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Förderung des Sprechens im kompetenzorientierten Englischunterricht der gymnasialen Oberstufe

2019
978-3-8233-9368-9
Gunter Narr Verlag 
Sebastian Miede

Die vorliegende Studie gewährt anhand mehrerer Fallbeispiele Einblicke in die unterrichtliche Förderung von Sprechkompetenz anhand monologischer und dialogischer Aufgabenformate. Sie zeigt auf, wie Lehrende Aufgaben erteilen, begleiten und evaluieren und wie Lernende Aufgaben lösen und präsentieren. Entsprechend leistet die Studie einen Beitrag zur Erforschung des kompetenzorientierten Englischunterrichts der gymnasialen Oberstufe und liefert Erkenntnisse und Hypothesen, die für die weitere Forschung wie auch die Lehrerbildung von besonderer Bedeutung sind.

Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidak�k Giessener Beiträge Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidak�k Sebas�an Miede Förderung des Sprechens Sebas�an Miede Förderung des Sprechens im kompetenzorien�erten Englischunterricht der gymnasialen Oberstufe Eine qualita�v-empirische Studie Die vorliegende Studie gewährt anhand mehrerer Fallbeispiele Einblicke in die unterrichtliche Förderung von Sprechkompetenz anhand monologischer und dialogischer Aufgabenformate. Sie zeigt auf, wie Lehrende Aufgaben erteilen, begleiten und evaluieren und wie Lernende Aufgaben lösen und präsen�eren. Entsprechend leistet die Studie einen Beitrag zur Erforschung des kompetenzorien�erten Englischunterrichts der gymnasialen Oberstufe und liefert Erkenntnisse und Hypothesen, die für die weitere Forschung wie auch die Lehrerbildung von besonderer Bedeutung sind. ISBN 978-3-8233-8368-0 18368_Umschlag.indd 3 14.10.2019 15: 48: 24 Förderung des Sprechens im kompetenzorientierten Englischunterricht der gymnasialen Oberstufe GIESSENER BEITRÄGE ZUR FREMDSPRACHENDIDAKTIK Herausgegeben von Eva Burwitz-Melzer, Wolfgang Hallet, Jürgen Kurtz, Michael Legutke, Hélène Martinez, Franz-Joseph Meißner und Dietmar Rösler Begründet von Lothar Bredella, Herbert Christ und Hans-Eberhard Piepho Sebastian Miede Förderung des Sprechens im kompetenzorientierten Englischunterricht der gymnasialen Oberstufe Eine qualitativ-empirische Studie Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb. dnb.de abrufbar. © 2019 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de CPI books GmbH, Leck ISSN 0175-7776 ISBN 978-3-8233-8368-0 (Print) ISBN 978-3-8233-9368-9 (ePDF) ISBN 978-3-8233-0198-1 (ePub) www.fsc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC ® C083411 ® Inhalt Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1.1 Ausgangspunkt für die Forschung: Neue Perspektiven der Mündlichkeit im Englischunterricht der gymnasialen Oberstufe . . . 11 1.2 Zielsetzung, Forschungsdesign und Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . 12 2 Sprechkompetenz im Englischunterricht der gymnasialen Oberstufe in Bildungspolitik und Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 2.1 Historischer Abriss: Von der Grammatik-Übersetzungs-Methode zu kommunikativer Kompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 2.2 Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen . . . . . 19 2.3 Bildungsstandards für die fortgeführte Fremdsprache . . . . . . . . . . . . . 24 2.4 Ausgestaltung der Vorgaben in den Bundesländern: Kerncurricula Englisch für die Oberstufe in Hessen und Niedersachsen . . . . . . . . . 31 2.5 Die Komplexität der Sprechkompetenz: kognitive und psycholinguistische Vorgänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 2.5.1 Sprachproduktion aus psycholinguistischer Perspektive . . . . . . . 36 2.5.2 Fluency, accuracy & complexity - Dimensionen der fremdsprachlichen Sprechleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 2.6 Die Förderung der Sprechkompetenz in der gymnasialen Oberstufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 2.6.1 Sprechzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 2.6.2 Differenzialpsychologische Determinanten & Lernerbiografien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 2.6.3 Zugänge zur Methodik des Sprechens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 2.6.4 Aufgabenorientierung und Inhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 2.6.5 Register und Genrebezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 2.6.6 Sprechkompetenz messen und beurteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 2.7 Exkurs: Linguistische Zugänge zur Sprechkompetenz und ihre Limitationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 3 Erkenntnisinteresse und Untersuchungsdesign . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 3.1 Empirische Forschung im Fremdsprachenunterricht . . . . . . . . . . . . . . . 57 3.2 Fachdidaktisches Erkenntnisinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 3.3 Untersuchungsdesign . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 6 Inhalt 3.3.1 Genese des Sampling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 3.3.2 Datenerfassung und Dateninterpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 4 Kodierung, Analyse und Interpretation von Lehrer- und Schülerbeiträgen an zwei Beispielen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 4.1 Die Kodierungen der Unterrichtsbeiträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 4.2 Kodierungssystem interaktive Aufgabenformate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 4.3 Kodierungssystem monologische Formate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 4.4 Dialogisches Sprechen: Talkshow zur Todesstrafe in den USA . . . . . 83 4.4.1 Institution, Lerngruppe und Lehrkraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 4.4.2 Textgrundlage und Unterrichtskontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 4.4.3 Analyse der Unterrichtsbeiträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 4.4.4 Zwischenfazit dialogisches Sprechen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 4.5 Monologisches Sprechen: Referat zu To Kill a Mockingbird von Harper Lee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 4.5.1 Analyse der Unterrichtsbeiträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 4.5.2 Zwischenfazit monologisches Sprechen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 4.6 Retrospektive Interviews mit den Lernenden (RiS) . . . . . . . . . . . . . . . . 133 4.7 Retrospektives Interview mit der Lehrkraft (RiL) . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 4.8 Zwischenfazit Pilotierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 5 Analyse von Unterrichtsdaten aus einem Leistungskurs der 13. Klasse zum Thema Südafrika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 5.1 Institution, Lerngruppe und Lehrkraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 5.2 Unterrichtskontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 5.3 Dialogisches Sprechen: Analyse der Unterrichtsbeiträge . . . . . . . . . . 161 5.4 Monologisches Sprechen: Referat zum Thema Political System of South Africa : Analyse der Unterrichtsbeiträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 5.5 Retrospektive Interviews mit den Lernenden (RiS) . . . . . . . . . . . . . . . . 202 5.6 Retrospektives Interview mit der Lehrkraft (RiL) . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 5.7 Fazit der beiden Fallstudien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 6 Analyse von Unterrichtsdaten aus einem Grundkurs der Klasse 12 - Dialog mit Bildimpuls und Referat zur Harlem Renaissance . . . . . . . . . . . . 223 6.1 Institution, Lerngruppe und Lehrkraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 6.2 Textgrundlage und Unterrichtskontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 6.3 Dialogisches Sprechen: Analyse der Unterrichtsbeiträge . . . . . . . . . . 224 6.4 Monologisches Sprechen: Referat zur Harlem Renaissance: Analyse der Unterrichtsbeiträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 6.5 Retrospektive Interviews mit den Lernenden (RiS) . . . . . . . . . . . . . . . . 266 Inhalt 7 6.6 Retrospektives Interview mit der Lehrkraft (RiL) . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 6.7 Fazit der beiden Fallstudien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 7 Erkenntnisse und Hypothesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 7.1 Bedeutung des Inputs und der Aufgabeninstruktion . . . . . . . . . . . . . . 283 7.2 Problemlösungsprozesse und Lehrersteuerung während der Bearbeitung der interaktiven Sprechaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 7.3 Interaktive Formate: Erkenntnisse zur Aufgabenkonzeption und Durchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 7.4 Erkenntnisse zu monologischen Aufgabenformaten . . . . . . . . . . . . . . 294 7.5 Aufarbeitung der Sprechleistungen, Reflexion und Feedback . . . . . 298 7.6 Hypothesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 8 Bibliografie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 Danksagung Diese Arbeit wäre ohne die Mithilfe vieler Menschen nicht in der vorliegenden Form entstanden. Zuerst möchte ich an dieser Stelle meinen ganz besonderen Dank meiner Doktormutter Prof. Dr. Eva Burwitz-Melzer für die herausragende Betreuung meiner Dissertation entgegenbringen. Stets hatte sie für meine Fragen während der verschiedenen Etappen des Forschungsprozesses ein offenes Ohr. Ihre wertvollen Anregungen haben mich zum Nachdenken und Reflektieren angeregt und mir Alternativen aufgezeigt, wenn ich gedanklich festzustecken drohte. Auch nach Antritt meiner neuen Stelle an der Stiftung Universität Hildesheim war sie trotz der Distanz immer verfügbar, wenn ich eine Frage oder ein Problem hatte. Dafür möchte ich ihr herzlich danken, wie auch für meine Einbindung in das Doktorandenkolloquium des GCSC. Dort wurde es mir ermöglicht, mein Forschungsprojekt vorzustellen, gemeinsam Daten anzuschauen und mit anderen Doktoranden und Habilitanden in einen konstruktiven Austausch darüber zu treten. Diese Erfahrungen waren sehr wertvoll und haben meinen Forschungsprozess fortwährend unterstützt. In diesem Zusammenhang gilt mein aufrichtiger Dank Prof. Dr. Hélène Martinez, die im Rahmen des Kolloquiums großes Interesse an meinem Projekt zeigte und mich stets ermutigte, am Ball zu bleiben und mich durch die Datenmengen zu kämpfen. Ich freue mich daher sehr darüber, dass sie sich dazu bereit erklärt hat, die Aufgabe der Zweitgutachterin zu übernehmen. Auch möchte ich Prof. Dr. Michael K. Legutke danken, der mein Projekt im Kolloquium stets mit großer Begeisterung verfolgte und mich durch seine Rückfragen stets darin bestärkte, auf die Suche nach den „Goldschätzen“ in meinen Daten zu gehen. Prof. Dr. Jürgen Kurtz möchte ich ebenfalls danken, da er aufgrund seiner Expertise im Gebiet der Sprechkompetenzforschung ein kompetenter und kritischer Ansprechpartner für mein Thema war. Allen beteiligten Schülerinnen und Schülern, Lehrkräften, Fach- und Schulleitungen möchte ich dafür danken, dass sie die Durchführung meines Forschungsprojekts ermöglicht haben und ihre Lehr- und Lernprozesse für mich transparent gemacht haben. Desweiteren möchte ich Ruben Glasauer und Revert Klattenberg herzlich für ihre Unterstützung bei der Datenerhebung danken. Ein großer Dank gilt auch meinen Kolleginnen und Kollegen an den Englischinstituten in Gießen und Hildesheim mit denen ich mich über verschiedene Fragestellungen meiner Arbeit austauschen konnte und wertvolles Feedback erhalten habe. In diesem Zusammenhang möchte ich nicht ausschließlich, aber 10 Danksagung besonders, Philipp Rüster, Juliane Witzenberger, Jan Simon Schäfer, Leonhard Krombach, Joanna Hirst-Plein und Alina Wegner danken. Ein besonderer Dank gilt auch Prof. Dr. Kristin Kersten, die es mir ermöglicht hat, mich im letzten Jahr der Arbeit an meiner Dissertation intensiv und mit voller Arbeitskraft dem Abschluss des Projekts zu widmen. Für ihre wertvollen Anmerkungen und für die Anbindung an ihr Research Colloquium bin ich sehr dankbar. Abschließend möchte ich meiner Familie, insbesondere Markus, danken, die mir in den letzten Jahren durch Gelassenheit, guten Zuspruch und Zuversicht stets Kraft gegeben haben, mein Projekt zu verwirklichen. 1 Einleitung 1.1 Ausgangspunkt für die Forschung: Neue Perspektiven der Mündlichkeit im Englischunterricht der gymnasialen Oberstufe Sprechkompetenzförderung gilt als eines der Schlagworte im aktuellen fremdsprachendidaktischen Forschungsdiskurs. Es ist eines der übergeordneten Ziele fremdsprachlichen Unterrichts, Schülerinnen und Schüler anzuleiten, ihre kommunikativen Fertigkeiten stetig weiterzuentwickeln. Die gängige Unterrichtspraxis demonstriert jedoch bisher häufig, auch wenn die Studien dazu mit Vorsicht zu rezipieren und interpretieren sind 1 , dass der Redeanteil der Schülerinnen und Schüler im Vergleich zu dem der Lehrkraft signifikant zu niedrig ist (vgl. Taubenböck 2007, Helmke 2007, DESI Studie 2006). Auch durch die Implementierung kompetenzorientierter bildungspolitischer Dokumente und neuer Abiturprüfungsordnungen gewinnt Mündlichkeit mehr und mehr an Bedeutung (Europarat 2001, KMK 2012, NiBiS 2017). Wenn die neuen Abiturprüfungen mündliche Komponenten enthalten sollen, müssen die Lernenden auf diese Formate vorbereitet werden. Dies hat zwangsläufig eine Zentrierung von Aufgaben im Englischunterricht der gymnasialen Oberstufe zur Folge, die die Weiterentwicklung der Kompetenzen Lernender in den Bereichen monologisches und interaktives Sprechen gestatten. Lehrkräfte müssen sich nun verstärkt mit der Frage auseinandersetzen, wie sie die Sprechkompetenz ihrer Lerner bestmöglich fördern können. Sie müssen didaktisch-methodisch angemessene und psycholinguistisch gepasste Aufgabenformate kreieren, die es den Lernern ermöglichen, eine zielsprachliche Diskurskompetenz auszubilden. Der Begriff Mündlichkeit ist in den vergangenen Jahren auch immer mehr in das Blickfeld der deutschsprachigen Fremdsprachenforschung gerückt. Die 2014 veröffentlichten Arbeitspapiere der 34. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts (Burwitz-Melzer et al. 2014) widmen den verschiedenen Perspektiven der Mündlichkeit einen gesamten Band und liefern einen breit gefächerten Eindruck von der Komplexität des Forschungsfeldes, aber auch von den Forschungsdesideraten in ebendiesem. Bei der Rezeption der aktuellen Forschungsbeiträge im Bereich Mündlichkeit wird transparent, dass bereits viele Hypothesen existieren und diese sich hauptsächlich auf drei Aspekte beziehen: (1) die Gestaltung effektiver und psycholinguistisch gepasster Sprechaufgaben, 1 Genauer ausgeführt in Kapitel 2 12 1 Einleitung (2) die Bewertung und Evaluation von mündlichen Schülerleistungen sowie (3) den Einfluss bildungspolitischer Standards und Richtlinien auf die Unterrichtsgestaltung und konkreter auf die Förderung von Sprechkompetenz. An empirischen Studien zu dieser Thematik mangelt es sowohl für die Sekundarstufe I als auch für die Sekundarstufe II. Dies gilt für den Englischunterricht ebenso wie für den Unterricht romanischer Sprachen, slawischer Sprachen oder Deutsch als Fremdsprache/ Zweitsprache. Die (…) illustrierte Komplexität des Sprechens ist bisher nahezu unerforscht. Die Forschungsdesiderata zum Kompetenzbereich des Sprechens sind deshalb vor allem empirischer Art. Was wirklich im Unterricht geschieht, wenn Schülerinnen und Schüler eine Sprechabsicht in der Zielsprache realisieren, wie diese von anderen Lernenden aufgegriffen, ergänzt oder kommentiert, wie in Gruppenphasen in der Zielsprache kommuniziert wird, wie Lehrerinnen mit Zustimmung, Zurückweisung oder Korrektur darauf reagieren - darüber fehlen uns verlässliche Daten aus allen Jahrgangsstufen. (…) Zur Beantwortung dieser Forschungsfragen sind Forschungsdesigns, die Videoanalysen im Unterricht vorsehen, unerlässlich. (Burwitz-Melzer 2014: 25) Vor dem Hintergrund des Mangels an Empirie im Feld und der erwartbaren Ausrichtung des Englischunterrichts in der gymnasialen Oberstufe zur Kompetenzorientierung ist dieses Forschungsprojekt verortet. 1.2 Zielsetzung, Forschungsdesign und Aufbau der Arbeit Die Zielsetzung der Studie besteht darin, den Ist-Zustand der schulischen Arbeit mit Lernaufgaben zu dialogischem und monologischem Sprechen in der gymnasialen Oberstufe zu beschreiben, Lerner und Lehrende zu beobachten, Stärken und Schwächen der Unterrichtspraxis aufzuzeigen, Hypothesen über lernförderliche und lernhinderliche Bedingungen für die Förderung von Sprechkompetenz aufzustellen, die aktuelle bildungspolitische Ausrichtung des Englischunterrichts der gymnasialen Oberstufe zu reflektieren und neue Impulse für weitere Forschung, Lehrerprofessionalisierung und Aufgabenkonstruktion zu liefern. In Kapitel 2 erfolgt zunächst ein historischer Abriss. Es wird ausgeführt, wie sich der Stellenwert kommunikativer Kompetenzen im Lichte verschiedener Forschungserkenntnisse und bildungspolitischer Einschnitte in den vergangenen Jahrzehnten gewandelt hat. Dabei wird ein Schwerpunkt auf der Betrachtung verschiedener Referenzdokumente wie des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen (Europarat 2001), der Bildungsstandards für die fortgeführte Fremdsprache Englisch/ Französisch (KMK 2012) sowie der Kern- 1.2 Zielsetzung, Forschungsdesign und Aufbau der Arbeit 13 curricula einzelner Bundesländer (HKM 2016, NiBiS 2017) hinsichtlich der Bedeutung von Sprechkompetenz liegen. Danach wird ein Überblick über den aktuellen Forschungsdiskurs zum Thema Sprechkompetenz gegeben. Dabei geht es um die Darstellung der Komplexität der Sprechkompetenz mit ihren kognitiven und psycholinguistischen Dimensionen. Außerdem wird die Methodik sowie die Evaluation und Bewertung von Sprechleistungen in den Fokus gerückt. Kapitel 3 skizziert das fachdidaktische Erkenntnisinteresse und das forschungsmethodologische Vorgehen. Es werden die Forschungsfragen vorgestellt und das Ineinandergreifen der qualitativen Inhaltsanalyse (Burwitz-Melzer/ Steininger 2016, Kuckartz 2016, Mayring 2015) mit diskursanalytischen Verfahren ausgeführt. Auch die in der vorliegenden Studie eingesetzte Daten- und Perspektiventriangulation wird hier erläutert. Die Kapitel 4 bis 6 bilden das Herzstück der Arbeit. Es handelt sich um sechs Fallstudien, drei zu monologischen und drei zu interaktiven Sprechformaten, aus drei verschiedenen Lerngruppen an hessischen und niedersächsischen Gymnasien. In den Fallstudien wird analysiert und diskutiert, wie Lernende die gestellten Sprechaufgaben lösen, welche Probleme auftreten und welche Rückmeldungen sie von der Lehrkraft erhalten. Überdies wird nachvollzogen, welchen Einfluss die lehrerseitige Aufgabenerteilung und die Erarbeitungsphase auf den Erfolg/ Misserfolg der Lernenden bei verschiedenen Sprechaufgaben haben. In retrospektiven Interviews wird den beforschten Subjekten (Lehrkräften und Lernenden) die Möglichkeit gegeben, das Unterrichtsgeschehen im Anschluss zu reflektieren und zu kommentieren. Die Fallstudien generieren somit authentische Einblicke in die schulische Praxis zur Durchführung von Sprechaufgaben im Englischunterricht der gymnasialen Oberstufe und dienen als Grundlage für das Ableiten empirisch fundierter Hypothesen. Mit diesen werden Erkenntnisse gewonnen, die auch auf die Lehrerbildung und schließlich auf den Unterricht zurückwirken können. Kapitel 7 führt abschließend die Ergebnisse der einzelnen Fallstudien zusammen und setzt diese in Relation zu den in den Kapiteln 2 und 3 ausgeführten, bereits existierenden Forschungserkenntnissen. 2 Sprechkompetenz im Englischunterricht der gymnasialen Oberstufe in Bildungspolitik und Forschung 2.1 Historischer Abriss: Von der Grammatik-Übersetzungs- Methode zu kommunikativer Kompetenz Mündlichkeit meint das Verstehen und Produzieren von sprachlichen Äußerungen und bezeichnet in einem schulischen Kontext hauptsächlich ein- - häufig spontanes- - situationsgebundenes Mitteilen in der Zielsprache, das an einen oder mehrere Zuhörer gerichtet ist (vgl. Ahrens 2014: 9). Der Stellenwert der mündlichen Sprachverwendung im Englischunterricht unterliegt, historisch betrachtet, einem starken Wandel. Diese Entwicklungsprozesse spiegeln sich in den Methoden wider, die den Weg in den Unterricht finden und diesen determinieren. Es soll zunächst ein Einblick in diese Entwicklungen gewährt werden, bevor die aktuelle Unterrichtspraxis in den Blick genommen wird. Noch im 19. Jahrhundert ist Englischunterricht stark von deduktiven Ansätzen bestimmt. Ausgerichtet an der Methodik des Vermittelns alter Sprachen wie Latein oder Altgriechisch wird auch Englisch sehr grammatikorientiert gelehrt. Die sogenannte Grammatik-Übersetzungsmethode ist gängige Unterrichtspraxis und fordert die Lernenden dazu auf, Texte aus der Zielsprache unter korrekter Anwendung von Regelhaftigkeiten in die Muttersprache zu übersetzen und auf diese Weise die Zielsprache zu durchdringen (vgl. Larsen-Freeman 2007: 11). Gegen diese Art der Gestaltung fremdsprachlichen Unterrichts regt sich noch vor Beginn des 20. Jahrhunderts Widerstand. Vor allem Viëtor spricht sich gegen eine Überbetonung deduktiven Grammatikunterrichts aus und fordert eine Umkehr des Fremdsprachenunterrichts, welche eine zielsprachliche Unterrichtsführung sowie eine Fokussierung von mündlichen Elementen wie Aussprache und Betonung einschließt (vgl. Gnutzmann/ Salden 2010: 18, Gnutzmann 2014: 51). Gnutzmann (2014) betont, dass sich eine solche Forderung lange nicht durchsetzen konnte und dass eine Orientierung zu mehr Mündlichkeit erst mit der Einführung der audiolingualen Methode in den 1960er Jahren vollzogen wird (vgl. ibid.: 51). Die audiolinguale Methode ist ein Resultat behavioristischer Ansätze zur Vermittlung von Fremdsprachen und fußt auf der Annahme, eine Fremdsprache lasse sich auf ähnliche Weise erlernen wie anderes menschliches Verhalten (vgl. Larsen-Freeman 2007: 35, Lightbown/ Spada 2013, Ellis/ Shintani 2014). Es wird auf Methoden der operanten Konditionierung zurückgegriffen, mit dem Ziel, korrekte Sprachverwendung als positives Verhalten zu habitua- 16 2 Sprechkompetenz in Bildungspolitik und Forschung lisieren. Durch entsprechende Stimuli werden Reaktionen der Lernenden hervorgerufen; der Lehrer dient als Sprachmodell und verwendet zudem negative Verstärkung im Falle eines falschen Sprachgebrauches, um die Memorisierung falscher Sprachstrukturen zu verhindern. Im Jahr 1972 prägt Hymes den Begriff der communicative competence als Reaktion auf strukturalistische Kompetenzmodelle, die ihm zu limitiert erscheinen. Kommunikative Kompetenz in ihrer ersten Definition von 1972 bezeichnet die Fähigkeit zur interpersonalen Übermittlung und Interpretation von Meinungen in sozialen Kontexten (vgl. Hymes 1972; Brown 2007; Steininger 2014). Eine erste Modellierung kommunikativer Kompetenz nehmen Canale und Swain (1980) vor; sie umfasst vier Kategorien: grammatical competence, discourse competence, sociolinguistic competence und strategic competence (vgl. Canale und Swain 1980: 29-31). In diesen Kategorien werden sowohl sprachliche als auch soziale Komponenten der mündlichen Kommunikation abgedeckt. Es zeichnet sich ein neues Verständnis von Sprechkompetenz ab, was sich auch in den Leitzielen der Fremdsprachendidaktik spiegelt. Viel stärker als zuvor werden Ansätze zur Ausbildung fremdsprachlicher Diskurskompetenz gefordert. Im deutschsprachigen Raum gilt Hans-Eberhard Piepho als Initiator der ‚kommunikativen Wende‘, die jene soziolinguistischen Fragestellungen, mit denen der britische und angloamerikanische Forschungsdiskurs sich auseinandersetzt, auf den Englischunterricht in Deutschland überträgt. Im Fremdsprachenunterricht, der auf kommunikative Kompetenz ausgerichtet ist, sind diskursive und kursive Faktoren stets gekoppelt. Ein nur imitativ-mechanisches Sprechen und automatisierte Verhaltensweisen bleiben, Piepho zufolge, selbst in schlichten Verständigungen wirkungslos und nicht verfügbar, wenn der Schüler nicht auch eine distanzierte Kenntnis der Verständigungsvorgänge überhaupt erworben hat (Piepho 1974: 14). Weitere Forderungen Piephos in diesem Zusammenhang betreffen eine notwendig werdende neue Methodik zur Vermittlung der englischen Sprache. Diese soll an dieser Stelle kurz thesenartig zusammengefasst werden (vgl. Piepho 1974: 14-21): 1. Lernziele müssen konkretisiert werden und die Lernenden müssen lernen, das eigensprachliche Diskursverhalten kritisch zu reflektieren im Lichte kontrastiver Regelhaftigkeiten im Verhaltens- und Diskurssystem von Gesprächspartnern anderer Sprach- und Kulturkreise. 2. Die erfolgreiche Umsetzung einer Sprechabsicht sollte im Unterricht höher gewichtet werden als die korrekte Verwendung sprachlicher Mittel. 3. Statt einer Schulgrammatik sollten die Lernenden eine Grammatik kommunikativer Absichten, Register und Ausdrucksqualitäten aufbauen und diese stets reflektieren. 2.1 Historischer Abriss 17 4. Lernende sollen nicht Mustertexte für ideale Kommunikation lernen, sondern stattdessen Räume für den angstfreien Gebrauch der Fremdsprache erhalten. Ansätze zur Umsetzung der Erkenntnisse über die Wichtigkeit von Mündlichkeit im Fremdsprachenunterricht entwickeln sich vor allem in den 1980er Jahren. Communicative Language Teaching (CLT) ist ein solcher Ansatz, der hauptsächlich die Ausbildung kommunikativer Kompetenz zum Ziel hat und nicht auf grammatikalische oder sprachliche Strukturen beschränkt ist. Brown (2007) gibt eine prägnante Zusammenfassung der didaktischen Ausrichtung von CLT: Classroom goals are focused on all components of CC and not restricted to grammatical or linguistic competence. Language techniques are designed to engage learners in the pragmatic, authentic, functional use of language for meaningful purposes. Organizational language forms are not the central focus but rather aspects of language that enable the learner to accomplish those purposes. Fluency and accuracy are seen as complementary communicative techniques. At times fluency may have to take on more importance than accuracy in order to keep learners meaningfully engaged in language use. In the communicative classroom, students ultimately have to use the language, productively and receptively, in unrehearsed contexts. (Brown 2007: 241) Inmitten der kommunikativen Ansätze bilden sich in den 1980er Jahren ebenfalls aufgabenorientierte Herangehensweisen an die Vermittlung von Fremdsprachen heraus. Besonders erwachsene Lerner finden ihre Interessen im fremdsprachlichen Unterricht schlecht vertreten. Sie erwarten, die Befähigung zum Gebrauch der Fremdsprache außerhalb des Klassenzimmers zu erwerben, müssen aber feststellen, dass die Aktivitäten, mit denen sie im Unterricht konfrontiert werden, sich zumeist stark von denjenigen Aufgaben unterscheiden, für die sie im alltäglichen Umgang mit der Fremdsprache gewappnet sein sollen (vgl. Müller-Hartmann/ Schocker v.-Ditfurth 2005: 2). Es bedarf neuer Ansätze und vor allem neuer Aufgaben, die sich an denen orientierten, die die Lerner auch außerhalb des Klassenzimmers in der Fremdsprache bewältigen müssen. Viele Publikationen befassen sich mit der Genese eines, dem Gegenstandsbereich Fremdsprachendidaktik angemessenen, Aufgabenbegriffes (vgl. Long 1985; Prabhu 1987; Nunan 1989), wohingegen spätere Veröffentlichungen sich mit einer praktikablen Methodik (vgl. Willis 1996, Skehan 1998, Nunan 2004, Willis und Willis 2005, Long 2015) beschäftigen. Die Charakteristika einer Aufgabe stellt Ellis (2003: 3) komprimiert zusammen und kombiniert dabei theoretische und methodische Ansätze: 1. Reichweite: Eine Aufgabe ist ein Arbeitsplan. 2. Perspektive: Eine Aufgabe legt ihren Schwerpunkt auf den Inhalt einer Äußerung, nicht auf eine sprachliche Form. 3. Authentizität: Eine Aufgabe ermöglicht eine realitätsbezogene Sprachverwendung. 4. Sprachliche Fertigkeiten: Eine Aufgabe kann sich auf alle sprachlichen Fertigkeiten beziehen, beinhaltet jedoch im Idealfall einen interaktiven Teil und einen oder mehrere Adressaten. 5. Kognitive Prozesse: Eine Aufgabe löst bei den Lernern kognitive Prozesse aus. 6. Ergebnisse: Eine Aufgabe hat ein klar definiertes kommunikatives Ergebnis. (vgl. ibid.) An den aufgezeigten Eigenschaften einer Aufgabe im fremdsprachendidaktischen Kontext lassen sich auch Erkenntnisse bezüglich der Förderung von Mündlichkeit im Unterricht ableiten. Aufgaben zielen auf einen realweltlichen Sprachgebrauch ab und verknüpfen Form- und Inhaltsorientierung. Sie initiieren kognitive Prozesse und somit auch Kompetenzzuwachs, zudem haben sie zwar ein klar definiertes kommunikatives Ziel, jedoch ist dieses derart formuliert und offen gestaltet, dass es den Lernern, die sich durch ihre Heterogenität im Kompetenzstand kennzeichnen, ermöglicht wird, dieses individuell zu erreichen (vgl. Müller-Hartmann/ Schocker/ Pant 2013: 37; Hallet 2012: 91-147). Abschließend zeichnet sich aufgabenorientierter Unterricht durch eine Abkehr von der häufig kritisierten Lehrerzentrierung aus (vgl. Taubenböck 2007). Dies wird in Kapitel 2.3.2 noch vertieft. Die Tendenz zur Aufgabenorientierung spiegelt sich auch in den aktuellen bildungspolitischen Richtlinien für die Gestaltung kommunikativen Fremdsprachenunterrichts. Ein in diesem Zusammenhang bedeutendes Dokument ist der Gemeinsame europäische Referenzrahmen für Sprachen, der vom Europarat im Jahr 2001 veröffentlicht wurde. Im folgenden Unterkapitel soll dieser daher näher betrachtet werden. Ziel ist es, zunächst einen kondensierten Einblick in die Gestaltung und Ausrichtung dieses Dokuments zu geben und dann konkret herauszustellen, welche Auswirkungen sich für die Förderung des Sprechens und das Verständnis von Sprechkompetenz ableiten lassen. 18 2 Sprechkompetenz in Bildungspolitik und Forschung 2.2 Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen Der Gemeinsame europäische Referenzrahmen 2 für Sprachen setzt sich zum Ziel, das Lehren, Lernen und Beurteilen von Sprachverwendung umfassend, transparent und kohärent zu gestalten (Europarat 2001: 14). Ihm liegt ein handlungsorientierter Ansatz zugrunde, der Sprachenlerner als sozial Handelnde begreift, die befähigt werden sollen, in realweltlichen Handlungsfeldern kommunikative Aufgaben zu bewältigen. Im Referenzrahmen selbst wird Sprachverwendung wie folgt definiert: Sprachverwendung- - und dies schließt auch das Lernen einer Sprache mit ein- - umfasst die Handlungen von Menschen, die als Individuen und als gesellschaftlich Handelnde eine Vielzahl von Kompetenzen entwickeln, und zwar allgemeine, besonders aber kommunikative Sprachkompetenzen. Sie greifen in verschiedenen Kontexten und unter verschiedenen Bedingungen und Beschränkungen auf diese Kompetenzen zurück, wenn sie sprachliche Aktivitäten ausführen, an denen (wiederum) Sprachprozesse beteiligt sind, um Texte über bestimmte Themen aus verschiedenen Lebensbereichen (Domänen) zu produzieren und/ oder zu rezipieren. Dabei setzen sie Strategien ein, die für die Ausführung dieser Aufgaben am geeignetsten erscheinen. Die Erfahrungen, die Teilnehmer in solchen kommunikativen Aktivitäten machen, können zur Verstärkung oder zur Veränderung der Kompetenzen führen. (Europarat 2001: 21) 3 Der zentrale Aspekt dieser Definition ist der Kompetenzbegriff. Sprachverwendung wird als Zusammenspiel verschiedener Kompetenzen verstanden, Kompetenzen selbst definiert der GeR als „Summe des (deklarativen) Wissens, der (prozeduralen) Fertigkeiten und der persönlichkeitsbezogenen Kompetenzen und allgemeinen kognitiven Fähigkeiten, die es einem Menschen erlauben, Handlungen auszuführen“ (Europarat 2001: 21). Fremdsprachenlernen erschöpft sich nicht in der Verfügbarkeit sprachlichen Wissens und produktiver wie rezeptiver Fertigkeiten, sondern umfasst auch soziale und motivationale Faktoren. 4 2 Im Folgenden GeR abgekürzt 3 Hervorhebungen im Original 4 Dies beschreibt auch Weinert in seiner Kompetenzdefinition, die unter Kompetenz sowohl kognitive Fertigkeiten als auch die „damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften“ (Weinert 2001: 27) fasst, die zur Problemlösung nötig sind. In der Organisationspsychologie wird überdies diskutiert, dass sich Kompetenz nicht „additiv aus der Kenntnis der Ressourcen“ (Le Boterf 1994: 16) generiere, sondern stets eine Mobilisierung impliziere. Hierin sind sich bildungswissenschaftliche und organisationspsychologische Definitionen einig. 2.2 Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen 19 Eine wesentliche Grundlage für den Erwerb und Ausbau fremdsprachlicher Kompetenzen stellt der Kontext der Sprachverwendung dar, der sich wiederum in verschiedene Domänen aufgliedern lässt (vgl. Europarat 2011: 52). Im GeR wird explizit darauf verwiesen, dass die Benutzer des Dokuments Kenntnis über die Lebensbereiche und Situationen in denen die Lernenden die Zielsprache verwenden sollen, benötigen und entsprechend antizipieren sollen, welche sprachlichen, sozialen und kognitiven Anforderungen sich daraus ableiten lassen (ibid.). Es lassen sich dort auch vier beispielhafte Domänen finden (privat, öffentlich, beruflich, Bildung), die sich aber auch teilweise überlagern können und für die weitere situative Kategorien ausgeführt werden, die als Grundlage für Themenfelder und Aufgabenkonzeption nutzbar sind. Auch was unter einer kommunikativen Aufgabe zu verstehen ist, wird im Referenzrahmen exemplifiziert. (Kommunikative) Aufgabe wird definiert als jede zielgerichtete Handlung, die eine Person für notwendig hält, um ein bestimmtes Ergebnis zu erzielen. Dies kann ein Problem sein, das es zu lösen gilt, aber auch eine Verpflichtung, der man nachkommen muss, oder irgendein anderes Ziel, das man sich gesetzt hat. Die Definition trifft auf eine Vielzahl von Handlungen zu, wie zum Beispiel: Einen Schrank umstellen, ein Buch schreiben, bei Vertragsverhandlungen bestimmte Bedingungen aushandeln, Karten spielen, im Restaurant eine Mahlzeit bestellen, einen fremdsprachlichen Text übersetzen oder in Gruppenarbeit eine Klassenzeitung erstellen. (Europarat 2001: 22) 5 Der handlungsorientierte Charakter des GeR offenbart sich auch in dem dargelegten Verständnis (kommunikativer) Aufgaben, schließlich müssen sprachliche Strategien und Handlungen immer abhängig von der jeweiligen Situation bzw. Aufgabe geplant und durchgeführt werden. Es ist entsprechend möglich, dass Lernende auf vielfältige Weise, unter Einbeziehung ihrer individuellen Voraussetzungen, zu einer Aufgabenlösung gelangen. Für den Kontext dieser Studie relevant ist, wie im GeR Sprechkompetenz spezifiert wird. Zunächst muss grob unterschieden werden zwischen mündlicher Produktion und mündlicher Interaktion. Während ersteres die Produktion von einem „gesprochenen Text, der von einem oder mehreren Zuhören empfangen wird“ (Europarat 2001: 63) meint, inkludiert zweiteres abwechselnd Rezeptions- und Produktionsstrategien, die das gemeinsame Aushandeln von Bedeutung zum Ziel haben (vgl. Europarat 2001: 78). Es wird also im Referenzrahmen zwischen monologischen und dialogischen Sprechsituationen unterschieden. Für beide Bereiche stehen wiederum Beispielskalen bereit, die es gestatten, sprachliches Handeln der Lernenden näher zu klassifizieren. Der Bereich mündliche 5 Hervorhebungen im Original 20 2 Sprechkompetenz in Bildungspolitik und Forschung 2.2 Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen 21 Produktion gliedert sich in fünf Subkategorien (mündliche Produktion allgemein, zusammenhängendes monologisches Sprechen: Erfahrungen beschreiben, zusammenhängendes monologisches Sprechen: Argumentieren, öffentliche Ankündigungen/ Durchsagen machen und vor Publikum sprechen). Jede diese Subkategorien schlüsselt sprachliche Handlungen in positiv formulierte „Kann-Beschreibungen“ - so genannte Deskriptoren - auf, die in einem sechsstufigen Diagnosesystem den Niveaustufen A (Elementare Sprachverwendung mit den Unterscheidungen A1: Breakthrough und A2: Waystage), B (Selbstständige Sprachverwendung mit den Unterscheidungen B1: Threshold und B2: Vantage) und C (Kompetente Sprachverwendung mit den Unterscheidungen C1: Effective Operational Proficiency und C2: Mastery) zugeordnet werden. Nicht immer sind diese trennscharf, insbesondere, weil das Festlegen von Niveaugrenzen ein subjektives Verfahren darstellt. Dieses Umstands sind sich die Herausgeber des Referenzrahmens allerdings bewusst und schlagen, auf Basis empirischer Erkenntnisse, vor, bei Unsicherheiten auf Zwischenstufen wie beispielsweise B1+ zurückzugreifen (vgl. Europarat 2001: 40). Es kann an dieser Stelle nicht auf alle Beispielskalen der beiden Kategorien der Sprechkompetenz detailliert eingegangen werden, daher wird exemplarisch vorgegangen. Der Kompetenzbereich der „mündlichen Produktion allgemein“ enthält, als Deskriptor für das Niveau A1, folgende Beschreibung: „Kann sich mit einfachen, überwiegend isolierten Wendungen über Menschen und Orte äußern“ (Europarat 2001: 64). In höheren Niveaustufen bleiben die Operatoren in ihrer Formulierung zwar einerseits recht allgemein, modifizieren aber andererseits die A1-Beschreibung immer weiter. Dies ist zur Verdeutlichung in einer Tabelle aufgeführt: A2 Kann einfache Beschreibungen von Menschen, Lebens- und Arbeitsbedingungen, Alltagsroutinen, Vorlieben oder Abneigungen usw. geben, und zwar in kurzen listenhaften Abfolgen aus einfachen Wendungen und Sätzen. B2 Kann Sachverhalte klar und systematisch beschreiben und darstellen und dabei wichtige Punkte und relevante stützende Details angemessen hervorheben. Kann zu einer großen Bandbreite von Themen aus seinen/ ihren Interessensgebieten klare und detaillierte Beschreibungen und Darstellungen geben, Ideen ausführen und durch untergeordnete Punkte und relevante Beispiele abstützen. C1 Kann komplexe Sachverhalte klar und detailliert beschreiben und darstellen und dabei untergeordnete Themen integrieren, bestimmte Punkte genauer ausführen und alles mit einem angemessenen Schluss abrunden. C2 Kann klar, flüssig und gut strukturiert sprechen und seinen Beitrag so logisch aufbauen, dass es den Zuhörern erleichtert wird, wichtige Punkte wahrzunehmen und zu behalten. An diesem Vergleich lässt sich erkennen, dass sich mit zunehmender Niveaustufe die Operatoren in ihrem Detailgrad verändern. In der A2-Beschreibung ist noch klar umrissen, worüber sich der Lernende auf diesem Niveau äußern kann und in welcher sprachlichen Form er dies tut (listenhaft, kurz). Der B2-Operator ist hingegen thematisch weiter gefasst. Es wird von einer Bandbreite an Themen gesprochen und allgemein von Sachverhalten, die beschrieben und dargestellt werden können. Die sprachliche Form ist weniger genau festgelegt als in den niedrigeren Niveaustufen, aber es werden Aussagen darüber gemacht, welche Kriterien die sprachlichen Äußerungen erfüllen sollen (untergeordnete Punkte, klare und detaillierte Beschreibungen, relevante Beispiele, stützende Details, klar und systematisch, angemessen). Die Operatoren des C-Niveaus werden wieder knapper gefasst, weil sie hauptsächlich auf den unteren Stufen aufbauen. Bei C1 ist von komplexen Sachverhalten die Rede und im C2-Niveau fällt eine Spezifikation des sprachlichen Genres ganz weg. Im Vergleich der weiteren Beispielskalen aus der Kategorie der mündlichen Produktion fällt auf, dass gerade zwischen C1 und C2 die Nuancen, die die Niveaus voneinander unterscheiden, so gering sind, dass eine Einstufung auf subjektiven Einschätzungen der Nutzer des Referenzrahmens beruht. Exemplarisch hier der Vergleich für den Komplex „zusammenhängendes monologisches Sprechen: Erfahrungen beschreiben“: C1 Kann komplexe Sachverhalte klar und detailliert darstellen. Kann Sachverhalte ausführlich beschreiben und Geschichten erzählen, kann untergeordnete Themen integrieren, bestimmte Punkte genauer ausführen und alles mit einem angemessenen Schluss abrunden. C2 Kann Sachverhalte klar, flüssig, ausführlich und oft sehr interessant darstellen. Anhand verschiedener Vergleiche der Deskriptoren in den Beispielskalen des Referenzrahmens lässt sich festmachen, dass eine Operationalisierung sprachlicher Kompetenzen, wie sie im GeR vorgenommen wird, für die Nutzer, seien es Lehrende bei der Unterrichtskonzeption oder Diagnose oder Lernende bei der Selbsteinschätzung, überfordernd wirken kann. Quetz äußert sich entsprechend kritisch über den Referenzrahmen und betont, dass er daher nur „denjenigen bei der Arbeit helfe, die sich ohnehin ständig mit der Gradierung von Sprachmaterial für Curricula, Lehrwerke oder Tests befassen“ (Quetz 2003: 153). Im Bereich der mündlichen Interaktion unterscheidet der GeR in neun Subskalen, diese beinhalten produktive und rezeptive Strategien. Der Operator „mündliche Interaktion allgemein“ konzentriert sich auf Faktoren wie Idiomatik und Konnotationen. Er bezieht sich hauptsächlich auf den Wortschatz und die verschiedenen Graduierungsmittel zur Formulierung von Gedanken im jeweiligen situativen Kontext, allerdings geht es auch um die Fähigkeit zur 22 2 Sprechkompetenz in Bildungspolitik und Forschung 2.2 Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen 23 Kompensation von Ausdrucksschwierigkeiten. Auch für den Bereich „Interaktion“ wird eine Beispielskala geliefert. Kompetente Sprecher kennzeichnen sich, laut GeR, durch die Fähigkeit Gespräche zu initiieren, aufrecht zu erhalten und dabei auf Gesagtes angemessen reagieren zu können. Je nach Niveaustufe werden Lernende zunehmend flexibler im Gebrauch der Sprache für soziale Zwecke und können auch komplexere Gedanken adäquat kommunizieren. Es wird für das B2-Niveau explizit darauf verwiesen, dass auch Diskussionen mit Muttersprachlern geführt werden können in welchen diese nicht dazu veranlasst werden, sich anders zu verhalten als bei Gesprächen mit anderen Muttersprachlern (z. B. langsamer sprechen, einfacher Wortschatz, einfache Satzstrukturen). Interessant ist auch, dass der Referenzrahmen thematisch in informelle und formelle Diskussion unterscheidet und für beide Situationen Skalen anbietet. Für den schulischen Kontext von besonderer Bedeutung ist die Subskala zur „zielorientierten Kooperation“. Hiermit lässt sich einschätzen, wie sicher Lernende zum Fortgang einer Aufgabe sprachlich beitragen können und wie sich diese Zielorientierung sprachlich manifestiert. Für das C-Niveau liegen keine differenzierten Deskriptoren in diesem Bereich vor, sondern es wird darauf verwiesen, dass Sprecher auf B2-Niveau bereits das angestrebte Kompetenzziel erreichen. Selbiges gilt für die Bereiche „Transaktionen: Dienstleistungsgespräche“ und „Informationsaustausch.“ Die Skala „muttersprachliche Gesprächspartner verstehen“ wird, obwohl sie auch in den Bereich der rezeptiven Fertigkeiten eingeordnet werden könnte, im Sinne eines Verständnisses des Sprechens als integrative Kompetenz, bei der Interaktion aufgeführt. Unter den sogenannten linguistischen Kompetenzen listet der GeR noch die Subskala zum „Spektrum sprachlicher Mittel“ auf. Die für die Kommunikation ebenfalls relevanten nonverbalen Faktoren wie Mimik und Gestik werden zwar angeführt, jedoch nicht näher operationalisiert. Auch als Diagnose- und Beurteilungsgrundlage für mündliche Leistungen kann der GeR eingesetzt werden. Die Autoren führen aus, dass eine valide Beurteilung „ein Sampling eines Spektrums relevanter Diskurstypen einfordert“ (Europarat 2001: 173) und verweisen auf verschiedene Formate, die in Sprachtests gemischt zur Anwendung kommen können und die monologische und interaktive Phasen beinhalten. Ebenfalls stellen sie dar, dass die Deskriptoren für kommunikative Aktivitäten auf drei Weisen gebraucht werden können: zur Aufgabenerstellung, für lernzielorientierte Rückmeldungen an Lernende und zur Selbst- und Fremdbeurteilung einer sprachlichen Leistung (vgl. Europarat 2001: 175). Hinsichtlich der Beurteilung von Performanz weisen die Autoren jedoch darauf hin, dass Deskriptoren zwar einen gemeinsamen Bezugsrahmen für eine objektive Rückmeldung schaffen können (vgl. ibid.) insbesondere aber bei der Beurteilung von Lernenden im Rahmen kommunikativer Aufgaben mit dem Ziel der Einstufung in eines der Kompetenzniveaus darauf geachtet werden sollte, dass die exemplarische Performanz innerhalb eines bestimmten Aufgabenformats lediglich einen Anhaltspunkt für die Beurteilung liefern kann. Dieser Einblick in den GeR im Allgemeinen, und die Ausgestaltung des Dokuments mit Blick auf den Faktor Sprechkompetenz im Speziellen, hat einige Stärken und Schwächen aufgezeigt. Zwar sind manche Kompetenzbeschreibungen eher vage und die Bedeutungsnuancen an den Übergängen zwischen den Niveaustufen nicht immer eindeutig definierbar, allerdings vermag es der Referenzrahmen durch seine positiv formulierten Kann-Beschreibungen „Fremdsprachenniveaus auf eine zuvor noch nie da gewesene Weise“ (Schröder/ Tesch/ Nold 2017: 16) zu präzisieren, ein Bewusstsein und einen Rahmen für kompetenz- und handlungsorientierten Fremdsprachenunterricht zu schaffen und durch klare Evaluationskriterien für Sprechleistungen auch mündliche Sprachproduktion überprüfen zu können. Burwitz-Melzer hebt in diesem Zusammenhang hervor, dass gerade die im GeR vorgenommene Aufschlüsselung der hochkomplexen Sprechkompetenz positive Auswirkungen auf Unterrichtsforschung wie auch Unterrichtsgestaltung haben kann, weil Sie Lehrkräften wie auch Forschern aufzeigt, dass Förderung und Überprüfung ebendieser Kompetenz von Beginn an sorgfältig geplant werden müssen (vgl. Burwitz-Melzer 2014: 18-20). Im Folgeabschnitt wird der Blick nun auf die Bildungsstandards gerichtet, welche vom GeR maßgeblich beeinflusst sind. 2.3 Bildungsstandards für die fortgeführte Fremdsprache Einen erheblichen Einfluss, insbesondere auf den Faktor Mündlichkeit in der gymnasialen Oberstufe, hat die Neustrukturierung des deutschen Bildungssystems als Folge der schwachen Resultate deutscher Schüler/ innen in der PISA-Studie im Jahr 2000 (vgl. Baumert 2003). Diese Entwicklungen, die in der Abkehr von dem zuvor etablierten input-orientierten System resultierten und in der Implementierung von neuen Bildungsstandards und einheitlichen Prüfungsanforderungen für die Oberstufe mündeten, sollen daher an dieser Stelle der Arbeit kurz nachgezeichnet werden. Schröder, Tesch und Nold (2017: 15) werten die Entwicklung von Bildungsstandards für die Sekundarstufe I an Haupt- und Realschulen (vgl. KMK 2004) als unmittelbare Reaktion auf den PISA-Schock, heben aber hervor, dass es sich dabei nicht um eine spontane Idee gehandelt habe, sondern man vielmehr auf bereits in den 1990er Jahren durch den Europarat, also außerhalb der staatlichen Schulsysteme, entwickelte Erkenntnisse aufgebaut habe. Konkret beziehen sie sich auf den auf teilempirischer Basis entstandenen GeR (vgl. Schrö- 24 2 Sprechkompetenz in Bildungspolitik und Forschung 2.3 Bildungsstandards für die fortgeführte Fremdsprache 25 der/ Tesch/ Nold 2017: ibid.). Man versprach sich durch die Neuausrichtung des Englischunterrichts anhand klar definierbarer und überprüfbarer Kompetenzen eine Steigerung der Unterrichtsqualität und eine gezieltere Förderung der Lernenden. Dies geht auch mit einer Verbesserung der Diagnosekompetenzen der Englischlehrkräfte einher, die sich nun an den Kompetenzbeschreibungen orientieren und zielgerichteter fördern können. (vgl. ibid.) In der BMBF-Expertise zur Entwicklung nationaler Bildungsstandards wurde zudem der Ansatz der Kompetenzorientierung als Leitziel für die Unterrichtsgestaltung formuliert (Klieme et al. 2003). Zunächst greifen die Reformen in der Sekundarstufe I, auch wenn sich in den Einheitlichen Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung Englisch/ Französisch (KMK 2003) bereits kompetenzorientierte Leitprinzipien auffinden lassen (vgl. Schröder/ Tesch/ Nold 2017: 16). Es dauert schließlich bis Oktober 2012 bis auch für die Oberstufe vergleichbare Standards verabschiedet werden. Resultat sind die Bildungsstandards für die fortgeführte Fremdsprache (Englisch/ Französisch) für die allgemeine Hochschulreife, die mit einer Reihe beispielhafter Lern- und Prüfungsaufgaben veröffentlicht wurden und zu Beginn des Schuljahrs 2014/ 15 verbindlich in Kraft traten. Als Leitziele definiert die Kultusministerkonferenz die Schaffung von Transparenz schulischer Anforderungen durch gemeinsame Bildungsstandards, die Entwicklung kompetenzorientierten Unterrichts in der Oberstufe voranzutreiben und die Etablierung einer Grundlage für die Überprüfung von Ergebnissen (vgl. KMK 2012: 5). Wörtlich heißt es dort: Als abschlussbezogene und in allen Ländern verbindliche Zielvorgaben bilden die Bildungsstandards der KMK eine wichtige Grundlage für die Entwicklung und Sicherung von Bildungsqualität in Schulen. Sie sollen schulische Lehr- und Lernprozesse auf eine kumulative und systematisch vernetzte Entwicklung von Kompetenzen orientieren, die auch für zukünftige Bildungsprozesse der Schülerinnen und Schüler bedeutsam sind. Weiterhin sollen sie dazu beitragen, die Durchlässigkeit von Bildungswegen und die Vergleichbarkeit von Abschlüssen sicherzustellen. Flankiert von geeigneten Implementierungs- und Unterstützungsmaßnahmen bilden Bildungsstandards eine Basis für eine systematische Weiterentwicklung des Bildungssystems. (ibid.) Fremdsprachenunterricht in der Oberstufe soll die Lernenden zum mündlichen und schriftlichen Diskurs befähigen. Diese Diskursfähigkeit „umfasst wichtige interkulturelle Kompetenzen, die im Unterricht zusammen mit den sprachlichen Kompetenzen, im Rahmen einer Auseinandersetzung mit Themen, Texten und Medien integriert erworben werden.“ (KMK 2012: 11) Zentraler Bezugspunkt für ein Kompetenzmodell ist, neben den genannten Komponenten, auch das Kompetenzstrukturmodell der Standards der Sekundarstufe I. Tesch und Schröder führen aus, dass bei der Adaption des Modells auf die Anforderungen der Oberstufe die funktionalen kommunikativen Kompetenzen und die interkulturellen Kompetenzen als zentral erachtet und beibehalten wurden, die methodischen Kompetenzen hingegen aufgrund von Zuordnungsschwierigkeiten abgewandelt wurden 6 (vgl. Tesch/ Schröder 2017: 26). Abb. 1: Adaptiertes Kompetenzstrukturmodell (KMK 2012: 12) Die Anordnung der Kompetenzen im fi nalen Modell zeigt deren zentrale Position und deren Verwobenheit. Text- und Medienkompetenzen zählen ebenfalls zu den zentralen Kompetenzen, wohingegen die beiden neuen Bereiche Sprachbewusstheit und Sprachlernkompetenz lateral angeordnet sind, um zu signalisieren, dass sie in Wechselwirkung mit den zentralen Kompetenzen stehen und deren Ausbildung unterstützen (vgl. KMK 2012: 12). 6 Tesch und Schröder zufolge sei der 2003 modellierte Kompetenzbereich der methodischen Kompetenzen ein heterogener Verbund verschiedener Teilkompetenzen, Techniken und Verfahren, die sich auf unterschiedlichste Kompetenzbereiche beziehen. Die konzeptionelle Schwierigkeit wurde durch die Isolation der Faktoren Sprachbewusstheit und Sprachlernkompetenz gelöst, die in den Oberstufenstandards eigenständige und gleichwertige Kompetenzen sind. 26 2 Sprechkompetenz in Bildungspolitik und Forschung 2.3 Bildungsstandards für die fortgeführte Fremdsprache 27 Die im Fokus der vorliegenden Studie stehende Sprechkompetenz wird unter den funktionalen kommunikativen Kompetenzen subsumiert, ist jedoch nicht von den anderen zentralen Kompetenzen zu trennen. Im Bereich des Sprechens greifen die Standards die aus dem GeR bekannte Differenzierung in dialogisches Sprechen (hier: An Gesprächen teilnehmen) und zusammenhängendes monologisches Sprechen auf. Unter der Fähigkeit „an Gesprächen teilzunehmen“ (KMK 2012: 16) wird Folgendes verstanden: Die Schülerinnen und Schüler können sich weitgehend flüssig, sprachlich korrekt und adressatengerecht sowie situationsangemessen an Gesprächen beteiligen. Sie sind bereit und in der Lage, in einer gegebenen Sprechsituation zu interagieren, auch wenn abstrakte und in einzelnen Fällen weniger vertraute Themen behandelt werden. (KMK 2012: 16) Sowohl im grundlegenden als auch im gehobenen Niveau setzt dialogisches Sprechen metalinguistisches Wissen voraus. Des Weiteren wird in den Bildungsstandards gefordert, dass Lernende geeignete Strategien für den Umgang mit Missverständnissen entwickeln sollen und auch die formellen und informellen Situationen erkennen, in denen sie die Fremdsprache in Gesprächen verwenden (2012: 17). Hier ist eine Analogie zu den beschriebenen Domänen des GeR zu erkennen. Die Klarheit der Deskriptoren unterscheidet sich allerdings in diesem Bereich stark. Burwitz-Melzer (2014: 20) kritisiert beispielsweise den Deskriptor: Die Schülerinnen und Schüler können in informellen und formellen Situationen persönliche Meinungen unter Beachtung kultureller Gesprächskonventionen ausdrücken und begründen. (KMK 2012: 17) Es bleibe offen, was unter kulturellen Gesprächskonventionen zu verstehen sei und wie Lerner diese konkret umsetzen bzw. Lehrkräfte sie vermitteln und später beurteilen sollen. Andere Deskriptoren hingegen, so zum Beispiel „Die SuS können sich zu vertrauten Themen aktiv an Diskussionen beteiligen sowie eigene Positionen vertreten“ (ibid.), sind klarer formuliert. Der angestrebte Kompetenzstand im Bereich „zusammenhängendes monologisches Sprechen“ (ibid.) wird hingegen wie folgt gefasst: Die Schülerinnen und Schüler können klare und detaillierte Darstellungen geben, ihren Standpunkt vertreten und erläutern sowie Vor- und Nachteile verschiedener Optionen angeben“ (ibid.). Auch hier kommt es also zu einer Mischung von recht vagen Formulierungen mit transparenteren. So sollen Lernende im grundlegenden Niveau „für Meinungen, Pläne oder Handlungen klare Begründungen bzw. Erklärungen geben“ (ibid.); ein, mit Ausnahme des Adjektivs „klare“, recht verständlicher Deskriptor. In einem weiteren der Deskriptoren fordern die Standards allerdings, dass Lernende literarische und nicht-literarische Texte „sprachlich angemessen und kohärent“ (ibid.) beurteilen sollen. Dabei bleibt offen, was die Autoren in diesem Zusammenhang unter einem sprachlich angemessenen Umgang mit diesen Texten verstehen (vgl. Burwitz-Melzer 2014: 20). Aus einem anderen Grund erscheint dieser Deskriptor allerdings äußerst relevant, schlägt er doch die Brücke zwischen der Fertigkeit Sprechen und der Inhaltsebene im Unterricht (vgl. ibid.: 21). Betrachtet man also das Sprechen im unterrichtlichen Kontext, so muss die Inhaltsebene gleichermaßen beachtet werden. Eine ebensolche ergibt sich entweder aus einer konkreten Aufgabenstellung oder einem Unterrichtsgegenstand (z. B. ein Text) über den im Unterricht gesprochen wird. Dies wird im weiteren Verlauf dieses Kapitels nochmals aufgegriffen. Ebenfalls hoch interessant erscheint der folgende Deskriptor im Bereich des zusammenhängenden monologischen Sprechens: Die Schülerinnen und Schüler können im Kontext komplexer Aufgabenstellungen eigene mündliche Textproduktionen, z. B. Vorträge, Reden, Teile von Reportagen und Kommentare, planen, adressatengerecht vortragen und dabei geeignete Vortrags- und Präsentationsstrategien nutzen (KMK 2012: 18). Erstmals wird in den Bildungsstandards selbst auf die Rolle des Sprechens innerhalb komplexer Aufgabenstellungen eingegangen. Lernende sollen nämlich dazu in der Lage sein, im Rahmen ebensolcher Aufgaben, eigene mündliche Texte zu planen und angemessen vorzutragen. Es wird deutlich, dass Sprechkompetenz nicht nur isoliert und imitativ entwickelt werden kann, sondern vor allem in komplexen Aufgaben, die mehrere Kompetenzen verknüpfen, gefördert werden muss. Eine in diesem Zusammenhang zu nennende Kompetenz ist die des Hörverstehens bzw. des Hörsehverstehens. Auch wenn die Bildungsstandards die Fertigkeiten Hörverstehen/ Hörsehverstehen und Sprechen trennen, bedingen diese einander vor allem im Bereich des dialogischen Sprechens maßgeblich. Meißner (2011) stellt heraus, dass Kommunikationsfähigkeit Hörverstehkompetenz ebenso impliziere wie Sprechkompetenz: Wer „Kommunikation“ 7 sagt, meint zumeist Mündlichkeit und damit Hörverstehen. Es handelt sich dabei um eine besondere Kompetenz und das aus mehreren Gründen: 1. Sprache als „Spreche“ ist ohne Hören nur schwer erwerbbar. 2. Eine operable Sprechfähigkeit ist ohne Hörverstehen nur schwer ausbildbar. 3. Erst das Hörverstehen ver- 7 Anführungszeichen im Original 28 2 Sprechkompetenz in Bildungspolitik und Forschung 2.3 Bildungsstandards für die fortgeführte Fremdsprache 29 leiht Lautketten ihre semantische Dimension und macht verbal mitgeteilte Inhalte behaltbar. (…) Im (mündlichen) Gespräch tritt Hörverstehen im Wechsel mit dem Sprechen auf; man bezeichnet es in diesem Sinne auch als Teil einer integrativen Kompetenz. Schon dies zeigt: Kommunikation ist ohne Hörkompetenz nur eingeschränkt möglich; weshalb auch das Fremdsprachenlernen auf das Hörverstehen keineswegs verzichten kann, solange es auf Kommunikationsfähigkeit abhebt (Meißner 2011: 72). In den Bildungssstandards für die fortgeführte Fremdsprache (Englisch/ Französisch) für die Allgemeine Hochschulreife (KMK 2012) wird die Zusammengehörigkeit der beiden Kompetenzen Sprechen und Hörverstehen nicht hinreichend deutlich. Zwar wird beiden eine wichtige Rolle beigemessen, allerdings betrachtet man sie in einem anderen Maße voneinander isoliert als es zum Beispiel der GeR vermag. Im Bereich des Hörverstehens sollen Lernende am Ende der gymnasialen Oberstufe folgende Fähigkeiten besitzen: Die Schülerinnen und Schüler können authentische Hör- und Hörsehtexte verstehen, sofern repräsentative Varietäten der Zielsprache gesprochen werden. Sie können dabei Hauptaussagen und Einzelinformationen entnehmen und diese Informationen in thematische Zusammenhänge einordnen. (KMK 2012: 15) In dieser, wie auch in den näheren Beschreibungen der zu erreichenden Teilkompetenzen, beschränken sich die Bildungsstandards auf die Hörverstehenskompetenz als solche - es fehlt ein Abschnitt, der diese mit der produktiven Komponente vernetzt. Dies ist besonders prekär, weil das Hörverstehen/ Hörsehverstehen in der Sekundarstufe II bisher „stiefmütterlich behandelt“ (Rossa/ Meißner 2017: 84) wird und die Fähigkeit für das Bewältigen kommunikativer Situationen unabdingbar ist. Ebenfalls von maßgeblicher Bedeutung für die Ausbildung von Sprechkompetenz ist das Verfügen über sprachliche Mittel. Sprachliche Mittel, zu denen Wortschatz, Grammatik, Aussprache, Prosodie und Orthografie zu zählen sind, gelten in den Standards, analog zur Sekundarstufe I, als funktionale Bestandteile des sprachlichen Systems und der Kommunikation (vgl. KMK 2012: 18). Hervorzuheben ist, dass diese Mittel eine „dienende Funktion“ (ibid.) insofern haben, als sie zur Realisierung der kommunikativen Absicht unverzichtbar sind. Ziel kompetenzorientierten Unterrichts ist es daher nicht, diese ins Zentrum zu rücken, sondern sie in möglichst vielfältigen Anwendungssituationen zu schulen, so dass sie von den Lernenden kumulativ angeeignet werden. Dies geschieht in Analogie zum (Erst-)Spracherwerb. Die im Strukturmodell zentral und oben verortete interkulturelle kommunikative Kompetenz wird in den Oberstufenstandards, einerseits durch ihre Position und andererseits durch eine systematischere und differenziertere Ausgestaltung in Deskriptoren, aufgewertet und zudem wird ihre Verankerung mit den funktional kommunikativen Kompetenzen transparenter (vgl. Caspari/ Burwitz-Melzer 2017a: 38). Sie ist gerichtet „auf Verstehen und Handeln in Kontexten, in denen die Fremdsprache verwendet wird.“ (KMK 2012: 19) und meint konkreter die Fähigkeit der Lernenden zur Erschließung der in fremdsprachlichen und fremdkulturellen Texten enthaltenen Informationen, Sinnangeboten und Handlungsaufforderungen sowie der Reflexion dieser vor dem Hintergrund ihres eigenen kulturellen und gesellschaftlichen Kontexts 8 (ibid.). Die angedeutete Verankerung mit den funktional kommunikativen Kompetenzen zeigt sich darin, dass Lernende zur Erschließung auf rezeptive Kompetenzen angewiesen sind und zur Problemlösung auf produktive Kompetenzen zurückgreifen müssen. Interkulturelle kommunikative Kompetenz setzt aber auch emotionale Bereitschaft (Einstellungen) voraus, sich auf das Fremde einzulassen und diesem offen und respektvoll, wenn angebracht aber auch kritisch, entgegenzutreten. In diesem Zusammenhang sind auch die Text- und Medienkompetenzen zu erwähnen, da fremdkulturelle Texte „Repräsentationen von Diskursen in fremdsprachigen Kulturen“ (Hallet 2010: 128) darstellen und somit als Türöffner für interkulturelles Lernen und die Ausbildung von interkultureller kommunikativer Kompetenz dienen können. Dies resümieren auch Caspari und Burwitz-Melzer und plädieren für ein vernetzendes Lernen, wenn es darum geht, die Bildungsstandards in die Praxis umzusetzen: Schülerinnen und Schülern bietet ein solches vernetzendes Lernen die Möglichkeit, ihre interkulturellen und kulturellen Wissensbestände und ihre Emotionen in den Fremdsprachenunterricht in angemessener Weise einzubringen. Lehrerinnen und Lehrer sollten lernen, sich solche Wissensbestände und Emotionen zu erschließen bzw. zu evozieren und in angemessener Form in den Unterricht einzubeziehen. (Caspari/ Burwitz-Melzer 2017b: 59) Als kurzes Zwischenfazit lässt sich festhalten, dass die Bildungsstandards für die fortgeführte Fremdsprache (KMK 2012) den Oberstufenunterricht mit Blick auf die Förderung des Sprechens und die allgemeine Bedeutung von Mündlichkeit verändern können. Stärker als zuvor werden mündliche Kompetenzen gefordert und auch wenn die Standards, insbesondere bezogen auf die Transparenz einiger Deskriptoren und die nicht im gleichen Maße wie im GeR bedachte Integration produktiver und rezeptiver Fertigkeiten, nicht immer einfach umzusetzen sind, so können sie als Referenzdokumente die Unterrichtsqualität lang- 8 Eine theoretische Aufarbeitung des Begriffs der interkulturellen kommunikativen Kompetenz mitsamt einer Modellierung liefert Byram in seiner Monografie Teaching and Assessing Intercultural Communicative Competence (vgl. Byram 2009) 30 2 Sprechkompetenz in Bildungspolitik und Forschung 2.4 Ausgestaltung der Vorgaben in den Bundesländern 31 fristig maßgeblich verbessern. Dazu bedarf es allerdings empirischer Forschung zur Gestaltung standardorientierten Fremdsprachenunterrichts, um diesen beschreiben und reflektieren zu können und auf lange Sicht auch auf die Lehrerbildung rückwirken zu können. Einen Beitrag in diesem Zusammenhang will die vorliegende Studie leisten. Im nächsten Unterkapitel soll es aber zunächst darum gehen, die Rolle des Sprechens im Englischunterricht an gymnasialen Oberstufen noch genauer nachzuvollziehen. Dazu werden die Kerncurricula Englisch für die Oberstufe genauer betrachtet. 2.4 Ausgestaltung der Vorgaben in den Bundesländern: Kerncurricula Englisch für die Oberstufe in Hessen und Niedersachsen Das Kerncurriculum gymnasiale Oberstufe Englisch des Landes Hessen liegt seit 2016 in der aktuellen Fassung vor und nimmt zum einen die Vorgaben der Einheitlichen Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung (EPA) und den Beschluss der Kultusministerkonferenz (KMK) vom 18.10.2012 zu den Bildungsstandards für die Allgemeine Hochschulreife (…) auf. Zum anderen setzt sich in Anlage und Aufbau des Kerncurriculums die Kompetenzorientierung, wie bereits im Kerncurriculum für die Sekundarstufe I umgesetzt, konsequent fort - modifiziert in Darstellungsformat und Präzisionsgrad der verbindlichen inhaltlichen Vorgaben gemäß den Anforderungen der gymnasialen Oberstufe und mit Blick auf die Abiturprüfung. (HKM 2016: 6) Es versteht sich somit als eine auf den hessischen Oberstufenunterricht angepasste Weiterentwicklung der bestehenden KMK-Standards und kennzeichnet sich insbesondere dadurch, dass es auch Themen- und Inhaltsfelder aufnimmt. In den vorangestellten Ausführungen zum Bildungsbeitrag des Faches Englisch postuliert es die Begegnung mit verschiedenen Kulturen der anglophonen Welt als zentral und versucht diese - im Sinne eines erweiterten Textbegriffs - über schriftliche, mündliche oder medial vermittelte authentische Kulturprodukte herzustellen (HKM 2016: 11). Dabei stehen Lebensweltbezug und gesellschaftliche Relevanz im Vordergrund und diese sollen „vielfältige Sprechanlässe unter geeigneten Themenstellungen“ (ibid.) eröffnen. Der Charakter des Englischen als lingua franca , die über die Grenzen englischsprachiger Länder hinaus Politik, Wirtschaft und Kulturen geprägt hat, macht das Beherrschen der Sprache zu einer kulturellen Praktik von hohem Bildungswert. Entsprechend stellt auch das Kerncurriculum heraus, dass kompetenzorientierter Englischunterricht Lernende auf die „Teilnahme an der internationalen Sprachgemeinschaft“ (ibid.) vorbereiten soll und von kommunikativer Natur ist. Die Orientierung des Kerncurriculums an den obligatorischen KMK-Dokumenten zeigt sich strukturell in der wörtlichen Übernahme der Kompetenzbereiche und Einzelstandards und deren Zuordnungen zu grundlegenden und erhöhten Niveaustufen für Grund- und Leistungskurse. Dass es sich bei dem Kerncurriculum aber in Teilen in der Tat um eine Weiterentwicklung handelt, spiegelt sich in der inhaltlichen Auseinandersetzung mit den Referenzdokumenten. So stellen die Autoren des Kerncurriculums ebenfalls fest, dass die Bildungsstandards die funktionalen kommunikativen Kompetenzen getrennt aufführen, diese jedoch in der konkreten Sprachverwendung „vorwiegend integrativ zum Tragen kommen“ (HKM 2016: 13). Ein genauerer Blick in das Kerncurriculum offenbart aber, dass es bei der kritischen Anmerkung bleibt. Auch in diesem Dokument bemühen sich die Autoren nicht um eine konkrete Alternative (beispielsweise durch Formulierung zusätzlicher Teilstandards), sondern übernehmen lediglich die bereits bestehenden Formulierungen. Ein besonderes Augenmerk legen die Autoren der Kerncurricula auf die Unterfütterung der Standards mit konkreten Fachinhalten und Themenfeldern. Hierin besteht der größte Unterschied zu den allgemein gehaltenen Bildungsstandards für die fortgeführte Fremdsprache und den Operatoren des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens . In dem Kerncurriculum unterscheiden die Autoren zwischen dem Unterricht in der Einführungsphase, der zur Festigung von Wissen und Können diene, Kompensation anstrebe und auf die Wahl von Grund- und Leistungsfächern vorbereite und dem der Qualifikationsphase, der der Bearbeitung komplexer Frage- und Problemstellungen diene, eigenverantwortliches Lernen fördere und Kommunikationsfertigkeiten vertiefe (vgl. HKM 2016: 30). Dabei werden, mit Blick auf die Abiturprüfung, verschiedene „Aufgabenformate“ verbindlich gemacht. Bei diesen handelt es sich allerdings eher um Textsorten mündlicher 9 und schriftlicher 10 Art. Eher befremdlich erscheint in diesem Zusammenhang die Zuordnung von Dialogen zu den „kreativen Schreibaufträgen.