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Fremdsprachliches Lernen und Gestalten nach dem Storyline Approach in Schule und Hochschule

2019
978-3-8233-9303-0
Gunter Narr Verlag 
Doris Kocher

Der Storyline Approach ist ein Ansatz für integratives, projektorientiertes und fächerübergreifendes Lernen, der ursprünglich in Schottland entwickelt wurde und heute in über 40 Ländern praktiziert wird, und zwar in ganz unterschiedlichen Kontexten. Überraschenderweise liegen jedoch kaum Forschungsarbeiten zum Einsatz im Fremdsprachenunterricht vor. Kocher schließt diese Lücke. Sie befasst sich mit der Entwicklung von Storyline-Projekten für den Englischunterricht in der Sekundarstufe 1, die in verschiedenen Klassenstufen erprobt und im Hinblick auf Motivation und Lernerfolg beforscht wurden. Des Weiteren geht Sie der Frage nach, wie der Storyline Approach bestmöglich an Lehramtsstudierende vermittelt werden kann, um eine nachhaltige berufsbezogene Handlungskompetenz zum positiven Umgang mit heterogenen Lerngruppen zu erzielen. Das Seminarmodell wurde in mehreren Forschungszyklen untersucht und evaluiert.

Fremdsprachliches Lernen und Gestalten nach dem Storyline Approach in Schule und Hochschule Doris Kocher Fremdsprachliches Lernen und Gestalten nach dem Storyline Approach in Schule und Hochschule Theorie, Praxis, Forschung © 2019 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de CPI books GmbH, Leck ISSN 2367-3826 ISBN 978-3-8233-8303-1 (Print) ISBN 978-3-8233-9303-0 (ePDF) ISBN 978-3-8233-0169-1 (ePub) Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. www.fsc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC ® C083411 ® www.fsc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC ® C083411 ® 11 0 13 Teil A: 19 1 21 1.1 21 1.2 22 1.3 23 1.4 27 1.5 32 1.6 40 1.6.1 40 1.6.2 42 1.7 52 2 55 2.1 55 2.2 56 2.2.1 56 2.2.2 56 2.2.3 57 2.3 67 2.3.1 67 2.3.2 68 2.3.3 81 2.4 92 2.4.1 92 2.4.2 93 2.4.3 97 2.4.4 102 2.5 108 3 111 3.1 111 Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundlagen, Theorie und Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Ausgangslage: Kinder und Jugendliche in der Schule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der ewige Patient: Die Schule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wer hat, dem wird gegeben: Bildungs- und Lebenschancen . . . . . . . . . . . Heterogenität in Schule und Unterricht: Dilemma oder Chance? . . . . . . . Gewalt, Stress, Langeweile: Der Schulalltag? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lebenslanges Lernen: Welche Kompetenzen soll die Schule vermitteln? Lebenslanges Lernen: Lernen für das Leben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kompetenzen: Der Weg zum Ziel? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung und Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Weg ist das Ziel: Der Storyline Approach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklung und Verbreitung des Storyline Approach . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ursprünge und geschichtlicher Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verbreitung und Weiterentwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundlegende Prinzipien und Merkmale des Storyline Approach . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prinzipien: Das Storyline-Konzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Merkmale: Das Storyline-Klassenzimmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Storyline und Task-based Language Learning . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundzüge des Task-based Language Learning . . . . . . . . . . . . . . . . . Von der Theorie zur Praxis: TBL-framework und Storyline . . . . . . . Zum Stand der Aufgabenforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung und Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundlagen einer konstruktiv(istisch)en Lernkultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 113 3.2.1 113 3.2.2 116 3.2.3 118 3.2.4 120 3.2.5 121 3.2.6 124 3.3 125 3.3.1 127 3.3.2 133 3.3.3 138 3.4 144 3.5 156 3.6 161 4 163 4.1 163 4.2 164 4.2.1 164 4.2.2 165 4.2.3 166 4.3 169 4.3.1 169 4.3.2 171 4.3.3 176 4.3.4 184 4.3.5 189 4.4 200 4.4.1 200 4.4.2 202 4.4.3 204 4.4.4 206 4.4.5 207 4.4.6 208 4.4.7 209 4.4.8 210 4.4.9 212 213 215 216 216 Die Ursprünge des Konstruktivismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geistesgeschichtliche Einordnung des Konstruktivismus . . . . . . . . Jean Piagets genetische Erkenntnistheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lev S. Vygotskijs kulturhistorische Theorie des Menschen . . . . . . Systemtheoretische und kybernetische Grundlagen . . . . . . . . . . . . Gregory Batesons Unterschiede, die einen Unterschied ausmachen Die Kommunikationstheorie der Palo-Alto-Gruppe . . . . . . . . . . . . Neuere Varianten und Kernthesen des Konstruktivismus . . . . . . . . . . . . . Der Radikale Konstruktivismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Soziale Konstruktivismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenschau und Diskussion der Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . Von der Theorie zur Praxis oder vice versa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Storyline Approach und konstruktiv(istisch)es Lernen . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung und Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundlagen eines motivierenden Unterrichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Was ist Motivation? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Motivationsforschung: Probleme und neue Impulse . . . . . . . . . . . . Theorien zur Motivation beim Fremdsprachenlernen . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die sozial-psychologische Periode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die kognitiv-situierte Periode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die prozessorientierte Periode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die sozio-dynamische Periode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konsequenzen und Empfehlungen für die fremdsprachliche Praxis . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Motivationale Grundvoraussetzungen schaffen . . . . . . . . . . . . . . . . Erfolgserwartungen der Lernenden erhöhen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zielorientierung der Lernenden fördern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lernzielorientierung fördern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anregung und Freude beim Lernen vermitteln . . . . . . . . . . . . . . . . Präzise Zielsetzungen formulieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen stärken . . . . . . . . . . . . . . . . . Kooperation fördern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.10 Selbstbestimmtes Lernen fördern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.11 Strategien zur Selbstmotivation vermitteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.12 Konstruktive Attributionen fördern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.13 Motivationales Feedback geben und Zufriedenheit erhöhen . . . . . . 6 Inhalt 4.5 218 4.6 224 Teil B: 227 5 229 5.1 229 5.2 230 5.2.1 230 5.2.2 231 5.2.3 233 5.3 234 5.3.1 234 5.3.2 236 5.3.3 238 5.3.4 240 5.3.5 262 5.3.6 273 5.4 277 6 279 6.1 279 6.2 281 6.2.1 281 6.2.2 282 6.2.3 282 6.2.4 283 6.2.5 284 6.2.6 299 6.2.7 310 6.2.8 311 6.3 313 6.3.1 313 6.3.2 314 6.3.3 314 6.3.4 315 6.3.5 317 6.3.6 331 6.3.7 332 6.3.8 342 6.3.9 344 Der Storyline Approach und motivierendes Lernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung und Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Empirische Studie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erkenntnisinteresse und Untersuchungsdesign . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erkenntnisinteresse und Forschungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Forschungsfokus Klassenzimmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Forschungsfokus Hochschuldidaktik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untersuchungsdesign und Datengewinnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Untersuchungsdesign in schematischer Darstellung . . . . . . . Die Genese des theoretischen Sampling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Ebene der Datenerfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Auswertung und Interpretation der Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . Triangulation als Forschungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung und Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Forschungsfokus Klassenzimmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fallstudie 1: The Farm (Klasse 6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Institution und die Lerngruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Lehrkraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Storyline-Projekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Unterrichtsverlauf: Beobachtungen und Reflexion . . . . . . . . . Die schriftliche Befragung der Lernenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Abschlussgespräch mit der Lehrkraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fallstudie 2: Witches (Klasse 7) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Institution und die Lerngruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Lehrkraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Storyline-Projekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Unterrichtsverlauf: Beobachtungen und Reflexion . . . . . . . . . Das Abschlussgespräch mit der Klasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die schriftliche Befragung der Lernenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Abschlussgespräch mit der Lehrkraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Inhalt 6.4 346 6.4.1 346 6.4.2 347 6.4.3 347 6.4.4 347 6.4.5 350 6.4.6 358 6.4.7 371 6.4.8 372 6.5 375 6.5.1 375 6.5.2 376 6.5.3 377 6.5.4 378 6.5.5 380 6.5.6 392 6.5.7 407 6.5.8 407 6.6 410 6.6.1 410 6.6.2 411 6.6.3 411 6.6.4 412 6.6.5 412 6.6.6 431 6.6.7 445 6.6.8 447 6.7 449 6.7.1 449 6.7.2 451 6.7.3 452 6.7.4 452 6.7.5 455 6.7.6 473 6.7.7 482 6.7.8 483 6.7.9 485 6.7.10 486 7 489 7.1 489 7.2 491 Fallstudie 3: Kidnapped in Scotland (Klasse 7) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Institution und die Lerngruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Lehrkraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Storyline-Projekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Unterrichtsverlauf: Beobachtungen und Reflexion . . . . . . . . . Die schriftliche Befragung der Lernenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Abschlussgespräch mit der Lehrkraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fallstudie 4: Our Ideal School (Klasse 9) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Institution und die Lerngruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Lehrkraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Storyline-Projekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Unterrichtsverlauf: Beobachtungen und Reflexion . . . . . . . . . Die schriftliche Befragung der Lernenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Abschlussgespräch mit der Lehrkraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fallstudie 5: Our Ideal School (Klasse 10) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Institution und die Lerngruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Lehrkraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Storyline-Projekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Unterrichtsverlauf: Beobachtungen und Reflexion . . . . . . . . . Die schriftliche Befragung der Lernenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Abschlussgespräch mit der Lehrkraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fallstudie 6: Our Class (Klasse 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Institution und die Lerngruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Lehrkraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Storyline-Projekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Unterrichtsverlauf: Beobachtungen und Reflexion . . . . . . . . . Die schriftliche Befragung der Lernenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die schriftliche Befragung der Lehrkraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Abschlussgespräch mit der Lehrkraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Gespräch mit den Eltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Forschungsfokus Hochschuldidaktik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Seminarkonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Inhalt 7.3 499 7.3.1 499 7.3.2 500 7.3.3 501 7.3.4 509 7.3.5 524 7.3.6 525 7.4 527 7.4.1 527 7.4.2 527 7.4.3 529 7.4.4 538 7.4.5 547 7.4.6 563 7.4.7 564 7.5 565 7.5.1 565 7.5.2 566 7.5.3 567 7.5.4 578 7.5.5 588 7.5.6 606 7.5.7 608 Teil C: 611 8 613 8.1 613 8.2 614 8.2.1 614 8.2.2 615 8.2.3 618 8.2.4 619 8.2.5 619 8.2.6 619 Fallstudie 7: The Farm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Lerngruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Seminarverlauf: Beobachtungen und Reflexion . . . . . . . . . . . . Das Seminarergebnis: Projektdesign und Reflexion . . . . . . . . . . . . Weitere Kontakte: Mails and more . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fallstudie 8: Witches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Lerngruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Seminarverlauf: Beobachtungen und Reflexion . . . . . . . . . . . . Die schriftliche Befragung der Studierenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Seminarergebnis: Projektdesign und Reflexion . . . . . . . . . . . . Weitere Kontakte: Mails and more . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fallstudie 9: Witches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Lerngruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Seminarverlauf: Beobachtungen und Reflexion . . . . . . . . . . . . Die schriftliche Befragung der Studierenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Seminarergebnis: Projektdesign und Reflexion . . . . . . . . . . . . Weitere Kontakte: Mails and more . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bilanz und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenschau und Diskussion der zentralen Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Forschungsfokus Klassenzimmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Was motiviert Schülerinnen und Schüler in Storyline-Projekten? . Was lernen Schülerinnen und Schüler in Storyline-Projekten? . . . Kann Motivation trotz intensivem Sprachinput aufrechterhalten werden (Klasse 5)? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Was gefällt den Lernenden am normalen Englischunterricht besser (Klasse 6)? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wie beurteilen Lernende zwei Storyline-Projekte im Vergleich (Klasse 7)? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Inhalt 8.2.7 620 8.2.8 620 8.3 621 8.3.1 621 8.3.2 622 8.3.3 622 8.3.4 624 8.3.5 626 8.3.6 626 8.3.7 627 8.3.8 627 8.3.9 627 9 629 9.1 629 9.2 633 9.3 634 9.3.1 634 9.3.2 635 9.3.3 638 10 643 645 683 683 686 687 687 689 695 697 Gibt es Unterschiede bei der Durchführung eines Projekts (Klasse 9 und 10)? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wie beurteilen die Lernenden den Fries (Klasse 5, 9 und 10)? . . . . Forschungsfokus Hochschuldidaktik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wie wird eine motivierende und lernförderliche Atmosphäre geschaffen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Welche Aspekte bzw. Seminarelemente finden die Studierenden motivierend? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Welche Einsichten und Kompetenzen gewinnen die Studierenden im Seminar? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wie werden Studierende zu Reflexion und forschendem Fragen angeregt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wie können Theorie und Praxis gewinnbringend verbunden werden? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wie lernen Studierende eigene Storyline-Projekte zu konzipieren? Wie beurteilen die Studierenden das Seminarkonzept? . . . . . . . . . Wie kann eine nachhaltige berufsbezogene Handlungskompetenz im Umgang mit heterogenen Lerngruppen erzielt werden? . . . . . Schlussfolgerungen und Desiderate für die Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Forschungsfokus Klassenzimmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Forschungsfokus Hochschuldidaktik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grenzen und Restriktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Forschungsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Storyline Approach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang A: Fragebögen der Lernenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang B: Fragebögen der Studierenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang C: Transkriptionsregeln für die Verschriftung mündlicher Beiträge . . . Anhang D: Datenquellen und ihre Kurzbezeichnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang E: Kodierungskatalog und Kategoriensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tabellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Inhalt Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde 2017 als Dissertation an der Pädagogischen Hochschule Frei‐ burg eingereicht und im Mai 2018 verteidigt. Sie dokumentiert meine vielfältigen (Lern-)Er‐ fahrungen mit dem Storyline Approach in chronologischer Reihenfolge: von der ersten Be‐ gegnung und spontanen Begeisterung in den 1990er Jahren bis heute. Über mehrere Jahre hinweg an einer solchen Arbeit zu schreiben, ist bekanntlich nicht immer einfach und die Motivationskurve steigt und fällt aus nachvollziehbaren Gründen. Manchmal standen an‐ dere Ziele (z. B. gesundheitliche, familiäre oder berufliche) im Vordergrund, so dass ich meine Arbeit phasenweise für längere Zeit unterbrechen musste. Dennoch war die intrin‐ sische Motivation für das Thema, mitunter auch als Flow erlebbar, stets vorhanden und hat mich immer wieder angetrieben. Ich habe in vielerlei Hinsicht auch persönlich von dieser Arbeit profitiert. Dabei haben mich viele Menschen in unterschiedlichster Weise unterstützt und motiviert: durch Gespräche, Fragen oder auch (willkommene) Ablenkungen. Ich möchte mich an dieser Stelle zunächst ganz herzlich bei Prof. Dr. Matthias Hutz für die anregenden Gespräche und seine konstruktive Betreuung vor allem in der Endphase meiner Promotion bedanken. Auch danke ich Prof. Dr. Engelbert Thaler für die geduldige Begleitung und sein Interesse an meiner Forschungsarbeit. Sie beide haben mir viel Freiheit gelassen, um mich mit dem Thema intensiv auseinanderzusetzen. Dieses entgegenge‐ brachte Vertrauen weiß ich sehr zu schätzen. Prof. Dr. Thomas Raith danke ich für seine Unterstützung gegen Ende meiner Promotion. Mein besonderer Dank gilt meinem ehemaligen Kollegen Prof. Dr. Klaus-Dieter Fehse für die jahrelange konstruktive und inspirierende Zusammenarbeit in diversen Forschungs‐ projekten zum themen- und projektorientierten Fremdsprachenlernen und die zahlreichen gewinnbringenden Gespräche während der Erstellung der Dissertation, die er zunächst als Erstgutachter betreut hatte. Steve Bell danke ich für seine langjährige freundschaftliche Unterstützung. Durch ihn habe ich den Storyline Approach intensiv kennengelernt, weil er immer die passenden key questions stellte, die mich zum Weiterforschen und (lebenslangen) Lernen anregten. Glei‐ chermaßen danke ich Sallie Harkness, ebenfalls Mitglied des ehemaligen Staff Tutor Team in Glasgow, denn auch sie hatte stets ein offenes Ohr für meine Fragen und unterstützte mich nicht zuletzt durch ihre persönliche Wertschätzung meiner Arbeit. Zu Dank verpflichtet fühle ich mich auch allen Storyline friends im In- und Ausland, die mich im Rahmen des Golden Circle Seminar immer wieder inspiriert haben. Ebenso den Lehrkräften mit ihren Klassen, die mir (und den Studierenden) die Gelegenheit gaben bzw. geben, Storyline-Projekte auszuprobieren, und die durch ihre positive Rückmeldung zeigen, dass sich der Mehraufwand für projektorientierten Fremdsprachenunterricht in jeglicher Hinsicht lohnt. Auch den Studierenden aus den diversen Hauptseminaren zum projekt- und themen‐ orientierten Lernen und Lehren gebührt mein Dank. Sie haben mich durch ihren Enthusi‐ asmus immer wieder darin bestärkt, dass Storyline ein Modell ist, das nicht nur auf dem Papier schön klingt, sondern das vor allen Dingen auch realisierbar ist und dazu führt, das Fremdsprachenlernen und -lehren „sinn-voller“, motivierender und nachhaltiger zu ma‐ chen. Schließlich möchte ich mich auch bei meinen Eltern bedanken, die früh bemerkt haben, dass ich gerne lerne, und die mich auf ihre Weise darin unterstützt haben. Leider konnten sie die Vollendung dieser Arbeit nicht mehr erleben. Ihnen möchte ich diese Arbeit widmen. Last but not least danke ich Prof. Dr. Michael Legutke, der mich dazu ermuntert hat, über meine Erfahrungen mit dem Storyline-Konzept zu promovieren. Ohne seine Initiative hätte ich vermutlich nie den Mut gehabt, diesen Schritt zu gehen. Freiburg im Breisgau, im Dezember 2018 Doris Kocher 12 Vorwort 0 Einleitung Telling a story is by far the most effective way of getting through to audiences and if the content of a particular work is centred around a coherent and interesting storyline, even complex material can be made enjoyable and digestible (Dörnyei 2007, 278) Die Bezeichnungen der Jugendgeneration überschlagen sich heute förmlich und spiegeln den schnellen Wandel unserer Gesellschaft: Plakative Wortschöpfungen wie „Generation Google“, „Generation Facebook“, „Generation Smartphone“ „Generation Praktikum“, „Ge‐ neration Stress“, „Generation XXL“, „Generation Z“, „Generation Doof “ (Bonner/ Weiss 2008), „Generation beziehungsunfähig“ (Nast 2016), „Generation Porno“ (Gernert 2010), „Generation Ich“ (Keller 2015), „Generation ADHS“ (Kowitz 2013), „Generation Globalisie‐ rung“ (Gebhardt-Eßer 2013) oder „Generation Wodka“ (Siggelkow u. a. 2011) spuken durch die Medien, um die Herausforderungen der Gegenwart auf einige greifbare Merkmale zu reduzieren. Unbestritten ist, dass die heutigen Schülerinnen und Schüler in einem Umfeld auf‐ wachsen, das sich vor allem durch Unbeständigkeit, Leistungsanspruch, Pluralität und Komplexität auszeichnet, so dass man keineswegs - wie die obigen Generationenbezeich‐ nungen suggerieren - von einer homogenen Gruppe ausgehen kann, und es „sehr schwer geworden ist, sich ein Gesamtbild zu verschaffen“ (Bauer, Q. 2007, 6), denn die junge Ge‐ neration erweist sich als „hochgradig differentiell hinsichtlich ihrer Lebenslagen“ (Stein/ Stummbaum 2011, 218). Fakt ist, „die“ Jugend gibt es nicht (Anhorn 2010)! Die vielseitigen und vielschichtigen Veränderungen im Alltag der Jugendlichen, die sich in äußerst heterogenen Biographien, Kompetenzen und Bedürfnissen niederschlagen, stellen erhöhte und komplexe Anforderungen an die jungen Menschen - auch im Umgang miteinander. Sie wirken sich selbstverständlich auch auf die Schule aus. Darüber hinaus bewirkt die Informationsflut der Medien eine ständige Bewusstmachung der angeblich zu‐ nehmend schwierigen Lebenssituation auf den unterschiedlichsten Ebenen. Klafki (1996) spricht von den „epochaltypischen Schlüsselproblemen“ unserer Gegenwart, mit deren Be‐ wältigung sich die junge Generation, neben der Auseinandersetzung mit persönlichen Problemen und Herausforderungen in Familie, Schule und Freundeskreis, ständig konfron‐ tiert sieht - und dies vermutlich stärker als frühere Generationen: Es geht um die Frie‐ densfrage, die Umweltfrage, die gesellschaftlich produzierte Ungleichheit, Auswirkungen der neuen Kommunikations- und Informationsmedien sowie die Gestaltung zwischenmen‐ schlicher Beziehungen. Dazu kommen aktuell die Themen „Globalisierung“ und „Multi‐ kulturalität“. Folglich müssen die Schülerinnen und Schüler im Sinne des lebenslangen Lernens verstärkt auf eine schnelllebige und komplexe Gesellschaft und Berufswelt vor‐ bereitet werden, so dass sie ihre individuelle Zukunft flexibel, aktiv und reflektiert gestalten können. Das bedeutet aus meiner Sicht eine ganzheitliche Bildung, die eben nicht nur auf wirtschaftliche Nützlichkeit abzielt, sondern insbesondere auch die Selbstentfaltung des Menschen im Sinn hat. Es stellt sich hier die Frage, ob und inwiefern Schule und Unterricht der zunehmenden Heterogenität der Lernenden sowie der Komplexität und Schnelllebigkeit der Gesellschaft gerecht werden und die erforderlichen Kompetenzen vermitteln, um in der zukünftigen Gesellschaft und Berufswelt bestehen und diese zugleich kritisch reflektieren und mitge‐ stalten zu können bzw. wie diese Kompetenzen in Schule und Fremdsprachenunterricht erworben werden können. Eine zweite Frage lautet, wie angehende Lehrerinnen und Lehrer darauf vorbereitet werden können, mit den gegenwärtigen Herausforderungen und An‐ forderungen konstruktiv umzugehen. Und: „Welche Voraussetzungen unterschiedlichster Art muss ein Fremdsprachenlehrer erfüllen, wenn er dazu beitragen will, Lernwege zu erkennen, Lernbarrieren auszuräumen und Lernprozesse zu effektivieren und autonomer zu gestalten? “ (Königs 2013, 18). Problemstellung: Schule und Unterricht gelingen nur, wenn sie auf die Zielgruppe abgestimmt sind, wenn also die Lernenden mit ihren heterogenen Voraussetzungen und Bedürfnissen in der ge‐ samten Planung und Entwicklung von vornherein berücksichtigt und beteiligt werden. In der Theorie gehört diese Einsicht längst zum Allgemeingut, in der Praxis dagegen ist davon (zu) wenig zu spüren, denn noch immer bestimmen Frontalunterricht und Lehrwerke den Schulalltag in erheblichem Maße. Selbstbestimmtes, aktives, handlungsorientiertes, lernerzentriertes, aufgabenbasiertes, problemorientiertes, ganzheitliches, kooperatives und sinnerfülltes Lernen - das alles sind Begriffe (die Liste ließe sich noch fortsetzen), die in der Fachdidaktik teilweise schon seit mehreren Jahrzehnten thematisiert und diskutiert werden. Entsprechend „reiche“ Lern‐ umgebungen und Lernmaterialien sollen das Fremdsprachenlernen motivierend, effektiv und nachhaltig machen. So die Theorie. Wie aber sieht die Praxis aus? In den meisten Klassenzimmern (und vermutlich auch in den meisten Hörsälen der Universitäten) wird - so belegen diverse Studien - noch immer vorrangig via Frontalunterricht gelehrt, mit der (gut gemeinten) Absicht, möglichst schnell viel „Stoff “ zu „vermitteln“ (heute auch gerne in Form von komplexen PowerPoint- oder Smartboard-Präsentationen). Das Bild vom „Nürnberger Trichter“ ist also noch immer allgegenwärtig. Man gewinnt somit leicht den Eindruck, dass die vielfältigen Erkenntnisse aus der Fremdsprachenforschung und ihren diversen Bezugswissenschaften nicht ankommen bzw. ignoriert werden (vgl. auch Königs 2013, 18 f.). Wo liegt das Problem? Zu großen Teilen offenbar an der Umsetzung der Theorie (dekla‐ ratives Wissen) in die Praxis (prozedurales Wissen). Eine meiner Kernfragen lautet deshalb: Wie können Studierende angeleitet werden, das an der Hochschule erworbene Theorie‐ wissen in reflektiertes Handlungswissen umzusetzen? Und: Welche Konzepte und Ansätze bieten sich an, um die oben erwähnten buzzwords mit Leben zu erfüllen, damit diese nicht nur leere Worthülsen bleiben? Obwohl ich schon einige Jahre als Englischlehrerin in verschiedenen Institutionen ge‐ arbeitet hatte und auch als Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Pädagogischen Hoch‐ schule Freiburg tätig war, wurde mir nach einem Workshop mit Steve Bell, einem der founding fathers des Storyline Approach, im Oktober 1992 bewusst: Das ist die Antwort! Dieser Kurs hat meine berufliche Weiterentwicklung sehr geprägt und ich fragte mich: Wie 14 0 Einleitung kann man das Storyline-Modell, das ursprünglich für den muttersprachlichen Unterricht in der Grundschule konzipiert wurde, im Fremdsprachenunterricht der Sekundarstufe I ein‐ setzen? Und später: Was motiviert Schülerinnen und Schüler und was lernen sie in Story‐ line-Projekten? Sicher ist Storyline kein Allheil- oder Wundermittel, aber aus meiner Sicht ein guter Weg, um die oben genannten Desiderate mit Hilfe des integrativen Konzepts einzulösen. Die vorliegende Arbeit beschreibt also in gewisser Weise auch meine eigene Lernbio‐ graphie: von der Entwicklung und Implementierung des ersten Storyline-Projekts in einer sechsten Realschulklasse bis zum Einsatz des Storyline Approach an der Hochschule als logische Konsequenz meiner Schulerfahrungen. Ich hatte das große Glück, im Rahmen von verschiedenen Forschungsprojekten an der PH Freiburg, verbunden mit mehreren For‐ schungsaufenthalten in Glasgow und Aalborg (Dänemark), meine Erfahrungen und Kennt‐ nisse ständig zu erweitern und sie darüber hinaus auf Tagungen im In- und Ausland vor‐ zustellen und zu diskutieren - meaningful and purposeful learning im besten Sinne. Die insgesamt neun Fallstudien der hier vorgestellten Langzeitstudie bauen alle direkt aufeinander auf: Die sechs Untersuchungen an den Schulen basieren auf verschiedenen Storyline-Projekten, die auf Grund der positiven Erfahrungen fortlaufend weiterentwickelt und anschließend in unterschiedlichen Kontexten ausprobiert wurden. Auf diese Weise konnte ich mein Wissen und meine Kompetenzen im Hinblick auf den Storyline Approach erweitern, davon abgesehen erhöht sich durch die Verschiedenheit der Projekte und Ein‐ satzorte auch die Validität der Befunde. Nach Abschluss der sechs Pilotstudien stellte sich mir die Frage, wie ich meine vielsei‐ tigen Storyline-Erfahrungen in die Lehrerausbildung einbringen und sowohl Sachwissen als auch Handlungswissen, also know how und do how, gewinnbringend an Studierende des Faches Englisch vermitteln kann, um den Fremdsprachenunterricht für Lehrende und Ler‐ nende motivierender zu gestalten und möglichst viele Potenziale der heterogenen Lern‐ gruppen auszuschöpfen. Die drei aufgeführten Fallstudien, die anschließend an der Hoch‐ schule durchgeführt wurden, spiegeln diesen Prozess wider. Auch wenn die Fallstudien in den Realschulen inzwischen einige Zeit zurückliegen, haben die Ergebnisse meines Erachtens immer noch Gültigkeit, da es in der Zwischenzeit nur wenige curriculare, strukturelle und institutionelle Veränderungen in Bezug auf den Fremdsprachenunterricht an Realschulen gegeben hat: Zwar wurde 2004 und 2016 in Baden-Württemberg ein neuer Bildungsplan in Kraft gesetzt, allerdings wird in der Rhein‐ schiene das Fach Englisch nach wie vor erst in der Sekundarstufe unterrichtet und die (neue) Kompetenzorientierung entspricht ohnehin dem Grundgedanken des Storyline Approach. Auch Aspekte wie Stundentafel, Organisation des Unterrichts, Lehrwerkorientierung, Klas‐ sengröße, Ausstattung usw. haben sich seitdem nicht wesentlich verändert. Andere (all‐ mählich stattfindende) Prozesse im Bildungswesen, wie etwa die Einführung der Ganztags- oder der Gemeinschaftsschule, sind hier nicht von Relevanz. Im Übrigen wurden auch in jüngster Zeit immer wieder kleinere Untersuchungen mit oder von Studierenden durchge‐ führt, die meine Befunde aus den Pilotstudien unterstützen. Allerdings fanden diese unter gänzlich anderen Bedingungen statt, so dass sie hier nicht weiter berücksichtigt wurden. Ich habe mich also ganz bewusst für die Auswertung dieser sechs Pilotstudien entschieden, 15 0 Einleitung 1 Vgl. Literaturverzeichnis unter Fehse/ Kocher bzw. Kocher sowie Hinweise im Text. um eine nachvollziehbare Entwicklungslinie und transparente Verbindung von Schule und Hochschule/ Lehrerausbildung darstellen zu können. Der große Zeitraum, über den sich die Konzeption, Durchführung, Auswertung und Niederschrift dieser Untersuchungen hinzog, und die Bitten um Vorträge, Workshops und Artikel führten dazu, dass vorläufige Teilergebnisse mancher Schulstudien bereits veröf‐ fentlicht worden sind. 1 Die positiven Rückmeldungen auf diese Beiträge gaben mir stets wertvolle Anregungen und führten schließlich dazu, die vorliegenden Daten und Ergeb‐ nisse unter einem erheblich erweiterten Blickwinkel neu zu betrachten und zu bearbeiten, neue Fragestellungen zu entwickeln, neue Fallstudien zu konzipieren sowie den For‐ schungskontext erheblich zu erweitern. Darüber hinaus stellt die vorliegende Arbeit die einzelnen Befunde erstmals im Zusammenhang dar und bietet somit wesentlich differenz‐ iertere bzw. gänzlich neue Erkenntnisse. Gliederung der Arbeit: Die vorliegende Arbeit gliedert sich in drei Teile: Teil A (Grundlagen, Theorie und For‐ schungsstand: Kapitel 1-4), Teil B (Empirische Studie: Kapitel 5-7) und Teil C (Bilanz und Ausblick: Kapitel 8-10). Nachfolgend werden die einzelnen Kapitel kurz erläutert. Kapitel 1 beschäftigt sich mit den Bildungs- und Lebenschancen der heutigen Schüler‐ generation sowie der zunehmenden Heterogenität in Schule und Unterricht. Des Weiteren werden diverse Probleme des Schulalltags thematisiert (z. B. Unterrichtsstörungen, Moti‐ vationsverlust bei Lernenden, Burnout bei Lehrkräften), welche auch im Fremdsprachen‐ unterricht ernstzunehmende Lehr- und Lernbarrieren darstellen und für die bisher nur ansatzweise Lösungen vorliegen. Lebenslanges Lernen gilt mittlerweile als unabdingbares must. Die Frage ist, ob es in der Schule gefördert wird, welche Kompetenzen dafür erfor‐ derlich sind und wie diese in der Schule - also auch im Fremdsprachenunterricht - er‐ worben werden können. Kapitel 2 gibt einen Überblick über den Storyline Approach: Ursprünge, Weiterentwick‐ lungen und Verbreitung des Modells sowie Prinzipien, Merkmale und Beispiele. Des Wei‐ teren werden mögliche Zusammenhänge zum aufgabenbasierten Lernen dargestellt sowie einige Fragen aus der Aufgabenforschung erläutert. Dabei wird aufgezeigt, dass das Story‐ line-Modell eine Möglichkeit bietet, um den Ansprüchen von Theorie, Forschung und Bil‐ dungsplanung gerecht zu werden sowie die dort formulierten Desiderate in die Praxis um‐ zusetzen und somit die Lernenden nicht nur zum lebenslangen Lernen zu motivieren, sondern ihnen auch ihre individuellen Lernfortschritte bewusst zu machen. Kapitel 3 gibt einen Überblick über verschiedene konstruktivistische Strömungen und einige wichtige Vertreter und Vertreterinnen. Der historische Abriss veranschaulicht die Komplexität und Interdisziplinarität konstruktivistischen Denkens und versucht zugleich herauszuarbeiten, dass es „den“ Konstruktivismus nicht gibt, sondern verschiedene „Kon‐ struktivismen“ (Reich 2004, 33), die sich inhaltlich und graduell unterscheiden, was in der Vergangenheit (leider) oft übersehen wurde. Des Weiteren werden Bezüge zum Storyline Approach transparent gemacht und Prinzipien für eine konstruktivistisch geprägte Lern‐ umgebung abgeleitet. Lernen heißt, Wissen individuell und aktiv zu konstruieren. Dafür 16 0 Einleitung muss den Lernenden (nicht den Lehrenden) Gelegenheit gegeben werden, Fragen zu stellen, Lernwege zu erforschen, Prozesse zu reflektieren, Erfahrungen auszutauschen und ihr (Sprachen-)Lernen eigenverantwortlich zu organisieren. Kapitel 4 beschäftigt sich mit der Frage, was motivierender (Fremdsprachen-)Unterricht ist. Zunächst wird der Begriff „Motivation“ aus verschiedenen Perspektiven definiert. Da‐ nach werden verschiedene Ansätze aus der fremdsprachenspezifischen Motivationsfor‐ schung dargestellt. Es bietet sich an, hier ebenfalls chronologisch vorzugehen, um Ent‐ wicklungen und Einflüsse transparent zu machen. Im Anschluss werden Empfehlungen für einen motivierenden Fremdsprachenunterricht aufgeführt: Wie können strukturelle Ge‐ gebenheiten durch didaktisch-methodische Maßnahmen positiv beeinflusst werden? Auch in diesem Kapitel wird auf relevante Anknüpfungspunkte zum Storyline Approach hinge‐ wiesen. Kapitel 5 widmet sich meinem Erkenntnisinteresse und dem Untersuchungsdesign. Ziel ist es, größtmögliche Transparenz über Forschungsfragen, Vorgehensweisen und eventu‐ elle Problemstellungen im Hinblick auf die gewählte Methodik oder die spezifische Situa‐ tion vor Ort zu vermitteln. Dabei wird auch die Rolle der Forscherin kritisch reflektiert. Um dem komplexen Forschungsfeld in Schule und Hochschule möglichst gerecht zu werden, wurde der Mehr-Methoden-Ansatz (mixed methods research) gewählt. Durch die Triangu‐ lation von Methoden, Daten und Perspektiven wird versucht, den Untersuchungsgegen‐ stand aus verschiedenen Richtungen zu betrachten, um zu möglichst validen und reliablen Befunden zu gelangen. Als Forschungsmethode wählte ich die induktive Kategorienbil‐ dung, da zu Beginn meiner Studien keine Literatur und keine Forschungsergebnisse zu Storyline vorlagen, auf die ich mich hätte beziehen können. Kapitel 6 stellt sechs Fallstudien aus verschiedenen Unterrichtskontexten dar. Fünf sehr unterschiedliche Storyline-Projekte wurden in Klasse 5-10 (außer Klasse 8) an mehreren Realschulen ausprobiert und ausgewertet. In diesem Zusammenhang ergaben sich bereits erste Fragen, wie Studierende das komplexe Handlungswissen erwerben können, um Story‐ line-Projekte selbstständig zu entwickeln, durchzuführen und theoretisch begründen zu können. Kapitel 7 präsentiert drei Fallstudien, die mit Studierenden an der Pädagogischen Hoch‐ schule Freiburg durchgeführt wurden, denn Innovationen lassen sich nur mit entsprechend ausgebildeten Lehrkräften initiieren. Mit zeitlichem Abstand wurden drei Hauptseminare zum Storyline Approach im Englischunterricht ausgewertet, um der Frage nachzugehen, wie ein Kurs konzipiert sein sollte, damit Studierende nicht nur profundes Sachwissen, sondern auch flexibles Handlungswissen erwerben und beides reflektiert miteinander verbinden können. Kapitel 8 fasst die zentralen Ergebnisse aus Schule und Hochschule anhand der im Vor‐ feld formulierten Forschungsfragen komprimiert und vergleichend zusammen. Kapitel 9 präsentiert die aus meinen Befunden abgeleiteten Schlussfolgerungen für den Fremdsprachenunterricht und die Hochschuldidaktik und versucht einen Bogen zur Theorie aus den vorherigen Kapiteln zu schlagen. Des Weiteren werden einige Desiderate für die Praxis formuliert. Abschließend werden einige Restriktionen im Hinblick auf meine Forschungsarbeit sowie die Umsetzung von Storyline im Fremdsprachenunterricht reflek‐ tiert. 17 0 Einleitung Kapitel 10 gibt einige Impulse für zukünftige Projekte, Vorhaben und Untersuchungen. Ich möchte an dieser Stelle mit Steve Bells klugen Worten schließen: “Good teaching is about the quality of the partnership between the teacher and the learner. Their relationship is the key to success! (...) Teachers who take pride in their professionalism do so by feeling secure in their own philosophy of teaching. Teaching should be more than the passing out of books“ (Bell 2001, 5). Wie dies realisiert werden kann, soll diese Arbeit zeigen. 18 0 Einleitung Teil A: Grundlagen, Theorie und Forschungsstand 1 Die Ausgangslage: Kinder und Jugendliche in der Schule 1.1 Einleitung All the flowers of tomorrow are in the seeds of today (Chinesisches Sprichwort) Die Entwicklung der heutigen Gesellschaft zur so genannten und vielseitig propagierten „Wissensgesellschaft“ verlangt von jedem Individuum die Bereitschaft und Fähigkeit zum lebenslangen Lernen und damit verbundene Kompetenzen, um sich dem schnellen Wandel der Gesellschaft und auch des Arbeitsmarktes anpassen zu können. Entsprechend nüchtern und sachlich klingt der Bericht über ein einschlägiges OECD-Projekt: Der beschleunigte Wandel aller Lebensbereiche, insbesondere der Berufstätigkeit, hat weitrei‐ chende Konsequenzen für die Lernerfordernisse und die Lernbereitschaft der Menschen. Nur mit kontinuierlicher Weiterbildung ist der Strukturwandel zu bewältigen und Innovationsfähigkeit zu sichern; sie befähigt die Individuen, sich auf dem Arbeitsmarkt zu behaupten und die Gesellschaft mitzugestalten. Das ständige Weiterlernen vollzieht sich in einem kontinuierlichen Prozess der Aneignung von Qualifikationen und der Entwicklung von Kompetenzen. Solches - lebenslanges - Lernen ist von den Individuen eigenverantwortlich zu planen und zu steuern. Dies allerdings setzt Qualifikationssysteme voraus, die sie darauf vorbereiten und darin unterstützen (Bundesin‐ stitut für Berufsbildung, Hrsg. 2004, 77). Erfüllen unsere Schulen diese Forderungen? Werden sie den mannigfaltigen Ansprüchen der Individuen sowie der Gesellschaft gerecht? Gewährleisten sie gleiche Bildungs- und Lebenschancen für alle? Berücksichtigen sie die heterogenen Voraussetzungen und indi‐ viduellen Bedürfnisse der einzelnen Lernenden? Motivieren und bereiten sie die jungen Menschen auf ein lebenslanges Lernen vor, damit diese mit Optimismus in die Zukunft blicken können? Welche Kompetenzen sind dafür konkret erforderlich? Inwiefern berück‐ sichtigt der Fremdsprachenunterricht die diversen Ansprüche? Bildung gilt bekanntlich als Motor des Wachstums und als Garant für soziale Gerech‐ tigkeit und somit als wichtigste Investition in die Zukunft. Es stellt sich hier die grund‐ sätzliche Frage, ob und inwiefern die Schule diesen hehren Anspruch einlösen kann: Werden alle Schülerinnen und Schüler entsprechend gefordert und gefördert, so dass ihre individuellen Potenziale erkannt und voll ausgeschöpft werden? Auf den folgenden Seiten werden zu den Themen „Bildungschancen“ und „Heteroge‐ nität“ ausgewählte Ergebnisse aus der empirischen Bildungsforschung vorgestellt und kri‐ tisch kommentiert sowie einige relevante Kernpunkte und Fragen zu Anspruch und Auf‐ gabe der Schule zusammengetragen und mit der derzeitigen Schulbzw. Unterrichtssituation in Beziehung gesetzt, um später konkrete Forderungen ableiten zu können, wie Unterricht in heterogenen Klassen (besser) gelingen kann. Des Weiteren werden diverse Kompetenzen aufgeführt, die in einer zunehmend komplexer werdenden Welt und schnell‐ lebigen Gesellschaft lebenslanges Lernen ermöglichen und fördern sollen. Zwar werden hier zunächst vermehrt Aspekte und Faktoren berücksichtigt, die Schule als Ganzes be‐ 1 Vgl. dazu auch Gudjons (2012, 78 ff.), wo die Geschichte der Pädagogik dargestellt wird. 2 Aus einem Interview über Disziplin und Erziehungskunst („Die Schule ist zu verkopft“. In: Badische Zeitung, 05.05.2007, 2). treffen, Schwerpunkt der Überlegungen und Ausführungen wird allerdings immer der Bezug zum Fremdsprachenunterricht und/ oder zur Sekundarstufe I sein. 1.2 Der ewige Patient: Die Schule We don’t need no education (Pink Floyd) Dem deutschen Schulsystem geht es laut öffentlicher Meinung angeblich wie den Jugend‐ lichen: ein ewiger Problemfall! Es vergeht kein Tag, an dem man nicht mit Medienberichten konfrontiert wird, in denen mit wenig schmeichelhaften Worten die Schieflage des deut‐ schen Bildungssystems dargestellt wird. Parallel zu den in den Boulevardblättern eher emotional geführten Diskussionen um Bildung und Erziehung nehmen Publikationen und Streitschriften, in denen einerseits wenig konstruktiv auf den altbekannten Schwachstellen herumgeritten wird und andererseits unzählige Reformvorschläge unterbreitet werden, zu, so dass es schwer fällt, den Überblick zu bewahren. Ewige Kritiker und selbst ernannte Reformer publizieren ohne Unterlass, erneuern die alten Buchtitel oder veranlassen Nach‐ drucke von früheren Exemplaren, ohne sich immer bewusst darüber zu sein, dass sich manches verändert hat und vieles bereits gut läuft. Aber eben nicht alles, und es bleiben zweifellos noch einige gravierende Dinge zu überdenken und den neuen Gegebenheiten anzupassen. Andererseits ist Kritik am Schulwesen keine Neuerscheinung, denn seit der Antike stellt man sich die Frage, was, wie und weshalb gelernt bzw. gelehrt werden soll. 1 Obwohl Leh‐ rerinnen und Lehrer in Deutschland heute gut (und im internationalen Vergleich sogar überdurchschnittlich gut) verdienen (Kluge 2003, 187; Pommerin-Götze 2005, 153), möchte seltsamerweise kaum jemand mit ihnen tauschen. Fairerweise sollte man sich deshalb selbstkritisch die folgenden Fragen stellen: Werfen wir nicht allzu schnell der Schule Ver‐ sagen vor statt der Gesellschaft (oder gar uns selbst)? Sind Lehrerinnen und Lehrer nicht oft willkommene Sündenböcke für Fehlentscheidungen bzw. fehlende Entscheidungen und mangelnde Unterstützung von Seiten der Eltern, der Politik und der Gesellschaft? Richard Münchmeier, Berliner Sozialpädagoge, resümiert in einem Interview bezüglich Ausländerfeindlichkeit, dass viele Probleme, die wir an der Jugend studieren, Probleme unserer Gesellschaft sind: „Politische Bildung allein wird das Problem nicht lösen. Was wir brauchen, sind Lehrstellen und Arbeitsplätze - oder zumindest Perspektiven, die dahin führen“ (Pieper 2000, 38). Joachim Bauer, Arzt und Psychotherapeut an der Universitäts‐ klinik Freiburg, vertritt eine ähnliche Meinung: „Die Probleme, die sich in der Schule zeigen, haben nicht nur mit der Schule selbst zu tun. Wir lassen Kinder heute in einem Land auf‐ wachsen, das - so erleben es jedenfalls viele Jugendliche - außer Geldverdienen, Geldaus‐ geben und Medienkonsum kaum noch sinnstiftende Tätigkeiten oder Lebensziele kennt“. 2 Die Schulkritik macht selbstverständlich auch vor dem Fremdsprachenunterricht nicht Halt, und bereits im Jahr 1882 forderte Viëtor, dass der Sprachunterricht umkehren müsse 22 1 Die Ausgangslage: Kinder und Jugendliche in der Schule 3 PISA steht für das im Auftrag der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) erstellte Programme for International Student Assessment, das alle drei Jahre durchgeführt wird. In PISA I (2000) wurden weltweit über 180.000 15-jährige Schülerinnen und Schüler aus 32 Ländern untersucht, in Deutschland waren über 5.000 Lernende aus ca. 220 Schulen involviert. Die Nachfolgestudien PISA II (2003) und III (2006) waren ähnlich aufwändig angelegt, hatten allerdings jeweils andere Unter‐ suchungsschwerpunkte (Sacher 2005, 22). Vgl. dazu auch Deutsches PISA-Konsortium (Hrsg.) (2001) und PISA-Konsortium Deutschland (Hrsg.) (2004; 2007); nachfolgend jeweils: PISA. 4 Vgl. dazu auch die zum Teil kritischen Beiträge zu den PISA-Studien in Köller u. a. (2016). (Viëtor 1984). Beim Lesen von Viëtors Streitschrift stellt man mit Erstaunen fest, dass manche seiner Kritikpunkte auch heute noch genauso aktuell sind und im Rahmen von fachdidaktischen Publikationen oder Fachtagungen noch immer diskutiert werden. Über Schule muss also mit Sicherheit nachgedacht werden, aber mehr kritisch-konst‐ ruktiv statt emotional-destruktiv, denn unser Bildungssystem hat einige Schwächen, das wissen wir nicht erst seit PISA 3 . Und: Trotz diverser Reformbemühungen (z. B. Gemein‐ schaftsschulen, Ganztagsschulen usw.) sollten Hatties (2009) Befunde aus der deutschen und internationalen Schulforschung im Blick bleiben: „Unterrichtsmerkmale sind für Schul‐ leistungen deutlich erklärungsmächtiger als Schulmerkmale“ (Köller 2012, 72). 1.3 Wer hat, dem wird gegeben: Bildungs- und Lebenschancen Gute Bildung darf etwas kosten (Klippert 2010, 292) Egal, wie man zu Vorgehensweise und Aussagen der diversen OECD-Studien stehen mag, das wirklich Gute an den PISA-Studien ist, dass sie - nach dem ersten Schock - sowohl in der Öffentlichkeit als auch in Fachkreisen eine breite Diskussion über unsere Bildungsein‐ richtungen angestoßen und geradezu ein „publizistisches Trommelfeuer“ (Kluge 2003, 74) entfacht haben: 4 Als im Dezember 2001 die für Deutschland unerfreulichen Ergebnisse der OECD-Studie PISA zeigten, dass es nicht nur um die Erziehung, sondern auch um die Bildung in Deutschland schlecht bestellt sei, wurde das Diskussionsfeld erweitert. Die neue deutsche Bildungskatastrophe erregte die Gemüter der Bevölkerung. In den Ursachenzuschreibungen, die nach dem ‚PISA-Schock‘ auf vielen Ebenen eingesetzt haben, geraten neben der unzureichenden Bildungspolitik und unzu‐ länglicher individueller schulischer Förderung auch schwierige familiäre und soziale Hintergründe der Kinder sowie mangelnde Erziehungskompetenzen der Eltern ins Blickfeld der Diskussionen (Tschöpe-Scheffler 2007, 11). Nach der schmerzhaften Feststellung im Jahr 2000, dass Deutschland im internationalen Vergleich von 32 Ländern nur auf Rang 20 bzw. 21 gelandet war, somit zu den „Verlierern im globalen Bildungswettbewerb“ (Kluge 2003, 74 f.) zählte und insbesondere in Lesekom‐ petenz, Naturwissenschaften und Mathematik schlecht abgeschnitten hatte, dazu offen‐ sichtlich auch die meisten „Bildungsverlierer“ (Ebd., 75) unter den Industriestaaten her‐ vorbringt, stellte sich alsbald der Nutzen der öffentlichen Blamage durch PISA 2000 ein: Wettbewerb. Dieser hat bewirkt, dass zwischenzeitlich zahlreiche Ressourcen sowohl in finanzieller als auch immaterieller Form freigelegt und umgesetzt wurden, so dass Deutsch‐ 23 1.3 Wer hat, dem wird gegeben: Bildungs- und Lebenschancen 5 Laut Bildungsbericht 2008 ist der Anteil der Bildungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt von 6,9% (1995) auf 6,3% (2005) und 6,2% (2006) gesunken (ABB, Hrsg. 2008, 18). 6 Vgl. dazu z. B. Geißler (1994; 2011), wo Ursachen und Folgen der Bildungsexpansion dargestellt werden. 7 Mittlerweile hat sich die hitzige Diskussion um die PISA-Studien beruhigt. 2009 begann der zweite Erhebungszyklus mit folgenden Schwerpunkten: Lesekompetenz (2009), Mathematik (2012) und Na‐ turwissenschaften (2015). Für einen Überblick zu 15 Jahren PISA vgl. z. B. Klein (2016). 8 Vgl. dazu auch Pommerin-Götze (2005); vgl. auch PISA (Hrsg.) (2007) zu den im Rahmen von PISA 2006 erhobenen Daten bezüglich Kompetenzen und Interesse im Bereich der Naturwissenschaften. land bei PISA 2006 besser abschnitt und dieser Trend offenbar anhält. Das ist erfreulich - aber noch nicht genug! Studiert man nämlich den nationalen Bildungsbericht 2008, der offenlegt, dass im Jahr 2006 zwar fast 15 Milliarden Euro mehr für Bildung ausgegeben wurden, jedoch der „Anteil der Bildungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt rückläufig ist“ (Autorengruppe Bildungsberichterstattung, Hrsg. 2008, 18; nachfolgend: ABB) 5 und im in‐ ternationalen Vergleich sogar unter dem OECD-Durchschnitt liegt, dann wird klar: Es muss noch mehr investiert werden, sowohl in konzeptioneller als auch finanzieller Art. Dass sich Investitionen lohnen, wurde mittlerweile erkannt, denn durch diverse Son‐ derprogramme „sind die Bildungsausgaben überproportional gestiegen“ (ABB, Hrsg. 2012, 6). Im Jahr 2010 wurden insgesamt 172,3 Milliarden Euro für Bildung ausgegeben: „der Anteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP) nahm - bei einem um 3,9 gestiegenen BIP - von 6,9 auf 7 % zu“ (Ebd.). Ob das Bildungsbudget in den letzten Jahren tatsächlich stark gestiegen ist, lässt sich schwer einschätzen, denn auch im 5. Bildungsbericht wurde für 2012 zwar eine „weitere Steigerung der Bildungsausgaben“ dokumentiert, allerdings (erneut) mit dem Hinweis: „aber Anteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP) leicht rückläufig“ (ABB, Hrsg. 2014, 5). Die PISA-Befunde aus den Jahren 2000 (PISA, Hrsg. 2001), 2003 (PISA, Hrsg. 2004) und auch 2006 (PISA, Hrsg. 2007), auf die ich im Einzelnen nicht näher eingehen kann, bestä‐ tigten im Grunde genommen das, was schon durch zahlreiche frühere Untersuchungen 6 in Deutschland belegt und beklagt worden ist, nämlich einen großen Zusammenhang zwi‐ schen sozialer Herkunft bzw. Bildungsnähe des Elternhauses und schulischer Leistungsfä‐ higkeit der Kinder. Sie zeigten deutlich, „dass das deutsche Schulwesen in besonderer Weise sozial selektiv wirkt und somit nicht nur die Begabungsreserven einer Gesellschaft nur unzureichend ausgeschöpft werden, sondern zudem soziale Ungerechtigkeit produziert wird“ (Frederking u. a. 2005, 7). Diese Feststellung war im Prinzip nichts Neues, doch „PISA machte die Misere zum Medienereignis“ (Kluge 2003, 74) und zeigte die Wirkung eines mittleren Erdbebens. 7 Oft wurde in diesem Zusammenhang kritisiert, dass die multikulturelle Randgruppe für den Gesichtsverlust Deutschlands verantwortlich sei. Allerdings handelt es sich in diesem Fall um eine sehr verengte Sichtweise: „Das deutsche PISA-Leistungsdefizit ist sicherlich zu einem Teil ein Migrantenproblem. Aber es sind weniger der Migrantenstatus als solcher, sondern eher die verwendete Sprache und die Sprachkompetenz, welche sich auf die Leis‐ tungen auswirken“ (Sacher 2005, 49). 8 Eine schlechte sprachliche und kommunikative Kompetenz wirkt sich natürlich auch auf die Leistungen in den Sachfächern aus, wo ver‐ mehrt divergentes Denken oder Problemlösestrategien zum Einsatz kommen, denn jedes Lernen und jede Wissenskonstruktion ist bekanntlich (auch) sprachbasiert. 24 1 Die Ausgangslage: Kinder und Jugendliche in der Schule 9 Für weitere Details zu Kindern mit Migrationshintergrund vgl. Stein/ Stummbaum 2011, 213 ff.. 10 Die Studie „Deutsch Englisch Schülerleistungen International“ (DESI) wurde erstmals im September/ Oktober 2003 und im Mai/ Juni 2004 an einer Stichprobe von ca. 11.000 Lernenden der 9. Klassen unterschiedlicher Schulformen in Deutschland durchgeführt (DESI, Hrsg. 2008). Sie untersucht die sprachlichen Kompetenzen der Lernenden sowie die Qualität der Unterrichtspraxis in den Fächern Deutsch und Englisch. Die Testentwicklung wurde eng an die Bildungsstandards bzw. Lehrplanin‐ halte der Bundesländer angelegt (Klieme 2006). Somit ist die DESI-Studie laut Klieme (2006) nicht direkt vergleichbar mit der PISA-Studie der OECD, deren Ziel der internationale Vergleich von Schü‐ lerleistungen ist (bisher allerdings noch nicht explizit in den Fremdsprachen realisiert). Auffallend sind nicht nur die zum Teil uneindeutigen Formulierungen, sondern auch gelegentliche Diskre‐ panzen zwischen Angaben der Lehrkräfte und der Lernenden, beispielsweise zum Umgang mit Feh‐ lern oder Hausaufgaben (Helmke u. a. 2008a, 374 ff.). Aus diesem Grund sind manche Aussagen mit Vorsicht zu genießen. Vgl. dazu auch Schröder (2005). Verleugnet werden darf hier jedoch nicht, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund auf Grund der äußerst schlechten Leseleistungen auch im Jahr 2003 (PISA II) als „Risiko‐ gruppe“ (Pommerin-Götze 2005, 144) eingestuft wurden, was nicht nur deren Bildungs‐ chancen, sondern auch deren Ausbildungs- und Berufschancen verringert und auch hin‐ sichtlich einer Integration in die Gesellschaft nicht förderlich ist (PISA, Hrsg. 2004, 265). Dies wird auch im Bildungsbericht 2008 bestätigt: „Migrationshintergrund führt in allen Stufen des Bildungssystems zu Benachteiligungen“ (ABB, Hrsg. 2008, 17). Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund erhalten seltener eine Empfehlung für Realschule oder Gymnasium, und „gelangen sie auf höhere Schulen, haben sie größere Schwierigkeiten, sich dort zu halten“ (Stein/ Stummbaum 2011, 207). Sie besuchen nicht nur seltener ein Gymna‐ sium oder eine Hochschule, sondern verlassen auch doppelt so häufig die Schule, „ohne zumindest den Hauptschulabschluss zu erreichen“ (ABB, Hrsg. 2008, 17). Während die Bil‐ dungsbeteiligung in Deutschland kontinuierlich gestiegen ist, stagniert sie bei Personen mit Migrationshintergrund (Stein/ Stummbaum 2011, 207). Auch der Bildungsbericht 2012 attestiert, dass über 19 % der 15-Jährigen nicht richtig lesen und Texte verstehen können. Jugendliche mit Migrationshintergrund und diejenigen mit einem niedrigen sozio-ökonomischen Status sind dabei „überdurchschnittlich häufig vertreten“ (ABB, Hrsg. 2012, 9). Eine frühe Sprachförderung für Kinder mit nicht deutscher Familiensprache wird deshalb noch immer dringend empfohlen (Ebd.; Stein/ Stummbaum 2011, 216). 9 Im Übrigen hat die DESI-Studie 10 (DESI-Konsortium, Hrsg. 2008; nachfolgend: DESI) gezeigt, dass auch die Lesekompetenz im Fremdsprachenunterricht gefördert werden muss (Eisenmann 2012, 90). Die „Ausschöpfung der Begabungsreserven“ (Altrichter/ Hauser 2007, 5) scheint heute wieder eine Renaissance zu erleben, aber nicht allein aus ethischen, moralischen oder sozialen Gründen, sondern schlicht und ergreifend aus demographischen und den damit verbundenen finanziellen Sorgen, denn es geht um die Sicherung der zukünftigen Renten‐ zahlungen und unseren Wohlstand, die im Zuge des globalisierten Wettbewerbs und der schrumpfenden Schülerpopulation gefährdet sind. Ähnliche Befürchtungen hatte man üb‐ rigens bereits Mitte des letzten Jahrhunderts. Der „PISA-Schock“ kann quasi als Nachfolger des früheren „Sputnik-Schocks“ betrachtet werden, denn in der unmittelbaren Nachkriegs‐ zeit und in den 1950er Jahren war offensichtlich geworden, dass die Bildungsbeteiligung in Deutschland stark an die soziale Herkunft gebunden ist. Dieser Befund führte damals zu 25 1.3 Wer hat, dem wird gegeben: Bildungs- und Lebenschancen 11 Vgl. dazu auch Friebel (2008, 162 ff.). 12 Vgl. dazu z. B. ABB (Hrsg.) (2008; 2012; 2014) oder Shell (Hrsg.) (2006; 2010). diversen Reformmaßnahmen und setzte unter anderem eine breit angelegte Bildungsex‐ pansion in Bewegung, um eine angeblich drohende „Bildungskatastrophe“ (Picht 1964) aufzuhalten sowie wirtschaftliche und politische Nachteile zu vermeiden. Geißler (1994) beschreibt zwei Paradoxe der damals initiierten Bildungsexpansion: nämlich die Aufwer‐ tung (Upgrading) und gleichzeitige Entwertung (Inflationierung) der Bildungsabschlüsse, was beim Wettbewerb um Arbeitsplätze und damit verbundene Lebenschancen eine „ver‐ tikale Verdrängung“ (Geißler 2011, 281, im Original Fettdruck) zur Folge hatte. Die Bil‐ dungsexpansion verbesserte zwar im Sinne der „Umschichtung nach oben“ (Ebd., 278, im Original Fettdruck) die Bildungschancen insgesamt, verstärkte aber gleichzeitig die soziale Ungleichheit auf dem Weg zu höheren Bildungsniveaus. 11 Der damals ersehnte „Fahrstuhl-Effekt“ ist also ausgeblieben, stattdessen ist die Kon‐ kurrenz um Lebenschancen über Bildungsabschlüsse für viele wesentlich länger und an‐ strengender geworden. Die letzten Shell Jugendstudien haben gezeigt, dass es bis heute nicht gelungen ist, „soziale Ungleichheit beruhend auf der Herkunft der Jugendlichen über die Schule auszugleichen. Vielmehr zementiert Schule mit ihrer Funktion der Zuweisung von Bildungskarrieren solche sozialen Unterschiede“ (Shell Deutschland Holding, Hrsg. 2010, 80; nachfolgend: Shell). Fest steht: Für den Statuserhalt kann der erworbene Bil‐ dungstitel nur „durch die Bereitschaft zum ‘Lebenslangen Lernen’ in seinem Wert erhalten werden“ (Ebd., 2010, 71). Erfreulicherweise profitieren von der Bildungsexpansion insbesondere immer mehr Mädchen und junge Frauen, die zumindest im Bereich der Schulbildung die Jungen sogar überholt haben. 12 Allerdings ist dieser Bildungsaufstieg „keine Garantie für ein Aufholen von Frauen im späteren Berufsleben“ (Shell, Hrsg. 2006, 68), denn nach wie vor existieren bei der Wahl von Studienfächern oder Ausbildungsberufen die altbekannten Rollenmuster und auch hinsichtlich der Erwerbsbeteiligung von Männern und Frauen existieren „erheb‐ liche Unterschiede“ (ABB, Hrsg. 2008, 17): Frauen sind zwar immer häufiger erwerbstätig, allerdings wegen der Kindererziehung vielfach nur in Teilzeit (ABB, Hrsg. 2012, 5). Außerdem werden Frauen trotz gleicher Qualifikationen auf dem Arbeitsmarkt noch immer „deutlich niedriger als Männer bezahlt“ (Shell, Hrsg. 2010, 74). Daran hat sich bis heute nichts geändert! Soziale Disparitäten im deutschen Bildungssystem entstehen primär bei den Übergangs‐ entscheidungen von der Grundschule in die Sekundarstufe (Baumert/ Köller 2005; Shell, Hrsg. 2010; 2015). Trotz vielfältiger Bemühungen in den vergangenen Jahren bestätigen diverse Studien, dass „in Deutschland die Koppelung zwischen sozialer Herkunft und Kom‐ petenz [noch immer] zu stark“ ist (PISA, Hrsg. 2007, 30) und dass diese hierzulande „nach wie vor stärker ausgeprägt ist als in anderen Staaten“ (ABB, Hrsg. 2008, 15). In der 16. Shell Jugendstudie wurde belegt, dass Deutschland unter den OECD-Ländern das Land ist, „in dem der schulische Erfolg am stärksten vom sozialen Status der Eltern abhängt“ (Shell, Hrsg. 2010, 72). Im Bildungsbericht 2014 wird moniert, dass „trotz leichter Verbesserung (...) weiterhin eine starke soziale Ungleichheit bei der Bildungsbeteiligung bestehen [bleibt]“ (ABB, Hrsg. 2014, 6). Dies wird auch in der 17. Shell Jugendstudie bestätigt (Shell, 26 1 Die Ausgangslage: Kinder und Jugendliche in der Schule 13 KMK-Bericht 2008: Bildung bleibt Deutschlands Sorgenkind. (Meldung vom 12.06.2008) 14 Vgl. auch Budde (2013, 15 f.) zu sozialen und kulturellen Konstruktionen von Differenz und Gleich‐ heit. 15 Vgl. auch Budde (2013, 10 ff.) zu verschiedenen Feldern des Heterogenitätsdiskurses. Hrsg. 2015, 66 ff.). Von einer Chancengleichheit sind wir also noch weit entfernt. Darüber hinaus wird das kognitive und motivationale Potenzial der Lernenden bedauerlicherweise „nur unzureichend ausgeschöpft“ (Stein/ Stummbaum 2011, 209). Nach Auswertung der PISA-Studie aus dem Jahr 2006 kam man zu dem vielsagenden Schluss, dass es sich offensichtlich auszahlt, „gründlich relevante Bedingungen zu unter‐ suchen und Neues zu wagen“ (PISA, Hrsg. 2007, 30). Die vorliegende Arbeit kann vielleicht einen Beitrag dazu leisten. Die diversen Befunde sollten allerdings Anlass sein, nicht nur die Bildungspolitik, sondern auch die Familien- und Sozialpolitik auf den Prüfstand zu stellen (Sacher 2005, 49), denn die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist noch immer ein Problem und wird durch ein Betreuungsgeld sicher nicht gelöst. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte nach der Veröffentlichung des nationalen Bildungsberichts im Juni 2008 die Bildungspolitik zur Chefsache erklärt und die „Bildungsrepublik Deutschland“ 13 ausge‐ rufen. Man darf also (weiterhin) gespannt sein! 1.4 Heterogenität in Schule und Unterricht: Dilemma oder Chance? Der Sinn von Freiheit ist ja schließlich Differenz (Winfried Kretschmann) In den vergangenen Jahren sind - maßgeblich initiiert durch die enttäuschenden Ergebnisse der PISA-Studien - eine Reihe an Publikationen zum Umgang mit Heterogenität in Schule und Unterricht erschienen, obwohl dieses Thema in der bildungspolitischen und schulpä‐ dagogischen Diskussion alles andere als neu ist, denn schon im ausgehenden 18. Jahrhun‐ dert beklagte Johann Friedrich Herbart (1776-1841), Verfasser der ersten Allgemeinen Pä‐ dagogik, „die Verschiedenheit der Köpfe“ als Hauptproblem des Unterrichts (Tillmann/ Wischer 2006, 44), wohingegen viele Ansätze aus der Reformpädagogik genau diese Ver‐ schiedenheit zu nutzen und zu fördern versuch(t)en. Dennoch hat in Deutschland die Aus‐ richtung des Unterrichts auf die „Mittelköpfe“ seit Ernst Christian Trapp (1745-1810) eine lange Tradition, und Lernende, „die in ihrem Entwicklungs- und Kenntnisstand außerhalb dieses Bereichs liegen, laufen Gefahr, zu ‘Problemfällen’ zu werden“ (Tillmann 2004, 7). Auch Wenning (2013) diskutiert die Frage, ob die zunehmende Thematisierung von He‐ terogenität „nur eine Mode ist [oder] ein Symptom für eine bestimmte Reaktionsform auf (gesellschaftliche) Abweichungen darstellt“ (Ebd., 128), und ob die festgestellte Heteroge‐ nität schon vorhanden oder in der Schule erst konstruiert bzw. produziert wird (Ebd., 134 ff.). Die Beiträge in Budde (Hrsg.) (2013) beschäftigen sich mit der (berechtigten) Frage der (Re-)Produktion von Heterogenität in der Schule. 14 Fakt ist, dass in Fachkreisen derzeit intensiv diskutiert wird, ob Heterogenität als Di‐ lemma und Lernhindernis oder als Chance und Bereicherung bewertet werden soll. 15 Auch Fragen hinsichtlich Chancengleichheit, individueller Förderung, Möglichkeiten der Bin‐ 27 1.4 Heterogenität in Schule und Unterricht: Dilemma oder Chance? 16 Vgl. dazu auch Boldt (2010) und Faulstich-Wieland (2010). 17 Vgl. dazu Fischer (2010) oder Solzbacher (2007). 18 Vgl. dazu z. B. Sturny-Bossart (2010). Für Forschung zu inklusiver Bildung vgl. Lichtblau u. a. (Hrsg.) (2014). 19 Vgl. dazu Wenning (2007; 2013), der verschiedene Bedeutungen des Begriffs „Heterogenität“ erläu‐ tert. 20 Vgl. dazu auch ABB (Hrsg.) (2008; 2014), Shell (Hrsg.) (2010; 2015) oder Stein/ Stummbaum (2011). 21 Die Zahl der Abschulungen ist allerdings sehr viel höher als die Zahl der Aufschulungen (ABB, Hrsg. 2008, 11; von Saldern 2007, 45). nendifferenzierung, Koedukation 16 , Hochbegabtenförderung 17 , Umgang mit Kindern aus Migrantenfamilien oder Möglichkeiten der Integration bzw. Inklusion von behinderten Kindern 18 tauchen in diesem Zusammenhang immer wieder auf. Meist bezieht man sich bei dem uneinheitlich verwendeten Begriff „Heterogenität“ allerdings auf kognitive bzw. ent‐ sprechende leistungsbezogene Unterschiede in einzelnen Fächern und blendet andere Merkmale weitgehend aus. 19 Doch wie heterogen bzw. homogen sind Lerngruppen im deutschen Schulsystem eigentlich? Obgleich in Deutschland Kinder und Jugendliche schon immer unterschiedliche Voraus‐ setzungen und Bedürfnisse in die Klassenzimmer mitgebracht haben und es diesbezüglich auch schon in der Vergangenheit Diskussionen in den Erziehungswissenschaften gab, er‐ staunt hier umso mehr, „dass das deutsche Schulsystem nach wie vor von der paradigma‐ tischen Idealvorstellung einer homogenen Gruppe, die ohne störende Einflüsse von innen und von außen im Lernen vorwärts kommen soll, bestimmt wird“ (Boller u. a. 2007, 12). Erschwerend kommt hinzu, dass vielfach noch immer von einem Schülerbild ausgegangen wird, „das längst nicht mehr allein der Wirklichkeit an unseren Schulen entspricht: deutsch‐ sprachig, mit christlichem Hintergrund, aus intakter Familie“ (Kluge 2003, 89). Divergenz wird als störend und somit negativ empfunden. Wenning (2013, 149) kritisiert zu Recht „einen, bewusst oder unbewusst, diskriminierenden Umgang mit Verschiedenheit“. Obwohl lange bekannt und oft belegt ist, dass die vergleichsweise frühe Auslese (track‐ ing) und Verteilung im hierarchisch gegliederten Schulsystem zahlreiche Probleme mit sich bringt, dominiert im Umgang mit Heterogenität noch immer die Strategie der äußeren Differenzierung nach Leistung, was jedoch zwangsläufig auch eine (inoffizielle) Selektion nach sozialen und ethnischen Merkmalen nach sich zieht (Tillmann/ Wischer 2006). 20 Somit fungiert die Schule hinsichtlich Lebenschancen nicht - wie grundsätzlich anzunehmen - als Türöffner im Sinne der Gleichberechtigung für alle, sondern reproduziert und verfestigt die bereits bestehenden gesellschaftlichen Ungleichheiten und Machtverhältnisse noch mehr. In der Tat wird in unserem gegenwärtigen Schulsystem mit unterschiedlichen organi‐ satorischen Maßnahmen wie Späteinschulungen, Verteilung auf die unterschiedlichen Schulformen, Sitzenbleiben oder Schulformwechsel 21 immer wieder versucht, durch Redu‐ zierung der Leistungsunterschiede Homogenität in Lerngruppen herzustellen, „dass eine Passung zwischen Lerngruppe und Lernangebot erreicht wird“ (Trautmann/ Wischer 2007, 44), allerdings ohne zu hinterfragen, ob dies überhaupt von Vorteil für die Lernenden ist. Hintergrund ist die Ansicht, dass sich Lernen in homogenen Gruppen besser organisieren lasse und somit „die Lehrkraft auch für alle den gleichen (frontalen) Unterricht machen“ kann (Tillmann/ Wischer 2006, 44). Andererseits erstaunt (übrigens auch die PISA-Autoren), 28 1 Die Ausgangslage: Kinder und Jugendliche in der Schule 22 Vgl. dazu auch von der Groeben (2011, 10 ff.). 23 Erstaunlich ist dieser Sachverhalt insofern, als in Deutschland bereits am Ende der Grundschule eine „Auslese“ stattfindet. In vielen Ländern gibt es weder Klassenwiederholung noch Abschulung. 24 Laut Bildungsbericht 2008 „wiederholen fast 4 % pro Jahr eine Klasse im Sekundarbereich I und verlassen 8 % die Schule ohne zumindest den Hauptschulabschluss erworben zu haben“ (ABB, Hrsg. 2008, 14). 2010 haben 6,5% der Jugendlichen die Schule ohne wenigstens einen Hauptschulabschluss verlassen, allerdings verfügt ein nicht unbedeutender Teil der Jugendlichen „nur über basale (Lese-) Kompetenzen“ (ABB, Hrsg. 2012, 9). 25 Vgl. dazu auch Klippert (2010, 47 ff.) oder z. B. auch Ratzki (2007), die im Rahmen des Comenius-Pro‐ jektes EU-Mail (European Mixed Ability and Individualised Learning) untersucht hat, wie an Schulen in Nordeuropa individualisierendes Lernen in heterogenen Gruppen gefördert wird. dass vor allem deutsche Lehrkräfte immer wieder über die „große Leistungsheterogenität in Sekundarschulen“ (Ebd., 45) und die damit verbundenen Belastungen klagen, obwohl der internationale Vergleich zeigt, dass es auf Grund der horizontalen Gliederung des deutschen Bildungswesens „kaum leistungshomogenere Sekundarschulen als in Deutschland“ gibt (Ebd.). Warum also empfinden gerade Lehrkräfte im hochselektiven Sekundarbereich He‐ terogenität als besondere Belastung (Wenning 2013, 130)? 22 Doch der Schein trügt, denn jede Schulform weist in sich eine große Leistungsstreuung auf, und auch die einzelnen Klassen des gegliederten Schulsystems sind in sich wiederum stark leistungsheterogen, so dass die Homogenität der Lerngruppe „eine Fiktion“ bleibt (Tillmann/ Wischer 2006, 45). Laut Sacher (2005, 44) ist das deutsche Schulsystem „offen‐ sichtlich nicht das Instrument“, um wirklich eine Homogenisierung der Lernenden herzu‐ stellen. Gerade auch durch die DESI-Studie (DESI, Hrsg. 2008) wurde im Fach Englisch eine große Leistungsheterogenität in allen Schularten bestätigt. Bedauerlich ist vor allem die Tatsache, dass diese institutionelle Fiktion viele Opfer fordert und auf dem Rücken der Schwächsten ausgetragen wird, denn circa ein Viertel aller Schülerinnen und Schüler bleibt bis zur 10. Klasse mindestens einmal sitzen (von Saldern 2007, 43). 23 „Problemfälle“ müssen eine Klasse wiederholen, die Schule wechseln oder diese sogar gänzlich ohne Abschluss verlassen, was weder aus lernbiographischen noch aus wirtschaftlichen Gründen vertretbar ist. 24 Untersuchungen belegen (und erklären auch die Ergebnisse der PISA-Studien): „Wir haben die homogensten Gruppen und zugleich die größte Leistungsspreizung, verbunden mit den negativsten Werten für soziale Koppelung (...): Im Umgang mit Heterogenität er‐ halten deutsche Schulen die Note mangelhaft“ (von der Groeben 2007, 6). Im Rahmen der Diskussionen um eine zukunftsfähige Bildungspolitik muss also dringend der Frage nach‐ gegangen werden, welche Vor- und Nachteile unser gegliedertes Schulsystem auszeichnen, denn offensichtlich ist es „historisch entstanden und wurde - soweit bekannt - niemals pädagogisch begründet“ (von Saldern 2007, 43). Darüber hinaus zeigt sich im Vergleich mit anderen Ländern, wo Kinder und Jugendliche mitunter bis zur 9. oder 10. Klasse in einer Einheitsschule gemeinsam lernen, dass die bewusste Homogenisierung von Lerngruppen eben nicht den gewünschten positiven Effekt zu haben scheint: „Ganz im Gegenteil scheint vielfach sogar eher eine bewusste Heterogenisierung von Lerngruppen einen besseren und klügeren Weg zum Erfolg darzustellen - insbesondere wenn es um Lernziele geht, die über die Ebene des reinen Wissenserwerbs hinausgehen“ (Ebd., 50). 25 29 1.4 Heterogenität in Schule und Unterricht: Dilemma oder Chance? 26 Für einen (kritischen) historischen Überblick zum Thema „Heterogenität in der Fremdsprachendi‐ daktik“ vgl. z. B. Trautmann (2010). Tillmann und Wischer (2006) sprechen sich nach Begutachtung der eher uneinheitlichen Forschungsbefunde für eine „begrenzt heterogene“ Zusammensetzung einer Lerngruppe aus (Ebd., 46), vorausgesetzt im Unterricht werden ausreichend binnendifferenzierende Maßnahmen genutzt. Sie warnen insbesondere „vor einer Homogenisierung am ‘unteren Ende’ des Schulsystems“ (Ebd., 44), denn gerade in Hauptschulklassen kommt es häufig zu einer verhältnismäßig hohen Konzentration von Verhaltens-, Lern- und Erziehungsprob‐ lemen, die ein Lernen - selbst für motivierte Schülerinnen und Schüler - oft sehr mühsam und mitunter sogar unmöglich machen. Die gegenwärtige Diskussion um die Gemein‐ schaftsschule ist zumindest ein Zeichen, dass diese Problematik wahr- und ernstgenommen wird. Neben den dringend erforderlichen „großen Entwürfen“ für eine situationsangepasste Schulentwicklung von „oben“ (Makroebene), geht es auch um eine innere Reform des Schulwesens von „unten“ (Mikroebene), die eine soziale, kulturelle, geschlechts-, alters-, interessen- und leistungsbezogene Heterogenität der Gesellschaft und somit auch der Lern‐ gruppe berücksichtigt, bejaht und für alle Beteiligten gewinnbringend nutzt. Ein sinnvoller Umgang mit Heterogenität bedeutet schlicht mehr als die bloße Vermittlung von diversen Methoden oder „Tipps und Tricks“, und ein paar zusätzliche Arbeitsblätter als Differen‐ zierungsmaßnahme reichen sicher nicht aus (Ratzki 2007). 26 Neben den bereits erwähnten Diversitäten existieren natürlich noch viele andere Un‐ terschiede, die tagtäglich auf das Schulleben und den (Fremdsprachen-)Unterricht ein‐ wirken: nicht nur der gesamte sozioökonomische und soziokulturelle Erfahrungshinter‐ grund, alters- und geschlechtsspezifische Besonderheiten, fachbezogene Kenntnisse und Vorerfahrungen, allgemeine Fähigkeiten und Begabungen, Persönlichkeitsmerkmale, Ar‐ beitshaltung, Arbeitstechniken, Arbeits- und Lerntempo (Altrichter/ Hauser 2007, 6), son‐ dern auch individuelle Stimmungen, tagesabhängiges körperliches und seelisches Befinden, Klassenatmosphäre und - nicht zu vergessen - die Motivation und Einstellung zu Schule und Fach (vgl. Kapitel 4). Der produktive Umgang mit heterogenen Lerngruppen stellt sehr komplexe und viel‐ fältige Anforderungen an das Lehrerhandeln, doch andererseits gelingen Lernen und Lehren erst, wenn Kinder und Jugendliche sich akzeptiert fühlen und einen Sinn darin sehen, warum sie sich im Klassenzimmer befinden. Einzelne Lehrkräfte gelangen mögli‐ cherweise schnell an ihre Grenzen, wenn sie unter den jetzigen Rahmenbedingungen und gängigen Vorstellungen von Unterricht als „Einzelkämpfer“ jedes Kind individuell fordern und fördern sowie individuell beraten und evaluieren sollen, dennoch bestehen - auch im jetzigen Schulsystem - vielfache Möglichkeiten, die real existierende Heterogenität der Lerngruppe als positive Herausforderung zu betrachten und zu nutzen, anstatt dagegen anzukämpfen. Lehrkräfte (und auch Lehramtsstudierende) müssen sich „von der Illusion der homogenen Lerngruppen verabschieden und Heterogenität als Normalität, als Berei‐ cherung und als Chance begreifen“ (Eisenmann/ Grimm 2012, II). Sie müssen im eigenen 30 1 Die Ausgangslage: Kinder und Jugendliche in der Schule 27 Für praktische Anregungen vgl. von der Groeben (2011) oder Klippert (2010). Für praktische Beispiele im Fremdsprachenunterricht vgl. z. B. Haß (2008) und Eisenmann (2012). 28 Zu Restriktionen und Selbstrestriktionen des deutschen Schulsystems vgl. von Saldern (2007). Interesse auch lernen loszulassen, denn Schüleraktivierung führt auch zu Lehrerentlas‐ tung. 27 Fazit: Wenn die Leistungen unseres Schulsystems und somit auch der Umgang mit He‐ terogenität nachhaltig verbessert werden sollen, dann müssen Überlegungen auf drei Ebenen stattfinden, um dem Ziel von gerechteren Bildungs- und Lebenschancen näher zu kommen: auf Schulsystemebene, auf Schulebene und auf Klassenebene (von Saldern 2007, 50). Auch Restriktionen und überkommene Traditionen müssen sowohl auf der Makro‐ ebene als auch der Mikroebene geklärt und kritisch diskutiert werden. 28 Letztendlich lässt sich die Vision von Schulen als „Treibhäuser der Zukunft“ (Bauer, J. 2007, 35) nur realisieren, wenn die Unterschiede innerhalb einer Lerngruppe genutzt und für alle fruchtbar gemacht werden. Lernen gelingt bekanntlich nur, wenn ein Bedürfnis vorhanden ist und Lernbe‐ dürfnisse entstehen nur, wenn Differenzen und Fragen auftauchen. Folglich sollte die Di‐ versität im Klassenzimmer als Lernanlass zum gegenseitigen Austausch und gemeinsamen Wachsen genutzt werden! Ob und inwiefern man in Zeiten zunehmender Homogenisierungsbestrebungen durch kultusministerielle Standardisierungsvorgaben, Kompetenzorientierung, Output-Orientie‐ rung und zentrale Kompetenzstandüberprüfungen der steigenden Heterogenität der Schü‐ lerschaft sowie der pädagogischen Forderung nach Individualisierung, Differenzierung und Lernerautonomie tatsächlich gerecht werden kann (Eisenmann/ Grimm 2012, I), bleibt al‐ lerdings fraglich. Aus meiner Sicht stellt jedoch der Storyline Approach nicht nur ein flexi‐ bles und fundiertes Konzept für vielfältige Differenzierungsmaßnahmen dar, ohne dabei Ausgrenzung zu generieren, sondern bietet darüber hinaus auch eine gute Möglichkeit, um eine Brücke zwischen Standardisierung und Differenzierung zu schlagen, da die Individu‐ alität der Lernenden anerkannt wird und zugleich vielfältige Kompetenzen erworben werden (vgl. Kapitel 2). In Teil B werde ich untersuchen, ob dies auch im fremdsprachlichen Klassenzimmer gelingen kann. Vermutlich wird Differenzierung „für lange Zeit eine der größten Herausforderungen“ bleiben (Eberle u. a. 2012, 31). Im Bereich der Fremdsprachen ist zudem noch mehr Schul‐ praxisbezogene Forschung vonnöten, um Konsequenzen für das professionelle Handeln von Lehrkräften ableiten zu können (Eisenmann 2012, 95). Zu Recht fordert Trautmann (2010, 62): „Insbesondere Lehrende mit ihren unterschiedlichen Überzeugungen und Kom‐ petenzen müssen zukünftig viel stärker in den Blick genommen werden, denn letztendlich sind es die Lehrkräfte, die die geforderten Innovationen umsetzen sollen“. Ob und inwiefern Storyline die Lehrkräfte darin unterstützen kann, die erforderlichen Kompetenzen zu er‐ werben, um mit der zunehmenden Heterogenität im Klassenzimmer konstruktiv umgehen zu können, sollen meine Fallstudien in Teil B zeigen. 31 1.4 Heterogenität in Schule und Unterricht: Dilemma oder Chance? 29 Vgl. dazu beispielsweise Fuchs u. a. (2005), Hurrelmann/ Bründel (2007) oder Melzer (Hrsg.) (2006), die ihre Analysen jeweils unter dem Titel „Gewalt an Schulen“ veröffentlicht haben. 30 Vgl. dazu u. a. auch Kunczik/ Zipfel (2006) zur Nachrichtenselektion und Kriminalitätsberichterstat‐ tung in den Medien, Lösel/ Bliesener (2003) oder Fuchs u. a. (2005) zu Pauschalisierungen in Bezug auf Art und Ausmaß von Gewalt an Schulen sowie auch die Erläuterungen in der Polizeilichen Kri‐ minalstatistik 2006 des Bundeskriminalamtes (nachfolgend: BKA) zu den einzelnen Deliktbereichen (BKA, Hrsg. 2006, 31). 31 Vgl. auch die Beiträge in Dollinger/ Schmidt-Semisch (Hrsg.) (2010). 32 Vgl. dazu auch die Ergebnisse der 15. Shell Jugendstudie: Von den rund 2.500 befragten Jugendlichen im Alter von 12 bis 25 Jahren waren in den letzten zwölf Monaten 22 % in gewaltsame Auseinan‐ dersetzungen verwickelt. Dabei handelte es sich bei 6 % der Jugendlichen insgesamt bzw. 12 % der Schülerinnen und Schüler um Schlägereien an Schulen (Shell, Hrsg. 2006, 141). In der 16. Studie waren 23 % der Befragten in gewaltsame Auseinandersetzungen verwickelt. 13 % der befragten Schülerinnen und Schüler waren in den letzten zwölf Monaten in Schlägereien an der Schule verwickelt (Shell, Hrsg. 2010, 163). 33 Zu Häufigkeiten, Ursachen und Entwicklungstendenzen von Gewalt in Schulen vgl. auch Oertel, Bilz und Melzer (Oertel u. a. 2015). 1.5 Gewalt, Stress, Langeweile: Der Schulalltag? Born to be wild (Steppenwolf) Horrormeldungen von schießenden, stechenden oder raufenden Jugendlichen attackieren uns fast täglich aus den unterschiedlichsten Quellen und erwecken den Anschein, dass viele (vor allem männliche) Schüler äußerst gewalttätig und kriminell sind. Studien und Publi‐ kationen zum Thema „Gewalt an Schulen“ 29 häufen sich, seit die Schulgewaltforschung in den 1990er Jahren intensiviert wurde (Fuchs u. a. 2005, 11). Die Thematisierung der Ju‐ gendkriminalität in den Massenmedien und den Pressemitteilungen der Polizei beeinflusst allerdings die Wahrnehmung von Delikthäufigkeiten. Laut Dollinger und Schmidt-Semisch (2010) ist beispielsweise die physische Gewaltanwendung gegen Personen in den Medien „deutlich überrepräsentiert“ (Ebd., 11). Trotz kritischer Stimmen aus Wissenschaft und Forschung werden diese Verzerrungen und Pauschalisierungen im Vergleich zu statistisch erhobenen Delikthäufigkeiten „massenmedial und politisch kaum ernst genommen“ (Ebd.). 30 Ohne die Problematik verharmlosen zu wollen: Laut Kriminalstatistik 2012 des Bundesministeriums des Innern (nachfolgend: BMI) ist beispielsweise die schwere Körper‐ verletzung Jugendlicher (14-18 Jahre) im Vergleich zu 2011 um 16,5% zurückgegangen (BMI, Hrsg. 2013, 11). 31 Nimmt man zudem Bezug auf die im Jahr 2005 vom Bundesverband der Unfallkassen durchgeführte Studie „Gewalt an Schulen“, dann kommt man zu dem Ergebnis, „dass die Zahl der meldepflichtigen Raufunfälle insbesondere in den letzten Jahren nicht angestiegen, sondern sogar rückläufig gewesen ist“ (Shell, Hrsg. 2006, 140), auch wenn die Anzahl der Schlägereien an Schulen von 2006 auf 2010 um 1 % leicht angestiegen ist (Shell, Hrsg. 2010, 162 ff.). 32 Somit wird deutlich, dass die öffentliche Meinung bezüglich der zunehmenden Aggression und Gewalt an Schulen irreführend ist, denn die Daten belegen, „dass Jugend‐ gewalt nach wie vor eher auf der Straße oder in anderen öffentlichen Räumen und nicht vorrangig in den Schulen ausgetragen wird“ (Shell, Hrsg. 2006, 140). Spektakuläre Amok‐ läufe sind nicht nur ungewöhnlich, sondern auch singulär (Hurrelmann/ Bründel 2007, 72). 33 32 1 Die Ausgangslage: Kinder und Jugendliche in der Schule 34 Vgl. dazu auch die im Rahmen der KiGGS-Studie durchgeführten Befragungen: „Insgesamt 82,5% der Mädchen (M) und 67,2% der Jungen ( J) waren in den letzten 12 Monaten nie an einer Gewalthandlung beteiligt. 19,6% ( J) und 9,9% (M) waren Täter, 5,2% ( J) und 3,9% (M) Opfer und 7,6% ( J) respektive 3,6% (M) Täter/ Opfer von Gewalthandlungen“ (Schlack/ Hölling 2007, 821). Auch wurden Risikogruppen identifiziert: Befragte mit niedrigem sozioökonomischem Status, Haupt- und Gesamtschüler sowie Jugendliche mit Migrationshintergrund, wobei die beiden zuletzt genannten Gruppen besonders häufig als Täter betroffen sind. 35 Zu verschiedenen Definitionen und Formen von Gewalt vgl. z. B. Essau/ Conradt (2004), Fuchs u. a. (2005), Hurrelmann/ Bründel (2007), Lösel/ Bliesener (2003), Melzer (Hrsg.) (2006) oder Melzer/ Schu‐ barth (2015). 36 Für Hintergründe zu Gewalt an Schulen auf Makro-, Meso- und Mikroebene vgl. Fuchs u. a. (2005). Eine Langzeitstudie (1994-2004), bei der in Bayern 4.523 Schülerinnen und Schüler be‐ fragt wurden, belegt, dass das Gewaltaufkommen vor allem bei den schwerwiegenden Ge‐ waltaktivitäten gesunken ist: „Die massenmedial vermittelte Vorstellung, wonach Gewalt an Schulen immer häufiger auftrete und immer brutaler werde, muss auf Basis unserer Daten zurückgewiesen werden“ (Fuchs u. a. 2005, 107). Nachgewiesen wurden im Rahmen der Studie dagegen Zusammenhänge zwischen Gewalt(formen) und Geschlecht sowie zwi‐ schen Gewaltaktivitäten und Bildungsniveau (Ebd., 108), die auch in Untersuchungen von Melzer (2006b, 20), Oertel u. a. (2015, 260 f.) sowie in der 15. und 16. Shell Jugendstudie (Shell, Hrsg. 2006, 142; 2010, 23 f. und 162 ff.) bestätigt werden. 34 Ferner gilt als gesichert, „dass ca. 3-5% der Schülerinnen und Schüler unter Mobbing leiden“ (Oertel u. a. 2015, 260). Hier muss die Schule reagieren! Antisoziale, aggressive und gewalttätige Verhaltensweisen haben sowohl erzieherische als auch gesellschaftliche Ursachen. Zwar kommt man bereits in der 15. Shell Jugendstudie zu dem Schluss, dass es keinen Grund gibt, „die Situation übermäßig zu dramatisieren“ (Shell, Hrsg. 2006, 22). Nichtsdestotrotz sind hier entsprechende Präventions- und Interak‐ tionsmaßnahmen erforderlich, beispielsweise auch durch Unterrichtsformen, die die He‐ terogenität der Lerngruppe berücksichtigen und das soziale Lernen fördern. Wolfgang Melzer (2006b), Professor für Schulpädagogik und Leiter der Forschungsgruppe Schuleva‐ luation an der TU Dresden, fordert, „alte - aber nicht veraltete - reformpädagogische For‐ derungen nach ganzheitlicher Bildung (...) endlich in Angriff zu nehmen“ (Ebd., 19 f.) und somit „den Leistungs- und den Sozialgedanken im Kontext der schulischen Lebenswelt miteinander zu versöhnen“ (Ebd., 23). Gewaltprophylaxe hat auch viel mit Eigenverant‐ wortung zu tun. Wie sich später zeigen wird, sind die genannten Aspekte Kernprinzipien des Storyline-Modells, welches somit gute Dienste erweisen könnte (vgl. Kapitel 2). Gewalt im Kontext der Schule kann in unterschiedlicher Form und Ausprägung zutage treten. 35 Es würde jedoch den Rahmen dieser Arbeit sprengen, auf alle in Frage kommenden Formen, endogenen und exogenen Ursachen und Auslöser möglicher Gewaltäußerungen einzugehen, so dass ich mich auf eine Auswahl von Gründen für Gewaltaktivitäten in Form von Unterrichtsstörungen beschränke, welche durch eine verstärkte Lernerorientierung, wie dies bei Storyline-Projekten der Fall ist, gemildert oder sogar vermieden werden können. 36 Denn Bildungsangebote, die auf demokratiepädagogischen Ansätzen basieren, ermöglichen jungen Menschen, „ihre Potentiale tatsächlich einzubringen“ (Magnus/ Sliwka 2015, 459) und fördern somit persönliches Wachstum und positive Entwicklungswege. 33 1.5 Gewalt, Stress, Langeweile: Der Schulalltag? 37 Zu Machtmissbrauch von Lehrkräften vgl. Fuchs u. a. (2005), Krumm/ Weiß (2006) oder Melzer (2006a). 38 Vgl. dazu die Ausführungen in Fuchs u. a. (2005) und Hurrelmann/ Bründel (2007). 39 Gemeint ist die vorrangige Beurteilung von kognitiven Leistungen, während soziale und emotionale Kompetenzen oder andere Leistungen bei der Benotung meist unberücksichtigt bleiben, was zu Frustrationen führt. 40 Vgl. dazu auch Fuchs u. a. (2005). 41 Titel wie Leben und Überleben in der Schule ( Jander 2004), Der Lehrer - ein (un)möglicher Beruf (von Carlsburg/ Heitger, Hrsg. 2005) oder Burnout oder Innere Kündigung? (Lauck 2003) machen auf die Problematik des Lehrerberufs aufmerksam. Egal, wie man das Blatt dreht oder wendet: Die Schule trägt allein schon auf Grund der gesetzlichen Schulpflicht ein gewisses Gewaltpotenzial in sich. Lehrkräfte haben zwar kein Recht mehr auf körperliche Züchtigung 37 , doch der Selektionscharakter der Schule, die Leistungs- und Konkurrenzorientierung, der Wettbewerbscharakter sowie der immense Erwartungsdruck, gepaart mit fehlenden Zukunftsperspektiven, wird von vielen Schüle‐ rinnen und Schülern als strukturelle Gewalt empfunden, zumal Zeugnisse als „Berechti‐ gungsnachweise“ für Bildung und die spätere Berufswahl inklusive „Einkommen, Macht und Einfluss“ dienen (Hurrelmann/ Bründel 2007, 105). Auch die schul- und unterrichtsorganisatorischen Bedingungen können die Entstehung von Gewalt und Unterrichtsstörungen begünstigen: große, anonyme und unübersichtliche Schulen; triste und schlecht ausgestattete Räume 38 ; zu große Klassen; ein gewaltbelastetes Schulmilieu (Fuchs u. a. 2005); „pädagogisch inkongruentes und inkompetentes Verhalten von Lehrerinnen und Lehrern“ (Hurrelmann/ Bründel 2007, 121); eine schlechte sozial-emo‐ tionale Klassen- und Unterrichtsatmosphäre (Lösel/ Bliesener 2003, 175); schlechte perso‐ nale Beziehungen zwischen Lehrkraft und Schülerschaft; überwiegend wissenschaftlich orientierte Lern- und Lehrformen (Hurrelmann/ Bründel 2007, 115); „langweiliger oder me‐ thodisch einseitig durchgeführter Unterricht, der zusätzlich noch Themen beinhaltet, die an der Lebenswirklichkeit von Schülerinnen und Schülern vorbeigehen“ (Ebd., 121); feh‐ lender Anwendungsbezug von Unterrichtsinhalten (Fuchs u. a. 2005, 38); fehlende Eigen‐ verantwortung der Lernenden; als unfair oder einseitig 39 empfundene Beurteilung von Leistungen oder Verhaltensweisen; pejoratives, aggressives und etikettierendes Lehrerver‐ halten (Melzer 2006b, 22; Oertel u. a. 2015, 259), wenig förderndes Engagement von Lehr‐ kräften (Fuchs u. a. 2005, 38) und vieles mehr. Indem sie den Unterricht bewusst durch sichtund/ oder hörbare Handlungen stören, die Mitarbeit verweigern, rebellieren oder gar resigniert den Unterricht schwänzen 40 , wehren sich Lernende „gegen die Zwangsinstitution Schule und gegen Unterrichtsformen und -in‐ halte, die ihnen nicht gefallen“ (Hurrelmann/ Bründel 2007, 80). Sie zeigen offen, wenn sie sich durch die ungleichen Machtverhältnisse in ihrer Selbstentfaltung und Selbstbestim‐ mung beeinträchtigt fühlen und verwenden ein vielfältiges Repertoire an Störmaßnahmen, um auf die fehlende Anerkennung ihrer individuellen Bedürfnisse aufmerksam zu machen. Disziplinstörungen werden von Lehrkräften zunehmend als eines der größten Probleme empfunden, da sie ein Unterrichten oft gänzlich verhindern. Viele sind deshalb nicht nur verunsichert, sondern gestresst, überfordert und erschöpft. Betrachtet man die zunehmende Anzahl von Publikationen zum Thema „Burnout“ oder „Stress im Lehrerberuf “ 41 , dann wird offensichtlich, dass viele mit der pädagogischen Herausforderung hinsichtlich „der Wider‐ 34 1 Die Ausgangslage: Kinder und Jugendliche in der Schule 42 Vgl. dazu auch Bauer, J. (2007); vgl. auch Dadaczynski/ Paulus (2011) zur psychischen Gesundheit von Lehrkräften und Lernenden aus Sicht der Schulleitung. Zu Stress und Selbstwirksamkeitserwar‐ tungen vgl. Wudy/ Jerusalem (2011). 43 Weitere Vergleichsstudien z. B. bei Hurrelmann/ Bründel (2007), Lauck (2003), Unterbrink u. a. (2007). 44 Vermutlich haben sich stark belastete und somit hochgradig gefährdete Lehrkräfte an der schriftli‐ chen Befragung erst gar nicht beteiligt, was auch aus anderen Studien bekannt ist (Unterbrink u. a. 2007, 437). spenstigen Zähmung“ nicht mehr klarkommen und durch Strafmaßnahmen und aggres‐ sives Verhalten den psychologischen Druck auf die Schülerinnen und Schüler erhöhen: „Der Druck wiederum führt zu schlechteren Schulleistungen und ist häufiger mit Gewaltver‐ halten und Delinquenz der Schülerschaft verbunden“ (Ebd., 82 f.). Dazu kommt die belas‐ tende Tatsache, dass sich Lehrkräfte oft als Einzelkämpferinnen bzw. -kämpfer an ihren Schulen fühlen und von Seiten des Kollegiums oder der Schulleitung häufig nicht die ge‐ wünschte Unterstützung erhalten. 42 Nicht verwunderlich ist somit, dass der Lehrerberuf zu der Berufsgruppe mit den meisten Frühpensionierungen gehört (Ebd., 129; Unterbrink u. a. 2007). In einer groß angelegten Studie 43 hat der renommierte Freiburger Arzt und Burnoutfor‐ scher Joachim Bauer zusammen mit der Universitätsklinik Freiburg, der TU Dresden, dem Regierungspräsidium Freiburg sowie dem Staatlichen Seminar für Didaktik und Lehrerbil‐ dung (Gymnasien und Sonderschulen) Freiburg das Ausmaß der Gesundheitsgefährdung von 949 Lehrerinnen und Lehrern an 10 Gymnasien und 79 Hauptschulen im Raum Freiburg untersucht (Bauer, J. 2007; Unterbrink u. a. 2007): 21,6% der befragten Lehrkräfte weisen eine deutlich ausgeprägte “imbalance of effort and reward“ auf (Unterbrink u. a. 2007, 433), wobei Lehrkräfte an Hauptschulen stärker betroffen sind als jene an Gymnasien (Ebd.) und man davon ausgeht, dass die Dunkelziffer noch höher ist. 44 Im Vergleich mit anderen nati‐ onalen und internationalen Studien weisen die hier befragten Lehrerinnen und Lehrer of‐ fenbar relativ hohe Werte auf: “In an overall perspective, our sample seems to be more affected by burnout compared to previous investigations with teachers. With respect to Germany, the situation of teachers may have worsened in recent years“ (Ebd., 439). Als Ursachen werden im Rahmen der Freiburger Untersuchung - auch unter Rückgriff auf andere Studien - an erster Stelle die allgemeine Arbeitsbelastung bzw. Arbeitsüberfor‐ derung, zu große Klassen und zunehmende Verhaltensauffälligkeiten der Schülerschaft ge‐ nannt (Unterbrink u. a. 2007). Andererseits existieren auf der Ebene der Lehrkräfte nicht selten Selbstrestriktionen und inadäquate Idealvorstellungen von „gutem“ Unterricht, die auch ein effizientes Lernen auf Seiten der Schülerinnen und Schüler erschweren: „Die be‐ deutsamste [Selbstrestriktion, Anm. D.K.] liegt in der Macht der Tradition: Bestimmte Un‐ terrichtsformen, gewohnte Interaktionsformen usw. werden ungern verändert“ (von Sal‐ dern 2007, 46). Becker (2004) zählt in diesem Zusammenhang drei Komponenten auf, die (zum Teil seit Comenius) als geheime Leitbilder für „richtigen“ bzw. „idealen“ Unterricht gelten: • die Vorlage eines perfekten, im Voraus exakt geplanten Drehbuchs (Skript), das mi‐ nutiös abgearbeitet wird; • die Bewegung der gesamten Lerngruppe im Gleichschritt, welche spätestens am Stundenende am gleichen Ausgangspunkt anzukommen hat; 35 1.5 Gewalt, Stress, Langeweile: Der Schulalltag? 45 Das Fehlen von (binnen-)differenzierendem Material in deutschen Klassenzimmern fiel in Ratzkis EU-Projekt offensichtlich auch den Besucherinnen und Besuchern aus Nordeuropa negativ auf (Ratzki 2007, 74). 46 Diese Aussage deckt sich mit meinen persönlichen Erfahrungen in Dänemark und Island. • die Kontrolle der Lehrkraft über alle und alles, damit sich alle Beteiligten an das Drehbuch halten. Laut Becker (2004, 12) lösen Unterschiede der Lernenden „vermutlich ständige unbewusste Ängste aus, man werde das sorgfältig entworfene Drehbuch nicht einhalten können“. Diese Ängste wiederum, die auf Lehrerseite häufig zu Stress und Erschöpfung führen und auf Schülerseite Frustrationen und Unterrichtsstörungen hervorrufen können, liegen jedoch nicht zwangsläufig in der heterogenen Lerngruppe selbst begründet, sondern in der eigenen Vorstellung von gutem (Fremdsprachen-)Unterricht: “Some teachers say that they find teaching classes of mixed ability one of their main problems. But maybe the problem is in thinking of ‘mixed ability’ classes as a problem rather than as something natural in any group of individuals“ (Moon 2000, 26). Tillmann und Wischer (2006) verweisen auf diverse Befunde aus der empirischen Bil‐ dungsforschung, die belegen, dass erfolgreicher Unterricht in heterogenen Lerngruppen sehr stark von der fachlichen und methodischen Kompetenz der Lehrkräfte und dem Einsatz von binnendifferenzierenden Maßnahmen abhängt - eine Erkenntnis, die nach Binsen‐ wahrheit klingt, wäre da nicht der Zusatz: „Zugleich entsteht aber auch der Eindruck, dass ein solcher Unterricht im deutschen Schulsystem nicht allzu häufig stattfindet“ (Ebd., 47). 45 Schaut man dagegen über die Grenzen, dann erfährt man, dass Länder wie Schweden, Nor‐ wegen, Finnland, Japan, England oder Kanada auch in der Sekundarstufe ein integriertes Schulsystem haben und Lernende in der Regel mindestens bis Ende der 9. Klasse gemeinsam unterrichtet werden (Tillmann 2004, 9). Die Schulen in Großbritannien und Skandinavien, wo Partner- und Gruppenarbeit, aber auch Teamarbeit der Lehrkräfte selbstverständlich ist, sind also wirklich heterogen, „da die Lehrerinnen und Lehrer kein Kind auf andere niedrigere Schulformen verweisen können“ (Ratzki 2007, 75). 46 Anzumerken ist, dass in skandinavischen Ländern Noten meist erst ab Klasse 7 oder 8 erteilt werden und keine Funktion hinsichtlich einer möglichen Selektion haben. Im deut‐ schen Schulsystem dagegen beginnt der Leistungsdruck mit dem ersten Schultag! Hier liegt offensichtlich eines der zentralen Probleme: „Die individuelle Förderung eines Kindes und gleichzeitig die Orientierung an Gleichheitsgeboten sind im Kern unvereinbar“ (Bräu 2005, 141). Lehrkräfte stehen somit ständig unter dem Zwang, eine Balance zwischen Gleichheit und Differenz zu finden, was auch für den Fremdsprachenunterricht fatale Folgen nach sich zieht: Schülerinnen und Schüler sitzen den Großteil des Vormittags in Omnibus- oder Ki‐ noreihen im Klassenzimmer und sollen sich möglichst ruhig verhalten, um den Unter‐ richtsablauf nicht zu stören, obwohl gerade Bewegung und Kommunikation das kognitive und soziale Lernen, den Stressabbau und die Konzentrationsfähigkeit fördern und Unter‐ 36 1 Die Ausgangslage: Kinder und Jugendliche in der Schule 47 Zu Unterrichtsstörungen und Auffälligkeiten im sprachlichen, sozialen und motorischen Verhalten vgl. z. B. Grabbe (2003) oder Lutter/ Leirich (2003). Die Angewandte bzw. Pädagogische Kinesiologie versucht, durch geeignete Bewegungsübungen diese Defizite zu mildern; vgl. dazu Dennison/ Dennison (2013), Härdt (2000), Hannaford (2013) und Koneberg/ Förder (2005). Zu bewegungsför‐ dernden Aktivitäten im Fremdsprachenunterricht vgl. Gerspach (2014), Kocher (2003; 2004) oder Schiffler (2012). 48 Vgl. dazu z. B. auch Kocher (1999, 26 ff.). Kritische Einstellungen zu Lehrwerken finden sich z. B. auch bei Gießing (2004), Nodari (1995), Piepho (2003), Rattunde (1998), Thornbury/ Meddings (2001) oder Wolff (2001). Laut Kurtz (2014, 10) sollten Lehrwerke „künftig viel stärker als bisher als flexible, bei Bedarf jederzeit erweiterbare Assistenzsysteme betrachtet werden“. Thaler (2014) erläutert Vor- und Nachteile von Lehrwerken bzw. den mündigen Umgang mit dem „didaktischen Diktator“ (Ebd., 5). 49 Etwa 50 % der befragten Lehrkräfte führen „mindestens ein paar Mal pro Monat“ „Arbeit mit kleinen Schülergruppen“ durch (Helmke u. a. 2008a, 372). Da keine Aufschlüsselung hinsichtlich Gruppen- und Partnerarbeit vorgenommen wurde, kann man nur vermuten, dass sich ein Großteil der Ant‐ worten auf Partnerarbeit und weniger auf Gruppenarbeit bezieht. Zum Vergleich: Fächerübergrei‐ fendes Lernen wird von 18,6%, Projektlernen von 5,3% und Stationenlernen von 4,4% der befragten Lehrkräfte praktiziert (Ebd.). richtsstörungen vermeiden könnten. 47 Portioniert und zerstückelt wird im 45-Mi‐ nuten-Rhythmus per Frontalunterricht das Schulbuch durchgeackert, in „Stillarbeit“ bzw. Einzelarbeit erledigen alle die gleichen Aufgaben, die anschließend in der Klasse gemeinsam besprochen werden. Alle lernen dieselben vom Lehrwerk vorgegebenen Vokabeln und schreiben Grammatikregeln oft ohne Einsicht von der Tafel ab. Schließlich werden diese über Klassenarbeiten, die von den Schulbuchverlagen bundesweit als Kopiervorlagen an‐ geboten werden, abgeprüft. Das hier skizzierte Szenario - in der fachdidaktischen Diskussion unzählige Male dar‐ gestellt und moniert, so dass hier keine weiteren Details erforderlich scheinen - mag viel‐ leicht überspitzt klingen, doch aus der Perspektive vieler Schülerinnen und Schüler läuft der Alltag genau so ab. 48 Dass diese Art von Unterricht wenig motiviert und wenig lern‐ förderlich ist, stattdessen zu vielseitigen, nicht fachbezogenen Aktivitäten verführt (die wiederum als Störungen empfunden werden), liegt auf der Hand. Die oben holzschnittartig beschriebenen Eindrücke zur Unterrichtswirklichkeit decken sich übrigens weitgehend mit den Ergebnissen aus der bislang ersten DESI-Studie, die hier nur reduziert wiedergegeben werden kann: Eine Lehrkraft spricht im Englischunterricht „im Durchschnitt doppelt so viel (...) wie alle Schüler zusammen“ (Klieme 2006, 6), wobei die Videoaufzeichnungen aus 105 Klassen belegen, dass Selbsteinschätzung der Lehrkräfte und Unterrichtsrealität zu Ungunsten der Lernenden eklatant auseinanderklaffen: Lehrkräfte schätzen ihr Sprechzeit auf 51,47% ein, laut Videodokumentation beträgt sie jedoch 68,34% (DESI 2006, 48). Schü‐ lerinnen und Schüler haben laut Klieme (2006) kaum Zeit, sich auf Fragen eine Antwort zu überlegen, bevor sie von der Lehrkraft sozusagen „abgewürgt“ werden: Nach 3 Sekunden Wartezeit intervenieren 40 % der Lehrkräfte auf die eine oder andere Art, nur 11 % können warten (DESI 2006, 50). Als Medium dient an erster Stelle das Lehrwerk (96 %) und als Arbeitsform wird in erster Linie Frontalunterricht praktiziert, der gelegentlich durch Klein‐ gruppenarbeit 49 belebt wird, wohingegen „Lehr-Lern-Szenarien wie Freiarbeit, Stationen‐ lernen und Projektlernen schon deutlich seltener vorkommen“ (Helmke u. a. 2008a, 372): bei vielen Lehrkräften nämlich überhaupt nie. Des Weiteren werden Lernende „so gut wie gar nicht (...) an der inhaltlichen Gestaltung des Englischunterrichts beteiligt und erfahren 37 1.5 Gewalt, Stress, Langeweile: Der Schulalltag? 50 In Kapitel 4 wird die Thematik differenzierter dargestellt; hier erfolgt nur ein Überblick zur Orien‐ tierung. kaum Wahlmöglichkeiten, weder bei den Hausaufgaben noch in anderen Bereichen, in denen dies prinzipiell möglich wäre“ (Ebd., 380). Differenzierende Maßnahmen werden zwar laut DESI-Studie gelegentlich durchgeführt, aber selten als tatsächliche Herausfor‐ derung für leistungsstarke Schülerinnen und Schüler konzipiert, sondern weitgehend durch zusätzliche Aufgaben im Sinne eines zeitlichen Puffers realisiert, bis alle sozusagen wieder zusammengeführt werden können. Somit verwundert es also nicht, „dass nach Experten‐ schätzungen im deutschsprachigen Raum bis zu 50 Prozent aller Hochbegabten unentdeckt bleiben“ (Solzbacher 2007, 78). Was die Testsituation anbelangt, ist abzusehen, dass sich diese in Zukunft noch ver‐ schärfen wird, denn die DESI-Studie war quasi der Vorläufer für zukünftige Kompetenz‐ überprüfungen - auch auf internationaler Ebene. Für das weitere Vorgehen beabsichtigt man, noch differenziertere „Kompetenzmodelle“ (Klieme 2006, 1) zu entwickeln, die dann entsprechend abgeprüft werden. Wie sich das auf die Unterrichtsgestaltung auswirkt, wird sich zeigen: Teaching to the test? Oder: Learning for life? Traurig, aber nicht wirklich verwunderlich, sind die zahlreichen Befunde aus der Bil‐ dungsforschung, die belegen, dass die Schule offensichtlich ein „Motivationskiller“ ist und die Bildungsmotivation von Schülerinnen und Schülern mit zunehmender Jahrgangsstufe abnimmt (vgl. Kapitel 4), was vor dem Hintergrund des gegenwärtigen Strukturwandels, der nicht nur umfassende Kompetenzen, sondern auch eine erhöhte und anhaltende Bil‐ dungsmotivation verlangt, äußerst problematisch ist. So vertreten Schober und Spiel, zwei Bildungspsychologinnen mit Schwerpunkt „Lebenslanges Lernen“ an der Universität Wien, die Meinung, dass die Schule „derzeit offenbar nur in begrenztem Umfang zur Förderung jener Kompetenzen und Haltungen“ beiträgt, die Schülerinnen und Schüler auf lebens‐ langes Lernen vorbereiten (Schober/ Spiel 2004, 210). Sie verweisen dabei auf zentrale Be‐ funde ihrer Studien, die sich beispielsweise weitgehend auch mit Vollmeyer (2009) de‐ cken: 50 • Kinder „beginnen ihre Schulkarriere mit durchaus positiven motivationalen Aus‐ gangsbedingungen“ (Schober/ Spiel 2004, 210), doch leider nimmt das Interesse an Schule und schulischem Lernen mit zunehmender Klassenstufe ab. Dies steht im Widerspruch zu der Tatsache, dass die Bildungswege für alle länger und anstreng‐ ender geworden sind, so dass im Hinblick auf das Lerninteresse eigentlich eine gute Ausdauer erforderlich wäre. • Schülerinnen und Schüler haben grundsätzlich Spaß am Lernen, wenn sie Sinn darin erfahren, und wenn sie Kompetenzempfinden, soziale Eingebundenheit, Selbststeu‐ erung und die Berücksichtigung eigener Interessen erleben (Ebd.). Allerdings lassen diese förderlichen Kontextbedingungen in der Realität offensichtlich zu wünschen übrig. 38 1 Die Ausgangslage: Kinder und Jugendliche in der Schule 51 Laut PISA-Studie 2012 sind in Deutschland noch immer signifikante Kompetenzunterschiede zwi‐ schen Mädchen und Jungen in den Domänen Mathematik und Lesen zu verzeichnen: Mädchen lesen besser und Jungen schneiden in Mathematik besser ab (Prenzel u. a., Hrsg. 2013). 52 Vgl. dazu auch die Forschungsergebnisse bei Ushioda (2008, 26). • Klassische geschlechtsspezifische Muster sind nach wie vor bestimmend - vor allem in bestimmten Fächern. 51 Mädchen bevorzugen eher kooperative Lernformen, die jedoch im Schulalltag eher wenig praktiziert werden. Sie haben trotz besserer Schul‐ leistungen, wie diverse OECD-Studien zeigen, ein sehr viel niedrigeres Selbstbe‐ wusstsein als Jungen (Hurrelmann/ Bründel 2007, 119). Dieser Befund wird auch in der DESI-Studie (DESI, Hrsg. 2008) sowie im OECD-Bildungsbericht 2015 (OECD 2015) bestätigt. • Insbesondere ältere Schülerinnen und Schüler messen Erfolge weniger am eigenen Fortschritt und gehen häufig davon aus, „dass die eigenen Fähigkeiten (...) weitge‐ hend stabil und nicht beeinflussbar“ sind (Schober/ Spiel 2004, 206). Oft fehlt es also am Selbstvertrauen, was hinsichtlich der eigenen Leistungsfähigkeit fatale Folgen hat. • Lehrkräfte sehen die motivationale Situation der Lernenden „meist nur mittelmäßig positiv bzw. mit Blick auf die Ziele und die Steuerung des Lernens sogar eher un‐ günstig“ (Ebd., 210). • Lehrkräfte erachten ihren Anteil am Zustandekommen von Erfolgen oder Misser‐ folgen der Lernenden als eher gering, was zur Folge hat, dass sie keine Möglichkeit sehen, deren Lernmotivation zu verändern und sich somit eine eigene Handlungs‐ unfähigkeit zuschreiben. In der Tat bestätigte PISA, dass sich deutsche Schülerinnen und Schüler beim Lernen „durch ihre Lehrer eher nicht unterstützt fühlen“ (Sacher 2005, 29). Deutschland nahm hier im internationalen Vergleich Platz 28 ein (Ebd.). • „Viele Lehrkräfte denken nicht, dass ihre Schüler(innen) gut mit Misserfolgen um‐ gehen können“ (Schober/ Spiel 2004, 211). Diese Kompetenz ist jedoch von zentraler Bedeutung für lebenslanges Lernen. • Und: „Lehrkräfte sehen derzeit nur wenige Möglichkeiten der Schule, die Kompe‐ tenzen für Lebenslanges Lernen zu vermitteln“ (Ebd.). Aus der Quelle der ersten beiden PISA-Studien schöpfend, sieht Konrad Schröder (2005) auch im Hinblick auf den Fremdsprachenunterricht eindeutige Warnsignale, wenn man nämlich die Befragungsergebnisse der Kontexterhebung betrachtet: „Die Einstellungen zum Lernen, das fachbezogene Interesse, das Leseinteresse, das Interesse an Lern- und Ar‐ beits-Software, die Schuldisziplin, die Leistungserwartungen der Lehrer und ihr Interesse am Lernfortschritt ihrer Schüler sind allesamt unterdurchschnittlich ausgeprägt“ (Ebd., 40 f.). Im Rahmen der DESI-Studie wurde nachgewiesen, dass sich auch im Fach Englisch „zwi‐ schen Beginn und Ende der neunten Jahrgangsstufe (...) eine signifikante Abnahme beim Lerninteresse und - vor allem im Bildungsgang Hauptschule - noch stärker bei der Test‐ motivation“ zeigt (Helmke u. a. 2008b, 248). 52 Man kommt zu dem Schluss, dass sich ein „das Lerninteresse fördernder Unterricht“ letztendlich „auch in der Leistungsbilanz positiv“ nie‐ derschlägt (Ebd., 254). Dieser Befund, auch wenn er nicht wirklich etwas Unerwartetes 39 1.5 Gewalt, Stress, Langeweile: Der Schulalltag? zutage gebracht, sondern lediglich einen allseits bekannten Verdacht bestätigt hat, wirft hinsichtlich der vielen im Englischunterricht vernachlässigten Potenziale einige Fragen auf, insbesondere wenn es um die Lebens- und Zukunftschancen der jungen Menschen geht, die zunehmend auf die Beherrschung des Englischen als lingua franca sowie diverser in‐ terkultureller Kompetenzen in der multikulturellen, globalen und medienbestimmten Ge‐ sellschaft angewiesen sind. Aus meiner Sicht könnte der Storyline Approach im Umgang mit den obigen Problemen eine gute Basis bilden: Ob bzw. inwiefern sich Storyline-Projekte positiv auf Motivation sowie Lern- und Arbeitsverhalten auswirken, sollen meine Fallstu‐ dien zeigen (vgl. Teil B). 1.6 Lebenslanges Lernen: Welche Kompetenzen soll die Schule vermitteln? Imagination is more important than knowledge (Albert Einstein) Das Aufwachsen in einer Gesellschaft, die sich vor allem durch Schnelllebigkeit, Leistung, Wettbewerb und Globalisierung auszeichnet, stellt auf vielen Ebenen neue Anforderungen an die Kinder und Jugendlichen, aber auch an die Erwachsenen jeden Alters. Da die Ver‐ teilung von Informationen immer schneller und leichter erfolgt und das erlangte Wissen immer schneller veraltet, benötigen sie Fähigkeiten und Fertigkeiten, um in der Gesellschaft zurechtzukommen und um ihr Wissen ständig zu aktualisieren. Es geht dabei jedoch nicht mehr so sehr um die Ansammlung von (Fakten-)Wissen im Sinne eines Vorratsspeichers, sondern um die Ordnung und Bewertung von eindringenden Informationsmassen nach Prioritäten, Aktualität und Verwertbarkeit. „Lebenslanges Lernen“ - so heißt das allge‐ genwärtige Schlagwort und neue Bildungskonzept - scheint der Schlüssel zum Erfolg zu sein, um den Herausforderungen der heutigen Zeit konstruktiv begegnen und nicht zuletzt auch, um die EU-Erweiterung realisieren (Bachmann 2004) und stabilisieren zu können. Wer aus „der vernetzten Gesellschaft der Zukunft“ (Dewe/ Weber 2007, 9) nicht ausge‐ schlossen werden möchte, denn Wissen erzeugt gleichzeitig auch Nichtwissen, darf sich der „Norm zur Flexibilität - sichergestellt durch lebenslanges Lernen“ (Ebd., 9) nicht ent‐ ziehen, warnt man. Nachfolgend wird das Konzept des lebenslangen Lernens näher erläutert und begründet. Anschließend werden einige allgemeine sowie fachliche Kompetenzen aufgeführt, die die Schule vermitteln soll(te), um den Lernenden den Weg in die Zukunft zu ebnen. Zum Schluss werden einige Problemfelder näher beleuchtet, die sich in diesem Zusammenhang auftun und gelöst werden müssen, wenn sich unsere Gesellschaft und unser Bildungssystem in‐ klusive Fremdsprachenunterricht weiterentwickeln möchten. 1.6.1 Lebenslanges Lernen: Lernen für das Leben Die Europäische Union soll laut Europarat „zum wettbewerbfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt [werden] - einem Wirtschaftsraum, der fähig ist, ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum mit mehr und besseren Arbeitsplätzen und einem größeren sozialen Zusammenhalt zu erreichen“ (Bachmann 2004, 157, im Original Kursiv‐ 40 1 Die Ausgangslage: Kinder und Jugendliche in der Schule 53 KMK-Bericht 2008: Bildung bleibt Deutschlands Sorgenkind. (Meldung vom 12.06.2008) schrift). Diesem hehren Anspruch steht die Tatsache gegenüber, dass heute eine beträcht‐ liche Anzahl von Jugendlichen die Schule ohne Abschluss verlässt (vgl. Kapitel 1.3) und angeblich rund 20 % der Schulabgängerinnen bzw. -abgänger „gerade mal auf Grundschul‐ niveau lesen, schreiben und rechnen“ 53 können - so Martin Wansleben, Hauptgeschäfts‐ führer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, im Juni 2008 - und das zu einer Zeit, in der der Begriff „lebenslanges Lernen“ intensiv die öffentliche Rhetorik bestimmt und an jeder Ecke damit geworben wird, dass Bildung die beste Versicherung gegen Ar‐ beitslosigkeit sei und die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft bestimme. Die Diskrepanz zwischen Vision und Status quo ist deutlich und muss an dieser Stelle nicht näher erläutert werden. Unter lebenslangem Lernen versteht man „die Gesamtheit allen formalen, nicht-formalen und informellen Lernens über den gesamten Lebenszyklus eines Menschen hinweg“ (Luther 2004, 219). Eine etwas konkretere Definition liefert Günther Dohmen (2001, 186, Zit. nach Lenz 2004a, 31 f.): „Lebenslanges Lernen meint das Aufnehmen, Erschließen, Deuten und Einordnen von Informationen, Eindrücken, Erfahrungen während der ganzen Lebenszeit“. Lernen ist also nicht mehr auf die Kindheit oder Jugend bzw. die Schule beschränkt, wie das früher üblich war, sondern es wird zur eigenverantwortlichen Lebensaufgabe und lang‐ fristigen Kapitalanlage jedes und jeder Einzelnen. Lebenslanges Lernen, von Chott (2001, 57) als “learning-just-in-time“ bzw. “learning-on-demand“ bezeichnet, gewinnt sowohl im Privatals auch im Berufsleben immer mehr an Bedeutung, wobei das Verlernen genauso wichtig wird wie das Lernen selbst - sprich: „Ein Aneignen und Wegwerfen von temporär zu gebrauchendem Werkzeug“ (Scrubar 2006, 152). Werner Lenz (2004a), Erziehungswis‐ senschaftler aus Graz, nennt eine Reihe von Argumenten und Positionen, welche die Be‐ deutung und Notwendigkeit des lebenslangen Lernens begründen sollen: • Ökonomische Komponente: Anpassung an sich rasch ändernde Arbeitsanforde‐ rungen und zunehmende Konkurrenz. • Subjektive Komponente: Flexibilität und Erhöhung des Freiheitsgrads in Beruf und Lebenswelt, aber auch erhöhte Abhängigkeit von entsprechenden Berufsposi‐ tionen und erhöhte Intensität der Arbeitsleistungen. • Humane Komponente: Lebenslanges Lernen im Sinne „einer humanen pädago‐ gischen Tradition“ (Ebd., 32) zur Stillung der Wissbegierde und zur Menschenbil‐ dung. • Demokratische Komponente: Positionierung in der Gesellschaft und deren Ver‐ teidigung oder Verbesserung. Im Rahmen der europäischen Integrationsprozesse wird das Konzept des lebenslangen Lernens insbesondere deshalb propagiert, um „aktive Staatsbürgerschaft“ (Ebd., 33) zu erreichen. • Demographische Komponente: Durch die längeren Lebenserwartungen der Menschen müssen sich ältere Menschen länger in einer sich rasch verändernden Welt zurechtfinden, was entsprechende Anforderungen an sie und die Gesellschaft stellt. 41 1.6 Lebenslanges Lernen: Welche Kompetenzen soll die Schule vermitteln? 54 Vgl. dazu auch Haß und Kieweg (2012, 36), die monieren, dass „spätestens seit der Veröffentlichung der Bildungsstandards (...) ‘Kompetenzorientierung’ zu einem (...) Schlüsselbegriff in Bildungspolitik, Pädagogik und Didaktik geworden [ist]. Jedoch gilt hier nach wie vor, dass es ein konsensuelles Verständnis von ‘Kompetenz’ in keiner der genannten Sphären gibt“. • Situative Komponente: Der Umgang mit bzw. die Bewältigung von neuen gesell‐ schaftlichen Situationen und den eigenen offenen Lebensverläufen erfordert situa‐ tives Lernen: „Der Einzelne wird zum Schöpfer seiner Biographie und dadurch zum ständig Lernenden“ (Ebd., 34). Lenz (2004a, 35) bezeichnet das Bildungskonzept „Lebenslanges Lernen“ zutreffend als komplexe unabgeschlossene Antwort auf eine komplexe unabgeschlossene Entwicklung unserer Gesellschaft und Lebenswelt und fordert „Institutionen, Anlässe und Gelegen‐ heiten, die die Selbstlernfähigkeit fördern und pflegen. Wir brauchen Lehrpersonal, das nicht überwiegend belehrt[,] sondern Lernen und Weiterlernen anregt“ (Ebd.). Wie die vorherigen Kapitel jedoch gezeigt haben, sind unsere Schulen davon noch ein weites Stück entfernt. Allerdings könnte der Storyline-Ansatz meines Erachtens dazu beitragen, um diesem Ziel näherzukommen. Wie Kurse konzipiert werden können, um Lehrkräften die entsprechenden Kompetenzen zu vermitteln, sollen meine Untersuchungen in Kapitel 7 zeigen. 1.6.2 Kompetenzen: Der Weg zum Ziel? Der Begriff „Kompetenz“ ist heute in aller Munde, doch was bedeutet er genau und welche Kompetenzen sind konkret erforderlich, um den zuvor beschriebenen Entwicklungen po‐ sitiv begegnen zu können? In der wissenschaftlichen Literatur findet man dazu eine ver‐ wirrende Vielfalt von Vorstellungen und Definitionen (Svecnik 2004), was nicht unbedingt erhellend ist. 54 Eine meines Erachtens umfassende und schlüssige Definition des Kompe‐ tenzbegriffs im Hinblick auf das Bildungswesen liefert Lersch (2007): Kompetenzen sind erlernbare, kognitiv verankerte (weil wissensbasierte) Fähigkeiten und Fertig‐ keiten, die eine erfolgreiche Bewältigung bestimmter Anforderungssituationen ermöglichen. Im Kompetenzbegriff fallen Wissen und Können zusammen; er umfasst auch Interessen, Motivati‐ onen, Werthaltungen und soziale Bereitschaften. Kompetenzen sind demnach kognitive Disposi‐ tionen für erfolgreiche und verantwortliche Denkoperationen oder Handlungen (Ebd., 36). Ein wesentlicher Unterschied im Gegensatz zu Wissen und Fertigkeiten besteht darin, dass das Konzept der Kompetenz „weniger das Anhäufen und Reproduzieren von deklarativem Wissen umfasst, sondern vor allem dessen erfolgreiche Anwendung“ (Svecnik 2004, 191). In der Regel unterscheidet man im schulischen Zusammenhang zwischen fachlichen und überfachlichen Kompetenzen, wobei die letzteren auch als Schlüsselqualifikationen ver‐ standen werden und im Rahmen des Fachunterrichts erworben werden sollten. Nachfolgend werden einige Kompetenzbereiche aufgeführt, die den Begriff „lebens‐ langes Lernen“ unterfüttern und das Leben in der „Zukunftsgesellschaft“ erleichtern sollen. Bevor sich der Fokus auf das fremdsprachliche Lernen verengt, wird zunächst eine Auswahl an allgemeinen Kompetenzen vorgestellt, denn die Schule „muss für die Lebensführung und 42 1 Die Ausgangslage: Kinder und Jugendliche in der Schule Lebensbewältigung insgesamt qualifizieren: für die Teilhabe an Arbeit, Politik, Kunst und Kultur, Wissenschaft, Religion und Alltag. Genau das heißt: ‘Leben lernen’“ (Liebau 2005, 55). 1.6.2.1 Allgemeine und überfachliche Kompetenzen Im Übergang von Industriegesellschaften zu wissensbasierten und wissenschaftsorien‐ tierten „Großgesellschaften“ sollten sich laut Lenz (2004b, 120 f.) die einzelnen Gesell‐ schaftsmitglieder mit den folgenden Themenfeldern auseinandersetzen: • Historische Kompetenz: Zum Verständnis der Geschichte und deren Einfluss auf Gegenwart und Zukunft. • Wissenschaftliche-technologische Kompetenz: Tiefere Einblicke in Bereiche wie Technologie, Natur- und Sozialwissenschaften sind für Mitglieder einer wis‐ senschaftsorientierten und -gelenkten Gesellschaft unabdingbar. • Politische und soziale Kompetenz: Zur Ausübung von Gerechtigkeit auf ver‐ schiedenen Ebenen und in verschiedenen Bereichen der Gesellschaft(en). • Emotionale Kompetenz: Zum Umgang mit positiven und negativen Verände‐ rungen, den eigenen (positiven und negativen) Gefühlen und Trieben; Respekt und Toleranz für Menschen jeglicher Herkunft sowie Lebewesen allgemein. • Interkulturelle und religiöse Kompetenz: Kenntnisse und Erfahrungen hin‐ sichtlich kultureller Unterschiede in Verhaltensweisen und religiöser Auffassungen über den Sinn des Lebens. • Organisationale Kompetenz: Zum Leben in diversen Gruppen (Intimität in Fa‐ milie, Partnerschaft usw.) und Organisationen (Anonymität in Großorganisationen usw.). • Kommunikative und kritische Kompetenz: „Informationen bewerten, Wissen aneignen, Erkenntnisse und Einsichten gewinnen, Urteilskraft stärken, eigene Ent‐ scheidungen treffen und beurteilen“ (Ebd., 121). Lenz (2004b) ergänzt die genannten Themenfelder um weitere aus seiner Sicht wünschens‐ werte Kompetenzen „für die Gestaltung sinnvollen Lebens und Arbeitens“ (Ebd., 121): • Selbstvertrauen: Sich und andere Lebewesen achten; achtsam sein; Grenzen er‐ kennen und einhalten; Erfolg und Misserfolg meistern usw. • Wissen: Sprachen und Fachkenntnisse erwerben; Informationen filtern, bewerten, strukturieren und eingliedern usw. • Interkulturalität: „Die eigene Kultur als ein Teil vieler Kulturen schätzen; inter‐ kulturelle Freundschaften haben; flexibel und offen aber mit eigenem Standpunkt; Vorurteile erkennen und benennen; Entwicklungen einschätzen können; Konflikte historisch verstehen“ (Ebd., 121). • Individualität: Sich als (einmaliger) Teil verschiedener sozialer Gefüge empfinden; positive Beziehungen zu sich, zu anderen, zur Umwelt aufbauen und gestalten usw. • Zuneigung: Beziehungs- und liebesfähig sein; Kontaktpflege; Kommunikation auf verschiedenen Ebenen realisieren usw. • Mitleid: „Abhängigkeit menschlicher Existenz in Stärken und Schwächen ertragen; (...) Widersprüche und Unsicherheiten des Daseins aushalten; sich mit anderen 43 1.6 Lebenslanges Lernen: Welche Kompetenzen soll die Schule vermitteln? 55 Zur Problematik hinsichtlich der Auswahl von Kompetenzen, die zugleich abstrakt und konkret sein und noch dazu internationale Leistungsvergleiche ermöglichen sollen, vgl. Svecnik (2004). freuen können; das Leid Fremder respektieren; Glaubensformen und Religiosität achten“ (Ebd., 122). Ausgehend von der Frage, welche Kompetenzen für Gesellschaft und Individuen von höch‐ ster Bedeutung und durch Universalität und Multifunktionalität gekennzeichnet sind, nennt Erich Svecnik (2004), am Grazer Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung tätig, zunächst drei generische Schlüsselkompetenzen, „nämlich auto‐ nomes Agieren, interaktives Nutzen von Werkzeugen und Eingliedern und Mitwirken in heterogenen sozialen Gruppen“ (Ebd., 196) sowie acht konkrete Schlüsselkompetenzen, die am Ende der Schulpflicht erworben sein sollten. Diese im Rahmen des OECD-Projekts DeSeCo (Definition and Selection of Competencies) entwickelten Kompetenzen gelten als Mindesterfordernisse für europäische Bürgerinnen und Bürger und als Basis für weiteres lebenslanges Lernen. 55 Sie dienen dem Individuum zur Bewältigung des persönlichen und beruflichen Lebens sowie zur Partizipation in der Gesellschaft. Da sich diese Schlüssel‐ kompetenzen mit den oben erläuterten Kompetenzen teilweise decken oder selbsterklärend sind, werden sie hier lediglich aufgeführt, aber zum Teil nicht mehr weiter beschrieben (Ebd., 198 f.): • Muttersprachliche Kommunikation • Grundlegende Kenntnisse und Verständnis der Mathematik und Naturwissen‐ schaften • Erwerb zweier Fremdsprachen • Umgang mit Informations- und Telekommunikationstechnologien • Lernbereitschaft und Lernfähigkeit als wesentliche Grundlage des lebenslangen Lernens, das heißt, die eigenen Lernprozesse organisieren, steuern, aufrecht er‐ halten: „Positives Selbstkonzept und Selbstwirksamkeitsüberzeugung, Wertschät‐ zung für das Lernen und Initiative spielen dabei ebenso eine Rolle wie das Wissen um Lernangebote und Lernstrategien“ (Ebd., 199) • Soziale Kompetenzen auf der Mikro- und Makroebene • Entrepreneurship im Sinne von Selbstkompetenz wie Verantwortungsbewusstsein, Initiativgeist, Organisieren, Evaluieren von Handlungsschritten, Umgang mit Ri‐ siken usw. • Kulturelles Bewusstsein, also Wissen und Verständnis für den kulturellen und his‐ torischen Hintergrund der Individuen sowie eigene kulturelle Betätigung. Der Entwicklung dieser Schlüsselkompetenzen wird mittlerweile in den meisten europäi‐ schen Lehrbzw. Bildungsplänen Priorität eingeräumt (Svecnik 2004). Sie dienen im Üb‐ rigen auch als Indikatoren für internationale Leistungsvergleichsstudien. Allerdings müssen Schülerinnen und Schüler nicht nur die zum lebenslangen Lernen erforderlichen Fähigkeiten erwerben, „sondern auch die Motivationen und Werthaltungen, die sie über‐ haupt erst in den weiteren Lernprozess einsteigen lassen, vermittelt bekommen“ (Ebd., 202). Wie die vorherigen Ausführungen gezeigt haben, scheint dies eine der größten Herausfor‐ 44 1 Die Ausgangslage: Kinder und Jugendliche in der Schule 56 Medienkompetenz hat auch in den Bildungsplänen für Baden-Württemberg einen hohen Stellenwert. Im Abschnitt „Leitgedanken zum Kompetenzerwerb“ bezüglich des Faches Englisch (Realschule) heißt es: „Der Einsatz moderner Medien und das Lernen mit Medien sind unverzichtbare Bestandteile im Fremdsprachenerwerb, die der Wahrnehmungsförderung und -erweiterung dienen. Das Fach Englisch leistet einen Beitrag zur Informationstechnischen Grundbildung, indem bei der Unter‐ richtsgestaltung der Einsatz moderner Medien als Bildungsgut und als Bildungsvoraussetzung an‐ gestrebt wird“ (Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg, Hrsg. 2004c, 72; nachfolgend: MKJSBW). Zum Bildungsplan 2016 der Sekundarstufe I vgl. auch MKJSBW (Hrsg.) (2016). 57 Auch Volkmann (2012, 25) moniert „die begriffliche Unschärfe bei der Definition von Medien und Medienkompetenzen“. 58 Für Bezüge zum Fremdsprachenunterricht vgl. auch Volkmann (2012). derungen für unser Bildungssystem zu sein (vgl. Kapitel 1.5). Möglicherweise können Story‐ line-Projekte hier einen positiven Beitrag leisten (vgl. auch Teil B). Bevor nun explizit Bezug zum Fremdsprachenbzw. Englischunterricht genommen wird, soll noch - unabhängig von den Zielvorstellungen der OECD - ein weiterer überfachlicher bzw. fächerübergreifender Kompetenzbereich berücksichtigt werden, der nicht nur von großer gesellschaftlicher Relevanz ist, sondern auch in engem Zusammenhang mit dem fremdsprachlichen Lernen steht: Medienkompetenz 56 . Da dieser Begriff meines Erachtens (auch in der fachdidaktischen Diskussion) häufig inflationär 57 verwendet wird, soll er hier näher erläutert werden, zumal Medienkompetenz erheblich dazu beitragen kann, die „frag‐ mentierte Gesellschaft“ zu vereinen und somit mehr Gerechtigkeit zu erzeugen. Obwohl unser Alltag in vielerlei Hinsicht durch Medien beeinflusst und bestimmt wird, und Medien mitunter sogar über Krieg und Frieden zu entscheiden scheinen (Krach/ Mascolo 2000), stellt Faulstich (2004a) besorgt fest, dass die Mitglieder unserer medienbe‐ stimmten Gesellschaft eine erstaunliche Medienignoranz an den Tag legen. Er fordert des‐ halb eine umfassende Medienkompetenz für „die geistige und soziale Ökologie“ (Faulstich 2004b, 231) der Gesellschaft im 21. Jahrhundert und betont: „Ein fundiertes, breites Wissen über Medien und die Fähigkeit, sich ihrer souverän und funktional zu bedienen, sind Ziel‐ vorstellungen, die heute ebenso in den Überlebenskatalog gehören wie Frieden und saubere Umwelt“ (Faulstich 2004a, 8). Chomsky (2003) fordert - in weiser Voraussicht - so genannte Kurse für geistige Selbstverteidigung, um sich gegen Manipulation und Kontrolle der Me‐ dien wehren zu können. Faulstich (2004b, 230 f.) beleuchtet insgesamt sieben Dimensionen von Medienkompetenz, die erforderlich sind, um das Problem der entstehenden Wissens‐ kluft zwischen Medienkundigen und Medienunkundigen in Griff zu bekommen: 58 • Medien und Realität: Zwischen Medienwirklichkeit und medialer Darstellung von realer Wirklichkeit unterscheiden. • Medien und Erwartung: Medien nach eigenen Interessen, individuellen Um‐ ständen und Bedürfnissen rezipieren. • Medien und Genuss: Medienangebote nach dem eigenen emotionalen Nutzen auswählen. • Medien und Kritik: Medienangebote unterscheiden, analysieren und kritisch re‐ flektieren. • Medien und Orientierung: Medien gezielt auswählen und kombinieren, um in der komplexen Medienlandschaft handlungsfähig zu sein. 45 1.6 Lebenslanges Lernen: Welche Kompetenzen soll die Schule vermitteln? • Medien und Gestaltung: Medien aktiv nutzen, sich vielseitig an der Medienkom‐ munikation beteiligen sowie Medien kreativ gestalterisch zur Identitätsbildung und Selbstverwirklichung einsetzen. • Medien und Anschlusskommunikation: Sich über Medien in unterschiedlichen sozialen Kontexten und Kulturen austauschen und eigene Medienkommunikation flexibel regulieren. Auch Tulodziecki (2008) hebt hervor, dass in einer stark von Medien mitgestalteten Welt ein Lernen mit Medien nicht ausreicht, sondern ergänzt werden muss, durch ein Lernen über Medien, wenn man von Medienkompetenz sprechen will. Als Leitlinie für die schuli‐ sche Erziehungs- und Bildungsarbeit nennt er sachgerechtes, selbstbestimmtes, kreatives und sozial verantwortliches Handeln und erwähnt fünf medienbezogene Aufgabenbe‐ reiche, die nicht nur „im Rahmen geeigneter Unterrichtseinheiten oder Projekte umgesetzt“ (Ebd., 9), sondern auch in der gesamten Schulentwicklung berücksichtigt werden sollten: • Auswählen und reflektiertes Nutzen von Medienangeboten unter Abwägung von Handlungsalternativen. • Eigenes Gestalten und Präsentieren bzw. Verbreiten von Medienbeiträgen. • Verstehen, Vergleichen und Bewerten von Mediengestaltungen. • Erkennen und Aufarbeiten von Medieneinflüssen auf Gefühle, Realitätsvorstel‐ lungen, Verhaltens- und Wertorientierungen oder soziale Zusammenhänge. • Durchschauen und kritisches Beurteilen von ökonomischen, rechtlichen, politi‐ schen, personalen, institutionellen, gesellschaftlichen und anderen Bedingungen der Medienproduktion und -verbreitung (Ebd., 8 f.). Medienerziehung heißt also nicht (nur) - wie irrtümlich oft angenommen - Kompetenzen bzw. Fertigkeiten im technischen Sinne zu vermitteln, etwa wie man einen Computer be‐ dient, sondern verschiedene Medien insgesamt flexibel, souverän und kritisch zu nutzen sowie eigene Medien für diverse Zwecke und Interaktionssituationen kompetent selbst herzustellen und reflektiert einzusetzen - und zwar auch im Fremdsprachenunterricht. Darüber hinaus können Medien auch einen bedeutsamen Beitrag zur Entwicklung von interkultureller Kompetenz und zur aktiven Integrationsarbeit leisten. Geißler und Pöttker (2005) haben untersucht, in welchen Zusammenhängen Migrantinnen und Migranten in deutschen Massenmedien dargestellt werden bzw. wie Deutschland in ausländischen Me‐ dien präsentiert wird. Sie kamen zu dem Schluss, dass die deutschen Medien sowohl einen Beitrag zur „aktiven Akzeptanz“ der Migrantinnen und Migranten leisten können als auch möglichst viele der Bleibewilligen als Rezipientinnen bzw. Rezipienten gewinnen sollten, „um diese bei der interkulturellen Integration und bei der Wahrnehmung von Chancen in der deutschen Gesellschaft zu unterstützen“ (Ebd., 396). Aufgaben mit dem Ziel einer (kleinformatigen) vergleichenden Kulturstudie und/ oder der kulturellen und sozialen In‐ tegration könnten mit entsprechenden Medien auch im fremdsprachlichen Klassenzimmer realisiert werden - beispielsweise im Rahmen eines Storyline-Projekts (vgl. Kocher 2008). Somit würde der Begriff „Medienkompetenz“ eine neue Dimension im Fremdsprachenun‐ terricht erhalten und zugleich einen Bogen zu intercultural bzw. cross-cultural awareness schlagen. 46 1 Die Ausgangslage: Kinder und Jugendliche in der Schule 1.6.2.2 Fachspezifische Kompetenzen Als eine der für lebenslanges Lernen erforderlichen acht Schlüsselkompetenzen gilt laut OECD - wie oben ausgeführt - der Erwerb von mindestens zwei Fremdsprachen bis zum Ende der Schulpflicht. Diese Vorstellungen decken sich mit den politischen Zielen des Eu‐ roparats (2001), dessen Vision und erklärte Absicht die Mehrsprachigkeit und interkultu‐ relle Kompetenz aller Bürgerinnen und Bürger in einem mehrsprachigen und plurikultu‐ rellen Europa ist. Die europäische Sprachenpolitik propagiert ein dreisprachiges Sprachenprofil, wobei Englisch als lingua franca und somit als eine der beiden von allen zu lernenden Fremdsprachen betrachtet wird, um die Kommunikation, Zusammenarbeit und Mobilität innerhalb Europas zu verbessern. Als fundamentales Ziel gilt dabei die „Förderung eines demokratischen, staatsbürgerlichen Bewusstseins“ (Europarat 2001, 8). Realisiert werden soll dieses vorrangige Bildungsziel durch „Methoden des modernen Sprachunter‐ richts (...), die die Unabhängigkeit des Denkens, des Urteilens und des Handelns zusammen mit sozialen Fähigkeiten und Verantwortungsbewusstsein stärken“ (Ebd., 16). Diese Ziele decken sich - wie sich in Kapitel 2 zeigen wird - auch mit dem Storyline-Modell. Der Gemeinsame europäische Referenzrahmen für Sprachen (nachfolgend: GER) des Europarats (2001), dem eine jahrzehntelange Vorarbeit und Diskussion mit Fremdspra‐ chenexperten und -expertinnen aus 40 Ländern zugrunde liegt, zählt eine Reihe von Kom‐ petenzen auf, die Sprachlernende benötigen und einsetzen, „um die in kommunikativen Situationen erforderlichen Aufgaben und Aktivitäten auszuführen“ (Ebd., 103) und somit - sei es im öffentlichen, beruflichen oder privaten Bereich - handlungsfähig zu sein. Dabei wird zwischen allgemeinen und linguistischen Kompetenzen unterschieden. Zu den all‐ gemeinen Kompetenzen werden folgende Bereiche und Teilbereiche gezählt (Ebd., 103 ff.): • Deklaratives Wissen (savoir): Weltwissen, soziokulturelles Wissen, interkultu‐ relles Bewusstsein • Fertigkeiten und prozedurales Wissen (savoir faire): Praktische Fertigkeiten, in‐ terkulturelle Fertigkeiten • Persönlichkeitsbezogene Kompetenz (savoir être): Einstellungen, Motivationen, Wertvorstellungen, Überzeugungen, kognitiver Stil, Persönlichkeitsfaktoren • Lernfähigkeit (savoir apprendre): Sprach- und Kommunikationsbewusstsein, all‐ gemeines phonetisches Bewusstsein und phonetische Fertigkeiten, Lerntechniken, heuristische Fertigkeiten Als kommunikative Sprachkompetenzen gelten die folgenden Aspekte (Ebd., 109 ff.): • Linguistische Kompetenzen: Lexikalische, grammatische, semantische, phono‐ logische, orthographische und orthoepische Kompetenz • Soziolinguistische Kompetenzen: Sprachliche Kennzeichnung sozialer Bezie‐ hungen, Höflichkeitskonventionen, Redewendungen, Redensarten, Registerunter‐ schiede, Varietäten • Pragmatische Kompetenzen: Diskurskompetenz, funktionale Kompetenz Laut GER modifizieren die linguistischen und kulturellen Kompetenzen in der einen Sprache die in einer anderen Sprache, sie fördern interkulturelles Bewusstsein, Fertigkeiten 47 1.6 Lebenslanges Lernen: Welche Kompetenzen soll die Schule vermitteln? sowie prozedurales Wissen: „Außerdem tragen sie auch zur Entwicklung einer reicheren, komplexeren Persönlichkeit bei. Sie fördern ferner die Fähigkeit zum Erwerb weiterer Sprachen und die Offenheit gegenüber neuen kulturellen Erfahrungen“ (Ebd., 51). Als Ziel‐ setzung lässt sich somit das lebenslange, autonome Sprachlernen im kulturellen Kontext ableiten. In einem System von sechsstufigen Skalen (Niveaustufe A1 bis C2) werden die kommu‐ nikativen Aktivitäten und Sprachkompetenzniveaus - weitgehend in Anlehnung an die traditionellen four skills - durch positiv formulierte so genannte Kann-Deskriptoren (can-do-statements) beschrieben. Dieses System gilt mittlerweile als gemeinsame Basis für den Vergleich der diversen Abschlüsse und Zertifikate innerhalb Europas sowie für die Entwicklung von Lehrplänen, curricularen Richtlinien, Sprachprüfungen und Lehrwerken, um somit mehr Transparenz und Kohärenz zu schaffen (Ebd., 3). Als problematisch an dem gesamten Werk gelten unter anderem folgende Punkte: • Keine konkrete spracherwerbstheoretische Absicherung. • Keine ausreichenden empirischen Forschungsbefunde zu den einzelnen Alters‐ gruppen. • Starker Bezug auf die Erwachsenenwelt, was zu Transferproblemen auf den schuli‐ schen Bereich, vor allem die Grundschule, führt. • Zu starker Fokus auf einen funktionalen Kompetenzbegriff und linguistische Kom‐ petenzen; andere wichtige Bereiche des Fremdsprachenunterrichts wie Landes‐ kunde, Literatur oder emotionale Dimensionen werden an den Rand gedrängt (Krumm 2003), was entsprechende Konsequenzen für die Unterrichtsgestaltung nach sich zieht. • Relativ offene Formulierung der einzelnen Deskriptoren, was zu subjektiven Inter‐ pretationen und wenig aussagekräftigen Selbstevaluationen der Lernenden führen kann. • Fragwürdigkeit, ob der Anspruch der (nationalen und internationalen) Vergleich‐ barkeit von Kompetenzbewertungen „überhaupt einlösbar ist“ (Königs 2013, 15), und insbesondere, ob „überall, wo z. B. B1 drauf steht, auch B1 drin“ ist (Ebd., 15). • Vernachlässigung der Tatsache, dass Kommunikation aus mehr als nur „Einzelteilen“ im Sinne der vier Fertigkeiten besteht. Als Folge der politischen Entscheidungen und Zielsetzungen hinsichtlich der Zukunft Eu‐ ropas und auch als Reaktion auf die wenig rühmlichen Ergebnisse der ersten PISA-Studie begann man in Deutschland im Jahr 2002 mit der Entwicklung nationaler Bildungsstandards für die Fächer Deutsch, Mathematik und Englisch (später auch für andere Fächer), mit dem Hauptziel, die Leistungen in den einzelnen Fächern und Stufen nicht nur innerhalb Deutschlands, sondern letztendlich auch innerhalb der Europäischen Union überprüfbar und somit vergleichbar zu machen. In diesem Zuge fand in Deutschland ein Paradigmen‐ wechsel von der Input-Orientierung der bisherigen Lehr- und Rahmenpläne mit dem Fokus auf Lernziele zu einer outcome-Orientierung der neuen Bildungsstandards mit dem Fokus auf jeweils nachprüfbare Lernergebnisse statt, was zunächst für viel Verwirrung und 48 1 Die Ausgangslage: Kinder und Jugendliche in der Schule 59 Vgl. dazu auch Bausch u. a. (Hrsg.) (2003a). 60 Mittlerweile sind einige Publikationen erschienen, die bei der Umsetzung der Bildungsstandards im Englischunterricht helfen; vgl. z. B. Hallet/ Krämer (Hrsg.) (2012) oder Müller-Hartmann u. a. (Hrsg.) (2013). 61 Obwohl die Fallstudien in der Schule (vgl. Kapitel 6) noch vor Inkrafttreten der Bildungsstandards durchgeführt wurden, beziehe ich mich in dieser Arbeit nicht auf den damals gültigen Bildungsplan. Dies hat (mindestens) 3 Gründe: 1) In den drei ausgewerteten Seminaren an der Hochschule (vgl. Kapitel 7) wird selbstverständlich Bezug zum damals aktuellen Bildungsplan 2004 genommen (MKJSBW, Hrsg. 2004a; 2004b; 2004c). 2) Storyline ist weitaus offener als die früheren „Lehrpläne“ und hat schon immer umfassende und ganzheitliche Kompetenzen (nicht nur skills) angestrebt (vgl. Kapitel 2). 3) Storyline ist ein flexibles Konzept und wird gerade deshalb international in ganz ver‐ schiedenen Kontexten eingesetzt (vgl. Kapitel 2.2). Kritik 59 sorgte, unter anderem auch deshalb, weil von offizieller Seite aus alles relativ schnell, aber vor allem ohne Beteiligung der direkt Betroffenen, vonstatten ging: Es gab so gut wie keinen breiten Diskurs, obwohl diese bildungspolitische Maßnahme von funda‐ mentaler Bedeutung war und ist. Für jedes Fach, einzelne Klassenstufen und Schularten wurden somit zum ersten Mal klare Leistungserwartungen mit den entsprechend erwarteten Kompetenzen und Teilkom‐ petenzen formuliert und durch Aufgabenbeispiele konkretisiert, allerdings nicht wie zu‐ nächst geplant als Mindeststandards, sondern als abschlussbezogene Regelstandards, was vor allem in Hinblick auf schwächere Schülerinnen und Schüler problematisch ist (Hallet/ Müller-Hartmann 2006). Vollmer (2006) betont in diesem Zusammenhang, dass sich die Schule der faktischen Heterogenität der Lernenden stellen und sich im Sinne der Chan‐ cengleichheit zwingend „als Forderungs- und Förderungsinstanz“ (Ebd., 13) verstehen muss. Der Erwerb besagter Kompetenzen wird schließlich über entsprechende Aufgaben‐ stellungen im Rahmen von Vergleichsarbeiten überprüft. Für das Fach Englisch bedeutet die Formulierung von Bildungsstandards allerdings nichts wesentlich Neues, sondern eher eine Fortschreibung bzw. Weiterentwicklung dessen, was durch den GER bereits in die Wege geleitet worden war. Auch im Rahmen der Bil‐ dungsstandards liegt der Schwerpunkt auf funktionaler kommunikativer Kompetenz mit den folgenden Bereichen: Kommunikative Fertigkeiten (im Wesentlichen die four skills), methodische Kompetenzen, interkulturelle Kompetenzen sowie Verfügung über die sprach‐ lichen Mittel. Hallet und Müller-Hartmann (2006) begrüßen, dass die Bildungsstandards ausdrücklich darauf abzielen, „durch die Entwicklung einer neuen Aufgabenkultur den Unterricht selbst zu verändern“ (Ebd., 5) und „erstmals eine ganzheitlich verstandene kom‐ munikative Kompetenz bundesweit als zu überprüfendes Leitziel im Fremdsprachenunter‐ richt“ (Ebd., 4) etablieren. Dieser positiven Bewertung stehen zahlreiche Kritikpunkte ge‐ genüber, die im nachfolgenden Kapitel 1.6.2.3 zusammengefasst werden, zumal sie im Kontext des Konzepts zum lebenslangen Lernen betrachtet werden sollten. Mittlerweile hat sich die Diskussion um die Bildungsstandards weitgehend beruhigt; man hat sich offenbar an die neue Herausforderung gewöhnt oder auch damit abgefunden. 60 Da sich die länderspezifischen Bildungspläne auf die Bildungsstandards bzw. letztendlich auf den GER (Europarat 2001) beziehen, erübrigt sich an dieser Stelle ein weiterer Kommentar, zumal das Wesentliche bereits gesagt wurde. 61 Auffallend ist allerdings, dass am Beispiel des Bildungsplans für das Fach Englisch an Realschulen in Baden-Württemberg (MKJSBW, 49 1.6 Lebenslanges Lernen: Welche Kompetenzen soll die Schule vermitteln? 62 Vgl. dazu z. B. auch Rößler (2006). 63 Vgl. Bausch u. a. (Hrsg.) (2005), Hallet/ Müller-Hartmann (2006), Hallet/ Müller-Hartmann (Hrsg.) (2006). 64 Vgl. auch Küster (2013) zum Bildungsanspruch und Bildungsgehalt des Fremdsprachenunterrichts - ein Rückblick auf vier Jahrzehnte. Hrsg. 2004c) der Begriff „Kompetenz“ sehr häufig und beinahe inflationär verwendet wird und vor allem die Beschreibungen im Bereich „Grammatische Kompetenz“ stellenweise recht detailliert sind. Man gewinnt den Eindruck, dass hier alter Wein in neuen Schläuchen verkauft wird. 1.6.2.3 Zum Schluss bleiben viele Fragen Auf den vorangegangenen Seiten wurde versucht, den Begriff „lebenslanges Lernen“, der als Lösung für viele Probleme herhalten muss, näher zu erläutern und einige der in diesem Zusammenhang erforderlichen Kompetenzen auf allgemeiner und fachlicher Ebene zu‐ sammenzutragen. Es fällt auf, dass mit dem Konzept in Wirtschaft, Politik und Pädagogik ganz unterschiedliche Erwartungen verbunden werden: die einen zielen auf flexible Ar‐ beitnehmerinnen und Arbeitnehmer ab, die andern auf mündige Bürgerinnen und Bürger, und wieder andere fragen sich, ob bzw. wie sie eine Brücke zwischen materialer Qualifi‐ zierung und formaler Bildung schlagen sollen. 62 Entsprechend fällt die Bewertung des Kon‐ zepts des lebenslangen Lernens sowie die Beurteilung der Kompetenzorientierung in den Bildungsstandards 63 mit der anvisierten europaweiten Vereinheitlichung von Leistungs‐ messung und Abschlüssen aus. Zugleich ergeben sich viele Fragen und Bedenken, von denen hier nur einige genannt werden können. Zunächst stellt sich die grundsätzliche Frage, ob und wie sich das Vermitteln von Qua‐ lifikationen und Kompetenzen im Interesse des Wirtschaftsstandorts mit dem Erwerb de‐ mokratischer Gestaltungskompetenz vereinbaren lässt (Lenz 2004b, 123), also inwiefern sich Persönlichkeitsbildung und emanzipatorische Grundgedanken mit rein utilitaristi‐ schen Zielen (Bildung als Ware) - Rößler (2006, 273) spricht in diesem Zusammenhang von „Just-in-Time-Qualifikationen“ - in Einklang bringen lassen. Auch wenn immer wieder suggeriert wird, dass Bildung und Kompetenzerwerb dasselbe bedeuten - in diesem Punkt scheint auch der Begriff „Bildungsstandards“ irreführend zu sein - bestehen hier meines Erachtens grundsätzliche Unterschiede: Bildung zielt eher auf Urteilsvermögen, Selbstbe‐ stimmung und Freiheit ab, wohingegen der Begriff „Kompetenzerwerb“ sehr viel stärker Anpassungsfähigkeit und Abhängigkeit impliziert. Und: Bildung ist mehr als marktgän‐ giges Wissen. 64 Zu Recht stellt Lenz (2004b, 124) die Frage, „welchen Beitrag (...) das Konzept des le‐ benslangen Lernens zum Schutz des sozialen Zusammenhalts und zur Pflege der Gemein‐ schaft“ leistet, zumal der wachsende Druck zur „Selbstoptimierung“ (Ebd., 123) Versagens- und Existenzängste und somit auch Aggressionen schürt, und sich durch die zunehmende Individualisierung die soziale Spaltung fortsetzt. Eine weitere Frage lautet, wie sich die Standardisierung von Lernerfolgen mit der indi‐ viduellen Förderung der Lernenden vereinbaren lässt. Auch Küster (2006, 20) moniert, dass „die Ausrichtung fremdsprachlichen Lernens auf standardisierte Tests (...) nur schwer kom‐ patibel mit den Postulaten einer Lerner- und Prozessorientierung“ sei. Diese Problematik 50 1 Die Ausgangslage: Kinder und Jugendliche in der Schule 65 Königs (2013) befürchtet durch den „Run auf fremdsprachliche Kompetenzen“ (Ebd., 15) eine Über‐ bewertung des Testens und somit eine „Pervertierung des Fremdsprachenunterrichts“ (Ebd., 16) zu Lasten der Unterrichtsmethodik und -didaktik. ist im deutschen Bildungssystem nicht unbekannt und könnte sich jetzt sogar noch ver‐ schärfen! Wie also kann bei standardisierten Output-Vorgaben - neben allen anderen in‐ dividuellen Voraussetzungen und Bedürfnissen - die leistungsspezifische Heterogenität der Lernenden insofern berücksichtigt werden, dass sowohl leistungsschwache als auch leis‐ tungsstarke Schülerinnen und Schüler profitieren? Wie können Gleichheit und Differenz ausbalanciert werden? Wie wirken sich die in den Bildungsstandards verankerten Vorgaben auf die Qualität des Unterrichts aus? 65 Und: Welche Kompetenzen benötigen Lehrkräfte, um den Unterrichtsalltag in jeglicher Hinsicht gewinnbringend zu gestalten? Im Zuge der gegenwärtig dominierenden Kompetenzorientierung und der Diskussion um Standards und internationale Vergleichsstudien geraten Inhalte des Lernens leicht in den Hintergrund - auch im Bereich des Fremdsprachenlernens. Wie aber soll man eine Sprache lernen, ohne über Inhalte zu kommunizieren? Wie soll man sich bilden, ohne sich ein Bild von der Welt zu machen? Nicht nur Schröder (2005, 43) vermisst eine fachdidak‐ tische Reflexion des neusprachlichen und schulischen Bildungsauftrags: „Der Titel Bil‐ dungsstandards verspricht wesentlich mehr, als der Text hält. (...) So gesehen sind die Bil‐ dungsstandards (Englisch/ Französisch) für den Mittleren Schulabschluss in ihrer derzeitigen Form ein Rückfall in eine fremdsprachendidaktische Steinzeit“. Auch Doff und Klippel (2007) stören sich an der fehlenden Diskussion um den Bildungsauftrag und die Inhalts‐ frage: Funktionale Ziele des Englischunterrichts dominieren; die Diskussion der Inhalte ist weitgehend verstummt. Bildungsstandards und der Gemeinsame europäische Referenzrahmen (GeR) sind vor allem an den Fertigkeiten orientiert. Dazu liefern sie durchaus hilfreiche Beschreibungen, aller‐ dings finden sich dort keine Hinweise auf die Inhalte von Englischunterricht. Die Inhaltsfrage ist jedoch (...) von enormer Bedeutung, wenn es darum geht, das Gerüst der Bildungsstandards sinn‐ voll zu füllen und den Zweck des Englischunterrichts neu zu definieren (Ebd., 41). Andererseits liegt in dieser Offenheit vielleicht auch die Freiheit, zusammen mit den Ler‐ nenden Inhalte, Texte und entsprechende Aufgabenstellungen so auszuwählen, dass sie tatsächlich lerner- und lernorientiert - aber nicht beliebig - sind. Dies kann auch als große Chance betrachtet werden, den Englischunterricht motivierender zu gestalten - zum Bei‐ spiel durch Storyline-Projekte, im Rahmen derer die diversen Kompetenzen durch entspre‐ chend gestaltete Aufgaben spielerisch erworben werden, so dass eigentlich weder für Lehr‐ kräfte noch für Lernende ein Grund zur Sorge vor bundesweiten Kompetenztests bestehen müsste. Ob und inwiefern dies gelingen kann, sollen meine Fallstudien in Teil B zeigen. 51 1.6 Lebenslanges Lernen: Welche Kompetenzen soll die Schule vermitteln? 1.7 Zusammenfassung und Fazit Ohne Sinn sind Schulen Häuser der Leere, nicht der Lehre (Postman 1995, 20) Schule hält offenbar nicht das, was sie verspricht, nämlich die Vorbereitung der jungen Menschen auf die komplexen Anforderungen des Lebens sowie die Vermittlung von Chan‐ cengleichheit und Gleichberechtigung beim Übergang ins Berufsleben. An vielen Schulen herrschen nicht nur Stress, Burnout und diverse Formen von Aggressionen und Gewalt, sondern auf Grund von Homogenisierungsbestrebungen und „Konformitätsdruck“ (Lösel/ Bliesener 2003, 175) auch Überbzw. Unterforderung auf Seiten der Lernenden und somit auch viel Frustration und Langeweile, so dass Unterrichtsstörungen nachvollziehbar werden. Ebenso nachvollziehbar sind Studien, die belegen, dass die Schulmüdigkeit mit dem Alter steigt und während der Pubertät in Schulverweigerung und Schwänzen münden kann, wenn sich so genannte Bildungsverlierer „einer für sie subjektiv hoffnungslosen Situation nicht mehr stellen wollen“ (Fuchs u. a. 2005, 269). Schober und Spiel (2004, 205) fassen die diversen Untersuchungsergebnisse wie folgt zusammen: So wird immer wieder gezeigt, dass das durchschnittliche Interesse der SchülerInnen an der Schule und am schulischen Lernen mit zunehmender Jahrgangsstufe eher abnimmt. Die Frage, wie an dieser Situation etwas geändert werden kann (...), stellt nun kein wirklich neues Thema dar. Sie bekommt allerdings in den letzten Jahren besondere Brisanz im Kontext der Entwicklung Europas hin zur oft zitierten ‘Wissensgesellschaft’, die vor zahlreichen wirtschaftlichen, sozialen und strukturellen Herausforderungen steht. Um jedoch mit den permanenten Veränderungen Schritt halten zu können, muss die Schule alle ihre Mitglieder und auch die Verantwortlichen in der Administration zum kontinuier‐ lichen Lernen - auch außerhalb der Schule - anregen: Daraus erfolgt die notwendige Arbeit an der Kultivierung des Schulalltags, an Lern- und Lebens‐ bedingungen für Kinder und Jugendliche, die diesen nicht nur die Aneignung des nötigen Wissens, des nötigen Könnens - oder allgemeiner gesprochen: der nötigen Kompetenzen - erlauben müssen, sondern die darüber hinaus von diesen auch sinnvoll, interessant und zum Lernen herausfordernd erfahren werden können (Liebau 2005, 60). „Lebenslanges Lernen“ heißt das vielsagende neue Bildungskonzept, „das den Um- oder Neubau des bestehenden Bildungssystems erfordert“ (Lenz 2004b, 122). Wie die vorange‐ gangenen Kapitel gezeigt haben, herrschen in unserem Bildungssystem aber noch viele Traditionen, die offensichtlich nicht von einem Tag auf den anderen verworfen werden können. Es braucht lange, bis der „Tanker“ in Bewegung kommt und ob er dann - in unserer schnelllebigen Gesellschaft - auf dem richtigen Kurs ist, lässt sich schwer prognostizieren. Aus diesem Grund scheint es mir wichtig, sinnvoller und erfolgversprechender, nicht auf Veränderungen von „oben“ zu warten, sondern aktiv mit konkreten Veränderungen im Klassenzimmer, also von „unten“, zu beginnen und im gleichen Zug Lehramtsstudierende auf die neue Situation konstruktiv vorzubereiten. Ob dies beispielsweise mit Hilfe des Storyline-Konzepts gelingen kann, sollen meine Untersuchungen zeigen (vgl. Teil B). Wenn wir uns also von einer Risikozu einer Chancengesellschaft entwickeln möchten, dann müssen die heterogenen Voraussetzungen der Kinder und Jugendlichen sachlich 52 1 Die Ausgangslage: Kinder und Jugendliche in der Schule 66 Vgl. dazu auch die kritischen Ansätze in Bittlingmayer/ Bauer (Hrsg.) (2006) und Tänzler u. a. (Hrsg.) (2006). wahrgenommen, wertneutral akzeptiert und konstruktiv genutzt werden. Laut Lenz (2004b, 117) befinden wir uns (noch) in einer „Belehrungs- und Lerngesellschaft“. 66 Scrubar (2006) spricht von einer „Unwissensgesellschaft“. Damit die Transformation zur „Wissensgesell‐ schaft“ kein „Mythos“ bleibt (Kübler 2005), müssen sich Schule und Unterricht wandeln und sich vom noch immer vorherrschenden Frontalunterricht lösen, um den individuellen Be‐ dürfnissen der Lernenden besser gerecht werden zu können. Dies gilt insbesondere auch für den Fremdsprachenunterricht, der vielerorts noch immer als Auswendiglernen von Vo‐ kabeln und Grammatikregeln verstanden wird und in den meisten Fällen darauf hinaus‐ läuft, das Schulbuch durchzupauken. Dass dies enorm zeitaufwändig und wenig motivie‐ rend ist, ohne dass letztendlich konkrete authentische Anwendungssituationen produktiv gemeistert werden können, ist den meisten Lehrkräften bewusst. Von Seiten der Lernenden wird dieser Tatbestand spätestens dann beklagt, wenn sie im Ausland feststellen, dass sie nach mehreren Jahren Englischunterricht noch nicht einmal ein banales Gespräch führen können. Interkulturelle kommunikative Kompetenz ist und bleibt für viele während der Schulzeit offenbar ein Fremdwort. Obwohl sich deutsche Schülerinnen und Schüler im internationalen Vergleich mit am längsten im Schulsystem befinden und auf Grund von Prüfungsängsten und mangelndem Selbstvertrauen sehr viel Zeit und Energie in die Schule investieren, schneiden sie bei PISA nur mittelmäßig ab: Offensichtlich wird an unseren Schulen zwar viel gelehrt, aber zu wenig gelernt! Dies wird beispielsweise auch in der DESI-Studie moniert: 30 % der Lernenden in Jahrgangsstufe 9 erreichen „nicht einmal das international eher untere Niveau A2“ des GER (Edelhoff 2007, 3). In der Hauptschule „erreicht etwa nur ein Drittel der Schülerinnen und Schüler das Regelziel der Bildungsstandards“ (Klieme 2006, 2). Kluge (2003) kritisiert: „In unseren Schulen lernt man, die vom Lehrer erwarteten Antworten zu geben, nicht aber, Fragen zu stellen“ (Ebd., 21). Die Lernenden wissen, „dass sie in diesem Frage-und-Ant‐ wort-Spiel nicht gefragt, sondern abgefragt werden“ (Ebd., 83). Dies wirkt sich entsprechend negativ auf ihre Lernmotivation aus. Lernen muss also anders angelegt werden, denn die PISA-Befunde belegen auch, dass deutsche Schülerinnen und Schüler zwar „Regeln be‐ folgen, aber nicht problemlösend denken“ können (von der Groeben 2007, 8), was jedoch für die konstruktive und kreative Gestaltung ihrer Zukunft unabdingbar ist. Dies zu ver‐ mitteln ist meines Erachtens eine der wichtigsten Aufgaben der Schule. Zum Schluss ergeben sich mindestens drei Fragenkomplexe: 1. Wie kann in der Schule die Entkoppelung von der Schule gelernt werden? Wie sollte eine Lernumgebung gestaltet sein, damit Schülerinnen und Schüler besagte Selbstlernkompetenz entwickeln können? 2. Wie können sie zu neugierigen, kritischen und lebenslang Lernenden erzogen werden, die nicht nur Regeln befolgen und Fragen beantworten, sondern auch Fragen stellen können? 3. Was kann der Fremdsprachenunterricht zu diesen überfachlichen Zielsetzungen bei‐ tragen? Konkret: Wie kann trotz zunehmendem Leistungsdruck durch Bildungsstandards und der damit verbundenen Testsituation guter Englischunterricht gestaltet werden? Oder besser: Wie können Leistungsdruck und Versagensängste durch guten Englischunterricht vermieden und zugleich die Lernmotivation erhöht werden? Und: Wie können bekannte 53 1.7 Zusammenfassung und Fazit methodisch-didaktische Leitprinzipien wie Lernerautonomie, selbstverantwortliches Ler‐ nen, kooperatives Lernen und Handlungsorientierung endlich realisiert werden, um die vielfältigen Potenziale der heterogenen Lerngruppen besser auszuschöpfen und somit einen Beitrag zur Chancengleichheit auf Seiten der Lernenden und Berufszufriedenheit auf Seiten der Lehrkräfte zu leisten? Last but not least: Können Storyline-Projekte möglicherweise die Motivation der Lernenden hinsichtlich des Fremdsprachenlernens erhöhen und die ent‐ sprechenden Kompetenzen vermitteln, also einen positiven Beitrag zum lebenslangen Lernen leisten? All diesen Fragen wird in den nächsten Kapiteln nachgegangen. Zuvor aber soll der Storyline Approach vorgestellt werden: ein aus meiner Sicht vielversprechender und zu‐ kunftsweisender Ansatz, um die oben aufgeführten Probleme konstruktiv anzugehen. 54 1 Die Ausgangslage: Kinder und Jugendliche in der Schule 1 Vgl. dazu Storyline pædagogikken ( Jørgensen/ Rasmussen 1996), Storyline-Metoden: Den Skotske Me‐ tode (Falkenberg/ Håkonsson, Hrsg. 1997), Methode Glasgow (Kohls u. a. 1994) oder Storyline as an Approach to Language Teaching (Bell 1995a). 2 Der Weg ist das Ziel: Der Storyline Approach 2.1 Einleitung The teacher’s view of me was a very simple one. I was an empty sack waiting to be filled with the potatoes of knowledge (Steve Bell) Vor dem Hintergrund der anhaltenden Kritik an den offensichtlich unbefriedigenden Er‐ gebnissen der Unterrichtspraxis in der Sekundarstufe I soll nun der Storyline Approach als alternatives Lernkonzept vorgestellt werden. Storyline ist ein multifunktionales Modell, das aktuellen Forderungen der Fachdidaktik, Pädagogik und Schulpolitik und gleichzeitig den vielschichtigen Zielsetzungen des Bildungskonzepts „Lebenslanges Lernen“, aber auch den divergierenden Bedürfnissen einer zunehmend heterogenen Lerngruppe mit ihren indivi‐ duellen Wissenskonstruktionen und Vorerfahrungen gerecht werden kann. Wie sich zeigen wird, ist Storyline sowohl der Weg als auch das Ziel für ein engagiertes und effizientes Lernen auf kognitiver, emotionaler, sozialer, methodischer sowie psychomotorischer Ebene. Das Storyline-Modell erfüllt somit zahlreiche in der Literatur aufge‐ führte Desiderate für nachhaltiges, ganzheitliches und sinnerfülltes schulisches Lernen. Ob es sich dabei um eine Pädagogik, eine Philosophie, eine Spracherwerbstheorie, eine Me‐ thode oder um einen Ansatz handelt, soll hier nicht weiter diskutiert werden, denn hin‐ sichtlich der Begrifflichkeiten sind sich selbst die einschlägigen Expertinnen und Experten nicht einig. 1 Fest steht allerdings, dass es sich um ein gewinnbringendes Konzept handelt, das in vielerlei Hinsicht dazu beiträgt, dass Schülerinnen und Schüler “good learners“ (Bell 1995a, 18) werden. In den folgenden Kapiteln soll das Storyline-Modell mit seinen grundlegenden Prinzipien, charakteristischen Merkmalen und seinen Qualitäten für den Unterricht im Allgemeinen sowie den Fremdsprachenunterricht im Besonderen dargestellt werden. Zuvor werden Ur‐ sprung, Weiterentwicklung und Verbreitung im internationalen Kontext erläutert, um somit anschaulich zu illustrieren, wie flexibel und individuell der komplexe Ansatz ge‐ handhabt werden kann. Zum Schluss werden Bezüge zwischen dem Storyline Approach und dem Ansatz des aufgabenorientierten Lernens (Task-based Language Learning), der im wei‐ teren Sinne auch als übergeordneter Forschungskontext betrachtet werden kann, aufge‐ zeigt sowie einige aktuelle Fragestellungen aus der Aufgabenforschung herausgearbeitet. 2 Schottische Kinder verlassen die Primary School nach der 7. Klasse mit 11-12 Jahren. 2.2 Entwicklung und Verbreitung des Storyline Approach 2.2.1 Einleitung Teaching should be more than the passing out of books (Bell 2001, 5) Der Storyline Approach ist nicht - wie häufig vermutet - ein völlig neu entwickeltes Konzept für das Fremdsprachenlernen, sondern hat in manchen Regionen bereits eine jahrzehnte‐ lange Tradition. Der Weg zum Erfolg ist auch nicht immer geradlinig verlaufen, sondern kennzeichnet sich durch Phasen von ups and downs, die auf die jeweils gültigen curricularen Bedingungen und administrativen Vorschriften zurückzuführen sind. Auf den folgenden Seiten werden zunächst in Grobzügen die historischen Ursprünge des Storyline-Modells erläutert, um anschließend die daraus resultierenden Ausprägungen des Konzeptes darzu‐ stellen, die trotz aller Unterschiede stets auf den später in Kapitel 2.3 erörterten Prinzipien und Merkmalen basieren, wenn auch in ganz unterschiedlichem Maße. 2.2.2 Ursprünge und geschichtlicher Hintergrund Als in Schottland im Jahr 1965 ein neues Schulgesetz für die Primary Schools  2 diskutiert und 1966 der Primary Education Report mit den Richtlinien für die kommenden 25 Schul‐ jahre verabschiedet wurde (Harkness 1997, xiii), waren die schottischen Grundschulen vor eine komplett neue Situation gestellt: Um den Problemen der Stofffülle, des fragmentierten Schulalltags und der Trennung von Schule und Lebenswirklichkeit entgegenzuwirken, sollten die Fächer Geographie, Geschichte, Mathematik und Naturwissenschaften fortan unter der Bezeichnung Environmental Studies, die Fächer Musik, Kunst/ Werken und Be‐ wegung unter dem Namen Aesthetic Subjects zusammengefasst, der Unterricht insgesamt schülerorientiert, ganzheitlich und integrativ gestaltet und die Klassen möglichst nur von einer einzigen Lehrkraft unterrichtet werden. Diese Neuerungen verursachten einige Un‐ sicherheiten an den Schulen: In many schools these recommendations created the need for a radical change of approach. Hith‐ erto teachers had based their curriculum on the use of textbook series for the different subjects. Pupils recorded their progress by moving from page to page and chapter to chapter. When these outdated texts were removed, some teachers did not know what to put in their place (Ebd., xiv). Laut Harkness (1997) basierte das Primary Memorandum ’65 (Primary Education in Scot‐ land) zwar auf guten Prinzipien, war aber als praktischer Leitfaden zu abstrakt und daher für viele Lehrkräfte eher unbrauchbar: “By definition environmental studies could not be a subject, since it was made up of subjects. It had to be a way of teaching, in other words a methodology. Teachers needed help in re-structuring their curriculum planning. Process was beginning to be emphasised as well as content“ (Bell 1995a, 6). Um die curriculare Neuorientierung in die Praxis umsetzen zu können, wurde 1967 am damaligen Jordanhill College of Education in Glasgow (jetzt Teil der Strathclyde University) ein Inservice Staff 56 2 Der Weg ist das Ziel: Der Storyline Approach 3 Vgl. dazu auch Bell (2007), Bell/ Harkness (2016) oder Harkness (1997). Tutor Team gegründet, zu dessen drei Mitgliedern Sallie Harkness, Fred Rendell sowie Steve Bell zählten, über den auch der Kontakt mit der Pädagogischen Hochschule Freiburg in den 1980er Jahren geknüpft wurde. Diese Arbeitsgruppe wurde von der Lehrtätigkeit in der Lehrerausbildung (preservice) befreit und hatte nun die kreative und herausfordernde Auf‐ gabe, in Kooperation mit Lehrerinnen und Lehrern (inservice) die neuen Richtlinien für den muttersprachlichen Grundschulunterricht zu konkretisieren, nämlich im Bereich der En‐ vironmental Studies eine ganzheitliche und fächerübergreifende Lehr-/ Lernmethode, die aktives, entdeckendes, gruppenorientiertes und differenzierendes Lernen zum Ziel hatte, zu entwickeln. Diese wurde in Schottland zunächst als Staff Tutor Topic Approach oder Topic Work bezeichnet und erst Jahre später im Rahmen der European Association for Educational Design (EED) auf internationaler Ebene unter dem Namen Storyline Approach bekannt ge‐ macht. 3 Viele Lehrkräfte und Mitglieder der Schulverwaltung wirkten über Jahre hinweg ko‐ operativ und kollaborativ an der Entwicklung und Realisierung des Topic Work-Konzepts mit. Zahlreiche Themen und Unterrichtsentwürfe wurden in gemeinsamen dreitägigen Workshops, die ab circa 1970 regelmäßig stattfanden, entwickelt, danach im Sinne von learning by doing ausprobiert und innerhalb der Gruppen ausgetauscht, was wiederum de‐ monstriert, wie flexibel der Ansatz für alle Altersklassen und Zielsetzungen genutzt werden kann. Darüber hinaus wurden die Lehrerinnen und Lehrer von Mitgliedern des Staff Tutor Team im Unterricht besucht, betreut und beraten. Harkness (1997) hebt hervor, dass damals vor allem die Arbeit mit buchbasierten Themen beliebt war, da die Lehrkräfte darin Si‐ cherheit verspürten. Im Laufe der Zeit wechselten ehemalige Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer in die Schulleitung, stellten den Topic Approach im Rahmen von Fortbildungen an ihren Schulen vor und sorgten somit für Kontinuität und Weiterentwicklung des Modells. Viele Schulen wurden auf diese Weise zu so genannten “Storyline schools“ (Bell 2007, 30). Theoretische Ansätze blieben jedoch während der ganzen Entwicklungsphase eher im Hintergrund, denn es handelte sich eindeutig um ein Konzept aus der Praxis für die Praxis, welches gemeinsam mit praktizierenden Lehrkräften entwickelt und mit deren Unterstützung verbreitet wurde. Das Motto lautete also vielmehr: “Practice, reflection, theory“ (Ebd., 28). 2.2.3 Verbreitung und Weiterentwicklungen In den 1980er Jahren wurde das Storyline-Konzept regelrecht populär. Interessierte aus dem Ausland begannen in zunehmender Zahl nach Glasgow zu pilgern, um zu sehen und vor allem zu erleben, wie Storyline in den schottischen Schulen umgesetzt wird. Gleichzeitig wurden Mitglieder des Staff Tutor Team ins Ausland eingeladen, um Kurse und Fortbil‐ dungen durchzuführen. Auf diese Weise fanden sich immer mehr Personen, auch aus der Schulverwaltung und Schulaufsicht, die Interesse an dem Konzept zeigten. 1986 fand in Island ein erstes Treffen mit internationalen Repräsentanten, die sich mit Storyline bereits intensiv auseinandergesetzt hatten, statt. Dort beschlossen Steve Bell, Gudmundur Kristmundsson und Jos Letschert, sich in regelmäßigen Abständen zu treffen, 57 2.2 Entwicklung und Verbreitung des Storyline Approach um den Storyline Approach gemeinsam zu fördern und sich bei dieser Gelegenheit auch über die internationale Bildungslandschaft auszutauschen. In diesem Zusammenhang wurde als Gesprächsforum die Gesellschaft European Association for Educational Design (EED) ge‐ gründet. 1988 fand im National Institute for Curriculum Development (SLO) in Enschede, Nieder‐ lande unter der Schirmherrschaft von Steve Bell die erste Konferenz der EED (1 st Golden Circle Seminar) statt (Harkness/ Håkonsson 2001), deren internationale Mitglieder mittler‐ weile aus den verschiedensten Bereichen der pädagogischen Arbeit kommen: aus Ministe‐ rien, Lehrplanentwicklungskommissionen, Hochschulen, Fortbildungseinrichtungen, Schulen, Kindergärten, Verlagen, Managementkreisen, Umwelt- und Hilfsorganisationen sowie zahlreichen weiteren Institutionen. Sie alle haben sich zum Ziel gesetzt, den Storyline Approach in ihren jeweiligen Arbeitskontexten weiterzuentwickeln und zu verbreiten: durch Unterrichtsprojekte, Fortbildungen, Seminare, Publikationen, Vorträge, Gastdozen‐ turen, Forschungsprojekte oder Diskussionen in diversen Foren und Gremien. Im Abstand von etwa 1 ½ Jahren trifft sich die internationale Gruppe, der ich seit 1994 ebenfalls angehöre, im Rahmen des Golden Circle Seminar an wechselnden Tagungsorten, um sich über die aktuelle Arbeit auszutauschen und neue Entwicklungsimpulse zu setzen. Mittlerweile konnten auch mehrere internationale Konferenzen, die International Storyline Conferences, durchgeführt werden: in Aalborg (2000), Helsingør, Dänemark (2003), Glasgow (2006), Portland, Oregon (2009), Reykjavik (2012) sowie Glasgow (2015). In einigen Ländern wurden mittlerweile so genannte Silver Circles gegründet, die sich zum Austausch und zur Kooperation auf Länderebene treffen. Im Frühjahr 2005 wurde in Tønsberg, Norwegen die von der Vestfold Universität organisierte erste Nordic Storyline Conference durchgeführt, auf der sich circa 150-180 Vertreterinnen und Vertreter aus den skandinavischen Ländern trafen. Im April 2008 fand die zweite Nordic Storyline Conference in Göteborg, Schweden statt. Dort wurde zum ersten Mal eine Storyline Conference zu einem spezifischen Rahmen‐ thema (Learning for sustainable development) veranstaltet, was viele interessante Gespräche auslöste. Insbesondere Steve Bell und Sallie Harkness ist es durch ihren unermüdlichen Einsatz zu verdanken, dass Storyline heute in zahlreichen Ländern praktiziert wird, dabei jedoch nie als strenges Rezept befolgt, sondern immer den lokalen Gegebenheiten und individu‐ ellen Zielsetzungen angepasst wird. In all den Jahren ist ein eng gespanntes Netzwerk aus persönlichen Kontakten entstanden und somit ein idealer Nährboden, um Storyline weiter zu verbreiten. Bell beschreibt diesen Entwicklungsprozess in einem Interview mit mir wie folgt: “First Storyline was adopted in the mother tongue, then it was adapted to special needs“ (Kocher 1997). Der Storyline Approach wurde jahrelang insbesondere in Skandinavien favorisiert, wo die Schulsysteme, Lehrpläne und Stundenpläne offener sind und die Notengebung bis Klasse 8 meist keine oder zumindest keine große Rolle spielt. Gerade in der Grundschule, die in skandinavischen Ländern in der Regel bis Klasse 8 oder gar 10 dauert, hat Storyline im muttersprachlichen Unterricht gut Fuß gefasst; zwar nie komplett flächendeckend oder gar ausschließlich, was dem Ansatz ohnehin widersprechen würde, aber entschieden mehr als nur punktuell. Da die Lehrkräfte meist mehrere Fächer in einer Klasse unterrichten, können organisatorische Fragen hinsichtlich eines interdisziplinären Unterrichts reduziert 58 2 Der Weg ist das Ziel: Der Storyline Approach 4 Zwischenzeitlich wurde die Gesellschaft EED umbenannt in Storyline International, da ihr zuneh‐ mend auch Mitglieder aus außereuropäischen Ländern angehören. 5 Vgl. dazu auch Steve Bells Website, wo viele Daten, Konferenzen, Kurse, Projekte und Publikationen aufgeführt sind: www.storyline-scotland.com werden. Des Weiteren herrscht in Skandinavien im Vergleich zu vielen anderen Ländern viel mehr Flexibilität im Schulalltag und weniger Druck hinsichtlich Leistungsmessung und Prüfungen. Ein ganz wesentlicher Grund für die weite Verbreitung des Storyline-Modells in Skandinavien liegt jedoch in der Tatsache, dass gerade in Skandinavien sehr viel Wert auf Lehrerfortbildung gelegt wird und diese auch gute finanzielle Unterstützung findet. Außerdem ist es in den so genannten teaching teams sehr viel leichter, neue Konzepte aus‐ zuprobieren und zu reflektieren. Mit Sorge teilten im Frühjahr 2008 allerdings einige Kol‐ leginnen und Kollegen auf der Nordic Storyline Conference in Göteborg mit, dass die neuen Bildungspläne (auch als Folge der PISA-Studien) zunehmend konservativ ausgerichtet sind und verstärkt wieder traditionelle Vorgehensweisen verlangt werden. Dieser Trend hält offenbar an - nicht nur in Skandinavien - und wurde auch im Rahmen des Golden Circle Seminar 2016 diskutiert. Es stellt sich die Frage, welche Metamorphosen der Storyline Approach im Laufe der Zeit vollzogen hat. Leider liegen bis zum heutigen Tag außer Erfahrungswerten, Schätzungen und Beobachtungen keine großräumigen empirischen Forschungsergebnisse vor, die an‐ hand von Zahlen und zielgerichteten Untersuchungen belegen könnten, wie und wo sich der Storyline-Ansatz in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt und verbreitet hat und welche Bedingungen förderlich oder hemmend sind. Hier müssten umfassende Studien durchgeführt werden, die neben fachspezifischen Aspekten auch die jeweiligen länderspe‐ zifischen Hintergründe (im Sinne der Bildungskultur) beleuchten. Nichtsdestotrotz werden von einzelnen Storyline International  4 -Mitgliedern immer wieder kleinere Untersuchungen durchgeführt, wissenschaftlich begleitet und dokumentiert. Interessant und aufschluss‐ reich wäre allerdings, diese im Kontext der internationalen Bildungslandschaft zusammen‐ zutragen, zu systematisieren und miteinander zu vergleichen, um entsprechende Schluss‐ folgerungen formulieren zu können. Nachfolgend sollen einige Beispiele ausführlicher erwähnt werden, die belegen, dass Storyline ein vielseitiges und flexibles Konzept darstellt, welches in alle möglichen (und zunächst auch unmöglichen) Bereiche übertragen werden kann und somit der Heteroge‐ nität von Lerngruppen jeglicher Art bestens Rechnung trägt. Wo nicht anders angemerkt, wurden die Informationen im Rahmen von diversen Storyline-Tagungen gewonnen, insbe‐ sondere aber durch den jahrelangen persönlichen Austausch mit den Mitgliedern von Story‐ line International. 5 • Schottland: In Schottland wird der Storyline Approach immer noch fast ausschließ‐ lich im muttersprachlichen Unterricht der Grundschulen praktiziert, da dort durch das Klassenlehrerprinzip (im Vergleich zur Sekundarschule) flexiblere Lern- und Lehrbedingungen herrschen. Erstaunlich ist jedoch hinsichtlich des Interesses an Storyline eine immer wiederkehrende Wellenbewegung. Vor einigen Jahren zeich‐ nete sich in schottischen Grundschulen (durch neue gesetzliche Vorgaben der Na‐ tional Guidelines 5 to 14) eine neue Entwicklung ab: Von Seiten der Schulverwaltung 59 2.2 Entwicklung und Verbreitung des Storyline Approach wurde wieder mehr Wert auf traditionelle Lernergebnisse gelegt, folglich sollten Rechtschreibung und Rechnen verstärkt trainiert werden. Der Storyline Approach bzw. ganzheitliche Lernmethoden generell schienen zu jenem Zeitpunkt für die of‐ fizielle Seite wieder an Bedeutung zu verlieren. Steve Bell (2008) illustriert diesen Prozess in seinem so genannten Process-Contents Fork Model, bei dem sich die beiden Extrempunkte „Lerninhalte“ und „Lernprozesse“ - je nach schulpolitischer Situation und curricularer Zielsetzung - einander nähern oder sich voneinander entfernen. Ziel sollte laut Bell sein, dass sich beide Aspekte in Balance befinden. Während in Schottland also zunehmend eine back to the basics-Haltung zu beob‐ achten und das integrative Storyline-Konzept weitgehend aus dem Rampenlicht ver‐ drängt worden war, kann seit etwa 2003/ 2004, und zwar wieder als Folge von neuen Lehrplanempfehlungen (Curriculum for Excellence), ein neues und zunehmendes In‐ teresse an Storyline festgestellt werden. Der Grund für die „Neuentdeckung“ des Storyline Approach liegt offenbar in der Tatsache, dass die National Guidelines 5 to 14 vor allem in den naturwissenschaftlichen und sozialkundlichen Fächern voll‐ kommen überfrachtet waren, viele Lehrkräfte mehr Autonomie verlangten und mittlerweile auch in der Lehrplanentwicklung wieder ein stärkerer Fokus auf Kre‐ ativität, Phantasie und Interdisziplinarität gelegt wird. Das neue Motto heißt: “en‐ terprise education“ (vgl. Brownlow 2007). John MacBeath (2007), Director of Leadership for Learning (The Cambridge Network) an der Universität Cambridge, begründet “the homecoming of Storyline“ (Ebd., 17) wie folgt: It had not merely survived but been immeasurably enriched, with a new vitality that comes from exposure to other cultures, differing conventions and lifeworlds. (...) Storyline has sur‐ vived the vagaries of political ideology, not only because you can’t keep a good idea down, but perhaps because it had to go away in order to come back. Perhaps (...) it had to re-invent itself, be tested for its adaptability, resilience and sustainability in other climes (Ebd., 17 f.). Im Frühjahr 2015 fand die 6 th International Storyline Conference ebenfalls in Glasgow statt, und zwar zu dem Rahmenthema One world - many stories. Im Jahr 2006 ver‐ öffentlichten Bell und Harkness ihr erstes gemeinsames Buch über Storyline und mittlerweile gibt es auch diverse Praxismaterialien. All die Jahre zuvor hatten die beiden ganz bewusst auf die praxisbezogene und handlungsorientierte Vermittlung des Konzepts in Kursen und Seminaren (learning by doing) Wert gelegt und Publi‐ kationen als hinderlich befunden. Steve Bells Tochter Pamela hat 2007 in der Nähe von Glasgow eine Storyline-Schule eröffnet, die 2012 bei einer Schulinspektion durch HMIe sehr gute Bewertungen erhielt (vgl. Adamson 2016). Ich selbst besuchte die Schule 2015 und war sehr be‐ eindruckt. Sallie Harkness (2016) konzipiert in Kooperation mit dem Vogelschutz‐ bund auch spezifische Storyline-Projekte zum Thema „Naturschutz“ (outdoor learn‐ ing). • England: Abgesehen von Schottland scheint der Storyline Approach innerhalb Großbritanniens eher ein Nischendasein zu führen. Mit ein Grund dafür sind die spezifischen curricularen Bedingungen (National Curriculum). Dennoch sind auch 60 2 Der Weg ist das Ziel: Der Storyline Approach 6 Vgl. dazu z. B. Mitchell-Barrett (2010). 7 Vgl. dazu auch www.storyline-scotland.com/ category/ england/ 8 Vgl. dazu auch www.storyline-scotland.com/ 2010/ 01/ storyline-in-north-yorkshire/ 9 In Island dauert der Besuch der Grundschule von Klasse 1-10 (Alter: 6-16 Jahre). 10 Isländische Lehrkräfte werden alle zwei Jahre von ihrer Gewerkschaft finanziell unterstützt, um an Tagungen und Fortbildungen teilzunehmen. 11 Vgl. dazu auch Eggertsdóttir (2001), Eiriksdóttir (2001) und Steingrimsdóttir (2001). 12 Vgl. dazu auch www.storyline-scotland.com/ category/ iceland/ in England einige Schulen bekannt (vor allem in London, Surrey und North York‐ shire), in denen der Ansatz im muttersprachlichen Unterricht 6 eingesetzt wird, wo‐ hingegen er auch in ganz anderen Bereichen der sozialen Arbeit erfolgreich realisiert wird: beispielsweise in einem durch Pip Tench geleiteten Projekt (Bridging the Gap) in North Tyneside, das Begegnungen zwischen Kindergartenkindern und Menschen in Altersheimen fördert (Tench/ Stanton 2001). Mittlerweile wurden von Tench und Stanton auch generationsübergreifende Storyline-Projekte für die Sekundarschule entwickelt (z. B. The Town of the Future oder Trench Warfare). 2006 erhielten sie für ihre generationsübergreifende Storyline-Arbeit von The British Charity den NOJO (Not Older Just Old) Award. 7 Zum Einsatz von Storyline im Fremdsprachenunterricht liegen keine detaillierten Informationen vor, allerdings begann 2010 in North Yorkshire ein Projekt (Links into Languages), in das drei Sekundar- und fünf Primarschulen im Rahmen des Franzö‐ sischunterrichts involviert sind, um den Übergang zwischen den Schularten zu er‐ leichtern. 8 • Island: Da Flexibilität, Autonomie und Kreativität in Island die Säulen der Schul‐ kultur bilden, erfreut sich der Storyline Approach dort großer Beliebtheit und genießt vor allem in den Grundschulen 9 einen hohen Bekanntheitsgrad. Insbesondere über Gudmundur Kristmundsson, Professor an der Universität in Reykjavik und Mitbe‐ gründer der EED, wurde Storyline zu Beginn der 1980er Jahre über Fortbildungen schnell verbreitet. Nicht wenige Lehrkräfte sind in den vergangenen Jahren nach Glasgow oder zu den International Storyline Conferences gereist, um sich professio‐ nell weiterzubilden. 10 Björg Eiriksdóttir, Maria Steingrimsdóttir und Rosa Eggertsdóttir verbrachten in den 1980er und 1990er Jahren jeweils längere Studienaufenthalte in Glasgow, um Steve Bell bei seiner Arbeit zu begleiten. Anschließend leiteten sie Lehrerfortbildungen im Raum Reykjavik (Eiriksdóttir) und Seminare an der Universität in Akureyri (Stein‐ grimsdóttir und Eggertsdóttir). 11 Im Rahmen ihrer Magisterarbeiten führten sie di‐ verse Forschungsprojekte durch, um ihre Arbeit mit Storyline wissenschaftlich zu fundieren und voranzutreiben. 2005 fand an der Universität in Akureyri die erste Icelandic Storyline Conference statt, an der 10 % der etwa 3.400 isländischen Lehr‐ kräfte teilnahmen. 12 Laut Eiriksdóttir führen zwischen 25 und 50 % der Lehrkräfte regelmäßig Storyline-Projekte durch, allerdings eher mit jüngeren Klassen. Sie un‐ terrichtet Storyline heute auch an der Universität in Reykjavik. • Dänemark: Im Jahr 1983 projektierte die Firma LEGO ein neues Pädagogisches Zentrum und lud Steve Bell als Berater ein, der Begleitmaterialien zu den neu ent‐ 61 2.2 Entwicklung und Verbreitung des Storyline Approach 13 Vgl. dazu auch www.storyline-scotland.com/ category/ denmark/ 14 Alle besuchen die Folkeskole ( Jahrgang 0-9 oder 10) und befinden sich 10 bzw. 11 Jahre lang in der‐ selben Lerngruppe, bevor sie auf das dreijährige Gymnasium wechseln oder eine Berufsausbildung beginnen. 15 Vgl. dazu z. B. Kock (1995). Andere deutsch- oder englischsprachige Publikationen bzw. neuere For‐ schungsergebnisse zum Einsatz von Storyline beim Fremdsprachenlernen sind derzeit leider nicht bekannt. 16 Vgl. dazu auch www.storyline-scotland.com/ category/ norway/ wickelten Konzepten und Bausteinen verfassen sollte und darüber hinaus auch in die Produktion des preisgekrönten Lehrfilms Space Abduction (LEGO Dacta, Hrsg. 1986) involviert wurde. Seit etwa 1988 wurden in Dänemark zahlreiche Story‐ line-Fortbildungen durchgeführt und teilweise auch mit study tours nach Glasgow verbunden. Cecilie Falkenberg und Erik Håkonsson (2000) publizierten das erste umfassende Buch über Storyline und von verschiedenen Seiten wurden Praxisma‐ terialien veröffentlicht. 13 Den größten Einfluss auf die Verbreitung des Storyline-Ansatzes in Dänemark hatte die Einführung des neuen Schulgesetzes im Jahr 1991. Dieses bewirkte, dass Pro‐ jektarbeit verpflichtend und somit examensrelevant wurde. Als Folge wurde der Storyline Approach in das Schulcurriculum explizit aufgenommen, so dass Dänemark jahrelang als Storyline-Zentrum innerhalb Europas galt. Mittlerweile wird Storyline in vielen Vorschulen, jedoch schwerpunktmäßig im fächerübergreifenden, mutter‐ sprachlichen Unterricht in den unteren Klassen an der Folkeskole eingesetzt. 14 Finn Mosegaard hat in den 1990er Jahren Storyline für das Fach Informationstechnologie adaptiert, um mit Hilfe von Storyline-Projekten auch den sinnvollen Gebrauch des Computers zu vermitteln. Auch wenn die Storyline-Euphorie in den letzten Jahren auf Grund neuer Schulge‐ setze etwas nachgelassen hat, wird das Konzept - auch außerhalb der Folkeskole - noch immer in vielen Bereichen realisiert: in Kindergärten, in Managementkursen, in der Lehrerausbildung, in der Gesundheitserziehung im Rahmen von Essstörungen bei Kindern und Jugendlichen (vgl. Mark 2007), im Konfirmationsunterricht oder in der Ausbildung von Lehrkräften am Königlichen Dänischen Ballett in Kopenhagen (vgl. Falkenberg 2016, 233 ff.). Der Einsatz von fremdsprachlichen Storyline-Pro‐ jekten im Deutsch- oder Englischunterricht scheint allerdings regional ganz unter‐ schiedlich ausgeprägt zu sein. 15 • Norwegen: Der erste Storyline-Kurs in Norwegen fand im Jahr 1997 mit Steve Bell in Oslo statt. Mittlerweile wurden zahlreiche Kurse und study tours nach Schottland durchgeführt sowie einige Artikel und Bücher publiziert. 16 Die Vestfold Universität in Tønsberg galt lange als Storyline-Zentrum innerhalb Norwegens. Dort wurden nach Angaben von Knut-Rune Olsen bis Mitte 2005 einige Tausend Lehrkräfte aus Primar- und Sekundarschulen in Storyline-Kursen fortgebildet. Eine ähnliche Wellenbewegung wie in Schottland wurde auch in Norwegen beob‐ achtet. Dewey und Kerschensteiner hatten seit 1939 einen großen Einfluss auf die Curriculumentwicklung in Norwegen gehabt, doch auf Grund aktueller EU-Regle‐ mentierungen im Bildungsbereich und einer eher konservativen Regierung scheinen 62 2 Der Weg ist das Ziel: Der Storyline Approach 17 In Talking English 5 (2006), Talking English 6 (2006) und Talking English 7 (2008) wurde jeweils eine Lektion als Storyline-Projekt konzipiert. 18 Vgl. dazu auch www.storyline-scotland.com/ category/ sweden/ diese traditionellen Strömungen derzeit eher in den Hintergrund zu treten und ein teaching for the test syndrome zu evozieren. Åse Paulsen Skiftun dagegen behauptet, dass der Storyline-Ansatz in der Oberstufe der Sekundarschule seit einigen Jahren einen Boom erlebt und deshalb zahlreiche Kurse angeboten werden. Sie selbst ver‐ wendet Storyline nicht nur in der Oberstufe, sondern auch in der Erwachsenenbil‐ dung/ Berufsschule im Fach IT. Mit dem Computerprogramm Linux schreibt sie in‐ teraktive Storyline-Projekte, die für die jeweils eigenen Bedürfnisse adaptiert werden können. Storyline wird in Norwegen zwar ebenfalls vorrangig im muttersprachlichen Unter‐ richt realisiert, es sind jedoch zahlreiche Schulen bekannt, wo das Konzept auch im Fremdsprachenunterricht (Deutsch bzw. Englisch) eingesetzt wird. Mittlerweile wurde es sogar in das Englischlehrwerk Talking English integriert, was eine begrü‐ ßenswerte Neuentwicklung für die Verbreitung des Storyline Approach darstellt und vor allem im Rahmen des Fremdsprachenlernens bisher einzigartig ist. 17 Blair (2016) hat so genannte Wiki-English-Storylines konzipiert, um simultan digitale und fremd‐ sprachliche Kompetenzen zu fördern. • Schweden: Zu Beginn der 1990er Jahre ermöglichte ein vom British Council unter‐ stütztes Forschungsprojekt die Kooperation zwischen Steve Bell und der Universität Luleå. Gemeinsam wurden Storyline-Projekte zu Umweltthemen entwickelt und im Unterricht ausprobiert. Im Rahmen einer Konferenz in Stockholm wurden 1996 durch Bell erste Kontakte mit WWF Schweden und weiteren Institutionen geknüpft. Über Mait Adegård, damals Schulleiterin an einer Stockholmer Schule, wurden zahl‐ reiche Storyline-Kurse und study tours nach Schottland sowie an Storyline-Schulen in Finnland und Schweden initiiert. 2001 begannen Mait Adegård und Ylva Lundin, eine Kollegin aus Göteborg, auch Kurse für Storyline-Ausbildungslehrkräfte durch‐ zuführen. Darüber hinaus werden in Schweden Kurse für Fortgeschrittene ange‐ boten. Zwischenzeitlich hat Storyline in Schweden in ganz unterschiedlichen Bereichen Eingang gefunden. Lundin bietet nicht nur Lehrerfortbildungen - auch im IT-Be‐ reich (vgl. Lundin 2007) - an, sondern konzipiert Storyline-Projekte für Unter‐ nehmen (z. B. zu Verkehrssicherheit, Energiesparen oder Klimaschutz) und hat mit Hilfe des Storyline-Modells Präventionsmaßnahmen mit Jugendlichen gegen sexu‐ ellen Missbrauch durchgeführt, wohingegen Sanna Ranweg, Luleå - in Kooperation mit der Museumspädagogik (Norbotten Museum) - das Storyline-Projekt A Sami school in Jokkmukk gegen die Ausgrenzung von Lappen in Schweden entwickelt hat. Darüber hinaus wurden in den vergangenen Jahren diverse Lehrfilme, Zeitschriften, Artikel, Unterrichtsmaterialien und Bücher publiziert, was teilweise durch die Or‐ ganisation WWF unterstützt wurde. 18 Das Storyline-Projekt Children in a sustainable 63 2.2 Entwicklung und Verbreitung des Storyline Approach 19 Vgl. dazu auch www.storyline-scotland.com/ 2009/ 02/ children-in-a-sustainable-city-winner-of-the-d ogme-2000-prize/ 20 Vgl. dazu z. B. Greven (2005) oder Greven/ Letschert (2002). 21 Vgl. dazu auch Letschert (2006). 22 Vgl. dazu auch www.storyline-scotland.com/ category/ netherlands/ city wurde 2009 von der dänisch-schwedischen Kooperation Dogme 2000 sogar mit einem Umweltpreis ausgezeichnet. 19 Laut Ylva Lundin haben die meisten schwedischen Lehrkräfte von Storyline gehört und auch das Fach Englisch wird öfters in Storyline-Projekte integriert, wenn auch schwerpunktmäßig in der Grundschule, wo beispielsweise Sharon Ahlquist im Rahmen ihrer Dissertation eine Untersuchung durchgeführt hat: “The word most commonly used by the learners of all levels of proficiency to describe their Storyline experience is fun“ (Ahlquist 2011, 180). Bemerkenswertes Schülerzitat: “The more fun it is the more you learn“ (Ahlquist 2013, 97). Besonders zu erwähnen ist, dass in Schweden alle Lehrkräfte dazu verpflichtet sind, jedes Jahr 10 Tage an Fortbildungen teilzunehmen. Das schwedische Beispiel demonstriert eindrücklich, wie vielseitig und flexibel Storyline eingesetzt werden kann. Mit Skepsis wird allerdings der aktuelle, eher konservative Bildungsplan bewertet, der offene Ansätze wie das Storyline-Modell an den Rand drängt. • Niederlande: In den Niederlanden wurde Storyline seit Beginn der 1980er Jahre vor allem durch Jos Letschert, ehemals Director of Primary Education am Staatlichen Lehrplan-Institut (SLO) in Enschede, gefördert und weiterentwickelt. Letschert hatte den Ansatz am Jordanhill College kennengelernt. Er war zudem einer der EED-Mit‐ begründer und organisierte 1988 das erste internationale Treffen in Enschede. Dort sind unter Jan Greven einige Storyline-Projekte zu historischen und geographischen Themen entstanden, die sich meines Erachtens auch gut für den bilingualen Unter‐ richt eignen. 20 Hinsichtlich der Verbreitung und regelmäßigen Anwendung des Storyline-Modells im Unterricht werden eher vorsichtige Angaben gemacht. Fest steht, dass es am meisten im muttersprachlichen Grundschulunterricht eingesetzt wird, aber lange kein so nachhaltiges Echo wie in den skandinavischen Ländern findet. 21 Storyline wird in den Niederlanden über Publikationen, Workshops und Vorträge in verschie‐ denen Institutionen vermittelt, ferner nahm Steve Bell beratend an Management‐ kursen für Schulleiterinnen bzw. -leitern teil. 22 Inwiefern Storyline im Fremdspra‐ chenunterricht eingesetzt wird, konnte nicht eruiert werden. Abgesehen von den genannten Ländern, in denen der Storyline Approach zum Teil schon seit vielen Jahren bekannt ist und auf vielseitige Art und Weise implementiert wird, zeigen auch zahlreiche andere europäische Länder und Regionen immer wieder Interesse an dem Konzept bzw. nehmen Kontakt auf: z. B. Slowenien, Litauen, Finnland, Griechenland, Spa‐ nien, Portugal, Malta, Belgien, das Kosovo, die Slowakei oder die Faröer Inseln. Über diverse COMENIUS-Projekte wurden auch Kontakte mit Polen und Tschechien geknüpft. Im 64 2 Der Weg ist das Ziel: Der Storyline Approach 23 Bodenseeländertagung: Internationale Fachtagung für Hörgeschädigtenpädagoginnen und -päda‐ gogen. 24 Vgl. dazu auch www.storyline-scotland.com/ category/ usa/ 25 Vgl. dazu auch www.storyline-scotland.com/ category/ thailand/ Rahmen der BOTA 23 2013 in Stegen bei Freiburg, wo ich zwei Storyline-Workshops durch‐ führte, entstanden Kontakte zu Österreich und der Schweiz. Auf Initiative von Steve Bell und Sallie Harkness hat sich Storyline mittlerweile auch in zahlreichen außereuropäischen Ländern verbreitet, wo das Modell ebenfalls ganz unter‐ schiedlich realisiert wird. Dies soll durch einige (wenige) Beispiele illustriert werden: • USA: In den 1980er und 1990er Jahren wurden durch das Central Bureau for Visits and Exchanges Studienreisen für Lehrerinnen und Lehrer nach Glasgow und Edin‐ burgh organisiert. Mitglieder des Staff Tutor Team erklärten sich bereit, Kurse für die ausländischen Lehrkräfte durchzuführen. Bleibende Kontakte entstanden damals über Kathy Fifield, die 1986 ein Sabbatjahr in Glasgow verbrachte. Zurück in Port‐ land, Oregon rief sie das Beratungsbüro Storyline Design ins Leben, das seit 1994 von Jeff Creswell, Lehrer in Portland, Oregon und Eileen Vopelak, Beraterin in Santa Barbara, Kalifornien fortgeführt wird. Creswell (1997) hat zudem das erste Buch über Storyline in den USA publiziert. Seit einigen Jahren vertreibt Storyline Design ein Magazin, das Lehrkräften Anre‐ gungen und Kommunikationsmöglichkeiten bietet. Des Weiteren werden Story‐ line-Kurse für verschiedene Niveaustufen angeboten, die teilweise von Steve Bell oder Sallie Harkness durchgeführt und von der Portland State University per Zer‐ tifikat anerkannt werden. Zudem wurde in Bend, Oregon eine Storyline Magnet School errichtet, deren Curriculum sich schwerpunktmäßig am Storyline-Konzept orientiert. 24 Storyline wird hauptsächlich an der amerikanischen Westküste rezipiert, jedoch nicht nur im schulischen Kontext, sondern punktuell auch in Seminaren in der freien Wirtschaft (z. B. mit Banken) eingesetzt. Wendy und Ken Emo (University of Min‐ nesota, Morris) untersuchen derzeit, wie und wo Storyline in den USA implementiert wird (vgl. Emo 2010). • Thailand: Als Folge eines Alumnikurses in Jordanhill erhielt Steve Bell 1998 eine Einladung an die Chulalongkorn Universität in Bangkok, wo zwei Storyline-Kurse zum Thema Environmental Studies stattfanden. Ein weiterer Kurs wurde mit über 150 Lehrkräften in Phranakhon durchgeführt. In den darauffolgenden Jahren wurde in Thailand ein Projekt (The Dawn Project) zur Umwelterziehung in Schulen und zur Entwicklung von Nachhaltigkeit in Kommunen entworfen und über 50.000 Lehr‐ kräften, Studierenden, NGOs und weiteren Interessierten in Fortbildungskursen vermittelt. Darüber hinaus finden auf Initiative ehemaliger Jordanhill Alumni im Rahmen von Storyline Thailand Action Network for Integrating Learning (STANIL) Storyline-Kurse an der Universität Chulalongkorn statt, wo zwischenzeitlich auch einige Publikationen entstanden sind. 25 • Singapur: Im Jahr 2001 beabsichtigte das Bildungsministerium, das Schulcurri‐ culum zu einem verstärkt integrativen Konzept zu überarbeiten, und ein entspre‐ 65 2.2 Entwicklung und Verbreitung des Storyline Approach 26 Vgl. dazu auch www.storyline-scotland.com/ category/ singapore/ 27 Für weitere Einsatzbereiche von Storyline vgl. auch Bell u. a. (Hrsg.) (2007) sowie Mitchell/ McNaughton (Hrsg.) (2016). 28 Vgl. dazu auch www.storyline-scotland.com/ category/ germany/ 29 Beate Grabbe-Letschert hat Storyline auch erfolgreich in der Beratung von verhaltensauffälligen Kindern eingesetzt; vgl. Grabbe (2001; 2003) und Grabbe-Letschert (2006). chendes Projektteam sollte geeignete Maßnahmen entwickeln. Auf Initiative des besagten Projektteams führte Steve Bell mehrere Storyline-Kurse für Primar- und Sekundarlehrkräfte durch. Im gleichen Zeitraum gab er im Auftrag der Firma LEGO einen Kurs für Kindergartenerzieherinnen und -erzieher. 2005 fand in Singapur die 1 st International Chinese Early Education Conference statt, bei der Bell einen Vortrag hielt. Darüber hinaus führte er Storyline-Kurse mit Erzieherinnen, Erziehern und Eltern durch. Im Jahr 2007 hat eine Delegation des National Institute of Education, Singapore zu Forschungszwecken Glasgow besucht. 26 Des Weiteren fanden im Rahmen von Studien zur Umwelterziehung in Jordanhill, Glasgow jahrelang Kurse für ausländische Gäste statt (Bell 2007). Auf diesem Weg fand Storyline Eingang in das Programm und wurde in Nepal im Bereich Gesundheitserziehung sowie in Pakistan, Brasilien, Sri Lanka, Goa und Thailand im Bereich Umweltschutz angewandt und verbreitet. Zudem wurde bzw. wird der Storyline-Ansatz auch in der Lehrerfortbildung in Botswana, Nigeria, Tansania und Kamerun sowie in der Fortbildung von Schulleitern bzw. -innen in Uganda eingesetzt. Neuerdings bestehen auch Kontakte mit Japan (Matsuyama) und Sibirien (Tomsk), wo derzeit erprobt wird, wie mit Hilfe von Storyline das fremd‐ sprachliche Lernen an Hochschulen verbessert werden kann. Außerdem ist eine ehemalige Studentin aus einem meiner Storyline-Kurse im Jahr 2014 nach Südafrika umgesiedelt, wo sie im Schulunterricht bereits mehrere Storylines erfolgreich implementiert hat. 27 • Deutschland: Die Entwicklung und Verbreitung des Storyline Approach in Deutsch‐ land ist bisher noch nicht systematisch erfasst worden, daher können nur einige Schwerpunkte genannt werden: 28 In Hamburg und Schleswig-Holstein fand Story‐ line, initiiert durch Kontakte mit Glasgow und dem British Council, schon Ende der 1970er bzw. zu Beginn der 1980er Jahre Eingang in den muttersprachlichen, fächer‐ übergreifenden Sachunterricht an Grundschulen (vgl. Kohls/ Kohls 1994), durch Beate Grabbe-Letschert 29 später auch punktuell in die Lehreraus- und -fortbildung und durch Ulf Schwänke in die Erwachsenenbildung an der Hamburger VHS sowie in die Fortbildung von Pflegekräften in Alters- und Pflegeheimen. Schwänke hat auch Praxismaterialien für die Grundschule entwickelt (vgl. Schwänke 2005). Auch heute noch werden in Schleswig-Holstein Prinzipien des Storyline-Konzepts insbe‐ sondere in den muttersprachlichen Grundschulunterricht integriert. Gisela Ehlers, lange im Institut für Qualitätsentwicklung an Schulen Schleswig-Holstein (IQSH) in Kiel-Kronshagen tätig, hat sich auf den Fremdsprachenunterricht an der Grund‐ schule spezialisiert und in diesem Zusammenhang auch Aspekte des Storyline-Mo‐ dells berücksichtigt (vgl. Ehlers, Hrsg. 2006). Ebenfalls in den 1980er Jahren ist der Kontakt zwischen dem ehemaligen Jordanhill College, Glasgow und der Pädagogischen Hochschule Freiburg entstanden. Von 66 2 Der Weg ist das Ziel: Der Storyline Approach Steve Bell und Klaus-Dieter Fehse, damals Professor in der Abteilung Englisch, wurde der Storyline Approach zu Beginn der 1990er Jahre in einem mehrtägigen Kurs innerhalb der Abteilung Englisch vorgestellt. Als Teilnehmerin des Kurses war ich überzeugt von dem Potenzial des Ansatzes für das Fremdsprachenlernen und begann das Storyline-Modell im Rahmen meiner Tätigkeit an der Pädagogischen Hochschule Freiburg näher zu erproben und auf den fremdsprachlichen Kontext zu übertragen. Mehrere Forschungsprojekte gingen der Frage nach, wie das ursprünglich für den muttersprachlichen Unterricht konzipierte Storyline-Modell für den Fremdspra‐ chenunterricht in der Sekundarstufe adaptiert werden kann, um den Lernenden größere Freiräume für eine aktive und kreative Mitgestaltung ihrer Lernumgebung sowie mehr Autonomie für die Wahl ihrer individuellen Lernwege, Lernprozesse und Lernmethoden zu verschaffen. Im Herbst 2010 fand das 17 th Golden Circle Seminar in Freiburg und somit zum ersten Mal in Süddeutschland statt. Anvisiert wird derzeit auch ein Silver Circle Germany, um sich über Storyline-Erfahrungen in Deutschland auszutauschen und sich inten‐ siver zu vernetzen. Was die Verbreitung des Storyline-Modells an deutschen Schulen und speziell im Fremdsprachenunterricht betrifft, liegen bisher keine konkreten Daten vor (vgl. auch Kapitel 9.3.3). Fest steht allerdings, dass immer wieder Anfragen bzw. Rück‐ meldungen aus dem In- und Ausland bei mir eintreffen und beispielsweise auch ehemalige Studierende ihr Wissen und Können an ihr Kollegium in Grund-, Haupt- und Realschulen weitergeben. Zum anderen wird das Storyline-Modell auch in Ab‐ schlussarbeiten und Prüfungen (1. und 2. Phase) als konkretes Beispiel für themen- und projektorientiertes Lernen herangezogen und erprobt. Von einer Realschule in Baden-Württemberg ist bekannt, dass sie den Storyline Approach als Profil in ihr Schulcurriculum aufgenommen hat und somit alle Lehrkräfte Storyline-Projekte im Englischunterricht durchführen. Hierbei handelt es sich natürlich um einen - wenn auch sehr erfreulichen - Einzelfall. 2.3 Grundlegende Prinzipien und Merkmale des Storyline Approach 2.3.1 Einleitung Good structures bring freedom (Bell 2007, 30) Um Missverständnissen vorzubeugen, sei vorweg erwähnt, dass es sich bei Storyline kei‐ nesfalls um eine Methode des storytelling handelt, sondern vielmehr um ein flexibles und vielseitiges Modell für kooperatives und kollaboratives storymaking. Nachfolgend werden zunächst einige der wichtigsten Prinzipien und charakteristischen Merkmale des Story‐ line-Ansatzes erläutert und mit konkreten Beispielen versehen, so dass der Unterschied zu 67 2.3 Grundlegende Prinzipien und Merkmale des Storyline Approach 30 Vgl. auch Kocher (1999, 164 ff.). anderen Lernkonzepten, die hier jedoch nicht explizit vorgestellt werden können, offen‐ sichtlich wird. 30 2.3.2 Prinzipien: Das Storyline-Konzept Storyline ist ein narrativer Ansatz und entspricht dem Projekttyp Simulationen. Es ist - im Unterschied zum traditionellen, nach Fächern aufgeteilten Unterricht - ein integratives Modell, das themenzentriertes und fächerübergreifendes, kooperatives und eigenverant‐ wortliches, differenzierendes und ganzheitliches, aufgabenbasiertes und problemorien‐ tiertes Lernen zum Ziel hat, um vorweg nur einige Schlagwörter zu nennen. Während im regulären fächerübergreifenden Unterricht ein Thema immer wieder aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet und bearbeitet wird, jedoch im Hinblick auf den thematischen und inhaltlichen Ablauf keine zwingende Reihenfolge festgelegt ist, bedeutet das Unterrichten nach dem Storyline Approach, dass die Lehrkraft in Anlehnung an den Bildungsplan - mög‐ lichst gemeinsam mit der Klasse - ein Thema auswählt und dieses so strukturiert, dass sich daraus eine zusammenhängende Geschichte (also eine story line) mit einzelnen Episoden entwickeln lässt, anhand der sich in vielfältigen Lernarrangements verschiedene Kennt‐ nisse erwerben und eine Vielzahl an Fertigkeiten, Kulturtechniken und Kompetenzen ent‐ wickeln oder üben lassen. Topic Issue 1 Issue 2 Issue 3 Issue 4 Issue 1 Issue 2 Issue 3 Issue 4 Abb. 1: Ablauf des regulären fächerübergreifenden Unterrichts (links) und des Storyline-Unterrichts (rechts) (Barr 1986, 14) Initiiert durch Impulse und Fragen, so genannte key questions, wird dieses grobe Gerüst später von den Schülerinnen und Schülern individuell und kollaborativ mit Inhalten ge‐ füllt: “The teacher is in control but the pupils feel that this is their story. It is truly a part‐ nership. The teacher is interested in motivating the pupils to use language in a wide variety of forms. The pupils want to participate because they are listening, talking, reading and writing about their own creations“ (Bell 1995a, 8). Ein Storyline-Projekt ist somit sowohl klar konzipiert und strukturiert, was seine Abfolge und Zielsetzungen anbelangt, als auch relativ offen, was seine jeweilige inhaltliche Ausgestaltung betrifft: 68 2 Der Weg ist das Ziel: Der Storyline Approach 31 Vgl. dazu Cameron (2001), die für einen lernorientierten Ansatz plädiert. 32 Vgl. dazu auch Thaler (2008; 2010), der für ein Balanced Teaching plädiert. In Storyline the story is developed as a shared experience because, although the teacher knows the sequence, it is the pupils who create the detail of the story. The teacher knows that the children will design families but it is the children who produce the visuals, who write biographies and physical descriptions, (...) who discuss their interests and hobbies and their personality traits etc. So, it is not just the children who get surprises. Each day is new for the teacher, too (Bell 1995b, 10). Eine produktive Lernumgebung - darüber herrscht heute Konsens - sollte nicht nur lern‐ erzentriert, sondern auch lernorientiert 31 sein. Dieser Anspruch bringt für alle Beteiligten zwangsläufig neue Aufgaben und Verpflichtungen mit sich: “The teachers have to learn when and how ‘to let go’ (...) and how best to support their learners in their learning. The learners on their part have to learn where and how ‘to take hold’ and to be aware of why and how they learn. For both parts we are talking about a never-ending process“ (Dam 2000, 49). In diesem Sinne lässt sich der Storyline-Ansatz auf der Skala zwischen lehrerzentriertem und autonomem Unterricht als Zwischenstation einordnen: 32 Storyline vermittelt den mit offenen Arbeitsweisen noch unerfahrenen Lehrerinnen und Lehrern Halt, Orientierung und Sicherheit, bei zunehmender Storyline-Erfahrung aller am Unterricht Beteiligten kann dieser zunehmend offener, schülergesteuerter und somit autonomer werden. Je erfahrener also eine Lehrkraft im Umgang mit Storyline ist, desto freizügiger wird sie den Unterricht gestalten (lassen). Je weniger Hilfen eine Lerngruppe benötigt, desto eigenverantwortlicher wird sie arbeiten können. Das Storyline-Konzept gibt einer Unterrichtseinheit schließlich eine logische Struktur und inhaltliche Kohärenz, so dass diese nicht wie üblich als Abfolge von unverbundenen Einzelstunden, sondern als gemeinsam gestaltete „Geschichte“ mit einem nachvollzieh‐ baren roten Faden erlebt wird. Die äußere Gliederung eines beliebigen Themas und die logische Struktur eines Storyline-Projekts wird durch Abbildung 2 veranschaulicht. Abb. 4: Aufbau eines beliebigen Storyline-Projekts. (Bell/ Harkness, 2006, S. 9) Key questions drive logical and narrative sequence Episode 1: Setting Creating a setting in answer to the first key question Episode 2: Characters Making visuals of the characters who will be necessary for our story Episode 3: Initiating Event Developing the story according to the next key question Episode 4: Incidents Learners suggest incidents which are used for further development Episode 5: Culminating Event The high point of the story - a celebration or exhibition The Review What have we learned by doing this story? Abb. 2: Aufbau eines beliebigen Storyline-Projekts (Bell/ Harkness 2006, 9) 69 2.3 Grundlegende Prinzipien und Merkmale des Storyline Approach Zur Ausrüstung für ein gewinnbringendes Storyline-Projekt, das nach der ursprünglichen Konzeption für den muttersprachlichen Unterricht an schottischen Grundschulen - je nach Thema und Alter der Lerngruppe - circa drei bis zwölf Wochen dauern kann, in denen meist täglich in irgendeiner Form an dem Thema gearbeitet wird, gehört demnach in erster Linie eine spannende und inspirierende Geschichte, also eine sinnstiftende und bedeu‐ tungsvolle Rahmenhandlung sowie herausfordernde Schlüsselfragen (key questions), die die Entwicklung der Geschichte und somit auch die Denk- und Lernprozesse vorantreiben. Da Geschichten und Schlüsselfragen die Basis bzw. die stützenden Pfeiler des Storyline Ap‐ proach darstellen, sollen diese beiden charakteristischen Elemente nachfolgend ausführli‐ cher erörtert und gleichzeitig dazu verwendet werden, weitere Prinzipien des Konzepts herauszuarbeiten. 2.3.2.1 Geschichten und deren Funktionen Babys, die Geschichten hören, entwickeln sich angeblich besser als andere. Untersuchungen haben gezeigt, dass das Vorlesen den Aufbau der kindlichen Gehirnmasse und die Vernet‐ zung der Synapsen stimuliert. Andere Beobachtungen deuten darauf hin, dass die emotio‐ nale und soziale Entwicklung des Kindes gefördert wird und so auch die späteren schuli‐ schen Leistungen dieser Kinder positiv beeinflusst werden. Kinder, denen regelmäßig vorgelesen wird, so zeigen Studien, könnten besser stillsitzen und sich besser konzentrieren (Hesse 2015). Solche und ähnliche Meldungen werden gerne hinzugezogen, um die Bedeu‐ tung des Erzählens und Vorlesens für die kindliche Entwicklung hervorzuheben. Dabei interessieren sich die meisten Kinder schon von Natur aus für Geschichten: “Children enjoy listening to stories (...) and are familiar with narrative conventions. For example, as soon as they hear the formula Once upon a time ... they can make predictions about what to expect next“ (Ellis/ Brewster 2002, 1). Bredella (2012, 18) behauptet: „Erzählstrukturen und Sche‐ mata von Geschichten [müssen wir] nicht erst ausdrücklich erlernen (...). Sie scheinen uns angeboren zu sein“. Kinder brauchen Märchen heißt eine viel zitierte Veröffentlichung des Psychologen Bruno Bettelheim (1997), aber auch Erwachsene brauchen offensichtlich Geschichten als Orien‐ tierungshilfe im Alltag und „in der Welt“ (Bredella 2012, 11), denn sie stellen „Ordnung“ her (Ebd., 17). Geschichten sind ein traditionelles Mittel, um Wissen, Erfahrungen und An‐ sichten, also Kultur im weitesten Sinne, von Mensch zu Mensch, von Generation zu Gene‐ ration weiterzugeben bzw. zu empfangen: „Sie interpretieren die Geschichte von Völkern und Kulturen“ (Hesse 2015, 6). Dies geschieht zum Beispiel in Form von Sagen, Mythen, Legenden, Fabeln, Märchen, Gleichnissen und Metaphern (vgl. Kapitel 3.3.2.3). In früheren Zeiten gab es auch in unserem Kulturraum keinerlei Wissen, das außerhalb des Gedächtnisses gespeichert war. Erst später begannen unsere Vorfahren damit, ihr Wissen und ihre Erfahrungen in Form von Symbolen und Bildern festzuhalten und wei‐ terzugeben. Noch heute kann man diese beeindruckenden prähistorischen Dokumentati‐ onen beispielsweise in Form von Höhlenmalereien bestaunen. Heute dagegen erfolgt die Wissensvermittlung - zumindest in den Industrieländern - vorrangig über Print- und Bild‐ schirmmedien und die mündliche Überlieferung verliert an Bedeutung. Dennoch wird auch in den hoch technisierten Ländern erzählt, wobei meist weniger der Inhalt (im Sinne der kulturellen Überlieferung) im Vordergrund steht, sondern das Ritual für soziale Zusam‐ 70 2 Der Weg ist das Ziel: Der Storyline Approach 33 Vgl. dazu z. B. auch Bruner (1986; 1990; 1996; 2002). mengehörigkeit. In diesem Sinne ist das Austauschen von Erfahrungen bzw. das Erzählen von Geschichten universal und zeitlos (Wajnryb 2003), denn auch heute gilt: „Was den Menschen umtreibt, sind nicht Fakten und Daten, sondern Gefühle, Geschichten und vor allem andere Menschen“ (Spitzer 2002, 160). Bredella (2012) bezeichnet Geschichten „als eine grundsätzliche Erkenntnisform [, weil sie] Handlungen erhellen und nachvollziehbar machen“ (Ebd., 32). Bruner (1996) spricht von narrativer Intelligenz und führt neun “universals of narrative realities“ auf (Ebd., 133-147). 33 Geschichten haben also noch immer „Hochkonjunktur“ (Haß 2013, 5), und somit ist es nicht weiter verwunderlich, „dass unser Alltag von narrativen Formen medial gleichsam durchdrungen ist“ (Ebd.). Auch Unternehmer- und Marketingkreise haben das Potenzial von Geschichten längst erkannt (vgl. Fuchs 2013). Welche konkreten Gründe sprechen für die Einbindung von Geschichten in den (fremd‐ sprachlichen) Unterricht? In erster Linie geben Geschichten den Lerninhalten eine nach‐ vollziehbare Struktur, denn sie bestehen in der Regel aus drei Grundelementen: diversen Charakteren bzw. Akteuren (Menschen, Tiere, Pflanzen oder Phantasiegestalten), einem Zeitrahmen (Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft) und einem oder mehreren Orten (setting). Ferner enthalten sie einen roten Faden mit einer logischen Abfolge von Ereig‐ nissen: Es gibt einen Anfang, eine zu bewältigende Problemsituation bzw. ein Überra‐ schungsmoment (incident) und ein Ende. Geschichten stellen somit einen Mikrokosmos, also einen überschaubaren Kontext zur Verfügung und sorgen für die Situiertheit der Lern‐ inhalte und aller auszuführenden Aktivitäten. Die narrative Struktur erleichtert jedoch nicht nur das Verstehen, sondern fördert durch die narrative Verankerung von Einzelaspekten auch das Behalten und Abrufen von Wissen. Außerdem bewirkt der emotionale Gehalt einer Geschichte eine starke Beteiligung der Lernenden, was sich zusätzlich positiv auf die Behaltens- und Verarbeitungsleistungen auswirken kann: “Think of how a good movie or novel makes aspects of the world en‐ gaging“, betont Kieran Egan (2003, 3), Professor für Erziehungswissenschaften und Direktor der Imaginative Education Research Group (IERG) an der Simon Fraser University in Van‐ couver, Kanada, und spricht sich für ein “humanizing the content“ aus (Ebd.). Statt des isolierten Einübens von skills und sub-skills soll vielmehr die Imagination der Lernenden im Mittelpunkt des Unterrichts stehen und dabei vielerlei Anknüpfungspunkte für indivi‐ duelle Lernprozesse anbieten. Davon abgesehen sind Fiktionen und vorgetäuschte Wirklichkeiten auch insofern von Bedeutung, als sie kreatives Handeln außerhalb der Regeln der Logik und der Dynamik der eigenen sozialen Systeme erlauben. Folglich leisten Geschichten auch in der heutigen Zeit einen wichtigen erzieherischen Beitrag: Sie fördern Vorstellungsvermögen und Phantasie, bieten Identifikationsangebote mit beliebigen Figuren, zeigen Verbindungen zur eigenen Lebenswelt auf und helfen diese zu erschließen, und sie geben Anleitungen und Möglich‐ keiten zum sozialen, ethischen und emotionalen Lernen, indem verschiedene Rollen und Aufgaben probeweise übernommen und sanktionsfrei „erlebt“ werden können. Hesse (2015) spricht sogar von der heilenden Kraft von Geschichten. 71 2.3 Grundlegende Prinzipien und Merkmale des Storyline Approach 34 Vgl. dazu auch Hofmann (2007). Darüber hinaus können Geschichten als überaus bedeutsames und effektives Medium betrachtet werden, um sowohl Sprachen als auch das Lernen selbst zu lernen, denn die Schülerinnen und Schüler entfalten und verbessern im Prozess des Problemlösens, Ver‐ gleichens, Vorhersagens und Planens vielseitige individuelle Denkstrategien (Ellis/ Brewster 2002; Frame 2007). Ferner erarbeiten und verwenden sie diverse Methoden, um die (Fremd-)Sprache zu erlernen, indem sie beispielsweise die Bedeutung von unbekannten Wörtern aus dem Kontext erschließen, und sie entwickeln bzw. verfeinern multiple Ar‐ beitstechniken wie das Benutzen von Nachschlagewerken, das Organisieren von Arbeits‐ schritten oder das Anfertigen von Notizen, um nur einige zu nennen. Geschichten liefern zudem einen natürlichen Rahmen, um neue Vokabeln und auch Strukturen im sinnvollen Zusammenhang zu lernen und in konkreten Sprachhandlungen zur Anwendung zu bringen, also beispielsweise relevante Vokabeln erfolgreich aus dem individuellen mentalen Lexikon abzurufen (Wolff 2002a). Sprich: “Experiencing the language rather than merely studying it“ (Wright/ Hill 2008, 9). Zu Recht monieren Pishghadam und Motakef (2012) den Mangel an Forschungsarbeiten, die das Verhältnis zwischen narrativer Intelligenz und Sprachenlernen untersuchen. Gerade beim Fremdsprachenlernen ist die Authentizität von Inhalt und Sprache ein wichtiger Motivationsfaktor, denn bei authentischen Geschichten - egal ob Bilderbuch, Märchen oder Jugendliteratur - haben Lernende im Sinne des interkulturellen Lernens den Eindruck, etwas „richtig Englisches“ und somit etwas „Brauchbares“ kennenzulernen, näm‐ lich etwas, mit dem sich auch Kinder und Jugendliche in englischsprachigen Ländern be‐ schäftigen. Andrew Wright (1997) sieht im gemeinsamen Erfinden von Geschichten vor allem den Wert des Einbringens eigener Erfahrungen, Gefühle und Kenntnisse: “When children create and tell a story in the foreign language the story and the language become theirs“ (Ebd., 3). Dieser Aspekt wird im Kontext des Storyline-Modells als ownership principle bezeichnet und gilt hier als eines der wichtigsten Prinzipien überhaupt. 34 Das Vorlesen und gemeinsame Erzählen von Geschichten bewirkt eine sinnlich-an‐ schauliche Lebendigkeit der Situation und fördert somit das individuelle Lernen bzw. den subjektabhängigen Wissenserwerb, wie dies auch in den konstruktivistischen Lernprinzi‐ pien dargelegt wird (vgl. Kapitel 3), denn Geschichten ermöglichen die Entstehung von ganz individuellen Bildern vor unserem inneren Auge: „Diese Bilder bewegen sich, werden ihrerseits sprechend, können uns erregen, Gerüche ausstrahlen. Sie können uns anfassen, entspannen, anspannen (...). Wer erzählen kann, schafft im Zuhörer eine eigene Welt der Vorstellungen, die dieser selbst neu erschaffen muß“ (Beck/ Wellershoff 1989, 64). Zuhören fördert außerdem das Hörverstehen sowie die Konzentrationsfähigkeit der Lernenden, denn sie möchten die Bedeutung einer Geschichte erschließen. Deshalb hören sie auf‐ merksam zu (Wright 2008), auch wenn sie nicht jedes Wort auf Anhieb verstehen: “Children will be concentrating on the meaning of the story, not on why and how the simple (...) past is used. Their previous knowledge of narrative conventions in their mother tongue will have, to some extent, prepared them for its use in the target language“ (Ellis/ Brewster 2002, 8-10). 72 2 Der Weg ist das Ziel: Der Storyline Approach Anzumerken und gleichzeitig zu bedauern ist in diesem Zusammenhang, dass im gän‐ gigen Unterricht die von den Lernenden selbst verfassten Texte und Geschichten üblicher‐ weise meist nicht ausreichend gewürdigt werden, denn Schreibaufträge werden - wenn überhaupt - in der Regel nur von der Lehrkraft gelesen, begutachtet und benotet, wobei meist eher auf die sprachliche Korrektheit als auf Inhalt, Kreativität und Phantasie geachtet wird. Dies hält wiederum viele Lehrende davon ab, überhaupt kreative Aufgaben zu stellen, da sie befürchten, dass zu viele Fehler gemacht werden, welche die Mitlernenden mögli‐ cherweise zur Imitation anregen. Im gleichen Zug fühlen sich Lernende oft in ihrer Krea‐ tivität und Motivation eingeschränkt, wenn sie wissen, dass ihre Texte sprachliche Fehler enthalten, die möglicherweise noch mit Rotstift hervorgehoben werden, während der Inhalt gänzlich in den Hintergrund tritt. Arbeitsprodukte werden jedoch für alle Seiten zufriedenstellender - das zeigt sich auch immer wieder bei Storyline-Projekten - wenn nicht nur die Lehrkraft als Adressatin und Anlass für die Erfindung einer Geschichte betrachtet wird, sondern wenn diese aus dem Wunsch heraus entsteht, sie einem größeren Publikum zu präsentieren. Außerdem fördert „das Erlebnis des gemeinschaftlichen Zuhörens“ das Sozialklima der Klasse (Hesse 2015, 6). Auch Wright (1997) hebt die Bedeutung der Veröffentlichung von Geschichten hervor, sei es über Plakate, selbst gemachte Bücher oder szenische Darstellungen. Weitere Verbrei‐ tungsformen bieten heute auch das Internet oder schuleigene Radiosender (auch als Web‐ radio). Während im regulären Unterricht Schülerinnen und Schüler bei Schreibaufträgen meist sofort nach dem geforderten Umfang fragen, wird bei Storyline-Projekten häufig die Beob‐ achtung gemacht, dass die Lernenden mit großer Begeisterung und Konzentration schreiben, weil sie interessengeleitet ihrer Phantasie freien Lauf lassen können. Eiriksdóttir stellt in diesem Zusammenhang fest, dass die Produkte auch sprachlich zufriedenstellender seien: We all know that it can be difficult when e.g. the textbook says that you should write about an interesting event in your summer holiday, and now it is the middle of winter! (...) When we are working on Storyline topics the pupils are involved in the Storyline and the writing within the topic has a purpose and everyone knows what to write about (...) It is not only that they write longer pieces they also use richer and more complicated vocabulary. A research was done in Iceland in 1985 on the vocabulary of children’s writing connected with Storyline work and the results were that they used more complicated vocabulary than usually (Eiriksdóttir 2001, 150). Abschließend sei darauf verwiesen, dass jeder Mensch, der etwas entdeckt, erfindet oder erstellt, erfahrungsgemäß ein natürliches Mitteilungsbedürfnis verspürt. Dies sollte im Un‐ terricht stärker genutzt und gefördert werden: Durch eine geeignete story kann spielerisch leicht eine authentische und zweckorientierte Kommunikation im Klassenzimmer ent‐ stehen, und zwar häufig fast ohne Mittun und Eingriff der Lehrkraft, denn auf Grund der Tatsache, dass Schülerinnen und Schüler im Rahmen von Storyline-Projekten immer wieder eigene Aufgabenbereiche, Darstellungsformen und Materialien auswählen können (choice) und somit zu unterschiedlichen Ergebnissen und Lösungen kommen (information gap/ opinion gap), entsteht ein ganz natürliches Interesse und Bedürfnis, sich regelmäßig und intensiv auszutauschen. “The magic of stories“ (Hesse 2015) kann sich also in vielerlei Hin‐ 73 2.3 Grundlegende Prinzipien und Merkmale des Storyline Approach 35 Adamson (2007) hat beispielsweise - allerdings für den muttersprachlichen Unterricht - ein Story‐ line-Projekt zu dem Kinderlied There was a Princess Long Ago entwickelt und durchgeführt. 36 Vgl. z. B. Kidnapped in Scotland (Fehse/ Kocher 1995b). sicht positiv auf das (fremdsprachliche) Lernen auswirken. Ob diese These tatsächlich für alle Altersgruppen gilt, ist zu klären und (auch) Ziel meiner Untersuchungen (vgl. Teil B). 2.3.2.1.1 Zur Typologie: Konkrete Beispiele für den Fremdsprachenunterricht Eine narrative Rahmenhandlung für ein Storyline-Projekt kann - je nach Lernbereich, Ziel‐ setzung, Interesse, Alter und Sprachkompetenz der Lernenden - auf unterschiedlichste Art und Weise geschaffen werden. Da der Schwerpunkt dieser Arbeit auf dem Fremdsprachen‐ unterricht liegt, werden nachfolgend vorrangig diesbezügliche Beispiele genannt, wobei es selbstverständlich auch möglich ist, einen Teil des Projekts im fremdsprachlichen und an‐ dere Phasen im muttersprachlichen Unterricht zu realisieren. Generell kann jedes beliebige Thema als Aufhänger für ein Storyline-Projekt gewählt werden. Dabei kann es sich um ein Kapitel aus dem Schulbuch (Robin Hood; Space camp Florida; Life on a farm), eine Phantasiegeschichte (Aliens; Dragon Island; The enchanted forest), ein fächerübergreifendes und/ oder bilinguales Thema (Life in a medieval castle; A trip across the Australian outback; Californian gold rush), die Lektüre eines Märchens (Cin‐ derella; Snow White; Little Red Riding Hood), eines klassischen Werkes (Macbeth; Romeo and Juliet; The Great Gatsby) oder eines Jugendromans (Robinson Crusoe; Uncle Tom’s cabin; Harry Potter) handeln. Darüber hinaus kann auch ein musikalischer Beitrag 35 (Phantom of the Opera von A.L. Webber; Loch Lomond von Runrig; Zombie von The Cranberries) oder ein aktuelles Thema aus der Lebenswelt der Jugendlichen (Song contest; Work and travel; Our new youth club) als Basis für eine Storyline dienen. In den meisten Fällen wird es so sein, dass sich realitätsnahe und fiktive Elemente in einem Storyline-Projekt vermischen und lediglich ein Schwerpunkt bezüglich der gewählten Unterrichtsthematik festgelegt werden kann. • Landeskundliche Themen Landeskundliche Themen 36 eignen sich besonders auch für bilinguale Storyline-Projekte. Ob es sich hierbei um den amerikanischen Bürgerkrieg, ein umstrittenes Staudammprojekt in Indien, das Leben einer Familie in einer australischen Wüstenlandschaft oder in einer englischen Stadt im Mittelalter handelt, ist relativ unerheblich. Entscheidend ist, dass das Interesse der Lernenden durch einen geeigneten Einstieg in die Thematik geweckt wird, so dass sich eine inspirierende Geschichte entwickeln kann. Impulse für einen Einstieg können auf unterschiedliche Weise erfolgen: Historische Do‐ kumente wie Geburtsurkunden, Fotografien oder ein Tagebuchauszug eines US-Einwan‐ derers, eine Wegbeschreibung oder eine historische Landkarte, ein altes Werbeplakat oder ein Gemälde, ein Bittbrief oder Hilfeappell einer indischen Familie usw. regen zu einem Brainstorming an und aktivieren somit die eigene Vorstellungskraft. Auch aktuelle Zei‐ tungs- und Zeitschriftenartikel bieten sich für eine Vielzahl von Kontexten an. Sie lösen einerseits persönliche Betroffenheit aus und dienen andererseits als Beweismittel für die Authentizität und Aktualität des Vorfalls. Eine starke emotionale Betroffenheit kann oft 74 2 Der Weg ist das Ziel: Der Storyline Approach 37 Vgl. z.B. Our Ideal School (Fehse/ Kocher 1996), Circus (Kocher 1996a), Our Farms (Kocher 2001b). 38 Anregungen bieten die Storylines von Omand (2014) für den muttersprachlichen Grundschulunter‐ richt: Wildlife Garden zur Entwicklung eines Schulgartens, Healthy Café zum Thema „Gesundheit“ oder Our Eco-Home. 39 Vgl. z. B. Witches (Fehse/ Kocher 1998a). über audiovisuelle Medien, also authentische Nachrichtensendungen oder Sequenzen aus Spiel- und Dokumentarfilmen, erreicht werden. Gerade das Internet bietet mittlerweile un‐ zählige Quellen und Möglichkeiten, die selbstverständlich stets auf ihre Glaubwürdigkeit und Authentizität hin überprüft werden sollten, bevor sie im Unterricht genutzt werden. Authentische oder fingierte Reise- und Stellenanzeigen, Werbeplakate bzw. -prospekte für Produkte, Dienste und Veranstaltungen oder auch ein simples Statement der Lehrkraft (“Imagine you are engineers from L.A. who are asked to design a dam in the Colorado River area ...“) können ebenfalls als motivierende Aufhänger für eine zu entwickelnde Geschichte dienen. • Real-life-Geschichten Geschichten, die sich auf den eigenen Erfahrungsbereich und konkreten Lebensalltag der Schülerinnen und Schüler beziehen, wirken besonders motivierend. 37 Je nach Lernalter, Interesse oder örtlicher Gegebenheit bieten sich folgende Themenbereiche für Story‐ line-Projekte an: eine Urlaubs- oder Studienreise, ein Besuch im Zoo oder Zirkus, die Ge‐ staltung eines Schulhofs oder eines örtlichen Parks, die Eröffnung/ Verwaltung eines Ju‐ gendzentrums oder einer Disko, der Bau eines Wohnblocks oder einer neuen Autobahnstrecke usw. 38 Der Einstieg in die gewählte Thematik kann über ein real existie‐ rendes oder ein fingiertes Werbeplakat, eine Annonce, einen Direkteinstieg (“We are asked to design a new youth club ...“), eine persönliche Mitteilung (“I heard that ...“), eine persön‐ liche Erzählung (“Some years ago I joined a photo competition. I won a trip to New Zea‐ land ...“) oder über eine bloße Frage (“Do you think our village is attractive for tourists? “) erfolgen. • Textbasierte Geschichten oder Phantasiegeschichten Als Vorlage für ein Storyline-Projekt kann auch ein Buch dienen. 39 Der Vorteil liegt auf der Hand: Die Geschichte muss nicht neu erfunden werden und somit erspart man sich Vor‐ bereitungszeit. Als Nachteil könnte sich allerdings die Tatsache erweisen, dass man ge‐ danklich zu sehr auf die „echte“ Geschichte, also den Originaltext, fixiert ist. Dienlich sind in jüngeren Klassen Märchen, auch unbekannte aus anderen Ländern, sowie Phantasiege‐ schichten, egal ob veröffentlicht (wie Harry Potter) oder selbst verfasst, aber auch allerlei bildgestützte Geschichten, Bilderbücher oder auch biblische Geschichten. In älteren Klassen bieten sich Texte aus dem Bereich Science Fiction oder der aktuellen Jugendliteratur (z. B. Holes) an, aber auch Klassiker (z. B. Romeo and Juliet). Hinsichtlich der Vorgehensweise bestehen mehrere Möglichkeiten: Eine Geschichte wird im Laufe des Projekts etappenweise vorgelesen oder frei erzählt und von den Lernenden durch Dialoge, Collagen und Nebenhandlungen konkretisiert und dokumentiert. Alternativ kann lediglich der Beginn, ein markanter Ausschnitt oder auch nur das Ende einer Ge‐ schichte erzählt, vorgelesen oder per Film bzw. DVD präsentiert werden. Besonders geeig‐ 75 2.3 Grundlegende Prinzipien und Merkmale des Storyline Approach net scheinen für solche Zwecke so genannte dilemma stories zu sein, bei denen die Schü‐ lerinnen und Schüler für eine Problemsituation Lösungen finden und gegeneinander abwägen müssen. Des Weiteren können (fingierte) Annoncen, das Abspielen verschiedener Geräusche bzw. eines musikalischen Beitrags oder das Mitbringen eines geheimnisvoll wirkenden Gegenstandes (z. B. eine Flaschenpost oder Handtasche) als Einstieg in eine Phantasiegeschichte dienen, denn diese muss nicht zwangsläufig in Buchform vorliegen und bis zum Schluss als verbindliche Vorlage dienen. In der Regel sind Schülerinnen und Schüler während bzw. nach einer derartigen Storyline motiviert, die ursprüngliche Text‐ vorlage zu rezipieren, um diese mit den eigenen Vorschlägen und Ideen zu vergleichen. Eine gute Möglichkeit also, um Literaturunterricht spannend und schülerorientiert zu gestalten! Von Zeit zu Zeit kommt unter Kolleginnen und Kollegen die Frage auf, wie viel Phantasie und gestalterische Freiheit bei realitätsbezogenen und landeskundlichen Themen erlaubt seien. Hier kommt es zweifellos auf die Zielsetzung an: Soll schwerpunktmäßig ein lan‐ deskundlicher bzw. sachlicher Inhalt vermittelt werden, dann sollte dieser authentisch sein, das heißt, Jahreszahlen, Schauplätze und Ereignisse sollten nicht verändert werden, statt‐ dessen sollte das Thema die Lernenden vielmehr dazu anregen, intensiv zu recherchieren. Wird dagegen ein historisches oder geographisches Ereignis „nur“ als Aufhänger für eine Storyline oder eine Nebenhandlung verwendet, dann kann großzügiger und kreativer ver‐ fahren werden. 2.3.2.1.2 Zur Dramaturgie: Einstieg - Zwischenfall - Ende Der Einstieg entscheidet in der Regel bereits darüber, ob ein Thema akzeptiert und wie ein Storyline-Projekt verlaufen wird, deshalb sollte er bewusst gewählt werden, um die Lern‐ enden für das Thema nachhaltig zu fesseln. Förderlich sind vorantreibende und konkreti‐ sierende Fragen wie: “What would you look like if you lived in the 18 th century? What kind of clothes would you wear? “ oder “What would your home look like? “ Erfahrungsgemäß sprechen Lernende relativ bald in der Ich-Form, auch wenn sie eine Phantasiegestalt dar‐ stellen, was ein Zeichen dafür ist, dass sie engagiert bei der Sache sind (involvement prin‐ ciple). Im Laufe eines Storyline-Projekts werden die Schülerinnen und Schüler durch Dilemmas und unerwartete Zwischenfälle (incidents) immer wieder zu kreativen und adäquaten Prob‐ lemlösungen herausgefordert. Je nach Thema, Alter und Sprachniveau der Lerngruppe bieten sich folgende Vorschläge für zu bewältigende Situationen an: • Eine Person wird krank, kündigt ihren Besuch an oder taucht plötzlich (wieder) auf • Eine Person handelt in nicht nachvollziehbarer Art und Weise: sie verlässt einen Ort, wird kriminell oder anderweitig auffällig • Ein Fest oder eine Veranstaltung soll aus einem bestimmten Grund veranstaltet werden • Ein wichtiger Gegenstand wird verloren, zerstört, gefunden oder gewonnen • Eine Naturkatastrophe oder ein anderes Ereignis zerstört eine Landschaft, einen Bauernhof, einen Zoobereich oder ein Zirkuszelt • Eine Einrichtung soll eröffnet, verkauft oder geschlossen werden • Eine folgenreiche politische Entscheidung wird getroffen • Eine für die Menschheit bedeutsame Erfindung oder Entdeckung wird gemacht 76 2 Der Weg ist das Ziel: Der Storyline Approach Je nach Inhalt, Art und Struktur einer Geschichte kann diese ein natürliches Ende finden, nämlich dann, wenn der Problemfall gelöst wurde oder wenn die geplante Veranstaltung (z. B. Eröffnung eines fiktiven Jugendzentrums oder eines Museums) endlich stattfinden kann. In anderen Fällen werden externe Expertinnen und Experten zu einem Thema ein‐ geladen, um zu ermöglichen, dass die schülereigenen Vorstellungen mit den tatsächlichen Gegebenheiten verglichen und - falls erforderlich - modifiziert werden können. Hier bieten sich lokale Persönlichkeiten oder auch Vereine an. Eine Expertenrunde kann sich auch aus Kollegium, älteren Klassen, Eltern oder Gästen verschiedenster Einrichtungen zusammen‐ setzen. Im Notfall kann auch auf vertrauenswürdige Websites und E-mailkontakte zurück‐ gegriffen werden. Auch das Aufsuchen von Expertinnen und Experten im Sinne einer Exkursion bietet sich an. Als mögliche Ziele für Besuche eignen sich ortsansässige Betriebe, öffentliche und pri‐ vate Einrichtungen, geographische oder historische Sehenswürdigkeiten. Mitunter kann auch die Elternschaft oder eine befreundete Klasse als Publikum für eine Aufführung ein‐ geladen werden, um auf diese Art das Projekt abzuschließen und gleichzeitig zu präsen‐ tieren. Im Anschluss an jedes Storyline-Projekt sollte zudem eine Reflexion und Evaluation stattfinden, um individuelle Lernprozesse und Lernerfolge bewusst zu machen und diese als Sprungbrett für das weitere Vorgehen verwenden zu können (vgl. Bell/ Harkness 2006). Fazit: Geschichten liefern einen weiten authentischen Rahmen für ganzheitliches und kreatives, soziales und emotionales, inhalts- und problemorientiertes, aufgabenbasiertes und interdisziplinäres, sprachliches und kulturelles Lernen, und sie sprechen darüber hinaus multiple Intelligenzen an (vgl. Gardner 1994; 2002; 2007). Sie ermöglichen eine Viel‐ zahl von authentischen Rede- und Schreibanlässen und fördern somit echte, mitteilungs‐ bezogene Kommunikation. Meine Fallstudien in Teil B sollen zeigen, ob und inwiefern dies alles auch im fremdsprachlichen Klassenzimmer realisierbar ist. 2.3.2.2 Key Questions und deren Funktionen Wer bin ich? Warum gibt es Kriege? Gibt es einen Gott? Wie kommt es, dass die Sterne nachts leuchten und nicht herunter fallen? Kann man auf dem Mars leben? Solche oder ähnliche Fragen sind typisch für Kinder. Die Geschichte zeigt jedoch, dass auch erwachsene Menschen seit jeher Fragen an ihre bzw. in Bezug auf ihre Existenz und Umgebung stellen. Ohne diese Fragen würden die Geistes-, Human- und Naturwissenschaften vermutlich nicht existieren und sich auch nicht weiterentwickeln können. Während Kleinkinder, sobald sie sprechen können, ihre Umgebung unermüdlich mit Fragen konfrontieren und unverzüglich befriedigende Antworten verlangen, verliert diese natürliche Art des Lernens mit Hilfe situativ verankerter Fragen im Laufe der Schulzeit leider mehr und mehr an Bedeutung: Fragen von Seiten der Lernenden werden aus Zeit‐ gründen oft nicht oder nur oberflächlich berücksichtigt. Ferner kommt im Fremdsprachen‐ unterricht der Aspekt der erwünschten sprachlichen Korrektheit häufig als erschwerender Faktor hinzu, der die Lernenden einschüchtert und im Laufe der Zeit verstummen lässt (vgl. Kapitel 4.3.2.1 und 4.4.2). Das schulische Frageverfahren ist darüber hinaus meist ein recht unnatürliches und im wahrsten Sinne ein fragwürdiges Unterfangen, das Vos (1992, 1) mit humorvollen Worten charakterisiert: “‘He who asks questions will be a wise man’. (...) It is an old saying. For nowadays we know, that she who asks questions will become wise too. 77 2.3 Grundlegende Prinzipien und Merkmale des Storyline Approach Maybe even wiser. He or she, (...) teachers ask most of the questions. The children provide the answers. That is why a teacher is wiser than children“. Im Rahmen der Storyline-Arbeit sind Fragen in Form der so genannten Schlüsselfragen (key questions) von essenzieller Bedeutung, denn sie dienen als zentrales, lernzielorien‐ tiertes Planungs- und Strukturierungsinstrument für ein gesamtes Unterrichtsprojekt und leiten die einzelnen Episoden und Abschnitte einer Geschichte ein. Key questions werden im Gegensatz zum üblichen Unterrichtsverfahren nicht in Form von Suggestivfragen (dis‐ play questions) gestellt, um nachträglich die längst bekannte „richtige“ Antwort zu erhalten, die von der Klasse in einer Art Ratespiel zu liefern ist, sondern sie werden aus einem wirk‐ lichen Interesse heraus gestellt und fordern zu kreativen, breitgefächerten Lösungen, in‐ novativen Ideen, plausiblen Hypothesen und zum stetigen Nachdenken, Recherchieren und Weiterfragen heraus. Sie haben somit für alle Beteiligten eine echte Fragefunktion (refer‐ ential questions). Dabei geht es zunächst um ein “asking for experience“ (Ebd., 11) und weniger um ein “asking for knowledge“ (Ebd.). Schülerinnen und Schüler besitzen oft einen ungeahnt umfangreichen Wissensschatz. Gerade deshalb ist es sinnvoll und gleichzeitig erforderlich, dass die persönlichen Erfah‐ rungen konstant in das Unterrichtsgeschehen einbezogen werden, um eigene (und fremde) Wissenskonstruktionen bewusst zu machen, zu reflektieren und gegebenenfalls zu reor‐ ganisieren. Typische enggefasste bzw. geschlossene Schulfragen im Stil von “Where exactly do gorillas live? “ oder “What did Viking ships look like? “, bei denen es um das detaillierte Abfragen bzw. Reproduzieren von Faktenwissen geht, animieren die Befragten meist eher zu schweigendem Schulterzucken als zu spontanen Äußerungen. Die offenen key questions bei Storyline dagegen (z. B. “Where do you think gorillas might want to live? “ oder “What do you think a Viking ship looked like? “) zielen verstärkt auf das Einbringen von persönli‐ chen Erfahrungen, Vorwissen und Vorstellungen ab und regen die Lernenden zur aktiven Beteiligung, zum stetigen Reflektieren und fundierten Begründen an. Ein wichtiges Prinzip des Storyline-Modells besteht darin, stets den Bezug vom Unter‐ richtsthema zur konkreten, heterogenen Lebenswirklichkeit der Lernenden herzustellen. Somit zählt es zu den Aufgaben der Lehrkraft, diese Verbindung immer wieder neu zu knüpfen, und zwar mit Hilfe von persönlichen Fragen wie “What would you do if ...? “ oder “How would you feel when ...? “. In diesem Sinne gibt es bei Storyline kein dualisie‐ rendes Denken mit den binären Kodes richtig/ falsch, gut/ schlecht und entweder/ oder. Es gibt also niemals nur eine einzig richtige Lösung, aber auch keine komplett falschen oder unlogischen Antworten auf eine Frage, da die Lernenden ihre jeweils individuellen Vor‐ stellungen und Wirklichkeitskonstruktionen äußern, die sich aus ihren spezifischen Er‐ fahrungen und Wissensaneignungen (Interimswissen) speisen. Diese können durchaus konträr und ungewöhnlich sein und somit gerade deshalb zu stimmigen Begründungen und neuen, authentischen Fragen herausfordern, so dass zuerst formulierte Antworten unter Umständen zu einem späteren Zeitpunkt revidiert oder modifiziert werden (müssen). Doch zunächst werden alle Beiträge als eigene Wissenskonstruktionen (subjektive Theorien) an‐ erkannt und als Ausgangspunkt für weitere Investigationen und Fragestellungen be‐ trachtet. Nicht die möglichst korrekte Reproduktion fremden Wissens ist also das Ziel der Story‐ line-Arbeit, sondern die Aufdeckung individuell bedeutsamer Wissenskonstruktionen und 78 2 Der Weg ist das Ziel: Der Storyline Approach 40 Zur Entwicklung von Denk- und Analysestrategien vgl. z. B. auch Cottrell (2005). der persönlichen mentalen Modelle durch learning by discovery. Aus diesem Grund werden die Lernenden immer wieder dazu ermuntert, Fragen zu formulieren, ihre individuellen Vorstellungen und Ideen zu äußern sowie eigene Hypothesen aufzustellen, und zwar bevor sie sich an der Wirklichkeit orientieren und bevor sie mit den tatsächlichen Gegebenheiten konfrontiert werden. Das Prinzip lautet: “First you do the work yourself, then you compare it with reality. This is a consequence of the ‘structure before activity’-principle (...); children should be looking around with educated eyes“ (Vos 1991, 93). Spätestens am Ende eines Storyline-Projekts haben die Lernenden in der Regel eine Liste mit echten, ungelösten Fragen zusammengestellt. Ihr Wissensdurst drängt sie, diese von geladenen Expertinnen und Experten beantwortet zu bekommen oder sie im Rahmen eines Unterrichtsgangs an den realen Gegebenheiten zu verifizieren: “What’s different from our farms and a real farm? “, “What’s better on our farms? “, “What could be improved on the real farm? “. Auf der Basis langjähriger Storyline-Erfahrung bewertet auch Björg Eiriksdóttir (2001) die Qualität dieser grundsätzlich anderen Vorgehensweise als äußerst positiv für die Lernenden: “I think this is so effective and the children are often so pleased when they realise that their model is right or even better than the real thing“ (Ebd., 149). Um nachhaltiges Lernen mit hohem Transferwert zu gewährleisten, müssen auch think‐ ing skills (Frame 2001; 2007), also verschiedene metakognitive Strategien entwickelt und gefördert werden, wie dies im Rahmen von Storyline-Projekten auf vielfältige Art und Weise geschieht: Die offenen Schlüsselfragen fördern das problemlösende und divergente Denken, das eigenständige und zielgerichtete Recherchieren sowie das hypothesengeleitete und kreative Experimentieren; sie unterstützen demzufolge die Lernenden beim Erwerb und bei der Strukturierung ihres Wissens und machen sie zudem neugierig für neue Fragestel‐ lungen und Lernbereiche im Sinne des lebenslangen Lernens. 40 Key questions stellen für Lehrende immer eine Herausforderung dar: “The teacher knows what the questions are but cannot be certain exactly how the children will respond“ (Hark‐ ness/ Håkonsson 2001, III). Gerade der Auftakt einer Geschichte zählt somit zu den beson‐ ders sensiblen Phasen innerhalb einer Storyline und das Stellen guter Fragen bedarf der Übung. Vos (1991) hebt in diesem Zusammenhang hervor, dass es nicht sinnvoll sei, eine Storyline durch einen informativen Einstieg (advance organiser) zu eröffnen: “It ruins the adventure“ (Ebd., 93). Frame (2001) dagegen behauptet mit Recht, dass dies nicht zwangs‐ läufig der Fall sein muss, sondern dass Lernprozesse sogar erfolgreicher verlaufen können, wenn die Zielsetzungen explizit formuliert wurden: “New understandings about how the brain operates suggest that many learners need an overview to be able to see the ‘big picture’ to help them locate what they learn“ (Ebd., 44). Allerdings ist zu beachten, dass ein Story‐ line-Projekt in erster Linie von den diversen unvorhersehbaren Ereignissen und Überra‐ schungsmomenten lebt: “This is a powerful motivating factor that keeps the ‘line’ fresh, and helps to ensure continuing interest and enthusiasm“ (Bell/ Harkness 2006, 35). Es sollte also auf eine gute Balance zwischen Überblick/ Mitbestimmung und Überraschung/ Span‐ nung geachtet werden. Zu den Hauptaufgaben der Lehrenden gehört also, eine Geschichte so vorzustruktu‐ rieren, dass sie zu einer Kette von Fragestellungen und kreativen Problemlöseverfahren 79 2.3 Grundlegende Prinzipien und Merkmale des Storyline Approach anregt sowie zahlreiche Gelegenheiten für Interaktionen und das Trainieren verschiedener Fertigkeiten bietet (Bell 1995a). Somit gelten die key questions als Grundgerüst für sämtliche Aktivitäten innerhalb eines Storyline-Projekts und als Steuerungsmechanismus im Sinne von structured freedom: “Thanks to the story, you ask the questions in a natural way. The story dresses the questions“ (Vos 1992, 15). Key questions können im Unterricht gegebe‐ nenfalls noch weiter ausdifferenziert und auch als Impuls (Aussage/ Aufforderung) geäußert werden: “Imagine you meet ...“ oder “Let’s see how ...“. Gute Schlüsselfragen zeichnen sich dadurch aus, dass sie bei den heterogenen Erfah‐ rungen der Schülerinnen und Schüler ansetzen, eine Vielzahl von kreativen und auch in‐ novativen Lösungen zulassen, divergentes Denken fördern sowie zahlreiche sinnstiftende Aufgabenstellungen und neue, herausfordernde Fragen und Aktivitäten nach sich ziehen. Durch die Tatsache, dass nicht fremdes, sondern eigenes (also bekanntes) Wissen und ei‐ gene Fragestellungen im Vordergrund stehen, fühlen sich die Lernenden sicher, akzeptiert und ernstgenommen. Selbstvertrauen, emotionales Engagement und Lernbereitschaft werden somit positiv beeinflusst. Arbeitsbezogene Fragen wie “What do you think should be done next? “ können darüber hinaus auch als Strukturhilfe fungieren und die Lehrkraft von organisatorischen Aufgaben entlasten. Ferner erkennen die Lernenden Sinn und Funktion ihrer Aktivitäten besser, wenn sie diese nicht als von außen auferlegt erfahren: “Interviews are conducted or letters are written because of a need not because the teacher tells the children (...) to do so. These functional tasks engender feelings of ownership and responsibility“ (Frame 1992, 64). Das Geheimnis scheint folglich darin zu liegen, zum richtigen Zeitpunkt zu erkennen, wann Anleitungen und Unterstützung erforderlich sind, denn nur dann kann das collaborative storymaking für beide Seiten zu einem positiven Erlebnis werden, wenn die Lernenden ganz bei der Sache sind. Die fiktive Rahmenhandlung eines Storyline-Projekts bietet viele Möglichkeiten für kon‐ textualisierte Fragen, darüber hinaus stellte Erik Vos (1992) in Kooperation mit Barbara Frame ein umfassendes Repertoire an allgemeinen Frageverfahren zusammen, die flexibel und themenunabhängig eingesetzt werden können (z. B. cliffhanger). Key questions können meist nicht auf Anhieb umfassend beantwortet werden. Deshalb muss auch stets eine key silence eingeplant werden. Ein Storyline-Projekt ist nur dann für beide Seiten gewinnbrin‐ gend, wenn die Lehrkraft die Entscheidungen der Lernenden ernstnimmt, ihre Arbeiten respektiert und Geduld gegenüber zu vollziehenden Lernprozessen aufzeigt (mutual re‐ spect). Wenn Lehrende echte Fragen stellen, geben sie einen Teil der Verantwortung an die Schülerinnen und Schüler ab, indem sie ihnen auftragen, selbstständig Hypothesen zu for‐ mulieren und entsprechend plausible Antworten und Lösungswege zu finden. Die Lern‐ enden beginnen somit, ihr Lernen zunehmend lehrerunabhängig zu gestalten, während die Lehrkraft mit Hilfe von topic plan und key questions die Lernenden sicher zu führen und zu begleiten vermag: “The teacher holds the ‘line’ while the pupils tell the ‘story’“ (Harkness 2007, 20). Ob und inwiefern die aufgeführten Aspekte und Ziele auch beim fremdsprachli‐ chen Lernen realisiert werden können, sollen meine Untersuchungen zeigen (vgl. Teil B). 80 2 Der Weg ist das Ziel: Der Storyline Approach 41 Vgl. dazu auch Kapitel 3.2.3 und 3.4. 2.3.3 Merkmale: Das Storyline-Klassenzimmer Wer zum ersten Mal ein Klassenzimmer betritt, in dem gerade ein Storyline-Projekt durch‐ geführt wird, ist vermutlich - wie ich bei Schulbesuchen in Schottland, Dänemark oder Island - überrascht, dass in üblicherweise funktionell gestalteten Schulräumen so viel Kre‐ ativität, Lerneifer und Lebendigkeit entstehen können. Eine Storyline-Lernwerkstatt un‐ terscheidet sich dabei vom herkömmlichen Klassenzimmer durch einige wesentliche Dinge: Collagen, Wandfries, Poster mit sprachlichen Hilfen (wordbanks), Medien bzw. Arbeitsma‐ terialien, Arbeitsformen und Sitzordnung. 2.3.3.1 Collagen und Figuren Jedes Märchen, jeder Roman und jede beliebige Geschichte beginnt in der Regel mit der Einführung und Charakterisierung der beteiligten Hauptfigur(en) und der groben Skizzie‐ rung des situativen Kontexts. Diese Konvention wird auch bei Storyline-Projekten berück‐ sichtigt: Gleich zu Beginn der story werden ganz im Sinne des ganzheitlichen und hand‐ lungsorientierten Lernens die jeweiligen Charaktere sowie die räumlich-zeitliche Umgebung (setting) in Form von zwei- oder dreidimensionalen Collagen und Gebilden konkret hergestellt. Je nach Art der Geschichte handelt es sich hierbei um eine einzelne Figur (z. B. eine Fee), um wenige Personen (z. B. eine Flüchtlingsfamilie) oder um eine Viel‐ zahl von unterschiedlichen Charakteren (z. B. eine Reisegruppe), die von den Schülerinnen und Schülern mit verschiedenen Materialien wie Papier, Stoff, Wolle, Watte usw. gebastelt werden. Beispielhafte Vorgaben (im Sinne von modelling) 41 - wie Hinweise auf Größen‐ verhältnisse - sind insofern hilfreich, als ein Hund nicht größer als ein Pferd sein sollte. Hinsichtlich der Darstellungstechniken sind keine Grenzen gesetzt, allerdings sind al‐ tersgemäße Fähigkeiten, Fertigkeiten und Vorlieben in der Planung zu berücksichtigen. Bei älteren Lernenden können auch Marionetten, Stabpuppen und/ oder abstrakte Gestalten angefertigt werden. Eine weitere Variante für ältere Schülerinnen und Schüler besteht darin, keine konkreten Figuren zu basteln, sondern diese in Form von diversen Unterlagen, und zwar möglichst mit Foto oder Zeichnung, darbzw. vorzustellen: Schülerausweis, Rei‐ sepass, Lebenslauf, Bewerbungsschreiben, Personalakte usw. Wichtig ist, dass die Figuren möglichst flexibel an der Wand befestigt werden, so dass sie auch für Rollenspiele ver‐ wendet werden können. Diese selbst gemachten Collagefiguren fördern das multisensori‐ sche Lernen, dienen als Visualisierungshilfe und bieten als konkrete Handlungsobjekte vielerlei Anlässe zur mitteilungsbezogenen und realitätsnahen Kommunikation. Des Wei‐ teren können durch die Objekte auch solche Informationen vermittelt werden, die von den Lernenden (noch) nicht in der Fremdsprache formuliert werden können. Vor oder nach dem Herstellen der Figuren wird - abhängig vom Verlauf der jeweiligen Geschichte - die räumliche Umgebung konkretisiert und visuell dargestellt. Je nach setting kann es sich hierbei um ein Haus handeln, dessen Räume von den einzelnen Gruppen in‐ dividuell ausgestaltet werden, oder um ein mittelalterliches Schloss, einen Straßenzug mit mehreren Gebäuden, eine afrikanische Oase, eine tropische Insel, eine Höhle, ein Zirkus‐ 81 2.3 Grundlegende Prinzipien und Merkmale des Storyline Approach areal, eine Mondlandschaft oder auch das Innenleben eines Schiffes bzw. eines Notarztwa‐ gens. Nach und nach erhalten die erstellten Figuren Namen, Biographien und individuelle Persönlichkeitsmerkmale, also eine unverwechselbare Identität. Sie treten (je nach Ge‐ schichte) in Freundschafts-, Nachbarschafts- oder Verwandtschaftsbeziehungen zuein‐ ander, so dass sich verschiedene Rollen weiterentwickeln können. Es werden fiktive Tele‐ fonate geführt, Briefe ausgetauscht, Besuche vereinbart oder gemeinsame Unternehmungen geplant; viele Einzelheiten entstehen auch spontan aus der Situation he‐ raus. Erfahrungsgemäß identifizieren sich die Schülerinnen und Schüler im Laufe der Zeit immer mehr mit ihren Lernprodukten, auch wenn (oder vielleicht auch gerade weil) die Figur von den Charakterzügen der eigenen Person abweicht. Das ownership principle ver‐ anlasst die Lernenden, kreativ, engagiert und eigenverantwortlich zu arbeiten. Im Rahmen der beschriebenen Arbeitsprozesse werden zudem ganz unterschiedliche Intelligenzen (vgl. Gardner 1994; 2002; 2007) angesprochen und gefördert. Während die Schülerinnen und Schüler ihre Figuren und Landschaften basteln, recher‐ chieren sie auch gleichzeitig, ob ihre Konstrukte und Ideen stimmig sind: Wie kleideten sich mittelalterliche Mägde und Knechte? Wie kleiden sich Maoris oder Beduinen? Wichtig ist dabei stets auch die Frage nach den Gründen für ein spezifisches Bekleidungsverhalten. Im zuletzt genannten Fall studieren die Lernenden möglicherweise Sachbücher oder kon‐ sultieren Klimatabellen, um eine adäquate Antwort zu finden und ihre Figur angemessen einzukleiden. Frame (2001) resümiert am Beispiel einer Storyline zum Thema „Rettungs‐ dienste“: When the children take on the roles of the members of the rescue service they simulate what these rescuers are like, what they wear and what they use. They experiment with the oral and literacy practices of a certain community of people. In other words they inhabit the context by looking, acting, feeling and thinking like members of the rescue service (Ebd., 47). Das Hineinschlüpfen in diverse Rollen gibt den Lernenden die Möglichkeit und vor allem auch den Anlass, alle nachfolgenden Aktivitäten reflektiert und relativ wirklichkeitsnah durchzuführen und zu erleben, da im Schutz der Geschichte für jede (Sprach-)Handlung ein authentischer Grund besteht. Die gebastelten Figuren stellen somit in vielerlei Hinsicht einen wichtigen Katalysator dar. Harkness (2007) beschreibt deren Rolle als “the human element“ (Ebd., 20) und hebt hervor, dass sich der Storyline-Ansatz gerade dadurch stark von anderen projektähnlichen Arbeitsweisen abhebt und mit Hilfe der “paper people“ (Bell 2007, 29) auch problematische Themen wie familiäre Zwistigkeiten, Armut, Krankheit, Rassismus usw. aufgegriffen werden können. McNaughton (2007) geht noch einen Schritt weiter, wenn sie das Potenzial von Rollenspielen und drama activities erläutert: “Instead of merely imagining the events in the peoples’ [sic] lives, drama allows the children to play them out - the children can try out ‘being’ the people from the Storyline frieze. It is as if the characters step down from the picture and are embodied in the children who are then, for a time, able to be inside the story“ (Ebd., 150). Die erstellten Figuren unterstützen diesen Prozess der Veränderung und sind somit unverzichtbare Elemente in Storyline-Projekten. Es stellt sich allerdings die Frage, ob auch ältere Fremdsprachenlernende aufgeschlossen 82 2 Der Weg ist das Ziel: Der Storyline Approach für die Rollenübernahme und intensive Bastelarbeit sind. Dies sollen meine Fallstudien in Teil B überprüfen. 2.3.3.2 Wandfries Charakteristisch für den Storyline Approach sind die nach jeder längeren Arbeitsphase re‐ gelmäßig stattfindenden Präsentationen, in denen die Lernenden ihre vielfältigen Arbeits‐ ergebnisse der Klasse mündlich und/ oder schriftlich vorstellen, und bei denen sich mitunter auch spontane Gespräche oder Rollenspiele über mögliche Nebenhandlungen ergeben. Zur Veranschaulichung der diversen Lernprozesse sowie zur Dokumentation der inhaltlichen Entwicklung der Geschichte werden sämtliche Lernprodukte (z. B. Figuren, Skizzen, Land‐ karten, Briefe, Rezepte, Gedichte oder Interviews) während der gesamten Dauer eines Story‐ line-Projekts an den Wänden des Klassenzimmers ausgestellt. Auf diese Weise entsteht ein so genannter Wandfries, der je nach Größe und Beschaffenheit der freien Flächen mehr oder weniger detailliert ausgestaltet werden kann und - im Sinne einer Bühne - als Hand‐ lungsfeld dient, wo der gesamte Verlauf der Geschichte schrittweise und für alle nachvoll‐ ziehbar visualisiert wird. Im Laufe der Zeit nimmt der Fries immer mehr Gestalt an: sein Umfang vergrößert sich und seine Komplexität verdichtet sich sukzessiv. Aus inhaltlichen bzw. dramaturgischen Gründen verändert er immer wieder sein Aussehen, so dass er nie als endgültiges Ergebnis, sondern als prozessorientierte Schaufläche zu verstehen ist. Manche Objekte wie dreidi‐ mensionale Stadtmodelle oder Landschaften können auf Tischen vor dem eigentlichen Fries aufgebaut werden, so dass dieser zusätzlich als Kulisse dient. Durch mobile Stellwände kann das Klassenzimmer sogar in verschiedene Bühnen auf‐ geteilt werden. Bei Platzproblemen genügt es mitunter, wenn nur ein paar Texte ausgestellt und die anderen in einem DIN A4-Umschlag aufbewahrt und am Fries befestigt werden, so dass die Lernenden jederzeit Zugang und Zugriff zu allen Lernprodukten haben. Sollten im Klassenzimmer nur sehr kleine Ausstellungsflächen zur Verfügung stehen, dann können bestimmte Schriftstücke auch in Mappen (Portfolios) gesammelt werden, welche die Lern‐ enden mit sich führen. Alternativ kann ein Storyline-Projekt (oder Teile davon) auch am Computer realisiert werden, wie das in Skandinavien gelegentlich geschieht (vgl. Blair 2016; Lundin 2007). Dabei können die Schülerinnen und Schüler auch medienspezifische Kom‐ petenzen erwerben oder verfeinern: Textverarbeitung, die Handhabung von Zeichen- und Bildbearbeitungsprogrammen sowie die Nutzung von Online-Diensten. Trotzdem hat der Wandfries als wichtigstes Medium in der Storyline-Lernwerkstatt mehrere nicht zu unter‐ schätzende Funktionen: • “It is in the first place the bridge between abstract thinking and the real world“ (Letschert 1997, 18), also zwischen Erfahrungswissen und abstraktem Denken. • Der Fries „erzählt“ die fortlaufende Geschichte; er zeigt den Lernenden ganz konkret, an welcher Stelle der Geschichte sie sich gerade befinden und erleichtert ihnen somit immer wieder den Einstieg in das Thema. • Der Fries und dessen prozessorientierte Ausgestaltung fördert das multisensorische Lernen und spricht verschiedene Intelligenzen (vgl. Gardner 1994; 2002; 2007) im Sinne eines ganzheitlichen Lernens an. 83 2.3 Grundlegende Prinzipien und Merkmale des Storyline Approach • Über die Sprache hinaus ermöglicht er die Darstellung von vielfältigen und außer‐ gewöhnlichen Details. Das bildliche Symbolsystem (Weidenmann 1994) wird dabei ergänzend zum sprachlichen System als unterstützendes Kommunikationsmittel integriert. • Der Fries hat starken Aufforderungscharakter, denn die ausgestellten Handlungs‐ objekte bieten zahlreiche Anlässe für zielgerichtete Interaktionen und authentische, inhaltsorientierte Kommunikation (z. B. “Why are there no lions in your circus? “ usw.). • Er dient als Aufhänger und ansprechende Kulisse für themenspezifische Rollen‐ spiele. • Er dokumentiert und veranschaulicht den Lernenden, was sie bereits gelernt haben und unterstützt sie bei der Strukturierung ihres Wissens: “Consider how well the narrative and the artifacts from the Storyline displayed on the classroom wall help children to remember every detail of what they have learned“ (Frame 2001, 49). • Der Wandfries bietet zudem Vergleichsmöglichkeiten und unterstützt somit Be‐ wusstmachungsprozesse über die unterschiedlichen Lernstile, Lernwege, Lösungs‐ varianten und Darstellungstechniken der heterogenen Lerngruppe. • Der Fries ist immer ein Gemeinschaftsprodukt, wodurch das Gemeinschaftsgefühl gefördert und die Identifikation mit dem Lerngegenstand verstärkt wird (ownership principle). • Des Weiteren bietet er die Möglichkeit, alle Unterrichtsprodukte längerfristig klas‐ senöffentlich zu präsentieren (classroom museum) und entsprechend zu würdigen, was die Lern- und Leistungsbereitschaft erhöht. • Außerdem trägt der Fries nicht unerheblich dazu bei, die Lernatmosphäre zu ver‐ bessern und das Klassenzimmer optisch anregend zu gestalten. So weit die Theorie. Wie aber (gerade ältere) Fremdsprachenlernende den Fries tatsächlich nutzen und bewerten, soll durch meine Fallstudien untersucht werden (vgl. Teil B). 2.3.3.3 Wordbanks Neben der rein inhaltlichen Darstellung, Ausgestaltung und Dokumentation einer Ge‐ schichte in Form von Collagen, Figuren und Texten hat der Fries auch noch eine weitere, vornehmlich sprachbezogene Funktion, denn besonders im Fremdsprachenunterricht sind die Lernenden auf Unterstützung in Form von Redemitteln angewiesen und es kann nicht angenommen werden, dass sie das jeweils benötigte deklarative und prozedurale Sprach‐ wissen immer zur Verfügung haben. Dies wird mit Hilfe so genannter wordbanks realisiert: Themenrelevante Vokabeln, Wortfelder und Redewendungen werden bei Bedarf von der Klasse gemeinsam auf Postern in Form von Listen, mind maps, clusters oder Collagen ge‐ sammelt, gruppiert und für die Dauer des Projekts am Fries befestigt. Auf diesem Weg werden bekannte Wörter im Kontext wiederholt und gefestigt, wohingegen neue Rede‐ mittel mit Hilfe von Wörterbüchern und Bildlexika in sinnstiftenden Zusammenhängen eingeführt und in Bekanntes integriert werden. 84 2 Der Weg ist das Ziel: Der Storyline Approach 42 Vgl. dazu z. B. auch Kristmundsson (2007). camels rats donkeys elephants dogs horses circus animals pigeons seals bears parrots lions monkeys tigers cats snakes Abb. 3: Wordbank aus dem Storyline-Projekt Circus, Klasse 6 (Kocher 1996a) Wordbanks werden seit jeher auch im muttersprachlichen Grundschulunterricht ver‐ wendet, um die sprachliche Kompetenz der Lernenden durch gezielte Wortschatzarbeit zu fördern. 