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Zur Professionalität der Professionalisierenden

2020
978-3-8233-9359-7
Gunter Narr Verlag 
David Gerlach

Obwohl Fremdsprachenlehrkräfte in Deutschland in aller Regel das Referendariat als sogenannte "zweite Phase" durchlaufen, ist wenig darüber bekannt, was dort eigentlich passiert. Die Studie nimmt in den Blick, wie das beteiligte Personal der Fachleiter*innen die fremdsprachendidaktische Ausbildung gestaltet. Mittels der Dokumentarischen Methode werden die Ausbildungspraxis und die sie bestimmenden Orientierungen rekonstruiert - in ihrem Einklang und Widerspruch zu bestehenden Normen. Die Untersuchung leistet damit einen Beitrag zur fremdsprachendidaktischen Professionsforschung.

Zur Professionalität der Professionalisierenden GIESSENER BEITRÄGE ZUR FREMDSPRACHENDIDAKTIK Herausgegeben von Eva Burwitz-Melzer, Wolfgang Hallet, Jürgen Kurtz, Michael Legutke, Hélène Martinez, Franz-Joseph Meißner und Dietmar Rösler Begründet von Lothar Bredella, Herbert Christ und Hans-Eberhard Piepho David Gerlach Zur Professionalität der Professionalisierenden Was machen Lehrerbildner*innen im fremdsprachendidaktischen Vorbereitungsdienst? Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. Die vorliegende Arbeit ist die überarbeitete Fassung der im Juni 2019 am Fachbereich Erziehungswissenschaften der Philipps-Universität Marburg angenommenen Habilitationsleistung. © 2020 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de CPI books GmbH, Leck ISBN 978-3-8233-8359-8 (Print) ISBN 978-3-8233-9359-7 (ePDF) ISBN 978-3-8233-0202-5 (ePub) Für die Ausbilderinnen und Ausbilder. Und ihre LiV. 7 Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1 Als Einleitung: (Fremdsprachen-)Lehrer*innenbildung aus Sicht der „Betroffenen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 1.1 Erkenntnisinteresse und Relevanz des Forschungsvorhabens . . . . . 15 1.2 Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 2 Schulpädagogische Lehrerprofessionsforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 2.1 Bestimmungsansätze zur Professionalität und Professionalisierung von Lehrkräften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 2.1.1 Strukturtheoretischer Bestimmungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . 25 2.1.2 Kompetenztheoretischer Bestimmungsansatz . . . . . . . . . . . . . 32 2.1.3 Berufsbiographischer Bestimmungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . 37 2.2 Zwischenfazit I: Konstrukte zur Erforschung von Lehrerprofessionalität/ -professionalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 3 Fremdsprachendidaktische Professionsforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 3.1 Forschung zu Fremdsprachenlehrerprofessionalität . . . . . . . . . . . . . . . 46 3.1.1 Standards und domänenspezifisches Professionswissen . . . 49 3.1.2 Beliefs , Subjektive Theorien und Reflexivität . . . . . . . . . . . . . . 58 3.1.3 Aktionsforschung und Interventionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 3.2 Zwischenfazit II: Spezifik von Fremdsprachenlehrerprofessionalität und ihrer Erforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 4 Der Vorbereitungsdienst als 2. Phase der Lehrerbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 4.1 Formale Charakteristika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 4.1.1 Allgemeine Ausgestaltung des Vorbereitungsdienstes . . . . . 81 4.1.2 Beteiligtes Personal im Vorbereitungsdienst . . . . . . . . . . . . . . . 84 4.2 Forschung zum Vorbereitungsdienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 4.2.1 Forschung zu Ausbildungsstrukturen und Professionalisierung der LiV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 4.2.2 Forschung zu Ausbilderinnen und Ausbildern . . . . . . . . . . . . 112 4.3 Zwischenfazit III: Der Vorbereitungsdienst als lehrer*innenbildende Phase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 8 Inhaltsverzeichnis 5 Fremdsprachenlehrerprofessionalisierung im Vorbereitungsdienst . . . . . . . . 145 5.1 Hinleitung zum Forschungsgegenstand und zu den Forschungssubjekten: Lehrerbildner*innen im fremdsprachendidaktischen Vorbereitungsdienst . . . . . . . . . . . . . . . . 146 5.2 Lerngelegenheits- & Forschungsfeld: Der hessische Vorbereitungsdienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 5.2.1 Anforderungen und Struktur des hessischen Vorbereitungsdienstes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 5.2.2 Personal im hessischen Vorbereitungsdienst . . . . . . . . . . . . . 153 5.3 Untersuchungsgegenstand und -fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 5.3.1 Wie werden Lehrkräfte zu Lehrerbildner*innen? . . . . . . . . . 159 5.3.2 Wie nehmen Lehrerbildner*innen im Vorbereitungsdienst angehender Fremdsprachenlehrkräfte ihre Position und Tätigkeit wahr? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 5.3.3 Wie strukturieren Lehrerbildner*innen im Vorbereitungsdienst angehender Fremdsprachenlehrkräfte ihre Handlungspraxis? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 5.3.4 Inwiefern zeigen sich in der Ausbildungspraxis der Lehrerbildner*innen Wissensstrukturen und Konzepte im Sinne einer Ausbildungsdidaktik? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 6 Methodologischer Zugang und methodisches Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 6.1 Gegenstandstheoretische Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 6.2 Zugang zum Feld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 6.3 Forschungsethische Implikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 6.4 Sampling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 6.5 Datenerhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 6.5.1 Narrativ-episodische/ berufsbiographische Interviews . . . . 174 6.5.2 Zusätzlich erhobene Daten und Datenschutz . . . . . . . . . . . . . 178 6.6 Aufbereitung der Daten und Analyse mittels Dokumentarischer Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 6.6.1 Aufbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 6.6.2 Schritte der Dokumentarischen Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 6.6.3 Präsentation und Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 7 Fallrekonstruktionen: Lehrerbildner*innen im fremdsprachendidaktischen Vorbereitungsdienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 7.1 Fallrekonstruktion 1: Moritz Wagner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 Inhaltsverzeichnis 9 7.1.1 Themenfeld Sprachkompetenz: „Und genauso müssen Fremdsprachenlehrer auch wissen, was sie machen. Das ist einfach die Sprache.“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 7.1.2 Themenfeld Freiheit: „Das heißt, es gibt immer ein Angebot auch von mir, was genutzt werden kann oder nicht.“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 7.1.3 Wunschkonzept der Fremdsprachenlehrerbildung . . . . . . . . 217 7.1.4 Zusammenfassende Betrachtung des Falls . . . . . . . . . . . . . . . . 221 7.2 Fallrekonstruktion 2: Monika Blümke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 7.2.1 Themenfeld Abgrenzung: „Ansonsten können wir sagen, ja, jeder lernt TROTZ Lehrer, trotz Ausbilder. (.) Das kann es ja nicht sein.“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 7.2.2 Themenfeld Vertrauen: „Also eigentlich wollen die mehr verbe/ ihre Defizite VERBERGEN.“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 7.2.3 Wunschkonzept der Fremdsprachenlehrerbildung . . . . . . . . 242 7.2.4 Zusammenfassende Betrachtung des Falls . . . . . . . . . . . . . . . . 245 7.3 Fallrekonstruktion 3: Jörg Reger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 7.3.1 Themenfeld Institutionalisierung: „… und dann sitzen wir hier und reden über äh Literaturdidaktik, aber eigentlich brennt es ganz woanders.“ . . . . . . . . . . . . . . . . 249 7.3.2 Themenfeld Distanzierung: „Also ich bilde mit Sicherheit nicht mehr so aus, wie ich vor acht Jahren angefangen habe.“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 7.3.3 Wunschkonzept der Fremdsprachenlehrerbildung . . . . . . . . 269 7.3.4 Zusammenfassende Betrachtung des Falls . . . . . . . . . . . . . . . . 274 8 Ausbildungspraxis: Kontrastiver Fallvergleich und Typenbildung . . . . . . . . . . 277 8.1 Tertium comparationis „Biographie und professionelles Selbstverständnis“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 8.2 Tertium comparationis „Ausbildungssituationen“ . . . . . . . . . . . . . . . . 293 8.3 Tertium comparationis „Organisation“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 8.4 Zusammenfassende Betrachtung der relationalen Typenbildung . . . 321 9 Ausbildungsdidaktik: eine Exploration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 9.1 Tertium comparationis „Fachwissen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 9.2 Tertium comparationis „Fachdidaktisches Wissen“ . . . . . . . . . . . . . . 333 9.3 Tertium comparationis „Allgemeinpädagogisches Wissen“ . . . . . . 345 9.4 Zusammenfassende Betrachtung der ausbildungsdidaktischen Schwerpunktsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 10 Inhaltsverzeichnis 10 Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 10.1 Ausbildungspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 10.2 Ausbildungsdidaktik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 10.3 Annäherungen an einen beruflichen Habitus von Lehrerbildner*innen im fremdsprachendidaktischen Vorbereitungsdienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 11 Reflexion des Forschungsprozesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 12 Implikationen für (fremdsprachendidaktische) Lehrer*innenbildung und Professionsforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 12.1 Implikationen für die (fremdsprachendidaktische) Lehrer*innenbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 12.2 Forschungsdesiderata für die (fremdsprachendidaktische) Professionsforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425 Anhang A: Transkriptionsrichtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425 Anhang B: Interviewleitfaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426 11 Vorwort Muss man als „voreingenommen“ gelten, wenn man den Vorbereitungsdienst beforscht, den man selbst, wenn auch Jahre zuvor, besucht hat? Abgesehen von Forschungsmethodologie und -methode, Vorgehensweisen, die zu einer Fremdmachung des Forschenden zum Untersuchungsgegenstand führen, die diese Unterstellung im Laufe der Arbeit ad absurdum führen sollten, wäre vermutlich mein eigenes Erkenntnisinteresse an dieser spezifischen Phase der Lehrerbildung gar nicht erst entstanden, wenn ich nicht selbst einmal Lehrkraft im Vorbereitungsdienst für die Fächer Englisch und Biologie gewesen wäre. So erlebte ich selbst das Referendariat allerdings nicht als derart belastend, wie es in vielen Erfahrungsberichten und den (wenigen) vorliegenden Untersuchungen dargestellt wird. Vielmehr war es das Gefühl, „endlich“ in der Praxis angekommen zu sein, obwohl die Hälfte der Zeit weiterhin durch Prüfungssituationen und Ausbildung bestimmt war. Überraschenderweise verlief letztere in meiner persönlichen Wahrnehmung - und mit mittlerweile einigen Jahren Abstand und in dieser reflexiven Retrospektive - wenig formalisiert: Ich erlebte zwei sehr verschiedene Lehrerbildner in meinen beiden Fächern, die ausbildungsmethodisch-didaktisch kaum unterschiedlicher hätten sein können. Dies lässt sich zum einen sicherlich mit den unterschiedlichen Traditionen der Fächer begründen - die fachkulturellen Gegenstände und Methoden von Sprachen und Naturwissenschaften sind nunmal höchst divergent -, aber es war zum anderen eine sehr individuelle Überzeugung von Ausbildung, von inhaltlichen Schwerpunktsetzungen in der Interaktion mit den Referendarinnen und Referendaren und ebenso eine jeweils abweichende Bewertungs- und Gesprächspraxis in Unterrichtsnachbesprechungen, die ich im Nachhinein (und auch währenddessen bereits) derart bemerkenswert fand, dass es gerade diese Gruppe der Ausbilderinnen und Ausbilder ist, die mich in dieser Arbeit als Forschungssubjekte besonders interessiert. Dass es (bislang) zu keinem Vergleich von verschiedenen Fächern gekommen ist, sondern dass ich mich hier (zunächst) auf die Handlungspraxis und Ausbildungsdidaktik der Ausbildungskräfte in den Fremdsprachen konzentriere, ist dabei sowohl aus forschungspragmatischen und organisatorischen Gründen heraus zu sehen, als auch aufgrund der Tatsache, dass hier explorativ zunächst überhaupt ein Einblick in diese spezifische Gruppe von Lehrerprofessionalisierenden gegeben werden soll unter den besonderen Umständen des Vorbereitungsdienstes zum einen, unter Berücksichtigung der fremdsprachendidaktischen Unterrichts- und Ausbildungsgegenstände zum anderen. 12 Vorwort Obwohl man alleine eine solche Untersuchung als Habilitationsprojekt plant, durchführt, Daten erhebt und sie in Ergebnisse und Diskussionen münden lässt, ist ein solches Projekt ein Unterfangen, an dem man nicht alleine beteiligt ist. Danken möchte ich daher an dieser Stelle zuerst ganz ausdrücklich den Ausbilderinnen und Ausbildern, die durch ihre Bereitschaft und Offenheit, an dieser Studie durch ihre Interviewteilnahme mitzuwirken, diese Untersuchung erst möglich gemacht haben. Darüber hinaus gilt großer Dank meinen Hauptbetreuern, Frank G. Königs und Uwe Hericks, die mit ihrem Input, kritischen Fragen und offenen Ohren den gesamten Forschungsprozess konstruktiv begleitet haben. Leider hat Frank Königs den offiziellen Abschluss des Habilitationsverfahrens nicht mehr erlebt. Die Zusammenfassung der externen Gutachten zu dieser Arbeit war eine seiner letzten offiziellen Amtshandlungen für die Philipps-Universität. Seine offene und besonnene Art sowie sein Einsatz für das Fach, seine Mitarbeiter*innen und Studierenden werden mir immer ein Vorbild sein. Für Inspiration und Feedback in wissenschaftlicher Hinsicht danke ich allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Bildungsgangkolloquiums. Ivo Steininger, Bianca Roters sowie Julia Fritz bin ich sehr dankbar für die „kollegiale Fallberatung“ sowie insbesondere Julia für den produktiven Austausch und das gemeinsame Grübeln im Rahmen unserer zahlreichen Interpretationswerkstätten zur Dokumentarischen Methode. Den wunderbaren Kolleginnen und Kollegen am Informationszentrum für Fremdsprachenforschung in Marburg (IFS) gilt ganz ausdrücklich Dank für die mentale Unterstützung (und Ablenkung), außerdem für die Hilfe - auch hinsichtlich meiner vielen parallel laufenden Projekte - meinen studentischen Hilfskräften in Marburg sowie (seinerzeit) meiner Mitarbeiterin Angelika Raster in Regensburg. Auch zu Dank verpflichtet bin ich den Mitgliedern der Habilitationskommission sowie den extern Begutachtenden und den Mitgliedern des Fachbereichsrats am Fachbereich Erziehungswissenschaften der Philipps-Universität Marburg, die über die Annahme der Habilitationsleistung sowie die Erteilung der Lehrbefugnis letztgültig entschieden haben. Und zuletzt möchte ich mich bei meiner Frau Carolin bedanken. Interessanterweise fiel ihr eigener Vorbereitungsdienst in die Phase meiner Untersuchung - ein nicht unwesentliches Detail, das zu den ein oder anderen erheiternden wie einsichtsvollen Diskussionen in den vergangenen Jahren geführt hat. Ich bin ihr besonders dankbar dafür, dass sie mich einerseits immer wieder entbehren muss(te), mich andererseits dennoch jederzeit uneingeschränkt unterstützt, wo auch immer ich gerade bin. Das werde ich nie als selbstverständlich ansehen. David Gerlach Marburg im Herbst 2019 1 Als Einleitung: (Fremdsprachen-) Lehrer*innenbildung aus Sicht der „Betroffenen“ Nichts scheint zu funktionieren. Die Referendarin, frustriert vom Lärm in ihrer Klasse, sagt schon länger nichts mehr. Sie steht auf und beginnt langsam, etwas an das Whiteboard zu schreiben. Nach und nach wird es ruhiger, als wären die Schülerinnen und Schüler zunehmend gespannt, was von der Lehrerin notiert wird. Sie schreibt: „Manchmal weiß ich kaum, was ich machen soll.“ Dann setzt sich die Referendarin mit dem Rücken zur Klasse gewandt auf das Pult. - Es folgt eine Umblende auf den Schulflur, in einer Ecke steht ein Terrarium, offensichtlich mit lebenden Tieren, denn: Ein Hamsterrad dreht sich. Die Nahansicht offenbart, dass es sich um Spitzmäuse handelt. Sie sitzen leicht schreckhaft im Futternapf. Und im Hamsterrad drehen sie ihre Runden … Der Beruf des Lehrers und der Lehrerin steht, auch aufgrund eines erhöhten Bedarfs an Lehrkräften in vielen Bundesländern, aktuell unter besonderer medialer Beobachtung. Wenn ein Dokumentarfilm mit dem Titel Zwischen den Stühlen (vgl. Schmidt 2016), aus dem die oben geschilderte Szene stammt, im Jahr 2017 ein großes mediales Echo und hohe Besucherzahlen nach sich zieht, bedeutet dies, dass ein gewisses gesellschaftliches Interesse - vielleicht auch mit einer Prise Schaulust versetzt - für (angehende) Lehrkräfte und die Unwägbarkeiten ihrer Ausbildung und Berufstätigkeit besteht. Interessanterweise ist dieses gestiegene Interesse nicht nur gesellschaftlich-medial zu beobachten, wenn man die einschlägigsten Tages- und Wochenzeitungen durchblättert: Insbesondere seit der Jahrtausendwende ist ein immenser Zuwachs an Forschung hinsichtlich der Frage zu beobachten, was eine (gute) Lehrkraft ausmacht und wie Lehrerinnen und Lehrer 1 „professionalisiert“ werden können (vgl. z. B. Baumert/ Kunter 2006, Hattie 2009, Helmke 2015). In der empirischen Bildungswissenschaft und Schulpädagogik sind hier Strömungen beobachtbar, die in Forschungsparadigmen entsprechende Schwerpunkte legen und damit den Beruf der Lehrkraft, ihre Werdung, 1 Ich lege Wert darauf, sowohl die weibliche als auch die männliche Form gleichbedeutend und gleich häufig zu verwenden. An Stellen, an denen dies die Lesbarkeit beeinträchtigen würde, greife ich - in der Häufigkeit der Anwendung aufsteigend - auf das generische Maskulinum zurück, kürze ab („Ausbilder*in“ oder „Lehrer*innen“) bzw. nutze eine neutrale Form (wie „Lehrkraft“ oder „Lehrperson“). Das Verwenden des generischen Maskulinums trifft besonders Komposita wie „Lehrerbildung“ und „Lehrerprofessionalität“, die insbesondere in Komposita (man denke nur an „Fremdsprachenlehrerprofessionalitätsforschung“) ansonsten in einer größeren Ausdifferenzierung nach Genus die Lesbarkeit einschränken dürften. 14 1 Als Einleitung: (Fremdsprachen-)Lehrer*innenbildung aus Sicht der „Betroffenen“ Wirkung und Qualität bzw. Optimierung zu beschreiben versuchen (vgl. Abel/ Faust 2010, Terhart 2011; s. auch Kapitel 2). Ebenfalls die fachliche bzw. fachspezifische Dimension wird zuletzt für Forschende zunehmend interessant: Die einzelnen Fachdidaktiken stehen gewissermaßen unter einem Legitimationsdruck, Konzeptualisierungen einer eigenen fachdidaktisch ausgeschärften Professionsforschung vorzulegen - sowohl mit explorativen Vorhaben, die die fachdidaktische (Unterrichts-)Praxis zu beschreiben versuchen, als auch die Entwicklung von Empfehlungen, Kompetenzen und Standards, die die Profession „Fachlehrer*in“ in ihrer Spezifik beschreib- und damit mittelfristig professionalisierbar machen. Bei der Forschung zur Lehrerbildung geht es damit nicht selten um bestimmte Strukturen in den lehrerbildenden Phasen, die in den deutschen Systemen prägend sind, seien sie im Hochschulbereich oder im Referendariat verankert, im Berufseinstieg oder im Fortbildungsbereich. Jedoch: „Weitgehend ungeklärt ist, was Studium und Referendariat im Einzelnen leisten und wo deren Grenzen liegen.“ (Cramer 2012: 59) Auffällig ist, dass insbesondere zum Referendariat, welches - auch durch oben medial wirksame Dokumentarfilme, aber ebenso in Erzählungen und durch Hörensagen Dritter - mitunter als „Horror“ von den Betroffenen charakterisiert wird, kaum Forschung vorliegt (vgl. Kapitel 4). Erst zuletzt wurde in einer der wenigen größeren Untersuchungen der Eintritt der Studienabsolvent*innen in den Vorbereitungsdienst gar mit einer Parabel von Kafka umschrieben, dessen Maxime ungefähr gedeutet werden muss wie: „Passe Dich möglichst schnell an die geforderten Erwartungen an! “ (Munderloh 2018: 9) Der Vorbereitungsdienst wird daher - auch von Seiten der Forschung - als Sozialisations- oder (stärker negativ konnotiert) als (nötiger) Anpassungsprozess charakterisiert, dem zwar ein starkes und weiterhin wachsendes Interesse an Lehrerprofessionalisierung generell gegenübersteht - nur über die Effekte des Vorbereitungsdienstes als vermeintlich prägendster Phase weiß man im Grunde genommen weiterhin kaum etwas. Und trotzdem finden sich Strukturen des Referendariats in fast allen deutschen Bundesländern als sogenannter zweiter Phase der Lehrerbildung wieder. Der Begriff „Lehrerbildung“ ist dabei nicht unproblematisch: Primär die erste Phase vereinnahmt diesen Begriff für sich, spricht sich in einer akademischen Orientierung gegen den Begriff der „Lehrer aus bildung“ aus, wohingegen der Diskurs der zweiten Phase primär vom Ausbildungsbegriff geprägt ist: Personen, die „Professionalisierenden“, übernehmen hier ganz explizit die Verantwortung für Ausbildung und Professionalisierung über einen längeren Zeitraum. Mit den „auszubildenden“ Lehrkräften geschieht aktiv etwas, ein Prozess, der im Hochschulbereich aufgrund der Vielzahl von zu absolvierenden Lehrveranstaltungen noch vergleichsweise diffus, latent eigengesteuert und vereinzelt bleibt. Damit verlangt man von Lehramtsstudierenden ein hohes Maß an Autonomie und Selbstlernen, während im Vorbereitungsdienst dies von Lehrerbildner*in- 1.1 Erkenntnisinteresse und Relevanz des Forschungsvorhabens 15 nen stärker gesteuert zu sein scheint. Ist Professionalisierung im Studium damit (trotz Bologna) ein selbstgesteuertes Lernen, das sich im Vorbereitungsdienst qua Struktur in ein instruktionsgesteuertes verwandelt? Welche Bedeutung kommt dann den Ausbilderinnen und Ausbildern zu, die für die inhaltliche Ausgestaltung, Beratung und Bewertung der angehenden Lehrkräfte 2 maßgeblich verantwortlich zeichnen? Wie gehen sie selbst mit den Anforderungen und formalen Vorgaben um, die an sie gestellt werden? Woran orientieren sie sich? 1.1 Erkenntnisinteresse und Relevanz des Forschungsvorhabens Laut einer Definition der Europäischen Kommission (2013) sind der Gruppe der Lehrerbildner*innen all die Personen zuzurechnen, die formelle oder informelle Lerngelegenheiten für angehende Lehrkräfte bzw. Lehrerinnen und Lehrer in Ausbildung schaffen (vgl. auch Snoek/ Swennen/ van der Klink 2011). Ein Ausbilder, der Fremdsprachenlehrerinnen und -lehrer 3 im Vorbereitungsdienst, der zweiten Phase in der deutschen Lehrerbildung, über 21 Monate begleitet und betreut, sagt im Interview mit mir zu seinem Aufgabenbereich und seinen Referendar*innen: Also, es/ es/ es GIBT manchmal Referendare, wo man, al/ , nicht oft, aber manchmal habe ich welche gehabt, wo ich dann gesagt habe, hier (..) möchte ich eigentlich meinen Sohn nicht als Schüler drin sitzen sehen. Ähm. In der Regel, weil FACHLICH, aber was noch viel schlimmer ist, wenn/ wenn ähm, wenn die menschliche Seite nicht stimmt. Wenn die Beziehungsebene nicht da ist. Aber das ist durchaus eher SELTEN. [Bastian Schmidt, Zeilen 291-297] 2 Die Bezeichnung „angehende Lehrkräfte“ ist hier nicht wertend gemeint, obgleich Referendarinnen und Referendare in den meisten Bundesländern für die Zeit ihres Vorbereitungsdienstes formell „Beamte auf Zeit/ Widerruf“ sind. Die Tatsache, dass sie sich in der in diesem Projekt zu betrachtenden Phase weiterhin „in Ausbildung“ befinden, legt nahe, dass sie - wie auch bei näherer Diskussion der Forschungsergebnisse gezeigt werden soll - noch nicht als „fertige“ Lehrkräfte bezeichnet werden können. „Angehende Lehrkräfte“ als Terminus gilt folglich in dieser Arbeit als Synonym für Lehramtskandidatinnen und -kandidaten der 1. Phase sowie der 2. Phase. Eine Spezifizierung wird entsprechend je nach Kontext vorgenommen bzw. wird aus dem Zusammenhang heraus ersichtlich werden. 3 Roters und Trautmann (2014) weisen in einer eigenen Fußnote mit Recht darauf hin, dass der Begriff „Fremdsprachenlehrende … nicht unproblematisch [ist], weil er die Trennung zwischen Zweit- und Fremdsprachen reproduziert“ (ebd.: 51). Da in dieser Arbeit jedoch ausschließlich Fremdsprachenlehrkräfte im schulischen Kontext betrachtet und als relevant gestellt werden, wird dieser Terminus weitgehend verwendet, wohlwissend, dass es auch „Lehrkräfte anderer Sprachen“ gibt. 16 1 Als Einleitung: (Fremdsprachen-)Lehrer*innenbildung aus Sicht der „Betroffenen“ Dieses - zugegebenermaßen nicht unproblematische - Beispiel, zeigt, worum es in dieser Arbeit gehen soll. Ausbildungskräfte im Vorbereitungsdienst beurteilen ihre angehenden Lehrkräfte hinsichtlich bestimmter Kompetenzen oder Wissensbestände, durchaus jedoch ebenfalls auf Ebenen von Persönlichkeits- und Beziehungsstrukturen. Ungewiss ist, an welchen Stellen diese Beurteilungsmaßstäbe und Orientierungen wirksam werden - ein Sachverhalt, der vielen Referendarinnen und Referendaren große Schwierigkeiten im Zuge ihres Vorbereitungsdienstes bereitet (s. Kapitel 4). Interessant ist daher, wie Ausbilderinnen und Ausbilder ihre Tätigkeit wahrnehmen, intervenieren, in bestimmte Richtungen beraten - und zwar als vom System bestellte Ausbilderinnen und Ausbilder für Fremdsprachen, um die es hier gehen soll, die möglicherweise kaum dazu kommen, fremdsprachendidaktische Akzente zu setzen, da andere Schwerpunkte seitens der Referendarinnen und Referendare relevant gesetzt werden. Indem wir mehr über das Handeln der Ausbildungskräfte erfahren, besteht die Chance, einen Einblick in Strukturen und Inhalte des Vorbereitungsdienstes aus einer anderen Perspektive zu gewinnen. Wo sich Forschung zu Referendarinnen und Referendaren primär auf Belastungsfaktoren, zuletzt verstärkt ebenso auf Kompetenzentwicklung und Professionalisierung bezieht (s. Kapitel 4), steht die Vermutung im Raum, dass Ausbilderinnen und Ausbilder sowohl für die Belastung wie auch die Professionalisierung der LiV verantwortlich sein könnten. Und obwohl man mit solchen Kausalzusammenhängen natürlich vorsichtig sein muss, sollte man dieser These zumindest näherungsweise nachgehen und überhaupt mehr darüber erfahren wollen zur Frage - und das soll das hier schlicht zusammengefasste Erkenntnisinteresse dieser Arbeit sein: Was machen Lehrerbildnerinnen und Lehrerbildner im Vorbereitungsdienst angehender Fremdsprachenlehrkräfte? Die fachliche Eingrenzung ist dabei nicht irrelevant: Die Andeutung oben, dass mittlerweile zahlreiche Fächer unter einem gewissen Druck stehen, professionstheoretische Erkenntnisse zu liefern, hat sich aufgrund größerer empirischer Untersuchungen zunächst in der deutschen Mathematikdidaktik (vgl. Kunter et al. 2011) sowie in Deutsch und Englisch (vgl. Blömeke et al. 2011) prominent niedergeschlagen. Weitere fachspezifische Konzeptualisierungen, insbesondere von fachdidaktischem Professionswissen (vgl. Krauss et al. 2017) folgten. Auch in der Fremdsprachendidaktik lässt sich in den vergangenen 15 Jahren ein starkes Anwachsen an theoretischer wie empirischer Forschung beobachten, die Fremdsprachenlehrerprofessionalität und -professionalisierung beschreibrespektive förderbar machen möchte (vgl. Kapitel 3). Dies ist damit von besonderer Bedeutung für diese Arbeit, denn zum einen interessiert mich - in einer zunächst theoretischen Perspektive - die komparative und in sich ergänzende, 1.2 Aufbau der Arbeit 17 sich manchmal nur auf den ersten Blick ausschließende, Betrachtung dominierender Strömungen professionstheoretischer Ansätze in der Schulpädagogik im Vergleich zu Ansätzen fachdidaktischer Professionsforschung in der Fremdsprachendidaktik. Dies macht es daher nötig, die einschlägigsten Strömungen, Konzepte und Ansätze in den nächsten Kapiteln darzustellen und damit potentiell vergleichbar zu machen, selbst wenn sie im späteren Verlauf gegenstandsbezogen und methodisch-methodologisch für das Forschungsvorhaben möglicherweise eher in den Hintergrund treten. 4 Wenn in der vorliegenden Studie explorativ auf das Handeln von Ausbildungskräften im fremdsprachendidaktischen Vorbereitungsdienst fokussiert wird, ist dies demnach immer vor der theoretischen Folie von schulpädagogischer wie auch fremdsprachendidaktischer Professionsforschung zu sehen. Die vorzustellenden Erkenntnisse sollen in empirischer wie theoretischer Hinsicht Anregungen zur Weiterentwicklung in beiden Feldern bieten. Schließlich können die beforschten Untersuchungssubjekte als Gestaltende von Fremdsprachenlehrerbildung gesehen werden in einer Phase, zu der sowohl in schulpädagogischer wie fremdsprachendidaktischer Hinsicht noch kaum Erkenntnisse vorliegen. 1.2 Aufbau der Arbeit Der Komplexität der Fragestellung und des Untersuchungsgegenstandes ist es geschuldet, dass nach dieser Einleitung und dem kurzen Problemaufriss (Kapitel 1) auf mehreren Ebenen Eingrenzungen vorgenommen werden müssen. Diese erfolgen zunächst hinsichtlich der professionstheoretischen Ansätze, zum einen in schulpädagogischer Hinsicht und den damit verbundenen, aktuell dominierenden Bestimmungsansätzen (Kapitel 2), zum anderen in fremdsprachendidaktischer Hinsicht mit dort vorherrschenden Forschungsschwerpunkten und -erkenntnissen in Bezug auf „die Fremdsprachenlehrerin“/ „den Fremdsprachenlehrer“ (Kapitel 3). Wenn auch die beiden Kapitel zur schulpädagogischen und fremdsprachendidaktischen Lehrerprofessionsforschung nacheinander aufgeführt werden, da das Format einer Publikation es auf textlicher Ebene nicht anders erlaubt, muss man sich diese beiden Kapitel gleichsam als parallel nebeneinander gestellt denken, die einen Zugriff auf das Konstrukt 4 Dies gilt beispielsweise aus der Perspektive der schulpädagogischen wie fremdsprachendidaktischen Professionsforschung für den kompetenztheoretischen Bestimmungsansatz von Lehrerprofessionalität/ -professionalisierung. Diesen beforscht auf Seiten von Englischlehrkräften im Vorbereitungsdienst wiederum Ivo Steininger (vgl. Gerlach/ Steininger 2016). 18 1 Als Einleitung: (Fremdsprachen-)Lehrer*innenbildung aus Sicht der „Betroffenen“ „Fremdsprachenlehrerprofessionalität“ ermöglichen, zu dem das danach folgende Kapitel zum Vorbereitungsdienst (Kapitel 4) eine systemische Rahmung einzieht und diese dann im Kapitel zur Fremdsprachenlehrerprofessionalisierung im fremdsprachendidaktischen Vorbereitungsdienst 5 gegenstandstheoretisch zusammenfasst und in den konkreten Forschungsfragen münden lässt (Kapitel 5). Abb. 1: Struktur der Theoriekapitel. Es geht mir also zunächst darum, die jeweilige Spezifität schulpädagogischer und fremdsprachendidaktischer Professionsforschung heraus- und diese den Erkenntnissen und Strukturen zum Vorbereitungsdienst gegenüberzustellen, in denen diese Professionalität bzw. Professionalisierung greift. Motiviert von den geringen Erkenntnissen zu Lehrerbildner*innen fokussiert das Forschungsprojekt dann auf die Rekonstruktion von Handlungspraxis 6 der fremdsprachendidaktisch Ausbildenden im Vorbereitungsdienst und die von ihnen angelegte Ausbildungsdidaktik. Ausgehend von Bourdieus Habituskonzept (vgl. Bourdieu 1987/ 2006) und der praxeologischen Wissenssoziologie von Bohnsack (2014/ 2017) wird in Kapitel 5 hergeleitet, inwiefern die Rekonstruktion von Handlungspraxis der Ausbilderinnen und Ausbilder Einblicke in den fremdsprachendidaktisch orientierten Vorbereitungsdienst bieten kann. Hiermit einher geht die Formulierung von vier Forschungsfragen, die Ausbildungspraxis und Ausbildungsdidaktik greifbar machen und im weiteren Verlauf beantwortet werden sollen. Die dahinterstehende Methodologie und das methodische Vorgehen mitsamt Datenerhebung sowie Analyse mittels Dokumentarischer Methode 5 Im Laufe der gesamten Arbeit wird als Mittel der Hervorhebung einzelner, dann im Kontext bedeutender Begriffe mit kursiver Schrift gearbeitet. Dies gilt üblicherweise auch für Titel von Publikationen sowie für fremdsprachliche, z. B. englische (Einzel-)Begriffe. 6 Als Handlungspraxis bezeichne ich in dieser Arbeit alle Handlungen und Aktivitäten, die die Ausbildungskräfte in ihrer Funktion als vom Land bestellte Lehrerbildner/ innen durchführen. Den Begriff verwende ich synonym zu Ausbildungspraxis. 1.2 Aufbau der Arbeit 19 (vgl. Bohnsack 2014a) wird auch unter Berücksichtigung forschungsethischer Aspekte in Kapitel 6 diskutiert. Die insgesamt elf Ausbildungskräfte wurden mittels narrativ-episodischer Interviews in berufsbiographischer Hinsicht sowie zu Situationen aus ihrer Tätigkeit als Lehrerbildner*innen befragt. Ich möchte zeigen - und das kann hier als ein nicht unerwartbares Kernergebnis bereits vorweggenommen werden -, dass die Themen und Bedürfnisse, die von der Disziplin in Theorie und Empirie relevant gesetzt werden (Kapitel 2-4), nicht in dem Maße zum Gegenstand von Ausbildungspraxis gemacht werden, wie es gemeinhin gefordert wird. Der Grund hierfür ist allerdings nicht auf Seiten des Personals zu suchen, d. h. ihnen kann kein Vorwurf gemacht werden, dass das Potential an Professionalisierungsprozessen nicht voll ausgeschöpft werden kann: Die Lehrerbildner*innen, aber ebenso die Referendarinnen und Referendare, finden sich im Vorbereitungsdienst in einem System wieder, das kaum Möglichkeiten eröffnet, die schulpädagogisch und fremdsprachendidaktisch relevant gestellten Bedingungen für erfolgreiche Professionalisierungsprozesse herzustellen. Dies wird zwar aus der theoretischen Herleitung mittels der Kapitel 3 und 4 in Ansätzen erkennbar, besonders deutlich allerdings in der Darstellung von drei Fällen von Ausbilderinnen und Ausbildern (Kapitel 7), in deren Rekonstruktion sichtbar wird, wie didaktisch und methodisch Lehrer*innenbildung in der zweiten Phase umgesetzt wird (oder eben nicht). Die Ergebnisdarstellung teilt sich dementsprechend in zwei Oberkapitel auf: Zunächst werden die drei kontrastiven Fälle dargestellt (Kapitel 7), die in sich aufgeschlossen werden und im späteren Vergleich das Kontinuum an Ausbildungspraxis aufspannen sollen. Die drei Fälle zeigen je spezifische Themen und Orientierungsrahmen, welche sich im Vergleich auch mit den weiteren Fällen ergeben und validieren lassen. Um dies zu festigen, erfolgt in einem zweiten Schritt der Ergebnisdarstellung in Kapitel 8 eine komparative Betrachtung aller untersuchten Fälle - im jeweiligen Rückgriff auf die ausführlichen Fallrekonstruktionen in Kapitel 7 - entlang bestimmter Themen, die für die Rekonstruktion habitueller Ausbildungspraxis durch die Analyse mittels der Dokumentarischen Methode relevant wird. Kapitel 9 untersucht in einem stärker explorativen Ansatz durch die Ausbildungspraxis relevant gesetzte ausbildungsdidaktische Konzepte und ihre jeweilige, teils hoch-kontextspezifische Aushandlung mittels einzelner, aus den Daten heuristisch abgeleiteter Beispiele. Die Zusammenfassung der Ergebnisse, unter erneutem Rückgriff auf die vorliegende Theorie und Empirie, erfolgt in Kapitel 10 aufgeteilt nach Ausbildungspraxis und -didaktik. Außerdem wird hier näherungsweise der Versuch unternommen, einen Habitus von Lehrerbildner*innen im fremdsprachendidaktischen Vorbereitungsdienst zu umreißen. Näherungsweise aus dem Grund - auch das kann hier vorweggenommen werden -, dass die Rekonstruktion von 20 1 Als Einleitung: (Fremdsprachen-)Lehrer*innenbildung aus Sicht der „Betroffenen“ Orientierungsrahmen im Sample methodisch nicht leicht war: Die Tatsache, dass Ausbildungskräfte - und das mag Teil ihres Habitus sein - einen höchst reflexiven Sprechmodus offenbaren, sich als Teil ihrer Tätigkeitsbeschreibung ständig ebenso mit Reflexionen von angehenden Lehrkräften auseinandersetzen müssen, verhinderte an vielen Stellen das Erreichen langer, in sich geschlossener Narrationen, die für eine sichere Habitusrekonstruktion nötig gewesen wären. Dennoch liefern die Beschreibungen und Argumentationen der Ausbildungskräfte, insbesondere in ihrer jeweiligen Auseinandersetzung und Interaktion mit dem Vorbereitungsdienst sowie formalen Vorgaben und den LiV interessante Aspekte, die zur Habitusrekonstruktion hinleiten können. Im Anschluss an die Ergebnisdiskussion wird der Forschungsprozess insgesamt reflektiert (Kapitel 11). Hier geht es mir zum einen um eine begründete Rekapitulation der ganzen Untersuchung, die sich mit der Vorbereitung und der Erstellung dieses Manuskripts über fünf Jahre erstreckt hat, zum anderen müssen mit der entsprechenden Distanz ebenfalls zum Gegenstand sowie den Forschungssubjekten und Analysen kritische Aspekte beleuchtet bzw. mögliche Alternativen auch für Anschluss- oder ähnlich gelagerte Projekte formuliert werden. Vor diesem Hintergrund sollen abschließend Implikationen sowohl für Professionsforschung wie auch Lehrerbildung an sich gegeben werden (Kapitel 12). Die vorher diskutierten Ergebnisse könnten einerseits Rückschlüsse für die Gestaltung der zweiten Phase und der Qualifikation des Personals, andererseits Folgen für die erste und sogenannte „dritte“ Phase der Fortbildungen haben - ebenso in fremdsprachendidaktischer wie fächerübergreifender Hinsicht, obwohl der Fokus hier auf der fremdsprachendidaktischen Lehrerbildung verbleiben soll. 1.2 Aufbau der Arbeit 21 2 Schulpädagogische Lehrerprofessionsforschung Diskussionen um Lehrerprofessionalität und -professionalisierung beginnen in einschlägigen Einführungswerken und wissenschaftlichen Publikationen nicht selten mit einer Annäherung an den Begriff der Profession, der schnell, gleichsam kurzschlussartig, die Charakteristika einer Profession im soziologischen Sinn aufmacht und dann im Vergleich des akademischen Feldes bemerkt, dass sich der Lehrer*innenberuf gar nicht so einfach mit den klassischen Zugängen zum Professionsbegriff, exemplarisch bemessen an den Disziplinen Jura und Medizin, vergleichen lässt. 7 Im Anschluss erfolgt dann häufig die Diskussion darüber, inwiefern überhaupt von Lehrer professionalität, oder eher: „Semi-Professionalität“, gesprochen werden kann oder ob diese sich im Gegenteil nicht sogar stärker emanzipieren, ob dem Lehrerberuf eine Professionalisierungsbedürftigkeit oder ganz besondere -fähigkeit unterstellt werden müsse (vgl. zusammenfassend Lundgreen 2011; auch Tenorth 2006). Obwohl ich nun hier mit ebenjenem Einstieg genauso verfahren bin, wie ich es kritisch anklingen lassen wollte, möchte ich es sogleich hierbei belassen. 8 Im Wesentlichen wurden die Diskussionen darüber, ob denn der Lehrberuf eine Profession sei, von einem professionstheoretischen Zugang abgelöst, der „für begrenzte Bereiche notwendige Kompetenzen der Professionellen zu bestimmen und Wege zu deren Erwerb zu skizzieren“ (Hericks/ Keller-Schneider/ Bonnet 2019: 598) versucht. Denn: Parallel geht mit der Anerkennung der Existenz von Lehrerprofessionsforschung einher, dass hiermit eine in besonderem Maße herausgestellte Tätigkeit verbunden ist, die komplexe Anforderungen bearbeitet und gleichzeitig vieler Ressourcen bedarf, die es daher auch wert ist, er- und beforscht zu werden, da Professionsforschung dann zu einer Entwicklung der Profession und ihrer Professionellen führen kann, ja im Grunde genommen sogar muss. Zuvorderst muss allerdings eine Differenzierung getroffen werden zwischen den Begrifflichkeiten Profession, Professionalität sowie Professionalisierung - jeweils unmittelbar bezogen auf die Spezifik des Berufs von Lehrerinnen und Lehrern: 7 Insbesondere aufgrund der durch die Schulpflicht bedingten Unfreiwilligkeit des Verhältnisses zwischen Professionellen und Klient/ innen, wenn auch das Verhältnis zwischen Mediziner/ in und Patient/ in wohl in Notfällen selten „freiwillig“ entsteht. 8 Anderen gelingt die Diskussion und insbesondere auch die geschichtliche Herleitung des Professionsbegriffs in der Lehrerbildung in der Gesamtschau umfassender als es hier herausgearbeitet werden kann: Lundgreen (2011), Terhart (2011), Horn (2016). 22 2 Schulpädagogische Lehrerprofessionsforschung • Eine Profession wird über bestimmte Tätigkeiten, charakteristische Anforderungen und spezifische Wissensstrukturen charakterisiert, die zudem in gewisser Weise institutionalisiert, akademisiert und organisiert sind. Sie stellt „the structural, occupational and institutional arrangements for dealing with work associated with the uncertainties of modern lives in risk societies“ (Evetts 2003: 297). Die Profession der Lehrerin/ des Lehrers unterstützt damit (zumindest primär) Entwicklungsprozesse der Lernenden, die von Unsicherheiten geprägt sind, wobei im Kontext des Lehrerberufs für die Profession der Grundschullehrpersonen noch heute die Existenz einer spezifischen Wissens- und Kompetenzbasis bezweifelt [wird], da für sie ein hoher Anteil an pädagogisch-personalen, eher diffusen und wenig spezifisch-professionellen Fähigkeiten angenommen wird, wohingegen man Gymnasiallehrern aufgrund ihrer soliden Wissensbasis in den Unterrichtsfächern einen gewissen Respekt entgegenzubringen bereit ist. (Terhart 2011: 205) Selbst wenn man diese Sichtweise, wie sie Terhart stellvertretend formuliert, nicht vollkommen teilen kann oder will, zeigt sie doch die Brisanz und Schieflage innerhalb der Profession (und ihrer Außenwirkung als Statusgruppe), die sich von verschiedenen Tätigkeitsfeldern, Schulformen und Fächern in ihren je spezifischen Anforderungen, durch das Alter der Lernenden oder auch durch fachliche Tiefe bedingen lässt. • Professionalität meint das kompetente Handeln im Beruf des Lehrers/ der Lehrerin, wenn er/ sie „über möglichst hohe bzw. entwickelte Kompetenzen und zweckdienliche Haltungen verfügt, die anhand der Bezeichnung ‚professionelle Handlungskompetenzenʼ zusammengefasst werden“ (Terhart 2011: 207) - gleichwohl die oben angedeuteten Elemente einer modernen, risikobehafteten und von Unsicherheit geprägten Gesellschaft (und Schülerschaft) dieses Handeln vor Herausforderungen stellen dürfte. • Professionalisierung beschreibt in seiner Substantivierung des Verbs „(sich) professionalisieren“ einen aktiven Prozess, eine Entwicklung, die zudem aufgrund der Reflexivität mutmaßlich von der/ dem - dann zunehmend - Professionellen ausgeht. Horn (2016) diskutiert dies in dreierlei Deutung: „1) Professionalisierung im Sinne der Professionwerdung eines Berufes, 2) Professionalisierung als Entwicklung von Professionalität, um professionell als Lehrer handeln zu können, 3) Professionalisierung als Ausprägung einer professionellen Identität“ (ebd.: 162). Erstere bezieht sich auf eine Konzeptbildung innerhalb der Profession bzw. dem Sich-Entwickeln einer Semi-Profession in Richtung einer etablierten und anerkannten (vgl. Terhart 2011), während die letzten beiden Deutungen auf das Handeln und die identitäre Herausbildung der individuellen Lehrkräfte abzielt, eine gewisse berufsbiographische Perspektive gleichsam mitdenkt und auszufüllen versucht. 1.2 Aufbau der Arbeit 23 Die Schwierigkeit des Professionsbegriffs führt an vielerlei Stellen zur Argumentation dahingehend, diesen Begriff aufzugeben zugunsten einer breiteren Verwendung von Professionalität zur „Rekonstruktion der Handlungs- und Anforderungsstruktur“ (Helsper/ Tippelt 2011: 272) der professionell Agierenden sowie der Bearbeitung von Profession im Sinne einer „sozialen Welt pädagogisch Tätiger“ (Nittel 2011: 40), welche Nittel über wissenssoziologische, symbolisch-interaktionistische und berufsbiographische Ansätze mittels des Prinzips „lebenslangen Lernens“ (ebd.: 53) zu erschließen versucht. Dass diese Begriffsbestimmung im pädagogischen Kontext noch lange nicht abgeschlossen ist, machen Helsper und Tippelt (2011) in einer Gesamtschau aktueller Befunde und Diskussionen, beschrieben als „unendliches Projekt und strategischer Kampf um Anerkennung“ (ebd.: 275), mehr als deutlich. Reflexivität sehen sie dabei als zunehmend unausweichliche Anforderung für pädagogisches Handeln „gegenüber Adressaten, aber auch im Kontext von Institutionen und insbesondere gegenüber übergreifenden, etwa staatlichen Akteuren und deren Öffentlichkeit“ (ebd.: 282), das in diesem Sinne für die Professionalität als pädagogisch Tätige ein genuines Bestimmungsmerkmal darstellt. Uneindeutig wird es begrifflich dann, wenn im wissenschaftlichen Diskurs von Professions forschung gesprochen, aber möglicherweise Professionalisierungs forschung gemeint ist. Da der Begriff der Professionsforschung im deutschen Diskurs jedoch einschlägiger für beide Schwerpunkte verwendet wird, werde ich im Hinblick auf die konzeptionellen Beiträge zur Profession der (Fremdsprachen-)Lehrkraft (bzw. ihrer Lehrerbildner*innen) primär von Professionsforschung schreiben, dann die damit verbundenen Prozesse hingegen als Professionalisierung, als aktiv-gestalteten oder passiv-erlittenen Prozess, versuchen darzulegen. Für dieses theoretische Einleitungskapitel in seinem allgemein-einführenden Anspruch ist es nicht das Ziel, die Ansätze von schulpädagogischer Professionsforschung so detailliert wie möglich mitsamt der in den letzten Jahren vorgelegten Forschung herauszuarbeiten 9 , sondern vor allem die groben schulpädagogischen Strömungen zu identifizieren, zu skizzieren und vor dem Hintergrund des in dieser Arbeit angelegten Forschungsschwerpunkts gegenstandsbezogen die Relevanz der Ansätze zusammenfassend herauszuarbeiten, um später hierauf zurückgreifen zu können. Eines der primären Ziele in der Darstellung ist daher zu untersuchen, inwiefern eine gewisse Strukturgebung einer auf Lehrerprofessionalisierung abzielenden Phase wie der des Vorbereitungsdienstes innerhalb der Professionsforschung be- und gegriffen werden kann. 9 Dies schaffen in ihrer Übersichtlichkeit insbesondere Terhart et al. (2014), Terhart (2011) sowie Cramer (2012). 24 2 Schulpädagogische Lehrerprofessionsforschung 2.1 Bestimmungsansätze zur Professionalität und Professionalisierung von Lehrkräften Im Folgenden werden die zentralen und aktuell diskutierten Ansätze erziehungswissenschaftlicher und schulpädagogischer Professionsforschung in Anlehnung an Terharts Differenzierung (2011) vorgestellt. 10 Er unterteilt die gegenwärtigen Strömungen primär in 1. strukturtheoretische, 2. kompetenztheoretische sowie 3. berufsbiographische Bestimmungsansätze. Bestimmungsansatz nennt es Terhart insbesondere, da er herausarbeitet, dass die Lehrerprofessionsforschung sich darum bemüht, sich selbst zu bestimmen, „also ohne Fixierung auf das theoretisch und empirisch zunehmend obsolete klassische Professionen-Konzept“ (ebd.: 205), das sich stets im Vergleich zu etablierten Professionen wie Juristen und Medizinern sah. Auch wenn diese Aufteilung in drei Bestimmungsansätze sicherlich nicht unumstritten ist 11 , fasst sie doch die primär im deutschsprachigen Raum vorherrschenden theoretischen Grundlagen für Lehrerprofessionsforschung zusammen. Ziel bei der Darstellung dieser teils gegenseitig recht kritisch rezipierten theoretischen Deutungen von Lehrerprofessionalität ist es, die jeweiligen Grundpositionen darzustellen, um deren Relevanz auch für das vorliegende Forschungsvorhaben deutlich zu machen und im Rahmen der Untersuchung und Analyse hierauf zurückgreifen zu können. Außerdem sollen diese dominierenden Ansätze der allgemein-schulpädagogischen Professionsforschung vor dem Hintergrund der noch vorzustellenden fremdsprachendidaktisch orientierten Professionsforschung in einen gemeinsamen Kontext gesetzt und damit für das Vorhaben in ihrer Relevanz und Deutungsgewalt herausgestellt werden. Ein dabei besonders zu berücksichtigender Aspekt sollte die Rolle von aktiv an Lehrerbildung teilnehmenden Institutionen, 10 Auf andere Bestimmungsansätze wird hier sowohl aus Platz-, wie auch pragmatischen und gegenstandstheoretischen Gründen nicht detaillierter eingegangen (siehe auch nächste Fußnote). Wie Bonnet und Hericks (2019) schreiben: „Die Trias [nach Terhart; Anmerkung D.G.] dominiert den Diskurs, andere Annäherungen, wie z. B. die systemtheoretische oder machttheoretische, treten in den Hintergrund.“ (ebd.: 101) 11 So sehen beispielsweise Hericks und Stelmaszyk (2010) im Grunde nur zwei unterschiedliche Ansätze, nämlich den strukturtheoretischen und den kompetenztheoretischen, obgleich Hericks Arbeiten selbst stärker einem berufsbiographischen wie auch strukturtheoretischen Deutungsansatz zuzurechnen sind (vgl. beispielhaft Hericks 2006, 2009). Wiederum andere, z. B. sichtbar am Sammelband von Combe und Helsper (1996), sehen eine deutlich höhere Differenzierung von professionstheoretischen Ansätzen beginnend mit interaktionistischen Deutungen (vgl. beispielhaft Schütze 1996), systemtheoretischen (vgl. Stichweh 1996) sowie im machttheoretischen Paradigma im Anschluss an Abott (1988). Diese Abgrenzung wird auch deutlich an Helspers Einführung zur „Pädagogische[n] Professionalität als Gegenstand des erziehungswissenschaftlichen Diskurses“ (2004a). 2.1 Bestimmungsansätze zur Professionalität und Professionalisierung von Lehrkräften 25 Strukturen bzw. Professionellen, d. h. Lehrerbildner*innen, sein, da der Fokus später auf maßgeblich an der Fremdsprachenlehrerbildung im Vorbereitungsdienst beteiligten Personal liegen wird. 2.1.1 Strukturtheoretischer Bestimmungsansatz Strukturtheoretische Deutungsansätze professionellen Handelns sehen als Aufgabe, eine Struktur bzw. die einzelnen Ebenen und Akteure sowie ihr Verhältnis zueinander innerhalb einer Struktur zu verstehen und zu deuten, auf Basis theoretischer Konzepte dieses Handeln zu interpretieren. Handlungen und Spannungen in der Praxis sind hier also daher nicht als intentional zu sehen, sondern als Folge bestimmter Strukturen, wie es soziologisch z. B. von Parsons mit der struktur-funktionalen Theorie (z. B. 1968) beschrieben wurde. In einer Struktur wie der Schule, die für Parsons ein soziales System darstellt, erlernen die (inter-)agierenden Personen bestimmte Rollen, die mit bestimmten Erwartungen konnotiert sind, welche wiederum an die Struktur und die Funktionen der einzelnen Elemente des Systems gebunden sind. 12 Einer der bekanntesten Vertreter dieser Position ist Oevermann (1996, 2008), der Lehrerhandeln begründet auf Basis eines therapeutischen, d. h. der Automieförderung zugewandten Professionsverständnisses. Lehrende bauen demnach in ihrer spezifischen Rolle ein diffuses Verhältnis zu ihren Klienten auf, den Lernenden als ganze Personen. In dieser Beziehung sind letztere noch nicht voll in ihrer Rolle entwickelt, nicht autonom und selbstbestimmt, sodass dieses Arbeitsbündnis neben der ohnehin stattfindenden Vermittlung von Wissen und Normen ständig reflektiert und neu definiert werden muss. Die Interaktion von Lehrkräften und Lernenden ist dann durch Routinen dieser Wissens-, Normenund/ oder Kompetenzförderung geprägt. Dieses Verhältnis gerät dann in eine „Krise“, wenn Routinen unterbrochen werden oder in einer bestimmten Situation fehlen bzw. nicht anwendbar sind. Oevermann (2008) versteht in diesem Zusammenhang, dass „die Krise der Normalfall ist und die Routine der Grenzfall“ (ebd.: 57), sodass ein analytisches Vorgehen z. B. durch eine Fallanalyse im pädagogischen Alltag Bestandteil professionellen Handelns wird bzw. im Sinne einer Professionalisierung werden sollte. Eine Krise kann somit als Anlass genommen werden, die Situation auf Basis des persönlichen Deutungswissens zu 12 Basierend auf dieser Grundannahme stand die struktur-funktionale Theorie auch bereits deshalb insbesondere im Zuge zunehmend konstruktivistischer Tendenzen in der Kritik, da man damit eine gewisse soziale Entmündigung konnotierte: „Der Mensch wird nicht als aktiver Erschließer und Gestalter seiner Umwelt verstanden, sondern er steht einer übermächtigen Gesellschaft gegenüber, deren Einflüssen er sich kaum erwehren kann.“ (Hurrelmann 2006: 88) 26 2 Schulpädagogische Lehrerprofessionsforschung interpretieren und im Rahmen des „Arbeitsbündnisses“ - eines bewusst psychosozialen/ -analytisch gewählten Begriffes des Verhältnisses zwischen Lehrendem und Lernendem, das zudem durch die Schulpflicht „erzwungen“ wird - zwischen den beiden Agierenden eine neue Routine zu entwickeln. Tritt z. B. in einer - hier zum Zwecke der beispielhaften Darstellung unspezifizierten Unterrichtssituation - ein Mangel an Wissen auf Seiten der Schülerinnen und Schüler zu Tage, kann die Lehrperson in dieser Krise Lösungsmöglichkeiten anbieten, um diese zu bewältigen. Die Krise besteht in diesem Zusammenhang aber auch in dem Widerspruch diffuser und spezifischer Sozialbeziehungen (vgl. Oevermann 1996), die zwischen Lehrperson und Schülerin/ Schüler bestehen und damit einer Professionalisierung bedürfen: Inwieweit kommt die Lehrperson dem/ der Lernenden entgegen? Entmündigt die Lehrperson den Schüler/ die Schülerin möglicherweise in seiner Selbständigkeit und lebenspraktischen Autonomie als Individuum, indem das Wissen direkt vorgelegt wird, ohne vielleicht ein selbständiges, methodisches Lösen des Wissensdefizits zu evozieren? Oevermann unterscheidet hier zwischen ingenieuralem Wissen, das in der pädagogischen Arbeit deduktiv Lösungen anbietet und begründet, sowie interventionspraktischem Wissen, welches sowohl standardisiertes Methodenwissen einbezieht (äußert sich in „Routine par excellence“ im alltäglichen Unterricht; vgl. Oevermann 2008: 59) wie auch das eher therapeutisch-intervenierende Wissen, das primär klientenzentriert ist und „die konkrete historische Lage und Situation des Klienten … rekonstruieren muss“ (ebd.). In diesem Zusammenhang definiert und unterscheidet Oevermann die Begriffe Lernen und Bildung, sodass ersteres auf der Vermittlung standardisierten Wissens fußt („Primat der Wissensvermittlung“, Oevermann 1996: 142), während „Bildung immer Krisenlösung und damit das Gegenteil von Routine“ (Oevermann 2008: 59) ist. Neben dem Primat der Wissensvermittlung beinhalte pädagogisches Handeln allerdings auch immer „Erziehen“, weil die anlässlich der Wissens- und Normenvermittlung notwendig werdenden Lehrer-Schüler-Beziehungen angesichts … der Ungefestigtheit von Autonomie und Rollenhandlungsfähigkeit des Schülers in dieser Phase immer auch folgenreich sind für die Entwicklung des Schülers als ganzer Person. (Oevermann 1996: 147) Bezugnehmend auf die Tatsache, dass ein therapeutisch-professionelles Handeln voraussetzt, dass vom Klienten eine gewisse „Freiwilligkeit“ ausgeht, sich therapieren zu lassen - d. h. dass Schülerinnen und Schüler von sich aus lern- und bildungswillig sind -, ist Oevermanns zentraler Kritikpunkt die deutsche Schulpflicht. Diese sieht er als mittlerweile obsolet an, da sie Pädagoginnen/ Pädagogen und Kinder in ein erzwungenes Arbeitsbündnis bringt mit der Fol- 2.1 Bestimmungsansätze zur Professionalität und Professionalisierung von Lehrkräften 27 ge, „dass dem Kind die Neugierde als Hauptmotiv dafür, in der Schule zu sein, aberkannt wird“ (ebd.: 66). Darüber hinaus sieht er es als soziologisch und gesellschaftlich begründet an, dass spätestens zum aktuellen Grundschulalter der Kinder bereits in der Familie quasi automatisch die Krise entsteht, dass die Kinder die hochkomplexen Prozesse des Lesens, Schreiben und Rechnens erlernen müssen, um an der Gesellschaft teilhaben zu können. Da die Struktur der Familie dies nicht alleine bewerkstelligen kann, benötigt man ab diesem Zeitpunkt Lehrerinnen und Lehrer, die dieses Wissen vermitteln. In diesem Zusammenhang spricht Oevermann von Experten, was jedoch noch keine Professionalität ausmache. Diese sei erst durch eine fallorientiert-hermeneutische Lösungserarbeitung von Krisen und z. B. pädagogisch-erzieherischen Herausforderungen in der (Wieder-)Herstellung von Autonomie gegeben (1996, 2008). Helsper (2004b) vertieft Oevermanns Grundidee als „strukturtheoretisch-rekonstruktiv“, indem das Unterbrechen der Routinen („ständige Drohung des Scheiterns“) vor allem durch situative Fallarbeit zu einem professionelleren Lehrer*innenhandeln führt. Zentral sieht Helsper damit einige unüberwindbare Antinomien in der Struktur des Lehrerhandelns (vgl. ebd.; vgl. auch Terhart 2011): 1. Begründungsantinomie entsteht dadurch, dass Lehrer*innenhandeln begründet Wissen und Lebenspraxis vermitteln soll, die entstehende Ungewissheit bzw. Unplanbarkeit im Unterricht diese Begründung aber erschwert. 2. Praxisantinomie meint, dass theoretisches Wissen nicht unmittelbar in der Praxis umgesetzt werden kann, dies aber für ein wissenschaftliches (= professionelles) Handeln nötig wäre. 3. Subsumtionsantinomie steht für die Schwierigkeit, Fälle pädagogischen Handelns wissenschaftlich zu typisieren bzw. zu hierarchisieren, dann allerdings wiederum durch die Subsumtion die Einzelfälle aus dem Blick zu verlieren. 4. Ungewissheitsantinomie bezieht sich auf die Tatsache, dass mit dem Lehrerhandeln der Anspruch verbunden ist, dass Schülerinnen und Schülern Wissen vermittelt wird, durch die Unplanbarkeit pädagogischen Handelns dies aber kaum garantiert werden kann. 5. Symmetrieantinomie (Machtantinomie) steht für die unterschiedlichen Positionen, die Lehrende und Lernende in ihrer Interaktion einnehmen, ein Arbeitsbündnis bedarf jedoch eines symmetrischen Verhältnisses der Agierenden. 6. Vertrauensantinomie: Das Arbeitsbündnis muss von gegenseitigem Vertrauen geprägt sein, allerdings muss ständig die mögliche Abhängigkeit des Kindes betrachtet sowie die jeweils von Lernenden als auch Lehrenden bestehende Persönlichkeit („persönliche Integrität“) gewahrt werden. 28 2 Schulpädagogische Lehrerprofessionsforschung Auf eine zweite Ebene „der diffus-spezifischen Lagerung“ (Helsper 2001: 87) positioniert Helsper: 7. Näheantinomie beschreibt - und hängt damit nah mit der Vertrauensantinomie zusammen - das Verhältnis von Nähe und Distanz in der Interaktion von Lehrenden und Lernenden. 8. Sachantinomie als die Forderung eines Lebensweltbezugs der Unterrichtsgegenstände bei gleichzeitiger Vermittlung von „lebensweltlich gültigen, biografisch unterlegten Rahmungen der unterrichtlich behandelten Gegenstände auf dem Hintergrund der konkreten Individualität von Schülern“ (Helsper 2004b: 78). 9. Organisationsantinomie ist gemeinhin der organisatorisch-strukturelle Zwang von z. B. Räumlichkeiten, Stundenplänen und Lehrplänen, in denen Lehrerhandeln eingebettet wird. 10. Differenzierungsantinomie meint den gesellschaftlich-politischen Anspruch einer offenen Allgemeinbildung für alle Schülerinnen und Schüler, gleichzeitig aber die Herausforderung Bildung in individualisierter Form, d. h. individuelle Lernprozesse, anzustoßen. 11. Autonomieantinomie beschreibt letztlich die Aufgabe einer Lehrkraft, Grundlagen dafür zu legen, dass die Schülerinnen und Schüler autonome, mündige Bürgerinnen und Bürger werden, allerdings kann dies in der Schule nur im strukturell begrenzten Rahmen des Systems geschehen. Auf den nächsthöheren Ebenen sammeln sich nach Helsper (2001) auflösbare organisationsbedingte Widersprüche, welche die Antinomien aufgrund der institutionalisierten Schulbildung begünstigen 13 , Dilemmata als Folge „der fallspezifischen und berufsbiographischen Auseinandersetzung mit diesen Antinomien und Widersprüchen“ (ebd.: 88) in Wechselwirkung der Lehrpersonen z. B. einer Schule sowie zuletzt Handlungsparadoxien, in denen professionelles Handeln zunehmend unmöglich wird aufgrund einer immer ungünstiger liegenden, unüberwindbaren Verquickung der auf den unteren Ebenen diametral gegenüberstehenden Antinomien, Widersprüchen und Dilemmata. Helsper (2001, 2004b, 2007) versucht mittels dieser unterschiedlichen, hierarchisch zusammenhängenden Ebenen von Antinomien bis Paradoxien, das „Scheitern“ im Unterrichts- und Bildungsprozess zu begründen und gleichzeitig aufzuzeigen, dass diese Antinomien jederzeit bestehen, aber oft im Wesentlichen strukturimmanent und damit zwar nicht auflösbar sind, mit ihnen aber z. B. durch Fallarbeit reflexiv beim Vorkommen eines Routinebruchs oder Scheiterns umgegangen werden kann und dies auch in der Erwartungshaltung ungewisser 13 Vgl. hier auch die Argumentation der Schulpflichtabschaffung bei Oevermann (1996). 2.1 Bestimmungsansätze zur Professionalität und Professionalisierung von Lehrkräften 29 Folgen im Lehrerhandeln bewusst sein sollte: „Vor diesem Hintergrund zeigt sich Professionalität in der Fähigkeit, die vielfachen Spannungen und genannten Antinomien sachgerecht handhaben zu können.“ (Terhart 2011: 206) Die im Lehrerhandeln implizierte, durch die Struktur des schulischen Unterrichtens entstehende „Ungewissheit“ thematisieren sowohl Helsper (2008) als auch Combe (2005). Letzterer spricht dann von Irritationen und dem „Entstehen von Neuem“ in Unterrichtsprozessen und sieht Professionalisierung von Lehrpersonen im reflexiven Umgang damit: „Solche Erfahrungskrisen nicht abzuwehren, sondern für die eigene Entwicklung und Erkenntnis zu nutzen und mit ihnen umzugehen lernen, wäre eine zentrale Kompetenz eines lernenden Lehrers.“ (Combe 2005: 82) Combe und Buchen (1996) beziehen sich strukturtheoretisch in ihrer Deutung von Unterrichtsprozessen nicht nur auf die Interaktion zwischen Lehrenden und Lernenden, sondern verknüpfen in ihrer Sichtweise die Sachinhalte und Unterrichtsgegenstände, welche ursächlich Brüche in den Interaktionsprozessen bewirken und Auswirkungen auf die Schülerinnen und Schüler in ihrer Rolle haben können. Hericks (2009) bewertet es daher als „nur konsequent, auch die Professionalisierungsbedürftigkeit des Lehrerhandelns an dessen primäre Funktion, d. h. an die Wissens- und Normenvermittlung, selbst anzubinden“ (ebd.: 67). Wagner (1998) vertritt ebenfalls eine strukturtheoretische Sichtweise professionellen Lehrerhandelns und sieht zentral eine „Verflechtung von diffusen und spezifischen Sozialbeziehungen“ (ebd.: 159), stellt allerdings zudem die Sachinhalte des Unterrichtsprozesses in den Mittelpunkt, dessen professionelle Aufarbeitung den „Erwerb eines pädagogischen Habitus [erfordert], in dem Fallverstehen, Wissenschaftswissen, professionelle Deutungsschemata und das intuitive Verstehen feldspezifischer pädagogischer Probleme verbunden werden“ (Helsper 2014: 223, in Rückgriff auf Oevermann 2002). Insbesondere die strukturtheoretische Deutung der Lehrerprofessionalität Oevermanns war wiederholt Gegenstand der Kritik, am weitreichendsten wohl durch den offenen Streit in der Zeitschrift für Erziehungswissenschaft , in der Baumert und Kunter (2006) den strukturtheoretischen Ansatz grundlegend kritisieren 14 , Helsper (2007) ein Jahr später dann diesen Ansatz (und Oevermann) jedoch dezidiert verteidigt. Die Kritik Baumerts und Kunter zielt primär auf die psychoanalytisch-therapeutische Komponente des strukturtheoretischen Ansatzes ab 15 , da er ihnen zum einen nicht weit genug geht und darüber hinaus 14 In derselben Ausgabe kritisiert auch Tenorth (2006) in einzelnen Punkten strukturtheoretische Bestimmungsansätze im Kontext einer Theoriendiskussion um pädagogische Professionalität, jedoch nicht so grundlegend, wie Baumert und Kunter dies tun. 15 Wie auch von anderen kritisiert wird: Tillmann (2014) weist z. B. berechtigterweise darauf hin, „dass von der ‚implizit therapeutischen‘ Funktion des Lehrerhandelns ausgegangen wird, zugleich aber auch vom ‚Primat der Wissensvermittlung‘ die Rede ist“ (ebd.: 310). 30 2 Schulpädagogische Lehrerprofessionsforschung eine diffuse Sozialbeziehung zwischen Lehrkräften und einzelnen Schülerinnen und Schülern überbetont, ohne zu beantworten, wie Unterricht möglich ist und auf Dauer gestellt werden kann, systematisches und kumulatives Lernen über Kindheit und Jugend hinweg erreichbar und die kognitiven und motivationalen Voraussetzungen beruflicher, politischer, kultureller und zivilgesellschaftlicher Teilhabe für die gesamte nachwachsende Generation zu sichern sind und welche Anforderungen sich daraus für das Kompetenzprofil einer Lehrkraft ergeben. (Baumert/ Kunter 2006: 472) Auch die von Helsper zentral diskutierte Antinomie von Nähe und Distanz relativieren Baumert und Kunter, indem pädagogisches Handeln und Fürsorge für sie keinen Bezug zu therapeutischen Ansätzen und Konzepten oder gar Intimität bedeuten. Sie sehen strukturell in „der Organisation systematischen Lernens und des langfristigen Wissenserwerbs eine … bemerkenswerte Erfolgsgeschichte“ (ebd.: 473) und beziehen sich hier auf Prange (2000) und Tenorth (2006), kritisieren dabei gleichzeitig die von Oevermann und Helsper postulierten Elemente bzw. Momente des Scheiterns, der Krisen oder Brüche im Lehrer*innenhandeln, welche in ihren Augen eine zu negative Sicht einnehmen. In seiner Replik auf Baumert und Kunter (2006) verteidigt Helsper (2007) den strukturtheoretischen Ansatz und relativiert unter anderem das sogenannte „Scheitern“ der Lehrperson, dass dieses von Baumert und Kunter zu drastisch dargestellt worden sei, es lediglich bedeute, dass aus strukturtheoretischer Sicht professionelles Handeln wie das einer Lehrperson „anfällig für Verwicklungen ist und dass es gerade einer gelassenen, reflexiven Haltung im Umgang damit bedarf “ (Helsper 2007: 570). Diese reflexive Haltung dürfe dann aber nicht nur allgemeinen Kriterien folgen, sondern müsse von Einzelfall zu Einzelfall neu betrachtet, individuell bestimmt werden und sei demnach nicht generalisierbar. Helsper (2007) nimmt auch Stellung zu Baumert und Kunters zentraler Kritik des vermeintlichen Therapieverständnisses von Unterricht bzw. des „therapeutisch-prophylaktischen“ (Oevermann 1996: 142) Ansatzes, räumt Lehrpersonen ebenfalls (wie Baumert/ Kunter 2006) eine hohe Bedeutung im Rahmen von schulischer Wissensvermittlung ein, stellt aber dennoch klar, dass Lehrende außerdem dafür verantwortlich seien, einen Bildungsprozess zu begleiten, bei dem die Schülerinnen und Schüler „noch nicht zwischen diffuser und spezifischer Handlungslogik unterscheiden und die Bedeutung des Lehrers nicht spezifisch eingrenzen“ (Helsper 2007: 568). Gleichzeitig vertrete der strukturtheoretische Ansatz „keine generalisierten Erziehungserwartungen“ (ebd.: 569), dennoch müsse das diffuse Verhältnis zwischen Lehrenden und Lernenden, die nach Helsper nicht strukturbedingt, sondern pädagogisch sei (ebd.: 569), ständig „reflektiert und begrenzt werden“ (ebd.: 569). Daher sei das Fallverstehen im 2.1 Bestimmungsansätze zur Professionalität und Professionalisierung von Lehrkräften 31 strukturtheoretischen Verständnis keine grundlegend therapeutische, d. h. biographisch-individuelle Aufarbeitung, sondern „die Rekonstruktion konkreter Schul- und Unterrichtsszenen“ (ebd.: 571). Helspers Replik unterstellt Baumert/ Kunter (2006) ein weitreichendes Missverständnis und eine falsche Darstellung des strukturtheoretischen Ansatzes sowie wenig Innovation in der Darstellung ihres eigenen Ansatzes (s. kompetenztheoretischer Bestimmungsansatz im nächsten Kapitel), der nach Helsper primär „Ansätze der Expertise- und Lehrerforschung [systematisiert]“ (Helsper 2007: 574). Er sieht im Versuch eines Vergleichs in diesem Modell verschiedener Konzeptionierungen von Wissen auch durchaus Anknüpfungspunkte für die strukturtheoretische Position, welche von anderen bereits aufgezeigt wurden, „von Baumert und Kunter aber weitgehend übergangen [werden]“ (ebd.: 574). Trotzdem empfiehlt Helsper auf Grundlage von Baumert/ Kunter (2006) eine Erweiterung der strukturtheoretischen Position insbesondere dahingehend, „die Antinomie von Person und Sache“ (ebd.: 576), d. h. das eigentliche Unterrichten, sowie „den Erwerb und die Handlungsrelevanz ‚kasuistischen Wissens‘“ (ebd.) stärker in den Fokus zu stellen, was bis zu dem Zeitpunkt nur in geringem Maße umgesetzt worden sei. Trotz der Kritik an Oevermanns strukturtheoretischer Sichtweise und Helspers Unternehmung, die in seinen Augen oft falsch rezipierten Grundannahmen in ein rechtes Licht zu rücken, verstehen viele weitere Pädagoginnen und Pädagogen schulisches und unterrichtliches Handeln als durch Strukturen bestimmt, schwächen Oevermanns und Helspers möglicherweise drastische Sichtweise aber ab, integrieren besonders Sachinhalte oder sehen andere Aspekte des Lehrerhandelns strukturtheoretisch als professionalisierungsbedürftiger als die Lehrer-Schüler-Interaktion. Professionelles Handeln im Rahmen eines strukturtheoretischen Ansatzes ist folglich zwar primär mit Wissens- und Normenvermittlung verknüpft, versteht sich in der pädagogischen Praxis aber auch in der Diskussion und Interpretation der durch die vorgegebene Struktur und den dadurch vorliegenden Antinomien entstehende Interaktion zwischen Lehrpersonen und Schülerinnen/ Schülern sowie den Unterrichtsgegenständen. Die Rollen, die die Akteure im Unterrichtsgeschehen einnehmen, sind hier zentral und daher von den Positionen und ihren Begründungen oft auf zwei Personen (Lehrperson - Lerndende/ r) beschränkt, während Unterrichtsalltag meist die Interaktion einer Gruppe oder der Lehrperson mit einer Gruppe darstellt. Der strukturtheoretische Ansatz verfolgt demnach hier einen ständigen Dialog zwischen den handelnden Personen auf verschiedenen Ebenen und sieht Professionalisierungsbedürftigkeit darin, die persönliche Integrität der Klienten im Bildungsprozess - oder trotz des Bildungsprozesses - insbesondere auch durch Zwänge und Vorbestimmungen der Institution Schule und anderer formaler Vorgaben zu wahren (vgl. Hericks 2009). 32 2 Schulpädagogische Lehrerprofessionsforschung 2.1.2 Kompetenztheoretischer Bestimmungsansatz Kompetenztheoretische Ansätze beziehen sich in der Regel auf die ursprüngliche Definition von Weinert, welche auch im Rahmen der Kompetenzorientierung in Schulen nach PISA verbreitet die Grundlage für didaktisch-methodische Überlegungen und Standardentwicklung geboten hatte. Nach Weinert (2001b) versteht man unter Kompetenzen die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können (ebd.: 27 f.). Folglich liegt in einer Kompetenzorientierung nach Weinert der Fokus auf dem Lösen eines Problems bzw. einer Problemstellung, welche/ s spontan im Handeln auftritt, bewusst in einem Lehr-/ Lernprozess aufgeworfen wird und dann für diesen Prozess genutzt werden kann. Die Kompetenzen zum Lösen dieser Problemstellungen werden jedoch grundsätzlich als erlernbzw. vermittelbar herausgestellt. Die oben bereits aufgeführte Kritik Baumert und Kunters (2006) am strukturtheoretischen Ansatz hat deren Sichtweise bereits in Grundzügen insofern verdeutlicht, als dass sie die Unplanbarkeit und Antinomien des Lehrer*innenhandelns als solche nicht als zentral sehen, sondern erlern- und ausbaubare Kompetenzbereiche definieren in Anlehnung an die Arbeiten zum professionellen Wissen von Shulman (1986, s. u.) und Bromme (1992) sowie zur Kompetenzdiagnostik in Schule, wie sie Weinert (2001b) geprägt hat, um letztlich das Lehrerhandeln kompetenztheoretisch zu bestimmen (vgl. auch Helmke 2015). Letzteres ist dann erfolgreich, wenn „es Lehrkräften gelingt, Lernprozesse von Schülerinnen und Schülern zu initiieren und zu unterstützen, sodass die schulischen Lernziele erreicht werden“ (Baumert/ Kunter 2011: 30). Baumert und Kunter räumen zwar ein, dass das Lehrerhandeln tendenziell unsicher und nicht standardisierbar ist, [daraus] folgt jedoch weder, dass die persönlichen Voraussetzungen, die notwendig sind, um in dieser Situation erfolgreich zu handeln, nicht beschrieben werden könnten, noch, dass diese Voraussetzungen grundsätzlich nicht erlernbar oder vermittelbar seien. (ebd.) Hierdurch wird im kompetenztheoretischen Bestimmungsansatz vornehmlich Wert auf „die empirische Erforschbarkeit des komplexen unterrichtlichen Geschehens“ (Terhart 2011: 207) gelegt, professionelles Handeln wird mitsamt sei- 2.1 Bestimmungsansätze zur Professionalität und Professionalisierung von Lehrkräften 33 ner Fundamente in Wissen und Kompetenzen für Lehrerinnen und Lehrer im Großen und Ganzen erlernbar. Mit in das kompetenztheoretische Feld - von einem weiten Kompetenzbegriff ausgehend - einbezogen werden daher auch Expertiseansätze, die vor allem die pädagogisch-psychologische Forschung zu Lehrkräften seit den 80er Jahren prägen, häufig in der Diskussion um Lehrerprofessionalitätsansätze aber separat betrachtet werden. Zentral innerhalb des Expertiseansatzes ist der Fokus auf Wissensbestände und Routinen, die sich über den Ausbildungs- und Tätigkeitsverlauf vom Novizen hin zum Experten über mehrere Stufen entwickeln (vgl. z. B. Bromme 1992, Berliner 1988). Rekurrierend auf verschiedene Kompetenzdefinitionen und Wissensforschung innerhalb des Novizen-Experten-Paradigmas wird dem folgend im Rahmen der einflussreichen COACTIV-Studie die professionelle Kompetenz für Mathematiklehrkräfte modelliert: Professionelle Kompetenz besteht in COACTIV aus den vier Bereichen „Überzeugungen/ Werthaltungen/ Ziele“, „Motivationale Orientierungen“, „Selbstregulation“ sowie Professionswissen (s. Abbildung 2; vgl. Baumert/ Kunter 2006, 2011). Letzteres übernimmt in seiner Untergliederung die Wissensdomänen von Shulman (1986) als Kompetenzbereiche und ergänzt diese um das Organisationswissen sowie das Beratungswissen, jene werden in der Übersicht jedoch zunächst nicht weiter aufgeschlüsselt. Abb. 2: Modell professioneller Handlungskompetenz - Professionswissen (Baumert/ Kunter 2006: 482). 34 2 Schulpädagogische Lehrerprofessionsforschung Die Diskussion um pädagogisches Wissen und Wissensdomänen maßgeblich beeinflusst haben zwei Jahrzehnte zuvor die Arbeiten von Shulman (1986, 1987). Er arbeitet heraus, dass noch im 19. Jahrhundert das Handeln und die Qualifikation von Lehrkräften maßgeblich durch ihr Inhaltswissen („knowledge of content“; Shulman 1986: 7) geprägt war, während zur Zeit seiner Beiträge in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts primär Fragen des Classroom managements im Fokus von Praxis und Forschung geraten waren. Dadurch sei in den Hintergrund gerückt, woher das Wissen der Lehrkräfte stamme und wie sie ihr unterrichtliches Handeln mit Fachwissen begründen oder auch in welchem Verhältnis es zu allgemein-pädagogischem Wissen steht. 1987 führte er die folgenden Wissensbereiche als essentiell für das Lehrerhandeln auf (vgl. Shulman 1987: 8): • Fachwissen (content knowledge), • allgemein-pädagogisches Wissen (general pedagogical knowledge), • curriculares Wissen (curriculum knowledge), • fachdidaktisches Wissen (pedagogical content knowledge), • Wissen über Lernende und ihre Eigenschaften (knowledge of learners and their characteristics), • Wissen über pädagogische Kontexte (knowledge of educational contexts), • Wissen über pädagogische Ziele und Werte (knowledge of educational ends, purposes, and values, and their philosophical and historical grounds). Um die Bedeutung der Verknüpfung zwischen Fach- und fachdidaktischem Wissen wiederherzustellen, gestand Shulman in seiner Konzeption einer pädagogischen Wissensbasis dem fachdidaktischen Wissen einen großen Raum ein. Er prägte damit die Idee des Pedagogical content knowledge . Dieses Wissen beinhaltet für Shulman dementsprechend nicht nur die bedeutendsten fachwissenschaftlichen Konzepte eines Unterrichtsfaches, sondern auch umfängliches Wissen über dessen methodisch-didaktische Zugänge, zugeschnitten und möglichst variabel einsetzbar für verschiedene Zielgruppen von Lernenden (d. h. verschiedene Altersstufen, Vorkenntnisse, Ziele). 16 Grob strukturiert wird dieses Wissen durch curriculares Wissen, welches durch Vorgaben bestimmte Inhalte und Themen vorgibt, wodurch wiederum den Lehrkräften diverse Materialien zur Verfügung stehen, welche sie möglichst flexibel, begründet über ihr fachdidaktisches Wissen, einsetzen (vgl. Shulman 1986, 1987). 16 Zur Unterscheidung von Shulmans Fachwissen und fachdidaktischem Wissen schreibt Neuweg (2014): „Betrachtet man Shulmans normative Konzeption des Fachwissens und seine sehr hohen und komplexen Anforderungen an dieses Wissen näher …, wird jedenfalls sehr deutlich, dass schon dieses in gewisser Weise immer auch fachdidaktisches Wissen ist .“ (ebd.: 592; Hervorhebung im Original) 2.1 Bestimmungsansätze zur Professionalität und Professionalisierung von Lehrkräften 35 Als eine der Wissensgrundlagen in der universitären Lehrerbildung dient primär (erziehungs-)wissenschaftliches Wissen, welches jedoch nicht direkt auf die Praxis übertragen werden kann (vgl. Radtke 1996, Neuweg 2004/ 2014). Hierdurch wird das vielzitierte Theorie-Praxis-Problem häufig von Seiten der Lehramtsstudierenden aufgeworfen, da ein Anwendungsbezug im Sinne eines reflektierenden Transformierens von Wissen nicht erfolgt. Bezüglich der innerhalb von Lehrerbildung gültigen, vermittelten, oder besser: putativ vermittelbaren, Wissensstrukturen wird demnach hinterfragt, welche Wissensbestände tatsächlich für die Praxis wirksam sein können. Im Gesamtzusammenhang von Wissensforschung und wissenssoziologischen Ansätzen, die dann das Wissen von Lehrkräften (und die Umsetzung dessen in praktischem Handeln) untersuchen, wird gerade dann die Bedeutung impliziten Wissens wiederholt herausgestellt, da wissenssoziologisch davon ausgegangen wird, dass gerade implizites Wissen als handlungsleitend gilt (vgl. Mannheim 1964, Bohnsack 2017). Auch im Anschluss an Polany (2016) betont Neuweg (2004, 2014) wiederholt, dass Professionelle auf impliziter Ebene mehr wissen, ebenfalls routiniertes Handlungswissen entwickelt haben, als sie explizit zu formulieren im Stande wären (vgl. auch Shulman 1987). Er definiert innerhalb dreier Kategorien von Lernen, Wissen und Handeln drei Begriffe von Lehrerwissen (s. Abbildung 3; vgl. Neuweg 2014), von denen erstes gewissermaßen das (universitäre, fachliche, fachdidaktische und pädagogische) Ausbildungswissen darstellt, das „gelernt“ werden kann, gleichzeitig aber durch Erfahrungslernen geprägt ist und wird. Dieses Wissen wiederum formt sich im zweiten Wissenskonzept als mentale Struktur und „psychologisches Konstrukt“ (ebd.: 584): Hier formieren sich explizites und implizites Wissen, informiert und prägt sich gegenseitig, ist aber - wie angedeutet - insbesondere auf impliziter Ebene nicht direkt greifbar. Beide Wissensformen wiederum können sich im Handeln, „Wissen 3“ nach Neuweg (vgl. Abbildung 3), und hier in bestimmten Handlungsepisoden äußern, welche sich im Sinne eines Könnens zeigen, welches aber dann empirisch hingegen von außen mittels anderer Wissensbestände von Forschenden rekonstruiert und interpretiert wird. 36 2 Schulpädagogische Lehrerprofessionsforschung Abb. 3: Konzepte des „Lehrerwissens“ (Neuweg 2014: 585). Lehrer*innenwissen ist folglich nicht nur ein komplexes Konstrukt, es ist zudem für Forschung nur schwer greifbar, was wiederum Lehrerbildung und Lehrerprofessionalisierung im Bereich des Herausarbeitens oder Förderns von Professionswissen vor Herausforderungen stellt: „Beim Lehrerwissen in diesem Sinne [Wissen 3; Anmerkung D.G.] handelt es sich aber nicht um das Wissen des Lehrers, sondern um das Wissen des Forschers, der die Logik des Handelns (! ) von außen rekonstruiert.“ (ebd.: 585; Hervorhebung im Original) Für Neuweg ist dementsprechend das Theorie-Praxis-Problem die Differenz zwischen Wissen 1 und 3, gleichzeitig betont er, dass für alle drei Wissensformen aus inhaltlicher (lehrerbildender) wie empirischer Perspektive bislang nur unbefriedigende Ergebnisse vorliegen - trotz großer Erhebungen sowohl im qualitativen als auch im quantitativen Forschungsparadigma und ebenso besonders im Umgang mit der Wissenskonzeptbildung und definitorischer (Un-)Schärfe: „Die Lehrerwissensforschung umgeht das Problem bisweilen rhetorisch.“ (ebd.: 600) Hierdurch verschwimmen für Neuweg viel zu häufig die Grenzen zwischen Wissen, Kompetenz, Handeln und Können. Außerdem gilt über verschiedene professionelle Wissensbestände und Kompetenzen auch: „Professionalität im Lehrerberuf meint mehr als das Erreichen eines bestimmten Niveaus an professioneller Handlungskompetenz.“ (Cramer 2012: 520) Aus diesem Grund werden innerhalb des kompetenztheoretischen Bestimmungsansatzes in der Regel ebenfalls lehrerpersönlichkeitsrelevante Aspekte herausgestellt, finden sich wieder z. B. in den Modellierungen von Baumert/ Kunter (2006, 2011) sowie bei Helmke (2015) mitsamt Überzeugungen, Haltungen und Glaubenssätzen (Beliefs) , welche wiederum Handeln beeinflussen 2.1 Bestimmungsansätze zur Professionalität und Professionalisierung von Lehrkräften 37 (können). 17 Diese wiederum werden - und das wird auch von Vertreterinnen und Vertretern innerhalb des kompetenztheoretischen Ansatzes geteilt - durch persönliche (berufs-)biographische Erfahrungen maßgeblich geprägt und leiten damit hier über zu einem weiteren, möglichen Bestimmungsansatz für Lehrerprofessionalität und -professionalisierung. 2.1.3 Berufsbiographischer Bestimmungsansatz Von erziehungswissenschaftlicher Biographieforschung ausgehend, dass „Erziehung und Bildung grundsätzlich im Kontext von konkreten Lebensläufen stattfindet“ (Marotzki 1999: 327), wird in einem berufsbiographischen Bestimmungsansatz von Lehrerprofessionalität zentral gestellt, dass diese als „berufsbiographisches Entwicklungsproblem“ (Terhart 2001: 56) zu konzeptualisieren sei, welches einer Bearbeitung und reflexiven Einholung bedarf (vgl. auch Kunze/ Stelmaszyk 2008). Durch eine von verschiedenen Phasen geprägte, gleichzeitig von eigenen früheren Schulerfahrungen beeinflusste Tätigkeit (vgl. z. B. Lortie 1975), die mit ständigen Herausforderungen, nötigen Entwicklungen und unabwendbaren Krisen behaftet ist, bedeutet professionelles Lehrerhandeln, sich dieser Erfahrungen, Brüche, aber auch dem eigenen Wissen und Können bewusst zu werden und sie entsprechend professionell zu bearbeiten. Nicht selten werden folglich innerhalb der Biographien von Lehrerinnen und Lehrern Phasen oder charakteristische Abläufe vermutet, die teilweise mit den oben bereits angesprochenen Kompetenzzuwächsen von Novizen zum Experten einhergehen (vgl. Dreyfus/ Dreyfus 1986, Bromme 1992) oder eher Sozialisations- oder Identitätsfindungsprozesse beschreiben. Für erstere ist eine Unterscheidung in drei Phasen nicht unüblich, bei der zunächst eine Survival stage das Überleben im Klassenraum darstellt, welche durch die Bewältigung vielfältiger didaktisch-methodischer Herausforderungen zur Mastery stage führen kann und letztlich - nach Ausbildung von sicheren Routinen - ein Lehrerhandeln auf der Routine stage beschreibt (vgl. Fuller/ Brown 1975). Ein für den zweiten Typus zur Klärung lehrpersonencharakteristische Lebensverläufe gängiges - und auch das einschlägigste - Modell ist jenes von Sikes et al. (1985): Sie beschreiben basierend auf berufsbiographischen Interviews mit Lehrerinnen und Lehrern ein Entwicklungsmodell, welches ebenfalls durch ein gewisses „Überleben“ im Praxisschock innerhalb der ersten Berufsjahre gekennzeichnet ist, sich dann gewissermaßen stabilisiert, ein Plateau bildet, innerhalb dessen weniger innovative Konzepte von Seiten der Lehrpersonen neu implementiert werden, und letztlich innerhalb der letzten zehn Jahre ein steter Rückzug aus 17 Eine Übersicht der Forschung zur Lehrerpersönlichkeit findet sich bei Mayr (2014). 38 2 Schulpädagogische Lehrerprofessionsforschung dem Beruf einsetzt. Die Autorinnen und der Autor betonen jedoch, dass dieser Verlauf zwar für ihr Sample charakteristisch sei, dass dies jedoch nicht bedeute, dass zwingend alle Lehrerinnen und Lehrer auch in dieser Rigidität - und mit abnehmender Innovationskraft - ihren Beruf durchlebten. Es liegt in der Natur von Stufen- oder Phasenmodellen, dass ihre vermeintliche Starrheit häufig kritisiert wird. Dementsprechend betonen insbesondere Sikes et al. (1985), dass ihr Modell nicht in dieser unflexiblen Struktur zu sehen sei, sondern vielmehr das Potential hat, unterschiedliche Anforderungen in verschiedenen Phasen transparent machen. Auch zeigt sich in berufsbiographischer Forschung, dass weniger die als stabil zu bezeichnenden Phasen als prägend zu charakterisieren sind, sondern eher jene, an denen Brüche stattfinden bzw. Übergänge gestaltet oder bewältigt werden müssen (vgl. Herzog 2014). (Berufs-) Biographische Verläufe und deren Rekonstruktion macht sich hier insbesondere auch die Bildungsgangforschung im Kontext von Lehrerprofessionalisierung zu eigen, wenn sie in Rückgriff auf Havighurst (1972) sogenannte Entwicklungsaufgaben für Lehrerinnen und Lehrer in verschiedenen Phasen identifiziert. Hericks (2006) beschreibt beispielhaft im Anschluss an eine eigene, vorherige Konzeptualisierung mit Ingrid Kunze (vgl. Hericks/ Kunze 2002) vier zentrale Entwicklungsaufgaben für den Kontext des Berufseinstiegs von Lehrerinnen und Lehrern, die von den „neuen Lehrkräften“ bearbeitet werden: Rollenfindung als Lehrperson, Vermittlung von fachbezogenen Inhalten, Anerkennung/ Führung von Lernenden sowie Kooperation innerhalb der Institution Schule. Havighurst (1972) definiert Entwicklungsaufgaben - ursprünglich primär an Lernenden orientiert, aber auf weitere Lebensphasen transferierbar - wie folgt: A developmental task is a task which arises at or about a certain period in the life of the individual, successful achievement of which leads to his happiness and to success with later tasks, while failure leads to unhappiness in the individual, disapproval by the society, and difficulty with later tasks. (ebd.: 2) Die von Hericks identifizierten Entwicklungsaufgaben von berufseinsteigenden Lehrerinnen und Lehrern beziehen bildungsgangtheoretische Annahmen 18 ein und können damit - im Gegensatz zu den zunächst sehr gegensätzlich wirkenden, oben bereits vorgestellten anderen beiden Bestimmungsansätzen - als ein 18 Die ursprünglichen Ansätze zur Bildungsgangforschung gehen insbesondere zurück auf Forschung von Heranwachsenden in Anschluss an den nordrhein-westfälischen Kollegschulversuch von Blankertz, der auch hier „schon zwischen dem objektiven Bildungsgang als Summe der äußeren Situation des Lebensweges und dem subjektiven Bildungsgang als persönlichem Aneignungsprozess der Jugendlichen [unterschied]“ (Trautmann 2004: 7). Zur Weiterführung der Bildungsgangtheorie in weitergehende Felder wie z. B. der Professionsforschung u. a. s. Trautmann (2004) und Schenk (2005). 2.1 Bestimmungsansätze zur Professionalität und Professionalisierung von Lehrkräften 39 Mittelweg von strukturtheoretischer Deutung gesehen werden, da eine gewisse Krisenhaftigkeit und Unvorhersehbarkeit als dem Lehrberuf genuin angesehen wird. Gleichzeitig berücksichtigt die Bildungsgangtheorie die Potentialität von Kompetenzentwicklung (vgl. Baumert/ Kunter 2006), auch im Anschluss an Wissensformen nach Shulman (1986) oder Expertiseansätze (z. B. Bromme 1992). 19 Entwicklungsaufgaben sind dergestalt, dass sie die Lehrerinnen und Lehrer nicht als hilflos Erleidende gewisser Umstände wie des herausfordernden Berufseinstiegs zurücklassen, sondern dass Lehrpersonen sich berufsbiographisch und identitätsbildend aktiv in einer bewussten, reflexiven Auseinandersetzung mit den Herausforderungen, dem Nutzen eigener Ressourcen wie Wissen und Kompetenzen sich diesen Entwicklungsaufgaben stellen. Sie sind in diesem Sinne „unhintergehbar“ (Hericks 2006: 60), wenn Lehrerinnen und Lehrer eine Weiterentwicklung, Professionalisierung erleben wollen, „wenn es zu Progression von Kompetenz und zur Stabilisierung von Identität kommen soll“ (ebd.). Forschung innerhalb des berufsbiographischen, bildungsgangtheoretischen Bestimmungsansatzes zielt darauf ab, Handlungspraxis, kollektive Erfahrungen bzw. Habitūs 20 von Lehrerinnen und Lehrern zu verschiedenen Zeitpunkten des Ausbildungs- oder Berufslebens, „biographisch und gesellschaftlich vorgeformte Handlungsdispositionen“ (Keller-Schneider/ Hericks 2014: 391), in verschiedenen Kontexten greifbar zu machen. Hieran anschließend können auf Grundlage der erhobenen, berufsbiographischen Anforderungen Empfehlungen zur Optimierung von lehrerbildenden Strukturen in allen Phasen sowie zur reflexiven Anleitung und Bearbeitung von Entwicklungsaufgaben in Beratungs- und Ausbildungszusammenhängen (z. B. im Vorbereitungsdienst) erarbeitet werden. D.h. der berufsbiographische Bestimmungsansatz von Lehrerprofessionalität bezieht gezwungenermaßen immer auch lehrerbildende Strukturen und Inhalte in seine (Re-)Konstruktion mit ein, selbst wenn sie - in der Regel - keine Wirksamkeitsforschung betreibt, sondern vielmehr Handlungspraxis und Anforderungen in je individueller oder kollektiv geteilter Wahrnehmung und Bearbeitung herausstellt. Bemerkenswert ist in der Gesamtschau der berufsbiographischen Forschung zum Lehrer*innenberuf, dass selten die Entwicklungen und Verläufe von Fachlehrkräften in den Blick genommen werden bzw. - wenn 19 Vgl. zum Ansatz der Bildungsgangforschung und Entwicklungsaufgaben: Trautmann (2005); zu Konzepten und „Bausteinen“ der Bildungsgangtheorie: Schenk (2005); zur Argumentation des „Mittelwegs“ zwischen struktur- und kompetenztheoretischem Bestimmungsansatz: Keller-Schneider/ Hericks (2014). 20 Der Plural von Habitus wird in dieser Arbeit durch das diakritische Zeichen des Makrons hervorgehoben und verweist damit auf das lang gesprochene „u“ als Indikator des Plurals in der lateinischen u-Deklination. 40 2 Schulpädagogische Lehrerprofessionsforschung ein Sample eine bestimmte Fachlichkeit vertritt - diese kaum berücksichtigt wird (vgl. Kunze/ Stelmaszyk 2008). 2.2 Zwischenfazit I: Konstrukte zur Erforschung von Lehrerprofessionalität/ -professionalisierung Obwohl bis in die 2000er Jahre kaum empirische Forschung hinsichtlich der Frage vorlag, inwiefern die Qualität der Lehrkraft, ihre „Professionalität“, Auswirkungen auf Unterricht und die Lernleistungen der Schülerinnen und Schüler hat, ist dies besonders im Zuge der letzten zwanzig Jahre in verschiedenster Hinsicht bearbeitet worden. Die empirische Bildungsforschung interessiert hier, meist einem quantitativen Forschungsparadigma folgend, Professionswissen und -kompetenzen sowie ihre Modellierung, auch vor allem ihre Wirkung auf Seiten von Unterricht, d. h. auf Lernende, während eher mit einer qualitativen Brille in soziologischer, d. h. strukturtheoretischer oder berufsbiographischer Hinsicht der Erhebung von Anforderungen beruflicher Praxis bzw. der Frage, was professionelles Lehrer*innenhandeln überhaupt konstituiert, weiterhin stark explorativ nachgegangen wird. Die hier überblicksartig dargestellten Bestimmungsansätze von Lehrerprofessionalität schließen sich nicht in der Drastik aus, wie es die Kritik von Baumert und Kunter (2006) gegenüber der strukturtheoretischen Deutung nach Oevermann (1996, 2002) und Helsper (2001, 2004b, 2007) vermuten lässt. Nicht verwunderlich ist in dieser Gesamtschau, dass - zunächst rein oberflächlich betrachtet - die Zusammenfassung des berufsbiographischen Bestimmungsansatzes am kürzesten ausfällt, verknüpft er doch, insbesondere unter Einbezug der Bildungsgangtheorie und des Konzepts von Entwicklungsaufgaben (vgl. Trautmann 2005, Hericks 2006), wichtige Annahmen und Konstrukte, die in den beiden anderen Ansätzen bereits enthalten sind, und verbindet diese logisch, um schwerpunktmäßig die Bedeutung von Herausforderungen im Berufsverlauf explorativ greifbar zu machen. So lassen sich Bildungsgang und Entwicklungsaufgaben auch begreifen als ein Erkennen und Bearbeiten von Fällen, Krisen und Antinomien im eigenen Handeln (strukturtheoretisch), parallel dazu im „kompetenten Umgang“ mit ihresgleichen bzw. dem Kompetenz-/ Wissenserwerb zur Bearbeitung derselben (kompetenztheoretisch) unter steter, reflexiver (und prospektiver) Berücksichtigung der eigenen (Vor-)Erfahrungen (berufsbiographisch). Wenn der kompetenzorientierte Bestimmungsansatz empirisch das „Wie“ professionellen Handelns erheben möchte, beschäftigt sich der strukturtheoretische Ansatz mit dem „Was“ von krisenhaften, schulischen Interaktionsprozessen, welche über den berufsbiographischen Ansatz relationiert und in einen Reflexionsprozess überführt werden können. 2.2 Zwischenfazit I 41 In dieser latent von Unsicherheit begleiteten Konstruiertheit von Lehrer*innenbildung, die zudem innerhalb von Institutionen (Universität, Studienseminar) sowie Schule stattfindet, mitsamt dem Versuch von Forschung, Kompetenzen und Wissen standardisier- und in Performanz messbar zu machen, wird unter der Rahmung der Berufsbiographie wiederholt das Konzept des Habitus in Bourdieu’scher Tradition bemüht, der die biographische, aber auch strukturtheoretische Komponente des Individuums mit den gesellschaftlich gewachsenen Handlungsdispositionen innerhalb verschiedener, institutionalisierter Felder, hier: diejenigen der Lehrperson, zu beschreiben versucht (vgl. z. B. die Beiträge in Kramer/ Pallesen 2019). Habitūs treten als sozial und institutionell geprägte und übertragbare „strukturierte Strukturen“ (Bourdieu 1987: 98) hervor, die für die Professionellen Handlungsstrukturen bereithalten, gleichzeitig gestalten sie das Handeln der Person(en) als „strukturierende Strukturen“ (ebd.), jedoch „ohne bewußtes Anstreben von Zwecken und ausdrückliche Beherrschung“ (ebd.: 99) 21 und sind damit in soziale Felder, wie Bourdieu die Kontexte nennt, mit ihren je spezifischen Strukturen und Anforderungen eingebunden. Die Herausbildung eines Habitus über die individuelle Biographie und die sich daraus ergebende Handlungspraxis lässt sich - natürlich nicht ohne Einschränkungen - in seiner Auseinandersetzung mit normativen Setzungen innerhalb verschiedener Phasen beschreiben und bewerten (vgl. Bonnet/ Hericks 2019). Auch kann das Konstrukt auf eine sozial wirksame Lehrerbildung, Lehrerprofessionalität und Lehrerprofessionalisierung übertragen werden, zumindest der explorativen Beschreibung von Lehrer*innenwissen und -handeln in Annäherung dienlich sein. Allerdings muss speziell aus der Perspektive der Beschreibung von Professionalisierungsprozessen hier insofern eingeschränkt werden, als dass Bourdieu selbst den Habitus als latent träge und nicht in vollem Maße mit einem Generierungsprinzip, d. h. von sich selbst heraus verändernd bzw. erneuernd konstruiert (vgl. Bourdieu 1992), sondern dass der Habitus eher durch eine Anpassung des Feldes verändert oder gebrochen werden kann. 22 Dennoch ist das 21 In Zitaten älterer Quellen, die zu anderen Rechtschreibstandards entstanden sind, verzichte ich ganz bewusst auf ein sic erat scriptum , um die Quelle als solche zu würdigen. Ein sic füge ich dann ein, wenn sowohl nach altem als auch neuem Standard eine fehlerhafte Orthographie oder Grammatik vorläge. 22 Helsper (2018) hält in einer strukturtheoretisch-biographisch zu deutenden Perspektive die reflexive Auseinandersetzung mit dem eigenen Schülerhabitus für (angehende) Lehrkräfte für unverzichtbar, denn: „Professionalität würde .. implizieren, dass ein explizites Reflexionswissen vorliegt und der Schülerhabitus mit seinen grundlegenden Orientierungen und Praxen reflexiv zugänglich gemacht werden kann. Dadurch würde der Status des Schülerhabitus, der man war und noch ist, in den Status eines Habitus überführt, den man hat und zu dem man sich relational in Beziehung setzen kann.“ (ebd.: 36) Für Helsper sind Lehrer/ innenbildung und Professionalisierung damit „als transformatorischer 42 2 Schulpädagogische Lehrerprofessionsforschung Konzept zur Beschreibung von Professionalität, wie oben angedeutet, dienlich. Im Hinblick auf Professionalisierungspotentiale wird es dann fruchtbar, wenn z. B. im bildungsgangtheoretischen Sinne Entwicklungsaufgaben konstruiert bzw. Entwicklungspotentiale innerhalb eines Habitus rekonstruierbar und Habitustransformationen über berufsbiographische Prozesse hinweg erkennbar werden (vgl. z. B. Hericks 2006). 23 Für Bourdieu (1987) lassen sich diese Prozesse nicht kommunikativ im expliziten Reden darüber evozieren: Da sie „inkorporiert“ sind, müssen sie als „Praxis“ wahrgenommen und untersucht werden. Diese zeigt sich für ihn in bestimmten „Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsschemata“ (ebd.: 101), welche für einen Habitus charakteristisch zeichnen oder sich innerhalb einer Gruppe von Akteur*innen ähnlicher Orientierungen oder Wertehaltungen auf einer entsprechenden Grundlage detailliert intraspezifisch unterscheiden. Wissenssoziologisch spielt hiermit auch implizites Wissen der Agierenden im Feld der Lehrerprofessionalität/ -professionalisierung eine bedeutende Rolle zur Untersuchung entsprechender Entwicklungsprozesse, wie von Polany (2016) und Neuweg (2004, 2014) bereits konzeptuell aufgeworfen. Auch wenn das Habituskonzept zur Beschreibung des individuellen oder kollektiven Umgangs mit und Entstehens von Handlungsdispositionen (angehender) Lehrerinnen und Lehrern eingängig erscheint, bleibt die Wirkung von Lehrerbildung auf der individuellen Ebene unspezifisch, denn: Die individuelle Professionalisierung einer Lehrperson kann trotz einer ‚guten‘ Aus- und Weiterbildung misslingen, sie kann trotz einer ‚schlechten‘ Aus- und Weiterbildung gelingen. Jedenfalls vermag keine noch so plausible Zuordnung bestimmter Aufgaben und Funktionen zu einzelnen Phasen der Lehrerbildung die spätere Professionalisierung einer angehenden Lehrerin oder eines angehenden Lehrers zu garantieren. (Keller-Schneider/ Hericks 2014: 401 f.) Dabei wirken verschiedene Sub-Systeme auf unterschiedlichen Ebenen und Levels in komplexer Weise für die Entwicklungsprozesse von Lehrerinnen und Lehrern, die Blömeke (2010) im Kontext der Mathematiklehrerbildung zusammengestellt hat (vgl. Abbildung 4), welche auch für Lehrpersonen anderer Fächer Relevanz haben dürften. Bildungsprozess zu konzipieren, der als Auseinandersetzung mit impliziten habituellen Orientierungen verstanden werden kann“ (ebd.). 23 Es mag aufgrund der Herausstellung des Bourdieu’schen Habituskonzepts an dieser Stelle nicht überraschen, dass dieses eine der konzeptionell-theoretischen Folien für die spätere Untersuchung im hier beschriebenen Vorhaben darstellt. Die genaue Herleitung und Bedeutung innerhalb der dezidierter zu diskutierenden Forschungsfragen erfolgt aus strukturellen (und damit auch logischen) Begründungszusammenhängen allerdings erst in Kapitel 5. 2.2 Zwischenfazit I 43 Abb. 4: Modelle der Wirksamkeit von Lehrerausbildung (Blömeke 2010: 34). Es ist demnach davon auszugehen, dass die verschiedenen Levels und Ebenen ebenfalls habitusformenden Einfluss auf die Lehrerinnen und Lehrer haben, dass beispielsweise gesellschaftlich tradierte Statusbewertungen vom Lehrer*innenberuf ebenso bedeutsam sein können wie länderspezifische Vorgaben über Curricula und individuelle Persönlichkeitsmerkmale sowie (tradierte oder berufsbiographisch vorgeprägte) Glaubenssätze und Überzeugungen (Beliefs) über das Lehren und Lernen. Im hier vorzustellenden Forschungsprojekt werden auf der institutionellen Ebene und dort des unteren Levels I in Abbildung 4 die Lehrerausbildner*innen in den Blick genommen, die zunächst innerhalb des gesamten Schaubildes keine allzu große Rolle einzunehmen scheinen. Jedoch sind 44 2 Schulpädagogische Lehrerprofessionsforschung sie die einzigen tatsächlich als Personen benannten Einflussfaktoren innerhalb des Wirksamkeitsmodells von Lehrer(aus)bildung, alle weiteren Aspekte und Levels werden gefüllt durch Konstrukte wie Kompetenzen, Voraussetzungen oder Steuerungsmechanismen wie Curricula - letztlich allesamt „unbelebte“ Faktoren. Umso spannender dürfte also die Auseinandersetzung mit der Gruppe der Lehrerbildner*innen werden, wenn man gleichzeitig bedenkt, dass die zu betrachtenden Personen innerhalb der zweiten Phase tätig sind und damit - im Gegensatz zur universitären Phase - ausnahmslos auch tatsächlich Lehrerinnen und Lehrer sind oder über einen gewissen Zeitraum waren. Dies bedeutet, dass unmittelbar die individuelle Ebene von Kompetenzen, eigener Lernvoraussetzungen, Lehrerwartungen, kurz: des Habitus, wirksam wird und mittels des vorliegenden Projekts beschreibbar gemacht werden soll. Damit verbunden sein kann auf dieser Ebene jedoch keine Wirksamkeitsforschung, was an dieser Stelle bereits ausdrücklich hervorgehoben werden soll, um keinen falschen Eindruck oder entsprechende Vorerwartungen zu erwecken. Vielmehr wird der Versuch unternommen, die Handlungspraxis von Lehrerbildner*innen im Vorbereitungsdienst angehender Fremdsprachenlehrkräfte, ihre Orientierungen, ihre Habitūs (wenn auch hier in diesem Kontext nicht angeknüpft an Entwicklungsaufgaben), in einem Feld explorativ beschreibbar werden zu lassen, um zunächst überhaupt Anhaltspunkte über die Ausbildungstätigkeit und ihre Position im Feld der zweiten Phase erhalten zu können. Da das vorliegende Projekt vorwiegend besondere Ausbildungskräfte (Fachleiterinnen/ Fachleiter) von Referendarinnen und Referendare moderner Fremdsprachen in den Blick genommen hat, wird im Folgenden unter einer fachdidaktisch-spezifischen Perspektive auf die mutmaßlich angenommene Professionalisierungsbedürftigkeit von Fremdsprachenlehrkräften in ihrer Spezifik fokussiert, um die dort empirisch genutzten Konstrukte auch in Beziehung zu schulpädagogischer Professionsforschung zu setzen. Auf die Phasenspezifität des Vorbereitungsdienstes und daraus vorliegender Forschung wird im Anschluss eingegangen (vgl. Abbildung 1), um eine Klammer der institutionellen Rahmungen um die schulpädagogische, fremdsprachendidaktische, stärker auf das Individuum zielende Professionsforschung zu erhalten. 2.2 Zwischenfazit I: Konstrukte zur Erforschung von Lehrerprofessionalität/ -professionalisierung4 5 3 Fremdsprachendidaktische Professionsforschung Aufgrund der Tatsache, dass in dieser Arbeit der Vorbereitungsdienst angehender Fremdsprachenlehrerinnen und -lehrer in den Blick genommen wird, wird dieser Gruppe von Lehrpersonen bzw. mittels der je ausgebildeten bzw. unterrichteten Fächer eine gewisse Spezifik unterstellt, welche im späteren Verlauf zwar auch hinterfragt werden soll, es jedoch an dieser Stelle nötig macht, einen Überblick über Ansätze und Forschungsgegenstände von Lehrerprofessionalität und -professionalisierung in der Disziplin der Fremdsprachenforschung herauszuarbeiten. Ziel dessen soll es hier nicht sein, im Detail eine fremdsprachendidaktische Professionstheorie zu skizzieren. Vielmehr sollen in einer parallel zu den zuvor vorgestellten schulpädagogischen Bestimmungsansätzen von Lehrerprofessionalität/ -professionalisierung die in der Fremdsprachenforschung jeweils relevant gesetzten Forschungsgegenstände im Zusammenhang mit Lehrerprofessionalität/ -professionalisierung gebündelt vorgestellt und hinsichtlich der Frage bewertet werden, inwiefern diese empirisch betrachteten oder durch Vorgaben normativ gesetzten Gegenstände eine Relevanz für die Fremdsprachenlehrerprofessionalität bzw. -professionalisierung zeigen. Zu diesem Zweck wird primär Forschung aus dem deutschsprachigen Raum herangezogen, um eine Anschlussfähigkeit an die in Kapitel 2 verhandelten Bestimmungsansätze zu erhalten, sowie einschlägig internationale empirische wie theoretische Forschung, welche häufiger auf gänzlich anderen Konstrukten basiert, dabei aber gleichzeitig die deutsche Fremdsprachenforschung hinsichtlich professionstheoretischer Grundlagenforschung im Wesentlichen informiert hat. 24 In ihrer komparativen Gesamtschau soll ein Überblick der Forschung und damit ein gewisses Anforderungsprofil, möglicherweise ein spezifischer Professionalisierungsbedarf angehender Fremdsprachenlehrkräfte, für das im Anschluss vorzustellende Vorhaben klarer konturiert und im späteren Verlauf der Arbeit dann ihre Anschlussfähigkeit an allgemein-schulpädagogische Konzepte im Kontext einer lehrerbildenden Struktur wie der des Vorbereitungsdienstes diskutiert werden. Zusammengefasst verfolgt dieses Kapitel das Ziel, Antworten auf die folgenden Fragen zu finden: 1. Welche Themen bzw. Gegenstände sind im Feld der Fremdsprachenlehrerbildung bzw. -professionalisierung von besonderer Bedeutung? 24 Berücksichtigt werden muss bzgl. der internationalen Forschung, dass diese überwiegend im Kontext einphasiger Lehrerbildungssysteme erfolgt. 46 3 Fremdsprachendidaktische Professionsforschung 2. Welche konzeptionellen, theoretischen und empirischen Zugänge liegen dieser Forschung zugrunde? 3. Welche Ergebnisse liefern die angeführten Studien, Zugänge und Gegenstände im Hinblick auf eine spezifische Professionalisierungsbedürftigkeit der betroffenen Lehrkräfte ggf. auch aufgrund spezifisch-struktureller, systemischer oder methodisch-didaktischer Anforderungen? 3.1 Forschung zu Fremdsprachenlehrerprofessionalität Es lässt sich für die deutsche Fremdsprachenforschung durchaus unterstellen, dass eine domänenspezifisch breite Professionsforschung von Fremdsprachenlehrerinnen und -lehrern bis in die Anfänge dieses Jahrtausends kaum vorhanden war. Roters und Trautmann (2014) sowie Königs (2014) sehen hier insbesondere die starke Lernerorientierung der vorhergehenden Jahrzehnte als eine der Hauptursachen, welche sich primär mit den - nicht minder wichtigen - Lernprozessen der Schülerinnen und Schüler beschäftigte, was jedoch dazu führte, dass die Lehrperson zunehmend in den Hintergrund rückte. Königs (2014) geht sogar so weit zu fragen: „War die Lernerorientierung ein Irrtum? “ (ebd.: 66) und diagnostiziert ein Zurückbleiben der fremdsprachendidaktischen gegenüber der schulpädagogischen Forschung (möglicherweise ebenso anderer Fachdidaktiken) im Hinblick auf den Einfluss und die Rolle der Lehrkraft im (Fremdsprachen-)Unterricht. Auch Viebrock (2014) stellt - beispielhaft für das Feld des bilingualen Unterrichts - ein recht geringes Interesse fremdsprachendidaktisch motivierter Professionsforschung fest und begründet dies mit dem eher auf Lernprozesse eingeschränkten Fokus: Ein Grund hierfür mag sein, dass sich die Fremdsprachendidaktik … in erster Linie mit einem begrenzten, wenn auch zentralen Ausschnitt der Tätigkeit von Lehrer*innen befassen, nämlich der Inszenierung und Reflexion fachlicher und sprachlicher Lernprozesse, weniger aber mit den allgemeinpädagogischen und administrativen Aufgabenfeldern, welche der Lehrberuf darüber hinaus umfasst. (ebd.: 73) Die Fokussierung auf Lernprozesse führte ebenfalls international zum Ende des vergangenen Jahrhunderts eher zu methodisch-didaktischen Ratgebern - oder eher: Rezeptgebern - für Unterricht, die konzeptionell durchdacht, aber nur selten empirisch angebunden waren: The literature on teacher education in language teaching is slight compared with the literature on issues such as methods and techniques for classroom teaching. Few 3.1 Forschung zu Fremdsprachenlehrerprofessionalität 47 of the articles published in the last twenty years are data-based, and most consist of anecdotal wish lists of what is best for the teacher. (Richards/ Nunan 1990: XI) 25 Die empirische Wende im Feld der Fremdsprachenlehrerbildung diskutiert für den internationalen Kontext Freeman (2009) und stellt diese bildlich als Wirbel dar, der sich weiter ausbreitet und damit immer mehr Felder und Fragestellungen abdeckt (s. Abbildung 5): Nach separater Betrachtung von Lehrkräfte training im Sinne universitärer bzw. institutionalisierter Ausbildung und dem Einsetzen der Idee von beruflicher und professioneller Weiterentwicklung (Development) seit den 80er Jahren treten das Aufbauen einer Forschungsbasis und weitergehender, umfassenderer Konzeptualisierungsansätze in den 90er Jahren in den Vordergrund, während diese seit den 2000er Jahren um operationale, primäre soziologische Fragestellungen ergänzt werden, die sich um Fremdsprachenlehreridentität, -sozialisation und situierte Praxis drehen (vgl. Freeman 2009). Abb. 5: The Widening Gyre of Second Language Teacher Education (Freeman 2009: 14). 25 Borg (2011) sieht in der Publikation von Richards/ Nunan (1990) eine empirische Wende im Feld der Forschung zu Language teacher education . Insbesondere die Neufokussierung von Teacher training zu Teacher education , welche in dem Sammelband stark herausgestellt wird (vgl. auch: Richards 1998), geht einher mit einer klaren Offenlegung der massiven Forschungsdesiderate bzgl. der Fremdsprachenlehrerbildung an sich sowie der Professionalisierungs-(Bildungs-)Prozesse, die die Lehrkräfte durchlaufen. 48 3 Fremdsprachendidaktische Professionsforschung Im Forschungsüberblick zeigt sich dem folgend, dass Lehrerinnen und Lehrer immer wieder (und zunehmend) eine Rolle in fremdsprachendidaktischen Publikationen spielen und natürlicherweise bei der Implementation innovativer Lehr- und Lernmethoden sowie konzeptionell-explorativen Vorhaben z. B. zu (inter-)kulturellen Aspekten als bedeutsam herausgestellt werden (vgl. zur Übersicht Caspari 2016). Jedoch wurden empirisch dann häufig nur Effekte auf Seiten der Lernenden gemessen, während die Lehrkraft eine untergeordnete, gleichsam instrumentalisierte Rolle spielt, obwohl ihr - auch medienwirksam durch Hattie (2009) - ein deutlich größerer und unmittelbarerer Einfluss auf Lernprozesse eingeräumt wird als bestimmte Methoden oder Medien. Caspari (2016) sieht als einen Grund für einen starken Fokus auf beide Perspektiven bzw. ein weitgehendes Fehlen von reinen Wirksamkeitsstudien zu Fremdsprachenlehrkräften die hohe Komplexität des Unterrichts und dessen Interaktionsprozesse sowie das, insbesondere im deutschsprachigen Kontext, vorherrschende Menschenbild, welches Lehrkräfte als Subjekte wahrnimmt und sich damit häufig in der Beforschung seiner Glaubenssätze und Überzeugungen, der „Innensicht“ (Caspari 2016: 45), widmet, was unten auch noch ausführlicher dargestellt werden wird. Es lassen sich bei der Durchsicht der einschlägigen Publikationen der letzten zwei Jahrzehnte im deutschsprachigen Raum, auf die und den hier fokussiert werden soll, insbesondere drei Forschungsschwerpunkte ausmachen: Zum einen ist in den vergangenen Jahren, vorrangig beeinflusst durch die empirische Bildungsforschung und die Entwicklungen um die COACTIV-Gruppe, eine deutliche Verschiebung der Forschungsaktivität hin zu 1) domänenspezifischem Professionswissen zu beobachten. Innerhalb dieses Feldes herrscht dann vorwiegend ein quantitatives Forschungsparadigma. In den beiden anderen Schwerpunkten findet man tendenziell eher qualitative Ansätze, die sich 2) mit Fremdsprachenlehrerkognitionen, Beliefs und Reflexivität beschäftigen sowie 3) Forschungsprojekte, die bestimmte Interventionen z. B. in Form von Praktika oder Aktionsforschungsprojekten hinsichtlich ihres Professionalisierungspotentials betrachten. Interessanterweise lassen sich internationale Forschungsberichte, die sich schlagwortartig im Feld (Foreign) Language teacher (professional) development zeigen, in ähnlicher Weise in diese drei thematischen Unterthemen eingruppieren, weswegen sie hier auch gemeinsam mit der Forschung aus dem deutschsprachigen Raum ergänzend einbezogen werden, sofern es sinnvoll erscheint. Crandall und Christison (2016) identifizieren beispielsweise beginnend mit den 90er Jahren die folgenden fünf Schwerpunkte in der internationalen Forschung zur (Englisch-)Fremdsprachenlehrerbildung: 3.1 Forschung zu Fremdsprachenlehrerprofessionalität 49 • Language teacher cognition, teacher expertise, and novice teacher development • Teacher identity, globalization, and non-native English-speaking teachers (NNESTs) • Reflection and reflective teaching • Classroom research, action research, and teacher research • Language teacher learning, collaboration, communities of practice (CoPs), and professional learning communities (PLCs) (ebd.: 6) Diese Forschungsfelder finden sich ebenso in der nun avisierten Unterteilung in drei Schwerpunkten wieder, wenn auch im deutschen Diskurs - und das mag vorangestellt sein - die Stellung von Nicht-Muttersprachler*innen 26 sowie Globalisierung nicht vorhandene bis eher untergeordnete Rollen zu spielen scheinen. Die übrigen Items internationaler Forschungsschwerpunkte hingegen lassen sich unproblematisch in die nun folgende Unterteilung nach 1) Standards und domänenspezifischem Professionswissen, 2) Beliefs , Subjektive Theorien und Reflexivität sowie 3) Aktionsforschung und Interventionen eingliedern, welche oben bereits schwerpunktmäßig für den deutschsprachigen Raum identifiziert wurden, nun dezidiert mitsamt ihrer Forschungsansätze und -richtungen aufgeführt werden und dann im Anschluss in ihrer Gesamtschau und den im einleitenden Abschnitt dieses dritten Kapitels aufgeworfenen Fragen bewertet werden sollen. 3.1.1 Standards und domänenspezifisches Professionswissen In einer auch durch den „PISA-Schock“ bedingten und - ebenfalls dadurch - verstärkten empirischen Bildungsforschung im quantitativen Paradigma sind neben qualitätsoptimierenden und länderübergreifend verbindlichen Bildungsstandards für Schülerinnen und Schülern parallel Lehrerbildungsstandards entstanden, die hier zunächst zusammengefasst dargestellt werden sollen, um sie dann in Bezug mit der empirischen Forschung zum domänenspezifischen Professionswissen von Fremdsprachenlehrkräften in Beziehung zu setzen. 27 26 Dieses Thema diskutiert man international weiterhin stark kontrovers, gilt unter einigen doch bis heute noch die Ansicht (der Belief ), dass ein guter Fremdsprachenunterricht maßgeblich von den möglichst nativ-nahen Fremdsprachenkenntnissen der Lehrkraft abhängig sei, dass diese am besten ein/ e Muttersprachler/ in sei, obwohl die mittlerweile große Vielzahl an englischen Varietäten eine solche Forderung fast unmöglich umsetzbar erscheinen lässt (vgl. hierzu auch die Übersichtsdarstellung in Crandall/ Christison 2016). 27 Nicht unerwähnt und schon gar nicht unberücksichtigt bleiben sollen die zahlreichen kritisch-abwägenden Stimmen zu den Bildungs- und Lehrerbildungsstandards. Besonders hervorzuheben sind hier für die Lehrerbildung im Allgemeinen die Sammelbände von Gehrmann/ Hericks/ Lüders (2010), für die Fremdsprachendidaktik insbesondere Hu 50 3 Fremdsprachendidaktische Professionsforschung In ihrem Dokument Ländergemeinsame inhaltliche Anforderungen für die Fachwissenschaften und Fachdidaktiken in der Lehrerbildung formuliert die KMK (2017) 28 im Anschluss an die vorher bereits für die Bildungswissenschaften festgelegten Standards (KMK 2014) untergliedert in einzelne Fachprofile je spezifische Wissensbestände und Kompetenzen, die die Lehramtsstudierenden zum Ende ihres Studiums vorweisen sollen. 29 Für die Gestaltung der Studieninhalte werden wiederum spezifische Inhalte als Vorgaben für jedes Fach bzw. jeden Fachbereich - hier: Neue Fremdsprachen (KMK 2017: 44-46) - zusammengestellt. Für die modernen Fremdsprachen gilt dabei: „Die Studienabsolventinnen und -absolventen verfügen über Kompetenzen in der Fremdsprachenpraxis, der Sprachwissenschaft, der Literaturwissenschaft, der Kulturwissenschaft sowie in der Fachdidaktik.“ (KMK 2017: 44) Dabei sind umfassende Kompetenzen im Bereich der Sprachpraxis und der Fachdidaktik zu erwerben, für die Fachwissenschaften wird für das Gymnasium bzw. die Sekundarstufe II noch eine Erweiterung und Vertiefung der jeweiligen Studieninhalte der Sekundarstufe I erforderlich. Das Fachprofil der Neuen Fremdsprachen kennzeichnet sich durch die folgenden Anforderungen an die Lehramtskandidatinnen und -kandidaten. Diese • verfügen über ein vertieftes Sprachwissen und „nativnahes“ Sprachkönnen in der Fremdsprache; sie sind in der Lage, ihre fremdsprachliche und interkulturelle Kompetenz auf dem erworbenen Niveau zu erhalten und ständig zu aktualisieren, • können auf vertieftes, strukturiertes und anschlussfähiges Fachwissen in den Teilgebieten der Sprachwissenschaft, Literaturwissenschaft und Kulturwissenschaft et al. (2008) sowie Deutscher Anglistenverband/ Deutsche Gesellschaft für Amerikastudien (2009) und Lütge (2012). 28 Bei der Berücksichtigung der KMK-Lehrerbildungsstandards zu den Studieninhalten muss für die spätere Diskussion im Kontext des hier vorgestellten Forschungsprojekts beachtet werden, dass die Standards mit der Fassung von 2017 bereits in der zweiten Überarbeitung und damit nunmehr in einer 3. Auflage vorliegen, die Aspekte enthält, welche in der Ausgestaltung des beforschten Vorbereitungsdienstes zum entsprechenden Zeitpunkt ggf. noch nicht berücksichtigt worden sind. So wurden die Fachprofile und Studieninhalte der Iteration von 2017 im Vergleich zur Fassung von 2014 insbesondere um eine fachdidaktische Berücksichtigung mehrsprachiger Kontexte und Lernender, inklusiver Bildung und der Anbahnung einer Arbeit in multiprofessionellen Teams ergänzt. An Stellen, wo diese Unterschiede unter formalen Gesichtspunkten relevant werden, wird separat ergänzend darauf hingewiesen. Dies gilt im Folgenden insbesondere bereits für die vorzustellende Itementwicklung und Dimensionierung der größeren quantitativen Untersuchungen zum domänenspezifischen Professionswissen (TEDS-LT, PKE und FALKO-E). 29 Im Gegensatz zu den Standards in den Bildungswissenschaften, welche auch über das Studium hinausgehend formuliert wurden, werden die fachdidaktischen Anforderungen nur für das Studium bzw. Studienende formuliert. 3.1 Forschung zu Fremdsprachenlehrerprofessionalität 51 zugreifen und grundlegende wie aktuelle Fragestellungen und Methoden erkennen und weiterentwickeln, • verfügen über Erkenntnis- und Arbeitsmethoden im jeweiligen Fach sowie über einen Habitus des forschenden Lernens, • besitzen die Fähigkeit zur Analyse und Didaktisierung von Texten, insbesondere von literarischen, Sach- und Gebrauchstexten sowie von diskontinuierlichen Texten, • können fachliche und fachdidaktische Fragestellungen und Forschungsergebnisse wissenschaftlich adäquat und reflektiert darstellen sowie die gesellschaftliche Bedeutung der Disziplin und des Fremdsprachenunterrichts in der Schule analytisch beschreiben, • kennen die wichtigsten Ansätze der Sprach-, Literatur-, Kultur- und Mediendidaktik und können diese für den Unterricht nutzen, • verfügen über ausbaufähiges Orientierungswissen und Reflexivität im Hinblick auf fremdsprachliche Lehr- und Lernprozesse auch unter dem Gesichtspunkt von Mehrsprachigkeit, Heterogenität und inklusiven Unterricht, • kennen Möglichkeiten der Gestaltung von Lehr- und Lernarrangements insbesondere unter Berücksichtigung heterogener Lernvoraussetzungen und Inklusion, • verfügen über vertieftes Wissen zur Entwicklung und Förderung von kommunikativer, interkultureller und textbezogener fremdsprachlicher Kompetenz, methodischer Kompetenz und Sprachlernkompetenz von Schülerinnen und Schülern, • verfügen über erste reflektierte Erfahrungen in der kompetenzorientierten Planung und Durchführung von Fremdsprachenunterricht in heterogenen Lerngruppen z. B. im Hinblick auf zieldifferenten und zielgleichen Unterricht und kennen Grundlagen der Leistungsdiagnose und -beurteilung im Fach, • können auf der Grundlage ihrer fachbezogenen Expertise hinsichtlich der Planung und Gestaltung eines inklusiven Unterrichts mit sonderpädagogisch qualifizierten Lehrkräften und sonstigem pädagogischen Personal zusammenarbeiten und mit ihnen gemeinsam entsprechende Lernangebote entwickeln, • sind sensibilisiert für den Bedarf an barrierefreien Lernmedien von Lernenden mit Behinderungen. (KMK 2017: 44) Es fällt auf, dass ein Teil der Facetten sowie auch die hier nicht näher vorgestellten Studieninhalte nicht immer rein fremdsprachendidaktischer Natur sind. So sind insbesondere die Anforderungen für inklusives Unterrichten nicht im Besonderen fachdidaktisch geprägt, Aspekte von Textarbeit spielen neben den Fremdsprachen logischerweise auch im Besonderen im Fach Deutsch eine gewichtige Rolle, allerdings scheint die Forderung „ein Habitus des forschenden Lernens“ (s. o.) auf den ersten Blick ebenso für andere Fächer relevant, taucht in den KMK-Standards in der Tat allerdings in dieser Explizitheit nur bei 52 3 Fremdsprachendidaktische Professionsforschung den Neuen Fremdsprachen auf, ansonsten in keinem anderen Fachprofil. Auch die Anforderungsniveaus innerhalb des Profils unterscheiden sich teilweise: Während ein „nativnahes“ Sprachvermögen bzw. die Fähigkeit zur Didaktisierung literarischer Texte deutlich hohe Anforderungen an die Fähig- und Fertigkeiten der Studienabsolventinnen und -absolventen stellen, werden andere Wissensbestände häufig als „vertieft“, zumindest „anschluss- oder ausbaufähig“ charakterisiert, im Hinblick auf einen kompetenzorientierten Fremdsprachenunterricht reichen „erste reflektierte Erfahrungen“ aus. Die Abstraktion von Lehrkompetenzen in dieser Form ist aus fremdsprachendidaktischer Perspektive kritisiert worden: „Sie beruht auf der Annahme, dass die Gemeinsamkeiten beim Fremdsprachenlernen und -lehren groß genug sind, um die Kompetenzen (sprach)übergreifend formulieren zu können.“ (Lütge 2012: 192) Neben einer mangelhaften Ausschärfung fachdidaktischer Konzepte, d. h. dem Verbleib auf einer dort sehr allgemeinen Ebene, wird als Kritik ebenfalls aufgeführt, dass kaum konkrete Studieninhalte für die Literatur- und Kulturwissenschaften sowie die Linguistik ausformuliert wurden (Deutscher Anglistenverband/ Deutsche Gesellschaft für Amerikastudien 2009), was in späteren Fassungen jedoch zumindest in Teilen ergänzt wurde. 30 Wie Dausend (2017) noch dazu richtigerweise - hier im Kontext von Primarenglischlehrkräften - darstellt, sind die KMK-Vorgaben zwar als solche zu verstehen, allerdings finden sie aufgrund des deutschen Bildungsföderalismus selten eine vollständige Entsprechung in den innerhalb der einzelnen Länder festgelegten Standards. 31 Dennoch: Die KMK-Standards zu den Bildungswissenschaften bzw. auch die frühen Entwürfe zu fachwissenschaftlichen sowie fachdidaktischen Studienanteilen bilden für die größeren empirischen Untersuchungen der Folgejahre wie TEDS-LT und PKE eine bedeutende Grundlage hinsichtlich der Entwicklung von Testitems und anzuwendender Konstrukte, weswegen sie hier wiederum besondere Bedeutung erlangen. Während die im vorherigen Kapitel bereits vorgestellte COACTIV-Studie verschiedene Dimensionen des Lehrerwissens untersucht, ist der Ansatz der TEDS-LT-Studie ( Teacher Education and Development Study: Learning to Teach ; Blömeke 2013) von den theoretischen Grundannahmen - trotz fachlicher Ausschärfungen - durchaus vergleichbar und in der Tradition von Shulman (1986) 30 Wipperfürth (2009) stellt am Beispiel der Aspekte Lehrersprache, Mehrsprachigkeit und interkulturelle Kompetenz entsprechende Ergänzungen bzw. Ausschärfungen heraus. 31 Katz/ Snow (2009) geben einen Überblick über Entwicklungen von Fremdsprachenlehrerbildungsstandards weltweit, welcher aufgrund der großen, in der Regel länderspezifischen Unterschiede recht undifferenziert und gleichzeitig kritisch ausfällt - letzteres insbesondere hinsichtlich der Outcome-orientierten Funktionen, die die Standards in verschiedenen Systemen nach sich ziehen. 3.1 Forschung zu Fremdsprachenlehrerprofessionalität 53 und seiner Unterscheidung der Wissensformen und im Anschluss an Weinerts Kompetenzdefinition (2001b) zu sehen. 32 TEDS-LT erhebt das Wissen bzw. Kompetenzen angehender Mathematik-, Deutsch- und Englischlehrkräfte zum Zeitpunkt des Bachelor- und Masterabschlusses, für Englischlehrkräfte im Besonderen dargestellt in Roters et al. (2011), auch in Reaktion zu den mittels der KMK-Standards angelegten Anforderungen. Diese Grundüberlegungen und Konstrukte werden vom Projekt Professionelle Kompetenz angehender Englischlehrkräfte (PKE) aufgegriffen mit dem Ziel, mittels quantitativer Verfahren und Tests verschiedener Konstrukte und Dimensionen in Schulmanscher Tradition allgemeinpädagogisches Wissen, Fachwissen sowie fachdidaktisches Wissen von (angehenden) Englischlehrerinnen und -lehrern über die beiden ersten Phasen hinweg zu erfassen und zu modellieren (vgl. König et al. 2016/ 2017). Die Analyse der Testitems 33 von ca. 440 Englischlehrkräften in beiden Phasen sowie unterschieden in Sekundarstufe I und II ergeben Zusammenhänge zwischen fachdidaktischem und jeweils Fach- und allgemein-pädagogischem Wissen, jedoch korrelieren das Fachwissen und das pädagogische Wissen in geringerem Maße als in der vergleichbaren COACTIV-Studie zu Mathematiklehrkräften, was die Autorinnen und Autoren auf die große Bedeutung von z. B. zu vermittelnder literatur- und kulturwissenschaftlicher Inhalte in der Sekundarstufe II zurückführen. Nicht überraschend ist die Tatsache, dass das fachdidaktische und pädagogische Wissen der Referendarinnen und Referendare im Sample stärker ausgeprägt ist als dasjenige der Studierenden, jedoch scheint sich bezüglich des Fachwissens keine Veränderung, sprich: Zunahme, von der ersten zur zweiten Phase ausmachen zu können. Dies lässt sich in der Tat anknüpfen an Erkenntnisse aus TEDS-LT (vgl. Blömeke et al. 2013, für Englisch: Jansing et al. 2013), wo auch zwischen den beiden Studierendenkohorten keine signifikante Steigerung des Fachwissens im Studienverlauf nachgewiesen werden konnte, jedoch im Bereich des fachdidaktischen Wissens ein Zuwachs auftrat (vgl. Roters et al. 2011). König et al. (2016) merken im Rahmen der Diskussion von Grenzen ihrer Untersuchung an, dass sie in ihrem Projekt lediglich die 32 Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle auch das Projekt DaZKom (Professionelle Kompetenzen angehender LehrerInnen (Sek I) im Bereich Deutsch als Zweitsprache; Köker et al. 2015 und Ehmke et al. 2018 ) aufgeführt, welches eine Modellierung von Deutsch-als-Zweitsprache-Kompetenzen für Mathematiklehrkräfte vornimmt, um das in NRW im Lehramtsstudium verpflichtende DaZ-Zusatzmodul ausschärfen zu können. Das Projekt kann hier aufgrund dieser Spezifität nicht näher erläutert werden, zeigt aber durchaus fremdsprachendidaktische Bezüge in einer quantitativen Validierung von Professionswissen. 33 Die Wissensformate nach Shulman übernehmend, bezog der Test hinsichtlich des allgemein-pädagogischen Wissens bereits validierte Items aus TEDS-M mit ein (König et al. 2011). 54 3 Fremdsprachendidaktische Professionsforschung kognitive Dimension von Lehrerwissensbeständen prüfen, dabei aber andere Dispositionen vernachlässigen: [Such] dispositions are relevant, but should be extended theoretically and empirically with respect to the situation-specific skills of perception, interpretation, and decision-making to adequately model proximal indicators for teacher performance in class. (König et al. 2016: 12) Das im Verfahren abgeprüfte fachdidaktische Wissen bzw. die konkreten Items werden in den Publikationen zwar auszugsweise aufgeführt, jedoch nur grob in den Dimensionen „Knowledge of curriculum“, „Knowledge of teaching strategies and representations“ sowie „Knowledge of students“ zusammengefasst (vgl. ebd.: 8). Für das Fachwissen wird in Kontrastierung zum mathematischen verschiedentlich angemerkt, dass es von anderer Qualität und „akademischer“ sei. Literatur- und Kulturwissenschaften seien daher eher „the academic foundation for the EFL [ English as a Foreign Language ; Anmerkung D.G.] teacher to become a cultural expert in English and to develop the competences of an intercultural speaker, not a native speaker“ (ebd.). Diese Schwerpunkte bilden auch einen der zentralen Kerne des Projekts FAL- KO-E (vgl. Kirchhoff 2017). Ausgehend von den zentralen Erkenntnissen der vorliegenden empirischen Studien, insbesondere der Tatsache, dass das Fach Englisch als gering strukturierte Wissensdomäne zu fassen ist (vgl. Roters et al. 2011, Blömeke 2014a), unternimmt FALKO-E als Baustein des an der Universität Regensburg interdisziplinär angelegten Vorhabens FALKO - Fachspezifische Lehrkompetenzen (vgl. Krauss et al. 2017) den Versuch, fachdidaktisches Professionswissen sowie Fachwissen von Englischlehrkräften der Sekundarstufe I zu erfassen und greift dabei „teilweise auch auf qualitative und hermeneutische Forschungsarbeiten zurück“ (Kirchhoff 2016: 76), die im Feld vorliegen und unten noch detaillierter vorgestellt werden. Für Kirchhoff (2016) ist im Sinne eines englischdidaktisch spezifischen Professionswissens nicht nur deklaratives Wissen zentral, sondern auch ein Erfahrungswissen „im Sinne der Erfahrung im fachspezifischen unterrichtlichen Handeln“ (ebd.: 76). In FALKO-E (FALKO-Englisch) zeigen sich die Facetten englischdidaktisch-spezifischen Professionswissens unterteilt in „Wissen um schülergerechtes Erklären und Repräsentieren“, „Wissen um Schülerkognitionen“, „Wissen um Lehr-/ Lernpotential von Aufgaben und Texten“ sowie Fachwissen als „[vertieftes] Hintergrundwissen über Fachinhalte des Curriculums der Sekundarstufe“ (Kirchhoff 2017: 120). Sie stellt die besonderen Schwierigkeiten beim Herausarbeiten und Zusammenstellen vor allem der fachdidaktischen, normativ geprägten Items heraus, welche durch empirische Erkenntnisse sowie Augenscheinvalidität in Pretests entwickelt und begutachtet werden (vgl. Kirchhoff 2016). Ebenfalls im Zusammenhang 3.1 Forschung zu Fremdsprachenlehrerprofessionalität 55 der Entwicklung eines Testverfahrens zur Messung des Professionswissens angehender Spanischlehrkräfte, welches in seiner Itementwicklung stark an die KMK-Standards für Lehrpersonen wie Lernende angelegt ist, zeigt sich, „dass das geplante Testverfahren in der Praxis auf Grenzen stößt“ (Hoinkes/ Weigang 2016: 71). Dies scheint daher, primär aufgrund der geringen Strukturiertheit der fremdsprachendidaktischen Wissensdomäne, ein durchaus generelles Problem hinsichtlich dieser Forschungsansätze darzustellen. Auch innerhalb des qualitativen Forschungsparadigmas liegen einschlägige Arbeiten zum Professionswissen von Fremdsprachenlehrpersonen vor, welche international häufig mit Konstrukten der Expertiseforschung z. B. im Anschluss an Berliner (1988) und Dreyfus et al. (1986) arbeiten, im deutschsprachigen Kontext häufig vom Forschungsprogramm Subjektive Theorien (s. u.) und wissenssoziologischer Forschung beeinflusst wurden. Tsui (2003), beispielhaft für den internationalen Kontext, untersucht in ausführlichen Falldarstellungen von vier Englischlehrkräften in Hong Kong deren Unterrichtserleben und vergleicht Unterschiede zwischen Novizen und Experten, welche sie am kritisch-reflexiven Umgang und progressivem Problemlösen von pädagogischen und fachdidaktischen Herausforderungen herausarbeitet. Während Novizen - wie auch in anderen Kontexten beschrieben - in gewissem Maße ein „Überleben“ beschreiben, gelingt es Fremdsprachenlehrkräften, die als Experten bezeichnet werden können, schneller, Unterricht von den Lernenden aus zu planen, verschiedene theoretische, allgemeinpädagogische wie fachdidaktische Konzepte im Unterricht zu verschränken und situativ reflektiert zu agieren (vgl. Tsui 2003, Borg 2006): „Kurz gesagt verfügen erfahrene Lehrende über ein größeres Instrumentarium, um die Komplexität des Unterrichts zu handhaben.