“ (HKM 2016: 31) Es wirkt so, als hielten die Autoren des hessischen Kerncurriculums Dialoge für authentische Schreibprodukte und als wollten sie die Lernenden darauf vorbereiten, beispielsweise in der Abiturprüfung, eine solche Textsorte zu verfassen. Ein derart ausgerichteter Unterricht stünde jedoch eher im Kontrast zur Kompetenzorientierung, die authentische Sprachverwendung anstrebt. In der Textrezeption wird dieses Problem nicht deutlich. Hier 9 Z.B. Zusammenfassung, Beschreibung, Artikel, Charakterisierung, Stellungnahme, Tagebucheintrag, E-Mail, Blog 10 Z.B. Präsentation, Kurzvortrag, Diskussionsbeitrag, Interview 32 2 Sprechkompetenz in Bildungspolitik und Forschung halten die Autoren die verbindlichen Vorgaben eher abstrakt und lassen der Lehrkraft Spielraum für die Auswahl von beispielsweise „komplexen authentischen Texten im Sinne eines erweiterten Textbegriffs“ (HKM 2016: 32). Es wird allerdings darauf verwiesen, dass über das Kerncurriculum hinaus durch Erlass verbindlich zu behandelnde Werke konkretisiert werden können (vgl. ibid.). Die verbindlichen Themenfelder, die im Kerncurriculum aufgeführt werden, fungieren als inhaltliche Rahmung des Unterrichts. Die folgende Tabelle 11 stellt diese Themenfelder übersichtlich dar: E1/ E2 Coming of age: 12 growing up, making a difference, the blue planet, youth culture, role models Q1 Ideals and realities: the USA - the formation of a nation, living in the American society, manifestation of individualism, conformity and rebellion, the USA and the world Q2 The encounter of cultures: Great Britain - past and present: the character of a nation, ethnic diversity, the English-speaking world Q3 Challenges of our time: human dilemmas in fiction and real life, modelling the future, gender issues, nature and the environment, globalization Q4 New perspectives: The world of work, the media, utopia and dystopia, English - language, communication and beyond, challenges, opportunities and choices Es scheint, als sei in dem Kerncurriculum der Versuch unternommen worden, die vorwiegend inhaltlich orientierten Lehrpläne, die den gymnasialen Englischunterricht in der Oberstufe maßgeblich bestimmt haben, unter dem Deckmantel der Kompetenzorientierung neu aufzulegen. Die Themenfelder wirken sehr vertraut und entsprechen weitgehend denen, die bereits aus den alten Lehrplänen bekannt sind. Ein Blick in das Kerncurriculum Oberstufe des Landes Niedersachsen für das Fach Englisch soll es ermöglichen, Gemeinsamkeiten und Unterschiede festzustellen und ist an dieser Stelle unabdingbar, da ein nicht unerheblicher Teil der empirisch gewonnenen Daten dieser Studie aus niedersächsischen Schulen stammt. Den Bildungsbeitrag des Faches stellt das niedersächsische Kerncurriculum in vergleichbarer Weise heraus wie dies auch im hessischen Dokument der Fall ist und in diesem Unterkapitel bereits ausgeführt wurde. Dabei wird sehr konkret auf die Rolle des Englischunterrichts eingegangen: 11 (vgl. HKM 2016: 33-34) 12 Hervorhebung der übergeordneten Themenfelder 2.4 Ausgestaltung der Vorgaben in den Bundesländern 33 Damit die Schülerinnen und Schüler im internationalen Kontext bestehen und aktiv die Zukunft mitgestalten können, hat der Englischunterricht die Aufgabe, auf die sprachlichen Herausforderungen in Studium, Beruf und Gesellschaft vorzubereiten und ihnen so eine gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen. Demzufolge werden der funktionalen kommunikativen Kompetenz, insbesondere der Mündlichkeit, sowie der interkulturellen kommunikativen Kompetenz ein hoher Stellenwert beigemessen. (NiBiS 2017: 5) Deutlich detaillierter setzt sich das niedersächsische Kerncurriculum allerdings mit dem bildungspolitischen Leitziel der Etablierung von Kompetenzorientierung auseinander. Übergeordnet wird dort gefordert, dass die Lernenden, ausgehend vom Ziel der sprachlichen und interkulturellen Handlungsfähigkeit, im Unterricht Kompetenzen erwerben, „die es ihnen ermöglichen, komplexe Kommunikationssituationen der heutigen Lebenswelt sicher zu bewältigen.“ (NiBiS 2017: 7). Dies umfasst, den Autoren zufolge, die Fähigkeit zur Rezeption, Produktion und Interaktion. (vgl. ibid.) In Analogie zu den KMK-Standards, schließt auch das niedersächsische Kerncurriculum an die Kompetenzprofile der Lernenden aus der Sekundarstufe I an und begreift den weiteren Aufbau von Kompetenzen als systematisch, kumulativ und handlungsorientiert (vgl. ibid.). Zu den funktionalen kommunikativen Kompetenzen werden, sowohl für das grundlegende als auch für das erhöhte Anforderungsniveau, Teilstandards in Gestalt von Kann-Beschreibungen gelistet. Es fällt auf, dass hier rezeptive und produktive Kompetenzen zwar ebenfalls voneinander getrennt aufgeführt werden, deren Verwobenheit jedoch in den Einzelstandards teilweise aufgegriffen wird. So gibt es für den Bereich des Hör-/ Hörsehverstehens einen Deskriptor, der sich auf die Stimmungen und Einstellungen der Sprechenden bezieht und so auf Teilbereiche der Kommunikation, die als Zusammenspiel von Produktion und Rezeption gesehen wird, abhebt (vgl. NiBiS 2017: 12). Noch deutlicher wird dies jedoch in den Deskriptoren zum Sprechen, genauer im Teilbereich „an Gesprächen teilnehmen.“ Zu den dort gelisteten Kompetenzen zählen das Eingehen auf Gegenargumente, die Verknüpfung der eigenen Standpunkte mit denen anderer Personen und der flexible und adäquate Umgang mit den fremdinitiierten Wendungen innerhalb eines Gesprächs. (vgl. NiBiS 2017: 14) Auch in Niedersachsen enthält das Kerncurriculum einen Abschnitt zu Themenfeldern und Grundsätzen bei der Auswahl von Lerninhalten. Es wird darauf verwiesen, dass die Unterrichtsinhalte „weder beliebig noch unverbindlich“ (Ni- BiS 2017: 24) sein können und sich an den folgenden Leitlinien orientieren sollen: Die Lernenden müssen sich mit Themen auseinandersetzen, die - eine aktive Auseinandersetzung mit einer Vielzahl von unterschiedlichen Texten, Medien und Perspektiven erfordern 34 2 Sprechkompetenz in Bildungspolitik und Forschung - kulturell, interkulturell und in der Erfahrungswelt der Lernenden relevant sind und sich nicht ohne Verstehensanstrengung und -leistung erschließen - Probleme aufweisen, die fremdsprachliche diskursive Aushandlungsprozesse erfordern - Reflexionen und Selbstreflexionen auslösen können, die wiederum Impulse zu diskursiven Handlungen geben - sich an authentische fremdkulturelle Diskurse anschließen - es den Schülerinnen und Schülern durch exemplarisches Lernen ermöglichen, das verfügbare Wissen und die erworbenen Kompetenzen auf neue Anwendungssituationen zu transferieren. (NiBiS 2017: ibid.) Die auf dieser Grundlage festgelegten verbindlichen Themenfelder sind in der nachfolgenden Tabelle 13 zusammengefasst: Individual and society: identity; ethnic, cultural and linguistic diversity; gender and sexual diversity Science and technology: chances and risks; visions of the future; the media (the influence of the media on public opinion and personal life); digital revolution Globalisation: effects on the world of work; impact on personal lives; global responsibility concerning e.g. politics, the environment, economy; English as a global language Beliefs, values and norms in society - tradition and change: Britishness; the American experience; postcolonial/ neo-colonial experiences; migration effects on the world of work Shakespeare: the world that made him; modern adaptations Die Themenfelder erinnern auch in Niedersachsen an die aus den Lehrplänen bereits bekannten Inhalte, allerdings nehmen sie weitaus weniger Raum innerhalb des Dokuments ein und werden immer in Verbindung mit der Förderung von Kompetenzen genannt. Im niedersächsischen Kerncurriculum heißt es: „Alle Themenfelder müssen in der Qualfikationsphase behandelt werden. Dabei muss eine angemessene Medien- und Textsortenvielfalt berücksichtigt werden.“ (NiBiS 2017: 25) Einzelne Textsorten (Roman, Drama, Short Stories, Gedichte und Filme bzw. TV-Produktionen) werden festgeschrieben, in der Wahl der Texte bleibt der Lehrer aber frei, solange sie den Themenfeldern zuzuordnen sind. Ein Werk von Shakespeare ist für Kurse mit erhöhtem Niveau allerdings verpflichtend. 13 Hervorhebungen der Themenfelder; Erläuterungen vgl. NiBiS 2017: 25 ff.. 2.4 Ausgestaltung der Vorgaben in den Bundesländern 35 Dass das Ziel der Kompetenzorientierung auch auf die Durchführung von Leistungsfeststellung und Leistungsbeurteilung zurückwirkt, spiegelt sich in dem niedersächsichen Kerncurriculum in besonderem Maße. Dort wird zwischen Lern- und Leistungssituationen unterschieden. Fehler werden aus Schülersicht als Erkenntnismittel und aus Lehrersicht als Hinweis für die Unterrichtsplanung verstanden (vgl. NiBiS 2017: 27). Weiter heißt es dort: Kompetenzorientierter Unterricht bietet den Schülerinnen und Schülern durch geeignete Aufgaben einerseits ausreichend Gelegenheiten, Problemlösungen zu erproben, andererseits fordert er den Kompetenznachweis in anspruchsvollen Leistungssituationen ein. Leistungs- und Überprüfungssituationen sollen die Verfügbarkeit der erwarteten Kompetenzen nachweisen. (ibid.) Insgesamt lässt sich resümieren, dass sich die länderspezifischen Kerncurricula in leicht unterschiedlichen Stadien auf dem Weg von der Inhaltszur Kompetenzorientierung befinden. Empirische Unterrichtsforschung kann in diesem Zusammenhang einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, den Ist-Stand der unterrichtlichen Implementierung des Leitziels der Kompetenzorientierung aufzuzeigen. Bislang gibt es diesbezüglich, gerade mit Blick auf die Oberstufe, einige Desiderate. Darauf wird in den Folgeabschnitten noch genauer eingegangen, da auch die vorliegende Studie sich in diesem Setting verortet. 2.5 Die Komplexität der Sprechkompetenz: kognitive und psycholinguistische Vorgänge 2.5.1 Sprachproduktion aus psycholinguistischer Perspektive Sprechen gilt als eine Schlüsselfertigkeit im Prozess des Fremdsprachenlernens. Viele Lerner schätzen ihre fremdsprachliche Kompetenz auf Basis ihrer Sprechkompetenz ein - andererseits fällt gerade das flüssige Sprechen vielen Lernern besonders schwer (vgl. Stovall Burkart 1998). Kognitiv betrachtet ist das Sprechen ein hoch komplexer Vorgang, der viele interagierende Komponenten umfasst und viel Training erfordert, möchte man ihn perfektionieren (vgl. Thornbury 2005). Levelt zufolge, produziert ein geübter Sprecher des Englischen etwa 150 Wörter pro Minute in einer gewöhnlichen Kommunikation und wählt aus einem aktiven Wortschatz von 30000 Begriffen 14 die der Situation angemessenen aus (Levelt 1989: 199). Rechnerisch bedeutet dies, dass in einer Sekunde zwischen zwei und fünf Entscheidungen alleine auf Wortschatzebene getroffen 14 Diese Zahl bezieht sich auf muttersprachliche Sprechkompetenz. 36 2 Sprechkompetenz in Bildungspolitik und Forschung werden müssen. Es verwundert daher nicht, dass gerade die Sprechkompetenz Lernern Schwierigkeiten bereitet. Empirische Forschung zur Sprachproduktion existiert vermehrt seit den 1960er Jahren und bezieht sich zunächst hauptsächlich auf Muttersprachler (Field 2011: 71). Für die Fremdsprachenforschung prägend ist die Modellierung der Sprachproduktion, die sich auf diese empirischen Erkenntnisse stützt und sich immer weiter entwickelt hat. Eines der ersten Modelle liefert Garrett (1980, 1988). Es geht davon aus, dass Sprecher einen vorläufigen syntaktischen Rahmen für sprachliche Äußerungen erstellen, in welchen sie parallel die Ergebnisse ihrer Entscheidungen auf lexikalischer Ebene integrieren. Dies impliziert das Vorhandensein einer dem Sprechen vorgeschalteten Planungsphase, in der die Äußerung zunächst abstrakt auf kognitiver Ebene erstellt wird, bevor sie konkret sprachlich realisiert wird (vgl. Garrett 1988). Auch wenn Garrett hervorhebt, dass syntaktische und semantische Entscheidungen derart ineinandergreifen, dass sie unmittelbar verknüpft erscheinen, hat neurolinguistische Forschung mittlerweile belegt, dass semantische und syntaktische Entscheidungen unterschiedliche Areale im Gehirn aktivieren und somit, zumindest kognitiv, nicht vernetzt sind (vgl. Kutas/ Federmeier/ Serreno 1999: 367). Eines der bekanntesten Modelle zur Beschreibung der Vorgänge beim Sprechen ist das von Levelt aus dem Jahr 1989. Es benennt vier Phasen, vier kognitive Hürden, die ein Sprachenlerner überwinden muss, wenn er eine Sprechabsicht in der Zielsprache realisieren möchte: conceptualization, formulation, articulation und self-monitoring (vgl. Levelt 1989, Skehan 2009, Field 2011). In der Konzeptualisierungsphase entscheidet sich der Sprecher für ein Thema bzw. eine Idee, die er ausdrücken möchte. Die Effizienz wird wesentlich davon determiniert, ob es sich um völlig neue oder bereits bekannte Themen/ Ideen handelt, die entsprechend im Langzeitgedächtnis gespeichert sind (vgl. Goh/ Burns 2012: 37, Muranoi 2007). Die Formulierungsphase bezieht sich auf die sprachliche Ebene. Die Ideen, die in der Konzeptualisierungsphase generiert wurden, werden nun bestimmten Wörtern im mentalen Lexikon des Sprechers zugeordnet. Goh und Burns beschreiben diese Phase als die herausforderndste im gesamten Sprechvorgang. Die Sprecher müssen eine Reihe von Entscheidungen treffen, daher ist sie auch überaus fehleranfällig. Es handelt sich um Entscheidungen auf mehreren sprachlichen Ebenen. Sie müssen die grammatikalischen Strukturen festlegen, die ihre Gedanken korrekt ausdrücken, auf lexikalischer Ebene die Bedeutungsnuancen zwischen vermeintlichen Synonymen unterscheiden, um die treffendsten Ausdrücke zu wählen und zudem auch den sozialen Kontext beachten, der wiederum die Angemessenheit gewählter Ausdrücke in der jeweiligen Diskurssituation festlegt (vgl. Goh/ Burns 2012: 38). 2.5 Die Komplexität der Sprechkompetenz: kognitive und psycholinguistische Vorgänge 37 In der nun folgenden Artikulationsphase setzen die Sprecher die zuvor mental konstruierten Ideen in konkrete Sprache um. Dies erfordert die Aktivierung mehrerer Sprechorgane (Lippen, Zunge, Lunge, Stimmbänder etc.). Auch wenn es sich hierbei um einen physiologischen Vorgang handelt, so ist auch diesem eine kognitive Komponente beizumessen. Schließlich gehört es ebenso zur Sprechkompetenz zu entscheiden, welche Betonungsnuancen schon zu Bedeutungsunterschieden führen (Minimalpaare) und welche Wörter im Kontext der gewählten Äußerung durch Betonung hervorzuheben sind (z. B. Fragen, Hervorhebungen). Zudem gilt eine korrekte Betonung häufig als Qualitätsmerkmal mit Blick auf die Sprechkompetenz und kann im Umkehrschluss dazu führen, dass Sprecher, die in der korrekten Betonung weniger sicher sind, eher zurückhaltend agieren und das Sprechen vermeiden (ibid). Die letzte in Levelts Modell beschriebene Phase ist die der Selbstüberprüfung bzw. Selbstkorrektur (vgl. Levelt 1989). Sie folgt nicht linear den anderen drei Phasen, sondern ist diesen zwischengeschaltet. Das heißt, dass in jeder der oben genannten Phasen auch eine Selbstüberprüfung und gegebenenfalls Korrektur stattfinden kann. Ob dies der Fall ist und in welchem Umfang bzw. mit welcher Effektivität dies geschehen kann, hängt maßgeblich von dem metalinguistischen Wissen des Sprechers ab. Dieses umfasst sowohl Grammatik und Wortwahl wie auch die Kenntnis des sozialen Kontexts, in dem ein Diskurs stattfindet. Kompetente Sprecher reflektieren ihren eigenen Sprechprozess häufig und wählen ihre Worte auch unter Berücksichtigung der Kommunikationssituation sowie ihres Wissens über den Kommunikationspartner. Insbesondere Fremdsprachenlerner, die noch wenig Sicherheit beim Sprechen haben, können durch zu intensive Reflexionsphasen auch in negativer Weise beeinflusst werden, da sie sich zu sehr auf die Korrektheit ihrer Äußerung fokussieren und immer unsicherer werden (vgl. Goh/ Burns 2012: 39). Levelt selbst hat sein Modell weiter überarbeitet und liefert zehn Jahre später eine veränderte Version, in welcher die Konzeptualisierungsphase ausdifferenziert wird. Er unterschiedet nun in grammatical encoding, welches das mentale Konstruieren eines syntaktischen Rahmens und das Einfügen lexikalischer Bestandteile in die Äußerung umfasst, phonological encoding , in welchem die abstrakte Äußerung in phonologisch realisierbare sprachliche Strukturen umgewandelt wird und das phonetic encoding , in welchem schließlich die Laute in neuronale Informationen umgewandelt und an die Artikulatoren übermittelt werden (vgl. Levelt 1999). In diesen Modifikationen spiegeln sich vor allem die Erkenntnisse aus der Neurolinguistik, die das vorherige Modell, insbesondere die Prozesse während der Formulierungsphase, als zu einfach erscheinen lassen. Neben der Erkenntnis, dass Sprachproduktion ein psycholinguistisch komplexer Vorgang ist, liefert Levelts Modell auch Implikationen für die Fremd- 38 2 Sprechkompetenz in Bildungspolitik und Forschung 2.5 Die Komplexität der Sprechkompetenz: kognitive und psycholinguistische Vorgänge 39 sprachenforschung. Es zeigt drei wichtige Informationsquellen auf, die die für die Sprachproduktion relevanten Informationen beinhalten: das mental lexicon zur Speicherung des Wortschatzes, das syllabary zur Speicherung der Informationen über Lautproduktion und der Übertragung von mentalen Konstrukten in konkrete Sprache, sowie den Speicher des world knowledge, welcher Grundlage der Konzeptualisierungsphase ist. Sprechkompetenzförderung muss so geschehen, dass alle Informationsspeicher bedient werden. Fehler in mündlichen Lernertexten lassen sich anhand dieser zuordnen und lernförderlich nutzbar machen, wenn bedacht wird, dass diese nicht nur in der Produktion entstehen, sondern manchmal bereits im Vorhinein, weil beispielsweise eine Aussage des Gesprächspartner inhaltlich oder sprachlich nicht verstanden wurde. Field (2011) stellt heraus, dass dialogische Sprechaufgaben die Lernenden vor zwei kognitive Hürden stellen, die sie überwinden müssen. Zum einen vollziehe sich dialogisches Sprechen unter Zeitdruck. Im Vergleich zum Schreiben sei insbesondere die Planungs- und die Reflexionszeit verkürzt. Zum andere beschreibt er dialogisches Sprechen als reciprocal und bezieht sich auf das spontane Wechselspiel von Sprecherrolle und Zuhörerrolle innerhalb eines Gesprächs. Genau wie beim Schreiben müsse der Adressat die Intention des Gesagten und die Position des Gegenübers erkennen, anders als bei der Beantwortung von Mails und Briefen allerdings, geschieht dies dynamisch und erfordert eine schnellere und spontanere Reaktion. Zudem sei es möglich, dass sich die Position des Gegenübers im Verlauf des Gesprächs ändert und auch auf diese Entwicklungen spontan zu reagieren ist (Field 2011: 97). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Sprachproduktion kognitiv anspruchsvoll ist und dass Aufgabenformate zur Förderung des Sprechens die kognitiven Anforderungen der Kompetenz berücksichtigen müssen. Insbesondere in der gymnasialen Oberstufe haben die Lernenden bereits Erfahrungen mit der Fremdsprache gesammelt und werden mit komplexeren und anspruchsvolleren Themen und Formaten konfrontiert. Ein Forschungsdesiderat liegt daher in der Betrachtung der Aufgabenkonzeption und -durchführung von Sprechformaten unter Berücksichtigung der psycholinguistischen Passung. Diese Studie liefert in diesem Zusammenhang neue Fallstudien und bezieht die Resultate aus der empirischen Analyse von Daten auf die bereits bekannten Erkenntnisse zurück. 2.5.2 Fluency, accuracy & complexity - Dimensionen der fremdsprachlichen Sprechleistung Die Faktoren Flüssigkeit ( fluency ), Korrektheit ( accuracy ) und Komplexität ( complexity ) zählen zu den zentralen Kriterien bei der Beurteilung einer Sprechleistung. In diesem Zusammenhang sind sie für die fremdsprachendidaktische Forschung von herausragender Bedeutung und wurden in den letzten Dekaden multiperspektivisch untersucht (Laufer & Nation 1995, Foster & Skehan 1996, DeKeyser 1998, Skehan 1998, Segalowitz 2000, Derwing & Rossiter 2003, Yuan & Ellis 2003, Collentine 2004, Larsen-Freeman 2006, Mora 2006, Norris & Ortega 2009, Spada & Tomita 2010, Robinson 2011). Housen, Kuiken & Vedder heben hervor, dass der Begriff der Korrektheit derjenige sei, der die geringste definitorische Unschärfe aufweise (2012: 4). Hauptsächlich ließe sich mit accuracy der Grad bezeichnen, mit dem eine sprachliche Leistung von einer festgelegten Norm abweiche (ibid). Meist handelt es sich um Abweichungen von der Sprache des native speaker (Pallotti 2009). Flüssigkeit ( fluency ) ist ein in der Literatur uneinheitlich gebrauchter Begriff 15 . Luoma (2004: 88) schreibt ihm eine allgemeine und eine technische Bedeutung zu und fügt an, dass sich die zweite Dimension noch in weitere aufgliedern ließe. So gehe es in einer engeren technischen Definition des Flüssigkeitsbegriffs um die Beschreibung von Lernersprache und die zugehörigen Determinanten wie pausing, hesitations und speech rates , wohingegen die weiter gefasste Definition annähernd synonym zum Begriff speaking proficiency sei (ibid). Komplexität ist ein Begriff, der in der Literatur sehr ambivalent verwendet wird. Mitchell misst ihm viel Bedeutung zu, vermag es aber nicht, ihn klar zu definieren (Mitchell 2009). Buite und Housen zufolge, lässt er sich in zwei Gebrauchsdimensionen aufgliedern: einen relativen und einen absoluten Ansatz. Der relative Ansatz definiere Komplexität in engem Zusammenhang zum Sprecher und bezeichne Sprache als komplex, wenn sie kognitiv anspruchsvoll für den Lernenden sei (Buite & Housen 2012: 23). Dabei bleibe Interpretationsspielraum hinsichtlich dessen, was als kognitiv anspruchsvoll gelte. Schließlich sei dies vom individuellen Lerner abhängig (ibid). Es gibt aber auch Studien, die bestimmte sprachliche Strukturen als tendenziell kognitiv anspruchsvoller ausweisen wie beispielsweise Relativsätze und Passivkonstruktionen (vgl. Diessel 2004, Byrnes & Sinicrope 2008). Der absolute Ansatz sieht den Begriff hingegen losgelöst vom Sprecher und folgert, dass nicht zwangsläufig ein Zusammenhang zwischen der inhärenten Komplexität eines sprachlichen Phänomens und der Schwierigkeit, dieses nachzuvollziehen und korrekt verwenden zu können, bestehe (vgl. Buite & Housen 2012: 24). Towell vernetzt die drei Variablen und betrachtet sie aus psycholinguistischer Perspektive. Er resümiert, dass eine in den verschiedenen Facetten erfolgreiche Sprechleistung maßgeblich davon abhänge, wie gut es den Sprechern gelinge, auf ihr sprachliches Wissen in einer Interaktion spontan zuzugreifen und wie schnell es in der Gesprächssituation gelinge, Informationen zu verarbeiten und 15 Zur Uneindeutigkeit des Begriffs vgl. Esser 1995, Freed 1995, Fulcher 1996, Koponen 1996 40 2 Sprechkompetenz in Bildungspolitik und Forschung 2.5 Die Komplexität der Sprechkompetenz: kognitive und psycholinguistische Vorgänge 41 zu vorhandenem Wissen in Beziehung zu setzen (vgl. Towell 2012: 66). Dabei korreliere jede Variable mit unterschiedlichen Faktoren: Korrektheit sei abhängig davon, dass richtige Informationen in den passenden Speichern abgelegt worden seien, Komplexität stütze sich auf das Vorhandensein von abrufbarem Wissen zur Syntax und Lexis der Zielsprache und Flüssigkeit sei das Produkt dessen, wie gut diese Faktoren zusammenwirken (ibid.). Auch in weiteren Studien wurden Synergieeffekte zwischen den Variablen nachgewiesen (Myles 2012, Kuiken & Vedder 2012, Skehan & Foster 2012). Die neurolinguistische Forschung kann in diesem Zusammenhang wertvolle Beiträge dazu leisten, die kognitiven Vorgänge der Lernenden beim Sprachgebrauch in authentischen Situationen nachzuvollziehen. Auch wenn die Perspektiven in diesem Bereich der Mündlichkeitsforschung in den letzten Jahren auch im deutschsprachigen Forschungsdiskurs intensiver ausgelotet wurden (Sambanis 2013, Böttger & Sambanis 2016, Sambanis & Böttger 2017, Sambanis & Arndt 2017, Böttger & Sambanis 2018), handelt es sich noch um eine vergleichsweise junge Disziplin. Funk sieht zudem einen Zusammenhang zwischen den kognitiven Vorgängen beim Sprechen und dem Übungsgeschehen im Unterricht: Mündliche Kompetenz in ihren beiden Komponenten Korrektheit und sprachliche Flüssigkeit, ist insgesamt das Ergebnis unbewusster Bahnung und nicht bewusster Regelanwendung. (Funk 2014: 43) Er fordert daher eine stärkere Fokussierung von Übungsroutinen, die in Form von spielerischen Wiederholungen eine hohe auditive Repräsentanz der zu automatisierenden Strukturen ermöglichten und einen wichtigen Beitrag zur Bewusstmachungen von sprachlichen Mustern und Regelhaftigkeiten leisteten (vgl. Funk 2014: 45). Auf Grundlage bereits existierender Modelle von Nation und Newton (2009), Swain (2005), Gatbonton und Segalowitz (2005) und Murphy (2000) müsse die in der Übungstypologie vorherrschende Fixierung auf kognitiv-konstruktivistische und imitative Verfahren zugunsten eines alle Potenziale einbeziehenden Vorgehens aufgebrochen werden (ibid.). Wie im Englischunterricht, insbesondere der gymnasialen Oberstufe, das Sprechen geübt wird und so eine Grundlage zur Ausbildung zielsprachlicher Flüssigkeit geliefert wird, ist bisher noch zu wenig empirisch erforscht worden. Die vorliegende Arbeit will daher mit ihrer Zentrierung auf die von Lehrkräften verwendeten Formate zum Üben des Sprechens einen Beitrag in diesem Zusammenhang leisten. 2.6 Die Förderung der Sprechkompetenz in der gymnasialen Oberstufe 2.6.1 Sprechzeit Die recht detaillierte Darstellung der Komplexität der beim Sprechen beteiligten kognitiven Vorgänge macht deutlich, dass Sprechkompetenzförderung Zeit benötigt und den Lernern entsprechend Möglichkeiten zum Sprachgebrauch gegeben werden müssen. Gnutzmann (vgl. 2014: 51 ff.) betont, dass der Faktor Sprechzeit zu den größten didaktischen Herausforderungen zählt, die mit der Förderung von Sprechkompetenz einhergehen. Dies gilt sowohl für Lernerinnen und Lerner, die gerade erst mit dem Erlernen einer Fremdsprache beginnen, als auch für bereits fortgeschrittene Lerner. Die Schulleistungsstudie DESI stellte 2006 auf Basis videogestützter Daten heraus, dass in deutschen Klassenzimmern eine alarmierende „Sprachlosigkeit“ (Taubenböck 2007: 3) herrscht. In einer durchschnittlichen Unterrichtsstunde spreche die Lehrkraft mit einem Zeitanteil von 51 % mehr als doppelt so häufig wie alle Lerner zusammen (23 %). Die verbleibenden 26 % seien Aktivitäten wie Einzelarbeit zuzuordnen oder gehen auf Faktoren wie Unterrichtsübergänge und Vorbereitung von Medien zurück (vgl. Helmke et al. 2007: 40-41). Auch eine differenziertere Betrachtung der Schülerbeiträge erscheint in diesem Zusammenhang lohnenswert, denn der mithin bereits geringe Sprechanteil der Schüler/ innen bestehe zu 6,1 % aus freien Äußerungen in der Muttersprache, zu 19,1 % aus Nachsprechen von Lehreraussagen, zu 26,8 % aus Ablesen von Sprache aus Lehrbuch oder Heft und zu 47,9 % aus freien Äußerungen in der Zielsprache (hier Englisch). Von dem Anteil an freien Äußerungen sei lediglich ein Drittel komplexerer Natur als Ein-Wort- Sätze oder unvollständiger Fragmente (vgl. Taubenböck 2007: 3). Erschwerend kommt hinzu, dass die 23 % Zeitanteil, der auf die Lerner/ innen entfällt, nicht alle abdeckt, sondern nur diejenigen, die sich aktiv am Unterrichtsgeschehen beteiligt haben, sei es aus freien Stücken oder aber nach Aufforderung durch die Lehrkraft. Ein nicht unerheblicher Anteil an Lernerinnen und Lernern verwendet während einer durchschnittlichen Unterrichtsstunde die Zielsprache überhaupt nicht in mündlicher Form (DESI-Konsortium 2006). Die im Zusammenhang mit der DESI-Studie veröffentlichten Daten erscheinen tatsächlich alarmierend, wenn man sie als repräsentativen Spiegel der unterrichtlichen Praxis betrachten wollte. In diesem Zusammenhang ist aber anzumerken, dass die Studie zwar sehr flächendeckend angelegt ist, jedoch bei der Interpretation der Ergebnisse bedacht werden sollte, dass keine interaktiven Formate (wie beispielsweise Gruppenarbeiten) untersucht wurden (Helmke et al. 2007: 38). Folglich bedeutet dies nicht, dass es in der Unterrichtspraxis keine 42 2 Sprechkompetenz in Bildungspolitik und Forschung 2.6 Die Förderung der Sprechkompetenz in der gymnasialen Oberstufe 43 gab, sondern lediglich, dass sie in den untersuchten Fällen nicht vorkamen. Für den kompetenzorientierten Englischunterricht der gymnasialen Oberstufe, der erwartungsgemäß schülerzentrierter und kommunikativer ist, mangelt es an Daten. Diese Studie möchte Erkenntnisse darüber liefern, wie Sprechaufgaben im authentischen Englischunterricht der gymnasialen Oberstufe konzipiert sind und wie viel qualitative Sprechzeit, und somit Möglichkeiten zur Kompetenzentwicklung, sie den Lernenden ermöglichen. 2.6.2 Differenzialpsychologische Determinanten & Lernerbiografien Es kann viele Gründe für Sprachlosigkeit im Fremdsprachenunterricht geben, aber zumeist lässt sich diese auf drei Faktoren zurückführen: die Schüler/ innen, die Lehrer/ innen sowie die Aufgaben, die im Unterricht gestellt werden. Auf Seiten der Schüler/ innen ist zunächst der Faktor Angst ( anxiety ) zu nennen. Viele Schüler/ innen trauen sich aus verschiedensten Gründen nicht, sich an Unterrichtsgesprächen zu beteiligen oder sich generell produktiv in der Zielsprache zu äußern (Lightbown/ Spada 2012, Ellis/ Shintani 2014, Loewen 2015). Dies korreliert stark mit differenzialpsychologischen Determinanten wie beispielsweise dem Fähigkeitsselbstkonzept. Unter diesem Begriff wird in der pädagogischen Psychologie „die Gesamtheit der kognitiven Repräsentationen eigener Fähigkeiten“ (Stiensmeier-Pelster/ Schöne 2008: 63) verstanden, wobei auch Vorstellungen über Ausprägung, Struktur und Stabilität dieser eingeschlossen werden, nicht aber affektiv-evaluierende Bewertungen der eigenen Fähigkeiten. Das fremdsprachenspezifische Fähigkeitsselbstkonzept generiert sich auf Basis eigener Erfahrungen im Umgang mit der Zielsprache (z. B. bei der Lösung verschiedener Aufgaben) sowie aufgrund von Rückmeldungen direkter oder indirekter Art von relevanten Bezugspersonen (z. B. Lehrern) (vgl. Stiensmeier-Pelster/ Schöne 2008: 66). Es hat einen bedeutenden Einfluss auf die Schulleistung betreffender Lerner/ innen und weitreichende Konsequenzen für deren Sprachlernbiografien. Mit einem hoch ausgeprägten Fähigkeitsselbstkonzept wird Erfolg meist auf internal-stabile Faktoren wie beispielsweise die hohe eigene Kompetenz und Misserfolg auf variable Ursachen wie Pech oder mangelnde Anstrengung attribuiert (vgl. ibid.: 69). Entsprechend positiv sind die Konsequenzen für das effektive Sprachenlernen. Wenn die Schüler/ innen die Zielsprache angstfrei und selbstbewusst verwenden und kommunikative Erfolge entsprechend wahrnehmen, tritt langfristig ein Kompetenzzuwachs ein und die Motivation bleibt erhalten. Anders gestaltet sich die Situation hingegen, falls sich ein negatives Fähigkeitsselbstkonzept ausgebildet hat. Die Schüler/ innen haben bei der Bearbeitung von (Sprech-)Aufgaben sinkende Erfolgserwartungen und es treten vermehrt handlungsirrelevante Gedanken auf (Angst vor Fehlern/ kommunikativem Misserfolg, Angst ausgelacht zu werden, Angst vor negativen Rückmeldungen). Im schlechtesten Fall bildet sich eine Hilflosigkeit heraus, die wiederum zur Reduzierung der Anstrengung und zu Motivationsverlust führen kann. Diese Hypothese wurde bereits in den 1980er-Jahren von Krashen im Rahmen seines monitor models aufgestellt, wenn er von einem affektiven Filter spricht, der sich aus aus internalen Faktoren wie z. B. Motivation speise und, wenn er zu stark ausgeprägt sei, Spracherwerb limitiere (Krashen 1982: 30 ff.). Fremdsprachenlehrer/ innen müssen sich dieser komplexen Determinanten bewusst sein und Konsequenzen für das eigene Unterrichten ableiten. Dies betrifft einerseits die Art und Weise der Rückmeldung auf Schüleräußerungen und andererseits die Wahl des Unterrichtsmaterials sowie der Aufgaben und Methoden. Schüler/ innen müssen sprechen, um ihre Kompetenz weiterzuentwickeln, auch wenn sie Fehler befürchten. Die verwendeten Aufgaben und Materialien bzw. Medien müssen dieser Tatsache Rechnung tragen und sollten die Schüler/ innen darin unterstützen, die Zielsprache in einer angstfreien Situation kommunikativ zu verwenden, und ihnen entsprechende Rückmeldung geben. Es ist daher unabdingbar, in der empirischen Fremdsprachenforschung auch Lernerbiografien 16 zu betrachten, um Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie sich diese auf díe Einstellung zum Sprachenlernen und folglich auf die Beteiligung am Unterricht und die Wahrnehmung von Lerngelegenheiten auswirken. Dies impliziert auch, dass Forschung in diesem Bereich die Einstellungen der Lerner einbeziehen sollte und sich nicht nur auf die Untersuchung von Unterrichtssprache beschränken kann. In der vorliegenden Studie sollen daher die Erkenntnisse aus der Analyse von Unterrichtssequenzen zu den Positionen der Lerner in Beziehung gesetzt werden. Dies erfordert ein triangulierendes methodologisches Verfahren, das die Perspektiven der beforschten Subjekte einbezieht 17 . 2.6.3 Zugänge zur Methodik des Sprechens Burns unterscheidet zwei Zugänge zur Methodik des Sprechens: Einerseits solche, die Sprechkompetenz isoliert betrachten und formfokussiert und lehrerzentriert einzelne Teilkompetenzen schulen und jene, die auf Sprachproduktion 16 Martinez verweist in ihrer Studie zur Lernerautonomie auch darauf, dass eine Korrelation zwischen Sprechkompetenzen und Lernerbiografien zu bestehen scheint (vgl. Martinez 2008). Lernende schätzen die Sprechkompetenz offenbar als wichtig ein, selbst wenn sie eine Sprechangst aufgebaut haben (vgl. Martinez 2014: 161). Auch weitere Studien befassen sich mit Lernerbiografien und der fremdsprachlichen Mündlichkeit (vgl u. a. De Saint Leger & Storch 2009, Hofmann 2009, Yoshida 2013, Hofmann 2014). 17 Mehr zu forschungsmethodologischen Entscheidungen in Kapitel 3. 44 2 Sprechkompetenz in Bildungspolitik und Forschung 2.6 Die Förderung der Sprechkompetenz in der gymnasialen Oberstufe 45 innerhalb kommunikativer Akte abzielen (vgl. Burns 1998: 103, Richards 1992). Goh und Burns stellen, unter Bezugnahme auf Studien von Burns (1998) und Bygate (2001), heraus, dass keiner der Zugänge für sich alleine genommen eine umfassende Sprechkompetenzentwicklung garantiere. Eine reine Fokussierung auf sprachliche Richtigkeit und korrekte Aussprache ließe die soziale Dimension des Sprechens außer Acht, wenngleich eine soziale Aushandlung von Bedeutung nur dann möglich sei, wenn zugleich Kenntnisse über sprachliche Strukturen, Gesprächsführung und ein angemessener Wortschatz vorhanden seien 18 (vgl. Goh/ Burns 2012: 135). Es haben sich mittlerweile methodologische Konzepte durchgesetzt, die beide Zugänge vernetzen. Dies beruht auf Erkenntnissen, die Sprachhandeln als soziales Handeln begreifen und den Sprachenlerner als sozialen Interaktanten (vgl. Martin 1992, Riggenbach 1999, Thornbury 2005) und geht auch mit einem gewandelten Verständnis der Wichtigkeit sprachlicher Strukturen einher. Noch immer gelten diese als unverzichtbar für die gelingende Kommunikation, allerdings werden sie nicht mehr als zentrale Unterrichtsinhalte betrachtet, sondern haben vielmehr dienende Funktion (vgl. Burns 1998: 107). Dies reflektiert sich, wie in vorherigen Unterkapiteln dargestellt, auch im kompetenzorientierten Englischunterricht im deutschen Bildungssystem und seinen zugrundeliegenden Referenzpapieren. Eine theoriegeleitete Annäherung an die Methodik des Sprechens liefern Goh und Burns (2012: 139) anhand eines Modells. Dieses sieht die bereits diskutierten Faktoren fluency, accuracy & complexity als erwünschten Ertrag der institutionalisierten Sprechkompetenzförderung und ordnet sie daher zentral als erste Dimension an. Zur zweiten Dimension zählen rahmende Faktoren der Sprechkompetenz, nämlich Wissen über Sprache und Diskurs, Fähigkeiten zur Sprachproduktion und kommunikative Strategien. Die dritte Dimension berücksichtigt metakognitive Faktoren wie das Reflektieren über Sprache und weitere kognitive Prozesse der Sprachproduktion und Rezeption (vgl. dazu auch Flavell 1976, Wenden 1998, Wenden 2001, Chamot 2005). Diese lässt sich vergleichen mit dem Begriff der Sprachbewusstheit und den zugehörigen Teilkompetenzen, der aus dem Strukturmodell der KMK-Standards bekannt ist. Zuletzt bezieht sich die vierte Dimension des Modells auf geeignete Methoden 19 zur unterrichtlichen Realisierung des Ertrags. 18 Eine umfassendere Diskussion der Limitationen der einzelnen Zugänge findet sich beispielsweise auch in McCarthy/ O`Keefe (2004). Frühe methodologische Konzepte zur Sprechkompetenzförderung, die beide Zugänge tangieren, liefern u. a. Bygate (1987) und Littlewood (1992). 19 Es sollte an dieser Stelle zumindest kurz erwähnt werden, dass der Begriff Methode, der im Zusammenhang mit der Unterrichtspraxis häufig verwendet wird, in der Forschungsliteratur uneindeutig gebraucht wird. Dies ergibt sich insbesondere dadurch, dass der Ein in diesem Zusammenhang auch von Goh und Burns vorgeschlagener Ansatz ist die Aufgabenorientierung (vgl. Goh/ Burns 2012: 142). 2.6.4 Aufgabenorientierung und Inhalte Die Sprechkompetenzförderung entlang kommunikativer Aufgaben ist eine Ausdifferenzierung des Communicative Language Teaching und hat seine Wurzeln in den 1980er Jahren (vgl. Neuner/ Krüger/ Grewer 1981, Nunan 1989). Gleich auf zwei Ebenen wirkt sich Aufgabenorientierung positiv auf den Englischunterricht der gymnasialen Oberstufe aus: Sie schafft ein schüleraktivierendes, kooperatives und motivierendes Lernklima im Allgemeinen (vgl. Piepho 2000: 33) und orientiert sich an realweltlichen Sprechsituationen und Anforderungen (vgl. Legutke/ Schocker-v.-Ditfurth 2003: 4). Müller-Hartmann und Schocker-von-Ditfurth stellen heraus, dass Aufgaben im Englischunterricht der Sekundarstufe I tendenziell eher als Beiwerk zum sonst an linguistischer Progression orientierten Unterricht verwendet werden. Dabei handele es sich dann eher um einzelne Projektaufgaben statt um aufgabenbasiertes Lernen (vgl. Müller-Hartmann/ Schocker-von-Ditfurth 2010: 203). Dies lässt sich auch auf eine starke Lehrwerkbindung zurückführen, die den Fremdsprachenunterricht der Sekundarstufe I kennzeichnet 20 . Für den Oberstufenunterricht, der weitgehend losgelöst vom Lehrwerk vollzogen wird, gilt dies umso weniger. englische Begriff method eher ein übergeordnetes Konzept meint und Methode daher häufiger treffend mit technique übersetzt werden sollte. Allerdings gibt es auch in der englischsprachigen Fachliteratur keinen Konsens darüber, wann welcher Begriff zu verwenden sei. Eine detaillierte Auseinandersetzung zum Methodenbegriff liefern Richards und Rogers (2005). 20 Lehrwerke stehen, da der Oberstufenunterricht im Fach Englisch meist losgelöst von diesen stattfindet, nicht im unmittelbaren Fokus dieser Studie. Die aktuelle fremdsprachendidaktische Lehrwerkforschung sieht jedoch im Bereich Mündlichkeit noch starke Defizite. Es mangele an authentischer Mündlichkeit (vgl. Bachmann-Stein 2013), authentischen Gesprächsdaten und Hilfestellungen zur adäquaten Bewältigung mündlicher Handlungssituationen (vgl. Liedke 2013). Rösler resümiert, dass der Großteil der Lehrwerktexte und der medial mündlich repräsentierten Unterrichtsgespräche nicht den in linguistischen Analysen beschriebenen Charakteristika gesprochener Sprache entsprächen, sondern eine Art gesprochener Schriftsprache darstellten (vgl. Rösler 2014: 199). Es ist vonnöten, die aufgabeninitiierte Mündlichkeit in fremdsprachlichen Klassenzimmern genauer zu betrachten und aufzuzeigen, welche Wechselwirkungen zwischen Input und mündlichen Schülerresultaten bestehen. Zudem müssen empirische Daten generiert und ausgewertet werden, die die Mündlichkeit in diesen Klassenzimmern detaillierter beschreiben können. Caspari betont, dass in den Lehrwerken, welche insbesondere für den Unterricht in der Sekundarstufe I eine Grundlage darstellten, erst in Folge der Bildungsstandards ein Umschwung zu mehr Mündlichkeit nachzuvollziehen sei. Erst nach 2005 seien monologisches und dialogisches Sprechen in Französischlehrwerken als selbst- 46 2 Sprechkompetenz in Bildungspolitik und Forschung 2.6 Die Förderung der Sprechkompetenz in der gymnasialen Oberstufe 47 Burwitz-Melzer und Caspari (2017) charakterisieren einen effektiven aufgabenbasierten Unterricht als einen, der nicht von isolierten Fertigkeiten ausgehe, sondern auf komplexen integrativen Lernaufgaben aufbaue, die Lernende herausfordern und zum Sprachhandeln mobilisieren (vgl. Burwitz-Melzer/ Caspari 2017: 245-246). Dies sollte aber nicht missverstanden werden, denn eine komplexe Lernaufgabe, deren Ziel es ist, die fremdsprachliche Diskursfähigkeit der Schülerinnen und Schüler als oberstes Bildungsziel zu fördern, muss - ausgehend von ihrem jeweiligen Kompetenzstand - eine schrittweise Weiterentwicklung von Einzelkompetenzen und von integrierten Kompetenzen anstreben. (Burwitz-Melzer/ Caspari 2017: 254) Somit können sich Lernaufgaben sowohl auf die Förderung von Einzelkompetenzen als auch auf die Entwicklung mehrerer Kompetenzen in Kombination beziehen. Dennoch sind sie immer handlungsorientiert, auf die Lebenswelt der Lernenden bezogen, und somit authentisch (vgl. Burwitz-Melzer/ Caspari 2017: 257, Wäckerle/ Martinez 2017: 275). Gnutzmann zufolge ist eine zentrale Frage der Fremdsprachenforschung im Bereich Mündlichkeit, die nach der konkreten Umsetzung. Es stehe außer Frage, dass schulischer Unterricht auf „außerschulische soziokulturelle Begegnungssituationen“ (2014: 53) vorbereiten solle, es fehle aber noch an Erkenntnissen darüber, auf welche Weise dies geschehen könne. Ein solches Verständnis vom Fremdsprachenlerner als sozialen Aktanten wird auch in weiteren Publikationen aufgegriffen. So entwirft beispielsweise Hallet einen theoretisches Modell für komplexe Kompetenzaufgaben 21 mit welchem er auf soziokulturelle Partizipation der Lernenden abzielt und zugleich einen Versuch unternimmt, eine Aufgabentypologie zu entwickeln, in der Kompetenzen nicht auf Fertigkeiten reduziert werden (vgl. Hallet 2012: 8 ff.). Noch immer herrscht aber Uneinigkeit ständige Ziele ausgewiesen worden und hätten, aus psycholinguistischer Sicht, prekäre Arbeitsanweisungen wie das Dialogschreiben, und somit das Primat der Schriftlichkeit, zurückgedrängt. (vgl. Caspari 2014: 30) Eine exemplarische Untersuchung von Sprechaufgaben in Französischlehrwerken von Dienes und Mendez (2007) stützt diese These. Ahrens stellt jedoch auch fest, dass aktuelle Lehrwerke stärker auf mündliche Interaktion in der Zielsprache ausgelegt sind als es noch vor einigen Jahren der Fall war (Ahrens 2014: 12). Diese Entwicklungen führt er auf die gewandelten Vorgaben hinsichtlich der abzulegenden Prüfungen im Fach Englisch zurück, welche zunehmend mündliche Komponenten enthielten (ibid.). 21 Komplexe Kompetenzaufgaben in diesem Sinne entwickelten und publizierten unter anderem Genetsch et al. (2012: 98), Diehr et al. (2012: 113), Haß und Kroschewski (2012: 126) und Nöth (2012: 148) darüber, wie Kompetenz- und Lernaufgaben aussehen sollen und welche Inhalte ihnen zugrunde liegen sollen 22 . In der fremdsprachendidaktischen Forschung wird die Rolle des Inputs , der Sprechaufgaben zugrunde liegt, bereits seit vielen Jahren diskutiert. Die dabei eingenommen Perspektiven sind überaus vielfältig, eint jedoch alle die Erkenntnis, dass dieser von herausragender Bedeutung für den Kompetenzerwerb ist. Gass & Mackey (2015) beschreiben ihn sogar als bedeutendste Determinante des Spracherwerbs. Schon Krashens Comprehensible Input Hypothesis stellt den sprachlichen Input einer Aufgabe als ihren zentralen Ankerpunkt dar (Krashen 1985). Auch wenn spätere Ansätze den Fokus richtigerweise auch auf die die Interaktion als solche sowie den outcome/ output einer Aufgabe richten, wird auch in diesen die Wichtigkeit des Inputs und der Inhalte nicht gemindert (Swain 1995, Long 1996). Der Input soll den Lernenden Möglichkeiten geben, Bedeutung auszuhandeln und mit Sprache zu experimentieren. Dadurch, wie auch durch gezielte Rückmeldungen durch die Lehrkraft (Lyster & Saito 2010), entwickele sich die Sprechkompetenz auch bei erfahrenen Lernern wie in der Oberstufe kumulativ weiter. Inhalte für Sprechaufgaben müssen entsprechend so gewählt sein, dass sie die Lernenden zu Sprachhandlungen motivieren. Sie müssen so aufbereitet werden, dass die Lernenden, unter Rückgriff auf verschiedene Hilfestellungen und durch eine klare und verständliche Instruktion, einen Zugang zur Aufgabe erhalten, ihr kommunikatives Ziel antizipieren und die Wege zur Erreichung desselbigen, alleine aber auch kooperativ, einschlagen können (Vygotski 1978, van de Pol et al. 2010, Ellis & Shintani 2014). Auch in diesem Zusammenhang fehlt es an Empirie, die den Ist-Stand der schulischen Praxis abbildet, Stärken und Schwächen aufzeigt, und Impulse für Forschung und Lehrerbildung liefert. Welche Inhalte verwenden Lehrer für die Sprechkompetenzförderung in der gymnasialen Oberstufe? Wie stellen sie die Aufgaben? Welches Scaffolding stellen sie bereit und wie nutzen Lernende den Input bei der kommunikativen Bewältigung der Aufgaben? Ermöglicht der Input das Erreichen des kommunikativen Ziels? Zur Beantwortung dieser und weiterer Fragen möchte die vorliegende Studie einen Beitrag leisten 23 . 22 Surkamp kritisiert, dass in den Bildungsstandards unhinterfragt davon ausgegangen werde, dass Lernende, wenn ihnen die sprachlichen Mittel zur Verfügung stünden, automatisch über visuelle und literarische Texte sprechen könnten. Dass dazu auch beispielsweise literaturbezogene Kompetenzen vonnöten seien, werde nicht hinreichend beachtet (vgl. Surkamp 2014: 224). Das Wechselspiel von sprachlichen, affektiven, sozialen und interkulturellen Kompetenzen müsse daher stärker erforscht werden. Zudem sei eine eingehendere Beschäftigung mit sinnvollen Gesprächsinhalten und den Kommunikationsformen, mit denen die Mündlichkeit im Klassenzimmer entwickelt werden soll, vonnöten (vgl. ibid: 225). 23 Die genauen Forschungsfragen der Studie werden in Kapitel 3 vorgestellt. 48 2 Sprechkompetenz in Bildungspolitik und Forschung 2.6 Die Förderung der Sprechkompetenz in der gymnasialen Oberstufe 49 Ein weiteres Spannungsfeld stellt in diesem Kontext die Frage nach dem Verhältnis von Inhalts- und Formorientierung dar 24 . Im Zusammenhang mit dem Konzept der Aufgabenorientierung wird auch aktuell kontrovers diskutiert, welches Verhältnis zwischen focus on meaning, focus on form und focus on forms besteht bzw. bestehen sollte (vgl. Ellis/ Shintani 2014, Long 2015, Loewen 2015). Auch Kurtz führt an, dass auf Lernerorientierung, Mitteilungsbezug und Fehlertoleranz ausgerichtete Mündlichkeit an ihre Grenzen stoße, wenn sie mit Kriterien wie Sprachrichtigkeit, Flüssigkeit, Komplexität und kontextueller Angemessenheit vereinbart werden müsse (vgl. Kurtz 2014: 119-120). Es müsse daher in der Forschung darum gehen, herauszufinden, wie Lehrende in der Praxis mit diesem Umstand umgehen. Auch sei die Frage zu beantworten, wie in der konkreten Unterrichtsgestaltung Struktur und Interaktion zusammenwirken (vgl. Kurtz 2001, Kurtz 2011, Kurtz 2014). Martinez (2014: 160) stellt, unter Bezugnahme auf Henrici et al (2003) heraus, dass die Relevanz empirischer Zugänge für den Erkenntnisgewinn zwar methodisch herausfordernd, aber unbestreitbar sei. Sie plädiert daher für eine Wirkungsforschung, die Lernaufgaben zum Sprechen in den Fokus rückt und Auskunft über die Entwicklung der sprachlichen Kompetenzen der Lernenden geben könne (vgl. Martinez 2014: 161). Die vorliegende Studie will, anders als bereits existierende Arbeiten (vgl. Eckerth 2003), keine Aufgaben selbst entwickeln und untersuchen, sondern ist an einer Beschreibung der authentischen Unterrichtspraxis interessiert. Es wird deutlich, dass gerade in der aktuellen Mündlichkeitsforschung qualitative Studien fehlen, die Erkenntnisse über unterrichtliche Sprechformate liefern. Dabei müssen verschiedene Aufgabenformate (Dialoge, Gruppendiskussionen, Präsentationen etc.) dezidiert in den Blick 24 Formorientierung ist in diesem Zusammenhang nicht ausschließlich auf die Faktoren Grammatik und Wortschatz zu beschränken. Auch die Ausspracheschulung ist ein Feld, das recht wenig bedacht wird. Ausspracheschulung und focus on meaning scheinen sich diametral gegenüber zu stehen, dennoch ist die Aussprache ein wichtiger Bestandteil der Sprechkompetenz und Indikator für die Beurteilung einer Sprechleistung in der Fremdsprache. Mehlhorn sieht daher in der Aussprache ein bislang unterrepräsentiertes Desiderat in der Mündlichkeitsforschung. Sie warnt davor, die Rolle der Aussprache zu vernachlässigen und davon auszugehen, die dienende Funktion, die ihr in der mündlichen Interaktion zugeschrieben werde, legitimiere es, sie als weniger wichtig zu klassifizieren (vgl. Mehlhorn 2014: 166-167). Existierende Forschung in diesem Bereich (Hirschfeld 1994, Reinke 2008) werde kaum rezipiert und über die Vermittlung von Aussprache sei zu wenig bekannt (vgl. Mehlhorn 2014: ibid.). Es muss darüber nachgedacht werden, welche Rolle Ausspracheschulung im aufgaben- und kompetenzorientierten Fremdsprachenunterricht einnehmen kann. An Forschung zur Ausspracheschulung im kompetenzorientierten Englischunterricht mangelt es. Insbesondere in der Oberstufe scheint dieser Aspekt der Sprechkompetenzförderung vernachlässigt zu werden, darauf lässt zumindest ein Blick in die Referenzdokumente schließen. genommen werden. Die Fokussierung von lerner- und schülerseitigen Aktionen während der verschiedenen Phasen einer Sprechaufgabe (Erteilung, Durchführung, Präsentation, Feedback) ist dabei ebenso wichtig wie eine Betrachtung und Analyse des zugrundeliegenden Inputs . 2.6.5 Register und Genrebezug Cummins (1979) verwendete, ursprünglich im Kontext des bilingualen Fremdsprachenerwerbs, erstmalig die Begriffe BICS ( basic interpersonal communicative skills ) und CALP 25 ( cognitive academic language proficiency ) um aufzuzeigen, dass es neben den kommunikativen Fähigkeiten von Fremdsprachenlernern noch eine weitere Dimension zu geben scheint, die sich wesentlich langsamer und nicht unmittelbar aus der Konversation entwickele. Hierbei handele es sich um die Fähigkeiten zur kognitiven Verarbeitung und Manipulation von Sprache in dekontextualisierten akademischen Situationen (vgl. Cummins 1979). Aus dieser Unterscheidung ließe sich die Hypothese ableiten, dass Fremdsprachenlerner mit zunehmender Lernzeit und zunehmender Vertrautheit mit Situationen, die Fähigkeiten der CALP-Dimension ansprechen, diese Fähigkeiten kontinuierlich entwickeln und die fremdsprachliche kommunikative Kompetenz die Summe aus den BICS- und CALP-Dimensionen darstellt. Ob sich diese Unterscheidungen in konkreter Lernersprache und in konkreten Sprachhandlungssituationen zeigen, dazu kann die Empirie weitere Erkenntnisse liefern. Dies erscheint insbesondere in Kontexten mit erfahrenen Lernern fruchtbar (z. B. gymnasiale Oberstufe). Meißner charakterisiert Sprechsprache als „hochgradig kollokativ“ und „hochgradig idiomatisch“ (Meißner 2014: 177). Sie sei an Sprechsituationsroutinen gebunden, über deren psycholinguistische Implikationen noch zu wenige Erkenntnisse vorlägen (ibid.). Die empirische Erforschung solcher Phänomene setzt einerseits eine Betrachtung von Lernersprache in authentischen Interaktionssituationen voraus und erfordert, andererseits triangulierende Forschungsdesigns, um Vorerfahrungen der Lernenden zu erheben (vgl. Würffel 2014: 256). Hallet bringt eine weitere Komponente in die Diskussion um die Förderung mündlicher Kompetenzen ein. Er vertritt dabei die Auffassung, die didaktischen Vorstellungen von Mündlichkeit seien „grundsätzlich auf Grundlage der und 25 Im Forschungsdiskurs wird Cummins Terminologie zu BICS und CALP, insbesondere im Kontext der Immersionsforschung, unterschiedlich bewertet und auch kritisch diskutiert. Diese Arbeit verwendet die Begriffe losgelöst von diesem Kontext. Im Rahmen der vorliegenden Studie werden die Begriffe gebraucht, um aufzuzeigen, dass eine Unterscheidung situationsgebundener Register bei der Ausbildung von Sprechkompetenz sinnvoll erscheint. 50 2 Sprechkompetenz in Bildungspolitik und Forschung 2.6 Die Förderung der Sprechkompetenz in der gymnasialen Oberstufe 51 mit Bezug auf die sozialen und medialen kommunikativen Praktiken der beteiligten Kulturen zu konzeptualisieren und zu spezifizieren“ (Hallet 2014: 76). Daraus folgt, dass mündliche Kompetenzen nicht abstrakt, sondern gebunden an ein konkretes Genre geübt und bewertet werden können. Lernende sollten im Unterricht eine Vertrautheit mit generischen Formen zu verschiedenen Domänen lebensweltlicher Kommunikation entwickeln, um generisches Schemawissen bei Bedarf abrufen zu können. Lehrende hingegen sollten didaktische Entscheidungen hinsichtlich der Wahl geeigneter Diskursformen treffen können und entsprechend ihrer Wahl auch kriteriengeleitete Rückmeldungen erteilen, die den Lernenden bei der Ausbildung kognitiver Strukturen hilft und sie befähigt, die Diskurse erfolgreich zu bewältigen (vgl. Hallet 2014, Hallet 2016). Empirische Grundlagenforschung kann in diesem Zusammenhang dazu dienen, exemplarisch aufzuzeigen, welchen Genres die Sprechaufgaben entsprechen, die Lehrkräfte stellen und welcher Gestalt die Rückmeldungen sind, die lehrerseitig erteilt werden. 2.6.6 Sprechkompetenz messen und beurteilen Die Evaluation und Beurteilung von Sprechleistungen ist von der institutionellen Förderung des Sprechens nicht zu trennen. Insbesondere in der gymnasialen Oberstufe, die für viele Lernende mit dem Zentralabitur in einer kompetenzorientierten Abschlussprüfung endet, sowie aufgrund der mittlerweile in vielen Schulcurricula verankerten Kommunikationsprüfungen, wirken die Faktoren fördern und beurteilen umso stärker zusammen und aufeinander zurück. Englischlehrende benötigen Kriterien und Maßstäbe für die Bewertung von mündlichen Schülerleistungen und Lernende bedürfen Kriterien für die Selbsteinschätzung ihres Kompetenzfortschritts. Mit dem GeR und seinen Deskriptoren liegt ein auf teilempirischer Basis entwickeltes Referenzdokument vor, das die komplexe Sprechkompetenz in Subaspekte unterteilt und für diese positiv formulierte Kann-Beschreibungen zur Verfügung stellt (vgl. Europarat 2001 sowie Kapitel 2.2). Auch die Bildungsstandards für die fortgeführte Fremdsprache Englisch/ Französisch (vgl. KMK 2012 sowie Kapitel 2.3) stellen ein solches Referenzdokument dar, welches speziell für den Unterrichtskontext an deutschen Schulen entwickelt wurde. In der Forschungsliteratur werden immer wieder Versuche unternommen, die komplexe Sprechkompetenz in Unterkategorien aufzuschlüsseln und zu beschreiben, worin eine Sprechleistung in der Zielsprache Englisch besteht, was sie ausmacht und wie sie in geeigneten Prüfungsformaten zu bewerten ist oder aber wie kontinuierlich auf diese Rückmeldung erteilt werden kann. Brown und Abeywickrama (2010: 183) heben hervor, dass es unmöglich sei, Sprechleistungen nach uniformen Kriterien zu beurteilen. Nur in wenigen Situationen, nämlich in Formaten des monologischen Sprechens, könne man Sprechkompetenzen losgelöst von Hörverstehkompetenzen und Diskurskompetenzen elizitieren und bewerten (ibid). Kriterienkataloge müssen entsprechend dieser Besonderheit des Sprechens Rechnung tragen. Sie schlagen selbst einen solchen vor, der sich in microskills und macroskills aufgliedern lässt. Auch wenn dieser Katalog keine ausdifferenzierten Skalen zur Verfügung stellt, anhand derer eine Bewertung von konkreten Schülerleistungen vorgenommen werden kann, so kann er als wertvolle Grundlage für die Erstellung von Bewertungsrastern fungieren und illustriert gleichwohl die Komplexität der Determinanten einer Sprechleistung. Unter den microskills werden formfokussierte Bestandteile wie phonetische Entscheidungen, Lautproduktion, Betonung, lexikalische Entscheidungen, sprachliche Flüssigkeit, Selbstreflexion und -korrektur, grammatikalische Entscheidungen und Kohärenz subsumiert. Die macroskills umfassen hingegen Diskurskompetenzen wie das situationsangemessene Aushandeln einer kommunikativen Situation, die Wahl eines angemessenen Registers, die Verwendung angemessener Paralinguistik (Mimik, Gestik) und das gezielte Anwenden kommunikativer Strategien zur Herstellung eines Adressatenbezugs 26 . Brown und Abeywickrama stellen überdies heraus, dass die Erstellung geeigneter Aufgaben zur Bewertung von Sprechleistungen sich mit drei Problemfeldern konfrontiert sehe. Zuerst sei, wie bereits erwähnt, keine Sprechaufgabe in der Lage, die gewünschte Kompetenz vollständig losgelöst von anderen Kompetenzen zu betrachten. Rezeptive Kompetenzen wie Hörverstehen (in dialogischen Formaten) und Leseverstehen (Aufgabenstellung, Input ) determinierten zumindest in Teilen den Erfolg einer Sprechaufgabe (vgl. Brown/ Abeywickrama 2010: 187). Desweiteren sei es schwierig einzelne Aspekte der Sprechkompetenz gezielt anhand von Aufgabenformaten zu überprüfen, da gesprochene Sprache den Lernenden generell eine höhere Anzahl an Möglichkeiten zur kommunikativen Bewältigung einer Aufgabe gestatte und somit ein vorheriges Ausloten der möglichen Schülerlösungen umso wichtiger sei (ibid.). Zuletzt sei, zur Gewährleistung einer bestmöglichen Reliabilität, auf das Erstellen trennscharfer Bewertungsrubriken zu achten, was eine genaue Analyse der Aufgabe, der erwarteten Schülerleistung und der Vorkenntnisse der Lernenden bedingt (ibid.). Eine wesentliche Grundlage für das effektive Bewerten von Sprechleistungen ist die Kenntnis der Komplexität der am Sprechen beteiligten Vorgänge und 26 Diese Kategorien bilden auch eine Grundlage des Kodierungskatalogs für Sprechleistungen in monologischen und dialogischen Aufgabenformaten, der in Kapitel 4 vorgestellt wird. 52 2 Sprechkompetenz in Bildungspolitik und Forschung 2.6 Die Förderung der Sprechkompetenz in der gymnasialen Oberstufe 53 die Fähigkeit, Aufgaben zu erstellen, die von den Vorkenntnissen der Lernenden ausgehen und die gewünschten Teilaspekte möglichst gezielt in den Blick nehmen. Über den Schritt der Aufgabenerstellung kann dann die Entwicklung objektiver, reliabler und valider Bewertungskriterien eingeleitet werden. Luoma sieht weitere Anknüpfungspunkte für Forschung vor allem in der Erteilung von Feedback. Sie führt an, dass nützliches Feedback auf Sprechleistungen konkret und deskriptiv sei (Luoma 2004: 189). Lernende benötigen Rückmeldungen, die ihnen gezielt und anschaulich Stärken und Schwächen ihrer Sprechleistung aufzeigen und sich nicht in einem vagen und evaluativen good job oder well done erschöpfen (ibid.). Zu diesem Zweck schlägt sie die Erstellung und Verwendung aufgabenbezogener Feedbackbögen und langfristig angelegter feedback reports vor, hebt aber zugleich hervor, dass die Feedbackpraxis im Fremdsprachenunterricht langfristig empirisch begleitet werden müsse (vgl. Luoma 2004: 189-- 190). Es mangele an Erkenntnissen darüber, welche Rückmeldungen Lehrende auf Sprechleistungen erteilen 27 und wie Lernende damit umgehen. Einige Publikationen befassen sich mit der Untersuchung von mündlichen Prüfungen sowie der kriteriengeleiteten Erstellung von Tests zur Erhebung von Sprechkompetenz (Taylor 2011, Hawkey 2011, Khalifa & Salamoura 2011) oder den Eigenschaften von Prüflingen und Prüfern in diesem Zusammenhang (O’Sullivan & Green 2011). Zu wenig liegt der Fokus aber auf den lernwirksamen Rückmeldungen, die Lernende im alltäglichen Unterrichtsgeschehen auf ihre Sprechleistungen erhalten. Im deutschsprachigen Kontext liefert vor allem die Forschung im DaF/ DaZ-Bereich und die Didaktik slawischer Sprachen Erkenntnisse zur Feedbackkultur (Kleppin & Mehlhorn 2008, Kleppin 2009, Kleppin 2010, Kleppin 2015, Grotjahn & Kleppin 2015). In diesen Publikationen geht es um den Stellenwert von Fehlern für das Fremdsprachenlernen, geeignete Kriterien für die Beurteilung von mündlichen Leistungen und die Analyse typischer Fehlerquellen. Dass es sich um ein Thema handelt, dass für deutschsprachigen Kontext von wichtiger Bedeutung ist, zeigen die bildungspolitischen Entwicklungen der letzten 20 Jahre auf (Kompetenzorientierung, Bildungsstandards). Grünewald betont, dass die veränderte bildungspolitische Rahmung und die Forderung nach mehr Mündlichkeit im Fremdsprachenunterricht mit einem erhöhten Handlungsdruck für Lehrkräfte einhergehen 28 . Diese müssten sich 27 Bezogen auf konkrete Aufgaben aus dem Unterricht wie auch über einen längeren Zeitraum hinweg. 28 Vogt und Tsagari (2014) stellen hinsichtlich der Professionalisierung von Lehrkräften einen Handlungsbedarf fest und resümieren, dass ein großer Teil der Lehrkräfte Nachholbedarf in den Bereichen formative und summative Bewertung mündlicher Sprachkompetenzen habe. In diesem Zusammenhang ist das Forschungsprojekt von Vogt und Beecroft zu nennen, das Lehrkräfte in einem dramapädagogischen Ansatz befähigen soll nun, stärker als zuvor, mit der Planung und Durchführung von mündlichen Prüfungen befassen (vgl. Grünewald 2014: 61). Die in allen Jahrgangsstufen gestiegene Anzahl mündlicher Lern- und Leistungskontrollen, bringe auch einen Backwash-Effekt hinsichtlich der Unterrichtsplanung mit sich. Schließlich müsse ein Fremdsprachenunterricht, der nun verstärkt auf die Überprüfung von mündlichen Kompetenzen abziele, diese Formate auch üben und vorbereiten, was zwangsläufig in einer Ausrichtung zu mehr Mündlichkeit resultiere (ibid.). Die Überprüfung von mündlichen Kompetenzen sollte, Grünewald zufolge, nicht mittels standardisierter Testverfahren, wie sie unter anderem für Sprachzertifikate verwendet werden, vorgenommen werden (vgl. Grünewald 2014: 62). Er plädiert stattdessen für einen, auf den schulischen Kontext angepassten, Katalog mit Gütekriterien für mündliche Prüfungen 29 . Diese müssen auch dem Gerechtigkeitsempfinden der Lernenden Rechnung tragen. Grünewald stellt überdies die Bedeutung von formativen Evaluationen der Sprechleistungen heraus. Es solle nicht nur einmalig im Rahmen einer Prüfung zu einer Evaluation kommen, sondern vielmehr kontinuierlich eine möglichst breite Bewertungsbasis erstellt werden, die den Lernenden als Rückmeldung ihres Leistungsstands diene (vgl. Grünewald 2014: 66). Die Vermittlung einer diagnostischen Kompetenz ist daher für die Lehrerbildung wichtiger denn je. Dies kann durch Studien geschehen, die videografierte Prüfungen und die Rückmeldungen untersuchen, aber es bedarf auch an Empirie, die abbildet, welche Rückmeldungen Lehrkräfte im Schulalltag auf mündliche Leistungen erteilen. Hierzu kann auch die vorliegende Studie einen Beitrag leisten. 2.7 Exkurs: Linguistische Zugänge zur Sprechkompetenz und ihre Limitationen Die Erforschung von Schülersprache kann aus unterschiedlichen Perspektiven geschehen. Da die vorliegende Studie authentische Sprachdaten generiert und untersucht, erscheint es sinnvoll, diese kurz zu verorten. In den letzten vierzig Jahren sind im angloamerikanischen Raum viele Studien veröffentlicht worden, die mündliche Schülerbeiträge betrachten und sich auf die Herausstellung wie- Elizitierungsformen mündlicher Sprachleistungen und theoretisch fundierte Möglichkeiten der Bewertung zu entwickeln (Vogt 2014: 236, Vogt & Beecroft 2013). 