42 Entsprechend können neben spezifischen Wortfeldern und Wortfamilien auch Listen mit Synonymen (Thesaurus) zusammengestellt werden. Davon abgesehen bietet es sich gerade für den bilingualen Unterricht an, themenspezifische Fachbegriffe als word‐ banks zu sammeln: z. B. Instrumente (Musik), Oasentypen (Geographie) oder Fortbewe‐ gungsarten (Sport). Der Begriff wordbank ist in Analogie zum Bankwesen zu verstehen: auf einer Bank kann man Geld einzahlen oder abheben. Im Storyline-Klassenzimmer können Schülerinnen und Schüler themenrelevante Wörter in den Pool eingeben und im Verlauf des Projekts suk‐ zessiv ergänzen bzw. die benötigten Begriffe bei Bedarf wieder abrufen. Dies bewirkt, dass ein bestimmter Bestand an themenspezifischen Vokabeln und Redewendungen klassenöf‐ fentlich bekannt gemacht und als solcher vorausgesetzt werden kann. Eine wordbank kann auch zur Vertiefung, Strukturierung und Ergänzung von teilweise bereits bekannten Sprachmitteln erstellt werden und somit das jeweils individuell vorhandene mentale Le‐ xikon neu ordnen. Auf Grund der Tatsache, dass die gesammelten Begriffe dauerhaft im Klassenzimmer präsentiert und in strukturierten thematischen Sinneinheiten visualisiert werden, haben wordbanks ferner die Funktion, das Einprägen und Anwenden des konkret benötigten Sprachmaterials zu unterstützen. Die kontextualisierten und möglichst mit Illustrationen versehenen wordbanks tragen somit auch zur Förderung des vernetzten Denkens bei. Letzt‐ endlich kommt den Lernenden das Aufhängen der diversen Redemittel am Fries auch in‐ sofern zugute, als diese nicht ständig ihr Wörterbuch zücken müssen, sondern ihre Beiträge arbeitsökonomisch anfertigen und ein ungeläufiges Wort (z. B. während der Präsentati‐ onen) auf einen Blick und ohne Unterbrechung zuordnen können. Die wordbanks fungieren somit auch als themenspezifisches Präsenzlexikon. Darüber hinaus können auch einfache, von den Lernenden formulierte grammatische Regeln gesammelt werden. Denkbar wären auch Strukturhilfen für eine Begegnung (z. B. Begrüßung, small talk, Diskussion, Verab‐ 85 2.3 Grundlegende Prinzipien und Merkmale des Storyline Approach 43 Vgl. dazu z. B. MKJSBW (Hrsg.) (2004a; 2004b; 2004c; 2016). schiedung) oder Satzanfänge und Redewendungen für bestimmte Textformen (z. B. Tage‐ bucheintrag, Brief, Kleinanzeige, Lebenslauf, Interview usw.). Die aufgeführten Hilfen un‐ terstützen das eigenverantwortliche Lernen und Arbeiten und können sich meines Erachtens auch positiv auf den Erwerb fremdsprachlicher Kompetenzen auswirken. Ob diese These zutrifft, soll in Teil B überprüft werden. 2.3.3.4 Medien und Arbeitsmittel Während Medien in unserer Gesellschaft als dominante Steuerungs- und Orientierungs‐ instanzen in vielen Bereichen eine Schlüsselrolle einnehmen und wir tagtäglich auf viel‐ fältige Art und Weise mit ihnen konfrontiert werden, fristen sie dagegen im schulischen Kontext noch immer eher ein Schattendasein, obwohl man ihnen vielerlei Funktionen, die das Lernen erleichtern sollen, zuschreibt. Selbst wenn der Begriff „Medienkompetenz“ seit einiger Zeit in den Schulen thematisiert und in den neueren Bildungsplänen 43 sogar aus‐ drücklich als Lernziel aufgeführt wird, werden Medien jedoch meist noch immer sehr ein‐ geschränkt und einseitig eingesetzt und wenn, dann vorrangig von Seiten der Lehrkräfte ausgewählt und präsentiert. Auffallend ist dabei auch, dass die Begriffe „Medienerziehung“ bzw. „Medienkompetenz“ meist in Verbindung mit einer technisch bzw. technologisch orientierten Computernutzung verwendet werden, wohingegen Aspekte der Medienpsy‐ chologie oder des Medienrechts weitgehend unberücksichtigt bleiben. Trotz aller Forderungen nach einer profunden, kritischen und fächerübergreifenden Medienerziehung (vgl. Kapitel 1.6.2.1) und trotz mittlerweile reichhaltiger Medienangebote und vielseitiger Bezugsquellen werden im alltäglichen Fremdsprachenunterricht auch heute noch fast ausschließlich Lehrwerk, Heft und Tafel eingesetzt, wohingegen authenti‐ sche oder gar von Lernenden mitgebrachte Materialien oftmals nur wenig berücksichtigt werden. Das Schulbuch gilt auch im so genannten Medienzeitalter vielerorts noch immer als unbestrittenes und konkurrenzloses Leitmedium. Die traditionelle Form der Lehrbucharbeit, die wenig Freiraum für eine aktive Beteili‐ gung der Schülerinnen und Schüler an der Gestaltung der Lernsituationen zulässt und einem kreativen bzw. experimentellen Umgang mit der Sprache wenig förderlich ist, wird bekanntlich schon seit Jahren moniert (vgl. Kapitel 1.5): Im Zentrum der Kritik stehen dabei meist die Grammatikdominanz, Parallelprogression und Linearität der Lektionen sowie die fehlenden Deutungsanreize, die vorgefertigten Dialogelemente zur versteckten Einübung von Redemitteln oder auch die Texte über fiktionale und meist klischeehafte Personen, welche den Lernenden fremd sind und somit „nichtssagend“ bleiben. Kurtz (2001) kritisiert die funktional geschlossenen, zu einseitig ausgerichteten und teilweise fragwürdigen Lehr‐ werkinhalte, die „eine (zeitweilige) Herauslösung des Angebotenen aus der von den Lehr‐ buchverfassern vorgedachten Funktionsbindung und eine unterrichtliche Verwendung im Sinne einer anderen Akzentuierung“ (Ebd., 81) kaum möglich machen, und Ahlquist (2013) hinterfragt den “one-size-fits-all approach“ (Ebd., 15). Mit Recht hinterfragt auch Eiriks‐ dóttir (2001) den Nutzen der gängigen lehrwerkbasierten Unterrichtspraxis und moniert, dass Schülerinnen und Schüler zwar sehr viel Zeit mit Lehrbucharbeit verbringen, jedoch 86 2 Der Weg ist das Ziel: Der Storyline Approach das Verhältnis von Quantität/ Qualität bzw. Aufwand und Lernerfolg in der Regel nicht stimmig sei: When you are tied down to a textbook it is so easy to go to the next page and continue to practice the same thing as yesterday even though the students have already mastered the skill you were teaching, for the moment at least. It is hard for many teachers to skip pages in a textbook. We were always taught to finish our work. What we are not always aware of is that when the pupils are bored they learn very little so it is almost a waste of time to do one more practice page in a book if the pupils are not interested (Ebd., 148). Wolff (2001) erläutert diverse Funktionen von Lehrwerken, verweist jedoch darauf, dass in einem konstruktivistisch orientierten Fremdsprachenunterricht „Authentizität der Lern‐ umgebung, Komplexität und Authentizität der Lerninhalte und eine wenig stringente Pro‐ gression“ (Ebd., 191) grundlegende Konzepte sind, „die eher dafür sprechen, sich vom Lehr‐ werk abzuwenden und mit anderen Materialien zu arbeiten“ (Ebd.). Rüschoff/ Wolff (1999) fordern deshalb die Konzeption von „Lernwerken“ an Stelle von „Lehrwerken“ (Ebd., 249). In einem Storyline-Klassenzimmer wird auf das Schulbuch bewusst verzichtet: Hier stehen stattdessen eine Vielzahl an anregenden Materialien und Bastelutensilien zur Ver‐ fügung, die zum aktiven, multisensorischen und ganzheitlichen Arbeiten und kreativen Gestalten im Sinne von learning by doing auffordern. Je nach Konzeption eines Story‐ line-Projekts werden auch diverse high tech und low tech Medien benötigt: Realien, MP3-Player, CD-Player, Kameras, Computer und eventuell ein Beamer für Projektionsvor‐ haben. Unverzichtbar ist im Rahmen des (fremd-)sprachlichen Lernens ein Bestand an ein- und zweisprachigen Wörterbüchern, Bildlexika und altersgerechten Enzyklopädien (z. B. auch in digitaler Form). Ein Internetzugang sowie eine geeignete Sammlung mit themen‐ relevanten Fach- und Sachbüchern, authentischen Broschüren, Zeitungen, Zeitschriften und anderen Materialien unterstützen obendrein die eigenständige Informationsbeschaf‐ fung: Schülerinnen und Schüler werden somit zu aktiven, neugierigen und routinierten Forscherinnen und Forschern, die sich für ihren Wissenserwerb verantwortlich zeigen und ihre Lernfortschritte in vielseitigen und individuellen Medienprodukten, die im Klassen‐ zimmer präsentiert werden, darstellen. Die Lernenden verwenden jedoch nicht nur selbstständig Medien, sondern sie erstellen auch eine Vielzahl an eigenen und geeigneten Medien, um ihre Ideen und kreativen Ge‐ danken bestmöglich und anschaulich zu vermitteln und auszutauschen: Collagen, fiktive Radio- oder Fernsehsendungen, Briefe, Rollenspiele, Zeichnungen, analoge oder digitale Fotos, eigene Choreographien (z. B. Tanz, Musik), Zeitungsartikel, Reportagen, Power‐ Point-Präsentationen oder diverse Gegenstände (z. B. Geschenke für eine Figur, eine Fla‐ schenpost usw.). Auf Grund der Tatsache, dass bei der Arbeit in Storyline-Projekten neben inhaltlichen und sprachlichen auch vielseitige medienbezogene Kompetenzen in einem (semi-)authentischen Kontext erworben werden, stellt der Storyline-Ansatz einen wichtigen Beitrag zur Medienerziehung dar und erfüllt somit - je nach Komplexität und Ausgestaltung 87 2.3 Grundlegende Prinzipien und Merkmale des Storyline Approach 44 Vgl. dazu auch Kocher (2008), wo das Thema ausführlicher und mit Beispielen versehen dargestellt ist. 45 Vgl. dazu auch Letschert (2001). eines Projekts - alle der von Faulstich (2004b) und Tulodziecki (2008) formulierten Desi‐ derate und Dimensionen von Medienkompetenz (vgl. Kapitel 1.6.2.1). 44 Fazit: Da die Lernenden regelmäßig eigene Medienprodukte herstellen, vorstellen und ausstellen bzw. eigene und diejenigen der Klassenmitglieder besprechen, analysieren und bewerten, erhalten sie eine vielseitige und fundierte Medienkompetenz, die möglicherweise auch ihr Freizeitverhalten beeinflussen kann und somit einem unkritischen Medienkonsum entgegenzuwirken vermag. Außerdem trainieren sie vielfältige Lerntechniken und Ar‐ beitsstrategien, die den Weg zum autonomen und lebenslangen Lernen ebnen. Ob diese These tatsächlich für verschiedene Altersgruppen zutreffend ist, sollen meine Fallstudien zeigen (vgl. Teil B). 2.3.3.5 Kooperatives Lernen und Lehren Wie kann man heterogenen Lerngruppen möglichst gerecht werden? Wie sieht ein Lernort aus, der nicht darauf abzielt, individuelle Unterschiede aufzuheben, und der nicht davon ausgeht, „daß alle Schülerinnen und Schüler zur gleichen Zeit das Gleiche lernen wollen(? )/ sollen“ (Rampillon 1994, 60)? Wie können Lernerfolge nachhaltig optimiert werden? Dies sind Fragen, die heute mehr denn je diskutiert werden. Der ausschließliche Einsatz von Frontalunterricht kann sicher keine konstruktive Lösung sein, denn: “One size does not fit all. Children are not standard, so education cannot be standard“ (Letschert 2006, 13). 45 Stattdessen müssen vielmehr Lehr-Lernsituationen geschaffen werden, die die Heteroge‐ nität von Lerngruppen respektieren und gewinnbringend nutzen. Fest steht: „Je komplexer das System, desto mehr Eigendynamik und Selbstverantwortung muss zugelassen werden“ (Siebert 2005, 80), denn aus konstruktivistischer Sicht lassen sich komplexe Systeme be‐ kanntlich nur bedingt von außen steuern (vgl. Kapitel 3). Aus diesem Grund wird in Story‐ line-Projekten fast ausschließlich Partner- und Gruppenarbeit (learning communities) prak‐ tiziert. Frame (2001) verweist darauf, dass interaktives Arbeiten erfahrungsgemäß zu besseren Lernergebnissen führt: “The learner is not a lone scientist discovering everything anew. The learner constructs knowledge to a higher level when interacting in a group - ‘borrowing’ and ‘sharing consciousness’“ (Ebd., 45). Deshalb führt Storyline-Arbeit immer wieder zu verblüffenden und teilweise unerwarteten Ergebnissen. Aus dem Unterrichtsalltag ist ferner bekannt, dass viele Schülerinnen und Schüler bei fremdsprachlichen Äußerungen Angst vor möglichen Fehlern und der damit verbundenen öffentlichen Blamage haben (vgl. Kapitel 4.3.2.1 und 4.4.2). Crandall (1999) betont in diesem Zusammenhang nicht nur, dass kooperatives Lernen viele positive affektive Auswirkungen auf das Sprachenlernen hat und gleichzeitig die Entwicklung sozialer und kognitiver Fer‐ tigkeiten fördert, sondern sie sieht im kooperativen Arbeiten auch die Chance, Schüle‐ rinnen und Schüler nach und nach zu autonomen Lernenden zu befähigen. Dörnyei und Malderez (1999) bezeichnen Lerngruppen im konstruktivistischen Sinn als “stepping stones, training grounds for autonomous continuous learning“ (Ebd., 169) und behaupten, dass durch das Arbeiten in Gruppen viele Prozesse im Klassenzimmer vorhersehbarer und somit 88 2 Der Weg ist das Ziel: Der Storyline Approach 46 Vgl. dazu auch Adamson (2007), Ahlquist (2011; 2013), Eiriksdóttir (2001), Hofmann (2007) oder Mit‐ chell-Barrett (2010), die sich auf Erfahrungen in Grundschulen beziehen. 47 Vgl. dazu z. B. Christison (2002), Dennison/ Dennison (2013) oder Garnett (2005). Für den Fremdspra‐ chenunterricht (mit Praxisbeispielen) vgl. z. B. Butzkamm (2012), Sambanis (2013) oder Schiffler (2012). weniger bedrohlich werden: “This is true both for ourselves and the students. In addition, we will develop more efficient methods of classroom management as well as learn from and with our students. Working on the group and with the group puts the excitement back into teaching“ (Ebd.). Lernen und Kommunizieren in der Gruppe bereitet also nicht nur Freude und sorgt für eine positive und konstruktive Lernatmosphäre, sondern ermöglicht auch, dass individuelle Lern- und Arbeitsprozesse (aber auch Nicht-Lernprozesse) trans‐ parenter werden und dass diese von der Gruppe und der Lehrkraft im Sinne einer commu‐ nity of practice reflektiert und diskutiert werden können (vgl. Kapitel 3.4). Im Storyline-Klassenzimmer gibt es keine “dead bodies“ (Legutke 1993, 309), die sich gelangweilt isolieren. Auch ist das Lernen und Arbeiten nicht allein auf den Klassenraum beschränkt. Stattdessen findet ein in jeglicher Hinsicht inspirierendes Arbeiten statt, bei dem die individuellen Talente, Begabungen, Interessen, Bedürfnisse und Fähigkeiten der heterogenen Lerngruppe in Form von differenzierenden Lernangeboten berücksichtigt werden und wo kooperatives und ganzheitliches Arbeiten die Regel (und nicht wie üblich die Ausnahme) ist. Die Lernenden setzen sich - oft ohne Zutun der Lehrkraft - eigene Standards, denn die Vorfreude auf die Präsentationen treibt sie an, noch intensiver zu ar‐ beiten, was manchmal sogar in „Stress“ ausartet, wenn ein Produkt nicht rechtzeitig oder nicht den eigenen Vorstellungen entsprechend fertiggestellt werden kann. Andererseits sieht man oft zufriedene und stolze Gesichter, wenn die gemeinschaftlichen Ergebnisse von den anderen Lernenden bewundert werden. Storyline-Klassenzimmer sind Orte mit moti‐ vierten Lernenden! Das jedenfalls wird immer wieder beobachtet und berichtet. 46 Ob bzw. inwiefern dies auch für die Sekundarstufe I und das hiesige Fremdsprachenlernen zutrifft, sollen meine Fallstudien zeigen (vgl. Teil B). Kognitive, soziale, affektive, methodische/ strategische und andere Lernziele werden im gemeinschaftlichen Arbeiten und Aushandeln quasi spielerisch erfüllt. Darüber hinaus werden kognitive Lernprozesse auch insofern begünstigt, als die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit haben, sich frei im Raum zu bewegen, was nach neueren Erkenntnissen aus der Hirnforschung zu besseren Lernergebnissen führen kann. 47 Ein bewegtes Klassen‐ zimmer macht also durchaus Sinn (vgl. Kocher 2003; 2004)! Da sich die Storyline-Lehrperson in der Regel nicht wie üblich zwischen Tafel und Pult aufhält, scheint es zunächst so, als sei sie nicht im Raum anwesend. Ihre im Vergleich zum traditionellen Unterricht grundverschiedene Rolle ist deutlich erkennbar: Lehrkräfte haben bei Storyline - ganz im konstruktivistischen Sinne - nicht mehr die Funktion der bloßen Wissensvermittlung, sondern werden zu “educational designers“ (Letschert 1992a, 42) mit einem veränderten und erweiterten Spektrum an Tätigkeiten, nämlich mit Aufgaben der Lernberatung, Motivation, Koordination, Organisation, Beobachtung und Evaluation von Lernprozessen: “The teacher is a facilitator, someone learning along with the students, a chairman for their discussions“ (Bell 2001, 6). 89 2.3 Grundlegende Prinzipien und Merkmale des Storyline Approach Im Storyline-Klassenzimmer sind die Rollen vertauscht: Nicht die Lehrkraft präsentiert und demonstriert ihr Wissen und Können, sondern (sinnvollerweise) die Schülerinnen und Schüler. Diese arbeiten weitgehend selbstständig, während die Lehrkraft die Lerngruppen beobachtet und deren Präsentationen und Lernprozesse förderlich begleitet. Es findet keine einseitige „Belehrung“ statt, sondern - ganz im konstruktivistischen Sinne - kooperatives und eigenverantwortliches Lernen, das zu heterogenen Ergebnissen und äußerst individu‐ ellen (viablen) Lösungen führt (vgl. Kapitel 3.4). Bell (2001) verweist in diesem Zusammen‐ hang auf die Dimension des gegenseitigen Respekts (mutual respect) und bezeichnet diesen als Schlüssel zum Erfolg: “Good teaching is about the quality of the partnership between the teacher and the learner“ (Ebd., 5). Dieser Grundsatz hat im Rahmen der Storyline-Arbeit eine ganz essenzielle Bedeutung. 2.3.3.6 Planung, Organisation und Durchführung eines Storyline-Projekts Wie lassen sich die multiplen und mitunter parallel stattfindenden Prozesse sinnvoll ar‐ rangieren und koordinieren, ohne dabei Lehrende und Lernende zu überfordern? Dies ist eine häufig gestellte Frage, die durchaus ihre Berechtigung hat. Ein Großteil der Arbeit findet für Storyline-Lehrkräfte bereits im Vorfeld statt, nämlich wenn ein Thema gemeinsam ausgewählt, eine Geschichte entwickelt, strukturiert und im Hinblick auf die intendierten Lernprozesse vorbereitet wird. Topic Outline: Storyline episodes Key questions Pupil activities Class organisation Resources Learning outcomes and assessment Abb. 4: Der topic plan: Die Planungsmatrix für ein Storyline-Projekt (Harkness 2007, 21) Der so genannte topic plan hilft dabei, den Überblick über geplante Prozesse und Produkte zu behalten, ohne jedoch einzuengen. Er zählt zwar nicht unbedingt zu den grundlegenden und unverzichtbaren konzeptionellen Prinzipien, wird jedoch seit jeher von Storyline-Prak‐ tizierenden als Planungsvorlage und konkrete Unterrichtshilfe verwendet, dient folglich der Strukturierung des gesamten Unterrichtsprojekts und bietet den Lehrenden während der Projektdurchführung Halt und Sicherheit. Vorgefertigte topic plans dürfen nicht als Gebrauchsanweisungen bzw. streng zu befol‐ gende Rezepte missverstanden werden, sondern dienen lediglich als grobes Gerüst, das Orientierung und Sicherheit geben, aber andererseits viel Raum für die von der Klasse eingebrachten Ideen, Nebenschauplätze und neuen Handlungsstränge gewähren soll (structured freedom), denn nur dann können die Lernenden die Geschichte als ihre eigene erleben (ownership principle). 90 2 Der Weg ist das Ziel: Der Storyline Approach Um den roten Faden der Geschichte nicht abreißen zu lassen und den Lerneifer der Schülerinnen und Schüler nicht unnötig zu bremsen, sollten Storyline-Projekte möglichst in Doppelstunden und ohne längere Unterbrechungen durchgeführt werden. Hier zeigt es sich von Vorteil, wenn nur wenige Lehrkräfte in einer Klasse unterrichten, so dass sie ihren Stunden-Pool frei nutzen können, ohne den Ablauf anderer Unterrichtsaktivitäten zu stören. Es bietet sich an, auch Schülerinnen und Schüler im Sinne des selbstverantwortli‐ chen Lernens in vorbereitende Maßnahmen mit einzubeziehen: Bastelmaterial beschaffen, mediale Ausstattung wie Nachschlagewerke und Geräte sicherstellen, Klassenzimmer und Ausstellungsflächen vorbereiten und eventuell die Eltern informieren. So genannte team‐ leaders organisieren während der Projektdurchführung die Aufgabenverteilung in den Gruppen und zeigen sich für den reibungslosen Ablauf der Gruppenarbeit verantwortlich. Sie unterstützen die Lehrenden bei der Koordination von Gruppenaktivitäten und geben Rückmeldungen über Lernprozesse oder mögliche Lernbarrieren. Auf diese Weise wird das eigenverantwortliche Lernen und das Anwenden metakognitiver Strategien (Lernen lernen) gefördert, während die Lehrkraft entlastet wird. Ein Storyline-Projekt kann man trotz time limits nie auf die Minute genau vorausplanen, und es ist utopisch, dass alle Lernenden ihre Arbeitsprodukte zur gleichen Zeit fertiggestellt haben. Deshalb muss auch akzeptiert werden, dass manche Schülerinnen und Schüler mehr (oder weniger) produzieren als andere oder eine Storyline-Episode vielleicht bereits einige Minuten vor Stundenende abgeschlossen ist. Als hilfreich und sinnvoll erweist sich das gemeinsame Sammeln gewisser Verhaltensregeln, an die sich die Lernenden halten müssen, um sich gegenseitig nicht bei der Arbeit zu stören. Erfahrungsgemäß fühlen sie sich bei selbst formulierten Regeln eher zum Einhalten verpflichtet als bei auferlegten Leitsätzen, da sie die jeweiligen Begründungen konkret und einsichtig nachvollziehen können. Die Wirkung des ownership principle beeinflusst indes nicht nur die Lernenden, sondern auch die Lehrkräfte nachhaltig: “A teacher who has the idea to be an influential factor in the educational process, will have better results and more satisfaction“ (Letschert 1992b, 15). Eiriksdóttir (2001) resümiert ihre langjährige Storyline-Arbeit mit folgenden Wor‐ ten: “Our pupils are involved and interested and therefore learn more and this gives the teacher the drive to continue his work with pleasure“ (Ebd., 154). Somit trägt Storyline auch mit dazu bei, die Schule als Lernort und als Arbeitsplatz positiv zu gestalten (vgl. Kapitel 1.5). Ob diese Aussage auch für den hiesigen Kontext und verschiedene Altersgruppen der Sekundarstufe I zutrifft, sollen meine Fallstudien zeigen (vgl. Teil B). 91 2.3 Grundlegende Prinzipien und Merkmale des Storyline Approach 48 Vgl. dazu auch Stoller (2002), die diesen seit Anfang der 1990er Jahre für das fremdsprachliche Lernen populär gewordenen Ansatz umreißt und dabei Projektarbeit als eine mögliche Form von Con‐ tent-based Instruction (CBI) betrachtet: “Through content-based instruction, learners develop lan‐ guage skills while becoming more knowledgeable citizens of the world. By integrating project work into content-based classrooms, educators create vibrant learning environments that require active student involvement, stimulate higher-level thinking skills, and give students responsibility for their own learning“ (Ebd., 107). Diese Beschreibungen treffen - wie die vorherigen Kapitel gezeigt haben - auch auf den Storyline Approach zu. 49 Vgl. dazu auch Thaler (2008), der verschiedene offene Ansätze vorstellt, kategorisiert und entspre‐ chenden Kontexten zuordnet. Der Storyline Approach wird dabei den aufgabenorientierten Lernar‐ rangements zugeteilt. 50 Vgl. dazu u. a. Ellis (2003), Müller-Hartmann/ Schocker-von Ditfurth (Hrsg.) (2005), Müller-Hart‐ mann/ Schocker-von Ditfurth (2011), Nunan (1989; 2004) oder Willis (1996). Aufschlussreich sind auch die Beiträge in Bausch u. a. (Hrsg.) (2006), Van den Branden (Hrsg.) (2006) oder Van den Branden u. a. (Hrsg.) (2009). 51 Eine Übersicht zu unterschiedlichen Projekttypen findet sich u. a. bei Legutke/ Thomas (1991, 160 ff.). Lesenswert ist auch Fried-Booth (2002), wo zahlreiche Beispiele und Hilfen für die Praxis aufgeführt sind. 52 Vgl. dazu Willis (1996, 26 ff.). Weitere Aufgabentypologien finden sich auch bei Nunan (2004, 56 ff.). 2.4 Storyline und Task-based Language Learning 2.4.1 Einleitung Here was a child who has knowledge (...). All he needed was an audience and a purpose (Bell 1995b, 7) Grundsätzlich kann der Storyline Approach - neben den bereits erwähnten bzw. in Kapitel 3.4 teilweise noch näher erläuterten Kontexten wie Simulationen (z. B. Simulation globale, Szenariendidaktik, Dramapädagogik), narrativen Ansätzen (z. B. Story Approach, Situated Cognition, Anchored Instruction), explizit inhaltsorientierten Ansätzen (z. B. Content-based Instruction  48 , Content and Language Integrated Learning) oder sozialformorientierten Kon‐ zepten (z. B. Cognitive Apprenticeship, Communities of Practice) - auch in die Reihe der auf‐ gabenorientierten Lernarrangements 49 und deren Forschungskontext integriert werden, denn das Storyline-Konzept verfolgt in vielerlei Hinsicht ähnliche Prinzipien, wie sie im Rahmen von Task-based Language Learning (TBL) für gelungene Fremdsprachenlernpro‐ zesse formuliert werden. 50 Andreas Müller-Hartmann und Marita Schocker-von Ditfurth (2004, 50) bezeichnen das Storyline-Modell als Beispiel für eine spezifische Projektform 51 und somit als komplexes Aufgabenformat. Sie beziehen sich dabei auf Willis (1996), die insgesamt 6 Aufgabentypen 52 unterscheidet: Auflisten; Ordnen und Sortieren; Vergleichen; Problemlösen; Austauschen von persönlichen Erfahrungen; komplexe kreative Aufgaben wie zum Beispiel Projekte. Während sich TBL allerdings eindeutig auf das Aufgabenlösen mit dem Ziel des fremdsprachlichen Lernens bezieht, basiert Storyline auf einem weiter gespannten philosophischen, pädagogischen und psychologischen Rahmenkonzept. Die Implementierung des Storyline-Konzepts im Fremdsprachenunterricht bietet zudem nur eine von vielen Einsatzmöglichkeiten (vgl. Kapitel 2.2.3). Nachfolgend werden einige Grundzüge des Task-based Approach zusammengetragen und in Bezug zum Storyline Approach gesetzt. Danach werden Parallelen zwischen den beiden 92 2 Der Weg ist das Ziel: Der Storyline Approach 53 Eckerth (2008) unterscheidet: “Focus on form entails attention to formal elements of a language, whereas focus on forms is limited to such a focus, and focus on meaning excludes it“ (Ebd., 31). 54 Vgl. dazu auch Ellis (2003), Nunan (2004) oder Richards/ Rodgers (2014). Konzepten aufgewiesen, indem einzelne Aspekte und konkrete Beispiele aus Storyline-Pro‐ jekten in den von Willis (1996) konzipierten TBL-framework übertragen werden. Zum Schluss wird der Stand der fremdsprachenspezifischen Aufgabenforschung kurz skizziert und ein Katalog mit einigen noch offenstehenden Fragen erstellt. Wie sich zudem später noch zeigen wird, überlagern sich Aufgaben- und Motivationsforschung in vielerlei Hin‐ sicht (vgl. Kapitel 4). 2.4.2 Grundzüge des Task-based Language Learning Der methodische Ansatz Task-based Language Learning entstand in den 1980er Jahren aus der Unzufriedenheit von Erwachsenen mit herkömmlichen Sprachkursen, denn diese ver‐ missten beim institutionalisierten Lernen den direkten Bezug zu alltagsrelevanten Kom‐ munikationssituationen, für deren Bewältigung sie schließlich die Fremdsprache lernen wollten (Müller-Hartmann/ Schocker-von Ditfurth 2005). TBL wurde zudem als Alternative zu dem im Sprachunterricht lange vorherrschenden behavioristischen Rahmenkonzept Presentation - Practice - Production (PPP) entworfen und wird auch als Weiterentwicklung von Communicative Language Teaching verstanden (Richards/ Rodgers 2014; Samuda/ Bygate 2008). Allerdings stellte dieses Konzept der Aufgabenorientierung im Fremdspra‐ chenunterricht zum damaligen Zeitpunkt nicht etwas grundsätzlich Neues dar, wie bei‐ spielsweise auch Burwitz-Melzer (2006), Klippel (2006), Leupold (2006) oder Thaler (2008) zu Recht hervorheben, denn aufgabenorientiertes Lernen war bereits aus der Reform- und Projektpädagogik des ausgehenden 19. bzw. beginnenden 20. Jahrhunderts bekannt. In den 1980er Jahren kritisierte die Zweitsprachenerwerbsforschung die Konzeption und Vorgehensweise des vorherrschenden inputorientierten und weitgehend linear verlauf‐ enden Fremdsprachenunterrichts mit seinem vordergründigen focus on forms  53 und sah im Vergleich zu natürlichen und authentischen Lernumgebungen nicht nur Widersprüche, sondern auch deutliche Defizite, was das Sprachkönnen und Interaktionsvermögen der Lernenden anbelangte (vgl. Ellis 2000; 2003). Im Rahmen der einschlägigen Fremdspra‐ chendidaktik wurden schließlich neue Prinzipien und Perspektiven formuliert, die (im Ge‐ gensatz zum bisherigen, detailliert strukturierten schulischen Sprachlernen) einen eher naturalistischen Spracherwerb anvisierten. Diese liegen auch dem Konzept des TBL zu‐ grunde und überschneiden sich weitgehend mit den Zielsetzungen und Kernpunkten des Storyline Approach sowie den allgemein formulierten Ansprüchen an eine konstrukti(vis‐ tisch)e Lernumgebung (vgl. Kapitel 3.4). Sie lassen sich wie folgt zusammenfassen (vgl. Kocher 2007; 2016): 54 • Sprache als Mittel zur authentischen, mitteilungsbezogenen Kommunikation (statt nur Fokus auf deren Form) • Komplexe Aufgaben und bedeutungsvolle Aktivitäten (statt lineare Vorgehensweise, kleinschrittige Sprachübungen und sinnentleerte Drills) 93 2.4 Storyline und Task-based Language Learning 55 Vgl. dazu auch Legutke/ Thomas (1991). 56 Vgl. dazu Skehan (2003, 3): “Research which has been conducted tends to be with adults (and some adolescents), generally at intermediate proficiency levels, and mostly with English as the target language“. 57 Zur Umsetzung im DaF-Unterricht - auch außerhalb Deutschlands - vgl. Eckerth (2003) oder einige Einzelbeiträge in Eckerth/ Siekmann (Hrsg.) (2008). 58 Vgl. dazu z. B. Estaire/ Zanón (1994). Zum Spanischunterricht in Deutschland vgl. Bär (Hrsg.) (2013). • Vielseitige authentische Materialien und Bezug zur außerunterrichtlichen Lebens- und Erfahrungswelt der Lernenden (statt didaktisierte und simplifizierte Texte aus dem Schulbuch, die einer inhaltlichen und grammatischen Progression unterliegen) • Aktiv handelnde und kreative Sprachlernende in einem kommunikativen und rea‐ listischen bzw. realitätsnahen Kontext (statt rezeptive und passive Konsumentinnen und Konsumenten) • Lernende als Mitglieder von sozialen Gruppen (social agents), in denen durch das gemeinsame Lösen von sinnstiftenden Aufgaben Bedeutungen konstruiert und aus‐ gehandelt werden (statt Stillbzw. Einzelarbeit) • Neue und vielseitige Rollen für Lernende und Lehrende sowie Schaffung einer po‐ sitiven Lernumgebung (statt Hierarchie, Belehrung und Machtausübung) • Fokus auf die individuellen Lernprozesse (statt einseitige Ergebnisorientierung) • Fokus auf neue Formen der Leistungsmessung und (Selbst-)Evaluation, die nicht nur erkennbare (sprachbezogene) Ergebnisse berücksichtigen, sondern auch individu‐ elle Lernprozesse - und zwar jeglicher Art - einbeziehen (statt eindimensionale Fremdbeurteilung) Abgesehen von Nunan (1989), Prabhu (1987) und anderen, die bereits in den 1980ern die Rolle von Aufgaben (tasks) im Fremdsprachenunterricht erforschten, war es vor allem Jane Willis, die mit ihrer Veröffentlichung A Framework for Task-Based Learning (1996) ein neues Verständnis von Fremdsprachenlernen und -lehren evozierte und den Ansatz einer brei‐ teren Öffentlichkeit bekannt machte. In Deutschland waren es - inspiriert durch Hans-Eberhard Piepho - insbesondere Michael Legutke und Christoph Edelhoff, die den methodischen Ansatz in den frühen 1990er Jahren in der Schule erprobten und weiterent‐ wickelten: Geradezu legendär geworden ist das häufig zitierte Airport Project von Legutke und Thiel (1983). 55 In jüngster Zeit wird das TBL-Konzept in Deutschland vorwiegend von Andreas Müller-Hartmann und Marita Schocker-von Ditfurth propagiert. Nicht unerwähnt bleiben darf, dass auch in der bildungs- und sprachenpolitischen Diskussion der Aufga‐ benbegriff verstärkt ins Rampenlicht gerückt ist, und zwar im Zuge der Entwicklung von Kompetenzbeschreibungen für den GER (Europarat 2001) und der Formulierung von nati‐ onalen Bildungsstandards. Nach meiner Recherche stammen die meisten Veröffentlichungen zu TBL - bezogen auf das fremdsprachliche Lernen - aus dem Bereich Englisch als Fremdbzw. Zweitsprache. 56 In Deutschland wird der Ansatz vor allem im Englisch- oder Deutsch-als-Fremdsprache-Un‐ terricht 57 eingesetzt und erforscht. Caspari (2006) erwähnt, dass der Ansatz auch in Spa‐ nien 58 regen Zuspruch erfährt, jedoch „für den französischsprachigen Kontext eine we‐ sentlich geringere Aktivität“ erkennbar ist (Ebd., 34). Im Hinblick auf die diversen Publikationen gewinnt man den Eindruck, dass TBL beinahe rund um den Globus bekannt 94 2 Der Weg ist das Ziel: Der Storyline Approach 59 Vgl. dazu auch Eckerth/ Siekmann (Hrsg.) (2008), Edwards/ Willis (Hrsg.) (2005) oder Leaver/ Willis (Hrsg.) (2004), wo verschiedene Sprachlernkontexte auf internationaler Ebene beschrieben werden. Bei Van den Branden (Hrsg.) (2006) wird die Entwicklung und Verbreitung von TBL in Flandern (Belgien) dargestellt. Prabhu (1987) hat den Ansatz in Indien verbreitet. Zu TBL in Neuseeland vgl. East (2012). 60 Ellis (2003, 28 ff.) unterscheidet in diesem Zusammenhang zwischen task-supported language teaching (einer abgeschwächteren Version) und task-based language learning (der eigentlichen Form des auf‐ gabenorientierten Fremdsprachenlernens. Hier bilden tasks quasi die Basis für komplette Lehrpläne bzw. Sprachkurse und Lernarrangements). Samuda/ Bygate (2008, 56 ff.) unterscheiden noch weitere Begriffe voneinander. Grundsätzlich muss auch zwischen offenen und geschlossenen Aufgabenstel‐ lungen unterschieden werden. Zu weiteren Parametern im Aufgabendesign (z. B. one-way/ two-way tasks, focused/ unfocused tasks usw.) vgl. auch Willis (2004). ist, wenn auch in ganz unterschiedlichen Sprachlernkontexten und konzeptionellen Aus‐ prägungen. 59 Bei Task-based Language Learning wird der Fremdsprachenunterricht (wie auch im Rahmen von Storyline-Projekten) auf der Basis von inhaltsorientierten Aufgaben (tasks) konzipiert, die sich von den üblichen Sprachübungen (exercises) deutlich abheben. Eine der Kernannahmen von TBL lautet, dass durch die Teilnahme an zielgerichteten fremdsprach‐ lichen Interaktionen nicht nur bekannte, sondern auch unbekannte Sprachelemente gelernt werden können, und zwar im Zuge des gemeinsamen Aushandelns von Bedeutungen (negotiation of meaning) während der Aufgabenbearbeitung. Anzumerken ist hier jedoch, dass offensichtlich ganz unterschiedliche Auffassungen darüber bestehen, was eine Auf‐ gabe ausmacht, und eine exakte Abgrenzung zu Begriffen wie activity, exercise, drill, test oder auch game scheint schwierig, so dass es sich hierbei wohl eher um einen fließenden Begriff handelt. Hallet und Legutke (2013) bemängeln zu Recht “the terminological fuzzi‐ ness of the construct“ (Ebd., 3). Stellvertretend werden hier nur Bygate u. a. (2001, 9 ff.), Ellis (2003, 2 ff.), Samuda/ Bygate (2008, 62 ff.) und Van den Branden (2006a, 3 ff.) genannt, die mehrere und zum Teil sehr unterschiedliche Definitionen von task aufführen und dabei ebenfalls auf die besagte mangelnde Trennschärfe hinweisen. 60 So beklagt Van den Branden (2006a), dass “almost anything related to educational activity can now be called a ‘task’“ (Ebd., 3), was auf ein später noch zu thematisierendes Dilemma hinweist. Was also ist eine Aufgabe? Eine zunächst relativ breite und offene Definition des Auf‐ gabenbegriffs liefern beispielsweise Bygate, Skehan und Swain: “A task is an activity which requires learners to use language, with emphasis on meaning, to obtain an objective“ (By‐ gate u. a. 2001, 11). Diese Basisdefinition modifizieren die Autoren mehrmals, um sie nach und nach für bestimmte Zwecke zu konkretisieren. Im Vergleich zum Storyline Approach scheint mir jedoch auch diese allgemeine Begriffsbestimmung noch etwas eng gefasst, denn das Bearbeiten von Aufgabenstellungen im Rahmen von Storyline-Projekten erlaubt und integriert neben Sprache (als eines von vielen Kommunikationsmitteln) auch andere und durchaus authentische Ausdrucks- und Darstellungsformen wie Gestik, Mimik, visuelle Darstellungen, Tanz usw., die auf ganz unterschiedliche Art und Weise dem Aushandeln und Vermitteln von Bedeutung dienen können, was schlussendlich eine insgesamt ganz‐ heitlichere Herangehensweise impliziert. Interessanterweise relativiert Skehan seine Aus‐ sage später: “This minimalist approach to definition is meant to capture the essential qual‐ 95 2.4 Storyline und Task-based Language Learning 61 Vgl. dazu auch Bygate u. a. (2001, 2 ff.), die den Aufgabenbegriff aus drei verschiedenen Perspektiven erläutern: “Teaching, learning and testing“ (Ebd., 2) und darauf hinweisen, dass Didaktik/ Praxis (pedagogy) und Forschung (research) diesbezüglich ganz unterschiedliche Konzepte und Vorgehens‐ weisen haben. Dies hat in der Vergangenheit sicherlich mehrfach zu Missverständnissen geführt. ities of tasks, i.e. the meaning emphasis and their linkage to an objective“ (Skehan 2007, 291). Ellis (2003) führt eine Reihe von verschiedenen Kriterien auf, die eine task erfüllen muss. Die folgende Definition scheint in TBL-Fachkreisen als repräsentativ und allgemein aner‐ kannt zu gelten, da sie auffallend häufig zitiert wird: “A task is a workplan. (...) A task involves a primary focus on meaning. (...) A task involves real world processes of language use. (...) A task can involve any of the four language skills. (...) A task engages cognitive processes. (...) A task has a clearly defined communicative outcome“ (Ebd., 9 f.). Auch Nunan (2004, 1 ff.) vergleicht eine Reihe von Definitionen, um dabei den Unter‐ schied zwischen so genannten real-world tasks (auch target tasks genannt) und pedagogical tasks zu erklären, wobei er letztere dann wie folgt definiert: A pedagogical task is a piece of classroom work that involves learners in comprehending, manipu‐ lating, producing or interacting in the target language while their attention is focused on mobi‐ lizing their grammatical knowledge in order to express meaning, and in which the intention is to convey meaning rather than to manipulate form. The task should also have a sense of completeness, being able to stand alone as a communicative act in its own right with a beginning, a middle and an end (Ebd., 4). Im Vordergrund steht also das Lösen einer bestimmten Arbeitsaufgabe mit realistischem bzw. realitätsnahem Bezug (communicative language use) und nicht - wie traditionell meist üblich - das gezielte Üben von isolierten sprachlichen Elementen (structured language learn‐ ing). Dabei gilt es zu beachten, dass es „den“ Prototyp von Aufgaben nicht gibt: “There are as many different task types as there are people who have written on task-based language teaching“ (Ebd., 56). 61 Stattdessen nennen Müller-Hartmann und Schocker-von Ditfurth (2006) eine Reihe an Qualitätsmerkmalen von Aufgaben und geben somit dem abstrakten Aufgabenbegriff gleichzeitig mehr Gestalt: Gute Lernaufgaben • sind authentisch, orientieren sich an für Lerner bedeutsamen Themen und Inhalten, un‐ terstützen das Lernen • fördern bei den Lernenden ergebnisorientiertes Denken, eigenständige Arbeits- und Re‐ chercheprozesse sowie Bedeutungskonstruktionen, lösen kognitive Prozesse aus • ermöglichen unterschiedliche Zugänge und Lösungswege, individuelle Erkenntnisse, durch eigene Biografie entstandene Deutungsmuster und Äußerungen • fördern gesellschaftlich relevante Kompetenzen, entwickeln die Persönlichkeit • planen eine Lerneraktivität (task as workplan (...)) • integrieren das Vorwissen der Lerner • nennen den Zweck der task und ein klar definiertes kommunikatives Ergebnis • verwenden Sprache so, wie sie auch im Alltag vorkommen könnte (real or authentic lan‐ guage use) 96 2 Der Weg ist das Ziel: Der Storyline Approach 62 Zu Gütekriterien von Aufgaben vgl. auch Biebighäuser, Zibelius und Schmidt (Biebighäuser u. a. 2012, 19 ff.) oder Eikenbusch (2008a; 2008b). 63 Vgl. dazu die Stellungnahme von Samuda/ Bygate (2008): “In recent years, the use of tasks has been vigorously promoted as part of language education policy at national, state and institutional levels world-wide. (...) However, reports of the implementation of different task-based initiatives (...) sug‐ gest considerably more unease among practitioners working with tasks ‘on the ground’ than is generally acknowledged in the literature“ (Ebd., 195). Auch East (2012, XI) verweist auf die Diskre‐ panz zwischen Theorie und Praxis. • haben einen interaktiven Teil: Routine in Kommunikationsstrategien wie umschreiben, erfragen und klären, Feedback einholen und geben, Kommunikationsprobleme lösen • sind gleichberechtigt interaktiv • gestehen den Lernern Wahlfreiheit zu (Ebd., 4). 62 Gute Lernaufgaben sollen also das vorhandene Lernpotenzial der Lernenden fördern und eine Herausforderung auf intellektueller, sprachlicher und sozialer Ebene sein. Weskamp (2001, 72 f.) erläutert diverse Kriterien für die Analyse und Erstellung von Aufgaben und schlussfolgert: „Eine angemessene Aufgabenstellung (...) ermöglicht optimales Lernen in der zone of proximal development (ZPD)“ (Ebd., 72). Nunan (2004, 85 ff.) bezieht sich auf verschiedene Forschungsarbeiten und weist dabei auf mehrere Faktoren hin, die den Schwierigkeitsgrad einer Aufgabe beeinflussen können: diverse Lernerfaktoren, Aufga‐ benfaktoren und Text- oder Inputfaktoren. Skehan (1996; 1998) führt schließlich drei sprachliche Zielkategorien von Aufgaben auf: fluency (flüssige Sprachproduktion), accu‐ racy (regelgeleitete Sprachproduktion) und complexity (Komplexität der Sprachproduktion durch kontinuierliches Restrukturieren und Erweitern des interlanguage-Systems). Willis (1996) verweist im Hinblick auf erfolgreiches Sprachenlernen auf die Bedeutung eines förderlich gestalteten Lernkontexts und nennt im Zusammenhang mit Task-based Language Learning drei essenzielle Bedingungen für eine positive Lernumgebung: “the provision of exposure to the target language; the provision of opportunities for learners to use the target language for real communication; and the provision of motivation for learners to engage in the learning process. In addition, focused instruction - drawing attention to language form - will help learners to improve more rapidly and to continue improving“ (Ebd., 19). Diese Prämissen gelten grundsätzlich auch für das Storyline-Klassenzimmer. 2.4.3 Von der Theorie zur Praxis: TBL-framework und Storyline Laut Schmenk (2012) gehört das aufgabenbasierte Fremdsprachenlernen „in die heutigen Top Ten fremdsprachendidaktischer Begrifflichkeiten“ (Ebd., 57). Doch obwohl aufgaben‐ orientiertes Lernen in den vergangenen zwanzig Jahren in der fachdidaktischen Diskussion auf internationaler Ebene viel positive Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat und in Teilen Europas, Asiens und Nordamerikas unzählige Publikationen und Forschungsarbeiten ent‐ standen sind, wird die Praxistauglichkeit von Task-based Language Learning immer wieder in Frage gestellt. 63 Nüchtern stellt Nunan (2013), einer der wichtigsten Vertreter der Auf‐ gabenforschung, fest: “Despite all of this activity, the concept is still widely misunderstood, and is only slowly beginning to gain traction in the classroom“ (Ebd., 25). Er resü‐ miert: “TBLT remains a source of mystery for many teachers around the world“ (Ebd., 19). 97 2.4 Storyline und Task-based Language Learning 64 Vgl. dazu auch Samuda/ Bygate (2008): “Given the enormous inconsistency with which ‘task’, ‘task-based’ and their associated acronyms (TBLT, TBL, TBI) have been used, it is not surprising that many teachers charged with implementing task-based material report ‘conceptual unease’ (...) about what tasks are and what task-based teaching involves“ (Ebd., 195). Dieser Feststellung kann ich auch aus eigener Erfahrung zustimmen, zumal ich gelegentlich fragwürdige Aufgabenformate und so ge‐ nannte tasks zu Gesicht bekomme (auch in wissenschaftlichen Publikationen), die ich nie als solche definieren würde. 65 Vgl. dazu auch Van den Branden (2006b, 232). 66 Vgl. dazu auch Skehan (2003, 11) oder Van den Branden (2006b). 67 Vgl. dazu auch Willis/ Willis (2007, 199 ff.). 68 Ein Vergleich der Modelle von Willis (1996) und Samuda (2001) findet sich u. a. bei Skehan (2003, 9 f.). Van den Branden (2006a) zählt in diesem Zusammenhang eine Reihe kritischer Fragen auf, die in unterschiedlichen Kreisen regelmäßig thematisiert werden: Does TBLT work for teachers and learners in the classroom as well as it does for SLA researchers? Further, is TBLT more than a fascinating pedagogical approach that looks good and convincing on paper? Can it really inspire language teachers when they prepare their lessons or does it only frighten them because of the high demands it places on them and on their learners? (...) How do learners react to the idea of no longer having the particulars of grammar spelled out before being confronted with a speaking task? Does TBLT work as well for children as for adults? Can it be implemented in classes of 25 students with a wide range of cultural backgrounds and different levels of language proficiency? How (...) does the syllabus developer select, order and sequence some 720 tasks? (Ebd., 1 f.). Die „Transformationsproblematik“ (Thaler 2008, 183) dieses relativ komplexen Ansatzes besteht offenbar trotz intensiver Forschung weiterhin und außer den erwähnten werden häufig auch die folgenden Argumente genannt: Unklare Vorstellungen von Konzept und Begrifflichkeiten 64 ; zu hoher Zeitaufwand; Überforderung der in der Regel nicht-mutter‐ sprachlichen Lehrkräfte hinsichtlich der erforderlichen Sprachkompetenz; Überforderung von jüngeren Lernenden bezogen auf die zur Verfügung gestellten Entscheidungsfreiräume; Unsicherheiten der Lehrkräfte in Bezug auf Kontrollverlust 65 , gepaart mit möglichen Dis‐ ziplin- oder Motivationsproblemen; Ängste im Umgang mit unvorhersehbaren Situ‐ ationen 66 ; Unsicherheiten hinsichtlich der erforderlichen Diagnose- und Beratungskompe‐ tenzen; Dilemmasituation zwischen offenen Unterrichtsformen wie TBL und starren Formen der Leistungsmessung usw. 67 Ergänzt werden kann dieser komplexe Fragenkatalog noch durch ganz grundsätzliche Fragen hinsichtlich der konkreten Vorgehensweise bei der Aufgabenentwicklung: „Wie fängt man an, wie baut man Aufgaben aufeinander auf, wie integriert man inhaltlich [sic] und sprachliche Arbeit, wie kommt man von der Einzelaufgabe zum Aufgaben-Setting? “ (Müller-Hartmann/ Schocker-von Ditfurth 2006, 5). Hier ist es vor allem Willis (1996) zu verdanken, dass sie die Umsetzung des Konzepts von der Theorie in die Praxis wesentlich erleichtert hat, indem sie mit ihrem TBL-framework eine sinnvolle Strukturierungshilfe für Lehrkräfte schuf und die Idee der Aufgabenorientierung konkretisierte. 68 Dennoch wird 98 2 Der Weg ist das Ziel: Der Storyline Approach 69 Empfehlenswert sind beispielsweise die sehr praxisorientierten Publikationen von Estaire/ Zanón (1994) und Willis/ Willis (2007) sowie auch die diversen Einzelbeiträge in Hallet u. a. (Hrsg.) (2006). 70 Problematisch ist für den deutschen Kontext meines Erachtens insbesondere die Tradition der Leis‐ tungsmessung in Form der (angeblich objektiven) Notengebung, die sich in der Regel ausschließlich auf sprachliche Ziele (Input-Output) beschränkt und andere Lernergebnisse kaum berücksichtigt. 71 Plaskitt (2007) stellt diverse Bewertungskriterien vor; vgl. auch Bell/ Harkness (2006, 33 f.) oder Omand (2014, 12 ff.). In Fehse/ Kocher (2002, 196 ff.) oder Kocher (1999, 270 ff.; 2001b; 2006) sind Bei‐ spiele für den Fremdsprachenunterricht aufgeführt. 72 Für eine Darstellung mit Aufgabenbeispielen für verschiedene Lernniveaus vgl. Kocher (2006; 2008; 2016). auch heute noch häufig beklagt, dass Praxismaterialien und konkrete Umsetzungshilfen für den fremdsprachlichen Unterricht rar bzw. unzureichend sind. 69 Müller-Hartmann und Schocker-von Ditfurth (2006, 3) geben zudem zu bedenken, dass die bisher vorliegenden Aufgaben in der Regel auf Teilfertigkeiten reduziert und nicht aus‐ reichend kontextualisiert seien sowie wichtige inhaltliche Bereiche wie die Auseinander‐ setzung mit Literatur oder kulturellem Lernen vermissen lassen. Dieser Problematik kann allerdings durch die integrative Arbeit nach dem Storyline Approach positiv begegnet werden, da hier die verschiedenen Fertigkeiten selten isoliert auftreten, sondern meist kombiniert und durch den narrativen Rahmen vor allem kontextualisiert werden, so dass eine Aufgabenbearbeitung stets organisch und sinnvoll erscheint. Durch die narrative Ver‐ netzung verschiedener Texte treten Aufgaben zudem nie isoliert auf, sie wirken bei Storyline nie künstlich oder konstruiert, sondern sind immer harmonisch in den Rahmen der Ge‐ schichte eingebettet. Des Weiteren beklagt Burwitz-Melzer (2006), dass „Aufgaben zur Evaluation in ver‐ schiedenen Inhaltsbereichen zwar gefordert, aber kaum erstellt werden, [und dass] Auf‐ gaben zur Selbstevaluation oft noch gänzlich fehlen. Kaum Erwähnung gefunden hat bisher die Überlegung, welche Bedeutung der Faktor ‘Reflexion’ bei der Aufgabenorientierung innehat. Oft wird dieser Aspekt sogar ganz bewusst ignoriert“ (Ebd., 27 f.). 70 Bei Storyline dagegen haben Reflexionen schon seit jeher einen wichtigen Stellenwert. Auch verschie‐ dene Möglichkeiten der Leistungsmessung und (Selbst-)Evaluation werden seit Jahren von verschiedener Seite immer wieder thematisiert und im Unterricht ausprobiert. 71 Im topic plan (vgl. Kapitel 2.3.3.6) werden Möglichkeiten und Aspekte der Bewertung zudem ganz explizit aufgeführt. Viele der oben aufgeführten Fragen können daher aus der Perspektive des Storyline Approach eindeutig positiv beantwortet werden, denn Storyline stellt meines Erachtens ein schlüssiges und praktikables Konzept dar, wie aufgabenorientiertes Lernen im fremd‐ sprachlichen Klassenzimmer für alle Beteiligten gewinnbringend umgesetzt werden kann. Auf der Grundlage des allseits bekannten dreiphasigen TBL-Rahmenkonzepts nach Willis (1996), dessen Struktur preparation - core activity - follow-up language work auf spracher‐ werbstheoretischen Erkenntnissen aufbaut, soll hier nun kurz und exemplarisch erläutert werden, wie mit Hilfe des Storyline-Modells die verschiedenen Schritte und Prozesse rea‐ lisiert werden können: 72 99 2.4 Storyline und Task-based Language Learning • Pre-task: Lernprozesse vorbereiten und anleiten Ein Thema wird ausgewählt und als Storyline-Projekt strukturiert. Offene Schlüs‐ selfragen (key questions) fordern die Lernenden dazu auf, all ihre Ideen, Erfahrungen und Vorkenntnisse einzubringen. Dabei werden auch themenbezogene Redemittel gesammelt und in wordbanks systematisch festgehalten, um der (auch sprachlichen) Heterogenität der Lernenden gerecht zu werden. • Task cycle: Lernprozesse unterstützen Task/ Aufgabe: In Storyline-Projekten werden die Lernenden immer wieder mit größeren und klei‐ neren Aufgaben konfrontiert, die sich sowohl auf den Inhalt der Geschichte als auch die sprachliche und handwerkliche Ausgestaltung beziehen. Dabei entstehen zahl‐ reiche Anlässe für mitteilungsbezogene Kommunikationssituationen, in denen die Lernenden ihre Prozesse und Produkte interaktiv planen, diskutieren und reflek‐ tieren. Alle Aktivitäten für eine gestellte Aufgabe werden zunächst gemeinsam in der Gruppe überlegt, besprochen und verteilt: Wer zeichnet? Wer schneidet aus? Wer schreibt einen Text? Wer schlägt Wörter nach? Wer führt gegebenenfalls ein Inter‐ view durch? Erst danach geht es an die konkrete Arbeit. Die Lehrkraft beobachtet und koordiniert das Geschehen, inspiriert und unterstützt bei Bedarf einzelne Ler‐ nende, wenn sprachliche, inhaltliche oder anderweitige Probleme auftauchen. Dabei fungiert sie nicht als sage on the stage, sondern vielmehr als guide on the side. Selbst wenn sich alle Lernenden gelegentlich mit derselben Aufgabenstellung be‐ schäftigen (z. B. eine Biographie oder einen Tagebucheintrag verfassen), wird es immer ganz unterschiedliche Ergebnisse hinsichtlich Quantität und Qualität geben, da die Arbeitsprodukte, anders als im herkömmlichen Frontalunterricht, nicht oder nur bedingt vorhersehbar, sondern stets Ausdruck von ganz individuellen Lern‐ prozessen sind und dabei die multiplen Talente, Ideen und Fertigkeiten der hetero‐ genen Lerngruppe dokumentieren. Planning/ Vorbereitung: Bevor Lernprodukte im Plenum vorgestellt werden, beraten die Mitglieder der ein‐ zelnen Gruppen über die geplante Präsentation im Rahmen von kleinen Konfe‐ renzen: Je nach Aufgabenstellung werden Inhalte abgesprochen und überprüft, Texte mit Hilfe von Wörterbüchern redigiert (peer correction) oder etwa mit dem PC-Rechtschreibprogramm überarbeitet, Rollenspiele oder andere Choreographien einstudiert, Videoaufnahmen gemacht, Skizzen angefertigt, digitale Fotos ge‐ schossen und möglicherweise bearbeitet, Gedichte, Reime oder kleine Ansprachen auswendig gelernt, Hilfsmittel bereitgelegt und angemessene Präsentationstech‐ niken geübt. Die Lehrkraft hilft bei der Organisation der Abläufe, koordiniert ein‐ zelne Aktivitäten und berät bei sprachlichen oder anderweitigen Problemen. Report/ Präsentation: Ein Kernpunkt von Storyline-Projekten sind die regelmäßig stattfindenden Präsen‐ tationen, in denen die Gruppen ihre jeweiligen Arbeitsergebnisse (z. B. Figuren, Ra‐ diobeiträge, Briefe, Zauberkunststücke usw.) der Klassenöffentlichkeit vorstellen. Dadurch dass die Inhalte nicht vorgegeben, sondern von den Lernenden individuell 100 2 Der Weg ist das Ziel: Der Storyline Approach erarbeitet werden, entsteht eine authentische Kommunikationssituation (informa‐ tion gap) und somit auch ein echtes Bedürfnis, die Beiträge der anderen Klassen‐ mitglieder aufmerksam zu verfolgen und mit den eigenen zu vergleichen. Die Auf‐ gabe der Lehrkraft besteht darin, den Ablauf der Präsentation zu koordinieren und gegebenenfalls zu moderieren, um eine logische Abfolge der Handlungen (story line) zu gewährleisten, doch für alle anderen Aktivitäten sind die Lernenden selbst zuständig und verantwortlich. Während bzw. nach einer Präsentation werden alle Ergebnisse am Wandfries aus‐ gestellt, so dass die Lernenden in Arbeitspausen und in Eigenregie in Ruhe nachlesen und betrachten können, was ihre Mitschülerinnen und Mitschüler geschrieben bzw. hergestellt haben. Durch die Tatsache, dass Arbeitsprodukte zu jeder Zeit inhaltlich, gestalterisch und/ oder sprachlich verändert und ergänzt werden können, konsul‐ tieren sie regelmäßig und ohne Aufforderung den Fries, um eventuelle Verände‐ rungen oder Überraschungen zu entdecken. Gleichzeitig setzen sie sich intensiv mit der Sprache auseinander, nämlich wenn sie Texte lesen, mögliche Fehler verbessern oder unbekannte Wörter im Lexikon nachschlagen. Der Fries wird somit zur krea‐ tiven Bühne und zur (auch sprachlich) anregenden Lernplattform. • Language focus: Lernprozesse reflektieren und auswerten Analysis/ Reflexion: Am Ende eines Storyline-Projekts findet in der Regel eine Evaluation (self/ peer/ class evaluation) bezüglich aller Prozesse und Produkte statt, doch kleinere Reflexionen, die sich nur auf einzelne Aspekte wie Inhalt, Lern- und Sozialverhalten oder die Fremdsprache beziehen, bieten sich auch zwischendurch an: im Klassenverband, in einer Gruppe oder mit einzelnen Schülerinnen und Schülern. Im Anschluss an eine sprachbezogene Reflexion werden gegebenenfalls wordbanks erweitert oder auch Hinweise zu grammatischen bzw. kulturspezifischen Phänomenen (z. B. Höflich‐ keitsformeln) gegeben. Des Weiteren können auch schauspielerische und sprecher‐ zieherische Techniken, die beim freien Präsentieren oder Rollenspiel vor laufender Kamera bedeutsam sind, bewusst gemacht werden: “Take a deep breath. Smile but don’t giggle. Look at the audience. Don’t read everything out.“ Lehrkräfte haben während eines Storyline-Projekts zahlreiche Gelegenheiten, die mündliche und schriftliche Sprachkompetenz der Schülerinnen und Schüler zu be‐ gutachten und zu bewerten, um später eventuell gezielte Sprachübungen anbieten zu können. Nicht selten stellen auch die Lernenden beim Zuhören oder Lesen von Lernertexten sprachliche Unsicherheiten oder Fehler fest (language awareness). In diesem Fall können sie beauftragt werden, mit einem Bleistift eine dezente Anmer‐ kung vorzunehmen (ohne dabei die Ausstellungsstücke zu verunstalten) oder etwa mit den jeweiligen Verfasserinnen bzw. Verfassern im Sinne der peer correction Rücksprache zu halten. Practice/ Sprachübungen: Im Anschluss an ein Storyline-Projekt können bei Bedarf weiterführende (möglichst themenbezogene) Sprachübungen angeboten und durchgeführt werden, um be‐ stimmte linguistische Probleme, die während der Projektarbeit zutage kamen, zu bewältigen. Dies kann auch im Sinne einer Differenzierung bereits während des 101 2.4 Storyline und Task-based Language Learning 73 Vgl. dazu auch Eckerth (2003; 2008), Ellis (2003), Müller-Hartmann/ Schocker-von Ditfurth (2005), Schmenk (2012) oder Skehan (2007), wo verschiedene Forschungsansätze und -ergebnisse aufgeführt werden. 74 Vgl. dazu die Darstellung unterschiedlicher Perspektiven und zum Teil widersprüchlicher For‐ schungsergebnisse bei Skehan (2007) oder die teilweise kritischen Beiträge in Bausch u. a. (Hrsg.) (2006). 75 Vgl. z. B. Bredella (2006), Burwitz-Melzer (2006), Eckerth (2008), Leupold (2006), Samuda/ Bygate (2008). Projektverlaufs geschehen, nämlich als Hausaufgabe oder Zusatzaufgabe für ein‐ zelne Lernende oder kleinere Gruppen. Nachteilig für die Motivation der Lernenden und zugleich auch für die Entwicklung einer Geschichte ist erfahrungsgemäß jedoch die ständige Unterbrechung und Störung der inhaltlichen Ebene durch umfassende Sprachübungen, denn “it is tasks that generate the language to be used, not vice versa. (...) The main focus is on the tasks to be done and language is seen as the instrument necessary to carry them out“ (Estaire/ Zanón 1994, 12). Fazit: Auch wenn zwischen dem TBL-framework und dem Storyline Approach eindeutige Bezüge erkennbar sind, muss hervorgehoben werden, dass das Rahmenkonzept nach Willis vergleichsweise starr wirkt. Bei Storyline-Projekten, die den beschriebenen Kreislauf im Prinzip sogar mehrmals durchlaufen, ist der Rahmen nicht derart streng strukturiert, son‐ dern wirkt flexibler und eher prozessorientiert. Entsprechend muss der language focus auch nicht zwangsläufig erst am Ende erfolgen, sondern wird sinnvollerweise stets dann rele‐ vant, wenn die Lernenden - im Sinne der gewünschten language awareness - sprachbezo‐ gene Fragen oder Unsicherheiten äußern, die sie an der weiteren Aufgabenbearbeitung behindern. Spracharbeit wird somit immer dann integriert, wenn sie notwendig und sinn‐ voll erscheint: Bei der Aktivierung und dem gemeinsamen Sammeln von relevanten Rede‐ mitteln in Form der wordbanks kann sie dem Aufgabenzyklus vorangestellt sein und im Falle des Nachschlagens oder Erfragens von individuell benötigten Wörtern kann sie die Aufgabenbearbeitung auch begleiten. Konkrete Beispiele werden in Teil B vorgestellt. 2.4.4 Zum Stand der Aufgabenforschung Wie oben ausgeführt scheint der Task-based Approach seit geraumer Zeit ein Revival zu erleben, und die Aufgabenforschung zählt heute offensichtlich zu den Schwerpunkten in‐ nerhalb der Fremdsprachendidaktik bzw. der Fremdsprachenerwerbsforschung, auch wenn mittlerweile eine geradezu unüberschaubare Fülle an Konzepten von Aufgabenorientierung im Fremdsprachenunterricht existiert, „deren Systematisierung und begriffliche Abgren‐ zung nicht einfach ist“ (Schocker-von Ditfurth 2006, 228). 73 Dies mag auch mit ein Grund dafür sein, warum das Konzept nicht nur (bedingungslosen) Zuspruch erfährt. 74 Kritisiert wird nicht nur eine mangelnde terminologische, sondern auch eine fehlende inhaltliche Präzisierung des Konzepts 75 , wobei diese vielschichtige Offenheit häufig dazu führt, dass Missverständnisse entstehen und konträre Standpunkte vertreten werden. So beklagt Burwitz-Melzer (2006), dass die fachdidaktische Diskussion über TBL maßgeblich durch die Tatsache erschwert wird, „dass TBL eben kein auf lerntheoretischen Erkennt‐ nissen oder Grundlagenforschung basierendes scharf umrissenes Konzept darstellt, son‐ 102 2 Der Weg ist das Ziel: Der Storyline Approach 76 Einer der wichtigen Forscher in diesem Bereich ist sicher James Lantolf, der sich dabei auf die Tä‐ tigkeitstheorie (activity theory) der sowjetischen Kulturhistorischen Schule mit deren Hauptvertreter Vygotskij bezieht. Vgl. dazu die diversen Beiträge in Lantolf (Hrsg.) (2000) oder Lantolf/ Poehner (2014). 77 Laut Müller-Hartmann/ Schocker-von Ditfurth (2005, 14) werden die beiden Ansätze erstmals von Ellis (2000; 2003) zusammengeführt. Eckerth (2003; 2008) spricht sich ebenfalls für eine Verknüpfung von prozess- und produktorientierter Lernaufgabenforschung aus und legt 2003 eine der ersten For‐ schungsarbeiten vor, die psycholinguistische und soziokulturelle Ansätze verbindet. Auch Samuda/ Bygate (2008) vertreten eine ganzheitlichere pädagogische Position hinsichtlich des fremdsprachli‐ chen Lernens und fordern mehr Klassenzimmerforschung, um bessere Rückschlüsse auf lernförder‐ liche Faktoren ziehen zu können. 78 Willis/ Willis (2007, 30) verweisen in diesem Zusammenhang auf ein Hauptproblem in der noch re‐ lativ jungen Disziplin der Fremdsprachenerwerbsforschung: “There is still no consensus on how we learn languages, but there is a growing consensus on how we do not learn“. Vgl. auch Lightbown/ Spada (2013). 79 Auch Eckerth (2003, 35 ff.; 2008) stellt verschiedene Ansätze und theoretische Rahmenkonzepte dar und führt zugleich eine Reihe an kritischen Einwänden an der TBL-Forschung auf (z. B. 2008, 23 ff.), die diese zum Teil fragwürdig erscheinen lassen. 80 Vgl. dazu z. B. die Ausführungen bei Skehan (2003, 11; 2007, 296 ff.). dern ein travelling concept, das von verschiedenen Disziplinen zur Beschreibung unter‐ schiedlicher Sachverhalte benutzt worden ist oder benutzt wird“ (Ebd., 25). Dagegen behaupten Müller-Hartmann und Schocker-von Ditfurth (2004): “It seems that in recent years TBLL has become an important approach which allows psycho-linguistic and socio‐ cultural approaches to language learning to find common ground“ (Ebd., 40). Dabei spre‐ chen sie sich - auch in Anlehnung an Rod Ellis - ausdrücklich für eine Verbindung von psycholinguistischen und soziokulturellen 76 Forschungsansätzen aus, „um der gesamten Komplexität des aufgabenorientierten Fremdsprachenunterrichts gerecht zu werden“ (Müller-Hartmann/ Schocker-von Ditfurth 2005, 14). 77 Somit wird deutlich, dass es sich hier um ein äußerst disparates Forschungsfeld handelt. In den vergangenen 20-25 Jahren wurde zwar weltweit viel Aufgabenforschung in Bezug auf das Fremdsprachenlernen betrieben und durch einen enormen Umfang an Veröffent‐ lichungen dokumentiert, doch trotz vielfältiger Bemühungen haben Untersuchungen zu den Leistungen der Lernenden offensichtlich noch keine eindeutigen Ergebnisse dazu ge‐ liefert, wie die verschiedenen Dimensionen der Sprachproduktion (accuracy, fluency, com‐ plexity) durch die entsprechende Gestaltung von tasks gezielt gefördert werden können und wie diese überhaupt miteinander interagieren (Skehan 2003; 2007). 78 Skehan (2007) ver‐ gleicht in diesem Zusammenhang verschiedene Forschungsansätze mit jeweils unter‐ schiedlichen theoretischen Fundamenten und präsentiert die Ergebnisse aus der Aufga‐ benforschung der vergangenen Jahre, auf die hier allerdings nicht näher eingegangen werden kann. 79 Dabei wird offensichtlich, dass die Befunde zum Teil widersprüchlich oder auch inkonsistent sind. Nicht zuletzt diese Tatsache bewirkt, dass zwischen denjenigen, die TBL befürworten bzw. ablehnen, immer wieder Debatten entstehen und entsprechende Diskussionen sogar innerhalb der TBL community gelegentlich für Irritationen sorgen. 80 Für aussagekräftigere Ergebnisse ist mehr Forschung unter realen Sprachlernbedin‐ gungen im Klassenzimmer vonnöten, denn bisher wurden viele Studien unter laborähnli‐ chen Bedingungen durchgeführt und weisen deshalb manche Schwachpunkte auf: “Reli‐ ance on research gathered from non-pedagogical context runs the risk of lacking relevance 103 2.4 Storyline und Task-based Language Learning 81 Auch Ellis (2003) sieht hier fruchtbare Kooperationsmöglichkeiten: “The study of ‘tasks’ serves to bring SLA and language pedagogy together. It is a construct they have in common and thus is the ideal means for establishing bridges between the two fields“ (Ebd., ix). and validity“ (Samuda/ Bygate 2008, 261). Auch scheint es wenig Sinn zu machen, isolierte Variablen wie etwa das Aufgabendesign zu untersuchen, ohne dabei den Gesamtkontext zu berücksichtigen, also die multiplen Bedingungen vor Ort (Kontextvariablen) und die Zu‐ sammensetzung der Lerngruppe selbst (Lernervariablen), welche die Sprachentwicklung mit beeinflussen: There has been very little formal research into TBL in classrooms, where a host of different vari‐ ables come into play. The ‘same’ task might be done quite differently according to where it comes in the teaching cycle, the role taken by the teacher, the learners’ interpretations of what is expected, the learners’ previous experience of the task type and topic or content matter and other imple‐ mentation variables, such as time limit, group size and participant roles (Willis/ Willis 2001, 176). Eckerth (2003) bringt die Sache auf den Punkt, wenn er ein kritisches Resümee zum Stand der Aufgabenforschung zieht und auf diverse Schwachstellen bzw. Widersprüche hinweist: „Obwohl Formulierungen wie ‘chances of noticing’ und ‘opportunity for reflection and aware‐ ness’ auf die Konzeptualisierung des Fremdsprachenlerners als aktives und selbstreflexives Subjekt referieren, wird der Lerner innerhalb der task-based research primär als ein reaktives informationsverarbeitendes System betrachtet“ (Ebd., 38). Es kann also nur noch einmal wiederholt werden: Die Spracherwerbsforschung sollte mit der Unterrichtsforschung noch stärker verbunden werden, um zu verlässlicheren Ergebnissen zu gelangen. 81 Dabei sollten sowohl Lernprodukte als auch Lernprozesse ins Blickfeld gerückt werden, um die Interde‐ pendenz von Lernumgebung, Lernenden und Lernerfolg zu erforschen (Eckerth 2008, 19). Es liegt auf der Hand, dass dieser anvisisierte Brückenschlag noch ein langwieriger Prozess sein wird, zumal Schulen, Lehrkräfte, Klassen, Lernende und Forschende gefunden werden müssen, die sich dem komplexen Ziel der gemeinsamen Aufgabenforschung verschreiben wollen und können. Um also langfristig eine stärkere Akzeptanz der Aufgabenorientierung in der Unter‐ richtspraxis zu erzielen, sollten nicht nur Inhalte und Ziele des Konzepts klarer abgesteckt und konkretisiert werden, sondern vor allem müssen auch noch mehr wissenschaftlich abgesicherte Befunde hinsichtlich der Vorzüge von TBL bezüglich Lernerleistungen er‐ bracht werden. Dazu sind unter anderem auch verlässliche Langzeitstudien erforderlich. Zu den grundsätzlicheren Fragen, die zwar nicht alle zwangsläufig im Klassenzimmer er‐ forscht, aber dennoch geklärt werden müssen, gehören beispielsweise die folgenden: • Was überhaupt sind authentische Aufgaben? • Was sind für Schülerinnen und Schüler gute und somit auch sinnvolle Aufgaben (meaningful tasks), die sie zur Kommunikation in der Fremdsprache herausfordern? • Welche Inhalte und Themen sind für Schülerinnen und Schüler insofern relevant, dass sie auch für deren Zukunft im Sinne von Bildungsinhalten und Persönlich‐ keitsentwicklung eine Bedeutung haben (vgl. auch Bredella 2006)? • Welchen tieferen Bildungssinn hat TBL überhaupt, abgesehen von den auch im Rahmen der Bildungsstandards erwähnten fertigkeitsbezogenen Kompetenzen? 104 2 Der Weg ist das Ziel: Der Storyline Approach • Welchen Stellenwert haben accuracy, fluency und complexity in der heutigen Fremd‐ sprachendidaktik bzw. im heutigen Fremdsprachenunterricht? In welchem Ver‐ hältnis stehen diese Zielkategorien zueinander (und auch im Vergleich zu Inhalten und sozialen Aspekten der Kommunikation)? Konkret geht es hier auch um den Begriff „Fehlertoleranz“. • Wie können die beiden Aspekte „Inhalt“ und „Form“ so in Einklang miteinander gebracht werden, dass sie nicht als sich einander ausschließende Gegenpole be‐ trachtet werden müssen (vgl. dazu auch Rösler 2013)? • Es stellt sich hier auch die Frage nach sinnvollen Formen der Bewertung und Beur‐ teilung von Lernprozessen und Lernergebnissen, denn bekanntlich setzen sich in‐ novative Ansätze in der Praxis nur durch, wenn die Leistungsmessung mit ent‐ sprechenden Konzepten mitzieht und die Qualitäten des (aufgabenorientierten) Unterrichts belegt werden können. • In welchem Maß können/ sollen die Schülerinnen und Schüler ihre Erfahrungen, Weltwissen, Talente, Interessen und Bedürfnisse einbringen (learner-centredness) und inwieweit sind Hilfen, Anregungen, Vorgaben und Führung durch die Lehrkraft erforderlich/ sinnvoll, um Lernfortschritte jeglicher Art zu initiieren (learning-cen‐ tredness)? Es geht hier also um die Frage nach einem sinnvollen Maß von Anleitung/ Steuerung und Freiraum/ Autonomie und die konkrete Umsetzung im Klassen‐ zimmer, und zwar vor dem Hintergrund, allen Mitgliedern der heterogenen Lern‐ gruppe gerecht zu werden und sie zum lebenslangen Lernen zu motivieren. Hier anknüpfend stellt sich auch die Frage nach der Rollenverteilung im Klassenzimmer, die sich schließlich auch auf die Auswertung von Ergebnissen auswirkt: Inwiefern werden beispielsweise Lernende als “task executioner“ bzw. “task interpreter“ (Eckerth 2008, 26) gesehen/ akzeptiert? • Last but not least: Welche (sprachlichen) Voraussetzungen sind beim Einsatz von komplexen Aufgaben zu berücksichtigen? Können auch beginners mit authentischen Aufgaben gewinnbringend konfrontiert werden? Als Impulse für die Forschung im Klassenzimmer oder in Lehreraus- und -fortbildungsein‐ richtungen können folgende Fragen dienen: • Welche Zusammenhänge bestehen zwischen Aufgaben und der Verwirklichung der interkulturellen kommunikativen Kompetenz, die als übergeordnetes Bildungsziel des Fremdsprachenlernens definiert wird (vgl. Europarat 2001)? Besser: Wie kann dieser hehre Anspruch durch entsprechende Aufgaben im Klassenzimmer konkret realisiert werden? • Welche Kompetenzen werden bei aufgabenorientierten Lernarrangements beson‐ ders gefördert und wie nachhaltig ist der Lernerfolg - auch im Sinne des Lerntrans‐ fers? Bisher konnte offenbar auch die Wirkungsforschung keine erschöpfende Ant‐ wort auf die Frage liefern, ob „man durch Aufgabenorientierung ein erfolgreicher oder gar ein erfolgreicherer Fremdsprachenlerner“ wird (Burwitz-Melzer 2006, 29). • Konkret: „Führen tasks wirklich zu einem natürlichen, kommunikativen Sprachge‐ brauch, der den Spracherwerb fördert? “ (Thaler 2008, 183). Thaler hinterfragt hier die Qualität und Intensität der stattfindenden Interaktionen, indem er auf Arbeiten 105 2.4 Storyline und Task-based Language Learning 82 Zur Rolle der Lehrkräfte bei TBL vgl. z. B. Müller-Hartmann/ Schocker-von Ditfurth (2011, 135 ff.), Raith (2013), Samuda (2001) oder Willis (1996). Zu motivationalen Aspekten vgl. auch Kapitel 4.4. von Seedhouse (1999) verweist, die offenbar einen „minimalisierten und pidgin-ähn‐ lichen Sprachgebrauch“ bestätigen (Thaler 2008, 183). Des Weiteren bemängelt er - unter Verweis auf Ellis (2003, 328 ff.) - die einseitig bevorzugte referenzielle Funktion von Sprache, während beispielsweise die poetische Funktion vernachlässigt wird. • Welche Aspekte beeinflussen das Sprachenlernen am meisten: „Sind es eher die In‐ putfaktoren, also z. B. das Design der Aufgabe durch den Lehrenden (task-as-work‐ plan), oder eher die Interaktion im Klassenraum und die Möglichkeiten, die Lerner bei der Ausführung der Aufgabe haben und wahrnehmen (task-in-process)“ (Müller-Hartmann/ Schocker-von Ditfurth 2005, 6)? • Dringend erforderlich ist auch eine stärkere Berücksichtigung der Lernerperspek‐ tive. Diese Ansicht wird auch von Eckerth (2003; 2008) vertreten: „Die der task-based research inhärente Nichtbeachtung des Lernenden als eines Individuums mit je ei‐ genen affektiven und kognitiven Dispositionen, das aktiv in seinen eigenen Lern‐ prozess involviert und auch für seinen Lernprozess (mit-)verantwortlich ist, muss als ernsthaftes Defizit betrachtet werden“ (Eckerth 2003, 43). Lantolf (2000, 12), Ver‐ treter der soziokulturellen Forschung, gibt mit Recht zu bedenken: “Even if students in the same class engage in the same task they may not be engaged in the same activity. Students with different motives often have different goals as the object of their actions, despite the intentions of the teacher“ (vgl. Kapitel 4). Es stellen sich somit folgende Fragen: Inwiefern beeinflussen sich Lernende und Aufgaben gegenseitig bzw. wechselseitig, was Lernprozesse und Lernzuwächse auf intellektueller, sprachlicher, emotionaler, methodischer oder sozialer Ebene anbe‐ langt? Welche Zusammenhänge bestehen zwischen Aufgaben, Motivation und Lern‐ erfolg? In welchem Zusammenhang stehen also die beiden Variablen „Lernende“ und „Lernen“? • Sinnvoll und aufschlussreich wäre auch, TBL-Forschung auf der Basis eines kom‐ plexeren aufgabenorientierten Unterrichtskonzepts, wie es der Storyline Approach darstellt, zu betreiben, anstatt nur punktuelle Untersuchungen einzelner und belie‐ biger Aufgabenstellungen durchzuführen. So vertritt auch Eckerth (2008) den Stand‐ punkt, dass “most TBLT studies have not explicitly attempted to show the superiority of TBLT over other, more structurally organized instructional approaches. These studies have moreover typically been limited to the investigation of a single task or a short sequence of tasks, rather than investigating and assessing large-scale task-based curricula“ (Ebd., 32). • Und: „Noch ist die Aufgabenorientierung im FU nicht in allen Klassenzimmern an‐ gekommen“ (Burwitz-Melzer 2006, 30). Auch Nunan (2013, 17) wundert sich: “Teach‐ ers continue to teach as they have been taught“. Es stellt sich also noch einmal die grundsätzliche Frage bezüglich der Umsetzung von der Theorie in die Praxis: Welche Qualitäten und Kompetenzen müssen Lehrkräfte erfüllen/ entwickeln, um die hoch‐ komplexen Zielsetzungen des TBL-Konzepts realisieren zu können? 82 Wie sollten Kurse in Lehreraus- und -fortbildung hinsichtlich Struktur, Vorgehensweise und 106 2 Der Weg ist das Ziel: Der Storyline Approach Aufgabenformen gestaltet sein, damit sich innovative Ansätze in den Schulen wirk‐ lich (nachhaltig) entwickeln können? Denn: Lehramts-Studierende, die in der ersten Phase ihrer Ausbildung nicht erfahren, welche Chancen durch eine Aufgabenorientierung im Fremdsprachenunterricht eröffnet werden, und Lehramtsreferendare, die dieses Wissen nicht in der zweiten Phase konsequent umzu‐ setzen lernen, werden die methodischen Prinzipien der Aufgabenorientierung auch nicht in ihren Unterricht implementieren können (Burwitz-Melzer 2006, 30). Gerade in diesem Bereich herrscht offensichtlich noch ein großer Forschungsbedarf, um zu eindeutigeren Ergebnissen bezüglich des komplexen Verhältnisses zwischen Ursache und Wirkung zu gelangen und um letztendlich sinnvolle Konzepte entwi‐ ckeln zu können, die nicht nur auf dem Papier gut klingen, sondern auch Eingang in die Praxis finden. Es würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, noch weiter auf die zahlreichen ungeklärten Fragen hinsichtlich Task-based Language Learning einzugehen. Stattdessen möchte ich auf die zum Teil umfangreichen Listen mit Fragestellungen bei Eckerth (2008), Hallet/ Legutke (2013, 6 f.), Müller-Hartmann/ Schocker-von Ditfurth (2005, 45), Samuda/ Bygate (2008, 84) sowie auch in den Einzelbeiträgen bei Bausch u. a. (Hrsg.) (2006) oder Müller-Hartmann/ Schocker-von Ditfurth (Hrsg.) (2005) verweisen, die als Impuls für weitere Forschungspro‐ jekte dienen können. Fazit: Resümierend kann festgehalten werden, dass der Task-based Approach kein mo‐ nolithischer Block ist, sondern verschiedene Varianten umfasst (Willis 2004, 3). Als eine dieser Varianten im weiteren Sinn kann der Storyline Approach betrachtet werden, der al‐ lerdings nicht nur sprachliches Lernen zum Ziel hat, sondern explizit auch die sozialen, kreativen, imaginativen und emotionalen Komponenten des Lernens integrativ berück‐ sichtigt und somit das Potenzial der Lernenden auf einer umfassenderen Ebene - auch im Hinblick auf die Förderung der multiplen Intelligenzen (vgl. Gardner 1994; 2002; 2007) - noch weiter ausschöpft, ohne dabei die Lerninhalte aus den Augen zu verlieren. Es steht also nicht primär die zu bearbeitende fremdsprachliche Aufgabe im Mittelpunkt, sondern vielmehr der Gedanke, wie die abstrakten Begriffe „Bildung“ und „Erziehung“ im Klassen‐ zimmer realisiert werden können. Eikenbusch (2008a) geht davon aus, dass eine Lehrkraft im Laufe ihres Berufslebens im Durchschnitt mindestens 100.000 Aufgaben stellt: „Umso mehr verwundert es, wie wenig wir darüber wissen, wie Aufgaben im Unterricht überhaupt funktionieren“ (Ebd., 6). Er kommt zu der Erkenntnis, die natürlich auch für den Fremdsprachenunterricht gilt: „Gute Aufgaben zu stellen ist eine anspruchsvolle Tätigkeit - um nicht zu sagen: Aufgabe“ (Ebd., 10). Hierfür kann der Storyline Approach eine inspirierende Quelle sein ... 107 2.4 Storyline und Task-based Language Learning 2.5 Zusammenfassung und Fazit Bildung besteht aus einer Sammlung von stories, denn stories fördern die Identifikation und er‐ höhen gleichzeitig die Merkfähigkeit (Dietrich Schwanitz) Kapitel 1 dieser Arbeit hat gezeigt, dass die heutigen Schülerinnen und Schüler eine äußerst heterogene Lerngruppe bilden und in einer überaus komplexen und schnelllebigen Gesell‐ schaft aufwachsen, die mehr denn je zum lebenslangen Lernen aufruft. Nicht umsonst werden auch in den aktuellen Bildungsplänen eine Reihe an Kompetenzen aufgeführt, die die Lernenden erwerben sollen, um in der heutigen und zukünftigen Gesellschaft erfolg‐ reich bestehen zu können. Dazu gehört auch das Erlernen der englischen Sprache als lingua franca und das Anstreben einer umfassenden interkulturellen kommunikativen Kompetenz (Europarat 2001). Nachhaltiges Lernen kann allerdings nicht verordnet oder vorbestimmt werden, denn wie sich aus der Darstellung der konstruktivistischen Perspektive noch zeigen wird (vgl. Kapitel 3), ist der Wissenserwerb eine sehr individuelle Sache, die von außen nur begrenzt beeinflusst werden kann. Es stellt sich also die Frage, wie die jungen Menschen zum le‐ benslangen Lernen motiviert und zugleich auch sinnvoll unterstützt werden können. Dabei geht es weniger um die Vermittlung von deklarativem Wissen als vielmehr um das Auf‐ zeigen von Fragestellungen, Problemlöseverfahren und Lerntechniken, die einen Bezug zur Lebenswelt haben und im Sinne der Handlungskompetenz nachhaltig verwertbar sind. Im Kontext der Aufgabenforschung spricht man von meaningful tasks, die das fremdsprach‐ liche Lernen erleichtern sollen, indem sie an realitätsbezogenen Kommunikationssituati‐ onen andocken. Es hat sich allerdings gezeigt, dass die Aufgabenforschung ein äußerst disparates Feld ist, sich an manchen Stellen auch deutlich mit der Motivationsforschung (vgl. Kapitel 4) überschneidet und derzeit noch viele Fragen unbeantwortet sind. Auf der anderen Seite stellt der Storyline Approach eine Möglichkeit dar, um zum einen das Fremd‐ sprachenlernen sinnstiftend und effektiv zu gestalten und zum anderen der Fremdspra‐ chenforschung vielleicht einige erhellende Antworten zu liefern, denn Storyline-Projekte erfüllen weitgehend die von Müller-Hartmann/ Schocker-von Ditfurth (2006) formulierten und oben aufgeführten Gütekriterien für lernförderliche Aufgaben (vgl. Kapitel 2.4.2). Im vorliegenden Kapitel wurden einige grundlegenden Prinzipien, Merkmale sowie in‐ dividuelle Ausprägungen und Facetten des sowohl prozessals auch produktorientierten Storyline-Konzepts dargestellt. Die Vielzahl und Vielseitigkeit der Entwicklungszweige verdeutlichen, dass der Storyline Approach sich unter den verschiedensten Bedingungen und mit voneinander abweichenden Zielsetzungen als außerordentlich flexibles, multi‐ funktionales und in jeglicher Hinsicht „sinn-volles“ Modell einsetzen lässt, um den hete‐ rogenen Voraussetzungen und Bedürfnissen jeglicher Lerngruppen gerecht zu werden. Ob dies auch für das fremdsprachliche Lernen in der Sekundarstufe I zutrifft, sollen Fallstudie 1-6 in Teil B zeigen. Auf die Frage nach der Verbreitung des Storyline-Konzepts wird auf internationaler Ebene immer wieder beklagt, dass die derzeit zunehmenden Reglementierungen durch Bil‐ dungsstandards, Lehrpläne usw. die Schule als Bildungs- und Erziehungseinrichtung of‐ fenbar immer mehr zu einer “overly structured institution“ verändern (Letschert 2006, 12), in der ganzheitliches, organisches, integratives und prozessorientiertes Lernen behindert 108 2 Der Weg ist das Ziel: Der Storyline Approach 83 Vgl. dazu auch den kritischen Beitrag von Tepe (2016) zu den PISA-Studien. 84 Ich denke hierbei auch an Konzepte wie The Lexical Approach (Lewis 1993; 1997) oder andere be‐ kannte Ansätze und Methoden, wie sie bei Richards/ Rodgers (2014) oder Thaler (2008) aufgeführt sind. werden. Dazu erschwert die latente „Bedrohung“ durch regelmäßig anstehende nationale und internationale Leistungsvergleichstests und Evaluationen wie PISA das autonome pä‐ dagogische und professionelle Handeln der Lehrkräfte im Klassenzimmer und gefährdet somit offensichtlich auch die differenzierte Betreuung bzw. angemessene Förderung der heterogenen Lerngruppen. Gewünscht werden zwar unisono motivierte Schülerinnen und Schüler, die zu flexiblem und lebenslangem Lernen befähigt bzw. bereit sind, vorgegeben werden von offizieller Seite jedoch meist enggefasste, konkret formulierte, vorweg geplante und somit absehbare Lernbzw. Lehrziele, und gefordert werden klar isolierbare und eindeutig abprüfbare Ergebnisse, um somit dem vermeintlichen Ziel einer objektiven Leistungsmessung und (internatio‐ nalen) Vergleichbarkeit näher zu kommen. Ian Barr und Barbara Frame stellen mit Recht fest, dass der seit einiger Zeit erkennbare politische Enthusiasmus für zentrale Lernkon‐ trollen und Evaluationen nicht nur problematisch, sondern auch irreführend ist: “Checking the oil in your car is a sensible thing to do, but hardly every 200 metres! “ (Barr/ Frame 2006, 51). 83 Auch wenn das Storyline-Modell als solches immer wieder auf positive Resonanz stößt, sieht der Unterrichtsalltag auf Grund der oben genannten Probleme und Hindernisse leider oft anders aus. So resümiert Letschert (2006) aus den Niederlanden: “The acceptance of the idea is great, actual implementation on a large scale in schools however, is relatively mod‐ est“ (Ebd., 11). Inwieweit sein pessimistisches Bild tatsächlich bzw. überall zutrifft und ob die Ursachen im Ansatz selbst liegen oder auch übertragbar auf andere anspruchsvolle Lernkonzepte und Unterrichtsmodelle 84 sind, müsste durch entsprechende Forschungsar‐ beiten geklärt werden. Barr und Frame (2006) verweisen in diesem Kontext beispielsweise auf das mancherorts noch immer existierende (und mitunter auch erwartete) traditionelle Lehrerbild, das an Autorität, Gehorsam, Normen und Macht gekoppelt ist und somit inno‐ vativen, partnerschaftlichen und offenen Unterrichtskonzepten außerordentlich im Weg steht: “The theory and methods don’t impact because of the culture of teaching and staff‐ rooms and the mythic and durable teacher stereotypes that the profession carries with it“ (Ebd., 55). Aus diesem Grund fordern sie mit Recht nicht nur grundsätzliche Veränderungen im Rahmen der Bildungspolitik, Curriculumentwicklung und Schulorganisation, sondern auch in der Ausbildung von Lehrkräften, um zu ermöglichen und zu gewährleisten, dass sich ganzheitliche und integrative Konzepte im Klassenzimmer nachhaltig durchsetzen können: The challenge for teacher education is to: • practice what it preaches; i.e. to model values; • give more responsibility to student teachers as learners; • provide an explanation of continuity and change in relation to the professional role of the teacher • make learning truly experiential (Ebd., 57). 109 2.5 Zusammenfassung und Fazit 85 Van den Branden nimmt hier Bezug auf diverse Studien zur Qualität von TBL-Kursen in Flandern (Belgien). 86 Vgl. dazu z. B. die Aufzählungen bei Raith (2013, 73 ff.) oder Schocker-von Ditfurth (2006, 230 f.). 87 Vgl. dazu auch die Studien zu teacher cognition and teacher action bei Van den Branden (2006b). 88 Unter „Ansatz“ verstehe ich eine spezifische Lehrorientierung, wie dies auch in der Definition bei Richards und Rodgers (2014, 22) verdeutlicht wird: “Approach refers to theories about the nature of language and language learning that serve as the source of practices and principles in language teaching“. Eine „Methode“ dagegen ist laut Edmondson und House (2011, 116) „eine festgelegte und systematische Vorgehensweise, ein planmäßiges Verfahren bei der Fremdsprachenvermittlung“. Dies widerspricht dem Storyline-Kerngedanken. Ähnliche Gedanken bezüglich einer effektiven Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften werden auch von Van den Branden (2006b) im Kontext des Task-based Learning formu‐ liert. 85 Mir persönlich scheint das Storyline-Konzept als vielversprechende Möglichkeit, um die im vorigen Kapitel genannten Desiderate hinsichtlich des lebenslangen (Fremdspra‐ chen-)Lernens in einer komplexen, schnelllebigen und sich ständig wandelnden Wissens‐ gesellschaft erfolgreich in die Praxis umsetzen zu können - vorausgesetzt, das Modell wird in seiner Ganzheit betrachtet und verstanden. Dies ist allerdings nicht über das Lesen eines einzelnen Fachartikels möglich, sondern erfordert von Lehrenden eine entsprechende pä‐ dagogische Einstellung mit vielfältigen und anspruchsvollen Kompetenzen 86 sowie eine handlungsorientierte und reflektierte Rezeption des Konzepts, die wiederum den Bogen zur Theorie spannt. 87 Dabei darf nicht vergessen werden: Das Lernen und Lehren nach dem Storyline-Modell kann man nicht verordnen! Man muss davon überzeugt sein - wie eine Kollegin aus England: “I began to understand the power of the Storyline method and most importantly the fun which it can bring to teaching, both for the pupils and for the teachers“ (Mitchell-Barrett 2010, 178). Ich selbst würde Storyline heute allerdings nicht mehr als „Methode“ bezeichnen (vgl. z. B. Kocher 1999), sondern eher als umfassendes Lernkonzept (vgl. z. B. Kocher 2016), das auf einer spezifischen pädagogischen und philosophischen Einstellung basiert und den ganzen Menschen im Blick hat, nicht nur einzelne (fremdsprachenbezogene) Fertigkeiten und Teilkompetenzen: “Storyline is in the heart an attitude, not an instrument“ betont Let‐ schert (2006, 31). Dem kann ich nur beipflichten. Schwänke und Plaskitt (2016) behaup‐ ten: “Storyline is more than a method; you might call it a pedagogy. Certainly it is a unique approach to active learning (and teaching)“ (Ebd., 54). Storyline ist definitiv kein „schnelles Rezept“, das man unreflektiert kopieren kann, sondern ein kreativer und komplexer An‐ satz 88 , den man verstehen, würdigen und verinnerlichen muss, um Storyline-Projekte kon‐ zipieren und implementieren zu können. In Fallstudie 7-9 (Teil B) soll untersucht werden, wie Lehramtsstudierende in diesen Prozess einbezogen werden können. 110 2 Der Weg ist das Ziel: Der Storyline Approach 1 Vgl. dazu auch die Beiträge in Reinmann/ Mandl (Hrsg.) (2004). 2 Vgl. dazu z. B. Arnold (2012), Heckmair (2005), Huschke-Rhein (2003), Lindemann (2006), Meixner/ Müller (2004a; 2004b), Reich (2010; 2012), Siebert (1999; 2005; 2008), Steen (2012) oder Voß (Hrsg.) (2005). Vgl. auch Holzbrecher (2004) zur interkulturellen Pädagogik. 3 Zum Fremdsprachenlernen vgl. z. B. Bach/ Viebrock (Hrsg.) (2002), Bleyhl (2000; 2004), Bleyhl u. a. (2002), Meixner (1997; 2005), Meixner/ Müller (Hrsg.) (2001), Meixner/ Müller (2004a; 2004b), Müller (Hrsg.) (1996), Müller (1997), Timm (2013), Wendt (1996; 1998; 2002), Wendt (Hrsg.) (2000) oder Wolff (1994; 1997b; 2000; 2001; 2002b). Vgl. auch Volkmann (2010, 206 ff.) zur „Vermittlung von Kultur und Sprache“. Auf internationaler Ebene vgl. auch Nie/ Lau (2010) oder Williams/ Burden (1997). 3 Grundlagen einer konstruktiv(istisch)en Lernkultur 3.1 Einleitung Sage mir, was du denkst, und ich denke mir, was du meinst (Theodor Bardmann) Die häufig zu vernehmende Unzufriedenheit mit schulischen Leistungen, die noch dazu in internationalen und nationalen Studien als berechtigt attestiert wird, hat in den vergan‐ genen Jahren zu vielseitigen Überlegungen geführt, die auch für den Fremdsprachenun‐ terricht und die Hochschullehre von Bedeutung sind. Unter dem Vorzeichen der ange‐ strebten Optimierung von Lernprozessen und der Vermittlung von entsprechenden Werkzeugen, die das lebenslange Lernen fördern sollen, beschäftigt man sich in verschie‐ denen wissenschaftlichen Disziplinen verstärkt mit Theorien und Modellen, die das Pro‐ blem des „trägen Wissens“ und der Kluft zwischen Wissen und Handeln erklären und vor allem beheben sollen (Gruber u. a. 2000). 1 Es stellt sich darüber hinaus immer wieder die generelle Frage danach, wie wir Wissen erwerben und wie wir lernen. Wirft man einen Blick allein auf die Veröffentlichungen in der Allgemeinen Pädagogik bzw. Didaktik 2 sowie in der fachspezifischen Didaktik 3 der letzten Jahre, dann gewinnt man den Eindruck, dass konstruktivistische Strömungen im Bildungsbereich immer mehr an Bedeutung gewinnen und „derzeit große Aufmerksamkeit“ erfahren (Haß 2010, 179), ob‐ wohl das Gedankengut an sich nichts Neues darstellt, sondern auf eine sehr lange Ent‐ wicklung zurückblicken kann. Erst durch die Thematisierung und äußerst kontrovers ge‐ führte Diskussion des Radikalen Konstruktivismus ist das konstruktivistische Denken vor einigen Jahren wieder ins Zentrum des Interesses geraten, und zwar auf internationaler Ebene und in ganz unterschiedlichen Bereichen - so auch in der Fremdsprachendidaktik im deutschen Sprachraum. Vergessen scheinen heute so manche Grabenkämpfe, man geht nun offensichtlich dazu über, die Theorie in pädagogische Praxismodelle zu integrieren, was meines Erachtens der aussichtsreichere Weg ist. „Der Konstruktivismus hat sich zu einer der führenden Lerntheorien der Gegenwart entwickelt“, behaupten Urhahne, Wilde, Marsch und Krüger (Urhahne u. a. 2011, 116), und Volkmann (2010, 206) geht mit seiner Aussage sogar noch einen Schritt weiter: „Der Konstruktivismus hat sich als moderne Auf‐ fassung des Lehr-Lern-Vorgangs durchgesetzt“. 4 Zu Varianten des Konstruktionsbegriffs vgl. Diesbergen (2012) oder Hoppe-Graff/ Edelstein (1993). Wie aber sieht die Unterrichtspraxis aus? Aus meiner Sicht herrschen behavioristische Ansätze mit einem starken Fokus auf Instruktion in vielen Lernkontexten noch immer vor - auch im Fremdsprachenunterricht, wenn man an die sinnentleerten Drills und wenig kommunikativen „Frage-Antwort-Spielchen“ des gängigen Unterrichtsalltags denkt. Of‐ fenbar fehlt es vielerorts noch an Konzepten und Modellen, die zeigen, wie die Theorie konkret in die Praxis umgesetzt werden kann. Der Storyline Approach bietet hier meines Erachtens viele Chancen. Klarzustellen ist zunächst einmal, dass es „den“ Konstruktivismus nicht gibt (auch wenn ich den Begriff aus Gründen der Leserfreundlichkeit hier vorläufig so verwende), sondern dass es sich dabei um eine Denkströmung handelt, die sich aus vielen verschiedenen Ein‐ zeldisziplinen speist und auf diese wieder zurückwirkt. Beteiligt sind an der heutigen wis‐ senschaftlichen Diskussion vor allem Philosophie, Biologie, Neurophysiologie, Kybernetik, Sprachwissenschaften, Psychologie und die Pädagogik. Vermutlich ist gerade dies mit ein Grund dafür, dass die Diskussion um konstruktivistische bzw. verwandte Ansätze sehr un‐ einheitlich und verwirrend geführt wird, da unter dem Begriff „Konstruktion“ ganz unter‐ schiedliche Vorstellungen subsumiert werden, so dass es wohl angemessener wäre, von „Konstruktivismen“ zu sprechen (Reich 2004, 33). 4 Disziplinen Personen Disziplinen Personen Evolutionstheorie Riedl Wissenschaftsthe‐ orie Janich, Mittel‐ straß Neurobiologie Maturana, Varela Gehirnforschung Roth, Singer Kognitionsforschung von Glasersfeld, Mandl Emotionsforschung Ciompi Kommunikationswissen‐ schaft Watzlawick Sprachwissenschaft Vygotskij Wissenssoziologie Luckmann, Searle Systemtheorie Luhmann Psychotherapie Stierlin, Simon Pädagogik Reich, Kösel Sozialpsychologie Gergen Philosophie Schmidt Tab. 1: Disziplinen des Konstruktivismus und ihre Vertreterinnen bzw. Vertreter (Siebert 2005, 15) Unbestritten ist dagegen die Tatsache, dass die traditionellen, einseitig behavioristisch ge‐ prägten Vorgehensweisen im Unterricht nicht zukunftsfähig sind und deshalb verschiedene Aspekte hinsichtlich der Gestaltung von Lernumgebungen neu bedacht und vor allem auch konkret umgesetzt (! ) werden müssen, um die Handlungskompetenz von heterogenen Lerngruppen und somit auch deren Bildungsmotivation und Zukunftschancen zu erhöhen sowie letztendlich den von vielerlei Seiten geäußerten Anspruch des „lebenslangen Lernens“ einlösen zu können. Dies betrifft selbstverständlich auch die Fremdsprachen. Meine Hypothese lautet, dass der Storyline Approach eine Lösung anbieten könnte, um obige Ziele zu realisieren. 112 3 Grundlagen einer konstruktiv(istisch)en Lernkultur 5 Vgl. dazu z. B. auch Falkenberg (2007), Kocher (1999) oder Schwänke/ Gronostay (2007). 6 Ausführlichere Darstellungen z. B. bei von Ameln (2004), von Glasersfeld (1996) oder Müller (1996a). In den folgenden Kapiteln werden zunächst einige Vorläufer und Ansätze bzw. Strö‐ mungen des konstruktivistischen Denkens erläutert, die als Basis für konstruktivistische Modelle in Theorie und Praxis - wie beispielsweise den Storyline Approach - gelten. Auch hier wird es sich lediglich um eine begrenzte Synopse handeln, da nicht alle Facetten und Details des Konstruktivismus näher beleuchtet werden können und vermutlich auch nicht (mehr) müssen. Anschließend werden darauf aufbauend die Implikationen konstruktivis‐ tischen Denkens für die Praxis und die damit verbundenen Konsequenzen für den Fremd‐ sprachenunterricht und die Hochschullehre reflektiert. Wo es sich anbietet, wird direkt an Ort und Stelle kurz auf die Bedeutung einzelner Ansätze für das (Fremdsprachen-)Lernen nach dem Storyline-Modell verwiesen, bevor zum Schluss erörtert wird, inwiefern Storyline ein konstruktivistischer Ansatz ist. Zur konkreten Umsetzung in Schule und Hochschule sollen meine Untersuchungen in Teil B einen Beitrag leisten. 3.2 Die Ursprünge des Konstruktivismus Wie wissen wir, was wir zu wissen glauben? (Watzlawick 2002, 10) Auch wenn heute häufig der Eindruck entsteht, dass der Konstruktivismus ein Paradigma darstellt, das auf neusten Erkenntnissen basiert, muss klargestellt werden, dass konstruk‐ tivistisches Denken - je nachdem, wie eng man den Maßstab setzt - bereits eine sehr lange Tradition hat. Hierbei handelt es sich auch nicht etwa um eine einzelne Erkenntnis- oder Wissenschaftstheorie, sondern um eine Denkströmung innerhalb eines äußerst interdiszi‐ plinären Forschungsfelds mit ganz unterschiedlichen Modellen, Ansätzen und Stand‐ punkten. Die gemeinsame erkenntnistheoretische Grundannahme besteht jedoch darin, dass die Wirklichkeit des Menschen nicht als objektives Abbild der Realität, sondern als seine eigene, höchst individuelle und aktive Konstruktion aufgefasst wird. Somit distanziert sich der Konstruktivismus von den Positionen des Realismus und „vor allem von ontolo‐ gischen und metaphysischen Wahrheitsansprüchen“ (Siebert 2005, 11). Um die mittlerweile äußerst zahlreichen und gleichzeitig sehr unterschiedlichen kon‐ struktivistischen Ansätze verstehen und einordnen zu können, muss man die Wurzeln kennen, die den „Baum der Erkenntnis“ (Maturana/ Varela 1987) mit seinen weitreichenden Ästen speisen. Auf die unzähligen „Zweige“ und „Blätter“ des besagten Baumes kann jedoch im Rahmen dieser Arbeit nur begrenzt eingegangen werden, zumal es mir wichtiger scheint, den „Baum“ als Ganzes zu betrachten, als dessen eine „Frucht“ (im Nachhinein gesehen) der Storyline Approach gesehen werden kann. 5 3.2.1 Geistesgeschichtliche Einordnung des Konstruktivismus Die Diskussion zwischen Vertretern des Realismus und Idealismus hat in der Philosophie eine lange Geschichte, wobei es schwierig zu sein scheint, die genauen Ursprünge des kon‐ struktivistischen Gedankenguts aufzudecken. 6 Ernst von Glasersfeld (1996) bezeichnet die 113 3.2 Die Ursprünge des Konstruktivismus 7 Kant (1960) vertrat auch die Meinung, dass man lebende Sprachen am besten „durch den Umgang“ (Ebd., 31), also die aktive Benutzung lernt und weniger gut durch „förmliches Memorieren“ (Ebd.). griechischen Skeptiker (Schule des Pyrrhon von Elis, 360-270 v. Chr.) als die ersten Philo‐ sophen, die gegen das realistische Dogma, das unter anderem von Aristoteles (384-322 v. Chr.) vertreten wurde, rebellierten. Falko von Ameln (2004) dagegen verweist auf René Descartes (1596-1650), mit dem „die Reflexion auf die eigene Erkenntnisfähigkeit zum ersten Mal in der Philosophiegeschichte“ auftrat (Ebd., 11). In einer zu Descartes allerdings gegenläufigen Tendenz führten die englischen Empiristen John Locke (1632-1704), George Berkeley (1685-1753) und David Hume (1711-1776) die so genannte cartesianische Reflexion auf das Subjekt fort (von Ameln 2004, 12). Insbesondere Locke betrachtete dabei den Geist eines Neugeborenen als tabula rasa, wohingegen Descartes davon ausging, dass die „von Gott dem Menschen eingegebenen ‘angeborenen Ideen’“ und bestimmte begriffliche Vor‐ stellungen bei der Geburt bereits vorhanden seien (Müller 1996a, 32). Der anglikanische Bischof Berkeley vertrat mit seinen metaphysisch-konstruktivistischen Vorstellungen, dass Sein in nichts anderem besteht, „als Gegenstand des Wahrnehmens und damit Wahrge‐ nommenes zu sein (esse est percipi)“ (von Ameln 2004, 10), eine extreme Position der Idea‐ listen und leugnete - im Gegensatz zu Locke und Hume - explizit die dingliche Realität. Während Ernst von Glasersfeld (1996) und Klaus Müller (1996a) in Giambattista Vico (1668-1744) den ersten Konstruktivisten im engeren Sinne sehen, da dieser die Ansicht vertrat, dass die Welt nicht ontologisch „wahr“ sei, sondern dass durch Wahrnehmung, Handeln und Erfahrung „unser rationales Wissen von uns selbst konstruiert wird“ (von Glasersfeld 1996, 76) und der Mensch schließlich nur das sicher wissen kann, was er selbst geschaffen hat, betrachtet Falko von Ameln (2004) stattdessen Immanuel Kant (1724-1804) als denjenigen Philosophen, der zum ersten Mal explizit konstruktivistische Positionen de‐ tailliert formuliert hat. Kant versuchte, zwischen dem zu realistischen Positionen tendier‐ enden Empirismus und dem idealistischen Rationalismus mit einer neuen Theorie der menschlichen Erkenntnistätigkeit zu vermitteln, die - auf den Punkt gebracht - besagt, dass das Individuum mit Hilfe von Verstand und Vernunft theoretisch und praktisch aktiv die Welt gestaltet (von Ameln 2004, 15). 7 Müller (1996a) dagegen behauptet, dass Vico schon circa 70 Jahre vor Kant „eine sachlichere, nicht ins Metaphysische reichende Epistemologie“ angeboten hatte, „indem er den Handlungsbegriff einführte, der bei Kant nur eine marginale Rolle (...) spielt“ (Ebd., 31). Der konstruktivistische Begriff der Viabilität beruft sich angeb‐ lich ebenfalls auf Vicos Einsichten (Ebd.), und seine Erkenntnistheorie kommt der geneti‐ schen Epistemologie von Jean Piaget recht nahe (von Glasersfeld 1996). Kants Vorstellungen wurden später von Jean Piaget konkretisiert (von Ameln 2004; Buggle 2001). Edmund Husserl (1859-1938) schließlich richtete sich mit seiner Phänomenologie gegen den aufkommenden „Psychologismus“ in der Erkenntnistheorie. Seine philosophische Denkrichtung vertrat die konstruktivistische Position, dass „Realität nichts Selbständiges darstellt, sondern nur als Produkt des Bewusstseins auftritt, das seine Phänomene erschafft. (...) Die vermeintliche Sicherheit der Existenz der Außenwelt wird (...) - gleichsam in Wie‐ derholung des cartesianischen Zweifels - als fraglich und unbewiesen betrachtet“ (von Ameln 2004, 16). 114 3 Grundlagen einer konstruktiv(istisch)en Lernkultur Der amerikanische Philosoph William James (1842-1910), der zudem als Begründer der amerikanischen Psychologie gilt (Müller 1996a, 32), entwickelte - auch unter dem Einfluss der Evolutionstheorie von Charles Darwin - die Vorstellung, „dass die menschliche Er‐ kenntnisweise im Verlauf der Zeit einer passiven Selektion auf der Grundlage ihrer Trag‐ fähigkeit für praktisches Handeln unterlag“ (von Ameln 2004, 17). Damit kam die biologi‐ sche Funktion der Erkenntnistätigkeit ins Spiel, die in Kants Vorstellungen fehlte. James war Vertreter des amerikanischen Pragmatismus, dessen Maxime lautet: „Wahr ist, was sich durch seine praktischen Konsequenzen bewährt“ (Müller 1996a, 32). Diese „Nützlichkeits‐ theorie der Wahrheit“ (Ebd.) fragt nicht nach den Ursprüngen und dem Wesen der Dinge, sondern ist sehr materialistisch angelegt: „Denken und handeln werden in pragmatischer Weise als zielgerichtet oder funktional bestimmt“ (Ebd.). Dynamismus, Pluralismus sowie Relativismus gelten als Kernpunkte der Denkrichtung von William James, der die Vorstellung eines Universums durch die Idee eines so genannten Multiversums ersetzt, welches aus konkurrierenden Wirklichkeitskonstrukten (Sub-Uni‐ versa) besteht, „die von Menschen aktiv gestaltet, gelebt und geglaubt werden“ (Ebd., 33). Diese Auffassung beeinflusste später die Handlungstheorie von Mead und den Symboli‐ schen Interaktionismus. Müller (1996a) sieht zudem Parallelen zur späteren evolutionären Erkenntnistheorie von Konrad Lorenz. James’ Vorstellung einer biologischen Funktion der Erkenntnistätigkeit im Sinne der Arterhaltung ähnelt auch dem Viabilitätskonzept des Konstruktivismus. John Dewey (1859-1952) geht in Übereinstimmung mit dem Pragmatismus davon aus, dass sich der Wert einer Aktivität vor allem über ihren praktischen Nutzen für das Subjekt zeigt. Erkenntnis wird nicht als rein passiv gesehen, sondern liegt „primär im Handeln im Dienste einer praktischen Problemlösung“ (von Ameln 2004, 17). Sprich: Wissen wird im Handeln aufgebaut und „interaktiv durch ein untersuchendes, neugieriges, experimentie‐ rendes Verhalten konstruiert“ (Reich 2012, 71). Lernen wird somit als ein aktiver Prozess verstanden, bei dem die äußere Wirklichkeit nicht abgebildet, sondern Wirklichkeit im Handeln erst hergestellt wird. Impulse aus den Handlungssituationen sowie kontinuierliche und vielseitige Erfahrungen führen schließlich zu Verhaltenseigenschaften (habits), „die dem Wissen einen Kontext, einen interpretativen Rahmen von Verwendung und Bedeutung geben, der für das Lernen unerlässlich ist“ (Ebd., 71). John Dewey gibt mit seinem Ansatz die dualistische Sichtweise von Körper und Geist bzw. Individuum und Gesellschaft auf und vertritt eine kulturtheoretische Perspektive, „die heute wieder hochaktuell ist“ (Ebd.). Deweys „pragmatische Theorie der Wahrheit als eines Konstruktionsprozesses“ (Hickman 2004, 12), seine stark ausgeprägte demokratische Überzeugung, seine Kunst- und Kulturtheorie, seine Vorstellung, dass sich Lernprozesse nicht vom sozio-kulturellen und historischen Kontext trennen lassen, sein Fokus auf Kommunikation und Interaktion sowie sein „Verständnis des experience“ (Reich 2004, 42), welches wiederum dem Viabilitätskon‐ zept des Konstruktivismus nahekommt, schlagen sich schließlich auch in seiner expliziten Formulierung von pädagogischen Konsequenzen nieder, die einen starken Bezug zu in‐ strumentellem und experimentellem Handeln zum Zweck des Problemlösens aufweisen (learning by doing) und weitgehend auch auf den Storyline Approach zutreffen (vgl. Kapitel 2.3). Er arbeitete das so genannte Fünferschritt-Modell erfolgreichen Lernens aus, entwi‐ 115 3.2 Die Ursprünge des Konstruktivismus 8 Vgl. dazu auch die diversen Aufsätze in Hickman u. a. (Hrsg.) (2004). ckelte zusammen mit William H. Kilpatrick ein umfassendes Konzept der Projektmethode und gilt als wichtiger Vertreter einer konstruktivistischen Didaktik. 8 Auch Entwicklungen in der modernen Physik zu Beginn des 20. Jahrhunderts beein‐ flussten die Vorstellungen der Menschen von der Wirklichkeit radikal, als nämlich aufge‐ zeigt wurde, dass „die Wirklichkeit beobachtungsabhängig ist“ (Siebert 2005, 8). So wird Albert Einstein gelegentlich als der berühmteste Konstruktivist bezeichnet. Aber nicht nur Einsteins Relativitätstheorie, sondern auch die von Werner Heisenberg und Erwin Schrö‐ dinger begründete Quantentheorie erschütterte unser Weltbild, da die dort beschriebenen Effekte zum Teil nicht „mit den Gesetzen der klassischen Mechanik (...) erklärbar“ sind (von Ameln 2004, 18). Interessant sind auch die erkenntnistheoretischen Dimensionen der Pu‐ blikation Laws of Form von George Spencer Brown (1997), die zahlreiche Bezüge zu kon‐ struktivistischen Ansätzen (z. B. zu Maturanas Autopoiesis-Theorie, zu Luhmanns Theorie sozialer Systeme oder zu Kellys Psychologie der persönlichen Konstrukte) aufweist. Spencer Browns Kernaussage lautet, dass jeder Wahrnehmungsvorgang - und somit auch der Zugang zur Welt - auf dem Treffen von Unterscheidungen beruht. Die oben aufgeführten Positionen haben nicht nur den interdisziplinären wissenschaft‐ lichen Diskurs angeregt, sondern indirekt und vor allem über den Radikalen Konstrukti‐ vismus auch die systemische Praxis und die Pädagogik beeinflusst. 3.2.2 Jean Piagets genetische Erkenntnistheorie Der Biologe, Psychologe und Philosoph Jean Piaget (1896-1980) gilt nicht nur als einer der bedeutendsten Erforscher der kindlichen Entwicklung, sondern er wird auch als zentraler konstruktivistischer Denker bezeichnet. So hat sich unter anderem Ernst von Glasersfeld (1994) intensiv mit Piagets Arbeit auseinandergesetzt und ihn als „Pionier der konstrukti‐ vistisch orientierten Kognitionsforschung“ des 20. Jahrhunderts bezeichnet (Ebd., 18). Pi‐ aget suchte in dem von ihm in Genf gegründeten Internationalen Zentrum für genetische Epistemologie den intensiven Dialog mit Wissenschaftlern aus anderen Disziplinen (z. B. Einstein) und war sein Leben lang ein reger Forscher, der vor allem auch seine eigenen drei Kinder intensiv studierte. Er verstand sich allerdings nicht als Entwicklungspsychologe, sondern als Erkenntnistheoretiker (Scharlau 2007). Eines seiner Hauptanliegen war, die Erkenntnistheorie „von einer philosophischen zu einer experimentellen und biologischen Wissenschaft zu machen“ (Müller 1996a, 34), sie also zu verwissenschaftlichen. Piagets lebenslanges zentrales Erkenntnis- und Forschungsmotiv war die Frage, „wie Erkenntnis im Kind entsteht und sich im Lauf der menschlichen Entwicklung verändert“ (Fatke 1981, 15). In diesem Sinne führte er beispielsweise schon als Kind zahlreiche Ver‐ haltensbeobachtungen an Tieren durch und stellte später im Falle von Muscheln fest, dass diese sich, um ihre Überlebenschancen zu erhöhen, „intelligent“ an ihre jeweilige Umge‐ bung anpassten, ohne jedoch eine visuelle Repräsentation ihrer Umwelt zu haben. Das Zusammenspiel von Organismus und Umwelt in der Entwicklung der Arten hat seine Sichtweise in der Intelligenzforschung entscheidend geprägt. So kam er unter anderem zu 116 3 Grundlagen einer konstruktiv(istisch)en Lernkultur 9 Der Begriff „Schema“ hat bei Piaget eine andere Bedeutung als in der Kognitiven Psychologie. Schon Kant sprach von Schemata und verstand darunter „eine vermittelnde Instanz zwischen Sinnesein‐ drücken und mentalem Geist“ (Müller 1996a, 34). Piaget griff Kants Schemabegriff auf und definierte ihn wie folgt: „Ein Schema ist eine vereinfachte Vorstellung (z. B. die Landkarte einer Stadt)“ (Fatke, Hrsg. 1981, 128). dem Schluss, dass Adaption an die Umgebung eine Vorform des Lernens sei (Müller 1996a, 34). Piagets Theorie der Entwicklung des Wissens ist nicht primär eine Theorie der Wahr‐ nehmung wie etliche spätere konstruktivistische Ansätze, sondern vielmehr eine Theorie des Handelns. Den Begriff der Handlung übernahm Piaget vom Pragmatismus: „Erkenntnis wird also nicht mehr rein mental modelliert, sondern pragmatisiert“ (Ebd., 35). Lernen er‐ folgt in seinen Augen durch aktives Handeln, und zwar maßgeblich durch das dynamische Wechselspiel von Assimilation (Deutung und Integration neuer Elemente/ Handlungssche‐ mata 9 an bereits aufgebaute Strukturen) und Akkommodation (Restrukturierung von Wissen bzw. Revision eines vorhandenen Handlungsschemas im Sinne der situativen An‐ passung an die Umwelt). Laut Ernst von Glasersfeld (1994) nimmt „der kognitive Orga‐ nismus (...) nur das wahr (assimiliert), was er in die jeweils bereits bestehenden Strukturen einpassen kann“ (Ebd., 29). Erkennen ist demnach immer das Ergebnis von Assimilation. Gelingt auf Grund von neuen äußeren Bedingungen die Assimilation jedoch nicht, dann entsteht eine so genannte Störung im Handlungsschema und somit ein Anlass für eine aktive Verhaltensmodifikation, also ein Handlungsbedarf im Sinne des Lernens und des kognitiven Fortschritts. Als häufigste Ursache für Akkommodationen nennt Piaget Erfah‐ rungen durch soziale und sprachliche Interaktionen (von Ameln 2004, 35). Kognitive Ver‐ änderung und Erkenntnis beruhen somit auf dem von Piaget als Äquilibration bezeichneten Mechanismus zur Aufrechterhaltung des kognitiven Gleichgewichts. Die Strukturen, die uns dabei helfen, unsere (subjektive) Wirklichkeit zu strukturieren, sind nach Piaget jedoch weder angeboren noch aus der Realität übernommen, „sondern eine eigene Konstrukti‐ onsleistung des Individuums, die nur auf dem biologischen Mechanismus der Selbstregu‐ lation basiert“ (Ebd., 36). Durch die Beschäftigung mit dem Thema „Gleichgewicht“ wandte sich Piaget später auch der Kybernetik zu. Er verweist beispielsweise auf Heinz von Foers‐ ters “order from noise“-Prinzip. Zudem sind gewisse Parallelen zu Maturanas Arbeiten er‐ kennbar, wobei Piaget den kognitiven Apparat nicht - wie Maturana - als operational geschlossenes System betrachten würde (Ebd., 37). Piagets biologisch begründete und entwicklungspsychologisch erweiterte Erkenntnis‐ theorie trägt nicht nur deutliche konstruktivistische Züge, auch wenn Piaget einen eher gemäßigten Konstruktivismus vertritt, sondern hatte auch ein neues Menschenbild und somit eine neue Sicht des Kindes zur Folge: Das Kind wird bei Piaget als aktives Wesen betrachtet, das sich in der Auseinandersetzung mit der Welt entwickelt, diese strukturiert „und dabei sie und sich selbst verändert“ (Fatke 1981, 24). Es gilt als kompetentes Wesen, „das zunehmend über Fähigkeiten zur Weltaneignung verfügt“ (Ebd.) und im Vergleich zu den Erwachsenen „nicht als mangelhaft, sondern als qualitativ andersartig angesehen werden muß“ (Ebd.). Das Kind ist ein Interaktionspartner, der nicht allein nach den Vor‐ stellungen der Erwachsenen geformt wird, „sondern seinerseits auch auf den Erwachsenen einwirkt und somit die Prozesse der Sozialisation und Erziehung aktiv mitgestaltet“ (Ebd.). 117 3.2 Die Ursprünge des Konstruktivismus 10 Vgl. dazu Piaget (1999), wo er sich explizit zur schulischen Gruppenarbeit äußert, ihre Vorzüge und Notwendigkeit bestätigt und feststellt: „Je mehr Aktivität zur Wissensaneignung aufgebracht wurde, desto solider und fundierter ist dieses Wissen, und im Prinzip ist Gruppenarbeit ‘aktiver’ als Einzel‐ arbeit“ (Ebd., 196). Und: „Alle unsere Mitarbeiter sind sich darüber einig, daß diese Technik ausge‐ sprochen anregend sein kann“ (Ebd., 196 f.). Piaget spricht sich zudem für eine angemessene Fehler‐ toleranz aus: „Ein Fehler, der aus intensivem Suchen erwachsen ist, ist häufig viel nützlicher als eine Tatsache, die lediglich nachgesprochen wird“ (Ebd., 196). 11 Zu Kritik an Piaget vgl. Buggle (2001) oder von Glasersfeld (1994). Scharlau (2007) spricht von Wi‐ dersprüchen und Ungereimtheiten in Piagets Werk und liefert eine insgesamt kritische Analyse seiner Arbeit. 12 Die Schreibweise des Namens variiert im Folgenden je nach Autorin oder Autor. 13 Vgl. dazu Vygotskij (2002). 14 Vgl. dazu Vygotsky (1978). Trotz aller Verdienste ist Piaget immer wieder wegen seiner einseitigen Fixierung auf Misserfolg („Störung“) als Anlass für Lernprozesse und Erkenntnisfortschritte kritisiert worden. Ein weiterer Vorwurf gilt dem Aspekt, dass die Funktion des sozialen Lernens von ihm unterschätzt und beispielsweise auch erwachsenen Interaktionspartnerinnen bzw. -partnern nicht explizit eine fördernde Rolle zugeschrieben wird, wie das etwa bei seinem zeitweiligen Zeitgenossen Lev Vygotskij der Fall ist. Stattdessen ist das Kind in seiner Aus‐ einandersetzung mit der Umwelt weitgehend auf sich selbst angewiesen. Scharlau (2007) resümiert, dass „Piagets Wissenschaftler ein einsamer Robinson Crusoe auf einer Insel [ist], der sich diese durch distanziertes Kartographieren und Organisieren erschließt“ (Ebd., 148). An anderer Stelle wird die Aussage allerdings wieder relativiert, da Piaget offensichtlich immer wieder betont hat, „dass soziale Einflüsse wichtig sind“ (Ebd., 147). 10 Piagets Arbeit - insbesondere seine Stufentheorie - gilt heute als stellenweise überholt, wobei er angeblich auch oft missverstanden wurde, so dass in den vergangenen Jahren einige seiner Konzepte neu interpretiert oder auch modifiziert worden sind. 11 Dennoch hat Piagets Arbeit nicht nur in der Psychologie und Philosophie, sondern auch für die Pädagogik bedeutsame Erkenntnisse geliefert. Ausgehend von seiner Vorstellung, dass alles Wissen aus Handeln erwächst und kognitive Entwicklung „in der Interaktion von Individuum und Umwelt konstruiert“ wird (Hoppe-Graff/ Edelstein 1993, 11), begründet sie - wie das in Storyline-Projekten realisiert wird - den Einsatz aktiver und handlungsorientierter Lern‐ formen sowie (je nach Auslegung von Piagets Arbeit) auch die Förderung der sprachlichen und sozialen Interaktion in einer reichen Lernumgebung, um die kognitive Aktivität der Lernenden und somit auch das kreative Problemlösen anzuregen. Des Weiteren unterstützt sie freies, lehrerunabhängiges und autonomes Lernen - Piaget (1999) spricht von self-gov‐ ernment - wie dies auch in der Arbeit mit Storyline angestrebt wird (vgl. Kapitel 2.3). Ob bzw. inwiefern diese Aspekte auch im fremdsprachlichen Klassenzimmer realisiert werden können, sollen meine Fallstudien in Teil B untersuchen. 3.2.3 Lev S. Vygotskijs kulturhistorische Theorie des Menschen Der im selben Jahr wie Piaget geborene russische Psychologe Lev S. Vygotskij 12 (1896-1934) gilt als weiterer wichtiger Vordenker des Konstruktivismus, der insbesondere den Zusam‐ menhang von Denken und Sprechen 13 sowie von Kognition und Sozialisation 14 untersucht 118 3 Grundlagen einer konstruktiv(istisch)en Lernkultur 15 Vgl. dazu z. B. den Beitrag von Bromme u. a. (2004) zur Experten-Laien-Kommunikation im Wis‐ sensmanagement oder auch die Ausführungen zum Cognitive Apprenticeship-Ansatz in Kapitel 3.4. 16 Vygotskij hatte immer wieder Piagets Ansicht, dass Kinder egozentrisch seien, kritisiert. Allerdings erfuhr dieser erst nach Vygotskijs Tod davon und konnte nicht mehr Stellung zu den Vorwürfen nehmen. 17 Bruner (1996) verwendete dafür später den Begriff “scaffolding“. und in diesem Kontext das Konzept der kulturhistorischen Psychologie entwickelt hat. Vy‐ gotskij formulierte seine Überlegungen zwar früher als Piaget, allerdings wurde seine Ar‐ beit im Westen erst in den 1980er Jahren rezipiert (Falkenberg 2007) und primär durch Jérôme Bruner in den englischen Sprachraum eingeführt und dort weiterentwickelt (Reich 2004). Vor allem heutige sozial orientierte konstruktivistische Ansätze der Lernpsychologie basieren auf Vygotskijs Gedankengut (Reich 2012) und seit einiger Zeit werden seine Er‐ kenntnisse verstärkt auch im Bereich des Wissensmanagements genutzt. 15 Vygotskijs Studien der menschlichen Entwicklung lassen einen starken Einfluss von Karl Marx und auch Friedrich Engels erkennen, „who stressed the critical role of labor and tools in transforming the relation between human beings and their environment“ ( John-Steiner/ Souberman 1978, 132). So betont Vygotskij - im Gegensatz zu Piaget - ganz explizit, dass kooperative menschliche Tätigkeiten den Erkenntnisprozess entscheidend beeinflussen und nicht nur Wissen grundsätzlich sozial konstruiert wird, sondern auch die Wirklich‐ keit. 16 Vygotskijs Lerntheorie basiert auf der Aussage, dass alles Lernen in der so genannten Zone der proximalen Entwicklung stattfindet, die eine bestimmte Lernstufe, das heißt einen Grenzbereich zwischen tatsächlichem bzw. aktuellem und potenziellem Wissen und Können, markiert. Lernende werden demnach im Rahmen von sozialen Interaktionen mit kompetenteren Personen dazu angeregt, ein neues und höheres Niveau des Wissens und Verhaltens zu erreichen und Gelerntes derart zu internalisieren, dass es selbstständig als Werkzeug für neue Lernprozesse dienen kann. 17 Dabei betrachtet Vygotskij die Lernenden als aktive Gestalterinnen bzw. Gestalter der eigenen Lernprozesse, „wobei Lernen immer dann erfolgreicher abzulaufen scheint, wenn selbstbestimmende Lernprozesse einsetzen, die das Wissen in seiner kulturellen Verankerung und seiner Handlungsperspektive aktu‐ alisieren“ (Reich 2012, 72). Während Piaget davon ausging, dass die Entwicklung von kognitiven Strukturen nur vom Kind selbst geleistet werden kann, vertritt Vygotskij die Position, dass gerade sprach‐ liche Interaktionen zwischen Kind und Eltern, Geschwistern oder Lehrkräften zwingend erforderlich sind und entscheidend dazu beitragen, kognitive Strukturen zu entwickeln. Dieser Aspekt ist auch für das fremdsprachliche Lernen relevant und wird im Rahmen von Storyline-Projekten insofern berücksichtigt, als Schülerinnen und Schüler vorrangig in Gruppen arbeiten, also auf vielseitige Art und Weise sozial und sprachlich miteinander interagieren, jedoch bei Bedarf auch die Lehrkraft oder andere Personen um Unterstützung bitten können, um ihre Kompetenzen in den unterschiedlichsten Bereichen weiterzuent‐ wickeln und zu verfeinern. Wie Lernende das kooperative Arbeiten bei Storyline gestalten und bewerten, sollen meine Untersuchungen in Teil B zeigen. Vygotskijs Theorie ist auch stärker sozial-kulturell orientiert, als dies bei Piaget der Fall ist. Jede Erfahrung, und somit auch jedes sprachliche Handeln und Lernen, findet nach 119 3.2 Die Ursprünge des Konstruktivismus Vygotskij nicht nur in einem sozialen, sondern auch in einem kulturellen und historischen Kontext statt, der wiederum das Handeln, Lernen und die Konstruktion von Wirklichkeit von Anfang an entsprechend beeinflusst: “In their play children project themselves into the adult activities of their culture and rehearse their future roles and values“ ( John-Steiner/ Souberman 1978, 129). Dieser Gesichtspunkt wird im Rahmen von Storyline-Projekten ganz ausdrücklich berücksichtigt: Die Lernenden optimieren in den besagten Interaktionen nicht nur vielerlei Fähigkeiten und Fertigkeiten im sprachlichen und sozialen Bereich, sondern entwickeln - je nach inhaltlichem Fokus des Projekts - auch verschiedene Formen und Niveaus der interkulturellen kommunikativen Kompetenz, indem sie beispielsweise au‐ thentische Medien jeglicher Art als Werkzeuge benutzen und im Rollenspiel zielkulturspe‐ zifische Verhaltensweisen sowie diverse critical incidents erfahren, erproben und reflek‐ tieren können. 3.2.4 Systemtheoretische und kybernetische Grundlagen Die Grundsteine der beiden Wissenschaftszweige Systemtheorie und Kybernetik (Steue‐ rungslehre) wurden in der Mitte des 20. Jahrhunderts gelegt. Sie stellen zwar selbst keine konstruktivistischen Theorien dar, haben jedoch den Konstruktivismus in vielerlei Hinsicht stark beeinflusst: Kybernetische Ansätze findet man bereits bei Jean Piaget und Gregory Bateson. Systemtheoretische Einflüsse sind vor allem bei Niklas Luhmann (Theorie sozialer Systeme) und Heinz von Foerster (Radikaler Konstruktivismus) erkennbar. Da die beiden Ansätze bedeutsame Erkenntnisse für die Unterrichtspraxis und gegenwärtig auch viele neue Impulse für die Motivationsforschung liefern (vgl. Kapitel 4.3.5.3), werden sie hier kurz vorgestellt. Ein System besteht bekanntlich aus einer Menge von Elementen, die in einer bestimmten Beziehung zueinander stehen und somit eine entsprechende Systemstruktur aufweisen. Jedes System ist wiederum in übergeordnete Systeme eingebettet und kann zudem eigene Subsysteme herausbilden. Systeme können einerseits vielseitige Außenbeziehungen haben und werden somit als „offen“ verstanden, andererseits laufen innerhalb der Systemgrenzen (z. B. in einer Schulklasse) ganz spezifische Prozesse ab, so dass Systeme auch als „ge‐ schlossen“ charakterisiert werden. Strukturen werden als „Kristallisation“ der Beziehungen zwischen den einzelnen Systemelementen betrachtet (von Ameln 2004, 22); sie sind zwar grundsätzlich änderungsfähig, bleiben aber selbst bei Wegfall oder Ersatz einzelner Ele‐ mente häufig erhalten (Luhmann 1984). Prozesse bestehen dagegen „aus irreversiblen Ereignissen“ (von Ameln 2004, 22), die zu Folgeereignissen führen bzw. diese beeinflussen. Pädagogische Arbeit muss demzufolge auf der Ebene der Strukturen ansetzen, da nur diese veränderbar sind. Die Kybernetik ist ein Zweig der Systemtheorie und wurde in den 1940er und 50er Jahren von Norbert Wiener entwickelt. Sie beschäftigt sich mit der Frage, wie in Systemen - z. B. technischen Geräten, Organismen oder auch komplexen sozialen Systemen - Verände‐ rungen bzw. Gleichgewichtszustände erreicht werden können. Man unterscheidet zwischen „Kybernetik 1. Ordnung“ (z. B. einfacher linearer Regelkreis einer Heizungsanlage) und der in den 1970er Jahren unter Heinz von Foerster entwickelten „Kybernetik 2. Ordnung“ (z. B. komplexe, nicht-lineare soziale Systeme mit ihren eigenen Gesetzen) (von Ameln 2004). 120 3 Grundlagen einer konstruktiv(istisch)en Lernkultur 18 Vgl. dazu z. B. Ciompi (1999, 129 ff.) oder Huschke-Rhein (2003, 230 ff.). 19 Vgl. dazu z. B. auch Huschke-Rhein (2003) oder für das Fremdsprachenlernen z. B. Bleyhl (2004). Die Kybernetik 2. Ordnung wird auch als „reflexive Kybernetik“ oder „soziale Kybernetik“ bezeichnet: „Der Kybernetiker beobachtet (bzw. konstruiert) nicht mehr bloße Regelungs‐ systeme, sondern er bezieht den Beobachter (also sich selbst) mit ein“ (Lutterer 2000, 55); es geht also um die Beobachtung des Beobachters bzw. der Beobachterin. Komplexe Systeme (laut Heinz von Foerster so genannte nicht-triviale Maschinen) weisen folgende Eigenschaften auf (von Ameln 2004, 25 ff.): • Nicht-lineare Beziehungen zwischen Ursache und Wirkung: Eine klare Zu‐ ordnung von Input und Output ist nicht möglich, denn komplexe Systeme führen ein relativ autonomes Innenleben (Eigendynamik). • Negative und positive Wirkungsbeziehungen, Feedbackschleifen: Die di‐ versen Systemvariablen können auf ganz unterschiedliche Weise miteinander in Zusammenhang stehen und aufeinander einwirken. • Reversible und irreversible Prozessverläufe: Während Abläufe in trivialen Ma‐ schinen häufig wieder rückgängig gemacht werden können, sind Prozesse in kom‐ plexen Systemen (z. B. in einer Schulklasse) oft unumkehrbar: Was einmal gesagt wurde, kann nicht mehr ungesagt gemacht werden. • Selbstorganisation: Die Selbstorganisationsforschung leitet aus der Erforschung naturwissenschaftlicher (z. B. mathematischer, chemischer oder meteorologischer) Phänomene (z. B. im Kontext der Chaostheorie 18 oder Synergetik) Konsequenzen für die systemische Praxis ab, die unter anderem auch für die Schule (z. B. Gruppenar‐ beit) relevant sind. • Emergenzphänomene: Komplexe Systeme bringen im Laufe ihrer Entwicklung Eigenschaften hervor, „die aus den Eigenschaften ihrer Elemente nicht mehr er‐ klärbar sind“ (Ebd., 26). Bekannt ist die Formulierung: „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“ - oder präziser: Das Ganze ist etwas anderes als die Summe seiner Teile. Diese Ansicht wurde bereits von den frühen Gestaltpsychologen geteilt. Für die Unterrichtspraxis 19 und speziell für die Arbeit nach dem Storyline-Modell sind die genannten Aspekte äußerst bedeutsam und insbesondere auch bei der Gestaltung von Gruppenarbeit und autonomen Lernphasen relevant (vgl. Kapitel 2.3.3.5), vor allem wenn man die vielseitigen und komplexen Strukturen, Prozesse, Zusammenhänge und Wechsel‐ wirkungen innerhalb einer Schulklasse bzw. Gruppe professionell analysieren und ge‐ winnbringend nutzen will, um Motivation und Lerneffizienz zu erhöhen. Mehr Aufschluss darüber sollen meine Studien in Teil B geben. 3.2.5 Gregory Batesons Unterschiede, die einen Unterschied ausmachen Der anglo-amerikanische Zoologe und Anthropologe Gregory Bateson (1904-1980) wurde durch die mit seiner ersten Frau Margaret Mead durchgeführten ethnologischen Studien bekannt, bevor er sich der Psychiatrie zuwandte. Zeitlebens widmete er sich (ähnlich wie Piaget) auffallend vielfältigen Forschungsgebieten in ganz unterschiedlichen wissenschaft‐ 121 3.2 Die Ursprünge des Konstruktivismus 20 Vgl. dazu Bateson (1985). 21 Vgl. dazu Bateson/ Bateson (1993). 22 Für eine umfassende Darstellung von Batesons Lebenswerk vgl. z. B. Lutterer (2000; 2002). lichen Disziplinen: er beobachtete frühere Kopfjäger, betrieb Filmanalyse, studierte die Kommunikation von Delphinen, untersuchte die Kunst in Bali und setzte sich mit ökolo‐ gischen bzw. ökosystemischen 20 und religiösen 21 Fragestellungen auseinander (Lutterer 2000). Diese anscheinend disparaten Forschungsfelder hatten allerdings einen verbind‐ enden roten Faden, nämlich Batesons Interesse für „Kommunikation und den sich darin offenbarenden Paradoxien und Pathologien“ (Ebd., 306). Bereits in den 1950er Jahren ent‐ warf er eine von der gerade aufkeimenden Kybernetik inspirierte Theorie der menschlichen Kommunikation, die später von Paul Watzlawick, seinem Forschungskollegen am Mental Research Institute in Palo Alto, weitgehend übernommen und veröffentlicht wurde (von Ameln 2004). Bateson gilt in Fachkreisen als einer der bedeutendsten Vordenker systemischer Theorie und als einer der ersten, welche die gewonnenen kybernetischen Erkenntnisse im sozialen Bereich umsetzten (Lutterer 2000, 1). Bekannt sind insbesondere seine Double-bind-Theorie, welche „die Entstehung von Schizophrenie auf paradoxe Kommunikation zurück führt“ (von Ameln 2004, 51), sowie das mit dem Schweizer Psychiater Jürgen Ruesch im Jahr 1951 veröffentlichte und allerdings erst vierzig Jahre später ins Deutsche übersetzte Buch Kom‐ munikation (1995) mit wichtigen Beiträgen zum Konstruktivismus und zur Kybernetik 2. Ordnung in komplexen Systemen. Inspiriert fühlte sich Bateson in seiner weitgespannten Forschungsarbeit insbesondere auch durch den Dichter und Maler William Blake, der „durch seine Augen sah, nicht mit ihnen“ (Bateson 1985, 13). Seine Arbeit hatte einen weit‐ reichenden Einfluss auf Systemtheorie, systemische Therapie, Ökologie und nicht zuletzt den Konstruktivismus. Den stärksten Einfluss seines Gedankenguts auf die systemische Praxis haben laut Aussage von Falko von Ameln (2004) sein Informationskonzept und seine kybernetische Konzeption des Lernens, die aus diesem Grund, ebenso wie seine erkennt‐ nistheoretische Position, hier kurz vorgestellt werden. Batesons Thesen zur Kommunika‐ tion werden später bei der Darstellung der Kommunikationstheorie der Palo-Alto-Gruppe berücksichtigt (vgl. Kapitel 3.2.6). 22 Ein wesentlicher Vorgang im Erkenntnisprozess ist die Gewinnung von Informationen, wobei am Beginn dieses Prozesses laut Bateson (1985) immer Unterscheidungen stehen: „Was wir tatsächlich mit Information meinen - die elementare Informationseinheit -, ist ein Unterschied, der einen Unterschied ausmacht“ (Ebd., 582). Batesons bekannte Formulie‐ rung weist klare Bezüge zu Kellys Psychologie der persönlichen Konstrukte (1986) und zu Spencer Browns Laws of Form (1997) auf; sie wurde später von Niklas Luhmann wieder aufgegriffen. Bateson charakterisiert den menschlichen Geist - ähnlich wie Maturana - als ein kybernetisches „System (...) aus geschlossenen Schleifen oder Netzen von Bahnen (...), auf denen Unterschiede und Umwandlungen von Unterschieden übertragen werden“ (Bate‐ son 1985, 619). Durch ein Neuron wird nicht ein Impuls übertragen, „sondern die Nachricht von einem Unterschied“ (Ebd.). Erkenntnis ist bei Bateson also schließlich davon abhängig, welche Unterscheidungen Beobachter und Beobachterinnen vornehmen. 122 3 Grundlagen einer konstruktiv(istisch)en Lernkultur 23 Bateson (1985, 363) verweist hier auf den gängigen Irrtum, „den Namen mit der benannten Sache gleichzusetzen - oder die Speisekarte anstelle der Mahlzeit zu essen“. 24 Vgl. dazu auch Hüther (2012, 185 ff.). 25 Bateson (1985, 366) definiert Lernen zunächst als „eine Veränderung irgendeiner Art“ und unter‐ scheidet vier bzw. fünf Stufen des Lernens. Vgl. dazu auch Bateson (Ebd., 362 ff.). Gregory Bateson vertritt die konstruktivistische Position, dass der Mensch keinen un‐ mittelbaren Zugang zur Realität hat, sondern mit Hilfe von besagten Unterscheidungen eine Wirklichkeit schafft, die - vergleichbar mit einer Landkarte - das Produkt seiner Er‐ kenntnistätigkeit ist. 23 Er bezieht sich dabei auf die von C.G. Jung geprägten Begriffe „Ple‐ mora“ (materielle Realität) und „Creatura“ (geistige Wirklichkeit des Menschen): Plemora ist die Welt, (...) in der es keine ‘Unterscheidungen’ gibt. Oder wie ich sagen würde: keine ‘Unterschiede’. In der Creatura werden Wirkungen genau durch Unterschiede hervorge‐ bracht. (...) Wir können die Plemora untersuchen und beschreiben, aber die getroffenen Unterscheidungen werden der Plemora immer durch uns beigelegt (Bateson 1985, 585). Eine ähnliche Position vertritt später auch Wolf Singer (2002), wenn er von einem „Beob‐ achter im Gehirn“ spricht, der die menschliche Erkenntnisfähigkeit beeinflusst und letzt‐ endlich auch begrenzt. 24 Im Jahr 1942, also noch vor dem Entstehen der Kybernetik, entwickelte Bateson eine erste Fassung seiner Lerntheorie, die sich von den üblichen, experimentell gewonnenen Erkenntnissen über Lernvorgänge absetzt und zudem seine späteren Theorieentwick‐ lungen maßgeblich beeinflusste. In seinem hierarchischen Stufenmodell des Lernens 25 wird dem Kontext einer Lernsituation eine ganz besondere Bedeutung zugeschrieben, da Bateson davon ausgeht, dass sich die Ausbildung von Charakterzügen und Gewohnheiten über Lernerfahrungen bzw. Lernkontexte vollzieht (Lutterer 2002). Das Modell ist also insofern systemisch, als es danach fragt, „was Lernerfahrungen im jeweiligen Subjekt bewirken“ (Lutterer 2000, 40). Ferner zielt es darauf ab, flexible und selbstreflexive Fähigkeiten (Lernen lernen) sowie Mechanismen der Selbstorganisation des Systems zu fördern (von Ameln 2004), was gerade vor dem Hintergrund des lebenslangen Lernens auch im Bildungsbereich von Bedeutung ist und beispielsweise durch die Storyline-Arbeit gefördert werden kann. Charakteristisch für Storyline-Projekte ist zudem die Übernahme von verschiedenen Rollen, so dass Schülerinnen und Schüler im Sinne einer ganzheitlichen Persönlichkeitsbildung ihre Gewohnheiten und Verhaltensmuster reflektieren sowie neue Varianten spielerisch in einem Schonraum ausprobieren können, indem sie „neue Unterscheidungen“ vornehmen und dabei „Unterschiede“ wahrnehmen und reflektieren. Dies kann auch als Beitrag zur Förderung der interkulturellen kommunikativen Kompetenz verstanden werden. Wie Ler‐ nende, insbesondere auch ältere Klassen, mit der Storyline-spezifischen Rollenübernahme umgehen und wie sie die Selbstorganisation in ihren Gruppen regeln, sollen meine Unter‐ suchungen in Teil B zeigen. 123 3.2 Die Ursprünge des Konstruktivismus 3.2.6 Die Kommunikationstheorie der Palo-Alto-Gruppe Der Philosoph und frühere Psychotherapeut Paul Watzlawick (1921-2007) ist hierzulande vor allem durch seinen Bestseller Anleitung zum Unglücklichsein (1983) bekannt geworden. In den 1960er Jahren lernte er in Palo Alto, wo er das Mental Research Institute mitbe‐ gründete, Gregory Bateson kennen, der die Vorarbeiten für die Kommunikationstheorie geliefert hat, welche später von Paul Watzlawick, Janet H. Beavin und Don D. Jackson veröffentlicht wurde und auch heute noch in vielen Kommunikationskursen als Grundlage dient (von Ameln 2004). Kommunikation wird hier - mit Rückgriff auf Systemtheorie und Kybernetik - „als System von Verhaltensweisen betrachtet, das sich durch Mechanismen der Rückkopplung, der Kalibrierung usw. selbst reguliert“ (Ebd., 58). Ihre Kommunikati‐ onstheorie enthält fünf zentrale metakommunikative Axiome, die auf Grund ihrer Relevanz für das Fremdsprachenlernen hier kurz erläutert werden: 1. Axiom: „Man kann nicht nicht kommunizieren“ (Watzlawick u. a. 1969, 53). Dieses Axiom sagt - ganz im konstruktivistischen Sinne - aus, dass Kommunikation nicht eine einfache Übertragung von Informationen ist, wie dies von Lehrkräften oft vor‐ ausgesetzt wird, sondern eine Konstruktion des „Empfängers“ auf der Basis seiner indivi‐ duellen Wahrnehmungs- und Interpretationsschemata darstellt. Dabei kann der „Sender“ nicht bestimmen, wie der „Empfänger“ sein Verhalten interpretiert (von Ameln 2004, 59). Auch jede Form der Verneinung oder Vermeidung von Kommunikation wie Schweigen (z. B. im Klassenzimmer) ist „selbst eine Kommunikation“ und stellt eine Art der Stellung‐ nahme dar (Watzlawick u. a. 1969, 52). 2. Axiom: „Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt, derart, daß letzterer den ersteren bestimmt und daher eine Metakommunikation ist“ (Ebd., 56). In der menschlichen Kommunikation dominiert die Beziehungsebene die Sachebene: „Der Inhaltsaspekt vermittelt die ’Daten’, der Beziehungsaspekt weist an, wie diese Daten aufzufassen sind“ (Ebd., 55). Diese Verstehensanweisungen (Ton, Betonung, Mimik, Gestik usw.) können jedoch auch mehrdeutig sein oder im Widerspruch zum Inhaltsaspekt stehen und somit gravierende Missverständnisse und vor allem Beziehungsprobleme verursachen. Dies gilt gerade auch für (das) Fremdsprachen(lernen)! 3. Axiom: „Die Natur einer Beziehung ist durch die Interpunktion der Kommunikations‐ abläufe seitens der Partner bedingt“ (Ebd., 61). Die Interpunktion von Ereignisfolgen bestimmt die Konstruktion der Wirklichkeit. Dis‐ krepanzen auf dem Gebiet der Interpunktion, also wenn zwei Kommunikationspartner bzw. -partnerinnen ein und dieselbe Handlung in einen unterschiedlichen kausalen Zusammen‐ hang bringen, sind häufig die Ursache für Beziehungskonflikte - auch in der Schule. Rele‐ vant für den Fremdsprachenunterricht ist auch die Tatsache, dass jede Kultur eigene In‐ terpunktionsweisen hat, „die zur Regulierung dessen dienen, was (...) als ‘richtiges’ Verhalten betrachtet wird“ (Ebd., 58). 4. Axiom: „Menschliche Kommunikation bedient sich digitaler und analoger Modalitäten. Digitale Kommunikationen haben eine komplexe und vielseitige logische Syntax, aber eine auf dem Gebiet der Beziehungen unzulängliche Semantik. Analoge Kommunikationen dagegen besitzen dieses semantische Potential, ermangeln aber die für eindeutige Kommunikationen erforderliche logische Syntax“ (Ebd., 68). 124 3 Grundlagen einer konstruktiv(istisch)en Lernkultur Watzlawick unterscheidet zwei Kommunikationsweisen, die sich in jeder Mitteilung er‐ gänzen: während die digitale Kommunikation (z. B. Sprache) abstrakter und präziser ist, herrscht in der analogen Kommunikation (z. B. Zeichnung, Mimik, Gestik) eine Ähnlich‐ keitsbeziehung zwischen Zeichen und Bezeichnetem sowie eine allgemeinere Gültigkeit, was allerdings das Problem der Mehrdeutigkeit nach sich zieht. Inhaltsaussagen werden in der Regel digital vermittelt, Beziehungsaussagen dagegen vorwiegend analog, also non‐ verbal übertragen. Dies bedeutet, dass wir ständig von der einen „Sprache“ in die andere „übersetzen“ müssen, was häufig Verluste und Störungen verursacht (Ebd., 67) - besonders bei Fremdsprachen. 5. Axiom: „Zwischenmenschliche Kommunikationsabläufe sind entweder symmetrisch oder komplementär, je nachdem, ob die Beziehung zwischen den Partnern auf Gleichheit oder Unterschiedlichkeit beruht“ (Ebd., 70). Kommunizierende nehmen unterschiedliche Rollen ein. Diese sind häufig auch gesell‐ schaftlich oder kulturell bedingt (z. B. Lehrer-Schüler-Beziehung) und beeinflussen den Kommunikationsablauf maßgeblich, und zwar im positiven wie im negativen Sinne (z. B. partnerschaftliche oder hierarchische Beziehung). Die Kommunikationstheorie der Palo-Alto-Schule macht deutlich, dass menschliche Kommunikation aus dem Zusammenspiel von verbalen und nonverbalen Aspekten besteht und nicht eine „einfache Informationsübertragung“, sondern ein subjektiver und äußerst störanfälliger Konstruktionsprozess ist. Für das fremdsprachliche Klassenzimmer hat dieses Thema eine besondere Bedeutung, zumal Defizite in der Fremdsprache zusätzlich die Kom‐ munikation erschweren können. Dies wird besonders deutlich, wenn Diskrepanzen zwi‐ schen Inhalts- und Formebene auftreten, also wenn sich Lernende mitteilen möchten, je‐ doch die Lehrkraft nur die sprachliche Korrektheit der Aussage berücksichtigt und nicht deren Inhalt oder gar die Beziehungsebene. Im Rahmen von Storyline-Projekten kann die geschilderte Problematik jedoch leicht entschärft werden, nämlich dadurch, dass die Lern‐ enden vielseitige Formen der Kommunikation in einem authentischen Kontext prakti‐ zieren, dabei digitale und analoge Kommunikationsweisen verwenden, also neben Sprache ergänzend auch Bilder, Mimik, Gestik, Objekte usw. einsetzen und überdies unterschied‐ liche Rollen in Kommunikationssituationen einnehmen, um den erwähnten Perspektiven‐ wechsel konkret erfahrbar zu machen. Darüber hinaus bietet die Arbeit in Gruppen zahl‐ reiche Anlässe und Gelegenheiten, um zielgerichtete Metakommunikation in authentischen Situationen zu betreiben. Ob meine These tatsächlich stimmt bzw. auch auf das fremd‐ sprachliche Klassenzimmer übertragen werden kann, sollen meine Fallstudien in Teil B zeigen. 3.3 Neuere Varianten und Kernthesen des Konstruktivismus Man kann nur finden, wonach man sucht, nur das erfahren, wonach man fragt (von Ameln 2004, 163) In den vorangegangenen Kapiteln wurden einige wichtige Vorläufer und Vordenker des Konstruktivismus aufgeführt, die bezeichnenderweise aus ganz unterschiedlichen Diszip‐ linen stammen. In meinen Ausführungen bleiben ohne Zweifel Lücken; so kann beispiels‐ 125 3.3 Neuere Varianten und Kernthesen des Konstruktivismus 26 Vgl. dazu z. B. Kruse/ Stadler (1990). 27 Vgl. dazu z. B. Gerstenmaier/ Mandl (1995; 2000) oder Reinmann/ Mandl (2006). 28 Vgl. dazu Siebert (2005). Huschke-Rhein (2003) und Reich (2010) plädieren für eine systemisch-kon‐ struktivistische Pädagogik. 29 Vgl. dazu insbesondere Reich (2012) sowie z. B. auch Arnold (2012) und Steen (2012). 30 Vgl. dazu die diversen Publikationen von Meixner, Klaus Müller, Wendt und Wolff. 31 Vgl. dazu z. B. Holzbrecher (2004) zur interkulturellen Pädagogik oder Pörksen (2006) zur Ausbildung von Journalistinnen und Journalisten. weise auf die Gestaltpsychologen 26 Max Wertheimer, Wolfgang Köhler und Kurt Koffka der „Berliner Schule“, die frühen Gedächtnisexperimente von Bartlett (1932) oder auf die kog‐ nitiven Theorien der Wahrnehmung und des Verstehens von Neisser (1967), die alle eben‐ falls als „semikonstruktivistische“ Ansätze betrachtet werden (Müller 1996b, 72), nur ver‐ wiesen werden. Während noch vor einigen Jahren auf interdisziplinärer Ebene eine Grundsatzdiskussion um „den“ Konstruktivismus geführt wurde und dieser - auch im Bereich der Fremdspra‐ chendidaktik - entweder abgelehnt oder befürwortet wurde, ist diese (beinahe feindselige) Auseinandersetzung mittlerweile deutlich abgeebbt, was nicht nur damit zu tun hat, dass neue Erkenntnisse aus der Hirnforschung und anderen Forschungsbereichen einen ent‐ sprechenden Beitrag geleistet haben, sondern auch, dass zwischenzeitlich zahlreiche Ver‐ suche unternommen wurden, Begriffe zu definieren, Positionen zu erörtern sowie die di‐ versen Ansätze zu systematisieren, um weitere Anlässe für Irritationen und Provokationen zu vermeiden. Im inter- und intradisziplinären Dialog hat sich gezeigt, wie oben bereits angedeutet wurde, dass unter dem Begriff „Konstruktivismus“ ganz unterschiedliche und teilweise konträre Vorstellungen subsumiert werden, die stellenweise nicht der Sache entsprechen. Dabei wurde auch erkannt, dass es „den“ Konstruktivismus nicht gibt, sondern dass statt‐ dessen in den Natur-, Geistes- und Sozialwissenschaften eine bemerkenswerte Bandbreite an unterschiedlichen Ansätzen mit extremen und gemäßigten Positionen existiert, die sich ergänzen, überschneiden oder aber voneinander abgrenzen. So sind in den letzten Jahren neue Varianten entstanden, während etablierte Modelle weiter ausdifferenziert und modi‐ fiziert wurden. Zwischenzeitlich gibt es auch zahlreiche konstruktivistische Modelle in der Instruktionspsychologie und der Empirischen Pädagogik 27 , Entwürfe für einen so ge‐ nannten Pädagogischen Konstruktivismus 28 , für eine so genannte Konstruktivistische Di‐ daktik 29 oder für eine so genannte Konstruktivistische Fremdsprachendidaktik 30 sowie un‐ zählige Konzepte und Methoden mit explizit bzw. implizit konstruktivistischen Positionen. 31 Die diversen konstruktivistischen Ansätze beziehen sich auch nicht etwa auf eine ge‐ meinsame theoretische Problemstellung, sondern stimmen - wie bereits angedeutet - in der folgenden erkenntnistheoretischen Grundüberzeugung überein: 1) Das, was wir als unsere Wirklichkeit erleben, ist nicht ein passives Abbild der Realität, sondern Ergebnis einer aktiven Erkenntnisleistung. 2) Da wir über kein außerhalb unserer Erkenntnismöglichkeiten stehendes Instrument verfügen, um die Gültigkeit unserer Erkenntnis zu überprüfen, können wir über die Übereinstimmung zwi‐ 126 3 Grundlagen einer konstruktiv(istisch)en Lernkultur 32 Einen Überblick geben z. B. von Ameln (2004), Gerstenmaier/ Mandl (1995; 2000) oder Reich (2012). 33 Die Bezeichnung geht auf Ernst von Glasersfeld zurück. 34 Untertitel seines Buches Die erfundene Wirklichkeit (Hrsg.) (2002; Erstauflage: 1981). schen subjektiver Wirklichkeit und objektiver Realität keine gesicherten Aussagen treffen (von Ameln 2004, 3). Allgemein gesprochen können die diversen Ansätze auf ihren Theoriekontext bezogen je‐ doch grob in zwei Bereiche aufgeteilt werden (Gerstenmaier/ Mandl 1995, 868): • Der Radikale Konstruktivismus als Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie • Der Soziale Konstruktivismus bzw. Soziale Konstruktionismus Darüber hinaus existieren noch zahlreiche verwandte Positionen, die den beiden Rich‐ tungen nahestehen oder sich daraus entwickelt haben. 32 In den folgenden Kapiteln werden einige Ansätze des Radikalen und Sozialen Konstruktivismus vorgestellt, da sie eindeutige Bezugspunkte zum Lernen nach dem Storyline Approach aufweisen. Ferner werden einige ihrer jeweiligen Hauptvertreterinnen bzw. -vertreter und deren Kernthesen genannt. Auf Grund der Komplexität der einzelnen Theorien und Modelle kann hier keine ausführliche Darstellung und Diskussion der unterschiedlichen Perspektiven erfolgen. 3.3.1 Der Radikale Konstruktivismus Der Radikale Konstruktivismus 33 - sein Name ist Programm - wird häufig als Prototyp des konstruktivistischen Denkens bezeichnet, zumal er quasi als Sprungbrett und Quelle der Inspiration für eine Vielzahl von weiteren Ansätzen gilt. Da dieser Ansatz für die Gestaltung von Lernumgebungen eine Reihe äußerst relevanter Erkenntnisse vermittelt, die in der Vergangenheit jedoch teilweise missverstanden und somit zum Streitpunkt wurden, möchte ich hier etwas differenzierter vorgehen als bei den sozial-konstruktivistischen Positionen, die später vorgestellt werden (vgl. Kapitel 3.3.2). Der Radikale Konstruktivismus ist keine eigene Wissenschaftsdisziplin oder in sich ge‐ schlossene Erkenntnistheorie, sondern „eine disziplinübergreifende erkenntnistheoreti‐ sche Plattform, die dem etablierten Paradigma des Realismus (...) entgegen tritt“ (von Ameln 2004, 187) und zum Teil auf den zuvor erwähnten frühen Forschungsarbeiten aufbaut. Dabei bemühen sich die einzelnen Vertreterinnen und Vertreter um eine „Theorie des Wissens“, und nicht etwa um eine „Theorie des Seins“, wie Ernst von Glasersfeld (1992, 34) immer wieder explizit betont. Den radikalen Konstruktivisten geht es um das Verhältnis, in dem Wissen zur Welt und zur Wirklichkeit steht, also um die Frage, „was Wissen ist und woher es kommt“ (von Glasersfeld 1993, 23, Zit. nach Gerstenmaier/ Mandl 2000, 4), oder mit den Worten von Paul Watzlawick, der hier für den Begriff „Wirklichkeitsforschung“ (Watzla‐ wick 2002, 10) plädiert: „Wie wissen wir, was wir zu wissen glauben? “ 34 . Zu den Begründern des Radikalen Konstruktivismus zählen insbesondere Heinz von Foerster (1911-2002), Ernst von Glasersfeld (1917-2010) sowie Humberto R. Maturana (1928-) und sein Mitarbeiter Francisco J. Varela (1946-2001). Ein weiterer einflussreicher Vertreter ist zweifelsohne Niklas Luhmann (1927-1998). Paul Watzlawick (1977; 2002) war es schließlich, der den Radikalen Konstruktivismus in Deutschland populär gemacht hat. 127 3.3 Neuere Varianten und Kernthesen des Konstruktivismus 35 Vgl. dazu z. B. Schmidt (2003). 36 Vgl. dazu auch Maturana (1985; 1987; 1997; 1998) und Maturana/ Varela (1987). Als weitere wichtige Konstruktivisten im deutschen Raum gelten vor allem die Hirnfor‐ scher Gerhard Roth (1997; 2001; 2003a; 2003b; 2006; 2009) und Wolf Singer (2002; 2006) sowie der Philosoph, Literatur- und Medienwissenschaftler Siegfried J. Schmidt (Hrsg.) (1987; 1992a; 1992b), welcher sich später jedoch vom Radikalen Konstruktivismus etwas distanziert hat. 35 Siebert (2005) gelingt es, die diversen Forschungsergebnisse und Strömungen zusam‐ menzufassen und mit wenigen Worten eine aussagekräftige Kernthese des Konstrukti‐ vismus zu formulieren, die für unseren Kontext zunächst ausreichen soll: Menschen sind autopoietische, selbstreferenzielle, operational geschlossene Systeme. Die äußere Realität ist uns sensorisch und kognitiv unzugänglich. Wir sind mit der Welt lediglich strukturell gekoppelt, d. h., wir wandeln Impulse von außen in unserem Nervensystem ‘strukturdeterminiert’, d. h. auf der Grundlage biografisch geprägter psycho-physischer kognitiver und emotionaler Strukturen, um. Die so erzeugte Wirklichkeit ist keine Repräsentation, keine Abbildung der Au‐ ßenwelt, sondern eine funktionale, viable Konstruktion, die von anderen Menschen geteilt wird und die sich biografisch und gattungsgeschichtlich als lebensdienlich erwiesen hat. Menschen als selbst gesteuerte ‘Systeme’ können von der Umwelt nicht determiniert, sondern allenfalls pertur‐ biert, d. h., ‘gestört’ und angeregt werden (Ebd., 11). Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Existenz einer „Realität“ von den Konstruktivisten geleugnet wird, sondern lediglich, dass alles, was wir von einer äußeren Realität wissen, unsere eigenen Konstruktionen sind, die in sozialen Kontexten „als Ko-Konstruktionen“ stattfinden (Terhart 1999, 18). Dieser Aspekt ist in der Vergangenheit oft missverstanden worden. Die Grundideen des Radikalen Konstruktivismus sind nicht neu (vgl. Kapitel 3.2). Neu dagegen sind die Begründungen, die mit der oben aufgeführten Kernthese zusammen‐ hängen. Diese lassen sich auf die drei Argumentationslinien aus Gehirnphysiologie, Kog‐ nitionswissenschaften und Systemtheorie zurückführen (Gerstenmaier/ Mandl 1995), wobei der Neurobiologie eine besondere Rolle zukommt, da durch sie die Grundthesen des Radi‐ kalen Konstruktivismus naturwissenschaftlich bzw. empirisch fundiert werden. Nachfol‐ gend sollen nun einzelne einflussreiche Positionen der „Gründerväter“ erörtert werden, um später entsprechende Ableitungen für förderliche Lernumgebungen formulieren zu können. 3.3.1.1 Humberto M. Maturana und Francisco J. Varela Der chilenische Biologe und Neurokybernetiker Humberto R. Maturana 36 und sein Mitar‐ beiter Francisco J. Varela entwickelten die Autopoiesis-Theorie, die einen wesentlichen Baustein innerhalb des konstruktivistischen Denkgebäudes darstellt. Maturana betrachtet das menschliche Nervensystem als operational geschlossenes System, das von außen zwar Energie (Quantität), jedoch keinerlei Informationen oder Inhalte (Qualität) aufnimmt, und letztendlich selbst entscheidet, ob es sich durch einen äußeren Reiz anregen lässt. Seine 128 3 Grundlagen einer konstruktiv(istisch)en Lernkultur 37 Vgl. dazu z. B. auch Holzbrecher (2004, 12 ff.) zu „Fremdheit als Konstruktion“ beim interkulturellen Lernen. 38 Für eine kritische Auseinandersetzung mit Maturanas Thesen vgl. z. B. von Ameln (2004, 78 ff.) oder Roth (1997). 39 Vgl. dazu auch von Foerster (1985; 1987) oder von Foerster/ von Glasersfeld (1999). Kernaussage lautet, „dass autopoietische Systeme nicht gezielt von außen beeinflussbar sind“ (von Ameln 2004, 188). Die oben erwähnte strukturelle bzw. soziale Kopplung ist eng an sprachliche Inter‐ aktionen gebunden, jedoch ist Sprache in Maturanas Augen „kein System der Kommuni‐ kation mit Hilfe abstrakter Symbole, sondern ein System von Orientierungsverhalten zwi‐ schen informationell geschlossenen Organismen“ (Ebd., 74). Nach Maturana ist uns die Welt nur über Beobachtung zugänglich, und diese ist stets an Sprache gebunden. Aus diesem Grund ist es uns nicht möglich, von Beobachtung und Sprache unabhängige - also objektive - Aussagen über die äußere Realität zu machen. Sprache wird somit ein rein konnotativer Charakter zugeschrieben, das heißt, Maturana wendet sich von der lange Zeit gängigen Vorstellung ab, dass Sprache ein denotatives Zeichensystem ist und der Übermittlung von Informationen über eine unabhängige Außenwelt dient. Statt einer Informationsübertra‐ gung findet also eine stets kontextabhängige Informationskonstruktion innerhalb der kog‐ nitiven Bereiche von autopoietischen Systemen statt. Dies dient „dem Aufbau eines ge‐ meinsamen konsensuellen Bereiches“ (Ebd.). Konsens über die Beschaffenheit der Umwelt entsteht jedoch allein auf der Grundlage von Sozialisationsprozessen, die die Mitglieder einer Gesellschaft durchlaufen, sowie der kulturellen Konventionen einer Gesellschaft (Wolff 1994, 412). Maturana und Varela (1987) stellen den Erkenntnisprozess als Verkettung von Handlung und Erfahrung dar: „Jedes Tun ist Erkennen, und jedes Erkennen ist Tun“ (Ebd., 32). 37 Sie sprechen von der „Zirkularität“ (Ebd., 31) zwischen Erfahrung, Handlung und Wissen. Die radikale Autopoiesis-Theorie fand nicht nur Zuspruch, sondern stieß auch auf heftige Kritik 38 , die Maturana zum Teil in die Fortentwicklung seiner Theorie aufgenommen hat. Zweifelsohne haben Maturanans Thesen weitreichende Konsequenzen für die systemische Praxis (z. B. die Schule): Dadurch dass Interventionen oder Instruktionen offensichtlich nur eine begrenzte Wirkung haben, verliert die Lehrkraft ihren „privilegierten Status überle‐ genen Wissens“ (von Ameln 2004, 189) und wird allenfalls zur „perturbierenden“ Expertin und Beobachterin, die zum Lernen und (Selbst-)Beobachten anregt. Eigenverantwortlich‐ keit, Eigendynamik und Selbstorganisation von Systemen gewinnen dagegen einen we‐ sentlich höheren Stellenwert, als dies im regulären Unterricht bisher berücksichtigt worden ist, und fordern verstärkt autonome und selbstorganisierte Lernformen, wie dies beispiels‐ weise in Storyline-Projekten vorgesehen ist (vgl. Kapitel 2.3.3.5). Wie dies im fremdsprach‐ lichen Klassenzimmer realisiert werden kann, sollen meine Fallstudien untersuchen (vgl. Teil B). 3.3.1.2 Heinz von Foerster Der Biophysiker und Kognitionswissenschaftler Heinz von Foerster 39 suchte bereits in den frühen 1960er Jahren nach Lösungen für das Problem der Selbstorganisation und erkannte offensichtlich sehr früh das Innovationspotenzial der Kybernetik. Er bezieht sich in seiner 129 3.3 Neuere Varianten und Kernthesen des Konstruktivismus 40 „Errechnen“ wird hier nicht im rein mathematischen Sinn verstanden, sondern eher im Sinn des Zusammentragens bzw. des Betrachtens im Zusammenhang (von Ameln 2004, 85). 41 Zur Selbstorganisationsforschung vgl. z. B. von Ameln (2004) oder Huschke-Rhein (2003); zur Cha‐ ostheorie vgl. z. B. Ciompi (1999, 129 ff.). 42 Vgl. dazu auch von Glasersfeld (1989; 1994; 1996; 2002) oder von Foerster/ von Glasersfeld (1999). Arbeit auf Maturanas These der operationalen Geschlossenheit kognitiver Systeme und geht der Frage nach, wie bei geschlossenen neuronalen Prozessen „das Erleben einer sta‐ bilen Wirklichkeit“ zustande kommt (von Ameln 2004, 85). Seine These lautet, dass Er‐ kennen durch „Errechnen“ 40 einer Wirklichkeit entsteht. Durch mehrfache Umformung der These kommt er zu dem Schluss, dass der Prozess des Erkennens eine rekursive, selbstbe‐ zügliche neuronale Tätigkeit im Sinne von unbegrenzten Errechnungsprozessen darstellt (von Ameln 2004). Dabei verweist er auch immer wieder auf das in der Wahrnehmungs‐ psychologie klassische Experiment mit dem blinden Fleck: „Stets gilt es, so seine ethische Forderung, die eigenen blinden Flecken zu bedenken, die scheinbar endgültigen Aussagen in einem ernsten Sinn als eigenes Produkt zu begreifen und Gewissheiten in jeder Form und Gestalt - immer auf der Suche nach anderen, nach neuen Denkmöglichkeiten - in Zweifel zu ziehen“ (Pörksen 2001, 20). Heinz von Foersters Konzepte weisen enge Bezüge zu Selbstorganisationstheorien 41 wie Chaostheorie und Synergetik auf und gelten als wichtige Grundlagen der systemischen Praxis. Sein Bild der nicht-trivialen Maschine wird als Leitvorstellung für ein Menschenbild gesehen, „das die Komplexität der menschlichen Psyche würdigt und simplifizierenden, rationalistischen Vorstellungen entgegen tritt“ (von Ameln 2004, 91). Diese Vorstellung hat weitreichende Folgen für die Praxis der Menschenführung: Eine Führungskraft, die die Organisation und die in ihr arbeitenden Menschen nach dem Bild der trivialen Maschine betrachtet, wird demnach eher nach Vereinheitlichung streben, verbindliche Regeln erlassen und mit Hilfe von Anweisungen und Sanktionen führen, während eine Führungs‐ kraft, die sich am Bild der nicht-trivialen Maschine orientiert, eher Unterschiede zulassen, nach Formen der Selbststeuerung streben und die Autonomie des Systems fördern wird (Ebd.). Auf die Schule bezogen wird somit leicht nachvollziehbar, dass die Ursachen für Disziplin- und Lernstörungen (vgl. Kapitel 1.5) nicht zwangsläufig in den einzelnen Schülerinnen und Schülern zu suchen sind, sondern dass diese zu einem großen Teil auch durch die frontal gesteuerte Unterrichtsführung verursacht werden. In Storyline-Projekten dagegen werden die Lernenden nicht als triviale Maschinen gesehen, sondern als individuelle und wertvolle Persönlichkeiten, die im Austausch mit ihrer Arbeitsgruppe zum Gelingen eines Projekts beitragen: Unterschiede sind ausdrücklich erwünscht, denn sie führen zu kreativen und produktiven Lösungen innerhalb der Lernprozesse. Dies sollen meine Studien in Teil B näher beleuchten. 3.3.1.3 Ernst von Glasersfeld Der Psychologe, Kybernetiker und Kognitionswissenschaftler Ernst von Glasersfeld 42 hat die konstruktivistische Theoriebildung durch seine Philosophiegeschichte des Konstrukti‐ vismus, seine Beschäftigung mit Piagets Erkenntnistheorie und insbesondere durch sein Viabilitätskonzept beeinflusst, welches hier kurz erläutert werden soll. Auch von Glasers‐ 130 3 Grundlagen einer konstruktiv(istisch)en Lernkultur 43 Zur Kritik an der Perspektive der Nützlichkeit und Viabilität von Theorien vgl. von Ameln (2004, 95 f.). feld geht in seinen Studien der Frage nach, wie wir eine stabile und verlässliche Welt erleben, wenn Wahrnehmung und Außenwelt nicht übereinstimmen. Dabei behilft er sich zunächst mit Vicos Standpunkt: „Wenn (...) die Welt, die wir erleben und erkennen, notwendigerweise von uns selber konstruiert wird, dann ist es kaum erstaunlich, daß sie uns relativ stabil erscheint. (...) Das heißt ganz allgemein, die Welt, die wir erleben, ist so und muß so sein, wie sie ist, weil wir sie so gemacht haben“ (von Glasersfeld 2002, 28 f.). Ernst von Glasersfeld stellt die These auf, dass wir erst durch die Stabilität der eigenen Wahrnehmung befähigt werden, uns in der Welt zu bewegen, das heißt, gewisse Erlebnisse zu verhindern oder verlässliche Vorhersagen zu treffen. Erkenntnis wird demzufolge „als Suche nach passenden Verhaltensweisen und Denkarten“ (Ebd., 37) betrachtet, also „nicht mehr als Suche nach ikonischer Übereinstimmung mit der ontologischen Wirklichkeit“ (Ebd.). Sie steht somit unter dem Vorzeichen der Nützlichkeit und ist als „Anpassungsleis‐ tung im funktionalen Sinne“ zu verstehen (von Ameln 2004, 94): Alles, was nicht passt, geht unter. Dieses Passungsverhältnis von Realität und Wirklichkeit wird mit dem Begriff „Vi‐ abilität“ umschrieben. Viabilität gilt jedoch nicht nur als Kriterium im Hinblick auf die Wirklichkeitskonstruktionen der Individuen, sondern auch für jegliche wissenschaftliche Theorien und Erkenntnisse. Somit verliert die Vorstellung einer objektiven Wahrheit im Radikalen Konstruktivismus ihre Bedeutung, denn es gibt keine unabhängige externe Ins‐ tanz, die diese überprüfen oder belegen könnte. 43 Überträgt man Ernst von Glaserfelds Viabilitätskonzept auf die Praxis (z. B. den Unter‐ richt), so bedeutet dies, dass Toleranz und Respekt gegenüber anderen Menschen und deren Wirklichkeiten unter einem anderen Licht erscheinen, da es für ein beliebiges Problem nie nur eine mögliche bzw. die richtige oder falsche Lösung geben kann, sondern lediglich eine, die uns in einem Moment als passend erscheint, weil wir (noch) keine andere kennen. Dies gilt es nicht nur im Hinblick auf die individuellen Voraussetzungen und Bedürfnisse in heterogenen Klassen zu bedenken, sondern auch hinsichtlich der angestrebten interkultu‐ rellen kommunikativen Kompetenz im Bereich des Fremdsprachenlernens. Im Rahmen von Storyline-Projekten wird dieser Aspekt der Lernerorientierung explizit berücksichtigt, nämlich insofern als die so genannten key questions stets ergebnisoffene Fragen darstellen (vgl. Kapitel 2.3.2.2). So bringen die Lernenden für einen spezifischen Zwischenfall inner‐ halb der jeweiligen Geschichte (z. B. Krankheit) zunächst ihre eigenen Vorstellungen, Er‐ fahrungen und Hypothesen ein, um mit ihren individuellen „Werkzeugen“ eigene „pas‐ sende“ Lösungen zu entwickeln, die später diskutiert werden. Konkrete Belege sollen meine Fallstudien in Teil B liefern. 131 3.3 Neuere Varianten und Kernthesen des Konstruktivismus 44 Luhmann begann seine berufliche Laufbahn als Jurist, Verwaltungsangestellter und Verwaltungs‐ wissenschaftler, bevor er ein Soziologiestudium aufnahm. Wie viele Konstruktivisten weist auch er ein breites Spektrum an Berufserfahrungen und Forschungsinteressen auf. Der breiteren Öffentlich‐ keit ist er vor allem als Gegenspieler von Jürgen Habermas bekannt geworden. Vgl. auch Luhmann (1984; 2005). 45 Luhmann (1984) nimmt eine generelle Trennung in System und Umwelt vor und rechnet Menschen der Umwelt (nicht als Teil der Gesellschaft) zu: „Dem Menschen werden so höhere Freiheiten im Verhältnis zu seiner Umwelt konzediert, insbesondere Freiheiten zu unvernünftigem und unmorali‐ schem Verhalten. Er ist nicht mehr Maß der Gesellschaft“ (Ebd., 289). 3.3.1.4 Niklas Luhmann Der Soziologe 44 Niklas Luhmann hat eine viel beachtete Gesellschaftstheorie - die so ge‐ nannte Theorie sozialer Systeme (1984) - entworfen, die als eine der elaboriertesten kon‐ struktivistischen Theorien in den Geistes- und Sozialwissenschaften gilt. Er vertritt zu‐ sammen mit Maturana (1987) und Varela (1987) die systemtheoretische Position innerhalb des Radikalen Konstruktivismus. Seine Arbeit basiert auf der soziologischen Systemtheorie von Talcott Parsons und weist einen starken Einfluss des von Maturana und Varela ent‐ worfenen Autopoiesis-Konzepts auf, das er später für seine eigenen „Konstruktionsver‐ suche“ jedoch modifizierte. Seit etwa 1980 wurde die „autopoietische Wende“ in seiner Theorie immer deutlicher sichtbar, in seinem Hauptwerk Soziale Systeme (1984) versucht er schließlich, diesen ursprünglich biologisch geprägten Begriff in die Soziologie zu über‐ nehmen (Reese-Schäfer 1996, 46). Luhmann (1984, 15) selbst spricht von einem „Paradig‐ mawechsel in der Systemtheorie“ und erläutert in seiner hochkomplexen Theorie, wie sich soziale Systeme bilden, wie sie funktionieren und welchen Einflüssen sie unterliegen. Dabei ersetzt er zunächst die traditionelle Vorstellung, dass ein System aus einem Ganzen und seinen Teilen besteht, „durch die Grenzziehung zwischen System und Umwelt“ (Reese- Schäfer 1996, 98). Bei Niklas Luhmann bestehen autopoietische Systeme - anders als bei Maturana - nicht aus zeitunabhängigen, stabilen Einheiten (z. B. Zellen), sondern aus Ereignissen mit mini‐ maler zeitlicher Dauer (z. B. biochemische Reaktionen und elektrische Impulse). Ferner un‐ terscheidet er drei verschiedene Typen autopoietischer Systeme mit jeweils eigenem Ope‐ rationsmodus (von Ameln 2004, 190): Systemtyp Operationsmodus/ Elemente Lebende Systeme → Biochemische Vorgänge Psychische Systeme → Bewusstsein/ Gedanken Soziale Systeme → Kommunikation Nach Niklas Luhmann besteht das soziale System nicht aus Menschen 45 oder Handlungen, „sondern aus Kommunikationen, die erst in einem zweiten Schritt zerlegt und als Hand‐ lungen zugerechnet werden“ (Reese-Schäfer 1996, 103). Er verwendet den Kommunikati‐ onsbegriff im Sinne einer Relation aus Information, Mitteilung und Verstehen und verwirft die gängige Metapher der Informationsübertragung, „weil sie zu viel Ontologie impliziert. Sie suggeriert, daß der Absender etwas übergibt, was der Empfänger erhält. Das trifft schon 132 3 Grundlagen einer konstruktiv(istisch)en Lernkultur deshalb nicht zu, weil der Absender nichts weggibt in dem Sinne, daß er selbst es verliert“ (Luhmann 1984, 193). In seinen Augen ist eine Mitteilung jedoch stets nur als „ein Selekti‐ onsvorschlag, eine Anregung“ zu betrachten (Ebd., 194). Kommunikation kommt demzu‐ folge erst dann zustande, wenn diese Anregung aufgegriffen wird, wobei der Inhalt einer Mitteilung erst im Kommunikationsprozess konstituiert wird und nicht etwa vorab vom Absender „ein-deutig“ festgelegt werden kann. Miss-Verstehen gilt dabei immer als eine mögliche Form des Verstehens. In seinem Konzept der Beobachtung geht Luhmann - wie Spencer Brown und Bateson - davon aus, dass Erkennen nur durch das Treffen von Unterscheidungen möglich ist, so dass Erkenntnis immer subjektiv und an eine Beobachterin bzw. einen Beobachter ge‐ bunden ist. Dies hat zur Folge, dass das Beobachtete nicht ohne weiteres zu vermitteln ist. Luhmann nimmt zwar an, dass eine beobachterunabhängige Realität existiert, hält jedoch fest, dass diese unserer Erkenntnis unzugänglich ist, weil jegliche Beschreibung der Realität eine subjektive Wirklichkeitskonstruktion darstellt. Ferner erkennt auch er die Proble‐ matik, dass jede Beobachtung einen blinden Fleck aufweist, „der von der verwendeten Ausgangsunterscheidung abhängig ist“ (von Ameln 2004, 163). Sprich: „Man kann nur finden, wonach man sucht, nur das erfahren, wonach man fragt“ (Ebd.). Auf der Ebene der Beobachtung 2. Ordnung schließlich kann man „Unterscheidungen unterscheiden“ (Luh‐ mann 2005, 8) und somit auch Rückschlüsse auf sich selber ziehen, also letztlich auch den besagten blinden Fleck der Beobachtung aufdecken. Von entscheidender Bedeutung für die Praxis ist die von Luhmann vertretene Annahme, dass lebende, soziale und psychische Systeme füreinander intransparent sind, da sie mit unterschiedlichen Operationsmodi arbeiten, und dass soziale Systeme (z. B. eine Klasse) aus Kommunikationsmustern mit einer jeweils eigenen Dynamik bestehen, für welche die Ge‐ danken der einzelnen Beteiligten lediglich Perturbationen darstellen: „Für eine Verände‐ rung sozialer Systeme sind Veränderungen im Denken oder Erleben ihrer Mitglieder somit weder notwendig noch hinreichend“ (von Ameln 2004, 191). Dies führt zu der Konsequenz, dass Kommunikationsprozesse im Unterricht im wahrsten Sinne des Wortes aus einer an‐ deren Perspektive betrachtet werden müssen: Autopoietische Systeme (z. B. ein Kind oder eine Klasse) können - wie auch bei Maturana - nicht über Interventionen oder Instrukti‐ onen (z. B. durch Lehrkraft oder Medien) manipuliert, sondern nur perturbiert, also ange‐ regt werden. Ferner können Prozesse in einer Gruppe nicht über das Bewusstsein der Ein‐ zelnen beeinflusst werden, sondern durch die Veränderung der entsprechenden Kommunikationsmuster. Der Selbstreflexion sind zwar Grenzen gesetzt, doch durch die Kontrastierung der Selbstbeobachtung mit Fremdbeobachtung entstehen Möglichkeiten, den besagten blinden Fleck der Selbstbeobachtung durch Beobachtungen 2. Ordnung auf‐ zudecken (Ebd.). Im Rahmen von Storyline-Projekten haben Selbstevaluation und der Aus‐ tausch über eigene Lernerfahrungen und Gruppenprozesse beispielsweise einen hohen Stellenwert, was der Beobachtung 2. Ordnung nahekommt. 3.3.2 Der Soziale Konstruktivismus In der Psychologie, Soziologie und Kognitionswissenschaft existiert heute eine große Band‐ breite an Ansätzen, die sich explizit oder implizit dem konstruktivistischen Paradigma ver‐ 133 3.3 Neuere Varianten und Kernthesen des Konstruktivismus 46 Vgl. dazu die Klassifizierungen in Gerstenmaier/ Mandl (1995; 2000), Knorr-Cetina (1989) oder Reich (2012). schreiben und in verschiedenen Anwendungsgebieten zum Einsatz kommen. Gerstenmaier und Mandl (1995) subsumieren die diversen Modelle unter dem Begriff des „Neuen“ Kon‐ struktivismus, der zu Beginn der 1990er Jahre von Spiro, Feltovich, Jacobson und Coulson entwickelt wurde. Spiro u. a. (1992) bezeichnen den „Neuen“ Konstruktivismus als im dop‐ pelten Sinne konstruktiv: „a) Bedeutungen werden durch die Verwendung vorausgegan‐ genen Wissens, das hinter momentane Informationen zurückgeht, konstruiert; b) das vo‐ rausgegangene Wissen selbst ist konstruiert, nicht einfach aus dem Gedächtnis fallbasiert abgerufen“ (Ebd., 64, Zit. nach Gerstenmaier/ Mandl 1995, 870). Bei dieser insgesamt gemäßigteren Variante des Konstruktivismus handelt es sich um Modellvorstellungen über die Alltagswelt, über abweichendes Verhalten und über ver‐ schiedene Sozialbeziehungen, deren gemeinsamer Nenner ihre Konstruktivität ist. Sie stellt weder eine Erkenntnistheorie dar, noch basiert sie auf neurobiologischen Befunden, aller‐ dings beziehen sich einige der Ansätze direkt auf den Radikalen Konstruktivismus, während sich andere eher davon distanzieren. Auch hier existieren wiederum verschiedene „Kon‐ struktivismen“ und noch dazu verschiedene Bezeichnungen für einzelne Ansätze. 46 Der Soziale Konstruktivismus - häufig auch als Sozialer Konstruktionismus bezeichnet - gilt als eines der einflussreichsten und etabliertesten Modelle in diesem Bereich. Er steht dem Radikalen Konstruktivismus zwar nahe und geht ebenso davon aus, dass uns die Wirklichkeit nicht objektiv vorliegt, sondern durch Konstruktionsprozesse von uns erst erzeugt wird, allerdings betrachtet er diese Wirklichkeitskonstruktionen nicht als jeweils individuelle Prozesse bzw. Erzeugnisse eines operational geschlossenen kognitiven Sys‐ tems, sondern als soziale Konstruktionen. Demzufolge wird unser Wissen „immer durch Gesellschaften und soziale Diskursgesellschaften geschaffen“ (Reich 2012, 87), und sämt‐ liche Aussagen über sich selbst und die Welt „sind immer konstruierte Aussagen aus dem Kontext einer Kultur heraus“ (Ebd.). Dieser Aspekt der kulturellen Einbindung wird nach Ansicht der sozialen Konstruktivisten gerade bei Piaget und den radikalen Konstruktivisten zu sehr vernachlässigt (Ebd.). Andererseits sind hier wiederum Parallelen zu Vygotskij und Bruner zu sehen. Der Soziale Konstruktivismus beschäftigt sich mit der Frage, wie Menschen die Welt (oder besser ihre Wirklichkeit) inklusive sich selbst beschreiben, erklären und begründen und welche Auswirkungen die Gesellschaft auf das Denken, Erleben und Handeln eines Individuums hat. Da der Fokus wieder auf dem denkenden und handelnden Subjekt liegt, ist eine Anknüpfung an den Pragmatismus von Dewey, Mead und James erkennbar (Gers‐ tenmaier/ Mandl 1995, 872). Auf Grund dieser - im Vergleich zum Radikalen Konstrukti‐ vismus - anderen Schwerpunktlegung und der eindeutig sozial-kulturtheoretischen Aus‐ legung wird der Soziale Konstruktivismus häufig als ein eigenständiger Ansatz betrachtet, auch wenn er einige Gemeinsamkeiten mit dem Radikalen Konstruktivismus aufweist. Er vereint verschiedene Ansätze und stützt sich laut von Ameln (2004) im Wesentlichen auf drei Säulen: Soziologie, postmoderne Philosophie sowie die sozialpsychologischen Beiträge von Kenneth J. Gergen. 134 3 Grundlagen einer konstruktiv(istisch)en Lernkultur 47 Gerstenmaier und Mandl (1995; 2000) sowie auch Knorr-Cetina (1989) bezeichnen den Ansatz von Berger und Luckmann als den so genannten Sozialkonstruktivismus, wobei anzumerken ist, dass die in der Literatur uneinheitlich verwendeten Bezeichnungen oft Verwirrung stiften. 48 Vgl. dazu auch die Beiträge in Das Ende der großen Entwürfe bei Fischer u. a. (Hrsg.) (1992). 3.3.2.1 Einflüsse der Soziologie Zu den Impulsgebern zählen hier vor allem Berger und Luckmann mit ihrem mittlerweile klassischen Werk Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit (1969) sowie Meads Symbolischer Interaktionismus. Dieser geht der Frage nach, wie Bedeutungen entstehen, und postuliert, dass das Individuum maßgeblich durch die sozialen Bezüge und Inter‐ aktionen, in denen es steht, geprägt wird: „Aufgrund dieser elementar sozialen Natur des Menschen konstituiert sich das individuelle Selbst (auch) mit Hilfe sozial geteilter Bedeu‐ tungssysteme, z. B. der Sprache. Auf der anderen Seite werden diese sozialen Bedeutungs‐ systeme wiederum durch das Individuum mit hervorgebracht“ (von Ameln 2004, 180). Ge‐ sellschaft und Individuum bedingen sich also gegenseitig und können quasi ohne einander nicht existieren. Berger und Luckmann (1969) vertreten im Gegensatz zum Radikalen Konstruktivismus eine ontologische Position und knüpfen explizit an die Tradition der deutschen Phänome‐ nologie an. 47 Ihre zentrale These lautet, dass gesellschaftliches Wissen die Alltagswelt kon‐ struiert und reguliert. Sie bauen auf George Herbert Meads Theorien auf und gehen dabei der Frage nach, wie gesellschaftliche Ordnung entsteht. Sie kommen zu dem Schluss, dass dies (sozial-konstruktivistisch) durch Selbstproduktion erfolgt: Der Mensch produziert sich selbst, macht seine eigene Natur (...). Dies geschieht durch Prozesse der Externalisierung (Institutionalisierung) und der Internalisierung bereits externalisierter, ‘ob‐ jektivierter’, in Handlungsroutinen eingebetteter Wirklichkeiten. Soziale Kontrolle, Intersubjek‐ tivität und Legitimationen werden von Kindern und Jugendlichen im Rahmen von Sozialisations‐ prozessen internalisiert (Gerstenmaier/ Mandl 1995, 871). Demnach wird gesellschaftliches Wissen im Rahmen von Sozialisationsprozessen als an‐ geblich objektive Wahrheit gelernt und als subjektive Wirklichkeit internalisiert: „Diese, von Menschen sozial konstruierte Ordnung wird schließlich zu einer Realität sui generis“ (Ebd.). 3.3.2.2 Einflüsse der postmodernen Philosophie Die postmoderne Philosophie, vertreten beispielsweise durch Jacques Derrida und Michel Foucault, distanziert sich strikt von jeglicher Form der Fortschrittsgläubigkeit sowie der Vorstellung, „dass es eine ultimative Wahrheit gibt und dass die Welt durch einige wenige große Theorien oder Metanarrative verstanden werden kann“ (von Ameln 2004, 181). Bezug nehmend auf Hegels Wort vom „Ende der Geschichte“ 48 tritt sie vielmehr für die freie Kom‐ bination bisheriger Erkenntnismodelle ein. Derrida betreibt über die Verfahrensweise der Dekonstruktion - radikal kritisch - eine konsequente Infragestellung der abendländischen Metaphysik und richtet seine Kritik ins‐ besondere gegen totalitäre Systeme: „Totalitarismus wird vor allem durch eine normierende Sprache durchgesetzt. Sprache hat eine machterhaltende Funktion, indem sie festlegt, was gut oder schlecht, wahr oder falsch, schön oder hässlich ist“ (Siebert 2005, 26). Deshalb 135 3.3 Neuere Varianten und Kernthesen des Konstruktivismus 49 Vgl. dazu auch Gergen (1985a; 1985b; 1990; 2002). fordert er sprachliche Sensibilisierung und „eine Dekonstruktion allgemein verbindlicher Sätze“ (Ebd.). Der Dekonstruktivismus kann somit als die reflexive Phase des Konstrukti‐ vismus betrachtet werden: „Die Wirklichkeitskonstrukte werden wieder verflüssigt, Kate‐ gorien wie Geschlecht oder Kultur wieder relativiert, die binären Unterscheidungen wieder differenziert“ (Ebd.). Michel Foucault, von Marx und Freud beeinflusst, stellt in seinen philosophischen Stu‐ dien einen Bezug zwischen Wissen und Macht her. Er vertritt die konstruktivistische Po‐ sition, dass weder humannoch gesellschaftswissenschaftliches Wissen eine Widerspiege‐ lung (Repräsentation) seines Gegenstandes, also des Menschen und der Gesellschaft, darstellt, da „es den Menschen überhaupt nicht unabhängig von diesem Wissen gibt - er ist vielmehr von diesem Wissen konstituiert“ (Collin 2008, 92). Somit ist der Mensch zu‐ gleich Objekt und Subjekt verschiedener Wissenschaften, er „ist also zugleich die Instanz, die die Gültigkeitsbedingungen dieser Wissenschaften definiert“ (Ebd., 93). Foucault folgert daraus, dass die Humanwissenschaften als Instrumente der Machtausübung dienen: „Wissen vom Menschen und von der Gesellschaft lässt sich immer als eine Auskristallisie‐ rung von bestimmten Haltungen und Absichten ethischer, politischer und administrativer Art betrachten“ (Ebd., 89). Fazit: Das Wissenschaftsideal der postmodernen Philosophie „liegt also nicht im Auf‐ finden der ‘richtigen’ und im Verwerfen der ‘falschen’ Theorie, sondern darin, die Kom‐ plexität der Wirklichkeit aus unterschiedlichen Perspektiven mit zahlreichen ko-existie‐ renden, gleichermaßen legitimen Beschreibungen abzubilden“ (von Ameln 2004, 181). Diese Kernaussage wird vom Sozialen Konstruktivismus übernommen. 3.3.2.3 Sozialpsychologische Beiträge von Kenneth J. Gergen Der amerikanische Sozialpsychologe Kenneth J. Gergen ist ein weiterer wichtiger Vertreter des Sozialen Konstruktivismus. 49 In seinen Arbeiten analysiert er die Konstruktion von Sozialbeziehungen und die Prozesse, „in denen Individuen ihre Welt beschreiben und er‐ klären“ (Gerstenmaier/ Mandl 1995, 872). Sein Forschungsfokus liegt auf der Sprache, das heißt auf Formen und Inhalten des sozialen Diskurses, und ihrer Bedeutung für die Wirk‐ lichkeit des Individuums. Wirklichkeit existiert für ihn „nicht in den Köpfen von Individuen, sondern im kommunalen sprachlichen Diskurs“ (Baecker u. a. 1992, 121). Dabei vertritt Gergen (1985b) die Ansicht, dass sich „die Sprache des Sich-Selbst-Verstehens (...) aus Me‐ taphern, bildlichen Ausdrücken, Sprachfiguren und anderen Konventionen des kommu‐ nalen Diskurses“ (Baecker u. a. 1992, 121) entwickelt hat und nicht etwa „aus dem spezifi‐ schen Charakter des individuellen Selbst“ (Ebd.). Diese sprachlichen Formen verweisen auf „das kollektive Gedächtnis einer Generation oder eines sozialen Milieus“ (Siebert 2005, 23). Aus diesem Grund hebt Gergen „die pädagogische Bedeutung des Erzählens als eine Form der biografischen Selbstvergewisserung und der sozialen Verständigung“ explizit hervor (Ebd.). Wirklichkeitskonstruktionen der Individuen und somit auch das Planen und Erleben ganzer Lebensabschnitte erfolgen also im sozialen Diskurs „entlang kommunal herge‐ stellter Denk- und Verhaltensdrehbücher, die im allgemeinen als genuine Ausdrücke un‐ 136 3 Grundlagen einer konstruktiv(istisch)en Lernkultur 50 Vgl. Knorr Cetina (2002) zur neuen Situation der Laborforschung (z. B. in virtuellen Netzwerklaboren, hybriden Laboren oder globalen Zentrumslaboratorien): „Globale Zentren dieser Art [z. B. das CERN in Genf, Anm. D.K.] absorbieren Wissenschaftsgebiete in monopolartiger Weise mit bisher nicht untersuchten Konsequenzen für epistemische Fragen, wie diejenige, wie sich Konsensprozesse ver‐ ändern, wenn ganze Wissenschaftsgebiete in einzelnen Laboratorien quasi interiorisiert werden“ (Ebd., XIX). Und: „In einer Wissensgesellschaft nehmen die Orte der Wissensproduktion zu, und diese Orte sind nicht auf den Wissenschaftsbereich im engeren Sinne beschränkt - sie vermehren sich genau umgekehrt außerhalb der Wissenschaft“ (Ebd., XXII). Ein Beispiel wäre die Generierung und Verbreitung von „Wissen“ über das Internet. serer ureigensten personalen Identität angesehen werden“ (Baecker u. a. 1992, 123). Diese so genannten Drehbücher, die den narrativen Strukturen in Werken der Literatur, des The‐ aters oder Films gleichen, geben uns schließlich vor, welche Rollenerwartungen in be‐ stimmten sozialen Situationen an uns gestellt werden. Baecker u. a. (1992) sprechen hier von Sprachskripten, die „nicht nur im Diskurs existieren, sondern unabhängig davon auch eine psychische Realität für den Einzelnen darstellen. Sprachskripte strukturieren das Er‐ leben und sind verhaltensrelevant“ (Ebd., 129). Sprache ordnet und reglementiert unser Denken, Beobachten und Handeln. Unsere Muttersprache, Dialekte, Berufssprachen, Ju‐ gendsprache usw. sind also „Ausdruck und Bedingung unserer Wirklichkeitskonstruktion“ (Siebert 2005, 24). Ziel der sozial-konstruktivistischen Forschung ist nicht nur, die Wirklichkeit zu erklären und zu rekonstruieren, sondern sie auch zu dekonstruieren, indem offengelegt wird, dass soziale Konstruktionen willkürlich und veränderbar sind. Gleichzeitig sollen im Prozess der Dekonstruktion auch die Verhältnisse hinterfragt werden: „Durch das in Frage stellen der Beziehung zwischen Wort und Welt erscheinen alle Ansprüche auf Wahrheit, die mittels der Sprache vorgebracht werden, als fragwürdig“ (Gergen 2002, 45). Dies gilt nach Gergen (2002) nicht nur für den Alltag, sondern auch für die Wissenschaft, da auch deren Sprache nie neutral ist - worüber ich mir beim Erstellen dieser Arbeit durchaus bewusst bin. Der Soziale Konstruktivismus betrachtet wissenschaftliche Theorien „als kommunale Mythen (...), als Sprachspiele, die keine objektive Realität abbilden, sondern die von ihnen beschriebene Wirklichkeit erst schaffen“ (von Ameln 2004, 182), da sie stets von unter‐ schiedlichen Interessen, Zielen und Motiven geleitet werden, die bei ihrer Bewertung be‐ rücksichtigt werden müssen. 50 Auch wenn die geforderte Akzeptanz und Toleranz gegen‐ über ko-existierender Theorien mehr als wünschenswert ist, darf natürlich nicht übersehen werden, dass damit auch das Problem der Beliebigkeit mit den entsprechenden Folgen für die Gestaltung und Bewertung von Wirklichkeiten in Betracht gezogen werden muss: Der berühmte Slogan von Paul Feyerabend (1976) “anything goes“ kann so oder so ausgelegt werden ... Der Soziale Konstruktivismus liefert aufschlussreiche Beiträge für Forschungsrich‐ tungen wie Gender Studies oder Cultural Studies. Darüber hinaus lassen sich bedeutsame Erkenntnisse für die schulische Praxis gewinnen. In Storyline-Projekten beispielsweise übernehmen die Lernenden immer wieder verschiedene Rollen (z. B. Elternteil, Polizist); im Rollenspiel erfahren sie „hautnah“ die sich daraus ergebenden Handlungsperspektiven und Kommunikationsmuster, die sich auch in der verwendeten Sprache inklusive Gestik und Mimik niederschlagen. Durch das spielerische Ausprobieren und Reflektieren neuer (auch unsinniger) Wirklichkeitskonstruktionen trägt die Storyline-Arbeit dazu bei, die diversen 137 3.3 Neuere Varianten und Kernthesen des Konstruktivismus Prozesse und Strukturen bewusst zu machen. Dies scheint mir ein besonders wichtiger Aspekt hinsichtlich der anzustrebenden interkulturellen kommunikativen Kompetenz, so dass Storyline-Projekten auch (aber nicht nur) im bilingualen Unterricht eine besondere Bedeutung zukommt. Darüber hinaus erproben und reflektieren die Lernenden im fiktiven Kontext diverse Problemlöseverfahren, was dazu beiträgt, dass sie eine Vielzahl an mögli‐ chen Sichtweisen und Handlungen kennenlernen und im günstigen Fall entsprechende Situationen im „richtigen“ Leben gewinnbringend meistern können. Nicht zu unterschätzen ist ferner der Aspekt der Re- und Dekonstruktion mit den entsprechenden Auswirkungen auf das interkulturelle Lernen, das Arbeiten in Gruppen sowie die Medienrezeption: Schü‐ lerinnen und Schüler lernen in Storyline-Projekten, die Dinge inklusive der eigenen und fremden „Wahrheiten“ zu hinterfragen und (wenn nötig) auf den Kopf zu stellen sowie Verständnis, Respekt und Toleranz für das Denken und Handeln ihrer Mitmenschen zu entwickeln. Dies ist meines Erachtens ein wichtiger Beitrag zur fächerübergreifenden Er‐ ziehungsarbeit im Sinne der Persönlichkeitsbildung in der Schule. Ob diese Ziele in der Fremdsprache tatsächlich realisierbar sind, sollen meine Fallstudien zeigen. 3.3.3 Zusammenschau und Diskussion der Ansätze In den vorangegangen Kapiteln wurde einige Kernthesen des Radikalen und des Sozialen Konstruktivismus erörtert und zum Teil mit praxisrelevanten bzw. kritischen Kommentaren versehen. Nachfolgend sollen die beiden Ansätze im Sinne einer Zusammenfassung ver‐ glichen werden, danach wird sich eine kurze kritische Reflexion der konstruktivistischen Ansätze (als Ganzes betrachtet) anschließen. 3.3.3.1 Radikaler und Sozialer Konstruktivismus: Gemeinsamkeiten und Unterschiede Was die beiden Ansätze vereint, ist die Tatsache, dass beide die Vorstellung der objektiven Erkenntnis ablehnen und die Wirklichkeit als eine Konstruktion auffassen, die von uns aktiv vollzogen wird. Viele Vertreterinnen und Vertreter des Sozialen Konstruktivismus distanzieren sich jedoch von erkenntnistheoretischen Fragen. Gergen (2002) vertritt bei‐ spielsweise die Ansicht, dass es nicht darum geht, zu entscheiden, was real ist und was nicht, da dies ohnehin nicht möglich sei: „Was immer ist, ist einfach. Sobald wir jedoch das, was ist, zu artikulieren versuchen - und festlegen wollen, was tatsächlich und objektiv der Fall ist -, betreten wir eine Welt des Diskurses“ (Ebd., 276). Eine ähnliche Position vertreten Baecker, Borg-Laufs, Duda und Matthies (Baecker u. a. 1992). Dennoch sind hier Parallelen zum Radikalen Konstruktivismus erkennbar, wie die folgenden Zitate verdeutlichen: „Alles, was gesagt wird, wird von einem Beobachter gesagt“ (Maturana 1998, 25). Oder: „Wenn immer man denkt oder sagt: es ‘gibt’ eine Sache, es ‘gibt’ eine Welt, und damit mehr meint als nur, es gibt etwas, das ist, wie es ist, dann ist ein Beobachter involviert“ (Luhmann 1990, 62). Auch Singer (2002) spricht bekanntlich von einem „Beobachter im Gehirn“. Der deutlichste Unterschied zwischen den beiden Ansätzen besteht laut Baecker u. a. (1992, 119) darin, „daß Radikale KonstruktivistInnen sich für intrapsychische Prozesse (...) interessieren und dort den Ursprung von Wirklichkeitskonstruktionen sehen, wogegen social constructionists sich nur für interpsychische Prozesse, d. h. für Formen und Inhalte 138 3 Grundlagen einer konstruktiv(istisch)en Lernkultur 51 Gerhard Roth (1997, 350 f.) dazu: „Diese Einwände gegen den neurobiologischen Konstruktivismus, obwohl sie wie schwere Geschütze erscheinen, sind relativ einfach auszuräumen. Die Kritik, der neurobiologische Konstruktivismus - so wie ich ihn vertrete - wolle seinerseits mit seinem Zweifel an der Möglichkeit objektiver Erkenntnis (im Sinne des Erkennens bewußtseinsunabhängiger Ge‐ gebenheiten) naturwissenschaftlich objektive Erkenntnisse verkünden, trifft nämlich nicht zu. Ein solches Unterfangen wäre in der Tat selbstwidersprüchlich. Erkenntnisse und Sätze der Naturwis‐ senschaften unterliegen als Teile der Wirklichkeit deren Erkenntnisbedingungen. Wie sicher und fest Aussagen der Naturwissenschaft auch erscheinen mögen, objektive Wahrheiten zu sein, können sie nicht beanspruchen, und die meisten erkenntniskritisch geschulten Naturwissenschaftler ver‐ treten diese Meinung auch nicht“. des Diskurses zwischen den Individuen interessieren“. Aus der Sicht des Radikalen Konst‐ ruktivismus sind Individuen autonom, also nicht gezielt beeinflussbar. Dies steht im Wi‐ derspruch zu der „sozial konstruktionistischen Annahme einer sozialen Determiniertheit“ (Ebd., 128). Andererseits wird auch von Vertretern und Vertreterinnen des Radikalen Kon‐ struktivismus die Bedeutung der sozialen und sprachlichen Interaktion sowie der Einfluss des sozio-kulturellen Kontexts auf die Entwicklung kognitiver Strukturen nicht (wie oft kritisiert) grundsätzlich verneint, sondern - wenn auch zum Teil auf einer anderen Ebene - mit berücksichtigt (vgl. z. B. von Foerster, Luhmann oder Maturana). Ein weiterer grundsätzlicher Unterschied zwischen den beiden Ansätzen liegt darin, dass der Soziale Konstruktivismus keine explizit erkenntnistheoretischen Aussagen oder gar einen „empirischen Nachweis der Konstruiertheit von ‘Tatsachen’“ anstrebt (Knorr-Cetina 1989, 88), wie dies beispielsweise Maturana oder Roth durch die empirische Verankerung des Radikalen Konstruktivismus in der Biologie tun. Besagte neurobiologische Argumen‐ tation wird allerdings häufig als äußerst problematisch befunden und hat in der Vergan‐ genheit nicht selten zur unreflektierten Ablehnung sämtlicher konstruktivistischer Ansätze geführt. 51 Kognitivistischer Konstruktivismus Sozialer, kulturalistischer Konstruktivismus Individuum Gesellschaft Lebenslauf Lebenswelt Verstehen Verständigung Beobachtung Perspektivenverschränkung Erkennen Handeln Sprechen Sprache Kognitive Selbststeuerung Soziale Zugehörigkeit Operationale Geschlossenheit Strukturelle Koppelung Tab. 2: Individueller und sozialer Konstruktivismus (Siebert 2005, 25) Auch wenn sich Autoren wie Gergen explizit vom Radikalen Konstruktivismus distan‐ zieren, gibt es wiederum andere, wie die Bochumer Arbeitsgruppe um Baecker, die sich bemüht haben, beide Perspektiven zu vereinigen, was mir sinnvoll und gerade aus 139 3.3 Neuere Varianten und Kernthesen des Konstruktivismus 52 Problematisch ist sicher auch, dass Klassifizierungen und Bezeichnungen für einzelne Ansätze in der Literatur nicht immer einheitlich oder konsistent verwendet werden und somit der Eindruck ent‐ steht, als existiere ein undurchschaubarer Dschungel an Theorien, die nicht einmal von den Autoren und Autorinnen selbst auseinander gehalten und verstanden werden. Eine Ursache dafür mag viel‐ leicht darin liegen, dass die einzelnen „Puzzleteile“ interdisziplinär und international entwickelt, gesammelt und zusammengefügt wurden. sozial-konstruktivistischer Sicht auch logisch und konsequent erscheint. Durch die Verei‐ nigung der beiden Ansätze und der beiden unterschiedlichen Menschenbilder haben Per‐ sonen „die Möglichkeit, auf Perturbationen individuell und selbstbestimmt zu reagieren, ihre eigenen Vorstellungen zu reflektieren und zu manipulieren; sie sind nicht einer unab‐ änderbaren Wirklichkeit ausgeliefert“ (Baecker u. a. 1992, 130). Diese erweiterte Position ist sicher unterstützenswert, denn sie scheint mir - auch für die Schule - eine konstruktive Perspektive zu bieten! 3.3.3.2 Zur Kritik am Konstruktivismus Der Konstruktivismus war in den vergangenen Jahren immer wieder das Ziel von teils heftiger Kritik aus verschiedenen Richtungen, wobei meist wenig zwischen den einzelnen Ansätzen und Positionen differenziert wurde, und man unterstellen könnte, dass manchen nicht immer bewusst war, dass es tatsächlich unterschiedliche Konzepte gibt. Dies wird auch von Reich (2012, 91) bemängelt: „Besonders peinlich ist die Rezeption in der Pädagogik. Hier wurde der Konstruktivismus z. B. entweder aus der Sicht der Systemtheorie bewertend als weniger lesenswert abgewertet (...) oder nur rudimentär dargestellt“. Im gleichen Zug hebt Reich hervor, dass im deutschen Sprachraum „die Bedeutung des Konstruktivismus in den Sozial- und Kulturwissenschaften (...) noch unterschätzt“ wird (Ebd.). Mit ein Grund dafür mag sein, dass es für Außenstehende nicht immer leicht ist, die einzelnen - zum Teil auch widersprüchlichen bzw. gegensätzlichen - Theorien einzuordnen und die - zum Teil hochkomplexen - Gedankengänge nachzuvollziehen. 52 Reich (2012) hat sicher nicht un‐ recht mit seiner Behauptung: Es setzt zudem ein gehöriges Literaturstudium voraus, wenn man sich mit der Fülle gerade auch impliziter Konstruktivismen vertraut machen und deren Bedeutung in den wissenschaftlichen Diskursen der Gegenwart einschätzen will. Erschreckend naiv und willkürlich verfährt daher mit‐ unter die Kritik am Konstruktivismus, sofern sie ihn nicht in der Breite seiner Ansätze rezipiert und nicht hinreichend den erkenntnistheoretischen Status seiner Ansätze markiert (Ebd., 91). Diese aus Sicht des Konstruktivismus erforderlichen Konstruktionsprozesse (mit den ent‐ stehenden Unschärfen) sowie die Verabschiedung von traditionellen Verfahren und An‐ sätzen mit Universalitätsanspruch stellen sicher eine große Herausforderung dar, aber auch eine große Chance und Bereicherung. Der Konstruktivismus fordert zur Trans- und Inter‐ disziplinarität auf. Dies erfordert zwangsläufig einen intensiven Diskurs, so dass die Dis‐ kussionen um angeblich „fundamentale Denkfehler im Konstruktivismus“ (Unger 2003, 101) letztendlich ihr Ziel erreicht haben, nämlich die intensive Auseinandersetzung mit konkurrierenden Theorien und Konstruktionen von Wirklichkeit anzuregen, die schließ‐ 140 3 Grundlagen einer konstruktiv(istisch)en Lernkultur 53 Interessant ist, dass die Grenzen zwischen gemäßigten konstruktivistischen Ansätzen und neueren, ebenfalls gemäßigten, informationsverarbeitenden Ansätzen mitunter verschwimmen. So werden die frühen Arbeiten aus der Gestaltpsychologie oder auch Piagets Studien gelegentlich sowohl von Vertreterinnen und Vertretern des Konstruktivismus als auch des Informationsverarbeitungspara‐ digmas als Ausgangsbasis für ihre Überlegungen betrachtet. 54 Vgl. dazu z. B. auch von Ameln (2004), Diesbergen (2000), Gerstenmaier/ Mandl (1995), Kruse/ Stadler (1990), Reich (2012), Reinmann/ Mandl (2006), Sudiarta (2003), Terhart (1999) oder Wendt (2002), die das Thema aus jeweils unterschiedlichen Perspektiven betrachten. Zur Kritik am Konstruktivismus- und Aktivitätsdogma bzw. an diversen „un-logischen“ Interpreta‐ tionen und Schlussfolgerungen vgl. auch Renkl (2008, 112 ff.). Zur kontroversen Diskussion um kon‐ struktivistische Ansätze auf internationaler Ebene (v. a. USA) vgl. z. B. Tobias/ Duffy (Hrsg.) (2009). 55 Vgl. dazu die diversen Stellungnahmen und Standpunktbeschreibungen bei Bach/ Viebrock (Hrsg.) (2002), Bleyhl (2004), Bredella (2002), Grotjahn (2002), Hu (2002), Wendt (2002) oder Wolff (2002c) sowie auch bei Kurtz (2003) oder Reinfried (1999). Bleyhl, Leupold und Reinfried (Bleyhl u. a. 2002) diskutieren, ob „eine konstruktivistische Wende im Fremdsprachenunterricht sinnvoll“ ist. lich zu der Erkenntnis führen (müsste), dass es „die“ absolute Wahrheit nicht gibt, sondern viele mögliche Perspektiven und zahlreiche Grauzonen. 53 Auf Grund von einseitigen und zum Teil auch lückenhaften Interpretationen wurden in der Vergangenheit konstruktivistische Ansätze als Ganzes (auch im Bereich der Fremd‐ sprachen) immer wieder abgelehnt, obwohl es in der therapeutischen, sozialen und ebenso in der pädagogischen Praxis kurioserweise schon seit vielen Jahren zahlreiche erfolgreiche Modelle gibt, die explizit oder implizit auf konstruktivistischen Ansätzen aufbauen bzw. von Kolleginnen und Kollegen aus der Praxis heraus entwickelt wurden (wie z. B. der Storyline Approach), ohne jemals ein Wort über den Konstruktivismus gehört zu haben. Dies ist für mich mit ein Grund dafür, warum konstruktivistisches Denken auch in der Aus- und Fortbildung von Lehrkräften mehr Berücksichtigung finden sollte, und zwar im Sinne einer aufeinander abgestimmten Vernetzung von Theorie und Praxis und der Nutzung der sich daraus ergebenden Synergieeffekte. Wie dies erfolgen könnte, möchte ich in meinen Fall‐ studien 7-9 untersuchen. Kritik am Konstruktivismus bezieht sich bei genauerer Betrachtung meist auf den Radi‐ kalen Konstruktivismus, und speziell an der Gewichtung der Neurobiologie scheiden sich offenbar die Geister. Oft werden Vorwürfe wie Fundalismus, Egozentrismus, Biologismus, fehlende Empirie bzw. individuelle Ausgestaltung von Erlebniswirklichkeiten und Belie‐ bigkeit in Bezug auf gesellschaftliche und persönliche Wertmaßstäbe geäußert. Ferner wird die Erklärung der Beziehungen zwischen Wirklichkeit und Realität sowie System und Um‐ welt oft als mangelhaft kritisiert. Die Kritikpunkte müssen hier nicht im Einzelnen dargelegt werden, zumal einiges schon im Text berücksichtigt und vieles auch im öffentlichen Diskurs geklärt wurde. 54 Im Bereich der Fremdsprachendidaktik fand hierzulande um die Jahrtausendwende eine intensive und zum Teil auch recht feindselige Auseinandersetzung um den Radikalen Kon‐ struktivismus insbesondere zwischen den Kontrahenten Bredella und Wendt statt. Wendt (2002) hatte mit seiner Publikation offensichtlich einen mittleren Flächenbrand ausgelöst und das fremdsprachendidaktische Lager in zwei Teile aufgeteilt, während viele andere das Thema „Konstruktivismus“ in der Fremdsprachenforschung - warum auch immer - bis heute totschweigen. 55 Dem gegenüber hat Wolff durch zahlreiche Publikationen versucht, sachliche Gründe für einen konstruktivistisch orientierten Fremdsprachenunterricht dar‐ 141 3.3 Neuere Varianten und Kernthesen des Konstruktivismus 56 Zur Lage und Zukunft des Radikalen Konstruktivismus vgl. z. B. Müller (2011). 57 Vgl. dazu auch Hüther (2012) und Roth (2003b). zulegen (vgl. z. B. Wolff 1994; 1997b; 2000; 2001; 2002b). Auf internationaler Ebene dagegen vertreten im Bereich des Fremdsprachenlernens beispielsweise Nie/ Lau (2010) und insbe‐ sondere Williams/ Burden (1997) eine explizit konstruktivistische Perspektive (vgl. Kapitel 4.3.3.1.2). Der Konstruktivismus will und muss skeptisch betrachtet werden. Zweifelsohne. Er sollte nicht als Dogma, sondern vielmehr als inspirierende „Irritationstheorie“ genutzt werden (Pörksen 2006, 11), um gewisse Denktraditionen, Handlungsgewohnheiten und „Wahrheiten“ immer wieder neu zu überprüfen. Genau das beabsichtigt er nach meinem Verständnis auch. Und genau das hat er in der Vergangenheit auch getan: provoziert. Mittlerweile scheint dies nicht mehr in dem Ausmaß erforderlich zu sein. So betrachtet auch Roth (2003b) den Konstruktivismus, „was die erkenntnistheoretischen Fragestel‐ lungen betrifft (...) im positiven Sinne für ausdiskutiert“ (Ebd., 16) 56 , und Schmidt (2003) verabschiedet sich von naturalistischen Begründungsformen des Radikalen Konstrukti‐ vismus zugunsten einer kulturalistischen und philosophischen Erkenntnistheorie, die nach dem Sinn von Wirklichkeitskonstruktionen und Handlungen fragt. Er geht davon aus, dass kulturelle Sinnstrukturen in Geschichten und Diskurse eingebettet sind: „Geschichten und Diskurse liefern Erwartungs- und Deutungsmuster für das Erleben und Erfahren der Akt‐ arten, wodurch über Anschlussmöglichkeiten entschieden wird. Geschichten und Diskurse entstehen aus und bestehen durch Relationalität und Reflexivität“ (Ebd., 56). Viele Vertreterinnen bzw. Vertreter des Konstruktivismus (z. B. Ciompi, Roth und auch Maturana) verweisen auf die handlungsleitende Kraft der Gefühle. Dieses Thema wurde in meinen Ausführungen bisher nur ganz am Rande gestreift. So behauptet Maturana (1997, 130): „Wer den kulturellen Wandel zu erklären und zu verstehen wünscht, muß bei den Gefühlen ansetzen“. Er unterstreicht die emotionalen Grundlagen des Handelns und stellt die These auf, „daß allein Gefühle über den Sinn und die Bedeutung von Taten entscheiden“ (Ebd.). 57 In diesem Sinne ist auch Kommunikation (als Bindeglied zwischen Individuum und Gesellschaft) nie nur eine Verstandessache, sondern stets auch - oder besser: vor allem - eine Gefühlssache: Verstehen, Verständigung und Perspektivenverschränkung erfordern „nicht nur kognitive Fähigkeiten, sondern auch emotionale Antriebe“ (Siebert 2005, 26). Diesen Aspekt gilt es bei der Unterrichtsgestaltung und gerade auch beim Fremdsprachen‐ lernen mit Bezug zur angestrebten interkulturellen kommunikativen Kompetenz viel stärker zu berücksichtigen. Dass der Konstruktivismus vielschichtig ist und sich in den vergangenen Jahren auch auffallend in Richtung eines sozialen und kulturalistischen Konstruktivismus weiter ent‐ wickelt hat, wird vielerorts, und vor allem von seinen Kritikern und Kritikerinnen, nicht wahrgenommen. Dies trifft meines Erachtens auch auf die Fremdsprachendidaktik zu, und das ist bedauerlich. Konstruktivistisches Denken mag an Grenzen stoßen, aber das tut letztendlich - wie auch die Geschichte zeigt - (fast) jede Theorie. Theoriediktate sind gefährlich und kontra‐ produktiv. Eine prinzipielle Skepsis ist also immer angebracht, da sie den Blick weitet. Dies betrifft vor allem soziale Konstruktionen, wenn diese von der Gesellschaft objektiviert und 142 3 Grundlagen einer konstruktiv(istisch)en Lernkultur 58 Vgl. dazu auch Singer (2002), der hervorhebt, dass ethnische Konflikte „nicht zuletzt auf der Unfä‐ higkeit [beruhen], sich in die kognitiven Schemata der jeweils anderen hineinzuversetzen: Das gleiche Ereignis wird von den Kontrahenten unterschiedlich wahrgenommen, und so fühlt sich jeder im Recht - ein eindrucksvolles und folgenreiches Beispiel für die kulturelle Prägung von kognitiven Funktionen“ (Ebd., 59). 59 Unger (2003) beispielsweise lehnt den Konstruktivismus in stellenweise unangebracht zynischem Ton und mit zum Teil unzutreffenden bzw. nicht der Sache dienenden Argumenten rigoros ab. Er verfrachtet ihn sogar in die Nähe von Sekten und ähnlichen Gruppierungen, was ich doch sehr überzogen finde. „wie naturgegebene Phänomene“ (von Ameln 2004, 198) betrachtet werden, „mit ent‐ sprechenden Folgen für reales Denken und Handeln“ (Ebd.). Ich denke hier vor allem an „Urteile“ in Bereichen wie (psychische) Gesundheit, Schicht-, Konfessions- oder Kulturzu‐ gehörigkeit, die beispielsweise auch im schulischen Kontext relevant sind. Dasselbe gilt natürlich auch für die individuellen Konstrukte, also die Wahrnehmungs- und Interpreta‐ tionsfolien, mit deren Hilfe jeder und jede Einzelne die Welt betrachtet. Konstruktivistisches Denken löst fixierte Denkmuster auf und zieht letztendlich auch ethische Konsequenzen nach sich, denn der Verzicht auf eindimensionale Welterklärungen bedeutet gleichzeitig auch einen Verzicht auf Machtanspruch: 58 Mit keiner Bewertung ist in der Geschichte der Menschheit mehr Elend verantwortet worden als mit der Wahrheit. (...) Der zentrale Wert des im Konstruktivismus angelegten Menschenbildes ist die Autonomie. (...) Die Stärke des Radikalen Konstruktivismus liegt in der Notwendigkeit des bewußten und selbstverantwortlichen Umgangs mit sonst nur allzuoft unhinterfragten Grundan‐ nahmen (Kruse/ Stadler 1990, 44). Konstruktivistisches Denken erlaubt, fördert und fordert divergentes und kreatives Denken. Dies sollte auch im Zusammenhang mit Erneuerung, Pluralismus, Respekt, Fried‐ fertigkeit, Solidarität und Toleranz sowie den dafür erforderlichen bzw. immer wieder ge‐ forderten Kompetenzen gesehen und wertgeschätzt werden (vgl. Kapitel 1.6). Mit Belie‐ bigkeit hat dies meines Erachtens wenig zu tun, sondern im Gegenteil verlangt konstruktivistisches Denken eine neue Dimension von anspruchsvollen Qualitäten wie Ei‐ genverantwortlichkeit, Selbstorganisation, Selbstmotivation, Reflexionsvermögen, (Selbst-)Kritikfähigkeit, Verantwortungsbewusstsein, Interaktions- und Diskursfähigkeit, was zweifelsohne eine große Herausforderung - vor allem auch für die Schule - darstellt. Auch wenn von manchen Zeitgenossinnen bzw. -genossen 59 moniert wird, dass es im Konstruktivismus keine einheitliche und in sich schlüssige Theorie gäbe, um überhaupt von einem ernstzunehmenden Ansatz sprechen zu können, so ist doch verwunderlich, dass diese angeblich unsolide Basis seit Jahren als Sprungbrett für viele anregende Diskussionen in der Wissenschaftslandschaft und unzählige erfolgversprechende Modelle in der päda‐ gogischen Praxis dient: „Konstruktivismus muss Vielfalt ermöglichen, dies ist in seinem theoretischen Kern eingeschrieben, aber er bietet auch ein hinreichendes konstruktives, methodisches und praktisches Repertoire, um wissenschaftlich relevante, neue Ergebnisse zu erzielen“ (Reich 2012, 92). Auf die Schule und das Fremdsprachenlernen bezogen, mit den in vielerlei Hinsicht heterogenen Klassen, ergibt sich daraus ein ganz neues Bild: Wenn nämlich die vielfältigen individuellen und/ oder sozialen Konstruktionen bzw. Konstrukte als jeweils viable Lösungen und Lösungsversuche ernstgenommen und reflektiert werden, 143 3.3 Neuere Varianten und Kernthesen des Konstruktivismus 60 Vgl. dazu insbesondere Reich (2010; 2012) sowie z. B. Arnold (2012) oder Steen (2012). 61 Vgl. dazu Wendt (1996; 2002) und Wolff (2002b; 2002c) sowie die diversen Publikationen von Johanna Meixner und Klaus Müller im Bereich DaF. dann könnte sich das möglicherweise positiv auf den Lernerfolg und die Bildungsmotiva‐ tion der Schülerinnen und Schüler auswirken! Ob und inwiefern der Storyline Approach im fremdsprachlichen Klassenzimmer der Sekundarstufe I einen Beitrag dazu leisten kann, sollen meine Fallstudien in Teil B zeigen. 3.4 Von der Theorie zur Praxis oder vice versa I hear and I forget, I see and I remember, I do and I understand (Chinesisches Sprichwort) In der traditionellen Unterrichtslehre geht es vor allem darum, wie Unterricht geplant, gesteuert und organisiert werden muss, damit die Lehrkraft die Kontrolle über den (angeb‐ lichen) Lernprozess in der Hand behält und den Stoff ungestört „vermitteln“ kann. Wie jedoch die unmittelbar vorangegangenen Kapitel verdeutlicht haben, ist die besagte „In‐ formationsübertragung“ nach dem Input-Output-Prinzip (Computermetapher) so nicht möglich, da Menschen keine steuerbaren „trivialen Maschinen“ sind. Aus diesem Grund muss das Lehren zugunsten des Lernens in den Hintergrund treten, so dass die Lernenden ihre eigenen Konstruktionsprozesse aktiv vollziehen können und somit ihr Wissen nicht „träge“ bleibt, sondern im Alltag - auch im fremdsprachlichen - zur Anwendung gelangen kann, also transferfähig ist. In den vergangenen Jahren wurde von verschiedenen Seiten der Versuch unternommen, eine konstruktivistische Didaktik zu entwickeln, die den zuvor genannten Forderungen entspricht. 60 Im Bereich der Fremdsprachendidaktik ist das Vorhaben, eine eigene kon‐ struktivistische Fremdsprachendidaktik 61 zu konzipieren, aus verschiedenen Gründen nicht unproblematisch verlaufen. Nicht unerwähnt bleiben sollte dabei, dass der Radikale Kon‐ struktivismus nie den Anspruch erhoben hat, als Lerntheorie - im Sinne eines allgemein‐ gültigen Rezeptes - übernommen zu werden, zumal er sich dadurch selbst widersprechen und auflösen würde, sondern vielmehr als Anregung verstanden werden will, die eigenen Positionen und Grenzen der Instruktion zu überdenken. Dies wurde von Vertretern wie Ernst von Glasersfeld immer wieder ausdrücklich betont: „Die Annahme lautet vielmehr, dass sie [die allgemeinen Postulate, Anm. D.K.] praktisches Handeln inspirieren, dieses jedoch nicht im Modus linear-kausaler Einflussnahme determinieren (Ableitungsver‐ hältnis)“ (Pörksen 2006, 325). Nachfolgend sollen einige Kernthesen und Anregungen für die praktische Gestaltung von Lernumgebungen im Sinne einer konstruktivistischen Lernkultur erörtert werden. Diese können - ganz im konstruktivistischen Sinne - nur allgemeine Aussagen und Vor‐ schläge sein, da die individuelle Ausgestaltung von Lernkontexten der jeweiligen Lern‐ gruppe vorbehalten bleiben muss. Ich werde mich dabei auf eher gemäßigte Positionen des Konstruktivismus beziehen, zumal der Radikale Konstruktivismus mit institutionellem Lernen allgemein nur schwer vereinbar (aber nicht unmöglich) ist, und ich ferner die An‐ sicht vertrete, dass der soziale Aspekt des Wissenserwerbs bzw. des Lernens im Sinne der 144 3 Grundlagen einer konstruktiv(istisch)en Lernkultur strukturellen Kopplung gerade im Bereich des fremdsprachlichen Lernens nicht unterbe‐ wertet werden darf. In diesem Sinne verschränke ich - wie bereits angedeutet - den Radi‐ kalen mit dem Sozialen Konstruktivismus. Konstruktives Lernen Wissensnetze Kontexte Sinn Perturbation Metakognition Körperlichkeit Emotionale Kompetenz Biographie Abb. 5: Faktoren konstruktiven, konstruktivistisch aufgeklärten Lernens (Siebert 2005, 31) Mit Blick auf die vorangegangen Ausführungen halte ich fest, dass unter dem Begriff „Lernen“ ein aktiver, eigenverantwortlicher und subjektabhängiger Prozess der Konstruk‐ tion von Wissen verstanden wird, der auf der Grundlage von bisherigen Erfahrungen und früheren Konstruktionen (Interimswissen) stattfindet und zu individuell verschiedenen (viablen) Ergebnissen führt. Der soziale Kontext ist insofern ein bedeutsamer Faktor, als im Rahmen von sozialer Interaktion und Kooperation die subjektiven Wissenskonstrukte an‐ geglichen (Prinzip der Konsensualität) und gleichzeitig die individuellen Lernprozesse er‐ leichtert werden. Lernen wird als ganzheitlicher Prozess betrachtet, in dem Leiblichkeit, Emotionalität, Sinnlichkeit und Handlungsfähigkeit wichtige Ankerpunkte darstellen. Das alles trifft auch bei Storyline zu (vgl. Kapitel 2.3). Um gleich zu Beginn ein häufig geäußertes Vorurteil aus dem Weg zu räumen: Konst‐ ruktion muss Instruktion nicht grundsätzlich ausschließen. Allerdings erhält der Begriff „Instruktion“ bzw. „Lehren“ eine völlig andere Bedeutung, und zwar im Sinne der Anregung (Perturbation). Auch wird die Lehrkraft im Klassenzimmer nicht gänzlich überflüssig und überlässt die Lernenden ihrem Schicksal, wie so oft befürchtet wird. Stattdessen übernimmt sie eine Vielzahl an neuen Aufgaben und Funktionen, die auf einer veränderten Weltan‐ schauung basieren, welche die Prozesse in den Köpfen der Lernenden „in ihrer Eigendy‐ namik und in ihrer Vernetztheit mit Umwelt, Körperwelt und Ichwelt“ berücksichtigt (Meixner 1997, 11). Im Klartext: „Das Bekenntnis zu einer konstruktivistisch orientierten Fremdsprachendidaktik bedeutet jedenfalls nicht, die SchülerInnnen völlig in einer falsch verstandenen Autopoiesis oder Autonomie allein und laienhaft herumkrebsen zu lassen ...“ (Stegu 2000, 212). 145 3.4 Von der Theorie zur Praxis oder vice versa 62 Zum Einfluss der konstruktivistischen Perspektive auf Motivation vgl. Schunk, Pintrich und Meece (Schunk u. a. 2010, 326 ff.). Für einen Überblick über diverse Handlungsfelder vgl. Siebert (2008, 117 ff.). 63 Vgl. auch Kocher (1999, 143 ff.). Normatives Paradigma Interpretatives Paradigma Technologischer Machbarkeitsoptimismus ↔ Unterstützung von Selbstorganisation Informationsgesellschaft (Sender-Empfänger-Modell) ↔ Lern- und Kommunikationsgesell‐ schaft Wissensvermittlung Steuerung ↔ Selbst gesteuertes Lernen Verbindliche Wahrheiten ↔ Pluralität der Wirklichkeitskonstruktionen Reduktionistisches Weltbild ↔ Holistisches Weltbild Vermittlung von Antworten ↔ Anregung von Fragen Konsens/ Einheit ↔ Differenz/ Vielfalt Perfekte Lösungen ↔ Irrtumswahrscheinlichkeit Erkenntnis als Abbildung ↔ Erkenntnis als Konstruktion Tab. 3: Normatives versus interpretatives Paradigma (Siebert 2005, 20) Um vielseitige Lernbzw. Konstruktionsprozesse im Sinne einer konstruktivistischen Lern‐ kultur 62 zu ermöglichen und zu fördern, sollten unter anderem die folgenden Aspekte be‐ dacht werden. 63 Diese können meines Erachtens auch als Folie und Anregung für die Ge‐ staltung des Fremdsprachenunterrichts dienen: • Lerninhalte: Die Unterrichtsinhalte sollten sich an komplexen, lebensnahen, ganz‐ heitlich zu betrachtenden Problembereichen orientieren, „denn verstehen läßt sich nur etwas, wenn es im komplexen Gesamtzusammenhang erfaßt ist“ (Dubs 1995, 890). Das additive Aneinanderreihen vorgegebener, reduzierter und vorstruktu‐ rierter Lerngegenstände muss dem gemeinsamen Auswählen von schülerrelevanten Lerninhalten weichen, die an den Vorerfahrungen und Interessen der Lernenden anknüpfen (Anschlussfähigkeit) und in möglichst authentische, situative Kontexte eingebettet sind. Lernprozesse werden bekanntlich erst dann initiiert, wenn das Gleichgewicht eines Systems in Unordnung geraten ist. Aus diesem Grund bietet es sich an, Schülerinnen und Schülern immer wieder „Situationen zu präsentieren, in denen gewohnte Denkweisen fehlschlagen“ (von Glasersfeld 2005, 220), so dass sie zur Bildung und Überprüfung von Hypothesen sowie zu multiplen Problemlösever‐ 146 3 Grundlagen einer konstruktiv(istisch)en Lernkultur 64 Schirp (2006) betont aus der neurobiologischen Perspektive, dass Überraschungen, Rätsel und jede Art von kognitiven „Widerständen“ die Aufmerksamkeit steigern: „Nur wenn der Hippocampus an‐ geregt wird, leistet er seinen Beitrag für eine erste Speicherung und später für eine Weiterleitung an unseren Kortex“ (Ebd., 116 f.). fahren und Konstruktionsprozessen angeregt werden. 64 Dabei sollten Gefühle und die persönliche Identifikation einbezogen werden, wie dies im Falle von Ge‐ schichten, persönlichen Erzählungen und Diskursen jeglicher Art berücksichtigt wird. Da Lerninhalte nicht im Voraus (und auf Jahre hin) festgelegt werden können, ist es auch nicht sinnvoll, mit Schulbüchern, in denen bereits alles bis ins Detail vorgeplant ist, zu arbeiten und diese Seite für Seite „durchzunehmen“: “The teacher must be weaned away from the idea that the textbook, neatly arranged into units as it is, each containing specific items of grammar and vocabulary, defines what the pupils learn. For learning is not instantaneous, linear and additive“ (Lennon 1993, 127). Sprache ist zwar linear lehrbar, aber auf Grund ihrer Komplexität nicht linear lernbar (Bleyhl 2000, 83). Nunan (2013, 19) sieht “second language acquisition more like growing a garden than building a wall. (...) The linguistic flowers do not all appear at the same time, nor do they all grow at the same rate“. • Lernziele: Generell sollten Lernarrangements so gestaltet sein, dass sich Schüle‐ rinnen und Schüler in ihrem Lernen immer in der „Zone der proximalen Entwick‐ lung“ (Vygotskij) befinden (vgl. Kapitel 3.2.3). Da die Lernenden jedoch eine hete‐ rogene Gruppe bilden, und somit die Lern- und Konstruktionsprozesse individuell verschieden sind, können nicht für alle verbindliche Lernziele im Voraus akribisch festgelegt und aufgeschlüsselt werden, wie dies durch die Progression der üblichen Schulbücher und durch andere außenstehende Instanzen (z. B. Lehrplankommissi‐ onen) im Sinne einer „Lehr-Plan-Wirtschaft“ (Bleyhl 2004, 229) vollzogen wird. Stattdessen müssen echte „Lern“-Ziele und nicht mehr „Lehr“-Ziele im Mittelpunkt des Unterrichts stehen: Konstruktivistische Lernzielsetzungen lassen sich von dem Grundprinzip leiten, daß die Aus‐ einandersetzung mit der Umwelt (ihre subjektive Konstruktion) das alleinige Ziel hat, das Überleben des Lerners als autopoietisches System zu sichern. (...) Spezifische Lernziele können deshalb (...) festgelegt werden als Erwerb von Fähigkeiten und Wissenskomponenten, die in der realen Lebenswirklichkeit gebraucht werden können (Wolff 1994, 418). Die Lernenden zu Eigenverantwortlichkeit und Selbstorganisation zu befähigen, so dass sie eigenständig und flexibel auf anstehende Probleme eingehen und diese zu Lösungen führen können, sollte also stets das übergeordnete Unterrichtsziel dar‐ stellen (kognitive Flexibilität). Dies deckt sich auch mit den Zielsetzungen des Bil‐ dungskonzepts „Lebenslanges Lernen“, steht jedoch im Widerspruch zu der Verein‐ heitlichung von Unterricht durch Bildungsstandards und bundesweite Vergleichsarbeiten (vgl. Kapitel 1.6). • Lernumgebung: Wenn Lernen als ein aktiver Prozess zu verstehen ist, bei dem vorhandenes Wissen und Können aus neuen, subjektabhängigen Erfahrungen immer wieder verändert und neu strukturiert wird, dann muss eine entsprechend 147 3.4 Von der Theorie zur Praxis oder vice versa 65 Vgl. dazu auch Sambanis (2013, 25 ff.). 66 Die Bedeutung der konkreten Lernumgebung auf den Lernerfolg wird meines Erachtens häufig un‐ terschätzt, denn der Lernkontext wird - so die Gedächtnisforschung - zusammen mit dem Wissens‐ inhalt abgespeichert: „Lerninhalte, die in schäbigen Klassenzimmern, in einer konfliktreichen und furchteinflößenden Umgebung von lustlosen Lehrern vermittelt werden, haben deshalb eine geringe Chance, dauerhaft im Gedächtnis verankert zu werden“ (Roth 2006, 67). Vgl. dazu auch Kapitel 4. komplexe, „starke“ Lernumgebung mit vielseitigen Lernangeboten geschaffen werden, in der die Lernenden „ihre individuellen Erfahrungen gewinnen, die sie durch eine aktive Auseinandersetzung in der Lerngruppe für sich verständlich ma‐ chen und in ihr Vorwissen einbauen“ (Dubs 1995, 890). Das Klassenzimmer wird zur „Lern- und Forschungswerkstatt“ (Wolff 2000, 104), in der mit authentischen Mate‐ rialien und realitätsnahen Kommunikationssituationen an komplexen, ganzheitli‐ chen und lebenswirklichen Problemstellungen gearbeitet wird, so dass die Ler‐ nenden vielseitige Anknüpfungspunkte an ihre bisherigen Erfahrungen und Wissenskonstruktionen vorfinden und ihr deklaratives und prozedurales Wissen in relativ authentischen Situationen anwenden und neu konstruieren können. Durch handlungsorientierte Arbeitsweisen (learning by doing) soll die oben erwähnte Kluft zwischen Wissen und Handeln vermieden und die Transferfähigkeit erhöht werden. Dabei sollten nicht nur die kognitiven Aspekte des Lernens berücksichtigt werden, sondern - da sich diese bekanntlich gegenseitig bedingen - auch emotionale 65 und soziale. Konkret bedeutet das auch, dass die räumliche Lernumgebung ästhetisch gestaltet sein sollte, in der sich die Lernenden wohl fühlen und zum autonomen Lernen und kreativen Experimentieren inspiriert werden. 66 • Sozialformen: Wenn Lernprozesse und Wissenskonstruktionen maßgeblich auch durch soziale Interaktionen und Kommunikation bedingt werden, so dass individu‐ elle Wirklichkeitsentwürfe, Interpretationen und Sinngebungen bewusst gemacht, überdacht und gegebenenfalls neu strukturiert werden, dann müssen das koopera‐ tive und soziale Lernen stärker gefördert und vielfältige Gelegenheiten zu Aus‐ tauschsituationen gegeben werden. Dies kann in Form von Gruppen- oder Partner‐ arbeit (learning communities; Expertenteams) geschehen, aber auch durch außerschulische Kontakte sowie durch den Einsatz Neuer Medien, welche gänzlich neue Wissens- und Interaktionshorizonte öffnen. Dementsprechend verändert sich in einer konstruktivistischen Lernumgebung auch die Sitzordnung, der individuelle Lernort, die Rhythmisierung der Arbeitsphasen, die Rollen- und Aufgabenverteilung sowie der Einsatz von Medien. Dabei kann und soll auch die Lehrkraft als Lernpart‐ nerin fungieren und die Lernenden bei ihren subjektabhängigen Konstruktions‐ prozessen anregen, beraten und unterstützen - allerdings nicht als Problemlöserin, sondern als Problemstellerin (Müller 1996b, 75). • Arbeitsmaterialien: Um eigenverantwortlich und eigenständig arbeiten zu können, brauchen die Lernenden entsprechende Hilfsmittel, die sie bei der indivi‐ duellen und aktiven Konstruktion von Wissen unterstützen: Nachschlagewerke, Handbücher, vielseitiges authentisches Informations- und Arbeitsmaterial sowie weitere high tech und low tech Medien und Materialien jeglicher Art, die zur freien Wahl stehen und zum kreativen Arbeiten und Lernen herausfordern. Durch den 148 3 Grundlagen einer konstruktiv(istisch)en Lernkultur 67 Vgl. dazu z. B. auch Timm (2013, 57 ff.). 68 Vgl. dazu auch Sambanis (2013). sinnvollen und kritischen Umgang mit Medien und das eigene Ausprobieren und Gestalten von Medienprodukten erlangen die Lernenden eine vielseitige Medien‐ kompetenz sowie die Erkenntnis, dass nicht nur die Umwelt, sondern auch Medi‐ enprodukte stets subjektabhängig wahrgenommen, genutzt und bewertet werden (vgl. Kapitel 1.6.2.1). In vielerlei Hinsicht unterstützend sind auch Gegenstände und Objekte, die von den Lernenden benutzt bzw. produziert werden, um ihre Ideen zu veranschaulichen: “This can help to support and sustain the discourse and (...) by making ‘cognition’ concrete, it may help students reflect on their own and others’ thinking. The production of artifacts may help students increase their efficacy for learning as well as increase their interest in the academic content and tasks“ (Schunk u. a. 2010, 329). • Lern- und Arbeitstechniken: Die Lernenden sollten befähigt und gefördert werden, eigene Wissenskonstruktionsprozesse, Lernwege und individuelle Lern‐ strategien bewusst wahrzunehmen, zu reflektieren und zu beurteilen, um sie gege‐ benenfalls - im Sinne der Viabilität - modifizieren zu können: „Die Reflexion über den eigenen Lernprozess ermöglicht es den Lernenden, aus einem Angebot von Lern- und Arbeitstechniken diejenigen auszuwählen, die den eigenen Lernprozess besonders gut unterstützen“ (Wolff 1997a, 108). Um jedoch ein vielseitiges und fle‐ xibles strategisches Wissen zu erlangen, das den eigenen Lernprozessen förderlich ist, muss das Lernen als Prozess der Wissensverarbeitung gelernt werden (Lernen lernen). Diese Prozessorientierung im Sinne einer umfassenden Handlungskompe‐ tenz soll sich im (Fremd-)Sprachenunterricht jedoch nicht allein auf allgemeine Lernprozesse und Lernstrategien konzentrieren, sondern auch Prozesse der Sprach‐ verarbeitung bewusstmachen und fördern (language awareness). 67 Betrachtet man die derzeit vorliegenden Ergebnisse aus der Gedächtnisforschung, so liegt es nahe, ganzheitliche, multimodale und multisensorische Arbeitsweisen anzubieten, um möglichst viele Hirnareale bzw. neuronale Vernetzungen anzuregen, flexibles Denken und vor allem nachhaltiges Handeln zu fördern. 68 • Rollenverständnis: Im Rahmen des selbstgesteuerten und eigenverantwortlichen Lernens verändern sich zwangsläufig die Rollen aller Beteiligten, und das Repertoire der Lehrenden und Lernenden erweitert sich erheblich: Lehrerinnen und Lehrer ak‐ zeptieren und fördern die grundsätzliche Autonomie und die individuellen Initia‐ tiven der Lernenden, das heißt, sie organisieren Interaktionen, vermitteln bei sozialen Lernprozessen, unterstützen bei der Informations- und Materialsuche, be‐ raten bei der Entwicklung von individuellen Lernstrategien und fördern metakog‐ nitive Prozesse der Wissenskonstruktion. Sie geben keine fertigen und für alle ver‐ bindlichen Lösungen vor, sondern sorgen dafür, dass „Fehler“, Hypothesen und „Wahrheiten“ diskutiert und kritisch reflektiert werden. Lehrkräfte fungieren nicht mehr als sage on the stage, sondern vielmehr als guide on the side. Sie werden zu classroom managers, coaches und facilitators of learning, also zu beobachtenden und anregenden (perturbierenden) Lernberaterinnen und -beratern. Schülerinnen und 149 3.4 Von der Theorie zur Praxis oder vice versa 69 Vgl. dazu auch Chott (2001, 82 ff.) zum Aufbau einer „Fehlerkultur“. 70 Dies trifft offenbar auch für andere Länder zu; vgl. dazu z. B. auch Nie/ Lau (2010) zum Fremdspra‐ chenlernen in Singapur: “Despite these reform efforts, didactic instruction is still widely practiced in Singapore classrooms, partly because of its presumed effectiveness in raising test scores“ (Ebd., 412). Schüler dagegen nehmen nicht mehr passiv und kritiklos „präsentiertes“ Wissen an, um dieses möglichst punktgenau zu reproduzieren: Aus stummen Konsumentinnen und Konsumenten fremden Wissens werden experimentierfreudige Forscherinnen und Forscher, die ihr eigenes Wissen aktiv, kritisch und autonom konstruieren und reflektiert anwenden. In einer konstruktivistischen Lernumgebung sind die Ler‐ nenden die Akteure, nicht wie üblich die Lehrenden. Was den Erwerb von Fachwissen anbelangt, so werden an die Lernenden neue He‐ rausforderungen gestellt, die von Gerstenmaier und Mandl (1995) konsequent zu Ende gedacht werden: Schülerinnen und Schüler müssen lernen, mit Wissen ver‐ antwortungsvoll umzugehen, die Folgen von Wissen und seiner Anwendung zu re‐ flektieren, Tatsachen und gesellschaftliche Strukturen zu hinterfragen, Ziele und Werte anderer Menschen zu respektieren, und neben den persönlichen, auch kol‐ lektive Belange zu berücksichtigen. Im Falle des Fremdsprachenunterrichts deckt sich diese Perspektive mit den Anforderungen an eine umfassende interkulturelle kommunikative Kompetenz. • Reflexion und Evaluation: Wenn eigene Wissenskonstruktionen, und nicht etwa Wissensreproduktionen, angestrebt werden, dann ergeben sich daraus prinzipiell unvorhersagbare und heterogene Lernprodukte und Lernprozesse: eine Untertei‐ lung der Lösungen in „richtig“ und „falsch“ wird dabei äußerst fragwürdig. Daraus folgt, dass bei der Evaluation des Lernerfolgs nicht primär die Lernprodukte, sondern auch die individuellen Lernprozesse und Lernfortschritte berücksichtigt werden sollten. Dabei spielen auch „Fehler“ eine wichtige Rolle, da sie Aufschluss über in‐ dividuelle Lernschritte und -wege geben. Fehler implizieren konkrete Lern‐ chancen: 69 „Diskussionen in Lerngruppen sind nur sinnvoll, wenn Fehler geschehen und diese besprochen und korrigiert werden, denn die Auseinandersetzung mit Fehlüberlegungen wirkt verständnisfördernd und trägt zur besseren Konstruktion von Wissen bei“ (Dubs 1995, 891). Dies gilt auch für den Fremdsprachenunterricht. Deshalb sollte die Risikobereitschaft der Lernenden herausgefordert und nicht durch übermäßige sprachliche Korrekturen „erdrosselt“ (Bleyhl 2000, 8) werden. Selbstreflexions- und Selbstevaluationsprozesse stellen einen besonders wichtigen Faktor dar: Sie unterstützen die Lernenden darin, ihre Lernprozesse zu erkennen und darauf aufbauend auch beeinflussen zu können. Deshalb sind Reflexionsphasen (auch Selbst- und Fremdevaluation im Sinne von reflecting teams) bedeutsame „Lernmotoren“. Die Frage nach der Leistungsmessung und Benotung kann an dieser Stelle nicht erschöpfend berücksichtigt bzw. beantwortet werden. Vermutlich scheint dieser Punkt der Ursprung allen Übels in unserem Schulsystem zu sein: 70 Leistungsorien‐ tierung versus Lernorientierung - im Prinzip ein Widerspruch. Konsequenterweise muss in die Beurteilung von Lernerfolg und Lernprozessen selbstverständlich auch 150 3 Grundlagen einer konstruktiv(istisch)en Lernkultur 71 In skandinavischen Ländern spielen Leistungsmessung und Noten eine weitaus geringere Rolle als hierzulande. Somit ist es auch nicht verwunderlich, dass an skandinavischen Schulen Lern- und Lernerorientierung im Vordergrund stehen, um Schülerinnen und Schüler individuell zu fördern. Vgl. auch Ratzki (2007). 72 Vgl. dazu z. B. Csikszentmihalyi (1985), Csikszentmihalyi/ Schiefele (1993) oder auch Rheinberg (2006a). 73 Zur historischen Entwicklung des Projektgedankens vgl. z. B. auch Gudjons (2008). die Bewertung der Betroffenen selbst mit einfließen, und genauso selbstverständlich sollten Kriterien gemeinsam entwickelt werden und zu jeder Zeit transparent sein. Noten haben hier meines Erachtens allerdings wenig Aussagekraft und sind häufig eher kontraproduktiv. 71 Im Gegensatz zum üblichen “assessment of learning“ (Nunan 2013, 24) sollte vielmehr “assessment for learning“ (Ebd.) praktiziert werden, um neue Lernprozesse zu initiieren. Fazit: Lernen bedeutet also nicht, „fertiges Wissen rezeptiv zu übernehmen, sondern die Wege, auf denen Wissen entsteht, selbst zu gehen“ (von der Groeben 2006, 166). Diese Einsicht ist beileibe nicht neu, sondern „gilt längst als wissenschaftliches Allgemeingut. Aber in den vielen Schulen, vielleicht den meisten, ist sie noch lange nicht angekommen. Man weiß zwar, dass Lernen eigentlich ‘anders’ sein, nachhaltiger sein müsste, aber im Schulalltag dominieren die alten verkrusteten Strukturen und Paukmechanismen“ (Ebd.). Dies trifft offensichtlich auch auf den Fremdsprachenunterricht zu, wenn man folgender Aussage Glauben schenken will: „Warum der pattern drill tot ist und sich trotzdem bester Gesundheit erfreut“ (Solmecke 2005). Wolff (2000) moniert, dass sein Artikel aus dem Jahr 1994 „konkret nur wenig bewirkt“ habe (Ebd., 91), und auch Schwerdtfeger (2000) kritisiert, dass unterrichtsmethodische Vorschläge aus der Sprachlehrforschung „folgenlos“ (Ebd., 113) bleiben. Storyline bietet aus meiner Sicht viele Chancen, um diesem Problem konst‐ ruktiv zu begegnen. Wie? Das zeigen Fallstudie 7-9 in Teil B. Das im obigen Zitat erwähnte nachhaltige Lernen wird unter anderem von den folgenden Faktoren bedingt: Bedeutsamkeit des Themas, Praxisrelevanz, Anschlussfähigkeit, Flow-Gefühl 72 , Vielfalt der Lernwege, angenehme Lernatmosphäre und metakognitive Re‐ flexion (Siebert 2005, 37). Auch dies ist keine neue Erkenntnis, sondern knüpft an bewährte Modelle an, wie etwa die Projektmethode ( John Dewey/ William H. Kilpatrick) 73 oder das Konzept der Selbsttätigkeit und Handlungsorientierung aus der deutschen Reformpäda‐ gogik des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts mit Vertreterinnen und Vertretern wie Georg Kerschensteiner (Arbeitsschule), Hans Aebli, Hugo Gaudig, Lotte Müller, Otto Scheibner, Peter Petersen oder Johannes Langermann. Handlungsorientierung und Selbst‐ tätigkeit gelten auch als zentrale Aspekte in der Pädagogik von Célestin Freinet oder Maria Montessori sowie in der sowjetischen Kulturhistorischen Schule mit den Vertretern Lev Vygotskij, Alexej Leontjew und Pjotr J. Galperin. Nicht vergessen werden sollte in dieser Auflistung Johann Amos Comenius, der schon im 17. Jahrhundert die Berücksichtigung aller Sinne beim Lernen gefordert hatte. Auch Jérôme S. Bruner (1966) forderte in seinem Konzept des entdeckenden Lernens die Integration von realen Situationen in das Unterrichtsgeschehen, anhand derer neues 151 3.4 Von der Theorie zur Praxis oder vice versa 74 Auch neuere problemorientierte Lernumgebungen, die das Entwickeln eigener Problemlösever‐ fahren anstreben, gehen auf das ursprünglich von Bruner (1966) entwickelte Konzept des aktiven oder explorativen Lernens zurück. Vgl. dazu z. B. die Ausführungen in Müller (1996b, 84 ff.). 75 Auch Begriffe wie „Interimsprache“ oder “interlanguage“ aus der Sprachlern- und -lehrforschung, die auf die Eigengesetzlichkeit des Spracherwerbs hinweisen, basieren auf konstruktivistischen Ar‐ gumenten. Vgl. dazu z. B. auch Lightbown/ Spada (2013, 210). Wissen selbstständig und explorativ erworben werden kann. 74 Des Weiteren setzte sich Martin Wagenschein (1982) für den Ansatz des entdeckenden Lernens ein (Epochenunter‐ richt), dem er ein genetisches Prinzip zugrunde legte: „Danach muß jedes Lehren von Prob‐ lemstellungen ausgehen, die den Lernenden zum Nachdenken bringen und Fragen auslösen, die ihn wiederum dazu motivieren, eigene ‘Entdeckungen’ zu machen“ (Reinmann-Roth‐ meier/ Mandl 1999, 32). Ein weiteres Kriterium seines Konzepts liegt im Grundsatz, dass die Wirklichkeit immer „anwesend“ ist: „Fragestellungen, Begriffe, Symbole, Strukturen drängen sich dem Schüler aus der Sache auf “ (Gudjons 2001, 23). Erwähnt werden sollte auch noch D.P. Ausubels Konzept des sinnvollen Lernens, in dem die Rolle des Vorwissens der Lernenden betont wird. Offene Lernformen, das heißt - um nur einige Stichwörter zu nennen - schülerorien‐ tierter, handlungsorientierter, erfahrungsbezogener, ganzheitlicher, prozess- und produkt‐ orientierter, projektorientierter, inhaltsorientierter und selbstbestimmter Unterricht, sind heute zwar wieder zum Modebegriff geworden, sie sind jedoch keine Neuerfindung der zeitgenössischen Pädagogik bzw. Didaktik, sondern haben in manchen Schularten bereits eine lange Tradition. Allerdings - und das ist das Erstaunliche dabei - führen sie in der alltäglichen Unterrichtspraxis des Regelschulwesens noch immer nur ein Schattendasein, wie durch prominente Schulstudien in regelmäßigen Abständen belegt und moniert wird (vgl. Kapitel 1.5). Auch im Bereich des Fremdsprachenunterrichts sind die oben genannten methodischen Prinzipien wie Handlungsorientierung (kooperatives Lernen, kreative Arbeitsformen, Pro‐ jektunterricht, Lernen durch Lehren), Lernerzentrierung (Individualisierung des Lernens, Lernerautonomie), prozessbezogene Bewusstmachung (Lernbewusstheit, Sprachbewusst‐ heit, interkulturelle Bewusstheit) und ganzheitliche Spracherfahrung (Inhaltsorientierung, authentische und komplexe Lernumgebung) usw. natürlich nichts Neues: „Es handelt sich (...) um gängige didaktisch-methodische Grundsätze der neunziger Jahre, obwohl ihre prak‐ tische Realisierbarkeit teilweise noch nicht ganz geklärt ist“ (Reinfried 1999, 164 f.). Neu ist allerdings, dass die genannten Prinzipien erst durch den konstruktivistischen Theorie‐ rahmen ein stützendes Fundament erhalten, so dass einzelne Methoden und Verfahren nicht mehr isoliert „im Raum“ stehen oder gar als Modeerscheinung abgetan werden, sondern in einem kohärenten Lehr-Lern-Konzept vereinigt werden. 75 Dies scheint mir ein wesentlicher Aspekt zu sein, wenn es um die Frage nach der praktischen Realisierung von Ansätzen geht: Sicherlich haben Wendt und Wolff recht, wenn sie meinen, daß der heutige Fremdsprachenunter‐ richt an den deutschen Schulen insgesamt zu instruktivistisch ist. Das hängt damit zusammen, daß viele Lehrerinnen und Lehrer es noch kaum gewöhnt sind, Gruppen- oder Partnerarbeit, Projekte oder ‘Lernen durch Lehren’ im Fremdsprachenunterricht einzusetzen, daß sie die entsprechenden Unterrichtstechniken nicht verinnerlicht haben (Ebd., 177). 152 3 Grundlagen einer konstruktiv(istisch)en Lernkultur 76 Vgl. dazu Gerstenmaier/ Mandl (1995), Mandl/ Gerstenmaier (Hrsg.) (2000), Reinmann/ Mandl (2006). 77 Vgl. dazu Rogoff (1990). 78 Der Cognitive Apprenticeship-Ansatz (Theorie der kognitiven Lehre) ist vergleichbar mit einer tra‐ ditionellen Handwerkslehre. Die Lernenden werden über authentische Aktivitäten und soziale In‐ teraktionen in eine Expertenkultur eingeführt. Dieser Prozess vollzieht sich in mehreren Schritten: Beobachtung einer von der Lehrkraft durchgeführten und verbalisierten Handlung (kognitives Mo‐ dellieren), anschließend eigene Problemlöseversuche anhand authentischer Aufgaben mit Unter‐ stützung der Lehrkraft (coaching und scaffolding), danach möglichst selbstständige Lösungsversuche ohne die Lehrkraft (fading). Dabei werden die kognitiven Prozesse artikuliert und in der Gruppe oder mit der Lehrkraft (Expertin) reflektiert (Artikulation und Reflexion). Schließlich werden die Ler‐ nenden zum eigenständigen Problemlösen angeregt (Explorieren). Ziel ist es, durch unterschiedliche Problemkontexte die Flexibilisierung und Dekontextualisierung von Wissen zu erreichen. Vgl. dazu auch Collins u. a. (1989) oder Richter (1996). Diese Aussage spricht meines Erachtens Bände, und man fragt sich, warum offensichtlich viele Lehrerinnen und Lehrer die angeblich gängigen Methoden und Grundsätze nicht ver‐ innerlicht haben. Ich wage zu behaupten, dass sie diese vermutlich nicht nach konstrukti‐ vistischen Vorstellungen „gelernt“ haben, so dass sie zu transferunfähigem „trägem“ Wissen mutiert sind. Nachhaltiges Lernen gilt natürlich nicht nur als Ziel für das schulische Lernen, sondern auch für die Ausbildung und Fortbildung von Lehrkräften. Dieser Aspekt ist auch insofern bedeutsam, als es heute - ganz im konstruktivistischen Sinne - weder „die“ Me‐ thode noch „die“ Fremdsprachendidaktik gibt, auf die man sich „getrost“ verlassen könnte, sondern gerade im Bereich der Englischdidaktik tendenziell „eine Diversifizierung der An‐ sätze“ (Viebrock 2008, 117) erkennbar ist, so dass Lehramtsstudierende (und nicht nur diese) umso mehr gefordert sind, immer wieder eigene „viable“ Lösungen und Wissenskonstruk‐ tionen zu vollziehen und diese professionell zu begründen. Vor dem Hintergrund der bekannten Problematik um transferunfähiges „träges“ Wissen wurden in den vergangenen Jahren in der Instruktionspsychologie zahlreiche neue (gemä‐ ßigte) konstruktivistische Konzepte für verschiedene Lernbereiche in Schule, Hochschule und Erwachsenenbildung entwickelt, die dem „Neuen“ Konstruktivismus 76 nahestehen, und einige davon lassen sich auch gut auf das Fremdsprachenlernen übertragen. Dabei handelt es sich insbesondere um diejenigen Ansätze, die dem Paradigma der Situated Cognition zugeordnet werden. Zu den bekanntesten Konzepten des von Clancey (1993) und Greeno (1989; 1992; 1998) seit Ende der 1980er Jahre entwickelten Modells der Situated Cognition gehören die Folgenden: Guided Participation  77 , Cognitive Apprenticeship  78 , Communities of 153 3.4 Von der Theorie zur Praxis oder vice versa 79 Jean Lave (1991) stellt fest, dass Individuen grundsätzlich im alltäglichen Tun und in einer Gemein‐ schaft praktisch tätiger Menschen (community of practice) lernen, die in einen kulturellen Prozess eingebunden sind und in denen sich Identitätskonstruktionen entwickeln. Demzufolge muss Lernen stets im Zusammenhang mit seinem sozialen Kontext und den dialektischen Beziehungen der Men‐ schen betrachtet werden. Vgl. auch Lave/ Wenger (1991) oder Wenger u. a. (2002). 80 Der Cognitive Fexibility-Ansatz wurde im Kontext der Expertiseforschung maßgeblich von Spiro (Spiro u. a., 1992) entwickelt. Die (fortgeschrittenen) Lernenden werden mit realen Komplexitäten und Irregularitäten konfrontiert, um ihr Wissen später flexibel anwenden zu können. 81 Vgl. dazu z. B. Spiro u. a. (1992). 82 Der Anchored Instruction-Ansatz wurde zu Beginn der 1990er Jahre von der Cognition and Technology Group at Vanderbilt (1992) entwickelt, um das Problem des „trägen“ Wissens zu überwinden. Die Grundidee sind so genannte narrative Anker in Form von authentischen Problemsituationen (Ge‐ schichten), die Interesse und Motivation wecken, Vorerfahrungen und Vorwissen aktivieren und zum aktiven Lernen herausfordern. 83 Vgl. dazu z.B. Kommers u. a. (Hrsg.) (1992). 84 Vgl. dazu z. B. Edelsky u. a. (1991) oder Edelsky (Hrsg.) (1999). 85 Beschreibungen einzelner Modelle finden sich z. B. in Chott (2001), Gerstenmaier/ Mandl (1995), Gruber u. a. (2000), Meixner/ Müller (2004a; 2004b), Müller (1996b), Reinmann-Rothmeier/ Mandl (1996; 1999) sowie Reinmann/ Mandl (2006). In Müller (1997) sind viele praktische Beispiele aus dem Fremdsprachenunterricht aufgeführt. Practice  79 , Cognitive Flexibility  80 , Random Access Instruction  81 , Anchored Instruction  82 , In‐ structional Design bzw. Cognitive Tools for Learning  83 , Whole Language  84 und einige mehr, die jedoch an dieser Stelle nicht berücksichtigt werden können. 85 Die Kernidee dieser An‐ sätze ist, dass Wissen unter Anwendungsgesichtspunkten erworben und deshalb an kom‐ plexen und authentischen Problemstellungen gelernt wird. Um die Lernenden jedoch nicht zu überfordern, erhalten sie Unterstützung. Angestrebt wird mit diesen Konzepten also eine „Balance zwischen Konstruktion und Instruktion“ (Gruber u. a. 2000, 144). Historische Vorbilder Dewey: Amerikanischer Pragmatismus Kerschensteiner: Arbeitsschule Bruner: Entdeckendes Lernen Wagenschein: Epochenunterricht Neue konstruktivistische Ansätze Situated Cognition-Bewegung: Lave, Rogoff, Greeno, Resnick Anchored Instruction Cognitive Flexibility Cognitive Apprenticeship Abb. 6: Historische Vorbilder konstruktivistischer Instruktionsansätze bzw. situierter Lernumge‐ bungen (Reinmann-Rothmeier/ Mandl 1999, 33) 154 3 Grundlagen einer konstruktiv(istisch)en Lernkultur 86 Vgl. dazu Meixner/ Müller (Hrsg.) (2001). 87 Vgl. dazu Meixner (2005). 88 Vgl. dazu auch Volkmann (2010, 208 ff.) mit Anregungen für den Fremdsprachenunterricht. 89 Vgl. dazu z. B. Legutke/ Thomas (1991), Müller-Hartmann/ Schocker-von Ditfurth (Hrsg.) (2005), Müller-Hartmann/ Schocker-von Ditfurth (2011), Müller-Hartmann u. a. (Hrsg.) (2013), Nunan (1989; 2004), Prabhu (1987), Van den Branden (Hrsg.) (2006) oder Willis (1996). Krüger (2008) bezieht sich in ihrer Studie zu Aufgaben im DaF-Unterricht explizit auf konstruktivistische Ansätze. Vgl. auch Kapitel 2.4. 90 Vgl. dazu z. B. Caré (1995), Dräger-Spence (1998; 2000), Rattunde (1995; 1998), Sippel (2003) oder Yaiche (1994; 1998). 91 Vgl. dazu Piepho (2003). Vgl. auch Hölscher u. a. (2006), Küppers u. a. (Hrsg.) (2011) oder Legutke (2013). In der Psychologie des Wissensmanagements (Reinmann/ Mandl, Hrsg. 2004) werden der‐ zeit auch Modelle wie Experten-Laien-Kommunikation (Bromme u. a. 2004), Methodik des Repertory Grid (Clases 2004) oder Story Telling (Neubauer u. a. 2004; Thier 2010) propagiert, dabei dient die Methode des Story Telling offensichtlich dazu, Erfahrungswissen und im‐ plizites Wissen innerhalb von Organisationen in narrativer Form festzuhalten und weiter‐ zugeben. Eine ähnliche Version ist die Methode Story Template (Reinmann/ Eppler 2008), anhand derer Wissen und Erfahrungen ebenfalls in Geschichten verpackt werden, oder die Szenario-Technik (Hinke 2007). Was die erwähnten Ansätze verbindet, ist die Tatsache, dass sie auf (gemäßigten) konstruktivistischen Grundsätzen aufbauen und mit den oben ge‐ nannten Ansätzen der Situated Cognition - und in gewisser Weise auch mit dem Storyline Approach - verwandt sind. Darüber hinaus versuchen Johanna Meixner und Klaus Müller bereits seit einigen Jahren, auf der Basis des so genannten Pragmatischen Konstruktivismus, konkrete Unterrichts‐ modelle für Deutsch als Fremdsprache (DaF) zu entwerfen, „die zeigen, dass im normalen Schulalltag Instruktion und Konstruktion keine ausschließenden Alternativen sind, son‐ dern sich fallweise und sinnvoll ergänzen können“ (Meixner 2005, 191). 86 Dazu gehören auch das Verfahren der Produktiven Semantisierung im Bereich der Wortschatzvermittlung oder das dramapädagogische Konzept der Relationellen Dramaturgie. 87 Im Übrigen plädiert auch Engelbert Thaler (2008; 2010) für ein Balanced Teaching im Fremdsprachenunterricht, „das offene ebenso wie eher geschlossene Techniken, Verfahren und Methoden verwendet“ (Thaler 2008, 307) - eine Einstellung, wie sie auch in gemäßigt konstruktivistischen Posi‐ tionen der Erwerbspsychologie vertreten wird; 88 Reinmann und Mandl (2006, 638 ff.) spre‐ chen in diesem Zusammenhang von einem wissensbasierten Konstruktivismus bzw. von integrierten Lernumgebungen. Unabhängig davon wurden seit etwa Mitte der 1980er Jahre einige neue Lernmodelle speziell für das Fremdsprachenlernen entwickelt bzw. adaptiert, die jedoch nicht explizit auf der Grundlage von konstruktivistischen Ansätzen konzipiert wurden, diesen jedoch in vielerlei Hinsicht entsprechen. Dazu zählen - neben dem Storyline Approach - Aufgaben‐ basiertes bzw. Aufgabengestütztes Lernen 89 , Simulation globale  90 , Szenariendidaktik 91 , Dra‐ 155 3.4 Von der Theorie zur Praxis oder vice versa 92 Vgl. z. B. Bräuer (Hrsg.) (2002), Kessler (2008), Sambanis (2013, 115 ff.) oder Schewe (1993). 93 Das Konzept der Lernerautonomie ist quasi die praktisch gewordene Konsequenz des Radikalen Konstruktivismus, auch wenn es ursprünglich auf Ideen der Reformpädagogik und der amerikani‐ schen Psychologie der 1960er Jahre aufbaut. Vgl. dazu Dam (1994; 1995; 2000; 2016), Holec (1981), Little (1991; 1994) oder Sinclair u. a. (Hrsg.) (2000). Für einen Überblick vgl. Benson (2011) oder Mar‐ tinez (2005). Vgl. auch Kapitel 4.3 und 4.4. 94 Vgl. dazu Martin (1985; 1986) sowie Martin/ Kelchner (1998). mapädagogik 92 , Lernerautonomie 93 oder Lernen durch Lehren 94 , auch wenn diese nach meiner Einschätzung im Bereich des Fremdsprachenlernens nach wie vor wenig zum Ein‐ satz kommen. Dafür gibt es sicher vielerlei Gründe, einer davon mag sein, dass es für Lehr‐ kräfte (und nicht nur für diese) schwierig ist, ein komplexes theoretisches Modell in die Praxis umzusetzen. Dass dies so nicht funktionieren kann, ist, gerade aus der konstrukti‐ vistischen Position heraus betrachtet, vollkommen nachvollziehbar. Learning by doing heißt das Zauberwort ... 3.5 Der Storyline Approach und konstruktiv(istisch)es Lernen Creating worlds, constructing meaning (Creswell 1997) Das Storyline-Konzept leitet sich zwar ursprünglich nicht direkt vom Konstruktivismus ab, lässt sich aber im Nachhinein zutreffend damit begründen und somit theoretisch absichern. Nachdem im vorangegangenen Kapitel allgemeine Empfehlungen und Anregungen für eine konstruktiv(istisch)e Lernumgebung formuliert wurden, die insbesondere auch für das Fremdsprachenlernen förderlich sind, sollen nun darauf aufbauend einige Bezüge zwischen dem Storyline Approach und konstruktivistischem Denken erläutert werden. Es geht also um die Fragen: Was hat Storyline mit Konstruktivismus zu tun? Und was bedeutet das konkret für das Fremdsprachenlernen mit Storyline? Um Redundanzen mit Kapitel 2 und Kapitel 3.4 zu vermeiden, erfolgt hier lediglich eine Synopse. Aus meiner Sicht erfüllt der Storyline Approach aus folgenden Gründen die Anforde‐ rungen an eine konstruktiv(istisch)e Lernumgebung im Rahmen des Fremdsprachenler‐ nens: • Lerninhalte: Das obige Zitat bzw. der Buchtitel von Jeff Creswell (1997) beschreibt die Kernessenz des Storyline Approach und trifft in gleichem Maße auf die diversen konstruktivistischen Denkströmungen zu. In fremdsprachlichen Storyline-Projekten „konstruieren“ die Lernenden deutlich erkennbar in doppeltem Maße: nämlich In‐ halte/ Bedeutungen und Sprache. Sie erfinden gemeinsam Teile „ihrer“ Geschichte (collaborative storymaking), entwickeln also auf der Basis ihrer individuellen Erfah‐ rungen, Interessen und Ideen sinnerfüllte, „passende“ Inhalte, handeln Bedeutungen aus und schaffen auf diese Weise einen persönlich relevanten, situativen und zu‐ sammenhängenden Kontext (z. B. Zoo, Bauernhof): “Learning is the construction of meaning. (...) The narrative plays an important part in meaning-creating processes“ (Letschert 2006, 21). 156 3 Grundlagen einer konstruktiv(istisch)en Lernkultur Die Inhalte der story werden in großem Maße von den Lernenden selbst bestimmt, auch wenn die Lehrkraft im Vorfeld ein grobes Konzept entwirft und über key ques‐ tions und incidents stets die Möglichkeit hat, anregend und lenkend einzugreifen bzw. zu perturbieren, indem sie die Lernenden vor neue Probleme stellt, die im sozialen Gefüge sowohl inhaltlich als auch sprachlich konsensuell gelöst werden: Die Lernenden bilden Hypothesen und testen diese im Rahmen der story aus. Sie konstruieren, rekonstruieren und dekonstruieren Bedeutungen (vgl. Kapitel 3.3.2.2), wenn sie ihrer Phantasie freien Lauf lassen; Imagination ist ein besonders wichtiges learning tool bei Storyline. Über „richtig“ oder „falsch“ im Hinblick auf den Inhalt bestimmt nicht - wie üblich - die Lehrkraft, sondern die Lerngruppe, nachdem sie selbstständig recherchiert und intensiv beraten hat. Spätestens bei der Präsentation werden eventuelle „Denkfehler“ oder „Sprachfehler“ aufgedeckt, nämlich wenn die Klasse den „Konstruktionsversuchen“ nicht folgen kann und somit keine Verstän‐ digung stattfindet. Durch das Hineinversetzen in fiktive Charaktere (z. B. Tourist, Journalistin) lernen die Schülerinnen und Schüler, sich im geschützten Raum auf verschiedene Situationen einzulassen und sich mit verschiedenen Rollen zu identi‐ fizieren, was den kognitiven, sozialen und emotionalen Horizont erweitert. Dies ist gerade bei der Entwicklung von interkulturellen Kompetenzen von Bedeutung. Auf der anderen Seite gehen die Lernenden mit der für den jeweiligen Kontext be‐ nötigten Sprache spielerisch und kreativ um, indem sie für ihre Beiträge individu‐ elles Vorwissen (interlanguage) nutzen bzw. darauf aufbauend neue Formen oder Strukturen konstruieren (z. B. Wortbildung, Satzmuster) oder etwa Wortfelder er‐ weitern (vgl. Kapitel 2.3.3.3). Sprache wird - anders als in Schulbüchern - nicht in vorgegebenen bits and pieces und vereinfachten pattern drills benutzt, sondern auf Grund des authentischen Kontexts in sehr individueller Ausprägung: Die Lernenden bestimmen selbst, wie sie sich ausdrücken möchten, und konstruieren je nach Können und Absicht entsprechende sprachliche Mittel. Durch das individuelle und/ oder gemeinsame Experimentieren wird nicht nur die Sprachkompetenz, sondern auch das Sprachbewusstsein gefördert. Alles sprachliche Lernen findet in lebensnahen, bedeutungsvollen, komplexen und kohärenten Kontexten statt: “Meaningful education asks for coherence in the cur‐ riculum. A story is by definition a meaningful context. (...) Stories are constructions in which facts, remembrances, knowledge and imagination come together“ (Let‐ schert 2006, 19). Wissen, das selbst konstruiert wird, bleibt besser im Gedächtnis haften und ist somit nachhaltiger. Geschichten und persönliche Relevanz erhöhen die emotionale Beteiligung der Lernenden (vgl. Kapitel 2.3.2.1). Emotionen wie‐ derum unterstützen die Verankerung des Gelernten im Gedächtnis und somit die Bildung von komplexen Wissensnetzen (vgl. Kapitel 4.4.2). • Lernziele: Durch die gemeinsame Auswahl eines Themas einigen sich Klasse und Lehrkraft im Vorfeld auf mögliche inhaltliche Aspekte und Ziele (z. B. Schottland, Robinson Crusoe), jedoch können sich diese im Verlauf des Storyline-Projekts - je nach Ausgestaltung - verändern und erweitern. Weitere - insbesondere sprachliche - Ziele (z. B. Zeiten, Wortfelder) oder methodische Aspekte (z. B. Internetrecherche, Präsentieren) berücksichtigt die Lehrkraft, wenn sie die grobe Struktur der Storyline 157 3.5 Der Storyline Approach und konstruktiv(istisch)es Lernen konzipiert. Allerdings lernen die Schülerinnen und Schüler durch die Offenheit der Aufgabenstellungen weit mehr, als die Lehrkraft in Form von Lehr-Zielen im Vorfeld definieren kann. Durch das selbstbestimmte Lernen entwickeln sie viele individuelle Lernziele (z. B. besser im Team arbeiten, öfter Wörter nachschlagen), die in regel‐ mäßigen Reflexionsphasen besprochen werden. Storyline erlaubt Lernenden und fordert sie sogar dazu auf, Fragen zu stellen, die wiederum plausible Lösungen verlangen: durch Recherche, Interaktion oder Refle‐ xion. Viele dieser Fragen sind im Vorfeld nicht absehbar, sondern werden oft spontan geäußert; sie können dazu beitragen, dass Lernende ganz individuelle Lernziele „konstruieren“, die für den Verlauf der Storyline wichtig sind, aber auch einen Bil‐ dungswert haben (z. B. Eruieren, ob Aprikosen auch in Irland gedeihen oder was für ein Habitat Pinguine im Zoo benötigen). Durch die Tatsache, dass die Lernenden im Rahmen der Gruppenarbeit Teilaufgaben auswählen oder eigene Miniaufgaben entwickeln, setzen sie sich immer wieder ei‐ gene Ziele und konstruieren wiederum eigene (viable) Lösungen - entweder allein oder im Team. Dies kann sich auf Inhalte, Arbeitsweisen oder Sprache beziehen. Somit wird der Storyline Approach insbesondere heterogenen Lerngruppen gerecht, weil sich alle Mitglieder auf die eine oder andere Weise einbringen können und zum Gelingen des Projekts beitragen. Die Lernenden organisieren ihre Arbeit weitgehend selbstständig (z. B. am Fries, auf dem Flur) und lernen dabei wichtige Strategien für eigenverantwortliches (lebenslanges) Lernen. • Lernumgebung: Storyline-Klassenzimmer verkörpern „starke“ Lernumgebungen mit vielseitigen Lernangeboten, anspruchsvollen Aufgabenstellungen, ansprech‐ enden und authentischen Materialien, realitätsnahen Kommunikationssituationen sowie handlungsorientierten Arbeitsweisen (learning by doing), die ermöglichen, dass Wissen und Können im Austausch mit der Lerngruppe immer wieder neu kon‐ struiert, strukturiert, erprobt und integriert wird. Durch das Arbeiten an komplexen, ganzheitlichen und lebenswirklichen Problemstellungen finden die Lernenden viel‐ seitige Anknüpfungspunkte an ihre bisherigen Erfahrungen und Wissenskonstruk‐ tionen (z. B. Haustiere, Familienleben, Reisen). Sowohl incidents als auch die key questions stellen echte Herausforderungen dar, die inhaltlich und sprachlich gelöst werden müssen. Dabei werden vielfältige kognitive Prozesse ausgelöst. Da es keine „fertigen“ Antworten - wie in Schulbüchern - gibt, sind alle Lernenden gefordert, sich aktiv und konstruktiv zu beteiligen: kognitiv, emotional und sozial. Durch das intensive Verhandeln bei der „Problemlösung“ sowie durch die handlungsorientierte Arbeitsweise (z. B. Bastelarbeiten, Rollenspiel) wird die Transferfähigkeit des Gelernten, insbesondere auch auf sprachlicher Ebene, erhöht. Komplexe authentische Sprachhandlungen werden in zielgerichteten Inter‐ aktionen mit der Gruppe konstruiert, in der Simulation bzw. inszenierten Wirklich‐ keit erprobt und in bestehende Wissenskonstruktionen integriert, was durch die narrative Verankerung erleichtert wird (vgl. Kapitel 2.3.2.1). Die offenen Aufgabenstellungen ermöglichen zudem, dass verschiedene Talente und Intelligenzen berücksichtigt werden, die den inhaltlichen und sprachlichen Kon‐ struktionsprozess unterstützen und zum ganzheitlichen Experimentieren einladen 158 3 Grundlagen einer konstruktiv(istisch)en Lernkultur (z. B. Gedicht, Tanz, Collage). Durch die offenen Aufgaben entsteht ein information gap; folglich hören die Lernenden bei den Präsentationen motiviert zu und versu‐ chen, das Gehörte bzw. die Konstruktionsprozesse der Klassenmitglieder zu er‐ schließen und zuzuordnen. Storyline ist wie alle Projektformen auch ein demokra‐ tiepädagischer Ansatz (vgl. Magnus/ Sliwka 2015) und fordert bzw. fördert Mitsprache. Dies verlangt “a group climate with a spirit of safety, respect and con‐ fidence. In this climate, children (dare to) take initiatives“ (Letschert 2006, 20). Bei Storyline übernehmen Lernende erkennbar gerne Verantwortung für ihr Handeln (ownership). • Sozialformen: Kooperatives Lernen hat bei Storyline einen hohen Stellenwert (vgl. Kapitel 2.3.3.5) und ermöglicht den Lernenden, im Schutz der Gruppe eigene Ideen, Wirklichkeitsentwürfe, aber auch Sprache zu konstruieren, auszutauschen, zu re‐ flektieren und eventuell neu zu strukturieren. Da die Gruppen „homogen“ sind (z. B. eine Familie, eine Reisegruppe), können, dürfen und sollen alle etwas beitragen: Jedes Gruppenmitglied wird zum Experten bzw. zur Expertin für den jeweils ge‐ wählten Bereich und hat somit eine tragende Rolle in der Geschichte (z. B. als Opa, Polizistin, Punk). Die soziale Interaktion und intensive Kommunikation fördert Wis‐ senskonstruktionen und Lernprozesse auf inhaltlicher, emotionaler, sozialer und sprachlicher Ebene. Storyline-Lerngruppen sind komplexe dynamische Systeme mit einem beachtlichen Lernpotenzial (vgl. Kapitel 4.3.5.3). Lernen findet bei Storyline nicht wie üblich nur am zugeteilten Tisch statt, sondern kann sich über das gesamte Klassenzimmer (z. B. Fries, PC, Boden), Schulhaus (z. B. Bibliothek, Schulgarten) oder auch außerschulische Orte (z. B. Interview mit der Feuerwehr, Besichtigung einer Klinik) erstrecken. Über Skype und E-mail können sogar learning communities und Expertenteams rund um die Welt gebildet werden. Die Lehrkraft berät als Lernpartnerin bzw. -partner und regt über key questions und incidents zu neuen Konstruktionsprozessen an: “The construction of authentic knowledge from our experiences and sharing knowledge with others is the power of the Storyline Approach“ (Letschert 2006, 19). • Arbeitsmaterialien: Ein Storyline-Klassenzimmer ist mit vielfältigen Arbeits- und Lernmaterialien ausgerüstet, um die individuellen Konstruktionsprozesse zu er‐ leichtern und zu veranschaulichen: Bastelmaterialien, Nachschlagewerke, authen‐ tische Materialien (z. B. Broschüren, Souvenirs) und - je nach Ausstattung der Schule - Computer, Kameras, CD-Player usw. (vgl. Kapitel 2.3.3.4). Anders als bei der Arbeit mit dem Schulbuch wählen die Lernenden eigenständig das jeweils benötigte Ma‐ terial aus, um ihre kreativen Ideen zu visualisieren bzw. zu illustrieren. Selbstver‐ ständlich können sie auch geeignete Materialien von zu Hause mitbringen (z. B. Ge‐ genstände, Kleidung, Musik). Die Lernenden benutzen, wählen aus, wägen Nutzen und Qualität ab und/ oder gestalten eigene Medienprodukte (z. B. Videoclip, Zei‐ tungsartikel). Auf diese Weise erwerben sie wichtige Medienkompetenzen, die zudem auch das sprachliche Lernen erleichtern (vgl. Kapitel 1.6.2.1). Der Fries übernimmt in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle: er dokumentiert bzw. fördert individuelle Lernprozesse, veranschaulicht die Vielfalt an Lernwegen, 159 3.5 Der Storyline Approach und konstruktiv(istisch)es Lernen strukturiert das Lernen, fördert die Metakognition und unterstützt zugleich auch die Konstruktionsprozesse im Rahmen der Präsentationen (vgl. Kapitel 2.3.3.2). • Lern- und Arbeitstechniken: In Storyline-Projekten verwenden und lernen die Schülerinnen und Schüler vielseitige Techniken und Strategien, um ihre Arbeit selbst zu organisieren sowie selbstständig Bedeutungen zu erschließen bzw. zu konstru‐ ieren, und zwar auf inhaltlicher als auch sprachlicher Ebene (z. B. Einsatz von Sach‐ büchern, Wörterbüchern). Sie trainieren Lesetechniken (z. B. skimming, scanning), lernen, wie man Wörter aus dem Kontext erschließt (z. B. bei Präsentationen), aber auch, wie man einen Text aufbaut (z. B. Brief, Lebenslauf) oder einen Hörtext visu‐ alisiert (z. B. Collagen, Objekte). Darüber hinaus entwickeln sie während der Auf‐ gabenbearbeitung eigene Lernwege und individuelle Arbeitsstrategien (z. B. note-taking, Nutzung eines Online-Lexikons). Die ganzheitlichen, multimodalen und multisensorischen Arbeitsweisen fördern vielfältige Konstruktionsprozesse und werden besonders heterogenen Lerngruppen gerecht. In der Gruppe sowie in den regelmäßigen Reflexionen werden Lern- und Arbeitstechniken besprochen, evalu‐ iert und eventuell modifiziert. Dadurch werden individuelle Wissenskonstruktions‐ prozesse bewusst gemacht. Auf Grund der bei Storyline erhöhten Fehlertoleranz entwickeln die Lernenden auch language awareness und werden zudem angeregt, mit der Sprache spielerisch und kreativ umzugehen (z. B. Wortbildung, sense poem). Dabei erwerben sie ein vielseitiges strategisches Wissen, das sie - auch außerhalb der Schule - flexibel einsetzen können (nachhaltige Handlungskompetenz). Lernen lernen hat bei Storyline einen hohen Stellenwert. • Rollenverständnis: In Storyline-Projekten werden Lernende viel mehr gefordert als im regulären Unterricht, wo in der Regel die Lehrkräfte aktiv sind, während die Lernenden meist zuhören (müssen). Lernende und Lehrende entwickeln bei Storyline eine Vielzahl an neuen Rollen (vgl. Kapitel 2.3.3.5), welche die individuellen Kon‐ struktionsprozesse der Lernenden unterstützen: Diese arbeiten weitgehend selbst‐ ständig und eigenverantwortlich in Teams, recherchieren kritisch und zielgerichtet in authentischen Materialien, wählen Teilaufgaben aus, konstruieren - inhaltlich, sprachlich und methodisch - eigene Beiträge, die sie der Klassenöffentlichkeit auf ihre Weise präsentieren, und reflektieren ihre Lernprozesse. Lehrkräfte werden zu “educational designers“ (Letschert 2006, 22): sie konzipieren eine für die Ziel‐ gruppe geeignete Storyline, organisieren und koordinieren Arbeitsphasen, mode‐ rieren bei Präsentationen, motivieren und beraten bei der Aufgabenbearbeitung, fördern durch key questions und incidents Hypothesenbildung und Wissenskonst‐ ruktionen, regen zu divergentem und kritischem Denken an, vermitteln bei sozialen Lernprozessen, fördern durch eine erhöhte Fehlertoleranz die Risikobereitschaft der Lernenden (z. B. bei kreativen sprachlichen Beiträgen), beobachten und evaluieren Lernprozesse und vieles mehr. Storyline-Lehrkräfte sind bei der Vorbereitung aktiv, im Klassenzimmer treten sie in den Hintergrund und überlassen die Arena den Lernenden. Die relative Autonomie der Lernenden ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum lebenslangen Lernen (vgl. Kapitel 1.6). • Reflexion und Evaluation: In Storyline-Projekten finden regelmäßig längere und kürzere Reflexionen statt, um den Lernenden ihre Lernprozesse, Wissenskonstruk‐ 160 3 Grundlagen einer konstruktiv(istisch)en Lernkultur tionen, Lernfortschritte, aber auch -hindernisse bewusst zu machen. Dies geschieht in den jeweiligen Arbeitsgruppen (peer evaluation), im Plenum oder auch durch eine schriftliche Selbstevaluation. Diese Phasen dienen nicht etwa der Bewertung im Sinne der Benotung, sondern sollen vielmehr das autonome Lernen und Arbeiten erleichtern. Es geht dabei also auch um zukünftige Lernprozesse und die Frage, wie diese bestmöglich gefördert werden können (z. B. durch ein größeres Zeitbudget, mehr/ anderes Material, Wechsel der teamleaders). Die Reflexionen können sich auf inhaltliche, organisatorische, soziale, sprachliche oder auch andere Aspekte be‐ ziehen, die von den Lernenden geäußert werden. Die Lehrkraft berät durch ein An‐ gebot von Vorschlägen, die gemeinsam diskutiert und bewertet werden. Nach einer Reflexionsphase können beispielsweise wordbanks erweitert, Gruppenregeln er‐ gänzt, neue Rollen innerhalb der Gruppen verteilt (z. B. language manager, time man‐ ager) oder einzelne Lernende ermuntert werden, öfter zu präsentieren oder beim kreativen Schreiben auch das Grammatikheft zu konsultieren. Fazit: Meine Ausführungen haben gezeigt: “Storyline seems to be a reasonably good example of a constructivist way of teaching and learning“ (Ebd., 22). Für nachhaltiges und lebenslanges Lernen muss man nicht nur motiviert sein, sondern auch selbstbestimmt und eigenverantwortlich arbeiten können sowie über selbstreflexive Fähigkeiten verfügen. Ob und inwiefern meine Hypothese stimmt, dass der Storyline Approach gerade für das fremd‐ sprachliche Lernen einen optimalen Ansatz darstellt, um heterogenen Klassen gerecht zu werden und darüber hinaus vielfältige Kompetenzen und Fertigkeiten für das lebenslange (Fremdsprachen-)Lernen zu fördern, sollen meine Fallstudien in Teil B zeigen. 