“ (Schart 2014: 45) 34 Trotz dass davon ausgegangen werden kann, dass explizit vorliegendes Expertenwissen Lehrerhandeln z. B. für Unterrichtsplanung beeinflussen kann, ist unter wissenssoziologischer Perspektive, wie auch im vorigen Kapitel angemerkt, die konkrete Offenbarung als Performanz von Wissen und Kompetenzen, die sich z. B. in der Planungs- oder Unterrichtspraxis zeigt, forschungsmethodologisch und -pragmatisch häufig nicht ohne größeren Aufwand erhebbar. Diesem Desiderat kam die DESI-Studie (Deutsch Englisch Schülerleistungen International) insofern basal nach, als dass sie neben Testungen von Lernendenleistungen sowie der Videographie von Unterrichtsstunden und deren Analyse auch mittels 34 Wobei hier angemerkt werden muss, dass Tsui (2003) selbst, wie auch andere, Expertise nicht als höheren, durch Tausende Stunden Praxis sich einstellenden Zustand konstruiert, was unter Umständen mit dem von Schart (2014) aufgeführten Instrumentarium verwechselt werden könnte, sondern als sich ständig prozessual erneuerndes und erweiterndes Lernen und Reflektieren des Individuums, „setting higher and higher goals to extend one’s level of competence“ (Tsui 2009: 195). 56 3 Fremdsprachendidaktische Professionsforschung (quantitativer) Fragebögen Aspekte von Lehrerwissen erhob, zu Aussagen über Prozessqualität und Unterrichtspraxis in unterschiedlicher Hinsicht kommt und damit einen Zusammenhang zwischen Expertenwissen der Lehrkräfte und guten Leistungen der Lernenden herausgearbeitet hat (vgl. DESI-Konsortium 2008). Wissensdomänen Englischunterricht Sub-Dimensionen Fachwissen Wissen über das Sprachsystem Phonologie Lexis Grammatik Diskursfähigkeit Wissen über Literatur und Kultur Kulturelle Diskursfähigkeit Literarische Analysefähigkeit Fachdidaktisches Wissen Sprachverarbeitung und -produktion Hören, Sprechen, Lesen, Schreiben + Integration der vier Fertigkeiten Wissen um Lernstrategien Risk-taking Ambiguitätstoleranz Self-monitoring Kommunikationsstrategien Wissen um Lehrstrategien Unterschiedliche Typen von Aktivitäten Unterschied zwischen fluency - und accuracy -basierenden Aktivitäten Adaptation von Materialien für unterschiedliche Anforderungsbereiche Wissen über Lernende Lernerkognitionen und falsche Auffassungen über Lernen/ Lehren Vorwissen Entwicklung von Lernen Motivation Wissen um interkulturelle Interaktion Lernerwissen, Fähigkeiten und Strategien, um interkulturell kommunizieren zu können 3.1 Forschung zu Fremdsprachenlehrerprofessionalität 57 Wissensdomänen Englischunterricht Sub-Dimensionen Kontext- und Curriculumwissen Wissen über den Bildungskontext, Absichten, Ziele und Zweck Materialien und Programme als Handwerkszeug der Lehrkraft Verstehen des Lernpotentials von Heranwachsenden, Bildungsstandards, Curricula, (interne) Schulentwicklungsabsichten/ -programme Allgemein-pädagogisches Wissen Lernmanagement Motivation der Lernenden Empowerment von Lernenden Classroom management Ressourcenmanagement Authentizität Verfügbarkeit Angemessenheit der verwendeten Materialien Tab. 1: Wissensdomänen von Englischlehrpersonen (Roters 2017: 171; eigene Übersetzung). In einer Zusammenschau überwiegend internationaler Studien zum Wissen von Englischlehrkräften 35 stellt Roters (2017), unterteilt nach den Oberkategorien Shulmans (1986), Domänen und Subdomänen zusammen, die in Tabelle 1 dargestellt werden. Sie erklärt, dass die einzelnen Dimensionen als interdependent zu verstehen sind, was auch PKE und FALKO-E zeigen können, gleichzeitig diese Einteilung keineswegs einen Vollständigkeitsanspruch erheben kann und weiterer Ausschärfung bedarf. Insbesondere Aspekte des über die Zeit formaler (Aus-)Bildung und Lehrtätigkeit generierten Erfahrungswissens, der „apprenticeship of observation“ (Lortie 1975) anderer professionell Agierender (auch der eigenen Schulzeit), des Reflektierens theoretischer Wissensbestände sowie die eigenen Beliefs spielen eine besondere Rolle, die mit quantitativen Erhebungen nur schwer ermittelbar erscheinen. Mit diesen, in der Tendenz anderen Formen von Wissen, „the hidden side of work“ wie Freeman (2002) es in einem vielzitierten Aufsatz bezeichnet, beschäftigt sich Joachim Appel (2000), der als einer der ersten im deutschsprachigen Raum dezidiert das Erfahrungswissen von Fremdsprachenlehrer*innen untersucht. Er fokussiert hier im Besonderen auf 35 Hierzu gehören neben der allgemeinpädagogischen Grundlage von Shulman (1986), nach dem Roters die Einteilung vornimmt, auch die Arbeiten von Tsui (2003) sowie Borg (2006), auf die hier ebenfalls eingegangen wird. 58 3 Fremdsprachendidaktische Professionsforschung inkorporierte Alltagserfahrungen innerhalb einer Kultur des Fremdsprachenunterrichts danach fragend, wie kollektive Werte und Lehrer*innenwissen aus der Praxis durch Lerngelegenheiten geformt, berufsbiographisch bestimmt und zu theoretischem Wissen reflexiv in Beziehung gesetzt werden. Dazu interviewt er teilstrukturiert-narrativ 20 Lehrerinnen und Lehrer auf Grundlage kognitiver theoretischer Konstrukte wie Subjektive Theorien und Beliefs (s. u.), personenbezogenen Aspekten von Erfahrungswissen im Sinne eines Personal Practical Knowledge (Elbaz 1983) und des Pedagogical Content Knowledge in Anschluss an Shulman (1986). Zum einen werden verschiedene Kontexte herausgearbeitet, die eher personaler oder interaktionaler Natur mit Lernenden und Kolleg*innen sind wie beispielsweise der Umgang mit administrativen Vorgaben, Unabwägbarkeiten bei der Unterrichtsplanung oder die Beziehungsebene. Zum anderen extrahiert Appel Dimensionen fremdsprachendidaktischen Erfahrungswissens, das u. a. den Wert von Auslandserfahrungen sowie die Bedeutung des Lehrwerks als zentral darstellt und methodisch-didaktische Grundannahmen von Grammatik sowie Unterrichtskommunikation der untersuchten Lehrerinnen und Lehrer zusammenzustellen vermag. 36 3.1.2 Beliefs, Subjektive Theorien und Reflexivität Einen weitaus bedeutenderen Schwerpunkt bilden im Zusammenhang mit fremdsprachendidaktisch orientierter Professionsforschung seit 2000 Vorhaben und deren einschlägige Publikationen, welche sichtbar werden lassen, wie sich die subjektive Sicht der Lehrkräfte bzgl. ihrer Tätigkeit, z. B. auch bezogen auf konkrete fremdsprachendidaktische Konstrukte oder Methoden, konstituiert und wie sie reflexiv damit umgehen. In diesem Kontext fällt jedoch ebenfalls auf, dass Forschung zu dem Lehrer*innenberuf vorgeschaltete Motive bzw. zu Berufsbiographien überraschend kurz kommen. Valadez Vazquez (2014), Özkul (2011) und Dirks (2000) stechen für diesen Bereich insofern heraus, dass sie zumindest auf diese Berufswahlmotive sowie berufsbiographische (bei Valadez Vazquez (2014) identitäre) Entwicklungsprozesse fokussieren. Özkul (2011) kann beispielsweise in ihrem quantitativ orientierten Vorhaben aufzeigen, dass die Lehramtsstudierenden des Faches Englisch nicht primär aus Interesse am Fach 36 Für diese Untersuchung auch interessant sind Appels Erkenntnisse zu institutionellen Lerngelegenheiten wie dem Referendariat, zu denen sich die befragten Lehrkräfte ebenfalls äußern. Die Teilnehmenden schildern dieses als große Belastung, was neben einem erhöhten Leistungsdruck durch schlechte Einstellungschancen der Befragten zu deren Referendariatszeit primär mit dem „Prüfungscharakter des Referendariats“ (Appel 2000: 172) innerhalb eines starken Abhängigkeitsverhältnisses begründet werden kann. Die Erfahrungen decken sich damit weitgehend mit den in Kapitel 2 bereits dargestellten Erkenntnissen. 3.1 Forschung zu Fremdsprachenlehrerprofessionalität 59 Lehrerin oder Lehrer werden möchten, sondern aus einer Motivik heraus, die dem angestrebten Berufsfeld immanent zu schein scheint wie z. B. Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Auch positive Erfahrungen in der eigenen Schulzeit spielen eine bedeutende Rolle. Dennoch zeigt sich zusammenfassend, dass die befragten Personen sich für „diesen Beruf vornehmlich aus pädagogischen Motiven und [für] das Fach Englisch auf Grund ihres Interesses für die englischsprachigen Länder und Kulturen“ (ebd.: 229) sowie zur Förderung der eigenen Sprachkompetenz entscheiden, nicht jedoch aus englischdidaktischen oder primär kulturvermittelnden Motiven. Die EVENING-Studie ( Evaluation Englisch in der Grundschule ; vgl. Engel et al. 2009, Börner et al. 2013), die Englischlehrkräfte im Primarbereich untersucht, kann ähnliche Berufswahlmotive wie Özkul herausarbeiten, wobei hier aufgrund der Spezifität der Fremdsprache in der Grundschule auch bereits schon die frühe Bedeutung des Englischen in der Schullaufbahn gesehen wird, jedoch auch ein gewisser Wettbewerbsvorteil durch das Beherrschen des Faches als Grundschullehrkraft gesehen wird. Die Besonderheit, dass zahlreiche Lehramtsstudierende gleich zwei Fremdsprachen studieren, geht ebenfalls häufig damit einher, dass neben dem Berufswunsch Lehrer/ Lehrerin ferner eine andere, außerschulische Perspektive im Anschluss gesehen oder zumindest offengehalten wird (vgl. Weiß/ Kiel 2011), außerdem zeigen diese Studierenden erwartungsgemäß ein erhöhtes Interesse an den fachlichen Inhalten der Fremdsprache(n) (ebd.). Basierend auf narrativen Interviews und mittels berufsbiographisch, struktur-, kompetenz-, sowie hier als „entwicklungstheoretisch“ gewendet, geprägter Konstrukte untersucht Dirks (2000), mit welchen Herausforderungen sich Englischlehrkräfte in den neuen Bundesländern seit der Wiedervereinigung konfrontiert sehen, ob und wie sie einen Rollenwechsel vollziehen und wie sie diesen reflexiv bearbeiten. Die von Dirks rekonstruierten Entwicklungsprozesse scheinen sich zunächst überwiegend nicht mittelbar auf die Spezifik einer Englischlehrkraft beziehen, sondern dürften Prozesse sein, die auch Lehrkräfte anderer Fächer aufgrund des sich im Bildungssystem vollziehenden Ideologiewechsels durchlaufen. Interessanterweise erleben sie jedoch bezogen auf das Fach Englisch gegenüber dem vorherigen Primat des Russischen eine Aufwertung, die sich ebenfalls positiv auf ihre subjektiv wahrgenommene Wichtigkeit als Lehrkraft auswirkt. Neue Lehr- und Unterrichtsmaterialien sowie strukturell neu gewonnener Freiraum erlauben den Englischlehrkräften innovatives Ausprobieren, was strukturtheoretisch gedeutet werden kann und sozial abgefedert wird: „Diese Experimentierphase stellt sich auf der individuellen Handlungsebene als eine produktive Verunsicherung dar, die durch den Verbleib in gewachsenen kollegialen Strukturen bzw. durch einen sozialen und psychischen Rückhalt im Kollegium und/ oder durch private Stützsysteme aufgefangen wird.“ (ebd.: 211) Denjenigen 60 3 Fremdsprachendidaktische Professionsforschung Lehrerinnen und Lehrern, denen das reflexive Einholen dieser Innovationsräume nicht gelingt, misslingt auch eine Neuorientierung. Hieraus folgert Dirks entsprechend eine stärkere Implementation von (berufsbiographischer) Reflexion in den lehrerbildenden Phasen, was beispielsweise ebenfalls Reinartz (2003) im Kontext didaktischen Wissens hinsichtlich des Prinzips der Handlungsorientierung im Englischunterricht herausstellt. Hier zeigt sich eine Vertiefung bzw. Verschränkung theoretischen Wissens und seinem Anschluss an Praxis vornehmlich dann, wenn es situativ berufsbiographisch anwendbar wird. 37 Reflexion als besondere Wissensform und Reflexivität als entwickelbare bzw. entwicklungsbedürftige Kompetenz bildet dabei ein verhältnismäßig breites Feld innerhalb der Fremdsprachenforschung, zumal wenn man noch die Forschung zu Subjektiven Theorien und Beliefs hinzunimmt (vgl. Caspari 2014), denen man unterstellen kann, dass sie über Reflexivität einer gewissen Bewusstmachung unterliegen können. Wenn über Reflexionsprozesse oder -kompetenzen im fremdsprachendidaktischen Diskurs gesprochen wird, erfolgt dies in der Regel im Anschluss an Deweys frühe Konzeptualisierung reflexiven Denkens (vgl. Dewey 1933) und Schöns prägende Unterscheidung von Reflection on und in action (vgl. Schön 1983, 1990). Im Anschluss an Dewey, Schön sowie Expertiseansätze arbeitet Roters (2012) im Vergleich von US-amerikanischen und deutschen Lehramtsstudierenden unterschiedliche Reflexionsniveaus heraus und leistet dabei einen Beitrag, Reflexivität innerhalb von (Fremdsprachen-)Lehrerbildung empirisch greifbar zu machen. 38 Denn obwohl Reflexion und Reflexivität als essentielle Bestandteile erfolgreicher (Fremdsprachen-)Lehrerprofessionalität angesehen wird (vgl. z. B. Bach 2013, Gerlach 2015, Schädlich 2015, Abendroth-Timmer 2017), zeigt sich in zahlreichen Publikationen weiterhin ein erhebliches Forschungsdefizit bzgl. Reflexivität und Uneinigkeit darüber, wie wirksam und nachhaltig das Schaffen von Reflexionsanlässen tatsächlich ist, welche Auswirkungen eine reflektierte und reflektierende Lehrperson auf Lernendenleistungen im Fremdsprachenunterricht hat und wie sich die Wirkung von Reflexion auch je nach reflektiertem Gegenstand unterscheidet (vgl. Akbari 2007, Borg 2009, Mann/ Walsh 2013). Das Europäische Portfolio für Sprachlehrende in Ausbildung (EPOSA; Newby et al. 2007, Mehlmauer-Larcher 2012), konsensuell von einem Konsortium theoretisch hergeleitet, kann sowohl als normative Anforderungsfolie von Fremdsprachenlehrerkompetenzen wie auch als Reflexionsinstrument angesehen werden, bietet 37 Die berufsbiographische Bedeutsamkeit von Schlüsselerlebnissen mitsamt kontextueller, sich ggf. ändernder Faktoren, wird auch in der internationalen Identitätsforschung deutlich herausgestellt (vgl. zusammengefasst in Miller 2009). 38 Roters führt bspw. die „Diskrepanzerfahrungen“ (ebd.: 273) der Lehramtsstudierenden sowie der Lehrkräfte an, die insbesondere im Übergang von erster zu zweiter Phase kaum reflexiv einholbar erscheinen. 3.1 Forschung zu Fremdsprachenlehrerprofessionalität 61 es doch angehenden Fremdsprachenlehrkräften die Möglichkeit, innerhalb verschiedener Domänen theoretischen Wissens und praktischen Handelns in Form einer Selbstdiagnose festzustellen, wo sie gewissermaßen bereits stehen und in welchen Feldern noch Entwicklungsbedarf vorhanden ist. 39 Während ich selbst u. a. im Anschluss an EPOSA-Deskriptoren noch auf einer konzeptionellen Ebene der möglichen Integration von sogenannten Reflexionsaufgaben in fremdsprachenlehrerbildenden Seminaren verbleibe (vgl. Gerlach 2015), unternimmt Schädlich (2015) (auch mittels des EPOSA) den Versuch, Reflexionskompetenz durch die Überbrückung des Theorie-Praxis-Verhältnisses von Französischlehramtsstudierenden in deren Fachpraktikum auszuschärfen. In Anschluss u. a. an Farrell (2016), der selbst ein vielschichtiges, in seinen verschiedenen Bereichen auch empirisch belastbares Reflexionsmodell auf verschiedenen Ebenen von Lehrerpersönlichkeit bis Lehrer*innenhandeln und Berufsethos vorgelegt hat (vgl. Farrell 2015), stellt Abendroth-Timmer (2017) ein „Modell zur Definition und Rahmung von Reflexion“ (ebd.: 111) mit verschiedenen Ebenen vor, die in Interaktion miteinander treten bzw. einander beeinflussen (s. Abbildung 6). Insbesondere bezogen auf Fremdsprachenlehrpersonen sieht Abendroth-Timmer „die identitätsstiftende Bedeutung der Sprache als Mittel zur Materialisierung der Reflexion und als Teil sozialer Praxis“ (ebd.: 121), welche sich wiederum im Handeln, der Abarbeitung theoretischer Konzepte sowie in unterrichtlicher Interaktion widerspiegeln kann und damit ein Konstrukt darstellt, das auch phasenübergreifend oder -spezifisch zur Rekonstruktion handlungsleitender Elemente in der Ausbildungs- und Lehrpraxis dienen könnte. 39 Es ist der knappen Darstellung geschuldet, dass nicht alle Reflexionsansätze und -tools der vergangenen zwei Jahrzehnte dezidiert aufgeführt werden können, zumal sie als solche Werkzeuge auch direkt zu einer Art Interventionsmaßnahme werden, welche den Schwerpunkt des nächsten Unterkapitels bildet. Erwähnt werden soll dennoch, dass im Zusammenhang mit Fremdsprachenlehrer/ innenreflexion häufig der Einsatz von Portfolios (vgl. exemplarisch Burwitz-Melzer 2004/ 2018 und Becker et al. 2012) oder auch von Videographie beispielsweise innerhalb komplexer Reflexionsszenarien mit technischer Unterstützung (vgl. z. B. Legutke/ Schocker-von Ditfurth 2008) diskutiert wird. 62 3 Fremdsprachendidaktische Professionsforschung Abb. 6: Modell zur Definition und Rahmung von Reflexion (Abendroth-Timmer 2017: 111). Forschung zu Reflexion geht schnell über in Interventionsforschung (s. nächstes Kapitel) bzw. Projekte, die explizit Lehrkräfte zum Reflektieren anleiten, was Wipperfürth (2015) mittels des Konstrukts der Professional vision unternimmt. Durch den interaktiven Austausch und die Diskussion mit anderen Professionellen der gleichen Berufsgruppe, in diesem Fall mit Englischlehrkräften, können für die Interagierenden relevante thematische Schwerpunkte oder Herausforderungen der Praxis gemeinsam als Professional vision (vgl. auch Goodwin 1994) erarbeitet, reflektiert und lösungsorientiert verhandelt werden. In ihrer Studie analysiert Wipperfürth (2015) die in einem solchen Kontext genutzte Berufssprache, wenn erfahrene Fremdsprachenlehrkräfte gemeinsam mit Novizinnen und Novizen über videographierte Unterrichtsbeispiele diskutieren und ihr (Erfahrungs-)Wissen explizieren. Einen methodisch-methodologisch ähnlichen Weg geht Knorr (2015), wenn sie im Zusammenhang von Planungsgesprächen erster Unterrichtsvorbereitungen angehender Englischlehrkräfte die Ko-Konstruktion fachspezifischen Wissens und dessen Aushandlung beforscht. Sie zeigt hier u. a., dass der tatsächliche Planungsprozess der Studierenden anders verläuft, als die von ihr theoretisch zusammengetragenen Planungskonzepte - mögen sie allgemeindidaktisch oder fremdsprachendidaktisch orientiert sein - dieses anvisieren. Sie sieht eine stärkere Anleitung des Planen-Lernens als zielführend für professionelles Wissen und Handeln, da ein solches, instruiert und begleitet durch das Praktikumspersonal, eine größere Transparenz hinsichtlich der Ziele in dieser Ausbildungsphase bewirken könnte (vgl. auch Knorr 2016). Einen weiteren, hier anschlussfähigen Forschungsschwerpunkt bildet die Frage danach, „[was] in den Köpfen von Fremdsprachenlehrer(inne)n vorgeht“ (Caspari 2014: 20) und meint damit den Forschungsbereich von Lehrerkognitionen, Beliefs und der Subjektiven Theorien, von denen letztere insbesondere aufgrund des in den 80er Jahren aufgelegten Forschungsprogramms großen Einfluss ge- 3.1 Forschung zu Fremdsprachenlehrerprofessionalität 63 nommen hat (vgl. Groeben/ Scheele 2010) und erstere verstärkt durch internationale Forschungsarbeiten geprägt und hier im Feld der Fremdsprachenlehrkräfte besonders mit dem Namen Borg (2003, 2006) verknüpft sind. Caspari (2003) untersucht in Anlehnung an die Annahmen des Forschungsprogramms Subjektive Theorien das berufliche Selbstverständnis von Fremdsprachenlehrkräften mittels Interviews und deren Sequenzanalyse sowie der Herausarbeitung von Strukturbildern, die sie im Anschluss an die innerhalb des Forschungsprogramms häufig verwendete Strukturlegetechnik beschreibt. Von drei Grenzfällen ausgehend, deren Selbstverständnis sie in ihrer Gesamtstruktur betrachtet, modelliert sie sowohl einen berufsbiographischen Zugriff des Selbstverständnisses, das stark von der eigenen Sprachlernbiographie der Lehrkräfte geprägt ist, sowie einen kompetenztheoretischen Zugriff, für den sie verschieden wahrgenommene Rollen und Funktionen der Lehrkräfte extrahiert. Auch in weiteren Arbeiten, die subjektive Sichtweisen herausarbeiten, zeigt sich, „dass es sich dabei um hoch komplexe Gebilde handelt, die insbesondere durch die eigene Lernerbiographie, die beruflichen Erfahrungen und die Wahrnehmung der Kontextfaktoren geprägt sind“ (Caspari 2014: 25). Caspari (ebd.) unterteilt neben den Schwerpunkten „Unterrichtsbeobachtung“ und umfassender subjektiver Theorien von Fremdsprachenlehrkräften die weiteren Forschungsschwerpunkte der Jahre 2000 bis 2013, auf die hier im Detail zumindest inhaltlich nicht in Gänze eingegangen werden kann, in die Bereiche „Bilingualer Sachfachunterricht“, „Grammatik und kommunikative Kompetenzen“, „Evaluation von Lernerleistungen“, „Mehrsprachigkeit - Mehrkulturalität - interkulturelles Lernen“ sowie „Prinzipien modernen Fremdsprachenunterrichts“ (ebd.: 25 ff.), wodurch sich zeigt, dass besonders und zunehmend in methodisch-didaktischer Hinsicht subjektive Sichtweisen der Lehrerinnen und Lehrer als relevant eingeschätzt werden bzw. auch mehrperspektivisch die Lernendenseite berücksichtigt wird. 40 Viebrock (2007) stellt ihrerseits methodologisch als eines der Fazits ihrer Rekonstruktion subjektiver didaktischer Theorien von Lehrpersonen zum bilingualen Erdkundeunterricht heraus, dass eine strenge Auslegung des Forschungsprogramms Subjektive Theorien , an das sich Caspari (2003) bewusst eher nur angelehnt hat 41 , speziell im Zusammenhang mit der kommunikativen Validierung von Daten, d. h. der Konfrontation der Probandinnen und Probanden mit den Analysen, 40 Caspari (2014) fasst in ihrem Beitrag bezogen auf die unterschiedlichen thematischen Schwerpunkte im Forschungszusammenhang Subjektiver Theorien die einschlägigen Arbeiten jeweils kurz zusammen, was hier an dieser Stelle nicht umfassend geschehen kann. 41 An anderer Stelle stellt Caspari (2016) heraus, dass der tendenziell freiere Umgang mit den Prämissen und Konstrukten des Forschungsprogramms Subjektive Theorien „ein Zeichen für die gewachsene forschungsmethodische Unabhängigkeit der Fremdsprachendidaktik sein könnte“ (ebd.: 45). 64 3 Fremdsprachendidaktische Professionsforschung „forschungsethische Probleme mit sich bringt“ (Viebrock 2007: 326). Gleichwohl betont sie als ein Ergebnis ihrer Untersuchung die auch für den bilingualen Unterricht geltende Bedeutung von Reflexion und der Bewusstmachung Subjektiver Theorien der Lehrpersonen als notwendigen Bestandteil im Professionalisierungsprozess und zur Bewusstmachung von individuell verfügbarem Wissen. Schocker-von Ditfurths Studie (2001), die aufgrund des Erscheinungszeitpunkts vom Forschungsschwerpunkt Subjektive Theorien sowie Reflexion in Schönscher Tradition geprägt ist, wird durch ihr Design eines Fachpraktikums und dessen ethnographisch orientierter Evaluation als Interventionsansatz sichtbar (s. u.), fokussiert jedoch ebenfalls stark auf das berufliche Selbstverständnis und wie sich dieses im Rahmen eines entsprechenden Praktikumserlebens und -reflektierens entwickelt. So zeigt sie beispielsweise ein Zurückfallen der Studierenden in methodisch-didaktische Begründungszusammenhänge ihrer eigenen Schulzeit, die nur selten (oder gar nicht) mit den Ansprüchen und Konzepten eines modernen, d. h. schüler- und kommunikationsorientierten Fremdsprachenunterrichts zusammenzubringen sind, während das von ihr entwickelte Fachpraktikum hier eine deutliche Weiterentwicklung, vor allem reflektiert-nachvollziehbare Professionalisierung innerhalb des Studiums zur interdependenten Überbrückung der vermeintlichen Theorie-Praxis-Lücke sowie einen Zuwachs an Erfahrungs- und wissenschaftlichem Wissen bei den beforschten Subjekten erkennbar werden lässt. Dies gelingt innerhalb dieses Konzepts u. a. durch das konsequente Einholen des biographisch geprägten Selbstverständnisses und der Lehr- und Lernerfahrungen der angehenden Lehrkräfte innerhalb der Intervention. Bezogen auf eine Vielzahl von englischunterrichtsrelevanten Fragestellungen untersucht Borg in mittlerweile fast 100 Publikationen und Metaanalysen die Beliefs von Englischlehrkräften in verschiedenen globalen Kontexten. Neben diesen umfassenden und einschlägigen Publikationen, die auch schon früh in umfassender Weise weitere Ergebnisse zu Lehrerkognitionsforschung zusammenfassen (z. B. Borg 2003), erarbeitet er selbst „A Framework for Studying Language Teacher Cognition“ (Borg 2006: 271 ff.), um hierin seine eigenen Erkenntnisse münden zu lassen und für die verschiedenen, an Lehrerbildung beteiligten Personen und Institutionen nutzbar machen zu können. Er unterteilt einen potentiellen Forschungsansatz in zwei unabhängige Variablen: zum einen in die Teilnehmenden, welche noch in Ausbildung sein können (pre-service) oder schon Unterricht erteilen (in-service) , zum anderen in Themen, welche generischer Natur sein können (Unterrichtsplanung, Didaktik, allgemeine Methodik) oder domänenspezifisch (Grammatik, fremdsprachliche Kompetenzen). Inwiefern sich dann Fremdsprachenlehrerkognition und das Beliefs -System konstituiert, stellt Borg mitsamt seinen Elementen und Prozessen mittels einer älteren Abbildung dar, die er aber in späteren Publikation weiter verwendet (s. Abbil- 3.1 Forschung zu Fremdsprachenlehrerprofessionalität 65 dung 7). Borg betont wiederholt die zeitlich andauernde Stabilität von Beliefs und Überzeugungen und damit ihre Trägheit und Innovationsresistenz (vgl. Borg 2003/ 2006). Dies bestätigt - interessanterweise zu Englischlehrkräften im Vorbereitungsdienst - Rossa (2017) in einem Werkstattbericht einer laufenden Studie. Er zeigt, dass deren Beliefs über den 18-monatigen Zeitraum in NRW erwartungsgemäß recht stabil bleiben und die strukturellen Schwierigkeiten des Vorbereitungsdienstes, die in Kapitel 4 noch ausführlich gewürdigt werden, die größten Herausforderungen bereiten. Manche Beliefs werden allerdings auch abgelöst oder um neue ergänzt. Rossa führt als neu adaptierte Beispiele auf: „a more structured approach in designing teaching sequences, breaking learning processes down to smaller steps, and the perceived importance of differentiated instruction” (ebd.: 205), didaktisch-methodische Wissensbestände also, die scheinbar erst mit der Übernahme eigener Klassen relevant zu werden scheinen. Abb. 7: Fremdsprachenlehrerkognition und Beliefs konstituierende Elemente und Prozesse (Borg 2003: 82). Im Feld der internationalen Forschung zu Reflexivität und Beliefs fällt auf, dass dort im Gegensatz zur deutschen Forschung überwiegend von Identitätskonstrukten ausgegangen wird, die primär im Anschluss und in Tradition von 66 3 Fremdsprachendidaktische Professionsforschung Meads Self zu sehen sind und zudem auf das Herausbilden und eine Bewusstseinsentwicklung von Persönlichkeitsstrukturen durch das Individuum fokussieren (vgl. Mead 1973; für eine Übersicht von Identitätskonstrukten in der Fremdsprachenlehrerbildung international vgl. Miller 2009 und Schultze 2018), während beispielsweise das Forschungsprogramm Subjektive Theorien explizit als Deutungspostulat aufstellt: • Kognitionen der Welt- und Selbstsicht • als komplexes Aggregat mit (zumindest impliziter) Argumentationsstruktur, • das auch die zu objektiven (wissenschaftlichen) Theorien parallelen Funktionen • der Erklärung, Prognose und Technologie erfüllt. (Groeben/ Scheele 2010: 153) Interessanterweise spielt ein offeneres Konstrukt von Identität und ihrer (Aus-) Bildung dann wiederum im Kontext der Entwicklung interkultureller (kommunikativer) Kompetenz im fremdsprachlichen Unterricht - allerdings eher auf Seiten der Lernenden - eine gewichtige Rolle, bei dem individuelle Haltungen, Vorwissen sowie Fremdverstehen mittels der Sprache und Begegnung fremdsprachlich geprägter Kulturen offengelegt und gefördert werden sollen (vgl. Byram 1997, Busse/ Göbel 2017). In verschiedenen Reflexionsmodellen ist häufig Identitätsbildung angelegt (vgl. z. B. Abendroth-Timmer 2017), interbzw. transkulturelle Kompetenz wiederum hat z. B. Wilden (2013) bei angehenden Fremdsprachenlehrpersonen im Kontext des fremdsprachlichen Literaturunterrichts untersucht, Martinez (2008) beforscht die Subjektiven Theorien, ebenfalls von angehenden Lehrkräften, im Hinblick auf die Konzepte Sprachlernverständnis und Lernerautonomie. Eine stärker berufsbiographisch orientierte Perspektive nehmen Valadez Vazquez (2014) und Schultze (2018) ein, wenn sie sich Identität als theoretisches und empirisches Konstrukt zunutze machen. Valadez Vazquez (2014) zeigt beispielsweise, „dass berufliche Identitätsprozesse von (angehenden) Spanischlehrenden stark von ihrer subjektiven Zufriedenheit mit dem (späteren) Spanischlehrberuf abhängen“ (ebd.: 416). Wie in ihren Fallrekonstruktionen deutlich wird, ist diese Zufriedenheit sowohl abhängig von der aktuellen Phase, in der die Spanischlehrkräfte sich befinden, aber auch von der Identifikation mit dem Fach sowie dem eigenen Erleben als „sprachkompetent“. Schultze (2018) untersucht auf der Grundlage verschiedener Identitätskonstruktionen (und ihrer kritischen Bewertung), wie sich professionelle Identitäten von angehenden Englischlehrpersonen - in ihrem Beispiel zwei Englisch-Lehramtsstudierende, die als ausführliche Fallrekonstruktionen dargestellt werden - entwickeln und wie diese beruflichen und berufsbiographisch wachsenden Identitäten beispielsweise auch mit den individuellen Sprachlernbiographien zusammenhängen. 3.1 Forschung zu Fremdsprachenlehrerprofessionalität 67 Wird der Fremdsprachenlehrer*innenrolle mittels Subjektiver Theorien, Beliefs und Reflexivität besondere Beachtung geschenkt, werden diese Konstrukte selten zum Selbstzweck als zugrundeliegende Ansätze oder zur Erhebung der Innenperspektive der Lehrpersonen verwendet, sondern häufig zielgerichtet als Grundlage für Interventionen und Qualitätsoptimierungen eingesetzt, was der Schwerpunkt des nächsten Kapitels sein soll. 3.1.3 Aktionsforschung und Interventionen Umfassendere, langfristige Prozesse von Fremdsprachenlehrerprofessionalisierung innerhalb der deutschen, phasigen Lehrerbildung wurden bislang kaum untersucht. Vielmehr sind es bestimmte Interventionen im Studium oder im Schuldienst, die auf ihre Wirkung auf Seiten der Lehramtsstudierenden oder der Lehrkräfte hin betrachtet werden. Häufig anschlussfähig an die Konstrukte Reflexion und Reflexivität kann im Bereich von Fremdsprachenlehrerprofessionalisierung als eine durchaus prominente Interventionsmaßnahme die Aktionsforschung (auch Handlungs- oder Lehrerforschung) gesehen werden, die sich nicht nur im deutschsprachigen Raum, sondern auch besonders international gemessen an der Zahl der Veröffentlichungen stark steigender Beliebtheit erfreut. 42 Der Ansatz bezeichnet dabei zunächst einmal „eine Arbeitsrichtung …, die Lehrpersonen dazu animiert und dabei unterstützt, ihre Praxis zu erforschen und weiterzuentwickeln“ (Altrichter/ Feindt 2014: 285), gleichsam die Förderung des in den Lehrerbildungsstandards für das Fachprofil Neue Fremdsprachen aufgeführten „forschenden Habitus“ (s. o.). Diese Haltung scheint insbesondere virulent durch die Neufokussierung auf die Rolle der Lehrperson im allgemeinpädagogischen - und wenn man so möchte Hattieschen - wie auch fachdidaktischen Sinne einer soziokulturellen Wende, Lehrer*innen dazu ermutigend „active users and producers of theory in their own right, for their own means, and as appropriate for their instructional contexts“ ( Johnson 2006: 240) zu werden. Wie Borg (2013) im Anschluss an seine Beliefs -Forschung darstellt, kann er jedoch trotz der großen Befürwortung einer solchen Lehrerhaltung, kaum feststellen, dass Aktionsforschung (Teacher research) tatsächlich (auch international) kohärent und nachhaltig in Lehrer*innenbildung oder der Praxis eingesetzt wird: 42 In der internationalen Forschung wird hier häufig zwischen Classroom research, Teacher research und Action research unterschieden (Crandall/ Christison 2016). Für eine Übersicht internationaler Fremdsprachenforschung in diesem Zusammenhang vgl. insbesondere Burns (2009/ 2013), Crandall/ Christison (2016) und auch die theoretische Aufarbeitung des Komplexes in Benitt (2015). 68 3 Fremdsprachendidaktische Professionsforschung Despite much theoretical advocacy as well as practical guidance in the form of research methods manuals for language teachers, it was clear from my reading and work in a range of international contexts that, for most teachers, teacher research remained a foreign concept, or at least and unfeasible one. (ebd.: 1) Überzeugt vom Ansatz und gleichzeitig im Bewusstsein der Tendenz Aktionsforschungs-feindlicher, bildungspolitischer Rahmungen in den verschiedenen Kontexten, die er erlebt hat, präsentiert er neben einer Metaanalyse der vorliegenden empirischen Studien vier eigene Untersuchungen mit über 1.700 Fremdsprachenlehrerinnen und -lehrern. Obwohl in Teilen der Publikation die Grenze zwischen Aktions- und Unterrichtsforschung zu verwischen scheint - und nebenbei zudem wenig konkrete Ansätze von Aktionsforschung an sich in den Fokus gerückt werden - zielt die Arbeit in Borgscher Tradition tatsächlicher eher auf die Einstellungen der an Fremdsprachenlehrerbildung beteiligten Personen ab, inwiefern diese ihre Praxis beforschen bzw. Lehrkräfte hierzu ermutigen. Dabei sind die Gründe für Lehrpersonen, nicht aktionsforschend tätig zu werden, relativ offensichtlich: „a lack of time, a belief that doing research was not part of their job, and a lack of skills and knowledge” (ebd.: 212). Es wird offensichtlich, dass Borg eine sehr akademische Sichtweise auf Teacher research verfolgt, die nicht, wie häufig konzeptualisiert, mittels basaler, forschungsmethodischer Ansätze anhand des kleinen Klassensamples gewisse Effekte des Lehrer*innenhandelns messbar machen möchte, dass eine gewisse „forschende Haltung“ als zielführend für jegliche Unterrichtsplanung und -evaluation gesehen wird. Vielmehr geht es ihm (auch) um die Rezeption (und eigene Publikation) von Interventionsergebnissen in internationalen Journals, während in bestimmten internationalen Kontexten tatsächlich eine Dissemination von Praxisforschungsprojekten stattfindet, dies jedoch eher im Rahmen von kleineren Reflexionsgruppen innerhalb bspw. eines Kollegiums erfolgt. Während in der deutschen Fremdsprachenforschung bereits Marita Schockervon Ditfurth (2001, s. o.) in ihrer Habilitationsschrift im Kontext des forschenden Lernens im Fachpraktikum 43 angehender Fremdsprachenlehrkräfte zeigte, 43 Da Schocker-von Ditfurth dieses Ausbildungsmodell (Fachpraktikum und begleitendes Seminar) entwickelt und entsprechend im Vergleich zu anderen vergleichbaren Veranstaltungen konzeptionell ausschärft und evaluiert, ist auch dieses als eine gewisse Intervention im professionstheoretischen Sinne zu verstehen. Insgesamt zeigt sich, dass das Fachpraktikum als Lern-, Reflexions- und Professionalisierungsgelegenheit der ersten Phase charakteristisch ist, so wie es z. B. auch bereits bei Gabel (1997), Elsner (2010) und Schädlich (2015, s. o.) sowie für die internationalen Kontexte zusammenfassend bei Gebhard (2009) beschrieben wird. Jedoch ist dieses Fachpraktikum in der je unterschiedlichen Ausgestaltung an den Hochschulen nicht ohne Schwierigkeiten und Herausforderungen: Elsner (2010) formuliert beispielsweise in ihrem Vergleich verschiedener 3.1 Forschung zu Fremdsprachenlehrerprofessionalität 69 wie dieses Lernen auch das Selbstverständnis formen und es in Relation zu den Anforderungen eines kommunikativen Fremdsprachenunterrichts setzen kann, geht ein anderes Projekt, neben anderen von ihr initiiert, einen anderen, weil unmittelbar in der Praxis und bei Lehrkräften ansetzenden Weg: Der Studiengang E-LINGO - Didaktik des frühen Fremdsprachenlernens an der Pädagogischen Hochschule Freiburg hat die (Weiter-)Qualifikation von Primarfremdsprachenlehrkräften zum Ziel und wurde durch Publikationen konzeptionell dargestellt (vgl. z. B. Legutke/ Schocker-von Ditfurth 2008) sowie durch entsprechende Qualifikationsschriften (vgl. Zibelius 2014, Benitt 2015) begleitend erforscht. Mittels eines (berufsbegleitenden) Blended Learning-Formats qualifizieren sich hier (angehende) Lehrpersonen für den Grundschulunterricht in Englisch oder Französisch, sind also neben Präsenzveranstaltungen mittels Onlinetools miteinander verbunden und dokumentieren dort ihre Erkenntnisse und professionelle Entwicklung auch innerhalb verschiedener Aktionsforschungsprojekte (vgl. Schocker-von Ditfurth 2008). Zibelius (2014) zeigt forschungsmethodologisch der Grounded Theory folgend, wie die Studierenden einer E-LINGO-Kohorte mittels der verwendeten Onlineplattform kollaborieren, hier zunehmend in der Praxis generiertes (Erfahrungs-)Wissen austauschen, das der anderen Teilnehmenden kommentieren und hierdurch kollaboratives Lernen entsteht. Obwohl die Studie nicht explizit auf die Professionalisierungsprozesse der Teilnehmerinnen und Teilnehmer abzielt, sondern stärker das Potential der Onlinekollaboration und des Wissensaustauschs in den Vordergrund stellt, zeigt sich für die Autorin insbesondere im Vergleich zu vorliegenden Erkenntnissen zu kollaborativem Lernen realiter (ebd.: 233 ff.), dass der tendenziell anonyme Austausch durchaus auf einer sehr persönlichen und professionell-reflektierten Ebene stattfinden kann und hier die Flexibilität des kollaborativen Onlinelernens, d. h. auch bspw. zeitversetztes Reagieren auf Beiträge Anderer, wertgeschätzt wird. Professionstheoretisch geformt und ausgehend von den Konstrukten reflexiver Praxis, (Lehrer-)Wissensforschung sowie dem Novizen-Experten-Paradigma untersucht Benitt (2015) im Rahmen ihres Dissertationsprojekts, wie und unter welchen Umständen Aktionsforschung Lehrerprofessionalisierung bzw. Teacher learning , wie sie es vorsichtiger beschreibt, stattfinden kann. Die im Rahmen von E-LINGO von den Studierenden durchzuführenden, zu dokumentierenden und präsentierenden Aktionsforschungsprojekte untersucht sie anhand der Portfolios und Lerntagebücher von zwölf Teilnehmerinnen 44 sowie Interviews Hochschulstandorte die Notwendigkeit der stärkeren Weiterbildung von schulischen Mentorinnen und Mentoren („Betreuungslehrkräfte“ ihrem Text; vgl. ebd.: 229) und die damit einhergehend notwendige Kooperation mit den Hochschuldozierenden. 44 Die Partizipierenden innerhalb der beschriebenen und untersuchten Kohorte sind alle weiblich (Benitt 2015: 131). 70 3 Fremdsprachendidaktische Professionsforschung mit diesen Praxisforschenden, um dann mittels der Dokumentarischen Methode vorrangig auf impliziter Wissensebene Themen und Dimensionen von Lehrer*innenlernen zu identifizieren, die Rückschlüsse und greifbare Antworten auf die Forschungsfrage zulassen können. Sie identifiziert acht kritische „Aha-Momente“ (ebd.: 154 ff.), die das Potential sowohl der Aktionsforschung im Sinne von vertiefter und anwendungsbezogen-reflektierter Theorie sowie den kollaborativen Mehrwert der gemeinsamen Aushandlung und Bearbeitung der Projekte mit den Kommilitoninnen transparent macht und sich in drei Dimensionen extrapolieren lassen: [The] cognitive dimension relates to a better understanding of theory and/ or teaching methodology, the interpersonal dimension refers to learning incidents linked to cooperative learning formats, and the affective dimension comprises notions of professional confidence and self-perception. (Benitt 2017: 129-130) Eine relativ geringe Rolle spielt in den einschlägigen Publikationen und Forschungsschwerpunkten die Sprachkompetenz der (angehenden) Fremdsprachenlehrerinnen und -lehrer. Auch in den oben bereits aufgeführten quantitativen Untersuchungen werden Sprachkompetenzmessungen oder -tests eher als beiläufige Kontrollvariable verwendet (wie in PKE; vgl. König et al. 2016), es wird eine Einschätzung auf Grundlage des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen (vgl. Europarat 2001) vorgenommen (wie in TEDS-LT; vgl. Roters et al. 2011) oder es wird gar keine Abfrage der Sprachkompetenz einbezogen (wie aus Gründen der Testpraktikabilität in FALKO-E; vgl. Kirchhoff 2016/ 2017). Bezüglich einer Verbesserung der Sprachkompetenz werden dabei häufig Auslandsaufenthalte angehender Fremdsprachenlehrkräfte aufgrund immersiven Spracherlebens als wirksam angesehen, was gleichzeitig im Sinne eines interkulturellen Fremdverstehens der Zielkultur einen intellektuellen wie professionalisierenden Mehrwert für die Sprachstudierenden haben soll. Auch Appel (2000) hatte im Kontext des Erfahrungswissens von Fremdsprachenlehrkräften dem Auslandsaufenthalt einen gewissen Ertrag unterstellen können, Ehrenreich (2004) jedoch relativiert diese häufig angenommenen, sich vermeintlich quasi-automatisch einstellenden Effekte eines Auslandsaufenthaltes in einer explorativen Studie. Mittels eines berufsbiographischen Ansatzes erhebt sie querschnittsartig mittels Interviews den Ertrag des sogenannten Assistant -Jahres, den examinierte Lehramtskandidatinnen und -kandidaten in der Regel vor ihrem Eintritt in den deutschen Vorbereitungsdienst oder Schuldienst absolvieren. Es zeigt sich, dass dieser angenommene Ertrag im Sinne einer Weiterentwicklung von zahlreichen Faktoren auf personaler und situativer Ebene komplex abhängig ist, in der Regel bezogen auf das gezogene Sample sogar kaum an die 3.2 Zwischenfazit II 71 eigene Lehrerbildung angebunden wird, sondern primär der persönlichen bzw. persönlichkeitsbildenden Weiterentwicklung ohne mittelbare Professionsrelevanz zugeschrieben wird. Die subjektiv eingeschätzte Entwicklung der Sprachkompetenz ist ebenfalls eher ernüchternd: Die Diskrepanzen bei der Bewertung des fremdsprachlichen Fortschritts spiegeln die ausbildungsphasenspezifische Vorherrschaft unterschiedlicher Sprachbegriffe - akademische Schriftsprache an der Hochschule versus flexibles mündliches Sprachhandeln in Referendariat und Schule - wider. (ebd.: 436) Dafür zeigt sich jedoch eine verstärkte zielkulturelle Wahrnehmung bzw. auch eine Übertragung der hier positiven Erfahrungen in Form von „‚begeisterter landeskundlicher Vermittlung‘ und als Engagement im Schüleraustausch“ (ebd.: 436). Ehrenreich kommt u. a. zu dem Schluss, dass das Assistant -Jahr stärker in und an Lehrerbildung ein- und angebunden und „als spezifischer Lernort “ (ebd.: 444; Hervorhebung im Original) wahrgenommen werden müsse, um tatsächlich im Hinblick auf berufsbiographisch-professionsrelevante und insbesondere fremdsprachendidaktisch relevante Entwicklungspotentiale wirksam(er) zu werden, während es bislang noch zu stark von der je individuellen Einsatzbereitschaft der Lehrkräfte und deren persönlichkeitsbezogenen Neigungen abhängig ist. 45 3.2 Zwischenfazit II: Spezifik von Fremdsprachenlehrerprofessionalität und ihrer Erforschung Es mag kaum überraschen, dass vor allem die Lücke bzw. die „gap“ zwischen Theorie und Praxis, „theory and practice“, auch die deutsche und internationale, fremdsprachendidaktische Forschung im Besonderen beschäftigt und damit allerdings zunächst wohl kaum als ein Spezifikum einer gewissen Fremdsprachenlehrerprofessionalität gesehen werden kann. Oder etwa doch? Besteht möglicherweise gerade in der, wie im Kontext des Professionswissens herausgearbeitet, geringen Strukturiertheit der Domäne Fremdsprachendidaktik eine besondere Problematik der Disziplin, dessen Charakteristik die Überwindung des Grabens zwischen Theorie und Praxis besonders erschwert und damit eine 45 Dass dies keine spezifische Problematik für deutsche Sprachstudierende oder Lehramtskandidatinnen und -kandidaten darstellt, zeigt exemplarisch Möllering (2012) für ein australisches Austauschprogramm, für das sie auch die besondere Notwendigkeit institutioneller Vorbereitung und Einbettung dieser Lerngelegenheit für die Studierenden herausstellt. 72 3 Fremdsprachendidaktische Professionsforschung besondere Professionalisierungsbedürftigkeit der Lehrerinnen und Lehrer moderner Fremdsprachen impliziert wird? Ist hierin die Forderung nach einem „forschenden Habitus“ der Fremdsprachenlehrkraft begründet, die sich sonst in keinem anderen Fach der Ländergemeinsamen inhaltlichen Anforderungen für die Fachwissenschaften und Fachdidaktiken in der Lehrerbildung (KMK 2017) zeigt oder ist dies lediglich eine Folge domänenspezifischer Tradition von Aktionsforschung und der Betonung einer zu fördernden und zu erreichenden Reflexionskompetenz? Zumindest wird nach der Sichtung des Forschungsüberblicks international bereits ein Bottom-up -Ansatz von Fremdsprachenlehrerbildung mittels Reflexion, Aktionsforschung und anwärterorientierter Lerngelegenheiten konzeptualisiert und umgesetzt (vgl. Crandall/ Christison 2016). Wiederum ein Fragezeichen gesetzt werden müsste dann, übertragen auf die spezifisch deutsche Phasigkeit, wie diese Lerngelegenheiten abgesehen von einzelnen größeren beschriebenen Projekten wie E-LINGO (vgl. Legutke/ Schocker-von Ditfurth 2008, Zibelius 2014, Benitt 2015) zielführend in der Fremdsprachenlehrerbildung integriert werden. In der zusammenfassend historischen Betrachtung der Ausbildungsgegenstände bis in die 70er Jahre wird eine stark rezeptologische Prägung der Fremdsprachendidaktik offenbar, die teilweise bis heute nachwirkt (vgl. Kirchhoff 2017, Hallet/ Königs 2013b). International galt in der Vergangenheit ein Absprechen autonomer Handlungs- und Lernoptionen der (werdenden) Fremdsprachenlehrpersonen: „Traditionally, the professional development of teachers has been thought of something that is done by others for or to teachers.“ ( Johnson 2009: 25; Hervorhebung im Original) Parallel hierzu schlug sich unterrichtsgegenständlich ein stark kompetenzorientierter Ansatz mit Fokus auf Kommunikation als Folge der kommunikativen Wende nieder, was sich auf inhaltlicher Ebene in der Fremdsprachendidaktik als hoch einflussreiches Standardisierungsinstrument mit dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen (vgl. Europarat 2001) zeigt. Für die Ausbildung von Fremdsprachenlehrerinnen und -lehrern international bedeuteten diese Entwicklungen eine Abkehr von tendenziell formalistischen und durchstrukturierten Fremdsprachenlehrerbildungssystemen hin zu kooperativem wie eigenverantwortlicheren und selbstgesteuerten Professional development der Fremdsprachenlehrkräfte, „the recognition that teachers‘ informal social and professional networks, including their own classrooms, function as powerful sites for professional learning“ ( Johnson 2009: 25; vgl. auch Borg 2011). Diese Sichtweise auf Professionalisierung ist dabei gewiss ebenfalls dem Umstand geschuldet, dass es in internationalen Kontexten und Tätigkeitsbereichen von Fremdsprachenlehrkräften, die in den vorliegenden Metaanalysen beispielsweise die Erwachsenenbildung mit einbeziehen, seltener die Möglichkeit zur direkten Weiterqualifizierung gibt bzw. diese Möglichkeiten 3.2 Zwischenfazit II 73 nicht ohne einen gewissen Aufwand umsetzbar erscheinen. Darüber hinaus fand eine Vielzahl besonders der internationalen Forschungsprojekte z. B. zu Fremdsprachenlehrerkognitionen in Hochschulkontexten oder privaten Qualifizierungseinrichtungen statt, vernachlässigte aber häufig schulische Bildungssysteme auf der Ebene der Sekundarstufe(n) (vgl. Borg 2009: 168, Borg 2006). Benitt (2015) fasst die Entwicklungen der letzten Jahrzehnte im Bereich der Fremdsprachenlehrerbildung ( Foreign Language Teacher Education = FLTE), hier insbesondere unter Berücksichtigung internationaler Kontexte der Englischlehrerbildung, wie folgt zusammen: • Educational models have developed from linear towards cyclic models, such as the reflective model of teacher education, which assumes that learning takes place in a dialogic manner. • The distinction of pre-service (theoretical) and in-service (practical) teacher education has given way to a more holistic approach to conceptualising teacher education and teacher learning. • Teaching and teacher education are considered socio-cultural activities. Experiential learning and the activity of teaching are considered central elements of FLTE. • The teacher as well as her personal and professional learning and development has become a central subject of interest in educational research, acknowledging the important role of the teacher in the teaching and learning context. • The mode of FLTE is slowly shifting from traditional lecture mode (one-way) to group mode (interactive), in which learning takes place through joint co-construction of knowledge. At the same time, FLTE is developing from traditional university education to blended-learning and online formats of teacher education. (ebd.: 43) Während damit international eine Stärkung und Autonomieförderung auf der individuellen Ebene der Lehrkraft bzw. ihrer Kooperation mit anderen Kolleginnen und Kollegen stattgefunden hat, kritisiert Kurtz (2011), dass ihm in vielerlei deutschen Reformbemühungen vornehmlich der letzten beiden Jahrzehnte genau diese Subjektperspektive, die der (angehenden) Lehrerinnen und Lehrer, zu kurz gekommen sei. Von Seiten der Bildungspolitik und verschiedener Expertisen sei stärker das Unterrichtsgeschäft bzw. die Arbeitsausübung in den Fokus gerückt worden, seltener die Rolle und Bedürfnisse, die jede/ r einzelne Lehramtskandidat*in im Rahmen der Ausbildung einnimmt und mitbringt. Dies scheint sich - vor allem beeinflusst durch die Neufokussierung international - auch in Deutschland mittlerweile zu verschieben bedingt durch Forschung zu Lehrerkognitionen, Beliefs und Subjektiven Theorien: „It shifted attention from what teachers should know to who they are, what they already know, and what they actually do when they teach.“ (Graves 2009: 117) D.h. ohne die 74 3 Fremdsprachendidaktische Professionsforschung Bewusstmachung und Reflexion vorhandener Wissensbestände auf Seiten der angehenden Fremdsprachenlehrerinnen und -lehrer besteht die Gefahr, dass das innerhalb von Lehrerbildungscurricula vermittelte Professionswissen nur wenig Anschluss in der Praxis findet und losgelöst ohne Anwendungsbezug gleichsam verpufft. Im Kontext von Subjektiven Theorien, Beliefs bzw. Lehreridentitäten wird verschiedentlich herausgestellt, wie diese das Lehrer*innenhandeln beeinflussen (vgl. z. B. Borg 2006, Caspari 2014, Schart 2014), jedoch auch, wie stark sie z. B. durch eigene Schulerfahrungen oder Überzeugungen habituell geprägt sind, bezüglich verschiedenster Unterrichtsaspekte reflektiert werden müssen (z. B. Lortie 1975, Hochstetter 2011) und in einer gewissen Starrheit durch Lehrerbildung gleichsam nur schwer veränderbar bzw. optimierbar erscheinen (vgl. Crandall/ Christison 2016). Kubanyiova (2016) stellt z. B. in ehrlicher und beeindruckender Weise dar, wie ein innovatives Weiterbildungskonzept für Lehrkräfte aktuellste (Unterrichts-)Forschung berücksichtigt, innovative Materialien vorbereitet und diese von aufgeschlossenen Lehrkräften bearbeitet werden, die Intervention dann aber zu keinerlei positiven Effekten im Fremdsprachenunterricht führt. Sie muss zugeben: The naivety of such an objective [eine transformatorische Wirkung auf den Fremdsprachenunterricht durch die Lehrerbildungsmaßnahme; Anmerkung D.G.] and the predictability of this outcome in the context in which the programme was delivered are admittedly all too obvious in the light of the latest theorising about how language teachers learn. (ebd.: 1) Gleichzeitig erkennt man bei der genauen Lektüre des Qualifizierungskonzepts, dass dieses in keiner Weise ungewöhnlich für entsprechende Maßnahmen im universitären oder Fortbildungsbereich ist. Bezogen auf die konkrete Fremdsprachenlehrer(fort)bildung sehen Legutke/ Schart (2016) zwei Strömungen: „In Aus- und Fortbildungsprogrammen werden zwei gegensätzliche Herangehensweisen praktiziert, um das Generieren des reflektierten Handlungswissens zu fördern.“ (ebd.: 31) Das eine sei ein theoriegeleiteter, der andere ein problemorientierter Ansatz, wobei letzterer „sich aus den Erfahrungen der Teilnehmenden in der Unterrichtspraxis“ (ebd.) ergibt. Fraglich bleibt dabei, wie curricular oder ausbildungs-/ fortbildungsdidaktisch verankertes Wissen in Prozessen der Fremdsprachenlehrerbildung nachhaltig integriert wird. Immer wieder wird hier in der Gesamtschau der einschlägigen Literatur und empirischen Forschung Reflexivität bzw. Reflexionskompetenz als Lösung genannt. Auch das von Elbaz (1983) geprägte dynamische und auf verschiedenen Ebenen (re-)konstruierbare Personal Practical Knowledge (PPK) zeigt sich als bedeutendes Konstrukt in den einschlägigen Publikationen, das 3.2 Zwischenfazit II 75 vielfach in Ergänzung an eher inhalts- und curriculumsorientierten Professionswissensbeständen von Fremdsprachenlehrkräften angelegt wird und durch die Forschung im Bereich von Lehrerkognitionen eine zunehmend wichtigere Rolle insbesondere in qualitativen Forschungszugängen zu spielen scheint. Die Folgen mangelnder PPK: „At an extreme, teachers who cannot access their PPK could be portrayed as deficient“ (Golombek 2009: 159), was wiederum für eine Reflexion und Bewusstmachung auch dieser Wissensbestände in allen Tätigkeitsbereichen spricht. Im Sinne eines Ausbildungscurriculums auf der Inhaltsebene ist es wiederum schwierig, in Wissens- und Kompetenztests überhaupt fremdsprachendidaktisches Wissen zu modellieren bzw. Skalenreliabilität herzustellen (vgl. Roters et al. 2011, Kirchhoff 2016/ 2017). Die Autorinnen nennen als mögliche Gründe beispielsweise den flächendeckend geringen Anteil fachdidaktischer Seminare im Lehramtsstudium, die hohe Stabilität subjektiver Theorien über die Schulzeit und selbst erlebten Fremdsprachenunterricht hinaus, die große Komplexität einzelner fachdidaktischer Konstrukte wie zum Beispiel jenes der interkulturellen, kommunikativen Kompetenz (vgl. Byram 1997) sowie eine fehlende Kanonisierung fremdsprachendidaktischer Schwerpunkte bei einer gleichzeitig hohen Diskursivität in der Disziplin an sich. Die oben dargestellten KMK-Anforderungen für die fremdsprachendidaktisch-inhaltliche Ausgestaltung der Lehrerbildung sind, wie erwähnt, entsprechend in ihrer Unspezifität wiederholt kritisiert worden. Die Zusammenstellung putativ relevanter Inhalte scheint damit eine besondere Herausforderung für eine Disziplin der Fremdsprachendidaktik und ihrer Lehrerbildung. 46 Einzelne, auch empirisch hergeleitete Ansätze sind dennoch vorhanden. Richards (1998) schlägt im Wesentlichen sechs Wissensbasen vor: Theories of teaching, teaching skills, communication skills, subject matter knowledge, pedagogical reasoning and decision-making skills und contextual knowledge . Schocker-von Ditfurth (2001) formuliert einen „[deskriptiven] Beschreibungsrahmen für die Wissensbasis der fremdsprachlichen Lehrerausbildung als Interdependenz relevanter Wissensbereiche“ (ebd.: 63), zu denen sie Selbstkompetenz, Situationskompetenz, Sachkompetenz sowie Sprachkompetenz zählt. So könnten - mit Blick in einschlägige Einführungswerke der Fremdsprachendidaktiken - weitere Kategorien vorgeschlagen oder systematisch entwickelt werden, gleichwohl zeigt sich immer auch eine latent allgemeinpädagogische Perspektive („ teaching skills “ bei Richards) oder persönlichkeitsbezogene Eigenschaften einer Lehrkraft („Selbstkompetenz“ bei 46 So sind die von Roters (2017) erarbeiteten Wissensdomänen in Tabelle 1 keineswegs erschöpfend dargestellt und dürften auch von anderen Fachdidaktiker/ innen mit anderen Schwerpunktsetzungen durchaus ergänzt oder in der Schwerpunktsetzung verschoben werden. 76 3 Fremdsprachendidaktische Professionsforschung Schocker-von Ditfurth), die sicherlich nicht als Spezifikum eines bestimmten Fremdsprachenlehrpersonenhabitus deklariert werden sollten. Dass gemeinhin seit der Shulman’schen Einteilung in den 80er Jahren fachdidaktisches Wissen als eine Art „Amalgam“ von pädagogischem Wissen und Fachwissen gilt (vgl. Schulman 1987), schlägt sich in diesen vagen Beschreibungsversuchen komplexer Gegenstände nieder. Inwiefern dann eine Theorie-Praxis-Problematik vorliegt, müsste innerhalb der Fremdsprachendidaktik möglicherweise noch diskutiert werden, wenn Radtke (1996) zu Recht anmerkt: Aus revidierter Sicht ist die Vermittlung von Theorie und Praxis nicht länger ein Transferproblem , sondern ein Problem unterschiedlicher Wissensstrukturen , deren Transformation oder, grundsätzlich, deren Transformierbarkeit zur Debatte steht. (ebd.: 51; Hervorhebungen im Original) Diese Komplexität des Fremdsprachenlehrer*innenhandelns, seine Reflexion und die Diffusität fremdsprachendidaktischen Wissens führen zu möglichen Annahmen über die Konstrukte Fremdsprachenlehrerprofessionalität und -professionalisierung, welche hier grob zusammengefasst werden sollen (s. Tabelle 2).Auch wenn hier kein Fächervergleich vorgenommen wird, kann der Fremdsprachenlehrkraft eine besondere Professionalisierungsbedürftigkeit unterstellt werden (vgl. z. B. Schart 2014, Caspari 2016). Möglicherweise existiert, im Anschluss an die schulpädagogische Professionsforschung und Bourdieu, ein spezifischer Berufshabitus für Lehrerinnen und Lehrer, die moderne Fremdsprachen unterrichten, obwohl wir weiterhin sehr wenig über sie wissen. 47 Fremdsprachenlehrerbildung (und ihre Erforschung) muss daher Strukturen und Lernsowie Reflexionsgelegenheiten schaffen, um diese Professionalisierung zu begleiten. Nach dem Studium (vgl. hierzu auch König 2017) gilt insbesondere der Vorbereitungsdienst als qualifizierende Phase für die Tätigkeit als (Fremdsprachen-)Lehrkraft, weswegen diese im Folgenden näher beleuchtet werden soll. 47 Caspari (2014) verweist hier aufgrund der Diversität von Untersuchungsgegenständen und der offensichtlichen Suche nach angemessenen Forschungsmethoden - mit einer gewissen Skepsis - auf Trautmann (2013), der fordert, „fremdsprachendidaktische Lehrerforschung solle sich stärker als bisher an die … erziehungswissenschaftliche Forschung anschließen“ (ebd.: 348). In der Tat muss man hinterfragen, inwiefern (oder warum) die sehr stark ausdifferenzierten Erschließungswege der schulpädagogischen Professionsforschung (s. Kapitel 2) sich kaum in der Fremdsprachenforschung ausdifferenziert zeigen und selten genutzt werden. 3.2 Zwischenfazit II 77 Annahmen zu Fremdsprachenlehrerprofessionalität (Mögliche) Folgen für Fremdsprachenlehrerbildung (FSLB) Die Fremdsprachendidaktik offenbart sich als gering strukturierte Wissensdomäne. FSLB muss eine Vorstrukturierung/ Reduzierung relevanter Wissensbereiche vornehmen und diese vermitteln oder die Lehrperson muss diese selbst (reflexiv) erschließen. Aufgrund der geringen Strukturiertheit mit gleichzeitiger Abhängigkeit von fachdidaktischem Wissen zeigt sich im Anforderungsbereich des fremdsprachlichen Unterricht(en)s eine besonders herausfordernde und antinomische Handlungspraxis. FSLB muss Lerngelegenheiten schaffen, in denen Wissensformen transformiert bzw. angewendet werden (z. B. im Sinne eines Aufbaus fachdidaktischen Wissens mittels einer Amalgamisierung von Fach- und pädagogischem Wissen). Fremdsprachenlehrpersonen werden seitens ihrer Beliefs und Subjektiven Theorien bzgl. Fremdsprachenunterricht stark beeinflusst. FSLB muss Beliefs und Subjektive Theorien offenlegen und hinterfragen sowie (zunächst angeleitete) Reflexionsgelegenheiten schaffen. Reflexion ist eines Schlüsselkonstrukte für professionelles Fremdsprachenlehrer*innenhandeln. FSLB muss Reflexion, Reflexivität/ Reflexionskompetenz zum Gegenstand machen und fördern (z. B. in Form von Aktionsforschung) - möglicherweise unter Berücksichtigung aller Bestimmungsansätze von Terhart (2011). Tab. 2: Annahmen zu Fremdsprachenlehrerprofessionalität und ihre Konsequenzen für die Fremdsprachenlehrerbildung. 4 Der Vorbereitungsdienst als 2. Phase der Lehrerbildung Der reguläre Weg jedes Lehramtsanwärters und jeder -anwärterin führt in den meisten Ländern der Bundesrepublik Deutschland nach dem fächerbezogenen Studium, hier noch teilweise unterteilt in länderbezogene Staatsexamen oder von Seiten der Universitäten vergebene Bachelor-Master-Abschlüsse, über den Vorbereitungsdienst (zunehmend veraltet: Referendariat) in den sich anschließenden Schuldienst. Diese Abschnitte werden gemeinhin als Phasen tituliert und nummeriert, die erste Phase bezieht sich hier auf das Studium, die zweite Phase auf den Vorbereitungsdienst und die sogenannte „dritte Phase“ auf das gesamte, sich anschließende Berufsleben als Lehrkraft, wobei es sich hier streng genommen um keine Ausbildungsphase mehr handelt, aber impliziert, dass hier noch eine Weiterentwicklung und -qualifikation z. B. mittels Fortbildungen im Sinne lebenslangen Lernens stattfinden soll. Die in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts breit institutionalisierte Zweiphasigkeit der Lehrerbildung, nach der Wiedervereinigung auch im Gegensatz zur bis dahin vorherrschenden Einphasigkeit in der ehemaligen DDR durchgesetzt, wird international durchaus als Qualitätsmerkmal der deutschen Lehrerbildung betrachtet (vgl. Lenhard 2004, OECD 2004). Das Referendariat wird dabei seit jeher als sehr bedeutsam, als „außerordentlich wichtiges Element im beruflichen Sozialisationprozeß“ (Kratzsch/ Masendorf 1979: 75) für die angehenden Lehrkräfte charakterisiert, die „Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst“ (LiV), stellt es doch gewissermaßen eine Brücke vom tendenziell praxisfernen Studium zu „Praxis in Reinform“, ein „Lernen im Beruf“ (OECD 2004: 32) und damit einen gewissermaßen begleiteten Berufseinstieg dar. Dass dieser Berufseinstieg, welcher streng genommen erst mit Antreten einer Position im Schuldienst nach dem Vorbereitungsdienst beginnt und die Lehrkraft sich dort mit weiteren zu bearbeitenden Aufgaben konfrontiert sieht (vgl. z. B. Hericks 2006), dabei stark abhängig ist von individuellen Faktoren und mitgebrachten Kompetenzen der Lehrkraft, dürfte offenbar sein. Dass zahlreiche strukturierende, formalisierende sowie interpersonale Abhängigkeiten mit Eintritt in den Vorbereitungsdienst entstehen, soll ebenfalls einen der Schwerpunkte im Folgenden bilden. Schließlich hebt die OECD-Studie neben einer durchaus positiven Bewertung der für Deutschland charakteristischen zweiten Phase hervor, dass es „trotz der günstigen institutionellen Rahmenbedingungen effektiv nicht gelingt, eine echte Verbindung zwischen Schulpraxis und professioneller Reflexion zu schaffen“ (OECD 2004: 32). 80 4 Der Vorbereitungsdienst als 2. Phase der Lehrerbildung Um die Charakteristika dieser Phase der Lehrerbildung in Deutschland skizzieren zu können, soll im Weiteren mit den strukturellen Besonderheiten der zweiten Phase der Lehrerbildung in Deutschland als „die eigenständige, schulpraktisch ausgerichtete, abschließende Phase der Lehrerausbildung“ (KMK 2012: 2) begonnen werden. Da die mit dieser Arbeit verbundene Studie den Vorbereitungsdienst in Hessen in den Fokus nimmt, wird erst an späterer Stelle im Zusammenhang mit Fragen zum konkreten Untersuchungsgegenstand explizit auf die hessischen Rahmenbedingungen eingegangen. An Stellen, an denen es für eine komparative oder dann verallgemeinernde Betrachtung sinnvoll erscheint, sollen aber ebenfalls Aspekte und Strukturen einzelner Bundesländer mit einbezogen werden, zumal einige empirische Untersuchungen, die den formalen Charakteristika folgend vorgestellt werden sollen, immer bundeslandspezifisch betrachtet werden müssen. Zu den vorzustellenden Untersuchungen zählen neben solchen, die nach Professionalisierungsprozessen der LiV fragen, ebenso Untersuchungen zu den Lehrerbildner*innen im Vorbereitungsdienst, die aufgrund des späteren Fokus der Untersuchung besondere Beachtung verdienen. Auch wird hier nicht außer Acht zu lassen sein, dass beispielsweise zu lehrerbildendem Personal eine mittlerweile nennenswerte Zahl internationaler Forschung existiert, selbst wenn die für Deutschland charakteristische Phase in der Ausgestaltung möglicherweise in internationalen Kontexten fehlt, dieses Personal dann aber in der dann folgenden Darstellung dennoch berücksichtigt und zum Beispiel in Form von Exkursen vorgestellt wird. 4.1 Formale Charakteristika Die nachfolgend zusammengefassten Charakteristika des Vorbereitungsdienstes werden anhand der vorliegenden Dokumente und Vorgaben (vgl. z. B. KMK 2012/ 2014) sowie auf Grundlage zusammenfassender Expertisen (vgl. z. B. Walke 2007, Walm/ Wittek 2014) sowie einschlägiger, Forschungsstand und Formalia zusammenfassender Beiträge (vgl. z. B. Lenhard 2004, Kolbe/ Kombe 2008), dargestellt und unterteilt in eine generalisierende Darstellung der strukturellen und formalen Ausgestaltung des Vorbereitungsdienstes in Deutschland sowie eine Charakterisierung der an der zweiten Phase beteiligten Personen. Letztere wird deshalb gewissermaßen separat und nicht als Teil der formalen Ausgestaltung aufgeführt, da im späteren Verlauf der Arbeit insbesondere auf an der Lehrerbildung der zweiten Phase beteiligte Lehrerbildner*innen eingegangen werden soll und diese auch, wie bereits oben angedeutet, die Forschungssubjekte des hier vorzustellenden Projekts darstellen. 4.1 Formale Charakteristika 81 4.1.1 Allgemeine Ausgestaltung des Vorbereitungsdienstes Der Vorbereitungsdienst setzt sich zum Ziel, Akademiker*innen mit einem Lehramtsstaatsexamen, Master of Education oder Quereinsteiger, die vorher kein Lehramtsstudium absolviert haben, für den Schuldienst vorzubereiten. Eine übergeordnete Orientierung für die formale Gestaltung des Vorbereitungsdienstes liefern dabei die Ländergemeinsamen Anforderungen für die Ausgestaltung des Vorbereitungsdienstes und die abschließende Staatsprüfung der KMK (2012). Nach Artikel 12 des Grundgesetzes hat die zweite Phase „den Charakter einer allgemeinen Ausbildungsstätte“ (KMK 2012: 2). Die Zulassungsverfahren zum Vorbereitungsdienst unterscheiden sich in den einzelnen Ländern und können an bestimmte Voraussetzungen wie z. B. die Note des ersten Staatsexamens oder Fächerkombinationen geknüpft sein, im Allgemeinen sollte ein bestimmter Lehrerbedarf in einem Bundesland jedoch nicht über eine gewisse Einstellungspraxis in den Vorbereitungsdienst entscheiden (vgl. KMK 2012). So ist es laut KMK-Papier jedem Land jedoch auch möglich, eigenspezifische Zugangs- und Zulassungsregelungen zu treffen. Dies gilt ebenso für die innere Struktur des Vorbereitungsdienstes bzw. dessen Dauer, die stark schwankt von in der Regel 18 (z. B. NRW und Berlin) bis 24 Monaten (Bayern), in Hessen 21 Monaten. Der Vorbereitungsdienst findet überwiegend an zwei Lern- und Tätigkeitsorten statt, nämlich dem Studienseminar 48 sowie der jeweiligen Ausbildungsschule (bzw. mehreren Ausbildungsschulen wie in Bayern) und bietet dabei mehrere „Ausbildungsformate“ (KMK 2012: 2) an: Neben einführenden Veranstaltungen sowie studienseminargebundenen Ausbildungsveranstaltungen in Seminarform über den gesamten Vorbereitungsdienst hinweg hospitieren die angehenden Lehrkräfte Unterricht, werden von Mentorinnen/ Mentoren bzw. Ausbildungslehrkräften an den Schulen in eigenem Unterricht begleitet und führen eigenständig und eigenverantwortlich Unterricht durch. Studienseminare bilden im deutschlandweiten Vergleich häufig lehramtsbezogene Schwerpunkte, d. h. ein Studienseminar bildet beispielsweise nur Lehrkräfte für das Lehramt an Gymnasien oder nur für Berufsschulen aus (vgl. Walke 2007). Innerhalb der Studienseminare wird unterschieden in allgemeine und Fachseminare, wobei erstere allgemeinpädagogische oder -schulrelevante Kompetenzen fördern sollen, während die Fachseminare, in der Regel zwei für die beiden studierten und zu unterrichtenden Fächer, für die fachbezogene, explizit fachdidaktische Aus- 48 Schleswig-Holstein geht einen eigenen, in Deutschland bislang einmaligen, Weg und hat seine Studienseminare insofern formal aufgelöst, dass die Ausbildungsveranstaltungen zentral vom Institut für Qualitätsentwicklung an Schulen Schleswig-Holstein organisiert und an unterschiedlichen Orten (z. B. auch an den Ausbildungsschulen) durchgeführt werden (vgl. Walke 2007: 11). 82 4 Der Vorbereitungsdienst als 2. Phase der Lehrerbildung bildung der angehenden Lehrkräfte verantwortlich zeichnen. Walm und Wittek (2014) gruppieren die Ausbildungsmodelle der Bundesländer in drei verschiedene Formen: zum einen eine modularisierte Ausbildung mit festen Inhalten ohne jedoch eine primäre, d. h. feste Gruppe von Lehramtskandidat*innen, eine seminarbezogene Ausbildung in einer festen Gruppe sowie eine Mischung aus Seminaren und teils wählbaren Modulen (vgl. ebd.: 33). Die inhaltlichen Anforderungen im Vorbereitungsdienst ergeben sich deutschlandweit einerseits aus den erstmals 2004 verabschiedeten und später novellierten bildungswissenschaftlichen Standards der Lehrerbildung der Kultusministerkonferenz (KMK 2014) sowie andererseits den 2012 beschlossenen Ländergemeinsamen Anforderungen für die Ausgestaltung des Vorbereitungsdienstes und die abschließende Staatsprüfung (KMK 2012), die dann durch entsprechende Erlasse und Verordnungen (Ausbildungs-/ Prüfungsverordnungen) in den Bundesländern umgesetzt werden. Die Lehrerbildungsstandards, die auch als eine Konsequenz des Berichts der KMK-Kommission gesehen werden können (vgl. Terhart 2000), stehen dabei als Grundlage in dem Anspruch einer deutschlandweit qualitätssichernden Lehrerbildung. Die KMK-Kommission war zu zahlreichen Empfehlungen die Ausgestaltung der Lehrerbildung in Deutschland betreffend gekommen, unter anderem recht explizit zur zweiten Phase (vgl. Terhart 2000). Die Standards der Lehrerbildung im Bereich Bildungswissenschaften formulieren Kompetenzen sowohl für die theoretischen als auch für die praktischen Ausbildungsabschnitte, sind aber so zu verstehen, dass sich diese Abschnitte in allen Phasen in gewisser Weise bzw. verschiedentlicher Schwerpunktsetzung finden lassen: „Ausgehend von dem Schwerpunkt Theorie erschließt die erste Phase die pädagogische Praxis, während in der zweiten Phase diese Praxis und deren theoriegeleitete Reflexion im Zentrum stehen.“ (KMK 2014: 4) Zu diesen Kompetenzen gehören (vgl. KMK 2014: 7 ff.): 1. Lehrerinnen und Lehrer planen Unterricht unter Berücksichtigung unterschiedlicher Lernvoraussetzungen und Entwicklungsprozesse fach- und sachgerecht und führen ihn sachlich und fachlich korrekt durch. 2. Lehrerinnen und Lehrer unterstützen durch die Gestaltung von Lernsituationen das Lernen von Schülerinnen und Schülern. Sie motivieren alle Schülerinnen und Schüler und befähigen sie, Zusammenhänge herzustellen und Gelerntes zu nutzen. 3. Lehrerinnen und Lehrer fördern die Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler zum selbstbestimmten Lernen und Arbeiten. 4. Lehrerinnen und Lehrer kennen die sozialen und kulturellen Lebensbedingungen, etwaige Benachteiligungen, Beeinträchtigungen und Barrieren von und für Schülerinnen und Schüler(n) und nehmen im Rahmen der Schule Einfluss auf deren individuelle Entwicklung. 4.1 Formale Charakteristika 83 5. Lehrerinnen und Lehrer vermitteln Werte und Normen, eine Haltung der Wertschätzung und Anerkennung von Diversität und unterstützen selbstbestimmtes Urteilen und Handeln von Schülerinnen und Schülern. 6. Lehrerinnen und Lehrer finden Lösungsansätze für Schwierigkeiten und Konflikte in Schule und Unterricht. 7. Lehrerinnen und Lehrer diagnostizieren Lernvoraussetzungen und Lernprozesse von Schülerinnen und Schülern; sie fördern Schülerinnen und Schüler gezielt und beraten Lernende und deren Eltern. 8. Lehrerinnen und Lehrer erfassen die Leistungsentwicklung von Schülerinnen und Schülern und beurteilen Lernen und Leistungen auf der Grundlage transparenter Beurteilungsmaßstäbe. 9. Lehrerinnen und Lehrer sind sich der besonderen Anforderungen des Lehrerberufs bewusst. Sie verstehen ihren Beruf als ein öffentliches Amt mit besonderer Verantwortung und Verpflichtung. 10. Lehrerinnen und Lehrer verstehen ihren Beruf als ständige Lernaufgabe. 11. Lehrerinnen und Lehrer beteiligen sich an der Planung und Umsetzung schulischer Projekte und Vorhaben. Die Kompetenzen (und ihre hier nicht aufgeführten Standards) lassen sich untergliedern in die Bereiche Unterrichten (1-3), Erziehen (4-6), Beurteilen (7 und 8) und Innovieren (9-11). Die Anbahnung dieser Kompetenzen wird im Laufe der ersten Phase in der Hochschule erwartet, die KMK-Beschlüsse zur Gestaltung des Vorbereitungsdienstes (vgl. KMK 2012) erweitern diese primär um Formalitäten, stellen jedoch ebenfalls heraus, dass die Handlungsfelder, Kompetenzen sowie Standards die Grundlage der Ausbildung sein müssen. Inwiefern die Standards mittels der länderspezifischen und dort schulrechtlich verankerten Vorgaben erreicht werden, unterscheidet sich im deutschlandweiten Vergleich. 49 So setzen einzelne Bundesländer auf allgemeine Vorgaben, um den Studienseminaren Gestaltungsspielraum zu geben (z. B. in NRW), während andere eine stärkere Strukturierung sowie inhaltliche Bereiche definieren (z. B. in Hamburg und Hessen; vgl. Walke 2007). Die Kompetenzen sollen auch in der den Vorbereitungsdienst abschließenden zweiten Staatsprüfung sichtbar werden, die die Lehrkräfte ablegen, um „den Zugang zu einem öffentlichen Amt im Sinne von Artikel 33 Abs. 4 Grundgesetz [zu] 49 „Die Ausbildungscurricula der einzelnen Bundesländer folgen im Wesentlichen diesen Kompetenzbeschreibungen [der KMK], auch wenn sie zum Teil anders strukturiert sind und auf Kompetenz 9 meist nicht direkt eingegangen wird.“ (Walke 2007: 39) Walke sieht als einen Grund hierfür, dass die Kompetenz des Bewusstseins über die Anforderungen des Lehrerberufs nur schwerlich deskribierbar bzw. evaluierbar wird. Die Bundesländer formulieren in ihren Augen eher „konkret zu erwerbende Fähigkeiten und Fertigkeiten“ (ebd.: 39). 84 4 Der Vorbereitungsdienst als 2. Phase der Lehrerbildung ermöglichen“ (KMK 2012: 4). Die Ländergemeinsamen Anforderungen sehen dabei als maßgeblich sowohl zwei explizit unterrichtspraktische Prüfungen vor als auch über den Vorbereitungsdient hinweg bewertete Leistungen der Prüfungskandidatinnen und -kandidaten. Ebenso werden teilweise schriftliche Hausarbeiten bzw. pädagogische Facharbeiten in der zweiten Hälfte des Vorbereitungsdienstes angefertigt und begutachtet (sogenannte „zweite Examensarbeiten“) sowie Gutachten der Schulleitung oder schulnahen Betreuerinnen und Betreuer eingeholt (vgl. auch Walm/ Wittek 2014: 33-35). Alle seminarbezogenen Leistungen können in den Seminaren bzw. in einzelnen Modulen erbrachte Leistungen sein, in der Regel gehören hierzu insbesondere die absolvierten Unterrichtsbesuche, deren Vorbereitung als schriftlicher Unterrichtsentwurf, seine Durchführung mittels der Beobachtungen der Ausbilderin bzw. des Ausbilders sowie die anschließende Reflexion der angehenden Lehrkraft mit ihrer Ausbildungskraft. 4.1.2 Beteiligtes Personal im Vorbereitungsdienst Die am Vorbereitungsdienst direkt beteiligten Personen sind in der Regel Lehrerinnen und Lehrer 50 , die verschiedene Funktionen innerhalb dieser Phase ausüben. Die Aufgabenbeschreibungen, sofern länderspezifisch überhaupt genauer ausformuliert, variieren dabei jedoch sehr häufig. Allen gemein ist hingegen, dass sie lehrer(aus)bildende Aufgaben übernehmen und damit zu einer Gruppe von Lehrerbildner*innen zugehörig gezählt werden können. Schließlich gilt im paneuropäischen Sinne: „Teacher Educators are all those who actively facilitate the (formal) learning of student teachers and teachers.“ (Europäische Kommission 2013: 8) Auch in den unten noch ausführlicher darzustellenden empirischen Untersuchungen wird von einem breiten Verständnis eines Lehrerbildenden ausgegangen, sofern sie „Lehrveranstaltungen anbieten, die einen substanziellen Beitrag zur Lehrerausbildung leisten“ (Felbrich et al. 2008: 364). Schratz (2015) kommt diesbezüglich zu einer breiten Definition von Lehrerbildner*innen in Anlehnung an diejenige der Europäischen Kommission als alle, die aktiv das (formale) Lernen von (Lehramts-)Studierenden und LehrerInnen unterstützen, zur Profession der LehrerbildnerInnen gezählt werden können. Sie umfassen sowohl jene, die in der Ausbildung, als auch jene, die in der Fort- und Weiterbildung tätig sind. (ebd.: 41) 50 Als indirekt beteiligte Personen könnte man andere Mitglieder des Studienseminars wie Sekretäre und Sekretärinnen oder die Studienseminarleitung bezeichnen, aber auch z. B. maßgeblich an Strukturen und Abläufen auf Landesebene beteiligtes Personal. Auf diese Gruppen soll allerdings an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden. Zum Innenleben der Handlungs- und Spannungsfelder der Studienseminarleitung vgl. Sjuts (2015). 4.1 Formale Charakteristika 85 Obwohl diese Definition breit angelegt erscheint, impliziert sie, dass Mentorinnen und Mentoren (Ausbildungslehrkräfte) an den Ausbildungsschulen demnach keine Lehrerbildner*innen wären, da diese meist nicht formell bestellt sind und keine Lehrveranstaltungen im klassischen Sinne anbieten, sondern primär informelle Lern- und Beratungsgelegenheiten realisieren. 4.1.2.1 Ausbilderinnen und Ausbilder Die primär die Ausbildung gestaltenden Personen im Vorbereitungsdienst sind die Ausbilderinnen und Ausbilder (Ausbildungskräfte), in einigen Ländern auch Seminarausbilder*innen, Fachleiter*innen oder Fachseminarleiter*innen genannt, letztere Varianten besonders, wenn sie ausschließlich die Fachseminare verantworten. In der Regel sind Ausbildungskräfte (ehemalige) Lehrerinnen und Lehrer, die sich auf Ausschreibungen für die Positionen bewerben und dann teilweise bzw. überwiegend an ein Studienseminar abgeordnet sind, d. h. noch selbst eigenen Unterricht an ihrer Stammschule wahrnehmen (vgl. Walke 2007: 28 ff.). 51 Die Aufgabe der Ausbilderinnen und Ausbilder besteht darin, die Veranstaltungen des Studienseminars zu gestalten und die Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst zu theoriesowie praxisrelevanten Aspekten des Unterrichts zu beraten und sie einerseits mit den organisatorischen Gegebenheiten und Rahmenbedingungen des Lehrerberufs sowie andererseits mit dem eigentlichen Kerngeschäft der Planung, Durchführung und theoriegeleiteten Reflexion von Unterricht vertraut zu machen. (Krüger 2013: 45) Das genannte „Kerngeschäft“ zeigt sich in Beratungs- und Bewertungssituationen der Unterrichtsbesuche, für die die LiV Unterrichtsentwürfe vorbereiten und diese den Ausbilderinnen und Ausbildern vorab zuschicken müssen. Im dann stattfindenden Unterrichtsbesuch bewerten die Ausbildungskräfte die Umsetzung des geplanten Unterrichts sowie - z. B. bei Abweichungen von der Planung - die Adaptivität und Reflexionskompetenz der LiV in einem abschließenden Nachgespräch, welches in der Regel auch zur tiefergehenden Beratung über den beobachteten Unterricht hinausgehen soll. Laut Ländergemeinsamen Anforderungen (KMK 2012) findet die „Ausbildung im Vorbereitungsdienst … in der Verantwortung von Ausbildern mit besonderer wissenschaftlicher und schulpraktischer Expertise statt“ (ebd.: 4), die Rekrutierungsmaßnahmen bzw. deren Offenlegung innerhalb der Länder ist jedoch durchaus unterschiedlich und intransparent bezüglich der angelegten Kriterien 51 In der Regel ist die einzige voll, d. h. zu 100 % abgeordnete Lehrkraft die Person, die dem Studienseminar als Leiterin oder Leiter vorsitzt (vgl. Walke 2007: 28). 86 4 Der Vorbereitungsdienst als 2. Phase der Lehrerbildung der beiden angesprochenen Expertisefelder (vgl. Lenhard 2004). Hoppenworth (1993) beschreibt als Bestandteil des Bewerbungsverfahrens beispielhaft: 1. Erteilung einer Unterrichtsstunde 2. Durchführung eines Beratungsbesuches 3. Leitung einer Fachkonferenz oder Dienstbesprechung an der Schule 4. Gespräch aus Anlaß der Bewerbung mit den Vertretern der auswählenden Behörde. (ebd.: 170) Auch qualifizierende Einführungsprogramme für neuberufene Ausbilderinnen und Ausbilder oder weiterqualifizierende Maßnahmen scheinen rar (vgl. Walke 2007: 28/ 30), was schon in der KMK-Expertise als kritisches Moment des Vorbereitungsdienstes angemerkt wurde: „Eine spezifische Qualifizierung der Hauptseminar- und Fachleiter findet in der Regel nicht statt.“ (Terhart 2000: 117; Hervorhebung im Original; vgl. auch Meyerhöfer/ Rienits 2006) Und als Folge dessen: „In institutioneller Hinsicht müssen die Studienseminare in die Lage versetzt werden, langfristige Personalentwicklungskonzepte vorzulegen und durchzusetzen.“ (Terhart 2000: 121) Als wünschenswertes Ziel wird dargestellt, dass Ausbildungskräfte vor Aufnahme ihrer Tätigkeit eine grundlegende Qualifizierung erhalten und neben den mitgebrachten, auf Unterricht und Schule bezogenen Kompetenzen auch „z.B. in den Bereichen Konzepte und Methoden der Erwachsenenbildung, Managementkonzepte und Methoden der Evaluation weitergebildet werden“ (ebd.: 121). Im Anforderungskatalog der KMK wird folglich vorgegeben: „Die mit der Ausbildung im Vorbereitungsdienst Beauftragten werden kontinuierlich fortgebildet.“ (KMK 2012: 4) Die vorliegenden Expertisen sowie die noch vorzustellende Forschung zu Lehrerbildner*innen im nachfolgenden Kapitel zeigen jedoch, dass insbesondere die vorbereitende Einführung der werdenden Ausbilderinnen und Ausbilder noch nicht umfänglich umgesetzt worden ist, wenn auch der Anteil an Fortbildungsangeboten zu Themen der Erwachsenenbildung in einzelnen Bundesländern über die öffentlich zugänglichen Quellen zumindest in Ansätzen erkennbar ist und steigt. Wiederholt wird - durchaus kritisch - angemerkt, dass es in den deutschen Bundesländern überwiegend kein formal von Seiten der Institution Studienseminar bestelltes Personal gibt, das eine reine Beratungsfunktion übernimmt (vgl. hier insbesondere Walm/ Wittek 2014, aber auch Lenhard 2004, Walke 2007). Ausbilderinnen und Ausbilder stehen damit in der antinomischen Funktion, die Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst gleichzeitig beraten und bewerten zu müssen. Lediglich die Mentorinnen und Mentoren an den Ausbildungsschulen übernehmen reine Beratungsverantwortlichkeiten, sind jedoch hierbei institutionell eben nicht dem Studienseminar zugeordnet. 4.1 Formale Charakteristika 87 4.1.2.2 Mentorinnen und Mentoren Mentorinnen und Mentoren, in einigen Bundesländern auch Ausbildungslehrer*innen oder bspw. in der Schweiz Praxislehrpersonen genannt (vgl. Klusmeyer/ Kehl 2009, Futter 2017), übernehmen die Betreuung der angehenden Lehrkräfte an ihren Ausbildungsschulen, an denen sie selbst Unterricht durchführen. Auch die Ländergemeinsamen Anforderungen sehen vor, dass „[die] Ausbildung an der Schule … durch geeignete Lehrkräfte unterstützt [wird]“ (KMK 2012: 4), wodurch in den meisten Verordnungen und Erlassen der Länder zu den Aufgaben der Lehrerinnen und Lehrer unter anderem die Betreuung von LiV vorgesehen ist. In der Regel übernehmen die Mentorierenden hier keine Bewertungsfunktion wie die Ausbildungskräfte, wobei es in einzelnen Bundesländern schulnahe Gutachten bzw. Schulleitungsgutachten über die LiV gibt, an denen die Mentorinnen und Mentoren teilweise beteiligt werden (vgl. Klusmeyer/ Kehl 2009). Durchaus als regelhaft ist jedoch zu bezeichnen, dass die Mentorinnen und Mentoren den Unterrichtsbesuch sowie das sich anschließende Reflexionsgespräch begleiten und dort an den Diskussionen und der Beratung Anteil haben. Zu unterscheiden ist bezüglich dieser Gruppe weiterhin zwischen Ausbildungskoordinator*innen, die an einer Schule die Hauptansprechpersonen für alle LiV einer Schule darstellen und teilweise auch feste, seminarähnliche Sitzungen (oder informellere Besprechungen) veranstalten, während die Mentorinnen und Mentoren primär mit der Begleitung und konkret-unterrichtlichen Anleitung der LiV beauftragt sind (vgl. Walke 2007: 29). Sie stellen dabei z. B. ihren eigenen Unterricht zur Hospitation zur Verfügung, begleiten den Unterricht der Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst und beraten sie bezüglich des eigenen Unterrichts oder unterstützen bei der Vorbereitung von Unterrichtsbesuchen. Mentorierende werden häufig deswegen „als besonders wichtig eingeschätzt …, weil sie pragmatische Erfahrungen und bewährte Strategien weitergeben und den Lehramtsanwärtern so zu einer ersten Handlungssicherheit verhelfen“ (Lenhard 2004: 285). Neben dieser grundsätzlich deutlich positiven Bewertung aus Sicht der Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst wird wiederholt auf die prekäre Situation der Mentorinnen und Mentoren hingewiesen, da die Mehrbelastung und Betreuungsarbeit der ihnen anvertrauten LiV in der Regel nicht mit unterrichtlichen Stundenentlastungen oder einer höheren bzw. zusätzlichen Vergütung einhergeht (vgl. Krüger 2013: 44 f.). Die formalen Anforderungen an Mentorinnen und Mentoren sind in den meisten Bundesländern undeutlich: „Spezifische pädagogisch-didaktische Kenntnisse, Fähigkeiten oder Erfahrungen werden für die Tätigkeit als Ausbildungslehrer in keinem der 16 Bundesländer vorausgesetzt.“ (Klusmeyer/ Kehl 2009: 4) In den Bundesländern sowie auf Initiative einzelner Studienseminar- 88 4 Der Vorbereitungsdienst als 2. Phase der Lehrerbildung standorte werden zunehmend Weiterqualifizierungsmaßnahmen angestrebt und angeboten, um die Aufgaben und Beratungstätigkeit der Mentorierenden zu professionalisieren, während dies zu Beginn der 2000er noch kaum ein Thema darstellte (vgl. Walke 2004). Durchaus erschwert wird eine Recherche in dieser Hinsicht, da teilweise Dokumente zu finden sind, die offensichtlich veraltet sind, bzw. sich auch nicht ausmachen lässt, inwiefern bestimmte Maßnahmen dann tatsächlich für Lehrerinnen und Lehrer (verpflichtend) umgesetzt wurden oder die Wirksamkeit der Maßnahmen überprüft wurde. Hinzu kommt, dass im Kontext Schulpraktischer Studien und Praxissemestern, die zunehmend empirisch gewürdigt werden (vgl. z. B. Arnold et al. 2014), die die Lehramtsstudierenden betreuenden Lehrkräfte an den Schulen ebenfalls als Mentorinnen und Mentoren bezeichnet werden, hier aber die Konstellation, Aufgabenbereiche bzw. der formale Anspruch im Vergleich zum Vorbereitungsdienst ein Stück weit anders zu bewerten sein dürften. 4.2 Forschung zum Vorbereitungsdienst Während sowohl die universitäre Phase der Lehrerbildung als auch der Berufseinstieg intensiver beforscht wird, stellte Terhart bereits zur Jahrtausendwende fest: „Die intensive Kritik an der 1. Phase […] führt nicht selten dazu, dass die 2. Phase (Vorbereitungsdienst, Referendariat) als immer noch ‚vergessener Teil der Lehrerbildung‘ gleichsam unbeobachtet bleibt.“ (Terhart 2000: 17) Forschung, die auf den Vorbereitungsdienst zielt, wie er für das deutsche Lehrerbildungssystem charakteristisch ist, ist damit nur vereinzelt vorhanden und soll nachfolgend dargestellt werden. Speziell nach Terharts Charakterisierung des Vorbereitungsdienstes im Rahmen der KMK-Expertise als „vernachlässigte Phase der Lehrerausbildung“ sowie des durch den „PISA-Schock“ entstandenen Sogs in der empirischen Bildungsforschung gab es vor allem in den letzten zwei Jahrzehnten zunehmend Forschungsaktivität in diesem Bereich, wenngleich die Forschungslage weiterhin in vielerlei Hinsicht unbefriedigend ist. Dieses mangelnde Forschungsinteresse mag unter forschungspragmatischen Gesichtspunkten der jeweiligen Spezifik und Ausgestaltung in den unterschiedlichen Bundesländern geschuldet sein, sie mag auch aufgrund der relativen Kürze der Phase für beispielsweise longitudinal angelegte Untersuchungen als weniger geeignet erscheinen. Zudem kommt es durch die häufig hohe Belastung innerhalb des Vorbereitungsdienstes und insbesondere der LiV zu einem weiteren Hindernis, diese Zielgruppe durch zusätzliche Einbindung in Forschungsprojekte zu gewinnen. Allerdings scheint gerade der zuletzt angesprochene Grund eine relativ schwache Basis zu haben, berücksichtigt man die Vielzahl 4.2 Forschung zum Vorbereitungsdienst 89 an Forschungsprojekten der letzten beiden Jahrzehnte, die den vermutlich nicht minder belasteten Berufseinstieg nach dem Vorbereitungsdienst eindrucksvoll untersuchen (vgl. z. B. Hericks 2006, Keller-Schneider 2010, Keller-Schneider/ Hericks 2014). Dennoch bleibt, mit Baumert (2007) aus der Perspektive der empirischen Bildungsforschung gesprochen, - und das darf auch an dieser Stelle bereits vorweggenommen werden - ein weiterhin eklatanter Forschungsstand zu beklagen: Insgesamt belegt die Literatur eine bemerkenswerte Diskrepanz zwischen normativen Aussagen und Wirkungsbehauptungen einerseits und einem eklatanten Mangel an empirischer Evidenz andererseits. Die Lehramtsausbildung gehört zu einem sträflich vernachlässigten Gebiet der empirischen Bildungsforschung. Dies gilt sowohl für die Erste als auch die Zweite Ausbildungsphase. (ebd.: 13) Nachfolgend sollen dementsprechend die einschlägige deutschsprachige Forschung und ihre Erkenntnisse zum Vorbereitungsdienst zusammenfassend vorgestellt werden. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass primär die Ausbildungsstruktur an sich und die Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst als Forschungssubjekte in den Fokus gerückt werden, Publikationen, die die Lehrerbildner*innen untersuchen, sind (noch) geringer in ihrer Zahl. Berücksichtigt werden muss das jeweilige Entstehen der Untersuchungen in Bezug auf zu dem Zeitpunkt gültige Maßgaben der jeweiligen Bundesländer und eventuelle Schwerpunktsetzungen in den Forschungsvorhaben. Innerhalb der nachfolgenden Unterkapitel wird auch überblicks- und exkursartig internationale Forschung zum Berufsbild der Ausbildungskraft bzw. des Lehrerbildners/ der Lehrerbildnerin zusammengefasst, um einen weiterführenden Überblick und eine Grundlage für das später herauszuarbeitende Forschungsprojekt zu gewinnen. Sofern in den Studien ein Fokus auf bestimmte Unterrichtsund/ oder Ausbildungsfächer gelegt wird, soll dies separat herausgestellt werden, ansonsten ist von allgemein-pädagogischen, überfachlichen bzw. lehrerprofessionstheoretischen Konzeptualisierungen der Forschungsprojekte auszugehen. 4.2.1 Forschung zu Ausbildungsstrukturen und Professionalisierung der LiV Wie eingangs bereits angedeutet, ist Forschung zu Lehrkräften im Vorbereitungsdienst oder zu den allgemeinen Strukturen zwar rar gesät, jedoch bieten die wenigen Projekte durchaus relevante Einsichten in Professionalisierungsprozesse und an diesen Prozessen beteiligten Strukturen sowie - und das wird im Verlauf der Arbeit umso interessanter - der in diesen Strukturen agierenden Lehrerbildnern und Lehrerbildnerinnen. 90 4 Der Vorbereitungsdienst als 2. Phase der Lehrerbildung Im Folgenden soll insbesondere den in den letzten zwanzig Jahren 52 einschlägigsten und umfassendsten Forschungsprojekten im Kontext des Referendariats Raum gegeben werden, um forschungsmethodologische Aspekte sowie die bedeutendsten Erkenntnisse zu Ausbildungsstrukturen und Professionalisierungsprozessen und -potentialen der LiV darzulegen, die später auch zur Diskussion der eigenen Ergebnisse relevant werden. Zu diesen einschlägigen Publikationen gehören besonders die Arbeiten von Munderloh (2018), Košinár (2014), die Potsdamer LehramtskandidatInnenstudie (LAK-Studie; Schubarth et al. 2006) sowie die auch fachdidaktisch orientierte Untersuchung von Englert et al. (2006). Im Anschluss an die detailliertere Darstellung dieser drei Arbeiten werden weitere Projekte schlaglichtartig und vornehmlich unter Berücksichtigung ihrer wichtigsten Erkenntnisse zusätzlich aufgeführt. 4.2.1.1 Englert et al. (2006): Innenansichten des Referendariats Schon mit dem Titel ihrer Arbeit weist die Forschergruppe Englert et al. auf das für Empirie und Transparenz eher geschlossene System des Referendariats hin, zeigt gleichzeitig aber durch das Begleiten einer Gruppe von LiV aus der Innenperspektive auf, was mit angehenden Religionslehrerinnen und -lehrern im Vorbereitungsdienst geschieht und wie diese die Ausbildung wahrnehmen. Ihr Forschungsbericht 53 nimmt dabei anhand sowohl quantitativer Fragebogenerhebungen als auch verschiedener Fallbeispiele insbesondere (religions-)pädagogische Handlungskompetenz in den Blick in den Dimensionen religiöser Sozialisation, Selbstverständnis, Kompetenzentwicklung, Nutzung von Ressourcen sowie der Zufriedenheit der Religions-Referendarinnen und -Referendare für das Grundschullehramt. Dieser tiefgehende und mehrperspektivische Ansatz, die Entwicklungsprozesse der Lehramtskandidatinnen und -kandidaten sowie institutionelle Begebenheiten zu berücksichtigen, ist zu diesem Zeitpunkt im Jahr 2006 in der Tat als erstmalig für das Forschungsfeld des Vorbereitungsdienstes zu bezeichnen. Eingangs werden Bedingungen des Referendariats sowie das längsschnittlich angelegte Forschungsprojekt an sich beschrieben, man steigt dann aus einer allgemeinen Perspektive in drei charakteristische Fallportraits ein, die „Referen- 52 Wie an mehreren Stellen bereits aufgezeigt, nimmt die Zahl der Publikationen und Forschungsprojekte zur zweiten Phase seit 2000 zu. Die - teils auch als seminarinterne oder über Kultusministerien initiierte - Projekte vor 2000 werden von Schaefers (2002) mit besonderem Fokus auf die 90er Jahre zusammengefasst. 53 Der Bericht versteht sich als Monographie, wenn auch die einzelnen thematischen Schwerpunkte oder Fallanalysen explizit als von einzelnen Autorinnen und Autoren verfasst gekennzeichnet werden. Trotz dessen wird im Folgenden auf den Bericht als Monographie Bezug genommen. 4.2 Forschung zum Vorbereitungsdienst 91 dariatsschicksale“ (ebd.: 45 ff.) plastisch darstellen. Ziel der Untersuchung und Darstellung ist es, ausgehend von den Fallportraits eine thematische Analyse innerhalb der oben bereits genannten Dimensionen vorzunehmen und diese wiederum rückgekoppelt an die Fragebogenerhebungen in eine Typologie zu überführen, die nicht nur Rückschlüsse über die Kompetenzentwicklung liefert, sondern auch Empfehlungen für das im Projekt beforschte Referendariat und seine Ausführungsbestimmungen des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen zum Zeitpunkt des Projekts. Die drei von der Forschungsgruppe begleiteten Referendarinnen, Melanie, Silke und Viola, beginnen im Frühjahr 2001 ihr Referendariat an unterschiedlichen Studienseminaren in NRW und wurden zu vier Zeitpunkten von Beginn der zweiten Phase bis zum Ende interviewt, aus dem Interviewmaterial werden kategorienbezogen sequenzanalytisch Schlüsselpassagen identifiziert und diese dann mittels einer Variante der qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet. Ihrem eigenen Lehramtsstudium attestieren die Referendarinnen einen mangelhaften Praxisbezug, welches über „positive Impulse für die persönliche religiöse Entwicklung“ (ebd.: 457; Hervorhebung D.G.) kaum hinausgeht. Jedoch zeigt sich eine durchgehend vorhandene kirchliche Sozialisation, wenn auch biographisch durchaus Zweifel oder Krisen speziell bezüglich der Institution Kirche angesprochen werden. Im gesamten Sample liegt damit das jugendliche Engagement in einer kirchlichen Institution deutlich höher als im Vergleich mit anderen Jugendlichen, die sich, wenn überhaupt, dann eher in anderen Trägerschaften engagiert zeigen. Die Autorinnen und Autoren vermuten hierin eine Grundlage für späteres religionspädagogisches Handeln, da kirchliche Jugendarbeit genuin pädagogische Charakteristika zeigt. Religion als Fach wird sodann mit Berücksichtigung der langen inhaltlichen Beschäftigung mit ihren Fragen als intrinsisch motiviert und „erfüllend“ (ebd.: 473) charakterisiert. Auf methodisch-didaktischer Ebene zeichnet sich Religionsunterricht für die Lehramtskandidatinnen durch eine ganzheitliche, damit aber auch durchaus grundschultypische, „erlebnisintensive Inszenierung“ (ebd.: 461) aus, der die Kinder in ihrer Persönlichkeitsentwicklung und Lebensbewältigung stärken will (intentionale Perspektive), auf den Erfahrungs- und Rezeptionshorizont der Kinder gemünzt ist (hermeneutische Perspektive) und schließlich die aktive und emotionale Beteiligung der Kinder zu initiieren sucht (methodisch-kommunikative Perspektive). (ebd.: 458) Während sich der Blick auf Religionsunterricht über das gesamte Sample hinweg als relativ homogen darstellt, gelingt es der Forschergruppe nicht, bezüglich bestimmter fachdidaktischer Konzepte eindeutige Positionen festzustellen. Die Tatsache, dass zur Reflexion bestimmter Unterrichtsstunden auf einer Mikro- 92 4 Der Vorbereitungsdienst als 2. Phase der Lehrerbildung als auch Makroebene eine Vielzahl von (allgemein-)didaktischen Perspektiven eingenommen werden, spricht in den Augen der Autorinnen und Autoren dafür, dass „sich die elaborierten Konzepte der wissenschaftlichen Religionsdidaktik in den Augen von Studierenden und Referendar/ innen als wenig plausibel erweisen“ (ebd.: 461). Dies zieht aus fachdidaktischer Perspektive einen gewissen Legitimationsdruck nach sich, wenn die 1. Phase der Lehrerbildung hier nicht zumindest vertiefende bzw. einheitliche Konzepte anbahnen kann. Möglicherweise lassen sich hier Bezüge oder Parallelen zur in Kapitel 3 herausgearbeiteten schwachen Strukturiertheit der Domäne Fremdsprachendidaktik ziehen, sodass an dieser Stelle fachdidaktisches Wissen in seiner Anschlussfähigkeit im Vorbereitungsdienst hinterfragt werden muss. Auf struktureller sowie interpersonaler Ebene werden die Studienseminare als Institution eher negativ bewertet, während die Rolle der Mentorinnen und Mentoren an den Ausbildungsschulen von den Referendarinnen als sehr positiv dargestellt wird, dienen sie doch sowohl als Modelle guter Praxis als auch für ständiges und spontanes Feedback sowie Materialfundus aufgrund ihrer räumlichen Nähe. Englert et al. kritisieren den offensichtlich zum Zeitpunkt der Erhebungen bestehenden Mangel an flächendeckend zur Verfügung stehenden Mentorierenden (zumindest auch in einigen Fächern und abhängig von den jeweiligen Schulen) und erachten es aufgrund der aus Sicht der angehenden Lehrkräfte empfundenen Schlüsselposition dieser Personalgruppe als zwingend notwendig, dass diese auch „spezifische Fort- und Weiterbildung, aber auch eine spürbare Honorierung und Entlastung für ihre aufreibende, verantwortungsvolle und unverzichtbare Tätigkeit“ (ebd.: 466) erhalten sollten. Bezogen auf die Institution Studienseminar sehen die angehenden Lehrkräfte im Absolvieren der Fach- und Hauptseminare zwar noch einen gewissen Mehrwert, allerdings offenbart sich in ihren Augen ein kaum aufzulösender „Strukturkonflikt“ (ebd.: 466), indem die Studienseminare - wie die Hochschulen in der 1. Phase - zwischen Theorie und Praxis vermitteln müssen, dabei von schulischer Praxis allerdings abgekoppelt sind, parallel jedoch die unterrichtspraktische Leistung der Lehrkräfte anbahnen, stärken und bewerten müssen. Die Fachseminare werden in der Regel vermutlich daher besser bewertet als die Hauptseminare, da sie aufgrund einer fachdidaktischen Perspektive näher an Unterrichtspraxis angelegt sind. Weitaus schwerer wiegt der Vorwurf, dass es kaum möglich erscheint, dass die Ausbildungskräfte (Seminarleiter*innen) ihre Leistungsmaßstäbe offenlegen und damit eine transparente Beratungssowie Bewertungssituation schaffen, was den „Eindruck eines massiven Machtgefälles“ (ebd.: 467) mehr als nachvollziehbar werden lässt. Zusammenfassend betrachtet bewertet das Sample das Referendariat als sehr lehrreich, weist aber auf vielerlei strukturelle wie inhaltliche Defizite hin - auch 4.2 Forschung zum Vorbereitungsdienst 93 für die erste Phase -, die Abhängigkeiten dabei nicht nur von individuellen Wissensständen der angehenden Lehrkräfte sowie dem ausbildenden und mentorierendem Personal sieht, sondern dabei dann auf den nächsthöheren Ebenen von Schule/ Schulort sowie Studienseminar insgesamt. 4.2.1.2 Schubarth et al. (2006): Potsdamer LehramtskandidatInnenstudie Die Potsdamer LehramtskandidatInnenstudie (LAK-Studie) betrachtet die zweite Phase multimethodisch, dabei primär aus der Perspektive der Kandidatinnen und Kandidaten im Zeitraum von August 2004 bis März 2005 an verschiedenen Seminarstandorten des Bundeslandes Brandenburg, was insbesondere deswegen eine gewisse Relevanz aufzeigt, da vor der Wiedervereinigung ein einphasiges Ausbildungsmodell in der ehemaligen DDR praktiziert wurde. Ziel des Forschungsprojekts, aufgetragen vom Ministerium für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg, ist eine qualitative Einschätzung des Ist-Zustands, die Erarbeitung von Optimierungsvorschlägen explizit für die zweite Phase sowie für eine bessere Verzahnung auch mit der universitären Phase der Lehrerbildung (vgl. Schubarth et al. 2006: 15): Angenommen wird dabei, dass die Eingangsvoraussetzungen, Rahmenbedingungen/ Vorgaben und der Ausbildungsprozess wichtige Bestimmungsgrößen für die Ausbildung in der zweiten Phase der Lehrerausbildung sind und einen Einfluss auf die Kompetenzen und Gesamteinschätzungen der Lehramtskandidatinnen haben, ohne dass von einem Kausalzusammenhang ausgegangen werden kann. (ebd.: 33) Dieser modellartigen Vorstellung folgend werden für die Bewertung von Kontext- und Input-, Prozesssowie Ergebnisqualität (vgl. auch Vorgehen von Munderloh 2018 unten) sowohl eine Dokumentenanalyse, eine quantitative Fragebogenerhebung sowie Gruppendiskussionen zur Datengewinnung herangezogen, um Einblicke in das brandenburgische Referendariat zu erhalten. Die Dokumentenanalyse von qua brandenburgischen Schulgesetzes vorgegebenen Rahmenbedingungen und Anforderungen, Rahmenlehrplänen für Schulen sowie Rahmenrichtlinien für die Lehrerbildung im Referendariat offenbaren in den Augen der Autorinnen und Autoren der LAK-Studie bereits einige gewichtige Schwächen: Zum Ersten die Divergenz zwischen den teilweise abstrakten zentralen Vorgaben (Ideal professioneller Handlungskompetenzen) und den mangelnden Konkretisierungen in den nachfolgenden Plänen, zum Zweiten die Heterogenität und teilweise Beliebigkeit der internen Ausbildungspläne, zum Dritten die Fokussierung auf den Unterrichtsbereich und die mögliche Vernachlässigung anderer Bereiche wie z. B. Beraten und Innovieren. (ebd.: 54) 94 4 Der Vorbereitungsdienst als 2. Phase der Lehrerbildung Gegenüber steht diesen hohen Anforderungen und inhaltlichen Vorgaben, die im ausbildungsdidaktischen Bereich der Studienseminare weniger festgelegt bzw. konkretisiert zu sein scheinen, die aus den quantitativen Fragebogenerhebungen gewonnene Einschätzung der LAK, dass einige der zu behandelnden Themen keine oder nur wenig Relevanz zu haben scheinen (z. B. Elternarbeit, das vorgeschriebene Thema „Ost-West“ oder „Funktion/ Aufgabe von Jugendhilfeträgern“). Ausbildungsdidaktisch relevant gesetzte Inhalte sind jedoch Themen wie „Unterrichtsführung“, „Lehr- und Lernmethoden“ sowie beispielsweise das „Beurteilen von Schülern und Schülerleistungen“ (ebd.: 81). Die größten Differenzen zwischen erwarteten Inhalten der angehenden Lehrkräfte und den in den Studienseminaren behandelten Themen zeigen sich in Bezug auf „Lernschwierigkeiten“, „Finden der eigenen Lehrerrolle“ sowie „Umgang mit Unterrichtsstörungen, Aggression und Gewalt“ (ebd.: 83). Schubarth et al. werten in diesem Zusammenhang die systematische Behandlung bestimmter Aspekte zwar positiv, jedoch kritisieren sie, dass einige Inhalte offensichtlich noch nicht in diese Systematik der Studienseminare aufgenommen wurden, obgleich sie von den Referendarinnen und Referendaren als relevant bewertet werden. Dies sind besonders Themen, „die über das unmittelbare Führen und Reflektieren von Unterricht hinausgehen“ (ebd.: 83). Diese Einschätzung geht einher mit der Erkenntnis, dass die angehenden Lehrkräfte die zweite Phase in Brandenburg besser bewerten als ihre erste Phase und sich für letztere eine stärkere Berufsfeldorientierung wünschen 54 , gleichzeitig die Fachwissenschaften durchaus positiv bewerten, sich jedoch für eine anteilige Erhöhung praxisorientierter Seminare (Praktika, fachdidaktische und erziehungswissenschaftliche Veranstaltungen) aussprechen (ebd.: 124). Auf institutioneller Ebene wurde die Stichprobe ebenfalls nach Stärken und Schwächen ihrer Studienseminare und Ausbildungsschulen befragt, deren quantitativ häufigsten Nennungen in Tabelle 3 zusammengefasst sind. Studienseminare Ausbildungsschulen Stärken Starker Bezug zur Schulpraxis in den Studienseminaren (61) Raum für Austausch unter LAK bzw. unter Gleichgesinnten (54) Gute Betreuung und Unterstützung der LAK (39) Praxis-Erfahrungen sammeln (54) Hohe Akzeptanz der LAK durch aufgeschlossenes Kollegium (46) Großer persönlicher Freiraum für die LAK, um sich auszuprobieren (31) 54 Dies deckt sich mit den Erkenntnissen der Studie von Lersch (2006) zu den Einschätzungen von Marburger Lehramtsstudierenden und Referendarinnen und Referendaren. 4.2 Forschung zum Vorbereitungsdienst 95 Studienseminare Ausbildungsschulen Schwächen Fehlende Ausrichtung auf die schulische Realität (44) Mangelnde innere Struktur und Organisation der Seminare (28) Fehlende bzw. irrelevante Inhalte in den Seminaren (25) Unzureichende Betreuung und Unterstützung der LAK durch die Ausbildungslehrerinnen (43) Fehlende Innovationsbereitschaft und mangelnde Methodenvielfalt (39) Schlechte Ausstattung der Schulen (27) Tab. 3: Stärken und Schwächen der Studienseminare und Ausbildungsschulen laut Potsdamer LAK-Studie (gekürzt und zusammengefasst nach Schubarth et al. 2007: 125-131; in Klammern: Anzahl der Aussagen aus dem Datenmaterial). Die kumulierten Aussagen zu den Stärken und Schwächen sind jedoch teils widersprüchlich, wenn beispielsweise den Studienseminaren an vielen Stellen ein starker Praxisbezug, gleichzeitig aber als Schwäche eine „fehlende Ausrichtung auf die schulische Realität“ (ebd.: 127) unterstellt wird. Zu diesem Schluss einer divergierenden Wahrnehmung und Bewertung der Studienseminare aus Sicht der angehenden Lehrkräfte kommt auch die Forschungsgruppe, hebt dann parallel aber vornehmlich die offensichtlich weniger abweichende Wahrnehmung der Ausbildungsschulen hervor: Hier zeige sich insbesondere bzgl. der Betreuung der Referendarinnen und Referendare, dass die an den Schulen tätigen Ausbildungslehrer/ -lehrerinnen (Mentorinnen und Mentoren) „mangels einer adäquaten Vorbereitung und Schulung einfach die Kompetenz für diese Aufgabe fehlt“ (ebd.: 130). Dies geht einher mit einer mangelhaft wahrgenommenen Innovationsbereitschaft vor allem bezogen auf unterrichtsmethodische Aspekte bzw. Sozialformen, da zum Erhebungszeitpunkt subjektiv wahrgenommen der Frontalunterricht dominiert und als wenig innovativ bewertet wird. Die LAK-Studie erarbeitet darüber hinaus mittels des quantitativen Anteils der Erhebung „vier Typen beruflicher Orientierung“ der Lehramtskandidaten und -kandidatinnen: Dabei findet sich eine Bandbreite, die von einem tendenziell gleichgültigen „Null-Bock-Typ“ sowie privat wie beruflich ausgeglichenen „Gelassenheitstyp“ über einen strebsamen und perfektionistischen „Karrieretyp“ bis hin zum verausgabungsbereiten „Burn-Out-Typ“ (ebd.: 63) unterschiedliche Orientierungen offenbart, die sich zudem interessanterweise in der Stichprobe in gleichen Verhältnissen zeigen. Allerdings sind Frauen tendenziell eher dem „Burn-Out“- und „Null-Bock-Typ“ zuordenbar, Männer hingegen eher den „Karriere“- und „Gelassenheitstypen“ (ebd.: 65). 96 4 Der Vorbereitungsdienst als 2. Phase der Lehrerbildung Neben der Dokumentenanalyse sowie den quantitativen Fragebogenerhebungen werden im Rahmen der LAK-Studie fünf Gruppendiskussionen in Studienseminaren bzw. Ausbildungsschulen ausgewertet, um „bedeutsame und gemeinsam geteilte kollektive Erfahrungen, Orientierungen, Meinungen und Einstellungen zu erfassen“ (ebd.: 131). Obwohl methodologisch das Durchführen der Gruppendiskussionen anhand von Prinzipien Bohnsacks (2014 55 ) dargestellt wird, verwenden die Autoren nicht die Dokumentarische Methode zur Analyse der mittels der Gruppendiskussion generierten Daten, sondern die Qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring (2015 56 ). Dies begründen sie forschungspragmatisch anhand der knappen zeitlichen sowie personellen Ressourcen sowie der Zielsetzung ihrer Auftragsarbeit, primär eine „Zustandsbeschreibung zum Vorbereitungsdienst“ (ebd.: 41) vorlegen zu wollen. Die generierten Kategorien beschreiben erneut Stärken und Schwächen der Institutionen, in denen die Kandidatinnen und Kandidaten tätig sind, auch eine Einschätzung der ersten Phase wird analog zur quantitativen Erhebung in den Gruppendiskussionen deutlich. In der Gesamtschau diskutieren Schubarth et al. ihre Erkenntnisse aus den quantitativen und qualitativen Anteilen ihres Projekts und stellen die allgemein positive Bewertung der zweiten Phase heraus. Gleichzeitig formulieren sie qualitätsstiftende Rahmenbedingungen wie Praxisnähe und Erfahrungsaustausch unter den Lehramtskandidatinnen und -kandidaten und identifizieren auf Basis ihrer Modelldimension der Ergebnisqualität u. a. das Desideratum des Wechsels in die Lehrerrolle sowie einen Zuwachs an Lehr- und Beratungskompetenzen im Verlauf des zweijährigen Referendariats. Sie plädieren in ihren Empfehlungen für die „Entwicklung eines modernen Lehrerleitbildes als normative Grundlage“ (ebd.: 163) innerhalb des Vorbereitungsdienstes, stellen die besondere Bedeutung des Studienseminars sowie der Ausbildungsschulen heraus und merken die sich insbesondere innerhalb der Gruppendiskussionen offenbarenden Qualifizierungsdefizite der Ausbilderinnen und Ausbilder dar: „Die Lehramtskandidatinnen bemängeln bei einem Teil der Ausbilderinnen vor allem die methodisch-didaktische und auch die soziale Kompetenz.“ (ebd.: 164) 57 Damit einher geht die Forderung der Autoren, die Lehramtskandidaten/ -innen fachlich sowie sozial stärker zu beraten und zu betreuen, damit gleichzeitig die Bedeutung der beiden beteiligten Institutionen herauszuheben und Freiräume für die 55 Die Forschergruppe verweist in ihrem Beitrag auf die 2003 erschienene dritte Auflage des Werkes. 56 Hier verweisen sie auf die 8., im Jahre 2003 erschienene Auflage von Mayrings Einführungswerk. 57 Schubarth et al. (2006) verweisen an dieser Stelle an von Meyerhöfer und Rienits (2006) entwickelte Empfehlungen zur Rekrutierung von Ausbilderinnen und Ausbildern, auf die an späterer Stelle noch eingegangen wird. 4.2 Forschung zum Vorbereitungsdienst 97 Ausbildungslehrerinnen und -lehrer (Mentorinnen und Mentoren) sowie deren Professionalisierung herzustellen. Besonders die Herstellung von für alle an der Ausbildung beteiligten Personen transparenten Rahmenbedingungen und Anforderungen scheint zum Untersuchungszeitpunkt ein besonderes Desiderat der brandenburgischen zweiten Phase zu sein. Damit stellen Schubarth et al. (2006) gleichzeitig drei bedeutende Forschungsdesiderate hinaus, welchen sie nachgehen möchten und die sich aufspalten in 1) eine nötige Beforschung und Befragung der Ausbildungskräfte sowie der Ausbildungslehrer/ -lehrerinnen, um auch deren Perspektive zu gewinnen, 2) Forschung zu den Übergängen der einzelnen Phasen sowie 3) das Erheben von „hemmenden und fördernden Faktoren der Verzahnung von erster und zweiter (evtl. auch dritter) Phase“ (ebd.: 169). 4.2.1.3 Košinár (2014): Professionalisierungsverläufe in der Lehrerausbildung Im Rahmen ihres Habilitationsprojekts untersucht Košinár (2014) Professionalisierungsverläufe von Referendarinnen und Referendarinnen im Hamburger Vorbereitungsdienst. Dabei interessiert sie sich sowohl dafür, 1) inwiefern die angehenden Lehrkräfte den Anforderungen der zweiten Phase gewachsen sind, welche Voraussetzungen sie z. B. bezüglich ihrer Selbstwirksamkeitserwartungen mitbringen und wie sich diese verändern, 2) welche Entwicklungsverläufe sie hinsichtlich der phasenspezifischen Anforderungen durchmachen und damit auch durch die Entwicklung ihres beruflichen Selbstverständnisses wie mit Krisen umgehen als auch 3) welchen Einfluss sowohl die Strukturen des Hamburger Vorbereitungsdienstes als auch das begleitende Personal auf die Referendarinnen und Referendare haben. Die Datengewinnung erfolgt über drei Erhebungsinstrumente: Mittels Fragebögen werden für die quantitativ angelegte Teilstudie über mehrere Messzeitpunkte längsschnittlich personale Kompetenzen „wie Selbstregulation, Selbstorganisation, Selbstreflexion und sozial-kommunikative Kompetenzen“ (ebd.: 149) sowie deren Einfluss auf das berufliche Selbstverständnis erhoben. Im qualitativ-rekonstruktiven Anteil des Studiendesigns zu den Forschungsschwerpunkten 2) und 3) werden verschiedene Interviewformen mit neun Kohortenmitgliedern der quantitativen Erhebung und teilnehmende Beobachtungen in den Schulen der Referendarinnen und Referendare sowie in „Veranstaltungen des Landesinstituts“ (ebd.: 152) durchgeführt, welche dem Studienseminar bzw. Modul-/ Ausbildungsveranstaltungen der zweiten Phase in anderen Bundesländern entspricht. Die umfassende Triangulation des zweiten, qualitativen Forschungsanteils hat damit zum Ziel, die Erkenntnisse der quantitativen Erhebungen durch die Perspektive auf die beforschten Subjekte zu lenken und damit Themenfelder offenzulegen, die die angehenden Lehrkräfte im Laufe ihres Referendariats bearbeiten. 98 4 Der Vorbereitungsdienst als 2. Phase der Lehrerbildung Mittels der Dokumentarischen Methode (vgl. Bohnsack 2014a) arbeitet Košinár heraus, dass die von ihr rekonstruierten Fälle bezogen auf ihr Professionalisierungsverständnis dieses als einschränkend, entwicklungsbezogen oder fremderwartungszentriert in der einen Dimension konstruieren sowie, in einer zweiten Dimension, eine diffuse und eine konturierte Passungsgestaltung offenbaren (vgl. ebd.: 248 ff.). Interessanterweise zeigen alle von ihr beforschten Referendarinnen und Referendare dann im Verlauf ihres Referendariats einen Wechsel des Orientierungsrahmens von einer „diffusen“ hin zu einer „konturierten Passungsgestaltung“ und differenzieren sich - auch über die zweite Dimension hinweg - aus bzw. wechseln dort die Orientierungen. Im Rahmen der Typenbildung werden drei Kerntypen herausgearbeitet (vgl. ebd.: 247 ff., 281 ff.), welche gleichzeitig entwicklungsprognostisch und aus Sicht der beteiligten Ausbilderinnen und Ausbilder charakterisiert werden: Typ 1 zeichnet sich durch „aktive Gestaltung“ aus, „die Bereitschaft zur Annahme von Anforderungen und deren Deutung als Herausforderungen“ (ebd.: 282). Dieser Typ von Referendar*in erkennt nötige Entwicklungen und kann diese für sich eigenständig priorisieren. Damit einher gehen eine gewisse Distanzierung und Pragmatismus im Kontext der Profession, was die Bearbeitung von krisenhaften Situationen und individuellen Kompetenzen antizipieren lässt. Ausbildungskräfte charakterisieren diesen Referendarstyp aufgrund der offensichtlich gewordenen Fähig- und Fertigkeiten als „Idealtypus“ (ebd.: 283). Typ 2 bezeichnet Košinár mit dem Begriff der „Vermeidung“, da dieser Typ Situationen und „Anforderungen, die nicht sofort bewältigt werden können“ (ebd.: 284), aus dem Weg geht. Aufgrund zahlreicher unerwarteter und unerwartbarer Bedingungen und Anforderungen im Referendariat zeichnen sich Referendare dieses Typs dadurch aus, dass sie sich weniger ihres Professionalisierungsprozesses bewusst sind, sondern durch Einsatz zahlreicher Vermeidungsstrategien eher zielorientiert das Referendariat abschließen möchten und dies durchaus auch schaffen, sofern die Vermeidungsstrategien greifen. Dennoch: „Aufgrund des fehlenden professionellen Selbstverständnisses … werden die Referendar/ innen bei Erfahrungskrisen in ihrer ganzen Person erschüttert.“ (ebd.: 284) Auch informellere Beratung durch Mitreferendarinnen und Mitreferendare scheint für diesen Typen eine größere Bedeutung im Sinne eines entlastenden Gesprächs und Austauschs zu haben im Gegensatz zu als zusätzliche Anforderung empfundene Beratung durch Ausbildungskräfte. Typ 3, „Anpassung“, sieht sich selbst als unerfahren und tendenziell für den Lehrerberuf ungeeignet, hält sich entsprechend mittels minimalem Professionswissen und dabei „mehrfach abgesicherter Unterrichtsplanung“ (ebd.: 286) sozusagen über Wasser, vermeidet gleichzeitig aber, Hilfe, Unterstützung und Beratung von Mitrefe- 4.2 Forschung zum Vorbereitungsdienst 99 rendar*innen oder den Ausbildungskräften gezielt anzunehmen. Die eigene reflexive Eingeschränktheit des Typs bildet damit Konfliktpotential in Beratungssituationen auch mit Mentorinnen und Mentoren, da anschlussfähige Offenheit hier auf eine gewisse Beratungsresistenz stößt. Folglich wird dieser Typ aus Sicht der Ausbilderinnen und Ausbilder als problematisch, als „Risikotyp“ (ebd.: 288), charakterisiert. Die Ergebnisse der quantitativen Erhebungen sind insofern bemerkenswert, dass hier über den Verlauf der Untersuchung der Referendar*innen hinweg eine „nur geringfügige Kompetenzentwicklung bzw. ein Rückgang bzgl. der Selbsteinschätzung von Fähigkeiten in den meisten Teilbereichen personaler Kompetenzen“ (ebd.: 372) zu messen ist. Als institutionell bedeutsame Einflussfaktoren werden insbesondere qualitativ hochwertige Beratung von Mentorinnen/ Mentoren sowie Ausbildungskräften, eine an den LiV orientierte Themengestaltung in der Ausbildungsarbeit sowie die „Frage nach den sozialen Ressourcen und den Unterstützungsangeboten von Seiten der Kolleg/ innen, der Mentor/ innen und der Mitreferendar/ innen“ (ebd.: 376) herausgestellt. In der Zusammenschau der qualitativ und quantitativ erhobenen Daten und ihrer analysierenden Verknüpfung konjunktiver Erfahrungsräume der betrachteten Fälle sowie der kommunikativ offenbarten Wissensbestände der Fragebogenerhebung zeigt sich besonders, dass die Typik der Passung ein relevanter Einflussfaktor für Professionalisierungsprozesse im Referendariat ist und inwiefern die angehenden Lehrkräfte beeinflusst von persönlichkeitsrelevanten Faktoren mit dem an der Ausbildung beteiligten Personal und den rahmengebenden, teils einschränkenden und fordernden Strukturen umgehen. 4.2.1.4 Munderloh (2018): Das Referendariat aus der Sicht der Referendar/ innen In seiner Dissertationsschrift untersucht Munderloh (2018) in einem kompetenztheoretischen Zugang bundesländerübergreifend die Wahrnehmung des Vorbereitungsdienstes aus Sicht von Referendarinnen und Referendaren an beruflichen bzw. berufsbildenden Schulen. Dazu stellt er zum einen im theoretischen Teil der Arbeit die Rahmenbedingungen in den einzelnen Bundesländern vor - von denen er später dann 14 empirisch untersucht - und diskutiert zum anderen aktuelle Trends und Entwicklungen in der zweiten Phase der Lehrerbildung. Hierzu gehören für ihn Diskussionen rund um die Verkürzung des Vorbereitungsdienstes, Modularisierungstendenzen im Anschluss an den Bolognaprozess sowie teils angestrebte Kooperationen zwischen erster und zweiter Phase bzw. eine stärkere Verknüpfung von Studienseminar und Ausbildungsschulen. Munderloh unterscheidet neben den Rahmenbedingungen und formalen Vorgaben drei weitere Dimensionen, die sich 100 4 Der Vorbereitungsdienst als 2. Phase der Lehrerbildung im Referendariat zeigen: eine Produkt-, Inputsowie Prozessdimension. Er formuliert in seiner theoretischen Einführung zur Unterscheidung der Dimensionen: Leitend wird dabei die Annahme sein, dass der Erwerb der beruflichen Handlungskompetenz (Produkt) nicht allein von Kontext- und der Prozessqualität beeinflusst wird, sondern in nicht unerheblichem Maße auch von den Eingangsvoraussetzungen (Input) der Referendar/ innen beim Eintritt in den Vorbereitungsdienst. (ebd.: 60) Nach der Darstellung der strukturellen und inhaltlichen Anforderungen der Vorbereitungsdienste in den unterschiedlichen Bundesländern führt er die Prozessdimension näher aus und betont, „dass es für die angehenden Lehrkräfte nicht nur wichtig ist, was sie im Referendariat lernen, sondern auch wie “ (ebd.: 146; Hervorhebungen im Original). Bedeutend werden in diesem Kontext vier Belastungsfaktoren auf Seiten der Referendar*innen, die aus den diskutierten empirischen Befunden offenbar werden, nämlich die Schwierigkeit der Rollenfindung, der Zeit und des Zeitmanagements, die Belastung durch Beratungs- und Beurteilungsprozesse sowie durch den eigentlichen Unterricht. Zur Entwicklung eines Fragebogens orientiert sich der Autor an der Fragestellung, wie der Vorbereitungsdienst seitens der angehenden Lehrkräfte an berufsbildenden Schulen, die ihn zum Erhebungszeitpunkt erleben, beurteilt wird besonders unter Berücksichtigung aktueller Entwicklungen, die er vorher dezidiert dargelegt hat. Methodologisch ausgehend vom CIPP-Modell (vgl. Stufflebeam 1972), welches ermöglicht, die vier putativ zusammenhängenden Dimensionen in eine Beziehung zu setzen (die Buchstaben stehen für Context, Input, Process und Product ; vgl. auch Vorgehen bei Schubarth et al. 2006), wird eine Vielzahl von Hypothesen entwickelt, die mittels des Erhebungsinstruments abgebildet werden, das in der finalen Fassung 51 Items aufweist. Dazu gehören auch qualitativ ausgewertete offene Fragen. Insgesamt wurden 910 Referendarinnen und Referendare an berufsbildenden Schulen befragt. Die Vielfalt und Spannweite dieser Untersuchung ist damit entsprechend komplex und vielschichtig, weswegen hier lediglich auf die - insbesondere für die weitere Diskussion - wichtigsten Erkenntnisse (wenn vorhanden, dann vorrangig für das Bundesland Hessen) eingegangen werden soll: 1. Erwartungsgemäß kritisieren die meisten Befragten (80 %) die wenig konkrete Vorbereitung auf den Beruf durch die erste Phase. Lediglich diejenigen Referendar*innen, die Schulpraktika im Umfang von mehr als 30 Wochen belegen konnten, zeigen diese Kritik nicht oder in deutlich geringerem Ausmaß. 4.2 Forschung zum Vorbereitungsdienst 101 2. Die Unterrichtsverpflichtung wird als eine der höchsten Belastungsfaktoren angesehen und hängt mit dem entstehenden Zeitdruck (und damit auch allen weiteren Verpflichtungen) zusammen. 3. Der schulnahen Ausbildung wird eine höhere Bedeutung für den Vorbereitungsdienst attestiert. Es wird insgesamt deutlich, „dass die Referendar/ innen für einen größeren Stellenwert der schulischen Ausbildung plädieren“ (ebd.: 417), da sie die Rolle von Mentorinnen und Mentoren gestärkt sehen möchten. Inhaltlich sehen die Befragten die fachdidaktische Ausbildung als besser am Lernort Schule angedockt, allgemeinpädagogische Seminare eher an Studienseminaren. 4. Veranstaltungen an den Studienseminaren offenbaren drei Problemfelder, die sich jedoch stärker in den allgemeinpädagogischen Veranstaltungen zeigen, weniger in den fachdidaktischen. Hierzu gehören „die mangelnde Orientierung an den individuellen Interessen der Referendar*innen und deren Einbeziehung in die Seminarplanung“ (ebd.: 426), ein geringer Praxisbezug sowie die Tatsache, „dass sowohl in den fachdidaktischen als auch in den pädagogischen Seminaren kaum Verknüpfungen zur universitären Ausbildung hergestellt werden“ (ebd.: 428). 5. Hinsichtlich des Ausbildungspersonals hinterfragen in den qualitativen Items des Fragebogens einzelne angehende Lehrkräfte die Qualifikation des Personals: „Die geäußerte Kritik nimmt vielmehr eine wenig empathische Beratungskultur in den Blick, welche negative Aspekte in den Vordergrund stelle.“ (ebd.: 418) Auch die Abhängigkeit der Referendar*innen von einzelnen Ausbildungskräften wird kritisch bewertet. 6. Die Referendar*innen zeigen sich vom hessischen Vorbereitungsdienst durchschnittlich zufrieden, was dem Bundesdurchschnitt in etwa entspricht, bewerten die fachdidaktische Ausbildung allerdings etwas besser als die allgemeinpädagogische (MW = 3,26 gegenüber MW = 2,95 auf einer fünfstufigen Likert-Skala). Hinsichtlich der seminaristischen Betreuung hingegen liegt Hessen im unteren Viertel. Auf Basis der sehr umfassenden Ergebnisse, die hier nur stark verkürzt dargestellt wurden, entwickelt Munderloh eine „[t]eilnehmerperspektivische Konzeption der zweiten Phase“ (ebd.: 446 ff.), welche im Optimalfall 24 Monate dauert bei halbjährlich ansteigender Unterrichtsverpflichtung bis maximal 6 Stunden und abnehmender Hospitationsverpflichtung beginnend mit 12 und endend mit 6 Stunden im vierten Halbjahr. Der Autor spricht sich für eine Stärkung der Rolle sowie Qualifizierung von Mentorinnen und Mentoren aus sowie für Fachseminare, die bewertungsfrei und stärker an Coachingprinzipien orientiert sind. 102 4 Der Vorbereitungsdienst als 2. Phase der Lehrerbildung Gleichzeitig müssen Anforderungskriterien transparenter gemacht werden und die verschiedenen Lern- und Ausbildungsorte stärker miteinander kooperieren. 4.2.1.5 Weitere Erkenntnisse und Forschungsschwerpunkte In Ergänzung zu den vier umfassenderen, oben vorgestellten Projekten, lässt sich vereinzelte, weitere Forschung zum Vorbereitungsdienst grob in zwei Schwerpunkte einteilen: 1) die Belastung und Beanspruchung der Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst sowie 2) deren Professionalisierung im Verlauf des Referendariats. Belastung und Beanspruchung der Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst Die komplexen Anforderungen der zweiten Phase ziehen eine hohe Belastung und Beanspruchung der Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst nach sich, die - je nach Typ, wie Schubarth et al. (2006), Košinár (2014) und Munderloh (2018) zeigen - unterschiedlich bearbeitet wird. Insbesondere die Potsdamer LAK-Studie ergab dabei, dass gerade die zweite Phase zwar als durchaus lehrreich und förderlich, allerdings auch insgesamt als sehr belastend wahrgenommen wird. Die Gründe hierfür sind vielfältig: Während zum einen der sprichwörtliche „Praxisschock“ (vgl. z. B. Müller-Fohrbrodt et al. 1978) mit dem intensiven Erleben unterrichtlicher Realität eintritt (vgl. auch Klusmann et al. 2012, Schmidt et al. 2016), wird zum anderen an verschiedenen Stellen (vgl. z. B. OECD 2004, Schubarth et al. 2006) ebenfalls die mangelnde Abstimmung zwischen erster und zweiter Phase als „strukturelles Problem für den Vorbereitungsdienst und das bundesdeutsche Lehrerbildungssystem“ (Böhner 2009: 441) herausgestellt: Die Tatsache, dass die zweite, schulpraktische Phase der Lehrerausbildung an Institutionen stattfindet, die der direkten Aufsicht der Kultusministerien unterstehen, während die erste Ausbildungsphase an autonomen Universitäten erfolgt (die zuweilen selbst der Aufsicht der für Wissenschaft und Hochschulbildung zuständigen Ministerien untergeordnet sind), erschwert nicht nur die Zusammenarbeit, sondern dient den Universitäten zuweilen auch als Vorwand, sich nicht mit der praktischen Ausbildung zu befassen, die sie als eine Aufgabe anderer Stellen ansehen. (OECD 2004: 32) Es wirkt gleichsam so, als würden die vorherrschenden Strukturen und unterschiedlichen Zuständigkeitsbereiche auf dem Rücken der angehenden Lehrkräfte ausgetragen, die Kunze (2014) fallrekonstruktiv auf Basis von videographierten Seminarsitzungen interaktionistisch als „eine Praxis des ‚Einnordens‘“ (ebd.: 56) von Seiten der Ausbildungskräfte charakterisiert. Darüber hinaus sehen sich die Referendarinnen und Referendare den Anforderungen gleich zweier Institutionen konfrontiert, ihrer Schule, an der sie als Lehrende Schülerinnen 4.2 Forschung zum Vorbereitungsdienst 103 und Schüler unterrichten und neue Kolleginnen und Kollegen sind, sowie am Studienseminar, gleichsam wieder in der Rolle der Lernenden, sich wiederholt Prüfungen stellen müssen. Strietholt und Terhart (2009) folgern daher auch: „Symptomatisch für Belastungen während des Referendariats sind die vorgeschriebenen ‚Lehrproben‘.