29 Insbesondere der Kriterienkatolog von Dlaska und Krekeler (2009) erfülle diesen Zweck. Dieser stützt sich auf den vier Pfeilern Gerechtigkeit, Rückmeldung, Auswirkungen und Aktivität und bilde die schulische Realität treffender ab als Kriterienkataloge zur Beurteilungen von mündlichen Leistungen im Rahmen von Sprachtests wie z. B. das Cambridge-Zertifikat 54 2 Sprechkompetenz in Bildungspolitik und Forschung 2.7 Exkurs: Linguistische Zugänge zur Sprechkompetenz und ihre Limitationen 55 derkehrender und charakteristischer sprachlicher Strukturen fokussieren (Sinclair/ Coulthard 1975, Sacks 1977, McHoul 1978, Sinclair/ Brazil 1982, McHoul 1990, Coulthard 1992, Markee 1995, Mori 2004, Markee 2004, Seedhouse 2004, McCarthy/ Slade 2007). Diesen gemein sind ein mikroanalytischer Forschungsansatz und ein eher linguistisches statt fachdidaktisches Erkenntnisinteresse. Es wird sehr kontrovers in der Literatur diskutiert, welchen Beitrag die Gesprächsforschung für die Fremdsprachendidaktik leisten kann. Kasper (2009) argumentiert in diesem Zusammenhang, dass die Gesprächsanalyse die Ressourcen habe, Verständnisprozesse als wichtige Voraussetzung für das Lernen aufzuzeigen. Rampton et al. (2002) sind skeptischer und äußern sich kritisch. Sie bezweifeln beispielsweise, dass die rein linguistische Analyse die Prozesse, innerhalb derer sich Lernen vollzieht, sichtbar machen könne, da viel längere Intervalle betrachtet werden müssten als es konversationsanalytische Arbeiten tendenziell zu leisten im Stande seien (vgl. Rampton et al. 2002). Auch He (2004) sieht in der Gesprächsanalyse, aufgrund ihrer Ausrichtung und linguistischen Zielsetzung, kein geeignetes Instrument zur Annäherung an internal-kognitive Prozesse. Um für die Fremdsprachendidaktik wirklich fruchtbare Erkenntnisse liefern zu können, bedürfe es Methoden, die darauf abzielen, Lernprozesse nachzuvollziehen. Markee und Kasper (2004) stimmen zu, fügen aber hinzu, dass sich Sprachkompetenz auch in den Gesprächen spiegele und nicht ausschließlich in den kognitiven Speichern der Lerner. Aufgrunddessen dürfe der Gesprächskontext bei der Erforschung von Lernersprache nicht außer Acht gelassen werden. Hall (2004) sieht in der Gesprächsanalyse eine ausgezeichnete Methode um zu beschreiben, was in der Unterrichtsinteraktion passiere und um Erkenntnisse über die Eigenschaften verschiedener Ausprägungen von Unterrichtsdiskurs zu erhalten, allerdings bezweifelt auch sie, dass die Methode sich dazu eigne, Lernprozesse zu beschreiben. Unter Rückbezug auf Vygotskis Sociocultural Theory (Vygotski 1978) sieht sie aber Anknüpfungspunkte, Lernen als soziale Aushandlung zu begreifen und über die Aushandlungsprozesse an Lernprozesse heranzukommen, konkretisiert dies jedoch nicht. Gardner fordert, dass Studien longitudinal angelegt sein müssen, wenn sie Lernprozesse abbilden und gesprächsanalytisch untersuchen wollen. Er äußert sich aber kritisch in Bezug darauf, inwiefern die dabei festgestellten Unterschiede auf gewisse Faktoren stabil und verlässlich zurückzuführen seien (vgl. Gardner 2013). Im deutschen Kontext betonen Kurtz (2014) wie auch Schramm und Schwab (2016) die Notwendigkeit auch mikroanalytische Ansätze in der fremdsprachendidaktischen Forschung weiter zu verfolgen und auszuweiten. Mit Blick auf den Englischunterricht in Deutschland lässt sich konstatieren, dass es nur wenige Forschungsarbeiten gibt, die einen gesprächsanalytischen Ansatz verfolgen. Die Arbeiten von Schwab (2009), Appel (2010) und Lehnert (2016) haben wichtige Erkenntnisse über verschiedene Phänomene der Unterrichtssprache Englisch im deutschen Schulkontext geliefert, vermögen es aber nicht, high inference behavior wie Verstehensprozesse der Schüler zu untersuchen, da dies eine methodische Unschärfe zur Folge hätte. Eine Perspektiventriangulation ist in diesem Zusammenhang nicht möglich. Aufgrunddessen wurde ein gesprächsanalytisches Vorgehen für die vorliegende Studie verworfen. 56 2 Sprechkompetenz in Bildungspolitik und Forschung 3 Erkenntnisinteresse und Untersuchungsdesign 3.1 Empirische Forschung im Fremdsprachenunterricht Empirische Forschung kennzeichnet ihre datengeleitete Ausrichtung. Eine oder mehrere Forschungsfragen werden mithilfe einer zu diesem Zweck erhobenen Datengrundlage untersucht und diskutiert (vgl. Schramm 2016: 49). Es lassen sich keine allgemein gültigen Aussagen darüber machen, wie umfangreich der Datenpool zur Untersuchung der Forschungsfrage sein muss, da sich empirische Forschung „auf einem Kontinuum von Erfahrungsberichten über explorative und deskriptive Studien bis hin zu explorativen Studien“ (ibid.) bewegt. Riemer (2014: 15) grenzt empirisches Wissen eindeutig von Allgemeinwissen und Erfahrungswissen ab, da es das Merkmal der „Systematizität“ erfüllt. Die Wahl des geeigneten Forschungszugangs ist zwingend abhängig von dem Erkenntnisinteresse sowie von der „Beschaffenheit der sozialen Wirklichkeit und den Möglichkeiten ihrer Erforschung“ (Caspari 2016: 7). Tröhler betont, dass Unterricht eine soziale Wirklichkeit darstellt, die sich als „Praxis“ (2012: 34) versteht und entsprechend ließen sich Praktiken beobachten, die wissenschaftlich erforscht werden können und sollen. Fremdsprachliche Unterrichtsforschung ist wiederum ein Spezifikum in diesem Forschungsfeld, da sie sich durch ihren Gegenstandsbereich „das Lehren und Lernen fremder Sprachen in allen institutionellen Kontexten und auf allen Altersstufen“ (Bausch/ Christ/ Krumm 2003: 1) von anderer Unterrichtsforschung abhebt. Caspari beschreibt die Fremdsprachendidaktik als anwendungsorientierte Wissenschaft, die das generelle Ziel verfolgt „durch das forschungsgeleitete Aufstellen, empirische Überprüfen und erkenntnisbasierte Ausschärfen von theoretischen Grundlagen, Begriffen, Konzepten und Modellen das Erkennen, Verstehen und Erklären von komplexen Lehr- und Lernsituationen voranzutreiben und das Handeln in diesen Situationen zu verbessern.“ (Caspari 2016: 12). Alleine diese Charakterisierung impliziert ein Plädoyer für empirische Methoden, negiert zugleich aber nicht die Wichtigkeit anderer Zugänge. Es ergibt sich folglich, dass empirische fremdsprachendidaktische Unterrichtsforschung ein hochkomplexes und von vielen verschiedenen Faktoren determiniertes Feld näher beschreiben will, und dies hat Konsequenzen für die Konzeption der Studien, die in diesem Rahmen entstehen. Diese sollten der Tatsache insofern Rechnung tragen, als dass sie das Erkenntnisinteresse als oberste Prämisse für die Wahl des Zugangs betrachten. Etablierte, prototypische Designs haben, Caspari zufolge, durchaus ihren Reiz, da sie detaillierte Vorgaben hinsichtlich des Vorgehens machen und die methodische Qualität der Arbeit 58 3 Erkenntnisinteresse und Untersuchungsdesign sichern, dennoch sollte die eigentliche Forschungsfrage nicht an die Methode angepasst werden, sondern umgekehrt (vgl. Caspari 2016: 9). Folglich bedient sich die empirische fremdsprachendidaktische Forschung notwendigerweise auch Theorien und Methoden aus ihren Bezugsdisziplinen (z. B. der Linguistik, der Literaturwissenschaft, der Psychologie, der Pädagogik etc.). Betrachtet man die empirischen Methoden mit denen Fremdsprachenunterricht in den vergangenen Jahrzehnten beforscht wurde, stellt man hauptsächlich drei Kategorien fest: qualitative Verfahren, quantitative Verfahren und Mischformen (vgl. Burwitz-Melzer 2003, Schramm 2016). Settinieri (2012: 250) spricht in diesem Zusammenhang von „Extrempolen eines Kontinuums“ zwischen denen zahlreiche Mischformen existieren (vgl. dazu auch Dörnyei 2007: 19). Es wird bereits seit vielen Jahren diskutiert, inwiefern eine scharfe Trennlinie qualitativer und quantitativer Ansätze sinnvoll erscheint 30 , allerdings hat sich indes der Faktor Gegenstandsangemessenheit als Gradmesser für die Wahl der für die eigene Studie geeignete Methode herauskristallisiert (vgl. Caspari 2016: 16, Schramm 2016: 54 und Flick 2011: 54). Hauptunterscheidungskriterium zur Differenzierung qualitativer und quantitativer Forschung ist die Perspektive auf den Untersuchungsgegenstand. Quantitative Studien nähern sich dem Forschungsfeld aus einer distanzierten Außenperspektive (vgl. Caspari 2016: 17). Sie weisen als exklusives Merkmal Zahlen als generierte Datenform auf, stützen sich stärker auf Vorannahmen und untersuchen dezidiert einzelne Faktoren, wobei versucht wird Störvariablen weitgehend auszuklammern (vgl. Settinieri 2012: 250 ff.). Entsprechend sind sie hypothesentestend und kennzeichnen sich durch eine „analytische Betrachtungsweise bei externer Perspektive und häufig großer Probandenzahl“ (ibid.). Im Gegensatz dazu heben qualitative Ansätze darauf ab, Phänomene so detailliert wie möglich aus der Innenperspektive zu betrachten (vgl. Caspari 2016: 17). Folglich resultiert eine offenere Herangehensweise mit explorativem und weniger kontrolliertem Untersuchungsdesign als dies bei qualitativen Studien der Fall ist - dies betrifft auch die Rolle der Forscher, die den beforschten Subjekten gegenüber weniger distanziert sind und den Forschungsgegenstand eher aus einer holistischen Perspektive betrachten (vgl. Settinieri 2012: 250 ff.). Die vorliegende Studie generiert empirische Daten aus der Unterrichtspraxis an hessischen und niedersächsischen Gymnasien und ist an einer möglichst 30 So argumentieren Chaudron (1988) und Nunan (1992) für eine strikte Trennung der Ansätze. Grotjahn (1987) empfindet eine solche hingegen in einer noch früheren Publikation als zu stark vereinfachend. Mittlerweile herrscht allerdings, wie in aktuelleren Schriften zur Forschungsmethodik aufgegriffen, Konsens darüber, dass methodische Mischformen sich legitimieren, wenn sie dem Erkenntnisinteresse dienlich sind (vgl. Burwitz-Melzer 2003). 3.1 Empirische Forschung im Fremdsprachenunterricht 59 detaillierten Beschreibung der Praxis interessiert. Insbesondere die Faktorenkomplexion, die den Untersuchungsgegenstand Unterricht determiniert (vgl. Königs 2010), lässt ein qualitatives Design in diesem Fall fruchtbarer erscheinen. Da die Untersuchung Aushandlungsprozesse in der Unterrichtssprache Englisch genauer beschreiben will, lässt sie sich gut mit dem Anspruch qualitativer Forschung Situationen „von innen heraus aus der Sicht der handelnden Menschen zu beschreiben, um zu einem besseren Verständnis sozialer Wirklichkeit(en) beizutragen“ vereinbaren (Kimes-Link 2013: 89, vgl. Flick/ von Kardoff/ Steinke 2008: 14). Die Wahl eines qualitativen Designs setzt eine Auseinandersetzung mit den Gütekriterien voraus, welchen die Forschung genügen sollte. Zudem müssen auch Schwächen des Ansatzes antizipiert und entsprechend thematisiert werden. Schmelter (2014: 41) formuliert als Hauptziel qualitativer Forschung das Handeln der beforschten Subjekte in dem untersuchten Handlungsfeld möglichst vollständig durch Beschreibung zu erfassen und nachzuvollziehen, um Zusammenhänge, Muster und Typen zu entdecken und in angemessenem Maße auch erklären zu können (vgl. auch Flick/ von Kardoff/ Steinke 2008: 22). Zur Erreichung dieses Ziels sollte das Forschungsfeld „möglichst natürlich belassen werden“ (ibid.) und in so geringem Maße wie möglich durch den Forscher und dessen Studie beeinflusst werden. Aufgrund des häufig explorativen Vorgehens, gestatten qualitative Verfahren „einen umfassenden Blick auf die kontextuelle Einbettung eines Untersuchungsgegenstands und einen tieferen Einblick in unterschiedliche Ausprägung sowie die Verwobenheit relevanter Einzelfaktoren“ 31 (ibid.). Die Studie folgt außerdem dem von Flick beschriebenen „Prinzip der Offenheit“ (Flick 2011: 124). Dieses besagt in seinen Grundzügen, dass die theoretische Strukturierung des Forschungsgegenstands zurückgestellt werden solle, bis sich diese aus den Daten heraus entwickeln ließe 32 (ibid.). Eng damit verknüpft ist die Entscheidung auf den Verzicht von ex ante Hypothesen (vgl Meinefeld 2008: 266). Hiermit umgeht der Forscher die Gefahr, auf Basis etwaiger theoretischer Vorannahmen seine Aufmerksamkeit auf konkrete Punkte zu lenken und dabei eventuell blind zu bleiben für die Entdeckung der tatsächlich neuen Strukturen, die sich in der Auseinandersetzung mit den Daten möglicherweise offenbaren. Der in der Studie verfolgte Ansatz ist angelehnt an einen „Prototyp qualitativer Forschung“ (Schramm 2016: 51), die sogenannte Ethnographie. Es werden Daten mittels teilnehmender Beobachtung in einem möglichst unbeeinflussten Kontext (hier Englischunterricht) erhoben und diese werden mittels inter- 31 Vergleiche dazu auch Bonnet 2009 sowie Schocker-von-Ditfurth 2011. 32 Vergleiche auch Hoffmann-Riem 1980: 343. 60 3 Erkenntnisinteresse und Untersuchungsdesign pretativer Verfahren und unter Einnahme einer emischen Perspektive derart ausgewertet, dass eine möglichst dichte Beschreibung (vgl. Dörnyei 2007: 130) resultiert, die auch die Innenperspektive der an der Forschung Beteiligten herausarbeitet (vgl. Schramm 2016: 51). Die Beschreibung und Analyse geschieht entlang von Fallstudien. Eine detaillierte Darstellung des Erhebungs- und Auswertungsverfahrens erfolgt im weiteren Verlauf dieses Kapitels. 3.2 Fachdidaktisches Erkenntnisinteresse Das fachdidaktische Erkenntnisinteresse der Studie ist durchaus komplexer Natur und zielt auf die Beschreibung unterrichtlicher Praxis ab. Sie konzentriert sich auf Sprechaufgaben und wendet sich dabei der Frage zu, welche Aufgabenstellungen im kompetenzorientierten Englischunterricht der gymnasialen Oberstufe zum Einsatz kommen und, konkret, wie diese von den Schülerinnen und Schülern gelöst werden. Dabei geht es darum, authentische Einblicke in das Unterrichtsgeschehen zu geben und verschiedene Aufgabenformate und Sozialformen zu untersuchen. Hauptsächlich sollen die verschiedenen Phasen einer Sprechaufgabe (z. B. Aufgabenerteilung, Aufgabenbearbeitung, Vorstellen der Ergebnisse, Feedback) zunächst betrachtet und beschrieben werden, um auf dieser Basis Schlüsse daraus ziehen zu können, welche Faktoren die Auseinandersetzung mit einer Sprechaufgabe bedingen und wie sich dies auswirkt. Die Studie begegnet somit dem offenkundigen Mangel an Empirie im Forschungsfeld Mündlichkeit, welcher vielfältig beklagt wird (vgl. Ahrens 2014, Burwitz-Melzer 2014, Hufeisen 2014, Kurtz 2014) indem sie Daten generiert, mithilfe derer es möglich ist, die Komplexität des Sprechens exemplarisch abzubilden. Wie Burwitz-Melzer hervorhebt, können auf diese Weise vor allem Erkenntnisse darüber erlangt werden, wie Schülerinnen und Schüler eine Sprechabsicht in der Zielsprache realisieren, miteinander interagieren sowie Bedeutung aushandeln und entsprechende Rückmeldungen auf sprachliche Äußerungen in der Zielsprache entweder selbst erteilen oder durch Mitschülerinnen und Mitschüler oder die Lehrkraft erhalten (vgl. Burwitz-Melzer 2014: 25). Insbesondere der zuvor bereits ausgeführte Paradigmenwechsel in der Bildungspolitik von einer Inhaltszur Kompetenzorientierung führt die Notwendigkeit der vorliegenden Studie vor Augen. Die in den Bildungsstandards formulierten Deskriptoren zu monologischem und dialogischem Sprechen und der immens gestiegene Stellenwert mündlicher Kompetenzen durch die Einführung einer obligatorischen Kommunikationsprüfung in der gymnasialen Oberstufe, wie auch die Möglichkeit einer mündlichen Komponente in der Abiturprüfung, lassen eine Neuorientierung in der Gestaltung des Englischunterrichts erwarten. Es ist durchaus 3.3 Untersuchungsdesign 61 wahrscheinlich, dass eine solche Aufwertung mündlicher Kompetenzen im Sinne eines Washback-Effekts auf den Unterricht dergestalt zurückwirkt, dass Aufgabenformate zum monologischen und dialogischen Sprechen häufiger als zuvor verwendet werden und durch die nun vorhandenen Deskriptoren und Standards auch bewusster gestaltet werden können. Empirische Grundlagenforschung ist in diesem Zusammenhang unabdingbar, möchte man Erkenntnisse über den Ist-Zustand der schulischen Arbeit mit Sprechaufgaben gewinnen, Hypothesen über lerndienliche sowie lernhinderliche Bedingungen ableiten und Impulse für die weitere Forschung, Lehrerprofessionalisierung und Aufgabenentwicklung liefern (vgl. Kapitel 1). Die zentralen Forschungsfragen der Studie sollen an dieser Stelle aufgelistet werden: • Wie wird im Englischunterricht der gymnasialen Oberstufe Sprechkompetenz gefördert? • Welche Sprechaufgaben stellen Lehrkräfte und wie gehen die Schülerinnen und Schüler damit um? • Wie werden die Sprechaufgaben gelöst und welche Schwierigkeiten treten dabei auf? Auch wenn die im Rahmen der Studie erhobenen Unterrichtsdaten eine dichte Beschreibung des Geschehens gestatten, so sind einige für die Beantwortung der Forschungsfragen interessanten Aspekte zu den sogenannten „high inference behaviours“ (Nunan 1992: 60) zu zählen. Insbesondere wenn es um den Nachvollzug von Verstehensprozessen geht, ist eine Ergänzung des Datenmaterials nötig. Hierbei muss es sich um Daten handeln, die es ermöglichen, die mündlichen Äußerungen aus dem Unterricht aus weiteren Perspektiven zu durchleuchten. Daher wurde die Entscheidung getroffen, die Sprachdaten aus dem Unterricht sowohl durch retrospektive Interviews mit den Schülerinnen und Schülern wie auch mit den Lehrkräften zu ergänzen, sowie die Notizen der Lernenden aus den verschiedenen Phasen der Aufgabe ebenfalls zu untersuchen (vgl. Burwitz-Melzer 2003: 132). 3.3 Untersuchungsdesign 3.3.1 Genese des Sampling Um eine intersubjektive Nachvollziehbarkeit der Studie zu gewährleisten, soll an dieser Stelle zunächst das Sampling erläutert werden. Grum und Legutke (2016: 84 ff.) zufolge, bedingen drei Aspekte im Wesentlichen die Modifikation und Ausgestaltung des Samplings: die räumliche und institutionelle Zugänglichkeit, die Machbarkeit der Untersuchung und die Bereitschaft der an der 62 3 Erkenntnisinteresse und Untersuchungsdesign Studie Beteiligten, sich auf die Belastungen innerhalb des Forschungsprozesses einzulassen. Auch für die vorliegende Studie erweisen sich diese als leitend. Selbst wenn auf Basis des fachdidaktischen Erkenntnisinteresses der Studie und aufgrund der daraus resultierenden Forschungsfragen ein Rahmen für das Sampling abgesteckt wurde, so wirken sich verschiedene Hürden, die sich erst während des Erhebungsprozesses als solche offenbaren, auf die Genese des Sampling aus. Grundsätzlich wurde dieses mit dem Ziel angelegt, ein möglichst großes Spektrum der gymnasialen Oberstufe abzubilden. Es sollten sowohl Kurse aus der Einführungsphase wie auch Grund- und Leistungskurse Englisch in den Datenpool aufgenommen werden, um zu erforschen, ob sich die unterrichtliche Arbeit mit Sprechaufgaben innerhalb dieser unterscheiden. Zudem wurde darauf geachtet, dass neben städtischen Gymnasien auch Schulen aus eher ländlichen Regionen besucht werden. Die meisten der an der Studie beteiligten Institutionen sind staatliche Schulen, eine jedoch befindet sich in kirchlicher Trägerschaft. Es handelt sich um Schulen in den Bundesländern Hessen und Niedersachsen. Es sei erwähnt, dass es sich bei der vorliegenden Studie um qualitative Forschung handelt, die sich eine Repräsentativität der Ergebnisse nicht zum Ziel setzen kann. Vielmehr kennzeichnet es Samplingentscheidungen, dass sie von inhaltlichen Gesichtspunkten geleitet sind 33 . Da die Studie nicht darauf abzielt, gesamte Unterrichtseinheiten zu untersuchen, sondern sie gezielt Sprechaufgaben in den Blick nimmt, variierte die Anzahl der beobachteten Stunden von Dateneinheit zu Dateneinheit. In manchen Schulen wurden mehrere Sprechaufgaben eines Kurses aufgenommen, wenn sich dies anbot, weil beispielsweise die Lehrkraft verschiedene Formate und Sozialformen einsetzen wollte, in anderen blieb es bei der Erhebung einzelner Aufgabensequenzen. Ein schematischer Überblick über die Gesamtheit der im Rahmen der Studie erhobenen Daten findet sich am Ende dieses Unterkapitels. Wie in forschungsmethodisch vergleichbaren Studien (vgl. Kimes-Link 2013), gilt auch für diese, dass der Untersuchungsprozess ein zyklischer und kein streng linear verlaufender war. Immer wieder wurden weitere Einzelfälle erhoben, bis schließlich eine theoretische Sättigung einsetzte. 33 Exemplarisch lässt sich hier ausführen, dass gewisse Daten, die im Kontext der Studie erhoben wurden, deshalb nicht analysiert wurden, weil die Datensätze nicht vollständig waren. Dies lag in beiden Fällen daran, dass keine retrospektiven Interviews geführt werden konnten und somit zu einigen mit Blick auf die Forschungsfragen durchaus interessanten Unterrichtsdaten, die Innenperspektive der an der Studie beteiligten Schüler/ innen oder Lehrkräfte fehlte und die Daten verworfen wurden. Die Gründe für das Nichtzustandekommen der Interviews war einmal eine langfristige Erkrankung der Lehrkraft, die ein Fortsetzen der Studie unmöglich machte und einmal die mangelnde Bereitschaft der Beteiligten, den Unterricht retrospektiv zu reflektieren. 3.3 Untersuchungsdesign 63 Insgesamt erstreckte sich der Prozess der Datenerfassung über einen Zeitrahmen von etwa zwei Jahren. E2 - monologisches Sprechen / Impulsreferate zu Flüchtlingsländern / HE / 15 Minuten - dialogisches Sprechen / Lektürearbeit Dialog erstellen / HE / 45 Minuten Q2 (Grundkurs) - dialogisches Sprechen / Gruppendiskussion über Lektürekapitel / HE / 60 Minuten - dialogisches Sprechen / Diskussion über Schreibprodukte / HE / 15 Minuten - dialogisches Sprechen / Rollenspiel / NI / 60 Minuten - dialogisches Sprechen / Gruppenpuzzle / NI / 60 Minuten Q3 (Leistungskurs) - monologisches Sprechen / Referat Political System South Africa / HE / 40 Minuten - monologisches Sprechen / Referat HIV in South Africa / HE / 40 Minuten - monologisches Sprechen / Referat Economy South Africa / HE / 40 Minuten - monologisches Sprechen / Referat / NI / 15 Minuten - dialogisches Sprechen / Think-Pair-Share zu Musikvideos / HE / 45 Minuten - dialogisches Sprechen / Gruppendiskussion mit Cartoon als Impuls / HE / 45 Minuten - dialogisches Sprechen / Talkshow / NI / 65 Minuten Q3 (Grundkurs) - monologisches Sprechen / Referat Harlem Renaissance / NI / 45 Minuten - dialogisches Sprechen / Dialog mit Bildimpuls/ NI / 30 Minuten Datenmenge (gesamt) - monologisches Sprechen: 195 Minuten - dialogisches Sprechen: 425 Minuten - sechs retrospektive Gruppeninterviews mit Lernenden - drei retrospektive Lehrerinterviews [Überblick über die Datenmenge] 64 3 Erkenntnisinteresse und Untersuchungsdesign 3.3.2 Datenerfassung und Dateninterpretation 3.3.2.1 Vorüberlegungen und Kontakt zum Feld Das Ziel, Fremdsprachenunterricht, unabhängig von der leitenden Fragestellung, empirisch zu erforschen, ist nicht ohne entsprechende Vorarbeit möglich. Bevor der Kontakt zum Feld überhaupt hergestellt werden durfte, musste die Genehmigung der Forschung beim Hessischen Kultusministerium beantragt werden. Dazu war es nötig, die Zielsetzung der Studie und das Vorgehen bei der Datenerhebung und Datenauswertung explizit darzulegen. Nach der Forschungsgenehmigung mussten weitere Hürden überwunden werden. Schwab stellt heraus, dass sich der Zugang zum Feld aufgrund einer tendenziell kritischen Haltung vieler Lehrkräfte gegenüber der Öffnung ihres Unterrichts zu Forschungszwecken, häufig schwierig gestaltet (vgl. Schwab 2009: 117-118). Im Falle der vorliegenden Arbeit wurde unmittelbar nach der Erteilung der Genehmigung der Kontakt zu einigen Schulen hergestellt. Die Lehrkräfte sollten, um eine Unbefangenheit des Forschers beim Umgang mit dem Datenmaterial zu gewährleisten (vgl. Flick 2011: 70), nicht im Vorhinein bekannt sein. Gerade dies erschwerte allerdings die Suche nach Kooperationspartnern weiter. Der Forscher informierte Schulen in einem Schreiben über die Ziele und das Vorgehen bei der Datenerhebung und bat gleichzeitig um die Möglichkeit die Studie in einem persönlichen Gespräch vorzustellen und eventuelle Rückfragen klären zu können. Zwei Schulen reagierten auf diese Nachricht und vereinbarten Termine. Über die Schulleitungen und Fachleitungen wurde dann wiederum der Kontakt zu den Kooperationspartnerinnen und Kooperationspartnern hergestellt. In einem Fall kam der Kontakt zu einer Schule über einen befreundeten Kollegen zustande, allerdings war dem Forscher die schließlich kooperierende Lehrkraft vorher nicht bekannt. Der Kontakt zu den Schulen in Niedersachsen ergab sich über eine dem Forscher bekannte Lehrkraft. Auch diese nahm aber nicht an der Studie teil, sondern vermittelte lediglich die Kontakte zu den Fachkollegen für Englisch sowie den Schul- und Fachbereichsleitungen. Die Lehrkräfte mussten in die Zielsetzungen der Studie eingeführt werden und es wurde vereinbart, dass sie vom Forscher während einiger Unterrichtsstunden begleitet werden, in denen sie ihren Schülerinnen und Schülern Sprechaufgaben stellten. Der Forscher beteiligte sich nicht an der konkreten Unterrichtsplanung. Zum einen kann nur die Lehrkraft, die ihre Lerngruppe kennt, einschätzen, welche Inhalte und Aufgaben dieser zuzutrauen sind (vgl. Burwitz-Melzer 2003: 139) und zum anderen verfügt sie über Erfahrung in der methodischen Umsetzung. Eine Intervention ist auch deshalb nicht erwünscht, weil die Studie nur dann ein realistisches Bild von Unterrichtsalltag abbilden 3.3 Untersuchungsdesign 65 kann, wenn sie den Lehrkräften in der Gestaltung ihres Unterrichts und ihrer Aufgaben freie Wahl lässt. Zudem wurden die Lehrer nicht zur Erstellung einer Unterrichtssequenz mit Sprechaufgaben aufgefordert, sondern darum gebeten, den Forscher zu benachrichtigen, wenn eine solche in ihrer regulären Planung anstand. Es ist zu erkennen, dass die Studie versucht, die Einflussnahme auf die zu beobachtende Situation (das Unterrichtsgeschehen) so gering wie möglich zu halten mit dem Ziel den Grad der Invasivität zu reduzieren (vgl. Brede 2014: 138). Dennoch handelt es sich bei dem Beobachtungstyp, der dieser Studie zugrunde liegt, um eine teilnehmende Beobachtung (vgl. Flick 2011: 283). Auf dem Kontinuum der Involviertheit befindet sich der Forscher zumeist in der Rolle des „Teilnehmers als Beobachter“ (ebd.). Dadurch, dass den Lehrkräften die Schwerpunktsetzung der Studie bekannt war, wurde das Unterrichtsgeschehen indirekt durch den Forscher beeinflusst, was der Qualität der Daten zwar nicht abträglich ist, aber dennoch erwähnt werden muss. Die Beobachtung selbst durchlief über den gesamten Prozess der Datenerfassung in den verschiedenen Schulen mehrere Phasen mit dem Ziel eine theoretische Sättigung zu erreichen. Beginnend mit einer zunächst weitgehend offenen Beobachtung der Verläufe und einer Erstellung von Gesprächsinventaren, konzentriert sie sich weiterhin immer stärker auf die für die Forschungsfragen relevanten Aspekte und kulminiert in einer selektiven Beobachtung zentraler Aspekte und Phänomene (vgl. Flick 1998: 153-158, Kimes-Link 2013: 96). 3.3.2.2 Erhebung der Unterrichtsdaten Es ist sehr schwierig, im Rahmen der empirischen Unterrichtsforschung alle Prozesse und Geschehnisse im Unterricht wahrzunehmen. Aufgrund dieser Tatsache sollen die Unterrichtsstunden videographiert und durch Feldnotizen des Forschers ergänzt werden (vgl. Flick 2011: 306). Dies wirkt zum einen der begrenzten Perspektive und dem eingeschränkten Erinnerungsvermögen des Beobachtenden entgegen (vgl. Caspari/ Helbig/ Schmelter 2003: 502, Kimes-Link 2013: 102) und bietet zum anderen den Vorteil des wiederholten Zugangs (vgl. Flick 2011: 174). Schwab und Schramm (2016: 149) zufolge besitzen Audio- und Videodaten ein großes Potenzial für die Analyse von Unterricht und Lernprozessen. Dabei verweisen auch sie auf die auf diese Weise ermöglichte „wiederholte Beobachtung zu beliebig vielen Zeitpunkten“ (ibid.), merken aber auch an, dass eine auf Videographie gestützte Studie langfristige Vorbereitung hinsichtlich forschungsethischer und datenschutzrechtlicher Aspekte erfordert. Es ist zu klären, wie viele Kameras verwendet werden und zu welchem Zweck diese Daten erhoben werden. Auch die räumliche Anordnung der aufnehmenden Medien im Klassenraum gehört zu diesen notwendigen Vorüberlegungen. Kurtz stellt überdies heraus, dass nicht wenige Studien, die sich der Video- 66 3 Erkenntnisinteresse und Untersuchungsdesign graphie bedienen, diese recht unreflektiert gebrauchen (vgl. Kurtz 2016). Es müsse im Vorfeld einer Studie transparent umrissen werden, welchen Beitrag die Videodaten zur Bearbeitung der Forschungsfrage leisten sollen und daraufhin sei das Erhebungsverfahren anzupassen und durchzuführen. Bezogen auf die vorliegende Studie liegt der Hauptzweck der Videodaten in der Möglichkeit der klaren Sprecheridentifikation in Gruppenarbeiten und der Erfassung paralinguistischer Merkmale wie Mimik und Gestik. Besonders bei den Datensätzen zum monologischen Sprechen gestatten die Videoaufnahmen die Überprüfung des Einflusses schriftlicher Notizen oder visueller Präsentationshilfen auf den Schülerbeitrag. Entsprechend ist festzuhalten, dass eine Beschränkung auf die Erhebung von Audiodaten mit Blick auf das Erkenntnisinteresse der Studie abträglich gewesen wäre und die Videodaten eine nicht nur sinnvolle, sondern vielmehr notwendige Ergänzung des Datenmaterials darstellen. Um die Arbeit der einzelnen Schülergruppen im Rahmen von Gruppenarbeitsphasen erfassen und auswerten zu können, wurden stationäre Mikrofone (Zoom H2), die der Forscher während der Phasen in der Mitte des Tisches platzierte, verwendet. Zudem erhielt der Forscher Zugang zu den Schülerprodukten, die bei den Sprechaufgaben entstanden. Dabei handelte es sich um Notizen, Arbeitsblätter oder sonstige schriftlich verfasste Schülertexte. Der Einbezug dieser schriftlichen Daten erscheint sinnvoll, um den Einfluss der schriftlichen Komponente auf die Mündlichkeit im Unterricht nachzuvollziehen. Die Vielzahl der auf diese Weise erhobenen Daten (Videomaterial, Audiomaterial, Feldnotizen, Schülertexte) gestattet die detaillierte Analyse der Diskursprozesse und macht verbale und nonverbale Merkmale transparent (vgl. Lüders 2005: 396, Kimes-Link 2013: 102, Richards 2003: 176). Es gilt ebenfalls zu bedenken, dass Videographie einen Eingriff in das Unterrichtsgeschehen darstellt, der das Verhalten der am Unterricht Beteiligten direkt beeinflussen kann (vgl. Richards 2003: 177). Lernende könnten beispielsweise aus Angst vor Fehlern und ihrer zwangsläufigen Dokumentation die Beteiligung an Unterrichtsgesprächen vermeiden. Lehrende fühlen sich möglicherweise beobachtet und fürchten eine Herausstellung eventueller Defizite oder Schwächen. Es ist daher unabdingbar, allen Beteiligten die Gründe für die Videoaufnahmen transparent zu machen und ihnen die Angst vor der Situation bestmöglich zu nehmen. Dies geschieht vor allem durch die Gewährleistung des vollständigen Datenschutzes (vgl. Kimes-Link 2013: 102). Zudem muss im Vorfeld der Studie die Genehmigung für die Durchführung von Videografie eingeholt werden. Dies umfasst Genehmigungen der Lehrkräfte, der einzelnen Schülerinnen und Schüler oder deren Eltern (für den Fall, dass sie nicht volljährig sind), der Schulleitungen, der Schulkonferenzen und des hessischen sowie des niedersächsischen Kultusministeriums. 3.3 Untersuchungsdesign 67 3.3.2.3 Triangulation durch retrospektive Interviews Die vorliegende Studie kombiniert nicht nur verschiedene Datensätze wie Video- und Audiomitschnitte des Unterrichts, Schülerprodukte und Arbeitsmaterialien zur Aufgabenbearbeitung mit dem Zweck einer Datentriangulation, sondern strebt durch retrospektive Interviews, die mit den Lehrkräften und ausgewählten Schüler/ innen geführt werden, auch eine Perspektiventriangulation an. Triangulation beschreibt im Allgemeinen eine „methodische Strategie […] bei der ein Forschungsgegenstand aus zwei oder mehr Perspektiven betrachtet wird und es zu einer Kombination verschiedener Methoden, Datenquellen, theoretischer Zugänge oder Einflüsse durch mehrere Forschende kommt.“ (Knorr/ Schramm 2016: 90). Ihr Hauptzweck liegt in der qualitativen Forschung weniger in der von Denzin propagierten Validierung von Forschungsergebnissen (vgl. Denzin 1989), sondern, so folgern Knorr und Schramm, vermag es ein triangulierendes Verfahren den jeweiligen Gegenstandsbereich umfassender und weitreichender beschreiben und erklären zu können (vgl. Knorr/ Schramm 2016: 90). Die vorliegende Studie möchte durch retrospektive Interviews, die nach dem ersten Sichten der Daten recht zeitnah mit den am Unterricht beteiligten Lernenden und Lehrenden durchgeführt werden, die erhobenen Daten um deren Perspektiven auf das Geschehene ergänzen. Wie Hopf (2005) anführt, eröffnet die Perspektiventriangulation in diesem Kontext die Möglichkeit, neben der subjektiven Sicht des Forschenden auf die Daten auch die ebenfalls subjektive Sicht der Beobachteten zu erfassen. Für diese Studie haben sich teilstandardisierte und fokussierte Interviews als dienliches Instrument herauskristallisiert, da sich diese auf eine gemeinsame Erfahrung der Untersuchungsteilnehmer stützen und die subjektiven Sichtweisen und Reaktionen der Teilnehmer im Vordergrund stehen (vgl. Riemer 2016: 165). Es existiert ein Leitfaden, von dem der Forscher, je nach Situation, flexibel abweichen kann. Die Interviews folgten dem von Gass und Mackey (2000) beschriebenen Verfahren des stimulated recall . Es wurden Fragen zu den Sprechaufgaben und zu der Einstellung der Schülerinnen und Schüler, sowie der Lehrkraft, zum Sprechen in der Zielsprache Englisch gestellt. Um den Beteiligten betreffende Unterrichtssituationen wieder in Erinnerung zu rufen, wurden Ausschnitte des erhobenen Datenmaterials bei Bedarf gezeigt. Die Schüler/ innen wurden auf Basis einer ersten Sichtung der Daten ausgewählt und in kleinen Gruppen von maximal vier Personen interviewt (vgl. Merton/ Kendall 1979, Burwitz-Melzer 2003). Auswahlentscheidungen lassen sich auf folgende Determinanten zurückführen: Beteiligung im Unterricht, bestimmte Äußerungen während der Aufgabenbearbeitung, Verwendung bestimmter Strategien bei der Aufgabenbearbeitung, auffällige Sprachverwendung und/ oder sonstige Auffälligkeiten. Der Forscher moderiert die Interviews, lässt aber den Beteiligten 68 3 Erkenntnisinteresse und Untersuchungsdesign möglichst viel Freiraum sich zu äußern. Es haben sich zudem Kleingruppeninterviews als fruchtbare Form der Befragung erwiesen, da die Schüler/ innen in diesen auch aufeinander Bezug nehmen konnten und durch die Äußerungen der Mitschüler/ innen noch zusätzliche Impulse geliefert bekamen. Bei der Zusammenstellung der Gruppen und der Durchführung musste aber darauf geachtet werden, dass alle Beteiligten sich zu den Fragen äußern. Die Interviews mit den Lehrenden sind ebenfalls teilstandardisiert und fokussiert, wurden jedoch nicht in Gruppen geführt. Der Zeitpunkt der Interviews wurde so gewählt, dass die Ereignisse aus dem Unterricht noch nicht zu weit in der Vergangenheit lagen. In sämtlichen Fällen wurden die Interviews spätestens vierzehn Tage nach der letzten Datenerhebung anberaumt und durchgeführt 3.3.2.4 Auswertung und Interpretation der Daten 3.3.2.4.1 Umgang mit Audio- und Videodaten Wesentlicher Teil der Studie ist die Erfassung von Lernersprache. Mezger, Schellhardt und Simsek grenzen die Begriffe Erhebung und Erfassung voneinander ab und verdeutlichen, dass es sich bei der Erfassung um einen Prozess handelt, der auf Produkte zugreift, „die im Unterricht ohnehin entstehen.“ (Mezger/ Schellhardt/ Simsek 2016: 182). Wie zuvor bereits ausgeführt, wurden die Lehrkräfte gebeten den Forscher zu informieren, wenn in ihrem Unterricht Sprechaufgaben regulär auf dem Plan standen. Es wurde also nicht darum gebeten, im regulären Unterricht die gewünschten Lernerprodukte entstehen zu lassen, was wiederum einen Grenzfall zwischen Erheben und Erfassen dargestellt hätte (ibid.). Caspari sieht einen großen Gewinn bei der Erfassung unterrichtsbezogener Texte in der Tatsache, dass sie „einen unverfälschten Einblick in die Realität der unterschiedlichsten fremdsprachenbezogenen Lehr- und Lernkontexte geben“ (Caspari 2016: 200). Die konkrete Arbeit mit den erhobenen Unterrichtsdaten durchlief mehrere Phasen. Zunächst mussten die Daten zügig nach der Erhebung gesichtet werden, um einen ersten Eindruck zu gewinnen und um die retrospektiven Interviews vorbereiten zu können (vgl. Burwitz-Melzer 2003: 144-145). Es wurden auf Grundlage dieser ersten Sichtung Szenen aus dem Unterricht gewählt, die als Impulse des stimulated recall dienten und außerdem die finalen Entscheidungen getroffen, welche Schüler/ innen zu den retrospektiven Interviews eingeladen wurden. Im weiteren Verlauf der Arbeit mit den Daten, wurden diese transkribiert, codiert und interpretiert. Abschließend wurden die einzelnen Datensätze zueinander in Verbindung gesetzt. Eine detailliertere Beschreibung der Analyseschritte erfolgt im nächsten Unterkapitel. An dieser Stelle soll jedoch noch erläutert werden, welchen Zweck eine Transkription der Daten verfolgt und nach 3.3 Untersuchungsdesign 69 welchem Transkriptionssystem die Daten verschriftlicht wurden. Deppermann führt hierzu aus: Daß Gespräche mündlich geführt werden ist eine triviale Feststellung, die doch sehr weitreichende Folgen für die Protokollierung und Analyse hat. Bei der Transkription geht es nämlich darum, Ereignisse, die im akustischen (und ggfs. auch visuellen) Medium stattgefunden haben, in einem anderen (graphischen) Medium zu repräsentieren. […] Transkripte bieten einen leichteren Überblick über Verläufe und ermöglichen es, ein Datensegment beliebig lange in Bezug auf unterschiedliche Gesichtspunkte in verschiedenen Auflösungsniveaus zu untersuchen. Zudem kann man verschiedene Textstellen simultan vergleichen oder zu Vergleichszwecken zusammenstellen. Schließlich zwingt die Transkription dazu, sich exakt darüber Rechenschaft abzulegen, wie dasjenige Material zu beschreiben 34 ist, das für eine Interpretation ausschlaggebend ist. (Deppermann 2008: 39-40) Die kondensierte Zusammenfassung der Relevanz von Transkripten innerhalb der Unterrichtsforschung zeigt auf, dass diese auch für die vorliegende Studie unerlässlich ist. Zwei wesentliche Entscheidungen galt es demnach zu treffen; diese bezogen sich auf einerseits die Wahl der zu transkribierenden Sequenzen und andererseits auf die Wahl des geeigneten Transkriptionssystems. Auch wenn es aus zeitlichen Gründen wenig ökonomisch erscheint und sich schlussendlich als sehr langwieriger Schritt herausstellte, so wurde die Entscheidung getroffen, sämtliche erhobenen Daten zu transkribieren. Nur auf diese Weise kann der komplette Datensatz auch kodiert werden und es kann schließlich entschieden werden, welche Fälle in der Studie ausführlich beleuchtet werden und welche nicht. Es hat sich noch immer in der fremdsprachendidaktischen Forschung kein Transkriptionssystem als Standard durchsetzen können (vgl. Kimes-Link 2013: 106), allerdings griffen mehrere Studien zuletzt auf das System von Nunan (1992) zurück, da es auf eine Messgenauigkeit verzichtet, die bei rein linguistischen Fragestellung vonnöten wäre, aber dennoch das Wesentliche abbildet (vgl. Burwitz-Melzer 2003: 148, Kimes-Link 2013: 106). Auch für diese Studie erscheint das von Nunan in den USA erprobte System, welches sich nun auch in Deutschland mehrfach bewährt hat, als geeignet, weswegen es als Grundlage dienen soll. 3.3.2.4.2 Interpretation der Unterrichtsdaten Die Wahl der Auswertungsmethode ist untrennbar mit den zugrundeliegenden Forschungsfragen verknüpft. In der vorliegenden Studie geht es einerseits darum, den Ist-Zustand der unterrichtlichen Arbeit mit Sprechaufgaben im 34 Kursivsetzung im Original. 70 3 Erkenntnisinteresse und Untersuchungsdesign Englischunterricht der gymnasialen Oberstufe anhand von Fallanalysen aufzuzeigen und andererseits um die Herausstellung von schülerseitigen Verstehensprozessen bei der Aufgabenbearbeitung. Diese Erkenntnisinteressen stehen sich in gewisser Weise diametral gegenüber und bedingen daher unterschiedliche methodische Vorgehensweisen. Die Phasen der Aufgabenerteilung, der Aufgabendurchführung und der Rückmeldung stehen im Zentrum der Beobachtung. Die Entscheidung fiel daher auf eine Kombination zweier Verfahren: die qualitative Inhaltsanalyse und die Diskursanalyse. Burwitz-Melzer und Steininger (2016: 258) verdeutlichen die Vorteile einer qualitativen Inhaltsanalyse im Kontext der fremdsprachendidaktischen Forschung, indem sie herausstellen, dass mithilfe dieser Methode nicht nur der Text als solcher betrachtet werde, sondern verschiedene versteckte Botschaften wie Wirkungsabsicht, Textmerkmale etc., die sich aus der Tatsache ableiten, dass der Text nicht losgelöst von einem übergeordneten Kommunikationsmodell zu sehen ist, offenbart werden. Mithilfe der qualitativen Inhaltsanalyse ist es somit möglich, versteckte Botschaften und nicht offen geäußerte Mitteilungen aufzuzeigen. Kuckartz‘ (2016: 100) Leitlinien folgend, wurde in der vorliegenden Studie wie folgt mit dem Datenmaterial umgegangen: In einem ersten Schritt wurde initiierende Textarbeit betrieben, indem Memos und erste Fallzusammenfassungen in Form von Gesprächsinventaren verfasst wurden. Es ist überaus wichtig herauszustellen, dass schon der vorgeschaltete Transkriptionsprozess nicht strikt von den folgenden Kategorisierungs-, Kodierungs- und Analyseschritten abzugrenzen ist, da der Forscher bereits mit dem Hören und Verschriftlichen der Daten Auswertungsideen und Hypothesen entwickelt (vgl. Kuckartz 2016: 170-171). Auf die initiierende Textarbeit folgte das Entwickeln von thematischen Hauptkategorien und das Kodieren der Daten anhand dieser. Da in der vorliegenden Studie sowohl Daten aus monologischen wie auch aus dialogischen Sprechaufgaben generiert wurden und diese sich nicht mit denselben Kategorien strukturieren ließen, wurden deduktiv zwei voneinander unabhängige Kategoriensysteme mit Hauptkategorien entwickelt. Grundlage waren für die monologischen Daten hauptsächlich die Deskriptoren des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens (Europarat 2001) für die Klassifizierung monologischer Sprechleistungen und für die dialogischen Daten ebenfalls theorieentlehnte Hauptkategorien. Die Kategoriensysteme und Codes werden im folgenden Kapitel noch weiter ausgeführt. Auf ein Zusammenführen aller Textstellen, denen die gleiche Hauptkategorie zugewiesen werden konnte, folgte ein induktives Bestimmen von Subkategorien am Material. Schließlich wurde das komplette Material an dem ausdifferenzierten Kategoriensystem kodiert. Diese Vorgehensweise führte zur angestrebten Strukturierung und Reduzierung 3.3 Untersuchungsdesign 71 des Datenmaterials und gestattete eine vergleichende Analyse der Fälle. Auf diese Reduzierung folgte dann die Interaktionsanalyse ausgewählter Fälle auf Grundlage der Kategorien und Subkategorien. 3.3.2.4.3 Interpretation der Interviews Wie bereits ausgeführt, ermöglichen die retrospektiven Interviews einen Zugang zu den subjektiven Meinungen der beforschten Subjekte auf den Untersuchungsgegenstand und tragen maßgeblich zur Perspektiventriangulation bei. Die Schüler/ innen und auch die Lehrkräfte erhalten die Möglichkeit sich zu einzelnen Aspekten des Stundenverlaufs rückblickend zu äußern und können auf diese Weise darlegen, wie sie die Situation erlebt haben und warum sie in der jeweiligen Situation auf eine ganz bestimmte Art und Weise gehandelt haben. Aufgrunddessen wurden die Interviews derart geführt, dass die Beteiligten die Möglichkeit hatten, sich bestmöglich an zur Beantwortung der Forschungsfragen relevante Situationen zu erinnern, sich aber auch zu anderen Situationen zu äußern, die ihnen persönlich relevant erschienen. Die Interviewdaten wurden ebenfalls einer Inhaltsanalyse unterzogen. Es wurde die Entscheidung getroffen, mit einem Kommentarsystem zu arbeiten, dass sich bereits in den empirischen Arbeiten von Burwitz-Melzer (2003) und Kimes-Link (2013) bewährt hat. Mit Hilfe dieses Kommentar- und Zeichensystems ist es möglich zu überprüfen, ob die in den Interviews geäußerten Aussagen mit den Unterrichtsdaten übereinstimmen oder ob sie zu diesen konträr sind. Insbesondere Abweichungen sind dann in weiteren Analyseschritten zueinander in Bezug zu setzen und auszuführen. Es wurden die folgenden Zeichen in der Studie innerhalb der Arbeit mit den Interviewdaten verwendet: ⇔ für Abweichungen zu den Unterrichtsdaten = für Übereinstimmungen ~ für Teilabweichungen Die Analyse der Interviews folgt im Anschluss der Betrachtung aller relevanten Fälle monologischer und dialogischer Sprechaufgaben einer Lerngruppe. 4 Kodierung, Analyse und Interpretation von Lehrer- und Schülerbeiträgen an zwei Beispielen 4.1 Die Kodierungen der Unterrichtsbeiträge Die Arbeit verfolgt, wie bereits im vorherigen Kapitel ausgeführt wurde, das Ziel aufzuzeigen, wie Sprechkompetenz im Englischunterricht der gymnasialen Oberstufe gefördert wird, wie die Prozesse der Aufgabenerteilung, -bearbeitung und -präsentation ablaufen und welche Schwierigkeiten in diesem Zusammenhang auftreten. Dies macht eine Betrachtung von Unterrichtsdaten verschiedenster Art unerlässlich und erfordert das Zusammenwirken zweier forschungsmethodischer Verfahren, der qualitativen Inhaltsanalyse und der Diskursanalyse 35 . Sprechkompetenz ist ein komplexes Forschungsfeld und die konkrete Förderung einzelner Teilaspekte methodisch entsprechend vielfältig. In dieser Arbeit wird daher, analog zu bildungspolitischen Referenzdokumenten (vgl. Europarat 2001, KMK 2012), in Aufgabenformate zum monologischen und interaktiven Sprechen unterschieden. Diese Fälle werden getrennt voneinander untersucht und ihnen liegen leicht abweichende Kategoriensysteme und Codes zugrunde. Im Folgenden werden diese, beginnend mit dem System zur Kodierung der interaktiven Formate, vorgestellt und dabei wird die Entstehung der Kategorien und Codes erläutert. 4.2 Kodierungssystem interaktive Aufgabenformate Das Kodierungssystem für interaktive Aufgabenformate sieht wie folgt aus: Sprechleistung Schüler Code Feinere Codes 1. Spektrum 1a. Schüler variiert bei der Wahl der Redemittel durch die Verwendung von Synonymen 1b. Schüler verwendet angemessene Fachbegriffe 1c. Schüler sucht nach Wörtern 1d. Schüler umschreibt unbekannte Vokabel 1e. Schüler benutzt deutsches Wort 35 Dieses Zusammenwirken wurde bereits im Kapitel 3 ausgeführt, weshalb an dieser Stelle nur der Hinweis darauf erfolgt. 74 4 Kodierung, Analyse und Interpretation: Zwei Beispiele 2. Korrektheit 2a. Schüler macht grammatikalischen Fehler 2b. Schüler macht lexikalischen Fehler. 2c. Schüler macht phonetischen Fehler. 2d. Schüler macht morphosyntaktischen Fehler. 3. Flüssigkeit 3a. Schüler verwendet sprachliche Mittel um Redefluss zu wahren 3b. Schüler verwendet Füllkonstruktionen, wenn der Redefluss ins Stocken gerät 3c. Schüler macht lange Pause (…) 3d. Schüler pausiert kurz (.) 3e. Schüler verbalisiert Fehlerkorrektur (repair) 3f. Schüler paraphrasiert um Grammatik- oder Wortschatzlücken zu kompensieren 4. Adressatenbezug 4a. Schüler strukturiert den Vortrag publikumsorientiert 4b. Schüler verwendet inkludierende Personalpronomen und spricht das Publikum direkt an 4c. Schüler bezieht sich auf gemeinsames Vorwissen 5. Kohärenz 5a. Schüler verwendet Konnektoren zur Strukturierung von Redebeiträgen 5b. Schüler leitet in Beitrag ein 5c. Schüler markiert Abschluss eines Beitrags/ Gedanken 6. Flexibilität 6a. Schüler fügt spontan Zusatzinformationen ein 6b. Schüler reagiert auf einen Zuruf oder Rückfrage 6c. Mangelnde Flexibilität, weil Schüler liest deutlich ab 7. Paralinguistik 7a. Schüler zeigt auf etwas während des Vortrags 7b. Schüler macht eine unterstützende Geste 7c. Schüler zeigt auffälligen Gesichtsausdruck 7d. Schüler ändert seine Körperhaltung 7e. Schüler initiiert Blickkontakt 8. Inhaltsbezug (fachliche und kulturelle Einbettung) 8a. Schüler behandelt das Thema inhaltlich adäquat 8b. Schüler behandelt das Thema inhaltlich nicht angemessen 9. Visualisierung 9a. Schüler stützt seinen Vortrag angemessen durch Visualisierungstechniken 10. Register 10a. Schüler verwendet ein der Situation angemessenes Register 10b. Schüler verwendet ein in der Situation unangemessenes Register 4.2 Kodierungssystem interaktive Aufgabenformate 75 Aufgabenbezogene Interaktion Phase 1: Aufgabenstellung 11 11a. Schüler stellen Rückfrage zur Aufgabenstellung 11b. Schüler wiederholen Aufgabenstellung 11c. Schüler äußern Unverständnis bezüglich der Aufgabenstellung Phase 2: Bearbeitung 12 12a. Schüler fokussieren Bearbeitung eines Aufgabenschrittes 12b. Schüler äußern sich zu organisatorischem Ablauf der Bearbeitung 12c. Schüler handeln Inhalt aus 12d. Schüler handeln sprachliche Aspekte aus 12e. Schüler markieren Abschluss der Aufgabe Phase 3: Präsentation 13 13a. Schüler nehmen explizit Bezug auf Phasen der Bearbeitung 13b. Schüler beziehen sich auf zuvor genannten inhaltlichen Aspekt in der Interaktion 13c. Schüler liefern einen inhaltlichen Aspekt, der über die Bearbeitungsphase hinausgeht 13d. Schüler äußern Unsicherheit hinsichtlich eines vorgestellten inhaltlichen Aspekts Phase 4: Feedback 14 14a. Schüler lobt inhaltlichen Aspekt der Interaktion 14b. Schüler verbessert inhaltlichen Aspekt 14c. Schüler verbessert sprachlichen Aspekt Reflexion 15 15a. Schüler reflektieren Aufgabenstellung 15b. Schüler reflektieren eigene Sprechleistung 15c. Schüler reflektieren Materialien und Recherche 15d. Schüler reflektieren Hausaufgaben 15e. Schüler reflektieren Bearbeitungsphase 15f. Schüler reflektieren Präsentationsphase 15g. Schüler reflektieren Lehrerfeedback 15h. Schüler reflektieren Schülerfeedback 15i. Schüler reflektieren Sprechleistungen anderer Schüler Lehrer aufgabenbezogen Phase 1: Aufgabenstellung 16 16a. Lehrer leitet Aufgabenstellung ein 16b. Lehrer gibt inhaltlichen Input zur Aufgabe 16c. Lehrer gibt sprachlichen Input zur Aufgabe 16d.Lehrer gibt Informationen zum organisatorischen Ablauf der Aufgabe (Zeit, Gruppeneinteilung, …) 16e. Lehrer leitet zur Bearbeitungsphase über Phase 2: Bearbeitung 17 17a. Lehrer gibt inhaltlichen Impuls 17b. Lehrer gibt sprachlichen Impuls 17c. Lehrer stellt inhaltliche Rückfrage 17d. Lehrer korrigiert Sprache 17e. Lehrer korrigiert Inhalt 17f. Lehrer beantwortet Schülerfrage 17g. Lehrer wiederholt Aufgabenstellung 17h. Lehrer leitet zur Präsentationsphase über Phase 3: Präsentation 18 18a. Lehrer greift inhaltlich ein 18b. Lehrer greift sprachlich ein 18c. Lehrer leitet zur Feedbackphase über Phase 4: Feedback 19 19a. Lehrer reagiert mit Zustimmung auf inhaltlichen Aspekt 19b. Lehrer ergänzt Schülerbeitrag 19c. Lehrer markiert inhaltlichen Fehler 19d. Lehrer markiert sprachlichen Fehler (1. indem er ihn wiederholt und den Schüler verbessern lässt, 2. indem er den Beitrag wiederholt und den Fehler verbessert, 3. indem er den Fehler direkt als solchen anspricht und eine Korrektur initiiert) 19e. Lehrer beendet Feedbackphase [Kategorien und Codes interaktive Aufgabenformate] Die Kategorien lassen sich in zwei Bereiche aufgliedern: die Sprechleistung der Schülerinnen und Schüler und die aufgabenbezogene Interaktion, die Lernende und die Lehrkraft betrachtet. Eine solche Unterteilung gestattet eine umfassende Kodierung, die der Untersuchung der Forschungsfragen dienlich ist. Während die Codes zur Sprechleistung eine präzise und differenzierte Beschreibung des sprachlichen Outcomes ermöglichen, heben die Codes zur aufgabenbezogenen Interaktion auf die Darstellung des Lehrer- und Schülerverhaltens während der unterrichtlichen Sprechkompetenzförderung ab. 76 4 Kodierung, Analyse und Interpretation: Zwei Beispiele 4.2 Kodierungssystem interaktive Aufgabenformate 77 Um eine Sprechleistung in der Zielsprache im Rahmen einer interaktiven Aufgabe analysieren zu können, ist es zunächst erforderlich, festzulegen, welche Teilkomponenten in ihrer Gesamtheit eine solche bedingen. Bei der Genese der Kategorien und schließlich der Codes wurde daher theoriegeleitet und datengeleitet vorgegangen. Der Gemeinsame europäische Referenzrahmen für Sprachen (Europarat 2001) leistet in diesem Zusammenhang eine wertvolle Vorarbeit, indem er bereits eine Vielzahl an Faktoren zur Klassifizierung und Beurteilung einer sprachlichen Leistung liefert. Mit den Kategorien Spektrum, Korrektheit, Flüssigkeit, Kohärenz, Flexibilität, Paralinguistik und Register wurden sieben Determinanten in das Kategoriensystem der vorliegenden Studie übernommen und weiter ausdifferenziert. Eine Auseinandersetzung mit den Daten verdeutlichte, dass weitere Faktoren ebenfalls zu berücksichtigen sind, die im GeR zwar auch implizit erwähnt werden, aber für die keine detaillierten Skalen vorliegen. Hierbei handelt es sich um den Adressatenbezug, den Inhaltsbezug und die Visualisierung. Die Kategorie Spektrum bezieht sich auf die Verfügbarkeit angemessener Redemittel im Rahmen der interaktiven Sprechaufgabe. Sie hilft dabei, abzubilden, inwiefern Lernende geeignete Redemittel in der jeweiligen Situation verwenden, ob sie einen variantenreichen Wortschatz besitzen sowie Synonyme kennen und dazu in der Lage sind, auch Bedeutungsnuancen zu unterscheiden. Auch Abweichungen wie die auffallende Suche nach Wörtern und Kompensationsstrategien sowie das Paraphrasieren können mit dieser Kategorie erfasst werden. Die Kategorie Korrektheit ermöglicht es, vielfältige Abweichungen korrekten Sprachgebrauchs aufzuzeigen. Feinere Codes zur Beschreibung dieser Kategorie beziehen sich auf die Ebenen der möglichen Fehler wie Grammatik, Wortschatz, Aussprache und Morphosyntax. Flüssigkeit meint im Zusammenhang mit der vorliegenden Studie die Aufrechterhaltung des Redeflusses. Die Kategorie bildet ab, wie Lernende den Redefluss wahren oder welche Strategien sie verwenden, um sich zusätzliche Zeit zum Nachdenken zu verschaffen, sollte dieser ins Stocken geraten. Auch Aspekte wie Fehlerkorrektur und Kompensation werden abgedeckt. Adressatenbezug bezieht sich auf die Gegebenheit, dass Interaktion eine soziale Situation darstellt, die nicht kontextfrei ist. Die Kategorie gestattet es, die Stellen einer Sprechleistung zu markieren, die einen klaren Kontextbezug aufzeigen, indem sie beispielsweise so gestaltet sind, dass sie auf geteiltes Vorwissen rekurrieren. Die Kategorie Kohärenz bezieht sich auf die Gestaltung von Redebeiträgen und erlaubt es darzustellen, wie Lernende ihre Beiträge strukturieren. Dies umfasst das Einleiten und Ausleiten von Argumenten, die sprachliche Verknüpfung von Gedanken und das Anschließen an Beiträge der Kommunikationspartner. Die Kategorie Flexibilität erlaubt es, aufzuzeigen, wie sprachlich flexibel Lernende mit Situationen umgehen können, die sie nicht vorausgeplant haben. Darunter fällt etwa das spontane Reagieren auf Rückfragen oder das Anbringen von Zusatzinformationen, um ein Argument in einer Diskussion zu untermauern. Mithilfe der Kategorie wird auch mangelnde Flexibilität kodiert, die sich beispielsweise in deutlichem Ablesen zeigt. Da im Rahmen der Studie nicht nur Sprachdaten, sondern auch Videoaufnahmen gemacht wurden, ist die Kodierung der Paralinguistik unverzichtbar. Hierbei spielen Mimik und Gestik beim Sprechen eine wichtige Rolle. Es kann aufgezeigt werden, wie und an welchen Stellen Lernende von unterstützenden Gesten Gebrauch machen, wann sie Blickkontakt suchen oder meiden und wie sich ihre Körperhaltung sowie ihr Gesichtsausdruck während der Interaktion verändern. Auch der Inhaltsbezug stellt eine wichtige Kategorie dar. Die gesamte Interaktion vollzieht sich mit dem Ziel der Aushandlung von Bedeutung und dies geschieht auf der Grundlage von unterschiedlichen Inhalten. Die auszuhandelnden Inhalte werden durch die Aufgabenstellung vorgegeben und die Codes innerhalb dieser Kategorie gestatten es, aufzuzeigen, an welchen Stellen die Themen und Inhalte angemessen oder nicht angemessen ausgehandelt werden. Visualisierung ist eine für die Betrachtung aufgabenbezogener Interaktion recht spezielle Kategorie. Durch die Verwendung von Arbeitsblättern, Notizen oder anderer Unterrichtsprodukte kann das Gesagte unterstützt werden. In welchen Situationen dies vorkommt, lässt sich mit den Codes aus dieser Kategorie aufzeigen. Die letzte Kategorie aus dem Bereich der Sprechleistungen bezieht sich auf das verwendete Register 36 . Hier geht es darum, die Angemessenheit des sprachlichen Outputs zu beurteilen und darzustellen, wie oft und an welchen Stellen Lernende vom angemessenen Register abweichen, das die Aufgabe vorgibt. Der Bereich der aufgabenbezogenen Interaktion wurde entlang der verschiedenen Phasen einer Sprechaufgabe gegliedert. Dabei wurde Lehrer- und Schülerverhalten gesondert kategorisiert. Um beantworten zu können, wie Lehrende Sprechaufgaben stellen und wie Lernende diese lösen, ist es sinnvoll, jede Phase aus der Sicht der am Unterricht Beteiligten nachzuvollziehen. In der Phase 1 (Aufgabenstellung) wird untersucht, wie Lehrende die Aufgaben stellen, welchen inhaltlichen oder sprachlichen Input sie geben, welchen organisatorischen Rahmen sie festlegen und wie sie die Aufgabenstellung sprachlich einleiten, beziehungsweise in die Bearbeitungsphase überleiten. Auf Seiten der Lernenden kann hingegen nachvollzogen werden, welche Reaktionen sie auf die Aufgabenstellung zeigen. Stellen Sie Rückfragen und, wenn ja, welcher Art (inhaltlich/ sprachlich/ organisatorisch)? Wie reagieren Lehrende darauf? Pha- 36 Hier sei erneut auf BICS und CALP als Referenz für ein angemessenes Register verwiesen. 78 4 Kodierung, Analyse und Interpretation: Zwei Beispiele 4.2 Kodierungssystem interaktive Aufgabenformate 79 se 2 (Bearbeitungsphase) betrachtet das Intervall, das nach dem Klären der Aufgabenstellung beginnt und mit der Überleitung in die Präsentation der Ergebnisse endet. Es wird kodiert, an welchen Stellen Lernende inhaltliche und sprachliche Aspekte, die zur Bearbeitung der Aufgabe nötig sind, aushandeln. Auch von Interesse ist, ob Lernende sich zum organisatorischen Ablauf der Aufgabe äußern oder explizit sprachlich die Lösung vorantreiben. Zudem kann nachvollzogen werden, wann Lernende eine Aufgabe als gelöst betrachten und wie sie reagieren, wenn Schwierigkeiten auftreten. Wenden sie sich an die Lehrkraft oder nutzen sie andere Ressourcen, um ihre Probleme zu lösen? Aus Sicht der Lehrenden wird darauf geachtet, welche Impulse sie während der Bearbeitungsphase geben, wann sie Korrekturen vornehmen und wie sie organisatorisch eingreifen. Dazu gehört auch die Überleitung zur nächsten Phase oder das erneute Klären der Aufgabenstellung (Phase 1). In der darauffolgenden Phase 3 (Präsentationsphase) liegt der Beobachtungsschwerpunkt, der sich in den feineren Codes spiegelt, auf den Lernenden. Hier wird nachvollzogen, inwieweit sich explizite Bezüge auf die Bearbeitungsphase in der Interaktion zeigen, wie Lernende auf die Beiträge ihrer Kommunikationspartner reagieren, welche inhaltlichen Argumente geliefert werden und wie allgemein Bedeutung ausgehandelt wird. Auch die Perspektive der Lehrenden wird dabei berücksichtigt. Es wird markiert, an welchen Stellen Lehrende eingreifen und um welche Art von Eingriff es sich handelt (inhaltliche Korrektur, sprachliche Korrektur, organisatorisch bedingter Eingriff). Anhand dieser Codes kann eine zielgerichtete Analyse der Daten bezogen auf die Forschungsfrage 3 (Wie werden die Aufgaben gelöst und welche Schwierigkeiten ergeben sich? ) vorbereitet werden. Phase 4 (Feedback) stellt den Abschluss dar. In dieser Phase geht es darum, welche Rückmeldungen andere Lernende sowie die Lehrkraft auf das zuvor Präsentierte geben und welchen Ebenen das erteilte Feedback zuzuordnen ist. Handelt es sich um inhaltliches oder sprachliches Feedback? Wird etwas ergänzt oder hinterfragt? Wird gelobt oder kritisiert? Da Rückmeldung und Reflexion wichtige Bestandteile einer Sprechaufgabe sind, wird auch diese Phase aus beiden Perspektiven (Schüler/ Lehrer) differenziert nachvollzogen und kodiert 37 . 37 Um auch Äußerungen zur schülerseitigen Reflexion der Aufgabe oder der Sprechleistungen kodieren zu können, wurde eine weitere Kategorie zur Reflexion aufgenommen (Kategorie 15). Diese Äußerungen können aus dem Unterricht stammen (Phase 4) oder aber aus den retrospektiven Interviews mit den Lernenden. 4.3 Kodierungssystem monologische Formate Das Kodierungssystem für monologische Aufgabenformate unterscheidet sich nur geringfügig von dem für interaktive Formate. Die Kriterien zur Sprechleistung sind übertragbar. Die Tatsache, dass in monologischen Formaten keine unmittelbare Interaktion stattfindet, spiegelt sich lediglich in den Codes zur aufgabenbezogenen Interaktion. Dies wird nach der tabellarischen Auflistung der Codes noch ausgeführt. Sprechleistung Schüler Code Feinere Codes 1. Spektrum 1a. Schüler variiert bei der Wahl der Redemittel durch die Verwendung von Synonymen 1b. Schüler verwendet angemessene Fachbegriffe 1c. Schüler sucht nach Wörtern 1d. Schüler umschreibt unbekannte Vokabel 2. Korrektheit 2a. Schüler macht grammatikalischen Fehler 2b. Schüler macht lexikalischen Fehler. 2c. Schüler macht phonetischen Fehler. 2d. Schüler macht morphosyntaktischen Fehler. 3. Flüssigkeit 3a. Schüler verwendet sprachliche Mittel um Redefluss zu wahren 3b. Schüler verwendet Füllkonstruktionen, wenn der Redefluss ins Stocken gerät 3c. Schüler macht lange Pause (…) 3d. Schüler pausiert kurz (.) 3e. Schüler verbalisiert Fehlerkorrektur (repair) 3f. Schüler paraphrasiert um Grammatik- oder Wortschatzlücken zu kompensieren 4. Adressatenbezug 4a. Schüler strukturiert den Vortrag publikumsorientiert 4b. Schüler verwendet inkludierende Personalpronomen und spricht das Publikum direkt an 4c. Schüler bezieht sich auf gemeinsames Vorwissen 5. Kohärenz 5a. Schüler verwendet Konnektoren zur Strukturierung von Redebeiträgen 5b. Schüler leitet in Beitrag ein 5c. Schüler markiert Abschluss eines Beitrags/ Gedanken 80 4 Kodierung, Analyse und Interpretation: Zwei Beispiele 4.3 Kodierungssystem monologische Formate 81 6. Flexibilität 6a. Schüler fügt spontan Zusatzinformationen ein 6b. Schüler reagiert auf einen Zuruf oder Rückfrage 6c. Mangelnde Flexibilität, weil Schüler liest deutlich ab 7. Paralinguistik 7a. Schüler zeigt auf etwas während des Vortrags 7b. Schüler macht eine unterstützende Geste 7c. Schüler zeigt auffälligen Gesichtsausdruck 7d. Schüler ändert seine Körperhaltung 7e. Schüler initiiert Blickkontakt 8. Inhaltsbezug (fachliche und kulturelle Einbettung) 8a. Schüler behandelt das Thema inhaltlich adäquat 8b. Schüler behandelt das Thema inhaltlich nicht angemessen 9. Visualisierung 9a. Schüler stützt seinen Vortrag angemessen durch Visualisierungstechniken 10. Register 10a. Schüler verwendet ein der Situation angemessenes Register 10b. Schüler verwendet ein in der Situation unangemessenes Register Aufgabenbezogen Schüler Phase 3: Präsentation 13a. Schüler leitet Vortrag ein 13b. Schüler liefert neuen inhaltlichen Aspekt 13c. Schüler reagiert auf Frage eines Mitschülers 13d. Schüler reagiert auf Intervention des Lehrers 13e. Schüler beendet Vortrag Phase 4: Feedback 14a. Schüler loben inhaltlichen Aspekt 14b. Schüler verbessert inhaltlichen Aspekt 14c. Schüler verbessert sprachlichen Aspekt 14d. Schüler loben Vortragsweise 14e. Schüler bemängeln Vortragsweise 14f. Schüler loben Visualisierung 14g. Schüler bemängeln Visualisierung 14h. Schüler loben Adressatenbezug 14i. Schüler bemängeln fehlenden Adressatenbezug 14j. Schüler loben Register 14k. Schüler bemängeln Register Aufgabenbezogen Lehrer Phase 3: Präsentation 15a. Lehrer leitet Präsentationsphase ein 15b. Lehrer unterbricht Vortrag und (a. stellt inhaltliche Rückfrage, b. gibt inhaltliche Zusatzinformation, c. korrigiert sprachlich, d. bemängelt Vortragsstil) 15c. Lehrer leitet in Feedbackphase über Phase 4: Feedback 16a. Lehrer lobt inhaltlichen Aspekt 16b. Lehrer kritisiert inhaltlichen Aspekt 16c. Lehrer ergänzt Schülerbeitrag 16d. Lehrer markiert sprachlichen Fehler (1. indem er ihn wiederholt und den Schüler verbessern lässt, 2. indem er den Beitrag wiederholt und den Fehler verbessert, 3. indem er den Fehler direkt als solchen anspricht und eine Korrektur initiiert) 16e. Lehrer lobt Vortragsstil 16f. Lehrer bemängelt Vortragsweise 16g. Lehrer lobt Visualisierung 16h. Lehrer kritisiert Visualisierung 16i. Lehrer lobt Adressatenbezug 16j. Lehrer bemängelt fehlenden Adressatenbezug 16k. Lehrer lobt Register 16l. Lehrer bemängelt unangemessenes Register 16m. Lehrer beendet Feedbackphase [Kategorien und Codes monologisches Sprechen] Hinsichtlich der Kategorien und Codes zur Sprechleistung ergeben sich keine Unterschiede zu dem bereits vorgestellten System der interaktiven Formate. Bezüglich der aufgabenbezogenen Interaktion müssen Änderungen vorgenommen werden, um alle Phänomene im Unterricht erfassen und kodieren zu können. Da es sich bei der Gesamtheit aller monologischen Daten um Schülerreferate handelte und die Erteilung der Aufgabe wie auch die Bearbeitung der Aufgabe als Hausaufgabe stattfanden und somit für die vorliegende Untersuchung nicht zugänglich waren, werden für die Phasen 1 und 2, anders als bei den interaktiven Formaten, keine Codes benötigt. Um an Informationen aus diesen Phasen zu gelangen, wurden andere Zugänge wie Schülertexte, Präsentationsfolien und retrospektive Befragungen verwendet. Durch Unterrichtsmitschnitte lassen sich aber Aussagen über Phase 3 (Präsentation) und Phase 4 (Feedback) machen und entsprechend wurden Codes für diese Phasen sowohl aus der Perspektive der Lernenden als auch aus der Perspektive der Lehrenden generiert. In der 82 4 Kodierung, Analyse und Interpretation: Zwei Beispiele 4.4 Dialogisches Sprechen: Talkshow zur Todesstrafe in den USA 83 Präsentationsphase wird schülerseitig betrachtet, wie der monologische Vortrag sprachlich und inhaltlich eingeleitet wird, wie er strukturiert wird und wie auf Impulse aus dem Publikum, seien es Rückfragen oder Anmerkungen, reagiert wird. Lehrerseitig steht einerseits im Fokus, wie die Überleitung zur Präsentationsphase geschieht und wie diese beendet wird und andererseits wird beobachtet, in welchen Situationen die Lehrkraft während des Schülervortrags interveniert und wie dies geschieht. Zu den Gründen für eine Unterbrechung zählen das Stellen inhaltlicher Rückfragen, das Hinzufügen zusätzlicher Informationen wie auch die sprachliche oder inhaltliche Korrektur. In der Feedbackphase wird betrachtet, ob ein schülerseitiges Feedback vorgesehen ist und wie dieses gegebenenfalls ausfällt. Zentral ist dabei die Beobachtung der Faktoren auf die sich das Feedback bezieht (Inhalt, Sprache, Vortragsweise, Visualisierung, Adressatenbezug, Register) und ob dieses positiv oder negativ ausfällt. Die Codes zum Lehrerfeedback sind weitestgehend identisch, da auch lehrerseitig auf all diese Faktoren Rückmeldung erteilt werden kann. Es gibt allerdings zusätzlich noch Codes, die sich auf die Strukturierung der Unterrichtsphase beziehen (16 m), oder, die die Art der sprachlichen Rückmeldung noch präzisieren (16d1-3). Nachdem die Vorstellung der Kategorien und Codes nun einen Einblick in die Verfahren zur Reduktion der Datenmenge und zur Zuordnung relevanter Abschnitte zu den Forschungsfragen geliefert hat, wird in den nächsten beiden Unterkapiteln das methodische Vorgehen detailliert exemplifiziert. 