3.6 Zusammenfassung und Fazit Why don’t learners learn what teachers teach? (Allwright 1984) In den vorangegangenen Kapiteln wurde der Frage im obigen Zitat nachgegangen. Aus der Darstellung und Diskussion verschiedener konstruktivistischer Ansätze wurde deutlich, dass Lernen ein subjektabhängiger, selbstgesteuerter, aktiver, konstruktiver, situativer und sozialer Prozess ist, der von außen zwar angeregt, aber keineswegs gesteuert und kontrol‐ liert werden kann. Es liegt auf der Hand, dass es sich bei meinen Ausführungen um Modelle und Theorien handelt, die auch ihre Grenzen haben. In vielen Fällen dreht es sich um Hy‐ pothesen, Fragmente oder Momentaufnahmen, denn der Erkenntnisstand ändert sich vor allem auf Grund der regen Forschungstätigkeiten in den Neurowissenschaften ständig. Dennoch gestehen führende Fachleute aus der deutschen Neurowissenschaft, die ein Ma‐ nifest über die Hirnforschung im 21. Jahrhundert verfasst haben: „Nach welchen Regeln das Gehirn arbeitet, wie es die Welt so abbildet, dass unmittelbare Wahrnehmung und frühe Erfahrung miteinander verschmelzen; wie das innere Tun als ‘seine’ Tätigkeit erlebt wird und wie es zukünftige Aktionen plant, all dies verstehen wir nach wie vor noch nicht einmal in Ansätzen“ (Das Manifest 2004, 33). Zum Schluss bleiben also viele offene Fragen, und die Vielzahl alternativer Erklärungs‐ versuche für unsere Hirnbzw. Erkenntnisleistungen bringt nicht nur Erhellung, sondern 161 3.6 Zusammenfassung und Fazit auch Verwirrung, bestätigt allerdings in gewisser Weise genau das, was auch dem Konst‐ ruktivismus zugrunde liegt: Wir sehen nur, was wir sehen wollen (können). Entsprechend fällt auch die jeweilige Interpretation von Beobachtungen (und auch von Forschungser‐ gebnissen) aus. Denn: „Wäre unser Gehirn so einfach, dass wir es uns erklären könnten, dann wäre es wahrscheinlich nicht in der Lage, genau dieses zu tun! “ (Emerson Pugh Trost, Zit. nach Schirp 2006, 99). Vor dem Hintergrund der immer wieder entstehenden Kontroversen um „den“ Konst‐ ruktivismus, möchte ich zum Schluss noch betonen, dass man sich nicht dem einen oder anderen konstruktivistischen Ansatz verpflichtet fühlen „muss“, sondern vielmehr die Bandbreite und Variationen an konstruktivistischen Ansätzen im Auge behalten sollte, die sich schließlich zu einem Gesamtbild vereinen, welches heterogenen Lerngruppen sehr viel mehr gerecht wird als die meisten anderen Ansätze. Dies sollte auch vor dem Hintergrund des Bildungskonzepts „Lebenslanges Lernen“ betrachtet werden: (Lebenslanges) Lernen kann man nicht erzwingen, aber lernen! Man muss auch nicht in einen dogmatischen Glaubenskrieg eintreten, um mit (teils polemischen) Argumenten beweisen zu wollen, dass der eigene wissenschaftliche Standpunkt der „bessere“ sei und der „Wahrheit“ näher käme. Konstruktivistisches Denken hat diesen Anspruch nicht. Es will nicht zum Glaubensbe‐ kenntnis oder zur Norm werden. So pflichte ich Pörksen (2001) bei, wenn er feststellt: „Auch der Konstruktivismus ist nur eine Konstruktion (unter vielen möglichen); er ist nicht auf seine Wahrheit zu prüfen, sondern auf seine Nützlichkeit, seine Viabilität“ (Ebd., 18). Genau das habe ich mit diesem Kapitel versucht und festgestellt, dass der Konstruktivismus (im Gesamtbild betrachtet) eine „nützliche“ Theorie ist, um den Storyline Approach zu verorten, denn wie sich in Kapitel 2 gezeigt hat, entspricht das Storyline-Modell in vielerlei Hinsicht den Kriterien einer konstruktivistischen Unterrichtsphilosophie. Dennoch empfiehlt sich selbstverständlich auch gegenüber dem Konstruktivismus eine kritische Distanz: „denn: wer nicht am Konstruktivismus zweifelt, hat seine Essenz nicht verstanden“ (Ameln 2004, XII). Aus den obigen Ausführungen lässt sich ableiten, dass das Storyline-Modell zur Gestal‐ tung einer vielseitig anregenden und konstruktiven Lernumgebung beiträgt: Storyline-Pro‐ jekte sind enkulturativ, basieren auf authentischem bzw. semi-authentischem Material, sie fordern zur aktiven und autonomen Exploration auf, sie sind in hohem Maße kooperativ und kreativ, und sie erzeugen schließlich in vielfältigen sozialen Aushandlungsprozessen eine imaginierte und inszenierte Wirklichkeit. Im Rahmen von komplexen Aufgaben ver‐ wenden die Lernenden zwanglos die Zielsprache, wobei sämtliche skills in natürlichen und bedeutungsvollen Kontexten eingeübt bzw. verwendet werden. Die Lernenden sind als In‐ dividuen und als Gruppenmitglieder aktiv involviert, sie bestimmen ihre jeweiligen Hand‐ lungsziele weitgehend selbst und entwickeln - je nach Thema des Projekts - auch eine fremdkulturelle Identität. Der spielerische Charakter der Inszenierung erzeugt ein hohes Maß an persönlichem Engagement und Motiviertheit, was für den gesamten Sprachlern‐ prozess förderlich ist, wobei dies in meiner Studie (vgl. Teil B) noch konkret zu überprüfen und zu belegen ist. Vorab nur soviel aus dem Mund von Sallie Harkness (1997, xvii): “The most regular comment from pupils is that Storyline is ‘better than work’“. 162 3 Grundlagen einer konstruktiv(istisch)en Lernkultur 1 Vgl. dazu z. B. Eccles/ Midgley (1989), Eccles, Wigfield, Harold und Blumenfeld (Eccles u. a. 1993), Hidi, Renninger und Krapp (Hidi u. a. 2004), Sacher (2005), Schober/ Spiel (2004), Schunk u. a. (2010) oder Wigfield/ Eccles (2000). 2 Vgl. dazu DESI (2006), DESI (Hrsg.) (2008), Klieme (2006), Schröder (2005) sowie Kapitel 1.5. 3 Vgl. dazu auch Dörnyei (2001a, 25 f.), wo eine Checkliste mit 24 Punkten für eine gute Unterrichts‐ qualität des Motivationspsychologen Wlodkowski (1986, 42) abgedruckt ist. 4 Gute Einführungen bezüglich Motivationstheorien bzw. -forschung der Psychologie bieten z. B. Brandstätter/ Otto (Hrsg.) (2009), Elliot/ Dweck (Hrsg.) (2007), Heckhausen/ Heckhausen (Hrsg.) (2006), Rheinberg (2006b) sowie Schunk u. a. (2010). 4 Grundlagen eines motivierenden Unterrichts 4.1 Einleitung Lernen muss vom Individuum selbst gewollt werden (Haß 2010, 204) In den vorangegangenen Kapiteln wurde bereits dargestellt, dass bzw. warum Lernende ihren Unterricht oft langweilig und wenig gewinnbringend empfinden, so dass es nicht verwunderlich ist, wenn in regelmäßigen Abständen durchgeführte und aufwändig kon‐ zipierte Studien zu dem Ergebnis kommen, dass die Lernmotivation von Schülerinnen und Schülern mit zunehmendem Alter abnimmt, obwohl eigentlich genau das Gegenteil der Fall sein sollte: Schule sollte zum lebenslangen und autonomen Lernen anregen! Diese Beob‐ achtung wird zwar offenbar in verschiedenen Ländern und in unterschiedlichen Schul‐ kontexten 1 gemacht, betrifft jedoch laut DESI-Studie 2 insbesondere auch den Englischun‐ terricht an deutschen Schulen. Die Frage liegt nahe: „Was ist guter Unterricht? “ (Meyer 2016). Sie lässt sich noch wei‐ terspinnen: Ist guter Unterricht auch zugleich motivierender Unterricht? 3 Was ist moti‐ vierender Unterricht? Was motiviert Schülerinnen und Schüler? (Wie) kann Motivation gefördert werden? (Wie) können Kinder und Jugendliche zum lebenslangen Lernen moti‐ viert werden? All diesen Fragen wurde bereits in den vorherigen Kapiteln nachgegangen, mit dem Ergebnis, dass Lernumgebungen, die auf der Basis von konstruktivistischen An‐ sätzen gestaltet sind, die Lernmotivation und zugleich auch das Lernergebnis positiv be‐ einflussen können. Ob und inwiefern dies auch für Storyline-Projekte im fremdsprachlichen Klassenzimmer der Sekundarstufe I zutrifft, sollen meine Untersuchungen in Teil B zeigen. Nun sollen die obigen Fragen noch aus einer anderen Perspektive, nämlich aus Sicht der Motivationsforschung, betrachtet werden. Es würde allerdings den Rahmen dieser Arbeit sprengen, in vollem Umfang sowohl Erkenntnisse, Konzepte und Theorien aus der (Päda‐ gogischen) Psychologie als auch die fachspezifischen Besonderheiten zu berücksichtigen, so dass der Fokus hier insbesondere auf die Fremdsprachenforschung gerichtet werden soll. 4 Im Anschluss werden einige praktische Empfehlungen für den Fremdsprachenunter‐ richt abgeleitet und anschließend in Zusammenhang mit dem Storyline Approach gebracht. Zunächst aber soll der Begriff „Motivation“ selbst näher untersucht werden. 5 Für Details zu demotivierenden Faktoren beim Sprachenlernen vgl. Dörnyei/ Ushioda (2011, 137 ff.). Die Studien bestätigen, dass Ursachen von Demotivation in erster Linie “teacher-owned“ (Ebd., 141) sind. 4.2 Was ist Motivation? 4.2.1 Einleitung Strictly speaking, there is no such thing as ‘motivation’ (Dörnyei 2001a, 1) Das Thema „Motivation“ ist in unserem persönlichen und beruflichen Alltag allgegen‐ wärtig, wenn wir uns über Vorlieben, Hobbys, Arbeitsbedingungen oder Lebensplanung austauschen. Im schulischen Bereich allerdings fällt der Begriff oft dann, wenn Lern- und Leistungsprobleme, Schulunlust, Schulversagen, Disziplinprobleme oder andere Miss‐ stände begründet werden sollen: Lehrkräfte beklagen sich über demotivierte Schüler und Schülerinnen, die nicht mitarbeiten und stattdessen den Unterricht stören. Lernende da‐ gegen monieren langweilige Materialien und Themen, lasten mangelnde Motivation jedoch in erster Linie dem Lehrerverhalten an (Dörnyei 1998; Kleppin 2001; Solmecke 1983). 5 In dieselbe Kerbe schlagen nicht selten auch die Eltern, und manche fragen sich nach dem volkswirtschaftlichen Schaden, der durch demotivierte Lernende angerichtet wird (Leupold 2004). In der Fachliteratur zum fremdsprachlichen Lernen und Lehren wird Motivation für vieles verantwortlich gemacht: „Sie beeinflusse die Wahl eine bestimmte Fremdsprache zu lernen, den Lernprozess, das Verhalten im und nach dem Unterricht, den Lernerfolg, die Benutzung geeigneter Lernstrategien oder auch die Behaltensleistung“ (Kleppin 2001, 219). Doch auch wenn der Begriff in aller Munde ist, scheint es schwierig, eine Definition zu finden, die diesen Terminus umfänglich erklärt und zugleich präzisiert. Dörnyei, der auf dem Gebiet Motivation im Fremdsprachenunterricht heute sicher zu den bedeutendsten Forschern und Autoren zählt, versucht durch das eingangs aufgeführte Zitat zu verdeutli‐ chen, dass „Motivation“ nicht nur ein vager, sondern zugleich auch ein weiter Begriff ist, welcher ganz verschiedene Bedeutungen abdeckt. Es liegt folglich auf der Hand, dass der Begriff eine Vielzahl von Motiven subsumiert, deren gemeinsamer Nenner allein die Tat‐ sache ist, dass sie alle in irgendeiner Weise Einfluss auf das Verhalten nehmen. Bereits seit Platon und Aristoteles spricht man laut Heckhausen (2006) von einer „Trias der psychologischen Sachverhalte“ (Ebd., 14) und unterscheidet als Entitäten des Seelenle‐ bens Kognition (Erkennen), Emotion (Fühlen) und Motivation (Wollen). Dörnyei (2001a) betrachtet Motivation als einen der grundlegendsten Aspekte des menschlichen Geistes, welcher offenbar auch in hohem Maße mit darüber entscheidet, ob Lernsituationen erfolg‐ reich verlaufen oder nicht. Auf das fremdsprachliche Lernen bezogen vertritt er die Mei‐ nung, dass 99 % der Lernenden, die eine Fremdsprache lernen wollen und auch wirklich motiviert sind, es am Ende tatsächlich schaffen können, “to master a reasonable working knowledge of it as a minimum, regardless of their language aptitude. (...) Without sufficient motivation, however, even the brightest learners are unlikely to persist long enough to attain any really useful language“ (Ebd., 2-5). Nachfolgend wird der Begriff „Motivation“ 164 4 Grundlagen eines motivierenden Unterrichts genauer untersucht, bevor einige Probleme hinsichtlich der Theoriebildung sowie neue Impulse aus der Motivationsforschung dargestellt werden. 4.2.2 Definition Der Begriff „Motivation“ leitet sich von dem lateinischen Verb movere (bewegen) ab. Mo‐ tivation ist somit etwas, das uns bewegt und antreibt, eine bestimmte Richtung einzu‐ schlagen. Man kann Motivation als solche bei anderen Personen nie direkt sehen oder als Gegenstand wahrnehmen; sie lässt sich nur „anhand von Indikatoren im Verhalten, Denken und emotionalen Erleben erschließen“ (Dresel/ Lämmle 2011, 81). Motivation gilt somit als „gedankliche Konstruktion“ (Rheinberg 2006b, 14). bzw. als ein „kognitives Kunstprodukt“ (Ebd.), um bestimmte Verhaltensbesonderheiten zu erklären. Dennoch ist uns der Zustand des Motiviertseins mit seinen unterschiedlichen Ausprägungen und Abstufungen aus dem Selbsterleben oder durch Verhaltensbeobachtung bekannt. Rheinberg (2006b) spricht von insgesamt drei Dimensionen, die den Begriff „Motivation“ charakterisieren: „Es geht (...) darum, daß jemand (1) ein Ziel hat, daß er (2) sich anstrengt und daß er (3) ablenkungsfrei bei der Sache bleibt“ (Ebd., 14). Die meisten in der Fachliteratur aufgeführten Definitionen enthalten die folgenden drei Komponenten von Motivation: Aktivierung (arousal), Rich‐ tung (direction) und Ausdauer (persistence) eines zielgerichteten Verhaltens. Williams und Burden (1997), die im Bereich des Fremdsprachenlernens eine sozial-kon‐ struktivistische Perspektive vertreten, heben unter anderem das Zusammenwirken kogni‐ tiver und emotionaler Komponenten hervor und definieren Motivation wie folgt: Motivation may be construed as • a state of cognitive and emotional arousal, • which leads to a conscious decision to act, and • which gives rise to a period of sustained intellectual and/ or physical effort • in order to attain a previously set goal (or goals) (Ebd., 120). Dörnyei und Ottó, ebenfalls Vertreter aus der Fremdsprachenforschung, betonen in ihrer Definition insbesondere den Prozesscharakter von Motivation: In a general sense, motivation can be defined as the dynamically changing cumulative arousal in a person that initiates, directs, coordinates, amplifies, terminates, and evaluates the cognitive and motor processes whereby initial wishes and desires are selected, prioritised, operationalised and (successfully or unsuccessfully) acted out (Dörnyei/ Ottó 1998, 65). Somit wird deutlich, dass Motivation kein Dauerzustand ist, sondern von inneren und äu‐ ßeren Gegebenheiten beeinflusst wird. Des Weiteren wird klar, dass Anreize und auch Ver‐ haltensäußerungen mitunter stark differieren können, wenn man von „motivierten“ bzw. „unmotivierten“ Lernenden spricht. Folglich gibt es sowohl Unterschiede zwischen Per‐ sonen als auch innerhalb derselben Person (Rheinberg 2006b, 13). Weiterhin ist bei der Analyse von Verhalten die Komplexität von Ursache und Wirkung zu berücksichtigen, denn ein Motiv kann durchaus unterschiedliche Verhaltensweisen evozieren und andererseits können gleichartige Verhaltensweisen auch auf unterschiedliche Motive zurückgeführt werden. Um zuverlässige Daten zu erhalten, sollten bei der Erforschung von Motivation - 165 4.2 Was ist Motivation? wie dies auch in der vorliegenden Arbeit berücksichtigt wird - verschiedene Methoden eingesetzt werden: Verhaltensbeobachtung, mündliche bzw. schriftliche Befragung, Selbst‐ reflexion, lautes Denken usw. (Schunk u. a. 2010, 41). In Motivationsprozessen lassen sich laut Edelmann (2000, 256) folgende Determinanten bzw. Komponenten unterscheiden: • Das Motiv (ein angeborenes Bedürfnis oder eine gelernte Disposition) • Der Anreiz (die emotionale Valenz des Zielzustandes) • Kognitive Prozesse (Entscheidung, Erwartung, Handlungskonzept, Plan usw.) Die Motive für das Fremdsprachenlernen können sehr vielfältig und unterschiedlich sein. Erwähnt werden in der Literatur das Leistungsmotiv, das Nützlichkeitsmotiv, das Neugier- und Wissensmotiv, das Kommunikationsmotiv, das Anerkennungs- und Geltungsmotiv, das Anschlussmotiv, das Gesellschaftsmotiv, das Elternmotiv und das Lehrermotiv (Abend‐ roth-Timmer 2007; Apelt 1981; Kleppin 2002). Häufig werden bei solchen Motivauflistungen jedoch die sehr unterschiedlichen Ausprägungen (z. B. kurzfristige vs. langfristige Motive, eigene vs. von außen induzierte Motive) übersehen (Kleppin 2002, 26). Kleppin stellt in diesem Zusammenhang die berechtigte Frage, wie sich „allgemein menschliche, fremd‐ sprachenlernspezifische und fremdsprachenunterrichtsspezifische Motive“ gegenseitig be‐ dingen (Ebd.). Der Motivbegriff bedarf also noch der weiteren Präzisierung und Untersu‐ chung. 4.2.3 Motivationsforschung: Probleme und neue Impulse In Kapitel 3 wurde bereits dargestellt, dass Lehren zwar das Lernen unterstützen, nicht jedoch gewährleisten oder gar erzwingen kann. Stattdessen muss Lernen „vom Individuum selbst gewollt werden“ (Haß 2010, 204). Motivationsförderung gehört somit zu den zent‐ ralen Aufgaben der Schule. Da es sich bei Lernmotivation jedoch um ein äußerst viel‐ schichtiges Konstrukt handelt, existiert eine entsprechend große Anzahl an wissenschaft‐ lichen Theorien und Konzepten, die alle darauf abzielen, motivationale Faktoren in der Schule zu beschreiben und zu erklären. Obwohl die Motivationsforschung bereits eine län‐ gere Tradition hat, scheint es jedoch kaum stabile Ergebnisse und allgemeingültige Modelle zu geben, stattdessen ist vielmehr das Gegenteil der Fall: “Contemporary motivational psy‐ chology is characterised by a confusing plethora of competing theories, with little con‐ sensus and much disagreement among researchers. In fact, we can say without much risk of exaggeration that ‘motivation’ is one of the most elusive concepts in the whole domain of the social sciences“ (Dörnyei 2001b, 2). Dörnyei begründet den fehlenden Konsens in der Motivationsforschung zunächst damit, dass der Begriff nicht einheitlich verwendet wird. Allerdings haben sich laut Dörnyei und Ushioda (2011, 4 ff.) in den letzten Jahren einige neue Entwicklungen abgezeichnet, die hier kurz zusammengefasst werden: • Kognition vs. Emotion: In frühen Motivationstheorien wurden vor allem unbe‐ wusste Triebe, Emotionen und Instinkte für das menschliche Handeln verantwort‐ lich gemacht, während in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts der Fokus in der Motivationsforschung auf bewusste kognitive Prozesse (z. B. Ziele und Erwartungen, Selbstwirksamkeitsüberzeugungen usw.), welche Handeln und Verhalten beein‐ 166 4 Grundlagen eines motivierenden Unterrichts 6 Vgl. z. B. Börner/ Vogel (Hrsg.) (2004), Bosenius/ Donnerstag (2000), Brandstätter/ Otto (Hrsg.) (2009), Dresel/ Lämmle (2011), Düwell (2002), Eckerth/ Riemer (2000), Kieweg (2003), Kieweg (Hrsg.) (2003), Kühn/ Mentz (Hrsg.) (2002), Küster (2004), Mandl/ Huber (Hrsg.) (1983), Ogasa (2011), Schürer-Necker (1994), Schwerdtfeger (1997) oder Wolff (2004). 7 Vgl. dazu z. B. Ciompi (1999), Roth (2011) oder Schunk u. a. (2010, 223 ff.), wo verschiedene For‐ schungsergebnisse und eine Taxonomie der Emotionen in Lernkontexten aufgeführt werden. flussen, gelegt wurde. Einerseits wurden also unbewusste und bewusste Prozesse, andererseits die Rollen von Emotion und Kognition berücksichtigt. Mit Ausnahme der von Weiner (1986) entwickelten Attributionstheorie unternahmen laut Dörnyei und Ushioda (2011) jedoch nur wenige Theorien den Versuch, Affekt und Kognition “in a unified framework“ (Ebd., 5) zu integrieren. Ciompi (1999) kritisiert Wissenschaft und Forschung, emotionale Phänomene „lange Zeit vergleichsweise stark vernachlässigt“ (Ebd., 11) zu haben, mit der Folge, dass „ein einseitig intellektzentriertes Welt- und Menschenverständnis (...) das wissen‐ schaftliche Denken doch lange Zeit fast ausschließlich beherrscht hat“ (Ebd.). Aus Pekruns (1998) Sicht sind Schüleremotionen ein „blinder Fleck der Unterrichtsfor‐ schung. (...) Mit Ausnahme von Prüfungsangst sind die Lern- und Leistungsemoti‐ onen von Schülern bisher kaum erforscht“ (Ebd., 230). Dasselbe gilt laut Düwell (2002) auch für die Sprachlehr- und -lernforschung, die den Schwerpunkt allzu lange „auf Untersuchungen in der kognitiven Dimension gelegt“ hat (Ebd., 171). Auch wenn kognitive Ansätze noch immer das Feld beherrschen, wird seit einigen Jahren die Rolle der Emotionen in der Motivationspsychologie (und auch in der Fremdsprachenforschung) quasi neu entdeckt, was sich beispielsweise auch in den Publikationen auf dem deutschsprachigen Markt widerspiegelt. 6 Ausgelöst wurde diese Neuorientierung unter anderem durch neue Erkenntnisse in der Neuropsy‐ chologie und in anderen Bereichen der Psychologie. 7 Die Herausforderung wird darin bestehen, kohärente theoretische Konzepte zu entwickeln, welche beide Di‐ mensionen berücksichtigen. • Reduktion vs. Umfänglichkeit: Motivation wurde in der Vergangenheit je nach Fachdisziplin, Zeitgeist, Forschungsgegenstand oder -interesse immer wieder un‐ terschiedlich ausgelegt, was die Konsensbildung erschwert hat: “Taken collectively, a striking feature of all mainstream motivation theories has been their lack of com‐ prehensiveness. They are typically anchored around a few selected motivational as‐ pects (e.g. around a key concept or process), while largely ignoring research that follows different lines“ (Dörnyei/ Ushioda 2011, 8). Da menschliches Verhalten überaus komplex und die Anzahl möglicher Determinanten extrem hoch ist, wurden in der Motivationsforschung meist so genannte Reduktionsmodelle (reductionist models) entwickelt, die sich auf wenige Schlüsselvariablen konzentrierten. Der Hauptunterschied zwischen konkurrierenden Theorien liegt somit häufig in der Auswahl der Faktoren: “This can be compared to lifting a large, loosely knitted net (which symbolises human behaviour). If we lift it up by holding different knots, very different shapes will emerge, even though the actual net is exactly the same“ (Ebd., 9). 167 4.2 Was ist Motivation? 8 Vgl. dazu z. B. auch Hüther (2012) mit Erkenntnissen aus der Neurobiologie. Auch wenn die Reduktion und Isolation von Einflussfaktoren im Hinblick auf For‐ schung und Theoriebildung durchaus nachvollziehbar ist, wird diese Vorgehens‐ weise natürlich nie den komplexen realen Bedingungen im Klassenzimmer gerecht. Offenbar gibt es - bis auf Wentzel (2000) - kaum Untersuchungen dazu, wie Ler‐ nende mit den diversen parallelen und konkurrierenden Zielen, Ansprüchen, An‐ forderungen, Aktivitäten usw. in Schule und Unterricht umgehen. Ferner existiert laut Dörnyei und Ushioda (2011) keine adäquate Motivationstheorie, die auf die “par‐ allel multiplicity“ (Ebd., 10) von Motivationsprozessen eingeht, welche menschliches Verhalten bestimmen. • Parallele Prozesse vs. lineare Modelle: Die Komplexität des menschlichen Ver‐ haltens und seiner vielfältigen Einflussfaktoren in einer einzigen allumfassenden Motivationstheorie zu berücksichtigen, wird vermutlich immer ein unerreichbares Ziel bleiben. Dennoch bezeichnen Dörnyei und Ushioda (2011) die üblichen linearen Motivationsmodelle als “inherently flawed“ (Ebd., 11). Während der Faktor Zeit durch die Einteilung in spezifische Phasen noch am ehesten als lineares Modell dar‐ gestellt werden kann, wird es dagegen schwierig, sich vorzustellen, wie ein solches Modell die dynamischen Interaktionen mit dem Umfeld oder die komplexen kogni‐ tiven und emotionalen Prozesse berücksichtigen könnte, die in und zwischen Indi‐ viduen ablaufen. Davon abgesehen ist natürlich auch der Zeitaspekt keineswegs eine stabile Größe. Die offensichtliche Begrenztheit dieser Modelle initiiert in Psycho‐ logie und Fremdsprachenforschung derzeit “a new way of thinking, pushing forward relational and dynamic systems perspectives“ (Ebd.). • Individuum vs. Kontext: Motivationstheorien berücksichtigen den sozialen Kon‐ text in unterschiedlichem Maße: Während in behavioristischen Lerntheorien Um‐ welteinflüsse (z. B. Belohnung oder Strafe) noch eine große Rolle spielten, wurde nach der kognitiven Wende der Fokus auf die internen Prozesse im Sinne der Infor‐ mationsverarbeitung gelegt, wobei soziokontextuelle Faktoren hier nur insofern eine Rolle spielen, als sie durch die menschliche Wahrnehmung gefiltert werden. Zu Recht monieren Dörnyei und Ushioda (2011), dass diese Position Lücken auf‐ weist: “Humans are social beings and human action is always embedded in a number of physical, cultural and psychological contexts, which considerably affect a person’s cognition, behaviour and achievement“ (Ebd., 7). Seit etwa 10-15 Jahren beschäftigt sich die Forschung offenbar wieder stärker mit der Rolle des Umfelds, was gelegentlich auch als “second cognitive revolution or ‘discursive turn’“ bezeichnet wird (Ebd., 8), und es besteht ein wachsendes Inte‐ resse an der dynamischen Interaktion zwischen Individuum und soziokontextuellen Faktoren. 8 • Ursache-Wirkung vs. Prozess: In der Motivationsforschung wurden bisher auch verschiedene Stadien des Motivationsprozesses untersucht, und zwar vorrangig die Initialphase, in der es um Auswahl und Engagement in Handlungen geht (z. B. Er‐ wartungs-Wert-Theorie von Wigfield/ Eccles (2000)), oder aber die Auswirkungen von Handlungen und Erfahrungen auf Motivation (z. B. „erlernte Hilflosigkeit“). 168 4 Grundlagen eines motivierenden Unterrichts 9 Studierende aus einem meiner Seminare sollten den (hier kursiv gedruckten) Satzanfang ergänzen. Diese unterschiedliche Fokussierung spiegelt wiederum die historische Debatte um die Frage, ob Motivation Ursache oder Folge des Lernens ist. Zwischenzeitlich besteht offenbar weitgehend Konsens darüber, “that it functions in a cyclical relationship with learning“ (Dörnyei/ Ushioda 2011, 5). Dabei wird zwischen positiven und ne‐ gativen Zyklen unterschieden, und es wurde verstärkt untersucht, wie durch Modifizierung der kognitiven Prozesse negative Zyklen (schwache Motivation → schwache Leistung → schwache Motivation) durchbrochen werden können (Dweck 1999). Allerdings greift ein einfaches Ursache-Wirkung-Modell zu kurz, um die komplexen Motivationsprozesse aus dem Alltag zu erklären. Insbesondere im Hinblick auf das (langwierige) Fremdsprachenlernen muss zudem bedacht werden, dass Motivation nie konstant ist, sondern von verschiedenen in‐ ternen und externen Faktoren abhängt. Dörnyei und Ushioda (2011) monieren, dass sich bisher nur wenige Studien damit befasst haben, wie sich Motivation im Laufe der Zeit entwickelt, beispielsweise auf der Mikroebene “of moment-by-moment ex‐ perience“ (Ebd., 6) oder der Makroebene “of long-term experience or life history“ (Ebd.). Der diachrone Aspekt erschwert also die Konsensbildung in der Motivati‐ onsforschung noch zusätzlich. Fazit: Die selektiven Untersuchungsschwerpunkte und Herangehensweisen in der Moti‐ vationsforschung ermöglichen kaum eine konsistente Theoriebildung: “It seems impossible to capture the whole picture. (...) and it may well be the case that devising an integra‐ tive ‘supertheory’ of motivation will always remain an unrealistic desire“ (Ebd., 4). 4.3 Theorien zur Motivation beim Fremdsprachenlernen 4.3.1 Einleitung Learning a language is like ... chasing a tram you just missed (Kursmitglied, SS 2013) 9 Historisch betrachtet hat die Motivationsforschung im Bereich der Fremdsprachen stets andere Prioritäten gesetzt als die allgemeine Motivationspsychologie, was vor allem mit dem unterschiedlichen Erkenntnisinteresse und dem spezifischen Forschungsgegenstand zusammenhängt: “It does not need much justification that language is more than merely a communication code whose grammar rules and vocabulary can be taught very much the same way as any other school subject“ (Dörnyei 2001a, 13). Stattdessen setzt sich Fremd‐ sprachenunterricht - neben der Vermittlung bzw. Aneignung von Sprache - immer auch mit der Zielkultur auseinander, da Sprache und Kultur eine Einheit bilden: “Therefore, teaching a language can be seen as imposing elements of another culture into the students’ own ‘lifespace’. In order to learn (...) French, students need to develop a French identity: they need to learn to think French and - though only partially and temporarily - also become a bit French“ (Ebd., 14). Eine Fremdsprache zu lernen bedeutet somit stets, Aspekte einer anderen Kultur in das persönliche Verhaltensrepertoire aufzunehmen, was laut 169 4.3 Theorien zur Motivation beim Fremdsprachenlernen 10 Vgl. dazu z. B. die Ausführungen bei Helmke u. a. (2008b), Küppers/ Quetz (Hrsg.) (2006) oder Riemer/ Schlak (2004). Meine Recherche ergab allerdings, dass in aktuellen deutschsprachigen Publikationen meist auf Arbeiten von Dörnyei, Gardner und Kolleginnen bzw. Kollegen aus anderen Ländern ver‐ wiesen wird, selten jedoch auf Studien oder Literatur aus Deutschland selbst. In der englischspra‐ chigen bzw. internationalen Literatur wiederum findet man (leider) nur spärliche Hinweise auf hie‐ sige Studien oder Publikationen. Gardner (2010) durch “high levels of integrativeness“ (Ebd., 139) erleichtert wird. Eine Fremdsprache ist zudem kein neutrales Feld, sondern wird durch soziokulturelle Faktoren (z. B. Stereotype usw.) beeinflusst. Kommunikation in der Fremdsprache ist immer auch ein sozialer Akt, der an Normen gebunden ist, und Sprache macht auch einen Teil der mensch‐ lichen Identität aus, da sie dazu beiträgt, Gedanken und Wahrnehmung zu organisieren und strukturieren (Ebd., 207). Im Hinblick auf das Erkenntnisinteresse ist zu berücksichtigen, dass die Motivations‐ psychologie im Kern untersucht, warum Menschen sich auf eine spezifische Art und Weise verhalten, während sich die Fremdsprachendidaktik auch immer mit der Frage beschäftigt hat, wie Verhalten gesteuert werden kann, also „wie durch unterrichtliche Steuerung Men‐ schen - um es einmal böse zu formulieren - dahin gebracht werden können, das zu tun, was sie eigentlich nicht unbedingt von sich aus tun möchten“ (Kleppin 2001, 219). Im Ge‐ gensatz zu anderen Schulfächern ist das Fremdsprachenlernen und -lehren insbesondere durch die folgenden motivationalen und emotionalen Implikationen gekennzeichnet, welche deutlich machen, wie anfällig Sprachenlernen für das Entstehen von Lernkrisen und Demotivation ist: - Die doppelte Funktion der fremden Sprache als Objekt und als Medium, - Sequentialität, ganzheitliches Eingebundensein, - Bereitschaft zum Fremdverstehen, long-term effort, deferred gratification pattern, - Diskrepanz zwischen Ausdrucksabsicht und Ausdrucksfähigkeit (Düwell 2002, 166). Insgesamt betrachtet ist die Motivationsforschung im Bereich des Fremdsprachenlernens laut Dörnyei (2001b) gut entwickelt und von hochwertiger Qualität. Auch Helmke u. a. (2008b) bestätigen, dass es in diesem Bereich „eine gut etablierte Tradition empirischer Forschung, allerdings überwiegend im angloamerikanischen Sprachraum“ gibt (Ebd., 244). Im englischsprachigen Kontext hat die empirische Motivationsforschung seit Beginn der 1990er Jahre „einen wahren Boom“ erlebt (Riemer/ Schlak 2004, 1); verwiesen wird in diesem Zusammenhang oft auf die Arbeiten von Dörnyei und Team. Aber auch im deutschen Sprachraum gibt es Forschungstätigkeiten 10 , Foren und Kongresse. Erinnert sei auch an die frühen Publikationen von Macht (1973) oder Solmecke (Hrsg.) (1976; 1983). Allerdings mo‐ nieren Kleppin (2001) und Abendroth-Timmer (2007), dass die Erforschung der Motivation in der Fremdsprachendidaktik „ein speziell im deutschsprachigen Raum relativ vernach‐ lässigtes Gebiet“ ist (Ebd., 28). Mehr Forschung und Literatur, die sich auf den aktuellen deutschen Kontext beziehen, wären auch aus meiner Sicht wünschenswert; denn Erkennt‐ nisse aus anderen Lern- und Forschungskontexten sind natürlich nicht 1: 1 übertragbar. 170 4 Grundlagen eines motivierenden Unterrichts 11 Für einen guten historischen Überblick vgl. Gardner (2010). 12 Im europäischen Sprachraum wird meist der Begriff „Fremdsprache“ verwendet bzw. spricht man mit steigender Tendenz auch von „Mehrsprachigkeit“, denn für viele Schülerinnen und Schüler ist Englisch bereits die 3. oder 4. Sprache. Auch wenn mir der Unterschied zwischen Zweit- und Fremd‐ sprache natürlich bewusst ist, verwende ich nicht wie in der internationalen Literatur den Begriff „L2“, sondern „Fremdsprache“, es sei denn, es handelt sich ausdrücklich um die Zweitsprache bzw. einen bilingualen Kontext. Nichtsdestotrotz wurde die fremdsprachenspezifische Theoriebildung immer wieder auch von der allgemeinen Motivationsforschung, auf die in dieser Arbeit jedoch nur be‐ grenzt und punktuell eingegangen werden kann, beeinflusst. Dabei lassen sich vier Ent‐ wicklungslinien bzw. Phasen ausmachen (Ushioda/ Dörnyei 2012): 1. Die sozial-psychologische Periode (social psychological period) (1959-1990) 2. Die kognitiv-situierte Periode (cognitive-situated period) (1990er Jahre) 3. Die prozessorientierte Periode (process-oriented period) (um die Jahrhundertwende) 4. Die sozio-dynamische Periode (socio-dynamic period) (gegenwärtig) Nachfolgend werden die verschiedenen Strömungen erläutert. Dabei soll schon jetzt darauf hingewiesen werden, dass es auch im Bereich der Fremdsprachen Rivalitäten, Missver‐ ständnisse und Grabenkämpfe gab bzw. gibt, wie etwa zwischen Dörnyei und Gardner. 4.3.2 Die sozial-psychologische Periode Die moderne Motivationsforschung im Bereich des Sprachenlernens verdankt viele Er‐ kenntnisse und Impulse den beiden Sozialpsychologen Wallace Lambert und Robert Gardner, die im Rahmen von zahlreichen Studien den bilingualen Kontext in Kanada er‐ forscht haben. 11 Sie vertreten die Meinung, dass in mehrsprachigen Gesellschaften wie Ka‐ nada die Motivation zum Erlernen der Zweitsprache entscheidend dazu beiträgt, die inter‐ kulturelle Kommunikation und Annäherung (affiliation) zu fördern. Der Ansatz basiert auf der These, dass die Einstellungen (attitudes) von Individuen gegenüber der Zweitsprache und der Sprachgemeinschaft sowie ihre allgemeine ethnozentrische Orientierung einen direkten Einfluss auf ihr Lernverhalten ausüben: “The learner, we argue, must be willing to identify with members of another ethnolinguistic group and to take on very subtle aspects of their behavior, including their distinctive style of speech and their language“ (Gardner/ Lambert 1972, 135). Die Motivationsforschung im Bereich Fremdbzw. Zweitsprachen 12 war somit von An‐ fang an von einer sozial-psychologischen Perspektive geprägt, die nicht nur den sozialen Lernkontext, sondern auch Einstellungen und Beziehungen zwischen verschiedenen Sprachgemeinschaften in Betracht zog. Andererseits unterschied sie sich gerade deshalb von den damals vorherrschenden individual-kognitiven Motivationstheorien und war somit “radically ahead of its time“ (Ushioda/ Dörnyei 2012, 397), denn die Motivationspsy‐ 171 4.3 Theorien zur Motivation beim Fremdsprachenlernen 13 Ushioda (2009) hinterfragt allerdings - wie auch Dörnyei - die Bezeichnung „sozial-psycholo‐ gisch“: “Gardner and Lambert’s (1972) original social-psychological model of L2 learning is essen‐ tially a theory of individual, rather than socially or culturally constituted, motivation; and social and cultural factors are reflected only through the individual’s attitudes, measured through self-report instruments. Although the influence of the socio-cultural environment is implicit in this and later versions of the model, (...) the model sustains the basic Cartesian dualism between the mental and material worlds, between the inner life of the individual and the surrounding culture and society“ (Ebd., 216 f.). 14 Für Details vgl. beispielsweise Gardner (1985, 177 ff.) oder Gardner (2010, 107 ff.). chologie begann sich erst in den 1990ern für den sozialen Kontext zu interessieren. 13 Lam‐ bert und Gardner waren auch insofern Pioniere, als sie nicht-kognitive (d. h. affektive) Faktoren als signifikante Ursache für den unterschiedlichen Erfolg beim Sprachenlernen betrachteten. Bis dahin hatte der Forschungsfokus vielmehr auf kognitiven Faktoren wie Fähigkeit oder Begabung gelegen. Gardner und Lambert dagegen kamen zu der Er‐ kenntnis, “[that] motivational factors can override the aptitude effect“ (Dörnyei 2005, 65). Ihre Publikation aus dem Jahr 1972 hat Theorie und Forschung über zwei Jahrzehnte lang beeinflusst. 4.3.2.1 Gardners sozial-psychologische/ sozial-edukative Motivationstheorie In Gardners sozial-edukativem Modell (socio-educational model), welches als Weiterent‐ wicklung des sozial-psychologischen Modells gilt, wird Motivation als eine Kombination von drei Komponenten betrachtet (Gardner 1985): • Motivationale Intensität oder Anstrengung (Verhaltenskomponente) plus • Wunsch, die Sprache zu lernen (kognitive Komponente) plus • Einstellungen zum Lernen der Sprache (affektive Komponente). Diese drei Komponenten werden mit Hilfe der so genannten Attitude/ Motivation Test Bat‐ tery (AMTB) gemessen, welche über 130 Fragen bzw. Elemente zur Auswahl anbietet. 14 Lernende werden im Hinblick auf die motivationale Intensität beispielsweise zu ihrem Zeit- und Arbeitsaufwand bei den Hausaufgaben befragt. Fragen zum Interesse am Unterricht sollen ermitteln, wie stark der Wunsch ist, die andere Sprache zu erlernen. Des Weiteren werden die Einstellungen gegenüber der Gruppe, welche die zu erlernende Sprache als Muttersprache spricht, untersucht. Gardner (2010) untersucht mit Hilfe seiner AMTB auch Ängste, denn wie zahlreiche Befunde aus der Sprachlernforschung belegen, gilt Sprachangst (language anxiety) als Hauptursache für Motivationsverlust und Leistungsrückgang (Dörnyei 2001a; Gardner 2010; Oxford 1999), da gerade im Fremdsprachenunterricht ständig die Gefahr des Ge‐ sichtsverlusts droht: “The foreign language is the only subject in which one cannot even say a simple sentence without the danger of making a serious mistake“ (Dörnyei 2001a, 88). Gardner (2010) unterscheidet zwischen “language class anxiety“ und “language use anxiety“ (Ebd., 125). Insbesondere pubertierende Teenager schweigen bekanntlich lieber, anstatt sich womöglich vor der Klasse lächerlich zu machen, was zur Folge hat, dass die weitere Ent‐ wicklung von Sprachkompetenzen beeinträchtigt wird. Gardner (2010, 140 f.) verweist auf diverse Eigen- und Fremdstudien, die diesen Zusammenhang bestätigen. Ob beispielsweise 172 4 Grundlagen eines motivierenden Unterrichts 15 Der Begriff “integrativeness“ wurde laut Gardner (2010) in der Vergangenheit oft missverstanden bzw. falsch interpretiert. Er weist deshalb ausdrücklich darauf hin, dass dies eben nicht “’to integrate’ into the other community“ (Ebd., 223) bedeutet: “And I know in all of our investigations I never met a student who was learning the second language in order to integrate into the other community“ (Ebd.). Storyline-Projekte dazu beitragen, besagte Sprachangst zu reduzieren, sollen meine Fall‐ studien in Teil B zeigen. Ein Schlüsselthema in Gardners (1985) Motivationstheorie ist die Beziehung zwischen Motivation und Orientierung. Orientierungen sollen Motivation wecken und auf Ziele hin‐ lenken. Sie gelten daher nicht als Teil, sondern als Vorstufe oder Auslöser der eigentlichen Motivation für das Sprachenlernen, was in der Vergangenheit oft missverstanden wurde. Gardners Arbeit wurde insbesondere durch seine Unterscheidung zwischen integrativer und instrumenteller Orientierung bekannt. Um eine integrative Orientierung handelt es sich, wenn eine positive Disposition gegenüber der anderen Sprachgemeinschaft vor‐ handen ist, also wenn Lernende eine Sprache erlernen wollen, um mit der anderen Sprach‐ gruppe zu kommunizieren oder sich mit der Zielkultur zu identifizieren. Von instrumen‐ teller Orientierung spricht man, wenn externe Ziele und pragmatische Gründe für das Fremdsprachenlernen im Vordergrund stehen (z. B. Prüfungsdruck, höheres Gehalt, Kar‐ riere usw.). Gardner hat sich in seiner Forschung vor allem mit dem integrativen Motiv des Spra‐ chenlernens auseinandergesetzt. Dieses Konstrukt besteht aus drei Hauptkomponenten, die bei integrativ motivierten Lernenden alle vorhanden sein müssen (Gardner/ MacIntyre 1993): • Integrativität (integrativeness) (integrative Orientierung, Interesse an Sprachen, Ein‐ stellungen gegenüber der Sprachgemeinschaft, welche die andere Sprache spricht); 15 • Einstellungen (attitudes) gegenüber der Lernsituation (Bewertung der Lehrkraft und des Kurses); • Motivation (Wunsch, Anstrengung, Einstellungen in Bezug auf das Lernen der Sprache). Durch seine Studien gelangt Gardner (2010, 54) schließlich zu folgender Erkenntnis: Integratively motivated individuals are more active learners, both in the classroom and outside, are more resistant to language attrition (largely through the mediating effects of language use), are more persistent, more likely to seek out innovative programs, and can learn the material more quickly. Both integrative motivation and instrumental motivation can influence achievement, but integrative motivation is more persevering. When instrumental motivation loses its incentive value, it is no longer that functional. Gardners Modell wurde in der Vergangenheit von verschiedenen Seiten kritisiert, insbe‐ sondere im Hinblick auf die Auslegung und Abgrenzung der Begriffe „integrativ“ und „in‐ 173 4.3 Theorien zur Motivation beim Fremdsprachenlernen 16 Kleppin (2001, 221) führt diverse Publikationen auf, die Gardners Dichotomie in Frage stellen. Auch Dörnyei (2005, 68 ff.) moniert terminologische Probleme. Vgl. dazu Gardners Stellungnahme (2010, 208 ff.). strumentell“: 16 Gilt etwa eine Reise in das Zielland als integrative oder instrumentelle Ori‐ entierung? Können sich beide Orientierungen nicht auch in einer Person verbinden, so dass diese Dichotomie hinfällig wird? Laut Kleppin (2001) „wurde auch der Kausalhypothese widersprochen, dass nämlich Motivation die verursachende Kraft des Lernerfolgs darstelle. Der Zusammenhang kann sich durchaus gegenläufig entwickeln“ (Ebd., 221), denn Lern‐ erfolg kann auch Motivation erhöhen. Gardner (2010) selbst hat dies offenbar nie in Frage gestellt: “Which causes what? (...) We will never know! “ (Ebd., 219). Ein Hauptkritikpunkt an Gardners Modell liegt jedoch darin begründet, dass seine Stu‐ dien zunächst nur in Kanada, einem offiziell bilingualen Land, durchgeführt wurden, und die Ergebnisse aus diesem spezifischen Zweitsprachenerwerbskontext (Französisch in Ka‐ nada) nicht auf andere, vor allem nicht auf institutionelle Kontexte, übertragbar sind. Gardner zeigt sich hier durchaus einsichtig: “Consequently, it has been proposed that a distinction should be made between second and foreign language contexts“ (Ebd., 139). Zu würdigen ist, dass er sein Modell immer wieder empirisch überprüft, modifiziert und ak‐ tualisiert (allerdings nie komplett revidiert) hat. Zwischenzeitlich wurde auch eine Inter‐ national AMTB für Englisch als Fremdsprache entwickelt. Eine Studie in Spanien kommen‐ tiert Gardner (2010) wie folgt: “The results of this study demonstrate that many of the findings we obtained in Canada apply equally to a European context and to the learning of a global foreign language, viz., English“ (Ebd., 153). Gardner sieht also seine sozial-edukative Motivationstheorie sowie seine Vorgehensweise mit der AMTB im Grundsatz weiterhin bestätigt. Gardners Modell war trotz aller Kritik wegweisend für die Motivationsforschung. Mit Angriffen, welche insbesondere von Dörnyei, Crookes/ Schmidt (1991) und anderen ge‐ äußert wurden, setzt er sich in seinem „Epilog“ (Gardner 2010, 201 ff.) intensiv und konst‐ ruktiv auseinander und räumt mit verschiedenen Missverständnissen und Fehlinterpreta‐ tionen auf. Auch versucht er, sein Modell gegen andere Konzepte abzugrenzen: Integrative motivation is an affect-based construct. As described by Dörnyei (2009), however, the concept of the L2 self is a cognition-based construct. (...) That is, it is a model of language classroom motivation; and a cognitively based model at that. The socio-educational model, on the other hand, is a model concerned with the motivation to learn a language, one aspect of which is the individual’s reactions to and behavior in the classroom (Gardner 2010, 174). Gardners Ziel und Interesse war und ist es, individuelle Differenzen beim Erlernen einer anderen Sprache zu erforschen und nicht etwa Wege der Motivierung aufzuzeigen. Ent‐ sprechend kritisch äußert er sich gegenüber Unterrichtsempfehlungen im Stil von Moti‐ vationsstrategien, wie sie von Dörnyei propagiert werden: “The point is that the student in the class is not a tabula rasa, ready to be influenced but rather is a very active individual with many pre-conditions that should be considered“ (Ebd., 155). Seine Botschaft erinnert an die in Kapitel 3 aufgeführten konstruktivistischen Ansätze: “Motivation comes from within and although teachers can help to maintain and promote a student’s motivation, 174 4 Grundlagen eines motivierenden Unterrichts 17 Für einen Überblick vgl. Clément/ Gardner (2001) oder auch Gardner (1985, 137 ff.). they can’t motivate the student. As an old saying goes, ‘You can lead a horse to water but you can’t make it drink.’“ (Ebd., 201). Nichtsdestotrotz muss hier eingeworfen werden, dass in Deutschland und vielen anderen Ländern die zu lernenden Fremdsprachen in der Regel von der Schuladministration vorgegeben sind und Wahlmöglichkeiten - wenn überhaupt - erst zu einem späteren Zeitpunkt angeboten werden. Dass derart strikte Vorschriften problematisch sind, zeigt die langjährige Diskussion in Baden-Württemberg, wo Grund‐ schulkinder entlang der Rheinschiene, und zwar gegen den Willen vieler Eltern, zuerst Französisch lernen müssen, während in anderen Landesteilen und Bundesländern Englisch gelehrt wird. 4.3.2.2 Andere sozial-psychologische Konzepte und Theorien Auch wenn Gardner und sein Team die sozial-psychologische Periode bestimmten, gab es noch weitere einflussreiche Ansätze, die sich auf das Zweitsprachenlernen in mehrspra‐ chigen Bevölkerungsgruppen beziehen. Da das Erkenntnisinteresse in diesem Fall anders gelagert ist als bei meiner Arbeit, wo es um die Erforschung des Fremdsprachenlernens an deutschen Schulen (nicht jedoch DaZ) geht, und die Resultate aus bilingualen Sprachge‐ meinschaften nicht wirklich vergleichbar sind mit schulischem Sprachenlernen fernab der Zielkultur, werden einige dieser (inspirierenden) Konzepte hier nur kurz erläutert: • Theorie des linguistischen Selbstvertrauens (Theory of Linguistic Self-confi‐ dence): Dieses Konzept wurde von Clément, Gardner und Smythe (Clément u. a. 1977) in Kanada entwickelt und gilt als “powerful mediating process in multi-ethnic settings that affects a person’s motivation to learn and use the language of the other speech community“ (Dörnyei 2005, 73). 17 Quantität und Qualität des Kontaktes zwi‐ schen den Mitgliedern der Sprachgemeinschaften spielen nicht nur beim Zweit‐ sprachenerwerb eine herausragende Rolle, sondern auch im Hinblick auf interkul‐ turelle Kommunikation und Identifikation mit der anderen Sprachgemeinschaft. Laut Clément ist linguistisches Selbstvertrauen deshalb “primarily a socially defined construct (in contrast to the cognitive nature of ‘self-efficacy’ in motivational psy‐ chology (...)), although self-confidence also has a cognitive component, the ‘per‐ ceived L2 proficiency’“ (Dörnyei/ Ushioda 2011, 43). Später versuchten Clément und Team den Ansatz auch auf den Fremdsprachenunterricht zu übertragen, wo es zwar wenig direkten, aber über Medien viel indirekten Kontakt mit der Zielkultur gibt. • Intergruppen-Modell (Intergroup Model): Giles und Byrne (1982) entwickelten ein Konzept, um zu untersuchen, unter welchen Bedingungen ethnische Minderheiten‐ gruppen in multikulturellen Kontexten am besten die dominante Sprache lernen und anwenden können. Ein wichtiger Aspekt spielt hierbei das Selbstbild bzw. die Stärke der Identifikation mit der eigenen Minderheit: Where in-group identification, ethnolinguistic vitality and boundaries are strong, members are likely to develop and adopt a second language code that diverges from the standard variety, characterised by, for example, non-standard accent and simplified grammar. On the other hand, where in-group identification, vitality and boundaries are weak, members are more 175 4.3 Theorien zur Motivation beim Fremdsprachenlernen likely to assimilate to the major culture or group and develop a more target-like linguistic code (Dörnyei/ Ushioda 2011, 44). • Theorie der Akkulturation (Acculturation Theory): Schumann (1978; 1986) un‐ tersuchte ebenfalls ethnische Minderheiten, und zwar den Prozess der individuellen Akkulturation, also die soziale und psychologische Integration mit der Zielspra‐ chengruppe. Entscheidend für den Zweitsprachenerwerb ist demnach die Intensität des sozialen und psychologischen Kontakts mit der dominanten Gruppe. Laut Gardner (1985) ist diese Theorie jedoch “essentially a model of language non-acqui‐ sition in that it describes a number of pressures acting on the individual to inhibit language acquisition“ (Ebd., 137). Dazu zählen individuelle Variablen (z. B. Kultur‐ schock, Sprachschock, Motivation) sowie soziale Variablen (z. B. Integrationsstrate‐ gien, Aufenthaltsdauer, kulturelle Kongruenz). Auch wenn Schumann dieses Modell ausdrücklich für natürliche Spracherwerbskontexte entwickelt hatte, kann es laut Gardner (1985) auch auf die Schule angewendet werden. 4.3.3 Die kognitiv-situierte Periode In den späten 1980er und frühen 1990er Jahren zeichnete sich eine neue Entwicklung in der fremdsprachlichen Motivationsforschung ab, die von verschiedenen Forscherinnen und Forschern - z. B. Skehan (1989) und Crookes/ Schmidt (1991) - thematisiert und 1994 in The Modern Language Journal - z. B. von Dörnyei (1994) und Oxford/ Shearin (1994) - ausgiebig und lebhaft diskutiert wurde: die “Modern Language Journal debate“ (Dörnyei 2012, 5) gilt als Startschuss für den Beginn der kognitiv-situierten Periode. Diese zeichnete sich laut Ushioda und Dörnyei (2012) durch zwei zusammenhängende Tendenzen aus: a) the need to bring L2 motivation research in line with cognitive theories in mainstream motiva‐ tional psychology, and b) the desire to move from the broad macro perspective of ethnolinguistic communities and learners’ general dispositions to L2 learning to a more situated analysis of mo‐ tivation in specific learning settings (e.g., classrooms) (Ebd., 397). Im Wesentlichen sollte also durch die Reformbewegung der 1990er Jahre ein stärkerer Fokus auf Motivation in schulischen Lernkontexten gelegt werden. Insbesondere Crookes/ Schmidt (1991) hatten Kritik an Gardners Forschungstradition geäußert und forderten ein Motiva‐ tionskonzept, das sich mehr an der Schulpraxis orientiert. Gardner (2010, 204 ff.) nimmt zu den geäußerten Vorwürfen auf mehreren Seiten Stellung: “Classroom motivation and lan‐ guage learning motivation are not the same. (...) The student with high levels of classroom motivation may or may not also be highly motivated to learn the language“ (Ebd., 206). Diese These stimmt natürlich grundsätzlich, dennoch können einzelne Motivationskom‐ ponenten nicht einfach ausgeblendet, sondern sollten in ihrer Gesamtheit betrachtet werden. Während der 1990er Jahre wurde der theoretische Rahmen erweitert, indem Variablen aus den kognitiven Motivationstheorien integriert wurden (z. B. intrinsische Motivation, Selbstwirksamkeit, Attributionen). Des Weiteren ergaben sich neue Entwicklungen im Hinblick auf spezifische Theorien (z. B. Attributionstheorie, Selbstbestimmungstheorie, Autonomietheorie) oder Lernsituationen (z. B. Aufgabenmotivation). In Anlehnung an 176 4 Grundlagen eines motivierenden Unterrichts Dörnyei/ Ushioda (2011, 49 ff.) werden nachfolgend die wichtigsten Entwicklungen und Forschungsfelder dargestellt. 4.3.3.1 Theoretische Neuorientierung und Konstrukterweiterungen Das Positionspapier von Crookes und Schmidt (1991) war wegweisend für eine theoretische Neuorientierung im Bereich Motivation und Fremdsprachenlernen. Sie unterschieden zwi‐ schen vier Ebenen von Motivation: Mikroebene, Unterrichtsebene, Curriculumebene und außerschulische Ebene. Des Weiteren zeigten sie verschiedene Wege für zukünftige For‐ schungsarbeiten auf und entwickelten in Anlehnung an die Motivationstheorie von Keller (1983) ein Motivationskonzept, das aus vier Komponenten bestand: • Interesse (Neugier, intrinsische Motivation), • Relevanz (persönliche Bedürfnisse, Ziele und Werte, Nutzen usw.), • Erwartung des Erfolgs (Selbstvertrauen, Selbstwirksamkeit usw.) und • Ergebniszufriedenheit (Erfolg, intrinsische und extrinsische Belohnung). Oxford und Shearin (1994) monierten die zunehmende Diskrepanz zwischen Motivations‐ theorien im Bereich der Fremdsprachen und den vielfältigen Neuentwicklungen in der all‐ gemeinen Motivationspsychologie. Sie riefen zu einem Paradigmenwechsel auf und ver‐ wiesen auf Motivationskonzepte aus verschiedenen Disziplinen der Psychologie, die auch für das Fremdsprachenlernen relevant sind. Ihre neue Perspektive umfasste folgende Be‐ reiche: • Need theories (personal needs, job satisfaction needs, need for achievement), • expectancy-value theories, • equity theories, • reinforcement theories, • social cognition theories, • achievement goal theory, • Piaget’s cognitive development theory, • Vygotsky’s sociocultural theory (Dörnyei/ Ushioda 2011, 50 f.). Nachfolgend werden zwei einflussreiche Modelle vorgestellt, die in den 1990er Jahren für den Fremdsprachenunterricht entwickelt wurden. 4.3.3.1.1 Dörnyeis Drei-Ebenen-Modell (Three-level Framework of L2 Motivation) Dörnyei (1994) entwickelte in Anlehnung an Crookes/ Schmidt (1991) ein Motivationskon‐ zept für das fremdsprachliche Lernen, welches drei unterschiedliche Bereiche berücksich‐ tigt: Sprache, Lernende und Lernsituation. Ziel war es, verschiedene Forschungsrichtungen zusammenzufassen und daraus ein umfassendes Konstrukt zu entwickeln. Während sich in den ersten beiden Ebenen die Begriffsbildung der motivationalen Komponenten an den Theorien von Gardner und Clément orientiert und durch Dörnyei noch ergänzt wurde, stützt sich der dritte Bereich in erster Linie auf Erkenntnisse aus der Pädagogischen Psy‐ chologie (Dörnyei 1994, 280; Dörnyei/ Ushioda 2011, 51 f.): 177 4.3 Theorien zur Motivation beim Fremdsprachenlernen 18 Vgl. dazu auch die Kapitel 3.3.2, 3.3.3 sowie 3.4. Für eine neuere Studie mit sozial-konstruktivistischer Perspektive vgl. z. B. Nakata (2006). • Die Sprachebene umfasst Komponenten wie Kultur und Sprachgemeinschaft sowie die damit verbundenen intellektuellen und pragmatischen Werte und Vorzüge. Dörnyei unterscheidet dabei zwischen integrativer und instrumenteller Motivation. • Die Lernerebene betrifft individuelle Eigenschaften, die Lernende in den Lernpro‐ zess einbringen: Leistungsmotivation, Selbstvertrauen (Sprachangst, empfundene Sprachkompetenz, Kausalattributionen, Selbstwirksamkeit). • Die Lernsituationsebene bezieht sich auf situationsspezifische Motive im fremd‐ sprachlichen Klassenzimmer und ist untergliedert in drei Bereiche: a. Kursspezifische Motivationskomponenten: Sie beziehen sich auf Lehrplan, Lehrmethode, Material und Lernaufgaben. Dörnyei knüpft hier an das Konzept der vier motivationalen Voraussetzungen von Keller (1983) bzw. Crookes/ Schmidt (1991) an: Interesse (Inhalte), Relevanz (Bedürfnisse), Erwartung (Er‐ folg), Satisfaktion (Resultat). b. Lehrkraftspezifische Motivationskomponenten: Diese betreffen die motivatio‐ nalen Auswirkungen von Persönlichkeit, Verhalten und Unterrichtsstil einer Lehrkraft. c. Gruppenspezifische Motivationskomponenten: Hier geht es um die Gruppen‐ dynamik, also Aspekte wie Gruppenzusammenhalt, Zielorientierung, Normen, Belohnungssystem und Klassenstruktur (kooperativ, konkurrierend oder indi‐ vidualistisch). Diese Aufteilung in drei Motivationsebenen wird wie folgt begründet: “Each of the three levels of motivation exerts its influence independently of the others and has sufficient power to nullify the effects of the motives associated with the other two levels“ (Dörnyei/ Ushioda 2011, 53). Verändert man also nur einen Parameter (z. B. Zielsprache oder Lehr‐ kraft), dann kann sich die Motivation von Lernenden komplett verändern. 4.3.3.1.2 Sozial-konstruktivistisches Modell von Williams und Burden Marion Williams und Robert Burden (1997) unternahmen ebenfalls den Versuch, motiva‐ tionale Schlüsselfaktoren, die für das fremdsprachliche Lernen im Klassenzimmer relevant sind, zusammenzufassen, welche sie in ihrem Handbuch Psychology for Language Teachers ausgiebig erläutern. Sie vertreten eine sozial-konstruktivistische Perspektive 18 und unter‐ streichen insbesondere den Einfluss kontextueller Faktoren: A constructivist view of motivation centres around the premise that each individual is motivated differently. People will make their own sense of the various external influences that surround them in ways that are personal to them, and they will act on their internal disposition and use their personal attributes in unique ways. (...) However, an individual’s motivation is also subject to social and contextual influences. These will include the whole culture and context and the social situation, as well as significant other people and the individual’s interactions with these people. Thus, the approach we are taking, (...) is social constructivist (Ebd., 120). 178 4 Grundlagen eines motivierenden Unterrichts Williams und Burden (1997) trugen verschiedene Perspektiven, Erkenntnisse und Ansätze aus der allgemeinen Motivationspsychologie zusammen, um daraus ein multidimensionales Modell für das Fremdsprachenlernen abzuleiten. Ihren Ansatz beschreiben sie als “cognitive and constructivist, socially contextualised and dynamically interactive. Its fundamental premise is that motivation essentially involves choice about actions or behaviours (...) Hence we place decision to act at the centre of our model“ (Ebd., 137). Die Entscheidungen, die Menschen im Hinblick auf Anstrengung, Ausdauer usw. treffen, hängen laut Williams und Burden (1997) von deren Konstruktion der Wirklichkeit ab, aber auch von inneren Eigen‐ schaften (Persönlichkeit, Vertrauen usw.), die sie in die Situation mit einbringen sowie von Interaktionen mit dem Umfeld - so genannte “mediating influences“ (Ebd., 137). All diese Komponenten werden wiederum von den Überzeugungen, der Gesellschaft und der Kultur ihrer umgebenden Welt beeinflusst. Ihr detailliertes Rahmenkonzept basiert auf den wich‐ tigsten motivationalen Faktoren aus der Literaturrecherche, welche sie in zwei Kategorien aufteilen: internale und externale Faktoren. Da manche Begriffe durch die Übersetzung an Präzision verlieren, werden sie hier im Original belassen: Internale Faktoren Externale Faktoren “Intrinsic interest in activity • arousal of curiosity • optimal degree of challenge (zone of next potential) Perceived value of activity • personal relevance • anticipated value of outcomes • intrinsic value attributed to the activity Sense of agency • locus of causality (origin versus pawn) • locus of control re process and outcomes • ability to set appropriate goals Mastery • feelings of competence • awareness of developing skill and mastery in a chosen area • self-efficacy Self-concept • realistic awareness of personal strengths and weaknesses in skills required • personal definitions and judgements of suc‐ cess and failure • self-worth concern • learned helplessness Attitudes • to language learning in general • to the target language • to the target language community and cul‐ ture “Significant others • parents • teachers • peers The nature of interaction with significant others • mediated learning experiences • the nature and amount of feedback • rewards • the nature and amount of appropriate praise • punishments, sanctions The learning environment • comfort • resources • time of day, week, year • size of class and school • class and school ethos The broader context • wider family networks • the local education system • conflicting interests • cultural norms • societal expectations and attitudes“ 179 4.3 Theorien zur Motivation beim Fremdsprachenlernen 19 Vgl. dazu auch Nakatas (2006) Kommentar zu seiner Studie in Japan: “A study of motivation (...) should take account of factors not only within the classroom but also within society“ (Ebd., 19). Nakata (2006) verweist auf Dewey: “Teachers never educate learners directly, but indirectly by means of the environ‐ ment“ (Ebd., 272). Um also valide Ergebnisse zu erhalten, müssen die diversen kontextuellen Faktoren berücksichtigt werden. Und: “We as teachers should remain aware of what our students think, of the society we live in, and of ourselves as professionals within that society“ (Ebd., 274). Other affective states • confidence • anxiety, fear Developmental age and stage Gender“ Tab. 4: Motivationale Schlüsselfaktoren (Williams/ Burden 1997, 138-140) All diese (nicht nach Priorität) aufgeführten Faktoren interagieren bei jeder Handlung auf dynamische Art und Weise miteinander. Williams/ Burden (1997) heben hervor, dass Lernen nicht in einem Vakuum stattfindet: Die Kultur eines Landes oder einer Region wirkt sich auf das Schulsystem aus und dieses wiederum beeinflusst Schulen, Lehrkräfte, Eltern und Ler‐ nende. 19 Diese kontextuellen Variablen werden von Lernenden zwar individuell interpretiert, haben jedoch Einfluss auf deren Initialmotivation und Ausdauer bei der Zielverfolgung. Williams/ Burden (1997, 141 f.) formulieren 12 Leitlinien für einen motivierenden Fremd‐ sprachenunterricht. Auch wenn diese relativ allgemein klingen, geben sie einige Denkan‐ stöße, wie Lehrkräfte Lernende darin unterstützen können, sich selbst zu motivieren: 1. Komplexität von Motivation erkennen 2. Motivation initiieren und vor allem auch aufrechterhalten 3. Sinn und Ziele von Aktivitäten für Lernende transparent machen 4. Lernende in Entscheidungen zum Fremdsprachenlernen einbeziehen 5. Lernende bei der Formulierung von Lernzielen einbeziehen 6. Menschen als Individuen anerkennen 7. Selbstbild und Selbstvertrauen der Lernenden aufbauen 8. Selbstwirksamkeitsüberzeugungen der Lernenden fördern 9. Lernende zu einer Lernzielorientierung führen (mastery oriented style) 10. Intrinsische Motivation fördern 11. Aufbau einer unterstützenden Lernumgebung 12. Informatives Feedback geben Wie Kapitel 2 gezeigt hat, stimmen nahezu alle 12 Punkte mit dem Storyline Approach überein. Ob und inwiefern sie tatsächlich auch in fremdsprachlichen Storyline-Projekten (Sekundarstufe I) realisiert werden können, sollen meine Untersuchungen in Teil B zeigen. 4.3.3.2 Wichtige Forschungsfelder und Untersuchungen Die von Dörnyei und Williams/ Burden erweiterten Konstrukte halfen bei der Klassifizie‐ rung der vielfältigen Faktoren, die das schulische Fremdsprachenlernen beeinflussen, 180 4 Grundlagen eines motivierenden Unterrichts 20 Für Details zu einzelnen Forschungsarbeiten und Publikationen auf diesem Gebiet vgl. z. B. Stiens‐ meier-Pelster/ Heckhausen (2006). Einen guten Überblick bietet auch Weiner (1986; 1992). 21 Für eine umfassende Darstellung der Theorie und des Forschungsstands vgl. Deci/ Ryan (Hrsg.) (2002). Weitere Details bei Deci/ Ryan (2008). zeigten aber auch neue Forschungsfelder auf. Nachfolgend werden die wichtigsten Bereiche dargestellt. • Attributionale Prozesse: Die Bedeutung von Kausalattributionen als Einfluss‐ faktor auf Motivation und Lernerfolg wurde zunehmend auch in der fremdspra‐ chenspezifischen Motivationsforschung erkannt. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen zwei Gruppen von Theorien: a) die Attributionstheorien, die sich mit dem Zustandekommen von Attributionen befassen, und b) die attributionalen Theorien, die sich mit der Frage auseinandersetzen, welche Auswirkungen Attributionen auf das nachfolgende Verhalten und Erleben haben. Als Pionier und Motor der attribu‐ tionspsychologischen Forschung, welche in den 1980er Jahren in der Pädagogischen Psychologie dominierte, gilt Fritz Heider (1958), obwohl es bereits schon früher ent‐ sprechende Untersuchungen gegeben hatte. Als einer der bedeutendsten und ein‐ flussreichsten attributionstheoretischen Ansätze gilt die von Weiner (1986) entwi‐ ckelte attributionale Theorie von Motivation, Emotion und Verhalten. 20 Laut Dörnyei (2001a, 119) sind die Attributionstheorien und attributionalen Theorien für den Fremdsprachenunterricht aus zwei Gründen besonders relevant: 1. Misserfolge sind beim Fremdsprachenlernen eine weitverbreitete Erfahrung und gelten somit als generelles Problem, denn trotz großer Mühe erreichen nur wenige ein hohes Niveau, und selbst erfolgreiche Lernende sind frustriert, wenn sie bei der Verwendung der Sprache an Grenzen stoßen. 2. Begabung gilt allgemein als gewichtiges Argument, um Erfolg oder Misserfolg beim Sprachenlernen zu erklären, so dass allzu schnell negative Fähigkeitsatt‐ ributionen formuliert werden. Skehan (1989) war bei den ersten, die mehr Forschung auf diesem Gebiet forderten, und Dörnyei (1994) sowie auch Williams/ Burden (1997) berücksichtigten Kausal‐ attributionen in ihren damals neu entwickelten Modellen (vgl. Kapitel 4.3.3.1). Nichtsdestotrotz gab es noch wenig Forschung zu Attributionsprozessen im Bereich des Fremdsprachenlernens, was auch damit zusammenhing, dass in der fachspezi‐ fischen Motivationsforschung traditionell quantitative Verfahren eingesetzt wurden, welche sich für die Erforschung der komplexen Auswirkungen von Kausalattribu‐ tionen nicht wirklich eignen. Zwischenzeitlich hat sich die Erforschung von Kau‐ salattributionen insbesondere im Zusammenhang mit Lernerautonomie und moti‐ vationaler Selbstregulierung stark weiterentwickelt. • Selbstbestimmungstheorie: Die Selbstbestimmungstheorie von Deci/ Ryan (1985; 2000) 21 gewann nicht nur in der Pädagogischen Psychologie einen großen Einfluss, sondern auch im Bereich des schulischen Fremdsprachenlernens erkannte man die Bedeutung der intrinsischen Motivation schon früh. In den besagten Modellen von Dörnyei (1994) und Williams/ Burden (1997) wurde (intrinsisches) Interesse bei‐ 181 4.3 Theorien zur Motivation beim Fremdsprachenlernen 22 Deci/ Ryan (1985; 2000) unterscheiden - je nach Grad der Selbstbestimmung - zwischen vier Formen extrinsischer Motivation: 1) Externale Regulation (am wenigsten selbstbestimmte Form von extrin‐ sischer Motivation), 2) Introjezierte Regulation, 3) Identifizierte Regulation und 4) Integrierte Regu‐ lation (die höchste Stufe der selbstbestimmt-extrinsischen Motivation). 23 Vgl. dazu DESI (2006), DESI (Hrsg.) (2008) sowie Kapitel 1.5. 24 Vgl. dazu z. B. Dam (1994; 1995; 2000; 2016), Little (1991; 1994) oder Sinclair u. a. (Hrsg.) (2000); in Deutschland z. B. Edelhoff/ Weskamp (Hrsg.) (1999), Legenhausen (1994; 1998; 1999), Martinez (2005), Müller-Verweyen (Hrsg.) (1997) und Wolff (1997a). 25 Vgl. z. B. Oxford (1990); in Deutschland z. B. Rampillon (1985), Rampillon/ Zimmermann (Hrsg.) (1997). Für einen aktuellen (und historischen) Überblick vgl. auch Finkbeiner (2013). 26 Benson (2011) gibt einen guten und aktuellen Überblick zur Lernerautonomie beim Fremdsprachen‐ lernen (Definition, Geschichte, Forschung usw.). Für aktuelle Studien zur Lernerautonomie an Grund- und Sekundarschulen sowie aus dem universitären Kontext in Nordrhein-Westfalen vgl. Lennon (Hrsg.) (2012). spielsweise als Faktor explizit berücksichtigt. Einen wichtigen Beitrag lieferten auch die Arbeiten von Kimberly Noels (z. B. Noels 2001; 2009). Noels, Pelletier, Clément und Vallerand (Noels u. a. 2000) entwickelten einen Fragebogen, um die Orientierung von Fremdsprachenlernenden aus der Perspektive der Selbstbestimmung zu unter‐ suchen. Dieser sollte Aufschluss über verschiedene Arten von intrinsischer und ext‐ rinsischer Motivation geben. 22 Die Ergebnisse wurden in Bezug gesetzt zu dem ein‐ flussreichen System der vier Orientierungstypen von Clément/ Kruidenier (1983): instrumentell, Wissen, Reisen, Freundschaft. Die Untersuchungen ergaben, dass in‐ strumentelle Orientierung stark mit externaler extrinsischer Regulation korrelierte, wohingegen die anderen drei Orientierungen mit selbstbestimmten und intrinsi‐ schen Motiven assoziiert wurden. Die Resultate deuteten außerdem an, “that in‐ trinsic motivation factors such as enjoyment and interest may not be sufficient in themselves to foster sustained learning, and that the personal value and importance of learning the language may be more significant in this regard“ (Dörnyei/ Ushioda 2011, 57). Die Arbeit von Noels und Team wird auch insofern geschätzt, als sie einen theore‐ tischen Rahmen für die Klassifizierung von fremdsprachenbezogenenen Lernzielen oder Orientierungen im Zusammenhang mit Selbstbestimmung anbot. Außerdem gab ihre Klassenzimmerforschung Aufschluss darüber, welchen Einfluss der Unter‐ richtsstil einer Lehrkraft (z. B. kontrollierend oder autonomieförderlich) auf die Ent‐ wicklung von extrinsischer oder intrinsischer Motivation haben kann. Laut Dörnyei/ Ushioda (2011) ist der Aspekt „Selbstbestimmung“ noch immer ein wichtiges For‐ schungsthema im Bereich des Fremdsprachenlernens. Inwiefern die Erkenntnisse in den Schulalltag in Deutschland einfließen, ist allerdings fraglich, wenn man ein‐ schlägige Studien wie etwa DESI konsultiert. 23 • Autonomietheorie: Der Paradigmenwechsel in der fremdsprachenbezogenen Mo‐ tivationsforschung der 1990er Jahre korrelierte mit einem wachsenden Interesse an den Themen „Lernerautonomie“ 24 und „Lernstrategien“ 25 . Dies machte sich auch in der Verbreitung von Selbstlernzentren und Sprachlaboren bemerkbar. Zugleich wurden die Zusammenhänge zwischen Lernerautonomie bzw. Lernstrategien und Motivation näher untersucht. 26 Dickinson (1995) veröffentlichte eine aufschluss‐ 182 4 Grundlagen eines motivierenden Unterrichts 27 Für weitere Details und Studien vgl. Benson (2011, 84 ff.) oder Dörnyei/ Ushioda (2011, 57 f.). 28 Vgl. dazu auch die Fragestellung bei Spratt, Humphreys und Chan (Spratt u. a. 2002): Autonomy and Motivation: Which Comes First? (Titel der Publikation). 29 Vgl. dazu z. B. Benson (2011), Holec (1981) oder Little (1991). Schmenk (2012) kritisiert die „Uneinig‐ keit, Uneinheitlichkeit und Inkonsistenz der Begriffsverwendung und -bedeutung“ (Ebd., 58). 30 Aufschlussreich ist auch die Publikation von Murray, Gao und Lamb (Murray u. a., Hrsg. 2011) mit Studien aus verschiedenen Kontexten und Kulturen. reiche Literaturrecherche zu Autonomie und Motivation, bezog sich auf kognitive Motivationstheorien aus der Pädagogik (z. B. intrinsische/ extrinsische Motivation, Attributionstheorie, Lernziele/ Leistungsziele) und versuchte daraus eine Begrün‐ dung für Lernerautonomie beim Fremdsprachenlernen abzuleiten. Verschiedene Forschungsarbeiten aus jener Zeit bestätigen einen starken Zusam‐ menhang zwischen affektiven Aspekten (will) und Fähigkeiten bzw. Fertigkeiten (ability). 27 Des Weiteren wurde im Rahmen der Autonomieforschung belegt, dass Motivation bei selbstbestimmtem Lernen zunimmt. 28 Allerdings warnt Benson (2011, 84): “We should be cautious in assuming that control over learning processes will enhance motivation independently of a broader willingness to engage in language learning“. Little (1991) weist zudem darauf hin, dass sich Autonomie bei Lernenden auf ganz unterschiedliche Weise manifestieren kann. Hier liegt die Frage nach der Definition und Abgrenzung des Autonomiebegriffes nahe. 29 Außerdem gibt es in der Autonomieforschung Überlappungen mit anderen Konstrukten, was Messungen zusätzlich erschwert (Benson 2011, 66). Zu berücksichtigen ist schließlich auch, dass Autonomie entwicklungsabhängig ist und nicht zwangsläufig permanent vorhanden sein muss: “The learner who displays a high degree of autonomy in one area may be non-autonomous in another“ (Little 1991, 4). Dennoch erbrachten die Studien zum Verhältnis von Motivation und Lernerauto‐ nomie bzw. Lernstrategien wichtige Erkenntnisse und lenkten den Blick auf meta‐ kognitive Aspekte des Lernens und auf Prozesse der Selbstmotivation oder der mo‐ tivationalen Selbstregulation von Lernenden unter Berücksichtigung des Zeitfaktors. Laut Dörnyei/ Ushioda (2011, 59) wird die Erforschung der Schnittstelle Motivation/ Autonomie auch heute noch mit großem Interesse verfolgt - insbeson‐ dere von Ushioda (2011) selbst. 30 Leider fehlt es meines Erachtens noch immer an der praktischen Umsetzung - zumindest im Fremdsprachenunterricht an deutschen Schulen. Benson (2011, 3) weist darauf hin, dass es seit 2001 einen immensen Anstieg an Publikationen und Tagungen zum autonomen Sprachenlernen gibt, und fordert, dass Forschung und Praxis sich stärker um Belege bemühen sollten, “that autonomy is not only desirable but also achievable in everyday contexts of language teaching and learning“ (Ebd., 240). Storyline könnte hier aus meiner Sicht einen Beitrag leisten (vgl. Teil B). • Aufgabenmotivation: Der Perspektivenwechsel in der fremdsprachenbezogenen Motivationsforschung ging auch einher mit einer Phase des verstärkten Interesses an der Entwicklung und Erforschung von Aufgaben für den Fremdsprachenunter‐ 183 4.3 Theorien zur Motivation beim Fremdsprachenlernen 31 Für einen guten Überblick vgl. z. B. Samuda/ Bygate (2008); vgl. auch Müller-Hartmann/ Schocker-von Ditfurth (2005; 2011) sowie Kapitel 2.4. richt. 31 Aufgaben ermöglichen, den fremdsprachlichen Lernprozess in klar definier‐ bare Segmente aufzuteilen, und erleichtern somit die Analyse der stattfindenden kognitiven Prozesse: “Taking language tasks as the basic level of analysis was also a logical step for cognitive-situated approaches to motivation, since motivation can hardly be examined in a more situated manner than within a task-based framework“ (Dörnyei/ Ushioda 2011, 59). Kyösti Julkunen (1989) war einer der Pioniere und führte (in Finnland) Untersu‐ chungen zu aufgabenbezogener Motivation beim Fremdsprachenlernen durch. Jul‐ kunen (2001) entwickelte ein Motivationsmodell, das sowohl allgemeine als auch situationsund/ oder aufgabenspezifische Motive berücksichtigt, und bezieht sich dabei insbesondere auf Boekaerts (1987), die zwischen trait motivation (allgemeine motivationale Orientierung eines/ einer Lernenden) und state motivation (situati‐ onsspezifische Motivation) unterscheidet. Dörnyei entwickelte später ein komple‐ xeres Motivationskonzept und kritisierte, dass die besagte Dichotomie eine statische Auffassung von Motivation vertritt und nicht die diversen Phasen und Schwan‐ kungen bei der Aufgabenbearbeitung abbildet: In Dörnyei’s view, an individual’s task motivation is likely to be the composite dynamic outcome of a complex range of contextual influences as well as learner-internal factors and the intrinsic properties of the task, and likely vary in relation to different stages of task en‐ gagement, learners’ ongoing appraisal or monitoring of the task engagement process, and their efforts to control or regulate this process (Dörnyei/ Ushioda 2011, 60). Welche Rolle bzw. welchen Einfluss Aufgaben im Rahmen von Storyline-Projekten auf die Motivation von Lernenden haben und welche Kriterien bei der Aufgaben‐ konzeption beherzigt werden sollten, um heterogenen Klassen gerecht zu werden, sollen meine Fallstudien in Teil B zeigen. Mit der Berücksichtigung des Zeitaspekts begann eine neue Phase in der fremdsprachen‐ bezogenen Motivationsforschung, welche mehr prozessorientierte Ansätze hervorbrachte. Das nachfolgende Kapitel wird sich mit dieser Periode näher befassen. 4.3.4 Die prozessorientierte Periode Obwohl allseits bekannt ist, dass das Erlernen einer Fremdsprache ein langwieriger Prozess ist und motivationalen Schwankungen unterliegt, werden erst seit etwa der Jahrtausend‐ wende Anstrengungen unternommen, um die dynamischen Prozesse der Motivation beim Sprachenlernen auf der Mikroebene (z. B. Aufgabenmotivation) und der Makroebene (z. B. Unterrichtseinheit, Schuljahr, Lernbiographie) zu analysieren (Dörnyei/ Ushioda 2011, 60). Die relativ späte Berücksichtigung des temporalen Aspekts in der fremdsprachenbezogenen Motivationsforschung lässt sich auch damit begründen, dass quantitative Forschungsme‐ thoden (z. B. Gardners AMTB) lange das Feld beherrschten, welche die dynamischen mo‐ tivationalen Prozesse bei Individuen jedoch nur schwer erfassen können. Mit der Untersu‐ 184 4 Grundlagen eines motivierenden Unterrichts chung des Zeitaspekts wurde zugleich auch der Ruf nach mehr qualitativer Forschung laut. In Anlehnung an Dörnyei/ Ushioda (2011) werden nachfolgend die wichtigsten Ansätze und Erkenntnisse aus der prozessorientierten Phase erläutert, wobei insbesondere die Arbeiten von Williams/ Burden, Ushioda sowie Dörnyei/ Ottó eine führende Rolle einnehmen. 4.3.4.1 Der Faktor Zeit bei Williams und Burden Williams/ Burden (1997) waren unter den ersten, die eine konzeptionelle Unterscheidung trafen zwischen Motivation zum Fremdsprachenlernen (z. B. Absichten, Wünsche, Ent‐ scheidungen) und Motivation beim Fremdsprachenlernen (z. B. Gefühle, Verhalten und Re‐ aktionen während des Lernens). Sie begründen diese grundlegende Differenzierung damit, dass Motivation nicht nur das Interesse wecken, sondern auch aufrechterhalten soll, damit Zeit und Energie in die erfolgreiche Umsetzung von Zielen investiert wird. Ihr Motivati‐ onsmodell berücksichtigt deshalb drei Stadien des Motivationsprozesses, wobei sich die ersten beiden auf die Initialmotivation beziehen und die dritte Stufe auf die Aufrechterhal‐ tung von Motivation: First, there are reasons for undertaking a particular activity (...) these will probably involve a mixture of internal and external influences which will be personal to different individuals (...). Second, we consider what is actually involved in deciding to do something: what makes people choose to embark on a particular task and to invest time and energy in it. (...) Third, people need to sustain the effort required to complete the activity to their own satisfaction. This will, of course, take place within a social context and culture which will influence choices made at each stage (Ebd., 121). Hierbei handelt es sich jedoch nicht um ein lineares Konzept, sondern um ein interaktives Modell, in dem sich die einzelnen Komponenten gegenseitig beeinflussen. Es erinnert an zwei der vier Handlungsphasen in dem von Heckhausen/ Gollwitzer (1987) entwickelten Rubikon-Modell, nämlich Intentionsbildung (Abwägen) und Intentionsrealisierung (Han‐ deln), sowie an das Prozessmodell von Dörnyei/ Ottó (1998) (vgl. Kapitel 4.3.4.3). 4.3.4.2 Der Faktor Zeit bei Ushioda Ushioda (2001) untersuchte in einer Langzeitinterviewstudie die Vorstellungen von 20 iri‐ schen Französischstudierenden im Hinblick auf deren Motivation sowie Aspekte der mo‐ tivationalen Entwicklung und Erfahrung im Laufe der Zeit. Sie hat ein Motivationsmodell entwickelt, das den zeitlichen Aspekt sowie zwei verschiedene Studierendentypen wider‐ spiegelt: Person A ist durch positive Erfahrungen motiviert, wohingegen zielgerichtete As‐ pekte eine untergeordnete Rolle spielen. Im Gegensatz dazu motiviert sich Person B durch konkrete und klare Ziele. Ushioda interpretiert die unterschiedliche Orientierung wie folgt: “Successful language learners may tend to emphasize the motivational impetus of a positive learning history, while those with less illustrious learning histories may tend to emphasize instead the goals and incentives channeling their motivation“ (Ebd., 119). Al‐ lerdings betont Ushioda (2001), dass die motivationale Gedankenstruktur von Person B auch ein potenzielles späteres Stadium von Person A darstellen könnte, wenn nämlich zukunfts‐ bezogene Ziele eine größere Rolle spielen bzw. klarer sind. Hier wird also der Prozesscha‐ rakter des Modells erkennbar. 185 4.3 Theorien zur Motivation beim Fremdsprachenlernen 32 Für eine Abbildung des Modells vgl. Dörnyei/ Ottó (1998, 48). 33 Vgl. dazu z. B. Kuhl (1987) oder für einen Überblick auch Quirin/ Kuhl (2009). 34 Vgl. dazu Heckhausen/ Gollwitzer (1987) oder z. B. auch Achtziger/ Gollwitzer (2006). Durch ihr Modell vermittelt Ushioda ein neues Bild: Motivation wird nicht mehr nur als Ursache oder Folge von Lernerfolg betrachtet, wie dies die traditionelle Motivationsfor‐ schung im Bereich Fremdsprachen vermittelt, sondern als Prozess, denn sie hängt auch davon ab, was Lernende denken oder glauben. Somit besteht für weniger erfolgreiche Ler‐ nende durchaus die Möglichkeit, den “vicious circle“ (Ebd., 119) zu durchbrechen und trotz schlechter Lernerfahrungen eine positive Motivation zu entwickeln. Um Selbstmotivation und intrinsische Motivation intensiver untersuchen und fördern zu können, ist laut Ushioda (2001) mehr qualitative Forschung im Bereich der Lernerautonomie erforderlich. 4.3.4.3 Das Prozessmodell von Dörnyei und Ottó Dörnyei und Ottó (1998) entwickelten ein komplexes Prozessmodell 32 der fremdsprachli‐ chen Motivation, welches verschiedene Handlungs- und Motivationsphasen berücksichtigt. Es besteht aus zwei Hauptdimensionen: Handlungsabfolge (action sequence) und motivati‐ onale Einflüsse (motivational influences): The first dimension represents the behavioural process whereby initial wishes, hopes and desires are first transformed into goals, then into intentions, leading eventually to action and, hopefully, to the accomplishment of the goals, after which the process is submitted to final evaluation. The second dimension of the model, Motivational Influences, includes the energy sources and motiva‐ tional forces that underlie and fuel the behavioural process (Dörnyei/ Ushioda 2011, 65). Dörnyei/ Ottó (1998) teilten den motivierten Verhaltensprozess in drei Hauptphasen ein und stützten sich auf Kuhls Theorie der Handlungskontrolle 33 ; auch Einflüsse des von Heck‐ hausen und Gollwitzer entwickelten Rubikon-Modells der Handlungsphasen 34 werden deutlich: 1. Präaktionale Phase: Diese Phase führt zur Auswahl des Ziels oder der Aufgabe und wird in drei aufeinanderfolgende Prozesse unterteilt: Zielsetzung, Intentions‐ bildung und Handlungsinitiierung. Die wichtigsten motivationalen Einflüsse in dieser Phase sind: verschiedene Zieleigenschaften (z. B. Relevanz, Nähe); Werte im Zusammenhang mit Lernprozess, Ergebnis und Konsequenzen; Einstellungen ge‐ genüber der Zielsprache und deren Benutzerinnen und Benutzern; Erfolgserwar‐ tung; Überzeugungen und Strategien der Lernenden; Unterstützung oder Zwänge des Umfelds. 2. Aktionale Phase: Diese Phase kann mit der Überschreitung eines metaphorischen Rubikons verglichen werden, indem nun eine Aufgabe in Angriff genommen und ausgeführt wird. In dieser Phase treten drei grundlegende Prozesse in Kraft: subtask generation and implementation (Aufbrechen von Handlungsplänen in kleinere Ein‐ heiten und Nahziele), appraisal (Evaluation der Stimuli aus der Lernumgebung sowie Überwachung des Fortschritts im Hinblick auf das Ziel) und action control (Anwen‐ dung von verschiedenen Handlungskontrollmechanismen oder Selbstregulie‐ rungsstrategien, um Motivation und Lernfortschritt aufrechtzuerhalten). Die wich‐ 186 4 Grundlagen eines motivierenden Unterrichts 35 Für Details zu einer Langzeitstudie mit 13.000 Fremdsprachenlernenden in Ungarn (1993-2004) vgl. die Buchpublikation von Dörnyei, Csizér und Németh (Dörnyei u. a. 2006). tigsten motivationalen Einflüsse in dieser Phase sind die Qualität der Lernerfahrung, Gefühl der Autonomie, soziale Einflüsse (Lehrkräfte, Peergruppe, Eltern), Beloh‐ nungs- und Zielstrukturen im Unterricht, Wissen und Nutzung von Selbstregulie‐ rungsstrategien. 3. Postaktionale Phase: Diese Phase beinhaltet eine kritische Retrospektive und Evaluation der Handlungsergebnisse sowie mögliche Schlussfolgerungen für zu‐ künftige Handlungen. Die Lernenden vergleichen die ursprünglichen Erwartungen und Handlungspläne mit der tatsächlichen Umsetzung und entwickeln Kausalattri‐ butionen im Hinblick auf die Resultate. Durch diesen Evaluationsprozess werden interne Standards, handlungsspezifische Strategien für die Zukunft sowie neue Ziele und Intentionen entwickelt. Die größten motivationalen Einflüsse in dieser Phase sind attributionale Faktoren, Selbstkonzeptüberzeugungen sowie externes Feedback und Leistungsbeurteilungen. Das Modell ist insofern wertvoll, als es vielfältige motivationale Faktoren berücksichtigt, die das fremdsprachliche Lernen in der Schule beeinflussen und meines Erachtens auch bei Storyline-Projekten zum Tragen kommen (vgl. Kapitel 2.3). Fraglich ist allerdings, ob die Abläufe in der Praxis immer so „geordnet“ verlaufen. 4.3.4.4 Wichtige Forschungsfelder und Untersuchungen Nachfolgend werden einige wichtige Forschungsbereiche aufgeführt, die sich mit der Un‐ tersuchung der zeitlichen Dimension von Motivation beschäftigen. • Globale Veränderungen im Hinblick auf Motivation: Dörnyei/ Ushioda (2011, 67 f.) verweisen auf Studien, die sich um die Jahrtausendwende mit der Entwicklung von Motivation über einen längeren Zeitraum hinweg (z. B. nach mehreren Lern‐ jahren, in verschiedenen Altersgruppen usw.) beschäftigt haben. Die Ergebnisse entsprechen den Erkenntnissen aus anderen Studien, die in Kapitel 1 bereits the‐ matisiert wurden: “A fairly consistent finding in longitudinal research on student motivation is evidence of some decline in levels of motivation, typically as students progress through the upper years of schooling and face increasing curricular, cog‐ nitive and linguistic demands and pressures“ (Ebd., 67). 35 Einen wichtigen Beitrag für die Ausbildung von Fremdsprachenlehrkräften liefert meines Erachtens die von Marita Schocker-von Ditfurth (2000) durchgeführte qua‐ litative Studie an der PH Freiburg. Dabei wurden Studierende des Faches Englisch auch zum Thema „Lernermotivation“ und zu ihren Erfahrungen während der Schul‐ zeit befragt. Die Resultate stimmen überein mit Forschungsergebnissen aus anderen Studien: Die Studierenden berichten übereinstimmend von einer anfänglich sehr hohen Motivation zum Erlernen der neuen Sprache. Sie begründen ihr Interesse an dem neuen Fach damit, dass sie damit die Erwartung verbinden, ein Kommunikationsmittel zu erwerben, das ihnen den 187 4.3 Theorien zur Motivation beim Fremdsprachenlernen 36 Vgl. dazu Dörnyei/ Ushioda (2011, 68), wo diverse Studien aufgeführt werden. Kontakt mit einer englischsprechenden Weltbevölkerung ermöglicht. (...) Es ist der offen‐ sichtliche Anwendungsbezug, der dieses Fach zunächst so reizvoll macht (Ebd., 196). Die anfängliche Begeisterung der (ehemaligen) Schülerinnen und Schüler reduziert sich jedoch schnell. Für den Motivationsverlust nennen die Studierenden in der Re‐ trospektive folgende Gründe (Ebd., 198 f.): • Fokus des Unterrichts auf die sprachlichen Teilfertigkeiten und deren schrift‐ liche Überprüfung; deshalb Versagensängste und ausbleibende Erfolgserleb‐ nisse. • Fokus auf sprachliche Korrektheit statt Inhalt der Äußerungen; aus Angst vor Fehlern weniger Mitarbeit. • Erfolgreicher Spracherwerb ist nach Ansicht der beteiligten Lehrkräfte eine Frage der Begabung, so dass sich der Unterricht auf wenige, leistungsstarke Lernende konzentriert. Schocker-von Ditfurth (2000) zieht folgendes Fazit: „Schulischer Fremdsprachenun‐ terricht vermag es nicht, an die anfänglich sehr hohe Motivation zum Erlernen einer neuen Sprache anzuknüpfen. Stattdessen sind Monotonie und Langeweile die be‐ stimmenden Grundgefühle, die mit den Lernerfahrungen im Fremdsprachenklas‐ senzimmer assoziiert werden“ (Ebd., 176). Der Unterricht ist durch das Lehrbuch vorprogrammiert: „Fremdsprachenunterricht wird zu einer Abfolge vorhersehbarer Arbeitsschritte, Überraschungen sind selten. Demgegenüber erfüllt sich die Erwar‐ tung an einen lebendigen, abwechslungsreichen Englischunterricht nicht“ (Ebd., 199). Diese eher negativen Lernerfahrungen beeinflussen laut Schocker-von Dit‐ furth (2000) das berufliche Selbstverständnis der befragten Studierenden: „Es ist ein grundlegendes Anliegen aller, die Fremdsprachenlerner immer wieder motivieren zu können“ (Ebd., 200). Die Studie ist auch insofern interessant, als meine eigenen Untersuchungen daran anknüpfen werden, um zu erforschen bzw. zu belegen, wie motivierend Englischlernen mit dem Storyline Approach sein kann. • Motivation und Lebenslauf: Ein weiteres Forschungsinteresse gilt laut Dörnyei/ Ushioda (2011) der Untersuchung von individuellen Veränderungen der Motivation über längere Lebensphasen hinweg (z. B. Schulzeit bis Studium). 36 Dabei werden be‐ vorzugt biographische oder autobiographische Forschungsmethoden eingesetzt. Shoaib/ Dörnyei (2005) entwickelten diese auf den Lebenslauf bezogene Perspektive weiter, indem sie retrospektive qualitative Interviews mit 25 Englischlernenden im Alter von 18-34 Jahren führten und deren motivationale Schwankungen über einen Zeitraum von mehreren Jahren untersuchten (15 Frauen und 10 Männer aus Europa, Asien und dem Mittleren Osten): “The researchers identified a number of recurring temporal patterns and key transformational episodes affecting motivation, including for example transitions to new life phases (such as leaving school and entering the world of work) or the experience of visiting an English-speaking environment“ (Dörnyei/ Ushioda 2011, 68). 188 4 Grundlagen eines motivierenden Unterrichts 37 Für Details zum japanischen Lernkontext und den Auswirkungen wie Sprachangst, Gehorsam ge‐ genüber der Lehrkraft usw. vgl. Nakata (2006, 151 ff.); vgl. auch Dörnyei/ Ushioda (2011, 149 ff.). • Motivationale Selbstregulierung: Motivation wird in zahlreichen Publikationen in Verbindung mit Autonomie und Lernstrategien betrachtet. Beide Aspekte scheinen sich positiv auf die Motivation von Lernenden auszuwirken, vor allem was die Persistenz anbelangt. Es geht also nicht mehr (allein) um die Frage, wie man Lernende motivieren, sondern wie man sie darin unterstützen kann, dass sie sich selbst motivieren. Diese Perspektive basiert auf der Prämisse, dass Lernende ihre Motivation beeinflussen bzw. kontrollieren und negative Glaubensüberzeugungen konstruktiv überwinden können. Dazu müssen sie nicht nur ein entsprechendes Bewusstsein, sondern auch adäquate Techniken entwickeln. Ushioda (2001) konnte in ihrer oben erwähnten Studie mit französischlernenden Studierenden nachweisen, dass diese verschiedene Denkmuster und Strategien an‐ wenden (z. B. positive Attributionen, eigene Zielsetzungen, Auswahl von intrinsisch motivierenden Aktivitäten), um ihre Motivation beim Sprachenlernen aufrechtzu‐ erhalten. Eine besondere Rolle nimmt dabei die aktive Sprachproduktion ein: “The self-report evidence (...) seems to underline the importance of target language use as a means of reviving flagging spirits and putting learners in touch with their mo‐ tivation again, when the negative conditions of formal language learning experience take their toll“ (Ebd., 121). Aufschlussreich ist auch die Langzeitstudie von Nakata (2006) mit 288 englischlern‐ enden Studierenden in Japan. Nakata untersuchte die Entwicklungsprozesse von intrinsischer Motivation und Autonomie beim Fremdsprachenlernen sowie die Zu‐ sammenhänge zwischen schulischer Erfahrung und der Entwicklung spezifischer Arten von Motivation. Seine Arbeit basiert auf einer sozial-konstruktivistischen Perspektive unter Berücksichtigung der spezifischen Bedingungen in Japan: “The influence of Japanese social, cultural, and contextual issues on learner motivation including Confucian thought, the educational system, and language education“ (Ebd., 272). 37 Nakatas Studie erbrachte das Ergebnis, dass sich intrinsische Motiva‐ tion in einem Lernumfeld entwickelt, das die Interaktion der Lernenden und somit auch die Verwendung der Zielsprache fördert. Ob bzw. inwiefern dies auch für Story‐ line-Projekte zutrifft, möchte ich durch meine Fallstudien untersuchen (vgl. Teil B). Im Übrigen weist auch Ushioda (2008) darauf hin, dass hier noch Forschungsbedarf herrscht: “Unfortunately, research on how language learners might be brought to think positively and develop skills in motivational self-regulation is still scarce“ (Ebd., 27). 4.3.5 Die sozio-dynamische Periode Seit einigen Jahren kristallisiert sich in der fremdsprachlichen Motivationsforschung eine neue Phase heraus, welche Ushioda und Dörnyei als sozio-dynamische Periode bezeichnen und zugleich intensiv mitgestalten: 189 4.3 Theorien zur Motivation beim Fremdsprachenlernen 38 Zur Multiplizität von Zielinhalten vgl. Ford (1992) und Wentzel (2000; 2007). Wentzels Arbeit hat auf die immense Bedeutung des sozialen und emotionalen Wohlergehens beim Lernen aufmerksam ge‐ macht und so dazu beigetragen, dass Emotionen bei der Motivationsforschung stärker berücksichtigt werden. Vgl. dazu z. B. auch die Arbeit von Horst, Finney und Barron (Horst u. a. 2007). 39 Vgl. dazu z. B. McInerney (2008), Salili u. a. (Hrsg.) (2001) und Volet/ Järvelä (Hrsg.) (2001). Für eine Übersicht zu kontextuellen Einflüssen vgl. auch Schunk u. a. (2010). This phase is characterized by a focus on the situated complexity of the L2 motivation process and its organic development in interaction with a multiplicity of internal, social, and contextual factors - that is, a move toward relational or dynamic systems perspectives on motivation (...); and char‐ acterized by a concern to theorize L2 motivation in ways that take account of the broader com‐ plexities of language learning and language use in the modern globalized world - that is, by re‐ framing L2 motivation in the context of contemporary theories of self and identity (Ushioda/ Dörnyei 2012, 398). Für diesen Wandel gibt es mehrere Gründe, die nachfolgend kurz erläutert werden. Dabei werden auch Überschneidungen mit konstruktivistischen Ansätzen erkennbar (vgl. Kapitel 3): • Komplexe Zusammenhänge von motivationalen Faktoren: Das von Dörnyei/ Ottó (1998) konzipierte Prozessmodell weist laut Ushioda/ Dörnyei (2012) zwei gra‐ vierende Fehler auf: “(a) it assumes that we can define clearly when a learning pro‐ cess begins and ends; (b) it assumes that the actional process occurs in relative iso‐ lation, without interference from other actional processes in which the learner may be simultaneously engaged“ (Ebd., 398). In einer realen Klassenzimmersituation ist es jedoch - anders als unter Laborbedingungen - kaum möglich, Anfang und Ende eines Lernprozesses exakt zu definieren oder gar auszuschließen, dass mehrere Lernprozesse, die sich möglicherweise auch noch gegenseitig beeinflussen, parallel ablaufen. Davon abgesehen ist das Klassenzimmer auch “a social arena“ (Dörnyei 2005, 86), wo Freundschaften gepflegt werden und Prozesse der Identitätsfindung stattfinden. 38 Folglich werden kognitive Ziele auch von diversen sozialen Zielen be‐ gleitet bzw. beeinflusst. Des Weiteren kann im Hinblick auf Motivation nicht immer eindeutig eruiert werden, was Ursache und was Wirkung ist. Lineare Modelle (wie das Prozessmodell von Dörnyei/ Ottó) können also den komplexen dynamischen Prozessen und multiplen Zielen in Lernsituationen nicht gerecht werden. • Integration von Motivation und sozialem Kontext: Neuere Ansätze in der all‐ gemeinen Motivationspsychologie werden durch situative Perspektiven geprägt, die darauf abzielen, Vorstellungen über das eigene Ich und den Kontext dynamisch und ganzheitlich zu integrieren sowie zu erforschen, wie sich Motivation entwickelt und aus den komplexen Interaktionen zwischen Selbst (self) und Kontext entsteht (Dörnyei/ Ushioda 2011, 70). 39 Diese Denkströmung hat begonnen, auch die Fremd‐ sprachen zu beeinflussen. Auslöser für die „soziale Wende“ war die zunehmende Kritik an den dominierenden sozial-psychologischen und kognitiven Ansätzen sowie neue Erkenntnisse aus diversen Studien (z. B. mit Gastarbeitern in Europa). Maßgeblich beeinflusst durch Norton (2000), in deren Ansatz Motivation, Identität 190 4 Grundlagen eines motivierenden Unterrichts 40 Diese Entwicklung hat u. a. auch negative Auswirkungen auf die Wahl von anderen Fremdsprachen wie etwa Französisch in den Grundschulen entlang der Rheinschiene (Baden-Württemberg): Viele Eltern wollen - anders als der politische Wille - nicht mehr, dass ihre Kinder „die Sprache des Nachbarn“ lernen, sondern Englisch, um in der mittlerweile stark wettbewerbsorientierten Welt keine Nachteile zu erlangen. 41 Vgl. dazu auch Kapitel 1.6; laut Svecnik (2004) zählt der Erwerb zweier Fremdsprachen zu den acht Schlüsselqualifikationen, die am Ende der Schulpflicht erworben sein sollten. Diese im Rahmen des OECD-Projekts DeSeCo entwickelten Kompetenzen gelten als Mindesterfordernisse für europäische Bürgerinnen und Bürger und als Basis für weiteres, lebenslanges Lernen. Die Vorstellungen decken sich auch mit den politischen Zielen des Europarats (2001), dessen Vision ein mehrsprachiges und plurikulturelles Europa ist. und Sprache als sozial und historisch situierte Prozesse betrachtet werden, zeichnen sich mittlerweile deutliche Entwicklungen in der Spracherwerbsforschung ab: There is now a considerable body of opinion in our field which suggests that we should view language learning as a sociocultural and sociohistorically situated process, rather than as primarily a cognitive psycholinguistic process (...). This (...) heralds a move away from tradi‐ tional linear models of contextual and motivational variables to relational and dynamic sys‐ tems perspectives (Dörnyei/ Ushioda 2011, 71). • Englisch als Weltsprache und lingua franca: Nicht nur die Langzeitstudie von Dörnyei u. a. (2006) mit ungarischen Schulklassen, sondern auch fachspezifische Diskussionen im nächsten Umfeld belegen den Trend, dass Englisch von Lernenden und Eltern zunehmend als “’must-have’ language“ (Dörnyei/ Ushioda 2011, 71) be‐ trachtet wird. 40 Dies hat auch Auswirkungen auf Konzepte zur Sprachlernmotiva‐ tion: 1. Grundsätzlich ist zu unterscheiden, ob es sich bei der Zielsprache um Englisch (Weltsprache) handelt oder nicht, da das Beherrschen der englischen Sprache zunehmend als Grundfertigkeit 41 wie Rechnen, Lesen und Schreiben betrachtet wird, und folglich andere motivationale Bedingungen vorherrschen als beim Erlernen anderer Sprachen (z. B. Schwedisch). Der Buchtitel von Graddol (2006) - Why Global English May Mean the End of ‘English as a Foreign Language’ - kündigt möglicherweise eine neue Entwicklung an. Dörnyei (2005) schlägt des‐ halb vor, “to consider the usefulness of introducing a two-tier approach to L2 motivation, focusing on world-language-learning vs. non-world-language-learn‐ ing separately“ (Ebd., 118). 2. Englisch als Weltsprache bzw. lingua franca hat keine “specific geographi‐ cally-defined community of speakers“ (Dörnyei/ Ushioda 2011, 72), und die In‐ teraktionen finden nicht nur zwischen native und non-native speakers statt. Folglich verlieren traditionelle Motivationskonzepte wie Integrativität oder Ein‐ stellungen gegenüber der Zielsprache bzw. Zielkultur zunehmend an Bedeu‐ tung, da es keine klare Zielreferenzgruppe mehr gibt, und Englisch (als Grund‐ 191 4.3 Theorien zur Motivation beim Fremdsprachenlernen 42 Vgl. dazu das Englischlehrwerk English for Europe (Morrow/ Roberts 1995), das bereits in den 1990ern für die Erwachsenenbildung entwickelt wurde und eben nicht traditionell UK oder USA als Zielkultur anvisiert, sondern den gesamteuropäischen Kontext berücksichtigt: “It is not about drinking tea, red buses or policemen with funny hats. Most English spoken in Europe does not involve English people at all. So this course is about English used by Europeans“ (Ebd., 2). 43 Vgl. z. B. De Bot, Lowie, Verspoor (De Bot u. a. 2007), Ellis/ Larsen-Freeman (Hrsg.) (2009), Larsen-Freeman/ Cameron (2008) oder Van Geert (2008). fertigkeit) nicht mehr an eine spezifische Zielkultur gebunden ist. 42 Allerdings ist dieser Einwand meines Erachtens nicht ganz berechtigt, wenn man integra‐ tive Orientierung weiter fasst, nämlich als grundsätzliche Offenheit und Tole‐ ranz gegenüber anderen Kulturen. Zu Recht stellt auch Riemer (2006) fest, dass sich ohne jegliche Integrativität kaum eine ausgeprägte Motivation vorstellen lässt: „Denn ein Motiv ist noch lange keine Motivation“ (Ebd., 41). Die sozio-dynamische Periode berücksichtigt also viel mehr als frühere Phasen die Kom‐ plexität und Dynamik von Motivationsprozessen beim Sprachenlernen sowie die diversen externen und internen Einflussfaktoren, die wiederum miteinander interagieren. Wie sich später noch zeigen wird, spiegelt diese Neuorientierung auch die vielfältigen, simultanen und sich mitunter gegenseitig bedingenden Motivationsprozesse und -faktoren im Rahmen von Storyline-Projekten wider. Interessanterweise scheint die Motivationsforschung mit ihren Ansätzen zu komplexen dynamischen Systemen nun auch andere (dominante) Be‐ reiche der Spracherwerbsforschung 43 zu beeinflussen. Nachfolgend werden einige Schwer‐ punkte und drei Modelle dieser Phase, die insbesondere von Dörnyei und/ oder Ushioda entwickelt wurden, näher beleuchtet. 4.3.5.1 Ushiodas Person-in-Context Relational View of Motivation Laut Dörnyei und Ushioda (2011) ist in der L2-Motivationsforschung trotz aller Entwick‐ lungen in den letzten Jahrzehnten eines unverändert geblieben: “The search for cause-effect relationships has continued to dominate research perspectives, even when scholars took a more dynamic, process-oriented approach“ (Ebd., 75). Damit verbunden ist stets das Ziel, generalisierbare lineare Modelle zu entwickeln, die erklären bzw. vorhersagen können, welche Art von Motivation zu welchem Lernverhalten in welchem Kontext führt, und wie negative Motivationsmuster gegebenenfalls durch entsprechende pädagogische Maß‐ nahmen korrigiert werden können, um den Lernerfolg zu erhöhen (Ushioda 2009). Aller‐ dings können solche Modelle stets nur eine kleine Anzahl von Schlüsselvariablen berück‐ sichtigen und empirisch testen; sie werden somit weder der komplexen Realität noch den dynamischen Motivationsprozessen gerecht. Ushioda (2009) kritisiert, dass in der spra‐ chenbezogenen Motivationsforschung kontextuelle Faktoren zwar zwischenzeitlich be‐ rücksichtigt werden, allerdings meist als externe und stabile Variablen: “Context is gener‐ ally defined as an independent background variable which is theorised to influence motivation, but over which learners have no control“ (Ebd., 216). Diese Vorstellung ent‐ spricht jedoch nicht mehr den aktuellen Entwicklungen in der allgemeinen Motivations‐ psychologie, wo Motivation, Kontext und Selbst (self) zunehmend als dynamisches inter‐ agierendes Ganzes betrachtet werden. 192 4 Grundlagen eines motivierenden Unterrichts 44 Ushioda (2009, 216) spricht auch von “depersonalised learners“. Vgl. auch Schwerdtfeger (2000, 110 f.). 45 Ushioda (2009; 2011) verweist auf eine Studie von Legenhausen (1999) mit mehreren Klassen an deutschen Gymnasien bzw. Gesamtschulen, die traditionellen Lehrwerkunterricht hatten, und Ler‐ nenden an einer dänischen Gesamtschule, die mit Leni Dam nach Prinzipien der Lernerautonomie arbeiteten. Die Gesprächsanalysen belegen, dass “these autonomous students’ conversations develop in a far more natural and organic fashion than the ‘pseudo-communication’ practised by students in traditional communicative classrooms“ (Ushioda 2009, 224). Dazu Legenhausen (1999, 181): “These do-as-if-exercises and activities prevent the learners from acquiring conversational strategies and the ability to collaboratively construct a discourse. They find it extremely difficult to speak as them‐ selves in the foreign language; their whole processing energy is geared to activating textbook struc‐ tures and content. It could even be claimed that there is a qualitatively different processing strategy at work. In these peer-to-peer talks the learners’ primary aim is not the encoding of personal mean‐ ings, but the activation of memorised chunks of knowledge. If the activation is successful, the lan‐ guage is to a great extent well formed and error-free. The result, however, is some kind of pseudo-communication“. Vgl. dazu auch Dam (2000). Ushioda (2009) hat versucht, für den Sprachenkontext eine relationale Perspektive zu entwickeln, welche - anders als lineare Modelle - die organisch entstehenden Interaktionen zwischen Motivation, Selbst (self) und Kontext berücksichtigt. Sie reduziert die Personen im Klassenzimmer nicht auf abstrakte Lernende 44 , sondern betrachtet sie ganzheitlich als reale, individuelle Menschen mit all ihren diversen Identitäten (z. B. Kulturzugehörigkeit, Hobbys, Interessen usw.), die Einfluss auf Motivation und Sprachenlernen haben können. Ushioda (2009) beschreibt ihre Person-in-Context Relational View of Motivation wie folgt: I mean a focus on real persons, rather than on learners as theoretical abstractions; a focus on the agency of the individual person as a thinking, feeling human being, with an identity, a personality, a unique history and background, a person with goals, motives and intentions; a focus on the interaction between this self-reflective intentional agent, and the fluid and complex system of social relations, activities, experiences and multiple microand macro-contexts in which the person is embedded, moves, and is inherently part of (Ebd., 220). Es liegt auf der Hand, dass diese neue Sichtweise mit großen Herausforderungen für die Forschung verbunden ist. Vielversprechend ist laut Ushioda (2009) die Mikroanalyse von Interaktions- und Diskursdaten, um zu untersuchen, wie Motivation im und durch den Diskurs entsteht und sich entwickelt. Insbesondere Klassenzimmer, die Lernerautonomie fördern, “encourage students to develop and express their own identities through the lan‐ guage they are learning - that is, to be and become themselves“ (Ebd., 223). 45 In Story‐ line-Projekten kommunizieren Lernende stets inhaltsbezogen, das heißt, sie teilen (auch spontan) ihre persönlichen Ansichten, Wünsche und Probleme bzw. Problemlösungen mit - wenn auch aus einer spezifischen Rolle heraus. Wie Lernende mit solchen authentischen Kommunikationssituationen umgehen und sie bewerten, sollen meine Fallstudien in Teil B zeigen. 193 4.3 Theorien zur Motivation beim Fremdsprachenlernen 46 Für eine detaillierte Beschreibung des Ansatzes vgl. Dörnyei (2009). 4.3.5.2 Dörnyeis L2 Motivational Self System Im Jahr 2005 stellte Dörnyei erstmals sein Konzept L2 Motivational Self System vor. 46 Laut Dörnyei (2009) wurde dieses maßgeblich von zwei bedeutenden theoretischen Entwick‐ lungen im Bereich der Sprachen sowie der Psychologie beeinflusst: a) Dörnyei sieht sein Modell als natürliche Weiterentwicklung von Gardners Theorie der integrativen Motiva‐ tion (obwohl er diese zuvor stets als zu einseitig kritisiert hatte). b) Des Weiteren stützte er sich auf Ansätze und neuere Erkenntnisse aus der Persönlichkeitspsychologie. Ziel war es, durch sein Modell Unterschiede beim Sprachenlernen besser erklären und begründen zu können. Nachfolgend werden einige wichtige Aspekte und Hintergründe erläutert: • Possible Selves and Future Self-Guides: In der Psychologie zeigte sich laut Dörnyei und Ushioda (2011) ein zunehmendes Interesse an “the active, dynamic nature of the self-system, gradually replacing traditionally static forms of self-re‐ presentations with a self-system that mediates and controls ongoing behaviour“ (Ebd., 80). Diese Bewegung führte zu der Vorstellung von verschiedenen persön‐ lichkeitsspezifischen Mechanismen, die eine Verbindung von Selbst (self) und Hand‐ lung (action) herstellen (z. B. Selbstregulierung, mentale Schemata), so dass eine Schnittstelle zwischen Persönlichkeits- und Motivationspsychologie entstand. Be‐ sonders einflussreich war das Konzept Possible Selves von Markus/ Nurius (1986), welches aufzeigt, wie das Selbst durch Zielsetzungen und Erwartungen das Ver‐ halten reguliert. Possible Selves verkörpern Visionen im Hinblick auf die Zukunft: Possible selves represent individuals’ ideas of what they might become, what they would like to become, and what they are afraid of becoming, and thus provide a conceptual link between cognition and motivation. Possible selves are the cognitive components of hopes, fears, goals, and threats, and they give the specific self-relevant form, meaning, organization, and direction to these dynamics (Ebd., 954). Sie können sowohl negativ (Ängste) als auch positiv (Potenziale, Wünsche) sein und sind oft an unterschiedliche soziale Rollen oder Identitäten gebunden. Da sie zu‐ kunftsorientiert sind, gelten sie auch als Future Self-Guides. Dörnyei/ Ushioda (2011) weisen auf einen Aspekt hin, der offenbar häufig übersehen wird, aber gerade im Hinblick auf Motivation interessant ist: “Possible selves involve tangible images and senses; they are represented in the same imaginary and semantic way as the here-and-now self, that is, they are a reality for the individual - people can ‘see’ and ‘hear’ a possible self “ (Ebd., 81). • Ideal Selves and Ought Selves: Higgins (1987; 1998) unterscheidet in seiner allge‐ meinen Theorie zu Motivation und Selbstregulierung zwei Komponenten, die er als Ideal Self und Ought Self bezeichnet, und die sich beide - wenn auch in unterschied‐ lichem Maße - auf ein erwünschtes Endstadium beziehen: Während das Ideal Self die eigenen Visionen des Individuums berücksichtigt, überträgt das Ought Self die Vorstellungen anderer auf das Individuum. Allerdings kann die Quelle der Visionen nicht immer eindeutig eruiert werden (z. B. eigener Traum, Einfluss durch Soziali‐ 194 4 Grundlagen eines motivierenden Unterrichts 47 Vgl. dazu auch die Zielorientierungstheorie (z. B. Annäherungs- und Vermeidungsziele). Insbeson‐ dere Paul R. Pintrich hat in diesem Bereich sehr viel geleistet; vgl. z. B. Pintrich (2000). Details zu diversen Forschungsarbeiten und Publikationen bei Schunk u. a. (2010, 183 ff.). Teilweise wurden auch alters-, entwicklungs- oder geschlechterspezifische Unterschiede bei der Zielorientierung ent‐ deckt. 48 Zu Aktivitäten, die eine positive Vision des zukünftigen L2 Self entwickeln, vgl. Hadfield/ Dörnyei (2013). 49 Für eine ausführliche Erläuterung der einzelnen Aspekte vgl. Dörnyei (2009, 18 ff.). 50 Für Details vgl. Dörnyei u. a. (2006). sation, Gruppennormen usw.). Laut Dörnyei/ Ushioda (2011) werden Ought Selves auf Grund des sozialen Drucks in einem gewissen Ausmaß internalisiert. Die gestufte Internalisierung von externen Motiven wird in der Selbstbestimmungstheorie von Deci/ Ryan (1985; 2000) beschrieben (vgl. auch Kapitel 4.3.3.2). Ideal Selves haben laut Dörnyei (2009) eine klare Führungsfunktion, wenn es um das Setzen von zu er‐ reichenden Standards geht, und sind deshalb gerade im schulischen Bereich von immenser Bedeutung. Ideal Self-Guides beziehen sich auf Hoffnungen, Verbesse‐ rungen usw. (promotion focus), während sich Ought Self-Guides auf die Vermeidung von Misserfolgen konzentrieren (prevention focus) (Higgins 1998). 47 Die Self-Discrepancy Theory von Higgins (1987) postuliert, dass Personen motiviert sind, einen Zustand zu erreichen, bei dem ihr Selbstkonzept mit den persönlich re‐ levanten Self-Guides übereinstimmt: In other words, motivation in this sense involves the desire to reduce the discrepancy between one’s actual self and the projected behavioural standards of the ideal/ ought selves. Thus, future self-guides provide incentive, direction and impetus for action, and sufficient discrep‐ ancy between these and the actual self initiates distinctive self-regulatory strategies with the aim to reduce the discrepancy (Dörnyei/ Ushioda 2011, 82 f.). • Bedingungen für die Motivationsfähigkeit von Ideal Selves und Ought Selves: Obwohl Future Self-Guides zur Handlung motivieren können, geschieht dies nicht immer automatisch, sondern hängt laut Dörnyei und Ushioda (2011) von be‐ stimmten Voraussetzungen ab, die auch als Leitfaden für die Praxis dienen: 48 “The learner has a desired future self-image (...). The future self is sufficiently differ‐ ent from the current self (...). The future self image is elaborate and vivid (...). The future self image is perceived as plausible (...). The future self image is not perceived as comfortably certain, that is, within one’s grasp (...). The future self image is in harmony - or at least does not clash - with the expectations of the learner’s family, peers and other elements of the social environment (...). The future self image is regularly activated in the learner’s working self-concept (...). The future self image is accompanied by relevant and effective procedural strategies that act as a roadmap towards the goal (...). A desired future self image is offset by a counteracting feared possible self in the same domain“ (Ebd., 83 f.). 49 • Konstrukt des L2 Motivational Self System: Auslöser für die Entwicklung des neuen Modells war laut Dörnyei (2009) letztendlich seine 12-jährige Langzeit‐ studie 50 mit über 13.000 ungarischen Lernenden, in der er die Einstellungen zu fünf Zielsprachen untersuchte, wobei eine Variable, die ursprünglich als Integrativität 195 4.3 Theorien zur Motivation beim Fremdsprachenlernen 51 Vgl. dazu auch die Stellungnahme von MacIntyre, Mackinnon und Clément (MacIntyre u. a. 2009, 50): “Dörnyei (...) notes that Gardner’s integrative motive ‘corresponds closely’ with the proposed L2 self system. We agree“. Sie diskutieren auch Vorzüge und Schwachstellen von Dörnyeis Ansatz. 52 Vgl. dazu auch die Stellungnahme von Riemer (2006) zugunsten von Gardner. identifiziert wurde, eine wichtige Rolle spielte, um das Ausmaß der gesamten mo‐ tivationalen Disposition der Lernenden bestimmen zu können. Dabei erkannte er offenbar, dass dieser Faktor eine größere Dimension umfasste: “the learner’s ‘ideal L2 self ’“ (Dörnyei/ Ushioda 2011, 86). Das L2 Motivational Self System besteht aus drei Komponenten (Dörnyei 2009, 29): 1. Ideal L2 Self: Motivator, um die Sprache zu lernen; die traditionellen integrativen und internalisierten instrumentellen Motive würden zu dieser Komponente zählen. 2. Ought-to L2 Self: Attribute, die jemand glaubt haben zu müssen, um Erwar‐ tungen zu erfüllen oder Negativergebnisse zu vermeiden; diese Dimension ent‐ spricht dem Ought Self von Higgins und somit den mehr extrinsischen Typen instrumenteller Motive. 3. L2 Learning Experience: Die “situated, ‘executive’ motives“ (Ebd., 29), die sich auf das unmittelbare Lernumfeld und die Erfahrungen beziehen (z. B. Auswir‐ kungen von Lehrkraft, Curriculum, Peergruppe, Erfolgserlebnisse); diese dritte Komponente ist nicht in der Theorie der Possible Selves enthalten und wurde ergänzt, um (auch) den Einfluss der Lernumgebung zu repräsentieren. Das Modell enthält also drei Hauptquellen, welche die Motivation, eine Sprache zu lernen, speisen: “the learner’s vision of her/ himself as an effective L2 speaker, the social pressure coming from the learner’s environment and positive learning experi‐ ences“ (Hadfield/ Dörnyei 2013, 4). Gardner (2010) äußert sich in einem Epilog zu den Vorwürfen von Dörnyei (2009) und Ushioda (2009). Auch distanziert er sich von Dörnyeis Argument, das L2 Self sei vergleichbar mit seinem Konzept der integrativen Motivation: 51 “Research concerned with the L2 self would be well advised to focus less on trying to show how it is more meaningful than integrativeness and integrative motivation, or how the two classes of models can be linked, and more concerned with developing reliable and valid measures of the underlying con‐ structs“ (Gardner 2010, 225 f.). Auf Kritik an seiner eigenen Theorie und Forschung reagiert Gardner gelassen: 52 There have been many criticisms of the socio-educational model and related research involving issues such as the direction of cause and effect, the magnitude of the measures of association, the measurement of the major constructs, consistency of results, etc., and each of these would seem to be equally relevant to the construct of the L2 self. Cognition and affect are parallel systems. One is not superior to the other, and the question of which influences which is unanswerable (Ebd., 226). 196 4 Grundlagen eines motivierenden Unterrichts 53 Vgl. dazu auch Riemer (2006), die Aspekte des sozial-edukativen Modells und des Rubikon-Ansatzes in ein „fremdsprachenerwerbsspezifisches Lernmotivationsprozessmodell integriert“ (Ebd., 43). 54 Vgl. dazu Kapitel 3.2.4; für das Sprachenlernen z. B. De Bot u. a. (2007), Ellis/ Larsen-Freeman (Hrsg.) (2009), Larsen-Freeman/ Cameron (2008) oder Van Geert (2008). 55 Vgl. dazu auch Dörnyei (2005). Für den hiesigen Schulkontext und mein persönliches Forschungsinteresse scheint mir je‐ doch Dörnyeis Ansatz vielversprechender und zutreffender zu sein. 53 Interessant ist auch Dörnyeis (2005) Argument, dass das Lernen von Englisch als Weltsprache bzw. lingua franca zu einem wichtigen Teil der Allgemeinbildung wird: “Thus, whether or not we are moti‐ vated to learn English - and if we do, how much - is becoming increasingly a personality issue that can be captured by the proposed self perspective“ (Ebd., 118). 4.3.5.3 Motivation aus der Perspektive von komplexen dynamischen Systemen Komplexe dynamische Systeme bestehen aus multiplen Elementen, die miteinander in Be‐ ziehung stehen; Störungen (interferences) bewirken nicht-lineare, emergente Verände‐ rungen im gesamten Systemverhalten. 54 Eine dynamische Vorstellung von Motivation inte‐ griert demnach verschiedene Faktoren, welche sich auf Lernende, die Aufgabenstellung und die Lernumgebung beziehen, in ein komplexes System “whose ultimate outcome can be seen as the regulator of learning behaviour“ (Dörnyei/ Ushioda 2011, 89). In der Vergangenheit wurde sprachenbezogene Motivation oft im Rahmen von indivi‐ duellen Unterschieden (individual differences/ IDs), also Merkmalen, welche Lernende zu ein‐ maligen menschlichen Wesen machen, diskutiert: “ID factors concern stable and systematic deviations from a normative blueprint“ (Ebd.). 55 Diese so genannten IDs galten als versteckte Lernervariablen, welche Spracherwerbsprozesse modifizieren und personalisieren, und wurden in vielerlei Hinsicht als “the systematic part of the background ‘noise’“ betrachtet (Ebd., 90). Bei einer prozessorientierten und situierten Perspektive des Spracherwerbs weisen jedoch die diversen Merkmale der Lernenden erhebliche Unterschiede auf, und zwar “from time to time and from situation to situation - in the way (...) motivation also does“ (Ebd.), das heißt, die IDs sind eben nicht robust und somit auch nicht verallgemei‐ nerbar. Dörnyei und Ushioda (2011) orientieren sich an der Phänomenologie und untergliedern Lernercharakteristika in drei Bereiche, nämlich Motivation, Kognition und Affekt/ Emoti‐ onen, “but in line with a complex dynamic systems approach, each should be viewed as dynamic subsystems that have continuous and complex interaction with each other and which cannot exist in isolation from one another“ (Ebd., 91). Somit distanzieren sie sich von der traditionellen Praxis, bestimmte Motive zu isolieren und deren Wirkungsweise isoliert zu untersuchen, zugunsten eines systemischen Ansatzes “by identifying higher-order ‘mo‐ tivation conglomerates’ that also include cognitive and affective factors and which act as ‘wholes’“ (Ebd., 92). Sie beschreiben vier Konstellationen, die bei Untersuchungen als Schablone für “situated motivational conglomerates“ dienen können (Ebd.): Interesse, mo‐ tivationaler Flow, motivationale Aufgabenbearbeitung (task processing) und Future Self-Guides. Nachfolgend werden diese vier Bereiche in Anlehnung an Dörnyei/ Ushioda (2011) erläutert: 197 4.3 Theorien zur Motivation beim Fremdsprachenlernen 56 Hidi u. a. 2004 erläutern den Begriff „Interesse“ aus verschiedenen Perspektiven und geben einen guten historischen Überblick über entsprechende Forschungsarbeiten. 57 Vgl. dazu Eccles (2007), Eccles u. a. (1993) oder Wigfield/ Eccles (2000). Für eine Übersicht vgl. auch Beckmann/ Heckhausen (2006). 58 Vgl. dazu Deci/ Ryan (1985; 2000). 59 Hidi/ Renninger (2006) haben ein so genanntes Four-Phase Model of Interest Development entwickelt. 60 Vgl. dazu Csikszentmihalyi (1985), der die Theorie zur Entstehung und Wirkung von Flow 1975 vor‐ gestellt, später ausdifferenziert und intensiv erforscht hat: “Flow bezeichnet (...) ein holistisches, d. h. mehrere Komponenten umfassendes, Gefühl des völligen Aufgehens in einer Tätigkeit. Das Han‐ deln wird als einheitliches ‘Fließen’ von einem Augenblick zum nächsten erlebt“ (Csikszentmihalyi/ Schiefele 1993, 209). Zu den besagten Komponenten zählen: 1) Das Verschmelzen von Handlung und Bewusstsein; 2) Die Zentrierung der Aufmerksamkeit auf einen beschränkten Umweltausschnitt; 3) Selbstvergessenheit; 4) Das Ausüben von Kontrolle über Handlung und Umwelt (Ebd., 210). Für eine ausführliche Erläuterung des Flow-Effekts vgl. auch Rheinberg (2006a). • Interesse: Der Begriff wird in der Psychologie in vielerlei Kontexten und Bedeu‐ tungen verwendet und stellt ein erstklassiges Beispiel für ein motivationales Kon‐ glomerat dar: 56 Einerseits gilt intrinsisches Interesse als motivationaler Faktor (z. B. in Erwartungs-Wert-Theorien 57 oder in der Selbstbestimmungstheorie 58 ), anderer‐ seits beinhaltet Interesse auch einen erkennbaren kognitiven Aspekt (z. B. Neugier, Beschäftigung mit dem Lerngegenstand) sowie eine affektive Dimension (z. B. Freude an der Arbeit). Hidi und Renninger (2006) behaupten, dass Interesse affektive und kognitive Komponenten beinhaltet, und zwar als separate, jedoch interagie‐ rende Systeme; sie verweisen dabei auch auf neurowissenschaftliche Erkenntnisse. Aus ihrer Sicht ist Interesse das Resultat aus einer Interaktion zwischen einer Person und einem spezifischen Inhalt. Das Potenzial für Interesse liegt in der Person, aber der Inhalt und die Umgebung bestimmen die Richtung und tragen zur Entwicklung des Interesses bei: “Thus, other individuals, the organization of the environment, and a person’s own efforts, such as self-regulation, can support interest development (...). This means that interest is always content specific and not a predisposition that applies across all activities“ (Ebd., 112). 59 • Motivationaler Flow: Das Flow-Erleben 60 (Csikszentmihalyi 1985) beschreibt einen Zustand intensiver Beschäftigung und Konzentration auf eine Aufgabe: “Flow is experienced while people are at their most active or creative, being engaged in per‐ forming an absorbing task. Thus, flow can be seen as a heightened level of motivated task engagement; in many ways it is the optimal task experience“ (Dörnyei/ Ushioda 2011, 94). Egbert (2003) untersuchte die Rolle des Flow-Erlebens beim Fremdspra‐ chenerwerb und konnte im Hinblick auf Aufgabenbedingungen vier Dimensionen identifizieren, die eine ausgewogene Mischung aus motivationalen, affektiven und kognitiven Bestandteilen aufweisen: (1) there is a perceived balance of task challenge and participant skills during the task, (2) the task offers opportunities for intense concentration and the participants’ attention is focused on the pursuit of clear task goals, (3) the participants find the task intrinsically interesting or authentic, and (4) the participants perceive a sense of control over the task process and out‐ comes (Dörnyei/ Ushioda 2011, 95). 198 4 Grundlagen eines motivierenden Unterrichts 61 Für eine schematische Abbildung vgl. Dörnyei/ Ushioda (2011, 96). Flow-Erleben wird meist im Zusammenhang mit intrinsischer Motivation diskutiert, dennoch wird es laut Dörnyei/ Ushioda (2011) ganz entscheidend von kognitiven Faktoren bestimmt (z. B. Einschätzung des Aufgabenniveaus, Selbsteinschätzung der eigenen Fertigkeiten und Kompetenzen, Klarheit über das Aufgabenziel, konzent‐ rierte Aufmerksamkeit usw.). Aus meiner Sicht spielt Flow auch bei der Story‐ line-Arbeit eine entscheidende Rolle. Ob und inwiefern diese Hypothese auch für das fremdsprachliche Klassenzimmer zutrifft, sollen meine Fallstudien zeigen. • Motivationale Aufgabenbearbeitung: Dörnyei hat vor einigen Jahren ein Modell entwickelt, das die Dynamik der kontinuierlichen Bewertungsprozesse von Ler‐ nenden bei der Be- und Verarbeitung von Aufgaben beschreibt: “Thus, this task pro‐ cessing system consists of three interrelated mechanisms: task execution, appraisal and action control“ (Dörnyei/ Ushioda 2011, 96). 61 Die Aufgabenbeurteilung (task ap‐ praisal) bezieht sich auf die ständige Verarbeitung der vielfältigen Stimuli aus der Umgebung im Hinblick auf das zu erreichende Handlungsziel. Dabei werden die jeweiligen Fortschritte bei der Aufgabenbearbeitung bewertet und mit möglichen alternativen Handlungsabfolgen verglichen. Die Handlungskontrolle beschreiben Dörnyei/ Ushioda (2011) wie folgt: “Action control processes denote self-regulatory mechanisms that are called into force in order to enhance, scaffold or protect learn‐ ing-specific action; active use of such mechanisms may ‘save’ the action when on‐ going monitoring reveals that progress is slowing, halting or backsliding“ (Ebd., 96). Die drei Komponenten wirken aufeinander ein und bilden einen Kreislauf: “Signals from the appraisal system concerning task execution trigger the need to activate relevant action control strategies, which in turn further facilitate the execution pro‐ cess. Thus, a process that is primarily motivational in nature relies heavily on a cognitive appraisal component“ (Ebd., 96 f.). • Future Self-Guides: Possible Selves sind laut Dörnyei/ Ushioda (2011) allgemeine, allumfassende Konstellationen, die motivationale, kognitive und affektive Bereiche miteinander verschmelzen. Das wirksame Funktionieren der Self-Guides hängt vom Einsatz verschiedener kognitiver Komponenten ab, “most notably the learners’ self-appraisal of their capabilities and evaluation of the affordances of their personal circumstances in order to anchor their vision in a sense of realistic expectations“ (Ebd., 97). Außerdem benötigen Lernende ein Repertoire an aufgabenbezogenen Strategien, die durch das Ideal L2 Self aktiviert werden. Dörnyei/ Ushioda (2011) ziehen im Hinblick auf Future Self-Guides folgendes Fazit: Thus, effective future self-guides need to come as part of a ‘package’, consisting of an imagery/ vision component that activates appropriate emotions and is cued to a variety of appropriate plans, scripts and self-regulatory strategies. Because of the integrated functioning of such diverse components, we would suggest that this motivation-cognition-emotion amalgam can be seen as the ultimate motivational conglomerate (Ebd., 97). Unter Bezugnahme auf die „Trilogie des Geistes“ versprechen sich Dörnyei/ Ushioda (2011) von diesem systemischen Ansatz (complex dynamic systems view of motivation) neue Er‐ 199 4.3 Theorien zur Motivation beim Fremdsprachenlernen 62 Vgl. dazu auch Dörnyei/ Ushioda (2011) und Hadfield/ Dörnyei (2013). Auf dem deutschen Markt war z. B. Reisener (1989) lange ein Klassiker; vgl. auch Butzkamm (2012) mit unzähligen Tipps. kenntnisse im Hinblick auf Motivationsprozesse beim Sprachenlernen. Aus meiner Sicht handelt es sich dabei allerdings nicht so sehr um eine revolutionäre Neuentwicklung, son‐ dern vielmehr um eine Rückbesinnung auf diverse Ansätze aus dem letzten Jahrhundert (z. B. Kybernetik und Systemtheorie), die auch konstruktivistische Theorien beeinflusst haben (vgl. Kapitel 3). Neu ist dagegen, dass dieses Gedankengut nun auch für die Erfor‐ schung des Fremdsprachenunterrichts genutzt wird. Zu Recht fordern Ushioda und Dörnyei (2012) mehr qualitative Forschung, um zu erfahren, “how learners think about their learning and process relevant experience, and how their thinking affects their motivation and en‐ gagement in learning“ (Ebd., 403). Zugleich räumen sie jedoch auch ein, dass die Umsetzung der Theorie in die Praxis mit einigen Herausforderungen und Hürden verbunden ist: How can we meaningfully operationalize the dynamic relationship between language, learner, and the environment on the one hand, and motivation, emotion and cognition on the other, in specific measurement terms? Admittedly, there are no easy answers or simple templates to follow, because what is needed, in essence, is changing our natural and traditional research outlook from trying to identify cause-effect relationships on the basis of selected variables to focusing on overarching processes and changes in a fluid tapestry of interrelated factors (Ebd., 406). Es geht also derzeit in erster Linie um Fragen der Forschungsmethodik, um die überaus komplexe Theorie in der Praxis zu erproben, durch “valid ‘stories of motivation’“ (Ebd.) die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit zu erlangen und letztendlich konkrete Anwendungs‐ beispiele anzubieten. 4.4 Konsequenzen und Empfehlungen für die fremdsprachliche Praxis 4.4.1 Einleitung Motivating students is not of course so easy in practice as in theory (Nakata 2006, 65) Empfehlungen für die Praxis fallen - je nach Theorie und Menschenbild - unterschiedlich aus. Während Dörnyei (2001a) 62 vielfältige Strategien zur Erhöhung der Motivation pro‐ pagiert, hält Gardner (2010) dagegen, dass Lernende Individuen sind und dass Motivati‐ onsstrategien, die auf eine gesamte Klasse ausgerichtet sind, Einzelne nicht zwangsläufig erreichen. Andererseits wurde gerade die sozial-psychologische Tradition der Motivati‐ onsforschung dafür kritisiert, dass sie außer dem Desiderat, positive Einstellungen gegen‐ über der Zielsprachenkultur zu fördern, “few genuinely useful insights for teachers“ lieferte (Ushioda/ Dörnyei 2012, 404). Obwohl Motivationsmangel von Lehrkräften häufig thematisiert und problematisiert wird, existiert - im Verhältnis zum Forschungsumfang - noch immer relativ wenig kon‐ kretes Praxismaterial für den Unterricht (Dörnyei/ Ushioda 2011). Nachdenklich stimmt auch die Aussage von Hattie (2009, 48): “It can take less effort by a teacher to demotivate 200 4 Grundlagen eines motivierenden Unterrichts 63 Cheng/ Dörnyei (2007) verweisen z. B. auf Unterschiede zwischen Ungarn und Taiwan. students compared to the often greater effort required to motivate them“. Sicher gibt es keine allgemeingültigen Patentrezepte nach dem Motto: “If you do this, you’ll get this“ (Dörnyei 2001a, 23), und zu Recht stellt Nakata (2006, 65) fest: “Motivating students is not of course so easy in practice as in theory“. Unbestritten ist nach heutiger Sicht jedoch, dass es eine Reihe von internen und externen Faktoren gibt, die Einfluss auf die Motivation beim Fremdsprachenlernen nehmen, so dass sich hier Ansatzpunkte und Schnittstellen anbieten, um nachhaltiges Lernen zu fördern. Dabei muss man sich allerdings von dem Mythos ver‐ abschieden, dass man mit bestimmten Techniken eine ganze Gruppe langfristig motivieren könne (Kleppin 2002, 29). Wie die Ausführungen in Kapitel 3 gezeigt haben, ist eine Ein‐ flussnahme von außen nur eingeschränkt möglich. Folglich „haben Unterrichtende nur die Möglichkeit, auf dem Wege der Interaktion mit dem Lerner oder der Gestaltung der Lern‐ umgebung eine positive Grundlage für den individuellen Lernprozess zu schaffen. Inwie‐ weit ein Lerner dann tatsächlich einen Lernprozess initiiert, liegt in seiner eigenen Ver‐ antwortung“ (Leupold 2004, 70). Dörnyei und Csizér (1998) haben als Ergebnis ihrer Studien in Ungarn Ten command‐ ments for motivating language learners verfasst, die allerdings auf den jeweiligen soziokul‐ turellen Kontext angepasst werden sollten: 63 1. Set a personal example with your own behaviour. 2. Create a pleasant, relaxed atmosphere in the classroom. 3. Present the tasks properly. 4. Develop a good relationship with the learners. 5. Increase the learner’s linguistic self-confidence. 6. Make the language classes interesting. 7. Promote learner autonomy. 8. Personalize the learning process. 9. Increase the learners’ goal-orientedness. 10. Familiarize learners with the target language culture (Ebd., 215). Auch wenn diese Grundsätze eigentlich selbstverständlich sein sollten, wird durch die For‐ schung immer wieder belegt, dass dies offenbar nicht der Fall ist - zumindest nicht um‐ fänglich und nicht konsequent. Es liegt somit die berechtigte Frage nahe, “how far teachers can be trained to use motivational strategies or adopt a more motivational teaching practice“ (Ushioda/ Dörnyei 2012, 404). Inwiefern dies durch mein spezifisches Seminarkonzept ini‐ tiiert werden kann, wird sich später zeigen (vgl. Teil B). Des Weiteren hat Dörnyei (2001a) - mit Bezug zu Theorie und Forschung - einen um‐ fangreichen Katalog für den Fremdsprachenunterricht erstellt, der aus 35 Motivationsstra‐ tegien besteht, welche sich an vier Schlüsselphasen des Lehr-Lern-Prozesses orien‐ tieren: “Creating the basic motivational conditions, generating initial motivation, maintaining and protecting motivation, and encouraging positive retrospective self-evalu‐ ation“ (Ushioda/ Dörnyei 2012, 404). Da sich mein Forschungsinteresse insbesondere auf die Frage bezieht, wie die Persistenz aufrechterhalten und somit lebenslanges Lernen gefördert 201 4.4 Konsequenzen und Empfehlungen für die fremdsprachliche Praxis 64 Hadfield/ Dörnyei (2013) bezeichnen das Konzept als “visionary motivational programme“ (Ebd., 5). Dieses besteht aus sechs Komponenten: “Creating the vision - Strengthening the vision - Substan‐ tiating the vision - Operationalising the vision - Keeping the vision alive - Counterbalancing the vision“ (Ebd., 7). Dazu bieten sie Aktivitäten und Aufgaben für verschiedene Klassenstufen an (Dauer: ca. 2-45 Minuten). 65 Vgl. auch Hüther (2012) und Pekrun (1998) sowie - mit Bezug zum Fremdsprachenlernen - z. B. Düwell (2002), Kieweg (2003) und Sambanis (2013, 25 ff.). 66 Vgl. auch Börner/ Vogel (2004, IX). werden kann, werde ich meinen Fokus in den nachfolgenden Kapiteln entsprechend aus‐ richten. In jüngster Zeit wurde zudem verstärkt untersucht, wie die Selbstmotivation und Selbst‐ regulierung von Lernenden gefördert werden kann (Ebd., 405). Wie sich gezeigt hat, spielen Feedback und Lehrer-Schüler-Dialoge eine entscheidende Rolle, um Lernende zur kon‐ struktiven Selbstreflexion und aktiven (Mit-)Gestaltung ihres Lernens anzuregen (Ushioda 2008). Im Zusammenhang mit Dörnyeis (2009) Theorie L2 Motivational Self System haben Hadfield und Dörnyei (2013) eine Sammlung mit Strategien und Aktivitäten erstellt, die Lernende unterstützen sollen: a) to construct and sustain visions of their future ideal selves as L2 users, using visualization techniques and guided imagery; b) to develop action plans comprising interim goal-setting and self-regulatory strategies in order to operationalize the vision and build realistically toward it; and c) to counterbalance this image of their desired self with that of their feared self (...), in order to stay firmly committed to their future ideals (Ushioda/ Dörnyei 2012, 405). Da es sich hierbei um einen Ansatz handelt, der im Gegensatz zur Storyline-Arbeit eher den Intellekt anspricht und offenbar auch andere Ziele bzw. Wege verfolgt, werde ich hier nicht näher darauf eingehen. 64 Allerdings sollte erwähnt werden, dass Hadfield/ Dörnyei (2013) ebenfalls mit Szenarien und Visualisierungen arbeiten. Aus meiner Sicht wäre es also durchaus nachvollziehbar, dass Storyline-Arbeit dazu beiträgt, konkrete Visionen im Sinne des L2 Motivational Self System zu entwickeln. Nachfolgend werden einige Empfehlungen für die Praxis erläutert. 4.4.2 Motivationale Grundvoraussetzungen schaffen Die Hirnforschung bestätigt: „Gefühle haben einen starken Einfluss auf Lern- und Ge‐ dächtnisleistungen“ (Roth 2011, 180) 65 , und auch die Emotionspsychologie attestiert: Emotionale Einflüsse auf Denken und Verhalten sind bisher hauptsächlich als Störfaktoren be‐ trachtet worden, die aus dem ‘reinen Denken’ und ‘rationalen Handeln’ so radikal wie nur möglich zu verbannen wären. Daß indessen affektive Komponenten nicht nur mit allem Denken immerzu untrennbar verbunden sind, sondern darin auch unverzichtbare organisatorische und integrato‐ rische Funktionen zu erfüllen haben, ist eine Erkenntnis, die sich erst in den letzten Jahren auf mehreren Gebieten der Wissenschaft zugleich Bahn zu brechen beginnt (Ciompi 1999, 11). Ohne Emotionen gibt es keine Kognition: „Emotionen und kognitive Prozesse sind kom‐ plementär und aufeinander angewiesen“ (Kieweg 2003, 9). 66 Dies gilt auch für die Sprache, 202 4 Grundlagen eines motivierenden Unterrichts 67 Vgl. dazu auch die autobiographischen Schilderungen zu negativen Emotionen und Motivation beim Spracherwerb bzw. Sprachenlernen in Swain, Kinnear und Steinman (Swain u. a. 2011, 75 ff.). 68 Vgl. dazu Csikszentmihalyi/ Schiefele (1993), Dörnyei/ Ushioda (2011, 185 ff.), Doff (2006), Hattie (2009, 108) und Schocker-von Ditfurth (2000). 69 Zu Recht wundert sich Doff (2006, 189), „dass die Lehrkraft (...) immer wieder als zentrale Kompo‐ nente zur Erhöhung der Schülermotivation im Fremdsprachenunterricht genannt wird, dass ihre eigene Motivation jedoch (...) eine eher nachgeordnete Rolle spielt. Nur eine Lehrkraft, die selbst motiviert ist, kann schließlich auch andere motivieren“. Laut Dörnyei/ Ushioda (2011, 185) ist das Verhältnis von teacher motivation und learner motivation jedoch noch zu wenig erforscht. Vgl. auch Hattie (2009) und Köller (2012). 70 Zu diversen Einflussfaktoren der Lehrkräfte auf die Lernmotivation vgl. z. B. Eggen/ Kauchak (2007). denn beim Sprechen oder Schreiben drücken bzw. lösen wir durch Wortwahl, Stimmlage, Ton, Mimik usw. immer auch Emotionen aus. Völlig zu Recht moniert Kieweg (2003): „Eine emotionslose Sprachgenerierung im Unterricht ist bedenklich kontraproduktiv zum Leitziel der kommunikativen Kompetenz“ (Ebd., 5). Auch ist aus der Sprachlehr- und -lernforschung (eigentlich) bekannt, dass Emotionen einen - positiven oder negativen - Einfluss auf das Lernen haben. Der Alltag zeigt jedoch: “Many language teachers maintain the belief that they should be directive, authoritarian and even intimidating and that they must correct every error. However, these behaviors can lead to language anxiety“ (Oxford 1999, 65). Krashen (1985) hat den Begriff “affective filter“ geprägt und Gardner (1985) die Sprach‐ angst (language anxiety) von Lernenden untersucht (vgl. Kapitel 4.3.2.1). Oxford (1999) listet verschiedene Arten von Ängsten auf, die das Sprachenlernen behindern können. Inwieweit Ängste auch lernförderlich sein können, ist nicht klar erwiesen (Oxford 1999). 67 Mögli‐ cherweise gibt es auch hier ein Definitionsproblem. Gefühle können aber nicht nur Anreize oder Barrieren beim Lernen sein, sondern „sie bedingen auch das Interesse für bestimmte Lerninhalte und haben einen Einfluss auf den vorherrschenden Arbeits-, Denk- und Lernstil (z. B. intuitiv-holistisch vs. analytisch-sequentiell)“ (Hänze 2000, 586). Da Emotionen sehr eng mit der Lernmotivation verknüpft sind (Urhahne u. a. 2011), sollten sie identifiziert und genutzt werden. Zu den wichtigsten motivationalen Voraussetzungen zählen laut Dörnyei und Ushioda (2011, 108 f.): a) ein entsprechendes Verhalten der Lehrkraft und eine gute Beziehung zu den Lernenden; b) eine angenehme und unterstützende Klassenatmosphäre; c) eine kohä‐ sive Lernergruppe mit entsprechenden Gruppennormen. Gerade der Einfluss der Lehrkraft wird von den Betroffenen selbst häufig unterschätzt (vgl. Kapitel 1.5), dabei ist “teacher behaviour a powerful ‘motivational tool’“ (Ebd., 109). Was durch Studien immer wieder belegt wird: Lehrkräfte, die echte Begeisterung und Leidenschaft für ihre Arbeit zeigen, bleiben bei Lernenden - selbst noch lange nach der Schulzeit - in guter Erinnerung. 68 Und: “Teacher motivation has a direct impact on student motivation and achievement“ (Ebd., 185). 69 Dörnyei (2001a, 31 ff.) führt diverse - teilweise kulturabhängige - Strategien für die Schaffung besagter motivationaler Grundvoraussetzungen auf: • Begeisterung für das Fach zeigen: Lehrkräfte, die Interesse und Begeisterung für Fach, Sprache und Unterrichtsmaterial zeigen, fungieren als einflussreiche Rollen‐ modelle. 70 203 4.4 Konsequenzen und Empfehlungen für die fremdsprachliche Praxis 71 Vgl. dazu Rosenthal/ Jacobson (1968); vgl. auch Schunk u. a. (2010, 317 ff.), wo Modelle und Studien zu Erwartungshaltungen von Lehrkräften aufgeführt sind. Vgl. auch Hattie (2009) und Köller (2012). 72 Vgl. dazu Roth (2011, 188 ff.) mit Befunden aus der Hirnforschung. 73 Vgl. dazu z. B. auch Sambanis (2013, 41 ff.) und Thaler (2012). • Einsatz und Erwartungen im Hinblick auf Lernfortschritte zeigen: Lehrkräfte verkörpern den “class spirit“ (Ebd., 34) und sollten deshalb im Hinblick auf Enga‐ gement ein Vorbild sein. Besonders wichtig ist, den Lernenden zu vermitteln, “that you care“ (Ebd.). • Hohe Erwartungen an Leistungsvermögen äußern: Wenn Lehrkräfte hohe Er‐ wartungen stellen, leisten Lernende mehr und passen sich an die Erwartungen an. 71 Dörnyei kritisiert, “that ability grouping is a dangerous practice“ (Ebd., 35), weil sich Lehrkräfte davon beeinflussen lassen und schwächere Lernende eventuell im Nach‐ teil sind. • Persönliche Beziehungen mit Lernenden pflegen: Lehrkräfte, die Wärme, Prä‐ senz, Vertrauen, Akzeptanz und Respekt gegenüber den Lernenden zeigen und sie als “real persons“ (Ushioda 2009, 220) betrachten, können diese stärker zum Lernen anregen. 72 • Positive Klassenatmosphäre schaffen: Mitarbeit erhöht sich, wenn Lernende angstfrei ihre Meinungen mitteilen können. Deshalb sollten Toleranz, Humor 73 , Ri‐ sikobereitschaft (risk-taking) und Fehlertoleranz gefördert werden. Auch die räum‐ liche Umgebung ist entscheidend: “Not the aesthetic qualities of the surroundings themselves but rather the extent to which the students are involved in personalising the classroom. This is related to the abstract notion of the ownership of the class‐ room“ (Dörnyei 2001a, 42). • Gruppenzusammenhalt fördern: Ein starkes Wir-Gefühl trägt dazu bei, Diszip‐ linprobleme zu reduzieren und Motivation zu erhöhen (Ebd., 43). Förderlich sind Gruppen- und Partnerarbeit, Projekte, Interaktionen oder gemeinsame Produkte. Dörnyei empfiehlt (ganz im Sinne von Storyline) auch “Group legends: you may pro‐ mote the building of a ‘group mythology’ by encouraging learners to give the group a name and to invent characteristics for it“ (Ebd., 44). • Konstruktive Gruppennormen aufbauen: Lernbezogene Normen vermeiden, dass gute Leistungen von der Klasse als „uncool“ sanktioniert werden. Laut Dörnyei sind Normen am wirkungsvollsten, “if they are explicitly discussed and willingly adopted by members“ (Ebd., 46), und wenn sie von allen (also auch der Lehrkraft) konsequent eingehalten werden. Auf diese Weise werden auch Disziplinprobleme reduziert. 4.4.3 Erfolgserwartungen der Lernenden erhöhen Der Aspekt „Erfolgserwartung“ wurde in den letzten Jahrzehnten sehr intensiv in der Mo‐ tivationspsychologie erforscht, und es gibt keine Zweifel daran, “that we do things best if we believe we can succeed. Similarly, we learn best when we expect success“ (Dörnyei 2001a, 57). Dieser Tatsache wird in den Erwartungs-Wert-Theorien Rechnung ge‐ 204 4 Grundlagen eines motivierenden Unterrichts 74 Vgl. dazu Eccles (2007), Eccles u. a. (1993) oder Wigfield/ Eccles (2000). 75 Vgl. dazu auch Eccles (2007). 76 Vgl. dazu auch Eccles/ Midgley (1989). Zum abnehmenden Interesse an Schule vgl. auch Hidi u. a. (2004). 77 Vgl. dazu auch Brophy (1998, 82). 78 Zu Brüchen beim Übergang von der Primarzur Sekundarstufe vgl. auch Kolb (2011). tragen. 74 Gemäß dieser Modelle hängt die Motivation, eine bestimmte Aufgabe auszuführen, von zwei entscheidenden Faktoren ab, nämlich dem vom Individuum zuvor gesetzten An‐ spruchsniveau (value) und der Erfolgswahrscheinlichkeit (expectancy of success), eine Auf‐ gabe zu meistern. Von besonderer Bedeutung ist, dass Erfolgserwartungen und der Wert, der leistungsthematischen Handlungen zugewiesen wird, als aufgabenspezifische Größen betrachtet werden. 75 Erfolgserwartungen stehen bei Wigfield/ Eccles (2000) in engem Zu‐ sammenhang mit Fähigkeitsüberzeugungen, welche wiederum auf früheren Erfahrungen basieren. Zu den bekanntesten Befunden des Forscherteams Eccles, Wigfield, Harold und Blu‐ menfeld (Eccles u. a. 1993) zählt, dass die Leistungsmotivation von Schülerinnen und Schü‐ lern im Verlauf der Grundschulzeit abnimmt und dass sich dieser Negativtrend in den wei‐ terführenden Schulen noch weiter fortsetzt. 76 Begründet wird diese Entwicklung damit, „dass durch die vielen, realistischen Leistungsrückmeldungen, die Schüler von ihren Leh‐ rern erhalten, aber auch durch den forcierten Wettbewerb, der zwischen Schülern ausge‐ tragen wird, bei einem beträchtlichen Teil der Schülerschaft die Überzeugung erschüttert wird, für schulisch relevante Aufgaben ausreichend befähigt zu sein“ (Brunstein/ Heck‐ hausen 2006, 172). 77 Diverse Forschungsarbeiten belegen, dass die Leistungsmotivation beim Wechsel auf weiterführende Schulen am stärksten abnimmt (Schunk u. a. 2010, 77). Diese „Übergangsproblematik“ ist in Deutschland auch beim Fremdsprachenlernen wohl bekannt. 78 Auch wenn Erfolgserwartungen und Anreize bzw. Anspruchsniveaus individuell ver‐ schieden sind, können entsprechend gestaltete Lernumgebungen und Aufgaben, welche die Erfolgswahrscheinlichkeit erhöhen, zur Motivation der Lernenden beitragen und ihnen eine positive Einstellung zum Lernen vermitteln. Abgesehen von der grundsätzlichen Vo‐ raussetzung, dass Aufgaben nicht zu schwierig sein sollten, gibt es laut Dörnyei (2001a, 57 ff.) vielfältige Methoden und Strategien, die zur Maximierung des Lernerfolgs beitragen: • Vorbereitung der Aufgaben: Lernende sollten ausreichend Gelegenheit haben, sich intensiv mit Aufgaben auseinanderzusetzen (z. B. durch pre-tasks und klare An‐ weisungen). • Unterstützung durch Lehrkraft: Wenn Lernende sich auf die Hilfe der Lehrkraft verlassen können (z. B. bei schwierigeren Aufgaben), steigert dies die Erfolgserwar‐ tung. • Kooperatives Arbeiten in Kleingruppen: Gruppenarbeit ist besonders motivie‐ rend, da die Lernenden wissen, “that they also have their peers working towards the same goals, resulting in a ‘safety in numbers’ kind of assurance“ (Ebd., 58). • Transparente Erfolgskriterien: Um das Vertrauen der Lernenden hinsichtlich ihrer Leistungen zu stärken, sollten Kriterien bezüglich Aufgabenbearbeitung und 205 4.4 Konsequenzen und Empfehlungen für die fremdsprachliche Praxis 79 Vgl. dazu auch Hattie (2009) und Köller (2012). -ergebnis bereits im Vorfeld transparent gemacht werden. Mit Hilfe dieser “’road map’ to success“ (Ebd.) können Lernende auch ihre eigenen Lernfortschritte beur‐ teilen. • Demonstration über Erfolgsmodelle: Modelle demonstrieren, welche Leistung konkret erwartet wird. • Vermeidung von Lernbarrieren: Störfaktoren, die das Lernen behindern (z. B. Zeitmangel, schlechte Medien- und Materialausstattung, Unterrichtsstörungen usw.), sollten bedacht und mit der Lerngruppe gelöst werden. 4.4.4 Zielorientierung der Lernenden fördern Obwohl Curricula und Stoffverteilungspläne explizite Lehr- und Lernziele beinhalten und diese wiederum in Schulbüchern und deren Begleitmaterialien für nahezu jeden Lernschritt differenziert und detailliert aufgelistet werden, sieht die Praxis häufig ganz anders aus: “In fact, research has repeatedly found that in an ordinary class many if not most students do not really understand (or accept) why they are involved in a learning activity. The ‘official class goal’ (i.e. mastering the course content) may well not be the class group’s only goal and in some cases may not be a group goal at all! “ (Dörnyei 2001a, 59 f.). Es stellt sich die Frage, inwiefern die diversen Zielorientierungen (goal diversity) innerhalb einer Klasse be‐ einflusst und gelenkt werden können, um das Lernen und Arbeiten zu optimieren und zugleich die Motivation zu fördern. Dörnyei (2001a, 61 f.) schlägt dazu folgende Strategien vor, wobei sich hier Zielorientierung und Zielsetzung teilweise überlappen: • Individuelle Ziele klären und Klassenziele aushandeln: Die Lernenden for‐ mulieren ihre persönlichen Ziele (z. B. eine bestimmte Note, Prüfung usw.) und ei‐ nigen sich auf gemeinsame Klassenziele. Klassenziele gelten als Basis für alle Akti‐ vitäten, verdeutlichen Fortschritte und sollten deshalb regelmäßig überprüft werden. • Institutionelle Bedingungen und Einschränkungen verdeutlichen: Die Lehr‐ kraft bespricht Bildungsplan bzw. -standards und legt die geplanten Ziele für das Schuljahr offen. • Erfolgskriterien offenlegen: Erfolgskriterien sollten nicht nur Noten und Prü‐ fungen, sondern auch motivierende Kommunikationsziele berücksichtigen (z. B. englische Lieder, Filme oder Gäste besser verstehen). Ziele haben einen Einfluss auf die Leistungen 79 der Lernenden: Sie lenken Aufmerksamkeit und Anstrengung auf zielrelevante Aktivitäten und helfen somit auch Störungen zu ver‐ meiden. Sie regulieren den Arbeitsaufwand, das heißt, Lernende passen ihre Mühe dem Schwierigkeitsniveau einer Aufgabe an. Ferner fördern sie die Ausdauer und regen zur Suche nach geeigneten Strategien an, um eine spezifische Aufgabe zu lösen. Da im Klas‐ senzimmer kognitive (academic) und soziale Ziele miteinander interagieren, gelten Akti‐ vitäten, die simultan beide Ziele verfolgen, als besonders motivierend. 206 4 Grundlagen eines motivierenden Unterrichts 4.4.5 Lernzielorientierung fördern Die Zielorientierungstheorie versucht, das Lern- und Leistungsverhalten von Schüle‐ rinnen und Schülern bei der Aufgabenbearbeitung zu erklären. Sie basiert auf der Annahme, dass es grundsätzlich zwei verschiedene Zielorientierungen gibt, welche Lernende über‐ nehmen können: “A mastery orientation with the focus on learning and mastery of the content, and a performance orientation with the focus on demonstrating ability, getting good grades or rewards, or besting other students“ (Schunk u. a. 2010, 206). Die Ziele bei der Lernzielorientierung (mastery orientation) werden auch als “task-involvement goals“ bzw. “learning goals“ und jene bei der Leistungszielorientierung (performance orienta‐ tion) als “ego-involvement goals“ bezeichnet (Dörnyei/ Ushioda 2011, 21). Lern- und Leis‐ tungsziele repräsentieren nicht nur unterschiedliche Erfolgskriterien, sondern auch unter‐ schiedliche Gründe für leistungsbezogenes Handeln: Die Lernzielorientierung basiert auf der Annahme, dass Mühe und Fleiß zum Erfolg führen; der Fokus liegt auf der eigenen Verbesserung und Weiterentwicklung (individuelle Bezugsnorm). Im Kontrast dazu dient Lernen bzw. Lernerfolg bei der Leistungszielorientierung als Mittel für soziale Anerken‐ nung (soziale Bezugsnorm) (Dörnyei 2001b, 27). Seit einiger Zeit werden die beiden Ziel‐ orientierungen noch weiter untergliedert in “approach and avoidance forms“ (Schunk u. a. 2010, 206) bzw. Annäherungs- und Vermeidungsziele, wobei umfassende empirische Belege zum Teil noch ausstehen. Lernende übernehmen bevorzugt jene Zielorientierungen, auf die im Klassenzimmer besonders viel Wert gelegt wird. Die Zielorientierungstheorie und entsprechende For‐ schungsarbeiten gehen von der Annahme aus, dass sich die Förderung der Annäherungs‐ lernzielorientierung (approach mastery goal orientation) positiv auf Motivation und kogni‐ tive Leistungen auswirkt. Dabei spielen Aufgaben und Lernaktivitäten eine tragende Rolle (Ames 1992). Im Rahmen der von Epstein (1989) beschriebenen TARGET-Dimensionen (task, authority, recognition, grouping, evaluation, time) werden folgende Strategien emp‐ fohlen, die sich zum Teil mit anderen Theorien überlappen und meines Erachtens auch für den Fremdsprachenunterricht relevant sind (Schunk u. a. 2010, 200 ff.): • Bedeutungsvolle Aspekte von Lernaktivitäten betonen: Lehrkräfte sollten die persönliche Relevanz von Lernaufgaben für das außerschulische Leben deutlich ma‐ chen. • Abwechslungsreiche Aufgaben stellen: Aufgaben sollten abwechslungsreich und verschiedenartig sein, also neuartige, interessante oder überraschende Aspekte enthalten. • Aufgaben sollten herausfordernd, aber bewältigbar sein: Aufgabenniveaus sollten den Fähigkeiten der Lernenden in der Klasse entsprechen (Differenzierung). • Wahl- und Kontrollmöglichkeiten anbieten: Lernende sollten Gelegenheit haben, Themen oder Aufgaben aus einem Pool auszuwählen. • Individuelle Fortschritte fördern: Individuelle Rückmeldungen helfen Ler‐ nenden, ihren Lernprozess, ihre Fortschritte sowie Fähigkeiten und Fertigkeiten zu optimieren. 207 4.4 Konsequenzen und Empfehlungen für die fremdsprachliche Praxis 80 Zu Emotionen und Fremdsprachenlernen vgl. auch Sambanis (2013). Zu Emotionen beim Textver‐ stehen vgl. Bosenius/ Donnerstag (2000) oder auch Schürer-Necker (1994). 81 Vgl. dazu auch die Anregungen bei Thaler (2012). • Persönliche (nicht öffentliche) Beurteilungen abgeben: Bewertungen und Be‐ urteilungen sollten möglichst auf persönlicher Ebene, also nicht vor der ganzen Klasse erfolgen, um Wettbewerb, Vergleich, Angst und Neid zu reduzieren. • Fleiß und Mühe anerkennen: Anstrengung sollte zwar nicht das einzige Krite‐ rium bei der Leistungsbewertung sein, jedoch - aus motivationalen Gründen - be‐ rücksichtigt werden (z. B. durch getrennte Noten für Inhalt, Fleiß usw.). • Fehler als Lernchance betrachten: Lehrkräfte sollten deutlich machen, dass Fehler zum Lernen dazugehören und dass Fleiß wichtig ist. • Gruppen- und Einzelarbeit für unterschiedliche Zwecke nutzen: Heterogene kooperative Gruppenarbeit fördert Interaktion und Verantwortlichkeit in der Gruppe, Einzelarbeit dagegen dient dazu, um individuelle Fortschritte zu erzielen und zu bewerten. • Schwache Lernende in Zeitplanung berücksichtigen: Lernende, denen die ver‐ fügbare Zeit bei der Aufgabenbearbeitung nicht ausreicht, können einen Zeitplan mit eigenen Zielsetzungen entwerfen, der sich allmählich dem Klassenniveau an‐ passt (Autonomie). 4.4.6 Anregung und Freude beim Lernen vermitteln Initialmotivation ist das eine, aber wie kann Motivation „im laufenden Betrieb“ aufrecht‐ erhalten werden? Zahlreiche Studien belegen, dass Fremdsprachenunterricht oft als “un‐ glamorous and drudgery-like“ (Dörnyei 2001a, 72) empfunden wird. Motivation muss also regelmäßig und “actively nurtured“ werden (Dörnyei/ Ushioda 2011, 118), um die Lernenden beständig zum Sprachenlernen anzuregen. Dörnyei (2001a, 72 ff.) empfiehlt für diesen Zweck diverse “maintenance (or ‘executive motivational’) strategies“ (Ebd., 71): • Monotonie des Lernens unterbrechen: Abwechslung bewahrt vor ermüdenden Routinen, deshalb sollten Aufgaben, Methoden, Material, Sitzordnung usw. vari‐ ieren: “All we need to make sure is that we don’t serve exactly the same meal every day. And, to top it off, we may want, from time to time, to do the unexpected“ (Ebd., 74). • Aufgaben interessant(er) machen: Kieweg (2003) kritisiert die „Untexte“ (Ebd., 7) in Schulbüchern, durch welche die „Freudlosigkeit des Englischunterrichts“ (Ebd.) vorprogrammiert ist, und fordert eine stärker „gefühlsbetonte Aufbereitung der Lerninhalte“ (Ebd.). Lerninhalte, die Emotionen auslösen, werden auch besser be‐ halten (Düwell 2002; Hänze 2000). 80 Dörnyei (2001a) empfiehlt: “Make task content attractive by adapting it to the students’ natural interests or by including novel, intriguing, exotic, humorous, competitive or fantasy elements“ (Ebd., 77). 81 Moti‐ vierende Aufgaben sollten auch herausfordernd sein: “Tasks in which learners need to solve problems, discover something, overcome obstacles, avoid traps, find hidden information, etc.“ (Ebd., 76). Situiertes problemlösendes Lernen vermeidet zudem 208 4 Grundlagen eines motivierenden Unterrichts „träges“ Wissen (Hänze 2000). Des Weiteren sollte ein persönlicher Bezug zu den Lernenden hergestellt und ein greifbares Endprodukt anvisiert werden (z. B. Poster, Radioprogramm, Broschüre usw.) (Dörnyei 2001a). • Lernende stärker einbeziehen: Unterricht macht offenbar dann Spaß, wenn man aktiv einbezogen wird. Deshalb schlägt Dörnyei (2001a) Aufgaben vor, die von allen Klassenmitgliedern mentales und/ oder körperliches Engagement verlangen (z. B. Rollenspiele): „Eine hohe emotionale und kognitive Involviertheit ist ein Anzeichen für prozessbezogene Motivation und der beste Garant dafür, dass eine Aufgabe zu Ende gebracht und gut gelöst wird“ (Hänze 2000, 591). Dies trifft sicher auch län‐ gerfristig zu. 4.4.7 Präzise Zielsetzungen formulieren Auch klare Ziele tragen dazu bei, die Motivation aufrechtzuerhalten, außerdem vermitteln sie den Lernenden ein Gefühl von Kontrolle über ihr Lernen. Spezifische Nahziele (short-term goals) helfen, den Lernprozess zu strukturieren. Dies ist vor allem beim Spra‐ chenlernen von Bedeutung, “where even acquiring a minimum working knowledge may take several years“ (Dörnyei 2001a, 82). Ziele können auch als Standards fungieren, anhand derer Lernende ihre Leistungen und Fortschritte beurteilen. Persönliche Zielsetzungen sollten sich nicht nur auf Test- und Zeugnistermine beschränken, sondern Bestandteil der allgemeinen Lernkultur sein. Zielsetzungen können die Produktivität erheblich steigern, wie Forschungsarbeiten aus berufsbezogenen Kontexten von Locke/ Latham (1990; 2002; 2006) gezeigt haben. Die Be‐ deutung dieser “powerful strategy“ (Dörnyei 2001a, 82) für den Fremdsprachenunterricht wird auch von Oxford/ Shearin (1994) hervorgehoben: “Goal setting can have exceptional importance in stimulating L2 learning motivation, and it is therefore shocking that so little time and energy are spent in the L2 classroom on goal setting“ (Ebd., 19). Dabei erweist sich die Umsetzung der Zielsetzungstheorie (vgl. Locke/ Latham 1990; 2002; 2006) auch im Fremdsprachenunterricht als relativ einfach: Schülerinnen und Schüler müssen „nur“ lernen, Aufgaben in kleine Schritte aufzuteilen, Fristen festzulegen und die eigenen Lern‐ fortschritte zu überwachen. Als Orientierungshilfe empfiehlt Dörnyei (2001a) den von McCombs/ Pope (1994) entwickelten 7-Schritte-Plan. Eine ähnliche Vorgehensweise ist aus der Reformpädagogik bekannt, um das selbstbestimmte Lernen zu fördern (z. B. Wochen‐ pläne, Lerntagebücher usw.). Diese ist jedoch seltsamerweise im Fremdsprachenunterricht - bis auf Ausnahmen - noch immer nicht angekommen. Dabei würden durch konkrete und überschaubare Ziele gerade schwache oder demotivierte Lernende wieder leichter „Boden unter die Füße“ bekommen. Für eine hohe Motivation, Selbstwirksamkeit und Produktivität sollten bei der Zielsetzung folgende Prinzipien berücksichtigt werden (Dörnyei 2001a, 84; Schunk u. a. 2010, 146): • Klare und spezifische Ziele setzen: Präzise und unzweideutige Zielsetzungen führen zu besseren Leistungen als bloße Ermutigungen oder etwa gar keine kon‐ kreten Ziele. • Erwartete Ergebnisse deutlich machen: Die erwarteten Ergebnisse sollten für Lernende klar erkennbar und evaluierbar sein. 209 4.4 Konsequenzen und Empfehlungen für die fremdsprachliche Praxis 82 Wegge/ Schmidt (2009) empfehlen auch Gruppenziele, da sich diese positiv auf Leistungen auswirken. 83 Vgl. dazu auch Hattie (2009) und Köller (2012). • Herausfordernde, aber realistische Ziele setzen: Lernende sollten an anspruchs‐ vollen, aber nicht zu schwierigen Aufgaben, die sie eventuell frustrieren, arbeiten. • Nah- und Fernziele setzen: Nahziele können positive Wirkungen auf Selbstwirk‐ samkeit und Performanz haben. Lehrkräfte können Lernende bei der Entwicklung von Nahzielen unterstützen, indem sie gemeinsam Lernvereinbarungen mit Fein‐ zielen, welche zu einem größeren Fernziel führen, formulieren. • Zeitplan erstellen: Fest vereinbarte Termine geben Orientierung, wirken verbind‐ lich, unterstützen den Lernprozess und helfen, diesen zu evaluieren. • Feedback zur Förderung der Selbstwirksamkeit geben: Ein differenziertes und zielbezogenes Feedback ist leistungseffizienter als eine globale Beurteilung. Leis‐ tungsabhängige Belohnungen oder Rückmeldungen vermitteln Informationen über die Wirksamkeit und ermutigen Lernende zur Weiterarbeit. Lernvereinbarungen oder Lernverträge basieren ebenfalls auf der Zielsetzungstheorie und können je nach Bedarf und Kontext unterschiedlich ausfallen (z. B. individuelle Verpflich‐ tungen, Gruppenregeln 82 oder auch Klassenregeln). Durch die „formale“ Vereinbarung wird nicht nur die Aushandlung der Zielsetzung (goal choice) intensiver, sondern auch die Ziel‐ bindung (goal commitment) erhöht (Brophy 1998). Je stärker die Zielbindung, desto höher die Leistung (Locke/ Latham 2002). 4.4.8 Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen stärken Motivation und Lernerfolg hängen in starkem Maße von Selbstbewusstsein, Selbstver‐ trauen, Selbstwertgefühl und Selbstwirksamkeitsüberzeugungen der Lernenden ab, 83 wie dies in Banduras (1977; 1997) Selbstwirksamkeitsmodell dargelegt wird: “Self-esteem and self-confidence are like the foundations of a building: if they are not secure enough, even the best technology will be insufficient to build solid walls over them. We can employ our most creative motivational ideas, but if students have basic doubts about themselves, they will be unable to ‘bloom’ as learners“ (Dörnyei/ Ushioda 2011, 120). Nach Banduras Theorie erhöhen positive Überzeugungen hinsichtlich der Wirksamkeit eigener Handlungen in einer Aufgabensituation die Anstrengungsbereitschaft, die Persis‐ tenz und damit auch die Erfolgswahrscheinlichkeit (Heckhausen/ Heckhausen 2006, 409). Je spezifischer diese Selbstwirksamkeitsüberzeugungen auf eine Leistungsaufgabe bezogen sind, desto zutreffender sind auch die Vorhersagen des Modells. Folglich können Individuen mit hohen und präzisen Selbstwirksamkeitsüberzeugungen durch entsprechendes Enga‐ gement ihre Leistungen zunehmend verbessern, während Menschen mit schwachen Selbst‐ wirksamkeitsüberzeugungen schnell aufgeben und sich gerade nicht auf neue Aufgaben einlassen, die ihnen möglicherweise neue Fertigkeiten vermitteln würden (Bandura 1997): “In addition, by avoiding these tasks, an individual will not receive any corrective feedback to counter the negative self-efficacy perceptions“ (Schunk u. a. 2010, 141). Laut Bandura (1997) ist für den Aufbau von Selbstwirksamkeitserwartungen die eigene Erfolgserfahrung (mastery experience) entscheidend: „Eine gelungene Aufgabenbewälti‐ 210 4 Grundlagen eines motivierenden Unterrichts 84 Wudy/ Jerusalem (2011) verweisen auf Studien, die belegen, dass „motivationsförderliche Unter‐ richtsstrategien bei Schülern zu einer günstigeren Wahrnehmung der Lernumwelt und einer Stei‐ gerung der schulischen Selbstwirksamkeit“ führen (Ebd., 255) sowie ihre sozialen Kompetenzen, die soziale Selbstwirksamkeit und das Sozialklima verbessern, so dass letztendlich auch die Lehrkräfte davon profitieren. gung wiederum stärkt die eigene Kompetenzüberzeugung, sodass Erfolgserlebnisse und Kompetenzerwartungen sich gegenseitig stabilisieren“ (Wudy/ Jerusalem 2011, 256). Ban‐ dura (1977) unterscheidet zwischen zwei Erwartungskomponenten, nämlich Ergebniser‐ wartung (action-outcome-expectation) und Wirksamkeitserwartung (self-efficacy-expecta‐ tion), die als Voraussetzung für eine hohe Erfolgswahrscheinlichkeit gelten: „Um nämlich eine hinreichend hohe Erfolgswahrscheinlichkeit haben zu können, muß ich a) mir recht sicher sein, daß eine bestimmte Handlung zum gewünschten Ergebnis führt. Zugleich muß ich mir b) sicher sein, daß ich diese Handlung auch ausführen kann“ (Rheinberg 2006b, 137). Zu den Grundvoraussetzungen eines motivierenden Unterrichts gehört somit, förder‐ liche Bedingungen für einen vertrauensvollen Umgang und eine angstfreie Lernumgebung zu schaffen. Sprich: “Build confidence! “ (Dörnyei 2001a, 86). Dörnyei (Ebd., 89 ff.) schlägt vier Hauptstrategien vor, die zur Stärkung des Selbstvertrauens beitragen können: 84 • Erfolgserlebnisse verschaffen: “Success breeds success“ (Ebd., 89). Folglich sollten Lernende vielfältige Möglichkeiten erhalten, sich positiv einzubringen. Das Gefühl von Stolz fördert das Selbstvertrauen und somit auch auf längere Sicht die Risikobereitschaft. • Lernende regelmäßig ermutigen: Selbstachtung und Selbstvertrauen werden von der sozialen Umgebung beeinflusst, also auch von der Lehrkraft. Deswegen sollten Rückmeldungen stets konstruktiv und ermutigend sein, indem individuelle Stärken hervorgehoben werden. Förderlich ist auch, den Lernenden klar zu machen, dass Kompetenz “a changeable and controllable aspect of development“ ist (Dörnyei/ Ushioda 2011, 120). • Angst vor der Sprache (language anxiety) reduzieren: Bei der Gestaltung des fremdsprachlichen Klassenzimmers in eine „angstfreie Zone“ hilft: Verzicht auf so‐ ziale Vergleiche, Kooperation statt Wettbewerb, Fehlertoleranz bzw. Fehler als Lern‐ chance sehen, Transparenz bei Tests und Beteiligung der Lernenden bei der Noten‐ gebung. • Unterstützende Strategien vermitteln: Das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten hängt auch von der gewährten Unterstützung ab. Um die Aufgabenbearbeitung zu erleichtern, sollten vielfältige Lern- und Kommunikationsstrategien vermittelt werden. Außerdem ist auf ein positives soziales Image der Lernenden zu achten: “Maintaining face is a central concern for most schoolchildren: for them school is the most important social arena and their peers are their main reference group. Therefore, they will feel ill at ease doing tasks (...) that put them in a situation where they are made to look small in front of their contemporaries“ (Ebd., 121). Schlechte schulische Leistungen bedeuten oft nicht 211 4.4 Konsequenzen und Empfehlungen für die fremdsprachliche Praxis 85 Covington (1992; 1998) hat nachgewiesen, dass Lernende oft sogar Vermeidungstaktiken anwenden, also Verhaltensweisen wählen, die von vornherein wenig erfolgversprechend sind (z. B. kurzfristige Testvorbereitungen), um auf diese Weise ihre Selbstachtung zu wahren: bei Misserfolg droht kein Gesichtsverlust, und bei Erfolg wird eine herausragende Kompetenz attributiert. 86 Für Details vgl. z. B. Dörnyei/ Ushioda (2011) sowie Schunk u. a. (2010). 87 Vgl. dazu z. B. Ames (1992), Dweck (1999) sowie auch Schunk u. a. (2010). 88 Vgl. dazu Eggen/ Kauchak (2007) sowie auch Schunk u. a. (2010). Für Studien zu demotivierendem Lehrerverhalten vgl. auch Dörnyei/ Ushioda (2011, 142 ff.). 89 Vgl. dazu Wigfield/ Wagner (2007) sowie auch Schunk u. a. (2010). 90 Vgl. dazu Eccles/ Midgley (1989), Maehr/ Midgley (1991; 1996) sowie die Studien bei Schunk u. a. (2010). 91 Vgl. dazu auch Eccles, Wigfield und Schiefele (Eccles u. a. 1998) sowie Pomerantz, Grolnick und Price (Pomerantz u. a. 2007); weitere Studien bei Schunk u. a. (2010). 92 Vgl. z. B. Hong (2001), Nakata (2006) sowie die Studien bei Dörnyei/ Ushioda (2011), Schunk u. a. (2010). nur eine persönliche Enttäuschung, sondern auch eine öffentliche Blamage. 85 Daher sollten kognitive und soziale Ziele beim Lernen berücksichtigt sowie folgende Hinweise beherzigt werden (Dörnyei 2001a, 97 ff.): • Stärken und Talente zeigen lassen: Aktivitäten, die „gute“ Rollen oder sogar Hauptrollen beinhalten, erhöhen das Wohlbefinden: “The ‘positive hero’ image might work as an unprecedented stimulant“ (Ebd., 98). • Gesichtsverlust der Lernenden vermeiden: Kritik und Verbesserungen, die als erniedrigend empfunden werden, sollten vermieden werden. Lernende sollten nicht unverhofft in das Scheinwerferlicht gestellt oder gezwungen werden, vor der Klasse zu sprechen. • Regeln vereinbaren: Klassenregeln helfen, Toleranz und Akzeptanz zu entwickeln. 4.4.9 Kooperation fördern Der Lernkontext - dazu zählen verschiedene Unterrichtsfaktoren 86 (z. B. Material, Auf‐ gabendesign, Bewertungs- und Gruppierungsverfahren 87 ) sowie diverse soziale und kul‐ turelle Einflüsse wie Lehrkräfte 88 , Peergruppe 89 und Schulethos 90 , aber auch Eltern und Fa‐ milie 91 sowie Gesellschaft und Kultur 92 - hat ebenfalls einen Einfluss auf Motivation und Lernerfolg, und es gibt diverse pädagogische Ansätze, die das kooperative Lernen explizit fördern. Nicht ohne Grund: “Basically, cooperation is a definite ‘plus’. Studies from all over the world are unanimous in claiming that students in cooperative environments have more positive attitudes towards learning and develop higher self-esteem and self-confidence than in other classroom structures“ (Dörnyei 2001a, 100). Auf die Vorzüge des kooperativen Lernens wurde oben bereits eingegangen, da dieser Aspekt jedoch bei der Entwicklung der kommunikativen Kompetenz und insbesondere bei Storyline eine tragende Rolle spielt (vgl. Kapitel 2.3.3.5), wird er hier noch einmal näher betrachtet. Dörnyei (Ebd., 100 f.) listet neun Gründe auf, warum sich kooperatives Lernen positiv auf Motivation auswirkt: 1. Gemeinsame Ziele fördern Gruppenzusammenhalt und Solidarität. 2. Erfolgserwartungen sind bei einem gemeinsamen Ziel (meist) höher als bei Einzel‐ arbeit. 3. Teamarbeit ermöglicht “a rare synthesis of academic and social goals“ (Ebd., 101). 212 4 Grundlagen eines motivierenden Unterrichts 4. Lernende fühlen sich gegenüber dem Team moralisch verpflichtet: “The joint re‐ sponsibility also means that in such setups the likelihood of ‘free-riding’ (i.e. doing very little while reaping the benefits of others’ performance) decreases“ (Ebd.). 5. Das Wissen, dass der eigene Beitrag für den Erfolg der Gruppe wichtig ist, erhöht die Anstrengung. 6. Kooperative Lernsituationen haben in der Regel einen positiven emotionalen Ton und verursachen somit weniger Angst und Stress. 7. Kooperative Teams sind “by definition autonomous“ (Ebd.) und Autonomie fördert wiederum Motivation. 8. Die Zufriedenheit mit dem Arbeitsergebnis wird durch das Gemeinschaftserlebnis erhöht. 9. Kooperative Lernsituationen erhöhen die Bedeutung von Anstrengung im Ver‐ hältnis zu Fähigkeit, weil Gruppenmitglieder vor allem für ihr Engagement geschätzt werden: “This, in turn, promotes effort-based attributions“ (Ebd.). Für eine gewinnbringende Zusammenarbeit empfiehlt Dörnyei (Ebd., 102): • Gemeinsames Ziel verfolgen: Aufgaben sollten ein gemeinsames Ziel und End‐ produkt anstreben, zu dem jede und jeder Einzelne etwas beiträgt. Hilfreich ist die Verteilung von spezifischen Rollen, “e.g. ‘explainer’, ‘summariser’ or ‘note-taker’“ (Ebd.). • Einzel- und Gruppenergebnisse bewerten: Neben Einzelergebnissen sollten auch Gruppenprodukte in die Leistungsbeurteilung mit einfließen. • Gruppenarbeit trainieren: Gruppenarbeit sollte geübt und die Arbeitsabläufe sollten regelmäßig reflektiert werden, um sie zu optimieren (z. B. Regeln aufstellen). 4.4.10 Selbstbestimmtes Lernen fördern Pulfrey, Darnon und Butera behaupten, “intrinsic motivation (...) has never been as neces‐ sary for life success as today, when competition for higher education and top jobs is stiffer than ever“ (Pulfrey u. a. 2013, 39). Obwohl intrinsische Motivation eine wichtige Form von Motivation darstellt, spielt sie im Alltag eine untergeordnete Rolle: “Most of the activities people do are not, strictly speaking, intrinsically motivated“ (Deci/ Ryan 2000, 60). Dies trifft insbesondere auch für den Fremdsprachenunterricht zu, der in der Regel durch massen‐ taugliche Lehrwerke und (meist ausschließlich) von der Lehrkraft bestimmt wird: “In this sense schools (unfortunately) resemble the armed forces“ (Dörnyei 2001a, 79). Eine zentrale Frage lautet somit, wie Lernende dazu ermuntert werden können, auch weniger interes‐ sante Lernaufgaben wertzuschätzen und diese selbstständig, also ohne äußeren Druck, auszuführen. Deci/ Ryan (1985) empfehlen im Rahmen ihrer Selbstbestimmungstheorie (vgl. Kapitel 4.3.3.2), die Internalisierung und Integration von Verhaltensregulationen zu fördern: Mit zunehmender Internalisierung verändern sich auch Ausdauer, Selbstwahr‐ nehmung und Engagement positiv. Aus der Selbstbestimmungstheorie lässt sich ableiten, dass für die Entwicklung von Interesse und selbstbestimmter Motivation drei grundlegende Bedürfnisse befriedigt sein müssen: Autonomie, Kompetenzerleben und soziale Eingebun‐ denheit. Deci/ Ryan (1985; 2000; Hrsg. 2002; 2008) und auch Dresel/ Lämmle (2011) verweisen 213 4.4 Konsequenzen und Empfehlungen für die fremdsprachliche Praxis 93 Zur praktischen Umsetzung von Autonomie im Fremdsprachenunterricht vgl. z. B. Dam (1994; 1995; 2016), Little (1994) oder Scharle/ Szabó (2000). Vgl. auch die Angaben bei Kapitel 4.3.3.2. 94 Vgl. dazu Benson (2011, 1): “Discussions on autonomy are, however, often characterised by miscon‐ ceptions about the nature of the concept and its implementation. For example, it is often assumed that autonomy implies learning in isolation, learning without a teacher or learning outside the class‐ room, such that the relevance of the concept to language teaching is unclear. (...) These misconcep‐ tions are, at least in part, a result of terminological and conceptual confusion within the field itself “. Er definiert Autonomie allgemein als “the capacity to take control over one’s own learning“ (Ebd., 2). Vgl. auch Deci/ Ryan (2008, 15 f.). 95 Vgl. dazu u. a. auch Thaler (2008; 2010), der für ein Balanced Teaching plädiert. auf Studien, die diese These für verschiedene Kontexte bestätigen. Folgende Maßnahmen können unterstützend wirken (Dörnyei 2001a, 102 ff.; Dresel/ Lämmle 2011, 131): • Bedürfnis nach Autonomie fördern: 93 Lernende sollten die Möglichkeit haben, bei Lernzielen, Lerngegenständen und Lernaktivitäten demokratisch mitzube‐ stimmen und Verantwortung zu übernehmen. Lernaktivitäten sollten so gestaltet sein, dass sie umfangreiche Handlungsspielräume, echte Wahlmöglichkeiten sowie Möglichkeiten der Selbststeuerung erlauben. Auch sollten Möglichkeiten zur Selbst‐ bewertung und zum gemeinsamen Aushandeln von Verhaltensregeln geschaffen werden. Dörnyei (2001a, 105) empfiehlt peer teaching und Projektarbeit, da diese die Gruppendynamik und persönliche Reifung positiv beeinflussen. Auf diese Weise können auch “socialising strategies“ trainiert werden (Dörnyei/ Ushioda 2011, 123). • Bedürfnis nach Kompetenzerleben fördern: Komplexe und mehrdimensionale Lernaktivitäten ermöglichen das Einbringen verschiedener Kompetenzen (auch fä‐ cherübergreifende). Dabei sollte der Schwierigkeitsgrad den individuellen Bedürf‐ nissen und Kenntnissen entsprechen (Differenzierung). Der Unterricht sollte gut strukturiert, Instruktionen sollten klar und verständlich sein. Unterstützung bei Schwierigkeiten und häufiges positives Feedback gelten ebenfalls als motivations‐ förderlich. • Bedürfnis nach sozialer Eingebundenheit fördern: Statt Einzelarbeit und Fron‐ talunterricht sollte verstärkt Gruppen- oder Partnerarbeit eingesetzt werden. Ferner sollte eine auf Wertschätzung und Respekt basierende Atmosphäre sowie ein part‐ nerschaftliches Verhältnis zwischen Lehrkraft und Lernenden aufgebaut werden, um (echtes) persönliches Interesse und persönliche Verbundenheit zu zeigen. Leider wird der Begriff „Autonomie“ häufig falsch bzw. unterschiedlich interpretiert und mit Chaos, Ineffizienz und Unbehagen gleichgesetzt. 94 Selbstbestimmtes Lernen und Inst‐ ruktion müssen sich jedoch nicht ausschließen. Die Studie von Deci, Jang und Reeve (Deci u. a. 2010) an 133 US High Schools führte zu der Quintessenz: “It Is Not Autonomy Support or Structure but Autonomy Support and Structure“ (Ebd., 588). 95 Um Autonomie im Klas‐ senzimmer zu fördern, müssen auch die Lehrkräfte neue Rollen und Qualitäten entwickeln: The teacher as a facilitator does not ‘teach’ in the traditional sense - that is, does not consider the students empty vessels that need to be filled with words of wisdom coming entirely from the teacher and the coursebook - but views him/ herself as a helper and instructional designer who leads learners to discover and create their own meanings about the world (Dörnyei 2001a, 106). 214 4 Grundlagen eines motivierenden Unterrichts 96 Vgl. Düwell (2002, 175 ff.), der Prinzipien und ein Konzept zur Förderung der Selbstmotivation vor‐ stellt. 97 Vgl. Quirin/ Kuhl (2009). Diese Einstellung wird auch von Storyline-Expertinnen und -Experten geteilt: “Storyline recognises that one of the best resources teachers have in the classroom is the knowledge that exists in the learners’ heads. They’re not ‘empty sacks’. (...) The role of the teacher changes to be that of a ‘chairman’ asking good key questions“ (Parr 2010, 13). Benson (2011), langjähriger und durchaus kritischer Experte für Autonomie und Spra‐ chenlernen, vertritt die ausdrückliche Meinung, “that autonomy is a legitimate and desir‐ able goal of language education“ (Ebd., 2). Er unterscheidet sechs verschiedene Bereiche, in denen die Förderung von Autonomie im Fremdsprachenunterricht ansetzen kann: • Resource-based Learning: Unabhängige Nutzung von Lernressourcen (z. B. Tan‐ demlernen, Lernmaterialien, Selbstlernzentren, außerschulisches Lernen usw.) • Technology-based Approaches: Medienbasiertes Lernen mit Fokus auf Neuen Me‐ dien (z. B. CALL, Internet) • Learner-based Approaches: Entwicklung von autonomen Lernmethoden (z. B. Strategietraining) • Classroom-based Approaches: Mitsprache bei Entscheidungen im Klassenzimmer (z. B. Abläufe, Evaluation usw.) • Curriculum-based Approaches: Mitbestimmung bei Zielen und Planung (z. B. Themen, Inhalte usw.) • Teacher-based Approaches: Fokus auf Lehrerrollen und Lehrerbildung (z. B. eigene Entwicklung, Sprach- und Lernberatung usw.) 4.4.11 Strategien zur Selbstmotivation vermitteln Die meisten bisher aufgeführten Empfehlungen beziehen sich auf die Rolle und Verant‐ wortung der Lehrkraft, Motivation bei Lernenden zu wecken. Allerdings hat eine Lehrkraft gerade im Hinblick auf autonomes und lebenslanges Lernen auch die Funktion, den Ler‐ nenden Strategien zur Selbstregulierung zu vermitteln, die ihnen helfen, ihre Motivation selbstständig aufrechtzuerhalten. 96 Einen Einfluss auf die diesbezügliche Forschung der letzten zwanzig Jahre haben insbesondere Kuhls (1987; 2005) Handlungskontrollstrate‐ gien 97 , welche sechs Strategien der Selbstmotivation verkörpern. Auch Dörnyei (2001a, 109 ff.) bezieht sich auf Kuhls Taxonomie und teilt Selbstmotivationsstrategien in fünf Hauptklassen ein: 1. Commitment control strategies: Diese Strategien unterstützen bzw. erhöhen die Zielbindung, indem sie positive Erwartungen, Visionen, mögliche Belohnungen usw. wachrufen oder mögliche negative Folgen bei Misserfolg vor Augen führen. 2. Metacognitive control strategies: Diese bewussten Techniken helfen, die Konzen‐ tration aufrechtzuerhalten sowie Verzögerungen zu unterbinden (z. B. durch regel‐ mäßige Erinnerungshilfen, Ausblenden von Ablenkungen, Rituale usw.). 215 4.4 Konsequenzen und Empfehlungen für die fremdsprachliche Praxis 3. Satiation control strategies: Diese sollen langwierige oder gleichförmige Arbeiten, die bekanntlich bald ihren Reiz verlieren, aufwerten (z. B. einen neuen Rekord an‐ streben, spielerische Elemente einbauen usw.). 4. Emotion control strategies: Sie sollen positive, zielförderliche Emotionen steuern (z. B. durch Bewegung, Singen, Selbstermutigung, Meditation usw.). 5. Environmental control strategies: Diese helfen, störende Ablenkungen zu redu‐ zieren und positive Einflüsse zu bestärken (z. B. Unterstützung und Verbündete su‐ chen usw.). 4.4.12 Konstruktive Attributionen fördern Die Attributionstheorien und Befunde aus der attributionspsychologischen Forschung haben aufgezeigt, welchen immensen Einfluss die subjektiven Erklärungen für vorange‐ gangenen Erfolg oder Misserfolg auf unser zukünftiges Verhalten und Erleben haben (vgl. Kapitel 4.3.3.2). Diese Erkenntnisse sind auch für die Analyse von schulischen Motivations- und Leistungsstörungen relevant. Dörnyei (2001a) schlägt ein Attributionstraining vor, welches Einfluss auf die üblicherweise negative Bewertung von Versagen und Misserfolg nehmen soll. Ziel ist es, Lernende dafür zu sensibilisieren, dass sie die Ursachen für Erfolg oder Misserfolg eher ihrer Anstrengung zuschreiben und nicht so sehr ihrer Fähigkeit. Für die Unterrichtspraxis unterbreitet Dörnyei (Ebd., 118 ff.) folgende Vorschläge: • Rückmeldungen zu Mühe und Anstrengung geben: Als Grund für schwache Leistungen sollte die fehlende Anstrengung oder falsche Vorgehensweise kommu‐ niziert werden, um so die Lernenden für zukünftige Aktivitäten zu ermutigen. • Keine Fähigkeitsattributionen akzeptieren: Misserfolge sollten nicht mit Be‐ gabungsmangel erklärt werden. • Modelle für lohnenden Aufwand zeigen: Positive Beispiele aus dem Alltag oder Schulkontext sollen zeigen, dass und warum sich Anstrengung und Mühe lohnen. • Eigene Erklärungen formulieren lassen: Der Glaube daran, dass sich Aufwand lohnt, wirkt tiefer, wenn Lernende dies mit eigenen Worten formulieren. • Ausdauer und Mühe als Klassennorm setzen: Wertschätzende Kommentare und Gespräche zur Rolle von Mühe und Ausdauer bei der Bewältigung von Misserfolgen unterstützen die Entwicklung eines neuen Klassenethos. 4.4.13 Motivationales Feedback geben und Zufriedenheit erhöhen In fast allen der oben aufgeführten Theorien sowie in zahlreichen Befunden aus der Moti‐ vationsforschung wird Feedback als wichtiger Faktor hervorgehoben. Konstruktive Rück‐ meldungen haben einen entscheidenden Einfluss auf die Attributionen, das Selbstwertge‐ fühl sowie die Zielsetzungen der Lernenden. Sie tragen insbesondere dazu bei, dass diese ihr Verhalten verbessern und ihre Kompetenzen weiterentwickeln können: “Feedback is not just a decoration on the cake or an additional asset that’s worth having. It is an essential ingredient of learning“ (Dörnyei 2001a, 123). Dies wird auch von Ford (1992) und Hattie (2009) bestätigt. 216 4 Grundlagen eines motivierenden Unterrichts 98 In der Literatur wird häufig unterschieden zwischen informational und controlling feedback. Letzteres bewertet Leistung im Hinblick auf externe Standards (Dörnyei/ Ushioda 2011, 127). Eine besondere Bedeutung im Hinblick auf Motivation kommt dem informativen Feed‐ back (informational feedback) zu. 98 Es enthält positive, deskriptive Informationen zu Stärken, Leistungen, Fortschritten und Einstellungen der Lernenden. Dabei geht es nicht um eine Bewertung im Vergleich zu anderen Lernenden oder irgendwelchen Standards, sondern um die individuellen Entwicklungsprozesse von Lernenden. Leider werden posi‐ tive Rückmeldungen im Alltag oft vernachlässigt oder nur auf sprachliche Korrektheit und nicht auf Inhalte und andere Qualitäten bezogen; überhaupt werden eher sprachliche Fehler moniert, als dass Lob ausgesprochen wird. Aus motivationalen Gründen ist dieses Verhalten höchst fragwürdig. Laut Dörnyei (2001a, 124 f.) sind folgende Strategien wesentlich hilf‐ reicher: • Positive Beiträge honorieren: Lehrkräfte sollten positive Beiträge bewusst wahr‐ nehmen und darauf reagieren. Lob sollte angemessen erteilt werden, also nicht be‐ liebig oder gar übermäßig für sehr leichte Aufgaben. • Feedback zeitnah erteilen: Nur bei einem unmittelbaren Feedback haben Ler‐ nende einen direkten Bezug zu ihren persönlichen Fortschritten. • Regelmäßig Feedback geben: Ein regelmäßiges Feedback sollte Fortschritte at‐ testieren sowie Vorschläge für weitere Entwicklungsmöglichkeiten enthalten. • Lernende überzeugen und ermuntern: Lehrkräfte können auch eigene Über‐ zeugungen mitteilen, was zukünftige Ziele anbelangt: “Students in general experi‐ ence high efficacy when told they are capable of attaining success by a trustworthy source such as the teacher“ (Dörnyei/ Ushioda 2011, 127). • Feedback zu Lernstrategien: Diverse Studien belegen, dass Lernstrategien bei Spracherwerb und Sprachproduktion eine wichtige Rolle spielen. Folglich sollten Lernende diesbezüglich ebenfalls eine Rückmeldung erhalten (Ebd., 128). Entscheidend ist auch die Zufriedenheit der Lernenden: “There seems to be a general assumption that the feeling of satisfaction is a significant factor in reinforcing achievement behaviour, which makes satisfaction a major component of motivation“ (Ebd.). Deshalb sollte man Erfolge nicht nur emotionslos „hinnehmen“, sondern auch feiern! Dörnyei (2001a, 126) empfiehlt sogar “to ‘over-celebrate’“, um Erfolge besser im Gedächtnis zu spei‐ chern. Noten können zwar mitunter extrinsisch motivieren, bei schlechten Ergebnissen jedoch auch anhaltend demotivieren. Zudem spiegeln Noten nur (End-)Leistungen, aber keine individuellen Entwicklungen. Um die Zufriedenheit der Lernenden zu erhöhen, emp‐ fiehlt Dörnyei (Ebd., 126 f.) einige Strategien, die auch trotz (bzw. wegen) der „Notenrealität“ sinnvoll sind: • Fortschritte beobachten und feiern: Erfolge können klassenöffentlich gefeiert (z. B. Applaus, Lob usw.) oder persönlich (z. B. Gespräch, Notiz usw.) anerkannt werden. Lob sollte sich immer direkt auf die Leistung beziehen. • Fortschritte sichtbar und greifbar machen: Besonders motivierend sind Auf‐ gaben mit konkreten Ergebnissen wie Poster, Rollenspiel, Aufführung usw., die 217 4.4 Konsequenzen und Empfehlungen für die fremdsprachliche Praxis 99 Vgl. dazu auch die Diskussion um Korrumpierungseffekt bzw. -resistenz bei Cameron, Banko und Pierce (Cameron u. a. 2001), Deci (1975) oder Rheinberg (2006a, 337 ff.). klassenöffentlich präsentiert werden können: “Few things are more satisfying than public attention and (hopefully) recognition“ (Ebd., 126). • Regelmäßig Aufgaben mit „Außenwirkung“ einbeziehen: Erfolge sollten nicht nur anerkannt, sondern auch dokumentiert und nach außen hin sichtbar gemacht werden. • Lerneinheiten mit reinforcement event abschließen: Wlodkowski (1986) emp‐ fiehlt, regelmäßig kleine Höhepunkte einzuplanen, um die Länge des Lernprozesses in sinnvolle Einheiten zu unterteilen (z. B. Dank für Engagement, Preisverleihung, Party usw.). • Kleine Belohnungen verteilen: Belohnungen werden in der Motivationspsycho‐ logie mitunter kritisch gesehen 99 , allerdings spricht nichts gegen gelegentliche und angemessene kleine Geschenke (z. B. Urkunde, Befreiung von Hausaufgaben usw.). 4.5 Der Storyline Approach und motivierendes Lernen Storyline is a most effective vehicle for creating exciting learning environments (Omand 2014, 10) Im vorangegangenen Kapitel 4.4 wurde eine Auswahl an allgemeinen Empfehlungen und Anregungen für einen motivierenden Fremdsprachenunterricht zusammengetragen, die insbesondere die Persistenz des Fremdsprachenlernens aufrechterhalten sollen. In Analogie zu Kapitel 4.4 werden nachfolgend einige Bezüge zwischen den dort aufgeführten Emp‐ fehlungen und dem Storyline Approach erläutert. Es stellt sich die Frage: Lassen sich diese allgemeinen praxisbezogenen Anregungen auf die Storyline-Arbeit übertragen? Wenn ja, inwiefern? Um Redundanzen mit Kapitel 2 zu vermeiden, soll diese Zusammenschau in konzentrierter Form erfolgen und sich an den 12 Prämissen aus Kapitel 4.4 orientieren. Aus meiner Sicht erfüllt der Storyline Approach sehr wohl die Anforderungen an eine motivierende Lernumgebung im Rahmen des Fremdsprachenlernens und hat das Potenzial, das Fremdsprachenlernen nachhaltig positiv zu beeinflussen. Folgende Gründe sprechen dafür: 1. Motivationale Grundvoraussetzungen schaffen: Storyline ist ein gutes Beispiel, wie Kognition und Emotion in Balance gebracht werden können, sich gegenseitig befeuern und somit zur Motivation der Lernenden beitragen. Da der Verlauf eines Projekts (z. B. Inhalte, konkrete Ergebnisse) nicht nur für die Lernenden mit Über‐ raschungen verbunden, sondern auch für die Lehrkraft in vielerlei Hinsicht offen ist, verfolgen beide Seiten gespannt und neugierig, also mit einer starken Präsenz, das Unterrichtsgeschehen. Die offenen key questions vermitteln den Lernenden das Gefühl von Mitsprache. Im gleichen Zug zeigt die Lehrkraft durch „echte“ Fragen, dass sie ein „echtes“ Interesse an den Antworten der Lernenden hat (vgl. Kapitel 2.3.2.2). Beide Parteien sind bei diesem „Abenteuer“ aufeinander angewiesen; auch lösen sich dadurch traditionelle hierarchische Strukturen zu einem gewissen Teil auf 218 4 Grundlagen eines motivierenden Unterrichts (mutual respect). Fehler dürfen - sowohl auf sprachlicher als auch inhaltlicher Ebene - gemacht werden, denn sie tragen zur Hypothesenbildung und Aktivierung der Lernenden bei. Gruppenarbeit vermittelt nicht nur Sicherheit beim gemeinsamen Experimentieren, sondern fördert auch das Gemeinschaftsgefühl (vgl. Kapitel 2.3.3.5). Gemeinsam formulierte Regeln vermindern Lernstörungen. Der Fries ver‐ wandelt das Klassenzimmer in einen optisch anregenden „Wohlfühlort“ und regt zum themenbezogenen Kommunizieren an (vgl. Kapitel 2.3.3.2). Storyline-Lehrkräfte haben eine besondere pädagogische Einstellung: nicht das Schulbuch, sondern die Lernenden stehen im Zentrum. Deshalb engagieren sie sich, bringen vielfältige Materialien und Ideen mit, sind risikofreudig(er), fördern die Ge‐ sprächskultur und kritisches Denken, haben eine entspannte Haltung und zeigen Wertschätzung gegenüber den Lernenden. Das gegenseitige Vertrauen wiederum bewirkt mehr Motivation, mehr Lernfreude und mehr Leistung - auf beiden Seiten. Ob und inwiefern Storyline dazu beitragen kann, Lernstörungen und language anxi‐ ety zu reduzieren, um den Weg für zukünftiges fremdsprachliches Lernen zu ebnen, sollen meine Fallstudien in Teil B zeigen. 2. Erfolgserwartungen der Lernenden erhöhen: Erfolgserwartungen und Anreize bzw. Anspruchsniveaus können über entsprechend gestaltete Lernumgebungen und Aufgaben positiv beeinflusst werden (vgl. Kapitel 4.4.3). Storyline-Projekte bieten eine Vielzahl von unterschiedlichen Aufgabentypen und -niveaus an, welche die Lernenden auswählen und über verschiedene Lösungswege (z. B. Collage, Objekt, Text) bearbeiten können. Diese immanente Differenzierung wird heterogenen Lern‐ gruppen besonders gerecht, denn alle können bzw. müssen einen Beitrag zum Ge‐ lingen des Projekts leisten und werden dadurch angespornt. Da alle Aufgaben in den Kontext der Geschichte eingebettet sind, wirken sie „logisch“, transparent und nach‐ vollziehbar. Meist werden Aufgaben als Antwort auf eine key question sogar von den Lernenden selbst formuliert und auch mögliche Lösungswege vorgeschlagen. Bei Storyline arbeiten die Lernenden in Teams und können sich somit gegenseitig ins‐ pirieren und unterstützen, wodurch Erfolgswahrscheinlichkeit und Motivation er‐ höht werden. Ferner werden diverse Materialien und Medien bereitgestellt (z. B. Wörterbücher, Sachbücher), um die individuellen Lernprozesse zu unterstützen (vgl. Kapitel 2.3.3.4). Eventuelle Störfaktoren (z. B. Zeitmangel, fehlendes Material) werden in den Reflexionsphasen besprochen und können so behoben werden. Die Lehrkraft hat bei Storyline viel Zeit für Beobachtungen und kann bei individuellen Lernbarrieren schnell und unterstützend eingreifen. Ob und inwiefern Story‐ line-Projekte tatsächlich dazu beitragen können, die Erfolgserwartungen der Ler‐ nenden zu erhöhen bzw. eine positive Arbeitseinstellung zum fremdsprachlichen Lernen zu entwickeln, möchte ich unter anderem im Rahmen meiner Fallstudien untersuchen. 3. Zielorientierung der Lernenden fördern: In Storyline-Projekten ist nicht nur das Klassenziel vorweg bekannt, nämlich gemeinsam eine spezifische Geschichte zu entwickeln und zu einem guten Ende zu bringen, sondern Gruppen, Untergruppen und Individuen definieren immer auch kleinere bzw. kurzfristige Ziele (z. B. einen Videoclip erstellen, einen Text korrigieren). Da am Ende einer Storyline stets eine 219 4.5 Der Storyline Approach und motivierendes Lernen 100 TARGET steht für task, authority, recognition, grouping, evaluation, time. Vgl. auch Kapitel 4.4.5. Feier, eine Präsentation oder ein Ausflug stattfindet, ist der gesamte Lernprozess zielgerichtet. Jede Aufgabe, jeder Schritt ist somit eine zielrelevante Aktivität. Durch das kooperative Lernen werden simultan kognitive und soziale Ziele miteinander verschränkt, was zur Motivationssteigerung beiträgt. Bei Storyline spielen also in‐ dividuelle und gemeinsame Ziele eine wichtige Rolle. Auch wird die “inherent goal diversity prevalent in any classroom“ (Dörnyei/ Ushioda 2011, 115) berücksichtigt. Wie die Lernenden damit umgehen, sollen meine Fallstudien beleuchten. 4. Lernzielorientierung fördern: Bei Storyline-Projekten ist eine Leistungszielori‐ entierung (performance orientation) nicht zu übersehen, wenn Lernende mit Stolz ihre Ergebnisse präsentieren und sich über eine entsprechende Anerkennung freuen. Manchmal sind sogar kleine Wettbewerbe um die besten Ideen erkennbar. Allerdings ist auch eine starke Lernzielorientierung offensichtlich, und die Lernenden erleben immer wieder, dass sich Mühe und Fleiß (z. B. beim Einstudieren einer Präsentation) lohnen und zum Erfolg führen. Storyline berücksichtigt auch die von Epstein (1989) beschriebenen TARGET-Di‐ mensionen 100 : Die vielfältigen Aufgaben haben einen hohen Aufforderungscharakter und sprechen verschiedene Lernertypen an. Sie fordern die Lernenden durch über‐ raschende incidents auf kognitiver, emotionaler, sozialer oder auch methodischer Ebene heraus. Auf Grund der Einbettung in die story wirken die Aufgaben authen‐ tisch und bedeutungsvoll; die Lernenden erkennen deren Relevanz für das außer‐ schulische und berufliche Leben, wenn sie einen Brief beantworten, einen Lebens‐ lauf schreiben oder über ein Thema diskutieren. Da bei Storyline meist Wahlmöglichkeiten angeboten und die Ergebnisse im Grunde offen sind, können alle Klassenmitglieder - je nach Lernniveau, Interesse, Bedürfnis oder Talent - einen Beitrag leisten, der zum Gelingen des Projekts beiträgt, ohne dass durch die Diffe‐ renzierung eine Stigmatisierung stattfindet. Rückmeldungen bei den Präsentationen sowie die regelmäßigen Reflexionen helfen den Lernenden, ihre Lernprozesse zu evaluieren und zu optimieren. Fehler werden bei Storyline als Lernchance betrachtet, nicht als Defizit; mit Hilfe von wordbanks, Wörterbüchern oder anderen Nachschla‐ gewerken lernen die Schülerinnen und Schüler, wie sie ihr sprachliches und inhalts‐ bezogenes Lernen verbessern können. Durch Gruppenarbeit lernen sie, Verantwor‐ tung zu übernehmen, sich gegenseitig zu helfen und gemeinsam ein Ziel zu erreichen (Autonomie). Spezifische Aufgaben werden mitunter auch alleine bearbeitet (z. B. Biographie oder Tagesablauf schreiben), so dass individuelle Defizite und Fort‐ schritte erkennbar sind. Storyline erkennt all diese Dimensionen als Basis und Quelle für erfolgreiches Lernen an. Inwiefern sie auch im Fremdsprachenunterricht reali‐ siert werden können, sollen meine Fallstudien zeigen (vgl. Teil B). 5. Anregungen und Freude beim Lernen vermitteln: Storyline verfolgt aus meiner Sicht beispielhaft die von Dörnyei (2001a, 72 ff.) aufgeführten “maintenance strat‐ egies“ (Ebd., 71), um die Lernenden „bei der Stange“ zu halten: Die Monotonie des Unterrichtsalltags wird durch eine große Variation von Aufgaben und Methoden unterbrochen, ferner stehen vielfältige ansprechende Materialien zur Verfügung, die 220 4 Grundlagen eines motivierenden Unterrichts die Lernenden frei wählen oder auch selbst besorgen können. Aufgaben sind stets kontextualisiert, und die Lerninhalte lösen durch das gemeinsame storymaking und die incidents Emotionen aus, was sich positiv auf Motivation und Lernerfolg auswirkt (vgl. Kapitel 4.4.6). Durch die Offenheit der Aufgaben können die Lernenden eigene Ideen, Kreativität und Humor einbringen und bei Präsentationen für Überra‐ schungen, Heiterkeit und erhöhte Aufmerksamkeit sorgen. Die incidents und key questions stellen sie immer wieder vor Rätsel, so dass sie nicht nur Freude beim erfolgreichen Lösen der Aufgaben empfinden, sondern auch diverse Denkstrategien entwickeln. Das situierte problemlösende Lernen vermeidet „träges“ Wissen (Hänze 2000) und fördert die Merkfähigkeit. Durch die erhöhte Mitsprache, den Fries und die diversen Lernerprodukte entsteht ein starker persönlicher Bezug (ownership), was sich positiv auf Motivation und Lernprozess auswirkt (Dörnyei 2001a). Meine Fallstudien sollen untersuchen, inwiefern diese Aussagen auch für fremdsprachliche Storyline-Projekte gelten. 6. Präzise Zielsetzungen formulieren: In Storyline-Projekten werden regelmäßig - im Team oder Plenum - Ziele für einzelne Aufgaben oder auch größere Vorhaben (z. B. Endergebnis) ausgehandelt: Die Schülerinnen und Schüler klären gemeinsam, wie sie ihre Aufgaben lösen bzw. aufteilen wollen, überprüfen Zeitbudget und be‐ nötigtes Material und überwachen kontinuierlich - individuell und/ oder als team‐ leader - den Lernprozess. Die klaren, überschaubaren Ziele (z. B. Ausweis für Figur erstellen) erhöhen Motivation, Selbstwirksamkeit und Produktivität der Lernenden (vgl. Kapitel 4.4.7). Die erwarteten Ergebnisse sind zwar stets klar formuliert (z. B. Figur basteln), lassen jedoch viel Raum für eigene Interpretationen (z. B. Frau, Kind, Opa usw.). Bei Storyline-Projekten werden sowohl Nahals auch Fernziele gesetzt. Der Lern- und Arbeitsprozess wird dadurch für alle Beteiligten überschaubar(er). Rückmeldungen erhalten die Lernenden nicht nur von der Lehrkraft, sondern auch von der Peergruppe, was Selbstwirksamkeit und Motivation erhöht. Wie die Ler‐ nenden mit Zielsetzungen im Rahmen von fremdsprachlichen Storylines umgehen und inwiefern sie davon profitieren, müsste genauer untersucht werden (vgl. Teil B). 7. Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen stärken: Positive Selbstwirksamkeits‐ überzeugungen erhöhen Anstrengungsbereitschaft und Persistenz der Lernenden (vgl. Kapitel 4.4.8). Dies wird bei der Storyline-Arbeit durch vielfältige Erfolgserleb‐ nisse im Rahmen der Aufgabenbearbeitung und Ergebnispräsentation ermöglicht. Durch die offenen key questions und Wahlmöglichkeiten bei den Aufgaben (Diffe‐ renzierung) können sich alle Klassenmitglieder positiv einbringen und Erfolgser‐ fahrungen (mastery experience) sammeln. Storyline-Arbeit schafft eine entspannte Lernumgebung und stärkt das Selbstvertrauen, was auf längere Sicht auch die Risi‐ kobereitschaft erhöht. Dies ist gerade im Hinblick auf das fremdsprachliche Lernen ein wichtiger Aspekt. Im Rahmen der Präsentationen erhalten Lernende positive Rückmeldungen, wenn sie eine besonders kreative oder witzige Aufgabenlösung vorstellen, was ermutigend für den weiteren Lern- und Arbeitsprozess ist. Die bei Storyline-Projekten praktizierte Gruppenarbeit, Fehlertoleranz, Mitsprache und die Bereitstellung von Lernhilfen (z. B. wordbanks, Wörterbücher) können aus meiner 221 4.5 Der Storyline Approach und motivierendes Lernen 101 Vgl. dazu auch Bell (2001). 102 Die Lernenden sollten aus 11 vorgegebenen Elementen (z. B. Rollenspiel, auf Englisch schreiben, Englisch sprechen, ohne Schulbuch arbeiten) eine Auswahl treffen: “Underline the 5 you liked best“ (Ahlquist 2013, 69). 103 Rhonda Mitchell-Barrett (2010) hat in einer englischen Grundschulklasse am Beispiel von Storyline das Ausmaß an intrinsischer Motivation (allerdings im muttersprachlichen Unterricht) untersucht. Fazit: “The opportunity for autonomy, interest and enjoyment in turn enhance intrinsic motivation“ (Ebd., 175). Sicht auch dazu beitragen, die Sprachangst (vgl. Kapitel 4.3.2.1) zu reduzieren. Ferner können die Lernenden vielfältige Talente und Stärken einbringen, und somit - auch wenn sie vielleicht kognitive oder sprachliche Schwächen aufweisen - ein positives soziales Image aufbauen. Aus meiner Sicht vermittelt Storyline Lernenden vielfältige persönliche Highlights und trägt so dazu bei, das Selbstbewusstsein und Selbstver‐ trauen zu stärken. 101 Ob und inwiefern dies auch für das fremdsprachliche Klassen‐ zimmer und verschiedene Altersgruppen zutrifft, möchte ich in meinen Fallstudien untersuchen (vgl. Teil B). 8. Kooperation fördern: Kooperative Lernumgebungen haben in vielerlei Hinsicht einen positiven Einfluss auf Motivation und Lernerfolg (vgl. Kapitel 4.4.9). Deshalb spielt kooperatives Lernen und Arbeiten bei Storyline eine entscheidende Rolle (vgl. Kapitel 2.3.3.5). Das gemeinsame Ziel, nämlich das collaborative storymaking, fördert Gemeinschaftsgefühl, Anstrengung und Engagement. Die Gruppe bietet einen Schonraum zum entspannten Experimentieren und fördert zugleich die Autonomie der Lernenden. Jede Person ist wichtig und leistet auf die eine oder andere Art einen Beitrag zum Gelingen des Projekts. Bei Storyline werden die Abläufe regelmäßig reflektiert, Gruppenregeln aufgestellt und teamleaders (oder verschiedene manag‐ ers) gewählt, um die Zusammenarbeit zu erleichtern. Ob und inwiefern Gruppenar‐ beit auch bei fremdsprachlichen Storyline-Projekten gelingen kann, sollen meine Fallstudien zeigen. Zwar hat Sharon Ahlquist (2011; 2013) in ihrer Untersuchung mit einer schwedischen Grundschulklasse 5/ 6 herausgefunden, dass Gruppenarbeit 102 (nach Basteln) als besonders motivierend empfunden wurde, es stellt sich jedoch die Frage, ob dies als punktuelles, klassenspezifisches Ergebnis zu betrachten ist oder auch für andere Altersgruppen, Lernkontexte und Storyline-Typen gilt. 9. Selbstbestimmtes Lernen fördern: Eigenverantwortliches Lernen hat einen po‐ sitiven Einfluss auf Ausdauer, Selbstwahrnehmung und Engagement. Laut Deci/ Ryan (1985; 2000) sind Autonomie, Kompetenzerleben und soziale Eingebundenheit drei wichtige Grundbedürfnisse für die Entwicklung von Interesse und selbstbe‐ stimmter Motivation (vgl. Kapitel 4.4.10). Aus meiner Sicht werden alle drei Bedürf‐ nisse bei Storyline erfüllt, um selbstbestimmtes Lernen und somit intrinsische Mo‐ tivation zu fördern. 103 In Storyline-Projekten haben die Lernenden in vielerlei Hinsicht die Gelegenheit zur Mitsprache und Einflussnahme: Ziele werden möglichst gemeinsam verhandelt; key questions und incidents sind ergebnisoffen und bieten somit Handlungsspielräume; die Bearbeitung, Aufteilung und Präsentation der Aufgaben werden im Team aus‐ gehandelt; Verhaltensregeln für die gewinnbringende Arbeit werden im Plenum ge‐ 222 4 Grundlagen eines motivierenden Unterrichts sammelt; in den Reflexionsphasen evaluieren die Lernenden ihre Arbeit und Lern‐ prozesse. Die vielfältigen und komplexen Aufgaben ermöglichen, dass verschiedene Kompetenzen und multiple Intelligenzen berücksichtigt werden (ganzheitliches Lernen). Durch die diversen Differenzierungsmöglichkeiten werden Lernende zwar gefordert, aber nicht unter- oder überfordert. Gruppenarbeit sorgt für die soziale Eingebundenheit der Lernenden und eine entspannte Lernumgebung. Bei Storyline lernen die Lernenden, ihre Arbeit zu organisieren, sich selbst zu moti‐ vieren und Verantwortung für ihr eigenes Lernen zu übernehmen. Dies sind wichtige Voraussetzungen für das lebenslange Lernen. Ob und inwiefern sie auch bei fremdsprachlichen Storyline-Projekten - und zwar in verschiedenen Klassenstufen - erzielt werden können, ist eine meiner Fragen im Rahmen der Fallstudien 1-6. 10. Strategien zur Selbstmotivation vermitteln: Strategien zur Selbstregulation sind im Hinblick auf autonomes und lebenslanges Lernen ein zentrales Hilfsmittel, um die eigene Motivation selbstständig aufrechtzuerhalten (vgl. Kapitel 4.4.11). Der Storyline Approach vermittelt zwar keine expliziten Selbstmotivationsstrategien, trägt aber dazu bei, dass sich Lernende selbst und gegenseitig motivieren (z. B. durch positive Erwartungen, spielerische Elemente, positive Emotionen). Ein konkreter Beweis soll im Rahmen meiner Fallstudien erbracht werden (vgl. Teil B). 11. Konstruktive Attributionen fördern: Um Motivations- und Leistungsstörungen zu reduzieren, sollten Schülerinnen und Schüler dafür sensibilisiert werden, dass nicht allein ihre Fähigkeit und Begabung, sondern insbesondere auch ihre persön‐ liche Anstrengung in hohem Maße über Erfolg oder Misserfolg beim (Fremdspra‐ chen-)Lernen entscheidet (vgl. Kapitel 4.4.12). Im Rahmen von Storyline-Projekten sind alle aktiv involviert, und die Lernenden können am eigenen Leib erfahren, dass sich Anstrengung und Fleiß (z. B. Wörter nachschlagen, Präsentation zu Hause üben) tatsächlich lohnen und zu beeindruckenden Ergebnissen führen, die meist durch positive Rückmeldungen aus der Lerngruppe bestätigt werden. Inwiefern sich diese Erfahrungen auf die Motivation von Fremdsprachenlernenden auswirken, sollen meine Untersuchungen zeigen (vgl. Teil B). 12. Motivationales Feedback geben und Zufriedenheit erhöhen: Konstruktive Rückmeldungen haben einen entscheidenden Einfluss auf Attributionen, Selbst‐ wertgefühl und Zielsetzungen der Lernenden und tragen somit in hohem Maße zur Optimierung der Lernprozesse bei (vgl. Kapitel 4.4.13). Im Rahmen von Story‐ line-Projekten erhalten Lernende bei der Aufgabenbearbeitung, bei den Präsentati‐ onen sowie im Verlauf der Reflexionen vielfältige positive Rückmeldungen, aber mitunter auch Kritik, wenn eine Skizze ungenau, ein Text nicht verständlich oder der Arbeitsaufwand nicht angemessen ist. Lob und Kritik erfolgen bei der Story‐ line-Arbeit - wie von Dörnyei (2001a, 124 f.) vorgeschlagen - regelmäßig, zeitnah, konstruktiv und beziehen sich auf verschiedene Aspekte des Lernens (z. B. auf Lern‐ inhalt, Gruppenarbeit, Lernstrategie). Ferner empfiehlt Dörnyei (Ebd., 126 f.) ganz im Sinne des Storyline Approach, Fortschritte sichtbar zu machen und zu feiern, Aufgaben mit „Außenwirkung“ einzubeziehen, Höhepunkte einzubauen oder auch kleine Belohnungen zu verteilen, um die Zufriedenheit der Lernenden zu erhöhen. Bei Storyline erfolgen Rückmeldungen nicht nur von der Lehrkraft, sondern (oft 223 4.5 Der Storyline Approach und motivierendes Lernen spontan) auch von der Klasse. Des Weiteren werden alle Lernprodukte klassenöf‐ fentlich gemacht. Ferner endet jede Storyline mit einem Höhepunkt (z. B. Feier, Be‐ such, Ausflug). Wie dies von den Lernenden eingeschätzt wird, sollen meine Fall‐ studien zeigen. Fazit: Meine Ausführungen haben gezeigt, dass der Storyline Approach viele Möglichkeiten und Gelegenheiten bietet, um das schulische Lernen motivierend und somit nachhaltig zu machen. Wenn Lehrkräfte behaupten: “The children are very enthusiastic about what they are doing“ (Omand 2014, 41), oder: “It has given me back the joy of teaching“ (Ebd.), dann bekommt Unterricht zweifelsohne eine ganz andere Qualität. Da es jedoch bisher kaum Belege dafür gibt, ob dies auch für das fremdsprachliche Klassenzimmer gilt, und wenn ja, für welche Altersgruppen, möchte ich dieser Frage im Rahmen meiner Fallstudien in Teil B nachgehen. 4.6 Zusammenfassung und Fazit You can lead a horse to water but you can’t make it drink (Sprichwort) Wie die obigen Ausführungen gezeigt haben, unterscheidet sich die fremdsprachenspezi‐ fische Motivationsforschung auf Grund ihres spezifischen Sachverhalts von der allge‐ meinen Motivationspsychologie und -forschung in vielerlei Hinsicht und hat sich traditi‐ onell eigenständig entwickelt. Allerdings herrscht auch innerhalb der Spracherwerbs- und Motivationsforschung keineswegs Einigkeit: “The study of SLA - including L2 motivation research - has been characterized by a ‘schizophrenic’ situation whereby research ap‐ proaches have been framed through polarizing dichotomies such as positivist-interpretive, quantitative-qualitative, or cognitive-sociocultural, and scholars have by and large occu‐ pied ‘two parallel SLA worlds’“ (Ushioda/ Dörnyei 2012, 405). Insbesondere Gardner und Lambert, auserkorene Pioniere der Motivationsforschung im Bereich des Zweitsprachenlernens, haben über mehrere Jahrzehnte hinweg viele wichtige und zukunftsweisende Erkenntnisse geliefert, nämlich dass das erfolgreiche Erlernen einer Sprache nicht allein von Begabung und Fähigkeiten, sondern in erheblichem Maße auch von der Motivation abhängt! Gardners sozial-psychologische bzw. sozial-edukative Moti‐ vationstheorie beherrschte jahrelang das Feld - nicht ohne Kritik. In den vergangenen Jahren hat sich jedoch nicht nur das Zweit- und Fremdsprachenlernen (z. B. Englisch als Weltsprache und lingua franca) erheblich verändert und sich auf die Motivation zum bzw. beim Sprachenlernen ausgewirkt, sondern es wurden auch wichtige Erkenntnisse aus der allgemeinen Motivationsforschung und Psychologie (z. B. Kausalattributionen, Zielorien‐ tierung, Zielsetzung, Selbstregulierung usw.) zunehmend mehr in die fremdsprachenspe‐ zifische Theoriebildung einbezogen und haben somit zu einer Reihe verschiedener Modelle geführt. Dörnyei/ Ushioda (2011) unterscheiden vier Phasen in der sprachenspezifischen Motiva‐ tionsforschung: die sozial-psychologische, kognitiv-situierte, prozessorientierte und die (aktuelle) sozio-dynamische Periode, welche Motivation nicht mehr in kleinstmögliche Variablen (individual differences) aufzuschlüsseln versucht und mit quantitativen Methoden 224 4 Grundlagen eines motivierenden Unterrichts 104 Vgl. dazu z. B. Dörnyei (2001a; 2001b), Dörnyei/ Ushioda (2011) oder Hadfield/ Dörnyei (2013). erforscht wie Gardners (1985) AMTB, sondern neben dem Individuum (self) auch den Kon‐ text und Zeitfaktor, also interne und externe Prozesse, viel stärker berücksichtigt. Erkannt wurde auch, dass es einen erheblichen Unterschied macht, ob eine Zweitsprache in einem bilingualen bzw. bikulturellen Kontext (z. B. Kanada) oder ob eine Fremdsprache im schuli‐ schen Kontext gelernt wird, denn die Motive und Motivation sind keineswegs vergleichbar. Auch muss berücksichtigt werden, dass language learners in der Schule noch ganz anderen motivationalen Einflüssen unterliegen, wie dies auch von Gardner (2010) richtig erkannt wurde. Ushioda (2009) fordert, Kinder und Jugendliche als “real persons“ (Ebd., 220) zu betrachten und sie nicht auf einzelne Lernervariablen zu reduzieren. Dies entspricht ganz den Prinzipien des Storyline Approach. Auf Grund der Erkenntnis, dass lineare Modelle oder einfache Ursache-Wirkung-Ansätze zu kurz greifen, da sie die Dynamik und Komplexität von motivationalen Prozessen nicht abbilden, versucht man heute, fremdsprachenbezogene Motivation verstärkt auf der Basis von komplexen dynamischen Systemen zu analysieren. Interessanterweise werden also systemische Ansätze und Erkenntnisse aus dem letzten Jahrhundert wieder aufgegriffen und neu bewertet (vgl. Kapitel 3). Auch wird Motivation nicht mehr isoliert, sondern ganz‐ heitlicher betrachtet - Dörnyei und Ushioda (2011) greifen auf Platon zurück und resü‐ mieren: Traditionally, we have tried to break down motivation to the smallest possible constituents, hoping that these motives would be ‘pure’ components that can then serve as common denominators for all motivational phenomena. (...) this approach - which was the heart of the ‘individual differences paradigm’ - has by and large failed, because the dynamic complexity and interference of mental processes and attributes do not allow us to meaningfully distinguish more than three main di‐ mensions: motivation, cognition and affect. We believe that all the learner attributes discussed in the literature form different conglomerates made up of these three constituents of the ‘trilogy of the mind’ (Ebd., 98). Erst allmählich werden Emotionen in der Sprachlehr- und -lernforschung überhaupt be‐ rücksichtigt, allerdings werden sie meines Erachtens in Schule und Hochschule noch immer häufig unterbewertet, obwohl sie Motivation und Leistung erheblich beeinflussen. Zu Recht stellen Williams und Burden (1997) fest: “There are a multitude of reasons why learners may well be highly motivated to begin learning a foreign language, but it is quite another matter to sustain that motivation“ (Ebd., 141). Dieses Problem ist nicht nur aus dem Unterrichtsalltag bekannt, sondern wurde auch in diversen Studien auf internationaler Ebene belegt: Motivation ist kein „Selbstläufer“ (Düwell 2002, 168)! Während die einen so genannte Motivationsstrategien als unnütz ablehnen (z. B. Gardner), suchen andere (z. B. Dörnyei) 104 nach Mitteln und Wegen, um Lernende anhaltend für das Fremdsprachenlernen zu motivieren. Interessanterweise stimmen viele der Anregungen auch mit den Prinzipien aus konstruktivistischen Ansätzen überein (vgl. Kapitel 3.4), und wie sich in Kapitel 2 ge‐ zeigt hat, werden viele davon bei Storyline integrativ umgesetzt. Grundsätzlich ist die Aufrechterhaltung von Motivation laut Ushioda (2008) jedoch von zwei entscheidenden Bedingungen abhängig: 225 4.6 Zusammenfassung und Fazit 105 Vgl. dazu auch Dörnyei (2001b; 2007), Dörnyei/ Ushioda (2011) und Ushioda/ Dörnyei (2012). First, motivation must emanate from the learner, rather than be externally regulated by the teacher; second, learners must see themselves as agents of the processes that shape their motivation. After all, as long as motivation is externally regulated and controlled by the teacher, learners cannot be expected to develop skills in regulating their own motivation on which good language learning depends (Ebd., 30). Ob und inwiefern Storyline diese Bedingungen erfüllt und somit auch zum lebenslangen Lernen beitragen kann, wird sich im Rahmen meiner Fallstudien erweisen (vgl. Teil B). In den letzten Jahren haben Dörnyei und Ushioda die fremdsprachenbezogene Motiva‐ tionsforschung durch zahlreiche Forschungsarbeiten und Publikationen auf internationaler Ebene stark vorangetrieben, auch wenn die Erkenntnisse auf Grund des jeweiligen Kontexts nicht immer verallgemeinerbar sind. Hervorzuheben ist zudem, dass die Teams um Dörnyei im gleichen Zug auch um die Weiterentwicklung der Forschungsmethoden bemüht sind: As an abstract, multifaceted construct subject to various internal, contextual and temporal pro‐ cesses, motivation is notoriously difficult to measure in an objective way. It is not directly observ‐ able, since observable behaviors (e.g., how many times students bid for turns in class) may well reflect a variety of underlying motivational factors (e.g., interest in learning, or a desire to display knowledge, outperform others, please the teacher, seek attention or praise) (Ushioda/ Dörnyei 2012, 401). Während in der Vergangenheit traditionell quantitative Verfahren und standardisierte Tests zum Einsatz kamen, setzen sich heute - unterstützt von Dörnyei 105 - zunehmend mehr qualitative Methoden oder Mehr-Methoden-Ansätze durch, um fremdsprachliches Lern‐ verhalten in all seiner Komplexität und Dynamik erforschen und erklären zu können: “The dynamic systems approach predicts that no behavioural phenomenon has a single expla‐ nation (...). Thus, all we need to do is ask the right questions! “ (Dörnyei/ Ushioda 2011, 98 f.). Gute key questions spielen auch bei Storyline eine ganz entscheidende Rolle ... 226 4 Grundlagen eines motivierenden Unterrichts Teil B: Empirische Studie 5 Erkenntnisinteresse und Untersuchungsdesign 5.1 Einleitung The proof of the pudding is in the eating (Englisches Sprichwort) In den ersten Kapiteln dieser Arbeit wurde mehrfach auf die in diversen Studien erfasste nachlassende Bildungsmotivation der heutigen Schülerinnen und Schüler hingewiesen, die konträr zu der erwünschten und zugleich dringend erforderlichen Bereitschaft zum le‐ benslangen Lernen steht. Es wurden verschiedene Gründe für diese Haltung aufgeführt, die sowohl in den Lebensbedingungen der Lernenden als auch im Schulsystem zu finden sind. Der Storyline Approach kann möglicherweise als Hilfe gesehen werden, um instituti‐ onalisiertes Lernen - gerade auch in heterogenen Lerngruppen - motivierend, effizient und nachhaltig zu gestalten. Zur Bestätigung meiner These wurden bereits diverse Story‐ line-Lernkontexte auf internationaler Ebene dargestellt und erläutert. Es stellt sich dabei jedoch die Frage, ob die zahlreichen Erfolgsmeldungen zum Einsatz von Storyline-Projekten auch auf den Fremdsprachenunterricht (insbesondere) in Deutschland übertragbar sind. Dass eine entspannte Lernatmosphäre für erfolgreiches (Fremdsprachen-)Lernen be‐ deutsam ist, gehört zum Erfahrungswissen von vielen Lernenden und Lehrenden und wird in der fachdidaktischen Diskussion bekanntlich seit Jahrzehnten thematisiert und geradezu gepredigt. Allerdings wird diese Ansicht nun auch durch die neuere neurobiologische For‐ schung bekräftigt und erhält somit einen höheren Stellenwert: Emotionale Erregungszustände wirken sich stark förderlich oder hinderlich auf Lernprozesse aus. In Angstsituationen verschlechtern Stresshormone die Leistung vieler neuronaler Funktionen, wohingegen positive Gefühle diese begünstigen. Besonders in heterogenen Lerngruppen ist ein von gegenseitiger Achtung, Anerkennung und Wertschätzung getragenes Klima eine Grundvor‐ aussetzung des Arbeitens (Haß 2008, 7). Was bedeutet diese allgemeine Aussage konkret für den (fremdsprachlichen) Unterrichts‐ alltag? Die Sprachwissenschaftlerinnen Lightbown und Spada (2013) beschreiben ein lern‐ förderliches und motivierendes fremdsprachliches Klassenzimmer als Ort, “that students enjoy coming to because the content is interesting and relevant to their age and level of ability, the learning goals are challenging yet manageable and clear, and the atmosphere is supportive“ (Ebd., 88). Das ideale Klassenzimmer wird weiter charakterisiert als “supportive environment in which students are stimulated, engaged in activities that are appropriate to their age, interests, and cultural backgrounds, and, most importantly, where students can experience success. This in turn can contribute to positive motivation, leading to still greater success“ (Ebd., 204). „Ideale Klassenzimmer“ existieren vermutlich nur wenige, dennoch dienen Ideale be‐ kanntlich als Triebkraft für menschliche Aktivitäten und natürlich auch als Motiv(ation) für Forschungsvorhaben wie das vorliegende, welches nachfolgend vorgestellt und reflek‐ tiert wird. 1 Vgl. dazu die Klassiker von Dörnyei (2001a) oder Reisener (1989). 2 Zu Problemen in der Motivationsforschung vgl. auch Dörnyei/ Ushioda (2011, 197 f.): Motivation ist abstrakt und nicht direkt beobachtbar, Motivation ist ein multidimensionales Konstrukt und Moti‐ vation ist nicht konstant, sondern dynamisch. 5.2 Erkenntnisinteresse und Forschungsfragen 5.2.1 Einleitung Without sufficient motivation, even individuals with the most remarkable abilities cannot accom‐ plish long-term goals (Dörnyei 2001a, Klappentext) Die Lernenden mit ihren ganz individuellen und zum Teil konträren Eigenschaften, Be‐ dürfnissen und Zielen im Fremdsprachenunterricht zu motivieren, stellt für viele Lehrkräfte ein Problem dar: “Thus, for teachers, the distilled research finding that positive attitudes and motivation contribute to successful learning yields little useful insight into their day-to-day problems of how to motivate little Samantha in Class 2B and keep her motivated“ (Ushioda 2008, 30). So genannte Motivationsstrategien 1 gelten als Schlüssel zum Erfolg, und häufig werden in Praxismaterialien „Tipps und Tricks“ aufgeführt, welche die Motivation im Unterricht „garantieren“ sollen. Doch leider fehlen dazu meist konkrete Belege: “The teacher’s use of motivational strategies is generally believed to enhance student motivation, yet the literature has little empirical evidence to support this claim“ (Guilloteaux/ Dörnyei 2008, 55). Zum Thema „Motivation“ wird zwar viel geschrieben, aber bezogen auf den Fremdspra‐ chenunterricht liegen offensichtlich noch immer zu wenige Studien im Sinne von aussa‐ gekräftigen Feldstudien (classroom research) vor, obwohl gerade Lernende und Lehrende hier viel Erhellendes beizutragen hätten: “Despite the growing body of theorizing in the field, actual classroom-based studies of motivational events and processes and of good language learners in this situated framework remain surprisingly few in number“ (Ushioda 2008, 29). Der geäußerte Forschungsbedarf trifft insbesondere auch für Deutschland zu. Es fehlen dabei auch empirische Untersuchungen, in denen anhand von komplexen Aufga‐ benformaten - wie dies beispielsweise bei Storyline-Projekten der Fall ist - nachgewiesen wird, welche konkreten Faktoren die Motivation bei Schülerinnen und Schülern im Rahmen des fremdsprachlichen Lernens tatsächlich erhöhen, und ob bzw. welche ersichtlichen Zu‐ sammenhänge zwischen Motivation und Lernerfolg bestehen. Es liegt auf der Hand, dass stets beide Aspekte - Motivation und Lernerfolg - beleuchtet werden sollten, wenn man zu aussagekräftigen Ergebnissen gelangen möchte, denn eine beobachtete oder geäußerte Freude an der Arbeit sagt noch nicht zwangsläufig etwas darüber aus, ob ein Lernvorgang tatsächlich stattgefunden hat und was überhaupt konkret gelernt wurde. Bei einer empi‐ rischen Studie müssen also beide Variablen - Lernende und Lernen/ Lernerfolg - berück‐ sichtigt werden, auch wenn es grundsätzlich schwierig ist, entsprechende Kausalzusam‐ menhänge zu verifizieren. 2 Dies ist auch mit ein Grund dafür, warum verschiedene Methoden, Daten und Perspektiven herangezogen werden sollten, um zu möglichst validen und reliablen Aussagen zu gelangen (vgl. Kapitel 5.3.6). 230 5 Erkenntnisinteresse und Untersuchungsdesign 3 Müller-Hartmann (2001, 210) definiert explorativ angelegte Studien wie folgt: „Der/ die Forscherin lässt sich von den Beobachtungen im Feld sowie den subjektiven Sichtweisen der Lernenden und Lehrenden im Sinne eines zirkulären, reflektiven und interpretierenden Ansatzes leiten“. 4 Strauss (1998) hat mit Glaser die Analysestrategie Grounded Theory begründet, die in der Tradition des Symbolischen Interaktionismus steht. Sie zielt laut Hildenbrand (2013, 41 f.) darauf ab, „mit einem minimalen Aufwand an Datenerhebung ein Maximum an Datenanalyse und folgender Theoriebil‐ dung zu erreichen. Garanten dafür sind Analyse von Anfang an, Theoretical Sampling und stete Rückkehr zu den Daten“. Corbin, langjährige Mitarbeiterin von Strauss, hat den Ansatz überarbeitet; vgl. Corbin/ Strauss (2008). Die im Mittelpunkt dieser Arbeit stehende empirische Untersuchung beschäftigt sich folglich mit der Frage, inwiefern Storyline-Projekte dazu beitragen können, die Motivation beim bzw. zum Fremdsprachenlernen zu erhöhen, und ob Storyline-Projekte - langfristig gesehen - möglicherweise auch einen Beitrag dazu leisten können, die allgemeine Bil‐ dungsmotivation der Lernenden zu steigern, indem die Heterogenität der Jugendlichen an‐ erkennend berücksichtigt und zugleich gewinnbringend genutzt wird. Eine diesbezüglich positive Antwort könnte letztendlich auch als Beitrag für gerechtere Bildungs- und Le‐ benschancen verstanden werden, und zwar vor der Folie, dass die Lernenden alle ihre ver‐ fügbaren Potenziale einbringen können, um durch vielfältige individuelle Lernprozesse und Lernprodukte eine insgesamt ganzheitlichere Bildung und Erziehung zu erhalten und dabei gleichzeitig zum lebenslangen Lernen in der komplexen Wissensgesellschaft motiviert werden. Auf der Basis der gewonnenen Daten wird dann in einem weiteren Schritt er‐ forscht, wie das relativ komplexe Storyline-Modell in Hochschulseminaren bestmöglich an Studierende „vermittelt“ werden kann, um bei den angehenden Lehrkräften eine nachhal‐ tige berufsbezogene Handlungskompetenz zum positiven Umgang mit heterogenen Lern‐ gruppen zu erzielen. Kurz: Am Beispiel des Storyline Approach wird untersucht, wie Lernumgebungen in Schule und Hochschule gestaltet sein sollten, damit sie motivierend und zugleich lernför‐ derlich sind. Vor diesem Hintergrund kann meine Forschungsarbeit als Beitrag zur Moti‐ vationsforschung und auch zur Aufgabenforschung betrachtet werden. 5.2.2 Forschungsfokus Klassenzimmer Motivation und Lernen sind zwei sehr subjektive Angelegenheiten. Um eine möglichst große Bandbreite an Antworten auf meine Forschungsfragen zu erhalten, werden fünf ver‐ schiedene Storyline-Projekte, die über einen längeren Zeitraum im Englischunterricht mit fünf Realschulklassen, und zwar 5, 6, 7, 9 und 10 durchgeführt wurden, ausgewertet. Dabei werden klassenübergreifende, aber auch klassenspezifische Fragestellungen berücksichtigt, die mit Absicht relativ offen gefasst sind, um in dieser explorativ 3 angelegten Studie zu einer Vielzahl von Erkenntnissen zu gelangen. Anselm Strauss (1998), Mitbegründer der For‐ schungsmethode Grounded Theory 4 , spricht hier von so genannten generativen Fragen, also „Fragen, die bei der Forschungsarbeit sinnvolle Richtungen aufweisen; sie führen zu Hypothesen, nützlichen Vergleichen, zur Erhebung bestimmter Datentypen und sogar dazu, daß der Forscher auf möglicherweise wichtige Probleme aufmerksam wird“ (Ebd., 50). Das Erkenntnisinteresse besteht darin, mittels diverser Fallstudien zu untersuchen, wie sich Motivation und Lernerfolg in den einzelnen Klassen mit ihren jeweils unterschiedli‐ 231 5.2 Erkenntnisinteresse und Forschungsfragen 5 Zur Verallgemeinerbarkeit und Validität von Fallstudien vgl. Dörnyei (2007, 153 ff.) oder Yin (2014, 45 ff.). chen Storyline-Projekten konkret äußern, ob bzw. inwiefern sich die Befunde von Klasse zu Klasse und von Storyline zu Storyline unterscheiden, und ob sich verallgemeinerbare Ten‐ denzen abzeichnen, die eine erste abschließende Theoriebildung ermöglichen. 5 Die beiden folgenden Fragen gelten als zentrale Leitfragen für alle fünf Klassen bzw. alle sechs Studien: • Was motiviert Schülerinnen und Schüler in Storyline-Projekten? • Was lernen Schülerinnen und Schüler in Storyline-Projekten? Erwartet werden Erkenntnisse zu unterschiedlichen Bereichen des Unterrichts: • Inhalt bzw. Thema des jeweiligen Storyline-Projekts: Was gefällt den Ler‐ nenden an der story selbst? Welchen Nutzen ziehen sie daraus (auch im Sinne des Weltwissens)? • Methodik, Vorgehensweise und Unterrichtsorganisation: Wie äußern sich die Lernenden zum Konzept des Unterrichts, also zum Storyline Approach? Was fällt ihnen dabei - eventuell auch im Vergleich zum regulären Unterricht - als besonders motivierend bzw. lernförderlich auf ? • Fremdsprachenbezogene Aspekte und Kompetenzen: Wie begegnen die Ler‐ nenden der Fremdsprache in den Projekten? Wie gehen sie mit sprachlichen Prob‐ lemen oder Fehlern um? Welchen Stellenwert hat die Muttersprache? Welchen Ge‐ winn ziehen die Lernenden aus ihrem Storyline-Projekt in Bezug auf kommunikative Sprachkompetenzen und diverse sprachliche Fertigkeiten (vgl. Kapitel 1.6.2.2)? • Lern- und Arbeitsverhalten: Welche Arbeits- und Lernweisen werden von den Lernenden bei der Aufgabenbearbeitung eingesetzt und möglicherweise bevorzugt? Welche Lernstrategien und Lerntechniken verwenden bzw. lernen sie im Sinne der Methodenkompetenz? Sind Anzeichen autonomen und eigenverantwortlichen Ar‐ beitens erkennbar? • Soziale Interaktionen: Wie stehen die Lernenden zu den verwendeten Sozial‐ formen? Welche sozialen Kompetenzen entwickeln oder optimieren sie? • Affektive und emotionale Aspekte: Was bewegt die Schülerinnen und Schüler? Sind affektive Aspekte bzw. emotionale Äußerungen erkennbar? • Arbeitsmaterialien und Medien: Wie werden die Materialien und Medien ange‐ nommen? Welche Lernerfolge sind im Sinne der Medienkompetenz erkennbar? Mit Sicherheit werden sich die gesammelten Daten nicht immer eindeutig einem einzelnen Bereich zuordnen lassen, so dass es gelegentlich zu Überschneidungen kommen wird, und wie dies bei generativen Fragen üblicherweise der Fall ist, werden zweifelsohne auch Er‐ kenntnisse gewonnen, die sich keinem der genannten Bereiche zuordnen lassen. An dieser Stelle sollte auch darauf hingewiesen werden, dass das Ziel dieser Arbeit nicht darin liegt, anhand spezifischer Texte und fremdkulturbezogener Inhalte explizit der Frage nach der Entwicklung einer interkulturellen kommunikativen Kompetenz nachzugehen. Der For‐ schungsaspekt liegt vielmehr auf dem Storyline-Konzept selbst, zumal die inhaltlichen Schwerpunkte, wie sich oben gezeigt hat, frei und flexibel wählbar sind und sich somit 232 5 Erkenntnisinteresse und Untersuchungsdesign einem spezifischen Ziel anpassen lassen. Dennoch scheint die Frage nach dem Inhalt (der story) einer Storyline wichtig, um zu erfahren, welchen Einfluss das Thema möglicherweise auf die Bewertung des Projekts hat. Die nachfolgenden klassenspezifischen Fragen gelten als zusätzliche Sekundärfragen, die aber unter Umständen Aufschluss über wichtige Details geben können: • Klasse 5: Inwiefern ist es möglich, gezielt Sprache zu vermitteln (Grammatik/ Wort‐ schatz), ohne die Handlung, also die story line, aus den Augen zu verlieren? Kann die Motivation trotz intensivem Sprachinput aufrechterhalten werden? Wie be‐ werten die Lernenden - im Vergleich zu Klasse 9 und 10 - das Aufhängen der Lern‐ ergebnisse am Fries? • Klasse 6: Was gefällt den Lernenden am normalen Unterricht möglicherweise besser? • Klasse 7: Wie beurteilen die Lernenden die beiden durchgeführten Storyline-Pro‐ jekte im Vergleich? Sind Veränderungen hinsichtlich des Ablaufs bzw. Arbeitsver‐ haltens erkennbar? • Klasse 9 und 10: Sind bei der parallelen Durchführung desselben Projekts in zwei Klassenstufen Unterschiede erkennbar? Wie beurteilen die (älteren) Lernenden den Fries? 5.2.3 Forschungsfokus Hochschuldidaktik Wenn didaktische Konzepte wie der Storyline Approach in Pilotprojekten bei Lernenden gut ankommen, dann stellt sich die Frage, wie ein offensichtlich erfolgversprechender, aber komplexer Ansatz vermehrt in die Schulen gelangen kann, und wie Lehrkräfte überzeugt werden können, dass die derzeitigen Schulbücher mit ihren Zusatzmaterialien zwar immer besser werden, aber trotzdem ein Massenprodukt bleiben, das Lernenden nicht genügend Raum für individuelle Bedürfnisse, Erfahrungen und Fragestellungen lässt (vgl. Kapitel 1.5). In meinem Fall entstand der naheliegende Wunsch, mein Wissen und meine Erfahrungen in Bezug auf den Storyline Approach an Lehramtsstudierende des Faches Englisch an der Pädagogischen Hochschule Freiburg weiterzugeben. Aber wie? Und vor allem wie gegen das bekannte Problem der Resistenz gegenüber Unbekanntem angehen: “Teachers tend to teach the way they are taught - and not the way they are taught to teach“ (Gaderer 1984, 171)? Wie also kann realisiert werden, dass die Studierenden das Storyline-Modell in seiner Gesamtheit kennenlernen, verstehen und kritisch bewerten, aber vor allem in der Praxis auch selbst anwenden können? Es bietet sich an, sich hier am Storyline Approach zu orien‐ tieren, und zwar nicht nur als Seminarinhalt, sondern auch als Lehr-Lern-Verfahren. Dabei stellen sich folgende Forschungsfragen, die sich ebenfalls auf die beiden Schwerpunkte „Motivation“ und „Lernerfolg“ beziehen. Die erste und grundlegende Leitfrage lautet: • Wie kann bei Lehramtsstudierenden - am Beispiel eines Seminars zum Storyline Approach - eine nachhaltige berufsbezogene Handlungskompetenz erzielt werden, und zwar vor allem im Hinblick auf den positiven Umgang mit heterogenen Lern‐ gruppen? Sprich: Wie lässt sich eine Transformation vom explainer zum enabler anbahnen (Scrivener 2011, 17 ff.)? 233 5.2 Erkenntnisinteresse und Forschungsfragen 6 Vgl. dazu u. a. Dörnyei (2007), der beide Forschungsrichtungen erläutert und gegeneinander abwägt. 7 Vgl. dazu auch Dörnyei (2007, 37 ff.) zu charakteristischen Merkmalen der qualitativen Forschung: Flexibles und emergentes Forschungsdesign, Vielzahl von möglichen Datenquellen, Datenerfassung im Feld, „Insider-Perspektive“, geringe Anzahl von Beforschten, Forscherperspektive und subjektive Interpretation der Daten. Auf einer zweiten Ebene ergeben sich einzelne Forschungsschwerpunkte und -fragen: • Wie kann für eine heterogene Gruppe, die den Storyline Approach noch nicht kennt, eine motivierende und lernförderliche Seminaratmosphäre geschaffen werden? • Wie können Studierende - auch nachhaltig - für Storyline begeistert werden? Welche Aspekte bzw. Seminarelemente kommen im Sinne der Motivation gut an? • Wie muss ein Seminar gestaltet sein, damit die Studierenden einen multifunktio‐ nalen Lerngewinn davontragen? Welche konkreten Einsichten und neuen Kompe‐ tenzen entwickeln Lehramtsstudierende im Rahmen des Seminars? • Wie können Studierende zur kritischen Reflexion und zum forschenden Fragen in‐ nerhalb des Seminars angeregt werden? Welche Themen sind dabei relevant für sie? • Wie können Theorie und Praxis gewinnbringend verbunden werden? • Wie muss ein Seminar gestaltet sein, dass Studierende tatsächlich auch eigene Story‐ line-Projekte für die individuellen Bedürfnisse vor Ort entwickeln und schließlich durchführen möchten/ können (Lerntransfer)? • Wie beurteilen die Studierenden das Seminarkonzept - auch hinsichtlich der Rele‐ vanz für ihre Ausbildung als zukünftige (Fremdsprachen-)Lehrkräfte? 5.3 Untersuchungsdesign und Datengewinnung 5.3.1 Einleitung Es sind die Phantasten, die die Welt in Atem halten, nicht die Erbsenzähler (Anonym) Quantitative und qualitative Forschungsmethoden haben jeweils ihre individuellen Stärken und Schwächen: 6 Während die Ergebnisse bei quantitativen Studien durch entsprechend vorgefertigte Fragen quasi schon in Vorausschau antizipiert werden können, ist das Ziel der qualitativen Forschung weniger, „Bekanntes (etwa bereits vorab formulierte Theorien) zu überprüfen, als Neues zu entdecken und empirisch begründete Theorien zu entwickeln“ (Flick 2012, 27). Qualitative Forschung wird der Differenziertheit des Alltags, und somit auch der Komplexität des Forschungsfelds, durch ihre anderen Leitgedanken und ihre ins‐ gesamt offeneren Methoden häufig sehr viel mehr gerecht als quantitative Verfahren. Ihre wesentlichen Kennzeichen sind: „Die Gegenstandsangemessenheit von Methoden und Theorien, die Berücksichtigung und Analyse unterschiedlicher Perspektiven sowie der Re‐ flexion des Forschers über die Forschung als Teil der Erkenntnis“ (Ebd., 26). 7 Laut Steinke (2013) hängt die Etablierung der qualitativen Forschung entscheidend von angemessenen Kriterien ab. Sie verweist auf die höchst heterogene Literatur zu Qualitäts‐ kriterien qualitativer Forschung und formuliert folgende Gütekriterien: Intersubjektive Nachvollziehbarkeit, Indikation des Forschungsprozesses, empirische Verankerung, Limi‐ 234 5 Erkenntnisinteresse und Untersuchungsdesign 8 Zur Entwicklungsgeschichte der qualitativen Forschung vgl. Dörnyei (2007, 35 ff.) oder Flick (2012, 30 ff.). 9 Eckerth (2008, 28 f.) erläutert an einem Beispiel, dass es sich bei einer Schülerfrage nicht um ein Verständnisproblem (“clarification request“) handelt, sondern um eine Diskursstrategie (“conversa‐ tional lubricator“). 10 Zur Darstellung und Bewertung des Mehr-Methoden-Ansatzes vgl. Dörnyei (2007, 42 ff.). tation, Kohärenz, Relevanz, reflektierte Subjektivität (Ebd., 323 ff.). Müller-Hartmann/ Scho‐ cker-von Ditfurth (2001, 3 f.) nennen als Qualitätsmerkmale guter qualitativer Forschung folgende Punkte: Anwendungs- und Entwicklungsorientierung, Teilnehmerorientierung, Gegenstandsbegründetheit, Prozessorientierung und Reflexivität sowie Transparenz; fer‐ ner anerkennt sie die Grenzen des menschlichen Erkenntnisgewinns und „ermittelt kollek‐ tive, gemeinsam geteilte wie auch je nach Perspektive und Entwicklungsstand divergierende Sinnstrukturen“ (Ebd., 4). Obwohl seit etwa einem Jahrhundert qualitative Verfahren in den Sozialwissenschaften und der Psychologie existieren 8 , werden qualitative Forschungsmethoden im Bereich des Fremdsprachenlernens erst seit Mitte der 1990er Jahre vermehrt eingesetzt bzw. entspre‐ chend gewürdigt: “This is related to the growing recognition that almost every aspect of language acquisition and use is determined or significantly shaped by social, cultural, and situational factors, and qualitative research is ideal for providing insights into such con‐ textual conditions and influences“ (Dörnyei 2007, 36). Auf der anderen Seite wird von Eckerth (2003, 38) oder auch Wendt (2002, 43) beklagt, dass die Methodik in der Fremd‐ sprachenforschung noch immer stark vom Informationsverarbeitungsparadigma geprägt ist: Auf einen bestimmten Input erwartet man einen entsprechenden Output, der über quantitative Verfahren bestimmt und bewertet wird. Dass dies nicht selten zu Fehlinter‐ pretationen führt, wird oftmals nicht bedacht. 9 Eckerth (2008, 29) fordert deshalb zu Recht - Bezug nehmend auf die Aufgabenforschung - einen stärkeren Einbezug der Lernerper‐ spektive. Er plädiert dabei für eine prozess- und produktorientierte Erforschung fremd‐ sprachenerwerbsspezifischer Interaktion: Ein solcher Ansatz versteht sich als lerner- und lernzentriert: Im Mittelpunkt des Forschungsin‐ teresses steht neben dem Lerner mit seinen Wahrnehmungen und dem [sic] von ihm präferierten Lern- und Lösungswegen zugleich ein eventuell hieraus resultierender Lernerfolg. Neben der de‐ taillierten Erfassung, Beschreibung und Auswertung des Lernprozesses darf also auch das hieraus resultierende Lernprodukt nicht vernachlässigt werden (Eckerth 2003, 49). Um die vielfältigen Perspektiven und komplexen Ebenen des Lernens erfassen und inter‐ pretieren zu können, scheint es naheliegend, sich nicht auf eine einzige Methode zu ver‐ steifen, sondern sich verschiedene Zugänge zum Forschungsfeld und Forschungsgegen‐ stand zu verschaffen. Eine vielversprechende Alternative zu den beiden erwähnten Forschungsparadigmen stellt der Mehr-Methoden-Ansatz (mixed methods research) dar, der quantitative und qualitative Verfahren im Sinne der Triangulation bewusst kombiniert, so dass durch die erweiterte und komplementäre Betrachtungsweise die Aussagekraft der Er‐ gebnisse erhöht und zugleich eine profunde Theoriebildung gefördert wird. 10 Allerdings wird auch dieser Ansatz von verschiedenen Seiten kritisiert. Sein Einsatz sollte deshalb laut Dörnyei (2007, 62) stets klar begründet sein, um im Ergebnis nicht als beliebig abgetan zu 235 5.3 Untersuchungsdesign und Datengewinnung werden. Diesem Anspruch werde ich versuchen nachzukommen, wobei sich meine Unter‐ suchungen im Kern an der qualitativen Forschung orientieren und sich somit vorrangig auf qualitative Verfahren stützen. 5.3.2 Das Untersuchungsdesign in schematischer Darstellung Die insgesamt neun empirischen Fallstudien an den diversen Schulen (sechs Studien) und an der Hochschule (drei Studien) verliefen nicht immer identisch, sondern wurden - je nach Bedarf und Zeitbudget der Beteiligten - zum Teil variiert. Grundsätzlich bauten sie jedoch alle auf einem ähnlichen Schema auf, wobei zwischen Schule und Hochschule unter‐ schieden werden muss, da die Untersuchungen jeweils andere Schwerpunkte hatten. Zur Orientierung werden die beiden Konzepte mit ihren jeweiligen Kernpunkten vorab als Schema dargestellt, bevor nachfolgend im Einzelnen darauf eingegangen wird. Stufe 1: Konzeption eines Storyline-Projekts durch die Forscherin; → Projektentwurf mit Material und Erläuterungen für die Lehrkraft; Stufe 2: Gespräch/ offenes Interview bzw. schriftliches Interview über Vorerfahrungen mit dem Storyline-Modell zwischen Forscherin und Lehrkraft; → Aufzeichnung, Analyse und Interpretation im Forschungstagebuch; Stufe 3: Projektplanung durch Forscherin und Lehrkraft; → Unterrichtsplanung der Lehrkraft (und Forscherin); Aufzeichnung, Analyse und Interpretation im Forschungstagebuch; Stufe 4: Unterricht (meist als Doppelstunde); → Aufzeichnung, Analyse und Interpretation im Forschungstagebuch; Lernpro‐ dukte am Fries; z.T. kurze Gespräche der Forscherin mit einzelnen Lernenden; z.T. Klassengespräche der Lehrkraft mit Lernenden zum Projektablauf (Evaluation); z.T. Video- und Audioaufnahmen; Fotos; Stufe 5: Reflexion der Lehrkraft nach dem Unterricht in Form eines Gesprächs/ offenen Interviews mit der Forscherin bzw. eines offenen, schriftlichen Interviews oder Er‐ fahrungsberichts; → Aufzeichnung, Analyse und Interpretation im Forschungstagebuch; Wiederho‐ lung von Stufe 3-5 Unterrichtsplanung - Unterrichtsdurchführung - Reflexion Stufe 6: Reflexion der Lernenden und Projektevaluation in Form eines Fragebogens; → Analyse und Interpretation der Befunde; Stufe 7: Gespräch/ offenes Interview der Forscherin mit der Lehrkraft bezüglich der Be‐ funde aus den Fragebögen; → Aufzeichnung, Analyse und Interpretation im Forschungstagebuch; Stufe 8: Klassengespräch der Lehrkraft mit den Lernenden zum Projektverlauf (Evaluation) und z.T. Rückfragen zu den Befunden aus den Fragebögen; → Aufzeichnung, Analyse und Interpretation im Forschungstagebuch; Stufe 9: Abschlussgespräch/ offenes Interview der Forscherin mit der Lehrkraft bzw. of‐ fenes, schriftliches Interview oder schriftlicher Erfahrungsbericht; → Aufzeichnung, Analyse und Interpretation im Forschungstagebuch; Stufe 10: Auswertung des gesamten Datenmaterials eines Storyline-Projekts; 236 5 Erkenntnisinteresse und Untersuchungsdesign Vergleich mit den Befunden aus anderen Storyline-Projekten; Tab. 5: Forschungsablauf und Datenerhebung am Beispiel eines Storyline-Projekts in einer Schul‐ klasse Stufe 1: Konzeption des Hauptseminars durch die Seminarleiterin, die zugleich For‐ scherin ist; → Information an Studierende im Kommentierten Vorlesungsverzeichnis; Stufe 2: Vortreffen mit den Studierenden: Gespräch über Kursorganisation; Austeilen eines Readers zur Kursvorbereitung; → Aufzeichnung, Analyse und Interpretation im Forschungstagebuch; Stufe 3: Durchführung des Kompakthauptseminars (4 Tage); → Aufzeichnung im Forschungstagebuch; Lernprodukte am Fries; z.T. kurze Ge‐ spräche mit einzelnen Studierenden und/ oder Gespräch mit der gesamten Seminar‐ gruppe zum Ablauf bzw. Inhalt des Kurses (Evaluation); Fotos; Stufe 4: Reflexion der Forscherin/ Seminarleiterin nach dem jeweiligen Unterrichtstag; → Aufzeichnung, Analyse und Interpretation im Forschungstagebuch; Stufe 5: Reflexion der Studierenden und Seminarevaluation in Form eines Evaluati‐ onsbogens; → Analyse und Interpretation der Befunde; Stufe 6: Abschlussgespräch/ offenes Interview mit den Studierenden zum Seminarverlauf (Evaluation) und z.T. Rückfragen zu den Befunden aus den Evaluationsbögen; → Aufzeichnung, Analyse und Interpretation im Forschungstagebuch; Stufe 7: Seminararbeiten und schriftliche Reflexionen der Studierenden; → Analyse und Interpretation der eingereichten Unterlagen; Aufzeichnung der Be‐ funde im Forschungstagebuch; Stufe 8: Nachtreffen mit den Studierenden: Gespräch/ offenes Interview über zwischen‐ zeitliche Erfahrungen mit Storyline; z.T. Austausch von Unterlagen; ggf. weitere Kontakte; → Aufzeichnung, Analyse und Interpretation im Forschungstagebuch; Stufe 9: Auswertung des gesamten Datenmaterials eines Hauptseminars; Vergleich mit den Befunden aus anderen Storyline-Hauptseminaren; Tab. 6: Forschungsablauf und Datenerhebung am Beispiel eines Hauptseminars zum Storyline Ap‐ proach Die Details zu den Studien sowie eventuelle Abweichungen vom ursprünglich konzipierten Untersuchungsdesign werden in den einzelnen Fallbeschreibungen noch erläutert. 237 5.3 Untersuchungsdesign und Datengewinnung 11 Das von Anselm Strauss als theoretical sampling bezeichnete Verfahren wird von der sich nach und nach entwickelnden Theorie gesteuert. Über den Weg des Kontrastierens werden mit Hilfe von geeigneten Beispielen die bisherigen Schlussfolgerungen schrittweise überprüft (Hildenbrand 2013, 36). Vgl. auch Corbin/ Strauss (2008, 143): “A method of data collection based on concepts/ themes derived from data. The purpose of theoretical sampling is to collect data from places, people, and events that will maximize opportunities to develop concepts in terms of their properties and dimensions, uncover variations, and identify relationships between concepts“. 12 Vgl. dazu auch Dörnyei (2007, 126): “Sampling should be a flexible, ongoing, evolving process of selecting successive respondents or sites, directed by our earlier discoveries so that the emerging ideas and theoretical concepts can be tested and further refined“. 13 Vgl. dazu Schön (1983; 1987) oder Scrivener (2011, 19 ff.). Für eine Abbildung des zirkulären Modells vgl. Flick (2012, 128). 14 Zum damaligen Zeitpunkt wurden in Baden-Württemberg, wo die Untersuchungen stattfanden, Fremdsprachen nur punktuell an Grundschulen unterrichtet, und zwar meist im Rahmen von Pro‐ jekten (z. B. „Lerne die Sprache des Nachbarn“). Somit befand sich die untersuchte 5. Klasse in ihrem 1. Lernjahr (Englisch). In der Rheinschiene wird heute in den Grundschulen Französisch, in den weiterführenden Schulen (ab Klasse 5) Englisch unterrichtet. Die aufgeführten Studien haben somit noch immer eine hohe Relevanz und Validität. 5.3.3 Die Genese des theoretischen Sampling  11 Die Entwicklung des Untersuchungsdesigns erfolgte nicht nach strengen, vorab festge‐ legten Maßstäben, sondern war vielmehr ein längerer Prozess, der geprägt war von den Erfahrungen und Möglichkeiten vor Ort. 12 Bezogen auf die Storyline-Projekte in den Schulen ergaben sich sowohl auf der Mikroals auch auf der Makroebene immer wieder neue Impulse, die wiederum neue Studien initiierten. Aus diesem Grund wurden nach und nach weitere Storyline-Projekte für andere Altersstufen entwickelt, um den Fragestellungen im Feld konkret nachzugehen und - im Sinne des entdeckenden Lernens - neue Erkennt‐ nisse zu gewinnen. Die zirkuläre Verknüpfung verschiedener empirischer Schritte war für meinen Erkenntnisgewinn von ganz besonderer Bedeutung: „Durch die enge Verzahnung von Erhebung und Interpretation und die sich daraus ableitenden Entscheidungen für wei‐ tere Fälle lässt sich der Fallbezug als Grundlage qualitativer Forschung konsequenter rea‐ lisieren als in linearen Designs“ (Flick 2012, 130). Der gesamte Untersuchungsprozess verlief daher eher zyklisch und basierte auf dem Konzept reflective practice  13 : Planung, Durchfüh‐ rung und Reflexion der diversen Unterrichtsprojekte und auch der einzelnen Unterrichts‐ stunden beeinflussten sich gegenseitig (zirkuläres Verfahren), da vor allem die Klassen von den Storyline-Projekten profitieren sollten. Dies bewirkte mitunter auch, dass die Daten‐ erhebung ergänzt oder verändert wurde. Das Sampling war zunächst so angelegt, dass verschiedene Realschulklassen mit jün‐ geren Schülerinnen und Schülern, die aber schon Erfahrungen mit der englischen Sprache haben, gesucht und auf der Basis von zwei verschiedenen Storylines begleitet und verglichen werden sollten. Ausgangspunkt dieser Überlegung war, dass das Storyline-Modell in seiner ursprünglichen Fassung für die Grundschule konzipiert war. Nach den positiven Erfah‐ rungen in Klasse 6 und 7 wurden Storyline-Projekte für höhere Klassen (Klasse 9/ 10) ent‐ wickelt und letztendlich auch für Klasse 5 (Beginn 1. Lernjahr). 14 Von zunehmendem Inte‐ resse war schließlich auch, zu erforschen, ob und gegebenenfalls welche Veränderungen sich ergeben, wenn eine Klasse innerhalb eines Schuljahres zwei Storyline-Projekte durch‐ führt (Klasse 7). Mehr oder weniger zufällig ergab es sich, dass dasselbe Storyline-Projekt 238 5 Erkenntnisinteresse und Untersuchungsdesign 15 „Sättigung heißt, dass keine zusätzlichen Daten mehr gefunden werden können, mit deren Hilfe (...) [man] weitere Eigenschaften der Kategorie entwickeln kann“ (Glaser/ Strauss 2010, 77). Man erreicht sie „durch paralleles Erheben und Analysieren der Daten“ (Ebd.) und die Steigerung der Verschie‐ denheit in den Gruppen. Für weitere Details vgl. Glaser/ Strauss (2010, 76 ff.) parallel in zwei Klassenstufen (Klasse 9 und 10) durchgeführt werden konnte, so dass sich neue Vergleichsmöglichkeiten auftaten und das Sampling quasi spontan erweitert wurde, was in vielerlei Hinsicht ein Gewinn war. Es wurden also so lange Fallstudien durchgeführt, beobachtet, ausgewertet und interpretiert, bis eine theoretische Sättigung 15 der Untersu‐ chung zu verzeichnen war. Der Prozess der Datenaufnahme erstreckte sich in den Schulen - mit längeren Unter‐ brechungen - über mehrere Jahre. Für jedes Schulprojekt musste zunächst eine neue Story‐ line konzipiert, die entsprechenden Materialien entwickelt sowie Schulen und Klassen ge‐ funden werden, in denen die Pilotstudien durchgeführt werden konnten. An die Klassenzimmerforschung schloss sich dann die Datenerhebung an der Hochschule an. An‐ zumerken ist, dass das besagte Hauptseminar aus Kapazitätsgründen leider nur alle zwei Semester angeboten werden kann und zudem aus gesundheitlichen und anderen Gründen mehrmals abgesagt werden musste. Um zu möglichst validen und reliablen Ergebnissen zu gelangen, wurde jedoch Wert darauf gelegt, mindestens drei Seminargruppen zu untersu‐ chen und miteinander zu vergleichen. Zeitraum Klasse bzw. Kurs Thema des Storyline-Projektes September 1994 RS 6 The Farm bzw. Our Farms Dezember 1994 RS 7 Witches Juli 1995 RS 7 Kidnapped in Scotland Oktober 1996 RS 9 Our Ideal School Oktober 1996 RS 10 Our Ideal School Dezember 2000 RS 5 Our Class Februar 2006 (WS 2005/ 2006) Kompakt-HSe, PH Our Farms Februar 2007 (WS 2006/ 2007) Kompakt-HSe, PH Witches Februar 2011 (WS 2010/ 2011) Kompakt-HSe, PH Witches Tab. 7: Der Prozess der Datenaufnahme an Schulen und Hochschule Aus organisatorischen, personellen, finanziellen und nicht zuletzt auch aus gesundheitli‐ chen Gründen konnten in jüngster Zeit von meiner Seite aus leider keine weiteren empi‐ rischen Studien - unter vergleichbaren Bedingungen - in Schulklassen durchgeführt werden, auch wenn dies mehrmals geplant war. Andererseits war dies für mein Erkennt‐ nisinteresse auch nicht mehr zwingend erforderlich, zumal längst eine theoretische Sätti‐ gung meiner Untersuchungen erkennbar war und sich meine Beobachtungen aus den Klas‐ senzimmern zum Teil auch in den durchgeführten Storyline-Hauptseminaren wiederholten. 239 5.3 Untersuchungsdesign und Datengewinnung Gleichwohl wurden in den vergangenen Jahren mehrere Storyline-Projekte mit bzw. von Studierenden im Rahmen ihres Tagespraktikums durchgeführt und von mir betreut. Da jedoch die jeweiligen Voraussetzungen nicht mit den hier aufgeführten Fallstudien ver‐ gleichbar sind, werden die Befunde aus Gründen der angestrebten Validität und Reliabilität an dieser Stelle nicht explizit berücksichtigt, sondern allenfalls ergänzend erwähnt. Unter‐ schiede bzw. Abweichungen bestehen beispielsweise darin, dass die Storyline-Projekte nicht von mir, sondern von Studierenden konzipiert und von den im Team unterrichtenden Stu‐ dierenden - im Sinne des forschenden Lehrens - zum Teil auch andere Schwerpunkte ge‐ setzt wurden. Des Weiteren fehlte den Studierenden die langjährige Unterrichtserfahrung und vor allem aber der gewohnte Umgang mit den entsprechenden Klassen selbst, was sich auf das Gelingen eines Projekts auswirken kann - aber nicht muss. Grundsätzlich sind jedoch viele der in diesem Kontext gewonnenen Erkenntnisse vergleichbar mit meinen eigenen Studien bzw. bestätigen somit meine Thesen. Fazit: Das Sample im Bereich der Unterrichtsforschung verteilt sich auf jeweils verschie‐ dene Klassen, Altersstufen, Lehrkräfte, Schulen, Jahre und Storyline-Projekte/ Themen, um möglichst themen-, alters- und personenunabhängige Ergebnisse zu erhalten: “If a pattern holds across the sampled diversity, we can assume that it is reasonably stable“ (Dörnyei 2007, 128). Im Kontext der Hochschulforschung ist die Heterogenität des Sample etwas geringer: Die Studierenden unterscheiden sich zwar hinsichtlich ihres gewählten Studien‐ gangs (z. B. Europalehramt, Grund-, Haupt- oder Realschullehramt) und der Semesterzahl, sie kommen mit unterschiedlichen Vorerfahrungen (z. B. individuellen Biographien, Kom‐ petenzen, Lehrerfahrungen usw.) und Zielen (z. B. Scheinerwerb, Interesse, Projektprüfung usw.) in das beforschte Hauptseminar, dagegen bleiben Ort und Seminarleiterin durch‐ gängig dieselben. Allerdings wurden zwei verschiedene Storyline-Themen für die Simula‐ tionen gewählt. Der relativ große Umfang der beiden Samples in ihrer Gesamtheit (neun Fallstudien) ist zweifelsohne mit ein Grund dafür, dass die obigen Forschungsfragen zwar ergebnisoffen formuliert, aber dennoch verhältnismäßig enggefasst und auch im Umfang reduziert sind. 5.3.4 Die Ebene der Datenerfassung Aus Gründen der besseren Lesbarkeit und der bewussten Vermeidung von Wiederholungen werden die relevanten Aspekte und spezifischen Prozesse bezüglich der diversen Studien an Schulen und Hochschule hier jeweils gemeinsam - also unter einer Überschrift, aber dennoch gegliedert - erläutert und nicht etwa in zwei getrennten Blöcken aufgeführt. 