“ (ebd.: 625) Sie werden als gekünstelte Situationen beschrieben (vgl. Hoppenworth 1993), die als geschlossene Einheiten eines Dreischritts von z. B. problematisierendem Unterrichtseinstieg, Erarbeitungsphase und abschließender Ergebnissicherung im Widerspruch zu flexibel, teils von Routinen und Improvisationen geprägtem Realunterricht stehen, die zudem anhand ihrer Vorbereitung, Durchführung und Reflexion bewertet werden. Im Rahmen einer objektiv-hermeneutischen Fallanalyse aus Gruppendiskussionsmaterial der Potsdamer LAK-Studie lässt Wernet (2007) einen Referendar zu Wort kommen: … man kann ja sagen, was man will: es ist ein Lehrer-Schüler-Verhältnis. Eh, und ich finde […], wir haben erstes Staatsexamen, wir sind sozusagen erwachsene Menschen eh, und ich finde, es muss einfach eine Möglichkeit der eh, der Reflexion geben. Aber jeder hat natürlich Schiss, eh, einen Fachseminarleiter zu kritisieren. (Schubarth et al. 2006: 140-141, zitiert in: Wernet 2007: 197) Wernet interpretiert die in diesem kurzen Ausschnitt auftretenden Problemlagen als mögliches Kollegialitätsproblem, dass der Referendar sich mit dem Abschließen des ersten Staatsexamens und als Erwachsener konstruiert, selbst sich aber von den Ausbildungskräften als Schüler wahrgenommen fühlt: „Ohne es zu wollen kritisiert der Sprecher die Referendariatskolleginnen und -kollegen als ängstlich-unterwürfige, eher an Konformismus als an Autonomie und Kooperation orientierte Novizen.“ (Wernet 2007: 204) Das hiermit einhergehende Unbehagen und die letztlich ungeklärte Rollenverteilung und -zuschreibung mit der Abhängigkeit der LiV von ihren Ausbildungskräften dürften damit die Beanspruchung in der zweiten Phase ebenfalls erhöhen, besonders, wenn angehende Lehrkräfte gleichsam infantilisiert werden (vgl. Merzyn 2004). Auch die Intransparenz von Leistungserwartungen wird an anderer Stelle wiederholt erwähnt und konzentriert sich in der antinomisch angelegten Position der Ausbilderinnen und Ausbilder, gleichzeitig beraten und ausbilden sowie bewerten zu müssen (vgl. Gecks 1990, Lenhard 2004). Jedoch stellen Kunze (2014) und Wernet (o. J.) im Kontext desselben Forschungsprojekts AKURAT - Lehrerbildung als Interaktion: Fallrekonstruktionen zur Ausbildungskultur im Referendariat heraus, dass dies vermutlich nicht als Ursache der Herausforderungen im Vorbereitungsdienst gesehen werden kann, sondern sich zeigt „in der Art und Weise, wie sich die seminaristische Praxis ihrem Ausbildungsauftrag - sowohl theoretische als auch praktische Wissensbestände über Schule und Unterricht kommunikativ zu be- 104 4 Der Vorbereitungsdienst als 2. Phase der Lehrerbildung arbeiten - zuwendet“ (ebd.: 6). Wernet und seine Forschungsgruppe erarbeiten eine ausbildungstopographische Übersicht der verschiedenen Einrichtungen der Lehrerbildung (s. Tabelle 4) und diagnostizieren damit „eine strukturell angelegte Überforderung der Ausbildungspraxis aufgrund der qua Institutionalisierung festgelegten und sich gleichsam wechselseitig ausschließenden Ausbildungsansprüche“ (ebd.: 15), welche in ihrer Ausbildungsinteraktion als negativen Nebeneffekt zu einem „Verschwinden der Sache“ (Dzengel et al. 2012) führt. Ort der Ausbildung Universitätsseminar Studienseminar Ausbildungsschule Bezugsrahmen Theorie Praxisreflexion Praxis Fallbezug Fall als ausdruckmateriale Erscheinungsform eines allgemeinen Problems Fall als konkreter Anschauungs- und Reflexionsgegenstand bzw. als konkretes pädagogisches Handlungsproblem Fall als real zu lösendes handlungspraktisches Problem Thematisierungsmodus problemerschließend/ theoriegenerierend, unabhängig von praktischen Fragen praktische Angemessenheitsfragen aufwerfend lösungsorientiert Geltungsgrundlage forschungsmethodische Geltung und Erprobtheit immanente rationale Konsistenz (horizontgebunden, setzt Explikation der Horizonte voraus) praktische Geltung/ praktische Erprobtheit/ Erfahrung Ausbildungsfokus Einsozialisation in wissenschaftliche Praxis und Perspektive, Einübung eines forschenden Habitus Einübung eines analytischen Blicks auf die pädagogische Handlungspraxis Einübung der Selbstpositionierung in der päd. Praxis als Akteur/ kollegiale Selbstvergewisserung und Vergemeinschaftung/ praktische Problemlösung Tab. 4: Ausbildungstopographische Übersicht der lehrerbildenden Einrichtungen (Wernet o.J.: 12). 4.2 Forschung zum Vorbereitungsdienst 105 Mit im Referendariat seitens der angehenden Lehrkräfte offenbar werdenden Krisen und ihrer Bearbeitung beschäftigt sich Dietrich (2014) in seiner Dissertationsschrift. Einer strukturtheoretischen Argumentation folgend rekonstruiert der Verfasser die spezifische Krisenhaftigkeit der zweiten Ausbildungsphase und betont dabei, dass schulisches Handeln auch immer von Krisen geprägt ist, dass folglich der Aufbau von routiniertem Deuten und Handeln erst innerhalb krisenhafter Bearbeitungen der angehenden Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst angebahnt werden kann. Mittels vier objektiv-hermeneutisch bearbeiteter Fallstudien wird gezeigt, dass eine Hauptursache für Krisen die Überzeugung einer „Kontrollier- und Planbarkeit der schulischen Handlungssituation“ (ebd.: 464) auf Seiten der Referendarinnen und Referendare sei. Je weiter diese Überzeugungen und die schulische bzw. mit Lernenden auftretende interaktionistische Realität auseinanderklaffen, umso stärker wird ein Krisenerleben offenbar, das eine Transformation bedingt. Transformative Möglichkeitsräume, wie Dietrich sie konzeptualisiert, können jedoch nur dann erkannt und genutzt werden, wenn die angehenden Lehrkräfte selbst ihre Überzeugungen reflektieren und entsprechend alternative Deutungs- und Handlungsroutinen aufbauen, was jedoch nicht einfach bewerkstelligbar scheint: „Letztlich lassen die Rekonstruktionen erkennen, dass, ungeachtet aller denkbaren normativen Maßstäbe, die jeweiligen Lebenspraxen selbst und eigensinnig über die Transformation oder Beharrung entscheiden.“ (ebd.: 492) Oelkers (1996/ 2000) unterstellt den Studienseminaren, wie Lenhard (2004) herausarbeitet, einen gewissen Hang zur Selbstidealisierung, die die damit verbundenen Ansprüche an Idealvorstellungen von Unterricht und Lehrkraft in großen Ansprüchen resultieren lassen, „die fast zwangsläufig in Spannungen zur defizitären Alltagswirklichkeit geraten“ (Lenhard 2004: 282), welche Dietrich (2014) mittels der beschriebenen Krisenerfahrung rekonstruiert. Neben der Untersuchung der Kompetenzentwicklung von Mathematiklehrkräften in der im quantitativen Forschungsparadigma angelegten CO- ACTIV-Studie (vgl. Baumert/ Kunter 2006, Kunter et al. 2011), beschäftigt sich eine Unterstudie namens COACTIV-Referendariat (COACTIV-R) mit der Entwicklung der angehenden Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst und erhebt hier auch Faktoren beruflicher Beanspruchung (vgl. Klusmann et al. 2012). In der Tat zeigt sich im ersten Jahr des Referendariats eine erwartete, deutlich gestiegene Beanspruchung, die über den weiteren Verlauf aber auch stark persönlichkeits- und kompetenzbzw. wissensabhängig ist. So unterstützen stabile Persönlichkeitsmerkmale, selbstregulatorische Fähigkeiten sowie beim Eintritt in das Referendariat bereits vorhandene Wissensbestände um Klassenführung die Bewältigung dieser zweiten Phase im besonderen Maße (vgl. Inputdimension bei Munderloh 2018). Dennoch zeigt sich, dass Lehrkräfte nach dem Vor- 106 4 Der Vorbereitungsdienst als 2. Phase der Lehrerbildung bereitungsdienst - und das trotz einer wiederholt als fordernd charakterisierten Berufseinstiegsphase - hier wesentlich positiver gestimmt sind, was ihre Kerntätigkeit des Unterrichtens angeht als diejenigen Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst (vgl. Schmidt et al. 2016). Deutlich pessimistischer bewertet die ebenfalls quantitativ angelegte Studie von Drüge et al. (2014) Belastungsfaktoren insofern, als dass die Belastungen der Referendar/ -innen im Vergleich mit bereits länger berufstätigen Lehrkräften und anderen Berufsgruppen deutlich erhöht sind und sich hier insbesondere zeigen als „Burnout, Gedanken an Berufsaufgabe und kognitive Stresssymptome“ (ebd.: 358). Auch im Bereich sozialer Faktoren (Rollenkonflikte, Rollenklarheit, soziale Unterstützung, soziale Beziehungen und Gemeinschaftsgefühl) liefern die Referendarinnen und Referendare im Vergleich mit anderen Berufsgruppen in dieser Untersuchung die schlechtesten Werte. Jedoch wird positiv hervorgehoben, dass die angehenden Lehrkräfte gewisse Einfluss- und Entwicklungsmöglichkeiten bereits im Vorbereitungsdienst wahrnehmen und nutzen können, was für berufliche Zufriedenheit und den Umgang mit Belastungen positive Auswirkungen hat. In einer auf zwölf Jahre angelegten Längsschnittstudie wird in Baden-Württemberg neben der Kompetenzentwicklung von angehenden Lehrkräften (auch Lehramtsstudierenden und LiV) mittels Selbsteinschätzungsskalen auch deren Beanspruchung ermittelt (vgl. Rauin/ Maier 2007). Die Lehramtskandidatinnen und -kandidaten wurden mittels Skalen in Risikogruppen („riskant“, „pragmatisch“, „engagiert“) eingeteilt. Interessant ist hierbei die Erkenntnis, dass der Anteil der im Studium als „riskant“ eingestuften Kandidatinnen und Kandidaten von 27 Prozent auf 17 Prozent zum Abschluss des Referendariats fällt, während gleichzeitig der Anteil der „Engagierten“ von 35 auf 44 Prozent steigt. Inwiefern dies mit Ausbildungsstrukturen oder veränderten Anforderungen zusammenhängt, wurde zwar nicht erhoben, jedoch zeigt dies in der Auswertung auch, dass innerhalb der Gruppe der als „riskant“ bewerteten Lehrkräfte die Burn- Out-Gefahr deutlich erhöht war im Vergleich zu den anderen Gruppen (vgl. Rauin 2008). Professionalisierung der Lehrkräfte im Laufe des Referendariats Während nur einige wenige Arbeiten aus dem vergangenen Jahrhundert das Referendariat und seine Effekte dezidiert untersucht haben - zu nennen seien hier vorrangig die Arbeiten rund um die sprichwörtlich gewordene „Konstanzer Wanne“ (vgl. Müller-Fohrbrodt et al. 1978, Dann et al. 1981), ihre relativierende Reinterpretation durch Hänsel (1985) sowie die mutmaßlich psychisch-negativen Folgen eines gewissen Anpassungszwangs im Referendariat (vgl. Gecks 4.2 Forschung zum Vorbereitungsdienst 107 1990) - zeigt sich ein deutlicher Anstieg an Arbeiten zur Professionalisierung und Kompetenzentwicklung seit Beginn des neuen Jahrtausends, was sowohl die vier eingangs dargestellten Arbeiten offenbaren als auch in Diskussionen des Forschungsstandes wiederholt deutlich wird (vgl. Böhner 2009, Košinár 2014: 125 ff., Krüger 2013: 17 ff.). 58 Deutlich wird beispielsweise, dass häufig unklar bleibt, welche Kompetenzen eigentlich von den Lehrkräften im Vorbereitungsdienst erworben werden sollen bzw. wie sie performativ beurteilt werden: Strietholt und Terhart (2009) untersuchen explorativ Beurteilungsschemata von Ausbilderinnen und Ausbildern in der zweiten Phase, um herauszustellen, welche Instrumente und Kriterien angelegt werden, um Kompetenzerwerb und Professionalisierung über die Zeit des Vorbereitungsdienstes hinweg transparent zu machen. 59 Ihre Analyse der ihnen vorliegenden Instrumente legen sie an die KMK-Standards zur Lehrerbildung (vgl. KMK 2004; s. Kap. 4.1.1) an, versuchen die jeweils in den Instrumenten vergebenen Items oder Deskriptoren dort zu integrieren, erweitern die Kompetenzen jedoch auch um drei weitere Aspekte (s. Tabelle 5). 58 Insgesamt auffällig ist an der weiteren, auch durchaus in zusammenfassenden Sammelbeiträgen einschlägig rezipierten Literatur, dass hiervon eine Vielzahl aus entweder gewerkschaftsnahen oder bundeslandinternen Publikationen stammen, denen zumindest in Teilen eine objektiv-wissenschaftliche Sichtweise abgesprochen werden muss aufgrund der jeweils bildungspolitisch-kritischen Einfärbung. Häufig fehlt in diesen Beiträgen auch ein substanzieller Forschungsbeitrag, der angemessen aufgeführt und diskutiert wird. Gleichzeitig muss aber herausgestellt werden, dass diese Beiträge nichtsdestotrotz auf zahlreiche Desiderate (und Defizite) innerhalb der verschiedenen Ausgestaltungsvarianten des Vorbereitungsdienstes der Bundesrepublik Deutschland hinweisen. 59 Zwar werden hier die Beurteilungsinstrumente der Ausbilderinnen und Ausbilder untersucht, d. h. diese Thematik wäre u. U. auch für Kapitel 4.2.2 Forschung zu Ausbilderinnen und Ausbildern relevant, jedoch geht es Strietholt und Terhart (2009) um die Beurteilung der Referendarinnen und Referendare bzw. um die Dimensionen, in denen die Qualität und die Entwicklung der angehenden Lehrkräfte eingeordnet wird. Aus diesem Grund wird diese Untersuchung hier im Zusammenhang mit Forschung zu LiV eingeordnet. 108 4 Der Vorbereitungsdienst als 2. Phase der Lehrerbildung Kompetenzbereich Kompetenz Standard 1. Unterrichten 1. Unterricht planen, durchführen und reflektieren etwa drei bis fünf Standards pro Kompetenz 2. Lernsituationen gestalten 3. Selbstbestimmtes Lernen und Arbeiten fördern 2. Erziehen 4. Lebensbedingungen kennen; individuell unterstützen 5. Normen, Werte und Eigenverantwortung vermitteln 6. Schwierigkeiten und Konflikte lösen 3. Beurteilen 7. Diagnostizieren und Beraten 8. Transparente Beurteilung 4 Innovieren 9. Bewusstsein des öffentlichen Amts 10. Lehrerberuf als ständige Lernaufgabe 11. Partizipation an schulischen Projekten 12. Mitarbeit im Studienseminar (Teilnahme, Engagement und Verhalten im Studienseminar) 13. Persönlichkeit (Höflichkeit, Pünktlichkeit, Humor, Äußeres, Ausstrahlung) 14. Formale Kriterien zur Beurteilung von Hausaufgaben (Orthografie, Interpunktion, Schreibstil, Zitation) Tab. 5: KMK-Standards ergänzt um Anforderungsbereiche in Bewertungsinstrumenten der Ausbilderinnen und Ausbilder (nach Strietholt/ Terhart 2009: 631). Strietholt und Terhart (2009) kommen zu dem Schluss, dass eine systematische, an die KMK-Standards angelehnte Beurteilung der Referendarinnen und Referendare auf Grundlage der analysierten Instrumente eher untypisch ist: Lediglich 38 Prozent decken zwei oder mehr Kompetenzbereiche ab. Bei 20 Prozent der 201 vorliegenden Beurteilungsinstrumente findet sich keiner und in den verbliebenen 42 Prozent nur einer der Bereiche wieder, die die KMK im Rahmen der Lehrerbildung für wichtig hält. (ebd.: 631-632) Die Autoren fassen ihre Eindrücke in drei Typen zusammen, von denen einerseits „überhaupt kein KMK-Kompetenzbereich und auch keine Einzelkompetenz“ (ebd.: 632) berücksichtigt wird (ca. 20 % der Instrumente), andererseits 4.2 Forschung zum Vorbereitungsdienst 109 immerhin schon auf „den zentralen Bereich der Lehrertätigkeit - das Unterrichten“ (ebd.) fokussiert wird (ca. 40 %) sowie 3) umfänglich die Kompetenzen der Kandidatinnen und Kandidaten zu berücksichtigen versucht wird. Für Strietholt und Terhart ist das Beklagen der angehenden Lehrkräfte bezüglich intransparenter Kriterien nachvollziehbar, werden doch diese eher seltener vollumfänglich an die Lehrerbildungsstandards angelehnt oder sind zu einem Drittel von jeweils nur einer Ausbildungskraft individuell entwickelt worden. Ausdrücklich positiv stellen sie damit jedoch die anderen zwei Drittel an Bewertungskatalogen heraus, die kooperativ von mehreren Ausbildungskräften innerhalb der Studienseminare vorbereitet wurden, dann jedoch teilweise wiederum einige KMK-Kriterien vermissen lassen. Deutlich sehen sie die Verantwortlichkeit für die vorliegende Uneinheitlichkeit und Intransparenz der Kompetenzbzw. Performanzbeurteilung innerhalb des Vorbereitungsdienstes jedoch nicht bei den einzelnen Ausbilderinnen und Ausbildern, die diese Instrumente entwickeln und nutzen, sondern auf der systemischen Ebene und fordern, „die bei der Lizenzierung von zukünftigen Lehrkräften eingesetzten formativen und summativen Beurteilungsinstrumente und Evaluationsprozeduren dringend weiter zu entwickeln“ (ebd.: 643). Der hessische Vorbereitungsdienst wurde im Rahmen einer Vollerhebung und Befragung des beteiligten Personals (Ausbildungskräfte, LiV sowie Mentorinnen und Mentoren) durch das DIPF über den Zeitraum von 2003 bis 2009 begleitet (vgl. Döbrich/ Abs 2006/ 2007/ 2008, Döbrich/ Storch 2012). Kompetenztheoretisch geleitet werden vier Bereiche festgelegt, in denen Einschätzungen der LiV aufgenommen wurden: unterrichtsbezogene Kompetenzen, pädagogisches Handeln im Schulalltag, Organisations- und Qualitätssicherungsaufgaben, neuere pädagogische Herausforderungen (vgl. Döbrich/ Storch 2012: 53). Insbesondere bezüglich neuer pädagogischer Herausforderungen besteht eine Diskrepanz zwischen Ausbildungsinhalten an den hessischen Studienseminaren und dem Beratungsbedarf der angehenden Lehrkräfte. Aus Sicht der LiV erleben diese den größten Kompetenzzuwachs im Feld des Unterrichtens, was kaum überrascht, die eher geringeren Zuwächse verorten sie in den Bereichen Schulentwicklung (obwohl dies dezidiert zu dem Zeitpunkt curricular festgelegter Bestandteil des hessischen Vorbereitungsdienstes war), Elternarbeit und im Umgang mit kulturell-heterogenen Lerngruppen. Im Gegensatz dazu zeigen Rauin und Meier (2007), dass ihre untersuchten Lehramtskandidatinnen und -kandidaten 60 subjektiv keine Entwicklung in Bezug auf erzieherische Kompetenzen z. B. 60 In der Studie von Rauin und Meier (2007) werden zu drei Messzeitpunkten längsschnittlich Lehramtsstudierende zu Studienbeginn, zum Studienende sowie zum Berufseinstieg zu unterschiedlichen Schwerpunkten befragt. In diesem Kontext am relevantesten 110 4 Der Vorbereitungsdienst als 2. Phase der Lehrerbildung im Umgang mit Unterrichtsstörungen bzw. in selbstorganisatorischer Hinsicht im Laufe des Referendariats kaum einen Zuwachs erlebt haben, jedoch ihre Selbsteinschätzung bezüglich entwickelter methodischer Kompetenzen und der Gestaltung des Unterrichts durchaus positiv eingeschätzt wird (vgl. ebd.: 116). Die Ergebnisse der hessischen Studie decken sich ein Stück weit mit denen von Frey (2008), der Kompetenzstrukturen angehender Lehrkräfte der ersten und zweiten Phase - auch vergleichend mit internationalen Lehramtsanwärter*innen - betrachtet. Mittels einer theoretisch hergeleiteten Batterie von 241 Fertigkeiten, geordnet in 35 Fähigkeitskonzepte, untersucht Frey mittels Fragebögen die jeweilige Selbsteinschätzung von Lehramtsstudierenden (n = 1.312) sowie Referendarinnen und Referendaren (n = 309) aus sechs deutschen Bundesländern sowie weiteren Studierenden aus der Schweiz, Österreich, Italien und Polen. Die LiV bewerten ihre eigene Sozialkompetenz dabei am besten, ihre Fachkompetenz tendenziell am schlechtesten. Referendarinnen und Referendare an der Schulform Gymnasium schätzen ihre eigenen Fertigkeiten im Schnitt schlechter ein als ihre Kolleginnen und Kollegen an anderen Schulformen, vom Studium bis zum Ende des Referendariats zeigt sich eine Steigerung des „Kompetenzzuwachses … ausschließlich innerhalb der Sozial- und innerhalb der Methodenkompetenzklasse“ (ebd.: 162). Bemerkenswerterweise schätzen sich Lehramtsstudierende bezogen auf fachliche Fähigkeitskonzepte besser ein als angehende Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst, was möglicherweise auf die mangelhafte Reflektiertheit und noch nicht vorhandene praktische Umsetzung (und damit didaktische Reduktion) fachlicher Inhalte im Studium zurückzuführen sein könnte, welche im Vorbereitungsdienst entsprechend ernüchternd und kritischer wahrgenommen wird. Vor allem im Hinblick auf vergleichend-strukturelle Begeben- und Lerngelegenheiten betrachtet eine Evaluation des Berliner Vorbereitungsdienstes (FiBS 2012) Lehramtsanwärter*innen mit Staatsexamen im Vergleich mit Bachelor-Master-Abschlüssen und sieht im Erfolg des zweijährigen Vorbereitungsdienstes an sich keine Unterschiede. Für „Lehramtsanwärter/ innen mit einem Masterabschluss für ein Lehramt im gehobenen Dienst“ (ebd.: 100) hingegen gilt zum Untersuchungszeitpunkt ein einjähriger Vorbereitungsdienst, was sich zeigt in einem weniger starken beruflichen Commitment, einer deutlich geringeren Selbstwirksamkeitserwartung für die Herausforderungen im Berufsfeld sowie einem beträchtlich niedrigeren Kompetenzniveau als das der LAA, die einen zweijährigen Vorbereitungsdienst durchlaufen. (ebd.: 6) erscheinen mir die Erkenntnisse der dritten Erhebung, da diese unmittelbar nach Abschluss des Vorbereitungsdienstes erfolgt. 4.2 Forschung zum Vorbereitungsdienst 111 Es zeigt sich, dass nicht nur die Qualität der Lern- und Seminarangebote, sondern auch ihre Quantität über den Verlauf des Vorbereitungsdienstes hinweg einen entscheidenden Faktor darstellt. Die Qualität der Lerngelegenheiten wird dabei von den angehenden Lehrkräften auf Seiten des Studienseminars höher eingeschätzt als die Lernqualität in der Schule selbst angeleitet von Schulleitung und Mentor*innen. Bezogen auf den Kompetenzerwerb der angehenden Lehrkräfte kommt auch Oser (1997) zu dem Schluss, dass die - in seinem Beispiel - in der Schweiz geltenden Lehrerbildungsstandards mittels der vorhandenen Strukturen nicht erreicht werden können. Zudem wird wiederholt unterstellt, dass speziell (fach-) didaktische Kompetenzen, die im Verlauf des Vorbereitungsdienstes erworben werden, im Zuge des Berufseinstiegs wieder verloren gehen (vgl. Wahl 2008). Dies könnte auch mit den besonderen Anforderungen ebenjenes Berufseinstieges zusammenhängen, den Hericks (2006) in einem qualitativ-rekonstruktiven, strukturtheoretischen Paradigma beforscht. Er begleitet angehende Lehrkräfte vom Referendariat beginnend in den - dieser Arbeit zugrunde liegenden Begriff des Berufseinstieges (s. o.) - hinaus mittels Folgeinterviews und kann entlang des Entwicklungsaufgabenkonstrukts (s. Kapitel 2.1.3) zeigen, dass die von ihm betrachteten Fälle einer spezifischen Entwicklungslogik folgen. Diese zeigt sich in einer scheinbar unhintergehbaren Bearbeitungsreihenfolge der Entwicklungsaufgaben, die zunächst die Wahrnehmung der eigenen Kompetenz (auch ihrer Grenzen) vorsieht, der Vermittlungsrolle als Lehrkraft zum zweiten, bevor die Entwicklungsaufgabe der „Anerkennung“ in der gegenseitigen Wahrnehmung von Lehrkraft und Lernenden als Entwicklungsbedürftige bearbeitet werden kann. Erst zuletzt - und damit deutlich nach dem Abschluss des Vorbereitungsdienstes - können Berufseinsteigende sich der Entwicklungsaufgabe „Institution“ widmen, welche „Möglichkeiten und Grenzen der institutionellen Rahmenbedingungen“ (ebd.: 63) in den Blick nimmt. Insgesamt zeigt sich damit ein ernüchterndes Bild an vorliegenden Erkenntnissen zur Kompetenzentwicklung von Referendarinnen und Referendaren - und zwar in vielerlei Hinsicht. Auch fehlen weiterhin Testinstrumente, die den Effekt eines multifaktoriell komplexen Vorbereitungsdienstes tatsächlich messbar machen. Die Mehrzahl der entwicklungsorientiert und längsschnittlich angelegten Studien basiert auf Selbsteinschätzungen der LiV, welche bei größerer Probandenzahl durchaus Einblicke erlauben, dennoch eben immer eine stark subjektive Einfärbung des jeweils beteiligten Personals genießen. Als Beispiel soll hier noch einmal auf die DIPF-Studie zum hessischen Vorbereitungsdienst hingewiesen werden, bei der die verschiedenen Akteure im Jahr 2004 auf das Item „‚Die Bewertung von Referendar/ innen folgt einheitlichen Kriterien“ wie folgt zustimmen: „72,4% der Ausbilder/ innen (Mittelwert 2,78) gegenüber 37,3% 112 4 Der Vorbereitungsdienst als 2. Phase der Lehrerbildung der Referendar/ innen insgesamt (Mittelwert 2,24) und 36,4% der Mentor/ innen (Mittelwert 2,16)“ (Döbrich/ Storch 2012: 58). Diese offenbar stark verzerrte Sichtweise muss folglich bei der Gesamtbetrachtung des Vorbereitungsdienstes berücksichtigt werden und lässt es umso bedeutsamer erscheinen, dass diese verschiedenen Perspektiven auch im Zusammenhang von Ausbildungsstrukturen sowie Effekten differenziert erhoben und bewertet werden. 4.2.2 Forschung zu Ausbilderinnen und Ausbildern Ist die Forschungslage zum Vorbereitungsdienst und LiV, wie gerade dargestellt, bereits als recht schwach zu bezeichnen, ergibt sich fast logisch, dass auf der Ebene von Ausbilderinnen und Ausbildern noch weniger Erkenntnisse vorliegen: Über Charakteristika des Lehrpersonals wissen wir - abgesehen von formalen Qualifikationen, die in Bundes- und Ländervorschriften festgehalten sind - so gut wie nichts. Empirische Daten fehlen sowohl zu ihren demographischen Merkmalen als auch zu ihrer Ausbildung, zu ihrem fachlichen Wissen, ihren Ausbildungszielen, zu ihren Überzeugungen oder zu ihrem Handeln in Lehrveranstaltungen. (Felbrich et al. 2008: 386) Auch wird, teils empirisch unterfüttert, teils eher erfahrungsbasiert, wiederholt die fachliche und ausbildungsdidaktische Qualität des Ausbildungspersonals in Frage gestellt (vgl. z. B. Hoppenworth 1993, Englert et al. 2006, Meyerhöfer/ Rienits 2006, Oelkers 2009): „Das Charakteristikum ein/ e ‚gute/ r‘ Lehrer/ in zu sein, greift dabei als Qualifikation zu kurz.“ (Munderloh 2018: 13) Im Folgenden soll daher die Forschungslage zu Ausbilderinnen und Ausbildern dargelegt werden beginnend mit Erkenntnissen zum Vorbereitungsdienst, welche in Teilen aus der Sicht der angehenden Lehrkräfte - bzw. ihrer Belastungen und Professionalisierungsprozesse - oben bereits angerissen wurden und weswegen auf sie dann an dieser Stelle lediglich zusammenfassend oder verweisend Bezug genommen wird. Da auch für die universitäre Lehrerbildungsphase Studien vorliegen, die dort agierende Ausbildungskräfte und ihre Arbeit in den Fokus rücken, werden diese im zweiten Schritt im Rahmen eines ersten Exkurses ergänzend betrachtet. Es können sich hieraus ebenfalls grundlegende Erkenntnisse für angeleitete Lehrerbildungsprozesse aus personeller Hinsicht ableiten, die ebenfalls für die 2. Phase relevant sein könnten. Auch institutionsübergreifend dürften Einblicke aus einer theoretischen Perspektive dienlich sein, weswegen in einem dritten Schritt, einem zweiten Exkurs, dann internationale, d. h. primär englischsprachige und in Peer-review- Journalen veröffentlichte Forschung zu Teacher educators ergänzend auf- 4.2 Forschung zum Vorbereitungsdienst 113 geführt werden soll, um später auf diese Erkenntnisse zurückgreifen und sie für den deutschen Vorbereitungsdienst in Zusammenhang setzen bzw. abgrenzen zu können. Unbestritten ist dabei, dass die je spezifischen Anforderungen der Lehrerbildner*innen sowohl im Kontext Hochschule wie auch in internationalen Kontexten nicht direkt auf die Beziehung LiV - Ausbildungskraft übertragen werden können, dennoch beschreiben die im Folgenden vorzustellenden Studien zusätzlich auf einer Ebene der Beziehung angehende Lehrkraft/ Lehramtsstudierende/ r - Lehrerbildner*in in meinen Augen bedeutsame Charakteristika dieses Arbeitsbündnisses, die über die spezifischen Kontexte hinaus eine Relevanz für lehrerbildende Systeme jeglicher Ausgestaltung haben. Ziel soll daher in einer zusammenfassenden Betrachtung - gemeinsam mit den allgemeinen Erkenntnissen zum Vorbereitungsdienst - auch sein, diese Charakteristika herauszuarbeiten und die spezifischen Anforderungen der personalgebundenen Ausbildung angehender Lehrerinnen und Lehrer zu beschreiben. 4.2.2.1 Ausbildungskräfte im Vorbereitungsdienst Im deutschsprachigen Raum ist als empirische Untersuchung zu Ausbildungskräften zuletzt besonders die Dissertation von Krüger (2014) hervorzuheben, die 21 Lehrerbildner*innen des Vorbereitungsdienstes für berufliche Schulen beforscht. Mittels einer Methodentriangulation von Qualitativer Inhaltsanalyse (vgl. Mayring 2015) und Dokumentarischer Methode (vgl. Bohnsack 2014a) beschreibt sie das Lehrpersonal sowohl soziodemographisch als auch bezüglich berufsbezogener Merkmale, kommt aber auch rekonstruktiv zu Aussagen über Motive und subjektiv wahrgenommene Herausforderungen und Aufgaben der Lehrerbildner*innen. Die Ausbildungskräfte waren in der Regel vor ihrer aufgenommenen Tätigkeit selbst Lehrerinnen und Lehrer an Berufsschulen, bevor sie sich auf Stellen an Studienseminaren bewarben und dort teils mehrstufige Auswahlverfahren absolvierten. In diesem Zusammenhang merkt Krüger entsprechend kritisch an, dass sich diese Verfahren nur selten am fachlichen oder fachdidaktischen Wissen der Bewerberinnen und Bewerber orientieren, auch „werden Erfahrungen und Kenntnisse im Umgang und in der Zusammenarbeit mit akademisch gebildeten Erwachsenen nicht berücksichtigt“ (ebd.: 250). Dennoch zeigt sich im rekonstruktiv-empirischen Teil der Arbeit, dass das Lehrpersonal zwar strukturtheoretisch seine Arbeit von Unsicherheiten geprägt sieht, vor allem, da es sich zu Beginn nicht auf die kontextspezifische Tätigkeit als Lehrerbildner*innen vorbereitet fühlt, dennoch diese Herausforderungen auch zur persönlichen Weiterentwicklung, ebenfalls in Abgrenzung zur früheren Zielgruppe der Schülerinnen und Schüler zumindest in Ansätzen aktiv gestaltet. Innerhalb unterschiedlicher Dimensionen von pädagogischer Professionalität und subjektiven Curricula rekonstruiert die Verfasserin mit verschiedenen 114 4 Der Vorbereitungsdienst als 2. Phase der Lehrerbildung Fokussierungen sinngenetisch Typen, um darzulegen, inwiefern Lehrerbildner*innen für berufliche Schulen ihre Zielgruppe aufgrund der Spezifität der Schulform und der teils von Regelschullehrkräften abweichenden (Berufs-)Biographie 61 wahrnehmen und sich dies in der Gestaltung der Ausbildungsarbeit widerspiegelt. Hinsichtlich der Rekonstruktion subjektiver Curricula generiert Krüger (ebd.: 235) vier Typen: • Typ I: Gestaltung des Seminars als Vorbild für einen guten Unterricht • Typ II: Gestaltung der Seminareinheiten durch Unterrichtsversuche der Referendarinnen und Referendare • Typ III: Gestaltung der Seminareinheiten durch Einbezug der beruflichen Praxis in Form von Beispielen und Übungen • Typ IV: Gestaltung der Seminareinheiten durch Auflösung der Ausbildungsstandorte Schule und Seminar - Referendarinnen und Referendare unterrichten in der Schule Auffällig sind hier das Aufbrechen bzw. die Erweiterung der Lernräume und damit eine Verlagerung der Ausbildung hin auch zu einer stärkeren Orientierung an den Lehrkräften im Vorbereitungsdienst. Der erste Typ orientiert sich stark an Vorgaben des Studienseminars, die Inhalte sollen entsprechend von den LiV in den Unterricht getragen und dort ausprobiert und reflektiert werden. Simulationen scheinen den Schwerpunkt des zweiten Typs auszumachen. Krüger vermutet hier, dass „eine Öffnung der Seminarsitzungen für die Praxiserfahrungen der Referendarinnen und Referendare aufgrund der weit im Voraus vergebenen Termine zur Unterrichtsdurchführung nur bedingt stattfindet“ (ebd.: 236). Das ständige und flexible Einbringen von Praxisbeispielen scheint jedoch dann für den dritten Typ charakteristisch, während Ausbildungskräfte vom Typ IV den Lernort vollkommen in die Schule verlagern, sodass die gesamte LiV-Gruppe an Unterrichtshospitationen der Kolleginnen und Kollegen teilnimmt und die Seminararbeit damit örtlich aus dem Studienseminar in die beruflichen Schulen transferiert wird. Professionstheoretisch begründet und entlang der auf subjektive Curricula zielenden Interviewfragen bildet Krüger weiterhin in der Gesamtschau und Analyse ihrer Daten im Kontext des „Umgang[s] mit Unsicherheiten im Lehrerberuf in der Ausbildung“ (ebd.: 237) drei Typen (ebd.): 61 Während Regelschullehrkräfte, sofern sie keine sogenannten Quereinsteiger sind, in der Regel nach der 1. Phase und bestandenem ersten Staatsexamen oder Master in den Vorbereitungsdienst eintreten, zeichnen sich die berufsbezogen unterrichtenden Berufsschullehrkräfte dahingehend aus, dass sie vorher einen oder im Speziellen den Beruf, für den Sie ausbilden und unterrichten, selbst ausgeübt haben. 4.2 Forschung zum Vorbereitungsdienst 115 • Typ I: Unsicherheiten im Lehrerhandeln, bedingt durch Novizenstatus der Referendarinnen und Referendare • Typ II: Unsicherheiten im Lehrerhandeln und Alltagstheorien • Typ III: Unsicherheiten im Lehrerhandeln und Lehrerpersönlichkeit Unsicherheiten und Krisen werden folglich in allen drei Typen als Herausforderungen des Lehrer*innenhandelns im Vorbereitungsdienst wahrgenommen, die Typen unterscheiden sich dann je nach Begründungszusammenhang bzw. auch der Ebene, an der beratend angesetzt wird bzw. werden kann. So nimmt von Typ I bis Typ III die potentielle Einflussnahme und das subjektiv wahrgenommene Beratungspotential der Ausbildungskräfte ab, wenn Unsicherheiten und Krisen im Novizenstatus sowie überwiegende Alltagstheorien der LiV zur Unterrichtsgestaltung durch angestoßene Kompetenzentwicklung und Entwicklungsaufgaben reflexiv eingeholt und bearbeitet werden können. Auf die Lehrerpersönlichkeit hat der Ausbilder oder die Ausbilderin mutmaßlich den geringsten Einfluss, da persönlichkeitsbezogene Merkmale relativ stabil in den Vorbereitungsdienst mit- und eingebracht werden. Insgesamt zeigt die Studie von Krüger, „dass die Lehrerbilder/ -innen die Nicht-Standardisierbarkeit und Krisenhaftigkeit des Lehrerberufs wahrnehmen, dieser Aspekt sich aber nur eingeschränkt in der von ihnen durchgeführten Ausbildung widerspiegelt“ (ebd.: 256), da letztere formell und organisatorisch bedingt eng gesteckte Freiräume biete. Besonders das Bearbeiten der Unsicherheiten, weniger die noch anhand formaler, methodisch-didaktischer Kriterien von Unterrichtsqualität einschätzbaren Aspekte der Unterrichtspraxis, setzt von Seiten der Referendarinnen und Referendare ein grundsätzliches Vertrauen gegenüber den Ausbildungskräften voraus, welche wiederum gleichzeitig in der antinomischen Rolle des Beratenden und Bewertenden im Dienste des Studienseminars stehen. Einem bildungsgangtheoretischen Ansatz folgt bei der Rekonstruktion berufsbiographischer Motive und Merkmale deutscher sowie österreichischer Lehrerbildner*innen Kraler (2015) zwar phasenübergreifend, jedoch leitet er auch für den Vorbereitungsdienst relevante Erkenntnisse ab (s. Abbildung 8). 116 4 Der Vorbereitungsdienst als 2. Phase der Lehrerbildung Abb. 8: Binnendynamiken und Wechselwirkungen zwischen Merkmalen von Lehrerbildner*innen (Kraler 2015: 27). Die im Sample befragten Lehrerbildner*innen charakterisieren ihren Weg in die Lehrerbildung interessanterweise als „zufällig“ (ebd.: 27), niemand hatte den Beruf unmittelbar angestrebt, dafür scheint die klassische „Karriere“ zu bestehen aus Phasen von Lehramtsstudium, Referendariat, Schuldienst und damit verbundener Mentor*innentätigkeit, anschließender Abordnung an lehrerbildende Einrichtungen und letztlich eine Vollabordnung an ein Studienseminar oder eine Hochschule. In ausbildungsdidaktischer Perspektive differenziert sich je nach Institution der Anteil erwartungsgemäß von erziehungswissenschaftlichen oder eher praxisorientiert-fachdidaktischen aus, obwohl nicht unbedingt eine Trennung zwischen Praktiker*innen und Theoretiker*innen unterstellt werden kann, den Befragten gemein ist hingegen ein Berufsethos: „Das Vermitteln dieser Wertehaltungen und Normen über die je spezifischen Inhalte bzw. vorbildhaftes Agieren wird durchgängig mit hohen Ansprüchen an sich selbst verbunden.“ (ebd.: 30) Wie Kraler (ebd.) weist Schratz (2015) auf eine starke Heterogenität sowohl der Berufsbiographien als auch der Qualifikationen und Einsatzbereiche des Berufsbildes „Lehrerbildner*in“ hin. Die oben bereits zitierte Forschergruppe Felbrich/ Müller/ Blömeke befragt im Rahmen der Studie Mathematics Teaching in the 21st Century (MT21) neben der Erhebung von Wissensbeständen (angehender) Mathematiklehrkräfte (vgl. Blömeke et al. 2008) auch quantitativ 77 Lehrerbildner*innen der ersten und 4.2 Forschung zum Vorbereitungsdienst 117 zweiten Phase (für die zweite Phase n = 39) nach ihren epistemologischen Überzeugungen (Beliefs) und den Zielen ihrer Tätigkeit (vgl. Felbrich et. al. 2008a/ b). Ausbildungskräfte der zweiten Phase sehen im Kontrast zu den Lehrerbildner*innen der Hochschule als Schwerpunkte ihrer Arbeit primär die fachdidaktische Ausbildung sowie die Förderung von auf Classroom Management ausgerichteten Kompetenzen ihrer Referendarinnen und Referendare (vgl. Felbrich et al. 2008a: 371 f.). Im Allgemeinen attestieren die Befragten der universitären Phase einen mangelhaften Praxisbezug, zeigen damit bemerkenswerter Weise allerdings ebenfalls, dass sich manche dieser - z. B. erkenntnistheoretisch-mathematischen - Überzeugungen mit denen der angehenden Lehrkräfte am Ende des Vorbereitungsdienstes decken. Für Spekulationen offen bleibt daher, welchen Einfluss epistemologische Überzeugungen auf die Ausbildungstätigkeit und die Beliefs der LiV haben können oder inwiefern beide Gruppen gleichsam institutionell geprägt werden. Auf Basis von TEDS-M-Daten zeigen Steinmann/ Oser (2012) hingegen, dass die Beliefs zwischen Lehrerbildner*innen und angehenden Lehrkräften wenig übereinstimmen und wenn, dann letztere sich eher an fachdidaktischen Ausbildungskräften und den dort zugrundeliegenden Beliefs orientieren als an allgemein-pädagogischen. Eine relative Stabilität der LiV- Beliefs über das Referendariat hinweg bestätigt dabei die Evaluation des Berliner Vorbereitungsdienstes (s. o.; FiBS 2012). Ebenfalls quantitativ angelegt ist eine Fragebogenstudie von Reintjes (2006), der 60 Hauptseminarleiterinnen und -leiter in Nordrhein-Westfalen dahingehend befragt, wie sie die pädagogischen Kenntnisse der Referendarinnen und Referendare einschätzen, die gerade ihren Vorbereitungsdienst antreten. Reintjes untersucht damit die Relevanz bzw. Nachhaltigkeit erziehungswissenschaftlicher Anteile der universitären Lehrerbildung für die zweite Phase und hinterfragt auch hier, ähnlich der MT21-Gruppe, die Anwendungsbezogenheit erziehungswissenschaftlicher und allgemeinpädagogischer Aspekte. Das Ergebnis ist ernüchternd: „Insgesamt, d. h. übergreifend über alle fünf Studienbereiche 62 hinweg, wird die erziehungswissenschaftliche Vorbildung der Referendare als defizitär eingestuft.“ (ebd.: 192; Fußnote D.G.) Nur 13 % der betreuten Lehrkräfte wird eine überdurchschnittliche Kenntnis der erziehungswissenschaftlichen Wissensbereiche attestiert, 30 % schneiden zufriedenstellend ab, über 55 % hingegen landen im unteren Wertungsdrittel. Aus der subjektiven Sicht der Ausbilderinnen und Ausbilder besteht jedoch nicht grundsätzlich eine fal- 62 Diese Studienbereiche sind diejenigen, die in NRW zum Zeitpunkt der Erhebung als im Lehramtsstudium relevant und verbindlich gesetzt waren. Dazu gehören nach Reintjes (2006: 190): Erziehung und Bildung, Entwicklung und Lernen, Gesellschaftliche Voraussetzungen von Erziehung, Institutionen und Organisationsformen im Bildungswesen sowie Unterricht und allgemeine Didaktik. 118 4 Der Vorbereitungsdienst als 2. Phase der Lehrerbildung sche Schwerpunktsetzung im Hinblick auf die in den Universitäten angelegten erziehungswissenschaftlichen Themenfelder, sondern möglicherweise in deren nachhaltiger Vermittlung an die Lehramtsstudierenden. Reintjes weist jedoch richtigerweise auf die Grenzen seiner Studie hin insofern, als dass diese zwar quantitativ ausgewertet einen explorativen Einblick in die Einschätzungen der Ausbildungskräfte liefert, dieser aber dabei sehr subjektiv eingefärbt bleibt und nicht formativ mit dem Wissen der Referendarinnen und Referendare abgeglichen wurde. Auch die Vermischung von quereinsteigenden LiV und denjenigen, die direkt nach dem Universitätsabschluss in den Vorbereitungsdienst einsteigen, könnte hier zu einer Verschiebung der Messdaten geführt haben, da Referendarinnen und Referendare mit beiden Biographien gemeinsam ausgebildet werden. In zwei für diesen Kontext verhältnismäßig älteren Untersuchungen vor der Jahrtausendwende (Kratzsch/ Masendorf 1979, Hoppenworth 1993) wird deutlich auf die Rolle und Aufgaben der Ausbildungskräfte eingegangen, weswegen sie hier - auch aus dem wiederholt angesprochenen Mangel an empirischen Untersuchungen - Berücksichtigung finden. Gleichzeitig müssen sie im historischen Kontext gesehen und bewertet werden, scheinen aber durchaus eindrücklich Verhältnisse aufzuzeigen, die aktuelleren Befunden durchaus ähneln. So interessieren sich die Autoren der noch aus den 70er Jahren stammenden, aufgrund des vielsagenden Titels „Aspekte problematischen Seminarleiterverhaltens aus der Sicht von Lehramtsanwärtern in der 2. Phase der Lehrerausbildung“ (Kratzsch/ Masendorf (1979) spannenden wie relevanten Publikation, für (nicht) förderliche Interaktionsweisen und -praktiken der Ausbildungskräfte. Basierend auf einem Fragebogensample von 196 ehemaligen Referendarinnen und Referendaren in NRW ermitteln sie fünf Typen von Ausbildungskräften und drei förderliche Faktoren der Ausbildungspraxis. Zu letzteren gehören neben „Akzeptierung“ z. B. durch die Schaffung einer „Vertrauen stiftende[n] Atmosphäre im Interaktionsverhalten“ (ebd.: 79), der Fachautorität und damit einer Sach-/ Fachkompetenz der Lehrerbildner*innen auch eine „Erziehungskompetenz“, welche sich in praxisorientierter Unterstützung und Beratung äußert. Diese Faktoren berücksichtigend ergeben sich in einer Clusteranalyse fünf „Seminarleitertypen“ aus Sicht des betrachteten Samples: Typ 1 (N = 21): Sozial- und emotional zugewandter und die Person des Referendars akzeptierender Seminarleiter - Typus mit günstiger Fachautorität aufgrund von sach- und fachbezogenem Wissen und guter Vermittlung; er gibt außerordentlich stark praxisbezogene Hilfen und besitzt hohe praktische Erziehungskompetenz. Typ 2 (N = 10): Außerordentlich stark personenorientierter und sozial-emotional zugewandter Seminarleiter mit noch durchschnittlichen, die Erziehungspraxis erleichtern- 4.2 Forschung zum Vorbereitungsdienst 119 den Kenntnissen sowie Hilfen bei mittlerer Fachautorität in bezug auf fachbezogenes Wissen und seine Vermittlung. Typ 3 (N = 17): Seminarleiter-Typus mit hoher Fachautorität, der über gute Fachkenntnisse verfügt und sachbezogen anzuregen versteht; er gibt durchschnittliche Hilfen zur Bewältigung der pädagogischen Praxis, verfügt allerdings über nur im unteren Mittelbereich eingeordnete personenorientierte emotionale Zuwendung und akzeptierende Wärme den Lehramtsanwärtern gegenüber. Typ 4 (N = 11): Sehr wenig akzeptierender, kalter und unfreundlicher Seminarleiter mit persönlicher Geringschätzung gegenüber den Referendaren; vermittelt wenig die Schulpraxis erleichternde erzieherische Kenntnisse und Hilfen, besitzt aber durchschnittliche Fachautorität in Richtung auf sachbezogene Kenntnisse. Typ 5 (N = 17): Emotional kühler, wenig wertschätzender und akzeptierender Seminarleiter-Typus mit sehr geringer Fachautorität in bezug auf fachliches Wissen und seine Vermittlung bei durchschnittlich praktisch-pädagogischer Fähigkeit und Erziehungskompetenz. (ebd.: 81-82; Hervorhebungen im Original) Zwischen verschiedenen Schulformen, für die die betrachteten Seminarleitenden ausbilden, konnten keine Unterschiede gefunden werden, das Interaktionsverhalten scheint sich folglich schulformunabhängig zu zeigen. Kratzsch und Masendorf betonen, dass diese Typusbeschreibungen sich am Interaktionsverhalten orientieren und keineswegs als Eigenschaftszuschreibungen missverstanden werden sollten (vgl. ebd.: 82), auch schränken sie die Aussagekraft der teils natürlicherweise subjektiv eingefärbten Wahrnehmung der angehenden Lehrkräfte in der je individuell-persönlichen Retrospektive ein. Dennoch stellen sie heraus, dass trotz dieser Grenzen insbesondere die im Sample 28 als problematisch zu betrachtenden Seminarleitenden (Typ 4 und 5) „nicht nur in der Beziehungsdimension, sondern auch zugleich in ihrer Fach- oder Erziehungsvermittlungskompetenz mehr als unterdurchschnittlich eingestuft wurden“ (ebd.: 84). Die Autoren hinterfragen dann nicht nur Auswahlprozesse, die zur Einstellung dieser Lehrerbildner*innen führen, sondern vermuten hinter diesen Typen ebenso systemische Zwänge und machttheoretisch ausgefüllte Rollen, die sich an gewissen institutionalisierten Normen orientieren, obwohl nach außen die Norm eine andere ist: „Leider steht dieser Effekt aber dem Anspruch der Bezirksseminare und ihrer Ausbilder entgegen, sozial flexible und kreative Lehrer … zu erziehen und dabei selbst Vorbild im Sinne des Modellernens zu sein.“ (ebd.: 85-86) Die zweite hier knapp vorzustellende, als gleichsam „historische“ eingestufte Untersuchung von Hoppenworth (1993) betrachtet mehrperspektivisch die Situation des Unterrichtsbesuchs: Neben den Referendarinnen und Referendaren 120 4 Der Vorbereitungsdienst als 2. Phase der Lehrerbildung wird die Sicht der jeweiligen Fachlehrkräfte, aber auch die der Lernenden sowie der Ausbildungskräfte (hier Seminarleiter genannt) dargestellt. Charakteristisch dargestellt wird, dass die Ausbildungskräfte zwar im Anspruch stehen, primär beratend in der Situation des Unterrichtsbesuchs tätig zu werden, jedoch klar als Prüfende erlebt werden: „Beurteilungspflichten überlagern Beratungsabsichten in der Beobachterrolle der [Seminarleiter], die ‚Dominanz des kritischen Blickes“ schafft Präferenzen für das Defizitäre. … Es wird Können erwartet - nicht Lernen.“ (ebd.: 304) Der Unterrichtsentwurf der LiV als zu realisierender Unterricht, dessen Unwägbarkeiten kaum einberechnet werden können, wird mit einem normativen Anspruch stilisiert, wobei die Differenz zwischen normativem Entwurf und realisierter Praxis zur Bewertungsgrundlage wird. Letztlich muss Hoppenworth zu dem Schluss kommen, dass Unterrichtsbesuche „als Lernsituationen ungeeignet“ (ebd.: 307) sind und ihre Zentralität und Bedeutung im Kontext der zweiten Phase damit hinterfragt werden müsse. In den wenigen Forschungsvorhaben zu Ausbildungskräften im Vorbereitungsdienst wird verschiedentlich explizit oder implizit ein hoher Grad an Autonomie der Lehrerbildner*innen hervorgehoben, was damit als ein Charakteristikum dieser Personengruppe gelten dürfte (vgl. Krüger 2014, Strietholt/ Terhart 2009, Hoppenworth 1993). Meyerhöfer und Rienits (2006) hingegen nehmen diese „inhaltliche Autonomie des Fachleiters“ (ebd.: 211) in ihren Schilderungen des Settings ihrer brandenburgischen Mathematikseminaruntersuchung als deutlich eingeschränkt wahr. So wird ihre Untersuchung des Fachseminars aufgrund von Weisungen höherer Hierarchieebenen unterbunden. Sie kommen zu dem drastischen Zwischenfazit 63 : Wir haben es also mit einer Institution zu tun, die nichtroutinisierte, inhaltliche Entscheidungen nicht aus einer inhaltlichen Argumentation bzw. Auseinandersetzung heraus treffen kann. Diese Unfähigkeit ist gepaart mit der auffälligen Tendenz der beiden mittleren Ebenen, das Inhaltliche zu torpedieren und zu formalisieren. (ebd.: 212) Auch hinsichtlich der Ausbildungspraxis an sich attestieren Meyerhöfer und Rienits den Mathematikausbilder*innen mangelnde Kompetenz, zwei der drei von ihnen herausgearbeiteten Fälle bilden in ihren Augen gar nicht aus. Sie sehen als eines der Grundprobleme eine fehlende Demokratisierung des Vorbereitungsdienstes: „Das hat zur Folge, dass Kritik nicht geäußert und bearbeitet 63 Im gleichen Sammelwerk wird auf den Beitrag von Meyerhöfer und Rienits in einer Replik, welche nicht wissenschaftlich gespeist wird, eingegangen, die ihn als „undifferenziert, polemisch, unsachlich und unfair“ (Iffert 2006: 233) bezeichnet. Meyerhöfer (2006) selbst antwortet anschließend und untermauert die Erkenntnis- und Argumentationslinie des ursprünglichen Beitrags, unterstellt Iffert gleichsam eine Tabuisierung der von ihm erstmals in der Klarheit diagnostizierten Problemstellen des Referendariats. 4.2 Forschung zum Vorbereitungsdienst 121 wird, dass Differenzen nicht thematisiert werden, sondern dem Abhängigkeitsverhältnis zum Opfer fallen.“ (ebd.: 214) 64 Diesem und weiteren Desideraten und Mängeln könne durch eine gezielte Auswahl der Ausbildungskräfte und deren Professionalisierung entgegengewirkt werden. Letztere müsse zu einem offeneren Umgang mit Defiziten auf Seiten der angehenden Lehrkräfte führen. Formal und strukturlogisch dürften Fachseminarleitende in ihrer Rolle als Bewertende eines Ausbildungsprozesses dann auch nicht als Mitglied von Prüfungskommissionen zur abschließenden Beurteilung im zweiten Staatsexamen zugelassen sein, um eine höhere Objektivierung zu erzielen. Die vermeintlich hohe Autonomie und Entscheidungsgewalt gepaart mit intransparenten Leistungserwartungen (vgl. Gecks 1990, Lenhard 2004, Strietholt/ Terhart 2009, Döbrich/ Storch 2012; s. Kapitel 4.2.1.4) sowie einer antinomischen Rolle der/ des Bewertenden und Beratenden (vgl. auch Kunze 2014 65 ) und einer damit einhergehenden Gefahr des Rückfalls in die Konstruktion von Lehrer-Schüler-Rollen mitsamt einer latenten Tabuisierung des Kontextualisierens von Rollenverteilungen und Hierarchiebenen (vgl. Kratzsch/ Masendorf 1979, Hoppenworth 1993) fassen die komplexen Anforderungen der Ausbildungskräfte im Vorbereitungsdienst grob zusammen. 4.2.2.2 Exkurs 1: Ausbildungskräfte in der Hochschule Verlässt man das Forschungsfeld des Vorbereitungsdienstes, zeigen sich weitere empirische Untersuchungen zu Lehrerbildner*innen auch phasenvergleichend und -übergreifend sowie z. B. dezidiert in der ersten, der universitären Phase, selbst wenn „die Aufgabe der Lehrerbildung [hier] nur als ‚Nebenbeschäftigung‘ betrieben wird“ (Altrichter/ Mayr 2004: 178; Hervorhebung im Original). Zentrale Themen von Untersuchungen in diesem Feld sind häufig das Verhältnis von Theorie und Praxis, seltener wird zu Ausbildungsstrukturen bzw. epistemologischen Überzeugungen oder (berufs-)biographischen Aspekten des beteiligten Personals geforscht. An der Goethe-Universität Frankfurt untersuchen Heil und Faust-Siehl (2000) beispielsweise die universitäre Lehrerbildung und rekonstruieren hier anhand von Interviews mit 13 Hochschullehrenden der Erziehungswissenschaften vier 64 Auch Hoppenworth (1993) stellt dies im Kontext der von ihm fokussierten Unterrichtsbesuche und ihrer Nachbesprechungen heraus: „Unterstellungen und Rechtfertigungen bestimmen häufig die Verständigung zwischen Besucher und Besuchtem, aber Zweifel an Beobachter- und Beratungskompetenzen bleiben ausgeschlossen: Nicht das Statusgefälle zwischen den Beteiligten verhindert dies, sondern seine Tabuisierung.“ (ebd.: 304) 65 Sie hinterfragt in gewisser Weise auch die Problematisierung der Doppelfunktion von Bewertung und Beratung: „Ausbildungspraxen, die durch Machtförmigkeit und Schaffung von Abhängigkeit geprägt sind …, wären dann als Ausdruck und nicht als Ursache des Problems zu verstehen.“ (ebd.: 47) 122 4 Der Vorbereitungsdienst als 2. Phase der Lehrerbildung Leitbilder und ihren Berufsfeldbezug als „Habitusformen“ (ebd.: 138), die sich in dem beforschten Kontext und bezogen auf die Gruppe als Lehrende der Lehramtsstudierenden konstituieren (vgl. ebd.: 138-139): 1. Die Haltung des Magisters zeigt einen „(selbst-) reflexiven Wissenschaftsbezug“, der bei Studierenden vorherrschende Denkstrukturen aufbrechen und mit entsprechend theoretischem Wissen in Beziehung setzen möchte. 2. Der Schulforscher mit einem „forschungstheoretischen Berufsfeldbezug“ ist sowohl empirisch als auch erfahrungswissenschaftlich geprägt. 3. Ein „didaktisch-vermittelnder Berufsfeldbezug“ charakterisiert den Vermittler , der das theoretische Wissen für den Anwendungsbezug transformieren, didaktisch reduzieren möchte. 4. Zuletzt zeigen Heil und Faust-Siehl anhand des Praktikers einen „handlungskompetenten Berufsfeldbezug“ auf, dessen Ziel es ist, Inhalte der universitären Lehrerbildung nicht nur didaktisch aufzubereiten - wie es der Vermittler anlegt -, sondern dass diese Inhalte möglichst auch in Praxis übertragen und reflektiert werden können. Heil und Faust-Siehl zeigen damit, dass sich diese vier Habitusformen professionstheoretisch sowie ausbildungsdidaktisch entweder nahe im Feld der Wissenschaft ohne Praxisbezug ((selbst-)reflexiver Wissenschaftsbezug), der Praxis in Reinform (handlungskompetenter Berufsfeldbezug) oder mittels zweier Leitbilder dazwischen einordnen lassen. Dabei charakterisieren sie den forschungstheoretischen Berufsfeldbezug eher als erziehungswissenschaftlich verortet, während der didaktisch-vermittelnde Habitus „als ein eher bereits eingebürgertes und im fachdidaktischen Kontext der Elementarisierung angesiedeltes Modell“ (ebd.: 141) zu sehen ist. Zusammenfassend bewerten die Autoren die erste Phase für eine Lehrerprofessionalisierung „als wissenschaftlich-reflexive Habitusformierung in den Bereichen Wissenschaft, Berufsfeld und Person“ (ebd.: 143), bei denen die vier Leitbilder eigene Reflexionsprozesse (und die ihrer Lehramtsstudierenden) und Wissensvermittlung anbahnen und in ihrer je verschiedenen Ausgestaltung und Schwerpunktsetzung mit ihrer Zielgruppe der Lehramtsstudierenden mehr oder weniger interaktiv aushandeln, ohne dabei curriculare und institutionelle Aspekte außer Acht zu lassen. Stadelmann und Spirgi (1997) untersuchen subjektive Curricula von elf Dozentinnen und Dozenten in der Primarlehrerbildung der Schweiz anhand problemzentrierter Interviews, im Besonderen hinsichtlich des Theorie-Praxis-Verhältnisses und persönlichkeitsbildender Aspekte von Lehrerprofessionalisierung. Sie stellen die Bearbeitung des Theorie-Praxis-Problems als zentral heraus, mit denen die Ausbildungskräfte auf zweierlei Art und Weise umgehen: 4.2 Forschung zum Vorbereitungsdienst 123 (1) entweder als Verzicht auf Umsetzungserwartungen , was eine vorwiegend theoretische Behandlung der Inhalte legitimiert, (2) oder als Verzicht auf Theorie zugunsten von praxisnahem Wissen, das an Fallbeispielen gewonnen wird. (ebd.: 82; Hervorhebung im Original) Die für das Sample gezogenen Dozentinnen und Dozenten sehen sich in einem Dilemma wieder, das bedingt ist von ihren eigenen Überzeugungen von Theorie und Praxis und - was noch erschwerend hinzukommt - einem gewissen Zwang, die „Abnehmererwartungen“ (ebd.: 83) der angehenden Lehrkräfte nicht zu enttäuschen oder gar die Theorie-Praxis-Vermittlung an Mentorinnen und Mentoren in den Schulen weiterzugeben, über deren Qualität sie sich wiederum nicht klar sein können. Ebenfalls im Schweizer Kontext entstanden ist die Fragebogenstudie von Criblez (2001) mit Items, die auf demographische Aspekte der Lehrerbildner*innen, ihre berufliche Zufriedenheit sowie ihre Weiter- und Fortbildung gerichtet wird. Der Großteil der Befragten spricht ihrer Ausbildung zum Zeitpunkt der Befragung Mitte der 90er Jahre eine gewisse Qualität zu und gibt an, sich regelmäßig, wenn auch eher informell, fortzubilden, wobei im Zusammenhang mit Weiterqualifikationen eine besondere Betonung auf fachwissenschaftlichen Aspekten liegt. Wie Criblez (2001) herausstellt, schien die Rekrutierung der Ausbildungskräfte in der Schweiz der 80er und 90er Jahre weniger an formalen Kriterien und Abschlüssen orientiert, während Kamm (2007) eine entsprechende Gegenbewegung und Aufwertung dieser Berufsgruppe innerhalb des schweizerischen Lehrerbildungssystems zeichnet, die maßgeblich auch durch die Umwandlung der Seminare in Fachhochschulen beeinflusst sein dürfte. Im Rahmen einer quantitativen Fragebogenstudie mit 447 in der Lehrerbildung im deutschsprachigen Raum tätigen Personen ermitteln Mayr et al. (2015) Interessensprofile von Lehrerbildner/ -innen, davon ausgehend, dass Interesse für eine gesteigerte Qualität und den Erfolg der Tätigkeit maßgeblich ist. Die gezogene Stichprobe bezieht dabei sowohl deutsche, österreichische und Schweizer Institutionen ein, die universitär angelegt sind, aber auch beispielsweise deutsche Studienseminare und Pädagogische Hochschulen der Schweiz zuzählen, sich entsprechend in unterschiedlichen Unterdisziplinen (Bildungs-, Fachwissenschaft, Fachdidaktik) genauso aufspalten wie auch Mentorinnen und Mentoren an Schulen aufnehmen. 66 Basierend auf Konzepten der Laufbahnberatung und verschiedener Persönlichkeitsorientierungen (vgl. Holland 1997) inte- 66 Die Studie von Mayr et al. (2015) wird an dieser Stelle der Arbeit aufgeführt, da der Anteil der befragten Personen aus dem Hochschulbereich (Universitäten und Pädagogische Hochschulen, n = 406) die Zahl der befragten Ausbildungskräfte am Studienseminar (n = 20) deutlich übersteigt. 124 4 Der Vorbereitungsdienst als 2. Phase der Lehrerbildung ressiert sich die Forschergruppe für allgemeine Interessen (z. B. praktisch-technischer, künstlerisch-sprachlicher oder sozialer Natur), auf Lehrerbildung bezogene Interessen (z. B. das Halten von Lehrveranstaltungen, Beratung von Studierenden, wissenschaftliches Arbeiten) sowie eine Einschätzung der subjektiv empfundenen Attraktivität der angenommenen Funktion innerhalb der Lehrerbildung. Es zeigt sich in den Ergebnissen, dass das lehrerbildende Personal erwartbare, breit ausgeprägte Profile aufweist, indem sich z. B. stark soziale und beratende Interessen oder - insbesondere für parallel Forschende - ein großes Interesse an intellektuell-forschender Tätigkeit zeigen, praktisch-technisches Interesse aber eher schwach ausgeprägt ist. Mayr et al. (2015) interpretieren die große Varianz an Interessen oder auch gewisse Schwerpunktsetzungen (wie die stärker soziale Orientierung von Mentorinnen und Mentoren) als positiv für verschiedene Rollen und eine damit einhergehende Arbeitsteilung in institutionellen Kontexten, sehen allerdings bei entsprechenden Überschneidungen die Gefahr, dass es zu Kompetenzkonflikten kommen könnte. Mit Blick auf die Attraktivität der eigenen Positionen zeigt das lehrerbildende Personal im Allgemeinen eine große Zufriedenheit und damit mutmaßlich unterstelltes Interesse sowie einen gewissen - potentiell zumindest subjektiv auch empfundenen - Erfolg, dieser könnte jedoch in den Augen der Autoren noch durch zielgerichtete, d. h. an den Interessen der Lehrerbildner/ -innen orientierte, Weiterqualifikationen und Fortbildungen gesteigert werden. 4.2.2.3 Exkurs 2: Teacher educators in internationalen Kontexten Lehrerbildner*innen werden in internationalen Forschungsberichten in der Regel als Teacher educators 67 bezeichnet, bevor anschließend jeweils der untersuchte Tätigkeitsbereich bzw. die Institution, in der Lehrerbildung im betrachteten Land oder Kontext stattfindet, dezidierter definiert wird. Gemein ist dem Berufsstand des Teacher educators über die einschlägigen Studien hinweg, dass seine Mitglieder - ähnlich deutscher Zusammenhänge - langjährige Erfahrungen als Lehrkräfte haben, in gewisser Weise bestellt, d. h. formell berufen und dann innerhalb einer Institution tätig sind (vgl. z. B. Murray 2005, Tryggvason 2012, Lunenberg et al. 2014). Letztere sind in der Regel Hochschulen oder Schools of Education innerhalb von Universitäten, seltener Studienseminar-ähnliche Strukturen, die in einphasigen Lehrerbildungssystemen den Berufseinstieg begleiten, oder Institutionen, die Lehrerfort- und -weiterbildung koordinieren und durchführen. Bei ihrem Übergang von der Tätigkeit als Lehrkräfte in eine institutio- 67 Aufgrund dessen benutze ich beim Rückgriff auf internationale Forschung im Folgenden auch primär die Begriffe Teacher educators und Lehrerbildner*innen im Gegensatz zum vorher überwiegenden Terminus der Ausbilderinnen und Ausbilder. Letztere sind charakteristischer für den spezifisch deutschen Kontext der 2. Phase. 4.2 Forschung zum Vorbereitungsdienst 125 nalisierte lehrerbildende Struktur werden Ausbildungskräfte häufig konzeptualisiert als Second-order practitioners (im Gegensatz zu First-order practitioners als Lehrkräfte; vgl. Murray 2002) oder Second-order teachers (vgl. Swennen et al. 2010), die dann im Hochschulbereich in einem Second-order setting (vgl. Murray 2002) Lehramtsstudierende unterrichten. Vornehmlich diese Einführungsphase von Lehrerbildner*innen scheint seit der Jahrtausendwende ein bedeutsamer Schwerpunkt in der internationalen Forschung zu Ausbildungskräften zu sein (vgl. z. B. Field 2012). In der Form eines berufsbiographischen Essays, immer wieder angebunden an Forschung zum Themenkomplex, beschreibt Ken Zeichner (2005) seinen eigenen Weg zum Teacher educator und zeichnet dabei ein selbstreflexiv ernüchterndes Bild des lehrerbildenden Personals in den Vereinigten Staaten. Ausgehend von seiner vorherigen Tätigkeit als Lehrer, später als Mentor für angehende Lehrkräfte, die Praxisphasen an seiner Schule absolvierten, stellt er heraus, dass für ihn eine der bedeutendsten Aufgaben als Lehrerbildner im Hochschuldienst darin bestand, Novizen dazu anzuleiten, Fachwissen aus den verschiedenen Domänen lehrerbildender Studiengänge zu hinterfragen. Es sei nicht ausreichend, wie er es jedoch offenbar häufig selbst erlebt hat, sich Lehrmethoden anzueignen und diese vorzuführen: „As important as it is, it is not enough for student teachers to be able to acquire the ability to enact certain teaching practices.“ (ebd.: 119) Im US-amerikanischen Kontext sei Lehrerbildung häufig eine Form, Doktorandinnen und Doktoranden dadurch finanziell zu unterstützen, dass diese angehende Lehrkräfte ausbilden und unterrichten, ohne dafür qualifiziert (worden) zu sein. Obwohl er an seiner eigenen Hochschule Unterstützungs- und Mentorenprogramme für Teacher educators eingerichtet habe, würden diese vom im Lehrerbildungsbereich arbeitenden Personal kaum genutzt, da dieses seine Kapazitäten stärker für die eigene Forschung aufwände. Nicht in allen internationalen Forschungsberichten wird von einer derart stiefmütterlichen Behandlung des lehrerbildenden Personals berichtet, jedoch zeigt sich, dass gerade diese Gruppe, international am häufigsten eben im Hochschulbereich angesiedelt, mit diversen Herausforderungen auf persönlicher, professioneller wie auch institutioneller Ebene zu kämpfen hat. Teacher educator identity Dabei wird ihnen in zahlreichen der internationalen Studien ein großer Einfluss auf ihre Studierenden oder betreuten Lehrkräfte attestiert, sie stehen und wirken gleichsam an einer Schlüsselstelle, dem Kern guter Lehrerbildung („at the core of good teacher education“, Vloet/ van Swet 2010: 149) und wiederholt wird damit herausgestellt, dass sie maßgeblich für die spätere Qualität der 126 4 Der Vorbereitungsdienst als 2. Phase der Lehrerbildung Lehrerinnen und Lehrer verantwortlich seien (vgl. Loughran 2006, Tryggvason 2012). Um diesen Einfluss empirisch greifbar zu machen, bedienen sich internationale Beiträge in einer steigenden Zahl Konzepten von Identitätsforschung, um auch berufsbiographische Entwicklungsverläufe, Beliefs und Interaktionsprozesse mit der jeweiligen Zielgruppe rekonstruierbar zu machen. Dabei stellt sich heraus, dass die Rolle als Lehrerbildner*in nur selten innerhalb der Kontexte und Institutionen als solche anerkannt und damit Identitätsbildung und -findung maßgeblich erschwert wird (vgl. Gee 2000, Lunenberg/ Hamilton 2008). Als ein Faktor hierfür im Hochschulbereich wird angesehen, dass die neu berufenen Lehrerbildner*innen in der Regel keinen Forschungshintergrund haben, da sie direkt aus dem Schuldienst in das Feld der Higher Education eintreten (vgl. Murray/ Male 2005, Murray 2006). Sie steigen dort als Beginner neu ein, obwohl sie möglicherweise schon in ihrem ersten Tätigkeitsschwerpunkt als Lehrkräfte mehrere Jahre gearbeitet und Karrierestufen absolviert haben und werden bezüglich ihrer pädagogischen und didaktischen Expertise, die nun in die Erwachsenenbildung wechselt, zum Novizen heruntergestuft (vgl. Murray 2006). Diese - in Teilen forcierte - Akademisierung, aber auch der ständige Wechsel zwischen schulisch-curricularen Anforderungen und denen des „Elfenbeinturms“ Hochschule (vgl. Maguire 2000), hat in verschiedenen Kontexten und aufgrund vorhandener und dann nicht für die Neueinsteigenden angepassten Strukturen zu zahlreichen Schwierigkeiten geführt, die den Einstieg und die Identitätsbildung negativ beeinflussen. So kann es bis zu drei Jahre andauern, bis Lehrerbildner*innen sich ihrer Identität als „Lehrpersonen von Lehrpersonen“ bewusst werden (vgl. Murray/ Male 2005). Es ist folglich interessant herauszufinden, wer diese Lehrerbildner*innen in internationalen Kontexten überhaupt sind und wie sie ihre Handlungspraxis strukturieren. In einer Sichtung von 25 Forschungsbeiträgen seit 2000 rekonstruieren Swennen et al. (2010) vier Sub-Identitäten von Teacher educators : 1. Ausbildungskräfte als Schullehrkräfte (Teacher educators as school teachers) zeigen eine deutliche Identifizierung mit ihrer vorherigen Tätigkeit und bringen dadurch Erfahrungswissen in ihre Lehrerbildung ein. 2. Die Gruppe der Ausbildungskräfte als Lehrkräfte im Hochschuldienst (Teacher educators as teachers in higher education) distanziert sich bereits deutlicher von letzterer, da hier überwiegend auch auf Prinzipien der Erwachsenenbildung rekurriert wird und diese Teacher educators in der Regel in Hochschulen tätig sind, die stark forschungsorientiert sind. Dort werden zunehmend auch entsprechende Qualifikationen erwartet wie z. B. im Vereinigten Königreich ein Post Graduate Certificate in Higher Education oder vergleichbare Zusatzqualifikationen (vgl. Swennen et al. 2010). 4.2 Forschung zum Vorbereitungsdienst 127 3. Ausbildungskräfte als Lehrkräfte von Lehrkräften (Teacher educators as teachers of teachers or second-order teachers) zeichnen sich dadurch aus, dass sie als Modelle und Vorbilder für angehende Lehrkräfte zur Verfügung stehen und darüber hinaus aber auch zusätzliche Kompetenzen erwerben und den Wechsel ihrer eigenen professionellen Identität von First-order zu Second-order practitioners wahrnehmen. 68 4. Dass Ausbildungskräfte als Forschende (Teacher educators as researchers) tätig werden (und bspw. Forschungsergebnisse publizieren), wird in verschiedenen Ländern und Lehrerbildungssystemen zunehmend gefordert. Die Forschung geht dabei hingegen an den seltensten Stellen über Aktionsforschung hinaus, d. h. die Lehrkräfte untersuchen ihre eigene Praxis bzw. leiten umfassendere Aktionsforschungsprojekte ihrer Studierenden an und gewinnen so, auch angeknüpft an theoretische Modelle und Forschung Dritter, empirische Einblicke in Unterricht und Praxis. Swennen et al. fassen ihre Untersuchung damit zusammen, dass die verschiedenen Sub-Identitäten jeweils andere umschließen, dabei aber in verschiedenen Phasen und Graden in den Vordergrund treten und dann auch Handeln beeinflussen können. Gemein ist den betrachteten Publikationen, dass eine Bewusstmachung des Übergangs von schulischen Lehrkräften hin zu Hochschullehrenden stattfinden muss und dies nur durch retrospektiv-berufsbiographische Reflexion (Abgrenzung zum Schuldienst) und prospektive Bewusstmachung der weiteren Sub-Identitäten der einsteigenden Lehrerbildner*innen in die Ausbildung gewährleistet werden kann. Die Autoren stellen ebenfalls die Frage danach, wie die professionelle Entwicklung von Teacher educators aussehen kann bzw. aussehen müsste und bewerten dies als eine große, noch zu füllende Forschungslücke. Als greifbares Modell sehen sie mentorierende erfahrene Lehrerbildner*innen für neu einsteigende als eine Chance, gewisse Reflexionsprozesse bezüglich der verschiedenen Identitätsdimensionen anzustoßen. Auch andere Autoren zeigen, dass gerade diese Mentorensysteme oder überhaupt angeleitete Einführungsphasen für neue Ausbildungskräfte weitgehend fehlen (vgl. z. B. für die USA: Kosnik/ Beck 2008). Forschungsmethodologisch ähnlich wie Swennen et al. (2010) geht Izadinia (2014) vor, kann aber aufgrund der späteren Veröffentlichung weitere Publika- 68 Swennen et al. (2010) heben an dieser Stelle auch Murray und Male (2005) hervor: „Murray and Male doubt whether all teachers who start to work in teacher education will be able to make that change. They argue that there will remain teacher educators who derive their professional identity solely from being former teachers in primary or secondary schools, and that teacher educators who are not able or willing to make this transition are more likely to show a negative attitude towards research and identify more closely with schools and pupils than with teacher educators.” (Swennen et al. 2010: 141) 128 4 Der Vorbereitungsdienst als 2. Phase der Lehrerbildung tionen (insgesamt 52) berücksichtigen und wählt dabei andere Schwerpunkte: Sie interessiert sich insbesondere für die Herausforderungen der Einführungsphase der Teacher educators , welche Faktoren ihre Identität beeinflussen sowie die Frage, was qualitativ mutmaßlich hochwertige Einführungsprogramme beinhalten sollten. Als grundlegend bedeutsam für die Anlage einer Persönlichkeit als Lehrerbildner*in stellt sie den Austausch mit anderen Fakultätsmitgliedern heraus, da diese Akzeptanz und Gruppenzugehörigkeit potentiell den häufig konstatierten Selbstzweifeln auf persönlicher und professioneller Ebene entgegenwirken kann. Dies setzt jedoch die Akzeptanz für die Kategorie „Lehrerbildner*in“ innerhalb des Kollegiums voraus, wodurch sich die betroffene Person selbst abgrenzen und einordnen kann. Izadiania identifiziert dann Faktoren, die die Identitätsformung positiv beeinflussen können. Hierzu gehören über zahlreiche Studien hinweg Formen des Selbststudiums (Self-study research) 69 sowie gemeinschaftlicher Austausch mit anderen (Community support) . Letzteres bezieht sowohl informelle Sitzungen von Communities of practice (vgl. Wenger 1999) mit ein zum Austausch von Lehrmaterial und Literatur als auch Supervisionen und gemeinsame Planungssitzungen für Seminare. Formen des Selbststudiums hingegen basieren häufig auf individueller Reflexion, Reflexionstagebüchern, der Bewusstmachung von Critical incidents , aber auch an Aktionsforschung angelehnte Untersuchungen zum Einfluss der eigenen Intervention auf die Lehramtsstudierenden. Diese beiden Herangehensweisen, gepaart mit einem Bewusstsein über die vorherigen Erfahrungen stehen für Izadiana im Zentrum für die Herausbildung einer Teacher educator identity (s. Abbildung 9). 69 Izadinia betont, dass alleine 17 der von ihr einbezogenen 52 Beiträge eine Form von Selfstudy als Untersuchungsgegenstand betrachteten (vgl. ebd.: 433). 4.2 Forschung zum Vorbereitungsdienst 129 Abb. 9: Einflussreiche Faktoren für die Entwicklung einer Lehrerbildneridentität (Izadiana 2014: 434). Sie folgert entsprechend, dass qualitativ hochwertige Einführungsprogramme vier zentrale Eigenschaften erfüllen sollten: 1) Die Programme sollten als Lerngemeinschaften (Learning communities) fungieren und auch als solche wahrgenommen werden können, 2) kollegiale und professionelle Beziehungen unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern ermöglichen, 3) zu konstanter Reflexion über die eigene Praxis als Lehrerbildner*in ermutigen und 4) die Lehrerbildner*innen in Forschungsaktivitäten involvieren oder diese zu Nachforschung und Selbststudium anregen. Diesem Konzept von anleitenden Einführungsprogrammen ein Stück weit widerspricht die Annahme, dass Lehrerbildner*innen notwendigerweise unabhängiger und autonomer agieren müssen als es beispielsweise Lehrkräfte tun: Teacher educators are criticised for, and often critical of, being left on their own, but they almost have to be left on their own to construct their own professional knowledge of practice. At the same time, this does not mean that every teacher educator needs to “start from scratch,” but it does require them to transform their perspectives. (Berry 2013: 19) Die damit einhergehende Komplexität des nötigen reflexiven Denkens erscheint sehr hoch. Man könnte konstatieren, dass eine gewisse Reflexionsbzw. Transformationsfähigkeit des eigenen Wissens und der eigenen Kompetenzen ein essentielles Merkmal für Lehrerbildnerinnen und Lehrerbildner darstellt und dass diejenigen hier größere Schwierigkeiten haben, die diese Fähigkeit nicht 130 4 Der Vorbereitungsdienst als 2. Phase der Lehrerbildung mitbringen bzw. nicht schon in ihrer vorhergehenden Tätigkeit eine gewisse Reflexionskompetenz aufgebaut haben. Tryggvason (2012) zeigt anhand von Gruppeninterviews finnischer Lehrerbildner*innen, die fachbezogen ausbilden (Subject teacher educators) , dass diese sich identitär sehr wohl als sehr professionell agierendes Personal konstruieren und sich ein stark pädagogisches sowie verantwortungsvolles Selbstbild zuschreiben, das zudem durch Kollaboration mit Kolleginnen und Kollegen als kollektive Identität gestärkt zu werden scheint. Zwar schränkt die Autorin die Aussagekraft ihrer Ergebnisse ein, aufgrund der möglicherweise in den geführten Gruppeninterviews nicht hervorgetretenen kritischen Bemerkungen 70 oder Herausforderungen, dennoch stellt sie gewisse kulturelle Voraussetzungen, länderspezifisch und curricular gewachsene Besonderheiten heraus - wie die große Bedeutung einzelner Fächer im finnischen Lehrerbildungssystem - als die Identität von Lehrerbildnerinnen und Lehrerbildnern beeinflussende Faktoren. Die niederländische Forschergruppe bestehend aus Lunenberg, Dengerink und Korthagen (vgl. Lunenberg et al. 2014) erarbeiten in einer Metaanalyse von 137 internationalen Forschungsbeiträgen der vorhergehenden 20 Jahre Charakteristika und Arbeitsweisen von Lehrerbildnerinnen und Lehrerbildern. Anknüpfend an niederländische Forschung zum Rollenverständnis von Lehrkräften verstehen sie eine professionelle Rolle bzw. Feldposition als „a personal interpretation of a position based on expectations from the environment and on a systematically organised and transferable knowledge base“ (ebd.: 6). Hierauf basierend erarbeiten sie sechs Rollen von Lehrerbildern: Lehrer von Lehrern, Forscher, Coach, Lehrplanentwickler, Türöffner und Vermittler. 71 Aus den Arbeiten extrahieren die Autoren neben den Charakteristika und Rollenzuschreibungen zusätzlich notwendige Faktoren, die die professionelle Entwicklung der verschiedenen Typen beeinflussen. Da auf diese umfassende Metastudie und die eingeschlossenen Forschungsarbeiten im Verlauf dieser Arbeit noch wiederholt eingegangen werden soll, werden die herausgearbeiteten Kerncharakteristika und Faktoren der sechs Rollen hier tabellen- und stichwortartig aufgeführt: 70 Ein Aspekt, der tatsächlich sehr deutlich wird, ist der Wunsch, als finnische/ r Fachlehrerbildner/ in selbst die Möglichkeit und den Freiraum zu haben, mehr Forschung betreiben zu können. Dies widerspricht ein Stück weit den Beiträgen aus dem US-amerikanischen Raum, wo gerade der Zwang zur Forschung die Ausbildung einer grundständigen Teacher educator identity zu behindern scheint (s. o.). 71 Im Original: teacher of teachers, researcher, coach, curriculum developer, gatekeeper and broker (Lunenberg et al. 2014: 21-23). 4.2 Forschung zum Vorbereitungsdienst 131 Bezeichnung Rolle und Verhalten Beeinflussende Faktoren für die professionelle Entwicklung Lehrer von Lehrern Lehren zweiter Ebene (Second order teaching) Förderung selbstregulierten Lernens Explizite Modellierung Umgehen mit Spannungen und Dilemmata Kontext (Referenzrahmen, Standards) Persönliche Qualitäten des Lehrerbildners (Motivation und Interesse) Unterstützung (informelles Lernen) Forschung (Aktionsforschung eigener Praxis) Forscher Subjektive Perspektive als Forscher Praktische Ermöglichung von Forschungstätigkeit Fokus auf Forschung Kontext (explizite Forschungskultur, Fortbildung, Supervision) Persönliche Qualitäten (Motivation und Offenheit) Spezifische Anreize (Veröffentlichung von Forschung) Coach Aufgabe: prozessbegleitende Vorbereitung auf den Arbeitsplatz Aufgabe: fürsorglich-institutionalisiertes Coaching Ziele und Kontext (Forschungsgeleitete Reflexion, enge Kooperation mit Schulen und Institutionen) Formen der Unterstützung (Coachingmethoden, Förderung von Reflexivität) Lehrplanentwickler Vielzahl von Ansätzen und Praktiken (beeinflusst primär von lokalen Curricula und Anforderungen) (nicht identifizierbar) 72 Türöffner Vielzahl von Ansätzen und Praktiken (beeinflusst primär von Standards und Profilen, die die Eignungseinschätzung von Lehramtskandidaten beeinflusst) (nicht identifizierbar) 73 Vermittler Kooperationsziele (Kooperation zwischen Schulen und lehrerbildenden Institutionen) Kompetenz als Vermittler Entwicklung einer professionellen Identität 74 Tab. 6: Positionierungen von Lehrerbildner*innen nach Lunenberg et al. 2014: 22-61 (eigene Übersetzung). 72 Zwar konnten die Autoren den „Lehrplanentwickler“ (Curriculum developer) als Rolle abgrenzen, aufgrund der geringen Forschungslage zu dieser Rolle fiel es ihnen jedoch schwer, explizite Faktoren für dessen professionelle Entwicklung abzuleiten. 73 Hier gilt Ähnliches wie für die zuletzt aufgeführte Rolle. Zu dieser spezifischen Rolle lagen den Forschern keine Forschungsbeiträge vor. 74 Hier schränken die Autoren die Aussagekraft dieses Faktors insofern ein, als dass sie nur eine Studie aufführen (vgl. Bullough et al. 2004), die für diese Lehrerbildnerrolle explizit den Aspekt professioneller Entwicklung untersucht hat. 132 4 Der Vorbereitungsdienst als 2. Phase der Lehrerbildung Lunenberg et al. fällt im abschließenden Fazit ihrer Arbeit selbst auf, dass eine Rolle des „Koordinators“ oder „Organisierers“ vollkommen fehlt, obwohl dieses Charakteristikum in einzelnen Arbeiten als Bestandteil durchaus vorkommt. Dort ist es jedoch in der Regel eine Teilmenge weiterer Rollenzuschreibungen, sodass sie zu dem Schluss kommen, dass „Koordinieren“ bzw. „Organisieren“ Charakteristika mehrerer Lehrerbildnerpositionen und Handlungspraxis im Feld darstellen, aber selten als Alleinstellungsmerkmal einer Rollenzuschreibung überwiegen. 75 Professionalisierung von Teacher educators Wie im Kontext von Identität bzw. Identitätsfindung schon angedeutet, zeichnet sich ein Gros internationaler Forschung dadurch aus, dass sie auf die Einführungsphase (Induction phase) der Ausbilderinnen und Ausbilder fokussiert, den Prozess, die Herausforderungen und potentiell nötige Unterstützungsmaßnahmen diskutiert, denn „few studies have looked at the professional experiences and induction needs of new teacher educators … [,] new teacher educators are in general an under-researched and poorly understood occupational group“ (Murray 2005: 68). Auch im Hinblick auf Grundqualifikationen oder gar Weiterqualifikation konstatieren zahlreiche Beiträge Forschungslücken (vgl. Smith 2003, Loughran 2014). Lehrerbildner*innen wird häufig - in Abgrenzung zu Lehrkräften selbst - eine größere Autonomie mit gleichzeitig umfangreicheren Verpflichtungen zugesprochen (vgl. Loughran 2014). Goodwin und Kosnik (2013) diskutieren tentativ Wissensdomänen für Teacher educators , um eine - in ihrer Argumentationsrichtung - gewisse Diskussionsbasis für den US-amerikanischen Lehrerbildungskontext zu schaffen. Ausgehend von ihrer Länderspezifik führen sie die Forschungslücke u. a. darauf zurück, dass in den USA weiterhin Glaubenssätze der „geborenen Lehrkraft“ vorherrschen und in dieser Denkweise Lehrerbildung nur begrenzt Einfluss auf die Qualität der angehenden Lehrerinnen und Lehrer nehmen kann, wodurch letztlich ebenfalls die Ausbildenden innerhalb des Systems abgewertet werden. Die Gegenposition hingegen, überzeugt von sich entwickelnder und gewissermaßen lenk- und beeinflussbarer Lehrkompetenz, habe auch dazu geführt, dass umfassende externe Steuerungsmechanismen für universitär angesiedelte Schools of Education initiiert wurden und darüber hinaus außeruniversitäre Ausbildungs-, Zertifizierungs- und Akkreditierungssysteme für Lehrkräfte existieren: 75 Wobei als pragmatischer Grund aufgeführt wird, dass die Beforschung dieses Charakteristikums möglicherweise bislang als weniger interessant bewertet wurde und deswegen auch seltener (bis kaum) vorkam. 4.2 Forschung zum Vorbereitungsdienst 133 This is the political landscape in which teacher educators are currently operating - one that has apparently lost confidence in university teacher education programs in favor of non-university alternatives and fast-track approaches into the classroom. (Goodwin/ Kosnik 2013: 335) Innerhalb dieses Systems stehen universitäre Lehrerausbildungskräfte in den USA unter hohem Druck. Basierend auf Vorarbeiten zu einer Neuausrichtung der unterrichtsbezogenen Wissensdomänen in einer globalisierten Welt (vgl. Goodwin 2010) führen die Autoren fünf Bereiche auf, die als Alleinstellungsmerkmale eine übergeordnete Relevanz für Lehrerbildner*innen haben sollten: 1. personal knowledge/ autobiography and philosophy of teaching; 2. contextual knowledge/ understanding learners, schools, and society; 3. pedagogical knowledge/ content, theories, teaching methods, and curriculum development; 4. sociological knowledge/ diversity, cultural relevance, and social justice; and 5. social knowledge/ cooperative, democratic group process, and conflict resolution. (Goodwin/ Kosnik 2013: 338) Persönliches Wissen (1) beinhaltet dabei identitätsbezogen und berufsbiographisch einen retrospektiven Blick auf die frühere Lehrtätigkeit und einen Wechsel von der Lehrer*innenin die Lehrerbildner*innenrolle, bei dem das kontextuelle Wissen (2) ausgeschärft werden muss: Während es in der Lehrer*innenrolle primär unterrichtliche Aspekte berücksichtigt, muss es nach der Transformation verstärkt den universitären und erwachsenenbildenden, auch forschungsbezogenen Zusammenhang abbilden können. Eng hiermit verknüpft ist ein pädagogisches Wissen (3), das über Fachwissen und fachdidaktische Dimensionen hinausgeht, sondern übergeordnete Ziele von Lehrerbildung berücksichtigt und dann soziologisches Wissen (4) insofern vermittelbar macht, als dass die angehenden Lehrkräfte in Ausbildungssituationen mit ihren Vorurteilen, Subjektiven Theorien und Ängsten konfrontiert werden sollten. Das zuletzt aufgeführte soziale Wissen (5) soll aus der Perspektive des lehrerbildenden Personals dafür sorgen, dass diese sich der Bedeutung ihrer Arbeit bewusst sind und damit ebenfalls Bewusstseins- und (kritische) Reflexionsprozesse ihrer angehenden Lehrkräfte initiieren können. Damit wird auch deutlich, dass diese Spezifizierung von Wissensdomänen, wie oben schon angemerkt, natürlich im US-amerikanischen Kontext zu sehen und zu bewerten ist, der durch verschiedene Governancestrukturen beeinflusst und von den Autoren kritisch gesehen wird. Die konstruierten Wissensdomänen gehen mit dieser Kritik insofern einher, als dass speziell letztere mittel- und langfristig Transformationsprozesse 134 4 Der Vorbereitungsdienst als 2. Phase der Lehrerbildung innerhalb des Lehrerbildungs- und schließlich auch des Schulsystems anstoßen sollen. Verbunden mit einer Standard- und Qualitätsorientierung im (Lehrer-)Bildungssystem ist die Frage verbunden, wie sich Lehrerbildner*innen professionell weiterentwickeln. Forschung über den Berufseinstieg der Ausbildenden hinaus zeigt, dass die professionelle Weiterentwicklung (Professional development) nach einer gewissen, aber selten formell festgelegten Einstiegsphase international kaum systematisch verfolgt wird. Vielmehr geschieht Fortbildung hier spontan oder bedarfsorientiert, wenn sich das Personal z. B. mit bestimmten curricularen Veränderungen konfrontiert sieht (vgl. z. B. für Australien, England, Kanada, USA: Kosnik et al. 2015). Bereits im Jahr 2000 wurde z. B. für den europäischen Kontext ein erhöhter Bedarf an Weiterqualifikationen für Lehrerbildner*innen konstatiert (vgl. Buchberger et al. 2000). Livingston et al. (2009) führen verschiedene Möglichkeiten für diese Personengruppe auf, um sich weiterzuentwickeln. Hierzu gehört die Teilnahme an angeleiteten Einführungsphasen (sofern vorhanden), Mentoringprogrammen (sofern vorhanden) oder an Konferenzen und Forschungsgruppen sowie das Verfolgen individueller Fortbildungsbedürfnisse. Diese Möglichkeiten lassen sich grob gruppieren in 1) formelle Weiterentwicklung, 2) informelle Weiterentwicklung sowie 3) Communities of practice (vgl. Livingston et al. 2009, Kosnik et al. 2015), wobei sich verschiedene Maßnahmen je nach Struktur und Institution, in denen Lehrerbildung stattfindet, dann auch überlappen können. In ihrer länderübergreifenden Studie arbeiten Kosnik et al. (2015) jedoch heraus, dass die informellen Lern- und Weiterbildungsgelegenheiten deutlich überwiegen, stellen gleichzeitig dennoch die Frage: „Is it realistic to expect them to organise all of their own professional development? ” (ebd.: 71) und fordern damit ein größeres Angebot in den jeweiligen Institutionen, die die Lehrerbildner*innen nutzen können. Eine Überlast an informellen Formen der Weiterbildung sei somit auch stark begrenzend, als dass sie primär durch Erfahrungswissen gesteuert werde und mutmaßlich weniger evidenzinformiert Lehrerbildung initiieren könne. Die von ihnen abgegrenzte Form der Weiterbildung als Community of Practice (vgl. Wenger 1999), gleichgesinnter (und gleichgestellter) Lehrerbildner*innen wird als Mischung formeller und informeller Weiterentwicklung gesehen und mit großem Potential konnotiert, jedoch steht dem ein relativ großer Zeitaufwand bei der Etablierung und kontinuierlichen Verwirklichung entgegen. Dennoch scheint sie - besonders auch bezüglich des informellen Austauschs über Belastungen und Sorgen der Teacher educators - eine wichtige Form der Professionalisierung darzustellen. Die Entwicklungs- und Fortbildungsbedürfnisse von Lehrerbildner*innen untersuchen Dengerink et al. (2015) für die Niederlande und stellen dabei vier 4.2 Forschung zum Vorbereitungsdienst 135 Lernprofile heraus, die sie maßgeblich an der beruflichen Erfahrung als Lehrerbildner*innen (weniger oder mehr als sieben Jahre) und der Institution festmachen, in der sie angehende Lehrkräfte ausbilden (Hochschule oder Schule). Als größte Herausforderungen des Personals mit weniger Erfahrung stellen sie heraus, dass diejenigen, die im Schulkontext angehende Lehrkräfte begleiten und ausbilden, primär daran interessiert sind, prozessbegleitende Coachingfertigkeiten zu trainieren und auszubilden, während diejenigen im Hochschulbereich eher Fachwissen und fachdidaktisches Wissen erweitern möchten. Dies trifft interessanterweise in Teilen ebenfalls auf erfahrenere Lehrerbildner*innen im Hochschulbereich zu: In ihrem Lernprofil dominiert jedoch der Aspekt von einer Didaktik der Lehrerbildung (Pedagogy of teacher education) , in der Regel bilden sie sich individuell und selbstgesteuert fort, bildungspolitische Aspekte spielen für sie kaum eine Rolle. Letztere scheinen jedoch für erfahrene Lehrerbildner*innen in Schulen relevanter zu sein, zudem streben sie aktiv Austausch und Kooperationen mit Universitäten an und sehen diese als Orte zur fachlichen Weiterentwicklung. Diese Entwicklungsaktivitäten und -wünsche zeigen sich auch im internationalen Vergleich von Teacher educators (vgl. van der Klink et al. 2017): Nach einem typisch verlaufenden Einstieg als Novizen, wie er oben bereits beschrieben wurde und der von „Überleben“ (Survival) geprägt ist, verschiebt sich der Fokus der Arbeit hin zur eigenen Identitätsbildung und einer zunehmend stärker individualisierten Ausbildungstätigkeit der angehenden Lehrkräfte. Dieser Wechsel scheint in dem betrachteten Sample ohne bestimmte länderspezifische Ausprägungen, die Autoren interpretieren dies daher als mutmaßlich universell-globales Phänomen, das alle Lehrerbildner*innen durchlaufen. Bezogen auf ihre Rolle und Anbindung in ihren institutionellen Kontexten sind einige der in Interviews befragten Personen bereits in Forschungsaktivitäten eingebunden, nannten jedoch auch den Faktor Zeit als primären Hinderungsgrund, weitere Fortbildungsmaßnahmen oder eigene Forschung wahrzunehmen zu können. Standards für Teacher educators Nach Fragen zum professionellen (Selbst-)Bild der Ausbildungskräfte und deren Herausforderungen beim Einstieg in ihre Tätigkeit, bildet ihre Weiterentwicklung über die Berufsjahre hinweg einen dritten Schwerpunkt internationaler Forschung. Eng verbunden hiermit ist auch die Frage nach der Qualität der Lehrerbildung (vgl. Koster et al. 2005), wenn man Ausbilderinnen und Ausbildern als Second-grade practitioners einen bedeutenden Einfluss auf die ihnen anvertrauten First-grade practitioners attestiert, was unweigerlich zu Diskussion 136 4 Der Vorbereitungsdienst als 2. Phase der Lehrerbildung um eine gewisse Standardorientierung innerhalb von Lehrerbildung und ebenso des lehrerbildenden Personals geführt hat. Die 1920 in den Vereinigten Staaten von Amerika gegründete Association of Teacher Educators (ATE) war seit den 90er Jahren bestrebt, Standards für die Arbeit von Lehrerbildnerinnen und Lehrerbildnern aufzustellen. Ausgehend von einer breiten und überinstitutionellen Definition von Teacher educators gelten für die ATE folgende neun Standards als Grundlage für professionelle Lehrerbildung: 1. Teaching: Model teaching that demonstrates content and professional knowledge, skills, and dispositions reflecting research, proficiency with technology and assessment, and accepted best practices in teacher education. 2. Cultural Competence: Apply cultural competence and promote social justice in teacher education. 3. Scholarship: Engage in inquiry and contribute to scholarship that expands the knowledge base related to teacher education. 4. Professional Development: Inquire systematically into, reflect on, and improve their own practice and demonstrate commitment to continuous professional development. 5. Program Development: Provide leadership in developing, implementing, and evaluating teacher education programs that are rigorous, relevant, and grounded in theory, research, and best practice. 6. Collaboration: Collaborate regularly and in significant ways with relevant stakeholders to improve teaching, research, and student learning. 7. Public Advocacy: Serve as informed, constructive advocates for high quality education for all students. 8. Teacher Education Profession: Contribute to improving the teacher education profession. 9. Vision: Contribute to creating visions for teaching, learning, and teacher ed} ucation that take into account such issues as technology, systemic thinking, and world views. 76 Die aufgeführten Standards sind insofern kritisch zu sehen, als dass sie, in ihrer normativen Natur, auf verschiedene andere internationale Ausbildungskontexte sowie auf gerade einsteigende Lehrerbildner*innen nur wenig übertragbar erscheinen und trotz ihrer teils offenen Formulierung in den begleitenden Deskriptoren auch für ihren lokal-nordamerikanischen Kontext ungenau und einseitig wirken. Hierauf rekurrieren auch Swennen et al. (2010), die über die 76 Die Standards sind mitsamt Deskriptoren unter www.ate1.org/ pubs/ uploads/ tchredstds0308. pdf abrufbar [letzter Abruf: 10.4.2019]. 4.2 Forschung zum Vorbereitungsdienst 137 vier Sub-Identitäten von Lehrerbildner*innen (s. o.) hinaus „generische Lehrkräfte“ (Teacher educators as generic teachers) als Perspektive konzeptualisieren. Von den Beiträgen, die sie gesichtet haben, beschreiben vorrangig diejenigen Beiträge Lehrerbildner*innen als generisch und sich als Teil einer größeren Gemeinschaft von Lehrkräften zurechnend, wenn es um eine gewisse Standardorientierung ging. Um sich als Lehrerbildner*in an Standards orientieren zu können, muss eine breite Definition des Begriffs Teacher educator vorliegen, wodurch jedoch letzterer verwässern und damit wiederum generisch werden kann. Erschwerend hinzu kommt darüber hinaus, dass manche Teacher educators sich gar nicht als solche wahrnehmen, obwohl sie - nach einer breiten Definition - in verschiedenen Kontexten als solche beschreibbar sind (vgl. Klecka et al. 2008). Auch in anderen Ländern wurden in den vergangenen Jahren Standards bzw. zusammenhängende Kompetenzfelder für Lehrerbildner*innen, darunter in Australien, Israel und der Türkei, entwickelt (vgl. Murray/ Male 2005, Smith 2005, Celik 2011). In einem Vergleich zeigen sich gewisse Ähnlichkeiten z. B. ausgehend von den neun ATE-Standards vor allem die Aspekte der Modellhaftigkeit der Ausbildung (1.), eines Forschungsbezugs (3., 5.) sowie kontinuierliche Weiterentwicklung (4.). Zum Vergleich sollen hier die Standards der niederländischen Gesellschaft für Lehrerbildung ( Vereniging van Lerarenopleiers Nederland, VELON) in der letzten Fassung vorgestellt werden, da sie - auch bereits in den Vorgängerfassungen und mittels publizierter Begleitforschung - relativ breit rezipiert wurden (vgl. exemplarisch: Koster/ Dengering 2001, Smith 2005, Swennen et al. 2010, van der Klink et al. 2016). Während die ATE-Standards (oder Standards im Allgemeinen) häufiger Kritik ausgesetzt sind wegen „ihrer behavioristischen Sichtweise von Lehr- und Lernprozessen und auch weil sie den LehrerInnen aufgewungen wurden … [, sind die] Standards von VELON … dagegen von den LehrerbildnerInnen selbst entwickelt [worden] und befinden sich sozusagen im Besitzstand des Berufsstandes“ (Swennen/ Snoek 2012: 25). 138 4 Der Vorbereitungsdienst als 2. Phase der Lehrerbildung Abb. 10: Professional Standard for Teacher Educators (VELON 2012). Lehrerbildner*innen in den Niederlanden können systemisch sowohl in lehrerbildenden Institutionen als auch in Schulen angesiedelt sein. 77 Die darüber hinaus im Außenring der Illustration angegebenen Rollen verstehen sich als Perspektiven, die abhängig von der jeweiligen Tätigkeit und Zielgruppe, unter Umständen nur zeitweise, eingenommen werden. Offen bleibt ein Kasten in der Darstellung ebenfalls deshalb, weil sich hier individuell und kontextbezogen eine weitere Perspektive seitens des/ der individuellen Lehrerbildners/ bildnerin ergeben kann. Zentral basieren die Standards und Kompetenzen auf funda- 77 Siehe auch die oben bereits aufgeführte Studie von Dengerink et al. (2015) zu den Lernprofilen von Lehrerbildner/ innen in den beiden verschiedenen institutionellen Kontexten und mit unterschiedlicher beruflicher Erfahrung. Interessanterweise waren die Befragten in der Studie Mitglieder des VELON-Verbandes, die Studienautoren weisen aber auf eine Ergänzungsstudie mit weiteren niederländischen Lehrerbildner/ innen hin, die nicht VE- LON-Mitglieder sind, und zeigen, dass die Ergebnisse bzgl. der Lernprofile sich ähneln und damit für die gesamte niederländische Berufsgruppe Gültigkeit haben dürften. 4.2 Forschung zum Vorbereitungsdienst 139 mentalen Prinzipien, die sowohl das Lernen von Schülerinnen und Schülern, das Lernen der angehenden Lehrkräfte als auch das Lernen (und Weiterentwickeln) der Lehrerbildner*innen einfordern. Die vier „Kompetenzkreise“, die sich aus diesen Prinzipien entwickeln und diese gleichzeitig umschließen, im begleitenden Dokument mittels Deskriptoren aufgeschlüsselt werden, bilden kompetenztheoretisch Aspekte wie relevantes Fachwissen und (pädagogische) Kompetenzen, Organisation- und Beratungswissen ab, betonen gleichzeitig aber die Fähigkeit des Teacher educator , sich weiterentwickeln zu können (bzw. zu müssen). Forschungsüberblick und -desiderate Weitere Forschung zu Ausbildungskräften in anderen Ländern ist weniger einschlägig, stark fokussiert und damit häufig nur relevant für den jeweiligen Kontext. Dies gilt, um ein Beispiel zu nennen, für die Beratungsarbeit im Feld dominanter Eltern und deren Involviertheit bei der Gestaltung von Chancengerechtigkeit in Schule (vgl. Baquedano-Lopez et al. 2013). 78 Auffällig ist, dass keine der größeren, international einschlägig publizierten Forschungsberichte wie van der Klink et al. (2017) oder Lunenberg et al. (2014) Teacher educators in Deutschland in den Fokus nimmt, obwohl durchaus europäische Kontexte wie die Niederlande, Belgien, Finnland oder auch das Vereinigte Königreich untersucht werden. Zudem finden sich in den internationalen Beiträgen zwar zahlreiche Aspekte von Identität und Identitätsbildung sowie Fragen nach der Qualität von Lehrerbildung, wenige Studien betrachten jedoch Interaktions- und Aushandlungsprozesse der Lehrerbildner*innen mit ihren Lehramtsstudierenden bzw. angehenden Lehrkräften - oder in dem Kontext dann auch, wie sich die Teacher educator identity durch die professionellen und interpersonalen Beziehungen zu Studierenden über eine gewisse Zeit hinweg entwickelt und formt (vgl. Izadinia 2014). Dabei identifizieren Lunenberg et al. (2014) in einem großen Teil der internationalen Forschung, neben einer großen Varietät an untersuchten Schwerpunkten und der damit einhergehenden zentralen Rolle in der Ausbildung angehender Lehrkräfte, ein gewissermaßen problematisches Verhalten der Lehrerbildner*innen: Der Grund hierfür liegt mutmaßlich in der teils unspezifischen Ausgestaltung der Tätigkeit im internationalen Hochschulkontext, einem eigenen Rollenbewusstsein bzw. einer eigenen Identität (bzw. Schwierigkeiten, diese aufzubauen und sich von Kolleginnen und Kollegen abzugrenzen) und damit ebenfalls in der ebenfalls selten spezifizierten und selten begleiteten Einstiegs- oder Einführungsphase. 78 Für einen umfassenden Überblick mit Aufstellung aller Arbeiten siehe Lunenberg et al. (2014). 140 4 Der Vorbereitungsdienst als 2. Phase der Lehrerbildung Cochran-Smith (2003) nimmt Kritik am US-amerikanischen Bildungs- und Lehrerbildungssystem als Ausgangspunkt, um den Lehrerbildner*innen eine zentrale Rolle bei der Implementierung jeglicher erziehungs- und bildungswissenschaftlicher Reformen zuzuschreiben. Diese lange vernachlässigte Gruppe müsse eine verlässliche Wissensbasis sowie eine professionelle Aufwertung in ihrer Rolle erhalten. Während sie diese Forschungsdesiderate aufführt, welche - wie weiter oben bereits aufgeführt wurde - durch in darauffolgenden Jahren sich anschließende Forschung durchaus in zahlreichen Ansätzen ausgefüllt wurden, sieht sie eine forschende Haltung („inquiry as stance“; ebd.: 7) als notwendiges Kriterium für Teacher educators . Wenn Cochran-Smith folglich von Learning und Unlearning im Kontext von Lehrerbildung spricht, meint sie sowohl das aktive Aneignen entsprechenden Wissens und spezifischer Fertigkeiten bei der Ausbildung angehender Lehrkräfte (Learning) , aber auch das ständige Hinterfragen, (Nach-)Forschen 79 und Reflektieren von eigenen Wissensbeständen und Glaubenssätzen und denen der anvertrauten Lehramtsstudierenden (Unlearning) . Einige internationale Beiträge fordern daher, ob der Spezifik der Tätigkeit von Lehrerbildner*innen, eine „Pädagogik der Lehrerbildung“, welche Folgendes beinhalten solle: a knowledge of teaching about teaching and a knowledge of learning about teaching and how the two influence one another in the pedagogic episodes that teacher educators create to offer students of teaching experiences that might inform their developing views of practice. (Loughran 2008: 1180) Loughran (2014: 275) stellt heraus, dass das Lehren über Lehren als Mindestanforderungen enthalten sollte: einen inhaltlichen Schwerpunkt in Pädagogik, Unterricht als problematisch zu konzeptualisieren, die implizite Natur von Praxis explizit zu machen 80 , eine gemeinsame Sprache von Lehren und Lernen zu finden sowie die Fähigkeit, Prinzipien von (guter) Praxis formulieren zu können. Er betont, dass die Ausbildung angehender Lehrkräfte aufgrund der weitgehenden Unberechenbarkeit von Unterricht und eventuell vorhandener impliziter Wissensbestände und Beliefs seitens der Lehramtsstudierenden durch eigene Schulbiographien (vgl. Lortie 1975) und einen Schülerhabitus (vgl. Helsper 79 Kurz darauf in einem weiteren Beitrag beschreibt Cochran-Smith (2005) die Doppelfunktion der US-amerikanischen Lehrerbildner/ innen im Hochschuldienst als Forschende und Praktiker/ innen und betont dabei, dass diese nicht nur kompetent darin sein sollten, Forschung zu rezipieren, sondern auch (güte-)kriteriengeleitet eigene (Aktions-)Forschungsprojekte zu initiieren, mit nachvollziehbaren Ergebnissen abschließen zu können und letztere wiederum in ihre Ausbildungspraxis zu übertragen. 80 Vgl. die Diskussion um Wissensbestände im Anschluss an Neuweg (2004/ 2014) innerhalb des kompetenztheoretischen Bestimmungsansatzes in Kapitel 2.1.2. 4.3 Zwischenfazit III 141 2018/ 2019) geprägt einen derart hohen Grad an Komplexität erlangt, dass eine explizite Vermittlung pädagogischen Fachwissens, aber auch ein gemeinsames Aushandeln der darauf basierenden Prinzipien mit den angehenden Lehrkräften stattfinden muss. Vornehmlich das Diagnostizieren und möglicherweise notwendige Aufbrechen von Beliefs , die Loughran im Anschluss an Pajares (1992) und Hattie (2009) als bedeutsame Faktoren für Lehrerhandeln herausstellt, konstruiert er damit als eine der Kernaufgaben von Teacher educators . Hiermit verbunden ist wiederum die Frage, inwiefern dann empirisches Wissen und der Teacher educator as researcher in den Vordergrund tritt, wenn Cochran-Smith (2005) konstatiert: „Finally teacher educators need to have expertise in sorting out which questions about teacher education are empirical and which are questions of values and beliefs.“ (ebd.: 225) Ein stetes Abwägen und Bearbeiten dieser Fragen, das Anleiten zum reflexiven Umgang mit ihnen auch unter Berücksichtigung von neueren Forschungsergebnissen, scheint damit ein weiterer zentraler Aufgabenbereich für Lehrerbildner und Lehrerbildnerinnen zu sein. 4.3 Zwischenfazit III: Der Vorbereitungsdienst als lehrer*innenbildende Phase Als Station im „beruflichen Sozialisationsprozeß“ (Katzsch/ Masendorf 1979: 75) soll der Vorbereitungsdienst die Lehramtsabsolvent*innen auf die Unterrichtspraxis vorbereiten und das Wissen der ersten Phase reflexiv anwendbar machen. Er schafft in seiner Konzeption Lerngelegenheiten aus der eigenen Unterrichtspraxis der LiV und stellt gleichzeitig durch eine Betreuung von Ausbildungskräften und Mentorinnen/ Mentoren eine Anleitung und Beratung sicher, die jedoch ebenfalls unter einem starken Bewertungszwang steht. Dieser entsteht auch strukturell, da der Vorbereitungsdienst als „abschließende Phase“ (KMK 2012: 2) gewertet wird mit dem Anspruch, entsprechend kompetente Lehrkräfte in den Schuldienst entlassen zu können. Entsprechend groß war und ist die Kritik am „System Vorbereitungsdienst“ an sich (vgl. z. B. Terhart 2000, OECD 2004) und führt auf Seiten der Referendarinnen und Referendare zu großen Belastungen und auch nötigen Entwicklungsschritten (vgl. Hericks 2006), die in mehreren Untersuchungen herausgearbeitet wurden. Košinár (2014) stellt in einem Verlaufsmodell Professionalisierungsprozesse von Lehrkräften im Vorbereitungsdienst dar (s. Abbildung 11), welche mit individuellen Anforderungen und Erwartungen beginnen und dann durch Irritationen, Krisen und Unsicherheiten bedroht sein können. Je nach Persönlichkeitsstruktur und ob diese Krisen als Herausforderung angenommen werden oder nicht (und letzteres ist dabei offensichtlich die problematischere Variante), kann mittels Erfahrungslernens 142 4 Der Vorbereitungsdienst als 2. Phase der Lehrerbildung Professionalisierung im Referendariat stattfinden. Die „[habituelle] Struktur des Subjekts“ (ebd.: 101) bedingt auch die Offenheit und Ermöglichung dieses Prozesses, wird von weiter außen geprägt durch Gesellschaft und soziales Umfeld sowie den institutionellen Bedingungen, näher am Individuum verankert durch individuell vorhandenes Wissen sowie die eigenen Ressourcen und Persönlichkeitsstrukturen. Abb. 11: Heuristisches Verlaufsmodell: Professionalisierungsprozess während der Bearbeitung einer Erfahrungskrise nach Košinár (2014: 101; leicht angepasste Fassung der Originaldarstellung übernommen aus Futter 2017: 58). Jedoch: In der Abbildung erscheint Lehrerprofessionalisierung im Vorbereitungsdienst als primär eigengestalteter Prozess, wenn auch von institutionellen Rahmenbedingungen bestimmt und begrenzt. Andere Personen - wie z. B. Lehrerbildner*innen - spielen eine untergeordnete Rolle. Höchstens die Reflexionen von Gedankenexperimenten werden in Erfahrungsgemeinschaften dialogisiert. Diese Gemeinschaften könnten aber ebenso rein aus Peers bestehen. 81 81 Dies deckt sich interessanterweise mit Erkenntnissen aus internationalen Studien, die eher informellere Lerngelegenheiten auf individueller und kooperativ-kollegialer Ebene 4.3 Zwischenfazit III 143 Welche Funktion erfüllen also Ausbilderinnen und Ausbilder im Vorbereitungsdienst? Sind sie primär die Bewertenden, als die sie wahrgenommen werden (vgl. z. B. Englert et al. 2006, Lenhard 2004, Döbrich/ Storch 2012, Munderloh 2018) und achten damit auf ein Einhalten bestimmter Standards (vgl. Strietholt/ Terhart 2009)? Oder schaffen sie echte Lern- und Reflexionsgelegenheiten in den Veranstaltungen des Studienseminars sowie mittels Beratungssituationen einen Beitrag zur individuellen Professionalisierung der LiV in Unterrichtsnachbesprechungen? Wie anhand der Durchsicht der bislang vorliegenden einschlägigen Studien gezeigt werden konnte, ist dies nicht klar beantwortbar. Wie Ausbildungskräfte handeln und ausbilden, außerdem auch was sie als inhaltlich relevant setzen, lässt sich bislang kaum beantworten (vgl. Munderloh 2018), obwohl gerade die Interaktionsprozesse zwischen Referendar*innen und Lehrerbildner*innen als zentral für die Professionalisierungsprozesse im Vorbereitungsdienst angesehen werden (vgl. Kratzsch/ Masendorf 1979). Krüger (2014) führt anhand der Ausbildung für berufliche Schulen aus, dass Ausbildungspraxis und Seminargestaltung dabei höchst unterschiedlich sind: von einer Modellhaftigkeit der eigenen Seminare für guten Unterricht bis hin zu einem sehr offenen, konstruktivistisch anmutenden Setting, bei dem die LiV an ihren mitgebrachten Herausforderungen unter Anleitung der/ des Lehrerbildners/ der Lehrerbildnerin arbeiten. Bezogen auf das beteiligte Ausbildungspersonal im Vorbereitungsdienst lässt sich attestieren, dass die wenigen vorhandenen Studien aus dem deutschsprachigen Raum vereinzelte Einblicke geben können, zumeist dabei jedoch quantitativer Natur sind und nur in einem Fall umfassender und mit einem forschungsqualitativen Zugang eine spezifische Gruppe, die der Berufsschulausbildungskräfte (vgl. Krüger 2014), detaillierter in den Blick nehmen. Umfassender, wenn auch phasenübergreifend konzipiert, sind hier Studien zu Teacher educators , die bedeutende Aspekte zur charakteristischen Ausgestaltung dieser Lehrenden von Lehrenden liefern und damit eine wichtige Grundlage als theoretisch-empirische Rahmung dieser Arbeit finden sollten. Internationale Forschung stellt die Bedeutung von Lehrerbildner*innen klar heraus (vgl. z. B. Vloet/ van Swet 2010, Loughran 2006, Tryggvason 2012, Cochran-Smith 2003), gleichzeitig wird dort die Identitätsbildung als Teacher educators verschiedentlich durch die Institutionen und Strukturen als deutlich erschwert charakterisiert (vgl. z. B. Gee 2000, Lunenberg/ Hamilton 2008), was sich ebenfalls für den deutschen Vorbereitungsdienst bestätigen dürfte. Ausbildungskräfte gelten als Second-order teachers (vgl. Swennen et al. 2010) in Second-order settings (vgl. Murray 2002). Sie sind damit „Lehrkräfte zweiter Ordnung“, was wiederum reflexiv auf verschiedenen Ebenen eingeholt als weit förderlicher ansehen als durch Organisationen vorgegebene, formelle Lerngelegenheiten (vgl. Kosnik et al. 2015). 144 4 Der Vorbereitungsdienst als 2. Phase der Lehrerbildung werden muss (z. B. Goodwin/ Kosnik 2013). Krüger (2014) merkt hierzu kritisch an, dass die Ausbildungskräfte im Vorbereitungsdienst in den seltensten Fällen für Erwachsenenbildung vorbereitet oder weiterqualifiziert wurden. Die Gefahr einer latenten Infantilisierung der Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst (vgl. Merzyn 2004), das damit einhergehende Machtgefälle und die mehrfach beschriebenen, interpersonalen Schwierigkeiten (vgl. Lenhard 2004, Meyerhöfer/ Rienits 2006, Englert et al. 2006, Wernet 2007, Schubarth et al. 2006, Munderloh 2018) erscheinen im Grunde genommen unausweichlich. Allerdings spielt die Struktur des Vorbereitungsdienstes und eine gewisse Selbstidealisierung der Institution „Studienseminar“ eine bedeutende Rolle: Neben Oelkers (1996/ 2000/ 2009) und Lenhard (2004) formuliert auch Wernet (o. J.) „eine strukturell angelegte Überforderung der Ausbildungspraxis“ (ebd.: 15), die ursächlich von institutionalisierten Strukturen und Ansprüchen herrührt und in der Interaktion des teilnehmenden Personals sich in einem „Verschwinden der Sache“ (Dzengel et al. 2012) niederschlägt. Der Ausbildungsprozess scheitert in diesem Moment, wobei dieses Scheitern dann keiner Personengruppe beigemessen werden kann, sondern ein Ergebnis der strukturell-institutionellen Umstände darstellt. International werden Aushandlungsprozesse oder konkrete Seminararbeit nur selten in den Fokus genommen, wo auf Seiten der Ausbildungskräfte primär Identitätsbildung im Fokus steht. Bezogen auf die vorliegende Forschung aus Deutschland zeigt sich, dass hauptsächlich - und dies mag ein Ergebnis der besonderen Struktur der zweiten Phase sein - auf Faktoren von Belastung und Umgang mit den Ansprüchen im Vorbereitungsdienst abgezielt, erst seit kurzem auch auf die eigentlichen Professionalisierungsprozesse in struktur- oder kompetenztheoretischer Deutung geschaut wird. Wissen oder Wissensformen an sich werden selten thematisiert. Lediglich Wahl (2008) zeigt, dass im Referendariat erworbenes fachdidaktisches Wissen gleichsam dem Effekt der Konstanzer Wanne folgend im anspruchsvollen Berufseinstieg wieder verloren geht. Fachdidaktisches Wissen bzw. fachdidaktische Kompetenzen stehen im Allgemeinen nur sehr selten dezidiert im Fokus der Untersuchungen. Die Arbeit von Englert et al. (2006) bildet hier eine der Ausnahmen aus religionspädagogischer Sicht, die Vermittlung von Wissen spielt hier jedoch keine herausragende Rolle, sondern ist eine von vielen Aspekten. Auch wird in den vorliegenden Studien entsprechend primär aus Sicht der angehenden Lehrkräfte argumentiert, selten aus der Vermittlungspraxis der Ausbildungskräfte heraus. Wie die fachdidaktisch geprägte Ausbildung - exemplarisch an den Fremdsprachendidaktiken - mitsamt den Ansprüchen des Vorbereitungsdienstes innerhalb der Handlungs- und Interaktionsstrukturen durch Ausbildungskräfte umgesetzt wird, die Fragen nach dem „Wie“ und dem „Was“ im Vorbereitungsdienst angehender Fremdsprachenlehrkräfte also, wird nun zum Gegenstand dieser Ausführungen. 5 Fremdsprachenlehrerprofessionalisierung im Vorbereitungsdienst Diese Studie folgt der Annahme, dass Lehrerbildnerinnen und Lehrerbildner in ihrer Autonomie einen bedeutenden Einfluss auf die Ausgestaltung der Ausbildungspraxis im Vorbereitungsdienst sowie die dort relevanten inhaltlichen Schwerpunkte haben. Den Praxisbegriff nutze ich hier im deskriptiven, sozialwissenschaftlichen Sinne als „kleinste Einheit des Sozialen“ (Reckwitz 2003: 290): „Mit ihm rückt das konkrete Tun als materielles, an Körper gebundenes und in systematischer Verbindung mit einer Fülle feldspezifischer Artefakte stehendes Phänomen in den Fokus der Betrachtung.“ (Leonhard et al. 2018b: 8; Hervorhebung im Original) Die Personengruppe der Ausbildungskräfte im Vorbereitungsdienst zu beforschen bietet folglich die Chance, mehr über das „Innenleben“ von Seminarsitzungen, von Unterrichtsnachbesprechungen und -reflexionen sowie Instanzen der Beratung und Bewertung zu erfahren. Darüber hinaus ist hinsichtlich der inhaltlichen Fokussierung bedeutsam, inwiefern fremdsprachendidaktische Schwerpunkte in der Handlungspraxis der Lehrerbildner*innen individuell relevant werden, normative Setzungen vorherrschen und wie diese bearbeitet werden sowie ob sich hier über ein betrachtetes Sample von Ausbildungskräften hinweg Gemeinsamkeiten oder Unterschiede zeigen. Ziel dieses Kapitels ist es nun, scharnierartig den Forschungsgegenstand näher zu umreißen und auf Forschungssubjekte einzugrenzen, anhand derer ein Teilbereich des fremdsprachendidaktischen Vorbereitungsdienstes (be)greifbar(er) gemacht werden soll. Letztlich geht es - einfach ausgedrückt - darum, was Lehrerbildner*innen in diesem fachspezifischen Vorbereitungsdienst tun. Ziel ist es darum jedoch nicht herauszuarbeiten, wie ihr Handeln wirkt, sondern zunächst in einem bewusst explorativen Sinne die Zugänglichmachung der Überzeugungen, Handlungspraktiken und inhaltlicher Schwerpunkte im Vorbereitungsdienst im Sinne einer Ausbildungsdidaktik. Auch die Vorstellung des hessischen Vorbereitungsdienstes ist in dem Zusammenhang für die Skizzierung des Forschungsfeldes nötig und bezieht im Besonderen deren rechtliche Grundlagen mit ein, um sowohl die formalen Rahmenbedingungen des Handelns der beteiligten Personen zu umreißen sowie von den Befragten genannte Fachtermini bereits vorab klären zu können. Zudem dürfte relevant sein, inwiefern die spezifische Strukturiertheit des Vorbereitungsdienstes die Ausbildungstätigkeit der Lehrerbildnerinnen und -bildner möglicherweise bestimmt und beeinflusst, wie sie ganz individuell mit formalen Vorgaben umgehen und diese umsetzen. 146 5 Fremdsprachenlehrerprofessionalisierung im Vorbereitungsdienst 5.1 Hinleitung zum Forschungsgegenstand und zu den Forschungssubjekten: Lehrerbildner*innen im fremdsprachendidaktischen Vorbereitungsdienst Die Darstellung der Forschung zum Vorbereitungsdienst sowie zu Lehrerbildner*innen im Speziellen hat deutlich gemacht, dass über diese Personengruppe - noch dazu in einer besonderen fachlichen Spezifik wie der Fremdsprachendidaktik - wenig bekannt ist. 82 Dennoch kann ihr ein großer Einfluss auf die angehenden Lehrkräfte unterstellt werden: Sie zeichnen formal maßgeblich für die inhaltliche Ausgestaltung der Ausbildung und Beratung verantwortlich in Anbetracht relativ geringer (inhaltlicher) Vorgaben, von informeller, individueller Professionalisierung der LiV mittels Dritter (wie z. B. anderer LiV, Mentorierenden oder Fortbildner*innen) oder auch durch Fachliteratur einmal abgesehen. Dabei wäre es ein komplexes Vorhaben, die Wirkmächtigkeit der - zudem teils sicherlich höchst unspezifischen - Interventionen, die von den Ausbildungskräften ausgehen, im Sinne eines kompetenztheoretischen Zugriffs zu erheben und in Beziehung zur Professionalisierung der LiV im Verlauf des Vorbereitungsdienstes zu setzen. Vielmehr soll es in diesem Vorhaben, dem explorativen Charakter der Studie folgend, darum gehen, erst einmal überhaupt Einblicke in die Handlungspraxis und die Ausbildungsgegenstände der fremdsprachendidaktisch ausbildenden Lehrerbildner*innen im Vorbereitungsdienst zu gewinnen, ohne gleich Wirksamkeitsforschung zu betreiben. Der Fokus ist demnach die Annäherung an die Professionalität der Professionalisierenden. Ihr Tun, eingebettet in feldspezifische, normativ angelegte Rahmungen ist das, was hier von besonderer Relevanz ist. Wenn innerhalb des Vorbereitungsdienstes dann jedoch im Oevermann’schen Sinne (s. Kap. 2.1.1) Arbeitsbündnisse zwischen Lehrenden und LiV entstehen, um die Anforderungen und Unwägbarkeiten dieser zweiten Phase zu bewältigen, könnten sich in der spezifischen Rekonstruktion der Handlungspraxis und individuellen Ausbildungsdidaktiken der Lehrerbildner*innen auch Anforderungen auf Seiten der Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst erkennen lassen. Dem folgend werden sich aus der Beforschung dieser Personengruppe besondere Charakteristika und kennzeichnende Anforderungen an ihre berufliche Praxis erheben lassen, die wiederum in mögliche Empfehlungen zur Optimierung ebenjener Praxis - auf Seiten der Ausbildungskräfte sowie latent auch auf Seiten der LiV - münden könnten. 82 Dies gilt auch für die internationale Fremdsprachendidaktik, die auch kaum auf Lehrerbildner/ innen fokussiert, höchstens noch auf Mentorinnen und Mentoren (vgl. Burns/ Richards 2009). 5.1 Hinleitung zum Forschungsgegenstand und zu den Forschungssubjekten 147 Interessant ist also, wie Ausbildungskräfte ihre (soziale) Praxis einem gewissen Berufshabitus gemäß gestalten (Opus operatum) und welche inkorporierten Prinzipien, Wahrnehmungsschemata und Handlungsweisen diese Praxis hervorbringen (Modus operandi) . Eine theoretische Bezugsgröße, um eine solche Genese und Praxis greifbar zu machen, kann - wie in zahlreichen schulpädagogisch-professionstheoretischen Ansätzen - Bourdieus Habitus als strukturierte und strukturierende Struktur (Bourdieu 1987; vgl. Kapitel 2) sein und wird damit gleichzeitig in seiner Bestimmung berufsbiographisch wirksam: Als Produkt der Geschichte produziert der Habitus individuelle und kollektive Praktiken, also Geschichte, nach den von der Geschichte erzeugten Schemata; er gewährleistet die aktive Präsenz früherer Erfahrungen, die sich in jedem Organismus in Gestalt von Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsschemata niederschlagen. (Bourdieu 1987: 101) Diese Charakterisierung des Habitus bedeutet hier zweierlei: Zum einen bestimmt sie methodisch einen Zugang zur Rekonstruktion von Habitūs durch das Generieren von (entstandener/ erzählter) Geschichte und ihrer Vermittlung von Erfahrungen und Schemata (vgl. Meuser 2013, Bohnsack 2017). Folglich kann ein Habitus und das ihn umschließende Feld in Narrationen der durch Habitusformen und Rollenerwartungen geprägten Akteurinnen und Akteure greifbar gemacht werden. Zum anderen besteht das Potential, durch eine Identifizierung und Rekonstruktion von - auch normativ gesetzten - „Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsschemata“ (ebd.) über ein bestimmtes Sample von Ausbildungskräften hinweg die Kollektivität der dispositionellen Erfahrungen und (erwarteten) Praktiken zu erheben und offenlegen zu können. Die Rolle und Wirkkraft der Institution in einer normativen Prägung von Seiten der Schule, des Studienseminars oder anderer (auch individuell gesetzter) Größen, die im Bourdieu’schen Sinne zur Habitusbildung immer mitgedacht werden müssen, kann hier folglich berücksichtigt werden, da sie in Äußerungen der Forschungssubjekte zum Tragen kommen müss(t)en (vgl. Bonnet/ Hericks 2019). Es wird daher zu untersuchen sein, inwiefern die Forschungssubjekte in ihrem Habitus eine Passung oder Nicht-Passung zum Tätigkeitsfeld des Studienseminars/ Vorbereitungsdienstes aufzeigen (vgl. Bourdieu 1987). Dieser Forschungszugang zu Habitus und Handlungspraxis mittels der Rekonstruktion auf impliziter Wissensebene gelagerter „Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsschemata“ (ebd.) schließt damit gewisse Erhebungsverfahren aus und fordert wiederum andere ein: Eine teilnehmende Beobachtung an Beratungsgesprächen oder Reflexionsgesprächen von LiV mit ihren Ausbildungskräften zeigt zwar die Handlungspraxis in situ , vermag aber nicht in einem geschichtlich-berufsbiographischen Zugang den entstandenen Habitus oder 148 5 Fremdsprachenlehrerprofessionalisierung im Vorbereitungsdienst kollektiv geteilte Handlungspraxisausgestaltungen und -logiken, vor allem also die Bourdieu’schen Wahrnehmungs- und Denkschemata zu greifen. Letztlich müssen die Lehrerbildner*innen im Vorbereitungsdienst in Kommunikation über ihren Werdegang und ihre Handlungspraxis dazu verleitet werden, ihre Erfahrungen und Schemata offenzulegen, welche komparativ innerhalb ihrer Gruppe das Potential zur Habitus- und Handlungspraxisrekonstruktion bieten. Davon ausgehend, dass Praxis auch immer von Theorie und differenten Wissensformen informiert und geprägt ist, möglicherweise diese spezifischen Wissensformen aber nicht direkt greifbar sind (vgl. Neuweg 2004, 2014), gilt es, sowohl explizites wie möglichst ebenfalls implizites Wissen erhebbzw. rekonstruierbar zu machen, was gegenstandstheoretisch noch zur Auswahl der Erhebungs- und Analysemethode im folgenden Kapitel diskutiert werden muss. Internationale Forschung zu Lehrerbildner*innen rekurriert im Gegensatz zur deutschen Professionsforschung fast ausschließlich auf Identitätskonstrukte z. B. im Anschluss an Mead (1973), welche nach einem Selbstbild des Individuums fragen, zwar ebenfalls im Wechselspiel mit sich ändernden Rahmenbedingungen, jedoch scheint das Habituskonzept im Anschluss an Bourdieu stärker auch die kollektiv wirksam werdenden, erworbenen Schemata und die damit strukturierte wie auch strukturierende Fassung von Handlungen greifbar machen zu können (Bourdieu 1987: 98). Es ist zudem aus der gegenstandstheoretischen Begründung und der damit einhergehenden Wahl der Erhebungs- und Analysemethode (s. Kapitel 6) doppelt verbunden mit der praxeologischen Wissenssoziologie nach Bohnsack (2017), welche auch verstärkt normative Erwartungen des (institutionalisierten) Sozialen wie des Individuums fokussiert und damit weniger anschlussfähig an Identitätskonstrukte erscheint. 83 Es geht Bohnsack (2014b) darum, „dass und wie der individuelle und kollektive Habitus sich in der Auseinandersetzung mit den normativen resp. institutionellen Anforderungen … immer wieder reproduziert und konturiert“ (ebd.: 36). Ein ähnliches Verständnis liegt internationaler Forschung zu Teacher educators zugrunde. Lunenberg et al. (2014) bilden beispielsweise Typen und rekonstruktieren Feld- 83 Schultze (2018) nutzt, wie in Kapitel 3.1.2 schon aufgeführt, explizit das Konstrukt Identität, um auf individueller Ebene Professionalisierungsprozesse angehender Englishlehrpersonen zu untersuchen. Sie zeigt in ihrer (gegenstands-)theoretischen Herleitung dezidiert die unterschiedlichen Strömungen, Auslegungen und Kritikpunkte des Konstrukts. Gleichwohl sollte angemerkt werden, dass das Habituskonstrukt nicht frei von kritischen Bemerkungen geblieben ist z. B. durch seine latente Trägheit und den damit verbundenen Determinismus, dem der Habitus unterliegt bzw. unterliegen könnte (vgl. Lenger et al. 2013). Miller (1989) bezeichnet ihn als eine „weitgehend lern- und entwicklungsunfähige Entität“ (ebd.: 213), wogegen Bourdieu (2006) auch in späteren Veröffentlichungen und Darstellungen verstärkt das generative Prinzip (neben dem ebenda kritisierten reproduktiven) des Habitus hervorhebt. 5.2 Lerngelegenheits- & Forschungsfeld: Der hessische Vorbereitungsdienst 149 positionen bzw. Rollenverständnisse als „a personal interpretation of a position based on expectations from the environment and on a systematically organised and transferable knowledge base“ (ebd.: 6). 5.2 Lerngelegenheits- & Forschungsfeld: Der hessische Vorbereitungsdienst Lehrerbildung im Bundesland Hessen wird im Wesentlichen vorgegeben durch das Hessische Lehrerbildungsgesetz (HLbG) sowie dessen Verordnung zur Durchführung des Hessischen Lehrerbildungsgesetzes (HLbGDV) in ihren Fassungen von 2011, die zum Zeitpunkt der Untersuchung maßgeblich für die Ausgestaltung waren. 84 Dabei bestimmen das HLbG und die HLbGDV nicht nur den Vorbereitungsdienst, sondern alle lehrerbildenden Phasen in Hessen wie universitäre Ausbildung sowie Weiter- und Fortbildung in der sogenannten „3. Phase“. Festgelegt sind nicht nur die strukturellen Rahmenbedingungen und Prüfungsmodalitäten, sondern auch die Aufgaben der je Phase beteiligten Personen, dezidiert aufgeführt für den hessischen Vorbereitungsdienst, was für die vorliegende Untersuchung als relevante Grundlage herausgestellt und im Folgenden überblicksartig zusammengefasst werden soll. Darüber hinaus im eigentlichen Tätigkeitsfeld der (angehenden) Lehrerinnen und Lehrer relevant ist die hessische Dienstordnung für Lehrkräfte, Schulleiterinnen und Schulleiter und sozialpädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (LDO) von 2011, welche besonders auch innerschulische Tätigkeitsfelder wie die Arbeit der Mentorinnen und Mentoren oder die Rolle der Lehrkräfte und Schulen im Kontext der hessischen Lehrerbildung regelt. Als Vermittler einer „pädagogischen Professionalität unter besonderer Berücksichtigung der unterschiedlichen Bildungsziele der einzelnen Bildungsgänge“ (§ 4 Abs. 3 HLbG) sind hier die Studienseminare Niederlassungen der Hessischen Lehrkräfteakademie als oberster Ausbildungsbehörde (vgl. ebd. Abs. 2). Sie haben nach § 3 Abs. 1 HLbGDV zum Ziel, die Lehrkraft im Vorbereitungsdienst [zu] befähigen, Schülerinnen und Schüler mit unterschiedlicher Leistungsfähigkeit, unterschiedlicher sozialer oder kultureller Herkunft 84 Wenn im Folgenden auf den hessischen Vorbereitungsdienst eingegangen wird, so wird seine Ausgestaltung mit Stand der Ausbildungsjahre 2014/ 2015 und 2015/ 2016 zugrunde gelegt, da dies die Struktur darstellt, in der sich die im Projekt beforschten Akteurinnen und Akteure bewegten. Die Gesetzestexte finden sich in Gänze auf den Seiten von Hessenrecht - Rechts- und Verwaltungsvorschriften unter www.rv.hessenrecht.hessen.de. 150 5 Fremdsprachenlehrerprofessionalisierung im Vorbereitungsdienst 1. zu unterrichten, 2. zu erziehen, zu beraten und zu betreuen, 3. zu diagnostizieren, zu fördern und zu beurteilen und 4. die Entwicklungsprozesse der Schule mitzugestalten. Es gilt dabei, Bedingungen zu schaffen, die das im Studium erworbene Wissen unterrichtsbezogen zu vertiefen und zu erweitern. 5.2.1 Anforderungen und Struktur des hessischen Vorbereitungsdienstes Die Organisation des Vorbereitungsdienstes übernehmen in Hessen die schulformspezifischen Studienseminare, die untergliedert werden in Lehramt an Grund-, Haupt-, Real- und Förderschulen (GHRF), Lehramt an Gymnasien sowie Lehramt an beruflichen Schulen. Voraussetzung für eine erfolgreiche Bewerbung um den Eintritt in die hessische 2. Phase ist die Note des ersten Staatsexamens (vgl. § 31 Abs. 1 HLbGDV), wobei ebenfalls Härtefallanträge z. B. bei Berücksichtigung einer Schwerbehinderung oder sozialer/ familiärer Umstände stattfinden kann (vgl. ebd. § 32), allerdings sind auch die an den Schulen und Studienseminaren zu berücksichtigende personelle Kapazität in den Fächern und ggf. Fächerkombinationen sowie mögliche Ausbildungsplätze (aufgrund der Personalsituation an den Studienseminaren) und insgesamt dem Land zur Verfügung stehende Haushaltsmittel Kriterien, die die Zurverfügungstellung von Stellen beeinflussen (vgl. ebd. § 34, § 37 Abs. 3 HLbG). Der Vorbereitungsdienst in Hessen beginnt am 1. Mai oder 1. November drei Monate vor dem Halbjahr (vgl. § 30 Abs. 1 HLbGDV), in dem die Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst (LiV) eigenverantwortlich Unterricht übernehmen, und dauert 21 Monate. 85 Der hessische Vorbereitungsdienst ist in eine Einführungsphase und drei Semester untergliedert, bei der die Einführungsphase primär aus Hospitation bzw. angeleitetem Unterricht im Umfang von zehn Wochenstunden an der Schule besteht (vgl. § 43 Abs. 3 HLbGDV) und dort auch bewertungsfrei bleibt (vgl. § 38 Abs. 1 HLbG). Es folgen zwei Hauptsemester, in denen die LiV an ihren Schulen sowohl zehn bis zwölf Stunden eigenverantwortlichen Unterricht in ihren Fächern übernehmen, als auch - in der anderen Hälfte ihrer Dienstzeit - fachdidaktische sowie allgemeinpädagogische Module im Studien- 85 Die Dauer kann nach § 42 Abs. 1 HLbGDV auf Antrag verkürzt werden, wenn eine besondere pädagogische Eignung z. B. durch vorherige Unterrichtstätigkeit oder hervorragende Leistungen nachgewiesen werden. Der Vorbereitungsdienst kann auch verlängert werden, sofern in einem der Hauptsemester oder im Prüfungssemester ein krankheitsbedingter Ausfall vorliegt (ebd. Abs. 5). 5.2 Lerngelegenheits- & Forschungsfeld: Der hessische Vorbereitungsdienst 151 seminar absolvieren. Im abschließenden Prüfungssemester, an dessen Ende das zweite Staatsexamen steht, sind sechs bis acht Stunden Unterricht pro Woche vorgesehen (vgl. § 43 Abs. 3 HLbGDV). Im Laufe des zweiten Hauptsemesters bis spätestens zum Beginn des den Vorbereitungsdienst abschließenden Prüfungssemesters fertigen die LiV zudem eine pädagogische Facharbeit an (vgl. § 46 HLbGDV), gemeinhin als „zweite Staatsexamensarbeit“ tituliert, welche von Ausbildungskräften betreut wird. Ziel der pädagogischen Facharbeit ist es, dass die LiV zeigen kann, „die in einem schulischen Sachverhalt enthaltene pädagogische Fragestellung zu analysieren und einen pädagogischen Lösungsvorschlag zu erarbeiten“ (§ 40a Abs. 1 HLbG). Darüber hinaus wird nach § 47 HLbGDV ein Gutachten der Schulleiterin bzw. des Schulleiters über die Leistung und das Erreichen vereinbarter Ziele der LiV angefertigt, welches im Vergleich zu den acht einzelnen Modulleistungen (s. u.) und der pädagogischen Facharbeit (s. o.) doppelt zählt (§ 42 Abs. 2 HLbG). Das zweite Staatsexamen wird vergeben nach einem erfolgreich absolvierten Prüfungstag, welcher neben einer unterrichtspraktischen Prüfung in Form von Unterrichtsbesuch(en) und (deren) Reflexion (vgl. § 50 HLbGDV) eine mündliche Prüfung (vgl. § 51 HLbGDV) beinhaltet, für die die LiV eine Aufgabe am Prüfungstag gestellt bekommen und bearbeiten, deren Lösungsvorschlag anschließend z. B. auch mittels Visualisierungen vorstellen und dann hierzu in einem Gespräch mit dem Prüfungsausschuss diesen Vorschlag diskutieren. Abb. 12: Strukturmodell für den Vorbereitungsdienst im Land Hessen (Landesschulamt und Lehrkräfteakademie Hessen 2013). 