4.4 Dialogisches Sprechen: Talkshow zur Todesstrafe in den USA Anhand eines Unterrichtsbeispiels aus der Pilotstudie soll in diesem Unterkapitel aufgezeigt werden, wie qualitative Inhaltsanalyse und Diskursanalyse im Rahmen der vorliegenden Studie zusammenwirken und wie die Codes angewandt werden. Zunächst erfolgt daher die allgemeine Beschreibung der Institution, der Lerngruppe und der beteiligten Lehrkraft. Im Anschluss daran wird eine Beispielanalyse aus dem Bereich der monologischen Formate und eine solche aus dem Bereich der interaktiven Formate detailliert durchgeführt. Da beide Datensätze in derselben Lerngruppe aufgenommen wurden, genügt die einmalige Lerngruppenbeschreibung in Kapitel 4.4.1. Im Anschluss an die beiden Analysen werden, im Sinne der Daten- und Perspektiventriangulation (vgl. Kapitel 3), Ausschnitte aus den retrospektiven Interviews mit zwei Schülergruppen sowie der Lehrkraft zu den Unterrichtsdaten in Bezug gesetzt. 4.4.1 Institution, Lerngruppe und Lehrkraft Die Datensätze, die in diesem Kapitel analysiert werden, sind in einem Zeitraum von zwei Monaten in einem Leistungskurs (Klasse 12) Englisch eines niedersächsischen Gymnasiums entstanden. Die Schule ist ein altsprachliches, humanistisches Gymnasium und befindet sich in einer mittelgroßen Stadt in Randlage einer Großstadt in Niedersachsen. Knapp 1000 Schülerinnen und Schüler gehen dort in die Klassen 5 bis 13. Das Schulprofil enthält einen bilingualen Zweig, der über mehrere Schuljahre hinweg bis in die Qualifikationsphase belegt werden kann und in dessen Verlauf verschiedene Fächer im Wechsel bilingual unterrichtet werden (z. B. Geschichte, Biologie, Sport). Die an der Studie beteiligte Lerngruppe setzt sich aus Lernenden zusammen, die bereits seit der Primarstufe durchgängig Englischunterricht haben und teilweise den bilingualen Zweig verfolgen. Einige Schülerinnen und Schüler haben bereits an Schüleraustauschen im englischsprachigen Ausland teilgenommen. Der Schüler, dessen Referat in diesem Kapitel analysiert wird, hat ein Schuljahr an einer kanadischen Schule verbracht und man kann daher von guten mündlichen Sprachkenntnissen ausgehen. Im Durchschnitt haben die Lernenden in ihrem Englischkurs 5 Unterrichtsstunden pro Woche. Einige haben durch das bilinguale Profil noch weiteren zielsprachlichen Unterricht. Der Lehrer ist seit weniger als zehn Jahren im Schuldienst und unterrichtet Englisch und Sport. Er hat eine Zusatzqualifikation zur Erteilung bilingualen Unterrichts im Rahmen des Referendariats erworben. 38 4.4.2 Textgrundlage und Unterrichtskontext Die Aufgaben, die im vorliegenden Kapitel analysiert werden, sind in einer Unterrichtseinheit zu Harper Lees Roman To Kill a Mockingbird aus dem Jahr 1960 verortet. Es soll daher an dieser Stelle zunächst die literarische Textgrundlage genauer betrachtet werden und im Anschluss daran erfolgt eine kurze Darstellung der Einheit mit entsprechender Kontextualisierung der Aufgaben. Das niedersächsische Kerncurriculum schreibt für den Oberstufenunterricht im Fach Englisch verschiedene Themenfelder vor, entlang derer die Förderung kommunikativer, interkultureller sowie Text- und Medienkompetenzen zu vollziehen sind. Eines dieser Themenfelder lautet Beliefs, Values and Norms 38 Die Bereitschaft der am Unterricht Beteiligten an der Studie teilzunehmen war durchgängig hoch. Alle Schülerinnen und Schüler und alle Eltern erteilten die Zustimmung zur Teilnahme an der Studie. Die Schulleitung äußerte keine Bedenken und genehmigte die Forschung ihrerseits zügig. Es ist an dieser Stelle zu erwähnen, dass die niedersächsische Landesschulbehörde, aller vorliegender Genehmigungen zum Trotz, das Zustandekommen der Forschungskooperation lange blockiert hat. Nach einem mehrstufigen Prüfungsverfahren wurde dann schließlich die Genehmigung zur Datenerhebung erteilt. 84 4 Kodierung, Analyse und Interpretation: Zwei Beispiele 4.4 Dialogisches Sprechen: Talkshow zur Todesstrafe in den USA 85 in Society: Tradition and Change (NiBiS 2017: 26) . Eine Subkomponente dieses Themenfeldes ist The American Experience (ibid.). Die niedersächsische Landesschulbehörde führt auf ihrem online verfügbaren Bildungsserver dazu aus, dass in diesem Kontext historische, gesellschaftliche (auch bürgerrechtliche) Aspekte betrachtet werden können, aber auch aktuellere Entwicklungen nach 9/ 11 in den Fokus des Unterrichts gerückt werden können. Die folgenden Themen werden als besonders wichtig hervorgehoben: • Unabhängigkeitserklärung • The American Dream • Bürgerkrieg • Sklaverei • Rassentrennung • Bürgerrechtsbewegung • Internationale Konflikte (Vietnam, Golfkrieg, Terrorismus) • Medien II (insbesondere Film und Fernsehen) Auf dem Server stehen für verschiedene Themen Texte und Materialien zur Verfügung, die im Unterricht genutzt werden können, aber nicht müssen. Einen Lektürekanon gibt es für das Land Niedersachsen nicht. Unter dem Reiter „Rassentrennung“ sind auf dem Server jedoch beispielhafte Stundenentwürfe und Materialien zu Harper Lees Roman To Kill a Mockingbird verfügbar. Auch wenn die Unterrichtsarbeit mit der Lektüre nicht vorgeschrieben ist, so legt die exemplarische Materialauswahl auf dem offiziellen Bildungsserver nahe, dass es sich um einen für den Unterricht geeigneten Roman handelt, dessen Thematisierung erwünscht ist. Somit verwundert es nicht, dass er auch im vorliegenden Unterrichtsbeispiel die Textgrundlage liefert 39 . Der Roman ist in den Südstaaten der USA der 1930er Jahre verortet; Schlüsselthemen sind Rassendiskriminierung, das soziale Gefüge in den Südstaaten sowie das Heranwachsen in einem solchen Umfeld. Protagonistin des Romans ist die zu Beginn sechsjährige Jean Louise Finch (genannt Scout), die mit ihrem älteren Bruder Jem im Haushalt ihres alleinerziehenden Vaters Atticus Finch lebt. Die Familie gehört zu der wohlhabenderen Schicht der fiktiven Kleinstadt Maycomb, Alabama. Nach dem Tod der Mutter, kümmert sich der Anwalt Atticus Finch, gemeinsam mit der schwarzen Haushälterin Calpurnia, um das Wohlergehen seiner Kinder. Aufgrund seines Berufs genießt Finch zu Beginn des Romans gesellschaftlich ein recht hohes Ansehen. Dies ändert sich, als er 39 Es sei an dieser Stelle bereits kurz erwähnt, dass auch in einer weiteren Fallstudie aus einer niedersächsischen Schule (dort allerdings in einem Grundkurs der 12. Klasse) der Roman die Unterrichtsgrundlage darstellt. den Schwarzen Tom Robinson vor Gericht vertritt, dem vorgeworfen wird, eine weiße Frau geschlagen und vergewaltigt zu haben. Während der Zeit des Prozesses entwickelt sich eine gesellschaftliche Dynamik gegen Robinson. Die Bewohner der Stadt sind von der Schuld des Schwarzen überzeugt, fordern eine Verurteilung und missachten Finch für die Verteidigung seines Mandanten. Diese Dynamik wirkt auch auf die Kinder Finchs zurück, die immer häufiger in Konflikte geraten. Besonders Scout leidet darunter, da sie die Anschuldigungen und Beschimpfungen, die sie aufgrund der Rolle ihres Vaters im Gerichtsverfahren erfährt, nicht einordnen kann und als ungerecht empfindet, aber auch ihr Bruder, Jem, hat Probleme mit den neuen Gegebenheiten in Maycomb. Scout zeigt zunehmend aggressives Verhalten und es fällt ihr schwer, sich nicht gewaltsam gegen die Beschimpfungen zur Wehr zu setzen. Im Laufe des Romans lernen die Kinder, besser mit der Situation umzugehen. Während der Gerichtsverhandlung gelingt es Atticus Finch darzulegen, dass sein Mandant Tom Robinson für das ihm vorgeworfene Verbrechen nicht infrage kommt. Er stellt heraus, dass Robinson aufgrund seiner körperlichen Behinderung die Klägerin Mayella Ewell, Tochter des dem Alkoholismus verfallenen und als Faulenzer bekannten Witwers Bob Ewell, nicht auf diese Weise hätte verletzen können. Zudem sei Mayella Ewell auch nicht vergewaltigt worden, sondern habe Tom Robinson sexuelle Avancen gemacht, mit dem Ziel, Macht über ihn zu erlangen. Die Verletzungen hingegen habe Bob Ewell seiner Tochter zugefügt. Trotz der erdrückenden Beweislage verurteilt die Jury, die sich hauptsächlich aus armen, weißen Farmern zusammensetzt, Tom Robinson für die Verbrechen zum Tode. Dieses Urteil wird nicht vollstreckt, weil Robinson bei einem Ausbruchsversuch erschossen wird. Scout und Jem sind aufgrund des Schuldspruchs entsetzt; ihr Glaube an Gerechtigkeit wird stark erschüttert. Aber auch wenn das Urteil gegen Robinson anderweitig gefällt wird, hat Atticus Finch in der Bevölkerung das Bewusstsein für die Unschuld seines Mandanten geweckt. Dies führt dazu, dass Bob Ewell noch mehr als zuvor von den anderen Bewohnern verachtet wird. Für diese Rufschädigung ersinnt Ewell Rache an Atticus Finch und attackiert dessen Kinder auf dem Nachhauseweg von einer Schulaufführung aus dem Hinterhalt. Jem wird bei diesem Angriff verletzt, und es bleibt offen was passiert wäre, hätte nicht ein Fremder eingegriffen und den Kindern geholfen. Es stellt sich schließlich heraus, dass der Fremde Nachbar Arthur (genannt Boo) Radley war, ein Eigenbrötler, der selten sein Haus verlässt und den Kindern zuvor stets ein wenig unheimlich gewesen war. Als der Sheriff der Stadt beim Tatort eintrifft, findet er Bob Ewell mit seinem eigenen Messer im Rücken tot auf. Nach einer kontroversen Unterredung mit Atticus Finch entschließt sich der Sheriff dazu, keine Anklage gegen dessen Sohn Jem zu erheben und behauptet stattdessen, 86 4 Kodierung, Analyse und Interpretation: Zwei Beispiele 4.4 Dialogisches Sprechen: Talkshow zur Todesstrafe in den USA 87 dass Ewell in sein eigenes Messer gefallen sei. Auch gegen Radley wird keine Anklage erhoben. Im Zentrum des Romans steht die menschliche Entwicklung der Protagonistin als Folge des Heranwachsens in dem beschriebenen sozialen Umfeld. Sie lernt, dass man Menschen nicht vorverurteilen darf, muss aber auch feststellen, dass Gerechtigkeit keine Selbstverständlichkeit ist und in den Südstaaten der 1930er Jahre eine sehr untergeordnete Rolle spielt. Die Fokalisierung aus Perspektive der kindlichen Protagonistin gestattet es der Autorin, einen relativ objektiven Einblick in die Geschehnisse des Romans zu geben, da Scout viele Zusammenhänge nicht gedanklich durchdringen und evaluativ bewerten kann. Entsprechend wenig gefärbt sind ihre narrativen Beschreibungen. Der Roman ist aus literaturdidaktischer Perspektive in vielfacher Hinsicht für den Englischunterricht der gymnasialen Oberstufe relevant. Er gestattet den Lernenden einen fiktionalen Einblick in verschiedene gesellschaftliche Probleme der USA in den 1930er Jahren. Insbesondere die Themen Rassendiskriminierung und Identitätsbildung sind über den Roman zugänglich. Zudem bietet er, durch die Übernahme der Perspektive der kindlichen Erzählerin, Zugänge zum Text, die emotionales Lernen stimulieren und fördern (vgl. Burwitz-Melzer 2007) und die Auseinandersetzung mit dem Text schülernäher und bildungsrelevant machen (vgl. Bredella 2009). Nicht zu vernachlässigen ist die Möglichkeit der Förderung funktional-kommunikativer Kompetenzen anhand eines authentischen Sprachmaterials, das nicht didaktisiert ist. Die Lerngruppe hatte sich zum Zeitpunkt der Unterrichtsaufzeichnung im Vorfeld bereits mehrere Wochen mit dem Roman befasst. Sie haben die verschiedenen Charaktere, das fiktive Setting und den Hauptkonflikte des Texts erarbeitet. Bis zu der Doppelstunde unmittelbar vor der Aufzeichnung (Vorbereitung) sollten die Lernenden den Roman bis einschließlich Kapitel 23 gelesen haben. Dies umfasst die Darstellung des gesamten Gerichtsverfahrens, welches die inhaltliche Grundlage der Stunde sein sollte (Kapitel 21-23). Leider konnte diese Stunde nicht mit der Kamera begleitet werden, da die Landesschulbehörde lediglich für die Doppelstunde der vorgesehenen Durchführung eine Aufnahmegenehmigung erteilte. Die folgenden Ausführungen stützen sich also auf die retrospektiven Berichte der Lehrkraft, wurden aber in den Interviews auch auf Schülerseite trianguliert. Im Unterrichtsgespräch wurde in der Vorbereitungsstunde der Verlauf der Verhandlung knapp skizziert. Daraufhin erfolgte die Erteilung der eigentlichen Sprechaufgabe: Die Lernenden sollten zunächst die verschiedenen Rollen der an der Verhandlung beteiligten Charaktere zusammentragen und dann eine Rolle gezielt vorbereiten, mit dem Ziel, die Gerichtsverhandlung nachzustellen. Neben der Übernahme der Rollen des Atticus Finch, des Tom Robinson, des Bob Ewell, seiner Tochter Mayella Ewell, des Zeugen Heck Tate, des Zeugen Mr. Gilmer, der Jury sowie des Richters, waren auch Zuschauer vorgesehen. Aufgrund einer ablehnenden Haltung der Lerngruppe der Aufgabe gegenüber entschloss sich die Lehrkraft spontan dazu, die Aufgabe zu verwerfen und zu modifizieren. Die im Folgenden dargestellten Modifikationen sind derart gravierend, dass sie sowohl eine Abkehr von der Grundidee der Aufgabe bedeuten als auch in einer vollständigen Abkehr von der Textvorlage resultieren. Die erste Modifikation betrifft das Genre der Sprechsituation. Anstelle einer Gerichtsverhandlung sollen die Schülerinnen und Schüler nun eine Talkshow zum Thema Todesstrafe in den USA erarbeiten. Alleine diese Änderung hat weitreichende didaktische Konsequenzen. Die Aufgabe ist somit nicht mehr im Setting der Romanvorlage verortet, sondern erfordert eine Erarbeitung von Rollen, Argumenten und Redemitteln, die von dem literarischen Text und dem vorherigen Unterrichtskontext losgelöst ist. Die Rollen wurden spontan im Unterrichtsgespräch gesammelt und verteilt. Es sollte neben dem Moderator zwei Lager in der Debatte geben. Eine Seite, vertreten durch einen republikanischen Politiker, eine rassistische Polizistin, das Familienmitglied eines Vergewaltigungsopfers, dessen Mörder zum Tode verurteilt werden soll, und einen Henker, sollte in der Talkshow für die Todesstrafe argumentieren, eine andere, vertreten durch eine demokratische Politikerin, eine Menschenrechtsaktivistin und den Vater eines zu Unrecht zum Tode verurteilten Mannes, die Contra-Position einnehmen. Die Lerngruppe sollte den Rest der Doppelstunde zur Recherche und zur Vorbereitung der Rollen nutzen. Lernende, denen keine Rolle zugewiesen wurde, sollten die anderen in der Recherche unterstützen. Der Rest der Vorbereitungsarbeit wurde als Hausaufgabe aufgegeben. Es wurden keine Arbeitsblätter, Redemittel oder Rolleninformationen verteilt. Die Folgestunde war dann für die Talkshow vorgesehen und wurde durch den Forscher begleitet. 4.4.3 Analyse der Unterrichtsbeiträge Die Analyse der Aufgabe kann an dieser Stelle aufgrund der Datenfülle nur ausschnittweise geschehen. L8: 00 Okay. Has somebody called him? Did he answer? S1 No. 88 4 Kodierung, Analyse und Interpretation: Zwei Beispiele 4.4 Dialogisches Sprechen: Talkshow zur Todesstrafe in den USA 89 L Mh. Maybe he's a bit late. I don't know. Ähm could somebody do his job? Just. Well we will see. I think that is going to work anyway. So ahm as I told you before this is Mr. Stuhlmann. Ähm he is going to record some some things you are saying. Ahm and as I told you before ahm it is not about what you say but äh basically. So the content doesn't matter. F It is only about speaking and about student interaction. Not really about what you say and who says it. Ja so don't worry about that. L8: 01 Exactly. Good. So ähm I think the äh äh the show is about to start. Please take your seats. The audience please be quiet. 17h [Stundenbeginn] Der Lehrer stellt zu Beginn der Stunde fest, dass der Schüler, der für die Übernahme der Rolle des republikanischen Politikers vorgesehen war, noch nicht vor Ort ist. Erfolglos versucht er zu eruieren, ob ein anderer Schüler in der Lage wäre, dessen Rolle zu übernehmen. In dieser Situation entscheidet er sich recht schnell dafür, die Rolle einfach zu streichen für den Fall, dass der Schüler nicht mehr kommen sollte. Im Verlauf der Diskussion wird sich dies als unglücklich erweisen, da nun einerseits ein Ungleichgewicht zwischen den Pro- und Contra-Positionen innerhalb der Debatte entsteht, und, andererseits, weil mit dem Politiker der einzige Charakter fehlt, der die Contra-Seite mit Argumenten unterstützt, die nicht hauptsächlich auf Emotionen basieren. Der Lehrer bittet die Lernenden ihre Plätze einzunehmen und gibt die Kontrolle an den Moderator ab (17h). Es gibt an dieser Stelle keine erneute Erklärung der Aufgabe oder eine sonstige Spezifikation der Erwartungen an die Lernenden. Die einzigen Vorgaben, die allerdings bereits in der vorherigen Stunde gemacht wurden sind Genre 40 , Rollen 41 und Thema 42 . Es wird an dieser Stelle deutlich, dass die Lernenden, die in der Folge ihre Plätze einnehmen und mit der Simulation der Talkshow beginnen, alleine auf Basis der Vertrautheit mit dem Genre der Aufgabe, der Talkshow, das Gespräch strukturieren müssen. Es fehlt diesbezüglich an konkreten Vorgaben. Die Lernenden gehen mit ihren individuellen Recherchen aus der vorherigen Stunde in die Aufgabe und müssen darauf vertrauen, dass 40 Talkshow 41 Rollen: S1= Moderator, S2= demokratische Politikerin, S3= Aktivistin für Menschenrechte, S4= Vater, dessen Sohn unschuldig vom Staat zum Tode verurteilt und hingerichtet wurde, S5= rassistische Polizistin, S6= Bruder eines Vergewaltigungsopfers, S7= Henker, der für den Staat arbeitet; es fehlt der Repräsentant der Rolle des republikanischen Politikers 42 Todesstrafe in den USA der Moderator durch seine Gesprächsführung Struktur in den Diskurs bringt und eine argumentativ vielfältige Debatte entsteht. Es ist bereits an dieser Stelle zu erwarten, dass dies S1 schwer fallen könnte, da die Moderatorenrolle nicht gezielt besprochen wurde. S1 liegen keine Notizen zu den Argumenten der einzelnen Rollen vor, und es wurde in der Bearbeitungsphase auch nicht forciert, wie eine Talkshow entlang einer spezifischen Fragestellung, die während der Diskussion stets leitende Argumentationsgrundlage sein sollte, strukturiert werden kann und welche sprachlichen Mitteln dazu geeignet erscheinen. Auch hinsichtlich des angemessenen Registers und den damit verbundenen Aspekten wie Höflichkeit wurde nicht vorentlastet. S1 hat seinen Leitfaden für die Moderation folglich lediglich auf Basis seines inhaltlichen und genrespezifischen Vorwissens erstellt, und es soll in der Folge darauf geachtet werden, wie sich dies auf die konkrete Aufgabenlösung auswirkt. Auch die anderen Gesprächsteilnehmer haben ihre Argumente nicht aufeinander abgestimmt. Dies verlangt im Verlauf der Diskussion ein hohes Maß an argumentativer Spontanität. S1 8: 02 Good morning dear audience. Dear discussing people. Thanks for coming ähm to S1-Tonight. Today we are going to discuss the topic 'Death Penalty' ähm and I think we should begin with a introducing round. You have two minutes of äh stating your position if the other ones have questions feel free to ask. Alright. We begin with S2. 5b, 10a 2b 3b 13a 3b 2a, 2b (sic! ) 2a, 3b S2 Hello ähm my name is S2 and I am here to ähm stand my position against the death penalty sin/ t/ since it's brutal and yeah inhuman. I don't think that it is any good to our state. 5b, 3b 2b, 8b 13b, 2c, 3a 8a S3 I'm S3 and I am a human rights activist for Amnesty International and I'm against death penalty because it is inhuman and it's against to basically human rights. 5b 13b 8a, 2a S4 My name is S4. My son was killed innocently by the state and I'm against it because no family should äh endure that kind of pain. 5b, 13b 3b, 8a S5 My name is S5 and I am a police officer. I am for the death penalty äh because it's just for the worst of the worst and not for everybody. 5b 13b, 3b 8a 90 4 Kodierung, Analyse und Interpretation: Zwei Beispiele 4.4 Dialogisches Sprechen: Talkshow zur Todesstrafe in den USA 91 S6 My name is S6 and my little sister was raped and killed by a man more or less a monster and I am for the death penalty. 5b,8a 13b S7 8: 03 My name is S7 and I'm working as an executioner so I am obviously for the äh death penalty. 5b 8b, 3b, 13b [Vorstellungsrunde] S1 leitet die Aufgabe ein, indem er das fiktive Setting einer Talkshow kreiert, dieser einen Namen gibt und kurz das Thema nennt. Es ist festzustellen, dass der Moderator die inhaltliche Einführung in die Thematik dabei vollständig den anderen Teilnehmern überlässt. Statt weiter auszuführen, was die Zuschauer zu erwarten haben, fordert er die Teilnehmer direkt zu einer Vorstellungsrunde auf (13a). Dabei soll auch bereits die Position innerhalb der Debatte dargelegt werden. Zwei Minuten wird als Zeitvorgabe gesetzt, allerdings wird nicht spezifiziert, ob zwei Minuten pro Person oder insgesamt vorgesehen sind. S2 stellt sich zwar namentlich vor, gibt aber keine Informationen hinsichtlich ihrer Rolle (8b). Der zweiten Aufforderung kommt sie nach, indem sie sich klar und begründet gegen die Todesstrafe positioniert (8a). S1 stellt offenbar nicht fest, dass die Angabe zur Rolle fehlt, denn er fragt nicht nach und ergänzt diese auch nicht. In Anlehnung an die Vorstellung von S2 fassen sich auch die anderen Teilnehmer recht kurz. Im Gegensatz zu dieser stellen sie aber ihre Rolle klarer heraus. Auffällig erscheint lediglich, dass S7 nicht argumentativ begründet, wie er zur Todesstrafe steht bzw. weshalb er dafür ist (8b). Aufgrund der Tatsache, dass er einen Henker verkörpert, erscheint ihm eine inhaltliche Begründung der Position unnötig. Im Gesamten dauerte die Vorstellungsrunde 1: 30 Minuten. Damit ist sie deutlich kürzer als S1 es erwartet hatte. Dies liegt offensichtlich in der Vagheit des Auftrags von S1 begründet ( You have two minutes for stating your position). Er reagiert allerdings auch nicht auf diese Begebenheit und signalisiert somit Einverständnis. Interessant erscheint auch die Überleitung. Nach der Vorstellungsrunde übernimmt S1 wieder das Rederecht und startet die inhaltliche Debatte auf sehr überraschende Weise, denn er gibt die Kontrolle direkt an das Publikum ab, indem er dieses bittet, die erste Frage an einen beliebigen Teilnehmer zu stellen. Auch an dieser Stelle entsteht der Eindruck, dass S1 Schwierigkeiten damit hat, der Talkshow Struktur zu geben. S1 8: 03 Next up I think we should start with a question from the audience to anyone of the discussing people. 5b, 2b 2b S8 S5 why are you exactly for the death penalty penalty? 5b, 4b S5 Ja well because we're not randomly choosing an unlucky guy who doesn't deserve to be dead. Ähm I mean well one argument could be that it is much cheaper [lacht] to do the death penalty than to yeah stay a long period in prison. [lacht] And äh maybe it could also be redemption for the äh murderer. I guess it is hard to live with ja such doings. Or maybe maybe they like [lacht] what they did but ähm could feel better. 5b, 13b, 3b 10b, 3b 3b, 13a, 7c 2b, 3b 2a, 7c, 5a, 3b 1c 3b, 2b, 3a 7c, 8b, 3b S4 8: 04 The thing is that ähm if you're convicting someone to äh death the person could be innocent like my son was and it could be overlooked again in some years they found out that it was the neighbour's boy or someone else. So äh you could just kill people for no reason. They could be just dead for no reason. 13b, 3b, 5a 3b 8a 2b 2a, 3b S6 The problem is that in the people's mind they would think maybe he isn't innocent. So you can't just just, äh keep him alive and äh the people would look at him like he's a monster like the man who killed my little sister. 13b, 5a, 5b 2a 3a 3b, 3a, 8b S5 Yeah. I think the most important argument is protection for the community members and you can't live with someone who killed and raped ähm a baby or something like that. It could be. I don't know. 5b, 13b 2a, 8b 2a, 3b, 10b 8b, 2d S8 But you can live with the thought of killing someone innocent? 5b, 13b, 4b S5 Yeah. 13b S3 8: 05 But if there is no evidence why should you kill someone? Why should you act as if you were God? 5b, 13b, 4b 4b S5 There is always an evidence. You can't say there is no evidence. 5b, 13b, 8b, 2a 92 4 Kodierung, Analyse und Interpretation: Zwei Beispiele 4.4 Dialogisches Sprechen: Talkshow zur Todesstrafe in den USA 93 S3 So in the United States people of some races are sentenced earlier than others without proper evidence. Ähm it's an act of discrimination. More black people are killed by death penalty than white people and I think you should get proper evidence before you make a choice to kill someone which is not to be rehearsed by something. Like if you kill someone the person is dead and if you find out oh the person is innocent then you are a monster. Then you are a murderer. 5b, 5a, 13b, 13c 1b 1b, 3b, 1b 8a 2b 2a, 5a 8a, 10b 5a 5a, 5c S10 Wow. 13b S6 But if it’s not innocent you are protecting the society. 5b, 13b, 2a S4 But you are also protecting the society when you put them in prison. It doesn’t äh they are still locked away. They can't just go on about and kill someone. 5b, 13b, 13c 2b, 3b, 3c 8a, 2b S6 8: 06 But people who kill little girls who have done nothing in their life do not deserve to live. 5b, 13b 2a S2 But don't you think that by killing them you show other criminals that it that killing someone is solving problems? 5b, 13b, 4b 3c S5 No it has a scary effect. I guess. 5b, 13b S2 & S3 No it doesn't. 5b, 13b, 8b S5 How do you know? I mean. When I think about my neighbour and I don't like him and I wanna kill him then I also think about mmmh no. I might be dead too because of the death penalty so I just leave him alone. 13b, 3b, 5b 10b 3b, 2d 8b S3 So surveys say that in countries in a hundred and four countries where they have abolished death penalty for good there are less crimes and murder than in countries who carry out death penalty. So I think your argument is invalid. 5b, 13b, 13c, 6a 2b, 8a, 1b 1b 1b, 5c, 5a, 2b S5 No I don't think so. [lachen] 13b, 8b, 7c S4 8: 07 So it has the scaring effect ähm if you carry out the scary effect but ähm why ähm why ähm should it scare some people. It says ähm if the state can kill someone they are not, no better than the person who was killed. 5b, 13b, 3b 2b, 2d, 3b 3b 2a, 2a, 8b S5 Of course! 13b, 8b S4 No! 13b, 8b S5 What? Don't you get it? 13b, 4b S4 No! No if you kill someone and you are killed. The state killed you. So both parties the murderer and the state killed. So basically … 13b, 5b 8b S5 Yeah. And then you don't kill because you don't wanna be killed by the state. 5b, 13b, 8a 10b S2 Well you do obviously because it's proven. 5b, 13b, 2d S6 Yeah but you won't [unverständlich] 5b, 13b, 8b S4 What? 4b S6 8: 08 Äh since you are dead you are not able to kill anyone else. 5b, 13b [Beginn der Debatte] Auch nach dem ungewöhnlichen Start der Talkshow entfaltet sich die Diskussion ohne Moderatorensteuerung. S5 geht auf die Frage aus dem Publikum ein und erläutert, warum sie für die Todesstrafe ist (13b). Unmittelbar im Anschluss an den Beitrag von S5 schaltet sich S4 in die Debatte ein und versucht das Argument zu entkräften (5b, 13b). Diese Struktur setzt sich auch fort, wenn S6 ein weiteres Pro-Argument für die Todesstrafe nachlegt (5b, 13b). In Bezug auf dieses ist allerdings zu sagen, dass es inhaltlich fragwürdig ist, schlägt doch S6 vor, auch die Hinrichtung eines vermeintlich Unschuldigen müsse man in Kauf nehmen, da er in der Wahrnehmung der anderen Menschen ein Monster bliebe (8b). S8 provoziert aus dem Publikum heraus an dieser Stelle weiter und hinterfragt, ob er mit dem Tod eines Unschuldigen leben könne (13b, 4b). Es entwickelt sich in der Folge eine Diskussion, die durch ungleich starke Argumente geprägt ist. Während die Contra-Seite durch gezieltes Angreifen der Gegenseite und die Untermauerung ihrer eigenen Argumente durch Statistiken die Oberhand gewinnt, fällt es der Pro-Seite zusehends schwerer, etwas entgegenzusetzen. Diese argumentative Schwäche zeigt sich exemplarisch, wenn S5 auf S3s Frage nach der Rechtfertigung einer Hinrichtung ohne Beweise trotzig reagiert 94 4 Kodierung, Analyse und Interpretation: Zwei Beispiele 4.4 Dialogisches Sprechen: Talkshow zur Todesstrafe in den USA 95 und behauptet There is always an evidence. You can’t say there is no evidence, ist aber auch an weiteren Stellen in diesem Abschnitt nachzuweisen. Gegen Ende des Abschnitts ist ebenfalls erkennbar, dass die Diskussion aufgrund der argumentativen Schwäche der Pro-Seite - jedes Argument wird leicht gekontert und es gelingt nicht, die Contra-Seite zu widerlegen - ins Stocken gerät. S5 und S6 beharren auf ihren hauptsächlich emotional geleiteten Meinungen und versuchen überhaupt nicht mehr, gegen S3 und S4 zu argumentieren. Eine Steuerung durch den Moderator S1 oder die Lehrkraft bleibt jedoch aus. In diesem Abschnitt deutet sich überdies bereits an, dass insbesondere S5 starke Probleme mit der Perspektivenübernahme und der eigenen Rolle zu haben scheint. Sie argumentiert nicht auf Grundlage ihrer Rolle (der einer rassistischen Polizistin), sondern versucht, sehr allgemeine Pro-Argumente anzubringen, von denen sie zudem selbst wenig überzeugt scheint, wie das verlegene Lachen an einigen Stellen zeigt (7c). Auch in der sprachlichen Leistung spiegelt sich die Unsicherheit. S5 tut sich mit der eigentlich nicht wertend formulierten Frage aus dem Publikum sehr schwer und macht den Eindruck, als müsse sie sich rechtfertigen. Sie verwendet bei der Anführung ihrer Argumente could und signalisiert somit Distanz gegenüber diesen. Weitere sprachliche Indikatoren für die Unsicherheit sind viele Füllkonstruktionen wie ähm, ja oder well (3b) sowie der Gebrauch von maybe bei der Vorstellung des letzten Pro-Arguments ihres Beitrags. Dieses wiederum ist zwar sprachlich verständlich, ergibt aber im Kontext der Argumentation keinen Sinn und leitet den Beitrag auch nicht klar aus. Da aber keine weiteren Argumente nachgelegt werden, eröffnet sich in der Folge für S4 die Gelegenheit, das Rederecht zu übernehmen. Auch S6 gerät bei der Anbringung seiner Argumente, insbesondere als direkte Reaktion auf Contra-Positionen, immer wieder ins Stocken und bedient sich verschiedener Füllkonstruktionen und Reformulierungen (3b). Im Kontrast zu den sprachlichen Leistungen von S5 und S6 steht die von S3. Sie gebraucht Fachbegriffe wie sentenced, act of discrimination, abolished oder proper evidence korrekt und hat offenbar ein breites Spektrum an sprachlichen Strukturen parat, um in der Diskussion zu bestehen und die Gegenseite anzugreifen (1b). Dies geschieht auch durch direkte, provokativ gestellte, Fragen (4b). Insgesamt scheint sie auch besser auf die Debatte vorbereitet zu sein, da sie unter Rückbezug auf konkrete Studien argumentiert und diese Argumente nur spontan an passender Stelle anbringen muss (6a, 13c). Die Rollen, die auf persönlichen und emotionalen Erfahrungen statt auf Fakten basieren (S5, S6), die zudem von den Lernenden nicht selbst gemacht wurden und auch nicht als Modelle in einer literarischen Vorlage zugänglich sind, sind zu Beginn der Debatte argumentativ im Nachteil. Hier zeigt sich exemplarisch, dass die spontane Abkehr von der Romanvorlage, die die Lehrkraft vorgenommen hat, die Argumentationsfähigkeit der Lernenden nachteilig beeinflusst. Zwar hat die Lehrkraft durch den Verzicht auf das Setting der Romanvorlage und durch die Wahl eines den Lernenden vertrauteren Genres (Talkshow), die Aufgabe auf den ersten Blick erleichtert, in der Betrachtung der Ergebnisse zeigt sich jedoch, dass eine bessere Vertrautheit mit dem Medium allein nicht genügt, wenn die einzunehmenden Rollen schülerfern und argumentativ schwierig sind. Hätte die Lehrkraft sich und ihrer Lerngruppe die Simulation der Gerichtsverhandlung zugetraut, wären die aus der Romanvorlage bekannten kontextualisierten Rollen für die Lernenden leichter zu erarbeiten gewesen, da einerseits eine klarere Distanz zwischen Rolle und der eigenen Position bestanden hätte, und beispielsweise S5 nicht in den Rollenkonflikt gekommen wäre. Andererseits hätten durch die Romanvorlage Argumente und Emotionen zur Verfügung gestanden, deren Übernahme leichter gefallen wäre. Auch der nächste Abschnitt führt die Ungleichheit der Argumentationsgrundlage sowie die Rollenkonflikte der Schülerinnen und Schüler vor Augen. S1 8: 10 Okay. Alright. Because we have the topic of putting a murderer into a prison right now ähm I would like to go back to something that S5 said. She said ähm, I am not pro or contra okay. Ähm, S5 said that it's cheaper to kill someone than to have someone in prison. First of all I would like to hear you. If you want to say something to that. Next up I would like to hear äh S3 because you are human rights activist. 5b, 2b 2b, 3b 3b 3b 13b 5a 5a, 2a 3b S5 Okay. So. I mean imagine you live your like well twenty years in prison you need food the whole day you need water and stuff and that's nobody can tell me something else it's much cheaper than just give someone a headshot. 5b, 13b, 3a 3a 8b, 2a 10b S3 8: 11 You can't just do that. You can't just compare a human life which is worth ten times or million times more than every sing (.) single piece of money on this earth to a price you have to pay for someone to get a chance to get better. So I think, I genuinely think that every person holds a little seed within them. A seed of chance a seed of improvement and I think you just can't kill the seed before it can unfold its roots. So if you kill a flower before it blooms the flower will never bloom. It's like that with improvement: You can't say a person is bad if you don't give them the chance to improve. And I think (.) 5b, 13b 3d, 3e 2b 5a 1b, 3a 1a 1a 2b 1a 8a 2a 3d 96 4 Kodierung, Analyse und Interpretation: Zwei Beispiele 4.4 Dialogisches Sprechen: Talkshow zur Todesstrafe in den USA 97 S5 Did you just compare blooming with killing? 13b, 8b, 4b, 5b S4 & S3 No. (lachen) 13b S3 I think you don't get the point here. So death penalty violates two basic human rights: The right to live and the right to live without torture. Have you thought about the imprisonment which is quite bad for the people if they know they are about to get killed? Some people wait forty or thirty years for their death penalty or for the carrying out of their death death penalty which comes äh which is quite similar to äh mental torture to them. So I think you should rethink your points. 13b, 5b 5a, 1a, 1b, 8a 13c 1b 4a, 2a 2a 2a, 3a, 3b, 3c 3b,5a 4b, 2b S6 8: 12 But you have one big mistake: People who kill just someone cold blooded their lives are not more valuable than the money you spend on them keeping alive. And a prison is a torture for them. 13b, 2b, 5b 2d, 2b 8b, 2b, 2d S3 But you don't know their motives. 13b, 5b S5 Yeah what motive could you have to kill …? 5b, 1b, 4b S6 A little girl. Six years old! She's just going from school back 13b, 2d S2 But, but if you have to wait twenty or thirty years like S3 said for your death penalty than it's just as expensive isn't it? I mean that doesn't make any sense. 13b, 3a, 5b 8a 13d S6 8: 13 To your point: Of course it isn't cheap but äh to just keep them thirty years and then kill them is cheaper than to keep them sixty years. And äh I don't know what motives a guy can have to kill the six year old girl just coming from school back home just wanting to play with her brother just play 'My Little Pony' or something like that. She didn't do anything in her life. She was just six years old. 13b, 5b, 5a, 3b 8a 2d, 3b 2d 2a 8b S2 But you are just talking about one case. Not everyone who is äh killed by the death penalty äh killed a six year old girl. 13b, 5a 3b, 3b S6 Yeah but those who have done. You say we shouldn't äh we mustn't kill anyone. Those people do not deserve to live. 13b, 2d, 5b 3b 8b S2 Yeah but you say: We mustn’t kill anyone because we're not allowed to kill. That doesn't make any sense. 13b, 5b 13d S6 Of course, it makes! 13b, 8b, 2a S3 8: 14 No. And you shouldn't kill people for revenge. 13b, 5b [Moderatorenimpuls & ungleiche Argumentationsgrundlage] S1 erkennt sehr spät, dass die Argumentation nicht voran kommt und mehr und mehr Redundanzen aufweist. Er greift entsprechend eine Aussage von S5 aus ihrem einleitenden Beitrag auf und macht diese zur weiteren Diskussionsgrundlage (5b). Nun soll es um die Kostenersparnis durch die Todesstrafe gehen, konkreter darum, ob eine Hinrichtung kostengünstiger als die Vollstreckung einer Haftstrafe sei. S1 betont, dass es er weder dafür noch dagegen sei und gibt Struktur und Redefolge vor (13b). Zuerst soll S5 Stellung beziehen und diesen Gedanken weiter ausführen, und dann soll sich S3 in ihrer Rolle als Menschenrechtsaktivistin äußern. Sehr pragmatisch argumentiert S5 dafür, dass die Kosten für eine zwanzigjährige Haft die Kosten für eine Todesstrafe deutlich überstiegen (13b). S3 hingegen antwortet mit einem sehr detaillierten Beitrag über den Wert eines Menschenlebens, der nicht mit Geld aufzuwiegen sei. Zudem elaboriert sie ihren Beitrag und gibt zu bedenken, dass man Menschen durch die Todesstrafe die Möglichkeit nehme, sich zu ändern (13b, 8a). Es entwickelt sich auch in diesem Abschnitt eine vergleichbare Struktur wie im vorherigen. Da es schwierig ist ein solches Argument, wie das von S3 vorgetragene, zu entkräften, fokussiert sich S5 auf den sprachlichen Gegenangriff. Sie liefert kein inhaltliches Gegenargument, sondern versucht den Contra-Beitrag trotzig zu attackieren ( Did you just compare blooming with killing? 13b, 8b). S3 erwidert, dass S5 offenbar nicht verstanden habe worum es gehe und bringt weitere Gegenargumente auf Basis der Menschenrechte an (13b, 8a). In der Folge wird die Debatte inhaltlich zunehmend chaotisch. Wieder gelingt es der Pro-Seite nicht argumentativ zu überzeugen. S6 bringt einen sehr ambivalenten Beitrag aus dem nicht ersichtlich wird, ob er nun für die Todesstrafe ist oder doch für eine lange Haftstrafe, die er als Qual ( torture ) bezeichnet (8b). Er bleibt zwar in seiner Rolle, kann aber aus dieser heraus keine allgemein gültigen Argumente anbringen und verstrickt sich in widersprüchliche, oder der Diskussion und der eigenen Position wenig dienliche Aussagen. Es dreht sich in der Debatte immer mehr um die Widersprüchlichkeit der Aussagen von S6 und immer weniger um den Fortgang des Austauschs von Argumenten. Auch hier erfolgt weder durch 98 4 Kodierung, Analyse und Interpretation: Zwei Beispiele 4.4 Dialogisches Sprechen: Talkshow zur Todesstrafe in den USA 99 den Moderator noch durch den Lehrer ein steuernder Eingriff. Die Contra-Seite begnügt sich damit, dass die Pro-Seite nicht in der Lage ist, sie argumentativ zu gefährden und negiert jedes der wenig überzeugenden Pro-Argumente recht zügig. Die Pro-Seite beharrt auf ihrer Position, auch wenn sie kaum ein Argument gewinnt. Auch sprachlich ist die Diskussion interessant. Abgesehen von S3, die auf einem anspruchsvollen Niveau argumentiert und angemessene Fachbegriffe verwendet (1a, 1b), flacht die Qualität der Diskussion mit zunehmender Zeit immer mehr ab. S5 und S6 driften in ein umgangssprachliches Register ab und ihre Fehlerzahl nimmt zu je mehr spontansprachliche Reaktionen die Debatte erfordert (10b). Das spontane Fehlen von guten Argumenten, welches sowohl in der schwachen Vorbereitung als auch in den schwer einzunehmenden Rollen begründet liegt, manifestiert sich in einem inhaltlichen Chaos (8b). Dabei fällt auf, dass nicht nur die Sprache und das Register schwächer werden, sondern auch der Aufgabenbezug immer häufiger verloren geht (8b). Der Lehrer erkennt die Dynamik zwar und merkt, dass die Debatte ungleich verläuft und argumentativ stagniert, entschließt sich aber nicht einzugreifen 43 , obwohl ein Eingreifen aus didaktischer Sicht angezeigt wäre. Die Schülerleistungen weisen auf einen Übungsbedarf hin, welchem nicht Rechnung getragen wird. Dieser Abschnitt wirft zudem erneut die Frage nach der Eignung des Themas und der Gestaltung des Diskurses auf. Es lässt sich an den Daten nachweisen, dass S5 und S6, die Vertreter der Pro-Seite, sprachlich weniger flexibel sind und auch mehr lexikalische, grammatikalische und morphosyntaktische Fehler machen als S3, die in diesem Abschnitt stellvertretend für die Contra-Seite argumentiert, dass es aber nicht ausschließlich in diesen Faktoren begründet liegt, dass sie argumentativ nicht überzeugen (2a, 2b, 2d). Vielmehr scheint es, dass die Rolle der Menschenrechtsaktivistin eine wesentlich plausiblere argumentative Grundlage liefert, deren Beiträge nur schwer zu entkräften sind, da sie meist auf moralischen und ethischen Grundsätzen basieren, als es die während der Aufgabenstellung spontan entstandenen Pro-Rollen gestatten. Von den Rollen und deren Vorbereitung in der Bearbeitungsphase hängen dann die Involviertheit der Lernenden im Verlauf der Diskussion einerseits und die argumentative Überzeugungskraft andererseits ab. Dem Moderator gelingt es nicht, durch das Anbringen unterstützender Argumente die Pro-Seite zu stärken und die Debatte im Gleichgewicht zu halten. Dies hängt auch damit zusammen, dass einer intensiven Auseinandersetzung mit möglichen Argumenten beider Positionen im Vorfeld der Aufgabe zu wenig Wichtigkeit beigemessen wurde. S8 bringt kurz darauf durch eine Wortmeldung einen Impuls aus dem Publikum, der die 43 Dies wird im retrospektiven Interview deutlich und dort auch weiter thematisiert. Argumentation zunächst wieder belebt und neu strukturiert (5a, 13b). Dieser wird im nächsten Abschnitt näher betrachtet. S1 8: 18 Okay. Wait a minute. We have a question from the audience. 13b S8 So wouldn't torture actually be a good thing? Like wouldn't you want a person who killed and raped your little sister to feel the pain for at least a couple days and to be sorry at some point? 5a, 5b, 13b 4b 2a S6 I would love them to feel it but I know that's much harder to be tortured every day … 13b, 5b 8b, 2a S8 That's easy to be in a jail with other persons knowing that you raped a six year old girl. 13b, 5b, 2a S6 As I said it's it's not humanity anymore if you let someone just think about his äh mistakes every day. I am thinking about my mistakes every day and I did make such great mistakes and it's a torture as well. 13b, 4c, 5b 3b 2a, 2a, 8b S1 Big mistakes. S3 But doesn't make that want you to improve yourself? 13b, 5b, 4b, 2a S6 No actually. It makes it worse. 13b, 2a, 5b S3 8: 19 If you think about your mistakes, don't you want to be a better person without mistakes? I think it is motivation. So, you should let the person think about their actions before you kill them because if they are not äh conscious of their behaviour or their misbehaviour in this case they can't improve and I think you should give them a chance to improve. 13b, 4b, 5b 5a 5a 3b, 2b 5a S6 Yeah but my biggest mistake was maybe thinking that I could drink one more beer or that I wouldn't get caught if I äh if I was heißt denn klauen ? Steal. And not just killing a six year old girl. Raping her to have him killed someone else. I personally didn't want to know if he was a (.) if he had killed someone else because in my opinion this guy is a monster and most of the guys who kill people are monsters. 13b, 5a, 5b 2a 2b. 3b, 1c 5a, 2d 2d 2a, 3e, 3d 100 4 Kodierung, Analyse und Interpretation: Zwei Beispiele 4.4 Dialogisches Sprechen: Talkshow zur Todesstrafe in den USA 101 S3 8: 20 Why do you generalize? You don't even know these people. There might be someone who killed another person because they raped her little sister. 13b, 4b, 5b 5a, 2a S5 So do you want to drink your coffee with a murderer? 13b, 4b, 5a, 5b S3 No I don't want to! But if the murderer is about to improve himself you might will in forty years time. 13b, 5b 2a, 8a S5 8: 21 Ja well and then he's also dead because he's old. 13b, 2a, 5b [kritischer Publikumsimpuls] S8 stellt S6 die Frage, ob Folter ( torture ) auch eine Strafe sein könne, schließlich zwinge sie den Verurteilten sich mit seinen Taten auseinanderzusetzen und füge ihm ebenfalls Schmerzen zu (4b, 5a, 13b). S6 antwortet wieder auffällig ambivalent. Die Äußerung I would love them to feel it but I know that's much harder to be tortured every day ist in ihrer Aussage im Kontext der Debatte nicht ganz klar (13b, 8b). Dies liegt an der grammatikalischen Unschärfe im letzten Teil. Es ist anzunehmen, dass S6 to be tortured every day auf sich selbst bzw. seine Rolle bezieht und nicht auf den von S8 zuvor angesprochenen Verbrecher (2a). Aus der sprachlichen Gestaltung der Äußerung ist dies nicht klar zu entnehmen. S8 interpretiert es offenbar so, dass sich die Aussage auf den Verbrecher bezieht und fügt in sarkastischem Ton indirekt hinzu, dass es ein verurteilter Kinderschänder im Gefängnis nicht leicht haben wird (13b). Dieses kommunikative Missverständnis zieht sich weiter durch die Diskussion. In der folgenden Antwort von S6 argumentiert er gegen eine Gefängnisstrafe, weil es unmenschlich sei, Verbrecher zum täglichen Nachdenken über ihre Taten zu zwingen. Dies erscheint im Kontext der Diskussion unlogisch und führt dazu, dass S3 hinterfragt, ob nicht auch etwas Positives aus der Reflexion der Taten resultieren könne (13b). S6 verstrickt sich immer weiter in Widersprüche und als die Pro-Seite das nächste Argument zu verlieren droht, schaltet sich S5 mit einem trotzigen Angriff auf S3 ein ( So, do you want to drink your coffee with a murderer? 4b, 13b), den diese argumentativ geschickt abwehrt (13b, 8a). Auch dieser Ausschnitt unterstreicht das zuvor beschriebene argumentative Muster. Zudem stützt er die Annahme, dass S1 mit der Leitung der Diskussion überfordert scheint. Der Moderator klinkt sich nur einmal in die Debatte ein, um einen sprachlichen Fehler von S6 zu korrigieren ( big mistakes, 2a). Der Ausschnitt dient ebenfalls dazu, die Relevanz des Faktors Spontaneität bei der kommunikativen Aufgabenstellung wie in diesem Fall die Simulation der Talkshow, zu thematisieren. Der kritische Publikumsimpuls verwickelt S6 in eine thematisch schwierige Diskussion, der er in dieser Situation weder inhaltlich noch sprachlich gewachsen zu sein scheint. Dies lässt sich gut mit den verschiedenen Codes zur Sprechleistung nachweisen. Zweimal wurde der Code 8b für fehlenden Inhaltsbezug verteilt, obwohl die Äußerung sprachlich in direktem Zusammenhang zu der vorherigen stand (13b). Die Häufung morphosyntaktischer Fehler im Verlauf der Diskussion sind ebenfalls Indikatoren für diese Beobachtung (2d). Es gelingt S6 schlussendlich nicht spontan ein plausibles Gegenargument zu entwickeln. Im Kontext der Diskussion steht dies im Kontrast zu S3, die die argumentative Schwäche von S6 im Umgang mit der Frage von S8 geschickt nutzt, um die Pro-Seite weiter zu schwächen. Hier wäre Unterstützung in Form sprachlicher Mittel für S6 hilfreich gewesen. Diese war jedoch in der Aufgabe nicht vorgesehen. Die grundsätzliche Rollenproblematik und die daraus resultierende Schwäche der Pro-Seite wurde bereits ausgeführt, lässt sich aber auch hier als wichtiger Faktor nennen. Analog zu dem zuvor betrachteten Ausschnitt lässt sich auch in diesem feststellen, dass die Kommunikation mit zunehmender Dauer immer chaotischer und fehlerhafter wird. Die Schüler sind zu diesem Zeitpunkt bereits etwa 20 Minuten am Diskutieren und die Konzentration lässt bei einigen Lernenden erheblich nach (S6). Die steigenden Fehlerzahlen und wenig stringenten Argumentationen sind Indizien für diese Beobachtung. Diese Auswirkungen sind auch auf die Aufgabenkonzeption und das Lehrerverhalten zurückzuführen. Durch die offene Aufgabenstellung und aufgrund der Tatsache, dass die Lernenden die Struktur der Talkshow selbst entwickeln müssen bzw. es an konkreten Vorgaben und inhaltlicher sowie sprachlicher Unterstützung fehlt, verläuft die Diskussion chaotisch. Der Moderator, dessen Aufgabe es sein sollte, die Debatte zu leiten und zu strukturieren ist mit dieser Rolle überfordert. Dies liegt an mangelnder Vorbereitung und an dem hohen Anspruch dieser Aufgabe, die S1 sprachlich nicht spontan bewältigen kann. Viele der Auffälligkeiten, die sich in der Datenanalyse offenbaren, lassen sich somit auf Faktoren zurückführen, die in der Erarbeitungsphase bereits hätten behoben werden müssen, beispielsweise durch klare Hinweise zur Vorbereitung der Rollen, zeitliche Vorgaben, sprachliche Vorarbeit und Vorentlastung sowie inhaltliche Impulse. Dies hat der Lehrer jedoch in der Spontaneität der Situation mit der geänderten Aufgabenstellung nicht bedacht und die Auswirkungen sind in den verschiedenen Phasen der Sprechaufgabe nachweisbar. Ein genreauthentisches Aushandeln von Inhalten findet hier nicht mehr statt, sondern die Aufgabe ist in einem derart hohen Maß von Spontaneität geprägt, dass es die Lernenden überfordert. Unmittelbar nach der Aushandlung dieses Arguments kommt es zu einer kurzen Gesprächspause, die S1 dazu veranlasst die Moderation zu übernehmen 102 4 Kodierung, Analyse und Interpretation: Zwei Beispiele 4.4 Dialogisches Sprechen: Talkshow zur Todesstrafe in den USA 103 und das Rederecht zu vergeben. Er entscheidet sich für S7, der sich bislang sehr zurückgehalten hat, was auch von S1 so verbalisiert wird. S1 8: 21 S7 do you have anything to say? 4b S7 Yeah. [Lachen des Publikums] S1 You didn’t say a lot. 13b S7 Actually I don’t care but äh [Lachen]. The thing is I have to buy food for my family and äh if death penalty äh was forbidden, I don’t have any job. So I have nothing learnt than being äh this and, äh, then I’m kind of living on the street. 13b, 5a, 3b 5a, 3b 3b, 2a, 5a 2a, 3b, 3b 2a S3 I get your point but I think your argument is kind of invalid because most people are äh äh murdered by poison so you could just work in hospital or something. Because your job is just to push a little thing into someone’s arm. 13b, 5b 3b 5a 8a, 5a 10b S7 Yeah but you need a kind of education for äh working in a hospital. And I don’t have it. 13b, 2b, 5b, 3b 8a, 5c S3 Yeah, but I think you have to be qualified to work. 13b, 5b, 5a S4 8: 22 Yes and you have to have äh you have to have had äh training in toxicology and with that you could go to a hospital and work there because you know the ähm kind of chemicals that have ähm effects on äh the body and you could be a medical person who could help and heal people. And now ähm there in a prison killing people. That is ähm beyond of ähm against äh, the ähm äh this this thing not the thing of … 13b, 3b, 5b 2a, 3e, 3b 1b 3b. 3b 5a, 1d 3b, 5a 3b 2d, 3b, 3b, 3e, 3b S3 The oath. 13b S4 The oath of Aristoteles, which is to always [unverst.] and never harm people or patients. 13b, 8b, 5b 5a S7 Yeah but I can't go to a hospital because it's another job so I have to äh to learn another job and I don't I can't äh pay this … 13b, 5b, 5a 3b, 8a, 3e 3b, 2a S6 [flüsternd] Education. 13b S7 This education. Ja. [Lachen] 13b S3 I think if you really would want it you didn't have to pay for it. So. 13b, 2a, 5b 2a S7 8: 23 I have to pay for it. 13b [Rolle des Henkers in der Debatte] S7 zeigt sich auffällig desinteressiert an der Diskussion und führt an, dass er für die Todesstrafe argumentieren muss, da er ohne diese arbeitslos wäre und seine Familie nicht ernähren könnte (13b). Dieses Argument liegt in der Rolle des Henkers begründet und hat mit der eigenen ethischen Positionierung zur Thematik nichts zu tun. Entsprechend nachvollziehbar ist es, dass S7 sich bislang in der Debatte zurückgehalten hat, denn seine Argumentationsgrundlage für das Beibehalten der Todesstrafe ist eine sehr schwache im Rahmen einer Grundsatzdiskussion über das Thema, die die Pro-Seite nicht vorangebracht hätte. Folglich fällt es der Contra-Seite, in diesem Fall durch S3 vertreten, auch sehr leicht, ihn zu entkräften, indem sie einen alternativen Job in Aussicht stellt, sollte es zur Abschaffung der Todesstrafe und somit zur Entlassung des Henkers kommen (13b). An dieser Stelle wird erneut deutlich, dass der Erarbeitung der Rollen im Vorfeld einer solchen Aufgabe zu wenig Beachtung geschenkt wurde. S7 hat die Rolle vorbereitet, doch ist sein Zugang ein persönlicher und kein politischer. Arbeitslosigkeit im Falle eines Abschaffens der Todesstrafe und die damit verbundenen Implikationen für die Familie des Henkers ist ein Konzept, das der Schüler erkennt und versteht. Es gelingt ihm aber nicht, sich in einen Henker hineinzuversetzen und Argumente zu entwickeln, die darüber hinausgehen. Hier zeigen sich die Grenzen der Aufgabe und die Schwierigkeit der Rolle, die wenig Identifikationspotenzial bietet und entsprechend schwer einzunehmen ist. Dies ist ein weiteres Argument für eine Orientierung an der Romanvorlage in Bezug auf die Wahl der Rollen und des Settings der Sprechaufgabe. Die Diskussion entfernt sich thematisch immer mehr von der ursprünglichen Fragestellung. Schließlich diskutieren die Lernenden über das Thema Bildung und wer diese zu finanzieren habe, speziell im Fall des Henkers S7. Die Betrachtung des Ausschnitts sowie des Verlaufs der Diskussion im Gesamten legt nahe, dass die Rolle des Henkers eine problematische ist. Sie gestattet es S7 nicht, sich selbstbewusst an dieser zu beteiligen. Auch die vorangegangene Recherche ermöglicht es nur in sehr beschränktem Maße, für die Rolle Argumente vorzubereiten. Dieser Faktor wurde aber in der Bearbeitungsphase zu wenig beachtet, sodass das Ergebnis nicht verwundert. Die Sprache verbleibt weiterhin auf einem recht niedrigen BICS-Niveau. Es werden gehäuft Codes aus der Kategorie 3 (Flüssigkeit) vergeben. Interessant erscheint daher die genauere Betrachtung 104 4 Kodierung, Analyse und Interpretation: Zwei Beispiele 4.4 Dialogisches Sprechen: Talkshow zur Todesstrafe in den USA 105 der Diskussion an den jeweiligen Stellen mit dem Ziel, den Umgang der Lernenden mit Abweichungen in dieser Kategorie zu eruieren, sinnvoll. Sowohl bei S7 als auch bei S4 treten diese Abweichungen auf. S7 ist in diesem Ausschnitt insgesamt aufgrund seiner Rolle argumentativ unsicher, was sich auch sprachlich in Füllkonstruktionen wie ähm zeigt und hauptsächlich dem Zeitgewinn dient (3b). S4 agiert aus einer argumentativ überlegeneren Position, muss sich aber ebenfalls durch Füllkonstruktionen häufiger Zeit zum Nachdenken und zum Strukturieren seines Beitrags verschaffen. Anders als im Fall von S7 aber liegt hier eine wesentlich spontanere Sprechsituation vor, die das Auftreten von Indikatoren für mangelnde Flüssigkeit wahrscheinlicher macht. S4 hat diese Beiträge nicht vorbereitet, sondern sie entstehen spontan als Reaktion auf die Ausführungen von S7, die er zu widerlegen versucht. Somit zeigt sich in diesem Ausschnitt, dass Spontaneität erneut stark mit mangelnder Flüssigkeit korreliert, ebenso wie mit argumentativer Unsicherheit, die sich aus anderen Faktoren ergibt (hier Rollenkonflikt und zu oberflächliche Vorbereitung). Der Umgang der anderen Gesprächsteilnehmer mit der jeweiligen Situation ist ebenfalls auffällig, da er in beiden Fällen identisch ist. S4 erhält Unterstützung von S3, die merkt, dass ihm der Begriff oath nicht einfällt, weil er es durch Füllkonstruktionen und Reformulierungen deutlich markiert, und gestattet ihm somit das Argument auszuführen (13b). S7 bekommt von S6 den Begriff education angeboten, damit er seinen Gedanken ausdrücken kann, was ihm durch die lexikalische Lücke zuvor nicht flüssig gelang (13b). 44 Die Lernenden greifen in diesem Fallbeispiel selbstständig ein, wenn die Diskussion aufgrund lexikalischer Lücken ins Stocken gerät und sie einen passenden Ausdruck parat haben. Dabei unterstützt immer ein anderes Mitglied aus der Gruppe den jeweiligen Sprecher. Der Lehrer wiederum greift an keiner Stelle unterstützend ein und beteiligt sich nicht helfend. Der letzte Abschnitt, der an dieser Stelle der Arbeit betrachtet werden soll, ist der Abschluss der Debatte. S11 audience 8: 42 Well, you think that two people are worth more than a single one? 13b, 4b, 5b S4 No. Because life is always you can't value life against life. You can't value life against lives and lives against lives because life is not of value it is just there and is always of greater is always greater than anything else. 13b, 2d, 3e, 5b 5a 3e 44 Allerdings ist die angebotene Alternative ebenfalls nicht optimal. Besser wäre qualification . Sie löst allerdings akut das sprachliche Problem des Lerners hinsichtlich des stockenden Redeflusses. S1 S6 and S7 say something! 4b S3 So are there any more arguments? 13b, 4b S5 Äh, sorry I don't listen. [lachen] 7c, 7e, 2a S3 In general. Any more? S16! 13b, 4b S16 Äh I have a question to S7. So is the only reason that you are for death penalty that ähm you are going to lose your job when you're äh when it's when it isn't allowed anymore or do you have a new opinion to this point? 13b, 3b, 4b 5b, 3b 3b, 3e 2b 2a S7 Yeah I think äh death penalty has some good points but the äh main point is that I would lose my job so I don't have any content to äh these criminals or äh any victims of all these criminals äh these crimes so. Yeah as I said before I don't really care about these people. 13b, 3b, 5b 3b 8a, 2b, 3b 3b, 1b 3b, 2d S1 S16. 4b S16 8: 43 When the guy who you kill is a family member would you kill him or not? 13b, 2a, 5b 2d S7 I have to. It's my job. [lachen] 13b, 8a S16 Yes but you have a connection to him. Maybe it's emotional so … 13b, 5a S7 Yeah but I äh would know what he has done so. 13b, 3b, 5a S4 I think ähm we have more executioners in the States that he wouldn't have to do it. I think there are more ähm positions who ähm apply a deathly syringe to the person so that he wouldn't have to kill his brother. 13b, 3b, 5b 1b, 2a 2d, 3b, 2b, 3b, 1b S1 Okay I think that's a good point. [lachen] That's a good end. Actually it's likely that our broadcasting time is over. 13b 5a, 5c, 2b S3 May I have a last word? Yes! 13b, 4b S1 8: 44 Everyone can have a last word. Ähm yeah. You have two minutes actually of time to talk. You could use ten seconds it's it's okay but ähm maximum time is two minutes. You start S7! 13b, 5b, 3b 3b, 2a 3a, 3b 4b 106 4 Kodierung, Analyse und Interpretation: Zwei Beispiele 4.4 Dialogisches Sprechen: Talkshow zur Todesstrafe in den USA 107 S7 I liked the discussion but I think we äh we had no äh no really good arguments for and against so we äh yeah I don't know I could but I äh it doesn't changed my äh my äh find äh about this äh topic. 13b, 8b, 5a 3b, 2d 3b, 5a 3b, 2a, 1c, 3b, 2b S6 8: 45 Okay I think you had some good points but in general no one of you is able to feel what I feel no. [lachen] No! And, ähm, so in the end I can say you didn't äh prove me wrong in my opinion. So yeah. 13b, 8a, 5b, 5a 3b, 5a 3b S1 Right. Thank you. 13b S5 Yeah I agree with S6. Ähm [lacht] ähm yeah I think you must protect the society from psychos like this. 13b, 3b, 8a, 5b S4 Ähm in my opinion the pain that I felt after the death of my son äh, is too great äh to äh just have others feel it. I don't want other people to feel it so I don't want the death penalty. Even though they may have been äh guilty they may have been innocent. No matter what the per(.) äh the family of th/ i/ murdered person is still feeling this pain and I don't want anyone else to feel it. So I'm against the death penalty. 13b, 5b. 3b 3b, 3b 8a 5a 2a, 1b 5a, 3d, 3e, 3b 2c, 5a 8a, 5a S3 8: 46 I think it's quite sad that we couldn't agree on basic human rights because our founding fathers agreed äh on the declaration of indep/ i/ ndence in which is stated that all men are created equal. That they are done by their creation with certain unal(.) unalienable rights that among these are life liberty and pursuit of happiness. And I think you can't talk of life liberty or happiness if you kill someone just because you think they are not equal to other people. 13b, 13c, 5b 8a 5a,1b, 2c 5a 1b 3e, 1b 1b, 5a 5a 8a S2 8: 47 Yes I actually think that this is a very nice finish. So I'll stick with our basis äh basic human rights too. I think if we get rid of the death penalty we can actually save our country more than by having it. [Applaus] 13b, 5b, 2b 3e, 3b 5b 2b [Abschluss der Debatte] In diesem Auszug aus den Daten fällt auf, dass S3 versucht die Steuerung über die Debatte zu übernehmen, insbesondere mit der Zielsetzung, diese zu einem Abschluss zu führen (13b, 4b). Als sie feststellt, dass S6 und S7 der Aufforderung des Moderators zur Stellungnahme nicht nachkommen werden, fragt sie gezielt nach, ob es von irgendeiner Seite noch weitere Argumente gebe. Sie belässt es aber nicht bei dem Hinweis, sondern übernimmt direkt die Verteilung des Rederechts und damit die Moderatorenrolle in dieser Szene, wenn sie S16 aus dem Publikum aufruft. S16 versucht dann nochmals die Rolle des Henkers zu attackieren und erneut offenbart sich die argumentative Schwäche dieser Rolle (sprachliche Fehler, Überforderung). Schließlich übernimmt S1 wieder die Moderatorenrolle und versucht die Debatte abrupt zu beenden (13b, 5c). Dass die Übernahme der Rolle nicht mit einer konsequenten Steuerung einhergeht, belegt in diesem Beispiel die Tatsache, dass S3 erneut eingreift und ein Abschlusswort einfordert. Diesen Impuls übernimmt S1 und gewährt schließlich allen Teilnehmern die Möglichkeit auf ein Abschlussplädoyer (13b, 4b). Er macht an dieser Stelle, anders als bei der Erteilung des Rederechts für die Vorstellungsrunde, präzisere Vorgaben was Struktur und Ablauf betrifft. Dies umfasst allerdings keine inhaltlichen Vorgaben. Dadurch, dass in den Phasen 1 (Aufgabenstellung) und 2 (Bearbeitung) keine konkreten Vorgaben zum Ablauf der Talkshow gemacht wurden und den Lernenden damit aufgabenbzw. lehrerseitig keine Struktur geliefert wurde, mussten sie während der Präsentationsphase selbst eine Lösung finden und die Aufgabe zu einem Abschluss bringen. Dies spiegelt sich im oben geschilderten, recht chaotischen Ablauf wieder. In der Abschlussrunde fällt besonders auf, dass S7 aus der Rolle fällt. Er übernimmt nicht die Perspektive seiner Rolle und untermauert auf Grundlage dieser seinen Standpunkt, sondern reflektiert retrospektiv die Debatte und deren Gehalt aus seiner Sicht (8b). S6 bleibt indes in seiner Rolle und legt dar, dass es die Contra-Seite nicht geschafft habe, ihn von seinem Standpunkt abzubringen. Auffälligerweise stimmt S1, der Moderator, zu und verlässt erneut seine neutrale Position (13b). Die Contra-Seite schafft es durch S3 und S2 auch im Abschlussplädoyer argumentativ mehr zu überzeugen (13b, 1b, 8a). An dieser Stelle übernimmt nun erstmals der Lehrer die Kontrolle und leitet die Feedbackphase ein. 108 4 Kodierung, Analyse und Interpretation: Zwei Beispiele 4.4 Dialogisches Sprechen: Talkshow zur Todesstrafe in den USA 109 L8: 48 Stay there! Alright! Okay guys order! Alright ah just before we arrange the the setting here ah just very very quickly: Think about what was just going on. Yeah so ähm questions basically for those who haven't said much. How did you ähm yeah how did you view the conversation? Or how äh what do you think what äh was the discussion like for you? How did how did you experience it? S17! 18c S17 I think this side (zeigt auf Contra-Seite) was very good. I understood all of the arguments but this side (zeigt auf Pro-Seite) either it was just no or some of the arguments were just ununderstandable for me. 15f, 14a 2b L Okay. Yes, S18. 19a S18 Ähm, I really liked it but I äh this morning I thought maybe it would be more it would be louder so I thought they would get in a … 15f S14 Bitchfight. 10b S18 8: 49 …a conflict. Sometimes I thought they're really nice to each other. So if I think about having a sister being raped and killed I think I would be more angry. Or ähm if I would work in a prison or I would be the executioner I think I would be much more for my point. 15i 15a, 2a 5a, 3b 2a 2b L Okay. Ähm I have to say that this is very very difficult for for you students to just ähm try to ähm yeah go in deeper into this role yeah. And and because may it it sometimes maybe too too emotional. Yeah ähm and I think it's hard for someone who has a completely opposite view. So ähm I think that ähm the ähm side side that was against äh that was pro death penalty ähm that it's much harder for them yeah to to really to really play the role so that they are ähm believable okay? S19. 19b S19 8: 50 I also liked the discussions. So both sides had good arguments but there is a reason why we do not have a death penalty anymore in most countries so obviously this side had like the better arguments because of the human right argument which is like the ähm like it's so much ähm about laws like saying I will maybe lose my job or my sister got raped like it wasn't so fair for them because they just couldn't have better arguments because like it's not their hobby to think about death penalty every day so. 15f 15a 2a 15i L Yeah. Good point. So I totally agree. S 20. 19a S20 I agree at these points and I think it was good that there aren't long breaks so if one side ähm ja says äh said this arguments the other side answers directly this was very good. 15f, 2a 3b 3b, 2a L There weren't not there aren't because it was in the past. Good. S3. 