5.3.4.1 Kontaktaufnahme zum Feld und Vorbereitungen Vor der Durchführung der einzelnen Untersuchungen musste zunächst der Kontakt zu den Schulen hergestellt werden. Dieser Prozess vollzog sich in mehreren Schritten und über einen längeren Zeitraum. Um zu vergleichbaren Ergebnissen zu gelangen, wurde der Fokus auf eine einzige Schulart, nämlich die Realschule, gelegt. Wichtig erschien auch, dass die Schulen nach demselben Bildungsplan arbeiten, so dass die Zugehörigkeit zum Land Baden-Württemberg vorausgesetzt wurde. Eine relative Nähe der Schulen zum Standort 240 5 Erkenntnisinteresse und Untersuchungsdesign der Pädagogischen Hochschule sollte gewährleisten, dass eine enge Verzahnung zwischen den beiden Institutionen möglich war. Die Suche nach einer geeigneten Schule orientierte sich vor allem an dem Kriterium, dass die entsprechende Lehrkraft bereits in irgendeiner Form über Storyline-Kenntnisse verfügen sollte. Praktische Erfahrungen mit Storyline im eigenen (Fremdsprachen-)Unter‐ richt wurden allerdings nicht erwartet. Letztendlich waren die Voraussetzungen der ein‐ zelnen Lehrkräfte (drei Lehrerinnen und ein Lehrer) jedoch äußerst unterschiedlich. Alle Lehrenden waren der Forscherin bereits oberflächlich bekannt, was einer engen und ver‐ trauensvollen Zusammenarbeit im Klassenzimmer förderlich ist, auch wenn die Beziehung zwischen Forschenden und Institution in der Literatur kritisch und oftmals als schwierig dargestellt wird (vgl. Flick 2012, 145 ff.). In unserem Fall zeigte sich diese Sorge allerdings als unbegründet. Die vier Lehrkräfte aus den vier verschiedenen Schulen wurden jeweils vor der geplanten Feldstudie entweder mündlich oder schriftlich kontaktiert und über das geplante For‐ schungsvorhaben informiert. Erfreulicherweise erklärten sich alle bereit, sich an der Studie zu beteiligen und erhofften sich dabei eine weitere Qualifizierung in Bezug auf die prakti‐ sche Umsetzung des Storyline-Konzepts im Englischunterricht, was auch im Sinne der qua‐ litativen Forschung ist, denn „qualitative Forschung [ist] didaktisch orientiert, das heißt an der Entwicklung von Vermittlungskonzepten interessiert“ (Müller-Hartmann/ Schockervon Ditfurth 2001, 4). Die Motiv(ations)frage konnte somit stets positiv beantwortet werden. In einem Gespräch wurden sodann die Rahmenbedingungen der Untersuchungen vor‐ gestellt: Forschungsinteresse, Erhebungsinstrumente, Rolle der Forscherin, Ablauf der Studie sowie der zeitliche Umfang der Erhebung. Ferner wurde festgelegt, welche Klasse sich jeweils an der Studie beteiligen sollte. Die spezifische Klassensituation, die Ausstattung der Schule sowie die stundenplantechnische Organisation der Projektdurchführung (näm‐ lich möglichst in Doppelstunden) wurden ebenfalls besprochen. Die vorläufige Projektbzw. Unterrichtsplanung erfolgte gemeinsam und - je nach Be‐ darf und Zeitbudget - mehr oder weniger ausführlich. Die enge Kooperation zwischen Forscherin und Lehrkraft war insofern von großer Bedeutung, als natürlich nur die Lehr‐ kraft ihre Klasse und Schule kannte und somit schon im Voraus geklärt werden konnte, was vor Ort machbar war. Die drei an der Pädagogischen Hochschule Freiburg durchgeführten Hauptseminare zum Storyline Approach fanden jeweils in der Woche nach Ende des Wintersemesters statt. Im Kommentierten Vorlesungsverzeichnis wurden einige Eckpunkte der viertägigen Kom‐ paktveranstaltung aufgeführt, die Anmeldung für den Kurs erfolgte im Rahmen eines ein‐ stündigen Vortreffens etwa vier bis sechs Wochen vor Kursbeginn. Hierbei wurden die Voraussetzungen für den Kurs und den Scheinerwerb geklärt. Zur Vorbereitung auf den Kurs (und zum späteren Nachschlagen) erhielten die Studie‐ renden einen Reader (etwa 130-150 Seiten) mit diversen Artikeln zu den derzeit gültigen Bildungsstandards und dem länderspezifischen Bildungsplan, zu konstruktivistischen Kerngedanken, zu Projektunterricht und projektähnlichen Methoden, zum autonomen Lernen oder auch zur Rolle von Lehrwerken im Fremdsprachenunterricht, um nur einige Schwerpunkte zu nennen. Des Weiteren waren verschiedene Texte zum Storyline Approach 241 5.3 Untersuchungsdesign und Datengewinnung 16 Um eine Erlaubnis zum Fotografieren wurden die Studierenden erst dann gebeten, wenn dies konkret beabsichtigt war. Meist beschränkte sich das Fotografieren jedoch auf das Dokumentieren der Pro‐ dukte am Fries. 17 Vgl. dazu auch Flick (2012, 86 ff.), wo Ziele und Prämissen der Ethnomethodologie erläutert werden. Zu Kennzeichen, Stärken und Schwächen von ethnographischen Studien vgl. auch Dörnyei (2007, 129 ff.). 18 Vgl. dazu auch Flick (2012, 287 ff.), wo die Ziele, Möglichkeiten und Grenzen sowie sieben Kennzei‐ chen der teilnehmenden Beobachtung dargestellt werden. darin enthalten sowie eine ausführliche Bibliographie. Die Studierenden sollten den Reader noch vor Kursbeginn durchlesen, um mit den Grundgedanken des Storyline-Modells ver‐ traut zu sein. Allerdings wurden keinerlei Leseaufträge im Sinne von konkreten Aufga‐ benstellungen erteilt. Schließlich erhielten die Studierenden noch den Hinweis, zum Se‐ minar Buntstifte, Kleber, Scheren, Woll- und Stoffreste mitzubringen, was meistens mit einem gewissen Staunen kommentiert wurde. Um die Studierenden nicht unnötig zu irritieren und um möglichst authentische Befunde zu erhalten, wurden die Seminargruppen über mein Forschungsvorhaben nicht explizit informiert, zumal ohnehin nicht die Beforschung im Sinne der Datengewinnung im Mit‐ telpunkt stand, sondern die „normale“ Durchführung des Hauptseminars. 16 5.3.4.2 Die Rolle der Forscherin Die Forscherin bzw. der Forscher wird bei qualitativer Forschung zum „zentralen ‘Instru‐ ment’ der Erhebung und Erkenntnis“ (Flick 2012, 143) und kann deshalb „nicht als ‘Neut‐ rum’ im Feld und im Kontakt mit den (zu befragenden oder zu beobachtenden) Subjekten agieren. Vielmehr nimmt er darin bestimmte Rollen und Positionen ein oder bekommt diese (...) zugewiesen“ (Ebd.). Diese wiederum wirken sich darauf aus, „zu welchen Informationen der Forscher Zugang findet und zu welchen er ihm verwehrt wird“ (Ebd.). Es stellt sich also stets die Frage nach der nötigen Distanz - oder mit anderen Worten: „Wie viel Teilnahme ist für eine gute Beobachtung notwendig, wie viel Teilnahme ist unter dem Fokus der wis‐ senschaftlichen Distanz zulässig? “ (Ebd., 144). Die Antworten fallen in der einschlägigen Literatur diesbezüglich unterschiedlich aus (vgl. Ebd., 144 f.). Um ein komplexes Forschungsfeld wie das Klassenzimmer ganzheitlich erfassen und verstehen zu können, reicht eine bloße Beobachtung nicht aus, zumal auch Beobachtungen nie objektiv sind, denn Vorwissen, Erfahrungen, Einstellungen und selbstverständlich auch (bewusste und unbewusste) Wünsche prägen die eigene Wahrnehmung. Folglich sieht man nur, was man sehen will (vgl. Kapitel 3). Dagegen ist ein phasenweises „Eintauchen in den zu beobachtenden Arbeitsprozess und die Mitgliedschaft im untersuchten Feld“ (Ebd., 144), also ein going native, wie dies in der neueren Ethnomethodologie geschieht, häufig sehr viel aufschlussreicher, da hierbei - auch im Sinne eines Perspektivenwechsels - ein tieferer Einblick in das Verhalten der Beforschten ermöglicht und somit auch das Verstehen der stattfindenden Abläufe optimiert wird. 17 Schwierig scheint allerdings die genaue Abgren‐ zung bzw. Unterscheidung zwischen einer so genannten teilnehmenden Beobachtung 18 und einer Mitgliedschaft, wie sie in der aktuelleren Ethnographie realisiert wird, denn der Be‐ griff „Beobachtung“ wird in der Literatur unterschiedlich definiert und zudem sehr viel weiter gefasst, als dies in der Umgangssprache der Fall ist: “Participant observation will be 242 5 Erkenntnisinteresse und Untersuchungsdesign 19 Zur Abgrenzung von Ethnographie und qualitativer Forschung vgl. auch Dörnyei (2007, 129 ff.). 20 Auch Dörnyei (2007) erwähnt die Problematik des observer effect und researcher effect: “Classroom researchers are intruders who are inevitably obtrusive. It is a real challenge in most situations to find ways of minimizing the intrusion so that classroom events are as natural and unstaged as possible while we are present, which of course is the prerequisite for obtaining valid data“ (Ebd., 190). 21 Vgl. dazu auch die Checkliste für Beobachtungsverfahren bei Flick (2012, 365 f.). defined as a field strategy that simultaneously combines document analysis, interviewing of respondents and informants, direct participation and observation, and introspection“ (Denzin 1989, 157 f.). Eine so genannte dichte Beschreibung (thick description) soll schlussendlich die Basis für eine “thick interpretation“ liefern (Ebd., 159). Amann und Hirschauer (1997) fordern im Kontext der Ethnographie eine Befreiung von hinderlichen Methodenzwängen. Die Über‐ gänge zwischen den beiden Forschungsstrategien 19 - Ethnographie und teilnehmende Be‐ obachtung - sind offensichtlich fließend und es stellt sich die grundsätzliche Frage, wann und wie sich Forschende als Mitglieder bzw. als Beobachtende einer Untersuchungsgruppe definieren, und vor allem auch, wie diese Rollen von der beforschten Gruppe wahrge‐ nommen werden. Eine wichtige Frage scheint mir zudem: Werden so genannte Mitglieder immer als solche (an)erkannt? Und: Wie können ethische Aspekte genügend berücksichtigt werden? Schließlich „verrät“ das vermeintliche Mitglied in seinem bzw. ihrem „Forschungs‐ bericht“ möglicherweise wichtiges Insiderwissen, was Konsequenzen für die gesamte Gruppe nach sich ziehen kann. In jedem Fall ist eine vertrauensvolle und entspannte Atmosphäre zwischen allen Be‐ teiligten einer Studie von ganz entscheidender Bedeutung, um das Forschungsfeld als mög‐ lichst authentisch und zugänglich erleben zu können, denn ein Unbehagen gegenüber dem distanzierten Forscher bzw. der Forscherin äußert sich zwangsläufig in verfälschten Er‐ gebnissen bei der Datenerfassung bzw. -interpretation, wenn die Beforschten aus Gründen der Befangenheit nicht all ihre Potenziale offenbaren (können) und/ oder ein verändertes Verhalten an den Tag legen. 20 Andererseits liegt es auf der Hand, dass eine starke Beein‐ flussung oder gar Lenkung des Geschehens durch Forschende ebenfalls zu verfälschten Ergebnissen führt. Dieses grundsätzlich immer entstehende Dilemma erfordert somit eine wohl überlegte Auswahl von sinnvollen Erhebungsmethoden sowie eine genaue Aushand‐ lung, Zuschreibung, Einhaltung und Dokumentation der einzelnen Rollen. 21 Da es bei meinem Forschungsvorhaben nicht darum ging, die Kompetenzen der Lehr‐ kräfte hinsichtlich der korrekten Umsetzung des Storyline Approach zu untersuchen, son‐ dern vielmehr darum, eine optimale Implementierung des Konzepts im Englischunterricht zu ermöglichen, um zu erforschen, was die Schülerinnen und Schüler als motivierend und lernförderlich empfinden, ist meiner Ansicht nach die (gelegentliche) Mitarbeit der For‐ scherin im Feld gerechtfertigt oder sogar zwingend erforderlich, vor allem dann, wenn Probleme auftauchen, mit denen „Neulinge“ wie die beteiligten Lehrkräfte noch nicht ver‐ traut sind. Dies war auch mit ein Grund dafür, dass die einzelnen Projekte und Unterrichts‐ stunden gemeinsam geplant und auch im Team regelmäßig reflektiert wurden, denn obers‐ tes Ziel der Untersuchungen sollte sein, dass alle Beteiligten - also Forscherin, Lehrkraft und Lernende - durch einen „gegenseitigen exchange of services“ profitieren (Müller-Hart‐ mann/ Schocker-von Ditfurth 2001, 5), was als Voraussetzung für gute qualitative Forschung 243 5.3 Untersuchungsdesign und Datengewinnung gilt. Zu erwähnen ist noch, dass mir der Forschungskontext Schule nicht fremd war, zumal ich früher an verschiedenen Einrichtungen selbst als Englischlehrerin unterrichtet hatte. Im Unterricht waren die Rollen der Forscherin und der Lehrperson allerdings deutlicher voneinander getrennt: Die Durchführung der Storyline-Projekte lag grundsätzlich immer in den Händen der jeweiligen Lehrkraft. Die Forscherin nahm die Rolle der teilnehmenden Beobachterin ein bzw. erstellte ausführliche Feldnotizen und fungierte als gelegentliche Assistentin, wenn es darum ging, Materialien auszuteilen, Collagen aufzuhängen oder etwa kurzfristig eine Gruppe zu betreuen, die sich außerhalb des Klassenzimmers aufhielt. Der Bedarf an aktiver Mithilfe variierte allerdings von Lehrkraft zu Lehrkraft. Die Schülerinnen und Schüler kamen mit meiner Anwesenheit und den diversen Tätig‐ keiten als Forscherin (z. B. Befragungen, Notizen anfertigen, Herumgehen, Filmaufnahmen usw.) gut zurecht und manche waren sogar stolz darauf, dass ihre Klasse für eine Untersu‐ chung ausgewählt wurde. Das Ausmaß der Verbundenheit variierte von Klasse zu Klasse und hing insbesondere mit der jeweiligen Altersstufe zusammen. Im Unterricht wurde ich gelegentlich auch von den Lernenden spontan um Unterstützung oder Begutachtung ge‐ beten, was ich im Sinne der vertrauensvollen Kooperation natürlich nicht ausschlagen wollte, zumal mir diese Kontakte neue Einblicke in das Lernverhalten der Schülerinnen und Schüler verschafften. Hier vermischte sich also die Rolle der Forscherin und der Lehrerin bisweilen. Insgesamt herrschte zwischen den Lehrenden, den Lernenden und der Forscherin eine Atmosphäre des gegenseitigen Vertrauens und Respektierens. Diese Qualitäten sind un‐ verzichtbare Voraussetzungen für eine möglichst verlässliche Datenerhebung bzw. aus‐ sagekräftige Analyse und Interpretation der Befunde. Hinsichtlich der Vorbereitung und Durchführung des Hauptseminars war die Rollen‐ übernahme durchgängig zweigeteilt: Die Forscherin war zugleich auch die Seminarleiterin. Dieser Sachverhalt ist grundsätzlich mit Vor- und Nachteilen verbunden: Die Forscherin kennt die Institution und die Bedingungen vor Ort, sie ist also mit dem Kontext vertraut. Doch gerade diese scheinbare Vertrautheit mit dem Forschungsfeld hat auch ihre Tücken, da häufig die Distanz zum Forschungsgegenstand fehlt und jede (Selbst-)Beobachtung be‐ kanntlich einen blinden Fleck aufweist. Umso mehr sind deshalb auch zusätzliche Daten aus der Perspektive der Studierenden erforderlich, um zu einem ganzheitlicheren Bild zu gelangen. Bedacht werden muss auch, dass die Forscherin bzw. Seminarleiterin in ihrer Doppel‐ funktion in vielerlei Hinsicht einen Einfluss auf Einzelpersonen, die Gruppe und den Se‐ minarverlauf hat, unabhängig davon, ob sie dies gezielt beabsichtigt oder nicht und ob bzw. inwiefern sie sich darüber im Einzelnen bewusst ist. Das Beobachten des Forschungsfeldes durch die Forscherin muss deshalb auch die Beobachtung der Beobachterin mit ein‐ schließen. Fragen nach Validität und Reliabilität sind also bei dieser Rollenkonstellation durchaus berechtigt und sollten kritisch reflektiert werden. Erschwerend kommt hinzu, dass die Zeit für detaillierte Beobachtungen und Feldnotizen während des eigenen Unterrichtens grundsätzlich begrenzt ist. Andererseits entstanden während der Durchführung der beforschten Hauptseminare immer wieder längere Phasen, in denen die Studierenden den aktiven Part übernahmen, so dass sich mir als Forscherin - neben der Selbstbeobachtung - verschiedene Möglichkeiten der Datenerhebung eröffneten: 244 5 Erkenntnisinteresse und Untersuchungsdesign 22 Vgl. dazu auch Dörnyei (2007, 147 ff.), wo der Begriff erläutert wird und verschiedene Techniken mit ihren jeweiligen Vor- und Nachteilen vorgestellt werden. 23 Denzin (1989, 179 f.) und Flick (2012, 285 f.) verweisen in diesem Zusammenhang auch auf ge‐ schlechtsspezifische Unterschiede bei der Feldarbeit, die es darüber hinaus zu berücksichtigen gilt. situationsangemessene Beobachtung der Seminargruppe oder einzelner Kleingruppen bzw. Personen während des Arbeitsprozesses, szenenorientierte Beobachtung (z. B. beim Ein‐ üben eines Rollenspiels oder beim Studieren des Bildungsplans), Gespräche mit Studie‐ renden, Begutachtung von diversen Lernprodukten (am Fries) oder auch die quasi unbe‐ merkte Beobachtung von Studierenden, die sich phasenweise außerhalb des Seminarraums aufhielten. Die Forscherin als Seminarleiterin und noch dazu als zeitweilige Storyline-Eng‐ lischlehrerin in der Unterrichtssimulation nahm somit mehrere Rollen ein und hatte dabei die günstige Gelegenheit, verschiedene Ebenen des Feldes aus unterschiedlichen Perspek‐ tiven zu erschließen und zu analysieren, ohne dabei den natürlichen Ablauf des Kurses zu stören, wie dies möglicherweise bei einer Fremdbeobachtung der Fall ist. Andererseits er‐ fordern introspektive Verfahren 22 vielerlei anspruchsvolle Kompetenzen in Bezug auf die ganzheitliche Wahrnehmung und Interpretation des vielschichtigen Forschungskontexts. Durch die grundsätzliche Subjektivität 23 der Forschenden ist der Erkenntnisgewinn außerdem stets begrenzt, so dass zusätzliche Datenquellen und Datenerhebungsverfahren eingesetzt werden müssen, um zu möglichst verlässlichen und aussagekräftigen Ergeb‐ nissen zu gelangen (vgl. Kapitel 5.3.6). 5.3.4.3 Die verschiedenen Forschungsinstrumente und ihr zeitlicher Einsatz 5.3.4.3.1 Datengewinnung vor dem Unterricht bzw. dem Projektbeginn Gegen Ende der Planungsphase waren zunächst auch ausführliche mündliche bzw. schrift‐ liche Leitfadeninterviews mit den einzelnen Lehrkräften vorgesehen. Dies erwies sich al‐ lerdings als schwierig, zumal nicht nur der Zeitfaktor eine Rolle spielte, sondern viele Fragen lieber im direkten Kontakt und im offenen, informellen Gespräch beantwortet werden wollten, was andererseits auch eine spontanere Rückfrage erlaubte und somit den Blick stellenweise sehr viel mehr öffnete, als dies bei vorgefertigten Fragebögen und struk‐ turierten Interviews der Fall ist (vgl. auch Dörnyei 2007, 135). Aus diesem Grund wurde versucht, auf die Bedürfnisse der einzelnen Lehrkräfte einzugehen und ihre Bereitschaft und Gastfreundschaft nicht übermäßig zu strapazieren. Einer Lehrkraft wurde zwar den‐ noch ein Fragebogen mit spezifischen Fragen zum Untersuchungsgegenstand ausgehän‐ digt, da dieser jedoch erst weit nach Projektbeginn (und nur rudimentär) ausgefüllt wurde, konnte er hier nicht berücksichtigt werden. Individuelle Einstellungen, Erfahrungen, Kompetenzen und Zielsetzungen der Leh‐ renden in Bezug auf den Fremdsprachenunterricht wurden somit direkt aus den diversen Gesprächen (professional conversations) ermittelt und im Forschungstagebuch notiert, zumal diese Daten bereits bei der Auswahl der Lehrkräfte und auch für die Planung und Ausarbeitung der jeweiligen Storyline-Projekte von Bedeutung waren. Weitere wertvolle Befunde konnten auch indirekt, nämlich bei der gemeinsamen Projektbzw. Unterrichts‐ planung gewonnen werden, zum Beispiel durch die Feststellung, wie intensiv sich eine Lehrkraft mit dem Thema auseinandersetzte, wie gut sie ihre Klasse einschätzen konnte, 245 5.3 Untersuchungsdesign und Datengewinnung welche Schwerpunkte sie grundsätzlich im Unterricht setzte, wie engagiert sie ihren Beruf ausübte, welche Unsicherheiten sie im Unterricht verspürte oder auch wie viel Vorberei‐ tungsarbeit der Forscherin übertragen wurde. Vor Projektbeginn erhielt ich von den Lehrkräften Informationen über ihre Klassen, in‐ sofern dies für die konkrete Planung der Storyline-Projekte von Bedeutung war (z. B. Na‐ menslisten, Leistungsstand usw.). In den Klassen wurde ich stets als Gast von der PH vor‐ gestellt. Die Lernenden in Fallstudie 3 und 6 waren mir im Vorfeld bereits bekannt. In der Regel gab es eine kurze Kennenlernphase, in der die Lernenden Fragen zu meiner Person äußern konnten, bevor mit dem Storyline-Projekt begonnen wurde. Vorab wurden die Klassen durch ihre Lehrkraft über das Forschungsvorhaben aufgeklärt. Auf einen Frage‐ bogen für die Lernenden wurde mit Absicht verzichtet, zumal dies unter Umständen einen negativen Einfluss auf den Projektbeginn und auch die damit verbundene Datenaufnahme hätte haben können. 5.3.4.3.2 Datengewinnung vor dem Hauptseminar Wie dies bei Hauptseminaren üblich ist, sind die Gruppen meist sehr heterogen, beispiels‐ weise im Hinblick auf sprachliche und andere Kompetenzen, Auslandsaufenthalte und weitere lernbiographische Aspekte. Diese und ähnliche „weiche“ Daten wurden im Rahmen der Kursanmeldung bereits oberflächlich überprüft, gesammelt und im Forschungstage‐ buch notiert. Eine umfassende bzw. strukturierte Befragung zu persönlichen Vorausset‐ zungen und Zielsetzungen wurde jedoch nicht explizit durchgeführt. Dies war auch nicht geplant, zumal das Seminarkonzept so angelegt war, dass die Studierenden im ersten Teil der Kompaktveranstaltung ihre individuellen Erfahrungen mit Projektunterricht und dies‐ bezügliche Wissensstände in Kleingruppen austauschen sollten. Allerdings sammelte ich als forschende Seminarleiterin bei dem jeweiligen Vortreffen auch einige relevante „harte“ Daten, um einen ersten Überblick über die Zusammensetzung der zukünftigen Lerngruppe zu erhalten: Studiengang/ Studienrichtung, Fächer, Semesterzahl und Grund der Teilnahme („Scheinfrage“/ Projektprüfung). Im Rahmen der Kursanmeldung wurden auch erste Fragen zum Seminarverlauf geklärt und eventuelle Anregungen zu organisatorischen Punkten aufgenommen. Weitere kursspezifische Daten in Form von Interviews oder Fragebögen wurden nicht erhoben. 5.3.4.3.3 Datengewinnung während des Unterrichts Auch wenn Datenerhebungsprozesse sorgfältig geplant und einzelne Instrumente auf Grund einer gesunden Intuition mitunter spontan und flexibel gehandhabt werden, muss im Sinne einer reflektierten Vorgehensweise stets bedacht werden, dass ein Forscher bzw. eine Forscherin möglicherweise gerade „etwas verpasst“, während ein anderes Detail seine bzw. ihre Aufmerksamkeit auf sich zieht. (Klassenzimmer-)Forschung stößt somit grund‐ sätzlich immer an Grenzen, zumal hier etwa 30 bis 35 „Parallelwelten“ zugleich zu erfassen sind. Um während des Unterrichts in den Realschulklassen an möglichst vielseitige und aussagekräftige Daten zu gelangen und somit auch eine entsprechend stimmige Komposi‐ tion zu erhalten, wurden verschiedene Verfahren gewählt und in jeweils unterschiedlichem Maße eingesetzt: 246 5 Erkenntnisinteresse und Untersuchungsdesign 24 Ich bin mir dessen bewusst, dass selbst eine höchst konzentrierte Beobachtung an Grenzen stößt und dass “only observable phenomena can be observed“ (Dörnyei 2007, 185). Vgl. auch Kapitel 5.3.4.2. • Feldnotizen im Forschungstagebuch: Schon bevor die einzelnen Projekte be‐ gannen, wurde ein jeweils projektspezifisches Forschungstagebuch angelegt, um Vorhaben, Termine, Gesprächsinhalte usw. chronologisch und detailliert zu doku‐ mentieren. Das Tagebuch war auch während der Unterrichtsbesuche ständiger und wichtiger Begleiter. Folglich bemühte ich mich, während des Unterrichts möglichst viele Prozesse und Details schriftlich festzuhalten und - sofern es die Zeit erlaubte - farblich oder über verschiedene Kodes (z. B. Unterstreichung, Fragezeichen, Aus‐ rufezeichen, Ziffern, Namensnennung usw.) zu markieren, um somit vorab klare Anhaltspunkte für die sich meist unverzüglich anschließende Reflexion mit der Lehrkraft zu sammeln. Hilfreich war zudem, dass ich die schriftlichen Unterrichts‐ vorbereitungen stets zur Hand hatte und bei Bedarf mit Notizen versehen konnte. Die Feldnotizen wurden auf meist wenig strukturierten Heftseiten eingetragen, da sich dies für eine möglichst unvoreingenommene, zunächst ergebnisoffene Beob‐ achtung und die flüssige, chronologische Datenerfassung als positiv erwiesen hatte, denn - ähnlich wie stark strukturierte Interviews oder quantitative Verfahren - lenken auch vorstrukturierte Beobachtungsbögen die Aufmerksamkeit möglicher‐ weise zu sehr in eine Richtung, während andere und vielleicht wichtigere Daten „verloren“ gehen. 24 Auch Müller-Hartmann (2001, 220) äußert Kritik an vorab defi‐ nierten Beobachtungsschemata: Es wird nicht versucht, die Prozesse im Klassenraum aus sich heraus zu verstehen, sondern die Interaktion wird in der Regel mit vorher festgelegten Kategorienschemata beobachtet. Sie werden damit den komplexen Prozessen zwischen Lehrenden, Lernenden und Gegenständen genauso wenig gerecht, wie die Fichtenschonung die ökologische Vielfalt und damit die Sta‐ bilität des Mischwaldes repräsentiert. Außerdem ist die Zuordnung der Fakten mitunter recht zeitaufwändig und lenkt vom Unterrichtsgeschehen ab. Dennoch wurden gelegentlich auch spezifische Be‐ obachtungsaufgaben formuliert, die während des Unterrichts - explizit oder eher „nebenbei“ - abgearbeitet wurden. Schließlich haben strukturierte Beobachtungen mit Fokus auf bestimmte Details - trotz der Gefahr eines möglichen „Datenverlusts“ bzw. einer einseitigen Datenerfassung - auch den großen Vorteil, dass Klassen‐ zimmer bzw. bestimmte Prozesse leichter miteinander verglichen werden können. Und: “Structured observational guidelines make the formidable task of documenting the complexity of classroom reality doable“ (Dörnyei 2007, 185). Bei jedem Eintrag in das Forschungstagebuch wurden zunächst Tag, Datum, Unter‐ richtsstunde, Raum, Thema bzw. Storyline-Episode und andere relevante Aspekte, wie die Abwesenheit von Lernenden oder klassen- und schulinterne Besonderheiten, festgehalten. Des Weiteren wurden grundsätzlich immer kleinschrittige Zeitan‐ gaben gemacht, um Vorkommnisse oder Entwicklungen zeitlich exakt einordnen zu können. Auch Tafelanschriebe bzw. Folienbeiträge wurden abgeschrieben oder ab‐ fotografiert, Aufgabenstellungen möglichst wortwörtlich notiert und so viele für das 247 5.3 Untersuchungsdesign und Datengewinnung 25 Dörnyei (2007, 184) spricht von literal blind spots: “A fixed camera can only see what it is pointing at and usually we cannot back the camera up far enough to capture the entire class and the instructor“. Erkenntnisinteresse relevante Schüleräußerungen wie möglich als Zitate festge‐ halten oder mit einem entsprechenden Vermerk markiert, wenn gleichzeitig gefilmt wurde. Ergaben sich erhellende parallele Gespräche mit den Personen im Feld, so wurden diese - je nach Länge - möglichst als wörtliche Rede oder wenigstens sinn‐ gemäß dokumentiert. Des Weiteren wurden auch methodische Vorgehensweisen oder Auffälligkeiten beschrieben und im Sinn eines Kommentars zusätzlich markiert (z. B. „Gruppe 2 benutzt häufig wordbank“). Manchmal wurden auch kleine Skizzen angefertigt, wenn dies der Sache dienlich war. Die Feldnotizen waren auch insofern von großer Bedeutung, als ich meinen Blick immer wieder kontrolliert oder spontan schweifen lassen konnte und somit vielerlei Details bemerken und im Forschungstagebuch festhalten konnte, ohne dabei jemand groß zu stören oder abzulenken. Für die Lernenden war dieses Mitschreiben zudem eine ihnen bekannte und relativ natürliche Praxis, da sie selbst ja auch häufig schrieben. Ein großer Vorteil des Forschungstagebuchs bestand außerdem darin, dass ich stets mit allen Sinnen am Unterricht teilnehmen konnte, was bei anderen Verfahren wie etwa der Video- oder Audioaufzeichnung schon allein auf Grund des erhöhten technischen Aufwands und der entsprechend erforderlichen Aufmerk‐ samkeit nicht in dem Ausmaß möglich ist. • Videoaufzeichnungen: Wenn die Situation es erlaubte, wurden auch Videoauf‐ zeichnungen angefertigt, wobei dies teilweise mit erheblichen Umständen ver‐ bunden war (z.T. Transport der Ausrüstung in öffentlichen Verkehrsmitteln, feh‐ lende Steckdosen, defektes Zubehör, ungünstige Lichtverhältnisse usw.). Noch dazu fühlten sich manche Schülerinnen und Schüler durch die Kamera gestört, so dass nicht immer gefilmt wurde. Nicht umsonst behauptet Dörnyei (2007, 184): “Video‐ taping as a classroom research tool is far from being perfect“. Technische Entwicklungen ermöglichen und vereinfachen heute zwar vieles, ande‐ rerseits muss vor einer übertriebenen „Datenhuberei“ (Flick 2012, 374) gewarnt werden, da die Präsenz von Aufzeichnungsgeräten unweigerlich einen Einfluss auf die untersuchte Situation hat, die Anonymität der Beforschten verloren geht und zudem neue Fragen der Forschungsethik entstehen. Eine gewisse Skepsis gegenüber der Natürlichkeit und Notwendigkeit von aufwändigen Aufzeichnungen im Klas‐ senzimmer ist somit durchaus berechtigt. In manchen Fällen wurde deshalb die erste Doppelstunde grundsätzlich gar nicht gefilmt, um den Unterricht durch die ver‐ schiedenen neuen Einflussfaktoren (Anwesenheit und Tätigkeiten der Forscherin) nicht allzu sehr zu beeinträchtigen. In Klasse 6, dem ersten Pilotprojekt, wurde aus diesem Grund auf das Filmen sogar komplett verzichtet. Gelegentlich wurde die laufende Kamera für kurze Zeit an einer für sinnvoll befun‐ denen Stelle am Rand des Klassenzimmers platziert, so dass ich mich frei und na‐ türlich im Klassenzimmer bewegen und/ oder ergänzende Feldnotizen anfertigen konnte, da der Blick durch das Kameraobjektiv den eigenen freien Blick stark ein‐ schränkt und man mitunter zum so genannten „Tunnelblick“ 25 tendiert. In manchen 248 5 Erkenntnisinteresse und Untersuchungsdesign 26 Vgl. dazu z. B. Fehse/ Kocher (1995a; 1995c) oder Kocher (2000). Fällen war deshalb noch eine weitere Person anwesend, um die Kamera zu bedienen. Andererseits entstand in diesem Fall gelegentlich die Situation, dass Kameraperson und Forscherin unterschiedliche Ereignisse im Fokus hatten, was wiederum die Analyse und Interpretation der verfügbaren Daten beeinflusst. In Klasse 5 wurde schließlich eine leichte(re) digitale Kamera eingesetzt, die gelegentlich auch ohne Stativ benutzt wurde und somit als „Handkamera“ (noch dazu mit relativ freiem Blick) weniger ins Auge fiel und vor allem flexibler zu handhaben war. Die Videoaufnahmen sollten als zusätzliche Datenquelle dienen, um nach dem Un‐ terricht möglichst komplexes und neben den Feldnotizen auch relativ neutrales Da‐ tenmaterial zur Verfügung zu haben, denn schließlich macht die Verwendung von Aufzeichnungsgeräten „die Fixierung der Daten von Sichtweisen unabhängig - von denjenigen des Forschers wie auch von denjenigen untersuchter Subjekte“ (Ebd., 372). Auch wenn darauf geachtet wurde, dass der Unterricht durch das Filmen oder etwaige Kameraschwenks nicht zu sehr gestört bzw. verfremdet wird, gelang dies nicht immer: Manche Schülerinnen und Schüler fühlten sich im positiven wie im negativen Sinne beobachtet, andere ließen sich durch die technische Präsenz ab‐ lenken. Einige wenige Videoaufnahmen wurden von den Lernenden selbst, nämlich im Zuge einer spezifischen Aufgabenbearbeitung, erstellt. Diese Aufzeichnungen von kurzen Rollenspielen („Fernsehsendungen“) konnten bei der Analyse als zu‐ sätzliches Datenmaterial verwendet werden. Die Videos stellten bei der Reflexion und Planung der Unterrichtsstunden eine wert‐ volle Hilfe dar: Sie geben einen Überblick über die zahlreichen und vielschichtigen (Inter-)Aktionen im Klassenzimmer - auch solche, die mir zunächst nicht aufgefallen waren. Manche Aufnahmen wurden mit Zustimmung der Lehrkräfte anschließend im Schnittstudio bearbeitet, so dass gekürzte Videoversionen von einzelnen Story‐ line-Projekten entstanden, die auch als Demonstrationsmaterial in den Hauptsemi‐ naren eingesetzt werden können. 26 • Audioaufzeichnungen: Tonaufnahmen wurden nur in Ausnahmefällen erstellt, denn es zeigte sich bereits im ersten Pilotprojekt (Klasse 6), dass die auf den Grup‐ pentischen platzierten Mikrophone die Lernenden zu sehr irritierten, so dass die systematische Aufzeichnung von Gruppengesprächen zugunsten einer positiven Lernatmosphäre aufgegeben wurde. Einige Präsentationen wurden versuchsweise mit Mikrophonen und tragbaren Kassettenrekordern durchgeführt, um auf diese Art an zusätzliches Schülermaterial zu gelangen. Doch da auch diese Lösung letztendlich wenig authentisch wirkte, wurde sie wieder verworfen. Allerdings wurden im Zu‐ sammenhang mit manchen Aufgabenstellungen situationsspezifische Interviews durchgeführt oder „Radioberichte“ erstellt, die zum Teil auf Kassette aufgenommen und im Klassenzimmer abgespielt wurden. Diese kurzen Episoden dienten später ebenfalls als Datenquellen. Des Weiteren konnten bei der Datenanalyse auch die Videobänder als Audiodaten genutzt werden, und zwar mit dem Vorteil, dass nicht nur linguistische und paralinguistische Komponenten der Kommunikation, sondern 249 5.3 Untersuchungsdesign und Datengewinnung 27 Denzin (1989, 216 ff.) führt eine Reihe an Punkten auf, die im Sinne der Validität kritisch reflektiert werden müssen: die Frage nach der Authentizität von „gestellten“ Fotos oder wenn Personen be‐ merken, dass sie fotografiert werden und daraufhin eventuell ihr Verhalten ändern (observer effect). Bedacht werden muss auch der Aspekt der Bildauswahl: “Theory shapes what is recorded“ (Ebd., 218) oder die Frage nach der Allgemeingültigkeit eines Bildes. Im Zeitalter des Computers und des Zugangs zu Bildbearbeitungsprogrammen wird die Verlässlichkeit von Fotografien als sozialwissen‐ schaftliche Daten noch zusätzlich eingeschränkt. Vgl. dazu auch Flick (2012, 304 ff.). auch Mimik, Gestik usw. als ergänzende visuelle Daten ausgewertet werden konnten und somit eine insgesamt „dichtere Beschreibung“ ermöglichten. • Fotografien: Während des Unterrichts, und zwar meist wenn die Lernenden in einer Gruppenarbeit involviert waren oder sich nicht beobachtet fühlten, versuchte ich möglichst aussagekräftige Fotografien von den Geschehnissen im Klassen‐ zimmer anzufertigen: spezifische Gruppenkonstellationen, individuelle Lernorte, persönliche Arbeitsstile, eingesetzte Arbeitsmaterialien sowie die am Fries befes‐ tigten Lernprodukte wie Texte, Collagen und Figuren, aber auch Tafelanschriebe oder als Impuls verwendete Materialien (z. B. Plakate, Schilder usw.). Des Weiteren versuchte ich, diverse Prozesse zumindest ansatzweise im Bild festzuhalten: Schü‐ lerinnen und Schüler, die den Fries inspizierten, Gruppen, die ein Rollenspiel ein‐ studierten, Lernende, die gemeinsam einen Text formulierten, oder Kleingruppen, die eine Präsentation vorbereiteten. Einzelne Lernprodukte wurden auch im An‐ schluss an den Unterricht abfotografiert, um spezifische Details zu dokumentieren. Das Positive am Fotografieren besteht vor allem darin, “that the camera doesn’t forget, get tired or make mistakes. The last photograph in a series is as good as the first. (...) This assumption argues that the camera allows the researcher to produce reliable, shareable observations“ (Denzin 1989, 213). Im Vergleich zu Feldnotizen haben Fotos also den klaren Vorteil, dass sie einen Sachverhalt möglicherweise au‐ thentischer und überzeugender „belegen“ können als ein geschriebener Text - auch wenn die Kamera nicht objektiv ist! Fotografien stellen „nur“ eine individuell kon‐ struierte Wirklichkeit dar, sie repräsentieren nicht die Realität, sondern interpretieren sie. 27 Ergänzende Daten (vor allem verbale), Methoden und Perspektiven sind also erforderlich, um die Verlässlichkeit von Befunden zu erhöhen (Triangulation). Sämtliche Fotos aus den Storyline-Projekten wurden abschließend in ein projekt‐ spezifisches Album einsortiert und mit Ziffern sowie Beschriftungen zu Inhalt und Kontext versehen, so dass sie (auch im Nachhinein) leicht zugeordnet und wie ein fotografisches Tagebuch genutzt werden können, auch wenn berücksichtigt werden muss, dass jeder Zugang neu konstruiert wird. Mittlerweile dienen besagte Foto‐ alben als Demonstrationsmaterial oder Inspirationsquelle in den entsprechenden Hauptseminaren. • Fries: Eine ganz besondere und überaus aufschlussreiche Datenquelle bildete der Fries mit seinen zahlreichen und individuell verschiedenen Collagen, wordbanks, Bild- und Textprodukten. Diese wurden teilweise während und/ oder nach dem Un‐ terricht fotografiert, um den charakteristischen Entwicklungsprozess des Frieses zu dokumentieren, aber auch um Vergleichsdaten mit anderen Storyline-Projekten und Klassen zu gewinnen. Ferner diente der Fries immer wieder auch als Aufhänger für 250 5 Erkenntnisinteresse und Untersuchungsdesign 28 Vgl. dazu auch Dörnyei (2007, 147 ff.), wo verschiedene introspektive Verfahren mit ihren spezifi‐ schen Stärken und Schwächen erläutert werden. parallele Gespräche mit den Lernenden und Lehrenden, die zu wertvollen Erkennt‐ nissen führten, zumal hier an konkreten Beispielen Entwicklungen identifiziert, Rückfragen gestellt und vor allem mentale Prozesse verbalisiert werden konnten, die mir, der Forscherin, überhaupt erst zugänglich gemacht wurden. Nach Abschluss eines Storyline-Projekts und einer gewissen „Dekorationsphase“ wurden mir die meisten Friesprodukte freundlicherweise zu Analysezwecken über‐ geben. Die einzelnen Materialien wurden daraufhin auf der Rückseite beschriftet und in klassenspezifischen Mappen aufbewahrt, so dass sie auch im Nachhinein herangezogen und unter vielerlei Gesichtspunkten untersucht und interpretiert werden konnten. Dreidimensionale Materialien wurden in Kartons archiviert. Mittlerweile dienen die diversen Friesprodukte im Rahmen der Hauptseminare zudem als „Beweisstücke“, da sie die Umsetzung von der Theorie in die Praxis bzw. den Transfer von der Hochschule in den Unterricht konkretisieren, illustrieren und dokumentieren. • Lautes Denken (think-aloud technique): Diese introspektive Technik 28 wurde auf Grund der geschilderten Mikrophonproblematik nicht gezielt eingesetzt, den‐ noch ergab es sich hin und wieder, dass Schülerinnen und Schüler auf eine bloße Frage (z. B. “What’s the problem? “, “What are you doing? “ oder “Why do you need a ...? “) Erläuterungen zu ihrem momentanen Arbeitsprozess oder zeitgleichen Ge‐ dankengang von sich gaben. Manchmal genügte schon die bloße Anwesenheit in der Nähe eines Gruppentisches oder am Fries, um mitzuhören, wie die Lernenden ihre Eindrücke, Gefühle, Pläne, aufgabenspezifischen Wünsche oder sprachlichen Probleme bzw. Hypothesen verbalisierten, was insofern interessant war, als mentale Prozesse wie Gedanken oder Gefühle von außen nur eingeschränkt beobachtbar sind. Ich versuchte, derartige Gespräche möglichst unverzüglich im Forschungsta‐ gebuch zu dokumentieren. In manchen Fällen wurden Dialoge auch - mehr oder weniger zufällig - von der Videokamera aufgezeichnet, so dass sie für die anschlie‐ ßende Auswertung wortwörtlich und noch dazu mit visuellem Beitrag zur Verfü‐ gung standen. Die Methode des Lauten Denkens ist gerade für die Fremdsprachenforschung von Bedeutung, “because it can help uncover the cognitive and psycholinguistic pro‐ cesses underlying language performance“ (Dörnyei 2007, 148), doch grundsätzlich sind diese Art Selbstgespräche (inner speech) für alle Lernprozesse bzw. Lerngegen‐ stände aufschlussreich, da sie quasi ungefiltert aus dem Kurzzeitgedächtnis kommen. Andererseits muss berücksichtigt werden, dass nicht alle kognitiven Pro‐ zesse in Worte gefasst werden (können) und dass das zufällige „Auftauchen“ der Forscherin, ein kurzer Impuls oder eine Frage wie “What are you thinking? “ die Angesprochenen unter Umständen vom ursprünglichen Gedanken ablenken und zu komplett anderen Äußerungen verleiten. Dörnyei (2007) gibt deshalb mit Recht zu bedenken: “Just because introspective reports come ‘straight from the horse’s mouth’, they cannot be taken as the ultimate revelations about thought processes“ 251 5.3 Untersuchungsdesign und Datengewinnung (Ebd., 150). Des Weiteren kann die Artikulation von Gedanken auch einen direkten Einfluss auf kognitive Prozesse oder weitere Handlungen nehmen, so dass die auf diese Weise gewonnenen Daten nicht isoliert stehen, sondern stets im Zusammen‐ hang interpretiert werden sollten, um zu möglichst validen und reliablen Ergeb‐ nissen zu gelangen. • Reflexionen und Gespräche: Gelegentlich fanden in den Unterricht integrierte Evaluationsgespräche zwischen Lehrkraft und allen bzw. einzelnen Lernenden statt, in denen aktuelle Wünsche oder Probleme (z. B. bezüglich Gruppenarbeit, Materi‐ albeschaffung, Lautstärke, Mediennutzung usw.) thematisiert wurden. Diese Kurz‐ reflexionen waren insofern aufschlussreich, als die Gespräche auch Auskunft dar‐ über geben konnten, was eine Aufgabenbearbeitung möglicherweise behinderte oder förderte, so dass die entsprechenden Befunde in die weitere Planung einfließen konnten. Gelegentlich ergab es sich auch, dass ich in Pausen oder bei der Betreuung/ Beobachtung einer Gruppe mit den Lernenden ins Gespräch kam und dabei wert‐ volle Daten sammeln konnte, die ich im Forschungstagebuch (möglichst als Zitat) dokumentierte. Besonders leicht gelang der Einstieg in ein Gespräch beim „Schmö‐ kern“ am Fries, so dass ein spezifisches Lernprodukt quasi als Aufhänger diente, um einen Meinungsaustausch oder ein Feedback zu initiieren. Second-hand-Beobachtungen: Wenn ich wegen anderweitiger Verpflichtungen oder einer spontanen Stundenplanänderung ausnahmsweise einmal nicht am Un‐ terricht teilnehmen konnte, stellte die Lehrkraft die Kamera an einer günstigen Stelle im Klassenzimmer auf und/ oder machte eine schriftliche Zusammenfassung über den Unterricht, verknüpft mit einer Reflexion des Erlebten. In einigen Fällen hatte ich einen spezifischen Fragebogen ausgearbeitet, der im Anschluss an die Stunde, spätestens jedoch im Laufe desselben Tages, ausgefüllt werden sollte. Es zeigte sich allerdings, dass es einen Unterschied macht, ob ich - aus meiner Perspektive als Forscherin - selbst beobachten kann, was im Klassenzimmer geschieht, oder ob ich mich auf eine mehr oder weniger ausführliche Berichterstattung verlassen muss, die mitunter mehr Fragen als Antworten liefert: “The main merit of observational data is that it allows researchers to see directly what people do without having to rely on what they say they do. Therefore, such data can provide a more objective account of events and behaviours than second-hand self-report data“ (Ebd., 185). Flick (2012, 364) empfiehlt prinzipiell eine regelmäßige „Angemessenheitsprüfung“ der Methode und ihrer Anwendung. Für mich bedeutete das in diesem Fall, dass die Second-hand-Beobachtungen zwar mitunter wichtige Erkenntnisse lieferten, jedoch auf Grund ihrer eingeschränkten Gültigkeit nur zweitrangig berücksichtigt wurden. Alle im Unterricht gemachten Beobachtungen bzw. Wahrnehmungen sowie Hinweise auf relevante Videosequenzen, Fotografien, Friesprodukte oder andere Datenquellen wurden regelmäßig im Forschungstagebuch gesammelt, anschließend kommentiert, analysiert und in der Zusammenschau interpretiert. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse und Befunde wurden erneut im Forschungstagebuch festgehalten. 252 5 Erkenntnisinteresse und Untersuchungsdesign 29 Grundsätzlich verwende ich bevorzugt und absichtlich die Ich-Form, um zu verdeutlichen, dass ich mich als Forscherin am Forschungsprozess aktiv und subjektiv beteiligt sehe und nicht etwa als ein objektives Neutrum fungiere, wie dies durch Begriffe wie „der Forscher“ bzw. „die Forscherin“ fälschlicherweise suggeriert wird. Auf dieses sprachliche Phänomen bzw. Problem wird gelegentlich auch in der einschlägigen Literatur hingewiesen, wenn es um Objektivität, Validität und Reliabilität von Forschungsergebnissen geht. 5.3.4.3.4 Datengewinnung während des Hauptseminars Auf die Schwierigkeiten der Datenerfassung während des gleichzeitigen Unterrichtens sowie auf den potenziellen Konflikt zwischen Teilnahme und Distanz bei der hier doppelten Rollenübertragung wurde bereits hingewiesen (vgl. Kapitel 5.3.4.2). Um die jeweiligen Funktionen und Perspektiven deutlicher auseinanderzuhalten, wird nachfolgend - je nach eingenommener Rolle - von der Seminarleiterin bzw. der Forscherin gesprochen. 29 Auch werden die spezifischen Stärken und Schwächen der einzelnen Verfahren in diesem Kapitel nicht noch einmal aufgegriffen, da diese bereits ausführlich erörtert wurden. Unbestritten ist ferner, dass die selektive Wahrnehmung und subjektive Perspektive der Seminarleiterin als gleichzeitige Forscherin durch ergänzende Befragungen der Studierenden kontrastiert und relativiert werden muss, um möglichst verlässliche Befunde liefern zu können. Nach‐ folgend werden die eingesetzten Verfahren der Datengewinnung im Seminar aufgeführt und erläutert: • Feldnotizen im Forschungstagebuch: Wie auch bei der Feldforschung in den Klassenzimmern sammelte die Forscherin bereits vor Beginn des jeweiligen Haupt‐ seminars einige für den Erkenntnisgewinn relevante Daten, die sie in ihrem kurs‐ spezifischen Forschungstagebuch notierte oder als Liste bzw. Kopie einfügte: An‐ fragen per E-mail, Gesprächsnotizen, Reader, Namenslisten, Ausdruck aus dem Kommentierten Vorlesungsverzeichnis usw. Da die Seminarleiterin zur Vorbereitung des Kurses einen detaillierten schriftlichen Unterrichtsplan mit Zeitangaben, Aufgaben- und Fragestellungen angefertigt sowie die erforderlichen Medien hergestellt bzw. besorgt hatte, kam es während des Kurses nicht zu spontanen Änderungen. Dies hatte für die Forscherin den großen Vorteil, dass auffallende Beobachtungen während der Seminardurchführung relativ zügig in den detaillierten Unterrichtsentwurf eingetragen und klar zugeordnet werden konnten, ohne dass nähere Kontextbeschreibungen erforderlich waren. Wie bereits erwähnt wurde, entstanden während der Durchführung der Hauptse‐ minare immer wieder Phasen, in denen sich die Seminarleiterin der Datengewin‐ nung widmete, also in die Rolle der Forscherin schlüpfte, auch wenn diese Funktion im Vergleich zu einer ausschließlichen Beobachterrolle natürlich nur reduziert wahrgenommen werden konnte. Andererseits war die Forscherin durch die Erfah‐ rungen mit den Storyline-Projekten in den Schulen und durch frühere Story‐ line-Kurse bereits „vorbelastet“ und konnte somit zielgerichteter vorgehen. Dabei hielt sie sich an die von Flick (2012, 378) empfohlene „Sparsamkeitsregel“, nämlich nur so viel aufzuzeichnen, wie zur Beantwortung der Forschungsfragen unbedingt erforderlich ist. 253 5.3 Untersuchungsdesign und Datengewinnung Bei der Datengewinnung wurden verschiedene Beobachtungsobjekte bzw. Wahr‐ nehmungsstrategien fokussiert und reflektiert: Selbstbeobachtung, Beobachtung einzelner, mehrerer oder aller Personen während des Arbeitsprozesses (auch außer‐ halb des Kursraums), szenenorientierte Beobachtung (z. B. beim Aushandeln und Gestalten einer Collage), Beobachtung von Interaktionsabläufen und gruppendyna‐ mischen Prozessen oder Beobachtung der diversen Aktivitäten (und zugleich hete‐ rogenen Ergebnisse) bei spezifischen Arbeitsaufträgen und Aufgabenstellungen, um nur einige Beispiele zu nennen. In den Pausen sowie in ausgeprägten Phasen der Studierendenaktivität (z. B. wäh‐ rend der Gruppenarbeit) versuchte die Forscherin, ihre Beobachtungen bzw. ge‐ hörten Wahrnehmungen in Stichworten zu notieren und relevante Zitate möglichst wortwörtlich festzuhalten und dann im Hinblick auf die Forschungsfragen zu re‐ flektieren. Auch wenn eine Forscherin als gleichzeitige Seminarleiterin grundsätz‐ lich als befangen gilt, muss hier dagegen gehalten werden, dass in diesem Fall der Ablauf des Kurses nicht durch die Anwesenheit und Tätigkeiten fremder Beobach‐ terinnen oder Beobachter beeinflusst wurde und somit als relativ authentisch be‐ zeichnet werden kann. • Videoaufzeichnungen: Auf eine Videoaufzeichnung wurde verzichtet, da dies mit erheblichen Umständen verbunden gewesen wäre und somit die Seminardurchfüh‐ rung ungemein gestört hätte, so dass auch hier wieder Flicks „Sparsamkeitsregel“ befolgt wurde (Ebd.). Außerdem waren Videoaufzeichnungen im Sinne der Proto‐ kollierung einzelner Unterrichtsabschnitte insofern nicht vonnöten, als die Semi‐ narleiterin den Kursablauf selbst vorbereitet und strukturiert hatte, also weitgehend abschätzen konnte, was geschehen wird. • Fotografien: Während der Unterrichtssimulation wurden einige wenige Fotoauf‐ nahmen erstellt, um wenigstens ansatzweise die Kreativität und Aktivität der Stu‐ dierenden zu dokumentieren und dabei (neben den schriftlichen Notizen) auch ei‐ nige visuelle Daten in Form von Bildern zu gewinnen. Die meisten Fotografien wurden allerdings in den Pausen und nach Abschluss des jeweiligen Hauptseminars angefertigt, um den Prozess der Raumgestaltung sowie die Produkte (Collagen, Fries, Reflexionsposter usw.) festhalten und vergleichen zu können. Die Bilddokumente wurden schließlich - wie bei den schulischen Fallstudien - mit relevanten Daten beschriftet und in ein spezifisches Album eingefügt, so dass sie (auch im Nachhinein) begutachtet und reflektiert werden konnten. • Fries: In den Hauptseminaren wurden im Prinzip zwei verschiedene Wandfriese erstellt: der themenspezifische Storyline-Fries aus der Unterrichtssimulation sowie der fachdidaktikspezifische Fries mit Postern zu Erfahrungen, Theorie und Frage‐ stellungen hinsichtlich des Seminarthemas (Metaebene). Auf diese Weise wurden zwei Entwicklungsprozesse verzahnt und mit diversen Lernprodukten visualisiert, auf die bei Bedarf immer wieder zurückgegriffen werden konnte. Sämtliche Friesprodukte wurden abfotografiert. Besonders auffallende und für das Erkenntnisinteresse bedeutsame Materialien wurden nach Kursende mit Zustim‐ mung der Studierenden eingesammelt, begutachtet, beschriftet und in spezifischen Mappen oder Kartons aufbewahrt. Auch in diesem Fall bot der Fries immer wieder 254 5 Erkenntnisinteresse und Untersuchungsdesign Gelegenheiten für parallele Gespräche mit einzelnen oder mehreren Studierenden, die im Anschluss sinngemäß oder als Zitat im Forschungstagebuch dokumentiert wurden. • Lautes Denken (think-aloud technique): Dieses Verfahren wurde aus bereits er‐ wähnten Gründen auch im Seminarraum nicht gezielt eingesetzt, dennoch ergab es sich, dass Studierende - vor allem während der Gruppenarbeit und bei der Begut‐ achtung des Frieses - ihre Gedanken, Gefühle oder Lernprozesse verbalisierten. Dies geschah entweder auf kurze Nachfrage der Forscherin, anderer Studierender oder auch ganz spontan. • Reflexionen und Gespräche: Grundsätzlich fanden während der Hauptseminare immer wieder explizite Reflexionsphasen, Diskussionen und Evaluationsgespräche zu unterschiedlichen Themenschwerpunkten statt, und zwar zwischen Lehrkraft und allen bzw. einzelnen Studierenden oder auch in spezifischen Gruppen. Beson‐ ders aufschlussreich waren die von den Studierenden im Hinblick auf den Storyline Approach und dessen Implementierung im Fremdsprachenunterricht geäußerten Fragen und Problemstellungen. Sie wurden zunächst - meist unkommentiert - auf einem so genannten Fragen-Poster gesammelt, von den Studierenden bei Bedarf eigenständig ergänzt und am Ende des Kurses gemeinsam überprüft. Diese Fragen bildeten einen elementaren Baustein des Seminarkonzepts, denn sie verwiesen unter anderem auf lernbiographische Besonderheiten der Studierenden und mögliche Bar‐ rieren hinsichtlich der Umsetzung des Gelernten im späteren Berufskontext (Lern‐ transfer). Gleichzeitig waren sie auch für die Fragestellungen der Forscherin von großer Relevanz und wurden von ihr notiert und analysiert. Auch in den Hauptseminaren ergab es sich immer wieder, dass ich als forschende Seminarleiterin in Pausen oder bei der Betreuung/ Beobachtung einer Gruppe mit Studierenden ins Gespräch kam und dabei Daten sammeln konnte, die ich möglichst zügig im Forschungstagebuch dokumentierte. Besonders leicht gelang der Einstieg in ein Gespräch - wie oben erwähnt - beim individuellen Lesen und Betrachten der Friesprodukte, die somit häufig als Anlass für einen kurzen Meinungsaustausch oder ein Feedback dienten. Alle für das Erkenntnisinteresse relevanten Wahrnehmungen sowie Verweise auf entspre‐ chende Fotografien, Friesprodukte oder andere Datenquellen wurden regelmäßig und so ausführlich wie möglich im Forschungstagebuch dokumentiert, mit Kommentaren ver‐ sehen und später im Hinblick auf das Forschungsthema analysiert und interpretiert. Die dabei gewonnenen Einsichten wurden anschließend ebenfalls festgehalten. 5.3.4.3.5 Datengewinnung außerhalb des Unterrichts Die im Unterricht gewonnenen visuellen und auditiven Daten, die Feldnotizen und per‐ sönlichen Reflexionen im Forschungstagebuch sowie die diversen Lernprodukte (Fries) als besonders wichtige Dokumente wurden noch durch weitere Datensätze ergänzt, um den Untersuchungsgegenstand mit Hilfe von verschiedenartigen Verfahren aus ganz unter‐ schiedlichen Perspektiven zu beleuchten, vor allem auch aus der Warte der Lehrenden und Lernenden: 255 5.3 Untersuchungsdesign und Datengewinnung 30 Dörnyei (2007) erwähnt diese Problematik im Zusammenhang mit introspektiven Verfahren eben‐ falls: “Verbal reports are not immune to the social desirability bias and there is a danger that the background knowledge or ‘folk psychology’ of the respondent might contaminate the data“ (Ebd., 151). 31 Zu diversen Interviewtypen vgl. Dörnyei (2007, 134 ff.) oder auch Hopf (2013, 349 ff.). • Retrospektive Interviews mit den Lehrkräften: Während der Zusammenarbeit mit den einzelnen Lehrkräften zeigte sich bald, dass Fragebögen als Erhebungsin‐ strumente weitgehend auf Ablehnung stießen, da sie als befremdlich, zu formal und als zeitintensiv oder gar „lästig“ empfunden wurden. Mit einer der Lehrkräfte führte ich diesbezüglich ein intensives Gespräch und sie klärte mich auf, dass Fragebögen von Lehrkräften generell als problematisch und irritierend bewertet werden, so dass man aus Selbstschutz unter Umständen sogar zu „geschönten“ Aussagen 30 tendiere, was natürlich einem Forschungsvorhaben nicht sehr dienlich ist. Für mich war diese Aussage sehr aufschlussreich, so dass ich es vorzog, auf die geplanten Fragebögen weitgehend zu verzichten und stattdessen die mündlichen, wenig strukturierten In‐ terviews und retrospektiven Reflexionen beizubehalten bzw. zu intensivieren, da mir diese Verfahren einen besseren Zugang zum Forschungsfeld und zugleich aussage‐ kräftigere Erkenntnisse versprachen. Mündliche Interviews 31 werden offenbar auch deswegen bevorzugt, “because inter‐ viewing is a known communication routine“ (Dörnyei 2007, 134), und das Inter‐ viewgenre gilt als “shared cultural knowledge“ (Ebd.). Dabei haben unstrukturierte oder wenig strukturierte Interviews den großen Vorteil, dass die Befragten oftmals Dinge quasi nebenbei erwähnen, die sie in einem eng strukturierten Leitfadenin‐ terview oder Fragebogen nie von sich geben würden: “The (...) ‘unstructured inter‐ view’ (sometimes also referred to as the ‘ethnographic interview’), allows maximum flexibility to follow the interviewee in unpredictable directions, with only minimal interference from the research agenda“ (Ebd., 135). Auch hier zeigte sich, dass eine dogmatische Versteifung auf vorab festgelegte Abläufe und die einseitige Fixierung auf spezifische Erhebungsmethoden wenig erfolgversprechend, sondern mitunter sogar kontraproduktiv sind, da ein komplexes Forschungsfeld wie das Klassen‐ zimmer einer eigenen Dynamik unterliegt, die es zu berücksichtigen und zu res‐ pektieren gilt. Diese Ansicht vertreten auch Müller-Hartmann und Schocker-von Ditfurth (2001, 3): Der Forschungsprozess bei qualitativen Forschungsarbeiten folgt selten in kausal-linearer Weise exakt einem vorher entwickelten Plan. Stattdessen führen Erkenntnisse im Verlauf der Durchführung immer wieder zu einer Revision und Präzisierung der ursprünglichen Kon‐ zepte und Verfahren, weshalb der Prozesscharakter typisch für eine gegenstandsbegründete Entwicklung qualitativer Verfahren zu sein scheint. Im Übrigen spricht sich auch Flick für eine grundsätzliche Flexibilität und Offenheit der Datenerhebung aus (Flick 2008, 288) und Dörnyei (2007) empfiehlt mehr als einmal ganz ausdrücklich: “Adopt a pragmatic approach and feel free to choose the research method that you think will work best in your inquiry“ (Ebd., 307). 256 5 Erkenntnisinteresse und Untersuchungsdesign 32 Vgl. dazu die Empfehlungen zur Durchführung von retrospektiven Interviews bei Dörnyei (2007, 149 f.). 33 Vgl. dazu den so genannten experiential learning cycle bei Scrivener (2011, 19 f.). Auf Grund der geäußerten Bedenken hinsichtlich schriftlicher Befragungen wurde der Unterricht im Rahmen der diversen Fallstudien entweder in einer Freistunde oder nach Unterrichtsende gemeinsam mit der Lehrkraft besprochen und reflektiert, zumal retrospektive Verfahren vor allem dann zu relativ validen Ergebnissen führen, wenn sie möglichst zeitnah durchgeführt werden (Ebd., 148 ff.). Als grober Orien‐ tierungsleitfaden für die reflektierenden gegenstandsbezogenen Gespräche galten - unter Berücksichtigung der spezifischen Forschungsfragen - meist die folgenden drei Basisfragen: „Was ist Ihnen im Unterricht positiv bzw. negativ aufgefallen? “, „Was fiel Ihnen und/ oder den Lernenden besonders leicht bzw. schwer? “, „Wie schätzen Sie das Ergebnis ein bzw. was würden Sie ändern? “. Als Aufhänger für die regelmäßigen professional conversations dienten - im Sinne eines “stimulated recall“ (Ebd., 149) - der schriftliche Unterrichtsentwurf, Beobach‐ tungen bzw. Feldnotizen im Forschungstagebuch oder auch Friesprodukte, wenn das Gespräch im Klassenzimmer stattfinden konnte, was natürlich von Vorteil war. 32 Teilweise berichtete die jeweilige Lehrkraft spontan über ihre Eindrücke, Gefühle oder etwaige Probleme und versuchte diese zu erklären bzw. zu begründen, teilweise stellte ich spezifische Fragen zu den gemachten Beobachtungen. Grundsätzlich wurde jedoch stets die folgende Empfehlung beherzigt: “During the retrospective interview we should try and involve the respondents as much as possible in volun‐ teering data (...) and even when we highlight parts to comment on (...), we should avoid leading questions or any other researcher interference“ (Ebd., 150). Aufbauend auf den Erkenntnissen und Schlussfolgerungen wurde sodann die kommende Story‐ line-Stunde besprochen oder - falls erforderlich - neu geplant. Erfahrungsbericht, Reflexion und Unterrichtsvorbereitung waren somit stets ein in sich verzahnter Prozess 33 , wobei ich hier mitunter auch die Rolle der Beraterin übernahm. Wenn die Zeit für eine gemeinsame Besprechung einmal nicht ausreichend zur Ver‐ fügung stand, reflektierte die Lehrkraft ihre Unterrichtserfahrungen in offener, schriftlicher Form. In seltenen Fällen füllte sie einen von mir erstellten Fragebogen aus, der in der Regel aus drei Basiskomponenten bestand: 1. Beschreibung des Ab‐ laufs, 2. Reflexion der Ereignisse, 3. Konsequenzen für die weitere Planung. Gele‐ gentlich wurde zudem noch über Telefon und/ oder per E-mail kommuniziert. Wenn es am Unterrichtstag zeitlich möglich war, betrachteten wir einzelne Passagen aus den Videoaufzeichnungen, doch dies war eher die Ausnahme, so dass ich mir meist alleine einen ersten Eindruck von den Aufnahmen verschaffte und diese zu‐ nächst grob auswertete. Dasselbe gilt für einzelne Lernprodukte: Häufig wurden Texte kurz gemeinsam überflogen, später von der Lehrkraft zum Teil mit Anmer‐ kungen versehen, so dass sie am folgenden Schultag wieder an die Lernenden aus‐ gehändigt werden konnten. Während der gegenstandsbezogenen Gespräche bzw. der offenen oder auch fokus‐ sierten Interviews machte ich stets kurze, gedächtnisstützende Notizen, die ich an‐ 257 5.3 Untersuchungsdesign und Datengewinnung 34 Zu verschiedenen offenen und geschlossenen Fragetypen vgl. auch Dörnyei (2007, 104 ff.). schließend ausformulierte, markierte und in der Zusammenschau mit den Feldno‐ tizen aus der Unterrichtsbeobachtung reflektierte. Des Weiteren wurden Hinweise auf andere Datenquellen (z. B. spezifische Friesprodukte, Fotos usw.) schriftlich ver‐ merkt. Aus diesem intensiven „Textverarbeitungsprozess“ ergaben sich wiederum neue Eindrücke und Erkenntnisse, die ebenfalls im Forschungstagebuch festgehalten wurden. • Projektevaluation durch die Lernenden: Auf die Kurzevaluationen als integra‐ tiver Bestandteil der Storyline-Projekte sowie auf die gelegentlichen Gespräche am Fries oder in den Pausen wurde bereits hingewiesen. Eine systematische Evaluation erfolgte kurz nach Abschluss der jeweiligen Projekte stets auch in Form einer schriftlichen Einzelbefragung. Über altersgemäße Fragestellungen und verschiedene (offene und eher geschlossene) Fragetypen 34 wurde dabei dem zentralen Erkennt‐ nisinteresse nachgegangen: Was motiviert die Lernenden bei der Storyline-Arbeit? Was lernen sie in Storyline-Projekten? Bei den eher geschlossenen Fragen, die eine Ja/ Nein-Antwort implizierten, wurde auch jeweils eine kurze Erläuterung bzw. Be‐ gründung erwartet (vgl. Anhang A). Die Fragebögen wurden von mir auf Deutsch konzipiert und vorab mit der jeweiligen Lehrkraft oder anderen Personen hinsichtlich ihrer Verständlichkeit besprochen (Pilotierung). Ziel war, trotz der Unterschiede hinsichtlich Alter und sprachlicher Kompetenz der Lernenden, in allen Fragebögen - also über alle Klassen hinweg - ein Set an relativ ähnlichen Fragen zu stellen, um schlussendlich zu einigermaßen kompatiblen Ergebnissen zu gelangen. Je nach Forschungsinteresse wurden die Ba‐ sisfragen bezüglich Motivation und Lernerfolg noch um weitere Fragen ergänzt. Allerdings wurde darauf geachtet, die Fragebögen möglichst knapp zu halten und die Lernenden nicht durch unnötig komplexe oder redundante Fragen zu irritieren oder durch Suggestivfragen zu beeinflussen. Wenn immer es möglich war, führte ich an einem der darauffolgenden Tage die Befragung in den einzelnen Klassen selbst durch und achtete darauf, dass die Fragen verstanden wurden und keine gegenseitige Beeinflussung durch „Partnerarbeit“ stattfand. Dies konnte jedoch nicht in allen Fällen verhindert werden, so dass im Rahmen der Auswertung bei entsprechendem Verdacht eine kurze Anmerkung ge‐ macht wird. Der Prozess der gemeinsamen Meinungsbildung entspricht der sozialen Realität des Klassenzimmers und kann wohl kaum unterbunden werden, es sei denn, man isoliert die Befragten, was allerdings zur Verweigerung oder anderen Unge‐ nauigkeiten führen kann. Aus organisatorischen und beruflichen Gründen gelang es mir leider nicht immer, die Abschlussbefragung eigenhändig durchzuführen, da sich manche Schulen in großer Entfernung zur Hochschule befanden. In diesem Falle beauftragte ich die Lehrkraft, den Fragebogen in der nächsten Unterrichtsstunde auszuteilen, (nur) mit den vorab besprochenen Anweisungen zu erläutern und sorgfältig darauf zu achten, dass das Ausfüllen als „Stillarbeit“ erfolgte. In einem Fall wurde die Befragung durch 258 5 Erkenntnisinteresse und Untersuchungsdesign eine Referendarin betreut. Hier mussten also die Faktoren „Zeit“ und „Kontrolle“ gegeneinander abgewogen werden. Ich bin mir dessen bewusst, dass diese auf gegenseitigem Vertrauen basierende Vor‐ gehensweise Fragen hinsichtlich Validität und Reliabilität der Befunde aufkommen lässt, zumal für mich als Forscherin - ähnlich wie bei Second-hand-Beobachtungen - nicht exakt nachvollziehbar ist, wie die Befragungssituation tatsächlich war: Hat die Lehrkraft die Lernenden (gewollt oder ungewollt) beim Ausfüllen der Frage‐ bögen in irgendeiner Weise beeinflusst? Auch in diesem Fall werden bei Auffällig‐ keiten entsprechende Anmerkungen in den Auswertungstext gemacht. Im Übrigen muss bei jeder Art der schriftlichen Befragung bedacht werden, dass selbst bei sorg‐ fältigster Beaufsichtigung und exakt formulierten Anweisungen nie sichergestellt werden kann, dass alle Fragen genau so verstanden und entsprechend beantwortet werden, wie dies von Forscher oder Forscherin beabsichtigt ist (vgl. Dörnyei 2007, 151). Zudem spielt natürlich auch die Befragungssituation selbst eine Rolle: Haben die Befragten das Gefühl, ehrlich und offen antworten zu können? Welche Einstel‐ lungen haben sie gegenüber dem Forschungsvorhaben und der Forscherin? Wie fühlen sie sich am Tag der Befragung? Eine „natürliche Grauzone“ wird somit immer verbleiben. Die Fragebögen wurden grundsätzlich anonym ausgefüllt. In Klasse 5 konnten die Lernenden auf freiwilliger Basis auch ihren Namen eintragen, so dass die Möglich‐ keit bestand, bei Bedarf Rückfrage zu halten und/ oder kurze Einzelinterviews zu spezifischen Aspekten durchzuführen, da die Schülerinnen und Schüler auf Grund ihres Alters nicht immer ihre Vorstellungen und Ansichten treffend ausformulieren konnten. Diese klärenden und fokussierten Einzelinterviews beschränkten sich meist auf wenige Minuten und wurden entweder im Unterricht oder in einer Pause durchgeführt. Die Befunde wurden im Forschungstagebuch notiert und - wenn möglich - auch als wörtliche Rede festgehalten. • Abschlussgespräche: Alle eingesammelten Fragebögen wurden mit Angaben zu Klasse und Befragungsdatum sowie einer chronologischen Ziffer versehen. An‐ schließend wurden sie kopiert, damit ich Anmerkungen auf den Kopien festhalten konnte, ohne dabei die Originaldokumente zu verfälschen. Danach analysierte und reflektierte ich die Ergebnisse grob, versuchte sie zu kodieren und zu kategorisieren (wenn auch zunächst nur oberflächlich), verglich sie mit meinen eigenen Beobach‐ tungen und Feldnotizen, markierte besonders auffallende oder abweichende An‐ gaben und notierte schließlich die Befunde und erste Schlussfolgerungen im For‐ schungstagebuch. Im Anschluss wurden die Ergebnisse mit der Lehrkraft besprochen, reflektiert und kommentiert, so dass auf diese Weise eine weitere (näm‐ lich dritte) Perspektive integriert werden konnte. In einem nächsten Schritt wurden Rückmeldungen und eventuelle Fragen zum Pro‐ jektverlauf und/ oder den Fragebögen für die geplante Abschlussbesprechung mit den Schülerinnen und Schülern gesammelt, die stets an einem der darauffolgenden Tage, also in relativer zeitlicher Nähe zu dem Storyline-Projekt, (auf Deutsch) statt‐ fand. Wenn noch dringende Rückfragen an die Klassen erforderlich waren, war ich bei den abschließenden Klassengesprächen teilnehmend bzw. beobachtend mit an‐ 259 5.3 Untersuchungsdesign und Datengewinnung wesend, zeichnete diese zum Teil auch auf Video auf und/ oder machte Feldnotizen, insbesondere wenn Diskrepanzen zwischen den schriftlichen und mündlichen Aus‐ sagen und/ oder den gemachten Beobachtungen erkennbar wurden. Ansonsten führte die jeweilige Lehrkraft das Abschlussgespräch in Eigenregie durch und be‐ richtete mir anschließend in schriftlicher oder mündlicher Form davon. In einem abschließenden Gespräch reflektierten die Lehrkraft und ich noch einmal das komplette Unterrichtsprojekt und versuchten dabei, verschiedene Perspektiven und Datenquellen zu berücksichtigen. Je nach Zeit und Bedarf verliefen diese offenen und wenig strukturierten Interviews mehr oder weniger ausführlich. Zum einen Teil orientierte ich mich dabei an den Fragebögen, die den Lernenden ausgeteilt wurden, und stellte nun der Lehrkraft ähnliche bzw. gleiche Fragen, zum anderen Teil verlief die Projektauswertung freier. Die Befunde wurden wiederum im Forschungstage‐ buch notiert und kommentiert. In Klasse 5 ergab es sich, dass im Rahmen einer gemeinsamen Adventsfeier auch spontane Kommentare der Eltern zu dem durchgeführten Storyline-Projekt gesam‐ melt und anschließend im Forschungstagebuch festgehalten wurden. In der Endauswertung sichtete und analysierte ich das gesamte vorliegende Datenmaterial eines Storyline-Projekts, zog Schlüsse, verglich die Befunde mit eventuell bereits vorlie‐ genden Ergebnissen aus früheren Fallstudien und formulierte Konsequenzen bzw. neue Forschungsfragen für eine mögliche Folgestudie. Alle Ergebnisse wurden schließlich im Sinne einer stetig zunehmenden thick description im Forschungstagebuch dokumentiert. 5.3.4.3.6 Datengewinnung außerhalb des Hauptseminars Es liegt auf der Hand, dass die während des Kurses gewonnenen Daten (z. B. Feldnotizen, Fotografien, Fries usw.) und die täglichen Kursreflexionen durch weitere Datensätze er‐ gänzt und vor allem um die Perspektive der Studierenden erweitert werden mussten, um zu möglichst aussagekräftigen Befunden zu gelangen. Dies geschah auf verschiedene Art und Weise: • Schriftliche Reflexionen und Seminararbeiten der Studierenden: Auf die Re‐ flexions- und Evaluationsphasen als Bestandteil des Storyline-Hauptseminars sowie auf die gelegentlichen Gespräche am Fries oder in den Pausen wurde bereits hinge‐ wiesen. Um jedoch - abgesehen von den Gruppenergebnissen - auch individuelle Ansichten zum Storyline Approach und zur Kursgestaltung zu erhalten, sollten die Studierenden im Rahmen ihrer Seminararbeit nicht nur ein Storyline-Projekt in einer Kleingruppe entwickeln, sondern auch das Storyline-Konzept und ihren persönli‐ chen Lernerfolg durch das Hauptseminar reflektieren, und zwar in Einzelarbeit (auf Englisch). Auf diese Weise erhielt ich drei verschiedene Datensätze, die konkrete Antworten auf meine Forschungsfragen liefern konnten: • die in Teams entwickelten Storyline-Projekte, anhand derer beurteilt werden konnte, ob die Studierenden die Seminarinhalte verstanden haben und umsetzen können (Transfer); • die Einzelreflexionen über das Storyline-Konzept und dessen Bedeutung für das fremdsprachliche Lernen, die Aufschluss darüber gaben, ob bzw. wie fundiert 260 5 Erkenntnisinteresse und Untersuchungsdesign die Studierenden auf fachdidaktischer Ebene argumentieren können und wo eventuell noch Fragen offen sind (Verbindung von Theorie und Praxis); • die Bewertungen des eigenen Lernerfolgs, die Auskunft über den Grad der er‐ reichten Handlungskompetenz gaben (Einschätzung der persönlichen Kompe‐ tenzen). Wie oft in der Forschung weisen auch diese Datensätze Stärken und Schwächen auf: Zu den Stärken gehört die Vielfalt an Herangehensweisen und Daten, um zu fun‐ dierten Ergebnissen zu gelangen. Zu den Schwächen gehört zweifelsohne die Tat‐ sache, dass die Reflexionen und Evaluationen nicht anonym verfasst wurden, son‐ dern Bestandteil der zu benotenden Seminararbeiten waren. Die Studierenden befanden sich somit eindeutig in einem Abhängigkeitsverhältnis zur forschenden Seminarleiterin. Andererseits zeigte die Zusammenschau der drei Teile in Kombi‐ nation mit den Beobachtungen im Hauptseminar, ob und inwiefern die Aussagen stimmig waren. Außerdem konnten die Studierenden durch die offene Form der Reflexion ihre Aussagen frei formulieren und gewichten. • Kursevaluation durch die Studierenden: Auf Grund der oben geschilderten Pro‐ blematik entschloss ich mich, ab dem zweiten beforschten Hauptseminar - als mög‐ liches Korrektiv - zusätzlich eine kurze, schriftliche Kursevaluation in Form einer anonymen Einzelbefragung durchzuführen. Diese systematische Befragung erfolgte auf Englisch und beinhaltete Fragen bzw. Aspekte zu eventuellen Stärken und Schwächen des Kurses (Motivation), Änderungswünschen/ Vorschlägen, Vorberei‐ tung/ Aufwand und zum Lernerfolg. Sie hatte den Vorteil, dass alle Studierenden zu ein und denselben Punkten Stellung nehmen mussten, den Kurs schließlich mit einer Note (1-6) bewerten sollten und somit die Vergleichbarkeit der Ergebnisse erhöht wurde (vgl. Anhang B). Der Evaluationsbogen mit insgesamt sechs bzw. sieben offenen und eher geschlos‐ senen Fragen bzw. Punkten wurde von mir zu Beginn des letzten Seminartags aus‐ geteilt, so dass ich noch Zeit hatte, vor Kursende einen schnellen Überblick über die Angaben zu erhalten und diese mit den Studierenden zu besprechen. Dies war auch mit ein Grund dafür, warum er relativ knapp gehalten wurde, nämlich um ihn zeitnah auswerten und in das Seminar integrieren zu können. Die Ergebnisse aus dem sich anschließenden Gespräch wurden ebenfalls im Forschungstagebuch festgehalten und reflektiert. Alle eingesammelten Evaluationsbögen wurden mit einer chronologischen Ziffer versehen und kopiert, so dass ich Anmerkungen auf den Kopien festhalten konnte. Im Anschluss an das Hauptseminar analysierte und reflektierte ich die Ergebnisse noch einmal ausführlicher, kodierte und katagorisierte sie, verglich sie mit meinen eigenen Beobachtungen (Feldnotizen usw.), markierte besonders auffallende An‐ gaben mit Farbstift und notierte die Befunde und Schlussfolgerungen im For‐ schungstagebuch. • Abschlussgespräch: Am Abend des letzten Seminartags fand ein Abschlussge‐ spräch statt, das in relativ offener Form geführt wurde. Dabei nahm ich erneut zwei verschiedene Rollen ein: Als Seminarleiterin ging ich mit den Studierenden noch offene Fragen durch und sammelte deren Eindrücke über den Kurs, die ich stich‐ 261 5.3 Untersuchungsdesign und Datengewinnung wortartig festhielt. Mit der zweiten und dritten Gruppe konnte zusätzlich auch noch der Fragebogen zur Kursevaluation besprochen werden. Als Forscherin versuchte ich, möglichst viele Studierende zu Wort kommen zu lassen und mich selbst be‐ obachtend und zuhörend in den Hintergrund zu stellen, denn da die Forscherin zu‐ gleich Seminarleiterin war, entstand auch hier wieder das Problem der fehlenden Neutralität und Anonymität. Auf der anderen Seite kann dieser Schwachpunkt durch die anderen Datensätze teilweise kompensiert oder wenigstens relativiert werden. • Mails and more: Nachdem ich die eingereichten Unterlagen begutachtet und schriftlich kommentiert hatte, wurde das geplante Nachtreffen mit den Studierenden arrangiert, um ein Feedback über die Seminararbeiten zu geben, offene Fragen zu klären, eventuelle zwischenzeitliche Erfahrungen mit Storyline im Englischunter‐ richt (z. B. im Blockpraktikum) oder Materialien auszutauschen. Dies geschah in der Regel im Laufe des folgenden Sommersemesters und war als offene Gesprächsrunde konzipiert. Zuvor stand ich mit vielen Studierenden noch anderweitig im Kontakt: Manche kamen in die Sprechstunde, andere schrieben E-mails. Manche brauchten eine „zündende Idee“ für ihre Seminararbeit, so dass hier meist eine key question weiterhalf, und wieder andere wollten noch einmal eine informelle Rückmeldung zum Seminar geben. Gelegentlich kam es vor, dass Studierende ein/ ihr Story‐ line-Projekt an einer Schule ausprobieren wollten und schnell einen „Expertentipp“ benötigten. Alle Daten wurden im Forschungstagebuch notiert und reflektiert. In der Endauswertung sichtete und analysierte ich das gesamte Datenmaterial eines Haupt‐ seminars: die Seminararbeiten mit den Reflexionen, die Evaluationsbögen, die Beobach‐ tungen und Aufzeichnungen im Forschungstagebuch, die Friesprodukte oder entspre‐ chende Fotografien usw. Die Befunde wurden mit den bereits vorliegenden Ergebnissen aus den früheren Fallstudien verglichen und die Erkenntnisse im Forschungstagebuch do‐ kumentiert, um auch in diesem Forschungskontext zu einer möglichst dichten Beschrei‐ bung zu gelangen. 5.3.5 Die Auswertung und Interpretation der Daten Während in den vorangegangenen Kapiteln die Gewinnung und Dokumentation von Daten im Rahmen meiner Untersuchungen dargestellt wurde, soll nun nachfolgend die Analyse und Interpretation der gesammelten Daten transparent und somit intersubjektiv nachvoll‐ ziehbar gemacht werden. Für die Auswertung des vielfältigen und umfangreichen Daten‐ materials stellte sich die schwierige Aufgabe, ein sinnvolles Verfahren zu finden, das nicht nur eine möglichst genaue Rekonstruktion der verschiedenen Fallstudien ermöglichte, sondern auch Ansatzpunkte für eine vergleichende Zusammenschau der Einzelfälle lieferte. Diesen intensiven Suchprozess werde ich zunächst reflektieren, bevor ich mich auf die Darstellung der konkreten Vorgehensweisen konzentrieren werde. 5.3.5.1 Zum Verfahren der Datenauswertung Im Gegensatz zur linearen und vorab definierten Vorgehensweise in quantitativen Studien verlaufen qualitative Analysen eher iterativ und meist nach einem Zickzackmuster: “We move back and forth between data collection, data analysis and data interpretation depend‐ 262 5 Erkenntnisinteresse und Untersuchungsdesign 35 Zu Gütekriterien qualitativer Forschung und deren Umsetzung bzw. Überprüfung im Sinne der Qua‐ litätssicherung vgl. auch Steinke (2013). 36 Vgl. dazu Dörnyei (2007), wo Qualitative Inhaltsanalyse (245 ff.) und Grounded Theory (257 ff.) aus‐ führlich vorgestellt und kritisch reflektiert werden. Zu Details der einzelnen Verfahren vgl. auch Corbin/ Strauss (2008), Mayring (2010) oder Mayring/ Gläser-Zikuda (Hrsg.) (2008). 37 Vgl. dazu auch Flick (2012, 387 ff.) oder Strauss (1998). ing on the emergent results“ (Dörnyei 2007, 243). Des Weiteren erscheint das Rohmaterial in qualitativen Studien häufig “’messy’ if not chaotic“ (Ebd., 244), so dass sich immer wieder die Frage nach einer angemessenen Vorgehensweise stellt, um zu brauchbaren Aussagen und nachvollziehbaren Verallgemeinerungen über das Feld zu gelangen: The challenge for the analyst is to bring some insightful order to the multiple accounts of human stories and practices collected or observed. This is the point when we can resort to two funda‐ mentally different analytical approaches: we can either rely on our subjective intuition to find a creative way out of the maze, or we can follow formalized analytical procedures that will help us to uncover the hidden meaning in a systematic, step-by-step process. Both approaches have con‐ siderable support amongst qualitative researchers (Ebd.). Während der quantitativen Forschung oft eine allzu rigide und schmalspurige Verfahrens‐ weise zum Vorwurf gemacht wird, zeichnet sich die eher flexible und kreative Herange‐ hensweise im Rahmen der qualitativen Forschung vor allem dadurch aus, dass die gesam‐ melten Daten nicht in vorab festgelegte Schablonen gepresst, sondern dass Subjektbezogenheit, Situations- und Kontextspezifität berücksichtigt werden (Gläser-Zi‐ kuda 2008, 294) und sich aus den Daten durch intensive Reflexions- und Interpretations‐ prozesse neue Erkenntnisse, Hypothesen und möglicherweise auch Theorien entwickeln lassen. Die Kunst liegt somit darin, eine sinnvolle Analysemethode zu wählen, die einerseits aktuellen Forschungsstandards entspricht und andererseits offen für subjektabhängige Konstruktionsprozesse der Forscherin ist. 35 Im gleichen Zug stellt sich die Frage, ob die Datenanalyse auf der Basis einer spezifischen Methode (z. B. Grounded Theory) erfolgen muss oder ob sie insgesamt freier gestaltet werden kann, so dass mit Hilfe von allgemei‐ neren Analysetechniken (z. B. Kodierung) mögliche Muster in den Daten aufgedeckt werden. Im letzten Fall - laut Dörnyei (2007, 245) die derzeit bevorzugtere Strategie - wird oft der weite Begriff „Qualitative Inhaltsanalyse“ verwendet. 36 Bei gemischten Daten, wie im vorliegenden Fall, kommt allerdings noch erschwerend hinzu, dass auch überlegt werden muss, wie diese überhaupt sinnvoll zusammengeführt werden können. Ein mögliches Verfahren der Datenauswertung wäre in meinem Fall das theoretische Kodieren nach Glaser und Strauss (1967/ 2010) gewesen: Ausgehend von den Daten soll ein mehrstufiger Prozess des Kodierens und Abstrahierens schließlich zur Entwicklung von gegenstandsbegründeten Theorien führen. 37 Die theoretische Kodierung wird dabei als Vorgehensweise verstanden, durch die gewonnene Daten aufgebrochen, konzeptualisiert und wieder neu zusammengesetzt werden, um aus den Daten bzw. den gebildeten Katego‐ rien Beziehungen und schlussendlich Theorien abzuleiten. Als problematisch erachtet Flick (2012) bei dieser Methode jedoch zu Recht „die potenzielle Unendlichkeit der Kodierungs- und Vergleichsmöglichkeiten. (...) Die Methode gibt kaum Anhaltspunkte dafür, woran die 263 5.3 Untersuchungsdesign und Datengewinnung 38 Anzumerken ist, dass es sich bei Grounded Theory nicht etwa - wie oft fälschlich angenommen - um eine Theorie handelt, sondern um eine Forschungsmethode, und dass es „die“ Grounded Theory im Sinne eines fest umschriebenen und eindeutig identifizierbaren Ansatzes heute offensichtlich nicht mehr gibt, auch wenn häufig noch darauf verwiesen wird: “Throughout the years, what was initially grounded theory has evolved into many different approaches to building theory grounded in data“ (Corbin/ Strauss 2008, viii). 39 Mayring unterscheidet in einigen Publikationen nur drei Modelle, nämlich zusammenfassende, ex‐ plizierende und strukturierende Inhaltsanalyse (2008), in anderen nennt er vier Techniken (2013) und verweist darauf, dass die induktive Kategorienbildung neuerdings zunehmend an Bedeutung ge‐ winnt. Gelegentlich bezeichnet er die induktive Kategorienbildung jedoch auch als Sonderform der zusammenfassenden Inhaltsanalyse (2010, 83 ff.) und stiftet mit seiner uneinheitlichen Verwendung von Begriffen und Konzepten etwas Verwirrung. Konkrete Analysebeispiele zu den Techniken finden sich in Mayring (2010, 63 ff.). Auswahl von Textstellen und Fällen zu orientieren und wonach der Abbruch von Kodierung (und Sampling) zu richten ist“ (Ebd., 401). Mayring (2008, 11) gibt hinsichtlich der Grounded Theory grundsätzlich zu bedenken, dass bei dieser in den Sozialwissenschaften verbreiteten Analysestrategie weder klare Re‐ geln noch Prozeduren existieren. Nicht umsonst wird sie häufig auch als Kunstlehre be‐ zeichnet, zumal das Vorgehen nicht rezeptartig zu erlernen ist. 38 Dörnyei (2007) warnt zudem vor dem immensen Arbeitsaufwand, der nicht immer im Verhältnis zum Ergebnis steht: “In my experience there is a real danger for going religiously through the time-con‐ suming process of the coding sequences in an iterative manner and still ending up with no ‘theory’ or a rather trivial one“ (Ebd., 262). Dabei stellt sich natürlich die grundsätzliche Frage, was überhaupt als Theorie bezeichnet werden kann. Auch Dörnyei (Ebd., 260) ver‐ weist in diesem Zusammenhang auf den inflationären Gebrauch des Begriffes. Als Alternative kam schließlich die Qualitative Inhaltsanalyse in Betracht, denn laut Mayring (2008, 17) können durch das regelgeleitete Vorgehen der Qualitativen Inhaltsana‐ lyse die operationellen Schwächen der Grounded Theory-Methode kompensiert werden. Die Inhaltsanalyse stammt aus den Kommunikationswissenschaften und ist eine der gän‐ gigen Vorgehensweisen zur Analyse von Textmaterial unterschiedlichster Herkunft. Dabei werden entweder Kategorien, die aus theoretischen Modellen abgeleitet wurden, an das Material herangetragen, daran überprüft und gegebenenfalls modifiziert (deduktives Ver‐ fahren), oder aber sie werden wie im vorliegenden Fall aus dem Material heraus entwickelt (induktives Verfahren). Das Ziel ist dabei - im Gegensatz zu anderen Ansätzen - die Re‐ duktion des Materials (Flick 2012, 409), was bei der im Rahmen meiner diversen Fallstudien entstandenen Datenmenge sinnvoll erschien. Mayring (2013, 471 ff.) unterscheidet vier verschiedene Techniken bzw. Vorgehensweisen der Qualitativen Inhaltsanalyse: 39 • Zusammenfassende Inhaltsanalyse: Der Text wird mit Hilfe von Auslassung, Generalisierung, Konstruktion, Integration, Selektion und Bündelung auf die we‐ sentlichen Inhalte reduziert, um einen überschaubaren Kurztext auf höherem Ab‐ straktionsniveau zu erhalten, der jedoch immer noch das Ausgangsmaterial abbildet. Dieses Verfahren ist sinnvoll, wenn nur an der inhaltlichen Ebene des Materials Interesse besteht. 264 5 Erkenntnisinteresse und Untersuchungsdesign • Explizierende Inhaltsanalyse: Im Gegensatz zur Zusammenfassung wird hier systematisch und kontrolliert Zusatzmaterial zu unklaren Textbestandteilen gesam‐ melt, um diese Textstellen verständlich zu machen. Dabei wird zwischen einer engen und einer weiten Kontextanalyse unterschieden. • Strukturierende Inhaltsanalyse: Sie dient dazu, um bestimmte Aspekte aus dem Material herauszufiltern, anhand von vorab festgelegten Ordnungskriterien einen Querschnitt durch das Material zu legen oder das Material nach bestimmten Krite‐ rien einzuschätzen. Ziel dieser deduktiven Vorgehensweise ist es, durch die genaue Formulierung von Definitionen, typischen Textpassagen (so genannten Ankerbei‐ spielen) und Kodierregeln einen Kodierleitfaden zu entwickeln, der die Strukturie‐ rungsarbeit präzisiert. Dabei kann die Strukturierung nach formalen, inhaltlichen, typisierenden oder skalierenden Aspekten erfolgen. • Induktive Kategorienbildung: Hier werden Verfahrensweisen der zusammenfas‐ senden Inhaltsanalyse genutzt, um schrittweise Kategorien und schließlich Über‐ kategorien direkt aus dem Material zu entwickeln, ohne sich auf Vorannahmen der Forschenden, auf bereits formulierte Theorien oder Theoriekonzepte zu beziehen. Im Kontext der Grounded Theory wird dieser Prozess als „offene Kodierung“ be‐ zeichnet (Mayring 2010, 84). Innerhalb der Qualitativen Inhaltsanalyse verläuft dieser Vorgang der Kategorienbildung jedoch systematischer. Das Ablaufmodell in Abb. 7 veranschaulicht die systematische Vorgehensweise und steht stellvertretend für die anderen Techniken der Qualitativen Inhaltsanalyse. 265 5.3 Untersuchungsdesign und Datengewinnung Gegenstand, Fragestellung Allgemeine Kategoriendefinition, Festlegung des Selektionskriteriums und Abstraktionsniveaus für Kategorienbildung Schrittweise Kategorienbildung aus dem Material heraus in Bezug auf Definition und Abstraktionsniveau; Subsumtion unter alte Kategorien oder Kategorienneubildung Überarbeitung der Kategorien nach etwa 10-50% des Materials Endgültiger Materialdurchgang Formative Reliabilitätsprüfung Summative Reliabilitätsprüfung Auswertung, ev. quantitative Analysen (z.B. Häufigkeiten) Abb. 7: Ablaufmodell qualitativ-inhaltsanalytischer Verfahren am Beispiel induktiver Kategorien‐ bildung (Mayring 2013, 472) Als Kernpunkte der Qualitativen Inhaltsanalyse gelten laut Mayring (2010, 48 ff.) die fol‐ genden Aspekte: Einbettung des Materials in den Kommunikationszusammenhang, syste‐ matisches und regelgeleitetes Vorgehen, Kategorien im Zentrum der Analyse, Gegen‐ standsbezug statt Technik, Überprüfung der spezifischen Instrumente durch Pilotstudien, Theoriegeleitetheit der Analyse, Einbezug quantitativer Analyseschritte, Gütekriterien. Mayring (2008) betrachtet die Qualitative Inhaltsanalyse als gelungenes Beispiel dafür, wie qualitative und quantitative Analyseschritte miteinander kombiniert werden können: „Denn die Schritte der Kategorienbildung und der Zuordnung von Kategorien zum Text sind eindeutig qualitative Schritte (...), in aller Regel werden dann aber Kategorienhäufig‐ keiten erhoben und quantitativ analysiert“ (Ebd., 9). Im Sinne der mixed methodologies versucht die Qualitative Inhaltsanalyse also einen Mittelweg. Ihr spezifischer Ertrag liegt darin, dass sie zwischen qualitativen und quantitativen Forschungsmethoden eine Brücke schlägt (Gläser-Zikuda 2008, 294) und somit die oft kritisierte Dichotomisierung über‐ windet, um schließlich die jeweiligen Stärken der verschiedenen Verfahren gewinnbrin‐ gend zu nutzen. Lässt sich nun meine praktizierte Vorgehensweise der Datenauswertung einem der aus der Fachliteratur hier vorgestellten Verfahren zuordnen? Vermutlich nicht eindeutig. Ich würde das Prozedere als eine Mischung bzw. Kombination aus theoretischem Kodieren und Qualitativer Inhaltsanalyse bezeichnen, wobei vor allem die induktive Kategorienbildung zum Einsatz kam, während die anderen zuvor genannten Techniken insgesamt eher eine 266 5 Erkenntnisinteresse und Untersuchungsdesign 40 Vgl. dazu auch die Diskussion um den Lernbegriff in Göhlich/ Zirfas (2007). Nebenrolle spielten. Diese Vorgehensweise ist nicht unüblich und laut Dörnyei (2007) auch legitim: “Several variations of the method [Grounded Theory, Anm. D.K.] are practised and, (...) a large number of researchers utilize elements of the method (primarily the coding procedures) to carry out investigations that may or may not be true grounded theory studies“ (Ebd., 259). Da mein Forschungsfokus eindeutig und explizit auf den Storyline Approach gerichtet war und zu den von mir formulierten Forschungsfragen bis dahin keine entsprechenden Untersuchungen im Bereich des Fremdsprachenlernens durchgeführt worden waren, lag es meines Erachtens nahe, ein induktives Verfahren zu wählen und mich nicht etwa an der Literatur oder anderen (allgemeinen) Studien zum Thema „Motivation im Fremdsprachen‐ unterricht“ zu orientieren, zumal ein deduktives Verfahren mit Sicherheit meinen Blick als Forscherin getrübt und möglicherweise nicht alle Spezifitäten des Storyline-Modells zutage gebracht hätte. Bewusst räumte ich also den Daten und dem untersuchten Feld Priorität gegenüber theoretischen Annahmen und Konzepten ein. Als grobe Orientierungslinie dienten zunächst lediglich allgemeine Definitionen der beiden Begriffe „Motivation“ und „Lernen“, wie sie beispielsweise in den folgenden Zitaten formuliert werden: “Simply de‐ fined, we might say that motivation concerns what moves a person to make certain choices, to engage in action, and to persist in action“ (Ushioda 2008, 19) bzw. „Lernen ist die erfah‐ rungsreflexive, auf den Lernenden sich auswirkende Gewinnung von spezifischem Wissen und Können“ (Göhlich/ Zirfas 2007, 17, im Original Kursivschrift). Andererseits hatte ich natürlich aus meiner eigenen Lern- und Lehrerfahrung sowie aus meiner wissenschaftli‐ chen Tätigkeit eine gewisse Vorstellung von den beiden Begriffen und ließ die entspre‐ chenden Erkenntnisse sinnvollerweise in die Entwicklung der diversen Storyline-Projekte und des Seminarkonzepts einfließen. 40 Während ich also zunächst relativ unvoreingenommen die ersten Fallstudien durch‐ führte und diese, wie oben auch von Dörnyei (2007, 244) beschrieben, eher intuitiv aus‐ wertete, also ohne bestimmte theoriegeleitete Erwartungen, ohne genaue Hypothesenbil‐ dung und ohne ein spezifisches Schema oder Forschungsparadigma im Kopf zu haben, vorging und als erste Anhaltspunkte mir wichtig erscheinende Textpassagen im For‐ schungstagebuch markierte (pre-codes) und mit Anmerkungen (memos) versah, zeigte sich bald, dass sich gewisse Unterrichtsbeobachtungen und Erfahrungen im Laufe der Zeit wie‐ derholten, so dass es sich im Zuge der Auswertung schließlich anbot, ein zunächst grobes Raster mit verschiedenen Kategorien anzulegen, um auf diese Weise die Datenmenge in‐ haltlich zu strukturieren und sie später systematisch auswerten zu können sowie entspre‐ chende Aussagen im Sinne einer nachvollziehbaren Schlussfolgerung formulieren zu können. Gerade für die vergleichende Endauswertung der verschiedenen Projekte und Seminare sowie deren Darstellung in dieser Arbeit schien es mir jedoch erforderlich, meine Vorge‐ hensweise mit einem “label“ zu versehen, damit diese nicht als beliebig und somit als un‐ wissenschaftlich deklariert wird, was der qualitativen Forschung und auch Mehr-Me‐ thoden-Ansätzen ohnehin oft zur Last gelegt wird. Auch gut gemeinte Hinweise von renommierten Forschern wie Dörnyei oder Flick, nämlich sich nicht zum Sklaven von 267 5.3 Untersuchungsdesign und Datengewinnung Theorien und Modellen zu machen, irritierten mich zunächst eher, als dass sie mich er‐ munterten, ein eigenes Konzept zu entwickeln und zu vertreten. Die folgende Aussage tat schließlich ihre Wirkung und trug sehr zu meiner Erleichterung bei: „Die Zeit der umfas‐ senden ‘grand theories’ ist vorbei, und es gibt eine Vielzahl von Modellen und Erklärungs‐ ansätzen für alle möglichen Probleme, die mehr oder weniger auf der Detailebene ange‐ siedelt sind. Der Trend geht mehr in Richtung einer Diversifizierung als zu einheitlichen allgemeinen Modellen“ (Flick 2012, 75). Darüber hinaus hebt Mayring (2010) im Kontext der Qualitativen Inhaltsanalyse hervor, dass Gegenstandsangemessenheit wichtiger als Systematik ist (Ebd., 124) und inhaltliche Argumente stets Vorrang vor Verfahrensargumenten haben sollten: „Validität geht vor Re‐ liabilität“ (Ebd., 51). Somit könnte man mein Auswertungsverfahren im Sinne der mixed methodologies als “flexible approach“ bezeichnen, und auch wenn die praktizierte Vorge‐ hensweise im Nachhinein recht mühsam erscheint, denn nicht umsonst verweist Dörnyei (2007) immer wieder auf den “unestablished character“ der mixed methods research (Ebd., 269), so waren die diversen Umwege dennoch lohnenswert und in vielerlei Hinsicht erhel‐ lend, denn ich habe mein Ziel quasi ohne Hinweisschilder gefunden. Was bedeutet dies nun konkret? Bezug nehmend auf das Prinzip der Gegenstandsange‐ messenheit wurden im Sinne der “mixed methods data analysis“ (Ebd., 268) verschiedene Verfahren der Datenanalyse kombiniert: Die diversen qualitativen und quantitativen Datensätze wurden sowohl parallel als auch sequenziell ausgewertet und dabei immer wieder in Bezug zueinander gesetzt, um sukzessiv zu einer vielschichtigen und facetten‐ reichen Interpretation zu gelangen. Diese zunächst induktive Vorgehensweise schloss auch mit ein, dass am Ende die Ergebnisse aus den früheren Studien noch einmal gesichtet und anhand der zwischenzeitlich formulierten Kategorien systematisch überprüft wurden (de‐ duktives Verfahren). Während die ersten Auswertungsdurchgänge der einzelnen Fallstudien eher intuitiv, zeitnah zur Durchführung und nah an den gesammelten Daten erfolgten, dabei Tendenzen vermerkt, Auffälligkeiten markiert und notiert, entsprechende Rückfragen an die Betei‐ ligten getätigt, Hypothesen, Schlussfolgerungen und eventuell neue Forschungsfragen for‐ muliert wurden, verliefen die weiteren Auswertungsdurchgänge systematischer: Die Er‐ kenntnisse aus den Unterrichtsbzw. Seminarbeobachtungen, den Reflexionen, den Fragebögen, den diversen Lernprodukten und den weiteren Unterlagen wurden kodiert, kategorisiert und somit zugleich auch strukturiert. Dieses mehrstufige Verfahren bedeutete, dass die Datenmenge durch die Interpretation der einzelnen Fallstudien zunächst vermehrt und anschließend durch die Kategorisierung, Kodierung und entsprechende Zusammen‐ fassung wieder reduziert wurde. 5.3.5.2 Verschriftung und Transkription Die Interpretation von Texten führt letzten Endes zur Theorieentwicklung: “This is where the process is turned into a product, in the form of the final conclusions“ (Dörnyei 2007, 257). Vor einer Interpretation müssen Daten jedoch dokumentiert und aufbereitet werden. Flick (2012) bewertet den Prozess der Fixierung, der aus den drei Schritten der Aufzeich‐ nung, der Aufbereitung (Transkription) und der Konstruktion einer so genannten neuen Realität besteht, als ein „wesentliches Moment der Konstruktion von Wirklichkeit im For‐ 268 5 Erkenntnisinteresse und Untersuchungsdesign 41 Vgl. dazu auch Matt (2013). schungsprozess“ (Ebd., 372). Grundsätzlich muss die Dokumentation „genau genug sein, um Strukturen darin noch freilegen zu können, und sie muss Zugänge unter unterschied‐ lichen Perspektiven ermöglichen“ (Ebd., 384). Sie hat somit einen wesentlichen Einfluss auf die Qualität der Interpretation bzw. einer Studie schlechthin. Der Aufbereitung der Daten kommt daher eine äußerst bedeutsame Rolle zu, denn schließlich ist der auf diese Weise entstehende Text „die einzige (Version der) Realität, die der Forscher für seine anschließ‐ enden Interpretationen noch zur Verfügung hat“ (Ebd.). 41 Wie aber gestaltet sich die besagte Aufbereitung im konkreten Fall? Wesentliche Schritte dieser Aufbereitung sind im Interview die Aufzeichnung des gesprochenen Worts und die anschließende Verschriftung. Bei Beobachtungen ist die Dokumentation von Hand‐ lungen und Interaktionen der wichtigste Schritt. In beiden Fällen sollte die kontextuelle Anrei‐ cherung von Aussagen bzw. Handlungsweisen durch die Dokumentation des Prozesses der Da‐ tenentstehung in Kontextprotokollen, Forschungstagebüchern oder Feldnotizen ein wesentlicher Bestandteil der Datenerhebung sein. Durch diese Schritte werden die untersuchten Zusammen‐ hänge in Texte überführt, an denen sich die eigentlichen Analysen durchführen lassen (Ebd., 371). Diesen Ansprüchen versuchte ich gerecht zu werden, indem ich zu jeder Fallstudie vielfäl‐ tige Daten und relevante Hinweise zu deren Entstehung und/ oder Bewertung (z. B. Quer‐ verweise auf spezifische Lernprodukte, Fotografien oder Videosequenzen) regelmäßig und systematisch im jeweiligen Forschungstagebuch fixierte, reflektierte und kommentierte, wie dies oben ausführlich geschildert wurde und an dieser Stelle nur verkürzt dargestellt wird. Der besagte Prozess vollzog sich hinsichtlich der Fallstudien an den Schulen in zwei Stufen: Im Unterricht selbst fertigte ich möglichst aussagekräftige Beobachtungsnotizen an, die ich zum Teil sofort mit Kommentaren versah, um sie beispielsweise auch im an‐ schließenden Gespräch mit der Lehrkraft als Reizvorgabe einsetzen zu können. Im An‐ schluss an den Unterricht wurden die Feldnotizen sowie die gewonnenen Erkenntnisse aus den Reflexionen bzw. den retrospektiven Interviews mit der entsprechenden Lehrkraft schnellstmöglich und ausführlicher verschriftet, geordnet, reflektiert und erneut kommen‐ tiert. Am Ende eines Tages, jedoch spätestens am Ende eines Projektes, fasste ich die wich‐ tigsten Erkenntnisse in Form eines Berichts zusammen, auf den ich später wieder Bezug nehmen konnte, ohne mich dabei mit allen Details auseinandersetzen zu müssen. Hinsichtlich der Fallstudien an der PH gestaltete sich der Ablauf ähnlich, allerdings ent‐ fielen hier die retrospektiven Interviews mit der Lehrkraft zugunsten von reflektierenden Gesprächen mit den Studierenden, die in das Kurskonzept integriert waren oder sich mit einzelnen Personen ergaben. Sobald es die Zeit zuließ, wurden die während des Kurses gemachten Notizen ausführlich verschriftet, reflektiert und kommentiert. Die diversen Texte und Produkte der Schülerinnen und Schüler bzw. der Studierenden mussten zwar nicht verschriftet, aber relativ zeitnah ausgewertet werden, um beispiels‐ weise auch Tendenzen und Variationen der Aufgabenlösungen rasch zu erfassen und die Erkenntnisse in die weitere (Unterrichts-)Planung mit einfließen lassen zu können. Das‐ selbe gilt für die jeweiligen Abschlussfragebögen: Diese mussten noch vor Projektbzw. 269 5.3 Untersuchungsdesign und Datengewinnung 42 Zu weiteren Problemen bei der Transkribierung von Daten vgl. Dörnyei (2007, 246 f.). Kursende gesichtet und grob ausgewertet werden, um das Evaluationsgespräch vorbereiten und gestalten zu können. Für die Begutachtung der Seminararbeiten, die in der Regel in der Mitte eines Sommer‐ semesters abgegeben wurden, stand mehr Zeit zur Verfügung. Auch in diesem Fall fertigte ich Notizen über die Auswertung an. Erfreulicherweise stimmten alle Studierenden zu, dass ich Kopien von ihren Arbeiten anfertigen konnte, des Weiteren stellten die Studierenden aus dem WS 2006/ 2007 und WS 2010/ 2011 ihre Projekte über die an der Hochschule eta‐ blierte Lernplattform den anderen Kursmitgliedern zur Verfügung, so dass für mich auch hier die detaillierte Verschriftung der Lernergebnisse entfiel und ich relevante Anmer‐ kungen direkt in die Kopien einfügen konnte. Die Fotografien aus den Schulprojekten und den Hauptseminaren wurden jeweils chro‐ nologisch in ein fallspezifisches Album einsortiert und mit Ziffern, Beschriftungen und Kommentaren zu Inhalt und Kontext versehen, so dass sie (auch im Nachhinein) leicht zugeordnet und ähnlich wie ein fotografisches Tagebuch genutzt werden können. Eine ausführliche schriftliche Inhaltsanalyse wurde auch hier unterlassen, zumal die Fotografien eine eher ergänzende Funktion haben. Wenn Daten mit technischen Geräten aufgezeichnet werden, dann müssen diese vor ihrer Interpretation zunächst transkribiert werden, um sie mit den anderen Daten in Be‐ ziehung setzen zu können. Dies ist in der Regel ein überaus zeitaufwändiger Prozess, den Dörnyei (2007, 246) treffend charakterisiert: “The only good thing to say about the tran‐ scription process is that it allows us to get to know our data thoroughly, otherwise it is usually a far-too-long and less-than-enjoyable process (to say the least)“. Dabei darf nicht vergessen werden, dass auch die Aufbereitung von audio-visuellen Daten subjektabhängig ist, denn “turning recordings into transcripts already contains interpretive elements“ (Ebd.). Eine weitere Verzerrungsgefahr ergibt sich aus dem möglichen Datenverlust während der Transkription: Körpersprache, Mimik und andere nonverbale Aspekte gehen vor allem bei der Verschriftung von Audiodaten verloren. Ein noch so sorgfältig angefertigtes Transkript kann also nie eine untersuchte Wirklichkeit komplett bzw. exakt abbilden, sondern sie höchstens nacherzählen, das heißt, sie rekonstruieren, und somit eine neue Wirklichkeit schaffen: das Feld wird also „zu einem dargestellten Feld“ (Flick 2012, 383). 42 Mittlerweile existieren verschiedene und unterschiedlich genaue Transkriptionssys‐ teme, wobei sich bislang kein Standard durchgesetzt hat (Ebd., 379 ff.) und auch im Bereich der Fremdsprachenforschung kein „perfektes“ System vorliegt, so dass Dörnyei (2007) zu einem “pick-and-mix“ rät (Ebd., 248). Des Weiteren stellt sich hier auch die Frage nach der Angemessenheit des Vorgehens. Flick (2012) kritisiert völlig berechtigt, dass sich über übertriebene Genauigkeitsstandards quasi „durch die Hintertür Ideale naturwissenschaft‐ licher Messgenauigkeit in die interpretative Sozialwissenschaft einschleichen“ (Ebd., 379). Es empfiehlt sich deshalb, „nur so viel und so genau zu transkribieren, wie die Fragestellung erfordert“ (Ebd., 380). Auf Grund der enormen Datenmenge aus den Fallstudien wurden für diese Arbeit also nicht alle Audio- und Videoaufzeichnungen detailliert transkribiert, sondern nur jene Pas‐ sagen, die aus meiner Sicht für den Erkenntnisgewinn besonders relevant waren, zumal der 270 5 Erkenntnisinteresse und Untersuchungsdesign Schwerpunkt meiner Analyse aus den zuvor erwähnten Gründen ohnehin nicht auf den unregelmäßig erhobenen audio-visuellen Daten basierte, sondern diese lediglich als Er‐ gänzung zu den anderen Datenquellen (Feldnotizen, Reflexionen, Befragungen und diverse Lernprodukte) hinzugezogen wurden. Da das Erkenntnisinteresse der Studien nicht vor‐ rangig im Bereich der Linguistik oder der Konversationsanalyse lag, sondern vielmehr die Perspektive der Beteiligten auf den Forschungsgegenstand zum zentralen Inhalt hatte, wurde bei der Transkription kein Höchstmaß an erzielbarer Genauigkeit angestrebt. Auf‐ gezeichnete Befragungen, Gespräche und Unterrichtsbeiträge wurden stattdessen nach einfachen Regeln in Standardorthographie transkribiert, um die Authentizität der Äuße‐ rungen weitgehend zu bewahren, gleichzeitig wurde jedoch darauf geachtet, dass die Bei‐ träge und Ergebnisse möglichst leserfreundlich dargestellt und nicht durch ein komplexes Zeichensystem ergänzt bzw. verfremdet wurden und somit vom eigentlichen Inhalt ab‐ lenken. In der vorliegenden Arbeit wurde bei der Verschriftung nach folgenden Regeln vorge‐ gangen: Sprecherinnen bzw. Sprecher sowie relevante Erläuterungen zum Kontext wurden in jedem Fall über entsprechende Zeichen angegeben, allerdings wurde beispielsweise die Dauer von Pausen nicht akribisch gemessen. Grundsätzlich wurde darauf geachtet, die Äu‐ ßerungen möglichst wenig zu bereinigen, das heißt, sprachliche oder anderweitige Unge‐ nauigkeiten wurden unverändert übernommen, um der aus forschungsethischen Gründen gewünschten und hinsichtlich des Erkenntnisinteresses zugleich erforderlichen Authenti‐ zität möglichst gerecht zu werden. Die wichtigsten von mir bei der Transkription verwen‐ deten Zeichen sind im Anhang C aufgeführt. Das Einhalten von ethischen Prinzipien ist bei jeder Art von Forschung von großer Be‐ deutung. Folglich wurden in meiner Arbeit die Namen aller am Untersuchungsprozess Be‐ teiligten sowie die Namen und Orte der Schulen verschlüsselt. Auch in diesem Fall wurde darauf geachtet, dass im Sinne der Leserfreundlichkeit keine unnötig komplizierten „Ge‐ heimkodes“ entstehen, sondern dass aus den Abkürzungen leicht ersichtlich ist, um welche Datenquelle und welche Fallstudie es sich handelt. Die fiktiven Namen aus den Story‐ line-Projekten wurden beibehalten, da für Außenstehende nicht erkenntlich ist, von wem die Figur verkörpert wurde. Die Kurzbezeichnungen für die diversen Datenquellen befinden sich im Anhang D. 5.3.5.3 Kodierung und Kategorienbildung Kodierung und Kategorisierung dienen der systematischen Vorbereitung des Interpretati‐ onsprozesses. Dörnyei (2007) beschreibt diesen Vorgang sehr anschaulich: “This can be compared to packaging vegetables in a supermarket, that is, turning the ‘messy’ farm prod‐ ucts of irregular shapes, types, and sizes into distinct, sorted, and neatly wrapped up parcels that can be placed on shelves or stored piled up“ (Ebd., 250). Wie bereits erwähnt wurde, gibt es verschiedene Ansätze und Verfahren, die zur Theoriebildung führen. Auf die Tat‐ sache, dass bei der vorliegenden Arbeit die Gewinnung, Auswertung und Interpretation der Daten insgesamt betrachtet nicht linear verlief, sondern einen in sich verzahnten Prozess darstellte, wurde ebenfalls schon hingewiesen, so dass hier keine weiteren Ausführungen erforderlich scheinen. Grundsätzlich kann festgehalten werden, dass die diversen Fallstu‐ dien sowohl horizontale als auch vertikale Prozesse durchliefen: horizontal in Bezug auf 271 5.3 Untersuchungsdesign und Datengewinnung die allmähliche Generierung und Untersuchung des Sampling (1. Phase), vertikal hinsicht‐ lich der vertiefenden Auswertung im Rahmen der Qualitativen Inhaltsanalyse (2. Phase). Dabei wurden besonders relevante Phänomene, die sich aus den Daten ergaben, systema‐ tisch gruppiert und die entstehenden Kategorien wiederum mit möglichst aussagekräftigen Kodes versehen. Zugleich wurden ausführliche und möglichst eindeutige Kodebeschrei‐ bungen angefertigt, die im Sinne eines Kodierleitfadens als „Erinnerungshilfe für den Bezug der Kategorie“ dienten (Flick 2012, 391). Später wurden zum Teil abstraktere (Über-)Kate‐ gorien gebildet sowie die Grenzen zwischen den jeweiligen Kategorien regelmäßig ausge‐ leuchtet. Für die Fragestellungen dieser Arbeit und die vorliegende Auswertung wurde zunächst anhand von zwei Fallstudien aus den Schulen Datenmaterial im Sinne eines Probedurch‐ laufs kodiert und kategorisiert. Konkret bedeutete dies, dass durch mehrmaliges Lesen der fallspezifischen Unterrichtsbeobachtungen und Feldnotizen (Forschungstagebuch), Re‐ flexionen, Befragungen und der mir vorliegenden Lernprodukte zuerst nach besonders auffallenden oder interessanten Textpassagen gesucht wurde, die im Zusammenhang mit dem Erkenntnisinteresse standen. Diese wurden markiert, mit Kodenotizen (memos) ver‐ sehen, exzerpiert, zerlegt, später sortiert und gebündelt. Dörnyei (2007) bezeichnet die Kodenotizen zu Recht als äußerst wertvolle Informationsquelle für die spätere Analyse: “These notes are (...) likely to contain the embryos of some of the main conclusions to be drawn from the study. Thus, memos are in effect explorations of ideas, hunches, and thoughts about the codes“ (Ebd., 254). In einem zweiten Schritt wurden schließlich auch die weiteren für den jeweiligen Fall zur Verfügung stehenden Daten hinzugezogen und unter‐ sucht sowie in Beziehung zueinander gesetzt, vor allem wenn Irritationen aufkamen, wie etwa widersprüchliche Aussagen innerhalb der Datensätze (z. B. Beobachtung versus Be‐ fragung), die durch weitere Kontextanalysen geklärt werden mussten (explizierende In‐ haltsanalyse). Nachdem sich diese Vorgehensweise als sinnvoll und ergiebig erwiesen hatte und es sich zeigte, dass Selektionskriterium und Abstraktionsniveau angemessen und sinn‐ voll gewählt waren, wurde sie auch für die verbleibenden Fallstudien angewandt. Anhand der in Kapitel 5.2 formulierten Forschungsfragen und Untersuchungsschwer‐ punkte wurde somit für sämtliche Fallstudien an den Schulen und der Hochschule ein ent‐ sprechender Kodierungskatalog mit jeweils festgelegtem Abstraktionsniveau der einzelnen Kategorien entwickelt, der im Verlauf des Auswertungsprozesses sukzessive erweitert und verfeinert wurde (vgl. Anhang E). Ziel war dabei nicht nur, die erhobenen Daten zu ver‐ gleichen und möglicherweise fallspezifische Phänomene zu identifizieren, sondern vor allem auch die immense Datenmenge zu strukturieren, zu abstrahieren und schlussendlich zu reduzieren, um die Ergebnisse am Ende leserfreundlich darstellen zu können. Grundsätzlich wurde versucht, durch das Formulieren und Zuweisen der entspre‐ chenden Kodes, das Datenmaterial möglichst vollständig und facettenreich zu analysieren, um im Hinblick auf die Forschungsfragen zu differenzierten, schlüssigen und belegbaren Antworten zu gelangen. Im Forschungskontext Schule wurden folglich die relativ unprä‐ zisen Begriffe „Motivation“ und „Lernerfolg“ in kleine, überschaubare und mit konkreten Beispielen belegbare Einheiten aufgespaltet. Dadurch wurde einerseits für die Untersu‐ chung nachvollziehbar gemacht, wie komplex die Begriffe und somit auch Lernumge‐ bungen sind, andererseits sollte sich daran auch zeigen, ob bzw. inwiefern Storyline-Pro‐ 272 5 Erkenntnisinteresse und Untersuchungsdesign 43 Zur Geschichte und Theorie der Triangulation vgl. Flick (2008, 11 ff.). jekte in den diversen Studien jeweils individuell unterschiedlich erlebt, wahrgenommen und beurteilt wurden oder ob sich übertragbare und verallgemeinerbare Erkenntnisse ab‐ leiten lassen. Die trennscharfe Aufschlüsselung und eindeutige Zuordnung der Daten war jedoch nicht immer leicht, zumal manche Aussagen sehr vielschichtig waren, wie das fol‐ gende Beispiel verdeutlicht: „Mir hat es Spaß gemacht, vor der Gruppe soviel Englisch zu sprechen, ohne dabei Angst vor Fehlern zu haben oder mich zu blamieren. Es war schön, etwas Gemeinsamens zu machen“. In diesem Fall wurde der Satz zunächst in drei kleinere Einheiten aufgeteilt, nämlich „Spaß, viel Englisch zu sprechen“, „keine Angst vor Fehlern“ und „Gemeinschaftsgefühl“, diese wurden sodann den entsprechenden Kategorien zuge‐ teilt. Die Auswertung der Daten aus den Hauptseminaren an der PH verlief ähnlich, aber insgesamt zielgerichteter und schneller, zumal diese Studien am Ende des relativ langen Forschungsprozesses standen, zum Teil auf den Erkenntnissen der früheren Untersu‐ chungen an den Schulen aufbauten und ich selbst mehr Erfahrung mit dem Kodieren und Kategorisieren hatte. Auch hier wurde versucht, für die Begriffe „Motivation“ und „Lern‐ erfolg“ bzw. „Handlungskompetenz“ möglichst zahlreiche und differenzierte Belege in den Datenquellen zu finden, um das Kategoriensystem anschließend fundiert interpretieren zu können. 5.3.6 Triangulation als Forschungsprinzip Die Heterogenität des Klassenzimmers und die Komplexität des (Fremdsprachen-)Unter‐ richts wurden bereits an verschiedenen Stellen dieser Arbeit problematisiert. Um diesen sensiblen und vielschichtigen Forschungsgegenstand angemessen erfassen und professio‐ nell analysieren zu können, ist eine mehrdimensionale und komplementäre Betrachtungs‐ weise unverzichtbar. Folglich sollten mit Hilfe verschiedener Methoden und Erhebungsin‐ strumente unterschiedliche Datenquellen, Datensorten und Perspektiven in die Studie einbezogen werden, um schlussendlich zu einem möglichst ganzheitlichen und differen‐ zierten Bild zu gelangen und somit die Befunde gleichzeitig absichern zu können. Dabei stellen sich zwangsläufig auch Fragen nach der angemessenen Verknüpfung von qualita‐ tiven und quantitativen Methoden, um die jeweiligen Stärken des einen oder anderen Ver‐ fahrens gewinnbringend zu nutzen und die bekannten Schwächen der einzelnen Methoden entsprechend zu relativieren. In methodologischen Diskussionen zur Methodenintegration werden diesbezüglich zwei Konzepte unterschieden: das häufig von quantitativen Metho‐ dikerinnen und Methodikern vertretene Phasenmodell und der Ansatz der Triangulation (Kelle/ Erzberger 2013, 300). 43 Triangulation ist in der qualitativen Forschung, insbesondere wenn es um die Erhöhung der Validität und Reliabilität von Ergebnissen geht, zu einem wichtigen Kriterium geworden und wird seit etwa der 1970er Jahre in diesem Bereich intensiv diskutiert, auch wenn die Begriffe „Validität“ und „Reliabilität“ in diesem Bezugsrahmen eine andere Bedeutung haben und deshalb von vielen Autorinnen und Autoren vermieden oder abgelehnt 273 5.3 Untersuchungsdesign und Datengewinnung 44 Vgl. dazu Steinke (2013, 323), die auf unterschiedliche Definitionen in der quantitativen und quali‐ tativen Forschung sowie auf ein anderes Verständnis dieser Begriffe in der englischsprachigen Lite‐ ratur hinweist. 45 Zur Ambiguität des Begriffes vgl. Kelle/ Erzberger (2013, 302 ff.). 46 Diese Ansicht wird insbesondere von Flick vertreten. 47 Zu einer kritischen Auseinandersetzung mit den diversen Arten der Triangulation vgl. Denzin (1989, 244 ff.) oder Flick (2008, 17 ff.). Zu Kritik an Denzins Klassifikation vgl. auch Aguado (2015, 207 f.). werden. 44 Zu erwähnen ist, dass das Konzept zunächst im Kontext der quantitativen Me‐ thodenlehre entwickelt wurde und Denzin den Begriff 1970 übernahm, um die Verbindung von qualitativen und quantitativen Verfahren methodologisch zu begründen. Auch heute noch existieren unterschiedliche Ansätze und Vorstellungen bezüglich der Triangulations‐ metapher 45 : Triangulation kann sich auf die Verknüpfung verschiedener qualitativer Ver‐ fahren 46 beziehen, sie kann aber auch - wie im vorliegenden Fall - die Mischung von qua‐ litativen und quantitativen Methoden beinhalten (Flick 2012, 44). Flick (2008) definiert Triangulation wie folgt: Triangulation beinhaltet die Einnahme unterschiedlicher Perspektiven auf einen untersuchten Gegenstand oder allgemeiner: bei der Beantwortung von Forschungsfragen. Diese Perspektiven können sich in unterschiedlichen Methoden, die angewandt werden, und/ oder unterschiedlichen gewählten theoretischen Zugängen konkretisieren, wobei beides wiederum mit einander [sic] in Zusammenhang steht bzw. verknüpft werden sollte. Weiterhin bezieht sie sich auf die Kombination unterschiedlicher Datensorten jeweils vor dem Hintergrund der auf die Daten jeweils eingenom‐ menen theoretischen Perspektiven. Diese Perspektiven sollten so weit als möglich gleichberechtigt und gleichermaßen konsequent behandelt und umgesetzt werden. Durch die Triangulation (etwa verschiedener Methoden oder verschiedener Datensorten) sollte ein prinzipieller Erkenntniszu‐ wachs möglich sein, dass also bspw. Erkenntnisse auf unterschiedlichen Ebenen gewonnen werden, die damit weiter reichen, als es mit einem Zugang möglich wäre (Ebd., 12). Ziel der Triangulation ist somit, über die Kombination verschiedener Methoden, Untersu‐ chungsgruppen, Forscherinnen bzw. Forscher, lokaler und zeitlicher Settings sowie unter‐ schiedlicher theoretischer Perspektiven die Erkenntnismöglichkeiten in der Auseinander‐ setzung mit einem Phänomen insgesamt zu erweitern und zugleich ein vielschichtiges und facettenreiches Bild des Untersuchungsgegenstands zu entwerfen, um schließlich zu mög‐ lichst umfassenden, aussagekräftigen und zuverlässigen Ergebnissen zu gelangen: Triangulation lässt sich als Ansatz der Geltungsbegründung der Erkenntnisse, die mit qualitativen Methoden gewonnen wurden, verwenden, wobei die Geltungsbegründung nicht in der Überprü‐ fung von Resultaten, sondern in der systematischen Erweiterung und Vervollständigung von Er‐ kenntnismöglichkeiten liegt. Triangulation wird damit weniger zu einer Strategie der Validierung der Ergebnisse und Vorgehensweisen als zu einer Alternative dazu (...), die Breite, Tiefe und Kon‐ sequenz im methodischen Vorgehen erhöht (Flick 2012, 520). Denzin (1989, 236 ff.) unterscheidet in seiner häufig zitierten, viel diskutierten und mehrfach überarbeiteten Triangulationskonzeption vier verschiedene Typen der Triangulation, die auch für die vorliegende Studie von Bedeutung sind: 47 274 5 Erkenntnisinteresse und Untersuchungsdesign 48 Vgl. dazu auch Hildenbrand (2013). 49 Settinieri (2015) schrieb den Beitrag Forschst du noch, oder triangulierst Du schon? Am Ende fragt sie sich, ob er nicht „umformuliert werden [sollte] in die Frage: Triangulierst Du noch, oder forschst Du schon? “ (Ebd., 32). Vgl. auch die Beiträge in Elsner/ Viebrock (Hrsg.) (2015). • Daten-Triangulation: Ein Phänomen wird auf der Basis von unterschiedlichen Datenquellen untersucht. Denzin (1989, 237 f.) differenziert drei Subtypen der Daten-Triangulation: Zeit, Ort und Personen. Diese Strategie kommt dem von Strauss als theoretical sampling bezeichneten Verfahren sehr nahe. 48 Allerdings muss hier kritisch angemerkt werden, dass im Rahmen der Daten-Triangulation nicht etwa Hypothesen „getestet“, sondern lediglich Interpretationen formuliert werden können, denn: “Each occurrence is unique“ (Ebd., 244). • Untersucher-Triangulation: Um den Einfluss und mögliche Verzerrungen durch die Forschungsperson aufzudecken bzw. zu reduzieren, werden bei einer Untersu‐ chung unterschiedliche Beobachtungs- oder Interviewpersonen eingesetzt, die ihre gewonnenen Ergebnisse schließlich systematisch vergleichen. Doch auch hier sind die Grenzen des Verfahrens zu beachten: “No two investigators ever observe the same phenomenon in exactly the same way“ (Ebd., 245). • Theorien-Triangulation: Durch die Einbeziehung verschiedener Perspektiven und Hypothesen sollen die Erkenntnismöglichkeiten vergrößert und Voreingenom‐ menheit bzw. einseitige Interpretationen von Daten verhindert werden. Problema‐ tisch wird allerdings eine uneingeschränkte Offenheit der theoretischen Sichtweise, wenn sie an Beliebigkeit grenzt. • Methoden-Triangulation: Da jede Methode Stärken und Schwächen aufweist, kann durch den Einsatz mehrerer verschiedener Methoden gegebenenfalls eine hö‐ here Aussagekraft der Forschungsergebnisse erzielt werden. Denzin (Ebd., 243 f.) unterscheidet zwischen zwei Subtypen: der Triangulation innerhalb einer Methode (“within-method“ triangulation) und zwischen verschiedenen Methoden (“be‐ tween-method“ oder “across-method“ triangulation), wobei letztere angeblich zu zu‐ verlässigeren Resultaten führt. Allerdings muss auch hier berücksichtigt werden, dass jede Methode den Forschungsgegenstand auf eine spezifische Weise erforscht und somit unterschiedliche Aspekte beleuchtet, die nicht unbedingt vergleichbar sind oder ein „stimmiges“ Gesamtbild liefern. Es kann also nicht davon ausgegangen werden, „dass jeweils der eine Ansatz das Gleiche zu Tage fördern wird wie der andere oder dass bei Diskrepanzen der Ergebnisse das eine (oder das andere) Resultat damit widerlegt sei“ (Flick 2008, 17). Somit können/ dürfen nicht etwa deckungs‐ gleiche, sondern vielmehr komplementäre Ergebnisse erwartet werden. Laut Flick (2008, 15) findet in der qualitativen Forschung die Triangulation von Methoden die stärkste Beachtung. Grundsätzlich können jedoch auch verschiedene Arten der Trian‐ gulation im Sinne der multiplen Triangulation kombiniert werden, allerdings stößt diese umfassende und ressourcenaufwändige Vorgehensweise meist an finanzielle und zeitliche Grenzen. 49 Wie in den bisherigen Ausführungen bereits angedeutet wurde, werden in der vorliegenden Forschungsarbeit insbesondere Daten und Methoden miteinander triangu‐ liert, um am Ende der sich über mehrere Jahre erstreckenden Untersuchungen zu einer 275 5.3 Untersuchungsdesign und Datengewinnung möglichst „dichten Beschreibung“ der beforschten Phänomene zu gelangen. Die Forscherin nimmt dabei quasi die Rolle der systematischen Sammlerin ein, um größtmögliche Klarheit und Sicherheit im Hinblick auf die gestellten Forschungsfragen zu erhalten: Die Triangu‐ lation der Daten besteht in der Erfassung und Analyse mehrerer verschiedener Datensätze, die aus sechs Fallstudien an Realschulen und drei Fallstudien an der Pädagogischen Hoch‐ schule gewonnen wurden. Dabei wurden verschiedene Klassen, Altersgruppen, Ge‐ schlechter, Lehrpersonen, Zeiträume, Schulen, Schulorte und Storyline-Projekte bzw. ver‐ schiedene Seminargruppen berücksichtigt. Die Triangulation der Methoden besteht nach Denzins Typologie (1989) vor allem in der “between-method“ triangulation: Beobachtung, Feldnotizen im Forschungstagebuch, schriftliche/ mündliche Befragungen, Friesprodukte, Videoaufnahmen, Fotografien, Seminararbeiten und Reflexionen, also verschiedene quali‐ tative und quantitative Verfahren, erlauben verschiedenartige Zugangs- und Erkenntnis‐ möglichkeiten in Bezug auf den Forschungsgegenstand. Die “within-method“ triangulation kommt beispielsweise dann zum Zug, wenn in der schriftlichen Projektevaluation an den Schulen über verschiedene offene und geschlossene Fragestellungen untersucht wird, was den Lernenden an ihrem Storyline-Projekt besonders gut oder möglicherweise nicht ge‐ fallen hat. Doch nicht nur die Art der Datensätze und der Datenerfassung ist sehr unterschiedlich, sondern es wurden auch verschiedene Perspektiven beleuchtet und miteinander trianguliert, um der grundsätzlichen Begrenztheit der Forscherperspektive Rechnung zu tragen: Ent‐ sprechend wurde sowohl die Außenperspektive der Forscherin (Beobachtung, Reflexion) als auch die Innenperspektive der Lehrenden und Lernenden bzw. der Studierenden (Hand‐ lungen, mündliche/ schriftliche Leistungen, mündliche/ schriftliche Befragungen, Re‐ flexionen) in die Studie mit einbezogen, um eventuell auch divergente Perspektiven auf‐ zudecken und zum Schluss ein möglichst aussagekräftiges, dreidimensionales Bild vom Forschungsgegenstand präsentieren zu können. Betont werden muss in diesem Zusammenhang jedoch noch einmal, dass Forschungs‐ ergebnisse trotz aller Bemühungen nie objektiv sind, sondern stets durch eine persönliche Motivation, subjektabhängige Beobachtung und subjektive Hypothesenbzw. Theoriebil‐ dung gefärbt sind, also grundsätzlich immer individuelle Konstruktionen darstellen (vgl. Kapitel 3). Dementsprechend kann es in Untersuchungen auch nicht um die „objektive Darstellung der Realität“ oder um „die objektive Wahrheit“ gehen, sondern lediglich um das kaleidoskopartige Erfassen bestimmter Aspekte eines Forschungsgegenstands und die damit verbundene möglichst fundierte und intersubjektiv nachvollziehbare Interpretation von gemachten Erfahrungen und Beobachtungen im Sinne einer vorläufigen und subjek‐ tiven Theoriebildung. Unter der Überschrift „Die einzige Generalisierung ist: Es gibt keine Generalisierung“ verweisen auch Lincoln und Guba (1985) auf die Problematik der Verallgemeinerung in qualitativen Studien und schließlich relativiert sogar Denzin (1989) seine früheren An‐ sprüche hinsichtlich der vermeintlichen Validität, Reliabilität und Objektivität von For‐ schungsergebnissen in qualitativen Studien: “The goal of multiple triangulation is a fully grounded interpretive research approach. Objective reality will never be captured. In-depth 276 5 Erkenntnisinteresse und Untersuchungsdesign 50 Zum Problem der Generalisierung vgl. auch Flick (2008, 108 f.). understanding, not validity, is sought in any interpretive study“ (Ebd., 246). 50 Die genannten Vorbehalte treffen jedoch nicht nur auf rein qualitative Studien zu, sondern gelten sicherlich auch für Forschungsarbeiten wie die meinige, die auf einem Mehr-Methoden-Ansatz ba‐ sieren. Es werden also immer Lücken und Fragen bleiben, die - positiv betrachtet - zu neuen Untersuchungen und theoretischen Auseinandersetzungen anregen (vgl. Kapitel 10). 5.4 Zusammenfassung und Fazit At the end of the day, research is not a philosophical exercise but an attempt to find answers to questions (Dörnyei 2007, 307) Das obige Zitat mag etwas salopp und unseriös klingen, andererseits verweist es auf den wesentlichen Punkt, dass nämlich nicht etwa eine spezifische Methode oder Strategie im Mittelpunkt einer Untersuchung stehen sollte, an deren Akzeptanz sich möglicherweise wiederum die Geister scheiden, sondern das Ziel, anhand von Daten neue Erkenntnisse zu gewinnen. Dies bedeutet, dass ein Forschungsdesign möglichst offen und flexibel angelegt werden sollte, um den Forschungsgegenstand mit seinen spezifischen Eigenheiten tief‐ gründig verstehen zu können. In den vorangegangenen Kapiteln habe ich versucht, diverse Qualitätskriterien zu er‐ füllen, indem ich mein Forschungsvorhaben ausführlich dargestellt, transparent und somit intersubjektiv nachvollziehbar gemacht sowie auch kritisch reflektiert habe. Dabei wurde zunächst mein Erkenntnisinteresse und ein entsprechender Katalog an Forschungsfragen für den Kontext Schule bzw. Hochschule formuliert, danach das Untersuchungsdesign und das Prozedere der Datengewinnung sowie die diversen Forschungsinstrumente detailliert vorgestellt und ausführlich reflektiert. Die insgesamt neun Fallstudien zogen sich über einen längeren Zeitraum hin. Die Untersuchungen mit den verschiedenen Gruppen und unterschiedlichen inhaltlichen Schwerpunkten bauten insgesamt aufeinander auf und spie‐ geln somit den Verlauf meines Erkenntnisprozesses über mehrere Jahre verteilt. Für die Datenerhebung wurden möglichst aufschlussreiche und vergleichbare Verfahren gewählt, um zu insgesamt zuverlässigen Aussagen zu gelangen, dennoch wurde stets auch die spezifische Situation vor Ort berücksichtigt, so dass gelegentlich Abweichungen vom ursprünglichen Konzept erforderlich wurden. Dies wird später bei der Darstellung der ein‐ zelnen Projekte erläutert. Des Weiteren wurde in den vorherigen Kapiteln auch das (in‐ duktive) Verfahren der Auswertung und Interpretation der gewonnenen Daten transparent gemacht und ausführlich reflektiert. Durch die Darstellung und Diskussion verschiedener Analysestrategien wurde deutlich, dass auch hier Flexibilität und Offenheit entscheidende Faktoren sind, die jedoch nicht im Widerspruch zu Forschungsstandards und Qualitätskri‐ terien stehen müssen. Auch wenn über die Triangulation von Daten, Methoden und Perspektiven versucht wurde, zu einer „dichten Beschreibung“, also möglichst zuverlässigen Ergebnissen und be‐ legbaren Schlussfolgerungen über den gesamten Forschungsprozess, zu gelangen, so muss 277 5.4 Zusammenfassung und Fazit 51 Vgl. dazu auch Aguado (2015, 208): „In der einschlägigen forschungsmethodologischen Diskussion ist die Auffassung konsensfähig, dass es keine objektive Realität gibt, sondern dass diese individuell konstruiert bzw. interaktiv ko-konstruiert wird“. Und: „Grundsätzlich lautet die angesichts der ak‐ tuell konstruktivistisch geprägten Sozialforschung vorherrschende Absicht, dass die Realität nicht nur durch uns, sondern auch durch unsere Methoden konstruiert wird“ (Ebd., 209). dennoch festgehalten werden, dass Objektivität, Reliabilität und Validität zwar grundsätz‐ lich erstrebenswerte Ziele in der Forschung sind, diese jedoch nicht so ohne Weiteres (wenn überhaupt) realisiert werden können, denn schließlich sind Forschende und Beforschte grundsätzlich immer Subjekte, die ihre Wirklichkeit nicht objektiv, sondern subjektab‐ hängig konstruieren. 51 Transparenz und Reflexivität können diese Konstruktionen zwar (teilweise) offenlegen, aber eben nicht aufheben. Infolgedessen müssen alle meine im Fol‐ genden dargestellten Forschungsergebnisse und Theorien als vorläufige Annahmen be‐ trachtet werden und nicht als absolute Wahrheiten. 278 5 Erkenntnisinteresse und Untersuchungsdesign 6 Forschungsfokus Klassenzimmer 6.1 Einleitung I believe that education (...) is a process of living and not a preparation for future living (Dewey 1996, 271) John Dewey spricht sicher vielen aus der Seele, wenn er mit obigem Satz nicht nur auf die zentrale Bedeutung des lebenslangen Lernens, sondern auch auf die Notwendigkeit des aktiven, erfahrungsbezogenen und handlungsorientierten Lernens in der Schule hinweist. Diese Einsicht ist gewiss bei den meisten Lehrkräften vorhanden, unklar ist dagegen viel‐ mals die konkrete Umsetzung, also die Auflösung der Diskrepanz zwischen know how und do how. Ähnliche Erfahrungen machen auch viele Schülerinnen und Schüler beim Eng‐ lischlernen: Sie können zwar häufig Grammatikregeln und Wortlisten auswendig aufsagen, aber in Kommunikationsprozessen oftmals nicht korrekt zum Einsatz bringen, was regel‐ mäßig zu Frustrationen führt. Es stellt sich somit die Frage, ob bzw. inwiefern der Storyline Approach eine Lösung darstellt, um besagte Diskrepanz aufzuheben und zugleich Schüle‐ rinnen und Schüler für das Englischlernen so zu motivieren, dass sie ganz unmittelbar einen Sinn in ihrem Tun sehen und nicht erst durch Noten oder Klassenarbeiten zum Lernen bzw. Arbeiten „gezwungen“ werden müssen. Zum anderen interessiert natürlich auch, ob ein Englischunterricht, der Spaß macht, nicht nur zur kurzfristigen und bloßen Unterhaltung dient, sondern tatsächlich auch Früchte im Sinne der Bildung und Erziehung trägt. Nachfolgend werden nun die einzelnen Storyline-Projekte, die an verschiedenen Real‐ schulen durchgeführt wurden, erläutert und anhand der vorliegenden Daten ausgewertet: The Farm (6. Klasse), Witches und Kidnapped in Scotland (7. Klasse), Our Ideal School (9. und 10. Klasse) sowie Our Class (5. Klasse). Die Reihenfolge der Projektdarstellungen wird sich dabei an der zeitlichen Abfolge der durchgeführten Projekte orientieren, so dass die Er‐ gebnisse aus der 5. Klasse erst zum Schluss, also nach der 10. Klasse, vorgestellt werden. Das Kapitel ist so aufgebaut, dass nach der Charakterisierung des jeweiligen Lernkon‐ texts, der Klasse und der Lehrkraft, zunächst das für die spezifische Klasse aufbereitete Storyline-Projekt kurz skizziert wird, um die Auswertung besser nachvollziehbar zu ma‐ chen. Im Anschluss erfolgt die detaillierte Beschreibung (UB) und Reflexion (UR) des Un‐ terrichtsablaufs aus Sicht der Forscherin bzw. der Lehrkraft sowie die Darstellung und Be‐ gutachtung einiger relevanter Lernprodukte, um die individuellen Aufgabenlösungen, Ergebnisvarianten und Leistungen transparent zu machen. Daran schließt sich die Aus‐ wertung der schriftlichen Befragung der Lernenden (SABS) und - falls stattgefunden - der Abschlussgespräche mit Lehrkraft (AIL) bzw. Klasse (KD) an, bevor alle Ergebnisse in einem kurzen Resümee reflektiert werden. Folgende Punkte sollten beim Lesen der Auswertung beachtet und bedacht werden: • Um die Ergebnisse nicht zu verfälschen, werden sämtliche Äußerungen und Texte der Lernenden im Original - also unbereinigt - abgedruckt. • Die Bezeichnungen S1, S2, S3 usw. weisen in den Gesprächsbeispielen lediglich da‐ rauf hin, dass es sich um ein Gespräch mit mehreren verschiedenen Schülerinnen bzw. Schülern handelt. Die Ziffern werden in jedem Dialogbeispiel neu und beliebig zugeteilt. Erst in den Kapiteln, wo die Ergebnisse der schriftlichen Befragungen vorgestellt werden, beziehen sich die verwendeten Ziffern tatsächlich immer auf die entsprechend nummerierten Fragebögen aus einer Klasse. Bei einem Verweis auf S1 oder S2 handelt es sich dort also stets um ein und dieselben Personen, so dass auch Querbezüge innerhalb eines Fragebogens aufgedeckt werden können, wenn dies zur Klärung von Aussagen beiträgt. • Die im Text jeweils in eckigen Klammern und Fettdruck angegebenen Ziffern und Buchstaben - wie etwa [4a] - beziehen sich auf die im Anhang E aufgeführten Kategorien und dienen der schnellen Zuordnung von Ergebnissen zu den jeweiligen Forschungsfragen. • Die Auswertung und Interpretation der Schüler-Fragebögen (vgl. Anhang A) orien‐ tiert sich nur an den beiden eingangs formulierten Forschungsfragen: Was motiviert Schülerinnen und Schüler in Storyline-Projekten? Was lernen Schülerinnen und Schüler in Storyline-Projekten (vgl. Kapitel 5.2.2)? Diese beiden Fragen (Nr. 2 bzw. Nr. 6) werden also im Vordergrund der Analyse stehen, während die verbleibenden Fragen eher eine ergänzende Funktion übernehmen. Die Antworten auf Frage 5 und 7 sollen Aufschluss über eine längerfristige Motivation durch Storyline-Projekte geben: Hätten die Lernenden gerne noch länger an ihrem Projekt gearbeitet bzw. würden sie gerne häufiger solche Projekte im Englischunterricht durchführen? • Um einen besseren Überblick zu geben, werden die Antworten der Lernenden zu‐ nächst tabellarisch aufgelistet und den einzelnen Kategorien zugewiesen, bevor sie ausführlicher interpretiert werden. Dabei ist zu beachten, dass sich manche Aus‐ sagen unter Umständen auf mehrere (Haupt-)Kategorien beziehen können. Aller‐ dings werde ich mich in diesem Fall darauf beschränken, nur die relativ eindeutigen Zuordnungen aufzulisten. • Die in den Tabellen genannten Aspekte sind in der Regel so aufgeführt, wie sie von den Lernenden formuliert wurden. Der schnellen und eindeutigen Zuordnung wegen erhalten die einzelnen Zeilen zusätzlich eine Ordnungsziffer. • Um den Lesefluss nicht zu unterbrechen, werden im begleitenden Fließtext keine Kategorien bzw. Kodes mehr erwähnt, sondern jeweils nur in der entsprechenden Tabelle. Dasselbe gilt für die Resümees am Ende einer Fallstudie, da die dort aufge‐ führten Aspekte bereits genannt und zugeordnet wurden, sowie auch für von mir geäußerte Impulse oder Verbesserungsvorschläge für zukünftige Projekte, da es sich dabei „nur“ um Visionen handelt. • Quantitative Angaben wie etwa Prozentzahlen gelten natürlich stets nur unter Vor‐ behalt und sind nur eingeschränkt übertragbar bzw. verallgemeinerbar, wenn Kri‐ terien (items) nicht über geschlossene Fragen konkret abgefragt wurden. Dennoch verweisen die Werte immer wieder auf interessante Tendenzen. • Grundsätzlich muss im Auge behalten werden, dass bei den Fallstudien nicht nur Klassen, Lernniveaus, Lehrkräfte und Storyline-Themen variierten, sondern dass - je nach Entwicklungsstand und Altersgruppe - auch das Reflexions- und Abstrak‐ 280 6 Forschungsfokus Klassenzimmer 1 Vgl. dazu Kocher (1994), wo die diversen Fragestellungen, die vor bzw. während der Entwicklung des ersten Storyline-Projekts auftraten, ausführlich erläutert werden. Teilaspekte dieser Studie wurden (sehr verkürzt) bereits in Fehse (1995) und Kocher (1999, 189 ff.) veröffentlicht. tionsvermögen der Lernenden unterschiedlich stark ausgeprägt war. Entsprechend differenziert fallen auch die Antworten der Schülerinnen und Schüler bei der schrift‐ lichen Befragung aus. • Ursprünglich war auch eine durchgängige Auswertung der Daten nach Geschlecht geplant. Da dies jedoch den Rahmen der Arbeit gesprengt hätte, wurde letztendlich darauf verzichtet. Sollten allerdings geschlechtsspezifische Präferenzen, Probleme oder Besonderheiten auffallen und von Relevanz für die Forschungsfragen sein, werde ich darauf hinweisen. 6.2 Fallstudie 1: The Farm (Klasse 6) 6.2.1 Allgemeine Informationen Es hat alles gestimmt! Man hätte nichts besser machen können! (Schülerin, 6. Klasse) Das allererste Storyline-Projekt wurde als Pilotstudie für die 6. Klasse konzipiert, und zwar aus folgenden Gründen: Einerseits war diese Klassenstufe vermutlich noch mit spielerischen Herangehensweisen bzw. offenen Lernmethoden aus der Grundschule vertraut und andererseits verfügte sie bereits über genügend fremdsprachliche Fähigkeiten und Fertig‐ keiten, dass mündliche und schriftliche Kommunikation in der Fremdsprache grundsätzlich möglich waren. Zugegebenermaßen gingen der konkreten Planung viele Fragen voraus, für die nicht immer sofort eine Antwort gefunden werden konnte, zumal es zum damaligen Zeitpunkt noch keinerlei Publikationen zum Storyline Approach gab, die als Orientierungs‐ hilfe hätten dienen können. 1 Vor dem Hintergrund, dass Lehrkräfte nicht mit zusätzlichem „Stoff “ belastet und zu‐ gleich abgeschreckt werden sollten, lag es nahe, zunächst ein Thema aus dem Lehrwerk zu wählen und dieses dann in ein relativ kurzes und somit zeitlich überschaubares Story‐ line-Projekt zu übertragen, welches die entsprechende unit im Buch ersetzen sollte. In dieser ersten Fallstudie wurde zudem auch explizit der Frage nachgegangen, was den Lernenden am regulären Englischunterricht möglicherweise besser gefällt als an dem Storyline-Projekt, um auf diese Weise eventuelle Schwächen des Projekts hinsichtlich Motivation bzw. Lern‐ gewinn aufdecken zu können, die über eine direkte Fragestellung wie „Was hat dir bei dem Projekt am besten gefallen? “ (Frage 2) bzw. „Was hast du nicht so gut gefunden? “ (Frage 3) unter Umständen gar nicht verbalisiert wurden. Während meiner Anwesenheit beobachtete ich die Klasse, fertigte Notizen und Foto‐ grafien an und/ oder betreute bei Bedarf phasenweise einzelne Gruppen bei ihrer Arbeit. Anstelle der ursprünglich geplanten Videoaufnahmen wurden über Tischmikrophone ver‐ suchsweise einige Tonaufnahmen angefertigt. Da sich jedoch auch diese Verfahrensweise als störend erwies und die Lernenden immer wieder vom Unterrichtsgeschehen ablenkte, wurde diese Alternative ebenfalls aufgegeben. Allerdings entstanden einige kurze, situati‐ 281 6.2 Fallstudie 1: The Farm (Klasse 6) onsspezifische Audioaufnahmen (Präsentationen, Rollenspiele), die in der Auswertung be‐ rücksichtigt werden konnten. Aus terminlichen Gründen konnte ich während der letzten Doppelstunde leider nicht anwesend sein, besuchte allerdings einige Tage nach Projektende die Klasse noch einmal, um die schriftliche Abschlussbefragung durchzuführen und den Fries zu begutachten. 6.2.2 Die Institution und die Lerngruppe Die Realschule, in der das Storyline-Projekt durchgeführt wurde, ist Teil eines größeren Bildungszentrums, das sich in einer Kleinstadt nördlich von Freiburg befindet und ver‐ schiedene Schulzweige anbietet, die zum Abschluss der Mittleren Reife oder des Abiturs führen. Die 6. Klasse bestand aus insgesamt 30 Lernenden, und zwar 19 Schülerinnen und 11 Schülern im Alter von 11 bis 14 Jahren. Schon allein auf Grund der ländlich geprägten Herkunft der Klassenmitglieder wies das gewählte Storyline-Thema einen engen Bezug zur Erfahrungswelt der Lernenden auf. The Farm wurde im September durchgeführt, also nur wenige Wochen nach Beginn des neuen Schuljahres. Die Lernenden hatten somit knapp ein Jahr Englischunterricht (1. Fremdsprache) absolviert und ihr Leistungsniveau wurde von der Lehrkraft als mittelmäßig eingestuft. Nach Angaben der Lehrkraft verfügten die Lernenden über wenig Erfahrung mit Gruppenarbeit. Team-Teaching war für die Klasse bis dahin gänzlich unbekannt. Es stellte sich das Problem, dass im Klassenzimmer nichts aufgehängt werden konnte bzw. durfte, um die Wände nicht zu beschädigen. Folglich mussten mehrere Stellwände besorgt werden, um einen Fries realisieren zu können. Diese wiederum verkleinerten den Klassenraum und wurden auf Grund der nun beengten Verhältnisse gelegentlich zum Hin‐ dernis. Doch auch wenn die Umstände zunächst etwas erschwert schienen, so war die Schulleitung nach Abschluss der Studie sichtlich erfreut und stolz über den Erfolg des Pro‐ jektes. Darüber hinaus sprachen mich immer wieder einzelne Lehrkräfte im Lehrerzimmer an oder kamen sogar in das besagte Klassenzimmer, um sich vor Ort umzuschauen. 6.2.3 Die Lehrkraft Die Englischlehrkraft, die das Storyline-Projekt durchführte, hatte erst kurz zuvor ihr 2. Staatsexamen abgelegt und verfügte somit nur über begrenzte eigenverantwortliche Lehr‐ erfahrungen und quasi keine praktischen Projekterfahrungen. Allerdings hatte sie ebenfalls an einem zweitägigen Storyline-Workshop teilgenommen und war somit mit den Grund‐ zügen des Storyline Approach vertraut. So bot es sich an, dass sich die Lehrkraft auch an der Konzeption des Storyline-Projekts beteiligte, welches sie in ihrer Klasse praktisch durch‐ führen würde. Dies war insofern sinnvoll, als nur sie die besagte Klasse kannte und somit das Leistungsniveau und Arbeitsverhalten der Lernenden am besten einschätzen konnte. The Farm war für die Lehrkraft die erste Storyline, die sie in ihrem Englischunterricht durchführte. Sie freute sich auf das gemeinsame Projekt, zeigte sich aber gelegentlich ver‐ unsichert, da sie noch relativ neu an der Schule bzw. im Beruf war. Folglich war auch ihre Toleranz gegenüber fremdsprachlichen Fehlern nur mäßig ausgeprägt und sie bat mich, bei 282 6 Forschungsfokus Klassenzimmer 2 Zur Basisfassung des Projektentwurfs vgl. Fehse/ Kocher (1994a) oder Kocher (2002). Für eine über‐ arbeitete Version mit detaillierten Angaben, Illustrationen und Arbeitsblättern vgl. Kocher (2001b). Bedarf die Gruppen mit zu betreuen, wenn es um die Erstellung von fremdsprachlichen Texten ging. 6.2.4 Das Storyline-Projekt Bei The Farm  2 handelt es sich um eine Storyline vom Typ real-life story, also eine Geschichte, die sich auf den eigenen Erfahrungsbereich und konkreten Lebensalltag der Schülerinnen und Schüler bezieht. Das Projekt besteht aus vier Episoden und wurde für vier Doppel‐ stunden à 90 Minuten konzipiert; es sollte zugleich - wie oben erwähnt - die entsprechende Lektion im Schulbuch ersetzen. Der Einstieg in die Geschichte (Episode 1) erfolgt über Tierstimmen, die abgespielt werden und Assoziationen mit dem Thema „Bauernhof “ wecken sollen. Somit wird nicht nur der entsprechende Handlungsrahmen für das Projekt geschaffen, sondern auch die Möglichkeit für einen kurzen Erfahrungs- und Meinungsaustausch zu den gehörten Ge‐ räuschen. Über die key question “What do you think belongs to a farm? “ wird schließlich sowohl kontextrelevanter Wortschatz reaktiviert als auch mit Hilfe von Bildlexika und Wörterbüchern neues Vokabular eingeführt, so dass am Ende dieser Phase mehrere syste‐ matisch zusammengestellte wordbanks zu den Wortfeldern „Haustiere“, „Nutztiere“, „Ge‐ müse“, „Gartenfrüchte“ und „Gebäude“ als Präsenzlexikon am Fries verfügbar sind. Diese kontextualisierte Wortschatzarbeit dient jedoch nicht allein dem Zweck der Spracharbeit, sondern es werden auch die persönlichen Erfahrungen der Lernenden integriert und ein Austausch auf inhaltlicher Ebene angeregt. Im Anschluss an die Sammlung von benötigten Redemitteln werden die Lernenden auf‐ gefordert, kurz darüber nachzudenken, ob sie sich ein Leben auf dem Bauernhof vorstellen könnten und wie ihr Traumbauernhof aussehen würde. Danach erhalten die Gruppen je‐ weils ein DIN A1-Plakat, auf dem sie ihre farm skizzieren sollen. Bei Bedarf werden Kopien mit Zeichnungen von Nutz- und Haustieren ausgeteilt, die ausgeschnitten, angemalt und aufgeklebt oder auch abgezeichnet werden können. Schließlich werden die Collagen im Plenum vorgestellt und am Fries befestigt, ferner wird ein englischer Name für den fiktiven Ort, an dem die Bauernhöfe angesiedelt sind, vereinbart. In Episode 2 initiiert die Lehrkraft über die key question “Who do you think lives on your farm? “ die Auseinandersetzung mit dem Gedanken an mögliche Mitglieder der Hofge‐ meinschaft. Da diese später gebastelt werden sollen, zeigt die Lehrkraft zunächst ein zwei‐ dimensionales Modell als Visualisierungshilfe, welches von den Lernenden beschrieben wird. Mutmaßungen über Name, Lebensumstände, Tagesablauf und Hobbys der Figur sollen die Phantasie der Lernenden anregen. Nachdem sich jede Gruppe geeinigt hat, wer auf ihrem Hof wohnt, bastelt jedes Gruppenmitglied eine entsprechende Figur. Anschlie‐ ßend stellen die Gruppen ihre Ergebnisse vor und beantworten Fragen aus der Zuhörer‐ schaft. Im nächsten Schritt verfassen die Schülerinnen und Schüler eine Kurzbiographie von ihren jeweils gebastelten Figuren: Name, Alter, Adresse, Hobbys, likes and dislikes. Einige 283 6.2 Fallstudie 1: The Farm (Klasse 6) Texte werden in der Klasse präsentiert, bevor sie am Fries ausgestellt werden, wo sie zu jeder Zeit noch einmal in Ruhe gelesen werden können. Über die Auflistung der jeweiligen Tagesabläufe (daily routines) wird das Leben auf dem Bauernhof noch weiter konkretisiert und zugleich die Identifikation mit der jeweiligen Figur gefördert. Gleichzeitig werden auf sprachlicher Ebene die Uhrzeiten und das simple present wiederholt. Die Lernenden schreiben ihre individuellen Vorstellungen entweder frei oder auf einem leicht vorstruk‐ turierten Arbeitsblatt auf. Sämtliche Texte werden nach der Präsentation am Fries gesam‐ melt und der Klassenöffentlichkeit zugänglich gemacht. In der 3. Episode ereignet sich ein unerwarteter Zwischenfall (incident): Für diesen Zweck wurden vorweg einige fiktive Briefe mit zunächst unbekanntem Absender verfasst, die von der Lehrkraft an die einzelnen Familien ausgeteilt werden. Dabei stellt sich heraus, dass Touristen aus verschiedenen Orten ihren Urlaub auf einem Bauernhof verbringen möchten und um Informationsmaterial bitten. Gemeinsam berät die Klasse, welchen Inhalt ein Ant‐ wortschreiben haben könnte und wie ein Brief in der Fremdsprache aufgebaut und formu‐ liert wird. Dabei hält die Lehrkraft Satzanfänge an der Tafel fest, die später als Strukturie‐ rungshilfe dienen können. Anschließend verfassen die Gruppen jeweils einen Antwortbrief sowie eine Broschüre mit einem kurzen Informationstext über die Vorzüge ihres jeweiligen Bauernhofes, die den fiktiven Touristenfamilien zugeschickt werden. An dieser Stelle könnte man die Storyline noch weiter ausbauen und die Urlaubsgäste (z. B. Parallelklasse) tatsächlich anreisen lassen. Wir haben die Geschichte jedoch aus Zeit‐ gründen abgekürzt und in Episode 4 durch den Aufruf zu einem Fotowettbewerb abge‐ schlossen. Aus diesem Grund wird die Zeit vorgespult: Die Gäste sind wieder abgereist, als per Radiodurchsage und Plakat ein Fotowettbewerb angekündigt wird. Die Dorfbewohne‐ rinnen und -bewohner werden aufgefordert, witzige Fotos von den zuvor beherbergten Touristenfamilien einzusenden. Über eine Kurzbeschreibung des Bildes soll zudem erläutert werden, was die abgebildeten Personen gerade tun (present progressive). Die Lernenden fertigen also Zeichnungen an und schicken diese „Schnappschüsse“ zusammen mit der entsprechenden Beschreibung an Radio Thames, wo sie von einer Jury begutachtet werden. Diese von der Lehrkraft zuvor ernannte Jury hat sich nicht an dem Wettbewerb beteiligt, sondern zeitgleich Urkunden und Medaillen gebastelt, die im Rahmen einer kleinen Feier überreicht werden. Erwähnt werden sollte noch, dass für dieses Pilotprojekt im Sinne der Differenzierung auch zusätzliche Arbeitsblätter konzipiert wurden, die bei Bedarf an besonders schnelle Schülerinnen und Schüler ausgeteilt werden können oder auch an Lernende, bei denen während des Projektverlaufs spezifische Sprachdefizite zutage treten. Alle Zusatzblätter orientieren sich am Thema der Storyline und sind somit eindeutig kontextualisiert. 6.2.5 Der Unterrichtsverlauf: Beobachtungen und Reflexion Das Storyline-Projekt wurde innerhalb einer Woche und ohne Unterbrechung durch andere Englischstunden durchgeführt. Bewusst hatte die Lehrkraft die Gruppenbildung selbst vor‐ genommen und unter Berücksichtigung der fremdsprachlichen Leistungen sechs gemischte Gruppen zusammengestellt, so dass unter Umständen auch Schülerinnen und Schüler zu‐ sammenarbeiten sollten, die sich nicht besonders gut kannten. Die Bildung von in sich 284 6 Forschungsfokus Klassenzimmer heterogenen Gruppen sollte dazu beitragen, dass alle Gruppen ein etwa gleiches Leistungs‐ profil aufwiesen und sich keine Gruppe ausgeschlossen oder benachteiligt fühlte. Während die Lernenden zunächst abwartend die Situation taxierten und den einfüh‐ renden Erläuterungen der Lehrkraft lauschten, zeigte sich sehr bald, dass sie von der neuen Lern- und Arbeitsweise angetan waren. Hochkonzentriert erledigten sie die Arbeitsaufträge und waren manchmal kaum zu bremsen [8c]. Dabei war nicht zu übersehen, dass immer alle Klassenmitglieder auf irgendeine Weise in die Arbeit involviert waren [6c]. Zufrieden‐ heit, Freude und auch Neugier ließen sich vor allem an ihren erwartungsvollen Gesichtern ablesen [2c, 4b]. Das Thema „Bauernhof “ war offensichtlich alters- und zielgruppengerecht gewählt, wobei bei vielen Lernenden eine ausgeprägte Tierliebe zu verspüren war [3a, 8a]. Schnell waren die abgespielten Geräusche erraten und den entsprechenden Tieren zugeordnet, so dass die weiteren Wortfelder für die wordbanks gesammelt werden konnten [5e, 12d]. Als die Lehrkraft auf die Bildlexika und Schülerwörterbücher verwies, die zu Projektbeginn auf den Tischen ausgelegt wurden, zeigte sich in vielen Gesichtern Erleichterung. Manche hatten allerdings schon vorher in den Wörterbüchern geblättert und nach benötigten Be‐ griffen recherchiert [7c]. Unermüdlich sammelten die Schülerinnen und Schüler die englischen Begriffe für Tiere, Obst- und Gemüsesorten. Dabei reaktivierten sie bekannten Wortschatz (z. B. pets, ani‐ mals), kreierten teilweise eigene phantasievolle Wortschöpfungen [5e, 5h] und blätterten emsig in ihren Lexika. In einzelnen Fällen wurde sogar das Schulbuch hinzugezogen, um so genannte „alte“ Wörter nachzuschlagen [5i, 7c], so dass selbst die Lehrkraft staunte: “They look in the books. They are smart“ (UB). Gleichzeitig wurde bei der Erstel‐ lung der wordbanks abgewogen und geklärt, ob Orangen in hiesigen Gefilden gedeihen und ob Tomaten zum Obst oder Gemüse zählen [3b]. Beim Nachschlagen und Sammeln von bisher unbekannten Wörtern traten erwartungs‐ gemäß gelegentliche Ausspracheprobleme auf, doch dadurch dass die Wörter von der Lehr‐ kraft häufig wiederholt, im Gespräch immer wieder verwendet und zum Teil im Chor nachgesprochen wurden, wurde die korrekte Aussprache in den meisten Fällen bald be‐ herrscht. Um eventuelle Verständnisschwierigkeiten oder Erinnerungslücken zu ver‐ meiden, wurden zu den neuen Vokabeln auch Illustrationen angeklebt bzw. von den Ler‐ nenden gezeichnet [5e, 10a, 10d, 12d]. Diese erste Phase des Brainstorming dauerte erstaunlich lange, doch es schien, als ob es den Lernenden Freude bereitete, ihr bereits vorhandenes Wissen zu demonstrieren [4f, 11a] und mit Hilfe der Wörterbücher selbstständig nach den englischen Bezeichnungen für ihre Ideen zu suchen [7c, 8a]. Mit großer emotionaler Beteiligung wurde gelegentlich die Erwähnung diverser Gemüsesorten kommentiert, beispielsweise als die Lehrkraft einen Schüler befragte: “What vegetables do you like? “ Dieser antwortete: “I don’t like all of the vegetables“ (UB) [5g, 8a]. Als die Lehrkraft später die Zeichnung eines Bauernhofs als Modell für die weiterführende Arbeit zeigte, wurde diese anerkennend kommentiert: „Schööön! “ (UB) [7a, 11d]. Auffallend war auch, dass immer wieder amüsiert gekichert wurde [4b, 4c]: L: Who lives in a pigsty? You? S: The family! 285 6.2 Fallstudie 1: The Farm (Klasse 6) [Klasse lacht] S: The pigs! (UB). Das Beispiel belegt, wie ungezwungen, spontan und spielerisch die Lernenden (Beginn 2. Lernjahr! ) mit der Sprache umgingen und sich wohl und sicher dabei fühlten [4d, 5h]: der Schüler hatte sich hier einen Scherz erlaubt [4c]. Nachdem bereits mehr als eine Schulstunde vergangen war, ermüdeten einzelne Schü‐ lerinnen und Schüler langsam und auch ich empfand es an der Zeit, die Wortschatzarbeit allmählich abzuschließen. Das Wiederholen der Wörter in verschiedenen Zusammen‐ hängen war sicher sinnvoll, um das Sprachmaterial assoziativ zu verankern, andererseits bezeugte das intensive Üben auch, dass dies für die Lehrkraft offensichtlich von großer Bedeutung war (subjektive Theorie zum Berufsverständnis). Später bestätigte sie meinen Eindruck und verwies auf ihre Berufsausbildung, in der sprachliche Korrektheit (focus on forms) und intensives Üben und Wiederholen für äußerst wichtig befunden wurden (UR F +L). Obwohl Gruppenarbeit für die Klasse ungewohnt war, waren alle Lernenden sofort zur konstruktiven Mitarbeit bereit, als es um die Herstellung der eigenen Bauernhöfe ging. Die Organisation und Arbeitsteilung innerhalb der Gruppen geschah weitgehend selbstbe‐ stimmt und relativ zügig [6c, 8c], auch wenn die Lernenden auf dieser Ebene des Verhan‐ delns in die deutsche Sprache wechselten. Allerdings waren diese in der Muttersprache stattfindenden Gespräche stets sachbezogen [9c, 9e]. Die Lehrkraft betreute die einzelnen Gruppen und bat mich, sie darin zu unterstützen. Auf diese Weise bekam ich einen guten Einblick in die einzelnen Gruppenaktivitäten und war erstaunt darüber, mit wie viel Eifer, Freude und Ernsthaftigkeit die Lernenden an ihrem gemeinsamen Produkt arbeiteten [4b, 7d, 10a]: Niemand musste sie explizit zum Arbeiten auffordern, wie das sonst häufig der Fall ist, sondern es war ihre ganz persönliche Entscheidung [8c, 9b, 9c]. Dieses Verhalten fiel auch der Lehrkraft als positiv und ungewöhnlich auf (UR F+L). Innerhalb der Gruppen kommunizierten die Lernenden meistens auf Deutsch, allerdings immer themen- und aufgabenbezogen. Die Lehrkraft und ich sprachen an den Gruppenti‐ schen ausschließlich in der Fremdsprache, wohingegen sich die Schülerinnen und Schüler zwar ernsthaft bemühten, dies mit uns ebenso zu tun [5d], aber auf Grund des einge‐ schränkten Sprachkönnens häufig auch ein code-switching vornahmen. Die sechs Gruppen fertigten schließlich sechs völlig unterschiedliche Bauernhöfe an und gaben diesen individuelle Namen [8a, 9c]. Einige Gruppen beschrifteten sogar manche der dargestellten Gegenstände selbstständig mit den neu eingeführten Wörtern aus den word‐ banks [5e, 7c, 8c]. Eine Gruppe war unglücklich, als sie feststellte, dass ihre Perspektive unstimmig war, da durch das Arbeiten am Gruppentisch mehrfach „oben“ und „unten“ vertauscht wurde [8d]. Folglich beschloss sie, ihren Bauernhof in Eigenregie - und zwar außerhalb des Unterrichts - noch einmal neu zu entwerfen [4g, 8c, 11b]. Gegen Ende der ersten Doppelstunde wurden die Collagen an die Stellwände gehängt. Neugierig wurden die Ergebnisse begutachtet und kommentiert [11c, 11d, 12a]. Der erste Storyline-Tag endete für alle Beteiligten positiv. Zu meinem Erstaunen wurden wir am Unterrichtsende sogar gefragt: „Können wir nicht noch mehr Englisch haben? “ (UB) [4b]. Im anschließenden Reflexionsgespräch mit der Lehrkraft zeigte sich, dass auch sie er‐ staunt und erfreut über die Mitarbeit ihrer Klasse war [8b], auch wenn sie sich wunderte, 286 6 Forschungsfokus Klassenzimmer welche Wörter zwar in der 5. Klasse bereits eingeführt, aber nun teilweise nicht mehr prä‐ sent waren bzw. teilweise eine „andere“ Rechtschreibung erhielten. Diese Phänomene waren jedoch aufschlussreich für eine reflektierte Fehleranalyse. Verblüfft war die Lehr‐ kraft zudem über die aktive und selbstständige Wörterbucharbeit der Schülerinnen und Schüler [7c], zumal sie es bisher gewohnt war, „benötigte Wörter“ selbst einzuführen und intensiv mit der Klasse einzuüben (UR F+L). Auch auf den Fotos ist zu sehen, wie vertieft manche Jungen und Mädchen in den mitgebrachten Bildlexika schmökerten und offen‐ sichtlich alles um sich herum vergessen konnten, um Begriffe zu suchen, die von ihnen tatsächlich „benötigt“ wurden [8a, 9b]. Am darauffolgenden Tag begrüßte uns die Klasse ohne Aufforderung mit einem Lied, was als positive Erwartungshaltung interpretiert werden kann [2c, 4b]. Die Lehrkraft be‐ gann den Unterricht mit einer Wiederholung bzw. Ergänzung der englischen Begriffe für die Gebäudeteile eines Bauernhofs. Nachdem der fiktive Ort den Namen Woodside erhalten hatte [2e], stellte die Lehrkraft mehrere Figuren (Bauer, Mädchen, Junge) als Modelle vor, um die Lernenden für die nächste Aufgabenstellung sowohl inhaltlich zu inspirieren als auch sprachlich zu aktivieren. Der hier abgedruckte Gesprächsausschnitt enthält einige interessante Passagen: [Die Lehrkraft zeigt das Modell eines Bauern] L: Who is it? S1: The farmer! [...] L: What is his job? What does he do every day? S2: He food the animals. L [korrigiert]: He feeds the animals. [...] S3: He works at the fields. L [korrigiert]: He works on the fields. What could be his hobbies? What does he like? [befestigt Figur an der Stellwand] Guess. S4: He does horse riding. S5: He does reading. S6: Swimming in the pool. S7: He does sport. S8: He listens to records. S9: He cooking. S10: He makes a pullover with the sheep [unterstreicht Aussage durch Gesten] S11: He makes models (UB). Die Lehrkraft hatte eine inhaltlich offene und zugleich authentische Frage gestellt. Sie mo‐ tivierte die Lernenden damit offensichtlich so sehr, sich aktiv einzubringen, dass diese sich auf Grund ihres inhaltlichen Involviertseins und authentischen Mitteilungsbedürfnisses selbst bei sprachlichen Unsicherheiten nicht scheuten, ihre persönlichen und phantasie‐ vollen Ideen kundzutun, was schließlich auch durch die große Anzahl der Beiträge bezeugt wird [2a, 8a, 9c]. Auffallend ist auch, dass die Lehrkraft die einzelnen Lernenden zwar immer wieder korrigierte, dies aber so unauffällig geschah, dass sie sich kaum daran störten, 287 6.2 Fallstudie 1: The Farm (Klasse 6) sondern es eher als freundliche Unterstützung betrachteten [4d]. Eine beachtliche Leistung erbrachte S10: Er kannte das Wort to knit noch nicht, also umschrieb er den Begriff und illustrierte dies mit ein paar eindeutigen Handbewegungen [5d, 5h] - und zwar auf ge‐ lungene Weise, denn es entstanden keinerlei Nachfragen, so dass auch die Lehrkraft nicht weiter eingriff. Diese Art von Fehlertoleranz (fluency before accuracy; meaning before form) wurde bald zum Leitsatz, auch wenn es der Lehrkraft stellenweise schwerfiel, nicht sofort jeden sprach‐ lichen Fehler zu verbessern. Auf der anderen Seite waren solche Situationen besonders im Sinne der Interaktionsbzw. Fehleranalyse immer wieder aufschlussreich, weil sie indivi‐ duelle Kommunikationsstrategien sowie sprachliche Kompetenzen und Defizite offen‐ legten. Als nächstes zeigte die Lehrkraft die Figur eines Mädchens, um die Lernenden noch mehr für die anstehende Aufgabe zu inspirieren: L: It’s the farmer’s daughter. Could you give her a name? S1: Susie. [...] L: Could we have a family name? S2: Miller. S3 [vehement]: Das sind WIR! ! ! (UB). Dieses Beispiel demonstriert, wie interessiert die Lernenden bei der Sache waren und sich gegenseitig aufmerksam zuhörten [5b]. Andererseits belegt es auch, dass sich die Ler‐ nenden bereits in diesem frühen Stadium des Projekts mit ihren Figuren identifizierten (ownership) [2d, 2e]: S3 war nämlich Mitglied der Familie Miller und sprach von ihrer fiktiven Familie in der ersten Person Plural - nicht etwa in der dritten Person. Des Weiteren zeigte sie unmissverständlich, dass der von S2 genannte Familienname bereits vergeben war. Nachdem die Lehrkraft den Auftrag erteilt hatte, an jedem Gruppentisch eine Familie herzustellen, die den jeweiligen Bauernhof bewohnte, entstand zunächst eine größere Un‐ ruhe: Es wurde diskutiert, was zu tun war und wer welche Rolle übernehmen würde [2d, 2e, 6c]. Dies wiederum geschah auf Deutsch, jedoch ausschließlich inhalts- und aufgaben‐ bezogen, wie auch meine notierten Gesprächsausschnitte eindeutig belegen [8c, 9c, 9e]: Tisch 1: Tisch 2: S1: Ich bin’s Kind! S1: Ich bin die Älteste! S2: Dann bin ich die Mutter! S2: Du die Jüngste! S3: Nein, ICH bin die Mutter! S3: Ich bin 18, 19 (UB). Während die Schülerinnen und Schüler motiviert ihre Figuren bastelten [7d, 10a], be‐ treuten die Lehrkraft und ich einzelne Gruppen, um diese inhaltlich zu inspirieren und sprachlich zu aktivieren. Der folgende Dialog dokumentiert ein spontanes Gespräch mit einem Schüler: 288 6 Forschungsfokus Klassenzimmer 3 Die Gruppe wählte - trotz aller Hinweise durch die Lehrkraft - eine eigene Schreibweise (Flinston). F: Hello! Now WHO are YOU? S: I am Fred Feuerstein. F: You are Fred Flinston? 3 S: Oh, yes. Sorry! F: Aha. So well, tell me something about you/ S: I am a farmer ... at the Flinston Farm and I like horse riding. F: Aha. What else do you like doing? What do you do on Sundays? S: On Sundays I relax. [lacht amüsiert] F: So what do you do? S: Oh, I read boo/ ... Yes, I read books. F: And what’s your favourite book? S: My favourite book it’s ... er ... [überlegt] ... the ... [überlegt] ... The Flintstone Family! [lacht amüsiert] (Audio). Nicht alle Gespräche verliefen so flüssig und quasi fehlerfrei, denn häufig mussten die Befragten erst kurz nachdenken oder sich mit der Gruppe beraten [6c], was sie über ihre Figur inhaltlich sagen wollten [2d, 2e] und wie sie dies sprachlich formulieren könnten [5h]. Das Beispiel zeigt jedoch, dass der Junge nicht nur Spaß an dem interviewähnlichen Gespräch mit mir hatte [4b, 4c, 4d], sondern auch, wie gewählt und situationsgerecht er sich bereits ausdrücken konnte [5d, 5g], obwohl sich die Klasse erst zu Beginn des 2. Lern‐ jahrs befand. Als es zur großen Pause gongte, waren die Figuren zwar alle fertiggestellt, doch die meisten Schülerinnen und Schüler wollten das Klassenzimmer nicht verlassen, sondern an ihren Bauernhöfen weiterarbeiten oder sich umschauen [4b, 8c]. Viele fühlten sich durch die Aussicht auf die klassenöffentliche Vorstellung ihrer Lernprodukte motiviert und positiv herausgefordert [11b]. Sie tauschten sich aus, verglichen und kommentierten stolz ihre Werke: S1: „Wer bist du? “ S2: „Der Großvater. Das habe ich gemacht! Sieht gut aus, gell? “ (UB) [4f, 8d, 11d]. Als wichtiges Element erwies sich die Präsentation der Produkte in der Klasse. Da es sich dabei um eine echte Kommunikationssituation handelte (information gap), waren die Ler‐ nenden meist mucksmäuschenstill, um haargenau zu erfahren, was ihre Mitschülerinnen und Mitschüler erarbeitet hatten [2c, 11c]. Das intensive Zuhören und Mitverfolgen der Handlung zeigte sich beispielsweise auch darin, dass die Lernenden korrigierend oder er‐ gänzend eingriffen, wenn die Lehrkraft möglicherweise ein Detail vertauscht, vergessen oder überhört hatte [2b, 5b]. Stolz wurden die Arbeitsergebnisse vorgestellt [5d, 11a] und nicht selten mit Applaus oder begeisterten Zwischenrufen belohnt [11d], so dass die mit Lob bedachten presenters erfreut an ihre Tische zurückkehrten [4f]. Während in den Lehrbuchlektionen die Familienkonstellationen - meist politically cor‐ rect und etwas steril - vorgegeben sind, wurden in unserem Fall kreative und zum Teil recht eigenwillige Wohn- und Lebensgemeinschaften geschaffen und mit vielerlei Details cha‐ rakterisiert [2e, 8a, 9b, 9c]: 289 6.2 Fallstudie 1: The Farm (Klasse 6) S1: This is Freddy Carter. He is thirty-thirt and thirty-thirt. [wiederholt zur Klärung auf Deutsch: 33 1/ 3] That is Amanda Carter. She is 31. She is my ex-wife. That is Charly Carter. She is eighteen. That is Susan Carter. She is fifteen. [...] L: Susan, what is on your farm? [Besagte Susan fühlt sich angesprochen und reagiert sofort] S2: We’ve got a tractor. L: Have you got animals? S2: We’ve got two dogs, two cats [...]. L: What are your hobbies? S2: I like gymnastics, tennis, and I learn the piano (UB). Interessant sind in diesem Fall nicht nur die individuellen Ausschmückungen, sondern auch die Tatsache, dass sich die Lernenden erneut persönlich angesprochen fühlten, sich mit ihren Rollen identifizierten [2d] und in der ersten Person Singular bzw. Plural sprachen - bis auf den Einleitungssatz, als der Schüler auf die Figur am Fries zeigte. Bei einem Vortrag war es spannend, die Reaktion der Klasse zu beobachten, als der Schüler das Wort *letters erwähnte bzw. den eigentlich verwendeten Begriff lettuce nicht klar genug aussprach. Viele runzelten irritiert die Stirn, was belegt, dass sie aufmerksam zugehört hatten und den vorgetragenen Inhalt erschließen wollten [5b]. Diesen kompli‐ zierten kognitiven Prozess konnte man ihren Gesichtern förmlich ansehen [5h, 5i]. Aller‐ dings wurde durch den eindeutigen Kontext schnell klar, um was es hier gehen musste, nämlich um Salat (lettuce) und nicht um Briefe (letters) [5e]. Zwar hatten alle Gruppen relativ intakte Familien geschaffen, diese schienen jedoch wesentlich lebendiger und authentischer als die üblichen Lehrbuchfamilien [2e, 8a, 9c]. Allerdings erwies sich, dass Schülerinnen und Schüler, die tagein tagaus dazu aufgefordert werden, die Anweisungen ihrer Lehrkräfte haargenau auszuführen, das Problem bewäl‐ tigen müssen, sich von vorgegebenen Modellen zu lösen und stattdessen eigene Aufgaben‐ interpretationen einzubringen. Konkretes Beispiel: Um den Lernenden eine Vorstellung zu geben, wie die zu bastelnden Figuren aussehen könnten, hatte die Lehrkraft - wie oben beschrieben - drei Modelle gezeigt. Was mich erstaunte, war die Feststellung, dass die anschließend von den Lernenden gebastelten Bauernfiguren fast alle - wie im Modell ge‐ zeigt - eine Mistgabel in der Hand hielten! Für uns war dies ein Hinweis dafür, in Zukunft möglichst offene Modelle zu verwenden und nur wenige inhaltliche Vorgaben zu machen (UR F+L). Nach der Präsentation der Familien sollte für jede Figur eine Biographie verfasst werden. Dies war der erste längere Text, der von den Lernenden zu schreiben war, und die Ergebnisse waren nicht nur inhaltlich, sondern auch von ihrer äußeren Erscheinung her individuell gestaltet [5c, 8a, 9c]. Auffallend waren auch Unterschiede in Bezug auf Quantität und Qualität der Sprachproduktion. Die Mädchen und Jungen nahmen unsere individuelle Un‐ terstützung gerne an und fragten nach benötigten Wörtern: „Wie heißt ‘Flöte’? Eigentlich spiele ich Querflöte, aber Flöte geht auch“ (UB) [2d, 5e, 5i]. Ich versuchte bei der Grup‐ penbetreuung wie immer, relativ „normal“ zu sprechen, also auch Vergangenheits- und Zukunftsformen zu verwenden, obwohl diese noch nicht im Unterricht „behandelt“ waren. Für die Lernenden schien dies kein Problem darzustellen und sie gewöhnten sich schnell 290 6 Forschungsfokus Klassenzimmer daran [5g]. Manchmal konnte ich beobachten, dass sie später meine Aussprache nach‐ ahmten [5h, 5i]. Was sich an diesem Tag gezeigt hatte, war die Tatsache, dass die Lernenden gerne in der Fremdsprache sprachen bzw. ihre Werke präsentierten [5d, 11a], auch wenn ihnen häufig die sprachlichen Voraussetzungen dafür fehlten, so dass sie beispielsweise eher auf Gegen‐ stände zeigten, anstatt sie zu benennen, oder etwa in die deutsche Sprache wechselten. Auffallend war jedoch erneut, dass sie immer am Thema bzw. an der Aufgabe blieben und Inspirationen von außen gerne aufgriffen, wie auch das folgende Beispiel illustriert [2a, 9c]: F: Don’t you have pigs on your farm? S: Doch! They are in there. Wart, ich mal’ die mal! [S malt mehrere rosarote Ohren, die aus dem Stallfenster herausragen] (UB). Grundsätzlich störten sich die Schülerinnen und Schüler nicht an ihren sprachlichen Feh‐ lern [4d] oder zogen sich etwa entmutigt zurück, wie das im regulären Unterricht oft zu beobachten ist. Häufig bemerkten sie selbst, dass an ihrem Satz oder Text „irgendetwas“ nicht stimmte, so dass sie uns ohne Scheu um Unterstützung baten, wenn ihnen ihre Gruppe nicht weiterhelfen konnte [5h, 5i]. Während sie ihre Fehler in der gesprochenen Sprache meist bereitwillig korrigierten bzw. sich von der Lehrkraft korrigieren ließen, übernahmen sie Korrekturvorschläge bei den biographies zum Teil jedoch eher zögerlich: Offensichtlich empfanden sie die Korrekturen als Eingriff in ihre persönlichen „Werke“ und hatten das Gefühl, dass ihre ästhetisch gestalteten und sorgfältig geschriebenen Texte verunstaltet wurden. Die Lehrkraft teilte meine Ansicht im anschließenden Reflexionsgespräch, so dass vereinbart wurde, eine größere Fehlertoleranz walten zu lassen und auf keinen Fall eigene Korrekturen in die Texte zu schreiben, auch wenn dies für die Lehrkraft viel Überwindung kosten würde, zumal sie befürchtete, dass andere Lehrkräfte sie diesbezüglich kritisieren könnten (UR F+L). Des Weiteren kamen wir überein, dass sich die Lernenden bereits im Vorfeld noch mehr gegenseitig helfen sollten, um die gröbsten sprachlichen Fehler zu ver‐ meiden (peer correction). Aufgefallen waren uns in dieser Doppelstunde Probleme mit den Zeiten present progres‐ sive und simple present, die häufig miteinander kombiniert, verwechselt bzw. inkorrekt verwendet wurden, z. B. *I’m play, *I lives, *I’ am 12 [5h]. Die Lehrkraft sammelte die ver‐ schiedenen Beispiele und wir kamen zu dem Ergebnis, dass sie nach Abschluss des Story‐ line-Projekts eine Unterrichtsstunde zur Wiederholung der beiden Strukturen einplanen würde, wir aber zum jetzigen Zeitpunkt die Geschichte nicht für eine längere und explizite Übungsphase unterbrechen wollten, da sich dies vermutlich negativ auf die Motivation der Lernenden ausgewirkt hätte und wir ohnehin nur ein bestimmtes Zeitkontingent zur Ver‐ fügung hatten. An diesen beiden Projekttagen wurden keinerlei Extraarbeitsblätter benötigt, da die Lernenden immerzu beschäftigt waren und eher mehr Zeit in Anspruch nehmen wollten, um ihre Arbeiten zufriedenstellend erledigen zu können, als ihnen zugebilligt wurde [1d]. Auch die Lehrkraft war überrascht darüber, dass ihre Klasse in der großen Pause im Klas‐ senzimmer bleiben wollte, um an den Bauernhof-Collagen zu arbeiten [8c, 8d, 9b, 11b]. Das Team-Teaching empfand sie als angenehme Unterstützung. Beide waren wir erstaunt 291 6.2 Fallstudie 1: The Farm (Klasse 6) darüber, wie begeistert und hochkonzentriert die Schülerinnen und Schüler bei der Sache waren [4a]. Erneut fielen mir die erwartungsvollen Gesichter auf, die auf eine starke emo‐ tionale Beteiligung schließen ließen [2c, 4b, 4f]. Auch an diesem Schultag wurden wir wieder gefragt: „Haben wir heute nicht noch ‘ne dritte Stunde Englisch? “ (UB). Die Fortsetzung des Storyline-Projekts fand zwei Tage später statt. Schon vor Unter‐ richtsbeginn beobachtete ich einige Schülerinnen und Schüler, wie sie interessiert am Fries entlangbummelten, um ausgiebig die diversen Produkte zu betrachten [12a, 12c, 12f] und zu kommentieren [11d, 12e]. Ungewöhnlich und zugleich aufschlussreich war, dass die Lernenden, selbst wenn sie quasi unbeobachtet waren, öfters Englisch miteinander spra‐ chen bzw. ein mehrfaches code-switching vornahmen, wie das folgende Beispiel verdeutlicht [2d, 5d, 5 g, 11a, 11c]: S1: Schau, I’m Hugo. I’m 39 years old ... S2: So alt? S1: And you’re my wife (UB). Diese amüsanten Gespräche waren mir schon in den Tagen zuvor aufgefallen, wenn ich einzelne Mädchen oder Jungen dabei beobachtete, wie sie in Arbeitspausen den Fries auf‐ suchten, um ihre eigenen Produkte zu ergänzen und/ oder zu korrigieren [8c, 8d, 11b] oder um neugierig die Lernprodukte der anderen Gruppen zu begutachten und sich davon ins‐ pirieren zu lassen [12a, 12f]. Der dritte Storyline-Tag begann mit der Fortsetzung von Episode 2. Die Lernenden sollten über die Tagesabläufe (daily routines) ihrer Figuren berichten und somit ihre Hausaufgaben präsentieren. Obwohl am Tag zuvor kein Englischunterricht stattgefunden hatte, erin‐ nerten sie sich noch an viele Details und schlüpften ohne weitere Aufforderung in ihre Rollen [2b, 2d]. Unterschiede in den Texten waren sowohl auf sprachlicher [5c, 5h] als auch inhaltlicher [2e, 9c] Ebene zu verzeichnen. Manche Texte waren nahezu fehlerfrei [5g], andere wiesen mehr oder weniger gravierende Fehler auf, die für die Lehrkraft wich‐ tige Hinweise für weiterführende Übungen gaben. So verwendete eine Schülerin mehrmals die Form “I do play“ bzw. “I do learning“, obwohl korrekte Musterbeispiele auf dem Ar‐ beitsblatt abgedruckt waren, wie etwa “I play games“. Am meisten verblüffte mich jedoch die minutiöse Auflistung von Aktivitäten in manchen Texten [2a, 2b], denn dies bewies, dass sich die Lernenden genaue Vorstellungen vom Leben ihrer fiktiven Figuren gemacht hatten, beispielsweise dass ein Bauer wie Freddy früh aufstehen muss, um seine Tiere zu versorgen, oder dass Tom, der am zweiten Storyline-Tag Modellbau als Hobby angegeben hatte, tatsächlich jeden Nachmittag Modelle bastelt [2d, 2e]. Als die Lehrkraft ankündigte, dass sie Briefe für die Bauernfamilien erhalten habe, zeigten sich die Lernenden amüsiert und strahlten, als ihre Familiennamen aufgerufen und die Briefe ausgehändigt wurden [2c, 4a]. Die Briefe sollten in den einzelnen Gruppen vor‐ gelesen, der Inhalt geklärt und das weitere Vorgehen besprochen werden. Dieser Austausch erfolgte in den meisten Gruppen auf Deutsch, war aber nach meiner Beobachtung sach- und inhaltsbezogen. Der folgende Gesprächsausschnitt belegt, wie das Aushandeln von Bedeutungen (negotiation of meaning) bzw. die Interpretation der Aufgabenstellung in den Gruppen ablief [9b, 9c]: 292 6 Forschungsfokus Klassenzimmer S1 [liest seiner Gruppe den erhaltenen Brief vor]: Dear Mr and Mrs Miller. I would like to visit your farm with my two children. Is it ... possi/ to stay F [korrigiert die Aussprache]: &Possible S1[greift Korrektur auf]: Possible to stay with you f/ ... for eight days [nun etwas leiser, da das folgende Wort in Klammern steht] October? How much is a room for us? Can we have breakfast and lunch on your farm? Please send us some informations [im Original steht ‘information’] for tourists. Thank you very much for your help. Yours Mary-Ann Lennon. [Es erfolgt eine kurze Denkpause] S2: Und jetzt? S3 [dezidiert]: ’n Brief zurückschreiben! (Audio). Auch in anderen Gruppen war zu beobachten, dass sich die Lernenden den Brief vorlasen [5a], den Inhalt kurz auf Deutsch zusammenfassten und sich anschließend darüber aus‐ tauschten: „Also, wir sollen denen einen Brief schreiben. Die kommen jetzt zu uns“ (UB) [2d, 9b, 9c]. Nachdem alle ihre Briefe besprochen hatten, klärte die Lehrkraft deren Inhalte im Plenum. Auf Grund der Informationslücken (information gap) verlief diese Leseverste‐ hensüberprüfung auf ganz natürliche Weise und die Gruppen hörten sich aufmerksam zu [2c, 5b, 11c]. Interessanterweise sprach man sofort wieder in der ersten Person Plural und erzählte vielerlei Details aus den Briefen [2d, 5d]. Die Lehrkraft fragte die einzelnen Gruppen, ob sie sich vorstellen könnten, Gäste zu beherbergen, erläuterte die nächste Aufgabenstellung und gab einige Impulse für die wei‐ teren Überlegungen: z. B. Anzahl der eventuell verfügbaren Zimmer, Kosten und Freizeit‐ angebote. Bevor es ans Schreiben ging, hielt sie noch ein liniertes Blatt (für die Broschüre) sowie ein „Foto“ (Fotokopie einer Figur) hoch, was ein freudiges Echo auslöste [2d, 7a, 11d]: L: Some of you can make a brochure. You can make your picture in there. Put your photo in there. Look. [hält Kopie hoch und zeigt auf die Broschüre] S [beim Anblick des Bildes erstaunt und erfreut]: Oh, das bin ich! (UB). Die Lehrkraft und ich betreuten die Gruppen, um sie beim Schreiben zu unterstützen. Für die Lernenden galt das ungeschriebene Gesetz, dass sie mit mir und ihrer Lehrkraft auf Englisch kommunizierten, auch wenn sie in den Gruppen nicht nur in der Fremdsprache sprachen. Da sie jedoch einen fremdsprachlichen Text produzieren sollten, mussten sie zwangsläufig auch in der Fremdsprache verhandeln und sich dabei nicht nur inhaltlich absprechen [5d], sondern auch sprachlich unterstützen [5c, 6c], denn alle wollten ein an‐ sprechendes Endprodukt vorstellen [11b]. Die Schülerinnen und Schüler fragten nach exo‐ tischen Wörtern oder der Rechtschreibung bekannter Begriffe, die sie für ihre Texte „be‐ nötigten“, wie Fred Flinston, der auf einen Zettel “horse riding“ geschrieben hatte und mir diesen nun fragend zeigte: “Sorry, is that correct? “ (UB) [5e, 5i]. Häufig wurden wir nach der Richtigkeit von Satzkonstruktionen gefragt [5f] und/ oder man vergewisserte sich kurz, dass eine Aussage verstanden wird und den richtigen Ton trifft [5g], wie die folgenden Beispiele verdeutlichen [5h, 5i]: S1: Can I say it in German? Wie heißt: ‘Wir freuen uns, Sie zu sehen’? F: We’re looking forward to seeing you. 293 6.2 Fallstudie 1: The Farm (Klasse 6) [...] S2: Frau Kocher, kann man schreiben: ‘Our dog is not silly’? (UB). Die spezifische Aufgabenstellung forderte die Lernenden dazu auf, ohne Scheu und Bar‐ rieren mit der Fremdsprache umzugehen [9b, 11b]. Offensichtlich wurden dabei plötzlich die Rollen vertauscht [8a, 8b, 8c]: Nicht die Lehrkraft bestimmte, welche fremdsprachlichen Elemente von Bedeutung sind und „vermittelt“ werden, sondern die Lernenden [5e]! Nicht die Lehrkraft fragte, ob ein Satz oder ein Wort richtig sei, wie dies im regulären Unterricht meist üblich ist, sondern die Lernenden [5h]! Nicht die Lehrkraft bat um eine korrekte Sprachverwendung (accuracy) und die Verbesserung eventueller Fehler, sondern die Ler‐ nenden [5i]! Nicht die Lehrkraft forderte dazu auf, möglichst phantasievolle Texte zu ver‐ fassen, sondern die Lernenden taten dies aus einem inneren Bedürfnis und (Spiel-)Trieb heraus [2a, 2e, 5c]! Auch an diesem Tag wurde dem Gong keine Aufmerksamkeit geschenkt [8c], was im regulären Unterricht kaum denkbar ist. Auffallend war, dass durch die Aufgabenstellung und das damit verbundene Verhandeln mehr Unruhe im Klassenzimmer entstanden war. Des Weiteren benötigten manche mehr Zeit für ihre Briefe und Broschüren als andere, je nachdem wie umfangreich und kunstvoll diese angefertigt wurden. Um zu ermöglichen, dass alle ihre Schreibarbeiten abschließen konnten, erteilte die Lehrkraft denjenigen, die bereits fertig waren, den Auftrag, die diversen Produkte am Fries zu inspizieren. Manche waren ohnehin schon von sich aus zum Fries gegangen, um selbstständig zu schmökern [8c, 9d, 9e, 12f]. Als Alternative wurden Extraarbeitsblätter angeboten, die von einigen - allein, zu zweit oder in Gruppen - bearbeitet wurden: „Frau Kocher, die haben ein Extra‐ blatt! “ sagte eine Schülerin fast vorwurfsvoll und quasi als Aufforderung, ihr auch ein Ex‐ emplar auszuhändigen (UB) [4b, 9e]. Am Ende entstanden sehr individuelle, auffallend kreativ gestaltete Texte [2e, 5c, 9c]. Die Idee, die Figuren zu kopieren und als Fotografien zu verwenden, schien beliebt zu sein und wurde von fast allen aufgegriffen [7b, 7d, 10a]. Nachfolgend einige Textpassagen (aus Platzgründen ohne Absender und Datum) zur Veranschaulichung der individuellen Leis‐ tungen: Die Broschüre der Familie Carter war mit besagten „Fotos“ der Familienmitglieder be‐ stückt sowie dem Grundriss des Bauernhofs, aus dem auch die Lage des neu gebauten “guesthouse“ ersichtlich war [7d, 10a]. Die Bilder wurden wie folgt beschrieben, wobei sich auf der Vorderseite des DIN A4-Blattes „Fotos“ (Kopien) der Eltern und auf der Rückseite „Fotos“ (detaillierte Zeichnungen) der Töchter, auf die man offensichtlich stolz war, mit Namen und Altersangaben befanden: I’m Amanda Carter. I’m fourty-one years old. I have three daughters: Charly, 18. Susan, 15. Anne, 12. They’re very nice. [Handschrift wechselt] I’m Freddy Carter. I’m fourty-four ¼ old. Our farm is very interesting. You can do horse riding, you can feed rabbits and pad cows. We have a big garden. We have dogs, cats, hens, cock, ducks usw.... We have a very big and intersting farm (Brochures: Carter). Auch der folgende Brief klang einladend, auch wenn er knapp gehalten war. Dennoch gaben sich die Lernenden offensichtlich Mühe, einen freundlichen Brief zu verfassen [5g]: 294 6 Forschungsfokus Klassenzimmer Dear, Blelinda Collins, You can come, of corse. We are looking forward to seeing you. We have four beds free. The Farm is very big and you can walk. You can bring your dog. The dog can sleep in the dog house with our dogs. Love, Max Mac Donald (Letters: Mac Donald). Die Texte der Familie Hall waren ebenfalls kreativ und individuell [8a, 9c], wobei sich Brief und Broschüre teilweise ähnlich waren, aber wiederum auch vielerlei Details enthielten, wie der folgende Satz beweist: “You can do horse-riding, and your kid can swim in the lake and play with the dog, our dog is not silly he is very nice! “ (Brochures: Hall) [2e, 5g]. Wie die anderen Familien erwähnten auch die Millers in ihrer Broschüre ausführlich, wie viele Tiere sie besitzen. Für sie war es offenbar auch wichtig zu erwähnen, dass “a dunghill“ und “a street“ vorhanden seien. Im Gegensatz zu den anderen beschrieben sie jedoch auch die Tätigkeiten und Hobbys der Familienmitglieder, wobei interessant ist, dass die Figuren - ohne Aufforderung - in Interaktion miteinander treten und quasi lebendig werden [2d, 9c]. Auch das simple present wurde dabei korrekt verwendet [5f]: Susie: I play with the dog and I play tennis with my daughter. Bernette: I play tennis with my mother and I help Max in the garden. Peter: I make model. Max: I play soccer Carly: I play soccer, rugbi (Brochures: Miller). In einem sprachlich beeindruckenden Begleitbrief, der von jedem Familienmitglied eigen‐ händig unterschrieben ist, wurde schließlich aufgeführt, was die Kinder der Gäste in ihrer Freizeit tun könnten [5g, 9c]. Die Kings gaben in ihrem Brief exakte Anreisedaten an, damit nichts schiefgehen würde. Auch deren Brief klang einladend und sprachlich ausgefeilt [5g, 5i]: Dear Sandra and Sam, You can come to the Kingfarm on the September 25 th - October 2 st . We have a big house, three horses, two dogs, pigs and a garden, three cats, pigs and a tractor. We have three Kids, a grand‐ mother and a grandfather. They are very funny. The room for 1 person costs 25 £. You can come at 4.00 o’clock. Love, Familie King P.S.: You can eat breakfast with us! (Letters: King). Einen Kontrast - sowohl auf inhaltlicher auch als sprachlicher Ebene - bildeten die beiden Texte der Familie Flinston, die hier auszugsweise vorgestellt werden: Dear Mick + Co, We have got a very big house. When you want to come, then you are very welcome. We have got five rooms. You can have three rooms there you can sleep. You can do horse riding. You can eat breakfast and dinner if you want. In your rooms are bathrooms and bedrooms. Good buy, we see you later. Love, Flinstone (Letters: Flinston). 295 6.2 Fallstudie 1: The Farm (Klasse 6) Der Brief klingt nicht nur sprachlich flüssig und annähernd korrekt, sondern er wirkt durch seine sprachliche Komplexität auch relativ authentisch [5g, 5i]. Beim Lesen fällt vermutlich sofort der if-clause in einer der letzten Zeilen auf. Selbstverständlich wurden hier keine grammatischen Regeln erläutert, sondern die Struktur wurde - auf Anfrage der Lernenden - unkompliziert als chunk vermittelt [5f], wie dies auch beim Lexical Approach üblich ist (vgl. Lewis 1993; 1997). In der Broschüre bildete die Beschreibung des Ortes und des Weges einen besonderen Schwerpunkt [8a, 9c]. Auf einem beigefügten Plan (mit Legende! ) wurde der Weg zum Bauernhof rot eingezeichnet [7d, 10a]: “That is Woodside, it is a very small village. But there it’s a swimming pool. This is a super way to our farm“ (Brochures: Flinston) [5g]. Warum die ausführliche Darstellung der diversen Texte? Die Texte wurden hier explizit und detailliert vorgestellt, um einerseits exemplarisch an einer spezifischen Aufgabenstel‐ lung einen Querschnitt, also nicht etwa nur besonders gelungene Beispiele zu präsentieren, und um andererseits anhand der Primärquellen zu belegen, dass die Lernenden sich auf die Briefe der fiktiven Touristinnen und Touristen tatsächlich eingelassen hatten [2e] und sich offenbar wirklich herausgefordert fühlten, ansprechende und sprachlich korrekte Briefe und Broschüren zu verfassen [5c, 5 g, 5i, 9b]. Da diese sehr unterschiedlich ausfielen, waren die Klassenmitglieder später sichtlich motiviert, sich gegenseitig aufmerksam zuzuhören [2c, 5b] bzw. die einzelnen Lernprodukte ausgiebig zu studieren [11c, 12a]. Während schriftliche Hausaufgaben oder Schularbeiten meist wenig Freude bereiten und weitgehend unbeachtet im Heft stehen, wollten unsere Lernenden wirklich interessante und gute Texte schreiben [5c, 5 g, 8c] und diese auch gerne vorlesen [5d], denn es gab einen authentischen Grund dafür [2a, 2e]. Die Aussicht auf die klassenöffentliche Präsentation der Lernprodukte schien den Schü‐ lerinnen und Schülern immer wieder einen Motivationsschub zu geben: Es war eben nicht egal, ob ein Text fehlerhaft war, denn man wollte schließlich verstanden werden [11b]. Neue Wörter wurden nachgeschlagen [5e, 7c] oder vereinzelt wurden sogar neue gram‐ matikalische Strukturen integriert (z. B. if-clause) [5f], weil sie für die Kommunikation be‐ nötigt wurden [5g, 5i]. Das Schreiben machte Sinn [9b], denn man hatte sich etwas zu sagen, und es gab zudem ein interessiertes Publikum, das nur darauf wartete, von den einzelnen Familien etwas Neues zu erfahren [2c, 11c]! Man hatte den Eindruck, dass sich die sechs Gruppen immer wieder individuelle und teilweise witzige Details ausdachten, um sich auf diese Weise von den anderen Gruppen abzuheben [2e, 8a, 9c, 11b]. Es entstand also fast ein kleiner Wettbewerb, der für Spannung, Spaß und Gelächter sorgte [2c, 4b, 4c, 4f]. Bei dem Gedanken an die üblichen Übungen und Lückentexte, mit denen Schülerinnen und Schüler im regulären Unterricht häufig „beschäftigt“ werden, wird an dieser Stelle klar, wie grotesk das ist: Zum einen sind die Inhalte bereits allen bekannt, und zum anderen wird das kreative Potenzial der Lernenden nicht genutzt. Die meisten Übungen dienen eindeutig nur der Vermittlung von sprachlichen Elementen. Individuelle Stärken und Schwächen können nie in dem Maß aufgedeckt werden, wie dies bei den oben aufgeführten Texten der Fall ist. Diese demonstrieren nicht nur, dass echte Sprachhandlungen realisiert wurden [5g, 9b], sondern sie spiegeln auch die Heterogenität der Lerngruppe auf eindrückliche Weise, und zwar in mehrfacher Hinsicht [8a]: So geben sie Aufschluss darüber, wie unterschiedlich 296 6 Forschungsfokus Klassenzimmer eine Aufgabenstellung interpretiert, sprachlich realisiert und inhaltlich ausgestaltet werden kann [9c]. Ferner demonstrieren sie, dass die Lernenden nicht nur intellektuell gefordert werden, sondern sich auch in großem Ausmaß emotional angesprochen fühlen, wenn sie versuchen, sich in die angekündigten Gäste hineinzuversetzen und ihnen freundliche Briefe zu schreiben [2d, 5 g, 7d]. Auch soziales Engagement wird offensichtlich, wenn sie Weg‐ beschreibungen mitschicken, gemeinsame Mahlzeiten anbieten oder den Gasthund in der eigenen Hundehütte unterbringen [5g]. Humor und Freude äußern sich [4b, 4c], wenn witzige Details eingeflochten werden [2e], die wiederum für Spannung und aufmerksames Zuhören sorgen [2c, 5b] und zudem belegen, über was sich die Gruppen bei ihrer Arbeit unterhalten haben [6c]. Die Sprache schließlich wird nicht nur in bits and pieces verwendet bzw. „geübt“, sondern sie dient als Mittel zum Zweck und wird als Ganzes betrachtet bzw. in ihrer gesamten Komplexität berücksichtigt; dabei scheint es egal, ob eine Struktur oder ein Begriff schon „dran war“ oder nicht [2a, 5g]. Durch die Verwendung der Fremdsprache in relativ authentischen Situationen [9b], und nicht etwa in eindimensionalen vorstruktu‐ rierten Übungen, lässt sich für die Lehrkraft und die Lernenden auch viel realistischer der Stand von einzelnen Lernenden oder Lerngruppen erkennen, was die Entwicklung von diversen fremdsprachlichen Kompetenzen anbelangt [5i]. In der gemeinsamen UR mit der Lehrkraft wurden einige besonders markante Szenen und Lernprodukte ausführlich besprochen. So war uns beiden aufgefallen, dass die Gruppen persönliche Briefe und ganz unterschiedliche Broschüren mit vielerlei netten Details ver‐ fasst hatten und dies sichtlich mit Freude [4b, 5c, 7d, 9c]! Auch bemerkten wir eine aus‐ geprägte Präsentationslust [4f, 11a], denn selbst die von manchen Lernenden bearbeiteten Extraarbeitsblätter sollten am Fries befestigt und somit der Klassenöffentlichkeit präsen‐ tiert werden [12c]. Beide stimmten wir überein, dass die Arbeitsteilung in den Gruppen noch verbessert werden könnte, um bei komplexen Aufgabenstellungen das Zeitproblem besser in den Griff zu bekommen. Beispielsweise könnten sich einzelne Schülerinnen und Schüler parallel auf diverse Miniaufgaben spezialisieren (z. B. Deckblatt für die Broschüre konzipieren, „Fotos“ auswählen, Text verfassen, Brief schreiben oder Briefumschlag ge‐ stalten), die danach in der Gruppe im Sinne einer kleinen Redaktionssitzung zusammen‐ getragen werden. In Gedanken an das weit verbreitete „Pingpongspiel“, bei dem die Lehrkraft eine Frage stellt, die Lernenden eine Antwort liefern und die Lehrkraft danach bestimmt, ob diese richtig oder falsch ist (IRE pattern), fiel mir auf, dass sich in Arbeitspausen noch nicht alle Lernenden selbstständig eine neue Tätigkeit suchten, sondern wie gewohnt auf das nächste Kommando der Lehrkraft warteten. Um zu unterstützen, dass sie sich noch intensiver mit den Lerntexten und der Fremdsprache auseinandersetzen, wäre es in diesem Fall möglich gewesen, besonders schnelle bzw. gute Schülerinnen und Schüler als umsichtige „Fehler‐ spione“ an den Fries zu schicken, zumal es für die Lehrkraft schwierig und ungewöhnlich schien, nicht immer alle sprachlichen Fehler zu korrigieren, sondern sie einfach (als au‐ thentische Texte der Lernenden - nicht der Lehrkraft) zu belassen. Diese alternative Strategie wäre nicht nur eine gute Möglichkeit der Differenzierung, sondern könnte auch dazu bei‐ tragen, Pausen mit sinnvollen Aufgabenstellungen zu überbrücken, bis alle bereit zur Prä‐ sentation sind. 297 6.2 Fallstudie 1: The Farm (Klasse 6) Als problematisch wurde empfunden, dass die Lernenden in dieser Doppelstunde relativ viel Deutsch in ihren Gruppen gesprochen hatten. Andererseits tauschten sie sich intensiv über den Inhalt bzw. die Aufgabenstellung aus [6c, 9c], was sie aus nachvollziehbaren Gründen nur in begrenztem Umfang in der Fremdsprache absolvieren konnten. Auch die phasenweise Unruhe im Klassenzimmer war für die Lehrkraft manchmal störend. Auf der anderen Seite ist Gruppenarbeit und mündliche Kommunikation natürlich immer mit einem gewissen Lärmpegel verbunden, der aber durch entsprechende Vereinbarungen reguliert werden kann. Etwas anstrengend war das ständige Fragen wie „Frau Kocher, wie schreibt man das? “, obwohl viele Schülerinnen und Schüler bei Bedarf eigenständig entweder die wordbanks oder die ausgelegten Wörterbücher konsultierten [7c]. Andererseits zeigten diese „Hilfe‐ rufe“, dass die Mädchen und Jungen Interesse an der Aufgabenstellung [9b] und einer adä‐ quaten Sprachproduktion [5h, 5i] hatten, was natürlich Sinn und Zweck des Unterrichts sein sollte. Durch ein entsprechendes Training könnte das selbstständige Nachschlagen von Wörtern für die Lernenden noch mehr zur Selbstverständlichkeit werden und somit die Lehrkraft entlasten. Sinnvoll wäre auch die Bereitstellung von häufig benötigten phrases am Fries (wordbank). In Episode 4 fand schließlich der fiktive Fotowettbewerb statt, bei dem ich leider nicht anwesend sein konnte. Allerdings erlebte ich noch die Anfangsphase mit, als sich die Ler‐ nenden jeweils eine witzige Situation mit ihren mittlerweile wieder abgereisten Gästen ausdenken und dazu eine Zeichnung mit einem erläuternden Text anfertigen sollten. Dabei hatte ich ein Schlüsselerlebnis, das mein Verständnis von Grammatikunterricht bis heute prägt: Während wir bei der Aufgabenbearbeitung wieder beratend zur Seite standen, fragte mich ein Junge nachdenklich, was er denn malen und schreiben könne: “What did the tourists do on your farm? “ fragte ich, um ihn zu inspirieren, woraufhin er entgegnete: “They help ... ich weiß nicht, wie man das sagen kann, das ist doch schon vorbei! “ (UB) [5h, 5i]. Erst im Nachhinein wurde mir bewusst, hier die äußerst günstige Gelegenheit verpasst zu haben, um die Vergangenheitsform (simple past) situativ verankert und aus einem authen‐ tischen Lernbedürfnis heraus einzuführen, ohne den Kontext der Geschichte verlassen zu müssen. Es hätte im spezifischen Fall möglicherweise gereicht, einfach nur auf das Suffix -ed hinzuweisen, ohne irgendwelche Regeln oder unregelmäßige Verben zu erwähnen. Doch auf diese Situation waren weder ich noch die Lehrkraft vorbereitet und somit im wahrsten Sinne des Wortes sprachlos. Wie die letzte Episode im Detail ablief und wie das Storyline-Projekt abgeschlossen wurde, kann ich lediglich aus Sicht der Lehrkraft beschreiben: Die Lernenden waren wieder engagiert bei der Sache und einige stritten sich angeblich beinahe, als es um die Auswahl der besten „Fotos“ ging und drei Gewinner bzw. Gewinnerinnen des Wettbewerbs ermittelt werden sollten [8d, 11d]. Sie selbst empfand das natürliche Ende der Geschichte, die mit der Preisverleihung abschloss, als eine sinnvolle Zäsur (UR F+L). Die mir zur Verfügung stehenden Texte und Fotografien belegen, dass sich die Lernenden auch bei dieser Aufgabenstellung wieder sehr individuell und auf humorvolle Weise ein‐ gebracht hatten, so dass erneut eine Diversität von kreativen Texten und ausgefallenen Bildern entstand [5c, 9c], auf welche die Lernenden mit Recht stolz sein konnten [4f]. Auf sprachlicher Ebene waren wieder einige Fehler zu diagnostizieren, andererseits waren alle 298 6 Forschungsfokus Klassenzimmer Bildbeschreibungen verständlich und meaningful. Folglich verwundert es auch nicht, dass es heftige Diskussionen um die angeblich besten Produkte gegeben hatte [8d, 11d]. Welche Kriterien die Jury für die Auswahl der Einsendungen zugrunde gelegt hatte, konnte ich nach Projektabschluss leider nicht mehr im Detail erfahren. Da aber offensicht‐ lich nicht alle mit dem Ergebnis einverstanden waren, wäre es vermutlich sinnvoll und hilfreich gewesen, wenn die Lehrkraft vorweg ein paar Anhaltspunkte (z. B. Bildqualität, Witz, Textqualität, Sprache usw.) gegeben bzw. mit der Klasse entwickelt hätte, so dass die Prämierung einigermaßen objektiv und für alle transparent gewesen wäre. Doch auch ich muss gestehen, dass es schwierig war, aus den mehr als zwanzig Vorschlägen die drei besten auszuwählen. 6.2.6 Die schriftliche Befragung der Lernenden Etwa eine Woche nach Abschluss des Storyline-Projekts besuchte ich die 6. Klasse noch einmal, um die schriftliche Einzelbefragung (SABS) durchzuführen (vgl. Anhang A) und sämtliche Friesprodukte im Detail zu fotografieren. Die Lernenden begrüßten mich herzlich mit einem Lied, erläuterten mir den neu gestalteten bzw. erweiterten Fries und warteten gespannt auf meine Reaktion. Erwartungsvoll wurde ich gefragt, ob wir jetzt mit dem Pro‐ jekt fortfahren würden. Als ich dies verneinte, zeigte sich Enttäuschung auf den Gesichtern. Im anschließenden Gespräch klärte ich die Lernenden über Sinn und Zweck der schriftli‐ chen Befragung auf und wies darauf hin, dass das Ausfüllen in Einzelarbeit erfolgen sollte. Ich bat sie, bei Bedarf auch die Rückseite zu verwenden. Ferner erklärte ich, dass bei man‐ chen Fragen auch Mehrfachnennungen möglich bzw. sogar erwünscht seien. Nachdem alle Fragen zum Ablauf geklärt waren, teilte ich die Fragebögen aus. An der Befragung nahmen insgesamt 29 Lernende teil, und zwar 19 Mädchen und 10 Jungen. Dies bedeutet, dass von den insgesamt 30 Lernenden 1 Schüler nicht anwesend war. Ferner fällt auf, dass die in der Klassenliste angegebenen Altersangaben nicht immer exakt mit den von den Lernenden bei Frage 1 eingetragenen Daten übereinstimmen. Eintrag im Fragebogen Anzahl der Nennungen Mädchen Jungen 11 Jahre alt 21 11 10 12 Jahre alt 6 6 0 13 Jahre alt 1 1 0 14 Jahre alt 1 1 0 Gesamtzahl der Befragten (= n) 29 19 10 Tab. 8: Frage 1: Alter und Geschlecht der Befragten Auf die Frage, was den Lernenden bei The Farm am besten gefallen hat (Frage 2), wurden 17 verschiedene Aspekte bei insgesamt 66 Nennungen aufgeführt. Allerdings fällt sofort auf, dass trotz der Vielfalt an Eindrücken drei bestimmte Kriterien mit Abstand am häu‐ figsten genannt wurden: Gruppenarbeit, das Anfertigen von Zeichnungen bzw. Bildern 299 6.2 Fallstudie 1: The Farm (Klasse 6) 4 Prozentangaben werden - wie allgemein üblich - nach der Kommastelle abbzw. aufgerundet. sowie das Erhalten bzw. Verfassen von Briefen. Eindeutiger Spitzenreiter ist bei den Mäd‐ chen mit 12 Nennungen die Gruppenarbeit (Ziffer 1), während dies bei den Jungen mit 6 Nennungen das Malen bzw. Zeichnen ist (Ziffer 2): Mädchen lernen demzufolge gerne in sozialen Gruppen, Jungen begeistern sich mehr für das praktische handwerkliche Tun. Zählt man die Nennungen bei Ziffer 4 („alles“) und Ziffer 15 („das Projekt“) zusammen, dann waren offensichtlich 6 Lernende rundum zufrieden. Von 29 Befragten sind das im‐ merhin 21% 4 , die das Projekt ohne Abstriche positiv bewerteten und ihre Aussage zum Teil mit mehreren Ausrufezeichen betonten. Eintrag im Fragebogen Anzahl der Nen‐ nungen Kategorien 1) Gruppenarbeit bzw. Arbeiten in Gruppen 16 6a 2) Zeichnen bzw. Malen (allgemein; Farm; Personen) 15 10a 3) Briefe erhalten bzw. schreiben (allgemein; von Touristen; von Fam. Smith) 9 2c, 5c, 5 g, 9c 4) alles 5 4a 5) keine bzw. nicht viele Hausaufgaben 3 4e 6) den Prospekt für die Touristen herstellen 3 5c, 7d, 9c, 10a 7) mehr Englisch gelernt bzw. dazugelernt 2 4f, 5i 8) Abwechslung vom regulären Unterricht 2 1a 9) eine eigene Rolle haben bzw. sich in die Personen hineinversetzen 2 2d 10) Aufgenommen werden auf Kassette 2 7f, 11a 11) das Lernen 1 4b, 4 f 12) dass es Spaß gemacht hat 1 4b 13) die Familie Carter herstellen 1 2d, 10a 14) die vielen Namen 1 2d 15) das Projekt 1 4a 16) Fotos 1 7f, 11a 17) „du“ 1 4c Gesamtzahl der Nennungen 66 Tab. 9: Frage 2: „Was hat dir bei dem Projekt ‘The Farm’ am besten gefallen? “ 300 6 Forschungsfokus Klassenzimmer Grundsätzlich überraschend ist, dass über die Hälfte, nämlich 16 von 29 Lernenden (55 %), ganz explizit Gruppenarbeit bzw. das Arbeiten in einer Gruppe als besonders positives Er‐ lebnis nannten, und zwar 63 % aller befragten Mädchen und 40 % der befragten Jungen. Setzt man diese Zahl in Zusammenhang zur Gesamtzahl der genannten Merkmale, so kann man den Schluss ziehen, dass sich etwa ein Viertel aller Nennungen (16 von 66) auf das Lernen in der Gruppe bezieht. Andererseits deckt sich dieses Ergebnis wiederum mit Erkenntnissen aus anderen Studien und mag somit weniger verwunderlich klingen (vgl. Kapitel 1.5). Der Appell nach mehr Gruppenarbeit kann also nur noch einmal ausdrücklich wiederholt werden. Ähnliches gilt für das Zeichnen und Malen (Ziffer 2) mit 15 Nennungen: Zählt man zu den explizit genannten Punkten auch noch das Herstellen des Prospektes (Ziffer 6) sowie das Herstellen der Familie Carter (Ziffer 13), so kommt man auf insgesamt 19 Nennungen, die sich auf das praktische Arbeiten und Gestalten beziehen. Es ist also offensichtlich, dass das kreative und ganzheitliche Lernen in den Augen der Lernenden eine wichtige Rolle spielt. Erstaunlich ist auch, dass die Briefe 9 Mal als positives Merkmal bezeichnet wurden, wobei 3 Lernende ausdrücklich „Briefe schreiben“ angaben, während andere über „den Brief “, „die Briefe“, „Brief von Touristen“ usw. sprachen und sich hier vermutlich auf den überraschenden Zwischenfall (incident) bezogen, der zu entsprechenden Problemlösungen herausforderte. Zählt man die 3 Nennungen bei Ziffer 6 („Prospekt herstellen“) noch dazu, dann lässt sich die Zahl zum Kriterium „Schreiben“ sogar noch erhöhen. Obwohl Lernende häufig über das viele Schreiben im Englischunterricht klagen, wurde dies bei The Farm als besonders positiv hervorgehoben, so dass man schlussfolgern kann, dass Schülerinnen und Schüler bei geeigneter Aufgabenstellung tatsächlich auch gerne Texte schreiben. Auf das für Storyline-Projekte spezifische Kriterium der Rollenübernahme bezogen sich zu meiner Überraschung nur wenige Lernende explizit, nämlich 1 Mädchen und 1 Junge. Allerdings erwähnten mehrere Befragte diesen Aspekt auch implizit in Aussagen wie „die vielen Namen“ (Ziffer 14), „Brief der Familie Smith“ (Ziffer 3), „Familie Carter herstellen“ (Ziffer 13) oder „Prospekt für die Touristen herstellen“ (Ziffer 6), so dass man davon aus‐ gehen kann, dass die Lernenden die Rollenübernahme sowie auch die Situiertheit der Lern‐ inhalte wahrnahmen und für positiv befanden. Von 3 Mädchen wurde für positiv befunden, dass das Projekt eine willkommene Ab‐ wechslung von der allgemeinen Unterrichtsroutine darstellte (Ziffer 8) bzw. Spaß machte (Ziffer 12): „Es ist mal was anderes wie nur Englischunterricht“ (S16). Interessant wäre eine differenziertere Aussage darüber, was das Mädchen unter „Englischunterricht“ versteht (subjektive Theorie). Erfreulich ist, dass sich immerhin 3 Befragte explizit auf den Lernge‐ winn bei dem Projekt bezogen (Ziffer 7 und 11): So gefiel es 2 Mädchen (S5, S18) besonders gut, „mehr Englisch gelernt“ zu haben, und 1 weiteres Mädchen (S10) nannte allgemein „das Lernen“ als positive Erfahrung. Somit könnte man den Schluss ziehen, dass Spaß und (Eng‐ lisch-)Lernen keine Gegenpole sein müssen, sondern sich bei Storyline-Projekten gut ver‐ einbaren lassen. In Frage 3 wurde nachgehakt, was den Lernenden nicht so gut gefallen hat, um eventuell versteckte Schwächen hinsichtlich des Storyline-Konzepts, des Themas oder der prakti‐ schen Durchführung aufzudecken. Wie die tabellarische Auflistung verdeutlicht, fielen die 301 6.2 Fallstudie 1: The Farm (Klasse 6) Antworten hier relativ eindeutig aus und bezogen sich weniger auf das Storyline-Modell als solches, sondern vielmehr auf situationsspezifische Merkmale. Eintrag im Fragebogen Anzahl der Nen‐ nungen Kategorien 1) die Gruppen bzw. deren Einteilung 10 6b 2) schlechte Zusammenarbeit in der Gruppe; Vergesslichkeit der Gruppe 2 6c 3) (zu) wenig Zeit 2 1d 4) die Farm 2 7d, 10a 5) die Bewohnerinnen bzw. Bewohner der Farm malen 1 7d, 10a 6) Arbeitsblatt daily routines 1 5c, 9c 7) warten müssen 1 1d 8) „das jeder machen dürfte was er wollte“ 1 8c, 9e 9) das Interview 1 5d, 5g 10) „das wir keine Kamera hatten“ 1 7f, 11a Gesamtzahl der Nennungen 22 Tab. 10: Frage 3: „Was hast du nicht so gut gefunden? “ Von den 29 Befragten äußerten 9 Lernende (31 %) keinerlei Negativkritik an dem Story‐ line-Projekt The Farm, sondern bestätigten teilweise sogar noch einmal explizit ihre Wert‐ schätzung: “Mir hat alles gut gefallen“ (S5), „Ich fand alles gut! “ (S13), „Es war alles sehr gut“ (S29) oder „Eigentlich hat mir alles gefallen, die arbeit mit [Name der Lehrkraft] und Mrs. Kocher hat sehr viel Spaß gemacht“ (S16). Hauptkritikpunkt war mit 10 Nennungen eindeutig die von der Lehrkraft vorgenom‐ mene Einteilung der Gruppen. Hier wurde von den Lernenden nicht nur mehrmals moniert, dass die Gruppen ganz ohne ihr Zutun gebildet wurden, sondern auch, dass sie ihre Gruppe nicht für besonders gut befanden bzw. dass „manche Gruppen fieß aufgeteilt waren“ (S14). Zählt man zudem noch die 2 Nennungen bei Ziffer 2 hinzu, die sich auf die schlechte Ko‐ operation bzw. Koordination innerhalb der Gruppe beziehen, dann fällt die Kritik der ins‐ gesamt 9 Mädchen (! ) und 3 Jungen noch stärker ins Gewicht. Zur Erhellung trägt bei, wenn man die Antworten bei Frage 2 und 3 miteinander ver‐ gleicht: Zwar fanden einzelne Lernende Gruppenarbeit als solches eine insgesamt positive Sache, dennoch kritisierten sie gleichzeitig die spezifische Aufteilung (S1, S6, S14, S17, S20) oder das Arbeitsverhalten ihrer Gruppe (S10). Einige behaupteten zuvor in Frage 2 sogar ausdrücklich, dass ihnen alles gut gefallen habe, antworteten dann aber bei Frage 3, dass die Einteilung der Gruppen nicht gut war (S12, S21). Der Kritikpunkt bezieht sich also nicht direkt auf das Storyline-Konzept, sondern vielmehr auf die fallspezifische Art und Weise 302 6 Forschungsfokus Klassenzimmer der Klassenbzw. Gruppenorganisation. Dennoch muss das Ergebnis ernstgenommen und in Zukunft bedacht werden, zumal sich ein fehlendes Wohlbefinden in der Gruppe natürlich auch auf Motivation und Lernerfolg auswirken kann. Die Antworten bei Ziffer 4 und 5 deute ich dahingehend, dass die Lernenden unzufrieden mit ihren Ergebnissen waren, was sich auch mit meinen Beobachtungen decken würde, zumindest was die Collage eines spezifischen Bauernhofs mit der unstimmigen Perspektive anbelangt (UB). Ähnlich gelagert sind vermutlich auch die Antworten bei Ziffer 2 und 3: Offenbar konnte man die eigenen Ansprüche nicht erfüllen, weil entweder zu wenig Zeit zur Verfügung stand oder die Gruppe nicht entsprechend funktionierte. Letztendlich kann man jedoch die Äußerungen der insgesamt 7 Lernenden (6 Mädchen und 1 Junge) durchaus auch als positiv bewerten, denn schließlich verweisen sie auf den inneren Antrieb, eine Aufgabe erfolgreich meistern zu wollen: Motivation und Leistungswille! Amüsant und aufschlussreich zugleich ist die Angabe bei Ziffer 10: Vermutlich hatte die Lehrkraft angekündigt, dass der Unterricht auf Video aufgezeichnet wird. Betrachtet man nun diese Äußerung vor dem Hintergrund des ownership principle, so wird klar, dass die Schülerin sehr stolz auf ihre Leistungen bzw. den Verlauf des Projektes war und es als Ehre empfunden hätte, die Projektergebnisse einem größeren Publikum zu präsentieren. Um in puncto Motivation noch weitere Erkenntnisse zu gewinnen, wurde eine zweite indirekte Fragestellung formuliert, die auf mögliche Verbesserungsvorschläge abzielte. Die Antworten auf Frage 4 waren jedoch ebenso überraschend eindeutig, wie dies auch bei Frage 3 der Fall gewesen war: 12 Lernende (41 %) waren voll und ganz zufrieden mit dem Storyline-Projekt und konnten sich keinerlei Änderungsvorschläge ersinnen, während sich 7 Lernende erneut auf das bereits monierte Prozedere der Gruppeneinteilung bezogen. Auch wenn bei Frage 4 ebenfalls eine Anzahl von Einzelvorschlägen geäußert wurde, schlagen diese nicht weiter zu Buche, denn im Großen und Ganzen erscheinen die Äuße‐ rungen der Lernenden in Frage 3 und 4 konsistent und erlauben somit eine schlüssige In‐ terpretation. Eintrag im Fragebogen Anzahl der Nen‐ nungen Kategorien 1) Gruppen anders, besser bzw. selbst einteilen 7 6b, 8b 2) mit mehr Witz; nicht so streng 2 4b 3) gefilmt werden 2 7f 4) mehr Zeit 1 1d 5) nicht so laut 1 1e 6) besser aufpassen 1 8c 7) „ich weiß nicht“ 1 4a 8) Vorschläge akzeptieren und nicht kritisieren 1 6c, 11d 9) „Landkarte (Farms)“ 1 7d, 10a 303 6.2 Fallstudie 1: The Farm (Klasse 6) 10) „das die anderen in der Gruppe auf sich achten und nicht auf mich“ 1 6c 11) auch Deutsch sprechen dürfen 1 5d, 5i Gesamtzahl der Nennungen 19 Tab. 11: Frage 4: „Was hat dir gefehlt? Was könnte man besser machen? “ Trotz der Möglichkeit von Mehrfachnennungen wurden lediglich von 2 Mädchen (S18, S22) je 2 unterschiedliche Merkmale aufgeführt. Alle anderen Lernenden gaben Einzelant‐ worten, was darauf schließen lässt, dass es grundsätzlich nicht viel auszusetzen gab. 12 Befragte antworteten kurz und bündig, dass sie keine Verbesserungsvorschläge hätten. Zählt man dazu auch die Antwort bei Ziffer 7, so ergibt sich daraus eine Summe von 13 Lernenden (10 Mädchen und 3 Jungen). Konkret bedeutet dies, dass 45 % der 29 Befragten keinerlei Änderungsvorschläge äußerten und somit als sehr zufrieden eingestuft werden können. Ein Mädchen erklärte: „Es hat alles gestimmt! Man hätte nichts besser machen können! “ (S13). Eindeutig verbesserungswürdig scheint die Gruppeneinteilung, denn 4 Mädchen und 3 Jungen thematisieren diesen Punkt erneut (Ziffer 1). Anzumerken ist jedoch, dass es bei Frage 3 noch mindestens 10 Personen waren, die sich diesbezüglich kritisch geäußert hatten. Man könnte also davon ausgehen, dass die Gruppenzusammenstellung nicht ganz so problematisch war, wie es zunächst den Anschein hatte. Dennoch machen 3 Befragte explizit den Vorschlag, die Lernenden nicht einfach einer Gruppe zuzuteilen, sondern sie in Eigenregie selbst Gruppen bilden zu lassen. Alle weiteren Antworten erscheinen relativ disparat und nicht immer nachvollziehbar, so dass manche Antwort zwischen den Zeilen gesucht werden muss. Eindeutig und klar nachvollziehbar sind dagegen die Verbesserungsvorschläge bei Ziffer 4, 5, 6 und 8: Alle Anregungen beziehen sich nicht direkt auf das Storyline-Konzept, sondern auf die fallspe‐ zifische Durchführung des Projekts, die durch entsprechende Vereinbarungen leicht um‐ gesetzt werden können. An dieser Stelle wird auch die frühere Äußerung eines Jungen verständlicher, der zuvor geklagt hatte, „das man meistens warten muste“ (SABS24, Nr. 3). Hier forderte er „mehr Zeit“ ein, so dass anzunehmen ist, dass ihm während des Projekts nicht etwa langweilig war, sondern dass er das Warten auf individuelle Unterstützung durch uns als nachteilig empfand. Auf den Vorschlag in Ziffer 3 muss nicht mehr eingegangen werden, zumal ein entspre‐ chender Hinweis bereits bei Frage 2 (Ziffer 10) bzw. Frage 3 (Ziffer 10) erfolgt ist. Erwäh‐ nenswert ist allerdings, dass es sich hierbei um jeweils unterschiedliche Personen handelt, also mindestens 5 Lernende (4 Mädchen und 1 Junge) eine ausgeprägte Präsentationslust aufwiesen. Durch Frage 5 sollte ermittelt werden, ob die Lernenden gerne noch länger an dem Storyline-Projekt gearbeitet hätten. Die Antwort klingt erstaunlich einfach: Wenn von 29 Befragten 28 Lernende (97 %) zustimmend antworten und nur 1 Mädchen (S4) die Weiter‐ arbeit ablehnt, weil ihre Gruppenzusammensetzung unbefriedigend war, dann scheint das Projekt insgesamt ein Erfolg gewesen zu sein - ein Projekt, das nicht nur kurzfristig Be‐ geisterung weckt, sondern sogar auch längeranhaltende Motivation verspricht. 304 6 Forschungsfokus Klassenzimmer Eintrag im Fragebogen Anzahl der Nen‐ nungen Kategorien 1) ja, noch 1 Woche 14 4a 2) ja, noch 2 Wochen 3 4a 3) ja, noch 1 Monat bzw. 4 Wochen 2 4a 4) ja, noch 3 Wochen 2 4a 5) ja, noch 2 oder 3 Wochen 2 4a 6) ja, noch 1-2 Wochen 2 4a 7) ja, noch 3 Tage 1 4a 8) ja, 1 Jahr 1 4a 9) „ja natürlich! ewig! ! “ 1 4a Gesamtzahl der befürwortenden Nennungen 28 10) nein, wegen der Gruppe 1 6b Gesamtzahl der ablehnenden Nennungen 1 Gesamtzahl der Nennungen 29 Tab. 12: Frage 5: „Hättest du gerne noch länger an dem Projekt ‘The Farm’ gearbeitet? Wenn ja, wie lange? Wenn nein, warum nicht? “ Die Daten belegen, dass die Lernenden erstaunlich klare Vorstellungen über eine mögliche Weiterführung des Projekts hatten, zumal die Begriffe „circa“ bzw. „ungefähr“ nur in 2 Fällen verwendet wurden! Vergleicht man die Vorschläge, so wird deutlich, dass die Mehr‐ heit tendenziell eine Verlängerung um mindestens 1 Woche bevorzugt: Das bedeutet, dass über 57 % der befürwortenden Schülerinnen und Schüler die ursprüngliche Projektdauer auf das Doppelte verlängern würden (Ziffer 1 und 6). Alle anderen - bis auf 1 Junge, der sich kurioserweise auf exakt 3 Tage beschränkt - würden sogar noch eine längere Zeit‐ spanne favorisieren. Frage 7 diente der Überprüfung, ob die zuvor beobachtete und im Fragebogen explizit geäußerte Einstellung zu dem Projekt von der spezifischen Themenwahl (in diesem Fall The Farm) bzw. dem Neuigkeitswert der Unterrichtsgestaltung abhing, oder ob sich die Lernenden auch vorstellen konnten, auf der Basis des Storyline Approach noch weitere Themen zu bearbeiten. Über die Frage nach der gewünschten Häufigkeit von Story‐ line-Projekten sollte indirekt auch die Intensität einer längerfristigen Motivation für Story‐ line aufgedeckt werden. 305 6.2 Fallstudie 1: The Farm (Klasse 6) Eintrag im Fragebogen Anzahl der Nen‐ nungen Kategorien 1) ja, 3-4 Mal im Jahr 5 4a 2) ja, 4-5 Mal im Jahr 4 4a 3) ja, kontinuierlich 3 4a 4) ja, 2 Mal im Jahr 3 4a 5) ja, 4 Mal im Jahr 2 4a 6) ja, 20 Mal 1 Woche 1 4a 7) ja, 15 Mal im Jahr 1 4a 8) ja, mindestens 12 Mal im Jahr 1 4a 9) ja, mindestens 10 Mal im Jahr 1 4a 10) ja, 5-10 Projekte im Jahr 1 4a 11) ja, jeden Monat 1 Woche 1 4a 12) ja, alle 5 Wochen 1 4a 13) ja, 5 Mal im Jahr 1 4a 14) ja, 3 Mal im Jahr 1 4a 15) ja, 2-3 Mal im Jahr 1 4a 16) ja, aber bei anderer Gruppeneinteilung 1 4a, 6b Gesamtzahl der befürwortenden Nennungen 28 17) nein, da zu eng und zu laut in der Gruppe 1 1e, 6b Gesamtzahl der ablehnenden Nennungen 1 Gesamtzahl der Nennungen 29 Tab. 13: Frage 7: „Würdest du gerne öfters so ein Projekt in Gruppen machen? Wenn ja, wie oft im Schuljahr? Wenn nein, warum nicht? “ Auch in diesem Fall ist die Antwort überraschend eindeutig: Von 29 Befragten würden 28 Lernende (97 %) gerne öfters Storyline-Projekte im Englischunterricht durchführen, wobei eine Schülerin auf Grund schlechter Erfahrungen ihre Entscheidung von der Gruppen‐ konstellation abhängig machte (Ziffer 16) bzw. auch schon zuvor die Bedingung aufgestellt hatte: „Die Gruppen besser einteilen bzw. Mädchen und Buben getrennt“ (SABS4, Nr. 4). Alle anderen Mädchen und Jungen hatten recht individuelle und klare Vorstellungen hin‐ sichtlich der gewünschten Häufigkeit und teilweise sogar bezüglich der Dauer von Pro‐ 306 6 Forschungsfokus Klassenzimmer jekten (Ziffer 6 und 11). Fest steht, dass die Lernenden gerne öfters Storyline-Projekte wäh‐ rend des Schuljahres durchführen würden, manche sogar „immer“ (S7, S15) bzw. „das ganze leben“ (S24) nach diesem Modell arbeiten möchten. Der Trend liegt jedoch bei 3-5 Projekten im Schuljahr. Nur ein Mädchen (S18) äußerte sich ablehnend und verwies ebenfalls auf gruppeninterne Gründe (Ziffer 17). Sie hatte bereits bei Frage 3 die ungünstige Gruppenkonstellation er‐ wähnt und bei Frage 4 auf das Lärmproblem hingewiesen, das sie offenbar vom „Aufpassen“ abhielt. Allerdings scheint es sich auch in diesem Fall eher um organisatorische Probleme zu handeln, die durch entsprechende Vereinbarungen behoben werden können. Immerhin hätte sie gerne noch „ca. 3 Wochen“ an dem Projekt The Farm weitergearbeitet (SABS18, Nr. 5). Konkrete Anregungen für weitere Themen, die zukünftig als Storyline-Projekte bear‐ beitet werden könnten, hatten die Lernenden bei Frage 8 zuhauf: Von den 29 Befragten machten immerhin 24 Personen mindestens einen Themenvorschlag, meistens wurde aber eine ganze Reihe an Ideen aufgelistet. Diese reichten von „Zoo“ bis „Formel 1“, von „Zirkus“ bis „Phantom der Oper“ und von „Schule“ bis „Zukunft“, um nur einige Beispiele zu nennen. Ohne inhaltlich weiter darauf eingehen zu müssen, belegt die große Anzahl von zum Teil sehr ausgefallenen Themenvorschlägen, dass die Lernenden sehr wohl für den Englisch‐ unterricht motiviert werden können, vorausgesetzt sie werden bei der Planung und Ge‐ staltung aktiv mit einbezogen. Von Bedeutung ist sicherlich die Frage nach dem Lernerfolg durch Storyline-Projekte (Frage 6). Auch in diesem Bereich kam es zu bemerkenswert deckungsgleichen Aussagen und eindeutigen Ergebnissen. Offensichtlich lernten die Schülerinnen und Schüler in erster Linie zwei Dinge: viele neue Wörter und Gruppenarbeit. Interessant waren die Antworten insofern, als die Lernenden ihren Lerngewinn eindeutig erkennen und formulieren konnten. Erfreulich ist zudem, dass alle Lernenden angaben, etwas gelernt zu haben, wenn auch mitunter ganz unterschiedliche Dinge. Etwa die Hälfte der Befragten trug bei dieser Frage jeweils 1 Merkmal, die andere Hälfte je 2 Aspekte ein. Selbst die beiden Schülerinnen S4 und S18, die sich an anderer Stelle kritisch zur Gruppenarbeit geäußert hatten, gaben nun einen Lernfortschritt im Bereich Wortschatz an. Eintrag im Fragebogen Anzahl der Nen‐ nungen Kategorien 1) Vokabeln; neue Wörter (allgemein; Tiere; Früchte usw.) 17 5e 2) Gruppenarbeit; Zusammenarbeit in der Gruppe; Gemeinschafts‐ gefühl 13 6a, 6c, 6d 3) Zusammenarbeit mit dem anderen Geschlecht 5 6a, 6b, 6c 4) wie man einen Brief gestaltet; wie man in England einen Brief schreibt 2 3c, 5c, 5 g, 7d 5) Spaß am Englischunterricht 2 4b 6) Alternative zum regulären Englischunterricht 1 1a 307 6.2 Fallstudie 1: The Farm (Klasse 6) 7) Aussehen einer Farm; Leben auf Farm 1 3b, 2d 8) „was es auf einem englischen Bauernhof gibt“ 1 3c 9) Grammatik 1 5f, 5i 10) Rechtschreibung 1 5e, 5h, 5i 11) „mehr als im normalen Unterricht“, da spielerisch 1 1a, 4b, 4f 12) „viele Sachen“ 1 4a, 4f Gesamtzahl der Nennungen 46 Tab. 14: Frage 6: „Was hast du in diesem Projekt gelernt? “ Mit 46 Nennungen wird hier (abgesehen von Frage 2 mit 66 Nennungen) die größte Anzahl an Antworten innerhalb des Fragebogens geliefert, was darauf hinweist, dass die Lernenden nicht nur das große Motivationspotenzial des Storyline-Projekts erkannt, sondern darüber hinaus auch zahlreiche positive Punkte hinsichtlich ihres persönlichen Lerngewinns re‐ flektiert haben. Die Antworten zeigen zudem eine relativ große Bandbreite und be‐ schränken sich nicht etwa nur auf kognitive Lernbereiche, sondern berücksichtigen auch emotionale, affektive, soziale und methodische Aspekte. Spitzenreiter im Bereich Lernzuwachs sind ganz eindeutig der Erwerb von neuen Voka‐ beln mit 17 Nennungen (59 % der Befragten bzw. 37 % der Nennungen) sowie das Arbeiten in Gruppen (Ziffer 2 und 3) mit insgesamt 18 Nennungen (62 % der Befragten bzw. 39 % der Nennungen). Im ersten Fall erwähnten die Lernenden nicht nur, dass sie „neue Wörter“ bzw. „viele Wörter“ gelernt hätten, sondern differenzierten teilweise auch nach Wortfel‐ dern: „Viele Tiere auf Englisch“ (S13), „Fruchte, Gemüse, Bauernhoftiere, Haustiere“ (S17) oder „neue Tiere, neue Früchte und Gemüse“ (S18). Aber auch der Lerngewinn im Bereich „Gruppenarbeit“ wurde auf unterschiedliche Art und Weise zum Ausdruck gebracht. So entdeckten offenbar einige, dass man nicht nur alleine, sondern auch in einer Gruppe gut lernen und effizient arbeiten kann, dass „Gruppen arbeit Spaß machen kann“ (S6), „man auch mit Mädchen zusammenarbeiten kann“ (S22) bzw. „man auch mit Jungen viel Spaß haben kann“ (S1). Ein Junge gewann eine besonders wichtige Erkenntnis, nämlich: „in einer Gemeinschaft ist es schön“ (S25). Auffallend ist zudem, dass das Merkmal „Gruppenarbeit“ erneut von Mädchen bevorzugt genannt wurde, nämlich von 15 der 19 befragten Schüle‐ rinnen (79 %). Aufschlussreich ist ferner die Angabe eines Mädchens, sie habe „auch auf die Anderen hören“ gelernt (S10). Auch inhaltliche Aspekte wurden vereinzelt als Lernzuwachs aufgeführt, nämlich Sach‐ wissen über das Thema „Bauernhof “ (Ziffer 7) sowie Wissen über England bzw. die Ziel‐ sprachenkultur (Ziffer 4 und 8). Erstaunlich ist, dass sich nur 1 Person ausdrücklich auf die Rollenerprobung bezog (Ziffer 7) und dabei erwähnte, dass sie gelernt habe, „wie es auf der Farm so ausit und wie sie da leben“ (S16). Doch das mag auch daran liegen, dass für die meisten Lernenden das positive Gruppenerlebnis stark im Vordergrund stand. Eine Verbesserung der fremdsprachlichen Kompetenzen wurde - neben der bereits er‐ wähnten Wortschatzerweiterung (Ziffer 1) - noch von 4 weiteren Lernenden hervorge‐ hoben (Ziffer 4, 9 und 10), wobei sie ganz unterschiedliche Bereiche der Sprachproduktion 308 6 Forschungsfokus Klassenzimmer ansprachen: Während sich „Grammatik“ und „Rechtschreibung“ eindeutig auf sprachliche Korrektheit (accuracy) beziehen, kann das Verfassen eines Briefes als komplexere Kompe‐ tenz betrachtet werden, die das fremdsprachliche Schreiben in einer spezifischen Situation und Funktion berücksichtigt und neben einer vielschichtigen sprachlichen Korrektheit (accuracy) auch Flüssigkeit (fluency) und Komplexität (complexity) des Textes mit ein‐ schließt. Insgesamt gesehen beziehen sich also 21 der insgesamt 46 Nennungen (46 %) auf diverse fremdsprachliche Kompetenzen und skills, die im Verlauf des Projektes verbessert wurden, was ein erfreuliches Ergebnis darstellt, zumal auf diesen Bereich nicht durch ent‐ sprechende Fragestellungen oder Formulierungen ausdrücklich hingewiesen wurde. Die Schülerinnen und Schüler scheinen also trotz aller Begeisterung für das Projekt und die damit verbundene Gruppenarbeit den fachspezifischen Faktor „Englischlernen“ nicht aus den Augen verloren zu haben. Besonders interessant ist das Ergebnis bei Ziffer 5, denn immerhin gaben 2 Befragte explizit an, durch das Projekt gelernt zu haben, dass Englischlernen bzw. der Englischun‐ terricht „so viel mehr Spaß macht“ (S8) bzw. dass man überhaupt „Spaß am Englischunter‐ richt haben kann“ (S17). Aufschlussreich ist auch die Antwort bei Ziffer 11: Der Schüler diagnostizierte einen größeren Lernerfolg „als im normalen Unterricht“ und begründete dies damit, dass das Lernen „spielerisch“ erfolgt sei (S24). Führt man seine Gedanken weiter aus, so kommt man zu dem Schluss, dass der Schüler eine Vorstellung davon hat, was „guter Englischunterricht“ ist bzw. was er benötigt, um ein guter Fremdsprachenlerner zu sein (language learning awareness). Auch eine Schülerin reflektierte ihren persönlichen Lern‐ gewinn nicht nur anhand von konkret aufzählbaren Einzelbeispielen, sondern stellte diesen in einen größeren Lern-Lehr-Zusammenhang (Ziffer 6): Sie hatte durch das Projekt gelernt, dass „man auch auf eine andere Weise Englisch lernen kann“ (S8), als sie bisher erfahren hatte. Alle hier zitierten Befragten bezeugen somit eindeutig, dass das Storyline-Konzept ein sinnvolles, motivierendes und effektives Lernmodell für den Englischunterricht dar‐ stellt. Von zusätzlichem Interesse in diesem Pilotprojekt war Frage 9, die darauf abzielte, mög‐ liche Vorzüge des regulären Englischunterrichts im Vergleich zu Storyline-Projekten he‐ rauszufiltern. Ein kurzer Blick auf Tabelle 15 reicht jedoch aus, um zu erkennen, dass sich die Lernenden eindeutig für Storyline aussprachen, wobei hier natürlich auch der Neuig‐ keitswert des Konzepts mit berücksichtigt werden muss. Eintrag im Fragebogen Anzahl der Nen‐ nungen Kategorien 1) nichts 26 4a Gesamtzahl der Storyline-befürwortenden Nennungen 26 2) beides gleich 1 4a Gesamtzahl der unentschiedenen Nennungen 1 309 6.2 Fallstudie 1: The Farm (Klasse 6) 3) man lernt mehr 1 4f 4) es ist leiser 1 1e 5) man liest mehr 1 5a Gesamtzahl der Englischunterricht-befürwortenden Nen‐ nungen 3 Gesamtzahl der Nennungen 30 Tab. 15: Frage 9: „Was gefällt dir am normalen Englischunterricht besser? “ Von den 29 Befragten bevorzugten 26 Lernende (90 %) ganz ohne Einschränkungen das Arbeiten nach Storyline. Manche betonten ihre Aussage mit Ausrufezeichen oder durch eine entsprechende Wortwahl wie „überhaupt gar nichts“ bzw. „gar nichts“. Unmissverständlich war auch die Antwort der Schülerin S10: „Nichts gefällt mir besser. Englishunterricht normal ist schlimmer“. Da die Antwort in Ziffer 3 und 4 von ein und derselben Person gegeben wurde, kann man schlussfolgern, dass nur 2 Lernende den regulären Englischunterricht bevorzugten oder besser gesagt auch Stärken darin erkannten, auch wenn manche Schülerinnen und Schüler an anderer Stelle Negativkritik an der konkreten Projektdurchführung geäußert hatten (Frage 3-5). Begründet wurden die beiden ablehnenden Antworten damit, dass „wir da noch etwas mehr gelesen hatten“ (S24) bzw. man mehr lernt „und es ein bischen leiser im Unterricht ist“ (S18). Letztendlich handelt es sich bei den beiden Einwänden jedoch nicht um grundsätzliche Defizite des Storyline Approach, sondern um leicht lösbare praktische und singuläre Probleme. 6.2.7 Das Abschlussgespräch mit der Lehrkraft Das Abschlussinterview mit der Lehrkraft (AIL) fand am selben Tag wie die schriftliche Befragung der Lernenden statt. In dessen Verlauf ergaben sich allerdings keine grundsätz‐ lich neuen Erkenntnisse, zumal die einzelnen Unterrichtsreflexionen an den Story‐ line-Tagen immer recht ausführlich und ergiebig gewesen waren, so dass das AIL relativ offen und informell verlief. Es wurden noch einmal die Hauptergebnisse des Projektes zu‐ sammengefasst, die in den obigen Ausführungen bereits ausführlich erörtert wurden und aus Gründen der drohenden Redundanz hier nicht noch einmal differenziert dargestellt werden. Als besonders beeindruckend empfand die Lehrkraft die auffallende Begeisterung und Motivation der Lernenden [4a], die in vielerlei Hinsicht zutage getreten war: in einer be‐ merkenswerten Fülle von kreativen Ideen und Ergebnissen [8a, 9c], einer erstaunlichen Schaffenskraft und -freude [4b, 8c], vielen ästhetisch ansprechenden Produkten [7d, 10a], einer großen Präsentationslust [11a], dem selbstständigen Nachschlagen von Wörtern [7c], einer entspannten Lernatmosphäre [4c, 4d] sowie dem auffallend hohen Anspruch der 310 6 Forschungsfokus Klassenzimmer Lernenden an ihre Produkte [8c, 11b], und zwar sowohl im gestalterischen als auch fremd‐ sprachlichen Bereich [5h, 5i, 7d]. Schließlich warfen wir noch einen ersten Blick auf die Fragebögen der Lernenden und tauschten unsere Eindrücke aus: Beide waren wir erfreut, dass The Farm so gut ange‐ nommen wurde [4a], und beide waren wir erstaunt, dass Gruppenarbeit so positiv bewertet wurde [6a]. Wir kamen überein, dass die teilweise geäußerten Kritikpunkte relativ „harmlos“ und die genannten Probleme leicht zu lösen waren, indem beim nächsten Mal beispielsweise die Gruppen von den Lernenden selbst ausgewählt werden. Zum Schluss blieben für die Lehrkraft noch einige organisatorische und konzeptionelle Fragen offen, die auch im Zusammenhang mit Motivation und Lernerfolg stehen: Wie kann das Zeitmanagement verbessert werden? (Wie) kann bei der Gruppenarbeit die deutsche Sprache vermieden werden? Wie kann den sprachlichen Defiziten der noch relativ jungen Fremdsprachenlernenden begegnet werden, ohne diese durch ständiges Korrigieren zu entmutigen? Gerade die letzte Frage hatte uns das gesamte Projekt über begleitet und mir selbst war immer wieder aufgefallen, dass die Lehrkraft große Mühe hatte, fehlerhafte Texte zu akzeptieren und diese auch noch am Fries öffentlich zur Schau zu stellen. Dafür gab sie zwei Gründe an: Einerseits sollten sich die Lernenden nicht die Fehler der anderen ein‐ prägen, wenn sie deren Texte lasen. Andererseits sah sie sich der Kritik ihrer „erfahrenen“ Kolleginnen und Kollegen ausgesetzt, die ebenfalls im Klassenzimmer unterrichteten und natürlich aus Neugier auch den Fries begutachteten. Fehlerhafte Lerntexte ließen angeblich auf mangelnde Kompetenz und Nachlässigkeit der Lehrkraft schließen. Die Frage nach einer angemessenen Fehlertoleranz schien für sie also das Hauptproblem zu sein bzw. positiv ausgedrückt: ihre persönliche Herausforderung und Lernaufgabe. Hier zeigte sich, dass die Lehrkraft noch relativ jung und hinsichtlich Projektarbeit im Fremd‐ sprachenunterricht unerfahren war. Sie hatte zwar einiges darüber gelesen und an einem Storyline-Workshop teilgenommen, aber offensichtlich noch nicht alles tiefergehend re‐ flektiert und tatsächlich verinnerlicht, um fundiert argumentieren und überzeugt handeln zu können. Nachtrag: Die Lehrkraft berichtete mir wenig später über den Verlauf des Elternabends, zu dem sie eingeladen hatte. Da sich die Lernenden nicht von einem Tag auf den anderen von ihren Storyline-Figuren und Collagen trennen wollten [12a, 12c, 12f], ergab es sich, dass zum Zeitpunkt des besagten Elternabends noch alles im Klassenzimmer ausgestellt war. Etwas mulmig sei ihr zumute gewesen, so erklärte mir die Lehrkraft, als sie den bunten Wandfries als Ergebnis ihres Englischunterrichts vorstellte. Zu ihrem großen Erstaunen wussten jedoch die meisten Eltern bereits Bescheid darüber, denn sie waren von ihren Kindern ausführlich über das Storyline-Projekt und dessen Verlauf informiert worden (ownership) [1b, 4a, 4f]. 6.2.8 Fazit Insgesamt können die Ergebnisse dieser ersten Studie als ermutigend bezeichnet werden. Sie belegen, dass es grundsätzlich möglich und sinnvoll ist, Storyline-Projekte auch im Fremdsprachenunterricht durchzuführen, und zwar selbst mit Lernenden, die noch nicht lange Englisch gelernt haben und somit nur ein eingeschränktes Sprachvermögen besitzen, 311 6.2 Fallstudie 1: The Farm (Klasse 6) wie dies bei der untersuchten 6. Klasse der Fall war. Die kurze, komprimierte Projektphase erwies sich als ideal, denn auf diese Weise wurde keinerlei Zeit verloren, um Erinnerungs‐ lücken aufzufrischen, so dass die Lernenden ganz in die Geschichte eintauchen konnten. Die anfänglichen Bedenken, dass gerade der spezifische Wortschatz bei einem fremd‐ sprachlichen Storyline-Projekt zum Problem werden könnte oder dass etwa nur die leis‐ tungsstarken Schülerinnen und Schüler einer Gruppe aktiv sein und sich die schwächeren Lernenden eher zurückziehen würden, konnten schnell als unbegründet zurückgewiesen werden. Konzentriert und motiviert erledigten die Schülerinnen und Schüler stets die Ar‐ beitsaufträge, dabei wurde sogar das Pausenzeichen phasenweise überhört. The Farm war für die Lernenden offenbar nicht belangloser „Stoff “, sondern sprach sie in vielerlei Hinsicht persönlich an und forderte sie heraus, denn es war „ihre“ story und „ihr“ Projekt, das sie ganz persönlich mitgestalten konnten bzw. sollten! Engagiert und mit einer erstaunlichen Ausdauer mobilisierten sie vielfältige Ressourcen, um zu guten Ergebnissen zu gelangen. Das Vorführen ihrer „Werke“ war für die Lernenden ein erkennbar wichtiger Bestandteil des Storyline-Projekts. Sie hatten sichtlich Spaß am Präsentieren ihrer Collagen, Figuren und Texte und betrachteten - auch in den Pausen - interessiert und neugierig die Produkte ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler. Das klassenöffentliche Vorzeigen der Ergebnisse gab dem Lernen und Arbeiten offenbar einen Sinn, und die Erfolgsbestätigung durch die Klasse spornte an, nicht nur kreative Ideen, sondern auch gute fremdsprachliche Leistungen bei‐ zutragen. Dabei wurden individuelle Arbeitstechniken, diverse soft skills und sprachliche Fertigkeiten im Kontext der Geschichte quasi nebenbei und bedarfsorientiert trainiert und nicht etwa, weil sie - wie im Schulbuch - gerade „dran“ waren. Die Lernenden waren immer erstaunlich wach bei der Sache und ihre Lernfreude zeigte sich nicht selten in einem zu‐ friedenen, entspannten Lächeln oder Kichern. Detailbeobachtungen dieser Art dokumen‐ tieren eine gegenüber der Lehrbucharbeit wesentlich veränderte Lernsituation und Lern‐ haltung. Aufschlussreich sind auch die Ergebnisse der SABS. Auf die Frage, was ihnen bei dem Storyline-Projekt am besten gefallen hat bzw. was sie dabei gelernt haben, gaben die Ler‐ nenden überraschend eindeutige Antworten: die Gruppenarbeit, das praktische Arbeiten und „neue Wörter“. Dabei fällt auf, dass sich die Lernenden nicht nur kognitiv gefordert und gefördert fühlten, sondern auch emotional und sozial, denn durch das Projekt wurde offenbar eine Vielzahl von Sinnen, Intelligenzen und Kompetenzen angesprochen. Die Einträge der Schülerinnen und Schüler fallen zwar insgesamt meist relativ knapp aus, dennoch geben sie eine Fülle an individuellen Eindrücken und Meinungen wieder, die alle in eine Richtung tendieren, nämlich dass das Projekt The Farm einen positiven Eindruck hinterlassen hat: Nahezu alle, nämlich 28 der 29 Befragten (97 %), hätten gerne noch länger an dem Projekt weitergearbeitet. Aus den schriftlichen Äußerungen ist zwar nicht immer klar ersichtlich, ob sich die Lernenden mehr aus inhaltlichen oder methodischen Gründen für das Projekt begeisterten, allerdings gaben alle bis auf 1 Mädchen an, dass sie gerne mehrmals im Jahr ein solches Projekt durchführen wollten, so dass davon auszugehen ist, dass sie tatsächlich zwischen Inhalt und Vorgehensweise unterschieden und sich hier ein‐ deutig auf den Storyline-Ansatz bezogen und nicht etwa auf das Thema „Bauernhof “. Story‐ line-Projekte scheinen also nicht nur einmalig, kurzfristig oder themenabhängig die Moti‐ vation für das Englischlernen zu erhöhen, sondern sie versprechen - laut Aussagen der 312 6 Forschungsfokus Klassenzimmer Lernenden - auch einen dauerhaften und längerfristigen Ansporn zum Lernen. Ernsthaft kritisiert wurde im Prinzip nur das Verfahren der Gruppeneinteilung. Man kann also schlussfolgern, dass es für die Lernenden motivierend und gewinnbringend war, ein Story‐ line-Projekt durchzuführen - entsprechende Begründungen haben sie schließlich in großer Anzahl erbracht. Interessant ist, dass das Merkmal „Gruppenarbeit“ sowohl bei der Frage nach der Moti‐ vation (Frage 2) als auch nach dem Lernerfolg (Frage 6) ganz oben auf der Ergebnisliste steht. Das bedeutet, dass 16 von 29 Befragten (55 %) Gruppenarbeit bzw. das Arbeiten in einer learning community für positiv befanden und zugleich 18 Befragte (62 %) angaben, durch das Storyline-Projekt das kooperative Arbeiten in der Gruppe gelernt zu haben. Ge‐ äußert wurde dies in beiden Fällen mehrheitlich von Mädchen. Diese Antworten weisen darauf hin, dass im Unterrichtsalltag die soziale Interaktion und das soziale Lernen zu kurz kommen, obwohl sie gerade im Hinblick auf das Fremdsprachenlernen von großer Bedeu‐ tung sind, denn wie sonst als beim Kommunizieren kann eine Sprache gelernt werden? Wenn Lernende im Rahmen eines Storyline-Projekts die Erkenntnis gewinnen, dass „man auch auf eine andere Weise Englisch lernen kann! Das es so viel mehr Spaß macht“ (SABS8, Nr. 6), dann ist im Hinblick auf den langwierigen und mühsamen Prozess des lebenslangen Lernens schon sehr viel gewonnen ... 6.3 Fallstudie 2: Witches (Klasse 7) 6.3.1 Allgemeine Informationen Ich finde man hat viel ENGLISH gelernt, und viel lieber wie im Unterricht (Schülerin, 7. Klasse) Das zweite Projekt wurde für die 7. Klasse konzipiert, um auf diese Weise systematisch zu erforschen, ob bzw. inwiefern auch etwas ältere Schülerinnen und Schüler für die Arbeit nach dem Storyline-Konzept zu motivieren sind. Mit dem vordergründigen Ziel, eine mög‐ lichst große Bandbreite von Storyline-Typen in der Praxis auszuprobieren und auszuwerten, wurde dieses Mal der Fokus auf ein lehrwerkunabhängiges Thema mit Schwerpunkt Phan‐ tasiegeschichte gelegt. Außerdem wurde in dieser zweiten Studie angestrebt, den Ler‐ nenden noch mehr Gelegenheiten zum differenzierten Arbeiten anzubieten. Ein weiterer Fokus wurde auf die integrative Evaluation von Lernprozessen und Lernprodukten gelegt: In regelmäßigen Abständen sollten die Lernenden ihre Arbeit kurz reflektieren, um indi‐ viduelle Lernprozesse sowie gruppendynamische Prozesse transparent zu machen und ge‐ gebenenfalls beeinflussen zu können. Zur Entlastung der Lehrkraft von organisatorischen Dingen wurde zudem geplant, dass in den Gruppen so genannte teamleaders gewählt werden, die als Ansprechpersonen dienen und beispielsweise auch die vereinbarten time limits für die Aufgabenbearbeitung im Auge behalten. Auf diese Weise sollte das eigenver‐ antwortliche Lernen und selbstständige Arbeiten der Schülerinnen und Schüler noch mehr gefördert und unterstützt werden. Zur Dokumentation sollte der Unterricht dieses Mal auf Video aufgezeichnet werden, wobei in der ersten Doppelstunde auf das Filmen verzichtet wurde, um die Klasse durch die ungewohnte Situation und die Gerätepräsenz nicht zu irritieren. Während meiner An‐ 313 6.3 Fallstudie 2: Witches (Klasse 7) 5 Vgl. dazu Fehse/ Kocher (1995a). 6 Teilaspekte dieser Studie wurden (stark verkürzt) bereits in Kocher (1999, 198 ff.) veröffentlicht. wesenheit beobachtete ich die Klasse und fertigte Notizen, Videoaufnahmen 5 und Fotogra‐ fien an. Da die Videokamera phasenweise von einem Kollegen bedient wurde, betreute ich auch dieses Mal bei Bedarf einzelne Gruppen bei ihrer Arbeit. 6 6.3.2 Die Institution und die Lerngruppe Die Realschule, in der das Storyline-Projekt Witches durchgeführt wurde, ist Teil eines ländlichen Bildungszentrums und befindet sich in einer lebendigen Kleinstadt nördlich von Freiburg. Die Schule entstand Mitte der 1960er Jahre, um die Bildungschancen im ländlichen Raum zu verbessern und den Kindern und Jugendlichen das Erlangen der Mittleren Reife in Wohnortnähe zu ermöglichen. Als auffallend positiv empfand ich die wohlwollende Einstellung der Schulleitung zur geplanten Studie, die angenehme Schulatmosphäre sowie die hervorragende Ausstattung des Klassenzimmers mit einem fest installierten Videoabspielgerät, einer Stereoanlage sowie einem Klassensatz an zweisprachigen Schülerwörterbüchern. Die Wände waren großflächig mit Weichtafeln verkleidet, so dass problemlos ein weitläufiger Fries erstellt werden konnte. Da sich das Klassenzimmer im Erdgeschoss befand, konnten die Lernenden bei Bedarf auch in die Aula oder auf den Schulhof ausweichen, wobei über die große Fens‐ terfront zu jeder Zeit direkter Blick- und Sprechkontakt möglich war. Die 7. Klasse bestand aus insgesamt 27 Lernenden im Alter von 12 bis 13 Jahren, die sich in etwa gleichen Anteilen auf beide Geschlechter verteilten. Bis auf zwei Mädchen, die seit einiger Zeit offenbar eine eher ablehnende Haltung zur Schule erkennen ließen und dies auch im regulären Englischunterricht demonstrativ zeigten, war die Klasse relativ „un‐ kompliziert“ und leistungswillig, wenn auch auffallend leistungsheterogen. Als die Lehr‐ kraft ankündigte, dass der Unterricht im Rahmen des bevorstehenden Storyline-Projekts in Doppelstunden durchgeführt wird, reagierten die meisten erfreut, was darauf schließen lässt, dass die Mädchen und Jungen eine positive Einstellung zum Englischunterricht hatten. Laut Lehrkraft waren die Schülerinnen und Schüler mit Gruppenarbeit und offe‐ neren Lernformen im Englischunterricht bestens vertraut. Team-Teaching war dagegen auch für diese Klasse bis dahin unbekannt. 6.3.3 Die Lehrkraft Die Lehrkraft, die das Storyline-Projekt Witches mit der 7. Klasse durchführte, war bereits über zehn Jahre im Schuldienst tätig und hatte vielfältige Praxiserfahrungen mit offenem und kommunikativem Englischunterricht. Des Weiteren pflegte sie regelmäßige Kontakte mit Großbritannien, um sich sprachlich, kulturell und fachlich weiterzubilden. Im Unter‐ richt äußerte sich dies nicht zuletzt dadurch, dass sie versiert und souverän mit der Fremd‐ sprache umging, über eine große Methodenkompetenz verfügte und den Lernenden viel‐ fältige Möglichkeiten bot, um sich sprachlich und inhaltlich einzubringen. Praktische Erfahrungen mit Storyline-Projekten hatte die Lehrkraft bis zum Zeitpunkt der Untersu‐ 314 6 Forschungsfokus Klassenzimmer 7 Zur Basisfassung des Projektentwurfs vgl. Fehse/ Kocher (1994b). Für eine überarbeitete Version mit detaillierten Angaben, Illustrationen und Arbeitsblättern vgl. Fehse/ Kocher (1998a). chung zwar noch nicht gemacht, allerdings kannte sie das Konzept aus einer Fortbildung für Fachberaterinnen und -berater, wo Steve Bell das Modell präsentiert hatte. Witches war somit das erste Storyline-Projekt, das sie in der Praxis konkret erlebte und noch dazu selbst durchführte. An der Konzeption des Projekts beteiligte sich die Lehrkraft nur insofern, als sie die Aufgabenstellungen und Formulierungen mit dem Leistungsniveau der Klasse abstimmte. Ansonsten verließ sie sich auf meine Vorbereitungen, über die wir uns regelmäßig aus‐ tauschten. Im Unterricht, also während der Projektdurchführung, brachte sie gelegentlich kleinere Änderungen ein, die ihr während des Ablaufs spontan einfielen bzw. aus ihrer Sicht angebracht erschienen. 6.3.4 Das Storyline-Projekt Bei Witches  7 handelt es sich um eine Storyline vom Typ fantasy story, die ursprünglich in Anlehnung an das Bilderbuch Meg and Mog (Nicoll/ Pienkowski 1975) entstanden ist. Im Gegensatz zu The Farm liest die Lehrkraft etappenweise eine Geschichte vor, die von den Lernenden kontinuierlich weiterentwickelt und ausgearbeitet wird. Dadurch entstehen zwei Ebenen bzw. Phasen: storytelling und collaborative storymaking. Als Impuls und zur Inspiration trägt die Lehrkraft immer wieder kurze Abschnitte der relativ grob konzipierten Geschichte vor, die von den Lernenden konkretisiert, erweitert und visuell dargestellt wird. Eingeleitet und begleitet werden diese regelmäßig wiederkehrenden Erzählphasen durch ein ruhiges Musikstück, das die Funktion der Erkennungsmelodie (Leitmotiv) übernimmt, so dass sich die Lernenden entsprechend orientieren können. Gleichzeitig soll die Musik zur Entspannung dienen und die Phantasie anregen. Von Bedeutung ist zudem, dass die Lehrkraft beim Erzählen der Geschichte alle Anregungen aus der Klasse aufgreift, wie etwa Namen und Lebensumstände der Charaktere, so dass sich anhand der Details nach und nach eine ganz individuelle und klassenspezifische Geschichte entwickelt. Das im Vergleich zu The Farm etwas komplexere Storyline-Projekt besteht aus fünf Epi‐ soden und wurde für fünf bis sechs Doppelstunden à 90 Minuten konzipiert. Die Klasse wird dazu in sechs Gruppen aufgeteilt, die zwar stets parallel arbeiten, aber oft ganz un‐ terschiedliche Aufgaben ausführen und diese mitunter auch innerhalb der eigenen Gruppe noch aufteilen. Dies wiederum führt zu beabsichtigten Informationslücken (information gap) und verleiht der story eine gewisse Dynamik und Spannung. Auf diese Weise entstehen zahlreiche authentische Kommunikationssituationen, in denen inhaltliche Details zwi‐ schen Gruppe 1 (Hexe) und den anderen Gruppen (Gäste) ausgetauscht und verhandelt werden. Um eine möglichst anregende Atmosphäre zu gestalten, wird das Klassenzimmer zu Be‐ ginn der Storyline verdunkelt. Die Lehrkraft spielt zum Einstieg (Episode 1) Geräusche von einem Tonträger vor, die in einer bestimmten Reihenfolge arrangiert wurden, so dass sich eine spannende Handlung „ohne Worte“ ergibt: Gewitter, Schritte, Türklopfen, Türöffnen und kreischendes Gelächter. In einem Brainstorming tauschen sich die Lernenden über das 315 6.3 Fallstudie 2: Witches (Klasse 7) Gehörte aus: Sie formulieren Vermutungen und Assoziationen zum Thema „Hexen“ bzw. „Zauberer“. Dabei kann auch ein Bezug zu bekannten Büchern oder Filmen hergestellt werden. Während des Gesprächs werden wordbanks zu den Wortfeldern „Aussehen“, „Le‐ bensraum“, „Tagesablauf “ und „Utensilien einer Hexe“ erstellt und am Fries aufgehängt. Anschließend wird zur Einstimmung in die story die sphärische Musik vorgespielt und die Lehrkraft liest den ersten Abschnitt der Geschichte vor, in dem nur kurz angedeutet wird, dass once upon a time eine Hexe in einem Haus in Magic Forest lebte. Initiiert durch die key question “What can you tell us about her place? “ werden die Lernenden dazu an‐ geregt, sich besagte Hexe und ihr Zuhause vorzustellen und dabei ihrer Phantasie freien Lauf zu lassen. Bevor sie schließlich ihre Ideen mit Hilfe von Collagen und Figuren kon‐ kretisieren, zeigt die Lehrkraft eine dreidimensionale Handpuppe, die als Modell und Ori‐ entierungshilfe dient. Ferner präsentiert sie auf einem DIN A0-Plakat die vereinfachten Umrisse eines Hauses, um die Größenverhältnisse der zu erstellenden Räumlichkeiten zu klären. Eine Gruppe bastelt schließlich die Hexe, während die anderen Gruppen jeweils einen beliebigen Raum bzw. die häusliche Umgebung ausgestalten und beschreiben. Dar‐ über hinaus soll die Hexe charakterisiert bzw. ihr Tagesablauf kurz skizziert werden. Im gleichen Zug können Wortschatz und Grammatik kontextualisiert wiederholt werden: descriptive adjectives, clothes, colours, numbers, hobbies, animals, rooms, furniture, time of day, prepositions, simple present und vieles mehr. Um die Organisation der Gruppenarbeit zu erleichtern, wird ein Zeitpunkt vereinbart, zu dem alle Lernergebnisse der Klassenöf‐ fentlichkeit vorgestellt werden. In Episode 2 stellt sich heraus, dass die Hexe bald Geburtstag hat und einige Gäste ein‐ laden möchte. Diese werden von den Gruppen - wie zuvor die Hexe - als dreidimensionale Figuren gebastelt, während Gruppe 1 die entsprechenden Einladungen schreibt. Des Wei‐ teren sollen die fünf Partygäste mit Hilfe von Biographien, spezifischen Charaktereigen‐ schaften und der Beschreibung ihrer individuellen Tagesabläufe eine unverwechselbare Persönlichkeit erhalten. Anschließend werden die Figuren der Klasse vorgestellt und die Einladungen vorgelesen. Sobald sich die Hexen bzw. Zauberer entschieden haben, dass sie die Einladung annehmen, verfassen sie ein Antwortschreiben und basteln Geschenke. Zur gleichen Zeit überlegt sich die Hexe (Gruppe 1) ein Menü für ihre Geburtstagsfeier, schreibt eine Speisekarte sowie eine Liste mit den erforderlichen Vorbereitungen. Im Anschluss werden alle Ergebnisse - bis auf die Geschenke - der Klasse präsentiert und danach wie üblich am Fries ausgestellt. In Episode 3 findet die Geburtstagsfeier statt (incident). Die Gäste treffen sich im Zau‐ bergarten, um Geschenke und Glückwünsche zu überreichen. Danach versammeln sie sich um einen Hexenkessel (z. B. Papierkorb oder Eimer), und mit Hilfe einer Wahrsagerkugel (z. B. Glaskugel oder Ball) wird der Hexe schließlich die Zukunft vorausgesagt. Für die Lernenden heißt dies konkret, dass sie im Kontext der Geschichte nicht nur Begrüßungs‐ formeln austauschen und über das Befinden ihrer Figur Auskunft geben, sondern einge‐ bettet in einen situativen Rahmen auch das will-future anwenden und üben. Da die Hexe offenbar einen geheimen Wunsch hat, den ihr die Gäste zur Feier des Tages erfüllen möchten, werden die benötigten Zauberzutaten gesammelt bzw. gebastelt und ent‐ sprechende Zaubersprüche verfasst. Zur Inspiration werden in der Klasse zunächst einige bekannte Reime wie „Hokuspokus“ oder „Abrakadabra“ aufgezählt. Danach werden in den 316 6 Forschungsfokus Klassenzimmer Gruppen arbeitsteilig strange ingredients hergestellt bzw. mit Hilfe einer einfachen Reim‐ vorlage magic spells geschrieben. Gegen Ende dieser Phase verdunkelt die Lehrkraft erneut das Klassenzimmer und spielt das Schlagen einer Turmuhr ab: It’s witching hour ... Man versammelt sich um den fiktiven Hexenkessel, die Lehrkraft erzählt oder liest den ent‐ sprechenden Abschnitt aus ihrem Buch vor und fordert die Lernenden dazu auf, die Zutaten in den Hexenkessel zu füllen bzw. auf ein vorbereitetes Poster zu kleben sowie die Zau‐ bersprüche vorzutragen. Leider misslingt der Zaubervorgang, stattdessen passiert etwas Unvorhersehbares (incident). Die Lernenden äußern Vermutungen über den unerwarteten Zwischenfall, danach einigt man sich auf die beste Version. In Episode 4 kündigen sich weitere Gäste an, die sich für den außergewöhnlichen Vorfall interessieren und Nachforschungen anstellen wollen. Die Lernenden entscheiden dar‐ aufhin in ihren Gruppen, welche der zur Auswahl stehenden Aufgaben sie übernehmen möchten: Videoaufnahmen für den Fernsehsender Witch II, Audiointerviews für die Daily Magic Radio Station, Artikel und Fotos für The Wizard Times bzw. National Magician Maga‐ zine, Polizeiberichte oder Briefe für den Freundeskreis. Nachdem schließlich alle Beiträge in der Klasse präsentiert wurden, versucht die Lehrkraft, die Storyline allmählich zu einem harmonischen Ende zu bringen: Gemeinsam wird überlegt, wem der letter to friends, der eine Einladung zu einem Besuch enthalten sollte, geschickt werden könnte. In Frage kommen beispielsweise Parallelklassen oder Eltern, denen in diesem Zusammenhang das Projekt vorgestellt wird. Witches endet mit Episode 5, in der die Projektpräsentation statt‐ findet. Der Raum wird entsprechend gestaltet und die Stühle so aufgestellt, dass alle den Fries im Blick haben. Wenn die Gäste eintreffen, werden die Storyline und die diversen Arbeitsprodukte dem Publikum sukzessiv vorgestellt, so dass die Handlung nachvollziehbar wird. Auch für dieses Projekt wurden zur Differenzierung noch einige Extraarbeitsblätter konzipiert, die von den Lernenden bei Bedarf eigenständig bearbeitet werden können, da sie zusätzlich mit Lösungsblättern und einem Evaluationsmodul versehen sind. Dabei gibt es je nach Interesse und Bedürfnis unterschiedliche Schwerpunkte: Fragebogen zum Thema „Hexen und Hexenverfolgung“, Text zur Förderung des Leseverstehens oder verschiedene Übungen zur themenspezifischen Wortschatzarbeit. 6.3.5 Der Unterrichtsverlauf: Beobachtungen und Reflexion Witches wurde kurz vor Weihnachten durchgeführt, was im Hinblick auf das gewählte Thema sinnvoll und angemessen erschien. Insgesamt standen uns innerhalb von anderthalb Wochen 11 Unterrichtsstunden zur Verfügung, nämlich vier Doppelstunden und ein Block mit drei Stunden, so dass das Storyline-Projekt ohne längere Unterbrechungen realisiert werden konnte. Die erste Doppelstunde begann mit einem kurzen informativen Einstieg zu dem ge‐ planten Projekt. Während die Lehrkraft die Geräusche abspielte, hörte man einige Jungen und Mädchen flüstern oder kichern, was belegt, dass sie interessiert und neugierig bei der Sache waren [2c, 5b]. Als die Lehrkraft schließlich fragte, welche Assoziationen die Schü‐ lerinnen und Schüler mit dem Gehörten verknüpfen, wurde sie mit Äußerungen geradezu überhäuft, so dass kaum Zeit blieb, strukturierte wordbanks zu erstellen [5e, 12d]. Aktiv 317 6.3 Fallstudie 2: Witches (Klasse 7) und zahlreich brachten die Lernenden ihre vielfältigen Ideen und phantasievollen Vermu‐ tungen ein [3a, 8a]. Die Lehrkraft stellte zwar immer wieder Zwischenfragen und lenkte somit das Gespräch phasenweise in verschiedene Richtungen, um verschiedene Themen‐ aspekte abzudecken und entsprechendes Vokabular zu reaktivieren bzw. einzuführen, doch je mehr Zeit die Lernenden für ihre Überlegungen bekamen, desto ausgefallener wurden auch ihre Beiträge [9c]. Dies zeigte sich auch im späteren Verlauf des Projekts immer wieder ganz deutlich (UR F). Interessant war in dieser Brainstormingphase, dass die Lernenden bei sprachlichen De‐ fiziten nicht verstummten, sondern kurzfristig in die deutsche Sprache wechselten (code-switching), um das Klassengespräch durch Nachfragen nicht zu unterbrechen oder gar abzubrechen [5d]. Die offene Fragestellung der key question motivierte sie offensichtlich dazu, individuelles Vorwissen und allerlei kreative Ideen aus Erzählungen, Filmen oder Büchern einzubringen und im Rahmen dieser authentischen Kommunikationssituation auszutauschen [2a, 8a], ohne sich durch eventuell fehlende Sprachmittel davon abhalten zu lassen (focus on meaning). Darüber hinaus spielte auch die großzügige Fehlertoleranz der Lehrkraft eine entscheidende Rolle [4d], denn ihre entspannte Haltung ermunterte die Lernenden zu inhaltlich als auch sprachlich kreativen Beiträgen, wie die folgenden Ge‐ sprächsausschnitte belegen [5d, 5e, 5h]: L: What do you think of when you think of witches? S1: They ride on a Besen. L: A broomstick. [schreibt Wort auf Poster und klebt eine entsprechende Zeichnung dazu] [...] S2: They are old and their pets are spiders. [L hält Begriffe auf wordbank fest] S3: They cook magic drinks. L: Magic potion. [notiert Begriff] S4: They have long fingernails [L notiert Begriff] S5: They have long and big noses. L: Very often their noses are not only long and big, but they are crooked. [hält Begriff auf wordbank fest und klebt entsprechende Zeichnung dazu] S6: They live in the wood. S7: They have black Hüte. S8: They have zerzaustes hair. F [flüstert]: Unkempt hair. [L hält Begriffe fest] S9: They take childs and make mice out of them. [...] S10: On their nose they have Warzen. [...] S11: They have magic sticks. L [zeigt Zauberstab]: They call this a wand. [notiert Begriff und klebt Zeichnung dazu] [...] S12: They have a big pot. L [zeigt Zeichnung]: This special pot is called cauldron ... Kessel. [...] S13: They have Lumpen. 318 6 Forschungsfokus Klassenzimmer L: They have ... remember the person who lived in London? S14: Rags (UB). Nach einiger Zeit brach die Lehrkraft das Brainstorming ab, dessen Ergebnis sie auf meh‐ reren Postern dokumentiert hatte [12d], um mit der Erzählung der Geschichte zu beginnen. Erfreulich war, dass die themenrelevante und integrative Wortschatzarbeit sehr organisch und authentisch verlaufen war und dass zwei Tischgruppen relativ bald und ohne Auffor‐ derung die bereitgelegten Wörterbücher zur Hilfe genommen hatten, um „benötigte“ Wörter nachzuschlagen [5e, 5i, 7c]. Der natürliche Wunsch, sich mitzuteilen, führte auch in dieser Klasse dazu, dass dictionary skills ganz nebenbei erworben und verfeinert wurden [11a]. Nachdem die Lehrkraft den ersten Abschnitt der Geschichte, der von der Klasse auf‐ merksam verfolgt wurde [5b], vorgetragen hatte und nach einem kurzen Austausch die Arbeitsaufträge erläuterte, fragte eine der Gruppen sofort: “Can we make the witch? “ (UB) [8b, 8c, 9e]. Man einigte sich noch auf vier spezifische Räume (kitchen, magic room, prison, living room), die gebastelt und beschrieben werden sollten [2e], während die sechste Gruppe die Umgebung gestalten wollte [9e]. Die Lehrkraft setzte ein time limit, danach machten sich die Lernenden mit sichtlicher Begeisterung an ihre Arbeit [4b, 10a]. Hier zeigte sich, wie wichtig es bei komplexen Aufgabenstellungen ist, die Arbeitsaufträge klar zu formu‐ lieren und zunächst im Plenum zu erläutern, bevor Arbeitsblätter oder Materialien ausge‐ teilt werden. Dies wurde im anschließenden Reflexionsgespräch auch von der Lehrkraft bestätigt und sie beschloss, in der nächsten Stunde die Regel “first read, then do“ einzu‐ führen (UR F+L). Sofern dies gewünscht wurde, betreuten die Lehrkraft und ich einzelne Gruppen oder Lernende bei der Aufgabenbearbeitung. Lediglich die beiden Mädchen, bei denen die Lehr‐ kraft eine allgemeine Schulunlust diagnostiziert hatte, waren etwas kritisch. Alle anderen Schülerinnen und Schüler wiesen dagegen einen ausgeprägten Leistungswillen auf, der sich durch eifriges Arbeiten äußerte, so dass die meisten Lernenden selbst das Pausenzeichen nicht beachteten und stattdessen konzentriert weiterarbeiteten [8c]. Erneut fiel auf, dass die Lernenden viel Freude am kreativen Arbeiten hatten [10a, 10d] und bisweilen erstaunliche Details bastelten oder in ihre Texte einfließen ließen [5c, 8a, 9c]. Während ich zu Beginn des Projekts mit einiger Skepsis darüber nachgedacht hatte, wie vorpubertierende Jungen die geplanten Bastelarbeiten aufnehmen würden, war ich positiv überrascht davon, mit wie viel Herzblut nicht nur die Mädchen, sondern gerade auch die Jungen arbeiteten: Spontan formten sie beispielsweise aus Wattekugeln Schnee‐ flocken und klebten diese rund um das Hexenhaus an den Fries [2e, 7b, 9c]. Andererseits zeigte sich jedoch auch in dieser Klasse, dass Modelle leicht dazu verleiten, haargenau ko‐ piert zu werden: So übernahm beispielsweise eine Gruppe, die den Garten gestalten wollte, die Illustrationen aus dem Arbeitsblatt, obwohl diese lediglich zur Inspiration dienen sollten. Nach dieser Beobachtung legte sich mir erneut der Verdacht nahe, dass Kinder und Jugendliche an unseren Schulen offenbar vor allem eines lernten: die Aufträge der Lehr‐ kräfte auszuführen sowie deren Vorgaben bis ins Detail zu kopieren. Schon allein aus diesem Grund bietet der Storyline Approach eine gute Gelegenheit, um sich als Lehrkraft darüber bewusst zu werden, dass divergentes und problemlösendes Denken im Unterricht eine stärkere Gewichtung haben sollte. 