152 5 Fremdsprachenlehrerprofessionalisierung im Vorbereitungsdienst Der Vorbereitungsdienst in Hessen ist, angelehnt an hochschulische Studienorganisationsformen im Nachgang des Bolognaprozesses 86 , modularisiert und besteht aus acht bewerteten Modulen: 1. vier Module zum Kompetenzbereich Unterrichten in den Fächern oder Fachrichtungen, 2. ein Modul Erziehen, Beraten, Betreuen, 3. ein Modul Diagnostizieren, Fördern, Beurteilen und 4. zwei lehramtsspezifische Module. Ein Modul liegt im Prüfungssemester. (§ 44 Abs. 2 HLbGDV) Die von fachbezogenen Ausbilderinnen und Ausbildern durchgeführten vier Module Unterrichten im Fach sowie entsprechende Einführungs- und Abschlussmodule prägen die Ausbildung durch die durchgehende Betreuung und Begleitung der LiV. Die Module bestehen aus seminarähnlichen Modulsitzungen sowie zwei flankierenden Unterrichtsbesuchen. Letztere absolvieren die Referendarinnen und Referendare an ihren Schulen, aus der Leistungsbewertung als „Verlauf der Lernentwicklung“ (vgl. § 44 Abs. 6 HLbGDV) der LiV „aufgrund von Planung, Durchführung und Erörterung für die Leistung in der praktischen Unterrichtstätigkeit“ (ebd.) entstehen jeweils (Schul-)Noten von „sehr gut“ bis „ungenügend“ (vgl. § 24 Abs. 2 HLbG), die in das zweite Staatsexamen mit einberechnet werden (vgl. § 44 Abs. 6 HLbGDV). Für die Unterrichtbesuche werden von den LiV Unterrichtsentwürfe im Vorfeld verfasst und den bewertenden Ausbilderinnen und Ausbildern vor dem Tag des Unterrichtsbesuchs vorgelegt. Neben den fachbezogenen Ausbildungsmodulen gibt es weitere allgemein-pädagogisch orientierte Module, Erziehen, Beraten, Betreuen (EBB) und Diagnostizieren, Fördern, Beurteilen (DFB), welche teils von abgeordneten Ausbildungsbeauftragten oder - je nach Personalsituation des Studienseminars - auch von den Fachmodulleitenden übernommen werden. Auch in diesen Modulen müssen bewertete Unterrichtsbesuche absolviert werden, die für das zweite Staatsexamen relevant werden, an einigen Studienseminaren können diese jedoch mit den Unterrichtsbesuchen in den Fächern gekoppelt werden, um die Belastung der LiV (und der Ausbildungskräfte) zu verringern (vgl. § 44 Abs. 6 HLbGDV). Über die Ausgestaltung z. B. von Unterrichtsnachbesprechungen oder personell, strukturell oder inhaltlich bedingte Schwerpunktsetzungen wird im Studienseminar über den Seminarrat beraten und entschieden. Diese Instanz wird jeweils für ein Jahr gewählt und besteht aus der Studienseminarleitung in einer Person 86 Gleichwohl es europaweit eine in dem Detail vergleichbare lehrerbildende Struktur wie die des deutschen Vorbereitungsdienstes ja nicht gibt, scheint sich vornehmlich die charakteristische Benennung der einzelnen Ausbildungs-/ Veranstaltungselemente zusammengefasst als „Module“ hier niedergeschlagen zu haben. 5.2 Lerngelegenheits- & Forschungsfeld: Der hessische Vorbereitungsdienst 153 sowie weiteren 11 gewählten Mitgliedern, die nach § 6 Abs. 2 HLbGDV formal folgende Aufgaben haben: Der Seminarrat berät und beschließt 1. über Empfehlungen zu allgemeinen Fragen der Ausbildung (Planung, Durchführung und Evaluation der Module und Ausbildungsveranstaltungen, über das Arbeitsprogramm und die Organisation der Ausbildung des Studienseminars), 2. spätestens alle zwei Jahre über die hauptamtliche Ausbilderin oder den hauptamtlichen Ausbilder als die Vertretung der ständigen Vertreterin oder des ständigen Vertreters der Leiterin oder des Leiters des Studienseminars auf Vorschlag der Leiterin oder des Leiters des Studienseminars und 3. über Empfehlungen für die Verwendung der dem Studienseminar zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel für Lehr- und Lernmaterial und für Veranstaltungen. Insbesondere die Dauer und Gestaltung der allgemein-pädagogischen Module kann sich demzufolge von Studienseminar zu Studienseminar unterscheiden, auch seminarspezifische Ausbildungsveranstaltungen können hinzukommen oder geblockt werden, um bestimmten räumlichen/ örtlichen oder personellen Besonderheiten gerecht zu werden oder um bestimmte Konzepte in die Ausbildungspraxis zu integrieren, die die Studienseminare im Laufe der Zeit entwickelt haben. Dabei ist im Allgemeinen vorgesehen, dass das erste Hauptsemester den überwiegenden Anteil an allgemein-pädagogischen Ausbildungsveranstaltungen (zusätzlich zu zwingend stattfindenden Fachmodulen) trägt, während dies zum Prüfungssemester abnimmt. So legen die Studienseminare bzw. deren Leitung, je nach Schulform, für die sie ausbilden, zwei lehramtsspezifische Module fest, die z. B. eine Intensivierung der Module EBB und DFB , aber auch Exkursionen oder Module zu Unterrichtsentwicklung darstellen können. 5.2.2 Personal im hessischen Vorbereitungsdienst Drei Personengruppen sind im hessischen Vorbereitungsdienst auch formaljuristisch genauer bestimmt: die Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst, ihre Ausbilderinnen und Ausbilder sowie die Mentorinnen und Mentoren. Der Leiter bzw. die Leiterin des jeweiligen Studienseminars ist wiederum gegenüber den Mitgliedern des Seminars weisungsberechtigt (vgl. § 2 Abs. 2 HLbGDV). 5.2.2.1 Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst Wenn die Bewerberinnen und Bewerber nach dem kriteriengeleiteten Aufnahme- und Einstellungsverfahren (s. o.) in den Vorbereitungsdienst eingestellt werden, erfolgt diese Einstellung im Sinne eines Beamtenverhältnisses auf Wi- 154 5 Fremdsprachenlehrerprofessionalisierung im Vorbereitungsdienst derruf (vgl. § 36 Abs. 4 HLbG), d. h. zum Austritt aus dem Vorbereitungsdienst, entweder aufgrund einer Kündigung oder bei bestandener oder nicht bestandener zweiter Staatsprüfung, tritt der Widerruf zu einem festen Austrittsdatum in Kraft (vgl. § 53 HLbG). LiV werden in ihrem Vorbereitungsdienst formal über die jeweiligen Modulverantwortlichkeiten von Ausbildungskräften beraten und bewertet sowie, eher informell, an ihren Schulen durch Mentorinnen und Mentoren begleitet. Dabei werden ihnen die Ausbildungskräfte im Studienseminar in der Regel durch organisatorische und fachkombinatorische Setzungen zugewiesen, während die Wahl von Mentorinnen und Mentoren in der Regel auf Initiative der LiV selbst beruht. 5.2.2.2 Ausbilderinnen und Ausbilder Nach § 52 Abs. 4 HLbGDV wird die personelle Verantwortung und Ausfüllung gemäß den Beschreibungen eines Moduls durch den Leiter bzw. die Leiterin eines Studienseminars an das ausbildende Personal übertragen. Diese Ausbilderinnen und Ausbilder sind damit für das ihnen übertragene Modul und seine Ausgestaltung gemäß den inhaltlichen und rechtlichen Vorgaben und die Leistungsbewertung der LiV in den Modulen verantwortlich (vgl. § 44 HLbGDV). Speziell für die Module Unterrichten im Fach sind Ausbildende über den gesamten Vorbereitungsdienst hinweg einer Gruppe von LiV zugeordnet. Ein Wechsel ist nur durch begründeten Antrag der LiV möglich (vgl. § 43 Abs. 7 HLbGDV). Ausbildungskräfte sind in der Regel an das Studienseminar abgeordnete, verbeamtete Lehrerinnen und Lehrer im hessischen Schuldienst, die noch mit einer geringen Stundenzahl an ihren Stammschulen Unterricht leisten. Allerdings hat die Ausbildungstätigkeit nach Weisung der Studienseminarleitung Vorrang und deren Anteil an der Gesamtstundenzahl ist damit maßgeblich von der kapazitären Auslastung des Seminars abhängig (vgl. § 4 Abs. 1 HLbGDV). Ausbilderinnen und Ausbilder übernehmen neben der Haupttätigkeit, die durch die Ausbildungsmodule und der ihnen übertragenen Modulleitung bestimmt wird, weiterhin die Betreuung der pädagogischen Hausarbeit, deren Thema zu Beginn des zweiten Hauptsemesters festgelegt und dann bis zum Ende des Semesters von den LiV fertiggestellt werden muss (vgl. § 46 HLbGDV). Auch in der zweiten Staatsprüfung nehmen sie als prüfende Mitglieder der Prüfungskommission teil. Im Vergleich zu den allgemeinen Merkmalen von Ausbilderinnen und Ausbildern und den bislang entstandenen Forschungsarbeiten im deutschsprachigen Kontext, wie sie bereits in Kapitel 4 beschrieben wurden, zeigt sich auch bzgl. der Vorgaben für die Ausbildungskräfte in Hessen auf der gesetzlichen Ebene, dass diese explizit für diese Personengruppe neben standardorientier- 5.2 Lerngelegenheits- & Forschungsfeld: Der hessische Vorbereitungsdienst 155 ten Modulordnungen 87 kaum ausgestaltet sind, also beispielsweise inhaltliche Schwerpunktsetzungen der Ausbildungskräfte nicht dezidiert vorgegeben werden, solange die Ziele nach § 3 Abs. 1 HLbGDV (s. o.) erfüllt werden, welche allerdings Ziele des Vorbereitungsdienstes an sich und insgesamt darstellen. Dies bedeutet, dass eine Vielzahl der inhaltlichen Entscheidungen auf der Ebene der Studienseminare als unmittelbar verantwortlich getroffen werden müssen bzw. formaljuristisch auf der nächsttieferen Ebene die Ausbilderinnen und Ausbilder selbst für die methodisch-didaktische Gestaltung ihrer Ausbildung und Beratung verantwortlich zeichnen. Auch zur Qualifikation der Ausbilderinnen und Ausbilder in inhaltlicher Sicht wird über den Status eines bereits im hessischen Schuldienst tätigen Lehrkörpers hinaus schulrechtlich keine Vorgabe getroffen. 5.2.2.3 Mentorinnen und Mentoren Mentorinnen und Mentoren übernehmen an den jeweiligen Ausbildungsschulen die Betreuung der Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst in der Regel fachbezogen. LiV können dabei ihre Mentorinnen und Mentoren nach der § 4 Abs. 3 HLbGDV frei wählen, dienstrechtlich-hierarchisch gesehen und [auf] Vorschlag der Lehrkraft im Vorbereitungsdienst bestimmt die Leitung der Ausbildungsschule im Benehmen mit der Leiterin oder dem Leiter des Studienseminars für die jeweiligen Unterrichtsfächer oder Fachrichtungen eine anleitende Lehrkraft als Mentorin oder Mentor. (§ 4 Abs. 3 HLbGDV) Nur in begründeten Ausnahmefällen ist es zulässig, dass Ausbilderinnen und Ausbilder gleichzeitig als Mentorierende tätig werden (ebd.). Die formelle Ausgestaltung der Mentorentätigkeit ist in Hessen innerhalb des HLbG bzw. der HLbGDV nicht klar geregelt, wird aber nach § 4 Abs. 5 LDO als eine der Dienstpflichten hessischer Lehrerinnen und Lehrer erwartet - sowohl für den Vorbereitungsdienst als auch für Schulpraktika von Lehramtsstudierenden. 88 Nach § 43 Abs. 3 HLbGDV kann „[der] eigenverantwortete Unterricht [der 87 Die jeweils einseitigen Modulbeschreibungen für die Fächer beziehen sich im Wesentlichen auf die KMK-Anforderungen, sind damit nicht selten recht generischer Natur und bedürfen weiterer Füllung und Konkretisierung seitens des beteiligten Personals. Ein Beispiel aus der Modulbeschreibung für das Unterrichten im Unterrichtsfach Englisch (Gymnasium): „Aufbau situativer sprachlicher Handlungskompetenz durch prozess- und produktionsorientierte Verfahren des kommunikativen Spracherwerbs (Lexik und Grammatik)“ oder auch „Arbeit mit Texten unter besonderer Berücksichtigung von Gesprächsgestaltung und -führung“ (AfL 2012: 34). 88 Für die universitäre Lehrerbildung und Mentor/ innenentätigkeit innerhalb von Schulpraktischen Studien bzw. Schulpraktika sieht die HLbG jährliche „Mentorentage“ an den hessischen Universitäten vor, „[um] die Kooperation zwischen den Praktikumsbeauf- 156 5 Fremdsprachenlehrerprofessionalisierung im Vorbereitungsdienst LiV; Anmerkung D.G.] … bis zu vier Unterrichtsstunden durch eine Mentorin oder einen Mentor betreut werden“, wodurch es zu einer Entlastung der Mentorin bzw. des Mentors kommen kann. Im Rahmen einer Verfügung des Landesschulamts im November 2013 wurde eine allgemeine Beschreibung formuliert, welche die vormals informell gestalteten Kernaufgaben für Mentorierende im Vorbereitungsdienst wie folgt zusammenfasst: 1. Beratung in schul- und unterrichtspraktischen Fragen, 2. Erteilung von Unterricht als Hospitationsangebot mit Reflexionsangeboten, 3. Bereitstellung ihrer Lerngruppen für angeleiteten Unterricht (Mentorenunterricht), 4. Teilnahme an Unterrichtsbesuchen und Unterrichtsberatung der Ausbildenden des Studienseminars, 5. Unterstützung bei Elterngesprächen, Elternabenden und anderen außerunterrichtlichen Tätigkeiten, 6. Zusammenarbeit mit den am Studienseminar für die pädagogische Ausbildung Verantwortlichen (Landesschulamt und Lehrkräfteakademie Hessen 2013b: 1) 5.3 Untersuchungsgegenstand und -fragen Die Lehrerprofessionsforschung zeigt eine starke Komplexität auf verschiedenen Ebenen: Zum einen ist diese Komplexität verschiedenen theoretischen Strömungen und Bestimmungsansätzen geschuldet, die das professionelle Wissen und Handeln, in Teilen auch die (Weiter-)Entwicklung der Lehrkräfte, die Professionalisierung, greifbar und beschreibbar werden lassen möchten. Zum anderen bringt der Berufsstand und das Berufsbild „Lehrer/ Lehrerin“ sui generis eine hohe Vielschichtigkeit mit aufgrund unterschiedlichster Anforderungen auf verschiedenen Ebenen, die zudem in den verschiedenen Phasen der Ausbildung unterschiedliches Gewicht erhalten (können). Zum dritten könnte aufgrund der unterschiedlichen Fächer, Fachkulturen und Fachlichkeiten - in dieser Untersuchung: das Lehren und Lernen von Fremdsprachen - eine Spezifik aufkommen, die im Rahmen der Ausbildung bearbeitet bzw. auch in der (Unterrichts-)Praxis der zweiten Phase (reflexiv-begleitend) eingeholt werden muss. Aufgrund der Tatsache, dass in Deutschland ausgebildete Lehrerinnen tragten der Universität und den schulischen Mentoren oder Kontaktlehrern zu fördern“ (§ 15 Abs. 5 HLbG). Für den Vorbereitungsdienst ist ein ähnlich gelagerter und formell bestimmter Austausch mit Mentorinnen und Mentoren nicht vorgesehen. 5.3 Untersuchungsgegenstand und -fragen 157 und Lehrer in der Regel mindestens zwei Fächer unterrichten, könnten unterschiedliche Fachkulturen zweier sich nicht nahestehender Fächer unterschiedliche ausbildungsdidaktische Prinzipien nach sich ziehen. Ist z. B. eine Lehrerprofessionalisierung von Lehrkräften naturwissenschaftlicher Fächer aufgrund von durch das Fach besonders betonter Prinzipien wissenschaftlicher Erkenntnisgewinnung anders gelagert als eine kompetenzorientierte Vermittlung von Fremdsprachenfähig- und -fertigkeiten? Auch wenn dies in diesem Projekt nicht näher berücksichtigt werden kann, da hier der Fokus auf Lehrerbildner*innen liegt, veranschaulicht es doch, auf welche Faktorenkomplexion eine fachkulturell bezogene Professionsforschung sich einlassen muss. Diese Komplexität ist für das hier beschriebene Forschungsprojekt bereits schlaglichtartig mittels einer dreifachen Eingrenzung beleuchtet worden. Zum einen betrachtet es den Vorbereitungsdienst als zweite Phase der Lehrerbildung, welche weiterhin in professionstheoretisch-empirischer Sicht verschiedene Desiderate zeigt (siehe Kapitel 4). Zum anderen wird die Spezifik der Ausbildung von Lehrkräften in dieser Phase des Vorbereitungsdienstes durch die Beforschung der die Ausbildung gestaltenden Akteure, den Ausbilderinnen und Ausbildern, weiter eingegrenzt. Ihnen wird eine spezifisch-habitualisierte Handlungspraxis unterstellt, welche mittels eines berufsbiographisch-episodischen und auf implizit-handlungsleitendes Wissen zielendes Ansatzes explorativ ermittelbar wird. Eine dritte Eingrenzung erfolgt über die eben angesprochene Fachspezifik, indem nur diejenigen Ausbildungskräfte beforscht werden, die angehende Fremdsprachenlehrkräfte ausbilden und begleiten. Hierzu sind nun im Verlauf des Untersuchungsvorhabens insbesondere vier Forschungsfragen 89 entstanden, welche nachfolgend noch im Detail begründet und aufbereitet, bevor sie im nachfolgenden empirischen Teil der Darstellung beantworten werden sollen. Sie stehen in der Logik struktur- und bildungsgangtheoretischer sowie berufsbiographischer Annahmen über Lehrerprofessionalität/ -professionalisierung (vgl. Kapitel 2) und gleichzeitig einer Berücksichtigung fremdsprachendidaktisch (vgl. Kapitel 3) sowie systemspezifischer Anforderungen des Vorbereitungsdienstes (vgl. Kapitel 4): 89 Die Forschungsfragen wurden im Zuge des Forschungsprozesses und durch die Ausschärfung des Gegenstandes gegenüber einem Forschungsbericht aus dem Jahre 2016 (vgl. Gerlach/ Steininger 2016) überarbeitet bzw. gegenstandstheoretisch ausgeschärft. Ursprünglich wurden auch Mentorinnen und Mentoren in die Datenerhebung mit einbezogen, dies wurde aber aufgrund einer stärkeren Fokussierung dieser Arbeit auf die Ausbildungskräfte beschränkt. Gleichwohl soll angemerkt werden, dass das entstandene Datenmaterial der Mentorierenden in naher Zukunft für Analysen und Publikationen genutzt werden soll bzw. auch bereits wurde (vgl. z. B. Gerlach 2018). 158 5 Fremdsprachenlehrerprofessionalisierung im Vorbereitungsdienst 1. Wie werden Lehrkräfte zu Lehrerbildner*innen? 2. Wie nehmen Lehrerbildner*innen im Vorbereitungsdienst angehender Fremdsprachenlehrkräfte ihre Position und Tätigkeit wahr? 3. Wie strukturieren Lehrerbildner*innen im Vorbereitungsdienst angehender Fremdsprachenlehrkräfte ihre Handlungspraxis? 4. Inwiefern zeigen sich in der Ausbildungspraxis der Lehrerbildner*innen Wissensstrukturen und Konzepte im Sinne einer Ausbildungsdidaktik? Die gewählten Untersuchungsfragen, welche auf der Grundlage der Forschungsdesiderate und der vorangestellten Theorie entwickelt wurden, machen einen rekonstruktiven Ansatz nötig, welcher in Kapitel 6 auch gegenstandstheoretisch begründet und methodologisch-methodisch detaillierter dargestellt wird. Dem vorangestellt werden soll an dieser Stelle die bereits unter wissenssoziologischen Gesichtspunkten vorgestellte Bedeutung impliziten Wissens für Handlungspraxis und den Habitus professionell Agierender, welche durch das Rekonstruieren eben jenes handlungsleitenden Wissens auf impliziter Ebene erst möglich wird. Der Habitus in diesem Sinne muss als „stets in den historischen und sozialen Grenzen seiner eigenen Erzeugung“ (Bourdieu 1987: 103) eingebettet verstanden werden, wodurch sich eine Fallgesetzmäßigkeit innerhalb des Forschungs- und Praxisfeldes und bestimmter Zielgruppen mit bestimmten Vorgaben und Rollen ergibt, die empirisch innerhalb der erzeugten Daten sichtbar werden soll. Um folglich Handlungspraxis, d. h. hier: Ausbildungspraxis, geleitet von bestimmten Habitusformen und subjektiv wahrgenommenen Rollen und Normen transparent machen zu können, bedarf es sowohl der Herausarbeitung expliziter wie impliziter Wissensbestände der Lehrenden im fremdsprachendidaktischen Vorbereitungsdienst, welche in diesem Vorhaben durch Narrationen der Beteiligten über ihre - auch berufsbiographisch geprägte - Praxis gewonnen werden. 90 Die Rekonstruktion eines beruflichen Habitus der Lehrerbildner*innen im fremdsprachendidaktischen Vorbereitungsdienst dürfte damit sowohl einen Einblick in die Gestaltung dieser zweiten Phase der Lehrerbildung, die Interaktion der Professionalisierenden mit institutionellen Vorgaben als auch die inhaltliche Ausgestaltung im Sinne einer Ausbildungsdidaktik bieten. 90 Entsprechend wird an späterer Stelle im Zuge von Falldarstellungen die Rede von „Handlungspraxis der Agierenden“ sein, wohl berücksichtigend, dass diese Handlungspraxis von verschiedenen Konstrukten informiert ist und durch habitualisierte Praxis getragen und gestaltet wird. 5.3 Untersuchungsgegenstand und -fragen 159 5.3.1 Wie werden Lehrkräfte zu Lehrerbildner*innen? Einen berufsbiographischen Bestimmungsansatz von Lehrerprofessionalität berücksichtigend, ist zunächst bedeutsam, die Lebensläufe der innerhalb des Vorbereitungsdienstes Lehrenden herauszuarbeiten. Ausbilder*innen im hessischen Vorbereitungsdienst sind laut der schulrechtlichen Vorgaben (s. o.) weiterhin Lehrkräfte - selbst wenn sie hauptamtlich ausbilden - und an das Studienseminar abgeordnet, d. h. weiterhin einer Stammschule mit in der Regel geringer Unterrichtsverpflichtung eingesetzt. Dies bedeutet, dass Ausbildungskräfte die Kontexte Schule und Unterricht kennen, jedoch in unterschiedlichen Institutionen primär und hauptamtlich tätig sind (vgl. Kap. 5.2.2). Es ist davon auszugehen, dass Ausbildungskräfte auch zu einem Zeitpunkt in ihrer Berufsbiographie selbst Mentorinnen und Mentoren waren, diese Perspektive also als eine der Dienstpflichten von Lehrerinnen und Lehrern in Hessen vorher bereits einmal eingenommen haben. In rekonstruktiver Hinsicht sind mittels der Forschungsfrage zweierlei Ziele verbunden: Zum einen können auf einer sehr expliziten Ebene Lebensläufe der Lehrerbildner*innen individuell rekonstruiert und verglichen werden. Vor allem auf einer eher impliziten Ebene können verschiedene Schwerpunktsetzungen der selbst erzählten Biographie herausgearbeitet werden. Die Absicht dessen soll es sein, gemeinsame oder sehr unterschiedliche Lebensläufe und Bearbeitungsprozesse zu rekonstruieren, die im weiteren Analyseverlauf auch Relevanz für die Handlungspraxis haben könnten. Dabei ist aus der theoretisch-empirischen Gesamtschau des Kapitels 4 besonders zu berücksichtigen, dass eine formale Qualifizierung des Ausbildungspersonals sehr selten anzutreffen ist (vgl. Terhart 2000, Walke 2007, Meyerhöfer/ Rienits 2006, Oelkers 2009) oder eher auf individuell-informeller Ebene stattfindet (vgl. Criblez 2001 für Lehrerbildner*innen im Hochschulbereich), international Grundqualifikation oder gar Weiterqualifikation kaum belegt ist (vgl. Smith 2003, Loughran 2014), trotz dass insgesamt dem Berufsstand der/ des Lehrerbildner*in ein Höchstmaß an Autonomie mit umfangreicheren Verpflichtungen beigemessen und zugetragen wird (vgl. Loughran 2014). Auch die dann im Professionalisierungsprozess der Ausbildungskräfte größere Rolle von Erfahrungswissen (vgl. international: Kosnik et al. 2015) könnte demnach schwerpunktmäßig in berufsbiographischen Entwicklungsverläufen rekonstruierbar werden. 160 5 Fremdsprachenlehrerprofessionalisierung im Vorbereitungsdienst 5.3.2 Wie nehmen Lehrerbildner*innen im Vorbereitungsdienst angehender Fremdsprachenlehrkräfte ihre Position und Tätigkeit wahr? Die formale Ausgestaltung des Tätigkeitsbereiches von Ausbildenden durch HLbG sowie HLbGDV erweist sich, wie oben bereits deutlich geworden sein dürfte (s. Kap. 5.2.2), als wenig dezidiert oder detailliert. Dies bedeutet, dass individuell die am Vorbereitungsdienst beteiligten Personen ein hohes Maß an Autonomie und Gestaltungsfreiraum in ihrer Tätigkeit genießen (vgl. auch Loughran 2014), welche in inhaltlicher (und methodischer) Hinsicht für die konkrete Handlungs- und Ausbildungspraxis dann ebenfalls relevant wird (s. Ausführungen zur dritten Forschungsfrage). Als Zwischenschritt zur Herausarbeitung von Handlungspraxis und im Anschluss an eine stark berufsbiographische Orientierung der ersten Forschungsfrage wird mit dieser hier nun auf die Feldposition der Lehrerbildner*innen abgezielt. Dies hängt mit der ersten sowie der dritten Fragestellung direkt zusammen, sollen sie doch primär die Habitūs der agierenden Ausbildungskräfte im Vorbereitungsdienst angehender Fremdsprachenlehrpersonen greifbar und dann vor dem Hintergrund ihrer berufsbiographischen Prägung und der (auch) daraus resultierenden Handlungspraxis (dritte Forschungsfrage) abhängig transparent machen. Der Begriff der „Wahrnehmung“ ist in der Forschungsfrage deshalb gewählt, da dieser auf Basis berufsbiographischer und ausbildungsbezogener Erzählungen und Beschreibungen - auch aufgeworfener normativer Setzungen und deren Bearbeitung - rekonstruiert wird (s. Kapitel 6). Die Ausbildenden können dazu angehalten werden, auf expliziter Ebene ihre Wahrnehmung einer bestimmten Positionierung im Feld zu skizzieren, dies muss dann jedoch noch nicht ihrer implizit-handlungsleitenden Position in der konkreten Ausbildungspraxis entsprechen. Daher sind hier beide Ebenen relevant, werden verknüpft und müssen über die Analysemethode ausgeschärft betrachtet werden. Der Begriff der „Position“ bzw. „Feldposition“ fällt hier in seiner Spezifität zum ersten Mal und wird als Zwischenschritt zur Rekonstruktion von Habitūs verwendet. Während man alltagssprachlich hier auch von „Rollenverständnis“ in gewissem Sinne sprechen könnte, ist der Begriff der „(sozialen) Rolle“ traditionell etwas anders gelagert. In seiner Aushandlung von sozial (oder hier institutionell) erwarteten Normen kann im Anschluss an die Handlungs- und Rollentheorie Parsons (1968/ 1976; vgl. auch Kapitel 2.1.1) „die ‚normative Übereinstimmung‘ zwischen dem handlungsbereiten Individuum, das die Norm- und Wertvorgaben eines kulturellen Systems verinnerlicht (internalisiert) hat, und dem auf Stabilität bedachten sozialen System theoretisch (und praktisch)“ (Schäfers 2016: 34) rekonstruierbar werden. Dies bedeutet, dass ein „Rollen- 5.3 Untersuchungsgegenstand und -fragen 161 verständnis“ bzw. die Feldposition strukturtheoretisch durch die spannungsgeladene Interaktivität oder Interaktion des Habitus mit normativen Setzungen - ob individuell, interpersonal oder institutionell - erfolgt und dieses innerhalb dieser Aushandlung sichtbar wird. 91 Bezüglich der individuell wahrgenommenen Feldposition der Ausbildungskräfte ist auf Basis der theoretischen Grundlagen in den vorherigen Kapiteln davon auszugehen, dass diese auf einer Ebene von Second-order teachers agieren (vgl. Swennen et al. 2010) und damit reflexiv ihre „Rolle“ als Erwachsenenbildner*innen verstehen. Gleichzeitig führen Swennen et al. (2010) auch gewisse Zweifel daran auf, ob viele Lehrerbildner*innen diesen Wandel überhaupt mitgehen (können), wenn sie - wie oben ausgeführt - nur in seltenen Fällen formal für die Erwachsenenbildung qualifiziert sind. Ebenfalls im Kontext von dieser Feldposition relevant ist die Frage, ob (und wenn ja inwiefern) die Ausbildungskräfte im betrachteten Sample auch machttheoretisch den „Eindruck eines massiven Machtgefälles“ (Englert et al. 2006: 467) evozieren, ein Quasi-Lehrer-Schüler-Verhältnis zwischen LiV und Ausbilder*innen entsteht (vgl. Wernet 2007) oder gar eine Infantilisierung der LiV (vgl. Merzyn 2004 92 ) vorgenommen wird. 93 In ausbildungsdidaktischer Hinsicht könnten sich die hessischen Ausbildungskräfte in einem „Strukturkonflikt“ (Englert et al. 2006) von Theorie und Praxis befinden, in dem die Studienseminare an sich von den Referendarinnen und Referendaren latent negativer bewertet werden und neben einer methodisch-didaktischen Kompetenz den Ausbildungskräften auch soziale Fähigkeiten abgesprochen werden (ebd.: 164). In dieser schwierigen Situation (aus Sicht der LiV) liegt dann wiederum ein Höchstmaß an Expertise bei den Ausbilderinnen und Ausbildern, die sich neben einer von Interesse und Neugier geprägten Haltung („inquiry as stance“, Cochran-Smith 2003) in vielfältiger Hinsicht ebenfalls auf persönlicher Ebene zeigen muss: „[Teacher] educators need to have expertise in sorting out which questions about teacher education are empirical and which are questions of values and beliefs.“ (Loughran 2014: 91 Wie in der Vorstellung der methodisch-methodologischen Überlegungen im Folgekapitel noch gezeigt wird, deckt sich dies mit Annahmen der Dokumentarischen Methode in neuer Prägung speziell (vgl. Bohnsack 2014a/ b), da hier auch die Auseinandersetzung mit Normen die Rekonstruktion von Habitūs ermöglicht (vgl. auch Rauschenberg/ Hericks 2018, Bonnet/ Hericks 2019). 92 Merzyn (2004) zitiert den Sprecher eines Kultusministers aus einem Artikel der ZEIT: „Zuerst bilden wir unsere Lehrer zu kleinen Professoren aus, und in der zweiten Phase reinfantilisieren wir sie dann.“ (Etzold 1997, zitiert in Merzyn 2004: 133) 93 Im Kontrast zu den Ausbilderinnen und Ausbildern werden Mentorinnen und Mentoren in der Theorie und Empirie häufig als „die Guten“ konstruiert, die den LiV als Modelle für guten Unterricht (vgl. Englert et al. 2006) dienen und aufgrund der direkten Verfügbarkeit in Schule ständige Ansprechpartner/ innen sind. 162 5 Fremdsprachenlehrerprofessionalisierung im Vorbereitungsdienst 225) Inwiefern sich eine Antinomie von Bewertung und Beratung, wie in der Literatur häufig angemerkt und als besonders reflexionsbedürftig herausgestellt, tatsächlich datengeleitet auffinden lässt, muss auch vor dem Hintergrund der Überlegungen Kunzes (2014) betrachtet werden, diese nicht als „Ursache“ einer Problemstelle des Vorbereitungsdienstes zu sehen, sondern vielmehr als strukturell und systemisch habitualisierten „Ausdruck“ (ebd.: 47). 5.3.3 Wie strukturieren Lehrerbildner*innen im Vorbereitungsdienst angehender Fremdsprachenlehrkräfte ihre Handlungspraxis? Wie eingangs des Kapitels bereits dargelegt, besteht die Chance, über das Elizitieren und die Rekonstruktion impliziten Wissens einen Einblick in die Handlungspraxis der Lehrerbildner*innen im fremdsprachendidaktischen Vorbereitungsdienst zu erhalten. Hierfür werden sowohl bildungsgang- und strukturtheoretische Annahmen aus den ersten beiden Forschungsfragen relevant als auch die für die dortigen Fragestellungen bereits in Annäherung herausgearbeiteten Habitūs der Agierenden. Die Strukturiertheit der Handlungspraxis, die Eingebundenheit in normative Erwartungen eines Systems wie das des Vorbereitungsdienstes und der individuelle Umgang damit sind hier die Kernbereiche, die zur Beantwortung dieser Forschungsfrage bearbeitet werden müssen (s. o.). Darüber hinaus genießen die Ausbildenden, wie oben dargelegt, formal und relativ gesehen einen autonomen Gestaltungsspielraum, den es auszufüllen gilt. Welche Konzepte, Konstrukte, Methoden und Inhalte nutzen Sie hierfür? Auf welche berufsbiographisch entwickelten Strukturen greifen Sie für ihre Ausbildungspraxis bewusst und unbewusst zurück? Wie gehen sie mit Unwägbarkeiten, Antinomien und Paradoxien in dieser Tätigkeit als Erwachsenenbildende um, für die sie in der Regel nur selten dezidiert ausgebildet wurden? Um diese Frage zu beantworten, müssen Episoden der handelnden Personen in Erinnerung gerufen, produziert, handlungsleitendes Wissen in sich rekonstruiert und dann möglichst mit Erzählungen anderer über das Agieren in einen Vergleichszusammenhang gestellt werden, um an Aussagekraft zu gewinnen. Wie oben wird auch hier wiederum erwartet, dass eine gruppenspezifische Handlungspraxis vorliegt, die habitualisiert von Anforderungen oder Institutionen geprägt erscheinen dürfte. Relevant könnte beispielsweise sein, wie Unterrichtsbesuche und Lehrproben wahrgenommen werden, die an anderen Stellen als gekünstelt, „als Lernsituationen ungeeignet“ (vgl. Hoppenworth 1993: 307) oder gar als Ursache „für Belastungen während des Referendariats“ (Strietholt/ Terhart 2009: 65) gesehen werden. Werden Leistungserwartungen transparent gemacht und wie klar 5.3 Untersuchungsgegenstand und -fragen 163 strukturiert nehmen Ausbildende diese (Nicht-)Transparenz wahr (vgl. Gecks 1990, Lenhard 2004, Strietholt/ Terhart 2009, Döbrich/ Storch 2012)? Ebenfalls beachtenswert ist, inwiefern Ausbildungskräfte zu Modellen von gutem Unterricht gemacht werden (oder sich selbst machen). Wie werden Lerngelegenheiten für LiV auch vor dem Hintergrund der fachspezifischen Anforderungen und geringen Strukturiertheit der Domäne Fremdsprachendidaktik geschaffen? Die von Košinár (2014) herausgearbeiteten Typen von Referendarinnen und Referendaren von „aktiver Gestaltung“ über „Vermeidung“ zu „Anpassung“ könnten in der Ausbildungspraxis bestimmte Arbeitsweisen evozieren, die dann jeweils in episodischen Narrationen der Akteur*innen bedeutsam erscheinen. Hinsichtlich der inhaltlichen Ausbildungsgegenstände müssten - neben bestimmten Wissensformen - drei Bereiche relevant sein: Wenn Bonnet und Hericks (2013) Unterrichten als den „ Kernbereich des Handelns “ einer Lehrkraft sehen, gleichzeitig persönlichkeitsdispositionale Faktoren zur „ Unhintergehbarkeit der eigenen Person “ führen und der Umgang mit „ Krisen- oder Umbruchsituationen “ (ebd.: 4; Hervorhebungen im Original) als zentrale Herausforderungsfelder von Lehrerinnen und Lehrern gelten, müssten Lehrerbildner*innen diejenigen sein, die in Ausbildungsprozessen diese Bereiche berücksichtigen und unterstützen. Und letztlich muss sich zeigen, inwiefern die Lehrerbildner*innen in der vorliegenden Untersuchung und dem Kontext des fremdsprachendidaktischen Vorbereitungsdienstes mit der „Nicht-Standardisierbarkeit und Krisenhaftigkeit des Lehrerberufs“ (Krüger 2014: 256) strukturtheoretisch und ausbildungsdidaktisch-methodisch umzugehen versuchen, was Krüger selbst in ihrer Untersuchung in der Tat auf Seiten der Ausbildungskräfte nicht im Niederschlag auf die Ausbildungspraxis erheben konnte. 5.3.4 Inwiefern zeigen sich in der Ausbildungspraxis der Lehrerbildner*innen Wissensstrukturen und Konzepte im Sinne einer Ausbildungsdidaktik? In der Rekonstruktion der Handlungspraxis und Habitūs der Ausbildungskräfte sollen Modi ihrer Ausbildungstätigkeit sichtbar werden (s. o.). Aufgrund der angenommenen Spezifik des hier untersuchten, fremdsprachendidaktischen Vorbereitungsdienstes und seiner Ausbildung von angehenden Fremdsprachenlehrerinnen und -lehrern soll ausgehend von der rekonstruierten Handlungspraxis auf einer erneut latent expliziten Ebene heuristisch nach in den Daten offengelegten Konzepten und Strukturen im Sinne einer Ausbildungsdidaktik gesucht werden. Ausbildungsdidaktik meint hier die innerhalb der Handlungspraxis rekonstruierbar werdenden Inhalte und Schwerpunkte, die sie in der Ausbildung mit den LiV bearbeiten. Ein Aspekt innerhalb dieser Fragestellung 164 5 Fremdsprachenlehrerprofessionalisierung im Vorbereitungsdienst könnte beispielsweise sein, ob die verhandelten Beratungsschwerpunkte zwischen Ausbildungskräften und ihren LiV allgemeinpädagogischer oder eher fremdsprachendidaktischer Natur sind. Möglicherweise ergibt sich dann auf inhaltlicher Ebene eine Kanonisierung bestimmter Beratungsschwerpunkte, die in Beziehung gesetzt werden kann mit den empirischen Untersuchungen z. B. aus Kapitel 2 und 3 sowie den gesetzlichen Anforderungen oder auch der ersten Phase der Lehrerbildung. Englert et al. (2006) hatten für die Religionsdidaktik der ersten Phase zum Beispiel konstatiert, dass „sich die elaborierten Konzepte der wissenschaftlichen Religionsdidaktik in den Augen von Studierenden und Referendar*innen als wenig plausibel erweisen“ (ebd.: 461). Damit zeigen sich die Hochschulinhalte als schlechter anknüpfungsfähig für die Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst, was im Umkehrschluss bedeutet, dass sie sich dann verstärkt - und zwar: praxisbezogen-reflektiert - auch noch einmal im Referendariat zeigen müssten. Der Didaktik der zweiten Ausbildungsphase attestierte Hoppenworth (1993) etwa, wenn auch mittlerweile fast drei Jahrzehnte zurückliegend, „die Fortsetzung einer an der Universität etablierten Trennung von Theorie und Praxis“ (ebd.: 309), die sich äußert in „den taktischen Bemühungen der Akteure, den Verpflichtungen einer ‚institutionalisierten Illusion‘ zum authentischen Handeln nachzukommen“ (ebd.). Kunze (2014) kommt hier zu dem Schluss: „Im Unterschied zu den benachbarten Ausbildungsinstitutionen Universität und Ausbildungsschule kann das Studienseminar weder für die theoretischen noch für die praktischen Ausbildungsanteile primäre Zuständigkeit beanspruchen.“ (ebd.: 47) Auch hinsichtlich der allgemein geltenden und gültigen Lehrerbildungsstandards und der verbindlichen Schwerpunkte der KMK (2012, 2014) muss sich zeigen, inwiefern diese tatsächlich von den am Vorbereitungsdienst beteiligten Lehrerbildner*innen relevant gesetzt werden (vgl. Strietholt/ Terhart 2009), oder ob die Ausbildungskräfte dabei ausbildungsdidaktisch zum „Ideal professioneller Handlungskompetenzen“ (Schubarth et al. 2006) erhoben sind, die mit einer „teilweise[n] Beliebigkeit der internen Ausbildungspläne“ (ebd.: 54) einhergeht. Ebenfalls die unter kompetenztheoretischer Perspektive relevanten domänenspezifischen Wissensbereiche für (angehende) Fremdsprachenlehrkräfte (vgl. Kapitel 3.1.1), auch ihre sprachlichen Kompetenzen, sowie die Bearbeitung der fremdsprachendidaktisch-professionstheoretischen Charakteristika wie der eines reflexiven, forschenden Habitus 94 müssten in der Folge eine ausbildungsdidaktische Relevanz haben. 94 Vgl. auch hier noch einmal Kunze (2014) aus schulpädagogisch-professionstheoretischer Perspektive: „Während es dem universitären Interaktions- und Kommunikationszusammenhang um die Einübung eines forschenden Habitus geht, ist das Anliegen des semi- 6 Methodologischer Zugang und methodisches Vorgehen Nachdem im vorherigen Kapitel die zentralen Fragestellungen für die Arbeit herausgearbeitet wurden, werden in diesem Kapitel die auch bereits grundlagentheoretisch in Grundzügen angedachte Methodologie vertiefend beschrieben mit ihren verschiedenen Aspekten, dem Aufbau der Untersuchung und Datenerhebung und die Schritthaftigkeit des Analyseprozesses mittels der Dokumentarischen Methode. Um das vorliegende Forschungsvorhaben in Gänze nachvollziehbar zu machen, wird vor der Darstellung der Datenerhebung und -analyse ebenfalls der persönliche Zugang zum Feld geschildert, da dieser nicht losgelöst von den befragten Personen oder den erhobenen Daten gesehen werden kann. Der Forscher nimmt in diesem Kontext qualitativer Forschung eine besondere Rolle ein und wird Teil der Forschung: „Er wird mit seinen kommunikativen Fähigkeiten zum zentralen Instrument der Erhebung und Erkenntnis.“ (Flick 2012: 143) Aus diesem Grund werden in die spätere Analyse nicht nur beispielsweise eigene Interviewfragen und Impulse mit einbezogen, sondern auch der generelle Aufbau der Untersuchung muss mittels des Feldzugangs transparent und nachvollziehbar dargelegt sein und reflektiert werden, um eine lückenlose Dokumentation im qualitativ-forschenden Sinne zu ermöglichen. 95 6.1 Gegenstandstheoretische Vorüberlegungen Um die in der bereits dargestellten Fragestellung fokussierte Handlungspraxis der Lehrenden im Vorbereitungsdienst angehender Fremdsprachenlehrkräfte offenlegen zu können, muss ein Weg zur Datenerhebung sowie -analyse gefunden werden, das handlungsleitende Wissen der Befragten in ihrer Habitusform als „Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsschemata“ (Bourdieu 1987: 101) greifbar zu machen. Aus wissenssoziologischer Sicht lassen sich Wissen und Handeln unterscheiden: Wissen kann als Ergebnis von Sinnkonstruktionen des Individuums auf expliziter und impliziter Ebene gesehen werden, von denen naristischen Ausbildungsdiskurses in der zweiten Phase die Ausbildung eines gegenüber der (eigenen) Praxis reflexiven Habitus.“ (ebd.: 56) 95 In Kapitel 11 erfolgt daher auch noch eine nach der Ergebnisdarstellung und -diskussion separat vertiefende Reflexion des Forschungsprozesses in Gänze mitsamt ihrer Implikationen. 166 6 Methodologischer Zugang und methodisches Vorgehen erstere vom Individuum auch expliziert werden kann z. B. durch Äußerungen theoretischer Kenntnisse, implizites Wissen hingegen unbewusst auf einer atheoretischen Ebene besteht (vgl. Mannheim 1964). Die Wissensoziologie geht hier davon aus, dass beide Wissensebenen Auswirkungen auf das Handeln haben können, wobei das explizite Wissen sich innerhalb bewusster Handlungspraxis niederschlägt, während implizitem Wissen ein Handeln folgt, dessen sich das Individuum nicht zwangsläufig bewusst ist, das damit auch in gewissen Kontexten im Bourdieu’schen Sinn habitualisiert und automatisiert erfolgt. 96 Mannheim (1964) folgend lassen sich Wissensstrukturen expliziter und impliziter Natur in Äußerungen der Akteurinnen und Akteure sichtbar machen und rekonstruieren, da Äußerungen, die zum Beispiel für Forschungszwecke in Form von Mitschriften oder Transkriptionen den Forschenden zugänglich sind, sowohl explizites Wissen der Befragten zutage treten lassen wie auch implizites Wissen. Dem Vokabular der Dokumentarischen Methode (s. u.; Bohnsack 2014a) folgend enthalten Texte damit Wissenstrukturen in einem dokumentarischen (implizites Wissen) sowie in einem immanenten Sinn (explizites Wissen). Dabei zeigt sich im immanenten Sinn von Äußerungen das theoretisch-explizite Wissen, das „Was“, d. h. Befragte greifen hier auf direkt zugängliche Wissensbestände zurück, die z. B. als Fachwissen oder eine Reflexion eigener Handlungspraxis deutlich werden. Dass jemand solche theoretischen Wissensbestände aktiviert und im Gespräch offenlegt, bedeutet jedoch noch nicht, dass diese tatsächlich handlungsleitend die Praxis bestimmen. 97 Wissenssoziologisch wird davon ausgegangen, dass tatsächlich das Wissen stärker handlungsleitend wirkt, das habitualisiertes Handeln evoziert und sich im „Wie“ einer Äußerung als dokumentarischen Sinn rekonstruieren lässt. Bohnsack et al. (2013) nennen diese Wissenssoziologie dementsprechend auch „praxeologisch“ (ebd.: 13): „Gemeint ist sowohl die Praxis des Handelns wie diejenige des Sprechens, Darstellens und Argumentierens. Die Frage nach dem Wie ist die Frage nach dem Modus Operandi , nach dem der Praxis zugrunde liegenden Habitus .“ (ebd.; Hervorhebung im Original) D.h. gegenstandstheoretisch muss eine Methode gewählt werden, die implizites Wissen im Anschluss an Mannheim offenlegt. 96 In Rückbezug auf das Lehrerwissen, wie es Neuweg (2014, s. Kapitel 2.1.2) diskutiert, wird hier folglich auf „mentale Strukturen“ und „Wissen im subjektiven Sinn“ (ebd.) zurückgegriffen, nicht auf das im Handeln sichtbar werdende Wissen, das Neuweg ohnehin innerhalb eines empirisch-rekonstruktiven Ansatzes als das Wissen der/ des Forschenden begreift, es zumindest stark davon beeinflusst sieht. 97 Ein dokumentarisch-methodisches Vorgehen, ausgehend von Mannheims Wissenssoziologie, hat Harold Garfinkel daher bereits früh als hierfür zielführend charakterisiert: „The method is recognizable for the everyday necessities of recognizing what a person is ‚talking about‘ given that he does not say exactly what he means.” (Garfinkel 1967: 78) 6.2 Zugang zum Feld 167 Die Dokumentarische Methode, die im Detail unten näher vorgestellt wird, wird im hier beschriebenen Forschungsprojekt nicht ausschließlich zum Zwecke der Analyse erhobener Daten verwendet, sie bestimmt durch ihr Potential zur Rekonstruktion impliziten, handlungsleitenden Wissens, Handlungspraxis und Habitūsformen auch die Erhebungsmethode, die Zielgruppe, das zu bestimmende Sample sowie den Zugang zum Feld. Entsprechend galten für die Untersuchung folgende Vorbedingungen: 1. Um habitualisierte Handlungspraxis und Ausbildungsdidaktik von Lehrenden im Vorbereitungsdienst rekonstruieren zu können, ist es nötig, sich selbst als Forschender in das Feld zu begeben und die Agierenden in dieser Praxis zu untersuchen. 2. Handlungspraxis und Ausbildungsdidaktik werden dabei (wissens-)soziologisch nicht nur in konkreten Ausbildungssituationen offenbar, sondern auch im Reden der Beteiligten über die Tätigkeit. 98 3. Hieraus ergibt sich, dass die Erhebungsform subjektive Sinnkonstruktionen auf impliziter und expliziter Ebene evozieren sollte, d. h. dass sprachliche Äußerungen z. B. als Reaktion auf Interviewfragen erhoben werden. 4. Die Interviewpartnerinnen und -partner sind folglich also nicht diejenigen, die das Ziel der Handlungspraxis und Ausbildungsdidaktik sind und diese erleiden (LiV), sondern diejenigen, die die Praxis selbst (aktiv-explizit und passiv-implizit) gestalten (Ausbilderinnen und Ausbilder). Diesen gegenstandsbezogenen Vorbedingungen folgend werden nun die daraus resultierenden Schritte der Untersuchung dargestellt. 6.2 Zugang zum Feld Nach Flick (2012) ist es von zentraler Bedeutung, sich der eigenen Rolle im Forschungsfeld bewusst zu werden und zu definieren, um gleichzeitig den nötigen Abstand zum Untersuchungsgegenstand zu gewinnen, aber auch die Öffnung des Feldes, soweit es dem Forschungsinteresse zuträglich (und hierfür nötig) ist, zu ermöglichen. Durch mein eigenes Absolvieren des hessischen Vorbereitungsdienstes in den Jahren 2009 bis 2011 bin ich als ehemalige Lehrkraft im Vorbereitungsdienst mit Strukturen der Ausbildung vertraut. Ich kenne Besonderheiten 98 Ein möglicher alternativer Zugang kann folglich auch sein, durch teilnehmende Beobachtungen in Seminarsitzungen, Unterrichtsbesuchen und deren Nachbesprechungen Handlungspraxis sichtbar zu machen, jedoch ist diese Erhebungsform ungleich umfangreicher und durch zu viele Variablen bestimmt. Zudem wurde mir dieser Zugang für dieses Forschungsprojekt nicht ermöglicht. 168 6 Methodologischer Zugang und methodisches Vorgehen des hessischen Vorbereitungsdienstes, die oben bereits im Detail erläutert wurden im Kontrast zu den eingangs der Arbeit dargestellten länderübergreifend geltenden Bedingungen, und kenne Ausbildungskräfte sowie Mentorinnen und Mentoren. Auch über den Vorbereitungsdienst hinaus hatte ich Kontakt zu hessischen Ausbildungskräften für moderne Fremdsprachen aufgrund mehrmaliger Engagements im Fortbildungsbereich zu weiteren Schwerpunktthemen, die sich im Laufe meiner Promotion und im Anschluss daran ergeben hatten. Das hieraus entstandene Verhältnis lässt sich als grundsätzlich professionell und offen-kollegial bezeichnen. Ich bin davon überzeugt, dass hieraus ebenfalls der Zugang zum Feld, insbesondere zu den Ausbilderinnen und Ausbildern als Personen, erleichtert wurde, da die meisten der interviewten Ausbilderinnen und Ausbilder mich bereits im Vorfeld von Vorträgen und/ oder Fortbildungen kannten, auch wenn ich damit im Ansatz gegen eines der von Flick aufgeworfenen Kernpunkte, „Personen zu Teilnahme zu gewinnen, die [man] noch nicht persönlich kennt“ (ebd.: 152) verstoßen haben mag. ‚Im Ansatz‘ schreibe ich, da ich die Beziehung zu den dann Interviewten nicht auf einer persönlichen Ebene verorte, sondern auf einer professionell-distanzierten, wie gerade angedeutet, und hierdurch der vorher bestehende Kontakt überaus förderlich für die Akquise und das Interviewsetting zu bewerten ist. Weiterhin folgten viele weitere Ausbildungskräfte mit offenem Interesse meinem Studienaufruf im Frühjahr 2015 99 , sahen selbst eine Bedeutung und ein Forschungsdesiderat im Vorbereitungsdienst und nahmen daher bereitwillig an den Interviews teil, wodurch sich wiederum eine gewisse Auskunftsfreudigkeit ergab, von der das Projekt profitiert haben dürfte. Zu diskutieren bleibt, welche Rolle ich als Interviewer hierdurch eingenommen habe. Dadurch dass ich den Ausbildungskräften überwiegend bereits bekannt war als Experte in anderen Kontexten, möglicherweise aber auch als ehemalige LiV wahrgenommen wurde, zumindest als jemand, der von einer Vorbereitungsdienst-externen Perspektive auf die Phase schaut, kann ich, zumindest was strukturelle und systemische Begebenheiten angeht, aus Sicht der Ausbilderinnen und Ausbilder nach Flick (2014: 149-150) als „Eingeweihter“ charakterisiert werden. Gemein ist Interviewer und Befragten und zum Zeitpunkt des Interviews bekannt meine Tätigkeit im Feld der Fremdsprachendidaktik, was auch einer fachlichen Perspektive eine gemeinsame Grundlage geschaffen haben dürfte. Ich mache mich gegenüber der individuell erfragten Handlungspraxis der Beforschten (auch mittels der Erhebungsmethode, s. u.) „professionell fremd“ (vgl. ebd.), da mir diese im Vorfeld auf individueller Ebene 99 Der Studienaufruf erfolgte nach offizieller Genehmigung des Forschungsvorhabens zum hessischen Vorbereitungsdienst durch das Hessische Kultusministerium am 18.2.2015. 6.3 Forschungsethische Implikationen 169 der einzelnen Befragten nicht bekannt war und - wie noch zu zeigen sein wird - auch auf der Ebene des Individuums unterschiedlich stark geprägt werden kann. So kenne ich selbst höchstens die - ebenfalls subjektiv von mir seinerzeit als LiV wahrgenommene - Handlungspraxis der in meinem eigenen Vorbereitungsdienst agierenden Ausbilderinnen und Ausbilder, welche jedoch im analysierten Sample aufgrund forschungsethischer Erwägungen nicht enthalten sind. 6.3 Forschungsethische Implikationen Wenngleich ethische Erwägungen im Kontext von Forschung im Allgemeinen und Fremdsprachensowie Professionsforschung im Konkreten sicherlich schon immer berücksichtigt wurden, zeigen die gestiegene Zahl der Publikationen in diesem Feld (vgl. z. B. für die Fremdsprachenforschung: Viebrock 2015, Legutke/ Schramm 2016; sowie auch die Publikation des Ethik-Kodex der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft , DGfE 2010) die gesteigerte Bedeutung (und Beachtung) eines forschungsethischen Bewusstseins, vor allem im Nachhall einer medialisierten Post-Guttenberg-Ära sowie ähnlich gelagerter Fälle. Dabei gehen forschungsethische Implikationen weit über Plagiarismus hinaus. Vielmehr sollten sie die Haltung der/ des Forschenden, forschungsethische Reflexionskompetenzen (vgl. Viebrock 2015), im Grunde bereits ab der ersten Skizze eines Erkenntnisinteresses oder Studiendesigns prägen und sich über die Konkretisierung, Datenerhebung und -auswahl, ihre Auswertung und die Präsentation erstrecken. Küster (2011) nennt neben einer moralischen auch explizit eine prudentielle Perspektive, in der die „Verantwortung des Fremdsprachenforschers vor und für sich selbst“ sowie die „Verantwortung des Fremdsprachenforschers gegenüber seinem privaten Umfeld (Vereinbarkeit beruflichen Engagements mit familiären Pflichten etc.)“ (ebd.: 139) eingeschlossen wird. Innerhalb der moralischen Perspektive verortet er: • Verantwortung des Fremdsprachenforschers gegenüber der scientific community • Verantwortung des empirischen Fremdsprachenforschers gegenüber den unmittelbar Beforschten (quantitative Forschung) bzw. den am Forschungsprozess unmittelbar Beteiligten (qualitative Forschung und Handlungsforschung) • Verantwortung des Fremdsprachenforschers gegenüber gesellschaftlichen und universitären Institutionen und deren Anforderungen. (ebd.) Die moral-ethischen Implikationen sollen im Folgenden kurz auf den verschiedenen, besonders den sensiblen Ebenen, umrissen und transparent gemacht werden. Der gesamte Forschungsprozess wird in Gänze am Ende der Arbeit zur Rolle des Forschendem im Prozess sowie bezüglich forschungsethischer wie 170 6 Methodologischer Zugang und methodisches Vorgehen auch gegenstandsorientierter Aspekte reflektiert werden. Dabei ist vornehmlich die Verantwortung gegenüber der scientific community und damit verbunden die Relevanz des Forschungsvorhabens weiter oben bereits erläutert worden, hier soll es daher primär um den Gegenstand und die Beforschten sowie die institutionellen Kontexte beider gehen. Da die Forschungsteilnehmerinnen und -teilnehmer Erwachsene sind, fällt ein häufig forschungsethisch brisanter Aspekt, nämlich das Herantreten und die im Forschungskontext möglicherweise auftretende Forscher-Teilnehmer-Interaktion insbesondere mit jüngeren Personen (Lernende im schulischen Kontext), in diesem Projekt heraus. Allerdings sind die befragten Personen im Staatsdienst in institutionalisierten Kontexten (Schule, Studienseminar) tätig, welche gleichzeitig in gewisser Weise auch den Forschungsgegenstand konstituieren. Nach § 84 des Hessischen Schulgesetzes (HSchG) werden entsprechende Forschungsvorhaben vom Hessischen Kultusministerium genehmigt, die Genehmigungsbefugnis kann allerdings an Schulbehörden bzw. die Schule an sich bzw. die Gesamtkonferenz einer Schule übertragen werden. Da die Ausbilderinnen und Ausbilder im Sample an die Studienseminare abgeordnet sind, weichen hier die Dienststellen ab, und da somit ohnehin auf der Ebene des Kultusministeriums ein Antrag zur Genehmigung gestellt werden musste, wurde das Projekt unmittelbar auch noch für die Personengruppe der Mentorierenden angemeldet, um zu vermeiden, dass für die sich zur Verfügung stellenden Mentorinnen und Mentoren später die einzelnen Schulen jeweils Genehmigungen hätten erteilen müssen. 100 Im Zuge des Studienaufrufs und der Datenerhebung ist die Ansprache der Befragten und die Formulierung des vorangestellten Erkenntnisinteresses von Bedeutung, da man hier - besonders im Kontext explorativer und qualitativer Forschungsvorhaben - nicht zu viel vorwegnehmen, sondern eine größtmögliche Offenheit bewahren möchte, die in dieser Offenheit eine möglichst große Breite und Tiefe hinsichtlich der generierten Narrationen ermöglicht. Die offenen Frageformen und Impulse des per Audiorekorder aufgenommenen Interviews (s. u.) sind demnach so gestaltet, dass die Befragten so weit ausholen können, wie sie möchten. Jedoch sind sie sich ihrer Rolle als Staatsbedienstete dabei in der Regel bewusst, da der Kontext des Vorbereitungsdienstes thematisch geklärt ist und alle Gespräche entweder in Schulräumlichkeiten oder in Räumen der Studienseminare stattgefunden haben. Im Nachgang der Interviews wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer jedoch genauer über das methodische Vorgehen des Projektes aufgeklärt, vor allem auch den Detailgrad der späteren 100 Wie oben bereits angedeutet, werden die Analysen der Mentorierenden später zu weiteren Analyse- und Forschungszwecken verwendet (aktuell schon in Auszügen in Gerlach 2018). 6.3 Forschungsethische Implikationen 171 Interviewtranskriptionen sowie mögliche Darstellungen der Daten im Material und ihre Anonymisierung. D.h. an dieser Stelle hätten die Teilnehmenden ihr Einverständnis noch zurückziehen können, die schriftlichen Einverständniserklärungen zur Verwendung der Aufzeichnung und Weiterverarbeitung der Daten wurden auch erst nach dieser detaillierten Aufklärung unterschrieben. 101 Bezüglich der Anonymisierung und des Datenschutzes wurden die teilnehmenden Personen vor Beginn der Aufzeichnung des Interviews darüber aufgeklärt, dass 1. ihre Teilnahme freiwillig ist, 2. ihr Einverständnis zur Teilnahme jederzeit widerrufen werden kann, 3. die Daten nur im Kontext des Forschungsprojektes aufgezeichnet und verwendet werden, 4. die Daten anonymisiert und pseudonymisiert werden, 5. die Audioaufzeichnungen nach der Transkription vernichtet werden, 6. nur für die Datenanalyse relevante Passagen und Daten der Befragten zu Publikationszwecken verwendet werden. Im Rahmen der Anonymisierung wurden den Transkriptionen, den Interviewpartnerinnen und -partnern, zunächst nur Nummern und ein Hinweis auf das Geschlecht gegeben (z. B. „Ausbildungskraft 3 (w)“). Erst im Rahmen der Analyse wurden dann den einzelnen Fällen fiktive Namen vergeben, die dabei immer noch als Indikator für das Geschlecht der befragten Person dienen. Jeder Schritt innerhalb der unten detaillierter dargestellten Dokumentarischen Methode dient zudem der Fremdmachung der/ des Forschenden gegenüber dem Datenmaterial und den Befragten. Gleichwohl zeigt sich im Interviewmaterial, dass die Ausbildungskräfte sich durchaus konstruktiv-kritisch gegenüber einzelnen Aspekten ihrer Tätigkeit, des Schulsystems oder des Lehrerbildungssystems äußern, obwohl sie im Staatsdienst sind und das Bewusstsein um ihre Rolle durch Räumlichkeit, Thema und meiner externen Rolle als, ebenfalls im öffentlichen Dienst stehenden, Mitglied einer Universität des Landes Hessen. Mit diesen Äußerungen gilt es daher, speziell im Zusammenhang mit einer anonymisierten Darstellung, sensibel umzugehen und in den korrekten Kontext einzubetten, sofern sie für die Analysen herangezogen werden. Dem Schutz der Daten, der Identität der befragten Personen sowie der eigene Schutz der/ des Forschenden in seiner nach außen durch Publikationen oder Vorträge vorgestellten Untersuchungsergebnisse gilt damit höchste Bedeutung. 101 Keine Teilnehmerin und kein Teilnehmer haben zu diesem oder einem späteren Zeitpunkt ihre Teilnahme am Forschungsprojekt zurückgezogen. 172 6 Methodologischer Zugang und methodisches Vorgehen 6.4 Sampling „Prinzipiell sollte die Sampling-Strategie immer auf Basis der Forschungsfrage gewählt werden und dem Forschungszweck dienen.“ (Grum/ Legutke 2016: 88) Von den gegenstandstheoretischen Erwägungen eingangs dieses Oberkapitels ausgehend wurden für dieses Forschungsvorhaben im Vorbereitungsdienst tätige Lehrende, Ausbilderinnen und Ausbilder angehender Fremdsprachenlehrkräfte, ausgewählt. Damit ist bereits als Zielgruppe eine erste Auswahlentscheidung im Sinne eines Samplings gegenstandstheoretisch bestimmt. Über den Zugang zum Feld im letzten Kapitel ist ebenfalls offenbar geworden, dass der Feldzugang und damit auch Auswahlentscheidungen für das Sample von Gatekeepern wie Schulleitungen, Lehrerinnen und Lehrern bzw. Ausbildungskräften an sich abhängig waren, die natürlicherweise das Sample somit beeinflussten, was jedoch in Forschungsprojekten vornehmlich im qualitativen Paradigma kaum vermeidbar ist. Es gilt dabei jedoch, die Nachvollziehbarkeit des Samplings zu gewähren und nach Flick (2012) zum Sample führende Auswahlentscheidungen auf drei Ebenen transparent zu machen: Auswahlentscheidungen im Forschungsprozess bei der Erhebung von Daten: Fallauswahl Fallgruppenauswahl bei der Interpretation von Daten: Auswahl des Materials Auswahl im Material bei der Darstellung von Ergebnissen: Präsentationsauswahl Tab. 7: Auswahlentscheidungen im Forschungsprozess (Flick 2012: 155). Die Auswahl von Ausbildungskräften für die vorliegende Untersuchung ist damit theoriegeleitet erfolgt, indem angenommen wird, dass die im Vorbereitungsdienst zu rekonstruierende Handlungspraxis von diesen Akteurinnen und Akteuren gestaltet wird bzw. diese habituell strukturiert ist/ wird. Dass der hessische Vorbereitungsdienst ausgewählt wurde, ist zum einen meiner Tätigkeit an einer hessischen Hochschule geschuldet, zum anderen habe ich bereits über entsprechende Gatekeeper Kontakte in dieses System (s. Kapitel 6.2). Darüber hinaus war es formal 102 wie auch forschungspragmatisch nicht möglich, ein weiteres Bundesland zum Vergleich hinzuzuziehen. 103 102 Ein entsprechender Forschungsantrag wurde in einem anderen Bundesland gestellt, jedoch nicht genehmigt. 103 Fraglich wäre dann auch gewesen, inwiefern überhaupt ein Vergleich der Handlungspraxis in je sehr spezifisch ausgestalteten Ausbildungssystemen zielführend und dem 6.4 Sampling 173 Aufgrund des systembedingt erschwerten Zugangs setzte ich zunächst keine Beschränkungen bezüglich des Alters der Befragten, da auch verschiedene Erfahrungsgrade unterschiedliche Orientierungen (z. B. auf soziogenetischer Ebene) rekonstruierbar machen können. Ich versuchte hingegen, eine geschlechtliche Ausgeglichenheit herzustellen, da ich aus theoretischer Perspektive keine Geschlechtsunterschiede unterstelle. Letztlich meldeten sich jedoch im Schnitt mehr Frauen als Männer (s. Tabelle 8). Bezogen auf die ausgebildeten bzw. unterrichteten Fremdsprachen zeigte sich ein relativ ausgeglichenes Bild, bei dem Englisch überwiegt und Französisch wie Spanisch ungefähr gleich verteilt die zweite Hälfte der Gesamtheit abbilden. Die Befragten meldeten sich auf den Studienaufruf bzw. über die Ermutigung der Gatekeeper freiwillig. 11 Ausbilderinnen und Ausbilder angehender Fremdsprachenlehrkräfte Erfahrung in der Tätigkeit 6 Monate bis 18 Jahre Geschlecht männlich: 4 weiblich: 7 Fächer Englisch: 7 Französisch: 3 Spanisch: 1 Schulformen Grund-/ Haupt-/ Realschule: 5 Gymnasium: 5 Berufsschule: 1 Zeitraum der Interviews Februar bis Mai 2015 Tab. 8: Übersicht der Interviewpartnerinnen und Interviewpartner. Bezüglich der Auswahlkriterien zur Interpretation von Daten sind die Fälle gegenstandstheoretisch am relevantesten - und damit im Sinne eines theoretisch-gezielten, d. h. selektiven Samplings geprägt -, die besonders narrativ sind, dadurch stark implizites Wissen rekonstruierbar werden lassen und sich dabei im Sinne von Orientierungsrahmen durch Fallanalyse als maximalkontrastiv herausstellen, um ein gewisses Spektrum an Homologie oder Divergenz innerhalb des Samples zu offenbaren. Diese Auswahl ergibt sich im Forschungsprozess entlang der Dokumentarischen Methode, die weiter unten noch detaillierter Erkenntnisgewinn zuträglich gewesen wäre. Nichtsdestotrotz bleibt die Rekonstruktion der Handlungspraxis für andere Bundesländer natürlich weiterhin ein bedeutendes Desiderat, selbst wenn einige der später vorzustellenden Ergebnisse durchaus ihren Niederschlag in Empfehlungen für die Ausgestaltung anderer Vorbereitungsdienste in ähnlichen Kontexten haben dürften. 174 6 Methodologischer Zugang und methodisches Vorgehen dargestellt wird. Mit ihr einher geht auch die Präsentationsauswahl, da die Methode Erkenntnisse generiert, die im Rahmen einer Veröffentlichung transparent und kriteriengeleitet mittels ausführlicher Falldarstellungen sowie - unter Zuhilfenahme exemplarischer weiterer Fälle - eine Typenbildung vornimmt. Sie kommt somit zu verallgemeinerbaren Aussagen zum betrachteten Sample. Abb. 13: Samplingentscheidungen sowie Überleitung zu Erhebung und Methode zusammengefasst (weiß = Erhebungsebene, hellgrau = Interpretationsebene, dunkelgrau = Präsentationsebene). 6.5 Datenerhebung Um gegenstandsorientiert zielführend die Ausbildungspraxis und -didaktik der Lehrerbildnerinnen und Lehrerbildner im fremdsprachlichen Vorbereitungsdienst mittels der Dokumentarischen Methode erheben zu können, boten sich Interviews an, mittels derer über Transkription textuelle Daten erhoben und auswertbar gemacht werden können. 6.5.1 Narrativ-episodische/ berufsbiographische Interviews Obwohl die Dokumentarische Methode, wie oben angemerkt, ursprünglich für Gruppeninterviews, deren Diskursverläufe und die Rekonstruktion konjunktiver Erfahrungsräume der befragten Gruppen entwickelt wurde (vgl. Bohnsack 2014a), wird die Methode verstärkt zur Interpretation von Einzelinterviews (vgl. Nohl 2017) bzw. sogar gänzlich anderer Medien verwendet (vgl. z. B. Bohnsack 2011 zur Interpretation von Bildern und Videomaterial, Bohnsack et al. 2013 für eine größere Breite hinsichtlich möglicher Daten und Forschungsfelder). 104 Während es aus organisatorischen und terminlichen Gründen seitens der Be- 104 Auch in der Fremdsprachenforschung genießt die Dokumentarische Methode als qualitativ-rekonstruktiver Ansatz wachsende Beliebtheit, z. B. im Zusammenhang mit Unter- 6.5 Datenerhebung 175 fragten ohnehin nicht möglich gewesen wäre, Gruppendiskussionen mit Ausbilderinnen und Ausbildern zu führen, wäre außerdem der Erkenntnisgewinn, wie schon oben angedeutet, bezüglich des Werdegangs und individuell erlebter Ausbildungspraxis möglicherweise aufgrund gewisser Gruppendynamiken verloren gegangen, weswegen ich mich dafür entschied, Einzelinterviews zu führen. Dennoch können, wie an späterer Stelle herausgearbeitet werden soll, geteilte Wissens- und Handlungsschemata bezüglich der Ausbildungstätigkeit der Gruppe der Lehrerbildner*innen anhand der rekonstruierten Habitūs erkannt werden. Mit dem Ziel, für die Auswertung implizites Wissen in den Interviews verfügbar zu machen, bot sich eine Interviewform an, die narrativ-episodische Elemente enthält sowie gleichzeitig auch eine (berufs-)biographische Komponente einbezieht und durch diese Doppelung erzählgenerierend wird. Die gewählte Interviewform entspricht damit einem narrativ fundierten (biographischen) Interview nach Schütze (1983) 105 , welches sich in eine Eingangserzählung, einen narrativen Nachfrageteil sowie einen argumentativ-beschreibenden Frageteil untergliedern lässt (vgl. ebd.: 285). Zur Unterstützung während des Interviews verwendete ich einen Leitfaden mit den entsprechenden, im Rahmen einer Vorstudie auf ihr Narrationsgenerierungspotential überprüften Impulsen und Leitfragen. Als narrativ-episodisch sind solche Leitfragen (s. u.) zu kennzeichnen, die nach der Ausgestaltung der Ausbildungspraxis fragen bzw. ein Erzählen über die Arbeit der Interviewten evozieren und bestimmte Episoden damit in Erinnerung rufen. Als berufsbiographisch orientiert ist im Besonderen die Einstiegsfrage zu sehen, welche nach dem Werdegang bzw. der Aufnahme der Tätigkeit als Ausbildungskraft fragt. Darüber hinaus finden sich auch in den episodischen Impulsen und ihren Reaktionen berufsbiographische Elemente bzw. werden durch den Rückblick auf Vergangenes wieder in Erinnerung gerufen, fokussiert und ggf. reflektiert. Von der groben Struktur lassen sich in den Interviews folgende Bausteine in ihrer Abfolge erkennen, die hier mit Schützes Interviewgliederung in Zusammenhang gebracht werden: • Berufsbiographischer Erzählimpuls - Eingangserzählung nach Schütze • Nachfragen zur Berufsbiographie - narrativer Nachfrageteil nach Schütze richtsforschung (vgl. Bonnet 2009/ 2012, Tesch 2010/ 2019) und zu Fremdsprachenlehrerprofessionalität/ Teacher learning (vgl. Benitt 2015). 105 Wie Nohl (2017: 19 f.) anmerkt, hat Schütze das biographische Interview als Erhebungsform stark geprägt, wenn seine ersten Erhebungen auch zunächst in den 70er Jahren primär thematisch orientiert waren, dabei aber nichtsdestoweniger erzählgenerierend. Aus Schützes Sicht steht daher einer Verknüpfung biographischer wie thematisch orientierter narrativer Elemente in Interviews nichts im Wege (vgl. Schütze 1983). 176 6 Methodologischer Zugang und methodisches Vorgehen • Episodisch-fokussierende Einzelfragen - Eingangserzählung(en) (je Episode) und argumentativ-beschreibender Frageteil nach Schütze • Immanenter Nachfrageteil zu allen vorherigen Aspekten, die weiterer Ausführung bedürfen - narrativer Nachfrageteil sowie argumentativ-beschreibender Frageteil nach Schütze • Hypothetische Abschlussfrage bzgl. des Veränderungspotentials (s. u.) Folgende Interviewleitfragen wurden verwendet, um auf Seiten der Befragten Erzählsituationen hervorzubringen: • Wie ist es dazu gekommen, dass Sie angehende Fremdsprachenlehrkräfte ausbilden? • Erzählen Sie mir von einer Situation mit Ihren Referendarinnen und Referendaren, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist. • Erzählen Sie mir von Ihrer Arbeit mit den Referendarinnen und Referendaren. • Was sind Ihre persönlichen Ziele in Ihrer Arbeit als Ausbilderin/ Ausbilder? • Gibt es bestimmte Arbeitsweisen, die Sie in Ihrer Ausbildungstätigkeit nutzen? • Woran orientieren Sie sich in Ihrer Ausbildungstätigkeit? • Können Sie mir erzählen, was Ihnen an Ihrer Tätigkeit als Ausbilderin/ Ausbilder gefällt? • Wenn Sie einmal zurückdenken: Welche Aspekte Ihrer eigenen Ausbildung in den verschiedenen Phasen haben den größten Einfluss auf Ihre jetzige Tätigkeit als Ausbilderin/ Ausbilder? • Können Sie mir erzählen, welchen Stellenwert das Referendariat in Ihren Augen hat? • Welchen Einfluss hat die erste Phase der Lehrerbildung an Hochschulen für Ihre Ausbildungstätigkeit? • Stellen Sie sich vor, Sie wären verantwortlich für ein Konzept der Fremdsprachenlehrerbildung in Ihrem Bundesland. Wie würde dieses aussehen? Diese Interviewleitfragen und Erzählimpulse sind so gestaltet, dass sie dem Interviewpartner bzw. der Interviewpartnerin möglichst viel Raum zur Beantwortung lassen. Diese Offenheit hat zum Ziel, Erzählungen zu generieren, die sowohl auf theoretischer als auch impliziter Ebene genau die Themen und Orientierungen offenlegen, die bei den Befragten gleichsam „obenauf liegen“, retrospektiv oder gegenwärtig bedeutsam sind und damit ebenfalls für den Kontext der Untersuchung wichtig erscheinen. Diese Offenheit der Frageimpulse hat gleichzeitig den Effekt, dass durch eventuelle Nachfragen in sich an größere Themenblöcke anschließende immanente Frageabschnitte bzw. Bitten zur Konkretisierung einzelner Aspekte weitere Fragen entstanden, die hier nicht 6.5 Datenerhebung 177 aufgeführt sind, sich aber in den Daten wiederfinden. Außerdem wurden bewusst in der Interviewsituation teils Impulse in anderer Reihenfolge genannt oder herausgelassen, wenn sich dies situativ als zielführend herausstellte. Der Leitfaden dient somit nicht als standardisierendes Erhebungsinstrument, wie es ggf. in Experteninterviews der Fall wäre, die anschließend z. B. mittels einer Qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet würden. Vielmehr dient der Leitfaden in der Interviewdurchführung als „Gedächtnisstütze für den Interviewer“ (Witzel 1982: 90), auf die dieser wiederholt zurückgreift und das Gespräch sowohl refokussieren kann bzw. keine bedeutenden Aspekte Gefahr laufen, ausgelassen zu werden. Gleichzeitig fällt erst bei nochmaligem Anhören der Interviews bzw. beim Durcharbeiten der Transkriptionen auf - wie in diesen Forschungskontexten und methodischen Herangehensweisen häufig der Fall -, dass einzelne Aspekte weiterer Konkretisierungen bedurft hätten, was in der Interviewsituation, auch nicht für den jeweils angeschlossenen immanenten Nachfrageteil, nicht erkannt wurde. Für die Interpretation der Daten wurden jedoch primär Passagen ausgewählt, die Handlungspraxis bzw. habituell geprägte Bearbeitungen ihrer selbst greifbar und rekonstruierbar werden lassen. An Stellen, an denen diese Rekonstruierbarkeit schwieriger bzw. nicht eindeutig nachvollziehbar wurde, wird dies in der Falldarstellung kenntlich gemacht bzw. ausdrücklich auf mögliche Interpretationsalternativen auch in Kontrastierung mit ähnlich gelagerten Fällen hingewiesen. Von der über den Leitfaden gewählten Offenheit der Fragen mittels erzählgenerierender Impulse („Erzählen Sie mir von …“) wurde teilweise im immanenten Nachfrageteil abgewichen, um die Interviewpartner*innen mit vorherigen Aussagen zu konfrontieren bzw. wurden auch durchaus geschlossene Fragen zu verschiedenen Aspekten der Tätigkeit gestellt. 106 Generell auffällig war in den Interviews ein hoher Anteil an Beschreibungen und Argumentationen, d. h. auf eigentlich erzählgenerierende Impulse wurde häufig schnell in der Textsorte der Argumentation geantwortet. 107 Die Gründe hierfür sind vielfältig und werden im späteren Verlauf noch genauer analysiert; eine erste frühe Vermutung bei der Durchführung der Interviews war die aus Sicht der Ausbildenden bereits hohe eigene Reflexivität gegenüber Prozessen und Themen innerhalb des Vorbereitungsdienstes und damit verbunden ein 106 Beispielsweise kann die Frage „Können Sie mir erzählen, was Ihnen an der Ausbildungstätigkeit gefällt? “ natürlich auch mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden. In kommunikativen Gesprächssituationen passiert dies in der Regel jedoch nicht, da den Beteiligten implizit klar ist, welche Erzählaufforderung damit verbunden ist. Gleichzeitig bietet die Frage so viel Rückzugsmöglichkeit für die/ den Befragte/ n durch die syntaktisch-semantische Schließung, dass er/ sie die Frage auch ablehnen könnte. Es kann ja immerhin sein, dass den Agierenden ihre Tätigkeit gar nicht gefällt und sie der in der Frage verborgenen Unterstellung des Gefallens gar nicht zustimmen können. 107 Zur Bedeutung von Textsorten für die Analyse s. Kapitel 6.6.2.2. 178 6 Methodologischer Zugang und methodisches Vorgehen hoher Rechtfertigungszwang, dem eine eher auf Argumentationen aufgebaute Schilderung nur logisch erscheint. Die im Interview immer zuletzt gestellte Frage nach dem individuell und kreativ wahrgenommenen Veränderungspotential für den Vorbereitungsdienst zielt darauf ab, sowohl auf expliziter Ebene gewissermaßen neuralgische Punkte in der zweiten Phase der Lehrerbildung zu identifizieren als auch anhand der gezogenen Stichprobe vergleichbar machen zu können. Außerdem dient die Frage auch der Validierung der über den narrativen Anteil gewonnenen Rekonstruktionen hinsichtlich der von den Lehrenden strukturierten Handlungspraxis und Ausbildungsdidaktik. Die Dauer der Interviews betrug minimal 40, maximal 96 Minuten, durchschnittlich 51,5 Minuten. 6.5.2 Zusätzlich erhobene Daten und Datenschutz Neben Interviewnotizen, die stichwortartig während des Gesprächs angefertigt wurden, wurden im Anschluss an die Interviews noch weitere personenbezogene Angaben erhoben, die ggf. Aufschluss über die Befragten geben konnten. Dazu gehören die folgenden Fragen und Angaben: • Unterrichtete Fächer • Fächer, in denen ausgebildet wird • Schulform, für die ausgebildet wird • Berufserfahrung als Lehrkraft in Jahren • Berufserfahrung als Ausbildungskraft in Jahren • Deputat an Unterricht an der Schule in Stunden • Alter • Geschlecht Diese Daten werden teilweise in die Falldarstellungen mit einbezogen, müssen allerdings in der Regel aus Gründen der Anonymisierung bzw. einer möglichen Zuordbarkeit teils charakteristischer Angaben ausgelassen werden. Durch die Spezifität der Tätigkeit, Fächerkombinationen oder der Berufserfahrung der befragten Ausbilderinnen und Ausbilder wäre ansonsten eine Zuordnung der getroffenen Aussagen - insbesondere, wenn Interviewtranskriptionen zur Verdeutlichung innerhalb der Falldarstellungen oder vergleichender Darstellungen mit eingebunden werden, - und deren Interpretation möglich, was aus forschungsethischer Sicht unbedingt vermieden werden muss. Der sorgsame Umgang mit den Daten der Befragten und den gegenüber mir sehr offen geführten Interviews hat dabei höchste Priorität und muss für jeden Schritt bei der Aufbereitung der Daten für diese Schrift abgewogen und bewertet werden. Wenn 6.6 Aufbereitung der Daten und Analyse mittels Dokumentarischer Methode 179 also an einigen Stellen im Vergleich zu anderen Untersuchungen, die mit der Dokumentarischen Methode arbeiten, deutlich weniger soziodemographische Hintergrundinformationen zu den einzeln Befragten gegeben oder gar bewusst ausgeblendet werden, geschieht dies dezidiert zwecks einer stärkeren Anonymisierung aus Datenschutzgründen. 108 Ein entsprechender Datenschutzplan wurde im Rahmen der Genehmigung der Studie durch das Hessische Kultusministerium entwickelt und dessen Einhaltung stets kontrolliert. 6.6 Aufbereitung der Daten und Analyse mittels Dokumentarischer Methode Die Dokumentarische Methode, ursprünglich innerhalb der Soziologie entstanden, geht auf wissenssoziologisch-erkenntnistheoretische, ethnomethodologische Konstrukte zurück und fokussiert hier speziell auf die oben bereits dargestellte Unterscheidung verschiedener Wissensformen nach Mannheim (1964), der den immanenten Sinngehalt vom Dokumentsinn differenziert und damit die grundlegenden Annahmen für die vor allem von Bohnsack (2014), aber auch Nohl (2017), in den letzten Jahrzehnten in Deutschland differenziert herausgearbeitete und verfeinerte Methodik bietet. Die Methode dient im Wesentlichen dazu, gemeinsame (konjunktive) Erfahrungsräume von Agierenden und deren Gestaltungspotential unter bestimmten Fragestellungen sowie in unterschiedlichen Milieus, Feldern, Institutionen oder Organisationen zu rekonstruieren: Die Analyseverfahren dieser Methode eröffnen einen Zugang nicht nur zum reflexiven, sondern auch zum handlungsleitenden Wissen der Akteure und damit zur Handlungspraxis. Die Rekonstruktion der Handlungspraxis zielt auf das dieser Praxis zugrunde liegende habitualisierte und z.T. inkorporierte Orientierungswissen, welches dieses Handeln relativ unabhängig vom subjektiv gemeinten Sinn strukturiert. (Bohnsack et al. 2013: 9) Zentral sind diesem Analyseverfahren sowohl die unten noch vorzustellenden Schritte, die im Rahmen der Analyse und Rekonstruktion von Handlungspraxis und Habitūs durchlaufen werden, aber auch verschiedene „Formen“ von Orientierungen der Forschungssubjekte bzw. rekonstruierter Fälle innerhalb von Sam- 108 Im Zuge der Analyse wurde dabei übrigens ebenfalls deutlich, dass weder Geschlecht noch Berufserfahrung einen nachweisbaren Einfluss auf die Handlungspraxis insofern hatten, als dass sich spezifische Unterschiede aus den betrachteten Fällen allein auf diese Faktoren zurückführen ließen. Lediglich bezogen auf die ausgebildeten Fächer (Englisch, Französisch, Spanisch) konnte ich hier unterschiedlich verhandelte Orientierungen analytisch herausarbeiten, auf die dann auch genauer eingegangen werden muss. 180 6 Methodologischer Zugang und methodisches Vorgehen ples, die hier vorab bereits kurz erläutert werden sollen, da sie gleichsam eine gewisse Zielgerichtetheit der Methode und des hier dargestellten Vorgehens beschreibbar werden lassen: Bohnsack unterscheidet methodologisch insbesondere Orientierungsschemata von Orientierungsrahmen . Orientierungsrahmen im engeren Sinne beschreiben die - im vorliegenden Beispiel - mittels der Analyse handlungsleitend-impliziten Sinnkonstruktionen erfassbare Handlungspraxis der Befragten, den rekonstruierbaren Habitus. Innerhalb dieses Orientierungsrahmens im weiteren Sinne enthalten sind daneben Orientierungsschemata , die sich auf einer kommunikativ-expliziten Ebene zeigen durch die Einfassung in Normen und normativen Setzungen, die entweder die Befragten individuell für sich und ihre Praxis annehmen oder von einer Institution (oder Dritten) als gesetzt konstruieren (vgl. auch Rauschenberg/ Hericks 2018). Ein Habitus bildet sich im Orientierungsrahmen im engeren Sinne der agierenden Person, welche sich damit in Aushandlung und im Spannungsverhältnis zu aufgeworfenen Normen, den Orientierungsschemata, darstellt (s. Abbildung 14). Abb. 14: Verhältnis von Orientierungsrahmen, Orientierungsschemata und Habitus (Bohnsack 2013: 182). 6.6 Aufbereitung der Daten und Analyse mittels Dokumentarischer Methode 181 Diese Orientierungen im Fallvergleich des erhobenen Samples zu rekonstruieren und die damit einhergehenden Spannungen der im Vorbereitungsdienst Ausbildungspraxis gestaltenden Personen (besonders zwischen Habitus und Orientierungsschemata als Orientierungsrahmen im weiteren Sinne) offenzulegen, ist, entlang der zuvor entworfenen Forschungsfragen, das primäre Ziel der vorliegenden Untersuchung. Wie dieses Ziel mittels der verschiedenen Schritte der Dokumentarischen Methode transparent dargestellt und anhand von Einzelfällen sowie deren Abstraktion vollzogen werden kann, soll im Folgenden anhand der Analyseschritte der Methode gezeigt werden. 6.6.1 Aufbereitung Die Aufbereitung der mittels der Interviews erhobenen Daten erfolgte durch eine vollständige Transkription aller Audioaufnahmen nach erweiterten, inhaltlich-semantischen Regeln (vgl. Kuckartz et al. 2008, Dresing/ Pehl 2017). Es wurden hierbei alle 11 Interviews vollständig transkribiert, um sich als Forschender durch die ausschließliche Weiterarbeit am Transkript vom Audiomaterial „fremd“ zu machen. 109 Im Zuge der Transkription fand ebenfalls unmittelbar eine Anonymisierung statt, indem verwendete Namen und Orte, die ggf. Rückschlüsse über die sprechende Person hätten liefern können, durch dann auch im Transkript kursiv herausgestellte Termini wie Schulstandort oder Name der Lehrkraft verfremdet wurden (s. Kapitel 6.3). Darüber hinaus wurden Regeln in Erweiterung nach Kuckartz et al. (2008) sowie Dresing/ Pehl (2017) verwendet (s. Anhang A), jedoch kein Feintranskript nach Bohnsack (2014: 253 f.) bzw. der Transkriptionsrichtlinien Talk in Qualitative Research (vgl. Bohnsack et al. 2013: 400 f.), da diese in ihrer Detailliertheit zielführender für Gruppendiskussionen erscheinen, für die durchgeführten Einzelinterviews mit zwei Sprechenden (Interviewer und befragte Person) aus forschungspragmatischer Sicht jedoch zu umfassend. Bedeutender waren für die Transkription und spätere Analyse von Sinnkonstruktionen hingegen in meinen Augen die auch in sozialwissenschaftlichen Basistranskriptionen in der Regel mittranskribierten Abbrüche und Pausen (auch deren Länge), Betonungen, Lachen, parasprachliche Elemente wie Stöhnen und Seufzen sowie Diskurspartikel wie „äh“. Die fallbezogenen Namen der einzelnen Interviewpartnerinnen und -partner wurden erst im Zuge der Analyse des Materials vergeben, sind daher in gewissem Sinne ein Nebenprodukt der Analyse, allerdings folgen sie, bis auf die 109 In der Regel wird im Zusammenhang mit der Dokumentarischen Methode empfohlen, die Interviews nicht in Gänze zu transkribieren, sondern am Audiomaterial entlang die Passagen zu identifizieren und nur diese zu transkribieren, die für die Analyse relevant sein könnten. 182 6 Methodologischer Zugang und methodisches Vorgehen geschlechtlich beibehaltene Denomination, keiner Systematik, sondern dienen primär dem Zweck der Fremdmachung von den eigentlich befragten Personen. 6.6.2 Schritte der Dokumentarischen Methode Die Analyse von Daten mittels der Dokumentarischen Methode folgt dezidiert im Wesentlichen drei aufeinanderfolgenden Schritten: der formulierenden Interpretation 110 auf der Ebene expliziter Sinngehalte des Materials, der reflektierenden Interpretation in Hinwendung zum dokumentarischen Sinngehalt, eine abstrahierende Falldarstellung mittels komparativer Betrachtung weiterer Fälle sowie einer Typenbildung zur über die Einzelfälle hinausgehenden Rekonstruktion von Habitūs „in Reinform“. Die Schritte werden im Folgenden in der gebotenen Kürze mit Rückgriff auf die jeweiligen erkenntnistheoretischen Herleitungen und die den Schritten innewohnende methodologische Sinnhaftigkeit erläutert. Die einzelnen Schritte werden zudem mit exemplarischem Material aus dem Forschungs- und Analyseprozess unterfüttert, um zu verdeutlichen, welchen Weg die in den nächsten Kapiteln bereits fortgeschrittenen Ergebnisse in Form von abstrahierten Falldarstellungen durchlaufen haben. 6.6.2.1 Formulierende Interpretation Anhand des vorliegenden Transkripts werden zunächst thematische Einheiten und Sequenzen grob gesichtet und schlagwortartig am Text notiert. Im Rahmen der formulierenden Interpretation (s. Tabelle 10) werden dann entlang der thematischen Gliederung (s. Tabelle 9) die als bedeutsam gedeuteten Passagen in Form z. B. einer Tabelle auf der kommunikativen Ebene des Gesagten paraphrasiert zusammengefasst. Hierbei geht es folglich zunächst um den immanenten Sinn des Dokuments, das „Was“ der Aussage(n), aus Sicht der befragten Personen. Diese Herauslösung einzelner Passagen aus dem Interview dient der Fremdmachung der Forschenden gegenüber dem Material: „Ihnen [den Forschenden] wird vor Augen geführt, dass der thematische Gehalt nicht selbstverständlich, sondern interpretationsbedürftig ist.“ (Nohl 2017: 31) 110 Der Dokumentarischen Methode spezifische Termini werden im Folgenden zur besseren Lesbarkeit und Identifikation kursiv dargestellt. 6.6 Aufbereitung der Daten und Analyse mittels Dokumentarischer Methode 183 Zeilen Unterthemen 1-7 Interviewerfrage als Einstieg zum beruflichen Werdegang zum Lehrerbildner 8-11 Einstieg über eigenes Referendariat 11-14 Unterstützung durch sehr guten Ausbilder 14-16 Großes Interesse am Fach Französisch bereits im Studium 16-18 Zweitfach weniger bedeutsam bewertet 18-22 Bereits selbstständige Lehre an Uni in Französischdidaktik 22-24 Absolvieren des (zweiten) Staatsexamens und Übernahme an Schule 24-27 Angebot und Ablehnen eines Ausbilderpostens im Zweitfach Tab. 9: Beispiel für thematische Feingliederung eines Interviewauszugs mit der Dokumentarischen Methode (Material aus dem Intervieweinstieg mit Ausbildungskraft 1, Moritz Wagner). Durch die zuerst erfolgende thematische Gliederung des Materials nach Ober- und Unterthemen (s. bereits ausdifferenziertes Beispiel nach Unterthemen in Tabelle 9) können die Stellen im Interviewmaterial identifiziert werden, die „unserem ersten und später dann zu überprüfenden Eindruck nach, sich durch besondere interaktive und metaphorische Dichte [auszeichnen]“ (Bohnsack 2014a: 137). Bohnsack spricht in diesem Zusammenhang von „ Fokussierungsmetaphern “ (ebd.: 46/ 138; Hervorhebung D.G.), d. h. in diesen dichten Passagen zeigt sich im besonderen Maße handlungsleitendes Wissen, welches im Zuge der Analyse aber nicht isoliert betrachtet wird, sondern dann bei der genaueren Analyse in den nächsten Schritten auch fallimmanent komparativ betrachtet und begründet werden muss. Diese Passagen werden häufig in der Extraktion für die formulierende Interpretation wörtlich übernommen, um ihre Bedeutung auch für die nächsten Analyseschritte zu erhalten. 111 111 Wie in der Beispieltabelle deutlich wird, habe ich teilweise in meiner Übersicht der formulierenden Interpretation bereits mögliche Interpretationshinweise für den nächsten Schritt der reflektierenden Interpretation hinterlegt, wenn mir durch die Sichtung von vorherigem Interviewmaterial mögliche Schwerpunkte aufgefallen waren. In diesem Beispiel (Zeilen 11-14) ist die explizit herausgestellte Prägung durch die eigene Ausbildungskraft des Interviewpartners prägnant, die auch bei anderen Lehrerbildner/ innen im Sample auftritt, weswegen dieser Hinweis hier erfolgt. Im späteren Verlauf der reflektierenden Interpretation fiel jedoch auf, dass dieser Ausbildungskraft scheinbar kaum eine Relevanz für die spätere Handlungspraxis hat, weswegen sie dann wieder in den Hintergrund gerückt ist. 184 6 Methodologischer Zugang und methodisches Vorgehen Zeilen Unterthemen 1-7 Frage danach, wie es dazu gekommen ist, dass die Ausbildungskraft Ausbilder geworden ist; Hinweis auf weites Ausholen 8-11 Interviewpartner bestätigt weites Ausholen und beginnt mit dem eigenen Vorbereitungsdienst: „Denn mein eigenes Referendariat hat ähm mir unheimlich große Freiheiten beschert …“ 11-14 Freiheiten, in denen der Interviewpartner sehr viel ausprobieren konnte, wurden durch Seminarort sowie Ausbildungskraft im Besonderen ermöglicht [evtl. Prägung durch Person? ] 14-16 Interviewpartner interessierte sich bereits im Studium sehr für Fremdsprachendidaktik. 16-18 Französisch wird als das eigene Fach bewertet, während Deutsch „mitläuft“ - sowohl in der Vergangenheit als auch immer noch heute. 18-22 Während des Vorbereitungsdienstes wurden weiterhin Univeranstaltungen besucht und auch (kleinere) Veranstaltungen wie Übungen selbst gegeben 22-24 „… dann macht man irgendwann Examen“, worauf der Interviewpartner direkt an der Ausbildungsschule übernommen wurde und damit dort weiter unterrichtet. 24-27 Interviewpartner wird zwei Jahre nach Staatsexamen von einem Kollegen angesprochen, ob er sich vorstellen könnte Ausbilder zu werden. Da es jedoch um eine Ausbildungskraft im Zweitfach geht, lehnt er die Stelle ab, begründet dies jedoch auch mit der bis dahin geringen Erfahrung insgesamt. Tab. 10: Beispiel für formulierende Interpretation eines Interviewauszugs mit der Dokumentarischen Methode (Material aus dem Intervieweinstieg mit Ausbildungskraft 1, Moritz Wagner). Für die Identifizierung bedeutender Abschnitte ist darüber hinaus generell natürlich das eigentliche Erkenntnisinteresse wichtig sowie im Fallvergleich thematisch verwandte Passagen, die dann in ähnlicher oder im Gegensatz sehr unterschiedlicher Weise von den Befragten verhandelt werden. Nohl (2017: 30) führt drei wesentliche Kriterien für die Auswahl von Passagen auf: zum einen Themen, die für das Forschungsvorhaben und das angelegte Erkenntnisinteresse von genereller Relevanz sind, zum zweiten Themen, zu denen sich die Befragten in besonderer Weise z. B. sehr dicht äußern (s. Fokussierungsmetaphern ), sowie drittens Themen, die die Befragten aufwerfen und diese dann im direkten Vergleich unterschiedlich behandeln. 6.6 Aufbereitung der Daten und Analyse mittels Dokumentarischer Methode 185 6.6.2.2 Reflektierende Interpretation Im Gegensatz zur formulierenden Interpretationen zielt die reflektierende Interpretation nun auf die interpretativ-analytische Ebene der/ des Forschenden, indem diese/ r den dokumentarischen Sinn der vorliegenden Daten auf der „Wie“-Ebene herausarbeitet. Im Bohnsackschen Manual geht es hier im Wesentlichen um die Rekonstruktion des Orientierungsrahmens im weiteren Sinne durch eine dokumentarische Analyse und wie innerhalb dessen dann der Habitus (Orientierungsrahmen im engeren Sinne) bestimmte Orientierungsschemata verhandelt (vgl. Bohnsack 2014a: 137 f.). Die im Zusammenhang mit der formulierenden Interpretation bereits grob identifizierten Fokussierungsmetaphern ergeben als Sinnkonstruktionen interpretativ rekonstruiert (Oberflächenstruktur) … gleichzeitig Verweise auf Haltungen, Wissensbestände, Gefühle oder Überzeugungen, durch die ihr Zustandekommen erklärt werden kann (Tiefenstruktur). (Bonnet 2012: 292) Elementar für diese Analyse ist dabei die sogenannte Textsortentrennung (vgl. Bohnsack 2014a: 67). Nach Schütze (1987) lassen sich hier im Besonderen vier Textsorten unterscheiden: Erzählungen, Beschreibungen, Argumentationen und Bewertungen . Erzählungen zeichnen sich dadurch aus, dass sie teils in chronologischer Reihenfolge von (vergangenen) Handlungen berichten, ein „singuläres Ereignis…, das durch spezifische Zeit- und Ortsbezüge gekennzeichnet [ist]“ (ebd.: 146), während Beschreibungen eher auf einer verallgemeinernden Ebene sich wiederholende Handlungen offenbaren. Erzählungen und Beschreibungen sind dabei latent bedeutender zur Rekonstruktion des dokumentarischen Sinns, da ihnen eine nur geringe Reflexivität unterstellt werden kann. Argumentationen hingegen zeigen sich in Begründungszusammenhängen als Motive, welche tendenziell eher auf einer selbstreflexiven Ebene explizites Wissen offenbaren, nichtsdestotrotz auch in der Analyse eine Relevanz zeigen, wenn sie beispielsweise normative Erwartungen oder Haltungen dokumentierbar werden lassen. Bewertungen sind als „evaluative Stellungnahmen zu eigenem oder fremdem Handeln“ (Nohl 2017: 32) den Argumentationen ähnlich, führen bewertende Prädikate oder entsprechende Prädikatsnomen bzw. wertende Adverbien in sich und werden häufig mit Argumentationen bzw. Beschreibungen verknüpft. Die für die reflektierende Interpretation zentrale Herausarbeitung von Orientierungsrahmen kann primär über die Textsorten Erzählung und Beschreibung gewonnen werden, da diese den Dokumentsinn, das handlungsleitende, implizite Wissen, rekonstruierbar machen. Argumentationen und Bewertungen wiederum sind bereits in ihrer Äußerung durch die befragten Personen sehr reflektiert und theoretisch, Befragte explizieren hier Motive und Gründe für Handlungen, d. h. in ihnen äußert sich tendenziell explizites Wissen. Wie gerade schon angedeutet, ist diese Textsorte allerdings nicht von Vornherein für die Analyse 186 6 Methodologischer Zugang und methodisches Vorgehen auszuschließen, da sich ebenfalls die hier möglicherweise verhandelten Orientierungsschemata und deren Beziehung zu Orientierungsrahmen im engeren Sinn aus Erzählpassagen bestätigen lassen. Kommunikatives Wissen ist für die vorliegende Untersuchung deshalb durchaus als relevant zu bewerten, da hierin „Motivunterstellungen, die gesellschaftlich institutionalisiert, also ‚objektiviert‘ sind und die explizit oder ‚wörtlich‘ zum Ausdruck gebracht werden“ (Bohnsack 2014a: 62), bei Schütze (1987) auch als „Weilbzw. Um-zu-Motive“ bezeichnet, und sich diese mittels in Normen explizierten Motiven und Begründungszwängen innerhalb der Institutionen Studienseminar und Schule in dieser Untersuchung in Handlungspraxis niederschlagen dürften. Wenn sich im Textmaterial Orientierungsschemata bzw. -rahmen zeigen, spricht Bohnsack von Propositionen (vgl. ebd.: 137), d. h. der/ die Befragte eröffnet ein bestimmtes Thema und verhandelt dieses in Form von Gegenhorizonten : Ein negativer Gegenhorizont entsteht hier innerhalb eines Themas, wenn der/ die Befragte sich von anderen Personen, Institutionen oder Handlungen abgrenzt, ein positiver Gegenhorizont entsteht im Gegensatz dazu, wenn man sich an die explizierte Position anlehnt, wodurch innerhalb des rekonstruierbaren Orientierungsrahmens ein Enaktierungspotential offenbar wird, d. h. das Potential, die individuellen Orientierungen tatsächlich in (eigene) Handlungspraxis umzusetzen (vgl. Kleemann et al. 2009: 161 f.). Bei der Rekonstruktion von Rahmen bzw. Horizonten wird bereits sehr früh ein Vergleich mit anderen Fällen nötig, um herauszufinden, inwiefern bestimmte Propositionen mittels negativer oder positiver Gegenhorizonte (oder auch fehlender Gegenhorizonte) verhandelt werden. Lassen sich keine anderen Gegenhorizonte im gesamten Sample (fallimmanent und fallübergreifend) finden, können diese gedankenexperimentell 112 hergeleitet und mittels verschiedener möglicher Lesarten aufgeworfen werden, sind damit allerdings stark „standortabhängig“ (Bohnsack 2014a: 139) vom Interpreten bzw. von der Interpretin: „[Die Dokumentarische Methode] wird umso mehr methodisch kontrollierbar je mehr die Vergleichshorizonte des Interpreten empirisch fundiert und intersubjektiv nachvollziehbar und überprüfbar sind.“ (ebd.; Hervorhebung im Original) 113 Durch das hier bereits stattfindende, fallübergreifende Vergleichen von Passagen und Orientierungen ergeben sich Tertia comparationis (Sg. Tertium comparationis ), Dimensionen fallübergreifend festzustellender Eigenschaften, Themen, 112 Dies ist in der Regel im Rahmen einer objektiv-hermeneutischen Vorgehensweise noch üblicher (vgl. z. B. Wernet 2009), innerhalb der Dokumentarischen Methode allerdings durch tatsächlichen Fallvergleich mittels vorhandener Daten möglich und gängig. 113 Aus diesem Grund ist für die Arbeit mit der Dokumentarischen Methode auch das gemeinsame Analysieren in Forschungsgruppen in meinen Augen unerlässlich, um weitere (fremde) Perspektiven auf das eigene Material gewinnen zu können. 6.6 Aufbereitung der Daten und Analyse mittels Dokumentarischer Methode 187 Positionen, welche sich - zumindest zum Teil - auch aus den Forschungsfragen bzw. aus den Erzählimpulsen und Leitfragen durch das zugrundeliegende Erkenntnisinteresse ableiten lassen (vgl. Nohl 2017: 40), jedoch im späteren Schritt hin zur Typenbildung nochmals fallabstrahierend verallgemeinert werden. Im vorliegenden Sample wurden entsprechend zunächst als Tertia comparationis Aspekte wie „Gestaltung der Ausbildungs-/ Mentorentätigkeit“ bzw. „Arbeit mit LiV“ ermittelt, um heuristisch Charakteristika aus dem Material rekonstruieren zu können. Im Interviewmaterial wird komparativ-sequenzanalytisch sowohl nach homologen Äußerungen im Sinne eines minimalen Kontrasts gesucht, um „Fälle zu finden, in denen die in der ersten Äußerung verbalisierte Problematik bzw. Thematik auf eine strukturgleiche Art und Weise bearbeitet wurde“ (Nohl 2017: 37), als auch im Sinne eines maximalen Kontrasts solche Äußerungen, die dem gegenüberstehen und implizit Regelhaftigkeiten anders verhandeln. Das Ziel ist, durch die hiermit entstehenden Vergleichshorizonte, ein möglichst breites, in seiner intra- und interspezifischen Minimal- und Maximalkontrastierung stimmiges Bild der Einzelfälle herauszuarbeiten. Die dabei entstehenden Kontrastfälle eignen sich im Anschluss dazu, innerhalb einer Fallbeschreibung mittels ihrer Charakteristika (Orientierungsschemata und -rahmen) genauer dargestellt zu werden, habitualisierte Handlungspraxis zu rekonstruieren (vgl. Meuser 2013) und dann für eine Typenbildung (s. u.) unter Zuhilfenahme weiterer Fälle im Kontinuum des Kontrasts unterfüttert zu werden. 6.6.2.3 Fallbeschreibung Die Fallbeschreibung hat im Anschluss der reflektierenden Interpretation „primär die Aufgabe der vermittelnden Darstellung, Zusammenfassung und Verdichtung der Ergebnisse im Zuge ihrer Veröffentlichung“ (Bohnsack 2014a: 141) im Sinne der „Erschließung der singulären Logik des einzelnen Falls“ (Kramer et al. 2009: 43). Hierbei geht es damit sowohl um die Darstellung der rekonstruierten Orientierungsrahmen und -schemata als auch die Darstellung allgemeinerer Inhalte und Themen des jeweils betrachteten Falls, sofern sie das Spezifische des Falls herauszustellen vermögen. Im Gegensatz zu den von Bohnsack (2014) besonders herausgestellten Gruppendiskussionen ist für die vorliegenden Einzelinterviews weniger der Diskursverlauf relevant, sondern eher innerhalb der Fälle rekonstruierbare Themen (Tertia comparationis) , die sich mittels der fallimmanenten und -übergreifenden komparativen Betrachtung ergeben haben. Fallbeschreibungen sollen bewusst Textauszüge integrieren, um einerseits eine Transparenz der rekonstruierten Handlungspraxis und Orientierungen bzw. deren Analyse zu ermöglichen, andererseits das Spannungsverhältnis zwischen dem „Standort und Erfahrungsraum der Interpreten“ (ebd.: 143) und den Interpretierten offenzulegen. Die in Kapitel 7 folgenden Fallrekonstruktionen sind 188 6 Methodologischer Zugang und methodisches Vorgehen daher ganz bewusst noch sehr nah am Material der reflektierenden Interpretation, um den verhandelten Orientierungen genügend Raum zu geben, damit diese von den Lesenden nachvollzogen werden können. Es wird innerhalb dieser Fallrekonstruktionen ebenfalls nötig werden, an bestimmten Stellen direkt auf andere Fälle zu verweisen, da bestimmte habitualisierte Orientierungen (Orientierungsrahmen im engeren Sinne) als durch Biographie, Interaktion sowie Struktur und Organisation der Befragten geprägt anzunehmen sind: Die implizite Regelhaftigkeit der Bearbeitung von Themen und Problemen, die z. B. für eine Organisation spezifisch sind, lässt sich aber nur unter Heranziehung weiterer Interviews mit den Mitgliedern derselben Organisation und in Abgrenzung zu den Regelhaftigkeiten in anderen Organisationen (und d. h. zu den Interviews mit deren Mitgliedern) herausarbeiten. (Nohl 2017: 106) Ziel ist damit, in den Fällen die Orientierungsproblematik, die „Orientierungsdiskrepanz“ (Nentwig-Gesemann 2013: 313), innerhalb der Praktiken der befragten Lehrerbildner*innen herauszuarbeiten, welche später in einem weiteren Abstrahierungsschritt über alle vorliegenden Fälle hinweg vergleichbar gemacht werden kann. Die generalisierende, darüber hinausgehende Abstrahierung von Orientierungen der maximalkontrastiven Fälle unter expliziterer Einbeziehung der weiteren homologen oder heterologen Fälle erfolgt im Anschluss an die Fallbeschreibungen in Kapitel 8 im Sinne einer Typenbildung . 6.6.2.4 Typenbildung Im Zuge der Typenbildung werden die Orientierungsrahmen von den betrachteten Einzelfällen losgelöst und abstrahiert, auch unter Berücksichtigung weitere Fälle, welche aber im Zuge der Veröffentlichung nicht in der Breite dargestellt werden. Es geht hierbei um die rekonstruktive Abstraktion „reiner“ Fälle durch eine „abduktive Erkenntnishaltung“ (Nentwig-Gesemann 2013: 307) und damit von, auf das Sample bezogen, verallgemeinerbaren Typen. Eine Typologie dient damit als Annäherung an verallgemeinerbare Aussagen zum betrachteten Sample (vgl. Kelle/ Kluge 2010) - aber auch nicht mehr. Alle Schlüsse, die in dem Zusammenhang gezogen werden, müssen daher forschungsreflexiv nicht nur begründet hergeleitet werden, sondern ebenso kritisch bezüglich verallgemeinernder Aussagen bewertet werden, die in einem solchen Kontext - und das ist Forschungsvorhaben im qualitativen Paradigma gemein - ohnehin nicht getroffen werden können. Wie Schart (2017: 273 f.) herausstellt, spielt im Zusammenhang mit der Typenbildung (auch in anderen forschungsmethodischen Ansätzen, in denen Typologien entwickelt werden) zudem die Frage eine Rolle, inwiefern theoretisches Wissen der Forschenden innerhalb an sich explorativer Vorhaben und Analysen von Wichtigkeit ist und berücksichtigt, zumindest 6.6 Aufbereitung der Daten und Analyse mittels Dokumentarischer Methode 189 reflektiert werden müsste. Auch Gegenstand von Diskussionen ist, „ob die Generierung von neuartigen Typologien im Sinne eines explorativen Vorgehens überhaupt möglich sei, wenn man die Vergleichsdimensionen bereits vorab festlege und damit die einzelnen Elemente theoriegeleitet zu Typen anordne“ (ebd.: 273). Für das hiesige Vorgehen soll sichergestellt werden, dass die ermittelte Typologie sich nachvollziehbar aus den Daten ergibt, dass also z. B. die im ersten Drittel dieser Arbeit als relevant dargestellten, empirischen Arbeiten (Kapitel 2 bis 4) erst im Anschluss an eine Typenbildung wieder in Beziehung zu den Erkenntnissen gesetzt werden. 114 Zugrunde gelegt wird zwecks der Aufschlüsselung hier das Prinzip der Bildung einer Basistypik, die datengeleitet aus der Rekonstruktion der Orientierungen ein - wie oben schon angedeutet - bestimmtes Orientierungsproblem, eine „Orientierungsdiskrepanz“ (Nentwig-Gesemann 2013: 313), der Akteurinnen und Akteure herausstellt und dann in je spezifischen Bearbeitungen derselben in verschiedene Typen mündet. Hierbei unterstützend wirkt ebenfalls das methodische Gerüst der Dokumentarischen Methode, das zwei Arten der Typenbildung unterscheidet: sinngenetische Typenbildung und soziogenetische Typenbildung (vgl. Nohl 2017: 41 ff.). Im Zuge einer sinngenetischen Typenbildung werden die Orientierungsrahmen der Fälle entlang ihrer Tertia comparationis systematisch in ihrer Unterschiedlichkeit betrachtet: „Die sinngenetische Typenbildung zeigt, in welch unterschiedlichen Orientierungsrahmen die erforschten Personen jene Themen und Problemstellungen bearbeiten, die im Zentrum der Forschung stehen.“ (ebd.: 43) Die sinngenetische Typenbildung kann an dieser Stelle jedoch noch nicht darstellen, wie sich ein bestimmter Orientierungsrahmen im engeren Sinne als Habitus entwickelt hat. Dies kann die soziogenetische Typenbildung leisten, da sie herauszuarbeiten versucht, wie Orientierungsrahmen über soziale, soziodemographische oder biographische Zusammenhänge hinweg entstanden sind. Jedoch: Die vorliegende Untersuchung vermag es aufgrund des Samples nicht, eine detailliert abgesicherte Soziogenese der Habitūs rekonstruierbar werden zu lassen. Zwar finden sich in innerhalb des Samples von Lehrerbildner*innen Professionelle zu unterschiedlichen Zeitpunkten, sprich: mit unterschiedlicher 114 Daher werde ich kaum im Rahmen der Ergebnisdarstellungen in den Kapiteln 7, 8 und 9 auf einschlägige empirische Erkenntnisse oder Konzepte, sondern erst in der Zusammenfassung und Diskussion (Kapitel 10) hierauf verweisen - wohl wissend, dass die vorgelegten Erkenntnisse aus anderen Untersuchungen immer Bedeutung haben und gleichsam „mitschwingen“. Dass man sich als Forschende/ r völlig frei machen kann (bzw. soll) von theoretischen Grundkonzepten und Vorwissen, halte ich selbst für problematisch, und wird an vielerlei Stellen diskutiert. Schart (2017) verweist auch auf Bohnsacks Kritik (2014) sowie auf die „vermittelnde Position“ (Schart 2017: 273) von Kelle und Kluge (2010: 63), die sich für abstrakte Konzepte und „empirisch gehaltlose Kategorien“ aussprechen im Sinne einer „theoretischen Heuristik“. 190 6 Methodologischer Zugang und methodisches Vorgehen Erfahrung, jedoch sind die individuell habitualisierten Orientierungsrahmen nicht längsschnittlich erhoben. Tentativ werden in der späteren Analyse Vermutungen über soziogenetische Typen angelegt, es bedarf aber weiterer Forschung - wie z. B. zur insbesondere der in internationaler Forschung zentral gestellten Einführungsphase von Ausbildungskräften -, in der dann die Soziogenese von Orientierungsrahmen und Habitūs mittels mehrerer Erhebungszeitpunkte sicher im Sinne eines Professionalisierungsprozesses nachvollzogen werden könnte. Um den einen beruflichen Habitus von Lehrerbildner*innen im fremdsprachendidaktischen Vorbereitungsdienst über die Rekonstruktionen der im Sample vorliegenden Orientierungsrahmen im engeren Sinne und ihrem je spezifischen Umgang mit normativen Setzungen dennoch aussagekräftig zu gestalten, konnten Orientierungsrahmen in zwei Dimensionen rekonstruiert werden, die eine relationale Typenbildung erlauben (vgl. Nohl 2013). Abbildung 15 zeigt exemplarisch und abstrakt, wie in einer zweidimensionalen Typenbildung im Zuge der Rekonstruktion drei Fällen (1, 2 und 3) etwas Gemeinsames, Typisches, attestiert werden kann und die Fälle damit einen Typus C bilden, sie dann jedoch aus einer zweiten Typologie heraus, mittels einer anderen Perspektive, doch Unterschiede zeigen, die dann wiederum homolog in zwei jeweils weiteren Fällen anderer Typiken beschreibbar werden. Abb. 15: Zweidimensionale Typenbildung (Nohl 2017: 44). Es liegt damit in der Natur einer solchen, mehrdimensionalen Typenbildung, dass über die ursprünglichen Leitfragen oder Erzählimpulse hinaus weitere Typiken entstehen, die vorher (möglicherweise theoriegeleitet) noch nicht vorhersehbar waren, die sich gleichsam in der Analyse mittels der Typenbildung erst abbilden. 6.6 Aufbereitung der Daten und Analyse mittels Dokumentarischer Methode 191 6.6.3 Präsentation und Auswertung Die Präsentation der mittels Dokumentarischer Methode vorgenommenen Analyse findet in den nächsten Kapiteln seinen Niederschlag. Auf Basis der Identifikation relevanter und dichter Textstellen in Interviews, formulierender sowie reflektierender Interpretation und damit auch einer komparativen Betrachtung der vorliegenden Fälle wurden drei maximalkontrastive Fallbeispiele ausgewählt, welche anhand der erarbeiteten Analyse und Orientierungen zunächst zum Zwecke der detaillierten Aufschließung dargestellt werden (Kapitel 7). Sie geben damit einen differenzierten Einblick in die unterschiedlich wirksamen Orientierungen innerhalb des von mir untersuchten Samples. Die Falldarstellungen sind thematisch gegliedert, wobei sich diese Themen sowohl aus der komparativen Betrachtung der Fälle ergeben, als auch fallimmanent vorgegeben sein können. Die innerhalb der Themen hervortretenden Orientierungsrahmen hinsichtlich der Handlungspraktiken und Ausbildungsdidaktik werden kontrastiv mit den anderen Fällen in Beziehung gesetzt. Die Themen sind dabei nicht zwingend homolog chronologisch zum Verlauf der Interviews dargestellt. Typischerweise werden allerdings bereits in den jeweils zu Beginn vorangestellten, berufsbiographisch-narrativ orientierten Erzählimpulsen zentrale Themen offenbar, die innerhalb des Orientierungsrahmens im weiteren Sinne spannungsreich zwischen Orientierungsschemata und Habitus verhandelt werden. Mit ihnen wird daher in die Falldarstellungen eingestiegen. Innerhalb der Fallrekonstruktionen in Kapitel 7 sowie im Rahmen der komparativen Betrachtung der Handlungspraktiken sowie ihrer Typenbildung in Kapitel 8 werden bewusst Transkriptionen der Interviewauszüge eingebunden, um die vorliegenden Analysen nachvollziehbar zu machen, bestätigen und validierend einbetten zu können. Sofern aus forschungsethischen Gründen und zur Wahrung der Anonymität der Befragten Passagen nicht explizit eingebunden werden (können), ist dies separat dargelegt. In diesem Fall wird der Inhalt entsprechender Passagen paraphrasiert und für seine Relevanz innerhalb der Fallrekonstruktionen offengelegt. Zur visuellen Unterstützung der Untersuchungsergebnisse und Fallrekonstruktionen wird auf die kreisförmige Darstellung Bohnsacks (2013) zum Verhältnis von Orientierungsrahmen, Orientierungsschemata und Habitus zurückgegriffen (ebd.: 182; s. Abbildung 14), um die jeweils im Fall ausgehandelten Themen und Orientierungen in ein Verhältnis setzen zu können. Anschließend an die ausführlichen Fallrekonstruktionen erfolgt eine Typenbildung bezogen auf die Ausbildungspraxis mittels einer relationalen Typenbildung (Kapitel 8). Der Generierungsansatz geht aus von einer dann noch zu diskutierenden Basistypik der Ausbildungspraxis, die unter Berücksichtigung weiterer Fälle 192 6 Methodologischer Zugang und methodisches Vorgehen mittels komparativer Sequenzanalyse in bestimmten Dimensionen zur Gewinnung einer validen Objektivierung von Orientierungsrahmen genutzt werden (Kapitel 8; vgl. Bohnsack/ Nohl 2013, Nohl 2013, Nohl 2017: 36 ff.). 115 Der vierten Forschungsfrage folgend zur Rekonstruktion von Wissensbeständen im Sinne einer Ausbildungsdidaktik kann hier schon vorausgeschickt werden, dass die Eindeutigkeit der rekonstruierbaren Orientierungen nicht derart eindeutig und kontrastierend komparativ validierbar wie es für die Ausbildungspraxis aufgrund der Datenlage möglich war. Daher kann hier nicht von einer Typenbildung bzw. eindeutigen Rekonstruktion von Orientierungen gesprochen werden. Die ausbildungsdidaktischen Schwerpunkte werden hingegen stark explorativ entlang verschiedener Vergleichsmomente komparativ betrachtet, um zumindest näherungsweise auf die Ausbildungspraktiken bezogen werden zu können (Kapitel 9). Die Rekonstruktionen und Ergebnisse werden in Gänze erst in Kapitel 10 diskutiert und an die in den Kapiteln 2-4 diskutierte Theorie rückangebunden. Dies geschieht differenziert für die Forschungsgegenstände Ausbildungspraxis und -didaktik, außerdem soll sich im Anschluss einer zusammenfassenden Habitusrekonstruktion der „Lehrerbildner*innen im fremdsprachendidaktischen Vorbereitungsdienst“ gewidmet werden. 115 In jüngerer Vergangenheit wird in Publikationen, die die Dokumentarische Methode verwenden, auch anders verfahren, dass z. B. eine Typik den Fallbeschreibungen vorangestellt wird und dann exemplarisch diese in der Logik gewissermaßen von hinten beginnend aufgeschlossen wird. Ich habe mich dafür entschieden, den traditionelleren Weg zu gehen, um der Wertigkeit der einzelnen, kontrastiven Fälle und der darin enthaltenen Stimmen sowie impliziten wie expliziten Thematiken den nötigen Raum zu geben. Erst im Anschluss daran erfolgt unter komparativer Betrachtung weiterer Fälle die begründete Typenbildung. 7 Fallrekonstruktionen: Lehrerbildner*innen im fremdsprachendidaktischen Vorbereitungsdienst Nach Durchsicht aller Interviews und der ersten formulierenden und reflektierenden Interpretationen kristallisierten sich Tertia comparationis heraus, die die je spezifische Bearbeitung von Themen als Orientierungen der Ausbildungskräfte vergleichbar machen ließen. Hierzu gehören 1) die individuelle Berufsbiographie und damit einhergehend ein professionelles Selbstverständnis, 2) die Gestaltung der Ausbildungspraxis für LiV, 3) der Umgang mit der Organisation Studienseminar sowie formalen Vorgaben und 4) die relevant gesetzten Inhalte (Ausbildungsdidaktik). In den nun vorzustellenden Fallrekonstruktionen wurden auf Basis der thematischen Gliederungen sowie der formulierenden Interpretationen jeweils Schwerpunkte im Interviewmaterial identifiziert, die im Rahmen der reflektierenden Interpretation genauer beleuchtet wurden und hier exemplarisch innerhalb des Falls deutlicher gezeigt werden sollen. Abb. 16: Visualisierung der schrittweisen Darstellung und der Zusammenhänge innerhalb der Fallrekonstruktionen. Die berufsbiographisch relevanten Passagen aus dem Interviewmaterial werden eingangs dargestellt, um im Sinne einer Kontextualisierung eine Einleitung in die jeweiligen Fälle zu geben, bevor dezidiert die Schwerpunktsetzungen der Interviewpartnerinnen und -partner angeführt werden, welche sich vorab bereits innerhalb der berufsbiographischen Erzählungen als Orientierungsrahmen andeuten. Die Themenfelder unterscheiden sich in ihrer Kontrastiertheit voneinander und werden im Zuge der sich an die Fallrekonstruktionen anschließenden Typenbildung noch detaillierter voneinander abgegrenzt und mit jeweils ähnlich gelagerten Fällen in ein Spektrum des gesamten Samples 194 7 Fallrekonstruktionen aufgespannt (s. Kapitel 8). In ihrer Strukturiertheit eint die nachfolgenden Fallrekonstruktionen jeweils die im Interview zuletzt eingebundene Frage nach dem Wunschkonzept einer Fremdsprachenlehrerbildung, welche auf expliziter Ebene häufig Kritik evoziert, auf impliziter Ebene wiederum die vorher dargestellten Themenfelder und Orientierungsrahmen zu bestätigen vermag. Es soll an dieser Stelle - und wird noch an weiteren Stellen - darauf hingewiesen werden, dass mit der Darstellung der Fälle und ihrer Handlungspraxis in keinster Weise Qualitätszuschreibungen oder -bewertungen der jeweils interviewten Personen vorgenommen werden. Es ist nicht die Aufgabe oder Ziel dieses Forschungsvorhabens, die Ausbildungstätigkeit qualitativ zu beurteilen, die genutzte Erhebungsform des Interviews sowie die hier vorgelegte Analyse vermag dies auch gar nicht zu leisten. Mit den Worten von Bohnsack (2014) „interessiert nicht, ob die Darstellungen (faktisch) wahr oder richtig sind, sondern es interessiert, was sich in ihnen über die Darstellenden und deren Orientierungen dokumentiert “ (ebd.: 65; Hervorhebung im Original). D.h. der methodisch-methodologische Zugriff vermag lediglich aufzuzeigen, welche Orientierungen sich in diesem (begrenzten) Sample antreffen lassen und wie diese handlungsleitend Ausbildungspraxis bestimmen können. Inwiefern diese jeweils fallimmanenten und typologisierbaren Orientierungen und Habitūs Schlüsse auf den Vorbereitungsdienst, seine Akteurinnen und Akteure sowie lehrerprofessionalisierende Prozesse zulassen, muss im späteren Verlauf (kritisch) diskutiert werden. 7.1 Fallrekonstruktion 1: Moritz Wagner Moritz Wagner ist hauptamtlicher Ausbilder für Französisch im Bereich Haupt- und Realschulen. Wie in der nachfolgenden Fallrekonstruktion noch im Detail gezeigt werden soll, offenbart sich hier bezüglich der Gestaltung der Ausbildungspraxis ein moderierend-konstruktivistischer Habitus mit einer Flexibilitäts- und Unabhängigkeitsorientierung bzw. -erwartung , welche durch den Ausbilder auch modellhaft in die Beratung und Bewertung getragen wird. Berufsbiographisch eingefärbt zeigt sich eine starke fremdsprachendidaktische Orientierung schon in seiner eigenen Studienzeit und besonders im eigenen Vorbereitungsdienst sowie Berufseinstieg, jedoch scheint sich diese Tendenz im Zuge des Wechsels in die Ausbilderrolle zu ändern: Hier werden z. B. in Seminarsitzungen stärker (unterrichtliche) Erfahrungen und erfahrungsbasiertes Wissen in den Vordergrund gerückt, die LiV werden als fachwissenschaftlich (= sprachlich) ausgebildete Erwachsene wahrgenommen, die Wagner vor allem im Hinblick auf autonomes, eigenverantwortliches Handeln im Sinne einer professionellen Freiheit beraten und begleiten möchte. 7.1 Fallrekonstruktion 1: Moritz Wagner 195 Die beiden Themen „Sprache“ und „Freiheit“ spielen in verschiedenen Aushandlungssituationen der Ausbildungskraft über das gesamte Interview hinweg eine bedeutende, problematisierende Rolle, weswegen sie sich in der thematischen Untergliederung innerhalb dieser Fallrekonstruktion zeigen. Auch in der Eingangserzählung, die - wie oben beschrieben - berufsbiographisch-narrativ erfolgt und dabei bereits vermag, Orientierungen zu offenbaren: I: Du bist Ausbilder für Fremdsprachenlehrkräfte. 116 Ähm kannst du mir zu/ kurz erzählen, wie es dazu gekommen ist, dass du angehende Fremdsprachenlehrkräfte unterrichtest? Also du kannst im Grunde genommen dabei so weit ausholen, wie du möchtest. Ähm ich würde dich dabei auch nicht unterbrechen erstmal im Wesentlichen. Ähm also alles, was dir quasi wichtig ist, würde mich dann in dem Sinn interessieren. B: (.) Ja. Äh, ich fange tatsächlich ein bisschen weiter an. Nämlich mit meinem eigenen Referendariat. Denn mein eigenes Referendariat hat ähm mir unheimlich große Freiheiten beschert und ich konnte also sehr viel ausprobieren und auch sehr viel (.) aktiv selbst machen. Das war von der Schule so ähm gut unterstützt und eben aber auch hier vom Seminar beziehungsweise vom Name des Ortes X Seminar, weil Französisch eben in Name des Ortes X ausgebildet worden ist. Und ich habe mich vielleicht noch einen Schritt weiter vorne auch ähm an der Uni schon sehr stark für Fremdsprachendidaktik eher interessiert. Französisch war eher MEIN FACH im Gegensatz zu/ zu Name des Zweitfachs , was (.) so mitlief ähm mitläuft (lachend) vielleicht auch noch. Und es war dann so, (.) dass ich während der Ausbildung schon auch immer weiter noch an der Uni Seminare besucht habe und auch teilweise Gruppen an der Uni mit äh übernommen habe im Bereich Fremdsprachendidaktik. Übung zur Einführung in Fremdsprachendidaktik und so weiter. (.) [Zeilen 1-22] 117 Mit dem einleitenden Erzählimpuls beginnt Moritz Wagner seine Antwort auf die Frage, warum er Ausbilder für angehende Fremdsprachenlehrkräfte geworden ist, mit der eigenen biographischen Erfahrung während seines Referendariats. Obwohl die narrative Einstiegsfrage danach zielt, wie es dazu gekommen 116 Interviewer und Ausbildungskraft kannten sich zum Interviewzeitpunkt bereits aus anderen Kontexten, weswegen sie sich im Interviewverlauf informell ansprechen. Dies hat für die Fallrekonstruktion und Interpretation entsprechend auch Berücksichtigung gefunden. 117 Die Interviewauszüge werden im Folgenden wie hier notiert herausgestellt. Die Zeilenangaben beziehen sich auf die Zeilen in den Originaltranskripten und sind damit nur annäherungsweise zur Orientierung angegeben. I steht für Interviewer, B jeweils für die/ den Befragte/ n. Wenn im jeweils nächsten Auszug keine Abkürzung angegeben ist, stellt dieser jeweils einen Abschnitt der/ des Befragten dar im Sinne eines narrativ-orientierten Interviews. Zu den Transkriptionsrichtregeln siehe Anhang B. 196 7 Fallrekonstruktionen ist, dass er als Fachleiter angehende Fremdsprachenlehrkräfte ausbildet, akzentuiert er hier durch den doppelten, attributiven Gebrauch des „eigenen“, dass er rückblickend zunächst seine eigene Referendarszeit schildern möchte. Im Gegensatz zu einigen anderen Ausbildungskräften, wie sich später noch herausstellen wird, nennt er an dieser Stelle keine Personen wie z. B. seine ehemaligen Ausbilderinnen und Ausbilder, die ihn möglicherweise geprägt oder beeinflusst haben, vielmehr stellt er das ihm „eigene“ und „aktive“ Erleben und Gestalten des Vorbereitungsdienstes heraus. Durch das bewertende Adverb „sehr“ (Z. 10 f.) wird vom Ausbilder akzentuiert, dass er in seinem eigenen Referendariat „große Freiheiten“ (Z. 10) hatte und viele Dinge ausprobieren konnte - ein Motiv, das sich an späteren Stellen ebenfalls noch zeigen wird. Bemerkenswert ist hier, dass das Referendariat zum Agens des Ermöglichens dieser Freiheit und damit quasi personalisiert wird: „… mein eigenes Referendariat hat … mir unheimlich große Freiheiten beschert“ (Z. 10-12). Als Gründe für diese Freiheiten nennt er die gute Unterstützung der Schule sowie die des begleitenden Seminars. Besonders durch die Tatsache, dass viele LiV die zweite Phase der Ausbildung als eher stressig und anspruchsvoll beschreiben (vgl. Kap. 4.2.1), fällt hier die positive Bewertung Wagners ins Auge. Moritz Wagner beschreibt darauffolgend weiterhin, fortgeführt in aktiver Sprache, dass er schon seit der universitären Ausbildung ein gesteigertes Interesse an der Fremdsprachendidaktik hatte. Wegen dieses Interesses hat er auch schon vor seiner Tätigkeit als Ausbilder verschiedene fachdidaktische Seminare an der Universität geleitet. Durch die metaphorische Formulierung „noch einen Schritt weiter vorne“ wird hervorgehoben, dass Wagner nicht erst seit der zweiten Phase der Ausbildung ein Interesse für die Fremdsprachendidaktik entwickelt hat, sondern schon vor der praktischen Erfahrung im Referendariat, in der er selbst eigenständig Universitätsseminare besucht hat. Möglicherweise wegen des stärkeren Interesses an der Fremdsprachendidaktik beschreibt Moritz Wagner, dass sein weiteres Fach ausschließlich „so mitlief […] mitläuft“ (Z. 17). Er wirft durch sein Interesse mittels einer Betonung der Fremdsprachendidaktik („sehr stark“ und „eher“) einen Gegenhorizont zum Zweitfach auf. Dies wird durch die verschiedenen Tempora deutlich, dass sein zweites Fach in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart weniger wichtig war/ ist als das Fach Französisch, das er stark als „sein Fach“ hervorhebt. Es ist zu vermuten, dass das eigentliche Fach Französisch ein ausschlaggebender Grund für die Arbeit als fremdsprachendidaktischer Ausbilder ist. Und ähm dann macht man irgendwann Examen und ich bin gleich übernommen worden und habe weiter an der Name der Schule unterrichtet und (.) ähm nach zwei Jahren hat mich ein Kollege angesprochen, ob ich mir nicht vorstellen könnte Ausbilder zu 7.1 Fallrekonstruktion 1: Moritz Wagner 197 werden. (.) Da ging es aber um den Name des Zweitfachs -Ausbilderposten. Und äh (..) das konnte ich mir damals noch nicht vorstellen, weil zwei Jahre im Schuldienst, ich hatte noch nicht jede Klasse einmal. Das war/ das habe ich dann erstmal abgelehnt und ähm (…) ja auch mit dem Blick Name des Zweitfachs -Ausbilder, das fand ich jetzt nicht ganz so spannend für mich. Habe aber während der Zeit immer mich weiter auch fortgebildet in/ im Fremdsprachenbereich. Fachtage in Name Ort X , also was ihr in Englisch in Name Ort Y macht, gibt es ja auch praktisch alle zwei Jahre in Name Ort X . Ähm wo sehr viele Französischlehrer zusammenkommen. Habe dann auch bei Schulbuchverlag angefangen mitzuarbeiten im Bereich von Lehrbuchentwicklung. (.) [Zeilen 22-37] Der Ausbilder führt hier aus, dass er nach seinem Examen weiter an einer Schule gearbeitet hat und er dort nach zwei Jahren von einem Kollegen gefragt wurde, ob er sich vorstellen könne, als Ausbilder für das Zweitfach zu arbeiten. Aufgrund der Tatsache, dass Wagner erst seit zwei Jahren im Schuldienst war und es sich um eine Position als Ausbilder für sein anderes, nicht-fremdsprachliche Fach handelte, lehnte er das Angebot ab. Die Betonung des Zweitfachs (Z. 27) lässt sich so deuten, dass Moritz Wagner zwar der Position als Ausbilder nicht abgeneigt ist, diese aber für das Fach ablehnt, das Fachliche (nicht Fremdsprachliche) in dem Zusammenhang „nicht ganz so spannend“ (Z. 31) findet, worin sich erneut seine Favorisierung der Fremdsprachendidaktik ausdrückt. Als Voraussetzung für eine Ausbildungstätigkeit sieht er auf einer expliziten Ebene, dass man als Lehrkraft jede Klassenstufe einmal unterrichtet haben sollte, aber in der Gesamtschau dieses Absatzes zudem auf eher impliziterer Ebene auch, dass man die Tätigkeit und das Fach „spannend“ findet. Die häufigen Sprechpausen könnten andeuten, dass Wagner länger nachdenken muss, um das Gesagte zu formulieren oder Zeit benötigt, um sich der Beweggründe für die Ablehnung des Postens reflexiv bewusst zu werden. Auffällig ist die zunächst unpersönliche und passive Konstruktion im einleitenden Satz („man macht … Examen“ und „ich bin gleich übernommen worden“, Z. 22-23), die unterbrochen wird von der aktiven Tätigkeit des Unterrichtens. Er betont mittels des unpersönlichen Personalpronomens „man“” damit, dass das Examen von allen Lehrkräften an einer Stelle der Berufsbiographie abgelegt wurde und ihn damit nicht besonders auszeichnet. Die Tatsache, übernommen worden zu sein, in der 1. Person formuliert, stellt er hingegen stärker heraus. In der zweiten Hälfte der Passage erzählt er, dass er sich trotz der Ablehnung des Postens als Ausbilder im Zweitfach weiter im Fremdsprachenbereich fortgebildet hat. Die hiermit herausgestellte Eigeninitiative der Weiterbildung taucht damit an dieser Stelle schon bereits zum zweiten Mal innerhalb der Eingangserzählung auf (vgl. ersten Auszug). Durch die Teilnahme an Fortbildungen 198 7 Fallrekonstruktionen für den Fremdsprachenbereich fällt auf, dass er sich besonders für die Weiterentwicklung im Fach Französisch interessiert, diese Entwicklung aber auch ganz persönlich an sich selbst und seiner eigenen Lehrkompetenz („immer mich weiter auch“, Z. 31-32) festmacht. Des Weiteren begann er im Laufe seiner Berufsbiographie, ein Lehrwerk mitzuentwickeln. Diese Mitarbeit bei einem Schulbuchverlag könnte darauf hindeuten, dass Wagner sich ebenfalls für die Fremdsprachendidaktik außerhalb der Schule interessiert und dafür auch „außerschulische“ Zeit investiert bzw. die Mitarbeit an einem Schulbuch, den Austausch in Autorenteams, als Form der individuellen Weiterentwicklung und Fortbildung ansieht, die er für das Zweitfach vermutlich nicht angestrebt hätte. Unklar bleibt hier, ob die Initiative, an dem Lehrwerk mitzuwirken, von Moritz Wagner ausging oder die Anfrage eines Schulbuchverlages war. Und wurde dann vor jetzt (.) sieben, acht Jahren ähm von meinen ehemaligen äh Ausbilder in Französisch gefragt, ob ich das nicht übernehmen wollte, weil er in Ruhestand ging. Und das war dann/ da war ich immerhin sechs, sieben Jahre in der Schule und da dachte ich, „okay. Ich habe zumindest jede Klasse (lachend) einmal gesehen und auch durchgeführt. Da funktioniert das.“ Und ich finde das halt auch einfach spannend in dem Bereich zu arbeiten, wo man äh Unterricht auch stärker aus der didaktisch-methodischen Perspektiven anschaut, nicht GANZ so stark von oben wie in der Uni. [Zeilen 37-45] Mit dem einleitenden, passiv gestalteten Erzählimpuls erläutert Moritz Wagner, dass ihn sein ehemaliger Französischausbilder gefragt habe, ob er die Position als Französischausbilder wegen des baldigen Ruhestands übernehmen wolle. Das Verb „übernehmen“, syntaktisch eingebettet in eine indirekte Frage, impliziert hier das Weiterführen eines gewissen Status quo als Nachfolger der vorherigen Ausbildungskraft, möglicherweise von letzterer gewünscht als ein „Fortsetzen“ und „Erhalten“ bestehender Strukturen. Wagner begründet das Annehmen des Angebots mit seiner sechsbzw. siebenjährigen Erfahrung in der Schule und seines Interesses an didaktisch-methodischen Überlegungen, die er oben ebenfalls bereits im Zusammenhang mit dem Attribut „spannend“ angeführt hat. Da die Ausbildungskraft schon im vorherigen Abschnitt des Interviews als Voraussetzung anmerkt, dass er „jede Klasse einmal gesehen“ (vgl. Z. 28 f., 41 f.) haben möchte, bevor er als Ausbilder tätig wird, könnte man daraus schließen, dass ihm die praktische Schulerfahrung für die Arbeit als Ausbilder sehr wichtig ist. Diese konstruiert er allerdings hier als ein „Sehen der Klassenstufen“, nicht explizit als „Unterrichten der Klassenstufen“, obwohl dies vermutlich von ihm gemeint war. Es kann als Indiz dafür dienen, dass das Unterrichten einer Jahrgangsstufe noch keine routinierte 7.1 Fallrekonstruktion 1: Moritz Wagner 199 Professionalität bezogen auf diese Jahrgangsstufe nach sich zieht. Durch die Formulierung „[d]a funktioniert das“ (Z. 42) wird deutlich, dass die hiermit verbundene praktische Schulerfahrung für Moritz Wagner nicht nur wichtig, sondern essentiell für die Position als Ausbilder gesehen wird, da die Arbeit sonst nicht „funktionieren“ würde. Auffallend ist außerdem, dass er die universitäre Ausbildung metaphorisch als „von oben“ (Z. 45) beschreibt, eine Perspektive auf Unterricht, die er persönlich „nicht ganz so stark“ (Z. 46) einnehmen möchte. Damit dokumentiert sich, dass Wagner den universitären Blick auf Unterricht innerhalb der Lehrerbildung eher oberflächlicher bzw. auf einer anderen Ebene bewertet und dass er besonders an den möglicherweise „tiefer gehenden“ didaktisch-methodischen Überlegungen in Bezug auf Unterricht interessiert ist. Er entwirft hier innerhalb eines Satzes einen Gegenhorizont von praxisferner erster Phase in der universitären Lehrerbildung und der zweiten Ausbildungsphase, in der (erst) eine didaktisch-methodische Perspektive auf Unterricht eine Rolle spielt. Diesen Gegenhorizont mittelt er gleichsam im folgenden Abschnitt mit der schulischen Tätigkeit des Unterrichtens, die vollkommen der Praxis entspricht: (.) Ähm aber auch nicht ganz so praxisorientiert wie halt nur in der Schule. Also das ist ähm so, glaube ich, so das/ der Beweggrund auch gewesen, warum ich das machen wollte oder warum ich gesagt habe, „ja, das mache ich jetzt.“ Da ich in der Schule/ ist es ja oft so, dass durch den 27 Stunden Zeitdruck und ähm (…) doch auch geringe Vorbereitungszeit öfters mal ähm Dinge oft einfach auch aus dem Buch heraus unterrichtet werden. [Zeilen 46-52] Moritz Wagner argumentiert in diesem Absatz, dass er die Arbeit in der Schule als zu praxisorientiert empfunden hat und aufgrund von Zeitdruck oftmals mit dem Schulbuch unterrichten musste. Es fällt auf, dass er durch die generalisierende Ausdrucksweise („in der Schule/ ist es ja oft so“) nicht nur sich von Zeitdruck betroffen sieht, sondern auch andere Lehrkräfte mit einschließt. Der Ausdruck „aus dem Buch heraus [unterrichten]“ (Z. 51 f.) ist ungewöhnlich, da man eher eine Phrase wie „ mit dem Buch unterrichten“ erwarten könnte. Der Tausch der Präposition verstärkt hier das exklusive Nutzen des Schulbuchs als Unterrichtsmedium, während ein „mit dem Schulbuch“ eher den begleitenden Charakter des Lehrwerks unterstützt hätte. Wagner betont mit dem Ausdruck „aus dem Buch heraus [unterrichten]“ (Z. 51 f.) ebenfalls, dass Lehrkräfte an der Schule durch den Zeitdruck weniger Vorbereitungszeit für den Unterricht haben und sie somit den eigenen Unterricht weniger gut planen können. Es könnte außerdem ein Hinweis darauf sein, dass aufgrund von Zeitmangel wenig eigene Überlegungen der Lehrkräfte in die Unterrichtsplanung mit einfließen können, die ein Lehrwerk eher flankieren könnten und mehr Freiheiten in der Unter- 200 7 Fallrekonstruktionen richtsgestaltung geben. In der letzten Beschreibung ist bemerkenswert, dass er zunächst aus einer persönlichen Perspektive argumentieren möchte („Da ich in der Schule …“), dann jedoch abbricht und es auf eine allgemeinere, unpersönlichere Ebene transferiert, die in sich einen allgemeingültigen, normativen Anspruch auch im Sinne einer Bewertung des beruflichen Zeitdrucks mit sich trägt. Dieses von ihm angestrebte, flexiblere Arbeiten führt er dann als Gegenhorizont zum aufgeworfenen Zeitdruck im Folgenden näher aus: Und das waren nie so mein Arbeiten und da wollte ich einfach auch gucken, ob man das Leuten nicht auch irgendwie vermitteln kann, anders an/ an Unterricht ranzugehen als mit 27 Stunden. Das war so/ ja und dann bin ich hier gelandet. Erstmal mit Französisch (lacht) und dann rutscht man so langsam weiter (lachend) rein und muss dann bis heute alles machen. (lacht) [Zeilen 52-57] Der Ausbilder sagt, dass die durch Zeitdruck geprägte Arbeit an der Schule „nie so [sein] Arbeiten“ (Z. 52) war und er anderen Leuten, womit an der Stelle Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst gemeint sind, auch alternative Arbeitsweisen aufzeigen möchte. Des Weiteren erläutert er, dass er seit seiner Arbeit als Ausbilder für Französisch immer weiter in die Ausbildungstätigkeit „reingerutscht“ sei. Der Ausdruck „als mit 27 Stunden“ (Z. 54 f.) könnte in diesem Zusammenhang als Metonymie fungieren, die den schulischen Zeitdruck beschreibt bzw. ersetzt. Besonders durch diesen Zeitdruck in der schulischen Praxis scheint es Moritz Wagner ein Anliegen zu sein, den LiV andere Wege zu vermitteln, wie man Unterricht abwechslungsreich trotz dieser Zwänge gestalten kann. Der Ausbilder ist dann im Studienseminar im metaphorischen Sinne „gelandet“, was in einer Lesart eine gewisse Sicherheit bzw. Halt und Anhalten bedeuten kann, auf der anderen Seite aber durch das sich anschließende „Erstmal“ auch eine nur vorübergehende Position beschreiben kann, von der er ebenfalls wieder „abheben“ und diese damit verlassen kann. Jedoch spricht vieles für eine Lesart des Halts, da an der Stelle noch ein weiteres Bild einführt: Mit dem Verb „reinrutschen“ (Z. 56 f.) impliziert Herr Wagner, dass er seit seiner Arbeit als Ausbilder für das Fach Französisch quasi-automatisch andere Ausbildungsaufgaben übernommen hat. Durch das Verb und zusätzlich die unpersönliche Form „man“, auch die Unfreiwilligkeit des „muss dann bis heute alles machen“, wird außerdem innerhalb einer normativen Annahme impliziert, dass die Übernahme von anderen Ausbildungsaufgaben eher extern bestimmt wird und er sich nicht bewusst dafür entscheiden konnte, einige der zusätzlichen Aufgaben potentiell weniger fremdsprachenbzw. französischdidaktische Aspekte tangieren. Besonders im letzten Satz fällt dabei auf, dass Wagner viele Lachpausen einlegt. Dies könnte daraus resultieren, dass ihm das extern bestimmte „Reinrutschen“ erst im Moment der Aussprache reflexiv bewusst wird bzw. durchaus 7.1 Fallrekonstruktion 1: Moritz Wagner 201 unangenehm sein könnte. Die vorherigen Passagen waren im Vergleich hierzu geprägt von einem sehr aktiv gestaltenden Interviewpartner, während dieser Abschnitt auch durch die zahlreichen Passivkonstruktionen von einem retrospektiv wahrgenommenen Geschehen des Ausbilders erstmal ein passives Selbstbild offenbart. In der folgenden Betrachtung des Rollenverständnisses (Feldposition) der Ausbildungskraft soll dieses näher beleuchtet werden. 