19a S3 8: 51 I wouldn't talk of any arguments being better than others because I think you had good arguments äh for your roles ähm I think they are just from a different point of view. Äh you argued from a personal point of view and we tried to argue from a legal point of view which is completely different. Like if I was personally engaged in something like this I wouldn't want to argue than I would be more emotional and maybe just a little for death penalty because I myself are engaged in this and I feel pain but from a legal point of view everyone is equal and I think we just couldn't get a comprom/ is/ äh because yeah you're just engaged in it and we're not. And I think for that we did a quite good job. 15a 15b 15f 15b 2c L Think so too. Ähm just my äh äh corrections: It's compromise. S21. 19a S21 8: 52 I think this side was actually good more better than this side. I'm sorry. Ähm I think it's because äh we learn in school that like for example everyone is equal that you should not kill and I think I think it's because ähm our actually äh our belief you know? 15f, 15i, 2a 3b, 3b 5a, 3a 3e 3b L S4. Kein Feedb. 110 4 Kodierung, Analyse und Interpretation: Zwei Beispiele 4.4 Dialogisches Sprechen: Talkshow zur Todesstrafe in den USA 111 S4 To S3 I tried to go on the emotional side that S6 was onto but ähm on the äh on the oth(.) on the other side I didn't want it to become ähm a shit show because it would probably become äh äh screaming and like the other arguments had [unverständl.]. That was quite fun. 15i 3b 3e, 3b L 8: 53 Yeah wow. That was my biggest concern that that äh this might get out of hand ähm but you I mean especially you guys you behaved very well ähm I mean … [lachen] I mean you can do worse but ähm anyhow I mean it's it's it's I I believe that well there was more there was more there would be more fun yeah but ähm actually it was very very calm ähm yeah. So it could have been much worse. Ähm question to you guys ähm no for everybody ähm did you feel emotionally ähm yeah ähm involved in this whole thing? Did you did you get emotional at all? So about that about the arguments that were said and ähm, S5. 19a, 19b S5 8: 54 Yeah but just because of my inner conflict. Because I was just like yeah you’re right and I have to say something like no you're not and you suck [lachen] that was a bit hard and yeah also I had to act like I'm a racist cop but that was way too much. I couldn't do that because it was so hard to just act like I'm for the death penalty and then äh also act like I'm racist and that was way too much. 15a, 15b L S7! Kein Feedb. S7 Yeah I think äh we had an argument and it was so easy for them to äh to argue against it and sometimes we said something and they started speaking and he looked to me and said äh fuck. [lachen] So äh it was äh obviously that they äh äh argued against us and we had no chance. 15a, 15b, 3b 2a, 3b, 10b 5a, 3b, 3b, 3b L Okay. S6! 19a schwach S6 I think I also got a bit emotionally but only because I … Emotional? 15b 3e L Mhm. S6 Äh but only because I didn't like the person playing like … 15b, 3b L Alright but this is all about acting. 19a S6 8: 55 Yeah of course! But I did a good job! [lachen] 15b L You think so yeah. Okay. S21! Zweifel S21 The only emotion I had at them was anger because some arguments were just not logical. 15f L Can you give an example? S21 Well it kind of logical but S7 said for example but do you want to trade your sister's life with money or do you want to be a murder or do you want to trade the murder's life with money? But that isn't the … 15i, 15f L Point? S21 That isn't the point äh it is because äh it should be a penalty not a trade for a life with money. 15f L Okay. Do you want to defend yourself? S7 No. [lachen] L S19 first and then S20 and then we have to äh rearrange the seating arrangement. Kein Feedb. S19 8: 56 I think you could only get emotional if you think about people getting murdered by other people and those people just getting out of prison like maybe ten years later because they maybe changed so. Like I've watched a lot of movies and read a lot of books where this kind of stuff happens so you could get emotional by thinking about like some of us here getting like killed and then just ähm the murderer getting free and meeting him every day maybe at some place like I don't know. 15f, 15i L At a coffee house for example. Okay. Good. Kein Feedb. S20 I wanted to say the same. L8: 57 Wow. Alright. Yes. Thank you very much. Äh I think it was a vivid ähm discussion ähm please rearrange the tables and the chairs. 19a, 19e allg. Lob hinsichtl. Ablauf [Feedbackgespräch] 112 4 Kodierung, Analyse und Interpretation: Zwei Beispiele 4.4 Dialogisches Sprechen: Talkshow zur Todesstrafe in den USA 113 Der Lehrer eröffnet die Feedbackphase und lässt zunächst die Lernenden aus dem Publikum ihre Auffassungen darlegen. Die Leitfrage ist recht offen. Die Lernenden sollen ihre Sicht auf die Debatte vorstellen und beurteilen, wie sie diese wahrgenommen haben (18c). S17 liefert den ersten, recht allgemein gehaltenen Beitrag. Sie betont, dass die Contra-Seite die überzeugenderen Argumente geliefert habe und sie nicht alle Pro-Argumente habe nachvollziehen können ohne dies jedoch zu exemplifizieren (14a, 15 f.). Der Lehrer gibt sich mit dieser Aussage jedoch zufrieden und fragt nicht weiter nach. Stattdessen bittet er S18 um den nächsten Beitrag (19a). Sie zeigt sich mit der Debatte im Großen und Ganzen zufrieden, moniert aber fehlende Emotionalität von Seiten der Teilnehmer. Konkret gibt sie die Rollen von S6 und S7 beispielhaft an. Interessant erscheint die Auffassung im Lichte der Beobachtung, dass die meisten Pro-Rollen so angelegt zu sein scheinen, dass sie hauptsächlich auf der emotionalen Ebene und wenig auf einer inhaltlichen Grundlage basierend argumentieren können (15 f., 15i). Der Lehrer greift an dieser Stelle ein und hebt die Schwierigkeit des Perspektivenwechsels hervor. Manche Rollen seien aufgrund ihrer Emotionalität sehr anspruchsvoll oder stünden in Konflikt mit der eigenen Meinung zur Thematik (19a, 19b). S5 bestätigt dies im Verlauf des Gesprächs und merkt an, dass es ihr sehr schwer gefallen sei, ihre Rolle als rassistische Polizistin zu verkörpern. Sie habe sich in einem inneren Konflikt befunden und es sei einfach zu viel für sie gewesen, für die Todesstrafe argumentieren zu müssen (15a, 15b). Auffällig ist, wenn man die Redebeiträge von S5 genauer betrachtet, dass sie ihre Position für die Todesstrafe zu sein zwar argumentativ vertritt, aber ihre Rolle als Polizistin nie einnimmt und aus deren Perspektive spricht. Auch ihr häufiges Lachen während des Argumentierens lässt den Schluss zu, dass sie sich selbst nicht überzeugend findet und keinesfalls den Anschein erwecken möchte, sie sei persönlich für die Todesstrafe. Auch S6 äußert Schwierigkeiten mit seiner Rolle als Bruder des Vergewaltigungsopfers. Er habe die Rolle nicht gemocht, fand sich aber überzeugend (15b). Die Reaktion des Lehrers lässt darauf schließen ( You think so ), dass er nicht zustimmt oder S6 zumindest im Zweifel lassen möchte. Eine differenzierte Kritik durch den Lehrer bleibt jedenfalls aus. S19 aus dem Publikum resümiert, dass die Contra-Seite es leichter gehabt habe in der Diskussion zu punkten, da sie auf Grundlage von Gesetzen und Menschenrechten argumentieren durfte. Sie kritisiert auch die Konzeption der Pro-Rollen und das Thema der Talkshow im Allgemeinen. Es sei nicht fair gewesen, da die Pro-Seite nicht viel habe besteuern können, was auch darin begründet liege, dass das Thema sehr schülerfern sei. Es sei nicht das Hobby von Schülerinnen und Schülern täglich über die Todesstrafe nachzudenken. Auch die emotionale Aktivierung sei in dieser Aufgabe problematisch gewesen, weil es bei solchen Themen an eigenen emotionalen Erfahrungen fehle (15i, 15 f.). Die angesprochene Ungleichheit der Argumentationsgrundlage wurde in diesem Kapitel bereits mehrfach an den Daten belegt. Die Rückmeldung der Schülerin S19 aus dem Publikum sowie die Erfahrungsberichte der an der Debatte direkt beteiligten Schüler/ innen S3 und S7 stützen diese Beobachtungen. Auch der Lehrer stimmt zu, kommentiert dies aber nicht weiter. Insgesamt verbleibt der Lehrer während der Feedbackrunde weitestgehend in der Moderatorenrolle. Er verteilt das Rederecht und lässt die meisten Beiträge zustimmend, aber inhaltlich unkommentiert, stehen. Es fällt auch auf, dass er mehr Wert auf das Korrigieren sprachlicher Fehler ( there weren’t, not there aren’t because it was in the past/ it’s compromise ) legt als auf den ausgehandelten Inhalt. Zwar interessiert ihn die emotionale Aktivierung, allerdings thematisiert er nicht den eigentlichen Verlauf der Diskussion und äußert sich selbst kaum zur Aufgabe. 4.4.4 Zwischenfazit dialogisches Sprechen Die Fallanalyse hat gezeigt, dass sich die Durchführung einer derartig komplexen Sprechaufgabe als schwierig erweisen kann, wenn verschiedene Faktoren nicht hinreichend beachtet werden. Diese Beobachtungen werden an dieser Stelle aufgelistet und sind in der Hauptstudie zu überprüfen und zu ergänzen. Zur besseren Nachvollziehbarkeit, sind sie den Forschungsfragen zugeordnet und bezogen auf diese kommentiert: Forschungsfragen 1 und 2: Wie wird im Englischunterricht der gymnasialen Oberstufe Sprechkompetenz gefördert? Welche Sprechaufgaben stellen Lehrkräfte und wie gehen die Schülerinnen und Schüler damit um? - Sprechkompetenzförderung geschieht in diesem Fallbeispiel entlang einer realweltlichen Problemstellung (Für und Wider der Todesstrafe in den USA) im Rahmen eines den Lernenden vertrauten sprachlichen Genres (Talkshow) (vgl. Hallet 2012) - Die Sprechaufgabe wird aufgrund einer didaktischen Entscheidung des Lehrers aus dem thematischen Zusammenhang der vorherigen Unterrichtsstunden gelöst und verliert den Bezug zur Romanvorlage To Kill a Mockingbird . Dieses Fallbeispiel zeigt exemplarisch auf, dass Lehrende gelegentlich das didaktische Potenzial literarischer Texte zur situativen Förderung kommunikativer Kompetenzen unterschätzen und sich deshalb gegen die Textgrundlage entscheiden. Die Analyse der Daten hat aber gezeigt, dass die auftretenden Probleme bei der Aufgabenlösung durch eine inhaltliche Orientierung an der Textvorlage hätten reduziert werden können. Konkret zu nennen sind die Rollenproblematik sowie die Probleme mit dem Perspektivenwechsel, die Reduktion der Komplexität des Problems durch die Vorgabe eines fiktionalen 114 4 Kodierung, Analyse und Interpretation: Zwei Beispiele 4.4 Dialogisches Sprechen: Talkshow zur Todesstrafe in den USA 115 Falls, der in der Literatur vorkommt, und das fehlende sprachliche und inhaltliche Gerüst, das die Romanvorlage hätte liefern können - In diesem Aufgabenbeispiel hat sich der Lehrer sowohl in der Bearbeitungsphase als auch in der Präsentationsphase sehr zurückgehalten. An einigen Stellen der Diskussion, insbesondere als der Moderator mit der Steuerung überfordert war, hätte der Lehrer steuernd eingreifen können. Es ist anzunehmen, dass dies mit dem Faktor „Aufgabenkonzeption“ zusammenhängt. Je zielgerichteter die Aufgabe konzipiert ist und je mehr Orientierungsmöglichkeiten den Lernenden durch andere Quellen (Text, Aufgaben etc.) gegeben werden, desto weniger Steuerung durch den Lehrer sollte notwendig sein. In der Feedbackphase gab es wenig Bezug zum Verlauf der Diskussion. Eine gezielte Rückmeldung zur Bewältigung der Sprechaufgabe und zur sprachlichen Leistung der Lernenden blieb aus. - In der Bearbeitungsphase wurde der Schwerpunkt auf die inhaltliche Erarbeitung der Rollen gelegt. Eine sprachliche Vorentlastung war nicht vorgesehen und es oblag den Lernenden, sich sprachlich angemessen auf die Talkshow vorzubereiten - Hinsichtlich der Sprechzeit ist anzumerken, dass die Debatte zwar im Gesamten 60 Minuten der Unterrichtszeit in Anspruch nahm und den teilnehmenden Lernenden viele Gelegenheiten zur Sprachproduktion (geplant wie auch spontan) lieferte, der Großteil der Lernenden jedoch in einer passiven Hörerrolle verblieb und sich nur einbringen musste, wenn er es selbst wollte. Somit haben die meisten Lernenden im Rahmen der Sprechaufgabe selbst keine Möglichkeit gehabt, ihre kommunikativen Kompetenzen zu fördern. Forschungsfrage 3: Wie werden sie gelöst und welche Schwierigkeiten treten auf? - Die Lernenden haben sowohl in der Bearbeitungsphase als auch in der Präsentationsphase viel Eigenverantwortung. Sie müssen die Rollen ohne konkrete Vorgaben erarbeiten und sind bei der Strukturierung des Diskurses ebenfalls auf sich allein gestellt. Sie verfügen zudem offensichtlich nicht alle über die Strategien, sich eine Rolle vorbereitend zu erarbeiten. Insbesondere die komplexe Moderatorenrolle 45 wurde unterschätzt, was dazu führte, dass die Steuerung der Debatte oft ausblieb, Argumentationsketten redundant wurden und andere Lernende als der Moderator dessen Funktion teilweise übernahmen. Die Rollen wurden nicht im Vorfeld der Aufgabe hinsichtlich ihrer Wirksamkeit und hinsichtlich der Qualität dessen, was sie in der Lage sind zur Diskussion beizutragen gewählt, sondern in einem spontanen Brainstorming mit den Lernenden gesammelt. Dies führte zu einer starken 45 Diese wird in einem der folgenden Unterpunkte noch genauer ausgeführt. Dominanz der Contra-Seite und einer argumentativen Aussichtslosigkeit der Pro-Seite. Es fehlte zudem eine konkrete Aufgabenstellung, die Struktur in die Vorbereitung der Debatte gebracht und ein Konzept für die Struktur der Talkshow geliefert hätte. Für das Publikum gab es während der Debatte keinen Hörauftrag. Zudem gab es kein Arbeitsmaterial, das für eine lehrerseitige Absicherung dahingehend hätte sorgen können, dass alle Rollen inhaltliche Argumente und sprachliche Strukturen zur Verfügung haben. Die Abkehr von der Romanvorlage hat den Lernenden, wie schon ausgeführt, eine solche Quelle genommen. Das neu gewählte Thema Todesstrafe ist sehr anspruchsvoll und wird von den Lernenden als recht schülerfern empfunden - Hinsichtlich der Sprechleistung lässt sich konstatieren, dass insgesamt auf einem angemessenen sprachlichen Niveau diskutiert wurde, allerdings auch große Unterschiede zwischen den einzelnen Sprechern bestehen. Insbesondere die Leistung von S3 ist in diesem Fallbeispiel hervorzuheben. Im Vergleich zu anderen Lernenden hat sie ihre Rolle recht intensiv vorbereitet. Dies zeigt sich in den Kategorien Spektrum (viele Fachbegriffe korrekt verwendet, flexibler und variantenreicher Wortschatz), Kohärenz (besonders Verknüpfung von Argumenten und Einleitung von Beiträgen), Flexibilität (spontanes Reagieren auf die Beiträge der Gegenseite, spontane Verknüpfung von eigenen Argumenten und denen der anderen Lernenden) und Inhaltsbezug (Beiträge sind der Argumentation dienlich, Beiträge sind inhaltlich korrekt und angemessen). Die Lernenden S5 und S6 argumentieren, aufgrund ihrer Rollen, emotional geleitet und haben sich inhaltlich weniger intensiv vorbereitet. Dies spiegelt sich gleichwohl in ihren Sprechleistungen, die in den Kategorien Spektrum, Korrektheit, Flexibilität und Inhaltsbezug im Vergleich zu den Lernenden S2, S3, S4 und S8 auf einem niedrigeren Niveau sind. Auch hier korreliert die Intensität der Vorbereitung mit der Qualität der sprachlichen Leistung. S5 und S6 haben beide Probleme, sich mit ihren Rollen zu identifizieren und werden beide unsicher, wenn die Gegenseite versucht ihre Argumente zu widerlegen oder sie direkt konfrontiert (4b). Die Sprechleistung des Moderators S1 ist von denen der anderen Lernenden getrennt zu betrachten, da die Anforderung während der Aufgabe an diesen eine deutlich andere ist. Er muss das Gespräch lenken und strukturieren, beide Positionen und deren Argumente gut kennen, und sehr flexibel auf die Gegebenheiten der sich entwickelnden Gesprächssituation reagieren können. Wie in dieser Fallstudie festgestellt werden konnte, lieferten weder Aufgabenstellung noch Material eine Hilfestellung zur Erleichterung dieser sehr anspruchsvollen Sprechaufgabe. Die Vorbereitung der verschiedenen Positionen und Rollen erfolgte durch S1 in der Erarbeitungsphase nur sehr knapp und, wie es an den Daten gezeigt werden konnte, wirkt sich dies auf die Gestaltung des Diskurses aus. 116 4 Kodierung, Analyse und Interpretation: Zwei Beispiele 4.4 Dialogisches Sprechen: Talkshow zur Todesstrafe in den USA 117 S1 hat Probleme damit den Diskurs zu steuern und gibt die Verantwortung für das Gespräch an einigen Stellen ab (z. B. an S3, S8 oder das Publikum). Er erkennt die Dynamik zwar, die sich im Verlauf des Gesprächs entwickelt, kann aber nicht dazu beitragen, dass sich dieses argumentativ ausgeglichener gestaltet. Auch fällt es ihm sehr schwer, den richtigen Zeitpunkt und die geeigneten sprachlichen Mittel zur Beendigung der Debatte zu finden. Der Moderatorenrolle kommt im Rahmen eines solchen Genres eine Schlüsselfunktion zu und die Erarbeitung dieser Rolle ist von großer Wichtigkeit für den Erfolg der Aufgabe. Die Studie hat exemplarisch aufgezeigt, wie sich eine zu oberflächliche Vorbereitung einzelner Rollen und ein zu offen formulierter Arbeitsauftrag auf das Resultat und auf die Sprechleistung der einzelnen Lernenden auswirken können. - Die Fallstudie konnte aufzeigen, dass die Lernenden nicht nur inhaltliche Schwierigkeiten mit dem Anspruch der Aufgabe hatten, sondern auch durch die hohe Sprechzeit stark gefordert wurden. Bereits nach acht bis neun Minuten häuft sich die Fehlerzahl bei einigen Lernern. Je höher die spontansprachlichen Anteile werden, desto gehäufter treten die sprachlichen Verstöße auf. Das Genre Talkshow ist zwar sehr authentisch, aber auch sehr anspruchsvoll umzusetzen. Die Lernenden in der Fallstudie waren aufgrund der fehlenden Unterstützung in der Erarbeitungsphase und der fehlenden Vorgaben inhaltlich recht schwach auf die Sprechsituation vorbereitet. In der konkreten Aushandlung machte sich dies bemerkbar. Je oberflächlicher die Vorbereitung ausfällt, desto höher sind die spontansprachlichen Anteile. Je höher aber die spontansprachlichen Anteile sind, desto höher sind die sprachlichen Anforderungen. In Kombination mit dem merklichen Konzentrationsverlust einiger Lerner resultierte dies in vielen Redundanzen und einem argumentativen Ungleichgewicht sowie einer recht hohen Fehlerzahl. Als didaktische Konsequenz lässt sich ableiten, dass neben konkreteren Hilfen bei der Erarbeitung auch zeitliche und strukturelle Vorgaben für die Talkshow angezeigt wären. Zudem hätte der Lehrer in der Präsentationsphase eingreifen sollen, um den Lernenden die Möglichkeit zu geben, sich intensiver mit ihren Positionen (inhaltlich und sprachlich) auseinanderzusetzen und die Debatte dann zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufnehmen können. 4.5 Monologisches Sprechen: Referat zu To Kill a Mockingbird von Harper Lee 4.5.1 Analyse der Unterrichtsbeiträge Das Referat wurde direkt im Anschluss an ein interaktives Aufgabenformat, eine Talkshow zum Thema Todesstrafe in den USA, durchgeführt. Es erfolgte keine inhaltliche Überleitung durch die Lehrkraft, der Phasenübergang war abrupt. Die Aufforderung an den betreffenden Schüler, sich auf das Referat vorzubereiten schloss sich unmittelbar an die Beendigung der Feedbackphase der vorherigen Aufgabe an (15a). L8: 58 Wow. Alright. Yes. Thank you very much. Äh I think it was a vivid ähm discussion ähm please rearrange the tables and the chairs äh S8 prepare your presentation. 15a [Phasenübergang: Aufgabenerteilung] Es handelt sich bei dem Referat um eine freiwillige Schülerleistung zu dem Roman To Kill a Mockingbird . S8 war an den Lehrer mit der Bitte herangetreten, eine Zusatzleistung zur Verbesserung der Note erbringen zu dürfen. Anzumerken ist, dass S8 ohnehin zu den aktivsten Lernenden zählt und sich, so zeigen es auch die Feldnotizen, sehr rege am Unterrichtsgeschehen beteiligt. Im Folgenden soll die monologische Sprechleistung ausschnittweise analysiert werden. S8 8: 59 Good. So I'm just going to talk about 'To Kill a Mockingbird' [unverst.] are all having read it [sic.] by now. Ähm. So just give me a quick hands-up. Do you think that the story and the key points shown in the book are still relevant today? So racism class and all that. Only one person? Two? Just put your hands up if you think so. Okay. Yeah. Good. 5a, 5b, 13a 2a 3b, 4a, 4b, 4c 4a 5a 4a 4a [Eröffnung des Referats] Der Schüler leitet seinen Vortrag mit einer sehr allgemeinen Phrase ein, in welcher er darauf verweist, dass er über den Roman To Kill a Mockingbird sprechen wird (5a, 13a). Dieser ist seit mehreren Wochen inhaltliche Grundlage des Eng- 118 4 Kodierung, Analyse und Interpretation: Zwei Beispiele 4.5 Monologisches Sprechen: Referat zu To Kill a Mockingbird von Harper Lee 119 lischunterrichts und dadurch der Lerngruppe bekannt 46 . Diese Tatsache greift S8 auf und verknüpft damit die Erwartungshaltung, dass jeder Mitschüler etwas zu den Inhalten und dem Plot des Romans sagen könne (4c). Sprachlich geschieht dies durch ein direktes Adressieren der Zuhörerschaft und die offene Frage danach, ob die Inhalte des Romans auch heute noch relevant seien oder nicht (4a, 4b). Dass es sich dabei mehr um ein stilistisches Mittel zur Aktivierung der Aufmerksamkeit der Hörerschaft handelt und es weniger um die tatsächliche Ideensammlung geht, zeigt sich in dem weiteren kommunikativen Verhalten von S8. Dieser wartet nur sehr kurz ab, nennt dann direkt selbst einige Aspekte wie Rassismus und Klassenunterschiede und geht nicht auf die Wortmeldungen ein. Zunächst überrascht von der geringen Resonanz des Publikums hakt er dann nochmals nach und appelliert an die gesamte Gruppe, indem er seine Verwunderung verbalisiert und mit den Worten Just put your hands up if you think so eine möglichst große Anzahl der Zuhörer ermuntern möchte, aufzuzeigen. Auch hierin zeigt sich, dass er den Adressatenbezug als Stilmittel verwendet (4a). S8 selbst ist offensichtlich davon überzeugt, dass die Inhalte des Romans noch eine aktuelle gesellschaftliche Relevanz besitzen und nutzt das geteilte Vorwissen über das Werk als Sprungbrett zur Rechtfertigung der Redeabsicht. Die sprachliche Struktur des Beitrags ist ebenfalls interessant (5a, 5b, 5c). S8 leitet ihn mit good sowohl ein als auch aus und verknüpft einzelne Äußerungen innerhalb dieses inhaltlichen Abschnitts zumeist mit dem Konnektor so . Auch der Übergang zum nächsten Gedanken wird mit diesem Verbindungswort eingeleitet. Auf den Faktor Kohärenz wird allerdings im Zusammenhang mit weiteren Ausschnitten noch detailliert eingegangen. An dieser Stelle sollte es zunächst um die Herausstellung auffälliger Strukturen gehen. Die Paralinguistik ist ebenfalls von großer Bedeutung, denn S8 verwendet während des Vortrags kein Skript. Entsprechend ist er dem Publikum stets zugewandt und sprachlich sehr flexibel, da er den gesamten Vortrag auf Basis der Vorbereitung (Hausaufgabe) im Moment des Sprechens frei konstruiert. Der Faktor Schriftlichkeit spielt in diesem Beispiel deshalb eine sehr untergeordnete Rolle. Auf die Eröffnung folgt die Überleitung zur inhaltlichen Auseinandersetzung. Auffallend ist, dass S8 bis zu diesem Moment noch nicht direkt verbalisiert hat, worum es in seinem Referat gehen wird. 46 Ausführungen zum Unterrichtskontext in Unterkapitel 4.4.2. S8 9: 00 So to fully understand the story we have to take a look at the decade the book was written. So the 1950s. And a lot of different things happened in that decade. For example: Rosa Parks that black young lady who refused to give up her seat in a bus in favour for white men. Ähm she was arrested for not giving her seat to a white äh older äh elderly white man in a bus. Arrested and there was persecution. Ähm the same in the same year in Mississippi there was a fourteen year old black boy killed for whistling at a white woman in a store. 5a, 5b, 13b 1b, 2a 5a, 10b, 2d 10b, 4c, 13b 1b 2d, 3b, 2d 3b, 1c, 3e 3b, 3e, 2a, 2d 3b, 2a, 3e 13b 8a [Überleitung nach Eröffnung] S8 beginnt in diesem Abschnitt mit einem knappen Überblick über die geschichtlichen Hintergründe der Zeit, in der das Werk erschienen ist (13b, 8a). Dabei konzentriert er sich auf das Thema Diskriminierung von Schwarzen in den Vereinigten Staaten der 50er-Jahre und führt konkret zwei historische Ereignisse in diesem Zusammenhang an: Die Verhaftung Rosa Parks, die sich 1955 weigerte in einem öffentlichen Bus ihre Sitzreihe für einen weißen Herrn aufzugeben, und die Ermordung des schwarzen Jugendlichen Emmett Till, der im selben Jahr in Mississippi aus rassistischen Beweggründen von dem Ehemann einer Verkäuferin und dessen Halbbruder getötet wurde, weil er der Frau hinterhergepfiffen hatte. Es fällt auch hier wieder der Adressatenbezug auf, wenn S8 davon spricht dass die geschichtlichen Hintergründe gemeinsam betrachtet werden müssten (4a, 4b). S8 setzt geteiltes Hintergrundwissen der Hörerschaft voraus, denn er kontextualisiert die genannten Ereignisse nicht, sondern markiert sprachlich, dass es sich bei den Fakten um bekanntes Wissen handeln muss ( Rosa Parks that black young lady ). Die Ereignisse werden überdies angeführt, ohne das übergreifende Thema zu erwähnen. Es wird eingeleitet, dass viele verschiedene Dinge in dem Jahrzehnt passiert seien und direkt im Anschluss folgen die Beispiele. Der Satz Arrested and there was persecution sticht im Zusammenhang mit den Faktoren Korrektheit und Kohärenz negativ heraus. Sprachlich erscheint dieser unvollständig (2d) und dieser Umstand wirkt sich auch auf die Nachvollziehbarkeit der Aussage im Gesamtkontext der Äußerung aus. Zwar kommt es noch zu vereinzelten weiteren grammatikalischen und morphosyntaktischen Fehlern (2a, 2d), allerdings stehen diese nicht in Zusammenhang mit den Indikatoren für Kohärenz und Flüssigkeit. Wenn auch meist mit denselben Konnektoren ( and, so ), so gelingt es S8 durch eine sprachliche Verknüpfung von Gedanken und wenigen Füllkonstruktionen den Redefluss aufrecht zu erhalten (5a). Sprachliche Korrekturen erfolgen auf lexikalischer Ebene zügig, selbstinitiiert und treffend (3e). Die lexikalischen Fehler sind 120 4 Kodierung, Analyse und Interpretation: Zwei Beispiele 4.5 Monologisches Sprechen: Referat zu To Kill a Mockingbird von Harper Lee 121 allerdings nicht derart gravierend, dass sie einer direkten Korrektur bedürften. In der Beispielsequenz handelt es sich um die Findung eines treffenden Adjektivs ( older vs. elderly ) und einer Präposition ( the same year vs. in the same year, 2a). Auffällig ist in diesem Ausschnitt das verwendete Register. Obwohl er den Vortrag sprachlich flüssig und inhaltlich angemessen (8a) einleitet, zeigt sich hier eine Adaption der Sprache an die Zuhörerschaft und nicht an die Situation. S8 verfällt an manchen Stellen in ein umgangssprachliches Englisch (BICS) bei der Darstellung inhaltlicher Fakten (10b), die, aufgrund des Genres der Sprechaufgabe (hier: Vortrag), die Verwendung eines anderen, formaleren Registers bedürfen (CALP). Der nächste untersuchte Abschnitt stellt die Hinführung zur Lektüre dar. Hier verknüpft S8 die historischen Fakten mit den Romaninhalten. S8 9: 02 If we take a look at the book it basically comes down to class relationships and racism. Ähm, as Jem tells us over here there is a strong social order in the Maycombs. So there's people like Jem's and Scout's family being at the top of the social ladder, like upper middle class, upper class. There's the Cunninghams which are lower class working farmer type of people and then there's the Ewells which are described as white trash. So they are the people that no one wants to deal with. What's interesting: No matter what the black people do they're always gonna stay below the lowest of the white. So, no matter if they're good people, if they earn a lot or a lot for black people, they're always gonna stay at the bottom of the social chain. 4b, 5a 3b 1a, 4c, 7a 1b, 13b, 2a, 8a 2a, 1b 13b 2a 4a, 5a 13b 5a 10b 1b [Verknüpfung zu Roman] Der Abschnitt beginnt wieder mit einem Adressatenbezug (4b). S8 verwendet das inkludierende we um die Überleitung publikumsorientiert zu gestalten (5a). Dieses Stilmittel wird auch in der nachfolgenden Äußerung beibehalten: Jem tells us over here… Allein aus dem Gesagten lässt sich nicht schließen, was S8 hier mit over here meint, allerdings unterstützt er diese Aussage mit einer Geste und zeigt auf die aufgeschlagene Buchseite (7a). Es muss jedoch angemerkt werden, dass es selbst für die Zuhörer in der ersten Reihe des Klassenzimmers sehr schwierig ist zu erkennen, welche Seite S8 aufgeschlagen hat und im Speziellen, welche Passage er meint. Ein genaues Zitat mit Seitenangabe erfolgt nicht. Die reine Betrachtung des Gesagten macht ebenfalls deutlich, dass der Vortrag auch in diesem Abschnitt wieder inhaltliche Kenntnisse des Romans voraussetzt. Die im Buch vorkommenden Familien werden von S8 knapp hinsichtlich ihrer sozialen Stellung eingeordnet und in eine Rangfolge gebracht. Mit der sprachlichen Überleitung What’s interesting wird dann die Aufmerksamkeit der Mitschülerinnen und Mitschüler adressiert, und es erfolgt eine Einschätzung über die soziale Stellung der schwarzen Charaktere, die, unabhängig von ihrem Verhalten oder ihrer Eigenschaften, immer eine noch niedrigere Stellung als die niedrig rangierenden weißen Charaktere innehätten (4a, 5a). Dies wird nicht exemplifiziert, sondern es wird der Zuhörerschaft überlassen, selbst eine Einordnung vorzunehmen. S8 stellt lediglich die Ewell-Familie als niedrigsten Referenzpunkt der weißen Charaktere in der sozialen Ordnung der fiktiven Stadt Maycombs heraus (13b). Sprachlich auffällig ist auch in diesem Abschnitt die häufige Verwendung des Konnektors so . Allein dreimal in diesem Abschnitt werden neue Aussagen auf diese Weise eingeleitet (5a). Der Vortrag als solcher wirkt dennoch sehr flüssig. Lediglich einmal gerät der Redefluss kurz ins Stocken, was S8 mit der Füllkonstruktion Ähm kompensiert. Auch komplexere Syntax wird in diesem Abschnitt korrekt verwendet (1d). Das Register verbleibt auch hier umgangssprachlich, was sich in der Lexik ( white trash) , Elisionen ( there’s/ they’re ) und Kontraktionen ( gonna ) zeigt (10b). S8 9: 03 9: 04 It's kind of different today. At least we hope so. There still is a huge income gap. As you can see in the top point one percent earns a lot more money than everybody else including the, äh, top one percent. And it's actually getting worse as you can see. This was the time the book was written in. So it used to be a lot better than it is today. But there isn't like the social structure anymore. There isn't those three or four classes. There is something that could be regarded as a class system. This one was proposed by the New York Times a couple of years ago but it's only based on income groups. It's not based on skin colour or based on education or kind of education but not as great as it used to be. And there is interaction going on between those classes where it used to be that a upper class person would never talk to a lower class person. That's way different today. And most importantly: Blacks aren't their own class anymore. So there is a lot of successful black artists and I don't know famous people that earn a lot of money and are respected. And that wouldn't have happened sixty years ago. 5b, 4b, 10b 1b, 4a, 4b 8a, 2a 3b, 10b 4a, 4b 13b, 5a 10b, 5a 3a, 2d 10b, 2a 1b, 13b, 2a 10b 10b 1b 2b, 2d, 5a 2d 10b, 2a 10b, 13b, 2a 2a, 5a 10b 10b, 13b, 8a [Vergleich zur heutigen Gesellschaft] 122 4 Kodierung, Analyse und Interpretation: Zwei Beispiele 4.5 Monologisches Sprechen: Referat zu To Kill a Mockingbird von Harper Lee 123 Dieser Ausschnitt zeigt auf, dass Visualisierung in Korrelation mit anderen Faktoren wie Flüssigkeit, Adressatenbezug, Kohärenz und Flexibilität steht. S8 verwendet eine Folie 47 , die ein Schaubild aus der New York Times zeigt. In dieser werden Einkommensunterschiede zwischen schwarzen und weißen Arbeitern grafisch dargestellt. Durch die Verwendung des Diagramms kann S8 einen Publikumsbezug herstellen und die Aufmerksamkeit der Zuhörer gewinnen: As you can see. Der Einbezug des Schaubilds liefert Strukturelemente für den Vortrag, die von S8 eingebunden werden (5a). Dies geschieht häufig durch die Konnektoren and und there . Da sich S8 immer wieder auf das Schaubild beziehen kann und es entweder mit dem Roman verknüpfen oder aber die dort gezeigten oder nicht einbezogenen Inhalte mit Blick auf die heutige Gesellschaft weiter ausführen kann, kommt es in diesem Abschnitt zu auffällig wenigen Unterbrechungen des Redeflusses. Lediglich an einer Stelle greift S8 auf das Füllwort äh zurück. Dies verschafft ihm in der konkreten Situation zusätzliche Zeit für die selbstinitiierte Fehlerkorrektur (3b). Sehr auffällig ist in diesem Ausschnitt die Zunahme sprachlicher Fehler (2a, 2b, 2d). Der Vortrag des Schülers wird, wie bereits im letzten Ausschnitt, immer umgangssprachlicher (10b). Dies lässt darauf schließen, dass der Schüler zwar sehr geübt im Produzieren spontaner Sprache ist (Auslandsaufenthalt), die Bewältigung einer monologischen Sprechaufgabe wie das Halten einer fachlichen Präsentation zur Romanvorlage jedoch Anforderungen an ihn stellt, die ein anderes Register (CALP) erfordern. Dieses spontan zu produzieren gelingt ihm jedoch nicht immer, was sich an den Daten gut aufzeigen lässt. S8 9: 04 The benchmark for interr/ ei/ (.) äh the benchmark for ahm what is it called? Ahm the benchmark for integration is basically interracial marriage 'cause if you have different ethnicities marrying each other that means that it's well accepted in the society. Ahm until 67 it was prohibit or in some states not allowed to marry a black äh to to get married between a black and a white äh person. Ahm, it doesn't really matter because only four percent of the population would have allowed that or accepted interracial marriage. 5b, 13b, 3b 3e, 1c, 3b 1b, 10b 1b, 2a 10b 3b, 2a 2a, 4a, 3b, 3e 6a 2a 13b [Redefluss und Korrektheit] 47 Leider hat der Schüler seine Präsentation nicht zur Verfügung gestellt, so dass die Folie hier nicht gezeigt werden kann. Dieser Ausschnitt ist interessant, weil er aufzeigt, wie S8 mit sprachlichen Fehlern umgeht und den Redefluss zu wahren versucht (1c, 3b). Direkt im ersten Satz gerät er ins Stocken, weil er merkt, dass er den falschen Begriff verwendet. Zunächst gebraucht er mit benchmark einen Fachausdruck, der im gewünschten Kontext auch sprachlich angemessen ist und ein Indikator für ein großes Spektrum im Wortschatz darstellt, doch fällt ihm das zugehörige Objekt, dass der Ausdruck erfordert, nicht ein. Spontan produziert er den Beginn des Wortes interracial, welches im späteren Verlauf des Satzes eine Rolle spielt, merkt aber sofort, dass es in diesem Zusammenhang nicht passt und bricht noch während der Lautproduktion ab (3e). Durch verschiedene Strategien verschafft er sich Zeit, den gesuchten Ausdruck integration zu finden (1c). Zuerst verwendet er das Füllwort äh, dann wiederholt er den ersten Teil der Äußerung the benchmark for mehrfach und äußert schließlich sogar die Frage What is it called? womit er die lexikalische Lücke sprachlich sehr deutlich markiert (3b). Schließlich fällt ihm der gewünschte Ausdruck ein und der Vortrag geht flüssig weiter. Die Strategie des Zeitgewinns und der Verbalisierung des Teilclusters erweist sich in diesem Fall als erfolgreich. Noch eine weitere Stelle soll näher betrachtet werden. In dieser führt S8 eine mehrfache Korrektur auf lexikalischer Ebene der Äußerung durch. Er möchte ausdrücken, dass bis 1967 in einigen US-Staaten die gemischtrassige Heirat gesetzlich verboten war. Zunächst verwendet er mit prohibit einen semantisch angemessenen Ausdruck, gebraucht ihn aber grammatikalisch falsch (2a). S8 beginnt unmittelbar mit einer Reparatur (3e). Es ist aus den Daten nicht ersichtlich, ob er den grammatikalischen Fehler wahrnimmt und deshalb die Korrektur einleitet, es ist aber, mit Blick auf die gewählte Korrektur, davon auszugehen, dass es um eine inhaltliche Unschärfe geht, die er ausbessern möchte. Er verbessert schließlich auf in some states not allowed und verwendet einen Begriff, der hinsichtlich der Kategorie Spektrum niedriger anzusiedeln ist als das Verb to prohibit. Da er aber den Zusatz in some states einfügt, gewinnt die Aussage inhaltlich an Präzision, auch wenn sie sprachlich leicht an Qualität einbüßt. Ein solch spontanes Korrekturverhalten, das den Redefluss nicht unterbrochen hat, ist ein Indikator für eine hohe sprachliche Flexibilität sowie ein breites Spektrum im zielsprachlichen Vokabular. 124 4 Kodierung, Analyse und Interpretation: Zwei Beispiele 4.5 Monologisches Sprechen: Referat zu To Kill a Mockingbird von Harper Lee 125 S8 9: 05 9: 06 Today 87 percent of the people are fine with having a black and a white äh marriage. This all sounds good but there still is some racial bias. For example if you take a look at the incidents that happened in Ferguson in 2014. There was a young teenage black man ahm shot and killed fourteen times by policemen and ähm the policeman was later then pledged not guilty so there were riots breaking out and was a huge mess but what happened the police department was accused of racial by the Justice Department so that that was a step forward. Still there is a lot of racial bias. For example black people on average serve a hundred seventyeight days more in prison than white people for the same crimes. Ahm fourty percent of the black people don't trust the justice system at all. So they have complete distrust in police in the all the jurisdiction. So that's very important. And there also is racial bias in income groups. So ahm for every dollar a white man makes a black man only gets about seventy-five cents. (.) For similar jobs. So no matter what they do they always get a quarter less (.) on average. So (.) there there's two sides of the coin: There's the better social class there's better integration but there's still racial bias and a lot of it. 5b, 13b 2b, 3b 1b, 5a 1b, 13b 3b, 2d 3b 2a, 1b 2d 1b, 2b 5a 5a, 13b, 1b 1b, 5a 1a 3b, 8a 5a 2d 5a 1b, 3b 1a, 2a 1b, 4a, 5a, 2d, 3d 8a, 3d 5a, 3d, 3e, 10b 1a, 10b, 10b 5c, 10b [Inhaltliche Ausleitung aus dem Referat] Dieser Abschnitt stellt die inhaltliche Ausleitung aus dem Referat dar, die allerdings von S8 nicht sprachlich markiert wird. Auch hier zeigt sich, dass S8 über einen variantenreichen thematischen Wortschatz verfügt, den er auch zielführend einsetzt (1b). Fachbegriffe und Ausdrücke wie racial bias, incidents, riots breaking out und on average sowie Idiome wie two sides of the coin sind Indikatoren dafür. Ein bedeutungsunterscheidender lexikalischer Fehler unterläuft S8, wenn er pledged guilty statt pleded guilty verwendet (2a). Es lässt sich jedoch mithilfe der Daten nicht nachzeichnen, ob dieser Fehler der Zuhörerschaft aufgefallen ist oder für Missverständnisse gesorgt hat, da er an keiner Stelle aufgegriffen wird. Anders als in den vorherigen Abschnitten macht S8 hier Gebrauch von Sprechpausen. Die Pausen (.) sind hier keine Indikatoren für die Suche nach geeigneten Ausdrücken und dienen auch nicht der Einleitung einer sprachlichen Korrektur, sondern akzentuieren als rhetorisches Mittel die darauffolgenden Ausdrücke for similar jobs und on average (3d). Die sprachliche Unschärfe in der Aussage shot and killed fourteen times by policemen wirkt sich nicht störend auf das Verständnis aus, da die Zuhörer aus Logikgründen die Zeitangabe dem Verb shoot und nicht dem Verb kill zuordnen können (2d). Wie bereits erwähnt, schließt an diesen Abschnitt die Einleitung in die kurze Gruppendiskussion an. Es erfolgt keine strukturierende Zusammenfassung des Referats und keine klare Ausleitung. Auch bleibt bis zum Schluss unklar, was das Hauptargument des Referats ist. Mit Beendigung der Diskussion führt S8 auch die Präsentation mit den Worten I‘m done now zum Abschluss (siehe nächster Ausschnitt). S8 9: 06 So what do you think? Do yo äh think that this story that happened in the book could happen today? Do you think that the key terms the book is about are relevant today? Or do you think it's a book of the past and happened sixty years ago? 5a, 4a, 3b 13b 4a 4a, 10b 2d S1 9: 07 Ahm I could ahm I think it could happen in less äh like nicht so schlimm (.) Ja. Way. Äh in äh back then. And I think it's äh could not happen in every äh country. I think it for example it's … 6b, 3b 1c, 2d, 3b, 3b 5a, 3b 3b S8 [unterbricht] Think of the US for now 'cause that's what… 4a 10b S1 [unterbricht] Ja. For example it's more possible to happen in the US, äh, less, wait, than for example in Europe. I would say. 4a, 13b S8 Okay. Other opinions or statements? 4a S3 People always want to find someone who was, ähm, actually the reason why they are not living as well as they would like to so it could always happen but not so easily like in the book because people would be against it and there would be more pro and cons for like a black man getting to prison or not. 5b 3b, 8a 2b 2a, 5a 2b S8 9: 08 Okay. Well no one else. Good. Okay. I'm done now. 13e (wartet 10 Sek.) [Gruppendiskussion und Abschluss] S8 stellt die zu Beginn des Referats gestellte Frage nach der Relevanz des Romans erneut und erwartet diesmal auch Reaktionen von der Zuhörerschaft (13b, 5a, 4a). Nach einer kurzen Pause von drei Sekunden meldet sich S1, der seine 126 4 Kodierung, Analyse und Interpretation: Zwei Beispiele 4.5 Monologisches Sprechen: Referat zu To Kill a Mockingbird von Harper Lee 127 Gedanken sprachlich nur schwer ausdrücken kann und zunächst ins Deutsche zurückfällt (1c). S8 scheint nicht geduldig genug, um die Antwort von S1 abzuwarten und unterbricht ihn (4a). Als Impuls, den er direkt an S1 richtet, nennt er die USA. S1 holt sich das Rederecht zurück, indem er ebenfalls unterbricht und S8 nicht ausführen lässt, warum der Bezug zur USA hergestellt werden soll, leistet der Aufforderung aber dennoch Folge (4a, 13b). Die These, dass Rassismus in den USA wahrscheinlicher ist als in Europa, lässt S8 dann aber unkommentiert stehen und erkundigt sich nach weiteren Meinungen (4a). Im unterrichtlichen Kontext ist dies bedauerlich, denn es hätte sich hier eine inhaltliche Auseinandersetzung mit Bezug auf das Thema des Vortrags entfalten können. Hier hätte die Lehrkraft intervenieren können, um die Diskussion zu beleben. Stattdessen meldet sich S8 und äußert, wenn auch sprachlich an einigen Stellen etwas unsicher, dass es immer Diskriminierung geben werde und Menschen immer auf der Suche nach Sündenböcken für ihre eigene Unzufriedenheit sein würden. Sie bezweifelt aber, dass dieses Verhalten heutzutage Dimensionen wie zur Zeit der Rassendiskriminierung annehmen werde und exemplifiziert dies mit einer Referenz auf den Roman. Auch diese Position kommentiert S8 nicht, sondern wartet auf weitere Wortmeldungen. Als diese nach weiteren zehn Sekunden ausbleiben, beendet er den Vortrag (13e). Es ist durchaus auffällig, insbesondere weil der Adressatenbezug in dem Referat so gelungen hergestellt wurde, wie desinteressiert S8 an der Fortführung der Diskussion ist. Er knüpft inhaltlich nicht an das Gesagte an und hält die Kommunikation auch nicht am Laufen, obwohl er derjenige ist, der sie initiiert hat und der als Referent weitere inhaltliche Impulse hätte liefern können. Es ist anzunehmen, jedoch noch im retrospektiven Interview vorsichtig zu prüfen, ob dies mit der Tatsache in Zusammenhang steht, dass es sich um eine Zusatzleistung zur Verbesserung der Note handelt und der Inhalt des Vortrags, und somit auch die mögliche Anschlussdiskussion, für ihn wenig Relevanz haben. Der Lehrer übernimmt auch an dieser Stelle nicht, sondern lässt das Rederecht bei S8. Als dieser bemerkt, dass keine weiteren Beiträge aus dem Publikum kommen, beendet er nicht nur die Diskussionsphase, sondern auch abrupt den gesamten Vortrag. Dies ist dann schließlich die Stelle, an der der Lehrer wieder übernimmt und die Feedbackphase einleitet. Er macht aber keine konkreten Vorgaben zu den Kriterien nach welchen das Feedback erfolgen soll. L9: 09 Yes. Thank you S8 for for this short presentation. Before you go wait for it. Ähm just give him some feedback so what why your äh what were your äh impressions of his presentation? Did he get did he do a good job? S5! 15c S5 I liked it. I understood all of it but ähm I wish he would have given his own opinion, too. 14d 14b L Yeah. Let's ask him. S5 What's your opinion? Is it still relevant? 4b S8 9: 10 Ahm I think that it's much less a problem than it used to be. But there still is a long way to go. So I don't think that a person would be randomly accused of raping someone without any kind of ahm real trial but I still think that it's not okay that black people serve more time in prison than white people do. Ahm don't think that it's less a problem between black and white but between white and hispanic right now. 3b, 5b, 2a 13b 5a Schulglocke klingelt 3b, 1b, 2a 3b, 13b L 9: 11 Thank you very much. One last thing before you go. Ahm I want you to read the book äh til until including chapter twenty ja? And then think about his initial question again if the book is still relevant ja? So ahm you know chapter seventeen are all about the court trial. If you haven't read so far do so at the weekend. 16m [Feedback] In der dargestellten Feedbackrunde wird deutlich, dass es den Beteiligten an Kriterien fehlt, entlang welcher die Rückmeldung erfolgen soll. Der Aufforderung des Lehrers folgend meldet sich S5 und äußert sich zum verständlichen Vortrag, gleichsam bringt sie den Wunsch nach der eigenen Meinung des Referenten zur zuvor gestellten Diskussionsfrage zum Ausdruck (14d, 14b). Ersteres geschieht mit einem wenig sagenden I liked it. Es wird nicht ausgeführt was genau ihr gefallen hat. Dies ist ein Spiegel der vagen Aufgabenstellung des Lehrers, der die Lernenden auffordert some feedback zu geben (15c). Der Lehrer greift dies auf und lässt S8 seinen Standpunkt nachliefern. Es erscheint interessant, dass S5 gerade diesen Punkt anführt, da der fehlende Schluss bereits in der Datensichtung auffällig war. Da das Stundenende recht früh in der Feedbackphase durch die Pausenklingel eingeleitet wird, fällt diese Phase hier sehr knapp aus. 128 4 Kodierung, Analyse und Interpretation: Zwei Beispiele 4.5 Monologisches Sprechen: Referat zu To Kill a Mockingbird von Harper Lee 129 Auch der Lehrer selbst gibt S8 keine Rückmeldung auf seinen Vortrag - weder auf inhaltliche noch auf sprachliche Aspekte bezogen. Auch hierauf gilt es in den weiteren Datensätzen zu achten. Welche Art der Rückmeldung erteilen Lehrkräfte und Mitschüler? Auf welche Kategorien aus dem Kodierungssystem beziehen sich diese? Sind diese Aspekte bereits in der Datenanalyse transparent geworden? Resümierend lässt sich kritisch festhalten, dass der didaktische Mehrwert eines solchen Referats anzuzweifeln ist. Der Vortrag und das Thema sind losgelöst vom Gesamtkontext der Einheit wie auch vom Stundenthema. Es gibt weder Vorgaben dazu, was von S8 in dieser Sprechaufgabe erwartet wird, noch wie diese im Anschluss zu evaluieren ist. Für den vortragenden Schüler ergibt sich zwar eine Möglichkeit zur Sprachproduktion, diese erfolgt jedoch nicht in einem genreangemessenen Register und das Resultat wird weder inhaltlich noch sprachlich gewürdigt oder aufgegriffen. Der Schüler erhält lediglich eine sehr oberflächliche Rückmeldung durch eine Mitschülerin und überhaupt keine Einschätzung der Lehrkraft. Die Aufgabe hat für einen Großteil der Lernenden wenig Bewandtnis, was die Förderung ihrer kommunikativen Kompetenzen betrifft. Es gibt keinen Hörauftrag und keine Kriterien auf die es während der Präsentation zu achten gilt. Im Anschluss an die Diskussion hätte die Sprechleistung als Ausgangspunkt für Lernprozesse über das Genre und ein angemessenes Register dienen können. Zudem hätte der Vortrag noch inhaltlich aufgegriffen werden können. All diese Lernchancen werden in dieser Situation vertan, sodass abschließend erneut betont werden muss, dass die Sinnhaftigkeit der Aufgabe in Frage zu stellen ist. 4.5.2 Zwischenfazit monologisches Sprechen Insgesamt lässt sich sagen, dass die Falluntersuchung einige Impulse geliefert hat, welche im Folgenden schlaglichtartig zusammengefasst werden sollen. Dies geschieht zur besseren Übersichtlichkeit wieder entlang der Forschungsfragen: Forschungsfragen 1 und 2: Wie wird im Englischunterricht der gymnasialen Oberstufe Sprechkompetenz gefördert? Welche Sprechaufgaben stellen Lehrkräfte und wie gehen die Schülerinnen und Schüler damit um? - Es handelt sich bei der gezeigten monologischen Sprechleistung um einen freiwilligen Schülervortrag. Die Lehrkraft hat in diesem Fall keine Aufgabenstellung und keine Kriterien zur Evaluation (bzw. für die anderen Lernenden keinen Hörauftrag) vorgegeben. Die einzige Vorgabe war der thematische Bezug zur Romanvorlage. - Mit den fehlenden Vorgaben gehen allerdings auch Probleme einher: Das gewählte Thema ist sehr breit für einen zehnminütigen Vortrag und der Vortrag ist losgelöst von der Stundenthematik. Er passt auch nicht zur Progression in der Unterrichtseinheit (Roman noch nicht bis zum Ende gelesen). - S8 kann aufgrund seiner kommunikativen Kompetenzen einen auf umgangssprachlichem Niveau flüssigen Vortrag liefern und bezieht die anderen Lernenden sprachlich ein (Personalpronomina, geteiltes Vorwissen als Bezugspunkt). - Der Lehrer nimmt sich insgesamt sehr zurück (keine Konkretisierung der Aufgabenstellung, keine Intervention während der Präsentationsphase, kein Feedback). Er fungiert lediglich als Initiator und Moderator der Feedbackphase, die aufgrund des Stundenendes sehr kurz ausfällt. Forschungsfrage 3: Wie werden sie gelöst und welche Schwierigkeiten treten auf? - Zunächst sollte im Zusammenhang dieser Fallstudie der Begriff Aufgabenlösung ausgeführt werden. Es handelt sich nicht um eine durch den Lehrer gestellte Sprechaufgabe, sondern um eine selbstinitiierte monologische Sprechleistung, die im Kontext des Unterrichts erbracht wurde. Es kann zwar allgemein nachvollzogen werden, wie der Schüler die an sich selbst gestellte Sprechaufgabe (hier: das Halten eines fachlichen Vortrags) löst, allerdings kann die Analyse nicht an einer Aufgabenstellung ausgerichtet sein, die lehrerinitiiert erteilt wurde, wie es in den anderen Fällen der vorliegenden Studie der Fall ist. - Adressatenbezug wird in diesem Fallbeispiel durch inkludierende Personalpronomen sprachlich markiert und durch geteiltes Vorwissen/ Hintergrundwissen inhaltlich hergestellt. Dadurch entsteht ein publikumsorientierter Vortrag, der auch von den anderen Lernenden retrospektiv gelobt wird. Dieser sprachlich gelungen hergestellte Bezug steht jedoch im Widerspruch zur Haltung des Schülers S8 während der sich anschließenden offenen Diskussion. Dort zeigt er eine gleichgültige Haltung gegenüber den Beiträgen aus dem Publikum und ist an einer schnellen Beendigung der Phase interessiert. - Fehlerkorrektur geschieht im Fallbeispiel selbstinitiiert oder bleibt aus. Wenn sie geschieht, dann meist um etwas inhaltlich präziser auszudrücken oder wenn sprachliche Mittel im mentalen Lexikon (vgl. Kersten 2010) nicht unmittelbar zur Verfügung stehen. Die Lehrkraft erteilt nach dem Vortrag weder inhaltliches noch sprachliches Feedback. In dieser Hinsicht (Lehrerfeedback) kann das Fallbeispiel keine konkreten Erkenntnisse liefern, abgesehen davon, dass ein Feedback zur langfristigen Förderung der kommunikativen Kompe- 130 4 Kodierung, Analyse und Interpretation: Zwei Beispiele 4.5 Monologisches Sprechen: Referat zu To Kill a Mockingbird von Harper Lee 131 tenzen unabdingbar ist und auch die Würdigung der Schülerleistung zu kurz kommt (vgl. Goh/ Burns 2012) - Das verwendete Register ist in diesem Fallbeispiel recht auffällig, da es nicht konstant bleibt. Insgesamt zeigt der Schüler, dass er über ein breites Spektrum sprachlicher Strukturen und Fachbegriffe verfügt, um den Vortrag auf einem fachlich angemessenen Niveau zu halten. Es passiert ihm aber sehr häufig, dass er in ein umgangssprachliches Register verfällt und sich sprachlicher Mittel bedient, die in einer solchen Textsorte weniger angemessen sind (z. B. Elisionen, Kontraktionen). Es ist zu vermuten, dass dies damit zusammenhängt, dass er den Vortrag sehr frei (also ohne sprachliches Gerüst in Form eines Notizzettels oder einer Powerpoint-Präsentation) konstruiert und die sprachlichen Anforderungen an die Textsorte nicht vorbereitet hat und sie somit nicht spontan abrufen kann. Die fehlenden inhaltlichen Vorgaben machen sich in der ausbleibenden inhaltlichen Fokussierung innerhalb des Vortrags bemerkbar. Dieser wirkt dadurch nicht immer genreangemessen und verbleibt manchmal oberflächlich. Eine Erkenntnis der Studie in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass eine ausgeprägte kommunikative Kompetenz im umgangssprachlichen Niveau (BICS) nicht mit einer ebenso stark ausgeprägten Kompetenz auf dem akademischen Niveau (CALP) einhergeht. Didaktische Schlussfolgerungen daraus sind, dass Lernende auch in der gymnasialen Oberstufe noch genrespezifische Register kennenlernen und anwenden lernen müssen. Es muss im Unterricht thematisiert werden, dass unterschiedliche Sprechformate abweichende Register erfordern und die Lernenden müssen mit diesen Spezifika dieser über einen langen Zeitraum immer wieder konfrontiert werden und diese einüben. - Über den Einfluss der Schriftlichkeit/ des Ablesens lässt sich in diesem Fallbeispiel keine Aussage treffen, da der Schüler gänzlich ohne vorgefertigte Texte vorgetragen hat. Die Vermutung liegt aber nahe, dass diesem Faktor in den weiteren Fallbeispielen der vorliegenden Studie eine weitaus größere Bedeutung beizumessen ist 48 . 48 Wie aus der Beschreibung der Lerngruppe in Unterkapitel 4.4.1 hervorgeht, war S8 für eine längere Zeit im englischsprachigen Ausland und ist insbesondere hinsichtlich der (umgangssprachlichen) kommunikativen Kompetenzen gegenüber Lernenden, die diese Erfahrung nicht gemacht haben, im Vorteil. 4.6 Retrospektive Interviews mit den Lernenden (RiS) Die retrospektiven Interviews wurden in zwei kleinen Gruppen zu je 4 Schülerinnen und Schülern durchgeführt. Es handelt sich um die Lernenden, die aktiv an der Talkshow beteiligt waren, sowie den Schüler, der das Referat gehalten hat. Die Interviews fanden zehn Tage nach den letzten Unterrichtsvideografien statt. I11: 05 Könntet ihr nochmal genauer auf die Talkshow eingehen? Wie ihr sie vorbereitet habt und welche Schwierigkeiten ihr hattet? S1 Also eigentlich hatten wir im Kopf, dass wir eine Gerichtsverhandlung wie in To Kill a Mockingbird nachstellen sollen. Mit halt besetzten Rollen von uns. Wir haben die Rollen erstmal zusammengetragen. Dann haben sich eben nicht für alle Rollen Personen gemeldet. Also das wollte keiner, konnte keiner. Dann wurde das halt umstrukturiert und wir haben daraus eine Talkshow gemacht, die dann halt zum Thema hatte, ob man die Todesstrafe, ich glaube in den USA sogar, abschaffen sollte oder beibehalten sollte. 15a I Gab es dazu irgendwelches Material? S1 11: 06 Also Material hatten wir jetzt nicht. Nachdem wir das also in eine Talkshow umgewandelt haben, haben wir erstmal allgemein Rollen im Unterrichtsgespräch zusammengetragen. Was wir dafür brauchen. Also pro und contra. Bestimmte Rollen zum Beispiel jemanden, die einen nicht rechtens verloren haben durch die Todesstrafe oder Ähnliches. Das haben wir dann halt erstmal zusammengetragen, Personen dafür auch relativ schnell gefunden. Und dann haben wir das eigentlich in Selbstarbeit, zuhause dann wahrscheinlich, uns erarbeitet. 15c = 15a 15d [Talkshow allgemein] Der Schüler zeichnet zunächst den Prozess der Aufgabenänderung nach, die sich spontan in der Unterrichtssituation ergeben hat und die bereits in der Analyse aufgegriffen wurde (15a). Die ursprüngliche Aufgabe der Simulation einer Gerichtsverhandlung wurde hinsichtlich des Mediums und der Zielsetzung stark modifiziert. Statt einer Gerichtsverhandlung sollte nun eine Talkshow erarbeitet und simuliert werden. Der Bezug zur Romanvorlage ging dadurch weitestgehend verloren. S1 hebt hervor, dass sich besonders die Findung von 132 4 Kodierung, Analyse und Interpretation: Zwei Beispiele 4.6 Retrospektive Interviews mit den Lernenden (RiS) 133 Freiwilligen, die eine Rolle übernehmen wollten, im Rahmen der ursprünglichen Aufgabe als schwierig erwiesen habe. Dies sei bei der neuen Aufgabe nicht der Fall gewesen. Da der Forscher in der Stunde vor der Talkshow den Unterricht nicht besuchen konnte, wurde hinterfragt, ob den Lernenden lehrerseitig Material zur Erarbeitung ihrer Rollen zur Verfügung gestellt wurde. Dies wird durch die Schüler verneint. Ein Großteil der vorbereitenden Arbeit sei selbstständig und in Heimarbeit geschehen (15d). Es erschien an dieser Stelle interessant zu erfragen, wie genau das Finden von Argumenten abgelaufen ist. I Worauf basierten die Argumente, die ihr angebracht und diskutiert habt? S4 Zum Teil haben wir die selbst erarbeitet und auch durch Internetrecherche rausgefunden. 15c I Also als Hausaufgabe? S4 Ja. Ein Teil der Unterrichtsstunde war auch schon für research und der Rest wurde dann Hausaufgabe, um dann die Argumente auch noch ein bisschen auszuarbeiten. 15d S3 Wir haben uns dann in einer Gruppe zusammengesetzt, so dass die Menschen, die sich nicht an der Diskussion beteiligen wollten oder konnten, uns bei der Recherche unterstützen konnten. 15f I Gab es Aufgaben für die audience ? S8 Nicht dass ich wüsste. Man konnte sich natürlich einbringen, wenn man wollte, aber es gab keine Fragestellung. =15a, 15f [Talkshow Argumentfindung] Die weiteren Schüleraussagen stützen den gewonnenen Eindruck, dass die Talkshow nicht durch Material von Seiten des Lehrers vorentlastet wurde (15c, 15d). Die Argumentfindung ist in Teilen kommunikativ entstanden. So sollten während der Vorbereitungsphase im Unterricht die Schülerinnen und Schüler, die nicht mit einer Rolle aktiv an der Talkshow teilnehmen, die anderen in ihrer Recherche unterstützen (15 f.). Weitere Aufgaben für den Großteil der Lerngruppe (im Interview mit dem Begriff audience bezeichnet) habe es nicht gegeben, weder in der Vorbereitung noch während der Sprechphase selbst. In der Folge der Interviews wurden die Lernenden zu ihren jeweiligen Rollen befragt. Zunächst soll die Rolle des Moderators näher betrachtet werden, da sie sehr spezielle Anforderungen an den Schüler stellt. I11: 07 Wie hast du deine Rolle als Host empfunden? Ist dir das leicht oder schwer gefallen? S1 Also es ist mir jetzt nicht unglaublich schwer gefallen. Sehr viel vorbereitet habe ich mich nicht. Weil ich auch fand, dass man für diese Rolle nicht so viel Vorbereitung braucht als wenn man jetzt pro oder contra ist. Es war natürlich auch eine relativ einfache Diskussion, die nicht lautstark war wo ich dann halt dazwischen gehen musste und schlichten musste. Ich konnte halt zwischendurch auch mal was Provokantes für die eine Seite einwerfen, um dann halt eine Reaktion von der anderen Seite zu bekommen oder halt andersrum. ≠ Selbstwahrnehmung divergiert 15a, 15b, 15e, 15f ~ nur für Pro-Seite I Warum hast du manchmal Leute einfach so dran genommen? S1 Weil ich halt versucht habe, die Diskussion nochmal ein bisschen anzustoßen oder halt noch bestimmte Punkte auszuführen zum Beispiel. 15f [Rolle Moderator] Interessant ist, dass S1 die Rolle als Moderator als relativ einfach einstuft, was die Anforderungen betrifft (≠, 15 a/ b/ e/ f). Eine intensive Vorbereitung sei nicht nötig gewesen, da man sich nicht auf einen Standpunkt festlegen müsse. Es scheint dem Schüler aber nicht bewusst zu sein, dass gerade in dieser Tatsache eine große Schwierigkeit bzw. Besonderheit der Rolle liegt. Der Moderator muss beide Positionen gut kennen und sowohl auf Proals auch auf Contra-Argumente angemessen reagieren können. Dass er die Anforderungen der Rolle unterschätzt, lässt sich an den Daten gut festmachen. Ihm zufolge komme es während der Talkshow nicht zu verbalen Entgleisungen auf die er hätte reagieren müssen. Es gelingt es dem Moderator allerdings nicht, die Diskussion, die im Verlauf immer redundanter wird, durch entsprechende Steuerungsmechanismen in eine zielführende Richtung zu lenken oder zum Abschluss zu führen. Wie S1 anmerkt, hat er seine Aufgabe lediglich darin gesehen, an verschiedenen Stellen etwas „Provokantes für die eine Seite einzuwerfen“ und darauf Reaktionen zu erwirken. Die Aussagen aus dem Interview lassen darauf schließen, dass S1 im Verlauf der Diskussion absichtlich für die Pro-Seite argumentiert hat, um eine Reaktion der Contra-Seite zu erwirken. Seine Wahrnehmung, dass er dies für beide Seiten getan hat, lässt sich mit den Daten hingegen nicht belegen. Da mit S8 auch ein Mitglied des Publikums am Interview teilnahm, konnte im Interview noch eine weitere Perspektive auf die Diskussion reflektiert werden. 134 4 Kodierung, Analyse und Interpretation: Zwei Beispiele 4.6 Retrospektive Interviews mit den Lernenden (RiS) 135 S8 11: 26 So aus Publikumssicht weiß ich nicht, ob ich das so als sinnvoll über einen langen Zeitraum erachte, weil keine sachliche Situation bei dem Thema zustande kommt bei dem nicht jeder komplett seine eigene Position vertreten kann. Und deshalb würde ich sagen, die ersten zehn Minuten waren durchaus gut und sinnvoll auch aus Publikumssicht um das zu verfolgen und danach haben sich eigentlich die gleichen Argumente immer wieder wiederholt, wurden auseinandergezogen oder ins Absurde gedreht. 15a ~ 15f = I Hätte man das irgendwie ändern können? S8 Höchstens durch ein anderes Thema. 15a I Also, dass man innerhalb der Talkshow nochmal einen Themenwechsel macht? S8 11: 27 Oder gleich von Anfang an ein anderes Thema mit dem jeder täglich zu tun hat. Die Todesstrafe ist ja jetzt nichts, was, zumindest mich, tagein tagaus beschäftigt. Es ist denke ich auch die Frage was das Ziel des Ganzen ist. Also, wenn das Ziel ist wirklich nur zu sprechen, dann ist es glaube ich relativ egal worüber man spricht, weil man ja immer irgendwelche mehr oder weniger gute argumentative Strukturen verwendet. Wenn das Ziel jetzt wirklich war, eine überzeugende Argumentation auszuarbeiten, dann ist der Erfolg natürlich anders zu bewerten. schülerfernes Thema 15a Ziel der Stunde Inhalt und Kompetenzen [Talkshow aus Publikumssicht] Da es keinen klar formulierten Arbeitsauftrag an das Publikum gab, war die Beteiligung von Schülerinnen und Schülern, die keine Rolle in der Talkshow übernommen haben, mehrheitlich sehr gering (15 f.). S8 sieht eine Schwäche der Aufgabe in der übergeordneten Thematik der Talkshow. Zum einen sei die Todesstrafe ein Thema, mit dem er wenige Berührungspunkte habe und zum anderen gehe es in der Diskussion auch nicht um die Darstellung der eigenen Position, sondern die Übernahme einer fremden Rolle (15a). Die Problematik mit dem Perspektivenwechsel hat sich retrospektiv als durchaus relevant erwiesen und wird auch im weiteren Verlauf des Interviews noch weiter ausgeführt. Interessant erscheint jedoch, dass die Kritik gerade aus von einem Schüler aus dem Publikum zuerst angesprochen wird, schließlich ist das Publikum als einzige beteiligte Instanz nicht in der Position festgelegt und kommt nicht in den Konflikt mit eventuell divergierenden Auffassungen der einzunehmenden Rolle. S8 stellt ebenfalls heraus, dass die Argumente sich nach einer relativ kurzen Zeit - verglichen mit der Gesamtdauer der Talkshow - wiederholt hätten. Diese redundante Auseinandersetzung mit den Argumenten sei, insbesondere aus Publikumssicht, wenig zielführend gewesen. Sinnvoll erscheint auch in diesem Zusammenhang die Frage nach dem Ziel der Diskussion. S8 differenziert hier klar: Seiner Meinung nach spiele es keine Rolle worüber man spreche, wenn es darum ginge, die kommunikativen Fähigkeiten zu trainieren. Wenn also das Ziel gewesen sei zu sprechen, so sei es für die Beteiligten erreicht worden. Ginge es aber letztlich um die Erarbeitung einer überzeugenden Diskussion zum Thema Todesstrafe in den USA sei „der Erfolg anders zu bewerten“. An dieser Stelle zeigt S8 ein sehr hohes Reflexionsniveau. Sein Vorschlag zur Modifikation der Aufgabe beläuft sich auf die Wahl eines schülernahen Themas, das jedem Teilnehmer die Übernahme der eigenen Position gestattet. Dies würde die Aufgabe noch weiter von der Ursprungsaufgabe und der Romanvorlage entfernen. Darauf geht der Schüler aber nicht ein. Insgesamt beurteilt S8 die Qualität der Diskussion kritisch, hebt aber dennoch das Potenzial der Aufgabe für die Förderung des Sprechens hervor. Da es sich in diesem Zusammenhang thematisch anbot, wurden die direkt an der Talkshow beteiligten Schülerinnen und Schüler nun nach ihren Rollen und eventuellen Problemen mit der Perspektivübernahme gefragt. I11: 09 Wie würdet ihr denn jetzt selbst die Aufgabe retrospektiv beurteilen? Wie fandet ihr eure Rolle? Welche Schwierigkeiten gab es? Was ist euch leicht gefallen? Wie würdet ihr den Verlauf der Diskussion beurteilen? S7 Ich hatte die Rolle des Henkers und ich fand es halt insofern beim Vorbereiten schon schwierig, dass es halt kaum Argumente dafür gibt, die sinnvoll sind, die man halt anbringen kann, ohne dass sie direkt ausgekontert werden. Und ich hatte mich halt den Nachmittag vorher hingesetzt und habe halt im Internet recherchiert und habe dann halt meine Argumente gefunden. Allerdings fand ich auch die Rolle relativ schwierig, weil sie halt tatsächlich mit dem Verbot der Todesstrafe oder dem Beibehalten nicht viel zu tun hatte, sondern tatsächlich nur vom Beruf halt davon abhing. Und man sich da nicht wirklich reinsteigern konnte, weshalb ich mich dann relativ schnell außen vor gefühlt habe, während der Diskussion. =Rollenkonflikt keine Argumente 15a, 15f 15d 15a = I Also hättest du mehr beitragen können mit einer anderen Rolle? 