319 6.3 Fallstudie 2: Witches (Klasse 7) Um die Lernenden nicht zu demotivieren, erklärte die Lehrkraft nach Ablauf der einge‐ planten Zeit, dass die einzelnen Arbeiten bis zur nächsten Stunde noch ergänzt werden können, denn offensichtlich waren die meisten sehr angetan von ihrer Aufgabe [4b, 9b] und wollten ihre Arbeit nicht halbfertig abbrechen [7d, 11b]. Nachdem alle Collagen am Fries fixiert waren, präsentierten die Gruppen ihre Arbeitsergebnisse [5d]. Plötzlich wurde es auffallend still und alle hörten aufmerksam zu, um kein Detail zu verpassen (information gap) [2c, 5b]. Auch war zu beobachten, dass manche noch an ihren Collagen oder Texten arbeiteten, um anschließend ein gutes Arbeitsergebnis vorstellen zu können (ownership) [8c, 11b]. Bei der Präsentation fiel auf, dass die Lernenden ihre Aufgabenstellungen teilweise an‐ ders interpretiert hatten, als dies ursprünglich gedacht war [9c]: So beschrieben die Gruppen in ihren Texten nicht immer wie gewünscht den dargestellten Raum, sondern vielmehr die Aktivitäten der Hexe in bzw. außerhalb des Raumes, was zur Folge hatte, dass gelegentlich eine Diskrepanz zwischen task und activity entstand. Allerdings führte dies nie zu einem ernsthaften Problem, sondern zeigte vielmehr, dass die Klasse bemüht war, auf den Kontext und situativen Rahmen bezogen eine „sinnvolle“ und kohärente Lösung zu finden (UR F) [2b, 2e]. Ferner belegten die Ergebnisse, wie unterschiedlich und indivi‐ duell ein und dieselbe Aufgabe in einer heterogenen Klassengemeinschaft bearbeitet werden kann, was durch zwei Textbeispiele veranschaulicht werden soll: Every Morning the witch brings some food in the prison because the prisoner are hungry. The meal is Witchsoup. Then she leaves the prison till the evening. Every evening she looks if they are still there. At 8 o’clock it is time for the eveningmeal. Once a week the prisoner can go out of the prison. In the winter it is very cold there (Prison). The witch and her magicroom! Every morning she gets up at 5 o’clock because she must cook magic potion. Later she feeds her cats. Then she eats a frookmeal because she is hungry, too! Next she wants to go in her shabby garden and puts up some herbs for the evening meal. It was a great meal for her! At 10 o’clock she goes to bed because she is very tired. Once a week she goes to a witchmeeting. Five times a year there is a witchmeeting with all witches all over the world. In the winter she sleep dyring the day and in the night she gets up and fly on her broomstick through the town. She cook the magic potion in the magicroom. In this room she is the most time in the day, because she do magic in this room. The room is full of things about magic. Her broomstick stands there, when she don’t ride on it (Magic room). Die beiden Beispiele geben nicht nur Aufschluss über die jeweilige Aufgabeninterpretation einer Gruppe [9c], sondern auch über die Variationsbreite von Texten hinsichtlich ihrer Quantität und Qualität, und zwar auf inhaltlicher als auch sprachlicher Ebene. Beide Pas‐ sagen belegen, dass sich die Lernenden mit dem Inhalt intensiv auseinandergesetzt haben [2d, 2e] und sich bemühten, ihre individuellen inhaltlichen Lösungen sprachlich adäquat zu formulieren und dabei einen kohärenten Text zu entwickeln [2b, 5c], wenn auch auf unterschiedlichem Niveau. Während die Sätze im ersten Text zwar weitgehend korrekt, aber relativ einfach formuliert und strukturiert sind, weist das zweite Beispiel eine insge‐ samt flüssigere und komplexere Sprachproduktion auf, und zwar hinsichtlich Lexik als auch Syntax [5e, 5f, 5i]. Auffallend sind nicht nur einzelne Redewendungen und ausschmü‐ 320 6 Forschungsfokus Klassenzimmer ckende Attribute, sondern auch die mehrfach verwendeten Begründungen, die mit because eingeleitet werden. Obwohl also die Texte in vielerlei Hinsicht variieren, haben sie doch eines gemeinsam: Sie sind individuelle, originelle und kreative Lernprodukte [8a] und ziehen somit das Interesse der Klasse auf sich [2c, 11c]. Als der Gong schließlich das Ende der Doppelstunde ankündigte, verließen nur wenige das Klassenzimmer. Viele spazierten noch interessiert am Fries entlang, betrachteten die diversen Bastelarbeiten und schmökerten in den Texten [5a, 12a, 12f]. Nicht selten hörte man ein erstauntes: „Oh, schau! “ (UB) [11d, 12e]. Einige Mädchen kamen auf mich zu und erkundigten sich neugierig nach dem weiteren Verlauf der story [2c, 3a], während andere spezifische Details wissen wollten: „War das Gewitter echt? Haben Sie das aufgenommen? “ (UB) [4b, 8d]. In der anschließenden Reflexionsphase mit der Lehrkraft wurde der Unterricht noch einmal im Detail besprochen. Beide waren wir beeindruckt, wie aktiv die Lernenden ihre vielfältigen Assoziationen zu den gehörten Geräuschen verbalisiert [5d, 8a] und wie mo‐ tiviert sie an ihren Collagen und Objekten gearbeitet hatten [10a], und zwar so konzentriert, dass sie den Gong überhörten und teilweise nur widerwillig ihre Arbeit abbrachen, als der Unterricht zu Ende war [4b, 8c]. Ich empfahl der Lehrkraft, die Lernenden regelmäßig daran zu erinnern, dass sie auch außerhalb des Englischunterrichts an ihren Produkten arbeiten konnten bzw. „durften“, zumal Arbeiten in Storyline-Projekten nicht wie allgemein üblich als „Fertigprodukte“ gelten, sondern Ausdruck vielfältiger Prozesse sind (work in progress). Außerdem sollten bzw. „durften“ sie natürlich auch die Texte ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler lesen, also den Fries als gemeinsames Lernprodukt benutzen, was von einigen Lernenden bereits realisiert wurde, als sie zum Stundenende unaufgefordert den Fries auf‐ suchten (UR F+L) [12f]. Die Lehrkraft bedauerte, dass sie die wordbanks auf Grund der aktiven Mitarbeit der Klasse nicht sehr übersichtlich gestaltet hatte. Außerdem zeigte sie sich überrascht darüber, dass einer der schwächsten Schüler selbstständig ein Wörterbuch zur Hand genommen hatte, um ein „benötigtes“ Wort nachzuschlagen [7c]. Allgemein war zu beobachten, dass vor allem die Bildwörterbücher gerne verwendet wurden (UR F+L) [7b]. Des Weiteren fiel auf, dass die Klasse nicht nur erstaunlich viele englische Begriffe kannte [5e], sondern mit der Fremdsprache - selbst bei diesem ungewöhnlichen Thema - relativ unbeschwert umging [4d]. Die Lernenden bemühten sich um eine flüssige und möglichst korrekte Sprachproduktion, auch wenn sie sich über ihre Defizite bewusst waren und bei Bedarf schnell ein deutsches Wort einfügten [5d, 5i]. Selbstverständlich enthielten auch die diversen Lernertexte sprachliche Fehler, andererseits waren sie gut verständlich, teil‐ weise äußerst phantasievoll und/ oder ästhetisch gestaltet. Im Hinblick auf die Erfahrungen in Klasse 6 galt auch bei diesem Projekt die Regel: Solange die Texte verständlich formuliert waren, sollte die Lehrkraft nicht allzu häufig durch Korrekturen eingreifen. Es zeigte sich, dass bei der Gruppenarbeit konkrete Zeitangaben sowohl für die Lehrkraft als auch die Lernenden sinnvoll sind und schriftlich an der Tafel festgehalten werden sollten, denn sie erleichtern nicht nur die Koordination, sondern geben den Lernenden auch Hinweise in Bezug auf die erwarteten Ergebnisse. Sprich: Je nach verfügbarer Zeitspanne können bzw. müssen mehr oder weniger komplexe Ergebnisse erbracht werden. Um von vornherein zu vermeiden, dass einzelne Gruppenmitglieder immer nur basteln oder nur 321 6.3 Fallstudie 2: Witches (Klasse 7) präsentieren, wurde vereinbart, dass die Aufgabenverteilung innerhalb der Gruppen ro‐ tieren sollte und die Lehrkraft ein besonderes Augenmerk darauf richten würde, dass alle Lernenden gefordert und zugleich gefördert werden (UR F+L). Zwar hatte ich vorsichts‐ halber noch einige Extraarbeitsblätter mitgebracht, doch da alle Lernenden beschäftigt waren, wurden diese nicht benötigt. Die Fortsetzung des Storyline-Projekts fand - unterbrochen durch das Wochenende - vier Tage später statt. Der Fries erschien nun bunter [12f] und beim genauen Hinschauen zeigte sich, dass einige Produkte tatsächlich außerhalb des Englischunterrichts bearbeitet worden waren [9e], woraus ich schloss, dass die Klasse dem Projekt gegenüber positiv eingestellt war und sich für dessen Gelingen verantwortlich fühlte (ownership) [4a, 8c]. Der Unterricht (3-Stunden-Block) begann mit einer kurzen Reflexionsphase. Zunächst wurden einige Regeln für die Gruppenarbeit gesammelt und schriftlich festgehalten [6c, 8d]. Die Lehrkraft wies in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass Friesprodukte jederzeit ergänzt und korrigiert bzw. bildhafte Darstellungen mit kleinen Wortkarten ver‐ sehen werden können. Dies sollte dazu beitragen, dass sich die Lernenden kontinuierlich mit ihren Produkten auseinandersetzen, den themenrelevanten Wortschatz einüben und Arbeitspausen sinnvoll nutzen, bis alle Lernenden bereit für die jeweilige Präsentation waren. Schließlich wurde die Leitmotivmusik gespielt und der nächste Abschnitt der Geschichte erzählt. Dabei war zu beobachten, dass es nicht nur sehr still im Klassenzimmer war und alle gespannt zuhörten [2c, 5b], sondern auch, dass einzelne Schüler den Vortrag mit pas‐ senden Gesten illustrierten [8a, 10b]. Im Anschluss wurde gemeinsam erarbeitet, wie ein Einladungsschreiben aufgebaut ist. Danach erhielten die Gruppen ihre diversen Arbeits‐ aufträge. Erneut zeigte sich, dass die Lernenden mit Freude und Interesse ihre Aufgaben erledigten [9a, 9b, 9c]. Manche waren offenbar so konzentriert in ihre Arbeit vertieft, dass sie alles um sich herum ausblenden konnten [4b]. Als es zur großen Pause gongte, wollte über die Hälfte der Lernenden im Klassenzimmer bleiben und an ihren Aufgaben weiter‐ arbeiten [8c, 11b]. Einige Jungen stopften ihre Hexe mit Watte aus [10a], andere nähten kunstvolle Kleidungsstücke [6c, 9e] und unterhielten sich dabei über diverse Details ihrer Hexe [5d, 7b, 7d]. Auffallend war auch, dass an fast allen Tischen die Wörterbücher im Einsatz waren [7c] und intensiv über die zu schreibenden Texte verhandelt wurde [5c, 5h, 5i]. Auch der Fries wurde immer wieder in die Arbeit integriert, um inhaltliche Details oder spezifische Begriffe aus den wordbanks zu recherchieren [7c, 12b, 12d]. Erstaunt nahm ich zur Kenntnis, wie ein Mädchen ihre Mitschülerin unmissverständlich informierte: „Nein, wir machen keine Pause! “ (UB) [8c, 11b]. Nach der Pause fand ein kurzer Austausch über den Stand der Gruppenarbeiten statt und die Lehrkraft erinnerte die teamleaders an ihre Aufgabe, für Ruhe zu sorgen und die Arbeit innerhalb der Gruppe zeitlich zu koordinieren [6c, 8d]. Manche waren mit ihrer Aufga‐ benbearbeitung bereits nahezu fertig und sollten sich selbstständig beschäftigen. Folglich wurden Teile der Collagen mit den entsprechenden englischen Wörtern beschriftet [5e, 9e], während manche Schülerinnen und Schüler die Lernprodukte am Fries betrachteten und sich interessiert darüber austauschten [11d, 12e, 12f]. So fragte beispielsweise ein ansonsten zurückhaltender Junge neugierig einen Mitschüler: “Which witch habt ihr ge‐ 322 6 Forschungsfokus Klassenzimmer macht? “ (UB). Dabei grinste er amüsiert und war sich natürlich seines Sprachspiels bewusst [4c, 5h]. Obwohl die Aufgabenstellung für fünf der sechs Gruppen identisch war, ergaben sich daraus sehr individuelle Ergebnisse, die sich nicht nur hinsichtlich Optik und Sprache un‐ terschieden [9c]. So hatten die Hexen nicht nur außergewöhnliche Namen, sondern sie wurden auch mit spezifischen Eigenschaften versehen: “Ökowitch“, verrückte Altersan‐ gaben, Telefonnummern, Adressen, Beschäftigungen usw. [2b, 2e, 3a]. Die Lernenden ge‐ nossen es, ihre Phantasie einzubringen und gemeinsam kreative Texte in der Fremdsprache zu verfassen [2a, 4b, 5c]. Die folgende Biographie demonstriert nicht nur, dass die Gruppe ihren Text passend in die gemeinsame Geschichte integriert und dabei Bezug auf vorherige Informationen (z. B. mushrooms, prison) genommen hat [2b, 2d], sondern belegt auch, dass erworbenes kulturelles Wissen berücksichtigt wurde (z. B. marmalade, teatime) [3c] und der Text offensichtlich in Teamarbeit verfasst und überarbeitet wurde, was (im Original) durch die verschiedenen Handschriften und Korrekturen ersichtlich wird [5i, 6c, 8d]: Thunder witch Her houses name is Thunderdome. When she gets up every morning she kills one child from the prison. So she has a good meal for one day. In the night she reads magic-books. For breakfast she eats toast with children from the grill and marmelade. At five o’clock in the afternoon she drinks her blood-tea. Every two days the witch does jogging in the woods and collects mushrooms. She is 111 jears old, but she’s very confident and fit. Her favorite music is Techno. In her freetime she raps to this music (Biographies: Thunder Witch). Während die Arbeitsergebnisse vorgestellt wurden, war es erneut auffallend still im Raum. Hin und wieder vernahm man ein amüsiertes Kichern, was belegt, dass die Lernenden aufmerksam zuhörten [2c, 5b], die Vorträge verstanden und offenbar für gut befanden, denn jede Präsentation wurde mit spontanem Applaus belohnt [11d], so dass die Vortra‐ genden sichtlich stolz an ihre Plätze zurückkehrten [4f]. Als die Lehrkraft schließlich die Geburtstagseinladungen verteilte, war auch in dieser Klasse zu beobachten, dass manche Lernenden erfreut lächelten, wenn ihr fiktiver Name aufgerufen wurde, und dass auch sie sofort lautstark auf sich aufmerksam machten: “Here! Here! “ (UB) [4a, 5b]. Obwohl sich die Geschichte noch ganz im Anfangsstadium befand, identifizierten sie sich bereits mit ihrer Rolle, denn sie reagierten spontan auf den noch relativ neuen Namen [2d]. Aufgeregt wurden die Briefe geöffnet und in der Gruppe gelesen [5a]. Sie waren zwar relativ kurz, aber dennoch ausgefallen. Während die Lernenden im Anschluss - je nach Rolle - das Menü für die geplante Party zusammenstellten oder sich Geschenke ausdachten, zeigte sich, dass sie wieder engagiert bei der Arbeit waren [4b], denn erneut verzichteten einige auf die Pause und wollten statt‐ dessen lieber an ihren Aufgaben weiterarbeiten [8c, 11b]. Auffallend war auch die breite Vielfalt an individuellen und originellen Aufgabenlösungen [9c, 9e]: Einige Jungen hatten sich überlegt, der Hexe Starwitch zum Geburtstag einen Tanz zu schenken, und übten nun eigenständig in der Aula eine Choreographie ein [10c]. Andere fertigten aus Lametta eine Perücke an oder stellten aus Naturmaterialien, die auf dem Schulhof wuchsen, einen großen power broomstick her [10a, 10d]. Darüber hinaus wurden auch diverse Texte verfasst, wie etwa ein ästhetisch gestalteter Gutschein für ein magic dinner, ein neues Zauberbuch oder 323 6.3 Fallstudie 2: Witches (Klasse 7) eine Glückwunschkarte [5c, 5g]. Zu erwähnen ist auch die Speisekarte mit ihren ausgefal‐ lenen Gerichten, welche die Lernenden sicherlich nicht aus dem regulären Englischunter‐ richt kannten, sondern mit Hilfe des Wörterbuchs selbst kreiert hatten [5e, 5 g, 7c]: “Pop‐ corn with worms“ (Vorspeise), “cygnet with moth or spiderslegs“ (Hauptspeise), “snail intestines“ (Dessert) usw. (Menu) [2d, 2e]. In der anschließenden 6. Stunde reflektierten die Lehrkraft und ich den Unterricht. Dabei stellte sich heraus, dass sich viele unserer Beobachtungen miteinander deckten: der nicht zu verkennende Stolz der Lernenden, als sie ihre Hexen dem Plenum präsentierten [4f, 11a]; die Freude in den einzelnen Gesichtern, als die Hexen einen Brief erhielten und na‐ mentlich aufgerufen wurden [2d, 4a]; der hohe Anspruch und ausgeprägte Sinn für Äs‐ thetik, verbunden mit dem Wunsch, alle Arbeiten „gut und schön“ zu erledigen [7d, 8d], so dass selbst Pausen ihre ursprüngliche Bedeutung verloren [8c, 11b]; die intensiven Be‐ mühungen, möglichst viel in der Zielsprache zu kommunizieren [5d, 5i]; die hohe Auf‐ merksamkeit, wenn Lernprodukte präsentiert wurden (UR F+L) [2c, 5b, 11c]. Als besonders positiv empfand die Lehrkraft die vielfältigen und kreativen Aufgabenlö‐ sungen und Arbeitsergebnisse [9c, 10d], wie etwa der Tanz [10c] oder der Hexenbesen aus Naturmaterialien [7b, 10a], die beide ohne unser Zutun von den Gruppen selbst erdacht wurden [8a]. Auch einzelne Schülerinnen und Schüler waren ihr als ungewöhnlich moti‐ viert und engagiert aufgefallen [4b, 8c], vor allem die Mädchengruppe, die Starwitch ver‐ körperte. Als etwas problematisch hingegen bewertete sie die arbeitsteilige Gruppenarbeit [6c], weil die Gruppen zu unterschiedlichen Zeitpunkten mit ihrer Arbeit fertig waren und somit für manche angeblich ein gewisser Leerlauf entstand. In meinen Augen zeigte sich jedoch gerade im Rahmen dieses Projekts sehr deutlich, dass Lernen ein äußerst individu‐ eller Prozess ist und sich die Schülerinnen und Schüler bei Storyline ganz unterschiedliche Ziele setzen können [8b, 8c], was insgesamt betrachtet dem Unterricht eine neue Dynamik verleiht. Vor dieser Folie schien es mir auch utopisch, dass alle im Gleichschritt arbeiten und ihre Aufgaben synchron beenden. Andererseits darf natürlich nicht verkannt werden, dass auch Gruppenarbeit angeleitet, gelernt und regelmäßig praktiziert werden muss. Ich schlug vor, dass die Lernenden dazu ermutigt werden sollten, sich eigene Miniaufgaben auszudenken, beispielsweise Friesprodukte lesen, ergänzen oder sprachlich korrigieren. Die Diskussion mit der Lehrkraft zeigte, dass die Arbeit nach dem Storyline Approach komplex ist und über die praktische Erfahrung „gelernt“ werden muss, und zwar von Lernenden und Lehrenden (learning by doing). Das Projekt wurde am darauffolgenden Tag mit dem Einstieg in Episode 3 fortgesetzt. Beim Betreten des Klassenzimmers wurde ich von einigen Lernenden besorgt gefragt, ob wir etwa nur eine Stunde Unterricht eingeplant hätten. Als ich auf die Doppelstunde ver‐ wies, erklang ein freudiges und erleichtertes „Ah! “ (UB) [4a, 4b, 4c]. Nachdem aus atmo‐ sphärischen Gründen Kerzen angezündet worden waren, versammelte sich die Klasse im Stuhlkreis. Die Leitmotivmusik erklang und die Lehrkraft las den nächsten Abschnitt aus ihrem „Zauberbuch“ vor, während die Lernenden aufmerksam folgten und die spooky at‐ mosphere sichtlich genossen [2c, 5b]. Schließlich wurden Starwitch die Glückwünsche und Geschenke übergeben [10b]: Gespannt wurde das Auspacken der Geschenke verfolgt, welche erläutert und bestaunt wurden [11c], und auch der Tanz erntete viel Lob [10c, 11d]. 324 6 Forschungsfokus Klassenzimmer Im Anschluss erzählte die Lehrkraft den nächsten Part der Geschichte und reichte danach eine Glaskugel herum, mit deren Hilfe für Starwitch die Zukunft vorausgesagt werden sollte. Für die Lernenden schien dies keineswegs befremdlich zu sein, denn sie spielten das Spiel sofort mit [2b, 2d, 10b], und die Ergebnisse waren wie gewohnt sehr vielfältig [2c, 2e]: Während manche kurz zögerten, um sich etwas Ausgefallenes zu überlegen und dies sprachlich adäquat auszudrücken [5d], formulierten andere sprachlich korrekte Sätze im will-future [5f, 5 g, 5i], wie dies zuvor von der Lehrkraft demonstriert worden war. Dabei schien jedoch keineswegs die Grammatikübung im Vordergrund zu stehen, sondern ganz klar die Inhaltsebene [2a]. Nach dem Vortragen des nächsten Abschnitts wurden Ideen für den secret wish der Hexe Starwitch gesammelt, um anschließend im Plenum über den besten Vorschlag abzu‐ stimmen. Die Lehrkraft integrierte die Entscheidung der Klasse (a magic island) in die fort‐ laufende Erzählung und erteilte sodann den Auftrag, Zaubersprüche und Zutaten für den Hexenkessel anzufertigen. Auch diese Aufgabe war ein gutes Beispiel für Differenzierung, denn sie gab jedem einzelnen Klassenmitglied das Gefühl, einen wichtigen Teil zur ge‐ meinsamen Geschichte beizutragen [2e, 8a]. Die Gruppenmitglieder entschieden sich für eine der beiden Aufgabenstellungen [9e] und führten diese dann in Einzel- oder Partner‐ arbeit aus [6c]. Da das Formulieren von Zaubersprüchen eine sprachlich anspruchsvollere Aufgabe darstellte, wurden diese unter Zuhilfenahme eines Arbeitsblatts mit Reimwörtern (z. B. got, hot, lot, pot) meist zu zweit oder auch zu dritt kreiert [5c, 5h], wohingegen die ingredients für den Hexenkessel eher allein gebastelt [10a] und danach beschriftet wurden [5c, 5e]. Zuvor wurde jedoch mit der ganzen Klasse ein unvollständiger Zauberspruch (Lückentext) ergänzt, so dass die entsprechenden Arbeitsgruppen ein Beispiel als Vorlage hatten [5g]. Verwundert blickten sich die Lernenden um, als das Schlagen einer Turmuhr erklang und die Lehrkraft die witching hour ankündigte. Erneut hörten sie konzentriert zu, als die Ergebnisse aus den einzelnen Gruppen präsentiert wurden [2c, 5b], um zu erfahren, welche kreativen Aufgabenlösungen die anderen gefunden hatten [9c, 11c]. Interessant im Hin‐ blick auf die Entwicklung des Sprachbewusstseins ist der folgende Dialog, der sich spontan ergab, als ich bei einer Zeichnung ein Schild mit dem Wort *coach für Sofa entdeckte [5h, 5i]: F [auf das Wort zeigend]: What’s this? S [irritiert]: Aber ‘coach’ ist doch ein Reisebus! F: Aha! Look it up! (UB). Die magic spells spiegelten das spezifische Kreativitätspotenzial und sprachliche Kompe‐ tenzniveau der einzelnen Lernenden sehr deutlich [5h, 9c]. Manche bestanden aus ver‐ schiedenen Phantasie- und Reimwörtern, die an Dadagedichte erinnerten, während andere sowohl inhaltlich als auch sprachlich anspruchsvoll waren, wie durch zwei Beispiele ver‐ anschaulicht wird: A big brown bat and a fit fresh frog. A great green goldfish and a small slimy snake. A long, lovely, lion and a realy, red, rabbit. Crash boom bong. 325 6.3 Fallstudie 2: Witches (Klasse 7) This experiment shall be a magic island (Magic spells 1). A bat and a mouse A cat and a louse A spider and a lily Now, don’t be silly huge nice mice Win twice price Don’t get cold But allredy get gold. Ding Dang Dong Live verry long (Magic spells 2). Beide Texte belegen, dass Lernende der 7. Klasse sehr wohl Freude an Gedichten haben und nach nur etwa zwei Jahren Englischunterricht bereits in der Lage sind, eigene komplexe Gedichte mit Reim, Rhythmus und Alliterationen in der Fremdsprache zu verfassen, ins‐ besondere wenn die Aufgabe nicht allein auf sprachliche Korrektheit abzielt [5c, 5 g, 5h]. Bezeichnend war auch die Szene, als eine Gruppe mit verstellten Stimmen ihren Zauber‐ spruch einübte [5d, 10b], um ihn möglichst gekonnt vortragen zu können [11b], und zum Schluss in ein entspanntes Gelächter ausbrach. Sie hatte ganz offensichtlich Spaß an ihrer Aufgabe [4b, 4c, 4d, 4f]. Als sich die Klasse mit einsetzender Musik wieder zum Stuhlkreis versammelte und der Erzählung der Lehrkraft zuhörte, unterlegten einzelne Lernende das Gehörte erneut mit passenden Gesten oder Geräuschen [8a, 10b]. Dies trug nicht nur zur situationsspezifischen Atmosphäre bei, sondern spiegelte zugleich, dass die Passage verstanden wurde und sich Hörverstehensfragen, wie sie typisch für den Fremdsprachenunterricht sind, erübrigten [5b]. Gemeinsam wurden Ideen für einen möglichen „Zauberunfall“ gesammelt [2e, 8a]. Da der Klasse jedoch nichts Spektakuläres einfiel, stellte die Lehrkraft die Aufgabe, bis zur nächsten Stunde weitere Ideen auf dem Poster zu sammeln, was sich als sinnvolle und motivierende Hausaufgabe erwies. Schon kurz nach Stundenende war zu beobachten, wie zwei Mädchen die Liste ergänzten [8c, 9c]. In der gemeinsamen Reflexionsphase (UR F+L) kamen wir zu dem Schluss, dass die Dop‐ pelstunde in vielerlei Hinsicht positiv verlaufen war. Auf Grund der Tatsache, dass die Lehrkraft die einzelnen Abschnitte der Geschichte langsamer vorgetragen hatte, konnte sich auch die entsprechende Atmosphäre besser entfalten und man spürte förmlich die Spannung im Raum: alle wollten wissen, wie es weiterging [2c]. Auf der anderen Seite waren mittlerweile sowohl die Lehrkraft als auch die Lernenden mit der anfangs unge‐ wohnten Situation vertraut und konnten sich viel besser auf die Geschichte und die vielen Details aus den eigenen Beiträgen einlassen [2a, 2b, 2e], die regelmäßig für Gelächter sorgten [4b, 4c]. Es schien auch kaum mehr ein Problem zu sein, dass manche schneller oder langsamer arbeiteten [1d], weil bekannt war, dass sich der Fries und seine Bestandteile in einem ständigen Prozess befinden und jederzeit überarbeitet bzw. ergänzt werden können. Folglich wurde der Fries sowohl in Arbeitspausen als auch zu Recherchezwecken zunehmend mehr konsultiert, um neben inhaltlichen Details auch Begriffe in den wordbanks nachzuschauen [7c, 12b, 12d]. 326 6 Forschungsfokus Klassenzimmer Die Klasse schien auch heute wieder motiviert bei der Sache zu sein [2c, 3a, 4a] und freute sich offenbar darüber, wie sich ihr Klassenzimmer allmählich verwandelte [12f]. Mir selbst wurde bewusst, dass mit nur wenigen Utensilien ein Klassenraum ansprechend ge‐ staltet werden kann und plötzlich in den „Besitz“ der Lernenden übergeht (ownership) (UR F) [6d]. Was uns besonders auffiel, waren die kreativen Zaubersprüche [5g, 5h], denn in diesem Bereich hatten wir die Lernenden vermutlich unterschätzt (UR F+L). Auch war es in dieser Doppelstunde wesentlich leiser im Raum [1e], was bedeutete, dass die Regeln zur Gruppenarbeit ihre Wirkung zeigten und die teamleaders ihren Auftrag erfolgreich aus‐ führten [6c, 8c]. Andererseits hing die reduzierte Lautstärke vermutlich auch mit der Auf‐ gabenstellung zusammen [9a], zumal in dieser Episode weniger gebastelt, dafür jedoch mehr geschrieben wurde und sich die Lernenden offenbar daran gewöhnt hatten, die Schreibarbeiten untereinander aufzuteilen: Ideen sammeln, Wörter nachschlagen, diktieren bzw. schreiben, Texte austauschen und korrigieren (peer correction) [5c, 6c]. Positiv wurde auch nach Ansicht der Lehrkraft die Szene mit der Glaskugel aufge‐ nommen, als sich fast alle relativ leicht in die Situation des gemeinsamen Rollenspieles begaben [2a, 10b]. Was uns dabei erstaunte, war die Feststellung, dass die Szene spontan und ernsthaft mitgespielt [5g] und nebenbei das will-future geübt wurde [5f], ohne dass dieser Übungsprozess bewusst wahrgenommen wurde. Der Großteil der Klasse verwendete automatisch die korrekte grammatische Form (noticing), während manche auch ein Subs‐ tantiv an die Stelle des Verbs einsetzten, beispielsweise “I see a ...“ statt “You will get ...“ [5h, 5i]. Diese Variante war natürlich inhaltlich und sprachlich korrekt und wurde somit ak‐ zeptiert. Hier zeigte sich uns eine weitere Möglichkeit der Differenzierung je nach Leis‐ tungsstand. Darüber hinaus tauchten natürlich auch einige Fehler auf, die von der Lehrkraft gesammelt bzw. sofort kommentiert wurden, wenn sie häufig auftraten oder besonders schwerwiegend waren. Nach dem Austausch einzelner organisatorischer Verbesserungsvorschläge konnte fest‐ gehalten werden, dass die Doppelstunde sowohl bei mir als auch der Lehrkraft einen po‐ sitiven Eindruck hinterlassen hatte. Ein verstecktes Kompliment erhielten wir über Um‐ wege durch eine Parallelklasse. Diese hatte die Lehrkraft gefragt, warum sie mit ihnen nicht auch „so was“ machte. Offenbar hatte sich mittlerweile an der Schule herumgesprochen, was sich im Klassenzimmer der 7. Klasse abspielte ... Die Fortsetzung des Projekts fand zwei Tage später statt und erneut wurden wir vor Unterrichtsbeginn mehrfach gefragt, ob wir auch wirklich zwei Stunden eingeplant hätten. Die Resonanz auf die zustimmende Antwort äußerte sich in einem erfreuten „Jaaa! ! ! “ (UB) [4a, 4b]. Während der Raum vorbereitet wurde, sah ich, wie zwei Gruppen interessiert in ihren Bildwörterbüchern schmökerten [7c], obwohl der Unterricht noch gar nicht offiziell begonnen hatte. Die Lehrkraft begann mit einem informativen Einstieg, um die Handlung in Erinnerung zu rufen, und kündigte sogleich das Ende der Geschichte an. Danach wurde über die Vor‐ schläge für einen unvorhersehbaren „Zauberunfall“ abgestimmt, die auf dem entsprechen‐ den Poster gesammelt und mittlerweile ergänzt worden waren [8a]. Man einigte sich auf einen plötzlich auftauchenden angry ghost, gefolgt von einem so genannten witcheater [9c]. Schließlich trug die Lehrkraft den nächsten Teil der Geschichte vor und kündigte die di‐ versen Besuchergruppen an, die über die Vorkommnisse Bericht erstatten wollten bzw. 327 6.3 Fallstudie 2: Witches (Klasse 7) 8 Dieser Satzteil war auf dem Arbeitsblatt als Starthilfe vorgegeben, ebenso der Name der Zeitung, Schreiblinien und Platz für ein Foto. Die Gruppen sollten zudem eine ansprechende Überschrift wählen. sollten. Während niemand Interesse an einem Polizeibericht äußerte, entschieden sich gleich zwei Gruppen für das Fernsehteam und drei Gruppen für die Zeitschriftenreportage, so dass zunächst verhandelt wurde, wie verfahren werden sollte [9e]. Schließlich einigte man sich darauf, dass Aufgaben von verschiedenen Gruppen bearbeitet bzw. auch innerhalb der Gruppen noch einmal aufgeteilt werden konnten, damit möglichst alle zufrieden und aktiv involviert waren [8b]. Ferner teilte die Lehrkraft mit, dass zur nächsten Stunde eine 9. Klasse zu Besuch käme, der das Projekt vorgestellt werden sollte, woraufhin die Ler‐ nenden sich motiviert an die Arbeit machten (UB) [11b]. Die Gruppen zogen sich an selbst ausgewählte Lernorte zurück [9d], um ungestört ihre Texte, Tonaufnahmen oder „Film‐ aufzeichnungen“ (Rollenspiel) anzufertigen [9c]. Während wir je nach Bedarf die Gruppen betreuten, konnte ich wieder beobachten, wie engagiert die Schülerinnen und Schüler an ihren Aufgaben arbeiteten [4b, 8c] und auf welch hohem Niveau sie die Ergebnisse ansiedelten [11b]: Die Produkte sollten offenbar nicht nur ansprechend gestaltet und souverän präsentiert werden, sondern auch sprachlich von guter Qualität sein [7d]. Entsprechend häufig wurde der Fries aufgesucht und intensiv als Lernmedium bzw. Informationsquelle genutzt, wenn es beispielsweise darum ging, einzelne Adressen ausfindig zu machen oder in den wordbanks nach spezifischen Begriffen zu re‐ cherchieren [7c, 12b, 12d]. So war in den Texten ersichtlich, dass selbst ausgefallene Wörter wie cauldron oder spell integriert wurden [5e]. Interessanterweise hatte ein Junge auch den Begriff unkempt hair benutzt [5i] und damit die Lehrkraft verblüfft. Wiederholt wurde dem Pausenzeichen keine Aufmerksamkeit geschenkt [8c, 11b] und mehrfach vernahm ich, wie Lernende ihre Gruppe daran erinnerten, Englisch zu sprechen [5d, 6c]. Schließlich wurde von der Lehrkraft eine fiktive Pressekonferenz einberufen, um die vorläufigen Arbeitsergebnisse zu besprechen. Interessant war für alle, wie die einzelnen Aufgabenstellungen interpretiert (task interpretation) und ausgeführt wurden (task execu‐ tion) [2c, 9c]. So hatte sich mittlerweile auch die Filmgruppe dafür entschieden, neben dem Interview mit Starwitch, einen Tanz vorzuführen [9e, 10c], der intensiv einstudiert wurde [8c, 11b], wohingegen die Radiogruppe verschiedene Partygäste interviewt hatte [2d, 5d] und sichtlich stolz auf das Ergebnis war [4f]. Auch die Texte der anderen Gruppen waren individuell und in Schönschrift angefertigt [7d, 11b]. Wie die beiden nachfolgenden Bei‐ spiele belegen, hatten die Lernenden nicht nur jeweils eine Zusammenfassung der Ge‐ schichte angefertigt [5c, 5g], sondern die Handlung auch kreativ weiterentwickelt, also neue Details erfunden und in die Geschichte kohärent eingefügt [2b, 2e]: THE WIZARD TIMES A strange thing at angry eye Written by our reporters 8 [Namen von zwei Jungen] It was on the 25 th December. In this night it was starwitches Birthday. She were 1000 jears old. She had a big party with 5 other witches. They mixed a drink because they wanted to have an island for her. But out of the pot came an angry ghost. At this time the policecar drove in the street and saw the ghost. This night was a long and a frightening night because the ghost flow over the 328 6 Forschungsfokus Klassenzimmer 9 Auf dem Arbeitsblatt war der Einleitungssatz und eine Layoutmaske als Orientierungshilfe vorge‐ geben. peoples and cilled someone. The Magician Magazine, the radio, the TV and her friends were there and wanted to have a report (The Wizard Times 1). NATIONAL MAGICIAN MAGAZINE A terrible party with surprise Written by our reporters 9 [Namen von drei Mädchen] On 25 th December, 94 at 12.00 o’clock. Fife witches came to Starwitches party. They gave presents to Starwitch and witch Doris bring a crystal ball. Starwitchs special wish was a magic island. They put ingetrients in the cauldron and say some spells. In the cauldron were: snails, old hand, a half head, nose, cow dung, church, ... There was a big lighting and than came a angry ghost out. The ghost eat all animals. The witches do magic and the ghost get into a small mous. Now all witches were happy and made a WITCHDANCE (National Magician Magazine). Während der Zeitungsbericht mit einem „Foto“ (Zeichnung) illustriert wurde, zeichneten die sprachlich weniger versierten Verfasserinnen des Zeitschriftenartikels drei begleitende Bilder, welche die Geschichte visuell nacherzählten [7d, 9c, 10a]. Ergänzt wurden die Zeichnungen durch diverse Dekomaterialien [7b], was darauf schließen läßt, dass die Auf‐ gabenstellung den Mädchen viel Freude bereitet hatte [4b, 9b, 9c]. Zudem ermöglichte das Zeichnen, sprachliche Defizite zu kompensieren und dennoch an der Geschichte teilzu‐ haben [2e, 9e]. Kurz vor Unterrichtsende wurde die bevorstehende Präsentation für die 9. Klasse be‐ sprochen und ein Programm entworfen [8b]. Als Hausaufgabe konnten die einzelnen Pro‐ dukte überarbeitet oder ergänzt werden, wenn dies erforderlich schien. Viele Schülerinnen und Schüler wirkten beim Abschied erfüllt und mit sich zufrieden [4a, 4f], und das auch berechtigt, denn sie hatten mit viel Einsatzfreude beachtliche Werke zustande gebracht [8c]. Aus Zeitgründen konnte an diesem Tag keine gemeinsame Reflexion mit der Lehrkraft stattfinden. Ich selbst hatte den Eindruck, dass die Lernenden jetzt gegen Ende der Storyline viel mehr in der Lage waren, eigenständig und selbstverantwortlich zu arbeiten, als dies zu Projektbeginn der Fall gewesen war [8c]. Sie brachten jetzt viel stärker ihre eigenen Ideen und spezifischen Bedürfnisse ein [8a, 8b]. In diesem Zusammenhang zeigte sich, dass die Mädchen offenbar gerne Texte schrieben und diese aufwändig verzierten [5c, 7d], während sich auffallend viele Jungen als kinästhetische Lerner entpuppten und sich lieber bewegten, gerne tanzten oder bastelten (UR F) [10a, 10c, 10d]. Auch die Klassenorganisation funktionierte in meinen Augen besser [6c, 8b, 8c] und lag nicht mehr allein in den Händen der Lehrkraft, welche nun zunehmend in den Hintergrund treten konnte. Hier wurde ersichtlich, dass selbstverantwortliches Lernen keine Fiktion sein muss, sondern durch Geduld, Anleitung und entsprechende Freiräume realisiert und kon‐ kretisiert werden kann. Storyline-Projekte bieten dafür in meinen Augen eine gute Trai‐ ningsplattform. Vier Tage später wurde das Storyline-Projekt abgeschlossen und der 9. Klasse vorgestellt. Zuvor sollte die Projektpräsentation in Form einer Generalprobe noch einmal geübt 329 6.3 Fallstudie 2: Witches (Klasse 7) werden. Beim Betreten des Klassenzimmers stellten wir fest, dass eine der sechs Gruppen unaufgefordert in langen Gewändern und Hexenmasken erschienen war, um ihren einstu‐ dierten Tanz in möglichst authentischer Verkleidung darzubieten [7b, 8a, 8b]. Außerdem hatte die Gruppe Musik sowie einige Orffinstrumente mitgebracht, die den Tanz unter‐ malen sollten [10c]. Einige Lernende hatten magic cookies gebacken [9e, 10d], die den Gästen zur Begrüßung überreicht werden sollten. Nachdem der Raum entsprechend ge‐ staltet und der Ablauf an der Tafel festgehalten war, konnten sich die Gruppen individuell auf die Präsentation vorbereiten. Mit großem Eifer übten mehr als die Hälfte der Lernenden ihre Beiträge selbst in der großen Pause ein [8c]. Details wurden bedacht, verschiedene Präsentationstechniken geübt, die Tänze bis zur Erschöpfung einstudiert und sprachliche Unsicherheiten abgeklärt [8d, 11b]. Die Generalprobe verlief reibungslos und ich staunte, wie gut sich die Schülerinnen und Schüler vorbereitet hatten, um beim Publikum einen positiven Eindruck zu hinterlassen [11a, 11b]. Eine Schülerin, die sich durch einen relativ hohen Leistungsstand auszeichnete, übernahm die Moderation und kündigte jeden Beitrag kurz an, so dass der rote Faden des Projekts auch für Außenstehende erkennbar wurde [5d, 5 g, 9e]. Ein Schüler, der mir bis dahin kaum aufgefallen war, hatte sich spontan bereit erklärt, anhand der Friesprodukte die einzelnen Etappen des Projekts zu erläutern [5d, 5 g, 9e]. Diesen Part erledigte er sou‐ verän und ohne Textvorlage, so dass sich selbst die Klasse beeindruckt zeigte und auf‐ merksam zuhörte [5b, 11d]. Die Lehrkraft gab noch einige Tipps und bat auch die Klasse um Verbesserungsvorschläge. Als die 9. Klasse mit ihrer Lehrkraft eintraf, machte sich bei der 7. Klasse Nervosität bemerkbar, die sich auch auf die Qualität der Beiträge auswirkte: Der Schüler, der das Pro‐ jekt vorstellen wollte und in der Generalprobe selbstsicher und konzentriert gewirkt hatte, vergaß plötzlich wichtige Details. Einzelne Passagen waren leider schwer verständlich, weil der Junge oft mit dem Rücken zum Publikum stand und außerdem einige sprachliche Fehler machte. Dennoch war sein etwa dreiminütiger freier Vortrag noch immer eine beachtliche Leistung, zumal er einen anderen Wortlaut als in der Generalprobe hatte, also von dem Schüler relativ spontan erarbeitet wurde [5d, 5g]. Auch die beiden Tänze gelangen gut [10c]. Doch zwei Mädchen, die einen Zeitungsbericht vorlesen wollten, verhaspelten sich vor Aufregung mehrfach [5d] und die beiden Mädchen, die in Verkleidung das Interview mit Starwitch nachspielen wollten [10b], kicherten nervös und brachten sich dadurch selbst aus dem Konzept. Die 7. Klasse beobachtete die Gäste sehr gespannt und versuchte an deren Reaktionen abzulesen, wie sie die Präsentation einschätzten. Diese schienen in meinen Augen durchaus beeindruckt von den Projektergebnissen, lächelten und applaudierten gelegentlich, was darauf hindeutet, dass sie den Vorträgen zuhörten und sie auch verstanden, wohingegen die Gastgeberklasse kritisch jeden Schritt der etwa 20-minütigen Präsentation verfolgte und bei sprachlichen Fehlern oder Sprechhemmungen ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler zum Teil verschämt reagierte [5i, 8d]. Im Vergleich zur Generalprobe war die öffentliche Projektpräsentation deutlich schwächer. Am Ende der Aufführung bedankte sich die Lehr‐ kraft der 9. Klasse für die Einladung, danach verließen die Gäste weitgehend kommentarlos das Klassenzimmer. Dies bedeutete auch zugleich das Ende des Storyline-Projekts. 330 6 Forschungsfokus Klassenzimmer 6.3.6 Das Abschlussgespräch mit der Klasse Direkt im Anschluss an die Projektpräsentation fand eine Reflexion und Evaluation mit den Lernenden statt (KD), die zunächst in der Fremdsprache verlief und später auf Deutsch weitergeführt wurde. Gleich zu Beginn behauptete ein Junge lautstark: “I think they found it boring“ (Video). Viele pflichteten ihm sofort bei, während andere etwas betreten in die Runde blickten [8d]. Als die Lehrkraft nach einer Begründung für den geäußerten Eindruck fragte, meldete sich der Junge, der den Gästen das Projekt erläutert hatte, und sagte sichtlich betrübt: “They looked so“ (Video). Ein Mädchen ergänzte: “They sit here and looked“ (Video) [4g]. Die Lehrkraft teilte nach den Gefühlsäußerungen, Beobachtungen und Meinungen der Lernenden schließlich ihre eigenen Eindrücke mit. Auch sie schien enttäuscht von manchen Ergebnissen, zumal die Generalprobe erfolgreich verlaufen war. Dennoch lobte sie auch einzelne Schülerinnen und Schüler für ihre Leistungen, während sie andere dafür kritisierte, dass sie sich zu wenig eingebracht oder ständig gekichert hatten. In meinen Ohren klang ihre Kritik stellenweise etwas harsch, denn die meisten Lernenden hatten sich tatsächlich viel Mühe gegeben. Am Ende herrschte eine betretene Stille und ich fand es schade, dass das Projekt mit diesem Negativerlebnis abgeschlossen wurde. Offenbar hatte die Klasse extrem hohe Erwartungen an ihre Präsentation und das Pub‐ likum gehabt, die nicht erfüllt wurden [11a]: Tagelang hatte man sich intensiv und enga‐ giert mit dem Projekt beschäftigt und sich schließlich konzentriert und aufwändig vorbe‐ reitet [8c], um eine möglichst ansprechende Präsentation bieten zu können [11b], die nach eigenem Bekunden viel zu schnell vorüber war. Alle hatten sich auf diese Aufführung ge‐ freut und jetzt konnte keiner der Gäste ihre Begeisterung teilen oder ihre Arbeit erkennbar wertschätzen. So etwa lautete das Fazit der Schülerinnen und Schüler [8d]. In meinen Augen wurden die unbefriedigenden Präsentationserfahrungen plötzlich auf das gesamte Projekt übertragen und verstellten nun den Blick auf das Gesamterlebnis. Im Nachhinein kristallisierten sich zwei Problempunkte heraus, die eigentlich vermeidbar ge‐ wesen wären und bei zukünftigen Projekten bedacht werden sollten: Es war nicht sinnvoll, für die Endpräsentation eine 9. Klasse einzuladen, da der Entwicklungsvorsprung zu groß war. Lernende dieser Altersstufe zeigen ihre Emotionen nicht mehr so deutlich und spontan, wie dies von der 7. Klasse erwartet wurde. Auch die Sitzordnung schien mir nicht vorteil‐ haft, zumal sich die beiden Klassen frontal gegenübersaßen und sich somit ständig im Blickfeld hatten. Vielleicht wäre es auch sinnvoll gewesen, das Publikum auf irgendeine Weise aktiv einzubeziehen, um das Eis zu brechen. Denkbar wäre eine kurze Diskussion oder eine abschließende Führung durch das Klassenzimmer gewesen (UR F). Doch auch wenn die Gäste eher regungslos schienen und ihre Bewunderung nicht explizit zum Aus‐ druck brachten, war zu erkennen, dass sie den Präsentationen aufmerksam zuhörten, ge‐ legentlich sogar lächelten und regelmäßig applaudierten. Als Ablehnung kann dies aus meiner Sicht nicht interpretiert werden. Dennoch zeigte diese Erfahrung, dass das Präsen‐ tieren intensiv angeleitet und trainiert werden muss. 331 6.3 Fallstudie 2: Witches (Klasse 7) 6.3.7 Die schriftliche Befragung der Lernenden Die SABS fand einen Tag nach Abschluss des Storyline-Projekts statt. Da ich kurzfristig verhindert war, wurde ersatzweise eine Referendarin damit beauftragt, der Klasse den Fra‐ gebogen auszuteilen und entsprechend zu erläutern (vgl. Anhang A). Im Nachhinein stellte sich heraus, dass einige Schülerinnen und Schüler ihre Fragebögen offenbar nicht immer in Einzelarbeit, sondern phasenweise im Team bearbeitet hatten, was für eine aussagekräf‐ tige quantitative Auswertung mit Schwierigkeiten verbunden ist. Betroffen sind hier ins‐ besondere zwei Gruppen: die Mädchen mit den Fragebogenziffern 1, 6, 7, 12 und 14 sowie die Jungen mit den Fragebogenziffern 22-25, deren Antworten stellenweise auffallend ähn‐ lich bzw. teilweise sogar identisch sind. Als Alternative wäre allerdings nur geblieben, die Befragung zu verschieben und sie erst nach den Weihnachtsferien durchzuführen. Dies wäre jedoch hinsichtlich der Verlässlichkeit der Daten sehr viel problematischer gewesen. Auch der Einfluss der Präsentation vor der 9. Klasse ist in den Ergebnissen deutlich er‐ kennbar. So wurde das Projekt bei der schriftlichen Befragung mehrfach als „kindisch“ oder „langweilig“ beschrieben, obwohl dieser Eindruck während der Projektdurchführung zu keiner Zeit entstanden war und auch von den Beteiligten nie verbalisiert wurde. An der Befragung nahmen insgesamt 27 Lernende teil, und zwar 14 Mädchen und 13 Jungen. Im Gegensatz zur Klasse 6 wies diese Klasse eine relativ homogene Altersstruktur auf, auch wenn manche Mädchen reifer wirkten als ihre Mitschüler. Eintrag im Fragebogen Anzahl der Nennungen Mädchen Jungen 12 Jahre alt 11 5 6 13 Jahre alt 16 9 7 Gesamtzahl der Befragten (= n) 27 14 13 Tab. 16: Frage 1: Alter und Geschlecht der Befragten Wie aus der Tabelle ersichtlich ist, waren ungefähr zwei Drittel der Mädchen bereits 13 Jahre alt, wohingegen die Jungen etwa zu gleichen Teilen 12 bzw. 13 Jahre alt waren. Einige gaben ihr Alter ganz exakt an, z. B. „12 ½“ (S1) oder „12 ¾“ (S16), was einen Hinweis darauf gibt, dass sich die Lernenden in einem sensiblen Alter befanden und manche möglicher‐ weise genau aus diesem Grund das Storyline-Thema im Nachhinein als kindisch oder lang‐ weilig abgewertet hatten, obwohl sie zuvor mit viel Engagement und Freude involviert waren. Auf die Frage, was den Lernenden bei Witches am besten gefallen hat (Frage 2), wurde ähnlich wie in Klasse 6 eine relativ große Anzahl und Bandbreite an Antworten gegeben, nämlich 61 Nennungen, verteilt auf 21 verschiedene Kriterien. Bemerkenswert ist, dass vor allem die Mädchen sehr mitteilsam schienen, deren 37 Nennungen fast 61 % der Gesamt‐ nennungen ausmachen. Mit Abstand am häufigsten wurde auch in dieser Klasse die Grup‐ penarbeit bzw. das kooperative Arbeiten im Team genannt, gefolgt von der praktischen kreativen Arbeit. Auffallend ist, dass nur 1 Schülerin das Projekt für uneingeschränkt po‐ sitiv befand (Ziffer 11), während dies in Klasse 6 noch bei 5 bzw. 6 Lernenden der Fall 332 6 Forschungsfokus Klassenzimmer gewesen war. Diese Veränderung hängt sicher mit dem altersbedingt höheren Abstrakti‐ onsvermögen der 7. Klasse zusammen. Zu erwähnen ist, dass die Antworten bei der be‐ sagten Mädchengruppe (Fragebögen 1, 6, 7, 12, 14) teilweise ähnlich und bei einigen Jungen (Fragebögen 22-24) sogar wortwörtlich gleich waren: Auffälligkeiten beziehen sich bei den Mädchen auf die Aspekte „Gruppenarbeit“ (Ziffer 1), „Hausaufgaben“ (Ziffer 3) bzw. „phan‐ tasievolles Arbeiten“ (Ziffer 4), während die 3 Jungen unisono das Basteln der Hexe (Ziffer 2) erwähnten. Eintrag im Fragebogen Anzahl der Nen‐ nungen Kategorien 1) Gruppenarbeit bzw. Arbeiten in Gruppen 15 6a 2) Basteln (allgemein; Hexe; Geschenke; Haus) 9 10a 3) keine Hausaufgaben 8 4e 4) es war phantasievoll 4 3a, 9c 5) Dinge selbst ausdenken; Phantasie und eigene Ideen einbringen; phantasievoll gestalten 4 2e, 8a, 9c 6) Arbeitsteilung in der Gruppe 2 6c 7) Gemeinschaftsgefühl in der Gruppe; „es lässt sich besser arbeiten“ 2 6d 8) der Radioreport 2 5d, 7d, 9b, 9c 9) der Tanz 2 8a, 9c, 10c 10) kein Unterricht bzw. kein strenger Unterricht 2 4b, 4c 11) alles 1 4a 12) Spaß und Lernen verbinden 1 4b, 4f 13) man konnte eigene Talente zeigen 1 8a 14) das Erfinden der Geschichte 1 2e 15) den Hexen verrückte Namen geben 1 2d 16) das Verkleiden 1 2d, 7b, 9c, 10b 17) aufstehen dürfen statt nur stillsitzen müssen 1 9d 18) einzelne Projekte vorstellen 1 11a 19) mit Musik 1 10c 20) nichts schreiben müssen 1 5c 21) gefilmt werden 1 7f, 11a Gesamtzahl der Nennungen 61 Tab. 17: Frage 2: „Was hat dir bei dem Projekt ‘The Witches‘ am besten gefallen? “ 333 6.3 Fallstudie 2: Witches (Klasse 7) Betrachtend man die Ergebnisse im Detail, dann fällt nicht nur sofort auf, dass über die Hälfte der Klasse, nämlich 15 von 27 Lernenden (56 %), das Arbeiten in Gruppen als beson‐ ders positives Erlebnis empfand, sondern auch, dass dieser Aspekt von beiden Geschlech‐ tergruppen bevorzugt genannt wurde, nämlich von 10 Mädchen (71 % aller Mädchen) und 5 Jungen (38 % aller Jungen). Ergänzt man diese Antworten um die Angaben bei Ziffer 6 und 7, die von manchen der 15 Lernenden noch als zusätzliche Erläuterung bzw. weitere Begründung angegeben wurden, so kommt man zu dem Schluss, dass für die befragte Klasse das gemeinschaftliche Lernen und Arbeiten in einer learning community eine große Rolle spielte, denn mit insgesamt 19 von 61 Nennungen (31 %) macht dieser Aspekt auch in dieser Klasse einen beachtlichen Anteil der Antworten aus, obwohl die Lernenden laut Lehrkraft mit Gruppenarbeit vertraut waren, so dass der Neuigkeitswert der Sozialform nicht so sehr zu Buche schlagen sollte, wie dies möglicherweise bei der 6. Klasse der Fall war. Überraschend ist auch die Tatsache, dass über 33 % der Befragten das Basteln und prak‐ tische Arbeiten für positiv befanden und dass dieses Merkmal bevorzugt von den männli‐ chen Lernenden (39 % der befragten Jungen) genannt wurde (Ziffer 2). Dieses Ergebnis scheint zunächst etwas ungewöhnlich, wird jedoch durch meine Beobachtungen unter‐ stützt. In eine ähnliche Richtung weisen auch die 4 Nennungen bei Ziffer 5, die sich auf das Stichwort „Gestalten“ beziehen. Sie geben auch Aufschluss darüber, wie unerwartet hoch das imaginative Arbeiten eingeschätzt wurde. Berücksichtigt man noch die Antworten aus Ziffer 4, dann kommt man auf insgesamt 8 Lernende (30 %), die das phantasievolle Gestalten explizit als positives Merkmal hervorhoben. Auffallend sind dabei wiederum die Geschlech‐ terunterschiede, denn bevorzugt genannt wurde dieser Aspekt von 7 Mädchen (50 % der befragten Mädchen). Interessant ist zudem, dass 8 Lernende (30 %) den Verzicht auf Hausaufgaben als ein besonders positives Projektmerkmal darstellten (Ziffer 3), obwohl sie sehr wohl Hausauf‐ gaben ausführten, und zwar weitgehend in Eigenregie: z. B. Ideen für einen Zwischenfall sammeln, Musik und Verkleidung auswählen, die Schlusspräsentation üben oder Plätzchen backen. Selbst gewählte Hausaufgaben scheinen in diesem Zusammenhang eine andere Bedeutung zu bekommen: Sie werden nicht als lästige Pflicht, sondern als unverzichtbare Notwendigkeit betrachtet. Genauso erstaunlich klingt die Aussage eines Jungen, der es als positiv bewertete, dass man angeblich nichts schreiben musste (Ziffer 20), obwohl die Ler‐ nenden mehrere verschiedene Texte schrieben: Biographien, Tagesabläufe bzw. Beschrei‐ bungen der Räume, Einladungen und Antwortbriefe, Zaubersprüche, Zeitungsartikel und vieles mehr. In einer sinnstiftenden Rahmenhandlung mit vielfältigen, sinnerfüllten Auf‐ gabenstellungen scheinen folglich auch die allgemein unbeliebten Schreibaufträge einen anderen Stellenwert zu bekommen. Unterricht wird dann nicht mehr als solcher wahrge‐ nommen (Ziffer 10), weil Lernen plötzlich Spaß und Sinn macht und nicht mit Zwängen verbunden ist. Direkt zum Story-Format äußerten sich nur 3 Schülerinnen (Ziffer 14-16). Dies ist ent‐ gegen meiner Erwartungen eine relativ geringe Anzahl, allerdings ist davon auszugehen, dass sich auch die 8 Nennungen bei Ziffer 4 und 5 auf die Inhaltsebene des Projekts beziehen, zumal sie in beiden Fällen auf das Phantasiepotenzial hinweisen. Folglich wurden Aspekte des kreativen und kollaborativen storymaking von insgesamt 11 Lernenden entweder ex‐ 334 6 Forschungsfokus Klassenzimmer plizit oder implizit genannt. Auffallend ist dabei eine geschlechtsspezifische Tendenz: 10 der 11 Äußerungen (91 %) stammen nämlich von Mädchen. Wichtige Hinweise für die Gestaltung attraktiver Aufgabenstellungen geben die Ant‐ worten bei Ziffer 8 und 9: Jeweils 2 Jungen bewerteten den Radiobericht bzw. den Tanz als positive Erfahrung. Hervorzuheben ist dabei, dass die beiden Tänze nicht nur mehrheitlich von Jungen konzipiert, sondern hier auch von Jungen als positiv bewertet wurden, obwohl Vertreter des männlichen Geschlechts meist eher nicht für das Tanzen zu gewinnen sind. Insgesamt betrachtet weisen die Äußerungen der Lernenden darauf hin, dass auf Grund der vielfältigen Aufgabenstellungen sowohl diverse Lernertypen als auch multiple Intelli‐ genzen berücksichtigt wurden, was bedeutet, dass im Rahmen des Storyline-Projekts nicht nur vielseitige komplexe Lernprozesse gefördert wurden, sondern auch Raum für ganz in‐ dividuelle Lernprodukte zur Verfügung gestellt wurde. Die Negativkritik an dem Storyline-Projekt Witches (Frage 3) fällt relativ eindeutig aus und ist kompatibel mit den Aussagen der Lernenden im Abschlussgespräch (vgl. Kapitel 6.3.6): der Besuch der 9. Klasse war offenbar ein echter Motivationskiller. Fast alle weiteren Kritikpunkte beziehen sich auf das zentrale Problem, dass zur Projektpräsentation die fal‐ sche Altersgruppe eingeladen worden war. Eine Schülerin brachte die Sache auf den Punkt: „Ich fands nicht so gut, daß die 9b kam. Sonst war alles super“ (S11). Auffallend ist, dass manche bereits Verbesserungsvorschläge einbrachten, obwohl überhaupt nicht danach ge‐ fragt wurde (Ziffer 5). Dies belegt, dass sich die Lernenden sehr wohl Gedanken um „ihr“ Projekt und dessen Gelingen machten bzw. versuchten, mit ihrer Enttäuschung konstruktiv umzugehen. Eintrag im Fragebogen Anzahl der Nen‐ nungen Kategorien 1) Besuch der 9. Klasse; Präsentation für 9. Klasse 10 5d 2) es war (ein bisschen) kindisch 9 3a 3) es war (etwas) zu laut 6 1e 4) schlechte Zusammenarbeit in der Gruppe 3 6c 5) man sollte ein anderes Thema wählen 3 3a 6) Lied war kindisch 2 10c 7) es war ein bisschen langweilig 2 3a 8) zu wenig Zeit bzw. Gelegenheit zum Basteln 2 1d, 10a 9) passive 9. Klasse; fehlende Anerkennung 2 11d 10) Thema ist für Jüngere geeignet 1 3a 11) Thema gefiel nicht 1 3a 12) die Gruppenarbeit 1 6a 13) Ausfall des ITG-Unterrichts 1 1d 335 6.3 Fallstudie 2: Witches (Klasse 7) Gesamtzahl der Nennungen 43 Tab. 18: Frage 3: „Was hast du nicht so gut gefunden? “ Hauptkritikpunkt war eindeutig der Besuch der 9. Klasse, deren passives Verhalten offenbar so schlecht ankam, dass viele Lernende das Projekt im Nachhinein als unbefriedigend be‐ werteten, obwohl dieser Eindruck während der Projektdurchführung nie entstanden war und auch Fotos oder Videoaufnahmen keine entsprechenden Hinweise geben. Addiert man die Nennungen bei Ziffer 1 und 9, dann äußerten sich diesbezüglich 8 Mädchen und 4 Jungen kritisch (44 % der Lernenden). Verständlich wird die Abwertung durch die Aussage einer Schülerin, der es nicht gefiel, dass „wir es diesen 9. Klässlern vorgeführt haben, denn sie [haben] voll nichts kappiert. Wir haben uns mühe gegeben und die haben nur gelangweilt geschaut“ (S9). Manche gaben als weitere Begründung an, dass das Thema ungeeignet bzw. nicht al‐ tersgerecht gewählt war, obwohl sich vorher nie jemand entsprechend bemerkbar gemacht hatte. Zählt man allein die Nennungen, die sich auf die ungeeignete Themenwahl oder den Inhalt beziehen, zusammen (Ziffer 2, 5, 6, 7, 10 und 11), dann erhält man insgesamt 18 ablehnende Äußerungen (42 % der Nennungen). Hätte man also im Vorfeld das Projekt‐ thema und die Auswahl der Gäste besser mit der Klasse abgestimmt, dann wären die Er‐ gebnisse bei dieser Frage sicher positiver ausgefallen. Fazit: Anerkennung ist nicht nur ein grundlegendes menschliches Bedürfnis, sondern auch ein zentrales Element beim Lernen (vgl. Kapitel 4). Erwähnenswert ist noch die Kritik an dem zu hohen Lärmpegel mit 6 Nennungen (Ziffer 3), wobei dieses Problem bei zukünftigen Projekten behoben werden kann. Dasselbe gilt für die nicht immer als positiv empfundene Gruppenarbeit mit 4 Nennungen (Ziffer 4 und 12). Frage 4 sollte noch mehr Aufschluss über mögliche Schwachpunkte des Projekts geben und die Lernenden zu Verbesserungsvorschlägen anregen. Hier zeigte sich jedoch, dass die Ansichten sehr breit gefächert waren und sich kein eindeutiger „Ausreißer“ ausmachen ließ, wie dies zuvor der Fall gewesen war. Nur 4 der 27 Befragten (15 %) äußerten keine Negativkritik. Eintrag im Fragebogen Anzahl der Nen‐ nungen Kategorien 1) ein anderes Thema wählen 4 3a 2) nicht so viel schreiben 4 5c, 9a 3) mehr spielen 4 10b 4) als Theateraufführung konzipieren 2 10b, 11a 5) mehr Musik bzw. mehr Lieder 2 10c 336 6 Forschungsfokus Klassenzimmer 6) bessere Zusammenarbeit in der Gruppe; bessere Verteilung der Arbeiten 2 6c 7) weniger basteln 2 10a 8) noch mehr basteln 1 10a 9) bessere Verteilung der Arbeitsmaterialien in der Gruppe; (nicht alle brachten Material mit) 1 6c 10) mehr Zeit für einzelne Aufgaben 1 1d 11) ausführlicher machen 1 1d 12) vielleicht etwas lustiger gestalten 1 3a, 4b 13) etwas mehr Spannung einbringen 1 2c 14) „Lautstärkenregler“ 1 1e Gesamtzahl der Nennungen 27 Tab. 19: Frage 4: „Was hat dir gefehlt? Was könnte man besser machen? “ Erstaunlich ist die breite Vielfalt der Nennungen. Dabei handelt es sich in meinen Augen nicht um wirklich gravierende oder konzeptionelle Probleme, die dem Storyline Approach anzulasten sind, sondern vielmehr um situations- oder personenspezifische Eindrücke bzw. Vorlieben. Interessant ist, dass sich manche Lernende sehr wohl bewusst darüber waren, welchen Beitrag sie selbst leisten könnten, um den Lernerfolg zu erhöhen (Ziffer 6, 9 und 14). Als aufschlussreich empfand ich die folgende Äußerung einer Schülerin: „Es wäre doch toll (für andere besser zu kapieren) wenn man statt so viel Text u.s.w. das alles nachgespielt hätte! Ich meine die ‘Magic Witch Night’“ (S10). Diese kreative Idee (Ziffer 4) ist sicher realisierbar und würde bei den Gästen zu einem besseren Verständnis des Projekts bei‐ tragen. Mit Hilfe von Frage 5 sollte ermittelt werden, ob die Klasse gerne noch länger an dem Projekt gearbeitet hätte. Grundsätzlich fielen die Ergebnisse im Vergleich zur 6. Klasse we‐ niger eindeutig aus. Zwar befürwortete auch in diesem Fall der Großteil der 27 Befragten die Weiterarbeit, jedoch sprachen sich 8 Lernende explizit gegen eine Projektverlängerung aus. Eintrag im Fragebogen Anzahl der Nen‐ nungen Kategorien 1) ja, noch (ca.) 2-3 Wochen 4 4a 2) ja, bis zum Halbjahr 3 4a 3) ja, noch ca. 2 Wochen 3 4a 4) ja, noch (ca.) 3 Wochen 2 4a 337 6.3 Fallstudie 2: Witches (Klasse 7) 5) ja, bis zum 8. Schuljahr 1 4a 6) ja, min. 2, max. 4 Monate 1 4a 7) ja, noch 1-2 Monate 1 4a 8) ja, noch 1 Woche 1 4a 9) ja, aber mit anderem bzw. altersgerechtem Thema 2 3a, 4a 10) ja, aber mit etwas mehr Spannung 1 2c, 4a Gesamtzahl der befürwortenden Nennungen 19 11) nein, weil es (etwas) kindisch war 2 3a 12) nein, „ich fand es (etwas) langweilig und kindisch“ 2 3a 13) nein, „wäre langweilig geworden“ bzw. „wurde so langsam lang‐ weilig“ 2 2c, 3a 14) nein, „es hat mir nicht gefallen“ 1 4a 15) nein (ohne Begründung) 1 4a Gesamtzahl der ablehnenden Nennungen 8 Gesamtzahl der Nennungen 27 Tab. 20: Frage 5: „Hättest du gerne noch länger an dem Projekt ‘The Witches‘ gearbeitet? Wenn ja, wie lange? Wenn nein, warum nicht? “ Insgesamt 9 Mädchen und 10 Jungen (70 % der Lernenden) äußerten sich positiv bezüglich einer möglichen Weiterarbeit und gaben dabei ganz unterschiedliche Zeitspannen an, wobei sich das Gros mit insgesamt 9 Nennungen, also exakt ein Drittel der Klasse, auf etwa 2-3 Wochen festlegte (Ziffer 1, 3 und 4), was eine Verlängerung um weit mehr als das Doppelte bedeuten würde und somit erneut den Schluss nahelegt, dass die Projektdurchführung doch als motivierend empfunden wurde. Auffallend sind die Angaben in Ziffer 2 und 5, die auf eine extrem große Begeisterung und Zustimmung der Befragten schließen lassen. Interessant ist, dass sich 3 Befragte grundsätzlich eine Weiterarbeit vorstellen konnten, diese jedoch mit diversen Auflagen verknüpften (Ziffer 9 und 10). Erfreulicherweise wurde mehrfach ganz explizit hervorgehoben, dass man gerne noch weitergearbeitet hätte, weil das Projekt beispielsweise Spaß (S20) bzw. „sehr viel Spaß“ (S10) gemacht habe, obwohl bei der bejahenden Antwort nicht nach einer Begründung gefragt wurde. Insgesamt 5 Mädchen und 3 Jungen (30 % der Befragten) lehnten dagegen eine Weiter‐ arbeit ab, wobei nur 1 Schülerin (S3) eine klare Abneigung gegen das Projekt äußerte (Ziffer 14). 4 Mädchen begründeten ihre ablehnende Haltung erneut damit, dass sie das Thema als ungeeignet empfanden (Ziffer 11 und 12). Einen markanten Kontrast zu den bisherigen Aussagen der 7. Klasse bildeten die Ant‐ worten bei Frage 7, wo es um die gewünschte Häufigkeit von Storyline-Projekten ging. 338 6 Forschungsfokus Klassenzimmer Über diese Fragestellung sollte aufgedeckt werden, ob Storyline-Projekte grundsätzlich zur längerfristigen Motivation der Lernenden beitragen können. Die Ergebnisse tragen meines Erachtens zur weiteren Erhellung bei. Eintrag im Fragebogen Anzahl der Nen‐ nungen Kategorien 1) ja, (ungefähr) 2-3 Mal im Jahr 5 4a 2) ja, 5 Mal im Jahr 3 4a 3) ja, (ca.) 4 Mal im Jahr bzw. 2 Mal im Halbjahr 3 4a 4) ja, (ca.) 3 Mal im Jahr 3 4a 5) ja, 2 Mal im Jahr 2 4a 6) ja, immer bzw. etwa 4 Mal im Jahr 1 4a 7) ja, immer bzw. etwa 2-3 Mal im Jahr 1 4a 8) ja, 6-10 Mal im Jahr 1 4a 9) ja, 6-8 Mal im Jahr 1 4a 10) ja, 6 Mal im Jahr 1 4a 11) ja, 5-6 Mal im Jahr 1 4a 12) ja, 3-4 Mal im Jahr 1 4a 13) ja, 1-2 Mal im Halbjahr 1 4a 14) ja, 3 Mal im Jahr, aber „jugendliche Themen“ 1 3a, 4a 15) ja, mehrmals im Jahr, aber anderes Thema 1 3a, 4a Gesamtzahl der befürwortenden Nennungen 26 16) nein, „sonst gehen die Themen aus“ 1 3a Gesamtzahl der ablehnenden Nennungen 1 Gesamtzahl der Nennungen 27 Tab. 21: Frage 7: „Würdest du gerne öfters so ein Projekt in Gruppen machen? Wenn ja, wie oft im Schuljahr? Wenn nein, warum nicht? “ Obwohl bei Frage 5 insgesamt 8 Lernende mitgeteilt hatten, dass sie keine weitere Pro‐ jektverlängerung wünschten, sprachen sich nun 26 der 27 Befragten (96 %) dafür aus, mehr‐ mals im Schuljahr ein Storyline-Projekt durchführen zu wollen. Dieses eindeutige Ergebnis klingt überraschend. Andererseits zeigt es, dass die Befragten ihre Erfahrungen, auch wenn 339 6.3 Fallstudie 2: Witches (Klasse 7) diese mitunter nicht rundum positiv waren, kritisch reflektiert und evaluiert haben. In ihren Augen scheint der Storyline Approach offenbar ein motivierendes Konzept für das Eng‐ lischlernen darzustellen, zumal alle - bis auf eine Ausnahme - vorschlugen, mindestens zwei Projekte im Schuljahr durchzuführen. Interessant sind die zum Teil stark divergierenden Angaben hinsichtlich der ge‐ wünschten Häufigkeit, wobei dennoch eine klare Tendenz erkennbar ist: Insgesamt 18 Be‐ fragte (67 %) schlagen etwa 2-4 Projekte pro Schuljahr vor (Ziffer 1, 3-7, 12-14). Diese Anzahl stellt in meinen Augen eine realistische Einschätzung dar und bezeugt noch einmal, dass das Storyline-Modell von den Lernenden für gut und sinnvoll befunden wurde. Selbst Ler‐ nende, die zuvor eine Weiterarbeit an Witches abgelehnt hatten, weil sie dies angeblich als „etwas kindisch“ empfanden (z. B. S6 und S12), schlugen nun vor, 3 Mal bzw. mehrmals im Schuljahr ein Storyline-Projekt durchzuführen, wobei sie die Auflage machten, dass ein altersgerechtes Thema gewählt wird (Ziffer 14 und 15). Dieser einschränkende Zusatz be‐ legt, dass die Lernenden sehr wohl zwischen Unterrichtsinhalt und Unterrichtsmethode unterscheiden können. Einige Lernende erwähnten ausdrücklich, dass sie in Zukunft „gerne“ (z. B. S12! ) noch weitere Projekte durchführen wollten, oder unterstrichen ihren Wunsch mit Aussagen wie „Klar! “ (S5, S10). Aufschlussreich sind auch die relativierenden Aussagen von 2 Mädchen (S9, S10), die bereits an anderer Stelle durch ihre reflektierten Kommentare aufgefallen sind: „Ich würde es am liebsten die ganze Zeit machen, aber das geht ja nicht, deshalb wurde ich sagen 4 mal im Jahr“ (S9). Selbst Lernende, die zuvor eine Weiterarbeit bei Witches abgelehnt hatten, „weil es zu kindisch war“ (S1) bzw. weil „es kindisch und langweilig“ war (S14), empfahlen nun plötz‐ lich eine große Anzahl, nämlich 5-6 (S1) oder sogar 6-8 Projekte (S14) pro Schuljahr, was auf den ersten Blick widersprüchlich klingt. Allerdings wird unter Berücksichtigung der Erfahrungen bei der Projektpräsentation schnell klar, wie es zu diesen gegensätzlichen Aussagen kommt. Fazit: Wenn sich 26 von 27 Befragten (96 %) eindeutig für weitere Storyline-Projekte im Englischunterricht aussprechen, dann kann davon ausgegangen werden, dass diese spezi‐ fische Lern- und Arbeitsweise von den Schülerinnen und Schülern als sinnvoll und län‐ gerfristig motivierend empfunden wird, selbst wenn im konkreten Fall einige - vermeidbare - Schwachpunkte wie die Wahl des Themas und des Publikums moniert wurden. Auf die Ergebnisse bei Frage 8, die sich auf Themenvorschläge für zukünftige Story‐ line-Projekte bezieht, soll an dieser Stelle nicht im Detail eingegangen werden: Nur 3 Jungen (S15, S17, S27) hatten keine Vorstellungen, alle anderen äußerten mindestens einen Vor‐ schlag. An erster Stelle standen jugendspezifische Themen wie „Drogen“, „Freundschaft“, „Disco“, „moderne Musik“ und „London“, es wurden aber auch ausgefallenere Empfeh‐ lungen wie „Umwelt“, „Weihnachten“ oder „die Griechen“ genannt. Die breite Palette an Themen belegt, dass die Lernenden tatsächlich konkrete Ideen für einen motivierenden Englischunterricht haben. Die Frage nach dem Lernerfolg (Frage 6) brachte auch in dieser Klasse interessante und auffallend deckungsgleiche Ergebnisse zutage. Obwohl es sich hier um ein vollkommen anders konzipiertes Projekt als The Farm handelte, vermerkten die Befragten auch in diesem Fall vornehmlich zwei bestimmte Dinge: neue Wörter und Gruppenarbeit. Etwas überra‐ 340 6 Forschungsfokus Klassenzimmer schend war für mich, dass die Ergebnisse so eindeutig und zugleich ähnlich wie bei Klasse 6 ausfielen. Besonders erfreulich ist dabei, dass wirklich alle Lernenden über einen Lern‐ fortschritt berichten konnten, auch wenn sich die Merkmale von Fall zu Fall unterschieden bzw. mehr oder weniger ausführlich dargestellt wurden. So konnten offenbar selbst dieje‐ nigen, die sich bei Frage 3-5 kritisch über das Storyline-Projekt geäußert hatten und deshalb nicht für eine Weiterführung von Witches zu gewinnen waren, einen konkreten Lerngewinn verbuchen. Eintrag im Fragebogen Anzahl der Nen‐ nungen Kategorien 1) Vokabeln; neue Wörter (allgemein) 17 5e 2) Gruppenarbeit; Zusammenarbeit in Gruppe bzw. in Klasse; Ar‐ beitsteilung 16 6a, 6c 3) Englisch sprechen (in Gruppe); mehr Sprechen; „flüssiges“ Eng‐ lisch sprechen 5 5d, 5i 4) besseres Englisch bzw. viel Englisch 2 5i 5) Spaß am Englischlernen 1 4b 6) wie man Zeitungsberichte schreibt 1 5c, 5 g, 7d 7) etwas über Hexen 1 3b 8) andere und ihre Ideen zu akzeptieren 1 6c 9) dass man auch alleine arbeiten kann 1 4g 10) dass es Ungerechtigkeiten gibt 1 6c 11) „wir haben Doris kennengelernt“ 1 4c Gesamtzahl der Nennungen 47 Tab. 22: Frage 6: „Was hast du in diesem Projekt gelernt? “ Ähnlich wie in Klasse 6 wurde bei dieser Frage (abgesehen von Frage 2 mit 61 Nennungen) die größte Menge an Antworten geliefert, die sich jeweils zur Hälfte auf die beiden Ge‐ schlechter verteilten. Die auffallende Fülle an Antworten bei den beiden Fragen belegt, dass sich die Lernenden nicht nur über das Motivationspotenzial des Storyline-Projekts bewusst waren, sondern dass sie auch spontan ihren persönlichen Lernfortschritt reflektieren und verbalisieren konnten. Dabei wird eine große Bandbreite von Lernbereichen abgedeckt, wenngleich offensichtlich ist, dass die Gewichtung der einzelnen Bereiche unterschiedlich ausfällt. Eindeutige Spitzenreiter in Bezug auf den geäußerten Lernerfolg sind unver‐ kennbar der Wortschatzerwerb und die Gruppenarbeit bzw. das kooperative Arbeiten. Zu einem vergleichbaren Ergebnis mit 17 bzw. 18 Nennungen hatte auch die Befragung in der 6. Klasse geführt. 341 6.3 Fallstudie 2: Witches (Klasse 7) Auffallend ist, dass die Antworten meist stichwortartig ausfielen und dennoch relativ klar auf den Punkt gebracht wurden, so dass sie leicht zugeordnet und interpretiert werden konnten. Ausschmückende Attribute oder Details wurden nur selten verwendet, so dass die Aussage eines Schülers, er habe „mündliche Vokabeln“ gelernt (S26), eher eine Aus‐ nahme darstellt. Ein anderer Schüler behauptete, er habe mehr englische Vokabeln „als im Unterricht“ gelernt (S27). Hier wäre es natürlich interessant gewesen, noch weiter nach‐ zuhaken, was er unter „Unterricht“ versteht. Die Angaben bei Ziffer 9 und 10 stammen von S19, der trotz ungünstiger Gruppendynamik einen Lerngewinn für sich verbuchen konnte. Mindestens 5 Lernende haben durch das Storyline-Projekt ihre Sprechkompetenz und mündliche Kommunikation verbessert (Ziffer 3), wobei 1 Junge das flüssigere Sprechen auf die „Vorstellungen“ zurückführte (S24) und 1 Mädchen sogar explizit darauf verwies, dass sie durch das Projekt gelernt habe, „in der Gruppe“ Englisch zu sprechen (S5). Wenn Ler‐ nende behaupten: „Ich finde man hat viel ENGLISH gelernt, und viel lieber wie im Unter‐ richt“ (S10), dann scheint das Storyline-Modell eine gelungene Kombination von Lernen und Motivation zu verkörpern. 6.3.8 Das Abschlussgespräch mit der Lehrkraft Das AIL fand in der ersten Woche nach den Weihnachtsferien statt. Bei diesem Termin wurden die wichtigsten Projekterfahrungen noch einmal zusammengefasst und reflektiert. Außerdem wurden die Ergebnisse der schriftlichen Befragung besprochen sowie einige Verbesserungsvorschläge für zukünftige Storyline-Projekte formuliert. Da die einzelnen Unterrichtsreflexionen immer relativ zeitnah stattgefunden hatten und eventuelle Auffäl‐ ligkeiten oder Fragestellungen sofort an Ort und Stelle thematisiert wurden, verlief das AIL relativ offen und informell. Um Redundanzen mit den vorherigen Kapiteln zu vermeiden, werden im Folgenden nur einige Punkte aufgeführt, die ein besonderes Augenmerk ver‐ dienen. Als beeindruckend empfand die Lehrkraft die gute Gruppenarbeit [6a, 6c] sowie die intensive und eigenständige Lexikonarbeit [7c] der Lernenden. Hervorgehoben wurden auch Beiträge einzelner Schüler und Schülerinnen, die teilweise beachtliche Leistungen erbracht hatten [8c, 11b], wie etwa der Junge, der in der Schlusspräsentation das Projekt quasi aus dem Handgelenk beschrieb [5d, 5 g, 11a], oder die Tanzgruppe, die ihre Choreo‐ graphie selbstständig mit Kostümen und Musik professionell abrundete [7b, 8a, 9c, 10c]. Positiv fand die Lehrkraft zudem, dass sich durch die vielfältigen Differenzierungsmög‐ lichkeiten selbst schwache Lernende produktiv an dem Storyline-Projekt beteiligen konnten [8a, 9e] und es somit wirklich zu einem Gemeinschaftsprojekt wurde, für das sich die ganze Klasse verantwortlich zeigte [6d]. Während die Lehrkraft zu Beginn des Storyline-Projekts noch über den ungewohnt hohen Lärmpegel im Klassenzimmer geklagt hatte, vertrat sie jetzt die Meinung, dass sich die Lautstärke im Laufe der Zeit erheblich reduziert habe [1e]. Diesen Erfolg führte sie auf die kurzen Reflexions- und Evaluationsgespräche zurück [8d] und die gemeinsam gesam‐ melten Verhaltensregeln für produktive Gruppenarbeit (z. B. “hands up means silence“) [6c]. Bedauert wurde von uns, dass die Fragebögen zum Teil im Team ausgefüllt wurden. Auch die Lehrkraft zeigte sich erstaunt darüber, dass das Storyline-Projekt in der SABS mehrfach 342 6 Forschungsfokus Klassenzimmer als „zu kindisch“ bzw. „langweilig“ [3a] bewertet wurde, und sie deutete die Abwertung dahingehend, dass den Lernenden die Präsentation vor der um 2 Jahre älteren Klasse schlicht und einfach peinlich gewesen war und sie ein positives Feedback vermissten [11d]. Sie betonte noch einmal, dass der Klasse das Projekt gut gefallen habe [4a] und dies von den Lernenden auch im Nachhinein mündlich bestätigt wurde. Wir kamen zu dem Schluss, dass bei zukünftigen Projekten das Thema auf jeden Fall mit der Klasse abgesprochen werden sollte. Möglich wäre auch, dass die Klasse bereits zu Schuljahresbeginn - eventuell mit Hilfe des Schulbuchs - einzelne Themen, die sich für ein Storyline-Projekt eignen, vor‐ schlägt. Die Lehrkraft gestand, dass sie das Projekt mit den vielseitigen Differenzierungsmög‐ lichkeiten und den entsprechenden Vorbereitungsarbeiten phasenweise als sehr komplex und somit anstrengend empfunden hatte. Im konkreten Fall kam noch hinzu, dass der ge‐ wählte Zeitpunkt kurz vor Weihnachten etwas ungünstig war und durch die bevorste‐ henden Feiertage ein gewisser Zeitdruck entstand [1d]. Im Rahmen einer Projektwoche wäre es sicher leichter, ein Storyline-Projekt durchzuführen, zumal dann auch die Frage nach der Organisation des Stundenplans wegfallen würde und man insgesamt flexibler und entspannter arbeiten könnte. Für die Lehrkraft stellte sich schließlich auch die Frage nach einer sinnvollen Wort‐ schatzarbeit und einer systematischen Fehlerkorrektur, um auf der Ebene des Fremdspra‐ chenlernens einen nachhaltigen Lernerfolg zu gewährleisten. Bei zukünftigen Story‐ line-Projekten sollte meines Erachtens verstärkt darauf geachtet werden, dass häufig gebrauchte Vokabeln, die quasi zum festen Bestand der Klassenkommunikation gehören, auch korrekt ausgesprochen werden. Die Fehlerkorrektur sollte in meinen Augen jedoch mit Bedacht erfolgen und keineswegs im Vordergrund stehen. So kann beispielsweise das kooperative Schreiben noch optimiert werden, indem die Lernenden ihre Texte regelmäßig untereinander austauschen und überprüfen (peer correction), bevor sie der Klassenöffent‐ lichkeit zugänglich gemacht werden. Allerdings sollte grundsätzlich akzeptiert werden, dass Arbeitsergebnisse bei komplexen inhaltsorientierten Aufgaben immer mit mehr Feh‐ lern versehen sein werden, als dies bei eindimensionalen Sprachübungen der Fall ist, so dass allein schon aus Motivationsgründen eine angemessene Fehlertoleranz angestrebt werden sollte (fluency before accuracy). Im Übrigen können Arbeitsblätter, Notizblätter, individuelle Hausaufgaben und zusätz‐ liche Materialien wie Vokabellisten, Liedtexte, Rezepte usw., die nicht unbedingt am Fries ausgestellt werden, in persönlichen Schnellheftern gesammelt werden. Dies scheint auch insofern sinnvoll, als die Lernenden nach Abschluss des Storyline-Projekts ihre diversen Arbeiten abheften könnten, so dass sie am Ende ein ansprechendes Portfolio erhalten, wel‐ ches mitunter auch im Rahmen der Leistungsbewertung berücksichtigt werden könnte. Immerhin wurde von Seiten der Lernenden mehrfach beklagt [8d], dass die offenbar für gut befundenen Arbeitsergebnisse nicht entsprechend benotet wurden (UB) [4f]. Alles in allem war die Lehrkraft mit der Projektdurchführung und den Ergebnissen je‐ doch zufrieden und zeigte sich interessiert daran, bald ein weiteres Storyline-Projekt mit der 7. Klasse zu realisieren, um auf den gemachten Erfahrungen aufzubauen. 343 6.3 Fallstudie 2: Witches (Klasse 7) 6.3.9 Fazit Auch wenn die im Rahmen der SABS geäußerten Ansichten der Lernenden ein unvollstän‐ diges und zum Teil widersprüchliches Bild von der Implementierung der Storyline Witches wiedergeben, kann das Projekt unter Berücksichtigung aller Daten dennoch als positiv bezeichnet werden. Überraschend ist dabei die Tatsache, dass die Ergebnisse weitgehend in einer Linie mit den Erkenntnissen aus dem ersten Pilotprojekt liegen, obwohl es sich hier um ein gänzlich anderes Thema, eine andere Klasse, eine andere Altersstufe, eine andere Lehrkraft und eine andere Schule handelte. Die im Vergleich zu The Farm etwas längere und komplexere Storyline wurde zügig in‐ nerhalb von anderthalb Wochen durchgeführt. Diese relativ kurze und kompakte Projekt‐ phase erwies sich erneut als vorteilhaft. Beeindruckend war die entspannte Atmosphäre, die bemerkenswerte Schaffenskraft, der hohe Anspruch an die eigenen Leistungen sowie die häufig geäußerte Neugier hinsichtlich des weiteren Verlaufs. Auf Grund der Tatsache, dass die Lernenden bei Witches noch mehr Gelegenheiten zum differenzierten Arbeiten erhielten, als dies bei The Farm der Fall gewesen war, und sie phasenweise je nach Interesse ganz unterschiedliche Aufgaben auswählen und bearbeiten konnten (choice), entstanden immer wieder Informationslücken (information gap), was zur authentischen und mittei‐ lungsbezogenen Kommunikation anregte. Darüber hinaus zeigte sich, dass selbst bei ein und derselben Aufgabenstellung ganz unterschiedliche und äußerst individuelle Ergebnisse entstehen können, vorausgesetzt man gewährt den Lernenden entsprechende Freiräume und Mitbestimmungsmöglichkeiten. Die Lernenden wiesen während der gesamten Projektdurchführung nicht nur ein aus‐ geprägtes Mitteilungsbedürfnis auf, sondern verfolgten auch stets mit Interesse und er‐ kennbarer Wertschätzung die Beiträge ihrer Klassenmitglieder. Immer wieder entwickelten sie vielfältige kreative Ideen und gestalteten phantasievolle Ergebnisse, die demonstrierten, dass verschiedene Sinne, Lernertypen und Intelligenzen angesprochen und somit auch die heterogenen Voraussetzungen und Bedürfnisse der Lernenden berücksichtigt wurden. Da‐ rüber hinaus erbrachten sie zum Teil auch erstaunliche fremdsprachliche Leistungen, und zwar auf ganz unterschiedlichen Ebenen: So wurde nicht nur der themenspezifische Wort‐ schatz durch die integrative und teilweise selbstständige Vokabelarbeit regelmäßig reakti‐ viert und erweitert, sondern auch diverse grammatische Formen in verschiedenen Kon‐ texten aktiv und produktiv angewandt, ohne dass es explizit um “grammar exercises“ ging. Auf diese Weise konnten auch verschiedene Dimensionen der Sprachproduktion (fluency, accuracy, complexity) verbessert werden. Insgesamt wurden im Rahmen des collaborative storymaking eine Vielfalt an fremdspra‐ chenbezogenen Fertigkeiten und Kompetenzen zweckgebunden praktiziert und kontinu‐ ierlich verfeinert, ohne dass dies den Lernenden als „Übung“ bewusst gemacht bzw. von ihnen als solches empfunden wurde. Zusätzlich wurden jedoch auch zahlreiche fachunab‐ hängige Kompetenzen sowie allgemeine Lerntechniken und Denkstrategien (thinking skills) positiv beeinflusst. Im Kontext der Medienerziehung beschäftigten sich die Ler‐ nenden mit diversen Individualmedien (z. B. Brief) und Massenmedien (z. B. Zeitungsar‐ tikel), produzierten vielerlei eigene Medienprodukte (z. B. Collage, Radioreportage) und realisierten im Rahmen ihrer jeweiligen Aufgabenlösungen verschiedene Ausdrucks- und Darstellungsformen (z. B. Rollenspiel, Tanz, Zeichnung), so dass durch die handlungsori‐ 344 6 Forschungsfokus Klassenzimmer entierte Vorgehensweise auch die Medienkompetenz in unterschiedlichen Bereichen ver‐ bessert werden konnte (vgl. Kapitel 1.6.2.1). Auffallend war, dass die Klassenorganisation zunehmend besser funktionierte und die Lehrkraft immer mehr Verantwortung an die Lernenden abgeben konnte: Diese brachten gegen Ende des Storyline-Projekts viel stärker ihre Ideen, Begabungen und Bedürfnisse ein, als dies noch zu Beginn oder etwa in der 6. Klasse der Fall gewesen war. Von entscheidender Bedeutung waren sicher die integrativen und regelmäßig wiederkehrenden Reflexionsbzw. Evaluationsgespräche, die gemeinsam formulierten Gruppenregeln sowie die zur Ent‐ lastung der Lehrkraft eingesetzten teamleaders. Alle drei Elemente trugen meines Erachtens zur Förderung des eigenverantwortlichen Lernens und selbstständigen Arbeitens bei, wobei natürlich die diversen Präsentationen auch in dieser Klasse einen erheblichen Einfluss auf die Qualität und Quantität der Lernprodukte hatten. Die zusätzlich erstellten Arbeitsblätter für besonders schnelle Lernende wurden indes kaum benötigt, denn die Schülerinnen und Schüler warteten nicht ab, bis die Lehrkraft einen neuen Arbeitsauftrag erteilte, sondern beschäftigten sich zunehmend selbstständig mit einer sinnvollen projektbezogenen Auf‐ gabe. Die soziale Interaktion und der Erwerb von sozialen Kompetenzen stand auch in dieser Klasse eindeutig im Vordergrund: Gruppenarbeit wurde von den Lernenden nicht nur mehrheitlich präferiert und als besonders motivierend empfunden, sondern sie wurde laut SABS zugleich auch optimiert. Dieser Aspekt wurde - wie in Klasse 6 - bevorzugt von den Schülerinnen genannt, was erneut den Schluss nahelegt, dass Mädchen gerne in einer learn‐ ing community arbeiten und durch das Storyline-Projekt profitierten. Erstaunlich ist zudem, dass neben der Verbesserung des kooperativen Arbeitens - genau wie in Klasse 6 - auch der Wortschatzerwerb als herausragender Lerngewinn aufgeführt wurde. Besonders lehrreich war für mich die Erkenntnis, welchen Einfluss emotionale und af‐ fektive Faktoren auf das Lernen haben können: Der Besuch der 9. Klasse wurde vielfach als Bruch erlebt und die Schlusspräsentation von vielen als unbefriedigend und enttäuschend empfunden. Dies führte teilweise sogar zu einer Uminterpretierung der zuvor gemachten positiven Erfahrungen und zu einer Abwertung der eigenen Leistungen. Moniert wurde schließlich auch mehrfach (UB), dass für die Mitarbeit und die Texte keine Noten vergeben wurden, was darauf schließen lässt, dass die (meisten) Lernenden sehr wohl mit ihren Er‐ gebnissen zufrieden waren und sich deshalb eine entsprechende Anerkennung ihrer Leis‐ tungen gewünscht hatten. Folglich müssen die Daten unbedingt im Zusammenhang be‐ trachtet werden. Andererseits wurde klar, dass Thema und Publikum gemeinsam mit der Klasse ausgewählt werden sollten. Die Anmerkungen der Lehrkraft im AIL zu ihrem eigenen Lehrverhalten belegten wie‐ derum, dass die Storyline-Arbeit für Neulinge komplex ist und neben der gründlichen Vor‐ bereitung auf die einzelnen Episoden auch viel Präsenz und Konzentration auf die diversen Unterrichtsaspekte abverlangt. Aus diesem Grund scheinen konkrete praktische Story‐ line-Erfahrungen (learning by doing) eine unverzichtbare Voraussetzung für die gewinn‐ bringende Realisierung der Projekte zu sein. Die Beobachtungen, Erfahrungen und Hin‐ weise aus diesem noch relativ frühen Stadium der Untersuchungen flossen auch in meine Überlegungen zur Entwicklung von Storyline-Kursen in der Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften ein. 345 6.3 Fallstudie 2: Witches (Klasse 7) 10 Vgl. dazu Fehse/ Kocher (1995c). 11 Teilaspekte dieser Studie wurden (stark verkürzt) bereits in Fehse/ Kocher (2000) und Kocher (1999, 213 ff.) veröffentlicht. In der Zusammenschau aller vorliegenden Daten wird klar, dass dieses zweite Projekt nicht nur vielfältige neue Erkenntnisse brachte, sondern auch einige Ergebnisse aus der 6. Klasse bestärkte. Eine Schülerin begründete ihre positive Projektbewertung mit folgenden Worten: „Es hat Spaß gemacht und man hat trotzdem etwas gelernt“ (SABS9, Nr. 2). Diese Aussage weist auf das intensive Zusammenspiel zwischen Motivation und Lernerfolg hin: Schülerinnen und Schüler möchten lernen, aber das Lernen soll eben auch Spaß machen. Storyline-Projekte scheinen nach Ansicht der Lernenden diesen anspruchsvollen Auftrag - auch dauerhaft und längerfristig - erfüllen zu können. 6.4 Fallstudie 3: Kidnapped in Scotland (Klasse 7) 6.4.1 Allgemeine Informationen Die Interviews fand ich gut. Weil man sich in eine andere Rolle versetzt hat und so fernseh-mäßig da saß (Schülerin, 7. Klasse) Da die 7. Klasse nach der Durchführung von Witches vorgeschlagen hatte, bei zukünftigen Storyline-Projekten ein altersgerechteres Thema zu wählen und dabei mehr Spannung ein‐ zuplanen, wurde bei der dritten Studie nun versucht, diesem Wunsch nachzukommen und zugleich einen neuen Storyline-Typus mit landeskundlichem Fokus zu erproben. Des Wei‐ teren wurde bei Kidnapped in Scotland eine sehr viel komplexere Handlungsstruktur mit vielerlei Möglichkeiten der Differenzierung zugrunde gelegt, als dies bei den beiden frü‐ heren Projekten der Fall war. Auf Grund des insgesamt anspruchsvolleren Designs kann dieses Projekt nur von Lernenden und Lehrenden realisiert werden, die bereits konkrete Erfahrungen mit dem Storyline Approach haben und im Unterrichtsalltag mit offenen, au‐ tonomen und projektorientierten Arbeitsweisen gut vertraut sind. Im Rahmen dieser dritten Fallstudie sollten nicht nur Motivation und Lernerfolg der bereits bekannten 7. Klasse untersucht werden, sondern insbesondere auch, wie die Ler‐ nenden die beiden Storyline-Projekte im Vergleich beurteilten und ob Veränderungen hin‐ sichtlich des Ablaufs bzw. des Arbeitsverhaltens erkennbar waren. Sprich: Wirken sich die früheren Storyline-Erfahrungen in irgendeiner Weise auf den Erfolg des Projekts aus? Wie äußern sich die Lernenden dieses Mal zu Inhalt bzw. Methodik? Empfinden sie Kidnapped in Scotland möglicherweise ebenfalls als „kindisch“ bzw. „langweilig“, so dass man unter Umständen schlussfolgern könnte, Storyline-Projekte seien tatsächlich eher für jüngere Lernende geeignet? Ähnlich wie bei den vorangegangenen Studien beobachtete ich während der Projekt‐ durchführung die Klasse, machte möglichst detaillierte Notizen und fertigte Fotografien an. Vom zweiten Tag an wurde das Unterrichtsgeschehen auch mit der Videokamera 10 doku‐ mentiert. Bei Bedarf betreute ich auch dieses Mal einzelne Gruppen bei ihrer Arbeit. 11 346 6 Forschungsfokus Klassenzimmer 12 Zur Basisfassung des Projektentwurfs vgl. Fehse/ Kocher (1995b). 6.4.2 Die Institution und die Lerngruppe Die Realschule und die dort vorherrschenden förderlichen Bedingungen wurden bereits in Kapitel 6.3.2 beschrieben, so dass an dieser Stelle darauf verzichtet wird. Hervorgehoben muss in diesem Zusammenhang jedoch die für die Projektdurchführung günstige Lage des Klassenzimmers im Erdgeschoss des Schulgebäudes: Wenn einzelne Lernende bei Bedarf in der Aula oder auf dem Schulhof arbeiten wollten, um etwa in Ruhe einen Videoclip anzu‐ fertigen, bestand trotzdem zu jeder Zeit direkter Blick- und Sprechkontakt mit der Lehr‐ kraft, so dass diese stets den Überblick über die diversen Aktivitäten behalten konnte. Die 7. Klasse, in der Kidnapped in Scotland am Ende des 3. Lernjahres implementiert wurde, hatte ein halbes Jahr zuvor das Projekt Witches durchgeführt. Dieses Mal konnte die Klasse sogar bei der Themenfindung aktiv mitwirken, indem sie aus einer Reihe von Vorschlägen ein ansprechendes Thema auswählte. Somit war der Klasse zu Projektbeginn bekannt, dass sich dieses zweite Storyline-Projekt auf Schottland beziehen würde. Inhalt‐ liche Details wurden allerdings keine vorweggenommen. 6.4.3 Die Lehrkraft Die Lehrkraft, die das Projekt in der 7. Klasse durchführte, wurde bereits in Kapitel 6.3.3 porträtiert. Kidnapped in Scotland war somit das zweite Storyline-Projekt, das sie aktiv und eigenständig durchführte, so dass sie jetzt von ihren Erfahrungen profitieren, aber mitunter auch gänzlich neue Einsichten gewinnen konnte. An der Projektkonzeption beteiligte sich die Lehrkraft auch dieses Mal nur insofern, als sie die Aufgabenstellungen und Formulierungen mit dem Leistungsniveau ihrer Klasse ab‐ stimmte. Ansonsten verließ sie sich auf meine Vorbereitungen, über die wir uns regelmäßig austauschten. Während der Projektdurchführung brachte die Lehrkraft - wie auch bei Witches - gelegentlich eigene Änderungen ein, die ihr während des Ablaufs spontan ein‐ fielen. 6.4.4 Das Storyline-Projekt Kidnapped in Scotland  12 ist ein Storyline-Projekt mit explizit landeskundlichem Schwer‐ punkt, das sowohl fiktionale als auch realitätsbezogene Aspekte aufweist. Es besteht aus drei Episoden und wurde für vier bis sechs Doppelstunden à 90 Minuten konzipiert. Hierbei handelt es sich um das komplexeste Storyline-Projekt, das im Rahmen dieser Arbeit vorge‐ stellt wird: Schauplatz ist Schottland, wo eine fiktive Verfolgungsjagd stattfindet, an der sich fünf Teilgruppen beteiligen (teenagers, kidnappers, parents, police und journalists). Diese fünf Gruppen arbeiten zwar stets parallel, aber durchgängig an grundverschiedenen Auf‐ gaben, so dass die Schülerinnen und Schüler mit arbeitsteiliger Gruppenarbeit und selbst‐ ständigem Lernen gut vertraut sein sollten. Auf Grund der divergierenden Interessen der fünf involvierten Personengruppen und der damit verbundenen rollenspezifischen Aufgabenstellungen entsteht regelmäßig eine 347 6.4 Fallstudie 3: Kidnapped in Scotland (Klasse 7) Informationslücke (information gap), was der Geschichte Dynamik und Spannung verleiht. So entstehen zahlreiche authentische Kommunikationssituationen, in denen inhaltliche Details und landeskundliche Informationen ausgetauscht werden, um den jeweiligen Auf‐ enthaltsort der entführten teenagers ausfindig zu machen und somit die Handlung voran‐ zutreiben. Den Kern der Storyline bilden die so genannten clues, also diverse Rätsel und verdeckte Hinweise, welche von den kidnappers von verschiedenen Orten aus an die parents geschickt werden und von diesen gelöst werden müssen, um die teenagers aufzuspüren. Unterstützt werden sie dabei von police und journalists. Hierzu stehen diverse Hilfsmittel zur Verfügung: Jede Schülerin und jeder Schüler erhält im Laufe der ersten Episode einen Reader mit ver‐ schiedenen Texten zu geographischen, geschichtlichen und kulturellen Aspekten Schott‐ lands, die aus landeskundlichen Büchern, Reiseführern und authentischen Broschüren ent‐ nommen wurden und den Gruppen zur Recherche dienen. Daneben enthält das 18-seitige Themenheft auch zahlreiche Abbildungen, Landkarten, Hinweise zu Veranstaltungen, ver‐ schiedene Adressen (Sehenswürdigkeiten, Einrichtungen, Hotels, Touristeninformation), aber auch Witze oder Rezepte. Außerdem erhält jede Gruppe ein Wörterbuch sowie einen Prospekt der British Tourist Authority mit zusätzlichen Informationen über Schottland. Auf einem Tisch werden weitere authentische Materialien bereitgestellt: Postkarten, Bildbände, Stoffproben (tartan), einfache Sachbücher, Reisebroschüren und einige Souvenirs aus Schottland. Da die Handlung an zwei verschiedenen Orten spielt, sollten die beiden Großgruppen (Flüchtende und Verfolgende) voneinander abgeschirmt sitzen, um sich bei der rollenspe‐ zifischen Aufgabenbearbeitung nicht gegenseitig zu behindern. Durch Landkarten oder Stellwände kann das Klassenzimmer beispielsweise leicht in zwei Ebenen aufgeteilt werden: Auf der einen Seite sitzen die kidnappers und teenagers, auf der anderen die parents, police und journalists. Bei den Präsentationen versammeln sich jedoch sinnvollerweise stets alle fünf Gruppen. Eine besonders wichtige Rolle spielen bei dieser vielschichtigen Storyline nicht nur die teamleaders, sondern auch die time limits, denn nur wenn sich alle fünf Gruppen an die vereinbarten Regeln und Zeitvorgaben halten und sich auch selbstständig beschäftigen können, bis alle bereit für die Präsentation sind, wird das Projekt für alle Beteiligten ge‐ winnbringend verlaufen. Deshalb werden in regelmäßig integrierten Gesprächsphasen Ar‐ beitsprozesse und -produkte mit der Klasse reflektiert und evaluiert. Außerdem wurden für jede Gruppe projektbegleitende Aufgaben (special tasks) entwickelt, an denen sie selbst‐ ständig arbeiten. Den Auftakt zur 1. Episode bildet ein Plakat, das auf ein Open Air Konzert der bekannten schottischen Popgruppe RUNRIG hinweist. Dieses findet „zur Zeit“ im Londoner Hyde Park statt und wird gerade im „Radio“ (präparierter Tonträger) übertragen. Die (fiktive) Radio‐ sendung wird jedoch mehrfach durch Nachrichten unterbrochen, denn während des Kon‐ zerts wurden angeblich einige Jugendliche entführt. Mittlerweile sind sie in Edinburgh gesichtet worden, außerdem ist bei der Polizei eine Lösegeldforderung eingetroffen. Die Verfolgungsjagd durch Schottland beginnt. Die Klasse teilt sich in die besagten fünf Gruppen mit den spezifischen Rollen auf und die Lernenden wählen jeweils einen schot‐ tischen oder gälischen Namen, um sich eine neue Identität zu geben und in die Geschichte 348 6 Forschungsfokus Klassenzimmer einzutauchen. Anschließend fertigen sie Ausweispapiere bzw. Vermisstmeldungen an, die jeweils mit einem Foto versehen werden. In einer inszenierten Pressekonferenz stellen sich die Personen vor, danach werden die diversen Identitätspapiere am Fries ausgestellt. In diesem Projekt wird also bewusst auf das Herstellen von konkreten Figuren verzichtet. Ein Brief der teenagers trifft bei den parents ein und gibt Anlass, darauf zu reagieren: Die journalists interviewen die besorgten parents, die police erstellen eine Suchanzeige mit Fotos der kidnappers, die kidnappers verfassen ihren ersten clue mit Begleitschreiben, die teenagers machen Einträge in ihre Tagebücher und die parents zeichnen eine Landkarte von Schott‐ land, in die sie fortlaufend die Route der Verfolgungsjagd eintragen, relevante Informa‐ tionen über die Gegend sammeln und die entsprechenden Stationen mit Bildern aus den bereitgestellten Prospekten illustrieren. Hier bietet sich den Gruppen die Möglichkeit, eine Vielzahl von verschiedenen Texten und Textsorten zu produzieren, zu präsentieren und am Fries zu veröffentlichen. Ferner erhalten die Lernenden den besagten Reader ausgehändigt, aus dem sie eigenverantwortlich jeweils zwei bis drei Themenschwerpunkte wählen und als Hausaufgabe vorbereiten, so dass in der Folge jeder Gruppentisch mit einem Experten‐ team besetzt ist. Episode 2 beginnt damit, dass ein Brief der kidnappers eintrifft, der den ersten clue enthält. Aufgabe der parents, police und journalists ist es nun, das gestellte Rätsel zu lösen und somit den Aufenthaltsort der teenagers und kidnappers ausfindig zu machen. In der Zwischenzeit „reisen“ kidnappers und teenagers jedoch weiter und verschicken wieder neue clues mit Begleitbriefen. In einer fiktiven Pressekonferenz werden die ersten „Fahndungsergebnisse“ vorgestellt und landeskundliche Informationen über den Aufenthaltsort der Gesuchten ge‐ sammelt. Danach wird ein weiterer Brief der kidnappers an die parents übergeben, um an‐ schließend den neuen Aufenthaltsort der teenagers zu erraten. Zwischenzeitlich erhalten die Gesuchten den Auftrag, eine „Fernsehsendung“ mit einem Aufruf an die parents vor‐ zubereiten: Teenagers und kidnappers üben ein Rollenspiel, das einen neuen clue enthält, ein und zeichnen die Szene mit der Videokamera auf. Die beiden Gruppen arbeiten eigen‐ ständig, während die Lehrkraft die anderen Gruppen betreut, denn mittlerweile sind Briefe der teenagers aus Glasgow eingetroffen, die erneut eine verschlüsselte Ortsbeschreibung enthalten. Nachdem der gesuchte Ort mit Hilfe des Readers und der authentischen Materialien erraten wurde, präsentiert die Lehrkraft - im Sinne eines kurzen landeskundlichen Lehr‐ gangs - einige Fotos von Glasgow. Die Lernenden bringen dabei ihr Wissen aus den Infor‐ mationsmaterialien ein, beschreiben die gezeigten Bilder und ordnen diese zu. Danach er‐ folgt wieder der Einstieg in die story. Sobald der Videoclip fertiggestellt ist, wird er im (fiktiven) Fernsehen „gesendet“. Anschließend wird der verschlüsselt dargestellte Ort ana‐ lysiert und ausfindig gemacht. In Episode 3 werden die kidnappers von der police gefasst und somit findet die Storyline ein natürliches Ende. Eine Pressekonferenz wird angekündigt, zu der alle Beteiligten ein‐ geladen und zu ihren Erlebnissen befragt werden sollen. Jede Gruppe bereitet eine Liste von Fragen an die anderen Gruppen vor, die teenagers stellen ihre Reiseerlebnisse zu‐ sammen, um schlüssig Bericht erstatten zu können, und die kidnappers denken sich einen (möglichst witzigen) Grund für die Entführung aus. Außerdem werden einige journalists in die Handhabung der Videokamera eingeführt, so dass sie die Pressekonferenz selbstständig 349 6.4 Fallstudie 3: Kidnapped in Scotland (Klasse 7) aufnehmen und später im „Fernsehen“ senden können. Zuvor üben die verschiedenen Gruppen ihre (fiktiven) Fernsehauftritte ein, um bei den Aufnahmen möglichst authentisch zu wirken: Sitzordnung, Körperhaltung, Mimik, Gestik sowie Redebeiträge. Die Storyline endet mit besagter Pressekonferenz, die in Form eines Rollenspiels präsen‐ tiert und auf Video aufgenommen wird. Die Videoaufzeichnung kann später auch als Eva‐ luationshilfe für fremdsprachliche und gruppendynamische Lernprozesse sowie als Beitrag zur reflektierten Medienerziehung dienen. 6.4.5 Der Unterrichtsverlauf: Beobachtungen und Reflexion Kidnapped in Scotland wurde kurz vor Schuljahresende in vier Doppelstunden durchge‐ führt. Da die Rollen und die damit verbundenen Aufgaben mehr oder weniger anspruchsvoll waren, wurde die Klasse bereits im Vorfeld in fünf Gruppen mit jeweils unterschiedlichem Leistungsprofil aufgeteilt, ohne dabei jedoch Angaben zur späteren Rollenübernahme zu machen. Die Lehrkraft achtete darauf, dass die jeweiligen Gruppen eine harmonische Struktur aufwiesen und den an sie gestellten Anforderungen gerecht werden würden. Dass die Lernenden dem neuen Storyline-Projekt gegenüber aufgeschlossen waren, zeigte sich schon gleich zu Beginn: Das Klassenzimmer war entsprechend vorbereitet und die ge‐ wünschten Passbilder lagen parat [1b, 8c]. Auch war die Spannung, mit der die Lernenden den Einstieg in die Geschichte erwarteten, deutlich spürbar [2c]. Die erste Doppelstunde begann mit der Ausstrahlung des fiktiven Rockkonzerts. Obwohl wir zunächst befürchtet hatten, dass die von einer Australierin gesprochenen Nachrich‐ tenmeldungen sprachlich zu anspruchsvoll sein könnten, stellte sich im anschließenden Gespräch schnell heraus, dass die schottische Gruppe bzw. deren Musik den meisten Ler‐ nenden bekannt war und die Radiomeldungen korrekt zusammengefasst werden konnten [5b]. Der Einstieg in die story war somit gelungen. Als besonders motivierend empfanden die Lernenden, dass sie einen schottischen oder gälischen Namen auswählen [3c] und dabei jeweils eine eigene Rolle übernehmen konnten [2d, 4b]. Folglich verbrachten sie viel Zeit damit, sich einen außergewöhnlichen Vor- und Zunamen auszudenken und gleichzeitig auch Verwandtschaftsbeziehungen (Eltern, Ge‐ schwister usw.) aufzubauen [2e, 9c]. Auffallend war, dass Mädchen und Jungen offenbar keinerlei Probleme damit hatten, in Rollen des jeweils anderen Geschlechts hineinzu‐ schlüpfen, denn die meisten sprachen sich sehr bald mit ihrem neuen Namen an bzw. rea‐ gierten bei Ansprache prompt darauf. Unterstützt wurde die rasche Identifikation mit der neuen Rolle durch das Anfertigen von Namensschildern und rollenspezifischen Ausweis‐ papieren mit authentischen Fotos [5c, 10a]. Hier zeigte sich, dass zwei- oder dreidimensi‐ onale Collagefiguren als Identifikationsobjekte, wie sie das ursprüngliche Storyline-Kon‐ zept vorsieht, problemlos durch andere Formen der Visualisierung und Konkretisierung ersetzt werden können. Die Lernenden stellten ihre Ausweispapiere bzw. Personenbeschreibungen mit erkenn‐ barem Engagement und Einfallsreichtum her [4b, 9c], um anschließend möglichst indivi‐ duelle, originelle, optisch ansprechende und authentische Ergebnisse präsentieren zu können [8a, 11b]: Da die Angaben in den einzelnen Texten schlüssig sein sollten (z. B. Eltern und Kinder haben dieselbe Adresse, Polizisten arbeiten in derselben Dienststelle usw.), 350 6 Forschungsfokus Klassenzimmer 13 Auf dem jeweiligen Arbeitsblatt waren die Überschrift, die kursiv gedruckten Begriffe sowie eine Layoutmaske mit Schreiblinien und Raum für ein Foto als Orientierungshilfe vorgegeben. Die Texte der Lernenden werden hier - wie auch zuvor - unkorrigiert abgedruckt. kommunizierten sie unentwegt miteinander, um die Inhalte untereinander abzustimmen [2b, 5d, 5 g, 6c]. Ein Junge fragte mich beispielsweise nach der Vorwahlnummer von Edin‐ burgh. Als ich vorschlug, einfach irgendeine Nummer zu erfinden, beharrte er darauf, in seinen (fiktiven) Ausweis nur die „echte“ Nummer einzutragen, so dass eine intensive Re‐ cherche nach „seiner“ Telefonnummer in den zur Verfügung stehenden Broschüren begann [1b, 7c, 8c]. Manche police officers und journalists ließen ihre Dienstausweise spontan durch einen Schulstempel beglaubigen, damit diese möglichst echt aussahen [7d, 11b]. Folglich wurde der Präsentation der einzelnen Aufgabenlösungen viel Aufmerksamkeit und Aner‐ kennung geschenkt [5b, 11d]. Die beiden Textbeispiele veranschaulichen, mit wie viel Phantasie und Eifer die Ler‐ nenden ihre neuen Identitäten kreierten [5c, 5 g, 7d]. Das erste Beispiel zeigt eine Ver‐ misstmeldung, die von den parents angefertigt wurde, das zweite Beispiel stellt einen Presseausweis dar: 13 wie sie das ursprüngliche Storyline-Konzept vorsieht, problemlos durch andere Formen der Visualisierung und Konkretisierung ersetzt werden können. Die Lernenden stellten ihre Ausweispapiere bzw. Personenbeschreibungen mit erkennbarem Engagement und Einfallsreichtum her [4b, 9c], um anschließend möglichst individuelle, originelle, optisch ansprechende und authentische Ergebnisse präsentieren zu können [8a, 11b]: Da die Angaben in den einzelnen Texten schlüssig sein sollten (z.B. Eltern und Kinder haben dieselbe Adresse, Polizisten arbeiten in derselben Dienststelle usw.), kommunizierten sie unentwegt miteinander, um die Inhalte untereinander abzustimmen [2b, 5d, 5g, 6c]. Ein Junge fragte mich beispielsweise nach der Vorwahlnummer von Edinburgh. Als ich vorschlug, einfach irgendeine Nummer zu erfinden, beharrte er darauf, in seinen (fiktiven) Ausweis nur die „echte“ Nummer einzutragen, so dass eine intensive Recherche nach „seiner“ Telefonnummer in den zur Verfügung stehenden Broschüren begann [1b, 7c, 8c]. Manche police officers und journalists ließen ihre Dienstausweise spontan durch einen Schulstempel beglaubigen, damit diese möglichst echt aussahen [7d, 11b]. Folglich wurde der Präsentation der einzelnen Aufgabenlösungen viel Aufmerksamkeit und Anerkennung geschenkt [5b, 11d]. Die beiden Textbeispiele veranschaulichen, mit wie viel Phantasie und Eifer die Lernenden ihre neuen Identitäten kreierten [5c, 5g, 7d]. Das erste Beispiel zeigt eine Vermisstmeldung, die von den parents angefertigt wurde, das zweite Beispiel stellt einen Presseausweis dar: 1 MISSING PERSON Name: Janet McEarly Age: 14 Address: Cumborstreet 15 Edinburgh Colour of hair: brown Colour of eyes: brown Height: 1,55 Clothes: short jeans blue T-shirt Special information: she speaks with a lisp. She goes terrible. She has a big watch. In her free-time she makes fashing shows and she is talkative (WS 1/ Parents). PRESS CARD No. 131415 Name: Lesley Jackson Address: Kings Road, 10 London Date of birth: 8 th May, 1973 Place of birth: New York / Amerika Profession: Journalist Employer: London Times Date of expiry: 1.1.2000 Place and Date: 1.1.1994 / London Signature: Lesley Jackson (WS 1/ Journalists). Beide Textbeispiele belegen, wie leicht sich die Lernenden in die spezifischen Rollen hineinversetzen konnten [2d]: Das vermisste Mädchen wurde von den parents mit einigen witzigen und altersentsprechenden Eigenschaften beschrieben, wohingegen die fiktive Journalistin in sich stimmige Daten errechnet hatte, um glaubwürdig und überzeugend zu wirken [2e, 9c]. Auch die Arbeit in den Gruppen erwies sich als motivierend [6a]. Die Schülerinnen und Schüler arbeiteten konzentriert an ihren Aufgaben und ließen sich weder durch das Pausenzeichen noch durch den zunehmenden Geräuschpegel stören [8c]. Dieser wurde schließlich zum Anlass ge- 1 Auf dem jeweiligen Arbeitsblatt waren die Überschrift, die kursiv gedruckten Begriffe sowie eine Layoutmaske mit Schreiblinien und Raum für ein Foto als Orientierungshilfe vorgegeben. Die Texte der Lernenden werden hier - wie auch zuvor - unkorrigiert abgedruckt. Photo of teenager Photo Stamp Beide Textbeispiele belegen, wie leicht sich die Lernenden in die spezifischen Rollen hin‐ einversetzen konnten [2d]: Das vermisste Mädchen wurde von den parents mit einigen witzigen und altersentsprechenden Eigenschaften beschrieben, wohingegen die fiktive Journalistin in sich stimmige Daten errechnet hatte, um glaubwürdig und überzeugend zu wirken [2e, 9c]. 351 6.4 Fallstudie 3: Kidnapped in Scotland (Klasse 7) Auch die Arbeit in den Gruppen erwies sich als motivierend [6a]. Die Schülerinnen und Schüler arbeiteten konzentriert an ihren Aufgaben und ließen sich weder durch das Pau‐ senzeichen noch durch den zunehmenden Geräuschpegel stören [8c]. Dieser wurde schließ‐ lich zum Anlass genommen, einige Verhaltensregeln für die produktive Gruppenarbeit zu wiederholen. Dabei wurden die teamleaders an ihre Funktion der Gruppenkoordination und die Klasse an das vorab vereinbarte Zeichen “hands up means silence“ erinnert [1e, 6c]. Selbst ich wurde einmal von einem Schüler lautstark darauf hingewiesen, mich an diese Abmachung zu halten: “Doris, you must be quiet now“ (UB) [1b, 8d]. Der zum Ende der Doppelstunde ausgeteilte Reader wurde von allen positiv aufge‐ nommen [7a] und es gab keinerlei Einwände seitens der Lernenden, als die Hausaufgabe (das arbeitsteilige Durchlesen) gestellt wurde [4e]. Die Verteilung der Leseaufträge wurde in den Gruppen selbstständig organisiert [6c, 8c, 9e]. In der Reflexionsphase mit der Lehrkraft wurde der Unterricht noch einmal im Detail besprochen. Beide waren wir beeindruckt, wie eifrig, interessiert und konzentriert die Lernenden mitgearbeitet hatten [8c]. Auch die Lehrkraft zeigte sich erstaunt darüber, mit wie viel Spaß sie sich neue Namen ausgewählt hatten [4b]. Wir kamen überein, dass es ihnen dieses Mal leichter fiel, den Rollentausch zu vollziehen, als dies bei Witches der Fall gewesen war [2d]. Dies lag vermutlich mit daran, dass die Figuren keine Gruppenprodukte waren, sondern dass jedes Klassenmitglied eine eigene fiktive Person erschaffen und ver‐ körpern konnte [10a]. Folglich konnten auch individuelle und ausgefallene Ideen leichter eingebracht werden [2e, 8a, 9c]: Beispielsweise stammten fast alle journalists aus den USA, allerdings aus unterschiedlichen Orten. Zwei davon wohnten jetzt in einer Wohngemein‐ schaft in London. Zwei teenagers waren zweieiige Zwillinge. Im Gegensatz zu den üblichen Schulbuchfiguren wirkten die von den Lernenden erdachten Personen erstaunlich lebendig und authentisch [2d, 3a]. Auch die Lehrkraft hatte bemerkt, dass bei der Präsentation der Charaktere häufig die Ich-Form verwendet wurde. Diese unbefangene Rollenübernahme hing sicher mit der „doppelten“ Identifikation über die erstellten Ausweispapiere und die persönlichen Namensschilder zusammen, die schließlich auch die Kontaktaufnahme und direkte Ansprache erleichterten [2d, 5g]. Beiden fiel uns auf, dass die Präsentationen interessiert verfolgt wurden und die Ler‐ nenden immer wieder amüsiert lachten, wenn außergewöhnliche Details vorgetragen wurden: ein Zeichen des aufmerksamen und intrinsisch motivierten Zuhörens [2c, 4b, 5b]. Die Ergebnisse der teenagers fand die Lehrkraft allerdings etwas schwach, was daran lag, dass diese Gruppe sprachlich nicht sehr leistungsstark war [6b] und offenbar den Ar‐ beitsauftrag auf ihrem Arbeitsblatt nicht aufmerksam durchgelesen hatte [5a]. Ansonsten verlief die Gruppenarbeit nach Ansicht der Lehrkraft gut und sie staunte, wie vorbildlich die (leistungsstarke) Gruppe der kidnappers die Verteilung der Hausaufgaben organisiert hatte [6c, 8c, 9e]. Bemerkenswert fand sie auch, dass der Reader auf allgemeines Interesse stieß und nicht etwa wegen seines Umfangs und der damit verbundenen zeitintensiven Hausaufgabe kritisiert wurde [7a]. In meinen Augen (UR F) zeigte sich bereits jetzt, dass die Lernenden mit dem Story‐ line-Konzept vertraut waren und beispielsweise wussten, dass sie regelmäßig und weitge‐ hend eigenständig diverse Aufgabenstellungen in einem spezifischen Zeitrahmen lösen sollten [8c, 9c]. Auch hatten einige ohne Aufforderung ein Wörterbuch aus dem Schrank 352 6 Forschungsfokus Klassenzimmer geholt, um selbstständig Wörter nachzuschlagen, anstatt - wie häufig üblich - die Lehrkraft zu fragen [5e, 5i, 7c, 8c]. Deutlich wurde allerdings auch, dass dieses komplexe Story‐ line-Projekt zwar den Lernenden viel Abwechslung und Spannung versprach [2c, 3a], von der Lehrkraft jedoch viel Organisationstalent und Präsenz abverlangte. Notwendig und sinnvoll war in dieser Doppelstunde vor allen Dingen die intensive Beratung mit den kid‐ nappers, von deren Geschicklichkeit und Kreativität, geeignete clues zu erstellen, letztend‐ lich der Erfolg des Projekts abhing. Auffallend war, dass die Lernenden mit der Lehrkraft auch im kleineren Kreis ganz selbstverständlich in der Fremdsprache kommunizierten [5d, 5g], wohingegen sie bei anderen Gruppengesprächen mitunter auch in der Muttersprache verhandelten, jedoch nach meiner Beobachtung immer themen- und aufgabenbezogen. Angesichts der großen fremdsprachlichen Produktivität in den beiden Stunden fällt diese Tatsache jedoch kaum ins Gewicht. Die nächste Doppelstunde fand erst eine Woche später statt, doch trotz der Unterbre‐ chung waren die Lernenden inhaltlich und organisatorisch bestens vorbereitet [8c]. Nach einer kurzen Wiederholung des bisherigen Inhalts fand die erste „Pressekonferenz“ statt, bei der die fünf Gruppen ihre rollenspezifischen Textprodukte vorstellten [5d]: Die teen‐ agers lasen ihre Tagebucheinträge vor, die parents präsentierten eigenständig recherchierte Informationen über Edinburgh [3c], die police officers verlasen Suchmeldungen und die journalists trugen Fragen für ein Interview mit den parents vor: “Are you very frightened? Do you have enemies? How much money must you give to them that you get your children back? What have you done to get your children back? “ (UB). Solche Fragen sind Ausdruck von emotional beteiligtem, inhalts- und zweckgerichtetem Sprechen, bei dem die Fremd‐ sprache nicht in erster Linie zum Einüben von sprachlichen Elementen, sondern als Mittel zum Zweck der Kommunikation verwendet wird [2a, 5 g, 9b]. Im Unterschied zu vorge‐ gebenen Übungsaufgaben können selbst verfasste Textproduktionen natürlich nie voll‐ kommen fehlerfrei sein. Die Lernenden waren jedoch sehr bemüht, mit Hilfe ihrer Wör‐ terbücher gut verständliche Texte anzufertigen [5c, 5e, 7c] und/ oder im Zweifelsfall die Lehrkraft um Unterstützung zu bitten [5i, 11b]. An diesem Storyline-Tag war auch der erste clue zu entschlüsseln. Dieser wurde in diesem Fall von der Lehrkraft als Muster vorgegeben, doch alle weiteren clues erstellten die kid‐ nappers selbstständig [9b, 9e]. Die Lernenden blätterten eifrig suchend in ihren Themen‐ heften [4b, 5a, 7c] und arbeiteten konzentriert an der Lösung des gestellten Rätsels [9c]. Die Entschlüsselung gelang erstaunlich zügig und es war offensichtlich, dass sie ihre Haus‐ aufgabe gemacht und den Reader sorgfältig studiert hatten [1b, 5a]. Ein Junge zeigte bereits beim Erwähnen des clue triumphierend auf die Seite, wo die benötigte Information zu lesen war [4f]. Auffallend war auch das entspannte und kooperative Arbeitsklima in der Klasse [4c]. Die jeweiligen Gruppenmitglieder halfen sich gegenseitig und sprachen die gestellten Auf‐ gaben untereinander ab [6c]. Besonders bei den kidnappers zeigte sich, wie sprachlich gute die etwas schwächeren Gruppenmitglieder unterstützten, so dass ein Einwirken der Lehr‐ kraft phasenweise gänzlich überflüssig wurde [8b, 8c]. Die kidnappers genossen ihre Son‐ derstellung sichtlich und achteten darauf, dass sie ihren neuen clue nicht versehentlich schon im Vorfeld verrieten [4f]. Weitgehend in Eigenregie teilten sie anfallende Arbeiten 353 6.4 Fallstudie 3: Kidnapped in Scotland (Klasse 7) innerhalb der Gruppe noch einmal auf [6c, 8c], so dass beispielsweise einige Gruppenmit‐ glieder den clue erstellten und die anderen einen Brief an die parents schrieben [5c, 9e]. In einer abschließenden „Pressekonferenz“ wurden verschiedene Beiträge der Gruppen im Plenum vorgestellt, wobei auch hier nach dem Grundsatz fluency before accuracy ver‐ fahren wurde: eingeschränkte Fehlerkorrektur, dafür aber ein deutlich höherer Sprachbzw. Sprechanteil [2a, 5d]. Häufig auftretende Fehler wurden unauffällig korrigiert oder die Lehrkraft fragte aufmerksamkeitslenkend nach, um den Lernenden Gelegenheit zur Be‐ wusstmachung und Selbstkorrektur des Fehlers zu geben [5h, 5i]: S: They comed from the rock concert. L: Is that COMED? S: CAME! They came from the rock concert (UB). Auch an diesem zweiten Tag waren die Lernenden engagiert bei der Sache. Eine Schülerin verabschiedete sich mit den Worten: “That was great. Ich freu’ mich schon auf morgen! “ (UB) [4a, 4b, 8d]. Im Reflexionsgespräch mit der Lehrkraft wurden nach einer kurzen Rekapitulation der Doppelstunde vor allem die folgenden Themenschwerpunkte diskutiert: Rollenidentifika‐ tion, Arbeits- und Sozialverhalten, Qualität der fremdsprachlichen Produkte. Auch in dieser Doppelstunde fiel auf, wie wichtig den Lernenden ihre neue Identität war [2d]. Dies zeigte sich beispielsweise darin, dass einige ihre Namengebung zu Hause noch einmal überdacht hatten und nun ihren zuvor gewählten Namen ändern wollten [8d]. In‐ teressant war auch, dass sie ganz selbstverständlich auf ihre neuen Namen reagierten. Was ebenfalls positiv auffiel, war die Tatsache, dass alle regen Gebrauch von ihrem Reader machten: Die kidnappers nutzten ihn als Hilfsmittel für das Erstellen der clues, den anderen Gruppen diente er als Informationsquelle für das Lösen derselben [5a, 7c]. Somit erwiesen sich die Bedenken, authentische Materialien seien für jüngere Klassen möglicherweise un‐ geeignet, als unbegründet. Diese Ansicht wurde übrigens auch von den Lernenden geteilt, die auf Nachfrage ausdrücklich bestätigten, dass der Reader “not too difficult“ sei (UB) [5i, 7a]. Auch hatte jede Gruppe eine so genannte special task erhalten, an der immer dann ge‐ arbeitet werden sollte, wenn die aktuellen Arbeitsaufträge erledigt waren. Diese freien und ebenfalls rollenspezifischen Aufgaben waren so konzipiert, dass den Gruppen relativ viel Freiraum in Bezug auf Organisation, Ausführlichkeit und Ausgestaltung der Arbeit einge‐ räumt wurde. Vorrangiges Ziel war, das autonome Lernen und Arbeiten der Lernenden zu fördern. Zugleich sollten diese projektbegleitenden Aufgaben aber auch als Zeitpuffer für die Koordination der diversen Gruppenarbeiten und somit zur Entlastung der Lehrkraft in ihrer Funktion als class manager dienen. Die Arbeitsergebnisse verdeutlichten, dass dieser Freiraum von den Lernenden konstruktiv genutzt wurde - wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß [8c]. Die Lehrkraft hob noch einmal ausdrücklich das kooperative und motivierte Arbeits‐ verhalten hervor [4b, 6c, 8b]. Sie bestätigte, dass die Lernenden ihre Arbeitsaufträge stets mit Sorgfalt, Interesse und Phantasie ausgeführt hatten [9c]. Nach ihrer Ansicht wurden selbst Außenseiter in den Gruppen gut integriert, so dass das Sozialverhalten durch die Arbeit mit Storyline offenbar vorteilhaft beeinflusst wurde [4c, 6d]: Die Lernenden hörten 354 6 Forschungsfokus Klassenzimmer bei Präsentationen sehr aufmerksam zu [5b], staunten häufig über die kreativen Arbeits‐ ergebnisse ihrer Klassenmitglieder [11d] und begutachteten selbst während der Arbeits‐ pausen interessiert die diversen Lernprodukte am Fries [5a, 12a, 12f]. Nach eigener Aussage hatte die Lehrkraft ausdrücklich darauf geachtet, dass auch leis‐ tungsschwächere Schülerinnen und Schüler Gelegenheit und genügend Zeit für eigene fremdsprachliche Beiträge bekamen, ohne durch ständige Korrekturen unterbrochen oder entmutigt zu werden [4d, 5d]. Allerdings legte sie auch Wert darauf, dass einige Texte als Hausaufgabe noch einmal überarbeitet wurden [5c, 5h, 5i], damit die am Fries ausgestellten Ergebnisse nicht nur ansprechend gestaltet, sondern auch gut verständlich und möglichst fehlerfrei waren. Die nächste Doppelstunde fand am darauffolgenden Tag statt. An diesem dritten Story‐ line-Tag hatte sich bereits eine gewisse Routine eingestellt, was die gruppeninterne Ver‐ teilung und Organisation von Aufgaben sowie die Verwendung der diversen Informations‐ materialien anbelangt [6c, 7c]: Einige lasen schon vor Unterrichtsbeginn in ihren Broschüren [5a], die kidnappers arbeiteten an ihrem nächsten clue [9e] und alle hatten ihr Namensschild an der Kleidung befestigt. Indizien - wie es scheint - für eigeninitiatives Handeln und Lernen [1b, 8c]. Der Vorschlag, eine eigene Videoaufnahme zu produzieren, fand bei den teenagers und kidnappers großen Anklang [4b, 9b]. Die Videoszene selbst wurde auf dem Schulhof ein‐ studiert und später auch dort gedreht [9d]. Sämtliche Vorbereitungs- und Aufnahmear‐ beiten wurden von den Gruppenmitgliedern weitgehend selbstständig gestaltet und orga‐ nisiert [6c, 8b, 8c], wobei erneut auffiel, wie stark sich die Lernenden mit ihrer Rolle identifizierten [2d]: Einige kidnappers erschienen sogar verkleidet [7b, 8a, 10d], um in der geplanten (fiktiven) Fernsehsendung möglichst authentisch zu wirken [7d, 10b, 11b]. Während der Vorarbeiten und Produktion des Videoclips verhandelten die verbleibenden Gruppen im Rahmen einer fiktiven Pressekonferenz über zwei Briefe der teenagers an die police bzw. an die Scottish Times (journalists), in denen ein weiterer selbst erstellter clue enthalten war [5d, 5 g, 9b]. Erneut konnten die Lernenden ohne Mühe den neuen Aufent‐ haltsort erschließen [5b, 9c]. Als das Stichwort Burrell Collection fiel, wussten einige er‐ staunlicherweise sofort, dass es sich hier nur um Glasgow handeln konnte [3c]: Ein weiterer Beleg dafür, dass die Lernenden ihren Reader aufmerksam und interessiert gelesen hatten [5a, 7c]. Nach der Pause, in der wieder neugierig der Fries begutachtet wurde [5a, 12a, 12f], zeigte die Lehrkraft private Fotos von Glasgow, ergänzt durch einen persönlichen Erfahrungsbe‐ richt. Dieser kurze landeskundliche Exkurs wurde von den Lernenden interessiert und konzentriert verfolgt [5b, 5g]. Dabei brachten sie auch ihr Wissen aus dem Reader und anderen Informationsquellen ein [5d, 8a]. Im Anschluss an den Lehrgang arbeiteten die Gruppen an ihren individuellen Aufgaben weiter. Am Stundenende wurden die Interviews zwischen journalists und parents - teilweise frei - vorgetragen [5d, 10b] und die ent‐ sprechenden Schülerinnen und Schüler freuten sich sichtlich, als sie mit spontanem Beifall bedacht wurden [4f, 11d]. Dass die Lernenden engagiert und interessiert bei der Sache waren [4b], zeigte sich auch darin, dass sie trotz Pausenzeichen weiterhin aufmerksam zuhörten, bis ein police officer seinen Bericht über mögliche Fahndungserfolge beendet hatte 355 6.4 Fallstudie 3: Kidnapped in Scotland (Klasse 7) [1b, 2c, 5b]. Auch dieser ließ sich übrigens durch den Gong nicht irritieren und sprach ruhig und konzentriert weiter [5d, 8c, 11a]. Im Anschluss an den Unterricht wurden die Beobachtungen und Erfahrungen wieder gemeinsam reflektiert und ausgewertet (UR F+L). Mir persönlich war in dieser Doppel‐ stunde mehrfach aufgefallen, dass die Lernenden auf Grund ihrer zunehmenden Story‐ line-Erfahrung viel selbstständiger und selbstbewusster an ihren Aufgaben arbeiteten, als dies beispielsweise noch bei Witches der Fall gewesen war [8c]. Nur noch selten wurden wir um Hilfe gebeten, stattdessen diskutierten sie ihre Fragen innerhalb der Gruppe [6c, 8d], machten vielfach Gebrauch von den Wörterbüchern, den Urlaubsprospekten, der Landkarte und natürlich dem Reader, der weiterhin sowohl für das Erstellen als auch das Lösen der clues ein unentbehrliches Nachschlagewerk und Arbeitsinstrument darstellte [5a, 5c, 7c]. Auch die Lehrkraft vertrat die Meinung, dass die Lernenden konzentriert, motiviert und engagiert bei der Sache waren [4b], und sie staunte, wie aufmerksam sie trotz Pausenzei‐ chen zugehört hatten, bis die jeweiligen Präsentationen zu Ende waren [1b, 2c, 5b]. Auf Grund der zunehmenden Eigeninitiative und Selbstständigkeit [8c] war der Geräuschpegel im Vergleich zu den vorherigen Stunden merklich gesunken [1e]. Dies war sicherlich auch den teamleaders zu verdanken [6c], die zu Stundenbeginn noch einmal an ihre Aufgabe erinnert worden waren. Auffallend war auch die erkennbare Freude über das Geleistete, denn es wurde insgesamt viel gelacht und applaudiert [4b, 4 f, 11d]. Etwas ausgiebiger diskutierten wir das Thema „Medieneinsatz“: Während die teenagers und kidnappers ihre Videoproduktion auf den Weg brachten, hatten die anderen Gruppen an ihrer special task gearbeitet. In diesem Zusammenhang kam bei vielen Lernenden der Wunsch auf, ebenfalls einen Videoclip zu erstellen [8b, 8c, 9e]. Auch die Möglichkeit, für einen fiktiven Zeitungsbericht spontan ein Polaroidfoto anfertigen zu können, fanden viele motivierend [7d, 10a]. Die Lehrkraft teilte meine Ansicht, dass der Kurzvortrag über Glasgow gut ankam [3c, 5b, 5g]. Bedenken, dass die Lernenden durch den landeskundlichen Exkurs mit Lehrgangs‐ charakter den Handlungsstrang der Geschichte verlieren, erwiesen sich als unbegründet [2b]. Am vierten Tag wurde das Projekt abgeschlossen, denn die kidnappers wurden gefasst. Da vielfach Interesse an der aktiven und handlungsorientierten Videoarbeit geäußert wurde, entschieden wir uns in dieser Doppelstunde spontan dafür, dass auch die police officers eine eigene „Fernsehsendung“ (Videoclip) produzieren konnten [8b]. Mittlerweile hatten die Schülerinnen und Schüler beachtliche Fortschritte gemacht, was das selbststän‐ dige Organisieren und Durchführen von Aufgaben anging: Während im Klassenzimmer drei Gruppen eigenständig an der Lösung eines clue arbeiteten [9c], fertigten die teenagers und kidnappers im Freien weitgehend lehrerunabhängig ihre Videoaufnahme an [7d, 8c, 9d]. Die Lernenden gingen in ihren Rollen regelrecht auf [2d]: Die kidnappers hatten sich aufwändig mit schwarzen Masken und Hemden verkleidet [7b] und die teenagers ver‐ suchten, durch entsprechend einstudierte Gestik und Mimik möglichst ängstlich und somit authentisch zu wirken [5d, 5 g, 10b, 10d]. Zum Schluss teilte der Anführer der kidnappers den parents mit: “Also we want to do a boat trip with them and it will be more expensive 356 6 Forschungsfokus Klassenzimmer for you. The children are okay. Goodbye“ (Video). Diese Botschaft enthielt einen neuen clue (Loch Ness), der über das Hörverstehen zu entschlüsseln war [2e, 5b]. Dass die Videoszene inhaltlich und filmtechnisch gut gelungen war [2b, 7d], zeigten die Reaktionen der übrigen Lernenden, die den Clip mit großem Interesse und Staunen betrachteten [2c, 11d]. Dabei erwies sich auch, dass sie selbst kleinste Details verstanden hatten und somit den clue zügig erraten konnten [5b, 9c]. In einem zweiten landeskundlichen Exkurs wurden zum Thema “clans and tartans“ wieder einige Bilder gezeigt, und auch dieser Vortrag wurde mit Interesse verfolgt [5b, 5g]. Als die Lehrkraft gestand, dass sie den Namen eines der abgebildeten castles vergessen hatte, blätterten einige Lernende sofort in ihren Themenheften und verkündeten stolz: “It’s Dundrochit“ (UB) [3c, 4 f, 5a, 7c]. Manche wussten sogar auf Anhieb, dass auf der letzten Seite des Readers ein Rezept für den berühmten haggis abgedruckt war. Zufällig bemerkte ich, dass einige police officers in Eigeninitiative die Route der Verfolgungsjagd in eine der Landkarten eingezeichnet hatten [8c, 9e, 10a]. In der großen Pause wurde der Videoclip der police fertiggestellt. Aus Zeitgründen über‐ nahm die Lehrkraft die Kameraführung zum Teil selbst, damit zum Stundenbeginn alle Gruppen wieder im Plenum versammelt werden konnten. Schließlich wurde die aufge‐ zeichnete Nachricht der police als „Fernsehmeldung“ mitgeteilt: “The kids are on their way home. They are okay but tired. You don't have to worry and the parents are happy. A man phoned us that the kidnappers are in a hotel park. We went there with 16 police officers. We caught them in a lift [...]“ (Video) [2e, 5d, 5 g, 9c]. Erneut zeigte sich, dass sich die Lernenden emotional stark angesprochen fühlten [4b] und sich mit ihrer Rolle identifi‐ zierten [2d], was beispielsweise auch durch die Verwendung des Personalpronomens we verdeutlicht wird. Trotz hochsommerlicher Hitze waren die Lernenden sehr bemüht, die abschließende „Pressekonferenz“ gut vorzubereiten: Engagiert und konzentriert studierten sie ihre Pas‐ sagen ein, um bei der geplanten Videoaufzeichnung möglichst vorteilhaft abzuschneiden [7d, 11b]. Dabei wurden auch diverse Schauspieltechniken ausprobiert und geübt [10b, 10d]. Das folgende Interview ist eine authentische Textproduktion, die von den Lernenden souverän und fast frei dargeboten wurde [5d, 5g]: Police 1: We would like to ask you some questions about the trip. I’m Sergeant Steven McJames. Police 2: And I’m Thomas McAllen. Police 1: Where did you shopping in Glasgow? Kidnapper 1: We were first in the butcher’s. There we bought haggis. And then we was at the baker’s where we bought shortbread for the children to eat. And I was in the supermarket and bought me a bottle of whisky. Police 1: Do you like haggis? Kidnapper 1 [schmunzelt]: No, but it’s the cheapest. Police 1: Do you often drink whisky? Kidnapper 1: Yes. Police 1: Is it your famous drink? Kidnapper 1 [zögert und schmunzelt]: Mmh, beer is good, too. Police 1: Where did you sleep in London? Kidnapper 1: We was in a hotel. 357 6.4 Fallstudie 3: Kidnapped in Scotland (Klasse 7) Police 1: Was it very expensive? Kidnapper 1: No, it wasn’t. Police 1: Do you enjoy it? Kidnapper 1: We was/ ... we had to look at the children that they don’t escape. [...] Kidnapper 1: We needed the money because we wasn’t very rich, you can understand it [...]. We wanted to pay a bit to Greenpeace but we won’t do it again. Police 1: That’s very nice. And now Sergeant McAllen goes on. Police 2: Thanks, Steven. I have a question for the others. I want to ask you, how do you feel now? Kidnapper 2: Oh, we feel very sorry because the children were so nice and we didn’t think the parents were so clever. And we thought we can escape before the police catch us [...] (Video). Das Interview verlief jedoch nicht nur hinsichtlich der einstudierten Präsentationsweise sehr überzeugend, sondern auch die fremdsprachliche Umsetzung und inhaltliche Ausge‐ staltung wirkten gelungen und kreativ [2e, 8a, 9c]: Die Lernenden hatten also den zur Verfügung gestellten Freiraum in vielerlei Hinsicht positiv genutzt [8b, 8c]. Nachdem die vermissten teenagers wohlbehalten zurückgekehrt waren und bei der in‐ szenierten Pressekonferenz noch einmal alle Beteiligten die Verfolgungsjagd aus ihrer Per‐ spektive reflektiert hatten [2d, 5d, 5g], wurde das Storyline-Projekt Kidnapped in Scotland mit einem happy end abgeschlossen. Im Reflexionsgespräch (UR F+L) wurden noch einmal die wichtigsten Ergebnisse aus der Doppelstunde zusammengefasst. Offenbar kam das Ende der Storyline für einige Lernende etwas zu abrupt [1d], was sich darin zeigte, dass sie nach der Ankündigung durch die Lehrkraft irritiert wirkten. Zudem hatte die Lehrkraft einige Passagen übersprungen, so dass für kurze Zeit der rote Faden verloren gegangen war [2b]. An anderen Stellen wurde dagegen zu viel Inhalt vorweggenommen und nach meiner Ansicht sank dadurch der Spannungsbogen etwas [2c]. Eine Ursache dafür war vermutlich der spontane Entschluss, auch den police officers Gelegenheit für eine eigene Videoproduktion zu geben, was zur Folge hatte, dass das geplante Konzept - ebenso spontan - geändert werden musste. Den‐ noch war auch diese letzte Doppelstunde insgesamt erfolgreich verlaufen: Die Lernenden arbeiteten äußerst engagiert, motiviert und weitgehend eigenständig an ihren Aufgaben und machten phasenweise sogar uns Lehrkräfte überflüssig [4b, 4 f, 8c]. Besonders auf‐ fallend war, mit wie viel Begeisterung und persönlichem Einsatz die diversen Rollenspiele und Videoaufnahmen einstudiert und später präsentiert wurden [5d, 7d, 10b, 11b]. 6.4.6 Die schriftliche Befragung der Lernenden Die SABS wurde kurz nach Abschluss des Storyline-Projekts von der Lehrkraft durchge‐ führt, wobei der bisherige Fragebogen um zwei weitere Fragen ergänzt wurde (vgl. Anhang A): Frage 11 bezog sich auf die Akzeptanz des ausgeteilten Themenhefts, wohingegen Frage 10 klären sollte, welches der beiden Projekte von den Lernenden favorisiert wurde: Witches oder Kidnapped in Scotland. Die entsprechende Antwort sollte zudem noch begründet werden, um Aufschluss darüber zu erhalten, wie Storyline-Projekte in Zukunft auch für ältere Klassen attraktiv und gewinnbringend gestaltet werden können. 358 6 Forschungsfokus Klassenzimmer Da die Antworten in den Fragebögen meist kurz und knapp formuliert waren, konnten sie in der Regel leicht zugeordnet werden. Unbedingt zu berücksichtigen ist bei der Inter‐ pretation der Daten, dass die fünf Gruppen sehr unterschiedliche Rollen innehatten, die wiederum mit sehr unterschiedlichen Aufgabenstellungen verbunden waren. Diese Tat‐ sache wirkt sich natürlich auch auf die Beurteilung des Projekts aus. Aus diesem Grund können die Ergebnisse der Befragung nicht uneingeschränkt verallgemeinert werden, son‐ dern müssen im Zusammenhang mit der Gruppenzugehörigkeit betrachtet werden. Da die Fragebögen anonym ausgefüllt wurden, war eine Rücksprache leider nicht möglich. Den‐ noch liefern die vorliegenden Ergebnisse wichtige Hinweise auf die Einstellungen der Lernenden zum Projekt als solches sowie auch zur Attraktivität von einzelnen Rollen und Aufgabenstellungen. An der Befragung nahmen nur 23 Lernende teil: 14 Mädchen und 9 Jungen. Da einige Jungen am Tag der Befragung nicht anwesend waren, sind diese hier insgesamt unterre‐ präsentiert. Bis auf wenige Ausnahmen waren die Befragten 13 Jahre alt, die Klasse wies also eine relativ homogene Altersstruktur auf. Eintrag im Fragebogen Anzahl der Nennungen Mädchen Jungen 13 Jahre alt 20 12 8 14 Jahre alt 3 2 1 Gesamtzahl der Befragten (= n) 23 14 9 Tab. 23: Frage 1: Alter und Geschlecht der Befragten Auf die Frage, was den Schülerinnen und Schülern bei Kidnapped in Scotland am besten gefallen hat (Frage 2), wurden längst nicht so viele unterschiedliche Aspekte aufgeführt wie bei den vorherigen Projekten: die (nur) 32 Nennungen verteilten sich auf insgesamt 12 Kriterien. Eine Schülerin (S3) hatte die Frage offenbar übersehen. Der Blick in ihren Fra‐ gebogen zeigt jedoch, dass sie insgesamt betrachtet einen positiven Eindruck von der durchgeführten Storyline hatte. Auffallend ist, dass niemand das Projekt für uneinge‐ schränkt positiv befand, wie dies noch bei den beiden anderen Storylines der Fall gewesen war. Dies mag damit zusammenhängen, dass die Lernenden hier differenzierter reflek‐ tierten bzw. klare Favoriten hatten. Eintrag im Fragebogen Anzahl der Nen‐ nungen Kategorien 1) Gruppenarbeit; Zusammenarbeit in Gruppe bzw. Gruppen 10 6a, 6c 2) selbst filmen; Film machen; Arbeiten mit Kameras 5 7d, 9b 3) Fernsehinterview bzw. Interview mit Kamera 3 5d, 5 g, 7d, 9b, 10b 359 6.4 Fallstudie 3: Kidnapped in Scotland (Klasse 7) 4) etwas bzw. viel über Schottland gelernt 3 3c, 4f 5) die Rätsel 3 2c, 9c 6) die Interviews 2 5d, 5 g, 9b, 10b 7) es war interessant 1 2c, 3a 8) die Verfolgungen 1 2c, 3a 9) in eine andere Rolle schlüpfen 1 2d 10) fragen können, ohne gestört zu werden 1 4c 11) Berichte 1 5b 12) dass alle beschäftigt waren 1 6c, 6d Gesamtzahl der Nennungen 32 Tab. 24: Frage 2: „Was hat dir bei dem Projekt ‘Kidnapped in Scotland‘ am besten gefallen? “ Betrachtet man die vorliegenden Ergebnisse im Detail, dann fällt sofort auf, dass 10 der 23 Befragten, also über 43 %, das Arbeiten in Gruppen bzw. das Zusammenarbeiten als beson‐ ders positiv bewerteten und dass diese Nennung auch jeweils der Spitzenreiter bei den beiden Geschlechtern ist, auch wenn nicht immer ganz klar formuliert wurde, ob die Grup‐ penarbeit als Sozialform (learning community) oder das konkrete kooperative Arbeiten im Team gemeint war. Aus diesem Grund wurden die Antworten hier nicht getrennt aufge‐ führt, sondern bei Ziffer 1 als Block zusammengefasst. Überraschend ist die bevorzugte Nennung dieses Kriteriums auch insofern, als Gruppenarbeit definitiv keine Neuigkeit für die Klasse war und sie hier trotzdem und in vielen Fällen sogar als einziges Positivmerkmal aufgeführt wurde. Immerhin macht dieser Aspekt circa ein Drittel (31 %) der Antworten aus und fällt somit stark ins Gewicht. Als sehr motivierend wurde offenbar auch der selbstständige Umgang mit der Videoka‐ mera und die eigene Medienproduktion empfunden: Bei Ziffer 2 wurde die Kameraarbeit bzw. Videoproduktion von 5 Lernenden ganz explizit genannt. Die Angaben bei Ziffer 3 und 6 legen jedoch den Verdacht nahe, dass auch hier das selbstständige Filmen im Vor‐ dergrund stand, auch wenn im Sinne der Aufgabenstellung die Begriffe „Interviews“ ver‐ wendet wurden. Folglich waren also insgesamt 5 Mädchen und 5 Jungen von der aktiven Medienarbeit positiv beeindruckt und bewerteten sie als attraktive Aufgabenstellung. Dieses Ergebnis deckt sich auch mit meinen Beobachtungen und scheint somit schlüssig. Interessant ist die Angabe von 3 Mädchen, die es besonders schätzten, etwas bzw. viel über Schottland gelernt zu haben, obwohl eigentlich eine spielerische Verfolgungsjagd im Vordergrund gestanden hatte. Die Antworten belegen jedoch, dass die Lernenden Wissen über die Zielsprachenkultur erwerben und somit auch ihre interkulturelle Kompetenz er‐ weitern konnten. Das Gefühl, etwas Interessantes und/ oder Brauchbares gelernt zu haben, wirkt sich offenbar positiv auf das eigene Kompetenzempfinden und somit sicher auch auf die allgemeine Lernmotivation aus. Motivierend fanden 3 Lernende auch die diversen Rätsel. Aus den Antworten ist zwar nicht abzulesen, ob es sich hierbei um das Lösen oder das Erstellen von clues handelt, den‐ 360 6 Forschungsfokus Klassenzimmer noch wird klar, dass die Zwischenfälle (incidents) als spannend empfunden wurden und es den Befragten Spaß machte, bei der Aufgabenbearbeitung ihre eigene Kreativität und Phantasie einzubringen sowie problemlösende Denkstrategien (thinking skills) einzusetzen. Erstaunlich ist, dass das Hineinschlüpfen in eine neue Rolle nur von 1 Schülerin explizit genannt wurde (Ziffer 9), obwohl bei der Projektdurchführung erkennbar war, dass sich die Lernenden schnell und unbefangen mit ihren neuen Rollen identifizieren konnten. Aller‐ dings ist dieser Aspekt bei einigen Antworten auch implizit enthalten, beispielsweise wenn es um die Interviews geht (Ziffer 3 und 6): „Die Interviews fand ich gut. Weil man sich in eine andere Rolle versetzt hat und so fernseh-mäßig da saß“ (S8). Das Rollenspiel und somit das Durchspielen kommunikativer Ernstfälle bereitete also mindestens 6 Lernenden Freude. Zum Story-Format direkt - also unabhängig von spezifischen Aufgabenstellungen - äu‐ ßerten sich nur wenige (Ziffer 7-9). Berücksichtigt man bei der Auswertung auch die für diese Storyline typischen clues (Ziffer 5), dann kommen weitere 3 Nennungen hinzu: das ergibt also insgesamt 6 Nennungen. Im weiteren Sinne gehören hierzu auch die Interviews bei Ziffer 3 und 6 sowie der situative landeskundliche Kontext des Projekts bei Ziffer 4, die beide mehrfach als motivierende Merkmale genannt wurden. Zählt man schließlich die erwähnten Aspekte zusammen, so erhält man insgesamt 14 Nennungen, die alle mehr oder weniger deutlich Bezug zur Konzeption des durchgeführten Projekts nehmen. Erstaunli‐ cherweise thematisierte jedoch niemand das gemeinsame kreative Entwickeln der Ge‐ schichte (collaborative storymaking), obwohl die Lernenden gerade bei diesem Story‐ line-Projekt sehr viele Freiräume für eigene Ideen und Beiträge hatten. Bei Frage 3 wurde untersucht, was den Lernenden an Kidnapped in Scotland nicht gefiel, um eventuelle Schwächen des Storyline-Konzepts, des Themas oder der praktischen Durch‐ führung aufzudecken. Im Vergleich zu Witches äußerten die Lernenden hier erheblich we‐ niger Kritik (43 zu 25 Nennungen), dennoch war das Ergebnis so überhaupt nicht vorher‐ sehbar: Nur 1 Schülerin schien mit der Durchführung des Projekts vollkommen zufrieden. Vielfach beklagt wurde dagegen eine Häufung von Schreibaufträgen und ein Mangel an Abwechslung bei den Aufgabenstellungen. Die Antworten müssen allerdings differenziert und unter Berücksichtigung der rollenspezifischen Aufgabenstellungen betrachtet werden. 361 6.4 Fallstudie 3: Kidnapped in Scotland (Klasse 7) Eintrag im Fragebogen Anzahl der Nen‐ nungen Kategorien 1) (zu) viel geschrieben bzw. (fast) immer geschrieben 5 5c, 9a 2) das Ende kam zu abrupt; es war zu schnell vorbei 4 1d 3) es war (zu) laut 3 1e 4) „manchmal hatten wir nichts zu tun“; Langeweile, wenn nichts zu tun war 3 1d 5) Bilderausschneiden bzw. Ausschneiden aus Prospekten war lang‐ weilig 3 7c, 9a, 10a 6) immer Berichte geschrieben 2 5c, 9a 7) immer Briefe geschrieben 1 5c, 9a 8) „meistens das gleiche gemacht“ 1 9a 9) Aufgaben waren nicht gut verteilt 1 9a 10) „von den anderen Gruppen abgeschieden“ sein 1 6d 11) das Filmen war „ein bischen blöd“ 1 7d, 7 f Gesamtzahl der Nennungen 25 Tab. 25: Frage 3: „Was hast du nicht so gut gefunden? “ Insgesamt 8 Lernende monierten, dass sie angeblich zu viel und/ oder zu häufig schreiben mussten: Manche blieben in ihrer Kritik allgemein (Ziffer 1), andere gaben dagegen ein‐ deutige Hinweise auf ihre Gruppenzugehörigkeit, z. B. police (Ziffer 6) oder teenagers (Ziffer 7), was die Analyse erheblich erleichtert. Verwunderlich ist, dass die Lernenden - wie be‐ reits bei Witches (SABS, Nr. 4) - überhaupt die Häufigkeit bzw. den Umfang von Schreib‐ aufträgen kritisierten. Dies kann mehrere Ursachen haben: 1) Die Schülerinnen und Schüler schreiben grundsätzlich nicht gerne. 2) Sie alle hätten lieber Videoclips produziert oder andere, weniger alltägliche Aufgaben bearbeitet wie etwa die Erstellung der clues. 3) Es behagte ihnen nicht, dass sie als Hausaufgabe gelegentlich noch einmal einen Text sauber abschreiben sollten. Berücksichtigt werden muss bei der Analyse, dass die Aufgabenstellungen je nach Rolle und Gruppenzugehörigkeit variierten. Diese Differenzierung wurde jedoch bei der Pro‐ jektkonzipierung bewusst eingeplant: die leistungsstarke Gruppe der kidnappers sollte an‐ spruchsvollere, die zurückhaltenden und sprachlich schwächeren teenagers weniger kom‐ plexe Aufgaben erhalten. So mussten die teenagers tatsächlich in erster Linie kurze Texte (Briefe, Tagebucheinträge) verfassen - aber nicht nur, denn sie beteiligten sich auch an der Videoproduktion mit den kidnappers und nahmen an der großen „Pressekonferenz“ teil. Interessant sind dennoch die subjektiven Eindrücke der Lernenden. Einer Schülerin miss‐ fiel: „Das viele schreiben. Ich war in der Gruppe ‘Teenagers’, da schrieben wir meißtens bei jeder Aufgabe das Selbe, nur etwas abgewandelt“ (S13). Ein anderes Mädchen relativierte 362 6 Forschungsfokus Klassenzimmer ihre Kritik und zeigte Einsicht: „Das unsere Gruppe die ganze Zeit Briefe schreiben mußte, obwohl gekidnappten Kindern kann man ja nichts anderes zum Arbeiten geben, außer Briefe schreiben, daß uns unsere Eltern u. die Polizei wieder finden“ (S10). Interessant ist auch das verwendete Pronomen, was auf eine starke Rollenidentifikation hinweist. Eine Schülerin brachte das Problem schließlich auf den Punkt: „Ich fand es auch nicht so gut das manche gar nicht’s schreiben mußten und andere mußten die ganze Zeit schreiben. Es war nicht so gut verteilt mit den Aufgaben“ (S12). Hauptkritikpunkt scheint somit ganz klar die mangelnde Vielfalt an abwechslungsreichen Aufgaben bzw. die gruppenspezifische Vertei‐ lung von attraktiven Aufgaben zu sein: dieser Aspekt wurde insgesamt 13 Mal (52 % der Nennungen) geäußert (Ziffer 1, 5-9). Dass die Aufgabenstellungen mitunter als eintönig oder sogar als ungerecht verteilt empfunden wurden, war während des Unterrichts nie so direkt aufgefallen. Eindeutig ver‐ balisiert wurde dagegen der Wunsch von einigen Lernenden, dass sie - wie die kidnappers und teenagers - auch einen eigenen Videoclip produzieren wollten. Diesem Wunsch wurde bekanntlich auch entsprochen. Vor diesem Hintergrund sind die im Fragebogen geäußerten Kritikpunkte nicht ganz nachvollziehbar. Übereinstimmend mit meinen eigenen Beobach‐ tungen ist dagegen die Kritik von 4 Mädchen, denen das Ende der Storyline zu überraschend kam: „Der Schluß war so abgehackt“ (S12). Dies war auch mein Eindruck gewesen, als die Lehrkraft aus Zeitgründen spontan einige Passagen gekürzt hatte. Positiv ist, dass nur 3 Lernende den erhöhten Lärmpegel kritisierten: Bei Witches waren es 6 Lernende, denen es zu laut gewesen war, so dass davon auszugehen ist, dass die team‐ leaders einen spürbaren Einfluss auf ihre Gruppen ausgeübt und die Schülerinnen und Schüler gelernt hatten, sich besser zu organisieren. Allerdings wird durch die Äußerungen der 3 Lernenden bei Ziffer 4 auch deutlich, dass das selbstverantwortliche Arbeiten nicht immer leicht ist und deshalb intensiv angeleitet und geübt werden muss. Hier wurde unter anderem beklagt, dass „man manchmal nichts zu tun hatten, weil alle so unterschiedlich fertig waren“ (S8) bzw. dass „wir manchmal da saßen, und nichts zu tun wußten. Es sollte immer was los sein“ (S1). Beide Zitate beziehen sich auf das Koordinations- und Zeitproblem bei differenzierten Aufgabenstellungen und arbeitsteiliger Gruppenarbeit. Dieses Dilemma sollte zwar durch die projektbegleitenden special tasks abgefedert werden, doch offensicht‐ lich gelang dies nicht in allen Fällen. Gerade für Lernende, die stets konkrete Arbeitsan‐ weisungen benötigen (authority-oriented learner), scheint es schwierig zu sein, Freiräume konstruktiv zu nutzen. Aus meiner Perspektive waren die Schülerinnen und Schüler jedoch im Vergleich zu Witches besser in der Lage, (zumindest phasenweise) eigeninitiativ und lehrerunabhängig zu arbeiten. Frage 4 sollte die Lernenden zu konkreten Verbesserungsvorschlägen anregen. Das Er‐ gebnis war ähnlich überraschend wie bei Frage 3: Über die Hälfte der 23 Befragten (52 %) zeigte sich mit dem Projekt voll und ganz zufrieden, obwohl zu erwarten war, dass für weniger Schreibaufträge und eine größere Bandbreite von Aufgabenstellungen plädiert wird. Während bei Witches nur 4 der 27 Befragten keine Änderungsvorschläge vorgebracht hatten, waren es hier - wie bei Farm - insgesamt 12, wobei das Nichtbeantworten der Frage von mir als Zeichen der Zufriedenheit interpretiert wurde. Selbstverständlich wurde in jedem einzelnen Fall ein Blick auf den gesamten Fragebogen geworfen, um zu stimmigen Ergebnissen zu gelangen. 363 6.4 Fallstudie 3: Kidnapped in Scotland (Klasse 7) Eintrag im Fragebogen Anzahl der Nen‐ nungen Kategorien 1) (etwas) mehr Spannung; mehr action 6 2c 2) Projekt sollte länger sein; mehr Zeit 2 1d 3) ein abgerundeter Schluss; „das glückliche Ende“ 2 1d 4) die Verhaftung bzw. das Wiedersehen der Eltern und Kinder filmen 2 7d, 10b 5) „(in der Natur) alles nachspielen“ 1 10b 6) mehr Kleidung und Material 1 7a 7) Gruppentische sollten leiser sein 1 1e 8) „es war nicht so lustig“ 1 3a, 4b Gesamtzahl der Nennungen 16 Tab. 26: Frage 4: „Was hat dir gefehlt? Was könnte man besser machen? “ Insgesamt betrachtet ist die Mängelliste relativ kurz und eindeutig: Am häufigsten moniert wurde mit 6 Nennungen die fehlende Spannung, wobei hier die Vorstellungen und Erwar‐ tungen von Seiten der Lehrenden und Lernenden möglicherweise etwas auseinandergingen und die Bewertung vermutlich auch von der jeweiligen Gruppenzugehörigkeit beeinflusst wurde. Eine Schülerin argumentierte: „Es ist ja ein Kidnapping und nicht irgent ein anderes Projekt“ (S1). Eine andere Schülerin dagegen äußerte sich selbstkritischer und zugleich lösungsorientiert: „Wir [sic] hätten ein bischen mehr Spannung reinbringen sollen zubei‐ spiel die Verhaftung filmen oder so“ (S9). Interessant ist, dass - wie bereits bei Witches - der Wunsch nach mehr szenischer Arbeit geäußert wurde (Ziffer 4 und 6), was erneut darauf schließen lässt, dass die aktive Medienarbeit für die Klasse motivierend war. Die Aussicht auf eine Projektverlängerung (Frage 5) wurde vom Großteil der Klasse positiv bewertet: 18 der 23 Befragten (78 %) konnten sich ganz ohne Wenn und Aber eine Weiterarbeit an Kidnapped in Scotland vorstellen. Bei Witches waren es damals 19 von 27 Befragten (70 %) gewesen, die ihre Zustimmung jedoch teilweise mit Auflagen verknüpft hatten. Nur 5 Lernende sprachen sich gegen eine Weiterführung des Projekts aus, und zwar unisono mit der Begründung, dass es auf Dauer langweilig geworden wäre. Ihre Entschei‐ dung hing sicher auch mit der Tatsache zusammen, dass die Storyline durch die Rückkehr der teenagers ein natürliches Ende gefunden hatte. Eine Schülerin stellte mit Recht fest: „Man hätte großartig nicht mehr daran arbeiten können. Es wäre langweilig geworden“ (S7). Dass die 5 Lernenden jedoch mehrheitlich eine grundsätzlich positive Einstellung zum Storyline Approach vertraten, zeigen die Angaben bei Frage 7: Alle 4 Mädchen konnten sich vorstellen, mehrmals im Schuljahr ein Storyline-Projekt durchzuführen; nur der Junge lehnte diese Option ab. 364 6 Forschungsfokus Klassenzimmer Eintrag im Fragebogen Anzahl der Nen‐ nungen Kategorien 1) ja, noch (ca.) 1 Woche 10 4a 2) ja, noch 1-2 Tage 2 4a 3) ja, noch 1 Monat 1 4a 4) ja, noch 2-3 Wochen 1 4a 5) ja, noch 2 Wochen 1 4a 6) ja, noch 1-2 Wochen 1 4a 7) ja, noch ca. 4-6 Stunden 1 4a 8) ja, noch 2 Stunden 1 4a Gesamtzahl der befürwortenden Nennungen 18 9) nein, „es wäre langweilig geworden“ 5 2c, 3a Gesamtzahl der ablehnenden Nennungen 5 Gesamtzahl der Nennungen 23 Tab. 27: Frage 5: „Hättest du gerne noch länger an dem Projekt ‘Kidnapped in Scotland’ gearbeitet? Wenn ja, wie lange? Wenn nein, warum nicht? “ Im Gegensatz zu den teilweise exotischen Vorschlägen bei den beiden vorherigen Projekten klingen die Angaben in der aktuellen Befragung realistischer: Die Mehrheit favorisierte eine Zeitspanne von 1 Woche bzw. von circa 1-2 Wochen. Fakt ist, dass unter Berücksich‐ tigung der Fragen 1-5 auch dieses Storyline-Projekt für positiv befunden wurde und offenbar zur Weiterarbeit motivierte. Über Frage 7 sollte geklärt werden, ob die Bewertung der Lernenden eher vom Thema, also der inhaltlichen Ausgestaltung des Storyline-Projekts abhing, oder ob sie sich auch längerfristig vorstellen konnten, derartige Projekte durchzuführen, weil ihnen das zu‐ grunde liegende Konzept zusagte. Diese Frage war auch insofern interessant, als Kidnapped in Scotland für diese Klasse bereits das zweite Storyline-Projekt darstellte und man unter Umständen mit Gewöhnungseffekten und Ermüdungserscheinungen rechnen musste. Ein Blick in die aufgeführte Tabelle zeigt jedoch, dass diese Bedenken unbegründet waren: Eine überraschend eindeutige Mehrheit, nämlich 22 von 23 Befragten (96 %), befürwortete den Vorschlag, mehrmals im Schuljahr an einem Storyline-Projekt zu arbeiten. Nur 1 Schüler lehnte das Angebot ab. Möglicherweise handelte es sich um denselben Jungen, der auch bei Witches als einziger eine ablehnende Haltung vertreten hatte. Auffallend ist außerdem, dass bei allen drei bisher durchgeführten Befragungen immer (nur) 1 Absage zu verzeichnen war. 365 6.4 Fallstudie 3: Kidnapped in Scotland (Klasse 7) Eintrag im Fragebogen Anzahl der Nen‐ nungen Kategorien 1) ja, 2-3 Mal im Jahr 5 4a 2) ja, 4 Mal im Jahr 4 4a 3) ja, 3 Mal im Jahr 3 4a 4) ja, 2 Mal im Jahr 3 4a 5) ja, 1-2 Mal im Jahr 2 4a 6) ja, 4-5 Mal im Jahr 1 4a 7) ja, 3 Mal im Jahr 1 4a 8) ja, 1 Mal im Jahr 1 4a 9) ja, alle 2-3 Monate 1 4a 10) ja, alle 3 Monate 1 4a Gesamtzahl der befürwortenden Nennungen 22 11) nein, „es ist langweilig und kindisch“ 1 3a Gesamtzahl der ablehnenden Nennungen 1 Gesamtzahl der Nennungen 23 Tab. 28: Frage 7: „Würdest du gerne öfters so ein Projekt in Gruppen machen? Wenn ja, wie oft im Schuljahr? Wenn nein, warum nicht? “ Ohne sich in Details zu verlieren, kann aus den vorliegenden Antworten abgeleitet werden, dass sich das Gros, nämlich 19 Befragte (83 %), für etwa 2-4 Storyline-Projekte pro Schuljahr aussprach. Dieses Ergebnis ist in etwa vergleichbar mit den Daten aus der Befragung zu Witches: damals hatten 18 der 27 Lernenden (67 %) denselben Vorschlag geäußert. Außer‐ gewöhnlich sind die Begründungen der Mädchen bei Ziffer 9 bzw. 10, die vorschlugen, alle 2-3 bzw. alle 3 Monate ein solches Projekt durchzuführen, und zwar „zum abspannen“ (S7) bzw. „zur Auflockerung“ (S8), denn „immer normaler Unterricht ist nämlich langweilig“ (S8). Ich selbst hatte nie den Eindruck gehabt, dass die diversen Storyline-Projekte der Ent‐ spannung gedient hatten, zumal die Lernenden immer sehr engagiert, konzentriert und motiviert mitgearbeitet hatten. Fazit: Wenn alle Befragten bis auf 1 Ausnahme pro Schuljahr mehrere, jedoch mindestens 1 Projekt durchführen möchten, dann scheint das ein positives Zeichen hinsichtlich der eingangs gestellten Frage, ob Storyline-Projekte auch eine längerfristige Motivation ver‐ sprechen. Eine Schülerin begründete ihre Empfehlung für 4 Storylines mit den Worten: „Ich finde es ist sehr lehrreich“ (S5). 366 6 Forschungsfokus Klassenzimmer Auf die Frage nach Themenwünschen für zukünftige Storyline-Projekte (Frage 8) wird an dieser Stelle nicht näher eingegangen, da sie nicht im Mittelpunkt des Erkenntnisinter‐ esses stand. Fakt ist, dass 9 Lernende entweder keine Antwort gaben (3 Befragte) oder keine Ideen hatten (6 Befragte). Alle anderen äußerten mindestens einen oder mehrere Vor‐ schläge, die von „London“ über „Umwelt“ bis „Rechtsradikalismus“ reichten. Die Angaben bieten sicher eine gute Diskussionsbasis für zukünftige Projekte. Die Frage nach dem Lerngewinn durch Kidnapped in Scotland (Frage 6) brachte bemer‐ kenswert eindeutige Ergebnisse. Erneut führten die Lernenden zahlreiche Aspekte auf, mit denen sie einen persönlichen Lernfortschritt verbinden konnten. Als positiv kann auch gewertet werden, dass alle Befragten mindestens 1 Merkmal nannten; manche listeten sogar bis zu 3 Punkte aus ganz unterschiedlichen Bereichen auf. Eintrag im Fragebogen Anzahl der Nen‐ nungen Kategorien 1) etwas bzw. viel über Schottland; Schottland (besser) kennengelernt 16 3c 2) etwas über Städte bzw. Orte in Schottland 5 3c 3) Gruppenarbeit; Zusammenarbeit in der Gruppe; aufeinander hören 5 6a, 6c 4) (besser) Englisch 3 5i 5) Briefe schreiben 3 5c, 5 g, 7d 6) etwas über schottische Kultur bzw. Sitten 3 3c 7) Sehenswürdigkeiten in Schottland 2 3c 8) „freier English gesprochen“ 1 5d, 5i 9) viele neue Vokabeln 1 5e 10) Texte schreiben 1 5c Gesamtzahl der Nennungen 40 Tab. 29: Frage 6: „Was hast du in diesem Projekt gelernt? “ In erster Linie wurde laut Aussage der Lernenden kulturelles und geographisches Wissen über das Zielsprachenland erworben. Zählt man die entsprechenden Aspekte bei Ziffer 1, 2, 6 und 7 zusammen, so erhält man in diesem Bereich die beachtliche Summe von insgesamt 26 Nennungen (65 % der Gesamtzahl). Somit wurde das eigentliche Ziel dieser Storyline erreicht. Während bei den beiden vorherigen Storyline-Projekten regelmäßig Gruppenarbeit und Wortschatzerwerb als Spitzenreiter genannt wurden, hatten diese beiden Merkmale bei Kidnapped in Scotland offenbar nicht mehr dieselbe große Bedeutung. Dennoch erwähnten 5 Mädchen ausdrücklich, dass sie einen Lernerfolg im Bereich des kooperativen und sozialen Lernens feststellen konnten. 367 6.4 Fallstudie 3: Kidnapped in Scotland (Klasse 7) Fortschritte im Bereich der fremdsprachlichen Kompetenzen und Fertigkeiten wurden von insgesamt 9 Lernenden bestätigt, und zwar hinsichtlich des Schreibens (Ziffer 5 und 10), des Sprechens (Ziffer 8) und des Wortschatzerwerbs (Ziffer 9) sowie auch auf allge‐ meinerer Ebene (Ziffer 4). Interessant ist dabei, dass die angeblich gehäuften Schreibauf‐ träge zwar nicht immer besonders viel Freude bereitet hatten, aber diesbezüglich trotzdem von immerhin 4 Lernenden bei Ziffer 5 und 10 ein Lernzuwachs verbucht werden konnte. Von zusätzlichem Interesse war bei dieser dritten Fallstudie die Frage, wie die Lernenden der 7. Klasse die beiden durchgeführten Storyline-Projekte im Vergleich beurteilten und womit sie ihre Bewertung begründeten (Frage 10). Ein kurzer Blick auf Tabelle 30 zeigt, dass sich die Befragten eindeutig für Kidnapped in Scotland aussprachen, wobei hier na‐ türlich die zeitliche Nähe und somit auch die emotionale Verbundenheit mit dem zuletzt durchgeführten Projekt berücksichtigt werden muss. Da die Lernenden - vor allem die Mädchen - häufig Mehrfachbegründungen abgaben, deren bloße Addition zu verfälschten Ergebnissen führen würde, wird hier zunächst die Anzahl der Stimmen für ein bestimmtes Projekt aufgeführt und im Anschluss daran werden die diversen Gründe für die jeweilige Bewertung dargestellt. Eintrag im Fragebogen Anzahl der Nen‐ nungen Kategorien Kidnapped in Scotland 19 1) war interessanter 8 3a 2) war nicht so kindisch 3 3a 3) Witches war (etwas) kindisch bzw. war für Kinder 3 3a 4) war interessanter bzw. hat mehr Spaß gemacht wegen Filmarbeit 3 4b, 7d, 9b 5) Kidnapped in Scotland, aber eigentlich beides - jedes auf seine Weise 2 4a 6) man hat mehr gelernt 1 4f 7) man hat mehr über Land und Leute gelernt 1 3c, 4f 8) man hat etwas für das Leben gelernt 1 1c, 4 f 9) Thema war interessanter 1 3a 10) interessante Handlung 1 2c, 3a 11) war spannender 1 2c, 3a 12) hat mehr Spaß gemacht 1 4b Gesamtzahl der Begründungen 26 368 6 Forschungsfokus Klassenzimmer The Witches 4 1) war immer was los; mehr bzw. immer “action“ 2 2c 2) Thema gefiel besser 1 3a 3) man hat mehr erfahren 1 4f 4) man hat mehr gebastelt 1 10a 5) mehr Freiraum zum Gestalten 1 9c, 10a 6) man musste nicht so viel schreiben 1 5c 7) war länger 1 1d Gesamtzahl der Begründungen 8 Tab. 30: Frage 10: „Welches Projekt hat dir besser gefallen: ‘The Witches’ oder ‘Kidnapped in Scot‐ land’? Warum? “ 19 Lernende (83 %) bevorzugten eindeutig das Schottland-Projekt, wobei 2 Mädchen ein‐ räumten, dass beide Projekte ihre jeweils eigenen Vorzüge hatten. Folglich kann in diesen beiden Fällen sogar von einer generellen, themenunabhängigen Zufriedenheit mit dem Storyline Approach ausgegangen werden. Eindeutiger Schwerpunkt bei den Begründungen für Kidnapped in Scotland ist der Aspekt „Themenauswahl“: Noch immer galt Witches bei vielen Lernenden als „zu kindisch“, wo‐ hingegen das Schottland-Projekt mehrheitlich als interessanter, spannender und altersge‐ rechter bewertet wurde. Aufschlussreich ist auch die Angabe in Ziffer 4: 3 Mädchen be‐ vorzugten das Schottland-Projekt vor allem deshalb, weil es eine Medienkomponente beinhaltete und mit aktiver Filmarbeit verbunden war. Dies wurde offenbar als motivie‐ rende Aufgabenstellung und bedeutungsvolle Aktivität aufgefasst. Besonders interessant ist, dass 3 Lernende bei Ziffer 6-8 dem zweiten Projekt den Vortritt gaben, weil sie dort angeblich einen größeren Lernerfolg verbuchen konnten. Außerge‐ wöhnlich klingt die Begründung eines Jungen: „Weil man bei Scotland etwas vom Leben hat und falls man hingeht etwas davon weiß“ (S22). Er sah also vor allem den Gebrauchswert und die Relevanz des Gelernten für seine persönliche Zukunft. Auch wenn Witches bei dem bewertenden Vergleich nur insgesamt 4 unterstützende Stimmen erhielt, wird aus den immerhin 8 Begründungen ersichtlich, dass auch dieses Projekt gewisse Qualitäten und Vorzüge hatte, die vor allem in der kreativen Ausgestaltung der Geschichte lagen: „Da war immer Action! z. B. ein Tanz, Hexen, Haus mit Zimmer basteln u.s.w.“ (S1). Mit Hilfe von Frage 11 wurde untersucht, wie die Lernenden den ausgeteilten Reader einschätzten. Das Ergebnis ist eindeutig und zugleich überraschend: Alle 23 Lernenden bewerteten das Themenheft positiv. Manche drückten ihre Zustimmung mit einem bloßen Stichwort wie „super! “ (S13), „sehr gut“ (S20; S21) oder „gut“ (S18; S23) aus. Andere dagegen verzichteten auf eine explizite Bewertung und erläuterten stattdessen nur, warum ihnen das Heft gefiel. Der Großteil der Klasse (20 Lernende) gab allerdings sowohl eine eindeutige 369 6.4 Fallstudie 3: Kidnapped in Scotland (Klasse 7) Bewertung wie z. B. „gut“ oder „sehr gut“ als auch eine Begründung ab, obwohl diese ei‐ gentlich gar nicht gefragt war. Auffallend ist die große Vielfalt der aufgeführten Argumente sowie das besonders ausgeprägte Mitteilungsbedürfnis der Mädchen (17 der 22 Begrün‐ dungen). Eintrag im Fragebogen Anzahl der Nen‐ nungen Kategorien Bewertungen: 1) gut bzw. „ganz gut“ 15 7a 2) sehr gut 2 7a 3) super 2 7a 4) sehr schön 1 7a Gesamtzahl der expliziten Bewertungen 20 Begründungen: 1) man hat viel gelernt; man hat „viel rausgefunden“; viel über Schott‐ land gelernt 4 3c, 4 f, 7a 2) „alles war drin“; „es war alles zusammengefaßt“ 3 7a 3) (sehr) informativ bzw. enthält viele Informationen 3 3c, 7a 4) (sehr) lehrreich 2 4f, 7a 5) „sehr schön erklärt“; „gut beschrieben“ 2 7a 6) interessant 2 3a, 7a 7) Spaß durch verschiedene Textarten 1 4b, 5a, 7a 8) „war toll zusammen geheftet“ 1 7a 9) Nachschlagewerk für später 1 1c, 7a, 7c 10) leicht verständlich 1 4f, 5i, 7a 11) (zwar gut, aber) nicht alles verstanden 1 5i, 7a 12) (zwar gut, aber) hätte für die Recherche noch ausführlicher sein können 1 7a, 7c Gesamtzahl der Begründungen 22 Tab. 31: Frage 11: „Wie fandest du das ‘Scotland’ Heft? “ Das 18-seitige Themenheft trug offenbar nicht nur zur Motivation, sondern auch zum Lernerfolg bei. Diese Erkenntnis ist umso erfreulicher, als die Lehrkraft im Vorfeld mehrfach Bedenken geäußert hatte, dass der Schwierigkeitsgrad der authentischen Texte für die 7. 370 6 Forschungsfokus Klassenzimmer Klasse zu hoch sein könnte. Nach Aussage der Befragten war dies jedoch nicht der Fall: Nur 1 Schüler räumte ein, dass er nicht alles verstanden habe (S15), wohingegen 1 Schülerin hervorhob, dass alles „leicht verständlich und sehr schön erklärt“ war (S7). 4 Lernende befanden den Reader für gut, weil sie durch dessen Einsatz viel gelernt haben bzw. „weil man nun besser Schottland kennt“ (S10). Weitere 5 Befragte verwiesen in Ziffer 3 und 4 auf den informativen bzw. „lehrreichen“ Charakter des Heftes. Eine konkrete Ein‐ schätzung zum persönlichen Lerngewinn unterblieb zwar an dieser Stelle, dennoch kann davon ausgegangen werden, dass insgesamt mindestens 9 Lernende mit Hilfe des Readers ihr Wissen über das Zielsprachenland erweitern konnten. Die „Dunkelziffer“ ist jedoch vermutlich höher, vor allem wenn man die Antworten bei Frage 6 mit berücksichtigt. Zur Qualität des Heftes als Werkzeug für die Recherche äußerten sich 3 Lernende positiv (Ziffer 2): Sie bewerteten den Reader als gut aufbereitete Informationsquelle, wodurch die Bearbeitung der anstehenden Aufgaben erleichtert wurde. 2 Mädchen lobten in Ziffer 7 und 8 auch die ansprechende Gestaltung des Heftes, wobei 1 Schülerin sogar explizit auf die Vielfalt der Textsorten einging: „Es waren nicht nur Texte, sondern auch Zeichnungen, Bilder ... damit hat es viel Spaß gemacht“ (S8). Hervorzuheben ist die Aussage des Schülers bei Ziffer 9: „Ich fand es gut denn man kann später dieses Heft noch anschauen“ (S19). 6.4.7 Das Abschlussgespräch mit der Lehrkraft Das Gespräch fand eine Woche nach Abschluss des Projekts statt. Da die Unterrichtsre‐ flexionen an den einzelnen Storyline-Tagen immer recht ergiebig waren und eventuelle Schwierigkeiten oder Überraschungen sofort thematisiert wurden, konnte das AIL relativ offen und informell verlaufen. Dabei wurden noch einmal die wichtigsten Beobachtungen und Erkenntnisse zusammengefasst, die Ergebnisse aus der SABS besprochen sowie einige Anregungen für zukünftige Storyline-Projekte gesammelt. Um Redundanzen mit den obigen Kapiteln zu vermeiden, werden an dieser Stelle nicht alle Gesprächsinhalte noch einmal ausführlich wiederholt, sondern nur die markantesten Diskussionspunkte aufgegriffen. Lobenswert fand die Lehrkraft die aktive Mitarbeit und das Engagement der Klasse [4b, 8b, 8c]: Obwohl das Schuljahresende nahte und teilweise eine fast unerträgliche Hitze herrschte, arbeiteten die Gruppen konzentriert und selbstständig innerhalb und außerhalb des Klassenzimmers an ihren Aufgaben [9d] und hatten Spaß an der fiktiven Verfolgungs‐ jagd [2e, 3a] sowie an der Präsentation bzw. der Lösung der diversen clues [2c, 4f, 11a]. Gerade die Videoclips schienen eine große Faszination auszuüben, und zwar nicht nur während der Produktion [7d, 9c], sondern auch bei der Präsentation bzw. Rezeption im Plenum [4f, 11a, 11b]. Als etwas problematisch bewertete die Lehrkraft jedoch die rollenspezifischen Aufga‐ benstellungen, wie dies bereits in den Fragebögen zur Sprache gekommen war [9a]: Die kidnappers hatten in ihren Augen eindeutig die reizvollsten Aufgaben [9b, 9c]. Die parents dagegen waren eine reine Jungengruppe [6b], die das Ausschneiden von Bildmaterialien für die Schottlandkarte weder besonders attraktiv noch anspruchsvoll fand [10a]. Auch den Vorwurf einiger teenagers, die bei der SABS geklagt hatten, dass sie zu viel schreiben mussten [5c], fand sie berechtigt. Offensichtlich erwarteten die Lernenden bei einem Pro‐ 371 6.4 Fallstudie 3: Kidnapped in Scotland (Klasse 7) jekt verstärkt nichtalltägliche Aufgabenstellungen wie Rollenspiele, Aufführungen oder eigene Medienproduktionen. Den Reader befand die Lehrkraft für gut [7a] und sie bestätigte, dass er von den Schü‐ lerinnen und Schülern sehr positiv aufgenommen wurde. Die authentische Broschüre da‐ gegen bewertete sie als zu schwierig und zu wenig strukturiert. Allerdings wurde dieser Kritikpunkt nie von den Lernenden selbst an mich herangetragen. Ich war vielmehr ver‐ blüfft, wie intensiv sie in den Materialien recherchierten [7b, 7c] und wie schnell sie die clues lösen konnten [9c]. Etwas ausgiebiger wurde in dem AIL erneut die Frage diskutiert, ob bzw. wie im Rahmen eines Storyline-Projekts strukturierte Spracharbeit realisiert werden kann. Die Lehrkraft forderte mehr Korrekturphasen, in denen schriftliche und mündliche Aufgaben überprüft bzw. geprobt werden können, um auf diese Weise die Qualität der Lernprodukte zu ver‐ bessern. Andererseits kann eine intensive Spracharbeit nach meiner Einschätzung schnell dazu führen, dass Strategien zur Fehlervermeidung eingesetzt und die kreativen Inhalte zu sehr in den Hintergrund gedrängt werden. Leicht möglich wäre aus meiner Sicht jedoch ein integrierter Minikurs zu einzelnen Arbeitsmethoden (z. B. note-taking, dictionary skills oder drama activities), wenn alle Gruppen dieselbe Aufgabenstellung haben. Vorstellbar ist auch eine kurze vorbereitende Wiederholung von einzelnen Wortfeldern oder Strukturen, die für die Bearbeitung einer bestimmten Aufgabe relevant sind. Darüber hinaus sollte der sprachbezogene Austausch (peer correction) intensiv gefördert und bei Bedarf auch klas‐ senöffentlich reflektiert werden. Dennoch sollte allein schon aus Motivationsgründen eine angemessene Fehlertoleranz angestrebt werden (fluency before accuracy). Diese Vorstellung scheint allerdings bei Lehrkräften häufig ein gewisses Unbehagen auszulösen. Obwohl die Lehrkraft bereits bei Witches praktische Storyline-Erfahrungen gesammelt hatte, fand sie es phasenweise anstrengend, die Lernenden bzw. die verschiedenen Gruppen parallel zu betreuen und vor allem die diversen Arbeitsphasen zeitlich „passend“ zu koor‐ dinieren [1d]. Sie schlug deshalb vor, bei zukünftigen Realisierungen die Klasse statt in fünf nur in zwei Gruppen einzuteilen, also insgesamt weniger arbeitsteilige Gruppenarbeit ein‐ zuplanen. Hier muss eingeräumt werden, dass Kidnapped in Scotland in der Tat eine sehr komplexe Storyline darstellt, die von den Lernenden zwar als spannend und interessant empfunden wurde [2c], aber für Lehrkräfte auf Grund der vielfältigen Differenzierungs‐ möglichkeiten sehr anspruchsvoll ist und ein gutes class management voraussetzt. Gerade deshalb ist es unverzichtbar, dass vorgefertigte Storyline-Entwürfe nicht rezeptartig über‐ nommen, sondern auf die spezifische Lehr-Lern-Situation hin angepasst werden. Insgesamt zeigte sich die Lehrkraft jedoch (wie die Klasse) mit den Ergebnissen dieses zweiten Projekts zufrieden [3a, 4a] und staunte (wie ich), dass Witches bei der vergleichenden Bewertung nur 4 Stimmen erhalten hatte. 6.4.8 Fazit Die Ergebnisse aus den Unterrichtsbeobachtungen und den Befragungen ergänzen und bestätigen sich in vielen Bereichen. Als Gesamtbild belegen sie, dass auch dieses zweite Storyline-Projekt von den Lernenden in vielerlei Hinsicht als positive Erfahrung betrachtet wurde und sie darüber hinaus vielfältige Lernerfolge verbuchen konnten. Wichtigster Be‐ 372 6 Forschungsfokus Klassenzimmer fund ist jedoch, dass das erste Projekt Witches damals definitiv wegen des Themas abge‐ wertet wurde und nicht etwa auf Grund seiner spezifischen Konzeption als Storyline-Pro‐ jekt. Dieses Ergebnis wurde durch die aktuelle Befragung erneut bekräftigt. Um besagtes Problem konstruktiv zu lösen, hatten die Lernenden in der vorliegenden Studie bekanntlich die Möglichkeit gehabt, eigene Themenvorschläge einzubringen. Folglich wurde das Schottland-Projekt bei der vergleichenden Bewertung mit eindeutiger Mehrheit bevorzugt genannt und das Thema als mehr altersgerecht eingestuft. Es kann also nur noch einmal betont werden, dass bei der Konzeption von Storyline-Projekten nicht nur die spezifischen Bedingungen vor Ort, sondern vor allem auch die Themenwünsche und Vorschläge der Lernenden zu berücksichtigen sind. Kidnapped in Scotland war ursprünglich für vier bis sechs Doppelstunden konzipiert und wurde in der 7. Klasse in vier Doppelstunden, die auf 10 Tage verteilt waren, durchgeführt. Diese relativ kurze und komprimierte Projektphase erwies sich erneut als positiv. Da jedoch manchen Lernenden das Ende zu abrupt erschien und phasenweise ein gewisser Zeitdruck entstand, wäre es vermutlich besser gewesen, den geplanten Zeitrahmen voll auszu‐ schöpfen, um auf diese Weise das Storyline-Projekt ein wenig zu entschleunigen. Sowohl die Handlung als auch die Arbeitsorganisation war bei Kidnapped in Scotland um einiges komplexer und anspruchsvoller als bei den bisherigen Storyline-Projekten. Dies verlangte von der Lehrkraft sehr viel Präsenz, Konzentration und Weitblick. Andererseits ergaben sich dadurch vielerlei Möglichkeiten der Differenzierung. Nichtzuletzt konnten bei den vielfältigen Aufgabenstellungen ganz unterschiedliche Begabungen, individuelle Ta‐ lente und multiple Intelligenzen eingebracht und verfeinert werden. Auch bei diesem Storyline-Projekt war nach Aussage der Schülerinnen und Schüler das kooperative Lernen und Arbeiten in der Gruppe die positivste Erfahrung, obwohl für die Klasse Gruppenarbeit im Fremdsprachenunterricht keine Neuigkeit war. Als besonders motivierend wurde der selbstständige Umgang mit der Videokamera und die eigene Medi‐ enproduktion empfunden. Breite Zustimmung fand auch der landeskundliche Reader mit diversen authentischen Texten, den die Lernenden intensiv als Informationsquelle be‐ nutzten. Dass die Hausaufgabe der selbstständigen Lektüre tatsächlich ernstgenommen und vor allem auch gemeistert wurde, zeigte sich regelmäßig in den einzelnen Stunden: Die Lernenden erinnerten sich oft an kleinste Details und konnten die gestellten clues überra‐ schend schnell erraten. Somit scheint nicht verwunderlich, dass bei der SABS in erster Linie ein Lernzuwachs im Bereich der landeskundlichen und interkulturellen Kompetenz ange‐ geben wurde. Mit diesem Ergebnis wird bestätigt, dass durch Storyline-Projekte auch kon‐ textualisiertes Sach- und Fachwissen vermittelt werden kann, was gerade für den bilingu‐ alen Unterricht eine sinnvolle Option darstellt. Es erwies sich, dass die Lernenden nicht nur hohe Ansprüche an den Inhalt der story, sondern auch an die Aufgabenstellungen und Arbeitsaufträge stellten. Offensichtlich fanden die parents und teenagers ihre Aufgaben, vor allem im Vergleich mit den kidnap‐ pers, nicht immer anspruchsvoll bzw. attraktiv genug. Hierbei muss allerdings in Betracht gezogen werden, dass die Gruppen ein ganz unterschiedliches Leistungsniveau aufwiesen und die einzelnen Rollen mehr oder weniger große Freiräume zuließen. Interessant und zugleich überraschend war, dass die beiden landeskundlichen Exkurse so positiv aufgenommen wurden. Falls die Schule die Voraussetzungen bietet, könnte hier 373 6.4 Fallstudie 3: Kidnapped in Scotland (Klasse 7) 14 Vgl. dazu auch Dam (2000), Legenhausen (1999), Ushioda (2009; 2011) sowie Kapitel 4.3.5.1. als Alternative auch die Möglichkeit zur arbeitsteiligen und selbstständigen Internet-Re‐ cherche genutzt werden. Auf diese Weise erweitern Computerraum und Internet auf einer zusätzlichen Ebene den Handlungsraum des Klassenzimmers. Ebenso wäre es möglich, falls sich aus der Situation heraus ein konkreter Anlass ergibt, eine gezielte Sprachtrainings‐ phase zu einem bestimmten sprachlichen Problem einzuschalten: In jedem Fall handelt es sich dabei nur um ein phasenweises Aussteigen aus dem simulierten Rollenspiel der Story‐ line. Vor dem Hintergrund, dass manche Schülerinnen und Schüler gerade im Hinblick auf die special task eine mangelnde Vielfalt bzw. Attraktivität von Aufgaben beklagt hatten, könnten bei zukünftigen Realisierungen dieses Storyline-Projekts ganz gezielt Beiträge zu einer konstruktiven und reflektierten Medienerziehung integriert werden. So wäre denkbar, dass in leistungsstarken Klassen an Stelle der Lehrkraft auch einzelne Lernende kurze Lehrgänge vorbereiten, die in die story eingebettet sind (Lernen durch Lehren): Sprachlich gute teenagers könnten beispielsweise mit Hilfe ihrer MP3-Player „heimliche“ Tonaufnahmen mit landeskundlichen Informationen zu ihrem Aufenthaltsort anfertigen, die als clue nach außen „geschmuggelt“ werden. Möglich wären auch „heimliche“ Fotos von der Verfolgungsjagd, die sie später in Form eines Erlebnisberichts präsentieren. Eine Al‐ ternative zum Verfassen von Tagebucheinträgen böte das Schreiben von Blogs oder SMS. Die journalists und police könnten ihre Artikel wahlweise auch per Computer schreiben. Diese Option würde nicht nur zur Authentizität beitragen, sondern im gleichen Zug könnten die Lernenden über das integrierte Korrektursystem und die Thesaurusfunktion ihre Texte selbstständig bearbeiten - eventuell auch als Hausaufgabe. Die parents könnten als Ersatz für die Ausgestaltung der Landkarte (Fries) unter Umständen einen bildgestützten Kurzvortrag oder eine PowerPoint-Präsentation über die diversen Aufenthaltsorte der teen‐ agers machen. Statt aufwändiger Filmarbeiten wären eventuell auch kurze Bühneninsze‐ nierungen denkbar. Doch all dies setzt natürlich die erforderliche Ausstattung, entspre‐ chende Zeitressourcen und Kompetenzen voraus. Wichtige und zukunftsweisende Erkenntnisse lieferte bei dieser Fallstudie die Tatsache, dass die Lernenden nicht wie üblich konkrete Figuren, sondern „nur“ rollenspezifische Ausweispapiere herstellten. Trotzdem gelang die Rollenidentifikation erstaunlich rasch und unbefangen. Die hier eingesetzte Variante scheint gerade für ältere Klassen eine gute und zeitsparende Alternative zu bieten. Außerdem zeigte sich, dass den Schülerinnen und Schülern die Rollenübernahme durch die individuelle Verkörperung einer einzelnen Figur leichter fiel, als dies bei Witches der Fall war. So ließen die vielfältigen fremdsprachlichen Produktionen immer wieder einen hohen Grad an Rollenidentifikation erkennen. Für die Lernenden hatten die Rollenspiele offenbar nicht die Funktion von bloßen Sprachübungen, sondern stellten eher kommunikative Ernstfälle dar, die von den Teilgruppen gemeinsam zu bewältigen waren. Die vorgeführten Interviews waren ein sprechender Beleg für zweck‐ gerichtete, inhalts- und adressatenbezogene Lernertexte, die auf der „Bühne“ des Klassen‐ zimmers präsentiert und von den Anwesenden interessiert und anerkennend rezipiert wurden. 14 374 6 Forschungsfokus Klassenzimmer Das intensive Üben und Wiederholen der einzelnen Beiträge für Interviews, fiktive Pres‐ sekonferenzen und Fernsehsendungen hatte zudem den positiven Nebeneffekt, dass die Lernenden auf natürliche Art und Weise verschiedene Dimensionen der Sprachproduktion verbesserten, denn sie waren intrinsisch motiviert und wollten bei den Präsentationen gut abschneiden. Gleichzeitig konnten sie auch diverse Präsentations- und Schauspieltechniken ausprobieren sowie ihre sozialen Kompetenzen verfeinern. Folglich erweiterten sie nicht nur ihr deklaratives und prozedurales Wissen, sondern trainierten durch die angestrebte Ganzheitlichkeit und Komplexität der Aufgabenstellungen auch verschiedene Gedächtnis‐ leistungen, was der Nachhaltigkeit von Lernprozessen förderlich ist. Die Sprache während der Gruppenarbeit variierte je nach Aufgabenstellung: Bei Bastel‐ arbeiten wurde meist in der Muttersprache verhandelt, bei der Textproduktion jedoch vor‐ wiegend in der Fremdsprache. Der Einwand, Gruppenarbeit verleite zur Verwendung der Muttersprache, lässt sich leicht entkräften durch den Hinweis auf den hohen Anteil fremd‐ sprachlicher Interaktion während der Präsentationsphasen. Von besonderer Bedeutung ist nach Durchführung der beiden Projekte in der 7. Klasse die Erkenntnis, dass durch zunehmende Storyline-Erfahrungen das autonome Lernen und Arbeiten gefördert wird: Im Vergleich zu Witches arbeiteten die Lernenden bei Kidnapped in Scotland eigenständiger und selbstbewusster. Der Einsatz von Storyline ist also eine Möglichkeit, das fremdsprachliche Klassenzimmer in einen Handlungsraum zu verwan‐ deln, der gleichzeitig Trainingsplatz, Kommunikationszentrum und Lernwerkstatt ist und in dem Schülerinnen und Schüler mit Lust eigenverantwortlich und zunehmend selbst‐ ständig lernen. Wenn einzelne Lernende spontan kundtun, dass sie sich „schon auf morgen“ freuen (UB), wenn 12 Lernende, also mehr als die Hälfte der Befragten, keinen Anlass für Verbesserungen sieht, und wenn sich nahezu alle eine Weiterarbeit an Kidnapped in Scotland vorstellen können, lässt das wohl auf einen hohen Grad von Akzeptanz schließen. Und: Wenn alle bis auf eine Ausnahme den Wunsch äußern, pro Schuljahr mindestens ein oder gar mehrere Storyline-Projekte durchzuführen, dann kann dies sicher als positive Antwort auf die ein‐ gangs gestellte Frage nach einer längerfristigen Motivation durch Storyline interpretiert werden. 6.5 Fallstudie 4: Our Ideal School (Klasse 9) 6.5.1 Allgemeine Informationen Das war für mich der beste Englischunterricht (Schüler, 9. Klasse) Angeregt durch die positiven Erfahrungen in Klasse 6 und 7 entwickelte sich alsbald der Gedanke, auch für höhere Klassen Storyline-Projekte zu entwerfen und sie in der Praxis zu erproben. Our Ideal School wurde ursprünglich für die 9. Klasse konzipiert und stellte den ersten Versuch dar, Projekte nach dem Storyline Approach auch mit älteren Lernenden durchzuführen. Selbst die mir bekannten muttersprachlichen Storyline-Projekte waren bis dahin ausschließlich für jüngere Schülerinnen und Schüler bis etwa Klasse 6 geplant. Da das Thema „Schule“ auch im Lehrwerk der 9. Klasse berücksichtigt wurde, sollte das gleich‐ 375 6.5 Fallstudie 4: Our Ideal School (Klasse 9) 15 Vgl. dazu Kocher (1996b). 16 Teilaspekte dieser Studie wurden (allerdings stark verkürzt) bereits in Fehse/ Kocher (1998b; 2002) und Kocher (1999, 230 ff.) veröffentlicht. namige Storyline-Projekt als Ersatz für die entsprechende unit dienen und somit die Klasse vom üblichen „Stoffdruck“ entlasten. Gleichzeitig sollte erforscht werden, wie sich Ler‐ nende aus höheren Klassen, denen häufig Schulmüdigkeit und ein Mangel an Motivation nachgesagt wird (vgl. Kapitel 4), eine Neugestaltung der Schule konkret vorstellen. Auch in dieser Studie wurde darauf geachtet, dass das Projekt in einem überschaubaren Zeitrahmen durchgeführt werden konnte, um den Unterrichtsalltag der Beteiligten nicht allzu sehr zu beeinträchtigen. Dennoch wurde hier erstmals der Versuch unternommen, die Projektlänge etwas auszudehnen, mit dem Ziel, inhaltlich mehr in die Tiefe zu gehen und zugleich den Zeitdruck beim kreativen Arbeiten zu mindern. Außerdem hatte sich die Lehrkraft spontan dazu bereit erklärt, das Storyline-Projekt parallel auch in einer 10. Klasse durchzuführen, so dass auf Grund der aussichtsreichen Vergleichsmöglichkeiten gleich‐ zeitig auch Fallstudie 5 durchgeführt wurde (vgl. Kapitel 6.6). Wie sich bei der Durchführung von Kidnapped in Scotland (Klasse 7) gezeigt hatte, ist die Organisation von arbeitsteiliger Gruppenarbeit für Lehrkräfte und Klassen, die mit Pro‐ jektarbeit im Englischunterricht nicht erfahren sind, mitunter recht anstrengend. Aus diesem Grund wurde bei der vorliegenden Storyline wieder ein einfacheres Grundgerüst als Handlungsrahmen gewählt. Ansonsten baute das Projekt hinsichtlich Konzeption und Im‐ plementierung auf den bisher gemachten Erfahrungen auf: Teamleaders, time limits, diffe‐ renzierende Maßnahmen und kurze Evaluationsphasen galten als unverzichtbare Elemente. Von besonderem Interesse war bei dieser vierten Fallstudie - neben der Erforschung von Motivation und Lernzuwachs - zudem die Frage, wie die Lernenden den Fries bewerten würden, denn von älteren Schülerinnen und Schülern war zu erwarten, dass sie die konti‐ nuierliche Visualisierung von Lernprozessen und -produkten eventuell als „kindisch“ emp‐ finden würden, so dass man in Zukunft über andere Möglichkeiten der charakteristischen Präsentationen nachdenken müsste. Wie immer beobachtete ich während der Projektdurchführung die Klasse, machte mög‐ lichst detaillierte Notizen und fertigte Fotografien an. Phasenweise wurde der Unterricht zu Dokumentationszwecken auch auf Video 15 aufgezeichnet. Bei Bedarf betreute ich auch in diesem Fall die Gruppen bei ihrer Arbeit. Da sich die Schule in großer Entfernung zu meinem Wohn- und Arbeitsort befand und meine Projektbegleitung zudem mit Übernach‐ tungen vor Ort verbunden war, konnte ich nur vier von sechs Doppelstunden im Klassen‐ zimmer anwesend sein. Allerdings assistierte in der ersten Doppelstunde eine Praktikantin, die den Unterricht filmte. Davon abgesehen stand ich in regelmäßigem Kontakt mit der Lehrkraft, um eventuell aufkommende Fragen zügig zu beantworten und die Erfahrungen zu reflektieren. 16 6.5.2 Die Institution und die Lerngruppe Die Realschule, an der Our Ideal School durchgeführt wurde, befindet sich in einer mittleren Kleinstadt im nördlichen Baden-Württemberg. Über die Hälfte der Schülerinnen und 376 6 Forschungsfokus Klassenzimmer Schüler stammt aus den diversen Ortsteilen und dem ländlichen Umland. Die Schulgrün‐ dung geht in die 1950er Jahre zurück, allerdings waren zwischenzeitlich mehrere Umzüge in neue Schulgebäude erfolgt. Dennoch wirkte das Schulhaus sanierungsbedürftig, so dass das Storyline-Thema einen ganz realen Bezug zur Lebenswelt der Lernenden aufwies. Als besonders positiv empfand ich zum Zeitpunkt der Untersuchung die wohlwollende Einstellung der Schulleitung zur geplanten Studie. Das Rektorat hatte sich schon im Vorfeld dazu bereit erklärt, sich an dem geplanten Abschlussgespräch mit der Klasse zu beteiligen und die Projektdurchführung in jeder Hinsicht zu unterstützen. Auch stundenplantech‐ nisch wurde versucht, Rücksicht auf meine weite Anreise zu nehmen. Die Ausstattung des Klassenzimmers entsprach einem realistischen Durchschnitt. Von Vorteil war, dass für den Fries zwei große Wandflächen zur Verfügung standen, die teilweise sogar mit Korkplatten versehen waren. Durch die großzügige räumliche Situation konnten die Materialien der wordbanks und der story in getrennten Bereichen arrangiert werden, was zur Übersichtlichkeit der Ausstellungsfläche beitrug. Die 9. Klasse, in der das Projekt gleich zu Beginn des 5. Lernjahres durchgeführt wurde, bestand aus 28 Schülerinnen und Schülern im Alter von 14 bis 16 Jahren. Mir selbst war die Klasse bis dahin nicht bekannt, so dass ich mich bei der Konzeption des Storyline-Projekts voll und ganz auf die Angaben der Lehrkraft verließ. Laut deren Auskunft verfügten die Lernenden über wenig Erfahrung mit Gruppenarbeit und handlungsorientierten Unter‐ richtsmethoden und waren leistungsmäßig auf einem mittleren Niveau einzuordnen. Team-Teaching war ihnen gänzlich unbekannt. Für das Projekt wurde die Klasse in 6 Gruppen aufgeteilt, die aus jeweils 4-5 Mitgliedern mit unterschiedlichem Leistungsniveau bestanden. Beim ersten Unterrichtsbesuch fiel mir auf, dass die Lernenden insgesamt recht zurückhaltend wirkten. 6.5.3 Die Lehrkraft Die Englischlehrkraft, die das Storyline-Projekt Our Ideal School mit der 9. Klasse durch‐ führte, war bereits einige Jahre im Schuldienst tätig und hatte großes Interesse, sich im Bereich der Fremdsprachen weiterzuqualifizieren. Dies war auch mit ein Grund dafür, dass sie an einer von Prof. Klaus-Dieter Fehse und mir durchgeführten Storyline-Fortbildung für Fachberaterinnen und -berater teilgenommen hatte und in diesem Zusammenhang den Vorschlag unterbreitete, sich für zukünftige Unterrichtsversuche gerne zur Verfügung zu stellen. Die Lehrkraft war also mit den Grundzügen des Storyline Approach vertraut und hatte im Rahmen der Fortbildung nicht nur eine kurze Unterrichtssimulation miterlebt, sondern in einer Arbeitsgruppe auch erste Versuche unternommen, eine eigene Storyline zu entwickeln. Praktische Erfahrungen mit Storyline-Projekten im eigenen Englischunter‐ richt hatte sie bis zum Zeitpunkt der Untersuchung jedoch noch nicht gemacht. An der Konzeption des Projekts beteiligte sich die Lehrkraft nur insofern, als wir in einem persönlichen Gespräch zunächst ein ansprechendes Thema auswählten und anschließend einige Ideen sammelten. Noch vor Beginn der Studie schickte ich ihr meine konkreten Vorschläge und Unterrichtsvorbereitungen zu, die sie später im Unterricht umsetzte oder mitunter auch etwas variierte, um sie auf die Klasse und die Gegebenheiten vor Ort abzu‐ stimmen. Im Vorfeld aufkommende Fragen wurden telefonisch oder schriftlich geklärt. 377 6.5 Fallstudie 4: Our Ideal School (Klasse 9) 17 Zur Basisfassung des Projektentwurfs vgl. Fehse/ Kocher (1996). 6.5.4 Das Storyline-Projekt Bei Our Ideal School  17 handelt es sich - wie bei The Farm - um eine Storyline vom Typ real-life story, also um eine Geschichte, die sich auf den eigenen Erfahrungsbereich und konkreten Lebensalltag der Lernenden bezieht. Das Projekt besteht aus vier Episoden von unterschiedlicher Länge und wurde für sechs bis acht Doppelstunden à 90 Minuten konzi‐ piert. Es kann jedoch je nach den unterrichtlichen Gegebenheiten auch verkürzt oder ver‐ längert werden. Im vorliegenden Fall musste die Originalfassung aus Zeitgründen modifi‐ ziert werden, so dass Episode 3 (Videoclipproduktion) entfiel und hier nicht weiter berücksichtigt wird. Den Auftakt zu Episode 1 bildet das Lied The Wall von PINK FLOYD, das zu einem Ge‐ dankenaustausch über das Thema „Schule“ anregen soll. Wahlweise steht auch eine Kari‐ katur zur Verfügung. Nach einem kurzen Brainstorming sammeln die Lernenden positive und negative Aspekte über ihren eigenen Schulalltag und halten sie auf einem Poster fest. Diese dienen später als Ausgangspunkt für die Gestaltung einer ideal school in Form von Collagen, Skizzen und Texten. Bekanntlich gibt es zum Thema „Schule“ sehr konträre Ansichten. Um die Gestaltung einer Traumschule aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten und somit möglichst allen am Bildungs- und Erziehungsprozess Beteiligten gerecht zu werden, wird die Klasse in mehrere Gruppen aufgeteilt, die jeweils eine spezifische Rolle übernehmen. Für Klassen, die mit dem Storyline Approach und anderen offenen Lernformen wenig vertraut sind, liegt es nahe, sich auf wenige Rollen zu beschränken. Hier bietet es sich an, nur pupils, parents und teachers zu wählen, die von jeweils zwei Gruppen vertreten werden. Im anderen Fall können auch weitere Rollen wie city council oder school administration einbezogen werden. Nach der Gruppenaufteilung geben sich die Lernenden eine neue Identität, indem sie rollenspezifische Papiere, die jeweils mit einem Passfoto versehen werden, anfertigen: Die pupils erstellen Schülerausweise, die parents schreiben Lebensläufe und die teachers füllen Formulare für ihre Personalakte aus. Jedes Klassenmitglied schlüpft somit in eine neue Rolle, die es bis zum Ende der Storyline beibehält und ausgestaltet. Wie bei Kidnapped in Scotland wird auch in diesem Projekt bewusst auf das Herstellen von konkreten Figuren als Identifikationsobjekte verzichtet. Um den Wortschatz aus den Bereichen „Hobbys“, „Jobs“, „Verwandtschaftsbeziehungen“ oder „Personenbeschreibungen“ systematisch zu wieder‐ holen bzw. zu erweitern, werden bei Bedarf verschiedene wordbanks erstellt. Nach der Präsentation der neu geschaffenen Charaktere werden die jeweils spezifischen Tagesabläufe beschrieben, um die Identitätsbildung zu fördern und zugleich Impulse für die sich allmählich entwickelnde Geschichte zu setzen. Alle Arbeitsergebnisse werden schließ‐ lich am Wandfries ausgestellt und somit der Klassenöffentlichkeit zugänglich gemacht. Als Einführung in Episode 2 erfolgt ein kurzer bildgestützter Vortrag. Dabei werden Aufnahmen von Klassenzimmern aus verschiedenen Ländern und Kontexten präsentiert, die den Lernenden als Inspiration für die spätere Aufgabenstellung dienen sollen. Des Wei‐ teren bietet dieser Exkurs die Gelegenheit, landeskundliche Inhalte situativ verankert zu vermitteln und zu diskutieren. Im Anschluss entwerfen die Gruppen ihr „ideales Klassen‐ 378 6 Forschungsfokus Klassenzimmer zimmer“ und zwar aus der Perspektive der jeweils übernommenen Rolle. Falls erforderlich werden in einem vorgelagerten Schritt weitere wordbanks (z. B. furniture, material, equip‐ ment oder phrases für die Gruppenarbeit) erstellt. Darüber hinaus sind alle Gruppen auch mit Wörterbüchern ausgestattet. Die auf einem DIN A1-Poster skizzierten classroom designs sollen zudem schriftlich erläutert und begründet werden, bevor sie im Plenum diskutiert und evaluiert werden. Danach wird gemeinsam überlegt, welche weiteren Räume in einer fortschrittlichen Schule wünschenswert sind. Alle Vorschläge werden auf einem Poster gesammelt und hinsichtlich ihrer Dringlichkeit bewertet. Durch das Rundschreiben bzw. die Radiomeldung einer fiktiven Bürgermeisterin erfolgt der Aufruf, sich an der Planung eines neuen Schulgebäudes zu beteiligen. Um den Ler‐ nenden den Zugang zu ihren rollenspezifischen Vorstellungen zu erleichtern, sollen sie zunächst Befragungen mit wirklichen Eltern, Lehrkräften und Lernenden durchführen, so dass sie die Belange der einzelnen Interessengruppen besser einschätzen und sachlich ver‐ treten können. Auf der Basis der gesammelten Vorschläge und Meinungen konzipieren die Gruppen schließlich - zwei- oder dreidimensional - ein Schulgebäude, das den Vorstel‐ lungen der jeweiligen Klientel am besten entspricht. Zudem muss auch ein Antwort‐ schreiben mit Erläuterung und Begründung aller Planungsdetails verfasst werden. Nachdem die Arbeitsergebnisse am Fries befestigt und im Plenum präsentiert wurden, ent‐ scheidet eine Jury über den besten Entwurf. Nach der Preisverleihung geht es um die inhaltliche Ausgestaltung der Schule. Zur Ins‐ piration kann eine eigens erstellte, etwa 6-minütige Videoaufnahme mit dem Interview eines schottischen Schülers gezeigt werden, um auf diese Weise den Horizont der Ler‐ nenden zu erweitern, zumal diese in der Regel nur ihren eigenen Schulkontext kennen. Danach werden Schulprofile in Form von Stundenplänen konzipiert. Dabei können auch Fragen wie Ganz- oder Halbtagsschule, Einzel- oder Doppelstunden, Wahl- oder Pflichtfä‐ cher, Klassengröße oder -zusammenstellung diskutiert werden. Erneut werden die Ergeb‐ nisse vorgestellt, diskutiert und die besten Vorschläge mit einer Urkunde ausgezeichnet. Wie aber sieht es mit der Leistungsmessung und Bewertung an einer Traumschule aus? Gibt es Alternativen zu den üblichen Klassenarbeiten, Tests und Noten? Auf diese Frage‐ stellung hin wird die Klasse bereits von Beginn des Storyline-Projekts an sensibilisiert, denn in kurzen Reflexionsphasen werden die Lernprodukte, Lern- und Gruppenprozesse immer wieder thematisiert und evaluiert. Nun beraten pupils, teachers und parents, welche Vor‐ stellungen, Erwartungen und Forderungen sie haben. Bewertungskriterien und mögliche Formen der Rückmeldung werden auf einem Poster gesammelt, bevor darüber abgestimmt wird, welche Alternativen bevorzugt werden. Hier liegt es nahe, auch über die Rechte und Pflichten der am Schulleben Beteiligten zu sprechen: Was charakterisiert ideal pupils, par‐ ents bzw. teachers? Was haben die Einzelnen dazu beizutragen, dass Schule gelingt? Die Gruppen reflektieren die Frage jeweils aus ihrer Sicht und erstellen entsprechende Per‐ sönlichkeitsprofile. Damit das Konzept der ideal school nicht reine Fiktion bleibt, findet zum Ende der Story‐ line ein Gespräch zwischen Schulleitung und Klasse statt. Die fiktive Ebene wird somit verlassen und die Lernenden werden angeregt, sich auf mögliche Verbesserungen im ei‐ genen Lernumfeld zu besinnen bzw. die Vorschläge gegeneinander abzuwägen. Vor der eigentlichen Diskussionsrunde wird das Projekt der Schulleitung vorgestellt und jedes 379 6.5 Fallstudie 4: Our Ideal School (Klasse 9) Klassenmitglied bereitet für diesen Zweck einen kurzen Beitrag vor. Die story ist an dieser Stelle zwar beendet, doch die Storyline ist insofern nicht abgeschlossen, als die eigentliche Arbeit erst beginnt, nämlich das aktive, konstruktive und kreative Mitgestalten an der ei‐ genen (idealen) Schule. Damit ist für die Lernenden also ein ganz direkter Lebensbezug hergestellt. 6.5.5 Der Unterrichtsverlauf: Beobachtungen und Reflexion Das Projekt Our Ideal School wurde von Ende September bis Anfang Oktober zügig inner‐ halb von 10 Tagen durchgeführt. Wie bereits erwähnt, war ich bei vier der insgesamt sechs Doppelstunden im Klassenzimmer anwesend und kann somit nur einen begrenzten Aus‐ schnitt des konkreten Projektverlaufs darstellen und auswerten. Allerdings decken sich meine Beobachtungen mit den Schilderungen der Lehrkraft und der Lernenden und ergeben somit ein in sich stimmiges Bild. Außerdem stehen gute Videoaufnahmen zur Verfügung, die weitere Details und Perspektiven zur Unterrichtssituation liefern. In der ersten Doppelstunde war ich nicht persönlich anwesend, doch die von der Prak‐ tikantin erstellten Videoaufnahmen vermitteln einen guten Eindruck über das Geschehen. Die Lehrkraft hatte die Karikatur als Einstieg gewählt und versuchte, die Lernenden zu Beiträgen anzuregen. Die Bildbeschreibung dauerte über 8 Minuten und verlief mitunter etwas schleppend [5d]. Aus meiner Sicht war dies auch darauf zurückzuführen, dass die Lehrkraft zwar viele Fragen stellte bzw. oft sogar mehrere Fragen aneinanderreihte, aber nur wenig thinking time gewährte. Die Antworten wurden von der Lehrkraft in der Regel mit einem “Yes! “ kommentiert, danach ging das an ein Pingpongspiel erinnernde Abfragen weiter. Hier hätte sich ein kurzes think - pair - share angeboten, um den Lernenden eine intensivere Auseinandersetzung mit dem Cartoon zu ermöglichen. Als die Lehrkraft schließlich fragte, ob das Bild eine typische Schulsituation darstellen würde, entspannte sich die Situation merklich und die Frage wurde vielfach und vehement bejaht [4c, 8a]. Nun sollten die Schülerinnen und Schüler positive und negative Aspekte aus ihrem ei‐ genen Unterrichtsalltag aufschreiben, und es zeigte sich, dass sie diese Aufgabe mit Inter‐ esse ausführten, denn es wurden fleißig Notizen gemacht [5c, 8a, 9b] und manche nahmen auch ihre Wörterbücher zur Hilfe [5e, 5i, 7c]. Bei der Sammlung der Ergebnisse [5d] wurde deutlich, dass die Lernenden in erster Linie die Lehrkraft ansprachen und von ihr eine Reaktion hinsichtlich der (sprachlichen) Korrektheit erwarteten. Folglich verliefen viele Gespräche nach dem IRE-Muster (initiative - response - evaluation) ab, bei dem die Lehrkraft im Mittelpunkt steht. Das folgende Beispiel veranschaulicht die Problematik, wenn ständig zwischen Inhalts- und Sprachebene gewechselt wird: S: I didn’t like stupid teachers. L [laut]: You DON’T. S: I don’t like stupid teachers. L: Does that exist? S [erstaunt]: Was? L: Does that exist? Stupid teachers? (Video). 380 6 Forschungsfokus Klassenzimmer Der Schüler hatte zwar die Korrektur auf sprachlicher Ebene verstanden und seinen Satz kommentarlos verbessert [5f, 5i], allerdings entstand durch die anschließende Nachfrage eine gewisse Irritation. Auch die Klasse reagierte erst bei der letzten Frage der Lehrkraft, und zwar mit Gelächter. Man hatte also den ironischen Unterton - wenn auch verzögert - bemerkt [5b]. Nach einiger Zeit brach die Lehrkraft die Sammlung von Beiträgen ab und ermunterte die Klasse dazu, später noch weitere Punkte in die Listen einzutragen. Danach kündigte sie das Thema des Projekts an: “We try to think about the ideal school“ (Video). Da von Seiten der Lernenden zunächst keine erkennbare Reaktion kam, ließ sie abstimmen, ob es leicht oder schwierig sei, eine Traumschule zu konzipieren, was in meinen Augen eine gute Überleitung zum nächsten Schritt war, denn ein Schüler erwiderte sofort, dass es dabei Interessenkonflikte geben könnte [8a]. Die verschiedenen Interessengruppen wurden - teilweise mit Hilfe der Wörterbücher [5e, 7c] - benannt und an der Tafel festgehalten. Neben Lehrkräften, Eltern und Lernenden wurden auch Hausmeister und Reinigungsper‐ sonal aufgeführt, was belegt, dass sich die Klasse intensiv mit der Frage auseinandersetzte [3a, 9b]. Schließlich wählten die Gruppen jeweils eine der drei zur Disposition stehenden Rollen [2d]. Außerdem wurde ein Ort (setting) vereinbart, nämlich Manchester [2e]. Nach der Pause überlegte man sich noch einen Namen für die fiktive Schule und die Lehrkraft schlug vor, eine Gesamtschule zu wählen: Queen Elizabeth I Comprehensive School. Im Anschluss wurden wordbanks mit Begriffen, die bei Personenbeschreibungen benötigt werden, erstellt. Die Lernenden nannten erstaunlich viele Wörter und schrieben diese in Form von um‐ fangreichen Listen auf die aufgehängten Poster [5e, 12d]. Diese Phase der Spracharbeit dauerte über 16 Minuten! Auffallend war die gute Mitarbeit der Klasse, die hier ihr (dekla‐ ratives) Wissen demonstrieren konnte [4f, 5i, 8a]. Auf der anderen Seite war der hohe Sprechanteil der Lehrkraft nicht zu überhören: Während sie diverse Fragen stellte und somit das Gespräch in verschiedene Richtungen lenkte, antworteten die Lernenden häufig in Ein-Wort-Sätzen. Gelungen waren die Erläuterungen und Hilfestellungen von Seiten der Lehrkraft, als es darum ging, eine individuelle Rolle innerhalb der Gruppe auszuwählen und auszugestalten. So regte sie im Fall der parents an, auch unterschiedliche Alters- und Statusgruppen zu berücksichtigen. Die Lernenden unterhielten und berieten sich ausgiebig über ihre Rollen [2d, 2e, 5d] und halfen sich gegenseitig bei sprachlichen Problemen [5i, 6c]. Interessant war, dass mehrere Gruppen ihr Schulbuch zückten, um benötigtes Wortmaterial nachzu‐ schlagen [5e, 5i, 7c]. Zum Stundenende sollte sich aus jeder Gruppe wenigstens 1 Person vorstellen [5d, 5g]. Ein Schüler präsentierte sich als Jack the Ripper, woraufhin die Lehrkraft darum bat, den Namen zu ändern. Als Hausaufgabe sollten die Texte vervollständigt bzw. überarbeitet werden. Rückblickend berichtete die Lehrkraft (UR L), dass der Einstieg in die ungewohnte Story‐ line-Arbeit nicht leicht war und gelegentlich Unsicherheiten auftraten, ob die Realisierung des Projekts „richtig“ war bzw. meinen Vorstellungen entsprechen würde. Folglich fand sie die Anwesenheit der Praktikantin als angenehme Unterstützung, um einzelnen Gruppen bei der Aufgabenbearbeitung zu helfen. 381 6.5 Fallstudie 4: Our Ideal School (Klasse 9) 18 Auf dem Arbeitsblatt war der kursiv gedruckte Satzanfang sowie eine Layoutmaske als Orientie‐ rungshilfe vorgegeben. Texte der Lernenden werden hier - wie auch zuvor - unkorrigiert abgedruckt. Mir selbst fiel bei der Sichtung des Videomaterials (UR F) auf, dass der Fokus in der Doppelstunde eindeutig auf der sprachlichen Arbeit gelegen hatte und inhaltliche Beiträge der Lernenden teilweise gar nicht oder nur minimal kommentiert wurden. Vielleicht lässt sich dadurch mein Eindruck erklären, dass manche Gespräche etwas schleppend verliefen [5d], denn wenn sprachliche Korrektheit im Vordergrund steht, leiden häufig Phantasie und Kreativität darunter. Grundsätzlich sollte den Lernenden auch mehr Zeit zum Nach‐ denken zur Verfügung gestellt werden und die teacher talking time zugunsten der learner talking time reduziert werden. Als ich am Tag darauf zur zweiten Doppelstunde eintraf, hingen die wordbanks sowie die Auflistung mit likes und dislikes am Fries [5e, 12d]: Als Positivmerkmal des Schulalltags wurden beispielsweise Fächer wie Sport, Musik oder Mathematik und Aspekte wie Freund‐ schaften, Ferien, Ausflüge, Pausen oder Experimente aufgeführt. Minuspunkte erhielten dagegen die Fächer Geschichte, Religion, Chemie und (ebenfalls) Mathematik. Kritisiert wurde zudem, dass die Pausen zu kurz, manche Lehrkräfte “stupid“ und die Schulleitung zu streng seien. Abgelehnt wurden auch Gedichte, mündliche Tests und Hausaufgaben. Eine Person vertrat die Meinung: “School is boring“ (Poster) [8a, 9c]. Die diversen Identifikationspapiere waren nun fertig [5c, 10a], aber noch nicht am Fries ausgestellt. Auffallend war, dass die Lernenden Schilder mit ihrem fiktiven Namen an die Kleidung geheftet hatten, was die direkte Ansprache erleichterte und nicht nur auf eine unbefangene Rollenübernahme hinwies [2d], sondern auch als Zeichen gewertet werden kann, dass die Klasse dem Storyline-Projekt gegenüber aufgeschlossen war [1b, 4b]. Zu Unterrichtsbeginn stellten sich aus jeder Gruppe zwei Charaktere gegenseitig vor [5d], was gleichzeitig einer kontextualisierten Wiederholung und Übung der spezifischen sprachlichen Mittel diente [2a, 5g]. Interessant war, welche Berufe die parents vertraten (Ärztin, Zahnärztin, Krankenschwester, Designerin usw.) und welche Hobbys die pupils in ihren student cards aufführten (Fußball, J.S. Bach Fanclub usw.) [8a, 9c]. Folglich war es während der Präsentation ausgesprochen leise im Raum [2c, 5b, 11c]. Ein parent berichtete, dass er ursprünglich aus Deutschland stamme und nun in England als Taxifahrer arbeitete [2d, 2e, 9c]. Während ich die Materialien am Fries befestigte, sollten die Tagesabläufe der fiktiven Personen verfasst werden. Die Lehrkraft erläuterte die Aufgabenstellung und wies darauf hin, dass wir die Arbeiten im Anschluss korrigieren würden. Konzentriert und motiviert arbeiteten die Lernenden an ihren Texten [5c]. Manche Tagesabläufe enthielten viele aus‐ gefallene Details und somit war offensichtlich, dass es den Lernenden nicht nur leicht fiel, in eine neue Rolle zu schlüpfen, sondern dass es ihnen auch erkennbar Spaß bereitete, diese Rolle individuell und kreativ auszugestalten [2d, 4b, 9b]. So wurden höchst unterschied‐ liche Lebensentwürfe ausgedacht und mit einer erstaunlichen Genauigkeit schlüssig dar‐ gestellt [2b, 2e]. Erneut wirkten die Figuren authentischer und lebendiger als die meisten Schulbuchcharaktere [2d, 8a, 9c]. Auffallend war auch die individuelle fremdsprachliche Ausgestaltung [5g, 5i]. Die Aufgabe kann somit als gute Möglichkeit zur Differenzierung betrachtet werden: 18 382 6 Forschungsfokus Klassenzimmer Every morning I get up at 5 o’clock. I usually have breakfast at 5.30 o’clock. Then I drive to work to the Hospital. I usually begin to work at 6.00 o’clock. During the morning I wash the patients and bring them the breakfast. Later I change the bandages. After that I distribute the lunch and some‐ times I feed a patient. Around 2 o’clock pm I have finish work. Now I go home and cook something to eat. Then I’m busy withe the housework till my son is coming. Now I’m doing something with my son, playing a game for example. And at the evening I go to the Jazzdance or to the health club. After that I go to bed. So that’s all (WS 3/ Parents 1). In dieser Doppelstunde sollten auch die ideal classrooms entworfen werden. Zur Einstim‐ mung zeigte die Lehrkraft eine Folie mit Fotos von verschiedenen Lernumgebungen, welche beschrieben werden sollten. Dies verlief zunächst etwas stockend, so dass die Lehrkraft fragte, in welchem der abgebildeten Räume die Lernenden gerne arbeiten würden. An‐ schließend wurde eine wordbank mit Begriffen zur Beschreibung von Räumen erstellt. Er‐ staunlich war, wie leise auch diese Arbeit vonstatten ging: Die Lernenden schlugen eifrig Wörter im Wörterbuch nach [7c] und trugen sie in das Poster am Fries ein [5e, 12d]. Offenbar genossen es manche auch, sich zwischendurch von ihren Stühlen erheben zu können. Nachdem die Lehrkraft erläutert hatte, dass die Gruppen ein Traumklassenzimmer kon‐ zipieren sollten, fragte sie nach dem benötigten Zeitbudget, so dass man sich schließlich auf 20 Minuten einigte [1d, 8a, 8b]. Auffallend war, wie ruhig und konzentriert die Ler‐ nenden an ihren Collagen arbeiteten [10a]. Manche zeichneten mit Lineal und Zirkel ganz exakte Pläne, während andere aus den mitgebrachten Zeitschriften und Katalogen Fotos ausschnitten und auf die Poster klebten [7b, 9c, 9e]. Allerdings brachten diejenigen Gruppen, die eigene Zeichnungen bzw. Skizzen anfertigten, in meinen Augen sehr viel kreativere Endergebnisse zustande: So entstanden runde Zimmer, dreieckige Fenster, Glas‐ dächer mit optimaler Lichtversorgung und ungewöhnliche Möbelarrangements [3a, 8a]. Auffallend war auch, dass die Schülerinnen und Schüler bei der Aufgabenbearbeitung häufig standen [9d, 10d]. Auf jeden Fall war erkennbar, dass die Aufgabe für die Lernenden sinnerfüllt und motivierend war [4b, 9b], denn als der Gong erklang, wurde diesem kei‐ nerlei Beachtung geschenkt [8c, 11b]. Überraschend war, dass immer wieder der Wunsch nach Pflanzen (Kakteen, Palmen, Miniblumenbeet) und Wasserflächen (Teich, Aquarium) geäußert wurde. Des Weiteren wurden eine Spielecke, ein Billardtisch, eine Kaffeemaschine, ein Kühlschrank, ein Mikro‐ wellengerät, Telefone, Computer, “a subwoofer“ (UB) und andere technische Medien ge‐ wünscht, was die Lehrkraft mit Erstaunen zur Kenntnis nahm. Auch Schränke für die Schulmaterialien und vor allem bequeme Sitzmöbel wie Sofas, Sitzbälle, Sessel oder Liegen wurden von den pupils gefordert [2d, 2e, 3a, 9c]. Bei der Präsentation der Arbeitsergebnisse fiel auf, dass manche Lernende relativ frei sprachen und ihre Ideen erstaunlich schlüssig begründen konnten, während andere stärker auf ihre Textvorlagen fixiert waren [5d]. In manchen Fällen wurden sogar unaufgefordert if-clauses verwendet (“We would be happy if ...“) [5f, 5 g, 5i]. Die meisten kommentierten ihre Collagen allerdings erneut mit Augenkontakt zur Lehrkraft. Diese Situation demonst‐ rierte noch einmal, wie sehr es die Lernenden im Schulalltag gewohnt sind, nicht etwa kreative Inhalte zu kommunizieren (focus on meaning), sondern die bewertenden Kom‐ mentare der Lehrkraft abzuwarten (focus on form). Dennoch zeigte sich in dieser Stunde 383 6.5 Fallstudie 4: Our Ideal School (Klasse 9) deutlich, dass die Lernenden den einzelnen Erläuterungen aufmerksam zuhörten [5b], zumal bei Verständnisschwierigkeiten sogar gelegentlich nachgefragt wurde [2c, 5i]. In‐ haltliche Fragen wurden jedoch lediglich von der Lehrkraft gestellt, obwohl die Lernenden mehrfach ermuntert wurden, ebenfalls nachzufragen. Andererseits wurde das Warten auf eine Antwort in den meisten Fällen nach etwa 3-5 Sekunden abgebrochen, was aus meiner Sicht zu kurz war, um sich mit den präsentierten Inhalten auseinanderzusetzen und zugleich eine adäquate Frage zu formulieren. Zum Stundenende erinnerte die Lehrkraft daran, dass bei der Planung einer neuen Schule unterschiedliche Interessen und Meinungen berücksichtigt werden müssen. Dies war eine gute Überleitung zur Hausaufgabe, nämlich Eltern, Lehrkräfte und Lernende zu ihren Vor‐ stellungen über eine Traumschule zu befragen. Etwas ungläubig und mit großen Augen fragte ein Mädchen: „Echte Lehrer interviewen? “ (UB) [9a, 9b]. In der Reflexionsphase mit der Lehrkraft wurde die Doppelstunde noch einmal schritt‐ weise besprochen. Da der Unterricht für heute beendet war, konnten wir im Klassenzimmer bleiben und die einzelnen Collagen und Textprodukte ungestört begutachten. Die Lehrkraft zeigte sich gleich zu Beginn des Gesprächs verwundert über das Verhalten der Klasse: „Die waren dermaßen merkwürdig heute! “ (UR F+L). Sie monierte die geringe Beteiligung bei der Bildbeschreibung und hob hervor, dass die Mitarbeit am Vortag bei der Erstellung der wordbanks viel besser gewesen sei. Eine Erklärung für das veränderte Verhalten konnte sie nicht geben, betonte jedoch, dass meine Anwesenheit keineswegs als störend empfunden wurde, weil ich gut im Unterricht integriert war und die Gruppen mitbetreute. Auch die Filmaufnahmen empfand sie nicht als störend, zumal bereits am Vortag gefilmt worden war [7f]. Ich gab zu bedenken, dass es einfacher ist, isolierte Vokabeln für eine Wortliste zu sammeln, als komplexe Mitteilungen oder Fragen zu formulieren, die nicht nur inhaltlich, sondern auch sprachlich angemessen sein sollten. Die Problematik verschärft sich be‐ kanntlich, wenn die korrekte Sprachproduktion - und nicht der inhaltliche Austausch - im Mittelpunkt steht. Ich selbst war beeindruckt davon, wie konzentriert die Klasse mitgearbeitet hatte [4b, 8c] und welche ungewöhnlichen und doch auch übereinstimmenden Ideen zur Klassen‐ zimmergestaltung geäußert wurden [8a, 9c]. Allein durch diese visualisierten Wunsch‐ vorstellungen wurde klar, wie unwohl sich viele Schülerinnen und Schüler in ihrer Schul‐ umgebung fühlen, wo sie sich immerhin einen beachtlichen Teil ihrer Kindheit bzw. Jugend aufhalten (müssen) [3a]. Bei der Vorstellung der classroom designs war es einigen Jungen und Mädchen schwer gefallen, ihre zum Teil unfertigen Collagen am Fries auszustellen [8d, 11b]. Hier wurde auch deutlich, dass die Lernenden mit Gruppenarbeit nicht vertraut waren und mitunter Schwierigkeiten hatten, Kompromisse zu finden bzw. Aufgaben aufzuteilen, was zu Zeit‐ verzögerungen führte [1d, 6a, 6c]. Um die Arbeitsabläufe zu koordinieren und die Ler‐ nenden nicht zu demotivieren, vereinbarten wir, dass die Lehrkraft in Zukunft verstärkt darauf hinweisen sollte, dass der Fries zu jeder Zeit verändert und ergänzt werden kann. Außerdem sollte das kooperative Arbeiten in Gruppen noch einmal thematisiert werden, denn die Lehrkraft hatte beobachtet, dass es in einer der Gruppen erhebliche Störungen gegeben hatte. 384 6 Forschungsfokus Klassenzimmer Die Lehrkraft bestätigte gewisse Unsicherheiten hinsichtlich der Projektdurchführung und betonte, wie hilfreich sie es empfand, bei der „Storyline-Premiere“ im Klassenzimmer unterstützt zu werden. Positiv fand sie auch, dass der Unterricht im Anschluss gemeinsam reflektiert und spezifische Fragen an Ort und Stelle diskutiert werden konnten. So stellte sich auch in diesem Fall die Frage nach einer angemessenen Fehlerkorrektur, denn der Lehrkraft fiel es offenbar schwer, fehlerhafte Texte zu akzeptieren. Mir selbst wurde dabei erneut bewusst, wie schwierig es ist, jahrelang antrainierte Verhaltensweisen bzw. mani‐ festierte Einstellungen zum Beruf plötzlich abzulegen. So einigten wir uns darauf, sprach‐ liche Fehler möglichst im Vorfeld zu reduzieren, indem sich die Lernenden gegenseitig unterstützen oder in Arbeitspausen ihre Textprodukte am Fries ergänzen und/ oder korri‐ gieren. Ferner vereinbarten wir, dass die Lernenden noch mehr dazu angeregt werden sollten, bei Präsentationen Fragen zu stellen oder Kommentare abzugeben, so dass sich tatsächlich auch „echte“ Gespräche entwickeln und die Lehrkraft zunehmend in den Hin‐ tergrund treten kann. Die dritte Doppelstunde fand am darauffolgenden Tag statt. Auf dem Weg zum Klassen‐ zimmer begegneten wir einigen Mädchen, die sich angeregt mit verschiedenen Lehrkräften unterhielten [5d, 9b, 9d] und sich anschließend für ihr Zuspätkommen entschuldigten: Man habe keine Zeit gehabt, die Interviews rechtzeitig fertigzustellen, weil die Lehrkräfte nicht erreichbar waren. Die Aussage belegt, wie wichtig es den Lernenden war, diese spe‐ zifische Hausaufgabe auszuführen und im Plenum ein zufriedenstellendes Ergebnis zu prä‐ sentieren [1b, 8c, 11b]. Zu Beginn des Unterrichts wurden die Regeln für die Gruppenarbeit vorgelesen und die Klasse noch einmal dazu ermuntert, in Arbeitspausen die Friesprodukte zu lesen oder zu bearbeiten. Nachdem eine wordbank mit wünschenswerten Räumen zusammengestellt worden war [5e, 12d], überreichte die Lehrkraft den Brief der fiktiven Bürgermeisterin und ließ diesen vorlesen. Fragen wie “Did you understand the letter? “ oder “Who wrote the letter? “ folgten (Video) [5b]. Dabei wurden die aufgerufenen Klassenmitglieder stets mit ihren fiktiven Namen angesprochen, was die Rollenidentifikation unterstützte [2d]. Als die Lehrkraft schließlich auf die Befragung einging und die Gruppen mit den Worten “Read the most interesting answers“ dazu aufforderte, einen kurzen Überblick über die jeweilige Ergebnissammlung zu geben, entgegnete ein Schüler: “All answers are inter‐ esting! “ (Video) [3a, 5 g, 11d]. Diese unerwartete Reaktion bezeugt, dass die Lernenden die Aufgabe mit großem Engagement durchgeführt hatten [8c] und eine verdiente Wertschät‐ zung ihrer Arbeit verlangten [11a]. Zum anderen verweist sie auch darauf, dass bei offenen key questions unvorhersehbare Antworten und Lösungen entwickelt werden [2c, 9c], die das Interesse der Klasse auf sich ziehen und zum authentischen Austausch anregen [5d, 5g, 11c]. Da sich alle darum bemüht hatten, die Aufgabe konstruktiv zu lösen, was sich auch darin zeigte, dass manche recht umfangreiche Notizen angefertigt hatten [5c], war der Einwand des Schülers sicher berechtigt [1b, 8d]. Beim Vortragen der Ergebnisse zeigte sich, mit wie viel Ernsthaftigkeit die Befragung konzipiert und durchgeführt wurde, denn es gab eine erstaunliche Variationsbreite an In‐ terviewfragen (und Antworten) [9c, 11b]. So wollten die teachers von ihren Lehrkräften wissen, wie sie die Anwesenheit von Tieren, Computern oder Graffiti in den Klassenzim‐ mern einschätzten bzw. welche Farbgebung, Raumgröße, Schulgröße und Anzahl von Lehr‐ 385 6.5 Fallstudie 4: Our Ideal School (Klasse 9) kräften sie für angemessen hielten (WS 5/ Teachers). Die parents befragten ihre Eltern, welche Schulmöbel, Fächer, Klassengröße, Pausen- und Unterrichtslänge sie bevorzugten, wie sie das an der Schule angebotene Essen beurteilten bzw. ob sie sich eine Schulcafeteria vor‐ stellen könnten (WS 5/ Parents) [2d]. Hier war klar, dass es sich nicht um sprachfixierte Pseudofragen handelte, sondern um berechtigte Anliegen [1b, 3a, 9b]. Nach der Auswertung der Interviews machten sich die Lernenden an die Skizzierung ihres jeweiligen Traumschulhauses [7d, 10a] und verfassten das Antwortschreiben an die fiktive Bürgermeisterin [5c, 5g]. Erneut fiel auf, wie motiviert und interessiert alle bei der Sache waren [4b, 9b]. Während am Tag zuvor auf Grund von Meinungsverschiedenheiten kurzzeitig atmosphärische Störungen aufgetreten waren, arbeitete die Klasse jetzt ruhig und entspannt [4c, 4g]. Auch die Gruppe, die etwas verstimmt auseinandergegangen war, arbeitete wieder harmonisch und konzentriert an ihrer Aufgabe [6c]. Selbst in der Pause wurde intensiv gezeichnet, diskutiert und geschrieben [8c, 10d], und auch in dieser Dop‐ pelstunde saßen die Lernenden häufig nicht an, sondern auf ihren Tischen oder versam‐ melten sich um diese, um ihre Arbeiten zu begutachten [8d, 9d]. Interessant war, dass auch in dieser Klasse Wert auf Details gelegt wurde: Vielen war beispielsweise die korrekte Ad‐ resse der fiktiven Bürgermeisterin oder die angemessene Form des Briefes ein großes An‐ liegen, so dass wir häufig zu Rate gezogen wurden [1b, 5 g, 7d, 11b]. Als die verschiedenen Konzepte im Plenum vorgestellt wurden [5d], konnte man erneut eine erstaunliche Kreativität der Aufgabenlösungen ausmachen [9c]. Jedes school design war komplett anders, was die Darstellungsform (Vogelbzw. Froschperspektive), aber auch die inhaltliche Ausgestaltung anbelangte [8a]. Auffallend war, dass alle Modelle eine wohn‐ lich-freundliche und anregende Lernumgebung zum Ziel hatten: angenehme Farben, un‐ gewöhnliche Formen, diverse Kreativräume, Tiere, Wasserflächen, Sport- und Spielflächen, aber auch Fahrradgaragen, Aufzüge, Geschäfte, Garderoben oder Skulpturen [3a]. Beein‐ druckend war, dass die Lernenden auf Anfragen der Lehrkraft oder der Klasse, die jetzt als Jury agierte, stets schlüssige Erklärungen formulierten. Eine Schülerin wollte von einer Gruppe beispielsweise wissen, warum sich das Schulgebäude im Wald befindet. Die Be‐ gründung lautete: “Because it’s not so hot! “ (Video) [5d, 5 g, 11c]. Dies ist in meinen Augen ein Beleg dafür, dass die Lernenden eben nicht „nur“ gebastelt, sondern sich intensiv mit dem Unterrichtsinhalt auseinandergesetzt hatten [3a, 9b] und sich während der Präsenta‐ tion darum bemühten, ihre Ideen und Gedanken überzeugend zu vermitteln [2e, 11b]. Aus den Briefen an die fiktive Bürgermeisterin war ersichtlich, dass sich die Lernenden Mühe gaben, ihre Vorstellungen verständlich darzustellen [5c], und auch das Wörterbuch zur Hand nahmen [7c], um bislang unbekannte Wörter nachzuschlagen [5e, 5 g, 5i]. Der folgende Ausschnitt soll einen Eindruck von der Textqualität vermitteln. Der Text ist zwar auf einem sprachlich relativ einfachen Niveau, aber weitgehend korrekt und klar formuliert: The new school building has three square towers. One tower consists of five classrooms. In the classrooms are yellow and round tables. The teachers have got red desks. In the middle of the school building is a pool. In the school yard are many trees. The school has got a garden with a lot of flowers. In the pool live a lot of fishs. The school has a big gym. Under the gym is a swim‐ ming-hall (Letters 1). 386 6 Forschungsfokus Klassenzimmer Im Anschluss an die Präsentation der Schulmodelle sollte eine Bewertung des besten Ent‐ wurfs stattfinden. Dass die Lernenden mit ihren individuellen Arbeitsergebnissen offenbar zufrieden waren, äußerte sich auch darin, dass alle Gruppen zunächst ihr eigenes school design als preiswürdig erachteten [4f]. Spontan beantragte die Lehrkraft eine Revision der Auswertung und forderte zu einer kritischen Auseinandersetzung mit den Entwürfen auf. Daraufhin begaben sich einige Schülerinnen und Schüler zielstrebig zum Fries und inspi‐ zierten die Texte und Skizzen noch einmal genauer [8d, 12a]. Nachdem die Preisträgerinnen und -träger ermittelt waren, gratulierte die Lehrkraft der Siegergruppe und die Klasse ap‐ plaudierte anerkennend, als den sichtlich stolzen Lernenden die Urkunde übergeben wurde [11d]. In der anschließenden Freistunde wurde der Unterricht gemeinsam reflektiert (UR F+L). Die Lehrkraft zeigte sich erstaunt darüber, dass die Lernenden zum Teil sehr ausführliche Interviews angefertigt hatten und darauf bestanden, für die Vorstellung der Ergebnisse genügend Zeit einzuplanen [1d, 11a, 11b]. Für mich war dies ein Zeichen der aktiven Mitgestaltung des Unterrichts und der Übernahme von Verantwortung [8b, 8c]. Auch die entspannte Arbeitsatmosphäre fiel der Lehrkraft positiv auf [4c], und obwohl sie befürchtet hatte, dass bei der Gruppenarbeit möglicherweise eine ungleiche Aufgabenverteilung er‐ folgen könnte, bestätigte sie jetzt, dass alle harmonisch und kooperativ miteinander gear‐ beitet hatten [6c]. Dies war sicher auch darauf zurückzuführen, dass zu Unterrichtsbeginn die rules for group work wiederholt wurden, was sich auch auf das Einhalten der time limits positiv auswirkte [1d]. Nicht von der Hand zu weisen war das große Interesse der Lernenden an dem Thema bzw. an ihrem Thema [1b, 3a]. Beide waren wir beeindruckt von den kreativen Ideen [9c], die sie sachlich darstellten, aber auch mit erkennbaren Emotionen verteidigten bzw. kritisch kommentierten [8d, 11d] - wie etwa die oben erwähnten Teiche oder Gebäudetürme: “The towers are too risky because when a pupil has bad notes, [S korrigiert sich] marks“ (Video) [5d, 11c]. Dabei lag der Fokus eindeutig auf der Vermittlung des Inhalts [2a], während sprachliche Ungenauigkeiten quasi nebenbei ausgemerzt wurden [5g, 5i]. Auch ein hoher ästhetischer Anspruch war unverkennbar, denn die Collagen und Briefe wurden zum Teil sehr ansprechend gestaltet und bis ins kleinste Detail ausgearbeitet [7d, 10a, 11b]. Als sinnvoll erwies sich, dass die Lernenden bei der Präsentation der Collagen in die Rolle der Jury schlüpfen sollten [2d] und so in einem realitätsnahen Kontext dazu angeregt wurden, nicht nur zuzuhören [5b], sondern auch eine kritische Beurteilung abzugeben [8d]. Im Vergleich zu den vorherigen Stunden stellten sie jetzt nämlich viel mehr Fragen, so dass sich phasenweise echte Gespräche (purposeful and meaningful communication) ergaben [5d, 5 g, 11c]. Mir persönlich war aufgefallen, dass die Lehrkraft noch immer verstärkt auf der Sprach‐ ebene verharrte und häufig Fehler korrigierte, während sich die Lernenden eindeutig auf der Inhaltsebene befanden [2a], so dass Kommentare wie “Yes, that’s right“ bisweilen etwas merkwürdig klangen (UR F). Auch Fragestellungen wie “Any questions? “ schienen mir zu unspezifisch, um die Lernenden zu persönlichen Kommentaren bzw. einem ernsthaften Meinungsaustausch anzuregen (UR F). In diesem Fall sollten konkretere Fragen formuliert und auch genügend thinking time zur Verfügung gestellt werden. 387 6.5 Fallstudie 4: Our Ideal School (Klasse 9) Nichtsdestotrotz war offensichtlich, dass die Lernenden mit Interesse und Freude invol‐ viert waren [2c, 4a, 4b]. Dies wiederum wirkte sich auch auf die Bewertung des Unterrichts von Seiten der Lehrkraft aus, die schon jetzt die praktische Storyline-Arbeit als in vielerlei Hinsicht gewinnbringende Erfahrung betrachtete. Die vierte Doppelstunde wurde ohne mich durchgeführt: Das auf Video aufgezeichnete Interview mit dem schottischen Schüler wurde gezeigt und besprochen [5b], anschließend sollten Schulprofile bzw. Stundenpläne für eine „ideale“ Schule konzipiert werden. Laut Aussage der Lehrkraft fiel es den Lernenden schwer, sich neben dem bekannten Fächer‐ kanon noch zusätzliche und gänzlich neue Unterrichtsangebote auszudenken (UR L) [9c]. Einige Gruppen hatten zudem Schwierigkeiten gehabt, über die verschiedenen Vorschläge sachlich und kompromissbereit zu verhandeln, um anschließend zu einer konsensfähigen Lösung zu gelangen [6c]. Dies führte offenbar dazu, dass ein gewisser Zeitdruck entstand und nicht alle Arbeiten zufriedenstellend abgeschlossen werden konnten [1d]. Die Lehr‐ kraft berichtete, dass einige Mädchen sogar während der Pause an ihren Stundenplänen gearbeitet hatten, um bei der Präsentation ein überzeugendes Ergebnis vorlegen zu können [8c, 11b]. Aus meiner Sicht schien es, dass class und group management noch verbesse‐ rungswürdig waren und die Zeitangaben für spezifische Aufgabenstellungen noch einmal überprüft bzw. Erwartungen und individuelles Arbeitstempo aufeinander abgestimmt werden sollten (UR F). Auf der anderen Seite bot sich hier auch die Möglichkeit für eine sinnerfüllte Hausaufgabe. Die folgenden Vorschläge der Lernenden klangen besonders interessant und wurden meist mehrfach vorgetragen (UR L): Unterrichtsbeginn zwischen 8.00 und 9.00, häufiger Doppelstunden, verstärkt künstlerische bzw. sportliche Fächer, 10 Minuten Pause zwischen den einzelnen Unterrichtsstunden, Unterrichtsdauer zwischen 30 und 55 Minuten. In ei‐ nigen Fällen wurde (z. B. von parents) auch Nachmittagsunterricht eingeplant und dafür beispielsweise der Vormittagsunterricht gekürzt. Die Siegergruppe hatte zudem verschie‐ dene Zusatzangebote und Wahlfächer vorgesehen, die entweder nachmittags oder in der ersten Vormittagsstunde wahrgenommen werden konnten [2d, 2e, 9c]. Auch die später stattfindende Diskussion um alternative Formen der Leistungsmessung brachte keine grundsätzlich neuen Ideen - vielleicht hat an dieser Stelle ein kreativer Input gefehlt. Man schien sich weitgehend einig, dass die übliche Notengebung beibehalten werden sollte (25 Stimmen). Bei der Bewertung sollten nach Ansicht der Lernenden die folgenden Aspekte berücksichtigt werden, die auf einem Poster festgehalten wurden: Grup‐ penarbeit, Kooperation, Verhalten, Lesen und Sprachverstehen. 21 Lernende fanden, dass Tests unverzichtbar seien und ebenfalls in die Notengebung mit einfließen sollten. Nur ein Mädchen kritisierte den Status Quo und forderte als Ersatz eine verbale Beurteilung mit der Begründung: “Marks don’t say anything about your character“ (UR F+L) [9c, 11c]. Die ursprüngliche Frage, ob und wie das Storyline-Projekt bewertet werden sollte, blieb jedoch unbeantwortet. Während der fünften Doppelstunde war ich wieder persönlich anwesend und stellte fest, dass der Fries sehr an Umfang gewonnen hatte. Anscheinend wurde selbst außerhalb des Englischunterrichts daran gearbeitet [8c], denn ein bisher unvollständiges Gebäudekonzept war mittlerweile ergänzt worden. Folglich hatte das Projekt [1b] - und somit auch der Fries [12a, 12c, 12f] - für die Lernenden einen erkennbar hohen Stellenwert. Auch die Grup‐ 388 6 Forschungsfokus Klassenzimmer penarbeit schien jetzt besser zu funktionieren und selbst die Lehrkraft zeigte sich in einem kurzen Nebengespräch überrascht, wie positiv das Arbeiten in Gruppen empfunden wurde [6a, 6d] und dass verschiedene Schwierigkeiten von den Lernenden konstruktiv gelöst wurden [4g, 6c]. Ein Junge gestand: „Erst dachte ich, ich bin in einer Scheißgruppe. Aber jetzt macht es richtig Spaß in der Gruppe. Das hätte ich nie gedacht! “ (MEBS1) [4c, 6b, 8d]. Ein anderer Schüler behauptete, das Storyline-Projekt sei „besser als normaler Unter‐ richt“ (MEBS2) [1a, 1b, 4a, 4b]. Schwerpunkt war in dieser Doppelstunde die Diskussion um Rechte und Pflichten von Lernenden, Lehrkräften und Eltern in einer Traumschule. Die Gruppen sollten im Hinblick auf ihre Rolle verschiedene Merkmale auf einem Arbeitsblatt aufführen und gegeneinander abwägen. Auf die Fülle der Ergebnisse kann im Detail nicht eingegangen werden, so dass an dieser Stelle nur ein paar besonders auffallende Antworten näher beleuchtet werden, um die erfolgreiche Rollenübernahme der Lernenden zu belegen [2d]: Die beiden Gruppen der pupils schlugen vor, dass eine Klasse aus maximal 15 bis 20 Personen bestehen sollte. Eine der Gruppen forderte im Sinne der pupils’ rights: “They can choose their own subjekt. They can chew chewinggum. They can take their pets from home into school. They can leave the school during the breaks“ (WS 11/ Pupils). Zu den Aufgaben der pupils gehörte interessanterweise auch, dass sie sich gegenseitig zuhören [9c]. Die Aufgaben und Pflichten von „idealen“ Eltern wurden ebenfalls klar formuliert und aus den Antworten war abzulesen, dass man sich Verständnis und Interesse wünschte, aber auch Vertrauen und klare Grenzen: Eltern sollten beispielsweise nicht unnötig oft in der Schule erscheinen! Andererseits sollten sie intelligent und “gifted“ sein (UB), um bei der Bearbeitung der Hausaufgaben behilflich sein zu können. Interessant war in diesem Zu‐ sammenhang die spontane und kritische Zwischenfrage eines Schülers: “What is when the parents are not gifted? “ (UB) [5g, 8d, 11c]. Offensichtlich konnten sich die Lernenden leicht in die Lehrerrolle einfinden und for‐ mulierten im Hinblick auf die Charakterisierung der ideal teachers Vorstellungen, die ver‐ mutlich aus der eigenen Erfahrung gespeist wurden [2d, 8a]: Man wünschte sich jüngere (aber nicht zu junge) Lehrkräfte, die sowohl streng als auch humorvoll sein sollten. Außerdem sollten sie die Pausen einhalten, Ausflüge organisieren und bei der Bewältigung von Problemen helfen. Auffallend war, dass während der Präsentation der teachers viele Fragen und Kommentare geäußert wurden [5d, 5 g, 11c], was als Zeichen gedeutet werden kann, dass sich die Lernenden intensiv mit dem Thema auseinandersetzten [3a, 9b] und ein echtes Mitteilungsbedürfnis verspürten [1b, 11a]. So gab eine Schülerin nach der Nen‐ nung von Qualitätsmerkmalen wie “good-looking“ und “attractive“ auch zu bedenken: “Sometimes it’s not good when teachers are too attractive because you fall in love“ (UB) [2d, 8d]. Eine andere Schülerin empfand es als unfair, dass pupils 6 Stunden, teachers aber nur 4 Stunden pro Tag an der Schule sein müssten. Die Forderung der teachers, nur 4 Stunden pro Tag zu unterrichten, führte zu der berechtigten Frage nach der Bezahlung: Sollten sie genauso viel verdienen wie Arbeiter, die 8 Stunden auf der Baustelle verbringen [5d, 5 g, 11c]? Seitens der fiktiven Lehrkräfte wurde argumentiert, dass sie auch zu Hause arbeiten und eine längere Ausbildungszeit in Kauf nehmen müssten, was verdeutlicht, dass sich die teachers intensiv mit ihrer Rolle identifizierten [2d, 9c]. 389 6.5 Fallstudie 4: Our Ideal School (Klasse 9) In der UR mit der Lehrkraft zeigte sich, dass wir weitgehend einer Meinung waren. Einer unserer Gesprächsschwerpunkte bezog sich auf die Gruppenarbeit, die - auch wenn gele‐ gentlich Deutsch gesprochen wurde - mittlerweile recht gut funktionierte, so dass ganz klar ein Lernfortschritt erkennbar war. Die Lernenden arbeiteten offenbar gerne in Gruppen [6a], obwohl es ihnen nicht immer leicht fiel, sich zu arrangieren. Es schien jedoch, als ob sie das kooperative Arbeiten als positive Herausforderung betrachteten und dabei beharr‐ lich nach konstruktiven Lösungen suchten [4g, 6c, 8d]. Etwas einseitig verlief meines Erachtens die Präsentation der Gruppenergebnisse, denn es waren häufig dieselben Personen, welche die Arbeitsergebnisse dem Plenum vorstellten bzw. von der Gruppe dazu beauftragt wurden [5d]. Dies hing sicher damit zusammen, dass die Lernenden es nicht gewohnt waren, längere Vorträge in der Fremdsprache zu halten. Deshalb sollte die Lehrkraft in Zukunft ausgleichend einwirken und die zurückhaltenden Lernenden ermuntern, sich bei Präsentationen aktiver einzubringen. Dennoch war nicht zu verkennen, dass sie sich darum bemühte, auch schwächere oder stillere Lernende in das Unterrichtsgeschehen einzubinden, und diese sich im Gegenzug zunehmend mehr zu Wort meldeten (UR F). Auffallend war, dass die Lehrkraft im Vergleich zu den ersten Stunden die Lernenden nachdrücklicher und gezielter zu inhaltsbezogenen Fragen und Gesprächen anregte. Gerade in dieser Doppelstunde wurde diese Gelegenheit relativ häufig und spontan genutzt, um eigene bzw. rollenspezifische Meinungen einzubringen [5d, 5 g, 8a, 11c]. Als besonders positiv empfand ich dabei die entspannte Klassenatmosphäre und die teilweise humorvollen Kommentare sowohl von Seiten der Lehrkraft als auch der Lernenden, die immer wieder ein Schmunzeln oder Gelächter auslösten [4b, 4c]. In der sechsten Doppelstunde wurde das Projekt beendet. Nachdem die Ergebnisse aus der vergangenen Doppelstunde noch einmal wiederholt worden waren, übergab die Lehr‐ kraft einem Schüler den fingierten Brief der Schulleitung. Der Schüler nahm ihn etwas zögerlich entgegen und las erstaunt den Absender vor [2c]. Nachdem Briefinhalt sowie Aufgabenstellung geklärt waren [5b], begaben sich die Lernenden eifrig an die Arbeit und bereiteten ihre Redebeiträge vor [9b, 9e]. Der Fries wurde intensiv als Lernmedium genutzt [12c, 12d] und auch die Wörterbücher kamen mehrfach zum Einsatz [5e, 5i, 7c]. Selbst das Pausenzeichen wurde wieder überhört; alle arbeiteten konzentriert in der großen Pause weiter [8c]. Die Lernenden standen immer wieder geduldig Schlange, um unseren Rat einzuholen oder ihren Text Korrektur lesen zu lassen [5c, 5i, 8d, 11b]. Nebenbei erfuhr ich aus den Lernertexten einige Details aus den Unterrichtsstunden, in denen ich nicht anwesend sein konnte, beispielsweise warum Noten für so wichtig befunden wurden [8a]: “We think we need marks because they show us how good we are and so we can see, in what we are talented. It’s very funny that all the pupils want to have tests and marks because they don’t like they“ (Text 1). Das Auswendiglernen von Gedichten wurde offenbar als überflüssig und aufwändige Hausaufgaben als lästig bzw. unnötig befunden. Und: “A big problem are the short brakes [Pausen, Anm. D.K.] we want that they are much longer“ (Text 2). Auf‐ fallend ist - in beiden Fällen - die Verwendung des Personalpronomens we, was verdeut‐ licht, dass sich die Lernenden emotional stark angesprochen fühlten und sich mit ihrer Rolle identifizierten [2d, 5g]. 390 6 Forschungsfokus Klassenzimmer Eindrucksvoll war, wie die Lernenden quasi ohne unser Zutun ihre Beiträge organi‐ sierten und diese inhaltlich untereinander absprachen [6c, 8b, 8c], um später eine möglichst kurzweilige Präsentation zu bieten [1b, 11b]. Sie verteilten sich im Klassenzimmer und bereiteten sich auf ganz individuelle Art und Weise für den Besuch vor: Manche saßen alleine an ihrem Tisch und machten sich Notizen, andere saßen in Kleingruppen in einer stillen Ecke, auf dem Fußboden oder direkt vor dem Fries und übten ihren Part gemeinsam ein [9d]. Auffallend war, dass sich die Lernenden nicht daran störten, ihre Passagen mehr‐ mals vorzutragen und gegebenenfalls noch einmal neu anzufangen, um auch die Tipps ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler zu integrieren [2a, 6c, 8d], denn schließlich gab es für das sorgfältige (und freiwillige) Einstudieren einen authentischen Anlass [9b, 11b]. Eine Schü‐ lerin übte in Eigeninitiative und mit unermüdlichem Eifer ihre presentation skills: Sie stand vor dem Fries, trug mit gedämpfter Stimme ihren Part vor, fixierte ein noch nicht vorhan‐ denes Publikum und zeigte beim Sprechen auf diverse Collagen oder Texte [5d, 5 g, 8c, 12b]. Als die Lehrkraft das Ende der Vorbereitungszeit ankündigte, äußerte ein Schüler den Vorschlag, vor dem Gespräch mit der Schulleitung noch eine Generalprobe durchzuführen [8b, 11b]. Dabei wurden noch einmal verschiedene Präsentationstechniken geübt und Ab‐ läufe besprochen, beispielsweise dass es aus taktischen Gründen vorteilhafter ist, zuerst mit den likes und nicht mit den dislikes zu beginnen, um den Gast nicht vor den Kopf zu stoßen [5d, 5g]. Alle Tipps wurden aufmerksam zur Kenntnis genommen und abgewogen [8d]. Danach wurden auf einem Poster Verbesserungsvorschläge für die eigene Schulsitu‐ ation gesammelt, wobei die Lehrkraft manche Beiträge ablehnte (z. B. das Kaugummiverbot aufzuheben) oder aber die Klasse um ihre Meinung bat, was sicher die günstigere Alterna‐ tive war [8a]. Als die Schulleitung eintraf, wirkten die Lernenden zunächst etwas distanziert. Doch bald entspannte sich die Lage und sie stellten engagiert ihr Projekt vor, bevor sie ihren umfangreichen Forderungskatalog zur Verbesserung der eigenen Schulrealität präsen‐ tierten [5d, 5g]. Während der erste Teil auf Englisch verlief, sollte das gemeinsame Ge‐ spräch in deutscher Sprache stattfinden, um die Situation nicht unnötig zu belasten oder künstlich wirken zu lassen. Die Klasse wünschte sich eine Cafeteria, kostengünstigeres Essen, längere Pausen, Schließfächer, mehr Tische in der Aula, aber auch mehr Pflanzen, mehr Farbe, mehr naturbelassene Erholungsflächen, mehr Zusatzangebote und Arbeitsge‐ meinschaften aus den Bereichen Sport, Spiel, Kunst und Musik [8a, 9c]. Insgesamt handelte es sich um eine bunte Mischung von Vorschlägen, die von der Schulleitung aufmerksam zur Kenntnis genommen wurden. Da die Zeit nicht ausreichte, um alle Aspekte ausgiebig zu diskutieren, wurde seitens der Schulleitung ein weiteres Gespräch angeboten. Zugleich wurden die Klassensprecherinnen bzw. -sprecher aufgefordert, die Vorschläge in die Schul‐ konferenz einzubringen [1b]. Insgesamt betrachtet war der Besuch der Schulleitung und die ernsthafte Diskussion sicher ein gelungener Abschluss des Storyline-Projekts Our Ideal School, denn die Lernenden wirkten beeindruckt von der Begegnung und der intensiven Auseinandersetzung mit ihren persönlichen Verbesserungsvorschlägen [4c, 4 f, 8a, 9b]. Unabhängig davon schien das Projekt sehr viel in Bewegung gebracht zu haben; eine Schülerin entgegnete auf meine Nachfrage: „Das ist viel besser als der normale Unterricht. Man macht mehr und kann seine 391 6.5 Fallstudie 4: Our Ideal School (Klasse 9) eigenen Ideen äußern. Zum ersten Mal hat uns jemand richtig nach unserer Meinung ge‐ fragt! Sonst kriegt man ‘was an den Kopf geworfen und versteht es nicht“ (MEBS3) [4a, 4b, 4 f, 8a]. Im unmittelbar anschließenden Reflexionsgespräch mit der Lehrkraft wurden die wich‐ tigsten Ergebnisse aus der Doppelstunde zusammengefasst. Beide waren wir zufrieden mit dem Verlauf und dem engagierten Arbeiten der Lernenden [8c, 11a]. Ich selbst fand den Unterrichtsbeginn zunächst recht lehrerzentriert, denn es handelte sich weniger um ein Gespräch als vielmehr um ein Abfragen. Eine ähnliche Situation ergab sich, als der Brief überreicht wurde und die Lehrkraft detailliert nach dem Inhalt fragte. Doch dies waren eher Nebenschauplätze, die den Unterrichtsalltag widerspiegelten. Die Lehrkraft schien sehr überrascht und beeindruckt, mit wie viel Elan und persön‐ lichem Einsatz die Klasse das Gespräch mit der Schulleitung vorbereitet hatte: In ihren Augen arbeiteten alle „wie unter Dampf “ (UR F+L) [1b, 3a, 9b, 11b]. Mittlerweile hatten die Schülerinnen und Schüler beachtliche Fortschritte gemacht, was das selbstständige Or‐ ganisieren und Durchführen von Aufgaben anging [6c, 8c], denn wir Lehrkräfte mussten nicht mehr vermittelnd eingreifen, wie das noch zu Projektbeginn der Fall gewesen war. Trotzdem fiel auf, dass wir immer wieder gebeten wurden, die Textvorlagen zu korrigieren, denn die Lernenden hatten hohe Ansprüche an ihre Präsentationen [5i, 8d, 11b]. In diesem Punkt kann die Lehrkraft bei zukünftigen Projekten sicher noch entlastet werden, indem sich die Schülerinnen und Schüler gegenseitig helfen und unterstützen (peer correction). Als besonders positiv empfand ich die entspannte Atmosphäre während der Vorberei‐ tung der Schlusspräsentation [4c]. Auch die Lehrkraft wirkte viel lockerer und authenti‐ scher als in anderen Stunden - vielleicht, weil sie nicht mehr als Solistin bzw. Solist auf der Bühne stehen musste, sondern vielmehr als guide on the side fungierte. Dafür dass die Lernenden relativ wenig Zeit gehabt hatten, um ihre Vorträge vorzubereiten, verlief die Projektvorstellung ausgesprochen gut: Manche sprachen relativ frei und zeigten locker auf diverse Friesprodukte, andere lasen ihren Part vom Blatt ab [5d]. Doch trotz sprach- und inhaltsbezogener Unterschiede leisteten alle einen wichtigen Beitrag zum Gelingen des Projekts [6d]. Somit war auch diese letzte Doppelstunde insgesamt erfolgreich verlaufen: Die Ler‐ nenden arbeiteten motiviert, engagiert und selbstverantwortlich an ihren individuellen Redebeiträgen und machten phasenweise sogar uns Lehrkräfte überflüssig [4b, 4 f, 8c]. Genau das sollte eigentlich Ziel einer ideal school sein ... 6.5.6 Die schriftliche Befragung der Lernenden Die SABS wurde von der Lehrkraft in der nächsten Englischstunde durchgeführt. Dabei wurde der ursprüngliche Fragebogen aus dem ersten Projekt (The Farm) um zwei Fragen ergänzt: Erstens sollten sich die Lernenden zum Fries bzw. zum Aufhängen der Arbeitser‐ gebnisse im Klassenzimmer äußern (Frage 10) und zweitens wurde ihnen in Frage 11 die Gelegenheit gegeben, auch persönliche Kommentare und Vorschläge einzubringen (vgl. Anhang A). Im Vergleich zu den bisherigen Befragungen fielen die Antworten der 9. Klasse teilweise differenzierter und umfangreicher aus. Mitunter entstanden jedoch auch Redundanzen, 392 6 Forschungsfokus Klassenzimmer wenn Lernende über unterschiedliche Formulierungen versuchten, ihre Meinung zu spe‐ zifizieren. Erwartungsgemäß fiel es vielen schwer, zwischen Thema (ideal school) und Vor‐ gehensweise (Storyline Approach) zu unterscheiden. Dies gilt natürlich genauso für den regulären Unterricht: Ein Thema wird nicht selten für „langweilig“ befunden, weil die Un‐ terrichtsmethode wenig Abwechslung und Schülerorientierung bietet. Andererseits kann mit motivierenden Aufgabenstellungen auch ein „langweiliger“ Inhalt plötzlich spannend werden. Eine Wechselwirkung wird also nie zu vermeiden sein - sie ist sogar wünschens‐ wert. An der Befragung nahmen 25 der insgesamt 28 Klassenmitglieder teil, nämlich 13 Schü‐ lerinnen und 10 Schüler. 2 Personen (S24 und S25) gaben sich aus nicht nachvollziehbaren Gründen gleichzeitig als Mädchen und Jungen aus und schienen sich bei der Beantwortung der Fragen offenbar auch abzusprechen, denn gelegentlich fallen ihre Antworten ähnlich aus. Aus besagtem Grund können im Folgenden keine exakten geschlechterspezifischen Anteile berechnet werden. Wie aus der nachfolgenden Tabelle ersichtlich ist, wies die Klasse eine relativ homogene Altersstruktur auf: Die Befragten waren etwa zur Hälfte 14 bzw. 15 Jahre alt; nur 1 Mädchen war bereits 16. Eintrag im Fragebogen Anzahl der Nen‐ nungen Mädchen Jungen Mädchen / Jungen ? 14 Jahre alt 11 5 6 0 15 Jahre alt 13 7 4 2 16 Jahre alt 1 1 0 0 Gesamtzahl der Befragten (= n) 25 13 10 2 Tab. 32: Frage 1: Alter und Geschlecht der Befragten Auf die Frage, was den Lernenden bei dem Storyline-Projekt Our Ideal School am besten gefallen hat (Frage 2), gab es eine Vielzahl von Antworten mit einem großen Facetten‐ reichtum. Eine derart große Anzahl von Details und Nennungen ist im Vergleich mit den bisherigen Projektstudien einmalig. Die insgesamt 77 Äußerungen verteilen sich auf 30 Kriterien. Mit Absicht wurden die Äußerungen der Lernenden in der Tabelle nicht in abstrahierter Form dargestellt, sondern weitgehend in ihrer ursprünglichen Fassung belassen, um die Bandbreite an Eindrücken möglichst unverfälscht wiederzugeben. Auf die Vielfalt an Ein‐ zelnennungen kann an dieser Stelle jedoch nicht explizit eingegangen werden. Zu er‐ wähnen ist, dass die Schülerinnen und Schüler meist nicht nur ihre Meinung zu dem durch‐ geführten Projekt aufschrieben, sondern diese zugleich auch begründeten. In manchen Fällen wurden sogar bis zu 4 oder 5 Aspekte aufgelistet. 1 Schüler bei Ziffer 14 behauptete, dass ihm „im Grund alles“ gefallen hat und das Projekt „besser als normaler Unterricht“ war (S8). Bei Ziffer 15 bekannte 1 weiterer Schüler freimütig: „Es hat sehr viel spaß gemacht“ (S6). 393 6.5 Fallstudie 4: Our Ideal School (Klasse 9) Eintrag im Fragebogen Anzahl der Nen‐ nungen Kategorien 1) Gruppenarbeit; Arbeit in einer Gruppe 11 6a 2) eigene Meinung äußern; eigene Ideen und Vorstellungen ein‐ bringen; Meinungen austauschen 8 8a, 9c 3) ideale Schule zeichnen bzw. entwerfen 7 8a, 9b, 9c, 10a 4) ideale Klassenzimmer zeichnen bzw. entwerfen 5 8a, 9b, 9c, 10a 5) Stundenpläne entwerfen bzw. erfinden 5 8a, 9b, 9c 6) (viel mehr) Englisch gesprochen 4 5d, 5i 7) (viel) gebastelt; (viel) gemalt; auch malen und kleben 4 10a 8) kreativ gestalten bzw. sich kreativ beschäftigen 3 9c, 10a 9) Phantasie freien Lauf lassen 3 2e, 9c 10) alle waren involviert; „jeder hat mitgeholfen die Aufgaben zu lösen“; dass „man viel gemeinsam machen kann“ 3 6c, 6d 11) Abwechslung vom regulären Unterricht 3 1a 12) war abwechslungsreich; nie langweilig 2 2c, 3a, 4b, 9a 13) nicht nur schreiben 2 5c, 9a 14) alles; besser als normaler Unterricht 1 1a, 4a 15) hat sehr viel Spaß gemacht 1 4b 16) ohne Buch arbeiten 1 7e 17) die Themen 1 3a 18) keine Vokabeln lernen müssen, sondern bei Bedarf im Wörterbuch nachschlagen 1 5e, 7c 19) mehr (Vokabeln) gelernt 1 5e, 5i 20) viel mehr Englisch gelernt 1 4f, 5i 21) gute Zusammenarbeit in Gruppe 1 6a, 6c 22) Zusammensetzung der Gruppe 1 6b 23) „gemeinsam kam man zu tollen Ergebnissen“ 1 4f, 6d 24) Meinungen und Wünsche zu respektieren gelernt 1 6c 25) Unterricht wurde locker und mit viel Ruhe durchgeführt 1 4b, 4c 26) auch Fehler machen können, da keine Benotung 1 4d 27) schreiben 1 5c 28) das Filmen 1 7f 394 6 Forschungsfokus Klassenzimmer 29) dass „man nicht immer etwas vorgekaut bekam“ 1 8a, 8b, 9c 30) „die Dinge, die wir gemacht haben“ 1 4a, 9a, 9b, 10a Gesamtzahl der Nennungen 77 Tab. 33: Frage 2: „Was hat dir bei dem Projekt ‘Our Ideal School‘ am besten gefallen? “ Erstaunlich ist, dass das Zusammenarbeiten in Gruppen trotz der gelegentlich beobachteten bzw. geäußerten Schwierigkeiten so hoch eingeschätzt wurde. Dabei wurden unterschied‐ liche Aspekte reflektiert und hervorgehoben: 11 Lernende bewerteten in Ziffer 1 die Grup‐ penarbeit als Sozialform positiv, 6 weitere nannten in Ziffer 10, 21, 23-24 die Kooperation bzw. das Gemeinschaftsgefühl als besonders positive Erfahrung, wohingegen 1 Junge in Ziffer 22 auch die Gruppenzusammensetzung als Positivmerkmal hervorhob, so dass im Bereich „Gruppenarbeit und soziales Lernen“ eine Summe von 18 Nennungen (23 %) zu verzeichnen ist. Am meisten überrascht, dass das kreative und praktische Arbeiten selbst in der 9. Klasse einen derart hohen Stellenwert einnahm, denn insgesamt 19 Lernende (76 %) hoben explizit hervor, dass ihnen das Basteln, Zeichnen und Entwerfen von Skizzen am besten gefallen habe (Ziffer 3-4, 7-8). Dieses Ergebnis war in dieser Deutlichkeit nicht zu erwarten gewesen. Gerade bei Ziffer 3 und 4 ist auch ein Zusammenhang mit einer konkreten Aufgabenstellung erkennbar, die von den Lernenden offenbar als kreative Herausforderung betrachtet wurde. Besondere Aufmerksamkeit verdienen die Antworten in Ziffer 2, 5 und 29: Insgesamt 14 Lernende betonten, wie sehr sie es schätzten, dass sie ihre eigene Meinung und Ansicht einbringen konnten. Ergänzt man die Angaben in Ziffer 3 und 4, so ergibt sich eine Ge‐ samtsumme von 26 Nennungen, also circa ein Drittel aller Antworten. Daraus lässt sich leicht ableiten, dass die komplexen, ergebnisoffenen und problemzentrierten Aufgaben‐ stellungen von den Lernenden als bedeutungsvolle Aktivitäten empfunden wurden und gerade deshalb zur Motivation beitrugen. 1 Junge schätzte es, dass „man selbst einmal an‐ gesprochen wird“ (S4), und 1 Mädchen hob hervor: „Wir konnten unsere Ideen einbringen und es war ‘unsere’ Meinung dazu gefragt. Nicht immer nur von den Politikern sonder mal von uns wollte man etwas wissen“ (S22). Wenn Schülerinnen und Schüler einen Sinn und Nutzen in ihrer Arbeit erkennen, dann können sie nicht nur ungeahnte Kräfte mobilisieren, sondern sind auch leistungsfähig. Als motivierend empfanden 4 Mädchen bei Ziffer 6 auch, dass sie (viel) Englisch sprachen bzw. sprechen mussten, denn „dadurch lernt man sich zu unterhalten“ (S11). Dies hing mit den aufgabenspezifischen Informationslücken zusammen, aber es gab auch andere Gründe für die Bewertung: „Es war anderst als normales büffeln aus irgendwelchen Büchern. Man konnte auch Fehler machen, es gab ja keine Noten dafür. Dadurch hat man sich auch mehr getraut, einfach was auf Englisch zu reden“ (S20). Eine andere Schülerin behauptete sogar: „Es hat Spaß gemacht so viel Englisch zu reden“ (S13). Vor der Folie, dass gerade ältere Klassen im Englischunterricht eher schweigen, kann dieses Ergebnis als besonders positiv und wegweisend bewertet werden. Zum Story-Format, dem gemeinsamen Entwickeln der Geschichte oder gar zur Rollen‐ übernahme wurden kaum explizite Angaben gemacht: 3 Lernende gaben bei Ziffer 9 an, 395 6.5 Fallstudie 4: Our Ideal School (Klasse 9) dass sie das Einbringen der eigenen Phantasie für positiv befanden. Dieser Punkt bezieht sich meines Erachtens sowohl auf die problemzentrierten Aufgabenstellungen als auch auf die inhaltliche Ausgestaltung der Storyline. Die 2 Aussagen bei Ziffer 12 sind auf die key questions und die damit verbundene Offenheit der Ergebnisse zurückzuführen und können zusammen mit der Äußerung bei Ziffer 17 auch als Hinweis verstanden werden, dass die Themenauswahl zielgruppenangemessen war. In eine ähnliche Richtung deuten die insge‐ samt 17 Äußerungen bei Ziffer 3-5: Hier wird zwar Bezug zum Storyline-Thema „Schule“ genommen, die Antworten weisen jedoch auch auf den Stellenwert der authentischen Auf‐ gabenstellungen, den kreativen Part der Aufgabenlösung sowie auf das Einbringen der persönlichen Vorstellungen hin. Insgesamt betrachtet standen bei dieser Storyline das rea‐ litätsbezogene Thema und die damit verbundenen Aufgabenstellungen vermutlich mehr im Vordergrund als die fiktive Rahmenhandlung, die offenbar nicht durchgängig als solche wahrgenommen wurde. Einen konkreten Hinweis darauf, dass Storyline-Projekte tatsächlich zum eigenständigen Lernen anregen, vermittelt die reflektierte Aussage einer Schülerin: „Ich habe viel mehr Englisch gesprochen und gelernt. Es war gut, daß wir kein Buch gebraucht haben, und keine Vocabeln lernen mußten. Wenn wir Vocablen gebraucht haben, haben wir im Wörterbuch nachgeschlagen, und so hat man auch mehr gelernt“ (S14). Bei Frage 3 wurde untersucht, was den Schülerinnen und Schülern an Our Ideal School nicht bzw. weniger gut gefiel. Wie die tabellarische Auflistung der Äußerungen belegt, beziehen sich die Antworten nicht direkt auf den Storyline Approach, sondern meist auf situationsspezifische Merkmale oder individuell wahrgenommene Problemstellen. Ferner müssen die 27 geäußerten Kritikpunkte im Zusammenhang mit den immerhin 77 Positiv‐ merkmalen bei Frage 2 betrachtet werden: Die positiven Eindrücke überwiegen also ganz eindeutig. 4 Lernende waren mit der Durchführung von Our Ideal School voll und ganz zufrieden. Manche kommentierten ihre Bewertung noch zusätzlich mit mehreren Ausrufezeichen oder Sätzen wie: „Das war alles toll“ (S4). 2 Jungen bedauerten bei Ziffer 6 und 7 den zu knapp bemessenen Zeitrahmen, was darauf schließen lässt, dass auch sie grundsätzlich zufrieden waren. 3 Antworten konnten wegen ihrer Unverständlichkeit nicht berücksichtigt werden. Eintrag im Fragebogen Anzahl der Nen‐ nungen Kategorien 1) gefilmt bzw. fotografiert werden 9 7f 2) Gruppenzusammensetzung 4 6b 3) Aufgabenverteilung in der Gruppe; Uneinigkeiten in der Gruppe 4 6c 4) nicht immer alles verstanden, was zu tun war 2 5b, 5i 5) Gruppenarbeit klappte nicht immer 1 6a, 6c 6) „viel zu kurzes Projekt“ 1 1d 7) dass „es nur 2 Stunden dauerte“ 1 1d 396 6 Forschungsfokus Klassenzimmer 8) das Interview mit Lehrkräften, da diese keine guten Antworten gaben 1 9d 9) den idealen Stundenplan erstellen, da schwierige Fächerwahl 1 9c 10) “describing persons“, da Mangel an Vokabular 1 5c, 5e, 5i, 9b 11) dass viele ihre eigenen Sachen am besten bewerteten 1 8d, 11d 12) dass viele im Unterricht geredet haben 1 1e Gesamtzahl der Nennungen 27 Tab. 34: Frage 3: „Was hast du nicht so gut gefunden? “ Als Hauptkritikpunkt wurde mit 9 Nennungen das Filmen und Fotografieren zu For‐ schungszwecken genannt: Man fühlte sich offensichtlich beobachtet und empfand dies als „störende Blicke durch das elektrische Auge“ (S4). 1 Schülerin behauptete: „Die Kamera hat einen manchmal einen richtig eingeschüchtert. Man traute sich nicht, manchmal etwas zu sagen“ (S22). Dass das Filmen und Fotografieren als unangenehm empfunden wurde, wurde mir während der Projektdurchführung zu keiner Zeit vermittelt, zumal die Lehrkraft ver‐ sichert hatte, dass Aufnahmearbeiten kein Problem seien. Außerdem wurde das Filmen bei den bisherigen Projekten oft als Ansporn empfunden und nicht als Störung, so dass ich die Äußerungen mit Verwunderung und Bedauern zur Kenntnis nehmen musste. Moniert wurde von jeweils 4 Lernenden die Gruppenkonstellation bzw. das Verfahren der Gruppenzusammenstellung (Ziffer 2) sowie die Aufgabenverteilung innerhalb der Gruppen (Ziffer 3). Dabei wurde beispielsweise beklagt, dass einige „nicht richtig mitge‐ holfen“ haben (S19). Zählt man die Antwort bei Ziffer 5 hinzu, dann ergeben sich insgesamt 9 Äußerungen (33 %), die auf gruppendynamische Probleme hinweisen. In meinen Augen scheint dies das einzig wirklich ernstzunehmende Problem gewesen zu sein, wobei bedacht werden muss, dass die Klasse mit Gruppenarbeit nicht vertraut war und diesbezüglich viel dazulernte. Jedenfalls gibt es auf Grund der Äußerungen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass Storyline-Projekte für ältere Klassen möglicherweise ungeeignet sind. Um die Motivationsfrage noch genauer zu untersuchen, wurden die Lernenden bei Frage 4 zu konkreten Verbesserungsvorschlägen angeregt. Das Ergebnis war überraschend ein‐ deutig und durchaus vergleichbar mit den Zahlen aus Fallstudie 1 (The Farm) und Fallstudie 3 (Kidnapped in Scotland): 10 der 25 Befragten (40 %) waren mit der praktizierten Vorge‐ hensweise voll und ganz zufrieden. Viele verstärkten ihre Aussage noch mit Zusatzkom‐ mentaren: „Ich würde nichts verbessern. Es ist in Ordnung, wie es war und wie es abge‐ laufen ist“ (S1), „Nichts, es ist so am besten“ (S5) oder „Nichts es war super! “ (S15). Eintrag im Fragebogen Anzahl der Nen‐ nungen Kategorien 1) Projekt sollte länger sein 2 1d 2) Gruppen anders einteilen 2 6b 397 6.5 Fallstudie 4: Our Ideal School (Klasse 9) 3) jede bzw. jeder sollte in Gruppe mithelfen 2 6c 4) Aufgabe besser erklären 2 5b, 5i 5) auch mal etwas auf Deutsch erklären z. B. bei Aufgabenstellung 2 5b, 5i 6) nicht so viel Englisch reden, mehr Deutsch 1 5d, 5i 7) andere Themen bzw. Wahlthemen 1 3a, 8b 8) mehr Stoff, aber gleiches Verfahren 1 1b, 1d, 3a 9) noch andere Themen dazu nehmen 1 1d, 3a 10) jede bzw. jeder hätte sich aus Gruppe vorstellen sollen, nicht nur 1 oder 2 1 2c, 6d, 11a 11) die Schule aus England zeigen 1 3c 12) Kamera weglassen 1 7f 13) mehr über England reden oder hinfahren 1 3c Gesamtzahl der Nennungen 18 Tab. 35: Frage 4: „Was könnte man besser machen? “ Betrachtet man die Antworten im Detail, dann fällt die Vielfalt an Einzelvorschlägen auf, nämlich 13 Kriterien bei nur 18 Nennungen. Dabei handelt es sich nicht um wirklich gra‐ vierende bzw. konzeptionelle Probleme, die den Storyline Approach in Frage stellen würden, sondern um situationsabhängige Eindrücke und personenspezifische Vorlieben. Insgesamt 4 Lernende waren von dem Storyline-Projekt so angetan, dass sie sich eine Verlängerung bzw. die Integration von weiteren Themen oder Themenaspekten wünschten (Ziffer 1, 8-9). Dabei wies 1 Schüler explizit darauf hin, dass die praktizierte Vorgehensweise beibehalten werden sollte, also Ergänzungen „in der gleichen weise wie das Andere bringen“ (S7). Of‐ fenbar hatte er die Vorzüge des Konzepts für seinen persönlichen Lernerfolg erkannt. Obwohl die Gruppenarbeit bekanntlich mit einigen Störungen verbunden war, wurde dieser Aspekt hier selten thematisiert: 2 Befragte wiesen in Ziffer 2 darauf hin, dass die Gruppen nach Leistung bzw. nach Wünschen der Lernenden zusammengestellt werden sollten, und 2 Mädchen forderten bei Ziffer 3 noch einmal eine gerechtere Aufgabenver‐ teilung und mehr Engagement innerhalb der Gruppen: „Jeder sollte richtig mithelfen“ (S19). Auffallend sind dagegen die Äußerungen von insgesamt 5 Lernenden bei Ziffer 4-6. An‐ scheinend hatten manche die Aufgabenstellungen nicht immer verstanden und wünschten sich deshalb bessere Erklärungen bzw. mehr Kommunikation in der Muttersprache - ver‐ mutlich auch, um die eigenen Vorstellungen besser vermitteln zu können. Hier wird deut‐ lich, dass die Lernenden weder einen durchgängig einsprachigen Englischunterricht noch komplexe Aufgabenstellungen gewohnt waren. Gleichzeitig belegen die Äußerungen, dass sie Interesse an den Aufgaben hatten und diese (auch sprachlich) zufriedenstellend aus‐ führen wollten. Doch selbst wenn die Lernenden einige konstruktive Verbesserungsvor‐ schläge einbrachten, bleibt unbestritten - vor allem im Hinblick auf die Ergebnisse bei Frage 2 -, dass das Projekt auf insgesamt große Akzeptanz stieß. 398 6 Forschungsfokus Klassenzimmer Hätte die Klasse gerne noch länger an dem Storyline-Projekt gearbeitet (Frage 5)? Wenn 24 der 25 Befragten (96 %) eine zustimmende Antwort geben, dann scheint Our Ideal School ein Erfolg gewesen zu sein. Ein derart positives und eindeutiges Ergebnis war vorab über‐ haupt nicht in Betracht gezogen worden. Nur 1 Schülerin (S17) lehnte eine Weiterarbeit ab. Dass sie trotzdem eine positive Einstellung gegenüber dem Storyline-Konzept hatte, wird durch ihre Antwort bei Frage 7 belegt: Hier schlug sie vor, pro Schuljahr 1-3 Projekte durchzuführen. Eintrag im Fragebogen Anzahl der Nen‐ nungen Kategorien 1) ja, noch (ungefähr) 1-2 Wochen 5 4a 2) ja, noch 2-3 Wochen 4 4a 3) ja, „das ganze Schuljahr“ 3 4a 4) ja, „so lange wie möglich“ 2 4a 5) ja, „immer“; „die ganze Schulzeit lang“ 2 4a 6) ja, noch 2 Wochen 2 4a 7) ja, noch 1 Woche 2 4a 8) ja, noch das 1. Halbjahr 1 4a 9) ja, noch 4-5 Wochen 1 4a 10) ja, noch 3-4 Wochen 1 4a 11) ja 1 4a Gesamtzahl der befürwortenden Nennungen 24 12) nein, „wegen der Gruppeneinteilung und wegen der Kamera“ 1 6b, 7 f Gesamtzahl der ablehnenden Nennungen 1 Gesamtzahl der Nennungen 25 Tab. 36: Frage 5: „Hättest du gerne noch länger an dem Projekt ‘Our Ideal School’ gearbeitet? Wenn ja, wie lange? Wenn nein, warum nicht? “ Vergleicht man die einzelnen Vorschläge, so fällt auf, dass eine Mehrheit von insgesamt 13 Lernenden (52 %) tendenziell eine Verlängerung um etwa 1-2 bzw. bis zu 3 Wochen bevor‐ zugte. 1 Schülerin (Ziffer 11) beantwortete die Frage zwar positiv, gab aber keinen favori‐ sierten Zeitraum an. Stattdessen erklärte sie: „Ich fand es genau so gut, wie es war“ (S22). Eine Einschränkung machte S13, die bei Ziffer 7 zwar ausdrücklich behauptete, „es hat Spaß gemacht“, so dass sie gerne noch 1 Woche weitergearbeitet hätte, allerdings lieber in einer 399 6.5 Fallstudie 4: Our Ideal School (Klasse 9) anderen Gruppe. Die Schülerin bei Ziffer 8 hätte gerne noch das 1. Halbjahr weitergear‐ beitet, „weil der normale Englischunterricht manchmal langweilig ist“ (S11). Die Zahlen und Kommentare belegen, dass Storyline-Projekte auch bei fortgeschrittenen Lernenden nicht nur kurzfristige, sondern auch längeranhaltende Motivation versprechen. Immerhin behaupteten 8 Lernende (32 %), dass sie gerne über einen unbegrenzten Zeitraum hinweg an Our Ideal School weitergearbeitet hätten (Ziffer 3-5, 8). So viel Zustimmung hatte es bei den vorherigen Fallstudien nicht gegeben. Inwiefern sich hier Inhalt und Arbeitsweise überschneiden oder ergänzen, kann nicht klar entschieden werden. Mit Sicherheit spielte jedoch das Thema eine Rolle am Erfolg der Projektdurchführung. Wenn Lernende jedoch behaupten, „von mir aus könnte es immer so im Unterricht ablaufen“ (S15), dann klingt dies nicht nur nach spontaner Begeisterung, sondern lässt auch eine gewisse Wertschätzung und Relevanz der Storyline-Arbeit für den eigenen Lernerfolg erkennen. Frage 7 diente der Überprüfung, ob die Einstellung zu dem durchgeführten Projekt von der spezifischen Themenwahl (in diesem Fall Our Ideal School) bzw. dem Neuigkeitswert der Unterrichtsgestaltung abhing, oder ob sich die Lernenden grundsätzlich vorstellen konnten, auf der Basis des Storyline Approach noch weitere Themen zu bearbeiten. Über die Frage nach der gewünschten Häufigkeit von Storyline-Projekten sollte indirekt auch die Intensität einer längerfristigen Motivation durch Storyline aufgedeckt werden. Eintrag im Fragebogen Anzahl der Nen‐ nungen Kategorien 1) ja, 2 Mal im Jahr 5 4a 2) ja, so oft wie möglich 3 4a 3) ja, 4 Mal im Jahr; 2 Mal im Halbjahr 2 4a 4) ja, 2-3 Mal im Jahr 2 4a 5) ja, 1-2 Mal im Jahr 2 4a 6) ja, 3-6 Mal im Jahr 1 4a 7) ja, 4-5 Mal im Jahr 1 4a 8) ja, 4 Mal je 1 Woche 1 4a 9) ja, 3 Mal im Jahr 1 4a 10) ja „2; 3 mal (auf jeden Fall pro halbjahr“ 1 4a 11) ja, 1-3 Mal im Jahr 1 4a 12) ja, „ein paar mal, kommt auf das Projekt an“ 1 4a 13) ja, 8-10 Tage pro Monat 1 4a 14) ja, ca. alle 4-6 Wochen 1 4a 15) ja, 3-4 Mal pro Woche 1 4a 400 6 Forschungsfokus Klassenzimmer 16) „ja gerne“ 1 4a Gesamtzahl der befürwortenden Nennungen 25 Gesamtzahl der ablehnenden Nennungen 0 Gesamtzahl der Nennungen 25 Tab. 37: Frage 7: „Würdest du gerne öfters so ein Projekt in Gruppen machen? Wenn ja, wie oft im Schuljahr? Wenn nein, warum nicht? “ Auch in diesem Fall fällt die Antwort überraschend eindeutig aus: Von den 25 Befragten würden alle ohne Ausnahme gerne öfters Storyline-Projekte im Englischunterricht durch‐ führen. Dies erlaubt die Schlussfolgerung, dass Our Ideal School für die Lernenden nicht nur in thematischer Hinsicht interessant war, sondern dass sie bei der Storyline-Arbeit auch ein themenunabhängiges und längerfristiges Motivationspotenzial für ihr Lernen erkennen konnten, wie dies bereits von einigen Lernenden bei Frage 5 angedeutet worden war. Die Schülerinnen und Schüler hatten teilweise sehr präzise, wenn auch mitunter eigen‐ willige Vorstellungen und machten manchmal sogar konkrete Angaben zur anvisierten Dauer der Projekte (meist 1 bzw. 1-2 Wochen). Bemerkenswert ist der Kommentar der Schülerin bei Ziffer 16, die zwar keine konkrete Zahl angab, sondern den Vorschlag machte, „es muß ja nicht immer gleich eine Woche sein. Man kann ja auch mal 2 Stunden in Gruppen arbeiten“ (S13). Auffallend sind die zum Teil stark divergierenden Angaben zur bevorzugten Anzahl von Storylines. Eine exakte Auszählung scheint an dieser Stelle wenig sinnvoll, da von meiner Seite keine geschlossene Frage mit konkreten Vorgaben angeboten wurde. Dennoch ist in den Nennungen eine klare Tendenz erkennbar: Insgesamt 12 Lernende schlagen vor, zwi‐ schen 1 und 3 Projekte pro Schuljahr durchzuführen (Ziffer 1, 4-5, 9-11). Erweitert man den Rahmen großzügig auf circa 2-4 Projekte, dann scheint dies nicht nur die Meinung der meisten Befragten zu repräsentieren, sondern sich auch weitgehend mit den Erkenntnissen aus den vorherigen Fallstudien zu decken. In 3 Fällen wurde bei Ziffer 2 sogar noch einmal ausdrücklich der Wunsch geäußert, möglichst häufig oder „vielleicht immer“ (S10) nach dem Storyline Approach zu arbeiten, denn: „Es hat Spaß gemacht“ (S23). Auf die Ergebnisse von Frage 8, die sich auf Themenvorschläge für zukünftige Story‐ line-Projekte bezieht, wird an dieser Stelle nicht im Detail eingegangen. Überraschend ist, dass trotz der positiven Einstellung zu Our Ideal School nur wenige Vorschläge für zukünf‐ tige Projekte gemacht wurden: 13 Lernenden fiel nichts Konkretes ein, wobei 1 Schülerin erklärte: „aber so in die Richtung könnte man dies weiterführen“ (S15). Offenbar stand für sie nicht so sehr ein spezifisches Thema, als vielmehr die Unterrichtskonzeption - sprich Storyline-Arbeit - im Vordergrund. Ungewöhnlich und zugleich anregend ist der folgende Kommentar: „Ich finde es wird viel zu wenig Gruppenarbeit gemacht, und es sollte Noten dafür geben“ (S4). 