7.1.1 Themenfeld Sprachkompetenz: „Und genauso müssen Fremdsprachenlehrer auch wissen, was sie machen. Das ist einfach die Sprache.“ Moritz Wagner stellt im Interviewverlauf verschiedentlich heraus, dass er Wert auf eine hohe Sprachkompetenz seiner LiV legt, was sich exemplarisch an mehreren Erzählungen und Beschreibungen festmachen lässt. Gefragt im Kontext von Situationen, die ihm besonders in Erinnerung geblieben sind, führt er - als ein zweites, negativ erinnertes Beispiel - aus: Und eine andere Situation, die mir noch sehr stark in Erinnerung ist und (.) wo wir auch dann initiativ tatsächlich mit mehreren Französischausbildern einen BRIEF (lachend) geschrieben haben an die Name der Universität , ist ähm eine Referendarin, (.) die mir sagte, (.) sie wäre weder in Frankreich noch in England gewesen und hat aber Französisch und Englisch studiert. [Zeilen 75-80] Der Ausbilder verknüpft hier anschließend an eine Erzählung über eine „gute LiV“, deren Qualitäten er aber nicht näher erläutert, dass er im Vergleich dazu eine LiV betreut hat, die ihn gemeinsam mit anderen Französischausbildungskräften dazu brachte, einen Brief an eine Universität zu schreiben, da diese LiV weder in Frankreich noch in England war, obwohl sie Englisch und Französisch studiert hatte. Die anfängliche Verwendung des Adverbs „sehr“ (Z. 75) sowie das „tatsächlich“ (Z. 76) impliziert, dass ihn dieses Ereignis besonders stark geprägt oder beeinflusst hat. Außerdem auffällig ist das Adjektiv „initiativ“ (Z.76), da es die Entschlusskraft unterstreicht und die Notwendigkeit dieser Handlung deutlich werden lässt. Die Initiative des Briefschreibens lässt darauf schließen, dass dem Ausbilder kulturelle Erfahrungen und/ oder authentische Spracherfahrungen sehr wichtig sind und er die Universität genuin als dafür verantwortlich oder zumindest für die erste Phase als vermittelnde und anbahnende Instanz solcher Erfahrungen und des entsprechenden (sprachlichen) Fachwissens ansieht. Und trotzdem/ oder man merkte natürlich, dass sie Sprachdefizite hatte, ganz klar. Und das fand ich schon auch irgendwie sehr (atmet hörbar aus), wo ich dachte (…) mit welcher Motivation wird man Fremdsprachenlerner ähm oder Lehrer? Warum möchte 202 7 Fallrekonstruktionen man Fremdsprachenlehrer werden, wenn man da noch nicht mal hinfahren möchte? Also/ oder noch nicht einmal die (lachend) Zeit oder die Motivation gefunden hat, in das Land zu fahren? Das fand ich so als (..) als wirklich (.) einprägendstes Erlebnis, was mich auch dazu führt, jetzt jedes Semester mit denen nach (lachend) Frankreich zu fahren. (lacht) [Zeilen 80-89] Moritz Wagner beschreibt in diesem Teil die Folgen der mangelnden Auslandserfahrung, begründet hiermit „ganz klar“ (Z. 81) mangelnde Sprachkompetenz und hinterfragt die Motivation angehender LiV, die trotz ihrer Berufswahl als Fremdsprachenlehrkraft nicht in das jeweilige Land fahren. Als Konsequenz erklärt Wagner, dass er nun jedes Semester einen Auslandsaufenthalt in Frankreich mit seinen LiV durchführt. Auffallend sind hier besonders die rhetorischen Fragen (Z. 81-86), die akzentuieren, dass er einen Auslandsaufenthalt im jeweiligen Land als selbstverständlich ansieht. Er zweifelt mit diesen rhetorischen Fragen die Motivation der LiV in Bezug auf den zukünftigen Beruf als Fremdsprachenlehrkraft an, wenn „man da noch nicht mal hinfahren möchte“ (Z. 84 f.). Das hörbare Ausatmen (vgl. Z. 82) unterstützt sein Unverständnis und die Unzufriedenheit mit der mangelnden Auslandserfahrung, die durch den verwendeten Superlativ („einprägendstes“) wiederum emphasiert wird. Es fällt im Hinblick auf diesen und den vorherigen Teil auf, dass Moritz Wagner oftmals die Initiative zu ergreifen versucht. Er schreibt nicht nur - gemeinsam mit anderen Ausbilderinnen und Ausbildern - einen Brief an die Universität, sondern fährt außerdem mit den LiV jedes Semester nach Frankreich, um die Auslandserfahrung sowie die Sprachpraxis zu fördern bzw. einen subjektiv bzw. kollektiv mit anderen Ausbildungskräften diagnostizierten Ausbildungsdefizit aktiv auszugleichen. Insbesondere bezogen auf die sprachlichen Fertigkeiten fühlt er sich damit - allerdings auf einer kommunikativen Ebene - für die sprachliche Kompetenz seiner LiV gleichsam verantwortlich, obwohl er weiter oben (und noch weiter unten) die Universität für den Aufbau dieser Fachwissensdomäne aufgeführt hat. Dass die zumindest einmal eine Cola bestellt haben. Ich war mit denen dann auch und so/ sie hat wirklich radegebrochen fast ähm Französisch gesprochen. Und das war natürlich dann auch schwierig, aber das war so das Erlebnis, was mir (lachend) so am einprägendsten, wirklich noch weiß. [Zeilen 89-93] Der Ausbilder begründet die Fahrt nach Frankreich hier damit, dass die LiV alltagsbezogene Sprache aktiv in Anwendung bringen. Durch den abermals verwendeten Superlativ („einprägendsten“) betont er, dass ihm dieses Ereignis besonders stark bzw. besonders erschreckend in Erinnerung geblieben ist. Der erste Satz („Dass die zumindest […]“) kann als ironisch verstanden werden, 7.1 Fallrekonstruktion 1: Moritz Wagner 203 da das Bestellen einer Cola als eine solch alltägliche Handlung anzusehen ist, welche eine zukünftige Französischlehrkraft aus Sicht des Ausbilders wie selbstverständlich in der Fremdsprache artikulieren können sollte. Er bricht dann einen Erzählimpuls über die Gruppe („Ich war mit denen dann“) ab, um auf die LiV aus seinem vorherigen Beispiel zurückzukommen: Jemand, der „radebrochen” spricht, ist laut Duden eine Person, die „eine fremde Sprache nur mühsam [und] unvollkommen sprechen“ (Dudenredaktion 2007: 1348) kann, etymologisch aus dem Mittelhochdeutschen hergeleitet bezeichnet es sogar Sprechende, die „eine Sprache grausam zurichten“ (ebd.). Mit dem Ausdruck „radegebrochen“ (Z. 90) drückt Wagner in diesem Zusammenhang aus, dass die LiV auf der Frankreichreise zwar mühsam und unvollkommen gesprochen hat, aber es trotzdem gerade geschafft hat, in einer alltäglichen Situation „fast … Französisch“ (Z. 91) zu sprechen. Durch das Adverb „fast“ (Z. 91) werden hier die Sprachmängel allerdings nochmal besonders hervorgehoben. Eine zweite, pessimistischere Lesart könnte ebenso darin bestehen, dass die LiV radegebrochen sprach in dem Sinne, dass es nur gerade noch verständlich war. I: Kam da eine Reaktion von der Name der Universität ? B: Mhm (bejahend). Also wir haben es mit mehreren Ausbildern äh dort hingeschickt, dass wir mit Sorge sehen, wie die Französischausbildung, oder die Qualität der Französischausbildung im Bereich Sprach, das heißt ähm/ (..) Im Bereich Sprache und das/ da kam natürlich erstmal ein Brief zurück. Ähm dass sie das auch bedauern, dass natürlich die Zeit sehr knapp ist und dass die Sprachpraxis dort ähm etwas geringer natürlich ausfällt. [Zeilen 94-101] Hier erfolgt durch den Interviewer im Rückbezug auf den verfassten Brief die erneute Betonung Moritz Wagners der Bedeutung der Ausbildung im Bereich Sprachpraxis durch die erste Phase. Auf die Frage nach der Reaktion der Universität erklärt er, dass diese im Antwortbrief die geringe Sprachpraxis auf zu geringe Zeitkapazitäten zurückführt und dies sehr bedauere. Mit den Worten „mit Sorge“ (Z. 96) betont Moritz Wagner, dass nicht nur er, sondern auch andere Französischausbildungskräfte die Sprachdefizite der LiV als kritisch erachten und dies zu einem großen begrenzenden Faktor in ihrer eigenen Ausbildungstätigkeit wird. Es fällt außerdem auf, dass Wagner in diesem Teil besonders häufig die Partikel „ähm“ benutzt, über die Formulierungen länger nachdenken muss und möglicherweise unsicher in Bezug auf das Gesagte ist, da er die schriftliche Reaktion der Universität paraphrasiert wiedergeben muss. Ihr Interesse ist natürlich ein anderes im Didaktikbereich Fachdidaktik und im wissenschaftlichen Bereich Fachwissenschaft und dass für eine Sprache natürlich ähm die Studenten auch Eigenverantwortung haben. Und ähm jetzt haben wir mal einen 204 7 Fallrekonstruktionen Gesprächstermin anberaumt. Die müssen, glaube ich, noch nicht mal/ Also für L2, Haupt- und Realschule, müssen die noch nicht mal ein ähm Teil der Prüfung in Französisch mehr machen. Geht alles auf Deutsch. [Zeilen 101-108] Moritz Wagner erläutert, dass die Universität sich besonders auf die Ausbildung von wissenschaftlichen und fachdidaktischen Inhalten fokussiert und die L2-LiV, d. h. im Haupt- und Realschulzweig innerhalb des hessischen Lehrerbildungssystems, ihre Prüfung an der Universität auf Deutsch anstelle von Französisch absolvieren können. Ausbilder Wagner und weitere Französischausbilderinnen und -ausbilder haben als Reaktion auf den Briefwechsel einen Termin mit der Universität vereinbart, um das Gespräch über die schriftliche Form hinaus zu suchen. Der häufige Gebrauch des Adverbs „natürlich“ (Z. 99, 101, 103) fällt hier als normativ beschreibendes Element besonders ins Auge, implizierend, dass Moritz Wagner zwar mit einer entsprechenden Reaktion seitens der Universität gerechnet, aber er keine Einsicht von Fehlern erwartet hat. Die Worte „noch nicht mal“ (Z. 105 f.) deuten außerdem darauf hin, dass er die Möglichkeit, sich auf Deutsch prüfen lassen zu können, nicht unterstützt und diese deutlich abwertet, implizit damit auf Systemebene auch die Geringschätzung der fremdsprachlichen Fertigkeiten im Kontext Universität sieht, wenn sie dort nicht in Prüfung abgebildet werden, wie er im Modus der Bewertung weiter ausführt: Das ist natürlich schon mal fraglich, ob das (lachend) so sinnvoll ist. Aber (.) das ist eine andere Sache, aber da werden wir jetzt mal rangehen. Die Uni ist natürlich/ (.) Weist erst mal alle Vorwürfe zurück, aber (lacht) bin gespannt, vielleicht können wir ein bisschen was bewegen. [Zeilen 108-112] Moritz Wagner bewertet die Prüfungsmethode der Uni als fraglich und bringt außerdem zum Ausdruck, dass er und die anderen Ausbildungskräfte für Französisch versuchen, etwas an dieser Praxis zu ändern. Durch das Pronomen „wir“ (Z. 110, 111) wird deutlich, dass Moritz Wagner Unterstützung durch andere Ausbildende als Kollektiv erfährt, die ihn bei dem Versuch, etwas zu verändern, beistehen. Obwohl es außerhalb seines Verantwortungsbereich liegt, wird in diesem Abschnitt ersichtlich, dass Wagner um die gesamte Ausbildung der LiV bemüht ist und - wie sich an mehreren Stellen zeigt - diese versucht, aktiv zu verändern, selbst wenn er in diesem Kontext nur bedingt Erfolgsaussichten sieht („vielleicht können wir ein bisschen was bewegen“, Z. 111-112) und damit ein nur geringes Enaktierungspotential formuliert. Der Satzabbruch nach „Die Uni ist natürlich/ “ (Z. 109-110) verdeutlicht hier die Konfrontation und Starrheit des Systems der ersten Phase, wie sie von Wagner wahrgenommen wird. Auf die direkt anschließende Nachfrage, was er als zentral für die Französisch-LiV ansieht, erwidert Moritz Wagner: 7.1 Fallrekonstruktion 1: Moritz Wagner 205 Mhm (bejahend). Also Sprachkompetenz ist, glaube ich, das (.) Wichtigste was ein Fremdsprachenlehrer haben muss. Das heißt aber nicht, dass er alles wissen muss. Also nicht jedes Wort. Aber er muss in jeder Situation adäquat reagieren können. Wie er das macht, also ob er das umschreibt oder/ das muss er können. [Zeilen 115-119] Durch den superlativen Ausdruck „das Wichtigste“ (Z. 115 f.) wird unterstrichen, dass Wagner die Sprachkompetenz der LiV als die wichtigste Kompetenz für den Beruf als Fremdsprachenlehrkraft ansieht. Mit dem Verb „haben“ (Z. 116) macht er außerdem klar, dass Fremdsprachenlehrkräfte diese Kompetenz schon vor Berufsantritt besitzen müssen, wie er dies weiter oben schon in den Zuständigkeitsbereich der ersten Phase gelegt hat. Der Ausbilder sieht damit die Förderung der sprachlichen Kompetenz der LiV nicht als seine Aufgabe an. Im darauffolgenden Satz grenzt er die Definition der erforderlichen Sprachkompetenz ein, indem er sagt, dass nicht verlangt wird, alles zu wissen. Die unspezifische Beschreibung mit „alles“ (Z. 117) wird danach mit „jedes Wort“ (Z.117) definiert. Für Moritz Wagner gehört demnach zur Sprachkompetenz, dass eine Fremdsprachenlehrkraft umfangreiches Vokabelwissen haben sollte, um Aussagen umschreiben zu können und damit auf Unterrichtssituationen angemessen reagieren zu können. Er setzt damit eine gewisse sprachliche Flexibilität und Adaptivität als zentral für sprachkompetentes Handeln im Französischunterricht. Das denke ich ist/ ist ausnehmend und ich bin jetzt seit sieben, acht Jahren hier, das wird schon schwächer, das merkt man. Also das kann man also wie gesagt, generell/ generalisieren ist immer schwierig natürlich aber (.) der Großteil/ Es gibt sehr gute Leute und es gibt schwache Leute. [Zeilen 119-123] Der Ausbilder beschreibt, dass die Sprachkompetenz der LiV abnimmt, er diese Annahme aber trotzdem nicht pauschalisieren möchte. Mit dem Adjektiv „ausnehmend“ (Z. 120), welches laut Duden als „sehr groß, außergewöhnlich, außerordentlich“ (Dudenredaktion 2007: 222) definiert wird, könnte Moritz Wagner sich auf die notwendig gute Sprachkompetenz beziehen, die aktuell möglicherweise eher „außergewöhnlich selten“ vorhanden ist. Mit langjähriger Erfahrung („seit sieben, acht Jahren“, Z. 120) begründet er seine Annahme, dass die Sprachkompetenz abnimmt. Im letzten Satz verbessert sich Wagner selbst („der Großteil/ Es gibt […]“, Z. 122 f.), was zeigt, dass er nochmal über die eigenen Worte nachdenkt und diese wegen einer zu starken Pauschalisierung verwirft. Danach relativiert er seine Aussage und betont ausschließlich, dass es zwei Extrema gibt, die entweder über eine sehr gute oder die eher über eine schlechte bzw. schwache Sprachkompetenz verfügen. 206 7 Fallrekonstruktionen Da fehlt es so ein bisschen, finde ich. (..) Was schade ist. Aber das als Element, a/ als wichtigstes Element. Ich sage immer, ich würde ja auch gerne zum Arzt gehen und (lacht) mich darauf verlassen, dass er weiß, was er macht, wenn er da an mir (lachend) rumschneidet. Und genauso müssen Fremdsprachenlehrer auch wissen, was sie machen. Das ist einfach die Sprache. (..) [Zeilen 125-130] Moritz Wagner bewertet die Sprachkompetenz der LiV erneut als „wichtigstes Element“ (Z. 126) und betont durch den Superlativ, dass die Sprachkompetenz wichtiger als theoretisches bzw. fachdidaktisches Wissen sei. Durch den anschließenden, gleichsam professionstheoretischen Vergleich („[…] [i]ch sage auch immer, ich würde auch gerne zum Arzt gehen […]“, Z. 126 f.) hebt er hervor, dass die Sprachkompetenz die Voraussetzung für kompetenten Fremdsprachenunterricht ist, genauso wie das medizinische Wissen essentiell für eine kompetente Behandlung beim Arzt sei. Des Weiteren stellt er durch den Vergleich heraus, dass sich Schülerinnen und Schüler auf einen kompetenten Sprachunterricht verlassen müssen, wie sich ebenso der Patient auf die Fähigkeit des Arztes „verlassen“ (Z. 127) muss. Mit dem letzten Satz wird vom Ausbilder wiederholt betont, dass es die Sprache ist, mit der die Fremdsprachenlehrkräfte arbeiten und dass Fremdsprachenunterricht ohne die sprachliche Kompetenz ebenjener nicht funktionieren kann. Er verabsolutiert die Sprachkompetenz ein Stück weit als übergreifende Voraussetzung einer guten Fremdsprachenlehrkraft und setzt damit die hier explizit nicht genannten anderen Wissensbereiche wie z. B. die weiter oben noch latent angedeuteten kulturellen Erfahrungen im Rahmen eines Auslandsaufenthalts in ihrer Bedeutung herab. Die Betonung der Sprachkompetenz in der Gesamtschau ist insofern als bedeutsam zu erachten, als er in Bezug auf seine eigene Ausbildung zuvor nicht über Sprache und Auslandsaufenthalte spricht, sondern nur über seine eigene fremdsprachen didaktische Ausbildung bzw. auch seinen eigenen Drang, sich in diesem Bereich weiterzuentwickeln. Die Orientierungsbzw. ausbildungsdidaktische Problematik, die hier aufkommt, ergibt sich damit (zunächst) aus normativ gesetzten Erwartungen über die sprachliche Kompetenz der LiV bei Einritt in den Vorbereitungsdienst (als basale Grundlage für professionelles Handeln), weniger hinsichtlich fremdsprachendidaktischer Schwerpunkte. 7.1 Fallrekonstruktion 1: Moritz Wagner 207 7.1.2 Themenfeld Freiheit: „Das heißt, es gibt immer ein Angebot auch von mir, was genutzt werden kann oder nicht.“ An vielen Stellen im Interviewverlauf wird auf expliziter wie impliziter Ebene deutlich, dass der Ausbilder Moritz Wagner in seiner Ausbildungspraxis viel Wert auf ein Konzept von Freiheit bzw. auf autonom-individuelles Handeln legt. Bereits in der oben analysierten berufsbiographischen Eingangserzählung fällt das Wort der „Freiheit“, welche ihm in personalisierter Form im Vorbereitungsdienst durch Schule und Studienseminar ermöglicht wurde: Denn mein eigenes Referendariat hat ähm mir unheimlich große Freiheiten beschert und ich konnte also sehr viel ausprobieren und auch sehr viel (.) aktiv selbst machen. [Zeilen 9-11] Es wird in der Analyse ersichtlich, dass er sich - auf kommunikativer Ebene - bemüht zeigt, seinen Lehrkräften im Vorbereitungsdienst Freiheiten zu geben, sie anhand von Erfahrungen und Austausch untereinander anleiten zu lassen, dass er dabei gleichzeitig - wie oben schon angedeutet - jedoch eine Ausbildungsverantwortung in verschiedentlicher Hinsicht an die erste Phase (Sprachkompetenz und zumindest in Teilen interkulturelles Erleben im Hinblick auf Auslandserfahrungen, s. o.) und die methodisch-didaktische Schulung ein Stück weit an die LiV-Modulgruppe abgibt. Diese Gestaltungsfreiheit der Handlungspraxis wird dabei von normativen Setzungen der Institution Studienseminar allerdings gewissermaßen eingeschränkt oder zumindest geleitet. Dies wird sichtbar über die ausbildungsdidaktischen Beschreibungen und Erzählungen, die der Ausbilder ausführt: I: Mhm, mhm (bejahend). Und dann sind wir jetzt quasi auch bei den LiV, die du ausbildest. Ähm erzähl mir von deiner Arbeit mit denen. Was machst du mit den LiV? B: Mhm (bejahend). Ja, das ist ähm/ Ich kann ja kurz/ oder ich versuche erst mal kurz den/ den/ den institutionellen Rahmen zu umreißen, weil der hier in Name des Ortes schon anders ist als in anderen Studienseminaren. Wir haben in der Einführungsphase (.) sehr viel FACHdidaktik. [Zeilen 131-137] Auf die Frage nach der Arbeit mit den LiV antwortet Wagner auffälligerweise als Erstes mit der Beschreibung des „institutionellen Rahmen[s]“ (Z. 135), weil sich dieser von anderen Studienseminaren unterscheidet im Hinblick auf den fachdidaktischen Teil der Ausbildung. Augenfällig ist hier, dass er auf die Frage nach der Arbeit mit den LiV nicht direkt auf konkrete oder theoretische Arbeitsweisen eingeht wie andere Ausbildungskräfte im Sample, sondern im ersten Teil die Struktur und den generellen Inhaltsschwerpunkt seines Studienseminars thematisiert. Obwohl er den fachdidaktischen Schwerpunkt des Studienseminars betont, wird trotzdem nicht ersichtlich, wie er diese Schwerpunktsetzung 208 7 Fallrekonstruktionen bewertet - abgesehen davon, dass sie „anders ist als in anderen Studienseminaren“ (Z. 136) und im Vergleich einen größeren Anteil an Fachdidaktik in der Einführungsphase integriert. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass er an anderen Studienseminaren einen geringeren Anteil an Fachdidaktik in der dreimonatigen Einführungsphase wahrnimmt. Mit Blick auf seine Äußerungen zur Sprachkompetenz der Referendare und Referendarinnen (siehe oben) könnte man allerdings vermuten, dass er persönlich eher einen Fokus auf die Verbesserung derselben legen würde als auf den Bereich der Fachdidaktik. Diese einführende und den Rahmen absteckende Beschreibung lässt sich in einer anderen Lesart entsprechend ebenfalls als implizite Kritik lesen, dass möglicherweise zu viel auf Fachdidaktik in der Einführungsphase fokussiert wird. Das (.) was (.) man natürlich vielleicht vorher noch machen muss ist so ein/ so ein gleiches Niveau schaffen zwischen den Unis, also Name des Ortes ist ja ausgenommen, weil kein äh GHR-Lehramt da ist. Aber zwischen den Unis Namen dreier Orte , da ist schon ein Unterschied an Niveau einfach an didaktischem Wissen da. Und das muss man natürlich erst ausgleichen. [Zeilen 148-153] Moritz Wagner beschreibt hier das nicht vergleichbare Niveau der Universitäten bzw. der mitgebrachten Kompetenzen der LiV mit erstem Staatsexamen, was sich in der Ausbildung unmittelbar zu Beginn („was man vorher noch machen muss“, Z. 148-149) widerspiegelt. Der verstärkende und gleichzeitig relativierende Einschub „natürlich vielleicht“ (Z. 148) stellt einen Widerspruch in sich dar, mit dem sowohl eine allgemeingültige Aussage getroffen werden kann im Sinne eines „natürlich erwarten wir Defizite bzw. ein Ungleichgewicht“ und „vielleicht muss/ sollte man diese vorher ausgleichen“. Es fällt dann auf, dass Wagner einerseits das unterschiedliche Niveau und andererseits das nicht vergleichbare didaktische Wissen thematisiert. Es wird nicht deutlich, ob die Ausbildungskraft das Niveau des didaktischen Wissens meint oder ob er das Niveau bzgl. sprachlicher Kompetenzen, wie häufiger von ihm angesprochen, und das didaktische, möglicherweise auch fachdidaktische, Wissen meint. Das verallgemeinernde Pronomen „man“ (Z. 148, 153) könnte in normativer Deutung zeigen, dass die verschiedenen Leistungsniveaus der LiV nicht nur bei Moritz Wagner, sondern auch bei anderen Ausbildern und Ausbilderinnen existieren und dieses Bestreben nach Angleichung zum Einführungsprogramm des Studienseminars gehört. Des Weiteren fällt durch das Adverb „erst“ (Z. 153) auf, dass es als wichtig erachtet wird, die Angleichung der Leistungsniveaus zunächst vor den weiteren Ausbildungsschritten vorzunehmen. Diese Voranstellung könnte so interpretiert werden, dass die Diskrepanz zwischen den Niveaus so groß ist, dass ohne diese Einführungsphase die weitere Ausbildung oder der Start in den Vorbereitungsdienst nur schlecht möglich wäre. 7.1 Fallrekonstruktion 1: Moritz Wagner 209 Und dann beschäftigen wir uns eben mit Leupold Lern/ äh Lernaufgaben Parcours und planen DORT, in dieser Einführungsphase, zusammen einen Lernaufga/ eine Lernaufgabe und ähm den zuständigen Unterricht und versuchen die auch durchzuführen, UM den Referendaren auch Sicherheit zu geben beim (.) äh Schreiben von Unterrichtsvorbereitung. [Zeilen 153-158] Moritz Wagner erklärt hier in der 1. Person Plural, aus der Perspektive aller Ausbildungskräfte seines Studienseminars oder als das „wir“ bestehend aus seiner LiV-Gruppe und ihm als Ausbilder, die Vorgehensweise mit einem konkreten theoretischen Modell nach Leupold, welches er zum gemeinsamen Planen einer Lernaufgabe benutzt und was als selbstverständlich, normativ vorgegeben bzw. unabänderlich durch das Adverb „eben“ (Z. 153) eingeführt wird. Durch die Betonung des Adverbs „dort“ (Z. 154) wird hervorgehoben, dass es ihm wichtig ist, die erste praktische Unterrichtsplanung in der Einführungsphase im Rahmen des Seminars zu machen. Als Grund hierfür nennt er den Wunsch, den LiV „Sicherheit zu geben“ (Z. 157), da sie möglicherweise ohne diese „Vorplanung“ von der echten Unterrichtspraxis überwältigt würden. Den Aspekt der Sicherheit bezieht Wagner auf die schriftliche Unterrichtsvorbereitung, die möglicherweise durch den Entwurf und die Vorbereitung einer Lernaufgabe im Seminar geübt werden kann. Das Benutzen der 1. Person Plural könnte hier in der einen Lesart wiederum ein Indiz sein, dass diese Vorgehensweise unter den Ausbildungskräften des Studienseminars in der Einführungsphase üblich ist; es könnte jedoch auch den gemeinsamen Erarbeitungsprozess der Lernaufgabe von Ausbilder mit seinen LiV betonen. Die erste Lesart ist allerdings wahrscheinlicher, da es sich um kein individuell formuliertes Um-zu-Motiv zu handeln scheint. In den ähm Seminaren versuchen wir schon sehr stark wahldifferenziert vorzugehen. Das heißt, es gibt immer ein Angebot auch von mir, was genutzt werden kann oder nicht. Oder eben auch von LiV, Nachfragen von LiV. Und wir versuchen auch dort immer PLANUNGEN, die die LiV haben, mit den anderen zu besprechen. [Zeilen 160-164] Moritz Wagner stellt hier dar, dass „versucht“ wird, die Seminare, d. h. die fachorientierten Modulsitzungen, möglichst LiV-orientiert und individuell zu gestalten, so dass flexibel mit möglichen Seminarinhalten umgegangen werden kann. Das Adverb „sehr“ (Z. 160) akzentuiert seinen Anspruch, möglichst „wahldifferenziert“ (Z. 161) zu verfahren und stellt damit heraus, dass seine Angebote genutzt werden können, aber dazu trotzdem keine Verpflichtung besteht (vgl. Z. 162). Dies wird durch das Verb „versuchen“ gewissermaßen verdeutlicht, das impliziert, dass diese Seminargestaltung so weit funktioniert, wie die LiV tatsächlich die Angebote nutzen bzw. aktiv auch Bedürfnisse einbringen. 210 7 Fallrekonstruktionen Die Verwendung der 1. Person Plural lässt hier erneut die Lesart der allgemeinen Vorgehensweise des Studienseminars bzw. der unter den Ausbildungskräften verabredeten Praxis zu, an dieser Stelle liegt der Fokus aber stärker auf der Arbeit mit den LiV, wodurch die oben bereits identifizierte zweite Lesart wahrscheinlicher ist: Mit der Verwendung des Pronomens „wir“ (Z. 160, 163) unterstreicht er, dass die LiV mit ihm zusammen den Seminarinhalt gestalten und dass an der Seminargestaltung gemeinsam gearbeitet wird. Durch dieses Vorgehen wird besonders seine adressatenorientierte Gestaltung zum Ausdruck gebracht, in Ansätzen ebenso die Orientierung an Prinzipien von Freiheit durch die Charakterisierung seiner Seminararbeit in Form eines „Angebots“. Dass eine solche Orientierung an den Bedürfnissen der LiV möglich wird, drückt Moritz Wagner im Folgenden auch durch eine geringe Zahl an Modulteilnehmerinnen und -teilnehmern von ca. fünf LiV und der geringeren Bedeutung des Französischen an Haupt- und Realschulen an. Darüber hinaus spricht er allgemeine Inhalte der Einführungsveranstaltungen an: Lernaufgaben natürlich, nochmal Sprechen und ähm Grammatik, allerdings nicht als im Sinne von Grammatikvermittlung, sondern auch im Sinne von, welche Rolle hat eigentlich Grammatik? Und wie komme ich denn in diese Rolle der „dienenden Grammatik“ rein im Gegensatz zu dieser vorherrschenden Meinung an der Schule, der (lachend) herrschenden Grammatik. Es wird ja häufig Grammatikunterricht gemacht und ihnen halt auch Möglichkeiten zu geben. [Zeilen 168-175] Mit dem Fokus auf den inhaltlichen Input in den Seminaren geht Moritz Wagner auf die Rolle der Grammatik im Rahmen der Schule ein. Er unterscheidet zwischen der Grammatikvermittlung und der Frage nach der Rolle von Grammatik im Fremdsprachenunterricht, womit er wahrscheinlich weniger auf die Art der Grammatikvermittlung, sondern eher auf den Nutzen von Grammatik fokussieren möchte. Im Hinblick auf die Rolle der Grammatik in der Schule personifiziert er sie und unterscheidet dabei zwischen der „dienenden“ (Z. 172) und der „herrschenden Grammatik“ (Z. 173). Mit Hilfe dieser Personifikation schreibt er der Grammatik einerseits eine große Wichtigkeit zu und veranschaulicht damit andererseits die gegensätzlichen Auffassungen von Grammatik. Der Ausbilder plädiert im letzten Satz implizit dafür, dass Grammatik eher als Instrument benutzt werden sollte, um Lernenden im Sinne eines kommunikativen, weniger auf Form fokussierten Fremdsprachenunterrichts weiterführende Möglichkeiten zu eröffnen, die an der Stelle nicht weiter spezifiziert werden. Des Weiteren sagt er, dass die „vorherrschende[…] Meinung an der Schule“ (Z. 172 f.) eher dazu tendiert, die Grammatik als herrschend zu erachten. Möglicherweise möchte er aus diesem Grund den eigentlichen Nutzen von Grammatik an die LiV weitervermitteln. In dieser Fokussierungsmetapher zeigt sich semantisch im 7.1 Fallrekonstruktion 1: Moritz Wagner 211 „Herrschen“ und „Vorherrschen“ der negative Gegenhorizont zu „Dienen“, bzw. angelehnt an das hier diskutierte Themenfeld, die Freiheit. Zu einem späteren Zeitpunkt nachgefragt nach inhaltlichen Schwerpunkten in der Ausbildungstätigkeit geht Wagner verstärkt auf die Rolle des Lehrwerks ein, das er im Interviewverlauf (bereits in der berufsbiographischen Eingangserzählung, s. o.) wie auch später wiederholt im Kontext des Themenfeldes Freiheit verarbeitet. I: Gibt es andere äh Aspekte, vielleicht also noch nicht mal formalisiert, so aus deiner Erfahrung oder Praxis auch, an denen du dich orientierst, was du weitergibst (.) an die LiV? (4) B: Ja. Also (räuspert sich) will ich erst mal dazu sagen, wie ich dazu gekommen bin. Also gerade diese Arbeit im/ bei Name des Schulbuchverlags mit in dieser Lehrwerksentwicklung war schon auch ein Quell an äh Ideen, die man bekommen hat, die auch/ oder was/ Man wird da zurückgeworfen auf die Frage, was ist denn tatsächlich WICH- TIG im Fremdsprachenunterricht? Weil so ein Buch ist halt auch einfach begrenzt und äh was möchte ich da beibringen? [Zeilen 200-209] Auf die Frage, an welchen anderen Aspekten sich Moritz Wagner noch in der LiV-Ausbildung orientiert, nennt er im anfänglichen Erzählimpuls, auf eine für den Interviewverlauf ungewöhnlich lange Pause von vier Sekunden, die eigene Mitarbeit an der Entwicklung eines Schulbuchs. Indem er seine dortige Mitwirkung als ein „Quell an äh Ideen“ (Z. 205) beschreibt, wird implizit klar, dass er hierdurch viele Erfahrungen für die Ausbildung der LiV sammeln konnte, da er dies konkret auf die Nachfrage zu Inhalten seiner Ausbildungspraxis ausführt. Die Metapher der Quelle könnte implizieren, dass durch die Arbeit am Schulbuch auch mehrere neue Orientierungen/ Ideen entstanden sind, die er davor nicht hatte. Er erläutert im Folgenden, dass die Mitarbeit bei der Schulbuchentwicklung dazu beigetragen hat, sich grundlegend zu fragen, „was […] denn tatsächlich WICHTIG im Fremdsprachenunterricht“ (Z. 207) sei, da ein Lehrwerk in seiner didaktischen Reduktion Inhalte nur begrenzt aufgreifen könne. Einerseits könnte besonders die Begrenzung der Inhalte in einem Schulbuch für Moritz Wagner den Anreiz ausmachen, diese, dann dementsprechend wichtigen, Inhalte mit auszuarbeiten. Andererseits könnte diese Erläuterung auch als Widerspruch verstanden werden, weil der Ausbilder trotz der inhaltlichen Begrenzung an einem Schulbuch mitarbeitet. Und ähm was ich immer versuche, den Referendaren zu vermitteln, ist, dass tatsächlich nicht die Grammatik das herrschende Ziel sein darf, sondern die Kommunikation. Und ähm ob man jemand als Ausländer konnotiert oder nicht, ist ja eher an der Aussprache, als an der Grammatik zu bemerken. Ich finde, Aussprache wird auch sehr wenig trainiert richtig. Das wird zwar mit Chorsprechen und so weiter, weiß man ja. 212 7 Fallrekonstruktionen Aber ähm so richtig trainiert wird es wenig, deswegen versuche ich da die LiV auch äh zu beeinflussen, dass das einfach sehr wichtig ist und eben zu sprechen und die 45 Minuten Zeit auch zu nutzen. [Zeilen 209-218] Auf die Frage nach weiteren Aspekten, an denen sich Moritz Wagner in seiner Ausbildertätigkeit orientiert, erläutert er, dass er nicht die formale Grammatik, sondern die zweckmäßige Kommunikation im Fremdsprachenunterricht als wichtig erachtet, ohne dies über die effektive Zeitnutzung hinaus, die er am Ende betont, inhaltlich zu konkretisieren. Durch das Adverb „immer“ (Z. 209) wird hervorgehoben, dass er das Training der Aussprache nicht erst seit Kurzem als essentiell ansieht, sondern dies schon lange der Fall ist. Mit Hilfe des personifizierten Ausdrucks „herrschendes Ziel“ (Z. 210) wird erkennbar, dass er (erneut) die Dominanz der Grammatikvermittlung als negativ bewertet und stattdessen Kommunikation und Sprechen fördern möchte. An der syntaktischen Struktur („[…] Aussprache wird auch sehr wenig trainiert richtig.“, Z. 213 f.) fällt auf, dass das Adjektiv „richtig“ (Z. 214) durch die Endstellung besonders betont wird, verdeutlichend, dass der Ausbilder nicht ausschließlich das geringe Aussprachetraining bemängelt, sondern ebenfalls die „Richtigkeit“ der Ausspracheübungen. Bezogen auf seine Ausbildungspraxis stellt er explizit heraus, dass er seine LiV dahingehend „beeinflussen“ möchte, effektiv Lernzeit mit der Förderung der Sprechkompetenz zu füllen: Das heißt eben, NICHT nur die Zielsprache zu benutzen, wenn das Buch aufgeschlagen wird. Sondern eben, wenn einer nachfragt, „darf ich mal auf Toilette gehen? “ oder so, dass er das in Zielsprache macht. Oder wir verabreden uns, was weiß ich, „(unverständlich französisch) Kino? “. Das kann man auch auf Französisch machen, wenn man das einfach macht, versteht das auch jeder. Und das ist/ das wären so Sachen, die mir noch wichtig wären und die ich auch gerne aus meiner eigenen Erfahrung dem/ dem LiV mitgeben würde. [Zeilen 218-225] Ähnlich wie bei der Thematisierung der Sprachkompetenz in Bezug auf die Einführung der Frankreichfahrt (vgl. 89 f.) betont er besonders die Anwendbarkeit der Sprache. Er grenzt die praktische (vielleicht auch freizeitliche) Anwendung der Zielsprache von der Benutzung der Sprache in theoretischen Kontexten ab. Durch die Verwendung des unpersönlichen Pronomens „man“ (Z. 222) wird die Aussage generalisiert, normativ werden alle zukünftigen Fremdsprachenlehrkräfte befähigt gesehen, die Zielsprache in verschiedenen Kontexten zu benutzen. Wagner bezieht dies gleichzeitig - an Beispielen ausgedrückt - auf unterrichtliches, lernendenbezogenes Handeln. Er nimmt im letzten Satz wiederholt auf seine persönlichen Erfahrungen Bezug, die er mit den LiV teilen möchte, da er dieses Erfahrungswissen in methodisch-didaktischer Sicht als bedeutsam erachtet. 7.1 Fallrekonstruktion 1: Moritz Wagner 213 Genauso wie Lektürearbeit, also das ist auch so ein Ding, was ich ganz spannend finde für alle Jahrgänge. Egal ob es jetzt Bande Dessinée, also Comics, oder Graphic Novels oder wie man sie nennen möchte, oder eben auch reine Schullektüren sind. Ähm die Schüler sind da immer ganz stolz, sowas gelesen zu haben und da (…) mehr Referendare auch zu ermutigen, mal den Weg zu gehen sowas auszuprobieren. Eben aus dem Buch auszusteigen. Das Buch, (.) sagt man immer so schön didaktisch, „sollte nur ein Steinbruch sein“. Aber dass das wirklich so ist, dass es nicht Leitmedium ist, weil in den Schulen ist so das Buch einfach Leitmedium für Französischunterricht. Und das ist/ ähm das versuche ich aufzubrechen. [Zeilen 225-236] Der Ausbilder wendet sich hier als nächstem Themenkomplex in Ergänzung zur Förderung von Sprach-/ Sprechkompetenz der Wichtigkeit von Lektürearbeit im Französischunterricht zu, damit sich Lehrkräfte nicht nur auf die Arbeit mit dem Schulbuch beschränken. Somit differenziert er zwischen der kreativen Lektürearbeit und der theoretischen, eher sprachfunktionalen Arbeit mit dem Schulbuch. Zu Beginn begründet er die Signifikanz der Lektürearbeit damit, dass sie „spannend […] für alle Jahrgänge“ (Z. 226 f.) sei und viele Lernende stolz seien, ein solches Buch gelesen zu haben (vgl. Z. 229 f.). Durch den metaphorischen Ausdruck, dass Lehrende manchmal „aus dem Buch [aussteigen]“ (Z. 229) sollten, macht Wagner erkennbar, dass Lehrkräfte diesen Weg bewusst, sozusagen in einem aktiven Prozess sich diese Freiheit nehmen, den Schritt gehen (= aussteigen) müssen. Obwohl der Ausbilder selbst an einem Schulbuch mitgearbeitet hat, macht er damit klar, dass er auch die Grenzen der Lehrwerkarbeit sieht. Möglicherweise bietet die Lektürearbeit in seinen Augen außerhalb des Schulbuchs weitere Chancen, die das theoretisch begrenzte Schulbuch nicht abdecken kann. Unterstützend zu der vorherigen Metapher stellt Moritz Wagner das Schulbuch metaphorisch als „Steinbruch“ (Z. 233) dar. Mit der Beschreibung wird verdeutlicht, dass man Dinge aus dem Schulbuch benutzen kann, aber eben nicht muss, dass man Teile aus dem Schulbuch als Werkzeug für den täglichen Gebrauch instrumentalisieren kann, diese letztlich jedoch nicht für den gesamten Unterricht ausreichen. Wie vorher erwähnt, stellen die Äußerungen Wagners in gewissem Maße einen Widerspruch in sich dar, da er selbst an einem Schulbuch mitgearbeitet hat und daraus viele Ideen sich zu eigen machen konnte, aber trotzdem die Verwendung des Schulbuchs als Leitmedium kritisiert. Die Vermittlung von Möglichkeiten und Grenzen, das Wahrnehmen von Freiheiten bei der Arbeit mit Lehrwerken gegenüber seinen LiV spielt demnach eine große Rolle in seiner Ausbildungstätigkeit und einer Orientierung zwischen den Polen eigenverantwortlicher Freiheiten und struktureller/ sprachlicher Grundlagen. Später im Interview geht er, ursprünglich danach gefragt, was ihm an der Tätigkeit als Ausbilder besonders gefällt, erneut auf die Bedeutung des Lehrwerks 214 7 Fallrekonstruktionen für Französischlehrerinnen und -lehrer ein, insbesondere, wenn diese ihren Französischunterricht nach außen (z. B. gegenüber Eltern) vertreten müssen: Und dafür Fremdsprachenlehrer fit zu machen, Lehrer fit zu machen, ähm, eben auch Argumente zu haben, „ich mache das Buch jetzt nicht komplett durch, wenn Eltern das nachfragen. Sondern ich entscheide mich jetzt hier, aus dem Buch auszusteigen, was anderes zu machen, weil es mir einfach wichtig ist.“ Warum ich darauf gekommen bin, ist, dass ich vor, ja, kurz nach meinem Referendariat die erste DELF-Prüfung mit den Schülerinnen und Schüler gemacht habe. Das ist so was wie das Cambridge bei euch. (.) Und die kamen alle raus und mussten eine Zahnbürste kaufen, so im Dialog. Und keiner von meinen wusste, was Zahnbürste (lachend) heißt. Weil war ja nicht im Buch drin. (lacht) [Zeilen 421-431] Moritz Wagner beschreibt in diesem Absatz, dass es wichtig sei, Lehrkräfte zu ermutigen, dass sie unabhängig von dem Schulbuch unterrichten lernen. Im Modus der Erzählung zeigt er auf, dass seine Schülerinnen und Schüler bei der ersten DELF-Prüfung, einem standardisierten Zertifikat für die französische Sprache, worauf Wagner sie vorbereitet hatte, die Vokabel „Zahnbürste“ nicht übersetzen konnten, weil diese nicht im Schulbuch enthalten gewesen sei. Durch die rahmende Metapher vor der Erzählung („Fremdsprachenlehrer fit zu machen, Lehrer fit zu machen“, Z. 421 f.) wird ersichtlich, dass Wagner die Fähigkeit, unabhängig vom Schulbuch unterrichten zu können, als wichtig für alle Lehrkräfte, nicht nur die der Fremdsprachen, ansieht. Des Weiteren impliziert die Metapher, dass Lehrkräfte zunächst lernen müssen, die Schulbuch-unabhängige Arbeit zum Beispiel vor Eltern durchzusetzen. Indem der Ausbilder diesen Schwerpunkt als Öffnung des Unterrichts als wesentlich erachtet, setzt er auch indirekt voraus, dass Lehrkräfte zwischen wichtigen und unwichtigen Lehrinhalten differenzieren können. Mit Hilfe des Erzählimpulses über seine erste DELF-Prüfung begründet er seinen Wunsch, vermehrt Schulbuch-unabhängiger unterrichten zu können. Außerdem fallen bei seiner abschließenden Erzählung die Lachpausen auf, die die Ironie dieses Geschehnisses und dessen nachhaltige Wirkung für ihn selbst deutlich werden lassen (vgl. Z. 430 f.). Und ähm da dachte ich mir, ja, wahrscheinlich ist Zahnbürste vielmal logischer zu nehmen als Wort, um wissen zu müssen in Frankreich, als ähm (druckst) Steinadler oder so was halt, was da im Buch drin war, weil ähm es um einen Nationalpark ging. Und (lacht) Steinadler hätten die, glaube ich, besprechen können, aber (lachend) eben Zahnbürste nicht. Und da/ und da möchte ich auch äh Referendare hinbringen, dass sie einfach schauen, was ist (.) TATSÄCHLICH wichtig für die Schülerinnen und Schüler und so auch sich Bücher anschauen und so auch Unterricht planen. [Zeilen 431-439] 7.1 Fallrekonstruktion 1: Moritz Wagner 215 Moritz Wagner erläutert im ersten Schritt die Art von Inhalten, die er für den Französischunterricht als wichtig erachtet und betont im nächsten, dass er die LiV dahingehend ausbilden möchte, dass sie zwischen wesentlichen und eher unwichtigen Inhalten innerhalb des Schulbuchs zu unterscheiden lernen. Wiederholt fallen die häufigen Lachpausen auf, die vielleicht ähnlich wie im vorherigen Abschnitt die Ironie dieses Vorfalls zum Ausdruck bringen sollen (vgl. Z. 433, 435, 436). In der Erzählung über die DELF-Prüfung zeigt sich, dass Wagner vor allem den praxisnahen Alltagssprachgebrauch fördern will, sodass Lernende in alltäglichen Situationen auf Französisch kommunizieren können. Im letzten Satz akzentuiert er durch die Betonung des Adverbs „TATSÄCHLICH“ (Z. 438) die Notwendigkeit, dass Lehrkräfte zwischen wichtigen (d. h. in diesem Beispiel lernerorientiertem Alltagsvokabular) und unwichtigen (lerner*innenfernen und abstrakten Lehrwerk-)Inhalten unterscheiden lernen. Ähnlich wie in vorherigen Interviewabschnitten zeigt Moritz Wagner wiederholt die Grenzen von Schulbüchern im Fremdsprachenunterricht auf. Womöglich könnten besonders die Mängel von Schulbüchern eine Motivation für Moritz Wagner dargestellt haben, selbst an einem mitzuarbeiten, damit er initiativ die Inhalte mitgestalten kann. B: das war/ das war mit DER Anreiz wirklich zu schauen, dass ähm (.) man ein Lehrwerk konzipiert, wo Ausstiegsmöglichkeiten mit drin sind. Also wo ich praktisch als Lehrer Auswahlmöglichkeiten habe, was ich jetzt machen möchte. Wo es Möglichkeiten gibt, individuelles Vokabular zu haben, also mit Wortnetzen und so weiter. Ähm, wo Grammatikübungen vielleicht zu Gunsten von anderen Übungen ähm etwas mehr in den Hintergrund treten. Nicht das/ das/ also nicht das richtige Sprechen, es darf nicht beliebig werden. Das ist schon klar. Richtiges Sprechen ist auch WICHTIG. Aber ich glaube einfach, dass man durch ähm zu/ also (druckst) vermehrt Grammatikübungen nicht unbedingt richtig oder richtiger spricht. (schmunzelt) Ich glaube, das ist einfach ähm eine Fehlannahme. [Zeilen 446-457] Erneut wird von Ausbilder Wagner begründet, warum er an einem Schulbuch mitgearbeitet hat. Im Anschluss an diese Begründung nennt er konkrete Verbesserungsvorschläge, die er bei der Schulbucharbeit umsetzen und einbringen wollte, leitet diese mittels des metaphorischen Ausdrucks des „Aussteigens“ aus gewissen festen Strukturen des Lehrwerks ein. Exemplarisch nennt er hier eine vermehrt individuelle Vokabelarbeit sowie eine Abwendung von Grammatikübungen, damit andere Übungen verstärkt gefördert werden können. Zuletzt begründet er die Forderung, sich von Grammatikübungen abzuwenden, damit, dass Lernende nicht aufgrund von Grammatikübungen „richtiger“ die funktional-sprachliche Kompetenz des Sprechens lernen. Durch die anfängliche Betonung des Artikels „DER“ (Z. 446) macht Moritz Wagner in dieser Passage klar, dass die von ihm identifizierten Probleme mit 216 7 Fallrekonstruktionen Schulbüchern bzw. Lehrwerkarbeit im Fremdsprachenunterricht der Grund für sein eigenes Engagement in diesem Bereich waren bzw. sind. Als erste Verbesserung nennt er eine größere Auswahl an Übungen, bei denen die Lehrkraft selbst entscheiden kann, welche der Übungen sie im Unterricht einsetzt. Durch diesen Verbesserungsvorschlag ist auffällig, dass Moritz Wagner sich eine eher flexible Unterrichtsgestaltung sowie eine größere Freiheit bezüglich der Auswahlmöglichkeiten an Aufgaben und Aufgabenformaten seitens der Unterrichtsmaterialien wünscht. Als Beispiel für diese individuelle Auswahl an Übungen nennt er die Vokabelarbeit, bei der mit „Wortnetzen“ (Z. 450) gearbeitet werden könne. Möglicherweise kann die Lehrperson bei der Arbeit mit Wortnetzen einen individuellen Themenschwerpunkt wählen und außerdem entscheiden, welche Vokabeln für den Unterricht tatsächlich wesentlich sind. Indem der Ausbilder metaphorisch den Verbesserungsvorschlag äußert, dass „Grammatikübungen vielleicht zu Gunsten von anderen Übungen ähm etwas mehr in den Hintergrund treten“ (Z. 451 f.), stellt er heraus, dass er andere Aufgaben für wichtiger als Grammatikübungen erachtet. Es bleibt jedoch unklar, welche Art von Aufgaben er damit beschreibt. Im Anschluss daran unterstreicht er durch die Betonung des Adjektivs „WICHTIG“ (Z. 454), dass korrektes Sprechen von großer Wichtigkeit sei, aber dass Grammatikübungen die sprachliche Korrektheit nicht zwangsläufig verbessern (vgl. 454 f.). Die vermehrten Lachpausen könnten als Indiz dienen, dass ihm die Äußerung unangenehm ist, da Dritte diese Meinung vielleicht nicht unterstützen würden. Im Zusammenhang mit Lehrwerken, die Wagner als dominierendes Leitmedium im schulischen Fremdsprachenunterricht kritisiert, wird an anderer Stelle gefragt, ob es ein entsprechendes Leitmedium im Studienseminar gebe: I: Mhm (bejahend). Und was ist dein Leitmedium hier im Studienseminar? B: Mein Leitmedium? (..) (lacht) Das ist gar nicht so einfach. Mein Leitmedium im Studiumseminar ist/ also fachdidaktisch sind das natürlich ein paar Fachdidaktiken ähm Nieweler wäre jetzt eine Sache. (…) Ja und (..) und eben mich selbst da (lacht). Also ich versuche (4) aus/ aus meinen Erfahrungen auch und natürlich auch Schwerpunkten, die ich für MICH selbst gewählt habe, Dinge raus zu entwickeln, die ich denen gerne mitgeben würde. (..) Das ja, würde ich so sagen. (..) [Zeilen 237-245] Auf die Frage führt er als Erstes Fachdidaktiken an und geht als Zweites näher auf seine eigene Person ein, da er seine eigenen Erfahrungen häufig mit in die Seminarsitzungen einbringt. Auffallend sind in diesem Abschnitt die längeren Sprechpausen, welche auf ein längeres Nachdenken und Reflektieren und damit stärker auf die Hervorbringung expliziten Wissens hindeuten könnten. Die anfänglich wiederholte Frage („Mein Leitmedium? “, Z. 238) kann in dem Zu- 7.1 Fallrekonstruktion 1: Moritz Wagner 217 sammenhang als Indikator gewertet werden, dass Moritz Wagner zuerst länger überlegen muss, was er denn eigentlich als Leitmedium ansieht. Dadurch, dass er sich selbst explizit, wenn auch lachend, als mögliches Leitmedium bezeichnet, fällt auf, dass er das Einbringen von persönlichen Erfahrungen und persönlichem Wissen reflexiv als wichtig erachtet. Wagner sieht die Grenzen einschlägiger fachdidaktischer Einführungswerke und verlässt sich aus diesem Grund eher auf seine persönlichen Erfahrungen, weil er diese individueller anwenden und auf ihrer Basis beraten kann. Dies bildet einen gewissen Widerspruch zu seiner einführend starken Betonung fremdsprachendidaktischer Aspekte und seinem eigenen Interesse an diesen Prinzipien. Möglicherweise konnte ihm seine eigene universitäre Ausbildung in der Hinsicht nicht alles in der ersten Phase bieten bzw. war es aufgrund seines großen Interesses zu wenig. 7.1.3 Wunschkonzept der Fremdsprachenlehrerbildung Im das Interview abschließenden Teil der Frage nach dem Wunschkonzept der Fremdsprachenlehrerbildung zeigen sich bei Moritz Wagner sowohl die bereits oben angesprochenen Themenfelder wie auch sein Orientierungsrahmen bzw. die Orientierungsproblematik noch einmal trotz des stark reflexiv-argumentativen Modus seiner Antworten. I: Mhm (bejahend). Stell dir mal vor, du würdest ähm/ du wärst verantwortlich dafür, die Fremdsprachenlehrerbildung in Hessen für die nächsten Jahre zu gestalten. B: Ja, schön! (lacht) I: Was würdest du machen? (..) B: Ja. Also in der ersten Phase würde ich tatsächlich versuchen, ähm die Praktikas zu stärken. Das heißt nicht unbedingt eine Ausweitung von Praktikas, aber den Nutzen stärker zu machen und ähm (.) die Studenten (..) schon auch stärker mit (..) Dingen wie UnterrichtsPLANUNG, (.) Unterrichtsstrukturierung und Unterrichtsphasierung in Kontakt bringen. Also nicht so stark oben/ Also die Didaktik der Uni schaut ja eher von oben auf Unterricht drauf. [Zeilen 633-648] Durch die positive Bewertung („Ja, schön! “, Z. 638) der Erzählaufforderung zur eigenen Gestaltung der Fremdsprachenlehrerbildung in Hessen wird schon vor der eigentlichen Beantwortung der Frage deutlich, dass Moritz Wagner dieses Gedankenexperiment und damit potenziell auch die Gestaltung der Fremdsprachenlehrerbildung sehr gerne eigenständig gestalten möchte, was sich mit seinem zuvor bereits ausgeführten, explizit-engagierten Habitus deckt: Ähnlich wie bei der Gestaltung eines Lehrwerks, der Einführung einer Frankreichfahrt für seine Refe- 218 7 Fallrekonstruktionen rendarinnen und Referendare sowie dem Brief an eine Universität zeigt Wagner durch die positive Bewertung wiederholt Bereitschaft, eigeninitiativ etwas gegen normativ gesetzte Strukturen (allerdings hier die der ersten Phase) unternehmen zu wollen. Nach der positiven Exklamation erläutert Moritz Wagner, dass er in der ersten Phase der Ausbildung vor allem den Nutzen der Praktika stärken würde und bezieht dies auf Aspekte wie Unterrichtsplanung, der Unterrichtsphasierung und der Unterrichtsstrukturierung (vgl. Z. 642 f.). Da er die Veränderung der ersten universitären Phase als Erstes nennt, könnte er - im Anschluss an seine früheren Äußerungen - dieser Veränderung besondere Wichtigkeit zuschreiben, andererseits könnten seine Vorschläge innerhalb des Wunschkonzepts und hier der ersten, vermeintlich einführenden, Phase der Lehrerbildung von ihm chronologisch abgearbeitet werden. Durch die Personifikation („die Didaktik der Uni schaut ja eher von oben auf Unterricht drauf“, Z. 648; siehe auch oben Z. 45) impliziert er die unterrichtspraktische Ferne, mindestens eine gewisse Distanz, der fachdidaktischen Ausbildung in der Universität. Des Weiteren evoziert das Verb „schauen“ einen eher distanzierten, hier gleichsam in einer Vogelperspektive metaphorisierten, wenig praktischen Umgang mit Unterricht, der von Wagner implizit durch die Einführung eines stärkeren Praxisbezugs kritisiert wird. Durch die Umschreibung „die Praktikas zu stärken“ (Z. 643) wird hervorgehoben, dass er hier auf die praktischen Erfahrungen der LiV einen gesteigerten Wert legt. Im darauffolgenden Satz erläutert er die Metapher und begrenzt die Stärkung der Praktika auf die qualitative Verbesserung, d. h. er stellt nicht ein Mehr an Praktika heraus, sondern möchte vor allem „den Nutzen“ (Z. 644) und Nutzen für die angehenden LiV verstärkt wissen. Diesen Nutzen setzt er hier in den Kontext allgemein-pädagogischer Fertigkeiten der LiV, die sie für den zukünftigen Beruf als Fremdsprachenlehrkraft brauchen. Diese Annahme wird dadurch unterstützt, da Wagner hauptsächlich keine explizit-fremdsprachendidaktischen Handlungsfelder nennt („UnterrichtsPLANUNG, (.) Unterrichtsstrukturierung und Unterrichtsphasierung“, Z. 646 f.). Er führt direkt anschließend weiter aus: Ich glaube einfach, wenn man stärker auf die Sprache und auf die Didaktik fokussieren würde und die Praxis immer mit reinholen würde durch Mentorensysteme, auch durch Austausch, zweite Phase, erste Phase. Was weiß ich, dass wir hier teilweise mit an der Uni sind, oder dass ihr teilweise mit hier seid. Das fände ich, glaube ich, gut. [Zeilen 684-689] Wagner nennt hier konzeptuell besonders „Sprache“, „Didaktik“ und „Praxis“ als bedeutende Schwerpunkte, um die Lehrerausbildung aus seiner Sicht zu verbessern. Metaphorisch betont der Ausbilder, dass es wichtig sei, „die Praxis immer mit [reinzuholen]“ (Z. 686), dass praktische Teile mit in theoretische Abschnitte der Ausbildung, hier insbesondere für die erste Phase intendiert, integriert 7.1 Fallrekonstruktion 1: Moritz Wagner 219 werden sollten. Neben der Wichtigkeit von Praxis ist auffallend, dass Moritz Wagner die Stärkung der „Mentorensysteme“ (Z. 686) und den „Austausch“ (Z. 687) zwischen den Handelnden in der ersten und der zweiten Phase anspricht und nicht auf die Rolle der Ausbildenden eingeht. Obwohl Moritz Wagner selbst als Ausbilder in der zweiten Phase tätig ist, nennt er keine Veränderungen in Bezug auf die Ausbildungskräfte, die die zweite Phase entscheidend mitprägen. Allerdings verwendet Moritz Wagner das Pronomen „wir“ (Z. 687) im Hinblick auf die Personen, die mit der Uni in den Austausch treten sollten, sodass er möglicherweise vor allem die Rolle der Ausbilder und Ausbilderinnen darin sieht, mit den Personen aus der ersten Phase in Kontakt und Austausch zu treten. Im gleichen Zusammenhang geht er dann auf die Ausbildungspraxis an sich dezidierter ein und sieht als einen Baustein die Stärkung der Mentorinnen und Mentoren in ihrer Rolle als tatsächlich Ausbildende: Des Weiteren würde ich versuchen, auch das Mentorensystem stärker zu stärken. Also tatsächlich im Sinne einer Ausbildung. Also wie in einem Handwerksbetrieb auch, der Meister läuft halt einfach/ oder der Geselle läuft erstmal mit dem Meister/ oder der Lehrling läuft erstmal mit dem Gesellen oder mit dem Meister mit (..) und ist halt/ und bekommt ständig Feedback. [Zeilen 658-664] Er formuliert den Modus einer Berufsausbildung eines Handwerkers als optimal für das Verhältnis von Mentor/ Mentorin (als Meister) und der LiV (als Lehrling). Dadurch dass der „Lehrling (…) erstmal mit dem Gesellen oder mit dem Meister” (Z. 662 f.) mitläuft, dass also zunächst primär Unterrichtshospitationen stattfinden, wird als bedeutsam herausgestellt, dass die dort gezeigte Unterrichtsrealität im Sinne eines beobachteten und beobachtbaren Erfahrungswissens und möglicherweise anschließenden Austauschs von besonderer Relevanz für Wagner ist. Dies wird dadurch bestärkt, dass Wagner die Begleitung des „Meisters“ oder des „Gesellen“ - dann bei der Unterrichtsdurchführung des „Lehrlings“ - als quasi-automatisierte Austauschsituation darstellt, in der „ständig Feedback“ (Z. 664) gegeben werden kann. Begleitung, Austausch und Feedback in einem solchen Meister-Lehrling-Verhältnis stellt für Wagner in der von ihm angedachten Art eine reale Ausbildungssituation dar, die, wie im Gegenhorizont konstruiert werden kann, Ausbildungskräfte wie er aufgrund der aktuellen Strukturen kaum leisten können. Gleichzeitig wird hier erneut die für ihn große Bedeutung von Erfahrungswissen klar, die im Sinne eines Ausprobierens und Austauschs auf Augenhöhe in einem solchen Ausbildungsmodus größte Relevanz hätte. Hinterfragt werden müsste, welche Rolle dann dezidiert die Ausbilderinnen und Ausbilder im Vorbereitungsdienst einnehmen. Zumindest zeigt er sich weniger überzeugt von der permanenten Bewertung der Unterrichtsbesuche bzw. dem Vergeben von Modulnoten: 220 7 Fallrekonstruktionen In der zweiten Phase (..) würde ich (..) die/ den/ den Notendruck versuchen wegzunehmen, also wirklich zu sagen, probiert euch ein Jahr aus mit Besuchen, formativer Rückmeldung und eine summative Rückmeldung eher am Ende zu geben des Referendariats. Natürlich sind Besuche, egal, ob da jetzt Noten gegeben werden oder nicht, gibt es Eindrücke und die kann man ja auch formulieren, aber erstmal darum, ähm die Referendare weiterzubringen. [Zeilen 652-658] Moritz Wagner beschreibt hier, dass er versuchen würde, den Notendruck abzumildern sowie eine Gesamtbewertung erst am Ende der zweiten Ausbildungsphase zu geben. Durch das reflexive Verb „sich ausprobieren“ (Z. 654) deutet er an, dass in seinen Augen der Fokus nicht auf der unmittelbaren Bewertung von Performanz liegen sollte, sondern dass die Ermöglichung von Freiheiten und die parallele Beratung von Seiten der Ausbildungskraft eine Professionalisierung der LiV ermöglichen solle. Durch die kontrastierende Darstellung der formativen und summativen Bewertung (vgl. Z. 654 f.) zeigt er, dass für ihn erst ein Gesamteindruck von der LiV entstehen muss, bevor die Gesamtleistung auch bewertet werden kann. Die ersten benoteten Unterrichtsbesuche werden hier von ihm implizit als weniger sinnvoll erachtet. Mithilfe der syntaktischen Struktur im letzten Satz dokumentiert sich, dass für Wagner die Unterrichtsbesuche im eigentlichen Sinne dazu dienen sollten, die LiV in ihrer beruflichen Entwicklung zu beraten, zu fördern und nicht ausschließlich zu bewerten, wie es mutmaßlich von LiV wahrgenommen wird. Aus der mangelhaften, mitgebrachten Sprachkompetenz der LiV aus der ersten Phase zieht er für seine Seminararbeit auch entsprechende Konsequenzen bzw. hat diese in seiner Ausbildungstätigkeit bereits umgesetzt: Und ähm das will ich auf jeden Fall stärken, ich würde tatsächlich auch ähm noch stärker die Fremdsprache auch in die Seminare mit einfließen lassen. Und da hat man manchmal so ein bisschen (..) (schmunzelt) Widerstand, wenn man das machen möchte, „ach ja, muss das sein“. Oder es gibt dann Leute, die einfach Deutsch reden. Das gibt es dann auch. Wenn man selbst Französisch redet, kriegt man dann auf (lachend) Deutsch die Antwort. [Zeilen 668-675] Idealerweise würde Moritz Wagner die Fremdsprache „tatsächlich […] noch stärker […] in die Seminare mit einfließen lassen“ (Z. 669 f.). Durch das Adverb „tatsächlich“ wird unterstrichen, dass es dem Ausbilder wichtig ist, die Fremdsprache mit in die Seminare der zweiten Ausbildungsphase einfließen zu lassen. Möglicherweise verwendet er das Adverb in einem individuell-normativen Anspruch, weil es eher ungewöhnlich ist, die Fremdsprache in diesem Ausbildungskontext zu thematisieren, was er zumindest an Reaktionen seiner LiV festmacht. Des Weiteren fällt hier das Verb „einfließen“ (Z. 670) auf, durch 7.1 Fallrekonstruktion 1: Moritz Wagner 221 das impliziert wird, dass die Sprache nicht das Hauptaugenmerk der Seminararbeit der zweiten Phase sein sollte, sondern vielmehr quasi-automatisiert mit in die Seminare integriert werden muss, wie sie im Fremdsprachenunterricht gleichsam als Mittel zum kommunikativen Zweck genutzt wird. Moritz Wagner merkt dabei allerdings ebenfalls an, dass er bei dem Versuch, die Fremdsprache stärker einfließen zu lassen, „noch“ (Z. 669) auf Widerstand bei den LiV stößt, welchen er durch eine direkte Redewiedergabe aus der Sicht der LiV deutlich macht (vgl. Z. 672). Referendare und Referendarinnen wehren sich aus Sicht des Ausbilders gegen die Seminararbeit auf Französisch, was seine Kritik an der Sprachkompetenz erneut unterstreicht. Er stellt insbesondere die LiV heraus als „Leute, die einfach Deutsch reden“ (Z. 673). So würde „man dann auf (lachend) Deutsch die Antwort [bekommen, auch wenn] man selbst Französisch redet“ (Z. 674 f.). Indem der Ausbilder dabei das unpersönliche Pronomen „man“ (Z. 674 f.) verwendet, deutet er an, dass dieses Verhalten nicht nur in Seminaren offenbar wird, sondern auch Kolleginnen und Kollegen diese Erfahrung teilen. Er stellt damit die kollektiv von den Ausbildungskräften bereits zuvor diagnostizierten sprachlichen Mängel der LiV erneut heraus und stützt damit seine Begründung für die stärkere Einbindung der Sprache in die Modulsitzungen. 7.1.4 Zusammenfassende Betrachtung des Falls Moritz Wagner zeigt, in Abgrenzung mit den anderen Ausbildungskräften im betrachteten Sample, einen lerntheoretisch latent konstruktivistischen bzw. moderierenden Habitus mit einer Flexibilitäts- und Unabhängigkeitsorientierung bzw. -erwartung . Der konstruktivistisch-moderierende Anteil ergibt sich daraus, dass er zum einen Lerngelegenheiten und Erfahrungen für seine LiV ermöglichen möchte, zum anderen wenig formale Anforderungen an die Referendarinnen und Referendare formuliert - abgesehen von sprachlichen Kompetenzen, die sie jedoch bereits aus der ersten Phase mitbringen müssen. Letztere charakterisiert er als „von oben“ (Z. 45), sein eigentliches Ausbildungskonzept und die Vergegenständlichung der Ausbildungsinhalte versteht er entsprechend auf zumindest LiV-näherer Ebene. Er zeigt sich folglich wenig instruktivistisch oder gar transmissionsorientiert, da er, gefragt nach konkreter Handlungspraxis, wie sie sich beispielsweise in der Seminar- und Modularbeit äußern könnte, zwar auf formal kanonisierte Inhalte des Studienseminars eingeht, er diese aber als Vorgabe und nicht eigengestalte Praxis wahrnimmt. Die Modularbeit wird als Angebot-Nutzungs-Modell dargestellt, in der er selbst auch anhand seiner eigenen Unterrichtspraxis durchaus als Modell dient. In über die dezidiert herausgestellte Einstiegsphase des Studienseminars hinaus, dessen Ziel es sei, besonders das fachdidaktische Vorwissen der LiV, die von verschiedenen Universitäten 222 7 Fallrekonstruktionen stammen, aneinander anzugleichen, stellt er exemplarisch an der Lehrbucharbeit die Bedeutung des „Aussteigens“ heraus, das er in diesem Sinne konstruktiv-erfahrungswissensbasiert mit den LiV in Seminarsitzungen thematisiert und möglicherweise in Unterrichtsbesuchen als relevant herausarbeitet, wodurch die fremdsprachendidaktisch-methodische Schwerpunktsetzung erfolgt. Abb. 17: Orientierungsschemata und Habitus (Orientierungsrahmen) von Ausbildungskraft Moritz Wagner (grafisch). Im Vergleich zu anderen Ausbilderinnen und Ausbildern stellt er Unterrichtsbesuche nicht überdeutlich als Anforderungsbereich der LiV heraus, argumentiert vielmehr in der Darstellung seines Wunschkonzepts dafür, den Notendruck zu reduzieren. Die Sprachkompetenz der LiV jedoch, für die er sowohl die erste Phase wie auch die individuellen Lehrkräfte als verantwortlich ansieht, gilt ebenfalls als Bezugsrahmen für die Qualität und Authentizität sprachlichen Handelns der Lehrkraft sowie - in ihrer Vorbildfunktion - auch für die Lernenden im Fremdsprachenunterricht. Diese Modellhaftigkeit zeigt sich in Teilen analog in der Handlungspraxis Wagners: Für von ihm erwartete Flexibilität in sprachlicher wie didaktischer Hinsicht, wenn es beispielsweise um Auslandsaufenthalte, gegen das Diktat von Grammatik oder den bewussten Ausstieg aus den Lehrwerksinhalten geht, möchte Wagner einen gewissen Weg vorgeben, den er erfahrungsbasiert als bedeutsam bewertet. Er sieht sich selbst als „Leitmedium“ (Z. 240; s. o.). Hiermit dokumentiert sich jedoch ein umständehalber „enges“ Verständnis von Freiheit, das in bestimmten Grenzen definiert 7.2 Fallrekonstruktion 2: Monika Blümke 223 nicht beliebiges Handeln zulässt, sondern nur jenes, das auf den Prinzipien der Ausbildungskraft basiert. Davon identitätsnormabweichende Aspekte wie mangelnde Sprachkompetenz erschweren die Ausbildungspraxis und werden entsprechend kritisch gesehen. Oder sie führen im Extremfall zu Maßnahmen wie der Kritik an der universitären Sprachförderung oder der Äußerung im Rahmen des Wunschkonzepts, dass die Fremdsprache an sich von Seiten der Ausbildungskraft stärker einfließen müsse. Die Empfehlungen zur Stärkung des Mentor*innensystems im Rahmen der Explikationen zum Wunschkonzept stützen die vom Ausbilder wahrgenommene Notwendigkeit von Vorbildern, wenn ein Meister-Lehrling-Vergleich aufgestellt wird, in der Simulation und ständiges Feedback bedeutsame Prinzipien wären. Nicht ausgeführt wird in dem Zusammenhang dann allerdings, welche Rolle in einem derart gestärkten Mentor*in-LiV-Verhältnis die fremdsprachendidaktische Ausbildungskraft einnimmt, deren Einfluss abnähme oder gänzlich auf die Instanz der Bewertung reduziert würde. 7.2 Fallrekonstruktion 2: Monika Blümke Monika Blümke ist eine erfahrene, hauptamtliche Ausbilderin für Englisch im HR-Bereich (Haupt-/ Realschulen). In der Fallrekonstruktion offenbart sich ein transmissions-beratungsorientierter Habitus , der zum einen stark auf die explizite Vermittlung (Transmission) bestimmter Inhalte, aber auch Überzeugungen und Haltungen fokussiert, zum anderen Beratungssettings herzustellen versucht. Dieses Orientierungsdilemma mündet in ihrer Widersprüchlichkeit der habitualisierten Ausbildungspraxis in der Tat in einer diffusen Feldposition (Rollenverständnis), was im Folgenden in der berufsbiographischen Eingangserzählung angedeutet wird, sich dann darüber hinaus in den Themenfeldern „Abgrenzung“ und „Vertrauen“ widerspiegelt. Die Handlungspraxis Blümkes zeigt sich damit in Teilen trotz ihrer Kontrastiertheit analog zu anderen Ausbildungskräften im Sample. Das Interview beginnt mit der narrativ angelegten Frage, wie es dazu gekommen ist, dass die Ausbilderin angehende Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst betreut: I: Ähm/ Also Sie als Ausbilderin für Fremdsprachenlehrkräfte, könnten Sie mir erzählen, wie es dazu gekommen ist, dass Sie angehende Fremdsprachenlehrerinnen und -lehrer ausbilden? Ähm/ Und Sie können dabei so weit ausholen, wie Sie möchten. Also ich werde Sie auch dabei dann nicht unterbrechen und a/ alles, was Ihnen wichtig ist, würde mich in dem Zusammenhang interessieren. 224 7 Fallrekonstruktionen B: Mhm (bejahend). (.) Also ich selbst habe mein erstes Praktikum gemacht unter der Aufsicht von Name eines Universitätsprofessors . Ich habe quasi bei Name eines Universitätsprofessors studiert und habe mich sehr gut vorbereitet gefühlt, was die Didaktik betrifft, weil er sehr praxisorientiert war, auch in den Seminaren, und das sehr gut verbinden konnte. [Zeilen 1-11] Nach einer kurzen Zustimmung, die Frage offenbar verstanden zu haben, beginnt sie in ihrer berufsbiographischen Erzählung mit ihrem eigenen Studium, genauer: mit einem Schulpraktikum, das sie unter Aufsicht einer Person absolviert, die sie offenbar stark beeinflusst hat. Dies wird direkt im nachfolgenden Satz durch die Aussage „Ich habe quasi bei Name eines Universitätsprofessors studiert“ (Z. 8-9) erneut deutlich, wodurch die Person, auch durch das Adverb „quasi“, in den Fokus gerückt wird und zunächst nicht das Fach an sich, wie es bei anderen Ausbildungskräften beobachtbar ist. Durch die Formulierung „weil er sehr praxisorientiert war“ (Z. 10) könnte Monika Blümke die Praxisorientierung auf den Universitätsprofessor begrenzen und möglicherweise dadurch implizieren, dass diese Praxisorientierung kein universitärer Alltag war. Mit der Person verbindet Monika Blümke im Modus der Bewertung eine sehr gute, weil praxisorientierte, Vorbereitung, die sich über die positiven Praktikumserfahrungen bis in die Seminare übertrug. Letztere werden hier syntaktisch als Gegenhorizont im Sinne von „Theorie“ aufgebaut, während das Praktikum die „Praxis“ repräsentiert, gleichzeitig betont die Ausbilderin jedoch, dass die Lehrperson beides (Theorie und Praxis) gut verbinden konnte. Sie konstruiert den Professor damit als Idealtypus, der optimale Bedingungen für ihren eigenen Vorbereitungsdienst liefert: Sie hat sich „sehr gut vorbereitet gefühlt“ (Z. 8-9). „Praxis“ scheint damit - auch für ihre Ausbildungstätigkeit, wie noch herausgearbeitet werden muss - von Bedeutung zu sein, da sie hier zuerst davon erzählt und damit eine reflexiv-berufsbiographische Relevanzsetzung erfolgt. Das positive „Gefühl“ wird zeitlich an das Ende der ersten Phase gerückt, die praxisorientierte Seminargestaltung des Universitätsprofessors ruft einen Berufsfeldbezug hervor, der zu dem Zeitpunkt erst nur als Gefühl besteht, sogleich dann trotzdem im Kontext des Vorbereitungsdienstes gewissermaßen formativ bestätigt wird: (.) Und, ähm/ Im Referendariat hatte ich dann einen Ausbilder, (.) ähm, der dankbar dafür war, dass wir so kamen, aber selbst die anderen, die das nicht hatten, die konnten das eigentlich auch im Referendariat nicht nachholen unbedingt, (.) diese Praxiserfahrung. Da wir eine gemischte Gruppe waren, haben wir viel zusammengearbeitet, und ähm, (.) ja, also die gegenseitige Erfahrung, (.) um die gegenseitigen Vorbereitungen uns ergänzt und das lief dann eigentlich sehr gut. [Zeilen 11-18] 7.2 Fallrekonstruktion 2: Monika Blümke 225 Ausbilderin Blümke bezieht sich hier im Zusammenhang ihres eigenen Referendariats zunächst auf eine Person, ihren Ausbilder, verknüpft aber im Gegensatz zum Beispiel aus dem Studium zunächst keine explizite, professionelle Wertung mit ihm, sondern zeigt auf, dass dieser ihr praxisorientiertes Studium im positiven Sinne anerkannt hat. Die Dankbarkeit des Ausbilders für das praxisorientierte Vorwissen der LiV kann sowohl auf die Art gelesen werden, dass er beruhigt sein konnte, nicht alle elementaren Grundlagen ausführlich nachholen zu müssen, als auch auf die Weise, dass eine fruchtbare Seminararbeit aufgrund anknüpfbaren Vorwissens bestand. Monika Blümke stellt nach dieser einleitenden Bemerkung zum Referendariat zwei Vergleichsgruppen auf: 1) die eine Gruppe der Referendarinnen und Referendare mit Praxiserfahrungen aus dem Studium und 2) die Gruppe ohne Praxiserfahrungen. Gruppe 1 scheint hierbei einen gewissen Vorsprung zu haben, den Gruppe 2 „nicht nachholen“ (Z. 14) konnte. Durch die aufgrund der beiden Gruppen entstehende Heterogenität in den Seminarsitzungen ergaben sich Arbeitsbündnisse („viel zusammengearbeitet“, Z. 16) und Austauschszenarien von tendenziell informellem Lernen („gegenseitige Erfahrung“, Z. 17), die dazu beigetragen haben, dass die Arbeit mit den Mit-Referendarinnen und -Referendaren erfolgreich absolviert werden konnte. Diese Arbeitsweise wird einschränkend mit „eigentlich sehr gut“ (Z. 18) bewertet, d. h. dass hier entweder aufgrund des Gefälles an Praxiserfahrungen möglicherweise eine zuweilen unbefriedigende Situation in den Seminarsitzungen entstanden sein könnte, da Gruppe 1 primär eine mentorierende, zumindest unterstützende Rolle für die Gruppe 2 übernahm und dies potenziell auch zu Frustration der Gruppe 1 geführt haben könnte, dass diese auf dem praxisorientiert hohen Niveau möglicherweise nicht weitergeführt und ausgebildet wurde. Ihre zwiespältige Bewertung „eigentlich sehr gut“ könnte wiederum dafür sprechen, dass sie sich ihrer eigenen, zu dem Zeitpunkt bereits vorhandenen Lehrkompetenz bewusst ist und der Austausch eher ein Auffangen der Kolleginnen und Kollegen darstellt, das für diese eine gelungene Seminararbeit ausmachte. Eine zweite Lesart des „eigentlich“ könnte darauf hindeuten, dass es „wider Erwarten gut läuft“, sie also mit anderen Vorstellungen oder Bedenken in das eigene Referendariat gestartet ist. Für die erste Lesart spricht jedoch die ungewöhnliche Verwendung des Adjektivattributs „ gegenseitige Erfahrung“ und „ gegenseitige [] Vorbereitungen“, während man hier innerhalb einer kooperativ auf Augenhöhe arbeitenden Kolleg*innengruppe eher gemeinsame Erfahrungen und Vorbereitungen thematisieren würde. Dies bestätigt sich zum Teil: 226 7 Fallrekonstruktionen Aber, wie gesagt, ich lebte eigentlich davon, was äh, in der ersten Phase, was ich da mitgebracht habe. (.) Als ich dann später im/ selbst in der Schule war, habe ich sehr schnell dann auch Praktikanten genommen/ aufgenommen, und habe die beraten, in der Vorbereitung, und musste feststellen, dass das nicht, äh, so selbstverständlich war, so, wie wir vorbereitet wurden jetzt, hier von den Anglisten her, damals, (.) [Zeilen 18-24] Hier betont Monika Blümke wiederholt die wichtigen Erfahrungen aus dem Studium, die für ihr Referendariat nachhaltig prägend waren, ihr gewissermaßen bezogen auf die Unterrichtspraxis einen Vorsprung geboten, möglicherweise aber auch weniger Entwicklung als Referendarsgruppe 2 ermöglicht haben. Es lässt sich hier ein Gegenhorizont rekonstruieren zwischen den mitgebrachten Erfahrungen auf der einen Seite und des erfahrungsbasierten Austauschs innerhalb der Referendarsgruppe auf der anderen. Bemerkenswert ist die Wortwahl „ich lebte eigentlich davon“ (Z. 18-19), mit der im metaphorischen Sinne ausgedrückt wird, dass das (Erfahrungs-)Wissen der ersten Phase für Monika Blümke als existenziell und als ein essentieller, mit nichts ersetzbarer Bestandteil ihrer zweiten Phase anzusehen ist. Es findet zwar eine leichte Relativierung durch das Adverb „eigentlich“ statt, gleichsam ausdrückend, dass noch weitere Aspekte und Faktoren sicherlich eine Rolle spielten, dennoch muss hinterfragt werden, in welchem Umfang die zweite Phase hier eine professionelle Weiterentwicklung im Hinblick auf Unterrichtspraxis oder theoretisches, (fach-)didaktisches Wissen letztlich angestoßen hat. Die Wahl des Präteritums könnte in dem Kontext ein Hinweis darauf sein, dass die Erfahrungen der ersten Phase primär für den Beginn der 2. Phase förderlich waren bzw. für einen bestimmten, hier dann nicht näher spezifizierten Zeitraum, und dass später weitere Wissensfelder ergänzend hinzukamen. Im Folgenden springt Blümke zum Beginn ihres eigenen Schuldienstes und Berufseinstiegs, in dem sie früh aktiv begann, selbst als Mentorin für Praktikantinnen und Praktikanten tätig zu werden („schnell auch Praktikanten genommen“, Z. 21) und hier feststellen „musste“ (Z. 22), dass ihre eigenen, positiven Erfahrungen in der ersten Phase nicht selbstverständlich waren. Sie diagnostiziert sozusagen auf das Fach bezogen („hier von den Anglisten her“, Z. 24) gewisse Defizite, die aber nicht näher erläutert werden, höchstens im Kontext „Unterrichtsvorbereitung“ verhandelt werden, was sowohl allgemeinpädagogische/ -didaktische Konzepte als auch fachwissenschaftliche Aspekte einbeziehen könnte. Das Zeitadverb „damals“ (Z. 24) in der Satzendstellung stellt hier einen Gegenhorizont dar zu ihrer persönlichen Wahrnehmung der Kompetenzen der von ihr betreuten Studierenden in Schulpraktischen Studien im „jetzt“ (Z. 24) und ihrer Wahrnehmung ihres eigenen Studiums, in dem Theorie und Praxis besonders durch einen Hochschullehrer maßgeblich positiv verknüpft wurden (s. o.). 7.2 Fallrekonstruktion 2: Monika Blümke 227 und, äh, habe mit Freude den jungen Leuten das dann auch weitergegeben, und auch a/ mir angehört, was die gemacht haben, und für mich war dann klar, also dass ich das auch weiter unterstützen wollte. Habe also gesehen, wie wertvoll das ist. (..) [Zeilen 25-28] Monika Blümke stellt ein Motiv ihrer Tätigkeit explizit heraus, nämlich Wissen und Erfahrungen weiterzugeben, was sie „mit Freude“ (Z. 25) erfüllt, wiederum als Gegenhorizont zum im Vorsatz verwendeten Temporaladverb „damals“ (Z. 24). Diese Erfahrungen werden insofern betont, als dass sie an „junge Leute“ weitergegeben werden, was sich nicht notwendigerweise auf das Alter, sondern eher auf die mangelnden Erfahrungen beziehen lässt. Da sie ein in gewissem Maße mangelndes Wissen unterstellt und diagnostiziert („mir angehört, was die gemacht haben“, Z. 26), ist es für sie dann nur folgerichtig, das, was vorhanden ist, „auch weiter unterstützen“ (Z. 27) zu wollen, d. h. diesen Zustand zu optimieren. Die diesen Auszug abschließende Bewertung als „wertvoll“ bezieht sich damit nicht auf das Wissen der Praktikant*innen, sondern auf ihre Tätigkeit des Beratens und Unterstützens, einen gewissen Defizit der ersten Phase gleichsam in der mentorierenden Tätigkeit ausgleichen zu können. Die Ausbilderin kontrastiert im Anschluss unmittelbar diese Tätigkeit mit Aspekten von persönlicher Arbeitsbelastung und legt dar, dass die Beratungstätigkeit aufgrund vorher bereits erhaltener Praxiserfahrungen keine Zusatzbelastung trotz Vollzeitarbeit und Familie darstellte: Und hatte auch nie Probleme, also meinen Unterricht vorzubereiten, bei voller Stundenzahl, mit Familie und so, weil ich einfach so eine gewisse Sicherheit dann auch hatte. Ja, ich musste mich nicht noch theoretisch belesen oder diese Dinge. (..) Habe das dann mit den Praktikanten gemacht, und dann ist das daraus entstanden, dass ich dann auch in die Ausbildung gehen könnte. (.) Habe mich dann irgendwann beworben, und das hat zum Glück dann auch funktioniert. [Zeilen 28-35] Durch das Nennen von potentiellen „Problemen“ (Z. 28) bzw. der Tatsache, dass sie mit diesen Problemen, die aufgrund von mehrfacher Zusatzbelastung ebenso im privaten Bereich entstehen, gut umgehen konnte, stellt Monika Blümke heraus, dass es diese Probleme bei Dritten offenbar gibt. Sie begründet ihren guten Umgang mit den Schwierigkeiten damit, dass sie bereits vorab durch ihre Erfahrungen (potentiell diejenigen aus der 1. Phase) „eine gewisse Sicherheit“ (Z. 30-31) hatte im Gegensatz zur „Unsicherheit“ anderer Berufseinsteigenden, die diese Sicherheit in dem Maße nicht mitbringen konnten. Attributiv der Sicherheit vorangestellt, zeigt die Einschränkung mit „gewisse“ (Z. 30) entweder eine potentielle Nicht-Greifbarkeit oder Nicht-Nachvollziehbarkeit dieser Sicherheit oder, wahrscheinlicher aufgrund der Vorerzählungen, eine abgemilderte Dar- 228 7 Fallrekonstruktionen stellung der eigenen, als hoch bewerteten, mitgebrachten Kompetenz. Dies lässt sich stützen durch den verabsolutierenden Gebrauch „hatte auch nie Probleme“ (Z. 28; Hervorhebung D.G.), der in den Gesamtkontext von Beruflichem (Unterrichtsvorbereitung, volle Stundenzahl) und Privatem (Familie) gesetzt wird. Wegen der syntaktischen Struktur lässt sich dennoch erkennen, dass insbesondere die Unterrichtsvorbereitung als die größte Herausforderung von Monika Blümke in dieser Zeit oder - in einer zweiten Lesart - im Allgemeinen gesehen wird, welche durch Fachliteratur („theoretisch belesen“, Z. 31-32) bei Lehrkräften unterstützt werden muss. Unklar bleibt hier, was sie mit „diese Dinge“ im Zusatz zur Fachliteratur meint. Mithilfe der nachfolgenden Beschreibung, „das dann mit den Praktikanten gemacht [zu haben]“ (Z. 32), könnten mit „diesen Dingen“ hier eher allgemeinpädagogische, unterrichtspraktische, möglicherweise mitgebrachte fremdsprachendidaktische Fragestellungen und Konzepte sein, die Monika Blümke dann beraten konnte. Durch die Partikel „noch“ (Z. 31) könnte sie andeuten wollen, dass das theoretische Belesen ausschließlich dann notwendig ist, wenn nicht schon genug praktisches Wissen vorhanden ist. Damit schreibt Monika Blümke den praktischen Erfahrungen im Gegensatz zum theoretischen Wissen wiederholt eine größere Bedeutung zu. Berufsbiographisch schließt sie hier zunächst damit ab, dass aus ihrer Beratungsarbeit mit Praktikantinnen und Praktikanten ihre Ausbildungstätigkeit entstanden ist. Genannt wird an dieser Stelle keine Mentorentätigkeit von Referendarinnen und Referendaren. Zu einem Zeitpunkt mit Anfang 40, auf Grundlage der vorliegenden persönlichen Daten, muss sie sich dann um die Stelle als Ausbilderin beworben haben. Mit der Wertung „zum Glück“ (Z. 35) als positiver Gegenhorizont zu den eingangs dargelegten Problemen Dritter drückt sie hier eine Zufriedenheit bzw. das Erreichen eines gewissen Levels aus, das aber auch zuweilen von anderen Umständen bestimmt war, „das hat … funktioniert“ (Z. 35). Durch die Verwendung des Verbs „entstehen“ (vgl. Z. 33) könnte impliziert werden, dass nicht Monika Blümke eine aktive Entscheidung gefällt hat, sondern die Arbeit mit den Pratikanten/ -innen (automatisch) dazu geführt hat, dass sie nun als Ausbilderin tätig ist. 7.2.1 Themenfeld Abgrenzung: „Ansonsten können wir sagen, ja, jeder lernt TROTZ Lehrer, trotz Ausbilder. (.) Das kann es ja nicht sein.“ In der oben dargestellten berufsbiographischen Eingangserzählung sind die zentralen Elemente und Orientierungsproblematiken angeklungen, die für Monika Blümke charakteristisch zu sein scheinen. Hierzu gehört eine Praxisorientierung, ein praxistheoretischer Vorsprung, der in der eigenen Berufsbiographie 7.2 Fallrekonstruktion 2: Monika Blümke 229 das Bewerkstelligen des Vorbereitungsdienstes erleichtert sowie die Bedeutung einer mentorierenden Betreuung von Praktikantinnen und Praktikanten hervorhebt. Es wird dabei deutlich, dass sie sich in ihrem Habitus von bestimmten Personengruppen abzugrenzen versucht: So sind es in der eigenen Vergangenheit zum einen die anderen Referendarinnen und Referendare, zu denen sie einen Wissensbzw. Praxisvorsprung eröffnet und gleichsam dort bereits in die Rolle der Mentorin für die Kolleginnen und Kollegen schlüpft, zum anderen grenzt sie sich über Alterszuschreibungen im Reden über ihre jetzige Ausbildungspraxis von „den jungen Leuten“ ab. Dies soll im Folgenden im Rahmen des Themenfeldes „Abgrenzung“ noch genauer anhand entsprechender Passagen aus dem Interviewmaterial beleuchtet werden. Die Interviewpartner*innen wurden jeweils gefragt nach einem Ereignis, das ihnen in ihrer Ausbildungstätigkeit besonders in Erinnerung geblieben ist. Einige von ihnen nennen dezidiert negative Einzelereignisse, andere verallgemeinern positive Ereignisse. Monika Blümke fällt zunächst kein Beispiel ein: I: Ja. (.) Gibt es so ein Ereignis, jetzt in Ihrer Tä/ konkret in Ihrer Tätigkeit als/ als Ausbilderin, an das Sie, ähm, besonders gern zurückdenken? B: (..) Ein Ereignis, wo ich besonders gern zurückdenke. Nein. Könnte ich jetzt nicht sagen. I: (.) Kein besonders/ B: Prinzipiell liebe ich meinen Beruf, ja, in allen Schattierungen. Ich kann nur sagen, wo ich, äh, se/ sehr UNgern dran zurückdenke, wenn das noch als Frage/ I: Schießen Sie los. B: Das war, als die Ausbildung sich geändert hat. (.) Und das war auch der Zeitpunkt, wo ich gesagt habe, die zweite Phase, „das reicht nicht mehr“. Und seitdem bin ich auch hier an der Uni, in der ersten Phase mit dabei, um möglichst früh da schon Dinge mit reinzugeben. Mittlerweile begegne ich den jungen Leuten auch wieder in der zweiten Phase, teilweise bei der dritten Phase, (lachend) das ergibt sich dann auch so, und das, äh, finde ich dann auch sehr wichtig, also diese Verbindung (.) zu halten. [Zeilen 48-65] Monika Blümke wiederholt zunächst die gestellte Frage nach dem Ereignis, negiert diese aber direkt. Auch ein neuer Ansatz des Paraphrasierens bzw. Aufforderns von Seiten des Interviewers („Kein besonders/ “, Z. 53) evoziert hier kein Erzählen, sondern ein normativ und emotional starkes Bewerten ihrer Tätigkeit („liebe meinen Beruf “, Z. 54), die im Nachsatz in der Tendenz jedoch negativ durch „Schattierungen“ (Z. 54) eingefärbt wird, obwohl hier in positiver Hin- 230 7 Fallrekonstruktionen sicht eher eine Formulierung wie „Facetten“ in diesem Zusammenhang erwartet werden würde. Obwohl in der Interviewerfrage ebenfalls eine Bewertung steckt („gern zurückdenken“, Z. 49-50), stellt sie in ihrer Reaktion eher einen negativen Aspekt in den Mittelpunkt, leitet diesen mit ihrer Liebe zum Beruf sowie den damit verbundenen Schattierungen ein. Sie erinnert sich, dabei das „UNgern“ (Z. 55) betonend, an strukturelle Veränderungen im Vorbereitungsdienst, die somit gleichsam top down stattfanden und als damit von ihr nicht beeinflussbar dargestellt werden. Diese Veränderungen beziehen sich höchstwahrscheinlich 118 auf die einsetzende Modularisierung des Vorbereitungsdienstes, welcher Monika Blümke einen gewissen Mangel in Form einer direkten Rede unterstellt („das reicht nicht mehr“, Z. 59-60). Bezogen auf ihre eigenen Erfahrungen und der von ihr geschätzten Vorzüge einer praxisorientierten 1. Phase besteht möglicherweise der Mangel darin, dass in der 2. Phase nun zu wenig aktive Ausbildungszeit investiert werden kann (durch eine höhere Zahl an LiV oder tatsächlich weniger Seminarsitzungen bzw. Unterrichtsbesuche und deren Besprechungen), die dann die praxisorientierten Defizite der 1. Phase nicht mehr begleitend auszugleichen vermag. Sie engagiert sich daher selbst im Hochschulbereich, „um möglichst früh da schon Dinge mit reinzugeben“ (Z. 61). Die Inhalte bleiben innerhalb dieses Um-zu-Motivs zunächst unspezifisch, auch die Zielgruppe der Lehramtsstudierenden wird damit zunächst explizit nicht genannt, sodass ein unspezifisches „Sich-Einbringen“ im Hochschulbereich hier interpretierbar wäre. Durch das Adverb „möglichst“ und das Adjektiv „früh“ (Z. 61) könnte Monika Blümke deutlich machen wollen, dass besonders die frühe Ausbildungsphase wichtig für die späteren Fertigkeiten im Beruf ist. Dass doch ein direktes Interagieren mit Lehramtsstudierenden hier gemeint ist, zeigt der Abschluss dadurch, dass sie herausstellt, dass sie die Personen in den verschiedenen Phasen dann wiedertrifft, sozusagen mehr oder weniger begleitet und den Kontakt über die verschiedenen Phasen hinweg schätzt. Dadurch, dass die Ausbilderin die LiV abermals als „junge Leute“ (Z. 62, 25) bezeichnet, könnte sie womöglich wiederholt die geringe Erfahrung und das geringere Wissen der Referendarinnen und Referendare unterstreichen wollen. Diese Interpretation würde den vorher geäußerten Mangel („das reicht nicht mehr“, Z. 59 f.) unterstützen und zeigt nachdrücklich im Rahmen der Analyse die Bedeutung dieser Passage als direkten Aussagesatz als eine Form, die Monika Blümke im Gesprächsverlauf sonst nur selten verwendet. 118 Hier wurde im späteren Verlauf des Interviews nicht explizit nachgefragt, es lässt sich aber auch aufgrund weiterer Interviewpassagen rekonstruieren. 7.2 Fallrekonstruktion 2: Monika Blümke 231 Im Zuge weiterer kritischer Aspekte an ausbildungscharakteristischen Strukturen bzw. auf die Auswirkungen der von ihr kritisierten Modularisierung bezogen wird im Besonderen ihre professionelle Haltung im Sinne einer Begleitung der angehenden Lehrkräfte erneut sichtbar: Zum Beispiel Schulleiter kann nicht jeder werden, der sagt „och, ich würde gerne mal eine Schule leiten“. Das geht nicht. (.) Ja? Und, äh/ Und wenn man feststellt, dass, ähm, die Lehrkraft sehr entscheidend ist für den Lernzuwachs der Schüler. (.) Und wenn wir gute Lehrkräfte haben wollen, dann brauchen wir sicher auch Leute, die das gut beherrschen, diese Ausbildung. (..) Ansonsten können wir sagen, ja, jeder lernt TROTZ Lehrer, trotz Ausbilder. (.) Das kann es ja nicht sein. [Zeilen 120-127] In diesem Auszug stellt Blümke die Bedeutung der Ausbildungskräfte heraus und nähert sich dieser Darstellung über drei Ebenen: Zum einen greift sie als Beispiel die Tätigkeit des Schulleiters heraus, was „nicht jeder werden [kann]“ (Z. 120), zum anderen betont sie das Lehrer-Schüler-Verhältnis, welches nur dann einen Erfolg („Lernzuwachs“, Z. 123) hervorbringen kann, wenn die Lehrkräfte ihre Tätigkeit gut beherrschen, und zuletzt stellt die Ausbilderin gleichsam als Voraussetzung für gute Lehrkräfte die Vorbereitung der zweiten Phase in den Vordergrund. Die Ausbilderin formuliert hier ein Bedingungsgefüge von guter Ausbildung und gutem Unterricht (bzw. einer kompetenten Lehrkraft), das diametral zu der von ihr auf einer strukturellen Ebene angeführten Kritik am Vorbereitungsdienst liegt, dass sie ihre LiV nämlich kaum noch in informelleren Ausbildungssituationen sieht, sondern primär in bewerteten Unterrichtsbesuchen und (wenigen) Modulsitzungen. Die sprachlich drastische Darstellung, beginnend mit dem Schulleiterbeispiel und der Lehrer-Schüler-Vergleich, welcher durch die starke Betonung des „TROTZ“ (Z. 126) unterstrichen wird, betont insgesamt die Bedeutung der Ausbildungstätigkeit im Rahmen von Lehrerprofessionalisierung aus Sicht von Monika Blümke. Durch die Benutzung des Pronomens „wir“ (vgl. Z. 123 f.) akzentuiert die Lehrerbildnerin weiterhin den normativen Anspruch, gute Lehr- und Ausbildungskräfte zu haben. (Im Folgenden spricht sie ebenfalls über die Qualifikation der Ausbilderinnen und Ausbilder sowie ein ausführliches Bewerbungsverfahren, dessen sie sich vor Beginn ihrer Tätigkeit als Ausbilderin unterziehen musste mit eigenen Lehrproben, Beratungskonzepten und Ähnlichem. Diese Elemente und Anforderungen würden heute - wie sie betont - nicht mehr an Ausbildungskräfte gestellt.) Für das Themenfeld „Abgrenzung“ darüber hinaus bedeutend ist, dass Blümke an einer späteren Stelle auf die fachwissenschaftlichen, fachdidaktischen und zuletzt auch sprachlichen Kompetenzen der LiV zu sprechen kommt. Indem sie von einer tatsächlich in der zum Zeitpunkt des Interviews kurz vorher geschehenen Situation erzählt, stellt Sie implizit verallgemeinernd einen Gegen- 232 7 Fallrekonstruktionen horizont zu früheren LiV heraus bzw. den von diesen mitgebrachten Fähig- und Fertigkeiten: Also dass, äh/ dass große Defizite in der Sprache sind, das war auch letzte Woche/ Da ging es um Bildbeschreibung und, dass derjenige, der die Stunde gehalten hat, selbst sehr viele Fehler gemacht hat, auch in der eigenen Sprache. (..) Aber das muss in Französisch schlimmer sein, (lachend) als in Englisch, habe ich gehört. Also in Englisch geht das ja immer noch so ein bisschen. Aber das ist schon auch viel schlechter geworden. Also wo wir früher Angst hatten, dass wir überhaupt einen Fehler machen/ (..) Also da hätte ich lieber alles aufgeschrieben und auswendig gelernt, wenn ich unsicher gewesen wäre, aber die heute munter plappern, ja, aber auch Fehler machen, (.) auch sehr undiszipliniert in ihrer Sprache sind, (..) wo ich ja sage, vor einer Klasse, die ja nur, ähm, (..) also auf ein kleines Repertoire an Sprache zurückgreifen können, die können ja jetzt nicht unterscheiden, wenn es dreimal verschieden formuliert ist, dass es immer noch um denselben Inhalt geht. [Zeilen 575-582] Sie erzählt einleitend von einem Referendar, der in der dem Interview vorangehenden Woche im Rahmen eines Unterrichtsbesuchs zum Thema Bildbeschreibungen sprachliche Mängel offenbart hat. Sie leitet diese Erzählung beschreibend ein mit einer unpersönlichen Feststellung, dass es im Allgemeinen „große Defizite in der Sprache [gebe]“ (Z. 574) und sie dies offenbar wiederholt feststelle, da sie es „auch“ an der Stelle erneut merken konnte. Sie generalisiert eine über die letzten Jahre abnehmende Sprachkompetenz, obwohl sie von ihren Kolleginnen und Kollegen im Bereich Französisch noch „Schlimmeres“ gehört habe (Z. 579; vgl. Fallrekonstruktion von Moritz Wagner). Sie beschreibt aus ihrer eigenen Referendariatszeit, zunächst verallgemeinernd in einer eher unpersönlichen Form der 1. Person Plural, dann aber direkt wechselnd in die 1. Person Singular aus ihrer Perspektive, dass sie sich bei Angst vor Fehlern eher alle Arbeitsanweisungen und lehrerseitige Sprache vorgeschrieben und auswendig gelernt hätte anstatt, wie ihre LiV, „munter [zu] plappern“ (Z. 585). Hierbei wird nicht klar, ob Monika Blümke diese Strategie selbst angewandt hat oder dies, wahrscheinlicher, als Ratschlag ihrerseits an die LiV sieht. Sie stellt das „muntere Plappern“ mit „Undiszipliniertheit“ gleich, was sogleich dann aber nicht mehr auf sprachliche Fehler bezogen wird, sondern auf verschiedene Formulierungen desselben Inhalts. Die Ausbilderin kritisiert dementsprechend zum Ende der Passage eine mangelnde Disziplin bezüglich der Klarheit von Anweisungen der LiV gegenüber den sprachlich schwächeren Schülerinnen und Schülern, die durch das „muntere Plappern“ der LiV entstünde, nicht zwangsläufig (nur) durch eine fehlerbehaftete Sprache, wie sie zunächst noch weiter oben angedeutet wurde. Dieses Charakteristikum wird damit von ihrer Seite zu einem Qualitäts- und Bewertungskriterium bzw. Indikator von Leistung ihrer 7.2 Fallrekonstruktion 2: Monika Blümke 233 LiV. Gleichzeitig betont sie an anderer Stelle, dass es ihr wichtig sei, dass LiV in bestimmten Modul- oder Beratungssituationen erkennen, dass sie von der Ausbilderin in der spezifischen Situation nicht bewertet würden: Mittlerweile gehe ich so weit, dass ich sage, „das ist jetzt bewertungsfrei“. Das habe ich früher NIE gesagt. Das war dann einfach klar, dass man mal frei diskutieren kann. (.) Ja? Und das machen die heute nicht mehr. Es ist alles dann/ (…) Ach, es sind so Floskeln, die werden dann so abgeliefert, ja? Handlungsorientierung und Kopf - Herz und Hand, Pestalozzi. Sage ich, „machen Sie mal fünf, sechs Sätze mehr daraus“. Da kommt nichts. Das wissen die nicht, was das heißt, jetzt für den Englischunterricht, zum Beispiel. Handlungsorientierung. (4) Also die wissen schon, aber die wissen das nicht so zu verbinden und was das jetzt heißt, für ihre Unterrichtsentscheidungen. (4) [Zeilen 265-275] Monika Blümke sagt ihren LiV an gewissen Stellen explizit, dass eine bewertungsfreie Gesprächssituation folgt. Die Zeitangabe „mittlerweile“ sowie „so weit zu gehen“ drücken aus, dass sie sich diesem Vorgehen lange Zeit widersetzt hat, eine derartige Transparenz in ihrer Ausbildungspraxis offensiv zu schaffen. Früheren Generationen von Referendarinnen und Referendarinnen sei die Situation einer bewertungsfreien Diskussionsrunde „dann einfach klar“ (Z. 266-267) gewesen. Sie leitet mittels dieser Kritik und des abgrenzenden Gegenhorizonts „früher - heute“ über zu einer Kritik am Mangel an Wissen auf pädagogischer und fachdidaktischer Ebene insofern, als dass die LiV zwar schlagwortartig Begriffe nennen, diese aber nicht umfassender und differenzierter erläutern können. Sie exemplifiziert dies am Prinzip der Handlungsorientierung, pausiert dann allerdings verhältnismäßig lange für ihren üblichen Redefluss und stellt anschließend klar, dass den LiV nicht grundsätzlich das Fachwissen um diesen Begriff fehle, sondern sie ihn nicht im Kontext von Unterricht auf einer methodisch-didaktischen Ebene zielführend einsetzen könnten. Gleichzeitig fällt in der Passage der wiederholte Gebrauch von „die“ auf, gemeint sind die aktuellen LiV, wodurch eine starke Distanz zwischen den „LiV früherer Generationen“ und „heutigen LiV“ aufgebaut wird und implizit die in der Passage verwobene, wenn auch zum Ende leicht relativierte, Kritik deutlich hervortritt. Kontrastierend zur oben aufgeführten Erzählung aus dem Unterricht einer LiV, soll hier ein Erlebnis der Ausbilderin aus ihrem eigenen Unterricht dargestellt werden. Diese Passage stammt aus dem immanenten Nachfrageteil, in dem nochmals gefragt wurde, was ihr in Erinnerung geblieben ist (siehe oben), hier jedoch offener gefragt über ihre gesamte Berufsbiographie hinweg, nicht nur eingeschränkt auf die Ausbildungstätigkeit: 234 7 Fallrekonstruktionen Aus dem eigenen Unterricht erinnere ich mich an Unterricht in einer Hauptschulklasse, in der achten Hauptschulklasse. Da kam ein Kind mit Migrationshintergrund, die kam aus Russland, und hatte NIE Englischunterricht. Aufgrund des Alters kam die in die achte Klasse (.) und dann habe ich ihr Material gegeben für ein erstes Lernjahr, habe ich so zusammengestellt. (.) Und die anderen in der Hauptschulklasse, die waren immer froh, dass sie was sagen konnten, weil die waren ja dann die Kings, ja, das tat denen ja sehr gut. Die haben also sehr/ haben die sehr unterstützt dann auch und geholfen. Und das war zu Zeiten, als das noch nicht versetzungsrelevant war, Englisch. (.) Die hat dann eine Note bekommen, die hat das sehr fleißig gemacht, eine 2, mit der Anmerkung, „auf der Basis eines ersten Lernjahres“. So. (.) Danach wurde es versetzungsrelevant und die war dann natürlich sofort auf 5, 6, also die konnte das nicht alles. (..) Ja? Und das ist ein/ war ein großer Schwachsinn damals. Und ich dachte, mit Kompetenzorientierung passiert sowas nicht mehr. (…) Dürfte eigentlich nicht mehr passieren. Passiert aber heute immer noch. [Zeilen 440-457] Blümke erzählt von einer Schülerin mit Migrationshintergrund, die ihrem Unterricht zugewiesen wurde, ohne vorher Englischunterricht in ihrem Heimatland Russland besucht zu haben. Sie beschreibt ihre daraus erfolgende Differenzierung für die Lerngruppe und für die Schülerin anhand von Material für jüngere Lernende und die entwicklungsgemäß großen Fortschritte, die sie vollziehen konnte. Frustriert zeigt sie sich durch die dann notwendig werdende Notengebung aufgrund der aufkommenden Versetzungsrelevanz des Hauptschulfachs Englisch, wogegen die Schülerin dann aufgrund des Leistungsunterschiedes nicht mehr ankam. Sie beschreibt die Leistungsdifferenz zu den anderen Mitgliedern der Hauptschulklasse als Chance für jene, da diese sich durch ihre stärkeren sprachlichen Fertigkeiten gewissermaßen profilieren und ihr Selbstbild stärken konnten („die waren ja dann die Kings“, Z. 447). Sie führt weiter aus, dass die anderen Lernenden die russische Schülerin auch unterstützt und ihr geholfen haben. An der Stelle lassen sich für die nachfolgend aufkommende kritische Stellungnahme zwei Lesarten konstruieren: Die erste Lesart bezieht sich auf die oben bereits angesprochene und recht explizit formulierte Kritik, dass trotz des normativen, top down -Wandels zur Kompetenzorientierung weiterhin eine Leistungsorientierung durch die Versetzungsrelevanz vorliegt („Dürfte eigentlich nicht mehr passieren“, Z. 456-457). Die zweite Lesart ergibt sich aus dem Verhalten der Lerngruppe, eine Unterstützung für die Mitschülerin „zu Zeiten, als das noch nicht versetzungsrelevant war“ (Z. 449-450). Diese Lesart könnte nun dahingehend ausgelegt werden, dass der offene, unterstützende Umgang innerhalb der Lerngruppe und die Möglichkeit, derart differenzierend mit Material des 1. Lernjahres zu arbeiten, nur im 7.2 Fallrekonstruktion 2: Monika Blümke 235 tendenziell sanktions- und bewertungsfreien, d. h. nicht versetzungsrelevanten Englischunterricht möglich war und nicht mehr, seitdem es versetzungsrelevant wurde. Möglicherweise hat die Versetzungsrelevanz den Unterricht - oder auch die Lernenden - dahingehend verändert. Während dann vorher in den Augen von Monika Blümke tatsächlich kompetenzorientiert differenzierend gearbeitet werden konnte, ist dies später entfallen. Die Heftigkeit ihrer Kritik fällt ebenfalls durch die Verwendung des Begriffs „Schwachsinn“ (Z. 455) auf sowie den erneut aufgestellten Horizont zwischen den Zeitebenen früher und heute. In der Darstellung dieser Unterrichtssituation dokumentiert sich implizit ihre Kritik an systemischen Vorgaben, die sich auch in ihren Anmerkungen zu den Strukturen des Vorbereitungsdienstes wiederfinden. Insbesondere für die aktuellere Zeitebene wird ein zweites Beispiel für diese Fallrekonstruktion relevant, welches Monika Blümke aus ihrer Tätigkeit als Ausbilderin direkt im Anschluss thematisiert: Das andere ist der letzte, vorletzte Woche ein Unterricht, auch in einer Hauptschulklasse. Die Schüler sollten einen kleinen Text schreiben, über etwas, was sie am Vortag erlebt haben, und ein Schüler schreibt definitiv einen sehr netten, kleinen Text, aber VOLLER Fehler. Aber er erzählt etwas. Also man kann das verstehen. Also man kann es vielleicht nicht lesen, er konnte es lesen, insofern hat man es auch verstanden, was er wollte. So. Und, äh/ Das wurde aber nicht überarbeitet. (..) Es gab auch keinen Auftrag da nochmal hinzugucken, oder wie man da rangeht, dass es auch richtig wird, (..) weil das Produkt sollte schon eine E-Mail sein, also dass die auch richtig geschrieben ist, es/ es war/ ging nicht darum, dass man das mal mündlich vorträgt, das war definitiv ein schriftliches Produkt. (.) Und das sind so Sachen, wo ich immer denke, ja, da wissen viele nicht so genau, was ist denn jetzt das Endprodukt und wie komme ich da hin. (.) Ja? Also in beiden Fällen. (..) Und das würde ich mir sehr wünschen, dass das möglich ist. [Zeilen 458-474] Die Ausbilderin erzählt von einem Unterrichtsbesuch einer LiV, in dem ein Schüler einen Text über ein Erlebnis in Form und Register einer E-Mail verfassen und diesen laut vorlesen sollte. Blümke ist dabei aufgefallen, dass der Text voller Fehler war, dabei zwar inhaltlich verstanden werden konnte, dass etwas „erzählt“ (Z. 463) wurde, die sprachlichen Mängel jedoch an keiner Stelle von der LiV thematisiert bzw. korrigiert wurden. Sie stellt die konzeptionelle Schriftlichkeit der E-Mail heraus, die mündlich zwar verständlich vorgetragen, dann aber in ihrer Schriftlichkeit nicht zielführend korrigiert wurde. Sie attestiert der LiV hier eine mangelnde Prozessbegleitung beim Anfertigen eines entsprechenden schriftlichen Produkts durch Lernende. Bemerkenswerterweise wird in der Erzählpassage, welche durch ihre explizite Kritik folgerichtig zahlreiche Bewertungen und beschreibende Elemente 236 7 Fallrekonstruktionen enthält, keine Lehrkraft oder LiV erwähnt. Vielmehr sollten Lernende ein Produkt anfertigen, was man verstehen konnte, was aber nicht überarbeitet wurde. In der abschließenden Bemerkung bezieht Monika Blümke ihr erstes Beispiel der russischen Schülerin erneut mit ein. Beiden Beispielen inne wohnt eine Betrachtung der Prozesshaftigkeit: im einen Beispiel die adaptive Begleitung des zunächst schwachen Leistungsniveaus, im zweiten Beispiel eine nicht erfolgte sprachlich-korrektive Begleitung mit Feedback. Diese Möglichkeit von Unterricht und Ausbildung bzw. der flexiblen Öffnung von Unterricht für entsprechende Prozesse wünscht sich die Ausbilderin. Warum dies nicht möglich ist, bleibt an dieser Stelle offen, im Interviewverlauf lassen sich aber die Ausbildungsstrukturen und Zwänge sowie die LiV selbst als ursächlich für die mangelnde prozessorientierte Flexibilität (aus Sicht der Ausbilderin) ausmachen. 7.2.2 Themenfeld Vertrauen: „Also eigentlich wollen die mehr verbe/ ihre Defizite VERBERGEN.“ In einem gewissen Widerspruch zum ersten Themenfeld, in dem die Ausbilderin wiederholt negative Gegenhorizonte entwirft und so kontrastierend eine Abgrenzung unter anderem auch zu ihren eigenen Lehrkräften im Vorbereitungsdienst herausstellt, beschäftigt sie ebenfalls ein nötiges vertrauensvolles Verhältnis, eine intensivere Zusammenarbeit und Ausbildungstätigkeit, welche sie sich mit ihren Lehrkräften im Vorbereitungsdienst wünscht. Die Tatsache, dass sie die Begleitung der Lehrkräfte über die verschiedenen Phasen hinweg schätzt und sich aktiv in der ersten Phase einbringt, kontrastiert dabei jedoch ein Stück weit mit ihrer Bewertung der Zusammenarbeit mit ihren LiV: I: Wie würden Sie, äh, die Arbeit mit Ihren Lehrkräften im Vorbereitungsdienst beschreiben? Ganz allgemein. B: (.) Allgemein ist, äh/ Aktuell ist es so, dass man rel/ recht viel Distanz hat, weil sehr viel Skepsis ist. Also es gibt kein vertrauensvolles Verhältnis unbedingt. (.) Das ist nur in Einzelfällen der Fall, (.) weil wir sehr viel in die Rolle des Prüfers gekommen sind, (.) weil alle UBs von Anfang an bewertet werden sollen, und die Note letztendlich aus/ auch, äh/ sich nur aufgrund der Unterrichtspraxis, (.) also aufgrund dessen resultiert. (.) Und das hatten wir früher nicht. Also Erprobungsphasen, wo man die Leute gut kennenlernt, wo ein Vertrauen entstehen kann, wo auch jemand mal irgendeine Verrücktheit machen kann, weil er denkt „das probiere ich mal aus“, das ist vollkommen entfallen. [Zeilen 176-188] Monika Blümke beschreibt, der Aufforderung des Interviewers dem Modus der Beschreibung hier folgend, die Arbeit mit den LiV als eine von Bewertungs- 7.2 Fallrekonstruktion 2: Monika Blümke 237 zwang bedingte Distanz, die mutmaßlich auf Grundlage erst kürzlich entstandener Strukturen beruht. Dies lässt sich anhand der einleitenden Äußerung „allgemein“, die vom Interviewer aufgegriffen wird, dann aber in „aktuell“ umgewandelt wird, rekonstruieren. Die Distanz wird hier bezogen auf äußere Umstände verstärkt durch das unpersönliche Personalpronomen „man“ (Z. 178) sowie die Passivkonstruktion bezogen auf das Vorherrschen von „Skepsis“ (Z. 179). Diese Distanz und damit einhergehend ein mangelhaftes Vertrauen zwischen Ausbilderin und LiV steht im deutlichen Gegensatz zu ihrem Wunsch an anderer Stelle, ein vertrauensvolles Verhältnis aufbauen zu wollen (s. Passage 500-507). Im Gegensatz zur früheren Ausbildungstätigkeit („Und das hatten wir früher nicht.“, Z. 184-185) herrscht aus Sicht von Monika Blümke weniger Vertrauen, da die „Rolle des Prüfers“ (Z. 181) seitens Ausbilderinnen und Ausbilder stärker in den Fokus gerückt sei, „weil alle UBs von Anfang an bewertet werden sollen“ (Z. 182) - institutionalisiert bestimmt durch die entsprechende Ausbildungsverordnung. Ausbilderin Blümke stellt damit strukturelle Begebenheiten des Vorbereitungsdienstes ursächlich für eine latent funktionalistische(re) Ausbildungstätigkeit, die aufgrund dieser Strukturen nicht mehr auf Prinzipien wie Vertrauen aufbauen kann. Damit nimmt sie sowohl ihre LiV als auch sich selbst in Schutz. Dabei bemüht sich Monika Blümke innerhalb ihrer Ausbildungstätigkeit um die Anbahnung einer vertrauensvollen Zusammenarbeit durch das Schaffen von sanktionsfreien Räumen, „Erprobungsphasen“ (Z. 185), die von ihr als Ausbilderin begleitet werden. Dies hatte sie im Kontext von bestimmten Wissensbeständen und ihrer reflektierten Übertragung auf unterrichtspraktische Gegenstände bereits im Zusammenhang von „bewertungsfreien Situationen“ angesprochen. Hier wird es nochmals im Kontext eines „(nicht) vertrauensvollen Verhältnisses“ verhandelt: Mittlerweile habe ich mir, ähm, erlaubt, dass ich in der ersten Phase, also in dieser Einführungszeit, den jungen Leuten das Angebot mache, dass ich komme ohne Bewertung, einfach nur zum Kennenlernen. Da das aber, äh, nicht vorgeschrieben ist, ist das eine freiwillige Geschichte. Und das wird von ganz wenigen nur angenommen. Weil, die haben Angst, wenn ich/ wenn ich komme und sehe da etwas, was vielleicht nicht so gelungen ist, (.) was ja auch ganz normal ist am Anfang, dass ich das dann mitnehme in die Notengebung. (..) Und das ist ein großer Fehler, weil, als Lehrkraft m/ also als Lehrer in der Schule, sehe ich die Kinder ja auch in ihrer Entwicklung und werde trotzdem nicht alles bewerten, was ich da sehe. Also das hängt so ein bisschen mit Transparenz zusammen. Aber das sind die/ die jungen Leute auch nicht gewöhnt. Weder aus ihrer eigenen Schulzeit, noch aus der Studienzeit. (.) Also eigentlich wollen die mehr verbe/ ihre Defizite VERBERGEN. (..) Aber eigentlich sage ich, sie sollen die Fehler möglichst früh machen, (..) damit wir sie rauskriegen. (.) [Zeilen 202-218] 238 7 Fallrekonstruktionen Monika Blümke beschreibt als Reaktion auf die von ihr vorher kritisierten strukturellen Nachteile, dass sie ihren LiV in den ersten Wochen des Vorbereitungsdienstes anbietet, deren Unterricht bewertungsfrei zu besuchen. Sie stellt es identitätsnormativ dar, dass sie sich diese Freiheit und Autonomie nimmt, dieses Angebot zu machen („habe ich mir … erlaubt“). Dieses freiwillige Angebot gegenüber den neuen Lehrkräften im Vorbereitungsdienst wird offenbar jedoch selten angenommen. Sie begründet diese geringe Akzeptanz mit Ängsten und einem potentiell ihrerseits dann nicht mehr ungetrübten Blick auf die LiV. Sie akzentuiert hier erneut den distanzierenden Horizont von „jungen Leuten“ als LiV, die in einem Gefälle gegenüber ihr als Ausbilderin stehen, während sie ihnen die Chance geben möchte, möglichst früh Fehler zu machen, um diese in Beratungs- und Entwicklungsprozessen zu beheben. Die Ängste der LiV bezieht Monika Blümke in dem Kontext direkt auf sich als Ausbilderin („die haben Angst, wenn ich komme und sehe etwas …“, Z. 207-208), wodurch erneut das oben angesprochene Fehlen eines Vertrauensverhältnisses konstruiert wird. Sie, im Gegenteil, sieht Fehler, wie sie explizit berichtet, als „normal“ an, und vergleicht diese Situation des Entstehens und Bewertens von Fehlern mit dem Verhältnis Lehrer-Schüler, bei dem die Lehrkraft auf eine Entwicklung fokussiert, aber „trotzdem nicht alles bewerte[t]“ (Z. 212). Sie verwendet darauffolgend das Konzept der Transparenz, welches generell in Unterrichtsplanung und methodisch-didaktischen Überlegungen (z. B. Transparenz von Leistungsermittlung und -bewertung oder Unterrichtszielen) eine bedeutende Rolle spielt. Diese Transparenz zu greifen fällt den LiV in den Augen Blümkes schwer. Sie macht dafür sowohl deren eigene Schulzeit wie auch das Studium gewissermaßen verantwortlich und unterstellt beiden Bildungsphasen, dass sie die LiV nachhaltig zum Verbergen von Defiziten sozialisieren. An dieser Stelle tritt im Rahmen des Vertrauens ein diffuses Rollenverständnis hervor: Der von ihr beschriebene Ablauf sanktionsfreier Unterrichtsbegleitung und Beratung wäre eher charakteristisch für Erzählungen und Beschreibungen von Mentorinnen und Mentoren, während sie als formal bestellte Ausbilderin die Leistung der LiV über die Eingangsphase hinaus prozessorientiert bewerten muss. Im Bemühen, dieses Machtgefälle abzubauen, scheitert sie jedoch an der Einstellung und Distanz der LiV, welche sie jedoch nicht ihnen anlastet, sondern den Systemen Schule und Hochschule („Aber das sind die/ die jungen Leute auch nicht gewöhnt.“, Z. 214-215). Ein vertrauensvolleres Verhältnis attestiert Monika Blümke dann in der Beziehung zwischen LiV und deren Mentor*innen, wie sich im nachfolgenden Auszug zeigt. Über alle geführten Interviews mit den Ausbildungskräften hinweg ist dies eine der wenigen Stellen, an denen eine Ausbildungskraft tatsächlich über Mentorinnen und Mentoren spricht: 7.2 Fallrekonstruktion 2: Monika Blümke 239 Die haben natürlich viel Vertrauen zu den Mentoren, weil die da auch jeden Tag sind, und in den Schulen natürlich auch sehr gern angenommen werden, und das läuft meist auch sehr, sehr gut. (.) Und die sehen auch, dass da, äh, dass die Schüler den Mentoren Respekt gegenüber zollen, dass die was lernen und so weiter. Von daher sehen die da, „okay, wie die das machen, das führt zum Erfolg“, und dann kommen wir, die das also versuchen mit dieser Theorie zu verbinden und sagen, „Okay, wie rolle ich jetzt Unterricht auf, wie plane ich das? “, sehen das aber in der Praxis nie. [Zeilen 299-307] Das vertrauensvollere Verhältnis zum Mentor bzw. zur Mentorin charakterisiert Monika Blümke als „natürlich“ (Z. 299) und mittels des Attributs „viel“, dadurch erneut den Kontrast zu ihrer Rolle als Ausbilderin herausstellend. Sie begründet dieses Bündnis, weiterhin implizit kontrastierend zur Gruppe der Ausbilderinnen und Ausbilder, zunächst quantitativ mit der täglichen Anwesenheit der mentorierenden Lehrkräfte an den Schulen, dass sie eine große Akzeptanz genießen und dass das Mentorat („das“, Z. 301) funktioniert. Mentorinnen und Mentoren übernehmen aus Sicht von Ausbilderin Blümke insofern eine Vorbildfunktion, als dass die LiV über den den Mentoren entgegengebrachten Respekt sowie Lernzuwächse der Schülerinnen und Schüler geprägt werden. Dieser vorgeführte Weg wird dementsprechend imitiert („okay, wie die das machen, das führt zum Erfolg“, Z. 304), bricht aber spätestens dann - und hier spannt Monika Blümke wieder den Gegenhorizont zu ihrer Kompetenz als Ausbildungskraft auf -, wenn die Ausbildungskräfte dies an Theorie anknüpfen möchten. Das Demonstrativpronomen „diese“ in „diese Theorie“ (Z. 305) lässt sich auf zwei Arten interpretieren: Es könnte einerseits als Referenz zum nachfolgenden Aspekt der Unterrichtsplanung fungieren, andererseits könnte es als ein abfälliges „dieses“ gewertet werden, was sich im Perspektivenwechsel der Ausbilderin in die Sichtweise der LiV oder Mentorierenden ergeben könnte und wodurch sich Ausbilderin Blümke weiter abgrenzt. Sie unterstellt den Mentorierenden hier allerdings nicht implizit ein mangelndes Fachwissen, sondern lediglich eine Intransparenz der Unterrichtsplanung bzw. der dahinterstehenden, methodisch-didaktischen Prinzipien. Dieses der Lehrkraft bei der Unterrichtsplanung unterstellte Wissen wird den LiV beim Hospitieren von Unterrichtsstunden nicht („nie“, Z. 307) explizit transparent gemacht und damit nicht übertragbar auf ihre eigenen Unterrichtsversuche und ihren eigenverantwortlichen Unterricht. Die direkte Rede der LiV kontrastiert sie mit der Perspektive der Ausbildungskräfte, untermalt mit dem metaphorischen Ausdruck des „Aufrollens von Unterricht“, gleichsam eines Teppichs, der, unterteilt in verschiedenen Schichten, immer enger gepackt bestimmte Teile in sich vereint. Das „Ausrollen“ des Teppichs entspräche dann entweder dem Unterrichten an sich oder der Schaffung vollkommener Transparenz des Pla- 240 7 Fallrekonstruktionen nungs- und Durchführungsprozesses. Auffällig ist hier, dass die Ausbilderin, verallgemeinernd als „wir“ formuliert, von einem „Versuch“ einer Praxis spricht, dass also versucht wird, diese Praxis an theoretische Konstrukte anzuknüpfen, was gleichzeitig impliziert, dass dies nicht immer gelingt. Das „Aufrollen des Unterrichts“ wird als direkte Frage formuliert; unklar bleibt ein Stück weit, ob dies als Impuls an die LiV weitergegeben oder von den LiV selbst als Reflexionsimpuls/ -einstieg erwartet wird oder ob die Ausbildungskräfte dies als ihren Auftrag verstehen, sobald sie im Kontext Schule ihre anvertrauten Referendarinnen und Referendare betreuen. Sie führt dies beschreibend weiter aus anhand der (nicht vorhandenen) längerfristigen Unterrichtsplanung: (..) Und, äh, mittlerweile, also das ist auch erst seit dieser neuen Ausbildung, ist es den jungen Leuten nicht mehr möglich, dass sie eine längerfristige Planung vorlegen. Die liefern nur noch Einzelstunden ab, für die/ für die UBs, die aber kaum angedockt sind an das, was im Alltag passiert. Also ich gehe mittlerweile hin und lasse mir die Schülerhefte zeigen, nur um zu sehen, was ist da vorher passiert. (…) Also ich habe das Gefühl, es klafft/ es rückt immer weiter auseinander, das was, äh/ das, was früher enger zusammen war, hatte ich/ habe ich den Eindruck. [Zeilen 307-319] Sie kritisiert die Konzentration auf Einzelstunden der LiV (wiederum benannt als „junge Leute“), die den Ausbilderinnen und Ausbildern präsentiert werden, wobei dies primär als Taktung innerhalb der strukturellen Gegebenheiten des Vorbereitungsdienstes zu sehen sei, was sie expliziert mittels der Zeitangabe „seit dieser neuen Ausbildung“ (Z. 308), innerhalb dessen das Demonstrativpronomen „dieser“ als Abwertung interpretiert werden kann. Der äußere Zwang dieser Einzelstunden in Unterrichtsbesuchen ist ihr bewusst, da sie erkennt, dass es den LiV „nicht mehr möglich“ (Z. 309) sei, ganze Unterrichtseinheiten zu konzeptualisieren. Um jedoch einen Einblick in die Planungsprozesse der LiV zu erhalten, wirft sie Blicke in die Schülerhefte, die sie sich (vermutlich direkt von den Lernenden im Unterrichtsbesuch) zeigen lässt, um verorten zu können, ob die gerade laufende Stunde tatsächlich an das zuletzt Bearbeitete anknüpft. Der Finaleinschub „nur um zu sehen“ (Z. 313) verdeutlicht als Um-zu-Motiv zwar den Zweck der Handlung an der Stelle, illustriert mit dem Adverb „nur“ auf der anderen Seite aber auch die kritische Perspektive von Monika Blümke, dies als einzige Möglichkeit zu sehen, einen entsprechenden Einblick zu bekommen. Ihre den Abschnitt abschließende Bewertung führt sie auf ihr Gefühl zurück, was dahingehend bemerkenswert ist, als dass sie vorher in der Tendenz stark kriteriengeleitet bewertet und argumentiert hat. An dieser Stelle wird die Argumentation offener, die Schere zwischen Erwartung der Ausbildenden und Leistung der LiV oder längerfristiger Unterrichtsplanung und Präsentation von 7.2 Fallrekonstruktion 2: Monika Blümke 241 Einzelstunden wird in den Augen Monika Blümkes immer größer. Im Vergleich mit früheren Zeiten scheint ihr diese Lücke größer zu werden: Der Nachsatz „hatte ich/ habe ich den Eindruck“ (Z. 315-316) betont und schließt die gefühlsmäßig begonnene, hier dadurch aber ebenfalls zuweilen unsichere Bewertung, die aufgrund der Unmöglichkeit des Vertrauensaufbaus zwischen Ausbildungskraft und LiV dazu führen muss , dass sie Einblick in die Prozesshaftigkeit der Unterrichtsplanung nur durch den Einbezug der Lernendenhefte erhalten kann. Die hieraus resultierende Distanz und den gleichzeitig antinomischen Zwang, dem sich Monika Blümke ausgesetzt sieht, zum einen Lernprozesse auf Seiten der LiV bewerten zu müssen, zum anderen ein vertrauensvolles Verhältnis mit dem Ziel des „Ausprobierens“ schaffen zu wollen, wird erst nach dem Vorbereitungsdienst aufgelöst. Zu einem späteren Zeitpunkt im Interview, an der die Frage nach einem positiven Erlebnis wiederholt wird, erwidert Monika Blümke: B: Ja, zum Beispiel, dass jetzt, ähm/ dass Referendare weitere Wege machen und in anderen Gebieten aktiv sind, wie zum Beispiel/ Name des Referendars von dem ich Ihnen erzählt habe, oder/ oder, dass, äh, der eine Referendar, der damals die Handpuppe in die Ecke geworfen hat, AUCH in der Ausbildung ist mittlerweile. (…) Ja. (..) Dass ich immer noch Referendar/ ehemalige Referendare treffe und wir uns nett und gern unterhalten. Also dass es durchaus auch sowas wie Vertrauen gibt, über die Zeit hinaus. (.) Ja. [Zeilen 500-507] Hier greift sie die das Wiedersehen und Begleiten über verschiedene Phasen hinweg auf und nennt einen ehemaligen Referendar als Beispiel für diese Charakteristik. 119 In seinem Referendariat, das schildert Monika Blümke früher im Interview, hatte dieser den Einsatz von Handpuppen im Anfangsunterricht ausprobiert, dann aber in der Beratung mit Monika Blümke und im Unterrichtsbesuch selbst gemerkt, dass es zu seiner Persönlichkeit nicht passe. Er hat den Einsatz der Handpuppe im laufenden Unterrichtsbesuch abgebrochen („die Handpuppe in die Ecke geworfen“, Z. 503). Sie beschreibt, dass Sie es schätzt, ein vertrauensvolles Verhältnis mit ehemaligen Referendaren zu halten, auch wenn dies einschränkend bewertet wird mit „so etwas wie Vertrauen“ (Z. 507). Auffällig ist, dass in der Erinnerung hier keine ausbildungsrelevanten Aspekte inhaltlicher Art herausgestellt werden, aber dass eine Beziehung zu ehemaligen LiV über den Vorbereitungsdienst hinaus scheinbar nicht selbstverständlich ist. Die Referendarinnen und Referendare, zu denen ein solches Verhältnis möglich erscheint, beschreibt sie eingangs als diejenigen, die „weitere Wege machen“ (Z. 119 Der Auszug lässt sich auch so lesen, als würde von zwei verschiedenen Referendaren gesprochen. Über den gesamten Interviewverlauf betrachtet lässt sich dies jedoch nicht bestätigen. Es ist daher wahrscheinlicher, dass „Herr Name des Referendars “ der Referendar ist, über den hier ausschließlich berichtet wird. 242 7 Fallrekonstruktionen 500) oder „in anderen Gebieten aktiv“ (Z. 501), z. B. auch in der 2. Phase als Ausbilder*innen tätig sind (Z. 503-504), aufgrund der Syntax möglicherweise in Abgrenzung zu anderen ehemaligen Referendar*innen, die regulär im Schuldienst tätig sind, mit denen sie sich (lediglich) „nett und gern [unterhält]“ (Z. 506). 7.2.3 Wunschkonzept der Fremdsprachenlehrerbildung Innerhalb der Ausführungen zum Wunschkonzept fordert Monika Blümke, dass die LiV in der Ausbildung stärker beraten und weniger auf sich allein gestellt sein sollten. Diese Forderung im Wunschkonzept passt zu dem häufig früher thematisierten Aspekt des „Vertrauens“: Und in der zweiten Phase m/ müsste es definitiv wieder eine Phase geben der Beobachtung, (.) der Beratung, (.) und vor allen Dingen der ständigen Begleitung. Also nicht nur punktuell mal gucken, wie sieht das aus, so in der Prüfung, sondern, (.) dass man sie also über einen längeren Zeitraum begleitet. (…) Schön wäre es auch, wenn man aus der ersten Phase wüsste, wo schon Beratungsschwerpunkte sind. (..) [Zeilen 630-636] Im ersten Satz ist das Adverb „wieder“ (Z. 631) auffällig, da es impliziert, dass es früher einmal eine engere Beratung bzw. Begleitung der LiV gegeben hat. Sie eröffnet hier demnach erneut ihre Kritik an der geringeren Präsenzzeit bzw. an den wenigen Beratungsgelegenheiten ihrerseits mit den LiV. Auch fällt in diesem Satz die etwas unsaubere Alliteration der Wörter „Beobachtung […] Beratung und […] Begleitung“ (Z. 631 f.) auf, durch die diese gewünschten Ausbildungscharakteristika hervorgehoben werden. Des Weiteren wird durch das Adjektiv „ständigen“ (Z. 632) ersichtlich, dass Monika Blümke eine durchgehende Betreuung und Beratung auf kommunikativer Ebene fordert, die aktuell in ihren Augen nicht ausreichend gegeben ist. Im Folgenden konstruiert sie durch die Verben „gucken“ (Z. 633) zu einem einzelnen Zeitpunkt und „begleiten“ (Z. 634) im Sinne einer Prozessbegleitung einen Kontrast, durch den hervorgehoben wird, dass der Unterricht der LiV heutzutage nur stichprobenartig durch die Ausbildungskräfte beobachtet werden kann und dass sich Monika Blümke stattdessen für eine durchgehendere Beobachtung und Betreuung der LiV einsetzen würde. Auch stellen die Verben heraus, dass momentan nicht mit den LiV gearbeitet und hiermit implizit kein Vertrauen aufgebaut wird, da der Unterricht ausschließlich von „außen“ beobachtet und nicht betreut wird. Insgesamt wird durch diesen Ausschnitt hervorgehoben, dass sich die Ausbilderin eine intensivere Betreuung der LiV über einen längeren Zeitraum wünscht, welches gleichzeitig mit einer eher vertraulichen Beziehung zu den LiV einhergehen würde. Dies wird an späterer Stelle des Wunschkonzeptes erneut expliziert: 7.2 Fallrekonstruktion 2: Monika Blümke 243 Also ich müsste schon/ (.) Ich würde sehr gern enger begleiten. Ich würde auch sehr gern mit denen vielleicht einen Halbjahresplan entwickeln. Gemeinsam. (4) Also da würde ich gern mit ihnen Zeit verbringen und dann gucken. (.) Ich könnte mir auch vorstellen, dass man gemeinsam Unterricht mal macht, (.) am Anfang. (..) Und dann s/ dann sieht man ja, wie jemand entscheidet und vorwärts geht. Also einfach mehr Einblick. Ich müsste jeden einzelnen besser kennen. (.) Und die Klassen auch kennen. (…) Und das/ Das passiert im Moment nicht. [Zeilen 715-723] Wie im letzten analysierten Abschnitt betont die Ausbilderin, dass ihr eine intensivere Betreuung, mehr Zeit, damit verbunden eine engere Ausbilderin-LiV-Beziehung mit einer gewissen Vertrauensbasis sehr wichtig ist. Im ersten Satz steht zentral das Adverb „sehr“ (Z. 716) sowie das im Komparativ verwendete Adjektiv „enger“ (Z. 716), durch welche eine nähere ausbildungspraktische Verbindung zu den LiV akzentuiert wird. Das Adverb „sehr“ unterstreicht hier explizit den starken Wunsch der Ausbilderin, die LiV intensiver zu betreuen, wohingegen das Adjektiv „enger“ impliziert, dass sich Monika Blümke eine inhaltlich stärkere Betreuung der LiV wünscht, als es aktuell der Fall ist. Im nachfolgenden Satz wird das Adverb „sehr“ (Z. 716) erneut in Bezug auf die gemeinsame Arbeit an einem „Halbjahresplan“ (Z. 717) verwendet, wodurch sich dokumentiert, dass Monika Blümke lieber auch die Planung des Unterrichts mit den LiV gemeinsam durchführen würde, was in der Regel strukturell eher von Seiten der Mentorierenden mit den LiV vollzogen wird. Des Weiteren wird durch eine Parataxe und die darauffolgende Pause (vgl. Z. 717) das Adjektiv „[g] emeinsam“ (Z. 717) in den Vordergrund gerückt, durch eine Wiederholung des Adjektivs im darauffolgenden Satz (vgl. Z. 719) wird diese Hervorhebung noch verstärkt. Indem der Fokus so auf das Adjektiv „gemeinsam“ gelenkt wird, scheint der Ausbilderin vor allem die enge Zusammenarbeit mit den Referendaren und Referendarinnen sowie das vertrauensvolle Verhältnis wichtig zu sein. Neben dem gemeinsamen Arbeiten fällt in diesem Kontext die Formulierung „mit ihnen Zeit verbringen“ (Z. 718) auf. Als Grund für diese in quantitativer Hinsicht eingeforderte, gemeinsame Zeit und die gemeinsame Arbeit sieht Monika Blümke den von ihrer Seite notwendigerweise zu beobachtenden Fortschritt der LiV. Diese beobachtbare Entwicklung beschreibt sie metaphorisch als ein Sehen von Entscheidungen, wie es „vorwärts geht“ (Z. 721). Zuletzt fordert die Ausbilderin, mehr „Einblick“ (Z. 721) zu bekommen, wodurch deutlich wird, dass in ihren Augen eine transparente, enge und vertrauensvolle Beziehung zu den LiV nötig ist. Dass diese Art von Ausbildungspraxis momentan nicht existent ist, bringt das im Konjunktiv II verwendete Modalverb „müsste“ (Z. 721) zum Ausdruck. Dadurch impliziert die Ausbilderin, dass sie eigentlich identitätsnormativ jeden 244 7 Fallrekonstruktionen besser kennenlernen müsste bzw. sie sich dies wünscht für die adäquate Ausübung ihrer Ausbildungspraxis, als es momentan der Fall ist. Deutlich wird diese implizite Forderung durch die adverbiale Bestimmung „im Moment nicht“ (Z. 723) im abschließenden Satz. Auch die parataktische Satzstruktur des letzten Satzes rundet die vorher artikulierten Äußerungen ab und setzt damit einen zusammenfassenden Fokus auf die momentanen Zwänge. An späterer Stelle kommt dies noch einmal zur Sprache und wird etwas anders verhandelt: B: / / Ich würde/ / die Zeit gerne investieren, aber es ist mir ja seit, äh, vielen Jahren vorgegeben. (.) Ja? Und dann heißt es nachher, wenn ich dann irgendwo hinfahren würde, an eine Schule, wo es dann heißen wird, mir würde was passieren, dann heißt es, „ja, was Sie in Ihrer Privatzeit anfangen, das ist ja Ihre Sache“. Ja? Also ich habe jetzt extra gefragt, weil ich habe mich ja angeboten für diese erste Phase, was ich ja nicht machen muss, ja, vom Workload her, diese ganzen Neudeutschen Wörter. [Zeilen 761-768] Sie beschreibt, dass sie gerne mehr Zeit in Ausbildung und Betreuung investieren würde, dies aber aus formalen Gründen nicht möglich sei, es sei ihr seit „vielen Jahren alles vorgegeben” (Z. 762). Durch das Pronomen „alles“ wird ersichtlich, dass die Ausbildungsarbeit jeglicher Hinsicht von höherer Ebene aus geregelt wird und dass es der Ausbilderin dadurch nicht möglich ist, flexibler mit ihrer Arbeitszeit umzugehen. Durch die Passivstruktur des Satzes wird hingegen nicht klar, wer diese normativ gesetzten Regelungen vorgibt, die Lesart der unpersönlichen, vorgegebenen Strukturierung erscheint daher hier die wahrscheinlichste. Mithilfe eines Konditionalsatzes (vgl. Z. 763 f.) werden sodann die Konsequenzen dieser Strukturen und Regelungen erläutert, die es für Monika Blümke erschweren, freiwillig mehr Zeit für die erste Phase der Ausbildung zu verwenden. Durch den im Konditionalsatz artikulierten Wunsch wird impliziert, dass sich Monika Blümke in ihrer Rolle als Ausbilderin dazu verpflichtet fühlt, mehr Zeit für die Ausbildung der LiV zu verwenden. Da es seitens des Studienseminars laut der Ausbilderin zu Kritik an freiwilligen Schulbesuchen kommen würde - hier expliziert anhand von versicherungstechnischen Gründen -, sieht die Ausbilderin ihre Ausbildungsautonomie in dieser Hinsicht durch Formalia des Studienseminars eingeschränkt. Daraus wird ersichtlich, dass sich Monika Blümke in ihrem freiwilligen Engagement eingeschränkt fühlt. Zuletzt wird von der Ausbilderin verdeutlicht, dass ihr bereits anfangs angesprochenes Engagement in der ersten Phase (s. o.) freiwilliger Natur ist, dass sie dort gerne mehr hineingeben möchte, um letztlich den angehenden LiV einen Vorsprung im Hinblick auf Praxistheorie und Erfahrungen mitgeben zu können. Sie kontrastiert dies wiederum im Modus der Abgrenzung „alt - jung“ bzw. „früher - heute“, indem sie den dadurch erhöhten Workload ihrerseits anführt, diesen gleich- 7.2 Fallrekonstruktion 2: Monika Blümke 245 zeitig explizit begrifflich, implizit konzeptuell kritisiert. Der flexiblere Umgang mit zeitlichen Ressourcen kommt ebenfalls in der folgenden Beschreibung zum Tragen: Ich habe zwar eine Unterrichtsverpflichtung von, ich sage mal, 25 Stunden, aber wie viel Zeit ich dafür verbringe, das kann mir keiner vorrechnen. Für den einen Schüler brauche ich fast keine Zeit, weil der läuft sowieso, (.) und für den anderen unermesslich viel Zeit, weil da so viele Dinge zusammenhängen. (.) Also (.) mehr an dem Endziel orientiert. (.) Ja? Was soll der nachher können und wie viel braucht der dann vorher? Braucht der zwei Besuche, zehn Besuche? (.) Braucht der eine gemeinsame Entwicklung von Unterricht, bis der alleine seinen Unterricht entwickelt? Das würde ich mir wünschen. [Zeilen 777-786] Die Ausbilderin stellt hier heraus, dass der Vorbereitungsdienst den unterschiedlichen Voraussetzungen der LiV stärker Rechnung tragen müsste insofern, als dass manche LiV in einem kompetenzorientierten Sinn („Was soll der nachher können und wie viel braucht der dann vorher? “) mittels mehr Unterrichtsbesuchen beobachtet und beraten werden müssten als andere. Bemerkenswerterweise verschiebt sich in diesem Abschnitt die Wahrnehmung der LiV von Seiten der Ausbilderin stark in Richtung Lernende, da sie auch auf kommunikativer Ebene zunächst von „Schülern“ spricht, obwohl sie vorher nicht konkret über unterrichtliche Situationen gesprochen hat. Vielmehr dokumentieren sich hier die Modulsitzungen als von Lehrerbildner*innen als „Unterrichtsstunden“ konzeptualisierte Ausbildungspraxis, in der LiV zu Lernenden und Ausbildungskräfte zu Lehrkräften werden. 