136 4 Kodierung, Analyse und Interpretation: Zwei Beispiele 4.6 Retrospektive Interviews mit den Lernenden (RiS) 137 S7 11: 10 Ja, also vielleicht nicht viel mehr, aber ich hätte schon ein, zwei Punkte noch besser einbringen können. Und was halt schon im Vorhinein so ein bisschen, ich will jetzt nicht sagen demotivierend war, dass halt diese im Prinzip schon von Beginn an aussichtslose Position, die man hatte. 15a, 15b 15f S6 11: 11 Ja, also meine Rolle war der große Bruder. Ich weiß gar nicht mehr ob es der Vater oder der große Bruder war, von einem Vergewaltigungsopfer. Natürlich war ich dann auch für die Todesstrafe. Auf die Rolle vorbereitet habe ich mich jetzt nicht unbedingt. Also, ich habe Ihnen ja meine Aufzeichnungen gegeben, das war eher wenig, weil das so ein Thema ist wo ich mit meiner Rolle direkt nicht konform gehen kann und mit der Sicht meiner Position. Und dass ich mich dann eher darauf konzentrieren wollte, dass eine Person in solch einer Lage eher emotional geleitet sein wird, sodass ich dann versucht habe, eher mit irgendwelchen emotionalen Aussagen sozusagen die Pro-Seite aus der Reserve zu locken. Ich hatte ja auch relativ große Gesprächsanteile, würde ich sagen. 15a, 15f =emotionale Argumente 15b = S1 Die Contra-Seite? S6 Sagen wir einfach mal die andere Seite. Und es hat zwar nicht so gut funktioniert, die jetzt aus der Reserve zu locken aber an sich war es doch relativ lehrreich, weil man doch immer wieder lernt auch, das ist zwar nicht das Ziel des Englischunterrichts, man lernt halt auch immer wieder sich in solche Situationen zumindest in gewisser Weise hineinzuversetzen. Es ist ja auch immer ein Training, das man auch immer gebrauchen kann. 15i Perspektivenwechsel als lehrreich empfunden 15a, 15f I Und ist dir der Perspektivenwechsel schwer gefallen? S6 Am Anfang extrem, aber am Ende hatte ich sehr großen Spaß daran, die Gegenseite etwas zu provozieren. 15a, 15f I Und wie war das bei dir? S5 11: 12 11: 13 Also ich sollte ja eigentlich eine rassistische Polizistin sein, die für die Todesstrafe ist. Und das Ding war halt, also S7s Rolle fand ich auch extrem schwierig, weil seine Argumentationsgrundlage ja nur war, ja ich möchte meinen Job nicht verlieren. Bei mir war es aber so, also ich bin ja sowieso nicht dafür also gegen die eigenen Prinzipien voll verstoßen, aber das war halt irgendwie die dümmste Rolle, weil da halt absolut kein, weil Rassismus ist ja eigentlich unbegründet, also in dem Fall war das halt wirklich schwierig. Ich habe dann auch wie S7 im Internet recherchiert, weil ich einfach so nicht darauf gekommen bin, was für Argumente man liefern könnte. Und das habe ich ja auch gar nicht richtig geschafft, das so darstellen zu lassen als sei meine Intention dahinter purer Rassismus, also hab ich dann quasi meine Liste so abgehandelt, meine ganzen Argumente da runtergerattert und dann gehofft, dass das irgendwie was bringt. Aber das ist halt einfach unmöglich gewesen gegen diese Seite zu argumentieren, weil man ja selber auch der Meinung war. 15a =Rollenkonflikt offensichtlich 15i [Reflexion der Rollen] S7 beklagt, dass er aufgrund seiner Rolle - er verkörperte in der Talkshow einen Henker, der im Falle des Abschaffens der Todesstrafe seinen Arbeitsplatz verlieren würde - im Verlauf der Diskussion kaum sinnvolle Argumente beisteuern hätte können, da sie „mit dem Verbot der Todesstrafe oder Beibehalten nicht viel zu tun hatte.“ Die Argumentationsgrundlage der Rolle verbleibe auf einem oberflächlichen Niveau, da das einzige Argument, das der Henker in die Diskussion einbringen könne, der Verlust des eigenen Jobs sei. Dadurch dass dies allerdings keines sei, welches die Diskussion über das Für und Wider der Todesstrafe voranbringe, werde die Rolle des Henkers überflüssig und die Übernahme der solchen aus Schülersicht „demotivierend“, da diese ihn argumentativ in eine „im Prinzip schon von Beginn an aussichtslose Position“ bringe (15a, 15d, 15 f.). Auch S5 greift dies auf und verbalisiert ihre Schwierigkeiten mit der Rolle von S7, wenn sie sagt „S7s Rolle fand ich auch extrem schwierig, weil seine Argumentationsgrundlage ja nur war, ich möchte meinen Job nicht verlieren.“ Nicht nur die Rolle des Henkers empfanden die Schüler als problematisch, generell hatten die sie einen schweren Zugang zu den Rollen, die für die Todesstrafe argumentieren sollten. S4 stellt heraus, dass sie starke Schwierigkeiten mit der Perspektivenübernahme gehabt habe. Sie charakterisiert ihre Rolle - die einer rassistischen Polizistin - als die von der Konzeption her „dümmste Rolle“, weil 138 4 Kodierung, Analyse und Interpretation: Zwei Beispiele 4.6 Retrospektive Interviews mit den Lernenden (RiS) 139 sie Rassismus als Hauptargument zugrunde legt und dieses in den Augen von S5 nicht nachvollziehbar sei (15a). Rassismus sei „unbegründet“ und die Argumentation sei auf dieser Grundlage schwierig, die Glaubhaftigkeit beim Vorbringen der Argumente ebenfalls. S5 habe ihre Argumente einfach „runtergerattert und dann gehofft, dass das irgendwie was bringt“, der Perspektivenwechsel sei ihr aber nicht gelungen. Dies wird im letzten Satz ihrer Begründung deutlich, wenn sie sagt, dass es unmöglich sei gegen die Contra-Seite zu argumentieren, weil diese ihre eigene Meinung verkörpere. Dieser Gewissenskonflikt wird in einigen Auszügen aus den Daten sehr deutlich und wurde bereits im vorherigen Abschnitt ausgeführt. S6, der den Bruder eines Vergewaltigungsopfers verkörpert hat und für die Todesstrafe argumentieren sollte, merkt ebenfalls kritisch an, dass er mit seiner Rolle „nicht konform gehen“ konnte und es ihm schwer gefallen sei, plausible Argumente vorzubereiten. Entsprechend habe er sich wenig inhaltlich vorbereitet und habe sich in der Diskussion darauf konzentriert, emotional geleitet zu argumentieren und die „Pro-Seite aus der Reserve zu locken“. Er räumt ein, dass ihm dies argumentativ nicht besonders gut gelungen sei, empfand die Situation aber dennoch als lehrreich, da sie ihm gestattet habe, sich in eine von der eigenen Meinung divergierende Position hineinzuversetzen. S6 verbalisiert einen emotionalen Lernzuwachs durch die schwierige Perspektivübernahme (15i, 15a, 15 f.). Was bei S4 nicht gelungen ist, wird von S6 als erhellend empfunden. Je abstrakter die zu übernehmende Rolle sei und je stärker sie vom eigenen emotionalen Repertoire abweiche, desto schwieriger falle anscheinend die Perspektivübernahme und umso unangenehmer werde die Verkörperung der Rolle von Schülerseite empfunden. Auch die monologische Aufgabe wurde abschließend kurz retrospektiv reflektiert. I11: 33 Fällt es dir leichter ein Referat zu halten oder frei zu diskutieren? Welche Anforderungsbereiche findest du schwieriger oder welche fallen dir leichter? S8 Ich bin niemand, der sich jetzt auf ein Referat so groß vorbereitet oder da irgendwie ausarbeitet was er sagt, sondern ich sage einfach das, was da gerade draufsteht. Von daher ist das ungefähr gleich würde ich sagen. 15e I Worauf kommt es denn bei einem guten Referat an? S4 Als Person, die nicht besonders viel von Referaten hält, Bezug zum Publikum ist halt sehr wichtig. Wenn man vorne steht und nur redet und redet und redet, dann prallt das irgendwann an der Zuhörerschaft ab. Wenn man versucht sie ein bisschen einzubeziehen. Sei es durch Haltung oder aktive Möglichkeiten das zu gestalten, was halt bei deinem Referat etwas schwierig war (zu L.). Sonst fliegt halt die Aufmerksamkeit zu anderen Dingen. S3 11: 34 Ich finde es muss eigentlich nur natürlich wirken. Es ist das Schlimmste, wenn Leute bei Referaten vorne stehen und alles nachlesen. Ich weiß selber man neigt dazu, wenn man nervös ist auf seine Notizen zu gucken und dann genau das zu sagen, was da vielleicht steht oder den Satz zu verwenden, den man sich zuhause schon irgendwie für die eigenen Notizen überlegt hat, dann ist das nicht so ganz förderlich. Weil, wie J. schon gesagt hat, das Publikum irgendwie mit einbezogen werden muss. Unsere Tutorin in Wirtschaftsenglisch hat letzte Woche zu Referaten gesagt, dass Referate wie ein Schauspiel gestaltet werden sollen, sodass sie die Zuschauer mit einbeziehen und gleichzeitig was Lehrreiches bieten. Es geht gar nicht darum, dass die Zuhörer sich alles behalten was man sagt, aber so einzelne Schlagpunkte. Das ist halt bei einer unterhaltsamen Vortragsweise viel, viel einfacher als bei einer monotonen oder wenn die Vortragsweise gekünstelt wirkt. S8 11: 35 Ich finde es generell meistens besser, wenn es entweder gar keine Notizen gibt von dem der präsentiert oder es sich nachher dann erst aufbaut. Also, dass man keine feste Gliederung hat zum Beispiel. Ich mag sowas, auch wenn es Leute gibt, die es überhaupt nicht abkönnen. Aber ich mag das, wenn sich das so nach und nach aufbaut. Jetzt zu dem Referat, das ich gehalten habe: Ich finde das hätte man sehr viel schöner ausschmücken können mit den historischen Ereignissen, die da passiert sind und die darauf hingeführt haben, dass sich das so verändert hat wie es sich gemacht hat, nur dafür hatte ich jetzt nicht so wirklich Zeit, um das alles vernünftig vorzubereiten. =keine Notizen verwendet =Struktur im Moment des Präsentierens entwickelt I Wie war denn die Aufgabenstellung? 140 4 Kodierung, Analyse und Interpretation: Zwei Beispiele 4.6 Retrospektive Interviews mit den Lernenden (RiS) 141 S8 11: 36 Aufgabenstellung gab’s nicht. Die Vorbereitung auf das Referat war jetzt auch, sagen wir, weniger als eine Stunde um es mal in einen sehr groben Zeitrahmen zu fassen. Hätte ich natürlich einen anderen Zeitrahmen gehabt oder ein anderes gröber gefasstes Thema. Es war ja, so wie ich mir das ausgesucht habe, ein relativ eng gefasstes Thema, nur in Bezug auf Rassismus. Hätte ja auch sprachliche Relevanz oder sowas noch bearbeiten können. Dann hätte man das natürlich viel besser ausschmücken können, viel größer machen können. ≠ Thema war sehr weit gefasst [Referate] S8 merkt an, dass es für ihn keinen Unterschied mache, ob er ein Referat halten oder sich im Rahmen einer spontanen Diskussion im Unterricht beteiligen soll. Auch auf ein Referat bereite er sich sprachlich nicht derart intensiv vor, dass es sich von den Anforderungen in einer spontanen Interaktion unterscheide (15e). Die Daten zeigen, dass er den Vortrag, insbesondere sprachlich, sehr spontan konstruiert hat. Durch seine sprachlichen Kompetenzen gelang ihm dies auch sehr flüssig. Die geringe Vorbereitungszeit wirkte sich im Falle dieses Referats eher auf die Struktur als auf die Sprache aus. Nach den Eigenschaften eines guten Referats befragt, heben die Lernenden vor allem Adressatenbezug, freier Vortrag und eine angenehme Vortragsweise hervor. S7 kritisiert, dass er sich einen stärkeren Einbezug durch S8 gewünscht hätte, konkretisiert dies jedoch nicht. Die Daten lassen erkennen, dass S8 zwar viele sprachliche Strukturen verwendet, die einen Adressatenbezug herstellen, ein direkter Einbezug erfolgt jedoch erst am Ende des Vortrags und wirkt an dieser Stelle recht erzwungen. S8 scheint nicht wirklich an den Argumenten der Mitschülerinnen und Mitschüler interessiert zu sein und dies spiegelt sich in der Gesprächsführung. Es kommt nicht wirklich eine Diskussion zustande, S8 geht kaum auf die Beiträge ein und der Vortrag endet abrupt. Gegen Ende des Interviews stellt S8 nochmals heraus, dass es keine Aufgabenstellung durch den Lehrer gegeben habe und er theoretisch auch ein „gröber gefasstes Thema“ hätte bearbeiten können. Das gewählte Thema scheint aber bereits sehr grob gefasst und es macht, konträr zur Auffassung des Referenten, eher den Anschein als hätte eine klarere Aufgabenstellung für mehr Struktur sorgen können. 4.7 Retrospektives Interview mit der Lehrkraft (RiL) Das retrospektive Interview mit dem Lehrer fand zehn Tage im Anschluss an die Unterrichtseinheit statt. I 12: 45 Zunächst mal auf die Aufgabe selbst bezogen. Können Sie nochmal sagen, wie Sie die vorbereitet haben im Unterricht? Auch was die ursprüngliche Aufgabe war und wie sie sich entwickelt hat zu dem, was dann am Ende gezeigt wurde. L 12: 46 12: 47 Okay. Also ich hatte im Vorfeld überlegt mit den Schülern eine Simulation der Gerichtsverhandlung in „To Kill a Mockingbird“ zu machen. Das war meine ursprüngliche Idee. Habe dann in den Stunden vor der eigentlichen Stunde mit den Schülern darauf hingearbeitet, dass sie sich zu ihren Rollen entsprechende Fragen überlegen sollten. Also zum Richter, zum Verteidiger und so weiter. Da habe ich dann relativ schnell festgestellt, dass die Schüler mit der Aufgabenstellung, beziehungsweise nicht mit der Aufgabenstellung selbst, sondern mit der Situation sich in Personen aus dem Jahre 1935 oder halt aus den dreißiger Jahren hineinzuversetzen, dass sie damit eben Schwierigkeiten hatten. Und dass es vor allem den Personen, die den Tom Robinson, den Angeklagten und die den Kläger Ewell und seine Tochter sehr viele Probleme mit hatten und ich glaube, dass es tatsächlich schwierig war, das emotional zu verarbeiten, sodass ich dann von meinem ursprünglichen Plan abgewichen bin und mir eine Aufgabe überlegt habe, die dort auch denke ich reinpasst in das ganze Inhaltliche, in den inhaltlichen Zusammenhang, nämlich dem Problem der Todesstrafe und das Ganze dann in die heutige Zeit zu verfrachten, um darüber dann eine Talkshow abzuhalten. Das war dann die Alternative, die dann spontan aus den Problemen entstanden ist, die dann auch umgesetzt wurde. Also es hat dann tatsächlich gar nicht so viel Mehraufwand bedurft, dass die Schüler sich darauf noch viel, viel länger vorbereiten mussten, sondern es war dann wirklich so, dass sie dankbar waren, dass sie sich mit dieser Aufgabe befassen konnten und nicht mit einer emotional doch viel schwierigeren Aufgabe. = Idee ist spontan im Unterricht entstanden ⇔ Aufgabe war auch in dieser Form für SuS emotional schwierig [Vorbereitung der Aufgabe] 142 4 Kodierung, Analyse und Interpretation: Zwei Beispiele 4.7 Retrospektives Interview mit der Lehrkraft (RiL) 143 Der Lehrer wurde zunächst gebeten, die didaktische Entscheidung die ursprünglich intendierte Aufgabe, eine Simulation der Gerichtsverhandlung zur Kurslektüre To Kill a Mockingbird , derart abzuwandeln, dass die Schülerinnen und Schüler am Ende eine Gerichtsverhandlung zum Thema Todesstrafe in den USA vorbereiten und durchführen mussten, retrospektiv zu erläutern. Er begründet diese Entscheidung mit einem durch ihn nicht antizipierten überfordert Sein der Lernenden, insbesondere auf emotionaler Ebene. Es habe sich gezeigt, dass die Schüler/ innen mit der Perspektivübernahme Probleme hatten und es ihnen schwer gefallen sei, sich in „Personen aus dem Jahr 1935 hineinzuversetzen.“ Zudem hätten sie mit den fiktiven Charakteren Robinson, Ewell sowie dessen Tochter „Probleme gehabt“. Dies lässt darauf schließen, dass die Schwierigkeiten nicht nur in der Situation, sondern auch in der durch den Lehrer vermuteten schwachen Durchdringung der Lektüre begründet liegen. Auch wenn er darauf hinweist, dass es für die Schüler/ innen „schwierig war, das emotional zu verarbeiten“, was sie zu lesen und vorzubereiten hatten, so macht die didaktische Konsequenz, die der Lehrer aus diesem Sachverhalt zieht, nämlich den Abbruch der eigentlichen Aufgabe und die Abkehr vom literarischen Text, deutlich, dass die unreflektierte Unterrichtsarbeit mit Literatur der angestrebten Förderung der Sprechkompetenz hier entgegensteht. Der Lehrer nimmt wahr, dass die gestellte Aufgabe hohe Anforderungen an die Lerngruppe stellt, hat aber gleichsam kein wirksames didaktisches Konzept zur Lektürearbeit parat. Burwitz-Melzer betont beispielsweise, dass Lehrkräfte in der Unterrichtsarbeit mit literarischen Texten als „Monitore“ für emotionale Prozesse auftreten sollen und dass sie „die Emotionen der Protagonisten durch Fragen und Aufgabenstellungen für die Lernende nachvollziehbar machen“ können (Burwitz-Melzer 2008: 37). Durch eine gezielte Annäherung an die Emotionen der Protagonisten hätte der Lehrer Zugänge zur erfolgreichen Bewältigung der Ursprungsaufgabe schaffen können. Dies hätte allerdings wesentlich mehr Zeit in der Vorbereitung bedurft und im Kontrast zur Intention des Lehrers gestanden, die Aufgabe möglichst schnell durchführen zu können. Auffällig ist zudem, dass sprachliche Aspekte bei der lehrerseitigen Begründung der Abkehr von der Aufgabe keinerlei Rolle spielen. Offenbar traut der Lehrer seinem Kurs die Bewältigung der sowohl kognitiv als auch sprachlich sehr anspruchsvollen Aufgabe der Simulation einer Gerichtsverhandlung ohne Weiteres zu und vermutet Gründe für die aufgetretenen Schwierigkeiten ausschließlich auf inhaltlicher und affektiver Ebene. Dies spiegelt sich auch in der Unterrichtsplanung wider, denn der Lehrer verzichtete zur Vorbereitung der Sprechphase gänzlich auf inhaltliches oder sprachliches Scaffolding. Es wurden weder Arbeitsblätter zur Verfügung gestellt, noch sprachliche Stützen zum gewählten Genre angeboten. Nur so war eine derart spontane Abkehr von der ursprünglichen Aufgabenidee überhaupt realisierbar. Der folgende Ausschnitt aus dem Interview lässt den Lehrer daher nochmal konkret Stellung dazu beziehen, wie er sich die schülerseitige Erarbeitung der Argumente vorgestellt hat, schließlich konnten die Schüler/ innen diese nicht aus gegebenem Material gewinnen und, aufgrund der Änderung der Aufgabenstellung und der damit verbundenen gewandelten Rolle der Romanvorlage, auch schwer aus der Lektüre, denn die durch den Lehrer spontan kreierte Alternativaufgabe abstrahiert die Thematik auf ein anderes sprachliches Genre, welches einerseits zwar schülernäher ist, andererseits aber die Genese von inhaltlichen Argumenten und die Übernahme geeigneter sprachlicher Ausdrucksformen aus der Romanvorlage erschwert. I12: 52 Wie würden Sie die Talkshow generell beurteilen? Also den outcome . L Also ich habe nicht erwartet, dass sie etwas total Bahnbrechendes am Ende haben, aber was mich überzeugt hat, ist, dass wirklich alle Schüler, mit Abstrichen, gute Argumente vorgebracht haben. Dass sie der jeweiligen Gegenpartei zugehört hat, auf die Argumente eingegangen ist bis zu einem gewissen Punkt. Also man hätte diese Talkshow durchaus abbrechen können, weil am Ende drehte es sich wirklich im Kreis und man kam halt nicht mehr wirklich weiter und ich weiß jetzt gar nicht wie lange es jetzt am Ende wirklich ging. Ich glaube 45 Minuten. ⇔ Rolle des Henkers (S7), Rolle der rassistischen Polizistin (S5), Rolle des Bruders (S6) I Fast eine Stunde. L12: 53 Ja. Ich denke, dass das vielleicht dann schon etwas zu lang war. Normalerweise kann man sowas bestimmt in 20, 30 Minuten auch ja abhandeln. [Beurteilung Outcome] Der Lehrer eröffnet seine Beurteilung mit der Darlegung seiner geringen Erwartungshaltung. Auch wenn er es nicht direkt formuliert, so scheint es als sei er von dem Outcome der Aufgabe nicht vollständig überzeugt. Er hat zwar nichts „Bahnbrechendes“ erwartet, offenbar haben die Schüler/ innen in seinen Augen aber auch nichts Derartiges geliefert. Die Punkte, die er positiv hervorhebt, beziehen sich auf die Argumentationsfähigkeit der Schüler/ innen. Es seien, wenn auch mit Abstrichen, gute Argumente vorgebracht worden und es seien kommunikative Teilkompetenzen wie Zuhören, sowie auf das Gegenüber und dessen Position eingehen, gezeigt worden. Einen interessanten Ankerpunkt 144 4 Kodierung, Analyse und Interpretation: Zwei Beispiele 4.7 Retrospektives Interview mit der Lehrkraft (RiL) 145 für die nächste Interviewfrage lieferte der Lehrer selbst im letzten Abschnitt seiner Antwort, wenn er darauf verwies, dass er die Talkshow durchaus auch zu einem früheren Zeitpunkt hätte abbrechen können. Er konstatiert, dass die Argumente im Verlauf der Diskussion vermehrt redundant erschienen, was sich durchaus, wie zuvor gezeigt, mit den Beobachtungen aus den Unterrichtsdaten deckt. Auffällig erschien hier die Formulierung „Normalerweise kann man sowas bestimmt auch in 20, 30 Minuten abhandeln“. Es stellt sich hier die Frage, worauf er sich mit normalerweise bezieht. Dies kann einerseits ein Eingeständnis der eigenen didaktischen Fehleinschätzung der Situation (Ich hätte im Idealfall abbrechen sollen) oder aber ein Hinweis auf die Besonderheit der Aufnahmesituation sein (Ich hätte abgebrochen, wenn wir nicht gefilmt/ beobachtet worden wären). Um dies auszuloten und um den Lehrer zu den bei der Sichtung der Daten ohnehin aufgekommenen Auffälligkeiten Stellung beziehen zu lassen, wurde im Interview gezielt nachgefragt. I 12: 54 Okay. Warum haben Sie sich entschieden sie weiterlaufen zu lassen? L 12: 55 Ja, ich hatte…es ist ein bisschen schwierig. Ich hatte natürlich erstmal gedacht, vielleicht kommt jetzt nochmal irgendwas. Ein Killerargument. Ich hatte auch immer noch gehofft darauf, dass etwas kommt. Ich habe auch immer darauf gehofft, dass vom Publikum, was tatsächlich leider etwas still war, da haben glaube ich nur zwei Schüler regelmäßig Fragen gestellt und zwei Mädchen, also S9 und S10, haben so einfache Fragen reingeworfen. Aber ich hätte mir gerade vom Publikum ein bisschen mehr erwartet. Das kam nicht, aber ich dachte es kommt vielleicht irgendwann noch und deshalb habe ich es eben nicht nach 30 Minuten abgebrochen. Einfach weil ich gedacht habe, vielleicht kommt jetzt wirklich noch der Knüller. Was man sagen könnte ist, dass nicht alle Schüler so involviert waren, wie zum Beispiel S5, der viel gesprochen hat, wie S1 als Host oder wie S8, der aus dem Publikum mal Fragen gestellt hat. Also wenn ich jetzt zum Beispiel an die Rolle von S1 denke, der den executioner gespielt hat, der hat halt wirklich nicht viele Sachen gesagt. Das ist wahrscheinlich auch der Rolle geschuldet. Weil, ich meine, sich da hineinzuversetzen, fällt wahrscheinlich jedem Schüler schwer. ⇔hervorgehobene Involviertheit mancher SuS deckt sich nicht mit Daten [Didaktische Entscheidung - kein vorzeitiger Abbruch der Talkshow] Die Ausführungen des Lehrers lassen darauf schließen, dass es sich um eine didaktische Fehleinschätzung seinerseits handelte und nicht um eine der Aufnahmesituation geschuldete Entscheidung. Es sei nicht zu einem vorzeitigen Abbruch der Aufgabe gekommen, da der Lehrer einerseits hoffte, es könne noch ein „Killerargument“ seitens der Schüler kommen, das der Argumentation eine interessante Wendung geben könnte und andererseits wünschte er sich eine stärkere Aktivität der nicht direkt an der Talkshow beteiligten Schüler/ innen und Schüler. Dem Lehrer fällt die geringe Aktivierung der Zuhörer negativ auf, allerdings muss auch hervorgehoben werden, dass die Aufgabenkonzeption dem Publikum keine Bedeutung beimisst, was sich auch anhand der Daten aufzeigen lässt. Bis auf S8, der sehr aktiv versuchte aus dem Publikum auf den Verlauf der Diskussion einzuwirken und auch argumentativ zu provozieren wie auch die vom Lehrer angeführten, vereinzelten Fragen der Schülerinnen S9 und S10 an einzelne Rollen in der Talkshow, verharrte das Publikum während der sechzigminütigen Aufgabenphase zumeist in einer sehr passiven, rezeptiven Rolle. Da es aber auch keinen gezielten Hörauftrag für das Publikum gab, ist die Lernwirksamkeit der Aufgabe für einen Großteil des Kurses zu hinterfragen. Eine weitere Beobachtung des Lehrers bezieht sich auf die unterschiedliche Aktivierung einzelner Schüler/ innen, die sich aktiv an der Diskussion beteiligt haben. Interessanterweise ist dieser Aspekt sowohl in der Datensichtung als auch in den retrospektiven Interviews mit den Lernenden hervorgetreten. Insbesondere die Rolle des Henkers wird durch den Lehrer als problematisch herausgestellt, da diese eine Perspektivenübernahme schwierig gestalte. Zudem, so zeigte auch das Interview mit dem Schüler, der die Rolle übernommen hatte, gestatte sie es kaum plausible Argumente in die Diskussion einzubringen. Hierin lässt sich ein möglicher Grund für abweichende Beteiligungen hinsichtlich Frequenz und Qualität festmachen. Da der Lehrer im zweiten Abschnitt der Antwort bereits auf mögliche Modifikationen der Aufgabe eingegangen ist, erschien es zielführend, nach weiteren Änderungsideen zu fragen. 146 4 Kodierung, Analyse und Interpretation: Zwei Beispiele 4.7 Retrospektives Interview mit der Lehrkraft (RiL) 147 I12: 56 Würden Sie da heute etwas anders machen? L 12: 57 Ja. Ich denke, dass in Zukunft, wenn man so etwas noch mal machen sollte, dass man den executioner dann rauslässt, weil es einfach wahrscheinlich zu problematisch ist. Wir hatten ja dann noch den einen Schüler, der sich vorbereiten sollte auf den republican politician . Der war an dem Tag leider krank. Es wäre tatsächlich interessant geworden inwieweit sich da bestimmte Reibungspunkte ergeben hätten zwischen Demokraten und Republikanern. Also da hätte ich dann tatsächlich vielleicht für die Zukunft zwei Schüler für eine Rolle ausgewählt, so dass man dann, wenn tatsächlich mal jemand ausfällt, nicht vor einem Scherbenhaufen steht. Ich meine, es hat funktioniert, aber wäre jetzt zum Beispiel der S1 ausgefallen, dann hätten wir tatsächlich improvisieren müssen und ich hätte das glaube ich nur S8 zugetraut, den Host dann ohne Vorbereitung zu übernehmen. Also da gäbe es tatsächlich Verbesserungsmöglichkeiten gerade im Hinblick darauf, dass jeder Schüler eine Rolle vorbereiten sollte und wenn dann jemand ausfällt, dass dann jemand einspringen kann. = = [Modifikation der Aufgabe] Zu den Modifikationen befragt, äußerte sich die Lehrkraft zunächst erneut zur bereits zuvor als problematisch charakterisierten Rolle des Henkers. Aus der Erfahrung, dass am Tag der Aufgabe (der Durchführung der Talkshow) ein Schüler, der für die Rolle des republikanischen Politikers vorgesehen war, krankheitsbedingt fehlte, leitet er die Option ab, bereits in der Vorbereitungsphase Rollen doppelt besetzen zu lassen. Dies begründet er damit, dass er Improvisationen und die spontane Übernahme von Rollen ohne entsprechende Vorbereitung nur wenigen Schülern zutraut. Es ergibt sich aus einer solchen Modifikation aber noch ein weiterer Vorteil, schließlich würde man das Publikum in der vorbereitenden Phase stärker einbeziehen und jeder Schüler hätte eine konkrete Rolle vorzubereiten, auch wenn er eventuell nicht selbst an der Diskussion teilnimmt. Das Fehlen des Schülers stellt für den Lehrer einen weiteren Faktor dar, der die stockende und teils redundante Diskussion erkläre, habe er sich doch im Aufeinandertreffen der republikanischen und demokratischen Positionen zum Thema Todesstrafe in den USA zusätzliche „Reibungspunkte“ versprochen, die zur Teilnahme an der Diskussion motivieren sollten. Abgesehen von den durch den Lehrer beobachteten und beschriebenen argumentativen Kompetenzen, die die an der Diskussion beteiligten Schüler/ innen gezeigt haben, taucht in der lehrerseitigen Beurteilung der Aufgabe der Faktor Sprache kaum auf. Es erschien daher fruchtbar, nochmal konkret diesbezüglich nachzufragen, auch um einen Eindruck davon zu bekommen, worauf es dem Lehrer schließlich mit dieser Aufgabe ankam. I12: 58 Wie würden Sie das sprachlich beurteilen, was da gezeigt wurde? L 12: 59 13: 00 Also ich habe natürlich mit den Schülern gesprochen am Ende und ich bin tatsächlich schon zufrieden mit dem was sprachlich geäußert wurde. Natürlich ist es im Eifer des Gefechts schwierig sich grammatikalisch immer korrekt auszudrücken. Aber das ist auch nicht gefordert oder gewünscht gewesen von mir. Also mir war es tatsächlich wichtig, dass-- message before accuracy -- dass die Schüler sprechen und das haben sie getan. Weil es ist oft so, dass wenn wir Frontalunterricht haben, also wirklich den klassischen Frontalunterricht, und es kommen wirklich Fragen von mir, dass das dann dauert. Da gibt es dann zwei, drei Schüler, die immer dabei sind. Das sind die, die quasi den Unterricht machen und die anderen halten sich zurück. Die halten sich zurück, weil sie auch in gewisser Weise Angst haben, dass das was sie sagen könnten, falsch ist. Also den Eindruck habe ich zumindest. Von daher denke ich, dass so ein Wechsel der Methoden für den Oberstufenunterricht ganz wichtig ist um eben alle Schüler abzuholen. Und an dem Tag hat mich das wirklich positiv, nicht überrascht, aber es war schön anzusehen, dass die Schüler halt kommuniziert haben. Der S2 zum Beispiel, der hat sich zwar auch immer mal wiederholt, aber der spricht sonst nicht so viel. Und da musste er. Und ich glaube, dass die Schüler bei so einem Aufgabenformat befreiter aufsprechen oder befreiter agieren können als im Unterricht, wenn ich halt vorne stehe und sie diese monologische Kommunikation halten. Von daher denke ich, dass diese Kommunikationsformate, egal wie sie auch durchgeführt werden, tatsächlich etwas bringen im Sinne von Sprachproduktion. [Beurteilung Sprache] 148 4 Kodierung, Analyse und Interpretation: Zwei Beispiele 4.7 Retrospektives Interview mit der Lehrkraft (RiL) 149 Der Lehrer zeigt sich mit den gezeigten sprachlichen Kompetenzen der Schüler/ innen zufrieden und betont, dass er grammatikalische Fehler in einer Aufgabe wie der Talkshow, deren Fokus klar auf den Inhalten liege, als sekundär empfindet. Wichtiger als die sprachliche Korrektheit sei die Tatsache, dass Schüler im Rahmen dieser Aufgabe überhaupt sprechen. Offenbar hat der Lehrer in vergangenen Unterrichtsstunden, insbesondere in lehrergesteuerten Phasen, den Eindruck gewonnen, dass die Lernenden aus Angst vor inhaltlichen oder sprachlichen Fehlern-- dies wird nicht klar unterschieden-- auf eine Beteiligung verzichten. Es fällt auf, dass der Lehrer hier auf Leitprinzipien verweist, die sich auch in den Bildungsstandards für die fortgeführte Fremdsprache sowie den niedersächsischen Kerncurricula Englisch für die Oberstufe wiederfinden lassen. Konkret ist die Rede von der Betrachtung grammatikalischer Strukturen als Kommunikationsbausteine („dienende Funktion“) und nicht als Ausgangspunkt des Unterrichts sowie der Unterordnung der sprachlichen Korrektheit zugunsten der Wahrung des Redeflusses und der kommunikativen Absicht (vgl. KMK 2012: 15, NiBiS 2009). Exemplarisch stellt der Lehrer zudem heraus, dass ein „Wechsel der Methoden“ und eine Abkehr vom „klassischen Frontalunterricht“ in diesem Fall dazu geführt habe, dass sonst eher ruhige Schüler/ innen wie S2 in solchen Aufgabenformaten mehr Redezeit bekämen und „befreiter aufsprechen“ könnten. Mangelnde Redezeit sieht er als eines der größten Probleme im Englischunterricht im Allgemeinen. Dies führt er dann auch, unter Bezugnahme auf die nun obligatorischen Kommunikationsprüfungen, weiter aus. L13: 05 Wir haben ja jetzt die Sprechprüfung als verpflichtende Klausurersatzleistung in 12, 10, 8 und 6 und das finde ich wiederum sehr gut, weil wir haben es tatsächlich mit einer lebendigen und lebenden Sprache zu tun. Und wenn man mal überlegt wie viel jeder Schüler in einer Doppelstunde so Netto-Redezeit hat, das ist teilweise unter einer Minute. Und bei den durchschnittlichen und schwächeren Schülern noch weniger. Bei einer Sprechprüfung sind sie halt dazu gezwungen das zu tun, wozu der Englischunterricht eigentlich da ist. Sie sollen ja befähigt sein, sich im englischsprachigen Ausland oder wo auch immer mit der Sprache zu bewegen. Und von daher möchte ich, plädiere ich tatsächlich dafür, dass es so viele Kommunikationsmöglichkeiten wie möglich im Unterricht gibt. [Redezeit und Sprechprüfungen-- Washback] Das Plädoyer des Lehrers für den Einsatz von Sprechprüfungen in verschiedenen Jahrgängen der Schule macht deutlich, dass er sich darüber bewusst ist, dass in vielen Fällen im alltäglichen Englischunterricht einzelne Schüler nur sehr selten zu Wort kommen und man diesem Umstand, durch die Schaffung von Kommunikationsanlässen im Unterricht entgegenwirken kann. Entsprechend deutet er an, dass das feste Etablieren von Sprechprüfungen in den Schulcurricula durchaus einen Washback-Effekt auf die Unterrichtsgestaltung hat, schließlich muss für solche Prüfungsformate geübt werden. Auch wenn die gezeigte Sprechaufgabe den Schüler/ innen, die direkt daran beteiligt sind, Möglichkeiten zur Sprechkompetenzförderung einräumt, so ist die Netto-Redezeit des Großteils des Kurses sehr gering. An dieser Stelle zeigt sich demnach exemplarisch, dass das alleinige Bewusstsein über einen Missstand noch nicht dazu führt, dass diesem in der konkreten Unterrichtsgestaltung auch zielführend entgegengewirkt wird. Da die Sichtung der im Unterricht erhobenen Sprachdaten ergeben hat, dass der Lehrer weder während der Diskussion noch im Anschluss daran auf inhaltliche oder sprachliche Aspekte näher eingegangen ist, schloss sich eine Frage zum Umgang mit sprachlichen Fehlern der Schüler/ innen im Allgemeinen wie auch im Fall der beobachteten Aufgabe an. 150 4 Kodierung, Analyse und Interpretation: Zwei Beispiele 4.7 Retrospektives Interview mit der Lehrkraft (RiL) 151 I13: 08 An welchen Stellen korrigieren Sie sprachliche Fehler generell? Vielleicht auch nochmal konkret in Bezug auf die Talkshow, denn da wurde ja nichts korrigiert. L 13: 09 13: 10 Also ich habe mir tatsächlich bei der Talkshow auch Sachen aufgeschrieben was einige Schüler falsch gemacht haben nur hätte es das Ganze ja komplett zerstört, wenn ich eingegriffen hätte. Also, Fehlerkorrektur finde ich wichtig, auch in der Oberstufe. Man muss sich natürlich ein bisschen mehr zurücknehmen. In erster Linie, was ich vorhin schon gesagt habe, ist bei mir am Wichtigsten message before accuracy . Und ich mache es tatsächlich so, dass ich die Schüler ausreden lasse. Immer. Ich erinnere mich nicht daran, dass ich die Schüler jemals unterbrochen hätte. Es sei denn es war irgendetwas komplett Falsches. Aber auch dann halte ich mich eigentlich eher zurück, schreibe es mir entweder auf oder behalte es im Hinterkopf und spreche die Schüler dann darauf an, wenn sie mit dem Sprechen fertig sind. Ich denke einfach, dass alles andere, also, wenn ich sie unterbreche, den Schülern dann auch so ein bisschen der Mut genommen wird zu sprechen. Gerade den Schwächeren. Wenn jetzt zum Beispiel S8 einen Fehler macht. He go to the bathroom oder so, dann weise ich natürlich schon darauf hin, weil das darf einem S8 nicht passieren, der 14 Punkte verdient hat oder anstrebt. Aber ich sage mal, wenn ein Schüler, der tatsächlich zu den Schwächeren gehört, der macht natürlich Fehler in der Grammatik. Und wenn ich da jedes Einzelne korrigiere, dann ich auch dem den letzten Funken und sorge eher für noch mehr Frustration und noch mehr Zurückhaltung bei diesem Schüler. Also, Fehlerkorrektur ist wichtig, aber ich glaube, dass, wenn man so von Schuljahr 5 bis 12 geht, dass es im Laufe der Zeit immer abnimmt. Also weniger wird zugunsten von mehr Kommunikation. Die sollen ja sprechen, genau. Was manchmal im Leistungskurs gut klappt, wenn die peers tatsächlich die Korrektur machen. Also, wenn die Mitschüler das schaffen. Das geht eigentlich auch ganz gut. Dafür haben die ein ganz gutes Ohr und das machen wir zum Beispiel auch, wenn die Schüler Texte haben, dass die dann nicht klassisch den Text vorlesen, sondern, dass ich die ruhig mal austauschen lasse, so dass die Schüler die Texte korrigieren und vielleicht nochmal ein anderes Empfinden für die sprachliche Richtigkeit bekommen. ⇔ viele Korrekturen sprachl. Art in Feedbackphase [Fehlerkorrektur] Es scheint, dass der Lehrer diese Frage als Angriff versteht und versucht, sich retrospektiv für das Ausbleiben der Fehlerkorrektur beim Forscher zu rechtfertigen. Zunächst stellt er heraus, dass ein sofortiges Intervenieren bei sprachlichen Fehlern während der Talkshow nicht zielführend gewesen wäre, er sich aber durchaus einige Notizen zu sprachlichen Auffälligkeiten gemacht habe. Generell bevorzuge er eine Trennung von Inhalt und sprachlicher Korrektheit insofern, als dass er eine sprachliche Fehlerkorrektur erst einleite, wenn der Fokus nicht mehr auf dem Inhalt liege oder er auf eine solche gänzlich verzichte. Dies erscheint, unter Bezugnahme auf die beobachtete Unterrichtssequenz auch durchaus sinnvoll. Eine Intervention zur Korrektur sprachlicher Aspekte hätte sich möglicherweise als Störimpuls erwiesen. Anders sieht das jedoch für eine mögliche Intervention inhaltlicher Art aus. Hier hätte z. B. die Diskussion durch einen Lehrerimpuls anders verlaufen können oder, wie bereits weiter oben ausgeführt, frühzeitig zu einem Abschluss gebracht werden können. Seinen Ausführungen zufolge, korrigiert der Lehrer sprachliche Fehler in höherer Frequenz bei Schülern wie S8, die er als besonders leistungsstark einschätzt und begründet das damit, dass einem solchen Schüler die meisten Fehler „nicht passieren“ dürften und er deshalb darauf hingewiesen werde, wohingegen er bei, in seinen Augen, schwächeren Schülern auf die Korrektur desselben Fehlers verzichten würde, um deren Sprechangst zu reduzieren bzw. diese nicht aufkommen zu lassen. Problematisch erscheint hier die Sichtweise des Lehrers auf die sprachlichen Fehler seiner Schüler/ innen. Es ist zu vermuten, dass die Diagnosekompetenz des Lehrers wenig von fachdidaktischen Theorien beeinflusst ist. Ansonsten würde er nicht äußern, dass Fehler von Schülern wie S8, einer unbedingten Verbesserung bedürften. Es ist, aus fachdidaktischer Sicht, nicht plausibel, dass Fehler eines Schülers, dem er eine hohe Sprechkompetenz diagnostiziert, eher Verbesserung bedürften als derselbe Fehler bei in seinen Augen schwächeren Schülern. Ein solches Korrekturverhalten deutet darauf hin, dass Bezüge zwischen Kompetenz und Performanz problematisch eingeschätzt werden und ein eher behavioristisches Verständnis von Fehlern zugrunde liegt. Der Lehrer hebt außerdem hervor, dass er Schüler/ innen immer aussprechen ließe und nur dann unterbräche, wenn sie „irgendetwas komplett Falsches“ sagten. Es bleibt jedoch an dieser Stelle unklar, welchen Maßstab der Lehrer hier ansetzt. Anhand der Unterrichtsdaten lässt sich dies auch nicht exemplifizieren, allerdings muss darauf verwiesen werden, dass die Schüler/ innen in ihren retrospektiven Interviews das Korrekturverhalten des Lehrers kontrovers beschreiben und unterschiedlich beurteilen. Gegen Ende seiner Ausführungen zum Thema Korrektur nennt der Lehrer alternative Formen zur Lehrerkorrektur, die sich in seinem Unterricht als wirksam erwiesen haben wie beispielsweise schriftliche und mündliche Peer-Korrektur. Dieser Eindruck lässt sich ebenfalls 152 4 Kodierung, Analyse und Interpretation: Zwei Beispiele 4.7 Retrospektives Interview mit der Lehrkraft (RiL) 153 mithilfe der Daten aus den Schülerinterviews (Verweis noch einfügen) weiter stützen. Zum Abschluss des Interviews wurde der Lehrer noch zu monologischen Sprechformaten im Allgemeinen und zum Schülerreferat aus der beobachteten Unterrichtseinheit befragt. I13: 02 Monologisch ist ein gutes Stichwort. Dann würde ich gerne nochmal auf die Präsentation von S8 eingehen oder generell auf Referate. Wie würden Sie die Lernwirksamkeit von Referaten beurteilen? L 13: 03 13: 04 Also ich finde es tatsächlich schwierig. Ich muss sagen, dass Referate oft, auch bei Kollegen, eingesetzt werden, einfach um noch eine zusätzliche Note zu haben oder eine alternative Note. Aber ich fürchte fast, dass bei vielen Referaten der benefit oder das outcome für die Schüler, die zuhören, oder die nicht am Referat selbst beteiligt sind, dass der relativ gering ist. Das mag damit zusammenhängen, dass es Schüler sind, die präsentieren. Und dass der Schüler denkt, ich muss jetzt nicht so viel aufpassen als wenn der Lehrer spricht. Ich weiß es nicht. Ich tue mich mit Referaten im Unterricht tatsächlich schwer. In dem Fall war es so, dass S8 das freiwillig gemacht hat, weil er sich gerne eine gute Note verdienen möchte, die er auch verdient hat. Und von daher habe ich das auch akzeptiert und ihn das machen lassen. Es war ja dann auch vom Umfang nicht so, dass man irgendwie zwei Stunden verloren hat, sondern das ging ja relativ zügig und das finde ich in Ordnung. Aber ich finde, man sollte es nicht übertreiben. Also man sollte es nicht zu häufig einsetzen. Weil die Schüler betreiben einen unheimlichen Aufwand diese Referate zu planen und zu erstellen. Und dann präsentieren sie zehn, zwanzig Minuten, dann gibt es eine kurze Diskussion. Ich habe festgestellt, dass die Schüler oft, also die Zuhörer, oft nicht so zuhören wie sie zuhören sollten und das ist halt schade. Weil die Schüler stecken sehr viel Zeit und Energie rein. S8 hat das toll gemacht. Er hat frei präsentiert. Das hat er auch schon bei mir im Seminarfach als er seine Facharbeit präsentiert hat. Der hat nicht einmal auf den Zettel geguckt und das ist sicherlich toll. Und ich denke mal, der macht das besser als so mancher Kollege. Und das ist für andere Schüler auch schön anzusehen. Aber ich denke tatsächlich, dass die meisten Schüler mit diesem Aufgabenformat Probleme haben. Daher bin ich da immer so ein bisschen zwiegespalten. Also ich möchte nicht Klausuren durch Referate ersetzt haben. [Lernwirksamkeit von Referaten] Auf die gezeigte Schülerleistung geht der Lehrer an dieser Stelle nur recht knapp ein und merkt an, dass S8 es „toll gemacht“ habe und während des gesamten Vortrags „nicht einmal auf den Zettel geguckt“ habe. Ein wesentliches Qualitätsmerkmal von Referaten scheint für den Lehrer der freie Vortrag zu sein. In der Beurteilung „der macht das besser als so mancher Kollege“ steckt, neben der indirekten Kritik am Fachkollegium, eine große Anerkennung der sprachlichen Kompetenz von S8, die allerdings nicht weiter ausgeführt wird. Dabei lässt sich an den Unterrichtsmitschnitten belegen, dass die Ausführungen des Lehrers, den freien Vortrag betreffend, keinesfalls übertrieben sind. S8 hat, wie es bereits zuvor dargestellt wurde, tatsächlich das gesamte Referat ohne Skript vorgetragen. Hinsichtlich des Arbeitsaufwands variieren die Aussagen aus Lehrer- und Schülerinterview. Der Lehrer hebt hervor, dass Schülerreferate einen großen Aufwand in der Vorbereitung bedürften, wohingegen das durch den Lehrer sehr positiv wahrgenommene Referat von S8, zumindest laut dessen eigener Aussage, in weniger als 60 Minuten durch diesen zusammengestellt wurde (vgl. retrospektives Schülerinterview). Allgemein ist der Lehrer Referaten gegenüber recht kritisch eingestellt. Er mahnt an, dass Referate von Kollegen nicht als Lern-, sondern Leistungsformat verwendet würden. Es ginge lediglich darum „noch eine zusätzliche Note zu haben“. Für die Schüler/ innen, die nicht direkt am Referat beteiligt seien, halte er den Outcome für eher gering. Da es sich um Schüler handele, die referierten, sei die Motivation der Lerngruppe zuzuhören, geringer, als wenn es sich beim Vortragenden um den Lehrer hielte. Kritisch seien hier zwei Aspekte angemerkt: Erstens verwendet auch der Lehrer in der beobachtenden Situation das Schülerreferat als Leistungsformat, da es lediglich Teil des Unterrichts ist, damit sich S8 „eine gute Note verdienen“ kann und zweitens stellt auch der Lehrer selbst in der Unterrichtssituation keine didaktischen Bemühungen an, der von ihm angemahnten Passivität der Rezipienten (z. B. durch Höraufträge oder einen auszufüllenden Feedbackbogen) entgegenzuwirken. 4.8 Zwischenfazit Pilotierung Die beiden in diesem Kapitel vorgestellten Fallstudien haben einige Impulse für die weitere Durchführung bzw. Schwerpunktsetzung der Studie geliefert. Hinsichtlich des monologischen Sprechens konnte mit den Daten anschaulich nachvollzogen werden, wie die unterschiedlichen Faktoren, die das Kategoriensystem abbildet, zueinander in Beziehung stehen. Besonderes Augenmerk ist in weiteren Studien auf den Einfluss der Schriftlichkeit auf den mündlichen Schülervortrag zu richten, da die Fallstudie hierzu kaum Erkenntnisse liefern konnte. 154 4 Kodierung, Analyse und Interpretation: Zwei Beispiele 4.8 Zwischenfazit Pilotierung 155 Bereits an dieser Stelle ist zu vermuten, dass der Arbeitsauftrag ein wesentliches Element ist, das letztlich die Schülerleistung determiniert. Mit Blick auf die Daten der Pilotstudie ist zu vermuten, dass eine präzise (eng gefasste) Aufgabe, die im Unterricht gelenkt und materialgestützt vorbereitet wird, zu einem strukturell und inhaltlich hochwertigeren Beitrag führt als dies der Fall wäre, wenn der Auftrag zu wenige Vorgaben macht. Auch das geteilte Vorwissen scheint eine wichtige Rolle bei monologischen Sprechformaten zu spielen. Es ist auffällig, in welchem Maße im Fallbeispiel geteiltes Vorwissen als Stilmittel gebraucht wurde. Neben ausdifferenzierten Arbeitsaufträgen und einer Diagnose des Vorwissens, haben sich auch Kriterien für die Beurteilung einer Sprechleistung als relevant erwiesen. Gerade weil diese nicht vorlagen, büßte die Aufgabe für die Lernenden stark an Sinnhaftigkeit ein. Eine differenzierte Rückmeldung auf Sprechleistungen hilft den Lernenden diese in Zukunft effektiver vorzubereiten. Gemeinsam erarbeitete Kriterien könnten in diesem Zusammenhang eine Grundlage für Rückmeldungen sowie die eigenen Sprechleistungen liefern. Bezogen auf das interaktive Sprechen, lässt sich resümieren, dass die Effektivität einer Sprechaufgabe nicht alleine durch ein geeignetes Genre bestimmt wird, sondern einer Faktorenkomplexion unterliegt. Anhand der Daten lässt sich die Hypothese aufstellen, dass eine Sachanalyse der Aufgabe bezogen auf Sprache und Inhalt im Vorfeld der unterrichtlichen Durchführung zielführend ist. Eine spontan kreierte Aufgabe in Kombination mit einem komplexen und anspruchsvollen sprachlichen Genre und einer fordernden, vielleicht hier zu schülerfernen, Thematik führt in diesem Fall dazu, dass nicht alle Lernenden sich effektiv an der Sprechaufgabe beteiligen können und dazu, dass die Struktur der Debatte redundant wird, insbesondere, wenn die Lehrkraft es versäumt, steuernd einzugreifen. Inhaltliches und sprachliches Scaffolding bereits in der Vorbereitungsphase hätte sich hier als hilfreich erwiesen. In weiteren Fallstudien ist darauf zu achten, wie die Lehrkraft durch Faktoren wie Aufgabenstellung, Scaffolding und Involviertheit auf die Aufgabendurchführung und die Schülerprodukte einwirkt. Auch der Faktor Feedback ist in den Fokus zu nehmen. In dieser Fallstudie hat sich die Lehrkraft in den Bearbeitungs- und Präsentationsphasen sehr zurückgenommen und auch in den Feedbackphasen kaum inhaltliche Rückmeldungen erteilt. Insgesamt erweist sich das gewählte Design als zielführend zur Untersuchung der Forschungsfragen. Die Daten-, Perspektiven- und Methodentriangulation gestattet ein dichtes Beschreiben der relevanten Ausschnitte. Speziell die retrospektiven Interviews haben sich als sehr fruchtbar erwiesen, da sie den beobachteten Subjekten die Möglichkeit gaben, sich zu interessanten Aspekten des Unterrichtsgeschehens zu äußern und so Erkenntnisse zu erlangen, die eine reine Analyse der Sprachdaten nicht geliefert hätte. Die Methode des stimulated recall hat sich als sehr nützlich erwiesen, um die jeweiligen Situation wieder in Erinnerung zu rufen. Trotz zügiger Sichtung der Daten und entsprechender Genese von spezifischen Interviewfragen ist es vorgekommen, dass der Forscher bei der Analyse der Daten in Situationen gekommen ist, in denen ein erneutes Befragen der Subjekte zielführend gewesen wäre. Für die weiteren Erhebungen ist darauf zu achten, entweder noch gezielter nach solchen Stellen zu suchen oder die Möglichkeit einer erneuten Kontaktaufnahme zwecks Retrospektion zu einem späteren Zeitpunkt des Analysezyklus in Erwägung zu ziehen. 156 4 Kodierung, Analyse und Interpretation: Zwei Beispiele 5 Analyse von Unterrichtsdaten aus einem Leistungskurs der 13. Klasse zum Thema Südafrika 5.1 Institution, Lerngruppe und Lehrkraft Die Fallstudien zum monologischen und dialogischen Sprechen wurden in einem Zeitraum von vier Wochen in einem 13er-Englisch-Leistungskurs eines hessischen Gymnasiums durchgeführt. Die Schule ist eine integrierte Gesamtschule mit gymnasialer Oberstufe und befindet sich im Gießener Umland. Die Lerngruppe bestand aus 19 Lernenden, wovon 14 weiblich und 6 männlich waren. Alle Teilnehmer des Kurses hatten seit der 3. Klasse durchgängig Englischunterricht. Der Leistungskurs hat 5 Stunden Englisch pro Woche, eine Doppelstunde fand regelmäßig nachmittags statt. Der Kontakt zur Schule kam über ein Anschreiben des Forschers an die Fachleitung zustande. Nach einer Vorstellung des Vorhabens im persönlichen Gespräch, erklärte sich die Schulleitung bereit, Kooperationspartner im Kollegium zu vermitteln. Der Lehrer des Leistungskurses öffnete seinen Unterricht für das Forschungsvorhaben und somit wurde dieses im Kurs den Lernenden vorgestellt und die Einverständniserklärungen von den volljährigen Schülerinnen und Schülern sowie den Erziehungsberechtigten eingeholt. Der Lehrer selbst ist seit über 20 Jahren im Schuldienst tätig. Er unterrichtet Englisch, Politik und Wirtschaft und bildet regelmäßig Referendare aus. Aufgrund dieser Tatsache ist der Kurs auch daran gewöhnt, dass externe Beobachter im Unterricht zugegen sind. 5.2 Unterrichtskontext Die in den beiden Fallstudien analysierten Daten wurden in verschiedenen Unterrichtsstunden erhoben. Das Thema der Stunde mit der dialogischen Sprechaufgabe war HIV in South Africa und es war in einer Unterrichtseinheit zum Thema Modelling the future (Referenzland Südafrika) verortet. Die Daten zum monologischen Sprechen entstammen einer Stunde zum Thema Political System of South Africa aus derselben Einheit. Der Lehrer verlangt im Verlauf des Halbjahres über mehrere Unterrichtseinheiten hinweg von allen Lernenden als zusätzlichen mündlichen Leistungsnachweis eine Präsentation zu einem Thema, das der Progression der Einheit entspricht. Das monologische Format Präsentation hat entsprechend innerhalb der Unterrichtsgestaltung einen regelmäßigen Platz und ist den Lernenden bereits seit Beginn der 12. Klasse vertraut. Alle Schülerinnen und Schüler haben zu Beginn der Datenerhebung bereits mindestens eine Präsentation im Leistungskurs Englisch gehalten und kennen die Vorgaben des Lehrers diesbezüglich. Dieser lässt den Arbeitsauftrag sehr offen, spricht mit den Lernenden lediglich ein Thema ab und gibt vor, dass die Präsentation 15 Minuten dauern und mediengestützt sein soll. Die Präsentation soll außerdem als Impuls für eine Diskussion dienen, die von den Lernenden zu moderieren und deren leitende Frage von den Lernenden vorab zu formulieren ist. Bei der in der Fallstudie untersuchten Aufgabenstellung zum dialogischen Sprechen handelt es sich um eine problemlösungsorientierte Gruppendiskussion. Die Lernenden sollen einen Cartoon zum o. g. Unterrichtsthema gemeinsam analysieren und die Bedeutung des Textes herausarbeiten. Diese soll im Anschluss im Unterrichtsgespräch vorgestellt werden. Eine detailliertere Betrachtung der einzelnen Impulse wird jeweils der Analyse der Daten vorangestellt. Zur besseren Übersicht erfolgt aber zunächst ein Überblick über die Unterrichtseinheit. In mehreren Stunden wurden Daten erhoben (mit * markiert), es können in dieser Arbeit jedoch nur einzelne Fallbeispiele gezeigt werden. Die Auswahl fiel daher auf die an dieser Stelle skizzierten Beispiele zum dialogischen und zum monologischen Sprechen (fett hervorgehoben). Eine schematische Kurzübersicht über die jeweilige Aufgabenstellung ist in den zugehörigen Unterkapiteln 6.3 und 6.4 zu finden. 158 5 Datenanalyse Leistungskurs 13. Klasse Thema Südafrika Stunde Thema 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 South Africa’s Political System Short Story “Head Work” by Abel Phelps Analysis of the Preamble to the 1984 Constitution The Freedom Charter HIV in South Africa Closing Address at the 13 th International AIDS Conference (Nelson Mandela) Short Story “A State of Outrage“ by Sindiwe Magona South Africa’s Economy* “Sun City”- Analysis of Music Video (TPS)* Meet a South African Comedian: Trevor Noah* Short Stories: Apartheid Written Exam: Analysis of Speech [Tabellarischer Überblick: Unterrichtseinheit] 5.3 Dialogisches Sprechen: Analyse der Unterrichtsbeiträge Der in der Fallstudie untersuchten Sprechaufgabe liegen fünf politische Cartoons als Material zugrunde. Die drei Cartoons, die in den aufgezeichneten Gesprächen diskutiert wurden, werden an dieser Stelle genauer betrachtet. 5.3 Dialogisches Sprechen: Analyse der Unterrichtsbeiträge 159 Abb. 2: Cartoon 1: Manto & Vegetables 49 Dieser Cartoon zeigt neben dem Gesicht der ehemaligen südafrikanischen Gesundheitsministerin Manto Tshabalala-Msimang (1940-2009) drei Gemüsesorten (afrikanische Kartoff el, Knoblauch und Rote Bete), eine Frucht (Zitrone) sowie die Frage All these vegetables prevent the rollout of antiretrovirals - true or false 50 ? Das Verstehen des Zusammenhangs zwischen der Frage, den abgebildeten Feldfrüchten und der Ministerin erfordert Kenntnisse der südafrikanischen Gesundheitspolitik zur Zeit des Präsidenten Th abo Mbeki in den frühen 2000er-Jahren. Die damalige Gesundheitsministerin Tshabalala-Msimang, selbst studierte Ärztin, leugnete den Zusammenhang zwischen HIV und AIDS, einer Erkrankung, die im damaligen Südafrika ein gesellschaft liches Problem darstellte und von großem öff entlichen Interesse war. Statt einer Behandlung mit antiretroviralen Medikamenten schlug sie der Bevölkerung Südafrikas den Verzehr von Gemüse vor. Dies brachte ihr den Spitznamen Dr. Beetroot ein. Es wird vermutet, dass das Verbot der Behandlung von HIV-infi zierten Pateinten mit antiretroviralen Medikamenten in südafrikanischen Krankenhäusern zum vorzeitigen Tod von 330.000 - 360.000 Menschen geführt hat. Der vorliegende Cartoon karikiert diese Situation. Die Ministerin selbst wird in derselben Größe und Art dargestellt wie die Gemüsesorten und die Zitrone. Werden Text- und Bildelemente nun 49 Verfügbar auf: <htt ps: / / cartoonist.co.za/ 2017/ 09/ 15/ zapiro/ >. 50 All diese Gemüsesorten verhindern die Einführung antiretroviraler Medikamente/ machen die Einführung antiretroviraler Medikamente unnötig - wahr oder falsch? (sinngemäße Übertragungen des Textes ins Deutsche durch den Forscher unter Berücksichtigung der beiden Bedeutungen). 160 5 Datenanalyse Leistungskurs 13. Klasse Thema Südafrika verknüpft, so erscheint es, als sei die Ministerin selbst eine der Gemüsesorten, die die Therapie mit antiretroviralen Medikamenten verhindere. Die Aussage der Ministerin zur heilenden Wirkung von Gemüse bei AIDS wird vom Zeichner des Cartoons als Basis einer doppeldeutigen Botschaft gewählt. Einerseits gibt der Cartoon die Aussage lediglich wieder und spricht, im Sinne der eigenen Meinungsbildung, den Betrachter direkt an ( true or false? ), anderseits ermöglicht der Cartoon auch eine kritische Interpretation, in der die Ministerin der ausschlaggebende Faktor ist, der eine Verbreitung anttiretroviraler Therapie verhindert ( Manto prevents the rollout (implementation) of antiretrovirals ). Die Schüler haben zum Zeitpunkt der Aufgabe keine Kenntnis der südafrikanischen Gesundheitspolitik zu jener Zeit. Sie erhalten lediglich den Cartoon, der mit einem Post-it versehen ist, das die folgende Information enthält ( Manto Tshabalala-Msimang, 1940-2009, former health minister of South Africa ). Das vorausgegangene Impulsreferat zu HIV in South Africa lieferte diesbezüglich keine Informationen, sondern beschränkte sich auf eine Darstellung der Phasen der Krankheit und eine Herausstellung von Statistiken zu Betroffenen in Südafrika und auf dem gesamten Kontinent. Die Ministerin und ihre Position zur Krankheit kennen die Lernenden nicht. Sie müssen den Zusammenhang aus dem Zusammenführen von Text- und Bildcode gewinnen und zudem den Wortwitz durchschauen, dass eine Zitrone kein Gemüse darstellt und der Cartoon auf diese offensichtliche Lesweise nicht abhebt. Es wird daher erwartet, dass die Lernenden mit der Interpretation des Cartoons und der Lösung der Aufgabe Probleme bekommen. 5.3 Dialogisches Sprechen: Analyse der Unterrichtsbeiträge 161 Abb. 3: Cartoon 2: Political Position on AIDS 51 Dieser Cartoon zeigt ebenfalls Tshabalala-Msimang und ihre Sekretärin im Büro der Ministerin. Die Sekretärin steht, mit dem Telefonhörer in der Hand, in der Tür und hat im Vorfeld der dargestellten Situation Tshabalala-Msimang off enbar um ein Pressestatement des Präsidenten zur politischen Position der Regierung in Bezug auf die Krankheit AIDS gebeten. Die Antwort der Ministerin ist ausweichend und lässt erstens den Schluss zu, dass die Ministerin selbst keine Verantwortung übernehmen möchte, sondern lediglich vermeldet, dass sie die aktuelle Position des Präsidenten nicht kenne, und zweitens, dass der Präsident seine Meinung zum Th ema AIDS häufi g wechsele. Auch die Interpretation dieses Cartoons erfordert Kenntnisse der südafrikanischen Gesundheitspolitik, die die Lernenden aus dem Unterrichtskontext nicht erworben haben. Die Aussage der Ministerin lässt den Schluss zu, dass sich die Position des Präsidenten täglich ändere. Aus dem Bild selbst können die Lernenden einige Informationen entnehmen und Hypothesen generieren. So steht zum Beispiel auf dem Titelblatt der Zeitung, die rechts neben Tshabalala-Misimangs Schreibtisch auf dem Boden liegt, Perhaps HIV causes AIDS - Mbeki. Dies gibt aber keineswegs die klare Position der Regierung wieder. Die Position des Präsidenten, der stets leugnete, dass ein Zusammenhang zwischen HIV und AIDS besteht, und der erst vor Gericht dazu gezwungen werden musste, Kranken Zugang zu antiretroviralen Be- 51 Verfügbar auf: <htt p: / / www.geocities.ws/ southafrica2000/ manto-aids.gif>. 162 5 Datenanalyse Leistungskurs 13. Klasse Thema Südafrika 5.3 Dialogisches Sprechen: Analyse der Unterrichtsbeiträge 163 handlungsmöglichkeiten zu gewähren, kennen die Lernenden nicht und können dieses Wissen nicht auf die Arbeit mit dem Cartoon übertragen. Ebenso fehlt den Lernenden das Wissen über die Gesundheitsministerin und ihre Position zu AIDS. Auch diese Gruppe erhielt lediglich ein Post-it mit den folgenden Informationen ( Th abo Mbeki, former South African president 1999-2009, Manto Tshabalala-Msimang, 1940-2009, former health minister of South Africa ). Es ist daher fraglich, ob die Lernenden die ironisch-kritische Darstellungsart des Cartoons verstehen und ob sie die kleinen visuellen Details, die der Künster liefert und die durchaus ironische Elemente darstellen (Zeitungsartikel, Kondome auf der Tapete, Kondom-Schlüsselanhänger, AIDS-Schleife als Brosche der Ministerin), erkennen und kontextualisieren werden. Zudem stellt der mehrfach gebrauchte Begriff comrade in der Sprechblase des Cartoons eine sprachliche Hürde dar, da er eine politische Bedeutung hat, die dem südafrikanischen Kontext entstammt und die den Lernenden voraussichtlich unbekannt sein wird. Comrade steht im wortwörtlichen Sinne zwar für Kamerad, wird aber in Südafrika auch als Bezeichnung für jene Politiker verwendet, die in der Anti-Apartheid-Bewegung aktiv waren oder für Politiker bestimmter Parteien wie des ANC und der SACP im Gespräch untereinander ( Jaster 1992, Sechaba & Ellis 1992). Auch bei diesem Cartoon wird daher erwartet, dass die Lernenden mit der Interpretation und der Lösung der Aufgabe Probleme bekommen. Abb. 4: Cartoon 3: World AIDS Conference 52 52 Verfügbar auf: <htt ps: / / www.researchgate.net/ fi gure/ Cartoon-from-the-Mail-and-Guardian-17-7-00_fi g2_238101776>. Dieser Cartoon stellt vier Politiker verschiedener Herkunft dar, die auf der Welt-AIDS-Konferenz in Südafrika (2000) ihre Position zur Krankheit und deren Bekämpfung ausführen. Während die ersten drei Politiker (von links gesehen) Aspekte wie globale Mobilisierung, Vorsorge und antiretrovirale Medikation vorschlagen und jeweils einen Stapel an Dokumenten, die wie wissenschaftliche Studien anmuten, vor sich liegen haben, scheint der südafrikanische Vertreter eine andere Meinung zu vertreten. Die schriftlich fixierte Position voodoo science, die vor seinem Pult angebracht ist, deutet an, dass er nicht an wissenschaftliche Ansätze zur Lösung des Problems glaubt. Stattdessen hält er eine Voodoo-Puppe in der Hand, auf der die Worte HIV=Poverty zu lesen sind, und die er mit Nadeln durchsticht. Der Cartoon lässt die Interpretation zu, dass Südafrika der AIDS-Forschung kritisch gegenübersteht, stattdessen Armut als auslösenden Faktor für HIV postuliert und sich dafür ausspricht, diese zu bekämpfen, um letztlich AIDS zu besiegen. Dies erscheint im Kontext der Rede des damaligen südafrikanischen Präsidenten Mbeki auf der Welt-AIDS-Konferenz 2000 in Durban eine treffende Interpretation des Cartoons zu sein, denn eine solche Position wurde dort in der Tat vertreten. Der Begriff der voodoo science wird hier als karikierendes Element verwendet, um die Position Mbekis zu kritisieren. Ebenso dienen die wissenschaftlichen Vorschläge der anderen Politiker, deren Fundierung in Form von Studien und deren kritische Blicke als Stilmittel. Wie auch bei den anderen beiden Cartoons setzt die Einordnung des Textes in den historischen und gesellschaftspolitischen Kontext Hintergrundwissen voraus, das die Lernenden im Unterrichtskontext zuvor nicht erworben haben. Auch eine Information, dass es sich bei dem Repräsentanten Südafrikas um Präsident Mbeki handeln könnte, fehlt den Lernenden. Als vorteilhaft könnte es sich für die Gruppe erweisen, dass sich der Schüler, der im ersten Teil der Stunde ein Referat zu HIV in Südafrika gehalten hat, in dieser befindet. Da er jedoch zur politischen Position Südafrikas hinsichtlich der Krankheit AIDS im Allgemeinen und der Welt-AIDS-Konferenz 2000 im Speziellen in seinem Referat nichts erwähnt hat, ist es möglich, dass die Gruppe weniger stark profitiert als es zu vermuten wäre. Grundsätzlich geht der Forscher auch in diesem Fall davon aus, dass die fehlenden Hintergrundinformationen eine Hürde beim Verstehen des Cartoons darstellen und die Aufgabenbearbeitung deutlich erschweren. Die Aufgabe beginnt mit einer frontalen Phase, in der die Lehrkraft den Auftrag kurz verbalisiert. 164 5 Datenanalyse Leistungskurs 13. Klasse Thema Südafrika 5.3 Dialogisches Sprechen: Analyse der Unterrichtsbeiträge 165 L12: 03 So, as I said, you will all get, each group will get ehm, a different cartoon. I want you to ehm talk about these in your group and after ten minutes I will ask the groups to explain what they found out about their cartoon. You will find some post-its. So if I used a post-it you will have an explanation of a politician or a person (teilt Arbeitsblätter aus, Schüler sitzen bereits an Gruppentischen zusammen). 16a, 16d 16d 16d keine Überleitung [Aufgabenerteilung] Die Aufgabenerteilung durch den Lehrer erfolgt sehr knapp. Er stellt die Aufgabe ohne näheren Inhaltsbezug vor und äußert sich lediglich über den organisatorischen Ablauf detaillierter. Der Lehrer spricht davon, dass die Lernenden einen Cartoon erhalten werden, über den sie in der Gruppe sprechen sollen. Die Erkenntnisse aus diesen Gesprächen sollen dann durch die Gruppen im Nachhinein vorgestellt werden. Zudem erwähnt er, dass einige Gruppen Post-its mit zusätzlichen Informationen über Politiker erhalten werden (16a, 16d). Es fällt auf, dass der Lehrer den inhaltlichen Kontext der Cartoons nicht explizit herausstellt. Zusätzliche Informationen zum politischen Kontext der Cartoons gibt der Lehrer nicht. Auch die Sprache entlastet er nicht vor, weder bezogen auf die Texte, noch auf die bevorstehende Sprechleistung. Eine Überleitung von der Erteilung der Aufgabe zur Bearbeitungsphase wird vom Lehrer nicht sprachlich hergestellt. Er beginnt die Blätter zu verteilen woraufhin die Schüler, sobald sie den Cartoon erhalten haben, ihrerseits mit der Bearbeitung beginnen. Es werden nun nacheinander drei Schülergespräche analysiert und dabei wird betrachtet, wie die Lösungen präsentiert werden und welches Feedback die Lernenden vom Lehrer und von den Mitschülerinnen und Mitschülern erhalten. Diese Gespräche haben im Unterricht parallel zueinander stattgefunden und wurden an verschiedenen Gruppentischen mit separaten Mikrofonen aufgenommen. S1 12: 05 Do you get it? I don’t understand it. To prevent a rollout? 12d, 4b S2 Maybe we could look this word up. Or do you know that (.) word? 12b, 4b, 6b 3d S1 No. 6b S3 So Mante? What is this? 12c, 8b S4 What is antiretroviral…? 12d S1 I can look that up. I have absolutely no clue. Prevent a rollout? 12b, 2d S3 12: 06 Hä? What does it mean? 12d, 6b S4 Verbreitung oder so 0, 12d S2 But isn’t a lemon a fruit? 12c S4 Yes it’s… 6b S1 No. It’s a face… 6b, 12c S3 She says a lemon! 6b S1 Oh (lacht) S2 English with S1 (lacht) Humor S1 Oh sorry! S4 12: 07 But what does it mean with Mante? 12c, 2a, 8b, 4b S3 Mante is the former health minister. 8b/ 8a, 12c, 6b S2 What? Who? Ah this…Well I first want to look up rollout but it won’t load. 6b, 12d 2a S4 Therapie gegen die Entstehung von Retroviren. 12c S2 What? 6b S4 Retroviral 12d, 6b S2 What? What? What? Retroviren? 6b S4 12: 08 Yes. 6b S2 I search of Retroviren. Hä? 2a, 0, 6b S1 I guess the picture would tell us… 12a, 2a S2 Yes? 6b S1 That this minister is not going to fight against HIV or something like this. 12c S2 Or viruses in general? 6b, 12c S1 Was? 6b S2 Viruses in general because it not just (.) 