401 6.5 Fallstudie 4: Our Ideal School (Klasse 9) Die Frage nach dem Lernerfolg (Frage 6) brachte auch in dieser Klasse interessante und unerwartet eindeutige Ergebnisse: Obwohl es sich hier um ein vollkommen anders konzi‐ piertes Projekt handelte, lernten die Schülerinnen und Schüler auch in diesem Fall in erster Linie zwei bestimmte Dinge: Gruppenarbeit und Wortschatzerwerb. Vergleichbare Ergeb‐ nisse erbrachten die Fallstudien 1 und 2. Auch wenn die Gesamtsumme der Nennungen nicht ganz an die Menge bei den vorhe‐ rigen Fallstudien heranreicht, kann trotzdem eine beachtliche Anzahl an Äußerungen be‐ rücksichtigt werden, die sich vor allem durch ihre breite Vielfalt auszeichnet. Meist wurden 1 oder 2 Merkmale, im Extremfall jedoch bis zu 4 Punkte aus unterschiedlichen Bereichen aufgeführt. Der Schüler in Ziffer 13 konnte sich offenbar nicht auf einzelne Aspekte be‐ grenzen und gab stattdessen ein allumfassendes Gesamturteil ab. Der Blick in seinen Fra‐ gebogen zeigt, dass er offenbar sehr angetan von dem Storyline-Projekt gewesen sein muss und somit seine - wenn auch undifferenzierte - Antwort ernstgenommen werden kann. 2 Mädchen äußerten sich zu dieser Frage nicht und es bleibt unklar, ob dies versehentlich oder absichtlich geschah. Eintrag im Fragebogen Anzahl der Nen‐ nungen Kategorien 1) Gruppenarbeit; Zusammenarbeit in der Gruppe; Meinungen aus‐ handeln; Gemeinschaftsgefühl; auch mit wenig vertrauten Klassen‐ mitgliedern arbeiten 15 6a, 6c, 6d 2) neue Vokabeln; Vokabeln besser einprägen 5 5e, 5i 3) zum Nachdenken über eigene Schule angeregt; Probleme bzw. Sachzwänge erkannt 3 3b 4) besseres Verständnis für Rolle des Schulleiters 2 2d, 4c 5) Texte formulieren 2 5c 6) etwas auf Englisch ausdrücken; sich besser ausdrücken 2 5c, 5d, 5 g, 5i 7) flüssig Englisch sprechen 1 5d, 5i 8) freier Englisch sprechen durch Präsentationen 1 5d, 5i, 9b, 11c 9) andere Einstellung zum Englischlernen 1 4b 10) Fragen besser verstehen 1 5b, 5i 11) Sätze besser bilden 1 5f, 5i 12) „die Vorstellungen anderer“ 1 8a, 11c, 11d 13) „Einiges“ 1 4a, 4f Gesamtzahl der Nennungen 36 Tab. 38: Frage 6: „Was hast du in diesem Projekt gelernt? “ 402 6 Forschungsfokus Klassenzimmer Dass die Gruppenarbeit auf so viel Zuspruch stieß und zugleich viele Lernprozesse in Gang setzte, hat sicher auch mit dem Neuigkeitswert dieser Sozialform zu tun. Andererseits gaben die Befragten viele aufschlussreiche und differenzierte Begründungen für ihre Bewertung an. Häufig wurde ein ganzes Konglomerat an Argumenten aufgeführt, weswegen die Ant‐ worten nicht isoliert, sondern in einem Block bei Ziffer 1 aufgeführt werden: So reflektierte 1 Schülerin selbstkritisch, sie habe gelernt, „daß es gar nicht so leicht ist in einer Gruppe zu arbeiten, da nicht jeder die gleiche Meinung hat wie der andere. Mit Anfangsproblemen ist es aber dann doch sehr gut geworden“ (S12). Für positiv befunden wurde ferner, „mit Mädchen und Leuten die man nicht so gut kennt“ zusammenzuarbeiten (S10). 1 Schülerin bekannte, sie „habe gelernt wie man zusammen in einer Gruppe was auf die Beine stellen kann“ (S11), wohingegen an anderer Stelle von 1 Schülerin hervorgehoben wurde, sie habe gelernt, auch abweichende Meinungen zu akzeptieren (S15). Vor dem Hintergrund, dass im Schulkontext nicht selten kritisiert wird, Gruppenarbeit würde zu einer ungerechten Aufgabenverteilung und schlechten Arbeitshaltung führen, klingt das Argument der folgenden Schülerin sehr überzeugt und zugleich fordernd: „Bei Gruppenarbeit muß jeder seinen Beitrag leisten“ (S21). Aufschlussreich ist auch die Fest‐ stellung einer weiteren Schülerin: „Gemeinsam ist man stark. Bei der Zusammenarbeit der Schüler können bessere Ergebnisse erzielt werden als wenn man alles alleine macht“ (S19). All die genannten Positivmerkmale relativieren meines Erachtens das gängige (Vor-)Urteil, dass bei Gruppenarbeit oft in der Muttersprache verhandelt wird und Schwächere angeblich auf der Strecke bleiben. Wie die Erfahrung in dieser Klasse deutlich zeigt, sind die zahlrei‐ chen Vorteile der Gruppenarbeit sowohl im Bereich des sozialen als auch des fremdsprach‐ lichen Lernens nicht von der Hand zu weisen. Allerdings benötigt dieser umfassende Kom‐ petenzerwerb auch ein entsprechendes Training. Interessant sind die Antworten bei Ziffer 3 und 4, denn sie verdeutlichen die Relevanz des konkreten Themas für die Lernenden. Diese erkannten beispielsweise durch das Ex‐ pertengespräch am Ende des Projekts, dass „nicht alles, was nicht klappt z. B. die Schule farbig machen, das man in der großen Pausse im Klassenzimmer bleiben darf nicht die Schuld des Rektors ist. Um die Schule farbig zu machen bräuchte die Stadt mehr Geld. Dies hat sie aber nicht“ (S2). Ausschlaggebend für einen entspannten Schulalltag ist nicht zuletzt die Erkenntnis, „daß Herr [Name des Schulleiters] auch ein Mensch ist“ (S9). Der Entwurf einer fiktiven Traumschule aus verschiedenen Perspektiven sowie auch das Schlussge‐ spräch mit der Schulleitung trugen dazu bei, Urteile und Vorurteile näher zu beleuchten und somit den tatsächlichen Schulalltag angenehmer zu gestalten. Fortschritte im Hinblick auf fremdsprachliche Kompetenzen und Fertigkeiten wurden insgesamt 13 Mal bestätigt (Ziffer 2, 5-8, 10-11). Dabei wurden ganz unterschiedliche Lern‐ bereiche und Dimensionen der Sprachproduktion thematisiert: An erster Stelle steht mit 5 Nennungen der Wortschatzerwerb. 2 Schülerinnen verbesserten ihre Schreibkompetenz, wobei 1 Mädchen hervorhob: „Es war gut, daß wir so viel Texte schreiben mußten“ (S13). 1 Junge konnte sowohl das Hörverstehen als auch die Satzbildung optimieren und 2 Mäd‐ chen behaupteten, sich besser ausdrücken zu können. 2 weitere Befragte lernten, freier bzw. flüssiger zu sprechen. Als Ursache wurden unter anderem die komplexen Aufgabenstel‐ lungen bzw. die regelmäßig stattfindenden Präsentationen im Plenum genannt, die zur au‐ thentischen und inhaltsorientierten Kommunikation anregten. 1 Schülerin bringt die Sache 403 6.5 Fallstudie 4: Our Ideal School (Klasse 9) schließlich auf den Punkt, wenn sie behauptet: „Durch das Vorstellen von arbeiten hat man gelernt, viel freier zu sprechen, ohne drei Stunden rumzurätseln wie’s mit dem Satzbau aussieht“ (S20). Beachtlich ist ihre durch das Storyline-Projekt veränderte Einstellung zum Englischlernen, denn sie erkannte, dass „Englisch nicht nur was mit sturem Grammatik/ Vokablenlernen zu tun hat“ (S20). Von zusätzlichem Interesse war bei dieser Fallstudie die Frage, wie Lernende einer 9. Klasse den Fries beurteilten (Frage 10). Das Ergebnis ist relativ eindeutig und zugleich überraschend, denn niemand lehnte das Aufhängen der Arbeitsergebnisse im Klassen‐ zimmer ab: Von den 25 Befragten äußerten sich 22 explizit positiv (88 %); bei den ver‐ bleibenden 3 Lernenden, die kein entsprechend wertendes Adjektiv verwendeten, zeigen die jeweiligen Erläuterungen und Begründungen, dass auch sie den Fries für gut be‐ fanden. 3 andere Lernende, die zuvor eine grundsätzlich positive Einstellung geäußert hatten, fügten zusätzlich noch je 1 Einschränkung an (Ziffer 8-10). Alle 3 Argumente stellen jedoch die Gestaltung des Frieses nicht in Frage und werden somit nicht als Ab‐ lehnung per se gewertet. Eintrag im Fragebogen Anzahl der Nen‐ nungen Kategorien Bewertungen: 1) gut 10 4f, 11a 2) (ganz) lustig bzw. witzig 3 4f, 11a 3) super 2 4f, 11a 4) sehr gut 2 4f, 11a 5) schön 2 4f, 11a 6) sehr interessant 1 11a 7) toll 1 4f, 11a 8) sinnvoll 1 11a Gesamtzahl der expliziten Bewertungen 22 Begründungen: 1) sehen bzw. lesen, was andere gemacht haben; sich inspirieren lassen 15 12a 2) macht Klassenzimmer bunter; (selbst angefertigter) Wandschmuck 8 12f 3) Vergleich mit anderen; Unterschiede bzw. Leistungsunterschiede feststellen 4 8d, 12a 4) Werke anderer ansehen und bewundern 3 8d, 11d, 12a 404 6 Forschungsfokus Klassenzimmer 5) immer Überblick über Arbeitsergebnisse; Dokumentation der Er‐ gebnisse 3 12c 6) Erinnerung an das Projekt bzw. an das, was man gemacht hat 2 4f, 12c, 12 f 7) man kann Dinge ergänzen 1 8d, 11a, 12a 8) (zwar schön, aber) nicht im Heft zum Lernen 1 7c, 8d 9) (zwar super, aber) manchmal auch etwas peinlich 1 7a, 8d, 12a 10) (zwar witzig, aber) sieht ein bisschen unordentlich und kindisch aus 1 7a, 8d, 12c Gesamtzahl der Begründungen 39 Tab. 39: Frage 10: „Wie findest du das Aufhängen der Arbeitsergebnisse (Texte, Skizzen, Zeichnungen usw.) im Klassenzimmer? Schreibe bitte deine Meinung auf! “ Die Präsentation der Lernprodukte am Fries trug offenbar zur Motivation und Inspira‐ tion bei, was zunächst durch einschlägige Adjektive wie „toll“, „super“ oder „sehr gut“ verbalisiert wurde. Als Begründung für die positive Bewertung wurde 15 Mal das Inter‐ esse und die Neugier an den individuellen Aufgabeninterpretationen und Arbeitsergeb‐ nissen angegeben. Aufschlussreich sind die folgenden Erläuterungen: „Es war sehr in‐ terresant auch einmal zu erfahren was die Anderen so für eine Meinung haben, ihm normalen Unterricht bekommt man das nicht so mit“ (S12), „Es macht auch Spaß sich die Skizzen und Zeichnungen anzusehen“ (S25), „Ich kann mir neue Ideen klauen“ (S3). An‐ zumerken ist, dass bereits an anderer Stelle moniert wurde: „Im normalen Unterricht wurschtelt jeder für sich rum, sieht, was er falsch & was richtig macht. Aber sonst? ! ? Naja ...“ (SABS20, Nr. 9). Die Bedeutung der durch den Fries hergestellten Klassenöffentlichkeit und Transparenz schwingt häufig auch bei den anderweitig geäußerten Begründungen mit, beispielsweise wenn Lernende bei Ziffer 4 behaupten: „Denn es kann jeder in den Pausen die Werke eines anderen Mitschülers ansehen und bewundern“ (S1). Gerade der emotional gefärbte Begriff „bewundern“ impliziert eine hohe Wertschätzung der im regulären Schulalltag eher auf Konkurrenz ausgelegten Lernprozesse und Arbeitsergebnisse. Nicht nur durch das Storyline-Thema Our Ideal School, sondern gerade auch durch das Zurschaustellen der diversen Produkte am Fries bekamen die Lernenden offenbar einen neuen Zugang zum Englischlernen, indem sie einen Vergleich mit einer Palette von Lern‐ produkten durchführen und sich somit auch über den eigenen Leistungsstand besser be‐ wusst werden konnten bzw. mitunter feststellten, „was man besser machen gekonnt hätte“ (S2). Diese Transparenz hat natürlich auch ihre Schattenseiten, wie dies von 1 Schüler bei Ziffer 9 erkannt wurde, denn er befand den Fries zwar für „super“, merkte allerdings an: „Da kann man sehen was andere können oder nicht können, manchmal auch etwas pein‐ lich“ (S9). Überraschend sind die Ergebnisse bei Ziffer 2: Fast ein Drittel der Klasse (32 %) stufte den Fries als optisch anregendes und dekoratives Lernmedium ein. Wenn Schülerinnen und Schüler schreiben: „Endlich wurden einmal selbst angevertigte Sachen von unserer Klasse 405 6.5 Fallstudie 4: Our Ideal School (Klasse 9) an die leere langweilige Wand gehängt“ (S6), dann klingt das wie ein Seufzer der Erleich‐ terung, der darauf hinweist, wie wichtig eine freundliche Gestaltung der Lernumgebung ist. Dies wurde während des Storyline-Projekts bekanntlich mehrmals thematisiert. Auch der Schüler, der bei Ziffer 10 zu bedenken gab, dass der Fries ein bisschen „unordentlich und kindisch“ aussieht, relativierte seine Kritik: „Trotzdem bringt es Farbe ins Klassen‐ zimmer“ (S10). Es scheint, als ob durch das Aufhängen der individuellen Lernprodukte das Klassenzimmer von vielen erst als ihr persönlicher Raum und nicht mehr nur als beliebiger, steriler Aufenthaltsort empfunden wurde (ownership). Hervorzuheben sind auch die Ergebnisse bei Ziffer 5, wo 3 Lernende darauf hinweisen, dass der Fries einen Überblick über das Gelernte bzw. die geleistete Arbeit gibt und dabei auch die Funktion der Dokumentation und Strukturierung der Ergebnisse übernimmt (classroom museum), also das Lernen erleichtert. Erfreulich klingt die Bemerkung einer Schülerin bei Ziffer 6, die voller Stolz behauptet, der Fries „frischt immer wieder die Erin‐ nerung an das Projekt auf, das ist schön“ (S15). Somit erwiesen sich die anfänglichen Bedenken, der Fries könnte von der 9. Klasse mög‐ licherweise abgelehnt werden, als unbegründet. Außerdem wurde an dieser Stelle deutlich, dass für die 9. Klasse nicht nur der inhaltliche Themenschwerpunkt, sondern auch die cha‐ rakteristische Vorgehensweise nach dem Storyline Approach von großer Relevanz war, denn gerade der Fries förderte sowohl den inhaltsorientierten Austausch als auch die Bewusst‐ machung der multiplen Lernprozesse. Frage 11 sollte dazu anregen, noch weitere persönliche Kommentare, Eindrücke und Vorschläge mitzuteilen. Bewusst wurde hier eine offene Fragestellung gewählt, um die Lernenden im Vorfeld nicht zu beeinflussen oder in eine bestimmte Richtung zu lenken. Unter Berücksichtigung der vorliegenden Ergebnisse scheint es, als ob die Schülerinnen und Schüler sowohl mit dem spezifischen Projekt (Our Ideal School) als auch mit dem Storyline-Konzept als solchem zufrieden waren: 16 Befragte (64 %) gaben keine weiteren Kritikpunkte an, 9 Lernende thematisierten entweder noch einmal diverse Probleme, die bei der Durchführung von Our Ideal School aufgetreten waren, oder gaben zusätzliche Empfehlungen ab. Eintrag im Fragebogen Anzahl der Nen‐ nungen Kategorien 1) gute Unterrichtsmethode; mehr verbreiten 2 1b, 4a 2) wird zu selten praktiziert; öfters machen 2 1b, 4a 3) auch englische Lieder singen 2 10c 4) „Gruppengefühl war spitze“ 1 6d 5) kleinere Gruppen bilden 1 6b 6) die Gruppen nicht bestimmen 1 6b, 8b 7) Meinungsverschiedenheiten bei Gruppenarbeit (Stundenplan) ge‐ habt 1 6c 406 6 Forschungsfokus Klassenzimmer 8) noch mehr über Schülerinnen und Schüler und deren Probleme reden 1 3a 9) Rollenspiele machen 1 10b Gesamtzahl der Nennungen 12 Tab. 40: Frage 11: „Hast du weitere Meinungen und Vorschläge? “ Auffallend ist, dass erneut das Thema „Gruppenarbeit“ zur Sprache kam, und zwar gleich mehrfach und mit unterschiedlichem Fokus (Ziffer 4-7). Interessant ist die Anregung bei Ziffer 8: „Mann könnte noch mehr über die Schüler reden, welche Probleme sie haben oder wie sie sich verhalten“ (S4). Das Projekt Our Ideal School scheint also nicht nur sachlich interessant, sondern auch persönlich anregend und somit relevant gewesen zu sein. Dass sich die Lernenden ernsthafte Gedanken über motivierenden Unterricht machten, zeigt auch der Vorschlag der Schülerin bei Ziffer 9, die offenbar den Kern des Storyline Approach erfasst hatte: „Man könnt ja zum Beispiel Rollenspiele machen. In kleinen Gruppen die sie dann vorspielen. Die Texte könnten schon feststehen oder man müßte eine Geschichte erfinden oder weiterführen. Da macht bestimmt v. Spaß“ (S13). Außergewöhnlich sind die Äußerungen von 4 Lernenden bei Ziffer 1 und 2, welche das Konzept als vielversprechend und motivierend bewerten. 1 Schüler fordert sogar: „Das Projekt als Unterrichtsart so schnell wie möglich durch alle Fächer durch unterrichten. Das Gruppengefühl war spitze! “ (S10). Ermutigend klingen auch die Worte einer Schülerin bei Ziffer 1: „Macht so weiter ihr seid erfolgreich mit Eurer neuen Unterrichtsmethode“ (S15). 6.5.7 Das Abschlussgespräch mit der Lehrkraft Das AIL fand nicht isoliert, sondern in Form einer Zusammenschau und vergleichenden Evaluation der Ergebnisse und Erfahrungen mit den Klassen 9 und 10, in denen Our Ideal School parallel durchgeführt wurde, statt. Um Redundanzen zu vermeiden, wird an dieser Stelle auf eine explizite Auswertung verzichtet und auf die Ausführungen im Rahmen der Fallstudie 5 verwiesen (vgl. Kapitel 6.6.7). 6.5.8 Fazit Trotz anfänglicher Skepsis hinsichtlich der Frage, ob die kreative und handlungsorientierte Storyline-Arbeit auch für ältere Schülerinnen und Schüler geeignet ist, verlief die praktische Umsetzung des Projekts Our Ideal School für alle Beteiligten insgesamt positiv. Die Ler‐ nenden arbeiteten stets motiviert, interessiert und engagiert mit und konnten offenbar viele und in mehrfacher Hinsicht gewinnbringende Erfahrungen sammeln. Die im Vergleich zu den bisherigen Projekten etwas längere Storyline wurde im Rahmen von sechs Doppelstunden zügig innerhalb von 1 ½ Wochen durchgeführt. Diese relativ kurze und kompakte Projektphase erwies sich erneut als vorteilhaft, auch wenn 24 von 25 Lernenden bei der SABS angaben, dass sie gerne noch länger an dem Projekt gearbeitet hätten. Ein Drittel der Befragten wollte sogar über einen unbegrenzten Zeitraum hinweg 407 6.5 Fallstudie 4: Our Ideal School (Klasse 9) die Arbeit an Our Ideal School fortsetzen. So viel uneingeschränkte Zustimmung hatte es bei den vorherigen Fallstudien nicht gegeben, was darauf schließen lässt, dass die Ler‐ nenden sowohl von dem gewählten Thema als auch von der spezifischen Vorgehensweise angetan waren. Verblüffend ist die Tatsache, dass die Ergebnisse in vielerlei Hinsicht mit den Erkennt‐ nissen aus den vorherigen Fallstudien übereinstimmen, obwohl es sich hier um ein gänzlich anderes Thema, ein anderes Grundgerüst, eine andere Klasse, eine andere Altersstufe, eine andere Lehrkraft und eine andere Schule handelte: Auch in dieser Klasse wurden nämlich vor allem die Gruppenarbeit und das praktische, kreative Arbeiten als positive Erfahrung hervorgehoben. Als besonders motivierend empfanden die Lernenden zudem, dass sie ihre eigenen Ideen, Meinungen und Vorstellungen einbringen konnten und nicht wie üblich nach den Vorgaben des Schulbuchs arbeiten mussten. Somit ist es auch nicht weiter ver‐ wunderlich, dass alle ohne Ausnahme angaben, gerne öfters Storyline-Projekte im Eng‐ lischunterricht durchführen zu wollen. Dieses eindeutige Ergebnis belegt, dass der Ansatz auch bei älteren Lernenden eine längerfristige Motivation zu wecken scheint, wobei im vorliegenden Fall nicht von der Hand zu weisen ist, dass das realitätsnahe Thema einen Einfluss auf die Bewertung hatte, denn alle fühlten sich persönlich angesprochen und herausgefordert. Deutlich wurde auch, dass die Arbeit an dem Projekt Spaß machte. Einige betonten sogar ausdrücklich, dass es ihnen besonders gefallen hat, ihre sprachlichen Kompetenzen zu ver‐ bessern und beispielsweise viel Englisch zu sprechen. Vor dem Hintergrund, dass gerade ältere Schülerinnen und Schüler den Englischunterricht oft schweigend über sich ergehen lassen, kann dieses Ergebnis als besonders wertvoll und zukunftsweisend eingestuft werden. Obwohl auch in diesem Projekt bewusst auf das Herstellen von Figuren als Identifikati‐ onsobjekte verzichtet wurde, gelang die Rollenidentifikation relativ rasch und unbefangen. Dies wurde auch dadurch gefördert, dass die Lernenden Namensschilder trugen und die Lehrkraft sehr darauf bedacht war, alle mit ihrem fiktiven Namen anzusprechen. Selbst in der hitzigen Diskussion um ideale Stundenpläne wurden die Rollen beibehalten, nämlich als einige parents für Nachmittagsunterricht plädierten, was von den teachers vehement abgelehnt wurde. Die Gruppen arbeiteten stets interessiert und konzentriert an ihren diversen Konzepten und brachten viele kreative Ideen ein, die sie im Rahmen der Präsentationen mit fundierten Begründungen vertraten. Als Folge der individuellen Aufgabenlösungen ergaben sich zahl‐ reiche authentische Gesprächssituationen, in denen inhaltliche Fragen mit echtem Interesse diskutiert und bewertet wurden. Allerdings gelangen diese spontanen Gespräche erst nach einiger Zeit, denn gerade zu Beginn des Projekts wurde von Seiten der Lehrkraft vielmehr die sprachliche Korrektheit der Beiträge betont. Außerdem stand zunächst nicht immer genügend Zeit zum Nachdenken über Inhalte und deren Versprachlichung zur Verfügung. Nichtsdestotrotz gewannen die Lernenden zunehmend Sicherheit im gegenseitigen Aus‐ tausch. Häufig wurde selbst in Pausen gezeichnet, diskutiert und geschrieben, wie dies bereits in den anderen Studien beobachtet worden war (ownership). Ähnlich wie bei Witches und Kidnapped in Scotland initiierten die Lernenden intensive Übungsphasen, um ihre Ergeb‐ 408 6 Forschungsfokus Klassenzimmer nisse nicht nur sprachlich, sondern auch methodisch adäquat präsentieren zu können, mit dem Nebeneffekt, dass verschiedene Funktionen der Sprache kennengelernt und unter‐ schiedliche Dimensionen der Sprachproduktion verbessert wurden. Dabei wurden im Sinne der Differenzierung auch individuelle Begabungen, Talente, Vorlieben und Bedürfnisse be‐ rücksichtigt und so den heterogenen Voraussetzungen der Lernenden Rechnung getragen. Außerdem konnten verschiedene Kompetenzen entwickelt bzw. verfeinert werden: sozi‐ ales, sprachliches, emotionales, inhaltliches und methodisches Lernen fand nicht isoliert, sondern integrativ und ganzheitlich statt, so dass es von den Lernenden als natürliche Ein‐ heit empfunden wurde. Was den Fries anbelangt, wurde durch die SABS klar, dass dieser für die Lernenden als unverzichtbarer Bestandteil des Projekts galt, um Meinungen und Ideen der Klassenge‐ meinschaft öffentlich zu machen, Lernergebnisse und Lernprozesse nachvollziehbar zu do‐ kumentieren, zu strukturieren und zu visualisieren sowie - im Sinne einer Diskussions‐ plattform - den inhaltsorientierten Austausch und somit die soziale Interaktion zu fördern. Nicht zuletzt trug der Fries dazu bei, die Lernumgebung optisch anregend zu gestalten, und folglich lehnte - zu meiner Überraschung - auch niemand das Aufhängen der Lernprodukte ab, sondern genoss es, den bunten „Markt der Möglichkeiten“ als Inspirationsquelle zu nutzen. Ernsthaft kritisiert wurde im Prinzip nur das Filmen und Fotografieren zu Forschungs‐ zwecken: Manche fühlten sich beobachtet und empfanden dies als störend, während die bisherigen Klassen die Filmarbeiten eher als Wertschätzung ihrer Arbeit empfunden und gelegentlich sogar für die Kamera posiert hatten. Moniert wurde auch die Gruppenkons‐ tellation bzw. das Verfahren der Gruppenzusammenstellung sowie die Aufgabenverteilung innerhalb der Gruppen, was zugleich auf einen hohen Arbeitsethos schließen lässt. Die Probleme bei der bis dahin ungewohnten Gruppenarbeit wurden jedoch aus meiner Sicht konstruktiv gelöst, so dass die Klasse gerade in diesem Bereich klar erkennbare Lernfort‐ schritte machte. Vergleichbar mit den Daten aus Fallstudie 1 und 3 waren auch die Ergebnisse zur Frage nach Verbesserungsmöglichkeiten: Fast die Hälfte der Befragten war offenbar so zufrieden mit dem Projekt, dass sie von Änderungsvorschlägen absah. Manche wünschten sich eine Projektverlängerung, eine Ausdehnung der Themenbereiche, eine Optimierung der Grup‐ penarbeit oder klarere Aufgabenstellungen. Eine Schülerin bemängelte, „daß sowas viel zu wenig gemacht wird“ (SABS20, Nr. 11). Folglich kann davon ausgegangen werden, dass das Storyline-Projekt auf insgesamt große Akzeptanz stieß. Die Frage nach dem Lernerfolg brachte auch in dieser Klasse interessante und unerwartet eindeutige Befunde, die in einer Linie mit den Ergebnissen aus Fallstudie 1 und 2 liegen, obwohl es sich hier um ein völlig anderes Storyline-Projekt und vollkommen andere Aus‐ gangsbedingungen handelte: An erster Stelle wurde erneut und mit großer Mehrheit die Gruppenarbeit genannt, an zweiter Stelle rangierte der Wortschatzerwerb. Etwa ein Drittel aller Nennungen bezog sich explizit auf fremdsprachenbezogene Fortschritte. Laut An‐ gaben der Lernenden wurden nicht nur diverse Fertigkeiten, sondern auch ganz unter‐ schiedliche Aspekte der Sprachproduktion verbessert: fluency, accuracy und complexity. Ein sinnvoller Abschluss war mit Sicherheit der Besuch der Schulleitung: Es gab einen „echten“ Grund, um sich auf die Präsentation und das Gespräch intensiv vorzubereiten. Der 409 6.5 Fallstudie 4: Our Ideal School (Klasse 9) Austausch mit dem hausinternen Schulexperten bewirkte auch, dass die vorgetragenen Vorschläge noch einmal überdacht und Urteile relativiert wurden, was dazu beiträgt, den realen Schulalltag mit seinen Zwängen und Kompromissen besser verstehen und entspre‐ chend gestalten zu können. Gerade die sachliche und perspektivenreiche Auseinanderset‐ zung mit dem Thema „Schule“, gepaart mit dem probeweisen Hineinversetzen in eine an‐ dere Person, erweiterte den eigenen Horizont und wurde einige Male explizit als Lernzuwachs bezeichnet. Etwas enttäuschend fand ich dagegen die Ergebnisse bei der kontextualisierten Frage nach der Leistungsmessung: Hier wurde weitgehend an den traditionellen Vorstellungen der Notengebung festgehalten. Bei zukünftigen Projekten könnte - je nach Schulsituation - per Internetrecherche, E-mailbefragung, Skype oder Chat eine inspirierende Ideensamm‐ lung erstellt und somit der Handlungsraum des Klassenzimmers erweitert werden. Wenn Lernende der 9. Klasse behaupten, „mir hat seid langem einmal wieder der Eng‐ lischunterricht Spaß gemacht“ (SABS12, Nr. 9), dann bekommt dieser ohne Zweifel eine ganz neue Qualität und lädt zum engagierten Mitmachen ein. In diesem Sinne gewinnt der allgemeine und oft bemühte Begriff „Bildungsmotivation“ konkrete Formen und klare Um‐ risse. 6.6 Fallstudie 5: Our Ideal School (Klasse 10) 6.6.1 Allgemeine Informationen Ich fand das lernen viel einem so viel leichter und es machte auch viel Spaß (Schülerin, 10. Klasse) Our Ideal School wurde ursprünglich für die 9. Klasse konzipiert und stellte - wie in Kapitel 6.5 ausgeführt - den ersten Versuch dar, Storyline-Projekte auch mit höheren Klassen zu erproben und dabei gleichzeitig zu untersuchen, wie sich ältere Schülerinnen und Schüler, die häufig an Schulmüdigkeit, Motivationsschwäche und somit auch an Leistungsschwäche leiden (vgl. Kapitel 4), eine gute und lernförderliche Schule vorstellen. Diverse Vorüberle‐ gungen zum Projektdesign und zur anvisierten Altersstufe mit den damit verbundenen Fragestellungen wurden bereits an anderer Stelle dargelegt und werden aus Gründen der drohenden Redundanz nicht noch einmal wiederholt (vgl. Kapitel 6.5.1). Während der Vorbereitungen für das Storyline-Projekt in Klasse 9 hatte sich die Lehrkraft spontan dazu bereit erklärt, dasselbe Projekt parallel auch in einer 10. Klasse auszupro‐ bieren, so dass Fallstudie 4 und 5 zeitgleich durchgeführt wurden. Dies war insofern inte‐ ressant, als Schule, Lehrkraft und Projektentwurf zwar identisch, Untersuchungsgruppe und Lernniveau dagegen verschieden waren, so dass eine Kombination von Fixpunkten und Variablen vorlag. Somit war der Untersuchungskontext teilweise relativ stabil und zugleich konnten zwei verschiedene (Lerner-)Perspektiven zu demselben Storyline-Projekt darge‐ stellt werden. Auch bei dieser Fallstudie wurde darauf geachtet, dass das Projekt in einem überschau‐ baren Zeitrahmen durchgeführt werden konnte. Neben der Erforschung von Motivation und Lernzuwachs sollte - wie in Klasse 9 - zusätzlich untersucht werden, wie die Lernenden den Fries beurteilen, um Hinweise für die altersgerechte Konzipierung von zukünftigen 410 6 Forschungsfokus Klassenzimmer 19 Vgl. dazu Kocher (1996c). 20 Teilaspekte dieser Studie wurden (allerdings stark verkürzt) bereits in Fehse/ Kocher (1998b; 2002) und Kocher (1999, 245 ff.) veröffentlicht. Projekten zu erhalten. Von besonderem Interesse war, ob bei der parallelen Durchführung desselben Storyline-Projekts in zwei verschiedenen Klassenstufen Unterschiede erkennbar waren. Wie in den bisherigen Studien beobachtete ich während des Projektverlaufs die Klasse, machte möglichst detaillierte Notizen und fertigte Fotografien an. Phasenweise wurde der Unterricht zu Dokumentationszwecken auch auf Video 19 aufgezeichnet. Bei Bedarf betreute ich einzelne Gruppen bei ihrer Arbeit. Da sich die Schule bekanntlich in großer Entfernung zu meinem Wohn- und Arbeitsort befand und meine Projektbegleitung stets mit Über‐ nachtungen vor Ort verbunden war, konnte ich nur zwei der insgesamt sechs Doppel‐ stunden und zwei Einzelstunden anwesend sein. Allerdings war von vornherein klar, dass der Fokus bei diesem zeitlich aufwändigen Projekt eindeutig auf der Betreuung der 9. Klasse lag und die Untersuchungen in der 10. Klasse aus den oben erwähnten Gründen lediglich als Ergänzung bzw. Korrektiv gelten konnten. Davon abgesehen stand ich in regelmäßigem Kontakt mit der Lehrkraft, um Fragen zügig zu beantworten und die Erfahrungen zeitnah zu reflektieren. 20 6.6.2 Die Institution und die Lerngruppe Die Realschule und die Bedingungen vor Ort wurden bereits in Kapitel 6.5.2 skizziert. Im Klassenzimmer der 10. Klasse herrschten allerdings - im Vergleich zur 9. Klasse - sehr viel beengtere Verhältnisse und der Fries musste größtenteils an einer mit Plakaten präparierten Fensterfront angesiedelt werden, weil keine anderen freien Flächen zur Verfügung standen. Die 10. Klasse, in der Our Ideal School zu Beginn des 6. Lernjahrs durchgeführt wurde, bestand aus 24 Lernenden im Alter von 15 bis 17 Jahren, die sich zu gleichen Anteilen auf die beiden Geschlechter verteilten. Auch diese Klasse war mir bis dahin gänzlich unbekannt und ich wusste von der Lehrkraft lediglich, dass sie mit Gruppenarbeit und handlungsori‐ entiertem Unterricht nicht sehr vertraut war und mit Team-Teaching bisher überhaupt keine Erfahrungen gemacht hatte. Im Hinblick auf die Altersstufe und die im 2. Halbjahr anste‐ hende Abschlussprüfung hatte ich im Vorfeld gewisse Bedenken, ob die Lernenden das Projekt und das Thema akzeptieren würden, da die Vermutung nahelag, dass sie andere Interessen und Bedürfnisse hatten. Für das Storyline-Projekt wurde die Klasse in 5 Gruppen à 4-5 Personen mit etwa gleichem Leistungsniveau aufgeteilt. Einer der älteren Schüler galt als „Störer“ und „Verweigerer“, so dass hier mit Problemen bei der Gruppenarbeit zu rechnen war. Ein anderer Schüler litt unter familiären Belastungen, so dass er sich im Unterricht häufig zurückzog. 6.6.3 Die Lehrkraft Die Lehrkraft, die Our Ideal School in der 10. Klasse durchführte, wurde bereits in Kapitel 6.5.3 porträtiert. Sie hatte sich bekanntlich relativ spontan dazu bereit erklärt, bei ihrem 411 6.6 Fallstudie 5: Our Ideal School (Klasse 10) 21 Zur Basisfassung des Projektentwurfs vgl. Fehse/ Kocher (1996). 22 Die Fortsetzung des Gesprächs mit dem Schulleiter fand jedoch erst nach Abschluss des Projekts statt. Storyline-Debüt dasselbe Projekt zeitgleich mit 2 verschiedenen Klassen und Altersstufen durchzuführen. Auf diese Weise bot sich ihr die günstige Gelegenheit, einen spezifischen Projektentwurf unter unterschiedlichen Bedingungen zu erproben und durch die konkreten Vergleichsmöglichkeiten zu einem umfassenden Gesamtresultat hinsichtlich der Realisie‐ rung von Storyline-Projekten mit älteren Lernenden zu gelangen. Somit konnte sie von den Erfahrungen in den jeweiligen Klassen profitieren und in der Folge spontane, wenngleich reflektierte Entscheidungen treffen. 6.6.4 Das Storyline-Projekt Das Storyline-Projekt Our Ideal School  21 wurde bereits in Kapitel 6.5.4 ausführlich be‐ schrieben. Erwähnenswert ist jedoch, dass der Projektentwurf gelegentlich Alternativen anbietet, die je nach Situation und Vorlieben gewählt werden können. Bei der nachfol‐ genden Beschreibung des Unterrichtsverlaufs wird auf klassenspezifische Abweichungen bei der Durchführung einzelner Schritte nur hingewiesen, sofern sie für das Erkenntnisin‐ teresse relevant sind. 6.6.5 Der Unterrichtsverlauf: Beobachtungen und Reflexion Our Ideal School wurde von Ende September bis Anfang Oktober zügig in circa 1 ½ Wochen durchgeführt. Ursprünglich waren für die Realisierung des Projekts - wie in Klasse 9 - insgesamt sechs Doppelstunden geplant, allerdings wurden während meiner Abwesenheit spontan noch zwei Einzelstunden eingebunden, um sowohl die Diskussion über die ideal timetables als auch das anregende Gespräch mit der Schulleitung 22 fortzuführen. Wie bereits erwähnt wurde, konnte ich nur zwei Doppelstunden im Klassenzimmer anwesend sein, so dass ich lediglich einen begrenzten Ausschnitt des Projektverlaufs aus meiner persönlichen Sicht darstellen und auswerten kann und mich bei der Analyse auf die Berichterstattung der Lehrkraft und auf die Aussagen der Lernenden verlassen musste. Allerdings decken sich meine Beobachtungen vor Ort eindeutig mit den Aussagen der anderen Beteiligten. Außerdem stehen neben diversen Lernprodukten auch gelungene Videoaufnahmen zur Verfügung, die weitere Details und Perspektiven zur konkreten Unterrichtssituation liefern. In der ersten Doppelstunde war ich nicht persönlich anwesend, so dass die Lehrkraft eine Videokamera im Klassenzimmer aufstellte, um den Unterricht zu dokumentieren. Die Aufnahmen vermitteln einen guten Eindruck über das Unterrichtsgeschehen. Zu Unter‐ richtsbeginn saßen die Lernenden bereits an ihren 5 Gruppentischen, hatten Wörterbücher sowie diverse Arbeitsmaterialien bereitgelegt und verfolgten neugierig die vorbereitenden Tätigkeiten der Lehrkraft, was als Zeichen gewertet werden kann, dass sie dem Story‐ line-Projekt gegenüber aufgeschlossen waren [1b, 2c]. Der Einstieg erfolgte in diesem Fall über das Lied The Wall von PINK FLOYD, das von den Lernenden konzentriert verfolgt wurde [5b]. Manche wiegten sich im Rhythmus der 412 6 Forschungsfokus Klassenzimmer Musik und lächelten entspannt [4b, 10c, 10d]. Als die Lehrkraft nach Titel und Band fragte, schnellten sofort einige Finger in die Höhe. Auf Fragen zum Liedinhalt gingen jedoch nur wenige Meldungen ein. Aus meiner Sicht war das jetzt relativ passive Verhalten der Klasse vor allem darauf zurückzuführen, dass die Lehrkraft zwar viele Fragen stellte bzw. mehrere Fragen aneinanderreihte, aber - ähnlich wie in Klasse 9 - nur wenig thinking time gewährte: im Extremfall nicht einmal 3 Sekunden! Eine kurze Einzel- oder Partnerarbeitsphase mit Aufgaben, die sich auf den Gesamtinhalt und weniger auf einzelne Details beziehen, wäre hier sicher sinnvoll gewesen, um eine intensive Auseinandersetzung mit dem Lied zu er‐ möglichen. Da das an ein Pingpongspiel erinnernde Abfragen recht zäh verlief [5d], fragte die Lehr‐ kraft schließlich nach, wie viel Prozent des Textes verstanden wurden: zur Auswahl standen 10, 50 oder 100 %. Nachdem ein Schüler spontan 10 % angegeben hatte [5i, 8d], wurde ein Arbeitsblatt mit einem Lückentext ausgeteilt. Ohne das Lied noch einmal zu hören, sollten die Lernenden in Partnerarbeit den Text quasi aus dem Gedächtnis vervollständigen [5c], was eine sehr anspruchsvolle Aufgabenstellung ist, die so nicht geplant war. Im Anschluss wurde Zeile für Zeile vorgelesen [5d] und bei Bedarf korrigiert. Erneut stellte die Lehrkraft zahlreiche Fragen zum Liedtext, doch auch in diesem Fall gingen nur wenige Wortmeldungen ein, so dass die Klasse dazu aufgefordert wurde, den eigenen Schulalltag zu reflektieren und sich Notizen zu likes und dislikes zu machen. Diese Aufgabe wurde mit sichtlichem Interesse und großer Konzentration ausgeführt [8a, 9b], denn es wurde fleißig geschrieben [5c] und manche tauschten sich flüsternd untereinander aus [6c]. Die Ergebnissammlung im Plenum dauerte circa 10 Minuten, dabei wurden er‐ staunlich viele und teils ungewöhnliche Punkte genannt [5d, 9c], die von den Lernenden engagiert auf zwei Postern festgehalten wurden [5c]. Als Positivmerkmal wurde neben Teamwork, freundlichen Lehrkräften, dem netten Schulleiter und der Möglichkeit, Freunde zu treffen, auch aufgeführt, dass man viele Dinge lernen bzw. dass man die beruflichen Chancen verbessern könnte. Kritisiert wurde dagegen, dass die Pausen zu kurz, die Haus‐ aufgaben zu umfangreich, manche Lehrkräfte unfreundlich bzw. ungerecht seien (“Teachers who think that boys are better in physics than girls“) oder schlecht erklären könnten. Be‐ mängelt wurde auch, “that you learn unnecessary things“ und dass manche Stunden “bor‐ ing“ seien (Poster) [9c]. Auffallend war die entspannte Atmosphäre, denn nicht selten wurde ein Beitrag mit Staunen oder Gelächter kommentiert [4c, 11d]. Die Lehrkraft half beim Ausformulieren und manche Lernende benutzten unaufgefordert ihre Wörterbücher [5e, 5i, 7c]. Nachdem darauf verwiesen wurde, dass die wordbanks zu jeder Zeit ergänzt werden können, stand eine Schülerin auf und korrigierte ihren Eintrag [5h, 5i], was von der Lehrkraft positiv hervorgehoben wurde. Kurz vor Stundenende umschrieb die Lehrkraft den thematischen Schwerpunkt des Storyline-Projekts, nämlich über eine ideale Schule nachzudenken, und obwohl das Pau‐ senzeichen ertönte, hörten die Lernenden aufmerksam zu und arbeiteten engagiert mit, als es um die Frage ging, welche Schwierigkeiten mit der Gestaltung einer Schule verbunden sind [1b, 3a]. Ein Schüler gab sogleich zu bedenken, dass es sich hierbei um ein komplexes System handelt [8a]. Dies war ein gelungener Impuls für die Frage nach den verschiedenen Interessengruppen, welche nun an der Tafel festgehalten wurden [11c]. Da die Unter‐ 413 6.6 Fallstudie 5: Our Ideal School (Klasse 10) richtszeit bereits fortgeschritten war, fiel diese Phase im Vergleich zur 9. Klasse relativ kurz aus und es wurden nur die Hauptbeteiligten genannt: Lernende, Lehrkräfte, Eltern. Den‐ noch war klar erkennbar, dass sich auch diese Klasse mit der eingangs gestellten Frage ernsthaft auseinandersetzte [3a, 9b]. Nach einer kurzen Pause sollten die Gruppen entscheiden, welche der drei zur Disposi‐ tion stehenden Rollen sie übernehmen möchten. Dies gelang schnell und ohne Diskussion [2d]: Parents und pupils wurden doppelt, teachers einmal belegt. Über Fragen wie “Do all the teachers think the same? “ gelang es der Lehrkraft gut, die Lernenden für ihre Rollen zu sensibilisieren (Video). Als die sprachlichen Mittel für die Personenbeschreibungen auf mehreren wordbanks festgehalten werden sollten, fiel erneut auf, dass die Lehrkraft nur wenig Zeit zum Nachdenken gewährte und beinahe ungeduldig auf die Wörterbücher ver‐ wies, welche schließlich intensiv genutzt wurden [5e, 7c]. Nach einer kurzen Anlaufzeit entwickelte sich die kontextualisierte Wortschatzarbeit zu einem emsigen Treiben und es schien, als ob die Lernenden es nicht nur genossen, ihr Wissen zu demonstrieren [4f, 5i, 8a], sondern auch gerne die Chance nutzten, für einen Moment aufzustehen, um die Begriffe in die Poster einzutragen [5c, 10d, 12d]. Meist kommentierte die Lehrkraft die Beiträge nur mit einem knappen “Yes! “ oder bat darum, das Wörterbuch als Vorlage mitzunehmen, um Rechtschreibfehler zu vermeiden. Auch in dieser Klasse dauerte die spezifische Spracharbeitsphase erstaunlich lange und im Vergleich zum ersten Teil der Doppelstunde kamen die Wortmeldungen jetzt nicht mehr nur von einigen wenigen, aktiven Mädchen, sondern von allen 5 Tischen [5d, 8a]. Nach etwa 10 Minuten brach die Lehrkraft die lebhafte Wortschatzsammlung ab und fragte die Lernenden nach Kategorien bzw. Überschriften für die einzelnen Listen. Danach wurden weitere Begriffe oder auch Gegensatzpaare genannt, dem entsprechenden Wortfeld zuge‐ ordnet und schriftlich festgehalten [5e, 12d]. Gelegentlich wurden diese mit Gelächter kommentiert, was belegt, dass das Unterrichtsgeschehen aufmerksam verfolgt wurde [5b, 11d]. Insgesamt dauerte die Erstellung der wordbanks nahezu 20 Minuten und es schien, als ob diese systematische Wortschatzarbeit sowohl für die Lehrkraft als auch die Lernenden ein “safe territory“ war, auf dem man sich gerne aufhielt [4f, 5i]. Im nächsten Schritt wurden die Lernenden gebeten, vor dem Ausfüllen der Identifikati‐ onspapiere zunächst einige Details über ihre fiktive Person auf einem Blatt zu notieren. Sofort wurde in den Gruppen angeregt über die individuellen Rollen beraten [2d, 2e, 5d], während die Lehrkraft die Arbeitsblätter austeilte. Offensichtlich bereitete es den Schüle‐ rinnen und Schülern Spaß, ihre Phantasie einzubringen und sich im Team über die spezi‐ fischen Ideen auszutauschen [6c, 9c], denn es herrschte eine erkennbar gute Stimmung und alle arbeiteten sichtlich motiviert an der gestellten Aufgabe [4b, 9b]. Als die Frage aufkam, welchen Ort man eintragen sollte, initiierte die Lehrkraft eine kurze Abstimmung, um das setting zu klären. Von den eingebrachten Vorschlägen wurde schließlich Salisbury als fik‐ tiver Schulort gewählt [2e, 8a]. Danach arbeiteten die Lernenden unverzüglich an ihren Identifikationspapieren weiter [5c, 7d, 10a] und verhandelten intensiv mit ihren Grup‐ penmitgliedern [6c, 8c]. Auffallend war, dass es während der ganzen Doppelstunde noch nie so laut im Klassen‐ zimmer war [1e, 5d]. Als die Lehrkraft nach einiger Zeit fragte, wer fertig sei, schauten nur 2 Lernende für einen Moment auf, um sich sogleich wieder ihrer Aufgabe zu widmen [9b, 414 6 Forschungsfokus Klassenzimmer 9c], so dass sich die Lehrkraft an einzelne Tische begab, um an das nahende Stundenende zu erinnern [1d]. Nur mit Mühe gelang es ihr schließlich, die Aufmerksamkeit der Ler‐ nenden auf sich zu ziehen. Diese sollten ihre Texte zu Hause fertigstellen und jetzt we‐ nigstens einen kurzen Einblick in ihre Arbeit geben, also einige fiktive Personen vorstellen [5d, 5g]. Beim Ertönen des Gongs kam aus der Klasse keine erkennbare Reaktion: Man war offenbar sehr an den Ergebnissen der Klassenmitglieder interessiert [2c] und hörte noch mehrere Minuten aufmerksam zu [1b, 5b]. Interessant war, dass die Lernenden durch‐ gängig in der ersten Person Singular sprachen, also sich mit ihrer eingenommenen Rolle gut identifizierten [2d]. Auch in dieser Klasse konzentrierte sich die Lehrkraft meist stark auf die Sprachebene, während die Lernenden die Inhaltsebene in den Vordergrund stellten [2a, 8a], so dass es gerade bei Präsentationen gelegentlich zu Irritationen kam, wie die folgenden Beispiele verdeutlichen: S: I was/ ... um ... I was burn/ L [korrigiert die Aussprache]: &Born [Klasse und betroffener Schüler lachen] S [greift Korrektur auf]: Yeah, I was born L [laut]: &It’s difficult to stand there and read that. Let’s listen (Video). Hier hatte die Lehrkraft wohl intuitiv erfasst, dass Unterbrechungen und sprachliche Kor‐ rekturen störend wirken, auch wenn das entspannte Gelächter von Klasse und Sprecher (pupil) erkennen ließ, dass der Fehler verstanden wurde [5b, 5i]. Im folgenden Beispiel dagegen antwortete die Schülerin (parent) auf die gestellte Frage sowohl sprachlich als auch inhaltlich angemessen [2d, 5d, 5g], trotzdem wurde ihr Beitrag von der Lehrkraft unter‐ brochen und im Anschluss nicht wirklich wertschätzend kommentiert: L: [Name der Schülerin], would you please read out who you are? S: I’m Becky Smith. L [etwas forsch]: You are what? S: Becky Smith! L [zögert]: Becky? Ah ja ... (Video). Aufschlussreich war auch der Vortrag einer anderen Schülerin, die beim Sprechen keinerlei Blickkontakt mit der Klasse herstellte, sondern durchgängig die Lehrkraft fixierte und über ihre Stimme zu erkennen gab, wann sie sich sprachlich unsicher fühlte und einen Kom‐ mentar von der Lehrkraft erwartete [5d, 5i]. Mehrfach fragte sie sogar explizit nach, ob ihr Satz korrekt sei, obwohl es sich um eine leistungsstarke Schülerin handelte, die offenbar einen hohen Anspruch an ihre Arbeit hatte [11b], aber auch ein bestimmtes Feedback ge‐ wohnt war. Da die erste Doppelstunde nicht gemeinsam vor Ort reflektiert wurde, entfällt hier eine ausführliche Evaluation. Meine eigene Reflexion basiert auf dem gesichteten Videomaterial. Die von der Lehrkraft geschilderten Unsicherheiten beim Einstieg in die ungewohnte Story‐ line-Arbeit trafen auch für diese Klasse zu. Erwähnenswert ist, dass der Unterricht an diesem Montag mit der 10. Klasse begonnen hatte, so dass die Lehrkraft ganz unvoreinge‐ nommen in das Projekt einstieg und ihre Erfahrungen in der 9. Klasse berücksichtigen 415 6.6 Fallstudie 5: Our Ideal School (Klasse 10) konnte, was sie als positiv empfand (UR L). So verzichtete sie beispielsweise bei der jüngeren Klasse auf das Lied und wählte stattdessen die Karikatur als Einstieg. Die 10. Klasse schien mir im Vergleich zur 9. Klasse etwas aktiver [3a, 8c] und war auch sprachlich deutlich stärker, so dass die Lehrkraft insgesamt weniger lenkend auftrat (UR F). Dennoch fiel auf, dass auch in dieser Doppelstunde - ähnlich wie in Klasse 9 - der Fokus eindeutig auf der Spracharbeit gelegen hatte und beispielsweise für das Erstellen der word‐ banks sehr viel Zeit verwendet wurde [1d, 5e], während für inhaltsbezogene Fragen meist nur sehr wenig thinking time zur Verfügung gestellt wurde, obwohl gerade das Suchen nach kreativen Antworten und deren Versprachlichung Zeit braucht. Stattdessen reihte die Lehrkraft häufig Frage an Frage, um das „Problem der Stille“ zu lösen, was die Situation jedoch nur verschärfte: Gespräche verliefen noch schleppender [5d]. Aufgefallen waren mir noch die häufig wiederkehrenden und beinahe stereotyp klin‐ genden Kommentare wie “Yes! “, “Very good! “ oder “That’s right! “ (Video). Aus meiner Sicht bezogen sich diese wertenden Äußerungen auf die (korrekte) Sprachverwendung und we‐ niger auf den Inhalt. Überhaupt wurde auf kreative Beiträge und ausgefallene Ideen nur selten angemessen eingegangen, obwohl sich hier viele Gelegenheiten für authentische Gespräche geboten hätten. Stattdessen verliefen auch in dieser Klasse viele Gespräche nach dem IRE-Muster (initiative - response - evaluation) ab, bei dem die Lehrkraft bestimmend im Mittelpunkt steht. Die zweite Doppelstunde fand am darauffolgenden Tag (1. und 2. Stunde) statt. Da ich erst im Laufe des Vormittags in der Schule eintraf, wurde der Unterricht auf Video für mich aufgezeichnet. Zu Beginn des Unterrichts saßen die Lernenden an ihren Gruppentischen, auf denen Lexika und Bastelutensilien bereitlagen, und arbeiteten an ihren Identifikations‐ papieren [5c, 7d, 10a]. Manche tauschten sich angeregt untereinander aus oder halfen sich gegenseitig [6c]. Als die Lehrkraft schließlich fragte “Can we start? “, erklang unisono ein unmissverständliches “No! “ (Video) [8b]. Alle waren beschäftigt und arbeiteten, ohne groß aufzusehen, an ihren Texten weiter [9b, 9c, 11b], so dass die Lehrkraft “2 more minutes“ zur Verfügung stellte (Video). Manche fertigten Namensschilder an, die sie gut sichtbar an der Kleidung befestigten [8c] - eine Geste, die belegt, dass die Rollenübernahme auch in dieser Klasse unkompliziert war [2d] und das Storyline-Projekt offenbar positiv aufge‐ nommen wurde [1b, 4b]. Schließlich stellten sich aus jeder Gruppe zwei Charaktere gegenseitig vor [5d, 5g]. Die Lernenden hörten den Vortragenden interessiert zu [2c, 5b], beobachteten sie aufmerksam und lächelten anerkennend über besondere Details [11d]. Auch in dieser Klasse korrigierte die Lehrkraft die Beiträge auf sprachlicher Ebene und ging meist nicht weiter auf den Inhalt ein, obwohl sich hier viele Anlässe für authentische Gespräche geboten hätten. Der folgende Ausschnitt belegt, dass diese Gelegenheit beim dritten Paar zwar ansatzweise erkannt, aber nicht wirklich wahrgenommen wurde, denn der Denkprozess wurde quasi im Keime er‐ stickt: L [zur Klasse]: Do you have any questions? You can ask them. Ehm ... [zur Vortragenden] Mrs Smith, how many children do you have? S [schaut suchend auf ihrem Blatt nach]: One! L: One! Only one child? Thank you (Video). 416 6 Forschungsfokus Klassenzimmer Bei dem nächsten Beitrag war es erneut die Lehrkraft, die nach der Anzahl der Kinder fragte und sich dann für die Auskunft bedankte, was das Gesprächsende markierte. Auch wenn es sich nur um eine Pseudofrage handelte, so hätte sie gut als Auslöser für ein Gespräch über Familienverhältnisse, Wohnsituation usw. genutzt werden können, um nicht nur die Rollen‐ identifikation zu erleichtern, sondern auch die gemeinsame Geschichte weiterzuentwickeln. Die Lernenden hatten sich nicht nur außergewöhnliche Namen, sondern zum Teil auch recht ausgefallene Biographien ausgedacht [2d, 2e, 11b], die bei genügend Zeit sicher viele „echte“ Fragen ausgelöst hätten. Die folgenden Beispiele aus der Gruppe der pupils sollen stellvertretend einen Querschnitt über die individuellen Aufgabenlösungen zeigen [9c]: Bobby Carter erwähnte zwei Charaktere und beschrieb sie als ihre Schwester Jodie bzw. als gemeinsame Cousine Liz. Carol-Ann Brandon schlüpfte in die Rolle einer 17-jährigen eng‐ lischen Schülerin und führte eine lange Liste mit altersgerechten Hobbys auf. Interessan‐ terweise wurde als Hobby öfters Golf oder einmal sogar Kricket angegeben - offenbar wurden diese Sportarten als „typisch englisch“ betrachtet [3c]. Auffallend waren die Daten eines gewissen Pierce Brosnan, der sich nicht nur als Mitglied des schulinternen Fußballbzw. Ruderclubs bezeichnete, sondern auch dem “NSDAP-Club“ und “Secret-Service Fan-Club“ angehörte [2d, 2e]. Des Weiteren machte er in seiner student card der Oxford University (! ) - und zwar in auffallend gutem Englisch [5i] - die folgenden Angaben [9c]: “I’m interested in the history of the Oxford Blues Club. I like the music-club and my French teacher Mrs. Stone. I’m a member of the famous Oxford Golf Club and my favourite car club is the BMW Z3 Club“ (WS 2/ Pupils). Gerade dieses letzte Beispiel bot aus meiner Sicht genügend Stoff für Fragen. Bemerkenswert waren auch die Lebensläufe und Berufe der parents. Manche beschrieben detailliert ihren (fiktiven) beruflichen Werdegang über den zweiten Bildungsweg oder wechselnde Einsatzorte [2d, 9b, 9c]: Sahra Miller beispielsweise begann ihre Ausbildung zur Sekretärin in der elterlichen Computerfirma, die sie nach dem Tod ihres Vaters wei‐ terführte [2d, 2e]. Angegeben wurden, neben Arzt und Krankenschwester, auch Chorleiter, Automechaniker, Percussionist, Angestellter in einem HiFi-Geschäft, Zimmermann oder Tanzlehrerin - Tätigkeiten und Arbeitsbereiche, die zwar das Leben spiegeln, aber in den gängigen Schulbüchern nicht unbedingt thematisiert werden. [2d, 8a, 9c]. Insgesamt fielen die Texte der diversen Personengruppen im Hinblick auf Qualität und Quantität also ganz unterschiedlich aus: sowohl auf inhaltlicher als auch sprachlicher Ebene. Die vielseitigen Ergebnisse verdeutlichen, dass sich alle durch die Aufgabe ange‐ sprochen fühlten [9b] und sie - je nach Interesse, Phantasie und Können - bestmöglich und individuell zu lösen versuchten [8a, 9c]. Während die Identifikationspapiere gruppen‐ weise am Fries aufgehängt und teilweise noch schnell mit Korrekturen versehen wurden [5i, 11b], verwies die Lehrkraft auf die Arbeitsblätter für die daily routines, die wahlweise in der Klasse oder zu Hause bearbeitet und - laut Lehrkraft - von uns korrigiert werden sollten. Leider ging der inhaltliche Aspekt und die damit verbundene Bedeutung der Auf‐ gabenstellung an dieser Stelle etwas unter, während die sprachliche Korrektheit erneut stark in den Vordergrund gestellt wurde. Das Aufhängen der Lernertexte am Fries dauerte fast 10 Minuten und hätte sicher besser koordiniert werden können [1d]. Danach zeigte die Lehrkraft die Folie mit den Fotos der diversen Lernumgebungen, die beschrieben werden sollten. Positiv war, dass jetzt etwas 417 6.6 Fallstudie 5: Our Ideal School (Klasse 10) mehr Zeit zum Nachdenken gewährt wurde, mit der Folge, dass seitens der Lernenden sogar vereinzelt Fragen zu den Bildern gestellt wurden, was belegt, dass sie mit Interesse invol‐ viert waren [3a, 5d, 5g]. Die Frage der Lehrkraft “What would be important for you to have in your classroom? “ (Video) war in meinen Augen eine gelungene key question und gute Überleitung zur nächsten Aufgabenstellung, nämlich ideal classrooms zu entwerfen. Die Lehrkraft verwies auf die Wörterbücher und es folgte erneut eine erstaunlich rege Sam‐ melphase [5e, 7c]. Nach einer kurzen Pause begannen die Gruppen ihre Klassenzimmer zu konzipieren und verhandelten angeregt über ihre Ideen [6c, 9c]. Dies geschah teilweise auf Englisch [5d], aber auch auf Deutsch, doch nach meiner Einschätzung immer auf das Thema bezogen [3a, 9b]. Manche machten Notizen [5c], andere benutzten das Wörterbuch [7c], wieder andere erstellten eine Skizze [10a]. Erstaunlich war, dass die Lehrkraft völlig überflüssig schien, während die Lernenden selbstständig und engagiert an ihren Aufgaben arbeiteten [4b, 8c]. Auch in dieser Klasse arbeiteten manche im Stehen [9d, 10d], auffallend war zudem, wie konzentriert Zeichnungen angefertigt bzw. in Katalogen und Zeitschriften Bilder gesucht, besprochen, ausgeschnitten und aufgeklebt wurden [7b, 10a]. Manche spazierten neugierig im Klassenzimmer umher [2c, 11b] und tauschten mitunter Materialien aus [6c], während andere völlig in sich versunken an ihrem Poster arbeiteten (Flow) [4b, 9b]. Eine Schülerin hielt voller Stolz ihre Collage in die Kamera: „Sieht gut aus, finde ich! “ (Video) [4f]. Da zum Unterrichtsende noch nicht alle Collagen fertiggestellt waren, wurde die Prä‐ sentation auf die nächste Doppelstunde verschoben. Als Hausaufgabe sollten die Lernenden weitere Räume, die in einer Traumschule unverzichtbar sind, auflisten und hinsichtlich ihrer Dringlichkeit bewerten. Der Auftrag wurde von den Lernenden ohne Kritik zur Kenntnis genommen, obwohl bereits zuvor eine Hausaufgabe gestellt worden war, nämlich das Arbeitsblatt zu den Tagesabläufen (daily routines) auszufüllen. Doch offenbar emp‐ fanden die Lernenden die Aufgaben als sinnstiftend und motivierend [4e, 9b]. Auf Grund der Tatsache, dass ich diese Doppelstunde nicht live miterlebt hatte, sondern erst später durch die Sichtung des Videobands einen Eindruck davon gewinnen konnte, fand an diesem Tag nur eine kurze UR mit der Lehrkraft statt. Sie schilderte den Ablauf aus ihrer Sicht, bedauerte die zeitlichen Verzögerungen und fragte nach dem weiteren Vor‐ gehen. Im Vergleich zur 9. Klasse brauchte die 10. Klasse offenbar mehr Zeit [1d] für die Gestaltung der ideal classrooms, was jedoch in meinen Augen unproblematisch war, da ein Storyline-Entwurf je nach Klassensituation unterschiedlich realisiert werden kann und soll. Die Lehrkraft fand es spannend, das Projekt zeitgleich in zwei verschiedenen Klassen durchzuführen. Auch in diesem Fall profitierte die 9. Klasse, die in der 5. und 6. Stunde Unter‐ richt hatte, von den Erfahrungen in der 10. Klasse: Das Aufhängen der Identifikationspapiere konnte dort durch meine Unterstützung wesentlich schneller erfolgen, so dass Zeit für das Anfertigen der daily routines - also echte Lernzeit - gewonnen wurde. Außerdem wurden in Klasse 9 time limits vereinbart, um die Arbeitsprozesse besser zu koordinieren. Mir selbst fiel bei der späteren Sichtung des Videomaterials noch auf, dass die Lernenden im Vergleich zur 9. Klasse zwar genauso kreativ [9c], aber teilweise aktiver, mitteilsamer und selbstbewusster wirkten (UR F) [8c]. Einige Jungen und Mädchen hatten sichtlich Spaß daran, in der Fremdsprache zu kommunizieren, und nutzten jede Gelegenheit, um sich mitzuteilen [4b, 5d, 5g], was den Unterricht natürlich trägt und belebt. 418 6 Forschungsfokus Klassenzimmer 23 Auf dem Arbeitsblatt waren die kursiv gedruckten Satzanfänge sowie eine Layoutmaske als Orien‐ tierungshilfe vorgegeben. Die Texte der Lernenden werden hier - wie auch zuvor - unkorrigiert abgedruckt. 24 Bobby Carter bezieht sich hier auf ihre fiktive Schwester, die von einer anderen Schülerin gespielt wurde. Die dritte Doppelstunde fand am darauffolgenden Tag in der 5. und 6. Stunde statt. Dieses Mal war ich anwesend und machte zudem Videoaufnahmen. Zu Unterrichtsbeginn saßen die Lernenden, ausgerüstet mit Wörterbüchern, Bastel- und Arbeitsmaterialien, an ihren Gruppentischen und hatten ihre Namensschilder an der Kleidung befestigt - ein Zeichen, dass sie das Projekt ernstnahmen [1b, 4b, 8c]. Auch die Arbeitsblätter mit den daily routines waren fertig. Manche hatten nur wenige Zeilen, andere dagegen eine ganze Seite mit zahl‐ reichen Details aus ihrem fiktiven Leben geschrieben [2d, 2e, 5c]. Zur Veranschaulichung werden drei Textbeispiele aus der Gruppe der pupils abgedruckt, die sich in Bezug auf Qualität und Quantität stark unterscheiden [9c] und somit belegen, wie heterogen eine Klasse selbst nach 6 Jahren gemeinsamem Englischunterricht ist - trotz gleichgeschalteter Schulbuchübungen: 23 Every morning I get up at 6 am. I usually have breakfast at 6.45 am. Then I go to the bus. I usually drive with my motor-bike. I often playing Basketball. Sometimes I reading Books, or I ride horses (WS 3/ Pupils 1). Every morning I get up at 6 o’clock. I usually have breakfast at half past 6. Then I go to school. I usually ride with my bike. I often at half past seven at school. Sometimes I also drive by bus or go on foot to school. When school is out I go home and do my homework if we have to do some. Then I meet my friends. We often do something together like swimming or listening to music (WS 3/ Pupils 2). Every morning I get up at 8 o’clock, but at the weekends I usually get up after 12 o’clock pm. I usually have breakfast at 8.30 o’clock (am). Then I go to school with my sister 24 . I usually go to school till 4 o’clock p. m. I often spend my spare-time with my friends. Sometimes I go to a con‐ cert, ‘cause I’m very interested in music. Every second day I have to take the dog for a walk, but I enjoy this. In the evenings I go to parties, meet friends or have a nice time with my boy-friend. I have to answer letters from my penpals almost every day. Every Thursday I play Volleyball from 8.00 - 9.00 o’clock. My sister and me are really good friends, but sometimes we fight each other. That’s it! (WS 3/ Pupils 3). Die Lehrkraft kündigte schließlich die Präsentation der ideal classrooms an und stellte wei‐ tere 5 Minuten zur Verfügung. Sogleich begannen alle motiviert zu arbeiten: Manche schrieben in Partnerarbeit einzelne Passagen und verhandelten intensiv über den Inhalt oder sprachliche Phänomene [5c, 5h, 6c], andere schnitten Bilder aus [10a] oder begut‐ achteten neugierig die Arbeiten an den Nachbartischen [2c]. Nach einiger Zeit fragte die Lehrkraft: “Can we start the presentation? “ (UB). Doch niemand zeigte eine Reaktion [4b, 11b]. Beim Aufhängen der Collagen am Fries vernahm man ein gelegentliches Staunen und Kommentare wie: „Schau mal! “ (Video) [11d, 12a, 12e]. Manche erläuterten den Umste‐ henden sogar ganz spontan ihre Collage [5d, 5g], was belegt, dass die Aufgabe nicht nur 419 6.6 Fallstudie 5: Our Ideal School (Klasse 10) mit Engagement bearbeitet wurde [9b, 9c], sondern dass man auf die individuellen Lö‐ sungen stolz bzw. gespannt war [2c, 4f, 11a, 11c]. Die Präsentationen waren in vielerlei Hinsicht aufschlussreich. Es gab nicht nur kreative inhaltliche Lösungen, sondern auch ganz unterschiedliche sprachliche Realisationen [8a, 9c], wie dies an einigen Beispielen verdeutlicht werden soll. Auch die Atmosphäre war auffallend entspannt [4b, 4c, 4f], denn häufig ertönte Gelächter, wenn die Lehrkraft (sicht‐ lich erstaunt) nachhakte und die entsprechenden Lernenden (sichtlich amüsiert) Auskunft gaben. Das folgende Beispiel stammt aus der Gruppe der pupils und spiegelt eines der spontanen authentischen Gespräche [5d, 5 g, 11c]: S: We want a table where we can buy juice and sweets. L [ungläubig]: What is that? S [betont deutlich]: A table where we can buy juice and sweets! L [erstaunt]: Sweets? You buy them there? [Gelächter] S [betont lässig, aber bestimmt]: If we want (Video). Beeindruckend war nicht nur die souveräne Verteidigung gegenüber der Lehrkraft [8a], sondern auch die eindeutige Rollenidentifikation, was sowohl auf inhaltlicher Ebene als auch auf sprachlicher Ebene zum Ausdruck kam [2d, 2e]. Im Übrigen verwendete die Schülerin mehrfach und korrekt if-clauses (“It would be nice if we had big windows“, “It would be nice if we had an air-conditioning“) [5f, 5 g, 5i], obwohl diese von Lernenden oft als schwierig empfunden und deshalb vermieden werden. Auch wenn die fünf Collagen sehr unterschiedlich wirkten, was Perspektive und Ge‐ staltung anbelangt [8a, 9c], so hatten sie doch eines gemeinsam: Immer wieder wurde der Wunsch nach vielen Pflanzen, guten Lichtverhältnissen, großen Fensterfronten, Klimaan‐ lagen, leuchtenden Farben sowie nach bequemen und ästhetischen Möbeln geäußert: “We want ... that we teachers have a ... a comfortable chair and we want some colourful chairs for the pupils“ (Video) [2d, 2e]. Selbst Sofas, Aquarien, Bilder, Teppiche und Vorhänge standen auf der Wunschliste - Forderungen, die den Status Quo einer Lernumgebung mit wenig Wohlfühlcharakter spiegeln. Außerdem wurde mehrfach eine bessere Ausstattung mit Computern und anderen Geräten zur Sprache gebracht: Hefte sollten durch PCs ersetzt und die Tafel durch andere Visualisierungshilfen und technisch ausgeklügelte Projektions‐ flächen ergänzt werden [3a, 9c]. Visionen, die heute hochaktuell sind und regelmäßig in Expertenrunden diskutiert werden. Als positiv empfand ich, dass die Lehrkraft die wohldurchdachten und engagiert vorge‐ tragenen Konzepte nicht nur mit Erstaunen zur Kenntnis nahm, sondern den Lernenden hin und wieder ein inhaltsbezogenes Lob aussprach, was die Betroffenen mit Stolz und Freude erfüllte [4f]. Interessant war, dass manche selbst dann noch weitersprachen, wenn die Lehrkraft bereits durch ein “Good! “ das Gesprächsende markiert hatte - ein Zeichen dafür, dass sie ganz bei der Sache waren [1b, 3a] und das starke Bedürfnis hatten, ihre kreativen Ideen der Klassenöffentlichkeit ausführlich mitzuteilen [4f, 5d, 11a]. Leider wurde ihnen aber kaum Gelegenheit für Gespräche untereinander gegeben, und in beiden Fällen, in denen die Lehrkraft tatsächlich die Klasse aufforderte, Fragen zu stellen, wartete sie exakt 1 Sekunde und beendete dann die Pause mit eigenen Beiträgen. Nichtsdestotrotz 420 6 Forschungsfokus Klassenzimmer bewirkte das gelegentliche kritische Nachfragen der Lehrkraft, dass die Lernenden ihre Werke ausführlich begründen bzw. schlüssig verteidigen mussten und auf diese Weise ihre fremdsprachenbezogenen Kompetenzen und verschiedene Dimensionen der Sprachpro‐ duktion verbessern konnten [5d, 5 g, 5i]. Es zeigte sich, dass die Aufgabenstellung eine gute Möglichkeit zur Differenzierung bot und entsprechend vielfältige Ergebnisse erbrachte [8a, 9c], die mit Interesse und Neugier verfolgt wurden [2c, 5b]. In jeglicher Hinsicht beeindruckend ist der Vortrag einer Schü‐ lerin aus der Gruppe der parents, die abwechselnd einzelne Passagen vom Blatt ablas, da‐ zwischen spontane Minidialoge mit der Lehrkraft führte und diese mit diversen paralingu‐ istischen Kommentaren ausschmückte [5d, 5g]. Nicht zu übersehen waren ihre Freude und ihr Stolz bezüglich der kreativen Ideen ihrer Gruppe, die sie jetzt souverän im Plenum vorstellte [4b, 4 f, 11a]: S [selbstsicher]: [...] Hi, I’m Angela Chase and we are the parents. This is our ideal classroom [zeigt auf Collage]. We are parents and we want that our children have a better time at school than we had. We want that the room is about 55 ... square metres [schmunzelt] because our children need space. The ideal form has/ &consists of 10 pupils. L [ungläubig]: 10? S [bejaht vehement und zieht demonstrativ Augenbrauen hoch]: 10! Yes! L [erstaunt]: Oh! S: So the teacher can look for everyone and his problems [schmunzelt]. The colour is very impor‐ tant. The walls should be painted with rainbow colours: blue, red, yellow or green. Now, the fur‐ niture should be made of wood. [...] And for the breaks they should have a couch for collecting their power. [...] S [unsicher hinsichtlich der Aussprache]: The arrangements ... however you pronounce it. L: What is that? S: I don’t know how to spell it. L: What is it? [S hält Lehrkraft den Text hin und lächelt] L [liest Wort vor]: Arrangements! Oh, the arrangements. Yes. S: Should be: no violence, no smoking in the classroom. For better air and atmosphere we need flowers and an aquarium [zeigt auf Collage] (Video). Die Präsentation und Gesprächsführung klang relativ authentisch; in meinen Augen eine erstaunliche Leistung für eine 10. Klässlerin [5g, 5i, 11b]. Doch selbst schwächere Lernende scheuten sich nicht, ihre kreativen und individuellen Ideen mitzuteilen [11a]. Das folgende Beispiel zeigt, wie ein Schüler aus der Gruppe der parents mit Humor seine fremdsprach‐ lichen Defizite kompensierte und „trotzdem“ viel Anerkennung erntete [11d]. Engagiert trug er seine Vorstellungen für ein Klassenzimmer vor, unterstrich seine Äußerungen durch entsprechende Gesten [5d, 10d], wie dies in muttersprachlichen Unterhaltungen zwar gang und gäbe, im Fremdsprachenunterricht aber offenbar verpönt ist, und bekam sogar Unter‐ stützung aus dem Plenum, als ihm die Worte fehlten [5i, 6c]: S1: We think that our childs need better chairs for the back [zeigt auf seinen Rücken]. [L korrigiert leise, doch S lässt sich nicht unterbrechen und redet weiter] 421 6.6 Fallstudie 5: Our Ideal School (Klasse 10) S1: Then we want to have a cinema [zeigt auf Collage]. Class cinema. Dolby [? ] system. [Klasse lacht amüsiert] [...] S1: And gym balls. L: What is that? S1: That’s for sitting ... also ... S2 [S aus Publikum hilft]: Instead of chairs you sit on a ball. L [ungläubig]: On a ball? S1: Das ist gesünder! L [sprachlich unterstützend und inhaltlich klärend]: Is that more healthy? S1 und S2: Yes! L [ungläubig fragend]: Ehm, you sit on a ball? S1 und S2 [vehement]: Yes! S2: Sure! L: Oh, yes. Well, if you think so (Video). Die Vorstellung der ideal classrooms dauerte über 11 Minuten. Danach wurde eine wordbank mit weiteren wünschenswerten Räumen erstellt [5e, 12d], und es zeigte sich erneut, wie kreativ und konzentriert die Lernenden waren [9c], denn während die insgesamt 16 Bei‐ träge genannt wurden [5d], war es auffallend still im Raum [2c, 5b]. Neben verschiedenen Fach- und Arbeitsräumen wie etwa “a language room“ oder “a computer room“ wurden auch “clean toilets“, “a games room“, “a cafeteria“ und “a little shop“ gewünscht (UB). Schließlich kündigte die Lehrkraft den Brief der fiktiven Bürgermeisterin an. Der Einstieg in die neue Szene gelang mühelos und sorgte für eine gewisse Spannung [2c]. Nach dem Vorlesen des Briefes durch eine Schülerin wurde der Inhalt besprochen [5b, 5d], was für Heiterkeit sorgte, als die Lehrkraft fragte: “Do you think you can do that? Design a school building? “ (UB). Sofort meldete sich ein Schüler, der die Rolle des motivierten Mitspielers übernahm und auf den ausstehenden Preis als Ansporn verwies [2b, 2d], so dass die Klasse in schallendes Gelächter ausbrach. Eine andere Schülerin versprach ebenfalls ihre Unter‐ stützung: “I think we can try“ [9b]. Erneut ertönte ein amüsiertes Lachen, als die Lehrkraft humorvoll konterte: “That is a word. A woman, a word“ (Video) [4b, 4c]. Nachdem die Aufgabenstellung geklärt war, fragte die Lehrkraft nach der benötigten Zeit, so dass man sich letztlich auf 25 Minuten einigte [1d, 8a, 8b]. Im Gegensatz zur 9. Klasse konnte diese Klasse den benötigten Arbeitsaufwand für diverse Aufgaben offenbar realistischer ein‐ schätzen [8d]. Die Konzeption der Traumschule wurde von den Lernenden engagiert und gut organi‐ siert durchgeführt [8c]. Die Gruppen teilten die Arbeiten intern auf, so dass manche schrieben und andere zeichneten [6c, 9e]. Viele standen zunächst um ihr Poster versammelt und besprachen die Vorgehensweise [9c]. Sodann wurde mit Zirkel, Geodreieck und Lineal oder aber frei Hand gezeichnet [10a], während gleichzeitig der Brief an die fiktive Bürger‐ meisterin verfasst wurde [5c, 5g]. Auffallend war, dass wirklich alle beschäftigt waren und fokussiert an ihren Aufgaben bzw. Miniaufgaben arbeiteten [9b, 11b]. Das kreative und multimodale Arbeiten machte den Lernenden erkennbar Spaß, denn viele Gesichter wirkten entspannt und gelöst [4b, 10d]. In den Gruppen wurde zwar häufig auch Deutsch gespro‐ chen, aber nach meiner Einschätzung immer themenbezogen [3a]. So fragte beispielsweise 422 6 Forschungsfokus Klassenzimmer ein Schüler seine Gruppe: „Was heißt denn Wintergarten? ... winter garden? “ (Video). Un‐ verzüglich nahm eine Mitschülerin das Wörterbuch und schlug den Begriff nach [5e, 6c, 7c]. Schließlich leitete die Lehrkraft die Präsentationsphase ein und forderte die Klasse zum aufmerksamen Zuhören auf, indem sie an deren Funktion als Jury im Wettbewerb um den besten Entwurf erinnerte: “If you have any questions, ask them then. Make sure you know the different designs well“ (Video). Vor dem Hintergrund, dass die Lernenden in der 9. Klasse in erster Linie für ihre eigenen Konzepte gestimmt hatten, war dies ein sinnvoller Hinweis, der bewirkte, dass die Lernenden tatsächlich interessiert „echte“ Fragen stellten [5d, 5 g, 11c]. Die school designs waren alle sehr unterschiedlich und teilweise bis ins kleinste Detail durchdacht. Nicht nur die Darstellungsformen (Vogelbzw. Froschperspektive; Grund‐ rissskizze bzw. Gemälde) waren individuell gewählt, sondern auch die inhaltliche Gestal‐ tung war in jedem Fall äußerst phantasievoll [8a, 9c]. Erneut fiel auf, dass in allen Ent‐ würfen große naturbelassene Bereiche mit Wasserflächen, Gärten und Bäumen vorgesehen waren. Auch Sport- und Spielflächen, diverse Kreativräume, technische Besonderheiten (z. B. Photovoltaikanlage zur Energiegewinnung, Glasflächen zur Energieeinsparung), Parkplätze, ein Wintergarten mit exotischen Pflanzen, eine Bücherei, ein Raum für den Hausmeister, eine Cafeteria oder ein Kiosk wurden eingeplant. Selbst einen Helikopterlan‐ deplatz gab es. Sämtliche Entwürfe demonstrierten, dass sich die Lernenden mit Interesse und Ernsthaftigkeit um sinnvolle Aufgabenlösungen bemühten, um den Schulalltag ange‐ nehmer zu gestalten [1b, 3a, 9c]. Auch die Begleitschreiben an die fiktive Bürgermeisterin fielen sehr unterschiedlich aus: Es gab Fließtexte mit einigen relevanten Eckdaten zum Schulmodell, aber auch solche, die sowohl sprachlich als auch formal von vorbildlicher Qualität waren [5c, 8a, 9c]. Beeindru‐ ckend ist der professionelle Brief einer Gruppe von parents, die jetzt als Architektenteam auftraten [2d, 2e]. Sie formulierten einen freundlichen, authentisch klingenden Brief mit diversen Informationen zu ihrem Entwurf und bedankten sich höflich für die Auftragser‐ teilung. Dabei kamen selbst kontextspezifische Floskeln wie “We hope you will be pleased with our work“ bzw. “We look forward to hearing from you“ zum Einsatz (Letters 1) [5c, 5 g, 7d]. Das folgende Beispiel belegt, dass das school design konsistent aus der spezifischen Rolle heraus entwickelt worden war [2b, 2d], die Ergebnisse engagiert vorgestellt [4f, 5d] und von der Klasse aufmerksam verfolgt wurden [2c, 5b]: S1: I’m Mrs. Miller and this is Mr. McKinnon from the parents group. S2: We want for the children in Salisbury an ideal school building with a very big garden. There are no streets and no cars. We also want that the building is in the forest. There is a swimming pool, a big pond with goldfishs [...]. By the way, Mrs Urkel wants to/ S3 [korrigierender Zwischenruf aus dem Publikum]: MISTER! S2: Äh ... Mister ... [lacht und gestikuliert] ... Entschuldigung ... [Klasse lacht] S2: Mr. Urkel wants to sponsor many seats [zeigt auf Collage] and 20.000 British pounds to build the school. [...] That was it. Have you got any questions? (Video). 423 6.6 Fallstudie 5: Our Ideal School (Klasse 10) Tatsächlich erfolgten 4 Wortmeldungen und es schien, als ob es den Lernenden leichter fiel, Fragen zu stellen, wenn sie von den Klassenmitgliedern selbst dazu animiert wurden [5d, 5 g, 11c]. Eine Schülerin wartete - im Gegensatz zur Lehrkraft - erstaunlich geduldig auf Zwischenfragen und munterte die Klasse nach einiger Zeit sogar noch ein zweites Mal dazu auf: “Ask! “ (Video) [4f, 8b]. Manche Präsentationen wurden frei vorgetragen, andere teilweise vom Blatt abgelesen. Meist trug eine Person vor, während eine andere auf die Collage zeigte [5d, 6c]. Doch gerade die spontanen Dialoge wirkten erfrischend und waren ein gutes Training für authentische Gesprächssituationen außerhalb der Schule [1b, 1c, 5g]. Bemerkenswert war, mit wie viel Humor und Gelassenheit diese Minidialoge gemeistert wurden [4b], ohne sich an sprach‐ lichen Defiziten zu stören [4d], denn der Fokus lag eindeutig auf dem Inhalt der Mitteilung [2a]. Selbst bei ad hoc Fragen oder komplizierteren Darstellungen versuchten die Ler‐ nenden, eventuell verbunden mit einem kurzen code-switching, in der Fremdsprache zu kommunizieren [5d]. Die Vorstellung der Collagen dauerte etwa 13 Minuten. Im Vergleich zum Projektbeginn kamen die Lernenden jetzt deutlich mehr zum Sprechen, während sich die Lehrkraft stärker zurückhielt. Staunenswert war, dass die Schülerinnen und Schüler immer wieder kleine Diskussionen mit der Lehrkraft eingingen [5d, 5g], beispielsweise als es um die Abstim‐ mung der besten school designs ging und die Lehrkraft zunächst einige Bewertungskriterien sammeln wollte. Beherzt ergriff eine Schülerin das Wort und schlug ein aus ihrer Sicht geeigneteres Vorgehen vor [8a, 8b, 8d]. Auf Grund der Erfahrungen in Klasse 9 beharrte die Lehrkraft jedoch auf der geplanten Vorgehensweise und forderte die Lernenden auf, einzelne Entwürfe zu bewerten. Dies bedeutete, dass sie komplexe Sätze formulieren mussten, um ihre Entscheidung zu begründen [5d, 5 g, 5i]. In dieser Klasse gab es - im Gegensatz zur 9. Klasse - nur einen Schüler, der die eigene Collage als Siegerarbeit vor‐ schlug (und dabei schnell ertappt wurde) [4f]. Zum Schluss standen 2 Entwürfe zur engeren Auswahl [8d]. Mit einer kurzen, launigen Rede gratulierte die Lehrkraft dem hocher‐ freuten “winning team“, das von der Klasse mit Beifall belohnt wurde [11d] und stolz in die Runde winkte [4f]. Am Nachmittag wurde der Unterricht gemeinsam mit der Lehrkraft reflektiert und das weitere Vorgehen besprochen. Zuvor betrachteten wir die Lernprodukte am Fries. Aus zeitlichen Gründen wurden in dieser Klasse die vorgesehenen Interviews mit (realen) Lehr‐ kräften, Eltern und Lernenden gestrichen, doch dies war mit keinerlei Nachteilen ver‐ bunden. Die Lehrkraft war erstaunt über die vielen Einfälle der Lernenden, die nicht nur kreativ, sondern auch sehr durchdacht wirkten [8a, 9c]: Das Thema schien also von großer Relevanz zu sein [1b, 3a] und auch die Aufgaben waren offenbar ansprechend [9a, 9b]. Interessant fand sie, wie viel Spaß die Lernenden daran hatten, fiktive Personen zu spielen, und wie leicht ihnen die Rollenidentifikation gelang, was sich darin zeigte, dass sie ihre Ideen bis ins Detail aus der spezifischen Rolle heraus entwickelt und mit entsprechender Argumentation vorgetragen hatten [2b, 2d, 5d]. Das gemeinsame Phantasieren und col‐ laborative storymaking fiel der Klasse offensichtlich leichter als der Lehrkraft [2e], auch wenn es dieser zunehmend mehr gelang, sich stärker auf die Inhaltsebene und nicht so sehr auf die Sprachebene zu konzentrieren. 424 6 Forschungsfokus Klassenzimmer Beide waren wir beeindruckt, wie motiviert, interessiert und engagiert die jeweiligen Ergebnisse konzipiert und präsentiert wurden [8c, 11b]. Die Lehrkraft bestätigte, dass sich selbst sprachlich schwache Lernende nicht scheuten, ihre Vorstellungen im Plenum mit‐ zuteilen [11a]. Einige Vorträge waren, was Sprache, Inhalt als auch Präsentationstechnik anbelangt, von hervorragender Qualität [5d, 5g]. Selbst die Lehrkraft staunte, wie versiert, souverän und locker manche ihre Ideen in der Fremdsprache mitgeteilt und bei Bedarf kurze Dolmetschphasen in den Vortrag integriert hatten [5e, 5i]. Allgemein schien die Klassen‐ atmosphäre entspannt, heiter und in jeder Hinsicht förderlich [4b, 4c] - auch für „echte“ Gespräche mit emotionaler Beteiligung, in denen sich die Lehrkraft ernsthaft behaupten musste, was sie mit Amüsement zur Kenntnis nahm [8b, 11c]. Die Lehrkraft wurde in diesem Zusammenhang von mir ermuntert, sich noch mehr zurückzunehmen und den Lernenden genügend Zeit zum Beantworten und auch zum Formulieren von Fragen zu gewähren. Auch sollten Ideen und Aufgabenlösungen der Lernenden nicht von vornherein abgelehnt, sondern diese vielmehr dazu angeregt werden, ihre spezifischen Vorschläge schlüssig zu begründen, wie sich dies in manchen Situationen bereits spontan ergeben hatte. Auf diese Weise werden nicht nur allgemeine thinking skills trainiert, sondern die Ler‐ nenden müssen ihre Vorstellungen auch sprachlich präzisieren und können somit ihre Sprachproduktion verbessern. Der Faktor Zeit sorgte für eine längere Diskussion zwischen uns, denn die Lehrkraft befand 25-30 Minuten für nicht ausreichend, um differenzierte Collagen herstellen zu können [1d]. Ich selbst sah die Gefahr des intensiven Bastelns darin, dass der Fokus aus den Augen geraten könnte, denn schließlich sollten die Collagen keine elaborierten Kunst‐ werke, sondern Aufhänger für die Kommunikation in der Fremdsprache sein. Auch zeigte meine Erfahrung, dass es immer schwierig ist, für eine heterogene Klasse den richtigen Zeitpunkt für den Abschluss einer Arbeitsphase zu finden. Gerade deshalb hat der Fries eine work-in-progress-Funktion und kann zu jeder Zeit verändert werden. Wir einigten uns darauf, dass in Zukunft die entsprechende Uhrzeit und nicht eine Zeitspanne wie etwa 10 Minuten als time limit gegeben wird, um die Arbeitsabläufe besser zu koordinieren. Aufgefallen war uns auch, dass das Sammeln und Ausschneiden von passenden Bildern [7b] nicht nur viel Zeit in Anspruch nahm, sondern im Ergebnis meist weniger ästhetisch und kreativ als selbst angefertigte Zeichnungen war [9c, 10a]. Dies war beim Vergleich der classrooms und der school designs ein herausstechendes Merkmal. Folglich könnte die zur Verfügung stehende Arbeitszeit zugunsten von Kreativität und Spracharbeit noch besser genutzt werden. Dennoch war nicht von der Hand zu weisen, dass die Lernenden auch in dieser Doppelstunde mit Interesse, Konzentration und Freude an der Arbeit beteiligt waren [2c, 4a, 4b]. Immerhin tauschte man sich auf dem Schulgelände über die ideal school aus und stattete der 9. Klasse sogar einen Besuch mit Besichtigung des Frieses ab [1b, 12a] ... In der vierten Doppelstunde konnte ich nicht persönlich anwesend sein. Mit der Lehr‐ kraft wurden die einzelnen Schritte vorab besprochen, zudem wurde vereinbart, dass die Lernenden bei meinem nächsten Besuch über den Verlauf der story berichten sollten, so dass ich mir ein eigenes Bild über die diversen Lernprodukte machen konnte. Zwischen‐ zeitlich stand ich jedoch mit der Lehrkraft im Austausch und konnte mir einen ersten Ein‐ druck von der Doppelstunde machen - wenn auch nur aus zweiter Hand. 425 6.6 Fallstudie 5: Our Ideal School (Klasse 10) Vor der Entwicklung spezifischer Schulprofile wurde die Videoaufnahme mit dem In‐ terview des schottischen Schülers gezeigt und ein Arbeitsblatt mit Fragen zum Inhalt be‐ sprochen [5b]. Laut Aussage der Lehrkraft dauerte es einige Zeit, bis alle Details geklärt waren, und die Lernenden staunten angeblich über die Unterschiede zum eigenen Schul‐ alltag [3c]. Die anschließende Erstellung und Vorstellung der ideal timetables war offenbar sehr zeitintensiv [1d] und löste im Rahmen der Präsentation viele Fragen aus [11c], so dass eine Einzelstunde am darauffolgenden Schultag spontan dazu genutzt wurde, sich noch intensiver mit dem Thema auseinanderzusetzen und drei Siegermodelle zu wählen (UR L) [1b, 8b, 8d]. Überraschend war, dass die Lernenden - ähnlich wie in Klasse 9 - kaum Vorschläge für neue Unterrichtsfächer einbrachten und wenn, dann eher als freiwilliges Zusatzangebot. Allerdings schienen sich manche der zunehmenden Bedeutung von Sprachen bewusst zu sein und nahmen, neben Englisch und Französisch, teilweise auch Spanisch, Italienisch, Latein oder Chinesisch in ihr Unterrichtsangebot auf [9c]. Interessant war auch die Wahl‐ freiheit und Gewichtung der einzelnen Fächer: In einem Fall konnten die Fächer zu Schul‐ jahresbeginn gewählt werden, in einem anderen Fall gab es pro Tag verpflichtende sowie zwei frei wählbare Fächer und in anderen Fällen konnte man auf Wunsch Nachmittagsun‐ terricht wahrnehmen. Eine ideale Schule sollte also viel stärker die individuellen Interessen, Wünsche und Bedürfnisse der Lernenden berücksichtigen [8a]. Auffallend war die zeitliche und teilweise deutlich rollenspezifische Ausgestaltung des Schulalltags [2d, 2e, 9c]: Pupils wünschten sich einen späteren Unterrichtsbeginn, längere Pausen und/ oder kürzere Schultage sowie wesentlich kleinere Klassen und einen festen Stamm an Lehrkräften. Ein teacher vertrat folgenden Vorschlag: The school starts at 8.00 o’clock and ends at 14 o’clock. I teach 4 days a week and teach 5 hours per day. I’m interested in my subjects, but I think many other subject are very important. Maths, English, (Chemistry, Biology) or an EDV-club for example. Because you need it for your comming life. My lessons are 60 mitutes long, because you don’t have to hurry. 15 pupils are in one class, because they can better take care. Three teachers teach in one class because I think it’s better for the pupils when the teachers don’t change so often (WS10/ Teacher 1). Beachtenswert ist bei diesem Textbeispiel - neben der reflektierten Begründung der ein‐ zelnen Vorschläge [5c, 5 g, 9c] - die stringente Verwendung der ersten Person Singular, was auf eine intensive Rollenidentifikation hinweist [2d]. Die parents ließen den Unterricht relativ zeitig (zwischen 7 und 8 Uhr) beginnen und beendeten ihn frühestens um 13 Uhr bzw. spätestens um 19 Uhr [9c]. Einige parents, die ihre Kinder offenbar versorgt wissen wollten [2b, 2d], ernteten mit ihrem Ganztagsmodell und sehr komplexen Stundenplan allerdings nicht viel Lob, sondern lösten eine heftige Debatte aus [11c]. Überraschend war, dass - wie in Klasse 9 - in fast allen Stundenplänen vermehrt bzw. ausschließlich Doppelstunden und vereinzelt sogar Dreierblöcke vorgesehen waren [9c]. Ob dies im Zusammenhang mit den konkreten Erfahrungen während des Storyline-Projekts gesehen werden kann, bleibt offen. Allerdings war erkennbar, dass auch in dieser Klasse ein stark fragmentierter Schulalltag mit ständig wechselnden Fächern und Lehrkräften 426 6 Forschungsfokus Klassenzimmer durchweg für problematisch bzw. wenig sinnvoll befunden wurde [8d]. Als besonders po‐ sitiv empfand die Lehrkraft, dass viele Fragen an die jeweiligen Stundenplanerinnen bzw. -planer gestellt wurden, die ihre Konzepte schlüssig vertreten und verteidigen mussten [5d, 5 g, 11c]. Einige parents lösten eine spontane Diskussion um Sinn und Zweck von Haus‐ aufgaben aus [2d]. Ergebnis: Es sollten mehr Möglichkeiten zur Differenzierung geschaffen und somit die Heterogenität der Lernenden besser berücksichtigt werden [3a, 8a, 9c]. Die Lehrkraft zeigte sich erstaunt darüber, dass sie manche Schülerinnen und Schüler während des Storyline-Projekts ganz anders als im regulären Unterricht erlebte und zwar durchweg positiv [4b]. Selbst ein Schüler, der für sein auffälliges Verhalten bekannt war und während einer Präsentation laut Lehrkraft „den Affen gespielt“ (UR F+L) und somit den Vortrag torpediert hatte, besann sich nach der kritischen Zurechtweisung durch seine Gruppe und arbeitete plötzlich mit - und zwar bis zum Ende des Projekts [4g, 8d]. Folglich kann Storyline-Arbeit auf konstruktive Weise mitunter auch Disziplinprobleme lösen [6c, 6d]. Insgesamt betrachtet waren die Aufgabenlösungen also vergleichbar mit den Ergeb‐ nissen aus der 9. Klasse. Auch die Diskussion um Formen der Leistungsmessung brachte keine wirklich neuen Erkenntnisse: 19 Lernende waren der Meinung, dass Noten prinzipiell unverzichtbar seien, 20 stimmten für ein Zeugnis, das sowohl eine verbale Beurteilung als auch Noten enthält, und nur 2 Lernende wünschten sich reine Berichtszeugnisse [9c]. Leider blieb auch in dieser Klasse die ursprüngliche Frage, ob und wie das Storyline-Projekt bewertet werden sollte, unbeantwortet. Möglicherweise mangelte es an einem kreativen Input oder genügend thinking time (UR F). Die fünfte Doppelstunde fand ohne mich statt, da ich erst im Laufe des Vormittags an‐ reisen konnte. Um Redundanzen mit der Auswertung der sechsten Doppelstunde zu ver‐ meiden, in der die Arbeitsergebnisse präsentiert und diskutiert wurden, werde ich an dieser Stelle nur kurz und punktuell auf die UR mit der Lehrkraft eingehen. Thema dieser Doppelstunde war, sich darüber auszutauschen, welche Kriterien ideal pupils, ideal parents und ideal teachers zu erfüllen haben. Die Ergebnisse sollten in einem strukturierten Arbeitsblatt festgehalten werden. Als Gesprächsimpuls dienten auch in dieser Klasse einige Cartoons, die verschiedene Probleme des Schulalltags zeigten. Inter‐ essanterweise fanden die Schülerinnen und Schüler der 10. Klasse die überspitzten Dar‐ stellungen nicht besonders lustig, sondern kritisierten, dass Eltern und Lehrkräfte für das (schlechte) Verhalten der Kinder verantwortlich seien und diesen Grenzen zeigen sollten. Das Thema beschäftigte sie so sehr, dass die Diskussion mit der Lehrkraft in der Pause fortgesetzt wurde [1d, 3a, 11c]. Erwähnenswert ist auch der mit Staunen erfüllte Kommentar der Lehrkraft über einen Schüler, der sich auf Grund von familiären Problemen im regulären Unterricht stark zu‐ rückzog und nun während des Storyline-Projekts plötzlich sehr präsent war: „Der Junge hat sich in dieser Woche so oft gemeldet und so oft geredet wie im ganzen letzten Schuljahr nicht“ (UR F+L). Eine aus meiner Sicht sehr aufschlussreiche Feststellung [1b, 4b, 9b]. Während der sechsten Doppelstunde konnte ich miterleben, wie das Storyline-Projekt zu Ende gebracht wurde. Zu Unterrichtsbeginn fand eine kurze Evaluation der Gruppen‐ arbeit statt [8d], welche regelmäßig mehr Zeit als geplant in Anspruch nahm. Das Haupt‐ problem lag offenbar darin, dass man nach der Aufgabenstellung nicht unmittelbar an die 427 6.6 Fallstudie 5: Our Ideal School (Klasse 10) Arbeit ging, so dass am Ende die Zeit knapp wurde [1d, 6c]. Die Lernenden gaben zu bedenken, dass die unterschiedlichen Ansichten zuerst diskutiert werden mussten, bevor man sich auf ein schriftliches Ergebnis einigen konnte [9c]. Positiv fand ich, dass das Re‐ flexionsgespräch, das übrigens in der Fremdsprache geführt wurde [5d, 5g], sehr sachlich und respektvoll ablief [4c, 4g]. Die Lernenden hörten aufmerksam zu, als die Lehrkraft noch einmal die Funktion der Präsentationen erläuterte und darauf verwies, dass der Fries jederzeit ergänzt werden konnte. Im Anschluss sollte mir die Klasse über den Verlauf der letzten Stunden berichten und ich nutzte die Gelegenheit für eine kurze fragengeleitete Klassendiskussion über das In‐ terview mit dem schottischen Schüler: Die Videosequenz wurde für interessant befunden [3c, 7a] und man habe alles, wenn auch nicht jedes Detail, verstanden [5b]. Der einzige Einwand war, dass der Text zu lang war und der Schüler gelegentlich “a bit fast“ sprach (KD) [5i, 8d]. Schließlich wurden die Ergebnisse aus der letzten Doppelstunde paarweise vorgetragen [5d, 6c]. Zu meinem Erstaunen hatten die meisten ihre Vorstellungen von ideal teachers, ideal pupils und ideal parents jedoch nicht nur schriftlich im Arbeitsblatt festgehalten, sondern zusätzlich auch noch Zeichnungen angefertigt oder Bilder aus Zeit‐ schriften ausgeschnitten, um ihre Ideen zu visualisieren und zu konkretisieren [8a, 9c, 10a, 10d]. Amüsiert beobachtete ich, wie die Figuren am Fries befestigt wurden, denn gerade dieser Punkt hatte im Vorfeld mehrfach Fragen aufgeworfen, da nicht abzuschätzen war, wie ältere Klassen das für Storyline-Arbeit charakteristische Figurenbasteln bewerten würden. Erneut war zu beobachten, dass sowohl leistungsstarke als auch sprachlich schwächere Klassenmitglieder Gruppenergebnisse vortrugen bzw. vorlasen, so dass alle - unabhängig vom individuellen Lernniveau - einen Beitrag liefern konnten [5d, 6c, 11a]. Jede Präsen‐ tation wurde vom Publikum aufmerksam verfolgt [2c, 5b], was daran zu erkennen war, dass hin und wieder gelacht oder nachgefragt wurde [11c, 11d]. Interessant ist die folgende Gesprächssituation, die sich während eines Vortrags spontan ergab [5d, 5g]: S1 [Junge aus Publikum]: Why have the parents to be young? S2 [Vortragende Schülerin; etwas zögerlich]: I think young parents ... ehm ... understand their children ... better? S1 [entschieden]: I don’t think so! [S2 schaut S1 aufmerksam und abwartend an; lächelt ihn dann an] L [zu S1]: You don’t/ ... Do you have young parents? S1: No! L: No? Ah ja! Mrs Miller? S3 [Schülerin aus Publikum]: I think young parents are more modern (Video). In ähnlicher Weise fanden weitere authentische Kurzgespräche statt [5g, 11c]. Teilweise geschah dies unter Hilfestellung der Lehrkraft, die explizit zum Fragen aufforderte oder provokante Punkte aus der Präsentation aufgriff, um das Plenum zu kritischen Fragen he‐ rauszufordern. Hervorzuheben ist, dass die Präsentation circa 20 Minuten dauerte und ins‐ gesamt erstaunlich viel Interaktion stattfand. Dabei handelte es sich stets um ernstgemeinte Fragen zum Inhalt [11c] oder zu unverständlichen Begriffen [5e] - in jedem Fall jedoch um spontane, mitteilungsbezogene und realitätsnahe Kommunikation [5g]. Im Vergleich zu 428 6 Forschungsfokus Klassenzimmer früheren Stunden hatten die Gespräche jetzt weniger den Charakter eines Pingpongspiels zwischen Lehrkraft und Lernenden, sondern gestalteten sich natürlicher und freier - auch innerhalb der Klasse. Als die Lehrkraft den Brief ankündigte, spürte man eine gewisse Neugier [2c]. Ein Schüler meldete sich sofort, um den Brief in Empfang zu nehmen, und als er den Namen des Schulleiters als Absender vorlas, wurde dies mit Staunen zur Kenntnis genommen [5b]. Die Lehrkraft stellte zunächst diverse Verständnisfragen zum Inhalt und hielt einige Stich‐ wörter an der Tafel fest, die als Plan für das weitere Vorgehen dienten. Aus Zeitgründen wurde spontan vereinbart, dass eine suggestion group - bestehend aus je einem Mitglied der fünf Gruppen - Verbesserungsvorschläge zur eigenen Schulsituation sammeln sollte, während sich alle anderen mit der Präsentation des Projekts befassten. Auch diese Klasse bereitete das Gespräch mit der Schulleitung engagiert vor [11b]. Be‐ eindruckend war das weitgehend selbstständige Arbeiten der suggestion group, die sich mit Wörterbüchern um das Pult versammelte und unverzüglich ihre Arbeit aufnahm [8c, 9d], während die restliche Klasse noch verhandelte, bis am Ende alle eine eigene, selbst ausge‐ wählte Aufgabe hatten [6d, 8a, 9e]. Auffallend war nicht nur das weitgehend autonome Arbeiten der Lernenden [8c], sondern auch die entspannte und anregende Atmosphäre [4b, 4c]: Die Schülerinnen und Schüler arbeiteten allein oder in Kleingruppen [6c], suchten sich eigene Lernorte aus [9d], begutachteten Friesprodukte [7c, 12c, 12d], diskutierten laut und lebhaft miteinander [5d, 5 g, 6c], nutzten die Wörterbücher [5e, 5i, 7c], machten No‐ tizen [5c], übten das freie Sprechen [5d], halfen sich gegenseitig [6c] oder baten bei Bedarf um unsere Hilfe [5i]. Alle waren motiviert bei der Sache, so dass selbst das zweimalige Ertönen des Gongs unbeachtet blieb und stattdessen die Pause als Arbeitszeit genutzt wurde [1b, 8c, 11b]. Auch als die Lehrkraft zur Eile ermahnte, arbeiteten alle ohne erkennbare Reaktion weiter, und es schien, als ob die Klasse die Leitung übernommen hatte, denn selbst das mehrfache Nachfragen und Bitten der Lehrkraft (“Can we start? “) wurde nicht beachtet (Video) [4b, 8b, 9b]. Zum Schluss blieben nur wenige Minuten, um den Ablauf zu besprechen und die Ergeb‐ nisse in einer kurzen Generalprobe zusammenzuführen. Dabei wurden anhand von aus‐ gewählten Beispielen auch Präsentationstechniken wiederholt [2a]. Die Lernenden waren gespannt auf die Begegnung, doch nachdem die Lehrkraft den Gast begrüßt hatte, lief alles erstaunlich harmonisch und versiert ab. Nicht nur der Schulleiter, sondern auch die Klasse hörte den Beiträgen konzentriert zu [5b]. Je nach Leistungsniveau trugen die Lernenden ihre Passagen frei vor oder lasen sie teilweise vom Blatt ab [5d]. Interessant war, dass sie meist in ihrer fiktiven Rolle blieben (“And I’m a doctor“) und selbst kleinste Details er‐ wähnten (Video) [2b, 2d]. Beeindruckend fand ich, dass nicht nur der Fries und einzelne Lernprodukte beschrieben, sondern auch Aufgabenstellungen und Arbeitsabläufe transparent gemacht wurden [5d, 5g]: We had to think about a person we have to play all over the project. Everybody thought of a name, facts and interests. We had to pin up a photo of us to the sheet of paper, that everybody knows who is who. Besides we had to pin up a piece of paper with our new name onto our shirt that the others don’t always have to look to the wall to find out to who they talk to (Video). 429 6.6 Fallstudie 5: Our Ideal School (Klasse 10) Ferner wurden diverse Diskussionsthemen aufgegriffen und kontroverse Ansichten refe‐ riert, wie etwa die Frage nach ideal parents, was die Präsentation insgesamt kurzweilig und somit publikumsgerecht machte [11a, 11b]. Lobenswert ist, dass wirklich alle Klassenmit‐ glieder involviert waren und ihr Bestes gaben [6d]. Nach der engagierten Darstellung des Projektverlaufs, die etwa 16 Minuten gedauert hatte, wurden die Verbesserungsvorschläge - ebenfalls auf Englisch - vorgetragen [5d, 5g]: Man wünschte sich eine farbenfrohere Schule, eine Wiese mit Sitzgelegenheiten, eine bessere Mülltrennung, mehr Pflanzen, mehr Schulbusse, mehr Video- und Fernsehgeräte, Schließfächer und ein Rauchverbot, das auch für Lehrkräfte gelten sollte [8a, 9c]. Insgesamt handelte es sich um eine vergleichbar bunte Sammlung wie in Klasse 9, die nun in der auf Deutsch weitergeführten Diskussion erläutert und ergänzt wurde. Der Schulleiter ver‐ suchte, die geschilderten Probleme aus seiner Sicht zu bewerten, und die Klasse staunte, als sie erfuhr, dass die gewünschten Garderoben bereits bestellt wurden. Auch in dieser Klasse informierte der Schulleiter über die schlechte finanzielle Lage der Stadt, die es nicht er‐ lauben würde, das Schulhaus neu zu streichen [3b]. Eine Schülerin machte den Vorschlag, das Gebäude im Rahmen einer Arbeitsgemeinschaft selbst zu streichen [8c, 9c], was von der Schulleitung jedoch aus Sicherheitsgründen abgelehnt wurde. Da das Stundenende nahte und mit circa 10 Minuten viel zu wenig Zeit für eine intensive Diskussion zur Ver‐ fügung gestanden hatte [1d], bot der Rektor ein weiteres Gespräch an und ermunterte die Klasse, ihre Gremien (SMV) zu nutzen [1b]. Der Besuch der Schulleitung galt auch in dieser Klasse als gelungener Abschluss des Storyline-Projekts und es war nicht zu übersehen, dass die Lernenden positiv überrascht und angetan von dem wohlwollenden und konstruktiven Gespräch waren [4c, 4f]. Nach Stundenende versammelten sich einige Lernende um mich herum, um sich per Handschlag persönlich für „das tolle Projekt“ zu bedanken (UB) [1b, 4a, 4c]. Die UR mit der Lehrkraft wurde relativ kurz gehalten, da am selben Tag auch noch das AIL stattfinden sollte (vgl. Kapitel 6.6.7). Beide waren wir beeindruckt über das selbststän‐ dige, motivierte und engagierte Arbeiten der Klasse [4b, 8c, 11a, 11b]. Die Lehrkraft hob hervor, dass jetzt selbst der als troublemaker bekannte Schüler, der am Freitag die Arbeit erheblich gestört hatte, konzentriert seinen Part zum Gelingen des Projekts beigetragen hatte [1b, 4 g, 6c, 6d]. Interessanterweise handelte es sich hierbei um einen relativ guten Schüler, der in Englisch auf 1-2 stand. Interessant fanden wir auch die spontane und kon‐ troverse Diskussion einiger Klassenmitglieder, als es um Alter und Aussehen von Eltern bzw. Lehrkräften ging und mehrfach Stichworte wie “attractive“, “young“ und “thin“ fielen (UB) [5d, 5 g, 11c]. In beiden Situationen lösten sich die Lernenden aus der Obhut der Lehrkraft, indem sie den Unterrichtsverlauf für einen Moment selbst gestalteten [8b]. Die Lehrkraft staunte, dass die Schlusspräsentation ohne große Vorbereitung so rei‐ bungslos vonstatten ging und im Vergleich zur 9. Klasse nicht nur spontaner und weniger gehemmt verlief, sondern auch sprachlich anspruchsvoller war. Selbst schwächere Ler‐ nende versuchten, möglichst frei zu sprechen und im richtigen Moment die passenden signposts einzubringen, wie etwa: “Now it’s your turn“ (Video) [5d, 5g]. Gelegentlich wurden sogar Sätze in reported speech produziert: “Some said that ...“ (Video) [5f, 5 g, 5i]. Auch die anschließende Diskussion gelang nach Ansicht der Lehrkraft ausgesprochen gut: 430 6 Forschungsfokus Klassenzimmer Die Lernenden konnten leicht zwischen der fiktiven und realen Ebene unterscheiden und argumentierten erstaunlich mutig und reflektiert [4f, 8a, 9c]. Aus meiner Sicht verhielt sich die Lehrkraft in dieser Klasse entspannter, offener und authentischer. Es wurde viel gelacht und gelegentlich ein Wortspiel eingebracht, was für eine angenehme Atmosphäre sorgte und selbst zurückhaltende oder leistungsschwache Lernende aus der Reserve lockte [4c]. Auch wurden Vorschläge seitens der Klasse häufiger akzeptiert oder zur Diskussion gestellt und nicht bereits im Vorfeld abgelehnt. Die Ler‐ nenden bekamen dadurch ein echtes Mitbestimmungsrecht [8a, 8b]. Dass das Projekt Our Ideal School tatsächlich eine Langzeitwirkung auf die gesamte Schule hatte [1b, 1c], sollte sich später noch zeigen ... 6.6.6 Die schriftliche Befragung der Lernenden Die SABS wurde von der Lehrkraft in der nächsten Englischstunde durchgeführt. Dabei kam derselbe Fragebogen wie in Klasse 9 zum Einsatz (vgl. Anhang A). Auch in dieser Klasse wurden im Vergleich zu den jüngeren Klassen meist differenziertere und umfangreichere Antworten gegeben. Teilweise wurden sehr persönliche Mitteilungen niedergeschrieben, was die konkrete Zuordnung der Aussagen gelegentlich etwas erschwerte. Wie erwartet fiel es vielen schwer, zwischen Thema (ideal school) und Vorgehensweise (Storyline Ap‐ proach) zu unterscheiden. Berücksichtigt werden muss bei der vorliegenden Auswertung auf jeden Fall der Einfluss der bevorstehenden Abschlussprüfung, die offenbar schon jetzt ihre Schatten vorauswarf und manche Schülerinnen und Schüler in Prüfungsstress ver‐ setzte, was durch entsprechend gefärbte Äußerungen mehr oder weniger deutlich zum Ausdruck gebracht wurde. Eintrag im Fragebogen Anzahl der Nennungen Mädchen Jungen 15 Jahre alt 6 5 1 16 Jahre alt 15 5 10 17 Jahre alt 3 2 1 Gesamtzahl der Befragten (= n) 24 12 12 Tab. 41: Frage 1: Alter und Geschlecht der Befragten An der Befragung nahm die gesamte Klasse mit 12 Mädchen und 12 Jungen teil, so dass alle am Projekt Beteiligten ihre Meinung abgeben konnten. Durch die gleichmäßigen Anteile der Geschlechter wird zudem ein schneller Überblick über eventuelle geschlechtsspezifi‐ sche Meinungstrends ermöglicht. Auffallend ist, dass fast alle Jungen bereits 16 waren, während die Altersstruktur bei den Mädchen insgesamt heterogener war. Auf die Frage, was den Lernenden bei Our Ideal School am besten gefallen hat (Frage 2), wurde wie bei den anderen Studien eine auffallend große Anzahl an Antworten gegeben. Die insgesamt 55 Nennungen verteilen sich auf 24 Kriterien. Besonders die Jungen schienen sehr mitteilsam, denn sie lieferten mit 31 Nennungen weit mehr als die Hälfte der Ant‐ 431 6.6 Fallstudie 5: Our Ideal School (Klasse 10) worten. Eine Äußerung war unverständlich formuliert und konnte nicht berücksichtigt werden. Um die Vielfalt an Eindrücken aufzuzeigen und somit auch Vergleichsmöglichkeiten mit Klasse 9 zu erlauben, wurden die Äußerungen in der Tabelle nicht in abstrahierter bzw. komprimierter Form dargestellt, sondern weitgehend in ihrer ursprünglichen Fassung be‐ lassen. Erwähnenswert ist, dass meist mehrere Positivmerkmale aufgezählt und teilweise sogar noch näher erläutert wurden. Auffallend ist, dass niemand das Projekt für uneinge‐ schränkt positiv befand, sondern in jedem Fall mindestens 1 Kriterium aufgeführt wurde, was sicher mit dem erhöhten Anspruchsdenken und/ oder Reflexionsvermögen der Alters‐ gruppe zusammenhängt. Eintrag im Fragebogen Anzahl der Nen‐ nungen Kategorien 1) Gruppenarbeit 13 6a 2) (zur Verdeutlichung) auch Bilder bzw. Collagen anfertigen; kreativ arbeiten; Klassenzimmer und/ oder Schulgebäude entwerfen bzw. zeichnen 7 8a, 9c, 10a 3) über jedes Thema bzw. viele Dinge diskutieren; ernsthaft über Vor‐ schläge sprechen; freies Diskutieren über Themen 5 5d, 5 g, 8a, 9b, 11c 4) eigene Ideen, Meinungen und Vorstellungen einbringen; Interessen der Schülerinnen und Schüler berücksichtigen 4 8a, 9b, 9c 5) (fast) nur Englisch sprechen; sich auf Englisch unterhalten 4 5d 6) war abwechslungsreich bzw. nicht langweilig; war interessant ge‐ staltet 3 2c, 3a, 4b, 9a 7) sich Namen geben; andere Person spielen 2 2d 8) das Rollenspiel 1 2d, 10b 9) sich in der Gruppe austauschen; andere Meinungen hören; eigene Ideen vermitteln 1 6c, 8a, 9c, 11c 10) sich gegenseitig helfen 1 6c 11) Teamarbeit in der Gruppe; ist für Beruf wichtig 1 1c, 6c 12) „meinen lieben und netten Mitschülern etwas näher kommen“ 1 4c, 6c, 6d 13) „versucht Probleme zu lösen mit der ganzen Klasse“ 1 6d, 9b, 9c 14) ohne Buch arbeiten 1 7e 15) nicht stur Grammatik und Vokabeln pauken, sondern integrativ lernen 1 2a, 5e, 5 f, 5g 16) Wordbanks zum Nachschauen sammeln 1 5e, 12d 17) Arbeit mit Wörterbuch 1 5e, 7c 18) freies Vortragen (z. B. ideales Klassenzimmer) 1 5d, 11a 432 6 Forschungsfokus Klassenzimmer 19) alles vor dem Rektor vortragen 1 5d, 11a 20) dass Rektor auf Ideen einging 1 4c, 4 f, 8a 21) das Lied besprechen 1 10c 22) „nicht nur wie immer herumsitzen, sondern auch mal aufstehen“ 1 9d, 10d 23) keine Hausaufgaben 1 4e 24) „langsam an die Sache herangegangen“ 1 1d Gesamtzahl der Nennungen 55 Tab. 42: Frage 2: „Was hat dir bei dem Projekt ‘Our Ideal School‘ am besten gefallen? “ Betrachtend man die Ergebnisse im Detail, dann fällt nicht nur auf, dass über die Hälfte der Klasse, nämlich 13 von 24 Lernenden (54 %), das Arbeiten in Gruppen als besonders positives Erlebnis empfand, sondern auch, dass dieser Aspekt von beiden Geschlechtergruppen be‐ vorzugt genannt wurde. Ferner wurde bei Ziffer 9-12 noch weitere 4 Mal das kooperative Arbeiten und gegenseitige Helfen als Positivmerkmal aufgeführt, wobei 1 Junge sogar die Bedeutung von sozialen Kompetenzen für seine außerschulische Zukunft erwähnte. Das praktische Herstellen und kreative Gestalten von Skizzen und Collagen schien 7 Lernenden (29 %) bei Ziffer 2 eine gute Unterstützung zu bieten, um Ideen differenziert darzustellen bzw. „etwas besser zu verdeutlichen“ (S23). Insofern ist es nicht weiter ver‐ wunderlich, dass die Lernenden während des Projekts unaufgefordert Figuren malten, um ihre spezifischen Vorstellungen zu konkretisieren. Als besonders motivierend empfanden 5 Lernende bei Ziffer 3 das klassenöffentliche Diskutieren und Verhandeln, was sicher auch mit der Themenwahl zusammenhängt. Wei‐ tere 5 Lernende fanden es positiv, dass überhaupt ihre persönlichen Interessen, Ideen und Meinungen berücksichtigt wurden (Ziffer 4 und 20), und 1 Schülerin schätzte bei Ziffer 9 den Meinungsaustausch innerhalb der Gruppe. Alle 11 Nennungen der 7 Mädchen und 4 Jungen beziehen sich mehr oder weniger deutlich auf die ergebnisoffenen key questions und die authentischen Aufgabenstellungen, die zum inhaltsorientierten Kommunizieren he‐ rausforderten und die Lernenden als ernstzunehmende Interaktionspartnerinnen bzw. -partner respektierten. Addiert man zu den 11 Nennungen noch die 7 Äußerungen bei Ziffer 2, die sich im weiteren Sinne ebenfalls auf das Einbringen von persönlichen Ideen und Ansichten beziehen (learner-centredness), dann stellt die Gesamtsumme mit 18 Antworten etwa ein Drittel aller Nennungen dar, wie dies übrigens auch bei Klasse 9 der Fall war (jedoch mit 26 Nennungen). Positiv ist, dass mindestens 8 Lernende einen ganz direkten Bezug zum Fremdsprachen‐ lernen herstellten (Ziffer 5, 15-18): Während es in der 9. Klasse 4 Mädchen waren, denen das intensive Kommunizieren in der Zielsprache besonders gut gefallen hatte, vertraten hier 4 Jungen bei Ziffer 5 diese Ansicht und schätzten, „das wir sehr viel, eigentlich immer und alles in Englisch zu sprechen versuchten“ (S12). Beeindruckend ist die reflektierte Aussage des Schülers bei Ziffer 15, dem es gefiel, dass „man nicht stur Grammatik und Vokabeln paukt sondern das dies einfach in den Unterricht mit einfließt. Dies kommt si‐ cherlich auch davon das man sich großmöglichst auf Englisch unterhält“ (S1). Somit kann 433 6.6 Fallstudie 5: Our Ideal School (Klasse 10) das häufig vorgebrachte Argument, dass bei Gruppenarbeit nur Deutsch gesprochen wird, ein weiteres Mal entkräftet werden, denn bei geeigneter Aufgabenstellung müssen und wollen die Lernenden die Fremdsprache verwenden. Interessant ist auch die Angabe von 2 Mädchen bei Ziffer 16 und 17, die bei Bedarf gerne die wordbanks bzw. das Wörterbuch nutzten, um kontextrelevante Vokabeln zu lernen und dabei ihre Methoden- und Medien‐ kompetenz zu erweitern. Durch all die Beispiele wird deutlich, dass Aufgabenstellungen und Inhalte stark im Vor‐ dergrund standen und von den Lernenden für relevant befunden wurden, wohingegen die Spracharbeit vielmehr als Mittel zum Zweck der Kommunikation betrachtet wurde. Als Anreiz für die Qualität und Quantität der Lernergebnisse diente das Publikum, in diesem Fall die Klasse bzw. der Schulleiter (Ziffer 18-19). Zum Story-Format und gemeinsamen Entwickeln einer klassenspezifischen Geschichte wurden - ähnlich wie in Klasse 9 - kaum Angaben gemacht: Zwar bewerteten 3 Lernende bei Ziffer 6 das Projekt als abwechslungsreich bzw. interessant gestaltet, verwiesen dabei jedoch nicht direkt auf die story oder das storymaking. Offenbar zogen das realitätsnahe Thema und die damit verbundenen Aufgabenstellungen mehr Aufmerksamkeit auf sich als die fiktive Rahmenhandlung, die quasi unbemerkt als Sprungbrett für vielerlei Aktivitäten fungierte. Allerdings reflektierten und genossen mindestens 3 Lernende die Rollenüber‐ nahme (Ziffer 7-8). Vergleicht man abschließend die Ergebnisse von Klasse 9 und 10, dann wird offensicht‐ lich, dass diese - bis auf geringfügige Abweichungen und individuelle Ausprägungen - weitgehend auf einer Linie liegen. Um eventuelle Schwachstellen aufzudecken, wurde mit Hilfe von Frage 3 untersucht, was den Lernenden bei Our Ideal School nicht (so gut) gefallen hatte. Wie die tabellarische Auflistung belegt, fielen die Antworten relativ eindeutig aus und bezogen sich weniger auf das Konzept als solches, sondern vielmehr auf situationsspezifische Merkmale. Auffallend ist, dass sich im Gegensatz zur 9. Klasse niemand rundum zufrieden mit dem Projekt äu‐ ßerte. Interessanterweise teilen sich die 36 Nennungen paritätisch zwischen den Ge‐ schlechtern auf. Eintrag im Fragebogen Anzahl der Nen‐ nungen Kategorien 1) (viel) zu wenig Zeit; Zeitdruck 15 1d 2) gefilmt bzw. fotografiert werden 5 7f 3) Meinungsverschiedenheiten bzw. unterschiedliche Meinungen in Gruppe 4 6c 4) Aufgabenverteilung in der Gruppe 4 6c 5) Verständnisschwierigkeiten bei manchen Diskussionen; „viel zu viel Englisch gesprochen“ 2 5b, 5i 6) kindische Themen; manchmal kindisch 2 3a 434 6 Forschungsfokus Klassenzimmer 7) Zeichnungen anfertigen 1 10a 8) „manche Aufgaben z. B. describing people“ 1 9a 9) letztendlich (und eigentlich nur) die fehlende Umsetzung in die Praxis 1 1b, 4a, 4f 10) Rolle beibehalten 1 2d Gesamtzahl der Nennungen 36 Tab. 43: Frage 3: „Was hast du nicht so gut gefunden? “ Als Hauptkritikpunkt wurde mit deutlicher Mehrheit das offenbar zu knapp bemessene Zeitbudget genannt. Dieser Aspekt wurde von fast 63 % der Befragten negativ bewertet. 1 Schüler äußerte sich mit deutlichen Worten: „Zu wenig Zeit um die Themen wirklich aus‐ giebig und hintergründig erfassen, überlegen, ausarbeiten und Diskutieren zu können“ (S1). In ähnlicher Weise wurde auch von anderen moniert, dass man gerne mehr Zeit für die Aufgabenbearbeitung gehabt hätte, um die (selbst auferlegten) Ansprüche zu erfüllen. Während im Schulalltag oft auf das Pausenzeichen gewartet wird, behauptete hier - wie in Klasse 9 - 1 Schüler: „2 Schulstunden waren etwas zu wenig Zeit“ (S5). Im Grunde ge‐ nommen handelt es sich um eine äußerst positive Kritik, die ein hohes Maß an Motivation und Engagement erahnen lässt. Vereinzelt wirkte sich der vermeintliche Zeitdruck negativ auf die Gruppendynamik aus: „Es war zu wenig Zeit z. B. für ‘Our ideal classroom’ und ‘Schooldesign’, daher gab es dann auch Meinungsverschiedenheiten in der Gruppe, die nicht so recht bewältigt wurden, und die dann auch zu Spannungen für den Rest der Stunde führten“ (S17). Andererseits wurde der Zeitdruck auch als Chance gesehen, um Arbeitsabläufe besser zu organisieren: „Wir hatten nicht allzuviel Zeit, aber das hat dann das teamwork verstärkt (alle mußten helfen)“ (S14). Grundsätzlich nachvollziehbar ist, dass Zeitdruck und mangelnde Arbeitsorganisa‐ tion in einem Kausalzusammenhang stehen und zu Meinungsverschiedenheiten führen können. Hier zeigte sich, dass die Lernenden über wenig Erfahrung mit Gruppenarbeit verfügten und Aufgaben folglich nicht immer ausgewogen aufteilten bzw. mehr Zeit für den inhaltlichen Austausch benötigten, wie dies bei Ziffer 3 und 4 von jeweils 4 Lernenden thematisiert wurde. (Zum Vergleich: Auch in der 9. Klasse hatten 4 Lernende Probleme mit der Aufgabenverteilung bzw. Uneinigkeiten in der Gruppe geäußert.) Auch in dieser Klasse beklagten bei Ziffer 5 (nur) 2 Befragte, dass sie Probleme mit der Fremdsprache hatten und dem Unterricht nicht immer folgen konnten. 4 Lernende äußerten sich bei Ziffer 6-8 dagegen kritisch gegenüber manchen Aufgabenstellungen, wobei der etwas skeptische 17-Jährige bei Ziffer 6 seine Unlust deutlich spüren ließ: „Kindische Themen zu behandeln, wie sich die Traumschule selbst entwerfen oder sich über die No‐ tengebung streiten (diskutieren)“ (S4). Aufschlussreich klingt das mutige und ausführliche Statement des Jungen bei Ziffer 9, das auf eine große Zufriedenheit mit dem Projekt schließen lässt: Na ja es klingt ein bißchen blöd, aber trotzdem sag ichs. Wir haben uns so viele Gedanken gemacht wie eine ideale Schule, oder Klassenzimmer aussehen, wir haben Stundenpläne angefertigt. Ich 435 6.6 Fallstudie 5: Our Ideal School (Klasse 10) meine das alles was wir gemacht haben endete mit dem letzten Unterricht. Ich glaube man hätte das alles auch irgendwo vorschlagen können. Nun ja Stundenpläne, dies hätte man auch dem Rektor vorstellen können damit er es sich überlegt ob er so was auch einführen würde. Aber ideale Schulen und Klassenzimmer könnte man ja dem Land Baden-Württemberg vorschlagen oder gar dem Staat. [...] (S2). Ruft man sich das hehre Bildungsziel des GER, nämlich die „Förderung eines demokrati‐ schen, staatsbürgerlichen Bewusstseins“ (Europarat 2001, 8), in Erinnerung, dann scheinen diese etwas abstrakt klingenden Forderungen hier Gestalt zu gewinnen. Über die bei Frage 4 erbetenen Verbesserungsvorschläge sollten weitere Hinweise in Bezug auf das Motivationspotenzial von Storyline-Projekten gewonnen werden. Die ins‐ gesamt 31 Nennungen verteilen sich auf 13 Kriterien. Eine Äußerung konnte nicht zuge‐ ordnet werden. Eintrag im Fragebogen Anzahl der Nen‐ nungen Kategorien 1) mehr Zeit (für einzelne Aufgaben) 11 1d 2) Gruppen anders einteilen; eventuell kleinere Gruppen bilden 6 6b 3) mehr Stunden pro Tag 3 1d 4) Rollentausch zulassen 2 2d 5) Lehrkraft sollte auch Rolle übernehmen 1 2d 6) offen lassen, ob man eigene oder fiktive Rolle übernimmt 1 2d, 8b 7) jede bzw. jeder sollte etwas vortragen müssen; nicht Gruppe dar‐ über entscheiden lassen 1 6c 8) noch mehr auf Schulsystem eingehen 1 3a 9) „die Themen“ 1 3a 10) „einige Dinge auf Deutsch erklären“ 1 5b, 5i 11) „genauere Punkte auf den Arbeitsblättern“ 1 5a, 5i 12) mehr Musik oder Lieder und darüber sprechen 1 10c 13) Fehler korrigieren bei Vorträgen 1 5i Gesamtzahl der Nennungen 31 Tab. 44: Frage 4: „Was könnte man besser machen? “ Während bei den bisherigen Befragungen die Äußerung „nichts“ (keine Verbesserungs‐ vorschläge) regelmäßig Spitzenreiter war, ergibt sich bei der vorliegenden Studie ein gänz‐ lich neues Bild: Überraschenderweise zeigte sich nur 1 Schülerin voll und ganz zufrieden mit dem Projekt. Dafür wurde erneut das Zeitproblem thematisiert, wobei dies im Hinblick auf die Kritik bei Frage 3 vorhersehbar war und sich die Zahlen nahezu decken: Bei Frage 436 6 Forschungsfokus Klassenzimmer 3 waren es 15 und hier insgesamt 14 Personen (Ziffer 1 und 3), die das Zeitbudget kriti‐ sierten. 11 Lernende (46 %) wünschten sich mehr Zeit, um einzelne Aufgaben zu bearbeiten und vor allem die Collagen fertigzustellen (Ziffer 1). 1 Schülerin bedauerte: „Man konnte sich nichts richtig überlegen, man hats nur so hingekritzelt“ (S15). Dabei wurde deutlich, dass die Lernenden - wie bereits aufgeführt - die Aufgabenstellungen motivierend fanden und einen hohen Anspruch an ihre Arbeitsergebnisse hatten. In 2 Fällen wurde deshalb der Vorschlag gemacht, weniger umfangreiche Aufgaben zu stellen (S20) bzw. „in den 10 Tagen nicht so viel machen sondern lieber weniger, daß mehr Zeit bleibt um in der Klasse darüber zu sprechen“ (S21). 3 Jungen unterbreiteten bei Ziffer 3 einen erweiterten Zeitplan, um den geschilderten Arbeitsdruck zu reduzieren. Die folgende Anregung klingt besonders inter‐ essant: „Nicht immer nur 2 Stunden am Tag. Sondern als 4 Tägige Projektwoche, dann eben den ganzen Tag“ (S6). Erwartungsgemäß wurde auch die Arbeit in den Gruppen moniert, und zwar von ins‐ gesamt 7 Befragten (29 %): 6 Lernende, davon 5 Mädchen, wünschten sich bei Ziffer 2 klei‐ nere, homogenere oder wechselnde Gruppen und 1 Junge forderte bei Ziffer 7 eine gerech‐ tere Arbeitsverteilung und mehr Engagement von den Gruppenmitgliedern. Interessant sind auch die 4 Nennungen bei Ziffer 4-6, die sich auf eine flexiblere Rollenübernahme beziehen. Offenbar waren manche so sehr in das Thema und die Aufgaben involviert, dass es ihnen schwer fiel, die eigene Meinung zurückzuhalten und die erforderliche Rollendis‐ tanz zu wahren. Durch Frage 5 sollte ermittelt werden, ob die Lernenden gerne noch länger an dem Storyline-Projekt gearbeitet hätten. Da sich manche nicht deutlich äußerten, ob sie bei‐ spielsweise „noch“ oder „insgesamt“ 2 Wochen an dem Projekt arbeiten wollten, wurden die Antworten in der Tabelle nicht zusammengefasst, sondern meist im Original aufgeführt. Im Vergleich zur 9. Klasse fielen die Ergebnisse weniger eindeutig aus. Zwar befürwortete auch hier die Mehrheit der 24 Befragten, nämlich 17 Lernende (71 %), die Weiterarbeit, allerdings sprachen sich 6 Lernende explizit gegen eine Projektverlängerung aus, wenn auch aus verschiedenen Gründen. Eine Antwort war nicht verständlich und konnte nicht berücksichtigt werden. Eintrag im Fragebogen Anzahl der Nen‐ nungen Kategorien 1) ja, noch (ca.) 1 Woche bzw. noch 5 Tage 4 4a 2) ja, bis Ende der Woche; „2 Wochen wäre eine gute Zeit gewesen“; „die 1 ½ Schulwochen zu 2 Wochen“ 3 4a 3) ja, „insgesamt 2 Wochen“; „genau 2 Wochen“ 2 4a 4) ja, noch 4 Wochen 1 4a 5) ja, „ca. 20-30 Tage“ 1 4a 6) ja, noch 3 Wochen 1 4a 437 6.6 Fallstudie 5: Our Ideal School (Klasse 10) 7) ja, noch 2 Wochen 1 4a 8) ja, „volle 2-3 Wochen (wenn jeder Einzelne in der Gruppe mitar‐ beitet)“ 1 4a, 6c 9) ja, „gerne noch ein paar Tage länger“ 1 4a 10) ja, noch 1-2 Tage 1 4a 11) ja, noch ca. 1 Doppelstunde, um mit Rektor weiterzudiskutieren 1 4a Gesamtzahl der befürwortenden Nennungen 17 12) nein, Zeit war genau richtig 3 1d, 4a 13) nein, „weil es langsam langweilig wurde“ bzw. „weil es immer dasselbe war“ 2 2c, 3a, 9a 14) vermutlich eher nein, wegen Gruppe und mangelnder presenta‐ tion skills 1 5d, 6b Gesamtzahl der ablehnenden Nennungen 6 Gesamtzahl der Nennungen 23 Tab. 45: Frage 5: „Hättest du gerne noch länger an dem Projekt ‘Our Ideal School’ gearbeitet? Wenn ja, wie lange? Wenn nein, warum nicht? “ Aus meiner Sicht spaltete sich die Klasse kurioserweise in 3 Lager: 9 Lernende hätten das Projekt gerne um circa 1 bis zu 4 Wochen verlängert (Ziffer 1, 4-8), 8 Lernende konnten sich dagegen vorstellen, das 10-tägige Projekt auf insgesamt 2 Wochen auszudehnen (Ziffer 2, 3, 9-11), wohingegen 6 Lernende bei Ziffer 12-14 keine Weiterarbeit wünschten, und zwar aus folgenden Gründen: 3 gaben bei Ziffer 12 an, dass das Projekt mit 10 Tagen genau die richtige Länge hatte, also „nicht zu lange und nicht zu kurz“ war (S24). In diesem Fall kann also von einer grundsätzlichen Zufriedenheit mit der Storyline ausgegangen werden, so dass letztendlich nur 3 Personen bei Ziffer 13-14 eine eher ablehnende Haltung vertraten, die sich jedoch auf die Fortführung von Our Ideal School bezog und nicht auf Storyline-Projekte als solche (vgl. Frage 7). Im Großen und Ganzen deuten die Ergebnisse also darauf hin, dass auch diese Klasse die Storyline-Arbeit motivierend fand. Zu berücksichtigen ist, dass Our Ideal School mit dem Besuch des Schulleiters ein logisches Ende gefunden hatte, so dass es in der Tat schwierig war, sich eine Fortsetzung des Projekts vorzustellen. Frage 7 sollte klären, inwiefern die Bewertung der Lernenden durch das spezifische Storyline-Thema oder durch das zugrunde liegende Konzept beeinflusst wurde. Über die Frage nach der gewünschten Häufigkeit von Projekten sollte indirekt untersucht werden, ob Storyline-Projekte grundsätzlich zur längerfristigen Motivation der Lernenden beitragen können. 438 6 Forschungsfokus Klassenzimmer Eintrag im Fragebogen Anzahl der Nen‐ nungen Kategorien 1) ja, 2-3 Mal im Jahr 5 4a 2) ja, 2 Mal im Jahr 4 4a 3) ja, alle 2 Monate 2 4a 4) ja, 3-5 Mal im Jahr 2 4a 5) ja, 6-8 Mal im Jahr 1 4a 6) ja, 6-7 Mal im Jahr 1 4a 7) ja, 5-6 Mal im Jahr, wenn Gruppe frei wählbar ist 1 4a, 6b 8) ja, 5 Mal im Jahr 1 4a 9) ja, 3-4 Mal im Jahr 1 4a 10) ja, 1-2 Mal im Halbjahr 1 4a 11) ja, 3 Mal im Jahr 1 4a 12) ja, 2-3 Mal im Jahr, „wenn das Thema interessant und ansprechend ist“ 1 3a, 4a 13) ja, 1-2 Mal im Jahr 1 4a 14) ja, „4 mal je 2 pro Halbjahr“ 1 4a Gesamtzahl der befürwortenden Nennungen 23 15) nein, wegen Gruppengröße und Mangel an Engagement in jet‐ ziger Gruppe 1 6b, 6c, 8c Gesamtzahl der ablehnenden Nennungen 1 Gesamtzahl der Nennungen 24 Tab. 46: Frage 7: „Würdest du gerne öfters so ein Projekt in Gruppen machen? Wenn ja, wie oft im Schuljahr? Wenn nein, warum nicht? “ Die Tabelle belegt, dass sich Bedenken hinsichtlich der Eignung von Storyline-Projekten für ältere Klassen tatsächlich erübrigen, denn 23 der 24 Befragten (96 %) begrüßten den Vorschlag, mehrmals im Jahr ein Projekt durchzuführen. Nur der 17-jährige Schüler, der bereits mehrfach durch seine Äußerungen aufgefallen war, lehnte das Angebot ab: „Weil zu viele Leute in einer Gruppe waren und sich nicht jeder darum bemüht hat, etwas zum Unterricht beizutragen“ (S4). Er konnte sich offenbar nicht vorstellen, dass sich die spezi‐ fischen Probleme bei zukünftigen Projekten beheben lassen. Die 6 Lernenden, die bei Frage 5 eine Fortführung von Our Ideal School abgelehnt hatten, äußerten sich jetzt positiv: die 439 6.6 Fallstudie 5: Our Ideal School (Klasse 10) Spanne reichte dabei von 2 bis zu 5-6 Projekten pro Jahr. Interessant ist auch, dass bei allen bisher durchgeführten Befragungen (außer Fallstudie 4) immer (nur) 1 Ablehnung zu ver‐ zeichnen war. Somit wird klar, dass Storyline-Projekte selbst für Lernende in Klasse 10 einen hohen und längerfristigen Motivationscharakter haben. Das A und O sind ein ansprechendes Thema und eine harmonische Gruppenkonstellation, wie dies bei Ziffer 12 bzw. 7 und 15 (noch einmal) zum Ausdruck gebracht wurde. Auffallend ist, dass auch diese Klasse zum Teil recht eigenwillige Vorstellungen bezüglich der Häufigkeit von Storyline-Projekten hatte, wobei 12 Lernende, also über die Hälfte der Klasse, eine Menge von etwa 2 bis zu 3 Projekten pro Schuljahr favorisierten (Ziffer 1, 2, 10-12). Erweitert man den Bezugsrahmen aus Gründen der besseren Vergleichbarkeit mit den bisherigen Fallstudien auf circa 2-4 Projekte, dann zeigt sich, dass auch die 10. Klasse diese Anzahl mehrheitlich bevorzugte. Auf die Frage nach Themenwünschen für zukünftige Storyline-Projekte (Frage 8) wird nicht näher eingegangen. Erwähnenswert ist, dass alle, bis auf 2 Lernende, mindestens einen oder mehrere Vorschläge äußerten, welche sich vorrangig auf landeskundliche Themen bezogen. Mehrfach wurde auch Interesse an aktuellen Themen wie „Umwelt‐ schutz“, „Jugendprobleme“, „Zukunftsvisionen“ oder „Medienwirkung“ bekundet. 1 Schü‐ lerin forderte: „Mehr Gruppenarbeit“ (S14). Die vielseitigen Ergebnisse verdeutlichen, dass Lernende viel häufiger nach ihren Vorlieben befragt und an der Gestaltung des Unterrichts beteiligt werden sollten. Die Frage nach dem Lernzuwachs (Frage 6) brachte in mancher Hinsicht unerwartete Ergebnisse. Überraschend ist, dass die Schülerinnen und Schüler der beiden Klassen, in denen dasselbe Storyline-Projekt parallel durchgeführt wurde, teilweise ganz unterschied‐ liche Lernerfolge verbuchen konnten. In der 10. Klasse wurden mit deutlicher Mehrheit die Gruppenarbeit sowie das freie Vortragen vor der Klasse genannt, wohingegen der Wort‐ schatzerwerb, der in Klasse 9 sowie in den Fallstudien 1 und 2 stets eine Spitzenposition innehatte, hier nur 1 Mal angegeben wurde (Ziffer 10). Erstaunlich ist die Vielfalt an Äußerungen und positiv ist, dass alle Befragten mindestens 1 Merkmal nannten, während manche sogar bis zu 5 Punkte aufzählten. Vergleicht man die bisherigen Ergebnisse aus Frage 6, dann zeigt sich, dass die Anzahl der Nennungen pro Kopf in dieser Lerngruppe sogar leicht erhöht ist. Die Antworten beschränken sich dabei nicht etwa nur auf kognitive Lernbereiche, sondern berücksichtigen auch emotionale, af‐ fektive, soziale und methodische Aspekte. Eintrag im Fragebogen Anzahl der Nen‐ nungen Kategorien 1) Gruppenarbeit; Zusammenarbeit in Gruppe; Vor- und Nachteile der Gruppenarbeit; Gruppenorganisation verbessern; Meinungen aushandeln und respektieren; Kompromisse finden; anderen etwas erklären; Gemeinschaftsgefühl 13 6a, 6c, 6d 2) Vorträge vor der Klasse halten; frei Englisch vor der Klasse spre‐ chen 11 4d, 5d, 5i 440 6 Forschungsfokus Klassenzimmer 3) frei(er) Englisch sprechen; viel Englisch sprechen 3 5d, 5i 4) auf Englisch diskutieren; argumentieren 2 5d, 5 g, 11c 5) unter Zeitdruck arbeiten 2 1d 6) ideale Schule mit idealen Klassenzimmern; Probleme bzw. Sach‐ zwänge erkennen 2 3b 7) (besser) Englisch 2 5i 8) Texte formulieren; leichter Texte schreiben 2 5c 9) „besser formulieren“ 1 5c, 5d, 5 g, 5i 10) neue Vokabeln 1 5e 11) in Gruppen zu lernen, da wichtig für Beruf 1 1c, 6a, 6c 12) dass „Zusammenarbeiten in der Schule sehr wichtig ist“ 1 1b, 3b, 6c 13) sich in andere Person hineinzuversetzen 1 2d 14) dass manche recht vernünftig sind, z. B. beim Stundenplanentwurf 1 2d, 8a, 9c Gesamtzahl der Nennungen 43 Tab. 47: Frage 6: „Was hast du in diesem Projekt gelernt? “ Bei der Auswertung des Fragebogens fiel auf, dass die Lernenden das kooperative Arbeiten in Gruppen offenbar höchst motivierend fanden und ihre positiven Eindrücke zum Teil detailliert und redundant beschrieben, wie dies auch in Klasse 9 der Fall gewesen war. Um Überschneidungen zu vermeiden, werden die Antworten - auch aus Gründen der besseren Vergleichbarkeit - bei Ziffer 1 als Block aufgeführt. Ergänzend kommen die Angaben bei Ziffer 11 und 12 hinzu, die noch weitere Nuancen enthalten und sich teilweise mit anderen Lernbereichen überschneiden, so dass sich eine Gesamtsumme von 15 Nennungen ergibt, die sich auf mindestens einen Bereich des sozialen Lernens beziehen; meist wurden jedoch gleich mehrere Unterkategorien abgedeckt. 1 Schüler gewann in diesem Zusammenhang beispielsweise die Erkenntnis, dass „man nie alleine da steht in einer Gruppe, daß immer einer da ist, der einem Helfen kann“ (S1), wohingegen andere lernten, ihre Meinung frei zu äußern, andere Meinungen zu respektieren, Rücksicht aufeinander zu nehmen, auf Anre‐ gungen einzugehen oder anstehende Arbeiten zu organisieren. Außergewöhnlich ist die reflektierte Aussage der Schülerin bei Ziffer 11, welche die Bedeutung der Teamarbeit „für das Berufsleben“ hervorhob (S18). Gruppenarbeit macht also nicht nur Spaß, sondern bringt auch einen erkennbaren Nutzen! Interessanterweise deckt sich die Anzahl der Nennungen weitgehend mit den Angaben bei Frage 2, das heißt, den Lernenden gefiel das kooperative Arbeiten nicht nur besonders gut, sondern sie konnten es offenbar auch optimieren, und zwar Mädchen wie Jungen. Auffallend ist, dass sich mit 22 Angaben über die Hälfte der Nennungen auf Lernfort‐ schritte im Hinblick auf das Fremdsprachenlernen bezog (Ziffer 2-4, 7-10). Zwar wurden unterschiedliche Lernbereiche und Dimensionen der Sprachproduktion thematisiert, doch das Gros der Äußerungen betraf die mündliche Kommunikation: Insgesamt 14 Lernende 441 6.6 Fallstudie 5: Our Ideal School (Klasse 10) (58 %) - 9 Mädchen und 5 Jungen - gaben bei Ziffer 2 und 3 an, dass sie, vor allem durch die Präsentationen vor dem Plenum, ihre speaking und presentation skills verbessern konnten. In all den Fallstudien wurde der Aspekt des freien Sprechens zum ersten Mal mit einer derart großen Mehrheit genannt. Beeindruckend klingen die Worte des Schülers, der zuvor weitere Storyline-Projekte abgelehnt hatte: „Ich habe gelernt, frei vor der Klasse zu reden und jegliche Anzeichen von Nervösität abzulegen, die ich gegenüber meinen Mit‐ schülern hegte“ (S4). 2 Mädchen behaupteten bei Ziffer 4, dass sie „argumentieren“ (S14) und „diskutieren“ (S21) gelernt haben, was sicher im Zusammenhang mit den problem‐ zentrierten und ergebnisoffenen Aufgaben zu sehen ist. 1 Schüler brachte die Sache schließ‐ lich auf den Punkt: „Da man sich immer in English unterhalten mußte, hat man die Englishe Sprache besser beherrschen gelernt“ (S6). Zum Inhalt der Storyline äußerten sich bei Ziffer 6 und 12, wie in Klasse 9, insgesamt 3 Lernende, die diesbezüglich offenbar neue Erkenntnisse gewinnen konnten - auch für den eigenen Schulalltag. Interessant ist auch die Einsicht der Schülerin bei Ziffer 13, „daß man sich auch mal in eine andere Person versetzen sollte und so denken sollte wie sie es tun würde, um sie vielleicht besser verstehen zu können“ (S23). Im Großen und Ganzen entsprechen sich die Ergebnisse aus Klasse 9 und 10 also in vielerlei Hinsicht. Auffallende Abweichungen ergeben sich insbesondere im Hinblick auf das freie Sprechen, das in Klasse 10 mit Abstand am häufigsten genannt wurde, während dieser Punkt bei Klasse 9 mit nur 2 Nennungen eine Randstellung hatte. Von zusätzlichem Interesse war bei dieser Fallstudie die Frage, wie die 10. Klasse den Fries beurteilen würde (Frage 10). Auch hier lieferte die Befragung relativ eindeutige und zugleich überraschende Ergebnisse: Von den 24 Lernenden äußerten sich 20 (83 %) explizit positiv, während die verbleibenden 4 Lernenden neben diversen Vorzügen auch vermeint‐ liche Nachteile aufführten und beispielsweise zu bedenken gaben, dass das Entfernen der Materialien zeitintensiv sei (Ziffer 8-10). Niemand lehnte das Aufhängen der Arbeitsergeb‐ nisse jedoch kategorisch ab, stattdessen nannten alle mindestens 1 Positivmerkmal. Eintrag im Fragebogen Anzahl der Nen‐ nungen Kategorien Bewertungen: 1) gut; gute Idee 13 4f, 11a 2) okay; in Ordnung 2 11a 3) super 1 4f, 11a 4) spitze 1 4f, 11a 5) toll 1 4f, 11a 6) sehr gut 1 4f, 11a 7) ganz gut 1 4f, 11a Gesamtzahl der expliziten Bewertungen 20 442 6 Forschungsfokus Klassenzimmer Begründungen: 1) macht Klassenzimmer bunter; schöne Dekoration; Zimmer‐ schmuck 9 12f 2) sehen bzw. lesen, was andere gemacht haben; sich inspirieren lassen; eigene Ideen offen darstellen 6 12a 3) Dokumentation aller Ergebnisse; Zeugnis der Leistungen (auch nach außen) 6 4f, 12c 4) Hilfe bei Textarbeit bzw. Vokabelarbeit; Hilfe im Unterricht 4 7c, 12d 5) Überblick über Stand des Projekts bzw. über das, was man „schon“ gemacht hat; Bewusstmachung von Lernprozessen 3 12b 6) Anregung zum Gedankenaustausch und Diskutieren 1 12e 7) schöne Erinnerung an die Themen 1 4f, 12c, 12f 8) (aber) „veleicht ein bischen zuviel an die Wand gehängt“ 1 7a, 8d, 12c 9) (aber) „sieht zwar’n bischen wie im Kindergarten aus“ 1 7a, 8d, 12c 10) (aber) „wir müssen das wieder abhängen und das kostet Zeit“ 1 1d, 8d Gesamtzahl der Begründungen 33 Tab. 48: Frage 10: „Wie findest du das Aufhängen der Arbeitsergebnisse (Texte, Skizzen, Zeichnungen usw.) im Klassenzimmer? Schreibe bitte deine Meinung auf! “ Das Veröffentlichen der Lernprodukte am Fries trug - wie in Klasse 9 - offenbar sehr zur Motivation und Inspiration bei, was teilweise durch affirmative Adjektive wie „spitze“, „super“ oder „toll“ zum Ausdruck gebracht wurde. Überraschend ist, dass 9 Lernende, also fast 38 % der Klasse, den Fries in erster Linie als optisch anregendes und dekoratives Lern‐ medium betrachteten. Eine Schülerin meinte: „Dadurch wird das Klassenzimmer etwas bunter und fröhlicher“ (S22). Beide Klassen gaben durch ihre ähnlich hohe Bewertung deutlich zu verstehen, wie wichtig eine freundlich gestaltete Lernumgebung ist. Insgesamt 7 Mal wurde bei Ziffer 3 und 7 die Bedeutung des Frieses als classroom museum hervorgehoben, wo nicht nur alle Ergebnisse festgehalten und öffentlich zur Schau gestellt wurden, sondern wo man auch einen Eindruck davon gewinnen konnte, „was die ganze Klasse geleistet hat“ (S10). Gerade an dieser Stelle kam oft sehr deutlich zum Ausdruck, dass das Klassenzimmer durch den Fries zu einem persönlichen Lernort wurde (ownership): „So können andere Lehrer u. Schüler sehen, was wir in diesem Projekt alles gemacht haben. Es sind nämlich sehr gute Ideen gekommen, die wir dargestellt haben“ (S16). Aufschlussreich ist das folgende Statement: „Ich finde es gut, weil man sieht, was man gemacht hat. Im normalen Englishunterricht sieht man bloß seine Hausaufgaben“ (S14). 2 weitere Lernende bewerteten den Fries zwar positiv, gestanden aber, dass er verbesserungswürdig ist (Ziffer 8-9). Im Gegensatz zu 15 Lernenden in Klasse 9, benannten in dieser Klasse „nur“ 6 Lernende die Funktion des Frieses als „Markt der Möglichkeiten“, allerdings schätzte man auch hier 443 6.6 Fallstudie 5: Our Ideal School (Klasse 10) die Sichtbarmachung der individuellen Aufgabenlösungen und die Vergleichsmöglich‐ keiten mit anderen Gruppen, „um wiederum auf Ideen zu kommen“ (S12). Gleich mehrfach wurde erwähnt, dass man die Arbeitsergebnisse auch in den Pausen betrachten „und sich dabei Gedanken machen kann“ (S24). Bemerkenswert ist, dass - anders als in Klasse 9 - immerhin 4 Mal auf die wordbanks oder anderweitige Friesmaterialien verwiesen wurde, die für verschiedene Zwecke genutzt werden können: „Man kann dann nämlich, wenn man ein Text schreibt z. B. bei den word banks nach hilfreichen Wörtern schauen“ (S20) bzw. „sich immer wieder nach den Wörtern, die man aufgeschrieben oder gelernt hat umgucken“ (S9). Interessant ist auch, dass 3 Ler‐ nende den Fries als Orientierungshilfe für den Wiedereinstieg in das Projekt nutzten, „weil man sich immer wieder anschauen kann was man in der letzten Stunde gemacht hat“ (S18). Eine beeindruckende Antwort auf die eingangs gestellte Frage, ob und inwiefern auch ältere Klassen Storyline-Projekte motivierend finden, lieferte der 17-jährige Schüler, der mehrfach durch seine skeptischen Äußerungen aufgefallen war: „Ich finde es gut, die Arbeitsergeb‐ nisse aufzuhängen, da man sich immer wieder an diese Themen erinnern kann und mit Freude daran zurückdenkt“ (S4) - eine ähnliche Bemerkung fiel übrigens auch in Klasse 9 ... Frage 11 zielte mit der offenen Fragestellung darauf ab, zu weiteren persönlichen Kom‐ mentaren, Meinungen und Vorschlägen anzuregen, die bisher noch nicht zur Sprache ge‐ kommen waren. Ein Blick in die Tabelle bestätigt die Annahme, dass die Lernenden sowohl mit dem durchgeführten Projekt als auch mit dem Storyline Approach als Vorgehensweise zufrieden waren: 15 der 24 Befragten, also fast 63 %, hatten keine weiteren Anregungen oder Kritikpunkte. Das Ergebnis ist nahezu identisch mit Klasse 9, wo 16 von 25 Befragten (64 %) keine weiteren Angaben machten. 9 Lernende bestätigten darüber hinaus noch einmal ihre positive Erfahrung oder gaben 1-2 Empfehlungen zur Optimierung des Projekts ab. Eintrag im Fragebogen Anzahl der Nen‐ nungen Kategorien 1) Lernen fiel so viel leichter und es machte viel Spaß 1 4a, 4b, 4f 2) öfters solche Projekte machen 1 1b, 4a 3) abwechselnd Projekte und „normaler“ Unterricht 1 1a, 1b, 4a 4) Gruppen gelegentlich mischen oder neu bilden, um internen Aus‐ tausch anzuregen 1 6b 5) nicht so schnell machen 1 1d 6) Schülerinnen bzw. Schüler mehr zum eigenverantwortlichen Lernen erziehen 1 8c 7) Quiz, um Vorkenntnisse bzw. Sachkenntnisse zu ergründen 1 8a 8) mehr Grammatik in Projekt integrieren 1 5f, 5i 9) vielleicht „etwas mehr Witz in die Themen“ bringen 1 3a, 4b 444 6 Forschungsfokus Klassenzimmer 10) mehr Platz im Fragebogen zum Schreiben lassen 1 8d Gesamtzahl der Nennungen 10 Tab. 49: Frage 11: „Hast du weitere Meinungen und Vorschläge? “ Positiv ist, dass keine ernsthaften Probleme, sondern vermehrt Anregungen und Lob ge‐ äußert wurden. Die folgende Schüleräußerung spricht für sich und muss nicht weiter kom‐ mentiert werden: „Man muß davon wegkommen das Schüler nur etwas tun wenn sie denn nötigen Druck bekommen. Man sollte sie von Anfang an dahin Erziehen das sie merken das sie nur für sich tun. Schüler müßen lernen wollen nicht lernen sollen“ (S1). 6.6.7 Das Abschlussgespräch mit der Lehrkraft Das AIL fand direkt nach Beendigung der Projekte statt und war als erweiterte Evaluation konzipiert, bei der die Ergebnisse und Erfahrungen mit den beiden Klassen, in denen Our Ideal School parallel durchgeführt wurde, reflektiert und verglichen wurden. Das Gespräch wurde relativ offen und informell gestaltet, die wichtigsten Erkenntnisse wurden zusam‐ mengefasst, allerdings konnten die Ergebnisse der SABS nicht berücksichtigt werden, weil diese noch nicht vorlagen. Um Wiederholungen mit den obigen Kapiteln zu vermeiden, werden im Folgenden nur zentrale Gesprächs- und Diskussionspunkte aufgeführt. Spannend und vorteilhaft fand die Lehrkraft die Tatsache, dass sie Our Ideal School parallel in zwei verschiedenen Klassen und Altersgruppen durchführen konnte, was aus ihrer Sicht zwar mitunter etwas anstrengend, aber durchaus bereichernd war. So konnte sie ihre Erfahrungen aus der einen Klasse unmittelbar berücksichtigen und Anregungen noch am selben Tag in der anderen Klasse umsetzen. Positiv überrascht war die Lehrkraft über die aktive Mitarbeit und das große Engagement der beiden Klassen [4b, 8b, 8c], und das sogar über den Unterricht hinaus [1b], was sie einerseits auf das ansprechende Thema zurückführte [3a] und andererseits auf die für Storyline spezifische Vorgehensweise: Gruppenarbeit [6a], Fokus auf Inhalt [2a], Kohärenz und Kohäsion der Lerninhalte [2b], regelmäßige Präsentationen [5d, 11a, 11b] und offene Aufgabenstellungen, die zu kreativen Lösungen herausfordern [9b, 9c]. Erstaunt zeigte sie sich über einzelne Lernende, die im regulären Englischunterricht bisher zurückhaltend waren und jetzt offenbar „auftauten“, um ihre Ideen und Meinungen mitzuteilen [5d, 8a, 11c]: „Manche sind wie verändert! Ich sehe jetzt meine Klassen aus einer ganz neuen Per‐ spektive“ (AIL). Auffallend war auch der hohe Anspruch der Lernenden an ihre Ergebnisse, und zwar auf inhaltlicher als auch fremdsprachlicher Ebene [5h, 5i, 8d, 11b]. Dies führte gerade bei den kreativen und praktischen Tätigkeiten zu zeitlichen Engpässen, die aber zunehmend besser gemeistert wurden [1d]. Hier zeigte sich, dass die Klassen wenig Erfahrung mit Gruppen‐ arbeit und offenen Lernformen hatten. Positiv fanden wir jedoch, dass die Lernenden (vor allem in der 10. Klasse) selbstständig und selbstverständlich ihre Wörterbücher einsetzten [7c] oder im Notfall kurz dolmetschten, wenn im Rahmen der Präsentationen sprachliche Unsicherheiten beim Publikum bemerkt wurden [5d, 5e, 5i]: Offensichtlich war es den Vortragenden wichtig, dass ihre message verstanden wurde [4f, 11a, 11b]. 445 6.6 Fallstudie 5: Our Ideal School (Klasse 10) Ich selbst fand die Lernenden der 10. Klasse noch diskussionsfreudiger und selbstbe‐ wusster als die der 9. Klasse [5d, 5 g, 11c], was die Lehrkraft auf die unterschiedlichen Leistungsniveaus zurückführte. Amüsiert beschrieb sie, wie engagiert die Gruppen ihre timetables verteidigt [8a] und eine Zusatzstunde für die Fortsetzung der Diskussion bean‐ sprucht hatten [1d, 8b, 8c]. Aus meiner Sicht spielte jedoch auch die Klassenatmosphäre eine bedeutende Rolle: In der 10. Klasse wurde - von Lehrkraft und Lernenden - der (schau-)spielerische Charakter der Storyline noch stärker berücksichtigt [2a, 2e] und folg‐ lich wurde viel gescherzt und gelacht [4b, 4c]. Gelegentlich fand es die Lehrkraft angeblich etwas „grenzwertig“, fiktive Briefe zu überreichen, ohne sich dabei lächerlich zu machen, doch interessanterweise fiel es der 10. Klasse teilweise leichter als der 9. Klasse, sich auf die fiktive Situation [10b] mit den individuellen Aufgabenlösungen [9c] einzulassen, und es war für sie offenbar völlig „normal“ bzw. sogar erwünscht, stets mit dem fiktiven Namen angesprochen zu werden [2d]. Auch die Lehrkraft wirkte in der 10. Klasse entspannter und so gelang es ihr dort zu‐ nehmend besser, sich auf den fiktiven Kontext einzulassen und einfach mitzuspielen, wo‐ hingegen sie zu Beginn (zu) stark auf der Sprachebene verhaftet und vorrangig auf sprach‐ liche Korrektheit bedacht war. Zu diesem Thema bestand - wie erwartet - reger Diskussionsbedarf: Wie kann eine Balance zwischen fluency und accuracy gefunden werden? Problematisch fand ich, wenn Lernende mitten im Gespräch unterbrochen und korrigiert wurden, wie dies gerade zu Beginn häufig der Fall war. Schade fand ich auch, dass manche Beiträge nicht wirklich ernstgenommen, sondern stattdessen sprachlich, aber überhaupt nicht inhaltlich kommentiert wurden. Hier wäre es besser gewesen, die ver‐ schiedenen Vorschläge zunächst zu sammeln und zur Diskussion zu stellen, wie das gegen Projektende gelegentlich realisiert wurde. Positiv fand ich, dass sich der Unterricht - insbesondere in der 10. Klasse - von einer ausgeprägten Lehrerzentriertheit zu einer stärkeren Schülerorientierung hin entwickelte, was sich darin zeigte, dass es der Lehrkraft zunehmend gelang, ihre Sprechanteile und Leitungsfunktionen zu reduzieren und stattdessen den Lernenden mehr Raum zu geben [8a, 8b]. In diesem Zusammenhang war es auch interessant zu beobachten, wie sich die Gruppendynamik an den einzelnen Tischen entwickelte. Nicht in jedem Fall verlief die Gruppenarbeit harmonisch, aber auffallend war, dass die Gruppen sich zunehmend besser organisierten und selbst einzelne Störenfriede integriert und für die Arbeit gewonnen wurden [6a, 6c, 8c]. Beeindruckend fanden wir beide die vielen kreativen Ideen zur Konzeption einer Traum‐ schule [3a, 8a, 9c]. Gerade bei der Gestaltung der Stundenpläne fiel auf, dass die Lernenden fast durchgängig Doppelstunden wünschten, wie dies im Rahmen des Storyline-Projekts realisiert worden war [8d]. Etwas enttäuschend dagegen verlief die Diskussion zur Frage der Leistungsmessung, denn in beiden Klassen wurde mehrheitlich die übliche Notenge‐ bung bevorzugt. In jeglicher Hinsicht gelungen fanden wir die beiden Schlusspräsentationen [5d, 5g]. Für die Klassen war es eine Ehre, dass der Schulleiter zu Besuch kam und sich für ihre Vor‐ schläge interessierte [1b, 4f]. Entsprechend motiviert und engagiert bereiteten sie sich vor [4b, 8b, 8c] und gestalteten abwechslungsreiche Beiträge [9e, 11b]. Interessant war, dass durch das Storyline-Projekt Our Ideal School offenbar nicht nur die beiden Klassen inspiriert 446 6 Forschungsfokus Klassenzimmer wurden [3a], sondern auch die Lehrkraft, die sich jetzt überlegte, wie man Spenden ge‐ winnen konnte, um das Schulgebäude zu sanieren. Auch das Raucherproblem musste aus ihrer Sicht angegangen werden: „Von den Schülern erwartet man, dass sie nicht rauchen, und die Lehrer tun es. Die Schüler haben recht: die Lehrer sind keine Vorbilder diesbezüg‐ lich! “ (AIL). Fasst man die Ergebnisse der Fallstudien in Klasse 9 und 10 grob zusammen, dann wird deutlich, dass diese - trotz inhaltlicher und sprachlicher Besonderheiten - weitgehend auf einer Linie liegen. Alles in allem war die Lehrkraft mit der Umsetzung und den Ergebnissen von Our Ideal School zufrieden und zeigte sich interessiert, in Zukunft weitere Story‐ line-Projekte durchzuführen. Erstaunt berichtete sie von einer 10. Klasse, die sich nach den Projekten in den beiden Klassen erkundigt hatte: Ein Mädchen bedauerte, dass ihre Klasse für solche Projekte offenbar nicht gut genug sei. Nachdenklich äußerte die Lehrkraft jetzt ihr Vorhaben, genau in dieser leistungsschwachen Klasse ein Storyline-Projekt durchzu‐ führen, um die diversen Differenzierungsmöglichkeiten konstruktiv zu nutzen. Nachtrag 1: Nachdem sich bei der Auswertung der SABS herauskristallisiert hatte, dass die 10. Klasse gerne mehr Zeit für die Ausarbeitung ihrer Ideen gehabt hätte [1d], wurde eine weitere Englischstunde dazu verwendet, das Gespräch mit dem Schulleiter fortzu‐ setzen [8b]. Dazu wurde zunächst die Liste mit suggestions ergänzt und anschließend dem Rektor vorgestellt [8a]. Laut Auskunft der Lehrkraft wurden einige Vorschläge sogar auf die Tagesordnung der Lehrerkonferenz gesetzt und insbesondere die Idee, “a little shop with ink and rubbers“ (Poster) einzurichten, wurde sehr kontrovers diskutiert - und zwar mehr‐ fach. Auf diese Weise wurde Our Ideal School zum Thema der gesamten Schule [1b, 9d] und die Lernenden forderten mit Nachdruck den besagten “little shop“, der bereits bei dem Brainstorming über wünschenswerte Räume in Episode 1 thematisiert worden war [8c]. Nachtrag 2: Die Lehrkraft berichtete bei verschiedenen Gelegenheiten, dass gerade die 10. Klasse durch das Storyline-Projekt einen immensen Motivationsschub erhalten hatte [4a, 4b] und bei der Realschulabschlussprüfung, die einige Monate später stattfand, aus‐ gesprochen gut abschloss [1b, 5i]. 6.6.8 Fazit Obwohl das Projekt Our Ideal School wegen verschiedener Bedenken zunächst nur für die 9. Klasse konzipiert worden war, äußerten sich am Ende alle Beteiligten positiv darüber, dass es auch in der 10. Klasse durchgeführt wurde und somit zu weiteren Erkenntnissen verhalf. Wichtigster Befund ist dabei, dass Storyline-Projekte nicht nur für jüngere Klassen geeignet sind, sondern dass selbst Abschlussklassen in vielerlei Hinsicht davon profitieren können und bei einem ansprechenden Thema motiviert, interessiert und engagiert mitar‐ beiten. Die relativ kurze und kompakte Phase mit sechs Doppelstunden erwies sich erneut als vorteilhaft, auch wenn spontan noch zwei weitere Stunden hinzubzw. angefügt wurden und 15 der 24 Lernenden bei der SABS beklagten, dass die Zeit für die Aufgabenbearbeitung zu knapp bemessen war. In Zukunft müsste also für manche Phasen etwas mehr Zeit zur Verfügung gestellt und die Gruppenarbeit im Sinne einer klaren Aufgabenverteilung besser organisiert werden. Andererseits belegt die eindeutige Kritik auch, welch hohe Wertigkeit 447 6.6 Fallstudie 5: Our Ideal School (Klasse 10) das Projekt und natürlich das spezifische Thema für die Lernenden hatte. Zwar hätten letztendlich nur 17 der 24 Befragten eine Fortsetzung von Our Ideal School ausdrücklich befürwortet, zumal das Projekt mit dem Besuch des Schulleiters ein natürliches Ende ge‐ funden hatte, allerdings begrüßten 23 der 24 Lernenden den Vorschlag, öfters im Schuljahr ein Storyline-Projekt durchzuführen. Die Zahlen sprechen für sich und spiegeln die positive Einstellung der Lernenden zum Storyline Approach - auch losgelöst vom Thema. Hervorzuheben ist, dass die Ergebnisse nicht nur mit den Erkenntnissen aus Klasse 9 vergleichbar sind, sondern in vielerlei Hinsicht auch mit den anderen Fallstudien überein‐ stimmen, obwohl bei den Projekten verschiedene Variablen berücksichtigt werden müssen. Interessanterweise wurde auch in dieser Klasse vor allem die Gruppenarbeit und das prak‐ tische, kreative Arbeiten als besonders positive Erfahrung genannt - und das, obwohl das kooperative Arbeiten nicht immer harmonisch verlief: „Die Gruppenzusammenstellung ist wichtig“, behauptete eine Schülerin (SABS13, Nr. 5) und verweist damit auf einen Punkt, der wie ein roter Faden durch alle Fallstudien führt. Was verblüfft, ist die Feststellung, dass auch in dieser Klasse auf die Frage nach dem Lernerfolg an erster Stelle und trotz aller Widrigkeiten die Gruppenarbeit genannt wurde, denn durch das ständige Aushandeln von Inhalten und Zuständigkeiten wurden vielfältige soziale Kompetenzen gefördert, die in Schule und Beruf bedeutsam sind. Motivierend fanden die Lernenden auch, dass sie ihre eigenen Ideen, Ansichten und Vorschläge einbringen und ernsthaft diskutieren konnten. Das inhaltsorientierte Kommu‐ nizieren und Kooperieren bereitete offenbar Spaß, denn häufig war die emotionale Betei‐ ligung der Lernenden nicht nur deutlich sichtbar, sondern einige erklärten bei der SABS sogar ausdrücklich, es habe ihnen besonders gut gefallen, viel Englisch zu sprechen. Vor der Folie, dass viele Lernende im Laufe der Jahre lieber resigniert schweigen, als sich vor der ganzen Klasse für Fehler kritisieren zu lassen, klingen solche Bekenntnisse vielver‐ sprechend. Obwohl bei diesem Projekt auf das Herstellen von konkreten Figuren als Identifikati‐ onsobjekte verzichtet wurde, gelang die Rollenidentifikation erstaunlich rasch und unbe‐ fangen. Die Lernenden agierten und argumentierten stets engagiert aus ihren Rollen heraus, was durch das Tragen von Namensschildern noch unterstützt wurde. Aus meiner Sicht fiel es eher der Lehrkraft manchmal schwer, ungeniert die Geschichte mitzuspielen. Doch ge‐ rade bei älteren Lernenden scheint mir eine gute „Bühnenkompetenz“ von Seiten der Lehr‐ kraft unverzichtbar, um das Projekt nicht ins Lächerliche zu ziehen. Beeindruckend war, wie versiert und souverän manche Schülerinnen und Schüler ihre Ergebnisse präsentierten, während die Klasse als Publikum aufmerksam zuhörte, vereinzelt Zwischenfragen stellte oder sogar spontane Diskussionen auslöste. Auf diese Weise lernten sie authentische Kommunikation in realitätsnahen Situationen durchzuführen und die Sprache kontextgerecht zu verwenden. Bei Verständigungsproblemen wurde kurzerhand gedolmetscht oder das Wörterbuch bzw. der Fries konsultiert. All diese Beobachtungen werden auch durch die Ergebnisse der SABS gestützt: Zwar wurde der Wortschatzerwerb nicht wie in Studie 1, 2 und 4 als Lernerfolg ersten Ranges bewertet, aber immerhin bezogen sich über die Hälfte aller Nennungen auf fremdsprachenbezogene Lernfortschritte. Ein‐ malig ist dabei die Gewichtung der Sprechkompetenzen: Wenn 14 von 24 Befragten (58 %) ausdrücklich angeben, dass sie durch das Präsentieren der Lernergebnisse gelernt haben, 448 6 Forschungsfokus Klassenzimmer frei vor der Klasse Englisch zu sprechen, dann kann mit gutem Gewissen vernachlässigt werden, dass bei der Gruppenarbeit gelegentlich auch Deutsch gesprochen wurde. Durch die offenen Aufgabenstellungen wurden vielfältige Möglichkeiten zur Differen‐ zierung geschaffen, die sich nicht nur auf die Quantität und/ oder Qualität der Fremdspra‐ chenproduktion, sondern auch auf andere Kompetenzen und Intelligenzen bezogen. Auf diese Weise konnte den diversen Bedürfnissen und Wünschen der heterogenen Klasse po‐ sitiv begegnet werden. Was immer wieder auffiel: Je besser es der Lehrkraft gelang, Frei‐ räume (und thinking time) zu gewähren, desto leichter und intensiver konnten sich die Lernenden mit ihren kreativen Ideen und Wünschen einbringen. Meine ursprüngliche Be‐ fürchtung, das Aufhängen der Materialien könnte befremdlich oder kindisch wirken, zeigte sich im Nachhinein als unbegründet, denn der Fries spielte für die Lernenden offenbar eine wichtige Rolle und wurde von allen befürwortet: 20 der 24 Lernenden bewerteten die Idee sogar für ausgesprochen gut (SABS). Ein gelungener Abschluss war auch in dieser Klasse der Besuch des Schulleiters, und zwar aus Gründen der Motivation als auch des Fremdsprachenlernens. Trotz des Verzichts auf eine ausführliche Generalprobe lieferten die Lernenden eine souveräne Präsentation und eine engagierte Diskussion, die sogar über den Klassenraum hinaus weitergeführt wurde, um die im Unterricht gesammelten Ideen in der Praxis umzusetzen und zugleich einen Beitrag zum Gelingen des realen Schulalltags zu leisten. Insgesamt betrachtet belegen die vorliegenden Ergebnisse, dass das Storyline-Projekt in der 10. Klasse auf unerwartet hohe Akzeptanz stieß. Wenn alle bis auf eine Ausnahme den Wunsch äußern, pro Schuljahr mehrere Storyline-Projekte durchzuführen, dann kann dies sicher als positive Antwort auf die eingangs gestellte Frage nach einer längerfristigen Mo‐ tivation durch Storyline interpretiert werden. Dass auch Lernende ihren Unterrichtsalltag reflektieren und mitunter zu beeindruckenden Einsichten über die gängige Praxis gelangen, belegt das folgende Zitat: „Ich finde der Projekt-Unterricht fordert jeden Schüler mehr“ (SABS1, Nr. 9). Und: Was Bildungsmotivation im Klartext heißt, kann nur noch einmal wie‐ derholt werden: „Schüler müßen lernen wollen nicht lernen sollen“ (SABS1, Nr. 11). 6.7 Fallstudie 6: Our Class (Klasse 5) 6.7.1 Allgemeine Informationen Nicht so gut gefunden habe ich bei ‘Our Class’, das ich manchmal gefehlt habe (Schüler, 5. Klasse) Nach den positiven Erfahrungen in fünf verschiedenen Klassenstufen der Realschule/ Sekundarstufe I blieb noch eine letzte Herausforderung, nämlich ein Storyline-Projekt für die 5. Klasse zu konzipieren, also für eine Lerngruppe, die noch (fast) keine Erfahrungen mit schulischem Englischunterricht hatte. Das Vorhaben war mit gemischten Gefühlen verbunden, denn um eine fremdsprachliche Storyline für early beginners zu entwickeln, mussten sinnvolle Lösungen im Hinblick auf die nur eingeschränkt mögliche Kommuni‐ kation der Lernenden gefunden werden. Dabei sollte tunlichst vermieden werden, dass sich Defizite auf der Sprachebene negativ auf die Motivation zur Ausgestaltung der Handlungs‐ ebene auswirken. Von Vorteil war dagegen, dass diese Altersgruppe noch mit offenen und 449 6.7 Fallstudie 6: Our Class (Klasse 5) 25 In Baden-Württemberg endet die Grundschule mit Klasse 4, danach schließt sich die Sekundarstufe mit verschiedenen Schultypen an. Zum Zeitpunkt der Untersuchung wurde in der Rheinschiene bereits in vielen Grundschulen ab Klasse 3 Französisch unterrichtet („Lerne die Sprache des Nach‐ barn“). Heute wird in Baden-Württemberg entweder Französisch (Rheinschiene) oder Englisch ge‐ lernt. 26 Vgl. dazu Kocher (2001a), wo die diversen Module (Unterrichtsmaterial) dargestellt werden. handlungsorientierten Lernkonzepten aus der Grundschule vertraut war und sich vermut‐ lich leicht auf den spielerischen Charakter des Storyline-Projekts einlassen würde. Da sich die 5. Klasse 25 neu gebildet hatte, bot es sich an, eine Storyline zum Thema Our Class zu entwickeln, in der sich fiktionale und realitätsbezogene Handlungsstränge vermi‐ schen und verknüpfen ließen. Allerdings war es auf Grund des Anfängerstadiums zwingend erforderlich, dass - neben der bisher bei Storyline-Projekten integrierten Wortschatzarbeit - nun auch Grammatik explizit eingeführt wurde. Die Frage lautete: was, wie und wie viel? Sprich: Inwiefern ist es möglich, bei Storyline-Projekten gezielt Sprache zu vermitteln, ohne die Handlung, also die story line, aus den Augen zu verlieren? Und: Kann die Motivation trotz intensivem Sprachinput aufrechterhalten werden? Wenn Schülerinnen und Schüler mit dem systematischen Erlernen einer Fremdsprache beginnen, also - abgesehen von familiären und grundschulspezifischen Erfahrungen - noch am Anfang ihrer fremdsprachenbezogenen Laufbahn stehen, sind Lernfortschritte grund‐ sätzlich besser beobachtbar und leichter überprüfbar als bei älteren Klassen. In dieser sechsten Fallstudie wurde also verstärkt der Frage nachgegangen, was die Schülerinnen und Schüler im Rahmen des Storyline-Projekts lernen und wo sie eventuell Probleme haben. Des Weiteren sollte untersucht werden, wie sie den Fries beurteilen und ob diesbezüglich Unterschiede zu den Bewertungen der 9. bzw. 10. Klasse erkennbar sind. Anzumerken ist, dass die Konzeption und Durchführung der Storyline Our Class im Rahmen des interdisziplinär ausgelegten Forschungsprojekts Fremdsprachliches Lernen und Gestalten (FLuG) stattfand, das in den Jahren 1998-2001 in den beiden Abteilungen Englisch und Französisch an der Pädagogischen Hochschule Freiburg durchgeführt und vom Mi‐ nisterium des Landes Baden-Württemberg gefördert wurde. Zielsetzung dieses Forschungs‐ projekts war, einen lehrwerkunabhängigen Kurs für Schülerinnen und Schüler zu entwi‐ ckeln, die mit dem Lernen einer Fremdsprache erst beginnen. Dieser Kurs, der im Wesentlichen ein vermehrt kreatives, ganzheitliches und eigenständiges Lernen anstrebte, sollte mehrere Monate dauern und bestand aus verschiedenen Modulen 26 : 5 Vormodule zur Wortschatzarbeit sowie mehrere Text- und Themenmodule mit einem jeweils spezifischen inhaltlichen Schwerpunkt. Besagte Themenmodule waren Storyline-Projekte von unter‐ schiedlicher Länge, wobei Our Class das erste Themenmodul und für die untersuchte Klasse die erste Storyline-Erfahrung darstellte. Zur inhaltlichen Einführung in das Thema „Schule“ sowie zur sprachlichen Vorentlastung wurde zuvor ein kurzes Textmodul durchgeführt, in dem Videopassagen mit britischen Schulkindern gezeigt, authentische Abzählreime, the‐ menspezifisches Vokabular und einige classroom phrases gelernt sowie kurze themenbezo‐ gene Gedichte geschrieben wurden. Auch in dieser Studie wurde darauf geachtet, dass das Storyline-Projekt in einem über‐ schaubaren Zeitrahmen durchgeführt werden konnte und somit vergleichbar mit den bis‐ herigen Fallstudien war. Aus verschiedenen Gründen, die unten noch erläutert werden, 450 6 Forschungsfokus Klassenzimmer 27 Vgl. dazu Kocher (2000). konnte ich zwar nicht immer am Unterricht teilnehmen, achtete jedoch streng darauf, dass ich bei allen entscheidenden Projektschritten anwesend war und somit ein stimmiges Ge‐ samtbild erhielt. Während meiner Anwesenheit beobachtete ich die Klasse und fertigte ausführliche Notizen, Videoaufnahmen 27 und Fotografien an. Phasenweise betreute ich bei Bedarf die Lernenden bei ihrer Arbeit. Da mich die Lerngruppe bereits aus dem oben be‐ schriebenen Forschungskontext kannte und mir gegenüber recht aufgeschlossen war, konnte ich neben Beobachtungen und schriftlicher Befragung noch weitere wertvolle Er‐ kenntnisse aus zahlreichen beiläufigen Gesprächen gewinnen. Darüber hinaus bot sich mir im Rahmen eines Klassenpflegschaftsabends die Gelegenheit, auch mit einigen Eltern ins Gespräch zu kommen, so dass in dieser Studie eine neue Perspektive auf die Storyline-Arbeit berücksichtigt werden konnte. 6.7.2 Die Institution und die Lerngruppe Die Realschule, in der das Storyline-Projekt durchgeführt wurde, ist Teil eines größeren Schulzentrums, das sich in einer Kleinstadt östlich von Freiburg befindet. Das Einzugsgebiet ist sowohl ländlich als auch städtisch geprägt, das heißt, die Lernenden kommen aus meh‐ reren, recht unterschiedlichen Wohngebieten. Als positiv empfand ich zum Zeitpunkt der Untersuchung die freundliche Schulatmosphäre, das Interesse der Schulleitung an der ge‐ planten Studie sowie die relativ moderne Ausstattung. Die Wände des Klassenzimmers konnten großflächig und problemlos beklebt werden, so dass genügend Raum für die Ge‐ staltung eines Frieses zur Verfügung stand. Nach dem Unterricht konnten Bastelmateria‐ lien, Wörterbücher usw. in einem Schrank verstaut werden, was die Unterrichtsorganisa‐ tion erleichterte. Die 5. Klasse war mir aus dem zuvor geschilderten Forschungskontext bereits seit Beginn des Schuljahres, also etwa zwei Monate, bekannt und freute sich immer, wenn ich, die als zweite und gleichberechtigte Englischlehrerin betrachtet wurde, zu Besuch kam. Sie be‐ stand aus 29 Lernenden: 20 Jungen und 9 Mädchen im Alter von 10 bis 11 Jahren. Die meisten kannten sich aus der Grundschule und/ oder von gemeinsamen Freizeitaktivitäten. 22 Kinder hatten bereits in der Grundschule Französisch gelernt, allerdings waren 10 (! ) mit dem Resultat bzw. mit der damaligen Lehrkraft nicht zufrieden. Die Einstellung zum Eng‐ lischunterricht hier in der Realschule war jedoch durchweg positiv. Viele konnten schon zu Beginn der 5. Klasse etwas Englisch von ihren Familienangehörigen oder aus dem Fern‐ sehen (KD). Da ich im Unterricht nur Englisch sprach, es sei denn, es gab massive Verstän‐ digungsprobleme, war es für die Klasse selbstverständlich, im Umgang mit mir die Fremd‐ sprache zu verwenden. Häufig wurde voller Stolz neu Gelerntes im Gespräch mit mir ausprobiert, um zu testen, ob man verstanden wird. Im Kollegium galt die Klasse als lebhaft, aktiv, begeisterungsfähig, lernbegierig und ar‐ beitswillig, aber auch als unruhig, unkonzentriert und manchmal etwas unzuverlässig (MBL). Von Zeit zu Zeit traten alterstypische Hänseleien und Streitereien auf, für die ge‐ meinsam nach Lösungen gesucht wurde. Einige wenige Kinder hatten einen Migrations‐ hintergrund, zwei Mädchen kamen aus schwierigen familiären Verhältnissen und ein Junge 451 6.7 Fallstudie 6: Our Class (Klasse 5) 28 Zur Basisfassung des Projektentwurfs vgl. Kocher (2001a). hatte eine ausgeprägte Lese-Rechtschreib-Schwäche, so dass für diese Lernenden phasen‐ weise eine besondere Betreuung erforderlich war. Ein Junge fiel insofern immer wieder auf, dass er reifer als die anderen wirkte. Da er erst kürzlich zugezogen war, hatte er noch keinen festen Freundeskreis und nahm somit gelegentlich eine Außenseiterrolle ein. Hervorzuheben ist noch einmal, dass die Klasse bisher ohne Englischlehrwerk gearbeitet hatte. Die Lernenden waren dafür mit kreativen, spielerischen Arbeitsweisen, dem Erstellen von Postern sowie mit Gruppen- und Freiarbeit vertraut und machten durch meine relativ regelmäßige Anwesenheit schon seit einigen Wochen die Erfahrung mit Team-Teaching. 6.7.3 Die Lehrkraft Die Lehrkraft, die das Storyline-Projekt durchführte, hatte sich im Fach Englisch bereits an anderen Forschungsprojekten beteiligt. Sie pflegte Kontakte mit Großbritannien und inte‐ ressierte sich für jegliche Neuentwicklungen im Bereich des Fremdsprachenlernens. Von Vorteil war, dass sie in der 5. Klasse auch Klassenlehrerin bzw. -lehrer war und somit größere Freiräume hinsichtlich der Stundenplanorganisation hatte. Trotz vielseitiger Erfahrungen schien sie im Unterricht jedoch manchmal etwas überfordert mit offenen, schülerorien‐ tierten und kommunikativen Vorgehensweisen und wechselte häufig in die deutsche Sprache. Ich versuchte deshalb, auch auf ihren eigenen Wunsch hin, sie immer wieder daran zu erinnern, Englisch zu sprechen. Sie genoss die Zusammenarbeit und das Team-Teach‐ ing, welches sich bisweilen so gestaltete, dass sie spontan um Unterstützung bat. Als positiv empfand ich ihre offene, unverstellte Art und ihr ehrliches Interesse an einem kritischen Feedback. Praktische Erfahrungen mit dem Storyline Approach hatte die Lehrkraft bis zum Zeit‐ punkt der Untersuchung zwar noch nicht gemacht, kannte das Modell jedoch aus Arbeits‐ gesprächen und wollte es auf diese Weise näher kennenlernen. Our Class war das erste Storyline-Projekt, das sie in der Praxis konkret erlebte und noch dazu selbst durchführte. An der Konzeption des Projekts beteiligte sich die Lehrkraft insofern, als sie im Rahmen des Forschungsprojekts FLuG an diversen Arbeitsgesprächen teilgenommen hatte und somit auch eigene Ideen und Wünsche einbringen konnte. Insgesamt zeigte sie sich jedoch ausgesprochen offen für neue Erfahrungen und verließ sich gänzlich auf meine Vorberei‐ tungen, über die wir uns regelmäßig austauschten. Meine konkreten Entwürfe setzte sie im Unterricht um oder veränderte spontan einzelne Passagen, was jedoch mitunter zu Ir‐ ritationen führte. 6.7.4 Das Storyline-Projekt Bei Our Class  28 handelt es sich um eine Storyline vom Typ real-life story, also eine Ge‐ schichte, die sich auf den Erfahrungsbereich und konkreten Lebensalltag der Lernenden bezieht. Das Projekt besteht aus vier Episoden und wurde ursprünglich für vier bis sechs Doppelstunden à 90 Minuten konzipiert. Phasenweise kann die Lehrkraft aus verschie‐ denen Alternativen die am besten geeignete Version für ihre Klasse auswählen, dennoch 452 6 Forschungsfokus Klassenzimmer 29 Im Folgenden wird nur die im Rahmen der Fallstudie tatsächlich geplante Version berücksichtigt. wird ein Grundgerüst beibehalten, um einen logischen Ablauf der Geschichte zu gewähr‐ leisten. 29 Darüber hinaus werden immer wieder kurze spielerische Aktivitäten angeboten, die zwar nicht zwingend zur Storyline gehören, aber bei Bedarf und zur Differenzierung integriert werden können, um die sprachliche Arbeit zu intensivieren, wenn dies erforder‐ lich scheint. Sie orientieren sich jedoch inhaltlich stets an dem Thema Our Class. Für das Projekt wird die Klasse in fünf Gruppen aufgeteilt, die teilweise an gleichen oder aber an unterschiedlichen Aufgaben arbeiten, so dass immer wieder authentische Kommu‐ nikationssituationen entstehen, in denen Inhalte vorgestellt und ausgetauscht werden. Aus nachvollziehbaren Gründen ist das Kommunikationspotenzial der Lernenden zu Beginn der Klasse 5 noch auf einem relativ niedrigen Stand. Um einen Austausch überhaupt zu er‐ möglichen, müssen nicht nur Vokabeln, sondern auch grammatische Strukturen eingeführt und wiederholt werden, beispielsweise die Wortfelder „Personenbeschreibungen“, „Hobbys“, „Schulsachen“, „Klassenzimmer“, „Farben“ sowie „Zahlen 1-30“, regelmäßige und unregelmäßige Pluralformen, einfache Sätze im simple present oder der s-Genitiv. Dement‐ sprechend einfach strukturiert ist die story auf inhaltlicher Ebene: Sie entwickelt sich im Vergleich zu Projekten in höheren Klassen verhältnismäßig langsam und kleinschrittig. Der Einstieg in die Storyline (Episode 1) erfolgt über persönliche Fotos aus der Schulzeit der Lehrkraft. Auf diese Weise wird ein anschaulicher Kontext zum Thema „Schule“ bzw. „Klasse“ geschaffen sowie ein kurzer Erfahrungs- und Meinungsaustausch ermöglicht. Während der Bildbeschreibung können zudem die Zahlen von 12-20 (passiv) eingeführt und regelmäßige Pluralformen wiederholt werden. Im Anschluss erstellen die Lernenden jeweils eine zweidimensionale Figur im DIN A5-Format und denken sich einen englischen Namen für ihre fiktive Schülerin bzw. ihren Schüler aus. Später werden alle Figuren vor‐ gestellt (“My name is ...“) und am Fries aufgehängt. Im nächsten Schritt geben die Lernenden den Figuren individuelle Identitäten. Dabei bietet es sich an, das simple present einzuführen (“I like ...“, “I have ...“, “Do you have ...? “, “I don’t have ...“), das heißt, chunks im Sinne des Lexical Approach (vgl. Lewis 1993; 1997) zu vermitteln, ohne abstrakte Grammatikregeln zu erklären. Im Anschluss schreiben die Ler‐ nenden für ihre Figur eine kurze Biographie. Im Rahmen der Präsentation werden word‐ banks zu den Wortfeldern „Haustiere“, „Hobbys“ und „Personen“ erstellt. Im gleichen Zug können auch unregelmäßige Pluralformen wie mice, fish oder hobbies bewusstgemacht und über verschiedene Abzähl- und Suchaktivitäten die Zahlen von 12-30 aktiv eingeführt bzw. geübt werden (“We have thirteen hamsters in our class“). Zur Vertiefung der neuen Rolle sowie zur Festigung der sprachlichen Mittel wird ein kurzes Rollenspiel inszeniert, bei dem sich die fiktiven pupils gegenseitig interviewen, also nach Namen, Alter und Hobbys fragen. Danach stellen die Lernenden einen Schülerausweis für ihre fiktive Person her. Zuvor werden an einem Beispiel die entsprechenden Vokabeln wie date of birth, address usw. si‐ tuativ eingeführt und gefestigt. Nach der Präsentation werden alle Ausweise zu den Figuren am Fries geklebt. Episode 2 beginnt mit einer Phantasiereise, welche die Lernenden dazu anregen soll, sich ein ideales Klassenzimmer vorzustellen. Im Anschluss an diese Stimulationsphase wird ge‐ meinsam ein Klassenzimmer entworfen, und zwar auf einer Posterfläche von etwa 1,5m x 453 6.7 Fallstudie 6: Our Class (Klasse 5) 1,5m. Dazu bearbeiten die einzelnen Tischgruppen unterschiedliche Aufgaben: Gruppe 1 erhält das Poster und ist für die Umrisse und farbliche Gestaltung des Raumes zuständig. Die anderen Gruppen beschäftigen sich arbeitsteilig mit der Innenausstattung und zeichnen bzw. basteln Pflanzen, Dekorationsobjekte, Wandmöbel, technische Geräte, Sitz- oder Schreibmöbel. Die Gegenstände, welche später auf das Poster aufgeklebt werden, sollen zudem beschriftet werden, das heißt, die Lernenden schlagen das entsprechende Wort bei Bedarf im Wörterbuch nach. Nach der Präsentation werden die englischen Bezeichnungen spielerisch geübt, beispielsweise durch einen Spaziergang im eigenen Klassenzimmer, bei dem einzelne Gegenstände blind ertastet und versprachlicht werden. Schließlich präsentiert die Lehrkraft das Modell einer aufklappbaren Schultasche (ge‐ faltetes Papier) und holt verschiedene Gegenstände daraus hervor, die sie zuvor aus Bunt‐ papier hergestellt oder aus Zeitschriften ausgeschnitten hat: Bücher, Hefte, Stifte usw. Die Lernenden erhalten auf diese Weise die Gelegenheit, ihren Wortschatz aufzufrischen, den sie im vorgelagerten Textmodul erworben haben. Anschließend basteln sie für ihre Figuren jeweils eigene Schultaschen und befüllen diese mit Schulsachen, die sie jeweils mit dem englischen Begriff beschriften. Neue Wörter sollen selbstständig aus den bereitgestellten Bildwörterbüchern erschlossen werden. Auf diese Weise werden auch dictionary skills trai‐ niert. Während die Schülerinnen und Schüler ihre gebastelten Schultaschen im Plenum vor‐ stellen und auspacken, können regelmäßige und unregelmäßige Pluralformen oder die Zahlen von 1-30 geübt werden, indem beispielsweise eine Art Inventur veranstaltet wird, bei der alle Gegenstände in den fiktiven Schultaschen gezählt und in eine Tabelle einge‐ tragen werden. Ferner können bei dieser Gelegenheit Farben eingeführt oder wiederholt werden. Hier werden eine Reihe von Aktivitäten zur Auswahl angeboten, die alle der sys‐ tematischen Wortschatzarbeit dienen. In diesem Zusammenhang kann auch der s-Genitiv eingeführt und geübt werden: “Where is the red pencil-case? “ - “I think it’s in Tom’s schoolbag“. Da diese Form aus dem Deutschen bekannt ist, bedarf sie vermutlich keiner weiteren Erläuterung. In Episode 3 passiert ein unerwarteter Zwischenfall (incident): In unserem Fall verweist die Lehrkraft überrascht auf einen leeren Tisch und eine fremde Schultasche im fiktiven Klassenzimmer, die sie zuvor unbemerkt am Fries angebracht hat. Nun stellen die Ler‐ nenden Vermutungen an, wem die Tasche gehören könnte. Des Rätsels Lösung wird schließlich über einen Schülerausweis, der sich im Innern der Schultasche befindet, gelüftet, so dass klar wird, dass es sich hierbei nur um ein (noch) unbekanntes Kind handeln kann. Die Klasse diskutiert, wer diese neue Mitschülerin bzw. der neue Mitschüler sein könnte. Hinweise können die spezifischen Inhalte der Schultasche geben. Im nächsten Schritt bas‐ telt eine der Gruppen die Figur und schreibt eine biography, um dem neuen, aber noch unbekannten Klassenmitglied eine Identität zu geben. Die anderen Gruppen verfassen währenddessen ein kurzes Gedicht zum Thema “our class“ oder “our new pupil“. Bei Bedarf können im Plenum einige Muster gezeigt oder gemeinsam erarbeitet werden. Danach werden alle Ergebnisse in der Klasse vorgestellt. Die Storyline findet in Episode 4 ein harmonisches Ende: Das Projekt wird auf einem Klassenpflegschaftsabend den Eltern, also einem echten Publikum, präsentiert. Die Klasse bereitet ihre Präsentation inhaltlich, sprachlich, methodisch und organisatorisch vor, ver‐ 454 6 Forschungsfokus Klassenzimmer teilt Aufgaben und übt die einzelnen Minivorträge in Kleingruppen ein. Um diesen für die 5. Klasse ersten gemeinsamen Elternabend möglichst abwechslungsreich zu gestalten, können auch einige Rate- und Sprachspiele, die im Laufe des Projekts zum Einsatz kamen, gespielt werden, so dass die Eltern einen konkreten Eindruck von der Unterrichtsgestaltung und den diversen Lernprozessen im Rahmen von Storyline-Projekten gewinnen. 6.7.5 Der Unterrichtsverlauf: Beobachtungen und Reflexion Our Class wurde von Ende November bis Anfang Dezember, also etwa zwei Monate nach Schuljahresbeginn, in circa zwei Wochen (15 Tage) durchgeführt. Die Präsentation für die Eltern erfolgte jedoch erst kurz vor Weihnachten, und zwar zwei Wochen nach Projektende. Leider konnten aus schulorganisatorischen Gründen nicht immer Doppelstunden zur Ver‐ fügung gestellt werden, so dass der Englischunterricht an manchen Tagen als Einzelstunde stattfand. Die äußeren Umstände waren also nicht gerade förderlich, zumal die Lehrkraft noch kurz vor dem geplanten Projektbeginn krank wurde, so dass die Implementierung um einige Wochen verschoben werden musste. Als ich zur ersten Storyline-Doppelstunde in der Klasse eintraf, wurde ich herzlich be‐ grüßt. Zu Unterrichtsbeginn saß die Klasse zu meiner Verwunderung jedoch nicht wie ge‐ plant und zuvor praktiziert an Gruppentischen, sondern in traditionellen Omnibusreihen. Die Lehrkraft begann den Unterricht mit einem Begrüßungslied, bevor - auf Deutsch - einige organisatorische Dinge besprochen wurden. Offenbar hatte die Lehrkraft am Tag zuvor per Telefonkette die Klasse dazu aufgefordert, die benötigten Bastelmaterialien mit‐ zubringen, allerdings funktionierte diese Aktion aus verschiedenen Gründen nicht, so dass leider nur etwa ein Drittel der Klasse entsprechend vorbereitet war [7a]. Da jedoch einige Lernende recht gut ausgestattet waren und auch wir Lehrkräfte vorsorglich diverse Mate‐ rialien mitgebracht hatten, schien die Situation nicht ganz so schlimm, wie zunächst be‐ fürchtet [6c]. Die Lehrkraft kündigte an, dass der erste Teil der Doppelstunde der Wiederholung dienen sollte. Des Weiteren informierte sie die Klasse darüber, dass sich die anderen Lehrkräfte über die Unruhe beklagt und deshalb die Rückkehr zu den besagten Sitzreihen gefordert hatten, womit die Klasse nicht zufrieden war und nun ihren Unmut äußerte [6a, 8d]. Nach einigen Minuten vollzog die Lehrkraft - etwas unvermittelt - ein code-switching und fragte durch die Klasse gehend: “Can you give me your schoolbag? “ (UB). Nachdem sie die Tasche einer Schülerin an sich genommen hatte, bat sie die Lernenden darum, den Inhalt der Schultasche zu erraten, um auf diese Weise das Wortfeld „Schulsachen“ zu wiederholen [5e]. Diese Aktivität verlief relativ traditionell: Die Lehrkraft achtete insbesondere auf vollständige Sätze und sprachliche Korrektheit, was mitunter merkwürdig wirkte und so nicht geplant war: L: Where is your ruler [spricht besagte Schülerin an]? Have you got a ruler? S1: Im Federmäppchen! L: In English? ... The ruler is in THE/ ? [längere Pause] The ruler is in THE/ ? [erneut längere Pause; ruft dann einen Schüler auf]. S2: Pencil-case! L: Good! The ruler is in the pencil-case [spricht S1 wieder an]. The ruler is in the pencil-case. 455 6.7 Fallstudie 6: Our Class (Klasse 5) S1 [verdreht die Augen]: The ruler is in the pencil-case. L: Where is the ruler? Can you show me the ruler? ... I want a ruler, please. A ruler. S3 [imitiert leise L]: A ruler! [L fühlt sich durch aufkommende Unruhe gestört, wechselt ins Deutsche und verweist um Ruhe bittend auf ihre frühere Erkältung. Sie droht mit Strafarbeiten. Dann hält sie einen Stift von S1 hoch.] L: This is a pencil. What is it? [ruft einen Schüler auf]. S4: This is a pencil. [L ruft weiteren Schüler auf] S5: This is a pencil (Video). Interessant ist bei diesem (wenig kommunikativen) Beispiel, dass die Lernenden sehr wohl die Lehrkraft verstanden hatten [5b] und verständlicherweise mit Irritation und Unruhe reagierten, als sie “the ruler“ zeigen sollten, zumal nicht klar war, auf welchen Gegenstand sich die Lehrkraft bezog. Als nächstes wurde eine (reduzierte) wordbank zum Thema „Schulsachen“ erstellt [5e, 12d]. Noch einmal sollten die Lernenden die Gegenstände aus der Schultasche der oben erwähnten Schülerin aufzählen, welche die Lehrkraft dann auf einem Poster festhielt und dabei stets das Plural-s in Rot hervorhob. Dass Sprache auch unkompliziert und schüler‐ orientiert vermittelt werden kann und selbst early beginners ein gewisses Abstraktionsver‐ mögen besitzen, um Regelmäßigkeiten in der Fremdsprache zu erkennen, belegt das fol‐ gende Gespräch, das sich unmittelbar an das Sammeln der Begriffe anschloss [5f, 5h]: L: Ist das mit dem s jetzt eigentlich immer klar? Habt ihr das bemerkt? [Viele Lernende]: Jaaaaa! [Aus dem allgemeinen Stimmengewirr klingt mehrfach]: Rot! L: Könnt ihr mir jetzt schon sagen, was das s für eine Bedeutung hat? [Fast die ganze Klasse meldet sich. Manche rufen in die Klasse.] [...] [Mehrere Lernende]: #Mehrzahl! L [erstaunt]: Aha? ! Das sieht gut aus! [L ruft eine Schülerin auf.] S: Weil es die Mehrzahl ist. Deswegen haben Sie das s rot gemacht [...] (Video). Obwohl die Lehrkraft festgestellt hatte, dass die Lernenden ihre Frage korrekt beantworten konnten, traute sie ihnen offenbar nicht zu, dass sie die Bildung der Pluralform tatsächlich verstanden hatten. Stattdessen hielt sie an der (subjektiven) Theorie fest, dass sprachliche Phänomene in jedem Fall explizit bewusstgemacht und über eine entsprechende Gramma‐ tikregel verinnerlicht werden müssen, denn nun erklärte sie den Unterschied zwischen deutschen und englischen Pluralformen. Insofern ist auch nicht weiter verwunderlich, dass Unruhe aufkam. Da die Klasse bekanntlich kein Schulbuch zum Nachschlagen von Voka‐ beln und Grammatik hatte, sollte die wordbank abgeschrieben werden [5c]. Nach Abschluss der Stillarbeit wurde gemeinsam das Lied Pen, biro, book and bag ge‐ sungen, das speziell für das vorgelagerte Textmodul entwickelt worden war, um Wortschatz ganzheitlich zu vermitteln [5e, 10c]. Begeistert rief ein Junge: „Ich kann’s schon aus‐ wendig! “ (Video) [4b, 4 f, 5i]. Etwas unvermittelt kündigte die Lehrkraft die Wiederholung der Zahlen von 1-12 an und ließ die Klasse laut zählen. Danach wollte sie die Zahlen bis 20 456 6 Forschungsfokus Klassenzimmer einführen und auf einer wordbank sammeln. Interessanterweise zählten manche selbst‐ ständig bis 20 mit und einzelne sogar weiter bis 30 [5e, 8a]. Während der Pause hatte die Lehrkraft die wordbank noch einmal übersichtlicher abge‐ schrieben und am Fries aufgehängt [12d]. Nach einigen Rückfragen hielt sie plötzlich eine kleine Papierfigur in die Höhe, um auf diese bzw. auf ihre Weise in die Storyline einzusteigen: L: Was ihr heute machen sollt, ist, mit dem Material, was ihr dabei habt [Klasse lacht über Figur], so eine kleine Figur und zwar/ [L zeigt Figur, erläutert Aussehen, wird von Zwischenfragen, Gemurmel und Kichern unterbrochen.] S1: Süß! L: Diese Figur, damit fangen wir heute an zu basteln, soll nicht irgendetwas sein, sondern irgendein Schüler: a pupil. A pupil from my school or a pupil from London or a pupil from Washington. A pupil, I think, he or she can be twenty years old, that’s an old pupil, or/ F [unterbricht irritiert]: &They should, well, they are in one class [...]. L: Ah! Sorry! Then they should be about twelve. So! Und ihr sollt jetzt versuchen, einfach in fünfzehn Minuten mit einem Blatt Papier, was ihr von mir bekommt [einige stöhnen], so zu arbeiten, dass ihr/ [zeigt Kartons] ... Jetzt kann ein Mädchen sagen: ‘Ich mal jetzt ‘nen Jungen, ich bastle einen Jungen! ’. Oder umgekehrt. Das ist egal. Aber, ja, er soll also, es sollen Kinder, Schüler in eurem Alter sein und die können irgendwie ganz lustig aussehen. S2: Lustig? [? ]. L: Egal! Mit der Bedingung, ... ihr malt zuerst mit Bleistift vor [...]. [L zeigt und erläutert Figur, klopft dann energisch auf den Tisch.] L: Während ihr am Arbeiten seid, dürft ihr schon überlegen, was für einen Namen, mit Vor- und Nachnamen, first name and family name, ihr euerm/ eurer Figur, eurem Schüler geben möchtet. Und hinterher bisschen vorstellen (Video). Nachdem die Lehrkraft das Material ausgeteilt hatte, arbeiteten die Lernenden motiviert und fokussiert an ihren Figuren [7d, 10a]. Auffallend war, dass wirklich alle involviert waren [9b]. Viele Gesichter wirkten entspannt und zugleich konzentriert [4b], während gezeichnet, ausgeschnitten und geklebt wurde [10a]. Einige tauschten Bastelmaterial aus [6c, 8c], zeigten sich gegenseitig ihre ersten Entwürfe [4f, 11a], verglichen und verhan‐ delten miteinander (wenn auch meist auf Deutsch) [8d, 9c] oder kicherten amüsiert über ihre Ergebnisse [4b]. Gelegentlich wurden wir auch um einen Kommentar zu einzelnen Werken gebeten [11b]. Während ich mit den Lernenden durchgängig Englisch sprach, tendierte die Lehrkraft stark dazu, ins Deutsche zu verfallen. Insgesamt zeigte sie auch nicht immer eine aus meiner Sicht angemessene Wertschätzung der Arbeiten. So betonte sie mehrfach, dass pupils und nicht aliens gebastelt werden sollten, obwohl ihre eigene Figur, die als Modell dienen sollte, beispielsweise keine Arme hatte. Ein Junge zeigte der Lehrkraft seine Figur und erklärte stolz [4f, 11a]: “This is my Simon“ (UB). Sie grinste nur, wohingegen ich mit Staunen zur Kenntnis nahm, dass der Junge unaufgefordert (! ) Englisch gesprochen hatte [5d, 5g]! Etwa 9 Minuten vor Unterrichtsende teilte die Lehrkraft, obwohl alle noch intensiv an ihren Figuren bastelten, ein Arbeitsblatt aus, so dass manche sich ablenken ließen und zu lesen anfingen [5a]. Die Klasse sollte ihre Bastelarbeit abbrechen und den Erläuterungen der Lehrkraft zuhören, die nun zu erklären versuchte, wie das Arbeitsblatt ausgefüllt bzw. 457 6.7 Fallstudie 6: Our Class (Klasse 5) die biography erstellt werden sollte. Dazu nahm sie zunächst ihre eigene Figur und model‐ lierte: “My name is ... Janet MacKenzy“ (Video). Unmittelbar danach verließ sie die fiktive Ebene wieder und fragte nach dem Alter der (realen) Lernenden, um weitere Beispielssätze zu geben. Ein Schüler antwortete: “Three-teen“ (Video). Dieses Beispiel ist insofern inter‐ essant, als der Junge zwar (noch) nicht die kurz zuvor eingeführte Zahl richtig verwendete, sondern eine eigene Regel entwickelt hatte (interlanguage) [5h], stattdessen jedoch das korrekte Alter seiner Figur mitteilte [2d]. Er war also bereits in die Geschichte eingestiegen [2e], wohingegen sich die Lehrkraft phasenweise schwer damit tat, sich auf die (schau-)spielerische Ebene einzulassen und eine stringente story line zu entwickeln. Leider wurden die Figuren nicht im Plenum präsentiert oder anderweitig thematisiert. Stattdessen wurden die Lernenden immer mit ihrem realen Namen angesprochen, was für eine konstante Rollenidentifikation nicht gerade förderlich war. Nachdem die Stunde be‐ endet war, kamen manche vor, um stolz ihre Figuren zu zeigen [11a], und ein Junge füllte sogar schon sein Arbeitsblatt aus [4b, 5c]. Einige Mädchen verglichen eifrig ihre Zeich‐ nungen: „Hey, guck mal! “ (Video). Ähnliche Ausrufe des Staunens [4f, 11d] und Zeichen emotionaler Beteiligung [4b] waren schon in den vorherigen Fallstudien aufgefallen. Die UR mit der Lehrkraft fiel an diesem Tag leider aus. Ich selbst war etwas enttäuscht und ratlos über den Verlauf der Doppelstunde. Für mich hatten sich zwei zentrale Fragen herauskristallisiert, die dringend diskutiert werden sollten: 1.) Warum ging die Lehrkraft in vielerlei Hinsicht anders als geplant und besprochen vor? 2.) Hatte sie das Konzept nicht verstanden oder gab es andere Gründe (UR F)? Noch am Tag zuvor hatten wir grundlegende Dinge wie die Funktion der Modellfigur oder das Mitbringen des Materials besprochen. Auch hatte ich ihr einige Wochen im Voraus einen differenzierten Verlaufsplan erstellt. Nun hatte ich das Gefühl, dass Spannung und Motivation unwiederbringlich verlorengegangen waren durch den eigentümlichen Einstieg nach dem Motto: „Jetzt basteln wir eine Figur“. Der situative Rahmen fehlte durch den unvermittelten Arbeitsauftrag völlig und die Lernenden wussten zunächst nicht, warum sie eine Figur basteln sollten. Schade fand ich auch, dass während des Unterrichts keine Präsentation der Figuren stattgefunden hatte und somit alles irgendwie „in der Luft hing“, auch wenn das praktische und kreative Arbeiten den Lernenden sichtlich Spaß bereitet hatte [9c, 10a, 10d]. Andererseits zeichneten sich im Verlauf des Unterrichts auch Probleme ab, die nicht direkt im Zusammenhang mit dem Storyline Approach standen, sondern von grundsätzli‐ cher Natur waren: 1.) Warum sprach die Lehrkraft ständig Deutsch? 2.) Warum pochte sie so sehr auf vollständige Sätze und (sinnentleerte) Drills? 3.) Warum klopfte sie immer wieder hektisch auf den Tisch oder drohte mit Strafarbeiten, wenn es laut wurde, anstatt nach Gründen zu suchen? 4.) Warum waren ihre Tafelbzw. Posteranschriebe so unstruk‐ turiert? 5.) Warum war sie in ihren Gedanken und Handlungen so sprunghaft, was sich darin äußerte, dass sie phasenweise ein Sammelsurium von Aktivitäten ohne erkennbaren Zusammenhang anbot oder die Lernenden durch widersprüchliche Aussagen bzw. parallele Handlungen irritierte? 6.) Warum konnte sie sich manchmal so schlecht in die Lernenden hineinversetzen (UR F)? Am nächsten Tag konnte ich leider nicht am Unterricht teilnehmen. Stattdessen bat ich die Lehrkraft um eine detaillierte schriftliche Reflexion dieser Doppelstunde sowie um ein 458 6 Forschungsfokus Klassenzimmer Treffen am darauffolgenden Tag für eine ausführliche Besprechung des weiteren Vorge‐ hens. Statt der Unterrichtsreflexion erhielt ich jedoch nur eine kurze Unterrichtsbeschrei‐ bung, wie sie im Grunde schon vorlag. Am Tag darauf fand unser Gespräch statt, so dass ich explizit nachfragen konnte, wie die beiden Stunden am Vortag konkret verlaufen waren. Die Lehrkraft berichtete, dass 80-90% der Figuren fertig waren, jedoch das Alter der pupils unklar schien. Aus meiner Sicht war dies darauf zurückzuführen, dass die Einführung in die story etwas konfus gewesen war. Interessant fand die Lehrkraft, dass bei den dislikes sehr viele Aspekte und neben “bad weather“, “school uniforms“, “orange shorts“ oder “tidying up my room“ auch komplexe Sachverhalte wie “lies“, “no money“ oder “cruelty to animals“ genannt wurden (UR F+L) [8a, 9c]. Offenbar waren die Lernenden mit Interesse bei der Sache [3a, 9b] und wollten sich gerne differenziert mitteilen [5d], so dass die Lehrkraft weitere Wörterbücher besorgte [5e, 7c]. In der nächsten Stunde führte sie am Beispiel des Verbs to like das simple present ein und staunte, wie interessiert die Lernenden bei dem Gespräch über individuelle Vorlieben und Abneigungen einander zugehört hatten [2a, 2c, 5b]. Das simple present sei “no problem“ gewesen und ein Schüler fragte anscheinend interessiert, warum in der 3. Person ein s angehängt wird (UR F+L) [5f, 5h]. Da sich das Kollegium gegen Gruppentische ausgesprochen hatte, einigten wir uns da‐ rauf, dass wenigstens im Englischunterricht die Sitzordnung geändert wird. Leider hatte es die Lehrkraft versäumt, die Figuren sowie die biographies am Fries aufzuhängen, zumal manche Exemplare - aus mir nicht nachvollziehbaren Gründen - noch nicht fertiggestellt waren. Dies sollte in der nächsten Stunde nachgeholt werden. Ich erläuterte der Lehrkraft noch einmal anhand von konkreten Beispielen, dass die Unterrichtsgespräche stets aus der Rolle der fiktiven pupils geführt werden sollten, um die Rollenidentifikation zu erleichtern. Außerdem sollten statt rhetorischer Fragen vielmehr „echte“ Fragen gestellt, also eine zweck- und inhaltsorientierte Kommunikation angestrebt werden. Der dritte Storyline-Block fand am nächsten Tag statt. Da es sich hierbei um zwei Ein‐ zelstunden in der 1. und 4. Stunde handelte, konnte ich erst zur 4. Stunde eintreffen. Wäh‐ rend ich in der Pause noch auf die Lehrkraft wartete, stellten die Lernenden die Tische zu 5 Gruppentischen um [1b, 6a, 8c]. Nach der Begrüßung wurde die Klasse gebeten, die beiden Arbeitsblätter (biographies und student cards) bereitzulegen, um sie im Plenum zu besprechen. Erstaunt fragte mich die Lehrkraft: “Doris, some want to write more. Have you got another worksheet? “ (UB). Offenbar machte es den Lernenden Spaß, kurze kreative Texte zu schreiben [4b, 5c, 9b] und diese in der Klasse zu präsentieren [5d, 11a, 11b], denn sie erzählten engagiert von ihrer Prince Eduard School in London (“I sit next to ...“) [2a, 2d, 2e]. An der Tafel wurde die Adresse der Schule notiert sowie der Name der fiktiven Klas‐ senlehrerin festgehalten: Miss MacKenzy. Danach sollten die Lernenden die Schuladresse in ihre student card eintragen, wobei mir zwei Dinge positiv auffielen: Die Lehrkraft setzte ein time limit und sie sprach heute mehr Englisch und benutzte dabei auch situationsadä‐ quat den neuen themenspezifischen Wortschatz: “Take a pencil, not a biro“ (UB). Im nächsten Schritt sollten sich die Lernenden eine eigene Wohnadresse ausdenken und die Lehrkraft setzte den stimmigen Impuls: “You all live in London“ (UB). Für diesen Zweck wurden zunächst einige Straßennamen an der Tafel gesammelt [8a]. Motiviert trugen die 459 6.7 Fallstudie 6: Our Class (Klasse 5) Mädchen und Jungen danach ihre fiktiven Adressen in das Arbeitsblatt ein [2e, 5c]. Ein Kind wollte die Vorwahlnummer von London wissen, um einen authentischen Schüleraus‐ weis anfertigen zu können [1b, 7d, 9b]. Es war also offensichtlich, dass die Lernenden ihre Sache nicht nur gut machen [11b], sondern auch ganz individuelle Lösungen entwickeln wollten [8a, 9c]; so trug beispielsweise der fiktive Philipp Bond auch seine Handynummer ein [2d]. Da sich die Figuren und Biographien noch immer in den Mappen der Lernenden befanden und ich es für dringend notwendig erachtete, dass die Ergebnisse (endlich) klassenöffentlich gemacht wurden, übernahm ich spontan die Organisation des Aufhängens am Fries und wies ausdrücklich darauf hin, dass alles gelesen werden darf, aber sorgsam behandelt werden sollte. Neugierig begutachteten die Lernenden nun die Ergebnisse ihrer Klassen‐ mitglieder und tauschten sich intensiv darüber aus [2c, 12a, 12e]. Manche deuteten voller Stolz auf ihre Werke und wünschten sich eine Rückmeldung: „Ist die nicht schön? “ (UB) [4f, 8d, 11d]. Jemand fragte, auf das „Foto“ im fiktiven Schülerausweis zeigend: „Sieht der meiner Figur ähnlich? “ (UB) [7d, 8d]. Gelegentlich vernahm man laute Ausrufe der Be‐ wunderung: „Guck mal, wie schön das Männchen von [Name eines Schülers] ist! “ (UB) [8d, 11d, 12f]. Doch auch kritische Kommentare waren zu hören: „He, James Bond schreibt man mit ‘a’ nicht mit ‘e’! “ (UB) [5h, 5i, 8d]. Manche schmökerten in den biographies [5a], um weitere Details über die anderen pupils zu erfahren [2c]. Leider wurden die student cards nicht im Plenum vorgestellt. Während der gemeinsamen UR schilderte die Lehrkraft zunächst den Verlauf der 1. Stunde, in der ich nicht anwesend war. Offenbar empfand sie die Gruppenbildung als „harten Brocken“ (UR F+L), zumal die Gruppen gemischt und nicht gleichgeschlechtlich sein sollten [6b]. Durch rhythmisches Sprechen und Klatschen [10d] wurden anschließend die diversen likes and dislikes [5e] und in diesem Kontext auch das simple present noch einmal wiederholt [5f]. Des Weiteren wurden die fiktiven Namen in die biographies ein‐ getragen [2d]. Zwar war ich froh, dass dieser Schritt endlich vollzogen wurde, dennoch fehlte aus meiner Sicht noch immer ein roter Faden - die story line - und ein gewisses Tempo. Die Lehrkraft zeigte sich insgesamt erleichtert über die beiden Stunden und beteuerte, dass sie jetzt endlich im Thema bzw. in der Sache drin sei. Sie bedankte sich ausdrücklich für das Aufhängen der Figuren am Fries. Auch ich selbst war froh darüber, dass ich diese Aufgabe spontan übernommen hatte, zumal der Fries in seiner Funktion bisher vernach‐ lässigt worden war und das Projekt phasenweise anders als geplant verlief, so dass ich jetzt die Notwendigkeit sah, sanft lenkend einzugreifen. Ich hatte mich auch gefragt, warum die biographies und student cards noch immer nicht komplett fertiggestellt und noch immer nicht aufgehängt waren. Unklar war auch, warum noch vier Figuren fehlten. Auch wenn mich die Nachlässigkeit und Unkonzentriertheit der Lehrkraft etwas irri‐ tierte, stellte ich positiv fest, dass sie heute engagiert bei der Sache war und auch die An‐ regungen aus unserem Gespräch umzusetzen versucht hatte. Warum erneut Strafarbeiten vergeben wurden, konnte ich aus meiner Perspektive nicht verstehen: Wenn Lernende miteinander kommunizieren sollen, dann ist dies eben mit einer gewissen Geräuschkulisse verbunden. Hier wäre es Aufgabe der Lehrkraft, mit der Klasse entsprechende Regeln zu entwickeln. Darüber hinaus könnten die teamleaders unterstützend eingreifen (UR F). Wie 460 6 Forschungsfokus Klassenzimmer immer hatte ich mit den Lernenden weitgehend Englisch gesprochen, (auch) um der Lehr‐ kraft zu demonstrieren, dass und wie dies möglich ist. Auch sie hatte in dieser Stunde ver‐ sucht, mehr in der Fremdsprache zu kommunizieren und war froh über meine Anregungen. Der vierte Storyline-Tag begann am Montag in den ersten beiden Stunden mit dem Ein‐ stieg in Episode 2. Auf dem Weg zum Klassenzimmer fragte mich die Lehrkraft, ob sie die geplante Phantasiereise nicht besser auf Deutsch erzählen sollte. Ich verneinte. Als wir noch vor Unterrichtsbeginn das Klassenzimmer betraten, standen einige Jungen und Mädchen bereits am Fries, um diverse Lernprodukte zu betrachten [2c, 12a, 12f]: Manche deuteten stolz auf bestimmte Figuren [4f, 8d, 11d], während andere interessiert die Texte lasen [5a]. Der Unterricht begann mit einer fiktiven Flugreise. Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn alle die Augen geschlossen hätten, da manche amüsiert kicherten [4b], dennoch ge‐ lang es der Lehrkraft, einen spannenden situativen Kontext zu schaffen [2a]: L: We are flying from [eigener Schulort] over France, over Paris [L und einige Lernende machen Flugbewegungen]. We are flying over ... the Channel and we are flying to London. In London the weather is nice today - not cold ... and in London the pupils [? ]. They are wearing their school uniforms. Some of them are running because they are late [L und ein Schüler imitieren laufendes Kind]. Some of them are carrying their bags [L steht auf]. The teacher is sitting in the classroom [setzt sich]. Miss MacKenzy is waiting ... for the boys and girls. Miss MacKenzy is waiting for her pupils [geht zum Fries und zeigt auf eine Figur]. Bart Simpson, where are you? S1: Ich! Das bin ich! L: Bart Simpson? ‘I’m here, Miss MacKenzy! I’m here, Miss MacKenzy! ’ S1: I’m here, Miss MacKenzy! L [zeigt auf weitere Figur]: Jack Mason? ... Where is Jack Mason? S2: Ähm ... L [L und Klasse schauen sich um]: Is Jack Mason not here today? Who sits next to Jack Mason? S2: Der Jack Mason sitzt hier, aber [? ]/ L [unterbricht S2]: Jack Mason is not here. S2: Jack Mason is not here. L: Thank you. [...] Kevie Meschel? [schaut zu den Mädchen] [Schülerin meldet sich] L: Hi, Kevie! How are you today? S3 [lächelt]: I’m fine (Video). Das abgedruckte Textbeispiel ist aus verschiedenen Gründen aufschlussreich, denn es be‐ legt, dass die Lernenden sehr wohl die teilweise komplexe Sprache der Lehrkraft verstanden [5b], obwohl diese zuvor Zweifel geäußert hatte. Hier bot sich also die Gelegenheit, Hör‐ verstehen und Minidialoge in einem authentischen situativen Rahmen zu trainieren [2a, 5d, 5g]: Die Lernenden hörten aus Interesse an der story sehr aufmerksam zu [2c, 5b] und manche wussten sogar die fiktiven Namen ihrer Sitznachbarinnen und -nachbarn [2b]! Besonders lobenswert ist die Antwort von S3, die hier spontan und ohne sprachliche Vorlage erfolgte [5d, 5g]! Positiv war auch, dass die pupils - wenigstens teilweise - in der zweiten Person Singular angesprochen wurden und daraufhin in der ersten Person Singular ant‐ worteten [2d]. 461 6.7 Fallstudie 6: Our Class (Klasse 5) Die Lehrkraft teilte die Klasse schließlich in 5 Gruppen mit jeweils spezifischen Aufgaben auf. Als sie einige Möbelkataloge zeigte, hörte man ein erfreutes “Cool! “ (Video) [5g, 7a, 9b]. In diesem Zusammenhang ergab sich auch eine kontextualisierte Wiederholung und Ergänzung der Farben, als nämlich das Buntpapier gezeigt wurde und die Klasse spontan die entsprechenden Farben aufsagte [2a, 5d, 5e]. Danach wechselte die Lehrkraft ohne ersichtlichen Grund wieder in die deutsche Sprache. Sie verwies auf die teamleaders und deren Aufgaben, die nun gesammelt und an der Tafel festgehalten wurden [6c, 8d]. Bei der Gruppenarbeit stellte ich fest, dass die interne Arbeitsorganisation nicht überall klappte. Vermutlich fehlte auch hier die Übung, wie komplexe Aufgaben eigenverantwort‐ lich aufzuteilen sind. Gruppe 1 allerdings gelang das kooperative Arbeiten relativ leicht [6c, 8c, 9e]: Vier Jungen zeichneten mit Bleistift und Lineal konzentriert die Umrisse des Klassenzimmers [10a], während zwei Mädchen die benötigten Begriffe recherchierten [5e, 7c]. Interessant war, dass einzelne Lernende nach Wörterbüchern fragten bzw. diese aus dem Schrank holten [5i, 8c], denn die Lehrkraft hatte auch Schildchen ausgeteilt, die mit den englischen Begriffen beschriftet werden sollten. Eifrig wurde in den Wörterbüchern ge‐ blättert [5e, 7c] und Bildmaterial aus den Katalogen ausgeschnitten [10a], um in der Gruppe darüber zu verhandeln [6c, 8d, 11b]. Manche arbeiteten stehend [9d, 10d], wie dies bereits bei anderen Storyline-Projekten beobachtet wurde. Doch obwohl es sich aus meiner Sicht um creative noise handelte [1e], drohte die Lehrkraft erneut mit Strafarbeiten. Auffallend war, dass auch diese Klasse ein intrinsisches Interesse an den individuellen Aufgabenlösungen der verschiedenen Gruppen hatte, so dass manche Lernende gelegent‐ lich von Tisch zu Tisch wanderten, um die jeweiligen Ergebnisse zu betrachten [2c, 11d]. Als das Pausenzeichen ertönte, reagierte zunächst niemand. Obwohl die Lehrkraft signali‐ sierte, dass eine Pause gemacht werden kann, blieben viele sitzen und arbeiteten weiter [4b, 9b, 11b]; nur wenige verließen das Klassenzimmer [1b]. Den Lernenden gelang es nun zunehmend besser, selbstständig und lehrkraftunabhängig zu arbeiten [8c], vorausgesetzt, die Aufgabenstellung war klar. Nachdem wir das Poster mit den Umrissen des classroom am Fries befestigt hatten, be‐ gannen manche bereits ihre Bilder und Vokabelschildchen einzukleben [8c, 9e]. Einige nutzten die Chance, um ihre student cards und/ oder biographies zu ergänzen bzw. zu kor‐ rigieren [5i, 8d, 11b], andere blätterten neugierig in den Bildwörterbüchern [7c, 9e]. Manche wurden unruhig, weil offenbar nicht klar war, was nun „Sache“ ist. Die Präsentation verlief komplett anders als geplant. Aus meiner Sicht wurde viel Zeit, nämlich über 10 Minuten, dafür verwendet, die Produkte auf das Poster zu kleben, ohne dass dieser Vorgang versprachlicht wurde [1d]. Der Ablauf hätte besser strukturiert und organisiert werden können, um durch eine ökonomischere Gestaltung mehr Lernzeit zu gewinnen. Als die Lehrkraft schließlich Gruppe 1 darum bat, ihre Ergebnisse vorzustellen, war nicht klar, wie dies erfolgen sollte, so dass sie die Präsentation leider immer wieder unterbrach: S1 [zeigt auf Poster]: This is a door. L: First say, ‘This is ... our classroom’ [zeigt auf Poster]. S1: This is our classroom. This is the windows [zeigt]. L: How many windows are there? 462 6 Forschungsfokus Klassenzimmer [Schüler zählt durch] L: There are/ ? S1: Five windows. This is a [? ] [L zeigt auf einen Gegenstand] S1 [zögert]: This is a/ L: A board. S1: A board. This is a board. L: And? That is all. What is/ how many windows are in the classroom? S2 [meldet sich]: Five! L: There are five windows. S2: There are five windows. L: And what colour is the door? And what colour are the windows? (Video). Das Textbeispiel belegt, dass der Schüler kaum eine Chance hatte, sich mitzuteilen, sondern immer wieder unterbrochen, korrigiert und gedanklich „umgeleitet“ wurde. Aus meiner Sicht hätte die Lehrkraft bereits vor der Präsentation einige phrases und presentation skills vermitteln sollen, um das Vorstellen der Ergebnisse zu erleichtern. Die Klasse hörte zwar konzentriert zu und betrachtete aufmerksam die gezeigten Gegenstände [2c, 5b, 12a], außerdem war es jetzt auffallend still im Raum [1e], aber oft schien es, als ob die Lehrkraft nicht so sehr am Inhalt, sondern vielmehr am Üben von sprachlichen Mitteln interessiert war. Wie sonst sollte ihre wiederholte Frage nach der Anzahl der Fenster verstanden werden? Gerade das Bestehen auf vollständigen Sätzen ist in diesem Zusammenhang eine fragwürdige Sache, denn authentische mündliche Kommunikation ist eher durch Ellipsen und nicht durch Ganzsatz-Antworten gekennzeichnet, welche im außerschulischen Bereich unnatürlich und mitunter sogar provokativ klingen (UR F). Schließlich beendete die Lehrkraft die vermeintliche „Präsentation“ mit einem knappen “Thank you. Group 2! “ (Video). Sie gab der Gruppe keinerlei Rückmeldung zu Inhalt, Sprache oder Präsentationstechniken, sondern rief die nächste Gruppe auf. Ähnlich verliefen auch die weiteren Präsentationen: Gruppe 2 hatte Sofas, Betten, Sessel und Schränke für das fiktive Klassenzimmer vorgeschlagen [2e, 3a, 9c], doch statt eines in‐ haltlichen Feedbacks erfolgte ein Chorsprechen, bei dem der Wortschatz wiederholt wurde [5e]. Dasselbe geschah bei Gruppe 3, wo die Lehrkraft erneut Inhalts- und Sprachebene vermischte und zum Chorsprechen aufforderte. Interessant war, dass Gruppe 4 ähnliche Ideen wie die Lernenden bei Our Ideal School (Klasse 9 und 10) äußerten: Man wünschte sich, neben “paper chains“, “paintings“, “lamps“ und einem “angel“, ebenfalls ein Aquarium und große Pflanzen (UB) [2e, 3a, 9c]! Die Präsentationen verliefen zwar von Mal zu Mal besser [5d], wobei auffiel, dass die Gruppen nicht nur inhalts-, sondern auch sprachbezogen die Antennen auf Empfang ge‐ stellt hatten [2c, 5b] und anfingen, bestimmte phrases (“This is ...“) voneinander zu kopieren [5f, 5h, 5i]. Trotzdem wirkten manche Lernenden durch die ständigen Unterbrechungen und Korrekturen entmutigt bzw. gelangweilt. Die nächste Phase wurde von mir gestaltet und diente als Minifortbildung für die Lehr‐ kraft, um am konkreten Beispiel zu demonstrieren, wie Sprachenlernen und inhaltliche Arbeit harmonisch miteinander verbunden werden können: 463 6.7 Fallstudie 6: Our Class (Klasse 5) F: [auf Fries zeigend] Now you have this wonderful classroom and beautiful furniture and deco‐ ration, and there are lots of pupils and the teacher Janet MacKenzy. Now, this is Mrs MacKenzy’s schoolbag [zeigt Modell einer Schultasche; Klasse lacht]. S1: Cool! F: It’s her schoolbag! Now, it’s a bit big because she has lots of things to carry to school [öffnet Tasche und hält einen Gegenstand hoch; Klasse lacht]. Now, look/ S2: A book! F [amüsiert]: It’s a book [zeigt Papiermodell herum]. It’s a book. And ... what’s this [zeigt neuen Gegenstand]? S3: A pen! F: Right, it’s a pen. What about this [zeigt weiteren Gegenstand; einige melden sich]? S4: A rubber! S5: A ruler! A blue ruler. F: Exactly. And? What else is there? Look [zeigt Gegenstand]. S5: This is a/ [allgemeines Gemurmel und Raten; einige stehen auf, um besser zu sehen] S6: A blue pencil! S7: Crayon. A green crayon. F [versteht Wort nicht]: A green what? S7: A crayon? F: A crayon. Yes! Or? Or a pencil. Yes, a crayon or a pencil. Aaaand [zieht Wort absichtlich in die Länge und sucht in Tasche]? What else is there [zeigt Gegenstand]? S 8: Pencil-case! F: Yes! S9: This is a pencil [? ] F: Exact/ ... a pencil-case. [Mehrere Lernende gleichzeitig]: It’s green. F: It’s green. Exactly! Everything back into the schoolbag. [Klasse kommentiert und benennt einzelne Gegenstände, die F wieder in Modelltasche packt.] F: And now we close the schoolbag again [verschließt Modelltasche]. Now, listen. Every pupil has/ [leichte Unruhe], shshsh ... Every pupil in Prince Eduard School has a schoolbag. Now your job will be to make little schoolbags for your pupils, okay? So, Bart Simpson has a schoolbag like this [zeigt Schultasche und erläutert anschließend, dass alle eine Schultasche mit fünf Gegenständen basteln]. [Mehrere Lernende]: Okay! (Video). Auffallend war, dass die Lernenden interessiert, fokussiert und mitunter auch amüsiert meine Vorführung verfolgt hatten [4b, 5b], sich teilweise von den Stühlen erhoben, um besser sehen zu können [2c], und sich selbst schwache und zurückhaltende Lernende zu Wort gemeldet hatten [4d, 5d]. Hervorzuheben ist auch, dass viele verschiedene Lernende aktiv an dem Ratespiel beteiligt waren und somit in kürzester Zeit etwa ein Drittel der Klasse zum Sprechen kam [2a, 5d, 5e]. S2 hatte sogar ein kleines Wortspiel mit Reim kreiert [4b, 5h] und sowohl S5 als auch S9 gaben unaufgefordert eine Ganzsatz-Antwort [5h, 5i]. Nach diesem kurzen Unterrichtsgespräch inklusive Formulierung der Aufgabenstellung übernahm die Lehrkraft wieder die Leitung. Eifrig wurde jetzt Papier gefaltet, ausge‐ schnitten und teilweise akribisch mit dem Lineal vermessen [10a], um ansprechende school 464 6 Forschungsfokus Klassenzimmer utensils zu kreieren [1b, 7d]. Selbst nachdem der Unterricht beendet war, arbeiteten manche noch weiter [4b, 8c, 9b, 11b]. In der 5. Stunde wurde die Storyline-Arbeit fortgesetzt. Noch in der Pause wurden die Gruppentische selbstständig zusammengeschoben [1b, 8c]. Manche begannen unverzüg‐ lich an ihren schoolbags zu arbeiten [10a] oder sich Material zu besorgen [7b]. An jedem Gruppentisch beschäftigten sich bereits mehrere Schülerinnen und Schüler konzentriert mit ihrer Aufgabe [8c, 9b, 11b]. Die Lehrkraft gab den Lernenden für das Basteln der Schultaschen noch fünf Minuten, um sie anschließend im Plenum vorstellen zu lassen. Nach den vereinbarten fünf Minuten sollten die Lernprodukte am Fries aufgehängt werden, doch bis die Präsentation beginnen konnte, vergingen noch weitere elf Minuten. Manche gingen zwischendurch an den Fries [8c, 9d, 9e], um sich umzuschauen [2c, 12a], etwas nachzu‐ lesen [5a, 12d] oder noch einen Gegenstand in ihre Schultasche zu stecken [1b, 11b]. Auf‐ fallend war die Vielfalt an Exemplaren, die sich durch Größe, Farbe, Format und Design unterschieden [8a, 9c]. Vor Beginn der Präsentation monierte die Lehrkraft, dass sich die Lernenden nicht an die Zeitangaben hielten und noch malten, woraufhin ein Junge einwarf: „Ich bin aber noch nicht fertig! “ (Video) [1d, 9b, 11b]. Deshalb wurde angeboten, die schoolbags mit nach Hause zu nehmen, um sie in Ruhe zu vervollständigen. Für Unruhe und Verwirrung sorgte die überraschende Ankündigung der Lehrkraft, dass alle das Extraarbeitsblatt (Reading for fun) als Hausaufgabe bearbeiten sollten, welches eigentlich als Differenzierungsmaßnahme bzw. freiwilliges Angebot gedacht war. Obwohl die Klasse intervenierte [8d], bestand die Lehrkraft darauf, dass alle das Arbeitsblatt bearbeiteten. Sie begründete ihre Entscheidung mit dem Übungseffekt und der Tatsache, dass schon viele das Arbeitsblatt hätten. Ich selbst war erstaunt, weil sie damit einen fundamentalen Eingriff in das Konzept vornahm. Schließ‐ lich wurde die Diskussion abgebrochen. Die Präsentation begann und plötzlich kehrte Stille ein [1e, 2c]: L: Look. Look here. Some pupils in Prince Eduard School [ein Junge geht spontan zum Fries, um besser zu sehen] in my class have really nice schoolbags. I really like some schoolbags [L nimmt eine Schultasche ab]. For exa/ for example, I like ... Alexandra/ [ein Mädchen meldet sich] Alexand‐ ra’s schoolbag [zeigt Tasche]. S1 [ruft dazwischen]: Das ist ja das Größte! L: That’s Alexandra’s schoolbag [klebt Tasche wieder an Fries und sucht weiter]. She’s/ she’s got a very nice schoolbag, a very small one. F: Now, what’s inSIDE the schoolbag? What’s inSIDE Alexandra’s schoolbag? L: Shall we look? [nimmt Tasche wieder ab und gibt sie an einen Tisch] Can you please look? [...] S2 [Schülerin packt aus und zeigt Gegenstand]: A book! S3 [Mädchen aus dem Off]: Ich habe die Sachen noch nicht beschriftet, weil [? ] Zeit [? ]. L: What is that? [S2 zuckt Schultern] S3: Das ist ein Federmäppchen! L: A pencil-case! S2: A pencil-case [...] (Video). 465 6.7 Fallstudie 6: Our Class (Klasse 5) Das Textbeispiel ist insofern interessant, als es der Lehrkraft hier tatsächlich gelang, einen situativen Rahmen für die Präsentation zu schaffen [2a]. Auffallend war, dass sich (die fiktive) Alexandra sofort meldete, als sie zwar nicht aufgerufen, aber benannt wurde [2d, 5b]. Positiv war zudem, dass die Lehrkraft einzelne Werke ausdrücklich lobte und somit den Lernenden ein Erfolgserlebnis vermittelte [4f]. Harmonisch verlief auch die Szene, als sie bereits die nächste Schultasche im Visier hatte und ich gespielt neugierig nach dem Inhalt von Alexandras Tasche fragte. Souverän fing sie meinen Ball auf und spielte die Situation weiter, so dass die Klasse gefesselt beobachtete, wie die Tasche geöffnet und aus‐ gepackt wurde [2c]. Die Lehrkraft ließ mehrere Schultaschen auspacken [5d, 11a] und jedes Mal wurde neu‐ gierig und manchmal auch kichernd verfolgt [4b, 5b], welche Inhalte sie enthielten [2c, 12a]. Sinnvoll war, dass die Lehrkraft nach einiger Zeit die Taschen auch von den eigent‐ lichen Besitzerinnen und Besitzern auspacken ließ, dabei aber leider sofort wieder die fiktive Ebene verließ und die Lernenden mit ihrem realen Namen ansprach. Später ging die Lehr‐ kraft - ganz im Sinne der Lernerorientierung - auf die Klasse ein und fragte: “What schoolbag do you want to see? “ (Video). Ein Junge nahm zielstrebig eine spezifische Tasche vom Fries [2c, 8b], packte sie aus und benannte die Gegenstände [5d]. Diese Szene war aus verschiedenen Gründen aufschlussreich: Sie demonstrierte, dass die Präsentation eine gute Möglichkeit bot, um Wortschatz situativ und spielerisch zu festigen [5e]. Sie lieferte zudem einen Beleg dafür, dass die Lernenden ihre Aufgaben ganz individuell gelöst hatten [9c]. Alles waren lobenswerte Arbeitsergebnisse, die nun mit Interesse betrachtet und bestaunt wurden [11d]. Als die Lehrkraft schließlich das Ende der Präsentation signalisierte, beharrten die Ler‐ nenden darauf, noch weitere Schultaschen auszupacken [8b], denn man war an den äußerst individuellen Ergebnissen der Klassenmitglieder interessiert [2c, 4b], weil im Gegensatz zum herkömmlichen Unterricht kein Produkt dem anderen glich [9b, 9c, 12a]. Bemer‐ kenswert waren auch einzelne Kommentare; beispielsweise sagte eine Schülerin, die gerade eine Tasche auspackte, ganz spontan und angemessen: “Again a book! “ (Video) [5d, 5 g, 11c]. Insgesamt dauerte die Vorstellung der Schultaschen etwa sechs Minuten, was im Ver‐ gleich zum zeitlichen Aufwand der Herstellung und zur ursprünglichen Planung verhält‐ nismäßig kurz, dafür aber sehr motivierend war [4b, 11a]. Die Lehrkraft nutzte die Gelegenheit, um den s-Genitiv einzuführen, allerdings weitaus ausführlicher und komplizierter, als dies vorab besprochen war. Aus meiner Sicht verwirrte sie manche mit ihren abstrakten Erklärungen mehr, als dass sie Klarheit vermittelte, und im Prinzip hätte ihr erster Satz ausgereicht: “When we say ‘Ah, that is Jessie’s schoolbag’, we write it like that“; dazu hielt sie das Beispiel “Jessie’s schoolbag“ an der Tafel fest (Video). Sinnvoll war dagegen, dass ein Schüler ein Beispiel anschreiben sollte (“Miss MacKenzy’s schoolbag“), um zu prüfen, ob die Struktur verstanden wurde [5f, 5h, 5i]. Letztendlich fand ich es schade, dass hier so viel Zeit verwendet wurde, um eine vermeintliche Besonderheit zu erklären, die a) selbstevident und b) aus dem Deutschen - bis auf die Schreibweise - bekannt war. Als sie damit drohte, dass auch in der 6. Stunde Englischunterricht stattfinden würde, wenn sich die Klasse beim Abschreiben des Tafelbildes nicht beeilte, erklang zu ihrer Überraschung ein freudiges „Jaaaa! “ (Video) [4a, 4b]. Die letzten Minuten wurden dazu genutzt, dass die Lernenden kurz ihr Lern- und Arbeitsverhalten reflektierten, um sie zu 466 6 Forschungsfokus Klassenzimmer 30 Der Satzanfang in Kursivschrift war vorgegeben. sensibilisieren und zugleich die Eigenverantwortlichkeit für Lernprozesse und -produkte zu erhöhen [8d]. In den zwei Freistunden reflektierte ich die ersten beiden Stunden (UR F). Was mir nicht behagte, war die Tatsache, dass die Lehrkraft häufig vor den Lernenden über den Unterricht sprach. In einem Fall teilte sie mir spontan mit: „Die Idee mit der Schultasche war süß, aber das Klassenzimmer finde ich chaotisch“ (UB). Eine Schülerin, die das Gespräch mitgehört hatte, schaute entsetzt auf. Offenbar fühlte sie ihre Arbeit, auf die sie sichtlich stolz war [4f], durch den Kommentar abgewertet. Auch wenn das Klassenzimmer „chaotisch“ war und ganz anders als geplant aussah, zumal die Lehrkraft hier lenkend hätte eingreifen können, war es ihr ganz individuelles Klassenzimmer (ownership) [8a, 9c], das es zu res‐ pektieren galt. Schön fand ich, dass manche Lernende mit viel Engagement [8c] liebevolle Zeichnungen für das fiktive Klassenzimmer angefertigt hatten [10a], während andere eher Bilder aus‐ schnitten [7b, 9c]. Was ich dagegen schade fand, war die Tatsache, dass die Lehrkraft fiktive und reale Namen abwechselnd benutzte und sich nie ganz auf die story einlassen konnte. Der Vormittag war sehr intensiv und ich machte einige Entdeckungen: Ein Schüler hatte in unserer Abwesenheit seine Figur fertiggestellt [1b, 8c, 10a] und am Fries befestigt [11a, 11b]. Alle hatten sich tatsächlich neue Namen gegeben [2d], wobei manche doppelt ver‐ treten waren (z. B. Spears). Hier hätte die Lehrkraft durch Fragen (“Are you sisters or cous‐ ins? “) steuernd eingreifen können. Auch hatten sich alle individuelle Straßennamen wie etwa Dog Street, Main Street oder Green Street überlegt [2e, 8a, 9c]. Interessant fand ich, dass die Lernenden immer wieder unaufgefordert den Fries konsultierten [8c, 9d], um Dinge nachzuschauen [7c, 12d], zu verändern [10a], zu verbessern [5h, 5i] oder zu er‐ gänzen [7d, 8d, 11b]. Auffallend war die hohe Motivation der Lernenden [3a, 4a, 4b]. Offenbar genossen sie das kreative Arbeiten und ließen sich viele außergewöhnliche Dinge einfallen, als es um das Herstellen der schoolbags ging, die teilweise ein sehr ausgefallenes Design hatten [8a, 9c, 10a]. Ein Junge fragte sogar nach Material, um seine schoolbag zu Hause fertig machen zu können [1b, 8c, 9d, 11b]. Aber auch das Fremdsprachenlernen kam nicht zu kurz: So wurde nicht nur nach typischen Schulsachen gefragt, sondern auch, was Wasserflasche oder Vesperdose auf Englisch heißt [5e, 5i, 11b]. Was mich erstaunte, war die Tatsache, dass die Lernenden bereits kleine Wortspiele oder humorvolle Kommentare machen konnten [4b, 5g, 5h], obwohl sie erst zwei Monate Englischunterricht hatten. So schrieb der Junge, der Bart Simpson verkörperte, in seiner Biographie: “I have a girl-friend“ 30 [2d, 2e, 5c, 9c]. Bei der gemeinsamen UR bat ich die Lehrkraft, im Hinblick auf die drei Stunden einige Highlights und Schwachstellen zu benennen. Als positive Erfahrung bezeichnete sie, dass die Lernenden „können und wollen, wenn es etwas Interessantes gibt“ (UR F+L) [8c, 9a, 9b]. Als problematisch empfand sie das unterschiedliche Arbeitstempo [1d], so dass ich noch einmal an die Pufferfunktion des Arbeitsblattes Reading for fun erinnerte, welche jetzt durch die gleichgeschaltete Hausaufgabenstellung im wahrsten Sinne des Wortes verpufft war. 467 6.7 Fallstudie 6: Our Class (Klasse 5) Auffallend fand die Lehrkraft die Leistungsunterschiede, die beim Herstellen der Schul‐ taschen gut sichtbar wurden [8a]. Über den Verlauf der Phantasiereise zeigte sie sich positiv überrascht und wunderte sich, dass die Klasse sie offenbar problemlos verstanden hatte [5b], obwohl sie zu Beginn große Bedenken gehabt hatte, die Geschichte auf Englisch zu erzählen. Auch das Aufrufen der einzelnen Namen befand sie für gut und staunte, wie sehr sich die Lernenden darüber gefreut hatten [2d, 4b]. Als „sehr schön und motivierend“ (UR F+L) bezeichnete sie meine Einführung der schoolbag [2a]. Die Lernenden hätten zwar weit über die geplante Zeit [1d], dafür aber sehr motiviert an ihren eigenen Schultaschen gear‐ beitet [9b, 10a]. Erstaunt nahm sie zur Kenntnis, dass alle unbedingt schöne Exemplare herstellen wollten [11b] und manche lauthals protestierten, als die Präsentation angesagt wurde. Am nächsten Tag fand nur eine Einzelstunde statt. Die Lernenden packten zunächst noch einmal einige ihrer selbst gebastelten schoolbags aus, um spielerisch und zugleich kontex‐ tualisiert die neuen sprachlichen Mittel zu wiederholen [2a, 5e]. Danach deutete die Lehr‐ kraft auf den Fries: “There’s a schoolbag“ (UB). Auf die Frage, wem die Schultasche gehören könnte, kam aus der Klasse die Antwort: “It’s Doris Kocher’s schoolbag“ (UB) [2e, 9c]. Als dies verneint wurde, zeigte man sich überrascht [2c]. Das anschließende Auspacken der Schultasche war mit viel Spaß verbunden [4b]. Als ein Schüler die “lunchbox with oranges“ zeigte (UB), reagierte die Lehrkraft verblüfft und wunderte sich, woher er den Begriff kannte. Sie wusste nicht, dass mich der Junge am Vortag danach gefragt hatte [5e, 5i]. Gruppe 1 sollte die Figur (Carol Bell) herstellen und zu der biography - anders als ur‐ sprünglich geplant - auch eine student card erstellen, während die anderen Gruppen kurze Gedichte verfassten. Die Figur (in Schuluniform! ) [3c, 10a] wurde zwar nicht ganz fertig, doch die dazugehörigen Schreibarbeiten wurden mit viel Mühe erledigt [2e, 5c, 11b]. Das Anfertigen der Gedichte wurde durch einige Beispiele per Folie angeleitet, aber die Ler‐ nenden hätten offenbar lieber auch etwas gebastelt. Dennoch fertigten sie kreative Texte an [5c, 9c], die im Plenum vorgetragen [5d] wurden. Das folgende Beispiel gibt einen Eindruck über die Qualität der Texte: My name is Phil I like my pencil I am eleven Ben is seven He has a book that’s very good (Poems 1). Auch wenn das Gedicht einfach war, für Lernende mit nur zwei Monaten Englischunterricht stellte es eine erstaunliche Leistung dar, denn es hatte einen kohärenten Inhalt [2b], einen erkennbaren Rhythmus und sogar einen Reim [5g, 5h]! Und: Es war sprachlich korrekt [5i]! Die Lehrkraft hatte an diesem Tag leider keine Zeit für eine gemeinsame Reflexion, so dass diese entfiel. Der nächste Englischunterricht erfolgte zwei Tage später. In der 4. Stunde wurde die neue (fiktive) Schülerin Carol Bell sowie ihre student card und biography präsentiert [5d]. Außerdem wurde ihre Schultasche noch einmal ausgepackt, um auf ihre likes and dislikes 468 6 Forschungsfokus Klassenzimmer einzugehen und somit ihre Identität zu spezifizieren [2e]. Neugierig fragten einige Schü‐ lerinnen und Schüler: „Wann kommt jetzt die Carol Bell? “ - „Kriegen wir jetzt ‘ne neue Schülerin? “ - „Kommt eine aus London? “ (UB). Offenbar schien sie dieser Gedanke zu fas‐ zinieren [2c, 3a]! Mit Bezug auf Carol Bells Vorlieben und Abneigungen, also eingebettet in eine sinnstif‐ tende Rahmenhandlung [2a], stellte die Lehrkraft verschiedene Fragen mit to do, die in kurzen Sätzen beantwortet werden sollten: “Does she like ...? “ - “Yes, she does“ bzw. “No, she doesn’t“. Dabei wurden zum Kontrast auch Fragen an die Lernenden selbst bzw. an die fiktiven pupils gerichtet (“Do you like ...? “) [8a]. Auf diese Weise wurden nicht nur inhalt‐ liche Sachverhalte aufgefrischt, ergänzt und ausgetauscht [2b, 2d, 2e], sondern auch sprachliche Aspekte wiederholt und strukturiert [5d, 5f]. Im Prinzip war die Entwicklung der Geschichte (die story line) an dieser Stelle abge‐ schlossen, so dass es nun an der Zeit war, die Präsentation für den Klassenpflegschaftsabend vorzubereiten. Grundidee war, dass die Lernenden in Partnerarbeit einen Kurzbeitrag zu Our Class gestalten, um den Eltern einen Gesamtüberblick über das Storyline-Projekt zu verschaffen. Für diesen Zweck wurden im Plenum Ideen gesammelt, auf einem Poster fest‐ gehalten und mit den entsprechenden Namen versehen [8a, 8b, 9e]. Es wurden erstaunlich vielseitige Vorschläge gemacht [9b, 9c, 11a]: ein Rollenspiel aufführen [10b], schoolbags auspacken [5e], das fiktive Klassenzimmer vorstellen [5e], ein Gedicht aufsagen [5g, 5h], ein Lied singen [10c], um nur einige Beispiele zu nennen [5d, 10d]. Als Hausaufgabe sollten die Kurzvorträge ausgearbeitet und geübt werden. Im Anschluss an den Unterricht fand eine kurze UR mit der Lehrkraft statt. Als positiv empfand ich, dass die Lernenden schon vor Unterrichtsbeginn und vollkommen selbst‐ ständig die Tische in Gruppen arrangiert hatten [1b, 8b, 8c]. Amüsant fand ich die inte‐ ressierten Fragen nach Carol Bell, die darauf hinwiesen, dass die Geschichte mit Neugier und Spannung verfolgt wurde [2c, 3a]. Zwischenzeitlich (und endlich) waren auch alle bis auf eine Figur fertiggestellt und am Fries aufgehängt [2d, 10a]. Warum dieser Prozess na‐ hezu zwei Wochen gedauert hatte, war mir allerdings unbegreiflich: Erkannte die Lehrkraft nicht die Bedeutung dieser spezifischen Details (UR F)? Unklar war mir auch, warum die Lehrkraft bei der Ideensammlung für die Projektpräsentation nicht - wie ausführlich be‐ sprochen - klare thematische Vorgaben gemacht hatte, sondern ganz beliebige Vorschläge unkommentiert sammelte. Die Lehrkraft hingegen monierte, dass es in dieser Stunde wieder unruhig war [1e]. In den nächsten beiden Stunden sollte im Wesentlichen noch einmal das Programm für den Klassenpflegschaftsabend diskutiert, spezifische Präsentationstechniken trainiert sowie der Programmablauf einstudiert werden. Um eine authentische Situation zu kreieren und zugleich das Lampenfieber zu reduzieren, wurde die Präsentation gefilmt, das heißt, die Kamera übernahm quasi die Funktion des Publikums. Noch vor Unterrichtsbeginn betrachteten einige Lernende interessiert den Fries [12a, 12c, 12f] und zwei Mädchen übten bereits ihren Vortrag ein [1b, 5d, 8c, 11b]. Dann äu‐ ßerten die Lernenden im Plenum nacheinander ihre Ideen [8a, 8b, 9c], die von uns eventuell noch kommentiert wurden, so dass am Ende alle eine motivierende und weitgehend selbst ausgewählte Aufgabe hatten [9e]. Ich staunte, dass fast alle ganz konkrete Vorstellungen hatten [8c] und wie intensiv sich manche vorbereitet [1b, 11a, 11b] und teilweise sogar 469 6.7 Fallstudie 6: Our Class (Klasse 5) mehrere Tüten mit Material mitgebracht hatten [7b, 9c]. Die Lehrkraft setzte ein time limit und gab noch einige Tipps zu Präsentationstechniken. Danach begannen die Lernenden ihre Beiträge einzustudieren, indem sie sich an verschiedene Orte zurückzogen [9d]. Manche holten Materialien aus dem Schrank [7b], einige standen am Fries zum Schmökern [5a, 12c, 12d], während wieder andere miteinander verhandelten [6c]. Manche wollten ausdrücklich ohne Hilfe arbeiten [8c], während andere bei Bedarf nach uns riefen [11b]. Interessant war, dass die Lernenden immer wieder an den Fries gingen, um nach benö‐ tigten Informationen zu recherchieren [7c, 8c, 11b, 12d]. Einige Jungen, die ein selbst verfasstes Gedicht vortragen wollten, gingen auf dem Flur auf und ab, um ungestört das Synchronsprechen zu üben [5d, 6c, 9d]. Auf der Toilette verkleideten sich einige Mädchen als Nikolaus, Knecht Ruprecht und Engel [8a, 9d, 10b]. Im mitgebrachten Sack befanden sich Kleidungsstücke, die sie dem Publikum präsentieren wollten [5e, 7b, 9c]. Zwei andere Mädchen studierten intensiv ein Lied mit Choreographie ein [8a, 10c, 10d] und bei jedem Durchgang dachten sie sich neue Ideen aus [8c, 9c, 11b]. Nach (nur) etwa zehn Minuten Vorbereitungszeit sollte das komplette Programm vor‐ geführt werden. Als zu Beginn zwei Jungen leise zählten, um den Einstieg in ihr Lied zu finden [10c], machte die Lehrkraft einen sprachbezogenen Kommentar, doch die Schüler ließen sich davon nicht stören. Die Klasse staunte über den gelungenen Gesang [11d]. Auch als zwei Mädchen eine Wäscheleine durch den Raum spannten und diverse Kleidungsstücke aufhängten [7b, 9c], die sie gleichzeitig benannten [5e], wurde dies mit Spannung verfolgt. Wieder war es ganz leise im Raum, um nichts zu verpassen [2c, 5b]. Beeindruckend fand ich die Aufführung von zwei Mädchen, die sich nicht nur leistungs‐ mäßig, sondern auch charakterlich stark unterschieden und trotzdem (oder vielleicht ge‐ rade deshalb) harmonisch miteinander arbeiteten [6c]. Sie bauten vor dem Fries mit Hilfe eines Tisches eine kleine Bühne auf, nahmen ihre Figuren und Schultaschen von der Wand und führten ein etwa 2-minütiges Rollenspiel auf [2d, 10b], das sie selbstständig vorberei‐ tetet hatten [8a, 8c, 9c]. Hervorzuheben ist, dass die beiden Mädchen während des Dialogs [5d, 5g] durchgängig mit ihren Figuren spielten, denn sie imitierten Gehbewegungen und kleideten die Figuren mit den jeweils erwähnten Kleidungsstücken an [5e, 10b]. Dies war sicher mit ein Grund dafür, dass die eine Schülerin immer wieder stockte und konzentriert auf ihre Figur schaute, während die andere sehr präsent wirkte und ihrer Mitschülerin als Souffleuse diente [5i, 6c], ohne dass dies als störend oder peinlich empfunden wurde [4d]. Nicht nur die beiden Mädchen, sondern auch die Zuhörenden schmunzelten oder lachten zwischendurch - ein Zeichen dafür, dass sie den Inhalt verstanden [5b] bzw. den Vortrag ansprechend fanden [11d]. Das Dolmetschen und fürsorgliche Vorsagen [5d, 6c] stellte eine authentische Situation dar, wie sie auch im realen Leben entstehen kann, wenn early beginners in eine unvorbe‐ reitete oder unerwartete Konversation gelangen [5g, 5i]. Interessant war auch, wie eine der beiden versuchte, ein ihr unbekanntes Wort zu „übersetzen“, indem sie den deutschen Begriff „Schal“ englisch aussprach [5h], sich aber über den „Fehler“ durchaus bewusst war [5i]. Positiv fand ich, dass sich die Lehrkraft hier zurückhielt und den Dialog nicht wie so oft korrigierend unterbrach. Dass dieses Rollenspiel relativ spontan aufgeführt wurde, zeigte sich bei der zweiten Generalprobe: Die Struktur des Dialogs war ähnlich, doch Inhalt und Sprache variierten zum Teil [2e, 5 g, 8d]. Das Üben für die Präsentation stellte somit 470 6 Forschungsfokus Klassenzimmer eine komplexe authentische Aufgabe dar [9b, 11b], um mit der Sprache in einem sinner‐ füllten Kontext [2a] intensiv zu experimentieren [5d, 5h, 5i]. Auch vier Jungen, die ihre Figuren vorstellen wollten, hatten sich eine kleine Bühne aufgebaut [8a, 8c, 9c] und führten nun mit verstellten Stimmen eine Art Puppentheater auf, indem sie sich gegenseitig nach Namen, Alter und Befinden befragten [5d, 5 g, 10b]. Selbst als das Pausenzeichen ertönte, spielte die Gruppe weiter [11a] und die Klasse ver‐ folgte das Geschehen interessiert bis zum Schluss [1b, 2c, 5b]. Auffallend war, dass beide der hier vorgestellten Gruppen durchgängig aus der Pers‐ pektive ihrer Figuren agierten und keinerlei Probleme mit der Rollenübernahme hatten [2d]. Hervorzuheben ist auch, dass fast alle Beiträge humorvoll waren und die Lernenden entweder Wortspiele oder kleine Gags einbauten [2e, 5h], um das Publikum zum Lachen zu bringen [4b, 4d]. Die folgenden Ausschnitte verdeutlichen, dass die Präsentationen stets individuell [8a, 9c, 11b] und somit nicht vergleichbar mit den üblichen Angeboten in Lehr‐ werken waren: [2 Jungen stehen am Fries] S1 [nimmt eine Schultasche vom Fries]: This is my schoolbag! [öffnet sie] In my schoolbag/ ... [reagiert erstaunt] ... What’s that? [hält eine echte Socke hoch] This is a sock! ... And a book [zeigt gebasteltes Buch] and a pen [zeigt] and folder [zeigt] and a exercise-book [zeigt] [...] (Video). Auch die Präsentation von zwei Jungen, die im nachfolgenden Beispiel aus Karton eine kleine Tür gebastelt [10a] und auf einem Tisch, der als Bühne fungierte, aufgebaut hatten, war außergewöhnlich kreativ (8a, 8c, 9c). Sie setzten einen bekannten englischen Reim szenisch um [3c, 5d, 5g], indem eine Figur an die besagte Tür klopfte, diese öffnete und ein imaginäres Klassenzimmer betrat, wo sie von der anderen Figur mit folgenden Worten begrüßt wurde [10b, 10d]: 1, 2, 3, 4 Please come in and shut the door. 5, 6, 7, 8 It’s time for school you’re very late. 9, 10, 9, 10 Don’t be late for school again (Video). In der Hauptgeneralprobe verzichteten die beiden auf das Rollenspiel mit den Figuren [8d] und inszenierten das Gedicht spontan - und ohne unser Einwirken - als kleine Aufführung an der realen Tür, indem sie die Rollen selbst übernahmen [8c, 9c, 10b]. Der Beitrag der drei Mädchen, die sich in Eigeninitiative weihnachtlich verkleidet hatten [7b, 8a, 8c, 9c] und nun erstmals das Klassenzimmer betraten [10b, 10d], sorgte für Staunen und Heiterkeit [2c, 4b, 11d]: S1 [als Nikolaus verkleidet]: Hello, my name is Santa Claus! S2 [verkleidet und mit Sack]: Hello, my name is Knecht Ruprecht! S3 [als Engel verkleidet]: And my name is Angel! [zu S2 schauend] In your sack are many things. [S2 gibt Sack in die Mitte; S1 wühlt im Sack] S4 [aus Plenum]: Oh, a sock! [Klasse lacht] 471 6.7 Fallstudie 6: Our Class (Klasse 5) S1 [holt eine Mütze aus dem Sack]: This is a top! Äh/ [Klasse und alle drei Mädchen lachen herz‐ haft] ... This is a cap [...] (Video). Positiv fand ich das unterstützende und wertschätzende Verhalten der Lehrkraft während dieser ersten Probe: Zwar unterbrach und korrigierte sie noch immer gelegentlich die Lernenden, aber weitaus weniger und dezenter als zuvor. Auch machte sie Verbesserungs‐ vorschläge zum Ablauf und lobte die Lernenden mit echter Beteiligung und Stolz. Nach einer kurzen Konzentrationsübung begann die Hauptgeneralprobe. Ohne unser Mitwirken wurden die meisten Beiträge noch einmal umformuliert oder teilweise sogar inhaltlich neu konzipiert [8c, 8d, 9c, 11b]. Alle Präsentationen wirkten jetzt sprachlich geschliffener und flüssiger, so dass ein echter Lernzuwachs erkennbar war [5d, 5i]. Die Generalprobe wurde mit einem spontanen Applaus beendet [4f, 11d] und die Lehrkraft lobte die Klasse für ihr Engagement. Nach Unterrichtsende ergab es sich, dass ich mit dem Jungen, der bei der späteren SABS leider nicht anwesend war, ein kurzes mündliches Interview durchführen konnte. Auf meine Frage, wie ihm das Projekt gefällt, antwortete er mit „gut! “ [4a]. Als ich nachfragte, was ihm besonders gut gefällt, zögerte er und sagte dann: „Hm ... alles! “. Also hakte ich nach: „Was gefällt dir nicht so gut? “ Wieder überlegte er: „Da fällt mir nichts ein! ... Na ja, vielleicht unsere Gruppeneinteilung. Die haben so durcheinander gesprochen“ (MEBS29) [6b, 8d]. Er war Mitglied der Jungengruppe, die mit ihren Figuren ein Rollenspiel aufgeführt hatte. Im Anschluss an den Unterricht fand eine UR mit der Lehrkraft statt. Ich freute mich über ihren rundum positiven Eindruck, denn in der Vergangenheit hatte ich oft das Gefühl gehabt, dass sie den Lernenden nicht viel zutraute. Nicht umsonst wechselte sie ständig zwischen Deutsch und Englisch. Nun hatten die Schülerinnen und Schüler bewiesen, was sie können und über welche Potenziale sie verfügen [8b]. Auffallend war, dass sich wirklich alle Lernenden große Mühe gegeben hatten [8c] und für die eingangs gestellte Aufgabe, nämlich einen Beitrag für die Schlusspräsentation vorzubereiten [9b], ausgefallene und individuelle Lösungen fanden [8a, 9e], die somit die Heterogenität der Klasse positiv spie‐ gelten. Jeder Vortrag war ein Unikat [5d, 9c] und trotzdem handelte es sich um ein (überaus gelungenes) Gemeinschaftsprodukt [6d]. Manche hatten für ihre Präsentation einen er‐ staunlichen (Material-)Aufwand betrieben [7b], um sich positiv abzuheben. Nicht zuletzt wollte man auch die Eltern - das eigentlich anvisierte Publikum - beeindrucken [1b, 11a, 11b]. An den eindeutigen Reaktionen der Vortragenden war leicht erkennbar, dass ihnen die Präsentation der Ergebnisse Freude bereitete und sie mit Stolz erfüllte [4b, 4f]. Die Lehrkraft staunte vielfach über die Leistungen einzelner Schülerinnen und Schüler. Besonders einer der zwei Jungen, die den Reim “1, 2, 3, 4“ inszeniert und in der Hauptge‐ neralprobe spontan umgestaltet hatten [5h, 8c, 8d], fiel ihr positiv auf. Überrascht war sie auch über die mühelose Darbietung der fiktiven Jessie Smith, die ihrer etwas unkonzent‐ rierten Mitschülerin helfend unter die Arme gegriffen hatte, um ein insgesamt gelungenes Gemeinschaftsprodukt präsentieren zu können [6c, 6d]. Etwas nachdenklich und erstaunt gestand die Lehrkraft: „Manche lernte ich ganz neu kennen! “ (UR F+L). Ähnliche Erkennt‐ nisse wurden bekanntlich auch in den anderen Studien gewonnen und im Gespräch spontan geäußert. 472 6 Forschungsfokus Klassenzimmer Da der geplante Klassenpflegschaftsabend erst 2 Wochen später stattfinden sollte und einige Lernende zudem Bedenken geäußert hatten, ihren Vortrag vor einem großen, weit‐ gehend unbekannten Publikum zu halten, kam jetzt der Vorschlag auf, statt einer Auffüh‐ rung in Echtzeit, eventuell einige Videomitschnitte zu präsentieren, um den Eltern auf diese Weise einen authentischen Eindruck von der Storyline-Arbeit zu vermitteln [8b, 8d]. 6.7.6 Die schriftliche Befragung der Lernenden Die SABS wurde von mir drei Tage nach Abschluss des Projekts durchgeführt. Da Zehn- oder Elfjährige noch nicht über ein ausgeprägtes Abstraktionsvermögen verfügen und sich erfahrungsgemäß nicht lange konzentrieren können, wurde der bisherige Fragebogen auf insgesamt 7 Fragen reduziert und teilweise leicht umformuliert. Sinnvoll erschien mir auch, den Lernenden durch entsprechende Satzanfänge eine Starthilfe zu geben. Auf inhaltlicher Ebene unterscheidet sich der Fragebogen jedoch nicht wesentlich von den bisherigen, denn die für das Erkenntnisinteresse relevanten Fragen wurden alle berücksichtigt (vgl. Anhang A). Wie sich bei anderen Gelegenheiten gezeigt hatte, bereitete es den Lernenden Spaß, einen Fragebogen auszufüllen und die eigene Meinung mitzuteilen. Da manche jedoch massive Rechtschreibbzw. Formulierungsschwächen und andere erhebliche Konzentrations‐ schwächen hatten, so dass sie ihre Texte mitunter mitten im Satz abbrachen, entschied ich mich dafür, dass die Lernenden ihren Namen auf dem Fragebogen angeben sollten, so dass ich im Zweifelsfall nachfragen konnte. Obwohl dadurch die Anonymität aufgehoben wurde, erwies sich diese Vorgehensweise als äußerst sinnvoll, denn manche Begriffe konnten nur unter Mithilfe der Lernenden entziffert bzw. interpretiert werden (z. B. „Fense“ = Fernseher). Im Vergleich zu den bisherigen Befragungen fielen die Antworten in dieser Klasse er‐ wartungsgemäß relativ knapp und streng auf die Frage fokussiert aus, so dass sie in der Regel leicht zuzuordnen waren. Nur selten wurden ergänzende Erläuterungen aufgeführt, wie dies bei den Lernenden in den höheren Klassen häufig der Fall gewesen war. An der Befragung nahmen 28 Lernende teil: 9 Mädchen und 19 der insgesamt 20 Jungen. Da das Alter aus der Klassenliste bekannt war, wurde in der Befragung auf die Altersangabe verzichtet. Der Vollständigkeit halber werden diese Daten hier jedoch aufgeführt. Angaben in der Klassenliste Gesamtzahl Mädchen Jungen 10 Jahre alt 14 7 7 11 Jahre alt 14 2 12 Gesamtzahl der Befragten (= n) 28 9 19 Tab. 50: Anzahl, Alter und Geschlecht der Befragten (Klassenliste) Wie aus Tabelle 50 ersichtlich ist, wies die Klasse eine relativ homogene Altersstruktur auf: Die Befragten waren jeweils zur Hälfte 10 bzw. 11 Jahre alt, wobei die Mädchen tendenziell jünger waren. 473 6.7 Fallstudie 6: Our Class (Klasse 5) Auf die Frage, was den Lernenden bei dem Storyline-Projekt am besten gefallen hat (Frage 1), wurden viele verschiedene Aspekte genannt. Hinsichtlich der Quantität der Äu‐ ßerungen (44 Nennungen) nimmt diese Studie im Vergleich zu den anderen Klassen aller‐ dings nur einen Platz im Mittelfeld ein. Dies war jedoch mit Blick auf die Altersstruktur und die entsprechend eingeschränkte Reflexions- und Ausdrucksfähigkeit der Befragten nicht anders zu erwarten. Nichtsdestotrotz wurden jeweils 1 bis 3 Punkte aufgeführt. In‐ teressant ist, dass insbesondere die Mädchen (4 Mal) voll und ganz zufrieden mit der Pro‐ jektdurchführung schienen (Ziffer 5 und 14). Was sofort ins Auge sticht, ist die Tatsache, dass kein einziges Mal Gruppenarbeit als positives Merkmal hervorgehoben wurde, obwohl dieser Aspekt bei den anderen Studien immer einen Spitzenplatz innehatte. Allerdings muss hier berücksichtigt werden, dass das kooperative Arbeiten von der Lehrkraft nicht wirklich gefördert wurde. Eintrag im Fragebogen Anzahl der Nen‐ nungen Kategorien 1) die Figuren; die „Männchen“; die „Schüler“ 10 2d, 10a 2) die Figuren bzw. die „Schüler“ basteln 7 2d, 10a 3) das Filmen; den Film drehen; gefilmt werden 7 7f, 11a 4) die Schultasche(n) bzw. Schulranzen 4 10a 5) alles 3 4a 6) das Klassenzimmer bzw. „Zukunftsklassenzimmer“ 3 8a, 9c, 10a 7) die „gelben und rosa Blätter“; die „ganzen dazugehörigen Blätter“ 2 5c, 7a, 9a 8) die Ausweise 2 2d, 5c, 9b 9) die Schultasche basteln 1 10a 10) Fernseher und Computer „auf dem Poster“ 1 8a, 9c, 10a 11) selbstgemachtes Klassenzimmer vorstellen dürfen 1 4f, 5d, 9e, 11a 12) mit Phantasie arbeiten dürfen 1 9c 13) man hat dabei viel gelernt 1 4b, 4f 14) gut gefallen (ohne spezifische Angabe) 1 4a Gesamtzahl der Nennungen 44 Tab. 51: Frage 1: „Was hat dir bei dem Projekt ‘Our class‘ am besten gefallen? Am besten gefallen hat mir bei ‘Our class’ ...“ Betrachtet man die Angaben im Detail, dann fällt auf, dass sich weit mehr als die Hälfte der Äußerungen, nämlich 26 der 44 Nennungen (59 %), auf konkrete Lernobjekte wie Figuren, Schultaschen, Klassenzimmer bzw. deren Herstellung beziehen (Ziffer 1-2, 4, 6, 9-10). Die Aufgabe, ein (ideales) Klassenzimmer zu konzipieren, war offenbar auch gerade deshalb 474 6 Forschungsfokus Klassenzimmer motivierend, weil eigene Ideen und Vorschläge eingebracht werden konnten. Positiv ist, dass bei Ziffer 7 und 8 immerhin 4 Lernende Gefallen an den schriftlichen Arbeiten äußerten und die Arbeitsblätter, die auch zur Rollenidentifikation beitrugen, für gut befanden. Zu‐ sammen mit der Nennung bei Ziffer 11 konzentrieren sich also 5 Äußerungen auf fremd‐ sprachenbezogene Aspekte: Schreiben und Präsentieren. Während sich in Klasse 9 und 10 einzelne Lernende durch die Filmkamera gestört fühlten, fanden es in dieser Klasse 6 Jungen und 1 Mädchen, also ein Viertel der Befragten, besonders gut, dass sie gefilmt wurden bzw. dass ein Film erstellt wurde. Zum Story-Format oder zur Rollenübernahme äußerte sich, wenn man von den Angaben zu den Figuren (Ziffer 1 und 2) bzw. Ausweisen (Ziffer 8) absieht, niemand explizit. Da die Lehrkraft weder die Rollen‐ identifikation noch die Entwicklung der Geschichte intensiv gefördert hatte, ist dieses Er‐ gebnis nicht verwunderlich. Dennoch scheint der Aspekt der Rollenübernahme für viele bedeutsam gewesen zu sein: In den Fragebögen wurde weitaus mehr Bezug zu den Figuren als zu anderen kreativen Ergebnissen wie etwa Klassenzimmer oder Schultaschen ge‐ nommen. Bemerkenswert ist, dass 1 Schülerin bei Ziffer 13 nicht den Spaßfaktor in den Vorder‐ grund stellte, sondern den Lernerfolg, den sie durch das Storyline-Projekt verbuchen konnte. Auch wenn sie sich nicht detailliert zu einzelnen Lernbereichen äußerte, ist die Aussage von elementarer Bedeutung: Schülerinnen und Schüler wollen nicht nur Spaß haben, sondern sie brauchen auch das Gefühl, die Unterrichtszeit lernwirksam genutzt zu haben! Durch Frage 2 sollten eventuelle Schwachstellen des Storyline-Projekts ermittelt werden. Die Ergebnisse belegen jedoch, dass Our Class bei der 5. Klasse offenbar gut ankam, denn 11 der insgesamt 28 Befragten (39 %) äußerten keinerlei Kritik. Zählt man die Nennung bei Ziffer 11 noch dazu, dann sind es sogar 12 Lernende (43 %). So viel uneingeschränkte Zustimmung hatte es noch bei keinem Projekt gegeben. Eintrag im Fragebogen Anzahl der Nen‐ nungen Kategorien 1) Lautstärke; Unruhe 5 1e 2) die Figur 2 7d 3) große Schulranzen für kleine Figuren 1 7d 4) die Schulranzen machen 1 10a 5) das Klassenzimmer 1 7d 6) „das viele Schreiben“ 1 5c, 9a 7) den Ausweis machen 1 5c, 10a 8) „bei Our classroom war es ein bisschen chaotisch“ 1 1d, 6c 9) Gruppenarbeit wurde von vielen zum Schwatzen genutzt 1 1e, 6c 10) Zeitdruck 1 1d 475 6.7 Fallstudie 6: Our Class (Klasse 5) 11) eigene Fehlzeiten 1 1b, 4a 12) gefilmt werden 1 7f Gesamtzahl der Nennungen 17 Tab. 52: Frage 2: „Was hast du nicht so gut gefunden? Nicht so gut gefunden habe ich bei ‘Our class’ ...“ Die Äußerungen sind relativ eindeutig und müssen nicht ausgiebig erläutert werden. Hauptkritikpunkt war der erhöhte Lärmpegel, der bei Ziffer 1 und 9 von insgesamt 6 Ler‐ nenden als störend empfunden wurde, wobei 1 Schülerin freimütig ihre Beteiligung daran gestand. Insgesamt 5 Lernende waren bei Ziffer 2-3, 5 und 8 mit ihren persönlichen Ergeb‐ nissen unzufrieden und 1 Schülerin bedauerte ausdrücklich, „das ich mein Mänchen nicht so gut gemacht habe“ (S4). Dass es sich in diesem Fall um die individuelle Aufgabenlösung und nicht etwa um die Aufgabenstellung handelte, zeigt die Gesamtanalyse des spezifischen Fragebogens. 3 Jungen übten bei Ziffer 4, 6 und 7 dagegen Kritik an spezifischen Aufgabenstellungen. Erhellend ist der Blick in den Fragebogen des Schülers, dem das Erstellen des Ausweises missfiel, denn bei Frage 3 äußerte er den Verbesserungsvorschlag: „Was selbst erfinden beim ausweis“ (S16). Offenbar fühlte er sich von den Vorgaben der Lehrkraft gegängelt und ver‐ misste es, eigene Ideen einbringen zu können. Interessant ist, dass einige Lernende ganz klar die Schwachstellen der Projektdurchfüh‐ rung benennen konnten, wie etwa die Lautstärke, die lehrkraftzentrierten Vorgaben bzw. die fehlende Mitbestimmung der Lernenden oder die unvorteilhafte Organisation der Ar‐ beit. Doch wenn Lernende bedauern, „das ich manchmal gefehlt habe“ (S24), dann scheint das Projekt - trotz mancher Unstimmigkeiten - insgesamt motivierend gewesen zu sein. Frage 3 sollte die Lernenden zu Verbesserungsvorschlägen anregen. Auch in diesem Fall war das Ergebnis überraschend: 16 der 28 Befragten (57 %) zeigten sich mit dem Story‐ line-Projekt voll und ganz zufrieden und sahen keine Veranlassung für Veränderungen. So viel Zuspruch hatte keines der bisher ausgewerteten Projekte erhalten! Eintrag im Fragebogen Anzahl der Nen‐ nungen Kategorien 1) das bzw. unser Klassenzimmer 4 7d 2) „meinen Schüler“; „die Männchen sind fehlerhaft“ 2 7d 3) die Schulranzen kleiner machen 1 7d 4) „die konzentration von uns allen“ 1 8c 5) „was selbst erfinden beim ausweis“ 1 8a, 9c 6) Gruppenarbeit war zu laut 1 1e, 6c 7) nicht so viel schreiben 1 5c, 9a 476 6 Forschungsfokus Klassenzimmer 8) „ich mich im Englisch sprechen“ 1 5d, 5i Gesamtzahl der Nennungen 12 Tab. 53: Frage 3: „Was könnte man besser machen? Verbessern könnte man ...“ Die Verbesserungsvorschläge bezogen sich weitgehend auf die bereits bei Frage 2 geäu‐ ßerten Kritikpunkte und müssen deshalb nicht noch einmal im Detail wiederholt werden. Interessant und im Vergleich zu den anderen Studien außergewöhnlich ist, dass sich 10 der 12 Verbesserungsvorschläge direkt auf die individuelle Arbeit und Leistung bezogen und nicht etwa auf äußere Einflüsse. Nur 2 Lernende machten bei Ziffer 5 und 7 Angaben zu den Aufgabenstellungen. Das Resultat belegt somit nicht nur, dass das Storyline-Konzept von den Lernenden befürwortet wurde, sondern auch, dass sie hohe Ansprüche an sich selbst hatten und ihre Lernprodukte bzw. Lernprozesse kritisch reflektierten und evalu‐ ierten. Auch die Frage nach einer möglichen Projektverlängerung (Frage 4) brachte unerwar‐ tete Ergebnisse: Obwohl sich zuvor sehr viele Lernende positiv über Our Class geäußert hatten, wurde die Frage nach der Weiterarbeit jetzt von insgesamt 8 Lernenden negativ beantwortet. Auffallend ist, dass sich verhältnismäßig viele Mädchen, nämlich 4 der 9 be‐ fragten Schülerinnen, gegen eine Fortsetzung aussprachen. Das Ergebnis darf jedoch kei‐ neswegs als Ablehnung der Vorgehensweise interpretiert werden, denn bei Frage 6 gaben genau diese Lernenden bis auf 1 Ausnahme (S13) an, gerne öfters Storyline-Projekte durch‐ führen zu wollen. Offenbar hatte das Storyline-Projekt, das sich über einen Zeitraum von mehr als zwei Wochen erstreckt hatte, für diese 8 Lernenden genau die richtige Länge gehabt. Ein Junge (S28) äußerte sich zu dieser Frage gar nicht und wird deshalb in der tabellari‐ schen Aufführung nicht berücksichtigt. Allerdings zeigt der Blick in seinen Fragebogen, dass er eine grundsätzlich positive Einstellung zur Storyline-Arbeit hatte. Eintrag im Fragebogen Anzahl der Nen‐ nungen Kategorien 1) ja, noch 1 Woche bzw. noch 4-5 Tage 7 4a 2) ja, „ich hätte bestimmt 2 Wochen länger gearbeitet“; noch ca. 2 Wochen 2 4a 3) ja, 2 Jahre 1 4a 4) ja, „durch’s ganze Schuljahr verteilt“ 1 4a 5) ja, sehr lange 1 4a 6) ja, 1-10 Stunden 1 4a 7) ja, noch 1 Woche oder länger 1 4a 8) ja, 3 Schulstunden 1 4a 477 6.7 Fallstudie 6: Our Class (Klasse 5) 9) ja, noch 1-2 Tage 1 4a 10) ja, „so halbe Stunde“ 1 4a 11) ja, die Länge war gut 1 4a 12) ja, weiß aber nicht, wie lange noch 1 4a Gesamtzahl der befürwortenden Nennungen 19 13) nein, weil es langsam bzw. sonst langweilig wäre bzw. wird 3 3a 14) nein, weil es (mit der Zeit) langweilig wurde 2 2c, 3a 15) nein, „weil man auch mal was anderes machen soll“ 1 1a 16) nein, „ich glaube, es reicht nun“ 1 4a 17) nein, „ich weis es nicht“ 1 4a Gesamtzahl der ablehnenden Nennungen 8 Gesamtzahl der Nennungen 27 Tab. 54: Frage 4: „Hättest du gerne noch länger an dem Projekt ‘Our class’ gearbeitet? Wenn ja, wie lange? Wenn nein, warum nicht? “ Erfreulich ist, dass 19 Lernende, also 68 % der Befragten, eine Projektverlängerung definitiv befürwortet hätten. Das Ergebnis ist vergleichbar mit den Daten aus Klasse 7 (Witches) und Klasse 10. Zählt man die Angaben bei Ziffer 1 und 7 zusammen, dann wäre für das Gros (8 Lernende) mindestens eine weitere Woche wünschenswert gewesen. Für andere schien auch ein längerer Zeitraum sinnvoll und manche waren so angetan von Storyline, dass sie sogar ohne Zeitbegrenzung weiterarbeiten wollten (Ziffer 3-5). Ähnlich breit gefächerte Angaben wurden bekanntlich auch in den anderen Klassen gemacht. Insgesamt betrachtet weisen die Ergebnisse darauf hin, dass auch die 5. Klasse die Story‐ line-Arbeit motivierend fand. Berücksichtigt werden muss, dass Our Class mit der Präsen‐ tation für die Eltern nicht nur ein natürliches Ende gefunden hatte, sondern im Vergleich zu den anderen Projekten länger dauerte und für manche offenbar der Spannungsbogen im Laufe der Zeit etwas abflachte. Aus meiner Sicht war diese Entwicklung auch auf die pha‐ senweise etwas chaotische Unterrichtsorganisation zurückzuführen. Mit Hilfe von Frage 6 sollte geklärt werden, ob Storyline-Projekte zur längerfristigen Motivation beitragen können. Im Gegensatz zu den bisherigen Studien wurde hier bei den jüngeren Lernenden auf eine konkrete Angabe zur gewünschten Häufigkeit verzichtet. 478 6 Forschungsfokus Klassenzimmer Eintrag im Fragebogen Anzahl der Nen‐ nungen Kategorien 1) ja 17 4a 2) ja, sehr gerne 5 4a 3) manchmal 2 4a 4) ja, sehr oft 1 4a 5) „vielleicht mit unseren Hobbys“ 1 4a Gesamtzahl der befürwortenden Nennungen 26 6) „nö“ (ohne Begründung) 1 6a Gesamtzahl der ablehnenden Nennungen 1 Gesamtzahl der Nennungen 27 Tab. 55: Frage 6: „Würdest du gerne öfters so ein Projekt in Gruppen machen? “ Die Antworten belegen, dass die anfänglichen Bedenken hinsichtlich der Eignung von Storyline-Projekten für Klassen, die eine Fremdsprache erst neu lernen, unbegründet waren, denn eine eindeutige Mehrheit von 26 der 28 Befragten (93 %) befürwortete den Vorschlag, öfters „so ein Projekt in Gruppen“ durchzuführen. Manche unterstrichen ihre positive Hal‐ tung mit kurzen Anmerkungen: „Ja, sehr gerne. Gruppenarbeit mache ich am liebsten“ (S7). Auch diejenigen, die hier mit „manchmal“ antworteten (S16, S17), schienen grundsätzlich eine positive Einstellung gegenüber der Storyline-Arbeit zu haben, denn bei Frage 4 gaben beide an, dass sie gerne noch länger an dem Projekt gearbeitet hätten. Interessant ist, dass sich 7 der 8 Lernenden, die bei Frage 4 die Weiterarbeit an Our Class abgelehnt hatten, jetzt definitiv weitere Storyline-Projekte wünschten. Somit wird deutlich, dass die Lernenden sehr wohl zwischen Unterrichtsinhalt und Unterrichtsmethode unterscheiden können. Nur 1 Schüler (S12) lehnte das Angebot explizit ab. Seltsamerweise hatte er vorher keinerlei Verbesserungsvorschläge geäußert und wollte angeblich noch mindestens 2 Wochen länger an Our Class arbeiten (Frage 4). 1 Schüler (S13) machte keine Angaben, folglich kann er in der tabellarischen Auflistung nicht berücksichtigt werden. Fazit: Wenn sich nahezu alle Befragten eindeutig für weitere Storyline-Projekte im Eng‐ lischunterricht aussprechen, dann ist das sicher ein positives Zeichen hinsichtlich der Frage, ob Storyline-Projekte auch eine längerfristige Motivation für early beginners versprechen. Ein Schüler begründete seine Befürwortung: “Yes, weil es Spaß macht“ (S22). Von besonderem Interesse war die Frage nach dem Lernerfolg (Frage 5): Konnten die Schülerinnen und Schüler, die erst wenige Wochen Englisch gelernt hatten, einen Lern‐ fortschritt durch die Storyline-Arbeit feststellen und wenn ja, in welchen Bereichen? 479 6.7 Fallstudie 6: Our Class (Klasse 5) Positiv ist, dass alle bis auf 3 Jungen, die hier keine Angaben machten, einen konkreten Lerngewinn verbalisieren konnten und mindestens 1 Aspekt aufschrieben. Selbst wenn im Vergleich zu den älteren Klassen die Anzahl der Nennungen hier geringer ist, weisen die Antworten eine beachtliche Bandbreite auf und beschränken sich nicht nur auf kognitive Lernbereiche, sondern berücksichtigen auch emotionale, affektive, soziale und methodische Aspekte. Interessanterweise decken sich die Ergebnisse in vielerlei Hinsicht mit den Resultaten aus den bisherigen Studien: Deutlicher Spitzenreiter ist erneut der Wortschatzerwerb mit insgesamt 13 Nennungen (Ziffer 1, 9-10), gefolgt von der Gruppenarbeit bzw. Teamwork mit insgesamt 4 Nennungen (Ziffer 2 und 13). Dass die Gruppenarbeit „nur“ 4 Mal positiv erwähnt wurde, ist nachvollziehbar, denn das soziale Arbeiten wurde von der Lehrkraft nicht wirklich gefördert. Auffallend ist, dass dieses Kriterium ausschließlich von Jungen genannt wurde! Eintrag im Fragebogen Anzahl der Nen‐ nungen Kategorien 1) neue Wörter; (viele) englische Wörter (Schulsachen; Klassen‐ zimmer) 11 5e 2) Gruppenarbeit; Teamwork; Zusammenarbeit 3 6a, 6c 3) dass es „gar nicht so schlimm ist“ bzw. „mir nicht peinlich sein muss“, vor der Kamera zu stehen 2 4c, 4 f, 7f 4) die Namen; die englischen Namen und die Herkunft der Figuren 2 3b 5) wie man eine Figur vorstellt „und noch vieles mehr“ 1 4f, 5d, 5g 6) wie man „Sachen“ vorstellt 1 5d, 5g 7) „wie sich die Kinder in England verhalten“ 1 3c 8) sich in eine andere Person hineinversetzen 1 2d 9) „ales was in unserem Klassenzimmer ist. Und was drin sein könnte“ 1 3b, 5e 10) „die einzelnen worter wie z. B. school bag, ich finde das sehr hilf‐ reich für die Zukunft“ 1 1c, 5e, 5i 11) zu schreiben 1 5c 12) „wie man manche sachen richtig schreibt“ 1 5c, 5h, 5i 13) „mit anderen Schulern zu basteln“ 1 6a, 6c, 10a Gesamtzahl der Nennungen 27 Tab. 56: Frage 5: „Was hast du in diesem Projekt gelernt? Gelernt habe ich in dem Projekt ‘Our class’ ...“ Auffallend ist, dass Fortschritte im Hinblick auf diverse fremdsprachliche Kompetenzen und Fertigkeiten insgesamt 17 Mal ausdrücklich bestätigt wurden (Ziffer 1, 5-6, 9-12). Im 480 6 Forschungsfokus Klassenzimmer Vergleich zur Gesamtmenge von 27 Nennungen ist dies ein beachtlicher Anteil (63 %)! In‐ teressant ist auch, dass sich 3 Lernende bei Ziffer 4 und 7 auf die inhaltlichen Aspekte der Storyline beziehen und sie neben Sachwissen über das Thema auch ansatzweise interkul‐ turelle Kompetenzen erwerben konnten. Positiv ist, dass immerhin 1 Mädchen die Rollen‐ erprobung erwähnte, obwohl dieser Punkt während der Projektdurchführung viel zu kurz kam. Hervorzuheben ist, dass selbst der kritische Schüler S13 durch Our Class einen Lernerfolg verbuchen konnte: „Die englischen Wörter“. Bemerkenswert ist der Hinweis der Schülerin S9, dass das Lernen der themenspezifischen Wörter „sehr hilfreich für die Zukunft“ ist. Unklar bleibt, warum 3 Schüler keine Angaben gemacht haben. Bedauerlicherweise fiel mir dieses Problem erst im Nachhinein auf, denn hier wäre es sinnvoll gewesen, kurz nachzu‐ haken. Frage 7 bezog sich auf die Einstellung der Lernenden zum Fries. Von den 28 Befragten bewerteten 26 (93 %) das Aufhängen der Lernprodukte im Klassenzimmer positiv, was durch entsprechend gefärbte Adjektive zum Ausdruck gebracht wurde. 1 Schüler fand dies da‐ gegen „doof “ (S12). Da er bereits bei Frage 6 durch seine etwas saloppe bzw. provokante Aussage aufgefallen war, schien mir eine Rückfrage erforderlich. Nun erklärte der Junge, es sei ein „Versehen“ gewesen, dass er diesen Kommentar hingeschrieben hatte, und revi‐ dierte seine Meinung: „Eigentlich ist es gut. Man kann abschreiben! “ (MEBS12). 1 Schülerin (S7) machte keine Angabe. Der Blick in ihren Fragebogen belegt jedoch, dass sie eine rundum positive Einstellung zum durchgeführten Storyline-Projekt hatte. Eintrag im Fragebogen Anzahl der Nen‐ nungen Kategorien Bewertungen: 1) gut; “good” 15 4f, 11a 2) (eigentlich) ganz gut 4 4f, 11a 3) sehr gut 3 4f, 11a 4) super (mit 9 Ausrufezeichen) 1 4f, 11a 5) ziemlich gut 1 4f, 11a 6) schön 1 4f, 11a 7) eigentlich ganz o. k. 1 4f, 11a 8) „doof “ 1 8d Gesamtzahl der expliziten Bewertungen 27 Begründungen: 1) „weil ich es mir besser merken kann“ 1 12b, 12d 481 6.7 Fallstudie 6: Our Class (Klasse 5) 2) „weil es lustig ist“ 1 4f, 12f 3) (zwar schön, aber) ein wenig durcheinander. „Nur meine Figur hängt noch nicht.“ 1 7a, 8d, 12b 4) (zwar ganz o. k.,) „obwohl ich viel lieber Englisch lernen würde ...“ 1 4b, 5i, 8d Gesamtzahl der Begründungen 4 Tab. 57: Frage 7: „Wie findest du das Aufhängen der Ergebnisse im Klassenzimmer? “ Im Vergleich zu den Klassen 9 und 10, denen diese Frage ebenfalls gestellt wurde, fielen die Begründungen der 5. Klasse relativ dürftig aus. Allerdings wurde hier nicht explizit nach einem Kommentar gefragt. Ungewöhnlich klingt die Begründung des Schülers S13 bei Ziffer 4, der offenbar das Gefühl hatte, bei dem Projekt nicht „richtig“ Englisch zu lernen. Auch hier schien mir eine Rückfrage erforderlich, um die subjektive Lerntheorie des Jungen, der schon mehrfach aufgefallen war, zu erkunden. Auf meine Nachfrage hin ergab sich folg‐ ender Dialog: S13: Ich mache solche Projekte nicht so gerne. Ich lerne lieber Wörter. F: Wie? S13: Mit ‘nem Buch! F: Wie? Mit ‘nem Lexikon? S13: Ja, mit ‘nem Lexikon und so (MEBS13). Interessanterweise war es jedoch gerade er, der viele kreative Ideen eingebracht hatte und nach Abschluss des Projekts regelmäßig nachfragte, wann ich die Friesmaterialien, die ich zur Auswertung mit nach Hause genommen hatte, wieder zurückbringen würde, damit er seine persönlichen Werke an sich nehmen konnte (ownership). 