7.2.4 Zusammenfassende Betrachtung des Falls Ausbilderin Monika Blümke zeigt sich in der Rekonstruktion ihres Habitus als zum einen transmissionsorientiert bzw. instruierend, d. h. sie legt Wert darauf, dass im Rahmen ihrer Ausbildungstätigkeit eine Vermittlung von Wissen stattfindet, deren Relevanzsetzung zum Teil sie, zum Teil durch Vorgaben des Systems bestimmt werden. Zum anderen zeigt sich - stärker als bei den anderen beiden Fallrekonstruktionen - eine deutliche Identifizierungsorientierung sowohl mit dem Vorbereitungsdienst an sich als auch mit den ihr anvertrauten Referendarinnen und Referendaren. Zwar übernimmt sie auf immanenter Sinnebene eine machttheoretische Position, die in Teilen durchaus erzieherisch-kontrollierend wirkt, wenn sie wiederholt von den „jungen Leuten“ spricht, es dokumentiert sich jedoch implizit, dass sie vielmehr darum bemüht ist, ihr Wissen und ihre Erfahrungen möglichst gut zu verbreiten, damit die LiV für den Unterrichtsalltag entsprechend vorbereitet werden. Eine Folge dieses Anspruchs ist ihr Engage- 246 7 Fallrekonstruktionen ment in der ersten Phase - auch aufgrund einer merklich wirksam werdenden, positiven Erfahrung mit Hochschuldozierenden in ihrer eigenen Biographie. Sie möchte für angehende Lehrkräfte eine ähnlich deutliche Orientierungsperson sein, wie sie es selbst als positiv und berufsbiographisch förderlich erlebt hat. Dass sie die stärker werdende Distanz, ein schwächer werdendes Vertrauensverhältnis von LiV zu ihr als Ausbilderin, wahrnimmt, scheint sie orientierungsproblematisch sehr zu beschäftigen und führt an manchen Stellen zu einer diffuseren Positionierung, die zwischen Ausbilderin und Mentorin zu oszillieren scheint: Zum einen besteht ihrerseits der Wunsch, ein stärker auf Vertrauen basierendes Verhältnis zu schaffen, mit dem Ziel kollegialer beraten zu können, zum anderen sieht sie sich als Ausbilderin in der Pflicht, sowohl Wissen und Erfahrungen explizit zu vermitteln als auch - und das eher normativ durch das System vorgegeben - Leistungen der LiV zu bewerten. Bemerkenswert ist, dass sich innerhalb des Themenfeldes „Abgrenzung“ dokumentiert, dass sich diese nur bezüglich bestimmter Personengruppen (wie LiV und anderer Ausbildungskräfte), nicht jedoch gegenüber formaler Vorgaben oder dem Vorbereitungsdienst als Institution bestätigen lässt. Bei Blümke tritt im Vergleich zu den beiden anderen Fallrekonstruktionen die konfliktäre Antinomie zwischen Beraten und Bewerten am deutlichsten hervor. Bewertungsfreie Räume, die sie zum Zwecke der Beratung und Entwicklung seitens der LiV anbietet, werden immer seltener wahrgenommen. Hierfür sieht sie allerdings eher veränderte Anforderungen des Vorbereitungsdienstes als ursächlich, nicht notwendigerweise eine stärker werdende Distanzierung der LiV ihr gegenüber. In den Explikationen zum persönlichen Wunschkonzept der Fremdsprachenlehrerbildung tritt dies signifikant hervor und geht so weit, dass sie formal eine rein beratende Einstiegsphase implementiert verfolgt wissen würde, die darin mündet, dass LiV, die mehr Unterstützung und Beratung benötigen, diese bekommen, während LiV, die bereits kompetent in den Vorbereitungsdienst starten, in weniger Unterrichtsbesuchen ihre Entwicklung auf einem ohnehin bereits hohen Niveau zeigen müssten. Implizit bedeutet eine bewertungsfreie Einführungsphase allerdings auch ein weiterhin starker Fokus auf einer prozessorientierten Bewertung im Anschluss, die durch die Systematik des Referendariats vorgegeben ist. 7.3 Fallrekonstruktion 3: Jörg Reger 247 Abb. 18: Orientierungsschemata und Habitus (Orientierungsrahmen) von Ausbildungskraft Monika Blümke (grafisch). Im Vergleich zu anderen Fällen im untersuchten Sample, insbesondere den beiden anderen, ausführlicher dargestellten Fallrekonstruktionen, erzählt sie detaillierter von fremdsprachendidaktischen Problemstellungen in Unterrichtsbesuchen eigener LiV, aber auch Herausforderungen im selbst durchgeführten Unterricht - besonders kommt hier ein starkes kompetenzsowie lernerorientiertes Orientierungsschema zum Tragen, welches sie ihren angehenden Lehrkräften zu vermitteln versucht und das damit in ihrer Ausbildungspraxis sichtbar wird. 7.3 Fallrekonstruktion 3: Jörg Reger Jörg Reger ist Ausbilder für Englisch an Gymnasien. Wie anhand der Rekonstruktion im Folgenden herausgearbeitet werden soll, bildet sich bei Jörg Reger bezogen auf seine Ausbildungspraxis ein transmissionsorientierter Habitus realisiert innerhalb einer professionellen Distanz ab. Er offenbart in einem ausbildungsdidaktischen Orientierungsdilemma den Wunsch, zum einen Erwachsenenbildung in einem stärker institutionalisierten Rahmen durchführen zu wollen, von eigenem Interesse geleitet Konzepte von Beratung und Coaching zu kennen, zum anderen stößt dies innerhalb der Beratungssituationen an Gren- 248 7 Fallrekonstruktionen zen, wenn die Relevanzsetzung bestimmter Themen seitens eines angenommenen Themenkanons der Englischdidaktik vorgenommen wird, deren Bedeutung von den LiV nicht in solchem Maße wahrgenommen werden kann. Begonnen wird analog zu den vorherigen Fallrekonstruktionen mit der narrationsgenerierend angelegten Eingangspassage zur Berufsbiographie: I: Sie sind Ausbilder für angehende Fremdsprachenlehrkräfte. Ähm. Können Sie mir erzählen, wie es dazu gekommen ist, dass Sie angehende Fremdsprachenlehrkräfte ausbilden? B: Ja, ich muss das/ ich mache das jetzt seit acht Jahren und habe/ (.) als ich angefangen habe, bereits NACH dem Referendariat, also Beginn meiner Tätigkeit als junger Lehrer so gut wie jeden Referendar, der an der Schule damals war in Name des Schulortes , als Mentor betreut. Dadurch also den Kontakt zum Studienseminar aufrechterhalten. Kannte auch die Ausbilder. Und dann gab es irgendwann (.) eine/ eine Ausschreibung für Ausbildungsaufträge. Ich habe mich darauf beworben. [Zeilen 1-10] Auf den eingehenden Erzählimpuls - er sagt, dass er diese Tätigkeit ausüben „muss“, relativiert das „müssen“ dann aber und versetzt es in einen anderen Kontext, indem er verdeutlicht, dass er weiter ausholen bzw. zurückgreifen muss („… ich muss das …“) - beschreibt Ausbilder Jörg Reger, dass er diese Ausbildungstätigkeit „seit acht Jahren“ betreibt, deutlich früher, direkt zu seinem Berufseinstieg trotzdem schon als Mentor tätig war. Durch die doppelte Hervorhebung der Tatsache, dass diese Mentorentätigkeit 1) direkt nach dem Referendariat und 2) zu Beginn seiner Lehrtätigkeit bereits stattfand, scheint implizit aus seiner Sicht nicht die Regel zu sein. Der negative Gegenhorizont, der hiermit konstruiert wird, sind andere (junge) Lehrkräfte, denen es zu diesem Zeitpunkt möglicherweise noch an Erfahrung mangelt, um zielführend die mentorielle Betreuung der LiV durchführen zu können. Er stellt heraus, dass er „so gut wie jeden Referendar … als Mentor betreut [hat]“, meint damit vermutlich die Englisch-LiV an der ursprünglichen Schule, und argumentiert dann, dass er dadurch den Kontakt zum Studienseminar und anderen Ausbilderinnen und Ausbildern aufrechterhalten konnte. Hier wird ein Motiv offenbar, das durchaus gezielt verfolgt wurde: … Und wollte letztendlich eigentlich genau das, was ich in der Schule gemacht habe, dann in einem institutionalisierten Rahmen machen. [Zeilen 11-13] Die Beratung und Betreuung der LiV als Mentor wird hier demzufolge als nicht-institutionalisiert angesehen, obwohl schulrechtlich in Hessen als Aufgabe der Lehrkräfte fest verankert und gleichsam vorgeschrieben (vgl. Kapitel 5.2.2.3). Das „Institutionalisierte“ bezieht Jörg Reger daher hier eher auf Rah- 7.3 Fallrekonstruktion 3: Jörg Reger 249 mungen bzw. Grundlagen der eigentlichen Beratungstätigkeit: Während diese als Mentor mutmaßlich weitgehend auf Erfahrungswissen basiert, werden für Ausbildungskräfte gewisse ausbildungsdidaktische Vorgaben formuliert, die über den Verlauf des Vorbereitungsdienstes vermittelt werden sollen. Ausbilder Reger stellt retrospektiv aber ebenso fest, dass die Mentoren- und die Ausbildungstätigkeit sich durchaus unterscheiden: Es war aber, wie man s/ sich vielleicht vorstellen kann, dann nicht ganz so möglich, weil ein großer Unterschied natürlich zwischen Mentorentätigkeit und Ausbildertätigkeit besteht. Aber das/ das war schonmal mein Ansatz, tatsächlich aus der Erfahrung, die ich gesammelt habe, weiterzugeben. [Zeilen 13-17] Diesen Unterschied setzt er gewissermaßen als logisch voraus („… wie man sich vielleicht vorstellen kann“, „natürlich“), bewertet aber gleichzeitig tendenziell negativ, die Mentorentätigkeit, die er vorher betrieben hatte, so nicht in „institutionalisierter“ Weise weiter verfolgen zu können. Primär war sein Ziel „Erfahrung … weiterzugeben“, gleichzeitig implizit ausdrückend, dass dies möglicherweise nicht das Ziel anderer Mentorinnen und Mentoren sein könnte. Eine andere Lesart ist hier weiterhin, dass andere Mentorinnen und Mentoren nicht danach streben, Ausbilderin oder Ausbilder zu werden, dennoch können sie in ihrer Mentorentätigkeit Erfahrungswissen an ihre LiV weitergeben. Im dokumentarischen Sinn könnte hier Kritik daran zum Vorschein treten, dass im Rahmen der Ausbildung zu wenig Wert auf das Weitergeben von Erfahrungen gelegt wird. Auch wenn er einen großen Unterschied zwischen den Tätigkeitsfeldern von Ausbildenden und Mentorierenden sieht, hat er seine eigene Mentorentätigkeit dafür genutzt, um „schonmal“ (Z. 15) Erfahrungen „tatsächlich“ (Z. 16) weiterzugeben. Wie später wiederholt erkennbar wird, scheint Jörg Reger auf Erfahrungswissen zwar sehr viel Wert zu legen, ohne dieses jedoch detailliert zu explizieren. Stattdessen werden von ihm eher institutionalisierte Wissensbestände als ausbildungsrelevant dargestellt, wie im Themenfeld „Institutionalisierung“ rekonstruiert werden kann. 7.3.1 Themenfeld Institutionalisierung: „… und dann sitzen wir hier und reden über äh Literaturdidaktik, aber eigentlich brennt es ganz woanders.“ Noch innerhalb der berufsbiographischen Eingangserzählung wird erkennbar, dass die Mentorentätigkeit für ihn persönlich nicht ausreichend war: (..) Ich gehörte auch nicht zu denjenigen, die das Referendariat als Horror empfunden haben. Es wird ja sehr häufig gesagt, dass für viele das die schlimmste Zeit des 250 7 Fallrekonstruktionen Lebens war. (.) War es für mich nicht. Also ich fand mein Referendariat eigentlich ganz angenehm, obwohl es nicht immer einfach war. Es war auch nicht immer in der Situation Ausbilder-Referendar einfach. Aber nichtsdestotrotz fand ich es eine herausfordernde, schöne Zeit (.) und, ja so im Großen und Ganzen, der Grund, weshalb ich gedacht habe, ich würde es jetzt gerne in dem Bereich Erwachsenenbildung auch weiterarbeiten. Na gut, kommt noch hinzu vielleicht als/ als dritte Komponente, dass mich natürlich Inter/ Erwachsenenbildung interessiert hat. Nicht nur halt mit Schülern zu arbeiten. [Zeilen 18-29] Reger charakterisiert den Vorbereitungsdienst als „eigentlich ganz angenehme, durchaus herausfordernde, sogar schöne Zeit“, beschreibt aber das Verhältnis von Ausbilder und ihm als LiV als nicht unkompliziert. Wenn er dann darstellt, dass er seit jeher bereits ein Interesse an Erwachsenenbildung habe, wird sein Interesse an der Mentoren- und Ausbildertätigkeit insbesondere in der Abgrenzung „Nicht nur halt mit Schülern zu arbeiten“ (Z. 28-29) sichtbar, die Arbeit mit Schülerinnen und Schülern wird demgegenüber abgewertet und Lehrkräfte damit implizit auf eine niedrigere Stufe gestellt als Ausbilderinnen und Ausbilder. Die Frage nach der Qualität des Erfahrungswissens vermag dieser Abschnitt ebenfalls bereits - zumindest ansatzweise - zu beantworten. Diese direkt an den letzten Absatz angeschlossene Passage, mitsamt seiner kurzen Sprechpause zu Beginn, stellt einen Erzähl- und Begründungszwang dar: Die Darstellung des Referendariats als „angenehme Zeit“ steht im starken Kontrast zu verallgemeinernden Aussagen Anderer („denjenigen“), die diese Phase als „Horror“ beschreiben. Die positiv geprägten Erfahrungen, die Gelegenheiten, die sich im Laufe des Vorbereitungsdienstes von Jörg Reger ergaben, sind Bestandteile von Erfahrungswissen, das potentiell primär an die dem Mentor anvertrauten LiV weitergegeben wurde. In einem gewissen Widerspruch bewegt sich Reger dann, wenn er das Verhältnis Ausbilder-LiV gleich doppelt (einmal auf das Referendariat, einmal auf das Personalverhältnis bezogen) als „nicht einfach“ bewertet und dabei unter Umständen nicht nur seinen eigenen Vorbereitungsdienst meint, sondern eine generalisierte Aussage trifft, kurz darauf aber seinen Wunsch expliziert, in der Erwachsenenbildung tätig zu sein. Kurz im Anschluss, befragt nach einem subjektiv empfundenen Unterschied zwischen der Ausbilder- und Mentorentätigkeit, charakterisiert Jörg Reger den Mentor wie folgt: Weil als Mentor ist man per se immer der Gute. Egal, was man sagt. Das heißt also, man kann auch seinen Schützling, den man hat, kritisieren, man kann ihm Dinge mit auf den Weg geben. Man hat äh eine eher positiv äh konnotierte Rolle. [Zeilen 34-37] 7.3 Fallrekonstruktion 3: Jörg Reger 251 An dieser Stelle fällt besonders der häufige Gebrauch des unpersönlichen Personalpronomens auf, das die Beschreibung normativ bestärkt. Die Mentorentätigkeit wird hier als Gegenentwurf zur Ausbildungskraft entwickelt, sie ist in der Bewertung sehr „positiv konnotiert“. Mentorinnen und Mentoren sind damit ihren LiV näher als Ausbildungskräfte, sie geben ihren LiV einen gewissen Schutzraum, in dem Kritik geäußert werden kann, ohne dass dies negative Auswirkungen in Form von Leistungsbewertung hat. Wenn die Ausbildungskraft als Gegenentwurf zur/ zum Mentorierenden konstruiert wird, bleibt gleichzeitig fraglich, ob Ausbildungskräfte LiV keine „Dinge mit auf den Weg geben“, sondern nur (Einzel-)Leistungen bewerten: Man kann aus dem Bewertungskontext nicht raus und man sieht natürlich auch seine Schützlinge viel zu selten, als dass man tatsächlich äh Progression, also unterrichtliche Progressionen sehen kann. Ähm. Was man da/ den als Mentor begleitet hat, sieht man sehr häufig, der kommt mit einem mit. [Zeilen 40-43] Auch als Ausbilder spricht Jörg Reger von „Schützlingen“, betont gleichzeitig die stichprobenhafte Beobachtung und Bewertung der LiV als Ausbilder im Gegensatz zum Mentor, der die LiV längerfristig begleitet. In dieser Passage ist die speziell durch die Verwendung des unpersönlichen Personalpronomens hervortretende Aufstellung von Gegenhorizonten deutlich, indem die Ausbildungstätigkeit stark normativ geprägt dargestellt wird. Wird hier die Definition des „Schützlings“ als „jemand, der dem Schutz eines anderen anvertraut ist, der betreut, für den gesorgt wird“ (Dudenredaktion 2007: 1504) angelegt, dürfte die Intensität dieses Schutzes spätestens ab der Ausbildungstätigkeit, d. h. nach Wegfall der Mentorats, nicht mehr gegeben sein, wenngleich sie potentiell - durch Erwähnung des Begriffs im Zusammenhang der Ausbildungstätigkeit - im ersten Moment gewünscht erscheint. Bemerkenswert ist hier die doppelte Nennung der Progression, die zuerst allgemein gehalten, dann durch das Attribut „unterrichtlich“ eingeschränkt wird, insofern, als dass Progression der LiV möglicherweise auf anderen Ebenen als nur der unterrichtlichen gesehen werden könnte. Der Mentor/ äh der/ der/ der Referendar, den man als Mentor betreut - ist es viel/ viel enger verbunden. Von daher war das eigentlich eine/ eine sehr schöne Zeit, die aber (lachend) natürlich in keiner Weise honoriert wird. (lacht) [Zeilen 48-52] Die erfahrungswissensbasierte Beratung und Begleitung - die Betreuung - der Schützlinge ist damit im Rahmen der Mentorentätigkeit für Jörg Reger retrospektiv positiver geprägt, obwohl das „eigentlich“ hier eine bewertende Einschränkung offenbart, die in Abgrenzung zur jetzigen Tätigkeit als Ausbilder zu sehen ist. Der Ausbilder weiß nun um die formelle Verschiebung, die durch die 252 7 Fallrekonstruktionen Institutionalisierung seiner Beratungsarbeit entstanden ist, hat diese Entwicklung, wie in der Eingangserzählung insgesamt sichtbar wird, aktiv verfolgt. Zum institutionalisierten Rahmen gehört dabei aber ebenfalls eine Honorierung, die er hier anspricht. Die Ausbildungstätigkeit wird honoriert, die Mentorentätigkeit nicht - zumindest nicht finanziell, möglicherweise aber in größerem Maße auf einer interpersonellen Ebene im Verhältnis Mentor-Schützling, auf das an dieser Stelle explizit jedoch nicht eingegangen wird. Zur konkreten Ausgestaltung seiner Praxis als Ausbilder kommt er im späteren Interviewverlauf zu sprechen: Na gut. Ich meine, es gibt natürlich einmal den formalen Aspekt. Es gibt äh die Modulsitzungen, die wir haben, die wir (.) äh immer dienstags mittlerweile ja nicht nur mehr im/ im Fachmodul, sondern auch im allgemeinpädagogischen Modul/ (.) dann gibt es die Unterrichtsbesuche, die durchgeführt werden müssen. Und dann gibt es äh MEINEN Versuch, in irgendeiner Art und Weise Beratung in die Sache hineinzubringen. [Zeilen 107-113] Im Hinblick auf die Arbeit mit den LiV werden von Jörg Reger die Modulsitzungen, die Unterrichtsbesuche als auch die eigene Beratung aufgezählt. Die Abfolge des Gesagten deutet darauf hin, dass die Modulsitzungen einen höheren Stellenwert haben als möglicherweise die Beratungssituationen, was an späterer Stelle im Interviewverlauf allerdings auf kommunikativer Ebene relativiert wird. Die Unterrichtsbesuche werden mittels des Modalverbs „müssen“ als normativ gesetzt charakterisiert und damit als Pflichtbestandteil beschrieben. Des Weiteren könnte die Formulierung („MEINEN Versuch“) und ihre Betonung darauf hinweisen, dass Ausbilder Reger die Effektivität (oder den Einfluss) der Beratung im Vorbereitungsdienst hinterfragt und dabei eine eigene Herangehensweise im Rahmen seiner Arbeit gewählt hat, um die Ausbildungspraxis und Beratung für sich und seine LiV zu optimieren. Eine zweite Lesart dieser Äußerung könnte darin bestehen, dass es in seinen Augen vorher (oder seitens der formalen Vorgaben) keine Beratung an sich gibt, die er nun versucht, „in die Sache“ (Z. 113), also das Referendariat, einzubringen. Das heißt also, ich bemühe mich, das alles zu verschriftlichen, zu protokollieren, mit den Referendaren nochmal ins Gespräch zu kommen, dann auch schriftlich von den Referendaren Feedback zu bekommen. Das Feedback wieder auszuwerten. Das ist schriftlich relativ aufwändig, aber ich denke, dass der/ diese UB-Situation eigentlich die einzige Ausbildungssituation ist. [Zeilen 113-118] Jörg Reger erklärt, dass seine Praxis unter anderem darin besteht, die Beratung, UBs etc. zu verschriftlichen und Feedback aufzuarbeiten bzw. auszuwerten. Des Weiteren sieht der Lehrerbildner die UBs hier explizit als „einzige Ausbildungs- 7.3 Fallrekonstruktion 3: Jörg Reger 253 situation“ (Z. 118) für die zukünftigen LiV an. Dadurch dass er die UBs als einzige Möglichkeit für Ausbildung betrachtet, dokumentiert sich im Gegenhorizont implizit, dass er andere Ausbildungsbereiche (z. B. Modulsitzungen, s. o.) als weniger zielführend bewertet. Dies wird in den folgenden Ausführungen zu den Modulsitzungen größtenteils bestätigt, in der aus seiner eigenen Perspektive diese Seminarsitzungen (aus seiner Sicht) kritisch bewertet: Was ich als häufig unzufrieden erlebe, sind die Modulsitzungen, weil ich immer denke, sie (.) ähm erfüllen nicht wirklich die Bedürfnisse derjenigen, die dort sitzen. Egal, wie sehr man sich auch (.) so um/ um/ um eine Aufnahme von eben/ eben Interessen halt bemüht, weil das von Woche zu Woche wieder changiert. [Zeilen 118-123] In den Modulsitzungen fällt es Jörg Reger schwer, individuell auf die Bedürfnisse der LiV einzugehen, obwohl er sich bemüht, die wechselnden Interessen der LiV in seinen Sitzungen zu adressieren. Auffallend ist, dass er im zweiten Satz das unbestimmte Pronomen „man“ (Z. 121) benutzt und seine Aussage somit generalisiert und auf eine strukturbedingte Ebene des Vorbereitungsdienstes hebt. Durch die Verallgemeinerung wird der Eindruck erweckt, dass es für Ausbilder generell nicht möglich sei, individuell in Modulsitzungen auf die Interessen der LiV einzugehen. Aber, da wo es für mich problematisch wird, ist ähm, dass da häufig dann sechs Leute sitzen. Ist auch gut, also je mehr, desto besser. Die aber aus ganz anderen Kontexten kommen und natürlich ihre eigenen Probleme mit reinbringen und ganz häufig denken: „Mensch, ich müsste eigentlich jetzt Unterricht vorbereiten und dann sitzen wir hier und reden über äh Literaturdidaktik, aber eigentlich brennt es ganz woanders.“ [Zeilen 138-144] Die Gestaltung der Modulsitzungen wird hier als problematisch dargestellt, da es Jörg Reger ganz persönlich („für mich“, Z. 138) schwer fällt, individuell auf die verschiedenen Anliegen der LiV einzugehen. Er nimmt an, dass die LiV häufig andere Probleme (wie konkrete Unterrichtsvorbereitung oder Schwierigkeiten mit Lerngruppen) haben und sich deswegen weniger auf die normativ vorgegebenen Inhalte des Seminars konzentrieren können. Es wird allerdings nicht ersichtlich, ob die LiV dieses Problem artikuliert haben oder ob Jörg Reger dies eher subjektiv wahrnimmt. Es bleibt unklar, ob die Gruppengröße („sechs Leute“) oder der Aufbau der Sitzungen hier eine weitere Herausforderung bedeuten. Der Ausbilder bewertet die Gruppengröße eher in der Hinsicht, dass besser mehr LiV die Modulsitzungen mitgestalten und anwesend sind, da der Austausch aus „ganz anderen Kontexten“ und das damit möglich werdende implizite Lernen über heterogenen Erfahrungsaustausch größer wird. Diesen impliziten Lerngelegenheiten steht dann das ganz individuelle Vorbereiten des 254 7 Fallrekonstruktionen Unterrichts und weitere Herausforderungen der aktuell akut werdenden unterrichtlichen Praxis der LiV gegenüber den inhaltlich und normativ vorgegebenen Inhalten der Modulsitzungen („Literaturdidaktik“), welche dann von Seiten der LiV als inhaltlich irrelevant bewertet werden. Und mittlerweile habe ich auch das verändert in den Jahren, sodass wir eigentlich keinen Kanon mehr an Themen abarbeiten, wie es s/ so diese Modulbeschreibung vorgibt, sondern dass die Schüler über/ über einen äh äh/ die LiV (lachend), Entschuldigung. Äh, das war jetzt kein Freud. [Zeilen 144-148] Hier zeigt sich, dass Jörg Reger das Problem auf die durch die Modulbeschreibung vorgegebenen Inhalte der Sitzungen zurückführt, die gleichsam „kanonisch“ vorgegeben und entsprechend eine gewisse normative Erwartungs- und Erfüllungsfunktion innehaben. Durch das Demonstrativpronomen „diese“ (Z. 146) erweckt es den Anschein, als ob sich Jörg Reger von den Inhalten der Modulbeschreibung distanzieren möchte oder die Kanonhaftigkeit dieser indirekt kritisiert. Wegen der syntaktischen Ordnung im ersten Satz („Und mittlerweile habe ich auch das verändert […]“) sowie durch das Partikel „auch“ fällt auf, dass Reger in seiner achtjährigen Tätigkeit als Ausbilder schon viele Aspekte der inhaltlichen Gestaltung verändert und damit individuell in seiner Praxis ausbildungsdidaktische Freiheit ausgenutzt und methodisch in der Beratung und seinen Modulveranstaltungen umgesetzt hat. Allerdings offenbart sich in der Gesamtschau mit dem vorhergehenden Abschnitt, in dem Literaturdidaktik als kanonisierter Inhalt herausgestellt wird, dass Reger dennoch Ausbildungsinhalte berücksichtigt bzw. berücksichtigen muss und sich die Gestaltungsautonomie innerhalb seiner Modulsitzungen möglicherweise dahingehend doch durchaus eingeschränkt zeigt. Der Versprecher („die Schüler […] äh äh/ die LiV“) könnte darauf hindeuten, dass die LiV weniger als angehende Lehrkräfte und mehr als Lernende gesehen werden, auch wenn dies im Anschluss unmittelbar als Nicht-Freud’scher Versprecher relativiert wird. Er distanziert sich hier ausdrücklich von, als hätte dies nicht passieren dürfen, sicherlich zeigen sich jedoch in der Ausbildungssituation, der Beratung und Bewertung von LiV - wie bei den anderen Ausbildungskräften gezeigt werden konnte - auch gewisse Ähnlichkeiten mit Lernsituationen von Schülerinnen und Schülern, wie analog in anderen Studien zum Vorbereitungsdienst herausgestellt wurde. Jörg Reger beschreibt im Folgenden, wie er seine Ausbildung und die Arbeit mit seinen LiV gestaltet: (lacht) dass die über/ über einen Google-Fragebogen ihre aktuellen (.) hm, ja Thematiken, Problematiken eingeben, einige Tage vor den Modulsitzungen, und dass ich dann 7.3 Fallrekonstruktion 3: Jörg Reger 255 versuche so eher adressatengerecht zu schauen, was kann man machen, wer kann eigentlich mit wem kooperieren, um ein Problem zu lösen. [Zeilen 150-154] Mit Hilfe dieses Vorgehens geht Reger davon aus, dass die Probleme der LiV in den Modulsitzungen individueller aufgegriffen und gelöst werden können. Durch das Adjektiv „adressatengerecht“ (Z. 152) wird Jörg Regers Anliegen, die Sitzungen LiV-orientierter zu gestalten, unterstrichen. „Adressatengerecht“ kann hier ebenfalls als fremdsprachendidaktisches Prinzip gelesen werden (Lernerorientierung), dessen er sich bedient und es auf seine Ausbildungspraxis überträgt. Die Adressatenorientierung gilt hier scheinbar zumindest auf expliziter Ebene keinem direkten Vermittlungsprozess, sondern dient peer-orientiert dem Zusammenstellen von kooperativen Strukturen innerhalb der LiV-Gruppe mit dem Ziel des Erfahrungsaustauschs und Problemlösens. Es dokumentiert sich eher, dass er die praktische Umsetzung der Adressatenorientierung bzw. seines Konzepts mit dem Adverb „eher“ (Z. 152) einschränkt und im Nachfolgenden praktische Probleme bei der Umsetzung thematisiert. (..) Äh. Klingt gut. (.) Ist in der Praxis, finde ich, noch nicht ganz optimal, weil es voraussetzt, dass die LiV natürlich dann auch eine ganze Menge mitbringen und einbringen. (.) Kann natürlich sein: „Ja, ich habe jetzt gar nichts, was brennt. Ich bringe jetzt erstmal auch gar nichts ein.“ [Zeilen 154-159] Es wird betont, dass die adressatengerechte, auf Erfahrungsaustausch und Kooperation ausgerichtete Gestaltung der Modulsitzungen praktische Probleme aufwirft, da die LiV eigenständig Ideen und Anliegen mit einbringen müssen , damit das Konzept funktioniert. Jörg Reger ist sich bewusst, dass die Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst nicht immer etwas in die Sitzungen mit einbringen können bzw. wollen, er greift in diesem Zusammenhang auf die Metapher des „Brennens“ zurück, welche oben bereits im krisenhaften Sinne verwendet wurde. Durch das Adjektiv „natürlich“ (Z. 157) wird der Eindruck erweckt, dass dem Ausbilder die Beweggründe für das Problem bewusst sind und dass er diese nachvollziehen kann. Diese Annahme wird im weiteren Verlauf bestätigt: Was ich auch verstehen kann, weil man vielleicht gerade Klausuren zu korrigieren hat und Ähnliches. Also funktioniert nicht immer ganz reibungsfrei. Man muss immer so einen Plan B haben. Was kann man noch dann machen, wenn jetzt halt keiner etwas hat. Ansonsten (.) ist zumindest ein Versuch, adressatenbezogen zu arbeiten. [Zeilen 159-163] Er begründet das Problem damit, dass die LiV gleichzeitig andere Verpflichtungen haben, wie z. B. das Korrigieren von Klausuren. Obwohl es noch einige praktische Probleme gibt, scheint es Jörg Reger sehr wichtig zu sein, zumindest 256 7 Fallrekonstruktionen den Versuch zu wagen, LiV-orientiert zu arbeiten (Um-zu-Motiv). Außerdem wird hier wiederholt deutlich, dass er als Ausbilder - explizit ausformuliert - aktiv versucht, Probleme der LiV nachzuvollziehen und seine Gestaltung der Seminarsitzungen danach auszulegen. Als Folge dieser Umsetzungsprobleme sagt Jörg Reger, dass man „immer […] einen Plan B haben“ (Z. 161) müsse. Dadurch wird interpretierbar, dass die LiV-orientierte Gestaltung der Sitzungen viel Spontanität und Flexibilität von den Ausbilderinnen und Ausbildern in seinen Augen erfordert. Gefragt nach der Zusammensetzung der Gruppen geht er zunächst auf die Zahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer ein: / / Sechs ist super./ / Ja, ich spreche jetzt eher von kleineren Gruppen. Also, ich habe manchmal Gruppen mit zweien gehabt und das ist natürlich/ also hat man fast so eine Eins-zu-eins-Situation. Aber DANN ist man ja wieder/ kommt man ganz schnell in eine Situation, wo man (.) ja doziert oder/ ich weiß, ich kann da schlecht sagen: „Macht mal Partnerarbeit. Besprecht eure Probleme. Macht das.“ Das ist/ das ist schwierig. Und also von daher über eine größere Gruppe. Ich versuche auch immer, die Gruppen zusammenzulegen. Ist sogar möglich. Geht. Wurde mir erst gesagt: „Ginge nicht.“ Aber es geht doch. (lacht) [Zeilen 169-179] Die zu geringe Gruppengröße nennt Reger als mögliche Ursache für das Problem der adressatenbezogenen Sitzungsgestaltung. Die unpersönliche Darstellung per „man“ sowie das ähnlich einer Gefahr dargestellte Potential („kommt man ganz schnell in eine Situation“, Z. 173-174) legt nahe, dass ein „Dozieren“ als qualitativ gering einzuschätzen ist und dies damit im Sinne einer LiV-adressierten und LiV-zentrierten Ausbildung zu vermeiden sein sollte. Besonders bei einer sehr kleinen Gruppengröße von zwei Teilnehmenden sei die Gestaltung der Sitzung eher Ausbilder-orientiert und weniger dezidiert adressatenbezogen, da die LiV weniger miteinander arbeiten und interagieren könnten (z. B. im Vergleich zu einer Gruppenarbeit) und so eine geringere Anzahl an Ideen mit in die Sitzungen einfließe. Obwohl es möglicherweise systembedingt und strukturell anders vorgesehen war, konnte Jörg Reger Gruppen von Teilnehmerinnen und Teilnehmern zusammenlegen. Die Formulierung „[i]st sogar möglich“ (Z. 178) könnte darauf hindeuten, dass entsprechend strukturelle Änderungen bei den Modulsitzungen eher ungewöhnlich sind oder dass diese selten von höherer Stelle genehmigt werden bzw. auf Grundlage der Ausbildungsverordnung vorgesehen sind. Ausbilder Reger nutzt an der Stelle die ihm mögliche Freiheit („Aber es geht doch.“, Z. 179), verschiedene LiV-Gruppen auch zusammenzulegen, möglicherweise semesterübergreifend, um verschiedene Perspektiven der Lehrkräfte in den Modulsitzungen nutzbar machen zu können. Hier wird eine gewisse unklare Rolle seitens der Ausbildungskraft offenbar: Sie stellt vorher häufiger heraus, dass sie das Weitergeben von Erfahrungs- 7.3 Fallrekonstruktion 3: Jörg Reger 257 wissen als eines der Kernbereiche der Beratungstätigkeit sieht (wenn dies auch nicht konkretisiert wird), jedoch zeigt sich hier, dass Jörg Reger die LiV eher als Lernende in Imperativform anspricht und sie zum Erfahrungsaustausch über Probleme untereinander anleitet. Das Zusammenlegen der semesterübergreifenden LiV-Gruppen führt an der Stelle dazu, dass Erfahrungswissen fortgeschrittener LiV gerade für die jüngeren verfügbar gemacht werden kann, dies ist allerdings aufgrund äußerlicher Bedingungen, der Möglichkeit der Zusammenlegung, gegeben, eher weniger durch ein aktives Anleiten von Beratung seitens der Ausbildungskraft. Letztere dokumentiert sich insgesamt in der Ausbildungspraxis stärker transmissionsorientiert, was auch durch die im Folgenden im Themenfeld „Distanzierung“ verhandelten Orientierungen bestätigt wird. 7.3.2 Themenfeld Distanzierung: „Also ich bilde mit Sicherheit nicht mehr so aus, wie ich vor acht Jahren angefangen habe.“ Mit dem narrativen Impuls gefragt danach, was Jörg Reger in seiner bisherigen Tätigkeit als Ausbilder in Erinnerung geblieben ist, antwortet dieser: Mhm (bejahend). Es gibt ähm/ (..) ja, es gibt ähm eigentlich mehrere Ereignisse, an die ich mich erinnere. Es gibt ähm/ (.) also ich bilde mit Sicherheit nicht mehr so aus, wie ich vor acht Jahren angefangen habe. (.) [Zeilen 62-65] Die hier hervortretenden Pausen (..) und Diskurspartikel (ähm) deuten darauf hin, dass die Antwort sehr reflektiert gegeben wird, also im Beginnen zumindest nicht vollkommen spontan abläuft. Der Ausbilder führt zunächst auf, dass er eine Entwicklung als Ausbildungskraft in den acht Jahren erlebt hat, die er - aufgrund der syntaktischen Struktur in diesem Exzerpt - potentiell mit „mehreren Ereignissen“, Lerngelegenheiten, in dieser Zeit begründet, sich in gewissem Maß damit aber ebenfalls von seiner Art auszubilden vom Beginn seiner Tätigkeit zu distanzieren versucht. Ich äh/ (.) und merke natürlich, dass Situationen sind, wo ähm gewissermaßen auch äh Persönlichkeitsrelationen stattfinden. Sprich, da führt jemand etwas vor. Investiert häufig eine enorm lange Vorbereitungszeit, Herzblut hinein und dann sch/ scheitert das auch … [Zeilen 65-68] Lerngelegenheiten scheinen hier auf einer bestimmten Ebene hervorzutreten: Wenn Unterrichtsbesuche stattfinden und diese offensichtlich mit viel Arbeit und Einsatz im Vorfeld verbunden waren, dann aber doch an gewissen Stellen „scheitern“, bekommt die Ausbildungstätigkeit eine persönliche Dimension, die nicht leicht bewältigbar scheint. Im Kontext von LiV fällt häufiger im Interview- 258 7 Fallrekonstruktionen verlauf der Begriff des „Scheiterns“. Dies wird „natürlich“ (Z. 65) von der Ausbildungskraft bemerkt, gleichsam vorausgesetzt und selbstverständlich gestellt, dass diese Situation auftreten müssen. Auf einer persönlichkeitsrelationalen Ebene wird in der Folge bemerkt, dass es künstliche Situationen sind, die diese Herausforderungen hervorrufen, wenn jemand etwas „vorführt“, gleichzeitig dieses Vorführen intensiv und langfristig vorbereitet hat, „Herzblut“ investiert, dann aber nicht den erwarteten Erfolg erleben konnte. und wir sind trotzdem dann (.) verpflichtet, äh, in einer Bewertungssituation zu beraten. Also beides. Wir wissen eigentlich gar nicht mehr, was machen wir denn da eigentlich: Beraten oder bewerten. Ja, und der äh Referendar erfährt uns ja als Bewertender auch immer. (.) [Zeilen 69-68] Die Enttäuschung, die durch einen nicht zufriedenstellend gelaufenen, weil: zu sehr vorgeführten und eintrainierten, Unterrichtsbesuch im Nachgespräch offenbar wird, führt an der Stelle, an der persönliche Enttäuschung hervortritt, auf eine Persönlichkeitsebene, die vom Ausbilder als unangenehm wahrgenommen wird. Reger sieht sich zudem in der antinomischen Rolle, gleichzeitig die Leistung der LiV (negativ) bewerten, aber auch (positiv bestärkend) beratend agieren zu müssen, während er LiV erlebt, die Ausbilderinnen und Ausbilder („uns“) in der Tendenz nur bewertend wahrnehmen. In dieser Rolle sieht er sich einer institutionellen Norm ausgesetzt („wir sind trotzdem dann verpflichtet“, Z. 69-70), die ihm auf kommunikativer Ebene widerstrebt, da die persönlichkeitsrelevanten Aspekte der LiV der UB-Vorbereitung mit „Herzblut“ und das letztendliche „Scheitern“ in der Situation eine möglichst objektive Bewertungssituation erschweren. Dies wird dadurch verdeutlicht, dass die Verwendung von Subjektpronomina an dieser Stelle insofern bricht, als dass Jörg Reger bislang primär in der unpersönlichen „man“-Form gesprochen hat, nun sich aber in der ersten Person Plural („wir“) als Mitglied der Gruppe der Ausbilderinnen und Ausbilder konstruiert. Dass er eine professionelle Distanz zu seinen Referendarinnen und Referendaren zu wahren bemüht ist, zeigt sich in einem Extrem innerhalb der Erzählung eines Geschehnisses, in dem ein Referendar Versuche unternommen hat, ihn auch auf persönlicher und privater Ebene anzugreifen. Die Erzählung findet relativ früh im Interview statt, noch auf die Frage des Interviewers bezogen, was ihm in seiner Ausbildungstätigkeit besonders im Gedächtnis geblieben ist: In Erinnerung geblieben ist mir eine sehr kritische Situation, (.) wo ein Referendar tatsächlich über alle Wege probiert hat, ähm, ja, mich und auch sozusagen meine Reputation zu zerstören. [Zeilen 77-80] 7.3 Fallrekonstruktion 3: Jörg Reger 259 In dieser einleitenden Eröffnung erzählt Jörg Reger von dieser „sehr kritische[n] Situation“, die wegen einer „Verwebung […] von Beruflichem und Privatem“ (Z. 88 f.) als sehr schwierig empfunden wird/ wurde. Eine LiV hat, weil sie sich vermutlich ungerecht behandelt fühlte, versucht, die Reputation des Ausbilders zu zerstören. Auffällig sind die Extreme, die hier aufgeführt werden: „über alle Wege“, „mich und meine Reputation“ und zuletzt der Begriff der „Zerstörung“ drücken hier eine Heftigkeit aus, die - obwohl er im weiteren Verlauf bewertet, dass ihn dieses Ereignis „nicht so nachhaltig“ (Z. 93) im Hinblick auf die Tätigkeit als Ausbilder beeinflusst habe - doch „in Erinnerung geblieben“ (Z. 77 f.) geblieben zu sein scheint. Das ist dann, weil es dann persönlich wurde. (.) Also es ging über eine persönliche Schiene, die gar nichts mehr mit der Ausbildung zu tun hatte, sondern es wurden Leute angesprochen auch aus meinem/ meinem privaten Umfeld. (.) Das fand ich kritisch, weil es dann so eine Verwebung auf einmal war, von Beruflichem und Privatem. [Zeilen 84-89] Die persönliche Ebene wird von Reger als „kritisch“ (Z. 88) empfunden, da er es bevorzugt, wenn Beruf und Privates getrennt werden. Besonders durch diese Trennung stellt Jörg Reger heraus, dass er bei seiner Tätigkeit als Ausbilder eher einen distanziert-professionellen Umgang mit den LiV zu pflegen versucht, was aber möglicherweise nicht immer so möglich war, da es „dann persönlich wurde“ (Z. 84-85) und dies als hinderlich oder unprofessionell, zumindest unpassend, empfunden wurde. Allerdings ergibt sich daraus ein gewisser Widerspruch, da er die Zeit als Mentor, in der er „viel enger“ (Z. 50) mit den LiV verbunden war, weiter oben als „sehr schöne Zeit“ (Z. 50 f.) bezeichnet, obwohl er damals anscheinend eine geringere Distanz zu den LiV hatte. Die Verleumdungskampagne der LiV gegen ihn hat ihn offensichtlich stark belastet: Aber das war/ (.) das war eine ganz schwierige Situation, die mit/ mit einfachen Bordmitteln nicht zu lösen war. Also spielte auch äh so psychische Komponenten eine Rolle, das war gar nicht von mir alleine bewältigbar. Das ist mir in Erinnerung geblieben. Aber jetzt nicht so nachhaltig, also dass ich jetzt negative Blick auf die Ausbildung bekommen hätte (lachend). Aber, ach Gott, naja. Schwierigkeiten gibt es. [Zeilen 89-95] Diese Situation könnte von Reger als überfordernd erachtet worden sein, da sie nicht mit „einfachen Bordmitteln“ (Z. 90) zu bewältigen war. Der Gebrauch des Begriffs „Bordmittel“ ist hier insofern hervorzuheben, als dass das von ihm in der Regel genutzte Handwerkszeug, das er erfahrungsgemäß über die Jahre erlernen und einsetzen konnte, die er sozusagen als Ausbildungskraft mitgeliefert bekommen bzw. in eigenen Fortbildungen aus dem Kontext Erwachsenen- 260 7 Fallrekonstruktionen bildung erworben hat, an dieser Stelle nicht mehr ausreichte. Da der Konflikt in diesem Abschnitt ausschließlich mit „das“ (vgl. Z. 89, 92), einem bestimmten Artikel ohne Substantiv, benannt wird, erweckt es den Eindruck, dass sich Jörg Reger von der schwierigen Situation zu distanzieren versucht, er scheint über diese Episode nur ungern sprechen zu wollen. Des Weiteren impliziert die syntaktische Struktur (Z. 92) einen Appell, dass sich Reger allein gelassen gefühlt hat, seine „Bordmittel“ an der Stelle nicht mehr ausreichten und er in anderer Form innerhalb des Systems Vorbereitungsdienst Unterstützung benötigt (vielleicht sogar erwartet) hätte. Dass die Angelegenheit „nicht alleine von ihm bewältigbar“ (Z. 92-93) war, impliziert, dass dann von anderer Stelle Unterstützung bekommen hat, womöglich durch Ehepartnerin, Familie und/ oder Freunden, da die Situation eine private Dimension bekommen hatte. Er schließt diese Passage mit einer Relativierung und merkt lachend an, dass ihn dies nun nicht nachhaltig in seiner Ausbildungstätigkeit beeinträchtigt habe. Auch sein Einwurf „Aber, ach Gott, naja“ (Z. 95) relativiert dies weiter und stellt diese „Schwierigkeiten“ (Z. 95) als zwar nicht normal oder regelhaft, aber als ein mögliches, negatives Ereignis einer Ausbildungstätigkeit dar, das ihn durchaus nachhaltig geprägt haben dürfte. Er führt im Erzählzwang über zu positiven Ereignissen, konkretisiert diese jedoch nicht exemplarisch: / / Aber/ / auch positive Sachen. Also sehr viele/ sehr, sehr viele positive Sachen. Vor allem berufliche Quereinsteiger, die/ (.) das äh/ aus einem ganz anderen Beruf kommen, auf einmal einen inspirieren mit ganz tollen Dingen, die sie halt in ihrem ersten Beruf gemacht haben und/ (.) also viel, viel, viel Positives. Das Positive überwiegt. (lacht) [Zeilen 99-104] Es wird betont, dass positive Ereignisse in Regers Karriere als Ausbilder überwiegen und er sich besonders von beruflichen Quereinsteigern „inspirieren“ (Z. 101) lässt. Es fällt auf, dass das Numeral „viel“ (Z. 99, 103) sehr häufig wiederholt wird, welches die Anzahl der positiven Ereignisse während seiner Tätigkeit als Ausbilder im Vergleich zu einer direkt vorher im Interview als Einzelfall geschilderten negativen Erfahrung höher erscheinen lässt. Auffallend ist außerdem, dass Jörg Reger in Bezug auf die positiven Ereignisse hier kein konkretes Ereignis unmittelbar nennt, sondern ausschließlich die große Anzahl an positiven Ereignissen im Allgemeinen akzentuiert, während er vorher über ein Negativbeispiel sehr ausführlich berichten konnte. An weiteren Stellen innerhalb des Interviews zeigt sich wiederum eine Distanzierung, sobald es um Aspekte von Persönlichkeit bzw. Persönliches geht, so auch bei der Frage um persönliche Ziele im Zusammenhang mit der Ausbildungstätigkeit: 7.3 Fallrekonstruktion 3: Jörg Reger 261 I: Gibt es persönliche Ziele, die Sie so in Ihrer Ausbildungstätigkeit verfolgen? B: Persönliche Ziele jetzt/ I: / / Für sich. Al/ / / B: / / f/ für / / mich persönlich? I: Ja. B: Ja. Also. Ich habe in all den Jahren (.) natürlich erfahren, dass es eine unglaubliche Selbstschulung ist. Und äh denke manchmal bei aller Tätigkeit, die man so als Vielfahrer und äh, was auch immer, muss ja immer hier diskutieren mit/ mit Unterrichtsbefreiung und wie auch immer. (.) Man hat/ also, ich habe unheimlich gelernt in der Zeit. Unheimlich viel natürlich auch von LiV gelernt. Gezwungen zu sein, (..) einmal Fachdidaktik zu lesen, sich weiterzubilden, nicht hinten anstehen zu dürfen. Fachzeitschriften zu lesen. Neben all dem, was man ja macht, das ist eine unglaubliche Selbstschulung. [Zeilen 293-307] Auf die Frage nach seinen persönlichen Zielen reagiert der Ausbilder zunächst mit Überraschung und Verwunderung, er muss wiederholt nachfragen. Vermutlich wurde nicht damit gerechnet, dass persönlich relevante Aspekte angesprochen werden, was mit der oben angesprochenen Orientierung zu einer stärkeren, „professionellen Distanz“ einhergeht. Er beschreibt dann jedoch, dass er durch die Arbeit als Ausbilder in einem berufsbiographischen Sinn eine „unglaubliche Selbstschulung“ (Z. 300) erlebt hat. Die Verwendung von ausdrucksstarken Adjektiven („unglaubliche“, „unheimlich“) könnte darauf hindeuten, dass Reger diese Selbstschulung während seiner Tätigkeit als Ausbilder als persönliche Motivation auch als sehr effektiv erachtet. Er benennt Aspekte wie das Lesen von Fachzeitschriften und die eigene Weiterbildung als Teil dieser Selbstschulung. Mit „Vielfahrer“ (Z. 301) deutet der Ausbilder an, dass er besonders durch die Unterrichtsbesuche viel Auto fahren muss und dies möglicherweise eine Belastung darstellt. Es könnte allerdings implizit ebenfalls andeuten, dass er durch diese abwechslungsreiche Tätigkeit viel er fahren kann, was ihn persönlich weiterbringt, die es einem allerdings nicht erlaubt „hinten anzustehen“ (Z. 305-306). Unklar bleibt, inwiefern die aufgeführten Aspekte, die in Teilen nicht „persönlich“ sind (Selbstschulung, Lesen von Fachliteratur), im Rahmen einer gewissen sozialen Erwünschtheit formuliert werden, dass diese Antwort also, aufgrund der zunächst offenbar gewordenen Überraschung gegenüber einer auf die Persönlichkeitsebene abzielenden Frage, stark selbstreflexiv eingefärbt ist und aufgrund ihrer Explizität damit für die vorliegende Analyse mutmaßlich irrelevant wird. 262 7 Fallrekonstruktionen Das ist schon ein Ziel. Gerade für das Fach Englisch. Ich sage: „Ja, das finde ich gut.“ Und ich finde auch, ich kann mir auch persönlich gar nicht vorstellen, wie das jetzt wäre, wenn man das nicht mehr macht. Wenn man jetzt nur noch so in seinem kleinen Suppentopf schwimmt und äh und hier Schulstoff verbreitet und vermittelt und man merkt das natürlich dann auch immer im Abgleich, wenn man auf/ in Konferenzen oder Tagungen sitzt und denkt: „Mensch ja. Aber da sind wir doch in der Diskussion schon vier Schritte weiter. Wo seid ihr denn da? “ [Zeilen 307-315] Jörg Reger führt an, dass er die obige Selbstschulung besonders für das Fach Englisch als nützlich erachtet und er es sich nicht mehr vorstellen kann, ausschließlich als Lehrer in der Schule tätig zu sein. Er nennt allerdings keine Gründe dafür, warum er die Selbstschulung als besonders signifikant für das Fach Englisch ansieht. Mit der Metapher „in seinem kleinen Suppentopf [schwimmen]“ (Z. 311) könnte Ausbilder Reger ausdrücken wollen, dass die Lehrtätigkeit in der Schule weniger innovativ und eher einseitiger ist als die Arbeit als Ausbilder. Er konstruiert damit einen negativen Gegenhorizont und nennt als Beispiel Konferenzen und Tagungen, auf denen er als Ausbilder schon „vier Schritte weiter“ (Z. 315) ist als die anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmer, welche größtenteils Lehrkräfte aus der Schule oder andere Fortbildner darstellen. Besonders im Vergleich zu den Lehrkräften aus der Schule wird klar, dass Jörg Reger viele Unterschiede zwischen der Tätigkeit als Lehrkraft in der Schule und der Arbeit als Ausbilder sieht. Also, das ist durchaus ein persönliches Ziel. Klar, natürlich habe ja ich irgendwann einmal das Ziel, dass das Studienseminar mal sagt: „Naja, jetzt haben wir ihn lange genug mit A13 ausgebeutet, jetzt kann er doch mal Ausbilder hier werden.“ [Zeilen 315-219] Im Gegensatz zu dem vorherig genannten Ziel der Selbstschulung führt Jörg Reger nun als Motiv zusätzlich an, dass er das Ziel hat, in Zukunft mehr als sein aktuelles Einstiegsgehalt zu verdienen. Das Verb „ausgebeutet“ impliziert, dass er gegenwärtig unzufrieden mit seinem Verdienst ist und er möglicherweise sich und seine Arbeit in monetärer Hinsicht als zu gering honoriert empfindet. (lachend) Das wäre/ (lacht) Das wär mal äh/ das wäre natürlich mal eine/ ein/ ein persönliches äh ja monetäres Ziel, (lachend) aber/ (lacht). Ja, aber ja, ne aber pff/ also, ich finde schon die/ einmal die Arbeit natürlich (.) mit Erwachsenen ist wirklich eine tolle Sache. Als Ausgleich auch zur Arbeit nur mit Schülern. (.) Aber das/ dieses gegenseitige, dieses wechselseitige Lernen. Auch gerade von Menschen, was ich ganz faszinierend finde, die tatsächlich schon mal einen anderen Beruf gelernt haben oder auch später ins Referendariat gegangen sind und mit einer gewissen Reife und Erfahrung aus einem anderen Beruf kommen und sagen: „Ja, aber Moment.“ (.) Und hab/ also, von denen habe ich ganz viel auch mitgenommen. [Zeilen 321-331] 7.3 Fallrekonstruktion 3: Jörg Reger 263 Es fällt hier besonders auf, dass Jörg Reger im ersten Satz sehr viele Lachpausen macht, da es für ihn möglicherweise unangenehm ist, ein „monetäres Ziel“ (Z. 322) zu äußern. Lexikalisch ist der Begriff „monetär“ eher dem wirtschaftswissenschaftlichen Kontext zuzuordnen, möglicherweise kommt hier der Einfluss der Managmentschulungen aus dem Erwachsenencoaching zum Tragen, die Reger besucht hat und worauf er an anderer Stelle eingeht. Im weiteren Verlauf dieses Abschnitts bringt er einen weiteren Aspekt seiner Arbeitsgestaltung ein, nämlich den Ausgleich der Erwachsenenbildung mit LiV im Vergleich zu der Arbeit mit Schülerinnen und Schülern. Die Formulierung („als Ausgleich“) könnte man so deuten, dass die Arbeit mit jungen Lernenden von Ausbilder Reger als anstrengender empfunden wird und die Erwachsenenbildung im Vergleich für ihn entspannter ist, da diese den Ausgleich darstellt. Er nennt in Bezug auf die Erwachsenenbildung besonders das wechselseitige Lernen als positiven Aspekt, gleichzeitig im negativen Gegenhorizont hierzu implizierend, dass im Unterricht Lernen im transmissionsorientierten Sinne nur in eine Richtung verläuft. Besonders den LiV, die schon einen anderen Beruf erlernt haben (Quereinsteiger), schreibt Jörg Reger „Reife und Erfahrung“ (Z. 329) zu und stellt damit im Vergleich mit „normalen LiV“ heraus, dass er von den Quereinsteigern geradezu fasziniert ist. Mittels der Formulierung in der direkten Rede („Ja, aber Moment.“) deutet Reger an, dass diese Gruppe von LiV möglicherweise reifer, reflektierter und insbesondere kritischer über Sachverhalte nachdenkt, als es diejenigen LiV realisieren, die direkt von der Universität in den Vorbereitungsdienst einsteigen, und damit einen primär auf Instruktion ausgerichteten Ausbildungsmodus hinterfragen. Dies wird wiederum in gewisser Hinsicht relativiert, da die vorher relevant gestellte direkte Rede im folgenden Abschnitt als Antwort auf die Interviewerfrage zur Konkretisierung nicht im inhaltlichen Sinne, sondern eher über persönlichkeitsrelevante Merkmale begründet wird: I: Was machen die anders als die/ die LiV, die so die ganz normale Karriere äh gemacht haben, die Lehramtsstudium von vorneherein gemacht haben? B: Sind gelassener. Also viele, die ich erlebt habe, sind deutlich gelassener, weil sie gelernt haben, in einem Beruf schonmal, dass es Situationen des Scheiterns gibt. Erfahren das nicht mehr so persönlich, wie beispielsweise LiV, die direkt von der Uni kommen und häufig auch natürlich gewohnt sind oder die (.) das Messer durch die Butter zu geben und dann die ersten schwierigen Erfahrungen im Referendariat machen. [Zeilen 332-341] Als Unterschied zwischen den LiV, die direkt von der Universität kommen und denen, die schon vorher einen anderen Beruf erlernt haben, nennt Reger eine 264 7 Fallrekonstruktionen gewisse Misserfolgstoleranz. Erneut stellt er damit ein Scheitern in den Kontext von Lehrkräften im Vorbereitungsdienst: Anders als bei LiV, die schon vorher einen Beruf erlernt haben, lernen LiV, die direkt von der Uni kommen, erst im Referendariat, mit Misserfolgen umzugehen. In Rückgriff auf sein eigenes Referendariat hat er dieses immer sehr positiv bewertet, im gesamten Gesprächsverlauf werden „normale LiV“ (im Gegensatz zu Quereinsteigern) tendenziell negativer dargestellt und lexikalisch-kontextuell mit Scheitern konnotiert. Mit der Metapher im letzten Satz („das Messer durch die Butter […] geben“) könnte er beschreiben wollen, dass eher unerfahrene LiV weniger direkte Kritik bekommen haben als die LiV mit Berufserfahrung. Über den Umgang und die damit verbundene Reflexionsfähigkeit der Referendarinnen und Referendare beschrieb er an früherer Stelle im Interview schon: I: Ja. (..) Würden Sie sagen, es fällt den LiV leicht, über ihren eigenen Unterricht zu reflektieren? B: Unterschiedlich. Sehr unterschiedlich. (.) Es gibt ähm (..) viele, sehr viele/ ich denke auch, der größte Teil der se/ ein sehr, sehr selbstkritischen Blick gehabt. Ich habe sehr wenige, die wirklich ähm von vorneherein alles mit Zähnen und Klauen verteidigen und dann meinen, sie/ sie machen das perfekt und ähm/ also das ist eine ganz kleine Minderheit. Die meisten haben einen sehr, sehr kritischen Blick auf die eigene Stunde. [Zeilen 227-235] Der Ausbilder stellt hier heraus, dass die meisten LiV einen sehr kritischen Blick auf den eigenen Unterricht haben. Obwohl Jörg Reger am Anfang bewertet, dass die Reflexionsfähigkeit der LiV „[s]ehr unterschiedlich“ (Z. 229) sei, betont er im weiteren Verlauf, dass die überwiegende Zahl an LiV „einen sehr, sehr kritischen Blick“ (Z. 234) auf den eigenen Unterricht hätten. Es bleibt unklar, ob dies ein Widerspruch ist, wenn ein selbstkritischer Blick mit Unterrichtsreflexion gleichgesetzt werden kann. Es gibt in seinen Augen nur wenige LiV, die unberechtigterweise ihren Unterricht in auffällig negativer Art und Weise („mit Zähnen und Klauen“, Z. 232-233) reflektieren bzw. verteidigen. Es wird deutlich, dass ihn dies stören würde, sofern es mehr dieser Reflexionstypen gäbe. Im Hinblick auf die Wortwahl ist auffällig, dass der Ausbilder viele Adverbien benutzt, die vor allem den größtenteils selbstkritischen Blick der LiV auf den eigenen Unterricht unterstreichen. Da Jörg Reger die Selbstkritik der LiV auffällig stark betont, deutet dies darauf hin, dass viele LiV den eigenen Unterricht zu selbstkritisch beurteilen, obwohl es eigentlich weniger Kritik bedarf. Entwickeln den mit der Zeit auch. (.) Und meistens kritischer, als wir Ausbilder drauf schauen. Und sehen Dinge kritischer, die/ wo wir doch sagen würden: „Naja gut, das ist aus der Erfahrung heraus einfach Usus. So läuft das. Das ist normal. Da muss man 7.3 Fallrekonstruktion 3: Jörg Reger 265 sich jetzt nicht kasteien.“ (.) Ja. Also ich denke, es fällt vielen, (.) zumindest die ich erlebt habe, doch recht leicht auch darüber zu sprechen. [Zeilen 235-241] Der Ausbilder beschreibt, dass die meisten LiV mit der Zeit einen selbstkritischen Blick entwickeln, und ergänzt zur obigen Passage, dass dieser häufig kritischer ist als der der Ausbilderinnen und Ausbilder, die „aus der Erfahrung heraus“ (Z. 237), aber bewusst hier nicht unter Unterrichtsqualitätskriterien, dies relativierter betrachten würden. Reger erläutert, dass Ausbildungskräfte aufgrund von gesammelten Erfahrungen Dinge oftmals weniger kritisch beurteilen, als es vielleicht LiV tun würden. Durch die Verwendung des Pronomens „wir“ (Z. 236 f.) unterstreicht Jörg Reger, dass dieses Phänomen nicht nur bei ihm, sondern auch bei anderen Ausbilderinnen und Ausbildern auftritt, deren Gruppenzugehörigkeit er im Satz vorher expliziert. Allerdings wird in diesem Abschnitt nicht klar, ob die LiV den eigenen Unterricht ausschließlich kritisch betrachten oder ihn ebenfalls kritisch reflektieren können. Des Weiteren ist die Wortwahl des Ausbilders in diesem Abschnitt auffällig („kasteien“). Laut Duden beschreibt das Verb „kasteien“ einen Menschen, der sich entweder „als Bußübung Schmerzen, Entbehrungen auferlegen“ lässt oder jemanden, der „enthaltsam leb[t] [und] sich Entbehrungen auferleg[t]“ (Dudenredaktion 2007: 936). In diesem Zusammenhang könnte Reger damit implizieren wollen, dass sich viele LiV bezüglich der eigenen Leistungen möglicherweise schmerzhaft selbst kritisieren, obwohl dies seitens der normativ gesetzten Ansprüche des Ausbilders bzw. dessen Interpretation der Vorgaben überhaupt nicht notwendig sein müsste. Jörg Reger führt anschließend aus, an welchen Beratungskonzepten er sich orientiert: Ähm (…) Ja natürlich, also äh. Klar. Also, es gibt äh/ es gibt natürlich verschiedene Beratungskonzepte, es gibt natürlich verschiedene psychologische Konzepte, an/ mit denen ich herangehe. Aber ich versuche es nicht/ (.) nicht reinrassig also, ein reinrassiges Beratungskonzept ähm, (.) [Zeilen 247-251] Durch das anfängliche Stocken wird Verunsicherung deutlich. Die Verwendung von verschiedenen, nicht „reinrassigen“ (Z. 251) Beratungskonzepten wird hier in den Vordergrund gestellt, die bei den verschiedenen Ausbilderinnen und Ausbildern vorherrschen („es gibt“, Z. 247). „[R]einrassig“ wird als „(von Tieren) nicht gekreuzt; von zwei Eltern derselben Rasse abstammend“ (Dudenredaktion 2007: 1378) definiert. In diesem Zusammenhang könnte „reinrassig“ darauf hindeuten, dass Jörg Reger besonders viel Wert auf individuelle, an die LiV adressatengerecht angepasste und damit nicht einheitlich-homogene Beratungskonzepte legt, die nicht konzeptionell oder theoretisch gleichen Ursprungs 266 7 Fallrekonstruktionen (gleicher Art) sind. Gleichzeitig weist dies darauf hin, dass es kein eindeutiges Beratungskonzept für ihn gibt bzw. formal keines vorgesehen ist. Diese Herangehensweise könnte dadurch begründet sein, dass eine heterogene Lernbzw. LiV-Gruppe ein sehr individuelles und nicht einheitliches Beratungskonzept erfordert. Im weiteren Verlauf wird dies mittels eines Zugzwangs des Erzählens bzw. Beschreibens noch weiter ausgeführt: wo beispielsweise LiV jetzt auf/ auf der Ebene des/ so ein Selbstkonzept entwickeln und sagen: „Ich äh/ ich/ ich beleuchte jetzt die Punkte und entwickele mich selbst weiter.“ Echt, das GEHT (.) bei sehr guten LiV relativ problemlos, die auch Expertise haben in verschiedenen ähm Gesprächskonzepten. (.) Das ist die eine Schiene. Wenn die aber selbst schwächer sind und eigentlich gar nicht wissen, warum es gescheitert ist, dann muss ich/ muss ich mehr in Richtung Coaching gehen. (.) [Zeilen 251-258] In diesem Teil macht Ausbilder Reger klar, dass es stärkere und schwächere LiV gibt, die dann jeweils verschiedene Beratungskonzepte benötigen bzw. nicht benötigen. Im Gegensatz zu den schwächeren LiV können leistungsstärkere LiV ein „Selbstkonzept“ (Z. 252) entwickeln, mit dem sie sich gut selbstständig weiterentwickeln können, d. h. weniger Unterstützung seinerseits benötigen. Die Betonung des Worts „geht“ (Z. 254) könnte darauf hindeuten, dass die selbstständige Weiterentwicklung von leistungsstarken LiV (oftmals) unterschätzt wird, obwohl dies aus Sicht Regers „relativ problemlos“ (Z. 254 f.) verläuft. Mit Fokus auf die leistungsschwächeren LiV, die er pejorativ als „die“ im Gegenhorizont entwirft, erläutert Jörg Reger, dass es ggf. durch mangelnde Reflexionsfähigkeit der LiV Beratung seitens der Ausbildungskraft bedarf, diese Beratung dann eher ein „Coaching“ darstellt bzw. darstellen muss. In diesem Zusammenhang wird Coaching direkt als professionelles Handeln charakterisiert, das berufliche Weiterentwicklungsprozesse bewirken soll. Die Begrifflichkeit des „Coaching“ und die Erfahrungen, die Jörg Reger aus Veranstaltungen im Kontext von Coaching und Erwachsenenbildung bereits aktiv gesammelt hat, ist in diesem Zusammenhang auch deswegen bemerkenswert, weil er den Quereinsteigerinnen und Quereinsteigern, also denjenigen LiV, die aus der freien Wirtschaft ggf. in Führungspositionen vorher tätig waren, eine gewisse Professionalität a priori innerhalb einer common sense -Norm unterstellt und dahingehend stärkere positive Erfahrungen damit assoziiert. Und ähm/ (.) klar, wir haben irgendwann natürlich mal an der/ an der/ in der Schulung für die äh/ für die Ausbilder mit sehr verschiedenen Konzepten gearbeitet, auch uns da fortgebildet. Aber dass ich jetzt sage: „Ich nehme jetzt, was weiß ich, Modell Titel des Beratungskonzepts reinrassig.“ Nein. (.) Auf keinen Fall. Nein. Ich gucke immer, versuche, verschiedene Komponenten aus Beratungsäh -konzepten zu nehmen und 7.3 Fallrekonstruktion 3: Jörg Reger 267 die dann anzuwenden. (.) Das ist/ ist klar, es ist auch im gewissen Maße adressatenbezogen. Adressatenbezogen ist ein tolles Wort, aber man versucht es irgendwie. (lacht) / / Natürlich./ / [Zeilen 258-267] Obwohl hier gesagt wird, dass verschiedene Konzepte in der Schulung für Ausbilderinnen und Ausbilder behandelt wurden, hat sich Jörg Reger bewusst gegen die Verwendung eines einzigen, „reinrassigen“ Konzepts entschieden. Diese Entscheidung wird durch den parataktischen Satzbau (vgl. Z. 263) noch einmal unterstrichen. Des Weiteren wird wiederholt sichtbar, dass Reger auf expliziter Ebene Wert auf die LiV-orientierte Beratung legt und deswegen Teile aus verschiedenen Beratungskonzepten kombiniert. Allerdings fällt durch die ironische Äußerung im letzten Satz („Adressatenbezogen ist ein tolles Wort“) auf, dass Jörg Reger die LiV-orientierte Ausbildung möglicherweise eher als Idealvorstellung erachtet, die in der Realität seinerseits innerhalb des Systems kaum praktizierbar wird. Trotzdem steht es in seinem Bemühen, die Beratung „irgendwie“ (Z. 267) individueller und adressatenbezogener zu gestalten, er sieht dies als „natürlich“ an, also als eine individuell wahrgenommene Selbstverständlichkeit und normative Setzung in seiner Ausbildungstätigkeit. Im Gesprächsverlauf in einer Nachfrage explizit darauf angesprochen, inwiefern ein gewisses Ungleichgewicht zwischen fremdsprachendidaktischer und allgemeinpädagogischer Anteile in der Ausbildungstätigkeit besteht, kommt Jörg Reger ins Grübeln: (lacht) Schwierige Frage. (6) Manchmal habe ich den Eindruck, ja. Aber ich finde das anmaßend. Denn ich bin ja eigentlich in der Fachdidaktik derjenige/ oder ich bin ja eigentlich als fachdidaktischer Ausbilder bestellt (.) und die Expertise im allgemeinpädagogischen Bereich liegt ja eigentlich bei den genuinen DFB, ähm LLG, BRB-Menschen. (…) Ich sehe manchmal die Trennung als schwierig. Weiß nicht, ob es tatsächlich (.) wirklich trennbar ist. (..) [Zeilen 270-276] Er stellt in diesem Teil dar, dass sich die Orientierung in seiner Ausbildungsweise (pädagogisch oder fachdidaktisch) kaum klar trennen lässt, auch die für Jörg Reger im Gesprächsverlauf recht untypisch lange Pause von sechs Sekunden nach einem erwidernden Lachen spricht für eine gewisse Unsicherheit in dieser Frage. Des Weiteren führt Reger an, dass es spezielle allgemeinpädagogische Ausbilder gibt und er per Mandat, d. h. institutionell gesetzter Norm, ausschließlich als fachdidaktischer Ausbilder dienen soll. Obwohl es diese Unterscheidung zwischen den Ausbilderinnen und Ausbildern gibt, sieht er sich trotzdem manchmal in der Position, LiV allgemeinpädagogisch auszubilden. Das Adjektiv „schwierig“ (Z. 276) könnte darauf hindeuten, dass es größerer Anstrengung bedarf, um mit dieser beidseitigen Orientierung in der Ausbildung zu verfahren 268 7 Fallrekonstruktionen bzw. diese normativ gesetzte Trennung überhaupt in der Beratung von LiV aufrecht erhalten zu können. Auffällig ist die Abgrenzung, die Reger gegenüber sich selbst als fachdidaktischem Ausbilder und allgemeinpädagogisch arbeitenden DFB-, LLGbzw. BRB-„Menschen“ sieht. Inwiefern überschneiden sich in der Arbeit hier Kompetenzbereiche bzw. inwiefern können diese Bereiche eben nicht klar getrennt für sich ausgebildet werden? Es fällt außerdem auf, dass er die allgemeinpädagogischen Ausbildungskräfte distanzierter als „BRB-Menschen“ (Z. 275) bezeichnet. Da Jörg Reger die allgemeinpädagogischen Ausbilder ausschließlich in dieser Form benennt, könnte man - als eine Lesart - daraus schließen, dass er deren Einsatzgebiet oder die strukturelle Verankerung dieser Ausbildungskräfte anders, tendenziell kritisch, sieht, er gleichwohl ihnen aber eine Expertise zugesteht, über die er nicht verfügt (siehe weiter unten: „Da kann ich nicht auf Konzepte zurückgreifen.“, Z. 288-289). Aufgrund der möglicherweise herrschenden Untrennbarkeit allgemeinpädagogischer und fachdidaktischer Ausbildung führt er beispiel- und typenhaft Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst aus seiner berufsbiographischen Vergangenheit an: Ich versuch/ habe jetzt gerade natürlich Bilder vor Augen. Bilder von Referendaren, die (.) im pädagogischen Bereich, im empathischen Bereich unheimlich gut sind. (.) Wo man sagen kann, vielleicht im fachlichen Bereich, (..) hapert ein bisschen, ist nicht so/ also nicht die Speerspitze der Innovation. (.) Aber sind gute Lehrer. Können sehr gut mit Menschen umgehen. (..) Da (.) geht es natürlich eher in eine fachdidaktische Diskussion. [Zeilen 277-283] Durch die Metapher „Bilder vor Augen“ (Z. 277) wird erkennbar, dass Jörg Reger sich an konkrete LiV erinnern kann, die sehr gut im allgemeinpädagogischen Bereich waren, aber weniger Kompetenz im fachlichen Bereich aufwiesen. Er stellt in diesem Zusammenhang, aufgrund der syntaktischen Stellung, den pädagogischen Bereich etwa dem empathischen Bereich gleich. Er beschreibt diese LiV als generell gute Lehrer, die vielleicht „nicht die Speerspitze der Innovation“ (Z. 280 f.) sind, deutet damit an, dass die fachdidaktisch weniger (vor-)gebildeten LiV möglicherweise schlechter mit moderneren didaktischen Konzepten umgehen und diese weniger gut im eigenen Unterricht umsetzen können. Allerdings betont Reger, dass diese LiV sehr gut mit Menschen, in diesem Fall Schülerinnen und Schülern, umgehen können und sie trotz fachdidaktischer Defizite gute Lehrerinnen und Lehrer seien. Um diese zuerst formulierten Defizite auszugleichen, geht es während der Ausbildungszeit dann „eher in […] fachdidaktische Diskussion[en]“ (Z. 282 f.). Dies steht allerdings in einem Kontrast mit der spezifischen Ausbildungssituation, welche er in Z. 143-144 weiter oben schilderte, in 7.3 Fallrekonstruktion 3: Jörg Reger 269 der literaturdidaktische, und damit fremdsprachendidaktische, Inhalte im Fokus der Modulsitzung standen, es bei seinen LiV aber „ganz woanders brannte“ (s. o.), also andere Problemfelder (in dem Fall tendenziell in der Tat eher allgemeinpädagogische) aus der aktuellen Unterrichtspraxis im Fokus standen. In/ bei Referendaren, die/ (..) die eher (.) ähm fachlich top/ gibt es ja auch, fachlich top, aber halt wenig Kontakt zur Lerngruppe, wenig Bezug eigentlich auch nicht/ man/ man sieht auch, also sie sehen auch nicht, was ein/ was so in der Klasse passiert. (..) Das ist/ das ist deutlich schwieriger. Da sage ich auch ganz offen und ehrlich: „Habe ich keine Expertise.“ Da kann ich nicht auf Konzepte zurückgreifen. Das ist dann/ (.) sind persönliche Konzepte, die man dann anbringt. Da bin ich dann sehr froh um Kollegen aus dem allgemeinpädagogischen Bereich sind die auch dort (lachend) mehr Expertise an als ich. [Zeilen 283-292] Kontrastierend zu den vorher beschriebenen LiV beschreibt Jörg Reger nun die LiV, die zwar fachdidaktisch gut ausgebildet sind, welche aber allgemeinpädagogisch weniger begabt zu sein scheinen. Er beurteilt diese Situation als „deutlich schwieriger“ (Z. 287), da er als Ausbildungskraft dann nicht auf bestimmte Konzepte zurückgreifen kann und über „keine Expertise“ (Z. 288) verfügt. Durch die syntaktische Struktur im ersten Satz („gibt es ja auch“) könnte Ausbilder Reger noch einmal akzentuieren wollen, dass es eben nicht nur allgemeinpädagogisch begabte LiV gibt. Vielleicht wegen der fehlenden Expertise scheint Jörg Reger froh, dass es Experten aus dem allgemeinpädagogischen Bereich gibt, die innerhalb des Systems bei der allgemeinpädagogischen Ausbildung unterstützen. Es lässt sich hier ein Gegenhorizont rekonstruieren zu der impliziten Wertung gegenüber allgemeinpädagogisch agierenden Ausbilderinnen und Ausbildern, welche er weiter oben getroffen hat. Er gesteht sich hier auf kommunikativer Ebene ein, kein Experte in Bezug auf pädagogische, potentiell erzieherische, letztlich aber auch mit Selbstwirksamkeitskompetenz und Lehrerpersönlichkeit zusammenhängende Faktoren zu sein, die von allgemeinpädagogischen Ausbildungskräften eher getragen werden müssten. Er verlässt sich hier auf „persönliche Konzepte“ (Z. 289 f.), fußt an dieser Stelle seine Beratung folglich auf seine Wissensbestände und z. B. erwachsenenpädagogische (Coaching-)Konzepte, die er an mehreren Stellen als persönlich relevant hervorgehoben hat. 7.3.3 Wunschkonzept der Fremdsprachenlehrerbildung Auch in Jörg Regers Wunschkonzept zur Fremdsprachenlehrerbildung über alle Phasen hinweg spiegeln sich die obigen Themenfelder und der darin verhandelte Habitus wider. Als relevant stellt er hier erneut die antinomische Rollenübernahme des Beratens und Bewertens heraus: 270 7 Fallrekonstruktionen Ich würde ganz klar in bewertungsfreiere Räume reingehen, dass man ganz klar sagt, äh: „Es ist/ gibt einen ganz hohen Anteil an Unterricht, (.) der hospitiert wird, auch ohne Ankündigung einfach mal.“ Und der dann Lernsituationen darstellt, wo man wirklich als LiV lernen kann und gecoacht wird vom/ ja, also zum Teil gecoacht wird oder wo einer/ eine Lernatmosphäre geschaffen wird. (.) Besprechungen und weniger Fachmodulsitzungen. Also, vielleicht eine zentrale Veranstaltung in kleineren Gruppen, einen Tag mal. Und dann nicht fünf UBs pro Fach, sondern meinetwegen in jedem Monat (.) pro Fach, (.) keine Ahnung, zwei Besuche, die aber nicht bewertet werden, sondern die allein der Entwicklung der Lehrkraft dienen. [Zeilen 556-567] In diesem Abschnitt beschreibt Jörg Reger eine vor allem im quantitativen Sinne verbesserte Beratung und Begleitung der LiV, die er sich in der zweiten Phase der Ausbildung wünschen würde, ohne dass Unterrichtsbesuche bewertet werden. Im Anschluss an die oben bereits herausgestellten Konzepte sieht er sich als Coach und Berater, der auf expliziter Ebene nur ungern als Bewertender tätig, aber von seinen LiV primär als solcher wahrgenommen wird. Möglicherweise um den Referendaren und Referendarinnen mehr Freiraum zu gewähren, möchte der Ausbilder in „bewertungsfreiere Räume reingehen“ (Z. 557). Diese Metapher unterstreicht aus Sicht des Ausbilders die Wichtigkeit von Bewertungsfreiheit in spezifischen, eher beratungsorientierten Phasen der Ausbildung, die er im Vorbereitungsdienst als relevant stellt und zeigt damit gleichzeitig im Gegenhorizont dieser Konstruktion seines Wunschkonzepts, dass diese momentan nicht gegeben sind. Des Weiteren stellt er in Bezug auf sein Rollenverständnis heraus, dass er die LiV lieber im Sinne der Erwachsenenbildung coachen (vgl. Z. 561) als im Modus einer Lernendenorientierung bewerten möchte. Neben dem Wunsch nach einem geringeren Fokus auf Bewertung möchte Jörg Reger eine „zentrale Veranstaltung in kleineren Gruppen“ (Z. 563 f.) etablieren, welche wöchentlich stattfinden („einen Tag mal“) und primär auf formale und ausbildungstheoretische Aspekte (ähnlich der Modulsitzungen) abzielen würde, während monatliche (unbenotete) Unterrichtsbesuche zur individuellen Beratung und Betreuung seitens der Ausbildungskraft genutzt werden würden. Offen bleibt, an welcher Stelle hier dann dennoch eine Bewertung vorgenommen wird, da der Ausbilder dies auf expliziter Ebene ja nicht abschaffen möchte, sich aber eher in einer Beraterrolle sehen möchte. Als bedeutende Voraussetzung auf persönlichkeitsrelevanter Ebene sieht Reger einen Auslandsaufenthalt, den er für die erste Phase als bedeutsamen Bestandteil seines Wunschkonzepts darstellt: B: Also es gäbe eine Komponente, die ich definitiv verankern würde. Und das ist der Auslandsaufenthalt. Nicht nur für Fremdsprachenlehrer, sondern für alle Lehrer. Ich 7.3 Fallrekonstruktion 3: Jörg Reger 271 würde unbedingt verankern, dass man mindestens EIN Semester im Ausland (.) verbringen müsste. Ich würde/ / I: / / Warum/ / , wenn ich direkt mal nachfragen darf. Warum? B: Ähm. Zuerst hat eine/ ein/ also un/ das ist eine unglaubliche Persönlichkeitserweiterung, wenn man mal so seine eigenen vier Wände verlassen hat. Ich merke, ohne jemanden jetzt irgendwie zu nahe treten zu wollen, aber ich merke sehr, dass, wenn ich meine ehemaligen Schüler angucke, (.) es immer/ immer mehr en vogue ist, einen ganz schnellen Weg zu gehen. Also Schule, Abitur, Studium, so schnell es irgend geht, auch nicht mehr jenseits der Fachdisziplinen reinzuriechen, sondern NUR zu gucken, „wie komme ich ganz schnell da durch“. Ausland häufig abzuhaken, gar nicht zu machen. Und dann sagen ganz schnell ins Referendariat. Am besten so jung, wie möglich. Und dann in den Beruf. [Zeilen 521-537] In diesem Abschnitt beschreibt und bewertet Jörg Reger die Wichtigkeit eines verpflichtenden Auslandsaufenthalts für die LiV im Beschreiben seines Wunschkonzepts. Mit dem Adjektiv „definitiv“ (Z. 521) und dem Verb „verankern“ (Z. 521) verdeutlicht der Ausbilder, dass es in seinen Augen äußerst wichtig sei, einen verpflichtenden Auslandsaufenthalt fest einzuführen. Auch die anaphorische Vorwegnahme des Begriffs „Auslandsaufenthalt“ als „eine Komponente“ (Z. 521) führt dazu, dass die Signifikanz des Auslandssemesters hier erneut betont wird. Des Weiteren wiederholt der Ausbilder zum zweiten Mal, dass er den Auslandsaufenthalt „unbedingt [in der Lehrerausbildung] verankern“ (Z. 521) will, wodurch er seine Forderung erneut im metaphorisch-dauerhaften Sinnbild in den Vordergrund rückt. Auf die Zwischenfrage nach den konkreten Gründen eines solchen Auslandsaufenthalts führt er, emphatisch unterstützt durch das Adjektiv „unglaublich“ (Z. 527), an, dass es eine große „Persönlichkeitserweiterung“ (Z. 528) herbeiführe. Mit dem Ausdruck der „Persönlichkeitserweiterung“ impliziert Reger, dass die Persönlichkeit der LiV durch den Auslandsaufenthalt reift und sie dadurch erwachsener und hinsichtlich ihrer Persönlichkeitsstruktur gefestigter werden. Bemerkenswert hierbei ist, dass Jörg Reger den Vorteil des Auslands darin sieht, dass sich die Persönlichkeit der LiV verändert bzw. erweitert und nicht etwa darin, dass sich die Fremdsprache der Referendare und Referendarinnen verbessert, was häufig als Ziel von Auslandsaufenthalten - auch in dem hier untersuchten Sample von Lehrerbildner*innen - aufgeführt wird. Im Weiteren wird die Reife sowie die Persönlichkeitserweiterung durch die metaphorische Formulierung „seine eigenen vier Wände verlassen“ (Z. 528 f.) herausgestellt, da das Verlassen des vertrauten Heims (also der vier Wände) als Chance dargestellt wird, durch die die LiV eine persönliche Reife gewinnen können. Um seine Forderung zu stützen, nennt Jörg Reger exemplarisch seine 272 7 Fallrekonstruktionen „ehemaligen Schüler“ (Z. 530 f.), d. h. Lernende, die er selbst zum Schulabschluss begleitet hat, bei denen es metaphorisch gesprochen „en vogue“ (Z. 531) gewesen sei, den „ganz schnellen Weg zu gehen“ (Z. 531 f.), dass Schüler und Schülerinnen vor allem das Ziel hatten bzw. haben, schnell die Ausbildung bzw. das Studium zu absolvieren, um danach direkt in die Arbeitswelt einzusteigen. Diesen „ganz schnellen Weg“ erläutert der Ausbilder im Folgenden konkreter (vgl. Z. 532 ff.) und kritisiert dabei sehr bildlich, dass die Lernenden nicht in andere „Fachdisziplinen reinzuriechen“ (Z. 534) versuchten und stattdessen nur am schnellen Absolvieren der Ausbildung interessiert seien. Durch diese bildliche Kritik wird ersichtlich, dass Jörg Reger neben dem Auslandsaufenthalt als ein Element eine eher entschleunigte, ggf. längere Ausbildung wertschätzt, da die Studierenden und angehenden Lehrkräfte dadurch Erfahrungen und Reife gewinnen, welche er auf der anderen Seite den Quereinsteiger*innen früher im Interview quasi-automatisch durch den berufsbiographisch differenten Weg unterstellt hatte. Der Fokus auf die Bedeutung des Auslandsaufenthalts wird danach wiederholt gesetzt, weil schnelle Absolventinnen und Absolventen einen Auslandsaufenthalt „häufig [abhaken]“ (Z. 535) bzw. gar nicht wahrnehmen. Abschließend zu diesem Beispiel wird noch ironisch geäußert, dass die Lernenden „[a]m besten so jung, wie möglich“ (Z. 536) in das Berufsleben starten. Mit dieser Äußerung bringt der Ausbilder in einer Konklusion wiederholt seine Kritik an einer zu schnellen Ausbildung zum Ausdruck. Und ich finde, (..) wenn ich an mein Auslandsjahr denke, das hat mich sehr verändert. (..) Ich habe auch gelernt, was Langeweile ist, weil man einfach mal in irgendeinem Kaff in Frankreich war, wo es dann nichts gab und äh (lachend) ich musste mich auch mal mit mir selbst beschäftigen und zugucken, wie schlägt man denn diese Zeit denn da tot. (..) [Zeilen 537-542] Im letzten Drittel des Interviewausschnitts führt Jörg Reger seine Argumentation weiter und stützt seine Argumentation mittels seiner Erfahrungen in seinem eigenen Auslandsjahr, welches ihn „sehr verändert“ (Z. 538) habe. Hier untermalt er wiederholt das positive Entwicklungspotential, indem er mit dem Adverb „sehr“ (Z. 538) die eigene, identitätsnormativ-berufsbiographisch positiv erlebte Veränderung betont. Als Beispiel für das Gelernte nennt Jörg Reger den Umgang mit Langeweile (vgl. Z. 538 ff.), den der Ausbilder im besuchten „Kaff in Frankreich“ (Z. 539) erlernt habe. Da der Umgang mit Langeweile als gelernte - gleichsam notwendige - Fertigkeit konstruiert wird, ist deutlich zu erkennen, dass es Jörg Reger weniger um fachliche, d. h. sprachliche Kompetenzen geht, sondern vielmehr um persönliche Fähigkeiten, die in der Lehrerausbildung außerhalb von solchen Auslandsaufenthalten ansonsten nicht zum Gegenstand gemacht werden. 7.3 Fallrekonstruktion 3: Jörg Reger 273 Zwar haben wir ursprünglich relativ lang die Lehrerausbildung. Ich konnte ja gut in meinem Fall/ mit Auslandsaufenthalt sind da Zahl der Jahre entlang gestrichen. (.) Das ist natürlich/ man wollte das verkürzen, verständlicherweise. (..) Aber/ ist/ (.) bin da auch nicht endgültig zum Urteil gekommen. Viele sagen: „Ist natürlich toll, wenn man mit 24, 25 Jahren hier vor den Schülern steht, ist man noch ganz nah dran.“ Auf der anderen Seite, (lacht) wenn man halt ein bisschen älter ist, (.) hat man noch eine gewisse Gelassenheit und ähm ein Tick weit mehr Erfahrungen und das ist vielleicht auch nicht so schlecht. [Zeilen 571-580] Wie im letzten Abschnitt thematisiert Jörg Reger hier erneut die Länge der Lehrerausbildung, durch die eine Verbindung zu den vorher angesprochenen Seiteneinsteigern rekonstruiert werden kann, weil diese meist eine längere Ausbildungsbzw. Berufsbiografie vorweisen als die anderen LiV. Anfänglich fällt das Adverb „ursprünglich“ (Z. 571) auf, das auf eine längere Ausbildungszeit in der Vergangenheit hindeutet, welche Reger direkt auf seine eigene Biographie bezieht, da bei ihm mehrere Jahre „entlang gestrichen“ (Z. 573) sind. Mit dem metaphorischen Verb „dahinstreichen“ betont der Ausbilder, dass die Zeit, trotz der Ausbildungsjahre, schnell vergangen sei. Im Weiteren versucht Jörg Reger die Argumente für die Verkürzung der Ausbildungszeit zu verstehen bzw. zu erläutern (vgl. Z. 574 ff.) und räumt dabei zuerst ein, dass „verständlicherweise“ (Z. 574) eine Verkürzung gefordert wurde. Mit diesem Adverb zeigt der Ausbilder zunächst ein explizit eindeutiges Verständnis für die Kürzung und für die Argumente, die für eine Kürzung bzw. Straffung lehrerbildender Phasen sprechen. Des Weiteren ist in diesem Satz dann auffällig, dass ausschließlich das unpersönliche Pronomen „man“ (Z. 574) im verallgemeinert-normativen Sinn verwendet wird. Somit ist nicht erkennbar, auf wen das Pronomen im Konkreten verweist und wer demnach für entsprechende Forderungen und die Umsetzung von Kürzungen verantwortlich zeichnet. Jedoch weist die Unpersönlichkeit des Pronomens gleichzeitig darauf, dass generelles Interesse daran lag, die Zeit in der Lehrerausbildung zu verkürzen oder - in einer anderen Lesart - diese Straffung hingenommen wurde. Letztlich stellt Jörg Reger seine Meinung explizit dar, indem er sagt, dass er nicht „endgültig [zu einem] […] Urteil gekommen“ (Z. 575) sei. Mit dem Adverb „endgültig“ wird angedeutet, dass er seine Meinung noch nicht vollständig gebildet hat und dass er immer noch zwischen Pro- und Kontra-Argumenten abwägen muss. Im Anschluss daran gibt er Gründe für bzw. gegen eine Kürzung wieder, wobei er bei den Argumenten für eine Kürzung das Pronomen „Viele“ (Z. 575) im Sinne einer Mehrzahl benutzt, um im quantitativen Sinne eine gewisse Wirkmächtigkeit dieser Stimmen hervorzuheben, die sich für eine Kürzung aussprechen, bei der man als Lehrkraft im Berufseinstieg, definiert über das Alter, näher an den Lernenden sei. Bei den Gründen gegen 274 7 Fallrekonstruktionen eine Kürzung der Ausbildungszeit verweist Jörg Reger hier im Kontrast jedoch auf keine Person bzw. Personengruppe oder Kollektiv, wodurch diese Gründe eher seiner eigenen Meinung entsprechen könnten, wie sich anhand der vorherigen Passage zur Relevanz von Auslandsaufenthalten rekonstruieren lässt. Hierzu passt die der Argumentation folgende Anmerkung Regers, dass er Seiteneinsteiger in diesem Sinne für besonders geeignet hält, setzt in dem Kontext „Alter“, „Erfahrung“ und „Gelassenheit“ als deren Charakteristika und Qualitäten für den Lehrerberuf heraus, obwohl er sich gleichzeitig im Modus der Bewertung mit „gewisse“ und „einen Tick“ sowie „vielleicht“ einschränkt, was innerhalb der gesamten Fallrekonstruktion der zwar allgemein ausbildungskonformen, habituellen Ausprägung des Ausbilders entspricht, sich hier nicht in absoluter Hinsicht festzulegen. 7.3.4 Zusammenfassende Betrachtung des Falls Ausbildungskraft Jörg Reger zeigt einen transmissionsorientierten Habitus realisiert innerhalb einer professionellen Distanz . Dies offenbart sich als orientierungsproblematisch diffuse Feldposition, wenn er auf einer kommunikativen Ebene ausführt, die Mentorentätigkeit in einem stärker institutionalisierten Rahmen durchführen zu wollen, gleichzeitig damit aber auch eine Distanzierung seinerseits zu den ihn anvertrauten Lehrkräften im Vorbereitungsdienst einhergeht. Dies kann als Distanz gewertet werden, die in ihrem Abstand professionelles Arbeiten ermöglicht, allerdings kann die Mentorentätigkeit der Vergangenheit als zu nah und kollegial empfunden worden sein, sodass die Professionalisierung der Beratungstätigkeit hier gleichsam emanzipativ-distanzierend verfolgt wurde. Referendarinnen und Referendare, die in ihrer Persönlichkeit gefestigt sind (z. B. durch Auslandsaufenthalte in der ersten Phase; s. Wunschkonzept) und dadurch die Distanz zwischen sich und Ausbildungskraft wahren können, stellen sich als optimale Zielgruppe heraus. Reger zeigt - wie die beiden anderen Ausbildungskräfte - einen Lehrerhabitus insbesondere dadurch, dass beschriebene Seminarsitzungen Unterrichtssettings sehr ähneln, die Anwesenheit von nur zwei teilnehmenden LiV als schwierig, da kaum interaktional, bewertet und ein Lehrer-Schüler-Verhältnis zwischen ihm und den Gruppen rekonstruierbar wird. 7.3 Fallrekonstruktion 3: Jörg Reger 275 Abb. 19: Orientierungsschemata und Habitus (Orientierungsrahmen) von Ausbildungskraft Jörg Reger (grafisch). Bei der Herausarbeitung der Orientierungen auf impliziter Ebene zeigen sich sprachlich zahlreiche Relativierungen von Aussagen, die für eine ungeklärte Feldpositionierung innerhalb des Systems Vorbereitungsdienst interpretierbar wird: Hinsichtlich der Gegenstände, die Reger als in der Ausbildung relevant setzt, deutet zwar das Orientierungsschemata der Institutionalisierung einer generell eher informell gelagerten Mentorentätigkeit stärker auf die Weitergabe von Erfahrungswissen hin, dem wird jedoch durch das Relevantsetzen bestimmter Inhalte widersprochen. Gleichzeitig bewertet er es als von der Struktur des Vorbereitungsdienstes normativ gesetzt notwendig, dass die LiV sich eigeninitiativ einbringen, was aber wohl stellenweise scheitert. Das eher transmissionsorientierte Weitergeben von Fach- und fachdidaktischem Wissen spielt für Reger also eine bedeutendere Rolle, deren Vermittlung sich in erfolgreichen Unterrichtsbesuchen widerspiegelt. Diese können dann von ihm zum Gegenstand von Beratung und bewertet werden, wenn sie auf einer sachlichen Wissensebene verbleiben, d. h. die subjektive oder persönlichkeitsbezogene Ebene (wie offensichtlich seitens der LiV vorgetragene Betroffenheit oder Enttäuschung) außen vor bleibt. Jörg Reger reflektiert in einer berufsbiographischen Perspektive an verschiedenen Stellen über seinen eigenen Werdegang. Es zeigt sich dabei sowohl seine zunehmende Distanzierung (und Ent-Personalisierung) aufgrund verschiedener 276 7 Fallrekonstruktionen kritischer Erfahrungen (als Resultat interpersonaler Konflikte) als auch eine individuelle Wahrnehmung seiner selbst bezüglich der eigenen Professionalisierung. Eng verknüpft ist mit der Institutionalisierung seiner Ausbildungstätigkeit das Suchen von Beratungskonzepten in der Erwachsenenbildung, was in der Form von keiner anderen Ausbildungskraft im gesamten Sample weder implizit noch explizit offenbar wird. Parallel dazu bearbeitet er Grenzen, die in der Struktur des Vorbereitungsdienstes seine Handlungspraxis einschränken. 8 Ausbildungspraxis: Kontrastiver Fallvergleich und Typenbildung Im Zuge der Durchführung und analytischen Betrachtung erster Interviews wurde früh ein Spezifikum von Akteuren im Vorbereitungsdienst offenbar: Bei der Durchsicht, thematischen Bestimmung von Passagen sowie der Textsortentrennung innerhalb mehrerer Interviewtranskripte zeigte sich, dass die Textsorte der Begründung und Argumentation teils extrem überwiegt, wie in den oben bereits dargestellten Teilauszügen der Interviews sichtbar geworden sein dürfte. Selbst sehr offene, narrativ angelegte Fragen sowie Nachfragen vermochten es häufig nicht, den Texttyp der Erzählung in dem Maße hervorzubringen, als dass man anhand dessen aus reinen Narrationen einen auf implizite Wissensbestände zielenden Orientierungsrahmen im engeren Sinne hätte rekonstruieren können. Dies erschwert zum einen die Analyse und verlangt nach einer strikteren Komparation, bietet zum anderen schon ein erstes Ergebnis: Offenbar sind Lehrerbildner*innen im Vorbereitungsdienst in einem ständigen Begründungs- und Erklärungszusammenhang, der positiv gewendet eine hohe Reflexionskompetenz, negativ gewendet möglicherweise Rechtfertigungszwänge offenbart. Letzteres kann mittels der vorliegenden Daten nicht bestätigt werden. Es ist stärker davon auszugehen, dass ein ständiges Begründen des eigenen Handelns, das ja auch von den LiV verlangt wird, als für die Gruppe der Lehrerbildner*innen habitualisiert gelten kann. Im Folgenden sollen zugrunde gelegte Konstrukte zusammenfassend und vergleichend - auch unter Einbezug der weiteren Interviewdaten - im Zuge einer Typenbildung betrachtet und diskutiert werden. Dabei konzentriere ich mich zunächst auf die Schwerpunkte der ersten drei Forschungsfragen nach berufsbiographischen Aspekten, der Feldposition sowie der Ausbildungs- und Handlungspraxis der befragten Lehrerbildner*innen. Die vierte Forschungsfrage nach explizit oder implizit kanonisierten Ausbildungsbzw. Beratungsinhalten sowie ihre handlungspraktische Bearbeitung erfolgt im nächsten Kapitel 9 separat, um in einem letzten Schritt in Kapitel 10 die Ergebnisse in eine zusammenfassende Habitusrekonstruktion münden zu lassen. Wie im letzten Kapitel der Fallrekonstruktionen wird hier und im folgenden Kapitel bewusst höchstens vereinzelt mit Rückgriffen oder Verweisen auf Arbeiten Dritter oder auf die Theoriekapitel gearbeitet. Es sollen zuerst vielmehr die Daten selbst ihre Wirkung entfalten und Interpretationen aus den Daten heraus für sich sprechen, bevor in Kapitel 10 eine Bündelung, Diskussion und 278 8 Ausbildungspraxis: Kontrastiver Fallvergleich und Typenbildung Gesamtschau der Ergebnisse folgt, die ebenfalls an den vorher vorgestellten Forschungsstand und die dort diskutierten Konstrukte angebunden wird. Zur genaueren Analyse, insbesondere in der komparativen Betrachtung mit den weiteren vorliegenden Daten, wird die folgende Basistypik als Orientierungsproblem bzw. „Orientierungsdiskrepanz“ (Nentwig-Gesemann 2013: 313) angenommen: Gestaltung der Ausbildungspraxis im fremdsprachendidaktischen Vorbereitungsdienst. Wie in den drei ausführlichen Fallrekonstruktionen bereits erkennbar wurde, zeigt sich bei den Lehrerbildner*innen im betrachteten Sample ein gemeinsamer Orientierungsrahmen, der als Grundproblematik die Gestaltung von Ausbildungspraxis als Lehrkräfte von Lehrkräften bei gleichzeitig individueller Aushandlung und der Not zur je identitätsnormativen Schwerpunktsetzung sowohl in berufsbiographischer wie auch methodisch-didaktischer Hinsicht aufweist. Dieser Orientierungsrahmen zeigt sich, wie unten dargelegt werden soll, in einer Auffächerung in unterschiedliche Bearbeitungstypen und einem spannungsreichen Verhältnis zu institutionalisiertem Handeln in Orientierungsschemata. Mit dem Ziel, hier die Rekonstruktion eines berufsbezogenen Habitus vorzulegen, gilt es zu zeigen, inwiefern diese Schwerpunktsetzungen und Herausforderungen von Lehrerbildner*innen bzw. Lehrkräften zweiter Ordnung (vgl. Lunenberg et al. 2014) als diese unterschiedlichen Typen bearbeitet werden. Dies geschieht daher im Folgenden entlang dreier Tertia comparationis: 1. „Biographie und professionelles Selbstverständnis“ 2. „Ausbildungssituationen“ 3. „Organisation“ Von der geschichtlichen Wirkmächtigkeit des Habituskonstrukts ausgehend und davon, dass alle Lehrerbildner*innen einmal selbst Lehrerinnen und Lehrer waren bzw. zum Teil noch mit geringer Stundenzahl sind, macht es hinsichtlich einer professionstheoretischen Bestimmung notwendig, die berufsbiographischen Hintergründe der Befragten herauszuarbeiten. Die ausführlichen Fallrekonstruktionen in Kapitel 7 zeigen in dieser Hinsicht, dass sich über das Lehrerbildner*innen-Werden ein professionelles Selbstverständnis, eine Feldposition im Bourdieu’schen Sinne, zeigt, weswegen diese beiden Tertia gemeinsam herausgearbeitet werden sollen (Kapitel 8.1). Natürlicherweise haben diese wiederum Einfluss auf die Gestaltung von Ausbildungssituationen, in denen Handlungspraxis, informiert über (implizite) Wissensbestände und Überzeugungen, rekonstruierbar wird (Kapitel 8.2). Als drittes Tertium comparationis gilt die Einheit der Organisation bzw. Institution, in der die Lehrerbildner*innen tätig sind. Interessant ist hier speziell die Auseinandersetzung mit normativen Setzungen, also z. B. formalen Vorgaben zur Ausgestaltung der Handlungspraxis bzw. individuell gesetzter Erwartungen an institutionelle Rahmenbedingungen, 8 Ausbildungspraxis: Kontrastiver Fallvergleich und Typenbildung 279 welche beispielsweise im Interview durch die Frage nach dem Wunschkonzept der Fremdsprachenlehrerbildung evoziert wurden. Der praxeologischen Wissenssoziologie Bohnsacks folgend dürfte sich hier das Spannungsverhältnis von Orientierungsschemata und Habitus besonders zeigen. Diese Spannungsverhältnisse, auch herausfordernde Situationen innerhalb der Ausbildungspraxis, die man im Anschluss an Helsper (2001, 2004b) als strukturtheoretische Antinomien greifen kann, finden sich damit ähnlich wie im schulischen Klientenverhältnis in der Ausbildung von LiV, da durch die Selbstkonstruktionen der Ausbildungskräfte als Lehrerinnen und Lehrer eine pädagogische Praxis entsteht, die nicht ohne diese Antinomien auskommen kann. Die Frage ist, ob diese Antinomien von den Beteiligten ausgehalten und wie sie reflexiv eingeholt werden, ob die Krisenhaftigkeit ebenfalls wechselseitig im Ausbildungsprozess personell oder ausbildungsgegenständlich bedingt ist. Auch hierauf sollen im Folgenden Antworten gefunden werden. Tabelle 11 zeigt zu diesem Zweck übersichtsartig die je Ausbildungskraft dominanten Orientierungsschemata sowie die jeweils damit in Spannung stehenden Orientierungsrahmen. Die Orientierungsschemata sind jeweils beispielhaft durch Ankerzitate unterstützt, die die Ausbildungskraft in dieser Hinsicht charakterisieren. Ausbildungskraft Ankerzitat/ Beispiel und Orientierungsschemata (OS) Orientierungsrahmen AK 1 (Französisch): Moritz Wagner „Das heißt, es gibt immer ein Angebot auch von mir, was genutzt werden kann oder nicht.“ Autonomie, Freiheiten Konstruktion/ Moderation Flexibilitäts- und Unabhängigkeitsorientierung bzw. -erwartung AK 2 (Englisch): Monika Blümke „Ansonsten können wir sagen, ja, jeder lernt TROTZ Lehrer, trotz Ausbilder. Das kann es ja nicht sein.“ Fachdidaktisches Wissen; Beratung vs. Bewertung Transmissionsorientierung Beratungsorientierung AK 3 (Englisch): Jörg Reger „… und dann sitzen wir hier und reden über äh Literaturdidaktik, aber eigentlich brennt es ganz woanders.“ Coaching/ Beratung, Erwachsenenbildung Transmissionsorientierung Distanzierung 280 8 Ausbildungspraxis: Kontrastiver Fallvergleich und Typenbildung Ausbildungskraft Ankerzitat/ Beispiel und Orientierungsschemata (OS) Orientierungsrahmen AK 4 (Englisch): Simone Schmitz „Gerade DIDAKTISCH habe ich das Gefühl, das ist für die alle/ alle NEULAND.“ Kompetenzorientierung (Erwartungshaltung gegenüber Performanz der LiV in UB) Transmissionsorientierung Distanzierung AK 5 (Englisch): Stefanie Ferrer „Also warum trifft man ähm unzufriedene Kollegen in der Schule? Warum trifft man nur ähm besondere Kollegen in der Fortbildung? “ Flexibilitätserwartung an LiV Moderation Entwicklungsorientierung AK 6 (Englisch): Emily Wright „Ich fand es einfach auch spannend, da mal ein bisschen, ja/ ja sagen wir PRÄGENDER tätig zu sein als/ als nur eine Mentorin.“ Bewertungszwang Fachwissenorientierung (Sprachkompetenz bedingt durch Muttersprache - aber nur schwach rekonstruierbare Transmissionsorientierung) AK 7 (Französisch): Petra Sänger „Und ähm die Referendare ähm haben im Prinzip in Mitspracherecht, wie diese Sitzungen gestaltet werden sollen.“ Offenheit und Motivation der LiV Voraussetzung; Muttersprachler*innen als Ideal Transmissionsorientierung Fachwissenorientierung (Sprachkompetenz) AK 8 (Spanisch): Bastian Schmidt „Mein Ziel ist, dass Schüler SPANISCH lernen.“ [keine klar rekonstruierbaren OS] Moderation/ Konstruktion (ohne wissensbezogene Schwerpunktsetzung) AK 9 (Englisch): Angelika Grebe „Als AUSBILDERIN ähm glaube ich, dass wir ganz viele Dinge, dass man die nur anstoßen kann.“ Haltung der Lehrkraft wichtiger als Sprachkompetenz Moderation/ Konstruktion (Erfahrungswissenorientierung) 8 Ausbildungspraxis: Kontrastiver Fallvergleich und Typenbildung 281 Ausbildungskraft Ankerzitat/ Beispiel und Orientierungsschemata (OS) Orientierungsrahmen AK 10 (Französisch): Regina Meier „Wir haben schon immer in Fremdsprachen kompetenzorientiert unterrichtet.“ Schaffung von Momenten bewertungsfreier Beratung Transmissionsorientierung Distanzierung (von Minder-Einzelleistungen) AK 11 (Englisch): Robert Siegel „[LiV] müssen als Türöffner für ihr Fach fungieren, dass sie als Türöffner für ihre Fächer, äh in denen sie ausgebildet werden, Menschen gewinnen.“ Beziehungskompetenz der LiV Moderation/ Konstruktion Formaliaorientierung Tab. 11: Übersicht der in die komparative Betrachtung und Typenbildung einbezogenen Fälle mit charakteristischen Orientierungsschemata und Ausprägungen der Orientierungsrahmen. Die Handlungspraxis der rekonstruierten Fälle und ihrer Vergleichs-/ Kontrastfälle zeigt eine mögliche Dimensionierung in zwei Richtungen: Zum einen lässt sich ausgehend von der Orientierungsproblematik die Gestaltung der Ausbildungspraxis unter lerntheoretischen Gesichtspunkten charakterisieren - ebenfalls unter Berücksichtigung der bei einigen im Sample vertretenen Lehrerbildner*innen relevant gesetzten Wissensformen oder Ideale. In dieser Gestaltung der Ausbildungspraxis zeigt sich die eine Hälfte der Ausbildungskräfte eher transmissionsorientiert und instruktivistisch, setzt also stark auf die Vermittlung von Wissen, die auf normativ wirksame Erfahrungen und Haltungen zurückzuführen sind, die andere Hälfte der Ausbildungskräfte im Sample zeigt sich eher moderierend und (ko-)konstruktivistisch. Letztere zeichnen sich dadurch aus, dass z. B. in Seminarsitzungen häufig gemeinsam Inhalte erarbeitet werden bzw. die Sitzungen derart gestaltet werden, dass nur von Seiten der LiV Praxis und Theorie konstruiert wird. Konstruktivistisch-moderierend orientierte Ausbildungskräfte lassen ihre LiV in Seminarsitzungen Schwierigkeiten aus der aktuellen Unterrichtspraxis benennen, um diese dann bearbeitbar werden zu lassen oder dahingehend zu beraten. Selten finden sich bei diesem Typus wissensbezogene Schwerpunkte seitens der Ausbilderinnen und Ausbilder, jedoch wird ersichtlich, dass in den Seminarsitzungen primär allgemeinpädagogische Fragestellungen seitens der Referendarinnen und Referendare relevant gesetzt werden und dann der konstruktivistischen Orientierung folgend bearbeitet werden (müssen). 282 8 Ausbildungspraxis: Kontrastiver Fallvergleich und Typenbildung Zum anderen bildet sich in einer zweiten Dimension eine Positionierung der Lehrerbildner*innen ab, eine Passung bzw. Nicht-Passung des Habitus zum Feld Studienseminar/ Vorbereitungsdienst. Diese teilt sich entweder in eine Identifizierung mit den LiV und gleichzeitig mit dem System des Vorbereitungsdienstes (Passung) oder im Gegensatz eine Nicht-Passung im Sinne einer Abgrenzung (Distinktion) von beiden „Gegenspielern“. Damit können sowohl Transmissionsals auch Moderationshabitus die Tendenzen in Richtung Identifikation oder Distinktion zeigen, sind teilweise möglicherweise jeweils die Ergebnisse voneinander, was in der folgenden Darstellung allerdings nur mit der nötigen Vorsicht rekonstruiert werden kann. Aufgrund der vorliegenden Analysen von Eckfällen können die Ausbildungskräfte, wie in Tabelle 12 dargestellt, in den beiden Dimensionen abgebildet werden. In den Fallrekonstruktionen in Kapitel 7 sind damit der Typus Transmission/ Identifikation durch Monika Blümke, der Typus Transmission/ Distinktion durch Jörg Reger sowie der Typus Moderation/ Distinktion durch Moritz Wagner bereits ausführlich dargestellt worden. Die nachfolgende komparative Betrachtung wird entlang der gewählten Tertia comparationis die Dimensionierung weiter verdeutlichen und zudem die aktuell im Verlauf Darstellung in dieser Arbeit noch vorhandene „Leerstelle“ des Typus Moderation/ Identifikation zu füllen versuchen. 120 Gestaltung der Ausbildungspraxis Typ Transmission Typ Moderation Positionierung gegenüber LiV und formalen Vorgabe Typ Identifikation Monika Blümke (AK 2) Emily Wright (AK 6) Stefanie Ferrer (AK 5) Bastian Schmidt (AK 8) Robert Siegel (AK 11) Typ Distinktion Jörg Reger (AK 3) Simone Schmitz (AK 4) Petra Sänger (AK 7) Regina Meier (AK 10) Moritz Wagner (AK 1) Angelika Grebe (AK 9) Tab. 12: Relationale Typen der ausbildungspraktischen Bearbeitung. 120 Von den drei diesem Typ zuordbaren Ausbildungskräften wurde keine ausführliche Fallrekonstruktion herausgearbeitet und vorgestellt, da die Fälle in sich jeweils wenig aussagekräftig sind. Im Fallvergleich zeigten sich bei diesen Ausbildungskräften jedoch starke Gemeinsamkeiten, die diesen Typus untermauern und vor allem auch im Vergleich mit den anderen als logisch rekonstruierbar werden lassen. 8.1 Tertium comparationis „Biographie und professionelles Selbstverständnis“ 283 Mit der Einordnung der Fälle in die beiden Dimensionen - das muss an dieser Stelle noch einmal herausgestellt werden - findet keine Qualitätszuschreibung der jeweiligen Ausbildungspraxis statt. Dass sie durch die Rekonstruktion einem Typus zugeordnet werden, lässt keine Aussagen darüber zu, ob ihre Ausbildungstätigkeit erfolgreich oder nicht erfolgreich verläuft, von LiV als förderlich oder nicht förderlich wahrgenommen wird. Auch die Tatsache, dass sich im Verhältnis die meisten Fälle im untersuchten Sample dem Typus Transmission/ Distinktion zuordnen lassen, lässt natürlich keine Rückschlüsse auf den gesamten hessischen Vorbereitungsdienst zu. Vielmehr bietet die Rekonstruktion und komparative Betrachtung im Folgenden - und an späterer Stelle der Ausbildungsdidaktik - nur näherungsweise Rückschlüsse auf den Erfolg der Professionalisierungsmaßnahme „Vorbereitungsdienst“ zu, dennoch lassen sich auf ihrer Basis Empfehlungen für die Ausgestaltung ableiten. 8.1 Tertium comparationis „Biographie und professionelles Selbstverständnis“ Die Eingangserzählungen der Lehrerbildner*innen offenbaren bereits sowohl Orientierungsschemata zum einen, als auch grundsätzlich habitualisierte Orientierungen zum anderen. Sie sind, wie die ausführlichen Fallrekonstruktionen in Kapitel 7 gezeigt haben, in dieser Hinsicht bereits höchst aufschlussreich und bilden neben der je individuellen Wahrnehmung der eigenen Lehrerbildner*innen-Werdung das professionelle Selbstverständnis ab, das in der reflexiven Retrospektive betrachtet und durchaus häufig im Modus der Bewertung und Argumentation ausformuliert wird. Tabelle 13 zeigt die jeweiligen biographischen Eingangserzählungen der befragten Ausbildungskräfte im Sample. Im direkten Vergleich wird klar, dass innerhalb der Kategorie Moderation Moritz Wagner und Stefanie Ferrer beispielsweise zeigen, dass sie selbst sehr viel Eigeninitiative einbringen und voraussetzen, selbst tätig werden (was noch stärker durch die konkrete Ausbildungspraxis in den weiteren Interviewanteilen natürlich bestätigt wird), sich aber insbesondere darin unterscheiden, dass Stefanie Ferrer im System Fortbildungsangebote bewusst nutzt (Identifikation) , Wagner aber eher ein unspezifischeres Ausprobieren und Freiheiten relevant stellt (Distinktion) . In der anderen Ebene der Typenbildung gedacht lässt sich die moderierend/ konstruktivistisch-distanzierende Art von Wagner in einen Kontrapunkt stellen zu Jörg Reger, der sich besonders hinsichtlich seiner LiV distanziert und - wie oben insbesondere im Zusammenhang der Ausbildungspraxis dem transmissionsorientierten Habitus zurechenbar ist -, dabei aber berufsbiographisch eine gewisse Zielhaftigkeit offenbart hinsichtlich des Wunsches Ausbildungskraft zu werden. 284 8 Ausbildungspraxis: Kontrastiver Fallvergleich und Typenbildung Ausbildungskraft Berufsbiographische Einstiegserzählung auf den Impuls: „Wie ist es dazu gekommen, dass Sie angehende Fremdsprachenlehrkräfte ausbilden? “ AK 1 (Französisch): Moritz Wagner Ja. Äh, ich fange tatsächlich ein bisschen weiter an. Nämlich mit meinem eigenen Referendariat. Denn mein eigenes Referendariat hat ähm mir unheimlich große Freiheiten beschert und ich konnte also sehr viel ausprobieren und auch sehr viel (.) aktiv selbst machen. [Zeilen 8-11] AK 2 (Englisch): Monika Blümke Also ich selbst habe mein erstes Praktikum gemacht unter der Aufsicht von Name eines Universitätsprofessors . Ich habe quasi bei Name eines Universitätsprofessors studiert und habe mich sehr gut vorbereitet gefühlt, was die Didaktik betrifft, weil er sehr praxisorientiert war, auch in den Seminaren, und das sehr gut verbinden konnte. [Zeilen 7-11] AK 3 (Englisch): Jörg Reger Ja, ich muss das/ ich mache das jetzt seit acht Jahren und habe/ (.) als ich angefangen habe, bereits NACH dem Referendariat, also Beginn meiner Tätigkeit als junger Lehrer so gut wie jeden Referendar, der an der Schule damals war in Name des Schulortes, als Mentor betreut. Dadurch also den Kontakt zum Studienseminar aufrechterhalten. Kannte auch die Ausbilder. Und dann gab es irgendwann (.) eine/ eine Ausschreibung für Ausbildungsaufträge. Ich habe mich darauf beworben. [Zeilen 4-10] AK 4 (Englisch): Simone Schmitz Ähm, Englisch/ ja ich habe Englisch für/ für ähm Lehramt studiert für Grundschule und es war schon/ (.) also es war damals noch/ ich weiß nicht, ob Ihnen der Name Name eines Dozierenden noch etwas sagt, die das ähm in Hessen eigentlich so ein bisschen ins Leben gerufen hat, dass äh Englisch in der Grundschule schon initiiert wird. Und das war, weil ich auch viel im Ausland gelebt habe ähm immer so mein Lieblingsfach und dieser spielerische ähm ganzheitliche Ansatz hat mir von Anfang an einfach gut gefallen. [Zeilen 7-14] AK 5 (Englisch): Stefanie Ferrer Mhm (bejahend). (..) Ja, das ist eine (..) lange Geschichte und gleichzeitig auch wieder auf einen Punkt zu bringen. (..) Ich habe ähm lange als (.) ähm Englischlehrerin gearbeitet. (..) Und parallel dazu sehr viel in der Fortbildung als Teilnehmerin gemacht. Später dann ähm als (.) Teamerin. (..) Was zu dem Zeitpunkt ähm (.) zwar relativ aufwändig war in Hinblick auf Absprachen mit der Schule. (.) [Zeilen 6-11] 8.1 Tertium comparationis „Biographie und professionelles Selbstverständnis“ 285 Ausbildungskraft Berufsbiographische Einstiegserzählung auf den Impuls: „Wie ist es dazu gekommen, dass Sie angehende Fremdsprachenlehrkräfte ausbilden? “ AK 6 (Englisch): Emily Wright Also (.) erst mal, Fremdsprachen. Also meine Muttersprache ist Englisch. Und ähm also ich habe auch noch Geschichte als Zweitfach und war schon immer, seit dem Referendariat eigentlich, daran interessiert, eher im Bereich ähm Erziehungs/ Na wie heißt das heute? (.) Das, was früher Schulseminarleitung war, / / also/ / die schulnahen Ausbildungen, äh, zu machen. Und (.) da hat sich aber jetzt was aufgetan, im Studienseminar. Hatte das gesehen. [Zeilen 9-15] AK 7 (Französisch): Petra Sänger Mhm (bejahend). Ähm JA, also angefangen mit meiner eigenen Ausbildung. Ähm ich hatte einen/ einen/ einen richtig tollen Französischausbilder. Also ich habe bei dem ganz viel gelernt. Und ähm bin dann in die Schule gekommen, habe ähm nach kurzer Zeit schon Mentorenschaft übernommen. Und ähm habe gemerkt, dass mir das sehr viel Spaß macht, ähm ja, nach so zehn bis fünfzehn Jahren Unterrichtserfahrung etwas ähm Men/ Mentorin zu sein. [Zeilen 7-13] AK 8 (Spanisch): Bastian Schmidt Mhm (bejahend). Ja. (..) Mein ursprüng/ sprünglicher AUSBIL- DUNGSauftrag am Studienseminar äh war im Bereich Name des Faches , ja. (.) Als Lehrer (..) ist mein zweites Fach neben Name des Faches eben Spanisch. Und da ist mein (.) hm, hm, ist so ein bisschen eine Herzensangelegenheit, der Spanischunterricht. Äh, mhm, und von daher habe ich relativ schnell m/ mein Interesse auch für den Fremdsprachenunterricht in der Ausbildung (.) bekundet. [Zeilen 6-12] AK 9 (Englisch): Angelika Grebe Ja, also Englisch war schon IMMER mein Lieblingsfach in der Schule, obwohl ich als ganz (schmunzelnd) junge Schülerin im fünften und sechsten Schuljahr schon gemerkt habe, dass das irgendwie komischer Unterricht ist, den ich da genossen habe. Das war ein ganz strenger Lehrer und wir haben nur irgendwie Dinge aus dem Buch gemacht. Auch wenig gesprochen. Trotzdem fand ich es sehr interessant. [Zeilen 6-12] 286 8 Ausbildungspraxis: Kontrastiver Fallvergleich und Typenbildung Ausbildungskraft Berufsbiographische Einstiegserzählung auf den Impuls: „Wie ist es dazu gekommen, dass Sie angehende Fremdsprachenlehrkräfte ausbilden? “ AK 10 (Französisch): Regina Meier Genau./ / (.) Ja, ich bin Englisch- und Französisch-Lehrerin an Name der Schule schon seit, äh, Zahl der Jahre Jahren und, ähm, habe auch, ähm, während meines, ähm, meiner Tätigkeit als Lehrerin immer wieder versucht über den Tellerrand zu gucken und hatte dann auch fünf sehr förderliche Jahre an der Name der Universität in Pädagogik, als Studienrätin im Hochschuldienst habe ich, äh, Studenten und Studentinnen, äh, betreut und begleitet (.) und, ähm, ja, als Konsequenz daraus, äh, erwuchs dann natürlich auch der Wunsch in mir, die Referendare und Referendarinnen dann auch dann auszubilden. [Zeilen 4-12] AK 11 (Englisch): Robert Siegel Also angefangen hat es bei mir nach dem Referendariat, dass ich schon sehr früh, äh, St/ ähm, (.) Praktikantinnen und Praktikanten der Name der Universität , die an meiner damaligen Schule, ähm, ihr Praktikum ableisteten, in den schulpraktischen Studien, die ich dann betreut habe, mich auch gleichzeitig Referendargruppen zugewandt habe, sozusagen auf kooperative Lernsysteme bewirkt habe, im Kleinen, in dem Referendarinnen und Referendare, als auch Studierende, Praktikantinnen und Praktikanten an meiner Unterrichtspraxis partizipieren konnten, äh, aber denen ich auch Gelegenheit gegeben habe zum Probehandeln in meinem/ in meiner eigenen (.) Unterrichtszeit. [Zeilen 10-20] Tab. 13: Einstiegserzählungen zur Berufsbiographie. Stefanie Ferrer, Bastian Schmidt und Robert Siegel, die Ausbildungskräfte, die dem Typ Moderation/ Identifikation zugeordnet werden können, weisen eine hohe Identifikationskraft mit ihrem Fach Englisch bzw. Spanisch auf. Auch Angelika Grebe zeigt dies auf einer kommunikativen Ebene innerhalb der Eingangserzählung, allerdings bezieht sich dieses tatsächlich nur auf ein gewisses „Brennen“ für das Fach, nicht für die Ausbildungspraxis an sich, die sie sehr ähnlich zu Moritz Wagner gestaltet. Simone Schmitz bewertet ihre Entwicklung über die Motivation zum Schulfach, die daraus folgende Mentorinnentätigkeit und - im Bild einer „Schiene“ - die quasi-automatische Übernahme der Ausbildungstätigkeit: Also Englisch war immer so mein DING. Ich habe dann auch meinen/ ähm als Mentorin Referendare betreut und habe dann auch mal gedacht: Ach Mensch, könntest ja auch ausbilden. (lacht) Und ähm ja bin über diese Schiene dann ans Studienseminar gekommen. [Simone Schmitz (AK 4), Zeilen 17-21] 8.1 Tertium comparationis „Biographie und professionelles Selbstverständnis“ 287 Auffällig ist die Bedeutung von einzelnen Personen in den Eingangserzählungen, anhand derer eine gewisse Prägung festgemacht wird: Neben Monika Blümke sind dies (abgesehen vom Brennen für das Fach) Simone Schmitz mit einer Person, die für die Verbreitung des Grundschulenglisch in ihren Augen gesorgt hat, sowie Petra Sängers Erfahrungen mit ihrem eigenen Französischausbilder. Die diesen Ausbilderinnen gemeine Transmissionsorientierung könnte damit mit diesen Vorbildern einhergehen. Die weiteren Berufseinstiege scheinen weniger von Personen abzuhängen, sondern zeigen eine längere Motivation, teils in beruflicher Hinsicht eine gewisse Zielorientierung wie z. B. bei Robert Siegel oder Jörg Reger erkennbar wird. Es findet sich neben dieser „aktiv verfolgten“ Karriere die eher „passiv erlittene“ Entwicklung bei Stefanie Ferrer und Angelika Grebe. Es kommt nicht selten zu Abwägungsprozessen, ob die Tätigkeit einer Ausbildungskraft aufgenommen werden soll: Und als dann mal wieder Ausbilderstellen frei wurden, (..) ähm haben mich zwei (.) von diesen Kolleginnen direkt ähm mehr oder weniger drauf gestoßen. „Das wäre doch was für dich.“ (.) Und ähm ich habe dann hin und her überlegt ähm welchen Aufwand ähm muss ich (.) betreiben oder wie/ wie aussichtsreich ist so eine Bewerbung. [Stefanie Ferrer (AK 5), Zeilen 18-23] Also ich hatte erst einen Ausbildungsauftrag, acht Stunden. War noch Klassenlehrerin, war immer sehr gerne Klassenlehrerin. Und dann musste ich mich irgendwann entscheiden. Weil man merkt dann irgendwann, wenn man das so halbiert, also 15 Stunden Schule, 15 Stunden Ausbildung, dass/ ähm dass man beides gut machen will. Und man wird ähm den/ Schü/ den Schülern auch nicht mehr gerecht. [Petra Sänger (AK 7), Zeilen 33-37] Stefanie Ferrer wird gleichsam von Kolleginnen überredet, implizit interpretiert ist sie sich jedoch sicher in der Annahme, dass sie diese Tätigkeit ausüben könnte. Unsicherheit ihrerseits herrscht lediglich angesichts des Erfolgs der Bewerbung an sich. Petra Sänger (Transmission/ Distinktion) weist durch ihre Erfahrung mit einem zeitlich begrenzteren Ausbildungsauftrag ebenfalls eine Sicherheit und Kompetenz auf, sieht allerdings eher aus einer Perspektive von Zeitmanagement heraus die Gefahr, ihrer Tätigkeit als Klassenlehrerin und ihren Schülerinnen und Schülern durch die stärkere Belastung als Ausbilderin nicht mehr gerecht werden zu können. Für nur wenige Ausbildungskräfte steht die Tätigkeit im Lichte persönlicher Weiterentwicklung wie bei Emily Wright: 288 8 Ausbildungspraxis: Kontrastiver Fallvergleich und Typenbildung Ich (.) persönlich für mich erhoffe mir durch diese Zweittätigkeit, dass ähm mein Unterricht eben auch ähm daf/ Also dass ich neu darüber nachdenke, sagen wir mal. [Emily Wright (AK 6), Zeilen 147-149] Damit steht ein eigener Professionalisierungsanspruch, eine geförderte Reflexionskompetenz der Ausbildungskraft im Vordergrund, die der eigenen Lehrtätigkeit förderlich sein soll. Die „Zweittätigkeit“ des Ausbildens, die hier gewissermaßen leicht abgewertet wird, informiert die „Erst-/ Haupttätigkeit“ des Unterrichtens. Die als Lehrkraft bereits durchgeführte Beratungstätigkeit als Mentor*in bzw. Fortbildner*in wird nicht selten im Kontext der Berufsbiographie verhandelt. Sie dient den Ausbildungskräften als Ausgangspunkt der Karriere mit der Zielsetzung, diese Tätigkeiten stärker zu institutionalisieren wie bei Jörg Reger schon herausgearbeitet werden konnte: Die Arbeit selber hat mir einfach von Anfang an (.) gut gefallen. Weil es eben eine Weiterentwicklung war von/ Also es ähm/ Ja, von/ Und Zusammenführung von Unterrichtsarbeit und Fortbildungsarbeit ähm war das eigentlich das Bindeglied. Ja? Also warum trifft man ähm (.) unzufriedene Kollegen in der Schule? Warum trifft man nur ähm besondere Kollegen in der Fortbildung? (..) Ja, was passiert eigentlich dazwischen? (.) Und ähm ist das nicht eine Frage von Einstellung, von Haltung, die ähm ich als Lehrer, Lehrerin habe oder entwickeln muss, damit ich ähm ja dieses ähm (..) oder meine Einstellung ähm, dass ähm (.) man ständig dazulernen muss, dass man sich permanent weiterentwickeln muss, also tatsächlich auch für mich ernst nehmen? (..) Und Wege suchen halt ähm und da finde ich, ist die Möglichkeit halt in der Ausbildungsarbeit Einfluss darauf zu nehmen bei den angehenden Lehrerinnen und Lehrern (.) genau der richtige Platz. (..) [Stefanie Ferrer (AK 5), Zeilen 37-51] Also ich habe jetzt relative viele LiV betreut, auch als Mentorin, über die Jahre und auch gesehen, ja w/ was da so (.) kommt. Auch in Fremdsprachenkenntnissen. Und ähm fand es einfach auch spannend, da mal (.) ein bisschen, ja/ ja sagen wir PRÄ- GENDER tätig zu sein als/ als nur eine Mentorin. [Emily Wright (AK 6), Zeilen 24-29] Während Emily Wright, ähnlich weiterer Ausbildungskräfte im Sample, die Rollen der Mentorinnen und Mentoren latent abwertet, möchte sie gemäß den formalen Vorgaben im Typus Transmission/ Identifikation sowie in ihrer Eigenschaft als Muttersprachlerin „prägender“ sein, d. h. stärker Einfluss und Input für die ihr anvertrauten LiV geben. Stefanie Ferrer (Moderation/ Identifikation) wiederum unterscheidet im Zuge der Fortbildungsarbeit, die sie vorher ausgiebig geleistet hat, zwischen Lehrkräften, die sich stark engagieren und weiterentwickeln möchten („besondere Kollegen in der Fortbildung“) und den Lehrkräften, die sich nicht weiterentwickeln möchten („unzufriedene Kollegen in 8.1 Tertium comparationis „Biographie und professionelles Selbstverständnis“ 289 der Schule“). Ein Motiv, die Tätigkeit als Ausbilderin anzunehmen, besteht hier darin, möglichst früh eine positive Einstellung auf Seiten der angehenden Lehrkräfte zu evozieren für professionelle Weiterentwicklung und Offenheit. Petra Sängers Orientierungsrahmen (Transmission/ Distinktion) in einer berufsbiographischen Bedeutung zeigt sich im Interviewverlauf an späterer Stelle, als sie eine Bewertung ihrer beiden Fächer vornimmt: I: (.) Gab es Zeiten, wo Sie/ (.) Un/ Un/ Oder unterrichten Sie Ihr Ausbildungsfach lieber als/ (.) Oder jetzt Französisch lieber als Name des Zweitfachs ? B: (..) Nee, ich unterrichte lieber Name des Zweitfachs , eigentlich. I: (.) Ja? B: Ja, weil es f/ einfach/ Das ist aber/ Das/ Das sind zwei grundverschiedene (.) Fächer. Aber ähm ALSO MIR MACHT Französischunterricht sehr viel Spaß. Und ähm ich habe auch ähm, (.) ja, oft das GLÜCK, dass ich diese gymnasialen Lerngruppen kriege, weil die so wenig Stunden haben. Ich bin ja so wenig an der Schule. Aber ähm (.) Name des Zweitfachs ist/ ist einfach/ Name des Zweitfachs ist anders, ja? (.) Also in Name des Zweitfachs wird halt ganz viel Praxis gemacht. Und das ist ähm (.) anstrengend, auch. Ähm (.) aber ich denke, (.) ist SCHWIERIG. Also ich weiß jetzt gar nicht, vielleicht Name des Zweitfachs macht mir mehr Spaß? Vielleicht ein bisschen, ja. (lacht) [Petra Sänger (AK 7), Zeilen 434-448] Die Ausbilderin betont die Andersartigkeit des Zweitfachs im Vergleich zu Französisch. Als Unterschied nennt Petra Sänger vor allem die stärkere Praxisorientierung, welche sie durch Adverbien unterstreicht. Obwohl sie schon zu Beginn gesagt hat, dass sie ihr Zweitfach lieber unterrichtet als Französisch, verwendet sie zum Ende des Gesprächsabschnitts eine rhetorische Frage, in der sie sich selbst fragt, ob ihr das Zweitfach vielleicht doch mehr Spaß machen würde. Wahrscheinlich wird die rhetorische Frage verwendet, um die sehr wertende Aussage wieder teilweise zu relativieren. Generell ist festzustellen, dass Sänger mit der Präferenz des Zweitfaches einen gewissen Widerspruch in ihrem Handeln aufzeigt im Typus der Distinktion, da sie trotz der Vorliebe für das andere Fach Französischausbilderin geworden ist. Allerdings könnte sie die einseitige Präferenz auch ausschließlich auf den schulischen Unterricht beziehen, worauf die ursprüngliche Interviewfrage tatsächlich ausgelegt war, sodass sich dies nur zu Teilen auf die Ausbildungstätigkeit übertragen ließe. Wiederholt wird in Narrationen über die Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst auf eine persönlichkeitsbezogene Ebene abgezielt, wodurch im Umkehrschluss das professionelle Selbstverständnis der Ausbildungskräfte beleuchtet wird (s. Tabelle 14). Wie Jörg Reger sehen sich viele Ausbildungskräfte nicht in der Funktion, 290 8 Ausbildungspraxis: Kontrastiver Fallvergleich und Typenbildung eine gewissermaßen persönlichkeitswirksame Ausbildung zu leisten. In Tabelle 14 werden persönlichkeitsrelevante Aspekte der LiV zusammengestellt. Stefanie Ferrer (Identifikation/ Moderation) betont hier die fachliche Bedeutung des „Fremdsprachenlehrerseins“ mit seinen spezifischen inhaltlichen Anforderungen, unterstreicht allerdings, dass die zwischenmenschliche Ebene, die in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen nötig ist, von den LiV ebenfalls aufgebracht werden muss. Die Entwicklung dieser Kompetenz bewertet sie als prozessorientiert, jedoch ohne ihr mittelbares Zutun, da sich dokumentiert, dass diese „menschliche Qualität“ von einem Teil der LiV mitgebracht wird, von einem Teil nicht („… da scheidet sich das dann wieder…“). Eine ähnliche Unterscheidung trifft Angelika Grebe, die in ihrer konstruktivistischen Orientierung zudem seitens der persönlich gefestigten LiV erwarten kann, dass diese eigenständig Lösungen erarbeiten bzw. auf sie zukommen, sobald sie Probleme wahrnehmen bzw. Literatur benötigen. Sie setzt die eher persönlichkeitsbezogene Haltung der LiV damit in einen gemeinsamen Zusammenhang mit Wissensbeständen in fachlicher wie fachdidaktischer Hinsicht. Simone Schmitz zeigt im Typus von Transmission/ Distinktion eine abweichende Bedeutung des Aspekts der Lehrerpersönlichkeit. Sie beschreibt ein funktionalistisch-technisches „Ausführen“ der Lehrerrolle und Lehrerpersönlichkeit mit dem gleichzeitigen Anspruch von „Authentizität“, der vermutlich nur schwer realisierbar ist. Professionelles Lehrer*innenhandeln ist für sie von einer professionellen Distanz geprägt, bei der die Lehrkraft „Abstand zu EIGE- NEN Gefühlen und EIGENEN Zielen [bekommt]“. Ausbildungskraft Interviewpassagen: Persönlichkeitsbezogene Aspekte der LiV AK 4 (Englisch): Simone Schmitz Das bezieht sich darauf, dass wir Leute in die Schule schicken, die/ oder dass Leute Lehrer sind, die (.) ihre Lehrerpersönlichkeit ausführen. Die so au/ authentisch vor Klassen stehen können und ähm in ihrem Handeln im besten Sinne professionell sind. Also ihr Handeln auch immer wieder reflektieren und/ und auch ähm so eine professionelle Rolle einnehmen. Und das fällt vielen sehr schwer, die/ die/ die gehen mit ihrer ganzen (lacht) Persönlichkeit rein/ was ich ja auch wichtig finde als Authentizität aber wir müssen immer wieder lernen, so professionell zu handeln, so Abstand zu den EIGENEN Gefühlen und EIGENEN Zielen zu bekommen. Und da/ das wäre so für mich der/ ach Hauptziel, dass die Leute da stehen und wirklich professionell handeln können und ähm sich nicht von jedem (seufzt) von jedem Ungemach, das um die Ecke kommt, seitens der Eltern, seitens der Schüler so (seufzt) aus dem Konzept bringen lassen. [Zeilen 154-167] 8.1 Tertium comparationis „Biographie und professionelles Selbstverständnis“ 291 Ausbildungskraft Interviewpassagen: Persönlichkeitsbezogene Aspekte der LiV AK 5 (Englisch): Stefanie Ferrer Also Lehrersein heißt ja nicht Fremdsprachenlehrersein. (..) So wie es für jedes andere Fach eigentlich auch gilt. (.) Und ich glaube ähm, dass ähm da ein großer Unterschied ist, welche Herausforderungen stellen sich mir, wenn/ (.) innerhalb des Faches. (.) Und das ist ja das, worum es hier eigentlich geht, ja? Also ich komme gut mit den Jugendlichen zurecht. (.) Ja? Ich ähm (.) komme gut mit Kollegen zurecht. [Zeilen 276-282] Weil für mich ist ähm wichtig, dieser Mensch ähm/ (.) Das hört sich jetzt hart an. Ähm. Die Referendare sind für mich ähm (..) also quasi der Weg zum Ziel. (..) Wenn wir als Ziel haben, wir wollen also guten Englischunterricht an den Schulen, (.) wir wollen Schüler mit ähm dem Englisch ausstatten, was sie eben ja nicht nur konkurrenzfähig wirtschaftlich, so wie man es ja heute häufig ähm begründet, macht, sondern durchaus auch noch diesem Erziehungsanspruch ähm (.) oder diesem sozialen ähm Anspruch gerecht wird. Dann brauchen wir also ähm wirklich ähm (.) sehr gute Englischlehrer. Und nicht sehr gut im Sinne von dass sie ein „sehr gut“ auf dem Zeugnis haben, (.) sondern dass sie menschlich (..) Qualität mitbringen. (..) Und da scheidet sich das dann wieder, ne? [Zeilen 541-552] AK 9 (Englisch): Angelika Grebe Also, DIE Referendare, die richtig gut sind, die zeichnen sich erst mal durch eine sehr gute Sprachkompetenz aus und ähm auch durch ihre/ äh durch ihre Haltung ihrem Beruf gegenüber. Durch ihre Haltung äh dem Beruf der Lehrkraft gegenüber. Und diese HALTUNG wird auch deutlich im Unterricht und das merkt man auch. Das merkt man auch sehr schnell, also das merkt man oft schon beim ersten Besuch, ne. Und ähm/ UND die sind auch SEHR daran interessiert ähm, dass die Schüler möglichst viel lernen. Also die sind sehr daran interessiert die Ergebnisse, die Lernergebnisse, der Schüler zu verbessern und versuchen da auch Wege zu finden und fragen auch sehr viel nach. Also die fragen auch nach Literatur und die/ oder die fragen nach Methoden, oder nach Material. Was jetzt so ähm (.) Leute, die jetzt nicht so fachlich, oder fachlich und fachdidaktisch äh gut sind. Das machen die oft nicht so. [Zeilen 95-108] AK 7 (Französisch): Petra Sänger Also dann hängt es an der Lehrerpersönlichkeit. Das sind da so Sachen wie ähm Lernprozesse strukturieren oder ähm, ja, ähm MIT SCHÜLERN umgehen, auf/ auf Schwierigkeiten eingehen. Also einfach so vom LEHRERTYP her. Wo man sagen muss oah, es ist vielleicht doch nicht das Richtige für Sie. [Zeilen 140-144] 292 8 Ausbildungspraxis: Kontrastiver Fallvergleich und Typenbildung Ausbildungskraft Interviewpassagen: Persönlichkeitsbezogene Aspekte der LiV AK 10 (Französisch): Regina Meier (..) es liegt auf JEDEN Fall erstmal an der Lehrerrolle. Also das ist für mich die, äh, absolut wit/ Wichtigste, wie ich mit meiner Klasse umgehe, das rübergeht, ob die Schüler/ ob ich die Schüler dazu bringe, dass sie mitFIEBERN, ja? Dass sie mitgehen und, ähm, dass ich nicht nur der bin, der Ar/ Arbeitsaufträge gibt und Papiere verteilt. Also ich habe euch ein Arbeitsblatt mitgebracht, das ist natürlich schon was. Also es gibt, äh, diese Empathie, ja? Dass/ dass/ dass man gerne mit Kindern und Jugendlichen arbeitet, aber das muss sich auch, das ist so leicht gesagt, das muss sich auch niederschlagen. Man muss das auch sehen und spüren in der Planung, in dem/ in der Passung. Ob das jetzt wirklich die Schüler interessiert oder mitreißt, mitnimmt, (.) das lässt sich an vielen Faktoren festmachen, so die Lehrerrolle, ja? [Zeilen 238-250] AK 11 (Englisch): Robert Siegel Ähm, deswegen, äh, ist es mir dann auch immer suspekt, wenn, (.) ähm, ich ein/ wenn ich dann frage, an der Universität, „Sind Sie in einem Verein tätig? Sind Sie in irgendeiner Weise sportlich aktiv? Welche Team-Sportart betreiben Sie? “, ähm, wenn dann, äh, Lehramtsstudierende sagen, sie sind/ sie spielen weder ein Instrument im Orchester, äh, noch dass sie, äh, in der/ in der/ im Sport, in einem Teamsport tätig sind, sondern mir als VEREIN- ZELT, äh, erscheinen, dann stellen sich bei mir auch schon die ersten Zweifel ein, ob sie dann irgendwie auf der personalen Ebene auch wirklich die Kompetenzen haben, und das Engagement aufbauen, äh, was sie brauchen, um auf andere Menschen zu wirken, um diese Menschen zu begeistern. [Zeilen 296-307] Tab. 14: Interviewpassagen zu persönlichkeitsrelevanten Merkmalen der LiV. Petra Sänger (Distinktion/ Transmission) sieht die Lehrerpersönlichkeit explizit als eine der wichtigsten Aspekte für eine erfolgreiche Ausübung des Berufs. Allerdings nennt sie unmittelbar im Anschluss die Gestaltung von Lernprozessen als Teil davon, obwohl diese eher als eine methodische Fragestellung gesehen werden dürfte. Deutlich wird, dass für sie Lernprozesse eine sozial-interaktionale Komponente aufweisen, die nach ihrer Annahme einen bestimmten „Lehrertyp“ voraussetzen, der es vermag, besonders Schwierigkeiten im Lernprozess zu erkennen und auf diese einzugehen. Im Gegenhorizont sind die Lehrkräfte, dies nicht vermögen, dann nicht für den Beruf geeignet. Auch für Regina Meier (ebenfalls Distinktion/ Transmission ) zeigt sich die Lehrerpersönlichkeit, die sie als „Lehrerrolle“ in dem Zusammenhang bezeichnet, als relevant für Lernpro- 8.2 Tertium comparationis „Ausbildungssituationen“ 293 zesse. Sie geht jedoch davon aus, dass sich diese Rolle und Beziehung zu den Schülerinnen und Schülern „sichtbar niederschlagen“ muss, während andere Ausbildungskräfte eher davon ausgehen, dass diese soziale Komponente eher mitgebracht wird und damit quasi-automatisch zur Anwendung kommt. Für Meier scheint es dann jedoch zu einem harten Bewertungskriterium zu werden, das sich nicht nur in der unterrichtlichen Interaktion abbildet („Passung“), sondern bereits schon in der Unterrichtsplanung gleichsam „spürbar“ wird. Im Vergleich dazu äußert sich, im gleichen Typus Identifikation/ Moderation vertreten wie Stefanie Ferrer, entsprechend Robert Siegel hinsichtlich der Lehrerpersönlichkeit, indem er von einer latenten Trägheit dieses Konzepts ausgeht, allerdings ist die dahinterstehende Logik interessant: Zum einen fragt er bereits Lehramtsstudierende als Folge eines Um-zu-Motivs, ob sie einen Teamsport ausüben oder ob sie ansonsten - in seiner Wahrnehmung - eher „vereinzelte“ Individuen sind, zum anderen entsteht hiermit eine kausale Voraussetzung für die pädagogisch-soziale Arbeit einer Lehrkraft. 