12c, 3d S1 Yeah well against some diseases. 12c 166 5 Datenanalyse Leistungskurs 13. Klasse Thema Südafrika 5.3 Dialogisches Sprechen: Analyse der Unterrichtsbeiträge 167 S2 12: 09 Yeah, ehm, we switch with prevent a rollout “Verbreitung” of viruses? 3b, 6b, 2d, 8b S3 I guess they want to make a joke because first you look at this person and not on the lemon. Because you don’t think is it a vegetable or not? 12c, 8a (Ironie erkannt) 2a, 2d, 8b (ironisches Element missverstanden) S1 Should confuse us. 6b, 2d S2 First I thought this was a tomato. 12c S4 (lacht) Yeah. 6b S2 Whoever created this is criticizing the health minister. 12c, 8a S1 Yes. 6b S2 But why? What did he do? So he didn’t prevent… 12a, 12c, 8b (she) S3 So that’s the point he didn’t anything. 6b, 2a, 8a (teilweise korr. Interpretation), 8b (she) S2 Against AIDS. HIV. 6b, 12c, 2d S4 12: 10 Because I think the health minister should inform every people so that they know about every disease and they didn’t know. 12c, 2a S1 Wie heißt der Mann? 12c S3 Googlest du den Typ? Do you have internet? 12a, 2a S2 Not really. So how do you want to explain this? Who wants to explain it? 12b S1 You? 6b S2 No…I can add something but I don’t want to… 12b S1 Mante? 12c, 8b S4 12: 11 It’s a great name. 6b S1 Alalala Imitiert Aussprache S4 That sounds like a song. S1 Eh she’s a woman. 12c, 8a S2 Oh, not a tomato. 6b (Humor) S4 Can you repeat that please? 12c S1 And she’s already died. 12c (geht nicht auf S4 ein), 2a, 8a S3 It’s a woman? 12c, 6b S2 Yes. 6b S4 Yeah 2008 she died. 6b, 8b S2 And we already know that from Mr. S’s note. 12c S1 12: 12 But 2009 not 2008. Sie war Justizministerin in Südafrika, Gesundheitsministerin. In dieser Funktion geriet sie in die Kritik, weil sie den Zusammenhang zwischen HIV und AIDS abstritt und nach einer Behandlung mit antiretroviraler Therapie den Verzehr von Obst und Gemüse empfahl. 6b, 8a, 1c, 12c S2 Hä? So she said that when you eat vegetables, AIDS will go away? 12c, 6b S1 Einer an der Harvard Universität erstellten Studie zufolge soll ihre Politik für den vorzeitigen Tod von 375000 Menschen verantwortlich sein. 12c, 1c S2 Autsch. Hoppla. 6b, 1c S1 So we can write it down because we have no time. Do we want to write it down? 12a, 2a, 12b S2 No. What do you want? 12b, 6b, 4b S1 12: 13 I don’t want to explain it. 12b, 6b S2 Who wants to explain it then? 12b, 4b S4 What means prevent? 2a, 12d S2 She was criticizing the health minister Mantu because she didn’t care about the AIDS virus. Are we ready? 8b (reden aneinander vorbei), 12c, 12b, 4b S1 No we aren’t ready. 6b S2 Then let’s get started. 12a S3 Do you want to present it? 12b, 4b, 6b S2 Not really I don’t really know how to say it. 6b S3 Me neither 6b 168 5 Datenanalyse Leistungskurs 13. Klasse Thema Südafrika 5.3 Dialogisches Sprechen: Analyse der Unterrichtsbeiträge 169 S2 12: 14 S1? So we think this cartoon criticizes (.) 4b, 6b, 3b S3 Ms Mantu 12c, 6b S2 Health minister Mantu because she ehm didn’t (.) 12c, 3b, 3c S3 Didn’t inform the people. 6b, 12c S2 Didn’t try to prevent the rollout of HIV and this cartoon is making fun of that and tries to confuse the people because of the lemon. 12c, 8a (teilweise korrekt, aber nicht genau verstanden), 2b S1 I think we could say that she lied to the people because she said that vegetables will… 12c, 6b, 8a (interessanter Vorschlag) S2 But we can’t know that or? 6b (interessantes Gegenargument), 2a, 2d S3 12: 15 We can say that we looked it up….in our brains (lacht). Intelligence. 12b, 6b (Humor) - Lehrer unterbricht Gruppenarbeit wegen der Zeitvorgabe-- [Gruppe 1: Manto & Vegetables] Die Bearbeitungsphase beginnt damit, dass die Schülerinnen unstrukturiert verschiedene Aspekte des Cartoons anführen, die sie nicht verstehen. Diese beziehen sich auf sprachliches Unverständnis ( prevent a rollout, antiretroviral, 12d) aber auch auf inhaltliche Schwierigkeiten ( Mante? What is this? Isn’t a lemon a fruit? ; 12c). Eine gezielte Herangehensweise an die Aufgabe lassen die Schülerinnen zu Beginn nicht erkennen. Es ist auffällig, dass auftretende Probleme nicht systematisch gesammelt und nacheinander geklärt werden, sondern recht unstrukturiert ins Gespräch gebracht werden (6b). So kommt es auch vor, dass die Schülerinnen aneinander vorbei reden wie beispielsweise S1, die auf die Frage von S2 Isn’t a lemon a fruit? No it’s a face entgegnet (12c). Sie bezieht sich nicht auf die Klärung der Problematik, ob eine Zitrone eine Frucht sei oder nicht, sondern möchte herausstellen, dass sie erkannt hat, dass es sich bei der einen dargestellten Figur nicht um ein Gemüse, sondern um ein Gesicht handelt. Dabei ist ihr entgangen, dass sich S2 und S4 gerade über die Zitrone und deren Verbindung zum Zitat unterhalten. Dieses chaotische Argumentationsschema behalten die Lernenden auch im weiteren Verlauf der Bearbeitung bei. Immer wieder klären sie verschiedene Fragen parallel ( Mante is the former health minister, Well I first want to look up rollout, Therapie gegen die Entstehung von Retroviren). Alleine am dargestellten Beispiel lässt sich erkennen, dass innerhalb einer kurzen Sequenz von den drei Schülerinnen S2, S3 und S4 drei Aspekte parallel behandelt werden, zwei sprachliche und ein inhaltlicher (12c, 12d). Es macht den Anschein, dass die Lernenden zunächst wenig mit dem Cartoon anfangen können. Auch beschreiben sie das Bild nicht und markieren nicht deutlich, was sie verstehen, sondern lediglich, was ihnen Probleme bereitet. Erst nach etwas mehr als drei Minuten nimmt S1 erstmals Bezug zur Aufgabenstellung (12a) und initiiert die Formulierung eines ersten Lösungsansatzes ( I guess the picture would tell us that this minister is not going to fight against HIV or something like this, 12c). Diese erste Hypothese wird durch s omething like this als sehr unsicher markiert, stellt aber die Weichen für eine strukturiertere Bearbeitung der Aufgabe. So entwickelt es sich, dass auch die anderen Schülerinnen erste Ideen formulieren. S3 erkennt beispielsweise in der Zitrone ein ironisches Element des Cartoons (12c, 8a), missversteht dieses allerdings und behauptet, der Witz bestehe darin, dass man das Gesicht vor der Zitrone wahrnehme und so nicht auf den ersten Blick erkenne, dass es sich bei der Zitrone nicht um ein Gemüse handele (8b). Welchen Stellenwert das Gesicht der Ministerin aber in diesem Zusammenhang einnimmt, darauf geht S3 nicht weiter ein. S2 nimmt dann aber darauf Bezug und stellt die korrekte These auf, der Zeichner habe die Gesundheitsministerin kritisieren wollen, ist sich aber unsicher, warum (12c, 8a). Sie vermutet es könne daran liegen, dass sie (die Schülerinnen sprechen allerdings zu diesem Zeitpunkt noch von he ) nichts gegen die Verbreitung von HIV unternommen habe. S3 unterstützt diese Behauptung und S4 ergänzt, die Ministerin habe die Pflicht, die Bevölkerung über die Krankheit zu informieren und sei dieser nicht nachgekommen (12c). S1 fragt dann auf Deutsch nach dem Namen des Ministers und erhält den Auftrag, diesen online zu recherchieren (1c, 12a). Während dieser kurzen Recherchephase kommen die anderen Lernenden auf den organisatorischen Ablauf der Aufgabe zu sprechen und stellen fest, dass keiner sich im Stande dazu sieht, die Ergebnisse vorzustellen (12b). Die Recherche bringt die Gruppe dann inhaltlich einen großen Schritt voran. S1 liest (auf Deutsch) vor, dass Tshabalala-Msimang in ihrer Funktion als südafrikanische Gesundheitsministerin in die Kritik geraten sei, da sie den Zusammenhang von HIV und AIDS geleugnet habe, Erkrankten anstatt einer antiretroviralen Behandlung den Verzehr von Obst und Gemüse empfohlen habe und daher, politisch gesehen, für den Tod von 375.000 Menschen verantwortlich sei (8a, 12c). Es ist wieder S1, die in der Folge die Aufgabenlösung in der Gruppe vorantreibt und darauf drängt, die Erkenntnisse schriftlich zu fixieren, aber auch betont, dass sie diese auf keinen Fall präsentieren möchte (12a, 12b). Auch die anderen Gruppenmitglieder möchten nicht die Rolle derjenigen übernehmen, die die Ergebnisse vorstellen muss. Dies ist ein starkes Indiz für die Unsicherheit 170 5 Datenanalyse Leistungskurs 13. Klasse Thema Südafrika 5.3 Dialogisches Sprechen: Analyse der Unterrichtsbeiträge 171 bezogen auf die Aufgabe. Gegen Ende der Bearbeitungsphase trägt S2 nochmals die bisherigen Hypothesen zusammen und formuliert die abschließende Lösung der Gruppe, die wie folgt aussieht: So we think this cartoon criticizes health minister Mantu because she ehm didn’t try to prevent the rollout of HIV and this cartoon is making fun of that and tries to confuse the people because of the lemon (12: 14, 12c, ~8a). Dieses Statement zeigt, dass die Gruppe den Cartoon weder auf inhaltlicher noch auf gestalterischer Ebene gründlich durchschaut hat. Es geht nicht darum, dass der Ministerin die Verbreitung von HIV in Südafrika vorgeworfen wird, sondern darum, dass sie aufgrund ihrer nicht wissenschaftsgestützten Behauptung, Gemüse sei eine ausreichende Behandlung bei einer HIV-Infektion und diese erfordere keine antiretrovirale Medikation, die Verbreitung von angemessener Behandlung verhindert habe. Als S1 kurz vor dem Abbruch der Phase durch den Lehrer darauf verweist, dass man die Erkenntnisse aus der Recherche einbringen könnte (12c), erinnert S2 daran, dass es sich dabei um Wissen handele, das sie nicht haben dürften und bezieht sich damit auf die Zuhilfenahme der Internetquelle, die die Gruppe als im Kontext der Aufgabe unerwünscht begreift (6b). Es ist damit zu rechnen, dass bei der Vorstellung der Resultate diese Erkenntnisse nicht angeführt werden, um sich nicht vor dem Lehrer rechtfertigen zu müssen, im Internet recherchiert zu haben. Zu klären wäre, worin diese Angst der Lernenden begründet liegt. Wie es im Zusammenhang mit der kurzen Analyse des Cartoons vorab als Hypothese formuliert wurde, so hat die Gruppe, aufgrund der fehlenden inhaltlichen Vorkenntnisse, Schwierigkeiten damit, den Cartoon zu kontextualisieren. Die Schülerinnen erkennen zwar, dass es um HIV geht und die Ministerin in irgendeiner Form kritisiert werden soll, bringen aber Text- und Bildcode nicht zusammen. Die Probleme bei der Aufgabe sind aber nicht nur inhaltlicher, sondern auch sprachlicher Natur. Die Schülerinnen müssen zunächst sämtliche Begriffe klären, die bei der Interpretation des Cartoons eine Rolle spielen. Weder mit dem Verbcluster prevent a rollout noch mit dem Begriff antiretrovirals können sie etwas anfangen. In der finalen Hypothese der Gruppe wird deutlich, dass beide Begriffe bis zum Schluss im Kontext des Cartoons nicht richtig verstanden wurden. Die unstrukturierte Herangehensweise an die Aufgabenstellung spiegelt sich auch in der Sprache. Häufig fehlen im Gespräch Indikatoren für die Bezugnahme auf das zuvor Gesagte (6b). Immer wieder unterbrechen sich die Schülerinnen gegenseitig (3d). Manche Hypothesen sind auch sprachlich (und nicht nur inhaltlich) unvollständig (2d). Zudem spielt im Rahmen dieser Gruppenarbeit das Deutsche eine wichtige Rolle (1c). Die Lernenden klären Unbekanntes (Inhalt, Vokabeln) häufig auf Deutsch und recherchieren nicht in englischen, sondern in deutschen Wörterbüchern und Onlineenzyklopädien. Wenn Probleme auftreten, werden diese zunächst ins Gespräch eingebracht und erst dann bedienen sich die Schülerinnen der Strategie des Nachschlagens. Der Lehrer wird als Ansprechpartner zur Klärung von Schwierigkeiten inhaltlicher, sprachlicher oder organisatorischer Art, überhaupt nicht in Betracht gezogen. Die Schülerinnen vermitteln, dass sie das Gefühl haben, das Problem bzw. die Aufgabe, alleine lösen zu müssen. Dies zeigt sich auch darin, dass sie die Internetrecherche bei der Präsentation der Ergebnisse unterschlagen wollen. Es fällt auch auf, dass der Lehrer selbst kein einziges Mal die Gruppe aufsucht, um sich über den Stand der Aufgabenbearbeitung zu erkundigen oder um Fragen zu klären. Ansonsten hätte er festgestellt, dass die Gruppe auch nach fünfzehn Minuten noch auf der Suche nach einer Lösung ist und mit dem Bewältigen der Aufgabe Schwierigkeiten hat. Zwar haben die Schülerinnen eine Idee erarbeitet, diese ist aber noch sehr fragmentarisch und hat hypothetischen Charakter. Der vom Lehrer gewählte Inhalt war den Lernenden aufgrund des fehlenden Vorwissens nicht zugänglich. Der gewählte zeitliche Rahmen wird zudem vom Lehrer hier sehr starr gehandhabt. Er bricht die Aufgabe nach fünfzehn Minuten ab ohne sich davon zu überzeugen, dass alle Gruppen zu einer Lösung gekommen sind. Die Analyse der ersten Gruppenarbeitsphase legt bereits nahe, dass die Aufgabe in Planung und Durchführung mit Schwierigkeiten behaftet ist. Nun soll die Präsentationsphase betrachtet werden. S1 12: 21 Yeah in this cartoon you can see that there are vegetables, a lemon and the head of the health minister. And ehm it's called that all these vegetables prevent the rollout of antiretrovirals. True or false? And then on the bottom is it's false because lemon is not a vegetable. So it criticizes the health minister because ehm we thought maybe that he told the… 13b 5a, 3b, 2b 2a, 5a 2a, 5a 3b L She. 18a S1 She told the ehm p/ i/ (.) 3b, 3d L People. 18b S1 People ehm that maybe vegetables can ehm (.) 3b 1c, 3b, 3d L Cure. 18b S1 Cure HIV or AIDS or something. 13b, 8a 172 5 Datenanalyse Leistungskurs 13. Klasse Thema Südafrika 5.3 Dialogisches Sprechen: Analyse der Unterrichtsbeiträge 173 L 12: 22 Absolutely right. So that's why she got nicknamed the beetroot minister. So what is beetroot in German? Do you know this? 18a, 19b 18b S2 Rote Beete. 6b L Yeah. So ehm, this is no joke ehm, this is exactly what ehm the South African health minister told the people that eat more vegetables and you won't have problems with AIDS. There's another cartoon which haven't used ehm that deals with ehm president ehm Zuma right? Zuma the succeeder, the successor sorry of ehm president Mbeki who eh said that if you take a shower after having sex everything is fine so ehm yeah you find similarities here. We have one more left. S5? 18a [Vorstellung Gruppe 1] S1 beginnt mit einer Beschreibung des Cartoons. Obwohl die Gruppe überlegt hatte, die Rechercheergebnisse nicht vorzustellen, fügt S1 hinzu, dass die Ministerin eventuell der Bevölkerung erzählt habe, Gemüse könne AIDS heilen (13b, 8a). Sie erwähnt auch kurz den Wortwitz mit der Zitrone, geht aber nicht weiter darauf ein. Die Gestaltungsmittel des Cartoons selbst stehen bei der Vorstellung der Lösung nicht im Vordergrund. Es wird nicht erklärt, wie das Zitat und die Bildelemente zusammenhängen. Der Lehrer fordert dies aber auch nicht und ergänzt den Beitrag der Gruppe um die Information, dass der Spitzname Tshabalala-Msimangs beetroot minister gewesen sei (18a, 19b). Dabei klärt er noch die Vokabel beetroot, indem er sie von der Gruppe ins Deutsche übersetzen lässt (18b). An dieser Stelle führt der Lehrer dann noch weitere Informationen an, vermutlich weil er wahrnimmt, dass einige Lernende von der Tatsache überrascht scheinen, dass die Ministerin den Verzehr von Gemüse als Therapie gegen HIV empfohlen habe und beginnen zu kichern. Der Lehrer betont, dass das kein Scherz gewesen sei und die Ministerin tatsächlich solche Maßnahmen empfohlen habe. Er verweist auf einen weiteren Cartoon, den er nicht verwendet habe, welcher den Vorschlag des Präsidenten Zuma karikiere, die Menschen sollten nach dem Sex einfach duschen, um sich vor HIV zu schützen (18a). Es wäre auch hier aus didaktischer Sicht interessant gewesen, auf den Beitrag der Gruppe näher einzugehen. Der Lehrer hinterfragt nicht, wie die Gruppe zu ihrer Lösung gekommen ist und ohne Vorwissen diese Interpretation liefern konnte. Der eigentliche Prozess der Aufgabenlösung, also wie die Lernenden vorgegangen sind, um die Bedeutung des Cartoons herauszufinden, wird in der Feedbackphase nicht aufgegriffen, ebenso wenig wie die sprachliche Leistung. Im Folgenden soll nun eine zweite Gruppe bestehend aus drei männlichen Lernenden (S5, S6 und S7) betrachtet werden, die sich mit einem anderen Cartoon ( HIV Prevention Congress ) aber derselben übergeordneten Aufgabenstellung befassen. S5 12: 05 I think we see representatives from different continents or countries. If he’s (.) 12c, 2a, 2b, 8a 3d S6 No I would say he’s from some Arabic states. 12c, 2a, 6b S5 Yeah somewhere near Asia. 6b, 2a S6 European. 12c S5 That’s European. That’s Western country. That’s highly developed. And I don’t know. HIV prevention congress. Ok. Well he’s presenting South Africa for sure because he also got the flag on. 12c 5a, 3a 3a, 8a 2a S6 Yeah of course the flag. 6b S5 And he’s into voodoo science 12c, 8a S6 And he’s ridiculous ridiculously eh presented in this. He’s the one who has the idea to prevent AIDS. 2a, 3e 2a, 2b, 8b S7 In my opinion…(S1 unterbricht) 5b S5 That’s poverty right? 6b, 12c S6 Yeah it’s poverty. 6b S5 So what do you think does he mean with that? In 80s poverty? 5a, 12c, 2a 8b S7 12: 06 In my opinion an South Africa representa (.) represent/ ei/ tive just have no idea to cure AIDS so he start this thing with the voodoo science so that he can present something to the others because South Africa has no idea to cure AIDS to them the high number of AIDS (.) 12c, 6b 3e, 2c, 2a 2a, 2b 8a 3d S5 They they look actually pretty bored. I mean it doesn’t really look like they are paying really attention to his problem because they think oh I mean voodoo is often seen as hocus pocus. Can you say that? 3a, 12c 2a 3a 2b, 12d S6 Yeah yeah. 6b 174 5 Datenanalyse Leistungskurs 13. Klasse Thema Südafrika 5.3 Dialogisches Sprechen: Analyse der Unterrichtsbeiträge 175 S5 12: 07 So they maybe don’t really face that problem because ehm for example he doesn’t really have a problem with AIDS because he is probably living in a highly developed country and the problem of AIDS is not that is not playing that such a big role in those countries. And for that reason they look pretty bored looking at him. And I feel like they do not really pay the fitting attention. 5a 3b, 5a, 2a 12c 2a, 8b 5a, 1a 2a, 5a, 3a 1b S7 Well yeah people in your country have ideas but why should it affect us? 6b, 12c S5 I think that’s the problem. Let’s just write down what we can see. So anybody knows what imperative (falsche Betonung) means? 12b 12d, 2a, 2c S6 No. You have a dictionary on your mobile phone. 6b, 12b S5 Antiretroviral… S6 And nothing about AIDS. 12d S5 12: 08 Actually if these three work together I think that they could actually do something against AIDS. 12c, 2a S7 Imperative (wiederholt falsche Betonung) means “essenziell”. „Essenziell“. 2c, 12d S5 Imperative? 12d, 2c S7 Imperative. It means that or it’s essential. 2a, 2b, 2c, 8b S5 And what is antiretroviral means? So we can see four representatives. 2a, 12d, 12c S7 My dictionary has only retrovitrial means “hinter dem Glaskörper”. So retro is ja is always (.) 12d, 2a 5a, 3d S5 What is retroviral? 6b S6 Viral is something something with virus. 12d S5 12: 09 So we could ask Mr. S? 12b S7 So retro is again. So maybe the high number of the spread of spread of the AIDS epidemic can appear again also. I don’t know. 12d 1c, 2b 2d S6 Is that a woman? 12c S5 Sorry what? 6b S6 A woman. 6b S5 12: 10 No it’s not a woman. He just has big lips and dreadlocks. But it’s not a woman. I don’t think so. So the first one is global mobilization (…) HIV prevention (.) 6b, 12c 3c, 3d S7 (zu Lehrer) So what does antiretroviral mean? 5a, 12d, 2a L So antiretroviral is a medicine that prevents the AIDS virus from spreading so this is the medical term for this. 17f, 17b S7 Ok. 6b S5 12: 11 Ok. So that makes sense now. I feel like those three guys have to work together and I think if they would work together and fight together against AIDS and the spreading of AIDS then they could actually do something against it eventually prevent people from getting infected I think. I mean you could increase the number (.) 5a, 12c 1b, 8a 5a 3a, 3d S6 Yeah and use the anti (.) (klopft auf den Tisch) 1c, 3d, 6b S5 The antiretroviral treatment programs 6b, 12c S7 That means that antiretroviral means that it should not spread. 8b S5 And combined with treatment “Behandlung” program. So he’s probably responsible for looking for an answer to to cure (.) was it cure? 5a 1c, 12d, 3d S6 Yeah, yeah cure. 6b S5 To cure AIDS. 6b S7 Di/ z/ ease! (Lehrer läuft vorbei) 8b, 2c L Disease. (mit korrekter Betonung) 17b S7 Disease yes. 6b L Something you have to work on. The pronunciation of / z/ -sounds. 17b S7 Ye/ z/ ! (die anderen lachen) Humor L Because English doesn’t have this German version of the s. Pay attention! 17b stimmt so nicht S7 Yeah. 6b L12.12 It’s called voiced s. In terms of phonetics. English only has very few exceptions with the other s. 17b hier richtig S7 Scissors. (lacht) Humor, 8b 176 5 Datenanalyse Leistungskurs 13. Klasse Thema Südafrika 5.3 Dialogisches Sprechen: Analyse der Unterrichtsbeiträge 177 S5 So I feel like they all work together (…) 12c, 2d, 3c lange Pause (30 Sekunden) L Can we start or do you need another minute? 17c S6 12: 13 We are not ready but it’s ok. 6b, 12b S5 We need a minute. 6b, 12b L A minute? One more minute. 17h S5 Ok. So they all work together then they may have success fighting against the voodoo science. A problem. I think the plot in that is that nobody of them really looks interested. I mean they put their head back like they are wondering what the hell he is talking about. I think that’s the point. 12a, 12c, 5a 1b, 1b, 2d, 8a 1b 3a, 2a 10b 8b S6 Yeah. And he’s ridiculously r/ i/ presented. Because he thinks he could eh probably in South Africa to heal and to cure AIDS with voodoo science. 2a, 2c, 6b 2d, 8a, 12c S5 He’s desperately trying to find an answer I think. 6b, 12c S6 Yeah. 6b S5 12: 14 So maybe we can just say he is desper/ ei/ ted. So the problem is no interest. 12c, 2c S6 Yeah they are not interested. 6b S5 No success at all. Because I think global mobilization for example could help concerning the the (.) “Versorgung”. How do you say “Versorgung”? 5a, 1b, 12c 3a, 1b, 3b 1c, 12d, 3d S6 Don’t know. 6b S5 Whatever (lacht). So they could help the others to recover for example and hand out condoms. What does imperative mean again? 12c 1b, 3a, 8a 12d S7 Imperative? 6b S5 You googled it. 6b S7 It’s essential. 6b, 8b S5 Yeah. 6b 12: 15 - Lehrer unterbricht Gruppenarbeit - [Gruppe 2: World AIDS Conference] Anders als die Gruppe zuvor, gehen diese Schüler die Aufgabenlösung strukturierter an. Sie beginnen mit einer Beschreibung des Bildes und klären aufbauend darauf erst inhaltliche und sprachliche Schwierigkeiten. S1 stellt korrekt heraus, dass es sich um Vertreter verschiedener Staaten handeln muss und macht dies am unterschiedlichen Aussehen und Kleidungsstil fest (12c). Der Politiker ganz rechts wird korrekterweise als Vertreter Südafrikas ausgemacht, allerdings nicht, weil er als Karikatur des ehemaligen Präsidenten Mbeki erkannt wird, sondern aufgrund der Flagge auf dem Pult (8a). Die Puppe in der Hand des südafrikanischen Politikers wird von den Schülern mit dem Begriff voodoo science in Verbindung gebracht (12c, 8a). Es wird ebenfalls erkannt, dass der Vorschlag des Südafrikaners nicht ernst genommen wird, da es sich bei Voodoo um eine Praktik handele, die von vielen als hocus pocus verstanden würde (12c, 8a). Bei der Bildbeschreibung fällt allerdings auf, dass die Schüler zwar den Begriff poverty, der in der Puppe geschrieben steht, wahrnehmen, ihn aber nicht kontextualisieren können (12c). So fragt S1 beispielsweise, was er im Kontext der 80er-Jahre bedeuten könnte und zeigt damit auf, dass er nicht verstanden hat, dass die Konferenz im Jahr 2000 stattgefunden hat und es sich bei dem Südafrikaner um Mbeki handeln muss (8b). Auf dieses mangelnde Verständnis ist auch die Schlussfolgerung zurückzuführen, dass der Cartoon möglicherweise darauf abzielen könnte, hervorzuheben, dass das Problem AIDS von den anderen drei Vertretern nicht ernst genommen werde, da Armut in ihren Ländern keine Rolle spiele und sie deshalb gelangweilt seien (12c, 8b). Erst zu diesem Zeitpunkt der Bearbeitung stellen die Schüler, wieder durch S1, fest, dass sie wesentliche Vokabeln auf dem Cartoon nicht verstanden haben, nämlich antiretroviral und imperative (12d) . S3 verwendet ein Onlinelexikon um imperative nachzuschlagen, erkennt aber nicht, dass es sich im Cartoon um ein Nomen handelt und schlägt essential als Synonym vor, welches er fälschlicherweise noch mit essenziell übersetzt (12b, 12d, 2c). Da S3 keine Entsprechung des Wortes antiretroviral im Wörterbuch findet, versucht die Gruppe den Begriff in verschiedene Bestandteile zu zerlegen, deren Bedeutung sie kennen (12d). So finden sie heraus, dass er mit Viren zu tun haben muss. Zu dem Präfix anti äußern sie sich jedoch nicht und retro wird sehr ungenau mit again paraphrasiert. Letztlich verwerfen die Schüler auch diese Strategie und fragen den Lehrer, der ihnen die Bedeutung erklärt (12d, 17 f.). Auf Basis dieser Klärung reformuliert S1 die Lösung der Gruppe (12c). Er schlägt vor, dass alle Politiker zusammenarbeiten müssen, um die Verbreitung von AIDS zu verhindern, was beispielsweise durch die vermehrte Einführung antiretroviraler Behandlungsmethoden erreicht werden könnte (8a). Interessant ist auch der darauf folgende Exkurs, der durch S3 eingeleitet wird, da er das Wort disease stark akzentuiert betont, was dem Lehrer beim Vorbei- 178 5 Datenanalyse Leistungskurs 13. Klasse Thema Südafrika 5.3 Dialogisches Sprechen: Analyse der Unterrichtsbeiträge 179 laufen auffällt (2c, 17b). Der Lehrer merkt an, dass S3 an der Aussprache der s-Laute im Englischen arbeiten müsse. Es gebe im Englischen nur wenige Situationen, die ein stimmhaftes / s/ erfordern (17b). Hierbei korrigiert sich der Lehrer selbst und ändert English doesn’t have this German version of the s in ein English only has very few exceptions with the other s. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Aussprache bei der Sprechkompetenzförderung recht wenig fokussiert werde (vgl. Mehlhorn 2014), erscheint es interessant, dass der Lehrer hier einen nicht bedeutungstragenden Fehler von S3 im Vorbeilaufen aufgreift und ihm detaillierte Rückmeldung auf einen Aspekt seiner Aussprache erteilt (17b). Um ein systematisches Vorgehen, das sich auch in anderen Situationen in den Daten aufzeigen lässt, handelt es sich hierbei jedoch nicht. Als die Gruppe kurz darauf erfährt, dass ihr nur noch eine Minute zur Aufgabenlösung zur Verfügung steht, treibt S1 das Zusammentragen der Ergebnisse erneut voran (12a, 12c). Jetzt vermischt er verschiedene Aspekte und behauptet, alle müssten zusammenarbeiten, um erfolgreich gegen die voodoo science vorgehen zu können (8a). Zudem sei es erforderlich, dass die anderen Politiker mehr Interesse an Südafrika zeigen (8b). S2 merkt offenbar, dass sich die Lösung inhaltlich von der vorherigen entfernt und fügt ein, dass der südafrikanische Repräsentant überzeichnet dargestellt sei und offenbar davon ausgehe, man könne mit voodoo science AIDS heilen (12c, 6b, 8a). S1 bleibt bei seiner Meinung und ergänzt lediglich, dass der Südafrikaner verzweifelt wirke und dass die Verteilung von Kondomen ein Ansatz sein könne, die Ausbreitung der Krankheit zu verhindern (12c, 6b). Die Gruppe kommt am Ende nicht zu einer einheitlichen Lösung. S1 kristallisiert sich während der gesamten Bearbeitungsphase als dominant in der Gesprächsführung heraus. Er initiiert verschiedene Lösungsvorschläge und lenkt die Gruppe während der Aufgabe, z. B. indem er unbekannte Vokabeln benennt und nachschlagen lässt (12a, 12d). S3 hält sich sehr zurück, obwohl er, durch das Vorbereiten und Halten der Präsentation zu HIV, mehr Hintergrundwissen als seine Gruppenmitglieder hat. Seine Rolle besteht hauptsächlich darin, Wörter nachzuschlagen (12d). Nur zweimal beteiligt er sich inhaltlich an der Gruppenarbeit. S2 bringt sich mehr ein, ordnet sich argumentativ aber stark S1 unter. Als er merkt, dass die Aufgabenlösung von seiner Meinung abkommt, unternimmt er einen Versuch, S1 wieder dorthin zurück zu führen, begnügt sich dann aber mit der nur marginal modifizierten Antwort von S1 (12: 14). S1 ist zudem sprachlich flexibler als seine Mitschüler. Er verwendet häufig sprachliche Mittel wie I feel like und actually um die Flüssigkeit zu wahren und lässt den Mitschülern wenige Gelegenheiten, das Rederecht zu übernehmen (3a). Er beherrscht zudem verschiedene Konnektoren zur variantenreichen Verknüpfung einzelner Gedanken, sodass die Sprache sehr flüssig wirkt (5a). Es fällt aber bei genauer Betrachtung auf, dass auch er teils gravierende Grammatikfehler macht ( So anybody knows what imperative means? ) und auch lexikalisch manchmal unsicher ist (2a, 2b). Das Register ist in dieser Gruppendiskussion meist sehr umgangssprachlich (10b). Auch wenn diese Gruppe die Aufgabenbearbeitung systematischer angeht als die erste, ist das Resultat ebenfalls nicht wesentlich elaborierter. Es wird bei genauer Betrachtung der Diskussion deutlich, dass es auch dieser Gruppe an wichtigen Hintergrundinformationen fehlt. Die Schüler ordnen die im Cartoon dargestellte Situation zeitlich völlig falsch ein und erkennen auch Präsident Mbeki als Repräsentant Südafrikas nicht. In diesem Zusammenhang beachten sie den Aspekt der Armut zu wenig und ziehen falsche Schlüsse daraus. Mit inhaltlichem Hintergrundwissen hätte die Gruppe einordnen können, dass dieser Cartoon Mbekis Auffassung, Armut sei das Problem, das zur Bekämpfung von AIDS angegangen werden müsse und nicht HIV, karikiert und den Begriff voodoo science in Relation zu den wissenschaftlichen Lösungsansätzen der anderen Repräsentanten setzen können. Ein Post-it mit Hintergrundinformationen erhielt diese Gruppe nicht. In Übereinstimmung mit den Daten aus der ersten Gruppe kann auch festgestellt werden, dass die sprachliche Vorentlastung im Vorfeld der Aufgabe zielführend gewesen wäre. Beide Gruppen haben große Schwierigkeiten mit Begriffen, die für die Aufgabenlösung maßgeblich sind. S5 12: 23 12: 24 So as you can see there are four men meeting at the world AIDS conference and we pretty soon agreed that the one on the right has to be representing South Africa since he got the flag of it and he seems to be pretty desperated because he's trying his best to cure AIDS with voodoo science. And we also agreed that the other three men ehm have different ways of fighting AIDS for example global mobilization or HIV prevention imperative but these are different ways of fighting AIDS and prevent AIDS from spreading. So if they would work together all those three I think the number of infected people would decrease rapid…rapidly and as you can see the facial expression of those three people are not that interested in the problem and there we see the point. I think the plot is in that eh picture that those who have the power, those who have opportunities to do something against AIDS are just not interested in helping South Africa especially. 5a, 13b 2a, 1b 2a 2b, 13b 5a, 8a 3b, 13b, 8a 3a 1b 2a, 5a, 13b 1b, 3e 2a, 13b 8a 3b, 13b, 8a 1b 2d 8b 180 5 Datenanalyse Leistungskurs 13. Klasse Thema Südafrika 5.3 Dialogisches Sprechen: Analyse der Unterrichtsbeiträge 181 L Good. Okay. Fine. Thanks. So there's one thing that's definitely similar or to be found in all cartoons is that the problem is not really taken seriously at least at this time. We talk about the period of the late 90s and sorry the early 2000s so 2002 to 2008. S9? 18a S7 Another interpretation is that the other three people at the left have the solutions in front of them and ehm they don't know what the South African minister or what he should be symbolizes. Ehm the representative of South Africa so they ehm think ehm why doesn't he take our help and why is he sticking with his voodoo science so why ehm yeah why don't he take our help? 13c 2a, 3b 2a, 3b, 2d, 8b 3b, 2a 8a, 1b 3b, 2a, 3e, 2a L Doesn’t. 18b S7 Doesn’t take our help. 3e L12: 25 And obviously he's very much focused on his ehm puppet or whatever that is. Good. That’s it. 18a 19e [Vorstellung Gruppe 2] S5, der Schüler, der auch in der Bearbeitungsphase wortführend gewesen war, übernimmt die Vorstellung. Er verknüpft Elemente der Bildbeschreibung mit der Darstellung seiner Hypothese. Die vorgestellte Lösung entspricht der, die er auch in der Bearbeitungsphase formuliert hat (13b). Südafrika sei verzweifelt in Bezug auf den Umgang mit der Krankheit AIDS und versuche dieses mit voodoo science zu lösen (13b, 8a). Ein Zusammenarbeiten der verschiedenen Politiker mit ihren jeweiligen Ansätzen könne die Möglichkeiten bieten, effektiv gegen AIDS vorzugehen, doch seien die Politiker links von dem südafrikanischen Vertreter nicht daran interessiert (8b). Der Lehrer ist bereits geneigt diese Lösung zu akzeptieren, doch dann meldet sich S7 aus derselben Gruppe und möchte den Beitrag ergänzen (18a). Dabei bietet er einen alternativen Vorschlag an, der die Idee des Cartoons, wenn auch sprachlich recht schwach, wesentlich treffender wiedergibt. Den Gesichtsausdruck wertet er als Skepsis gegenüber der voodoo science und nicht als Desinteresse der anderen Politiker. Es seien Lösungsvorschläge vorhanden, doch der südafrikanische Vertreter verweigere sich und klammere sich an seine voodoo science (13c, 8a) . S6 hatte bereits in der Bearbeitungsphase S5 von dieser Lösung überzeugen wollen, sich dann aber untergeordnet (12: 13-- 12: 14). In der Präsentationsphase nutzt nun S7 die Möglichkeit, die Alternative anzubieten, vielleicht auch, weil eine andere Gruppe zuvor zwei Lösungen geliefert hatte. Der Lehrer lässt allerdings auch hier die Möglichkeit ungenutzt, die divergierenden Auffassungen als Ausgangspunkt für eine gemeinsame Betrachtung und eine intensivere Auseinandersetzung mit dem Cartoon zu nutzen. Er nimmt den Vorschlag hin und geht nicht weiter darauf ein, fügt lediglich hinzu And obviously he's very much focused on his ehm puppet or whatever that is (18a). Ohne abschließendes Fazit und auch ohne Rückmeldung auf die sprachliche Leistung zu geben, beendet der Lehrer die Präsentationsphase der Gruppe mit den knappen Worten: Good. That’s it (19e) . Abschließend wird nun eine dritte Schülergruppe betrachtet (vier Schülerinnen, S8-S11). Sie hat sich mit dem Cartoon Political Position on AIDS befasst. S8 12: 05 Do you understand the (.)? 12c, 3d S9 I haven’t read it yet. (…) 6b, 3c (20 sec) S8 Do you understand the quote or? 6b, 12a, 12c, 2d S10 Wenn du das mit “comrade” ausblendest versteht man das. 6b S9 But why do they use the word comrade? I don’t know what’s then the sense of comrade? 6b, 12c, 12d, 2a S11 12: 06 To make it more funny. 6b, 12c S10 Is doch so kumpelmäßig oder? You want me to read it out? 12d, 12b, 2b, 2a 3c (30 sec) S8 12: 07 Do you understand this? (zu S11) 4b S11 The former health minister Mantu has (…) 6b, 3c (40 sec) S9 12: 08 Should it mean that the health minister isn’t aware of this illness or what? I don’t know. 12c, 2a, 8b S10 Can we read it one more time? 6b, 12a, 12b S8 It’s difficult or? 6b, 2d S9 Well I have to think about it. 6b, 5a S10 Well I think they wanna say that this is a president who hasn’t been seen. He’s maybe also affected by AIDS and that AIDS is spreading really fast. 6a, 6b, 10b, 12c 2b, 8b S8 And that they aren’t aware of this illness or what? 6b, 12c, 2a 182 5 Datenanalyse Leistungskurs 13. Klasse Thema Südafrika 5.3 Dialogisches Sprechen: Analyse der Unterrichtsbeiträge 183 S10 12: 09 Because they say comrade secretary. Tell the press that the comrade health minister does not know what the latest position of the comrade president is on AIDS. I had not as yet seen him today. So. And they’re like wondering because there’s a newspaper article who says perhaps HIV causes AIDS. So they don’t really know by their time that AIDS is a phase of HIV. That’s what S5 said. 6b, 12c 3a, 5a 2a 2a, 5a 2a, 8a (Hypothese) 4c S8 Can I have a look in? 2a S11 12: 10 12: 11 It’s a critique on the press. Because the wealth ehm the health minister is wants to be informed all the time. And ehm this is the health minister and she tells the secretary to call the press because she hasn’t known that the president is on AIDS. You know what I mean? It’s a critics on the press that the press isn’t fast enough. Comrade secretary that’s this woman. Tell the press that the comrade health minister “also” she does not know that the latest what the latest position of the comrade president is on AIDS. I have not as yet seen him. What’s the meaning of I have not as yet seen him? 2b, 2b, 3b, 12c, 3e 5a, 3b, 8b 2a, 2a, 4b 2b 2d 12c 3e 2a 12d, 4b S9 So that it spreads every day. So yeah. Because yesterday where we had (.) 5a, 12d, 8b 2a, 3d S8 And now he’s in the fourth stadium of these four phases. unterbricht, 8b S11 Ich hass das. Ich muss mir bei sowas immer voll Gedanken machen. 15a S8 I don’t really get it. 12c S10 We just kind of speculate. So what you’re saying is not wrong. 12c, 5a, 6b S11 I think it’s a critics on “Aufklärung” that they aren’t well informed. 12c, 8a S10 12: 12 But look at the cartoon. There are condoms. Have you noticed that? (…) It’s not easy. 12c, erwähnt Cartoon, 2a, 8a 3d (35 sec) L Well nobody said it’s easy. What’s that? Leistungskurs? Kommentar beim Vorbeilaufen am Tisch S11 12: 13 So what is our group answer then? 12a S10 We can say that we all say what I said because we are speculating nothing on board is going to be wrong. 12c, 2d 2a S8 And I have no answer. 6b, 2a S9 We are describing the picture first. 12a S11 I think that the press or the clarification is highly criticized with this cartoon because (.) 12c, 1a, 2d, 2b, 8a 3d S10 Well I think they wanna show that (.) 6b, 3d, 8b S8 12: 14 So we are going to say both meanings? So it can have a lot of different meanings. “Interpretationsspielraum”. 12a, 5a 1c 12: 15 - Lehrer unterbricht Gruppenarbeit - [Gruppe 3: Position on AIDS] S8 eröffnet die Diskussion mit der Frage nach der Bedeutung des Texts in der Sprechblase (12c). Es stellt sich heraus, dass der Begriff comrade den Lernenden tatsächlich Schwierigkeiten bereitet. Sie kennen die Konnotation, die der Begriff im Kontext Südafrikas annimmt, nicht, und übersetzen ihn fälschlicherweise wörtlich als „kumpelmäßig“ (2b). Mithilfe des Post-its können sie schlussfolgern, dass es sich bei der dargestellten Frau am Schreibtisch um die Gesundheitsministerin Manto Tshabalala-Msimang handelt und die Frau mit dem Telefon in der Hand die Sekretärin sein muss. Die erste Hypothese zur Bedeutung des Cartoons stellt dann S9 auf. Ihr zufolge könnte der Cartoon darauf abheben, dass der Ministerin die Existenz der Krankheit nicht bewusst sei (12c, 8b). S10 liest sich den Text erneut durch und stellt eine gegensätzliche These auf. Sie folgert, der Präsident könne selbst an AIDS erkrankt sein und das Zitat könne sich auf den aktuellen Gesundheitszustand des Präsidenten beziehen, über den die Ministerin nicht informiert sei, da sie ihn an jenem Tag noch nicht gesehen habe (12c, 8b). Sie stützt sich bei der Rechtfertigung dieser Position auf die Zeitung, die auf dem Cartoon zu sehen ist und die einen möglichen Zusammenhang von HIV und AIDS herstellt. Auf Basis des Referats zum Thema HIV, das die Lerngruppe unmittelbar vor der Aufgabe gehört und diskutiert hat, folgert sie, dass in Südafrika der Zusammenhang zwischen HIV und AIDS noch nicht bekannt gewesen sein könnte (4c). Auch S11 beteiligt sich mit einer These an der Ideensammlung und behauptet, der Cartoon sei eine Kritik an der Presse (12c, 8b). Dabei bringt sie inhaltlich einige Aspekte durcheinander und folgert, die Ministerin habe die Sekretärin damit beauftragt, die Presse anzurufen, weil sie Informationen über den Gesundheitszustand des Präsidenten nicht rechtzeitig erhalten habe. Zudem artikuliert sie aber auch sprachliches 184 5 Datenanalyse Leistungskurs 13. Klasse Thema Südafrika 5.3 Dialogisches Sprechen: Analyse der Unterrichtsbeiträge 185 Unverständnis und fragt nach der Bedeutung des Satzes I have not as yet seen him (12d) . Dieses wird in der Gruppe allerdings nicht aufgegriffen und geklärt. S8 bleibt auf der Inhaltsebene und schließt sich der Meinung von S10 an, dass der Präsident selbst erkrankt sein könnte. Ebenfalls unter Bezugnahme auf das vorangegangene Schülerreferat, schließt sie, er könne sich bereits im vierten Stadium der Krankheit befinden (12c, 4c, 8b). Sie merkt aber auch an, dass sie glaubt, den Cartoon nicht verstanden zu haben (12c). S10 beruhigt sie und versichert, dass Spekulationen gewollt seien und man nichts Falsches sagen könne (12c, 6b). Die Vermutung von S11 der Cartoon könne aber auch eine Kritik an der mangelnden Aufklärung hinsichtlich der Krankheit sein, versucht S10 trotz des zuvor erfolgten Plädoyers für Spekulationen dann aber direkt mithilfe des Bildes zu widerlegen, schließlich seien Kondome zu sehen (12c, 8a). S11 möchte kurz vor Ablauf der Zeit die Aufgabe zum Abschluss führen und fragt So what is our group answer then? (12a). S10 schlägt vor, dass sie ihre Antwort als Gruppenlösung präsentieren, auch wenn es sich um Spekulation handele (12c). S8 merkt an, dass zuerst das Bild beschrieben werden sollte, und S11 sieht den Aspekt der Pressekritik als essenziell (12a, 12c). Abschließend schlägt S8 vor, beide Ansätze vorzustellen (12a). Die Gruppe schafft es aus Zeitgründen aber nicht mehr, sich auf eine Vorgehensweise zu einigen. Diese Gruppe wählt, im Vergleich zu den anderen beiden untersuchten Aufgabenlösungen, ein anderes Vorgehen. Sie stellt nicht die Bildbeschreibung und die Klärung der visuellen Aspekte, die der Inputcartoon liefert, in den Vordergrund, sondern beginnt mit der Analyse des Texts in der Sprechblase. Danach stellen die vier Schülerinnen nacheinander verschiedene Hypothesen auf und stellen diese zur Debatte. Dabei beziehen sie sich immer wieder auf das Schülerreferat oder aber die Elemente des Cartoons. Da sie kein Vorwissen zu der dargestellten Situation haben (bis auf den Namen und die Funktion der abgebildeten Frau), verbleiben ihre Lösungsansätze spekulativ. Dies nehmen die Schüler sehr wohl wahr, stellen es aber nicht in Frage. Sie gehen offenbar davon aus, dass das Spekulieren genau das ist, das von ihnen verlangt wird, stellen aber mehrfach heraus, dass ihnen die Aufgabe schwer fällt. Fehlerhafte inhaltliche Verknüpfungen, hauptsächlich zum Schülerreferat, sind so zu erklären, dass dieses die einzige Bezugsquelle ist, die neben dem Cartoon zur Interpretation zur Verfügung steht. Die gestalterische Ebene des Cartoons spielt bei der Interpretation durch diese Gruppe eine geringe Rolle. Nur einmal verweist S10 auf ein Gestaltungselement, die Kondome, um ein anderes Argument zu negieren. Die vielen ironischen Elemente, die der Cartoon enthält, erkennt die Gruppe aber nicht oder formuliert dies zumindest nicht sprachlich. Es ist davon auszugehen, dass dies in fehlendem Hintergrundwissen begründet liegt. Besonders der Begriff comrade stellt die Schülerinnen vor Verständnisschwierigkeiten. S10 und S11 orientieren sich bei der Argumentation nicht nur inhaltlich, sondern auch sprachlich, stark an der Textvorlage. Es kommt überdies zu einigen sprachlichen Fehlern (2a, 2b, 2d). Das Gespräch gerät häufig ins Stocken und es entstehen mehrfach längere Pausen von 20-40 Sekunden (3c, 3d). Es muss in diesem Zusammenhang festgehalten werden, dass auch diese Gruppe bei der Aufgabenlösung maßgeblich von fehlendem Vorwissen beeinflusst wird. Abschließend wird nun auch die Präsentationsphase jener Gruppe betrachtet. L12: 17 Ok good. Thank you. So let's use this quote next. S9 Well this was ours and we had like two different speculations about what could it mean. Ehm first of all I thought that it was like representing how ehm South Africa got conscious about HIV but as you can see in the text ehm maybe they were moving forward and you see the condoms in the curtain but it still as eh low eh not as fast as HIV was moving forward so the president had (einer Schülerin fällt die Wasserflasche um). They say that the president had hasn't been seen so HIV has maybe also ehm touched the president? 5a, 3a, 13a 3b, 5a 3a, 1b, 3b 2b, 4b 3b, 1a 2a, 3b 3b, 13c 2a, 3b 8b L Oh you mean that he's infected himself? 18b S9 Infected himself. So that was that was one speculation and S11 came up with another one. 6b S11 12: 18 Yes I thought it eh is a critic on the press and the media because ehm maybe you want to read it. Comrade secretary I think that's the eh woman on the right side. Tell the press that the comrade health minister and that's the woman on the left side does not know what the latest position of the comrade president is on AIDS. I have not as yet seen him today. So I think she criticizes that the work between the press and the development countries (.) 3b, 13a 3b, 2d 3b, 8a 8a 13b 3d L Developing countries. 18b 186 5 Datenanalyse Leistungskurs 13. Klasse Thema Südafrika 5.3 Dialogisches Sprechen: Analyse der Unterrichtsbeiträge 187 S11 12: 19 Developing countries and eh the people who are infected eh doesn't work. So they want to get new information and they want their help but it's not fast enough. So she criticizes that she has to, that the comrade secretary has to call them now because she ehm maybe is ehm afraid that the president who is on AIDS is already dead. Because she hasn't seen… she hadn't seen him the day. So she knows about the problem but she can't really work because there are missing information. 3b 3b 2a, 8a (Hypothese), 13b 3e 5a 3b, 2b 8b, 2a, 3e 2a 2a, 2a L Well, the comrade president was not infected. He was not there. But ehm there is a third way to see this. S12? 18a S12 12: 20 It's pretty funny to see the ehm newspaper on the right bottom…perhaps HIV causes AIDS and ehm back it's called "Gardine" (Schülerin ruft curtain) curtain yeah curtain. It's pretty funny to see there are lots of condoms and the key had probably a condom hanging on it too but I'm not sure if it is one. And that just shows that maybe I don't know if they had an idea or if they knew that condoms could save people from AIDS eh from HIV or if it's just too obvious that they don't see it or something like that I don't know. 3b 3b, 2d 1c 2a, 13c 3a, 13c 1a 3b, 3e, 13c 3a L The main message is that ehm the president doesn't really have an opinion on AIDS. He does not really take the problem seriously. So eh that's the idea behind that. But you had good ideas. Next group. 18b 19a [Vorstellung Gruppe 3] Wie es in der Bearbeitungsphase als eine Möglichkeit aufgegriffen wurde, bietet die Gruppe zwei Lösungen an. S9 beschreibt das Bild nicht, sondern steigt direkt inhaltlich ein. Sie stellt als Kernaussage heraus, dass der Cartoon darauf abhebe, die wachsende Bewusstwerdung Südafrikas hinsichtlich der Problematik HIV darzustellen (13a). Die in den Vorhängen abgebildeten Kondome seien als Indikatoren dafür zu verstehen, der Text jedoch betone, dass der Prozess noch immer zu langsam fortschreite, da der Präsident selbst möglicherweise an AIDS erkrankt sei (8b). Interessant ist, dass die durch S9 dargebotene Lösung detaillierter ist als es das Gruppengespräch erwarten lässt (13c). S11 stellt dann die zweite Lösung vor, die die Pressekritik in den Vordergrund rückt. Auch in dieser Variante ist der Präsident an AIDS erkrankt und möglicherweise bereits an den Folgen gestorben (13a, 13b, 8b). Die Ministerin wird hier als Motor der Informationsverbreitung gesehen, da sie die Sekretärin damit beauftragt, die Presse zu konsultieren, um den Informationsfluss herzustellen (13b, 8b). In beiden Schülerlösungen wird deutlich, dass der Cartoon ohne Hintergrundwissen interpretiert wurde. Zu erwarten wäre, dass der Lehrer darauf eingeht und die Fakten richtig stellt. Er informiert die Lernenden zwar knapp darüber, dass der Präsident nicht erkrankt sei, geht aber zunächst nicht weiter auf den Inhalt ein, sondern erteilt stattdessen S12 das Wort, der sich gemeldet hatte. Dieser äußert sich zur Ironie des Cartoons. Möglicherweise sei die beiläufige Präsenz von Kondomen auf dem Bild (Gardine, Schlüsselanhänger) ein Indiz dafür, dass ein Lösungsansatz für das Problem AIDS bereits existiere, aber zu offensichtlich sei (13c). Dies ist ein sehr interessanter Beitrag, da er auf die Wirkweise des Cartoons abhebt und eine neue Sichtweise in die Debatte einbringt, die die Gruppe nicht in Erwägung gezogen hat. Der Lehrer verschenkt aber an dieser Stelle das didaktische Potenzial den Cartoon multiperspektivisch zu betrachten. Stattdessen liefert er dem Kurs in knapper Form die, aus seiner Sicht betrachtet, Kernaussage des Cartoons, der darstellen wolle, dass der Präsident schlicht keine Meinung zum Thema AIDS gehabt habe (18b). Diese Lösung ist nicht nur inhaltlich fragwürdig, da sich Mbeki sehr wohl in dieser Sache positioniert hatte, sondern sie erstickt zudem die aufkeimende Diskussion im Ansatz. Die Gruppenlösung wurde inhaltlich nicht gewürdigt und auch der Beitrag von S12 bleibt unkommentiert stehen. Der Lehrer belässt es bei einem sehr knappen Lob für die guten Ideen, die die Gruppe gehabt habe, auch wenn sie den Cartoon letztlich nicht verstanden habe (19a). Auf sprachliches Feedback verzichtet der Lehrer völlig, lediglich einmal verbessert er S9 während der Präsentation ( developing countries, 18b). Es hätte sich angeboten, mit den Lernenden nachzuzeichnen, wie sie auf die unterschiedlichen Lösungen gekommen sind. Zudem wäre es für die Lernenden hilfreich gewesen, Informationen darüber zu erhalten, wie sie die Aufgabe hätten erfolgreicher bewältigen können. Die reine Darbietung der „richtigen“ Lösung durch den Lehrer hilft den Lernenden nicht hinsichtlich der Bewältigung ähnlicher Sprechaufgaben in der Zukunft. Der Lehrer hätte zu diesem Zweck über ein systematisches Vorgehen bei der Beschreibung und Interpretation von Bildern/ Cartoons sprechen können. Stattdessen leitet er direkt zur nächsten Gruppe über (12: 20). 188 5 Datenanalyse Leistungskurs 13. Klasse Thema Südafrika 5.4 Monologisches Sprechen: Referat zum Thema Political System of South Africa: Analyse der Unterrichtsbeiträge Das Referat stellt eine thematische Einführung in das politische System Südafrikas dar und ist zudem der erste inhaltliche Input in der neuen Unterrichtseinheit zu Südafrika. Das Thema ist mit dem Lehrer im Vorfeld der Stunde abgesprochen worden. Inhaltliches Vorwissen kann auf Seiten der Lerngruppe nicht vorausgesetzt werden. Wie bereits in 6.2 ausgeführt wurde, besteht eine zeitliche Vorgabe für den monologischen Part von 15 Minuten. Im Anschluss soll die Schülerin eine Diskussionsfrage an die Lerngruppe stellen, die sich aus dem Vortrag ergibt. Diese Anschlussdiskussion ist auch durch die Schülerin zu moderieren. S13 11: 30 So hello and welcome to my presentation. Today I want to tell you something about South Africa's political system and therefor I try to answer the question if the constitution of South Africa is the most progressive constitution in the world because it’s said so often in articles that it's one of the best constitutions and it's very progressive so I try to discuss that during my presentation. 5b, 4b 5a, 4a 1b 2a 4a L Do you want someone to change the slides? S1 nickt und S7 begibt sich zum Computer S1 11: 31 So at at first I'm going to present my outline to you ehm. I start with a short history of the political system of South Africa and then I'm going to tell you something about the current political system with a focus on the elections and also for sure the constitution and then we will discuss the question if it's the most progressive constitution and you can also guess what you think if it's great or if it's just a myth and eh then I'll give you short overview over the political issues at the end and then I'll show you my sources. 5b, 5a, 4a, 7e 3b, 4a 5a, 4b, 4a 1b 5a 1b, 4b, 4a 4a, 4b 4a, 4b 1b, 4a, 4b, 3b [Einleitung] S13 verwendet mit hello and welcome to my presentation einen strukturierten Einstieg zur Eröffnung eines monologischen Redebeitrags (5b). Auch im weiteren Verlauf der Einleitung finden sich genretypische Elemente, wie der Ad- 5.4 Analyse: Referat zum Thema Political System of South Africa 189 ressatenbezug durch direktes Ansprechen und das Vorstellen der Struktur des Vortrags (4a, 4b). Auffällig sind in diesem Ausschnitt die verschiedenen sprachlichen Mittel, die S13 verwendet, um den Adressatenbezug herzustellen. Diese sind häufig Beschreibungen des Vorgehens ( I try to answer the question, I try to discuss that during my presentation, at first I’m going to present, then I’m going to tell ) oder aber direkte Ansprachen an das Publikum ( want to tell you, going to tell you, we will discuss, what you think ). S13 grenzt das Thema ein und führt aus, dass es um das politische System Südafrikas gehen wird und dass die Leitfrage diskutiert und beantwortet werden soll, ob es sich bei der Verfassung des Landes um die weltweit fortschrittlichste handelt oder nicht. Dabei soll zuerst ein historischer Überblick gegeben werden, bevor das aktuelle politische System fokussiert wird, wobei die Wahlen und die Verfassung im Zentrum des Interesses stehen. Abschließend sollen die politischen Leitthemen und die Quellen vorgestellt werden. Ein solches Vorgehen ist durchaus genretypisch und sinnvoll, erleichtert es doch den Zuhörenden dem Vortrag zu folgen. S13 muss nur einmal während der Einleitung den Blickkontakt mit dem Publikum neu initiieren, da sie die Notizen kaum verwendet. Lediglich nach der Unterbrechung des Lehrers schaut sie kurz auf ihre Karten, blickt dann aber schnell wieder auf (7e). Obwohl sie nichts vorliest, wirkt der Vortrag sehr vorbereitet. Weder die Notizen noch die Folien enthalten jedoch ganze Sätze. S13 bestätigte aber im Interview, dass sie die Präsentation im Vorfeld mehrfach geübt hatte. Es muss entsprechend bei der Beurteilung einer sprachlichen Leistung immer beachtet werden, dass die Performanz stark von der Intensität der Vorbereitung abhängt. Spontanes und geplantes Sprechen sind daher bei demselben Lerner erwartbar unterschiedlich. Auf dieses Phänomen soll im weiteren Verlauf der Datenanalyse geachtet werden. In der Einleitung jedoch zeigt sich S13 sprachlich kompetent. Sprachliche Fehler sind die Ausnahme. Bei dem kodierten Fall handelt es sich um einen Grammatikfehler (Adverb vs. Adjektiv/ 2a), welcher den Inhaltsbezug (8a) nicht tangiert. Zur Verknüpfung von Argumenten und zur sprachlichen Strukturierung des Beitrags verwendet S1 verschiedene Konnektoren wie so, at first, therefor, and then, at the end/ 5b). Fachbegriffe wie constitution und elections werden korrekt verwendet. Hesitationsmarker wie ehm (3b) oder aber längere Pausen treten sehr selten auf, stattdessen wahrt S1 sprachlich geschickt die Flüssigkeit des Beitrags ( for sure/ 5a). Auch die Entwicklung des Beitrags hinsichtlich der Faktoren Flüssigkeit und Korrektheit wird untersucht, insbesondere, da sich in der Pilotstudie gezeigt hat, dass die sprachliche Leistung im Verlauf des Vortrags in diesen Kategorien abgefallen ist. Der nächste untersuchte Abschnitt schließt direkt an die Einleitung an. 190 5 Datenanalyse Leistungskurs 13. Klasse Thema Südafrika S13 11: 32 So the history of the political system as we all learned in the last lesson in 1948 the national party ehm won the elections and they tried to (unverst.) Apartheid regime and do all of the racial segregation stuff and have strict rules for all racist like all the common acts and stuff like that. And after that in 1990 Frederic W. de Klerk initiated the end of Apartheid but it wasn't official yet. Then there were many negotiations between these years until in 1993 there was a temporary constitution set up which was also eh the real constitution after some more years of negotiation. And in 1994 there is the official end of Apartheid and the democratization of South Africa started as well as became a parliamentary democracy and at the 10th of May 1994 Nelson Mandela was the first freely and non-racially elected president. 5b, 5a 4c, 7e, 8a 3b 1b, 10b 5a, 8a, 2d 1b, 2a 1b, 3b 2b, 8a 1b, 7a, 5a, 3b 1b, 8a 5a 8a, 2a, 5a 1b, 2a 1b, 8a 8a [Historischer Überblick] S13 stellt hier die Entwicklung des politischen Systems Südafrikas von 1948 bis 1994 vor. Längere abgelesene Abschnitte lassen sich nicht ausmachen, nur vereinzelt löst S13 den Blickkontakt mit dem Publikum, um zur projizierten Folie zu schauen (7e) oder um auf etwas zu zeigen (Unterpunkt 1993 in Powerpoint-Folie; 7a). Auch in diesem Abschnitt entsteht der Eindruck eines stark vorbereiteten Vortrags. Es gibt aber auch sprachliche Indikatoren für spontane Passagen. So verwendet S13 zur Verknüpfung der verschiedenen inhaltlichen Aspekte zweimal Floskeln wie stuff like that oder all of the racial segregation stuff. Dies stellt einen Registerbruch dar (10b) und zeigt gleichzeitig auf, dass S13 spontan kein angemessener Begriff einfällt (1, 6). Desweiteren variieren die Konnektoren weniger stark als im ersten Abschnitt. Auffällig häufig verwendet S13 hier and und bildet recht lange Informationsketten (5a). Nicht immer wird dabei die korrekte Syntax des Satzes gewahrt (2d), es bleibt aber insgesamt inhaltlich gut verständlich. Hesitationsmarker sind weiterhin selten (3b) und auch hinsichtlich des Spektrums lässt sich konstatieren, dass Fachbegriffe verwendet werden und die Verwendung angemessen erscheint (1b). Der nächste Abschnitt stellt die Überleitung zur Diskussionsphase dar, welche S13 in ihren Vortrag eingebettet hat. In diesem lässt sich nachvollziehen ob und gegebenenfalls in wie weit sich die Faktoren Korrektheit, Flüssigkeit und Flexibilität im Zusammenhang mit der geänderten sprachlichen Anforderung wandeln. 5.4 Analyse: Referat zum Thema Political System of South Africa 191 S13 11: 36 And now I'd like to discuss a question why you could maybe imagine why this is the most progressive constitution and if you think it's just a myth or if it’s reality and maybe you could just say something about it. Yes? 3d, 5a, 4a 4b, 2a S9 Well I think it's a reality because there's a development eh the African constitution has gone through (.) year shows that it has really has a good progress like there was racial ehm till 1994. And now it has more become non-racial and free elections so I think the progress shows that it's real in my opinion. 6b 3b, 3d, 2d, 8a 2a 2b, 3b, 2a 2a, 5a S13 11: 37 Someone else maybe? Please? Ok some time? Maybe one minute to think about it? (nach etwa 30 Sekunden). Yes? 4b S5 11: 38 Ehm I actually agree with S9 because ehm we have to say that it has developed pretty well the constitution but still I think ehm there is only one real party that you actually vote for I feel like because if you should vote for another party it doesn't really make that much sense because that one party is so powerful. So if it's not that balanced I could imagine that there are some problems (.) 3b, 6b 3b, 3a, 2d 3b, 1b, 8a 3a 5a, 5a, 8a 2a, 8a 3d S13 Hm (.) 3d L 11: 39 I just learned that there was so much information that it is not that easy to respond for them. But you can think of ehm like different constitutions. In our English class we talked a lot about the German system or about the US-American system about the ehm British system so ehm maybe there is something. I think there's more I think we have to compare it to other systems to answer this question ehm maybe you have never thought about ehm political systems being progressive at all. S13 Yeah? 192 5 Datenanalyse Leistungskurs 13. Klasse Thema Südafrika S9 11: 40 Well I just say that we have to compare. I see, like, for example, comparing it with the English constitution which is one like old-school style. It's like out-schooled no old-schooled constitution we can't say that the African one is more (.) has has gone through more or larger progress. As I know the Queen is for example being, “wie sagt man ehm in der Regierung also in der Macht”? 6b, 5a, 3a 2a, 3a, 2b 3e, 2a, 4b 2d, 3d 3b, 3e, 2a 5a 1c L She is head of state. Keine treffende Paraphrase S9 She is head of state since fifty years and in these fifty years ehm Africa has gone through different phases of its constitution I said before like it was really racial and build up till 1994 and after that it changed a lot. 6b, 3e 3b, 8b 2a, 8a S13 Yes? S12 11: 41 Ehm, you said it was the largest progress. I think the German progress is way bigger, I mean, our constitution started eighteen hundred something I don't know when eh exactly but ehm they started before (2 sec) the German Reich was founded but I think it's one of the most progressive constitutions because it's just, I mean, they definitely copied the Western constitutions and made them better or made them not better but made them different. And I think it's a pretty good solution. 3b, 4b 10b, 3a 1b, 8a 3b, 3b 3d, 5a 1b, 5a 3a, 1b, 8b (unklarer Bezug) 5a, 8b S13 Mmh (Stimmt zu). Yeah. 6b S14 Yeah as they said, as they said in 1994 South Africa became a democratic country so South Africa has ehm an advantage to other countries in the world but I don't know if it's the most progressive constitution. 5a. 4a 3b 2a, 8a 1b S13 Ok, well, I think that's enough so I gonna show you what I thought why it could be the most progressive constitution. 5a, 5c, 4a, 2a, 10b 1b [Überleitung und leitfragengestützte Diskussion] Zu Beginn dieses Abschnitts leitet S13 zur Diskussionsfrage über. Diese impliziert bereits, dass S13 die südafrikanische Verfassung für die fortschrittlichste hält, fordert aber dennoch eine Positionierung der Zuhörer hinsichtlich dessen, ob es sich um einen Mythos oder um Realität handelt (5a, 4a, 4b). Obwohl S13 5.4 Analyse: Referat zum Thema Political System of South Africa 193 also die beiden Möglichkeiten eröffnet, lässt die Formulierung der Frage klar darauf schließen, wie sie sich selbst positioniert. S9 stimmt zu und führt die radikale politische Entwicklung nach 1994 an (6b, 8a). Auch S5 schließt sich an, weist aber darauf hin, dass die Tatsache, dass es nur eine ernstzunehmende Partei gebe, zu einer Disbalance führen und Probleme verursachen könne (6b, 8a). S13 hält sich stark zurück und kommentiert die Beiträge der Mitschüler nicht. Sie übernimmt lediglich die Rolle der Verteilerin des Rederechts. Als sie merkt, dass es keine Wortmeldungen gibt und die Diskussion stockt, schlägt sie vor mehr Zeit zu geben (4b). Die anberaumte Minute setzt sie dann aber nicht durch, sondern übergibt das Rederecht sofort an S5 als dieser sich nach 30 Sekunden meldet. Auch nach dem Beitrag von S5 entsteht eine längere Pause. Anstatt selbst die Diskussion durch inhaltliche Impulse oder eine Modifikation der Fragestellung anzufeuern, bleibt sie weiterhin zurückhaltend und wirkt zunehmend verzweifelt. Der Lehrer bemerkt den Gesichtsausdruck und greift ein, indem er S1 zunächst beruhigt. Dann schlägt er vor, das südafrikanische System mit anderen bekannten politischen Systemen zu vergleichen (15b2). Auf diesen Impuls hin gibt es spontan drei weitere Meldungen und S13 übernimmt wieder ihre passive Moderatorenrolle. Sie geht weder auf den sprachlich und inhaltlich schwer verständlichen Beitrag von S9, noch auf den komplexen, aber auch nicht immer inhaltlich transparenten, Kommentar von S12 ein (8b), sondern stimmt lediglich kurz zu. Auch die Meinung von S14 nimmt sie lediglich zur Kenntnis und beschließt im Anschluss an diesen Beitrag die Diskussion zu beenden, auch weil es keine weiteren Meldungen gibt (5c). Die Betrachtung dieses Abschnitts zeigt auf, dass S13 Probleme damit hat, den interaktiven Part der Sprechaufgabe zu bewältigen. Zwar bringt sie, was die vorherigen Abschnitte zeigen, viel Expertenwissen mit und hat die Präsentation gut vorbereitet, doch gelingt es ihr nicht, auf Basis dessen eine lebhafte Diskussion anzuregen. Die wenigen Wortmeldungen der anderen Lernenden greift sie inhaltlich nicht auf und signalisiert ihnen damit, wenn auch vielleicht nicht bewusst, Desinteresse. Der Lehrer interpretiert die Situation anders und vermutet das Problem auf Seiten der Zuhörerschaft, die von der Fülle an Informationen überwältigt sei (11: 39). Er greift an dieser Stelle richtigerweise ein und liefert einen Impuls. Aber auch im Anschluss daran gelingt es S13 nicht, die Diskussion aufrecht zu erhalten. Es kann nicht eindeutig geklärt werden, ob es sich um Desinteresse seitens S13 handelt oder ob sie sprachlich nicht in der Lage ist, die Diskussion zu moderieren. Es gibt zwar vereinzelte Hinweise darauf, dass S1 das spontane Sprechen schwerer fällt, allerdings erscheint es unwahrscheinlich, dass die Ursache in mangelnden kommunikativen Kompetenzen zu suchen ist. Möglicherweise hat sie diesen Teil der Aufgabe unterschätzt und nicht mit einer derart geringen Resonanz gerechnet. Offensichtlich fühlt sie sich aber in der 194 5 Datenanalyse Leistungskurs 13. Klasse Thema Südafrika Rolle der Vortragenden wohler als in der Rolle der Moderatorin. Diese Fragen können im retrospektiven Interview geklärt werden. Im folgenden Abschnitt liefert S13 ihre Antwort auf die eigene Diskussionsfrage. S13 11: 42 11: 43 11: 44 So I think that mostly the Bill of Rights was really a big progress because ehm it says that all people are equal in South Africa and due to the long time of Apartheid regime and racism it changed ehm really a lot and in other countries yeah we we have constitution in Germany and in America and also in the UK but ehm I think they haven't gone through so many years of a certain regime which was completely changed ehm immediately after like four years of negotiations. I think in the short period of time that was really a huge progress and ehm also like in South Africa ehm gay marriage has been ehm legalized already with this constitution and I think that's a big step forward and it's even more than it was here in Europe at this time and they had so much years of negative experience so they really learned from it. And I also had this quote from the constitution which begins with the sentence (liest ab): We, the people of South Africa, recognize the injustices of our past. So they really admit that many things have gone wrong and that they will try to improve this in future and that they just learn from it and that's why I think that you can say that it's one of the most progressive constitutions. (Folie wird gewechselt) And just a short overview over the political issues. Ehm South Africa has many economical problems so ehm the value of the rand has dropped dramatically and there is much poverty and also the unemployment rate is really high especially regarding young people from age sixteen to thirty five and therefor I will show you one statistic. Here you can see that the unemployment rate is 25.3% see it in the bottom and if you look at the different races you can still see that black Africans are the most people who are unemployed and from white people there are least who are unemployed (.) 