6.7.7 Die schriftliche Befragung der Lehrkraft Während die Lernenden den Fragebogen (SABS) ausfüllten, händigte ich der Lehrkraft pa‐ rallel denselben Fragebogen (SBL) aus, um eine Bewertung des Storyline-Projekts nach ver‐ gleichbaren Kriterien auch aus ihrer Perspektive zu erhalten (vgl. Anhang A). Obwohl die Antworten (leider) relativ knapp ausfielen, sollen sie hier dargestellt und interpretiert werden. Auf die Frage, was ihr bei dem Projekt am besten gefalle habe (Frage 1), machte die Lehrkraft nur zwei kurze Anmerkungen: „Die Ergebnisse waren okay“ [4a, 4f] und „Die Präsentation“ [5d]. Beim letzten Merkmal bleibt unklar, ob sie sich auf die spezifischen Präsentationen während des Unterrichts oder auf die Videopräsentation für die Eltern bezog. Grundsätzlich schien sie jedoch das Prinzip der Klassenöffentlichkeit für gut zu befinden [11b]. Als Negativkritik äußerte sie bei Frage 2: „Der Weg war manchmal mühsam. Das Basteln war zeitintensiv hat mir manchmal zu lange gedauert und war laut“ [1d, 1e, 10a]. Auch hier bleibt unklar, was sie unter „mühsam“ verstand und warum sie bei besagten Problemen nicht lenkend eingegriffen bzw. nach Lösungen gesucht hatte. Seltsamerweise war nämlich 482 6 Forschungsfokus Klassenzimmer meist ich es, die für Ruhe sorgte oder eine zügigere Projektdurchführung anstrebte. Unge‐ wöhnlich und „mühsam“ war für die Lehrkraft aus meiner Sicht sicherlich, dass der übliche, kleinschrittige Frontalunterricht nur in reduziertem Umfang stattfand und stattdessen die Lernenden an kontextrelevanten, ergebnisoffenen Aufgaben arbeiteten [9b], für die sie im Sinne der Differenzierung individuelle Lösungen entwickelten [8a, 9c]. Als Verbesserungsvorschlag nannte die Lehrkraft bei Frage 3 nur: „Die Gruppen müssen besser zusammenarbeiten“ [6c]. Hiermit gab sie die Verantwortung für den Erfolg des Pro‐ jekts an die Lernenden ab, ohne das eigene Verhalten kritisch zu überprüfen. Auch wenn der Storyline Approach eine verstärkt lerner- und lernzentrierte Vorgehensweise prokla‐ miert, hat die Lehrkraft natürlich trotzdem unverzichtbare Funktionen, nämlich die der Lernberatung, Organisation, Evaluation und des fremdsprachlichen role model. Bei Frage 4 („Hättest du gerne noch länger an dem Projekt ‘Our class’ gearbeitet? “) entschied sich die Lehrkraft für die verneinende Antwort, die sie wie folgt begründete: „Es wir [sic] schwie‐ riger, die Motivation Spannung aufrechtzuerhalten“ [2c]. Auf die Frage nach dem persönlichen Lernerfolg (Frage 5) antwortete die Lehrkraft, sie habe gelernt, „dass Wanddekoration motiviert“ und „dass ein Thema-Idee motiviert“. Hier nahm sie also direkt Bezug auf zwei spezifische Aspekte des Storyline-Modells, die aus ihrer Sicht besonders motivierend für die Lernenden und somit relevant für die Unterrichtsge‐ staltung waren: der Fries, den sie allerdings nur auf die Funktion der „Wanddekoration“ [12f] reduzierte, und das Prinzip der Inhaltsorientierung und Kontextualisierung der Lern‐ inhalte [2a, 2b, 2e]. Dass bei der SABS 26 der 28 Befragten den Fries ebenfalls positiv bewertet hatten, wurde bereits dargestellt. Hier decken sich also die Meinungen aller am Unterricht Beteiligten. Von besonderem Interesse war natürlich Frage 6: „Würdest du gerne öfters so ein Projekt in Gruppen machen? “ Hier antwortete die Lehrkraft: “Why not“. Die Antwort klingt zwar etwas unverbindlich, deutet aber auf eine (bescheidene) Zufriedenheit mit den Leistungen hin [4a, 4f]. Bei der Frage nach der Bewertung des Frieses (Frage 7) verwies sie nur auf ihre Antworten bei Frage 1 und 5, ohne weitere Angaben zu machen [11b, 12a, 12f]. Auch wenn ich mir eine insgesamt differenziertere Rückmeldung von der Lehrkraft in der SBL gewünscht hätte, gaben die Antworten Hinweise auf ihre persönlichen Eindrücke und Ein‐ stellungen. 6.7.8 Das Abschlussgespräch mit der Lehrkraft Das AIL fand im Anschluss an die SBL statt. Da die Unterrichtsstunden meist zeitnah re‐ flektiert und Auffälligkeiten oder Fragestellungen sofort an Ort und Stelle thematisiert wurden, konnte das AIL relativ offen, informell und zügig verlaufen. Die wichtigsten Pro‐ jekterfahrungen wurden noch einmal zusammengefasst und bewertet, allerdings konnten die Ergebnisse der SABS und SBL leider nicht berücksichtigt werden, da diese zum Ge‐ sprächstermin noch nicht vorlagen. Um Redundanzen mit den vorherigen Kapiteln zu ver‐ meiden, werden im Folgenden nur einige Gesprächs- und Diskussionspunkte aufgeführt, die aus meiner Sicht von besonderer Relevanz sind. Insgesamt gesehen war die Lehrkraft mit dem Ablauf und den Ergebnissen von Our Class zufrieden. Sie empfand das Storyline-Projekt zwar als „zeitintensiv“ (AIL) [1d], aber es be‐ 483 6.7 Fallstudie 6: Our Class (Klasse 5) reitete den Lernenden und offenbar auch ihr „Spaß“ (AIL) [4a]. Es stellte sich heraus, dass sie mit einigen Lehramtsanwärterinnen und -anwärtern über unser Projekt gesprochen und es in groben Zügen vorgestellt hatte. Zufrieden resümierte sie: „Sie fanden es toll! “ (AIL). Doch auch wenn die Projektdurchführung in mancherlei Hinsicht verbesserungswürdig war, zeigte sich die Lehrkraft beeindruckt von den Leistungen der Schülerinnen und Schüler [4b, 8c] und behauptete, dass Storyline-Arbeit gerade für diese spezifische Klasse sehr ge‐ eignet wäre [1b]. Auf meine Nachfrage hin entwickelte sich ein interessanter Dialog: L: Ja, weil sie leistungsschwächer sind! F: Sind sie das? L: Sagt man! Weil sie in der a-Klasse sind [...]. F: Hast du das auch schon bemerkt im Vergleich mit anderen 5. Klassen? L: Hm, ich weiß nicht. Man fällt ja schnell solche Urteile [...], wobei ich das eigentlich nicht mache (AIL). Aus meiner Sicht legte die Lehrkraft (zu) großen Wert auf „Greifbares“ wie korrekte Gram‐ matik oder Rechtschreibung (accuracy), während den kreativen Inhalten und phantasie‐ vollen Aufgabenlösungen der Lernenden viel zu wenig Aufmerksamkeit gezollt wurde, was nicht selten zu Irritationen führte, wenn sie beispielsweise auf vollständige oder korrekte Sätze pochte, während die Lernenden auf ein Lob für ihre ausgefallenen Ideen warteten. Nachdenklich stellte die Lehrkraft fest: „Du siehst immer, was sie schon können, ich sehe eher, was sie NICHT können“ (AIL). Dies ist vermutlich der wesentliche Unterschied zwi‐ schen Storyline-Arbeit und regulärem Frontalunterricht: Storyliner betrachten Lernende nicht als defizitäre Wesen, sondern als Menschen, die über vielseitige Erfahrungen und Kompetenzen verfügen, die es zu verknüpfen und zu reflektieren gilt. Eine Einsicht, die ein Umdenken erfordert! Positiv überrascht war die Lehrkraft über die aktive Mitarbeit und das große Engagement der Klasse bei der Schlusspräsentation bzw. der Videoaufnahme für die Eltern [4b, 8b, 8c]: Selbstständig und konzentriert arbeiteten die Gruppen [6a, 6c] innerhalb und außerhalb des Klassenzimmers [9d] an ihren komplexen, selbst gewählten Aufgaben [9b, 9e] und hatten sichtlich Spaß daran, eigene kreative Lösungen zu finden [8a, 9c], um diese stolz im Plenum zu präsentieren [4f, 5d, 11a, 11b]. Staunend stellte sie fest, dass sich manche zu Hause intensiv vorbereitet hatten [1b, 8c] und sogar spezifische Materialien und Kostüme besorgt oder hergestellt wurden [7b, 7d]. Auch die kleinen Rollenspiele, die in Eigenregie entwickelt und aufgeführt wurden [5g, 9c, 10b], fand die Lehrkraft beeindruckend. Positiv bewertete sie zudem, dass sich auf Grund der vielfältigen Differenzierungsmöglichkeiten selbst schwache Lernende produktiv an dem Storyline-Projekt und vor allem an der Schluss‐ präsentation beteiligen konnten [8a, 9e], so dass es wirklich zu einem Gemeinschaftspro‐ jekt wurde, für das sich die ganze Klasse verantwortlich zeigte (ownership) [6d, 8b]. Nachtrag: Eine ehemalige Studentin, die jetzt im Referendariat war, berichtete mir wenig später, dass die Lehrkraft sehr von „ihrem“ Storyline-Projekt geschwärmt hatte und offenbar voll des Lobes war [4a]. 484 6 Forschungsfokus Klassenzimmer 31 Vgl. dazu Kocher (2000). 6.7.9 Das Gespräch mit den Eltern Kurz vor Weihnachten fand der Klassenpflegschaftsabend statt. Zentraler Punkt war die Präsentation des Videos 31 , um den Eltern einen Einblick in die Storyline-Arbeit zu geben. Die Klasse hatte für den Abend ein kurzes Rahmenprogramm mit Liedern, Gedichten, einem Quiz und einer kleinen Bescherung zusammengestellt. Darüber hinaus bestand die Gele‐ genheit, die Materialien der Lernenden zu sichten und sich zwanglos darüber auszutau‐ schen. Der Abend verlief sehr harmonisch. Bis auf wenige Ausnahmen waren alle gekommen - teilweise mit der ganzen Familie [1b]. Mit erkennbarem Interesse wurde die Videovor‐ führung verfolgt. Manche Schülerinnen und Schüler waren so aufgeregt, dass sie sich ver‐ legen, aber sichtlich stolz [4a, 4f], unter einem Tisch versammelten und von dort aus neu‐ gierig zuschauten. Ein Junge übersetzte für seine Eltern, damit sie alles verstehen [5b, 5i]. Voller Stolz kommentierte er gelegentlich auch einzelne Passagen: „Das ist ein selbstge‐ machtes Gedicht! “ (UR S+E) [4a, 11d]. Zu meinem Erstaunen klatschten die Anwesenden nach jeder kurzen Videosequenz Beifall und zeigten deutlich ihre Wertschätzung. Manche gingen später mit ihren Kindern an den Fries, um sich Details erläutern zu lassen [12a, 12c, 12e, 12f]. Viele Eltern kannten mich bereits aus den Erzählungen ihrer Kinder und sprachen mich nach der Videopräsentation an. Einige fragten interessiert nach dem Konzept, so dass sich anregende Gespräche über die Storyline-Arbeit als solche entwickelten. Ein Elternpaar, dessen Sohn phasenweise die Videopräsentation kommentiert hatte, war besonders erfreut über den Einblick in die Unterrichtsarbeit und bedankte sich. Die Mutter erklärte: „Wir hatten ja erst Bedenken [...] mit Englisch, weil ihm Französisch nicht gefiel. Aber jetzt bin ich richtig begeistert - und er auch. Er macht gerne Englisch! “ (UR F+E) [4b]. Eine andere Mutter bedauerte den bevorstehenden Umzug ihrer Familie: „Schade, dass [Name des Schü‐ lers] jetzt aus der Klasse muss. Aber ich bin froh, dass er [...] einen guten Start hatte. Er ist für Englisch sehr motiviert! “ (UR F+E) [4b]. Eine dritte Mutter meinte: „[Name des Schü‐ lers] hat in Deutsch Probleme mit der Rechtschreibung, da hatten wir Angst wegen Englisch. Aber ich meine, das ist jetzt eher besser geworden durch diese Vorgehensweise“ (UR F+E) [1b, 5i]. Alle aufgeführten Zitate belegen - wenn auch nicht repräsentativ -, dass die Story‐ line-Arbeit nicht nur von den Lernenden, sondern auch von deren Eltern für positiv be‐ funden wurde [1b, 4a]. Mit einigen Eltern ergab sich eine längere Diskussion über das deutsche Schulsystem. Sie waren froh, dass es heute Konzepte wie das Storyline-Modell gibt, die das Fremdsprachenlernen motivierend und effektiv machen [4b, 5i]. Ein Elternpaar wollte wissen, warum ihre Tochter, die an derselben Schule (7. Klasse) war, nicht auch „so“ lernt (UR F+E). Dass das Feedback so positiv und differenziert ausfallen würde, hätte ich nicht erwartet. Schon allein die Tatsache, dass fast alle Eltern gekommen waren, zeigte ein deutliches In‐ teresse an der gemeinsamen Unterrichtsarbeit der letzten Wochen. Es wurde auch klar, dass die Lernenden zu Hause über den Englischunterricht gesprochen hatten [1b, 4a, 4b]! Der 485 6.7 Fallstudie 6: Our Class (Klasse 5) kurze Videovortrag hatte offenbar dazu beigetragen, den Eltern das Storyline-Konzept transparent zu machen, denn in den Gesprächen fielen immer wieder Stichwörter wie Mo‐ tivation [4a, 4b], Kreativität [9c], flüssiges Sprechen [5d] oder Sprachanwendung [5e, 5 f, 5 g, 5i]. Einige Eltern erwähnten beim Abschied noch einmal, dass ihnen der Film sehr gut gefallen habe, und ein Vater meinte ermunternd: „Machen Sie mit Ihrer Methode weiter so! “ (UR F+E). 6.7.10 Fazit Trotz verschiedener Bedenken während der Entwicklung und Durchführung des Projekts Our Class konnten auch im Rahmen dieser Studie positive und zukunftsweisende Erkennt‐ nisse gewonnen werden. Wichtigster Befund ist, dass Storyline-Projekte selbst für jüngere Klassen, die eine Fremdsprache gerade erst lernen und somit nur über eingeschränkte kommunikative Kompetenzen verfügen, motivierend sind und dass gerade early beginners in vielerlei Hinsicht von der ganzheitlichen Vorgehensweise des Sprachenlernens profi‐ tieren. Das Projekt brachte jedoch nicht nur unerwartete Erfolgserlebnisse mit sich, sondern auch neue Herausforderungen, denn vieles lief anders als geplant: Zunächst gab es spontane Stundenplanänderungen, die zu Unterbrechungen führten oder kurzfristige Neuplanungen erforderlich machten. Our Class wurde auch nicht nur in Doppelstunden durchgeführt, wie dies bei den anderen Storyline-Projekten sinnvollerweise der Fall gewesen war, sondern es gab Einzelstunden, Doppelstunden oder mehrere über den Tag verteilte Stunden. Diese Organisation des Stundenplans war aus meiner Sicht nicht unproblematisch, und zwar ge‐ rade für Lehrkräfte und Klassen, die mit Storyline noch nicht vertraut sind. Davon abge‐ sehen zog sich das Storyline-Projekt im Vergleich zu den anderen Studien sehr in die Länge. Auch die Kooperation mit der Lehrkraft verlief in vielerlei Hinsicht anders als geplant. Während ich davon ausgegangen war, dass sie mit offenem, handlungsorientiertem und kommunikativem Englischunterricht vertraut war und im Vorfeld auch das Projektkonzept durchgearbeitet hatte, wurde ich stattdessen immer wieder mit Überraschungen konfron‐ tiert, die ein Umdenken, Umplanen und spontanes Handeln im Klassenzimmer erforderlich machten. Trotz intensiver Anleitung hatte ich den Eindruck, dass sie sich nur schwer in das Modell eindenken konnte und stattdessen am klassischen Drei-Phasen-Modell (Sprach‐ aufnahme - Sprachverarbeitung - Sprachanwendung) festhielt. Andererseits war natürlich von einer Lehrkraft, die den Storyline Approach nur aus Berichten kannte, nicht zu erwarten, dass sie das integrative und komplexe Konzept umsetzen kann, ohne dass Probleme oder Fragen auftauchen. Davon abgesehen gab es jedoch auch einige grundsätzliche Dinge, die immer wieder zu Irritationen führten: die Reaktionen auf vermeintliche Unterrichtsstö‐ rungen, die teilweise nicht transparente Unterrichtsorganisation sowie das ständige code-switching. Auf der anderen Seite spiegelte dies den normalen Schulalltag und war somit eine wich‐ tige Erfahrung für mich. Im Prinzip haben wir also nicht nur einen, sondern gleich mehrere crash tests absolviert und trotz schwieriger Bedingungen wertvolle Erkenntnisse gewinnen können. Von Bedeutung war für mich zweifellos die Feststellung, dass die Motivation der Lernenden selbst bei einem intensivierten Sprachinput aufrechterhalten werden kann und 486 6 Forschungsfokus Klassenzimmer dass die gezielte Vermittlung von kontextrelevanter Sprache, und zwar nicht nur von neuer Lexik, wie das in den bisherigen Projekten realisiert worden war, sondern auch von neuen grammatischen Strukturen, selbst in einer Anfängerklasse möglich ist. Zwar trat die story gelegentlich in den Hintergrund, weil die Lehrkraft aus Gewohnheit vorrangig auf der Sprachebene agierte und statt tasks reguläre exercises und isolierte Drills anbot, doch gerade die Schlusspräsentation verdeutlichte, dass sie ihrer Klasse viel zu wenig zugetraut hatte. Die Lernenden überzeugten nämlich nicht nur mit ihren kreativen Aufgabenlösungen, sondern auch mit der sprachlichen Umsetzung ihrer individuellen Ideen. Zu dieser Er‐ kenntnis gelangte erfreulicherweise auch die Lehrkraft selbst. Bemerkenswert ist, dass die Ergebnisse in vielerlei Hinsicht mit den Erkenntnissen aus den anderen Fallstudien übereinstimmen, obwohl die Ausgangssituation eine komplett an‐ dere war. Als besonders motivierend empfanden die Lernenden der 5. Klasse ebenfalls das praktische, kreative Arbeiten. Ernsthaft kritisiert wurde eigentlich nur der erhöhte Lärm‐ pegel und manche bedauerten, dass ihre angefertigten Lernprodukte nicht ganz den eigenen Vorstellungen entsprachen. Auffallend war auch, dass sich in der SABS bei der Frage nach dem Lernerfolg allein 17 der 27 Nennungen (63 %) auf fremdsprachliche Lernfortschritte bezogen, wobei der Wortschatzerwerb auch in dieser Studie eine Spitzenreiterposition ein‐ nahm! Im Übrigen beschränkten sich die Antworten der Lernenden nicht nur auf kognitive Lernbereiche, sondern berücksichtigten auch emotionale, affektive, soziale und methodi‐ sche Aspekte. Es kann also davon ausgegangen werden, dass den heterogenen Vorausset‐ zungen und individuellen Bedürfnissen der Lernenden weitgehend entsprochen wurde, auch wenn nicht alle vorgesehenen Differenzierungsmöglichkeiten im Unterricht umge‐ setzt wurden. Hier wurde deutlich, dass sich die Lehrkraft nur schwer von dem üblichen Frontalunterricht lösen konnte. Im Vergleich zu den bisherigen Storyline-Projekten war Our Class sprachlich auf einem niedrigen Niveau angesiedelt und auch inhaltlich recht kleinschrittig konzipiert. Den Ler‐ nenden fiel es insgesamt leicht, sich auf die fiktive Ebene der story zu begeben, um quasi nebenbei auch Englisch zu lernen. Auch die Rollenübernahme gelang den Lernenden um einiges besser als der Lehrkraft und sie erinnerten sich oft an kleinste Details ihrer fiktiven Klasse. Schade war, dass die Lehrkraft dies nicht stärker gefördert hatte, sondern immer wieder zwischen dem fiktiven setting und dem realen Schulort wechselte, was gelegentlich zu Irritationen führte. Bemerkenswert ist, dass dennoch über 57 % der 28 Befragten mit dem Storyline-Projekt voll und ganz zufrieden waren und keinen Grund für Veränderungen sahen (SABS, Nr. 3). So viel Zuspruch hatte keines der bisher ausgewerteten Projekte er‐ halten! 19 Lernende (68 %) sprachen sich bei der SABS für eine Verlängerung des Projekts aus und eine überraschend eindeutige Mehrheit von 26 der 28 Befragten (93 %) befürwortete den Vorschlag, öfters Storyline-Projekte durchzuführen. Die Zahlen geben eine klare Ant‐ wort auf die eingangs gestellte Frage, ob Storyline-Projekte auch eine längerfristige Moti‐ vation für early beginners versprechen. Auch die Eltern bestätigten mehrfach, dass ihre Kinder durch die spezifische Vorgehensweise nicht nur viel gelernt hätten, sondern vor allem auch für das Englischlernen motiviert wurden. Gerade die Perspektive der Eltern brachte interessante Erkenntnisse, und obwohl diese nicht auf einer strukturierten Befra‐ gung basieren, wurde in den diversen Gesprächen deutlich, dass nicht nur die Lernenden, 487 6.7 Fallstudie 6: Our Class (Klasse 5) sondern auch die Eltern eine positive Einstellung zur Storyline-Arbeit hatten und eine Fort‐ setzung wünschten. Für die Schlusspräsentation die Eltern einzuladen und nicht eine Schulklasse wie bei Witches, erwies sich in vielerlei Hinsicht als ausgesprochen gute Idee. Abgesehen davon, dass die Videodokumentation den Eltern einen konkreten Einblick in das Unterrichtsge‐ schehen ermöglichte, forderte deren Vorbereitung die Lernenden zu Höchstleistungen he‐ raus: Es wurde intensiv geübt und geprobt, ohne dass das Üben im Vordergrund stand (authentic task). Ähnlich wie in den anderen Storyline-Projekten stellte auch hier die Lehr‐ kraft verblüfft fest, dass Begriffe verwendet wurden, die sie definitiv nicht vermittelt hatte. Bei der Schlusspräsentation wurde besonders deutlich, wie sehr sich die Lernenden mit „ihrem“ Projekt identifizierten und wie stolz sie auf ihre Ergebnisse waren, die jetzt von einem „echten“ Publikum bewundert wurden. Es war nicht zu verkennen, dass sie sich als echte experts fühlten, die gerne Auskunft über ihre Arbeit gaben. Interessant war, dass auch in dieser Klasse der Fries auf viel Zustimmung stieß und manche Schülerinnen und Schüler nicht nur während, sondern auch außerhalb des Unterrichts unaufgefordert die Lernpro‐ dukte betrachteten, ergänzten oder korrigierten. Bestätigt wurde mein positiver Eindruck in der SABS, wo 26 der 28 Befragten (93 %) das Aufhängen der Lernprodukte ausdrücklich für gut befanden. Auch wenn ich dieses Storyline-Projekt aus vielerlei Gründen als schwierig empfand und mit der konkreten Durchführung nicht immer zufrieden war, konnten die Lernenden zahl‐ reiche Erfolgserlebnisse für sich verbuchen: „Ich fande es gut, denn man hat dabei fiel gelernt“ (SABS9, Nr. 1). Bemerkenswert ist der Kommentar einer Schülerin, die behauptete, dass „mit so Puppen“ das Lernen auf jeden Fall „auch leichter“ fiel (MEBS8). Und: Auch ich habe viel gelernt! Mehr denn je wurde mir klar, dass Lehrkräfte, die das komplexe Konzept gewinnbringend umsetzen möchten, nicht nur eine entsprechende pädagogische Einstel‐ lung und fachliche Qualifikation, sondern unbedingt auch praktische Storyline-Erfah‐ rungen, also prozedurales Wissen, benötigen. 488 6 Forschungsfokus Klassenzimmer 7 Forschungsfokus Hochschuldidaktik 7.1 Einleitung Homo sapiens - Homo ludens - Homo faber Die Untersuchungen in den Realschulklassen haben gezeigt, dass Lernende Storyline-Arbeit motivierend und lernwirksam finden, wenn das Thema altersgerecht und die Aufgaben‐ stellungen ansprechend und im Ergebnis befriedigend sind. Darüber hinaus brachten die Studien an den Tag, dass nicht nur Lernende diverse Voraussetzungen und Kompetenzen benötigen, um das komplexe Modell gewinnbringend umsetzen zu können, sondern auch die Lehrkräfte. Gerade durch die Erfahrungen in Klasse 5 (Our Class) wuchs bei mir die Erkenntnis, dass Publikationen, Berichte und Materialpakete selbst bei motivierten Lehr‐ kräften nicht ausreichen, um den in der fachdidaktischen Literatur vielfach geforderten Perspektivenwechsel from the sage on the stage to the guide on the side zu realisieren und somit den traditionellen Frontalunterricht mit dem üblichen Drei-Phasen-Modell (PPP) zu‐ gunsten der offenen, aufgabenorientierten und integrativen Storyline-Arbeit aufzulösen. Anleitungen, Unterrichtsentwürfe und Fachartikel können noch so ausführlich und an‐ schaulich sein, sie bleiben schablonenhafte Rezepte mit begrenzter Reichweite, wenn das Gesamtkonzept nicht verstanden wurde. Die durchweg positiven Rückmeldungen der Lernenden haben belegt, dass Storyline nicht nur als Einmalerfahrung wertgeschätzt, sondern auch als längerfristiges Konzept für effektives Fremdsprachenlernen gefordert wird, denn nahezu alle Befragten wünschten sich weitere Projekte - unabhängig vom gewählten Thema. Gerade die Gespräche mit den Eltern (Klasse 5) lösten in mir das Bedürfnis aus, meine Erfahrungen als Multiplikatorin an der Hochschule weiterzugeben. Es stellte sich somit die Frage, wie der offensichtlich er‐ folgversprechende, aber komplexe Storyline Approach an zukünftige Lehrkräfte vermittelt werden kann, so dass diese sowohl die zugrunde liegende Philosophie verstehen als auch die spezifischen Prinzipien auf konkrete Lernkontexte transferieren können. Sinn und Zweck sollte dabei jedoch nicht sein, die Studierenden bloß anzuleiten, ein Rezept zu ko‐ pieren, sondern sie sollten vielmehr im Sinne von reflective practitioners (vgl. Schön 1983; 1987) Prozesse und Ergebnisse immer wieder kritisch überprüfen und aufeinander beziehen, um am Ende ein stimmiges und überzeugendes Gesamtbild zu erhalten. Nur so schien es aus meiner Sicht möglich, auf Seiten der Lehramtsstudierenden eine ganzheitliche und nachhaltige berufsbezogene Handlungskompetenz zu erzielen und eine Transformation von explainers zu enablers (vgl. Scrivener 2011) anzubahnen, um den Umgang mit hetero‐ genen Klassen positiv gestalten zu können. Konkret hieß das für mich, Lehrveranstaltungen zum Storyline Approach zu konzipieren und dabei zu untersuchen, wie für eine heterogene Gruppe von Studierenden eine moti‐ vierende Seminaratmosphäre geschaffen werden kann, damit diese einen multifunktio‐ nalen Lerngewinn davontragen. Dabei sollte gleichzeitig eruiert werden, wie die Studie‐ renden zur kritischen Reflexion und zum forschenden Fragen angeregt werden können, um überlieferte Konzepte zu überdenken und zugleich eigene Standpunkte zu entwickeln. Um möglichst zuverlässige Ergebnisse zu erhalten, wurde das ausgearbeitete Seminarmodell schließlich in drei Fallstudien unter vergleichbaren Bedingungen untersucht. Aus Gründen der Vergleichbarkeit wurde in den Kursen entweder The Farm (Kocher 2001b; 2002) oder Witches (Fehse/ Kocher 1998a) als Beispiel berücksichtigt, denn beide Storyline-Projekte sind relativ kurz und somit für Unterrichtssimulationen gut geeignet, zudem wurden sie ursprünglich für Lernende und Lehrkräfte konzipiert, die (fast) noch keine Erfahrung mit Storyline hatten. Außerdem werden bei diesen beiden Projekten spe‐ zifische Prinzipien, Merkmale und Abläufe besonders deutlich. Nicht zuletzt handelte es sich bei den Seminargruppen jeweils um gemischte Gruppen, also Studierende, die das Lehramt an Grund-, Haupt- oder Realschulen studierten, so dass geeignete Storyline-Bei‐ spiele gefunden werden mussten, um die Bedürfnisse möglichst aller Zielgruppen abzude‐ cken. Abgesehen davon bot es sich an, in den Fallstudien mindestens zwei verschiedene Storyline-Typen - in diesem Fall eine real-life story und eine fantasy story - zu berücksich‐ tigen, um am Ende zuverlässige Ergebnisse ableiten zu können. Nachfolgend werden drei Kompaktseminare, die zwischen 2006 und 2011 an der Päda‐ gogischen Hochschule Freiburg durchgeführt wurden, erläutert und anhand der vorlie‐ genden Daten ausgewertet. Das Kapitel ist so aufgebaut, dass zunächst das spezifische Se‐ minarkonzept skizziert wird, um die Auswertung besser nachvollziehbar zu machen. Im Anschluss erfolgt die Charakterisierung des jeweiligen Lernkontexts bzw. der Lerngruppe, danach die detaillierte Beschreibung und Reflexion des jeweiligen Seminarablaufs aus Sicht der Forscherin, dabei werden auch Eindrücke der Studierenden, die während der Seminar‐ durchführung geäußert wurden, berücksichtigt. Daran schließt sich - falls durchgeführt - die Auswertung der schriftlichen Befragung der Studierenden (SABSt), die Analyse und Interpretation der eingereichten Seminararbeiten mit den Reflexionen (SA) sowie - falls stattgefunden - die Auswertung weiterer Kontakte an, bevor alle Ergebnisse in einem kurzen Resümee reflektiert werden. Für das Lesen der Auswertungen gelten die oben erwähnten Hinweise (vgl. Kapitel 6.1). Anzumerken ist, dass die schriftlichen und mündlichen Daten der Studierenden aus Da‐ tenschutzgründen nach einem spezifischen Schlüssel kodiert wurden, so dass Rückschlüsse und Querverweise zu den verschiedenen Datenquellen möglich sind. Ausgenommen davon sind die anonym ausgefüllten Fragebögen, die der Einfachheit halber nur durchnummeriert wurden. Diese Verschlüsselungen stehen somit nicht im Zusammenhang mit den anderen. Der im Anhang E aufgeführte Kodierungskatalog 1 gilt grundsätzlich auch für die nach‐ folgenden drei Studien. Auf Grund der Tatsache, dass für den Bereich Hochschuldidaktik noch weitere spezifische Kategorien erforderlich waren, die für die Schule jedoch nicht zutreffen, wurde für diesen Zweck ein ergänzender Katalog 2 erstellt (vgl. Anhang E). Um den Text zu entlasten und somit das Lesen zu erleichtern, wird bei der Auswertung der schriftlichen Reflexionen und der Evaluationsbögen wieder auf die zusätzliche Angabe von Kategorien im Fließtext verzichtet, da diese in den jeweils begleitenden Tabellen aufgeführt sind. Auch in diesen Studien war zunächst eine Auswertung der Daten nach Geschlecht ge‐ plant. Da dies jedoch den Rahmen der Arbeit gesprengt hätte und zudem die Kursteilnahme 490 7 Forschungsfokus Hochschuldidaktik von männlichen Studierenden - wie üblich an der PH - relativ gering war, wurde letzt‐ endlich darauf verzichtet. Sollten allerdings geschlechtsspezifische Präferenzen, Probleme oder Besonderheiten auffallen und von Relevanz für die Forschungsfragen sein, werde ich darauf hinweisen. 7.2 Das Seminarkonzept Befragt man Studierende zur Zufriedenheit mit ihrem Studium, so wird nicht selten beklagt, dass sie im Rahmen ihrer Ausbildung Dinge lernen, die sie in der Praxis nicht oder nicht professionell umsetzen können. Dabei werden meist folgende Argumente aufgeführt: • Es wird nicht das vermittelt, was sie brauchen bzw. erwarten („totes“ Wissen). • Die Vermittlung läuft sehr theoretisch ab, während konkrete Umsetzungshilfen oder Modelle fehlen (Theorielastigkeit). • Der Fokus wird zu sehr auf deklaratives Wissen gelegt, während der Erwerb von prozeduralem Wissen vernachlässigt wird (Faktenwissen statt Handlungskompe‐ tenz). • Eine reflektierte Auseinandersetzung mit Theorie und Praxis fehlt (kein Rückbezug). • Die Vermittlung von Handlungswissen erfolgt isoliert und nicht eingebettet in einen größeren Kontext (unreflektierte Rezeptesammlung). • Das Sammeln und Verknüpfen von eigenen Erfahrungen und Vorwissen kommt zu kurz (keine Individualisierung von Lernprozessen). • Es wird nicht das im Seminar realisiert, was „gepredigt“ wird: Dozierende sprechen von Lernerorientierung bzw. Lerneraktivierung und halten aber selbst Vorlesungen ab (keine Vorbildfunktion bzw. kein Rollenmodell). Aus verständlichen Gründen entstehen seitens der Studierenden nicht selten Ängste und Unsicherheiten, welche zu einem Unterrichtsstil führen, der aus der eigenen Schulzeit be‐ kannt ist und in vielen Lehrveranstaltungen vorgelebt wird: Frontalunterricht. Vor dem Hintergrund der oben genannten Kritikpunkte stellte sich für mich bei der Seminarkonzeption daher vor allem die Frage nach der Gewichtung von Theorie und Praxis, also nach einer sinnvollen Verbindung der beiden Pole, um reflektiertes und fundiertes Handlungswissen zu generieren. Obwohl ich meinen eigenen langjährigen Lernprozess, nämlich das Storyline-Modell zu erforschen und auf das Fremdsprachenlernen zu über‐ tragen, mitunter beschwerlich fand, zumal es zu Beginn kaum Literatur gab, stand für mich fest: Storyline muss man selbst erfahren haben, um das Konzept bewerten und umsetzen zu können. Das übergeordnete Prinzip für die Kursentwicklung lautete also von vornherein learning by doing. Dabei wurde auch bald klar, dass die intensive Beschäftigung mit Storyline nur in Form eines mehrtägigen Kompaktseminars realisiert werden konnte und nicht etwa in wöchentlich stattfindenden Einzelsitzungen à 90 Minuten. Schließlich kristallisierte sich für mich ein Seminarkonzept heraus, das ab Ende der 1990er Jahre in verschiedenen Va‐ rianten und Versionen erprobt wurde und in der vorliegenden Arbeit nun dargestellt und ausgewertet werden soll. 491 7.2 Das Seminarkonzept Vom Grundsatz her besteht die Lehrveranstaltung aus mehreren aufeinander aufbau‐ enden Phasen, die darauf abzielen, theoretisches Wissen und erfahrungsbasiertes Wissen bewusst zu machen und zu strukturieren sowie deklaratives und prozedurales Wissen bzw. know how und do how so miteinander zu verknüpfen, dass eine Einheit entsteht, die auf Wissen, Erfahrung, Reflexion, Transfer und (wenn möglich) Erprobung basiert. Auf diese Weise soll nicht nur professionelles, sondern auch nachhaltiges Lernen im Sinne einer um‐ fassenden berufsbezogenen Kompetenzentwicklung gefördert werden. Der Storyline Ap‐ proach gilt dabei nicht nur als Lerngegenstand, sondern zugleich auch als Lehr-Lern-Modell. Hinsichtlich des zeitlichen Ablaufs gestaltet sich das Hauptseminar in 3 Etappen: eine Vorphase mit Anmeldung und Vorbesprechung, eine Hauptphase in Form eines viertägigen Kompaktseminars und (wenn möglich) eine Anschlussphase mit Nachtreffen zum Erfah‐ rungsaustausch. Die Vorbesprechung, mit der auch die verbindliche Anmeldung verbunden ist, findet etwa vier bis sechs Wochen vor Kursbeginn statt. Bei diesem Treffen werden Kursinhalte und Leistungsanforderungen besprochen. Von allen Kursmitgliedern, auch denjenigen, die „nur“ ein Testat anstreben, wird die Mitarbeit an der Konzeption eines eigenen Storyline-Projekts erwartet. Die Gründe dafür werden anhand des mehrstufigen Seminarkonzepts transparent gemacht. Wenige Tage danach wird der Reader verteilt, der vor Kursbeginn durchgearbeitet werden soll, damit die Studierenden schon im Vorfeld mit spezifischen Inhalten und Fragestellungen vertraut sind. Besagter Reader hat in der Regel einen Umfang von circa 130-150 Seiten und enthält Texte aus folgenden Bereichen: Anfor‐ derungen des Bildungsplans; Heterogenität und Differenzierung; Konstruktivismus vs. In‐ struktivismus; Projektunterricht und offene Lernformen; Möglichkeiten und Grenzen der Lehrwerke; themenorientierter und aufgabenorientierter Fremdsprachenunterricht; das Storyline-Konzept (allgemeine Aspekte sowie Erkenntnisse aus dem Fremdsprachenunter‐ richt); diverse Praxisbeispiele (Storyline-Projekte sowie ein Beispiel zur verwandten Simu‐ lation globale); Bibliographie. Die Studierenden erhalten außerdem schriftliche Angaben zu den obligatorischen und optionalen Leseaufträgen, den Anforderungen für den Scheiner‐ werb sowie zu organisatorischen Punkten. Anzumerken ist, dass die Angaben zu den Leseaufträgen von Mal zu Mal offener wurden, das heißt, die Studierenden sollten im Sinne der Differenzierung zunehmend selbst ein‐ schätzen und entscheiden, wie viel und was sie neben den verbindlichen Texten lesen „müssen“, um gut vorbereitet zu sein. Auch machte ich von vornherein klar, dass ich keine Vorträge oder Vorlesungen halten werde, sondern es in der Verantwortung der Studie‐ renden liegt, sich dieses spezifische Wissen selbst anzueignen. Wie aus dem unten abgedruckten Seminarplan ersichtlich ist, besteht das Kompaktse‐ minar aus mehreren Modulen, die aufeinander aufbauen: Theorie, Praxis, Transfer. 492 7 Forschungsfokus Hochschuldidaktik The Storyline Approach: Project-oriented and Theme-based Learning and Teaching Monday, 14 th February 2011 13.00 - 14.00 - Organisation - Getting to know each other 14.00 - 14.30 - Discussion of own experiences concerning project work or theme-based work in FLT (group work) 15.00 - 17.00 - Presentation of group results - Presentation and discussion of some examples taken from course books Tuesday, 15 th February 2011 9.00 - 10.00 - Focus on different aspects of the Storyline Approach (group work) 10.30 - 12.00 - Presentation of group results in class - Collection of questions 13.00 - 17.00 (with breaks) - Experiential learning: A Storyline project (part 1) Wednesday, 16 th February 2011 9.00 - 12.00 (with breaks) - Experiential learning: A Storyline project (part 2) 13.00 - 13.30 - Short evaluation and discussion of the Storyline project 13.30 - 14.30 - Storyline in the FL-classroom (video, pictures, products): Chances and chal‐ lenges - Question time: Reference to previously designed posters 15.00 - 16.45 - Discussion of educational standards (Bildungsstandards) and the curriculum - Assessment and evaluation 16.45 - 17.00 - Pairs / groups decide on topics concerning their own Storyline projects Thursday, 17 th February 2011 9.00 - 13.00 (with breaks) - How to design a Storyline project - Pairs / groups design a rough sketch of their own Storyline projects 14.00 - 15.30 - Presentation of projects and discussion of individual questions 16.00 - 17.00 - Organisation - Evaluation Abb. 8: Programm des Storyline-Kompaktseminars Der erste Tag beginnt damit, dass sich die Studierenden nach der ausführlichen Erläuterung des Seminarkonzepts in verschiedenen Gruppenaktivitäten kennenlernen und austau‐ 493 7.2 Das Seminarkonzept schen. Als Auftakt dient die Methode „Kugellager“ (Wheels): Die Studierenden nehmen Kontakt zueinander auf, indem sie sich zwanglos über spezifische Themen (Hobbys, Aus‐ landserfahrungen, außergewöhnliche Begegnungen usw.) unterhalten. Auf diese Weise wird eine entspannte Arbeitsatmosphäre geschaffen und die Studierenden machen sich zugleich mit der Seminarsprache Englisch vertraut. Nach dieser Aufwärmphase tauschen sich die Studierenden in Kleingruppen über ihre Erfahrungen mit Projekten aus, die sie während der eigenen Schulzeit, an der Hochschule oder in Praktika gesammelt haben. Die Fragestellung ist zunächst offen, es können also allgemeine und/ oder fremdsprachenbezogene Erfahrungen eingebracht werden. Parallel erstellen die Gruppen einen Kriterienkatalog, der darüber Auskunft gibt, wie sie Projekte definieren würden. Dabei nehmen die Studierenden nicht nur Bezug auf die Texte aus dem Reader, sondern wenden ihr erworbenes Wissen bei der Bewertung ihrer persönlichen Er‐ fahrungen auch aktiv und direkt an. Alle Ergebnisse werden auf einem Poster visualisiert und dokumentiert. Danach werden diese im Plenum vorgestellt und für die Dauer des Se‐ minars aufgehängt, so dass sie immer wieder konsultiert und bei Bedarf auch überarbeitet werden können. Da sich die Erfahrungen mit Projektarbeit im Fremdsprachenunterricht üblicherweise in Grenzen halten, werden im nächsten Schritt Argumente gesammelt, warum projekt- und themenorientiertes Sprachenlernen in der Praxis oft vernachlässigt wird. Alle Punkte werden schriftlich festgehalten. Diese Phase soll der Reflexion und Aufmerksamkeitslen‐ kung auf eventuelle Problemstellen und Fragen dienen, für die am Ende des Kompaktse‐ minars (hoffentlich) eine Antwort und Lösung gefunden wird. Im Anschluss erfolgt von meiner Seite aus eine Präsentation von Beispielen aus diversen Schulbüchern, die dort aus‐ drücklich als Projekte ausgewiesen sind. Die Studierenden erhalten den Auftrag, die vor‐ gestellten Beispiele anhand der zuvor gesammelten Kriterien zu bewerten. Als Leitfrage gilt: Handelt es sich hier tatsächlich um Projekte? Jede Antwort muss begründet und belegt werden. Im gleichen Zug lernen die Studierenden, vorgefertigte Angebote kritisch und kri‐ teriengeleitet zu beurteilen. Der erste Tag endet damit, dass die Studierenden ein Arbeitspapier erhalten, auf dem die Ziele, Absichten und Vorzüge der Projektarbeit im Fremdsprachenunterricht noch einmal zusammengefasst werden. Diese Sammlung soll nicht zuletzt auch als Argumentationshilfe dienen, wenn sie beispielsweise im Kollegium oder in Gesprächen mit Eltern begründen müssen, warum sie ein Storyline-Projekt durchführen möchten. Der zweite Tag konzentriert sich zunächst auf die Verknüpfung und Strukturierung des theoretischen Wissens über den Storyline Approach, welches die Studierenden mit Hilfe des Readers im Vorfeld erwerben konnten. Der Einstieg erfolgt über einen kurzen Exkurs zur Funktion von stories bzw. storytelling als Träger von Kulturgut und als traditionelles Me‐ dium zur Weitergabe von Wissen und Erfahrungen. Mit Verweis auf den am Vortag im Rahmen von Wheels realisierten Austausch von persönlichen Erlebnissen wird den Studie‐ renden verdeutlicht, dass das Erzählen von möglichst ungewöhnlichen Geschichten auch heute noch eine große Bedeutung hat und dass gerade Kinder beim Spielen gerne in andere Rollen schlüpfen, um ihrer Phantasie freien Lauf zu lassen. Im nächsten Schritt erhalten die Studierenden mit Hilfe der Methode „Lernen durch Lehren“ (learning by teaching) die Gelegenheit, ihr bisher erworbenes Wissen über das 494 7 Forschungsfokus Hochschuldidaktik Storyline-Konzept auszutauschen und zu überprüfen. Dazu wird die Seminargruppe in 3 Arbeitsgruppen (A, B, C) aufgeteilt, die sich mit spezifischen Fragestellungen beschäftigen. Auf Grund der arbeitsteiligen Gruppenarbeit ergibt sich später bei der Präsentation eine authentische Kommunikationssituation (information gap): • Gruppe A: Hintergrund, Struktur und Lebensbezug 1. What can be regarded as typical features of the Storyline Approach? 2. What target group was initially thought of when Storyline was designed? 3. What is actually meant by the term Storyline? 4. What structure do you recognize? What’s the function of the different phases? 5. What possibilities are there to bring reality and real-life into the classroom? • Gruppe B: Spracharbeit, Rollen und Abgrenzung zu anderen Projekt‐ formen 1. What can be regarded as typical features of the Storyline Approach? 2. When and how is new lexis and / or grammar introduced? 3. What purpose do you see in the fact that pupils create and design their own figures? 4. What role does the teacher take over in a Storyline project? 5. What differences do you see between Storyline and other project-types? • Gruppe C: Lernerorientierung, Fries, Sozialformen und Medienkompe‐ tenz 1. What can be regarded as typical features of the Storyline Approach? 2. In what way does Storyline develop and foster the pupils’ creativity, active participation and self-responsibility? 3. What’s the function of the documentation and presentation of pupils’ work? 4. What are the dominant learning arrangements? 5. In what way does Storyline develop and improve media literacy? Abb. 9: Die Fragenkataloge der 3 Arbeitsgruppen Um alle Studierenden zu involvieren, unterteilt sich jede Gruppe zunächst in 2 Unter‐ gruppen und tauscht sich aus. Danach treffen sich die Mitglieder der Arbeitsgruppe A, B bzw. C in ihrer Großgruppe wieder, um sich abzustimmen und ein Poster zu erstellen. Mit Absicht erhalten alle bei Frage 1 dieselbe Aufgabenstellung, so dass im Rahmen der Prä‐ sentation ein möglichst vollständiges Bild von Storyline entwickelt wird. Ferner soll dadurch ermöglicht werden, dass sich die Gruppen gegenseitig ergänzen, vergleichen oder befragen können. Bevor die Poster im Plenum vorgestellt werden, wird den Studierenden Sinn und Zweck dieser Aufgabenstellung bewusst gemacht: Erstens sollen sie durch die Visualisierung und Dokumentation der Arbeitsergebnisse das strukturieren und reflektieren, was sie zu Hause gelesen haben. Zweitens sollen sie nach der Durchführung der Unterrichtssimulation ihre Eindrücke (before and after) vergleichen und somit individuelle Lernprozesse erkennen und 495 7.2 Das Seminarkonzept bewerten. Drittens sollen sie mit Hilfe dieser persönlichen Lernprodukte know how und do how ganz konkret aufeinander beziehen, so dass am Ende belegbare Lernfortschritte er‐ kennbar werden. Ein Grundprinzip des Kurses ist, dass die Studierenden ihr eigenes Lernen beobachten und erforschen, um Erkenntnisse für das spätere Lehrverhalten im Klassenzimmer ableiten zu können. Dies ist auch mit ein Grund dafür, dass ich möglichst keine wertenden Kom‐ mentare oder „fertige“ Antworten gebe, sondern zum Fragen und Hinterfragen anrege (forschendes Lernen). Anzumerken ist, dass im Laufe des Seminars zwei Friese Gestalt annehmen: auf der einen Seite des Seminarraums der Fries der Studierenden mit den oben erläuterten Postern (Theorie) und auf der anderen Seite der Fries mit den Collagen aus der Unterrichtssimula‐ tion (Praxis). Dass die Studierenden das Storyline-Modell quasi über Storyline-Prinzipien kennenlernen, sage ich an dieser Stelle nicht, denn dies sollen die Studierenden möglichst selbst erkennen. In der letzten Phase des Vormittags werden die Studierenden gefragt, ob sie sich jetzt, nach der intensiven Auseinandersetzung mit der Thematik, in der Lage fühlen, ein Story‐ line-Projekt im Unterricht durchzuführen. Alle in diesem Zusammenhang auftauchenden Fragen und Unsicherheiten werden (unkommentiert) auf Postern gesammelt. Darüber hinaus werden die Studierenden ausdrücklich dazu ermuntert, weitere Fragen selbstständig einzutragen, um sie am Ende des Kurses gemeinsam zu besprechen. Im gleichen Zug wird ihnen transparent gemacht, dass diese Vorgehensweise einen tieferen Grund hat, nämlich sie selbst nach Problemlösestrategien und Lösungen für die Fragen suchen zu lassen und dabei gleichzeitig den Unterschied zwischen Lernen und Lehren erfahrbar zu machen. Ich selbst orientiere mich während der Kursdurchführung immer wieder an den aufgelisteten Fragen und gebe von Zeit zu Zeit (versteckte) Impulse im Sinne von key questions, damit die Studierenden tatsächlich stimmige und reflektierte Lösungen für ihre Fragen und Pro‐ bleme finden (können). Am Nachmittag beginnt die Unterrichtssimulation, das heißt, ich führe mit den Studie‐ renden ein etwas verkürztes Storyline-Projekt nach dem Prinzip „Erfahrungsbasiertes Lernen“ (learning by doing) konkret durch. Aus den oben genannten Gründen handelt es sich hierbei entweder um The Farm oder Witches. Im Vorfeld erläutere ich kurz den Kontext des gewählten Storyline-Projekts (Altersgruppe, Lernniveau, Dauer usw.), damit die Stu‐ dierenden eine realistische Bezugsgröße haben. Außerdem erinnere ich sie an das Poster für eventuell aufkommende Fragen. Schließlich werden die Studierenden dazu eingeladen, sich nicht nur möglichst authentisch in die Rolle von Schülerinnen und Schülern zu be‐ geben, sondern auch mich in der Rolle als Lehrerin dieser fiktiven Schulklasse intensiv zu beobachten. Somit nehmen die Kursmitglieder also gleichzeitig zwei Perspektiven ein: Sie erfahren am eigenen Leib die Qualität der Storyline-Arbeit für Lernende und sehen in mir, der Lehrerin, ein Rollenmodell für das eigene spätere Handeln im Klassenzimmer. Die Unterrichtssimulation endet an diesem Tag jeweils mit Episode 2. Je nach Zeitbudget wird entweder an diesem Nachmittag oder am nächsten Vormittag auch eine kurze schrift‐ liche Evaluation (self-evaluation) durchgeführt, um exemplarisch zu demonstrieren, wie Schülerinnen und Schüler zum selbstverantwortlichen Lernen angeleitet werden können, indem sie sich zu spezifischen Punkten äußern und zugleich ihre Arbeit überdenken. Die 496 7 Forschungsfokus Hochschuldidaktik Ergebnisse werden in der jeweiligen Gruppe besprochen. Außerdem können persönliche Kommentare auf dem Bogen notiert werden. Zum Schluss werden die Evaluationsbögen in einem Umschlag am Fries gesammelt und von mir, der Lehrerin, bis zur nächsten Stunde ausgewertet. Am dritten Tag wird das Storyline-Projekt fortgesetzt und am Ende des Vormittags mit Episode 4 abgeschlossen. Nach der Mittagspause erfolgt eine kurze Aussprache über die individuellen Eindrücke. Danach berichte ich von meinen eigenen Erfahrungen mit Story‐ line im Englischunterricht und belege dies mit konkreten Beispielen und Ergebnissen aus verschiedenen Lernkontexten: Zitate aus Schülerfragebögen, diverse Lernprodukte wie Texte oder Figuren, verschiedene Fotos und Videoausschnitte. Auf diese Weise lernen die Studierenden nicht nur Varianten der Storyline-Arbeit kennen (z. B. wie Charaktere darge‐ stellt werden können), sondern sie können sich anhand der authentischen Materialien davon überzeugen, dass Storyline nicht nur im Seminar, sondern auch in der Schule „funk‐ tioniert“. Hinsichtlich der Videobeispiele mache ich in der Regel - je nach Thema - einige Vor‐ schläge und lasse die Studierenden abstimmen, was sie sehen möchten: einen Ausschnitt aus demselben Storyline-Projekt, das im Seminar durchgeführt wurde, ein Projekt für ein anderes Lernniveau oder etwa ein ausländisches Beispiel aus dem Mutterbzw. Fremd‐ sprachenunterricht. In jedem Fall wird angeboten, dass alle anderen Materialien auch wäh‐ rend der Pausen oder anderweitig gesichtet werden können. Ziel ist es, dass sich die Stu‐ dierenden anhand der konkreten Anschauungsexemplare bewusst darüber werden, dass die Storyline-Arbeit eben kein Rezept im Sinne einer Kopiervorlage ist. Für die verbleibende Zeit des Kompaktseminars werden deshalb Ordner mit Photos und Materialien sowie di‐ verse themenrelevante Fachbücher ausgelegt, die zum selbstständigen Schmökern und Re‐ cherchieren anregen sollen. Nach der Videopräsentation erfolgt eine erneute Aussprache. Danach werden die Stu‐ dierenden aufgefordert, noch einmal ihre am Vortag erstellten „A-B-C-Poster“ zu sichten, mit der Gruppe eventuelle Einstellungsänderungen, die sich möglicherweise durch die praktische Erfahrung ergeben haben, zu besprechen und die Ergebnisse im Plenum vorzu‐ stellen. Der nächste Seminarblock bezieht sich auf die Themen „Bildungsstandards“ und „Leis‐ tungsmessung“, die - neben dem vermeintlichen Zeitdruck durch „das Buch“ - üblicher‐ weise als Argument und Vorwand vorgebracht werden, warum kaum offene Unterrichts‐ formen oder Projekte im Englischunterricht realisiert werden. Als Kontext für die Beschäftigung mit diesen „heißen“ Themen sollen sich die Studierenden in die Rolle von Lehrkräften versetzen, die ein Storyline-Projekt durchführen möchten und nun Eltern und Fachkollegium für ihr Vorhaben gewinnen müssen. Die Aufgabenstellung lautet, mit Hilfe des Bildungsplans überzeugende Argumente zu finden, warum es sinnvoll und wichtig ist, das spezifische Projekt durchzuführen, und zu überlegen, wie es bewertet und benotet werden kann. Um die Arbeit zu erleichtern, sollen sich die Studierenden konkret auf das im Seminar durchgeführte Storyline-Projekt beziehen und in Kleingruppen eine der ange‐ botenen Aufgaben bearbeiten. Dies bedeutet, dass sich - je nach Storyline-Thema - etwa 3 Gruppen mit den Bildungsstandards für Klasse 4 (GS), 6 (HS bzw. RS) oder 8 (RS) beschäf‐ tigen und auf den entsprechenden Kopien bzw. Folien alle im Bildungsplan für das Fach 497 7.2 Das Seminarkonzept 1 Vgl. dazu den Erfahrungsbericht in Kocher (1994), der als Anregung auch im Reader enthalten ist. Englisch aufgeführten Kompetenzen, Fertigkeiten usw. abhaken, die durch das Projekt ab‐ gedeckt werden. Die anderen 2-3 Gruppen sammeln Vorschläge, wie und was bei diesem Projekt bewertet werden könnte. Nach der Präsentation und Diskussion der Gruppenergebnisse stelle ich (je nach Bedarf) noch einige Beispiele für die Selbst- und Peerevaluation vor, die im Rahmen der von mir betreuten Storyline-Projekte entwickelt und erprobt wurden. Auch verschiedene Prüfungs‐ formate wie etwa die EUROKOM-Prüfung an der Realschule sowie diverse Sprachenport‐ folios für die Primar- und Sekundarstufe werden vorgestellt und in Bezug zur Story‐ line-Arbeit gesetzt. Im letzten Block wird das Thema „Multiple Intelligenzen“ und deren Bedeutung für das Fremdsprachenlernen bearbeitet. Je nach Vorwissen der Seminargruppe erfolgt von meiner Seite aus ein kurzes Impulsreferat, danach erhalten die Studierenden ein Arbeitsblatt mit Informationen zu den einzelnen Intelligenzen, für die sie konkrete Beispiele aus der Story‐ line-Arbeit finden sollen. Ziel dieser Aufgabenstellung ist es, die Studierenden dafür zu sensibilisieren, dass das Erlernen einer Fremdsprache effektiver ist, wenn es ganzheitlich erfolgt, und dass all die damit verbundenen Lernprozesse und -produkte berücksichtigt werden sollten, um ein vollständiges Bild über die Lernfortschritte und Kompetenzen einer Schülerin oder eines Schülers zu erhalten und nicht zuletzt eine faire Bewertung abgeben zu können. Die letzte Viertelstunde wird dafür verwendet, die Studierenden auf die nächste Semi‐ narphase vorzubereiten, denn nach der theoriegeleiteten und erfahrungsbezogenen Aus‐ einandersetzung mit dem Storyline Approach sollen sie nun ihr Wissen umsetzen und an‐ wenden, indem sie in Partnerarbeit bzw. Kleingruppen eigene Storyline-Projekte konzipieren, die sie später auch den anderen Kursmitgliedern zugänglich machen können, so dass am Ende alle eine Sammlung mit ausgearbeiteten Storyline-Projekten zur Verfügung haben, die sie im Unterricht erproben können. Bewusst wird hier die Arbeit in Gruppen vorgeschlagen, damit die Studierenden bei dieser anspruchsvollen Transferleistung die Möglichkeit haben, sich in kleinen Expertenteams auszutauschen und zu unterstützen, denn aus eigener Erfahrung weiß ich, dass die Entwicklung des allerersten Storyline-Pro‐ jekts mit vielen Fragen verbunden ist. 1 Zur Inspiration mache ich einige Themenvorschläge für verschiedene Klassenstufen. Der vierte Tag beginnt mit einer schriftlichen Seminarevaluation (SABSt), so dass auf die Ergebnisse im Verlauf des Seminars noch eingegangen werden kann. Danach beginnen die Studierenden mit der Aufgabe, für eine Klasse nach Wahl eigene Storyline-Projekte zu kon‐ zipieren. Für die Projektskizzierung erhalten sie eine spezifische Planungsmatrix im DIN A3-Format sowie einige unterstützende Hinweise zur Vorgehensweise. Der Vormittag ist so konzipiert, dass die Studierenden eigenständig arbeiten. Ich bin zwar anwesend und stehe für individuelle Beratungen bereit, doch ansonsten arbeiten die Gruppen in Eigenregie und wählen sich eigene Lernorte und Arbeitsweisen aus. Im Raum richte ich eine kleine Bibliothek ein; diese enthält Fachbücher, Nachschlagewerke, Bil‐ dungspläne, Videos, Fotos sowie einige Storyline-Entwürfe. Des Weiteren biete ich an, dass die Studierenden in der so genannten Sprachdidaktischen Mediothek (SDM) arbeiten 498 7 Forschungsfokus Hochschuldidaktik können und so Zugang zu verschiedenen Medien und Materialien haben. Da es erfah‐ rungsgemäß kaum machbar ist, in der kurzen Zeit ein komplettes und in sich schlüssiges Projekt zu entwickeln, werden die Studierenden dazu angeregt, sich auch Fragen zu ihrem Entwurf zu überlegen, die am Nachmittag in der großen Expertenrunde (think tank) dis‐ kutiert werden können. In der Zwischenzeit gehe ich die SABSt durch, stelle einen kurzen Bericht zusammen und überprüfe, ob eventuelle Vorschläge noch berücksichtigt werden können. Nach der Mittagspause findet ein Treffen in der Großgruppe statt, um die Projektskizzen vorzustellen. Die Teams sollen in 10 Minuten ihren Entwurf präsentieren und - bei Bedarf - Fragen dazu stellen, die dann gemeinsam beantwortet werden. Im Gegenzug können die Seminarmitglieder auch Fragen an die Präsentationsgruppen stellen oder Anregungen geben, wenn ein Schritt nicht schlüssig oder sinnvoll erscheint. Zugleich werden die Stu‐ dierenden dazu angeregt, immer wieder zu überprüfen, was genau den Storyline Approach ausmacht. In der Schlussrunde verweise ich auf spezifische Literatur, Websites, Kontaktadressen, Tagungen oder Treffen und erinnere die Studierenden daran, jetzt noch einmal mit “edu‐ cated eyes“ (Vos 1991, 93) die „A-B-C-Poster“ zu betrachten. Schließlich wird gemeinsam die Fragensammlung auf dem Poster durchgegangen und nach Lösungen für die mit inci‐ dents vergleichbaren Punkte gesucht. Zum Schluss werden die Studierenden dazu ermun‐ tert, ihr eigenes oder ein anderes Storyline-Projekt im Unterricht auszuprobieren, um durch die Erprobung noch mehr Klarheit zu erhalten. Falls der Wunsch besteht, wird ein Nach‐ treffen für den Frühsommer vereinbart, bei dem Storyline-Erfahrungen in der Schulpraxis, mögliche Schwierigkeiten bei der Ausarbeitung des Projektentwurfs oder auch Einstel‐ lungsänderungen ausgetauscht und reflektiert werden. Im Abschlussgespräch werden - falls vorhanden - die Befunde aus der SABSt vorgestellt und eventuelle Fragen geklärt. Alternativ (oder ergänzend) geben die Studierenden eine mündliche Rückmeldung zum Seminarverlauf. Anzumerken ist, dass der konkrete Ablauf eines Seminars immer an die Bedürfnisse der spezifischen Seminargruppe angepasst wird. Wenn also beispielsweise mehrheitlich der Wunsch nach einer längeren Diskussion geäußert wird, dann wird dem in der Regel ent‐ sprochen und dafür ein anderes Thema gekürzt. Grundsätzlich wird jedoch darauf geachtet, dass alle Programmpunkte berücksichtigt werden. 7.3 Fallstudie 7: The Farm 7.3.1 Allgemeine Informationen Since I enjoyed the Storyline in the seminar a lot I suppose pupils will also enjoy it (Kursmitglied, 7. Semester) Das erste von mir hier ausgewertete Storyline-Hauptseminar fand direkt im Anschluss an das WS 2005/ 2006 statt und trug damals noch den Titel Projectand Theme-based Learning and Teaching. Der Kurs war für verschiedene Zielgruppen ausgeschrieben: Lehramtsstu‐ diengänge (Grund-, Haupt- und Realschule) nach neuer und alter Prüfungsordnung inklu‐ 499 7.3 Fallstudie 7: The Farm sive Europalehramt sowie für Diplomstudiengänge. Dabei konnten die Studierenden ver‐ schiedene Leistungsnachweise erwerben. Zur Vorbereitung sollte der komplette Reader (damals 132 Seiten) bearbeitet werden. Für die Simulation wurde in dieser Studie das Projekt The Farm gewählt (vgl. Kapitel 6.2.4), weil sich die Lerngruppe etwa jeweils zur Hälfte aus Studierenden mit Schwerpunkt Primarstufe bzw. Sekundarstufe I zusammensetzte, so dass mir diese Storyline als besonders geeignetes Modell für die Zielgruppe erschien. Während der Seminardurchführung versuchte ich, die Studierenden in verschiedenen Situationen zu beobachten und immer wieder Notizen anzufertigen. Um zu vermeiden, dass Gespräche, Diskussionen oder andere Arbeitsphasen durch mein Notieren gestört werden, musste ich zunächst verschiedene Strategien ausprobieren. Im Zweifelsfall verzichtete ich auf das Mitschreiben, weil ganz klar die Seminardurchführung im Vordergrund stand. Für die Datenauswertung standen zudem die diversen Poster und Friesmaterialien sowie die Seminararbeiten und Reflexionen der Studierenden (SA) zur Verfügung. Eine SABSt wurde in dieser Gruppe nicht durchgeführt, denn diese Idee entwickelte sich erst im Nachhinein. 7.3.2 Die Lerngruppe Die Lerngruppe bestand aus insgesamt 18 Studierenden, von denen mir etwa die Hälfte aus anderen Kursen bekannt war. Wie die unten aufgeführten Tabellen verdeutlichen, hatte die Lerngruppe ein recht heterogenes Profil: 13 der 18 Studierenden waren weiblich. 10 Per‐ sonen studierten für das Lehramt an Grundschulen, davon 8 den Studiengang Europa‐ lehramt (EuLA), die anderen 8 hatten ihren Schwerpunkt im Sekundarbereich. Studiengänge Gesamtzahl Frauen Männer Lehramt an Grundschulen (GS) 2 1 1 Lehramt an Hauptschulen (HS) 1 0 1 Lehramt an Realschulen (RS) 7 5 2 Europalehramt an Grundschulen (EuLA GS) 8 7 1 Gesamtzahl der Studierenden (= n) 18 13 5 Tab. 58: Anzahl, Studiengang und Geschlecht der Seminarmitglieder (Anmeldeformular) Auch das Lernniveau der Studierenden war sehr disparat: Einige befanden sich erst am Anfang ihres Studiums, andere standen bereits kurz vor dem Staatsexamen. Auffallend ist, dass sich das Gros der Studierenden, nämlich ein Drittel, bereits im 7. Semester befand. Semesterzahl Anzahl pro Studiengang Frauen Männer Gesamtzahl pro Semester GS HS RS GS HS RS GS HS RS 3. Semester 3 2 0 1 1 0 1 1 0 0 500 7 Forschungsfokus Hochschuldidaktik 2 In der Regel wurde hier das Hochschulsemester (nicht das Fachsemester) berücksichtigt. 5. Semester 4 0 1 3 0 0 2 0 1 1 6. Semester 1 1 0 0 1 0 0 0 0 0 7. Semester 6 5 0 1 5 0 1 0 0 0 8. Semester 3 2 0 1 1 0 1 1 0 0 10. Semester 1 0 0 1 0 0 0 0 0 1 Gesamtzahl der Studierenden (= n) 18 10 1 7 8 0 5 2 1 2 Tab. 59: Semesterzahl der Seminarmitglieder 2 (Anmeldeformular) 7.3.3 Der Seminarverlauf: Beobachtungen und Reflexion Im Vergleich zu früheren Storyline-Kursen hatte ich dieses Mal eine längere Kennenlern‐ phase eingeplant, damit die Studierenden schnell Kontakt miteinander aufnehmen und Be‐ rührungs- oder Sprachängste von vornherein vermieden werden. Die Methode „Kugel‐ lager“ erwies sich als gute Idee und die Studierenden unterhielten sich bald angeregt miteinander [4c, 5d, 14c], so dass ich beschloss, diesen Part dauerhaft in mein Seminar‐ konzept zu integrieren (UR). Im nächsten Schritt sollten sich die Studierenden in 5 Kleingruppen über ihre Erfah‐ rungen mit projektbzw. themenorientiertem Lernen austauschen. In diesem Kurs wurde (noch) nicht die Aufgabe gestellt, die Begriffe auch zu definieren und somit zu konkreti‐ sieren. Auffallend war, dass alle bis auf eine Gruppe bald nur noch in der Fremdsprache kommunizierten [5d, 13e, 14c], während sie ihre Erfahrungen auf Postern festhielten (UB) [5c, 8a]. Bei der Ergebnissammlung zeigte sich, dass zwar einige als Schülerinnen bzw. Schüler oder als Studierende Erfahrungen mit Projektarbeit - nicht jedoch mit Storyline - gesammelt hatten [8a, 14c], aber insgesamt war der Kenntnis- und Erfahrungsstand recht niedrig, vor allem im Hinblick auf den Fremdsprachenunterricht. Die Erfahrungen und Kenntnisse der Studierenden unterschieden sich nicht nur in quan‐ titativer und qualitativer Hinsicht, sondern es wurde auch deutlich, dass „Projekte“ in den mittlerweile üblichen Projektwochen nur in Ausnahmefällen tatsächlich als solche be‐ zeichnet werden konnten, denn die Lernenden hatten in der Regel kaum Einfluss auf die (mitunter fragwürdigen) Inhalte oder Gestaltung gehabt. In vielen der geschilderten Fälle handelte es sich quasi um „normalen Unterricht“, der nicht in Einzelstunden, sondern im Block gegeben wurde. Zum Studium an der PH wurde angemerkt: “Only theory, no practice“ (Poster 3) oder “In general: lots of written material, not that much practical experience“ (Poster 2) [8a, 8d]. Was mich erstaunte, war die Tatsache, dass vielfach nur ein rudimentäres und relativ vages theoretisches Wissen vorhanden war, obwohl sich der Großteil der Stu‐ dierenden bereits in einem fortgeschrittenen Stadium ihres Studiums befand. Positiv war, dass mehrfach der Storyline-Reader als Bezugsquelle erwähnt wurde [7a, 14a], aber ich 501 7.3 Fallstudie 7: The Farm hatte erwartet, dass in den erziehungswissenschaftlichen Kursen mehr Vorarbeit geleistet wird. Andererseits konnte ich nicht einschätzen, ob das in den Pädagogik- und Didaktik‐ seminaren vermittelte Wissen möglicherweise zu abstrakt und deswegen nicht präsent war, weil die Vernetzung fehlte (UR). Als es um die Frage ging, warum in der Schule nur selten Projekte im Englischunterricht durchgeführt werden, wurde mit über 20 Punkten eine auffallend große Anzahl und Vielfalt an Gründen, Fragen und Problemstellen genannt [9c, 14c, 14d, 14e]: Thematisiert wurden Aspekte wie Arbeitsaufwand, Stundenplanorganisation, räumliche und materielle Ausstat‐ tung, Fragen der Leistungsmessung und Fehlerkorrektur, Unsicherheiten im Umgang mit Eltern und Kollegium (Kooperation), Unklarheiten zu den Anforderungen des Bildungs‐ plans, Bedenken beim Einsatz von Gruppenarbeit (Verwendung L1/ L2? ), Unsicherheiten bei der Abstimmung von Inhalt, Fremdsprache und anderen Kompetenzen der Lernenden, aber auch “outcome? (un)predictable? “, “teacher role (control? )“, “motivation (teachers/ pupils)? “ sowie “teacher training? ? ? experiences“ (Folie). Im nächsten Schritt stellte ich einige „Projekte“ aus zwei gängigen Schulbüchern für die Hauptschule (Klasse 5) vor und ließ sie durch die Studierenden bewerten. Durch die Zusatzfrage “What do you think is missing? “ wurden alle Studierenden zum Nachdenken angeregt und suchten nach Begründungen [9c, 14c, 14d, 14e]. Insgesamt wurde schnell deutlich, dass es sich bei den vorgestellten Beispielen lediglich um „normale“ Übungen oder kleinere tasks handelte, aber keineswegs um Projekte [14g]. Auf Grund der Tatsache, dass einige Studierende nur wenig Vorwissen zu Projektarbeit hatten, fasste ich die wichtigsten Eckpunkte und Ziele noch einmal mündlich zusammen [14a]. Im Hinblick auf die präsen‐ tierten Beispiele aus den Lehrwerken wurde schließlich bestätigt, dass der Begriff „Projekt“ inflationär und oft völlig unzutreffend gebraucht wird [14e, 14g]. Am zweiten Tag sollten die Studierenden in arbeitsteiliger Gruppenarbeit ihr Vorwissen (published knowledge) über den Storyline Approach reflektieren und strukturieren und die Ergebnisse auf einem Poster dokumentieren. Für diesen Zweck teilten sie sich in die oben beschriebenen Gruppen (A-B-C) auf und bearbeiteten den jeweiligen Fragenkatalog. Die Ergebnisse der drei Gruppen fielen recht unterschiedlich aus, und zwar sowohl im Hinblick auf den Inhalt als auch auf die Gestaltung der Poster [8a, 9c]. Interessant war, was sie bei Frage 1 als spezifische Merkmale für den Storyline Approach herausgearbeitet hatten [14a, 14c, 14d, 14g]: Eintrag auf dem Poster Anzahl der Nennungen Gruppe A Gruppe B Gruppe C 1) group work 3 1 1 1 2) cross-curricular 2 1 0 1 3) learner-orientated; pupil-orientated 2 1 1 0 4) wordbanks 1 0 1 0 5) collage, poster 1 0 1 0 6) presentation 1 0 1 0 502 7 Forschungsfokus Hochschuldidaktik 7) authentic material 1 0 0 1 8) material 1 0 1 0 9) media 1 0 1 0 10) feedback 1 0 1 0 11) theme-based 1 0 0 1 12) experiential learning 1 0 0 1 13) close to real life 1 1 0 0 14) project work 1 1 0 0 15) teacher as facilitator 1 1 0 0 16 „Freiarbeit“ 1 0 1 0 Gesamtzahl der Nennungen 20 6 9 5 Tab. 60: Frage 1: “What can be regarded as typical features of the Storyline Approach? “ (Poster A, B, C) Die Ergebnissammlung schien mit 16 verschiedenen Kriterien recht umfangreich [14g]. Was jedoch bei allen Gruppen fehlte, waren typische Begriffe wie “frieze“, “key ques‐ tions“, “story line“, “figures“ oder “incident“, obgleich sie im Reader [14a] mehrfach erwähnt wurden. Es schien, als ob diese für die Studierenden nur leere Worthülsen waren, die sich nach dem Lesen schnell verflüchtigt hatten. Dass die Vorstellungen von Storyline trotz der vorbereitenden Lektüre des Readers bei vielen noch recht vage und unpräzise waren, zeigte sich bei der nächsten Aufgabe, als ich die Studierenden provokativ fragte, ob sie sich jetzt in der Lage fühlen würden, ein Story‐ line-Projekt im Klassenzimmer durchzuführen bzw. was sie dabei schwierig fänden. Die Studierenden nannten insgesamt 27 Fragen, die auf Postern gesammelt wurden. Dabei ging es unter anderem darum, wie eine Storyline geplant, (thematisch) integriert, organisiert (Zeit, Material) und am Ende bewertet werden kann, wie key questions formuliert und ein‐ gebracht werden, wie Gruppenarbeit organisiert und Ergebnisse korrigiert werden, wie Vorwissen berücksichtigt und ob die Muttersprache vermieden werden kann - und: “How to motivate everybody? “ (Poster) [8d]. Interessanterweise handelte es sich hier um sowohl allgemeine und konzeptionelle als auch organisatorische und praktische Aspekte. Im Hin‐ blick auf den Bildungsplan kam sogar die Frage auf: “Are we allowed to do Storyline? “ (UB) [14d, 14e]. Fazit: Trotz intensiver Auseinandersetzung mit dem Storyline-Modell und trotz Lektüre von exemplarischen Projektbeschreibungen [14a] fühlten sich die Studierenden offenbar außerstande, im Englischunterricht ein Storyline-Projekt tatsächlich durchzuführen. Nie‐ mand gab hier öffentlich zu, das Gelesene in die Tat umsetzen zu können. Vielen schien das Konzept noch zu abstrakt, andere waren offenbar noch nicht ganz überzeugt davon. Am Nachmittag begann die Unterrichtssimulation und mit Erstaunen nahm ich wahr, wie motiviert, kreativ und engagiert die Studierenden an ihren Collagen und Figuren ar‐ 503 7.3 Fallstudie 7: The Farm 3 Auch im Fall der Studierenden werden alle Zitate originalgetreu, also unkorrigiert, abgedruckt. beiteten [10a, 14b]. Ähnlich wie die Schülerinnen und Schüler gaben sie sich viel Mühe, um besonders beeindruckende Ergebnisse präsentieren zu können [8c, 11b]. Ort des Ge‐ schehens war Greenvillage, wo es eine “Organic food and adventure farm“, eine “Olson Farm“, eine “Happy Animal Farm“ sowie eine “Funky Farm“ gab, die von einer Wohnge‐ meinschaft bewirtschaftet wurde [8a, 9c]. Eine Gruppe entschied sich spontan, an Stelle eines Landwirtschaftsbetriebs ein “Hotel Mama“ zu gestalten (Farms 1-5) [2e, 3a]. In akri‐ bischer Kleinarbeit wurden aus Watte Schafe gebastelt, Salatbeete skizziert, Fassaden mit Fachwerk gezeichnet, Solarzellen auf Dächer platziert und Vorhänge aus Stoffresten auf‐ geklebt [10a, 10d]. Eine Gruppe entdeckte in einer Zeitschrift einen Vogel Strauß und entschied sich spontan, “ostrich racing“ als Alleinstellungsmerkmal anzubieten (Farms 1) [2e]. Alle Collagen waren individuell, phantasievoll und zum Teil sehr kunstvoll gestaltet [7d]. Man spürte, dass die kreative Arbeit den Studierenden Freude bereitete und sie zu immer ausgefalleneren Ideen anregte [4b, 8a, 9c]. Manche beschrifteten einzelne Gegen‐ stände mit den entsprechenden englischen Begriffen, wie dies von mir angeregt worden war [5c]. Offenbar handelte es sich um Wörter, die auch für die Studierenden neu waren (z. B. pigsty, cowshed, solar cells) und entweder aus den wordbanks oder dem Lexikon ent‐ nommen wurden [5e, 5i, 7c]. Auch die Biographien und Tagesabläufe der imaginären Dorfbewohnerinnen und -be‐ wohner waren zum Teil sehr ausgefallen [5c, 9c] und sorgten für Staunen und Gelächter [11d]. Die Studierenden identifizierten sich schnell mit ihren Figuren und sprachen, ohne zu zögern, in der ersten Person Singular bzw. Plural [2d]. Teilweise wurden sogar kleine Nebengeschichten entwickelt [2e], wie im Fall des Pavel Raskotsky: “I live in Greenvillage, but I originally come from Kasakstan. I like English country food. I dislike communism. I have a big family back in Kasakstan. My wife is in prison. I work on Funky Farm“ (Biogra‐ phies: Pavel Raskotsky). 3 Im Vergleich zu den Schülerinnen und Schülern fiel es den Studierenden natürlich leichter, ihre kreativen Ideen in der Fremdsprache zu verbalisieren, dennoch fiel auf, dass auch sie in vielerlei Hinsicht ihre Sprachkompetenz verbessern konnten [5g, 5i] und zu‐ nehmend mutiger und kommunikativer wurden [5d]. Manche versuchten jedoch, ganz in der Rolle von Lernenden einer 6. Klasse zu handeln, indem sie sich sprachlich - zumindest im schriftlichen Bereich - in etwa auf dieses Niveau begaben [2d]. Dieser Selbsttest war eine gute Idee, um abschätzen zu können, was eine Klasse sprachlich leisten kann [14b, 14d, 14g]. Andere schrieben auffallend lange Texte [5c]. Der Begriff „Motivation“ nahm für alle spürbar Gestalt an [14g], als ich hervorhob: “YOU produce long texts because you WANT to“ (UB) [4b, 8c, 11b]! Gegen Seminarende kam ich mit einer Studentin ins Gespräch, die mir sichtlich bewegt mitteilte, dass ihr die Arbeit heute großen Spaß bereitet hatte [4a, 4b]. Auch befand sie es für ausgesprochen gut, mit der Seminargruppe ein Storyline-Projekt praktisch durchzu‐ führen, um es selbst „zu erleben“ und somit besser einschätzen zu können (MEBSt7) [13a, 14b, 14g]. Am dritten Tag wurde die Unterrichtssimulation fortgesetzt: Die fiktiven tourists kün‐ digten sich an, so dass Briefe und Broschüren erstellt wurden. Erneut fiel auf, dass die 504 7 Forschungsfokus Hochschuldidaktik Studierenden problemlos in ihre fiktiven Rollen schlüpften [2d] und nebenbei - zur allge‐ meinen Erheiterung [4b] - noch kleine Geschichten ausdachten, die sie harmonisch in die story line integrierten, so dass diese unverkennbar zu ihrer ganz persönlichen Geschichte wurde (ownership) [2e]. Dies geschah entweder spontan auf Nachfrage, etwa bei einer Prä‐ sentation [11c], oder wenn in einer Zeitschrift anregende Bilder entdeckt wurden [7b, 7c]. Auch bemühten sie sich, einladende und ästhetisch gestaltete Briefe zu verfassen, die sie mit ihren fiktiven Namen und passender Handschrift unterschrieben [5c, 5 g, 7d]. Auch hier wurde deutlich, dass die Studierenden ganz in die Geschichte eintauchten und darauf achteten, dass ihre Briefe nicht nur sprachlich und formal korrekt (Datum, Adresse, Brief‐ marke) [5g, 5i], sondern auch inhaltlich ansprechend waren, um sich von den anderen positiv abzuheben [9c, 11b]: ein Automatismus, der mich immer wieder verblüffte, zumal es sich hier um Erwachsene handelte (UR). Am Ende der ersten Doppelstunde sollte die bisherige Storyline-Arbeit aus Sicht einer 6. Klasse reflektiert werden. Für diesen Zweck teilte ich den oben beschriebenen Evaluati‐ onsbogen (self-evaluation) aus, der auch in der Schule eingesetzt werden kann. Die Studie‐ renden nahmen die Sache ernst und bewerteten ihre Arbeit authentisch [8d, 14b, 14d]. Eine Gruppe, die durch gelegentliches Verhandeln in der Muttersprache auffiel, nahm dies zum Anlass, das eigene Sprachverhalten kritisch zu überdenken: “We should use the dic‐ tionary and the wordbanks more often. Furthermore, we still talk too much German. How‐ ever, I’m enjoying working with my group very much. I think we are a good team“ (Evalu‐ ation sheets: St11) [5i, 6d, 8d]. Eine andere Gruppe evaluierte die gruppendynamischen Prozesse [4g, 6c, 8d]. In der darauffolgenden Doppelstunde sollten - initiiert durch eine fiktive Radioansage - möglichst ausgefallene Fotos für einen Wettbewerb eingeschickt werden. Erneut lieferten alle einfallsreiche Ergebnisse ab [9c, 10a]. Eine Gruppe hatte sich sogar einen kurzen Krimi ausgedacht und passende „Beweisfotos“ aus einer Zeitschrift ausgeschnitten [2e, 7d, 9e]. Die Unterrichtssimulation wurde schließlich mit der fiktiven Preisverleihung abge‐ schlossen. Mehrere Studierende fragten, ob sie ihren Fotoapparat mitbringen könnten, um den Fries und die diversen Produkte zu fotografieren (ownership) [4f, 13c, 13d]. Manche betrachteten während der Pausen die Materialien am Fries und wirkten sichtlich zufrieden [12a, 12b, 12c, 12f]. Am Nachmittag fand eine kurze Aussprache über die Simulation statt. Die Studierenden äußerten sich durchweg positiv zu der praktischen Erfahrung [4a, 8d, 14c]. Allseits betont wurde, dass die Simulation eine gute und unverzichtbare Erfahrung war (learning by doing) [13c, 14b, 14g]. Als ich einige Zitate aus meinen Schülerbefragungen zur Story‐ line-Arbeit vorlas, hörte die Seminargruppe aufmerksam zu, staunte gelegentlich über die Antworten und stellte interessiert Zwischenfragen [14d, 14e]. An manchen Stellen wurde heftig genickt, weil offenbar Übereinstimmung herrschte [14g]. Um den Studierenden zu verdeutlichen, dass Storyline kein Rezept, sondern vielmehr ein Konzept ist, welches flexible Einsatzmöglichkeiten bietet, entschied ich mich, in diesem Kurs einen etwa 20-minüten Ausschnitt aus einer Unterrichtsdokumentation von Witches (vgl. Fehse/ Kocher 1995a) zu zeigen, und zwar Passagen aus Episode 4 sowie aus der Ge‐ neralprobe und der Schlusspräsentation. Die Videopräsentation wurde mit Interesse ver‐ folgt und kommentiert. Manche schienen sichtlich beeindruckt von den kreativen Ideen 505 7.3 Fallstudie 7: The Farm und sprachlichen Leistungen der Klasse [8d]. Andere stellten Fragen zum Umgang mit Fehlern, der - darüber waren sich alle einig - äußerst bedacht und großzügig sein sollte [14d, 14e, 14g]. Im nächsten Block ging es um die Themen „Bildungsplan“ und „Bewertung“. Drei Gruppen beschäftigten sich mit den Bildungsplänen bzw. Bildungsstandards (Englisch) für GS 4, HS 6 und RS 6, in denen The Farm durchgeführt werden kann. Zwei andere Gruppen überlegten sich Möglichkeiten der Bewertung und Beurteilung für GS 4 bzw. HS 6 und/ oder RS 6. Das Abhaken der einzelnen Kompetenzen in den Bildungsplänen sorgte für großes Staunen: Man hatte offenbar nicht erwartet, dass während des relativ kurzen Story‐ line-Projekts so viel abgedeckt wurde [14e, 14g]. Eine Studentin sprach mich diesbezüglich später noch einmal an und zeigte sich sehr verblüfft darüber, dass sie gar nicht bemerkt habe, „was wir alles gelernt haben“ (MEBSt7) [5i, 8d, 14g]. Der Kommentar zeigte, dass die nachträgliche Arbeit mit den Bildungsplänen eine hohe Überzeugungskraft besitzt [9b, 14d, 14e]: Die Studierenden kamen ganz allein zu der (wichtigen) Erkenntnis, dass Storyline nicht nur motivierend ist, sondern viele verschiedene Kompetenzen anspricht [8d, 14g]! Interessant war der Kommentar der Studentin auch in der Hinsicht, dass sie offenbar auch eigene fremdsprachenbezogene Lernfortschritte feststellen konnte [5i], obwohl das Projekt ja ursprünglich für die 6. Klasse konzipiert war. Die Äußerung belegt somit, dass ein und dasselbe Grundgerüst für unterschiedliche Lernkontexte verwendet werden kann. Auch die Schlüsselbegriffe aus dem Bildungsplan für die Realschule, von denen ich einige exemplarisch vorlas, sorgten für Staunen [14a]. Begriffe wie „Handlungsorientierung“, „Selbstständigkeit“, „Eigenverantwortlichkeit“, „lustvolle Herausforderung“ oder „nicht ge‐ plante Lösungen anerkennen“ (MKJSBW, Hrsg. 2004c, 16), die bekanntlich auch in jeder Didaktik auftauchen, bekamen plötzlich ein Gesicht [14e]. Mein Blick in die Runde be‐ kräftigte den Eindruck, dass viele gar nicht wussten, welch „revolutionäres“ Gedankengut der Bildungsplan enthält. Hiermit war die am Vortag geäußerte Frage, ob man laut Bil‐ dungsplan überhaupt Storyline-Projekte durchführen „darf “, überzeugend beantwortet: man muss [14d, 14g]! Zu den Möglichkeiten der Leistungsmessung und Evaluation wurden zwei interessante Vorschläge unterbreitet [8a, 9c, 14c], wobei deutlich wurde, dass diese Aufgabenstellung für die Studierenden ein zentrales und zugleich schwieriges Thema darstellte [9b, 14d, 14e], welches in der Kürze der Zeit nicht erschöpfend diskutiert werden konnte. Folglich formulierten sie ihre Desiderate auf einer allgemeineren Ebene. Für die Grundschule wurde vorgeschlagen, statt Noten eher Berichte zu schreiben, welche Prozesse, Produkte und Selbstevaluation berücksichtigen. Zu den Produkten zählten sie Gruppenergebnisse (z. B. Präsentationen) und Einzelergebnisse; die Prozesse wurden (noch) nicht näher definiert. Als Kriterien für die Bewertung nannten sie vier Bereiche: “Social skills - skills to use media and materials - language skills (receptive/ productive) - content, creativity and ideas“ (Folie). Prinzipiell sollte der Fokus auf “communication skills (not on grammar, form)“ (Folie) liegen, was dem Modell des frühen Fremdsprachenlernens voll entspricht [14g]. Für die Realschule (Klasse 6) wurde folgendes Konzept vorgeschlagen: Es sollte grund‐ sätzlich eine Note geben, die sich zu 40 % aus einer Gruppennote und zu 60 % aus einer Note für die Einzelarbeit speist. Bei der Gruppennote sollten drei Aspekte berücksichtigt werden: “Product - creativity - presentation“ (Folie). Zur Einzelnote zählten ebenfalls drei 506 7 Forschungsfokus Hochschuldidaktik Kriterien: “Participation - presentation (skills) - language use → new words, wordbanks“ (Folie). Darüber hinaus sollten die Lernenden, ähnlich wie zuvor praktiziert, ein dreistufiges Evaluationsblatt ausfüllen und die eigene Arbeit und/ oder die eines Gruppenmitglieds be‐ urteilen. Die Ergebnisse wiederum sollten in die Endnote einfließen. Außerdem schlug die Gruppe vor, dass auch das Storyline-Projekt als solches von den Lernenden über ein drei‐ stufiges Raster evaluiert werden sollte [14d, 14e, 14g]. Obwohl ich ursprünglich geplant hatte, bereits an dieser Stelle auf das Fragenposter einzugehen, disponierte ich kurzfristig um. Auch auf die „A-B-C-Poster“ konnte nicht mehr explizit eingegangen werden, so dass ich die Aufgabe stellte, sich bis zum nächsten Tag zu überlegen, ob sich irgendwelche Einstellungsveränderungen ergeben haben [8d, 14d, 14e]. Das Thema „Multiple Intelligenzen“ hatte ich für diese Seminargruppe nicht einge‐ plant, so dass ich zum Schluss einige Themenvorschläge für die bevorstehende eigenstän‐ dige Projektentwicklung präsentierte und die Studierenden sich - je nach Studiengang und Fächerkombination - überlegten, für welche Klassenstufe sie ein Storyline-Projekt konzi‐ pieren wollten [14f]. Manche betrachteten vor dem Nachhausegehen noch einmal einzelne Friesprodukte [12c, 12f] oder die ausgelegten Materialien [7c], andere nutzten die Gele‐ genheit für Fragen [14d]. Der vierte Tag begann mit der Überprüfung der „A-B-C-Poster“. Gruppe A zeigte sich mit ihren früheren Ergebnissen insgesamt zufrieden, Gruppe B ergänzte noch einige Funk‐ tionen der Lehrkraft, und zwar: “Storyteller - providing material - giving feedback“ (Poster B) und Gruppe C fügte zu den “learning arrangements“ noch den Punkt “inside/ outside the classroom“ hinzu (Poster C). Auch schienen manche Begriffe nun klarer und verständlicher als zu Beginn [14c, 14d, 14e, 14g]. Nachdem alle eine Arbeitsgruppe und ein Thema für ihr Storyline-Projekt gefunden hatten, gab ich noch einige Tipps zur Vorgehensweise. Während manche zunächst in den bereitgelegten Unterlagen blätterten [7c], äußerten andere den Wunsch, in die SDM über‐ zusiedeln [7b, 9d]. Überhaupt fiel auf, dass die Studierenden immer wieder das Bedürfnis hatten, die im Seminarraum ausgelegten Materialien zu sichten und sich in Kleingruppen darüber auszutauschen [7c, 14a, 14c, 14e]. Bei der Betreuung einzelner Gruppen wurde deutlich, dass manche sehr selbstständig und konzentriert arbeiteten [8c, 14f], während andere längere Zeit nach einem geeigneten Thema suchten und um meine Hilfe baten. Am Nachmittag wurden die Ergebnisse im Plenum vorgestellt und alle staunten, wie unterschiedlich die insgesamt neun Projektskizzen - trotz gleicher Vorerfahrung - waren [9c, 11d, 14c, 14f]. Da es den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde, die einzelnen Pro‐ jektentwürfe im Detail vorzustellen, sollen an dieser Stelle wenigstens die Themen aufge‐ führt werden: • Circus Festival: Klasse 4 (später: auch Klasse 6, 2. Lernjahr) • In the Neighbourhood: Klasse 4, Englisch und Fächerverbund Mensch - Natur - Kultur • Party: Klasse 4 • Our Perfect School: Klasse 6 (später: Klasse 5) • Shopping Mall: Klasse 6 (später: Klasse 5) • A Trip to the Sahara: Klasse 7, Englisch und Geographie (später: Klasse 8) • Desert Island: Klasse 7 507 7.3 Fallstudie 7: The Farm • Robin Hood (später: Middle Ages): Klasse 7, Englisch und Geschichte • South Africa: Klasse 9 (UB) Auffallend war, dass viele Studierende eines der von mir vorgeschlagenen Themen gewählt und sich manche im Hinblick auf die Struktur relativ stark an The Farm oder anderen Vor‐ lagen orientiert hatten. Andere ließen sich unvoreingenommen von den eigenen Ideen [8a], den Lehrwerkthemen oder den Angaben in den Bildungsplänen [14e] inspirieren und er‐ brachten eine beachtliche Transferleistung [8c, 14f, 14g]. Auch hinsichtlich der Quantität und Qualität der Ergebnisse waren große Unterschiede zu verzeichnen [9c]: Manche hatten nur eine grobe Skizze entworfen, zu der es noch einige Fragezeichen gab, während andere mit ihrer Arbeit so weit fortgeschritten waren, dass sie sogar schon Details ausarbeiten konnten. Bei der Präsentation der Projektentwürfe kamen neben vielen beeindruckenden Ideen [8a, 9c] auch einige Problempunkte zutage, für die gemeinsam nach Lösungen gesucht wurde [8d, 14c, 14d]. Da dies jedoch ad hoc nicht immer möglich war, wurden wenigstens die Schwachstellen benannt [11d], so dass diese bei der weiteren Ausarbeitung berück‐ sichtigt werden konnten. Generell fiel auf, dass manche so fixiert auf eine „gute“ Idee waren, dass der Storyline Approach mitunter etwas aus dem Blickfeld geriet, weil das gesamte Pro‐ jekt quasi auf ein spezifisches Detail wie etwa ein Lied, Bild oder Buch ausgerichtet war und der „Knoten“ - man ahnt es - plötzlich nicht mehr aufzulösen war. Das Festhalten an Ideen führte bisweilen auch dazu, dass einzelne Schritte nicht logisch schienen bzw. kon‐ struiert wirkten [2b]. Vereinzelt wurde noch nach Ideen für einen incident oder ein passendes Ende gesucht. In einigen Fällen war unklar, wie die (zu) vielen Charaktere dargestellt werden konnten, ohne dass die Schülerinnen und Schüler in einen Rollenkonflikt geraten, wenn sie plötzlich verschiedene Personen spielen sollen [2d]. Auch die Frage, wie landeskundliche und kul‐ turelle Aspekte integriert werden können, ohne die üblichen Stereotypen zu bedienen, wurde diskutiert [3c]. Unklar war in einigen Fällen, wie eine Willkommens- oder Ab‐ schiedsparty konkret gestaltet werden könnte, da aus meiner Sicht Schülerinnen und Schüler kein längeres Gespräch - noch dazu in der Fremdsprache - führen, wenn es dazu keinen konkreten Anlass gab, geschweige denn die entsprechenden sprachlichen Hilfen [5d, 5g]. Zum Schluss ermunterte ich die Studierenden, bei der häuslichen Weiterarbeit noch einmal den Reader zu konsultieren, um eventuelle Fragen unter Zuhilfenahme der Theorie und der diversen Erfahrungsberichte zu klären. Auch wenn es mitunter etwas anstrengend war, den zahlreichen Präsentationen kon‐ zentriert zu folgen und sich in neun verschiedene Storyline-Projekte einzudenken, ent‐ puppte sich diese Phase als ein wichtiger Schritt im Sinne der Ergebnissicherung [13a, 14f, 14g] und des gegenseitigen Austausches [11b, 14c, 14d]. Einige Studierende beteiligten sich sehr intensiv an den Gesprächen und gaben gute und kluge Hilfestellungen für die Weiterarbeit [8d, 11d]. Dass alle von den Ergebnissen beeindruckt waren [4f], zeigte sich schließlich auch darin, dass seitens der Studierenden der Vorschlag geäußert wurde [8a, 8b], nach dem Abgabetermin die Entwürfe auf einer CD-ROM zu sammeln [11a] und allen Kursmitgliedern zum Ausprobieren im Klassenzimmer zur Verfügung zu stellen [13c, 13d, 14h]. Auch der Vorschlag, im Frühsommer ein Nachtreffen zu organisieren, wurde begrüßt [13c, 14h]. Schließlich wies ich noch auf die im Oktober in Glasgow stattfindende 3 rd 508 7 Forschungsfokus Hochschuldidaktik International Storyline Conference hin und einige Studierende zeigten sich interessiert an einer Teilnahme [14h]. Zum Schluss wandten wir uns den drei Postern mit den insgesamt 27 Fragen der Stu‐ dierenden zu. Trotz mehrfacher Ermunterung wurden während des Kurses keine weiteren Fragen mehr hinzugefügt, was vielleicht damit zusammenhing, dass sich gelegentlich aus einer Situation heraus kurze Diskussionen ergaben und Fragen unmittelbar beantwortet wurden [14c]. Zur Zufriedenheit und Überraschung aller Beteiligten [4f] konnten jetzt alle aufgelisteten Fragen bis auf eine beantwortet werden [8d, 14c, 14d, 14g]: Offen blieb le‐ diglich die Frage nach der Motivation “the day after“ (Poster). Hierbei handelte es sich jedoch nicht um ein Infragestellen, sondern vielmehr um die ausdrückliche Bestätigung des Storyline Approach. Als ich das Seminar für offiziell beendet erklärte, fragten einige sofort, ob sie ihre Fries‐ produkte mitnehmen dürften, um die Ergebnisse im Freundeskreis zeigen zu können (own‐ ership) [4a, 4 f, 12c]. Ein Kursmitglied hielt spontan eine kurze Dankesrede [13a, 13b]. Dies hatte natürlich weniger mit meiner Person zu tun als mit der Einsicht, in entspannter Runde [4b, 4c] etwas Neues und Sinnvolles gelernt zu haben [13c, 13d, 14g]. Dazu hatten schließ‐ lich alle beigetragen [6c, 6d]. Was mich erstaunte, war die Tatsache, dass diese angeblich „gute Erfahrung“ (SDSt6) von der Gruppe nicht als Selbstverständlichkeit, sondern mit er‐ kennbarer Wertschätzung betrachtet wurde [4a, 4f]. 7.3.4 Das Seminarergebnis: Projektdesign und Reflexion Die Studierenden hatten in den Semesterferien Zeit, ihre Projekte im Team fertigzustellen und bis Mitte Mai bei mir einzureichen. Des Weiteren sollten sie eine Reflexion über ihren persönlichen Lernerfolg und das Seminar anfertigen. Anzumerken ist, dass ursprünglich 15 Studierende einen konkreten Leistungsnachweis und drei ein unbenotetes Testat an‐ strebten. Die Ergebnisse fielen sehr unterschiedlich aus [9c]: Manche reichten ästhetisch gestal‐ tete Mappen ein [11b, 13f], in wenigen Fällen wurden die Arbeiten leider unvollständig oder verspätet abgegeben. Dies schien jedoch nicht in direktem Zusammenhang mit dem Seminar zu stehen, denn ein Kursmitglied beteuerte: „Ich möchte Ihnen jedoch versichern, dass ich bisher viel Interesse an Ihrem Thema und dem Seminar hatte“ (Mail St4) [4a, 13c]. Etwa ein Drittel der Arbeiten (SA) war von guter bis sehr guter Qualität [8c, 14f], ein weiteres Drittel lag im Mittelfeld und das verbleibende Drittel des Kurses verzichtete nun auf einen benoteten Schein zugunsten eines Testats oder gab sich - aus verschiedenen Gründen - nicht genügend Mühe. Zwei Studierende lieferten keine SA ab, da sie den Schein doch nicht benötigten. Ansonsten wurde bisweilen der Titel leicht umformuliert und in einigen Fällen die ursprünglich vorgesehene Klassenstufe revidiert, wie dies bereits oben in Klammern angezeigt ist. Auf die inhaltliche Ausgestaltung der einzelnen Storyline-Projekte kann im Rahmen dieser Arbeit leider nicht eingegangen werden. Interessant scheint vielmehr die Frage, wo eventuell Transferprobleme auftauchten und wie die Studierenden ihren Lernerfolg bzw. das Seminarkonzept einschätzten. Gerade bei den eher grob ausgearbeiteten Konzepten fiel gelegentlich auf, dass manche Schritte oder Aufgabenstellungen nicht immer klar durch‐ 509 7.3 Fallstudie 7: The Farm 4 Zwei Studierende (St3 und St4) gaben keine SA und somit keine Reflexion ab. dacht bzw. nicht immer nachvollziehbar waren [9a, 9b]: z. B. Zeitplanung, Zielsetzung, Ablauf (classroom management) oder fremdsprachenbezogene Ergebnisse. In manchen Fällen wirkte die story line stellenweise etwas konstruiert und nicht immer in sich schlüssig, so dass der Handlungsablauf mitunter etwas abgehackt wirkte [2b]. Einige Studierende schienen nicht immer eine klare Vorstellung über das sprachliche Leistungsvermögen einer spezifischen Klassenstufe (z. B. im Primarbereich) zu haben [5i]. All diese Merkmale standen aus meiner Sicht jedoch nicht im direkten Zusammenhang mit dem Kurs oder dem Storyline Approach, sondern deuteten vielmehr auf einen Mangel an praktischer Unter‐ richtserfahrung [14e]. Nicht allen fiel es leicht, durchgängig geeignete key questions zu stellen bzw. sie so zu formulieren, dass sie tatsächlich offen waren [9b], doch manche Teams erbrachten diesbe‐ züglich geradezu vorbildliche Ergebnisse [14f, 14g]. Insgesamt betrachtet fand ich manche Arbeiten zugegebenermaßen etwas enttäuschend, vor allem im Hinblick auf formale As‐ pekte, andere dagegen waren nicht nur inhaltlich, sondern auch konzeptionell sehr beein‐ druckend [9c, 13f]. Schlussendlich zeigte sich, dass alle Studierenden fähig waren, ein ei‐ genes Storyline-Projekt zu konzipieren und das Gelernte auf eine neue Situation zu transferieren [14f, 14g]. Die persönlichen Reflexionen der Studierenden ermöglichten einen interessanten Ein‐ blick in die diversen Lernprozesse der einzelnen Kursmitglieder und stellten zugleich ein wertvolles Feedback im Hinblick auf die Seminargestaltung bzw. das Seminarkonzept dar, auch wenn hier eine haarscharfe Trennung nicht immer möglich war, da die Studierenden einen Fließtext ablieferten, der nicht nach bestimmten Kriterien gegliedert war. Die einge‐ reichten Texte wurden von mir schließlich auf der Basis von zwei Fragestellungen unter‐ sucht und ausgewertet: 1.) Was fanden die Studierenden besonders motivierend und lern‐ förderlich? 2.) Was haben sie in dem Hauptseminar konkret gelernt? Da bei der Zuordnung der Nennungen in die Bereiche „Seminarevaluation“ bzw. „Lern‐ erfolg“ Überschneidungen nicht immer zu vermeiden waren, können die Zahlen zwar nicht als absolute Größen betrachtet werden, dennoch wird aus den Angaben der Studierenden deutlich, dass sie das Hauptseminar in vielerlei Hinsicht für gut, motivierend und lern‐ wirksam befanden. Schon allein die Tatsache, dass es bei der Vielzahl an Positivmerkmalen nur 2 kritische Äußerungen gab (Ziffer 71-72), und zwar von derselben Person, die wie‐ derum von entsprechenden Gegenstimmen (Ziffer 16 und 63) entkräftet wurden, stellt aus meiner Sicht ein aussagekräftiges Ergebnis hinsichtlich der Akzeptanz des Kurses dar. Die Studierenden erwähnten in ihren Reflexionen viele interessante Details, auf die im Einzelnen leider nicht explizit eingegangen werden kann. Der Vollständigkeit halber werden sie jedoch alle in tabellarischer Form aufgeführt und - wo möglich - in Sinnein‐ heiten zusammengefasst. Die folgende Tabelle veranschaulicht, was die Studierenden (n = 16) 4 an dem Hauptseminar für positiv bzw. negativ befanden: 510 7 Forschungsfokus Hochschuldidaktik Positive Punkte Anzahl der Nen‐ nungen Kategorien 1) Praxiserfahrung (learning by doing) bzw. Hineinversetzen in Rolle der Lernenden (Selbsterfahrung) hat Verständnis bzw. Lernerfolg in‐ tensiviert; guter Einblick in Rolle der Lehrkraft; gute bzw. beste und unverzichtbare Kurskomponente 12 2d, 13a, 14b, 14g 2) Simulation hat (sehr) viel Spaß gemacht; tolle bzw. einzigartige Erfahrung 10 4a, 4b, 13c, 14b 3) Kurs hat Motivation bzw. Überzeugung ausgelöst, ein bzw. eigenes Storyline-Projekt in Schule auszuprobieren 9 4a, 4 f, 14 g, 14h 4) Kurs hat (sehr) viel Spaß gemacht; war insgesamt tolle bzw. neue und außergewöhnliche Erfahrung 7 4a, 4b, 13a, 13c 5) (sehr) gute Atmosphäre zwischen allen Beteiligten; exzellente Lernatmosphäre; entspannte, aber konzentrierte Arbeitsatmosphäre 7 4b, 4c 6) Überblick über Hintergrund von Storyline und theoretische Vor‐ entlastung durch Reader war gut; Reader hat gute Kursvorbereitung ermöglicht; Reader hat Interesse an Thema geweckt; alle waren gut vorbereitet 7 4f, 7a, 14a, 14g 7) bei Simulation hat Spaß und Intensität der Rollenübernahme über‐ rascht 7 2d, 4b, 14b 8) gute, klare und sinnvolle Seminarstruktur; Aktivitäten bzw. Kurs‐ phasen waren miteinander verbunden (nicht isoliert) 6 13a 9) Kompaktseminar war gut gewählte Kursform; hat intensive Aus‐ einandersetzung mit Thema bzw. Gruppe ermöglicht; erhöhter Lern‐ erfolg 6 13a, 13b 10) Theorie-Praxis-Bezug hat Lernerfolg intensiviert; Praxis hat Theorie verständlich gemacht und umgekehrt 6 14e, 14 g 11) Projektdesign hat zu eigenen Fragen bzw. Recherchen angeregt 6 14d, 14f 12) Bezug zum Bildungsplan hat Horizont erweitert; (überraschende) Ergebnisse haben von Storyline überzeugt bzw. geben Sicherheit für späteren Beruf 5 13d, 14e, 14 g, 14h 13) insgesamt intensive(re) Mitarbeit im Vergleich zu anderen Semi‐ naren; aktive Mitgestaltung des Kurses hat Lernerfolg bzw. Merkfä‐ higkeit erhöht; Kurskonzept bzw. entspannte Lernatmosphäre hat aktive und intensive Mitarbeit bewirkt; alle involviert, Lehrkraft eher im Hintergrund 4 4c, 8b, 8c, 11a, 13a, 14c 14) nette Seminargruppe bzw. Kursmitglieder; gute Konstellation 4 4c, 6b 15) Seminarsprache Englisch hat Sprachkompetenz bzw. Diskursfä‐ higkeit verbessert; Wortschatzerweiterung 4 5d, 5e, 5 g, 5i, 13e 16) Austausch über Vorwissen und Erfahrung mit projekt- und the‐ menorientierter Arbeit im FSU war gut bzw. sehr wertvoll; hat zu eigenen Fragen angeregt 4 8a, 14c, 14d 17) Kombination von Theorie und Praxis hat Projektdesign erleichtert 4 14e, 14 f 511 7.3 Fallstudie 7: The Farm 18) Projektdesign war komplexe Aufgabe (Bildungsplan, Sprache, incident usw.) und arbeitsintensiv; hat aber Spaß gemacht; Stolz auf Ergebnis 4 4b, 4 f, 9b, 14e, 14 f 19) Kurs war sehr gute Erfahrung für späteren Beruf; hat konkrete Hilfen und viele Tipps für Praxis in Schule vermittelt 3 4a, 13d, 14 g, 14h 20) Kurs bot umfassende Auseinandersetzung mit Storyline; deckte breites Spektrum ab; vermittelte fundiertes Wissen; gute Struktur; hoher Lernerfolg 3 4f, 13a, 14 g 21) (sehr) gutes Material; gute und sinnvolle Texte 3 7a, 14a 22) Anknüpfung, Bewusstmachung und Austausch von theoreti‐ schem Vorwissen (in Gruppen) zum Storyline Approach war gut; Lernen durch Lehren hat Verständnis und Merkfähigkeit der Theorie erhöht 3 8a, 13a, 14a, 14c, 14g 23) Gruppenarbeit war produktiv bzw. anregend bzw. hat Spaß ge‐ macht 3 6a, 6c, 14c 24) Beleuchten von Unterricht aus verschiedenen Perspektiven (Lehr‐ kraft/ Lernende) war lernförderlich bzw. wichtig für späteren Beruf 3 2d, 13d, 14b, 14g 25) Praxiserfahrung hat Projektdesign erleichtert und für mögliche Probleme (z. B. time limits) sensibilisiert 3 14b, 14 f, 14 g 26) Kurs war (sehr) interessant und effektiv 2 4a, 13a 27) würde Kurs anderen Studierenden empfehlen 2 4a, 13a, 13c 28) Kurs hat nachhaltiges Interesse an Storyline bzw. story telling geweckt; Inspiration für eigene Recherchen 2 8c, 13c, 14d, 14h 29) Kennenlernspiel (Wheels) hat Sprachbarrieren bzw. Berührungs‐ ängste abgebaut 2 4c, 4d, 5d, 6d, 14c 30) gute Mischung bzw. ideale Balance von Theorie und Praxis 2 13a, 14e 31) Theorieteile des Seminars waren sehr interessant bzw. klar und informativ 2 14a, 14 g 32) Theorieteile des Seminars waren hilfreich, um Bedeutung, Funk‐ tion, Einordnung und Abgrenzung des Storyline Approach zu ver‐ stehen 2 14a, 14g 33) Austausch über Storyline (Readertexte) war gut strukturiert und hat Spaß gemacht; arbeitsteilige Gruppenarbeit gab guten Überblick 2 8a, 13a, 14a, 14c, 14 g 34) Sammeln von Fragen zu Storyline (Poster) war gute Idee; hat be‐ wusst gemacht, dass Handlungswissen trotz Theoriewissen noch fehlte; hat zum Nachdenken und Suchen von Antworten angeregt 2 8d, 9c, 13a, 14d, 14g 35) Fragensammlung zu Storyline (Poster) selbst beantworten können, war beeindruckend bzw. hat überrascht 2 4f, 9c, 14d, 14g 36) Praxiserfahrung hat Stärken und Schwächen von Projektarbeit transparent gemacht und zu eigenen Fragen angeregt (z. B. Notenge‐ bung, Kosten, Zeitmanagement, Rolle der Lehrkraft usw.) 2 8d, 14b, 14d, 14g 37) bei Simulation hat überrascht, was und wie viel Schülerinnen und Schüler in einem einzigen Storyline-Projekt lernen können 2 14b, 14 g 512 7 Forschungsfokus Hochschuldidaktik 38) Simulation hat Gruppengefühl der Kursmitglieder gestärkt 2 6d, 14b 39) Projektdesign war tolle Erfahrung; hat Spaß gemacht und Lern‐ erfolg erhöht bzw. Wissen vertieft 2 4b, 4 f, 14 , 14 g 40) Reader half auch bei Projektdesign (z. B. bei key questions) (Nach‐ schlagewerk) 2 7a, 7c, 14d, 14e, 14 f, 14 g 41) zur Verfügung gestellte Bücher waren inspirierend bzw. hilfreich bei Projektdesign 2 7a, 7c, 14d, 14e, 14 f, 14 g 42) Feedback der Seminargruppe zu Projektdesigns hat Horizont er‐ weitert (z. B. ICC) und Weiterarbeit erleichtert 2 8d, 11d, 14c, 14 f, 14g 43) einer der besten Kurse im Studium 1 4a, 13a, 13c 44) Kurs ist gute Vorbereitung für Staatsexamen 1 4f, 13c, 14 g, 14h 45) Kurs hat motiviert, Storyline umgehend im Englischunterricht auszuprobieren; Stolz auf Erfolg im Klassenzimmer 1 4a, 4 f, 8c, 14d, 14h 46) Seminar war sehr gut organisiert 1 13b 47) gutes Zeitmanagement; gute Abwechslung von Konzentration und Entspannung 1 13a, 13b 48) klare Anweisungen und Erwartungen (Transparenz) 1 13b, 13f 49) Wechsel der Gruppenkonstellationen zu Beginn hat Berührungs‐ ängste abgebaut und Gemeinschaftsgefühl gefördert 1 4c, 6b, 6d, 14c 50) Gruppenarbeit hat neue persönliche Fertigkeiten gefördert 1 6a, 6c, 14c 51) Readerlektüre hat Vorfreude auf Projektdesign ausgelöst 1 4b, 7a, 14a, 14 f 52) Konstruktivistische Theorien waren interessant und haben zum Nachdenken über die Schule angeregt 1 13d, 14a, 14d, 14g 53) Liste mit Fragen und Problemen bezüglich Projektarbeit (allge‐ mein) hat neugierig auf Lösungen und Seminarverlauf gemacht 1 8a, 13a, 14c, 14d 54) Theorie wurde durch Simulation bzw. Praxiserfahrung belegt 1 14a, 14b, 14e, 14 g 55) Praxiserfahrung hat zu konkreten und konstruktiven Problemlö‐ sungen in Gruppe angeregt (z. B. Umgang mit Zeitdruck); Erfolgser‐ lebnis war sehr motivierend 1 6c, 8c, 8d, 14b, 14d, 14g 56) Wettbewerb mit anderen Gruppen war sehr motivierend bei Si‐ mulation; alle gaben ihr Bestes; interessant, wie ernst das Projekt von allen genommen wurde (ownership) 1 4b, 8c, 11b, 14b, 14g 57) selbstständiges und eigenverantwortliches Arbeiten hat Spaß ge‐ macht bei Simulation 1 4b, 8c, 14b 58) Inspiration durch diverse Präsentationen bei Simulation; Ver‐ gleichsmöglichkeit 1 2c, 9c, 14b 59) Betrachten der Ergebnisse am Fries hat Spaß gemacht; Fries hat gezeigt, wie viel Arbeit alle geleistet haben; Stolz 1 4f, 12a, 12c, 12f, 14b 513 7.3 Fallstudie 7: The Farm 60) bei bzw. durch Simulation konnten viele Fragen beantwortet werden (Frageposter) 1 4f, 8a, 9c, 14b, 14d, 14e, 14 g 61) Reflexion über Simulation war (sehr) hilfreich und lernförderlich 1 14c, 14d, 14g 62) Praxiserfahrung hat Vorfreude auf Projektdesign ausgelöst 1 4b, 14b, 14 f 63) Reflexion und Diskussion über Möglichkeiten der Leistungsmes‐ sung war hilfreich und hat sinnvolle Lösungen erbracht 1 9c, 14c, 14d, 14e, 14g 64) Video war gute Idee, um zu zeigen, dass Storyline auch in der Schule funktioniert; hat Erfolg belegt bzw. überzeugt 1 7a, 13a, 14e, 14 g 65) Diskussionen haben Spaß gemacht und waren anregend 1 8a, 14c, 14g 66) regelmäßige Präsentationen der Arbeitsergebnisse haben Refle‐ xion des eigenen Lernfortschritts ermöglicht 1 8d, 14c, 14d 67) Kurs hat hohe Motivation für eigenes Projektdesign ausgelöst 1 4a, 14f 68) eigene Projektentwicklung war sinnvolle und kreative Aufgaben‐ stellung; hat Lernerfolg intensiviert 1 9b, 13a, 13 f, 14 f, 14g 69) Projektdesign fiel insgesamt leicht 1 4f, 14 f 70) Präsentation der Projektdesigns im Plenum hat Neugier auf an‐ dere Ergebnisse geweckt; Inspiration durch Vergleich 1 11d, 14c Gesamtzahl der positiven Nennungen 195 Negative Punkte / Kritik 71) es wurde nicht über eindeutige Definition von Projekten gespro‐ chen 1 14a 72) Diskussion über Möglichkeiten der Leistungsmessung nicht so ergiebig wie erwartet; Kriterien noch unklar (z. B. Kreativität); Anlass für eigene Recherchen 1 14c, 14d, 14e, 14h Gesamtzahl der negativen Nennungen 2 Gesamtzahl der Nennungen 197 Tab. 61: Angaben der Studierenden zum Seminarkonzept (SA) Im Folgenden werden einige besonders auffallende Ergebnisse der Seminarevaluation the‐ matisiert und kommentiert. Dabei sollen auch spezifische und aus meiner Sicht relevante Kurskomponenten berücksichtigt werden. Das Seminar als Ganzes betrachtet wurde (auch) im Hinblick auf die spätere Berufspraxis als insgesamt positive Erfahrung bewertet. Ein Kursmitglied stellte bei Ziffer 43 euphorisch fest: “First of all I can say, that this course was one of the best during my studies“ (St5). 7 Studierende behaupteten bei Ziffer 4, dass ihnen das Seminar sehr viel Spaß bereitet hatte bzw. eine tolle Erfahrung war, und 2 Stu‐ dierende gaben an, dass sie den Kurs unbedingt auch anderen Studierenden empfehlen würden (Ziffer 27). Besonders aufschlussreich ist die folgende Aussage, die auf eine (zu) 514 7 Forschungsfokus Hochschuldidaktik starke Theorielastigkeit in der Lehrerausbildung hinweist: “The class about storyline which I participated in during the semester break was one of the few English classes at the Uni‐ versity of Education that actually helped me in planning lessons in school“ (St11). Auf das Seminarkonzept an sich wurde in verschiedenen Zusammenhängen Bezug genommen: Beispielsweise hoben 6 Studierende bei Ziffer 8 die Kohärenz und Kohäsion der einzelnen Kursphasen positiv hervor: “The seminar had a clear and meaningful struc‐ ture. This was helpful to understand the storyline approach and to gain confidence in me designing an own project“ (St17). Insgesamt 9 Nennungen bezogen sich auf die Kursorga‐ nisation (Ziffer 9, 46-48), dabei betonten 6 Studierende bei Ziffer 9, dass es gut war, das Seminar als Kompaktkurs und nicht in Form von Einzelsitzungen durchzuführen, “so that we as students had the chance to experience a project and not only the theory“ (St7). Ein anderes Kursmitglied argumentierte: “Moreover it made sense to do this kind of seminar several days in a row because the next day it felt as if we were coming back to ‘Greenvillage’. If there had been a week between the lessons this feeling would have been gone“ (St17). Hier wurde ein Problem angesprochen, das mir aus eigener Erfahrung bekannt war. Nicht umsonst hatte ich in der Schule immer für eine möglichst zügige Durchführung von Story‐ line-Projekten plädiert. Auffallend häufig wurde die gute Kursatmosphäre angesprochen. Auf das Arbeitsklima im engeren Sinne bezogen sich 18 Nennungen (Ziffer 5, 13-14, 29, 49). Hervorgehoben wurde bei Ziffer 13 auch 4 Mal die intensive und im Vergleich zu anderen Lehrveranstal‐ tungen offenbar erhöhte Mitarbeit der Seminargruppe, was auf das positive Kursklima bzw. das Kurskonzept zurückgeführt wurde: “I could observe that students were working en‐ thusiastically during the whole course of the seminar. There were a lot of student activities in which everybody actively participated. In general it can be said that student talk, but not teacher (tutor)talk, predominated in the seminar“ (St18). Das kooperative Arbeiten in Gruppen schien zwar für viele motivierend und gewinn‐ bringend, doch ausdrücklich erwähnt wurde dieser Aspekt nur von 6 Studierenden bei Ziffer 23, 38 und 50. An anderer Stelle wurde noch das Gemeinschaftsgefühl bzw. die Kon‐ stellation der Seminargruppe thematisiert (z. B. Ziffer 14 und 49). Interessant ist, dass von 4 Studierenden bei Ziffer 15 auch die Seminarsprache Englisch als Positivmerkmal genannt wurde: Speaking English in the English classroom should be normal for foreign language classes at a University. Nevertheless, it is not very helpful, if you have a class once a week, were you listen to presentations of the fellow students or your professor and hardly talk English yourself. Therefore, it was wonderful to have the opportunity to take this class, where we spoke English all the time, not like in a seminar, but very actively. Being an active part of the class, was a very nice experience for me (St2). Insgesamt 9 Studierende, also über die Hälfte, bestätigten noch einmal, dass sie vor Semi‐ narbeginn kein bzw. kaum Vorwissen oder Vorerfahrungen mit projektorientierter Arbeit hatten, und 1 Kursmitglied bezeichnete sich mit Steve Bells Worten als “empty sack waiting to be filled with potatoes“ (St14). 4 Studierende erwähnten bei Ziffer 16, dass sie den dies‐ bezüglichen Erfahrungsaustausch zu Kursbeginn wertvoll und anregend fanden: 515 7.3 Fallstudie 7: The Farm 5 Hier wurden nur die Nennungen, die sich konkret auf die Funktion und Wertigkeit der Simulation bezogen, gezählt. Andere Äußerungen, z. B. dass die Simulation bzw. die Storyline-Arbeit Spaß be‐ reitet hat, blieben an dieser Stelle unberücksichtigt. But as it turned out I was not the only one in the seminar who actually lacked knowledge or experience when it comes to project work in a foreign language, namely in our cases in English, hardly anybody experienced such a project whilst at school. This fact quite surprised me as we always get told in our Education classes of the many advantages a well organized and thoroughly thought through project work may uphold. So what is the reason that Projectand Theme-based Learning and Teaching has still not found its way into the English lessons? What kind of problems could a teacher have to face when trying to work with Storyline - being one aspect of Project and Theme based Teaching? (St 16). Das Prinzip der theoretischen Vorentlastung durch den im Vorfeld ausgeteilten Reader wurde von 7 Studierenden für gut geheißen (Ziffer 6), wobei die Qualität des Readers noch in anderen Zusammenhängen positiv erwähnt wurde. Dieser diente offensichtlich nicht nur der Kursvorbereitung, sondern später bei der Entwicklung von Storyline-Projekten auch als Nachschlagewerk (Ziffer 40). 3 Studierende erwähnten ausdrücklich, dass sie die Texte für (sehr) gut und sinnvoll befanden (Ziffer 21). Aufschlussreich und natürlich ganz im Sinne des Kursprinzips learning by doing sind die Äußerungen von insgesamt 4 Studie‐ renden, die zu Kursbeginn trotz intensiver Readerlektüre noch eine gewisse Skepsis ge‐ genüber Storyline verspürten und sich die Umsetzung der Theorie in die Praxis nur schwer vorstellen konnten: “I have to admit that I was quite sceptical towards this type of project work in the beginning. (...) Having read the theory in the reader I began to regard storyline as a very interesting method (...). However, I could not imagine this theory put into practice evoking the enthousiasm and excitement described in the reader“ (St15). Anzumerken ist, dass später alle 4 Studierenden von Storyline überzeugt, wenn nicht sogar begeistert, waren. Auf die theoriebezogenen Kurskomponenten wurde in den Reflexionen wenig einheit‐ lich eingegangen: Allgemein gesprochen fanden 2 Studierende die theoretischen Parts sehr interessant bzw. informativ (Ziffer 31) und 2 Kursmitglieder fanden sie hilfreich, um den Storyline Approach besser verstehen, einordnen und abgrenzen zu können (Ziffer 32). Der Austausch über die Readertexte (A-B-C-Gruppen) und die damit verbundene Phase des Lernens durch Lehren wurde von insgesamt 5 Studierenden für gut befunden (Ziffer 22 und 33). Zu der Fragensammlung (Poster), die im Anschluss an die theoretische Auseinander‐ setzung mit Storyline erstellt wurde, äußerten sich insgesamt 5 Studierende positiv (Ziffer 34-35, 60). Dabei wurde auch deutlich, dass der Fragenkatalog zunächst einige - von mir nicht unbeabsichtigte - Skepsis und zugleich Motivation zum forschenden Lernen hervor‐ gerufen hatte: “The list motivated to find out the answers during the seminar. At the same time I was afraid that we wouldn’t be able to find all the answers“ (St17). Umso überraschen‐ der und zugleich befriedigend war es für die Studierenden, dass sie die Fragen zum Kursende mühelos selbst beantworten konnten, “as we were able to judge from our own experience now“ (St16). Als einmalige und unverzichtbare Erfahrung wurde von 12 der 16 Befragten (75 %) bei Ziffer 1 die Unterrichtssimulation 5 bezeichnet. Sie galt offenbar als das Herzstück des 516 7 Forschungsfokus Hochschuldidaktik Kurses und wurde mit über 49 Nennungen am häufigsten thematisiert. Die konkrete Pra‐ xiserfahrung initiierte laut Auskunft der Studierenden zahlreiche Lernprozesse im Sinne von Einsichten und Handlungswissen und regte zum forschenden Fragen an. Davon abge‐ sehen gaben 10 Studierende bei Ziffer 2 explizit an, dass die Simulation viel bzw. sehr viel Spaß bereitet hat. 1 Kursmitglied verwies auch auf das ownership principle: “I was almost sad when the storyline project finished that day“ (St17). Manche Studierenden schienen geradezu verwundert über das eigene Verhalten. Stell‐ vertretend für die zahlreichen wertvollen Rückmeldungen werden hier einige Passagen aus den Reflexionen abgedruckt, um die diversen Lernprozesse und Eindrücke transparent zu machen: Looking back now I am still amazed about the attitude we all had while working on it [The Farm, Anm. D.K.]. Students in their third of forth year of study enjoyed fulfilling tasks which, in another context, are designed for 12 to 13 year olds. We were eager to design our farms, giving our char‐ acters an interesting and funny biography and getting to know the other farms and the families living on it. (...) The tasks varied and it seemed like the teacher, being kind of the manager of the whole scenario, always ‘had one more up her sleeve’ for us. We never knew what was going to happen next, which made being on the farm even more interesting. The seminar room got more and more colourful with every passing day living on the farm (...). This ‘growing’ frieze seemed to make the story even more convincing as we were literally ‘surrounded by our farms’ (St16). Insbesondere die Rollenübernahme als fiktive Bauernhofbewohnerinnen bzw. -bewohner bereitete Freude, wie dies von 7 Studierenden bestätigt wurde (Ziffer 7). Andererseits löste diese augenscheinliche Begeisterung aber auch Fragen im Sinne des forschenden Lernens aus: After a while of running this project I already recognised that this was different from what I had ever done before in my life. We soon started to identify ourselves with the characters which we invented for the story. (...) It seemed students had started to have changed their names even during break time of our course. Why was that? (St14). Mehrfach erwähnt wurde, dass es im Rahmen der Simulation gut war, den Unterricht aus zwei verschiedenen Perspektiven zu erleben, um auf diese Weise vielfältige Prozesse trans‐ parent und nachvollziehbar zu machen. Die Selbsterfahrung machte auch deutlich, wie Fremdsprachenunterricht durch sinnerfüllte Aufgaben motivierend und lernförderlich ge‐ staltet werden kann: The (...) period of experiential learning by trying out the storyline ‘The farm’, was in my opinion the best part of the seminar. In this way we watched someone teach storyline, therefore we were able to rate the role of the teacher regarding preparation, involvement and guidance. Furthermore, we could experience storyline from the students’ perspective. It was amazing how much university students can get involved into a project designed for grade 6. (...) I was amazed how many different skills and activities can be practiced through storyline, which always seemed to be just appropriate for a certain part within the story, rather than a grammar practice or collection of vocabulary. Writing a reply letter after receiving a real enquiry for a holiday visit on our farm, was a necessary, logical step and not a language exercise on how to write a letter in English (St15). 517 7.3 Fallstudie 7: The Farm Interessant war die Rückmeldung eines Kursmitglieds zur Funktion von Rollenmodellen bzw. zur Qualität von simulierten Lernszenarien: I personally liked the idea that the tutor was the ‘teacher’ and the students stuck to the ‘pupil’ role. Thus students were able to observe excellent teaching and consequently learned a lot. In other seminars students sometimes have to teach according to an approach about which they have read, but not experienced themselves. This often results in rather poor performances due to a lack of students’ experiences. Since Mrs Kocher is an expert in teaching Storylines, (...) I am sure everybody will benefit from this experience (St18). Auch wenn in den Reflexionen die Funktion und Bedeutung der Unterrichtssimulation Thema Nr. 1 war, wurde deutlich, dass es den Studierenden im Rahmen einer professionellen Berufsausbildung nicht allein auf die Vermittlung von praktischen Unterrichtstechniken ankam, sondern auf eine ausgewogene Kombination von Theorie und Praxis. Insgesamt 13 Nennungen bezogen sich direkt auf dieses Thema (Ziffer 10, 17, 30, 54): “The real strong point of this course was the way theoretical and practical elements were ideally balanced (...) I think learning was supported through this integrated approach as it allowed the theo‐ retical considerations to be informed by the practical application and vice versa“ (St6). Viele andere Äußerungen der Studierenden streiften das Thema „Theorie-Praxis“ am Rande, doch 1 Kursmitglied brachte die Sache schließlich auf den Punkt: “After the reflection on this practical phase, which was very helpful, we knew more about storyline, more than we could have ever get through reading more materials“ (St9). Im Anschluss an die Simulation fanden mehrere Phasen der Reflexion und Diskussion statt, mit dem Ziel, einen direkten Bezug zur Unterrichtsrealität herzustellen. 1 Kurs‐ mitglied befand die Videoausschnitte als überzeugenden Beleg, dass Storyline im Klas‐ senzimmer (auch) funktioniert (Ziffer 64). Für gut befunden wurde von mindestens 5 Stu‐ dierenden auch die Arbeit mit den Bildungsplänen (Ziffer 12), da ihnen dadurch erst bewusst wurde, wie viele Kompetenzen durch das durchgeführte Storyline-Projekt abge‐ deckt wurden und dass für Lehrkräfte dadurch zahlreiche Freiräume entstehen. Ein weiteres Highlight des Kurses war die Entwicklung der eigenen Storyline-Projekte im Sinne der Transferleistung. Allein 3 Studierende gaben an, dass sie sich bereits im Vorfeld auf diese Arbeit gefreut hatten (Ziffer 51, 62, 67), und 1 Kursmitglied schätzte es bei Ziffer 68, dass Scheinerwerb und Ergebnissicherung mit einer produktiven und anwen‐ dungsbezogenen Arbeit verbunden waren: “Designing our own storyline project was also an effective way of supporting learning as it called for our own creative input and not just a dry, academic review or discussion of the method“ (St6). Die Angaben der Studierenden zu Lern- und Arbeitsprozessen während des Projektde‐ signs waren sehr aufschlussreich: Immer wieder wurde erwähnt, dass die kreative Arbeit Spaß bereitet und den Lernerfolg erhöht hat, aber auf Grund der komplexen Aufgabenstel‐ lung mitunter auch eine Herausforderung war, bei der unter anderem die eigene Kreativität, die Anforderungen des Bildungsplans, das Sprachniveau einer fiktiven Klasse und die Prin‐ zipien des Storyline Approach berücksichtigt und in Einklang gebracht werden mussten. 4 Kursmitglieder äußerten sich bei Ziffer 18 trotz des zuvor monierten Aufwands äußerst positiv über ihr Ergebnis: “Knowing we would finally end up with material that was ready to use was very encouraging and helped us to put effort and research into fields we have 518 7 Forschungsfokus Hochschuldidaktik not been familiar with before. I have to admit I was quite proud having created a whole storyline and I would love to try [it] out (...) in a class in school“ (St15). Interessant ist, dass die Projektentwicklung im Sinne des zirkulären Lernens zu neuen Fragen anregte (Ziffer 11), so dass mitunter ein Rückgriff auf die Literatur erforderlich wurde (Ziffer 40-41), was zu neuen Einsichten führte: Although we had talked about how to design a Storyline in the seminar we had difficulties finding suitable key questions. We did not know what exactly a key question was and at what point of time they should be placed. However, material provided by the tutor helped us to solve our problem. According to Bell (2000) key questions activate pupils’ pre-knowledge and encourage them to share it with their peers. Additionally I think key questions need to be easily understandable, because they guide both teacher and pupils through the Storyline (St18). 2 Studierende fanden auch die Feedbackrunde im Plenum hilfreich, da sie wertvolle Im‐ pulse für die Überarbeitung der Projektskizzen zu Hause gab (Ziffer 42): It was really interesting to see with what storyline ideas the other students came up. I felt that many of them had the same problems we had in the beginning. We just had too many ideas in mind. (...) The feedback of our fellow students made us realize that we taught stereotypes that would give the children of our class a certain picture of Indian culture which is typical for Western people. That’s why we decided to leave this aspect out (St17). Von besonderem Interesse war für mich die Frage nach der Nachhaltigkeit der Seminar‐ inhalte, obwohl ich diese Frage nicht ausdrücklich gestellt hatte. Als positiv zu verzeichnen ist, dass insgesamt 9 Studierende bei Ziffer 3 angaben, dass sie ihr eigenes oder ein anderes Storyline-Projekt gerne bzw. auf jeden Fall im Unterricht ausprobieren möchten. Ein wei‐ teres Kursmitglied hatte sogar noch vor Abgabe der Seminararbeit in Eigenregie das Story‐ line-Konzept in der Schule ausprobiert (Ziffer 45) und 2 Studierende gaben bei Ziffer 28 an, sich auch in Zukunft mit Storyline bzw. storytelling beschäftigen und diesbezüglich eigen‐ ständig recherchieren zu wollen. Ein Kursmitglied entschloss sich dazu, das Thema als Schwerpunkt für das Staatsexamen zu wählen (Ziffer 44), weil der Kurs viele wichtige As‐ pekte aus der Didaktik thematisierte bzw. konkretisierte und somit die Prüfungsvorberei‐ tung erleichterte. Wenn das Hauptseminar nach Auskunft der Studierenden motivierend und im Hinblick auf die spätere Berufsausübung gewinnbringend war, dann stellt sich natürlich die Frage, was konkret die Kursmitglieder - außer den bereits genannten Aspekten - gelernt haben. Auch in diesem Fall wurde eine Vielzahl an persönlichen Eindrücken aufgeführt, auf die im Einzelnen nicht eingegangen werden kann. Anzumerken ist, dass hier nur diejenigen Nennungen berücksichtigt wurden, die einen Lernprozess im Sinne der Erfahrung und Re‐ flexion verkörperten und einen Hinweis auf „erlebte“ Einsicht gaben, beispielsweise wenn die Studierenden schrieben: “I experienced“, “I saw“, “I could observe“ oder “I learned“. Die bloße Aufzählung von Merkmalen und Prinzipien des Storyline Approach aus den Reader‐ texten wurde nicht als Lernfortschritt im engeren Sinn gezählt, da das Kriterium „Über‐ zeugung“ nicht deutlich genug erkennbar war. Die nachfolgende Tabelle dokumentiert, was 519 7.3 Fallstudie 7: The Farm 6 Zwei Studierende (St3 und St4) gaben keine SA und somit keine Reflexion ab. die Studierenden (n = 16) 6 als Lernerfolg verbuchen konnten, wobei die im Rahmen der Seminarevaluation aufgeführten Punkte nicht noch einmal berücksichtigt wurden: Nennung in Reflexion Anzahl der Nen‐ nungen Kategorien 1) Storyline-Arbeit macht (sehr viel) Spaß bzw. motiviert sicher auch Schülerinnen und Schüler 11 4b, 14g 2) Kurs hat von Storyline überzeugt (da viele Vorteile bzw. Chancen) 7 4a, 14g 3) Storyline realisiert Ziele des Bildungsplans; deckt (fast) alle Be‐ reiche ab 7 14e, 14g 4) Storyline fördert soziales Lernen (z. B. auch in multikulturellen Klassen) bzw. Gemeinschaftsgefühl, Toleranz, Empathie 6 6c, 6d, 14g 5) Storyline ist flexibel einsetzbar (z. B. fächerübergreifender bzw. bi‐ lingualer Unterricht, verschiedene Altersgruppen, Lernniveaus, Themen) 5 14d, 14g 6) Storyline ermöglicht Sprachenlernen auf integrative und spieleri‐ sche Art 5 2a, 5h, 10d, 14g 7) Storyline ist lernerorientiert und berücksichtigt Vorwissen bzw. Ideen der Lernenden 5 8a, 14g 8) Storyline fördert aktives, selbstständiges und eigenverantwortli‐ ches Lernen; veränderte Rolle der Lernenden 5 8c, 14 g 9) gelernt, welche Aufgaben und Rollen Lehrkraft bei Storyline über‐ nimmt 5 8b, 14b, 14g 10) gelernt, dass learning by doing sehr effektiv bzw. besser als Zu‐ hören oder Lesen ist 4 8c, 14b, 14g 11) Storyline fördert „echte“ Kommunikation (z. B. durch authentische Aufgaben) 4 5g, 9b, 11c, 14g 12) insgesamt viel gelernt; kann jetzt Storyline Approach erklären; viele praktische Ideen für Storyline-Projekte gewonnen 3 4f, 14b, 14 f, 14g 13) Storyline ist offen und gibt Raum für Kreativität und individuelle Aufgabenlösungen 3 8a, 9c, 14g 14) gelernt, welche Zusammenhänge zwischen Storyline und kon‐ struktivistischen Theorien bestehen 2 14a, 14g 15) bei Simulation gelernt, dass bzw. wie Offenheit der Ergebnisse und Verschiedenheit der Aufgaben Spannung und Motivation aus‐ lösen 2 2c, 9a, 9c, 14b, 14g 16) bei Simulation gelernt, wie Fries Arbeit veranschaulicht bzw. Er‐ gebnisse auf ansprechende und überzeugende Art dokumentiert; be‐ eindruckende Raumgestaltung 2 12a, 12c, 12 f, 14b, 14g 520 7 Forschungsfokus Hochschuldidaktik 17) Storyline zeigt Respekt für Arbeit und Ergebnisse der Lernenden; fördert Selbstbewusstsein, da keine Vorgaben, was richtig oder falsch ist 2 4d, 8a, 9c, 11d, 14g 18) Storyline motiviert wegen Situiertheit und Kontextualisierung der Lerninhalte 2 2a, 14g 19) Storyline ermöglicht entspanntes Lernen und erhöht somit die Merkfähigkeit; wenig Druck, da Ergebnisse jederzeit überarbeitet werden können 2 4b, 4c, 4d, 14g 20) Storyline fördert intensive Interaktion und Kommunikation in der Fremdsprache (z. B. bei Gruppenarbeit, Präsentation) 2 5d, 11c, 14g 21) Storyline fördert flüssiges Sprechen 1 5d, 5i, 14g 22) Storyline erleichtert das Sprechen in der Fremdsprache wegen Gruppenarbeit 1 5d, 5i, 6a, 6c, 14g 23) Storyline fördert diverse Präsentationstechniken 1 5d, 14g 24) Storyline nutzt authentische Situationen und Materialien, daher geeignetes Konzept für Fremdsprachenlernen 1 2a, 5 g, 14g 25) Kurs hat gezeigt, dass auch noch unerfahrene Lehrkräfte Story‐ line-Projekte durchführen können 1 4f, 14b, 14g 26) Kurs hat gezeigt, dass das Storyline-Konzept sehr einfach, aber effektiv ist 1 4f, 14g 27) Kurs hat gezeigt, wie traditioneller Unterricht durch lebensnahe Situationen und Kreativität ersetzt werden kann 1 2a, 9b, 9c, 14g 28) Kurs hat Prinzipien von Projektarbeit bewusst gemacht 1 14a, 14 g 29) Klärung des Begriffs „Projektarbeit“ hat eigene Wissensdefizite bzw. neue persönliche Lernziele bewusst gemacht 1 14a, 14c, 14d, 14g 30) gelernt, was Unterschied zwischen Storyline und regulärer Pro‐ jektarbeit ist 1 14a, 14g 31) gelernt, warum Storyline in Deutschland bzw. im Fremdsprachen‐ unterricht noch wenig vertreten ist 1 14g 32) bei Lehrwerkanalyse gelernt, dass viele Übungen fälschlicher‐ weise als Projekte ausgezeichnet sind 1 7a, 14c, 14e, 14g 33) gelernt, dass bei Projektarbeit gute Vorbereitung und Zeitplanung erforderlich sind 1 14b, 14g 34) gelernt, warum sich mit Storyline auch Rolle der Lehrkraft ändern muss 1 8b, 14g 35) bei Simulation gelernt, wie motivierend Storyline ist, da man über Arbeitsschritte selbst entscheiden kann 1 8a, 8b, 8c, 9e, 14b, 14 g 36) bei Simulation gelernt, wie motivierend Mitgestaltung der Ge‐ schichte bzw. der Handlung ist 1 2e, 8a, 14b, 14g 37) bei Simulation gelernt, dass rhythmisches Wiederholen von neuen Vokabeln hilfreich ist und Merkfähigkeit erhöht 1 5e, 5h, 14b, 14g 521 7.3 Fallstudie 7: The Farm 38) bei Simulation gelernt, wie wichtig Gruppe bzw. Gruppenkons‐ tellation ist 1 6b, 14b, 14g 39) bei Simulation gelernt, dass teamleaders wichtige Funktion haben 1 6c, 14b, 14g 40) Projektdesign war komplexe Aufgabe, aber interessante Heraus‐ forderung; dabei gelernt, dass Storyline-Projekte viel Wissen (Thema), Material und Planung (incidents, story usw.) erfordern; viel über Projektthema (ICC) gelernt 1 3c, 4 f, 9b, 14 f, 14g 41) bei Projektdesign gelernt, wann und wie man gute key questions stellt 1 4f, 9b, 14 f, 14g 42) Storyline motiviert wegen Kohäsion und Kohärenz der Lernin‐ halte 1 2b, 14g 43) Storyline motiviert, weil es Abwechslung von der Unterrichts‐ routine ist 1 1a, 14g 44) Storyline fördert Lernstrategien bzw. Lernen lernen 1 8c, 8d, 9c, 14 g 45) Storyline fördert die Mitsprache der Lernenden; Transformation von lehrerzentriertem zu lernerorientiertem Unterricht 1 8a, 8b, 8c, 14g 46) Storyline ist für Lehrkraft zeit- und arbeitsintensiv, aber motivie‐ rende, ganzheitliche und effiziente Art des Sprachenlernens 1 4b, 5i, 10d, 14g 47) Storyline fördert Identifikation der Lernenden mit Lerngegen‐ stand 1 2e, 8a, 14g 48) Storyline fördert Identifikation mit Figuren (Rollenübernahme) und Gruppe 1 2d, 6d, 14g Gesamtzahl der Nennungen 112 Tab. 62: Angaben der Studierenden zum Lernerfolg (SA) Wie die Ergebnisse aus der obigen Tabelle belegen, haben die Studierenden in den ver‐ schiedenen Kursphasen ganz unterschiedliche Dinge gelernt, welche sich durch die zirku‐ läre Vorgehensweise und den intensiven Theorie-Praxis-Bezug verstärken und zu einem komplexen Gesamtbild vereinen konnten. Hierbei handelte es sich einerseits um Einsichten zum Fremdsprachenlernen im Allgemeinen sowie zum Storyline Approach im Besonderen. Andererseits drehte es sich um wertvolles Handlungswissen, welches die Theorie konkre‐ tisierte und somit den Transfer des Gelernten auf die Schulpraxis erleichtert und sichert. Spitzenreiter ist die erfahrungsbasierte Einsicht von 11 der 16 Studierenden (69 %), dass die Storyline-Arbeit im Seminar Spaß gemacht hat und folglich auch Schülerinnen und Schüler motivieren würde. Darüber hinaus wurde 7 Mal angegeben, dass der Kurs von den Qualitäten des Storyline Approach überzeugt hat (Ziffer 2). Selbst die zu Beginn noch eher skeptischen Kursmitglieder äußerten sich nun positiv, so dass als Zwischenergebnis festgehalten werden kann, dass das Ziel des Kurses, nämlich die Studierenden von Storyline zu überzeugen und sie zum Ausprobieren des Konzepts in der Schule zu motivieren, erreicht wurde. Die Studierenden waren sich jedoch bewusst darüber, dass Spaß allein nicht ausreicht, um ein neues Konzept im Unterricht umzusetzen, sondern dass damit auch ein Lerngewinn 522 7 Forschungsfokus Hochschuldidaktik für die Schülerinnen und Schüler verbunden sein muss. Somit verwundert es nicht, dass 7 Studierende bei Ziffer 3 auf den Bildungsplan verwiesen. Offenbar hatte dieser für die Kursmitglieder eine überaus wichtige Funktion in Bezug auf Legitimation und Überzeu‐ gung: “I am very motivated to make a project like that in school, since I also learnt that everything we did was in the curriculum, and therefore can be used in regular school life, not only in project weeks“ (St2). Bemerkenswert ist auch die folgende Einsicht: “Further‐ more, this method is able to realise targets of the curriculum unlike the conventional way of teaching“ (St13). Beide Zitate verdeutlichen, dass die differenzierte Beschäftigung mit den Bildungsstandards wichtig war, um Studierende nachhaltig für neue Unterrichtskon‐ zepte zu gewinnen. Als konkrete Lernbereiche wurden, neben diversen sprachbezogenen Aspekten, auch soziales Lernen (Ziffer 4), eigenverantwortliches Lernen (Ziffer 8, 45), me‐ thodisches Lernen (Ziffer 23, 44) oder ganzheitliches Lernen (Ziffer 6, 46) aufgeführt. Insgesamt 18 Nennungen bezogen sich auf gewonnene Erkenntnisse im Hinblick auf offene Aufgabenstellungen bzw. eigenverantwortliches Lernen, die beide zur Diffe‐ renzierung, Lernerorientierung und Motivation beitragen (Ziffer 7-8, 13, 15, 35, 44-45). Inwiefern dies aus Sicht der Studierenden zu einer weitreichenden Transformation des Schulalltags führt, wird durch folgendes Zitat deutlich: The pupils’ role turns from executive attendees to self-determined and responsible group members. They develop not only language skills but furthermore become aware of their own individual skills. Step by step, they are able to make their own decisions and examine (not only) their language learning progress themselves (St13). Ein wichtiges Ergebnis im Hinblick auf den Umgang mit heterogenen Klassen und das Konzept des lebenslangen Lernens liefern auch die Ergebnisse bei Ziffer 9, wo 5 Studierende angaben, dass sie durch die Unterrichtssimulation ein konkreteres Bild von der in der Li‐ teratur häufig thematisierten neuen Rolle der Lehrkraft als “facilitator“, “guide“ oder “class‐ room manager“ gewinnen konnten. Abgesehen von der bereits thematisierten Verbesserung der eigenen Sprachkompetenz von 4 Kursmitgliedern gab es jetzt weitere 10 Nennungen bzw. Einsichten in Bezug auf das Fremdsprachenlernen (Ziffer 11, 20-24), wobei allein 4 Mal betont wurde, dass Storyline auf Grund der authentischen Aufgabenstellungen „echte“ Kommunikation fördert: “I ex‐ perienced how communicative storyline lessons are. What could be better than communi‐ cation in language classes? Storyline provides causes for real communication and that’s much better than usual exercises from schoolbooks“ (St5). Ein Kursmitglied konnte bei Ziffer 37 sogar einen konkreten Einblick in Spracherwerbsprozesse gewinnen: “As I noticed, the repetition of new words with a special emphasis is also important and helpful. I still keep some of the sentences and new words of our project in my mind. For example: Pigs live in a pigsty. Cows live in a cowshed. I was amazed that I learned those words on the basis of enhancement“ (St13). Interessant ist auch, dass 6 Studierende bei Ziffer 4 auf Grund der einschlägigen Erfahrung begründen konnten, warum Storyline einen Beitrag zum sozialen Lernen leistet. 1 Kursmitglied hob bei Ziffer 22 ergänzend hervor: “Group work strengthens class community and makes it easier to talk in English, compared to sponta‐ neous talk in front of the whole class“ (St15). 523 7.3 Fallstudie 7: The Farm Weitere 6 Nennungen bezogen sich bei Ziffer 6 und 46 auf den integrativen Charakter von Storyline. Der Begriff „Ganzheitlichkeit“ schien für manche keine leere Worthülse mehr, sondern etwas Greifbares. Dasselbe gilt für das kontextualisierte Unterrichten von Gram‐ matik oder Wortschatz, was erfahrungsgemäß für viele Studierende und Lehrkräfte schwierig ist: “I was surprised that one can use storyline for all kinds of English teaching contents. Teaching grammar, vocabulary, sentence structure and certain aspects about a country like ‘schools in Britain’ or ‘life in California’ can all be involved in one storyline“ (St11). Erwähnenswert ist auch die weitsichtige Erkenntnis von 5 Studierenden im Hinblick auf den flexiblen Einsatz des Storyline-Modells in verschiedenen Lernkontexten (Ziffer 5): “First I thought that it might be difficult to do a storyline with older pupils, but when I noticed after being involved myself in a project during the seminar how motivating this method is I could imagine that various topics can be changed and modified so that they are fitting for secondary school as well“ (St7). Zum Schluss kann festgehalten werden, dass die Readerlektüre nach Ansicht der Stu‐ dierenden zwar eine grobe Skizze des Storyline Approach entworfen, aber offenbar nicht genug konkretes Handlungswissen vermittelt hat. Die Äußerungen belegen, dass die Blau‐ pause erst durch die Simulation und den intensiven Theorie-Praxis-Bezug an Farbe und Brillanz gewann, so dass das Konzept zunehmend transparenter und überzeugender wurde. Zu Seminarbeginn wäre kaum vorstellbar gewesen, dass ein Kursmitglied einmal behaupten würde: “The concept of storyline is very simple but effective“ (St5). Auch der Weg zu dieser weitreichenden Einsicht war den Studierenden offenbar bewusst geworden, denn 4 Stu‐ dierende stellten bei Ziffer 10 fest, dass erfahrungs- und handlungsorientiertes Lernen ef‐ fektiver als Frontalunterricht ist: “Learning by doing’ is one of the most effective teaching methods. This is what students experienced throughout the course of the seminar and pupils experience in a Storyline“ (St18). In die gleiche Richtung deutet die folgende Aussage, die nur auf der Basis der eigenen Erfahrung so souverän formuliert werden konnte: “All in all Storyline is a very good teaching method which I want to apply in a real classroom. Since I enjoyed the Storyline in the seminar a lot I suppose pupils will also enjoy it“ (St18). 7.3.5 Weitere Kontakte: Mails and more Gegen Ende des darauffolgenden Semesters fand ein etwa einstündiges Nachtreffen für all diejenigen statt, die Interesse an einem weiteren Austausch hatten. Obwohl die Teilnahme freiwillig war, nahmen immerhin 10 der 18 Kursmitglieder (56 %) an dem Treffen teil, was belegt, dass das Interesse an der Storyline-Arbeit nach wie vor vorhanden war, obwohl mittlerweile mehrere Monate verstrichen waren [4a, 13c, 14h]. Einige bedauerten aus‐ drücklich, dass sie wegen Überschneidungen mit anderen Lehrveranstaltungen nicht kommen konnten. Zunächst wurden einige organisatorische Dinge und eventuelle „neue“ Fragen bespro‐ chen. Zwischenzeitlich war auch die CD-ROM mit den Storyline-Projekten fertig und konnte zur Freude der Anwesenden verteilt werden. Einige Wochen zuvor hatte mich ein Kursmitglied kontaktiert und den Wunsch nach besagter CD-ROM betont [8c, 11a]: „Eine solche Sammlung von guten Ideen wäre bestimmt eine Bereicherung für den Schuldienst. 524 7 Forschungsfokus Hochschuldidaktik 7 Leider konnte im Hinblick auf die Themenwahl für das mündliche Staatsexamen keine systematische Datensammlung durchgeführt werden. Außerdem wäre dann die Wahrscheinlichkeit größer, dass unsere Projekte in der Schule Anwendung finden und nicht in den Schubladen jedes Einzelnen verschwinden“ (Mail St8) [13d, 14h]. Von den Anwesenden wurde noch einmal bestätigt, dass das Hauptseminar insgesamt gewinnbringend war [4a, 13a, 13c] und in vielerlei Hinsicht ein “changed thinking“ (St6) bewirkt habe [8d, 14 g, 14h]. Konkrete Praxiserfahrungen konnten zum damaligen Zeit‐ punkt (noch) nicht ausgetauscht werden und leider konnte das Kursmitglied, welches Story‐ line in einer 5. Klasse spontan ausprobiert hatte [8c, 14d, 14h], an dem Treffen nicht teil‐ nehmen, um von den Erfahrungen zu berichten. (Mindestens) ein Kursmitglied wählte den Storyline Approach später tatsächlich als Thema für das mündliche Staatsexamen 7 : ein wei‐ teres Zeichen dafür, dass der Kurs positiv aufgenommen [4a, 14g] und der Inhalt für rele‐ vant befunden wurde [13c, 14h]. Im Sommer 2014 traf ich zufällig St6 und wurde interessanterweise sofort auf das Story‐ line-Seminar angesprochen. Ich nutzte die Gelegenheit für eine kurze Befragung: St6 ar‐ beitet seit einigen Jahren als Lehrkraft und hat schon mehrere Storyline-Projekte entwickelt und erfolgreich durchgeführt [4f, 14 f, 14h]: „Ich probiere gerade wieder eine Storyline aus. Das ist total toll! Man kann so viel Spracharbeit unbemerkt einfließen lassen [2a, 5i, 14g]: Vokabeln auf den wordbanks, Grammatik wie zum Beispiel conditionals und auxiliaries beim Thema Holiday Destinations, das wir gerade machen“ [5e, 5f]. St6 fragte auch nach neuen Publikationen [14a]: Der Kurs hatte also noch immer eine nachhaltige Wirkung [13d, 14h]! 7.3.6 Fazit Die von mir im Hinblick auf den Seminarverlauf dokumentierten Beobachtungen entspre‐ chen in vielerlei Hinsicht den in den Reflexionen geschilderten Eindrücken und Lernpro‐ zessen der Studierenden. Diese konnten durch den intensiven Theorie-Praxis-Bezug of‐ fenbar nicht nur deklaratives, sondern auch prozedurales Wissen gewinnen, um am Ende das komplexe Storyline-Modell sowohl zu verstehen als auch in die Praxis umsetzen zu können. Was mich im Vorfeld erstaunte, war die Feststellung, dass die Studierenden nur wenig Erfahrung und Wissen zu projektorientierten Arbeitsweisen einbringen konnten. Ande‐ rerseits bestätigte diese Tatsache meine These, dass in den Schulen kaum offene Unter‐ richtsformen praktiziert werden, obwohl Bildungspolitik und Pädagogik schon seit Jahren nicht nur Lernerorientierung, Ganzheitlichkeit, Handlungsorientierung, Eigenverantwort‐ lichkeit und Differenzierung, sondern auch Anregung und Anleitung zum lebenslangen Lernen fordern. Insgesamt wurde aus den Äußerungen der Studierenden deutlich, dass sie das Hauptse‐ minar in vielerlei Hinsicht für gut, motivierend und lernwirksam befanden. Da es sich je‐ doch nicht immer leicht gestaltete, die individuellen Reflexionen im Hinblick auf Kurseva‐ 525 7.3 Fallstudie 7: The Farm luation und Lernerfolg trennscharf auszuwerten, beschloss ich, in zukünftigen Seminaren ergänzend einen strukturierten und differenzierten Fragebogen einzusetzen. Von herausragender Bedeutung war für die Seminargruppe offenbar die Unterrichtssi‐ mulation, bei der wichtige Erkenntnisse für den (Hoch-)Schulalltag gewonnen wurden. Interessanterweise decken sich viele der Erfahrungen und Einsichten, welche die Studie‐ renden während der Simulation sammeln konnten, mit den Forschungsergebnissen aus den Fallstudien 1-6, so dass diese nicht nur an Aktualität, sondern auch an Validität gewinnen. Gerade das praktische Lernen am Modell ermöglichte den Studierenden eine intensive und reflektierte Auseinandersetzung mit dem Storyline-Konzept, so dass für alle erfahrbar und nachvollziehbar wurde, warum die Lernenden aus den Schulprojekten beispielsweise häufig Gruppenarbeit und Wortschatzerweiterung als Lernerfolg verbalisierten oder an‐ gaben, dass Englischlernen mit Storyline Spaß macht (vgl. Kapitel 6). Vor allem der letzte Punkt hatte für die Kursmitglieder - gepaart mit den Erkenntnissen aus der Arbeit mit den Bildungsplänen - einen großen Überzeugungswert. Auffallend waren in diesem Zusam‐ menhang auch die äußerst ästhetischen Collagen mit vielen kunstvollen Details sowie die intensive Rollenidentifikation selbst über den Seminarraum hinaus: Die Studierenden fühlten sich nicht nur als Schülerinnen bzw. Schüler, sondern zugleich auch als Bauern‐ hofbewohnerinnen bzw. -bewohner, die mit Freude und Elan ihre individuellen Aufgaben erfüllten - Storyline eröffnete ihnen offenbar ganz neue (Lern-)Welten! Insofern scheint es nicht verwunderlich, wenn Studierende behaupten: “And I’m sure I will use this method in my lessons“ (SASt5). Obwohl das Seminar aus Sicht der Studierenden und auch aus meiner Perspektive ins‐ gesamt positiv verlief, traten bei der Entwicklung der eigenen Storyline-Projekte einige Probleme auf. Manche konnten sich nur schwer auf das Leistungsniveau einer spezifischen Klassenstufe einstimmen oder hatten Schwierigkeiten mit der zeitlichen Einschätzung ein‐ zelner Unterrichtsschritte. All dies stand aus meiner Sicht jedoch nicht im direkten Zu‐ sammenhang mit dem Kurs oder dem Storyline Approach, sondern verwies vielmehr auf einen Mangel an praktischer Unterrichtserfahrung. Schon allein aus diesem Grund wäre es wünschenswert, wenn im Anschluss an das Hauptseminar eine praktische Erprobung der Projekte in der Schule stattfinden könnte. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Kursmit‐ glieder von vornherein ein recht heterogenes Leistungsprofil aufwiesen. Dennoch kann auf der Basis der vorliegenden Arbeiten bestätigt werden, dass am Ende alle fähig waren, ein eigenes Storyline-Projekt zu konzipieren und somit das Gelernte umzusetzen - wenn auch mit unterschiedlichem Erfolg. Wenn Studierende die Einsicht gewinnen, “that (...) storyline is a method which can be done by young student teachers as well, especially after experiencing our own excitement during ‘The farm’“ (SASt15), dann scheint das realisierte Kurskonzept sinnvoll und ziel‐ gruppengerecht zu sein. Bestätigt wird dieser Eindruck auch durch Rückmeldungen wie die folgende: “With reference to the learning outcome, I can say that this class taught me a lot. If someone asks me now ‘what is storyline? ’ I think I can easily deal with the question. Two weeks ago I even used some aspects of storyline in an English double lesson in a fifth grade. The topic was ‘British houses’ and it really worked out well“ (SASt11). 526 7 Forschungsfokus Hochschuldidaktik 7.4 Fallstudie 8: Witches 7.4.1 Allgemeine Informationen Make this course compulsory! ! ! ! In order to have more students experience Storyline (Kursmit‐ glied, 9. Semester) Das zweite von mir hier ausgewertete Storyline-Hauptseminar fand direkt im Anschluss an das WS 2006/ 2007 statt und trug den Titel Project-oriented and Theme-based Learning and Teaching. Der Kurs war erneut für verschiedene Zielgruppen ausgeschrieben, und zwar für alle Lehramtsstudiengänge nach neuer und alter Prüfungsordnung inklusive Europa‐ lehramt sowie für Diplomstudiengänge. Der Reader wurde nur leicht überarbeitet und sollte im Vorfeld komplett bearbeitet werden. Somit wurden konkrete Vergleichsmöglichkeiten mit der vorherigen Studie, zumindest was die äußeren Bedingungen anbelangt, geschaffen. Für die Simulation wurde das Storyline-Projekt Witches gewählt (vgl. Kapitel 6.3.4), um zu überprüfen, ob die in Fallstudie 7 erbrachten Erkenntnisse übertragbar oder möglicher‐ weise themenabhängig waren. Diese Vorgehensweise sollte also einen Beitrag zur Validität und Reliabilität der Untersuchungsergebnisse leisten, zumal es sich zwar um eine neue Seminargruppe, jedoch um dieselbe Kursleiterin und Institution handelte. Angeregt durch das Tagungsthema „Nachhaltigkeit“ (sustainable development) der im April 2008 in Göte‐ borg, Schweden organisierten Nordic Storyline Conference, zu der ich als Referentin für den Bereich Fremdsprachen eingeladen war, entschloss ich mich, versuchsweise dasselbe Thema als Leitfaden für die von den Studierenden zu erstellenden Storyline-Projekte zu übernehmen, um diese für die aktuelle Thematik zu sensibilisieren. Während der Seminardurchführung beobachtete ich die Studierenden und fertigte No‐ tizen an. Dabei galten dieselben Grundsätze, wie sie bereits oben erläutert wurden: Nicht die Studie, sondern die authentische Seminardurchführung stand im Vordergrund, so dass spezifische Beobachtungen gegebenenfalls erst im Nachhinein verschriftlicht wurden. Für die Datenauswertung standen zudem diverse Materialien und Fotos sowie die Seminarar‐ beiten und Reflexionen der Studierenden (SA) zur Verfügung. Des Weiteren wurde in dieser Gruppe zum ersten Mal eine schriftliche Evaluation zum Ende des Seminars (SABSt) durch‐ geführt. Die Evaluationsbögen wurden anonym ausgefüllt und dann von mir beliebig durchnummeriert. Die SA dagegen wurden aus nachvollziehbaren Gründen mit Namen versehen und im Anschluss nach einem mir bekannten Kode verschlüsselt, so dass hier - im Gegensatz zu den Fragebögen - Rückschlüsse oder Querverweise auf andere Daten‐ quellen möglich sind. 7.4.2 Die Lerngruppe Die Lerngruppe bestand auch in diesem Semester aus 18 Studierenden, wobei mir etwa die Hälfte aus anderen Seminaren bekannt war. 527 7.4 Fallstudie 8: Witches Studiengänge Gesamtzahl Frauen Männer Lehramt an Grundschulen (GS) 4 3 1 Lehramt an Realschulen (RS) 1 1 0 Europalehramt an Grundschulen (EuLA GS) 9 9 0 Europalehramt an Realschulen (EuLA RS) 4 4 0 Gesamtzahl der Studierenden (= n) 18 17 1 Tab. 63: Anzahl, Studiengang und Geschlecht der Seminarmitglieder (Anmeldeformular) Wie die Tabellen verdeutlichen, hatte die Lerngruppe ein interessantes Profil: Über 94 % der Studierenden waren weiblich. Über 72 % der Kursmitglieder studierten für das Lehramt an Grundschulen. Auffallend war, dass mit 13 Personen über 72 % der Gruppe den spezifi‐ schen Studiengang EuLA vertraten. Das Lernniveau der Studierenden war insgesamt breit angelegt: Die meisten befanden sich zwar in einem fortgeschrittenen Stadium ihres Studiums, dabei fiel auf, dass auch in diesem Kurs das Gros der Studierenden, nämlich genau ein Drittel, bereits im 7. Semester war. Andererseits ist hervorzuheben, dass sich die Lerngruppe auf insgesamt 7 Semester‐ kohorten verteilte und somit über ganz unterschiedliche Vorerfahrungen und Kenntnisse verfügte. Semesterzahl Anzahl pro Studiengang Frauen Männer Gesamtzahl pro Semester GS HS RS GS HS RS GS HS RS 3. Semester 1 0 0 1 0 0 1 0 0 0 4. Semester 1 1 0 0 1 0 0 0 0 0 5. Semester 4 3 0 1 2 0 1 1 0 0 6. Semester 4 3 0 1 3 0 1 0 0 0 7. Semester 6 4 0 2 4 0 2 0 0 0 9. Semester 1 1 0 0 1 0 0 0 0 0 10. Semester 1 1 0 0 1 0 0 0 0 0 Gesamtzahl der Studierenden (= n) 18 13 0 5 12 0 5 1 0 0 Tab. 64: Semesterzahl der Seminarmitglieder (Anmeldeformular) 528 7 Forschungsfokus Hochschuldidaktik 7.4.3 Der Seminarverlauf: Beobachtungen und Reflexion Zu Beginn wurde zunächst das Kursprogramm besprochen. Die Idee, bei den zu entwer‐ fenden Projekten das Leitthema sustainable development zu berücksichtigen, wurde insge‐ samt positiv aufgenommen [3a, 14f]. Ein Kursmitglied machte den allseits für gut befun‐ denen Vorschlag, die ausgearbeiteten Storyline-Projekte nach dem Abgabetermin auf die hochschulinterne Lernplattform zu stellen und sie somit allen verfügbar zu machen [8b, 11a, 14h]. In diesem frühen Stadium des Kompaktseminars regte ich die Studierenden dazu an, sich umzuschauen und die visuellen Eindrücke gedanklich festzuhalten, um diese von Zeit zu Zeit mit dem jeweils aktuellen Zustand des Raumes zu vergleichen und zu reflek‐ tieren [14d]. Die Kennenlernphase mit Hilfe der Methode „Kugellager“ wurde auch von dieser Semi‐ nargruppe positiv aufgenommen und die Studierenden unterhielten sich bald angeregt und zwanglos [4c, 5d, 14c]. Im Anschluss tauschten sich die Kursmitglieder in 5 Gruppen über ihre Erfahrungen mit projektbzw. themenorientiertem Lernen aus. Im Gegensatz zum vorherigen Kurs sollten die entsprechenden Begriffe auch definiert und konkretisiert werden. Einige Studierende tendierten zunächst noch dazu, in der Muttersprache zu ver‐ handeln, doch nach meiner Ermunterung kommunizierten alle Gruppen bald nur noch in der Fremdsprache [5d, 13e, 14c], während sie auf Postern Vorwissen und Vorerfahrungen festhielten [5c, 8a]. Bei der Ergebnissammlung zeigte sich, dass zwar einige Kursmitglieder bereits über Er‐ fahrungen mit Projektarbeit verfügten, doch insgesamt war der Kenntnis- und Erfahrungs‐ stand auch in dieser Gruppe relativ niedrig, vor allem in Bezug auf den Fremdsprachenun‐ terricht. Während des Unterrichtsgesprächs wurden vielfältige Aspekte aus dem Reader eingebracht [14a, 14c], praktische Erfahrungen mit Storyline konnte allerdings niemand vorweisen. Die Idee, nicht nur projektbezogene und fächerübergreifende Erfahrungen aufzulisten, sondern die spezifischen Termini auch definieren zu lassen, erwies sich im Nachhinein als sinnvoll, da sich die Studierenden immer wieder überlegen mussten, ob die Bezeichnungen für ihre vermeintlichen Erfahrungen - z. B. während der schulinternen Projektwochen - tatsächlich gerechtfertigt waren. Insofern konnten sie fast ohne meine Hilfe eine reflek‐ tierte Vorauswahl ihrer Nennungen treffen bzw. diese fachlich fundiert klassifizieren [8d, 14c, 14d, 14g]. Im Hinblick auf die Frage, warum im Fremdsprachenunterricht nur selten Projekte durchgeführt werden, ergab sich mit 16 Nennungen eine ähnlich große Anzahl und Vielfalt von Gründen und Problemstellen wie im vorausgehenden Kurs [9c, 14c, 14d, 14e]. Dabei standen ebenfalls Aspekte wie Aufwand, Erfahrungsmangel, Bedenken beim Einsatz von Gruppenarbeit (Verwendung L1? ), Fragen der Leistungsmessung und Fehlerkorrektur, Ängste vor Kontrollverlust, Unsicherheiten im Umgang mit Kollegium (Kooperation? ), Druck durch das Lehrwerk und finanzielle Fragen (Ausstattung? ) im Vordergrund (Folie). Im nächsten Schritt stellte ich einige so genannte Projekte aus vier gängigen Schulbü‐ chern für die Hauptschule vor und ließ diese evaluieren. Im Vergleich zum vorherigen Semester hatte ich dieses Mal nicht nur die Auswahl an Lehrwerken verdoppelt, sondern auch Angebote aus verschiedenen Klassenstufen integriert (Klasse 5, 6 bzw. 7), um einen größeren Querschnitt abzubilden. Irritiert stellten die Studierenden fest, dass es sich bei 529 7.4 Fallstudie 8: Witches den ausgewählten Beispielen nicht um Projekte handelte, sondern um „normale“ Übungen oder bestenfalls um Vorstufen von Projektarbeit. Während sie ihre Aussagen kriterienge‐ leitet zu begründen versuchten [9c, 14c, 14d, 14e], wurde deutlich, dass es in den meisten Fällen darum ging, die Vorgaben aus dem Lehrwerk zu befolgen, um spezifische sprachliche Formen einzuschleifen. Erstaunt nahmen die Studierenden zur Kenntnis, dass es in einem der neu konzipierten Lehrwerke für die Realschule (Klasse 5) überhaupt keine Hinweise auf Projekte gab. Trotz der insgesamt erweiterten Recherche war das Resultat laut Aussage der Studierenden enttäuschend: der Begriff „Projekt“ wurde in nahezu allen Fällen zu Un‐ recht verwendet [14e, 14g]. Am zweiten Tag sollten die Studierenden ihr Vorwissen (published knowledge) über den Storyline Approach strukturieren und die Ergebnisse auf einem Poster dokumentieren. Für diesen Zweck teilten sie sich in Gruppen (A-B-C) auf und bearbeiteten den jeweils zuge‐ teilten Fragenkatalog. Die Resultate wurden schließlich im Plenum vorgestellt und alle hörten aufmerksam zu [5b], stellten bei Bedarf Zwischenfragen oder ergänzten die Aus‐ sagen [11c, 14c, 14d]. Auffallend war die insgesamt gute Qualität der Arbeitsergebnisse, die sich nicht nur in den teilweise ästhetisch gestalteten Postern spiegelte [8a, 9c, 11b], sondern auch in den reflektierten Antworten: Aus meiner Sicht hatten tatsächlich alle Kursmitglieder den im Vorfeld ausgeteilten Reader studiert [13f] und den theoretischen Hintergrund des Storyline Approach verstanden (UR) [14a, 14g]. Als es allerdings um die Frage ging, ob sie nun auch bereit bzw. vorbereitet seien, ein Storyline-Projekt in der Schule durchzuführen, reagierten die meisten verunsichert: Obwohl deutlich geworden war, dass sie das Storyline-Modell erklären und zu spezifischen Fragen konkret Stellung nehmen konnten [14a, 14g], fühlten sich die Studierenden offenbar (noch) nicht in der Lage, die erworbene Theorie - trotz der im Reader abgedruckten Projektbeschreibungen - in die Praxis umzusetzen. Nach der Mittagspause begann die Unterrichtssimulation. Angeregt beteiligten sich die Studierenden an der Sammlung von Assoziationen, die nach dem Vorspielen der Geräusche‐ collage auf den wordbanks festgehalten wurden [8a, 14b]. Manche schauten in den Wör‐ terbüchern nach, um themenrelevante Begriffe zu recherchieren [5e, 7c]. Den meisten fiel es ausgesprochen leicht, sich in die Schülerrolle zu begeben [2d]: Sichtlich unbefangen konzentrierten sie sich auf das Thema und äußerten zahlreiche kreative Vorschläge [8a, 9c], die gelegentlich durch Gelächter oder anerkennende Kommentare begleitet wurden [4b, 4c, 11d]. Als ich die sphärische Musik abspielte und die erste Passage der Geschichte vorlas, hörten alle gespannt zu, wie dies auch im Klassenzimmer der Fall gewesen war [2c, 3a, 5b]. Erstaunt stellte ich fest, wie engagiert die Studierenden ihre anschließenden Auf‐ gaben bearbeiteten, also entweder die Hexe bastelten oder deren Behausung gestalteten [9e, 10a]. Die mitgebrachten Materialien inspirierten zu ausgefallenen, kreativen Lösungen [7a, 10d]. Alle hatten sichtlich Spaß dabei, ihrer Phantasie freien Lauf zu lassen [4b, 8a, 9c], und alle gaben sich Mühe, um möglichst individuelle und eindrucksvolle Ergebnisse präsentieren zu können [8c, 11b]. Schließlich wurde die Hauptfigur Gertrude vorgestellt [2d, 5d, 9c] sowie ihre Katze namens Wilbur, die spontan eine kleine Nebenrolle einnahm [2e]. Das Haus hatte vier ansprechend gestaltete Räume, deren Utensilien teilweise mit englischen Begriffen be‐ schriftet waren [5c, 5e]. Neben Küche, Wohn- und Schlafzimmer gab es einen geheimnis‐ 530 7 Forschungsfokus Hochschuldidaktik vollen “dungeon“ mit zwei Gefangenen, was belegt, dass es auch den Studierenden Spaß bereitete, (zumindest in ihrer Phantasie) gewisse Grenzen zu überschreiten [2e, 9c]. Besonders beeindruckend war die Gestaltung der Hausumgebung (“magic forest“), die sich im Laufe des Kurses zunehmend veränderte und immer wieder für Staunen sorgte [10d, 11b, 11d]: Zwischen Bäumen schwebten aus Wollstoff hergestellte “ghosts“ und mit Wattebäuschen wurde “fog“ angedeutet [2e, 3a, 9c]. Alles war beschriftet, damit kein Detail übersehen wurde [5c, 11b]. Interessant war, dass auch Begriffe, die den Studierenden bisher unbekannt waren (z. B. deciduous tree), nachgeschlagen und aufgeführt wurden [7c], was verdeutlicht, dass sie mit Interesse involviert waren und nebenbei - oder gerade deshalb - ihren Wortschatz erweitern und somit ihre Sprachkompetenz verbessern konnten [5e, 5i]. Auch die späteren Partygäste wurden mit besonderen Charakterzügen versehen [2d, 9c]: Da es neben den zwei weiblichen Figuren Miralda und Lizzy Ladybug auch zwei männ‐ liche gab, nämlich Professor Merlin und Horrible Harry, entspann sich eine Diskussion um die korrekte englische Bezeichnung dieser Gestalten und den Unterschied zwischen sor‐ cerer, magician und wizard [5e, 5h, 5i]. Ähnliche Situationen hatten sich bekanntlich auch in den Klassenzimmern ergeben [2a]. Die Studierenden identifizieren sich schnell mit ihren Phantasiegestalten und hatten Freude dabei, zwischen den Figuren ein fiktives soziales Netzwerk zu entwickeln und mit individuellen Details auszugestalten [2d, 2e, 9c]. Dies spiegelte sich auch in Gertrudes Geburtstagseinladung, die durchaus authentisch klang, wie der Brief an Professor Merlin aus Ghost Town in Vampirystan verdeutlicht [2b, 5c, 5 g, 7d]: zwei Gefangenen, was belegt, dass es auch den Studierenden Spaß bereitete, (zumindest in ihrer Phantasie) gewisse Grenzen zu überschreiten [2e, 9c]. Besonders beeindruckend war die Gestaltung der Hausumgebung (“magic forest“), die sich im Laufe des Kurses zunehmend veränderte und immer wieder für Staunen sorgte [10d, 11b, 11d]: Zwischen Bäumen schwebten aus Wollstoff hergestellte “ghosts“ und mit Wattebäuschen wurde “fog“ angedeutet [2e, 3a, 9c]. Alles war beschriftet, damit kein Detail übersehen wurde [5c, 11b]. Interessant war, dass auch Begriffe, die den Studierenden bisher unbekannt waren (z.B. deciduous tree), nachgeschlagen und aufgeführt wurden [7c], was verdeutlicht, dass sie mit Interesse involviert waren und nebenbei - oder gerade deshalb - ihren Wortschatz erweitern und somit ihre Sprachkompetenz verbessern konnten [5e, 5i]. Auch die späteren Partygäste wurden mit besonderen Charakterzügen versehen [2d, 9c]: Da es neben den zwei weiblichen Figuren Miralda und Lizzy Ladybug auch zwei männliche gab, nämlich Professor Merlin und Horrible Harry, entspann sich eine Diskussion um die korrekte englische Bezeichnung dieser Gestalten und den Unterschied zwischen sorcerer, magician und wizard [5e, 5h, 5i]. Ähnliche Situationen hatten sich bekanntlich auch in den Klassenzimmern ergeben [2a]. Die Studierenden identifizieren sich schnell mit ihren Phantasiegestalten und hatten Freude dabei, zwischen den Figuren ein fiktives soziales Netzwerk zu entwickeln und mit individuellen Details auszugestalten [2d, 2e, 9c]. Dies spiegelte sich auch in Gertrudes Geburtstagseinladung, die durchaus authentisch klang, wie der Brief an Professor Merlin aus Ghost Town in Vampirystan verdeutlicht [2b, 5c, 5g, 7d]: 5, Magic forest Want Town 357 February 13 th , 2007 Nasty friend, on February 21 st , 2007 there will be a horrible and spokey event My 473 rd BIRTHDAY The party will take place at my dirty, ugly house in the magic forest. Please appear when the owl cries for the third time. Feel free to bring your cats along and your favourite potion. If you can’t come, let me know via broom-mail. I’m looking forward to seeing you. Worst wishes! Your GERTRUDE (Letter to friends). Der in kindlicher Schrift verfasste Text wurde offenbar mit Absicht auf einem relativ einfachen sprachlichen Niveau gehalten. Die Studierenden nahmen bewusst - wie auch in der vorherigen Studie - zwei Rollen parallel ein [2d]: die der Phantasiegestalten und die einer fiktiven Schulklasse, um durch Letzteres besser einschätzen zu können, was Schülerinnen und Schüler einer 7. Klasse sprachlich leisten können [14b, 14d, 14g]. Andere gingen ganz in ihrer Rolle als Hexe oder Zauberer auf [2d] und verfassten elaborierte Antwortschreiben [5c, 5g, 5i]. Insgesamt wurde deutlich, dass die Studierenden die Unterrichtssimulation genossen [4a, 14b] und durch die eigenen kreativen Leistungen eine konkrete Vorstellung davon bekamen, warum die Schulklassen, in denen Storyline-Projekte durchgeführt wurden, stets mit Interesse und Konzentration involviert waren [4b, 8c, 11b]. Wie die Schülerinnen und Schüler spürten auch sie, dass es eben nicht ausreichte, nur irgendeinen Gegenstand als Geburtstagsgeschenk auszuwählen, stattdessen wurde beispielsweise mit Hingabe ein Stofftäschchen genäht [9c, 10a], um bei der Präsentation im Plenum bestaunt zu werden [4f, 11b]. Das in der Literatur erwähnte ownership principle wurde für alle erfahrbar und nachvollziehbar [14b, 14e, 14g]: Der in kindlicher Schrift verfasste Text wurde offenbar mit Absicht auf einem relativ ein‐ fachen sprachlichen Niveau gehalten. Die Studierenden nahmen bewusst - wie auch in der vorherigen Studie - zwei Rollen parallel ein [2d]: die der Phantasiegestalten und die einer fiktiven Schulklasse, um durch Letzteres besser einschätzen zu können, was Schülerinnen und Schüler einer 7. Klasse sprachlich leisten können [14b, 14d, 14g]. Andere gingen ganz in ihrer Rolle als Hexe oder Zauberer auf [2d] und verfassten elaborierte Antwortschreiben [5c, 5 g, 5i]. Insgesamt wurde deutlich, dass die Studierenden die Unterrichtssimulation genossen [4a, 14b] und durch die eigenen kreativen Leistungen eine konkrete Vorstellung davon bekamen, warum die Schulklassen, in denen Storyline-Projekte durchgeführt wurden, stets 531 7.4 Fallstudie 8: Witches mit Interesse und Konzentration involviert waren [4b, 8c, 11b]. Wie die Schülerinnen und Schüler spürten auch sie, dass es eben nicht ausreichte, nur irgendeinen Gegenstand als Geburtstagsgeschenk auszuwählen, stattdessen wurde beispielsweise mit Hingabe ein Stofftäschchen genäht [9c, 10a], um bei der Präsentation im Plenum bestaunt zu werden [4f, 11b]. Das in der Literatur erwähnte ownership principle wurde für alle erfahrbar und nachvollziehbar [14b, 14e, 14g]: Der Sog der gemeinsam entwickelten und somit persön‐ lichen Geschichte [2a, 2e] mit offenen und sinnerfüllten Aufgaben [9b] führte zu bemer‐ kenswerten Leistungen [8c]. Mein positiver Gesamteindruck wurde in der zum Ende der 2. Episode durchgeführten Reflexion (aus Sicht einer Schulklasse) bestärkt. Die Studierenden füllten den oben be‐ schriebenen Evaluationsbogen (self-evaluation) konzentriert aus und bewerteten ihre Ar‐ beit ehrlich und kritisch [8d, 14b, 14d]. Ein Kursmitglied kommentierte die Erfahrungen und Arbeitsprozesse wie folgt: “A lot of fun! Our group works together really well and we have no ideas for improvement. Maybe bring more material“ (Evaluation sheets: St17) [4b, 6c, 7a, 8d]. In einem anderen Fall wurden konkrete Ziele für die Weiterarbeit formu‐ liert: “Speak English, share presentations, learn to keep an eye on the time“ (Evaluation sheets: St18) [5d, 6c, 8d]. Auffallend war, dass mehrfach die Materialfrage thematisiert wurde, obwohl sehr viele Bastelmaterialien vorhanden waren. Offenbar schien nicht nur das Thema [3a], sondern auch das Material [7a] und die Arbeitsweise [10d] zu inspirieren und zu motivieren [4b, 8c, 11b]. Am dritten Tag wurde die Unterrichtssimulation fortgesetzt: Die imaginären Partygäste versammelten sich und überreichten Gertrude ihre Geschenke und Wünsche [5d, 5 g, 8a]. Dabei wurde deutlich, dass es den Studierenden nicht nur leicht fiel, sondern auch Freude bereitete, wieder in ihre fiktiven Rollen zu schlüpfen und die Geschichte weiterzuentwi‐ ckeln [2d, 2e]. Einige hatten bereits vor dem offiziellen Start anerkennend den Fries und die Ergebnisse des Vortages betrachtet oder Ergänzungen vorgenommen [12a, 12b, 12c, 12f]. Schließlich gab Gertrude ihren Wunsch bekannt: “To be a nice witch for a week“ (Poster) [2e, 9c]. Nachdem ein Muster für den magic spell erarbeitet worden war, wählten die Stu‐ dierenden jeweils eine der anstehenden Aufgaben aus [9e]: Mit großem Eifer wurden phantasievolle Ingredienzen für den Hexenkessel gebastelt [9c, 10a]. Auch in diesem Fall wurde gelegentlich das Wörterbuch gezückt, um möglichst präzise Formulierungen zu finden [5e, 5i, 7c]. Die Studierenden, die parallel Zaubersprüche entwickelten [5c, 5 g, 5h], trugen ihre poetischen Werke - mitunter durch Geräusche untermalt oder sogar in Form einer kurzen Inszenierung - engagiert vor [9c, 10b, 10c, 11a]. In einigen Fällen wurden die magic spells in kunstvoller Schrift zu Papier gebracht, was verdeutlichte, dass die Studierenden hohe Ansprüche an ihre Arbeit hatten, obwohl es sich hier wohlgemerkt „nur“ um eine Unterrichtssimulation handelte [8a, 8c, 11b]. Bekanntlich schlug die Zauberei fehl und gemeinsam wurde eine Liste mit möglichen Missgeschicken erstellt. Letztendlich einigte man sich darauf, dass versehentlich der Papst herbeigezaubert wurde [2e, 9c]. Erneut zeigte die Seminargruppe großes Engagement, als es darum ging, in diversen Medienprodukten über Gertrudes Geburtstagsfeier zu berichten [7d, 8c, 9e]. Die Ergebnisse waren beeindruckend, und zwar im Hinblick auf Quantität und Qualität: Manche Texte waren mehrere Seiten lang, während andere durch ansprechende 532 7 Forschungsfokus Hochschuldidaktik „Fotos“ bzw. Zeichnungen ergänzt wurden [5c, 5 g, 9c, 10a]. Eine Kleingruppe begab sich spontan in einen Computerraum [9d, 9e], um den gewünschten Zeitungsbericht für The Wizard Times hinsichtlich Layout und Aufmachung möglichst authentisch und anspre‐ chend zu gestalten [7d, 8c]. Dies wäre sicher auch eine gute Idee für die Schule und stellt eine sinnvolle Verbindung von Sprachenlernen und Medienerziehung dar (UR). Nachdem die Arbeitsergebnisse vorgestellt waren, kündigte ich das Ende der Unter‐ richtssimulation an. Für manche war dies offenbar ein Bruch, so dass es einige Momente dauerte, bis sich die Seminargruppe auf die neue Situation einlassen konnte. In der Mit‐ tagspause wurden die Projektergebnisse am Fries nicht nur ausgiebig begutachtet [12a, 12b, 12c, 12f] und kommentiert [8d, 11d], sondern auch mehrfach fotografiert [4f, 13c, 13d]. In der unmittelbar anschließenden Aussprache und Reflexion des Vormittags bekräf‐ tigten die Studierenden noch einmal [14c], dass die Unterrichtssimulation (learning by doing) nicht nur motivierend [4a, 4b], sondern auch in vielerlei Hinsicht erhellend war [14b, 14g]. Viele teilten mit, dass sie gerne noch länger an „ihrer“ Storyline weitergearbeitet und die Ergebnisse - wie im Projektentwurf vorgesehen - einem Publikum vorgestellt hätten [4f, 8d, 11a]. Um einen direkten Bezug zur Unterrichtsrealität herzustellen, las ich einige Zitate aus meinen diversen Schülerbefragungen vor. Die Studierenden stimmten mit mir überein, dass sich Schülerinnen und Schüler sehr wohl über ihre Lernprozesse bewusst sind und er‐ staunlich viel Engagement zeigen, wenn sie motivierende und sinnerfüllte Aufgaben bear‐ beiten [14e, 14g]. Unterrichtsstörungen sind folglich in vielen Fällen eher Äußerungen von Langeweile. Zur Verdeutlichung, dass Storyline kein rigides Rezept, sondern ein vielseitig anwend‐ bares Konzept ist, stellte ich mit Hilfe von Fotos diverse Themen- und Friesbeispiele vor, um die Studierenden zugleich auch für die später anstehende Projektkonzeption zu inspi‐ rieren. Die Präsentation der unterschiedlichen Figurentypen (z. B. Marionette, Zeichnung, Ausweis), settings (z. B. zwei- oder dreidimensionale Landschaften, Gebäude, Räume) oder Aufgabentypen (z. B. Videoclip, Ansprache, Poster, Radiointerview) wurde von der Semi‐ nargruppe aufmerksam verfolgt [14e]. Insgesamt herrschte ein reger Mitteilungs- und Dis‐ kussionsbedarf [14c], so dass ich noch einmal auf das Poster verwies, wo alle aufkom‐ menden Fragen gesammelt und später gemeinsam besprochen werden sollten [14d]. Im Anschluss unterbreitete ich - anders als beim vorherigen Kurs - diverse Vorschläge für die Weiterarbeit, aus denen die Gruppe eine Option auswählen konnte [8b, 9e]: die Sichtung von Videoausschnitten aus drei Unterrichtsdokumentationen (Klasse 5, 7 oder 10) und zwei Diskussionsthemen. Da die Seminargruppe neugierig auf die inhaltlichen und sprachlichen Leistungen der 7. Klasse war, in der Witches durchgeführt und evaluiert wurde, einigte man sich auf den etwa 20-minütigen Ausschnitt aus Episode 4 inklusive General‐ probe und Schlusspräsentation (vgl. Fehse/ Kocher 1995a), zumal diese Phase bei der Un‐ terrichtssimulation ausgelassen wurde und somit besonders interessant schien [14e]. Die Videopräsentation wurde immer wieder - leise oder für alle hörbar - kommentiert [8d]. Für die Studierenden war es offenbar lehrreich, das Gesehene mit den eigenen Erfahrungen im Rahmen der Unterrichtssimulation zu vergleichen [14d, 14e]. Dabei wurde deutlich, dass eine Storyline je nach Klasse und Situation unterschiedlich ausgearbeitet werden kann 533 7.4 Fallstudie 8: Witches 8 Zur Verdeutlichung wurden hier die Textstellen aus dem Bildungsplan kursiv gedruckt. und am Ende - trotz grob strukturierter Vorlage - ein individuelles, klassenspezifisches Produkt entsteht [14g]. Im nächsten Arbeitsblock ging es um die Themen „Bildungsplan“ und „Leistungsmes‐ sung“: Drei Gruppen sollten sich mit den Bildungsstandards (Englisch) für HS 6 und/ oder HS 9, RS 6 bzw. RS 8 beschäftigen, zwei Gruppen sollten Kriterien für die Bewertung und Beurteilung des Storyline-Projekts in einer der genannten Klassenstufen erarbeiten. Da ein Großteil der Gruppe für das Lehramt an Grundschulen studierte, entschieden sich einige Studierende spontan dafür, an Stelle der Bildungsstandards für RS 6, die Angaben für GS 4 zu untersuchen und zu überprüfen, welche Kompetenzen erfüllt werden, wenn Witches bereits in Klasse 4 durchgeführt wird [8b, 9e, 14d]. Wie auch im vorherigen Kurs waren die Studierenden erstaunt darüber, wie offen die Bildungsstandards formuliert sind und dass sie mühelos (fast) alle Kompetenzen in den Bildungsplänen „abhaken“ konnten [14d, 14e, 14g]. Manche notierten sich als Beleg Beispiele aus der Unterrichtssimulation, wie dies der folgende Auszug aus den Bildungsstandards für HS 6 (MKJSBW, Hrsg. 2004b, 92) il‐ lustriert: 8 5. Methodenkompetenz (...) Inhalte mitsprechen, nachsprechen, auswendig Gelerntes wieder‐ geben ✓ word banks brainstorming, clustering, mind mapping ✓ word banks - Umgang mit Wortlisten (Wortfeld, Wortfamilien, Kolloka‐ tionen) ✓ word banks, rhyming - Umgang mit dem alphabetischen Wörterverzeichnis ✓ (...) visuelle Stützen wie Wortkarten ✓ frieze guessing, predicting ✓ secret wish (Folie). Die Aufgabe, ein Modell bzw. einen Kriterienkatalog zu entwickeln, mit dessen Hilfe Lern‐ erfolge im Rahmen eines Storyline-Projekts bewertet werden können, war auch für diese Seminargruppe eine große Herausforderung [9b, 14d, 14e]. Eine der Gruppen äußerte den folgenden Vorschlag [8a, 9c, 14c], der interessante Ansätze und Stoff für Diskussionen bietet, auch wenn er - ähnlich wie im vorherigen Kurs - eher allgemein formuliert wurde: 534 7 Forschungsfokus Hochschuldidaktik Die Aufgabe, ein Modell bzw. einen Kriterienkatalog zu entwickeln, mit dessen Hilfe Lernerfolge im Rahmen eines Storyline-Projekts bewertet werden können, war auch für diese Seminargruppe eine große Herausforderung [9b, 14d, 14e]. Eine der Gruppen äußerte den folgenden Vorschlag [8a, 9c, 14c], der interessante Ansätze und Stoff für Diskussionen bietet, auch wenn er - ähnlich wie im vorherigen Kurs - eher allgemein formuliert wurde: Means of assessment Major focus: - Oral performance } content before - Social behaviour } accuracy! Ownership of the Learner:  self-evaluation  group-evaluation  teacher-evaluation ......................................................................... Assessment of ... ... written work: ‘homework’ ... oral production: content, creativity, (pronunciation, grammar), presentation (depending on the grade), fluency (Folie). Die Arbeitsgruppe war sich bewusst, dass es schwierig werden könnte, Gemeinschaftsprodukte zu bewerten, so dass sie sich im schriftlichen Teil auf Hausaufgaben, die meist als Einzelarbeit erstellt werden, beschränkte. Interessanterweise trat bei diesem Vorschlag die Bewertung von sprachlichen Aspekten - entgegen der üblichen Praxis - insgesamt eher in den Hintergrund [14d, 14e, 14g]. Meine Präsentation von Beispielen für die Selbst- oder Gruppenbewertung, die ich in verschiedenen Klassenzimmern erprobt hatte, ließ die Studierenden staunen, wie ehrlich bzw. streng die Lernenden (Klasse 5 und 6) ihre Arbeit im Rahmen des jeweiligen Storyline-Projekts eingeschätzt hatten [14e, 14g]. Auf breite Zustimmung stieß mein Argument, dass Storyline-Projekte mit ihren vielfältigen Präsentationen und Präsentationsformen gerade für ältere Klassen eine ideale Vorbereitung für die EUROKOM-Prüfung an der Realschule bieten. Positiv überrascht war die Gruppe über meinen Vorschlag, dass der Storyline Approach auch im Schulcurriculum berücksichtigt werden kann, wie dies in einem mir bekannten Fall für den Fremdsprachenunterricht realisiert wurde [14e, 14g]. Am Ende des dritten Seminartages zeigten sich die Kursmitglieder nicht nur von der Qualität des Storyline-Konzepts überzeugt, sondern auch von der Möglichkeit, das Modell in der Schule umzusetzen oder sogar als Schwerpunkt im Schulprofil zu verankern, was auch die Argumentation - beispielsweise mit Eltern - erleichtern würde [13d, 14g]. Zum Abschluss präsentierte ich einige Themenvorschläge für verschiedene Klassenstufen und Fächerkombinationen und verwies auf die ausgelegten Materialien, die von einigen Arbeitsgruppen sofort konsultiert und interessiert diskutiert wurden [7c, 14c]. Einige Studierende freuten sich sichtlich auf die nächste Kursphase, und vor allem die EuLA-Studierenden fanden es anregend, ein Projekt zum Leitthema „Nachhaltigkeit“ zu konzipieren [3a, 14f]. Die Arbeitsgruppe war sich bewusst, dass es schwierig werden könnte, Gemeinschaftspro‐ dukte zu bewerten, so dass sie sich im schriftlichen Teil auf Hausaufgaben, die meist als Einzelarbeit erstellt werden, beschränkte. Interessanterweise trat bei diesem Vorschlag die Bewertung von sprachlichen Aspekten - entgegen der üblichen Praxis - insgesamt eher in den Hintergrund [14d, 14e, 14g]. Meine Präsentation von Beispielen für die Selbst- oder Gruppenbewertung, die ich in verschiedenen Klassenzimmern erprobt hatte, ließ die Studierenden staunen, wie ehrlich bzw. streng die Lernenden (Klasse 5 und 6) ihre Arbeit im Rahmen des jeweiligen Story‐ line-Projekts eingeschätzt hatten [14e, 14g]. Auf breite Zustimmung stieß mein Argument, dass Storyline-Projekte mit ihren vielfältigen Präsentationen und Präsentationsformen ge‐ rade für ältere Klassen eine ideale Vorbereitung für die EUROKOM-Prüfung an der Real‐ schule bieten. Positiv überrascht war die Gruppe über meinen Vorschlag, dass der Storyline Approach auch im Schulcurriculum berücksichtigt werden kann, wie dies in einem mir bekannten Fall für den Fremdsprachenunterricht realisiert wurde [14e, 14g]. Am Ende des dritten Seminartages zeigten sich die Kursmitglieder nicht nur von der Qualität des Storyline-Konzepts überzeugt, sondern auch von der Möglichkeit, das Modell in der Schule umzusetzen oder sogar als Schwerpunkt im Schulprofil zu verankern, was auch die Argumentation - beispielsweise mit Eltern - erleichtern würde [13d, 14g]. Zum Abschluss präsentierte ich einige Themenvorschläge für verschiedene Klassenstufen und Fächerkombinationen und verwies auf die ausgelegten Materialien, die von einigen Ar‐ beitsgruppen sofort konsultiert und interessiert diskutiert wurden [7c, 14c]. Einige Stu‐ dierende freuten sich sichtlich auf die nächste Kursphase, und vor allem die EuLA-Studie‐ renden fanden es anregend, ein Projekt zum Leitthema „Nachhaltigkeit“ zu konzipieren [3a, 14f]. Der vierte Tag begann mit einer kurzen Seminarevaluation (vgl. Kapitel 7.4.4). Danach bat ich die Studierenden, noch einmal die „A-B-C-Poster“, die am zweiten Seminartag er‐ stellt worden waren, zu überprüfen, ob sie zwischenzeitlich neue Erkenntnisse gewinnen konnten, die eine Überarbeitung der Poster verlangen würden. Alle Gruppen gaben an, diese nun - aus der neuen Perspektive - besser zu verstehen, da durch die praktische Er‐ fahrung vormals abstrakte Begriffe konkreter und somit nachvollziehbarer wurden [14c, 14d, 14e, 14g]. 535 7.4 Fallstudie 8: Witches Im nächsten Schritt sollten sich die Studierenden mit den auf Postern gesammelten Fragen auseinandersetzen und sich kurz überlegen, welche sie bereits beantworten konnten und welche noch offen waren. Diese Aufgabe sollte sie nicht nur für die Projektentwicklung sensibilisieren, sondern auch zu eigenen Recherchen anregen, um bei der Abschlussdis‐ kussion des Fragenkatalogs fundierte Antworten liefern zu können [8d, 14d]. Nach einigen Anregungen für die Planung der Storyline-Projekte suchten sich die Teams einen Arbeits‐ platz [9d], um in Eigenregie ein Grobkonzept zu entwerfen [14f]. Am Nachmittag wurden die insgesamt neun Projektskizzen im Plenum präsentiert [14c, 14f] und auch in diesem Kurs zeigten sich alle positiv überrascht hinsichtlich der Vielfalt von Themen und Ideen [9c, 11d]. Folgende Themengebiete wurden bearbeitet, wobei sich später noch gewisse Änderungen ergaben, die hier jeweils in Klammern aufgeführt sind: • All Kinds of People: Klasse 4, Englisch und gegebenenfalls Mathematik • The Circus: Klasse 4 (später: Klasse 6) • The Enchanted Forest: Klasse 4, Englisch und Biologie • At the Zoo: Klasse 4 • Treasure Hunt: Klasse 6 (später: auch Klasse 5) • Discovery of a New Island: Klasse 7/ 8 (später: Violence Among Teenagers: Klasse 8) • Underwater Pollution: Klasse 8 (später: Pollution of the Oceans: Klasse 9) • Amazon Rain Forest: Klasse 8, Englisch und Geographie, (Biologie, Kunst und ITG) (später: Klasse 7) • Ireland: Klasse 9/ 10 (UB) Hervorzuheben ist, dass die Studierenden bis auf wenige Ausnahmen (z. B. Zoo und Circus) eigene Themen gesucht und sich - anders als die Gruppe im Vorjahr - nicht so sehr an meinen Vorschlägen orientiert hatten [8a, 9c, 14f]. Inspiriert durch die Unterrichtssi‐ mulation hatte ein Team zwar ebenfalls ein Phantasiethema gewählt, nämlich The En‐ chanted Forest, allerdings wurde der Schwerpunkt auf den bilingualen Unterricht (Sachfach Biologie) gelegt, was eine beachtliche Eigen- und Transferleistung darstellte [8a, 9c, 14f]. Interessant ist auch, dass sich die Themen sehr deutlich voneinander unterschieden. Ein Team hatte einen Fokus auf Neue Medien gelegt, indem sie Videoclips, Mobiltelefon und Internet in ihr Konzept integrierte [8a, 9c, 14f]. Erwartungsgemäß gab es hinsichtlich der Quantität und Qualität der Arbeitsergebnisse Unterschiede: Manche Teams hatten ausführliche Projektskizzen mit vielen kreativen Ideen und spannenden incidents erstellt [8a, 9c], während andere sich mit der Themenwahl bzw. Ausarbeitung etwas schwertaten. Dies betraf insbesondere diejenigen, die ein Projekt für den bilingualen Unterricht konzipieren wollten und sich folglich an den Bildungsstandards für Englisch und für (mindestens) ein Sachfach orientieren mussten [14e, 14f]. Während der Präsentation der Projektentwürfe konnten Fragen oder Verbesserungs‐ vorschläge eingebracht werden. Diese Chance des gegenseitigen Austauschens [11c, 14c] und Unterstützens wurde ausgiebig genutzt [8d, 11d] und diente nicht nur der Überprüfung und Anwendung des Gelernten, sondern auch der weiteren Konkretisierung von Vorstel‐ lungen im Hinblick auf den Storyline Approach [14d, 14g]. So bemerkten manche beispiels‐ weise, wenn der rote Faden fehlte [2b] oder wenn Inhalt, Aufgabenstellung oder Klassen‐ organisation zu komplex waren [9b], so dass nicht nur Lernende, sondern auch potenzielle 536 7 Forschungsfokus Hochschuldidaktik Lehrkräfte überfordert sein würden. In solchen Fällen wurden Möglichkeiten gesucht, wie die Struktur vereinfacht werden könnte, ohne den Charakter der Storyline allzu sehr zu verändern [14d]. Einige Studierende beteiligten sich intensiv an den Gesprächen und gaben den Teams gute und reflektierte Tipps für die häusliche Weiterarbeit [8d, 11d, 14c]. Andererseits blieben auch Fragen offen, für die ich absichtlich keine fertigen Antworten anbot [9c, 14d]. Stellvertretend werden hier einige Beispiele aufgeführt, wobei es stellenweise (und interessanterweise) Überschneidungen mit den Fragen aus dem vorherigen Kurs gab: • Wie sollen Grundschulklassen eine “discussion“ über inhaltliche Fragen führen [5d, 5g]? In der Muttersprache oder/ und in der Fremdsprache? Gibt es gegebenenfalls sinnvolle Hilfen? Eine Alternative wäre, dass komplexere Themen zunächst im muttersprachlichen Unterricht diskutiert und anschließend im Englischunterricht gestalterisch und sprachlich umgesetzt werden. Eine andere Möglichkeit wäre, dass die Lernenden ihre Ideen zunächst über Bilder darstellen, welche von der Lehrkraft im Sinne eines sprachlichen Rollenmodells versprachlicht werden. • Wie kann ein Rollenwechsel bzw. die Übernahme verschiedener Rollen innerhalb einer Storyline vermieden werden [2d]? Im Idealfall sollte jedes Klassenmitglied na‐ türlich nur eine Rolle verkörpern. Im Ausnahmefall könnte jedoch phasenweise eine Parallelklasse involviert werden, um Rollenkonflikte zu vermeiden. • Wie können “welcome parties“ bzw. “farewell parties“ konzipiert werden, damit sie auch im Hinblick auf das Fremdsprachenlernen gewinnbringend sind [5d, 5g]? Da es jüngeren Schülerinnen und Schülern schwerfällt, einen small talk - noch dazu in der Fremdsprache - zu führen, könnten im Vorfeld mögliche Gesprächsthemen und sprachliche Hilfen auf Postern gesammelt werden. Des Weiteren sollten die Ler‐ nenden mit eigenen Beiträgen und Programmpunkten, die sie vorher einüben können, involviert werden. • Wie kann die Überleitung von der fiktiven Welt der Storyline in die Realität des Klassenzimmers angebahnt werden [2b]? Dies hängt natürlich von der jeweiligen Thematik ab, doch grundsätzlich helfen auch in diesem Fall entsprechend formu‐ lierte key questions. Dass die Ergebnisse für insgesamt gut und relevant für die berufliche Ausbildung bzw. Zukunft befunden wurden [4f, 13c, 13d], zeigte sich auch darin, dass ein Kursmitglied noch einmal alle daran erinnerte, die Entwürfe nach dem Abgabetermin auf die hochschulinterne Lernplattform zu stellen [11a], damit sie allen Kursmitgliedern zum Ausprobieren im Klas‐ senzimmer zur Verfügung stehen [14h]. Auch meine beiden Vorschläge, im Frühsommer ein Nachtreffen zu organisieren bzw. die erarbeiteten Storyline-Projekte auf einer hausin‐ ternen Fremdsprachentagung vorzustellen, wurden positiv aufgenommen [11a, 13c, 14h]. Als schließlich der sukzessiv erstellte Fragenkatalog (Poster) besprochen wurde [14c, 14d], konnten die Studierenden (fast) alle Fragen selbst beantworten und in diesem Zu‐ sammenhang ganz konkret ihre persönlichen Lernfortschritte erkennen und benennen [4f, 8d, 14g]. Zum Schluss gab ich eine Rückmeldung zu der am Vormittag durchgeführten SABSt (vgl. Kapitel 7.4.4). Die Seminargruppe zeigte sich nicht überrascht darüber, dass der Kurs 537 7.4 Fallstudie 8: Witches 9 Die 6 „Fragen“ wurden wegen des erhöhten Aufforderungscharakters in Satzanfänge (um)formuliert. Aus Gründen der besseren Verständlichkeit werden sie hier dennoch als „Fragen“ bezeichnet. durchweg positiv bewertet wurde, und noch immer war eine hohe emotionale Beteiligung zu spüren [4a, 4b]. Einige Punkte, zum Beispiel widersprüchliche Ansichten zu Pausen, Reader usw., wurden noch einmal kurz besprochen. Des Weiteren wurden Fragen aufge‐ griffen, die noch nicht vollständig beantwortet schienen. Diese bezogen sich weitgehend auf zwei Schwerpunkte: Wie konzipiert man Storyline-Projekte für den Englischunterricht in der Grundschule? Wie verhält man sich, wenn sich Lernende für ein Thema nicht inte‐ ressieren? Für beide Fragestellungen wurden im Plenum mögliche Lösungen gesammelt und diskutiert [14c, 14d, 14g]. Kurz vor Seminarende bat ich die Gruppe, sich noch einmal im Raum umzuschauen und sich an die Eindrücke vom ersten Seminartag zu erinnern. Verblüfft stellten einige fest, wie schnell sich ein Klassenzimmer, und damit auch die Lernatmosphäre, durch ansprechende Lernprodukte am Fries verändern kann [12f, 14d, 14g]. Auch in diesem Kurs fragten einige, ob sie ihre Friesprodukte zur Erinnerung mitnehmen dürften [4a, 4 f, 12c], und manche vereinbarten einen Termin für die Weiterarbeit an ihren Projekten [8c, 13c, 14f]. Überra‐ schend war, dass sich einige Studierende - ähnlich wie im letzten Kurs - dankbar von mir verabschiedeten [4a, 13b] und/ oder ankündigten, dass sie ihre Erfahrungen weitergeben bzw. im anstehenden Blockpraktikum unbedingt umsetzen wollten [4f, 13c, 14h]. 7.4.4 Die schriftliche Befragung der Studierenden Da es mir wichtig war, auf die Eindrücke, Wünsche und Fragen der Studierenden noch vor Kursende einzugehen, entschied ich mich gegen eine echte Abschlussevaluation und führte die Befragung zeitlich vorgezogen, und zwar zu Beginn des letzten Tages, durch. Davon abgesehen hatten die Studierenden die Möglichkeit, ihren Gesamteindruck bezüglich des Seminars im Rahmen ihrer Seminararbeit (Reflexion) zu bewerten (vgl. Kapitel 7.4.5). Da Studierende gegenüber umfangreichen Kursevaluationen erfahrungsgemäß eine eher kritische bzw. ablehnende Haltung einnehmen, wurde die SABSt kurz gehalten. Mit Absicht wurden die meisten der 6 Punkte 9 relativ offen formuliert, um möglichst vielfältige und individuelle Antworten zu erhalten (vgl. Anhang B, Evaluationsbogen 1). Außerdem ent‐ sprachen zumindest die Fragen 1-3 denjenigen, die auch den Schulklassen im Rahmen der Fallstudien 1-6 gestellt wurden (vgl. Anhang A), so dass Vergleiche, wenn auch auf einem anderen Niveau, möglich wurden. Dies betrifft insbesondere diejenigen Kurse und Klassen, die sich mit denselben Storyline-Themen beschäftigt hatten. An der Befragung nahmen alle 18 Kursmitglieder teil. Im Gegensatz zur Reflexion in‐ nerhalb der SA konnten sich die Studierenden hier anonym äußern. Folglich wurden die Fragebögen später beliebig durchnummeriert, ohne dabei Bezug auf konkrete Einzelper‐ sonen zu nehmen, wie das etwa bei Zitaten aus Seminararbeiten der Fall ist (vgl. Kapitel 7.4.5). Anhand von Frage 1 sollte ermittelt werden, was die Studierenden an dem Hauptseminar für gut befanden. Aufgeführt wurden 31 verschiedene Aspekte bei insgesamt 78 Nen‐ nungen. Allerdings fällt auf, dass trotz der Vielfalt an Eindrücken 5 Kriterien gehäuft the‐ 538 7 Forschungsfokus Hochschuldidaktik matisiert wurden: Spitzenreiter ist die praktische Erfahrung im Rahmen der Unterrichtssi‐ mulation, gefolgt von den Aspekten „Gruppenarbeit“, „Kursstruktur“, „zeitliche Organisation“ und „Lernatmosphäre“. Interessant ist, dass - ähnlich wie die Schulklassen - auch die Studierenden das Arbeiten im Team als besonders positiv empfanden. Eintrag im Fragebogen Anzahl der Nen‐ nungen Kategorien 1) Unterrichtssimulation; eine Storyline selbst ausprobieren; learning by doing; praktische Erfahrung; Handlungsorientierung; Handlungs‐ wissen erwerben 11 14b 2) (viel) Gruppenarbeit; Teamwork 6 6a, 14c 3) gute Kursstruktur; sinnvoller und logischer Aufbau; transparente Struktur (“purpose of each stage“) 6 13a 4) gute zeitliche Organisation; perfektes Zeitmanagement; genügend Pausen; (“not too heavy on the head“) 5 13a, 13b 5) gute bzw. freundliche Atmosphäre; ruhige und sichere Atmo‐ sphäre; entspannte und produktive Atmosphäre 5 4b, 4c 6) gute Balance bzw. Kombination von Theorie und Praxis 4 13a, 14e 7) Kurs macht viel Spaß; Kurs ist interessant; es ist nie langweilig oder anstrengend; Abwechslung 4 4a, 4b, 13a, 13b 8) Einbezug bzw. Aktivierung von Vorwissen aus Readertexten; Über‐ prüfung des Vorwissens und Bewusstmachung von wichtigen bzw. unklaren Punkten 3 8a, 14a, 14c, 14d 9) (sehr) gute Mitarbeit der Studierenden; gute Beteiligung an Dis‐ kussionen; interessante Kommentare 3 8a, 8b, 11a, 14c 10) ein Storyline-Projekt aus Sicht der Lernenden (emotional) erleben 3 2d, 4b, 14b 11) Vorfreude bzw. Motivation, Storyline im Klassenzimmer auszu‐ probieren 3 4a, 4 f, 14h 12) gut organisierter Kurs 2 13b 13) Storyline machte Spaß; “I loved the Story line“ 2 3a, 4a, 4b, 14b 14) kein Frontalunterricht bzw. Vorlesungsstil 2 8b, 13a 15) Kurs vermittelt viele bzw. konkrete Ideen, wie man Storyline im Klassenzimmer umsetzt 2 14b, 14g 16) “that you learn something which you actually can adopt in school! “; solche praxisbezogenen Kurse sollte es häufiger geben 2 13c, 13d, 14b 17) alles 1 4a 18) viel gelernt 1 4a, 4 f, 14g 19) “idea of Storyline“ 1 4a, 14g 539 7.4 Fallstudie 8: Witches 20) Lehrkraft ist gut vorbereitet 1 13b 21) Gedanken, Ideen und Fragen der Studierenden werden ernstge‐ nommen 1 4c, 8a, 14d 22) Lehrkraft gab nicht alle Antworten auf Fragen der Studierenden 1 9c, 14d 23) die meisten Fragen der Studierenden wurden während der Durch‐ führung der Storyline beantwortet 1 4f, 14b, 14d, 14g 24) gute Textauswahl im Skript; Hintergrundwissen 1 7a, 14a 25) Phase über Bildungspläne und Leistungsmessung 1 13a, 14d, 14e 26) Video (Unterrichtsmitschnitt) ermöglicht Vergleich mit Klas‐ se; “good help to observe students and teacher“ 1 7a, 14d, 14e 27) ausgelegte Bücher (Zusatzinformationen) 1 7a, 14d, 14e 28) kreatives Arbeiten; “working with hands and head“ 1 9c, 10a, 10d, 13a 29) “we actually did something“ 1 8b, 10a, 10d, 14b, 14c 30) Poster erstellen und präsentieren 1 10a, 11a, 14c 31) “feeling of being autonomous“ 1 8a, 8c, 13a Gesamtzahl der Nennungen 78 Tab. 65: Frage 1: “What I like about this course ...“ Nachfolgend soll der Blick auf einige besonders aufschlussreiche Ergebnisse gelenkt werden. Obgleich die Unterrichtssimulation von 11 der 18 Befragten (61 %) für positiv be‐ funden wurde, und zwar hinsichtlich der sachlichen Vermittlung von Handlungswissen (Ziffer 1), sowie weitere 5 Mal auch im Hinblick auf emotionale und motivationale Aspekte des Lernens (Ziffer 10 und 13) thematisiert wurde, wird deutlich, dass den Studierenden im Sinne einer professionellen Ausbildung die rein praktische Erfahrung nicht genügte, son‐ dern dass diese mit Hintergrundwissen vernetzt sein sollte, wie dies im Kurs angestrebt wurde. Folglich hoben 4 Personen die sinnvolle bzw. ausgewogene Kombination von Theorie und Praxis hervor (Ziffer 6), 3 die Aktivierung und Bewusstmachung von theore‐ tischem Vorwissen (Ziffer 8) und 1 Kursmitglied die Qualität des Skripts (Ziffer 24). Von Bedeutung ist auch die Erkenntnis, dass das Kurskonzept der Wissenskonstruktion statt Wissensvermittlung von etwa der Hälfte der Studierenden erkannt und ausdrücklich befürwortet wurde: Insgesamt 3 Befragte schätzten bei Ziffer 14 und 29, dass sie aktiv (statt passiv) am Seminar involviert waren, 3 Studierende hoben die gute Mitarbeit und Beteili‐ gung an Diskussionen hervor (Ziffer 9), während es 3 weitere Personen als positiv emp‐ fanden, dass die Fragen der Studierenden ernstgenommen wurden bzw. dass sie nach ei‐ genen Lösungen suchen sollten (Ziffer 21-23). Auch wenn es sich hier nur um eine (zukunftsweisende) Einzelmeinung handelt: 1 Person erwähnte als Positivmerkmal das ei‐ genverantwortliche Arbeiten und Lernen (Ziffer 31)! Erwähnenswert ist auch, dass insge‐ samt 4 Mal der direkte Anwendungsbezug des Kursinhalts hervorgehoben wurde (Ziffer 540 7 Forschungsfokus Hochschuldidaktik 15-16) und sich 3 Befragte auf das Ausprobieren des Storyline-Konzepts in der Schule freuten (Ziffer 11). In vielerlei Hinsicht bestätigend ist die folgende Aussage: “I can’t wait to try it out. There should be more seminars with practical ideas for teaching like this at the PH“ (St6). Frage 2 diente der Überprüfung, ob es Kritikpunkte und Verbesserungswünsche im Hinblick auf die Seminargestaltung oder Kursinhalte gab. Hierbei zeigte sich, dass 5 der 18 Befragten (28 %) mit dem Seminar voll zufrieden waren und keine Änderungsvorschläge äußerten. Eintrag im Fragebogen Anzahl der Nen‐ nungen Kategorien 1) Seminarbeginn erst um 9.30 Uhr, dafür ev. kürzere Mittagspause; kürzere Pausen 2 13b 2) Reader etwas früher aushändigen bzw. im Umfang reduzieren, da wenig Zeit zum Lesen gegen Semesterende 2 7a, 13b, 13 f, 14a 3) 1. Tag war anstrengend, da zu theoretisch; etwas viel Theorie am 1. Tag, “but I think that is necessary“ 2 13a, 14a 4) auch über Konstruktivismus (Reader) im Kurs sprechen 1 14a, 14c 5) ergänzend zum Skript mehr Input von Lehrkraft zu Definition und Merkmalen des Storyline Approach (“Then we know: that’s what I thought, that’s what it really is“) 1 13a, 14a 6) noch nicht alle Fragen beantwortet, manche Dinge noch unklar 1 14d 7) Formen der Gruppenarbeit in Theoriephasen variieren 1 6a, 9a, 13b, 14c 8) nicht immer Gruppenarbeit - Poster - lange Präsentationen, v. a. wenn Wiederholungen 1 6a, 9a, 13b, 14c 9) Gruppenarbeit war nicht immer angenehm, wenn man sich nicht kennt 1 6a, 6b, 14c 10) mehr Fokus auf “classroom management“, z. B. wenn Klasse Story‐ line bzw. Thema nicht mag 1 14e 11) mehr Input und Ideen für Klasse 1-3 (GS) 1 14e 12) ev. mehr Beispiele für den bilingualen Unterricht 1 14e 13) Arbeitsblätter des Storyline-Projekts für alle Studierenden ko‐ pieren 1 7a, 14h Gesamtzahl der Nennungen 16 Tab. 66: Frage 2: “What I would change ...“ Betrachtet man die Ergebnisse im Detail, dann fällt auf, dass es sich bei den 16 Antworten um Einzelmeinungen handelt, die noch dazu in verschiedene Richtungen weisen. Eine ein‐ deutige Tendenz der Kritik ist nicht erkennbar. Des Weiteren fällt auf, dass es innerhalb der 541 7.4 Fallstudie 8: Witches Seminargruppe abweichende Meinungen zu einzelnen Punkten gab. Dies wird besonders deutlich, wenn man die Angaben aus Frage 1 hinzuzieht: Während die einen den ersten Tag für “very exhausting“ hielten (SABSt14, Nr. 2), wurde an anderer Stelle genau das Gegenteil behauptet: “A lot of breaks in order to recover → I wasn’t tired at all“ (SABSt10, Nr. 1). Weitere widersprüchliche Angaben wurden auch im Hinblick auf die Posterpräsentationen und die Aktivierung des theoretischen Vorwissens gemacht. Auffallend ist, dass es selbst bei der Beantwortung von Frage 2 gegensätzliche Ansichten gab: 2 Studierende monierten die Theorielastigkeit des ersten Seminartages (Ziffer 3), wäh‐ rend 1 Kursmitglied gerne noch weitere Aspekte bzw. Skripttexte diskutiert hätte (Ziffer 4). Mit solchen Widersprüchen muss man wohl leben, dessen sind sich auch die Studie‐ renden bewusst: “I didn’t like some parts of the groupwork - how could you change it? - you did actually well I don’t like groupwork if you don’t know each other (even a little bit)“ (St17). Berücksichtigt werden muss bei der Interpretation der Daten, dass der Kurs zum Zeitpunkt der Befragung noch nicht abgeschlossen war. Dies betrifft insbesondere die Äu‐ ßerungen bei Ziffer 6 und 10-12, auf die im Laufe des letzten Seminartages noch explizit eingegangen wurde. Fazit: Die Daten weisen darauf hin, dass das Seminarkonzept auf insgesamt breite Ak‐ zeptanz stieß. Dieser Eindruck wird durch folgende Aussage bestätigt: “Why should I change something I really enjoyed! ! ! “ (St1). Von besonderem Interesse war die Frage nach dem Lernerfolg der Studierenden (Frage 3). Mit 27 Kriterien bei 60 Nennungen wurde ein breites Spektrum an persönlichen Lern‐ fortschritten genannt. Die Antworten beschränken sich dabei nicht nur auf kognitive Lern‐ bereiche bzw. know how und do how, sondern berücksichtigen auch emotionale, affektive und soziale Aspekte. Da das Hauptseminar zum Zeitpunkt der Befragung noch nicht ab‐ geschlossen war, muss bei der Auswertung berücksichtigt werden, dass die Kursmitglieder (noch) keine konkrete Aussage zur Konzeption eines eigenen Storyline-Projekts oder zu anderen Transferleistungen machen konnten. Dennoch wird deutlich, dass das Ziel des Kurses, nämlich die Studierenden zu befähigen und zu motivieren, den Storyline Approach in der Schule umzusetzen, erreicht wurde: Zwei Drittel der Befragten bestätigten aus‐ drücklich, gelernt zu haben, wie man Storyline-Projekte in der Schule durchführt bzw. um‐ setzt (Ziffer 1). Eintrag im Fragebogen Anzahl der Nen‐ nungen Kategorien 1) wie man Storyline-Projekte in der Schule durchführt; wie es kon‐ kret funktioniert 12 14b, 14g 2) was Storyline ist; alles über Storyline; “the whole storyline ap‐ proach“ 6 4f, 14g 3) Theorie zu Storyline; Hintergrundwissen zu Storyline und Konst‐ ruktivismus bzw. Projektarbeit 5 14a, 14g 4) Storyline ist “absolutely fantastic“; “a fun teaching approach“; “a nice & good way of teaching“ 3 4a, 4b, 14g 542 7 Forschungsfokus Hochschuldidaktik 5) dass Storyline ein Konzept ist, das Lernende (wirklich) motiviert 3 4b, 14 g 6) dass durch Storyline viele bzw. fast alle Aspekte des Bildungsplans abgedeckt werden 3 14e, 14g 7) dass Schülerinnen und Schüler durch Storyline sicher viel lernen 2 14g 8) dass Selbsterfahrung wichtig ist, um Storyline zu verstehen bzw. das Konzept zu internalisieren 2 14b, 14g 9) Gelerntes hoffentlich umsetzen und “a good Storyline“ konzipieren können 2 14f 10) ein (neues) Konzept, das ich definitiv bzw. gerne im Unterricht ausprobieren möchte 2 14g, 14h 11) eigene Sprachkompetenz verbessert durch intensive Beteiligung bzw. Präsentation 2 5d, 5i, 13e, 14c 12) wie man Grammatik und Vokabeln anders vermitteln kann; dass bei Storyline Vokabeln und Grammatik “along the way“ gelernt werden 2 2a, 5e, 5 f, 14g 13) was Projektorientierung bzw. Projektarbeit bedeutet 2 14a, 14g 14) dass Storyline tatsächlich funktioniert und in Praxis umgesetzt werden kann 1 14e, 14g 15) dass Englischlernen Schülerinnen und Schülern Spaß machen kann 1 4b, 14g 16) “that learning a language can take place via learning by doing“ 1 2a, 5 g, 9b, 14g 17) dass man bei Storyline viele verschiedene Aspekte integrieren kann 1 10d, 14g 18) dass Gruppenarbeit Spaß machen kann 1 4b, 6a, 6d, 14c, 14g 19) “a lot can be done in little time“ 1 1d, 14 g 20) dass man viel Freiheit bei der Konzipierung von Unterricht hat (Bildungsstandards usw.) 1 14e, 14g 21) dass es verschiedene Methoden des Unterrichtens gibt 1 14g 22) Unterschied zwischen Projektarbeit und “activities“ 1 14a, 14g 23) Beispiele für Projektarbeit/ Themenorientiertes Lernen 1 14g 24) wann wordbanks eingesetzt bzw. verwendet werden 1 5e, 7c, 14b, 14 g 25) “about the structure of Storyline“ 1 14g 26) wie man mit etwas Phantasie ein eigenes Storyline-Projekt ent‐ wickelt 1 14f 27) Themen für Storyline-Projekte 1 3a, 14f Gesamtzahl der Nennungen 60 Tab. 67: Frage 3: “What I have learned so far ...“ 543 7.4 Fallstudie 8: Witches Auch wenn der von 12 der 18 Studierenden (67 %) explizit attestierte Erwerb von Hand‐ lungskompetenz sofort ins Auge sticht und dieses eindeutige Ergebnis eine positive Bilanz darstellt, ergaben sich im Rahmen der Befragung noch weitere interessante Erkenntnisse, die an dieser Stelle kurz zusammengefasst werden. Wichtigste Kurskomponente war laut Aussage vieler Studierender bei Frage 1 die Un‐ terrichtssimulation, denn das handlungsorientierte Lernen am Modell trug dazu bei, den hohen Motivationscharakter des Storyline Approach nachvollziehbar zu machen, wie dies nun hier insgesamt 7 Mal bestätigt wurde (Ziffer 4-5, 15). Auch wenn 5 Kursmitglieder bei Ziffer 3 explizit angaben, Hintergrundwissen zum Storyline Approach erworben zu haben, wurde deutlich, dass die theoretische Vermittlung nicht ausreicht, um eine Verhaltensän‐ derung im Sinne des Lernens zu initiieren (Ziffer 8): “One really has to experience a storyline project to know how it works; after reading the script I did not have a clear idea of what a storyline is but now I can imagine putting it into action“ (St5). Deutlich wurde durch die Angaben der Studierenden auch, dass die Bereitschaft, in der Schule etwas Neues auszu‐ probieren (risk-taking), von verschiedenen Faktoren abhängt: Entscheidend ist zunächst das eigene Kompetenzempfinden im Hinblick auf Theorie- und Handlungswissen (Ziffer 1-3), aber auch die Absicherung durch den Bildungsplan (Ziffer 6 und 20). Wenn Studierende zu der Erkenntnis gelangen, “that I have a lot of freedom how to create lessons“ (St2) und “that it’s worth to try out storyline in classroom since it covers a lot of what is demanded in the Bildungspläne“ (St13), dann ist schon viel Überzeugungsarbeit geleistet. Mehrere Studierende äußerten sich ganz konkret zum Prozess des Fremdsprachenler‐ nens mit Storyline (Ziffer 11-12, 16, 24). Dass Sprachbarrieren mit Hilfe des Storyline-Mo‐ dells behoben oder zumindest reduziert werden können, wird durch folgende Aussage be‐ legt: “I have learned to speak more English and to present some results. Before the course started I hated to speak English infront of a big group“ (St14). Vergleichbare (Lern-)Erfah‐ rungen wurden bekanntlich auch in den Fallstudien 1-7 geschildert. Fazit: Die Praxiserfahrung trug entscheidend dazu bei, die Studierenden nicht nur von der Qualität des Storyline Approach zu überzeugen, sondern auch von dessen Realisierbarkeit im fremdsprachlichen Klassenzimmer. Unentbehrlich im Sinne des nachhaltigen Lernens war je‐ doch die intensive Verknüpfung von Theorie und Praxis. Somit wird nachvollziehbar, wenn 6 Studierende behaupten, “basically everything about Storyline“ (St18) gelernt zu haben (Ziffer 2). Beides - das Wie und das Warum - scheint Einfluss darauf zu haben, inwieweit neue Kon‐ zepte tatsächlich den Weg ins Klassenzimmer finden, wie folgende Aussage belegt: “It’s no longer a theory but an idea I definitly will try in my classes ...“ (St15). Bekanntlich werden Negativbewertungen nicht selten von denjenigen abgegeben, die sich nicht oder nur wenig vorbereiten und demzufolge nur einen reduzierten Lernerfolg verbuchen können. Um einen möglichen Zusammenhang zwischen Kursbewertung und persönlichem Arbeitsaufwand zu eruieren, wurde mit Hilfe von Frage 4 untersucht, wie intensiv sich die Studierenden für das Seminar vorbereitet haben. Für diesen Zweck sollten sie eine der 4 Vorgaben ankreuzen, die Auskunft über das Ausmaß der vorbereitenden Readerlektüre gibt. Wie aus der Tabelle ersichtlich ist, haben 14 der 18 Befragten mindestens 75 % des Skripts (oder mehr) gelesen. Offenbar war es (fast) allen Studierenden wichtig, sich im Vorfeld 544 7 Forschungsfokus Hochschuldidaktik 10 Der kursiv gedruckte Satzteil war auf dem Fragebogen bereits vorgegeben. intensiv mit der Thematik auseinanderzusetzen, um sich konstruktiv am Kurs beteiligen zu können. Eintrag im Fragebogen Anzahl der Nen‐ nungen Kategorien 1) 75% 9 13c, 13 f, 14a 2) 100% 4 13c, 13 f, 14a 3) 50% 3 13c, 13 f, 14a 4) 90% 1 13c, 13 f, 14a 5) weniger als 50 % des Skripts gelesen 1 13c, 13 f, 14a Gesamtzahl der Nennungen 18 Tab. 68: Frage 4: “My preparation / reading assignments (please tick): I read 100 %, 75 %, 50 %, less than 50 % of the script I received.“ Manche bedauerten im anschließenden Gespräch, dass sie auf Grund von Klausurvorbe‐ reitungen nicht genügend Zeit gehabt hatten, alles durchzulesen. Dass die vorbereitende Hausaufgabe und somit auch der Kurs jedoch ernstgenommen wurde, wird unter anderem dadurch bestätigt, dass ein Kursmitglied gestand: “I read (…) 50 % of the script I received. → but I will read the rest“ 10 (St12). Bei Frage 5 sollten die Studierenden anhand von Schulnoten ein Gesamturteil über das Hauptseminar abgeben. Dabei war es auch möglich, „halbe“ Noten zu vergeben. Eintrag im Fragebogen Anzahl der Nen‐ nungen Kategorien 1) 1,5 13 4a 2) 1,0 5 4a Gesamtzahl der Nennungen 18 Tab. 69: Frage 5: “Please grade the course: 1 = sehr gut, 6 = ungenügend (→ 1,0 … 1,5 … 2,0 … 2,5 … etc.)“ Die Ergebnisse müssen nicht näher erläutert werden. Ein direkter Zusammenhang zwischen Vorbereitungsaufwand (Frage 4) und Kursbewertung (Frage 5) konnte nicht bestätigt werden, denn nur 2 Befragte, die hier den Kurs mit 1,0 bewerteten, hatten tatsächlich auch den ge‐ samten Reader gelesen, wohingegen 1 Person sogar nur 50 % des Skripts durchgearbeitet hatte. 545 7.4 Fallstudie 8: Witches Durch die inhaltlich offene Frage 6 sollten die Studierenden zu weiteren Kommentaren und Anregungen ermuntert werden. Wie aus der Tabelle ersichtlich ist, wurden bei 22 Nennungen insgesamt 16 verschiedene Aspekte aufgeführt, wobei es sich, abgesehen von den Antworten bei Ziffer 1-3, weitgehend um Einzelmeinungen und teilweise auch um Wiederholungen aus anderen Fragen handelte. Manche Punkte standen ohnehin noch auf der Agenda wie etwa die Entwicklung eigener Storyline-Projekte. Eine Angabe war unprä‐ zise formuliert, so dass sie nicht berücksichtigt werden konnte. 5 Studierende gaben keine Antwort. Eintrag im Fragebogen Anzahl der Nen‐ nungen Kategorien 1) “thank you (very much)! “ 4 4a, 13b 2) (wie) funktioniert Storyline in der GS? Hinweise zum Einsatz von Storyline in der GS wären gut 3 14e 3) (sehr) inspirierender Kurs 2 4a, 13a, 13c 4) Kurs war motivierend und effektiv wie kein anderer bisher 1 4a, 4 f, 13a, 13c 5) Kurs sollte für alle Studierenden verpflichtend sein 1 4a, 13a, 13c 6) Kurs wird hoffentlich auch in Zukunft regelmäßig angeboten 1 4a, 13a, 13c 7) bieten Sie Workshops für Englischlehrkräfte an? 1 4a, 13a, 13d 8) werde Freundinnen bzw. Freunden zeigen, wie Storyline funktio‐ niert 1 4a, 4 f, 13c, 14h 9) Seminarorganisation als Kompaktkurs war gut, da man Poster an Wand lassen kann 1 12c, 12d, 13a, 13b 10) mehr Zeit für die Aktivitäten bei der Storyline geben 1 1d, 13b, 14b 11) bei Simulation ev. “a real topic“ statt Phantasiegeschichte wählen, da vermutlich schwieriger zu unterrichten 1 3a, 14b 12) hoher Leseaufwand vor Seminarbeginn; manche Informationen wiederholen sich in den Texten 1 7a, 13 f, 14a 13) “would be nice to have some kinds of structured notes about story‐ telling apart from the reader“ 1 7a, 14h 14) “would have been great to get some advise on how to plan a Storyline concretely“ 1 13f, 14f 15) ev. mehr Informationen zu Leistungsanforderungen und Beno‐ tung des Kurses 1 13f 16) “sometimes the days can be long, especially when talking much about theory, but I don’t know how to change that“ 1 13a, 14c Gesamtzahl der Nennungen 22 Tab. 70: Frage 6: “Further comments ... ideas ... wishes ...: “ 546 7 Forschungsfokus Hochschuldidaktik Auch wenn die Begeisterung mancher Kursmitglieder während der vergangenen Tage nicht zu übersehen war, kam es aus meiner Sicht überraschend, dass sich 4 Studierende explizit für den Kurs bedankten (Ziffer 1). Eine andere Person behauptete bei Ziffer 4: “I’ve never had a course before which was so motivating and effective. Time was over so fast“ (St8). Bestätigend sind auch die 4 Nennungen bei Ziffer 5-8, wo der Wunsch nach weiteren Storyline-Kursen geäußert wurde, damit möglichst viele von der Erfahrung profitieren können. Die folgende Aussage erfordert keinen weiteren Kommentar: “I will try out a story line with my friends in order to show them how it works. (They study French for Primary Education)“ (St1). 7.4.5 Das Seminarergebnis: Projektdesign und Reflexion Wie im Vorjahr hatten die Studierenden in den Semesterferien Zeit, die Storyline-Projekte im Team auszuarbeiten und sie mit ihrer individuellen Reflexion über Lernerfolg und Se‐ minarkonzept bis Mitte Mai bei mir abzugeben. Die Idee, die einzelnen Projekte auf der hochschulinternen Lernplattform zu publizieren, erwies sich in zweifacher Hinsicht als sinnvoll: Die Studierenden hatten während des Schreibens nicht nur ein klares Ziel, sondern auch konkrete Adressatinnen bzw. Adressaten, nämlich die Seminargruppe, vor Augen. Dies führte dazu, dass sie (noch) durchdachter planen und klarer formulieren mussten, um sich gegenseitig mit Storylines auszustatten, die den Tauglichkeitstest in der Schule be‐ stehen würden [9b]. Manche lieferten Arbeiten ab, die inhaltlich sowie gestalterisch beeindruckend waren. Im Extremfall handelte es sich um Mappen von circa 80 Seiten, die ohne Weiteres als Zu‐ lassungsarbeit für das Staatsexamen akzeptiert worden wären [8c, 11b]. Auffallend und erfreulich ist, dass über zwei Drittel der Storyline-Projekte von guter bis sehr guter Qualität waren [14f], und zwar unabhängig vom angestrebten Leistungsnachweis; einige Studie‐ rende benötigten „nur“ ein unbenotetes Testat und reichten „trotzdem“ exzellente Arbeiten ein [13c, 13f]. Diese im Vergleich zum vorherigen Kurs auffallende Qualitätssteigerung kann verschiedene Ursachen haben: • andere Voraussetzungen der Studierenden im Hinblick auf Motivation und Leis‐ tungsstand; • ein positives Gruppengefühl bzw. andere gruppenspezifische Merkmale und die damit verbundene innere „Verpflichtung“, sich gegenseitig durch gute Arbeiten zu unterstützen; • die Veröffentlichung der Projekte auf der Lernplattform und der damit verbundene Anreiz, dem „Publikum“ eine möglichst beeindruckende Arbeit zu unterbreiten; • eine differenziertere Anleitung und intensivere Unterstützung bei der Projektent‐ wicklung von meiner Seite aus; • ein für die Unterrichtssimulation besser geeignetes Storyline-Projekt als „Kopier‐ vorlage“ oder ein insgesamt ansprechenderes Thema (Witches). Auf Details zum Inhalt der Storyline-Projekte kann nicht eingegangen werden. Anzumerken ist, dass ein Team nach Kursende ein komplett neues Thema gewählt hatte. In einem an‐ deren Fall wurde der Titel leicht umformuliert und in einigen Fällen die Klassenstufe revi‐ 547 7.4 Fallstudie 8: Witches diert, wie dies oben in Klammern angegeben ist (vgl. Kapitel 7.4.3). Von besonderem Inte‐ resse war für mich die Frage, ob und wo im Rahmen der Projektentwicklung eventuell Transferprobleme auftauchten und wie die Studierenden das Seminarkonzept bzw. ihren persönlichen Lernerfolg einschätzten. Zunächst werden hier einige Eindrücke aus den ein‐ gereichten Storyline-Projekten zusammengefasst, bevor auf die individuellen Reflexionen eingegangen wird. Grundsätzlich zeigte sich, dass alle Studierenden das im Kurs Gelernte auf eine neue Situation übertragen und anwenden konnten [14f, 14g]. In einigen Fällen war erkennbar, dass die Studierenden im Nachhinein noch einmal den Reader konsultiert hatten [7c, 8c, 14e]. Manche formulierten mustergültige key questions und verwendeten tatsächlich die Formel “(what) do you think“, um die Lernenden direkt anzusprechen [9b, 14 f, 14g]. An‐ dere taten sich schwerer damit, offene Fragen zu konzipieren, was noch einmal verdeut‐ lichte, wie künstlich der traditionelle Fremdsprachenunterricht mit seinen rhetorischen Fragen, die lediglich auf das Anwenden bestimmter Strukturen oder Vokabeln abzielen, oft wirkt. Auffallend war, dass manche - ähnlich wie bei Kidnapped in Scotland (vgl. Fehse/ Kocher 1995b) - ein Dossier erstellt hatten, das den Klassen zur eigenständigen Recherche dienen sollte [5a, 7c]. In einem anderen Fall wurde ein ansprechendes “expert book“ kon‐ zipiert, in das die Lernenden ihre Arbeitsergebnisse eintragen konnten [5c, 7d]. Beide Fälle belegen, dass die Studierenden nicht nur intensiv recherchiert hatten [7c, 14d], sondern inspirierende Ideen aus anderen Storyline-Projekten übertragen und zielgerichtet an‐ wenden konnten [14f, 14g], um kreatives und effektives Fremdsprachenlernen zu ermög‐ lichen [5h, 5i]. Gelegentlich war der Ablauf bzw. die story line [2b] oder die Aufgabenstellung [9b] nicht immer klar nachvollziehbar. Auch hatten - wie im vorherigen Kurs - manche Studierende keine klare Vorstellung davon, wie viel Zeit [1d] und welche sprachlichen Hilfen [5i] eine spezifische Schulklasse für die Erledigung einer Aufgabe benötigen würde [14e]. Vereinzelt war die eindeutige Zuschreibung von spezifischen Rollen (characters) nicht immer trans‐ parent [2d]. Auch die Konzeption eines geeigneten incident [2c] oder eines logischen Schlusses bereitete manchen offenbar Kopfzerbrechen [2b, 9b]. Erneut zeigte sich hier, dass es von großem Nutzen wäre, wenn die Studierenden ihre Storylines - oder zumindest Teile davon - unverzüglich im Klassenzimmer ausprobieren könnten, um sie danach noch einmal zu überarbeiten. Dieser Prozess des zirkulären Lernens an einem konkreten Beispiel könnte auch in einem direkt anschließenden Seminar zum Thema Classroom Research realisiert werden (UR). Während die Projektdesigns überdurchschnittlich gut ausgefallen waren, zeigte sich bei den individuellen Reflexionen, dass es nicht allen Studierenden leicht fiel, das Kurskonzept und ihren persönlichen Lernerfolg kriteriengeleitet zu evaluieren (anstatt „nur“ zu be‐ schreiben). Es ist also anzunehmen, dass es sich für einige Studierende um eine ungewohnte Aufgabe handelte, die an der Hochschule offenbar (zu) selten gestellt wird. Dennoch lie‐ ferten die Äußerungen der Studierenden wieder interessante Erkenntnisse und dienten mir - als Kursleiterin und Forscherin - als wichtige Rückmeldung. Die Auswertung der Daten und Darstellung der Ergebnisse erfolgt nach demselben Prinzip wie in der vorherigen Studie: Zunächst werden diejenigen Resultate, die sich direkt auf die Seminarqualität beziehen, präsentiert und danach die Erkenntnisse im Hinblick auf 548 7 Forschungsfokus Hochschuldidaktik 11 Zwei Studierende (St12 und St13) fertigten keine individuellen Reflexionen an. den geäußerten Lernzuwachs der Studierenden. Der Vollständigkeit halber werden alle Äußerungen in tabellarischer Form aufgeführt und dabei - je nach Kernaussage - einer der beiden Forschungsfragen zugeordnet. Die folgende Tabelle veranschaulicht, was die Stu‐ dierenden (n = 16) 11 an dem Hauptseminar für positiv bzw. negativ befanden: Positive Punkte Anzahl der Nen‐ nungen Kategorien 1) Simulation war wichtigster und faszinierendster Kursteil; effek‐ tivste Methode, um konkretes Handlungswissen zu erwerben bzw. Umsetzung in Praxis transparent zu machen 9 13a, 14b, 14g 2) Kurskonzept war sinnvoll und lernförderlich; (sehr) gute bzw. ex‐ zellente Kursstruktur; klare bzw. kohärente Kursstruktur 7 13a 3) Kurs hat Motivation bzw. Überzeugung ausgelöst, später Story‐ line-Projekte bzw. das eigene Projekt in der Schule durchzuführen 7 4a, 4 f, 14 g, 14h 4) Reader im Vorfeld war gut, um Basisbzw. Hintergrundwissen zu gewinnen; hat Fragen zur Umsetzung von Storyline ausgelöst 6 7a, 14a, 14d 5) Kurs war sehr inspirierend; einer der nützlichsten und inspirie‐ rendsten Kurse bisher; tolle bzw. einmalige Erfahrung an PH bisher; Teilnahme hat sich definitiv gelohnt 5 4a, 4b, 13a, 13c 6) Kurs sollte verpflichtend sein; jede Englischlehrkraft sollte ein Storyline-Seminar besuchen; es sollte mehr solche Kurse geben; würde Kurs anderen empfehlen 5 4a, 13a, 13c 7) sehr gute Kursatmosphäre; sehr entspannte Atmosphäre förderte Lernerfolg; entspannte, aber konzentrierte Arbeitsatmosphäre 5 4b, 4c 8) Praxiserfahrung (learning by doing) bzw. Hineinversetzen in Rolle der Lernenden und Einblick in Rolle der Lehrkraft hat Verständnis intensiviert 5 2d, 14b, 14g 9) Kurs hat (allen) sehr viel Spaß gemacht 4 4a, 4b, 13a 10) Simulation hat sehr viel Spaß gemacht 4 4a, 4b, 14b 11) Simulation war erfrischende Art, ein Kompaktseminar zu ge‐ stalten; durch aktive Beteiligung nicht ermüdend; machte Kurs sehr lebendig und interessant 4 13a, 14b 12) gute Balance bzw. Kombination von Theorie und Praxis; half ver‐ schiedene Perspektiven von Storyline aufzuzeigen 4 13a, 14e, 14g 13) Kurs war sehr gut, da Alternativen für motivierenden und effek‐ tiven FSU gezeigt; Erweiterung des eigenen Methodenrepertoires 3 4a, 13c, 14g 14) Kennenlernspiel (Wheels) war gut, um Berührungsängste im Vor‐ feld abzubauen 3 4c, 6d, 14c 15) bei bzw. durch Simulation wurden alle (meine) Fragen und Unsi‐ cherheiten geklärt; beeindruckt von Lernzuwachs 3 4f, 14b, 14d, 14g 549 7.4 Fallstudie 8: Witches 16) war schön bei Simulation, Teil der Geschichte zu sein; interessant zu beobachten, wie allmählich alle in Geschichte involviert waren 3 2d, 2e, 14b 17) sehr beeindruckt, dass mit Storyline (z. B. Witches) in nur wenigen Stunden fast alle Forderungen des Bildungsplans leicht und mit viel Spaß umgesetzt werden können 3 14e, 14g 18) Projektdesign machte (viel) Spaß bzw. war weniger Arbeit und mehr Spaß als erwartet 3 4b, 4 f, 14f 19) Projektdesign war komplexe Aufgabe und anfangs schwierig; hat zu neuen Fragen und Lösungen angeregt; zufrieden mit Ergebnis 3 4f, 9b, 9c, 14d, 14 f, 14g 20) Kurs hat motiviert, Storyline sofort in Schule auszuprobieren; Spaß und Erfolg im Klassenzimmer haben Interesse an Storyline in‐ tensiviert 3 4a, 4 f, 8c, 14d, 14 g, 14h 21) sehr guter, zielorientierter und lernintensiver Kurs; gut organi‐ siert 2 4a, 4 f, 13a, 13b 22) Kursstruktur entsprach Storyline-Prinzipien 2 13a, 14d, 14g 23) Lehrkraft war gutes Rollenmodell bezüglich Methodik; wichtiger Aspekt 2 13b, 13c 24) insgesamt gute Mitarbeit der Seminargruppe 2 8b, 11a, 14c 25) Readertexte über Konstruktivismus waren sehr aufschlussreich und haben zum Nachdenken angeregt; neue Einsichten gewonnen 2 7a, 14a, 14d, 14g 26) Theorie zu Kursbeginn bzw. Austausch über Readertexte war hilf‐ reich, um Vorwissen über Projektarbeit zu aktivieren 2 8a, 13a, 14a, 14c 27) kreatives Arbeiten bei Simulation machte Spaß, regte Phantasie an und schaffte eine ‘little new world’ im Klassenzimmer; überrascht, wie kreativ alle mit wenig Material arbeiteten 2 2a, 4b, 9c, 10a, 14b 28) bei Simulation so sehr in Aufgaben involviert, dass Zeit vergessen; alle strengten sich an, um gute Ergebnisse zu präsentieren 2 9b, 9c, 11b, 14b 29) Gruppenarbeit bei Simulation hat sehr viel Spaß gemacht 2 6a, 14b 30) bei Simulation hat Intensität der Rollenübernahme überrascht; schnelle und intensive Identifikation mit Figur 2 2d, 14b 31) Ausstellung der vielfältigen Arbeitsergebnisse am Fries war schön; Entwicklung des Frieses motivierte, da sichtbares Ergebnis 2 11b, 12a, 12c, 12 f, 14b 32) leerer Raum veränderte sich durch Fries in bunte Lernwerkstatt 2 12c, 12 f, 14b 33) erstaunt, dass viele sogar in Mittagspause Fries betrachteten; be‐ trachtete Fries immer häufiger, da stolz auf Ergebnisse 2 4f, 12a, 12c, 12f, 14b 34) Produkte am Fries waren sehr kostbar und nett gemacht; stolz und fasziniert von Fries; echte Anerkennung der Arbeitsergebnisse 2 4f, 11d, 12c, 12f, 14b 35) Projektdesign fiel insgesamt leicht 2 4f, 14f 36) Projektdesign im Team ist grundsätzlich sinnvoll wegen Unter‐ stützung und Austausch 2 6a, 6c, 13a, 14c, 14f 550 7 Forschungsfokus Hochschuldidaktik 37) Projektdesign war komplexe Aufgabe und arbeitsintensiv bzw. anfangs schwierig; hat Lernerfolg erhöht, stolz auf Ergebnis und ge‐ meisterte Aufgabe; gutes Team 2 4f, 6b, 6c, 9b, 14 f, 14g 38) während des Kurses wurden alle (meine) kritischen Fragen und Unsicherheiten diskutiert und gelöst 2 4f, 14d, 14g 39) Kurs hat (im Gegensatz zu üblichen Vorlesungen) gezeigt, wie man ein theoretisches Konzept konkret in die Praxis umsetzt 1 13a, 13c, 14b, 14g 40) Lehrkraft war gut organisiert und immer hilfsbereit 1 4c, 13b 41) Kursprogramm zu erhalten war positiv 1 7a, 13b 42) nette Kursmitglieder 1 4c, 6b 43) fühlte mich akzeptiert und konnte mich gut einbringen 1 4c, 6d, 8a 44) froh über Reader, da gutes Nachschlagewerk (auch für später) 1 7a, 7c, 14a, 14h 45) selbstständig Texte aus Reader ausgewählt; (trotzdem) gut vor‐ bereitet für Austausch in Gruppen 1 4f, 7c, 8c, 14a, 14c 46) Theorieteil war kurz 1 13a, 14a 47) Aufhängen der Theorieposter war gut, um regelmäßig Wissens‐ stand und Lernfortschritte zu vergleichen 1 8d, 12b, 14a, 14d 48) Sammeln von Fragen zu Storyline (Poster) war sehr gute Methode 1 13a, 14d 49) Simulation hat veranschaulicht, was zeitgemäßer FSU konkret bedeutet 1 14b, 14e, 14g 50) Simulation (learning by doing) war so beeindruckend, dass Story‐ line Approach im Gedächtnis bleiben wird 1 14b, 14h 51) Theorie wurde erst durch Praxiserfahrung verständlich 1 14a, 14e, 14g 52) aktives Arbeiten bei Simulation hat allen sehr viel Spaß bereitet; alle stolz auf Ergebnisse 1 4b, 4 f, 8b, 14b 53) gutes Gefühl bei Simulation, mit Gruppenmitgliedern etwas ge‐ leistet zu haben 1 4f, 6d, 8c, 14b 54) Gruppenarbeit bei Simulation hat sehr gut funktioniert; auch Wechsel der teamleader 1 4f, 6a, 6c, 14b 55) Thema Witches hat sehr viel Spaß gemacht; traurig als vorbei 1 3a, 4a, 4b, 14b 56) bei Simulation stolz auf eigene Hexe, da Gruppenprodukt 1 4f, 6d, 14b 57) Simulation hat ganzheitlichen Charakter des Storyline Approach transparent gemacht und somit von Storyline überzeugt 1 10d, 14b, 14g 58) Fries und Präsentationen waren schön 1 11a, 12a, 12c, 12 f, 14b 59) “evaluation sheet“ war hilfreich bei Simulation; hat Austausch gefördert und Prozesse bewusst gemacht 1 8d, 14b, 14c, 14d 60) Video hat belegt, dass Schülerinnen und Schüler bei Storyline sehr aktiv sind und bei Bedarf selbstständig Wörter nachschlagen 1 7a, 14e, 14g 551 7.4 Fallstudie 8: Witches 61) Projektdesign war komplexe Aufgabe (Sachfach, Bildungsplan, Klassenstufe, story usw.) und arbeitsintensiv; aber mit etwas Erfah‐ rung “best way to prepare interesting lessons“ 1 4f, 9b, 14e, 14f 62) Projektdesign war trotz vieler neuer Einsichten komplexe Auf‐ gabe; wird später leichter fallen (Übung macht den Meister) 1 4f, 9b, 14 f, 14 g, 14h 63) Projektdesign war anfangs schwierig (z. B. Thema als story auf‐ arbeiten); als Grobkonzept stand, kamen viele Ideen; gespannt, ob Projekt im Klassenzimmer wie geplant abläuft 1 4f, 9b, 14 f, 14h 64) Projektdesign hat zu Fragen und Lösungen angeregt; erarbeitetes Projekt macht Lernenden und Lehrkräften sicher viel Spaß 1 4f, 9c, 14d, 14 f, 14 g, 14h 65) Feedback zu Projektdesigns (z. B. zu Figuren) hat Weiterarbeit er‐ leichtert 1 8d, 11d, 14c, 14 f, 14g 66) sehr froh über Storyline-Sammlung auf Lernplattform für Ver‐ wendung in Schule 1 7a, 13d, 14h 67) Diskussionen am Ende ermöglichten Reflexion über Kurs 1 8d, 14c, 14d Gesamtzahl der positiven Nennungen 154 Negative Punkte / Kritik 68) (zwar froh über Reader, aber) Texte z.T. redundant; reicht ev., nur zwei Drittel zu lesen 1 7a, 13 f, 14a 69) 1. Tag war anstrengend wegen Theorie 1 13a, 14a 70) Austausch über Theorie zu Kursbeginn war zu lang; lange Dis‐ kussionen der Poster 1 13a, 14a, 14c 71) anfangs wenig Lob von Seminargruppe bei Präsentationen (peer feedback); später besser 1 4f, 11d 72) Storyline Witches wurde zu abrupt beendet 1 13b, 14b Gesamtzahl der negativen Nennungen 5 Gesamtzahl der Nennungen 159 Tab. 71: Angaben der Studierenden zum Seminarkonzept (SA) Im Vergleich zum vorherigen Kurs gab es zwar eine etwas geringere Anzahl von Nen‐ nungen, doch interessanterweise wurden in beiden Studien insgesamt 72 verschiedene Kri‐ terien genannt, so dass die Ergebnisse qualitativ ähnlich dicht sind. Die Angaben in Tabelle 71 belegen, dass die Studierenden das Hauptseminar in vielerlei Hinsicht für motivierend und lernförderlich hielten: den 154 positiven Angaben stehen nur 5 Kritikpunkte gegenüber. Um einen Überblick zu geben, wie die einzelnen Kurskomponenten von den Studie‐ renden eingeschätzt wurden, wird die Auswertung nicht chronologisch nach der Häufigkeit der Nennungen vorgenommen, sondern bezieht sich stattdessen - wie in Fallstudie 7 - auf einzelne Phasen und Schwerpunkte des Storyline-Seminars, denn Ziel der Studie war be‐ 552 7 Forschungsfokus Hochschuldidaktik kanntlich, das Kurskonzept anhand der Rückmeldungen zu optimieren. Nachfolgend werden einige besonders auffallende Ergebnisse dargestellt. Das Seminar als Ganzes betrachtet wurde vielfach als positive Erfahrung bewertet: 5 Stu‐ dierende bezeichneten den Kurs als inspirierend, gewinnbringend, “absolutely great“ (St6) oder gar als einmalige und außergewöhnliche Erfahrung an der PH (Ziffer 5). Als sehr gut, zielori‐ entiert, lernintensiv und gut organisiert wurde er bei Ziffer 21 von 2 anderen Studierenden beschrieben. 5 Mal wurde gefordert, dass der Kurs verpflichtend sein sollte bzw. dass alle Eng‐ lischlehrkräfte ein Storyline-Seminar besuchen sollten (Ziffer 6). Manche klangen, obwohl zwischenzeitlich mehrere Monate vergangen waren, noch immer überzeugt: “The story line project and the course was a course I deeply enjoyed and I would recommend to any other student without hesitation (...) I am looking forward to holding my first story line in class and I am curious about the reactions of the students“ (St10). Als positiv und zugleich lernförder‐ lich wurde von 5 Studierenden die entspannte Kursatmosphäre erwähnt (Ziffer 7) und wei‐ tere 4 Mal wurde ausdrücklich bestätigt, dass der Kurs sehr viel Spaß bereitet hat (Ziffer 9). Wichtig schien für 3 Studierende auch das Kennenlernspiel (Wheels), um sich entspannt auf das Seminar einlassen zu können (Ziffer 14). Auch bei zahlreichen anderen Äußerungen wurde deutlich, dass sich die Studierenden insgesamt wohl fühlten: “It was a good mixture of being funny but also working focusedly when we had to“ (St14). Interessanterweise nahmen unerwartet viele Kursmitglieder explizit Bezug auf das Se‐ minarkonzept als solches: Allein 7 Studierende thematisierten die spezifische Kurs‐ struktur und beschrieben sie als sinnvoll, lernförderlich, klar bzw. kohärent (Ziffer 2). Be‐ eindruckend ist die Erkenntnis von 2 Studierenden bei Ziffer 22: Furthermore, the structure of the seminar met also the main principles of Storyline. The structure was adapted to the study content. During the theoretical parts we worked a lot in groups. Pre-knowledge was always collected first and then new knowledge was acquired and build up step by step. We visualised our ideas on posters which were stuck to the wall (like wordbanks). There‐ fore, one could always have a look at the posters and compare the content with newly gained knowledge. All our products were collected on the wall. Therefore, we had a frieze of our theoretical knowledge, ideas and questions (St6). Ergänzend hob besagtes Kursmitglied hervor: “It is very helpful to be taught with the same principles which we are supposed to use at school“ (St6). Dass die Bedeutung eines positiven Rollenmodells im Rahmen der Lehrerausbildung nicht unterschätzt werden darf, wird auch durch die Äußerung eines anderen Kursmitglieds deutlich: Apart from having gotten to know how the storyline approach works, I think this was the most beneficial point for me: experience language learning the way we are nowadays supposed to teach it. Beforehand, I just heard about the new way of teaching but could observe myself falling back into the structures of teaching I experienced as a pupil myself, even though I knew better in the theory (St15). Klar wurde in diesem Zusammenhang auch, dass das Studium von Fachliteratur zwar eine wichtige Rolle in der Berufsausbildung spielt, aber letztendlich nicht gewährleistet, dass das Gelesene verstanden, geschweige denn umgesetzt werden kann. Somit verwun‐ dert es nicht, dass zwar insgesamt 9 Studierende bei Ziffer 4, 25 und 44 den Reader 553 7.4 Fallstudie 8: Witches ausdrücklich für gut befanden, um sich ein Basiswissen anzueignen oder Anregungen zu sammeln, aber 6 Kursmitglieder bei Ziffer 4 zugaben, dass die Lektüre auch diverse Fragen auslöste: “After having read the articles about Storyline I got an idea of what it is like. Nevertheless, I could hardly imagine how this would work in school and how it could be carried out“ (St6). Auch wenn 2 Studierende kritisierten, dass der erste Seminartag zu theorielastig gewesen sei (Ziffer 69-70), behaupteten 3 andere Kursmitglieder bei Ziffer 26 und 46 genau das Ge‐ genteil, nämlich dass der Austausch über die Readertexte hilfreich war, um Vorerfah‐ rungen und Vorwissen zu aktivieren. Ein Kursmitglied schätzte es zudem, dass die Ergeb‐ nisse von meiner Seite aus zwar kommentiert, aber nicht als richtig oder falsch bewertet wurden. An anderer Stelle wurde 5 Mal ausdrücklich erwähnt, dass die Kombination von Theorie und Praxis sinnvoll bzw. ausgewogen war (Ziffer 12 und 51). Wichtigste und unverzichtbare Kurskomponente war nach Ansicht von 9 der 16 Studie‐ renden (56 %) die Unterrichtssimulation, die als effektive Methode bezeichnet wurde, um konkretes und nachhaltiges Handlungswissen zu erwerben: “Participating in a storyline was the most effective way to learn how it can be used in class. Just listening to the storyline theory and maybe to one example wouldn’t have given me an idea how to put it into practice“ (St8). Das Lernen am Modell, also “’being in a Storyline’“ (St4), bewirkte somit einen umfassenden und vielschichtigen Lernerfolg, “because reading and discussing about it would have not shown me how to do it“ (St4). Dabei war das Hineinversetzen in die Rolle der Lernenden und der Einblick in die Rolle der Lehrkraft laut Aussage von 5 Studierenden bei Ziffer 8 ein ganz entscheidendes Moment, um das Konzept tiefer durchdringen zu können. Die konkrete praktische Erfahrung bereitete laut Aussage von 4 Studierenden nicht nur viel Spaß (Ziffer 10), sondern wurde weitere 4 Mal als interessante, lebendige bzw. erfrischende Art, ein Kompaktseminar zu gestalten, bezeichnet (Ziffer 11), zumal manche offenbar “a wave of theory rolling over me“ erwartet hatten (St4). Interessant ist, dass im Kontext der Simulation insgesamt 9 Mal der Fries thematisiert wurde (Ziffer 31-34, 58). Manche äußerten sich fasziniert über die Qualität der ausgestellten Arbeiten und die allmähliche Ausgestaltung des Frieses: “I think it supported my motivation because after every episode the frieze was more colourful and I was able to see my outcome“ (St5). Betont wurde auch die ansprechende Raumgestaltung und der damit verbundene Einfluss auf emotionale und affektive Aspekte des Lernens. Davon abgesehen wurde bei Ziffer 47 erwähnt, dass der zu Kursbeginn entwickelte Fries zur Theorie hilfreich war, um Wissensstand und Lernfortschritte bewusst zu machen und regelmäßig zu überprüfen. Alles eingerechnet wurde die Unterrichtssimulation mit entsprechenden Eindrücken mindestens 54 Mal, also noch häufiger als in der vorherigen Studie, thematisiert, was hier 35 % aller positiven Nennungen entspricht. Die Anzahl an Antworten verdeutlicht, welchen hohen Stellenwert die praktische Erfahrung für die Studierenden hatte. An die Simulation schlossen sich verschiedene Phasen der Reflexion und Diskussion an, die darauf abzielten, einen direkten Bezug zur Unterrichtsrealität im Klassenzimmer herzustellen und auf diese Weise die Studierenden von der Qualität und Praktikabilität des Storyline-Konzepts zu überzeugen. Diese Kurskomponente wurde von den Studierenden allerdings nur 4 Mal explizit erwähnt: 3 Kursmitglieder fanden es erhellend, die Bildungs‐ pläne zu konsultieren (Ziffer 17). Dabei wurde erneut deutlich, dass Studierende häufig 554 7 Forschungsfokus Hochschuldidaktik einen falschen Eindruck von administrativen Vorgaben haben: “Another very impressive fact for me was to see how easy and with what a lot of fun most of the curricular demands can be fulfilled with the storyline approach“ (St15). Für gut befunden wurde von (mindes‐ tens) 1 Kursmitglied auch die Präsentation der Videoausschnitte aus dem Unterricht (Ziffer 60), weil sie überzeugend belegten, dass die Lernenden tatsächlich sehr aktiv und engagiert waren. Die Konzipierung der eigenen Storyline-Projekte im Sinne der Transferleistung wurde insgesamt 18 Mal thematisiert: 2 Studierenden fiel die Aufgabenbearbeitung leicht (Ziffer 35), 3 Kursmitglieder hatten viel Spaß dabei (Ziffer 18), 2 fanden es sinnvoll, die Aufgabe im Team zu bearbeiten (Ziffer 36), und 2 andere äußerten sich bei Ziffer 37 ausdrücklich positiv über die gelungene Partnerarbeit. Auch wenn das Projektdesign von insgesamt 6 Studierenden bei Ziffer 19, 37 und 63 als komplexe Aufgabe beschrieben wurde, welche vor allem zu Beginn mit zahlreichen Herausforderungen verbunden war, wie etwa der Suche nach einem ansprechenden Thema oder der Entwicklung von pas‐ senden incidents und key questions, empfanden alle 6 Kursmitglieder die Arbeit im Sinne des forschenden Lernens als anregend bzw. lernförderlich. 2 andere Studierende be‐ schrieben die Projektentwicklung ebenfalls als vielschichtige Aufgabe, räumten aber ein, dass sich der Aufwand mit zunehmender Erfahrung reduzieren würde (Ziffer 61-62): “Then the designing will not be such a big thing anymore“ (St15). 1 Kursmitglied war sogar überzeugt davon, dass Lehrkräfte und Lernende Spaß an ihrem eigens konzi‐ pierten Storyline-Projekt haben werden (Ziffer 64). Insgesamt betrachtet war die Projektentwicklung für die meisten - trotz anfänglicher Hürden - eine motivierende Herausforderung. Die Äußerungen der Studierenden bestä‐ tigten meine Annahme, dass es wichtig ist, diese Phase direkt in das Kurskonzept zu inte‐ grieren, um noch während des Seminars ein Feedback für die Weiterarbeit geben zu können, was von 1 Person auch thematisiert wurde (Ziffer 65). Diese äußerte sich zudem positiv über die Möglichkeit, die Storyline-Projekte über die Lernplattform allen Kursmit‐ gliedern verfügbar zu machen, um sie im Klassenzimmer auszuprobieren, denn bekanntlich scheitert die Umsetzung oft nicht am guten Willen, sondern am Materialmangel. Kurz vor Seminarende wurde die Fragensammlung bearbeitet. Die Idee, Fragen fort‐ laufend zu sammeln, um sie am Ende gemeinsam zu beantworten, wurde zwar nur von 1 Kursmitglied direkt angesprochen (Ziffer 48), demgegenüber gaben jedoch insgesamt 5 Studierende bei Ziffer 15 und 38 als Qualitätsmerkmal an, dass während der Simulation bzw. während des Kurses nahezu alle Fragen, Vorbehalte und Unsicherheiten im Hinblick auf den Storyline Approach diskutiert und gelöst wurden. Während 7 Studierende in ihren Reflexionen noch einmal bestätigt hatten, im Vorfeld über keinerlei Vorerfahrungen oder Vorwissen mit projekt- und themenorientiertem Lernen verfügt zu haben, zeigten sich jetzt 4 Kursmitglieder ausdrücklich erfreut darüber, dass sie Alternativen für motivierenden und effektiven Fremdsprachenunterricht kennen‐ lernen bzw. das eigene Methodenrepertoire erweitern konnten (Ziffer 13 und 39). Auch im Hinblick auf die Nachhaltigkeit des Seminarinhalts konnten wichtige Er‐ kenntnisse gewonnen werden: 7 Studierende gaben an, zukünftig auf jeden Fall Story‐ line-Projekte in der Schule durchzuführen (Ziffer 3). 3 weitere Studierende schrieben bei Ziffer 20, dass sie das Storyline-Modell im Anschluss an den Kurs in Eigenregie tatsächlich 555 7.4 Fallstudie 8: Witches 12 Zwei Studierende (St12 und St13) fertigten keine individuellen Reflexionen an. ausprobiert hatten (vgl. Kapitel 7.4.6). Dass das Kurskonzept auf insgesamt hohe Akzeptanz stieß und auch im Sinne eines nachhaltigen Lernerfolgs für gut befunden wurde, belegt folgendes Zitat: The course itself was definitely worth to take part in. I think whoever wrote that you should make this course compulsory, was totally right. In this course we learned how to put an approach actually into practice, whereas in most of the other courses the theories predominate. I really enjoyed and benefited from the course since the experiential learning was so impressive that I will not forget this approach as easily as all the other ones I only know theoretically (St15). Wenn das Hauptseminar laut Aussage der Studierenden motivierend und für die spätere Berufspraxis gewinnbringend war, dann stellt sich die Frage, welche konkreten Einsichten und Kompetenzen sie - neben den bereits genannten Aspekten - im Sinne des persönlichen Lernfortschritts erwerben konnten. Hinsichtlich dieser 2. Forschungsfrage wurden wieder nur diejenigen Punkte aufgenommen, die von den Studierenden explizit als Lern‐ zuwachs deklariert wurden. Bloße Feststellungen im Sinne der Rezitation blieben unbe‐ rücksichtigt. Was die Studierenden (n = 16) 12 konkret als Lernerfolg verbuchen konnten, dokumentiert die nachfolgende Tabelle, wobei die im Rahmen der Seminarevaluation auf‐ geführten Punkte nicht noch einmal berücksichtigt wurden: Nennung in Reflexion Anzahl der Nen‐ nungen Kategorien 1) Kurs hat von Storyline überzeugt (da viele Vorteile bzw. Chancen) 11 4a, 14g 2) Storyline-Arbeit macht (sehr) viel Spaß bzw. motiviert sicher auch Schülerinnen und Schüler 8 4b, 14g 3) bei Simulation gelernt, wie man Storyline im Klassenzimmer um‐ setzt 4 14b, 14g 4) Storyline-Arbeit ist lernintensiv; Schülerinnen und Schüler lernen sehr viel, ohne es zu bemerken 4 4b, 14g 5) bei Simulation gelernt, welche Aufgaben und Rollen Lehrkraft übernimmt 3 8b, 14b, 14g 6) Storyline ist Zeit und Aufwand (absolut) wert 3 4a, 14g 7) Storyline ist ein flexibles Konzept; je nach Ziel können verschiedene Themen, Methoden und Medien integriert werden 3 14d, 14g 8) insgesamt viel gelernt über Storyline; kann jetzt Storyline Approach erläutern und erklären; viele neue Einsichten gewonnen 2 4f, 14 g 9) gelernt, welche Zusammenhänge zwischen Storyline und Konst‐ ruktivismus bestehen und welche Konsequenzen dies für Schule hat; Theorie (aus anderen Kursen) wurde jetzt nachvollziehbar; vertieftes Wissen erworben 2 14a, 14d, 14e, 14g 556 7 Forschungsfokus Hochschuldidaktik 10) neue Methode für ganzheitliches und interdisziplinäres Fremd‐ sprachenlernen bzw. verschiedene Ideen und Lernmethoden kennen‐ gelernt 2 10d, 14g 11) gelernt, wie man ein Storyline-Projekt evaluiert 2 14b, 14e, 14g 12) Projektdesign ist für Lehrkraft zeit- und arbeitsintensiv (Arbeits‐ blätter erstellen usw.) 2 14f, 14g 13) Storyline ist ein sehr gutes Konzept für alle Fächer und Kombina‐ tionen (FSU, fächerübergreifender bzw. bilingualer Unterricht usw.) 2 14d, 14g 14) Storyline ist ein perfektes Konzept für Projektwochen oder für Schulen mit Blockunterricht (z. B. Montessorischulen usw.) 2 14d, 14g 15) Storyline ist ein kreatives Konzept, um viele (verschiedene) Fer‐ tigkeiten zu üben 2 10d, 14g 16) Storyline fördert effizientes und kooperatives Arbeiten in Gruppen; wichtige “life skill“ für späteren Arbeitsplatz 2 1c, 6a, 6c, 14 g 17) Storyline bietet Wahlmöglichkeiten bei Aufgaben und wird ver‐ schiedenen Lernertypen gerecht; Lernerorientierung und Differen‐ zierung 2 8a, 9e, 10d, 14g 18) Kurs hat “the structure around“ Storyline bewusst gemacht 1 14g 19) gelernt, welche Zusammenhänge zwischen Storyline und the‐ menorientiertem Lernen bestehen 1 14a, 14g 20) gelernt, dass fächerübergreifender Unterricht interessanter und effektiver ist; entspricht konstruktivistischen Theorien 1 14a, 14g 21) konnte durch praktische Erfahrung Zusammenhang zwischen Theorie und Praxis herstellen 1 14b, 14e, 14g 22) gelernt, wie man Theorie in die Praxis umsetzt 1 14a, 14b, 14e, 14g 23) bei schriftlicher Reflexion erkannt, dass Storyline eines der ersten didaktischen Konzepte ist, bei dem Theorie und Praxis als Einheit bzw. als “very similar“ erlebt wird 1 14d, 14e, 14 g 24) im Austausch gelernt, dass „Projekttage“ meist nicht den Kriterien von Projekten entsprechen (vgl. Readertexte) 1 14a, 14c, 14g 25) Gruppenarbeit hat neue persönliche Fertigkeiten gefördert (z. B. Arbeitsorganisation bei Projektdesign) 1 6a, 6c, 8c, 14c, 14f 26) durch Beobachtung und Austausch viel über sich selbst gelernt 1 8d, 14c, 14d 27) einiges über “classroom management“ gelernt 1 14b, 14g 28) gelernt, wie man ein Thema strukturiert 1 14f, 14g 29) gelernt, dass Motivation bei Storyline kein Problem ist; entwickelt sich von selbst 1 4b, 8c, 14g 30) gelernt, dass Aktivität und Identifikation mit Aufgabe die Lern‐ motivation fördert 1 4b, 8a, 8c, 9c, 14g 557 7.4 Fallstudie 8: Witches 31) gelernt, dass Zeitmanagement bei Storyline kein Problem ist, son‐ dern “in our hands“ liegt 1 1d, 14g 32) Zeitaufwand wird durch fächerübergreifenden Unterricht redu‐ ziert bzw. relativiert 1 14g 33) gelernt, dass key questions nicht „die“ korrekte Antwort verlangen 1 8a, 9c, 14g 34) bei Simulation durch Selbstbeobachtung eigene Mitarbeit reflek‐ tiert und intensiviert 1 8d, 14b, 14c, 14d 35) durch häufige Nutzung der wordbanks eigenen themenspezifi‐ schen Wortschatz erweitert 1 5e, 5i, 7c, 12d, 14b 36) bei Simulation gelernt, dass bei Storyline tatsächlich Fremdspra‐ chenlernen stattfindet 1 5i, 14b, 14g 37) bei Simulation neue Einsichten zum Fremdsprachenerwerb ge‐ wonnen (z. B. explizites vs. implizites Lernen) 1 14b, 14g 38) bei Simulation gelernt, wie sich Lernende mit Hilfe von wordbanks ausdrücken können 1 5e, 5i, 12d, 14b, 14 g 39) bei Simulation gelernt, wie Lernende bei Bedarf selbstständig Wörter nachschlagen 1 5e, 5i, 7c, 14b, 14g 40) bei Simulation gelernt, wie Lernende durch key questions angeregt werden, ihre Ideen auszudrücken 1 5d, 8a, 9c, 14b, 14g 41) bei Simulation gelernt, wie motivierend allmähliche Entwicklung des Frieses ist 1 12a, 12 f, 14b, 14 g 42) bei Simulation gelernt, dass Storyline die perfekte Balance zwi‐ schen Lernerautonomie und “guided learning“ ist 1 8b, 14b, 14g 43) gelernt, wie es sich anfühlt, aktiv in einer Storyline involviert zu sein 1 2d, 8c, 14b, 14g 44) konnte die auf Postern gesammelten Fragen eigenständig und ehrlich beantworten 1 4f, 8a, 9c, 14d, 14g 45) bei Projektdesign gelernt, wie man gute key questions stellt, z. B. um Autonomie zu fördern 1 4f, 8c, 9b, 14 f, 14g 46) bei Projektdesign viel Neues über Storyline gelernt, z. B. dass sorg‐ fältige Planung erforderlich ist 1 14f, 14g 47) bei Projektdesign gelernt, dass man vor der Ausarbeitung die Lernziele festlegen und nicht an jeder einzelnen Idee festhalten sollte 1 14f, 14g 48) bei Projektdesign erkannt, dass deutsches Schulsystem trotz For‐ derungen im Bildungsplan wenig Freiräume für Projektunterricht bietet (Fachlehrerprinzip, 45-Minuten-Rhythmus) 1 14e, 14 f, 14g 49) Storyline fördert ganzheitliches Lernen und spricht verschiedene Sinne an 1 10d, 14g 50) Storyline bezieht Erfahrungen und Alltagswelt der Lernenden ein und schafft so authentische Lernkontexte 1 8a, 14g 558 7 Forschungsfokus Hochschuldidaktik 51) Storyline baut (im Gegensatz zu anderen Konzepten) konkret auf Vorwissen der Lernenden auf; dies erhöht Motivation und Selbstver‐ trauen beim Sprachenlernen 1 4b, 4d, 8a, 14g 52) Storyline ist kein Rezept und verlangt sorgfältige Planung; trotzdem hat Lehrkraft sehr viel Freiheit bei der Projektentwicklung 1 14g 53) Storyline realisiert Ziele des Bildungsplans; gute Legitimierung gegenüber Vorgesetzten, Eltern und Lernenden 1 13d, 14e, 14g 54) Storyline ermöglicht Sprachenlernen auf spielerische und integ‐ rative Art 1 2a, 5h, 10d, 14g 55) mit Storyline macht Sprachenlernen Spaß: Sprache wird sinner‐ füllt angewandt statt mittels Wortlisten und Regeln (auswendig) ge‐ lernt 1 2a, 4b, 5 g, 9b, 14g 56) Storyline fördert die Sprachproduktion 1 5i, 14g 57) bei Storyline produzieren Lernende “a high amount of language“ in bedeutungsvollem Kontext 1 2a, 5 g, 5i, 14g 58) Storyline aktiviert Lernende, sich selbstständig eigenen Wort‐ schatz aufzubauen; erhöht Merkfähigkeit 1 5e, 5i, 8c, 14g 59) wordbanks unterstützen (auch jüngere Lernende) beim Sprechen und fördern Selbstvertrauen 1 4d, 5d, 5e, 12d, 14g 60) bei Storyline kann Sprachenlernen leicht integriert werden, z. B. Grammatik einführen oder üben 1 5f, 5i, 14g 61) Storyline ist gut geeignet, um bereits bekannte Strukturen und Sprachmittel zu üben 1 5f, 5i, 14g 62) Vielfalt an Aufgaben ermöglicht Lernenden, ihre individuellen Fertigkeiten zu zeigen 1 8a, 9a, 9c, 14g 63) Storyline bezieht weitaus mehr Fertigkeiten ein als normale Schul‐ buchaufgaben 1 9b, 10d, 14g 64) die lernerorientierten und teilweise offenen Aufgaben motivieren Lernende 1 4b, 8a, 9c, 14g 65) Lernende können bei Gruppenarbeit ihre individuellen Talente entdecken 1 6a, 8a, 14g 66) bei Storyline sind Lernende selbst aktiv und können bei jeder Auf‐ gabe verschiedene Sinne, Talente und Fertigkeiten einbringen 1 8a, 8c, 9c, 10d, 14g 67) Storyline ist für Lehrende als auch Lernende sehr effektiv und kreativ 1 4b, 9c, 14g 68) Storyline ist anspruchsvolle, interessante und sehr motivierende Methode für den FSU 1 4b, 5i, 14g 69) Storyline ist für Lehrkraft zeit- und arbeitsintensiv, aber phantas‐ tisches Konzept für motivierenden und entspannten FSU 1 4b, 4c, 5i, 14g 70) bei Storyline üben Lernende nicht nur sprachliche Fertigkeiten, sondern erwerben auch Sachwissen über das Thema 1 3b, 3c, 5i, 14g 71) Storyline fördert Präsentationstechniken 1 5d, 14g 559 7.4 Fallstudie 8: Witches 72) Fries ist sehr gute Möglichkeit, um Ideen darzustellen und Ar‐ beiten zu evaluieren; fördert Identifikation der Lernenden mit ihrer Arbeit 1 8a, 11d, 12a, 12c, 14g 73) Fries ist wichtigster Teil, da Lernergebnisse öffentlich gemacht und ausgestellt werden 1 11b, 12a, 12c, 14g 74) Storyline fördert Identifikation mit Figuren (Rollenübernahme) und Gefühl von ownership 1 2d, 14g Gesamtzahl der Nennungen 113 Tab. 72: Angaben der Studierenden zum Lernerfolg (SA) Die Gesamtzahl der Nennungen ist auffallend identisch mit dem Ergebnis aus der vorhe‐ rigen Fallstudie (112 Nennungen, ebenfalls n = 16). Allerdings sticht hier sofort ins Auge, dass mit 74 Kriterien eine große Menge und Vielfalt an Einsichten und Lernfortschritten genannt wurde. Auch wenn bei der Auswertung versucht wurde, diese zu bündeln und zu strukturieren, wird deutlich, dass das Hauptseminar für die Studierenden zahlreiche Chancen für den Erwerb von Wissen, Fertigkeiten und Kompetenzen bot, die sich auf all‐ gemeine Aspekte des Lernens, den Storyline Approach, das Fremdsprachenlernen, aber auch auf die eigene persönliche Weiterentwicklung bezogen, und dass jede einzelne Kursphase - von der Readerlektüre bis zum Projektdesign - von den Studierenden als Lernanreiz wahrgenommen wurde. Nachfolgend werden nur die wichtigsten Erkenntnisse zusam‐ mengefasst. Spitzenreiter ist mit 11 Nennungen die Feststellung, dass der Kurs von den Qualitäten des Storyline Approach überzeugt hat, gefolgt von der 8 Mal erwähnten Einsicht, dass Storyline (sehr) viel Spaß macht und demzufolge auch Schülerinnen und Schüler moti‐ vieren würde. Konkret gemeint war hier die Storyline-spezifische Arbeitsweise als solche und nicht die Unterrichtssimulation als Kurskomponente. Beide Ergebnisse sind insofern aufschlussreich, als sie auch von der Vorgruppe in Fallstudie 7 genannt wurden und gleich‐ zeitig bestätigen, dass die Kursinhalte nicht an der Oberfläche haften blieben, sondern tat‐ sächlich eine Einstellungsänderung bewirkt haben: “The way of approaching and making Storyline accessible to us was enriching and useful. The seminar convinced me to use Story‐ line as a future teacher. I can even say that it was one of the most useful and inspiring experiences during my studies“ (St5). Der Kurs hat also Denkprozesse initiiert, die sich (hoffentlich) auf die berufliche Zukunft der Studierenden auswirken. Von wesentlicher Bedeutung ist die Bestätigung, dass nach eigener Aussage (mindestens) 8 Studierende (50 %) durch die Simulation eindeutige Handlungskompetenzen erworben haben, um das Storyline-Konzept in der Schule zu implementieren (Ziffer 3, 5, 22). Interes‐ sant ist in diesem Zusammenhang auch die Feststellung von 3 Studierenden bei Ziffer 9 und 21, dass sie durch die praktische Erfahrung und das damit verbundene zirkuläre Lernen direkte Bezüge zwischen Theorie und Praxis herstellen und somit ein fundierteres Wissen erwerben konnten. Dass erfahrungsbasiertes Lernen, wie dies durch Storyline pro‐ klamiert wird, auch im akademischen Studium wichtig ist, um publiziertes Wissen trans‐ parent, mit Vorerfahrungen und Vorwissen verknüpfen und schließlich in die Praxis um‐ setzen zu können, wird durch die folgende Äußerung deutlich: 560 7 Forschungsfokus Hochschuldidaktik Concerning the theory of constructivism that stands behind all this, I finally got a real insight in how it works. Again, it always seemed logical to hear that everybody builds up his own knowledge according to his pre-knowledge and that teachers can only make offers but cannot force a pupil to learn, but now this knowledge also gained substance in my head and is not only mere theory anymore (St15). Insgesamt 5 Studierende nahmen wahr, dass die Arbeit mit Storyline lernintensiv ist (Ziffer 4) bzw. die Forderungen des Bildungsplans realisiert (Ziffer 53). Auch wenn 3 Studierende bei Ziffer 6 euphorisch behaupteten, dass sich Zeit und Aufwand für Storyline-Projekte auf jeden Fall auszahlen, bleibt die berechtigte Frage nach der formalen Legitimierung, welche von einem der Kursmitglieder wie folgt beantwortet wurde: As a teacher you have to justify your work towards yourself, the students, the parents the Ministry of Education and other interested people. It is amazing how Storyline meets the standards in the curriculum. The Storyline ‘Witches’ covered most of them. There were just some aspects (...) which were not included but could easily be integrated. In contrast to linear teaching Storyline combines most of the required students’ competences in a few hours. As a consequence, it is no problem to legitimate Storyline (St5). Interessant ist, dass viele Studierende sich darüber bewusst wurden, wie flexibel und vielseitig das Storyline-Modell ist, um es als Basis für vielerlei Lernkontexte zu verwenden. Storyline ist zwar ein Konzept mit spezifischen Prinzipen und Merkmalen, aber kein starres Rezept. Zu dieser Einsicht gelang auch ein Kursmitglied: “However, as a teacher you have a lot of freedom while composing your own Storyline“ (St5). Insgesamt 5 Mal wurde bestä‐ tigt, dass es sich um ein gutes Modell für fächerübergreifenden und bilingualen Unterricht handelt (Ziffer 13) bzw. dass je nach Lernziel verschiedene Themen, Methoden oder Medien integriert werden können (Ziffer 7). Ferner behaupteten 2 Studierende, dass Storyline eine interessante Methode bzw. ein phantastisches Konzept für motivierenden Fremdsprachen‐ unterricht sei (Ziffer 68-69). Auf das Potenzial des Storyline Approach für das Fremdsprachenlernen wurde über 16 Mal Bezug genommen (Ziffer 35-40, 51, 54-61, 70): Beispielsweise wurde insgesamt 5 Mal die Wortschatzerweiterung mit Hilfe von wordbanks bzw. Wörterbüchern thematisiert. 3 Studierende erkannten, dass Storyline - z. B. initiiert durch key questions - die (inhaltlich relevante) Sprachproduktion fördert. 2 Kursmitglieder erwähnten, dass Grammatik im Kontext der Geschichte problemlos eingeführt bzw. geübt werden kann, und 2 Mal wurde auf den spielerischen und integrativen bzw. sinnerfüllten und somit motivierenden Cha‐ rakter des Sprachenlernens verwiesen. Erwähnt wurde auch, dass Storyline das Vorwissen der Lernenden einbezieht und somit Motivation und Selbstvertrauen beim Sprachenlernen erhöht. Erneut zeigte sich, welche zentrale Bedeutung erfahrungsbedingtes Lernen für die Entwicklung einer fundierten und reflektierten fachdidaktischen Kompetenz hat: As soon as we really wanted to know a word we looked it up and they have actually stayed in my mind up until today without consciously learning them. And that is the way language learning is fun: using the language instead of learning it consciously via vocabulary lists, grammar rules etc. Even though I heard about that several times before and it seems quite logical to me, too, I now have a totally different awareness of this fact since I have experienced it myself (St15). 561 7.4 Fallstudie 8: Witches Beim Thema „Aufgaben“ wurde erkannt, dass Storyline-Projekte ideale Bedingungen für eine Binnendifferenzierung bieten und durch die immanente Lernerorientierung hetero‐ genen Lerngruppen viel mehr gerecht werden können als etwa der übliche Frontalunter‐ richt: 2 Studierende erwähnten in diesem Zusammenhang die vielfachen Wahlmöglich‐ keiten bei Aufgabenstellungen (Ziffer 17), wodurch verschiedene Lernertypen berücksichtigt werden, “since there is something to do for everybody“ (St16). 2 Kursmit‐ glieder bestätigten, dass durch offene, lernerorientierte Aufgaben bzw. durch Eigenaktivität und Identifikation mit der Aufgabe die Lernmotivation gefördert wird (Ziffer 30, 64). Des Weiteren wurde insgesamt 6 Mal - direkt oder indirekt - hervorgehoben, dass den Ler‐ nenden durch die Vielfalt und Art der Aufgabenstellungen ermöglicht wird, individuelle Fertigkeiten und Fähigkeiten einzubringen (Ziffer 15, 62-63, 65-66). In einem engen Bezug zu Storyline-spezifischen Aufgabenstellungen stehen auch die Einsichten von insgesamt 5 Studierenden im Hinblick auf den Fries. Dieser dient nicht nur als sinnvolle Lernhilfe für den Wortschatzerwerb und die Kommunikation im Klassen‐ zimmer (Ziffer 38, 59), sondern hat auch einen hohen Motivationswert (Ziffer 41, 72-73). Ein Kursmitglied registrierte, dass die klassenöffentliche Ausstellung der Ergebnisse dazu motiviert(e), sich noch intensiver damit auseinanderzusetzen, was den positiven „Neben‐ effekt“ hat, dass diverse fremdsprachliche Kompetenzen verbessert werden. In einem an‐ deren Fall wurde die Funktion des Frieses als Ort der Wertschätzung von Lernergebnissen definiert, der zugleich einen starken Leistungsanreiz ausübt: “I guess the most important part is the frieze in the classroom. Students are able to see what they produced. Their work is no longer hidden, and unnoticed. Instead, it is exhibited on the wall, and everyone is able to look at their work“ (St18). Als Transferleistung und zugleich Leistungsnachweis sollten die Studierenden im Team ein Storyline-Projekt konzipieren. Die diesbezüglichen Lernfortschritte wurden im Rahmen der Reflexionen insgesamt 8 Mal verbalisiert (Ziffer 12, 25, 28, 45-48). Auch wenn diese Aufgabenstellung für manche mit einigen Herausforderungen verbunden schien, wurde deutlich, dass sie den Studierenden dazu verhalf, neue Einsichten und Kompetenzen zu gewinnen: “I still think it is fun to plan and develop a storyline project and put it into action. I therefore hope to be able to integrate it into my teaching in the future“ (St16). Selbst das Formulieren von key questions, die während der Simulation meist gar nicht bewusst wahrgenommen wurden, führte zu neuen Einsichten: “One aim of Storyline is to promote autonomy of the learner, but on the other hand this needs to be considered and planned as well. Finding the right key questions to guide the students and help him or her is demand‐ ing. ‘Open questions but not too general’ is the key“ (St4). Nicht wenige Kursmitglieder stellten während der Projektentwicklung fest: “I think that we did a good job and learnt a lot along the way“ (St14). Fazit: Das Seminarkonzept war laut Aussage der Seminargruppe nicht nur motivierend, sondern setzte auch vielschichtige Lernprozesse in Gang. Begründet wurde dieser Eindruck mit der kohärenten Struktur und der intensiven Verknüpfung von Theorie, Praxis und Transfer. Entscheidend ist aus meiner Sicht allerdings, dass nicht nur der Kurs, sondern auch der Storyline Approach auf positive Resonanz stieß: “I have and I will recommend this way of teaching to all my friends, because I really think that all the work is absolutely worth it“ (St17). 562 7 Forschungsfokus Hochschuldidaktik 7.4.6 Weitere Kontakte: Mails and more Nach Kursende ergaben sich diverse Gelegenheiten für einen weiteren Austausch. Ein Kursmitglied schickte nach Abgabe der Seminararbeit beispielsweise ein unerwartetes Feedback per E-mail: „Ich möchte mich auch nochmal bei Ihnen bedanken, mir hat das Seminar total gefallen und ich fand den Aufbau und Ihre Methode, wie Sie uns die Storyline nahegebracht haben sehr effektiv und unterhaltsam zugleich! “ (Mail St11) [4a, 13a, 13b]. Zu dem Nachtreffen am Ende des Sommersemesters kamen 10 der 18 Studierenden (56 %), andere ließen sich von ihrem Teammitglied vertreten [4a, 13c, 14h]. Auf meine Frage hin, was die größten Probleme bei der Projektentwicklung bereitet hatte, wurde in erster Linie das Einschätzen eines spezifischen Lernniveaus genannt, was auf die fehlende Pra‐ xiserfahrung zurückgeführt wurde [8d, 14d, 14e, 14f]. Manche hatten auch Schwierig‐ keiten gehabt, die zahlreichen „guten“ Ideen so zu integrieren, dass der rote Faden der story nicht verloren ging [2a, 2b]. Während des Erfahrungsaustausches zeigte sich, dass 2 Kurs‐ mitglieder - unabhängig voneinander - sogar kleinere „Storyline-Fortbildungen“ im Freun‐ deskreis durchgeführt hatten [4a, 4f, 13c, 14h]. Einige Studierende hatten versucht, ihre Erfahrungen im Unterricht umzusetzen [4a, 14h]. Manche realisierten ihr Vorhaben unmittelbar nach Kursende während des Block‐ praktikums, andere suchten sich in Eigenregie eine Schule [8c, 14d], wobei dies offenbar nicht immer gelang und mit einigen Widerständen auf Schulebene verbunden war: “In contrast to finding a school, writing the storyline was rather easy“ (SASt18). Ein Team hatte Gelegenheit, das eigene Storyline-Projekt in einer 4. Grundschulklasse zu erproben [8c, 14h]. Die Umstände waren günstig, denn Lehrkraft und Klasse waren bereits mit Storyline vertraut! Ein weiteres Plus war, dass die Studierenden ihre Erfahrungen bei der Endredak‐ tion ihrer Seminararbeit berücksichtigen konnten [14d, 14e, 14f]. Ein anderes Kursmitglied konzipierte ein zweites Storyline-Projekt [8c, 14f, 14h] und probierte es aus [4f, 14d]: „Ich habe eine Storyline in meinem B1 Praktikum selbst mit einer 7. Klasse im Englischunterricht ausprobiert. Das Thema war King Arthur und es hat den Schülern viel Spaß gemacht. Sie waren wirklich mit Interesse und Konzentration dabei, und auch sehr darauf bedacht, selbst immer an die Reihe zu kommen, bei den Präsentationen ihrer ‘activities’“ (SASt11). Eine andere Möglichkeit, Erfahrungen zu sammeln, besteht darin, das im Seminar durch‐ geführte Projekt Witches in der Praxis auszuprobieren. Auch diesbezüglich wurde von po‐ sitiven Eindrücken berichtet [4f, 14d, 14h]: After the seminar I could not wait to try out the storyline approach out myself as a teacher in school. During my practical work at a school (...) I introduced some aspects of the storyline ‘witches’ to a sixth grade. It was both fun for me and the children to create the witch characters and to work with them. The only problem I had was that I only had a limited amount of time to work on the storyline in class. This experience of introducing a storyline was a positive one which strengthened my interested in the storyline approach even more (SASt3). Als weitere Alternative der eigenständigen praktischen Erprobung kann der Versuch eines Kursmitglieds verstanden werden, keine komplette Storyline, sondern nur einzelne Kom‐ ponenten im Unterricht auszuprobieren. Aus Begeisterung über den Fries und die Präsen‐ tationen hatte sich die betreffende Person beispielsweise dafür entschieden, im Sachfach‐ 563 7.4 Fallstudie 8: Witches unterricht einen Fries für die klassenöffentliche Präsentation von Lernprodukten zu erstellen, was als “a very positive experience“ beschrieben wurde (SASt9) [4f, 14d, 14h]. Ein Kursmitglied teilte mir auf Anfrage geraume Zeit später mit, das im Team konzipierte Storyline-Projekt in einer 9. Klasse durchgeführt zu haben: “Es hat den SchülerInnen sehr viel Spaß gemacht, da es sie persönlich angesprochen hat und sie viel ‘erfinden’ durften. Wir haben viel im Computerraum gearbeitet, was für die Jugendlichen besonders toll war“ (Mail St4) [4f, 14d, 14h]. Und rückblickend: “Es war wirklich ein sehr sinnvolles Seminar“ (Mail St4) [4a, 13a, 13c]. Im Übrigen hatten sich 5 Studierende dafür entschieden, im Anschluss an das Hauptse‐ minar ihre Projektprüfung mit Schwerpunkt Storyline zu absolvieren. Ein weiteres Kurs‐ mitglied wählte den Storyline Approach später als Thema für die Zulassungsarbeit und konzipierte dafür ein bilinguales Projekt für das Sachfach Theologie [14d, 14f]. Auch wenn an dieser Stelle nicht auf Details zu den einzelnen prüfungsrelevanten Arbeiten einge‐ gangen werden kann, wird in beiden Fällen deutlich, dass sich die Studierenden durch den Kurs gut auf die Prüfungen vorbereitet fühlten [4f, 14g] und das Thema so motivierend bzw. relevant fanden, dass sie sich noch intensiver damit auseinandersetzen wollten [4a, 13c, 14h]. 