8.2 Tertium comparationis „Ausbildungssituationen“ In der konkreten Gegenüberstellung von Ausbildungssituationen, seien sie innerhalb von Unterrichtsnachbesprechungen oder Seminarsitzungen, dokumentiert sich Handlungspraxis in ihrer generalisiert-typisierten Form von Tabelle 12 deutlich. Daher werden die vier relationalen Typen nun innerhalb von Unterkapiteln aufgeführt und die exemplarischen Fälle herausgearbeitet, dabei jeweils kontrastiv auf die anderen bezogen. Typ Transmission/ Identifikation Obwohl Monika Blümke, wie in den ausführlichen Fallbeschreibungen rekonstruiert werden konnte, sich durchaus abgrenzt gegenüber anderem Personal im Vorbereitungsdienst, zeigt sie eine starke Identifikationskraft mit der Notwendigkeit dieser Ausbildungsphase sowie einer hohen Praxisorientierung (s. auch Kapitel 8.3). Letztere führt sie soweit, dass sie die strukturell immer geringer werdende Einflussmöglichkeit, die sie als Ausbilderin genießt, auf die erste Phase verlagert und sich im Hochschulbereich einbringt. In der exemplarisch aufgeführten Äußerung in Tabelle 15 offenbart sich der hohe Anspruch, den sie an ihre Ausbildungstätigkeit in inhaltlicher Hinsicht setzt, gleichzeitig spiegelt es ihre Kritik wider, dass in der ersten Phase in ihren Augen zu wenig allgemeinpädagogische wie fremdsprachendidaktische Prinzipien und Inhalte vermittelt werden. Diesem Missstand versucht sie entgegenzuwirken - gemäß 294 8 Ausbildungspraxis: Kontrastiver Fallvergleich und Typenbildung ihrer Transmissionsorientierung und Identifizierung mit der Notwendigkeit ihres Einsatzes. Eine mangelnde Vermittlung von Wissen in der ersten Phase ist allerdings nicht der einzige Grund, den sie in schwachen Leistungen der LiV in Seminarsitzungen sieht. Der zweite ist die strukturell verankerte Bewertung, der gegenüber sich die Referendarinnen und Referendare kaum zu öffnen trauen. Außerdem kritisiert sie drittens die latente Unfähigkeit der LiV, Wissen auf unterrichtliche Entscheidungen adäquat zu übertragen. Ausbildungskraft Interviewpassagen: Ausbildungssituationen AK 2 (Englisch): Monika Blümke Mittlerweile gehe ich so weit, dass ich sage, „das ist jetzt bewertungsfrei“. Das habe ich früher NIE gesagt. Das war dann einfach klar, dass man mal frei diskutieren kann. (.) Ja? Und das machen die heute nicht mehr. Es ist alles dann/ (…) Ach, es sind so Floskeln, die werden dann so abgeliefert, ja? Handlungsorientierung und Kopf - Herz und Hand, Pestalozzi. Sage ich, „machen Sie mal fünf, sechs Sätze mehr daraus“. Da kommt nichts. Das wissen die nicht, was das heißt, jetzt für den Englischunterricht, zum Beispiel. Handlungsorientierung. (4) Also die wissen schon, aber die wissen das nicht so zu verbinden und was das jetzt heißt, für ihre Unterrichtsentscheidungen. (4) [Zeilen 265-275] AK 6 (Englisch): Emily Wright Ähm ja also ich sehe sicherlich also für alle Lehrkräfte da ein/ einen Riesenunterschied, der aber meiner Meinung nach, also n/ von dem, was ich auch gerade gesagt habe, eigentlich nicht/ nicht so krass sein dürfte. Also deswegen eben dieser Schwerpunkt, ähm dass wir ja auf was hin arbeiten. Ähm klar, in der fünften, sechsten, siebten Klasse sind wir natürlich noch viel kleinschrittiger. Aber ich denke, Richtung Achte, Neunte, da müssen die Kompetenzen einfach stärker gefördert werden. Das ist natürlich ähm für die LiV in ihrer Arbeit auch ähm (.) bedeutsam, wer in siebte Klasse und sagen wir mal in der/ im zweiten Hauptsemester dann eine Elf hat, das sind zwei Welten, noch, klar. Ähm (.) und das würde es dann/ Das wäre was, was ich dort auch ähm thematisiere. Also dieser Übergang zur Oberstufe hin. Und ja, auch wie weit müssen (.) oder wie kann man zu einer Sek 1 Klasse gehen und wie weit kann man nicht gehen, Themenunterforderung, Überforderung, so diese Geschichten, ne? [Zeilen 195-210] 8.2 Tertium comparationis „Ausbildungssituationen“ 295 Na ja, klar, solche Sachen erst mal, wie so erste Unterrichts/ ähm Besprechungen. Ähm hat/ gab auch schon ein paar Tränen. (.) Ähm das war ziemlich heftig, also weil ich glaube, dass, als ich Referendariat gemacht habe, dieser Druck (.) noch nicht so heftig war. Und auch diese Rivalität nicht, unter den Referendaren, um/ um Stellen nachher. Sondern man merkt, es geht um jeden Punkt. Also das war ziemlich heftig, dass es da Tränen gab. Und ist eine andere Sache, da hatte ich eine Stunde beobachtet, f/ Ähm das war wahnsinnig schwierig für mich, also gerade als Muttersprachlerin ist natürlich der Anspruch, mit dem ich an so ein Fremdsprachenstunde gehe, wahrscheinlich etwas (.) HÖHER noch. Ähm und da bin ich immer so ein bisschen in der (.) Balance, wie/ wie gehe ich jetzt damit um, wenn ich das Gefühl habe, da reichen eigentlich die f/ fremdsprachlichen Kenntnisse (.) kaum aus, um/ um zu unterrichten. Und ich hatte eine Stunde, in der auf jedem Arbeitsblatt ein Fehler war und ähm (.) ständig so mit ähm germanisierten Sätzen gesprochen wurde. Das war unheimlich schwer (.) für mich, dann in der Bes/ in die Besprechung zu gehen und dazu was zu sagen. Weil wir eigentlich, ja, (.) viel über die, (.) ja, pädagogischen Aspekte sagen und fachdidaktischen. Eigentlich geht man ja davon aus, dass das Fachwissen schon da ist. Das war ziemlich heftig, daran (.) dann noch mäkeln zu müssen. [Zeilen 49-69] Tab. 15: Interviewpassagen mit Relevanzsetzung zur Ausbildungspraxis (Typ Transmission/ Identifikation ). Neben der großen Bedeutung von Sprachkompetenz, die Emily Wright als Muttersprachlerin wiederholt hervorhebt, orientiert sie sich bei der Gestaltung ihrer Seminarsitzungen an den jeweiligen, jahrgangsstufenbezogenen Besonderheiten der Klassen, die die LiV unterrichten müssen. Dass es einen Unterschied im Anforderungsbereich für die Schülerinnen und Schüler und damit ebenfalls für die LiV gibt, nimmt Wright in der ersten Person Singular wahr, formuliert dann im Plural, dass sie gemeinsam daran mit ihrer LiV-Gruppe arbeitet. Das recht technische Beschreiben der verschiedenen Anforderungen in den Jahrgangsstufen wird dann im dokumentarischen Sinn jedoch nicht konstruktivistisch, sondern von ihr - möglicherweise wie bei vielen der Ausbildungskräfte mit Transmissionsorientierung - in einer Art Modell, aber auch durch entsprechenden Input vorgegeben. Im zweiten Auszug in Tabelle 15 beschreibt Wright zunächst, dass LiV in Ausbildungssituationen bereits geweint haben. Sie führt dies auf expliziter Ebene auf den Druck des Vorbereitungsdienstes zurück bzw. der 296 8 Ausbildungspraxis: Kontrastiver Fallvergleich und Typenbildung Konkurrenz der LiV untereinander um feste Anschlusstellen und vergleicht die aktuelle Situation mit ihrem eigenen Referendariat, das sie nicht so belastend wahrgenommen habe. In dieser Schilderung zielt sie stärker auf die äußeren Strukturen ab, die diese Schwierigkeiten seitens der LiV begünstigen. Wenn sie allerdings im Anschluss von einem Unterrichtsbesuch erzählt, bei dem sie - zumal noch als Muttersprachlerin - die LiV auf zahlreiche sprachliche Fehler auf einem Arbeitsblatt hinweisen musste, dokumentiert sich, dass sie in ihrem Handeln ein Auslöser für Tränen und einen entsprechenden Druck sein kann. Emily Wright offenbart, dass sie sich weiterhin in einem Findungsprozess sieht, was die Balance zwischen ihrem Anspruch auf sprachlicher Seite sowie einem gewissen Maß an Rücksicht für Nicht-Muttersprachler angeht. Dennoch schließt sie im letzten Satz mit einem normativ-kollektiven „Wir“, welches verdeutlicht, dass sie sich durchaus als Ausbilderin mit einem gewissen hohen Anspruch identifiziert, den sie von allen Ausbildungskräften annimmt - selbst wenn dieser Anspruch in Bezug auf das sprachliche Fachwissen im Fach Englisch im gesamten hier betrachteten Sample nur bei ihr in dieser Deutlichkeit hervortritt. Typ Transmission/ Distinktion In der Erzählung über eine Examensstunde schildert die Ausbilderin Petra Sänger abschließend Folgendes: Das war also VOLLKOMMEN falsch, was sie beigebracht hat. […] Ja. (..) Also da habe ich auch f/ gedacht es/ eigentlich müsstest du jetzt nach vorne gehen und sagen, hören Sie mal Frau soundso, jetzt müssen Sie aber mal nachdenken. (.) Ja, das hat mich, ähm, das/ das, äh, hat mich so erschreckt, dass ich das immer den Referendaren sage, dass sie auch wenn sie Grammatik-, äh, -arbeit machen sozusagen, was es ja nie gi/ gibt ohne Kontext, ohne Einbindung, sollten sie mir auch in der Sachanalyse nochmal die Zeiten nochmal aufschreiben, oder wann das Subjonctif benutzt wird und wie die Zeitenfolge ist eben bei/ (.) bei Imparfait und, ähm, dem Plusque/ dem Passé Composé. Hätte sie das gemacht, dann wäre sie selbst drauf gekommen. [Petra Sänger (AK 7), Zeilen 350-362] Die eigene Konstruktion der Ausbilderin als Lehrkraft, die in einem Autoritätsgefälle gleichsam die LiV ermahnen muss, hat zunächst für Sänger in einem reflexiven Moment langfristige Auswirkungen in professioneller Hinsicht: Sie ändert ihre Ausbildungspraxis dahingehend, dass sie Wert darauf legt, dass ihre angehenden Lehrkräfte Grammatikarbeit im Unterricht immer kontextuell und situativ einbinden, zum zweiten, dass die grammatischen Phänomene im Rahmen einer Sachanalyse im Unterrichtsentwurf beschrieben werden. Letzteres dokumentiert eher ein zusätzliches Instrument zur Absicherung der Leistung 8.2 Tertium comparationis „Ausbildungssituationen“ 297 der LiV, damit die Ausbilderin sich nicht wiederholt in einer solch unangenehmen Situation der Ermahnung und Zurechtweisung wiederfinden muss. Dies ist durchaus als Vermeidungsstrategie zu werten, die sich generell in diesem Typus wiederfindet: Die transmissionsorientierten Typen im Sample zeigen sich am deutlichsten in Erzählungen und Beschreibungen von Interaktionsprozessen mit den LiV - oder eben in ihrer Abwesenheit. Jörg Reger - um damit in Tabelle 16 einen bereits oben ausführlich interpretierten Auszug für den Vergleich einzuordnen - sieht in seiner „institutionalisierten Mentorentätigkeit“ Schwierigkeiten, sobald Heterogenität entsteht. In einem transmissionsorientierten Habitus offenbart er zum einen durchaus explizit den Wunsch, größere Gruppen auszubilden. Dies scheitert allerdings dann an unterschiedlichen Wünschen, Erfahrungen und Beratungsschwerpunkten, die die LiV in die Modulsitzungen mitbringen. Simone Schmitz spricht im ersten Auszug über eine Unterrichtsnachbesprechung, im zweiten über Seminarbzw. Modulsitzungen im Studienseminar. Ausbilderin Schmitz kritisiert vornehmlich eine verschulte Haltung der LiV, die sich dadurch auszeichnet, dass wenig Eigeninitiative wahrnehmbar wird. Allerdings äußert sich ihre Handlungspraxis dann als klassisches Instruktionssetting, bei der LiV zu Lernenden werden und Handlungsanweisungen der Ausbilderin umgesetzt werden sollen. Dies bildet sich in allen drei Auszügen ab, z. B. beim Task-based Language Learning und ihren damit verbundenen Ansprüchen an Unterrichtsbesuche (Produktorientierung, messbarer Kompetenzzuwachs). Nicht geklärt werden kann in der Rekonstruktion hier allerdings, ob die Transmissionsorientierung damit eine Reaktion auf die Haltung der LiV ist oder letztere das Ergebnis der Transmissionsorientierung. Auch Monika Blümke (s. o.) kritisiert - bei ihr im Zusammenhang mit dem Konstrukt des Vertrauens - die zunehmende Verschultheit, macht dies aber primär an neueren Strukturen des Vorbereitungsdienstes fest. Bei Simone Schmitz dokumentiert sich in ihrer Abgrenzungsorientierung eher ein klares Gefälle, bei dem ein klassisches Lehrer*in-Schüler*in-Verhältnis aufgespannt wird, was als Versprecher sogar im ersten Auszug deutlich wird. Das Verhältnis ist hier von Autorität geprägt, bei dem Kritik an Simone Schmitz als Ausbilderin nicht geduldet werden kann („Und teilweise wenn/ sagen die mir dann, die Aufgabenstellung wäre nicht genau genug gewesen. Dann falle ich bald aus dem/ (lacht) vom GLAUBEN ab.“) 298 8 Ausbildungspraxis: Kontrastiver Fallvergleich und Typenbildung Ausbildungskraft Interviewpassagen: Ausbildungssituationen AK 3 (Englisch): Jörg Reger Aber, da wo es für mich problematisch wird, ist ähm, dass da häufig dann sechs Leute sitzen. Ist auch gut, also je mehr, desto besser. Die aber aus ganz anderen Kontexten kommen und natürlich ihre eigenen Probleme mit reinbringen und ganz häufig denken: „Mensch, ich müsste eigentlich jetzt Unterricht vorbereiten und dann sitzen wir hier und reden über äh Literaturdidaktik, aber eigentlich brennt es ganz woanders.“ [Zeilen 138-144] AK 4 (Englisch): Simone Schmitz GRUNDLAGE für unsere ganze Arbeit ist im Prinzip das TBL, also das das Task-based Learning, dass man wirklich sagt: auch am Ende der Einheit muss es ein/ oder auch an/ an bestimmten Stationen im / im/ in so einem Einheitsentwurf muss es kommunikative Situationen sind, die wirklich KONKRET auch an dem Produkt festmachbar sind, ob das ein Dialog, eine szenische Darstellung oder eine Präsentation (.) ähm (.), an der wirklich festzumachen ist, dass in/ dass sich in dieser äh zwar didaktisierten Situation aber so die/ die Schülerinnen und Schüler ihre/ ihre Kompetenzen zeigen können. Also dass ähm das ist so der/ der/ die Grundlage für unser/ dass/ für unser/ ja was wir den Schü/ was wir den Referendaren/ unseren Referendaren didaktisch vermitteln wollen. [Zeilen 126-137] Was mir auch wirklich auffällt, die sind so/ ähm die warten drauf, dass ich denen praktisch Modelle gebe, ähm die sie dann mehr oder weniger so 1: 1 umsetzen können. Mir fehlt so eine/ so eine auch teilweise SELBSTSTÄNDIGE Arbeitsweise. Also einige sind da wirklich auch ganz toll und bringen mal eigene Literatur. Aber viele sind eigentlich so von ihrem Denken her noch finde ich UN- GLAUBLICH verschult. [Zeilen 440-446] Die WARTEN, warten. Und eigentlich/ selbst in den SEMINA- REN. Manchmal klappt es ganz toll, also ich habe im Moment eine ganz tolle Gruppe. Und teilweise wenn/ sagen die mir dann, die Aufgabenstellung wäre nicht genau genug gewesen. Dann falle ich bald aus dem/ (lacht) vom GLAUBEN ab. Also/ und die w/ wo ich ganz klar hier so ein Konzept bespreche und dann ein Arbeitsblatt gebe, wo sie das in ihrer eigenen Unterrichtseinheit umsetzen sollen. [Zeilen 457-464] 8.2 Tertium comparationis „Ausbildungssituationen“ 299 Ausbildungskraft Interviewpassagen: Ausbildungssituationen AK 7 (Französisch): Petra Sänger Die können sich da so durchwuseln. Das sagen die Referendare auch. Ohne großartig ähm (.) Französisch sprechen zu müssen (.) oder Französisch schreiben zu müssen. Und das halt ich für/ ähm für fatal. (.) Also das sind Sprachvorbilder, ja? [Zeilen 130-132] Oder beispielsweise auch wenn es witzige Raps gibt oder so was. Also schon auch wenn ich was entdecke, dann/ dann sehe ich mich dann immer ähm in der Rolle auch. Ich muss das denen jetzt ähm (.) auch BEIBRINGEN. Oder nee, wir wollen es einfach ausprobieren. So. [Zeilen 345-349] Ähm (.) ja, also wenn es so um Stundenstrukturen geht, zum Beispiel ähm was ich selber in meiner/ in meiner neunten Klasse/ Ich unterrichte ja auch selber noch, ich bin ja noch acht Stunden an der Schule. Und ich lade die auch immer mal wieder ein. Also ich zeige dann selber auch (lachend) eine Stunde. [Zeilen 375-379] AK 10 (Französisch): Regina Meier Ähm, ich erlebe, dass die Referendare und Referendarinnen Kompetenzen, äh, erweitern können, wenn man ihnen klarmacht, das können sie sich erwerben. Das kann man. (Räuspert sich) (.) Man kann Vieles auch lernen. Kompetenzen aufbauen, man kann Facetten erproben. [Zeilen 270-274] Aber sie sagen, „wir können keine Methoden und BRING uns mal Methoden bei.“ (.) Naja. Und, ähm, ich verteile dann Material zu bestimmten THEMEN und so weiter und so fort. Aber ich glaube, ich würde viel stärker so nochmal die/ auf die Bedürfnisse eingehen. [Zeilen 615-618] Also ich frage die Französisch-LiV als erstes, wie viele Bücher sie im Französisch-Studium gelesen haben. Und dann sagen die, (.) vier. Und ich habe glaube ich, ach, ich weiß nicht mehr genau, bei Name eines Professors und Name eines Professors, habe ich hundert (.) gelesen. Ich habe ganz Sartre, Camus, äh, was haben wir/ äh, wir hatten auch immer Voltaire, also wir haben ALLES gelesen und die lesen vier Bücher. [Zeilen 513-518] Tab. 16: Interviewpassagen mit Relevanzsetzung zur Ausbildungspraxis (Typ Transmission/ Distinktion ). Auch die Französisch-Ausbilderinnen Petra Sänger und Regina Meier äußern sich stärker über die Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst in einem von Instruktion und Abstand geprägten Orientierungsrahmen anstatt von Interaktionsprozessen zu sprechen. Für Sänger ist einerseits die mangelnde Sprachkompetenz der LiV eine große Schwierigkeit: Sie sieht selbst die Bedeutung von Lehrkräften 300 8 Ausbildungspraxis: Kontrastiver Fallvergleich und Typenbildung als „Sprachvorbilder“ und steht mit der Strukturierung ihrer Stunden wiederum Modell für ihre Referendarinnen und Referendare. Andererseits möchte sie innovative, von ihr „entdeckte“ Neuheiten in den Seminarsitzungen vermitteln und „beibringen“. Regina Meier muss ihren LiV zunächst erklären, dass diese selbst Kompetenzen erweitern und aufbauen können. Es dokumentiert sich hier die Notwendigkeit seitens der LiV über die zeitlich-strukturell bedingt kurze Instruktion der Ausbildungskraft hinaus weitere Lehrkompetenz zu entwickeln. Sie beschreibt - im Zusammenhang mit den Ausführungen zu ihrem Wunschkonzept der Fremdsprachenlehrerbildung - den häufigen Wunsch seitens der angehenden Lehrkräfte, mehr Methodenwissen aufzubauen, dem sie mit Materialien nachkommt. Im Interviewverlauf hatte sie vorher bereits auf ein Ritual ihrerseits verwiesen, dass Sie LiV nach Lektüreerfahrungen (in quantitativer Hinsicht) befragt. Sie kritisiert hiermit einen in ihren Augen geringer gewordenen Anteil an Literaturwissenschaften im Studium, ohne jedoch herauszustellen, inwiefern sie dahingehend eine Verbindung zu den Kompetenzen der LiV sieht. Möglich ist, dass sie dies implizit auf die Sprachkompetenz zurückführt, was sich jedoch nicht eindeutig rekonstruieren lässt. Typ Moderation/ Identifikation Im Gegensatz zum transmissionsorientierten und ggf. noch sich abgrenzenden Orientierungsrahmen weist der Typ Moderation/ Identifikation ein Hinwenden zu Vorgaben und LiV, gleichzeitig das Gestalten eines eher moderierenden, konstruktivistischen Settings auf, das sich an den Bedürfnissen der angehenden Lehrkräfte orientiert. Dies kann bei allen drei im Sample betrachteten Fällen herausgearbeitet werden. Stefanie Ferrer betont beispielsweise den Erfahrungsgewinn, den Seminargruppen durch eine Semesterheterogenität erreichen. LiV könnten so in Reflexionsprozesse einsteigen und wahrnehmen - insbesondere die LiV in höheren Semestern -, dass sie im Vergleich zu den Jüngeren eine Entwicklung durchgemacht haben. In dieser Situation spielt Stefanie Ferrer als Ausbildungskraft dann allerdings keine Rolle mehr. 8.2 Tertium comparationis „Ausbildungssituationen“ 301 Ausbildungskraft Interviewpassagen: Ausbildungssituationen AK 5 (Englisch): Stefanie Ferrer Also ich ähm muss sagen, ich denke schon, (.) dass auch das Zusammentreffen unterschiedlicher Semester in einer Seminarsitzung eine Bereicherung ist. (.) Ja? Also das ist/ Ich erlebe mich ähm in meiner eigenen Entwicklung. Ja? [Zeilen 175-187] AK 8 (Spanisch): Bastian Schmidt Also, das ist ein bisschen/ ich bin im Moment am Umstellen. Und zwar, (.) ähm, verstärkte individualisierte Ausbildung ähm soll es sein, dass die Referendare (..) für SICH überlegen, WAS (.) brauche ich denn eigentlich, (.) was fehlt mir denn? Dass sie das formulieren, (..) für sich auch überlegen, woran erkenne ich denn, dass ich mich in dem Bereich jetzt auch entwickelt habe. (.) Ja? Und dann, ähm, sich Aufgaben stellen, (.) also, Aufgaben konkret in „Ich möchte mit meinen Schülern das und das jetzt machen.“ Und daran muss man ja eben DAS anwenden, was ich jetzt gerade lernen möchte für mich, ne? (.) Ja, sich diese Aufgaben eben äh stellen, mit dem Schüler also planen, Unterrichtssituationen planen, DURCHFÜHREN mit den Schülern, und für sich reflektieren. Und darüber, äh, in der Gruppe im Austausch auch sind. [Zeilen 109-121] AK 11 (Englisch): Robert Siegel Ich möchte eine Win-Win-Situation herstellen. Auch wenn das semesterheterogene, äh, Gruppen sind, die wir jetzt, in der Regel, in Hessen ausbilden, äh, so do/ bringt doch auch jeder Mensch, egal in welchem me/ welchem Ausbildungssemester er oder sie sich befindet, ähm Potentiale mit und auch kreative Ideen, die auch die sogenannten erfahreneren Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst durchaus nutzen können, und es geht mir einfach nur darum, dass man, (.) ähm, Bewährtes aus der Unterrichtspraxis, ähm/ dass man darüber kommuniziert, auch über Methoden, und dass wir dann dadurch sozusagen ein Methodenspektrum erweitern, (.) und dass auch die Arbeit, in Teilen, so wie sie in der Modularbeit erfolgt, als Doppeldecker genutzt werden kann, für die unterrichtliche, äh/ für die unterrichtliche Arbeit. [Zeilen 193-205] Tab. 17: Interviewpassagen mit Relevanzsetzung zur Ausbildungspraxis (Typ Moderation/ Identifikation ). Bei Bastian Schmidt tritt eine konstruktivistische Orientierung sehr klar hervor und es dokumentiert sich ein fast vollkommenes Zurücktreten aus dem Ausbildungsprozess. Referendarinnen und Referendare bestimmen in den Beschreibungen seiner Ausbildungspraxis ihre Schwerpunkte und Entwicklungs- 302 8 Ausbildungspraxis: Kontrastiver Fallvergleich und Typenbildung aufgaben, müssen selbst Kompetenzzuwachs fördern und Wege finden, diesen Zuwachs ihrerseits zu messen. In der Seminargruppe selbst findet ein Austausch statt, dessen Bezug oder Inhalt allerdings hier offen bleibt. Ähnlich, wenn auch spezifischer, beschreibt Robert Siegel die Voraussetzungen und dann die Arbeit in Seminarsitzungen, die von einem Zugewinn für alle Seiten durch Semesterheterogenität bestimmt ist. Für ihn steht jedoch - im Gegensatz zu Stefanie Ferrer - das Potential niedrigerer Semester, denen er mehr Kreativität unterstellt, gleichwertig mit dem der Erfahreneren. Die Modulsitzungen Siegels scheinen zudem geprägt von einem methodischen Ausprobieren bzw. von Simulationen gemeinsam erarbeiteter Inhalte und Schwerpunkte. Typ Moderation/ Distinktion Ausbildungskräfte des Typs Moderation/ Distinktion lassen ein Ausbildungssetting rekonstruierbar werden, das den LiV viel Verantwortung für den Kompetenzzuwachs überlässt, gleichzeitig offenbart sich eine Abgrenzung von Ausbildungsschwerpunkten, dem Vorbereitungsdienst oder den LiV als Personengruppe selbst. In seinem von Flexibilität und Unabhängigkeitsstreben geprägten Habitus zeigt sich dies bei Moritz Wagner ebenfalls in der Gestaltung der Ausbildungspraxis: Im in Tabelle 18 dargestellten Auszug dokumentiert sich, dass er Ausbildung in einem konstruktivistischen Setting wählt, das er aber identitätsnormativ nicht als sein eigenes wahrnimmt. Er spricht zunächst in der ersten Person Plural von Differenzierung aus Sicht aller Ausbildungskräfte seines Studienseminars, wie im Gesamtkontext ersichtlich wird. Dann wechselt er in den Singular und beschreibt das durch ihn geschaffene Angebot, welches dann direkt von Problemstellungen oder Bedürfnissen der LiV relativiert und welche dann wiederum auf ein Kollektiv gemünzt in gemeinsamen Gesprächen bearbeitet werden. Diese gemeinsame Bearbeitung findet sich ebenfalls bei Angelika Grebe wieder, wenn sie sich neben den Bedürfnissen der LiV auf kommunikativer Ebene an Modulkonkretisierungen orientiert. Im Interviewverlauf stellt sie diese aber nie konkret heraus. Ausbildungskraft Interviewpassagen: Ausbildungssituationen AK 1 (Französisch): Moritz Wagner In den ähm Seminaren versuchen wir schon sehr stark wahldifferenziert vorzugehen. Das heißt, es gibt immer ein Angebot auch von mir, was genutzt werden kann oder nicht. Oder eben auch von LiV, Nachfragen von LiV. Und wir versuchen auch dort immer PLANUNGEN, die die LiV haben, mit den anderen zu besprechen. [Zeilen 160-164] 8.2 Tertium comparationis „Ausbildungssituationen“ 303 Ausbildungskraft Interviewpassagen: Ausbildungssituationen AK 9 (Englisch): Angelika Grebe Ja ich frage sie. Also ich/ / frage sie, welchen, welche Lernwünsche sie haben. Welchen Bedarf. Und es gibt ja die Modulkonkretisierung, wo ja auch bestimmte Inhalte drinstehen und das besprechen wir dann, wo/ also wo der Bedarf am größten ist und dann/ Daran arbeiten wir dann auch. [Zeilen 86-90] Im Moment habe ich eine Gruppe, die ähm, besteht aus Sek.1-Leuten und/ Also HR- und Grundschulleuten und die arbeiten dann zum Teil auch zusammen und berei/ äh bereiten dann zum Beispiel einen Kompetenzschwerpunkt Hören, oder Leseverstehen (.) oder Sprechen vor. Und die sollen sich dann AUCH äh Übungen überlegen, die sie dann in ihrer eigenen Klasse ausprobieren und sollen dann auch darüber wieder berichten, wie das dann war. [Zeilen 168-174] Tab. 18: Interviewpassagen mit Relevanzsetzung zur Ausbildungspraxis (Typ Moderation/ Distinktion ). Auch in dem Auszug hier formuliert Grebe ihren Rückgriff auf „bestimmte Inhalte“, die sie im zweiten Auszug fremdsprachendidaktisch konkretisiert anhand dreier sprachlich-funktionaler Kompetenzen. Die Tatsache, dass diese drei (von insgesamt vier; „Schreiben“ fehlt) genannt werden, spiegelt eine gewisse Beliebigkeit wider, welche an der Stelle keine Orientierung an „Modulkonkretisierungen“ offenbart, sondern an den Problemstellungen aus der Unterrichtspraxis der LiV. Deren Behandlung mündet seitens der Gruppe in der Erstellung entsprechender Übungen zur Förderung der Kompetenzen im Unterricht, was wiederum anschließend mit den anderen LiV im Rahmen der Modulsitzungen reflektiert wird. Beratung und Bewertung Da der Aspekt der Beratung und Bewertung im Vorbereitungsdienst eine große Rolle zu spielen scheint (s. Kapitel 4), soll hierauf im Zusammenhang mit Ausbildungssituationen separat eingegangen werden. Im Sprechen über Beratung und Bewertung - insbesondere letzterem - offenbaren sich nämlich ebenfalls Orientierungen, welche die bereits offengelegte Kontrastierung wiederum bestätigen. Häufig wird in diesem Kontext die mangelnde Sprachkompetenz beklagt, vor allem von den Ausbildungskräften für Französisch. Petra Sänger (Transmission/ Distinktion) stellt dieses mangelhafte Fachwissen in ihrer Funktion als Ausbilderin fest und rät zu drastischen Schritten: 304 8 Ausbildungspraxis: Kontrastiver Fallvergleich und Typenbildung Es hakt GANZ häufig an der Sprachkompetenz. Also ich musste einigen Referendaren/ Ich glaube, es waren jetzt insgesamt so sechzig, 65 Referendare, die ich jetzt ausgebildet habe. Und da waren so (.) mindestens fünf oder sieben ähm Referendare dabei, denen ich empfehlen musste, entweder zu unterbrechen (.) und ein halbes Jahr mindestens mal nach Frankreich zu gehen. Oder sich ganz intensiv um ein Sprachtraining zu kümmern. (.) Ähm das hat (.) bei Zwei, Dreien gefruchtet. [Petra Sänger (AK 7), Zeilen 112-119] Auch im Typus Moderation/ Identifikation zeigt sich eine solche Empfehlung aufgrund mangelnder „Startvoraussetzungen“, wie Robert Siegel sie nennt, sie werden aber anders bearbeitet: Im positiven Sinne, (.) äh, ist mir im Gedächtnis ge/ geblieben, eine Person, die recht schwi/ äh, schwierige Startvoraussetzungen mitbrachte, ähm, weil gewisse fachliche Kompetenzen nicht genügend ausgeprägt waren, obwohl sie ein gutes Examen von der Universität mitbrachte, (.) und ich diese Lehrperson, diese Lehrkraft im Vorbereitungsdienst, äh, so beraten habe, dass erkannt wurde, „ich baue jetzt meine fachliche, sprachliche Kompetenz auf, indem ich das Referendariat unterbreche, (.) und komme dann wieder zurück, nachdem ich mich sprachlich im Ausland fit gemacht habe“. [Robert Siegel (AK 11), Zeilen 48-57] Im direkten Vergleich mit Petra Sänger weist Robert Siegel ebenfalls eine hohe Wahrnehmung seiner eigenen Kompetenz als Ausbildungskraft auf, den Leistungsstand einer LiV festzustellen, allerdings stellt er den Erfolg dieser Beratung stärker in den Vordergrund, formuliert in der ersten Person, wohingegen Petra Sänger stärker herausstellt, dass die Beratung lediglich bei knapp der Hälfte der beratenen LiV gewirkt hat. Sprachkompetenz spielt auch für Stefanie Ferrer (Moderation/ Identifikation) als Englisch-Ausbilderin eine gewisse Rolle, in diesem Auszug wird allerdings ebenso erkennbar, dass ihr das Abwägen der verschiedenen Aspekte, die Lehrerhandeln und damit die Leistung der LiV ausmachen, schwer fällt: Also wie stark gucke ich auf die Fachkompetenz? (..) Sprache, Inhalt, ne, Themen. (..) Und wie stark gucke ich auf die menschlichen Qualitäten, ne? Die persönlichen Kompetenzen, die man mitbringt. Und ähm was ich auch versuche herauszufinden, ist diese Bereitschaft ähm/ ähm/ (.) sich weiterzubilden ÜBER das Referendariat hinaus. (…) Und auch diese Bereitschaft MOBILER zu sein. Weil ich denke, Fremdsprachler müssen beweglicher sein, ja? Also diese Starrheit, mit der jemand sagt also ähm eine Fortbildung, die zwanzig Kilometer von seinem ähm ja Schulort stattfindet, ist für ihn zu weit weg, gib/ geht das nicht auf, ne? Das ist für mich undenkbar, wenn wir eigentlich denken müssten, wir müssen ähm vielleicht (..) doch regelmäßig ins Aus- 8.2 Tertium comparationis „Ausbildungssituationen“ 305 land (.) um unsere Sprachkompetenz, auch um unser Weltwissen, ja, in den Bereichen zu aktualisieren, ne? [Stefanie Ferrer (AK 5), 553-565] Ferrer betont persönlichkeitsbezogene Eigenschaften in ihrer Bewertung der LiV. Dadurch dass sie in ihrer Art als Modell für ständige Fort- und Weiterbildung agiert, möchte sie diese Bereitschaft ebenso bei den angehenden Lehrkräften erkennen und honoriert die entsprechende Flexibilität und Offenheit - eine „Mobilität“, die sie vornehmlich von den Fremdsprachenlehrkräften verlangt. Als im Gegenentwurf in der Typologie verortet ist Emily Wright (Transmission/ Identifikation) zu sehen, wenn es um Bewertungssituationen geht. Unterrichtsnachbesprechungen, welche nicht selten seitens der LiV als die unangenehmsten Situationen wahrgenommen werden, bewertet sie als „schön“, obwohl sie direkt bemerkt, dass dies wohl aufgrund der vorherrschenden LiV-Meinung unangemessen sein könnte. Sie relativiert ihre Aussage damit, dass sie die Bedeutung der Beratungssituation versucht herauszustellen: Und diese Unterrichtsbesprechungen, was für die LiV sicherlich was eher Unangenehmes ist, empfinde ich als ähm/ (..) Ja, (.) schön ist das falsche Wort. Ähm sehr, (.) ja, interessant. Also mir macht das Spaß, mich über Unterricht auszutauschen. Und ähm sicherlich, wäre das nicht eine benotete Situation, wäre es vielleicht beidseitig so. [Emily Wright (AK 6), Zeilen 426-431] Petra Sänger kontrastiert die aktuelle Kritik an der Bewertungssituation mit ihrem selbst erlebten Vorbereitungsdienst, in dem die Zahl der Unterrichtsbesuche noch höher war, einzelne negative „Ausreißer“ dann jedoch nicht so stark ins Gewicht fielen, wie es in der aktuellen Struktur offenbar ist. Sie nutzt diese Erinnerung gleichzeitig, um Kritik an den LiV zu äußern, die „auf Nummer sicher“ gehen, d. h. relativ starre Unterrichtskonzepte einsetzen, bei denen sie wenig Kontrolle aus der Hand geben. JA, und ich wär/ es wäre eine ganz andere Sache, wenn die Bewertung ausfiel. Also ich habe ja noch so ein Referendariat gemacht, ich ähm hatte irgendwie 18 Unterrichtsbesuche in 18 Monaten, glaube ich. Und ich konnte mir dann auch mal so einen Ausraster leisten/ (.) Ausreißer leisten. Also ich konnte dann auch mal was PROBIEREN, ja? Und das ist zum Beispiel auch was, was ich SEHR, sehr schade finde: Die gehen UNHEIMLICH auf Nummer sicher, auch in den Stunden, die sie zeigen. Also man sieht fast nur noch so Festigungsstunden. [Petra Sänger (AK 7), Zeilen 611-620] Insgesamt zeigt sich im Sample, dass die meisten Ausbildungskräfte die Beratungs-Bewertungs-Antinomie bewusst wahrnehmen und in Annäherung an ihren jeweiligen Bearbeitungstyp ausgestalten oder abwandeln. Lediglich in den Wunschkonzepten kommt es in der Regel zu expliziter Kritik an einem wahrge- 306 8 Ausbildungspraxis: Kontrastiver Fallvergleich und Typenbildung nommenen Bewertungsdruck auf Seiten der Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst, allerdings kann dies eine Antworttendenz aus sozialer Erwünschtheit sein. In der Ausbildungspraxis, in der sich auch immer ein Autoritätsgefälle sowie ein Lehrer*in-Schüler*in-Verhältnis abbildet, wird die Unhintergehbarkeit der Leistungsbewertung merkbar, wie sie sich im schulischen Lernen analog zeigt. Die von den Ausbildungskräften aufgeführten strukturellen Merkmale und Vorgaben verschärfen diese Bewertungssituation noch zusätzlich. Dies wird hinsichtlich der Äußerungen über den Aspekt der Organisation und formalen Vorgaben rekonstruierbar, wie im nachfolgenden Unterkapitel dargestellt werden soll. 8.3 Tertium comparationis „Organisation“ I: Okay. Nächs/ nächster Fragenblock, beziehungsweise nächster Themenbereich: Ähm, können Sie mir erzählen, welchen Stellenwert das Referendariat in Ihren Augen hat? B: (.) (Atmet aus) Stellenwert. Für wen? Für die Referendare, für das Schulamt? (lacht) Für die Gesellschaft? I: (lachend) Wie Sie/ wie Sie möchten! Also in welche Richtung auch Sie/ immer Sie/ Sie können auch gern in ALLE Richtungen (schmunzelnd) gehen. B: (.) Hm. (..) Hm. (..) Also (.) (atmet aus) Ich meine gesellschaftlich und schulamtsmäßig zum Ausbildender muss man/ es ist der Selektionsprozess sicherlich, ähm dass man auch den einen oder anderen aussortiert, der da vielleicht nicht hingehört und (…) ganz ehrlich wir verlangen als Schul/ auch viele unsinnige Dinge im Referendariat. [Simone Schmitz (AK 4), Zeilen 211-224] Dem Typus zugehörig, der sich stark vom Vorbereitungsdienst abgrenzt, stellt Simone Schmitz seine Bedeutung an sich in Frage, wenn sie auf die Frage nach dem Stellenwert der Ausbildungsphase drei verschiedene Ebenen nennt und - nicht unironisch - mit der Gesellschaft abschließt. Sie argumentiert, dass der Vorbereitungsdienst vornehmlich Selektionsfunktion habe und diese Selektion mittels bestimmter Anforderungen („unsinniger Dinge“) erfolge. Hierzu zählen für sie die stark formalisierten Unterrichtsbesuche sowie der Zwang für die LiV bestimmte Lern-/ Lehrprozessmodelle in den Besuchen aufgreifen und zeigen zu müssen, die möglicherweise dem aktuellen Unterrichtsgegenstand aber gar nicht dienlich sind. Als Ausbilderin, die sich mit der Struktur des Vorbereitungsdienstes identifiziert, sagt Stefanie Ferrer: 8.3 Tertium comparationis „Organisation“ 307 Da (.) denke ich, müssen wir schon bisschen (..) ähm ja mehr Anforderung an diese ähm Referendare stellen als nur jetzt ähm überlebt, ja? „Seht zu, dass du das Referendariat erfolgreich abschließt.“ [Stefanie Ferrer (AK 5), Zeilen 565-568] Die hohe Belastung an sich zu überstehen ist damit für Ferrer kein hinreichendes Kriterium des erfolgreichen Absolvierens des Vorbereitungsdienstes. An einer früheren Stelle im Interview führt sie aus: Also ich finde, wir sind da nicht ehrlich genug im Sinne von was wir fordern. (.) Wenn ich bedenke, dass ich im Laufe dieser 18 Monate beziehungsweise ähm/ Es sind 18 Monate, weil diese Einführungsphase kann man vergessen. In der Fachdidaktik auf alle Fälle. (.) Ja? (..) Ähm. (.) Dann (.) müssen die/ (…) Ich weiß gar nicht ähm/ Sechs oder acht komplexe Lernaufgaben in einem Fach alleine, ja, ähm entwickeln, ja? Was das bedeutet. [Stefanie Ferrer (AK 5), Zeilen 468-474] Petra Sänger stellt erfahrungsgemäß heraus, dass seitens der LiV die Anforderungen bezüglich zweier „Institutionen“, nämlich ihrer ersten Dienststelle, dem Studienseminar, und der zweiten Dienststelle, der Schule, unterschiedlich gelagert werden: WEIL SEHR häufig erlebt man das ja, dass die sagen, ja d/ hier ist so Studienseminar, ne? Und ihre Anforderungen. Und/ Und da ist Schule und Alltag. Und ähm d/ es gibt zu wenig Verbindungen, so zwischen diesen beiden Institutionen. Und dem entgegen gewirkt kann man/ kann man eigentlich nur, wenn man versucht, im Modul (..) sowohl/ also schon literaturgestützt ähm (.) Dinge zu erarbeiten, die in der Schule probiert werden können. Um dann zu schauen, wie weit ist die Umsetzung, ähm wie hat das jetzt f/ geklappt, in der Klasse. [Petra Sänger (AK 7), Zeilen 247-254] Die Anforderungen des Studienseminars werden hier als Theoriebewältigung („literaturgestützt“) dargestellt, die sich in der Praxis („in der Klasse“) zeigen müssen. Sie geht anschließend nicht direkt darauf ein, ob sich dies auf Unterrichtsbesuche bezieht oder ob der Theorie-Praxis-Transfer und dessen Bewertung hier zunächst der LiV überlassen wird. Als eher kompetenz- und standardorientiert kann die Argumentation von Robert Siegel (Typ Identifikation/ Moderation) bezeichnet werden, wenn er hinsichtlich der Anforderungen für die LiV Folgendes artikuliert: ich begleite sie (.) in der Ausbildung, im Hinblick auf ein im HLBG festgelegtes Ziel, oder einen Standard, und, äh, in der Modularbeit, in der Ausbildungsarbeit, oder auch nach Unterrichtsbesuchen, wird auch immer einmal kommuniziert, wie weit, äh, ist die Diskrepanz zwischen dem Ist-Stand und dem Soll-Stand und was kann ich für dich tun, was können wir gemeinsam tun, oder was können sie für sich persönlich tun, um 308 8 Ausbildungspraxis: Kontrastiver Fallvergleich und Typenbildung die Diskrepanz zwischen Ist-Stand und Soll-Stand, ähm, zu, äh, minimieren. [Robert Siegel (AK 11), Zeilen 158-165] […] Und diese Standards sind nicht von mir gesetzte, wünschenswerte Standards, sondern die sind vom Gesetzgeber gesetzt, die sind aber abgestimmt über die Kultusmi/ äh, Konferenzen. Das ist sozusagen für mich eine/ eine Grundlage, auf die man sich bezieht, genauso, wie man sich bei (.) der Diagnose von, ähm/ von Fremdsprachenlernern, wie man da den Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen als, äh, als ein Standard heranzieht, um diagnostische Aussagen zu treffen und eine standardisierte Bezugsnorm zu nutzen. [Robert Siegel (AK 11), Zeilen 176-183] Die kompetenzorientiert-beratende Tätigkeit, die im ersten Interviewausschnitt dargestellt wird, erfährt kurz danach im zweiten Ausschnitt eine gewisse Formalisierung bzw. Standardorientierung, die „top down“ vorgegeben ist und nach der Robert Siegel sich gleichsam zu richten hat. Bemerkenswert ist dann der Bezug zum Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen , welcher sehr detailliert sprachliche Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler abdeckt, die standardisierten Vorgaben für ihn zur Bewertung von Leistungen der LiV aber kaum in dieser Detailliertheit vorhanden sein dürften. D.h. an dieser Stelle setzt wahrscheinlich innerhalb eines Um-zu-Motivs der Ausbildungskraft die Diagnose lehrkräfteseitiger Kompetenzen identitätsnormativ einen gesetzten Erwartungshorizont voraus, welcher ausgefüllt werden will. Angesichts formaler Vorgaben sowie spezifischer Anforderungen stellen die Ausbilderinnen und Ausbilder im betrachteten Sample häufig die erste und zweite Phase einander gegenüber. Während Moritz Wagner die erste Phase primär dafür verantwortlich sieht, Sprachkompetenz auszubilden, ist es Jörg Reger wichtig, dass gefestigte Persönlichkeiten die Hochschule verlassen. Auch Robert Siegel setzt gewisse persönlichkeitsbezogene Aspekte relevant: Die Universität ist für die fachliche Ko/ wissenschaftliche Kompetenz da, aber wenn die Beziehungskompetenz fehlt, (.) dann kann jemand, der ein hochgradig/ (.) ein/ ein super Examen aus der ersten Phase mitbringt, unter Umständen im Referendariat erst erleben, dass er über seine Person überhaupt nicht wirkt, nicht ankommt, dass sein/ seine wissenschaftlichen, fachlichen Qualitäten, äh, nicht angenommen werden, weil er als Person/ er oder sie als Person nicht wirkt. [Robert Siegel (AK 11), Zeilen 83-90] Die Lösung, die er hierfür im Rahmen seines Wunschkonzepts argumentativ aufbaut, ist, Orientierungstage bzw. -einheiten im Studium sehr früh zu integrieren. Möglicherweise bewirken solche Orientierungstage jedoch eher einen Selektionsanstelle des Anstoßens eines individuellen Entwicklungsprozesses, der Studierende dafür sensibilisiert, an persönlichkeitsbezogenen Eigenschaften zu arbeiten. 8.3 Tertium comparationis „Organisation“ 309 Gegenhorizonte mit Blick auf die Anforderungen an die Universität finden sich genauso bei anderen Ausbildungskräften. Die Muttersprachlerin Emily Wright zeigt sich ernüchtert, dass die Sprachkompetenz („Fachwissen“) nicht in einem akzeptablen Maße mitgebracht wird, und stellt dies insbesondere in den Zusammenhang mit der Leistungsbewertung ihrer LiV: Eigentlich geht man ja davon aus, dass das Fachwissen schon da ist. Das war ziemlich heftig, daran (.) dann noch mäkeln zu müssen. [Emily Wright (AK 6), Zeilen 68-69] Zu einer Nähe (Identifikation) mit LiV kommt es seitens Emily Wright dann, wenn diese eine hohe Sprachkompetenz als Fachwissen mitbringen. Fachdidaktisches oder pädagogisches Wissen ist an der Stelle für sie weniger relevant, diese nimmt sie in ihrer Transmissionsorientierung als eigene Vermittlungsaufgabe wahr. Von anderen Ausbildungskräften wird die geringe Praxiserfahrung im Rahmen des Lehramtsstudiums bemängelt: Ähm also ich würde mir wünschen, und die Referendare sagen das auch, dass die/ dass diese/ diese theoretischen Inhalte/ Also natürlich haben die Literaturwissenschaft und sie haben ähm Sprachwissenschaft und/ und f/ (.) ja, ganz viele theoretische Inhalte, die sie da abarbeiten müssen. Aber sie sagen einfach, dass sie für den Unterricht (.) viel zu wenig vorbereitet werden. Für das Unterrichten, also für/ für das Unterrichten, für/ für eine Planung von/ von langfristigen Einheiten. (.) Das haben die im schulpraktischen Studium, wenn überhaupt, mal so ganz kurz gehört. Aber ansonsten fühlen sie sich nicht so/ nicht so gut vorbereitet. Und ich denke, da müsste mehr Kooperation stattfinden, in jedem Fall. [Petra Sänger (AK 7), Zeilen 581-591] Die Ausbilderin stellt diese Kritik am Lehramtsstudium dar auf Basis von Aussagen ihrer LiV („… und die Referendare sagen das auch“). In Kapitel 8.1 wurde sie bereits zitiert mit den Worten „Ich weiß nicht, die Inhalte, die ich so im Studium hatte, (.) die waren schon gut“, implizit einen Gegenhorizont spannend zur Situation heute, in der das Studium diesem Qualitätsanspruch offenbar nicht mehr genügt. Gerade der Aspekt der Unterrichtsplanung müsste ihres Erachtens nach im Studium, besonders im Rahmen der schulpraktischen Studien, bereits vorentlastet werden. Allerdings, und das ergibt sich aus dem dokumentarischen Sinngehalt ihrer Aussagen in der Gesamtschau, grenzt sie sich im Typus „Distinktion“ sowohl von der Struktur des Vorbereitungsdienstes durch explizite wie implizite Kritik ab und zeigt gleichzeitig wenig Identifikationskraft mit den LiV. Wird zusätzlich ihre Transmissionsorientierung zugrunde gelegt, nimmt das Thema „Unterrichtsvorbereitung“ in ihrer Ausbildungspraxis einen zu großen Raum ein, den sie (zeitlich) durch eine Vorverlagerung dieser Thematik entlasten möchte zugunsten anderer inhaltlicher Schwerpunkte. 310 8 Ausbildungspraxis: Kontrastiver Fallvergleich und Typenbildung Zur besseren Abgrenzung werden die vier Typen im Folgenden bzgl. des Tertiums „Organisation“ zusammenfassend dargestellt. Typ Transmission/ Identifikation Monika Blümke, ihrem Schema der Lerner- und Kompetenzorientierung folgend, transferiert ihr Prinzip des differenzierenden Unterrichtens von Schülerinnen und Schülern auf ihre LiV, bei dem sie die formalen Vorgaben des Studienseminars dann als erfüllbar ansieht, sobald ihrerseits als Ausbilderin eine, hier quantitative, Differenzierung in der Ausbildung möglich ist (s. Tabelle 19). Von ihrer Seite aus kommt es kaum zu inhaltlicher Kritik am Vorbereitungsdienst oder Studienseminar, sondern primär auf einer Ebene der quantitativen Ermöglichung von Betreuungs- und Beratungsgesprächen. Auch ihr Angebot an LiV, ohne Bewertung in den Unterricht zu kommen (vgl. ausführliche Fallrekonstruktion in Kapitel 7.2), entspricht diesem Orientierungsrahmen. Sie möchte ihre Ausbildungstätigkeit individuell stärker und autonomer gestalten. Ausbildungskraft Interviewpassagen: formale Vorgaben/ Studienseminar AK 2 (Englisch): Monika Blümke Ich habe zwar eine Unterrichtsverpflichtung von, ich sage mal, 25 Stunden, aber wie viel Zeit ich dafür verbringe, das kann mir keiner vorrechnen. Für den einen Schüler brauche ich fast keine Zeit, weil der läuft sowieso, (.) und für den anderen unermesslich viel Zeit, weil da so viele Dinge zusammenhängen. (.) Also (.) mehr an dem Endziel orientiert. (.) Ja? Was soll der nachher können und wie viel braucht der dann vorher? Braucht der zwei Besuche, zehn Besuche? (.) Braucht der eine gemeinsame Entwicklung von Unterricht, bis der alleine seinen Unterricht entwickelt? Das würde ich mir wünschen. [Zeilen 777-786] 8.3 Tertium comparationis „Organisation“ 311 Ausbildungskraft Interviewpassagen: formale Vorgaben/ Studienseminar AK 6 (Englisch): Emily Wright Also (.) für mich persönlich geht es also erst mal darum, zu gucken, dass wir Fremdsprachenlehrkräfte haben, die (.) wirklich gut vorbereitet und aber auch GUT in die Schulen gehen. Ähm (.) damit geht natürlich leider auch zusammen, dass ähm (.) wer nicht gut ist, entsprechend nicht gut benotet wird. Also das ist so ein/ Ja, dass man da wirklich guckt, wir kriegen gute Kräfte in die Schulen. [Zeilen 140-145] / / also zunächst einmal orientiere ich mich ziemlich stark an die Vorgaben vom/ (.) vom Seminar, was jetzt diese Besprechung von Unterrichtsstunden angeht. […] Also ich habe/ Also was mir ein bisschen missfällt ist eine Einstellung, die ich in der Schule sehe und auch im Seminar, dass ähm (.) jung gleich gut ist. Also das finde ich, ähm also sehr viel von erfahrenen Kollegen nicht angenommen wird, ähm auf Grund der Tatsache, dass sie das irgendwie schon lange machen und nicht mehr beliebt sind bei den Schülern. Und ich sehe das ganz, ganz anders und (.) gucke mir sehr viel da ab oder ähm/ Ja klar, nur Sachen, die jetzt valide sind. Aber ähm also ich finde, das ist ein sehr wichtiger Punkt, dass man auch mal schaut, was die älteren und erfahrenen Kollegen (.) da so machen. [Zeilen 230-232/ 239-248] Tab. 19: Interviewpassagen mit Relevanzsetzungen zu formalen Vorgaben bzw. dem Studienseminar bzw. Vorbereitungsdienst als Organisationseinheit (Typ Transmission/ Identifikation ). Emily Wright zeigt sich stärker identifizierend mit Formalia und der Selektionsfunktion des Vorbereitungsdienstes. Auf der kommunikativen Ebene führt sie zwar noch eine gesamtgesellschaftliche Funktion des Bildungsbzw. Schulwesens aus und die Bedeutung qualifizierter Lehrkräfte als Resultat eines guten Vorbereitungsdienstes. Im Zusammenhang mit der Interviewfrage jedoch, welche Ziele sie persönlich mit ihrer Ausbildungstätigkeit verbinde, greift sie die Formulierung der Frage auf, beantwortet sie aber kollektiv-normativ mit „wir“ und konstruiert sich als Teil einer Gruppe von Ausbildungskräften, womit sie dieser Gruppe allen dasselbe Ziel gleichsam unterstellt. An einer späteren Stelle im Interviewverlauf bestätigt sie explizit, dass die Vorgaben des Studienseminars, primär begründet mit ihrer erst vor kurzem aufgenommenen Tätigkeit als Ausbilderin, höchst relevant seien insbesondere für die Unterrichtsbesuche. Sie führt außerdem aus, dass ältere Kolleginnen und Kollegen Vorbildcharakter für sie haben, schon in ihrer Tätigkeit als Lehrerin in der Schule, und ergänzt die 312 8 Ausbildungspraxis: Kontrastiver Fallvergleich und Typenbildung ihrerseits häufig wahrgenommene Aussage kritisch, dass „jung gleich gut“ sei. Damit dokumentiert sich die beim Orientierungsrahmen der Transmissionsorientierung wiederholt wahrgenommene Modellfunktion der Ausbildungskräfte, indem Wright mit wachsender Erfahrung und nun auf der Ebene der Ausbildungskräfte bereits einen Erfahrungs- und Wissensvorsprung hat gegenüber den jüngeren Lehrkräften im Vorbereitungsdienst, denen sie entsprechend Vorbild sein kann. Typ Transmission/ Distinktion Jörg Regers Tendenz zur Abgrenzung der im Studienseminar gängigen Ausbildungspraxis ist bereits in der ausführlichen Fallbeschreibung aufgezeigt worden. Die beiden in Tabelle 20 aufgeführten Auszüge aus seinem Interviewmaterial zeigen dies in Anbetracht der im Zusammenhang mit „formalen Aspekten“ wie Unterrichtsbesuchen verwendeten Modalverben und seiner Abgrenzung der formalisierten Strukturiertheit („Das offiziell vom Seminar vorgegebene Prozedere ist ja …“). Dem für ihn komplizierteren Umgang mit Beratungssituationen, in denen die persönliche Ebene („Emotionen“) eine Rolle spielt, geht er aus dem Weg, indem die UB-Nachbesprechung auf den darauffolgenden Tag verlegt wird - allerdings auch unter der möglichen Bedingung, dass andere Personen, die den Unterrichtsbesuch auch hospitiert haben, wie Mentor*innen und andere LiV, bei diesem Gespräch nicht anwesend sind. Für Simone Schmitz erfolgt die Abgrenzung von den systemgegebenen Vorgaben auch auf einer inhaltlichen Ebene, indem sie den methodisch-ganzheitlichen Ansatz z. B. des Grundschulenglischs unter „Verwendung des Lehrbuchs“ als nur schwer vereinbar mit einem vom Studienseminar (bzw. hier AfL = Amt für Lehrerbildung) gesetzten Lernprozessmodell sieht, dessen Verwendung den LiV vorgeschrieben wird. 8.3 Tertium comparationis „Organisation“ 313 Ausbildungskraft Interviewpassagen: formale Vorgaben/ Studienseminar AK 3 (Englisch): Jörg Reger Na gut. Ich meine, es gibt natürlich einmal den formalen Aspekt. Es gibt äh die Modulsitzungen, die wir haben, die wir (.) äh immer dienstags mittlerweile ja nicht nur mehr im/ im Fachmodul, sondern auch im allgemeinpädagogischen Modul/ (.) dann gibt es die Unterrichtsbesuche, die durchgeführt werden müssen. Und dann gibt es äh MEINEN Versuch, in irgendeiner Art und Weise Beratung in die Sache hineinzubringen. [Zeilen 107-113] Das offiziell vom Seminar vorgegebene Prozedere ist ja, dass der/ die LiV zuerst einmal eine 15-minütige Reflexionszeit/ also 30-minütige Reflexions- oder Nachdenkzeit hat und dann 15 Minuten über den UB reflektiert und dass wir dann GEMEINSAM Schwerpunkte festlegen und/ über die wir sprechen wollen, und der/ die LiV Beratung einfordern kann. So. (.) In der Praxis denke ich, muss man ganz klar unterscheiden. Ist es ein UB, der gut gelaufen ist? (.) Kann man über alles reden, ist kein Problem. Gut oder befriedigend. Ist es ein UB, (.) der tatsächlich mal danebengegangen ist und Emotionen sind (.) hoch. Dann verabreden wir uns auch am nächsten Tag, bis alles wieder ein bisschen runtergekocht hat. Ist nicht das offizielle Vorgehen, aber ich denke, das ist einfach in der Situation angemessen zu sagen, einen Tag mal Päuschen dazwischen, dann trifft man sich wieder und kann dann halt gelassen über Dinge reden und muss da nicht sitzen. [Zeilen 203-216] AK 4 (Englisch): Simone Schmitz Also dieser ganzheitliche Ansatz ähm ist in der Grundschule ähm (.) implementiert. Da muss man immer eher so dagegen kämpfen, dass es nicht zu sehr auch in Richtung Vokabelheft führen und/ und andere Unsinnigkeiten geht. Ähm und in der Sek. 1 ist es auch (.) durch den/ den/ also durch das Lehrbuch und durch den Lehrkörper, der oft dann auch etwas älter ist ähm einfach noch nach wie vor sehr stark inhaltsorientiert. Und da ist ein ähm/ das ist ein ganz, ganz großer Unterschied, dass auch/ auch/ ja gerade durch die Verwendung des Lehrbuchs, was es mit ähm dem äh Prozessmodell/ Lernprozessmodell - das kennen Sie sicherlich, was vom AfL [Amt für Lehrerbildung; Anmerkung D.G.] aufgelegt worden ist - sehr SCHWER ist teilweise in Übereinklang zu bringen. (..) Mhm, ja, das ist so der wesentlichste Unterschied. [Zeilen 82-94] 314 8 Ausbildungspraxis: Kontrastiver Fallvergleich und Typenbildung Ausbildungskraft Interviewpassagen: formale Vorgaben/ Studienseminar AK 7 (Französisch): Petra Sänger Ähm also gefällt mir ganz besonders, ähm (.) junge Menschen, die oft mit Visionen un/ und ganz vielen/ Ja, ähm ganz viel Motivation in dieses Referendariat geht, zu begleiten. Und ähm (.) was ich bisschen schade finde ist, dass durch diese Modularier/ Modularisierung und diesen Notendruck die/ die Beratung so bisschen zu kurz kommt, weil wir ja ständig bewerten müssen. Aber ähm trotz alledem macht es mir Spaß zu sehen, dass die/ dass die Referendare Dinge direkt annehmen, dass man im Modul Dinge ausprobiert. Die sie dann im Unterricht, direkt in der Praxis dann, versuchen, auszuprobieren. Und also es ist schön zu sehen, wenn die dann ihre Prüfungen gemacht haben. [Zeilen 44-55] Also im Referendariat haben die p/ praktisch acht Französischfachmodulsitzungen, (.) im ganzen Referendariat acht, (.) in den 21 Monaten. Plus eine/ / Facheinführung, wir haben die, aber viele Studienseminare haben keine Facheinführung. Das sind noch mal drei kleine Minisitzungen à drei Stunden. Und da geht es dann drum, was ist überhaupt eine Sachanalyse und ähm/ Ja, was sind denn Arbeitsanweisungen, wie sind die denn, die ich jetzt da ständig brauche, wenn ich da jetzt Französisch sprechen will. Oder wie/ wie mache ich einen Anfangsunterricht. Hallo, ich kriege eine siebte Klasse, wie gehe ich denn da jetzt rein? Und ja w/ wie/ wie/ wie gestalte ich meine ersten beiden Stunden? Da sind SO viele Fragen, die ähm/ die da (.) aufkommen, wenn die anfangen. Und auch am Ende also noch mal ganz viele Fragen. Das ist zu wenig, meines Erachtens ist es zu wenig. Und die Referendare sehen das auch so. Ich glaube, das würden die auch so sagen, sie wünschen sich mehr/ (.) mehr Fachmodulausbildung. [Zeilen 546-564] 8.3 Tertium comparationis „Organisation“ 315 Ausbildungskraft Interviewpassagen: formale Vorgaben/ Studienseminar AK 10 (Französisch): Regina Meier Wir haben, ähm, verbindliche Modulbeschreibungen vom Land Hessen. Also so vom AFL, was jetzt das LSA ist. Und die geben aber nur an, äh, das Hauptsemester 1 und Hauptsemester 2 in Modulen A und B an. (.) Es geht grundsätzlich um Planung, Durchführung und Reflexion von Unterricht. Also die Praxis und die Praxisleistung, ähm, ist auf jeden Fall natürlich an höchster Stelle zu bewerten und auch dementsprechend auch einzuführen. Es gibt ja im/ in den Fremdsprachen viele Kompetenz-Bereiche und diese funktionalen Kompetenzen, Sprechen, Schreiben, Lesen, Hören und Sehen und Hören. Und die (seufzend) werden dann so in/ in/ in den Modulen aufbauend strukturiert, ähm, angeboten. Wir machen so in dem Einführungss/ äh, Semester zum Beispiel das Sprechen im Fremdsprachenunterricht und vertiefen das dann in den Semestern danach durch, äh, sehr viele Praxisbeispiele, Best Practice. Das ist das Allerwichtigste. Das was sie selber erproben, dass sie das mitbringen und dazu gibt es Material von mir, Texte, und es gibt immer einen Modulplan für das ganze Semester, jetzt ab 01.02. geht das wieder los. Ne? [Zeilen 91-98] Tab. 20: Interviewpassagen mit Relevanzsetzungen zu formalen Vorgaben bzw. dem Studienseminar bzw. Vorbereitungsdienst als Organisationseinheit (Typ Transmission/ Distinktion ). Petra Sänger zeigt sich kritisch-negativ, durch Demonstrationspronomina begleitet, besonders zur Modularisierung und zum Bewertungsdruck, welche sie jedoch nicht unmittelbar auf die LiV bezieht, sondern von einem Zwang zur Bewertung seitens der Ausbilderinnen und Ausbilder spricht. Implizit stellt sie allerdings einleitend einen Motivationsverlust der „jungen Menschen“ heraus, der damit verknüpft sein könnte. Insgesamt thematisiert sie im Interviewverlauf organisatorische Aspekte oder formale Vorgaben selten, was für ihren Typus der Distinktion insofern spricht, als dies nicht als Thema relevant gesetzt wird. Im zweiten, in Tabelle 20 aufgeführten Auszug zeigt sich eine sehr distanziert-funktionalistisch formulierte Aufzählung der verschiedenen Elemente und Anforderungen des Vorbereitungsdienstes, die die geringe Kontakt- und Beratungszeit der Ausbildungskräfte mit LiV heraushebt. Ähnlich distanziert und unpersönlich („Es geht … um“, „Es gibt ja“) beschreibt Regina Meier im gleichen Interviewzusammenhang wie Sänger die inhaltlichen Vorgaben, nur um dann seufzend deren Implementierung in Modulform negativ zu bewerten. 316 8 Ausbildungspraxis: Kontrastiver Fallvergleich und Typenbildung Typ Moderation/ Identifikation Stefanie Ferrer identifiziert sich mit Elementen und Vorgaben des hessischen Vorbereitungsdienstes, wie in den Auszügen in Tabelle 21 noch einmal explizit wie implizit erkennbar wird. Sie sieht ihre Tätigkeit als berufsbiographisch logische Fortsetzung ihres Engagements im Fortbildungsbereich und ihres Wunsches, das ihrerseits positiv gewertete Orientierungsschema der ständigen Weiterentwicklung und des lebenslangen Lernens auch an die ihr anvertrauten LiV weitergeben zu können. Im Gegensatz zu Simone Schmitz (Transmission/ Distinktion) wertet sie das seitens des Studienseminars vorgegebene Lernprozessmodell, dessen Einsatz von LiV im Unterricht gezeigt werden soll, nicht negativ, sondern hebt im Gegensatz davon ab, dass im Zusammenhang mit einer fachlichen und fremdsprachlichen Orientierung in den Seminarsitzungen die Formalia (aber auch die Unterrichtsentwürfe der LiV) ebenfalls in der Fremdsprache vorliegen müssten. Selbst wenn Bastian Schmidts Aussagen fast ausschließlich in der Textsorte der Bewertung erfolgen, spiegelt sich berufsbiographisch schon im selbst erlebten Vorbereitungsdienst eine explizit positive Konnotierung, die sich in seine eigene Tätigkeit als Ausbilder weiterträgt. In beiden Auszügen kommt es jedoch zu Einschränkungen: Im ersten Auszug bezieht sich diese auf die Transferier- und Anwendbarkeit der Seminar-/ Modulinhalte in unterrichtliche Praxis, im zweiten auf die Innovationsakzeptanz von Kolleginnen und Kollegen, die er im Studienseminar positiv wahrnimmt, in der Institution Schule jedoch weniger. 8.3 Tertium comparationis „Organisation“ 317 Ausbildungskraft Interviewpassagen: formale Vorgaben/ Studienseminar AK 5 (Englisch): Stefanie Ferrer Die Arbeit selber hat mir einfach von Anfang an (.) gut gefallen. Weil es eben eine Weiterentwicklung war von/ Also es ähm/ Ja, von/ Und Zusammenführung von Unterrichtsarbeit und Fortbildungsarbeit ähm war das eigentlich das Bindeglied. Ja? Also warum trifft man ähm (.) unzufriedene Kollegen in der Schule? Warum trifft man nur ähm besondere Kollegen in der Fortbildung? (..) Ja, was passiert eigentlich dazwischen? [Zeilen 37-43] Ja oder wir haben ein ähm zum Beispiel Prozessmodell, ja? (.) Also ich habe mir noch nicht die Arbeit gemacht, das Prozessmodell in Englisch zu übertragen. Ja? Ich habe mir auch nicht die Arbeit gemacht, die gan/ das ganze Hessische Schulgesetz irgendwie oder die ähm die Standards, ne, der Lehrerbildung ähm zu übertragen ins Englische, ne? Aber das wäre ja letztlich ähm/ (.) ähm Voraussetzung, wenn ich meine Seminarsitzungen in Englisch machen (möchte? ), ne? (..) Damit wir über den Gegenstand, über den wir sprechen, tatsächlich auch in der Sprache sprechen können. Umgekehrt müssten die Referendare dann, wenn sie gemeinsame Unterrichtsbesuche haben, wenn es um Prüfungen geht, wenn es um Entwürfe geht. Ähm also ich/ sie schreiben auch nicht ihre Entwürfe in Englisch, was vielleicht auch ja alles helfen würde, um quasi viel näher dran zu sein, an dem was ich eigentlich machen will. [Zeilen 150-163] 318 8 Ausbildungspraxis: Kontrastiver Fallvergleich und Typenbildung Ausbildungskraft Interviewpassagen: formale Vorgaben/ Studienseminar AK 8 (Spanisch): Bastian Schmidt Empfand die ZEIT des Referendariats auch insofern gut, dass man, ja eigentlich, ähm, man/ man hat die meiste Zeit gearbeitet. Äh. ABER an den Dienstagen sich damals eben getroffen und (.) GEZIELT ähm thematisch an irgendwas gearbeitet, was man DANACH im Idealfall äh in der Schule auch wieder umgesetzt hat, ne. Das ist nicht immer so gewesen, aber mhm eben oft doch schon. Außerdem war man im Austausch mit Kollegen, ja? Gleiches Alter, war auch eine nette Gruppe, also aus/ aus dem Grund habe ich das als sehr positiv empfunden. [Zeilen 38-45] Man kommt ein BISSCHEN rum wenigstens, also zumindest im (lachend) Landkreis dann eben. […] Und ähm, (..) kommt an andere Schulen, sieht andere Schulen, ähm, spricht da mit den Mentoren, kriegt neue Eindrücke, neue Ideen. Man ist auch im Studienseminar, ODER auch mit/ mit den Referendaren, eigentlich mit Leuten zusammen, die tendenziell eher versuchen, Sachen auszuprobieren, offen sind. Das macht Spaß, das motiviert, und man kriegt auch selbst ganz viele Ideen durch die Referendare. Ähm. Das/ das ist ni/ nicht immer im Schul/ in der Schule so. Also, da gibt es auch offene Kollegen, und tolle Kollegen. Aber manche, die auch sagen, „nee, das machen wir jetzt nicht. Und das probiere ich auch nicht aus.“ Und das/ das erlebe ich so im Studienseminar SELTEN, ne. [Zeilen 262-274] AK 11 (Englisch): Robert Siegel HLbG ist insofern Orientierungsrahmen, weil er für alle hessenweit gilt, und es ist wichtig, dass man auf diese Standards und Kompetenzen zu Beginn der Ausbildung (.) hinweist, dass man für Transparenz sorgt. (.) Äh, das ist sozusagen die Hintergrundfolie, damit, ähm, (.) äh, verringere ich ein Stückchen, ein Stückchen, äh, meine subjektive Art, Lernprozesse ins Auge zu nehmen. Zumindestens habe ich mit allen LiV eine/ ein k/ einen Kommunikationshintergrund, wenn ich mich auf Standards beziehe. Und diese Standards sind nicht von mir gesetzte, wünschenswerte Standards, sondern die sind vom Gesetzgeber gesetzt, die sind aber abgestimmt über die Kultusmi/ äh, Konferenzen. Das ist sozusagen für mich eine/ eine Grundlage, auf die man sich bezieht, genauso, wie man sich bei (.) der Diagnose von, ähm/ von Fremdsprachenlernern, wie man da den Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen als, äh, als ein Standard heranzieht, um diagnostische Aussagen zu treffen und eine standardisierte Bezugsnorm zu nutzen. [Zeilen 169-183] Tab. 21: Interviewpassagen mit Relevanzsetzungen zu formalen Vorgaben bzw. dem Studienseminar bzw. Vorbereitungsdienst als Organisationseinheit (Typ Moderation/ Identifikation ). 8.3 Tertium comparationis „Organisation“ 319 Wiederum stärker auf kommunikativer Ebene Orientierungsschemata offenbarend zeigt die Äußerung von Robert Siegel ihn als von Formalia wie dem HLbG und Standards normativ geprägt. Diese wirken für ihn als „Hintergrundfolie“, um eine gewisse Objektivierbarkeit seines Handelns zu fördern. In seinem Vergleich der Lehrerbildungsstandards und Vorgaben mit dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen als Diagnoseinstrument für sprachliche Kompetenzen dienen die formalen Vorgaben ihm zum einen zur Transparentmachung seiner Anforderungen gegenüber den LiV, zum anderen als Bewertungsgrundlage ihrer Leistungen in Unterrichtsbesuchen. Typ Moderation/ Distinktion Dem Typus folgend und wie ausführlicher bereits in Kapitel 7.1 deutlich wurde, setzt Moritz Wagner studienseminarbezogene Vorgaben zwar um (wie z. B. die Einführungsphase für die Fremdsprachen-LiV mit dem Ziel, ihre Wissensniveaus von verschiedenen Universitäten kommend zu Beginn des Vorbereitungsdienstes anzugleichen), allerdings sind diese Beschreibungen sehr funktional und mit nur wenig Identifikationskraft. Das im ersten Auszug in Tabelle 22 im Zusammenhang mit dem Ausbilderwerden genutzte Bild des „Reinrutschens“ verdeutlicht diese Distanz, möglicherweise sogar einen gewissen Zwang. Darüber hinaus scheint er von Vorgaben und Strukturen des Referendariats nicht grundsätzlich überzeugt. Vielmehr wählt er entsprechend des Typus eigens gewählte Schwerpunkte, die im Habitus von Flexibilität und Offenheit aufgehen sollen. Ähnlich wie Wagner kehrt Angelika Grebe die Bedeutung des Lehrwerks negativ heraus und erhebt den Anspruch, dieses nicht als Hauptmedium des Fremdsprachenunterrichts anzusehen. Sie zeigt - wie Wagner - im gesamten Interviewverlauf selten, dass formale Vorgaben seitens des Landes oder Studienseminars eine sonderliche Relevanz für die Gestaltung ihrer Ausbildungspraxis hätten. Der Auszug, in dem sie gute LiV charakterisiert (und gleichzeitig im Gegenhorizont schwache LiV), weist eher darauf hin, dass die individuell seitens der LiV gesetzten Herausforderungen und Schwierigkeiten für ihre Ausbildung relevant sind. Gute LiV bearbeiten diese dann in ihren Augen eigenständig z. B. mittels Fachliteratur ab, schwache LiV zeigen kein solches Interesse, sondern lediglich eine Zweckorientierung, den Vorbereitungsdienst nur aus dem Grund abschließen zu wollen, um eine Stelle als Lehrkraft zu erhalten. 320 8 Ausbildungspraxis: Kontrastiver Fallvergleich und Typenbildung Ausbildungskraft Interviewpassagen: formale Vorgaben/ Studienseminar AK 1 (Französisch): Moritz Wagner Und das waren nie so mein Arbeiten und da wollte ich einfach auch gucken, ob man das Leuten nicht auch irgendwie vermitteln kann, anders an/ an Unterricht ranzugehen als mit 27 Stunden. Das war so/ ja und dann bin ich hier gelandet. Erstmal mit Französisch (lacht) und dann rutscht man so langsam weiter (lachend) rein und muss dann bis heute alles machen. (lacht) [Zeilen 52-57] B: Mein Leitmedium? (..) (lacht) Das ist gar nicht so einfach. Mein Leitmedium im Studienseminar ist/ also fachdidaktisch sind das natürlich ein paar Fachdidaktiken ähm Nieweler wäre jetzt eine Sache. (…) Ja und (..) und eben mich selbst da (lacht). Also ich versuche (4) aus/ aus meinen Erfahrungen auch und natürlich auch Schwerpunkten, die ich für MICH selbst gewählt habe, Dinge raus zu entwickeln, die ich denen gerne mitgeben würde. (..) Das ja, würde ich so sagen. (..) [Zeilen 238-245] AK 9 (Englisch): Angelika Grebe Und, dass sie auch wissen, ähm ja, dass es jetzt nicht reicht das Buch aufzuschlagen und Unit für Unit da abzuarbeiten und das Arbeitsheft und die äh Lernstandskontrollen oder die Klassenarbeiten dann auch noch aus den Heften nehmen. [Zeilen 296-299] Aber die, ähm, die Lehrkräfte, die also, die dann auch ein gutes Examen machen, oder die sich im Laufe der Zeit auch positiv entwickeln, das sind SCHON DIE, die auch an der Didaktik, an der Fachdidaktik, an der Literatur, die da auch ein Interesse daran haben, ne. Die sich dann auch mal ein Buch kaufen und das/ das auch wirklich lesen und wo man das auch/ also wo ich das auch merke, DASS sie das nachlesen. Und dass sie das interessiert und dass sie damit arbeiten. (.) Und/ und das sind/ Und die, die das eher, also, die eher nicht/ die nicht so intrinsisch motiviert sind, sage ich mal, die eher ihre Ausbildung machen, damit sie irgendwann eine Stelle bekommen, oder eine Beamtenstelle. Am liebsten noch sofort. Da merkt man das oft, dass es nicht so ist. Also, man kann es jetzt nicht pauschalisieren, aber ich habe es schon öfter so beobachtet, ne. [Zeilen 121-133] (..) dieses große Thema Individualisierung in der Ausbildung als Schwerpunkt und ähm/ (..) Also ich SELBER bin ja die einzige Englischausbilderin jetzt. Der Name eines Kollegen ist Ausbildungsbeauftragter, der hat aber nicht immer Englisch-Module und äh, wenn wir Fachtagun/ wenn wir Klausurtagungen haben mit dem Studienseminar, dann gab es halt schon mal zwei Tage, wo ich alleine mit meinem Laptop, mit meinen Materialien da saß und das gemacht habe. Das hat mir persönlich jetzt keinen Spaß gemag/ gemacht. [Zeilen 193-201] Tab. 22: Interviewpassagen mit Relevanzsetzungen zu formalen Vorgaben bzw. dem Studienseminar bzw. Vorbereitungsdienst als Organisationseinheit (Typ Moderation/ Distinktion ). 8.4 Zusammenfassende Betrachtung der relationalen Typenbildung 321 8.4 Zusammenfassende Betrachtung der relationalen Typenbildung Ein soziales Feld von spezifischen Anforderungen und Strukturen, das Bourdieu (1987) beschreibt, offenbart sich auf Seiten der Lehrerbildner*innen hinsichtlich der Gestaltung der Ausbildungspraxis im fremdsprachendidaktischen Vorbereitungsdienst in vier Typen von Ausbildungskräften: In einer lern-/ lehrtheoretischen Dimension lässt sich zwischen instruktiven/ transmissionsorientierten und moderierenden-konstruktivistisch orientierten Ausbildungskräften unterscheiden sowie in einer zweiten Dimension fokussiert auf die Identifikationskraft der Ausbildungskräfte mit LiV und formalen Vorgaben. Die rekonstruierten „Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsschemata“ (Bourdieu 1987: 101) offenbaren über die Typen hinweg den Habitus von Lehrkräften, sodass die Ausbildungskräfte ihre angehenden Lehrkräfte als Lernende konstruieren und damit machttheoretisch ein starkes Gefälle entsteht, welches zudem durch die strukturelle Verankerung von Bewertungszwang gestützt wird. In berufsbiographischer Hinsicht ist bemerkenswert, dass die Ausbildungskräfte sich kaum negativ über den selbst erlebten Vorbereitungsdienst äußern, eher sogar sehr positiv. Es scheint, dass die sehr individuellen Prägungen und Überzeugungen langfristig die habitualisierten Handlungsschemata beeinflussen bzw. in einer Weise stabil halten, dass das System Vorbereitungsdienst mit seiner Ausbildungspraxis sich selbst erhält - selbst wenn sich die Ausbilderinnen und Ausbilder teils sehr kritisch gegenüber Formalitäten und Strukturen äußern. Diese Annahmen voraussetzend und unter Rückgriff auf die weiteren empirischen Untersuchungen, die vor allem in Kapitel 4 vorgestellt wurden, lässt sich die oben angestellte Typenbildung insofern abstrahieren, als dass in Tabelle 23 Charakteristika der einzelnen Ausbilder*innentypen aufgestellt werden, die gedankenexperimentell ebenso aus Sicht der LiV ein potentielles Gelingen oder Scheitern von Ausbildungspraxis diskutieren sollen. Das Scheitern wird hier deswegen besonders herausgestellt, nicht um es als Normalfall darzustellen, was es realiter sicher nicht ist, sondern um an späterer Stelle entsprechende Empfehlungen zum Vermeiden bzw. reflexiven Einholen dieses Scheiterns im Ausbildungsprozess geben zu können. 322 8 Ausbildungspraxis: Kontrastiver Fallvergleich und Typenbildung Gestaltung der Ausbildungspraxis Typ Transmission Typ Moderation Positionierung gegenüber LiV und formalen Vorgaben Typ Identifikation gezielte Vermittlung bestimmter Inhalte bei dem gleichzeitigen Wunsch, in interaktiver Beratung an Herausforderungen/ Problemen der LiV zu arbeiten; Fokus eher auf Bewertung; Fokus eher auf Fachwissen/ fachdidaktischen Konzepten; Ausbildungskraft eher Modell für LiV; diffuses Selbstverständnis der Position aufgrund der Spannung zwischen Instruktion und Interaktion; Ausbildungspraxis scheitert, wenn diese Nähe von LiV nicht gewünscht; formale Vorgaben werden ohne Bewertung umgesetzt orientiert sich in der Ausbildung und Beratung an den mitgebrachten Problemen und Krisen der LiV, welche interaktiv ausgehandelt werden; Fokus eher auf Beratung; Fokus eher auf allgemein-pädagogischen Konzepten; Ausbildungspraxis scheitert, wenn LiV Wissensmängel aufweisen, die nicht transmissionsorientiert durch die Ausbildungskraft vermittelt werden können; formale Vorgaben werden unkritisch umgesetzt Typ Distinktion gezielte Vermittlung von Inhalten ohne gezielte Berücksichtigung von Problemstellungen der LiV; Fokus eher auf Beratung, die aber durch die Negierung der LiV-Bedürfnisse zu scheitern droht; inhaltliche Fokussierung diffus; grenzt sich in seiner Feldposition als Ausbildungskraft deutlich von LiV ab, sieht dies aber als „professionelle Haltung“; Ausbildungspraxis scheitert, wenn die Wissensmängel der LiV aufgrund der Abgrenzung durch die Ausbildungskraft von letzterer nicht wahrgenommen bzw. dezidiert aufgegriffen werden; formale Vorgaben werden kritisch umgesetzt lässt LiV ko-konstruktiv untereinander Herausforderungen bearbeiten, ohne dabei wesentlichen Input zu leisten; Fokus eher auf Bewertung, die latent die Gefahr birgt, intransparent zu sein, da die Anforderungen der Ausbildungskraft nicht transparent sind; inhaltliche Fokussierung diffus aufgrund des mangelnden Inputs; diffuses Selbstverständnis zwischen Lehrkraft und Ausbildungskraft; Ausbildungspraxis scheitert, wenn LiV Wissensmängel aufweisen, die nicht durch die Ausbildungskraft erkannt und vermittelt werden können; formale Vorgaben werden eher nicht umgesetzt Tab. 23: Relationale Typenbildung der ausbildungspraktischen Bearbeitung mit abstrahierten Orientierungen. 8.4 Zusammenfassende Betrachtung der relationalen Typenbildung 323 9 Ausbildungsdidaktik: eine Exploration Wissen und Wissensvermittlung spielen in den Ausführungen der Lehrerbildner*innen eine bedeutende Rolle: Zum einen setzen sie Wissen voraus oder legen auf performativer Ebene Wert auf das Zeigen von Wissen und Kompetenz, zum anderen wird im Reden ihrerseits professionelles Wissen offenbar, außerdem setzen einige normativ-formal Wissen gleichsam eines Ausbildungscurriculums voraus (von den verschiedenen Phasen und Institutionen der Lehrerbildung). Die Ausbilderin Stefanie Ferrer stellt die Bedeutung von „Wissen“ für den und im fremdsprachendidaktischen Vorbereitungsdienst - und seine Komplexität - an einer Stelle sehr explizit aus: Was nennen wir Wissen? Bei/ Im Englischunterricht heutzutage. (..) Ist es Wissen über die Sprache? Ist es Wissen über ähm die VIELEN englischsprachigen Länder, die wir haben? Ist es Wissen über die ähm/ (…) Ja vielleicht auch über die Kulturen, die ähm (.) in irgendeiner Weise sich über Mehrsprachigkeit dann auf Englisch einigen? Oder vielleicht auch nicht auf Englisch, ja? Also was sind eigentlich eng/ Ähm oder ist es tatsächlich die Literatur, wie wir sie damals also ähm (…) ja doch sehr stark in unser/ in unserem Studium zum Beispiel noch hatten und ähm/ (..) Also die/ der Streit um die Inhalte ist groß. (.) Und der Streit um den Anteil der Sprachkompetenz noch größer. (…) Was ähm dann dazu führt, dass ähm die Referendare ähm einerseits (.) an ihrer Sprachkompetenz gemessen werden, (.) ja? Nicht nur vom Ausbilder sondern ähm (.) sogar eher noch von den Schülern, den ähm Schulleitern, den Kollegen, ja? Also (.) IM Unterricht selbst. [Stefanie Ferrer (AK 5), Zeilen 111-125] Das Konstrukt Wissen findet sich damit auf mehreren Ebenen wieder. Selbst wenn es für Stefanie Ferrer in diesem Auszug, wie für viele andere Ausbildungskräfte (s. o.), auf Kritik an der Sprachkompetenz der LiV hinausläuft, zeigt sie eine Unterscheidung hinsichtlich der unterrichtlichen Gegenstände, des landeskundlichen Wissens bzw. der Kenntnisse über „Kulturen“, Interaktionskompetenz seitens der Lernenden in mehrsprachigen Kontexten und eben auch der Sprachkompetenz. Nachdem in Kapitel 8 primär der Fokus darauf lag, wie die Fremdsprachen-Lehrerbildner*innen ihre Praxis gestalten, soll im Folgenden - auf einer latent expliziteren Ebene - die Frage geklärt werden, was Ausbildungskräfte in dieser Praxis als inhaltlich relevant herausstellen. Allerdings: Aufgrund der bereits im letzten Kapitel deutlich gewordenen, hoch-reflexiven Aushandlung der je individuellen Praktiken, war mit den vorliegenden Daten keine eindeu- 324 9 Ausbildungsdidaktik: eine Exploration tige Typenbildung möglich. Die Ergebnisdarstellung bleibt daher im Folgenden auf der Ebene einer explorativen Darstellung, zu der ich mich verschiedener Prinzipien bediente: Zuerst suchte ich über eine Heuristik mittels MAXQDA 12 nach bestimmten fremdsprachendidaktisch relevanten Stichwörtern, um Textpassagen über den gesamten Interviewkorpus hinweg zu identifizieren, die möglicherweise relevant sind. Die Gesamtheit der Suchwörter sind Teilbereiche bzw. angenommene Elemente der drei Domänen der Heuristik von Shulman (1986/ 1987) sowie den auch in Kapitel 3 ermittelten Schwerpunkten (vgl. auch Kirchhoff 2016/ 2017, Roters 2017, König et al. 2018): • Fachwissenschaft (z. B. Literatur, Kultur, Lektüre, Gedichte, Landeskunde …), • Fachdidaktik ( Grammatik, Wortschatz, Vokabeln, Kompetenzen, Fertigkeiten, Sprechen, Lesen, Hören, Schreiben …) sowie • Pädagogik ( Unterrichtsstörung, Classroom Management, Differenzierung …). Diese Suche ergab - auch in quantitativer Hinsicht - bereits erste Erkenntnisse: Welche Themen werden scheinbar besonders relevant gesetzt, welche gar nicht? Welche Schwerpunkte werden von welchen Ausbildungskräften vor dem Hintergrund ihrer in Kapitel 8 rekonstruierten Orientierungsrahmen verhandelt? Tabellarische Übersichten mit der Anzahl jeweils relevanter Textstellen bzw. Äußerungen zu den bestimmten Wissensformen werden in den folgenden Unterkapiteln eingangs vorgestellt. Die Anzahl bezeichnet dabei nicht die Nennung einzelner Begriffe, die möglicherweise charakteristisch für einen Schwerpunkt sein könnte, sondern die Zahl der in sich geschlossenen Äußerungen (Erzählungen, Beschreibungen, Bewertungen) zu dem jeweiligen Themenkomplex. Ich greife hier ganz bewusst auf eine gewisse Quantifizierung zurück, auch wenn dies der Dokumentarischen Methode eher fremd ist, um die Schwerpunktsetzung über mein betrachtetes Sample hinweg transparenter zu machen. Im zweiten Schritt wurden die identifizierten Textstellen mit der Dokumentarischen Methode analysiert, um zu rekonstruieren, wie die inhaltlichen Schwerpunkte im praxeologisch-wissenssoziologischen Sinne bearbeitet werden, d. h. wie über sie und ihre Integration in den fremdsprachendidaktischen Vorbereitungsdienst gesprochen wird. Die Schulman’sche Heuristik bildet die drei Tertia comparationis, innerhalb derer im Folgenden die Ergebnisse vorgestellt werden sollen. Der Methodologie der Dokumentarischen Methode folgend ist dabei weniger interessant, welche inhaltlichen Schwerpunkte die Ausbildungskräfte auf explizite Nachfrage nennen, sondern, welche sie im Erzählen oder Beschreiben von Ausbildungssituationen durchblicken lassen - oder eben auch gar nicht wiedergeben. Allerdings: Wegen der oben schon genannten Spezifik der vorliegenden Daten und der von mir angewandten Suchheuristik (mit quantifizierenden An- 9 Ausbildungsdidaktik: eine Exploration 325 teilen) kann im Folgenden nicht von der Rekonstruktion spezifischer Orientierungsrahmen gesprochen werden, welche komparativ klar abgegrenzt eine Typenbildung hervorbringen könnten. Vielmehr sind es situativ-spezifische Schwerpunkte, die von den Ausbilderinnen und Ausbildern kontextbezogen gesetzt werden: 1. Im ersten Schwerpunkt werden speziell Inhalte als Kritik der ersten Phase herausgestellt. Themen und Inhalte werden genannt, um zu zeigen, was den LiV zum qualitativ hochwertigen Ausüben bzw. zum Bestehen des Vorbereitungsdienstes (noch) fehlt. 2. Im zweiten Schwerpunkt werden unmittelbar Inhalte zur Bewertungsgrundlage in Seminarsitzungen und Unterrichtsbesprechungen, aber nur selten als Basis für eine kompetenzorientierte Beratung angesehen. 3. Beim dritten Schwerpunkt dokumentiert sich, dass das Nennen bestimmter Inhalte als identitär-normative Überzeugung charakterisiert werden kann, d. h. in den Ausführungen der Ausbildungskraft stellt sich eine selbstwirksame Überzeugung der methodisch-didaktischen Wissensformate dar. Ausbildungsdidaktische Schwerpunktsetzung Inhalte als Kritik der 1. Phase Inhalte als Bewertungsgrundlage Inhalte als identitär-normative Überzeugung Moritz Wagner (AK 1) Monika Blümke (AK 2) Simone Schmitz (AK 4) Emily Wright (AK 6) Simone Schmitz (AK 4) Stefanie Ferrer (AK 5) Emily Wright (AK 6) Bastian Schmidt (AK 8) Angelika Grebe (AK 9) Regina Meier (AK 10) Robert Siegel (AK 11) Moritz Wagner (AK 1) Jörg Reger (AK 3) Simone Schmitz (AK 4) Stefanie Ferrer (AK 5) Emily Wright (AK 6) Petra Sänger (AK 7) Regina Meier (AK 10) Tab. 24: Schwerpunkte der ausbildungsdidaktischen Bearbeitung. Für die einzelnen Ausbildungskräfte offenbart sich bezüglich der ausbildungsdidaktischen Schwerpunktsetzung jeweils ein dominantes Argumentationsschema, wie im Folgenden auch entlang der Tertia comparationis gezeigt werden soll. Dies bedeutet nicht - im Gegensatz zur ausbildungspraktischen Rekonstruktion -, dass jede Ausbildungskraft eindeutig einem Typ zugeordnet werden kann, weswegen ich diesen Begriff aus der praxeologisch-wissenssoziologischen Methodologie hier bewusst vermeide. Vielmehr tendieren die Ausbilderinnen und Ausbilder fallspezifisch in eine Richtung, können aber auch in Bezug auf be- 326 9 Ausbildungsdidaktik: eine Exploration stimmte Aspekte „Zwitter“ sein (in Tabelle 24 kursiv hervorgehoben), beispielweise aus einer inhaltlichen Schwerpunktsetzung mit der Bewertungsgrundlage für die Leistung der LiV gleichzeitig Kritik an der ersten Phase aufmachen. 9.1 Tertium comparationis „Fachwissen“ Von verschiedenen Ausbildungskräften werden fachwissenschaftliche Schwerpunkte vereinzelt als bedeutende Voraussetzungen für die angehenden Lehrkräfte herausgestellt. Wie aus Tabelle 25 deutlich abzulesen ist und bereits durch die Rekonstruktionen in den Kapiteln 7 und 8 erkennbar wurde, scheint die Bedeutung einer in den Vorbereitungsdienst mitgebrachten Sprachkompetenz sehr wichtig zu sein. Eine mangelhafte Sprachkompetenz wird dabei primär von den Ausbildungskräften romanistischer Fremdsprachen betont, was auch zu der deutlichen Kritik und dem Schreiben eines Briefes an ein Institut für romanische Sprachen führte (vgl. Ausführungen von Moritz Wagner in Kapitel 7.1). Die Notwendigkeit des Beherrschens der Sprache auf einem hohen, adaptiv anpassbaren Niveau dokumentiert sich auf der Ebene des Fachwissens stärker als andere Schwerpunkte wie literatur-, kultur- oder sprachwissenschaftliches Wissen. Inhaltliche Schwerpunkte Äußerungen je Ausbildungskraft 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 ∑ Literatur 2 1 1 1 1 2 1 9 Kultur 1 2 1 1 1 6 Linguistik 1 1 2 Sprachlerntheorien 1 1 Sprachkompetenz 4 1 2 3 2 5 1 1 17 ∑ 6 1 1 2 6 3 7 0 3 3 3 Tab. 25: Übersicht der Äußerungen zum Tertium „Fachwissen“. Und dann haben wir natürlich sehr viele Lehrkräfte, die sich dann über das Englisch der Schüler beschweren. (.) Ja? (.) Und ich frage mich immer, wie kann es sein, dass sich so viele Englischlehrer über das Englisch ähm der Schüler beschweren, ja? Ich lese also Lerngruppenbeschreibungen, ja, (.) da schüttele ähm also ich nur den Kopf und frage mich dann hinterher, welchen Anteil hat eigentlich die Lehrkraft, wenn 9.1 Tertium comparationis „Fachwissen“ 327 ich nach einem dreiviertel Jahr sage „Also ähm ja, die Schüler ähm haben keinerlei Fortschritte gemacht oder sind ähm/ “ Ja? (.) [Stefanie Ferrer (AK 5), Zeilen 312-320] Bemerkenswerterweise stellt keine andere Ausbildungskraft eine derart explizite Verbindung zwischen der eigenen Sprachkompetenz der LiV und den sprachlichen Fertigkeiten (oder ihrer Entwicklung) auf Seiten der Schülerinnen und Schüler heraus. Für Stefanie Ferrer wird damit sprachliche Progression der Lernenden auch zu einem Bewertungsinstrument für die Leistung ihrer Referendarinnen und Referendare, insbesondere in Anbetracht der in ihren Augen vorgeschobenen Feststellung seitens der LiV, dass ihre Lernenden in der Fremdsprache schwach seien. Stefanie Ferrer und andere Ausbildungskräfte setzen insgesamt für ihre angehenden Lehrkräfte eine hohe Sprachkompetenz voraus. In ihren Äußerungen offenbaren sich sowohl Kritik an der 1. Phase als auch an einer Einstellung der LiV, ihre Sprachkompetenz nach einem erfolgreichen Universitätsabschluss nicht weiterentwickeln zu wollen: Da wird immer drauf verwiesen, dass der/ ähm die fachliche Ausbildung komplett von der Universität her geleistet und auch sch/ der Erf/ erfolgreich ab/ Abschluss bestätigt wurde. Das heißt ähm ganz einfach ähm die englische Sprache wird so beherrscht ähm, (…) dass es da ähm gar keine Kritik gibt. Ne? Dass es da auch gar keinen Grund gibt, da irgendwas im Referendariat weiterzuentwickeln, sondern das ist mehr oder weniger DA. [Stefanie Ferrer (AK 5), Zeilen 102-109] Der Hinweis „Da wird immer drauf verwiesen“, der keiner bestimmten Person zugeordnet werden kann, deutet auf eine generische, als Norm wahrgenommene Setzung hin, die strukturell im Lehrerbildungssystem verankert zu sein scheint und dabei von Ausbildungskräften, LiV und anderen Verantwortlichen im System kaum beeinflusst werden kann. Die Muttersprachlerin Emily Wright sieht den Grund für eine grundsätzlich schlechter werdende Sprachkompetenz bereits auf Seiten der Schülerinnen und Schüler, die später einmal Fremdsprachenlehrkräfte werden: Ähm na gut, da ist man dann schon wieder in den Schulen, ne? (lachend) Ist ja alles so ein bisschen ein Kreislauf. Ähm (.) also ich stelle schon in den zehn Jahren fest, (.) an der Name der Schule , dass das/ dass die Schüler, die jetzt raus gehen, etwas sch/ ähm sage ich mal insgesamt schlechter Englisch sprechen als (.) vor zehn Jahren. Nicht/ Nicht massiv, aber ist eine Feststellung, liegt vielleicht an G8. Ähm und dann ist dann halt was, was/ Wenn es so ist, diese G8-Jahrgänge müssen wahrscheinlich von der Uni jetzt aufgegriffen werden, dass sie vielleicht stärker sprachpraktische ähm Aspekte des Studiums/ Ich weiß nicht, wie viel Scheine man hier in Name der Universitätsstadt (.) machen muss. Ähm ich weiß, da ist Übersetzung dabei und/ und Essay Writing 328 9 Ausbildungsdidaktik: eine Exploration und solche Sachen. Ähm (.) vielleicht mehr in Richtung Mündlichkeit (.) ähm dort anstreben. [Emily Wright (AK 6), Zeilen 524-536] Selbst wenn sie keine harten Kriterien anlegt an die von ihr wahrgenommene Verschlechterung der Sprachkompetenz (bzw. insbesondere der Sprechkompetenz), stellt sie eine Verknüpfung dieser mit dem achtjährigen Gymnasium heraus, die sich dann gleichsam spiralförmig im Studium weiter negativ fortsetzt. Der starke Fokus auf schriftsprachliche Kompetenzen erscheint ihr wenig förderlich. Erneut werden im ausbildungspraktischen Sinn hier Referendarinnen und Referendare durchweg in einer biographischen Linie als Lernende konzeptualisiert. Der biographische Schulbezug wird auch von Stefanie Ferrer hergestellt, wenn sie die Sprachkompetenz besonders der seiteneinsteigenden LiV qualitativ abwertet: Und bei den Seiteneinsteigern ist es ganz krass, die kommen mit einer Berufsausbildung, ne, (.) ähm dann nach dem Abitur. Haben teilweise Grundkursenglisch gehabt ähm und ähm werden Englischlehrer. [Stefanie Ferrer (AK 5), Zeilen 345-348] Moritz Wagner stellt Sprachkompetenz - wenn auch sehr explizit - als stark identitär wirksame Notwendigkeit im Fremdsprachenlehrerhandeln dar: Ich sage immer, ich würde ja auch gerne zum Arzt gehen und (lacht) mich darauf verlassen, dass er weiß, was er macht, wenn er da an mir (lachend) rumschneidet. Und genauso müssen Fremdsprachenlehrer auch wissen, was sie machen. Das ist einfach die Sprache. (..) [Moritz Wagner (AK 1), Zeilen 125-130] Auch das Interesse an der zielsprachlichen Kultur stellt er in seinen Ausführungen häufig als Bedingung für ein kompetentes Französischlehrerhandeln voraus, das er jedoch als über einen langen Zeitraum gewachsen ansieht und worauf er selbst als Ausbilder im Referendariat nur wenig Einfluss hat (obwohl er als eine explizite Maßnahme mit seinen LiV-Gruppen Fahrten nach Frankreich unternimmt, bei denen jedoch eher alltagssprachliche Phänomene aufzukommen scheinen; s. Kapitel 7.1). Ein (verpflichtender) Auslandsaufenthalt wird daher von vielen Ausbilderinnen und Ausbildern für die erste Phase als bedeutender Bestandteil im Rahmen ihres Wunschkonzepts der Fremdsprachenlehrerbildung verhandelt - beispielhaft Jörg Reger und Simone Schmitz: Also es gäbe eine Komponente, die ich definitiv verankern würde. Und das ist der Auslandsaufenthalt. Nicht nur für Fremdsprachenlehrer, sondern für alle Lehrer. Ich würde unbedingt verankern, dass man mindestens EIN Semester im Ausland (.) verbringen müsste. [ Jörg Reger (AK 3), Zeilen 521-525] Also ich muss sagen, das Grundproblem ist wirklich, dass die Leute teilweise nicht im Ausland waren. Dass die ähm/ ich merke das im/ ich meine, mein eigenes Englisch/ 9.1 Tertium comparationis „Fachwissen“ 329 das merke ich jetzt auch so/ das wird, wenn man immer nur mit/ mit Siebtklässlern redet, man muss wirklich aufpassen, dass das (lachend) Niveau nicht völlig vor die Hunde geht. Aber in der Flüssigkeit, wie ich spreche, wie ich Alternativen anbieten kann, wie ich ja so den/ den Classroom Discourse gestalte, da merke ich einfach ganz DEUTLICH: Wer war da schon mal im Ausland, wer beherrscht das, wer hat da einfach die/ die Fluency-Basis und (.) wer/ wer schafft das nicht so. Ähm in der Grundschule mag/ mag man das ja noch kompensieren können, aber in der Sek. 1 finde ich das ein echtes Problem, dass der/ äh dass ich of/ dann oft hinten drin sitze und jede Menge Fehler mitschreibe. Finde ich ein Problem. [Simone Schmitz (AK 4), Zeilen 282-295] Für Jörg Reger ist ein Auslandsaufenthalt neben der Erweiterung sprachlicher Fertigkeiten auch Teil der individuellen Persönlichkeitsentwicklung (s. auch Kapitel 7.3), weswegen er ihn auch für alle Lehrkräfte als relevant ansieht. Simone Schmitz stellt in einer berufsbiographischen Bewertung auch ihre eigene Sprachkompetenz heraus, die durch das angepasste sprachliche Schulniveau mittelfristig sinkt und daher ständiger Aktualisierungen bedarf. Wenn fast alle Ausbildungskräfte die Sprachkompetenz ihrer LiV derart kritisieren, ist es interessant zu betrachten, wie dies in der Ausbildungspraxis thematisiert und aufgegriffen wird. Die Französischausbilderin Petra Sänger: Wenn ich dann frage, „ja, gut, Sie haben jetzt ähm Ihren Uniabschluss im November gemacht. Und das Referendariat begann jetzt im Mai. Warum sind Sie denn nicht mal an Assistente oder im Rahmen vom Comenius oder Erasmus Plus ähm nach Frankreich gegangen? “ Ähm dann kommen da s/ ja so/ so ganz oft Antworten, die sich eher nach Ausreden anhören. Aber es wird bereut. Also die sind/ äh sind wirklich häufig ähm einsichtig und sagen „hätte ich das doch gemacht“. [Petra Sänger (AK 7), Zeilen 160-166] Ihre eigene Berufsbiographie (s. o.) zeigt eine flexiblere und offene Überzeugung professioneller Entwicklung, deren Nicht-Vorhandensein seitens der Examensabsolvent*innen sie an dieser Stelle kritisiert. Simone Schmitz bemängelt zu wenige Auslandsaufenthalte im Studium - ähnlich wie Moritz Wagner (s. Kapitel 7.1) - und stellt dies in den Zusammenhang mit Sprachkompetenz: Das/ ganz ehrlich, was sie/ was sie nicht mitbringen/ also ich bin oft erschrocken, wie schlecht das Englisch ist. Die waren/ ich hatte jetzt gerade eine Gruppe gehabt, da war kein EINZIGER mal im Ausland. (.) Die hat/ also die waren dann mal in Ferien in England oder so. (lacht) Ähm das merke ich dann auch in den Sachanalysen, dass ich ähm/ dass es sprachlich ähm (..) hm (.) das ist/ da sind die nicht immer ganz/ ganz sattelfest. [Simone Schmitz (AK 4), Zeilen 266-272] 330 9 Ausbildungsdidaktik: eine Exploration Überraschend ist in der Äußerung der Ausbilderin für Grund-, Haupt- und Realschulenglisch, dass drei Bereiche miteinander verknüpft werden: Während Sprachkompetenz und Auslandsaufenthalt noch naheliegen 121 , wird die Verknüpfung zur Sachanalyse, die die theoretische Relevanz eines bestimmten Stundeninhalts darstellen und diskutieren soll, nicht ganz klar. Scheinbar wird diese allerdings als Indikator für ein Durchdringen des Sprachlichen angesehen, möglicherweise in Form der Darstellung einer didaktischen Reduktion fremdsprachlicher Komplexität. Aufgrund ihrer eigenen sprachlichen Kompetenzen, weiß Emily Wright um ihre eigene Fähigkeit, insbesondere auch Schwächen seitens der LiV unmittelbar erkennen zu können. Nachgefragt im Zusammenhang einer Erzählung zu einem fehlerlastigen Unterrichtsbesuch dazu, wie sie mit den Fehlern in Nachbesprechungen im Anschluss umgeht, antwortet sie: (stöhnt) Ehrlich gestanden, ich habe drei grobe Fehle/ Fehler rausgepickt, die auf den Arbeitsblättern waren und habe die mündlichen Fehler nicht erwähnt. Also es war der erste Unterrichtsbesuch bei L/ bei dieser LiV. Und ähm (.) ja, da habe ich mir einfach zwei, drei Sachen rausgesucht. Wobei innerlich natürlich schon man gerne gesagt hätte, „und das und das und das. Und gehen Sie noch mal ins Ausland! “ [Emily Wright (AK 6), Zeilen 71-77] Die Rücksicht, die sie hier vornimmt aufgrund der Tatsache, dass es der erste Unterrichtsbesuch der LiV ist, ist der Versuch, die LiV nicht bloßzustellen bzw. zu entmutigen. Andererseits betont sie die teils schwerwiegenden sprachlichen Verstöße und von ihren Ausführungen an anderen Stellen im Interview (s. o.) ist davon auszugehen, dass sie im Allgemeinen keine sprachliche Progression im positiven Sinne bei angehenden Lehrkräften im Verlauf des Vorbereitungsdienstes vermutet und beobachtet. Ihre Zurückhaltung, nicht die Empfehlung eines Auslandsaufenthaltes zu geben, lässt sich in einer Lesart als individuell geprägt interpretieren, dass Wright der LiV nicht zu nahe treten möchte. In einer zweiten Lesart könnte es auch als normative Setzung des Systems Vorbereitungsdienst gelesen werden, welches sie in seiner engen Strukturiertheit interpretiert und folglich diesen Rat nicht gibt. Offenbar ist eine solche Öffnung aber möglich, wie durch Robert Siegel deutlich wird, gefragt zu einem Erlebnis in seiner Tätigkeit, das ihm besonders in Erinnerung geblieben ist: Im positiven Sinne, (.) äh, ist mir im Gedächtnis ge/ geblieben, eine Person, die recht schwi/ äh, schwierige Startvoraussetzungen mitbrachte, ähm, weil gewisse fachliche Kompetenzen nicht genügend ausgeprägt waren, obwohl sie ein gutes Examen von 121 Obwohl dieser Zusammenhang nicht eindeutig bestätigt werden konnte: s. Kapitel 3.1.3. 9.1 Tertium comparationis „Fachwissen“ 331 der Universität mitbrachte, (.) und ich diese Lehrperson, diese Lehrkraft im Vorbereitungsdienst, äh, so beraten habe, dass erkannt wurde, „ich baue jetzt meine fachliche, sprachliche Kompetenz auf, indem ich das Referendariat unterbreche, (.) und komme dann wieder zurück, nachdem ich mich sprachlich im Ausland fit gemacht habe“. Und sie kam zurück und landete zufällig in e/ in einer meiner Seminargruppen und hat dann, aufgrund ihrer hervorragenden fachlichen sprachlichen Kompetenzen und der (.) sonstig vorhandenen pädagogischen, didaktischen, äh, methodischen Kompetenzen, ein Examen gemacht mit 1,1. (.) Das war für mich das größte, (.) äh, Erlebnis. [Robert Siegel (AK 11), Zeilen 48-62] Die mit nicht wenig Stolz erzählte Beratungssituation und ihre Folgen spiegeln identitäre Überzeugungen seitens Siegels wider, welche durch ein sehr gutes Examen der LiV bestätigt werden. Und dies, obwohl die eigentliche Leistung seitens der LiV durch sie selbst bewerkstelligt werden musste, der Ausbilder jedoch im sprichwörtlichen Sinn den Stein des Anstoßes geben konnte. Dass es auch anders verlaufen kann, führt Petra Sänger aus: Aber es gibt auch Zwei, Drei, die sind am Ende dann durch/ auch durch die zweite Prüfung gefallen. Weil es einfach (.) eklatant ist, welche Mängel da zum Teil sind. Also die machen dann Fehler bei Arbeitsanweisungen, das ist Niveau zweites Lernjahr. (.) Und sie merken es nicht mal. Und ähm ja, (.) DAS/ das ist auffällig. Und ähm wir haben das auch schon zurückgemeldet. Also (.) es gibt ein Schreiben an die Name der Universität , weil ich das Gefühl habe, dass gerade die Name der Universitätsstadt (.) Studenten da große (.) ähm/ Also viele, häufig Mängel mitbringen. [Petra Sänger (AK 7), Zeilen 119-127] Die massiven sprachlichen Schwierigkeiten (auf dem „Niveau zweites Lernjahr“), die im Laufe des Vorbereitungsdienstes nicht entwickelt werden konnten, führen letztlich zum Nichtbestehen des zweiten Staatsexamens, obwohl in den Augen der Ausbildungskraft - wie auch zahlreichen anderen Ausbildungskräften - eigentlich die Universität die sichere Beherrschung der Sprache zum ersten Staatsexamen bestätigt hatte. Petra Sänger spricht in dem Kontext das Schreiben an die entsprechende Universität an, von dem Moritz Wagner ebenfalls schon erzählt hatte (vgl. Kapitel 7.1). Wie auf Basis der Auszählung eingangs sichtbar wird, spielen andere fachwissenschaftliche Bereiche, die mutmaßlich für Fremdsprachenlehrkräfte bedeutsam sind, keine allzu große Rolle als Ausbildungsinhalte im hier betrachteten Sample. Stefanie Ferrer begründet dies jedoch nicht (nur) damit, dass sie diese Inhaltsvermittlung als genuine Aufgabe der 1. Phase ansieht, sondern auch mit strukturellen Einschränkungen, die sich durch die Modularisierung und Neustrukturierung des hessischen Vorbereitungsdienstes ergeben haben: 332 9 Ausbildungsdidaktik: eine Exploration Wir haben ja jetzt die Modularisierung, ne, die An/ der Anteil der fachdidaktischen ähm (..) ja ähm be/ Teile des Referendariats zurückgegangen. (4) Ganz zu schweigen von FACHLICHEN (lacht leicht) Teilen. (…) Da wird immer drauf verwiesen, dass der/ ähm die fachliche Ausbildung komplett von der Universität her geleistet und auch sch/ der Erf/ erfolgreich ab/ Abschluss bestätigt wurde. [Stefanie Ferrer (AK 5), Zeilen 99-105] Möglicherweise ist jedoch die Betonung bestimmter fachwissenschaftlicher Schwerpunkte - seitens der LiV mitgebracht oder im Vorbereitungsdienst explizit vermittelt - durchaus fachspezifisch: Der Französischunterricht ist schon stärker grammatisch orientiert. Das ist klar. Also die unterrichten/ das bricht so langsam auf, aber es ist logisch, also es werden eher Verben konjugiert. Das ist schon entscheidend und/ Gut im Französischen gibt es natürlich auch eine größere Konjugationsschemata als im Englischen aber das ist im Französischen ganz wichtig/ ähm ich führe zum Beispiel auch nie Verben komplett ein, sondern immer nur die Sachen, die ich jetzt tatsächlich brauche.” [Moritz Wagner, Zeilen 366-374] Moritz Wagner sieht sowohl die Bedeutung grammatischen Wissens seitens der LiV relevant als auch die Fertigkeit, diese didaktisch reduziert und bedarfsorientiert im Unterricht einsetzen zu können. Seine habituell verankerte und von ihm auch erwartete Flexibilität findet hier bezüglich des Unterrichtsgegenstandes seinen Ausdruck. In eine ähnliche Richtung argumentiert ebenfalls Regina Meier, ihres Zeichens auch Französischausbilderin, wenn sie im Hinblick auf die wissensbezogenen Voraussetzungen im Zusammenhang mit ihrem Wunschkonzept der Fremdsprachenlehrerbildung ausführt: Also Fachwissenschaft erstmal. Fachwissenschaft durchdringen und da kann ich ja erst die fachdidaktische Aufbereitung. Auch durch didaktische Reduzierung und so weiter. Also ich/ ich bin schon dafür, dass man natürlich auch Fachdidaktik kennenlernt. Also das/ für das Praktikum ist das sehr wichtig, dass man die Grundsätze kennt von/ von den funktionalen Kompetenzen. Was ist Sprechen? Was ist Mündlichkeit? Was sind Lesestrategien und so weiter? Ich glaube das ist jetzt keine (.) dann ganz große Sache. Aber man muss schon, äh, auch die, äh, Referendare und Referendarinnen dazu bringen/ oder als Studierende, dass sie auch, äh, viel französische Literatur lesen und FRANKREICH nachzuempfinden. Viele haben ja gar keinen Begriff. Also die waren noch nie da, oder haben drei Bücher gelesen, fünf Bücher gelesen im Studium. [Regina Meier (AK 10), Zeilen 545-557] Regina Meier plädiert im ersten Schritt für die fachwissenschaftliche Auseinandersetzung mit fremdsprachlichen Gegenständen im Studium, bevor dann 9.2 Tertium comparationis „Fachdidaktisches Wissen“ 333 allerdings auch fachdidaktisches Basiswissen vermittelt werden soll. Letzteres wertet sie als „keine … große Sache“, stellt dieses Wissen damit implizit als eine Eingangsvoraussetzung von LiV in den Vorbereitungsdienst heraus, womit es für sie auch zur Bewertungsgrundlage wird. Ähnlich wie andere romanistische Ausbildungskräfte gilt für sie eine Identifikationskraft mit Sprache und Kultur zu diesen Grundvoraussetzungen, außerdem die Notwendigkeit, zahlreiche französische Bücher während des Studiums gelesen zu haben. Diese Lektüre scheint sie auch noch ihren LiV nahezulegen und stellt damit eine Verbindung zwischen der Rezeption französischsprachiger Literatur und nötigen Lehrkompetenzen sowie Fachwissen und Sprachkompetenz her, außerdem wird die Kenntnis einschlägiger Werke damit zu einem (zumindest latenten) Bewertungskriterium ihrerseits. Weitere linguistische, literatur- oder kulturwissenschaftliche Konzepte werden, wie durch die Beispiele bereits deutlich wurde, primär im Zusammenhang mit den Wunschkonzepten der Ausbildungskräfte beschrieben bzw. argumentativ bearbeitet und sind damit - neben den hier exemplarisch interpretierten - wenig aufschlussreich für die dokumentarische Analyse. Als sprachtheoretische Grundlage führt z. B. Emily Wright noch aus, dass sie es für wichtig hält, dass die LiV sich darüber bewusst sind, dass sie Sprachlern- und keine Spracherwerbsprozesse initiieren und steuern sollen: Ähm weil es ist nun mal kein/ Wir/ Wir haben ja kein Acquisition, es ist Learning, was wir da machen. Und um zu sehen, wie/ wie fruchtet denn eine bestimmte Arbeit oder die Arbeit einer Kollegin. Also, ne? Ja also mehr hospitieren, f/ ich glaube, es wird nicht mehr hospitiert, nach der Einführungsphase oder sehr selten. [Emily Wright (AK 6), Zeilen 598-602] Sie unterstellt dann gleichzeitig, dass LiV sprachliche Progression nicht als Unterrichtende beobachten können, wenn sie Wert darauf legt, dass im Rahmen ihres Wunschkonzepts die Referendarinnen und Referendare mehr und über einen längeren Zeitraum bei Kolleginnen und Kollegen hospitieren sollen. 9.2 Tertium comparationis „Fachdidaktisches Wissen“ Im Vergleich zum Tertium „Fachwissen“ zeigt sich mit Blick auf das fachdidaktische Wissen ein deutlich breiteres, ausdifferenzierteres Bild von verhandelten Schwerpunkten und Aspekten. Dies mag zum einen wenig überraschen, da die Lehrerbildner*innen für die fachdidaktische Ausbildung qua Amt verantwortlich zeichnen, zum anderen zeigt die quantitative Auswertung von in Interviewverläufen genannten Inhalten, Themen und angenommenen Unterrichts- 334 9 Ausbildungsdidaktik: eine Exploration gegenständen ein sehr heterogenes Bild, was die Verteilung an Schwerpunkten angeht (vgl. Tabelle 26): • Am häufigsten werden die Themen Kompetenzorientierung, die Diagnose sprachlicher Leistungen seitens der Lernenden, Lektüre- und Textarbeit sowie fachspezifische Medien sowie in sprachlicher Hinsicht die Förderung von Sprechen und Schreiben sowie Grammatik- und Wortschatzarbeit genannt. • Selten angesprochen werden die Themen Authentizität, die Problematisierung von Mehrsprachigkeit sowie interkulturellem Lernen und außerschulischen Lernorten, das Vermitteln fremdsprachlicher Lehr- und Lernstrategien sowie die rezeptiven Fertigkeiten Hör- und Leseverstehen. Gar nicht angesprochen wird das Thema Sprachlernkompetenz, obwohl es in den KMK-Bildungsstandards separat als bedeutsam herausgestellt wird (vgl. KMK 2017). • Die Zahl der Nennungen von Themen/ Aspekten je Ausbildungskraft variiert ebenfalls sehr stark: Während Robert Siegel (AK 11), Jörg Reger (AK 3) und Bastian Schmidt (AK 8) sehr wenig konkrete Inhalte im Interviewverlauf nennen, kommt es bei Monika Blümke (AK 2), Petra Sänger (AK 7), Moritz Wagner (AK 1) sowie Emily Wright (AK 6) zu jeweils mehr als 20 Textstellen, in denen inhaltliche Fragen der fremdsprachendidaktischen Ausbildungsgestaltung verhandelt werden. Das Nennen von fachdidaktischen Schwerpunkten und Themen kann dabei von verschiedenen Faktoren abhängig sein: Häufig werden die Themen verhandelt im Zusammenhang mit der Erzählaufforderung, was den Ausbildungskräften besonders in Erinnerung geblieben ist, bzw. wenn sie Abläufe von Seminarsitzungen beschreiben. Im Durchschnitt nennen dann diejenigen Ausbildungskräfte mehr Themen, wenn sie angesichts ihrer Ausbildungspraxis als transmissionsorientiert typisiert werden konnten. Lediglich Moritz Wagner (Typ Moderation/ Distinktion ) sowie Stefanie Ferrer (Typ Moderation/ Identifikation ) fallen aus diesem Schema, was später noch diskutiert werden muss. 9.2 Tertium comparationis „Fachdidaktisches Wissen“ 335 Inhaltliche Schwerpunkte Zahl Äußerungen je Ausbildungskraft 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 ∑ Kommunikativer Fremdsprachenunterricht 1 1 1 1 1 1 1 1 8 Produktorientierung 1 3 1 1 1 7 Aufgabenorientierung 2 1 2 1 1 7 Handlungsorientierung 2 1 1 1 1 6 Authentizität 1 1 Fehler(korrektur) 2 1 3 6 Bildungsstandards und Curricula 1 1 1 1 1 1 1 7 Diagnose sprachl. Leistungen (z. B. GeR) 1 2 1 1 1 2 2 1 11 Kompetenzorientierung 1 6 1 4 2 1 2 17 Kompetenzbereich Sprechen 2 1 1 1 6 3 1 2 1 14 K. Schreiben 1 1 4 2 1 1 10 K. Hören 2 1 2 5 K. Lesen 2 1 1 4 Sprachlernkompetenz 0 Grammatik 5 1 1 3 1 2 13 Wortschatz 2 1 4 1 1 1 10 Fachspezifische Medien (z. B. Lehrwerk) 3 2 1 2 3 1 1 13 Lektüre-/ Textarbeit 2 1 1 1 2 4 1 1 3 16 Mehrsprachigkeit 1 2 1 4 Interkulturelles Lernen 1 2 2 5 Schüleraustausch/ außerschulische Lernorte 1 2 1 1 5 Lehr-/ Lernstrategien 2 1 2 5 ∑ 25 22 5 18 17 29 24 6 12 16 3 Tab. 26: Übersicht der Äußerungen zum Tertium „Fachdidaktisches Wissen“. 336 9 Ausbildungsdidaktik: eine Exploration Ausbilderin Regina Meier hebt im Zusammenhang mit fremdsprachendidaktischen Inhalten hervor, dass LiV die Vermittlung von Methoden aktiv einfordern: Aber sie sagen, „wir können keine Methoden und BRING uns mal Methoden bei.“ (.) Naja. Und, ähm, ich verteile dann Material zu bestimmten THEMEN und so weiter und so fort. Aber ich glaube, ich würde viel stärker so nochmal die/ auf die Bedürfnisse eingehen. (.) Des Alltags. Und das sind solche Dinge wie eine/ eine Unterrichtsreihe. Ne? Also wei/ aber die gibt es natürlich in den Fremdsprachen-Zeitschriften, die ich andauernd lese, aber SIE lesen sie aber nicht mehr. Das sind ganze aufbereitete Unterrichtseinheiten, die man modifizieren kann, die man toll ändern kann. Da kann man Arbeitsblätter, die sind auch zum Kopieren freigegeben und so weiter. [Regina Meier (AK 10), Zeilen 615-625] Als Reaktion auf die Forderung der LiV-Gruppe nutzt die Ausbilderin Material aus fachdidaktischen Zeitschriften. Allerdings scheint tatsächlich keine Methodenvermittlung in einem klassisch-instruktionalen Setting hier stattzufinden, wenn Material zu bestimmten Themen sowie Unterrichtseinheiten ausgeteilt wird. Zudem ist fraglich, ob das „Beibringen“ und Austeilen der Materialien hier wirklich in die Ausbildung eingebunden oder als Selbstlernmaterial den LiV zur Verfügung gestellt wird. Im unterrichtstheoretischen Sinn dokumentiert sich Lehrwerksarbeit, wenn Material kopiert und weitergegeben wird - eine Konstruktion von Unterricht, die die Ausbilderin, gemessen an ihren ausbildungspraktischen Rekonstruktionen, seitens der LiV in Unterrichtsbesuchen kritisieren würde. Ein ähnliches Vorgehen zeigt allerdings ebenfalls Petra Sänger: Also ich habe/ habe so ein paar Lernstationen zu verschiedenen Themen. Interkulturelles Lernen zum Beispiel oder auch ähm Hörtexte im Französischunterricht, wo die dann ihre Laptops mitbringen müssen und ähm/ und selber an verschiedenen Stationen die Materialien ausprobieren. (.) Dann diese ARBEIT in den Kleingruppen. (.) Und ähm (..) ja, wenn ich jetzt zehn Leute habe, dann ähm/ (..) Dann kann man durchaus auch mal so, was weiß ich, ähm ein/ ein/ ein Ka/ Karussell oder irgendwie so was methodisch probieren, um/ um einfach zu zeigen, soundso geht das. [Petra Sänger (AK 7), Zeilen 331-340] Grundlage ihrer Ausbildungsdidaktik sind kanonisierte Themen, die mittels Lernstationen methodisch in den Seminarsitzungen umgesetzt werden. Diese methodische Umsetzung dient offenbar häufiger zur Simulation des Einsatzes der Methoden gleichsam eines Modells für die LiV, wie auch Robert Siegel anhand des Begriffs des „didaktischen Doppeldeckers“ betont (s. Tabelle 27). Petra Sänger diagnostiziert zudem Vorwissen ihrer LiV anhand kanonisierter fremdsprachendidaktischer Schwerpunkte - als Beispiele führt sie interkulturelles Lernen und Hörverstehen auf - die Bedeutung der einzelnen Aspekte scheint 9.2 Tertium comparationis „Fachdidaktisches Wissen“ 337 jedoch hinter der Diagnose und methodischen Vermittlung an sich zurückzustehen. Dies dokumentiert sich analog bei anderen Ausbilderinnen und Ausbildern (s. auch vergleichend in den umfangreichreicheren Falldarstellungen von Moritz Wagner und Monika Blümke), wenn fremdsprachendidaktische Schwerpunkte gleichsam wie in einer Aufzählung lediglich genannt, aber nicht kontextuell eingebunden werden (s. Tabelle 27). Ausbildungskraft Interviewpassagen: Fremdsprachendidaktische Inhalte AK 9 (Englisch): Angelika Grebe Dann auch natürlich Leistungsfeststellung und Leistungsbewertung. Äh, welche Kompetenz/ In welche Kompetenzbereiche frage ich dann ab in der Klassenarbeit? Wie kann ich das machen, wie bespreche ich das mit den Kollegen, wie bewerte ich das dann? Leistungsbewertung insgesamt. Dann auch Classroom Discourse, Einsprachigkeit und so. [Zeilen 368-373] AK 11 (Englisch): Robert Siegel Ähm, das muss man ihnen dann auch klarmachen und dazu gehört natürlich auch Fehleranalysen und Fehlerkorrektur. Das ist jetzt kein didaktisches Prinzip, aber das ist ein Themenbereich, den wir auf jeden Fall auch abstecken. Ja, und der andere Bereich Handlungsorientierung ähm und eben Schülerorientierung, das wird immer wieder auch erprobt im didaktischen Doppeldecker. [Zeilen 173-178] AK 7 (Französisch): Petra Sänger Also die/ die sollen dann erst mal ankreuzen, wie fit sie sich fühlen. Also was Fachdidaktik angeht, Methodik angeht. Ähm auch so Sachen wie Prozessmodell, Bildungsstandards, Kerncurricula, solche Geschichten, also eher diese theoretischen Hintergründe. [Zeilen 229-233] AK 10 (Französisch): Regina Meier B: Wie führe ich, ähm, in den Unterricht hinein? Wie gebe ich Arbeitsaufträge und, ähm, wie strukturiere ich meine/ meine Gesprächsführung? Wie verbalisiere ich mein Vorgehen vor der Klasse? Phasenbezogen. Ähm, das/ das beschäftigt sie sehr, leider kommt das ein bisschen zu kurz. Weil wir diese/ diese Kompetenzbereiche immer (.) ausfüllen müssen und sollen und eigentlich, äh, will ich das auch. Das so zur Mündlichkeit, zum Sprechen und da gehört auch wiederum die Gesprächsführung hinein von Lehrern. Ähm, Lesen, Lesestrategien sehr, sehr häufig, äh, rein genommen, (.) äh, im Sinne von auch, ähm, dass wir zusammen zum Beispiel eine Lektüre lesen, eine Jugendlektüre im Modul. (.) [Zeilen 145-155] Tab. 27: Interviewpassagen mit fremdsprachendidaktischen Inhalten. 338 9 Ausbildungsdidaktik: eine Exploration Häufig wird im Interviewverlauf beispielhaft mittels eines Themenbereichs länger die jeweilige ausbildungsdidaktische Herangehensweise in Seminarsitzungen thematisiert und beschrieben, um dann im Anschluss noch weitere Themen lediglich kurz anzumerken. Am Beispiel der inhaltlich seitens des Bundeslandes gesetzten Kompetenzorientierung führt diese Kanonisierung zu wenig überzeugend vorgetragenen ausbildungsdidaktischen Schwerpunkten: Es gibt ja im/ in den Fremdsprachen viele Kompetenz-Bereiche und diese funktionalen Kompetenzen, Sprechen, Schreiben, Lesen, Hören und Sehen und Hören. Und die (seufzend) werden dann so in/ in/ in den Modulen aufbauend strukturiert, ähm, angeboten. Wir machen so in dem Einführungss/ äh, Semester zum Beispiel das Sprechen im Fremdsprachenunterricht und vertiefen das dann in den Semestern danach durch, äh, sehr viele Praxisbeispiele, Best Practice. Das ist das Allerwichtigste. [Regina Meier (AK 10), Zeilen 87-95] Die inhaltliche Vorgabe wird zunächst normativ-fremdsprachendidaktisch durch „Es gibt ja“ eingeleitet, dann jedoch in seiner strukturell-institutionellen Implementation durch Module abgewertet. Die funktional-sprachliche Kompetenz „Sprechen“ wird durch das Studienseminar bzw. die Grundgesamtheit der Fremdsprachenausbilder*innen („Wir machen“) vorgegeben und entsprechend bearbeitet. Einen möglichen Grund für diese Setzung liefert wiederum Simone Schmitz, wenn sie Mythenbildung rund um die Kompetenzorientierung beschreibt: Also methodisch ist gru/ GANZ grundsätzlich immer: Welche Methode passt zu welchem Fertigkeitsbereich? Ähm (…) Bei den Referendaren ist es in den letzten Jahren so ein bisschen durch die Kompetenzorientierung ähm/ ähm (.) Missverständnis was ähm kommunikative Kompetenz o/ a/ heißt entstanden. Also viele verstehen kommunikative Kompetenz wirklich nur als Sprechleistung. Am liebsten dialogisches Sprechen. [Simone Schmitz (AK 4), Zeilen 117-123] Diese falschen (oder nicht mitgebrachten) Vorstellungen fachdidaktischen Wissens ziehen sich bei Simone Schmitz durch das Interview: Dass da ähm (.) da ist/ ist/ es ist kein/ es ist kein einheitlicher äh Grundstock da, auf dem man aufbauen könnte. Und ich muss sagen: Gerade DIDAKTISCH habe ich das Gefühl, das ist für alle/ alle NEULAND. Wie baue ich eine Unterrichtseinheit auf, wie/ wie phasiere ich den Unterricht? Ähm, ja, Classroom Discourse ist/ da wissen eigentlich äh/ weiß KEINER was drüber. [Simone Schmitz (AK 4), Zeilen 310-315] Und kurz darauf: 9.2 Tertium comparationis „Fachdidaktisches Wissen“ 339 Aber mir fehlt so ein/ so ein einheitlicher Grundstock, auf den man dann echt aufbauen könnte. Ist ja auch nicht weiter tragisch, machen wir ja dann. (lacht) Von daher, ich finde es sehr uneinheitlich, das Bild, was sich so bietet. [Simone Schmitz (AK 4), Zeilen 318-322] Sowie: Also dass/ bin ich auch immer wieder erstaunt, dass es immer noch Studenten/ äh Referendare gibt, die den GER noch nicht kennengelernt haben. [Simone Schmitz (AK 4), Zeilen 348-350] Die Ausbilderin konstruiert sich und ihre Kolleginnen und Kollegen gewissermaßen im Gegenhorizont zu denjenigen der ersten Phase als kompetentere Lehrerbildner*innen, die das relevante Wissen vermitteln. Zum einen stellt sie falsche Vorstellungen richtig (kommunikative Kompetenz), bringt neues Wissen ein (Unterrichtsphasierung, Classroom Discourse, Gemeinsamer Europäischer Referenzrahmen ), kritisiert die geringe Einheitlichkeit an Vorwissen („Grundstock“) ihrer LiV, stellt dann zum anderen jedoch klar, dass dies „nicht weiter tragisch“ sei. Diese Relativierung ist jedoch vor dem Hintergrund der zahlreichen Aspekte, die sich - wie dargestellt - an mehreren Stellen im Interviewverlauf wiederholen, sowie der Tatsache, dass sie sich im letzten Auszug zunächst verspricht und von Studierenden anstatt von LiV spricht, wenig glaubhaft und damit eine deutliche Kritik an der Vorbereitung seitens der Hochschule. Hinsichtlich der sprachlichen Leistungen von Schülerinnen und Schülern eine eher offene, eher relativierende Bedeutung institutionell gesetzter, normativer Anforderungen wie Standards oder Kompetenzen nach dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen zeigt Stefanie Ferrer: Und trotzdem ähm gibt es ähm/ Ja, ist es noch was Besonderes ähm, glaube ich, zum Einen, (…) also Sch/ ähm Lehrkräfte wirklich so weit zu bringen, dass sie Schüler in der Fremdsprache bewegen. Ähm. Zu denen ähm (.) ja soweit zu kommen, wie ähm sie kommen sollen, ja? Wir haben ja jetzt durch den ähm Referenzkram also ganz klar/ ähm was heißt ganz klar, sind sie eben nicht, sondern sie sind (lacht) relativ schwa/ Aber zumindest haben wir Vorgaben, wo es denn hingehen SOLL. [Stefanie Ferrer (AK 5), Zeilen 283-290] Sie wertet die Vorgaben als „Referenzkram“ begrifflich ab, gibt allerdings noch eine qualitative Begründung insofern, als dass die Kriterien und Standards wenig transparent oder eindeutig seien. Sie muss die Vorgaben jedoch nutzen, sie gegenüber den LiV thematisieren und zeigen, „wo es denn hingehen SOLL“, und somit dienen sie als Kriterien für Leistung und Bewertung, sowohl auf Seiten der Lernenden als auch auf Seiten der LiV. Denn: Wie die Ausbilderin einleitend 340 9 Ausbildungsdidaktik: eine Exploration in den Abschnitt darlegt, ist es ihr wichtig zu erkennen, dass Schülerinnen und Schüler einen sprachlichen Fortschritt machen, sich in der Sprache - in der Metaphorik der Ausbilderin - „bewegen“. Um diese sprachliche Beweglichkeit im ganzheitlichen Sinne zu erreichen, werden häufiger die Prinzipien der Kompetenz-, Lerner- oder Handlungsorientierung angesprochen. Als weiteres Beispiel: Wir haben auch in Französisch ein gutes (schmunzelnd) Produkt und wir müssen da Fremdsprachenlehrer auch fit machen, ihren Unterricht so zu verändern, dass Schüler (.) eben (4) auch etwas lernen, aber mehr mit Sprechen lernen und weniger mit diesem grammatikalischen Faktenwissen. Also stärker auf eine Handlungsorientierung raus, als auf ähm (.) na ja, auf ein Pauken, sage ich jetzt mal. [Moritz Wagner (AK 1), Zeilen 405-411] In der ausführlichen Fallrekonstruktion von Monika Blümke (s. Kapitel 7.2) fällt wiederholt „Kompetenzorientierung“ als Thema im Interviewverlauf, jedoch wird es von ihr inhaltlich an den wenigsten Stellen unterfüttert. Das oben letztgenannte Prinzip gilt für sie als selbstverständlich und verortet es als genuines Element des Fremdsprachenunterrichts: Handlungsorientierung ist doch echt ein alter Hut. [Monika Blümke (AK 2), Zeile 347] Im Zusammenhang mit der Vermittlung sprachlicher Strukturen fällt ihre Wertung uneindeutiger aus: Es braucht keinen Grammatikunterricht. (4) Nur in Teilen. [Monika Blümke (AK 2), Zeilen 427-428] Die lange Pause, nach der die absolute Negierung von Grammatikunterricht teilweise widerrufen wird, entspricht dem ausbildungspraktischen Orientierungsrahmen der Lehrerbildnerin. Wie verhandeln andere Ausbildungskräfte die Themen Grammatikvermittlung und Kompetenzorientierung? Tabelle 28 stellt drei Beispielauszüge zusammen und gegenüber. 9.2 Tertium comparationis „Fachdidaktisches Wissen“ 341 Ausbildungskraft Interviewpassagen: Grammatikvs. Kompetenzorientierung AK 6 (Englisch): Emily Wright Also Grammatikunterricht, ich habe jetzt ein paar Grammatikstunden gesehen, die noch sehr klassisch ausgerichtet waren. Was ich prinzipiell nicht (.) verteufle, aber sie waren nicht kommunikativ. Also ich bin ein großer Fan von der/ (.) vom kommunikativen Grammatikunterricht. Eine Einzelstunde, in der nicht gesprochen wird, weil nur if-Sätze ausgefüllt werden oder einzelne Worte gesagt werden, das ähm f/ ist nichts, was ich jetzt unterstützen würde. Also definitiv die kommunikative Grammatik, sagen wir mal fünfte bis siebte Klasse. Ähm (.) ja und dann Grammatikanwendung dann in der Acht bis/ bis zu Elf, dass man tatsächlich dann es auch schafft, wenn mehrere Prinzipien aufeinanderprallen und man einen Text frei erstellen muss. Dass man dort anwendungsbezogen arbeiten kann. Ähm (.) in der Oberstufe ähm sehr stark, was Literatur angeht, (.) ähm problemorientiert. Dass ähm/ Dass das (.) Unterrichtsgespräch (.) zielführend ist (.) und ähm, (.) ja, auch/ auch Ergebnisse bringt und nicht nur so „ach, jetzt hat jeder mal was gesagt dazu und das ist ganz nett“. Ähm sondern schon eine starke inhaltliche Orientierung, auch. Ähm und ein ganz großer Fan von Wortschatzarbeit, auch in der Oberstufe. (.) [AK 6, Zeilen 256-274] AK 7 (Französisch): Petra Sänger Also ich habe/ habe im Moment eine Gymnasialklasse, die muss ich schon mit theoretischen Inhalten quälen, jetzt auch zum Ende der Neun. Die gehen jetzt auf die Oberstufe. Also was jetzt so im Englischen so diese conditional phrases, so/ so ähm Si-Sätze im Französischen/ Das ist/ Das müssen die einfach drauf haben, aber/ ähm sie müssen natürlich auch dieses Schreiben üben. [Zeilen 407-414] AK 4 (Englisch): Simone Schmitz B: (.) ich war gerade letzte Woche bei einer jungen Frau, die das wirklich toll macht, aber die dann in der dritten Klasse, die gerade angefangen hatten, Englisch zu lernen, anhand von Weihnachten „there is“ und „there are“ als Struktur einführen wollte und damit grandios auf die Nase gefallen ist. Ähm, weil sie einfach so von Inhalten aus gedacht hat. Und das ist so ein zentrales Thema immer wieder: WEG von den Inhalten hin zu Kompetenzorientierung. Und ich war eigentlich sehr dankbar für diesen Fehler, weil / (.) weil das so/ so ein Klassiker war, wo ich ihr dann wirklich/ wir endlich noch mal erarbeiten konnten: was passiert, wenn ich von Inhalten ausgehe und nicht davon, was die Kinder am Schluss können sollen? Dass man dann äh praktisch scheitern kann. [Zeilen 51-61] Tab. 28: Interviewpassagen mit Schwerpunkten zu Grammatikvermittlung und Kompetenzorientierung. 342 9 Ausbildungsdidaktik: eine Exploration Die drei Beispiele blicken aus unterschiedlichen Perspektiven auf die beiden Aspekte Grammatik- und Kompetenzorientierung: Wright verortet ihr Konzept einer kommunikativen Grammatik (und zwar eher in der Unterstufe), Sänger beschreibt ihre Grammatikvermittlung in einer eigenen Gymnasialklasse und Schmitz führt das Beispiel einer Referendarin an, bei der im Grundschulbereich die Vermittlung einer sprachlichen Struktur misslingt. Petra Sänger stellt die Bedeutung expliziten Grammatik- und Regelwissens als wichtige Voraussetzung für den Übertritt der Lernenden in die Oberstufe voraus. In ähnlicher Weise hat Moritz Wagner die explizite Grammatikvermittlung im Französischunterricht als relevanter angesehen als in anderen Fächern (vgl. Kapitel 9.1). Hier scheint also unter Umständen eine gewisse (angenommene) Fachspezifik vorzuliegen und ausbildungsdidaktisch zu greifen. Emily Wright trifft eine Unterscheidung der Schwerpunkte hinsichtlich Unter-, Mittel- und Oberstufe: In den ersten Lernjahren hält sie eine kommunikative Grammatik für notwendig, die sich in ihren Augen dadurch auszeichnet, dass nicht isolierte Strukturen oder Regeln geübt werden, sondern dadurch, dass diese mittels der funktional-sprachlichen Kompetenz „Sprechen“ kommunikativ werden. Dieser Schwerpunkt scheint sich dann zur Mittelstufe hin zu verschieben, in der es ihr um „Grammatikanwendung“ geht, im Vergleich mit der kommunikativen Grammatik stärker regelorientiert (ähnlich der Ausführungen von Petra Sänger zu ihrer Gymnasialklasse). Unklar ist, ob nicht auch Wrights Konzept kommunikativer Grammatik der Unterstufe ein entsprechendes Anwendungsziel hat bzw. haben muss. Möglicherweise - und das ist nur eine Lesart - verbirgt sich hier implizit eine lerntheoretisch-behavioristische Überzeugung 122 , die im Anfangsunterricht primär auf geschlossene oder halb-offene Aufgabenformate (pattern drills, cloze activities) fokussiert. In der Oberstufe treten schließlich an die Stelle der Grammatik die Arbeit mit Literatur, problemorientiertes Lernen sowie Wortschatzarbeit. Die Vermittlung grammatischen Wissens scheint damit nach der Mittelstufe abgeschlossen zu sein, in sprachlicher Hinsicht tritt stattdessen die Vermittlung themenspezifischer Lexik in den Vordergrund. Die jeweiligen fremdsprachendidaktischen Schwerpunkte werden für Emily Wright zur Bewertungsgrundlage ihrer Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst, d. h. sie erwartet die Umsetzung dieser in Unterrichtsbesuchen. Von einem Unterrichtsbesuch in der Grundschule erzählt zuletzt Simone Schmitz, kontextuell eingebunden im Anschluss an die Interviewerfrage nach einem Ereignis, das ihr besonders in Erinnerung geblieben ist. Sie beginnt mit 122 An einer anderen Stelle im Interview sagt Emily Wright: „Ich wäre eigentlich ein Fan vom Sprachlabor, (.) ähm im weiteren Sinne.“ [Zeilen 341-342] Hierdurch lässt sich ein behavioristisches Verständnis von Lernen rekonstruieren. 9.2 Tertium comparationis „Fachdidaktisches Wissen“ 343 der Erzählung einer LiV in der dritten Klasse, die eine sprachliche Struktur einführen möchte, wechselt dann jedoch schnell in die reflexiv-beschreibende Textsorte, um zu betonen, dass ihr Kompetenzorientierung wichtig sei. Warum die Stunde in den Augen der Ausbilderin misslang, wird nicht thematisiert, obwohl theoretisch eine sprachkompetente Zielsetzung - das Beherrschen der Formen „there is“/ „there are“ - seitens der LiV scheinbar gesetzt war. Es dokumentiert sich, dass hier - ähnlich wie in den obigen Beispielen - eine bestimmte Überzeugung von Unterricht seitens der Ausbildungskraft vorliegt, als Maßstab von der Ausbildungskraft gesetzt wird und sich dann zwingend im Unterricht zeigen muss. Die im Gegenhorizont „falsche“ Vorgehensweise wird als nicht erstrebenswerter „Klassiker“ bezeichnet, für den sie „dankbar“ sei, da durch das Scheitern des Ansatzes die normative Setzung seitens der Ausbilderin ihre Rechtfertigung findet. Innerhalb des Tertiums „Fachdidaktisches Wissen“ sollen abschließend noch beispielhaft die Äußerungen von Stefanie Ferrer zum - den fremdsprachendidaktisch-methodischen Diskurs weiterhin dominierenden - Prinzip der (Lern-) Aufgabenorientierung eingegangen werden. Von anderen Ausbildungskräften wird dieses Prinzip innerhalb des Kontexts der Unterrichtsplanung oder Kompetenzorientierung verhandelt, Ferrer greift es auf, als sie von der Überlastung der Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst spricht: Ja. Und das ist im Grunde genommen ähm/ (..) führt fast zur Überbelastung oder Überforderung der Referendare. (.) Weil eine komplexe Lernaufgabe ist immer eine Unterrichtsreihe, ja? Vorher war es so, die Unterrichtsreihe war das ähm/ Also stand am Ende mit der Examensreihe, ja? Und man konnte schrittweise sich ähm weiter (.) entwickeln, ja? (..) Heute ist es eine Mogelpackung, ja? Diese kleine Einheit, die am Ende st/ am Anfang steht, drei Seiten Entwurf reichen, ne? Und ähm auch fünf/ ja, ist/ ja? (.) Ähm. (.) Bedeutet nichts anderes als ich muss aus dieser ganz großen Lernaufgabe im Grunde genommen auf das kleine zurück (.) fokussieren. Und da trennen sich halt jetzt auch die Geister ähm bei den Referendaren. Da kann man ganz klar erkennen, das ist natürlich jetzt ähm dann/ da muss man vorsichtig sein oder, das ist unter Problem bei der Bewertung dann letztlich auch, (.) es gibt Referendare, die schaffen das genial, ja? Die denken also Unterricht permanent in komplexen Lernaufgaben. Da steht am Ende ein Lernprodukt, da wird die Stunde, die gezeigt wird, ne, ganz klar also ähm mit dem didaktischen Kern herausgearbeitet. Da wird die ähm/ isa/ (.) Ist der rote Faden für die Stunde da, für die Reihe. (.) Also das ähm/ (.) Also da erstarre ich vor Ehrfurcht. Muss ich wirklich sagen. (..) [Stefanie Ferrer (AK 5), Zeilen 438-456] Die Ausführungen Ferrers offenbaren ein innerhalb des Vorbereitungsdienstes normativ gesetztes, höchst anspruchsvolles Konzept von Lernaufgaben, die in ihren Augen „immer eine Unterrichtsreihe“ darstellen. Die fremdsprachendi- 344 9 Ausbildungsdidaktik: eine Exploration daktische Literatur diskutiert jedoch ebenso zahlreiche Lernaufgabenbeispiele, die auf der Ebene einer Einzel- oder Doppelstunde produkt- und kompetenzorientiert angelegt werden können. Die Konzeptualisierung von Lernaufgaben als komplexe Unterrichtseinheiten und zahlreichen vorgeschalteten Aktivitäten, die dem Kompetenzzuwachs sowie der Vorbereitung eines Lernendenprodukts dienen sollen, überfordert LiV insbesondere dann, wenn ein Unterrichtsbesuch innerhalb dieser Einheit möglichst noch den Ansprüchen der Ausbildungskraft genügen soll, bestimmte Arbeits- und Interaktionsprozesse zu sehen. An dieser Fokussierung, die Ferrer beschreibt, scheitern zahlreiche Referendarinnen und Referendare, andere wiederum scheinen das Prinzip durchaus verinnerlicht zu haben und offenbaren Lernaufgabenorientierung auch anhand von Einzelstunden. Im Gegenhorizont stellt sie noch einmal die LiV heraus, die dies nicht bewerkstelligen können, und nennt auch ihre subjektiv wahrgenommenen Gründe hierfür: Und es gibt welche, die eben genau anders rum planen, ja? Die von der ähm/ Für die ist wirklich schon die Planung einer Stunde, (…) ja, (.) ne/ so eine hohe/ (.) ja, so ein Hindernis oder so eine hohe Herausforderung, dass ähm sie ähm es kaum schaffen, bis zum Termin X zum Beispiel nur diese kleine Stunde herauszugreifen. (..) Und die müssen ja zumindest so tun als hätten sie das große Ganze im Blick gehabt, ja? (.) Das ist dann ni/ ähm eben nicht immer so schlüssig. (…) Oder sie müssen es halt rausnehmen, ne? Und müssen dann halt sich beschränken, was natürlich dann ähm im Grunde genommen unseren Lei/ unseren Leistungsanforderungen, ja, egal ob Prozessmodell oder komplexe Lernaufgabe, nicht gerecht wird. [Stefanie Ferrer (AK 5), Zeilen 457-467] Die genannten Gründe der Ausbildungskraft für das Scheitern an Lernaufgaben sind primär unterrichtsplanerische, d. h. Einzelstunden können nicht „herausgegriffen“ bzw. schlüssig kontextuell eingebettet werden, was dazu führt, dass LiV in Unterrichtsentwürfen und -nachbesprechungen den umfassenden Blick für die komplexe Lernaufgabe vorspielen müssen („die müssen ja zumindest so tun“). Erneut hebt sie die normative Mächtigkeit des Konzepts der Lernaufgabenorientierung als Grundlage für Leistungsbewertung der LiV hervor („unseren Leistungsanforderungen … nicht gerecht wird“), die (offensichtlich) in der Praxis nicht selten scheitert - und damit auch von ihr implizit kritisiert wird. 9.3 Tertium comparationis „Allgemeinpädagogisches Wissen“ 345 9.3 Tertium comparationis „Allgemeinpädagogisches Wissen“ Angesichts des allgemeinpädagogischen Wissens zeigt sich nach der Auswertung der häufigsten Textstellen, in denen allgemeinpädagogische Aspekte verhandelt werden (s. Tabelle 29), dass - kaum überraschend - der Bereich der Unterrichtsplanung 123 überwiegt, stellt er doch vor allem von Seiten der LiV und im Angesicht von Unterrichtsbesuchen den drängendsten Beratungsbedarf dar. Am zweithäufigsten werden Maßnahmen oder Ansätze genannt, um Heterogenität im Unterricht z. B. mittels Differenzierung oder Individualisierung zu begegnen. Alle weiteren Aspekte sind eher vernachlässigbar - oder werden vernachlässigt, wie sich zeigen wird -, auch die Aufteilung von allgemeinpädagogischen Themen auf die Ausbildungskräfte ist relativ ausgeglichen bis möglicherweise auf die Tatsache, dass besonders Jörg Reger (AK 3) sowie Angelika Grebe (AK 9), beide bezüglich ihrer Ausbildungspraxis dem Typus „Distinktion“ zuzuordnen, insgesamt kaum allgemeinpädagogische Aspekte in den Interviews herausgestellt haben. Inhaltliche Schwerpunkte Zahl der Äußerungen je Ausbildungskraft 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 ∑ Unterrichtsplanung 2 2 2 2 4 2 1 1 16 Transparenz 1 1 Sozialformen 1 1 1 1 1 5 Motivation 2 2 4 Classroom Management 2 2 2 6 Differenzierung und Heterogenität 1 1 1 2 1 1 2 1 10 Leistungsbewertung 1 1 Elternarbeit 1 1 ∑ 6 4 2 3 3 5 7 3 1 6 4 Tab. 29: Übersicht der Äußerungen zum Tertium „Allgemeinpädagogisches Wissen“. 123 Im Vergleich zum gerade noch aufgeführten Prinzip der Aufgabenorientierung, das auch im planungstheoretischen Sinne genutzt werden kann, sind die hier genannten Aspekte von Unterrichtsplanung generischer, d. h. im Wesentlichen dann nicht fremdsprachenunterrichtsspezifischer Natur. 346 9 Ausbildungsdidaktik: eine Exploration Als in der Verantwortung für die fachdidaktische Ausbildung und Modulgestaltung stehende Lehrerbildner*innen wird an mehreren Stellen deutlich, dass Ausbildungskräfte sich auf die Arbeit der Kolleginnen und Kollegen in den allgemeinpädagogischen Modulen verlassen: Aber die anderen, äh, so/ so sagen wir mal die PÄDAGOGISCHEN Probleme, wie Unterrichtsstörungen oder andere Dinge, die werden ja in anderen Modulen, wie Erziehen, Beraten, Betreuen und so weiter dann auch, äh, mit, ja, hinein gebracht in die/ in den Wissensstand der LiV. Sodass ich das nicht so häufig mehr mache. (Regina Meier (AK 10), Zeilen 129-133) Regina Meier, die mit Blick auf ihre Ausbildungspraxis eine distinktive Transmissionsorientierung zeigt, macht hiermit kenntlich, dass sie ganz bewusst keine allgemeinpädagogischen Fragestellungen in ihrer Beratung als relevant ansieht. Für sie steht die fremdsprachendidaktische Ausbildung im Vordergrund, pädagogische „Probleme“ sind für sie „nicht so häufig mehr“ wichtig. Implizit dokumentiert sich eine Abwertung bzw. zumindest eine relativierende Setzung allgemeinpädagogischer Fragestellungen, wenn Meier einerseits das Themenfeld an sich einleitend sehr stark betont, andererseits neben „Unterrichtsstörungen“ lediglich „oder andere Dinge“ generalisierend aufführt, welche - im gleichen Modus beschrieben - in einem bestimmten Modul und „in anderen Modulen“ stattfinden. Auch Jörg Reger thematisiert keine allgemeinpädagogischen Fragestellungen: In/ bei Referendaren, die/ (..) die eher (.) ähm fachlich top/ gibt es ja auch, fachlich top, aber halt wenig Kontakt zur Lerngruppe, wenig Bezug eigentlich auch nicht/ man/ man sieht auch, also sie sehen auch nicht, was ein/ was so in der Klasse passiert. (..) Das ist/ das ist deutlich schwieriger. Da sage ich auch ganz offen und ehrlich: „Habe ich keine Expertise.