7.4.7 Fazit Die Ergebnisse belegen, dass auch diese Seminargruppe das Storyline-Hauptseminar als motivierend, gut konzipiert und hinsichtlich einer professionellen berufsbezogenen Aus‐ bildung als lernwirksam empfand. Die Erkenntnisse aus meinen Beobachtungen, den Se‐ minararbeiten, der schriftlichen Befragung und weiteren Quellen entsprechen bzw. er‐ gänzen sich und vermitteln somit ein schlüssiges Endresultat. Erneut zeigte sich, dass die Unterrichtssimulation den Studierenden nicht nur viel Spaß bereitete, sondern darüber hinaus als unverzichtbare Kurskomponente bezeichnet wurde, um die Ausführungen in der Literatur nachvollziehen und letztendlich umsetzen zu können, denn “even after reading the theory I only had a vague idea. In my opinion you need to have done a story line in order to see how it works“ (SASt10). Wie aus den Reflexionen der Kursmitglieder immer wieder deutlich wurde, sind folgende Erkenntnisse übertragbar auf andere Lerninhalte und Seminare an der Hochschule: Aktives und reflektiertes Lernen, verbunden mit regelmäßiger Interaktion, engagiertem learning by doing sowie einem in‐ tensiven Theorie-Praxis-Bezug können viel eher eine Einstellungsänderung bewirken und brauchbares Handlungswissen vermitteln als das bloße Zuhören und Rezipieren von Fach‐ literatur. Das folgende Zitat beschreibt keinen Einzelfall: “I decided to take part in the semi‐ nar as I often heard about project-oriented and topic-based teaching without knowing how to transfer it into the classroom“ (SASt8). Der Kurs veranschaulichte an konkreten Bei‐ spielen, was Konstruktion von Wissen, ganzheitliches Lernen oder themenorientiertes Fremdsprachenlernen tatsächlich bedeutet, so dass aus abstrakten Begriffen eine klar um‐ rissene Vorstellung entstehen konnte. Auch die Tatsache, dass die Studierenden auf der Basis des Gelernten ein eigenes Story‐ line-Projekt entwickeln sollten, wurde vielfach für positiv empfunden, selbst wenn dies zunächst mit einigen Hürden und intensiven Denkprozessen verbunden war. Letztendlich 564 7 Forschungsfokus Hochschuldidaktik bewirkte die Aufgabenstellung, dass sowohl Theoriewissen als auch Praxiswissen reflek‐ tiert und vernetzt wurde, um ein neues, individuelles Lernprodukt entstehen zu lassen, auf das die meisten außerordentlich stolz waren. Dieser Prozess entspricht den Prinzipien des Storyline Approach und wurde von einigen Kursmitgliedern sogar bewusst wahrgenommen. Besonders positiv ist, dass einige Studierende bereits unmittelbar nach Kursende die Initiative ergriffen, um das Gelernte in der Praxis auszuprobieren: “The worries of teachers and even students relating to this modern approach are understandable, the only way to overcome these thoughts is to try it out. Reading and discussing the theory is one part of getting closer to it, but acting and working on one’s own Storyline project is the only way to see if one adapts to it or not“ (SASt4). Erkenntnisfördernd war für viele nicht nur die aktive Selbsterfahrung, wie motivierend und effektiv Fremdsprachenlernen sein kann, sondern auch die Tatsache, dass der Kurs veranschaulichte, wie die in der Fachliteratur formulierten Desiderate Aufgabenorientie‐ rung, Differenzierung, learnerand learning-centredness oder meaningful and purposeful communication, um nur einige Beispiele zu nennen, konkretisiert und realisiert werden können, und dass die Umsetzung derselben durch ein in sich schlüssiges Konzept möglich ist. Nicht wenige Studierende konnten somit nach eigener Auskunft eine Antwort finden auf die Frage: „Was ist guter (Fremdsprachen-)Unterricht? “ - auch wenn Storyline natürlich kein Allheilmittel ist. Auch wenn in Behauptungen wie “I found the seminar absolutely great and have hardly experienced anything like that before at the University of education“ (SASt6) viel Begeis‐ terung mitschwingt, dokumentieren sie auch, wo die Schwachstellen in der Lehrerausbil‐ dung liegen: “I wish there would be more seminars that give as much wonderful teaching ideas as this seminar did“ (SASt3). 7.5 Fallstudie 9: Witches 7.5.1 Allgemeine Informationen So far, this seminar has been the best and most inspiring for me as a future language teacher (Kursmitglied, 3. Semester) Das dritte hier ausgewertete Storyline-Hauptseminar fand im Anschluss an das WS 2010/ 2011 statt und trug jetzt den eindeutigeren Titel The Storyline Approach: Project-ori‐ ented and Theme-based Learning and Teaching. Der zeitliche Abstand zu Fallstudie 8 erklärt sich in erster Linie daraus, dass geplante Storyline-Kurse aus gesundheitlichen und abtei‐ lungsspezifischen Gründen abgesagt werden mussten. Andererseits fand ich es interessant und sinnvoll, ein Seminar zu untersuchen, das in größerem Abstand zu den zuvor ausge‐ werteten Kursen durchgeführt wurde, um auf diese Weise auch eine neue und gegebenen‐ falls veränderte Generation von Studierenden berücksichtigen zu können. Das Hauptseminar war erneut für verschiedene Zielgruppen ausgeschrieben, und zwar für alle Lehramtsstudiengänge inklusive Europalehramt. Im Gegensatz zu den vorherigen Kursen (Fallstudie 7 und 8) musste der im Vorfeld ausgeteilte und zwischenzeitlich erheblich erweiterte Reader nicht mehr komplett durchgearbeitet werden. Stattdessen gab es ver‐ 565 7.5 Fallstudie 9: Witches bindliche und zusätzliche Texte, welche die Studierenden nach Interesse und Lernniveau wählen konnten. Des Weiteren sollten sie während des Lesens Fragen notieren. Dieser Schritt sollte dazu beitragen, dass die Studierenden ihr Vorwissen eigenständig reflektieren und bedarfsorientiert erweitern. Darüber hinaus stellte sich für mich die Frage, ob durch die teilweise individuell gestaltbare Vorbereitung Veränderungen im Kursergebnis er‐ kennbar sind. Wie bereits angedeutet, wurde für die Simulation erneut das Storyline-Projekt Witches gewählt (vgl. Kapitel 6.3.4). Dabei sollte überprüft werden, ob die Ergebnisse in einer Linie mit den Resultaten aus den vorherigen Fallstudien liegen und somit übertragbar sind, oder ob sich - gerade im Vergleich zum zuletzt untersuchten Kurs, in dem ebenfalls das Projekt Witches durchgeführt wurde - neue und möglicherweise abweichende Erkenntnisse er‐ geben. Während des Kurses beobachtete ich die Studierenden und fertigte regelmäßig Notizen an. Des Weiteren standen für die Datenauswertung diverse Friesmaterialien, zahlreiche Fotos sowie die Seminararbeiten und Reflexionen der Studierenden zur Verfügung. Wie bei Fallstudie 8 fand auch in diesem Kurs zu Beginn des letzten Seminartags eine SABSt statt, wobei die Evaluationsbögen anonym ausgefüllt und anschließend von mir beliebig durch‐ nummeriert wurden. Die SA dagegen wurden wieder nach einem mir bekannten Kode verschlüsselt, so dass in diesem Fall Rückschlüsse oder Querverweise auf andere Daten‐ quellen möglich sind. 7.5.2 Die Lerngruppe Die Lerngruppe bestand aus 22 Studierenden, von denen mir viele bereits bekannt waren. Die Tabellen belegen das insgesamt heterogene Profil der Seminargruppe: Erneut war der Großteil der Kursmitglieder weiblichen Geschlechts (82 %). Zwar vertrat auch in diesem Kurs die Mehrheit einen EuLA-Studiengang, doch handelte es sich dabei „nur“ um etwas mehr als die Hälfte der Studierenden. Auffallend viele waren dagegen für das Lehramt an Realschulen eingeschrieben, während in den bisherigen Fallstudien stets der Primarbereich an der Spitze lag. Studiengänge Gesamtzahl Frauen Männer Lehramt an Grundschulen (GS) 2 2 0 Lehramt an Hauptschulen (HS) 1 1 0 Lehramt an Realschulen (RS) 7 5 2 Europalehramt an Grundschulen (EuLA GS) 7 5 2 Europalehramt an Realschulen (EuLA RS) 5 5 0 Gesamtzahl der Studierenden (= n) 22 18 4 Tab. 73: Anzahl, Studiengang und Geschlecht der Seminarmitglieder (Anmeldeformular) 566 7 Forschungsfokus Hochschuldidaktik Das Lernniveau der Studierenden war auch in diesem Kurs breit angelegt und verteilte sich erneut auf insgesamt 7 Semesterkohorten. Allerdings fällt im Vergleich zu Fallstudie 7 und 8 auf, dass dieses Mal in erster Linie jüngere Semester vertreten waren - erstmalig sogar 2 Studierende aus dem 2. Semester. Im Übrigen hatten die 4 Studierenden aus dem 7.-9. Se‐ mester den Kurs explizit zur Vorbereitung für das mündliche Staatsexamen gewählt. Semesterzahl Anzahl pro Studiengang Frauen Männer Gesamtzahl pro Semester GS HS RS GS HS RS GS HS RS 2. Semester 2 1 0 1 0 0 1 1 0 0 3. Semester 7 3 0 4 3 0 3 0 0 1 4. Semester 3 1 0 2 0 0 2 1 0 0 5. Semester 6 1 1 4 1 1 3 0 0 1 7. Semester 1 0 0 1 0 0 1 0 0 0 8. Semester 2 2 0 0 2 0 0 0 0 0 9. Semester 1 1 0 0 1 0 0 0 0 0 Gesamtzahl der Studierenden (= n) 22 9 1 12 7 1 10 2 0 2 Tab. 74: Semesterzahl der Seminarmitglieder (Anmeldeformular) 7.5.3 Der Seminarverlauf: Beobachtungen und Reflexion Nachdem das Kursprogramm besprochen sowie diverse Fragen geklärt waren, bat ich die Studierenden, die aktuelle Raumatmosphäre zu verinnerlichen und ihre raumbezogenen Eindrücke regelmäßig zu reflektieren, um auf diese Weise eine konkrete Vorstellung davon zu bekommen, wie ein Klassenzimmer in kurzer Zeit in eine motivierende und lernförder‐ liche Lernwerkstatt verwandelt werden kann [14d]. Mein Vorschlag, die ausgearbeiteten Storyline-Projekte nach dem Abgabetermin auf die hochschulinterne Lernplattform zu stellen und sie allen Kursmitgliedern verfügbar zu machen, wurde einstimmig befürwortet [11a, 14h]. Das gegenseitige Kennenlernen mit Hilfe der Methode „Kugellager“ stieß auch in diesem Kurs auf positive Resonanz und trug maßgeblich zu einer entspannten Lernatmosphäre bei [4c, 5d, 14c]. Als sich die Kursmitglieder in 6 Kleingruppen über ihre Erfahrungen mit projektbzw. themenorientiertem Lernen austauschten und dabei versuchten, diese Be‐ griffe auch zu definieren, fiel auf, dass alle ausgiebig diskutierten und häufig ihre Reader zur Hand nahmen [7c, 14a, 14c]. Gelegentlich tauchten Fragen auf (z. B. Unterschied zwi‐ schen Aufgaben- und Themenorientierung), so dass ich die Gruppen anregte, neben Vor‐ wissen und Vorerfahrungen auch Fragen auf ihren Postern festzuhalten, um diese später im Plenum zu diskutieren [8a, 14d]. Dadurch sollte vermieden werden, dass sie „bloß“ 567 7.5 Fallstudie 9: Witches meine Antworten übernahmen, anstatt eigenständig (und Storyline-spezifisch) nach Lö‐ sungen zu suchen. Bei der Ergebnissammlung zeigte sich, dass niemand - bis auf eine Ausnahme - Erfah‐ rungen mit Projektarbeit im Englischunterricht hatte. Manche verfügten über gar keine Erfahrung mit Projekten, während andere von Beispielen aus dem Geschichtsunterricht (PH-Seminar) oder von - teilweise fragwürdigen - Aktivitäten aus den schulspezifischen Projektwochen berichteten [8a, 14c]. Praxiserfahrungen mit Storyline konnte niemand vorweisen. Die Aufgabe, nicht nur Erfahrungen aufzulisten, sondern diese im Hinblick auf die Definition der Fachtermini auch zu reflektieren, erwies sich erneut als sinnvoll und wurde deshalb endgültig in das Kurskonzept integriert, denn auf diese Weise lernten die Studierenden, ihre Erfahrungen und Ansichten eigenständig, kritisch und fachlich fundiert zu bewerten (UR) [8d, 14d, 14g]. Die anschließende Frage, warum im Fremdsprachenunterricht nur selten Projekte durch‐ geführt werden, entfachte eine intensive Diskussion [14c]. Insgesamt wurden mit über 19 Nennungen wieder zahlreiche Gründe genannt, die das Umsetzen der Theorie in die Praxis erschweren [9c, 14d, 14e]. Thematisiert wurden - ähnlich wie in Fallstudie 7 und 8 - Aspekte wie Arbeitsaufwand, Erfahrungsmangel, Unsicherheiten beim Einsatz von Grup‐ penarbeit (Chaos? Zeit? ), Fragen der Leistungsmessung und Fehlerkorrektur, Zeitdruck (45-Minuten-Rhythmus), Druck durch Bildungspläne bzw. Lehrwerke, Unsicherheiten im Umgang mit Eltern bzw. Kollegium (Kooperation), Materialfragen oder etwa Unsicher‐ heiten bei der Abstimmung von Inhalt und Fremdsprache bzw. hinsichtlich der Integration von Grammatik (Folie). Im Anschluss stellte ich einige so genannte Projekte aus Schulbüchern vor, um sie von den Kursmitgliedern analysieren zu lassen. Im Vergleich zu den bisherigen Fallstudien hatte ich die Anzahl der Beispiele noch einmal erweitert, so dass jetzt insgesamt 5 Lehrwerke für die Hauptschule (Klasse 5-7) und 2 für die Realschule (Klasse 8-9) zur Auswahl standen. Die Präsentation der Beispiele initiierte eine kontroverse Diskussion, bei der sich zeigte, dass manche Studierende bei der Bewertung eher großzügig waren, während andere kritisierten, dass es sich bei den meisten Beispielen um reguläre exercises, aber keineswegs um Projekte handelte [9c, 14c]. Zwar waren in den neueren Lehrwerken durchaus positive Entwick‐ lungen erkennbar, wenn auch nicht durchgängig, dennoch wurde bemängelt, dass - vor allem in sprachlicher Hinsicht - zu viele Vorgaben gemacht und zu wenige Möglichkeiten der Mitbestimmung angeboten wurden [14d, 14e, 14g]. Mit Erstaunen reagierte die Semi‐ nargruppe, als ich die ersten 3 Ausgaben des norwegischen Schulbuchs Talking English (2006; 2008) präsentierte und darauf verwies, dass in jedem Jahrgang ein Storyline-Projekt integriert ist. Anstatt die Projekte im Plenum jedoch vorzustellen, regte ich die Studierenden im Sinne des forschenden Lernens zur eigenen Recherche an [14d, 14e]. Als Argumentationshilfe für Gespräche mit Eltern, Schulleitung oder Kollegium wurde zum Abschluss - anders als in den früheren Fallstudien - ein Papier verteilt, auf dem die Vorteile von Projektarbeit im Fremdsprachenunterricht noch einmal zusammengefasst waren [14a]. Am zweiten Tag sollten die Studierenden in arbeitsteiliger Gruppenarbeit zunächst ihr Vorwissen (published knowledge) über den Storyline Approach reflektieren, diskutieren und strukturieren sowie die Ergebnisse auf Plakaten dokumentieren. Hierfür teilten sie sich in 568 7 Forschungsfokus Hochschuldidaktik die oben erwähnten A-B-C-Gruppen auf und bearbeiteten einen jeweils zugeteilten Fra‐ genkatalog. Alle schienen gut vorbereitet und wieder wurden die Reader intensiv als Nach‐ schlagewerke eingesetzt [7c, 14a]. In einer Gruppe beobachtete ich, wie sich die Studie‐ renden gegenseitig befragten, um die jeweiligen Antworten abzuwägen: “What are typical features of the Storyline Approach? Is it time, place, the people or the story? “ (UB) [9c, 9e, 14d]. Hier zeigte sich, dass gerade das Gespräch in geschützten Kleingruppen förderlich ist, um Gelerntes zu verarbeiten [6a, 6c, 14c]. Bei der Präsentation der Ergebnisse im Plenum fiel auf, dass zum Teil sehr detaillierte und differenzierte Poster erstellt wurden [8a, 9c, 11b]. Dass die Resultate für relevant und gut befunden wurden, zeigte sich darin, dass der Vorschlag geäußert wurde, Fotos anzufertigen und diese auf die Lernplattform zu stellen [8b], “because it’s good information and we’ve already structured it“ (St15) [4f, 12b, 12c, 14g]. Als ich schließlich die provokative Frage stellte, ob nun alle bereit seien, Storyline-Pro‐ jekte in der Schule durchzuführen, reagierten viele mit einem deutlichen “No! “. Zu hören waren Kommentare wie “It’s still foggy! “ oder “It’s just words! “ (UB). Insgesamt wurden über 23 Gründe und Fragen genannt, die nun auf Postern festgehalten wurden. Dabei ging es unter anderem um Unsicherheiten im Hinblick auf die Themenwahl, Aufgabenstellungen oder die Formulierung von key questions, aber auch um grundsätzlichere Fragen zum Ein‐ satz des Konzepts in der Grundschule, zur Differenzierung, Leistungsmessung oder Feh‐ lerkorrektur. Unklar war offenbar auch, wie sprachliches Lernen (z. B. neue Vokabeln) kon‐ kret realisiert wird und welche (neuen) Rollen die Lehrkraft einnimmt. Vereinzelt wurden auch organisatorische Fragen thematisiert (z. B. Zeitmanagement oder Material) [8d, 14d, 14e]. Die Unterrichtssimulation wurde mit Spannung erwartet. Nach dem Vorspielen der Ge‐ räuschecollage beteiligten sich die Studierenden angeregt an der Sammlung von Assozia‐ tionen, die auf den wordbanks festgehalten wurden [8a, 14b]. Bei der Gestaltung der Hexe und der im Plenum vereinbarten Räume (kitchen, living room, magic room, attic) fiel auf, dass schon nach kurzer Zeit alle in der Fremdsprache kommunizierten und engagiert nach Lösungen für ihre Aufgabenstellungen suchten [5d, 9c, 13e]. Auch in diesem Kurs gaben sich die Studierenden Mühe, möglichst ausgefallene und ästhetisch ansprechende Produkte zu kreieren [8a, 9c, 10a], um diese für alle sichtbar am Fries auszustellen [11b, 12a]. Zahl‐ reiche Gegenstände wurden mit den englischen Begriffen versehen (z. B. “broom stick gar‐ age“), um sowohl die sprachliche als auch die inhaltliche Bedeutung zu klären [5c, 5e]. Die Präsentation der Ergebnisse machte den Studierenden deutlich, was information gap kon‐ kret bedeutet, und wurde entsprechend aufmerksam verfolgt [2c, 5b]. Offenbar bereitete es den Gruppen Spaß, die anderen mit einfallsreichen Details zu überraschen, so dass hin und wieder anerkennende Kommentare oder Gelächter zu vernehmen waren [4b, 4c, 11d]. Das folgende Textbeispiel belegt, wie phantasievoll die Aufgaben gelöst wurden [2e, 5c, 9c]: Our attic is very special because it’s got a flying balcony, which is also used as a landing area. She has a flying carpet, which normally lies between the balcony and the doors of the attic, but on special occasions it’s used as a group vacation vehicle as well, so you can have a chat and it’s more comfortable. Furthermore there is a garage for the broom stick so it never gets lost (De‐ scription of room). 569 7.5 Fallstudie 9: Witches Das kreative Arbeiten setzte vielfältige Energien frei [8c]. Als ich nach einer Pause den Raum betrat, um mit Episode 2 fortzufahren, fiel mir sofort auf, dass auf dem Fragenposter neue Fragen standen [8d, 14d] und sich der Fries deutlich verändert hatte [10a, 12f]: So wurde beispielsweise spontan ein neuer Raum (Gästezimmer) gestaltet, außerdem wurde Hexe Amandas Bruder Pablo gebastelt, wobei diese Figur von der entsprechenden Gruppe frei erfunden und selbstständig weiterentwickelt wurde [2e, 8a, 9c]. Einige Studierende befestigten weitere Gegenstände am Fries und unterhielten sich angeregt darüber [5d, 11a, 11c, 12e]. In der 2. Episode wurden die anderen Figuren gebastelt, während Amanda Einladungen an ihre Geburtstagsgäste verfasste. Mittlerweile fiel es den Studierenden nicht nur leicht, sich in die Rolle von Schülerinnen und Schülern zu versetzen, sondern auch die Rollen der erdachten Charaktere individuell und mit Humor auszugestalten [2d, 9c]: Walpurga Pokus stammte aus Transsilvanien, Miss Tyria fiel durch ihren kreativen Namen auf, Maleficent hatte Probleme beim Zaubern (und verwandelte die Katze in jelly fish Harry) und Dajabelo, dessen Name sich aus den Vornamen der Gruppenmitglieder ableitete, hatte versehentlich keine Arme, so dass er kurzum als Verletzter aus dem Afghanistankrieg erklärt wurde [2e]. Interessanterweise äußerte ein Mitglied aus Amandas Gruppe zu Beginn eine im Fremd‐ sprachenunterricht häufig gestellte Frage, nämlich: “How much do we have to write? “ (UB). Diese geriet allerdings schnell in Vergessenheit, denn die Gruppen arbeiteten so engagiert, dass die time limits verlängert wurden [8c, 11b]. Manche benutzten intensiv ihre Wörter‐ bücher [7c], um nicht nur witzige, sondern auch sprachlich korrekte Beiträge liefern zu können [5e, 5i]. Diese Eigenerfahrung war für die Studierenden überzeugender Beweis dafür, wie motivierend kreatives Schreiben im Rahmen von Storyline-Projekten sein kann [4b, 5c, 14b, 14g]. Entsprechend ausgefallen und ästhetisch ansprechend waren schließlich die individuell gestalteten Einladungskarten an die fiktiven Gäste [7d, 9c, 10a]. Diese ver‐ fassten ebenso kreative Antwortschreiben; beispielsweise bastelte Miss Tyria einen großen Schmetterling, den sie mit folgendem Text versah [5c, 5 g, 7d, 10d]: Dear Amanda! Thank you for your invitation. I would love to come to your birthday party. I will bring along a ‘Miss Tyrious’ present for you! My butterfly carriage is already prepared to take off soon. Love, Miss Tyria (Miss Tyria’s answer). Maleficent kündigte an, mit einem “new mule“ anzureisen [2d, 2e]: “So I don’t know how long it will take us. Moreover there are customs between our countries. I will bring a present and my yellyfish Harry. Harry is lactose intolerant and scared of all liquid things. My mule wants to slim down so it doesn’t need any food“ (Maleficent’s answer). Auch dieses Beispiel belegt, wie viel Mühe sich die Studierenden gaben, um einen möglichst phantasievollen, kontextadäquaten und sprachlich ausgefeilten Text zu schreiben [5c, 5 g, 5i, 9c]. Wie in Fallstudie 8 entspann sich schnell ein soziales Netzwerk zwischen den fiktiven Personen, welche allesamt lebendiger und authentischer als die üblicherweise „braven“ Lehrwerkcharaktere wirkten und deshalb immer wieder für kleine incidents sorgten [2d, 2e, 9c]. Auf diese Weise wurde auch das in der Literatur erwähnte ownership principle für alle nachvollziehbar [14b, 14e, 14g], denn das im Vorfeld von der Lehrkraft konzipierte 570 7 Forschungsfokus Hochschuldidaktik Storyline-Gerüst entwickelte sich durch entsprechende Aufgabenstellungen [9b] bald zur klasseneigenen und somit individuellen Geschichte [2a, 2e], für die sich alle gerne und intensiv engagierten [8c]. Bei den Präsentationen dachten sich die Studierenden auf meine Nachfrage hin häufig ganz spontan Dinge aus, so dass deutlich wurde, wie im Klassenzimmer ein kreativer, in‐ haltlich kohärenter Kontext geschaffen wird [2b, 2e] und wie über entsprechende Frage‐ stellungen diverse fremdsprachenbezogene Kompetenzen und Dimensionen der Sprach‐ produktion (accuracy, fluency and complexity of language) gefördert werden können [5d, 5i]. Bald stellten auch die Studierenden Fragen an die Vortragenden und freuten sich über besonders kreative Einfälle und Begründungen [9c, 11d]. Gleichzeitig wurde veranschau‐ licht, was meaningful communication konkret bedeutet [5g, 11c] und wie eine Lehrkraft nach und nach in den Hintergrund treten kann (guide on the side) [8b, 14e, 14g]. Nach Abschluss der 2. Episode wurde die Selbstevaluation aus Sicht einer Schulklasse durchgeführt. Die Ergebnisse bestätigten, dass die Studierenden die Aufgabe konzentriert ausführten und ihre Arbeit kritisch reflektierten [8d, 14b, 14d]. Gelegentlich wurden auch ergänzende Kommentare abgegeben: “Good group work. Workload was shared appropri‐ ately. Good interaction, helping each other“ (Evaluation sheets: St21) [6c, 8d] oder: “Good interaction. Nice and friendly atmosphere“ (Evaluation sheets: St6) [4c, 6c, 8d]. Am Ende des Kurstages beobachtete ich, wie noch Fragen auf die Fragenposter ge‐ schrieben wurden, was belegte, dass die Studierenden nicht nur Spaß bei der Unterrichts‐ simulation hatten [4b], sondern sich darüber hinaus auch auf die eigenen Kompetenzen und Unsicherheiten besannen [8d, 14d]. Des Weiteren wurde der Fries fotografiert [4f, 13c, 13d] und einige baten darum, auch diese Fotos auf die Lernplattform zu stellen [12a, 12b, 12c, 12f]. Aus meiner Sicht waren dies Zeichen dafür, dass die Kursinhalte und persönlichen Lernprodukte für relevant befunden wurden (ownership) [4f, 13c, 13d]. Am dritten Tag wurde die Unterrichtssimulation mit Episode 3 fortgesetzt: Die fiktiven Partygäste trafen ein, versammelten sich um einen imaginären Hexenkessel und über‐ brachten ihre Geschenke und Glückwünsche [5d, 5 g, 8a]. Erneut fiel das kreative Potenzial und Engagement der Seminargruppe auf [9c, 10a]. Im Übrigen spiegelten sämtliche Ge‐ schenke die Charakterzüge der Figuren wider [2b, 2e], und die schauspielerischen Einlagen bezeugten [10b], wie leicht es den Studierenden fiel, in die jeweiligen Rollen zu schlüpfen [2d]. Nachdem Amanda ihren geheimsten Wunsch, nämlich zu heiraten und ein Kind zu be‐ kommen, publik gemacht hatte [2e, 9c], wurde zunächst gemeinsam ein Muster für einen magic spell erarbeitet, bevor die anstehenden Aufgaben aufgeteilt bzw. ausgewählt wurden [9e]: Konzentriert wurden Ingredienzen für den Hexenkessel gebastelt [9c, 10a], parallel wurden mit erkennbarem Spaß Zaubersprüche erdacht [4b, 5c, 5 g, 5h]. Alle waren aktiv involviert und sprachen durchgängig Englisch [5d]. Manche nahmen auch das Wörterbuch zur Hilfe, um möglichst präzise Formulierungen zu finden [5e, 5i, 7c]. Die Ergebnisse waren selbst für mich, die Witches bereits mehrfach durchgeführt hatte, außergewöhnlich kreativ und wurden engagiert präsentiert [8a, 8c, 11a, 11b], obwohl es sich hier bekanntlich um eine bloße Unterrichtssimulation handelte: Ein Team hatte sich Masken und einen “hunch‐ back“ gebastelt [10a] und inszenierte nun einen kleinen Tanz um den Hexenkessel, wo‐ 571 7.5 Fallstudie 9: Witches hingegen eine andere Gruppe die Mitternachtsszene mit Trommelmusik untermalte [9c, 10c, 10d]. Als nach einer Pause die 4. Episode begann, beteiligten sich die Studierenden aktiv an der Suche nach potenziellen Gründen, warum die Zauberei an Amandas Geburtstag fehl‐ geschlagen hatte, und man einigte sich darauf, dass versehentlich Pablo herbeigezaubert wurde [2e, 9c]. Bekanntlich sollte eine fiktive Öffentlichkeit über das Missgeschick infor‐ miert werden und alle engagierten sich, um für das jeweils ausgewählte Medium möglichst einfallsreiche stories über Amandas Geburtstagsparty zu verfassen [5c, 7d, 8c, 9e]. Erneut brachte die Präsentation einige Überraschungen [2c]: So hatte eine Gruppe, die auf dem Flur eine Fernsehreportage konzipieren wollte [9c, 9d, 9e], in kürzester Zeit eine Liveshow in Form eines Rollenspiels mit selbst gebastelter Verkleidung einstudiert [7d, 8a, 10a, 10b], welche nun mit verdientem Applaus belohnt wurde [11b, 11d]. Eine andere Gruppe hatte ein Radiointerview mit den fiktiven Charakteren aufgezeichnet, wobei As‐ pekte der Geschichte spontan weiterentwickelt wurden [2e, 7d, 9c]. Nachdem alle Ergeb‐ nisse vorgestellt waren, wurde die Unterrichtssimulation beendet. Während der Mittagspause konnte ich beobachten, wie einige Studierende weiterhin in der Fremdsprache kommunizierten [5d, 13e]. Eine Gruppe saß vor dem Fries und betrach‐ tete in Ruhe die diversen Ergebnisse [12a, 12b, 12c, 12f], während manche Kursmitglieder neugierig entweder die von mir mitgebrachten Bücher konsultierten [7c] oder die Fragen‐ poster studierten bzw. ergänzten [14d]. Am Nachmittag fand eine längere Aussprache über die Unterrichtssimulation statt. Die Studierenden bestätigten, dass die konkrete praktische Erfahrung nicht nur “lots of fun“ (SDSt7) und “highly motivating“ (SDSt21) [4a, 4b], sondern auch in vielerlei Hinsicht auf‐ schlussreich gewesen sei [14b, 14g]. Was ich als positiv empfand, war die Tatsache, dass nicht nur zustimmende Worte geäußert, sondern auch zahlreiche Fragen und konträre Meinungen diskutiert wurden [8d, 14c, 14d]: Anders als in Fallstudie 8 waren einige Stu‐ dierende jetzt beispielsweise der Ansicht, dass man auf die letzte Episode hätte verzichten können, während andere behaupteten, dass es wichtig gewesen sei, konkret zu erleben, wie ein Storyline-Projekt inhaltlich und organisatorisch beendet wird [1d, 13a]. Insgesamt wurde noch einmal bekräftigt, wie flexibel der Ansatz sei und durch die zahlreichen Dif‐ ferenzierungsmöglichkeiten den Lernenden eher gerecht wird als der übliche Unterricht [14g]. Interessanterweise hatten einige nicht bemerkt, wie intensiv sie sich mit sprachlichen Aspekten wie Grammatik oder Wortschatz auseinandergesetzt hatten. Ein Kursmitglied stellte mit Erstaunen fest: “I only noticed it later that we practised the will-future“ (SDSt12), und eine andere Person bekräftigte: “It was not obvious although we said ten sentences! “ (SDSt7) [5f]. Das Beispiel überzeugte die Seminargruppe, wie motivierend Sprache im Kontext geübt werden kann, ohne dass das mechanische Wiederholen als störend emp‐ funden wird [2a, 5 g, 5i]. Auch auf die Frage nach dem Umgang mit Fehlern wurden kon‐ struktive Vorschläge eingebracht, so dass sich die Studierenden diesbezüglich sicherer fühlten [14c, 14g]. Ein Kursmitglied kritisierte, dass das Thema und der spezifische Wortschatz nicht wirk‐ lich relevant “for everyday conversation“ sei (SDSt21). Diese Kritik wurde jedoch schnell entkräftet, indem auf Harry Potter und einschlägige Computerspiele verwiesen wurde [3a, 572 7 Forschungsfokus Hochschuldidaktik 5e]. Ich selbst gab den Hinweis auf diverse landeskundliche Lehrwerkthemen wie Hallow‐ een oder Notting Hill Carnival, die einen vergleichbaren Wortschatz berücksichtigen. Um zu belegen, dass Storyline-Projekte auch in der Schule gelingen und von den Ler‐ nenden als motivierend und lernwirksam empfunden werden, las ich einige Zitate aus di‐ versen Schülerbefragungen vor. Die Seminargruppe fand die Aussagen der Lernenden nicht nur erstaunlich reflektiert, sondern auch überzeugend [14e, 14g]. Im Anschluss stellte ich mit Hilfe von Fotos verschiedene Themenbeispiele und Möglichkeiten der konkreten Aus‐ gestaltung vor, um zu verdeutlichen, dass Storyline ein flexibel anwendbares Konzept ist. Auch in diesem Kurs wurde die Präsentation der diversen Figurentypen, settings, plots und Aufgabentypen mit Interesse verfolgt und kommentiert [14c, 14e]. Für die Weiterarbeit bot ich - ähnlich wie in Studie 8 - verschiedene Alternativen an: entweder die Sichtung von Videoausschnitten aus einer Unterrichtsdokumentation (Klasse 5, 7 oder 10) oder (neu) die Präsentation von Videoausschnitten, die von Storyline-Kolle‐ ginnen bzw. -Kollegen aus dem Ausland aufgenommen wurden. Die Mehrheit entschied sich für die etwa 20-minütige Dokumentation aus Klasse 5 (vgl. Kocher 2000), um zu sehen, wie Storyline-Projekte mit Lernenden, die nur über geringe Englischkenntnisse verfügen, realisiert werden können [8b, 9e, 14e]. Die Videopräsentation wurde insbesondere von den Studierenden des Grundschullehramts für lehrreich empfunden [14d, 14e]. Viele zeigten sich überrascht über die kreativen Ideen und gelungenen Darbietungen der 5. Klasse und bestätigten, dass sie durch die Videodokumentation neue Einsichten gewinnen konnten [14g]. Als Zeichen der intensiven Beschäftigung mit dem Kursinhalt deutete ich die Tat‐ sache, dass eine lebendige Diskussion in Gang kam und wieder neue Fragen auf die Poster notiert wurden [8d, 14c, 14d]. Während der Pause sollten die Studierenden die zu Kursbeginn erstellten „A-B-C-Poster“ überprüfen, ob sich zwischenzeitlich neue Einsichten ergeben hatten. Im Vergleich zu den anderen Fallstudien hatte ich diese Phase jetzt vorgezogen, da mir die Nähe zur praktischen Erfahrung wichtig schien. Im Hinblick auf den Vergleich von theoretischem Wissen und praktischer Erfahrung stellte man fest, dass vieles jetzt klarer sei [14e, 14g]. Ein Kursmit‐ glied kam allerdings zu dem Schluss: “I thought Storyline is less structured. Now after the experience I think it’s more structured but still open“ (SDSt19). Mein Argument, dass Witches ein Projekt für Lehrkräfte und Klassen sei, die noch keine Erfahrung mit Storyline haben, schien überzeugend. Man stimmte mit mir überein, dass das relativ komplexe Pro‐ jektbeispiel Kidnapped in Scotland (vgl. Fehse/ Kocher 1995b) bei der Simulation eher ab‐ schreckend gewirkt hätte. Für positiv befunden wurde, dass eine Storyline je nach Vorer‐ fahrungen der Beteiligten mehr oder weniger offen gestaltet werden kann [14c, 14d, 14g]. Die nächste Arbeitsphase konzentrierte sich auf die Themen „Bildungsplan“ und „Leis‐ tungsmessung“. Drei Gruppen sollten die Bildungsstandards (Englisch) für HS 6, RS 6 bzw. RS 8 sichten und dabei überprüfen, welche Kompetenzen bei der Durchführung von Witches gefördert werden. Die verbleibenden zwei Gruppen sollten Kriterien und Ansätze für die Bewertung der Ergebnisse in Klasse 6 (HS und RS) oder 8 (RS) erarbeiten. Wie in den bis‐ herigen Fallstudien zeigte sich auch dieser Kurs erstaunt darüber, wie offen die Bildungs‐ standards formuliert sind und dass (fast) alle Kompetenzen in den entsprechenden Bil‐ dungsplänen „abgehakt“ werden konnten [14d, 14e, 14g]. Interessanterweise hatten manche auf Grund des starken inhaltsbezogenen Engagements nicht bemerkt, wie intensiv 573 7.5 Fallstudie 9: Witches diverse Lese- und Hörverstehenskompetenzen trainiert wurden, so dass ihnen jetzt schnell einleuchtete, was der Begriff „integratives Lernen“ bedeutet [2a, 14g]. Die Aufgabe, ein Modell bzw. einen Kriterienkatalog für die Bewertung von Schülerleis‐ tungen zu entwickeln, wurde mit großem Interesse bearbeitet [9b, 14d, 14e]. Die Präsen‐ tation der Ergebnisse führte zu einer langen Diskussion mit teilweise sehr konträren Mei‐ nungen [8a, 9c, 14c]. Während eine Gruppe die Ansicht vertrat, dass insgesamt 5 Bereiche berücksichtigt werden sollten, nämlich “social competence, language competence, content competence, method competence“ sowie “aesthetic/ creativity“ (Folie), weigerte sich die andere Gruppe strikt, Kreativität zu bewerten. Stattdessen schlug sie vor, nur “social com‐ petence, language competence, learning strategies/ media competence“ sowie “(oral) pres‐ entation“ (Folie) in die Leistungsmessung einfließen zu lassen. Trotz aller Vermittlungs‐ versuche konnte sich diese Gruppe bis zum Ende nicht mit dem Gedanken anfreunden, all die phantasievollen Aufgabenlösungen und kreativen Produkte der Lernenden in irgend‐ einer Weise positiv zu bewerten. Begründet wurde dies wie folgt: Kreativität sei schwer zu definieren. Kreative Lernprodukte zu bewerten sei ungerecht, da Kreativität nur subjektiv interpretierbar sei. Lernende würden sich absichtlich „exotische“ Aufgabenlösungen aus‐ denken (man verwies auf den Tanz bei Witches), um gute Noten zu erhalten. Einige Kurs‐ mitglieder kritisierten dagegen zu Recht, dass im deutschen Schulsystem in erster Linie Defizite und Fehler benotet werden, während positive Ergebnisse selten angemessen gelobt werden. Dies sei auch ein Grund dafür, dass die Motivation der Lernenden mit zuneh‐ mendem Alter schwindet [14c, 14d, 14e, 14g]. Im Hinblick auf die Vorgehensweise bzw. Bewertungsmethode wurden von der ersten Gruppe einige interessante Ideen geäußert: HOW: observation sheet for teacher peer evaluation presentation during the story + at the end presenting story-line to another class, parents, ... portfolio (Folie). Auf Widerstand stieß bei manchen der Vorschlag, Partner- oder Gruppenergebnisse in die Notengebung einfließen zu lassen. Hier zeigte sich die traditionelle Prägung vieler Studie‐ render, die (noch immer) davon ausgingen, dass die üblichen Klassenarbeiten objektiv und gerecht seien, obwohl sie aus eigener Erfahrung zugeben mussten, dass diese nicht zwangs‐ läufig das prüften, was sie gelernt hatten, und die Notenfindung nicht immer transparent war [14c, 14e]. Auch wenn das vereinzelte Beharren auf persönlichen Standpunkten von manchen als irritierend und wenig konstruktiv empfunden wurde, war die intensive Diskussion der Arbeitsergebnisse insgesamt gewinnbringend, da sie an das sprichwörtliche „Eingemachte“ ging und die Studierenden zu einer persönlichen Stellungnahme herausforderte [14c, 14d], so dass ich den zeitlichen Rahmen dafür erweiterte [8b] und statt der eingangs ge‐ planten Aktivitäten zum Thema „Multiple Intelligenzen“ einen entsprechenden Artikel zur Heimlektüre und Inspiration für die bevorstehende Projektkonzeption anbot [14a]. 574 7 Forschungsfokus Hochschuldidaktik Zum Schluss präsentierte ich einige Beispiele zur Leistungsmessung, die bei der Durch‐ führung von Storyline-Projekten erprobt worden waren. Auch dieser Kurs zeigte sich er‐ staunt darüber, wie ehrlich und kritisch die Lernenden ihre Arbeit im Rahmen des jewei‐ ligen Storyline-Projekts bewertet hatten und dass die Selbstevaluationen der Lernenden im Großen und Ganzen mit der Fremdevaluation durch die Lehrkräfte übereinstimmten [14e, 14g]. Vereinzelt wurde bereits angekündigt, im Blockpraktikum ein Storyline-Projekt aus‐ probieren zu wollen [4f, 14h]. Eine aus meiner Sicht wichtige Beobachtung war, dass das Fragenposter insgesamt gut ankam und noch immer neue Fragen notiert wurden [14d]. Der vierte Tag begann mit einem kurzen Rückblick auf die Diskussion des Vortages. Spontan hatte ich am Abend 6 Schulbücher für Klasse 7 (HS und RS) in Bezug auf Themen und Wortschatz untersucht und präsentierte nun die Ergebnisse. Gerade im Hinblick auf die Frage nach “relevant vocabulary“ (SDSt21) staunte man, als ich die in den Lehrwerken gefundenen Vokabeln vorstellte: crystal, dungeon, Halloween party, magic, magic kit, ma‐ gician, trick, to do tricks, witch, witchcraft, wizard, apprentice wizard usw. Im selben Zug machte ich deutlich, dass eben nicht alle Vokabeln, die bei einer Storyline benötigt werden, bis ans Ende der Schulzeit zum aktiven Wortschatz zählen müssen, sondern lediglich dazu dienen, sich über einen spezifischen Kontext auszutauschen [5e, 5g]. Für viele Studierende öffnete diese Vorstellung ganz neue Perspektiven, da sie es gewohnt waren, dass neue Wörter explizit eingeführt, abgeschrieben und für einen Vokabeltest gelernt werden müssen [14c, 14e, 14g]. Nach dieser spontan eingeschobenen, aber aus meiner Sicht wichtigen Kursphase fand die SABSt statt (vgl. Kapitel 7.5.4). Danach gab ich einige Anregungen für die bevorstehende Konzipierung der eigenen Storyline-Projekte und unterbreitete unterstützende Angebote im Hinblick auf Materialien und Lernorte. Anders als bisher üblich arbeiteten dieses Mal alle bis auf ein Team im Seminarraum und niemand zeigte Interesse an einer Materialre‐ cherche in der SDM [9d]. Auffallend war auch, dass die Studierenden sehr selbstständig arbeiteten und ich äußerst selten um Rat gefragt wurde [8c, 14f]. Hier zeigte sich, dass es offenbar doch sinnvoll und hilfreich war, bei der Unterrichtssimulation nicht nur Aus‐ schnitte, sondern ein komplettes Storyline-Projekt durchzuführen (UR). Während dieser offenen Seminarphase beobachtete ich, dass alle Gruppen fokussiert arbeiteten und bis auf wenige Ausnahmen in der Fremdsprache kommunizierten - sogar in den Pausen und außerhalb des Seminarraums [5d, 5 g, 13e]. Manche recherchierten in den ausgelegten Materialien oder konsultierten die Bildungspläne [7c, 14a, 14e]. Insgesamt herrschte eine ausgesprochen entspannte und konstruktive Arbeitsatmosphäre [4c], so dass ein Kursmitglied mit Staunen feststellte, „wie kreativ man sein kann und wie viel Freude das macht“ (MEBSt2) [4b, 4 f, 9c]. Eine Arbeitsgruppe hatte ihr Projektdesign bereits gegen 12 Uhr weitgehend abgeschlossen und berichtete stolz: “It was like a flow“ (MEBSt8) [4b, 4 f, 8c, 14f]. Sogar während der Mittagspause blieben mehrere Kursmitglieder im Raum, um Friesprodukte und Materialien zu betrachten [7c, 12c, 12f] oder sachbezogene Gespräche zu führen [8c, 14c]. In der Pause hatte ich Gelegenheit, mit verschiedenen Studierenden ein kurzes Gespräch zu führen. Eine Person fiel durch ihren zufriedenen Gesichtsausdruck auf [4a, 4b]. Im Kurzinterview gestand sie, dass ihr das Seminarkonzept in vielerlei Hinsicht zusagte: „End‐ lich mal was, was man gebrauchen kann. In vielen Kursen lernt oder macht man Dinge, die 575 7.5 Fallstudie 9: Witches sind so sinnlos! “ (MEBSt4) [13a, 13c, 13d]. Als ich die Unterrichtssimulation thematisierte, gab sie an, dass sie diese für ausgesprochen gut und wichtig befand [4b, 14b]. Auch dass sie auf Schülerniveau durchgeführt und nicht, wie manche vorgeschlagen hatten, ein in‐ haltlich und sprachlich anspruchsvolleres Thema für Studierende gewählt wurde, fand sie gut: „Sonst kommt wieder die Frage: ‘Und wie macht man das in der Schule? ’“ (MEBSt4) [3a, 14e]. Am Nachmittag wurden die insgesamt sieben Projektskizzen im Plenum vorgestellt [14c, 14f]. Auch in diesem Kurs gab es eine Vielfalt an Themen, Ideen und kreativen Aufgaben‐ stellungen, die mitunter spontanen Beifall auslösten oder mit anerkennenden Worten kom‐ mentiert wurden [9c, 11d]. Folgende Themenkomplexe wurden bearbeitet, spätere Ände‐ rungen sind in Klammern aufgeführt: • Australia: Klasse 4 • Australia: Klasse 8, Englisch, Biologie, Geographie und Geschichte • The Police at Work: Klasse 8, Englisch und Biologie • The Basketball Camp: Klasse 8, Englisch und Sport (später: Klasse 7-9) • Class Orchestra: Klasse 8, Englisch und Musik (später: Orchestra) • Fast Food Restaurant: Klasse 8, Englisch, Mathematik und Fächerverbund Wirtschaft - Arbeit - Gesundheit (später: Opening a New Fast-Food Restaurant) • Travel: Klasse 9, Englisch und Geographie (später: Klasse 8) (UB) Im Vergleich zu den vorherigen Fallstudien hatten die Studierenden fast ausnahmslos ei‐ gene Themen gewählt und nahezu alle einen Schwerpunkt auf bilingualen Unterricht ge‐ legt, was eine beachtliche Eigen- und Transferleistung darstellte [8a, 9c, 14f]. Auffallend war auch, dass sich die Themen - bis auf Australia - deutlich voneinander unterschieden und es keinerlei Überschneidungen mit den anderen Studien gab. Erwartungsgemäß gab es jedoch Unterschiede im Hinblick auf Quantität und Qualität der Arbeitsergebnisse: Wie oben erwähnt, hatte ein Team bereits eine ausgedruckte Projektskizze vorliegen [8a, 9c, 14f], während andere noch nach einem Schluss suchten oder sich unsicher waren, wann bzw. wie viele Figuren pro Gruppe erstellt werden sollten. Manche hatten ausgesprochen gute, schülerzentrierte Ideen oder einen einfallsreichen, kohärenten plot entwickelt [2b, 8a, 9c]. Andere dagegen, die ein Projekt für den bilingualen Unterricht konzipierten und sich an den Bildungsstandards für Englisch und für (mindestens) ein Sachfach orientieren sollten [14e, 14f], bemühten sich intensiv darum, Fremdsprache und Inhalt in Einklang miteinander zu bringen [2a, 5i]. Ein Team wollte einen Fokus auf Neue Medien legen, so dass die fiktiven Reisegruppen über Skype kommunizierten [5g, 8a, 9c]. In diesem Fall musste darauf geachtet werden, dass der Inhalt durch den technischen Aufwand nicht in den Hintergrund trat [2a, 2b]. Gelegentlich fiel auf, dass key questions nicht immer klar formuliert waren, so dass die Seminargruppe entsprechende Vorschläge unterbreitete [6c, 14c]. Überhaupt fiel auf, dass die Kursmitglieder die Präsentationen interessiert und wohlwollend verfolgten, Fragen stellten, hilfreiche Ideen für die Weiterarbeit äußerten oder ein kurzes “Excellent! “ (SDSt21) bzw. “Really good! “ (SDSt19) einwarfen [8d, 11d, 14d]. Erneut erwies sich diese Phase des gegenseitigen Austauschens [11c, 14c] als wertvoll und unverzichtbar, denn sie hatte nicht nur die Funktion der Motivation und Inspiration [11a, 11b], sondern diente gleichzeitig 576 7 Forschungsfokus Hochschuldidaktik der Überprüfung, Reflexion und Anwendung des Gelernten im Sinne der Ergebnissicherung [8d, 14d, 14g]. Im Anschluss wurde der sukzessiv erstellte Fragenkatalog besprochen, der mit inzwi‐ schen 32 Fragen und diversen Unterfragen einen vergleichsweise großen Umfang hatte [14d]. Die Studierenden hatten sichtlich Spaß daran, die aufgelisteten Fragen als „erledigt“ zu deklarieren und zeigten sich beeindruckt von den vielschichtigen Lernfortschritten, die sie durch den Kurs gewinnen konnten [4f, 8d]. Offen blieb lediglich die Frage nach dem Einsatz von Storyline in der Grundschule, wobei es hier keine Standardantwort gibt, an‐ sonsten wurden alle aufgeführten Fragen beantwortet [14c, 14g]. Zum Schluss gab ich noch eine Rückmeldung zu der SABSt (vgl. Kapitel 7.5.4). In diesem Zusammenhang griff ich auch noch einmal die Frage nach dem Umfang der Unterrichtssi‐ mulation auf, da es diesbezüglich offenbar divergierende Ansichten gab. In der Diskussion wurde zwar das Argument geäußert, dass man aus Zeitgründen gewisse Phasen hätte überspringen oder nur andeuten können, andererseits wurde mehrfach darauf hingewiesen, dass gerade die ausführliche Simulation zahlreiche inspirierende Ideen für eine aufgaben‐ basierte und kontextualisierte Sprachproduktion (z. B. will-future) vermittelt und die pro‐ zessorientierte Selbsterfahrung die konkrete Vorgehensweise (z. B. Erstellung von word‐ banks) transparent gemacht hatte [14b, 14c, 14g]. Ein Kursmitglied warf ein, dass die einschlägigen Erfahrungen auch als Merkhilfe dienen, wenn es um die Projektplanung [14f] oder spätere Umsetzung im Klassenzimmer geht [13d, 14h], und man konkrete Bilder wachrufen kann [10d]. Auch die Vorstellung, Phasen zu überspringen und zwischendurch auf die Metaebene zu wechseln, wurde letztendlich für störend und wenig sinnvoll be‐ funden, so dass sich am Ende alle Studierenden mit dem Seminarkonzept zufrieden zeigten [4a, 13a]. Kurz vor Seminarende bat ich die Kursmitglieder, sich noch einmal im Raum umzu‐ schauen. Dabei wurde vielen erst richtig bewusst, wie schnell sich mit Storyline “bare walls“ (SDSt21) in eine motivierende Lernumgebung verwandeln lassen, die wiederum das Enga‐ gement der Lernenden im Sinne einer Leistungsschau spiegelt [12f, 14d, 14g]. Nach der offiziellen Verabschiedung kam ich mit verschiedenen Studierenden noch ins Gespräch. Zwei Kursmitglieder betonten im Kurzinterview noch einmal ausdrücklich, wie gewinnbringend und motivierend das Seminar für sie gewesen sei [4a, 13c]. Hervorge‐ hoben wurde der gelungene Bezug zwischen Theorie und Praxis sowie die Vernetzung von Vorwissen und neuen Lernaspekten im Sinne des zirkulären Lernens: „Es wurde viel an‐ gesprochen und verlinkt“ (MEBSt1) [8a, 14e]. Vieles sei in der Ausbildung zu theoretisch und hätte meist wenig Bezug zur späteren Berufspraxis, wohingegen dieser Kurs nicht nur gut strukturiert und organisiert gewesen sei [13a, 13b], sondern auch konkrete Hilfen für die Umsetzung der Theorie im Klassenzimmer vermittelt habe [14b, 14e]: „Endlich mal was, das man in der Schule verwenden kann! “ (MEBSt2) [13d]. Beide kündigten an, dass sie ihr Storyline-Projekt im unmittelbar anstehenden Blockpraktikum ausprobieren wollten [4f, 13c, 14h]. 577 7.5 Fallstudie 9: Witches 7.5.4 Die schriftliche Befragung der Studierenden Die anonyme SABSt wurde aus den oben erwähnten Gründen bereits zu Beginn des letzten Kurstags durchgeführt. Um die Angaben der 22 Kursmitglieder noch besser einschätzen, also auch im Zusammenhang mit anderen PH-Seminaren betrachten zu können, wurde der Evaluationsbogen dieses Mal um Nummer 6 ergänzt (vgl. Anhang B, Evaluationsbogen 2). Bei Frage 1 sollten die Studierenden Auskunft darüber geben, was sie an dem Hauptse‐ minar für gut befanden. Trotz der Vielzahl und Vielfalt an positiven Eindrücken sticht sofort ins Auge, dass auch in dieser Fallstudie 5 Kriterien bevorzugt genannt wurden: die „Un‐ terrichtssimulation“, gefolgt von „Theorie-Praxis-Bezug“, „Lernatmosphäre“, „Kurs‐ struktur“ und „Berücksichtigung von Fragen der Studierenden“. Auffallend ist, dass 3 Kri‐ terien, nämlich „Unterrichtssimulation“, „Kursstruktur“ und „Lernatmosphäre“ bereits in Studie 8 eine prominente Stelle eingenommen hatten. Durch die Bestätigung der früheren Ergebnisse wird also die Validität und Reliabilität der Daten erhöht. Eintrag im Fragebogen Anzahl der Nen‐ nungen Kategorien 1) Unterrichtssimulation; eine Storyline selbst ausprobieren; learning by doing; praktische Erfahrung; Handlungsorientierung; Handlungs‐ wissen erwerben 14 14b 2) (sehr) gute Balance bzw. Kombination von Theorie und Praxis 9 13a, 14e 3) sehr gute Atmosphäre; angenehme bzw. entspannte Atmosphäre, um sich mitzuteilen; gutes Arbeitsklima 6 4b, 4c 4) gute Kursstruktur; sinnvoller und logischer Aufbau 5 13a 5) viel Raum für Fragen; Fragen der Studierenden werden berück‐ sichtigt; für alle Fragen werden Antworten gesucht 5 8a, 9c, 13a, 14d 6) das neue Konzept; Thema bzw. Ansatz ist sehr interessant; wirklich sinnvolles bzw. gutes Konzept 4 4a, 14g 7) (sehr) viel gelernt 3 4a, 4 f, 14g 8) ein Storyline-Projekt aus Sicht der Lernenden (emotional) erleben 3 2d, 4b, 14b 9) Vorfreude bzw. Motivation, Storyline im Klassenzimmer auszupro‐ bieren 3 4a, 4 f, 14h 10) viel Gruppenarbeit (z. B. auch beim Austausch über Theorie); ver‐ schiedene Lernformen, z. B. Gruppenarbeit 3 6a, 14c 11) Kurs macht Spaß; Kurs ist sehr interessant 2 4a, 4b, 13a 12) Kurs vermittelt (viele) neue Unterrichtsideen bzw. zeigt, wie man Storyline im Klassenzimmer umsetzt 2 14b, 14g 13) “great reader“; Reader vermittelte viel und sehr gutes Hinter‐ grundwissen; sehr gut zu lesen 2 7a, 14a 14) gutes Material (z. B. Reader, Fries, Fotos, Video usw.) 2 7a, 14e 578 7 Forschungsfokus Hochschuldidaktik 15) Einsatz verschiedener Methoden (z. B. Kugellager, Brainstorming, Poster, Film usw.) 2 9a, 13a, 13b 16) viel bzw. (fast) nur Englisch gesprochen 2 5d, 13e 17) sehr guter Kurs 1 4a, 13a, 13c 18) “lecturer who is really into this approach“; Lehrkraft kann leicht Interesse wecken und Studierende involvieren 1 4b, 8b, 13b 19) intensiver Kurs; Zeit für intensive Auseinandersetzung mit Kon‐ zept 1 13a, 14g 20) gute zeitliche Organisation 1 13a, 13b 21) Kursplan als Orientierungshilfe 1 7a, 13b 22) theoretisches Wissen 1 14a 23) Reader stand schon im Vorfeld zur Verfügung 1 13a, 14a 24) Readerlektüre machte sehr neugierig auf Kurs; Vorfreude auf Kurs 1 4b, 7a, 14a 25) Readerlektüre machte sehr neugierig auf Umsetzung im Klassen‐ zimmer 1 7a, 14a, 14d 26) nette Seminargruppe 1 4c, 6b 27) aktive Mitarbeit der Studierenden 1 8b, 11a, 14c 28) die Diskussionen 1 8a, 14c 29) Poster erstellen und präsentieren 1 10a, 11a, 14c 30) Storyline Witches machte Spaß; “I really enjoyed it“ 1 3a, 4a, 4b, 14b 31) Basteln und kreatives Arbeiten; nicht nur Kopfarbeit 1 9c, 10a, 10d, 13a 32) sehr offen und “student-oriented“ 1 8a, 8b, 13a 33) “I felt free to create what ever I wanted“ 1 8a, 8c, 9c 34) Kurs weckte Interesse, sich noch näher mit Storyline zu beschäf‐ tigen 1 4a, 14h Gesamtzahl der Nennungen 85 Tab. 75: Frage 1: “What I like about this course ...“ Nachfolgend werden einige hervorstechende Ergebnisse näher beleuchtet. Interessanter‐ weise wurde die Unterrichtssimulation von 17 Befragten (77 %) als positive Erfahrung be‐ zeichnet, und zwar im Hinblick auf sachbezogene sowie emotionale Aspekte des Lernens (Ziffer 1 und 8). Dennoch wird auch in dieser Fallstudie deutlich, dass aus Sicht der Stu‐ dierenden eine professionelle und nachhaltige Lehrerausbildung auf zwei Säulen aufbauen muss: einem fundierten Theoriewissen und einem reflektierten erfahrungsbasierten Hand‐ lungswissen. Erst wenn beide Wissensbereiche ausgewogen berücksichtigt und mitein‐ 579 7.5 Fallstudie 9: Witches ander vernetzt werden, fühlen sich Studierende kompetent und für die Zukunft in der Schule gerüstet (Ziffer 2 und 4). Auffallend ist, mit welcher Häufigkeit Bezug auf den Reader genommen wurde, nämlich insgesamt 7 Mal (Ziffer 13-14, 23-25). Laut Aussage der Studierenden vermittelten die im Vorfeld ausgeteilten Texte nicht nur ein gutes Hintergrundwissen, sondern weckten zu‐ gleich auch die Neugier auf den Kurs bzw. die praktische Umsetzung des Konzepts. Dennoch wurde bei der Readerlektüre deutlich, dass die reine Wissensvermittlung unzureichend ist, um komplexe Handlungskompetenzen zu entwickeln. Entscheidend für eine gelungene Transferleistung ist vielmehr die individuelle und reflektierte Wissenskonstruktion. In diesem Zusammenhang sind auch die Angaben bei Ziffer 5 zu betrachten: Allein 5 Studierende hoben explizit hervor, dass sie sich in ihren Bedürfnissen ernstgenommen fühlten, weil es immer Raum bzw. Gelegenheit gab, auf individuelle Fragen einzugehen. Ergänzend wurde von 2 Studierenden die aktive Mitarbeit bzw. die Diskussionen für motivierend befunden (Ziffer 27-28). Die insgesamt 7 Nennungen entsprechen 32 % der Seminargruppe und geben einen eindeutigen Hinweis darauf, wie wichtig es den Studierenden war, sich mit einem Lern‐ thema intensiv auseinandersetzen und untereinander austauschen zu können. Erwähnenswert ist auch die geäußerte Vorfreude bzw. Absichtserklärung der 3 Kursmit‐ glieder bei Ziffer 9, dass sie das Gelernte in der Schule ausprobieren möchten, sowie die Er‐ kenntnis von 4 Studierenden bei Ziffer 6, dass der Storyline Approach “really meaningful“ (St5) und somit motivierend sei: “It is a good way to make a topic interesting for the pupils“ (St1). Der Satzanfang bei Frage 2 sollte die Studierenden dazu animieren, Kritik und Verbes‐ serungsvorschläge einzubringen. Dieses Mal zeigte sich nur 1 Kursmitglied rundum zu‐ frieden, alle anderen nannten mehr oder weniger gravierende Kritikpunkte, die mitunter jedoch im Widerspruch zu anderen Äußerungen standen. Eintrag im Fragebogen Anzahl der Nen‐ nungen Kategorien 1) Teil 2 der Simulation (etwas) kürzen 6 13a, 14b 2) aus Zeitgründen ev. nur Teile einer Storyline simulieren; andere Phasen ev. nur besprechen und Ideen für die Umsetzung sammeln 4 13a, 14b 3) ev. könnten Studierende bei Simulation Rolle der Lehrkraft über‐ nehmen; Einblick in Vorbereitungen usw. 3 2d, 13a, 14b 4) manchmal etwas weniger Input oder kürzere Seminartage wegen Konzentration 3 13a, 13b 5) in Theoriephase wurden 2 Mal Poster erstellt bzw. präsentiert; Me‐ thodenwechsel 2 9a, 13b 6) fächerübergreifendes Thema für Simulation wählen 1 3a, 14b 7) für Studierende anspruchsvolleres Thema für Simulation wählen 1 3a, 14b 8) Reader im Umfang reduzieren 1 7a, 13 f, 14a 580 7 Forschungsfokus Hochschuldidaktik 9) Readerlektüre war zwar wichtig, aber zu zeitaufwendig; man sollte nicht ganzen Reader lesen müssen 1 7a, 13 f, 14a 10) Seminarbeginn erst um 10.00 Uhr 1 13b 11) weniger Gruppenarbeit in Theoriephase, da Readerlektüre; ev. vorweg Leseaufträge erteilen und Ergebnisse diskutieren 1 6a, 9a, 13a, 14a, 14c 12) mehr Theorieinput durch Lehrkraft (statt Gruppenarbeit) 1 13a, 14a 13) Gruppenkonstellationen manchmal wechseln, um alle kennenzu‐ lernen 1 6b, 14c 14) mehr praktische Beispiele durch Videos; Video sollte ganzen Pro‐ zess zeigen, nicht nur Ausschnitte 1 7a, 14e 15) mehr Zeit und theoretischer Input bzgl. “assessment“ 1 13a, 14e 16) mehr Ideen für bilingualen Unterricht (z. B. Biologie) 1 14e 17) würde gerne eine Storyline für Klasse 8-10 sehen 1 14e 18) Kurs war in manchen Phasen zu strukturiert 1 13a 19) Evaluationsblatt für Schule (“3 extra points“) gefiel nicht 1 7a Gesamtzahl der Nennungen 32 Tab. 76: Frage 2: “What I would change ...“ Hauptkritikpunkt war nach Ansicht von insgesamt 10 Studierenden (45 %) die Länge der Simulation (Ziffer 1-2). Diese wurde zwar grundsätzlich für gut und wichtig befunden, allerdings hätte der 2. Teil auch (etwas) gekürzt werden können. Im späteren Gespräch zeigte sich jedoch, dass diesbezüglich divergierende Meinungen vorherrschten: Manche lehnten eine Kürzung vehement ab, weil nur eine komplett durchgeführte Storyline die komplexen Abläufe und Aufgabenstellungen transparent macht, und andere hätten sich durch den ständigen Perspektivenwechsel irritiert gefühlt. Letztendlich wurde die Kritik relativiert oder sogar zurückgezogen (vgl. Kapitel 7.5.3). Anzumerken ist, dass die Studie‐ renden aus Fallstudie 8 gerne noch länger an der Storyline Witches gearbeitet hätten und es sogar bedauerten, als diese abgeschlossen wurde (vgl. Kapitel 7.4.3). Interessanterweise wurde 3 Mal der Vorschlag unterbreitet, dass bei der Simulation phasen‐ weise einige Studierende die Rolle der Lehrkraft übernehmen könnten, um das eigene Erfah‐ rungsspektrum im Hinblick auf Vorbereitungen, Moderation oder key questions zu erweitern (Ziffer 3). Diese Idee ist im Kern sicher gut, auf organisatorischer Ebene jedoch schwer zu rea‐ lisieren, denn letztendlich müssten die Betreffenden im Vorfeld auf diese Aufgabe intensiv vor‐ bereitet werden. Vorstellbar wäre dieses Verfahren jedoch in einem Aufbaukurs. Auch der bei Ziffer 6 und 7 geäußerte Vorschlag, für die Simulation eventuell ein anderes bzw. ein niveauvolleres Thema zu wählen, wurde im Kurs unterschiedlich aufgenommen. Bekanntlich ist es schwierig, die individuellen Präferenzen aller Kursmitglieder zu treffen, andererseits muss jedoch gerade bei Lehrkräften, die noch keine Erfahrung mit Storyline haben, darauf geachtet werden, dass bei der Simulation die spezifischen Prinzipien, Merk‐ male und Abläufe transparent werden. Aus diesem Grund empfiehlt es sich, ein konkretes 581 7.5 Fallstudie 9: Witches Thema aus dem Schulalltag zu wählen und nicht etwa ein inhaltlich und sprachlich an‐ spruchsvolleres für Studierende. Dies wurde von einem Kursmitglied bereits an anderer Stelle explizit betont (MEBSt4). Davon abgesehen schrieb jetzt eine Person: “You have con‐ vinced me that ‘Witches’ is in fact a good and relevant topic for school children“ (St7). 2 Studierende thematisierten die Leseaufträge bzw. den Umfang des Readers (Ziffer 8-9). Hier ist anzumerken, dass die Studierenden eben nicht den gesamten Reader lesen mussten, sondern neben einem verbindlichen Teil auch Texte auswählen konnten. Die zahlreichen Einzelmeinungen, die hier nicht im Detail berücksichtigt werden können, bestätigen den großen Wissensdurst der Seminargruppe. Um auf alle geäußerten Vorschläge eingehen zu können, bliebe nur die Alternative, den Kurs auf 3 SWS auszu‐ dehnen. Auch in dieser Studie wurde untersucht, wie die Kursmitglieder ihren persönlichen Lernerfolg einschätzten (Frage 3). Die Anzahl und Vielfalt an Nennungen belegt, dass die Studierenden eine große Bandbreite an Lernfortschritten verbuchen konnten. Auffallend ist, dass in einigen Fällen sehr präzise und differenzierte Angaben gemacht wurden, wie etwa die Einsicht, welche Funktion die Figuren haben (Ziffer 32) oder was der Unterschied zwischen “meaningful“ und “purposeful“ ist (Ziffer 34), während sich andere Äußerungen auf pädagogische oder fachdidaktische Aspekte von allgemeinerer Natur bezogen. Die Antworten spiegeln jedoch nicht nur Lernerfolge auf kognitiver Ebene, zum Beispiel einen Zuwachs an deklarativem oder prozeduralem Wissen, sondern attestieren auch erweiterte Erfahrungen und Erkenntnisse im emotionalen und affektiven Bereich. Eintrag im Fragebogen Anzahl der Nen‐ nungen Kategorien 1) was Storyline ist; Merkmale, Kriterien bzw. Hintergründe des Sto‐ ryline Approach 12 4f, 14 g 2) wie man Storyline-Projekte in der Schule bzw. im Englischunter‐ richt durchführt; “the do-how“ 9 14b, 14 g 3) möchte Storyline (unbedingt) in Schule ausprobieren 4 14h 4) dass Storyline ein gutes Konzept bzw. gute Alternative ist; großar‐ tiges Konzept, um Klassenzimmer zu öffnen 3 1a, 4a, 9d, 14 g 5) dass die Selbsterfahrung wirklich wichtig war 2 14b, 14 g 6) dass Storyline Lernende motiviert, indem sie eigene Interessen ein‐ bringen können 2 4b, 8a, 14 g 7) wie Grammatik in Unterricht einfließen bzw. integriert werden kann, “without telling the students“ 2 2a, 5 f, 14g 8) dass fast jedes Thema für Storyline geeignet ist; welche Themen integriert werden können 2 3a, 14 g 9) dass Storylines mehr oder weniger stark strukturiert bzw. offen sein können 2 14g 582 7 Forschungsfokus Hochschuldidaktik 10) welche Ergebnisse und Auswirkungen es bei Storyline-Projekten geben kann 2 9c, 14 g 11) wie man Lernergebnisse bewerten kann 2 14b, 14e, 14 g 12) “how Storyline works theoretically“ 2 14g 13) dass Storyline viele Bildungsstandards bzw. viele Kompetenzen aus Bildungsplan abdeckt 2 14e, 14 g 14) überrascht, dass diese Methode so viele “skills“ fördert; wel‐ che “skills“ integriert werden können 2 10d, 14 g 15) dass Schülerinnen und Schüler mit Storyline nicht nur Spaß haben, sondern auch viel lernen 1 4b, 14 g 16) was Schülerinnen und Schüler durch Storylines lernen können 1 14g 17) dass Storyline “a wonderful tool“ ist, um Englisch in entspannter Atmosphäre und mit viel Spaß zu lernen 1 4b, 4c, 14 g 18) dass wenn Kinder motiviert sind und Spaß im EU haben, sie die englische Sprache mögen und offen für “ICC“ sind; dadurch wird ein Hauptziel erreicht 1 3c, 4b, 14 g 19) “that one can be very proud of their work“ 1 4f, 14 g 20) dass alle involviert sind (“strong and weak students“) 1 8a, 8b, 9c, 14g 21) dass Methodenvielfalt wichtig ist, um verschiedene Lernertypen anzusprechen 1 9a, 10d, 14g 22) dass man Lernende für ein Storyline-Projekt auch vorbereiten muss (Sozialformen, Selbstevaluation, Lern- und Arbeitstechniken) 1 14g 23) dass man Storyline letztendlich einfach in der Schule ausprobieren muss 1 14h 24) durch Simulation sensibilisiert, was alles zu beachten ist 1 14b, 14 g 25) durch Simulation gelernt, wie sich die Geschichte schrittweise entwickeln kann “by learners involvement“ 1 2e, 14b, 14g 26) dass es interessant und spannend ist, Geschichten einzubeziehen 1 2e, 14g 27) viel über Projektarbeit und Storyline Approach gelernt 1 4f, 14g 28) “what is a project for me“ 1 14d, 14 g 29) “change of expectation → What is a Storyline! “ 1 14d, 14 g 30) wie Storylines strukturiert werden können 1 14g 31) verschiedene Ideen, Ergebnisse zu präsentieren 1 5d, 14g 32) welche Funktion die Figuren bei Storyline haben 1 2d, 14 g 33) was ein Wandfries ist 1 14g 34) Unterschied zwischen “meaningful“ und “purposeful“ 1 14a, 14 g 35) “how much effort is needed“ 1 14g 583 7.5 Fallstudie 9: Witches 36) dass es sehr anstrengend ist, immer aktiv zu sein 1 8b, 8c, 14g 37) Chancen und Probleme 1 14g 38) dass Storyline eher in Sekundarstufe eingesetzt wird 1 14g 39) mag keine Kompaktseminare 1 13a, 13b Gesamtzahl der Nennungen 73 Tab. 77: Frage 3: “What I have learned so far ...“ Obwohl die Kursmitglieder zum Zeitpunkt der Befragung noch keine konkreten Angaben zur Konzeption von eigenen Storyline-Projekten machen konnten, wird deutlich, dass das Ziel des Seminars, nämlich die Studierenden zu befähigen und vor allem zu motivieren, Storyline in der Schule umzusetzen, in vielerlei Hinsicht erreicht war: 9 Studierende bestä‐ tigten den Erwerb von Handlungskompetenzen, um Storyline-Projekte in der Schule durch‐ zuführen (Ziffer 2), und 4 äußerten ihren Entschluss, das Konzept auf jeden Fall auszupro‐ bieren (Ziffer 3). Außerdem hoben 2 Kursmitglieder bei Ziffer 5 noch einmal ausdrücklich hervor, wie entscheidend die Selbsterfahrung für den Lernerfolg war: “I would say that it is now possible to do ‘Storyline’ in a classroom“ (St13). Davon abgesehen bestätigten ins‐ gesamt 13 Studierende bei Ziffer 1 und 27 ein umfassendes und differenziertes Wissen im Hinblick auf den Storyline Approach. Interessanterweise standen die Aspekte „Wissen“ (know how) und „Können“ (do how) auch bei Studie 8 auf Spitzenplätzen, allerdings in um‐ gekehrter Reihenfolge. Deutlich wurde auch, dass nicht allein der Erwerb von spezifischem Theorie- und Hand‐ lungswissen im Hinblick auf den Storyline Approach zur positiven Überzeugung beitrug, sondern auch die Diskussion und Reflexion allgegenwärtiger Themen und komplexer Fragestellungen aus dem Unterrichtsalltag: z. B. wie Grammatik implizit, kontextualisiert und “more subtle than I was used to“ (St14) vermittelt werden kann (Ziffer 7); das große Lernpotenzial bzw. die Erfüllung des Bildungsplans durch Storyline (Ziffer 13-16); Leis‐ tungsmessung und Bewertung (Ziffer 11). Offenbar spielen gerade diese 3 Themenbereiche eine entscheidende Rolle, wenn es um die Akzeptanz von neuen Konzepten und Entwick‐ lungen geht. Davon abgesehen bestätigten mindestens 7 Studierende noch einmal ausdrücklich den hohen Motivationscharakter der Storyline-Arbeit und bezogen sich auf unterschiedliche Aspekte: das gemeinsame storymaking bzw. die damit verbundene Neugier, “how it con‐ tinues“ (St15) (Ziffer 25-26); dass Storyline “a wonderful tool“ ist (St9), um das Interesse der Lernenden zu wecken bzw. in den Unterricht einfließen zu lassen (Ziffer 6); dass mit Story‐ line Englischlernen (viel) Spaß macht und zugleich effektiv ist (Ziffer 15, 17-18). Folgende Aussage spricht für sich selbst: “If children are motivated and have fun in the EFL-classroom, they will like English as a language and are therefore OPEN for ICC. Then you have already achieved a major goal, even if the topic may have not been very appealing to EVERY stu‐ dent“ (St7). Bei Frage 4 sollten die Studierenden Auskunft über das Ausmaß ihrer persönlichen Kursvorbereitung geben. Die Daten belegen, dass 14 der 22 Befragten vor Seminarbeginn 584 7 Forschungsfokus Hochschuldidaktik mindestens 75 % des Skripts oder sogar mehr gelesen hatten. Folglich hatten sich immerhin 64 % der Studierenden sehr intensiv auf den Kurs vorbereitet, obwohl im Vorfeld nicht nur verpflichtende, sondern auch optionale Leseaufträge erteilt wurden. Eintrag im Fragebogen Anzahl der Nen‐ nungen Kategorien 1) 75% 7 13c, 13 f, 14a 2) 100% 6 13c, 13 f, 14a 3) 50% 6 13c, 13 f, 14a 4) weniger als 50 % des Skripts gelesen 2 13c, 13 f, 14a 5) 90% 1 13c, 13 f, 14a Gesamtzahl der Nennungen 22 Tab. 78: Frage 4: “My preparation / reading assignments (please tick): I read 100 %, 75 %, 50 %, less than 50 % of the script I received.“ Anhand von Schulnoten sollten die Studierenden bei Frage 5 schließlich ein Gesamturteil über das Storyline-Hauptseminar abgeben. Bei der Auswertung wurde ergänzend unter‐ sucht, ob ein Zusammenhang zwischen Kursvorbereitung und Kursbewertung erkennbar ist. Eintrag im Fragebogen Anzahl der Nen‐ nungen Kategorien 1) 1,5 13 4a 2) 2,0 5 4a 3) 1,0 2 4a 4) 2,5 1 4a 5) 3,0 1 4a Gesamtzahl der Nennungen 22 Tab. 79: Frage 5: “Please grade the course: 1 = sehr gut, 6 = ungenügend (→ 1,0 … 1,5 … 2,0 … 2,5 … etc.)“ Obwohl die Simulation auf demselben Storyline-Projekt basierte, wurde der jetzige Kurs im Vergleich zu Fallstudie 8 etwas schlechter bewertet. Auffallend ist das etwas breitere Spek‐ trum an zugeteilten Noten, wobei der Schwerpunkt mit 13 Nennungen - wie bei Studie 8 585 7.5 Fallstudie 9: Witches - bei der Note 1,5 lag. Ein direkter Zusammenhang zwischen Arbeitsaufwand (Frage 4) und Kursbewertung (Frage 5) konnte nicht bestätigt werden. Um die Ergebnisse besser einschätzen zu können, sollten die Studierenden dieses Mal das Storyline-Hauptseminar auch mit anderen Kursen aus dem laufenden Semester ver‐ gleichen (Frage 6). In dieser Gegenüberstellung wurde der Storyline-Kurs durchweg positiv bewertet. 1 Kursmitglied enthielt sich der Stimme. Auffallend ist, dass die Studierenden meist nicht nur eine bloße Beurteilung abgaben, sondern diese auch häufig noch begrün‐ deten. Eintrag im Fragebogen Anzahl der Nen‐ nungen Kategorien Bewertungen: 1) sehr (gut) strukturiert; extrem gut strukturiert und organisiert! ! ! 3 4a, 13a, 13b 2) sehr gut; wirklich gut 3 4a 3) sehr hilfreich; wirklich hilfreich 2 4a, 13c 4) “useful“ bzw. wichtig für uns als zukünftige Lehrkräfte 2 4a, 13d 5) sehr bzw. eher praxisorientiert 2 13a, 14b, 14e 6) “the best I could have taken“ 1 4a, 13c 7) viel besser als die anderen Kurse 1 4a 8) sehr interessant 1 4a 9) “one of the better ones“; froh über Teilnahme 1 4a, 13c 10) “more relevant“ als andere Kurse 1 4a, 13c 11) “full of fresh ideas“ 1 4a, 14g 12) “very different and I like that“ 1 4a, 13a 13) einer der aktivsten Kurse “which is perfect“ 1 4a, 8b, 8c, 14c 14) “very well prepared, thank you! “ 1 4a, 13b 15) “worth taking“ 1 4a, 13c 16) “harder“ 1 8b, 13f Gesamtzahl der expliziten Bewertungen 23 Begründungen: 1) habe etwas gelernt, das ich im Klassenzimmer tatsächlich an‐ wenden bzw. umsetzen kann; kann bzw. will Gelerntes in Praktika oder später verwenden 4 13d, 14e, 14h 586 7 Forschungsfokus Hochschuldidaktik 2) Kombination von Theorie und Praxis; sehr gute Balance von Theorie und Praxis 3 13a, 14e 3) Thema ist relevant für meine berufliche Zukunft; habe viel Wich‐ tiges für meine berufliche Zukunft gelernt 2 4f, 13d, 14 g, 14h 4) Kurs hilft wirklich, in der Schule etwas zu verändern 1 13d, 14g 5) hat Spaß gemacht und habe viel gelernt 1 4b, 4 f, 14g 6) “definitely increased my horizon about how to teach“ 1 4f, 14g 7) neue und ideale Methode kennengelernt, um entspannte Atmo‐ sphäre zu schaffen und Englisch attraktiver zu machen 1 4b, 4c, 14g 8) neues und “very effective“ Konzept für FSU kennengelernt 1 4a, 14g 9) half mir sehr, das Konzept sowie konstruktivistische Aspekte besser zu verstehen 1 13a, 14a, 14g 10) Kurs hat starke Lernerorientierung; Eingehen auf konkrete Be‐ dürfnisse der Studierenden 1 8a, 8b, 13a 11) (durch hohe Eigenaktivität) sehr viel höherer Lernerfolg als in anderen Kursen 1 4f, 8c, 13a 12) sinnvoller Einsatz verschiedener Methoden; “not just use of a method to have used a method“ 1 9a, 13a, 13b 13) angemessener Raum und angemessene Seminargröße 1 4c, 13b 14) man kann herausfinden, ob man Storyline mag 1 8d, 14d, 14g 15) (“harder“), kann mich nicht ganze Zeit konzentrieren 1 8b, 13a, 13b Gesamtzahl der Begründungen 20 Tab. 80: Frage 6: “In comparison with other courses I have taken this term I would say that this course is ...“ Aus den Nennungen der Studierenden wird deutlich, dass sich das Hauptseminar durch eine kohärente, kohäsive und somit lernförderliche Struktur auszeichnete und dass durch die Praxisorientierung bzw. durch die enge Verknüpfung von Theorie und Praxis ein kon‐ kreter Anwendungsbezug geschaffen und somit auch die Sinnhaftigkeit des Gelernten transparent wurde. Mindestens 8 Mal wurde im Rahmen der Begründungen die Relevanz des Kurses für den zukünftigen Beruf hervorgehoben (Ziffer 1, 3-4, 10). Kritisiert wurde die vorherrschende Theorielastigkeit in der Lehrerausbildung, insbesondere wenn es um die Umsetzung neuer fachdidaktischer Konzepte geht: “We are supposed to teach like that but never really experience it ...“ (St10). Bei Frage 7 hatten die Studierenden die Gelegenheit, persönliche Kommentare oder Anregungen einzubringen, die bisher noch nicht thematisiert wurden. 587 7.5 Fallstudie 9: Witches Eintrag im Fragebogen Anzahl der Nen‐ nungen Kategorien 1) Storyline (eventuell) kürzen; stattdessen vielleicht noch ein anderes bzw. anspruchsvolleres Beispiel vorstellen 3 3a, 13a, 14b 2) “thank you! “ 2 4a, 13b 3) Pausen (etwas) kürzen 2 13b 4) “I liked that it was a Kompaktseminar! Please keep it that way! “; mehr Kompaktkurse, da man sich besser auf Thema einlassen kann 2 13a, 13b 5) (erster) Kurs, in dem alle Studierenden nur Englisch sprachen (“even during group work“); “might be because of the teacher’s Eng‐ lish! “ 2 5d, 13e 6) “good language competence“ 1 5i, 13b 7) “I was really enjoying the course“ 1 4a, 4b, 13a 8) “I’ve learned for my future teaching! ! “ 1 4f, 13d, 14g 9) “I wonder why teachers in school don’t use this method ...“ 1 14d 10) kann mir vorstellen, ab und zu Storyline-Projekte im Unterricht durchzuführen 1 14h 11) manche Readerartikel sind ähnlich; ev. durch Texte von Gardner oder Altan ersetzen 1 7a, 14a 12) mehr Zeit für Konzeption eigener Storyline-Projekte 1 13a, 14f 13) habe Interesse an anderen Storylines; ev. kurzes Video 1 14h 14) “I am looking forward to visit another seminar from you! ☺ 1 4a, 13b Gesamtzahl der Nennungen 20 Tab. 81: Frage 7: “Further comments ... ideas ... wishes ...: “ 6 Studierende gaben keine Antwort. Manche griffen Aspekte auf, die bereits in der Runde kontrovers diskutiert worden waren: Inhalt bzw. Länge der Unterrichtssimulation oder Dauer der Pausen. Viele Studierende bekräftigten jedoch noch einmal ihre Überzeugung im Hinblick auf das Kurskonzept und/ oder den Storyline Approach. Offen blieb dagegen die berechtigte Frage: “I wonder why teachers in school don’t use this method ...“ (St8). 7.5.5 Das Seminarergebnis: Projektdesign und Reflexion Wie in den bisherigen Kursen hatten die Studierenden bis Mitte Mai Zeit, ihre Projekte im Team auszuarbeiten sowie eine individuelle Reflexion über Lernerfolg und Seminarkonzept anzufertigen. Anzumerken ist, dass nur 2 Kursmitglieder einen Leistungsnachweis und 16 ein unbenotetes Testat anstrebten. 4 Studierende hatten an dem Kurs aus purem Interesse bzw. zur Vorbereitung des Staatsexamens teilgenommen und reichten folglich keine SA ein. 588 7 Forschungsfokus Hochschuldidaktik 13 Vier Studierende (St19-St22) reichten keine SA und somit keine Reflexionen ein. Die vorgelegten Storyline-Projekte waren bis auf wenige Ausnahmen von guter bis sehr guter Qualität und wurden teilweise mit sehr viel Aufwand, Ideenreichtum und Sachver‐ stand erstellt [14f]. Selbst Studierende, die „nur“ ein Testat benötigten, lieferten mitunter hervorragende Arbeiten ab [13c, 13f]. Dies hatte sicher auch mit der Tatsache zu tun, dass die Projekte auf die hochschulinterne Lernplattform hochgeladen wurden, um sie allen Kursmitgliedern zur Verfügung zu stellen [8c, 11b]. Gelegentlich wurden Projekttitel oder Klassenstufen revidiert, wie dies oben bereits in Klammern angegeben wurde (vgl. Kapitel 7.5.3). Von besonderer Relevanz war für mich auch in dieser Studie die Frage, ob spezifische Probleme bei der Projektkonzeption auftraten und wie die Studierenden das Seminarkon‐ zept bzw. ihren persönlichen Lerngewinn einschätzten. Zunächst kann festgehalten werden, dass allen der Transfer, ein eigenes Storyline-Projekt zu konzipieren, gelungen war [14f, 14g]. Alle Teams brachten äußerst kreative Ideen ein [9c], die sie entweder selbst entwickelt oder aus den verfügbaren Materialien adaptiert hatten [7c, 14d]. Schwierig war für manche jedoch, neben Englisch auch noch ein oder gar mehrere Sachfächer zu integ‐ rieren und dabei nicht den „roten Faden“ aus den Augen zu verlieren [2b]. Gelegentlich wurde nicht bedacht, dass Lernende wie Lehrende durch zu viele Parallelaktivitäten und zu komplexe Aufgabenstellungen überfordert sein könnten [9b] oder dass die Übernahme von mehreren Rollen innerhalb einer Storyline zu Irritationen führen könnte [2d]. Auffal‐ lend war auch, dass manche key questions nicht immer als offene Leitfragen im Sinne von Impulsgebern formuliert wurden [9b]. Einige hatten mangels Erfahrung kein Zeitgefühl für die geplanten Abläufe [1d], andere konnten nur schwer das sprachliche Niveau einer spezifischen Klassenstufe einschätzen [5i] und wieder andere taten sich schwer damit, Aufgaben schülergerecht zu formulieren [9b, 14e]. Auch in diesem Fall wurde deutlich, dass es für Studierende sinnvoll und motivierend wäre, wenn sie ihre Projekte nicht nur auf dem Reißbrett entwerfen, sondern im Anschluss in der Schule ausprobieren könnten, denn erst in der Praxis zeigt sich, ob sie gut strukturiert, motivierend und lernförderlich sind. Die direkte Rückmeldung aus dem Klassenzimmer wiederum würde so manches Kopfzerbrechen während des Planungsprozesses vermeiden helfen (UR). Wie in den vorherigen Kursen unterschieden sich die schriftlichen Reflexionen bisweilen stark, was Umfang, Inhalt und Reflexionstiefe anbelangt. Dennoch lieferten sie wieder in‐ teressante Erkenntnisse und dienten mir - als Kursleiterin und Forscherin - als wichtige Rückmeldung im Hinblick auf Motivation und Lernerfolg der einzelnen Kursmitglieder. Die Auswertung und Darstellung der Ergebnisse erfolgt nach dem bisherigen Prinzip: Zunächst werden die Resultate, die sich direkt auf die Seminarqualität beziehen, präsentiert und danach die Erkenntnisse im Hinblick auf den geäußerten Lernzuwachs. Der Vollstän‐ digkeit halber werden alle Äußerungen in tabellarischer Form aufgeführt und dabei - je nach Kernaussage - einer der beiden Forschungsfragen zugeordnet. Die nachfolgende Ta‐ belle belegt, was die Studierenden (n = 18) 13 an dem Hauptseminar für positiv bzw. negativ befanden: 589 7.5 Fallstudie 9: Witches Positive Punkte Anzahl der Nen‐ nungen Kategorien 1) Simulation hat Verständnis bzw. Lernerfolg intensiviert 10 14b, 14 g 2) Simulation hat (sehr) viel Spaß gemacht 9 4a, 4b, 14b 3) Kurs hat Vorfreude bzw. Überzeugung ausgelöst, Storyline später in Schule einzusetzen 6 4a, 4 f, 14 g, 14h 4) Praxiserfahrung (learning by doing) bzw. Hineinversetzen in Rolle der Lernenden und Einblick in Rolle der Lehrkraft hat Verständnis intensiviert 6 2d, 14b, 14g 5) Kurs war lernintensiv; habe viel gelernt 5 4a, 4 f, 13a, 14g 6) (sehr) angenehme bzw. sehr entspannte Kursatmosphäre; förderte Lernerfolg 5 4b, 4c 7) Readerlektüre hat (sehr) neugierig auf Storyline bzw. den Kurs ge‐ macht 5 7a, 14a 8) sehr guter Kurs, da etwas Nützliches und Sinnvolles für meine be‐ rufliche Zukunft gelernt 4 4a, 13d, 14h 9) insgesamt gute Methodik; gutes Kurskonzept 4 13a, 13b 10) Kompaktseminar war gut gewählte Kursform für intensive Be‐ schäftigung mit Thema 4 13a, 13b 11) Readertexte boten gute Einführung 4 7a, 14a 12) Reader war interessant; sehr gute bzw. interessante Artikel (über Theorie und Praxis) 4 7a, 14a 13) würde Kurs anderen Studierenden (sehr) empfehlen 3 4a, 13a, 13c 14) froh über Kursteilnahme und Erfahrung mit neuem Konzept für FSU 3 4a, 13c 15) Kurs war (sehr) gut strukturiert 3 13a 16) gute Kombination von Theorie und Praxis; lernförderlich; machte Kurs sehr interessant 3 13a, 14e 17) Sammeln von Fragen zu Storyline (Poster) gab gute Orientierung über eigenen Wissensstand bzw. war sehr hilfreich 3 8d, 13a, 14d, 14g 18) Storyline-Arbeit war so motivierend, dass wir sogar in Pausen an Fries oder “spell“ arbeiteten 3 4b, 8c, 11b, 14b 19) Thema Witches hat viel Spaß gemacht bzw. wurde immer inte‐ ressanter; war ansprechend 3 3a, 4a, 4b, 14b 20) Simulation hat Projektdesign (sehr) erleichtert 3 14b, 14f 21) einer der besten Kurse im Studium; qualitativ hochwertiger Kurs 2 4a, 13a, 13c 22) Kurs war sehr inspirierend und motivierend 2 4a, 4b, 13a 590 7 Forschungsfokus Hochschuldidaktik 23) Lehrkraft war sehr kompetent bzw. gut vorbereitet, konnte Stu‐ dierende leicht motivieren 2 4b, 13b 24) alle Studierenden waren hoch motiviert 2 4a, 4b, 8c 25) Kurs hat motiviert, Storyline sofort in Schule auszuprobieren; Stolz auf Erfolg im Klassenzimmer 2 4a, 4 f, 8c, 14d, 14h 26) Kurs hat Motivation bzw. Überzeugung ausgelöst, Storyline bald‐ möglichst in Schule auszuprobieren 2 4a, 4 f, 14 g, 14h 27) nicht nur Informationsinput; keine Überfrachtung mit Theorie‐ wissen 2 13a, 14e 28) hat Kreativität der Studierenden gefördert 2 9c 29) Gruppen- und Partnerarbeit machte Spaß 2 6a, 14c 30) theoretische Vorentlastung war hilfreich, um Verständnis zu klären 2 14a 31) Readerlektüre hat Studierende gut vorbereitet auf Kurs; gemein‐ same Wissensbasis ermöglichte effektives und intensives Lernen 2 4f, 7a, 14a 32) Austausch über Readertexte war gut bzw. unverzichtbar für ge‐ meinsame Wissensbasis 2 8a, 13a, 14a, 14c 33) Diskussion des Vorwissens hat Vorstellung von Storyline gefestigt; war sehr hilfreich 2 8a, 14a, 14c, 14g 34) Austausch über Vorwissen und Erfahrungen mit projekt- und themenorientierter Arbeit im FSU war sinnvoll und hilfreich, um Vorzüge von Storyline besser zu verstehen 2 8a, 13a, 14c, 14g 35) Definition des Projektbegriffes zu Beginn war wichtig und klä‐ rend 2 14c, 14g 36) alle waren bei Simulation gespannt, wie sich unsere Geschichte weiterentwickelt 2 2c, 2e, 14b 37) bei Simulation überraschte emotionaler Bezug zur Geschichte und Identifikation mit Figur 2 2d, 2e, 4b, 14b 38) in Geschichte involviert zu sein und eigene Charaktere zu basteln, war sehr motivierend 2 2d, 2e, 10a, 14b 39) gemeinsames Beantworten des Fragenkatalogs gab perfektes Feedback über Lernerfolg 2 4f, 9c, 14d, 14g 40) Zuordnung von neuen Einsichten zu früheren Fragen war lern‐ förderlich bzw. gut 2 4f, 8d, 14d, 14g 41) bester und inspirierendster Kurs für meine berufliche Zukunft 1 4a, 13a, 13d 42) Zeit wurde sehr intensiv, produktiv und lernwirksam genutzt 1 4a, 4 f, 13a, 13b 43) Kurs gab umfassende Einführung in Storyline 1 4a, 13a, 14g 44) Kurs verband realistische Unterrichtsideen mit innovativen und motivierenden Methoden 1 13a, 14e, 14g 45) Kurs löste Begeisterung für Storyline aus 1 4a, 14 g 591 7.5 Fallstudie 9: Witches 46) Kurs hat Interesse geweckt, sich noch näher mit Storyline zu be‐ schäftigen 1 4a, 14h 47) Kurs hat Motivation geweckt, neue Geschichten zu entwickeln 1 4a, 14 f, 14h 48) Lehrkraft war total begeistert von Storyline und berichtete von ihren Erfahrungen 1 13b, 14e 49) Lehrkraft war sehr entspannt und immer offen für kritische Fragen 1 4c, 13b, 14d 50) Studierende konnten Vorbehalte und Fragen einbringen, Lehr‐ kraft ging immer darauf ein 1 4c, 8a, 13b, 14d 51) viel Zeit und Raum für Fragen und Ideenaustausch; war anregend 1 13a, 14c, 14d 52) Studierende konnten sich aktiv einbringen 1 8a, 8b, 14c 53) gute Mitarbeit der Seminargruppe 1 8b, 11a, 14c 54) nette Seminargruppe 1 4c, 6b 55) Kursmitglieder respektierten sich gegenseitig; Raum für Lob und Kritik 1 4c, 11d 56) Kennenlernspiel (Wheels) schuf entspannte und lernförderliche Atmosphäre 1 4c, 14c 57) immer Englisch zu sprechen (auch in Gruppe) hat viel Spaß ge‐ macht 1 4b, 5d, 13e 58) habe versucht, viel Englisch zu sprechen 1 5d, 13e 59) Gruppenarbeit war sehr positive Erfahrung; durch Abbau von Berührungsängsten effektivere Arbeit 1 4c, 6a, 6c, 14c 60) mochte meine Gruppe, da viel Spaß zusammen 1 4b, 6b, 14c 61) stolz auf Ergebnisse der Gruppenarbeit 1 4f, 6d 62) theoretische Vorentlastung durch frühzeitige Aushändigung des Readers war sehr gut 1 13a, 14a 63) Reader bot große Vielfalt an Texten; gut für Studierende mit oder ohne Vorwissen 1 7a, 14a 64) Texte über Konstruktivismus waren besonders interessant 1 7a, 14a 65) Reader ist hilfreich für zukünftige Unterrichtsvorbereitung 1 7a, 7c, 14a, 14h 66) Posterentwicklung und -präsentation unterstützte Strukturie‐ rung, Reflexion und Formulierung von Vorwissen; war sehr lernför‐ derlich 1 8a, 13a, 14c, 14d 67) Austausch über Vorwissen und Erfahrungen mit Projektarbeit war sehr interessant und lehrreich; erstaunt über Ergebnisvielfalt 1 4f, 8a, 14c 68) Diskussion möglicher Probleme bei Projektarbeit war hilfreich und erhellend 1 8d, 14c 69) Projektbeispiele aus Lehrwerken waren hilfreich und erhellend 1 14c, 14d, 14e 592 7 Forschungsfokus Hochschuldidaktik 70) durch Simulation konnten wir eigene Lösungen für unsere Fragen finden (statt wie üblich Vortrag bzw. Text zu erhalten) 1 4f, 9c, 14b, 14d, 14g 71) Lehrkraft reagierte bei Simulation auf Beiträge, als stünde bereits alles im “story book“ 1 2e, 8b, 13b, 14b 72) kreative Aufgaben und Ideen bei Simulation haben von Storyline überzeugt 1 9a, 9c, 14b, 14g 73) bei Simulation voll auf Arbeit konzentriert; ging voll in Schüler‐ rolle auf; vergaß Umfeld 1 2c, 2d, 9b, 14b 74) bei Simulation voll auf Aufgaben und Geschichte konzentriert 1 2e, 9b, 14b 75) bei Simulation neugierig auf Arbeitsergebnisse der anderen 1 2c, 9c, 14b 76) Präsentationen bei Simulation machten Spaß; gab immer zu la‐ chen und zu diskutieren 1 4b, 4c, 11c, 14b 77) Präsentationen bei Simulation waren inspirierend; Feedback war hilfreich und motivierend 1 11c, 11d, 14b 78) oft auf Fortgang der Geschichte gespannt; freute mich, dass ich Einfluss darauf hatte 1 2c, 2e, 8a, 8b, 14b 79) Bastelmaterial war bei Simulation “a huge pool of inspiration“; regte Phantasie an 1 7a, 9c, 10a, 14b 80) Hexen mit ganz persönlichen Charakterzügen zu basteln, hat Spaß gemacht 1 2d, 10a, 14b 81) war stolz auf unsere Hexe 1 4f, 14b 82) Arbeitsblätter bei Simulation waren sehr hilfreich 1 7a, 14b 83) Video belegte, dass Storyline auch in Klassen funktioniert, die Fremdsprache erst lernen 1 7a, 14e, 14g 84) Bezug zum Bildungsplan war gut und überzeugte von Storyline 1 13a, 14e, 14g 85) war sehr beeindruckt, dass mit nur einer Storyline so viele Kom‐ petenzen aus Bildungsplan abgedeckt werden können 1 14e, 14g 86) war sehr froh über Projektdesign; wichtiger Kursteil, um Theorie in Praxis umzusetzen 1 13a, 14 f, 14g 87) Projektdesign machte viel Spaß, da im Kurs Gelerntes zur An‐ wendung kommen konnte 1 4b, 4 f, 14 f, 14g 88) Projektdesign war sehr gute Erfahrung; hat für Schule sensibili‐ siert und Lernerfolg erhöht 1 4f, 9b, 14 f, 14g 89) Projektdesign war komplexe Aufgabe (Episoden, Zeit), aber am Ende sehr gute Resultate 1 4f, 9b, 14f 90) Projektdesign war komplexe Aufgabe (Klassenstufe, Lernbedin‐ gungen, Ideen usw.); aber Spaß, kreativ zu sein und interessante Storyline zu entwickeln 1 4b, 4 f, 9b, 9c, 14e, 14 f 91) Projektdesign im Team hat Spaß gemacht und war effektiv; gute Zusammenarbeit 1 4b, 4 f, 6c, 14c, 14 f 593 7.5 Fallstudie 9: Witches 92) Projektdesign ist komplexe Aufgabe; Teamarbeit ist sinnvoll wegen Austausch 1 6a, 6c, 9b, 14c, 14 f 93) Projektdesign war komplexe Aufgabe, anfangs schwierig (3 Sach‐ fächer); Teamarbeit war hilfreich; viele Ideen für späteren Unterricht 1 4f, 6c, 9b, 14c, 14 f, 14h 94) Projektdesign war arbeitsintensiv, aber extrem hilfreich; machte Probleme bewusst, regte zu Diskussionen an, erhöhte so Lernerfolg sehr 1 4f, 9b, 14c, 14 f, 14g 95) genügend Zeit für Projektdesign im Kurs war wichtig für Wei‐ terarbeit 1 13a, 14f 96) Präsentation des Projektdesigns im Plenum brachte viele Ideen für zukünftigen Unterricht 1 11d, 14c, 14 g, 14h 97) alle unsere Fragen wurden beantwortet 1 4f, 14d, 14g Gesamtzahl der positiven Nennungen 187 Negative Punkte / Kritik 98) Konzentration ließ nach; zuviel Input 3 13a, 13b 99) Reader war (zwar gut, aber) z.T. redundant 2 7a, 14a 100) Simulation war (zwar extrem motivierend, aber) etwas zu lang 2 13a, 14b 101) Readerlektüre war nicht essenziell, da vieles im ersten Kursteil thematisiert wurde 1 13f, 14a 102) Reader früher austeilen, damit mehr Zeit zur Vorbereitung 1 13b, 13 f, 14a 103) hätte in Simulation gerne auch Lehrerrolle ausprobiert wegen Praxiserfahrung 1 2d, 13a, 14b 104) mehr Raum für Diskussion über Möglichkeiten der Leistungs‐ messung 1 13a, 14c, 14e 105) Bildungspläne und -standards sollten intensiver diskutiert werden 1 13a, 14c, 14e 106) mehr Zeit für Projektdesign im Kurs, da wenig Zeit in Semes‐ terferien 1 13a, 13 f, 14f 107) mag keine Kompaktkurse 1 13a, 13b Gesamtzahl der negativen Nennungen 14 Gesamtzahl der Nennungen 201 Tab. 82: Angaben der Studierenden zum Seminarkonzept (SA) Vergleicht man die Ergebnisse mit den beiden vorherigen Untersuchungen, dann fällt auf, dass die Gesamtzahl der Nennungen fast mit Studie 7 übereinstimmt. Andererseits wurden in der jetzigen Evaluation sehr viel mehr Kriterien aufgeführt als in den beiden Vorgängerstudien. 594 7 Forschungsfokus Hochschuldidaktik Die Ergebnisse im vorliegenden Fall sind also qualitativ dichter. Den insgesamt 187 positiven Angaben stehen zwar 14 kritische Stimmen gegenüber, diese werden jedoch weitgehend ent‐ kräftet durch Aussagen anderer Kursmitglieder oder stellen Einzelmeinungen dar. Nachfolgend werden die Evaluationsergebnisse präsentiert und kommentiert. Wie in den beiden Vorgängerstudien werden dabei schwerpunktmäßig einzelne Komponenten und Phasen des Hauptseminars näher beleuchtet, um anhand der Rückmeldungen zu eruieren, ob bzw. wie das Kurskonzept noch optimiert werden kann. Das Seminar als Ganzes betrachtet wurde in vielerlei Hinsicht als positive Erfahrung bewertet. 3 Personen gaben an, dass sie das Hauptseminar auf jeden Fall anderen Studie‐ renden empfehlen würden (Ziffer 13). Folgendes Zitat spricht für sich: “After five semesters at the University of Education I have to admit that this was one of the seminars I liked best“ (St2). 6 Kursmitglieder schätzten die entspannte Atmosphäre (Ziffer 6, 56). Insgesamt 3 Mal wurde die Seminargruppe, die eigene Kleingruppe bzw. der respektvolle Umgang positiv erwähnt (Ziffer 54-55, 60). 2 Mal wurde bestätigt, dass alle Studierenden hoch motiviert waren (Ziffer 24). Dies alles war nach Aussage der Studierenden förderlich für den persön‐ lichen Lernerfolg. Insgesamt 6 Personen hoben positiv hervor, dass der Kurs produktiv bzw. lernintensiv war (Ziffer 5, 42), und mindestens 5 Mal wurde ganz explizit auf die Relevanz des Kurses für die eigene berufliche Zukunft verwiesen (Ziffer 8, 41): “The course’s content is/ was absolutely relevant and it was [one] of the rare seminars where one has the feeling at the end: yes, I am really going to be able to use that“ (St9). 3 Studierende bewerteten bei Ziffer 23 und 48 die Erfahrungen und persönliche Über‐ zeugung der Kursleiterin als besonders motivierend: “The lecturer is really ‘into’ Storyline which allows her to easily motivate students to learn about this topic“ (St2). Auch bei zahl‐ reichen anderen Äußerungen wurde deutlich, dass die Studierenden die Rahmenbedin‐ gungen für lernförderlich hielten, wie folgendes Zitat verdeutlicht: “Working with such enthusiastic students and a well prepared instructor helped me getting into workmode immediately“ (St11). Auf das spezifische Seminarkonzept wurde in verschiedenen Zusammenhängen Bezug genommen, beispielsweise äußerten sich 4 Studierende positiv über das Kurskonzept als solches (Ziffer 9), 4 Mal wurde die Organisation als Kompaktkurs befürwortetet (Ziffer 10) und 3 Mal die stringente und kohärente Kursstruktur als Positivmerkmal hervorgehoben (Ziffer 15). Die theoretische Vorentlastung durch den Reader wurde mit insgesamt 21 positiven Nenn‐ ungen (11 %) auffallend häufig thematisiert: 5 Mal wurde die individuelle und intensive Kurs‐ vorbereitung für gut und sinnvoll befunden (Ziffer 30-31, 62), 10 Mal wurde die Qualität der Texte gelobt (Ziffer 11-12, 63-64), 5 Studierende wurden durch die Readerlektüre neugierig auf den Kurs bzw. den Storyline Approach (Ziffer 7) und 1 Person bezeichnete den Reader als hilf‐ reich für die zukünftige Unterrichtsvorbereitung (Ziffer 65). Zu den 4 eher kritischen Bemer‐ kungen bei Ziffer 99, 101 und 102: Die Studierenden sollten eben nicht den gesamten Reader durcharbeiten, sondern konnten je nach Vorwissen einzelne Texte überspringen. Der Austausch und die damit verbundene Aktivierung, Strukturierung und Reflexion des im Vorfeld erworbenen Theoriewissens wurde von mindestens 5 Kursmitgliedern für unverzichtbar bzw. lernförderlich gehalten (Ziffer 32-33, 66). Des Weiteren wurde die Dis‐ kussion von Vorwissen, Vorerfahrungen und Problemen im Hinblick auf projektbzw. the‐ 595 7.5 Fallstudie 9: Witches menorientiertes Arbeiten insgesamt 6 Mal für interessant und erhellend befunden (Ziffer 34-35, 67-68). Dass die bloß theoretische Auseinandersetzung mit Forschungsergebnissen und neuen Unterrichtsmodellen jedoch nicht ausreicht, um professionelles Handlungswissen zu er‐ werben, wird durch die berechtigte Frage eines Kursmitglieds deutlich: “Focusing on the learner is the new way to teach in high-school, and it is mentioned in every other article and book I read. But how am I supposed to teach like that when I have never experienced what it really means? “ (St7). Somit wird nachvollziehbar, warum 3 Studierende ausdrücklich ihre Freude über die Kursteilnahme und die konkreten Erfahrungen mit einem alternativen Unterrichtskonzept äußerten (Ziffer 14) und 5 Mal die gelungene Kombination von Theorie und Praxis hervorgehoben wurde (Ziffer 16, 27). Da die Vermittlung von prozeduralem Wissen laut Aussage der Studierenden häufig zu kurz kommt und folglich auch positive Rollenmodelle fehlen, fällt ihnen die kompetente Umsetzung von neuen Konzepten, Ideen und Richtlinien schwer, wie dies bereits in den vorherigen Kursen zur Sprache gekommen war und hier noch einmal eindrücklich geschildert wird: I am happy that I got to experience this different approach to teaching English, since I didn’t do much project work when I was in high school, and my English lessons were very grammar drill and exercise based. I know that I don’t want to teach my students the way I was taught but it is very hard to break with habits when you don’t get to experience new ways ... (St7). Wichtigste Kurskomponente, um fundiertes und nachhaltiges Handlungswissen zu ge‐ winnen, war nach Ansicht der Studierenden die Unterrichtssimulation, welche in den Reflexionen auch dieses Mal wieder mit Abstand am häufigsten thematisiert und - ähnlich wie in Studie 7 und 8 - über 53 Mal (28 %) positiv erwähnt wurde. Die Simulation bereitete offenbar nicht nur viel Spaß, wie dies von 9 Kursmitgliedern auf allgemeiner Ebene attes‐ tiert (Ziffer 2) und anderweitig anhand von diversen Einzelbeispielen noch spezifiziert wurde, sondern sie förderte in vielerlei Hinsicht auch das Verständnis, intensivierte den Lernerfolg und trug zur berufsbezogenen Weiterentwicklung, vor allem aber zur Überzeu‐ gung von Storyline bei. Als beeindruckend und lehrreich empfunden wurde dabei nicht nur der spürbar hohe Motivationscharakter der spezifischen Storyline Witches mit den kreativen Bastelarbeiten, phantasievollen Aufgabenlösungen und inspirierenden Präsentationen oder etwa der En‐ thusiasmus, den Geschichten auslösen können (allein insgesamt 9 Nennungen) (Ziffer 36-38, 47, 74, 78), so dass auch abstrakte Begriffe wie ownership principle, autonomous learn‐ ing, collaborative storymaking oder meaningful and purposeful communication transparent wurden, sondern förderlich war laut Aussage von 6 Studierenden bei Ziffer 4 insbesondere auch die Möglichkeit, die Lehrkraft als Rollenmodell bei ihrer Arbeit zu beobachten und dabei gänzlich neue Einsichten zu gewinnen. Ein Kursmitglied beschrieb diesen Prozess sehr anschaulich: When we finally started the Storyline Approach it was a huge success for all of us. We were all excited about how the story might go on and how Ms Kocher would integrate our new ‘love’ Pablo (Amanda’s fancy brother). Actually I had not the feeling that Ms Kocher had to integrate him. She acted so naturally that everything (the whole story) seemed to be already written down in her mysterious golden story book (St6). 596 7 Forschungsfokus Hochschuldidaktik Wichtige Einsichten und Kompetenzen konnten die Studierenden auch in anderen Bereichen gewinnen: 2 Kursmitglieder äußerten sich positiv zur Seminarsprache und der Gelegenheit, die eigene Sprachkompetenz zu verbessern (Ziffer 57-58). 5 Studierende bestätigten, dass sie das Arbeiten in der Gruppe als motivierend und gewinnbringend empfunden hatten (Ziffer 29, 59-61). Ergänzend wurde 3 Mal auf die konstruktive Teamarbeit während des Projektdesigns verwiesen (Ziffer 91-93). Aufschlussreich klingt folgender Erfahrungsbericht: The group work was really good I think. We got to know each other, which is not the case in many seminars. With this basis, it was better to work with each other. We were more effective, had more fun and always a great outcome, which we were proud of. This reflects the groupwork in my future classroom. I hope they will gain the positive experiences I had when working in a group (St9). Die vielseitigen Erfahrungen und Erkenntnisse der Studierenden lassen hoffen, dass diese sich nachhaltig auf die Gestaltung des späteren eigenverantwortlichen Unterrichts aus‐ wirken. Für gut befunden wurde auch, dass viel Raum und Zeit für Fragen und den Ideenaus‐ tausch zur Verfügung gestellt wurde (Ziffer 49-53). Darüber hinaus wurden insgesamt 8 Mal die Fragenposter positiv erwähnt (Ziffer 17, 39-40, 97). Entscheidend für Motivation und Lernerfolg war nach Ansicht der Studierenden insbesondere die Tatsache, dass alle Fragen ernstgenommen, gesammelt und im Laufe des Kurses „abgearbeitet“ wurden: “In‐ stead of just answering these questions in a lecture or by giving us texts to work on (which is a very common way of dealing with students’ questions at the University of Education) the lecturer helped us to find out the answers ourselves by trying out a Storyline“ (St2). Mehrfach erwähnt wurde auch, dass die Fragensammlung als Orientierungshilfe und Grad‐ messer für den persönlichen Lernfortschritt diente: “One always knew if there still were knowledge-gaps to be filled“ (St1). Im Anschluss an die Simulation fanden diverse Phasen der Reflexion und Diskussion statt, die darauf abzielten, einen direkten Bezug zur Unterrichtsrealität herzustellen und somit konkrete Argumentationshilfen für den Einsatz von Storyline zu vermitteln. Zu dieser Kurskomponente äußerten sich 3 Studierende positiv (Ziffer 83-85): 2 zeigten sich durch die Arbeit mit den Bildungsplänen noch mehr überzeugt von Storyline und 1 Kursmitglied fand die Videodokumentation aus dem Klassenzimmer erhellend, weil sie belegte, dass Storyline auch für language beginners geeignet ist. Die Konzipierung eines eigenen Storyline-Projekts im Sinne der Transferleistung wurde von insgesamt 10 der 18 Studierenden, also fast 56 %, für motivierend und gewinn‐ bringend befunden (Ziffer 86-95). Während in den vorherigen Studien immer wieder an‐ gedeutet wurde, dass diese Aufgabe sehr anspruchsvoll und arbeitsintensiv gewesen sei, wurden jetzt sehr viel mehr die positiven Seiten dieser Kursphase in den Vordergrund ge‐ stellt. Viele sahen in der konkreten Anwendung und gleichzeitigen Reflexion des Gelernten einen Weg, um die eigenen Kompetenzen im Sinne des zirkulären Lernens zu erweitern und so den Lernerfolg zu erhöhen: A lot of work, but extremely helpful was designing a storyline oneself. After experiencing a story‐ line, designing a storyline was the ideal step to get the whole view of every important aspect which has to be taken into consideration when planning a storyline. Problems which were not obvious 597 7.5 Fallstudie 9: Witches 14 Vier Studierende (St19-St22) reichten keine SA und somit keine Reflexionen ein. until now got room to be discussed and solved. Designing a storyline supported the own learning process extremely (St1). Aus den Angaben von 3 Studierenden wurde zudem ersichtlich, dass es sinnvoll und lern‐ förderlich war, das Projektdesign nicht in Einzelarbeit, sondern im Team zu absolvieren, um sich während des Arbeitsprozesses gegenseitig unterstützen und beraten zu können (Ziffer 91-93). Von besonderem Interesse war für mich die Frage nach der Nachhaltigkeit der Kurs‐ inhalte. Dazu gab es insgesamt 12 positive Äußerungen. Als Erfolg zu verzeichnen ist, dass insgesamt 8 Studierende (über 44 %) angaben, Storyline baldmöglichst im Unterricht aus‐ zuprobieren bzw. später definitiv einzusetzen (Ziffer 3, 26), und 2 Studierende sogar noch vor Abgabe der SA in Eigenregie ein Storyline-Projekt in der Schule ausprobiert hatten (Ziffer 25). Dass das Seminarkonzept auf insgesamt hohe Akzeptanz stieß und eine nach‐ haltige Wirkung auf die Studierenden hatte, belegt folgendes Zitat: “I’m looking forward to doing my first Storyline in my own class and would say that I feel well prepared for this by this seminar“ (St13). Der 2. Forschungsschwerpunkt bezog sich auf den persönlichen Lernzuwachs der Kursmitglieder. Die nachfolgende Tabelle dokumentiert, welche konkreten Lernfortschritte die Studierenden (n = 18) 14 verbuchen konnten: Nennung in Reflexion Anzahl der Nen‐ nungen Kategorien 1) Kurs hat von Storyline überzeugt (da viele Vorteile) 16 4a, 14 g 2) Storyline-Arbeit macht (sehr) viel Spaß bzw. motiviert sicher auch Schülerinnen und Schüler 10 4b, 14g 3) Storyline ist (sehr) interessantes Lern- und Lehrkonzept bzw. groß‐ artige Lehrmethode 5 4a, 14g 4) gelernt, alle gesammelten Fragen selbst zu beantworten; hat Lern‐ erfolg bewusst gemacht 4 4f, 8a, 9c, 14d, 14g 5) Storyline ist gutes Konzept für fächerübergreifenden bzw. bilingu‐ alen Unterricht 4 14d, 14g 6) Storyline fördert soziale Kompetenzen 4 6c, 14 g 7) Storyline involviert und aktiviert die Lernenden bzw. ganze Klasse 4 8a, 8b, 14g 8) Storyline eignet sich für fast jedes Fach, Thema und Lernniveau; Lehrkraft kann sprachliches Niveau, story und Aufgaben an Klasse anpassen; flexibles Konzept 3 14d, 14g 9) bei Storyline bemerken Schülerinnen und Schüler nicht, dass sie (Englisch) lernen 3 4b, 5i, 14g 598 7 Forschungsfokus Hochschuldidaktik 10) Storyline fördert autonomes und selbstverantwortliches Lernen, was motivierend ist 3 4b, 8c, 14g 11) bei Storyline können Lernende eigene Ideen entwickeln und Ein‐ fluss auf story nehmen 3 2e, 8a, 9c, 14g 12) Storyline fördert Kreativität 3 9c, 14g 13) durch Verbindung von Theorie und Praxis viel gelernt und ver‐ standen 2 4f, 14e, 14g 14) gelernt, wie man (innovative) Theorie unmittelbar bzw. motivie‐ rend in Praxis umsetzt 2 14a, 14b, 14e, 14 g 15) Kurs hat Methodenrepertoire erweitert 2 14g 16) durch Reader solide Wissensbasis erworben 2 4f, 14a, 14g 17) bei Simulation gelernt, wie man Storyline im Klassenzimmer kon‐ kret umsetzt 2 14b, 14g 18) bei Simulation gelernt, wie motivierend “ownership“ ist; emotio‐ naler Bezug zu story und Figur 2 2d, 2e, 14b, 14g 19) bei Projektdesign (extrem) viel gelernt, z. B. was bei Planung bzw. Durchführung einer Storyline alles bedacht werden muss 2 4f, 14 f, 14g 20) mit Storyline macht Englischlernen Spaß 2 4b, 14g 21) Storyline fördert positive Lernatmosphäre und Selbstvertrauen der Lernenden 2 4c, 4d, 14g 22) bei Storyline ist Sprachproduktion zielgerichtet, sinnstiftend und somit motivierend 2 2a, 4b, 5 g, 9b, 14g 23) bei Storyline lernen Schülerinnen und Schüler Grammatik unbe‐ wusst 2 5f, 5i, 14g 24) Storyline ist relevanter und somit motivierender für Lernende als langweilige Lehrwerke 2 4b, 8a, 14g 25) bei Storyline sind Lernende stolz auf ihre Ergebnisse; Arbeit ist sinnstiftend 2 4f, 9b, 14g 26) Storyline berücksichtigt individuelle Bedürfnisse und ermöglicht Differenzierung 2 8a, 14g 27) Storyline bietet Lernenden trotz strukturierender key questions mehr Freiheit und viele Wahlmöglichkeiten (z. B. Aufgaben, Inhalt, Partner usw.) 2 8a, 8b, 9c, 9e, 14g 28) Storyline ist sehr gute und effiziente Methode, da sie ganzheitlich ist; berücksichtigt verschiedene Sinne und fördert multiple Intelli‐ genzen 2 10d, 14g 29) Storyline realisiert Ziele des Bildungsplans 2 14e, 14g 30) Storyline fördert Methodenkompetenz 2 8c, 9c, 14g 31) insgesamt viel gelernt 1 4f, 14g 599 7.5 Fallstudie 9: Witches 32) viel gelernt; etwas Nützliches und Sinnvolles, das ich später ein‐ setzen möchte 1 4f, 13d, 14 g, 14h 33) insgesamt viel gelernt: Theorie, Praxis, eigenes Projekt entwi‐ ckeln 1 4f, 14a, 14b, 14f, 14g 34) insgesamt viel gelernt durch Theorie, Praxis, Reflexion und Dis‐ kussion 1 4f, 14a, 14b, 14c, 14d, 14g 35) insgesamt viel gelernt über projektbzw. themenorientiertes Lernen sowie Storyline durch Reader und Kursteilnahme 1 4f, 13a, 14a, 14g 36) Theorie- und Praxiswissen erworben, wie man Storyline in Schule durchführt 1 4f, 14a, 14b, 14g 37) Kurs hat viele gute Ideen zur Optimierung des zukünftigen Eng‐ lischunterrichts vermittelt 1 13d, 14 g, 14h 38) gelernt, wie man lernerorientierte und lernwirksame Stunden konzipiert 1 4f, 8a, 14 f, 14g 39) gelernt, wie wichtig Projektarbeit für Lernende ist 1 14g 40) gelernt, dass durch aktive Beteiligung alles mehr Sinn und Be‐ deutung bekommt 1 8a, 8b, 8c, 14c, 14g 41) gelernt, dass Geschichten das Lernen mit Sinn erfüllen und Ko‐ härenz herstellen 1 2a, 2b, 14g 42) gelernt, wie wichtig und anregend “feeling of ownership“ ist; mo‐ tiviert zu Mehrarbeit 1 2e, 4b, 8c, 14g 43) gelernt, wie motivierend und effektiv Gruppenarbeit ist 1 6a, 6c, 14c, 14g 44) bei warm-up gelernt, wie wichtig entspannte Atmosphäre für Lernerfolg und Arbeitsverhalten ist; relevante Einsicht für späteren Beruf 1 4b, 4c, 13d, 14c, 14g 45) durch Reader gelernt, welche Zusammenhänge zwischen Story‐ line, Projektarbeit und Konstruktivismus bestehen; konnte Wissen aus anderen Kursen verknüpfen und vertiefen 1 14a, 14d, 14g 46) durch Reader gelernt, was Charakteristika von Projektarbeit und Storyline sind 1 14a, 14g 47) bei Readerlektüre erkannt, dass weder Vorwissen noch -erfahrung zu Projektarbeit vorhanden 1 14a, 14d 48) bei Austausch gelernt, was gute Projektarbeit ist 1 14c, 14g 49) Austausch gab guten Überblick über Definition, Merkmale, Ab‐ grenzung von Storyline 1 14c, 14g 50) bei Simulation Vor- und Nachteile von Storyline wahrgenommen und verstanden 1 14b, 14g 51) bei Simulation gelernt, was schülerorientiertes Lernen konkret bedeutet 1 8a, 14b, 14g 52) bei Simulation gelernt, was projekt- und themenorientiertes Lernen konkret ist 1 14b, 14g 600 7 Forschungsfokus Hochschuldidaktik 53) bei Simulation gelernt, wie Lernende denken und welche Bedürf‐ nisse sie haben 1 2d, 14b, 14g 54) bei Simulation gelernt, was es für Lernende heißt, aktive Rolle im Unterricht einzunehmen 1 2d, 8b, 8c, 14b, 14g 55) bei Simulation gelernt, dass Storyline auch für ältere Klassen mo‐ tivierend und effektiv ist 1 4b, 14b, 14g 56) bei Simulation gelernt, wie man mit Lernenden Fries entwickelt und so selbstständigen Wortschatzerwerb erleichtert (wordbanks) 1 5e, 7c, 12d, 14b, 14g 57) bei Simulation viele themenrelevante Wörter gelernt; wordbanks noch klar vor Augen 1 5e, 5i, 12d, 14b 58) bei Simulation gelernt, wie motivierend Visualisierung der Er‐ gebnisse am Fries ist 1 11a, 11b, 12a, 12c, 14b, 14g 59) bei Simulation gelernt, dass alle Aktivitäten in einem logischen und nachvollziehbaren Zusammenhang stehen 1 2b, 14b, 14g 60) bei Simulation gelernt, wie schnell man in story eintaucht, ohne Lerneffekt zu bemerken 1 2a, 2e, 14b, 14g 61) bei Simulation gelernt, wie Kreativität gefördert wird 1 9c, 14b, 14g 62) bei Simulation gelernt, wie man mit Resten sehr schöne Hand‐ puppen basteln kann 1 10a, 14b, 14g 63) bei Simulation gelernt, dass Gruppenarbeit auch anstrengend sein kann 1 6a, 14b, 14g 64) durch Projektdesign wurde sehr klar, wie Storyline funktioniert 1 14f, 14g 65) bei Projektdesign gelernt, dass Konzeption einer perfekten, sinn‐ stiftenden und lernerrelevanten Storyline arbeitsintensiv ist 1 14f, 14g 66) bei Projektdesign gelernt, dass erste Storyline nicht zu offen sein sollte (klare Struktur) 1 14f, 14g 67) Präsentation des Projektdesigns brachte viele neue Ideen für spä‐ teren Storyline-Unterricht 1 11d, 14c, 14 g, 14h 68) Storyline ist zukunftsweisend; wird bereits in vielen verschie‐ denen Kontexten eingesetzt 1 13d, 14g 69) Storyline ermöglicht (unvermeidbaren) Perspektivenwechsel in Schule 1 13d, 14g 70) mit Storyline lernen Kinder unbewusst sehr viele Dinge, die auch für Zukunft wichtig sind 1 1c, 14g 71) mit Storyline wird Lernen zum Abenteuer; Lernende tauchen voll in Geschichte ein 1 2c, 2e, 4b, 14g 72) Storyline erleichtert Lernen und motiviert zum Lernen durch ent‐ spannte Atmosphäre 1 4b, 4c, 14g 73) Storyline verändert Lehrer-Schüler-Verhältnis 1 4c, 14 g 74) Storyline fördert Sprachproduktion, da Lernende diverse Texte schreiben oder präsentieren 1 5c, 5d, 5i, 14g 601 7.5 Fallstudie 9: Witches 75) Storyline fördert Sprech-, Schreib- und Lesekompetenzen 1 5a, 5c, 5d, 14g 76) Storyline fördert Sprechen, Schreiben, Lesen, Hörverstehen in re‐ levanten und sinnstiftenden Kontexten 1 2a, 5a, 5b, 5c, 5d, 5 g, 14g 77) mit Storyline wird je nach Bedarf Wortschatz oder Grammatik integrativ vermittelt 1 5e, 5 f, 14g 78) bei Storyline fördern wordbanks themenspezifischen Wortschatz‐ erwerb; Präsenzlexikon 1 5e, 5i, 7c, 12d, 14g 79) Storyline ermöglicht Lernenden, kreativ zu sein und gleichzeitig ihr Englisch zu verbessern 1 5i, 9c, 14g 80) Storyline berücksichtigt Ideen, Erfahrungen und Kreativität der Lernenden 1 8a, 9c, 14g 81) Storyline bezieht Alltagswelt der Lernenden ein und bietet so au‐ thentische Lernkontexte 1 8a, 14g 82) Storyline berücksichtigt Heterogenität der Klasse; erhöht so Mo‐ tivation und Lernerfolg 1 4b, 8a, 14g 83) Storyline bietet Wahlmöglichkeiten (Aufgaben, Sozialform usw.), wird so verschiedenen Lernertypen gerecht 1 8a, 9e, 10d, 14g 84) Storyline erhöht Lernerfolg durch Aufgabenwahl und Differen‐ zierung 1 8a, 9a, 9e, 14g 85) Storyline öffnet den Unterricht und bietet Lernenden trotzdem sicheren Rahmen 1 8b, 9d, 14g 86) Storyline ist sehr lernerorientiert trotz Planung und Führung durch Lehrkraft 1 8a, 8b, 14g 87) bei Storyline stehen Lernende im Zentrum und übernehmen Ver‐ antwortung für Lernerfolg 1 8a, 8c, 14g 88) Storyline gibt Lehrkraft Sicherheit durch klare Struktur und Ziel‐ orientierung 1 14g 89) Storyline kann je nach Klasse und Lernniveau sehr offen oder stärker strukturiert sein; flexibles Konzept gibt Lehrkraft Sicherheit 1 14g 90) Storyline ist auch für Klassen geeignet, die Englisch neu lernen (beginners) 1 14g 91) Storyline ist trotz strukturierender key questions flexibel und spontan gestaltbar 1 14g 92) Storyline erhöht Lernerfolg durch Kooperation und gegenseitiges Helfen 1 6c, 14g 93) bei Storyline präsentieren Lernende ihre Produkte im Plenum; motiviert 1 11a, 11b, 14g 94) bei Storyline motiviert sukzessive Ausstellung aller Lernprodukte am Fries 1 12a, 12 f, 14g Gesamtzahl der Nennungen 162 Tab. 83: Angaben der Studierenden zum Lernerfolg (SA) 602 7 Forschungsfokus Hochschuldidaktik Wie aus der obigen Tabelle ersichtlich ist, liegen Gesamtzahl der Nennungen sowie Anzahl der Kriterien deutlich höher als in den beiden Vorgängerstudien. Die Ergebnisse belegen eindrücklich, welche Menge und Vielfalt an Lernfortschritten die Studierenden im Rahmen des Kurses bzw. während einzelner Kursphasen verbuchen konnten. Diese beziehen sich auf den Erwerb von Wissen, Einsichten, Fertigkeiten und Kompetenzen in unterschiedli‐ chen Bereichen der Storyline-Arbeit, des Fremdsprachenlernens sowie der Allgemeinen Pädagogik und Didaktik. Nachfolgend werden die wichtigsten Ergebnisse zusammenge‐ fasst und erläutert. Deutlicher Spitzenreiter ist mit 16 Nennungen (89 % der 18 Studierenden) die Erkenntnis, dass der Kurs von den Qualitäten des Storyline Approach überzeugt hat. Darüber hinaus gaben 10 der 18 Befragten (56 %) an, dass ihnen die praktische Storyline-Arbeit viel Spaß bereitet habe und folglich auch Schülerinnen und Schüler motivieren würde (Ziffer 2). Gemeint war hier die Storyline-spezifische Arbeitsweise und nicht etwa die Unterrichtssi‐ mulation als Kurskomponente. Interessanterweise wurden beide Aspekte auch in den vor‐ herigen Kursen mit Abstand am häufigsten genannt. Die Ergebnisse bestätigen also, dass das Ziel des Kurses, möglichst viele Studierende von Storyline zu überzeugen und sie zum Ausprobieren des Konzepts in der Schule zu motivieren, erreicht wurde. Dazu hat nach Ansicht der Studierenden insbesondere die praktische Erfahrung beigetragen: “I am pretty sure that if even I enjoyed it, pupils will love it! “ (St16). Unabhängig davon wurde in diversen Einzelnennungen mehrfach beteuert, dass der Kurs sehr lernintensiv gewesen sei und zugleich eine nachhaltige Wirkung ausgelöst habe, wie dies im folgenden Zitat zum Ausdruck gebracht wird: “I was very satisfied with the seminar and I really had the impression that I have learned something useful and meaningful. Some‐ thing I want to adopt in my future English classes“ (St4). Ferner wurde 5 Mal ausdrücklich betont, dass Storyline ein beeindruckendes Lehrbzw. Lernkonzept sei (Ziffer 3), und 2 Mal wurde attestiert, dass Storyline auch für die Schulentwicklung richtungsweisend sein kann (Ziffer 68-69): “The fact that the concept of Storyline is used in so many different contexts surprised me a lot and gave me the feeling that it is the future“ (St12). Praktische Erfahrungen im Sinne des Modelllernens kommen laut Aussage der Studie‐ renden an der Hochschule zu kurz und nicht umsonst klagen manche: “What I have learned so far in University is theory“ (St5). Dass jedoch Theoriewissen nicht ohne Weiteres in Handlungswissen transformiert werden kann, ist hinlänglich bekannt und wurde im Rahmen dieser Arbeit schon mehrfach moniert. Einen Lernzuwachs durch die kursspezi‐ fische Vernetzung von Theorie und Praxis bestätigten mindestens 4 Studierende aus‐ drücklich (Ziffer 13, 33-34), während andere diesen Aspekt häufig andeuteten. Das intensive zirkuläre Lernen ermöglichte, auch anderweitig gewonnene Erkenntnisse zu integrieren bzw. zu vertiefen: “I once read the quote by Kieran Egan ‘A story provides the missing link that makes learning meaningful.’ Now, after attending the seminar about the storyline ap‐ proach I understand what the quote really means“ (St8). Als Lernerfolg bezeichnet wurde in diesem Zusammenhang von 4 anderen Studierenden auch, dass sie auf Grund des per‐ spektivenreichen Lernarrangements alle gesammelten Fragen am Kursende selbst beant‐ worten konnten (Ziffer 4). Aufschlussreich und von wesentlicher Bedeutung ist die Aussage von (mindestens) 6 Studierenden, dass sie im Kurs entsprechende Handlungskompetenzen erwerben 603 7.5 Fallstudie 9: Witches konnten, um Storyline im Klassenzimmer durchzuführen bzw. die Theorie in die Praxis umzusetzen (Ziffer 14, 19, 33, 36). In anderen Fällen wurden auch diverse untergeordnete Handlungskompetenzen thematisiert, beispielsweise wie man einen Fries entwickelt (Ziffer 56). Auch wenn in den Reflexionen sämtliche Kurskomponenten positiv erwähnt wurden, war es erneut die Simulation, die von den Studierenden als besonders lernförderlich be‐ wertet wurde, weil sie anschaulich und nachvollziehbar prozedurales Wissen vermittelte bzw. theoretisches Wissen konkretisierte und somit verständlich machte. Weitere bedeutsame Handlungskompetenzen, um einen Transfer in der Schule gewinn‐ bringend zu realisieren, konnten im Rahmen des selbstständigen Projektdesigns er‐ worben werden. Auch auf diese Phase wurde mehrfach Bezug genommen, wobei allein 4 Studierende ausdrücklich angaben, gelernt zu haben, wie man ein Storyline-Projekt konkret plant bzw. wie man lernerorientierte und lernwirksame Stunden konzipiert (Ziffer 19, 33, 38). Viele Studierende kamen zu der Einsicht, dass Storyline ein ideales Konzept sei, um all‐ seits bekannte Desiderate wie Differenzierung, Lernerorientierung oder eigenver‐ antwortliches Lernen zu realisieren und im gleichen Zug Motivation und Lernerfolg in heterogenen Lerngruppen zu erhöhen. In diesem Zusammenhang konnten weit über 26 Nennungen mit ganz unterschiedlichem Fokus gezählt werden: Genannt wurde zum Bei‐ spiel, dass Storyline autonomes Lernen fördert (Ziffer 10), Lernende stark aktiviert und involviert (Ziffer 7) und dass diese den Verlauf der Geschichte und somit auch den Lern‐ inhalt beeinflussen können (Ziffer 11). Mindestens 4 Mal wurde auf differenzierende Wahl‐ möglichkeiten Bezug genommen (Ziffer 27, 83-84), 2 Mal wurde bestätigt, das Storyline die Methodenkompetenz und somit auch das selbstständige Arbeiten fördert (Ziffer 30), und insgesamt 3 Mal wurde auf das ownership principle verwiesen (Ziffer 18, 42): “The feeling of ownership is really important and I was surprised that the students often want to do even more than what is asked. We experienced that in our group when we carried out the storyline about witches“ (St9). Abgesehen davon wurde insgesamt 9 Mal die Bedeutung von sinnstiftenden Aktivi‐ täten in Storyline-Projekten hervorgehoben (Ziffer 22, 24-25, 40-41, 76). Die Studierenden erkannten, dass sinnstiftende und relevante Kontexte bzw. sinnerfüllte und zielgerichtete Aufgaben wesentlich zur Motivation der Lernenden beitragen und auch das Fremdspra‐ chenlernen in der Schule weniger künstlich und befremdend wirken lassen. Ergänzend wurde 4 Mal festgehalten, dass die klassenöffentliche Präsentation und Visualisierung von Lernprodukten im Plenum bzw. am Fries nicht nur inspirierend, sondern im Hinblick auf das eigene Tun überaus motivierend sei (Ziffer 58, 67, 93-94). Interessant ist, dass sich zahlreiche Studierende über den flexiblen Charakter des Storyline Approach bewusst wurden, der es Lehrkräften ermöglicht, das Modell an unter‐ schiedliche Bedürfnisse und Lernkontexte anzupassen: 4 Kursmitglieder bezeichneten Storyline beispielsweise als geeignetes Konzept für fächerübergreifenden bzw. bilingualen Unterricht (Ziffer 5) und 7 Mal wurde darauf verwiesen, dass Storyline durch eine entspre‐ chende Adaption von Sprachniveau, Aufgaben oder story für jede Altersstufe, jedes Thema bzw. jedes Fach geeignet sei (Ziffer 8, 55, 89-91). Gerade die Option, Storyline-Projekte an die Vorerfahrungen von Lehrkraft und Klasse anpassen zu können, sie also mehr oder we‐ niger stark zu strukturieren, schien für einige im Hinblick auf Sicherheit und Unterrichts‐ 604 7 Forschungsfokus Hochschuldidaktik management ein wichtiger Aspekt zu sein. Diese Balance von Offenheit und Struktur wurde insgesamt 5 Mal explizit thematisiert (Ziffer 27, 85, 88-89): “These are also reasons why one, as a teacher, has no need to be afraid of doing a ‘Storyline’ in class as theme and level of guidance can be chosen and adapted“ (St18). Bei der Datenauswertung fiel auf, dass viele Kursmitglieder einen nachhaltigen Eindruck über das hohe Lernpotenzial des Storyline Approach gewinnen konnten. Stellvertretend sollen nur einige wichtige Aspekte genannt werden: 5 Mal wurde erwähnt, dass die ent‐ spannte Atmosphäre bei Storyline sehr lernförderlich und unterstützend sei (Ziffer 20-21, 72). Weitere 8 Mal wurde das Lernen mit Storyline als implizites bzw. „unbewusstes“ Lernen beschrieben, weil der Fokus deutlich auf dem Inhalt liegt (Ziffer 9, 23, 60, 70-71): “In my point of view, Storyline is a wonderful tool to make learning a real adventure! Without knowing it, children learn a whole lot of different and exciting things that are also important for their future lives“ (St14). 6 Mal wurde der Erwerb sozialer Kompetenzen attestiert, welche auch das Arbeiten in der Klasse effektiver und motivierender machen (Ziffer 6, 43, 92). 6 Studierende hoben hervor, dass Storyline-Projekte die Kreativität der Lernenden för‐ dere (Ziffer 12, 61, 79-80), und 2 Kursmitglieder verwiesen auf den ganzheitlichen und multisensorischen Ansatz, der vielschichtiges und effizientes Lernen ermögliche (Ziffer 28). Auf das Fremdsprachenlernen bezogen sich insgesamt über 17 Nennungen mit ganz unterschiedlichen Schwerpunkten. Häufig handelte es sich um Einzelnennungen, anderer‐ seits bestätigt gerade diese Tatsache, wie breit gefächert das potenzielle Lernfeld bei Story‐ line ist: Thematisiert wurde zum Beispiel 3 Mal der themenrelevante und selbstständige Wortschatzerwerb mit Hilfe der wordbanks (Ziffer 56-57, 78), 2 Mal das unbewusste Gram‐ matiklernen (Ziffer 23), 1 Mal die bedarfsorientierte, integrative Vermittlung von Wort‐ schatz oder Grammatik (Ziffer 77), 3 Mal die sinnstiftende und zielgerichtete Sprachpro‐ duktion (Ziffer 22, 74) sowie 2 Mal die Förderung sprachlicher Kompetenzen wie Sprechen, Schreiben, Lesen oder Hörverstehen (Ziffer 75-76). Insgesamt betrachtet wurde den Kursmitgliedern also bewusst, dass Storyline-Arbeit trotz des hohen Spaßfaktors auch sehr lernintensiv ist, selbst wenn hier nur 2 Studierende bei Ziffer 29 direkt Bezug zum Bildungsplan nahmen, der aus meiner Sicht für viele einen hohen Überzeugungswert hatte: “For me, it was also very impressing that you can cover so many competences prescribed in the Bildungsplan within just one Storyline“ (St14). Fazit: Das spezifische Kurskonzept wurde sowohl für motivierend als auch lernförderlich befunden. Ferner konnten die Studierenden komplexes deklaratives sowie prozedurales Wissen erwerben, um diverse Kompetenzen zu erweitern und zu verzahnen: At the end of the seminar we were able to answer these questions by ourselves. It was not somebody telling us the answers to all the questions that occurred. It were the students themselves to answer the questions. This showed the learning outcome of the seminar and I was surprised about our improvement (St15). Vielversprechend im Sinne der Nachhaltigkeit klingen Aussagen wie: “I will definitely use the storyline approach in my future English classroom“ (St3). Zu wünschen bleibt, dass die Studierenden im späteren Kollegium Unterstützung finden und alle Beteiligten Nutzen aus den Synergieeffekten ziehen. 605 7.5 Fallstudie 9: Witches 7.5.6 Weitere Kontakte: Mails and more Nach Kursende ergaben sich diverse Gelegenheiten für einen weiteren mündlichen oder schriftlichen Austausch. Anders als bei den vorherigen Kursen wurde dieses Mal kein Nachtreffen organisiert, da sich die Studierenden via Lernplattform kontaktieren konnten. Mit einigen Studierenden ergaben sich spontane Gespräche auf dem Campus, die ich im Sinne der Triangulation dazu nutzte, durch gezielte Fragen weitere Informationen über das Hauptseminar zu gewinnen. Eine Person zeigte sich nach mehreren Wochen noch immer angetan von dem Kurs [4a, 13c] und fand es unter anderem gut, „den Reader vorher zu haben und lesen zu müssen (...). Na ja, nicht ‘müssen’, aber so hatte man ein gewisses Vorwissen und konnte sich darauf einstellen“ (MEBSt6) [13a, 13 f, 14a]. Die interaktive Theoriephase am 1. Tag wurde für gut befunden „und die Praxis sowieso“ (MEBSt6) [13a, 14b, 14c]. Ein anderes Kursmitglied bestätigte sogar noch 1 Jahr später, dass die Kombi‐ nation von Simulation und eigenem Projektdesign „eine richtig gute Mischung“ gewesen sei (Mail St13) [13a, 14b, 14f]. Einige waren zum Abgabetermin extra in meine Sprechstunde gekommen, um stolz ihre Seminararbeiten zu überreichen [4f] und noch einmal zu beteuern, wie gewinnbringend der Kurs gewesen sei [4a, 13a, 13c]. Andere bestätigten bei der Abgabe oder beim Abholen der SA ihr Vorhaben, später auf jeden Fall ein Storyline-Projekt in der Schule auszuprobieren [14h]. Während des Kurses hatten bereits einige erwähnt, dass sie im unmittelbar anstehenden Blockpraktikum unbedingt eine Storyline im Englischunterricht ausprobieren wollten [4a, 14h]. Da der Abgabetermin für die SA erst im Mai war, wurden entsprechende Erfahrungen bereits in den Reflexionen thematisiert. 2 Studierende bedauerten ausdrücklich, dass ihnen im Praktikum keine Gelegenheit für eine Erprobung gegeben wurde, wobei ein anderes Kursmitglied trotz anfänglicher Begeisterung und Überzeugung ernüchtert feststellte [14g]: During my B1 I mentioned that I would like to do a Storyline in one of my classes but there was no time. And I think that this could be a problem in school because it won’t be easy to get all the lessons you need to do a good Storyline. In my opinion most of the teachers don’t want to spend the time you need to prepare a Storyline. You have to think of different activities and create a Story which has a clear structure and you need to be able to give some freedom to the pupils that they can be creative (SASt10). Aus Sicht der Hochschule ist es bedauerlich, wenn die Studierenden im Praktikum das erleben und vertiefen, was sie bereits in der eigenen Schulzeit internalisiert haben. Es wäre also mehr als wünschenswert, ihnen mehr Gelegenheiten zu geben, neu erworbenes Wissen in der Praxis anzuwenden, um Sinnhaftigkeit, Nachhaltigkeit und nicht zuletzt auch Wirt‐ schaftlichkeit der Hochschulbildung zu gewährleisten. Darüber hinaus können beide Seiten von einer engeren Verzahnung profitieren: die Lehrkräfte von der Kreativität und Innova‐ tionslust der Studierenden und diese vom reichen Erfahrungsschatz ihrer Mentorinnen und Mentoren. Erfreulicherweise konnten jedoch auch einige Erfahrungen im Schulpraktikum ge‐ wonnen werden, die zuversichtlich stimmen. Ein Kursmitglied probierte das eigene, ur‐ sprünglich für die 7.-9. Klasse konzipierte Storyline-Projekt entsprechend adaptiert in einer 606 7 Forschungsfokus Hochschuldidaktik 5. Klasse aus [8c, 14h] und schrieb folgenden Bericht über deren Lernerfolg und Motivation [14d, 14g]: “The students designed some really great things (...). I had the feeling that they had so much fun and enjoyed their English classes. The results were gorgeous. They put so much effort in it and they were so proud. We made a presentation afterwards and they spoke a lot of English and tried their best“ (SASt4). Als unterstützend wurden auch Ver‐ halten und Einstellung der Lehrkraft empfunden: “Storyline was also new for my tutor but she gave me all the time that I needed and all the freedom to try out the experiment. (...) I got a really positive feedback from my tutor and she thinks it is a really good teaching method“ (SASt4) [4a, 4f]. Ein anderes Kursmitglied probierte Storyline ebenfalls in einer 5. Klasse aus, musste je‐ doch zunächst die Lehrkraft von dem Vorhaben überzeugen und eine entsprechende Story‐ line konzipieren [8c, 14 f, 14h]. Der Erfahrungsbericht zeigt, dass Storyline-Arbeit nicht nur Lernenden, sondern auch Lehrenden motivierende Erfolgserlebnisse vermitteln kann [4a, 4 f, 14d, 14g]: Instead of just using the coursebook which I was told to do, I used the storyline approach. Right from the beginning, the students were active and curious about this new way of learning. I was really wowed by the enthusiasm of the children and it was great to see that they were motivated and engaged with the whole story even though it was really short. My colleagues commented how much they had heard the students speak about ‘Rebecca’s Birthday Party’ during their lessons which made me proud and realize what learning a language is really about (SASt8). Beeindruckend ist die Rückmeldung eines Kursmitglieds, welches in Bangladesch eine Storyline im Englischunterricht durchführte und sich trotz erschwerender Umstände nicht demotivieren ließ [4a, 8c, 14d, 14h]: Leider sind die SchülerInnen es nicht gewohnt gewesen, selbständig oder in Gruppen zu arbeiten. Auch ist es dort ungewöhnlich, dass der/ die LehrerIn einen etwas fragt, das man vorher nicht auswendig gelernt hat (z. B. Which animals do live on a farm? ). Auch konnten die meisten Schü‐ lerInnen fast kein Englisch. Daher hat immer der Klassenlehrer alles auf Bangla übersetzt. Mir hat das Projekt jedoch sehr gut gefallen, weil die Kinder endlich mal nicht nur vor ihrem Buch saßen und auswendig gelernt haben, sondern mit unterschiedlichen Materialien arbeiten und ihrer Kre‐ ativität freien Lauf lassen konnten. Viele SchülerInnen waren traurig darüber, dass das Projekt ‘nur’ 1 Woche gedauert hat (Mail St6). Im Übrigen besuchten St7 und St8 im selben Semester noch einen anderen meiner Kurse. Im Rahmen der Seminararbeit sollten typische, wenig motivierende Übungen (exercises) aus einem Schulbuch in lernerzentrierte und sinnstiftende Aufgaben (tasks) umformuliert werden. Die beiden Studierenden entschlossen sich spontan, für ihr Portfolio eine kom‐ plette Lehrwerkeinheit in eine Storyline umzuwandeln [8c, 14e, 14f], welche gut gelungen war und somit auch die Nachhaltigkeit des Kurses bestätigte [14g, 14h]. Kommentare wie „Würde gerne nochmal mitmachen! “ (Mail St8) oder „Gerne würde ich wieder daran teilnehmen“ (Mail St6) belegen, dass die Studierenden den Kurs auch aus zeitlicher und räumlicher Distanz positiv in Erinnerung behielten [4a, 13a, 13c]. Im WS 2012/ 2013 nahm St6 tatsächlich noch einmal an dem Kurs teil und präsentierte auf eigenen 607 7.5 Fallstudie 9: Witches Wunsch [8c, 11a] auch ihre Storyline-Erfahrungen aus Bangladesch [14c, 14e, 14h], was bei der Seminargruppe sehr positiv ankam [14g]. Bekanntlich hatten bereits im Vorfeld 4 Kursmitglieder die Intention geäußert, Storyline als Schwerpunkt für das mündliche Staatsexamen im Frühjahr bzw. Herbst 2011 zu wählen [13c, 14h]. Später erhielt ich die Information, dass (mindestens) 7 weitere Studierende das Thema für ihr mündliches Staatsexamen im Herbst 2012 gewählt hatten, weil man die praktische Erfahrung im Hinterkopf habe und somit alles gut begründen könne [14e, 14g]. Allerdings hatten nicht alle an einem Kurs teilgenommen, sondern wurden von ehe‐ maligen Kursmitgliedern in Eigenregie praxisbezogen „fortgebildet“ [4f, 14c, 14g]. Davon abgesehen fanden sie das Storyline-Konzept so motivierend bzw. relevant, dass sie sich noch intensiver damit auseinandersetzen wollten [4a, 13c, 14h]. Mund-zu-Mund-Propaganda schien offenbar kein Einzelfall zu sein, denn ein Kursmit‐ glied berichtete aus dem Auslandssemester in Australien, „einigen Studenten bzw. Be‐ kannten von der Storyline Idee erzählt [zu haben: ] auch sie waren sehr interessiert und begeistert“ (Mail St12) [13c, 14h]. In einem anderen Fall wurde berichtet, dass sich der Mentor aus dem Praktikum „für das Konzept begeistern ließ - wir haben ein kleines Projekt in der 5. zum Schuljahresende angedacht“ (Mail St7) [13c, 14 f, 14h]. Auch wenn es (noch) keine empirischen Belege darüber gibt, wie, wo und wie häufig Storyline in Deutschland bzw. im Fremdsprachenunterricht praktiziert wird, bekräftigen derartige Erfahrungsberichte die These, dass sich das Konzept slowly but surely verbreitet ... 7.5.7 Fazit Die Erkenntnisse aus den diversen Datenquellen vermitteln ein in sich schlüssiges Bild und liegen weitgehend in einer Linie mit den Resultaten aus den beiden Vorstudien. Auch bei dieser 3. Seminargruppe stieß das Storyline-Hauptseminar auf insgesamt positive Resonanz und wurde für relevant, motivierend und lernintensiv befunden: “So far, this seminar has been the best and most inspiring for me as a future language teacher“ (SASt8). Laut Aussage der Studierenden vermittelte das Kurskonzept zahlreiche Lernanreize, um eine möglichst facetten- und perspektivenreiche Vorstellung von Storyline zu erhalten. Theorie, Praxis, Reflexion und Transfer ergänzten und bekräftigten sich im Sinne des zir‐ kulären Lernens, so dass nicht nur vielerlei Handlungskompetenzen erworben wurden, um Storyline-Projekte professionell zu konzipieren und durchzuführen, sondern auch viel‐ schichtige Einsichten gewonnen wurden, um das Konzept in der (Fach-)Didaktik zu ver‐ orten und mit stichhaltigen Argumenten zu verteidigen. Die intensive Vernetzung von know how und do how trug nachweislich dazu bei, die Studierenden von den Qualitäten des Storyline-Modells zu überzeugen und zum Ausprobieren in der Praxis zu motivieren. Aus meinen Beobachtungen und den Aussagen der Studierenden wurde deutlich, dass die Kombination von Theorie und Praxis sinnvoll und ausgewogen, also jede einzelne Kursphase wichtig war und zum Lernerfolg beitrug. Dennoch wurde auch in diesem Kurs die Unterrichtssimulation für besonders wertvoll erachtet und auf Grund der vielseitigen Erkenntnisse als unverzichtbare Kurskomponente eingestuft. Die theoretische Vorentlastung durch den Reader mit der (erstmaligen) Option, neben den verbindlichen Texten - je nach Bedarf - noch weitere Texte zu lesen, erwies sich als 608 7 Forschungsfokus Hochschuldidaktik positiv, so dass diese Wahlmöglichkeit in das bestehende Kurskonzept integriert wurde. Interessanterweise hatten jedoch viele Kursmitglieder vor Kursbeginn „freiwillig“ den kompletten Reader bearbeitet. Nichtsdestotrotz wurde erneut klar, dass abstrakte Fachtexte nicht ausreichen, um Studierende von innovativen Unterrichtsmodellen und Ansätzen zu überzeugen, sondern dass positive Rollenmodelle (I teach what I preach) und konkrete Be‐ weise aus der Praxis (Videos, Schülerarbeiten usw.) erforderlich sind, die eine konkrete Vorstellung vermitteln und somit ein Umdenken initiieren bzw. ermöglichen können. Ge‐ rade das emotionale Involviertsein im Rahmen der Simulation trug entscheidend dazu bei, Veränderungen auf kognitiver Ebene zuzulassen und wahrzunehmen. Auf diese Weise be‐ kamen in der Fachliteratur häufig zitierte Begriffe wie affective filter, meaningful tasks, fluency before accuracy, entrepreneurship oder learnerand learning-centredness plötzlich Gestalt und Raum. Von Bedeutung war nach Ansicht der Studierenden auch, dass sie Ge‐ legenheit zur Interaktion und Reflexion hatten, um ihre neuen Erfahrungen und viel‐ schichtigen Lernprozesse zu verarbeiten, an Vorwissen und Vorerfahrungen „anzudocken“ bzw. diese kritisch zu hinterfragen. Entscheidend und bestätigend ist aus meiner Sicht, dass allen Kursmitgliedern der Transfer, ein eigenes Storyline-Projekt zu konzipieren, gelungen war und der Kurs bei vielen eine nach‐ haltige Wirkung auslöste. Die zahlreichen positiven Rückmeldungen bezeugen, dass Motiva‐ tion und Überzeugung langfristig präsent sind und das erworbene Wissen darauf wartet, in die Praxis umgesetzt zu werden: “I feel that we had a complete introduction to the method of storyline. Now it is on us, to introduce the method to our students and use the benefits of the approach“ (SASt15). Dazu gehört allerdings auch die Bereitschaft der Schulen, Studierenden im Rahmen ihrer Praktika Gelegenheit für einen Praxistest zu geben, denn erst das eigenstän‐ dige Ausprobieren im Sinne des learning by doing vervollständigt den Lernprozess und ge‐ währleistet eine nachhaltige Konsolidierung des an der Hochschule Gelernten. Positiv zu bewerten ist, dass einige Kursmitglieder unmittelbar nach Seminarende die Initiative ergriffen, Storyline in der Schule auszuprobieren. Gerade die zeitnahe Umsetzung bzw. Anwendung trägt dazu bei, dass der neue und reichhaltige Wissensschatz nicht ver‐ blasst oder zu totem Wissen mutiert. Es kann also nur noch einmal der dringende Wunsch geäußert werden, dass mehr Austausch und Kooperation zwischen Schule und Hochschule stattfindet, denn die eingangs durchgeführte Befragung der Studierenden zu ihren Erfah‐ rungen mit projekt- und themenorientierter Arbeit in der Schule gibt Grund zu der Be‐ fürchtung, dass noch immer kaum offene Unterrichtsformen praktiziert werden, obwohl Bildungspolitik und Pädagogik schon seit Jahrzehnten zum eigenverantwortlichen und le‐ benslangen Lernen aufrufen. Andererseits konnten einige Studierende durchaus positive Erfahrungen in der Schule gewinnen, die hoffen lassen, dass innovative Konzepte Eingang in die Praxis finden und Schulentwicklung nicht nur am Schreibtisch stattfindet. Storyline-Arbeit macht Spaß und ist zugleich lernintensiv - das konnten die Studierenden am eigenen Leib spüren. Vor diesem Hintergrund klingt das Statement eines Kursmitglieds nicht nur optimistisch, son‐ dern auch überzeugend: “Overall, I think that students would really enjoy a Storyline project and be totally immersed in the story! The learning outcome of a Storyline project should absolutely not be underestimated! Storyline is a great tool to encourage students to learn English! “ (SASt14). 609 7.5 Fallstudie 9: Witches Teil C: Bilanz und Ausblick 8 Zusammenschau und Diskussion der zentralen Ergebnisse 8.1 Einleitung I am very much in favour of having a lucid storyline in any writing, including research reports (Dörnyei 2007, 292) Dörnyei bezieht sich im obigen Zitat auf die vergleichsweise einfache Möglichkeit der Zu‐ sammenfassung von Ergebnissen bei quantitativen Studien, die meist nach einem spezifi‐ schen Muster ablaufen und anhand von Tabellen (oft mit beeindruckenden, aber mitunter auch unverständlichen Zahlen) dargestellt werden: “In contrast, qualitative accounts are longer and contain far richer details, are based on an iterative and recursive data collection/ analysis process, and often describe multiple meanings“ (Ebd., 293). Dasselbe gilt auch für Untersuchungen, die - wie im vorliegenden Fall - auf einem Mehr-Methoden-Ansatz ba‐ sieren. Es stellt sich somit die Frage, wie die Erkenntnisse aus den Fallstudien möglichst übersichtlich, transparent und aussagekräftig dargestellt werden können. Dörnyei emp‐ fiehlt: “The only way to present this well is by becoming good storytellers“ (Ebd.). Diesem Motto versuche ich zu folgen, indem ich mich an den in Kapitel 5.2.2 und 5.2.3 gestellten Forschungsfragen orientiere, die hier für mich die Funktion von key questions übernehmen. Die zwei zentralen Fragen lauten: • Inwiefern können Storyline-Projekte in der Schule dazu beitragen, die Motivation beim bzw. zum Fremdsprachenlernen zu erhöhen und - langfristig gesehen - mög‐ licherweise auch die allgemeine Bildungsmotivation der Lernenden zu steigern, indem die Heterogenität der Jugendlichen anerkennend berücksichtigt und gewinn‐ bringend genutzt wird? • Wie kann das Storyline-Modell in Hochschulseminaren bestmöglich an Studierende „vermittelt“ werden, um bei angehenden Englischlehrkräften eine nachhaltige be‐ rufsbezogene Handlungskompetenz zum positiven Umgang mit heterogenen Lern‐ gruppen zu erzielen? Der Kodierungskatalog (vgl. Anhang E) spiegelt die Komplexität der Einflussgrößen von Kontext und Individuen im Hinblick auf Motivation und Lernen, die sich in einer großen Fülle und Bandbreite von Ergebnissen aus den neun Fallstudien manifestiert, auf die hier jedoch nicht mehr im Detail eingegangen werden kann. Um Redundanzen mit vorherigen Kapiteln zu vermeiden, werde ich bei der Zusammenschau der Ergebnisse lediglich die wichtigsten und auffallendsten Resultate aus den Untersuchungen thematisieren. Auch werde ich bei Überlappungen zwischen Schule und Hochschule gegebenenfalls nur kurze Querverweise machen, um die Leserschaft nicht zu ermüden. Zu beachten ist ferner, dass die Zahlenwerte bei den offenen Fragen in den schriftlichen Befragungen zwar eindeutige Tendenzen zeigen, aber unter Umständen ungenau sind, denn möglicherweise wurden spezifische Motivationsfaktoren bzw. Lernerfolge nicht genannt, weil sie vergessen, zweit‐ rangig oder gar nicht bewusst wahrgenommen wurden. In diesem Fall bleibt also immer noch „Luft nach oben“. Nach der Zusammenschau und Diskussion der Ergebnisse aus Schule und Hochschule werden in Kapitel 9 einige Schlussfolgerungen und Desiderate für die Praxis formuliert sowie mögliche Grenzen und Restriktionen thematisiert. Dabei wird mitunter noch einmal kurz Bezug zur Literatur genommen, um die Ergebnisse einzubinden (vgl. Dörnyei 2007). Danach werde ich in Kapitel 10 einige Impulse für zukünftige Projekte, Vorhaben oder Untersuchungen geben. 8.2 Forschungsfokus Klassenzimmer 8.2.1 Einleitung Begeisterung ist Dünger fürs Hirn (Hüther 2012, 92) In diesem Kapitel werden die zentralen Erkenntnisse aus allen sechs Fallstudien an den diversen Schulen zusammengefasst betrachtet. Dabei sollen vor allem die schriftlichen Be‐ fragungen der Lernenden in den Mittelpunkt gerückt werden, da alle Klassen nach Ab‐ schluss des jeweiligen Storyline-Projekts einen relativ einheitlichen Fragebogen ausgefüllt haben, so dass die Ergebnisse relativ stabile Tendenzen versprechen, um fundierte Thesen abzuleiten - und zwar unabhängig von Klasse, Altersgruppe, Lehrkraft, Schule, Situation vor Ort, Storyline-Thema und Erhebungszeitpunkt. Die beiden zentralen Leitfragen für die Studien lauten (vgl. Kapitel 5.2.2): • Was motiviert Schülerinnen und Schüler in Storyline-Projekten? • Was lernen Schülerinnen und Schüler in Storyline-Projekten? Die klassenspezifischen Fragen gelten als zusätzliche Sekundärfragen (vgl. Kapitel 5.2.2): • Klasse 5: Inwiefern ist es möglich, bei Storyline-Projekten gezielt Sprache zu ver‐ mitteln (Grammatik/ Wortschatz), ohne die Handlung, also die story line, aus den Augen zu verlieren? Kann die Motivation trotz intensivem Sprachinput aufrechter‐ halten werden? Wie bewerten die Lernenden - im Vergleich zu Klasse 9 und 10 - das Aufhängen der Lernergebnisse am Fries? • Klasse 6: Was gefällt den Lernenden am normalen Unterricht möglicherweise besser? • Klasse 7: Wie beurteilen die Lernenden die beiden durchgeführten Storyline-Pro‐ jekte im Vergleich? Sind Veränderungen hinsichtlich des Ablaufs bzw. des Arbeits‐ verhaltens erkennbar? • Klasse 9 und 10: Sind bei der parallelen Durchführung desselben Projekts in zwei Klassenstufen Unterschiede erkennbar? Wie beurteilen die (älteren) Lernenden den Fries? Manche Kapitel fallen kürzer aus, wenn bzw. weil die klassenspezifischen Fragen bereits an entsprechender Stelle beantwortet wurden, so dass hier nur ein kurzer Kommentar er‐ folgt. 614 8 Zusammenschau und Diskussion der zentralen Ergebnisse 8.2.2 Was motiviert Schülerinnen und Schüler in Storyline-Projekten? Die Auswertung der Daten hat gezeigt, dass Storyline-Projekte eine Vielzahl von Motiva‐ tionsfaktoren in sich bergen. Auffallend in allen sechs Projekten war die starke affektive und emotionale Beteiligung der Lernenden, was sich bald nach Projektbeginn in deren Gesichtsausdruck und Verhalten zeigte. Mitunter war selbst die jeweilige Lehrkraft ver‐ blüfft, wie präsent und engagiert die Lernenden „plötzlich“ waren. Bevor ich meine eigene Analyse vorstelle, sollen die Lernenden zu Wort kommen (SABS; vgl. Anhang A): Aus jedem Projekt habe ich bei der Frage, was den Lernenden am besten gefallen hat, hilfsweise die ersten 3 Spitzenreiter ausgewählt, zumal hier in der Regel auffallende Mehrfachnennungen stehen, meist gefolgt von einer (mehr oder weniger) langen Liste an Einzelnennungen. Punktgleiche Positionen wurden gleichberechtigt behandelt: Gibt es also mehrere 3. Plätze in einer Fallstudie, dann wurden diese hier alle berücksichtigt. Aus diesen Daten habe ich eine neue Rangliste der Motivationsfaktoren erstellt und die Kategorien entsprechend an‐ gepasst, allerdings wurden verbleibende Einzelnennungen aus Platzgründen nicht mehr aufgeführt, zumal sie als solche wenig aussagekräftig sind. Auch werden spätere ähnliche Einzelnennungen (z. B. Gemeinschaftsgefühl) in der neuen Spitzenreiterliste nicht berück‐ sichtigt; es handelt sich also nicht um absolute Zahlen. Dennoch zeigt die folgende Tabelle im Sinne einer Hitparade ein recht eindeutiges Bild (n = 156). Was bereits im Vorfeld auffällt, ist die Tatsache, dass in Fallstudie 1-5 jeweils „Gruppen‐ arbeit“ an erster Stelle steht, und zwar meist mit großem Abstand zu den anderen Nen‐ nungen. In Klasse 5 wurde dieser Aspekt überhaupt nicht genannt, was sicher daran lag, dass die Lehrkraft auf Gruppenarbeit wenig Wert legte. Eintrag im Fragebogen Anzahl der Nen‐ nungen Kategorien 1) Gruppenarbeit; Arbeit in einer Gruppe 65 6a 2) etwas basteln, zeichnen, entwerfen (z. B. Figuren, Haus usw.) 59 10a 3) Film herstellen; selbst filmen; gefilmt werden (Fallstudie 3; 6) 15 7d 4) Phantasie, eigene Ideen, eigene Lösungen, eigene Meinungen ein‐ bringen 11 8a, 9c 5) Brief erhalten bzw. auf Englisch schreiben (Fallstudie 1) 9 2c, 5c, 5 g, 9c 6) keine Hausaufgaben (Fallstudie 2) 8 4e 7) auf Englisch (frei) diskutieren; ernsthaft über Vorschläge sprechen; über jedes Thema bzw. viele Dinge diskutieren (Fallstudie 5) 5 5d, 5 g, 8a, 9b, 11c 8) etwas bzw. viel über das Zielsprachenland gelernt (Fallstudie 3) 3 3c, 4f Tab. 84: Was hat den Lernenden bei den Projekten am besten gefallen? (SABS, Nr. 2; in Kl. 5: Nr. 1) 615 8.2 Forschungsfokus Klassenzimmer Dasselbe Verfahren wurde auch bei der Frage, was den Lernenden bei dem Projekt nicht gefallen hat, angewendet (n = 156). Zu erwähnen ist, dass insgesamt 25 Lernende nichts zu kritisieren hatten und mit dem Projekt voll und ganz zufrieden waren. Eintrag im Fragebogen Anzahl der Nen‐ nungen Kategorien 1) Zeitdruck; zu wenig Zeit 18 1d 2) schlechte Zusammenarbeit in der Gruppe 16 6c 3) gefilmt bzw. fotografiert werden (Fallstudie 4; 5; 6) 15 7f 4) Einteilung bzw. Zusammensetzung der Gruppe (Fallstudie 1; 4) 14 6b 5) Lautstärke; zu laut 14 1e 6) Präsentation für 9. Klasse (Fallstudie 2) 10 5d 7) es war (ein bisschen) kindisch (Fallstudie 2) 9 3a 8) Endergebnis (Figur, Collage) nicht zufriedenstellend (Fallstudie 1; 6) 7 7d 9) (zu) viel bzw. fast immer geschrieben (Fallstudie 3; 6) 6 5c, 9a 10) abruptes Ende; zu schnell vorbei (Fallstudie 3) 4 1d 11) Langeweile, wenn nichts zu tun war (Fallstudie 1; 3) 4 1d 12) Bilderausschneiden war langweilig (Fallstudie 3) 3 7c, 9a, 10a 13) nicht immer alles verstanden, was zu tun war (Fallstudie 4) 2 5b, 5i 14) Schulranzen bzw. Ausweis basteln (Fallstudie 6) 2 10a Tab. 85: Was haben die Lernenden nicht so gut gefunden? (SABS, Nr. 3; in Kl. 5: Nr. 2) Zur Kontrolle wurde das oben erwähnte Verfahren auch bei der Frage nach Verbesserungs‐ vorschlägen durchgeführt (n = 156). Zum Vergleich: Alles in allem hatten 56 Lernende keinerlei Änderungswünsche geäußert und befanden das Projekt für insgesamt gelungen. Eintrag im Fragebogen Anzahl der Nen‐ nungen Kategorien 1) nichts; war gut so 54 4a 2) mehr Zeit; mehr Stunden pro Tag; längeres Projekt 22 1d 3) Gruppen anders bzw. selbst einteilen 15 6b 4) mehr spielen; Theateraufführung machen (Fallstudie 2; 3) 8 10b 5) (etwas) mehr Spannung, mehr action (Fallstudie 2; 3) 7 2c 616 8 Zusammenschau und Diskussion der zentralen Ergebnisse 6) die eigenen Ergebnisse (z. B. Figur, Collage) besser machen (Fall‐ studie 6) 6 7d 7) Arbeitsteilung in Gruppe (Fallstudie 2; 4) 5 6c 8) anderes Thema bzw. andere (Wahl-)Themen wählen (Fallstudie 2; 4) 5 3a 9) nicht so viel schreiben (Fallstudie 2) 4 5c, 9a 10) Aufgabe besser erklären (Fallstudie 4) 4 5b, 5i 11) mehr Witz; nicht so „streng“ (Fallstudie 1; 2) 3 4b 12) mehr Stoff, aber gleiches Verfahren; noch andere Themen (Fall‐ studie 4) 2 1d, 3a 13) mehr Musik bzw. mehr Lieder (Fallstudie 2) 2 10c 14) weniger basteln (Fallstudie 2) 2 10a 15) es sollte gefilmt werden (Fallstudie 1) 2 7f 16) mehr über England reden oder hinfahren; die Schule aus England zeigen (Fallstudie 4) 2 3c Tab. 86: Was könnte man an den Projekten verbessern? (SABS, Nr. 4; in Kl. 5: Nr. 3) Die Tabellen sprechen für sich, auch wenn manche Ergebnisse mit der klassenspezifischen Storyline zusammenhängen. Auffallend ist der hohe Stellenwert und die häufige Themati‐ sierung der Gruppenarbeit, was vermuten lässt, dass diese im Alltag wenig praktiziert wird. Dasselbe gilt für das kreative und aktive Arbeiten. Die Zusammenschau der Ergebnisse verdeutlicht den hohen Motivationscharakter der spezifischen Aufgaben in den diversen Storyline-Projekten, was auch durch die anderen Datenquellen und Perspektiven der Fallstudien untermauert wird: Insgesamt wurden so‐ wohl das Aufgabendesign (task-as-workplan) als auch die Freiheiten bei der Aufgabenbe‐ arbeitung (task-in-process) für positiv befunden. Deutlich wurde durch die Fallstudien auch, dass die Vielzahl an Aufgaben und Aufgabentypen nicht nur motiviert, sondern insbeson‐ dere auch der Heterogenität des Klassenzimmers gerecht wird, ohne dass Aufgaben - wie in Schulbüchern mittlerweile üblich - nach Lernniveaus gekennzeichnet und somit Ler‐ nende stigmatisiert werden. Ferner dokumentieren die Antworten der Lernenden, dass sie sehr konkrete Vorstellungen von „guten“ Aufgaben und guten Arbeitsbedingungen haben! Aus meiner Sicht sind diese Befunde ein Beleg dafür, dass Storyline-Arbeit zum selbst‐ ständigen und eigenverantwortlichen Lernen anregt und folglich die Bildungsmotivation und das lebenslange Lernen fördern kann. Bestätigt wird mein Statement durch weitere Ergebnisse (SABS, Nr. 5; in Kl. 5: Nr. 4): Von 156 Befragten antworteten 125 Lernende, also über 80 %, dass sie gerne länger an ihrem Projekt gearbeitet hätten. Manche gaben sogar an, dauerhaft nach diesem Ansatz arbeiten zu wollen. Einige Ablehnungen hatte es be‐ kanntlich in Fallstudie 2 wegen des Besuchs der 9. Klasse gegeben. In anderen Klassen wurde die tatsächliche Länge des Projekts für gut befunden, weil die Storyline ein natürli‐ ches Ende hatte (z. B. Gespräch mit Schulleitung). Bekräftigt wird meine These der nach‐ 617 8.2 Forschungsfokus Klassenzimmer haltigen Motivation durch Storyline auch durch die Resultate bei der Frage, ob die Ler‐ nenden gerne häufiger Storyline-Projekte durchführen würden (SABS, Nr. 7; in Kl. 5: Nr. 6): Wenn von 156 Befragten 150 Lernende, also über 96 %, diese Aussicht befürworten, dann ist das ein deutliches Signal. Das Ergebnis ist insofern entscheidend, als das Projektthema hier keine Relevanz hat. Auch wenn die 5. Klasse (Fallstudie 6) nicht nach einer konkreten Anzahl gefragt wurde, wird durch die Antworten der anderen Klassen eine Tendenz von etwa 2-4 Projekten pro Schuljahr erkennbar. Alle aufgeführten Ergebnisse decken sich weitgehend mit den anderen Daten. Ausnahmen auf Grund von klassenspezifischen Prob‐ lemen wurden in den jeweiligen Kapiteln erläutert. 8.2.3 Was lernen Schülerinnen und Schüler in Storyline-Projekten? Die diversen Datensätze belegen, dass die Schülerinnen und Schüler durch die integrative Arbeitsweise eine große Bandbreite an Lernerfolgen verbuchen konnten, und zwar in ganz unterschiedlichen Bereichen: emotionale, kognitive, fremdsprachliche, soziale, interkultu‐ relle sowie methoden- und medienspezifische Kompetenzen. Auch in diesem Fall habe ich die oben erläuterte Vorgehensweise angewendet, also aus der SABS jeweils die 3 Spitzen‐ reiter pro Klasse ausgewählt und in der Zusammenschau eine neue Rangliste erstellt, die meines Erachtens aussagekräftig ist, um die obige These zu belegen (n = 156): Eintrag im Fragebogen Anzahl der Nen‐ nungen Kategorien 1) Gruppenarbeit; Kooperation; Kompromisse finden; auch mit un‐ vertrauten Klassenmitgliedern zusammenarbeiten 70 6a, 6c, 6d 2) neue Wörter; Vokabeln besser einprägen 50 5e 3) etwas bzw. viel über das Zielsprachenland (Fallstudie 3) 24 3c 4) frei bzw. viel Englisch sprechen; in Gruppe Englisch sprechen; etwas präsentieren; „flüssiges“ Englisch sprechen (Fallstudie 2; 5) 19 5d, 5 g, 5i 5) Briefe schreiben (Fallstudie 3) 3 5c, 5 g, 7d 6) besseres bzw. viel Englisch (Fallstudie 3) 3 5i 7) Nachdenken über eigene Schule und Sachzwänge (Fallstudie 4) 3 3b 8) englische Namen, Herkunft der Figuren (Fallstudie 6) 2 3b 9) Selbstvertrauen vor der Kamera (Fallstudie 6) 2 4c, 4 f, 7f Tab. 87: Was haben die Schülerinnen und Schüler in den Projekten gelernt? (SABS, Nr. 6; in Kl. 5: Nr. 5) Auffallend ist, welchen hohen Stellenwert „Gruppenarbeit“ und „Wortschatz“ in der klas‐ senübergreifenden Rangliste haben. Interessanterweise war der Aspekt „Gruppenarbeit“ jetzt in allen 6 Fallstudien unter den Top 3. Tatsächlich war auch zu beobachten, dass die 618 8 Zusammenschau und Diskussion der zentralen Ergebnisse intensive Gruppenarbeit das Lern- und Sozialverhalten in den Klassen positiv beeinflusst hat und die Lernenden engagiert ihre Wörterbücher nutzten, um sich adäquat mitteilen zu können. 8.2.4 Kann Motivation trotz intensivem Sprachinput aufrechterhalten werden (Klasse 5)? Die Antwort ist einfach: Ja! Allerdings müssen im vorliegenden Fall einige Abstriche ge‐ macht werden, was jedoch nicht mit den Lernenden als early beginners zu tun hat, sondern mit der spezifischen Lehrkraft, die einen starken Fokus auf accuracy legte und mitunter - leider und unnötigerweise - aus der story ausstieg. Es wurde deutlich, dass sie mit themen- und projektorientiertem Lernen nicht vertraut war und nicht über entsprechende Kompe‐ tenzen verfügte, um beispielsweise Gruppenarbeit oder Eigeninitiative zu fördern. Auch gelang es ihr nicht immer, mit den Lernenden in die story einzutauchen und „mitzuspielen“. Dennoch zeigten die Lernenden viele Anzeichen von Motivation und profitierten - trotz intensiver Wortschatzarbeit und Grammatikeinführung - von der ganzheitlichen Vorge‐ hensweise des Sprachenlernens, so dass die Lehrkraft und ich immer wieder über die kre‐ ativen und sprachlich gelungenen Aufgabenlösungen staunten - wie auch die Eltern (vgl. Kapitel 6.7). 8.2.5 Was gefällt den Lernenden am normalen Englischunterricht besser (Klasse 6)? Wenn 26 der 29 Befragten (90 %) mit „nichts“ antworten (SABS, Nr. 9), dann ist auch diese Frage schnell beantwortet. 1 Schülerin zeigte sich in der SABS unentschieden. Die Einwände von 2 Lernenden, dass man dort mehr lese bzw. es etwas leiser sei und man mehr lernt, stellen die Storyline-Arbeit jedoch nicht in Frage (vgl. Kapitel 6.2). 8.2.6 Wie beurteilen Lernende zwei Storyline-Projekte im Vergleich (Klasse 7)? In der 7. Klasse wurde zuerst Witches (vgl. Kapitel 6.3) und später Kidnapped in Scotland (vgl. Kapitel 6.4) durchgeführt. Es sollte untersucht werden, ob nach zwei Storyline-Pro‐ jekten innerhalb eines Schuljahres Veränderungen hinsichtlich des Ablaufs oder des Ar‐ beitsverhaltens erkennbar sind. Obwohl sich die Lernenden in beiden Projekten äußerst motiviert, interessiert und engagiert zeigten, entschieden sich nach Abschluss des 2. Pro‐ jekts 19 der 23 Befragten, also 83 % (SABS, Nr. 10), für Kidnapped in Scotland und nur 4 für Witches. 2 Mädchen sahen zwar in beiden Projekten Vorzüge, aber als Argument wurde mehrheitlich aufgeführt, dass die Schottland-Storyline interessanter und nicht so „kindisch“ wie Witches gewesen sei. Ansprechend war offenbar auch das eigenverantwortliche Filmen. Aus meiner Sicht wurde die Bewertung jedoch durch (mindestens) zwei Faktoren beein‐ flusst: die zeitliche Nähe des 2. Projekts sowie die Präsentation vor der 9. Klasse im 1. Projekt. 619 8.2 Forschungsfokus Klassenzimmer Auffallend war, dass die Lernenden bei Kidnapped in Scotland selbstständiger arbeiteten, weil sie mit dem Storyline Approach vertraut waren. Positiv ist zudem, dass keine Ermü‐ dungsanzeichen oder negative Gewöhnungseffekte erkennbar waren und 22 von 23 Be‐ fragten (96 %) angaben, mehrmals im Schuljahr an einem Storyline-Projekt arbeiten zu wollen (SABS, Nr. 7), was erneut die These bestärkt, dass Storyline-Arbeit einen Beitrag zum autonomen Lernen und zur längerfristigen Motivation leisten kann. 8.2.7 Gibt es Unterschiede bei der Durchführung eines Projekts (Klasse 9 und 10)? Our Ideal School wurde von derselben Lehrkraft parallel in Klasse 9 (vgl. Kapitel 6.5) sowie in Klasse 10 (vgl. Kapitel 6.6) durchgeführt. Die Lehrkraft profitierte trotz Mehrbelastung davon und konnte ihre Erfahrungen unmittelbar in der anderen Klasse umsetzen (z. B. einen anderen Einstieg wählen). Dabei war auch ihre eigene Motivation und Begeisterung gut spürbar, wenn Lernende gelungene Präsentationen oder Aufgabenlösungen boten. Auch wenn es inhaltliche und gestalterische Unterschiede gab oder spezifische Phasen verlängert, verkürzt bzw. ausgelassen wurden, ist das Endergebnis in den beiden Klassen vergleichbar: Beide Klassen waren - motiviert durch das lebensnahe Thema - sehr enga‐ giert und ehrgeizig. Beide Klassen äußerten sich positiv über Gruppenarbeit, das kreative und handlungsorientierte Arbeiten sowie die Möglichkeit, eigene Ideen und Meinungen einzubringen (SABS, Nr. 2). In beiden Klassen stand im Hinblick auf den Lernerfolg die Gruppenarbeit jeweils an erster Stelle (SABS, Nr. 6). Interessant ist, dass es dennoch Un‐ terschiede gab, denn in der 10. Klasse wurde beispielsweise auf dem 2. Platz das freie Prä‐ sentieren als Lerngewinn genannt, während in der 9. Klasse der Wortschatzerwerb diesen Platz einnahm (SABS, Nr. 6). In beiden Klassen hätten fast alle gerne noch länger an der Storyline gearbeitet, nämlich 24 der 25 Befragten (96 %) in Klasse 9 (SABS, Nr. 5) und 17 der 23 Befragten (74 %) in Klasse 10 (SABS, Nr. 5), wobei in der 10. Klasse 3 weitere Lernende angaben, dass die Länge genau richtig war. Einig waren sich dagegen alle bis auf einen 10.Klässler, dass sie gerne öfters im Schuljahr Storyline-Projekte machen würden (SABS, Nr. 7). Storyline motiviert also alle Altersgruppen. 8.2.8 Wie beurteilen die Lernenden den Fries (Klasse 5, 9 und 10)? Bei allen Projekten war offensichtlich, dass die Lernenden die Klassenöffentlichkeit und das Aufhängen der Materialien am Fries für sehr positiv befanden. Schon vor Unterrichts‐ beginn konnte man beobachten, wie sie Collagen betrachteten, Texte lasen oder sich über besonders gelungene Aufgabenlösungen austauschten. Aus meiner Sicht hatte der Fries einen hohen Motivationscharakter. Um dieser Frage nachzugehen, wurden unterschied‐ liche Klassenstufen dazu befragt: In Klasse 5 bewerteten 26 der 28 Befragten (93 %) das Aufhängen der Lernprodukte positiv (SABS, Nr. 7). In Klasse 9 äußerten sich 22 der 25 Befragten (88 %) explizit positiv, doch niemand lehnte den Fries ab (SABS, Nr. 10). In Klasse 10 waren es 20 der 24 Befragten (83 %), die den Fries ausdrücklich befürworteten, aber auch hier lehnte ihn niemand kategorisch ab (SABS, Nr. 10). Die Zahlen sprechen für sich. 620 8 Zusammenschau und Diskussion der zentralen Ergebnisse In der 5. Klasse wurde um keine Begründung für die Bewertung gebeten, in Klasse 9 und 10 dagegen schon. Mit deutlichem Abstand wurde in Klasse 9 die Sichtbarmachung der Aufgabenlösungen als Pluspunkt genannt, gefolgt vom Aspekt des optisch anregenden Lernmediums sowie der Möglichkeit, sich mit anderen (Leistungen) vergleichen zu können (SABS, Nr. 10). In Klasse 10 war der Dekorationsaspekt an vorderster Stelle, gefolgt von der Sichtbarmachung der Aufgabenlösungen sowie der Dokumentation von Ergebnissen und Leistungen (SABS, Nr. 10). Erwähnt wurden in beiden Klassen noch viele andere Vorzüge, was belegt, dass sich die Lernenden über die diversen Funktionen des Frieses im Hinblick auf Motivation und Lernhilfe bewusst waren und diesen keineswegs als kindisch oder un‐ nötig abtaten. 8.3 Forschungsfokus Hochschuldidaktik 8.3.1 Einleitung Nur eine Lehrkraft, die selbst motiviert ist, kann schließlich auch andere motivieren (Doff 2006, 189) Nachfolgend werden die wichtigsten Ergebnisse aus den drei Fallstudien an der Pädagogi‐ schen Hochschule betrachtet. Auch hier sollen vor allem die schriftlichen Befragungen sowie die Reflexionen der Studierenden in den Mittelpunkt gerückt werden, um neben meiner eigenen (möglicherweise voreingenommenen) Sicht auch anderen Stimmen Raum zu geben und somit differenzierte und überzeugende Erkenntnisse ableiten zu können. Die zentrale Leitfrage für die drei Fallstudien lautet (vgl. Kapitel 5.2.3): • Wie kann bei Lehramtsstudierenden - am Beispiel eines Seminars zum Storyline Approach - eine nachhaltige berufsbezogene Handlungskompetenz erzielt werden, und zwar insbesondere im Hinblick auf den positiven Umgang mit heterogenen Lerngruppen? Auf einer zweiten Ebene stehen folgende Forschungsfragen (vgl. Kapitel 5.2.3): • Wie kann für eine heterogene Gruppe, die den Storyline Approach noch nicht kennt, eine motivierende und lernförderliche Seminaratmosphäre geschaffen werden? • Wie können Studierende - auch nachhaltig - für Storyline begeistert werden? Welche Aspekte bzw. Seminarelemente kommen im Sinne der Motivation gut an? • Wie muss ein Seminar gestaltet sein, damit die Studierenden einen multifunktio‐ nalen Lerngewinn davontragen? Welche konkreten Einsichten und neuen Kompe‐ tenzen entwickeln Lehramtsstudierende im Rahmen des Seminars? • Wie können Studierende zur kritischen Reflexion und zum forschenden Fragen in‐ nerhalb des Seminars angeregt werden? Welche Themen sind dabei relevant für sie? • Wie können Theorie und Praxis gewinnbringend verbunden werden? • Wie muss ein Seminar gestaltet sein, dass Studierende tatsächlich auch eigene Story‐ line-Projekte für die individuellen Bedürfnisse vor Ort entwickeln und schließlich durchführen möchten/ können (Lerntransfer)? 621 8.3 Forschungsfokus Hochschuldidaktik 1 Von insgesamt 58 Kursmitgliedern reichten nicht alle eine SA ein; manche nahmen „nur“ aus Inte‐ resse teil. • Wie beurteilen die Studierenden das Seminarkonzept - auch hinsichtlich der Rele‐ vanz für ihre Ausbildung als zukünftige (Fremdsprachen-)Lehrkräfte? Da sich die Leitfrage quasi durch die Beantwortung der Sekundärfragen beantworten lässt, werde ich zunächst diese berücksichtigen. 8.3.2 Wie wird eine motivierende und lernförderliche Atmosphäre geschaffen? Um Redundanzen mit anderen Fragen zu vermeiden, beschränke ich mich auf einige Kern‐ aussagen, die sich aus den verschiedenen Datenquellen speisen. Folgende Aspekte beein‐ flussten die Seminaratmosphäre maßgeblich und ermöglichten fruchtbares und angstfreies Lernen: • Die Konzeption als Kompaktkurs erlaubte nicht nur eine intensive Auseinanderset‐ zung mit dem Seminarinhalt, sondern wirkte sich auch positiv auf die Gruppendy‐ namik aus. • Das Kennenlernspiel (Wheels) ermöglichte eine unbefangene Kontaktaufnahme der Studierenden und brach buchstäblich das Eis in den heterogenen Lerngruppen. • Die Gestaltung des Raums mit den eigenen Lernprodukten (Fries) bewirkte ein Ge‐ fühl von ownership und regte - auch in den Pausen - zur entspannten Kommuni‐ kation an. • Die Tatsache, dass alle Fragen willkommen waren, vermittelte ein Gefühl von Si‐ cherheit. • Autonome Phasen (Austausch, Materialsichtung, Konzeption der eigenen Story‐ line-Projekte usw.) erlaubten eigenverantwortliches Lernen nach eigenem Rhythmus und Interesse. • Der Fokus auf inhaltsbezogene Kommunikation und fluency (statt accuracy) ermu‐ tigte die Studierenden, sich an Gesprächen zu beteiligen, und bewirkte eine intensive Mitarbeit. 8.3.3 Welche Aspekte bzw. Seminarelemente finden die Studierenden motivierend? (Wie) können Studierende im Hinblick auf den Storyline Approach - auch nachhaltig - begeistert und überzeugt werden? Welche Seminarkomponenten unterstützen sie dabei? Dass die Simulation besonders gut ankam, war in allen Kursen sicht- und spürbar. Ergän‐ zend setzte ich wieder das in Kapitel 8.2.2 beschriebene Spitzenreiterverfahren ein, indem ich zunächst die Reflexionen (SA) aus den drei Fallstudien hinzuzog. Allerdings berück‐ sichtigte ich dieses Mal jeweils die ersten 4 Plätze (nicht nur 3), um bei der geringeren Anzahl von Studien ein differenzierteres Bild zu erhalten. Auch wenn es sich dabei nicht um absolute Zahlen handelt, vermittelt die folgende Rangliste ein klares Ergebnis (n = 50) 1 : 622 8 Zusammenschau und Diskussion der zentralen Ergebnisse Positive Punkte Anzahl der Nen‐ nungen Kategorien 1) Simulation (learning by doing) war wichtige bzw. beste Kursphase; hat Verständnis und Lernerfolg intensiviert 42 13a, 14b, 14g 2) Kurs hat Motivation bzw. Überzeugung ausgelöst, Storyline-Pro‐ jekte in der Schule durchzuführen 22 4a, 4 f, 14 g, 14h 3) Simulation hat (sehr) viel Spaß gemacht; einzigartige Erfahrung 19 4a, 4b, 14b 4) Reader im Vorfeld war gut, um Basiswissen zu erwerben; löste Fragen zur Umsetzung aus; hat Interesse an Storyline bzw. Kurs ge‐ weckt 18 7a, 14a, 14d 5) (sehr) gute Atmosphäre; entspannte, aber konzentrierte Lern‐ atmosphäre 17 4b, 4c 6) Kurs hat Spaß gemacht; war inspirierend und nützlich; hat sich gelohnt; einmalige Erfahrung an der PH 12 4a, 4b, 13a, 13c 7) sinnvolles und lernförderliches Kurskonzept; exzellente bzw. ko‐ härente Kursstruktur (Fallstudie 8) 7 13a 8) bei Simulation hat Spaß und Intensität der Rollenübernahme über‐ rascht (Fallstudie 7) 7 2d, 4b, 14b 9) Kurs war lernintensiv; habe viel gelernt (Fallstudie 9) 5 4a, 4 f, 13a, 14g 10) Kurs sollte verpflichtend sein; jede Englischlehrkraft sollte ein Storyline-Seminar besuchen; es sollte mehr solche Kurse geben; würde Kurs anderen empfehlen (Fallstudie 8) 5 4a, 13a, 13c Tab. 88: Wie bewerten die Studierenden das Seminar bzw. Seminarkonzept? (SA) Da die Kritikpunkte im Vergleich zu den Positivpunkten in den SA zahlenmäßig extrem gering sind und fast nur Einzelmeinungen darstellen, werden sie hier vernachlässigt. Er‐ gänzend werden jedoch die Resultate aus der SABSt in Fallstudie 8 und 9 hinzugezogen, die zu Beginn des letzten Kurstags durchgeführt wurde. Die Evaluationsbögen (vgl. Anhang B) wurden anonym ausgefüllt (n = 40): Eintrag im Fragebogen Anzahl der Nen‐ nungen Kategorien 1) Unterrichtssimulation; eine Storyline selbst ausprobieren; learning by doing; Handlungsorientierung; Handlungswissen erwerben 25 14b 2) (sehr) gute Balance bzw. Kombination von Theorie und Praxis 13 13a, 14e 3) gute und transparente Kursstruktur; sinnvoller, logischer Aufbau 11 13a 4) (sehr) gute Atmosphäre; entspannte, sichere bzw. produktive At‐ mosphäre; gutes Arbeitsklima 11 4b, 4c 623 8.3 Forschungsfokus Hochschuldidaktik 2 Von insgesamt 58 Kursmitgliedern reichten nicht alle eine SA ein; manche nahmen „nur“ aus Inte‐ resse teil. 5) (viel) Gruppenarbeit; Teamwork (Fallstudie 8) 6 6a, 14c 6) gute zeitliche Organisation; gutes Zeitmanagement; genügend Pausen (Fallstudie 8) 5 13a, 13b 7) viel Raum für Fragen; Fragen der Studierenden werden berück‐ sichtigt; für alle Fragen werden Antworten gesucht (Fallstudie 9) 5 8a, 9c, 13a, 14d 8) Kurs macht viel Spaß; Kurs ist interessant; es ist nie langweilig oder anstrengend; Abwechslung (Fallstudie 8) 4 4a, 4b, 13a, 13b Tab. 89: Was hat den Studierenden an dem Kurs besonders gefallen? (SABSt, Nr. 1) Beide Auswertungen (SA und SABSt) unterstreichen die immense Bedeutung der Hand‐ lungsorientierung und Selbsterfahrung in der Lehrerausbildung, um „Lernstoff “ durch‐ dringen, übertragen und anwenden zu können. Dafür müssen Bedingungen geschaffen werden, die Emotionen, aber auch Fehler und Fragen zulassen. Motivierend ist offenbar auch eine transparente und logische Kursstruktur, also eine nachvollziehbare story line, sowie eine ausgewogene Kombination von Theorie und Praxis. Bei den Verbesserungsvorschlägen (SABSt, Nr. 2) handelte es sich wieder weitgehend um Einzelmeinungen, so dass sie hier nicht berücksichtigt werden. In Fallstudie 9 schlugen einige vor, die Simulation aus Zeitgründen eventuell etwas zu kürzen, was aber in der SD sowie in den SA von vielen wiederum abgelehnt wurde. Die Konzeption eigener Projekte wurde in den SABSt nicht thematisiert, weil diese Phase noch ausstand. Allerdings wurde dieser Aspekt in den SA ausführlich reflektiert und vielfach als positive Herausforderung bezeichnet. 8.3.4 Welche Einsichten und Kompetenzen gewinnen die Studierenden im Seminar? Um die Frage in Bezug auf den Lernerfolg der Studierenden zu beantworten, wertete ich nach dem obigen Verfahren der 4 Spitzenreiter zunächst die SA der drei Fallstudien aus (n = 50) 2 : Nennung in Reflexion Anzahl der Nen‐ nungen Kategorien 1) Kurs hat von Storyline überzeugt (da viele Vorteile bzw. Chancen) 34 4a, 14g 2) Storyline-Arbeit macht (sehr) viel Spaß bzw. motiviert sicher auch Schülerinnen und Schüler 29 4b, 14g 3) Storyline ist flexibel einsetzbar je nach Ziel (z. B. Thema, Lernni‐ veau, Medien usw.); gutes Konzept für fächerübergreifenden bzw. bi‐ lingualen Unterricht 12 14d, 14g 624 8 Zusammenschau und Diskussion der zentralen Ergebnisse 4) Storyline fördert soziale Kompetenzen bzw. Gemeinschaftsgefühl, Toleranz, Empathie (Fallstudie 7; 9) 10 6c, 6d, 14g 5) bei Simulation gelernt, welche Aufgaben und Rollen die Lehrkraft übernimmt (Fallstudie 7; 8) 8 8b, 14b, 14g 6) Storyline realisiert Ziele des Bildungsplans; deckt (fast) alle Be‐ reiche ab (Fallstudie 7) 7 14e, 14g 7) Storyline ist (sehr) interessantes Lern- und Lehrkonzept bzw. groß‐ artige Lehrmethode (Fallstudie 9) 5 4a, 14g 8) Storyline ermöglicht Sprachenlernen auf integrative und spieleri‐ sche Art (Fallstudie 7) 5 2a, 5h, 10d, 14g 9) Storyline fördert aktives, selbstständiges und eigenverantwortli‐ ches Lernen; veränderte Rolle der Lernenden (Fallstudie 7) 5 8c, 14 g 10) Storyline ist lernerorientiert und berücksichtigt Vorwissen bzw. Ideen der Schülerinnen und Schüler (Fallstudie 7) 5 8a, 14g 11) Storyline involviert und aktiviert Lernende bzw. ganze Klasse (Fallstudie 9) 4 8a, 8b, 14g 12) bei Simulation gelernt, wie man Storyline im Klassenzimmer um‐ setzt (Fallstudie 8) 4 14b, 14g 13) Storyline-Arbeit ist lernintensiv; Schülerinnen und Schüler lernen sehr viel, ohne es zu bemerken (Fallstudie 8) 4 4b, 14g 14) konnte alle gesammelten Fragen selbst beantworten; hat Lerner‐ folg bewusst gemacht (Fallstudie 9) 4 4f, 8a, 9c, 14d, 14g 15) Storyline ist Zeit und Aufwand (absolut) wert (Fallstudie 8) 3 4a, 14g Tab. 90: Wie bewerten die Studierenden ihren Lernerfolg? (SA) Hier zeigt sich eine bunte Palette an geäußerten Lernerfolgen - allen voran die erfah‐ rungsbasierte Einsicht und Überzeugung, dass Storyline-Arbeit motivierend und ein gutes Konzept für das Fremdsprachenlernen ist. Das Ziel des Kurses, die Studierenden von Story‐ line zu überzeugen, wurde also erreicht. Bestätigt wird meine These auch durch die SABSt in Fallstudie 8 und 9 (n = 40): Eintrag im Fragebogen Anzahl der Nen‐ nungen Kategorien 1) wie man Storyline-Projekte in der Schule bzw. im Englischunter‐ richt durchführt; wie es konkret funktioniert; “the do-how“ 21 14b, 14g 2) was Storyline ist; Merkmale, Kriterien, Hintergründe; alles über Storyline 18 4f, 14g 3) Theorie zu Storyline; Hintergrundwissen zu Storyline und Konst‐ ruktivismus bzw. Projektarbeit (Fallstudie 8) 5 14a, 14g 625 8.3 Forschungsfokus Hochschuldidaktik 4) möchte Storyline (unbedingt) in Schule ausprobieren (Fallstudie 9) 4 14h 5) Storyline ist “absolutely fantastic“; “a fun teaching approach“; “a nice & good way of teaching“ (Fallstudie 8) 3 4a, 4b, 14g 6) dass Storyline ein Konzept ist, das Lernende wirklich motiviert (Fallstudie 8) 3 4b, 14g 7) dass durch Storyline viele bzw. fast alle Aspekte des Bildungsplans abgedeckt werden (Fallstudie 8) 3 14e, 14 g 8) dass Storyline gutes Konzept bzw. gute Alternative ist; großartiges Konzept, um Klassenzimmer zu öffnen (Fallstudie 9) 3 1a, 4a, 9d, 14g Tab. 91: Was haben die Studierenden in dem Kurs gelernt? (SABSt, Nr. 3) Durch die SA wurde zudem bestätigt, dass alle Studierenden fähig waren, ein eigenes Storyline-Projekt zu konzipieren - wenn auch mit unterschiedlichem Erfolg und Aufwand. 8.3.5 Wie werden Studierende zu Reflexion und forschendem Fragen angeregt? Bei allen Fallstudien gab es übereinstimmende Hinweise zu Faktoren, die zur kritischen Reflexion und zum forschenden Lernen anregten: die Berücksichtigung von Vorwissen und Vorerfahrung (Lernbiographie); die Gelegenheiten für Austausch und Diskussionen in Gruppen; die Konfrontation mit der Unterrichtsrealität (z. B. Schulbücher, Barrieren, Ängste); die Feedbackrunde zu den Projektentwürfen und nicht zuletzt die Tatsache, dass auf Fragen keine fertigen Antworten geliefert, sondern diese gesammelt und am Ende ge‐ meinsam beantwortet wurden. Ein besonders wichtiges Thema war in allen Fallstudien die Frage nach der Absicherung gegenüber Schulleitung, Kollegium und Eltern, so dass die Auseinandersetzung mit den Bildungsplänen und Möglichkeiten der Leistungsbewertung als positiv und hilfreich empfunden wurde, um im Ernstfall sicher und fundiert argumen‐ tieren zu können. 8.3.6 Wie können Theorie und Praxis gewinnbringend verbunden werden? Die obigen Auswertungen der SA und SABSt belegen, dass die Kombination von Theorie und Praxis ausgewogen und lernförderlich war. Alle Fallstudien haben gezeigt, dass das zirkuläre Lernen, also der regelmäßige Rückbezug zur Theorie (z. B. Reader, „A-B-C-Poster“), zur eigenen Erfahrung (z. B. Schulzeit, Studium, Praktikum), zur Unter‐ richtsrealität (z. B. Videobeispiele, Praxismaterialien, Bildungspläne), vor allem aber die Selbsterfahrung im Rahmen der Simulation sowie die Entwicklung eines eigenen Story‐ line-Projekts, ein wichtiger und sinnvoller Kernpunkt des Kurses war, um „Wissen“ und „Können“ zu vernetzen und somit zu verstehen. Dies zeigte sich auch bei der gemeinsamen Beantwortung der Frageposter. 626 8 Zusammenschau und Diskussion der zentralen Ergebnisse 8.3.7 Wie lernen Studierende eigene Storyline-Projekte zu konzipieren? Wie die Ausführungen oben verdeutlicht haben, hat insbesondere die Simulation dazu bei‐ getragen, die Studierenden a) zu motivieren und b) zu befähigen, ein eigenes Projekt zu entwickeln. Während die Readerlektüre eine grobe Vorstellung von dem Konzept vermit‐ telte, konnten die Studierenden durch die Selbsterfahrung Einsichten und Handlungs‐ wissen sammeln, die sie für die Projektentwicklung sensibilisierten. Für gut befunden wurde zudem, dass inspirierende Praxismaterialien und konkrete Unterrichtsbeispiele zur Verfügung gestellt wurden und die Möglichkeit bestand, im Team zu arbeiten sowie den Entwurf am letzten Tag im Plenum vorzustellen und zu diskutieren. In den SA wurde viel‐ fach zum Ausdruck gebracht, dass die Projektkonzeption zwar eine Herausforderung war, aber zugleich Freude und Kompetenzempfinden vermittelte. Häufig wurden auch Interesse und Vorfreude auf das Erproben in der Schule erwähnt - manche realisierten dies sogar in Eigeninitiative im Anschluss an den Kurs. 8.3.8 Wie beurteilen die Studierenden das Seminarkonzept? Die Befunde bestätigen, dass die Studierenden das Seminarkonzept für motivierend, strin‐ gent sowie hinsichtlich ihres zukünftigen Berufs für sinnvoll und gewinnbringend befanden (hoher Anwendungsbezug). Mehrfach wurde in den SA erwähnt, dass sie froh über die Teilnahme waren, den Kurs weiterempfehlen oder sogar den Inhalt als Prüfungsthema wählen werden. Auch die gute Bewertung des Kurses in den Evaluationsbögen (SABSt, Nr. 5) in Fallstudie 8 und 9 bestätigt diesen Eindruck. Für besonders positiv befunden wurde, dass nicht nur - wie üblich - Theorie vermittelt, sondern auch gezeigt wurde, wie diese konkret in die Praxis umgesetzt werden kann (vgl. auch Kapitel 8.3.3). 8.3.9 Wie kann eine nachhaltige berufsbezogene Handlungskompetenz im Umgang mit heterogenen Lerngruppen erzielt werden? Die einzelnen Passagen in Kapitel 8.3 haben bereits eine Antwort auf diese Leitfrage ge‐ liefert, so dass aus Gründen der drohenden Redundanz keine Details mehr aufgeführt werden. Der Kurs - und vor allem die Simulation - hat gezeigt, dass der Storyline Approach ein offenes und zugleich strukturiertes Konzept darstellt und dass bei jeder Aufgabe „au‐ tomatisch“ vielfache Differenzierungsmöglichkeiten (z. B. Lernniveau, Lerntyp, Interesse) bestehen, die heterogenen Lerngruppen gerecht werden. Den Studierenden wurde durch die eigene Erfahrung bewusst, dass diese inhaltliche und aufgabenbezogene Offenheit in vielerlei Hinsicht motivierend ist und dass jedes Klassenmitglied einen Beitrag zum Ge‐ lingen des Projekts leisten kann. Diese Einsicht und das entsprechende Handlungswissen trugen dazu bei, dass viele Studierende mit Vorfreude und Zuversicht auf das Ausprobieren in der Schule blickten. Vielfach erwähnt wurde, dass es wichtig war, nicht nur einzelne Aufgaben „mal kurz“ auszuprobieren, sondern tatsächlich ein nahezu komplettes Projekt in der Schülerrolle zu erfahren und dabei auch die (neue) Rolle der Lehrkraft zu beobachten, um wirklich nach‐ vollziehen zu können, wie die einzelnen Schritte angeleitet und miteinander verbunden 627 8.3 Forschungsfokus Hochschuldidaktik werden (do how). Für wichtig befunden wurde zudem die Konzeption eines eigenen Pro‐ jekts, um die gewonnenen Kompetenzen anzuwenden und zu reflektieren. 628 8 Zusammenschau und Diskussion der zentralen Ergebnisse 9 Schlussfolgerungen und Desiderate für die Praxis 9.1 Forschungsfokus Klassenzimmer Eigentlich gibt es keinen Grund, warum schulisches Lernen nicht mehr Spaß machen könnte (...) und es gibt viele Möglichkeiten, die Situation zu ändern (Csikszentmihalyi/ Schiefele 1993, 220) Sicher klingt das obige Zitat auf den ersten Blick etwas banal, würde man sich nicht die beunruhigende Erkenntnis von Hattie (2009) in Erinnerung rufen: “For many, demotivation has more impact than motivation“ (Ebd., 48). Hatties Studie macht laut Köller (2012) deut‐ lich, dass die Rahmenbedingungen (z. B. Reduzierung der Klassengröße, Schulstrukturen usw.), die üblicherweise im Vordergrund von bildungspolitischen Reformen stehen, „weit‐ gehend irrelevant“ sind (Ebd., 77). Er stellt in diesem Zusammenhang klar: „Will man lang‐ fristig Lernerfolge aufseiten der Schülerinnen und Schüler steigern, so scheint die ent‐ scheidende Stellgröße der Unterricht selbst zu sein. Damit verbunden sind systematische, langfristig ausgerichtete Programme der Lehrerprofessionalisierung“ (Ebd., 77 f.). Gerne stimme ich Köller zu, wenn es darum geht, den Storyline Approach zu verbreiten, indem beispielsweise mehrtägige Fortbildungen für ein ganzes Fachkollegium an den Schulen angeboten werden, so dass sich die Lehrkräfte später bei der Umsetzung im Un‐ terricht gegenseitig unterstützen, austauschen und beraten können. Aus meiner Sicht ist dies die beste Methode, um Lehrkräfte zu motivieren, damit sie längerfristig am Ball bleiben. In einigen nordischen Ländern und schottischen Schulen wird dies mit Erfolg praktiziert. Sinnvoll sind auch Storyline-Alumnikurse für Fortgeschrittene, um sich weiter zu profes‐ sionalisieren. Wie in Kapitel 1 dieser Arbeit dargestellt, wird die Heterogenität des Klassenzimmers im Alltag noch immer häufig übersehen bzw. übergangen, und der „Mythos vom perfekten Schüler“ (Häcker u. a. 2008, 168) verursacht nicht selten auf beiden Seiten Frustrationen und Motivationsverlust - auch bzw. gerade beim Fremdsprachenlernen. Laut Häcker, Eysel und Bergmann stellt sich die Frage: „Wie kann die Passung zwischen Schule und Schülern in ihrem Kernbereich, dem Unterricht, erhöht werden? “ (Häcker u. a. 2008, 169). Einer der vorgeschla‐ genen Ansatzpunkte lautet: „Erhöhung der Identifikation der Schüler mit den schulischen Inhalten durch die Veränderung der Aufgabenstruktur im Sinne von authentischen, lebens‐ nahen ergebnisoffenen und herausfordernden Problemstellungen“ (Ebd., 170). Ansprechende Aufgaben und vielfältige Aufgabentypen sind offenbar der Schlüssel zum Erfolg! Meine Fallstudien haben gezeigt, dass der Storyline Approach eine Möglichkeit dar‐ stellt, um diese Theorie in die Praxis umzusetzen, denn Storyline-Projekte bieten eine Viel‐ zahl an motivierenden Aufgaben und Aufgabentypen, welche die obigen sowie auch die in Kapitel 2.4.2 aufgeführten Gütekriterien erfüllen und zugleich lernerimmanente Unter‐ schiede im Sinne der Differenzierung gewinnbringend nutzen. Dabei werden nicht nur vielfältige fachbezogene und fächerübergreifende Kompetenzen sowie soft skills entwickelt, sondern durch den integrativen und themenzentrierten Ansatz wird das Lernen auch nach‐ haltig, denn aus den Neurowissenschaften ist bekannt: „Wir lernen und behalten eigentlich 1 Zu anderen demokratiepädagogischen Ansätzen vgl. auch Magnus/ Sliwka (2015). auch nur das, was Sinn ergibt, was wichtig für uns ist und was für uns Bedeutung hat“ (Schirp 2006, 111). Die key questions in Storyline-Projekten sind „echte“ Fragen und fordern „echte“ Antworten. Sie motivieren die Lernenden, “to speak as themselves“ (Legenhausen 1999, 181). Incidents fordern und fördern Problemlösestrategien und thinking skills, die ge‐ rade für selbstbestimmtes, eigenverantwortliches und lebenslanges Lernen relevant sind. Ferner gewährleistet die fortlaufende Geschichte Kohärenz und Kohäsion der Lerninhalte - der „rote Faden“ fördert somit hirngerechtes Lernen. Das Visualisieren von Ideen durch kreative Ausdrucksformen (z. B. Collagen, Tanz) ermöglicht zudem, individuelles Weltwissen sowie komplexe Vorstellungen einzubringen und auszutauschen, was in der Fremdsprache eventuell (noch) nicht möglich ist: “Mak‐ ing ‘cognition’ concrete“ (Schunk u. a. 2010, 329) hilft dabei, Gedanken, Denkmodelle und Lernprozesse zu reflektieren und damit tiefer zu durchdringen. Der Fremdsprachenunter‐ richt an den Schulen sollte also mehr “brain-friendly“ werden. Da nicht alle Lernenden gleich sind, müssen im Unterricht mehr Freiräume und Wahl‐ möglichkeiten angeboten werden, wie und mit welchen Hilfsmitteln oder Methoden eine Aufgabe gelöst werden kann. Thaler (2008) behauptet: „Wer A wie Autonomie sagt, muss auch B wie Betreuung sagen“ (Ebd., 306). Dem stimme ich voll zu. Die Fallstudien haben belegt, dass dies bei Storyline gewährleistet wird, da immer die Möglichkeit besteht, Un‐ terstützung von der Lehrkraft oder der Gruppe zu erhalten. Zudem erwerben und trainieren die Lernenden methodische Kompetenzen (z. B. dictionary skills), um - auch in Zukunft - selbstständig arbeiten zu können. Wünschenswert wäre jedoch, den strikten 45-Mi‐ nuten-Rhythmus zugunsten von mehr Doppelstunden aufzubrechen: nicht nur auf dem Papier, sondern auch de facto. Meine Untersuchungen haben aufgedeckt, wie wichtig für die Lernenden Gruppenar‐ beit war bzw. ist. Der Mensch ist bekanntlich ein soziales Wesen und braucht diesen Schutzraum, um sich zu entwickeln und Neues auszuprobieren. Aus den Daten wurde deutlich, dass Storyline-Projekte im Schutz der Peergruppe die Risikobereitschaft erhöhen und somit zu qualitativ besseren Lernergebnissen führen: inhaltlich und sprachlich. Der für den Fremdsprachenunterricht noch immer typische Frontalunterricht muss definitiv über‐ dacht werden. Wie sonst als in der praktischen Gruppenarbeit kann Kooperation, Toleranz sowie ein demokratisches Bewusstsein erworben werden, wie dies beispielsweise vom Eu‐ roparat (2001, 8) explizit gewünscht wird? Schule kann diverse Formen von Gewalt verur‐ sachen (vgl. Kapitel 1.5). Allerdings kann sie durch eine entsprechend gestaltete Schulkultur und Unterrichtsqualität „auch zur Gewaltminderung“ beitragen (Oertel u. a. 2015, 259). Meine Studien haben belegt, dass Storyline-Arbeit einen insgesamt positiven Einfluss auf das Sozial- und Lernverhalten der Schülerinnen und Schüler hat. Folglich könnte der Story‐ line Approach auch als Präventionsansatz bei Unterrichtsstörungen dienen. 1 Menschen sind neugierig, möchten interagieren und kommunizieren. Deshalb wurden die Präsentationen in der Klassenöffentlichkeit stets aufmerksam verfolgt und der Fries so positiv bewertet. Das Ziel, die eigenen Aufgabenlösungen publik zu machen, gab den Lernenden - und auch den Studierenden - stets einen „Kick“. Hier zeigte sich aus meiner Sicht ein deutlicher Zusammenhang zwischen Motivation und Lernerfolg: Aufgaben, die 630 9 Schlussfolgerungen und Desiderate für die Praxis 2 Vgl. dazu Dörnyei (2001a), Gardner (2010), Oxford (1999) sowie Kapitel 4.3.2.1. motivierend sind und ein konkretes Ziel anvisieren, werden engagierter und intensiver bearbeitet (z. B. Üben für eine Präsentation, Überarbeitung eines Briefes). Ehrgeiz und Aus‐ dauer zahlten sich stets aus, denn Übung macht bekanntlich den Meister! Die Fallstudien haben zudem offengelegt, dass Klassen nicht nur komplexe, sondern auch sehr fragile dynamische Systeme sind (vgl. Kapitel 4.3.5.3). Am Beispiel der Präsentation für eine 9. Klasse (Fallstudie 3) wurde deutlich, wie schnell die Motivation in den Minusbereich sinken kann, und zwar nicht etwa weil das Lernergebnis schlecht war, sondern weil von der Lehr‐ kraft das „falsche“ Publikum ausgewählt wurde und das erwartete positive Feedback aus‐ blieb. Belegt wurde durch die Fallstudien auch, dass Storyline-Arbeit vielfältige fremdsprach‐ liche Kompetenzen entwickelt und dabei verschiedene Dimensionen der Sprachproduk‐ tion berücksichtigt. Bevorzugt erwähnt wurde in den Befragungen - sogar bei den Studie‐ renden - die Erweiterung des Wortschatzes sowie das viele freie und entspannte Sprechen vor der Klasse bzw. in der Gruppe. Folglich kann Storyline einen Beitrag dazu leisten, die in der Literatur häufig thematisierte language anxiety  2 zu verringern, denn Storyline-Pro‐ jekte vermitteln und optimieren im Kontext der narrativen Rahmenhandlung vielseitiges deklaratives und prozedurales Wissen, um sich in der Fremdsprache sicher zu fühlen. Teen‐ ager sind wenig motiviert, “to babble like a child“ (Dörnyei/ Ushioda 2011, 120). In Story‐ line-Projekten wird Sprache nicht „atomisiert“ (Bleyhl 2000, 84), sondern funktional und situativ verwendet. Auf Grund der Inhaltsorientierung (an Stelle der üblichen Formorien‐ tierung) fällt es Lernenden leichter, in der Fremdsprache zu kommunizieren und ihre dies‐ bezüglichen Kompetenzen zu verbessern sowie das Sprachbewusstsein zu sensibilisieren. Dies wurde in den Fallstudien auch mehrfach von den Lehrkräften bestätigt. Dazu gehört allerdings auch eine entsprechende Fehlertoleranz. Die Bedeutung von Affekten und Emotionen beim Sprachenlernen wird schon seit einigen Jahren erkannt und in der Fachliteratur thematisiert (vgl. Kapitel 4.4.2), aber ver‐ mutlich (noch) nicht wirklich ernstgenommen; denn noch immer belegen unzählige Be‐ obachtungen und Berichte aus der Praxis, wie freudlos, langweilig, frustrierend oder ein‐ schüchternd der Fremdsprachenunterricht für viele Lernende ist (vgl. auch Kapitel 1.5). In den untersuchten Storyline-Projekten wurde das intensive (in diesem Fall positive) Zusam‐ menspiel von Emotion, Motivation und Kognition offensichtlich - so auch bei den Studie‐ renden: strahlende Gesichter, Flow-Erleben, emsiges Arbeiten selbst in den Pausen, inten‐ sives Interagieren und Kommunizieren, engagiertes Vorbereiten, Üben und stolzes Präsentieren der Ergebnisse. Storyline-Projekte vermitteln Freude und Spaß beim Englisch‐ lernen und wirken wie ein Perpetuum mobile. Der lernende Mensch wird nicht als „Kopf ohne Körper“ (Schwerdtfeger 2000, 111), sondern als real person (vgl. Ushioda 2009) be‐ trachtet und wertgeschätzt. Storyline fordert und fördert - im wörtlichen Sinne - den ganzen Menschen! Dies kann auch zur Reduktion von Schulunlust, Lernverweigerung oder Unterrichtsstörungen beitragen (vgl. Kapitel 1.5). Meine Fallstudien haben eindeutig und nachvollziehbar belegt, dass Storyline-Projekte im Fremdsprachenunterricht flexibel einsetzbar und für alle Niveaustufen und Alters‐ 631 9.1 Forschungsfokus Klassenzimmer gruppen in der Sekundarstufe I motivierend und lernförderlich sind. Mir ist - bis auf meine eigenen Arbeiten - keine Studie bekannt, die dies bislang systematisch untersucht hat. Des Weiteren haben meine Untersuchungen belegt, dass der Storyline Approach die in Kapitel 3.4 aufgeführten Gütekriterien für eine konstruktiv(istisch)e Lernumgebung erfüllt. Neben ansprechenden Aufgaben, Inhalten und Materialien spielt insbesondere der Fries eine wichtige Rolle, damit sich die Lernenden im Klassenzimmer wohlfühlen, entfalten können und inspiriert werden. Somit kann ich von Glasersfeld (1996) zustimmen, wenn er behauptet: „Die Kunst des Lehrens hat wenig mit der Übertragung von Wissen zu tun, ihr grundlegendes Ziel muß darin bestehen, die Kunst des Lernens auszubilden“ (Ebd., 309). Lehrkräfte sollten ihren Schülerinnen und Schülern viel mehr vertrauen und zutrauen: “Confidence generates confidence - just as distrust generates distrust. (...) The lack of self-confidence is all too often compensated by unsocial and brutal behaviour. Self-confidence is the fundamental precondition for self-responsibility, a prerequisite for learning just as it is for citizenship later in life“ (Bleyhl 2006, 159). Klassenzimmer sollten - vielleicht heute mehr denn je - nicht nur Lernraum, sondern auch Lebensraum sein. Ferner haben meine Fallstudien transparent gemacht, dass die in Kapitel 4.4 aus der Motivationsforschung abgeleiteten Richtlinien und Empfehlungen für einen motivierenden Fremdsprachenunterricht bei der Storyline-Arbeit erfüllt werden. Allerdings werden die aufgeführten Motivationsstrategien bei Storyline-Projekten nicht isoliert als „Strategie“, sondern integrativ und simultan eingesetzt, denn sie sind ein elementarer Baustein des Storyline Approach. Aus meiner Sicht stellen meine Befunde einen Nachweis dar, dass Storyline-Arbeit das Fremdsprachenlernen nachhaltig positiv beeinflussen, Demotivierungsspiralen auflösen und somit einen Beitrag zum lebenslangen Lernen leisten kann (vgl. Kapitel 1.6). Folgende Gründe sprechen dafür: Storyline-Arbeit schafft motivationale Grundvoraussetzungen; er‐ höht die Erfolgserwartungen der Lernenden; fördert die Zielorientierung; vermittelt Freude, Anregung und Erfolgserlebnisse; basiert auf transparenten, präzisen Zielsetzungen und erhöht die Zielbindung; stärkt Selbstwertgefühl, Selbstvertrauen und Selbstwirksam‐ keitsüberzeugungen; fördert die Kooperation; fördert Selbstregulierung und selbstbe‐ stimmtes Lernen; fördert Selbstmotivation und gegenseitige Motivation; fördert konstruk‐ tive Attributionen; erhöht die Zufriedenheit durch konstruktives Feedback (vgl. Kapitel 4.4). Storyline vermittelt zudem vielfältige Schlüsselkompetenzen, die das lebenslange Lernen fördern: eigenverantwortliches Lernen; problemorientiertes, divergentes und kritisches Denken; forschendes Lernen; Entwicklung und Überprüfung von eigenen Thesen und Hy‐ pothesen; kritische Medienkompetenz; vielfältige kommunikative Kompetenzen; transfer‐ fähige Arbeitstechniken und Lernstrategien (z. B. dictionary skills) sowie regelmäßige Selbstevaluation von Lern- und Arbeitsprozessen. All diese Aspekte tragen (auch) zum Ge‐ lingen der persönlichen und beruflichen Zukunft in einer komplexer werdenden Welt bei. Königs (2013) moniert, dass sich die Sprachlehrforschung in den vergangenen Jahren zwar intensiv mit Lernerorientierung beschäftigt und Typologien für den “good language learner“ (Ebd., 12) entwickelt hat, während „die analoge Frage nach dem ‘good language teacher’ weitgehend unbeantwortet, ja eigentlich sogar ungestellt geblieben“ ist (Ebd.). Aus meiner Sicht liefert die vorliegende Arbeit eine mögliche (Teil-)Antwort auf diese Frage. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass gute (language) teachers immer auch gute und 632 9 Schlussfolgerungen und Desiderate für die Praxis lebenslange learners sind. Von daher schließt sich der Kreis wieder. Storyline fördert nach‐ weislich auch die Motivation von Lehrkräften, erhöht die Zufriedenheit und kann so vor berufsbezogenen Ermüdungserscheinungen und Krankheiten schützen (vgl. Kapitel 1.5). Schon allein das sollte ein Grund sein, gelegentlich alte Trampelpfade zu verlassen. 9.2 Forschungsfokus Hochschuldidaktik Being a teacher is not easy, especially in the area of foreign language teaching but it can be creative, enjoyable and rewarding if teachers feel that they have a creative part to play as designers of education (Bell 2006, 59) Eine meiner Eingangsfragen lautete: Wie lässt sich auf Lehrerseite eine Transformation vom explainer zum enabler anbahnen (vgl. Scrivener 2011, 17 ff.)? Zunächst: Was ich von Studierenden und zukünftigen Englischlehrkräften erwarte, gilt natürlich auch für Lehr‐ kräfte an der Hochschule: teach what you preach (vgl. auch Van den Branden 2006b) und practice what you preach (vgl. auch Barr/ Frame 2006, 57). Meine Untersuchungen haben aufgezeigt, dass das ausgearbeitete Seminarkonzept sinnvoll und lernförderlich ist: Es mo‐ tiviert und überzeugt Studierende nicht nur, (ihre) Storyline-Projekte in der Schule durch‐ zuführen, sondern vermittelt multiple Kompetenzen, um reflektiert handeln und fundiert argumentieren zu können. Entscheidend war, und auch dies wurde in meinen Fallstudien belegt, dass die Studierenden: • ein überzeugendes und überzeugtes Rollenvorbild haben; • umfangreiche und differenzierte Selbsterfahrungen machen können (Anwendungs‐ bezug); • ihr eigenes Handeln und ihre Lernbiographie reflektieren; • Theorie und Praxis vernetzen können; • ihre Fragen, Bedürfnisse und Ängste kommunizieren (dürfen); • durch Erwerb von know how und do how Kompetenzempfinden und Sicherheit ver‐ spüren. Leider wird an Hochschulen noch immer viel zu viel „vorgelesen“ statt konstruiert, disku‐ tiert und ausprobiert. Auch das wurde in meinen Untersuchungen deutlich. Lesen aber können die Studierenden selber und noch besser zu Hause. Die Fallstudien haben gezeigt, dass der selbstständige Erwerb von Theoriewissen, der themen- und problembezogene Austausch, die praktische Umsetzung und forschende Erprobung des Storyline-Modells im Schonraum mit Gleichgesinnten dazu beitragen kann, besagte Ängste und Barrieren zu überwinden, um das an der Hochschule Gelernte in der Praxis zu implementieren und alte Konventionen aufzubrechen. Ob, wie und wie häufig die Kursmitglieder Storyline-Projekte im späteren Beruf tatsäch‐ lich durchführen, entzieht sich leider (! ) meiner Kenntnis. Deutlich wurde jedoch, dass viele Studierende Interesse zeigten, Storyline zeitnah in der Schule zu erproben. Wie die Rück‐ meldungen allerdings dokumentieren, stießen die meisten auf Widerstände und wurden in ihrer Initiative gebremst und somit tendenziell auch demotiviert. Nur wenige erhielten die Chance, das im Kurs erworbene neue Wissen unmittelbar in der Praxis umzusetzen. Viel‐ 633 9.2 Forschungsfokus Hochschuldidaktik 3 Mit Sorge blicke ich jedoch in die Zukunft, denn gemäß der PO 2015 ändert sich die Lehrerausbildung in Baden-Württemberg massiv: Praxiserfahrungen und Schulpraktika spielen im Bachelor-Studien‐ gang so gut wie keine Rolle und kommen erst im Master-Studiengang zum Tragen - aus meiner Sicht viel zu spät. So wird die Lehrerausbildung vermutlich wieder kopflastiger und möglicherweise in‐ effizienter (siehe „träges Wissen“), obwohl wir es eigentlich besser wissen (sollten): die Zauberformel heißt learning by doing ... 4 Zu Änderungsresistenzen gegenüber Neuem und zur beruflichen Sozialisation von Lehrkräften vgl. z. B. auch Caspari (2003) und Preiser/ Sann (2006). fach wurde und wird von den Studierenden moniert, dass in Schulpraktika oft business as usual vorgelebt wird: „das Buch“ übt Druck aus - Initiative, Experimentiergeist und teacher motivation (vgl. Dörnyei/ Ushioda 2011) werden folglich eher reduziert als gefördert. Und somit auch Innovationen. Mein Plädoyer lautet daher: Lehrwerke „verschlanken“ und dafür Zusatzmodule (z. B. Storyline-Projekte) anbieten! Aus meiner Sicht wäre es mehr als wünschenswert, wenn Studierende im Tandem mit erfahrenen Lehrkräften ihre im Kurs erstellten Storyline-Projekte im Klassenzimmer er‐ proben könnten, um sie im Anschluss - falls erforderlich - mit “educated eyes“ (Vos 1991, 93) zu überarbeiten. Davon würden drei Seiten profitieren, nämlich die Studierenden, die Lernenden und die Lehrkräfte. Die positiven Synergieeffekte liegen auf der Hand: Neue Modelle, Impulse und Erkenntnisse aus der Fremdsprachenforschung könnten viel schneller in die Schulen gelangen und gleichzeitig durch Action Research erprobt und re‐ flektiert werden. Zudem könnten auch Kosten für Personal- und Unterrichtsentwicklung (z. B. Fortbildungen) reduziert werden. 3 Wünschenswert wäre auch, ein (lokales) Netzwerk zu etablieren, wie dies Steve Bell und Sallie Harkness auf internationaler Ebene durch den Golden Circle realisiert haben, um Storyline-Interessierte zu vernetzen und zu unterstützen, vor allem aber um ihnen den Weg für eine dauerhafte Selbstmotivation zu ebnen. In meinen Augen wäre dies ein gutes Mittel gegen allerlei Änderungsresistenzen und die „Transformationsproblematik“ (Thaler 2008, 183). 4 9.3 Grenzen und Restriktionen 9.3.1 Einleitung One study, no matter how carefully conducted, cannot be taken as conclusive. It is only with repeated investigation that the complexities of an area can be truly appreciated and comprehended (Gardner 1985, 5) Auch wenn Miles und Huberman (1994, 1) behaupten: “Qualitative data are sexy“, stimme ich im Hinblick auf meine insgesamt doch recht umfangreichen Studien eher Dörnyei/ Ushioda (2011) zu, wenn sie warnen: “From a practical point of view, qualitative research in general, and the processing of qualitative data in particular, can be rather time-consum‐ ing“ (Ebd., 205). Ein Mehr-Methoden-Ansatz birgt die Möglichkeit, “[to] bring out the best of both paradigms [qualitative and quantitative, Anm. D.K.] while also compensating for their weaknesses“ (Ebd.), so dass zuverlässigere Ergebnisse erzielt werden. Allerdings ist 634 9 Schlussfolgerungen und Desiderate für die Praxis dieses Verfahren auch sehr aufwändig, insbesondere wenn man - wie in meinem Fall - zwei verschiedene Forschungskontexte untersucht und somit zweigleisig fahren muss. Bei insgesamt neun Fallstudien ergibt sich daraus eine enorme Datenmenge, die bearbeitet und verarbeitet werden muss, und will man die Qualität der Auswertung nicht herabsetzen, endet man unweigerlich mit einem gewaltigen Konvolut - wie im vorliegenden Fall. Hat sich der Aufwand gelohnt? Aus meiner Sicht: Ja. Durch die flexible Herangehens‐ weise und die offenen Fragen in Interviews und Fragebögen konnte ich viele aufschluss‐ reiche Erkenntnisse gewinnen, zumal es zu Beginn meiner Studien keinerlei Literatur auf diesem Gebiet gab. Mittlerweile existieren zwar einige internationale Publikationen zu Storyline, diese beziehen sich aber weitgehend auf den muttersprachlichen Unterricht in Grundschulen im Ausland. Aus diesem Grund sind meine Forschungsergebnisse für den hiesigen Fremdsprachenunterricht, die Fremdsprachendidaktik sowie die Lehrer(aus)bil‐ dung von Relevanz, zumal sie durch die Triangulation von Daten, Methoden und Perspek‐ tiven gut abgesichert sind - auch wenn die Fallstudien in den Schulen auf Grund des Pro‐ zesscharakters der Untersuchungen bereits einige Jahre zurückliegen. Verändert hat sich an der Schulsituation und Unterrichtspraxis seither (leider) kaum etwas, wie Fachliteratur und aktuelle Erfahrungsberichte regelmäßig bestätigen und monieren (vgl. auch Einleitung und Kapitel 1). Interessanterweise beschäftigt sich die internationale Storyline community bereits seit Jahrzehnten mit den Themen „Kompetenzentwicklung“ und „Aufgabenorien‐ tierung“, also lange bevor diese in Deutschland bzw. in der Fremdsprachendidaktik je ernst‐ haft diskutiert und in den Bildungsplänen berücksichtigt wurden. Aus meiner Sicht sind also die Ergebnisse meiner Untersuchungen (noch immer) aktuell und somit gültig. Be‐ kräftigt werden zudem viele der Befunde durch neuere kleine Schulprojekte mit und von PH-Studierenden. Nachfolgend sollen zunächst einige Punkte thematisiert und reflektiert werden, die mögliche Ansätze für Kritik im Hinblick auf die gewählte Forschungsmethode bieten. Diese hat natürlich - wie alle Theorien und Methoden - ihre Grenzen (vgl. Kapitel 3 und 5). Auch stellt sich hier noch einmal die Frage, warum der Storyline Approach in Deutschland - und vor allem im fremdsprachlichen Klassenzimmer - offenbar wenig verbreitet ist, obwohl das Konzept bei Lernenden und Studierenden gut ankommt (vgl. Teil B). In Kapitel 10 werden einige Vorschläge für zukünftige Vorhaben vorgestellt, um die hier erwähnten Probleme anzugehen. 9.3.2 Die Forschungsmethode Wo Licht ist, gibt es natürlich auch Schatten - so auch bei meiner praktizierten Forschungs‐ methode. Da ich mein Untersuchungsdesign in Kapitel 5 ausführlich beschrieben sowie kritisch reflektiert habe, werden hier - um Redundanzen zu vermeiden - nur einige wich‐ tige Punkte zusammengefasst, die bedacht werden sollten: • Bei mehrmethodisch angelegten qualitativen Studien wird häufig der immense zeit‐ liche und finanzielle Aufwand beklagt, um die durch die Triangulation entstandene 635 9.3 Grenzen und Restriktionen 5 Vgl. dazu auch die Beiträge in Elsner/ Viebrock (Hrsg.) (2015). 6 Zu Beginn war angedacht, die Daten auch nach Geschlecht auszuwerten. Dies hätte jedoch den Rahmen dieser Arbeit gesprengt und den Umfang stark erhöht, so dass dieses Vorhaben wieder aufgegeben wurde. Datenmenge „in Griff “ zu bekommen. 5 Das ist im vorliegenden Fall nicht anders und wurde oben bereits thematisiert. Einzelpersonen stoßen oft an ihre Grenzen, wenn sie derart komplexe Daten bewältigen müssen (vgl. auch Aguado 2015; Settinieri 2015). Dies ist auch mit ein Grund, warum die Fertigstellung dieser Arbeit so zeit‐ intensiv und langwierig war. • Die große Anzahl der Fallstudien, noch dazu aus zwei verschiedenen Forschungs‐ kontexten, verlangt sinnvolle Strategien, die stets den Forschungsgegenstand und nicht etwa nur eine spezifische Forschungsmethode im Blick haben sollten. Diese Tatsache fordert zwangsläufig zu Vereinfachungen auf (wie z. B. meine „Spitzenrei‐ termethode“ in Kapitel 8), um unübersichtliche „Datenfriedhöfe“ und eine frustrierte Leserschaft zu vermeiden. 6 • Mehr-Methoden-Ansätze erfordern von Forschenden - anders als beim Einsatz von Einzelmethoden - eine „Multi-Kompetenz“ (Aguado 2015, 210). Es liegt auf der Hand, dass dies kaum zu erbringen ist oder Abstriche in Kauf genommen werden müssen. Mein Fokus in dieser Arbeit ist und war die qualitative Forschung: Erstens entspricht der Ansatz mehr meinem Naturell als bloße „Erbsenzählerei“. Zweitens verspreche ich mir davon bei einem hochkomplexen Forschungsgegenstand wie das Lehren und Lernen von Sprachen differenziertere und adäquatere Ergebnisse als bei vorrangig quantitativen Verfahren. Drittens gab es zu Beginn meiner Untersuchungen - wie oben erwähnt - keine Erfahrungen oder Publikationen zu Storyline im Fremdspra‐ chenunterricht, auf die ich mich hätte stützen oder Hypothesen hätte ableiten können. • Die induktive Kategorienbildung ist aufwändig und umständlich (und folglich nicht immer motivierend). Dennoch war dieses Verfahren der Datenauswertung, wie in Kapitel 5.3.5 bereits ausführlich erläutert, hilfreich und sinnvoll, um differenzierte Antworten auf meine Forschungsfragen zu erhalten. Da Forschungsergebnisse und Publikationen zum Einsatz des Storyline Approach im Fremdsprachenunterricht fehlten, musste ich aus den Daten eigene Kategorien ableiten. Diese Vorgehensweise war aus meiner Sicht erfolgversprechender, als mich etwa auf Ergebnisse und Hy‐ pothesen der fachspezifischen Motivationsforschung aus dem In- und Ausland zu beziehen (deduktives Verfahren), die noch dazu ganz andere Kontexte berücksich‐ tigen (vgl. Kapitel 4). Auch hätte eine rein zusammenfassende oder strukturierende Inhaltsanalyse meines Erachtens den Forschungsgegenstand nicht so exakt, klar und differenziert abbilden können. In zukünftigen Studien können also die hier gewon‐ nenen Kategorien nun genauer unter die Lupe genommen werden (vgl. Kapitel 10). • “To this day, qualitative data analysis seems to remain a somewhat mysterious and elusive process (...). In addition, (...) there is no official qualitative executive board out there mandating exactly how analysis must be conducted. (...) Books on research methods can no longer require; they can only recommend“ (Saldaña 2014, xvii). Diese 636 9 Schlussfolgerungen und Desiderate für die Praxis 7 Vgl. dazu auch meine ausführlichen Überlegungen in Kapitel 5.3.5.1. 8 Vgl. dazu auch Kapitel 3; vgl. auch Aguado (2015): „Die Anwendung der Triangulationsstrategie ist Ausdruck eines gewachsenen Bewusstseins über die Relativität von Perspektiven, d. h. seitdem an‐ erkannt wurde, dass nicht von einer objektiven Realität ausgegangen werden kann und es immer mehrere Perspektiven auf die Wirklichkeit und ihre Gegenstände gibt, erscheint es sinnvoll und wichtig, diese auch zu berücksichtigen, um eine halbwegs adäquate Rekonstruktion des jeweils fo‐ kussierten Wirklichkeitsausschnitts vorzunehmen“ (Ebd., 214). Freiheit betrachte ich als positive Entwicklung, obwohl ich anfangs irritiert war. 7 Dennoch: Für Forschende, die rein quantitative Methoden bevorzugen und diese strikt anwenden, mag meine teilweise praktizierte Vorgehensweise, nämlich quali‐ tative Daten quantitativ auszuwerten, ein unverzeihliches “no-go“ sein. Ich habe diese „Ungenauigkeit“ allerdings mehrfach thematisiert sowie deutlich kommuni‐ ziert, dass die Ergebnisse lediglich Tendenzen, Muster und Trends vermitteln können, nicht jedoch so genannte valide oder objektive Zahlen im engeren Sinne. 8 Aus diesem Grund habe ich bei Zahlenangaben auch weitgehend auf Prozentzahlen verzichtet, da diese meines Erachtens zwar beeindruckend, aber irreführend sind. Bei meinen quantitativen Auswertungen ist also immer noch „Luft nach oben“ ein‐ zukalkulieren, wenn etwa spezifische Aspekte in den Fragebögen nicht explizit ab‐ gefragt wurden. Besagte Tendenzen und Trends sind aus meiner Sicht zwar sehr deutlich und aussagekräftig, sollten jedoch noch einmal mit quantitativen Methoden untersucht werden, um sie als „Endergebnis“ zu bestätigen (vgl. Kapitel 10). • Zu berücksichtigen ist auch, dass „Nennungen“ und „Befragte“ nicht immer korre‐ lieren, da Lernende, Lehrende und Studierende bei offenen Fragen in Fragebögen, Interviews, Diskussionen, Reflexionen usw. stets die Möglichkeit hatten, nicht nur einen, sondern mehrere für sie relevante Aspekte zu nennen. Der Vorteil liegt auf der Hand: eine größere Bandbreite an Ergebnissen und somit eine „dichtere Be‐ schreibung“ der beforschten Phänomene. Auch wenn ich stets und explizit zwischen „Nennung“ und „Person“ unterschieden habe, könnte hier der Vorwurf der „Unge‐ nauigkeit“ eingebracht werden. Eine gute Balance zwischen Systematik und Offen‐ heit zu finden, ist eine Gratwanderung, und meines Erachtens sollte stets die Ge‐ genstandsangemessenheit im Vordergrund stehen. Statt der dogmatischen Einhaltung von (mitunter fragwürdigen) Regeln präferiere ich Transparenz: Deshalb habe ich meine Vorgehensweise in Kapitel 5 ausführlich erläutert und kritisch re‐ flektiert. • Die Reflexionen und Nennungen der Studierenden waren mitunter sehr differenziert und nuancenreich, was zu einer „dichten Beschreibung“, aber auch zu seitenlangen Tabellen führte. Ich habe mich aus Gründen der Transparenz für diesen Weg ent‐ schieden, um die Bandbreite an Eindrücken nachvollziehbar zu machen. Fazit: Ich schließe mich Aguado (2015) an, wenn sie behauptet: „Unterrichtsbeobachtungen sind aufwendig und komplex, ermöglichen jedoch Einsichten in interaktive Lehr- und Lernprozesse, die auf keine andere Weise zu gewinnen sind“ (Ebd., 216). Davon abgesehen sollte kritisch bedacht werden, dass allein die technische Möglichkeit, Computerpro‐ gramme mit „Unmengen“ an quantitativen Daten zu füttern, nicht zwangsläufig zielführend ist und zu aussagekräftigen bzw. aussagekräftigeren Ergebnissen führt. Gegenstandsange‐ 637 9.3 Grenzen und Restriktionen 9 Vgl. auch Caspari (2003), Preiser/ Sann (2006) oder Thaler (2008) zur Transformationsproblematik im Bereich des Fremdsprachenunterrichts; vgl. Nunan (2013, 17) zur Verbreitung von TBL. 10 Vgl. dazu z. B. auch die Fragen und Unsicherheiten der Studierenden in Fallstudie 7-9 (Fragenposter). Ähnliche Fragen zu Einsatz und Verbreitung des Storyline Approach werden im Übrigen auch immer wieder im Rahmen des Golden Circle Seminar diskutiert (vgl. dazu z. B. auch Schwänke/ Plaskitt 2016). messenheit statt „Datenhuberei“ lautet das Credo in den aktuellen Fachbüchern zu For‐ schungsmethoden (vgl. Flick 2012; Mayring 2010). Bekräftigt wird meine insgesamt flexible Vorgehensweise auch von Miles, Huberman und Saldaña, drei erfahrenen und renom‐ mierten Forschern: “When you’ve been doing qualitative research as long as we have, the genres start to blur. As pragmatic realists, we no longer adhere slavishly to one school of thought, or practice solely within the boundaries of one particular philosophical approach“ (Miles u. a. 2014, 9). Sie fordern geradezu auf, kreativ und mutig zu sein: “The three of us do not subscribe to any one particular genre of qualitative research - we are ‘shamelessly eclectic,’ as the popular saying goes“ (Ebd.). 9.3.3 Der Storyline Approach Auch wenn - oder gerade weil - ich von den Qualitäten des Storyline Approach überzeugt bin und meine Studien meine Überzeugung bestätigen, stellt sich die Frage, warum das Konzept in Deutschland so wenig verbreitet ist und offenbar gerade bei Fremdsprachen‐ lehrkräften auf Skepsis stößt, wenn man sich die Reflexionen der Studierenden (Fallstudie 7-9) in Erinnerung ruft, wo immer wieder moniert wurde, dass sie im Schulpraktikum keine Chance bekamen, Storyline auszuprobieren (vgl. auch Kapitel 9.2). Zunächst muss hervorgehoben werden, dass es sich hierbei nicht um ein Storyline-spe‐ zifisches, sondern vielmehr um ein allgemeines Problem handelt. Erklären lassen sich diese Widerstände mit den in Kapitel 3 vorgestellten konstruktivistischen Ansätzen - und auch mit Alltagserfahrungen: Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Die Ausführungen in Kapitel 1.5 haben gezeigt, dass der Fremdsprachenunterricht noch immer traditionell von Frontal‐ unterricht und Schulbuch geprägt wird, obwohl der Zugang zu authentischen Materialien und motivierenden Methoden noch nie so leicht war wie heute: “Traveling through un‐ known territory“ (Barr/ Frame 2006, 55) bereitet offenbar Unbehagen. Auch Greven und Kuiper (2006) monieren “the chronic difficulty in implementing education, even if the con‐ text is willing and responsive“ (Ebd., 78). 9 Es gibt bis heute keine nennenswerte, geschweige denn umfängliche Forschung zur Ver‐ breitung des Storyline Approach (vgl. Kapitel 2.2.3). Dennoch muss die Frage erlaubt sein, warum Storyline in anderen Ländern (z. B. Skandinavien) nahezu flächendeckend oder zu‐ mindest häufig praktiziert wird/ wurde und in Deutschland nur wenig bzw. punktuell, ob‐ wohl die Rahmenbedingungen eigentlich gut sind. Und: Warum sind gerade Fremdspra‐ chenlehrkräfte so schwer zu überzeugen? Auch im Ausland ist Storyline im Fremdsprachenunterricht wenig(er) verbreitet. Ich versuche nachfolgend einige Gründe aufzuführen: 10 • Fremdsprachenlehrkräfte fühlen sich in Deutschland offensichtlich durch das Schul‐ buch unter Druck gesetzt, wie dies in den vorangegangenen Kapiteln bereits mehr‐ 638 9 Schlussfolgerungen und Desiderate für die Praxis 11 Vgl. dazu auch Nunan (2013, 17), der die “limited target language proficiency of teachers in many parts of the world“ als Grund für die fehlende oder zögerliche Umsetzung neuer Konzepte sieht. fach thematisiert wurde. Diese „Diktatur“ sollte kritisch reflektiert werden, denn es gibt meines Wissens kein Gesetz, das den Einsatz von Lehrwerken vorschreibt! • Manche Lehrkräfte klagen, dass sie keine Zeit bzw. keine Doppelstunden zur Ver‐ fügung hätten. (Aus Erfahrung weiß ich allerdings auch, dass manche Lehrkräfte sich weigern, Englisch in Doppelstunden zu unterrichten.) Aus meiner Sicht wäre die Projektwoche eine gute Alternative, um diese sinnvoll zu nutzen sowie das ver‐ meintliche Zeitproblem zu lösen. Im Übrigen wurde von der Schulverwaltung bereits vor Jahren eine Flexibilisierung der Stundentafel und mehr Team-Teaching gefordert. Allein es fehlt an der Umsetzung! • Auch der Bildungsplan wird mitunter als Grund vorgeschoben, warum man keine Zeit für „zusätzliche Sachen“ habe. Dieses Argument zieht aus meiner Sicht nicht, denn Storyline wird der Kompetenzorientierung in den aktuellen Bildungsplänen in vielerlei Hinsicht gerecht und setzt zudem vielfältige Desiderate wie Aufgabenori‐ entierung, Differenzierung oder Inklusion um. Storyline ist ein integrativer Ansatz und man kann, wie die Studierenden in Fallstudie 7-9 bei der Überprüfung der Bil‐ dungspläne immer wieder mit Staunen festgestellt haben, sogar Zeit einsparen, weil simultan verschiedene Kompetenzen trainiert werden. Außerdem wirkt sich Story‐ line-Arbeit auch auf den nachfolgenden Unterricht positiv aus, da die erworbenen Lernstrategien und Kompetenzen transferfähig sind. • Manche Lehrkräfte bemängeln vielleicht, dass ihr Klassenzimmer zu klein sei oder kein geeignetes Material zur Verfügung stünde. Storyline-Lehrkräfte sind jedoch sehr kreativ und engagiert, um Mittel und Wege (z. B. Stellwände, Papierabfälle aus Dru‐ ckereien usw.) für das gemeinsame Abenteuer zu finden (vgl. Kapitel 2.2.3). • Lehrkräfte, die Storyline-Projekte durchführen, müssen über eine hohe Fremdspra‐ chenkompetenz verfügen, um adäquat und spontan reagieren zu können. Dies scheint aus meiner Sicht eines der Hauptprobleme zu sein. 11 Lehrkräfte mit schwach ausgeprägten fremdsprachlichen Kompetenzen sind jedoch in jedem Unterricht ein schlechtes Rollenmodell. • Lehrkräfte finden es offenbar schwierig, mit der Komplexität der Sprache umzu‐ gehen, und unterrichten lieber linear, also in bits and pieces, was jedoch dem natür‐ lichen Spracherwerb nicht nur widerspricht, sondern auch hinderlich ist (vgl. Kapitel 3.4). • Die Ansicht, eine Klasse sei für ein Projekt nicht „gut“ bzw. diszipliniert genug, sollte meines Erachtens nicht davon abhalten, gerade deshalb ein Storyline-Projekt durch‐ zuführen, zumal die Lehrkraft steuern kann, wie offen oder gelenkt das Projekt ver‐ läuft (structured freedom). Sicher macht es wenig Sinn, mit Kindern einer 1. Klasse, die weder lesen noch schreiben können, eine textbasierte Storyline durchzuführen, dennoch können bereits in diesem frühen Stadium punktuell spezifische Aspekte ausprobiert werden, zumal der spielerische Charakter den Lernenden gerecht wird. Dasselbe gilt für „schwache“ Klassen. 639 9.3 Grenzen und Restriktionen • Gelegentlich wird der Vorbereitungsaufwand als Kritikpunkt vorgebracht. Dem ist entgegenzuhalten, dass ein Storyline-Projekt in verschiedenen Klassen eingesetzt werden kann, also flexibel und recyclebar ist. Auch können Entwürfe im Kollegium ausgetauscht werden. • Storyline ist ein komplexer Ansatz und fördert multiple Kompetenzen. Nicht allen Lehrkräften scheint bewusst zu sein, dass sie die so genannten Schlüsselkompe‐ tenzen auch im Fremdsprachenunterricht „vermitteln“ sollen (z. B. Teamarbeit, Me‐ dienkompetenz) und außerdem selbst darüber verfügen müssen. Storyline bietet eine gute Trainingsplattform! • Manche Lehrkräfte haben möglicherweise Angst vor den Reaktionen der Eltern oder des Kollegiums und erkennen mitunter nicht, dass das „Püppchenbasteln“ zwar Zeit beansprucht, jedoch auch bzw. gerade beim Fremdsprachenlernen einen hohen Lernwert hat (vgl. Kapitel 2.3.3.1 und 2.3.3.2). Im Übrigen hat Fallstudie 6 gezeigt, dass Eltern die ganzheitliche Storyline-Arbeit positiv bewerten (vgl. Kapitel 6.7.9). • Storyline-Arbeit fördert insbesondere fluency. Wenn jedoch Lehrkräfte sprachlich unsicher sind, fällt es ihnen schwer, diese Kompetenz zu vermitteln. Klar ist es ein‐ facher, Grammatikregeln auswendig lernen zu lassen, aber macht das (immer) Sinn? Natürlich muss auch Grammatik eingeführt oder für Klassenarbeiten geübt werden - aber doch nicht jeden Tag! • Lehrkräfte haben oft eine geringe Fehlertoleranz und kompensieren mitunter ihre eigenen Schwächen mit intensiven Korrekturen. In Storyline-Projekten wäre dieses Verhalten nicht zielführend, denn hier werden Lernende zum Experimentieren und Kommunizieren angeregt. Manche Lehrkräfte mögen eine fehlende accuracy kriti‐ sieren, allerdings ist aus der Fremdsprachenforschung bekannt, dass Sprache in be‐ deutungsvollen Kontexten gelernt und vor allem aktiv produziert werden sollte (vgl. Kapitel 2.4). Und: Auch native speakers korrigieren ihr Gegenüber nicht ständig, sondern achten auf den Gesprächsinhalt! • Eine der ersten Fragen, die in Gesprächen mit Lehrkräften aufkommt, ist häufig die Frage nach der Leistungsmessung. Im Rahmen dieser Arbeit konnte ich nicht im Detail auf diese Frage eingehen, aber aus meiner Sicht gibt es im Rahmen von Story‐ line-Projekten zahlreiche Möglichkeiten und Gelegenheiten, um den Lernfortschritt der Lernenden zu beobachten und zu bewerten (z. B. Lerntexte, Präsentationen, Hörverstehen usw.). Diese Ansicht haben auch die Studierenden in meinen Fallstu‐ dien vertreten. • Der Storyline Approach fordert und fördert eigenverantwortliches und selbststän‐ diges Lernen und Arbeiten. Dieser Kernpunkt stößt bei „Kontrollfreaks“ vermutlich auf Widerstand. Aber: Gegenseitiges Vertrauen und Respektieren kann man auch lernen und üben - zum Beispiel im Rahmen eines Storyline-Projekts. Außerdem entlastet Storyline Lehrkräfte auch. Und: Auch Lehrkräfte müssen/ sollten lernen, eigenverantwortlich und reflektiert zu arbeiten, anstatt sich uneingeschränkt auf „das Buch“ zu verlassen und dieses durchzupauken. Dieser Prozess muss bereits in der Ausbildung initiiert werden. Die Fallstudien 7-9 haben gezeigt: “Teacher educa‐ tion matters! “ ( Johnson/ Golombek 2016, xii). Und: “If we want (...) teachers to be 640 9 Schlussfolgerungen und Desiderate für die Praxis innovative and creative, teacher education students should see innovation and crea‐ tivity modelled in their university programmes“ (Emo/ Emo 2016, 241). • Storyline ist kein Rezept, das man schnell aus der Tasche ziehen oder sich über einen Artikel anlesen kann. Dies wurde auch in Fallstudie 7-9 deutlich. Man muss sich intensiv damit auseinandersetzen (wollen) und eine entsprechende pädagogische Einstellung vertreten. Da Fortbildungen bei uns - im Gegensatz zu anderen Ländern - nicht verpflichtend sind, kann man nur auf den guten Willen der Lehrkräfte hoffen, denn nichts ist kontraproduktiver für Motivation und nachhaltiges Lernen als Zwang bzw. eine Verordnung „von oben“. Um klarzustellen: Man muss bzw. soll nicht nur Storyline-Projekte einsetzen, denn jeder Ansatz hat auch seine Grenzen. Der Storyline Approach verspricht keine Wunder. Er kann und will nicht alle Schulnöte kompensieren. Aber er kann den Schulalltag und den Fremd‐ sprachenunterricht motivierender, effektiver und nachhaltiger machen, wie dies durch meine Fallstudien belegt wurde. Wandel braucht Zeit: “It is still a long way to Tipperary“ (Letschert 2006, 31), aber ich bin zuversichtlich. Wie meine Studien gezeigt haben, spricht aus Sicht der Lernenden und Studierenden wenig dagegen, öfters Storyline-Projekte im Fremdsprachenunterricht durchzuführen. Es handelt sich also offenbar um ein „Lehrer‐ problem“, dass Storyline in Deutschland so wenig verbreitet ist. Ich möchte deshalb alle Lehrkräfte dazu einladen, sich mehr für Neues zu öffnen, denn: no risk, no fun! 641 9.3 Grenzen und Restriktionen 10 Ausblick After all, motivation concerns the fundamental question of why people think and behave as they do, and we should never assume that we know the full answer (Dörnyei 2005, 66) Meine Fallstudien konnten einige Fragen aus der Motivationsforschung sowie der Aufga‐ benforschung beantworten. Dennoch gibt es noch Themen und Aspekte, die in weiteren Projekten und Untersuchungen geklärt werden müssten. Dazu eine (kleine) Auswahl: • Ausmaß der längerfristigen Motivation: Wie reagieren Lernende darauf, wenn sie tatsächlich - wie selbst vorgeschlagen - mehrere Projekte pro Schuljahr durch‐ führen? • Nachhaltigkeit des Lernerfolgs: Die Lehrkraft in Fallstudie 5 berichtete von auf‐ fallend guten Resultaten der 10. Klasse in der Realschulabschlussprüfung (Englisch) und führte dies (auch) auf das Storyline-Projekt zurück. Hier wären weitere Unter‐ suchungen aufschlussreich. • Zusammenspiel von Motivation und Lernerfolg: Die Kausalzusammenhänge zwischen Motivation und Lernerfolg sind nicht eindimensional und somit schwer zu durchschauen. Vorstellungen von komplexen dynamischen Systemen (vgl. Ka‐ pitel 4.3.5.3) sind in der Fremdsprachenforschung in Deutschland bisher noch nicht sehr präsent. Meine Fallstudien haben zwar einen Zusammenhang zwischen ver‐ schiedenen Faktoren des fremdsprachlichen Lernens aufgedeckt, aber es wäre aus meiner Sicht sinnvoll, diese Einflussgrößen noch näher unter die Lupe zu nehmen - beispielsweise über fokussierte Leitfrageninterviews mit Lernenden oder über quantitative Untersuchungsmethoden. • Rolle der Emotionen: Storyline-Projekte lösen vielfältige und intensive Emotionen aus. Entsprechend fokussierte Untersuchungen könnten einen wichtigen Beitrag für die Aufgaben- und Motivationsforschung liefern, denn Emotionen beeinflussen nicht nur die Motivation, sondern auch die Verankerung des Gelernten im Ge‐ dächtnis (vgl. Kapitel 4). • Possible Selves bzw. Future Self-Guides: Storyline-Projekte vermitteln vielfältige Erfolgserlebnisse. Es wäre - gerade im Hinblick auf das lebenslange Lernen - zu untersuchen, welche Selbstbilder und Visionen die Lernenden dadurch entwickeln (vgl. Kapitel 4.3.5.2). • Motivation von Lehrkräften: Da die Motivation der Lernenden von zahlreichen simultan interagierenden Faktoren beeinflusst wird, wäre es wichtig, auch die Emo‐ tionen und Motivation von Lehrkräften zu untersuchen. Storyline-Projekte böten dafür eine gute Basis. • Möglichkeiten der Leistungsbewertung: Da unser Schulsystem auf Noten und Zeugnissen basiert, wäre es wichtig, neue Konzepte, Formate und Methoden zur Leistungsbewertung und Selbstevaluation zu entwickeln und im Rahmen von Story‐ line-Projekten zu erproben, um tatsächlich alle Lernprozesse und -produkte zu wür‐ digen. Eine Möglichkeit wären learner portfolios (vgl. z. B. Biederer 2016). • Einsatz in der Grundschule: Es gibt zwar bereits Ansätze in Examensarbeiten von PH-Studierenden oder anderen Untersuchungen (vgl. Ahlquist 2011; Ehlers, Hrsg. 2006), aber noch ist nicht systematisch und in größerem Umfang erforscht worden, wie sich der Storyline Approach sinnvoll auf den Fremdsprachenunterricht in der Grundschule übertragen lässt, ohne den Lernenden zu viele inhaltliche, methodische oder sprachliche Vorgaben zu machen bzw. ständig in die Erstsprache zu wechseln (code-switching). Auch im Hinblick auf die „Übergangsproblematik“ wären entspre‐ chende Untersuchungen gewinnbringend. • Einsatz im bilingualen Unterricht: Bilingualer Unterricht wird in Deutschland zwar befürwortet, aber (zu) wenig in die Praxis umgesetzt. Vielleicht könnten Story‐ line-Projekte einen Anreiz bieten, den Ansatz des bilingualen Lernens „schmack‐ hafter“ zu machen. • Storyline als Grundlage für andere Seminare: Ansatzweise habe ich in Begleit‐ seminaren zum Tagesfachpraktikum Storyline-Phasen am Beispiel von Our Ideal School (vgl. Fehse/ Kocher 1996) implementiert, um unter anderem Gütekriterien für Lehrkräfte zu erarbeiten. Es wäre interessant, diesen Ansatz noch weiter zu ver‐ folgen. • Anbindung an Kurs zu Classroom Research: Um zu ermöglichen bzw. zu er‐ leichtern, dass Studierende ihre Projekte in der Praxis erproben und selbst befor‐ schen, wäre eine enge Anbindung an ein Seminar über Forschungsmethoden sinn‐ voll. • Kooperation mit Einrichtungen der 2. Phase: Gegen das Vergessen und Ver‐ schieben von guten Vorsätzen aus dem Studium wäre eine Kooperation mit Semi‐ naren, die Referendarinnen und Referendare betreuen, sinnvoll. • Storyline-Netzwerk: Es wäre wichtig, mehr Lehrkräfte - eventuell auch über Story‐ line-Fortbildungen - zu gewinnen, die Studierenden die Gelegenheit zum zeitnahen Ausprobieren ihrer Projekte geben. • Praxismaterial: Ein entscheidender Faktor bei der Verbreitung von neuen An‐ sätzen ist ausgearbeitetes Material (vgl. auch Caspari 2006, 38). Leider reagieren Verlage seit einiger Zeit eher zögerlich auf Anfragen, weil sie bevorzugt ihre Lehr‐ werke mit dem mittlerweile immens großen (und teuren) Produktkranz verkaufen wollen. Last but not least: Es geht nicht darum, die Schule abzuschaffen, sondern sie für alle Betei‐ ligten motivierender und somit auch effizienter zu machen, nämlich durch guten Unter‐ richt! Denn: „Wenn wir akzeptieren, (...) dass die nachschulische Lebenswelt als Antwort auf jene wachsende Komplexität von jedem Einzelnen verlangt, dass er oder sie über die instrumentellen Fertigkeiten eines Faches hinaus die Fähigkeit zur Selbstbestimmung, Kre‐ ativität und Kritik sowie Kontaktfreude und Risikobereitschaft gelernt hat ebenso wie das Handwerk zum lebenslangen Lernen, dann müssen eben diese Fähigkeiten unter den Be‐ dingungen der Lern- und Lebenswelt des Klassenzimmers erprobt und entwickelt worden sein“ (Legutke 2013, 91). Die vorliegende Arbeit zeigt einen Weg, wie dies realisiert werden kann. 644 10 Ausblick Quellenverzeichnis Abendroth-Timmer, Dagmar (2007): Akzeptanz und Motivation: Empirische Ansätze zur Erforschung des unterrichtlichen Einsatzes von bilingualen und mehrsprachigen Modulen. Frankfurt am Main: Lang. Achtziger, Anja/ Gollwitzer, Peter M. (2006): Motivation und Volition im Handlungsverlauf. In: Heck‐ hausen, Jutta/ Heckhausen, Heinz (Hrsg.), 277-302. Adamson, Pamela (2007): Once upon a Time ... ‘There Was a Princess Long ago’. In: Bell, Steve u. a. (Hrsg.), 194-202. Adamson, Pamela (2016): The Birth of a Storyline School. In: Mitchell, Peter J./ McNaughton, Marie Jeanne (Hrsg.), 65-76. Aguado, Karin (2015): Triangulation: Möglichkeiten, Grenzen, Desiderate. In: Elsner, Daniela/ Vie‐ brock, Britta (Hrsg.), 203-219. Ahlquist, Sharon (2011): The Impact of the Storyline Approach on the Young Language Learner Class‐ room: A Case Study in Sweden. Leicester: University of Leicester. 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Die nachfolgenden Links stehen auf der Website von Storyline International und enthalten jeweils länderbzw. themenspezifische Informationen: www.storyline-scotland.com/ category/ denmark/ [06.10.2016] www.storyline-scotland.com/ category/ england/ [06.10.2016] www.storyline-scotland.com/ category/ germany/ [06.10.2016] www.storyline-scotland.com/ category/ iceland/ [06.10.2016] www.storyline-scotland.com/ category/ netherlands/ [06.10.2016] www.storyline-scotland.com/ category/ norway/ [06.10.2016] www.storyline-scotland.com/ category/ singapore/ [06.10.2016] www.storyline-scotland.com/ category/ sweden/ [06.10.2016] www.storyline-scotland.com/ category/ thailand/ [06.10.2016] 681 Quellenverzeichnis www.storyline-scotland.com/ category/ usa/ [06.10.2016] www.storyline-scotland.com/ 2009/ 02/ children-in-a-sustainable-city-winner-of-the-dogme-2000-pri ze/ [06.10.2016] www.storyline-scotland.com/ 2010/ 01/ storyline-in-north-yorkshire/ [06.10.2016] 682 Quellenverzeichnis Anhang A: Fragebögen der Lernenden Hinweis: Die Fragebögen wurden hier aus Platzgründen verkleinert und teilweise ohne Schreiblinien und Zwischenräume abgedruckt. Fragebogen 1: Storyline “The Farm“ (6. Klasse) Frage 1: Alter: ........... Mädchen  Junge  Frage 2: Was hat dir bei dem Projekt “The Farm“ am besten gefallen? Frage 3: Was hast du nicht so gut gefunden? Frage 4: Was hat dir gefehlt? Was könnte man besser machen? Frage 5: Hättest du gerne noch länger an dem Projekt “The Farm“ gearbeitet? • Wenn ja, wie lange? • Wenn nein, warum nicht? Frage 6: Was hast du in diesem Projekt gelernt? Frage 7: Würdest du gerne öfters so ein Projekt in Gruppen machen? • Wenn ja, wie oft im Schuljahr? • Wenn nein, warum nicht? Frage 8: Hast du Vorschläge für neue Projekte im Englischunterricht? Frage 9: Was gefällt dir am normalen Englischunterricht besser? ! ! ! ! ! Herzlichen Dank für deine Mitarbeit! ! ! ! ! Fragebogen 2: Storyline “The Witches“ (7. Klasse) Frage 1: Alter: ........... Mädchen  Junge  Frage 2: Was hat dir bei dem Projekt “The Witches“ am besten gefallen? Frage 3: Was hast du nicht so gut gefunden? Frage 4: Was hat dir gefehlt? Was könnte man besser machen? Frage 5: Hättest du gerne noch länger an dem Projekt “The Witches“ gearbeitet? • Wenn ja, wie lange? • Wenn nein, warum nicht? Frage 6: Was hast du in diesem Projekt gelernt? Frage 7: Würdest du gerne öfters so ein Projekt in Gruppen machen? • Wenn ja, wie oft im Schuljahr? • Wenn nein, warum nicht? Frage 8: Hast du Vorschläge für neue Projekte im Englischunterricht? Frage 9: Was gefällt dir am normalen Englischunterricht besser? ! ! ! ! ! Herzlichen Dank für deine Mitarbeit! ! ! ! ! Fragebogen 3: Storyline “Kidnapped in Scotland“ (7. Klasse) Frage 1: Alter: ........... Mädchen  Junge  Frage 2: Was hat dir bei dem Projekt “Kidnapped in Scotland“ am besten gefallen? Frage 3: Was hast du nicht so gut gefunden? Frage 4: Was hat dir gefehlt? Was könnte man besser machen? Frage 5: Hättest du gerne noch länger an dem Projekt “Kidnapped in Scotland“ gearbeitet? • Wenn ja, wie lange? • Wenn nein, warum nicht? Frage 6: Was hast du in diesem Projekt gelernt? Frage 7: Würdest du gerne öfters so ein Projekt in Gruppen machen? • Wenn ja, wie oft im Schuljahr? • Wenn nein, warum nicht? Frage 8: Hast du Vorschläge für neue Projekte im Englischunterricht? Frage 9: Was gefällt dir am normalen Englischunterricht besser? Frage 10: Welches Projekt hat dir besser gefallen: “The Witches“ oder “Kidnapped in Scotland“? Warum? Frage 11: Wie fandest du das “Scotland“-Heft? ! ! ! ! ! Herzlichen Dank für deine Mitarbeit! ! ! ! ! Fragebogen 4: Storyline “Our Ideal School“ (9. bzw. 10. Klasse) Frage 1: Alter: ........... Mädchen  Junge  Frage 2: Was hat dir bei dem Projekt “Our Ideal School“ am besten gefallen? Frage 3: Was hast du nicht so gut gefunden? Frage 4: Was könnte man besser machen? Frage 5: Hättest du gerne noch länger an dem Projekt “Our Ideal School“ gearbeitet? • Wenn ja, wie lange? • Wenn nein, warum nicht? Frage 6: Was hast du in diesem Projekt gelernt? Frage 7: Würdest du gerne öfters so ein Projekt in Gruppen machen? • Wenn ja, wie oft im Schuljahr? • Wenn nein, warum nicht? Frage 8: Hast du Vorschläge für neue Projekte im Englischunterricht? Frage 9: Was gefällt dir am normalen Englischunterricht besser? Frage 10: Wie findest du das Aufhängen der Arbeitsergebnisse (Texte, Skizzen, Zeichnungen usw.) im Klassenzimmer? Schreibe bitte deine Meinung auf! Frage 11: Hast du weitere Meinungen und Vorschläge? ! ! ! ! ! Herzlichen Dank für deine Mitarbeit! ! ! ! ! 684 Anhang A: Fragebögen der Lernenden Fragebogen 5: Storyline “Our Class“ (5. Klasse) Name: ................................................................ Datum: ................................................ Nun haben wir das Projekt “Our class“ abgeschlossen. Wie fandest du es? Bitte beantworte alle Fragen! 1) Was hat dir bei dem Projekt “Our class“ am besten gefallen? Am besten gefallen hat mir bei “Our class“ ................................................................. ....................................................................................................................................... ....................................................................................................................................... ....................................................................................................................................... 2) Was hast du nicht so gut gefunden? Nicht so gut gefunden habe ich bei “Our class“ ........................................................... ....................................................................................................................................... ....................................................................................................................................... ....................................................................................................................................... 3) Was könnte man besser machen? Verbessern könnte man ................................................................................................ ....................................................................................................................................... ....................................................................................................................................... 4) Hättest du gerne noch länger an dem Projekt “Our class“ gearbeitet? • Wenn ja, wie lange? ................................................................................................ • Wenn nein, warum nicht? ....................................................................................... ........................................................................................................................................ 5) Was hast du in diesem Projekt gelernt? Gelernt habe ich in dem Projekt “Our class“ ............................................................... ....................................................................................................................................... ....................................................................................................................................... ....................................................................................................................................... 6) Würdest du gerne öfters so ein Projekt in Gruppen machen? ....................................................................................................................................... 7) Wie findest du das Aufhängen der Ergebnisse im Klassenzimmer? ....................................................................................................................................... ....................................................................................................................................... 685 Anhang A: Fragebögen der Lernenden Anhang B: Fragebögen der Studierenden Hinweis: Die Fragebzw. Evaluationsbögen wurden hier aus Platzgründen verkleinert und ohne Schreiblinien und Zwischenräume abgedruckt. Evaluationsbogen 1: WS 2006/ 2007 Course evaluation Date: ............................. 1) What I like about this course ... 2) What I would change ... 3) What I have learned so far ... 4) My preparation / reading assignments (please tick): I read 100% 75% 50% less than 50% of the script I received. 5) Please grade the course: 1 = sehr gut, 6 = ungenügend (  1,0 ... 1,5 ... 2,0 ... 2,5 etc.) 6) Further comments ... ideas ... wishes ...: Evaluationsbogen 2: WS 2010/ 2011 Course evaluation Date: ....................................... 1) What I like about this course ... 2) What I would change ... 3) What I have learned so far ... 4) My preparation / reading assignments (please tick): I read 100% 75% 50% less than 50% of the script I received. 5) Please grade the course: 1 = sehr gut, 6 = ungenügend (  1,0 ... 1,5 ... 2,0 ... 2,5 etc.) 6) In comparison with other courses I have taken this term I would say that this course is ... 7) Further comments ... ideas ... wishes ...: 686 Anhang B: Fragebögen der Studierenden Anhang C: Transkriptionsregeln für die Verschriftung mündlicher Beiträge Zeichen: Bedeutung: / Wortabbruch, Satzabbruch # Simultansprechen … Sprechpause ehm, ähm, um, er Pausenfüller (je nach Kontext deutsch bzw. englisch) S Kurzbezeichnung für Schüler bzw. Schülerin; bei mehreren Per‐ sonen erfolgt Unterscheidung über Ziffern, z. B. S1 und S2 L Kurzbezeichnung für die entsprechende Lehrkraft F Kurzbezeichnung für die Forscherin St Kurzbezeichnung für Studierende; bei mehreren Personen erfolgt Unterscheidung über Ziffern, z. B. St1 und St2 [lacht], [nickt zustimmend] Kommentar zu paralinguistischen Äußerungen oder nonver‐ balem Verhalten [Gong] Kommentar zu kontextrelevanten Vorkommnissen [? ] akustisch unverständliche Passage & schneller Anschluss “That’s NOT correct“ Betonung einer Silbe, eines Wortes (durch Großschreibung) [...] Auslassung Anhang D: Datenquellen und ihre Kurzbezeichnungen Erläuterungen der Abkürzungen: S Schüler bzw. Schülerin (zur Unterscheidung ggf. mit Ziffer versehen) L Lehrkraft E Eltern St Student bzw. Studentin (zur Unterscheidung ggf. mit Ziffer versehen) F Forscherin UB Unterrichtsbeobachtung UR Unterrichtsreflexion 687 Anhang C: Transkriptionsregeln für die Verschriftung mündlicher Beiträge MEBS Mündliche Einzelbefragung der Schüler bzw. Schülerinnen (während oder am Rande des Unterrichts) KD Klassendiskussion SABS Schriftliche Abschlussbefragung der Schüler bzw. Schülerinnen MBL Mündliche Befragung der Lehrkraft SBL Schriftliche Befragung der Lehrkraft AIL Abschlussinterview mit Lehrkraft MEBSt Mündliche Einzelbefragung der Studierenden (während oder am Rande des Kurses) SD Seminardiskussion SABSt Schriftliche Abschlussbefragung der Studierenden SA Seminararbeit der Studierenden (Storyline-Projekt und Seminarreflexion) WS Worksheet (Arbeitsblatt) Beispiele für die praktizierte Verschlüsselung: UR F+L Gemeinsame Unterrichtsreflexion der Forscherin und Lehrkraft SABS7, Nr. 3 Schriftliche Abschlussbefragung Schüler bzw. Schülerin 7, Frage 3 688 Anhang D: Datenquellen und ihre Kurzbezeichnungen Anhang E: Kodierungskatalog und Kategoriensystem Anmerkung: Die einzelnen Kategorien sind hier nicht nach Wertigkeit, Häufigkeit oder irgendeiner anderen Ordnung aufgeführt. Katalog 1: Schule K 1: Allgemeine Aspekte zum Storyline-Projekt a Abwechslung vom regulären Unterricht; Alternative zum regulären Unterricht b Relevanz für die Gegenwart bzw. die Schule c Relevanz für die Zukunft bzw. den Beruf d Zeitlicher Umfang des Projekts; zeitliche Organisation innerhalb des Unterrichts e Lautstärke K 2: Story-Format a Sinnstiftende Rahmenhandlung und Kontext für alle Lerninhalte; Fokus auf Inhalt (focus on meaning) b Kohärenz und Kohäsion der Lerninhalte; nachvollziehbarer roter Faden durch fortlaufende Geschichte c Neugier, Spannung und “action“ durch Zwischenfälle (incidents) bzw. Offenheit der Ergebnisse (information gap; opinion gap) d Rollenübernahme und Rollenerprobung; sich in eine Figur bzw. neue Rolle hineinversetzen e Teile der Geschichte selbst erfinden und kreativ ausgestalten; eine eigene klassenspezifische Geschichte entwickeln (collaborative storymaking) K 3: Inhaltliche Aspekte der story a Ansprechendes Thema; altersgerechte bzw. zielgruppenangemessene Themenauswahl b Sachwissen über das Thema unabhängig von der Zielsprachenkultur erwerben c Wissen über Zielsprachenland bzw. Zielsprachenkultur erwerben; Förderung der interkultu‐ rellen Kompetenz (intercultural communicative competence) K 4: Lernatmosphäre: Emotionale und affektive Aspekte a Allgemeine Begeisterung bzw. Gesamtzufriedenheit (mit dem Projekt) b Freude und Spaß am Englischlernen, Englischunterricht bzw. am Lernen allgemein; starke emotionale Beteiligung 689 Anhang E: Kodierungskatalog und Kategoriensystem c Entspanntes Verhältnis zwischen Lehrkraft und Lernenden bzw. unter den Lernenden; per‐ sönliche Nähe (mutual respect) d Sicherheit und Wohlbefinden durch größere Fehlertoleranz bzw. fehlenden Notendruck; angstfreier Raum e Kein Druck durch „lästige“ Hausaufgaben f Freude und Stolz über Erfolg bei der Aufgabenbearbeitung bzw. -präsentation; Kompetenz empfinden g Misserfolg, Ärger bzw. Enttäuschung konstruktiv meistern K 5: Fremdsprachliche Kompetenzen und Fertigkeiten (skills) a Verschiedene Texte bzw. Textarten lesen und verstehen (reading skills) b Verschiedene Texte bzw. Textarten hören und verstehen; verschiedene Sprecherinnen bzw. Sprecher verstehen (listening skills) c Verschiedene Texte bzw. Textarten schreiben (writing skills) d In verschiedenen Kontexten Englisch sprechen (speaking skills); etwas in der Fremdsprache präsentieren (presentation skills); Sprachmittlung (mediating); Kommunikationsstrategien einsetzen; Diskursfähigkeit verbessern e Kontextrelevanten Wortschatz lernen, erweitern, anwenden bzw. festigen f Grammatik im Kontext lernen, anwenden bzw. festigen g Authentische Kommunikation in realitätsnahen Situationen durchführen; verschiedene Funktionen der Sprache (kennen-)lernen; Sprache kontextbzw. adressatengerecht ver‐ wenden (authentic language use) h Sprachliche Phänomene reflektieren; Sprachbewusstsein entwickeln (language awareness); mit der Sprache kreativ und spielerisch umgehen i Fremdsprachenbezogene Kompetenzen, Fortschritte bzw. Defizite erkennen und bewerten; verschiedene Dimensionen der Sprachproduktion berücksichtigen bzw. verbessern (fluency, accuracy, complexity) K 6: Gruppenarbeit und soziales Lernen a In einer Gruppe arbeiten (learning community); Gruppenarbeit als Sozial- und Arbeitsform b Gruppenkonstellation; Verfahren der Zusammenstellung der Gruppen c Kooperation; Arbeitsteilung; sich gegenseitig helfen und unterstützen; Kompromisse finden d Gemeinschaftsgefühl bzw. Gemeinschaftserlebnis; sich eingebunden fühlen K 7: Medienkompetenz: Material und Medien a Qualität und Quantität der verfügbaren Materialien bewerten 690 Anhang E: Kodierungskatalog und Kategoriensystem b Materialien je nach Bedarf und Bedürfnis gezielt auswählen (choice) bzw. selbst besorgen c Medien bzw. Hilfsmittel zur eigenen zielgerichteten Recherche selbstständig nutzen d Medien bzw. Materialien sachgerecht und reflektiert selbst herstellen e Ohne Lehrwerk arbeiten f Aufgenommen werden auf Kassette, Video, Foto (zu Forschungszwecken) K 8: Lernerorientierung und eigenverantwortliches Lernen a Berücksichtigung von eigenen Ideen, Meinungen und Erfahrungen; Berücksichtigung von Vorwissen, individuellen Talenten und Begabungen b Aktive Mitgestaltung des Unterrichts (Ko-Konstruktion) c Selbstständiges und eigenverantwortliches Handeln: Initiative ergreifen, eigene Ziele setzen, sich selbst organisieren, Verantwortung übernehmen, sich engagieren, Leistung erbringen (entrepreneurship) d Prozesse bzw. Ergebnisse kritisch reflektieren und evaluieren K 9: Aufgaben und Aufgabenstellungen a Vielfalt und Abwechslung der Aufgabenstellungen bzw. Aufgabentypen b Komplexe authentische Aufgabenstellungen und bedeutungsvolle Aktivitäten (meaningful tasks) ausführen statt eindimensionale kleinschrittige Sprachübungen bzw. sinnentleerte Drills c Eigene Aufgabeninterpretationen entwickeln (task interpretation); eigene Aufgabenlösungen bzw. Lösungswege finden für ergebnisoffene bzw. problemzentrierte Aufgaben (incidents); problemlösendes divergentes Denken entwickeln (thinking skills); Kreativität und Phantasie einbringen d Aktivitäten und Interaktionen innerhalb bzw. außerhalb des Klassenzimmers durchführen; eigene Lernorte wählen; Erweiterung und Öffnung des Klassenzimmers e Aufgaben bzw. Teilaufgaben selbst auswählen (choice); eigene Miniaufgaben entwickeln K 10: Ganzheitliches und multisensorisches Lernen a Praktisches Gestalten: Etwas zeichnen, basteln bzw. konkret herstellen b Rollenspiele bzw. drama activities konzipieren und ausführen c Musik, Gesang, Tanz bzw. Choreographie einbringen d Multisensorisches Lernen; multimodales Lernen; multiple Intelligenzen 691 Anhang E: Kodierungskatalog und Kategoriensystem K 11: Klassenöffentlichkeit a Präsentationslust bzw. Mitteilungsbedürfnis; Ergebnisse vorstellen bzw. sich selbst darstellen wollen; Wunsch nach „Veröffentlichung“ von Ideen und Arbeitsprodukten b Präsentieren vor Publikum als authentischer Anreiz für Qualität bzw. Quantität der Lern‐ ergebnisse; Zielorientierung und Sinnhaftigkeit der Arbeit c Authentischer und inhaltsorientierter Austausch wegen information gap bzw. opinion gap; „echte“ Gespräche, Fragen und Diskussionen (purposeful and meaningful communication) d Gegenseitiges Feedback bzw. Lob (peer evaluation); Anerkennung und Toleranz anderer Bei‐ träge K 12: Fries a Sichtbarmachung der individuellen Aufgabeninterpretationen (task interpretation); Inspira‐ tion durch „Markt der Möglichkeiten“ b Bewusstmachung und Strukturierung der Lernprozesse bzw. Lerninhalte; Überblick über den Verlauf und Stand der Geschichte; visuelle Einstiegshilfe in das Thema (bookmark) c Dokumentation und Gesamtüberblick über alle Lernprozesse und Lernergebnisse (classroom museum); Dokumentation und Zeugnis aller Leistungen einer Klasse d Bereitstellung von Lernhilfen e Authentischer Auslöser für inhaltsorientierte Kommunikation bzw. soziale Interaktion f Optisch anregendes und dekoratives Lernmedium Ergänzender Katalog 2: Hochschule K 13: Allgemeine Aspekte zum Storyline-Seminar an der Hochschule a Seminarkonzept bzw. Kursstruktur allgemein b Seminarorganisation allgemein; Kursleitung c Relevanz für die Gegenwart bzw. die Ausbildung d Relevanz für die Zukunft bzw. den Beruf e Seminarsprache f Leistungsanforderungen bzw. Erwartungen K 14: Konzept, Phasen und Ziele des Storyline-Seminars a Theoriebezogenes Wissen erwerben bzw. sich selbst aneignen; theoretische Vorentlastung durch Reader 692 Anhang E: Kodierungskatalog und Kategoriensystem b Unterrichtssimulation; Selbsterfahrung durch Handlungsorientierung (learning by doing); Lernen am Modell (apprenticeship); Handlungswissen erwerben c Interaktion; Diskussion und Austausch von Erfahrungen, Wissen und Meinungen; Lernen durch Lehren d Forschendes Lernen; Reflexion; eigene Fragestellungen entwickeln; eigenständige Recherche; eigene Antworten bzw. Lösungen entwickeln e Theorie-Praxis-Bezug; zirkuläres Lernen; konkreter Bezug zur Unterrichtsrealität f Transfer; eigenes Storyline-Projekt entwickeln g Einsichten und Kompetenzen im Hinblick auf das Storyline-Modell bzw. das Fremdsprachen‐ lernen gewinnen; den Storyline Approach (als Ganzes) erfassen; seine Qualitäten fundiert und reflektiert begründen können h Nachhaltigkeit; ein Storyline-Projekt in der Schule durchführen (wollen); Wunsch nach Story‐ line-Material; sich über das Seminar hinaus mit Storyline beschäftigen 693 Anhang E: Kodierungskatalog und Kategoriensystem Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Ablauf des regulären fächerübergreifenden Unterrichts (links) und des Storyline-Unterrichts (rechts) (Barr 1986, 14) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 Abb. 2: Aufbau eines beliebigen Storyline-Projekts (Bell/ Harkness 2006, 9) . . . 69 Abb. 3: Wordbank aus dem Storyline-Projekt Circus, Klasse 6 (Kocher 1996a) . 85 Abb. 4: Der topic plan: Die Planungsmatrix für ein Storyline-Projekt (Harkness 2007, 21) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 Abb. 5: Faktoren konstruktiven, konstruktivistisch aufgeklärten Lernens (Siebert 2005, 31) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 Abb. 6: Historische Vorbilder konstruktivistischer Instruktionsansätze bzw. situierter Lernumgebungen (Reinmann-Rothmeier/ Mandl 1999, 33) . . 154 Abb. 7: Ablaufmodell qualitativ-inhaltsanalytischer Verfahren am Beispiel induktiver Kategorienbildung (Mayring 2013, 472) . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 Abb. 8: Programm des Storyline-Kompaktseminars . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 493 Tabellenverzeichnis Tab. 1: Disziplinen des Konstruktivismus und ihre Vertreterinnen bzw. Vertreter (Siebert 2005, 15) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 Tab. 2: Individueller und sozialer Konstruktivismus (Siebert 2005, 25) . . . . . . . . . 139 Tab. 3: Normatives versus interpretatives Paradigma (Siebert 2005, 20) . . . . . . . . 146 Tab. 4: Motivationale Schlüsselfaktoren (Williams/ Burden 1997, 138-140) . . . . . . 179 Tab. 5: Forschungsablauf und Datenerhebung am Beispiel eines Storyline-Projekts in einer Schulklasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 Tab. 6: Forschungsablauf und Datenerhebung am Beispiel eines Hauptseminars zum Storyline Approach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 Tab. 7: Der Prozess der Datenaufnahme an Schulen und Hochschule . . . . . . . . . . 239 Tab. 8: Frage 1: Alter und Geschlecht der Befragten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 Tab. 9: Frage 2: „Was hat dir bei dem Projekt ‘The Farm’ am besten gefallen? “ . . 300 Tab. 10: Frage 3: „Was hast du nicht so gut gefunden? “ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 Tab. 11: Frage 4: „Was hat dir gefehlt? Was könnte man besser machen? “ . . . . . . . 303 Tab. 12: Frage 5: „Hättest du gerne noch länger an dem Projekt ‘The Farm’ gearbeitet? Wenn ja, wie lange? Wenn nein, warum nicht? “ . . . . . . . . . . . 305 Tab. 13: Frage 7: „Würdest du gerne öfters so ein Projekt in Gruppen machen? Wenn ja, wie oft im Schuljahr? Wenn nein, warum nicht? “ . . . . . . . . . . . 306 Tab. 14: Frage 6: „Was hast du in diesem Projekt gelernt? “ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 Tab. 15: Frage 9: „Was gefällt dir am normalen Englischunterricht besser? “ . . . . . . 309 Tab. 16: Frage 1: Alter und Geschlecht der Befragten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 Tab. 17: Frage 2: „Was hat dir bei dem Projekt ‘The Witches‘ am besten gefallen? “ 333 Tab. 18: Frage 3: „Was hast du nicht so gut gefunden? “ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 Tab. 19: Frage 4: „Was hat dir gefehlt? Was könnte man besser machen? “ . . . . . . . 336 Tab. 20: Frage 5: „Hättest du gerne noch länger an dem Projekt ‘The Witches‘ gearbeitet? Wenn ja, wie lange? Wenn nein, warum nicht? “ . . . . . . . . . . 337 Tab. 21: Frage 7: „Würdest du gerne öfters so ein Projekt in Gruppen machen? Wenn ja, wie oft im Schuljahr? Wenn nein, warum nicht? “ . . . . . . . . . . . 339 Tab. 22: Frage 6: „Was hast du in diesem Projekt gelernt? “ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 Tab. 23: Frage 1: Alter und Geschlecht der Befragten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 Tab. 24: Frage 2: „Was hat dir bei dem Projekt ‘Kidnapped in Scotland‘ am besten gefallen? “ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 Tab. 25: Frage 3: „Was hast du nicht so gut gefunden? “ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 Tab. 26: Frage 4: „Was hat dir gefehlt? Was könnte man besser machen? “ . . . . . . . 364 Tab. 27: Frage 5: „Hättest du gerne noch länger an dem Projekt ‘Kidnapped in Scotland’ gearbeitet? Wenn ja, wie lange? Wenn nein, warum nicht? “ . . 365 Tab. 28: Frage 7: „Würdest du gerne öfters so ein Projekt in Gruppen machen? Wenn ja, wie oft im Schuljahr? Wenn nein, warum nicht? “ . . . . . . . . . . . 366 Tab. 29: Frage 6: „Was hast du in diesem Projekt gelernt? “ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 Tab. 30: Frage 10: „Welches Projekt hat dir besser gefallen: ‘The Witches’ oder ‘Kidnapped in Scotland’? Warum? “ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 Tab. 31: Frage 11: „Wie fandest du das ‘Scotland’ Heft? “ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 Tab. 32: Frage 1: Alter und Geschlecht der Befragten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 Tab. 33: Frage 2: „Was hat dir bei dem Projekt ‘Our Ideal School‘ am besten gefallen? “ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 Tab. 34: Frage 3: „Was hast du nicht so gut gefunden? “ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396 Tab. 35: Frage 4: „Was könnte man besser machen? “ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397 Tab. 36: Frage 5: „Hättest du gerne noch länger an dem Projekt ‘Our Ideal School’ gearbeitet? Wenn ja, wie lange? Wenn nein, warum nicht? “ . . . . . . . . . . 399 Tab. 37: Frage 7: „Würdest du gerne öfters so ein Projekt in Gruppen machen? Wenn ja, wie oft im Schuljahr? Wenn nein, warum nicht? “ . . . . . . . . . . . 400 Tab. 38: Frage 6: „Was hast du in diesem Projekt gelernt? “ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 Tab. 39: Frage 10: „Wie findest du das Aufhängen der Arbeitsergebnisse (Texte, Skizzen, Zeichnungen usw.) im Klassenzimmer? Schreibe bitte deine Meinung auf! “ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404 Tab. 40: Frage 11: „Hast du weitere Meinungen und Vorschläge? “ . . . . . . . . . . . . . 406 Tab. 41: Frage 1: Alter und Geschlecht der Befragten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 431 Tab. 42: Frage 2: „Was hat dir bei dem Projekt ‘Our Ideal School‘ am besten gefallen? “ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432 Tab. 43: Frage 3: „Was hast du nicht so gut gefunden? “ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434 Tab. 44: Frage 4: „Was könnte man besser machen? “ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436 Tab. 45: Frage 5: „Hättest du gerne noch länger an dem Projekt ‘Our Ideal School’ gearbeitet? Wenn ja, wie lange? Wenn nein, warum nicht? “ . . . . . . . . . . . 437 Tab. 46: Frage 7: „Würdest du gerne öfters so ein Projekt in Gruppen machen? Wenn ja, wie oft im Schuljahr? Wenn nein, warum nicht? “ . . . . . . . . . . . 439 Tab. 47: Frage 6: „Was hast du in diesem Projekt gelernt? “ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440 Tab. 48: Frage 10: „Wie findest du das Aufhängen der Arbeitsergebnisse (Texte, Skizzen, Zeichnungen usw.) im Klassenzimmer? Schreibe bitte deine Meinung auf! “ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442 Tab. 49: Frage 11: „Hast du weitere Meinungen und Vorschläge? “ . . . . . . . . . . . . . 444 Tab. 50: Anzahl, Alter und Geschlecht der Befragten (Klassenliste) . . . . . . . . . . . . 473 Tab. 51: Frage 1: „Was hat dir bei dem Projekt ‘Our class‘ am besten gefallen? Am besten gefallen hat mir bei ‘Our class’ ...“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 474 Tab. 52: Frage 2: „Was hast du nicht so gut gefunden? Nicht so gut gefunden habe ich bei ‘Our class’ ...“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475 Tab. 53: Frage 3: „Was könnte man besser machen? Verbessern könnte man ...“ . . 476 Tab. 54: Frage 4: „Hättest du gerne noch länger an dem Projekt ‘Our class’ gearbeitet? Wenn ja, wie lange? Wenn nein, warum nicht? “ . . . . . . . . . . . 477 Tab. 55: Frage 6: „Würdest du gerne öfters so ein Projekt in Gruppen machen? “ . 479 Tab. 56: Frage 5: „Was hast du in diesem Projekt gelernt? Gelernt habe ich in dem Projekt ‘Our class’ ...“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 480 Tab. 57: Frage 7: „Wie findest du das Aufhängen der Ergebnisse im Klassenzimmer? “ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481 698 Tabellenverzeichnis Tab. 58: Anzahl, Studiengang und Geschlecht der Seminarmitglieder (Anmeldeformular) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 500 Tab. 59: Semesterzahl der Seminarmitglieder (Anmeldeformular) . . . . . . . . . . . . . . 500 Tab. 60: Frage 1: “What can be regarded as typical features of the Storyline Approach? “ (Poster A, B, C) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 502 Tab. 61: Angaben der Studierenden zum Seminarkonzept (SA) . . . . . . . . . . . . . . . . 511 Tab. 62: Angaben der Studierenden zum Lernerfolg (SA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 520 Tab. 63: Anzahl, Studiengang und Geschlecht der Seminarmitglieder (Anmeldeformular) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 528 Tab. 64: Semesterzahl der Seminarmitglieder (Anmeldeformular) . . . . . . . . . . . . . . 528 Tab. 65: Frage 1: “What I like about this course ...“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 539 Tab. 66: Frage 2: “What I would change ...“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 541 Tab. 67: Frage 3: “What I have learned so far ...“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 542 Tab. 68: Frage 4: “My preparation / reading assignments (please tick): I read 100 %, 75 %, 50 %, less than 50 % of the script I received.“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 545 Tab. 69: Frage 5: “Please grade the course: 1 = sehr gut, 6 = ungenügend (→ 1,0 … 1,5 … 2,0 … 2,5 … etc.)“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 545 Tab. 70: Frage 6: “Further comments ... ideas ... wishes ...: “ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 546 Tab. 71: Angaben der Studierenden zum Seminarkonzept (SA) . . . . . . . . . . . . . . . . 549 Tab. 72: Angaben der Studierenden zum Lernerfolg (SA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 556 Tab. 73: Anzahl, Studiengang und Geschlecht der Seminarmitglieder (Anmeldeformular) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 566 Tab. 74: Semesterzahl der Seminarmitglieder (Anmeldeformular) . . . . . . . . . . . . . . 567 Tab. 75: Frage 1: “What I like about this course ...“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 578 Tab. 76: Frage 2: “What I would change ...“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 580 Tab. 77: Frage 3: “What I have learned so far ...“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 582 Tab. 78: Frage 4: “My preparation / reading assignments (please tick): I read 100 %, 75 %, 50 %, less than 50 % of the script I received.“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 585 Tab. 79: Frage 5: “Please grade the course: 1 = sehr gut, 6 = ungenügend (→ 1,0 … 1,5 … 2,0 … 2,5 … etc.)“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 585 Tab. 80: Frage 6: “In comparison with other courses I have taken this term I would say that this course is ...“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 586 Tab. 81: Frage 7: “Further comments ... ideas ... wishes ...: “ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 588 Tab. 82: Angaben der Studierenden zum Seminarkonzept (SA) . . . . . . . . . . . . . . . . 590 Tab. 83: Angaben der Studierenden zum Lernerfolg (SA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 598 Tab. 84: Was hat den Lernenden bei den Projekten am besten gefallen? (SABS, Nr. 2; in Kl. 5: Nr. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 615 Tab. 85: Was haben die Lernenden nicht so gut gefunden? (SABS, Nr. 3; in Kl. 5: Nr. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 616 Tab. 86: Was könnte man an den Projekten verbessern? (SABS, Nr. 4; in Kl. 5: Nr. 3) 616 Tab. 87: Was haben die Schülerinnen und Schüler in den Projekten gelernt? (SABS, Nr. 6; in Kl. 5: Nr. 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 618 Tab. 88: Wie bewerten die Studierenden das Seminar bzw. Seminarkonzept? (SA) 623 Tab. 89: Was hat den Studierenden an dem Kurs besonders gefallen? (SABSt, Nr. 1) 623 699 Tabellenverzeichnis Tab. 90: Wie bewerten die Studierenden ihren Lernerfolg? (SA) . . . . . . . . . . . . . . . 624 Tab. 91: Was haben die Studierenden in dem Kurs gelernt? (SABSt, Nr. 3) . . . . . . . 625 700 Tabellenverzeichnis