“ Da kann ich nicht auf Konzepte zurückgreifen. Das ist dann/ (.) sind persönliche Konzepte, die man dann anbringt. Da bin ich dann sehr froh um Kollegen aus dem allgemeinpädagogischen Bereich sind die auch dort (lachend) mehr Expertise an als ich. [Jörg Reger (AK 3), Zeilen 283-292] In der ausführlichen Fallanalyse (s. Kapitel 7.3) ist bereits deutlich geworden, dass persönlichkeitsrelevante Aspekte, die auch auf Basis von Lehrkraft-Lernenden-Interaktionen häufig in allgemeinpädagogische Fragestellungen münden, für die Ausbildungskraft nicht einfach bearbeitbar scheinen. Beispielhaft führt er beschreibend LiV auf, die viel Fachwissen mitbringen, in Interaktionen und auf der Beziehungsebene zu Schülerinnen und Schülern aber offensichtlich Schwierigkeiten haben. Wie Regina Meier empfiehlt er dann allgemeinpädagogische Ausbildungskräfte (wobei Meier unpersönlich auf Module verweist), da „persönliche Konzepte“ seinerseits an der Stelle offenbar nicht ausreichen. Dass 9.3 Tertium comparationis „Allgemeinpädagogisches Wissen“ 347 Referendarinnen und Referendare gerade an der pädagogischen Beziehungsebene bemessen und kategorisiert werden nach „erfolgreicher Beziehungsarbeit mit Lernenden“ oder „schwacher Beziehungsarbeit“ zeigen die folgenden beiden Auszüge von Bastian Schmidt: Äh, besonders, dass, (.) mhm, also, (..) mhm/ äh/ äh/ was ich immer WIEDER beobachte, ist, dass die Referendare eine/ eine relativ ähm (…) schnell eine NÄHE zu den Schülern SCHAFFEN. Dass/ dass sie eigentlich ganz gut BEGEISTERN können. Also viele, auch wieder nicht alle, aber das schaffen doch viele. [Bastian Schmidt (AK 8), Zeilen 71-74] Äh, äh, was (.) mir dann im/ im Negativen immer besonders auffällt, ist, wenn es/ wenn das Schülern NICHT, oder äh Referendaren nicht gelingt, be/ und die/ (…) die es NICHT schaffen, eine Beziehung aufzubauen und Dinge mit den Schülern machen, die (.) für die Schüler keinen Sinn machen, aber, naja, für mich als Auß/ Außenstehenden dann auch nicht, ne. [Bastian Schmidt (AK 8), Zeilen 76-81] Im Vergleich der beiden Beschreibungen wird zuvorderst rekonstruierbar, dass es in den Augen Schmidts eine Schere zwischen diesen beiden LiV-Kategorien zu geben scheint. Allerdings fällt auf, dass die positiv konnotierte Beziehungsarbeit im ersten Auszug durch Attribute und Adverbien („eigentlich“, „ganz gut“, „doch“) abgeschwächt wird. Bastian Schmidt stellt die Beziehungsarbeit im zweiten Auszug unmittelbar in die Nähe einer didaktisch-methodischen Vorgehensweise im Unterricht, die von Seiten der Lernenden nicht verstanden wird. Erfolgreiche Beziehungsarbeit ist damit eine Voraussetzung für Lernen, die für ihn als „Außenstehenden“ beobachtbar wird. Eine frühe Charakterisierung von LiV in gute/ schlechte Pädagog*innen in interaktionaler/ zwischenmenschlicher Hinsicht wird folglich mit mitgebrachten Eigenschaften in Verbindung gebracht. Diese sind allerdings weniger zu verstehen als Kritik an der ersten Phase, in der die Qualifizierung „Beziehungsarbeit“ vermisst wird, sondern sie werden eher als angeborene, menschliche Qualitäten beschrieben. Im Vergleich von Grundschul- und Sekundarstufenlehrkräften führt Schmidt aus, es sei weniger die Frage einer fachlichen Voraussetzung als eher eine der Beziehungsarbeit: Äh, mhm, weniger fachlich, sondern eher einfach im/ im Umgang mit den Schülern. Also, (..) ähm, ein, ja, 13-, 14-, 15-Jähriger, ähm, (..) mit dem geht man anders um als mit einem 7-, 8-, 9-Jährigen. (.) Und, JA, von der/ von der, (4) ja, ich glaube durchaus es gibt Menschen, die vielleicht lieber oder eher geeignet sind, (.) mit jüngeren Schülern umzugehen. (.) Ist ja auch so ein bisschen, was/ was WILL ich denn eigentlich, ne. Manche/ manche lehnen das ja auch AB und sagen, okay, ich/ ich möchte mich nicht mit Pubertierenden auseinandersetzen. Gut, kann man/ kann man vielleicht auch sogar VERSTEHEN manchmal (lacht). Aber, ja, dann/ dann ist das natürlich die absolut 348 9 Ausbildungsdidaktik: eine Exploration richtige Entscheidung, zu (lachend) sagen, das MACHE ich dann auch nicht, / / ne./ / [Bastian Schmidt (AK 8), Zeilen 218-229] Emily Wright bestätigt an einer Stelle die potentiell herausfordernde Beziehungsarbeit mit Schülerinnen und Schülern der Sekundarstufe 1 und wie sie aus Sicht einer deutschen Lehrkraft damit umgehen würde: Wenn ich jetzt von einer Vorbereitung ausgehe oder mir vorstelle, wie es ist, als deutscher Englischlehrer ran zu gehen, ähm ist sicherlich die Sek 1/ Da wird es/ gibt es ja viel im Angebot, viele Lehrerhefte, viele Handreichungen. Ähm da kann ich mich ja an was festhalten. Ähm da sind die Probleme tatsächlich dann eher die allgemeinpädagogischen. Wie gehe ich mit einer SCHWIERIGEN, in Anführungsstrichen, schwierigen neunten Klasse um? Oder ähm (.) so was, ne? [Emily Wright (AK 6), Zeilen 219-226] Die Ausbilderin betont die primär allgemeinpädagogischen Fragestellungen und zeigt auf, dass sie sich als Ausbilderin für diese weniger verantwortlich fühlt. Sie gibt diese Verantwortung jedoch nicht ab oder sieht sie anderweitig im Vorbereitungsdienst verortet, sondern hält Lehrerhandreichungen und -ratgeber hier für hilfreich, was die Unterrichtsvorbereitung sowie Aspekte wie Classroom management und Beziehungsarbeit angeht. Die Tatsache, dass sie vor dem Hintergrund ihrer sprachlichen Fähigkeiten einleitend einen Perspektivwechsel explizit unterstreicht, betont an dieser Stelle erneut, dass ihr die Sprachkompetenz weitaus wichtiger ist als alle weiteren Kompetenzen ihrer angehenden Lehrkräfte. Die Ausbilderinnen Monika Blümke und Simone Schmitz (beide transmissionsorientiert) sehen in Beziehungsarbeit - in ihren Ausführungen insbesondere bezogen zudem auf die Elternarbeit - große Schwierigkeiten, charakterisieren die Schulung im Umgang damit allerdings latent außerhalb ihres Verantwortungsbereiches und stärker in der Zuständigkeit der angehenden Lehrkräfte, an diesen Fertigkeiten zu arbeiten: Und die haben dann auch so Probleme mit Kindern, mit Eltern, sehen sich oft in einer Rolle, in der sie begründen müssen, warum sie so, oder so vorgehen, können das aber nicht, weil ihre eigene/ (.) ihr eigenes Wissen nicht so gefestigt ist, dass sie das aus/ von der Didaktik her begründen können, warum sie so, oder so vorgehen. [Monika Blümke (AK 2), Zeilen 95-99] Dickes Fell heißt, ja, das ist Professionalität. Ähm ich schaue mir Situationen an und/ und nehme meine Gefühle vielleicht auch wahr aber lasse mich davon nicht bestimmen. Also so gerade Eltern können ja extrem übergriffig sein und dass ich das auch ein Stück weit analysieren kann. Und dass ähm ja dickes Fell ist vielleicht der Oberbegriff dafür, dass ich (.) weiß auch wann/ (atmet laut) wem das Problem gehört und dass ich das/ also ich habe gerade einen Fall von einem Referendar, der ist über Facebook 9.3 Tertium comparationis „Allgemeinpädagogisches Wissen“ 349 gemobbt worden von Eltern da im/ im Name des Schulortes . Die sind/ die sind wirklich ähm (.) ja (atmet aus) also die sind wirklich ABSOLUT übergriffig. Da/ da braucht man/ muss man ja auch ein dickes Fell und die Haltung: Das ist nicht mein Problem, sondern das von den Eltern. Das fällt natürlich den jungen Leuten noch EXTREM schwer. [Simone Schmitz (AK 4), Zeilen 173-185] Monika Blümke setzt mangelndes Wissen in Beziehung dazu, dass LiV Schwierigkeiten mit Schüler*innen und Eltern haben. Wäre dieses Beratungswissen vorhanden, könnten LiV nach Einschätzung der Ausbilderin ihre Arbeit und Vorgehensweisen professionell begründen und würden nicht in Konflikte mit Lernenden und Eltern geraten. Anders begründet Simone Schmitz die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Umgang mit Schwierigkeiten: Am Beispiel des Mobbings einer LiV durch Eltern verurteilt sie das Vorgehen letzterer, stellt gleichzeitig jedoch ebenso die Notwendigkeit eines „dicken Fells und Haltung“ seitens der LiV heraus, welches nötig sei, um als professionelle Lehrkraft mit diesen Vorkommnissen umzugehen. Im Gegensatz zu den vorher herausgearbeiteten Beispielen zur Beziehungsarbeit ist diese Haltung jedoch etwas, das sich in Schmitz‘ Wahrnehmung mit der Zeit entwickeln kann, was durch ihre Konklusion deutlich wird. Damit betont sie jedoch auch, dass ihrer Beratungstätigkeit an der Stelle Grenzen aufgestellt sind, wenn sich eine derartige professionelle Haltung primär aus Erfahrung und wachsender Berufspraxis speist. Neben diesem größeren Bereich der Beziehungsarbeit werden andere allgemeinpädagogische Themen - wie oben durch die Auszählung auf Basis des Interviewmaterials verdeutlicht - selten spezifischer von Seiten der Ausbildungskräfte genannt. Allerdings wird wiederholt ersichtlich - wie auch in den eben diskutierten Beispielen -, dass sehr früh bestimmte Bewertungen und Einschätzungen über LiV hinsichtlich verschiedener Kategorien vorgenommen werden. Diese sind dann auch zu Beginn eher allgemeinpädagogischer Natur, was beispielhaft von Ausbilderin Angelika Grebe ausgeführt wird: / / Ja, wenn/ / das so ist, dann würde man das natürlich zuerst besprechen auch. Also wenn das jetzt im Unterrichtsbesuch so wäre, dass man/ also, dass der Unterricht jetzt so wäre, dass man sagen würde, „ähm, also wir müssen erstmal über grundsätzliche Dinge sprechen“, und dass sie erst mal/ dass die LiV erst mal sagt, was/ was ihr jetzt gut gelungen ist und, dass man dann noch bestimmte Dinge bespricht, das kann/ das kommt auch vor, dass man GAR nicht auf das Fach kommt jetzt beim ersten UB zum Beispiel, ne, weil da ganz andere (.) Schwierigkeiten vielleicht jetzt noch vorliegen, oder ähm, (.) JA allgemeinpädagogische Dinge eben, die noch nicht so/ also die noch nicht so präsent sind bei der/ bei der LiV. Dann müss/ DANN würde man das natürlich besprechen, ne. [Angelika Grebe (AK 9), Zeilen 323-334] 350 9 Ausbildungsdidaktik: eine Exploration Sofern also aus allgemeinpädagogischer Perspektive im ersten Unterrichtsbesuch Probleme offenbar werden, spricht die Ausbilderin diese an und geht offenbar auf fachliche Aspekte der Stunde gar nicht mehr im Rahmen dieses ersten Beratungsgespräches ein. Der Grund hierfür ist entweder - in einer Leseart -, dass die Probleme quantitativ überwiegen oder - in einer zweiten Lesart - einmalig zu Beginn angesprochen werden (und als Unterrichtsbesuch damit auch in die Bewertung eingehen), alle weiteren Unterrichtsbesuche dann jedoch fachlich orientiert beraten (und bewertet) werden. Das von ihr dargestellte Vorgehen beschreibt sie entlang einer normativen Setzung, was durch die häufige Verwendung unpersönlicher Pronomen verdeutlicht wird. Die Ausbildungskraft geht entsprechend davon aus, dass dieses Vorgehen das nötige und richtige ist. Ihre distinktiv-konstruktivistisch/ moderierend orientierte Ausbildungspraxis schließt sich dann diesem ersten Unterrichtsbesuch erst an. Regina Meier formuliert stärker entlang einer eigenen Identitätsnorm den Wunsch, dass Lehrkräfte Schülerinnen und Schüler stärker zu selbständigem Lernen befähigen: Ja, dann kommt es mir natürlich schon drauf an, dass man/ also im Unterricht, äh, genügend, ähm, (..) ja, genügend, ähm, Raum bietet zum selbstständigen Lernen. Also dass man da die Dominanz auch zurücknimmt. Dass man sich ein bisschen/ dass man sich, ähm/ dass man den Schülern RAUM gibt zum selbstständigen - was hatte ich vorhin schon gesagt? - Erarbeiten von Themen. Dass man ihnen nicht zu viel vorgibt und, ähm, und auch zu viel unterstützt, ohne dass die Schüler unterstützt, ohne dass die Schüler unterstützt werden wollen. Also das gehört dann schon so/ so mit in diesen Dunstkreis. Rolle wahrnehmen und von da aus ausstrahlend Unterricht, ähm, zu entwerfen der/ den Wünschen und Bedürfnissen entgegen kommt. [Regina Meier (AK 10), Zeilen 285-296] Das selbständige Arbeiten soll metaphorisch durch das Ermöglichen und Erlassen von (Lern-)Räumen gefördert werden. Die Rolle der Lehrkraft sieht die Ausbilderin als Schaffende dieses Settings, das in Form offenen Unterrichts konzipiert wird. In einen Widerspruch gerät die Darstellung - auch vor dem Hintergrund der oben rekonstruierten Transmissionsorientierung der Ausbilderin - wenn die Lehrkraft in ihrer Rolle gleichzeitig „ausstrahlen“ soll, sich aber auch im gleichen Zuge hinsichtlich von Interaktionsprozession mit den Lernenden zurückziehen soll. Die allgemeinpädagogische Überzeugung von (offenem) Unterricht, die von den LiV damit in Unterrichtsbesuchen erwartet wird, bricht hier mit der eigenen Ausbildungspraxis in Seminarsitzungen und Beratungssituationen, wenn die Ausbilderin andere methodisch-didaktische Settings erwartet, als sie selbst den als Lernenden konstruierten Referendarinnen und Referendaren vorgibt. 9.4 Zusammenfassende Betrachtung der ausbildungsdidaktischen Schwerpunktsetzung 351 9.4 Zusammenfassende Betrachtung der ausbildungsdidaktischen Schwerpunktsetzung Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass, nimmt man die Typenbildung zur Ausbildungspraxis aus dem letzten Kapitel als Vergleichsmoment hinzu, mehr transmissionsorientierte Ausbildungskräfte eine normativ gesetzte Ausbildungsdidaktik schwerpunktmäßig in den drei betrachteten Tertia aufweisen. Dies ist in der Logik der Ausbildungspraxis als tendenziell instruktiv gestaltet nicht wenig verwunderlich. Tabelle 30 zeigt insgesamt über alle drei Wissensbereiche hinweg die quantitative Übersicht der relevanten Nennungen codiert nach Transmissions- und Moderationsorientierung. Auffällig sind jeweils Jörg Reger (AK 3) sowie Moritz Wagner (AK 1) und Stefanie Ferrer (AK 5), die für ihren Typus der Ausbildungspraxis entweder sehr wenige Inhalte formulieren (Reger) oder moderierend-konstruktivistisch orientiert sind, aber sehr viele Inhalte formulieren (Wagner/ Ferrer). Bei Jörg Reger rührt dies daher, dass er transmissionsorientiert ausbildet, aber andere Inhalte betont und vermittelt, als anhand der Suchheuristik allgemein greifbar war. Dies bedeutet nicht, dass innerhalb verallgemeinernder Beschreibungen seiner Ausbildungspraxis tatsächlich dezidiert beispielsweise fremdsprachendidaktische Gegenstände zur Sprache kommen können, jedoch war dies für diese Auswertung nicht ermittelbar. Moritz Wagner und Stefanie Ferrer hingegen halten auch zahlreiche Inhalte sowohl als Bewertungsgrundlage vor wie auch aus eigener Überzeugung, jedoch werden diese ausbildungspraktisch stärker situativ eingebunden und aus Beratungssituationen heraus entwickelt. Dadurch ergibt sich eine relativ hohe Zahl an Themen trotz der abweichenden ausbildungspraktischen Orientierung. Inhaltliche Schwerpunkte Zahl relevanter Äußerungen je Ausbildungskraft 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 ∑ Fachwissen 6 1 1 2 6 3 7 0 3 3 3 35 Fachdid. Wissen 25 22 5 18 17 29 24 6 12 16 3 177 Allgm.-päd. Wissen 6 4 2 3 3 5 7 3 1 6 4 44 ∑ 37 27 8 23 26 37 38 9 16 25 10 Tab. 30: Anzahl relevanter Äußerungen im Vergleich der drei Tertia (dunkel hervorgehoben = transmissionsorientierte Ausbildungskräfte). In der Gesamtschau überwiegen fachdidaktische Gegenstände, was der Natur der Ausbildungspraxis und dem Auftrag der Ausbildungskräfte geschuldet ist. 352 9 Ausbildungsdidaktik: eine Exploration Hinsichtlich des Fachwissens wird primär eine aus dem Studium mangelhafte, sprachliche Kompetenz seitens der LiV kritisiert - und zwar insbesondere von Französisch- und Spanisch-Ausbildungskräften. Wie an den Ausführungen Moritz Wagners und Petra Sängers angesichts grammatischer Strukturen erkennbar wird, scheint das Französische in seiner Fachlichkeit einen erheblich stärkeren Fokus auf Grammatikvermittlung zu legen - und damit auf grammatische Korrektheit der Unterrichtenden - als die anderen Fächer. Wiederholt dokumentiert sich, dass zahlreiche Themen und Aspekte zwar benannt, seltener aber mittels beispielhafter Erzählungen oder Beschreibungen stärker ausgeführt werden. Sie wirken damit wie teils beliebig aufgeworfene, kanonisierte Inhalte, die gleichsam von der Fremdsprachendidaktik als Disziplin oder institutionell gesetzt und damit relevant für die Leistungsbewertung von LiV werden. Aus diesen ergeben sich drei sinngenetisch abgeleitete Schwerpunkte - aufgrund der nicht ausreichenden Trennschärfe allerdings keine Typen -, die in Tabelle 31 (analog zu Tabelle 23) zusammenfassend mit ihren Charakteristika sowie gedankenexperimentellen Eigenschaften aufgeführt werden, welche sich mittels der komparativen Fallvergleiche ableiten lassen. Ausbildungsdidaktische Schwerpunktsetzung Inhalte als Kritik der 1. Phase Inhalte als Bewertungsgrundlage Inhalte als identitärnormative Überzeugung Inhalte werden als fehlende Kompetenzen der LiV herausgestellt Nicht mitgebrachtes Wissen muss im Vorbereitungsdienst vermittelt werden Inhalte werden nicht immer durch 2. Phase ausgeglichen Ausbildung scheitert, wenn LiV nicht eigenständig Kompetenzen/ Wissen gewinnen Inhalte stehen in unmittelbar-kriterialem Zusammenhang mit Leistungsbewertung Kriterien müssen transparent gemacht werden, um Ausbildung zu gewährleisten Unterrichtsbesuche scheitern an Intransparenz Inhalte sind Bewertungs-, selten Beratungsgrundlage Inhalte stehen in individueller Überzeugung ihrer Bedeutung von Seiten der Ausbildungskraft Inhalte (z. B. Methoden) werden modellhaft in Modulsitzungen simuliert Kriterien müssen transparent gemacht oder seitens der LiV in den Modulsitzungen erkannt werden, um Ausbildung zu gewährleisten Tab. 31: Schwerpunkte der ausbildungsdidaktischen Bearbeitung mit abstrahierten Orientierungen. Die spezifischen Anforderungen und Strukturen des sozialen Feldes „fremdsprachendidaktischer Vorbereitungsdienst“ im Bourdieuschen Sinn (1987) finden sich 9.4 Zusammenfassende Betrachtung der ausbildungsdidaktischen Schwerpunktsetzung 353 demnach nicht nur in ausbildungspraktischer, sondern auch -didaktischer Hinsicht. Bemerkenswert ist dabei, dass zwar bestimmte Inhalte - wie oben bereits angemerkt - genannt und relevant gesetzt werden, die Frage ihrer Integration, der didaktischen Implementation in den Seminarsitzungen selbst, jedoch weitgehend offen bleibt. Zu diskutieren wäre, ob dies aufgrund von Mängeln in der Datenerhebung/ -analyse bzw. der Forschungsmethode verborgen bleibt oder ob die Inhalte seitens der Ausbildungskräfte in ihren drei typisierten Ausprägungen zwar als relevant angesehen werden, allerdings selten(er) transparent (auch als mögliche Bewertungskriterien für die LiV) Eingang in Beratungssituationen finden. Diese Transparenz bezüglich der Schwerpunktsetzung scheint eher im ersten Tertium hervorzutreten, wenn mangelnde Sprachkompetenz oder mangelndes Fachwissen gegenüber den LiV implizit wie offen-explizit als Kritik an der universitären Lehrerbildung zu Tage tritt. Dies geschieht anscheinend allerdings in den Ausbildungssituationen in einer derartigen Transparenz, dass selten die Verantwortung für diese Mängel auf individuell-persönlicher Ebene der angehenden Lehrkräfte verortet werden muss, sondern institutionell-unpersönlich auf die vorher besuchte Universität transferiert wird. Für die beiden anderen Tertia und die in ihnen verhandelten Aspekte einer vermuteten Ausbildungsdidaktik wird zu diskutieren sein, inwiefern fremdsprachendidaktische Ausbildung im fremdsprachendidaktischen Vorbereitungsdienst dann überhaupt stattfindet - möglicherweise noch in einem angenommenen Kanon seitens der transmissionsorientierten Lehrerbildner*innen, eventuell kaum seitens moderierend orientierter. 9.4 Zusammenfassende Betrachtung der ausbildungsdidaktischen Schwerpunktsetzung 355 10 Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse Die Untersuchung hatte zum Ziel, Antworten auf die folgenden Fragen näherungsweise durch die Rekonstruktion von Ausbildungspraxis und -didaktik von Ausbildungskräften im fremdsprachendidaktischen Vorbereitungsdienst zu erhalten (vgl. Kapitel 5): 1. Wie werden Lehrkräfte zu Lehrerbildner*innen? 2. Wie nehmen Lehrerbildner*innen im Vorbereitungsdienst angehender Fremdsprachenlehrkräfte ihre Position und Tätigkeit wahr? 3. Wie strukturieren Lehrerbildner*innen im Vorbereitungsdienst angehender Fremdsprachenlehrkräfte ihre Handlungspraxis? 4. Inwiefern zeigen sich in der Ausbildungspraxis der Lehrerbildner*innen Wissensstrukturen und Konzepte im Sinne einer Ausbildungsdidaktik? Abbildung 20 fasst die Erkenntnisse aus den Kapiteln 8 und 9 bereits grob zusammen: Rekonstruierbar wird eine in vier Typen aufteilbare Ausbildungspraxis, die im Wesentlichen durch lehr-/ lerntheoretische Überzeugungen der Ausbildungskräfte geprägt ist, welche wiederum - zumindest in Teilen - auf berufsbiographisch gewachsene Annahmen zurückgeführt werden kann. Die Ausbildungspraxis bricht sich teilweise an normativen (oder als normativ angenommenen) Vorgaben, die zudem - je nach Ausbildungspraxis und der gering strukturierten Wissensbasis der Disziplin - in Widerspruch zur Unterrichtspraxis der LiV kommt. Im Folgenden sollen die Untersuchungsfragen mittels der Diskussion der Ergebnisse ihre Beantwortung finden. Die Ergebnisse zur Ausbildungspraxis und -didaktik werden zu diesem Zweck zusammengefasst 124 und insbesondere im Rückgriff auf die vorliegenden Studien aus den Kapiteln 2 bis 4 diskutiert werden. Abschließend wird eine weitere Bündelung der Erkenntnisse in Form eines durch die Analysen rekonstruierten fremdsprachendidaktischen Ausbilder*innenhabitus zur Diskussion gestellt, dessen Charakteristika in stärker abstrahierter Form Antworten auf die Forschungsfragen zu geben vermögen. 124 Da die erste Frage trotz einer berufsbiographischen Prägung eher bereits auf die mögliche Rekonstruktion von Orientierungsrahmen abzielte, die sich auch in der Ausbildungspraxis zeigen, wird sie hier nicht separat nochmal diskutiert, sondern als Teil ebenjener Ausbildungspraxis. 356 10 Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse Abb. 20: Zusammenfassung der Ergebnisse. 10.1 Ausbildungspraxis Wenn auch nicht Ziel der Untersuchung war, mehr über formale oder inhaltlich wirksame Qualifikationen der Ausbildungskräfte zu erfahren, zeigt sich im Sample, vor allem innerhalb der berufsbiographischen Eingangserzählungen, eine Mischung aus einer eher zufälligen Entwicklung, wie Kraler (2015) dies herausstellt, teils aber ebenso ein sehr teleologisches Verfolgen der Karriere vom Lehrkraftdasein über die engagierte Mentorentätigkeit in der Schule, die Übernahme einzelner Ausbildungsaufträge und dann der festen Abordnung an das Studienseminar. Fachdidaktisches und pädagogisches Wissen scheinen dabei jedoch keine große Rolle zu spielen und dies bestätigt damit die Untersuchung zu Ausbildungskräften in beruflichen Schulen (vgl. Krüger 2014). Rekonstruierbar ist keine besondere berufliche oder biographische Vorsozialisation in fremdsprachendidaktischer Perspektive, die Englert et al. (2006) für angehende Religions-LiV zeigen konnten (bei gleichzeitig vorhandenen fachdidaktischen Schwächen) und die man daher analog für Ausbildungskräfte hätte vermuten können. Lediglich für Emily Wright lässt sich aus ihrer Perspektive als Muttersprachlerin eine gewisse Prägung feststellen, die sich jedoch primär auf der Ebene von Fachwissen widerspiegelt. In den Eingangserzählungen werden vielmehr habituelle Muster im Sinne von Orientierungsrahmen rekonstruierbar, die sich 10.1 Ausbildungspraxis 357 jeweils im weiteren Interviewverlauf bestätigen und in den relationalen Typen abgebildet werden konnten. Mit Blick auf die Qualifikationen wird rekonstruierbar, dass bis auf Jörg Reger (AK 3) die Ausbilderinnen und Ausbilder von keinen Konzepten der Erwachsenenbildung sprechen oder Handeln vor dem Hintergrund erwachsenenpädagogischer bzw. beratungsdidaktischer Prinzipien beschreiben. Stattdessen werden im Sample die Lehrerbildner*innen innerhalb ihrer Orientierungsdiskrepanz selbst als Lehrkräfte rekonstruierbar, insbesondere im Typus Transmission , wenn sie als Modelle und Vorbilder agieren (vgl. auch Swennen et al. 2010). Schubarth et al. 2006 fordern zwar die „Entwicklung eines modernen Lehrerleitbildes als normative Grundlage“ (ebd.: 163) für die Ausbildung im Vorbereitungsdienst und die im Typus betrachteten Fälle verfolgen diesen normativen Modellhabitus, fraglich ist jedoch, ob dieser stets als „modern“ aktualisiert wird und von den LiV als realitäts- und praxisnah wahrgenommen werden kann (vgl. auch Ausbildungsdidaktik unten). Denkbar ist, dass diese Praxis als ein Resultat der von Terhart (2000) aufgeführten Kritik einer mangelnden Expertise im Bereich der Erwachsenenbildung gewertet werden kann, sodass die Ausbildungskräfte mangels eines entsprechenden Qualifikations- und Fortbildungsangebots auf ihre schulpädagogische Expertise zurückgreifen müssen und damit gezwungen werden, schulische Interaktionssettings zu gestalten. Die fehlende Qualifizierung und Expertise der Ausbildungskräfte gepaart mit (und ursächlich zu suchen in) systemischen Zwängen führen zu diffusen Feldpositionen und Schwierigkeiten im Ausbildungsprozess. Der „Eindruck eines massiven Machtgefälles“ (Englert et al. 2006: 467) bestätigt sich somit hier ebenfalls in den Erzählungen der Ausbildungskräfte über LiV, die von Kunze (2014) beschriebene „Praxis des ‚Einnordens‘“ (ebd.: 56) in einer solchen Dramatik jedoch nicht - selbst wenn die transmissionsorientierten Ausbildungskräfte in ihrem Modellcharakter sicherlich ein bestimmtes Handeln in der Unterrichtspraxis erwarten, was zu einem gewissen Anpassungszwang auf Seiten der LiV führen dürfte (vgl. auch Gecks 1990). Die hier beschriebene Ausbildungspraxis weist demzufolge die Konstruktion von Lehrenden und Lernenden (vgl. auch Wernet 2007) und damit ein entsprechendes Abhängigkeitsverhältnis auf (vgl. Meyerhöfer/ Rienits 2006, Munderloh 2018). Es kann jedoch auf Basis der vorliegenden Daten und Analysen nicht so weit gegangen werden, von einer (auch nicht latenten) Infantilisierung zu sprechen, wie beispielsweise Merzyn (2004) dies beobachtet hat. Möglicherweise entsteht allerdings das starke Abgrenzungs-/ Distinktionsverhalten der Lehrerbildner*innen als Folge nötiger Emanzipation von Schülerinnen und Schülern als Zielgruppe, die Krüger (2014) ebenfalls beobachtet, welche dann aber offenbar nicht in einer problematisierenden, reflektierten Rollenfindung und 358 10 Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse Feldpositionierung als Ausbildungskraft gelingt. Die Bedeutung des Second-order settings (vgl. Murray 2002) und der Ausbildungskräfte als Second-order teachers würde dann nicht reflexiv eingeholt. Dies kann mutmaßlich - und andere Untersuchungen berücksichtigend - kaum gelingen aufgrund mangelnder Konkretisierungen und Handlungsanweisungen für die Ausbildungskräfte (vgl. Schubarth et al. 2006), der daraus folgenden Notwendigkeit höchst individuell zu rekrutierender Beratungs- und Wissenskonzepte, was in einem Antinomieerleben und in Unsicherheiten münden muss (vgl. Krüger 2014). Ein Praxisbezug wird versucht seitens der Ausbildungskräfte herzustellen, möglicherweise ergibt sich aber (wie bei Schubarth et al. 2006) dennoch eine „fehlende Ausrichtung auf die schulische Realität“ (ebd.: 127) ob systemischer Vorgaben. Es bestätigt sich auch in dieser Untersuchung im besonderen Maße „eine strukturell angelegte Überforderung der Ausbildungspraxis aufgrund der qua Institutionalisierung festgelegten und sich gleichsam wechselseitig ausschließenden Ausbildungsansprüche“ (Wernet o.J.: 15). Das Herstellen eines Praxisbezuges heißt damit nicht unbedingt, dass Antinomien und Krisen, die charakteristisch für Unterrichtspraxis sind (vgl. Kapitel 2.1), reflektierbar gemacht werden, obwohl Konsens über ihre notwendige Bewusstmachung herrscht: „Wer Lehrer wird, so heißt die Botschaft dieser Ansätze [gemeint sind strukturtheoretische Deutungen; D.G.], muss eine immense Krisenbereitschaft mitbringen.“ (Combe 2005: 70) Diese Krisenhaftigkeit bzw. dessen Normalität wird im Grunde nicht thematisiert (s. auch Ausbildungsdidaktik). Ob dies von den allgemeinpädagogischen Ausbildungskräften in anderen Ausbildungsveranstaltungen geleistet wird, kann an dieser Stelle nicht beantwortet werden. Angesichts der Krisenhaftigkeit des Lehrer*innenhandelns bleibt auch unklar, was geschieht, wenn LiV sich nicht trauen, relevante Probleme und Schwierigkeiten in ein moderierend-konstruktivistisch orientiertes Ausbildungssetting einzubringen, weil die Ausbildungskraft ständig als Bewertende und Prüfende wahrgenommen wird. Bemerkenswert ist in der konkreten Handlungsspraxis und Interaktion ebenfalls, dass die Ausbildungskräfte so gut wie nie auf die Belastung der Referendar*innen eingehen, obwohl mehrere Untersuchungen diese als einen Hauptgrund für schwachen Kompetenzzuwachs oder gar Abbruch, Burnout und geringe Berufszufriedenheit herausstellen (z. B. Rauin/ Maier 2007, Rauin 2008, Klusmann et al. 2012, Drüge et al. 2014). Eng verbunden mit der Belastung der Referendar*innen gilt die Intransparenz der Beratungs- und Bewertungspraxis (vgl. Englert et al. 2006, Munderloh 2018, Gecks 1990, Lenhard 2004, Strietholt/ Terhart 2009, Döbrich/ Storch 2012) und eine ausschließliche Wahrnehmung der Ausbildungskräfte als Prüfende von Seiten der LiV (vgl. Hoppenworth 1993). Auch in dieser Untersuchung wird diese Diffusität der Anforderungen in den 10.1 Ausbildungspraxis 359 verschiedenen Typen sichtbar. Wenn Košinár (2014) herausarbeitet, dass qualitativ hochwertige Beratung und an den LiV orientierte Themengestaltung aus Sicht der angehenden Lehrkräfte als höchst förderlich angesehen wird, scheint diese Orientierung bei den Ausbildungskräften im fremdsprachendidaktischen Sample höchstens beim Typus Moderation/ Identifikation sichtbar zu werden. Allerdings scheitert hier eine fremdsprachendidaktische Ausbildung, wenn primär allgemeinpädagogische Fragestellungen von den LiV in die Beratung oder in die Modulsitzungen mitgebracht werden und bearbeitet werden wollen (s. auch Ausbildungsdidaktik unten). Bei Krüger (2014) gelingt Ausbildungspraxis, wenn das Beratungspotential subjektiv als hoch eingeschätzt wird und die Alltagstheorien der LiV sowie Entwicklungsaufgaben bearbeitet und reflexiv einholbar gemacht werden können. Ob der nur gering zur Verfügung stehenden Zeit im hessischen Vorbereitungsdienst ist zumindest fraglich, ob dies in der nötigen Kontinuität und Beratungsqualität bewerkstelligt werden kann, ohne dass Ausbildungskräfte wie LiV sich über die vom System festgelegten Termine hinaus deutlich häufiger treffen. Beim Vergleich der Untersuchungsergebnisse mit internationaler Forschung fällt zudem auf, dass letztere bei Lehrerbildner*innen wiederholt die Notwendigkeit der Kooperation untereinander betonen, was im hessischen fremdsprachendidaktischen Studienseminar nach Aussagen des Samples so gut wie nicht vorkommt oder zumindest als nur wenig relevant für die eigene Tätigkeit angesehen wird. Berry (2013) wiederum argumentiert dahingehend, dass Lehrerbildner*innen durchaus alleine gelassen werden müssen , damit sie ihr eigenes Handlungswissen und eine entsprechende Praxis autonom gestalten können. Meyerhöfer und Rienits (2006) hinterfragen diese Autonomie der Ausbildungskräfte jedoch besonders in inhaltlicher Hinsicht, da gerade die vorgegebenen Strukturen - und das dokumentiert sich auch hier - diese inhaltlich-beratende Tätigkeit gleichsam torpedieren. Zum autonomen Ausbilder*innenhandeln gehören damit eine hohe Kompetenz, Wissen und Reflexivität. Diese werden in internationalen Kontexten durch eine Forschungsorientierung einzuholen versucht z. B. im Typus „Ausbildungskraft als Forschende/ r“ nach Swennen et al. (2010). Im vorliegenden deutschen Sample spielt dies keine Rolle. Die Ausbildungskräfte, die im Hochschulbereich tätig sind, Blümke und Siegel, tun dies eher, um einen Praxisbezug voranzutreiben bzw. den Lehramtsstudierenden Orientierung zu geben, nicht, um gezielt einen ihrerseits forschenden Habitus zu pflegen (welcher wiederum von den Standards der KMK von Fremdsprachenlehrkräften verlangt wird). Auch diese bei den angehenden Fremdsprachenlehrkräften weiter zu fördern scheint von keiner Relevanz, was ebenso aufgrund der angelegten Strukturen und Anforderungen kaum überrascht. Die strukturell einzige Instanz wissenschaftlichen bzw. forschenden Arbeitens soll mit 360 10 Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse der zweiten Staatsexamensarbeit erfolgen. Diese „pädagogische Facharbeit“, die die LiV im zweiten Hauptsemester unter wissenschaftlichen Maßgaben sowie dem Bearbeiten von Problemstellungen anfertigen müssen (vgl. § 46 HLbGDV) und die häufig von den Fach-Ausbildungskräften betreut werden, spielt in der berichteten Ausbildungspraxis der befragten Lehrerbildner*innen keine Rolle. 10.2 Ausbildungsdidaktik Die gerade diskutierte Ausbildungspraxis offenbart, dass die Konstruktion von Lehrkraft-Lernenden-Situationen innerhalb des Vorbereitungsdienstes aus strukturell-systemischen Gründen die Schaffung von Reflexions- und echten Beratungsgelegenheiten mindestens erschwert. Die Rekonstruktionen zu relevant gesetzten Ausbildungsinhalten scheint dieses „Verschwinden der Sache“ (Dzengel et al. 2012) ob systemischer Zwänge zu bestätigen. Auf der Basis von quantitativ-normativen/ kategorialen Heuristiken nach formal-theoretischen Inhalten (vgl. Kapitel 9) offenbaren sich zwar im Datenmaterial erwartbarerweise bestimmte Schwerpunkte im kommunikativen Wissen der Befragten - besonders entlang des Tertium comparationis „Fachdidaktisches Wissen“ und der laut Modulbeschreibung erwarteten Aspekte (vgl. AfL 2012). Im Vergleichsmoment der konjunktiven Relevanzsetzung und individuellen Aushandlung bestimmter Themen seitens der Lehrerbildner*innen kommt man allerdings nicht umhin, zu dem Schluss zu kommen, dass auf einer tiefenstrukturellen Ebene kaum fremdsprachendidaktisch-spezifische Inhalte dezidiert die Ausbildung bestimmen: Werden fachspezifische Unterrichtsgegenstände genannt, dokumentiert dieses sich nicht selten als institutionelle oder durch die Disziplin vorgegebene Kriterien oder Standards, die zwar für die Leistungsbewertung der LiV in Unterrichtsbesuchen als Maßstab angelegt werden, in Beratungs- und Modulsitzungen jedoch kaum transparent gemacht zu werden scheinen. Beispielhaft sei der zweite ausbildungsdidaktische Fokus hier genannt, der Inhalte als Bewertungsmaßstab nennt, jedoch kaum als Beratungsschwerpunkte konstruiert. Die wichtigsten Ursachen hierfür können zum einen die jeweils institutionellen Fokussierungen sein, wahrscheinlicher ist zum anderen, dass die inhaltliche Komplexität der Disziplin Fremdsprachendidaktik in den seltenen Beratungssituationen zeitlich gar nicht gegriffen und für Unterrichtspraxis konzeptualisiert und innerhalb einer Lerngelegenheit zu einem Reflexionsgegenstand werden kann. Als eine Folge davon kann auch die massive Kritik der Ausbildungskräfte an nicht mitgebrachten Kompetenzen aus der ersten Phase gesehen werden: Die Ausbilderinnen und Ausbilder sind aufgrund der systemischen, organisatorischen und zeitlichen Zwänge gar nicht in der Lage, das nötige fachdidaktische 10.2 Ausbildungsdidaktik 361 und pädagogische Wissen des Lehramtsstudiums zu vertiefen, geschweige denn zu wiederholen. Dass es hier kaum zu (nötigen) Verknüpfungs- oder Anknüpfungsmöglichkeiten kommt, hatten auch andere Untersuchungen gezeigt (vgl. u. a. Munderloh 2018, Reintjes 2006), was rein strukturell die mangelnde Verknüpfung beider Phasen bestätigt und aufgrund der Anforderungen für Lehramtsstudierende wie LiV nur schwer überwindbar scheint (vgl. OECD 2004, Böhner 2009). Ebenfalls strukturell innerhalb der zweiten Phase angelegt scheint ein Abwälzen allgemeinpädagogischer Fragestellungen auf die dafür zuständigen Ausbildungskräfte. Dies kann insbesondere aus zwei Gründen problematisch werden: Die allgemeinpädagogischen Module sind in der Regel noch seltener in der Anzahl als die fachspezifischen (vgl. Kapitel 5.2.2; AfL 2012, Landesschulamt und Lehrkräfteakademie Hessen 2013) und vermitteln dort Konzepte, die - aufgrund ihrer Anleitung ebendieser allgemeinpädagogischen Ausbildungskräfte - kaum für fachspezifische Gegenstände reflektierbar gemacht werden können. Der zweite Grund: Es ist zu erwarten - und andere (vgl. z. B. Munderloh 2018) sowie eine Ausbilderin im Sample (Angelika Grebe, s. Kapitel 9.3) bestätigen dies kommunikativ -, dass Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst primär Beratungsbedarf im Hinblick auf allgemeinpädagogische Fragestellungen wie Classroom management , Umgang mit Unterrichtsstörungen oder Leistungsfeststellung und -bewertung haben und auch die fachdidaktischen Unterrichtsnachbesprechungen dafür nutzen möchten oder müssen. Diese Fragestellungen verdrängen genuin fremdsprachendidaktische und werden möglicherweise gar nicht beraten, da die Ausbildungskräfte sich in der Struktur des Vorbereitungsdienstes qua fachspezifischer Berufung dafür nicht qualifiziert oder zuständig fühlen, obwohl sie als Lehrkräfte im Unterricht mit derartigen Antinomien und Herausforderungen ebenso umgehen müss(t)en. Bezüglich der Ausbildungsdidaktik für diese Untersuchung zusätzlich relevant ist, ob die Besonderheit der Disziplin in ihrer wissenstheoretisch geringen Strukturiertheit (vgl. Roters et al. 2011, Blömeke 2014a, Kirchhoff 2017) - wie in Kapitel 3 herausgearbeitet - von den Ausbildungskräften in ihrer Spezifik aufgegriffen und bearbeitet wird. Dies muss abschließend verneint werden: Weder werden die fremdsprachendidaktischen Gegenstände und Wissensformen ausbildungsdidaktisch bzw. -praktisch differenziert verhandelt noch werden ein forschender Habitus oder aktionsforschende Ansätze (vgl. Kapitel 3.1.3) 125 implizit noch explizit gefordert oder besonders herausgestellt (weder auf Sei- 125 Es lässt sich im Anschluss an Borg (2013) stattdessen herausstellen, dass auch die Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst kaum dazu ermutigt werden, ihre eigene Praxis zu beforschen und Wirkungen ihres Handelns zu hinterfragen. Dies kann auch vor dem Hintergrund der engen Strukturiertheit des Referendariats gesehen werden. 362 10 Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse ten der Ausbildungskräfte, noch auf Seiten der LiV). Auch eine differenzierte Berücksichtigung der KMK-Standards ist kaum beobachtbar und bestätigt die Befunde von Strietholt und Terhart (2009), die dies anhand einer Auswertung von Bewertungsschemata aufzeigen konnten. Damit ist fraglich, inwiefern die komplexen Gegenstände der Fremdsprachendidaktik unter Anleitung der Ausbilderinnen und Ausbilder für die LiV bearbeitbar werden. Ich wiederhole eine Befürchtung, die in Kapitel 3 bereits ausgeführt wurde: [Ohne] die Bewusstmachung und Reflexion vorhandener Wissensbestände auf Seiten der angehenden Fremdsprachenlehrerinnen und -lehrer besteht die Gefahr, dass das innerhalb von Lehrerbildungscurricula vermittelte Professionswissen nur wenig Anschluss in der Praxis findet und losgelöst ohne Anwendungsbezug gleichsam verpufft. Obwohl Wissensbestände aus der ersten Phase seitens der Ausbildungskräfte erwartet (wenn auch nicht selten kritisiert) werden, findet sich keine Anleitung zur Reflexion derselben - abgesehen von einzelnen Empfehlungen z. B. bei mangelnder Sprachkompetenz den Vorbereitungsdienst zu unterbrechen. Und auch ein solcher Rat müsste wiederum vor dem Hintergrund einschlägiger Forschungsergebnisse, die eine unmittelbare Professionsrelevanz durch Auslandsaufenthalte in Frage stellen (vgl. Ehrenreich 2004), neu bewertet werden. Führt möglicherweise der komplexe Anspruch der Disziplin zu einer indirekten Überforderung von Unterrichts- und Ausbildungspraxis? Ausbilderin Stefanie Ferrer merkt dies im Interviewverlauf einmal an: Ist ja auch interessant, dass ähm Englisch sich so verantwortlich fühlt für bilingual, Englisch fühlt sich verantwortlich für Mehrsprachigkeit, ja? Ähm Englisch ähm fühlt sich verantwortlich für interkulturell. (.) Also wir wollen ja alles auch noch in den Englischunterricht packen, ne? [Stefanie Ferrer (AK 5), Zeilen 715-719] Neben dieser inhaltlichen Überfrachtung scheint weiterhin relevant, dass die früher rezeptologische Vermittlung von Wissen im Sinne eines Teacher training (vgl. Hallet/ Königs 2013, Freeman 2016, Kirchhoff 2017) bis heute in Teilen nachzuwirken scheint, da die Ausbilderinnen und Ausbilder selbst ausgebildet wurden und diese traditionelle Praxis damit möglicherweise berufsbiographisch und geschichtlich als habitualisiert wirksam fortbesteht. Diese bricht sich allerdings an den Widersprüchlichkeiten der Unterrichtspraxis der angehenden Lehrkräfte einerseits und der Ausbildungspraxis und vermeintlich relevanter inhaltlicher Schwerpunkte der Ausbildungskräfte andererseits. Die von Benitt (2015) anhand internationaler Forschung herausgearbeitete Öffnung von Fremdsprachenlehrerbildung in Richtung eines ganzheitlichen, soziokulturellen und interaktionalen Prozesses kann zumindest für den hier untersuchten Vorbereitungsdienst nicht attestiert werden. Während fremdsprachendidaktische Pro- 10.3 Annäherungen an einen beruflichen Habitus von Lehrerbildner*innen 363 fessionsforschung im Allgemeinen sich stärker der Subjektperspektive nähert, scheint diese in der zweiten Phase der Lehrerbildung noch nicht angekommen zu sein (vgl. auch Kurtz 2011). Obwohl Munderloh (2018) feststellte, dass fachdidaktische Ausbildungsveranstaltungen von den LiV im Schnitt besser bewertet werden - vermutlich aufgrund einer gewissen praxistheoretischen Konkretheit -, muss dies für die vorliegenden Rekonstruktionen gewissermaßen eingeschränkt werden: Wenn fremdsprachendidaktische Gegenstände - je nach Orientierung - transmissionsorientiert an den Bedürfnissen der LiV vorbei oder in konstruktivistischen Settings gar nicht vermittelbar werden, findet fremdsprachendidaktische Ausbildung innerhalb der Strukturen des Vorbereitungsdienstes überhaupt statt? Kann man bei den Lehrerbildner*innen im Sample von Second-order language teachers überhaupt sprechen? Muss nicht weiterhin auch fraglich werden, ob die Rolle einer Lehrkraft auf zweiter Ebene überhaupt reflektiert wird im Zuge der Konstruktion der LiV als Lernende (wenn auch nicht in der dramatischen Infantilisierung, die in anderen Untersuchungen beobachtet wurde)? Noch einmal: Die Ausbilderinnen und Ausbilder können nicht als ursächlich für die ausbildungsdidaktischen Schwierigkeiten innerhalb des Vorbereitungsdienstes verantwortlich gemacht werden. Wie auch Wernet (o. J.) sehe ich insbesondere in der idealisierten, strukturell angelegten Überforderung des Systems Vorbereitungsdienst die wichtigste Ursache für kaum bewältigbare Anforderungen für Ausbildungskräfte und die ihnen anvertrauten LiV. Auf Basis dessen müssen Alternativen oder Optimierungsvorschläge diskutiert werden, die Ausbildungs- und Beratungsprozesse - auch vor dem Hintergrund ihrer fachlich-unterrichtlichen Spezifität - gelingen lassen (s. Kapitel 12.1). 10.3 Annäherungen an einen beruflichen Habitus von Lehrerbildner*innen im fremdsprachendidaktischen Vorbereitungsdienst Die Konzeptualisierung des Habitus in der Professionsforschung als Summe von Glaubensätzen ( Beliefs , Subjektive Theorien), Handlungs- und Wahrnehmungsdispositionen von Lehrkräften konstituiert sich innerhalb der gesellschaftlichen bzw. institutionellen Anforderungen und den dort gemachten Erfahrungen. Zwar ist davon auszugehen - und die Rekonstruktionen bestätigen dies auch -, dass die habitualisierte Handlungspraxis über alle im Sample dieser Untersuchung vertretenen Lehrerbildner*innen strukturgleiche Homologien aufweist, dennoch zögere ich, hier von einer grundlegenden und umfassenden Habitusrekonstruktion von Lehrerbildner*innen im fremdsprachendidaktischen Vorbe- 364 10 Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse reitungsdienst zu sprechen, sondern beschränke mich auf eine Annäherung. 126 Dies hat vornehmlich zwei Gründe: 1. Der hohe Grad an Bewertungen und Argumentationen im Datenmaterial offenbart zum einen eine hohe Reflexivität der Forschungssubjekte bezüglich ihrer Ausbildungspraxis, erschwert zum anderen jedoch die valide Rekonstruktion des Spannungsverhältnisses zwischen Orientierungsschemata sowie aufgeworfenen Normen und Erwartungserwartungen (vgl. Bohnsack 2013) in ihrer Vermittlung zum Orientierungsrahmen im engeren Sinne, dem Habitus an sich. Eine größere Menge von Erzählungen (im Einklang mit beschreibenden Elementen) seitens der Ausbilderinnen und Ausbilder hätte die Rekonstruktion konjunktiver Wissensbestände erleichtert. 2. Zum Zweiten offenbart sich innerhalb der relevant gesetzten Ausbildungsgegenstände eine latente Unspezifität der Ausbildungsdidaktik, weswegen es hier auf der Ebene der Identifikation von Schwerpunktsetzungen verblieb, die keine trennscharfe Typenbildung zuließ. Die betrachteten Fälle konnten nicht immer eindeutig zugeordnet werden, was für eine Diffusität hinsichtlich der ausbildungsdidaktischen Ziele im Vorbereitungsdienst stehen und gesehen werden kann. Die erarbeiteten Charakteristika des berufsbezogenen Habitus von Lehrerbildner*innen im fremdsprachendidaktischen Vorbereitungsdienst werden im Folgenden entlang der eingangs des Kapitels nochmal aufgegriffenen Forschungsfragen knapp in Kästen zusammengefasst und rahmend, auch unter Rückgriff auf die weiterhin vorliegende Theorie und Empirie, erläutert. Mit der Rekonstruktionsannäherung an einen Habitus geht ebenfalls die Rekonstruktion des Feldes mit seiner spezifischen Logik einher, in dem der Habitus ausgestaltet wird und besteht (vgl. Lenger et al. 2013; s. auch Kapitel 5). Die Bildungsgangforschung fragt nach Hericks (2006) neben diesen „spezifische[n] Handlungsanforderungen des Feldes … zum anderen, wie sich biographisch und gesellschaftlich vorgeformte Handlungsdispositionen - zusammengefasst als Habitus - in der Bewältigung konkreter Handlungsanforderungen auswirken“ (ebd.: 58-59; Hervorhebung im Original). Aufgrund der Bedeutsamkeit der Berufsbiographie für den Habitus und die individuelle Wahrnehmung und das Handeln innerhalb der „Institution Vorbereitungsdienst“ wurden in Anlehnung an die Grundannahmen der Bildungsgangforschung die Berufsbiographien der Ausbilderinnen und Ausbilder, ihre „Lehrerbildner*innen-Werdung“, 126 Inwiefern die Dokumentarische Methode innerhalb der Komparation von Fällen und Orientierungen eine vollumfängliche Habitusrekonstruktion zu leisten vermag, wird ohnehin zunehmend kritisch gesehen (vgl. dazu beispielhaft Kramer 2018). 10.3 Annäherungen an einen beruflichen Habitus von Lehrerbildner*innen 365 abgefragt. Im Vergleich der Berufsbiographien der befragten Ausbildungskräfte zeigte sich - in Beantwortung der ersten Forschungsfrage: 1) Fremdsprachenlehrkräfte werden Lehrerbildner*innen im fremdsprachendidaktischen Vorbereitungsdienst durch (positive) Vorprägungen in der individuellen Berufsbiographie sowie ein teleologisches Verfolgen anderer Tätigkeiten jenseits von Unterrichten. Auch wenn Orientierungsschemata dem Lehrerbildner*innen-Werden teilweise eine gewisse Zufälligkeit unterstellen, zeigten sich bei der genaueren Analyse doch bereits lange bestehende Motive, die von der Betreuung von LiV an der Schule als Mentorierende hin zu einer stärkeren Institutionalisierung dieser Betreuungsarbeit abzielen (vgl. besonders Monika Blümke und Jörg Reger). In den berufsbiographischen Erzählungen offenbaren sich bereits Orientierungsrahmen, die auch für die spätere Handlungspraxis als Ausbildungskraft relevant werden. Der Habitus bzw. die hier betrachtete, habitualisierte Praxis, als Orientierungsrahmen im engeren Sinne ist stark verknüpft mit dem Feld, dem Vorbereitungsdienst, in dem er entsteht (vgl. Bourdieu 1987). Der Logik Bourdieus folgend herrschen im Vorbereitungsdienst Regeln, die den Akteurinnen und Akteuren innerhalb des Feldes nicht notwendigerweise bewusst sind. Auch aufgrund dessen kommt es zu diffusen Feldpositionen des beteiligten Ausbildungspersonals, die sich am deutlichsten in einer Nähe-Distanzbzw. Ausbilder-Kollege-Antinomie dokumentieren: 2a) Lehrerbildner*innen im fremdsprachendidaktischen Vorbereitungsdienst stehen durch den Zwang gleichzeitiger Beratung und Bewertung in der antinomischen Position von kollegialer Nähe und professioneller Distanz zu ihren LiV. Rekonstruierbar wurde dementsprechend die gewünschte Nähe zu LiV, die der eines Mentors/ einer Mentorin ähnelte, welche sich in drei Dimensionen bricht: Zum Ersten örtlich, da echte Beratungspraxis kaum in der Schule vorkommt (dort herrscht in Unterrichtsbesuchen und ihren Nachbesprechungen die Bewertung), zum Zweiten zeitlich, da die Ausbildungskraft kaum flexiblen Zugang zur LiV hat (und vice versa) und so kaum informellere Lerngelegenheiten geschaffen werden können sowie zum Dritten institutionell durch die Funktion der Ausbildungskräfte als Prüfende und Selektierende innerhalb des Systems. Als letztere werden sie auch von Seiten der LiV in der Regel wahrgenommen 366 10 Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse (vgl. Englert et al. 2006, Lenhard 2004, Döbrich/ Storch 2012, Kunze 2014, Munderloh 2018), sind sich dessen aber nur näherungsweise bewusst, was durch die diffus zwischen Mentor*in und Ausbilder*in oszillierende Feldposition erklärbar wird. Die soziale Strukturiertheit des Vorbereitungsdienstes legt für den oder die jeweils Betroffenen - wie in anderen Arbeiten, die mit Bourdieus Habituskonzept arbeiten - „nur den Rahmen seines Verhaltensspielraums fest, nicht aber die genaue Gestalt der Handlungen“ (Kajetzke 2008: 55). Hieraus ergaben sich hinsichtlich der Ausbildungspraxis und -didaktik unterschiedliche Typen, die jedoch in einer orientierungsdiskrepanten Charakteristik bzw. Logik - auch wegen der eingangs bereits herausgestellten Menge an Beschreibungen und Argumentationen/ Bewertungen - übereinstimmen: 2b) Lehrerbildner*innen im fremdsprachendidaktischen Vorbereitungsdienst zeigen einen stark reflexiven Entwurf vom eigenen Handeln, der sich ob unspezifischer formaler Vorgaben und einer gering strukturierten Wissensdomäne nur eingeschränkt in der Ausbildung verwirklichen lässt. Die je individuelle Herausforderung innerhalb der habitualisierten Praxis von Ausbildungskräften ist folglich eine Unspezifität der Handlungsanweisungen. Ein zentrales Spannungsverhältnis ergibt sich daraus, dass die Ausbilder*innen selbst Lehrpersonen sind (berufsbezogener Habitus), zugleich aber die Praxis, die sie selbst ausüben, vermitteln müssen. Diese Vermittlungstätigkeit ist an (wenn auch nicht allzu konkrete) Vorgaben geknüpft und erfordert eine reflexive Distanz zur eigenen Praxis sowie eine Beurteilung fremder Praxis. Für diese erwachsenenpädagogische Tätigkeit sind jedoch die wenigsten umfassend ausgebildet, wie anderen Untersuchungen zeigen (vgl. z. B. Krüger 2014) und wie auch hier aufgrund des Mangels an entsprechenden Hinweisen wie z. B. beratungsdidaktischen Beschreibungen (eine Ausnahme: Jörg Reger) durchaus rekonstruierbar wird. Es muss daher zwangsläufig zur Herausbildung und Anwendung eigener Konzepte kommen, die auf der Abstraktionsebene von Lehrkräften zweiter Ordnung nicht vorliegen und daher schulunterrichtlich geprägt sind. Wie der Lehrerhabitus auch immer ein Schattenriss des Schülerhabitus und damit berufsbiographisch vorgeformt ist (vgl. Helsper 2018/ 2019), so muss der Ausbilderhabitus auch immer als ein Stück weit Lehrerhabitus gewertet werden - nur dass sich diese beiden Ausprägungsformen in der Praxis wohl kaum unterscheiden. Dies mündet in einem weiteren Charakteristikum des Habitus: 10.3 Annäherungen an einen beruflichen Habitus von Lehrerbildner*innen 367 2c) Lehrerbildner*innen im fremdsprachendidaktischen Vorbereitungsdienst konstruieren sich in Interaktionsprozessen selbst als Lehrerinnen und Lehrer sowie ihre LiV als Lernende und zeigen damit keine professionelle Transformation zu Lehrkräften zweiter Ordnung und den damit verbundenen (nötigen) Kompetenzen. Aufgrund eines fehlenden Fächervergleichs nicht eindeutig beantwortbar ist aufgrund der hier zusammengetragenen Ergebnisse, ob das in der Fremdsprachendidaktik vorherrschende Prinzip der Lernerorientierung (vgl. Königs 2014, Roters/ Trautmann 2014) ein Grund für diesen Habitus der Ausbildungskräfte ist, indem sie die ihnen anvertrauten Lehrkräfte ebenfalls in der Tendenz als Lernende sehen. Allerdings erscheint logisch, dass aufgrund der gering vorhandenen Qualifizierungsmöglichkeiten seitens des Systems die Ausbildungspraxis selten auf eine Lehr-Lern-Ebene zweiter Ordnung gehoben wird. Die Ausbildungskräfte können somit auch nicht ihre eigentliche Rolle als „Lehrkräfte zweiter Ordnung“ („second order teachers“; vgl. Murray 2002, Lunenberg et al. 2014) reflektiert wahrnehmen (vgl. Swennen et al. 2010). Die in Anlehnung an Murray (2002) von der Europäischen Kommission aufgestellte Unterscheidung in first-order und second-order competences soll zur Verdeutlichung dienen: First-order competences concern the knowledge base about schooling and teaching which teacher educators convey to student teachers - as related to subjects or disciplines; Second-order competences concern the knowledge base about how teachers learn and how they become competent teachers. They focus on teachers as adult learners, the associated pedagogy, and organisational knowledge about the workplaces of students and teachers. (Europäische Kommission 2013: 15; Hervorhebung im Original) Die Kompetenzen und Wissensformen der ersten Ebene werden zwar sichtbar (wenn teilweise mit Einschränkungen hinsichtlich der Relevanzsetzung von fremdsprachendidaktischen Schwerpunkten: s. u.), jedoch lässt sich bezüglich der Ausbildungspraxis (und der Ausbildungsdidaktik) kein differenzierter Fokus auf Kompetenzen zweiter Ordnung identifizieren. Die Ursache hierfür kann in der - wiederum sehr antinomischen - Grundstruktur gesehen werden, dass den angehenden Lehrkräften auf der kommunikativen, explizit formulierten Ebene ein großes Maß an Autonomie und eigenständigem Lernen eingeräumt wird, dieses aber je nach Ausbilder*innentyp implizit von den Lehrerbildner*innen gemäß ihrer Überzeugungen umgedeutet wird. Die diversen Passungsproblematiken, die Košinár (2014) aus der Perspektive der von ihr untersuchten Referendar*innen mit deren Ausbildungspersonal re- 368 10 Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse konstruiert hat, lassen sich indirekt mit der antinomischen und unspezifischen Ausbildungspraxis der Ausbildungskräfte in dieser Studie erklären. 127 Je nach dem, welchem Typus sie zugerechnet werden können, wird bei Košinár eine Veränderung der Orientierungsrahmen im Sinne einer Anpassung rekonstruierbar (sofern von Beginn an keine Passung vorlag). Es steht zu vermuten, dass solche Habitustransformationen seitens des lehrerbildenden Personals weniger und seltener vorkommen, da sie strukturell-systemisch sowie machttheoretisch im Feld des Referendariats kaum Anlass dazu haben. Im betrachteten Sample sind lediglich bei Monika Blümke und Jörg Reger über ihre berufsbiographischen Erzählungen latente Transformationen rekonstruierbar geworden, wenn erstere verstärkten Einsatz in der ersten Phase zeigt, um Schwierigkeiten der LiV im Vorbereitungsdienst entgegenzuwirken, und zweiterer sich zunehmend professionalisiert, indem er aktiv Distanz sucht. 3) Lehrerbildner*innen im fremdsprachendidaktischen Vorbereitungsdienst zeigen individuelle Aushandlungs- und Interpretationsprozesse formaler Vorgaben, die zwar erfüllt werden, aber je individuell nur eine schwache bis mittlere Identifizierungskraft offenbaren. Damit bestätigen sich die Annahmen von Schubarth et al. (2006) der „teilweise[n] Beliebigkeit der internen Ausbildungspläne“ (ebd.: 54), allerdings auf der individuellen Ebene der Interpretation derselben durch die Ausbilderinnen und Ausbilder. Insbesondere in den Distinktionstypen der Ausbildungspraxis zeigt sich damit möglicherweise der berufsbezogene Habitus von Lehrerbildner*innen, davon ausgehend, dass „die Wahrnehmungs- und Beurteilungsschemata des Habitus … größtenteils das Ergebnis eines unbewußten und nicht gewollten Meidungsverhaltens“ (Bourdieu 1987: 114) sind. Wenn auch der Vorwurf des sich reproduzierenden Determinismus an Bourdieus Habituskonstrukt nicht in dem Maße haltbar ist, wie er häufig rezipiert wird (vgl. Lenger et al. 2013), wird damit dennoch innerhalb von Feldern mit einer normativ aufgeladenen Struktur wie der des Vorbereitungsdienstes eine gewisse Starrheit beobachtbar. Die Strukturen und Vorgaben werden, wie innerhalb des kommunikativen 127 Diese Passungsproblematiken lassen sich auch über die Typen von Kratzsch und Masendorf (1979) herleiten. Die Beschreibungen der fünf unterschiedlichen Typen aus Sicht der Referendarinnen und Referendare (s. Kapitel 4.2.2.1) beziehen neben Aspekten von Interaktionsprozessen und Fachwissen der Ausbilderinnen und Ausbilder jedoch auch stark persönlichkeitsrelevante Eigenschaften des Lehrpersonals mit ein, die in der vorliegenden Studie aus offensichtlichen (auch forschungsmethodischen sowie -ethischen) Gründen nicht berücksichtigt wurden. 10.3 Annäherungen an einen beruflichen Habitus von Lehrerbildner*innen 369 Wissens deutlich hervortritt, seitens der Ausbilderinnen und Ausbilder sehr kritisch gesehen (besonders innerhalb der Wunschkonzepte). So wie Felder und Strukturen sich reproduzieren, in die habitualisierte Handlungs- und Wahrnehmungsschemata eingebunden sind (z. B. auch im System Schule), so wird auch hier sichtbar, dass kollektive Erfahrungen und Orientierungen rekonstruierbar werden, dass also auch das System Vorbereitungsdienst ein stark reproduzierendes, deterministisches Potential hat. Die von vielen geforderte Innovationsbereitschaft kann damit kaum als vorhanden gelten (vgl. auch Schubarth et al. 2006), vor allem vor dem Hintergrund der starken Selbstidealisierung der Studienseminare (vgl. Oelkers 1996/ 2000, Lenhard 2004). Diese Determiniertheit führt aufgrund von 2c) und 3), der Konstruktion der LiV als Lernende und der individuellen Interpretation der nötigen Handlungspraxis, dazu, dass die inhaltlichen Zielsetzungen (Ausbildungsdidaktik) stark in der Verantwortung der Ausbildungskräfte verbleiben und wie folgt ausgeprägt werden: 4) Lehrerbildner*innen im fremdsprachendidaktischen Vorbereitungsdienst gestalten Ausbildungspraxis entlang lerntheoretischer Überzeugungen entweder mittels der Realisierung konstruktivistischer Settings oder im Sinne einer Transmissionsorientierung von individuell (aber selten seitens des Studienseminars) relevant gesetzten Schwerpunkten. Ähnlich der Erkenntnis von Caspari (2003), dass die Ziele von Fremdsprachenunterricht ganz entscheidend von den individuellen Konstruktionen und dem eigenen Unterrichtskonzept der Lehrkraft abhängen, kann dies auf der Ebene der Ausbildungskräfte ähnlich rekonstruiert werden. Aufgrund dieser Konstruktion wird Ausbildungspraxis mit ähnlichen strukturtheoretischen Annahmen wie Paradoxien und Antinomien, Ungewissheiten sowie der Normalität des Scheiterns erklärbar, wie „normale“ Unterrichtssituationen (vgl. Oevermann 1996/ 2002, Helsper 2004/ 2008). Zwar ist die Ausbildungspraxis ebenfalls der Autonomieförderung (der LiV) im Oevermann’schen Sinne verpflichtet (vgl. Oevermann 1996), gleichzeitig handelt es sich auch hier - wie im schulischen Unterricht aufgrund der Schulpflicht - um ein machttheoretisch latent aufgezwungenes Arbeitsbündnis, das selten als solches von den Beteiligten reflektiert wird. 128 Die Krisensituationen, die seitens der Referendarinnen und Referendare auftreten (vgl. Bonnet/ Hericks 2013), werden ausgehend von dem, was die Aus- 128 Aus Sicht der LiV könnte auch diskutiert werden, ob das mit dem Vorbereitungsdienst verbundene Krisenerleben überhaupt vermeidbar ist oder ob es nicht als Teil des Prozesses unbedingt zum Lehrer/ innenwerden dazugehört (vgl. Dietrich 2014). 370 10 Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse bildungskräfte offenbaren, kaum beraten bzw. für alle Beteiligten transparent gemacht. Abb. 21: Zusammenfassung von Orientierungsschemata und dominanten Orientierungen im Habitus. Man könnte die Ausbildungspraxis natürlich auch analog im Sinne von Baumert und Kunter (2006) positiv sehen: „Nicht das Scheitern, sondern der Erfolg des Lehrerhandelns ist der Normalfall.“ (ebd.: 473) Während man damit annehmen kann, dass die Ausbildungspraxis in der derartigen Ausgestaltung, wie sie hier rekonstruiert wurde, durchaus erfolgreich ist, können gedankenexperimentell zweierlei Szenarios hergeleitet werden, in denen dennoch massives Potential zum Scheitern entsteht: So ist dies die Situation, wenn seitens der LiV eine Nicht-Passung mit den Überzeugungen und Konzepten der Ausbildungskraft besteht, wenn also bspw. eine Konzeption von Fremdsprachenunterricht seitens der Ausbildungskraft vorgegeben (und damit bewertungsrelevant) wird, diese aber diametral zu Überzeugungen der LiV steht. Die zweite problematische Ausbildungspraxis entsteht insbesondere dadurch, dass entweder Themen im transmissionsorientierten Typus vermittelt werden, die keinen Bezug zur unterrichtlichen Praxis haben, oder dass im Kontrast hierzu im moderierenden, konstruktivistischen Typus die LiV ihre allgemeinpädagogischen Herausforderungen in die Seminarsitzungen mitbringen und keinerlei fremdsprachendidaktischen Fragestellungen bearbeitet werden. In letzterem Szenario muss dann hinterfragt werden, ob man von Ausbildungskräften im fremdsprachendidaktischen Vorbereitungsdienst sprechen kann, ob sie Second-order language teachers 10.3 Annäherungen an einen beruflichen Habitus von Lehrerbildner*innen 371 sind - oder ob man den Wechsel zur zweiten Ordnung sowie die fachkulturelle Ausprägung eher mit einem Fragezeichen versehen müsste. Einige Fähigkeiten der LiV werden (gleichsam nativistisch, ähnlich der Annahmen der „geborenen Lehrerkraft“ 129 ; vgl. auch Goodwin/ Kosnik 2013) vorausgesetzt und damit für Ausbildung von Seiten der Lehrerbildner*innen ausgeblendet, andere Kompetenzen und besonders Fachwissen werden in den Verantwortungsbereich der ersten Phase verschoben und deren Nicht-Vermittlung dort dann teilweise heftig kritisiert. Möglicherweise ist Teil der habituellen Ausbildungspraxis eine Annahme, dass das Sammeln von Erfahrung(swiss)en mit Lehrerprofessionalisierung gleichzusetzen sei und daher zahlreiche Fähig- und Fertigkeiten außerhalb des zeitlich begrenzten Verantwortungsbereichs der Lehrerbildner*innen liegen. Als Folge hiervon werden von den fachdidaktischen Ausbildungskräften auch keine Professionalisierungsprozesse im bildungsgangdidaktischen Sinne von Entwicklungsaufgaben (vgl. Hericks 2006) unterstützt, da deren Bearbeitung als individueller Prozess oder in der Verantwortung allgemeinpädagogischer Lehrerbildner*innen gesehen wird. 129 Vgl. hierzu z. B. die Annahmen zur Lehrerpersönlichkeit von Petra Sänger, Regina Meier (Kapitel 8.1) oder auch Jörg Reger. 11 Reflexion des Forschungsprozesses Flick (2012) schreibt, dass „die Gegenstandsangemessenheit von Methoden und Theorien, die Berücksichtigung und Analyse unterschiedlicher Perspektiven sowie die Reflexion des Forschers über die Forschung als Teil der Erkenntnis“ (ebd.: 26) gesehen werden muss. Daher möchte ich den Forschungsprozess entlang dreier Aspekte der hier vorgelegten Studie reflektieren: Dies ist zum ersten der Forschungsgegenstand des Vorbereitungsdienstes bzw. meine Forschungssubjekte, die Ausbilderinnen und Ausbilder. Zum zweiten möchte ich auf die Datenerhebung und -auswertung, die Rekonstruktionen vor dem Hintergrund der praxeologischen Wissenssoziologie und Dokumentarischer Methode eingehen, bevor ich drittens die Ergebnisse sowie mögliche Implikationen der Studie antizipierend reflektiere und damit die Überleitung zum nächsten und letzten Kapitel leisten möchte. Zu Beginn des Forschungsprojekts waren zusätzlich noch Mentorinnen und Mentoren 130 im Untersuchungssample enthalten. Diese hatte ich hinzugenommen, da eine Lehrerkollegin, der ich von meinem Vorhaben, Ausbildungskräfte zu untersuchen, erzählte hatte, mich davon überzeugte, dass es ja auch noch eine andere Gruppe von Lehrerbildner*innen im Vorbereitungsdienst gäbe, die es Wert sei untersucht zu werden. Recht hatte sie - nur hätte der zusätzliche Fokus auf Mentorierende in dieser Arbeit den Rahmen deutlich gesprengt und vermutlich beiden Gruppen nicht den gebührenden Platz geboten. Auch erwies sich ein Vergleich der Handlungspraxis beider Gruppen - auf die es hätte hinauslaufen müssen - nach ersten Analysen als wenig ergiebig. Offenbar ging es mir offensichtlich immer um die Personen, die im Vorbereitungsdienst als die „Professionalisierenden“ zu verorten sind. Und obwohl die Zielgruppe der Ausbildungskräfte damit ebenfalls zu einem relativ frühen Zeitpunkt feststand und damit auch die Maßgabe, in einem explorativen Zugriff zunächst mittels narrativer, auf episodische - auch berufsbiographische - Situationen ihrer Praxis abzuzielen, stellte mich das Datenmaterial als Ergebnis der Interviews zunächst vor Herausforderungen. Als ich mit den ersten Schritten der Dokumentarischen Methode, besonders der Textsortentrennung, begann, 130 Die Interviews führte ich mit einem ca. 6-monatigen Abstand nach den Ausbildungskräften durch. Auch die Transkripte liegen bereits vor, sodass weitere, vertiefende Arbeiten und Veröffentlichungen zu den Mentorinnen und Mentoren im fremdsprachendidaktischen Vorbereitungsdienst geplant sind (vgl. z. B. aktuell schon schlaglichtartig: Gerlach 2018). 374 11 Reflexion des Forschungsprozesses am transkribierten Material zu arbeiten, stellte sich schnell Ernüchterung ein: Obwohl die Interviewfragen wie auch die Nachfragen narrationsgenerierend angelegt waren, verfielen die Befragten nach kurzen Erzählpassagen, die damit selten eine Konklusion fanden, schnell in Beschreibungen und Argumentationen - eigentlich Textsorten, die man sich nicht für die Rekonstruktion impliziter Wissensbestände wünscht. Zunächst überlegte ich, die Methodologie zu wechseln, erprobte zunächst Annahmen der Grounded Theory, um auf Basis der (sequenzanalytischen) Ergebnisse der Interviews und einer zunehmenden Theoriesättigung zu Erkenntnissen zu kommen. Ich stellte diese Zwischenergebnisse bspw. auch auf der Nachwuchstagung der Deutschen Gesellschaft für Fremdsprachenforschung (DGFF) in Frankfurt/ Main 2016 vor. Die Rückmeldungen waren - erwartungsgemäß - gemischt, sodass ich doch zur Dokumentarischen Methode zurückkehrte, mich aber stärker an den neueren Publikationen Bohnsacks orientierte, die speziell die Rekonstruktion von Orientierungsrahmen und Habitūs mittels der jeweils individuellen Aushandlung normativer Setzungen ermöglicht. Da der Vorbereitungsdienst als stark normativ aufgeladenes Feld charakterisiert werden kann, war dies ein Glücksgriff, der die Handlungspraxis der Ausbilderinnen und Ausbilder erst greifbar machte. Die Methode erwies sich damit in diesem Zugriff als produktiv - dem Gegenstand entsprechend an der Stelle auch eher als die vorher von mir ausprobierte, auf theoretische Sättigung abzielende Grounded Theory - und wurde dann unter der spezifischen Fragestellung zudem mittels einer expliziten Suchheuristik hinsichtlich der ausbildungsdidaktischen Gegenstände (s. Kapitel 9) erweitert. Die Tatsache, dass die Ausbilderinnen und Ausbilder mit Beschreibungen und Argumentationen schnell in reflexive Entwürfe ihrer Handlungspraxis „verfallen“, ist eines meiner Kernerkenntnisse zum Habitus von Ausbildungskräften im fremdsprachendidaktischen Vorbereitungsdienst geworden. Die Breite der Erkenntnisse im Hinblick auf die Ausbildungsdidaktik sind eher als ernüchternd zu bezeichnen - auch das kann als ein Ergebnis einer nur schwachen Rekonstruierbarkeit der Orientierungsrahmen gewertet werden und die nur mit Einschränkungen vorhandenen, reliablen Homologien von Orientierungsschemata. (Vermutlich sind hier teilnehmende Beobachtungen als Erhebungsmethode eine mögliche, vielleicht sogar nötige Erweiterung, die dann reale Praxis erhebbar macht - mit der Einschränkung, dass der/ die Forschende dann Teil dieser Praxis wird.) Das Verhältnis von Ausbildungspraxis und Ausbildungsdidaktik und die damit verbundene Aussagekraft ist daher eingeschränkt: Die in strukturell-normativen Zwängen verhaftete Ausbildungspraxis, auf die sich die zusammenfassende Habitusrekonstruktion im Wesentlichen stützt, ist als die Gütekriterien in Gänze erfüllend anzusehen. 11 Reflexion des Forschungsprozesses 375 Die Ausbildungsdidaktik offenbart Einblicke - nicht mehr und nicht weniger - in die Schwerpunktsetzungen und Verhandlung bestimmter Themen im Rahmen ebenjener Praktiken. Je nach Typ der Praxisgestaltung werden diese Inhalte in der Ausbildung jedoch unterschiedlich relevant - in ihrer Qualität und in ihrer Quantität. Mein Ansatz war daher, mit top down gesetzten Wissenskategorien erneut an das gesamte Datenmaterial heranzugehen und quasi inhaltsanalytisch Textstellen zu identifizieren, die bestimmte Themen verhandeln. Das Ergebnis dieser Heuristik ist jedoch keine Typenbildung geworden, welche ausbildungsdidaktische Schwerpunkte valide hätte rekonstruierbar machen können. Es bleibt daher bei einem näherungsweisen Aufdecken möglicher Inhalte, die - ausbildungspraktisch - in hochreflexiven, von Rechtfertigungszwängen bestimmten Strukturen (mit je nach Standort des Studienseminars auch besonderen Setzungen) von den Interviewpartner*innen genannt wurden. Hierzu müssten weitere Untersuchungen folgen - möglicherweise auch solche, die aufzudecken versuchen, inwiefern als relevant vermutete (d. h. gesetzte) Inhalte überhaupt von Ausbildungskräften und/ oder LiV aufgenommen und wie genau ausgehandelt werden, um dann Rückschlüsse auf eine eventuelle Wirksamkeit dieser normativen Erwartungen ziehen zu können. Auch in der Natur der Interviews liegt, dass sie als Erhebungsverfahren nie in Gänze kontrollierbar sind, direkte Nachfragen können selten derart präzise formuliert und platziert werden, dass sie immer denselben, reliablen Effekt haben. Zudem ist denkbar, dass einige Ausbildungskräfte sich heute vor dem Hintergrund meiner Erzählimpulse und Fragen ganz anders äußern würden. Ausführungen im Sinne einer sozialen Erwünschtheit hinsichtlich der Daten (auch aufgrund der am häufigsten vertretenen Textarten) ist weiterhin nicht auszuschließen, obwohl versucht wurde, diese durch komparativen Fallvergleich aufzuheben bzw. auszuschließen. Weiterhin ist meine Rolle als Interviewer, der als Mitglied der ersten, lehrerbildenden Phase, welche von den Ausbildungskräften in der Regel deutlich kritisiert wird, nicht unproblematisch. Ich trat als Forschender in ein normativ geprägtes, in sich stark geschlossenes System ein, um über Geschichten einen Einblick in die Handlungspraxis zu erhalten. Trotz meiner vollkommenen Transparenz den Ausbildungskräften gegenüber (gerade auch im direkten Anschluss an die Interviews, zu einem Zeitpunkt also, wo sie die Nutzung der Daten auch noch hätten widerrufen können; vgl. Kapitel 6) sowie meinem Bemühen, eine angenehme Gesprächsatmosphäre zu schaffen, können mir Praktiken, Meinungen und Glaubenssätze weiterhin verborgen geblieben sein. Die mir gleichzeitig entgegenbrachte Offenheit der Lehrerbildner*innen, das auch nach Abschluss der Interviews große Interesse an den entstehenden Publikationen und Erkenntnissen aus dieser Untersuchung, die mit dieser Schrift abgeschlossen und sozusagen öffentlich wird, bestätigt 376 11 Reflexion des Forschungsprozesses mich jedoch darin, dass ich einen ehrlichen und ungetrübten Blick in die Praxis fremdsprachendidaktischer Ausbildungskräfte gewinnen konnte. Gleichzeitig habe ich beim Eintritt in das Feld des Vorbereitungsdienstes und in den Interviews mit den Ausbilderinnen und Ausbildern einen spezifischeren Blick für die Strukturen und Prozesse als jemand, der keinen Vorbereitungsdienst (oder nicht den in Hessen) besucht hat, da ich selbst die zweite Phase unter ähnlichen Bedingungen als LiV durchlaufen habe. Bei allen Versuchen, die Forschungsergebnisse, die Interpretationen und Rekonstruktionen nicht nur methodisch, sondern z. B. auch mittels gemeinsamer Diskussionen mit Kolleginnen und Kollegen in mehreren Forschungskolloquien und Interpretationswerkstätten zu kontrollieren, kann dennoch nicht die Garantie gegeben werden, dass andere, potentiell mögliche Lesarten an das Interviewmaterial herangetragen werden können oder z. B. bestimmte Motiviken oder Kontextfaktoren der Handlungspraktiken sowie der Ausbildungsdidaktik unberücksichtigt geblieben sind. Methodologie und Methode wiesen damit eine hohe Passung zum Untersuchungsgegenstand, die Methoden von Datenerhebung und Auswertung waren damit zielführend und entlang des Erkenntnisinteresses höchst produktiv. Natürlich sind weitere Anschlussuntersuchungen und -erhebungen sowohl denkbar als auch angedacht (bzw. bereits durchgeführt worden), wie in Kapitel 12 noch ausdifferenziert werden soll. Letztlich sind die vorgelegten Erkenntnisse auch im Bourdieu’schen Sinne ein Stück Geschichte, das in diesem jeweiligen Kontext betrachtet und nie von ihm gänzlich losgelöst werden kann. Die Rekonstruktionen und Analysen können damit gar nicht abgeschlossen werden, sondern sind im erkenntnistheoretischen Sinne als Teil des Prozesses einer Theoriebildung zu sehen, welche im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand noch kaum von Forschung betrachtet wurde. In der kritischen Auseinandersetzung mit den vorgelegten Erkenntnissen und Empfehlungen möge daher Neues entstehen - sowohl im Sinne der Empirie wie auch des beteiligten Personals im Vorbereitungsdienst angehender Fremdsprachenlehrkräfte. 12 Implikationen für (fremdsprachendidaktische) Lehrer*innenbildung und Professionsforschung Wenn im Kapitel 1 mit der Beschreibung einer Szene aus der Dokumentation Zwischen den Stühlen (vgl. Schmidt 2016) in diese Arbeit eingeführt wurde, scheint nur logisch, mit einer weiteren Szenenbeschreibung zu schließen: Eine Einführungsveranstaltung des Studienseminars. Auf einem Plakat zum Thema „Lehrerpersönlichkeit“ wurden Eigenschaften wie „Freundlichkeit“, „Toleranz“ und „Fairness“ gesammelt. Die Ausbilderin ermahnt die Gruppe von Referendarinnen und Referendaren gerade, dass sie nun vier Minuten zu spät beginnen könnten und rät zur Selbstdisziplin. Sie sagt - unterbrochen von Nahaufnahmen einzelner, angehender Lehrkräfte: „Jetzt möchte ich nochmal ganz besonders auf Folgendes hinweisen: Sie sind in so ‘ner Zwittersituation, dass Sie einerseits vor der Klasse stehen und selbst lehren und auf der anderen Seite hier jetzt in so eine Schülerrolle verfallen. Und das ist ganz wichtig, dass Ihnen das bewusst ist. Ähm. Stellen Sie sich vor, Sie haben irgendwie in Ihrem Leben versäumt, Schwimmen zu lernen. Und nun kommt jemand und schmeißt Sie ins tiefe Wasser. Was werden Sie tun? Sie werden Strampelbewegungen machen, Sie werden sich über Wasser halten. Aber: Dadurch, dass Sie sich über Wasser halten, können Sie noch lange nicht wirklich schwimmen. Denn allein vor der Klasse zu stehen und irgendwie Unterricht zu machen bedeutet noch lange nicht, dass Sie ein guter Lehrer oder eine gute Lehrerin sind. Ja? Sie werden irgendwann drohen abzusaufen.“ Diese Szene ist ein eindrückliches Konglomerat von - nicht nur durch diese Arbeit identifizierten - zahlreichen Schwierigkeiten, die sich in der Praxis des Vorbereitungsdienstes manifestieren (können). Die hiermit vorgelegte Studie gibt dabei nur einen kleinen Einblick in eine spezifische Phase der Lehrerbildung eines Bundeslandes, noch dazu eingegrenzt auf die besondere Spezifik der Ausbildung angehender Fremdsprachenlehrkräfte. Wie mit aller Vorsicht bereits schon mehrfach betont, stellen die präsentierten Fälle - wenn sie auch in ihrer Kontrastierung und methodisch kontrollierten Rekonstruktion an Bedeutung und Aussagekraft gewinnen - je spezifische Praktiken dar, die lediglich einen Ausschnitt aus Handlungspraxis und Einblick in die Ausbildungsdidaktik des Vorbereitungsdienstes für angehende Fremdsprachenlehrkräfte zeigt. Diese Einblicke offenbaren jedoch Momente erfolgreicher wie misslingender Ausbildung, lassen tentativ zu, gedankenexperimentell Schlüsse zu ziehen, ob die normativen Vorgaben einer Disziplin wie der Fremdsprachendidaktik oder 378 12 Implikationen für Lehrer*innenbildung und Professionsforschung einer Institution wie des Landes Hessen in Lehrerbildung Niederschlag finden. Die Antwort auf diese Frage lautet: vielleicht - bzw.: Es hängt ganz davon ab. Lehrerbildung offenbart sich hier nicht zum ersten Mal als ein höchst komplexer Prozess, in dem interpersonale Beziehungen sowie Gruppendynamiken eine Rolle spielen, Wissen und seine Rezeption sowie Reflektierbarkeit und nicht zuletzt auch Strukturen innerhalb derer lehrerprofessionalisierende Prozesse seitens der Lehrerbildner*innen und der zu Professionalisierenden stattfinden. Was müsste Fremdsprachenlehrerbildung entlang der im Verlauf dieser Arbeit identifizierten Anforderungen leisten? Was kann sie realistischerweise nicht leisten? 131 Zumindest die realistischen Anforderungen müssten auch für die Ausbildungskräfte im Vorbereitungsdienst umsetzbar werden, sie sollten diejenigen sein, die Vorwissen aktivieren, Reflexionsprozesse aufgreifen und vertiefen, Ausbildung strukturieren. Möglicherweise kann die in Kapitel 8 aufgestellte Typologie selbst eine Reflexionsgelegenheit und -folie bieten für Ausbildungskräfte, dass diese ihre eigene Ausbildungspraxis hinterfragen, vielleicht ebenfalls die Passung mit ihren LiV. Diese Passung hängt selbstverständlich ebenfalls zu einem großen Grad von den LiV ab, die in dieser Studie nicht untersucht wurden, viel wurde jedoch über sie geredet. Aber ist eine Flexibilisierung des Vorbereitungsdienstes möglich dahingehend, dass Typen von Lehrerbildner*innen genau die zu ihnen passenden LiV-Typen betreuen? Wohl kaum. Jedoch: Ein Bewusstsein aller Beteiligten darüber, dass analog zur Struktur in der Schule, wo dem erworbenen Schülerhabitus ein „spiegelbildlich dazu … passförmiger und gewünschter bzw. abgelehnter Lehrerhabitus“ (Helsper 2019: 56) vorliegt, im Vorbereitungsdienst möglicherweise eine ähnliche, strukturtheoretische Komplementarität vorherrscht, könnte die Ausbildungspraxis normativ entlasten. Es soll abschließend daher diskutiert werden, welche möglichen und realistischen Implikationen die Befunde dieser Studie - auch unter Berücksichtigung der weiteren, im Zusammenhang mit dieser Untersuchung diskutierten, einschlägigen Ergebnisse Dritter - für den (fremdsprachendidaktischen) Vorbereitungsdienst haben könnten und welche weiteren Leerstellen und Desiderata sich für eine (fremdsprachendidaktische) Professionsforschung ergeben. Die 131 Der in einem einschlägigen Einführungswerk der Fremdsprachendidaktik vertretene Beitrag von Krechel (2016) mit dem Titel „Ausbildung von Sprachlehrenden in der zweiten Phase“ ist eine recht positivistische, keine belastbare Forschung einbeziehende Beschreibung von dem, was der Vorbereitungsdienst leisten soll. Ein Beispiel: „Ziel der Ausbildung in den Fremdsprachenfächern ist der Aufbau einer theoretisch fundierten und in der Praxis tragfähigen Kompetenz als Fremdsprachenlehrkraft.“ (ebd.: 609) Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung (und anderer Studien) zeigen jedoch, dass diese Ansprüche wohl kaum eingelöst werden können. 12.1 Implikationen für die (fremdsprachendidaktische) Lehrer*innenbildung 379 Tatsache, dass die Fachspezifik hier jeweils eingeklammert wird, ist dem Umstand geschuldet, dass einige der hier zusammengefassten Empfehlungen, sofern sie insbesondere strukturelle Gründe haben, potentiell analog für andere Fächer gelten dürften. 12.1 Implikationen für die (fremdsprachendidaktische) Lehrer*innenbildung Letztlich können grob 1) strukturelle und 2) inhaltliche Empfehlungen gegeben werden, die sich auf die Lehrerbildner*innen, ihre Ausbildungspraxis und damit auch ihre LiV auswirken dürften. Ich beziehe mich hier vornehmlich auf die von mir untersuchte zweite Phase, wohlwissend, dass auch das Lehramtsstudium von Seiten der Ausbildungskräfte häufiger angesprochen wurde. Daher vielleicht zur Fremdsprachenlehrerbildung an den Hochschulen an dieser Stelle nur so viel: Eine scheinbar nötige Maßnahme, die aus der Kritik und den Wunschkonzepten der Ausbildungskräfte deutlich wurde, ist die des mangelnden Fachwissens, insbesondere auch der Sprachkompetenz. Die Förderung dieser Wissenskomponente gilt es im Laufe der ersten Phase stärker auszubauen durch verpflichtende Auslandsaufenthalte, mehr noch durch flankierende, zusätzliche sprachpraktische Übungen. Möglicherweise muss auch über das zu verpflichtende Absolvieren von Sprachtests und -zertifikaten als Eingangsvoraussetzungen zum 1. Staatsexamen oder des Vorbereitungsdienstes offener nachgedacht werden. Daneben ist aber (immer noch) eine im Verhältnis zu Fach- und Erziehungswissenschaften gesehen starke Vernachlässigung der Förderung fachdidaktischen Wissens über die Modulbeschreibungen der meisten fremdsprachenlehrerbildenden Universitäten Deutschlands sichtbar, die aufgrund der zahlreichen kompetenztheoretischen Erkenntnisse besonders hinterfragt werden müsste: Nach wie vor ist die erste Ausbildungsphase für die Lehrämter dort, wo ein nicht lehramtsspezifischer fachwissenschaftlicher BA-Studiengang Ausgangspunkt ist, durch ein Übergewicht didaktisch nicht oder nicht hinlänglich reflektierter Fachwissenschaft und ein daraus resultierendes unverbundenes Nebeneinander fachwissenschaftlicher und fachdidaktischer Sichtweisen gekennzeichnet. (Schröder 2017: 194) Wesentlich sollen hinsichtlich des fremdsprachendidaktischen Vorbereitungsdienstes im Folgenden drei Empfehlungen auf Basis der hier diskutierten Ergebnisse gegeben werden: 380 12 Implikationen für Lehrer*innenbildung und Professionsforschung 1. Erstens scheint es auf Grundlage der Ausbildungspraxis und der undifferenzierten Ausbildungsinhalte vor dem Hintergrund der geringen Strukturiertheit der Domäne „Fremdsprachendidaktik“ nötig, einen stärkeren Fokus auf die Diagnose und Förderung von Reflexionskompetenz bzw. das Schaffen entsprechender Reflexionsgelegenheiten zu legen. Eine direkte Ansatzstelle bietet möglicherweise der Aspekt der Unterrichtsplanung, welche offenbar in nur geringer Differenzierung und Intensität zum Bestandteil der fremdsprachendidaktischen Ausbildung gemacht wird. 2. Alle vorliegenden Untersuchungen weisen darauf hin, dass die (Weiter-)Qualifikation der Lehrerbildner*innen nur in den seltensten Fällen stringent verfolgt, in Teilen auch dem Personal selbst überlassen ist. Aufgrund zahlreicher Belastungsmomente besteht jedoch die Gefahr, dass diese individuelle Professionalisierung möglicherweise ins Stocken gerät. Eine Professionalisierung der Professionalisierenden ist damit zwingend nötig, um den Vorbereitungsdienst in qualitativer Hinsicht zu stärken und Lehrerbildner*innen möglicherweise auch zu einer größeren Berufszufriedenheit zu verhelfen, wenn ihr individueller Entwicklungsprozess ernst genommen wird. 3. Eng verbunden mit dem letzten Punkt ist drittens eine strukturelle und bedarfsorientierte Flexibilisierung des Vorbereitungsdienstes, der mittels einer größeren Autonomie qualifizierten Ausbildungspersonals individuellere Beratung mit einer größen Zahl an Ausbildungs- und Beratungsgelegenheiten verknüpft. Fokussierung auf Förderung von Reflexions- und Unterrichtsplanungsgelegenheiten Auch wenn bislang - besonders in den Kapiteln 8 und 10 - stark strukturtheoretisch argumentiert wurde und die besondere Anforderungspraxis der Ausbilderinnen und Ausbilder bzw. des fremdsprachendidaktischen Vorbereitungsdienstes an sich herausgestellt wurde, soll an dieser Stelle zunächst mittels einer möglicherweise stärker kompetenztheoretischen - allerdings auch in sich reflexiv-strukturtheoretischen - Perspektive auf eine in meinen Augen bedeutsame Schnittstelle eingegangen werden: Unterrichtsplanung als ein Moment und Ort des Lehrer*innenhandelns bzw. als Gegenstand von Lehrer*innenbildung, der gleichzeitig struktur- und kompetenztheoretisch ausgefüllt, aber auch beide Deutungen in berufsbiographischer und bildungsgangtheoretischer Hinsicht zu vereinen vermag (vgl. Gerlach/ Roters/ Steininger 2020). Zuvorderst muss festgestellt werden: Wenn es den KMK-Lehrerbildungsstandards (2017) ausreicht, dass durch die fremdsprachendidaktische Hochschulausbildung „erste reflektierte Erfahrungen in der kompetenzorientierten Planung und Durchführung von Fremdsprachenunterricht“ vorliegen (ebd.: 44), müssten diese als 12.1 Implikationen für die (fremdsprachendidaktische) Lehrer*innenbildung 381 Lerngelegenheiten zum einen auch in der ersten Phase gezielt geschaffen, zum anderen intensiv im Vorbereitungsdienst aufgegriffen werden (vgl. auch Doff 2018). Dadurch, dass Unterrichtsplanung eines der komplexen Schlüsselprobleme des Vorbereitungsdienstes ist und die Krisenhaftigkeit einer nicht gelingenden Planung zu erheblicher Irritation und Frustration führt, muss diese „Kompetenz“ - auch das Aushalten von Irritationen, Krisen und Antinomien jenseits des Potentials ihrer Überwindung - gezielt und früh unter Anleitung der Professionalisierenden gefördert werden. Dies müsste auch vor dem Hintergrund gesehen werden, dass Planungsprozesse bei angehenden Fremdsprachenlehrkräften offenbar anders verlaufen, als dies gemeinhin vermutet wird (vgl. Knorr 2015/ 2016), und damit auch eine empirisch untermauerte Modellierung von fremdsprachendidaktischer Planungskompetenz bislang fehlt (vgl. Diehr 2018 132 ). Die Tatsache, dass Unterrichtsplanung sowohl in einschlägigen, fremdsprachendidaktischen Einführungsbänden nur stiefmütterlich behandelt wird und bspw. für die Englischdidaktik aktuell nur ein Werk vorliegt, das sich dem Thema dezidiert widmet (vgl. Gehring 2015), spricht für die deutliche Vernachlässigung der Disziplin für ein (vermeintlich) allgemeinpädagogisches Thema (vgl. besonders auch Kolb 2016 133 ). 134 Wird es als letzteres generisch betrachtet, zeigt das Sample von Ausbildungskräften dieser Studie, dass es entweder nicht zielführend vermittelt oder durch das Konzept der Aufgabenorientierung ersetzt und möglicherweise aufgrund institutioneller Färbung und Vorgaben (unnötig) verkompliziert wird. Dabei vermag gerade der Schwerpunkt Unterrichtsplanung eine Verknüpfung verschiedener Wissensformen, die in ein methodisch-didaktisch begründetes Konzept von Fremdsprachenlehrerhandeln 132 Diehr (2018) schlägt in ihrem Beitrag eine mögliche Modellierung der Planungskompetenz für Englischunterricht vor in den Dimensionen „Sprachbewusstheit entwickeln, Sprachlernprozesse fördern, Literaturbezogenes Lernen fördern, Kulturbezogenes Lernen fördern, Kommunikationsanlässe schaffen und Aufgaben gestalten“ (ebd.: 49). 133 Kolb (2016) diskutiert unter der Überschrift „Unterrichtsplanung - (k)ein Thema für die Englischdidaktik? “ differenziert, welche Rolle die Planung von Englischunterricht in der Lehrerbildung und den einschlägigen Einführungswerken spielt und welche Planungsmodelle überhaupt vorliegen. Die schwerwiegenden Mängel in allen betrachteten Dimensionen führen sie dazu, eine stärkere Berücksichtigung des Themas sowohl in Forschung als auch in den lehrerbildenden Strukturen und Seminaren einzufordern. 134 Auch aus der Perspektive der Professionsforschung erscheint das Thema Unterrichtsplanung überaus relevant. Bonnet und Hericks (2019) umreißen in ihrem Beitrag Grundlagen einer praxeologisch-wissenssoziologischen Professionstheorie, dass Unterrichtsvorbereitung (als Vorstufe von Unterricht in einem Kontinuum) durch die Reflexionsmodi von Schön (1983) und Wissenskonstrukten systematisierbar werden könnte mit dem Ziel herauszuarbeiten, „in welcher Weise allgemein- und berufsbiographische Erfahrungen in unterschiedlichen Erfahrungsräumen professionalisierend oder deprofessionalisierend wirken“ (ebd.: 118). 382 12 Implikationen für Lehrer*innenbildung und Professionsforschung fließen sollen und in ihrer sich anschließenden Reflexion das Potential bieten, Professionalisierungsprozesse anzustoßen. 135 Die geringe Strukturiertheit der Domäne Fremdsprachendidaktik, wie in Kapitel 3 kompetenztheoretisch herausgearbeitet und in verschiedenen Studien betont, bedarf weiterer Ausschärfung (s. Forschungsdesiderata unten). Nicht ohne Grund werden sowohl die KMK-Bildungsals auch Lehrerbildungsstandards aufgrund ihrer mangelhaften (fachdidaktischen) Ausschärfung weiterhin kritisch diskutiert 136 und Versuche unternommen, sie zu aktualisieren. Das nützt letztlich den unmittelbar betroffenen Lehrkräften im Vorbereitungsdienst zunächst allerdings wenig. Sie müssen vielmehr mit einem breiten, in allen Dimensionen aufgefächerten Wissen ausgestattet werden, das zudem in ihrem Innovationspotential reflektierbar gemacht werden muss: „Es ist anzunehmen, dass nur eine an der Reflexion von Handlungsalternativen ausgerichtete Lehrerbildung der Reproduktion vermeintlich altbewährter Handlungsmuster und Routinen vorbeugt.“ (Cramer 2012: 32-33) Dabei zeigt bspw. die Arbeit von Roters (2012), dass sich Reflexivität nicht selbstverständlich einstellt bzw. entsprechende Reflexions- und Lerngelegenheiten geschaffen werden müssen, um so etwas wie Reflexionskompetenz zu fördern. Wenn Ausbildungskräfte in die Lage versetzt werden, Wissensbestände seitens der LiV differenziert zu diagnostizieren und ihre Reflexivität kompetenz- und strukturtheoretisch handlungsorientiert verorten und fördern zu können, würde dies in meinen Augen für beide Seiten einen Gewinn darstellen. Ansätze und Beispiele dafür, wie Diagnose und Förderung von Reflexionskompetenz für Fremdsprachenlehrpersonen gelingen kann, gibt es mittlerweile zuhauf (vgl. z. B. Newby et al. 2007, Bach 2013, Gerlach 2015, Schädlich 2015, Farrell 2016, Abendroth-Timmer 2017, Gerlach/ Leupold 2019), ihre Vermittlung an Ausbildungskräfte und ihre Integration in einen flexibilisierteren Vorbereitungsdienst (s. u.) sind scheinbar die größeren Herausforde- 135 Angemerkt werden sollte die Problematik des Reflexionsbegriffs an dieser Stelle und vor dem Hintergrund der wiederholt in dieser Arbeit diskutierten Annahmen der praxeologischen Wissenssoziologie, wie auch Rauschenberg und Hericks (2018) feststellen: „Zunehmende Reflexivität ungebrochen als Kennzeichen eines individuellen Professionalisierungsprozesses anzusehen, ist problematisch, sofern der Fokus damit auf das kommunikative Wissen der Akteur/ inn/ e/ n gelenkt wird, das nach dem bisher Gesagten eben nicht handlungsleitend ist.“ (ebd.: 114) Vielmehr sei in ihren Augen „implizite Reflexion“ vonnöten, um individuelle Professionalisierungsprozesse vor dem Hintergrund von Krisenerfahrungen bearbeitbar zu machen - eine Denkfigur, die zwingend weiter verfolgt werden müsste (vgl. dazu auch Häcker 2017 sowie Ansätze in Gerlach/ Leupold 2019 und Gerlach 2019), aber auch diesbezüglich eine entsprechende Professionalisierung der Lehrerbildner/ innen angestrebt werden müsste (s. u.). 136 „Die Analyse der bildungspolitischen Reformvorschläge zur Lehrerbildung in Deutschland hat gezeigt, dass zwar viel gefordert, jedoch wenig konkret vorgeschlagen wird.“ (Roters 2012: 56). 12.1 Implikationen für die (fremdsprachendidaktische) Lehrer*innenbildung 383 rungen (vgl. Gerlach 2019). 137 Das bildungsgangdidaktische, berufsbiographisch orientierte Entwicklungsaufgabenkonzept auf der Grundlage von Havighurst (1972), wie es Hericks (2006) für die Berufseingangsphase konzeptualisiert und empirisch fundiert hat, könnte hier eine Folie bieten, auf der Reflexionsaufgaben und -gelegenheiten bereits im Vorbereitungsdienst differenziert bearbeitet werden können. 138 Es muss ferner die Frage gestellt werden, ob es einer Didaktik der Lehrer*innenbildung bedarf (vgl. Wildt 2005), weniger im Sinne einer Kanonisierung von Inhalten, eher im Sinne des Hinterfragens der Vermittelbarkeit bestimmter fremdsprachendidaktischer Konzepte und ihrer unmittelbaren Relevanz im Unterricht (vgl. Radtke 1996). Wird beispielsweise - auch aus politischen Gründen durchaus nachvollziehbar - die Akzeptanz und Förderung von Mehrsprachigkeit als wichtig angesehen, nimmt sie im (impliziten) Ausbildungskanon selbstverständlich Raum ein. Möglicherweise wird das Thema ausbildungsbzw. beratungsdidaktisch aber gar nicht relevant, da LiV mit Schülerinnen und Schülern mit anderen Muttersprachen gar nicht in Berührung kommen. Ähnlich wird es sich mit anderen Themen wie Inklusion oder Digitalisierung verhalten. Wenn also über eine Didaktik der Lehrer*innenbildung nachgedacht wird, müsste sie kontextsensibel konzeptualisiert werden, d. h. eine bedarfsorientierte Ausbildung entlang der Bedürfnisse von Lehrenden und Lernenden vor dem Hintergrund einer wachsenden und zu fördernden Reflexionskompetenz seitens der zum Handeln und Reagieren aufgerufenen Lehrerinnen und Lehrer. 139 Das Konzept der Kontextsensibilität (vgl. Gerlach/ Leupold 2019), das aktuell von mir in Lehre und Forschung bereits erprobt wird, scheint ein möglicher Ansatz 137 Hingewiesen werden soll an dieser Stelle auch noch einmal auf die Ausführungen Helspers (2018), der die Reflexion impliziter Orientierungen des eigenen Schülerhabitus zum Zwecke der Ausbildung eines Lehrerhabitus als zwingend notwendig ansieht. Er sieht diese Reflexion angesiedelt im Lehramtsstudium - ich bin mir nicht sicher, ob sie nicht auch im Vorbereitungsdienst noch einmal dezidiert aktualisiert und vor dem Hintergrund des eigenen Lehrer/ innenhandelns reflektiert und diskutiert werden müsste. 138 Hericks (2006) stellt auf Grundlage seiner Untersuchung zu Berufseinsteigenden auch Empfehlungen für die erste Phase vor, welche „die Befähigung zur professionellen Wahrnehmung von Entwicklungsaufgaben … als übergreifendes inhaltliches Strukturierungselement “ (ebd.: 463; Hervorhebung im Original) konzeptualisieren. Erste methodische Umsetzungsvorschläge dessen (insbesondere auch im Anschluss an Kunze/ Hericks 2002) habe ich mit Eynar Leupold - besonders für angehende Lehrkräfte - schon versucht zu konkretisieren (vgl. Gerlach/ Leupold 2017). 139 Abendroth-Timmer (2017b) zeigt entsprechend ein bedeutendes Forschungsdesiderat auf: „Insgesamt sollte die fremdsprachendidaktische [Lehrerforschung] in der Zukunft stärker als bisher die Diversität der Bildungskontexte von [Fremdsprachenunterricht] und die Spezifika von Einzelsprachen abbilden. Dabei sind für Fremdsprachenlehrende erforderliche fachliche, kulturelle und interkulturelle Wissensbereiche sowie fachdidaktische und interkulturelle Kompetenzen noch genauer zu modellieren.“ (ebd.: 198) 384 12 Implikationen für Lehrer*innenbildung und Professionsforschung zu sein, da es sich löst von generalisierten Wissensformen, die ohnehin selten gleichermaßen in unterschiedlichen Kontexten relevant werden (können). 140 Zudem müssten in meinen Augen und im Anschluss an die Ergebnisse dieser Studie ausbildungsdidaktisch auch stärker nicht-kognitive Wissensdimensionen adressiert werden, die für (angehende) Fremdsprachenlehrkräfte in unterrichtspraktischer Hinsicht (vgl. König et al. 2016, Munderloh 2018) wie auch für ihre Identitätsbildung (vgl. Schultze 2018) überaus relevant sein müssten und dabei ebenfalls vorherrschende Beliefs für Ausbildung (vgl. Rossa 2017) und (individuell-implizite) Reflexionsprozesse im Sinne einer praxeologisch-wissenssoziologischen Professionstheorie, wie Bonnet und Hericks (2019) sie vorschlagen, transparent machen. Professionalisierung der Professionalisierenden Die Europäische Kommission (2013) merkt im EU-weiten Vergleich an: „The teacher educator profession is, in most Member States, still in its early stages of development. This is related to the fact that many countries have yet to achieve a ‘teacher education system’.“ (ebd.: 7) Dabei sieht Cochran-Smith (2003) Lehrerbildner*innen als die zentralen Schaltstellen, um Innovationen sowie erziehungs- und bildungswissenschaftliche Reformen voranzutreiben und erfolgreich zu implementieren. Die Vernachlässigung dieser Gruppe in Deutschland, in der sie eher als funktionierende Räder in der „Maschine Vorbereitungsdienst“ betrachtet werden, lässt ein enormes Potential unberücksichtigt. Die Rolle der Ausbildungskräfte muss zwingend gestärkt und aufgewertet werden. Mehr sehr gut qualifizierte Ausbildungskräfte müssen den Vorbereitungsdienst qualitativ hochwertig ausgestalten unter Berücksichtigung erwachsenenpädagogischer Ansätze von Coaching und Beratung, welche die Bedürfnisse der LiV ernst nehmen (vgl. Munderloh 2018) und entsprechende Lern- und Reflexionsgelegenheiten innerhalb der Strukturen schaffen. Die hohe Verantwortung der Lehrerbildner*innen für einen komplexen Prozess, der nicht nur über Karrieren, sondern ebenfalls über Professionalisierungsprozesse von LiV und damit später Lernprozesse seitens der Schülerinnen und Schüler entscheidet, muss mehr Beachtung und Respekt finden (vgl. Kelchtermans/ Smith/ Vanderlinde 2018). Damit einher gehen muss ein hohes Maß an Qualifizierung, insbesondere im Bereich der Erwachsenenbildung, ständige 140 Auf die im Berufsalltag sich stellenden, „stark kontextabhängigen Nebenaufgaben von Fremd- und Zweitsprachenlehrern“ geht Schmelter (2018: 175) ein und hinterfragt deren potentielle Bewältigung und den damit verbundenen, nötigen Kompetenzzuwachs vor dem Hintergrund einer zunehmend standardisierten Ausbildung und der im Rahmen der Fremdsprachenlehrerbildung aufgeworfenen strukturellen Hürden. 12.1 Implikationen für die (fremdsprachendidaktische) Lehrer*innenbildung 385 Fort- und Weiterbildung und ein kritisches Einbeziehen in auch strukturelle und inhaltliche Entscheidungen zum Vorbereitungsdienst auf Länderebene. Letzteres könnte, möglicherweise in enger Kooperation mit Universitäten und Schulen, mit Pädagog*innen und Fachdidaktiker*innen, helfen, die strukturelle Starrheit des Vorbereitungsdienstes zu überwinden. Auch müssen Lehrerbildner*innen ihre eigene Diagnosekompetenz differenziert schulen, um im Beobachten von Handlung und damit ihrer professionellen (Re-/ De-)Konstruktion von Lehrkompetenz der LiV sicher agieren zu können - schließlich sollen sie ihren Fortschritt beraten und bewerten (s. Ausführungen zur Förderung der Reflexionskompetenz oben; vgl. auch Europäische Kommission 2013, Loughran 2014). Betrachtet man Neuwegs Ausführungen zu verschiedenen Konzepten von Lehrerwissen, ist dies weder ein banales noch triviales Unterfangen (vgl. Neuweg 2014). Inwiefern die Formulierung und Verbindlichmachung von Standards der Qualifikation von Lehrerbilder*innen zuträglich sind, kann aktuell noch nicht abschließend gesagt werden, wenn auch in den internationalen Kontexten hier ein bedeutender Schwerpunkt liegt (vgl. insbesondere VELON 2012). Vielmehr ist davon auszugehen, dass die „Nicht-Standardisierbarkeit des Lehrerhandelns“ (Combe/ Kolbe 2008: 859) auch für Lehrkräfte zweiter Ordnung gilt. Ebenso müssten Standards, wenn sie formuliert werden wollen, zielgenau auf den deutschen Kontext, möglicherweise auf die verschiedenen Anforderungsbereiche und Fächer angepasst werden, um die von Swennen et al. (2010) kritisierte generische, gleichsam unspezifische Handlungspraxis zu verhindern. Die von Goodwin und Kosnik (2013) zusammengestellten Wissensdomänen von Teacher educators (s. Kapitel 4.2.2.3) wiederum könnten für den deutschen Vorbereitungsdienst eine gewisse Relevanz haben, wenn sie weiter ausgeführt und insbesondere auch fachspezifisch/ fremdsprachendidaktisch unterfüttert würden. Zu den Professionalisierenden und - je nach Definition - auch zur Gruppe der Lehrerbildner*innen zugehörigen Mentorinnen und Mentoren an den Schulen konnte in der vorliegenden Studie (noch) keine Aussage getroffen werden (vgl. Gerlach/ Steininger 2016, Gerlach 2018). Andere Untersuchungen weisen allerdings auf ihre große Bedeutung hin, vor allem im Sinne der persönlich-kollegialen Unterstützung der LiV wie vornehmlich auch auf einer Ebene der Förderung von Unterrichtsplanungskompetenz (vgl. Lenhard 2004, Walke 2004). Dass die Rolle von Mentorinnen und Mentoren an Schulen gestärkt werden muss, um sowohl die schulnahe Ausbildung zu fördern als auch mittelfristig die Kooperation von Ausbildungsphasen auch in fremdsprachendidaktischer Hinsicht zu optimieren (vgl. z. B. Elsner 2010), scheint daher nur logisch. 386 12 Implikationen für Lehrer*innenbildung und Professionsforschung Flexibilisierung des Vorbereitungsdienstes Es geschieht hier zwar nicht zum ersten Mal, dass eine stärkere Kooperation der verschiedenen lehrerbildenden Phasen gefordert wird - die Gründe hierfür bzw. die nötigen Ausformungen einer solchen Kooperation auf Basis der Rekonstruktionen sind jedoch leicht anders gelagert. Die Annahme zweier in sich (ab)geschlossener Phasen, die auch innerhalb der rekonstruierten Orientierungsrahmen der Ausbilderinnen und Ausbilder deutlich wurde, führt erstens zu leichtfertiger Kritik, zweitens potentiell zu einem Eindruck auf Seiten der LiV, das Wissen aus der ersten Phase sei gar nicht bzw. nur wenig anschlussfähig sowie drittens der auch an anderen Stellen bereits kritisierten Selbstidealisierung des Vorbereitungsdienstes (vgl. z. B. Lenhard 2004). Diese Annahmen führen im schlimmsten Fall dazu, dass Novizen bei Eintritt in das System nicht angemessen adressiert und in ihren Bedürfnissen wahrgenommen (vgl. Tsui 2003), die „Diskrepanzerfahrungen“ (Roters 2012: 273) beim Übergang in die zweite Phase gleichsam negiert werden. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie weisen darauf hin, dass die Strukturen des Vorbereitungsdienstes sowie die je individuelle Auslegung normativer Setzungen der Lehrerbildner*innen Ausbildungsprozesse möglicherweise verhindern. Diese Widersprüchlichkeit, dass eine Struktur, die einzig dem Zweck der Professionalisierung dienen soll, gerade diese einschränkt, wird primär durch enge Taktung und geringe Interaktionszeiten zwischen Lehrerbildner*in und LiV bedingt und zweitens durch eine gewisse Inhaltsleere. Es entsteht der Verdacht, dass der hessische Vorbereitungsdienst primär von der Struktur her konzipiert wurde, weniger von ausbildungsdidaktischen Zielen bzw. zu fördernden (Lehr-)Kompetenzen. Den entstehenden Herausforderungen seitens der Ausbildungskräfte und LiV kann in meinen Augen nur durch eine Flexibilisierung des Vorbereitungsdienstes entgegengewirkt werden. Hierfür ergeben sich aus der Gesamtschau der Ergebnisse der hiermit vorgelegten und der weiteren, vorliegenden Studien folgende Notwendigkeiten: 1. Eine Erhöhung der Lern- und Beratungsgelegenheiten insofern, als dass sowohl die Zahl der Seminar-/ Modulsitzungen als auch Unterrichtsbesuche zunimmt. 141 Letztere müssen allerdings in der Zahl der bewerteten Besuche relativ gesehen reduziert werden, um echte Beratungsprozesse zu ermöglichen (vgl. Izadinia 2014). Ggf. müsste darüber nachgedacht werden, ob 141 Vgl. hierzu auch Munderlohs (2018) „Teilnehmerspezifische Konzeption der zweiten Phase der Lehrerausbildung an berufsbildenden (beruflichen) Schulen“ (ebd.: 452) und seine Ausführungen dahingehend, dass er die Notwendigkeit einer breiter ausdifferenzierten Leistungsbeurteilung und einer stärker Coaching-orientierten Fachleiter/ innen-Ausbildung auf der Grundlage seiner empirischen Ergebnisse herleitet. 12.1 Implikationen für die (fremdsprachendidaktische) Lehrer*innenbildung 387 die Ausbildungskräfte stärker für ein entwicklungs- und prozessorientiertes Assessment mittels „Lernbegleitung, Lernimpulse[n] und Feedback“ (Lenhard 2004: 288) verantwortlich zeichnen, welches punktuell durch (Fremd-) Ausbilder*innen mittels direkt bewerteter Unterrichtsbesuche unterstützt wird. Dieses Vorgehen würde die antinomische Funktion der eigentlichen Ausbildungskräfte zugunsten der Beratung und der Schaffung von Lern- und Beratungsgelegenheiten lockern, gleichzeitig die (in qualitativer Hinsicht vermutlich weiterhin nötige) Selektionsfunktion des Vorbereitungsdienstes erhalten. 2. Ein stärkerer Austausch zwischen Ausbildungskräften und Mentor*innen sowie LiV, um eine Dialogisierung in professionellen Erfahrungsgemeinschaften zu stärken (vgl. Košinár 2014), sodass die (Fremdsprachen-) Lehrerbildung als sozial-interaktionale Aktivität konzipiert und angenommen werden kann (vgl. Freeman 2016). Eine Überwindung der implizit konstruierten Hierarchien, die zwischen LiV, Mentor*innen sowie Ausbildungskräften bestehen, könnte der Professionalisierung aller Beteiligten zuträglich sein, sofern alle Seiten z. B. mittels erwachsenenpädagogischer Methoden wie kollegialer Fallberatung oder Professional vision (vgl. Wipperfürth 2015) gemeinsam an Unterrichts- oder Ausbildungsgegenständen Wissen reflektierbar machen. 3. Eine Stärkung der Autonomie der Lehrerbildner*innen: Davon ausgehend, dass die Ausbildungskräfte hinsichtlich ihrer Tätigkeit als Lehrkräfte zweiter Ordnung grundlegend (und ständig weiter-)qualifiziert werden (s. o.), muss dazu führen, dass ihnen größtmögliche Autonomie im Ausführen ihrer Ausbildungspraxis zugestanden wird. D.h. sie können selbstständig in Absprache mit LiV über eine Erweiterung oder Reduktion von Lern- und Beratungsgelegenheiten entscheiden (je nach Bedarf), sie erhalten Freiräume zur individuellen Fort- und Weiterbildung und können ihr gewonnenes Wissen somit kontextsensibel in ihrer Ausbildungsdidaktik einbringen. Die drei vorgestellten Notwendigkeiten vereint eine eher formale Grundbedingung: Die Zahl der LiV pro Ausbildungskraft darf nicht zu hoch sein. Dies ist jedoch eine Stellgröße, an der in den vergangenen Jahren offenbar im Zuge von Sparmaßnahmen gedreht wurde, wie aus den Interviews mit den Ausbildungskräften - bzw. geäußerter Kritik - verschiedentlich deutlich wurde. Allerdings: Qualität im Vorbereitungsdienst scheint unverkennbar mit einer Öffnung der Strukturen, der Ausbildungspraxis und der Zahl ihrer Lern- und Beratungsgelegenheiten zusammenzuhängen. Ein möglichst intensiver Betreuungsschlüssel, der gleichzeitig noch Erfahrungsaustausch innerhalb einer LiV-Gruppe ermöglicht, dürfte der Qualität der zweiten Phase der Lehrerbildung direkt zuträglich sein. 388 12 Implikationen für Lehrer*innenbildung und Professionsforschung 12.2 Forschungsdesiderata für die (fremdsprachendidaktische) Professionsforschung Alle möglichen Ansätze, Richtungen und Forschungsfragen zum Vorbereitungsdienst aufzuführen, wäre ein heilloses Unterfangen - auch finden sich dezidiert hergeleitete Desiderata zum Referendariat im Allgemeinen insbesondere in den letzten größeren Arbeiten von Košinár (2014) und Munderloh (2018). Vielmehr soll hier nun im Anschluss an die Ergebnisse zu den Ausbildungskräften auf drei Forschungsfelder näher eingegangen werden, deren Bearbeitung in meinen Augen lohnenswert wäre: • die weiterhin notwendige Spezifizierung domänenspezifischen Wissens der Fremdsprachendidaktik und ihre Nutzbarmachung für Professionalisierungsprozesse, • eine empirische Begleitung des Vorbereitungsdienstes bzw. von in den Vorbereitungsdienst eingetragenen Innovationen und Umstrukturierungen, • und eine weiterhin nötige, theoretisch-empirische Fundierung des Konstrukts „Lehrerbildner*innenprofessionalität“. Was im Folgenden nicht geklärt werden kann, ist, wie Professionalisierung in der sogenannten „dritten“ Phase in Form von Fort- und Weiterbildungen evidenzbasiert optimal gestaltet werden müsste. Obwohl laut KMK (2012) der Vorbereitungsdienst die Lehrerbildung formal abschließt, wird immer deutlicher, dass ob neuer Herausforderungen das Prinzip „lebenslangen Lernens“ auch für den Beruf der Lehrerin/ des Lehrers zunehmend wichtiger wird (vgl. Trautmann 2013). Die Lehrerfortbildungsforschung hat in den vergangenen zehn Jahren zahlreiche wichtige Erkenntnisse geliefert (vgl. z. B. Müller et al. 2010, Lipowsky/ Rzejak 2015), weitere Desiderata bleiben noch offen und wollen bearbeitet werden (vgl. Kolbe/ Combe 2008). Bedacht werden sollte - in Anbetracht der vorliegenden Ergebnisse dieser Arbeit - dass auch in der dritten Phase Lehrerbildner*innen aktiv sind und normative Erwartungen um- oder relevant setzen, eingebunden in Interaktionsprozesse mit Kolleginnen und Kollegen sowie Strukturen, mit denen sie reflexiv umgehen müssen. Auch zu dieser komplexen und noch einmal anders gelagerten Professionalisierungsform gibt es weiterhin viel zu tun. 142 142 Zudem ist die Forschungslage zu Lehrerbildner/ innen in der ersten Phase weiterhin unbefriedigend (s. Exkurs in Kapitel 4.2.2). Deren Rolle ist aufgrund der diverseren Kontaktzeiten und Ausbildungssituationen in vereinzelten Seminaren deutlich komplexer, außerdem sind sie in der Regel zudem in Forschungszusammenhänge involviert. Zu universitären Lehrerbildner/ innen in den Fremdsprachendidaktiken liegen konkret noch keine Erkenntnisse vor. Ich bin aber selbst in einer Forscher/ innengruppe involviert, 12.2 Forschungsdesiderata für die (fremdsprachendidaktische) Professionsforschung 389 Spezifizierung domänenspezifischen Wissens Die fremdsprachendidaktisch orientierte Professionsforschung steckt weiterhin in ihren Anfängen. Trotz zahlreicher Erkenntnisse und einer zunehmenden Ausdifferenzierung der Untersuchungsgegenstände, gibt es diverse Forschungsdesiderata, die noch bearbeitet werden können. 143 Speziell eine Öffnung der Disziplin gegenüber schulpädagogischen Deutungsansätzen, welche in den vergangenen zwei Jahrzehnten zahlreiche Erkenntnisse generiert haben, ist in meinen Augen nötig, um die Konstrukte „Profession“, „Professionalität“ und „Professionalisierung“ auch theoretisch fundiert in der Fremdsprachenforschung anbinden zu können (vgl. auch Trautmann 2013). Die zweite „empirische Baustelle“ besteht weiterhin in der kompetenztheoretischen Spezifizierung domänenspezifischen Wissens als Grundlage professionellen Handelns. Die geringe Strukturiertheit fremdsprachendidaktischen Wissens wurde in Kapitel 3 als einer der Gründe aufgeführt, warum der Aufbau von Reflexionskompetenz für Fremdsprachenlehrerinnen und -lehrer scheinbar von besonderer Bedeutung ist und daher - z. B. auch im Vorbereitungsdienst expliziter - gefördert werden sollte (s. o.). Neben der Beforschung des Konstrukts Reflexionskompetenz, welches besonders auch in fachlicher Hinsicht noch deutlicher Ausschärfung bedarf (vgl. Akbari 2007, Roters 2012, Mann/ Walsh 2013), herrscht mitnichten Konsens darüber, was (angehende) Fremdsprachenlehrkräfte wissen sollten. Zwar mag man die normative Wirkkraft von Forschung in dieser Richtung kritisch sehen, schließlich gilt Lehrerprofessionalisierung (zunehmend) als reflexiver Bildungs prozess (vgl. Cramer 2012), jedoch stehen alle Lehrerbildner*innen in allen Phasen unter dem Druck, eine bewusste Auswahl an inhaltlichen Schwerpunkten sowie Wissensaspekten vorzuhalten und Lehramtskandidat*innen an deren Beherrschung und Performanz zu bewerten. Wenn diese Wissensbasis unspezifisch, undurchsichtig und undifferenziert ist oder sogar als kaum transformierbar gilt (vgl. Radtke 1996), besteht die Gefahr - wie in der vorliegenden Studie latent erkennbar -, dass kaum für die Unterrichtspraxis anschlussfähiges, fremdsprachendidaktisches Wissen im ausbildungsdidaktischen Sinn relevant vermittelbar wird. die diese mittels eines autoethnographischen Zugangs beschreibbar machen möchte ( Teacher Educators as Professionals , TEaP; unter der Leitung von Prof. Stefan Breidbach sowie Dr. Anne Mihan und Dr. Katrin Schultze (HU Berlin) gemeinsam mit Prof. Dr. Dagmar Abendroth-Timmer (Siegen), Dr. Annette Kroschewski (Wuppertal), Prof. Dr. Birgit Schädlich (Göttingen), Prof. Dr. Britta Viebrock (Frankfurt), in Kooperation mit dem Langscape-Netzwerk). 143 Zuletzt wurden diese Desiderate insbesondere von Wilden/ Porsch (2017) und Legutke/ Schart (2016) aktualisiert und in der Breite zusammengefasst. 390 12 Implikationen für Lehrer*innenbildung und Professionsforschung Es spricht für die Komplexität des Forschungsgegenstandes „fremdsprachendidaktisches Wissen“, dass jüngst vorgelegte Untersuchungen wie z. B. von Jansing et al. (2013) oder König et al. (2016/ 2017) nur beispielhaft Items vorstellen, um weder eine gewisse Selektion rechtfertigen oder normative Setzungen verteidigen zu müssen. Die Testitems von Kirchhoff (2017) hingegen wurden in Gänze als Begleitmaterial zu Krauss et al. (2017) veröffentlicht. Es liegt dennoch in der Natur von Tests, dass sie aus anwenderfreundlichen wie durchführungspragmatischen Gründen eben nicht alle mutmaßlich relevanten Aspekte fachdidaktischen Wissens abprüfen, sondern eine begründete Auswahl treffen müssen. Es gilt daher weiterhin mittels anderer Wissensformen, Items und Testformaten, eine Spezifizierung fremdsprachendidaktischen Wissens vorzunehmen. Kirchhoff (2017) sieht die vorgelegten Items förderlich für „den Diskurs dieser Aspekte in der Englischdidaktik“ (ebd.: 134) und merkt parallel an, dass diese in ihrer normativen Setzung und der Erwartungshaltung, dass Studierende über dieses Wissen verfügen sollten, von erfahreneren Englischlehrerinnen und -lehrern scheinbar nur mit Einschränkungen geteilt wird. Es kann daher zumindest bezweifelt werden, dass z. B. mittels Fortbildungen und Weiterqualifikationen das fachspezifische Wissen von Lehrkräften tatsächlich in dem Maße regelmäßig aktualisiert wird, wie man es sich wünschen würde. 144 Schaut man in einschlägige Verlagskataloge, die Fachliteratur für angehende Lehrkräfte publizieren, könnten sich auch durchaus noch weitere Fragen ergeben. Ein Beispiel: Inwiefern wird seitens zahlreich vorhandener Ratgeberliteratur zum Vorbereitungsdienst (allgemeinpädagogisches/ fächerübergreifendes sowie fachspezifisches) Wissen „kompakt“ und rezeptologisch vermittelt, wie werden möglicherweise dabei auch in einer „didaktischen Reduktion“ fremdsprachendidaktische Ansätze vereinfacht und verfälscht, ggf. tradierte Verfahren der Unterrichtsgestaltung dadurch gleichsam habitualisiert und damit Innovation aus fachdidaktischer Forschung und Konzeptbildung verhindert. Gerade dieser Markt von Ratgebern für Referendarinnen und Referendare scheint aufgrund des enormen Leidensdrucks besonders hoch und verspricht - vermutlich wenig zielführend - einfache Lösungen. 144 Ungeklärt ist zudem weiterhin, „welchen Effekt das Professionswissen auf die Unterrichtsqualität und somit letztlich auf den Lernerfolg von Schülern“ (Kirchhoff 2017: 144) im Fremdsprachenunterricht hat. Von der aktuellen Forschungslage ausgehend scheint insbesondere das fachdidaktische Wissen hier einen besonderen Einfluss zu haben. 12.2 Forschungsdesiderata für die (fremdsprachendidaktische) Professionsforschung 391 Empirische Begleitung des Vorbereitungsdienstes In Kapitel 12.1 wurde - vielleicht überraschend - nicht am Vorbereitungsdienst an sich als Phase der Lehrerbildung gerüttelt. Dies liegt im Wesentlichen daran, dass immer noch zu wenig über seine Effekte bekannt ist (und Lehrerbildung insgesamt; vgl. zum Überblick Cramer 2012). Folglich wäre es gefährlich - zumindest fragwürdig -, diese Phase und Struktur grundlegend zu ändern oder gar abzuschaffen, bevor man nicht dezidiert erhoben hat, was in ihr und wie sie wirkt. Die Tatsache, dass immer noch zu wenig Forschung zu dieser als immer wieder von allen Beteiligten so bedeutsam herausgestellten Phase der Lehrerbildung vorliegt und Innovationen sowie Umstrukturierungen scheinbar kaum empirisch begleitet werden, machen stutzig. 145 Auch in professionstheoretischer Hinsicht weiß man noch nichts bis wenig darüber, wie sich fachkulturell geprägte Unterschiede auf Überzeugungen und die Effektivität bestimmter Ausbildungsmaßnahmen auswirken (vgl. Gerlach/ Steininger 2016, Rossa 2017), ob beispielsweise der naturwissenschaftsdidaktische Vorbereitungsdienst grundlegend anders gestaltet werden müsste als der fremdsprachen- oder geschichtsdidaktische. Wie sollen entsprechende Maßnahmen, Qualifikationen und Lehrerprofessionalisierung nachhaltig sichergestellt werden, wenn man über die Effekte im Allgemeinen und Fachspezifischen nichts weiß? Dabei gibt es Arbeiten, die unmittelbare Handlungs- und Optimierungsempfehlungen für die deutschen Vorbereitungsdienste liefern könnten: Košinár (2014) und Munderloh (2018) haben bspw. einen differenzierten Einblick gegeben insbesondere in die Kompetenzentwicklung, den individuellen Umgang mit Heraus- und Anforderungen sowie strukturell-systemische Begebenheiten. Es scheint jedoch, als münden solche Erkenntnisse selten in Novellierungen oder zumindest Optimierungen bestehender Strukturen, sofern die Forschungsprojekte nicht direkt vom Bundesland finanziert wurden (wie Schubarth et al. 2006). Normalerweise müssten die Bundesländer jedoch ein verstärktes Interesse daran haben, herauszufinden, welche Elemente ihres Vorbereitungsdienstes wie wirken und wie er optimiert werden könnte, schließlich ist die Lehrerbildung der zweiten Phase - auch im direkten Vergleich zur Hochschule - ein nicht kostengünstiges Unterfangen und steht zudem immer im Anspruch, qualifizierte 145 In der Zusammenschau deutscher wie internationaler Forschung zu den Konstrukten „Fremdsprachenlehrerprofessionalität“ und „-professionalisierung“ konstatieren auch Legutke und Schart (2016): „Bei der Durchsicht der Forschungsberichte fällt auf, dass sich auch unter den englischsprachigen Publikationen so gut wie keine Studien finden lassen, die die Prozesse der universitären und postuniversitären Lehrerbildung selbst, die dort zum Einsatz kommenden Lehr- und Lernformen in Verbindung mit den erarbeiteten und vermittelten fachdidaktischen und fachwissenschaftlichen Inhalten untersuchen.“ (ebd.: 11) 392 12 Implikationen für Lehrer*innenbildung und Professionsforschung Lehrkräfte zu generieren, die schließlich in dem Bundesland auch nachhaltig tätig werden und Schule gestalten sollen. Die Implementation von Forschungserkenntnissen bzw. Innovationen in Bildungssysteme ist seit jeher problematisch, findet sie doch meist top down statt und wird daher insbesondere auch vom beteiligten Personal - Lehrkräften in Schulen wie auch Lehrerbildner*innen - potentiell kritisch gesehen. Durch eine höhere Autonomie des vertretenen, hochqualifizierten (Ausbildungs-)Personals, selbst als Change agents (vgl. Cochran-Smith 2003: 25) zu agieren, die Handlung und Wirkung reflektieren, Optimierungsbedarf erkennen und Professionalisierungsprozesse adaptieren, dürfte hingegen schneller und wirksamer Innovation gestaltet werden als durch umfassende Reformen auf einer strukturellen Ebene. Die oben bereits diskutierte Flexibilisierung und Professionalisierung des Vorbereitungsdienstes wäre hierfür genauso eine bedeutende Voraussetzung wie die Notwendigkeit, diese Prozesse auf individueller Ebene z. B. mittels Forschungskooperationen zu begleiten. Die Professionalität der Professionalisierenden Obwohl die Wirkung des Vorbereitungsdienstes seit jeher als bestimmt von der Interaktion zwischen lehrerbildendem Personal und angehenden Lehrkräften (vgl. Kratzsch/ Masendorf 1979) herausgestellt wird, überrascht die kaum vorhandene Forschung zu diesen Prozessen und Interaktionen. Während die Professionsforschung bezüglich der Konstrukte „Lehrerprofessionalität“ und „Lehrerprofessionalisierung“ große Fortschritte hervorgebracht hat, wäre der nächste logische Schritt, dafür zu sorgen, dass die „unsichtbare Profession“ (Schratz 2015) der Lehrerbildner*innen sichtbarer wird. Krüger (2014) für Lehrerbildner*innen beruflicher Schulen sowie diese Untersuchung zum fremdsprachendidaktischen Vorbereitungsdienst haben versucht, erste Einblicke vorrangig in die Handlungspraxis von Lehrerbildner*innen im Referendariat zu geben. Auch Klippel (2018) sieht im Anschluss an Butzkamm (1987) aus der Disziplin der Fremdsprachendidaktik heraus - neben der „Unterstützung der Berufsanfänger“ (ebd.: 85) - insbesondere hinsichtlich der „Kompetenzen und Professionalität der Ausbilder“ (ebd.) erheblichen Forschungsbedarf und erweitert diesen über den Vorbereitungsdienst hinaus auf die erste Phase. Zahlreiche weitere Forschungsansätze und -fragen in den verschiedenen professionstheoretischen Bestimmungsansätzen sind demzufolge denkbar. Hier nur einige Beispiele: • Wie können Lehrerbildner*innen in ihrem eigenen Einstieg in das Feld begleitet und qualifiziert werden in Anbetracht von „considerable levels of stress and doubts about their abilities to perform their roles as teacher educators“ (Izadinia 2014: 436)? 12.2 Forschungsdesiderata für die (fremdsprachendidaktische) Professionsforschung 393 • Was ist der Kern professionellen Handelns und der Professionalität von Lehrerbildner*innen? • Wie entwickeln sich Lehrerbildner*innen über ihre Berufsbiographie (vgl. z. B. Kunze/ Stelmaszyk 2008)? Kommt es z. B. im Verlauf der Berufsbiographie von Lehrerbildner*innen und Anpassungen des Feldes (Innovationen im Lehrerbildungssystem) zu rekonstruierbaren Habitustransformationen? • Lassen sich Geschlechtsspezifika im professionellen Handeln der Ausbilderinnen und Ausbilder rekonstruieren? 146 • Wie dokumentieren sich von Lehrerbildern*innen gestaltete Ausbildungsprozesse in unterschiedlichen Fächern und in als unterschiedlich angenommenen Fachkulturen? • Dokumentiert sich der Lehrerbildner*innen-Habitus in anders strukturierten Feldern, d. h. Vorbereitungsdiensten anderer Bundesländer, abweichend von dem hier dargestellten? • Wie können für Lehrkräfte als zielführend angesehene Reflexionsgemeinschaften auch für Lehrerbildner*innen innerhalb von Strukturen integriert werden? Diese Fragestellungen lassen sich beliebig erweitern - insbesondere auch auf die anderen Phasen der Lehrer*innenbildung. Wie zeigt sich Professionalität auf Seiten der Fortbildner*innen, wie bei denjenigen, die im universitären Bereich für die fachwissenschaftliche, fachdidaktische und pädagogische Ausgestaltung des Lehramtsstudiums verantwortlich zeichnen - auch vor dem Hintergrund, dass die Kontakt- und Interaktionszeiten dort weit weniger intensiv sind als im Referendariat? Und auch eine weitere Gruppe, die formelle wie auch möglicherweise eher informelle Momente der Lehrerprofessionalisierung gestaltet, sollte zur wissenschaftlichen Begleitung von Praktika und Vorbereitungsdienst stärker berücksichtigt werden: die Mentorinnen und Mentoren an den Schulen, „die den vermutlich größten Einfluss auf die angehenden Lehrkräfte ausüben“ (Oelkers 2009: 53). Welche Rolle spielen sie in Professionalisierungsprozessen der angehenden Lehrkräfte? Welche allgemeinpädagogischen oder fachlichen Momente von Beratung bringen sie ein? Wie lässt sich ihr Handeln beschreiben und ggf. professionalisieren? 146 Diese wurden in dieser Untersuchung nicht berücksichtigt, schließlich ließen sich weder in der Ausbildungspraxis und ihrer Typenbildung noch in der Ausbildungsdidaktik besondere geschlechtsspezifische Unterschiede festmachen. Hinsichtlich der LiV-Ausbildungskraft-Interaktion, Beratungssituationen oder auch bestimmten Ausbildungsgegenständen, die eine geschlechtsspezifisch besondere Relevanz haben könnten, dürfte Forschung in dieser Hinsicht dennoch ertrag- und erkenntnisreich sein. 394 12 Implikationen für Lehrer*innenbildung und Professionsforschung Um einen kleinen Ein- und Ausblick in das Potential der Beforschung fremdsprachendidaktischer Betreuungslehrkräfte - auch in Abgrenzung zu den Ausbildungskräften in der hiesigen Untersuchung - zu geben, möchte ich mit einem Zitat eines Mentors schließen. In allen Ausführungen sowohl der befragten Ausbildungskräfte als auch auf Grundlage der vorliegenden Erkenntnisse könnte man vermuten, dass die Arbeit und Handlungen der Mentorierenden grundsätzlich im Sinne der Referendarinnen und Referendare und damit sehr positiv seien, dass sie ihre LiV verteidigen und auch für Beratung der Unterrichtsplanung sowie -durchführung einstehen. Von Unterrichtsbesuchen im Allgemeinen beschreibend ausgehend erzählt ein Mentor im Interview Folgendes: Und manchmal fangen die Ausbilder auch schon WÄHREND DER STUNDE an zu sprechen und sagen „Um Gottes willen, was macht der denn da? “, ne. Und/ also, es war jetzt im letzten UB auch so und dann konnte ich aber reagieren und sagen „Tja, ich habe ihm das vorher gesagt, dass das passieren wird.“ Also, ich/ das ist schon schwierig, aber man kann ja auch die Leute nicht (.) total umpolen. Das geht ja nicht. [Mentor 11, Zeilen 179-185] 147 147 Interviewauszug entnommen aus dem ersten, bereits publizierten Beitrag, der die Ausbildungskräfte mit den Mentorierenden kontrastiert (Gerlach 2018: 267). Ich habe zwei zusätzliche Zeilen aus dem Transkript ergänzt. 12.2 Forschungsdesiderata für die (fremdsprachendidaktische) Professionsforschung 395 Literaturverzeichnis Abel, Jürgen & Faust, Gabriele (Hrsg.) (2010). Wirkt Lehrerbildung? Antworten aus der empirischen Forschung . Münster: Waxmann. Abendroth-Timmer, Dagmar (2017). Lehrerforschung. In Carola Surkamp (Hrsg.), Metzler Lexikon Fremdsprachendidaktik: Ansätze - Methoden - Grundbegriffe (S. 196-199). Stuttgart: J.B. Metzler. Abendroth-Timmer, Dagmar (2017). Reflexive Lehrerbildung und Lehrerforschung in der Fremdsprachendidaktik: Ein Modell zur Definition und Rahmung von Reflexion. Zeitschrift für Fremdsprachenforschung , 28(1), 101-126. Abott, Andrew D. (1988). The System of Professions . Chicago, London: University of Chicago Press. 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Pause einer Länge von einer Sekunde (..) Pause einer Länge von zwei Sekunden (…) Pause einer Länge von drei Sekunden (Zahl) Pause, Länge als Zahl in Sekunden SICHER Besondere Betonung I: … / / …/ / B: / / …. / / … Sprecherüberlappung, der gleichzeitig gesprochene Text liegt innerhalb der / / . (lachen), (seufzen) Charakterisierung von nonverbalen Äußerungen, die die Aussagen unterstützen. Steht vor der entsprechenden Stelle. (tippen), (geht raus), (drucken), (Video) Charakterisierung von ablaufenden Handlungen und nichtsprachlichen Vorgängen. Steht vor der entsprechenden Stelle. (unv.) #Zeitmarke# (unv., Handystörgeräusch) #Zeitmarke# Unverständliche Äußerung, Bei längeren Passagen möglichst mit Ursache Tab. 32: Transkriptionsrichtlinien nach den erweiterten, inhaltlich-semantischen Regeln von Kuckartz et al. (2008) und Dresing/ Pehl (2017). 426 Anhang Anhang B: Interviewleitfaden Wie in Kapitel 6 dargelegt, wurden nicht alle Fragen und/ oder Erzählaufforderungen (bis auf die erste und letzte) in der strikten Reihenfolge verwendet. Auch fielen teilweise Fragen weg bzw. ergaben sich im Interview neu situativ und spontan als Rückfragen bzw. wurden vom Gesprächspartner/ von der Gesprächspartnerin bereits abgedeckt, ohne dass explizit danach gefragt werden musste. Vor Interviewbeginn wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer jeweils über Aspekte des Datenschutzes und der Verwendung der Aufzeichnungen und Transkripte informiert (s. Kapitel 6.3). 1) Berufsbiographische Einstiegserzählung Sie sind Ausbilder*in für Fremdsprachenlehrkräfte. Können Sie mir erzählen, wie es dazu gekommen ist, dass Sie (angehende) Fremdsprachenlehrerinnen und -lehrer ausbilden? Sie können dabei so weit ausholen, wie Sie möchten, ich werde Sie dabei nicht unterbrechen. Alles, was Ihnen wichtig ist, interessiert mich. 2) Auf Handlungspraxis abzielende Erzählaufforderungen und Fragen • Erzählen Sie mir von einer Situation mit Ihren Referendarinnen und Referendaren, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist. • Erzählen Sie mir von Ihrer Arbeit mit den Referendarinnen und Referendaren. • Erzählen Sie mir von Modulsitzungen/ Unterrichtsnachbesprechungen/ Beratungssituationen mit Ihren Referendarinnen und Referendaren. • Gibt es bestimmte Arbeitsweisen, die Sie in Ihrer Ausbildungstätigkeit nutzen? 3) Auf Überzeugungen, Einstellungen und Positionierung abzielende Erzählaufforderungen und Fragen • Was sind Ihre persönlichen Ziele in Ihrer Arbeit als Ausbilderin/ Ausbilder? • Woran orientieren Sie sich in Ihrer Ausbildungstätigkeit? • Können Sie mir erzählen, was Ihnen an Ihrer Tätigkeit als Ausbilderin/ Ausbilder gefällt? • Wenn Sie einmal zurückdenken: Welche Aspekte Ihrer eigenen Ausbildung in den verschiedenen Phasen, haben den größten Einfluss auf Ihre jetzige Tätigkeit als Ausbilderin/ Ausbilder? • Können Sie mir erzählen, welchen Stellenwert das Referendariat in Ihren Augen hat? • Welchen Einfluss hat die erste Phase der Lehrerbildung an Hochschulen für Ihre Ausbildung? Anhang B: Interviewleitfaden 427 4) Wunschkonzept der Fremdsprachenlehrerbildung Stellen Sie sich vor, Sie wären verantwortlich für ein Konzept der Fremdsprachenlehrerbildung in Hessen. Wie würde dieses aussehen? 5) Demographische Anschlusserhebung • Welche Fächer unterrichten Sie selbst? • Für welche Fächer bilden Sie aus? • An welcher Schulform sind Sie aktuell tätig? • Für welche Schulform bilden Sie aus? • Wie lange sind Sie bereits Lehrer*in? • Wie lange sind Sie als Ausbilder*in tätig? • Wie viele Stunden unterrichten Sie noch an der Schule? • Wie alt sind Sie? • Männlich/ weiblich