5a, 8a 3b 2a, 3b 3b, 2a, 1b 3b 3b, 8b 2a, 5a 3b 3b, 1b, 8a 3b, 1b, 5a 2a 2a 2a, 2a, 5a 5a 8a 2a, 2d 5a, 4a 3b 3b, 5a 1b 2a 2d, 2b 4a, 4b, 5a 4a, 4b, 1b 2d, 2a, 5a, 4a, 4b 8a, 2a 2a 3d [Nach der Diskussion: eigene Position] 5.4 Analyse: Referat zum Thema Political System of South Africa 195 Auf inhaltlicher Ebene stellt S13 ihre Position nachvollziehbar dar. Sie merkt an, dass die südafrikanische Verfassung sehr fortschrittlich sei, da sie innerhalb von nur vier Jahren, auf Basis der negativen geschichtlichen Erfahrungen mit der Apartheid, radikal revolutioniert worden sei (8a). Sie sei sogar fortschrittlicher als manche europäische Verfassung, was S13 mit der Legalisierung der Ehe für homosexuelle Paare im Zusammenhang mit der Verfassungsänderung exemplifiziert (8a). Auffällig ist aber, dass die Fehlerzahl in diesem Abschnitt weiter zunimmt. Alleine sieben Grammatikfehler lassen sich in dem kurzen Redebeitrag finden (2a). Diese sind hauptsächlich Tempus- und Präpositionsfehler. Auch hinsichtlich der Kategorie Flüssigkeit fällt die Leistung ab, was sich an der achtmaligen Verwendung der Füllkonstruktionen eh/ ehm aufzeigen lässt (3b). Auch im nachfolgenden Abschnitt, in welchem S13 die politischen Themen vorstellt, bleibt die Tendenz zu mehr Fehlern und mehr Hesitationsmarkern bestehen. Es kommen nun auch Syntaxfehler und zwei lexikalische Fehler hinzu (2d/ 2b). Wie in der Pilotstudie, so tritt auch in dieser Fallstudie das Phänomen der ansteigenden Fehlerzahl bei zunehmender Dauer der Präsentation auf. Dies kann ein Hinweis darauf sein, dass der Faktor Konzentration stark mit den Kategorien Korrektheit und Flüssigkeit korreliert. Je länger die präsentierenden Lernenden im Fokus stehen, desto mehr Fehler scheinen sie zu machen. Anders als in der Pilotstudie verfällt die Schülerin hier nicht in ein umgangssprachliches Register (BICS). Eine mögliche Erklärung dafür ist die intensivere inhaltliche und vor allem sprachliche Vorbereitung und der damit verbundene geringere Anteil spontansprachlicher Elemente. Alternativ könnte S13 auch vertrauter mit dem Genre Präsentation und den damit verbundenen Anforderung hinsichtlich eines angemessenen Registers sein. Cummins zufolge entwickelt sich CALP prozessartig über viele Kontakt- und Anwendungssituationen hinweg und ist entsprechend von den Vorerfahrungen abhängig (vgl. Cummins 1979). Die Vertrautheit der Lernenden mit dem Format und die Tatsache, dass sie selbst schon einige Präsentationen gehalten und noch weitaus mehr angehört und auf diese Feedback erteilt haben, stützt die Annahme, dass S13 sich diesbezüglich von dem Probanden aus der Pilotstudie unterscheidet und von ihren Vorerfahrungen unbewusst profitieren könnte. Zuletzt wird nun die Feedbackphase genauer betrachtet: 196 5 Datenanalyse Leistungskurs 13. Klasse Thema Südafrika S13 11: 46 So yeah that's it. I show you my sources here and thank you for your attention. And if you have questions you can ask now. 3d, 5a, 5c 4b, 5a 4b S15 Just ehm something for understanding: So it was the ehm excluded in two parts the ehm congress? 3b, 3b, 5a 3b, 2a, 3e, 3b, 4b S13 You mean the pa-parliament is split in two parts? 4b, 3e, 6b S15 Split in two parts yes. One is the national assembly… 6b S13 Yeah. 6b S15 And the other one? 6b S13 Is the national council of provinces. 6b, 8a S15 Ah ok. So it's like… 6b S13 Like "Bundesrat" because everyone with each problem some people go there and the other one is "bundestagsähnlich". Yeah 6a, 2d, 8a 1c L Do you remember the term for it if ehm a parliament consists of two houses? We find it frequently in democracies. 15b1 S7 Pff… 6b L What do you mean by pff? S13 told it and showed it. S13? S13 Bicameralism. 6b L11: 47 What is that in German by the way? 15b3 S8 Can you repeat it? 4b S13 Bicameralism. 6b S9 “Zweikammersystem”. L “Bedeutet” ehm means that there are two houses that's right. If there are no further questions than ehm just two or three remarks please concerning S1s presentation. 15b2 15a S9 I really like your structure and the way you spoke to us it was really simple and good to understand but ehm in the beginning and middle I thought you were like missing some some visual material but at the end you like did it all well and so… 14d 14g 5.4 Analyse: Referat zum Thema Political System of South Africa 197 S13 You mean like pictures and stuff like? S9 11: 48 Yes because for example as you showed us the parliament has is this, this and this I would have shown a picture so that it's it's more like structured in our heads but in the whole thing I think it was a really good presentation. S13 Thank you. S15? S15 Yeah, I agree with S9 (gestikuliert mit den Händen) you had a very good presentation of course and structured but as S9 said I had sometimes problems to follow you because it was not fast but it was a complicated topic and you were speaking kind of normally but I didn't really have time to really think about it in reverse and like ok so this institution does this and that. So maybe a picture a "Schaubild". 14d 14i 14e 14g L A visual. That's more the general term for this. 16c S13 Would a handout have helped in this case? 4b S15 11: 49 No I think, well maybe a little, ehm ehm it's criticism on a very high level but your face expression. You sometimes look like you don't really believe what you're saying. It's just…I don't think it really bothers teachers but maybe well you always do this (reagiert auf kritischen Gesichtsausdruck von S13). Maybe you just have to look more confident because I'm sure it's perfect anyway but if you want something to focus on in the future I would focus on the facial expression. 14e, 6b 2d S13 Thank you very much. 6b L I like the idea of giving tips. It's really some good step if you think. Well I would interpret it differently as S9 already said I mean it's an expression of being focused or something what you definitely are. And ehm it's always impressive how you pronounce the most difficult words. I mean remember the three branches. Can you repeat them please? 16c 16e S13 Executive power legislative power and judiciary power. 6b L11: 50 Yeah. I'm always stumbling over the judiciary… 6b 198 5 Datenanalyse Leistungskurs 13. Klasse Thema Südafrika S13 Yeah but I practiced yesterday because of this (lacht). 6b L Ok. But ehm please understand it the way it was intended cause as it was said as well a very good statement this is criticism on a very very high level. So thank you very much. 16c 16m [Anschlussdiskussion & Feedback] S13 beendet ihre Präsentation und eröffnet den Mitschülern die Möglichkeit, Rückfragen zu stellen. Daraufhin meldet sich lediglich S15 und möchte wissen, aus welchen beiden Kammern sich das Parlament zusammensetzt. S13 erkennt, worauf die Frage abzielt, obwohl S15 mit congress einen abweichenden Begriff verwendet und fügt spontan die Zusatzinformation hinzu, dass der National Council of Provinces bundesratsähnlich sei und die National Assembly von der Funktion her dem deutschen Bundestag gleiche (6a). Da ihr allerdings spontan nicht einfällt, wie sie dies auf Englisch ausdrücken soll, verwendet sie die deutschen Begriffe. Der Lehrer möchte von der Klasse wissen, welchen Begriff man im Englischen verwendet, um zu beschreiben, dass ein politisches System aus zwei Häusern besteht (15b2). Lediglich S13 kann dies beantworten und bietet den Begriff bicameralism an, zu welchem der Lehrer abschließend noch eine deutsche Übersetzung fordert. Da weitere Rückfragen ausbleiben, leitet der Lehrer direkt zur Feedbackphase über (15a). S9 lobt die Struktur des Vortrags sowie die verständliche Vortragsweise (14d), merkt aber kritisch an, dass das Thema komplex gewesen sei und sie sich Schaubilder gewünscht hätte (14 g). Dieser Auffassung schließt sich S15 an. Auch sie verweist auf das schwierige Thema und ergänzt, dass ein Schaubild geholfen hätte, dem Vortrag zu folgen, insbesondere, weil die Zeit gefehlt habe, während der Präsentation darüber nachzudenken und zuzuordnen, welche Institution welche Aufgabe erfülle (14i, 14e, 14 g). Die Kommentare der beiden Lernenden können einen Hinweis darauf liefern, warum die Beteiligung an der Diskussion derart gering war. Insbesondere der fließende Übergang von der Präsentation zur Diskussionsfrage ohne die vorherige Möglichkeit, kurz über die Frage nachzudenken oder sich darüber mit einem Mitschüler auszutauschen, könnte einen Erklärungsansatz liefern. Auch die Fülle an Information kann während der Präsentation nur registriert, aber nicht in Gänze reflektiert und verarbeitet werden. Hier könnte ein Handout, wie es S13 selbst vorschlägt, oder aber ein Schaubild, das die Sachverhalte komprimiert darstellt, als kognitive Stütze fungieren. Die abschließende Kritik von S15 bezieht sich auf die Mimik von S1 und somit auf eine unbewusste Verhaltensweise während des Präsentierens. Sie merkt an, 5.4 Analyse: Referat zum Thema Political System of South Africa 199 S13 habe manchmal gewirkt, als sei sie sich unsicher. Zwar gehe sie davon aus, dass dies den Lehrer nicht störe und der Vortrag ohnehin „perfekt“ sei, stellt aber den in ihren Augen unsicheren Gesichtsausdruck als Faktor heraus, an dem S1 arbeiten könne (14e). S1 kommentiert diesen Punkt nicht, sondern bedankt sich lediglich (6b). Der Lehrer greift jedoch unmittelbar ein und relativiert die Kritik. Seiner Meinung nach wirke S13 nicht unsicher, sondern fokussiert. Sie solle die Anmerkungen nicht persönlich nehmen, sondern begreifen, dass es sich um Kritik auf einem sehr hohen Niveau handele (16e). Die Datenanalyse stützt die These, dass S13 einen sehr konzentrierten Eindruck während des Präsentierens gemacht hat. Sowohl an der Mimik als auch an der Körperhaltung lässt sich ablesen, dass S1 sehr konzentriert war. Die intensive Vorbereitung der Präsentation legt aber nahe, dass hierin keine Unsicherheitsquelle zu suchen ist. Bei dem durch S15 angesprochenen und kritisierten Phänomen könnte es sich um eine unbewusste Verhaltensweise handeln, die Ausdruck dessen ist, dass S13 ungern vor eine Gruppe präsentiert. Es erscheint sinnvoll, die Situation in den retrospektiven Interviews aus beiden Perspektiven reflektieren zu lassen und sie daraufhin genauer zu betrachten. Auch die Position des Lehrers soll in diesem Zusammenhang eruiert werden. Da es keine weiteren Wortmeldungen gibt und offenbar kein Lernender weiteres Feedback auf die Präsentation erteilen will, beendet der Lehrer die Feedbackphase und leitet zur nächsten Unterrichtsphase über (16 m). Das Lehrerfeedback selbst fällt positiv, aber auch recht knapp, aus. Auf den Vortragsstil und die Inhalte geht er nicht ein, sondern lobt lediglich die korrekte Betonung schwieriger Begriffe wie beispielsweise judiciary , welche auch ihm schwer falle (16e). Auch hier ist im retrospektiven Interview zu prüfen, welche zusätzlichen Aspekte an der monologischen Sprechleistung der Lehrer wahrgenommen hat, die er in der Feedbackphase aber nicht angesprochen hat. 5.5 Retrospektive Interviews mit den Lernenden (RiS) Das retrospektive Interview mit den Lernenden fand, im Sinne der Daten und Perspektiventriangulierung, eine Woche nach der letzten aufgenommen Unterrichtssequenz statt. Die acht Schülerinnen und Schüler wurden in zwei Vierergruppen befragt (I1 bestehend aus S5, S12, S10 und S13, I2 bestehend aus S15, S7, S9 und S3). Auch diese Interviews wurden videographiert. Die Auswahl der Lernenden erfolgte auf Basis der beobachteten Datenausschnitte. Mit S13, S3 und S7 wurden drei Lernende befragt, deren Präsentationen im Rahmen der Unterrichtseinheit begleitet wurden. S15 wurde ausgewählt, da sie die Präsentationsleistung von S13 recht kontrovers zur Lehrkraft und zum Tenor des 200 5 Datenanalyse Leistungskurs 13. Klasse Thema Südafrika 5.5 Retrospektive Interviews mit den Lernenden (RiS) 201 Schülerfeedbacks bewertet hat und dazu befragt werden sollte. Bezüglich der Retrospektion der dialogischen Aufgabe wurde darauf geachtet, mindestens ein Mitglied aus jeder Gruppe zu befragen. S5 und S7 wurden eingeladen um aufzuklären, wie die unterschiedlichen Interpretationen des Cartoons zustande kommen, obwohl sich die Gruppe während der Bearbeitungsphase einig schien. Die meisten Fragen reflektieren Auffälligkeiten bei der Aufgabenbearbeitung und sollen den Lernenden ermöglichen, dazu Stellung zu beziehen. Es werden aber auch Fragen an die Lernenden gerichtet, die sich auf monologische und dialogische Sprechaufgaben im Allgemeinen beziehen oder auf die Evaluation der eingesetzten Aufgaben. Ziel ist es bei der Zusammenstellung der Gruppeninterviews eine größtmögliche Varianz an Perspektiven zu erhalten. I13: 05 Okay dann beginnen wir mit euren Eindrücken von dieser Aufgabe. Hattet ihr Probleme damit? Hatte eure Gruppe Probleme damit? S10 Ja, das Problem bei uns bestand einfach darin, dass wir das nicht in einen richtigen Zusammenhang setzten konnten. Also wir haben das, was in der Sprechblase steht, verstanden. Das war ja nicht, jetzt auch von den Vokabeln her, nicht sonderlich schwierig, aber das dann irgendwie (Pause) also wir wussten jetzt nicht, was wir damit anfangen sollten. 15e 15c ≠ = I Also ihr habt die Situation nicht verstanden? Also schon was sie sagen, aber nicht die Situation? S10 Genau. Aber wir haben jetzt einfach nicht verstanden, was die Aussage des Cartoons ist, was der Künstler uns damit sagen möchte. Das war bei uns irgendwie das Problem, ja. =15c I Hattet ihr das Vorwissen, das ihr benötigt, um diese Personen zu kennen? S10 13: 06 Ja, ne wahrscheinlich lag es daran, dass wir das eben nicht hatten, dieses nötige Vorwissen. 15a ~ I Und wie habt ihr versucht das Problem zu lösen? S10 Wir haben uns dann, wir hatten dann zwei geteilte Meinungen, weil es war halt irgendwie schwierig. Wir hatten halt zwei Meinungen, haben uns dann gedacht okay, könnte beides passen, stellen wir halt so vor. Wir haben es uns dann halt irgendwie zurecht gereimt. 15e = I Und wie war es bei euch? (zu S5) S5 13: 07 Also, wir sind zum gemeinsamen Entschluss gekommen und das war in Ordnung also wir konnten das interpretieren ohne jetzt irgendwie groß Hintergrundwissen zu haben, weil ähm das Bild an sich finde ich schon ziemlich viel spricht. Klar ist man immer ein bisschen frei in der Interpretation und wir haben uns dann einfach das so zusammengebastelt wie es für uns am logischsten und am sinnvollsten erschien. 15e ≠ ≠ 15c [I1: Cartoons, Problemlösung] S10 gibt das fehlende Vorwissen als ausschlaggebenden Faktor für das Scheitern der Gruppe an (15a). Das Verstehen des Textes in der Sprechblase sei kein Problem gewesen, wohl aber das Zusammenbringen von Textbedeutung und Künstlerintention (15c, ≠). Die Gruppe habe aufgrund des fehlenden Vorwissens nicht verstanden, „was die Aussage des Cartoons ist.“ Das Vorgehen der Gruppe habe dann darin bestanden, zwei mögliche Bedeutungen zusammenzutragen und beide in der Präsentationsphase vorzustellen (15e, =). Werden nun die Datenausschnitte genauer betrachtet und zu den Aussagen der Schülerin in Bezug gesetzt, stellt man Divergenzen fest. S10 behauptet, die Gruppe habe auf der sprachlichen Ebene keine Probleme mit der Aufgabe gehabt und den Inhalt der Sprechblase verstanden. Gleich zu Beginn der Bearbeitungsphase formuliert eine Lernende, dass sie den Begriff comrade nicht verstehe. Es gelingt der Gruppe, vor allem aufgrund des fehlenden Hintergrundwissens, nicht, dieses sprachliche Problem zu lösen. Sie übersetzen den Begriff einfach wörtlich als „kumpelmäßig“. Im weiteren Verlauf der Bearbeitungsphase stellt sich das Zitat dann erneut als Stolperstein heraus. Die Lernenden haben große Probleme damit den Satz The comrade health minister does not know what the latest position of the comrade president is on AIDS-- I have not as yet seen him today im Zusammenhang zu verstehen. Sie interpretieren ihn so als sei der Präsident an AIDS erkrankt und übersetzen position sinngemäß als Gesundheitszustand. Fehlendes inhaltliches Hintergrundwissen gestattet es ihnen nicht, die sprachliche Fehlinterpretation zu hinterfragen. Die Lernenden vermuten hingegen, so zeigt es das retrospektive Interview, ihre Probleme nicht auf sprachlicher Ebene, sondern ausschließlich auf inhaltlicher Ebene. Es muss aber gefolgert werden, dass beide Ebenen (inhaltliches und sprachliches Verständnis) als ursächliche Faktoren zu nennen sind, die die Probleme der Gruppe mit der Aufgabe erklären. S5, dessen Gruppe sich mit dem Cartoon World AIDS Congress befasst hat, erachtet das fehlende Vorwissen für die Interpretation seines Cartoons als we- 202 5 Datenanalyse Leistungskurs 13. Klasse Thema Südafrika 5.5 Retrospektive Interviews mit den Lernenden (RiS) 203 niger problematisch (15c, 15e, ≠). Das Bild spreche bereits ziemlich viel und es sei daher möglich gewesen, sich damit die Lösung „zusammenzubasteln“ wie es der Gruppe „am logischsten und sinnvollsten erschien.“ Dieser Kommentar ist auf mehreren Ebenen interessant, wenn er zu der Datenanalyse in Verbindung gesetzt wird. Zunächst einmal zeigt er auf, dass S5 der Meinung ist, die Gruppe habe sich auf eine Lösung geeinigt. Vielmehr hat es sich aber herausgestellt, dass S5 in der Diskussion versucht hat, die anderen Gruppenmitgliedern von seiner Lösung zu überzeugen und die begründeten, wenn auch sehr milde formulierten, Einwände des Gruppenmitglieds S6 nicht in die vorgestellte Lösung aufgenommen hat, so dass S7 in der Präsentationsphase diese Ideen noch nachlieferte. Auch die Behauptung, das Bild ließe sich ohne Hintergrundwissen interpretieren, erscheint als Fehleinschätzung, wenn betrachtet wird, wie weit die Gruppenlösung inhaltlich von dem entfernt liegt, was die Analyse des Cartoons geliefert hat (5.3). Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass ein Großteil der befragten Schüler die Sprechaufgabe als problematisch reflektiert. Fehlende inhaltliche Kenntnisse des gesellschaftspolitischen Hintergrunds, in dem die Cartoons zu verorten sind, haben die Schüler vor eine schwierige Aufgabe gestellt. Die sprachlichen Probleme werden als weniger gravierend wahrgenommen, als es die Datenanalysen erwarten lassen. Die Einschätzung des Vertreters aus der Gruppe World AIDS Congress überrascht zunächst, scheint aber ein Indiz dafür zu sein, dass der betreffende Schüler, auch aufgrund der ausbleibenden inhaltlichen Richtigstellung durch den Lehrer in der Präsentationsphase, weiterhin von seiner Lösung überzeugt ist und diese nicht kritisch reflektiert. Auch die monologischen Aufgaben (Referate mit Diskussionsanteil) wurden retrospektiv betrachtet. Zunächst wurden die Lernenden zu allgemeinen Kriterien guter Referate befragt bevor zu konkreten Unterrichtssituationen Bezug genommen wurde. I13: 16 Worauf kommt es bei einem guten Referat an? S12 Ja, also erstmal natürlich, dass frei gesprochen ist. Also ich hab ein Riesenproblem zuzuhören, wenn jemand nur abliest. Weiß nicht, da werde ich immer abgelenkt und verliere immer den Faden. Dann noch, ich mag, das ist persönlich jetzt ehm individuell, ich mag Bilder (lacht). Ja wirklich. Ich finde es viel ansprechender, wenn wirklich was Visuelles da ist statt wirklich die ganze Zeit nur viel Text, weil viel Text bin ich auch wieder, ja also ich bin halt eher ein fauler Mensch, ich bin halt zu faul das zu lesen. 15a 15i 15c S5 13: 17 Ich denke, wenn man so viele Texte auf die also die Präsentationen mit reinpackt, dann ehm, hört man weniger noch dem zu, der was präsentiert, sondern entweder man liest das oder fühlt sich einfach total überfüllt mit Informationen und schaltet dann kurz ganz ab. Ähm ich finde Präsentationen sollten irgendwie möglichst interaktiv sein. Vielleicht einfach mal ne Frage ins Publikum stellen und einen direkt ansprechen, so dass man halt auch wach ist und denkt oh okay, vielleicht werde ich auch gleich was gefragt. Ähm, weil es soll ja nicht so sein, dass sich die ganze Klasse langweilt und der eine da vorne müht sich 15 Minuten ab, sondern ich finde es sollte einfach 15 Minuten lang ihm zu hören und er sollte aber auch 15 Minuten dafür sorgen, dass die gespannt auch zuhören wollen. Und das sollte man dann versuchen hinzukriegen in einer Präsentation. 15c 15i, 15f 15a 15a I Mir ist zum Beispiel aufgefallen bei deiner Präsentation (zu S13), da kam das Feedback von einer Mitschülerin, äh, dass alles sehr toll war, aber sie hat etwas an deiner Mimik kritisiert. Kannst du dich daran erinnern? S13 Ja, ja. (lacht) I Vielleicht könntest du dazu mal was sagen, zu dieser Situation. Kannst du das nachvollziehen? 204 5 Datenanalyse Leistungskurs 13. Klasse Thema Südafrika 5.5 Retrospektive Interviews mit den Lernenden (RiS) 205 S13 13: 18 Also ein Stück weit kann ich das schon nachvollziehen. Ich denke mal, wenn mir das bei jemandem auffallen würde, würde ich jetzt eigentlich nichts dazu sagen, weil ich finde man macht sich dann noch mehr Gedanken, wenn man das nächste Mal präsentiert und das ist halt, das ist irgendwie unangenehm, wenn man sowas. Das merkt man ja eigentlich nicht wie man jetzt guckt, weil man konzentriert sich einfach und versucht halt jetzt nicht ganz so aufgeregt zu sein und ich find, wenn man dann gesagt bekommt, deine Mimik ist, keine Ahnung, schlecht, dann macht man sich ja noch mehr Sorgen darum und dann ist man beim nächsten Mal eigentlich noch aufgeregter und ich weiß nicht. 15b ~ 15i I Es wurde so interpretiert, als wärst du unsicher gewesen. S13 Aber ich finde das ist ja logisch, wenn man eine Präsentation hält, dass man dann eigentlich unsicher ist, vielleicht bei manchen jetzt nicht so. Es kommt halt drauf an wie gut man damit umgehen kann, aber dass ist ja eigentlich normal, dass man so ein bisschen nervös wirkt und ich glaub das kann man jetzt auch keinem irgendwie übel nehmen, weil zumindestens beim Abitur denke ich, dass man das nicht abstellen kann, dass man da irgendwie nervös wirkt. Und es wäre ja auch irgendwo gemein, wenn man das jetzt in die Bewertung richtig einbeziehen würde. 15b ~15i 15a [I1: Gute Referate & Feedback S13] Die erste Frage des Forschers hebt auf die Kriterien einer guten monologischen Sprechleistung, hier eines Referats, ab. Das freie Sprechen wird als besonders wichtig hervorgehoben. S12 berichtet, er könne sich schlechter auf das Referat konzentrieren, wenn der Vortragende sich zu stark an seinen Notizen orientiere und diese vorlese (15a, 15i). Auch die visuelle Unterstützung des Vortrags wird angesprochen. Bilder und Diagramme werden langen Textblöcken vorgezogen. Es sei einfacher, sich auf Bilder und den Referenten zu konzentrieren als auf paralleles Lesen und Zuhören (15c). Zu viel Text in den Präsentationsfolien führe dazu, dass man weniger intensiv zuhöre und sich auf das Lesen konzentriere. Auch die Gefahr, den inhaltlichen Faden zu verlieren, sei dabei größer. Die Schüler betonen außerdem, dass das Hören eines langen Vortrags anstrengend sein kann (15a). Daher sehen sie es als Qualitätsmerkmal eines guten Vortrags, wenn dieser die Zuhörer einbezieht. Durch einen solchen Einbezug könne man die Motivation der Lernenden erhöhen, dem Referat zuzuhören. Generell sei es die Aufgabe des Vortragenden, das Referat so zu gestalten, dass die anderen auch gerne zuhören wollen. Das Schülerreferat aus der Fallstudie erfüllt diese Kriterien weitgehend. S13 hat sehr flüssig vorgetragen und die Informationen visuell auf Stichpunkte und Tabellen reduziert. Auch eine Frage an das Publikum wurde, gemäß der Aufgabenstellung, eingebaut. Bei dieser zeigte sich jedoch, dass die Lernenden Probleme hatten, spontan darauf zu reagieren. Auch die Moderation der Diskussion durch S13 war recht hölzern. Der Lehrer musste eingreifen, um die zunächst stockende Diskussion voranzutreiben. Das Thema der Präsentation scheint in diesem Zusammenhang von Bedeutung zu sein, wird von den Lernenden im retrospektiven Interview aber nicht explizit angesprochen. Da S13 nach ihrem Vortrag die Rückmeldung einer anderen Mitschülerin erhalten hatte, sie habe unsicher gewirkt, wurde sie im Interview auf ihre Wahrnehmung diesbezüglich angesprochen. Sie kann die Kritik zwar nachvollziehen (15b), betont aber, dass sie eine solche Rückmeldung nicht erteilt hätte, um den Vortragenden für künftige Referate nicht weiter zu verunsichern (15h). Sie habe sich während des Vortrags sehr darauf konzentriert, nicht zu aufgeregt zu sein und habe ihre Mimik nicht bewusst wahrgenommen (15b). Das Wissen, dass die Mimik unsicher gewirkt habe, führe bei weiteren Vorträgen dazu, dass sie im Vorfeld noch aufgeregter ist. Es handelt sich um eine interessante Rückmeldung. Die Daten können belegen, dass S13 recht angespannt gewirkt hat, der Vortragsstil jedoch war sehr sicher (~). Auch inhaltlich und sprachlich ist die Sprechleistung auf einem hohen Niveau anzusiedeln. Auf eine verkrampfte Mimik hinzuweisen kann, wie im Fall von S13, zu einer gesteigerten Unsicherheit führen, gerade weil die Schülerin sehr perfektionistisch wirkt. Sie kann aber auch den Impuls liefern, eine unbewusste Handlung in das Bewusstsein zu rücken, wodurch es der Schülerin erst möglich wird, diese zu ändern. Es kommt stark darauf an, wie die Kritik aufgefasst wird und wie sehr sie den Selbstwert tangiert. In diesem Fall hat der Lehrer direkt im Anschluss an die Kritik, die S13 mit einem Thank you very much und einem kritischen Blick unkommentiert hingenommen hat, diese relativiert und einen positiven Aspekt in den Vordergrund gerückt. Es kann aber auch nicht ausgeschlossen werden, dass S15 persönliche Gründe dafür hatte, eine solche Kritik in der Situation vorzubringen. Um die Situation aus beiden Perspektiven zu ergründen, wurde S15 zu ihrer Kritik an der Präsentationsleistung befragt und gebeten, diese zu erläutern. 206 5 Datenanalyse Leistungskurs 13. Klasse Thema Südafrika 5.5 Retrospektive Interviews mit den Lernenden (RiS) 207 I13: 46 Ich hätte noch eine Frage direkt an dich (zu S15). S15 An mich? I Ja, weil du in der Präsentation von S13, also in der ersten Präsentation, sie aufgrund dieser Körpersprache oder Mimik, vielleicht erinnerst du dich noch, kritisiert hast. S15 Ja. I Könntest du darauf nochmal eingehen? S15 Ähm, ja klar. Also ich hab schon viele Präsentationen von S13 gehört und man braucht sich jetzt über die Qualität überhaupt nicht mehr unterhalten. Es ist ja immer top alles und so. Und ich find’s halt, ich denke aber man kann sich ja trotzdem noch weiterentwickeln, und was mir halt immer auffällt bei ihr ist, dass sie, sobald sie vor Leuten spricht so ne kleinliche Haltung einnimmt also sie redet dann immer so ganz mädchenhaft und so ganz schüchtern. 15i ~ 15f S9 Da gibt’s aber einige, die das machen. S15 13: 47 Ja, aber sie hat halt so ein bisschen diesen Ton drin so “Hmm und so ich bin mir gar nicht so sicher, ob das überhaupt stimmt”, Obwohl sie ja eigentlich weiß, dass es stimmt. Es ist ja auch immer richtig und so. Das ist ja überhaupt keine Frage. Und ich glaub, dass man dass, wenn sie noch ein bisschen mehr Selbstbewusstsein dabei zeigen würde, dass es viel schöner wäre ihren Präsentationen zuzuhören, weil sie guckt halt immer so kritisch und das braucht sie gar nicht. Da hat sie gar keinen Grund zu. Und deshalb, ich hatte auch eigentlich Angst, dass sie es falsch aufnimmt oder so, weil es ist ja überhaupt nicht böse gemeint, ähm, dass sie halt einfach noch besser, ähm, präsentieren würde, wenn sie da noch selbstbewusster stände. So das Gefühl hatte ich halt. 15i ≠ = 15h [I2: Kritik am Vortragsstil retrospektiv] Interessanterweise führt S15 hier einen anderen Kritikpunkt als die Mimik während des Vortrags aus (15i, 15 f.). Während sie S13 in der Feedbackphase des Referats darauf hingewiesen hatte, ihre Mimik wirke unsicher, hebt sie in der Retrospektive mehr auf die Sprechweise und die Haltung ab (≠). S13 nehme in Situationen, in denen sie vor einer Gruppe spreche, immer eine „mädchenhafte“ und schüchterne Haltung ein, die sich auch in ihrer Sprechweise zeige. Dies wirke so, als sei sie unsicher, ob die gegebenen Informationen überhaupt korrekt seien, obwohl sie genau wisse, dass dem so sei (15i, 15 f., ~). Es entsteht im Verlauf des Interviews und auch bei der genaueren Betrachtung des Gesagten und der Mimik von S15 der Eindruck, als bestünden persönliche Antipathien gegenüber S13. Möglicherweise ist die Kritik in diesem Lichte zu sehen und wäre dann zu relativieren. Gegen Ende der Ausführungen betont S15 aber, sie habe Angst gehabt, ihre Kritik könne bei S13 falsch ankommen und sei nicht „böse gemeint“ gewesen (15h). Unabhängig davon, dass nicht abschließend ergründet werden kann, wie die Kritik gemeint war und in welchem sozialen Zusammenhang sie entstanden ist, so bietet sie die Möglichkeit, allgemeine Aussagen über Schülerfeedback auf Sprechleistungen von anderen Lernenden zu treffen. Wie in diesem Fallbeispiel klar wurde, so kann eine schülerseitige Rückmeldung dazu führen, dass auch durchaus kompetente Sprecher wie S13 ihr Handeln reflektieren und eventuell neue Unsicherheitsquellen für künftige Vorträge entstehen. Der Lehrer hat in diesem Fall die Möglichkeit, die Kritik zu kommentieren und zu ergänzen bzw. richtig zu stellen. Dies ist im untersuchten Unterrichtsbeispiel auch geschehen. Je schwerer es für die Vortragenden ist, das Problem zu beheben, desto unsicher werden sie offenbar. Das Ändern einer unbewussten Verhaltensweise ist in diesem Fall als gravierender einzustufen als es beispielsweise die Kritik an einem inhaltlichen Aspekt oder der Hinweis auf einen sprachlichen Fehler gewesen wäre. Bei der Beurteilung eines Schülerfeedbacks ist auch die Kenntnis der sozialen Beziehungen der Lernenden untereinander von wichtiger Bedeutung, um abwägen zu können, ob eine Kritik das Resultat einer Antipathie sein könnte oder ob nur Lob erteilt wird, da die Lernenden ihre Freunde nicht kränken möchten. Die Sichtung und Analyse der Daten hat, nicht nur im Fall von S13, ergeben, dass die Diskussionsfragen, die im Rahmen der Referate gestellt wurden, häufig zu recht stockenden Diskussionen geführt haben. Es sollte daher abschließend im Interview reflektiert werden, wie die Lernenden diese Situationen erlebt haben und welchen Eindruck sie von der Qualität der Diskussionen haben. 208 5 Datenanalyse Leistungskurs 13. Klasse Thema Südafrika 5.5 Retrospektive Interviews mit den Lernenden (RiS) 209 I13: 42 Jede Präsentation enthielt eine Diskussionsfrage. Wie fandet ihr diese Diskussionen? Ist euch da etwas zu aufgefallen? S7 Ich finde jetzt bei der Diskussion, wenn man das jetzt frei in der Klasse macht, sind die Diskussionen viel besser als wenn das auf ein Referat bezogen ist. Weiß ich nicht, vielleicht ist es so, weil man denkt: oh, ich will jetzt nichts sagen über mein Thema war jetzt zum Beispiel HIV, weil man vielleicht denkt, die Person, die da vorne steht und referiert hat ein größeres Wissen als ich, ich will jetzt nichts Falsches sagen oder so. Und dadurch kommt es mir halt so vor, dass ne Diskussion, wenn man die einfach so in der Klasse macht, dass die um einiges besser ist und viel mehr Leute sich beteiligen? 15f 15a = 15b 15a I Stimmt ihr da zu? S9 Ja ich finde das ist auch gar nicht so einfach immer. Also man muss sich schon den Kopf zerbrechen, um ne gute, ne richtig gute Diskussionsfrage in dem Referat zu finden. Mir ging‘s zumindest so im Referat. Und es ist halt immer so, meistens gibt es nicht so viele Meldungen bei der Diskussionsfrage, weil das ist so banale Sachen wie “Ist das ein myth oder eine reality? ” Ja, weil das, das, Punkt! 15a 15b S15 13: 43 Ja das Problem ist auch, dass die oft nicht gut vorbereitet sind, die Fragen. Das ist halt blöd, wenn man eine Frage zwar schon zu dem Thema stellt, aber das halt die konkreten Hintergrundinformationen haben wir halt nicht, weil wir ja nur die Präsentation gesehen haben. Und dann ist es ja immer schwer jetzt so die Information, die man gerade gehört hat, direkt zu verarbeiten, direkt zu wissen was man jetzt dazu denkt, ohne nochmal so lange zu überlegen oder so oder nochmal was nachgucken zu können. Weil ich weiß dann oft nicht mehr die erste Folie oder so. Oder vielleicht hat die Person das nur am Rande erwähnt und man muss ganz viel, ähm, spekulieren und das ist dann irgendwie blöd. Und wenn dann einer was gesagt hat, dann will eigentlich auch keiner mehr widersprechen. 15i 15a 15f [I2: Diskussionsfragen zu Referaten] S7 findet, dass die Diskussionen, die nicht im Rahmen einer Präsentation entstehen, besser seien als diejenigen, die auf ein Referat bezogen seien. Er glaubt, dass die anderen Lernenden nicht tief genug in die Thematik eingearbeitet seien oder zumindest den Eindruck hätten, dass dies so sei, und sich deshalb zurückhielten (15a, 15b, 15 f.). S9 stimmt zu und betont die Schwierigkeit der Aufgabe, eine passende Diskussionsfrage zu finden, die nicht zu banal sei (15a). Auch S15 empfindet die Diskussionen als weniger intensiv und begründet dies mit einer schlechten Vorbereitung der Vortragenden. Es werde zu wenig bedacht, dass die Hintergrundinformationen, die eine Beteiligung an der Diskussion ermöglichen, oft fehlten und dass man sich nicht alle im Referat genannten Aspekte merken könne (15a, 15i, 15 f.). Zudem sei es ein Phänomen, dass nur wenige sich beteiligen würden, vermutlich, weil keiner widersprechen wolle, wenn „dann einer was gesagt hat.“ Die Schülermeinungen decken sich mit der Datenanalyse. Auch sie nehmen die Diskussionen als qualitativ schwächer wahr als andere Debatten im Unterricht (=). Ein Aspekt, der in der retrospektiven Befragung nicht aufgekommen ist, dafür aber sehr stark in der Datenanalyse, ist der der Gesprächsmoderation während dieser Phasen. Es scheint den Lernenden, unabhängig von den bereits genannten Schwierigkeiten, Probleme zu bereiten, eine solche Diskussion als Experte zu leiten. In den meisten anderen Debatten hat der Lehrer die Moderatorenrolle und die Aufgabe, durch Impulse das Gespräch am Laufen zu halten. Diese Rolle müssen die Lernenden im untersuchten Aufgabenformat selbst übernehmen, sind darin aber ungeübt. Die Interviews konnten die Eindrücke aus der Datenanalyse um die Perspektiven der Lernenden ergänzen. Dabei wird deutlich, dass diese mitunter in Kontrast zueinander stehen. Auch in künftigen Interviews ist daher darauf zu achten, dass eine schnelle erste Datensichtung durchgeführt wird, die das gezielte Ansprechen von interessanten Phänomenen ermöglicht und solche Divergenzen aufdeckt. 210 5 Datenanalyse Leistungskurs 13. Klasse Thema Südafrika 5.6 Retrospektives Interview mit der Lehrkraft (RiL) 211 5.6 Retrospektives Interview mit der Lehrkraft (RiL) Das retrospektive Interview mit der Lehrkraft fand eine Woche nach der letzten aufgenommenen Unterrichtssequenz statt. I15: 04 Wenn man die Mündlichkeit in Ihrem Kurs betrachtet, welche Faktoren haben einen Einfluss darauf, wie viel kommuniziert, wie viel gesprochen wird in Englisch? L Na gut, die ist extremst heterogen. Ähm, es gibt ein paar richtig starke Schüler, die auch spontan zu jedem Thema was sagen können und auch hinterfragen können und analysieren können und ein ganz großer Teil, der halt auch einfach hoffnungslos überfordert ist und wahrscheinlich einfach noch mehr Zeit bräuchte, um sich noch ne Antwort mal aufzuschreiben als irgendwie spontan zu reagieren und daran bricht es bei vielen ja dann auch zusammen, dass sie nicht über die sprachlichen Fähigkeiten verfügen, einfach zu reagieren in der Sprache. = ≠ I Achso, Sie meinen es ist so eine Art Teufelskreis? L Ja, genau. I Wie könnten Sie als Lehrer da vielleicht etwas machen? L 15: 05 15: 06 Ja generell müsste man dann eigentlich, um den Schwächeren gerecht zu werden, mehr Phasen einbauen, in denen die einfach die Zeit haben, sich genau quasi ihre Statements vorzuformulieren. Sei es in Stichpunkten oder wie auch immer. Aber es ist halt schwierig, wenn man irgendwie eine lebhafte Diskussion haben will, die auch spontan entsteht, davon lebt gerade Sprachunterricht, denke ich, dass man jetzt nicht alles vorher plant. Dass man jetzt eben zum Beispiel eine Präsentation hat und irgendwie darüber spricht. Dann geht das nicht. Dann kann ich nicht sagen wir haben jetzt erstmal 10 Minuten oder 5 Minuten Zeit und ihr schreibt euch mal was dazu auf. Vielleicht ein paar Leitfragen von mir, könnte man so machen. Aber dann werden die Fragen beantwortet und es käme keine Diskussion auf. Also, ich denke, im Leistungskurs muss man auch nicht allen gerecht werden. Eigentlich sollten hier die Schüler sitzen, die entsprechend ihrer Fähigkeiten einen Leistungskurs gewählt haben und auch einen gewissen Background mitbringen. Und manchmal kann man sich auch nicht um solche Kleinigkeiten kümmern. Das würde ich im Grundkurs ganz anders machen. Definitiv! Aber es ist halt ein Leistungskurs. [Mündlichkeit im Kurs erhöhen] Nach der Mündlichkeit in seinem Leistungskurs befragt, charakterisiert der Lehrer diese als „extremst heterogen“. Es gebe einige starke Schüler, die mit den sprachlichen Anforderungen keine Probleme hätten und sich zu jedem Thema spontan äußern könnten und einen wesentlich größeren Teil, der „hoffnungslos überfordert“ sei. Der Lehrer bemängelt, dass die Unterrichtsgespräche von immer denselben wenigen Schülern bestimmt würden, wohingegen der Großteil sich sehr zurücknehme. Auf die Frage des Forschers nach den Maßnahmen, die der Lehrer ergreifen könnte, um die allgemeine Mündlichkeit im Kurs zu fördern, bringt er einige Vorschläge an, ist aber von der Umsetzbarkeit dieser nicht überzeugt. Viele der Lernenden seien nicht in der Lage, sich spontan an einer Unterrichtsdiskussion zu beteiligen. Man müsse ihnen mehr Zeit geben, sich ihre Statements genau vorzuformulieren oder sich Stichpunkte zu machen, dies stehe aber in Konflikt zu seiner Vorstellung von Sprachunterricht, der davon lebe, „dass man jetzt nicht alles vorher plant.“ Es macht den Anschein, als habe sich der Lehrer damit abgefunden, dass die schwächeren Schüler sich in seinem 212 5 Datenanalyse Leistungskurs 13. Klasse Thema Südafrika 5.6 Retrospektives Interview mit der Lehrkraft (RiL) 213 Kurs nicht regelmäßig einbringen können. Die didaktische Verantwortung etwas daran zu ändern sieht er jedoch nicht bei sich. Es sei in einem Leistungskurs nicht seine Aufgabe, allen gerecht zu werden und sich um solche „Kleinigkeiten“ zu kümmern. Die Schüler sollten die Wahl des Leistungskurses ihrer Fähigkeiten entsprechend vornehmen und bereits „einen gewissen Background mitbringen“, wenn sie sich für das Fach Englisch entschieden, so der Lehrer. Ein solches didaktisches Verständnis ist erschreckend und spiegelt sich auch in der analysierten Unterrichtssequenz. Die Sprechaufgabe mit den politischen Cartoons hat die Schüler größtenteils inhaltlich und sprachlich überfordert. Auf eine Vorentlastung oder auf Maßnahmen zum Scaffolding wurde verzichtet. Dass die Lernenden, auch wenn sie mit der Aufgabe kaum zurecht gekommen sind, eine große Bereitschaft zur Bewältigung der Sprechsituation zeigten und ihre unvollständigen Lösungen als Ausgangspunkt für die Erarbeitung von Strategien zur Bewältigung künftiger Situationen nutzbar gewesen wären, wurde durch den Lehrer nicht wahrgenommen. Die Tatsache, dass er einen Leistungskurs unterrichtet, scheint seine Einstellung hinsichtlich der didaktischen Planung und Umsetzung von Sprechaufgaben negativ zu beeinflussen und dazu zu führen, dass er die kommunikativen Misserfolge seiner Lernenden nicht bei sich und der Aufgabenstellung sucht, sondern sehr selbstwertdienlich bei der Heterogenität der Lernenden, die eigentlich mehr können müssten und dann auch in der Lage wären, seine Aufgaben besser zu lösen. Es wäre interessant zu beobachten, ob der Lehrer in einem Grundkurs tatsächlich anders vorgeht, leider ließ sich dies aber im Rahmen der Studie nicht realisieren. I15: 09 Ich würde gerne auf die Aufgaben noch eingehen. Sie haben ja zum Beispiel die Cartoons analysieren lassen. Welchen Eindruck hatten Sie da? L Von der Beteiligung? I Nein, von der Aufgabe selbst. Haben die Schüler es verstanden? L Ja. Es ging ja alles um das gleiche Thema. Es ging um das Thema HIV. ≠ I Genau, das waren diese hier (zeigt Arbeitsblatt mit Cartoons). L Genau. Mit den paar Hilfen wer wer ist, logischerweise, weil wir die Personen jetzt nicht unbedingt im Unterricht besprochen haben, weil das war ja schon zugänglich. ≠ I Also, die haben Sie dann gefragt während der Gruppenphasen wer wer ist? L Ich hatte so Zettel mit draufgeklebt wer wer ist. ~ I Okay. L Genau. Das Fazit war ja irgendwie rauszuarbeiten, dass AIDS nicht ernst genommen wird und das haben sie ja gut hinbekommen. ≠ [Aufgabe Cartoons] Da aus der Analyse der Daten der Eindruck entstanden ist, dass der Lehrer mit der Sprechaufgabe zu den Cartoons und mit den Ergebnissen der Lerner zufrieden gewesen ist, obwohl einige Schwächen aufgezeigt werden konnten, erschien es lohnenswert, dies im Interview zu eruieren. Es stellt sich heraus, dass die Wahrnehmung des Lehrers in der Tat stark von den Ergebnissen der Datenanalyse abweicht. Er ist der Auffassung, die Schülerinnen und Schüler hätten die Cartoons mithilfe der zur Verfügung gestellten Zusatzinformationen verstanden, da sie „schon zugänglich“ gewesen seien. Dass die Cartoons den Lernenden keineswegs zugänglich waren, zeigt sowohl die Betrachtung der Bearbeitungsphasen der einzelnen Gruppen als auch die Resultate, die in der Präsentationsphase angeboten wurden. Die oberflächliche Sichtweise des Lehrers erweckt den Eindruck, dass dieser sich selbst im Vorhinein wenig mit den Cartoons und deren Potenzial befasst hat. Sowohl in den Daten als auch im Interview reicht es ihm aus, dass die Lernenden aus dieser Aufgabe mitnehmen, dass AIDS zu Beginn der 2000er-Jahre in Südafrika nicht ernst genommen wurde. Hätte er die Cartoons selbst vorher analysiert, wäre ihm vermutlich aufgefallen, dass diese tiefergehende Botschaften enthalten als die oben formulierte und auch, dass das Vorwissen der Lernenden wohl kaum ausreicht, um die Cartoons verstehen und einordnen zu können. Eine zu oberflächliche Auseinandersetzung des Lehrers mit den Cartoons würde auch einen Erklärungsansatz für die Frage liefern, warum dieser in der Präsentationsphase nicht auf die offensichtlich fragwürdigen Schülerhypothesen zur Bedeutung dieser eingegangen ist. Auch diese Sequenz des Interviews zeigt, dass der Lehrer Schwierigkeiten damit hat, die Unterrichtssequenz und seine didaktischen Entscheidungen zu reflektieren. Er erwartet von den Schülern mehr als sie auf Basis des Vorwissens und der unterrichtlichen Vorbereitung zu leisten im Stande sind, nimmt aber auch nicht wahr, dass er sie mit der Aufgabe überfordert hat und wie sich dies in den verschiedenen Aufgabenphasen spiegelt. 214 5 Datenanalyse Leistungskurs 13. Klasse Thema Südafrika 5.6 Retrospektives Interview mit der Lehrkraft (RiL) 215 I15: 11 Wann korrigieren Sie sprachliche Fehler? L Also ich verfolge den Ansatz, dass ich niemals jemanden unterbreche, außer man versteht gar nicht mehr was da irgendwie gesprochen wird. Ich denke es geht erstmal darum, dass jemand ein Statement rüberbringt. Und, ähm, bei den Präsentationen habe ich das ja teilweise so gemacht, dass ich dann so ein paar Sachen einfach mitschreibe, die ich danach gezielt nochmal anspreche. Jetzt so in den Einzelgruppen würde ich das eher etwas spontaner, also ein bisschen schneller, korrigieren. Aber ich würde niemals jemanden unterbrechen. ≠ = ≠ I 15: 12 Sie haben einmal, das habe ich auf den Mikrofonen erst gehört, das habe ich nicht gesehen, da haben Sie mit F. über S-Laute gesprochen. Da ist mir aufgefallen, dass Sie eine längere Zeit investiert haben. L Das war nach seiner Präsentation oder? I Genau. Er hatte die Präsentation gehalten, aber dann in der Gruppenphase “disease” mit einem falschen S-Laut ausgesprochen. L Ja, das mache ich spontan. Und an dem Tag war es jetzt auffällig, weil er ja vorher auch die Präsentation gehalten hat und da auch konsequent das stimmhafte S eingebaut hat. ~ I Machen Sie so etwas wie Ausspracheschulung? L Nicht im LK, nein. I Das machen Sie grundsätzlich nicht im LK, oder weil Sie sagen, dafür haben wir keine Zeit? L Das mache ich in der Sek 1. [Fehlerkorrektur durch den Lehrer] Grundsätzlich beschreibt sich der Lehrer als tolerant gegenüber sprachlichen Fehlern der Lernenden. Er unterbreche diese nur, wenn das Verständnis des Gesagten unmöglich sei. Inhalte sieht er der sprachlichen Korrektheit übergeordnet. Die Daten untermauern diese Selbstwahrnehmung nur in Teilen. Zwar korrigiert er nicht jeden Fehler der Lernenden, doch gibt es alleine in der Präsentationsphase der Fallstudie zum dialogischen Sprechen vier Situationen, in denen er den Schülerbeitrag zur unmittelbaren sprachlichen Korrektur unterbricht. In einem dieser Fälle führt dies sogar dazu, dass die Schülerin ihren Gedanken neu aufgreifen muss. Insgesamt entsteht bei der Betrachtung der Unterrichtsdaten der Eindruck, dass der Lehrer regelmäßig korrigierend eingreift. Dies scheint nicht immer nach einer einheitlichen Leitlinie zu geschehen, sondern sich spontan aus der Unterrichtssituation zu entwickeln. Dies bestätigt der Lehrer auch in Bezug auf den im Interview angesprochenen Fall. Es sei ihm schon während des Referats aufgefallen, dass der Schüler S-Laute konsequent stimmhaft betone und als sich die Situation während der Gruppenphase erneut ergeben habe, habe er sich spontan dazu entschlossen, ein detaillierteres Feedback zu geben. Dieses Korrekturverhalten erscheint in der dargestellten Situation auch zielführend. Der Lehrer erkennt einen offenbar internalisierten Aussprachefehler und weist den Schüler darauf hin, fügt sogar noch einen detaillierteren Exkurs zur Stimmhaftigkeit von S-Lauten im Englischen an. Entgegen seiner eigenen Prinzipien unterbricht er allerdings auch in dieser Situation den Schülerbeitrag zugunsten der formalen Korrektur. In diesem Zusammenhang bot sich die Frage nach der Förderung von Aussprachefertigkeiten an. Der Lehrer wirkt von dieser Frage überrascht. Er verneint und gibt an, dass er im Leistungskurs keine Ausspracheschulung mehr mache. Dies fokussiere er bereits in der Sekundarstufe I. Dieses Statement offenbart ein fragwürdiges theoretisches Verständnis von Sprechkompetenzentwicklung, hier in Bezug auf den Aspekt Aussprache. Der Lehrer geht offenbar davon aus, dass Aussprache modular zu einem früheren Zeitpunkt erlernbar sei und erwartet von seiner Lerngruppe, dass sie diesbezüglich bereits optimal geschult sind. Mit dem Prozesscharakter der Kompetenzentwicklung scheint der Lehrer nicht vertraut zu sein. Dass es sich bei der Aussprache, wie bei jeder anderen Teilkompetenz des Sprechens, um einen Bereich handelt, der über die gesamte Zeit des Sprachenlernens hinweg immer wieder geschult und geübt werden muss, scheint ihm nicht bewusst zu sein. I15: 07 Könnten Sie zu den Präsentationen und auch zu den Anschlussdiskussionen, die geführt wurden, etwas sagen? L S13 hatte political system . Das war auf jeden Fall sprachlich absolut überragend, weil die wirklich super gut ist. Es war inhaltlich top. ~ = I Sie wurde kritisiert zum Beispiel von S5, die ihre Mimik aufgegriffen hat. Sie würde unsicher wirken. 216 5 Datenanalyse Leistungskurs 13. Klasse Thema Südafrika 5.6 Retrospektives Interview mit der Lehrkraft (RiL) 217 L 15: 08 Ja gut (lacht). Ich meine das findet man ja bei jedem Schüler und bei jeder Schülerin. Sie ist halt grundsätzlich immer sehr fokussiert und nicht so eine, die sehr extrovertiert ist. Aber da, ich finde, das war von der Qualität her einfach top. Sprachlich, inhaltlich und auch im Zeitrahmen. Das ist ja auch ein Problem gewesen bei vielen Präsentationen. Also die von S3 war zum Beispiel auch inhaltlich gut. Sprachlich nicht ganz so gut. Wobei sie vom Vokabular her, das war ja auch eine Rückmeldung, das schwierigere Gebiet hatte. Economy war das ja. Aber auch eine sehr gute Präsentation, finde ich. Kann mich aber nicht mehr an die Anschlussdiskussion erinnern. S7 war sprachlich eine Offenbarung, ja. Also nicht unbedingt Leistungskursniveau habend, aber das gab ein sehr schönes Feedback, war glaube ich auch S15, die sagte, dass das im Vergleich zur 12 eben noch deutlich besser war. Das war auch so. ~ = ~ I Also hat er sich verbessert? L 15: 09 Ja, ja. Also, wie gesagt, er hat dann ein paar sehr umgangssprachliche Sachen auch mit reingebracht. War jetzt ein bisschen unangemessen und hat es einfach nicht auf den Fokus gebracht. Das Thema war ja schon, inwiefern HIV die Gesellschaft verändert in Südafrika und er hat das eben so als globales Thema verpackt. Nein global nicht, als kontinentales Thema, so. = = = [Präsentationen aus der Fallstudie] Der Lehrer beschreibt die Leistung von S13 während der Präsentation sowohl sprachlich als auch inhaltlich als überragend. Mit der Kritik von S5 an S1s Präsentation, sie habe unsicher gewirkt, geht der Lehrer nicht konform. Wie auch in der Feedbackphase des Unterrichts hebt er hervor, dass die Schülerin charakterlich eher introvertiert sei und er daher ihr Auftreten nicht als unsicher, sondern als fokussiert bewerten würde. Im Vergleich mit den anderen Präsentationen sei die von S1 sprachlich und inhaltlich besser gewesen. S4 habe ebenfalls inhaltlich überzeugt, sei aber sprachlich nicht ganz so gut gewesen. Die Leistung von S7 bewertet er hingegen geringschätzend als „Offenbarung“ und als „nicht unbedingt Leistungskursniveau habend.“ Hier wird erneut deutlich, dass der Lehrer an Schüler des Leistungskurses sehr hohe Erwartungen stellt und die Lernenden auch dahingehend be- und verurteilt, ob sie in seinen Augen Leistungsniveau haben oder nicht. Er stellt aber auch fest, dass sich S7 im Vergleich zum letzten Jahr deutlich verbessert habe. Konkret führt er an, dass sein Referat einige sehr umgangssprachliche Ausdrücke enthalten habe und der Vortragsstil sprachlich nicht immer angemessen gewesen sei. Inhaltlich habe er das gestellte Thema nicht in Gänze erfasst, sondern es zu sehr aus kontinentaler Perspektive betrachtet, wobei der Fokus auf Südafrika verloren gegangen sei. Diese Punkte lassen sich mit den Daten belegen. In der Tat macht S7 viele Fehler und verwendet sprachlich unangemessene Begriffe im Kontext des Referats ( dick statt penis ). Das Register ist stark umgangssprachlich und weitgehend auf BICS-Niveau, auch wenn immer wieder medizinische Fachbegriffe korrekt eingebaut werden. Auch die inhaltliche Kritik ist nachzuvollziehen. S7 hat viel Zeit darauf verwendet, die Phasen der HIV-Infektion sowie die körperlichen Vorgänge während der Erkrankung zu erklären. Danach hat er mithilfe von Statistiken aufgezeigt, wie viele Menschen in Südafrika und in anderen afrikanischen Staaten verhältnismäßig erkrankt sind und welche Konsequenzen das für die betroffenen Familien hat. Die gesellschaftspolitische Bedeutung von HIV in Südafrika und die politische Position der Regierung wurde nicht dargestellt. Für die erfolgreiche Bearbeitung der Sprechaufgabe mit den Cartoons hätte die Präsentation notwendiges Hintergrundwissen liefern können. Der Lehrer hat das Fehlen dieses Aspekts in der Feedbackphase allerdings auch nicht angemerkt und die fehlenden Informationen, die mit Blick auf die nachfolgende Sprechaufgabe relevant erschienen, auch nicht nachgeliefert. 5.7 Fazit der beiden Fallstudien Die Fallstudie zum dialogischen Sprechen hat diverse Problematiken der gestellten Aufgabe aufgezeigt. Die Schwierigkeiten der Lernenden sind auf fehlendes Vorwissen, ausgebliebene sprachliche Vorentlastung und eine wenig konkrete Aufgabenstellung zurückzuführen. Es konnte festgestellt werden, dass die drei untersuchten Gruppen unterschiedliche Ansätze zur Aufgabenlösung entwickelt haben (Bildbeschreibung, Zusammentragen von Verständnisproblemen, Hypothesenbildung) und dass die Internetrecherche zur Klärung inhaltlicher oder sprachlicher Fragen dem Gespräch mit der Lehrkraft vorgezogen wurde. Auch in der retrospektiven Befragung wurde durch die Lernenden bestätigt, dass die Aufgabe als schwierig wahrgenommen wurde und die Gruppen vor Probleme gestellt hat. Dem Lehrer scheint dies entgangen zu sein. Er bewertet die Aufgabe als erfolgreich und kann auch retrospektiv keine Probleme feststellen. Es muss davon ausgegangen werden, dass eine defizitäre Vorbereitung der 218 5 Datenanalyse Leistungskurs 13. Klasse Thema Südafrika 5.7 Fazit der beiden Fallstudien 219 Sprechaufgabe zugrunde liegt. Dass sich der Lehrer mit einer derart oberflächlichen Betrachtung der Cartoons zufrieden gibt und auch fragwürdige Interpretationen teilweise unkommentiert stehen lässt, lässt darauf schließen, dass die lehrerseitige Auseinandersetzung mit dem Input im Vorfeld der Stunde zu knapp ausgefallen ist. Die Gestaltung der Aufgabe selbst, was Vorbereitung, Durchführung, Anschlussdiskussion und Feedback einschließt, macht deutlich, dass der Lehrer dem angestrebten Sprechprozess und der Erweiterung der kommunikativen Kompetenzen aus didaktischer Sicht zu wenig Wichtigkeit beigemessen hat. Die Sprechphase wird nicht vorbereitet und nicht vorentlastet und der eigentliche Sprechauftrag ist zwar problemlösungsorientiert, modelliert aber kein authentisches Sprechgenre. Hinsichtlich der Erteilung von Feedback auf die Sprechleistung kann lediglich festgestellt werden, dass dieser wichtige Aspekt stark vernachlässigt wird. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, bleibt die Würdigung der Schülerbeiträge und die prozessorientierte Rückmeldung auf die sprachlichen Leistungen aus. Wie auch in der Pilotstudie werden in diesem Fallbeispiel viele Schwächen bei der Gestaltung und Durchführung einer interaktiven Sprechaufgabe deutlich. Die Verknüpfung von Datenanalyse und Triangulation hat es dabei ermöglicht, die Aufgabe aus verschiedenen Perspektiven wahrzunehmen und zu beurteilen. Die Fallstudie zum monologischen Sprechen hat ähnliche Erkenntnisse geliefert wie die Pilotstudie. Auch im untersuchten Fallbeispiel ist es häufig so, dass trotz gehäufter Verstöße in den Kategorien Flüssigkeit und Korrektheit, der Inhaltsbezug nur selten tangiert wird. Anders als in der Pilotstudie scheint die Intensität der Vorbereitung des Vortrags durch die Schülerin wesentlich höher zu sein, was sich in den Kategorien Spektrum (insbesondere der gezielten Verwendung von Fachbegriffen), Adressatenbezug (durch die im Vergleich zur Pilotstudie wesentlich strukturiertere und zuhörerfreundliche Vortragsweise) und Register (durch das konstantere Verbleiben auf CALP-Niveau im Vergleich zum Schüler der Pilotstudie) spiegelt. Als interessant hat sich herausgestellt, dass auch die in der Fallstudie untersuchte Schülerleistung mit zunehmender Dauer sprachlich abfällt. Es wird angenommen, dass dies entweder auf einen Konzentrationsverlust, einen größer werdenden Anteil spontansprachlicher Elemente oder ein Zusammenwirken beider Faktoren, zurückzuführen ist. Wie auch in der Pilotstudie enthielt die schwerpunktmäßig monologische Aufgabe einen interaktiven Teil in Form einer Diskussionsfrage. Es hat sich gezeigt, dass dieser Part von der Schülerin unterschätzt wurde und sehr stockend verlief. Aufgrund einer zurückhaltenden Moderation gelang es der Schülerin nicht, die Diskussion für die Mitschüler interessant zu gestalten. Es benötigte das Eingreifen des Lehrers, um weitere Impulse zu liefern. Für die Konzeption von kombinierten Sprechaufgaben bedeutet dies, dass beide Teile vorzubereiten sind und die Lernenden auch ein Gefühl dafür entwickeln müssen, wie sie ihr Expertenwissen nutzen können, um eine Diskussion zu leiten. Außerdem bedarf es sprachlicher Mittel, um diese oft von spontanen Elementen geprägte Situation zu meistern. Auch hinsichtlich der Rückmeldung auf monologische Sprechleistungen kann die Fallstudie Erkenntnisse liefern. Es wird deutlich, dass unbewusste Verhaltensweisen wie Mimik und Gestik eine wichtige Rolle bei der Wahrnehmung der Präsentation auf Seiten der Zuhörerschaft spielen. Auch ist darauf zu verweisen, dass Feedback auf solche Kriterien selbstwertrelevant ist und durchaus verunsichern kann. Wenn solches Feedback von Mitschülern erteilt wird und verunsichernd wirkt, kann es durch die Lehrkraft relativiert werden, wie es in der Fallstudie geschehen ist. 220 5 Datenanalyse Leistungskurs 13. Klasse Thema Südafrika 6 Analyse von Unterrichtsdaten aus einem Grundkurs der Klasse 12 - Dialog mit Bildimpuls und Referat zur Harlem Renaissance 6.1 Institution, Lerngruppe und Lehrkraft Die Fallstudie zum dialogischen Sprechen Dreaming about the future - and looking back at former dreams sowie die Fallstudie zum monologischen Sprechen Harlem Renaissance wurden beide in einem Zeitraum von März bis April 2017 in einem 12er-Englisch-Grundkurs durchgeführt. Bei der Schule handelt es sich um ein staatlich-anerkanntes Gymnasium in kirchlicher Trägerschaft in einer niedersächsischen Großstadt. Die Lerngruppe bestand aus 20 Schülerinnen und Schülern, die seit der 3. Klasse durchgängig Englischunterricht hatten. Da noch nicht alle Lernenden volljährig waren, stimmten die Erziehungsberechtigten schriftlich der Teilnahme an der Studie zu. Der Grundkurs hat drei Stunden Englisch pro Woche. Zweiwöchentlich wurde eine Doppelstunde in den Nachmittagsunterricht ausgelagert. Der Kontakt zur Lehrerin kam über Bekannte des Forschers an der Schule zustande. Nach einem persönlichen Gespräch, in welchem die Lehrerin über das Forschungsvorhaben informiert wurde, erklärte sie sich bereit, ihren Unterricht für die Studie zu öffnen. Die Lehrerin, deren zweites Fach Mathematik ist, arbeitet seit über zwanzig Jahren im Schuldienst. Sie ist Amerikanerin und somit Muttersprachlerin. Neben dem Grundkurs unterrichtet sie auch einen Leistungskurs Englisch sowie einen 10er-Kurs. Überdies hat sie Erfahrungen mit dramapädagogischen Ansätzen und bereits viele Jahre an Hochschulen als Sprachpraxisdozentin gearbeitet. 6.2 Textgrundlage und Unterrichtskontext Die Fallstudie I zum dialogischen Sprechen war einer Unterrichtseinheit zu Harper Lees Roman To Kill a Mockingbird vorgeschaltet, wohingegen die Fallstudie II zum monologischen Sprechen im Rahmen der Unterrichtseinheit verortet war. Es muss allerdings angemerkt werden, dass es sich bei dem Referat um eine Klausurersatzleistung handelte. Zur besseren Übersicht erfolgt zunächst ein Überblick über die Unterrichtseinheit. In mehreren Stunden wurden Daten erhoben (mit * markiert), es können in dieser Arbeit jedoch nur einzelne Auszüge gezeigt werden. Die Auswahl fiel daher auf ein Beispiel zum dialogischen und eines zum monologischen Sprechen (fett hervorgehoben). 222 6 Analyse von Unterrichtsdaten: Grundkurs Klasse 12 Stunde Thema 1,2 Dreaming about the future - and looking back at former dreams (Dialog mit Bildimpuls, Think-Pair-Share ) Fallstudie I 3,4 Social order in Maycombs 5,6 Quiz and Analyses of Chapters 2 and 3 (Osterferien: HA Roman fertig lesen) 7,8 Characterizations: Jigsaw-Method* (Gruppenpuzzle) 9,10 Characterizations II* 11,12 Roleplay: Empathizing with Scout* 13,14 Discussion of Roleplays/ Film* 15,16 Film 17,18 Film analysis 19,20 Harlem Renaissance (Präsentation) Fallstudie II 21,22 Exam Preparation 23,24 Written Exam: To Kill a Mockingbird [Übersicht über die Unterrichtseinheit] 6.3 Dialogisches Sprechen: Analyse der Unterrichtsbeiträge Wie auch in der Fallstudie, die in Kapitel 5 dargestellt wurde, bildet der Roman To Kill a Mockingbird die Textgrundlage des Unterrichts. Auf eine detaillierte Analyse wird daher an dieser Stelle verzichtet und auf Kapitel 4 verwiesen. Um die in den folgenden Unterkapiteln thematisierte Fallstudie verorten zu können, ist anzumerken, dass die dialogische Sprechaufgabe in keinerlei inhaltlichem Zusammenhang zu der Einheit steht. Seit die Schule obligatorische mündliche Prüfungen als Klausurersatzleistungen eingeführt hat, fügt die Lehrerin ihren Unterrichtsreihen in unregelmäßigen Abständen Aufgaben zum dialogischen Sprechen hinzu, die in ihrer Konzeption den Formaten ähneln, die als Prüfungsformate dienen. Die Lernenden, deren letzte mündliche Prüfung zum Zeitpunkt der Datenerhebung etwa ein halbes Jahr zurück lag, sind daher mit diesen Formaten vertraut. Das Material, das der Aufgabe zugrunde liegt, entstammt der RAAbits-Einheit 53 Images of Discrimination . Es besteht aus zwei Arbeitsblättern, die jeweils im Wechsel an die Lernenden verteilt wurden. Somit hatte die Hälfte des Kurses das Blatt M9 Partner A und die andere Hälfte entsprechend M9 Partner B. Sie enthalten beide einen Bildimpuls, eine Box mit language support und eine weitere Box mit einer viergeteilten Aufgabenstellung. Der einzige Unterschied zwischen den Arbeitsblättern besteht in dem jeweiligen Bildimpuls. 53 Krümpelmann, Eva / Olde Daalhuis, Manuela, Images of Discrimination - Die bildhafte Sprache in den Gedichten „I, Too“ und „Harlem“ von Langston Hughes sowie im Song „Strange Fruit“ von Billie Holiday ergründen (S II), 88. Ergänzungslieferung RAAbits Englisch, August 2016, Dr. Josef Raabe Verlags-GmbH, Stuttgart. 6.3 Dialogisches Sprechen: Analyse der Unterrichtsbeiträge 223 Abb. 5: Arbeitsblätt er der Stunde Auf dem linken Bild ist ein weißes Kind zu sehen, das eine Fliegermütze mit Brille und eine Pilotenjacke trägt. Es liegt auf dem Boden, auf welchem sich ein mit Straßenkreide gemaltes Bild eines Flugzeugs mit Propeller befi ndet. Durch die Wahl der Perspektive wirkt es so, als säße das Kind im Cockpit des Flugzeugs. Die ausgebreiteten Arme und die off ene Körperhaltung in Kombination mit dem freudigen Gesichtsausdruck lassen den Schluss zu, dass sich das Kind in seiner Rolle als Pilot wohl fühlt. Das rechte Bild zeigt hingegen einen nachdenklichen schwarzen Jungen, der vor einer Reihe Schulspinde sitzt. Der Junge sitzt im Schneidersitz und stützt seinen Kopf auf die linke Hand, die wiederum auf dem Knie abgestützt wird. Der Gesichtsausdruck ist nachdenklich und verträumt. Neben dem Jungen liegt ein Rucksack, auf dem sich die ausgepackten Schulheft e und Bücher befi nden. Der Kleidungsstil des Jungen, ein kariertes Hemd und eine Stoffh ose, lässt vermuten, dass das Bild schon älter ist. In der Box mit den sprachlichen Mitt eln werden insgesamt neun Ausdrücke angeführt. Es gibt weder eine englischsprachige Erklärung oder Paraphrasierung der Ausdrücke noch eine deutsche Übersetzung. Sie lassen sich alle der Oberkategorie Ausdruck von Träumen, Wünschen und Sehnsüchten zuordnen und umfassen Verbcluster wie to dream about, to fancy, to crave, to long for, Bedingungssätze wie If only I could oder Konstruktionen, die Nomen enthalten 224 6 Analyse von Unterrichtsdaten: Grundkurs Klasse 12 wie My heart’s desire is to und to have a vision of . In ihrer Gesamtheit bilden sie ein breites Spektrum an Möglichkeiten, Wünsche und Sehnsüchte in der Zielsprache variantenreich auszudrücken. Die Aufgaben auf dem Arbeitsblatt gliedern sich in mehrere Phasen auf. Tasks 1 und 2 bereiten zweischrittig die Sprechaufgabe (3) vor. Zunächst sollen die Lernenden sich in die Person auf ihrem Arbeitsblatt hineinversetzen und deren Gedanken stichpunktartig notieren. Im zweiten Schritt sollen sie sich vorstellen, sie seien immer noch dieselbe Person, die nun 45 Jahre alt ist, sich das abgebildete Foto von sich in Kindertagen ansieht und über diese Zeiten nachdenkt. Nun sollen sie schriftlich festhalten, welche der Wünsche aus der Kindheit sich erfüllt haben, welche Träume sie aufgeben mussten und welche sie nun als 45-Jähriger haben. Für die eigentliche Sprechaufgabe kreiert das Arbeitsblatt ein Setting, in dem die nun 45-Jährigen aus Aufgabenschritt 2 in einem Café auf einen ehemaligen Klassenkameraden (den Jungen von dem jeweils anderen Bild) treffen und gemeinsam über ihre Wünsche und Träume aus der Kindheit und der aktuellen Lebensphase reflektieren. Aufgabe 4 ist losgelöst von der eigentlichen Sprechaufgabe, thematisch aber eng mit ihr verwoben, und zielt auf Wortschatzarbeit ab. Die Lernenden sollen sich vorstellen, was mit Menschen passiert, die ihre Träume aufgeben mussten und welche Emotionen damit einhergehen. Sie sollen dann mindestens zehn unterschiedliche expressions finden, die diese Emotionen beschreiben. Im Kontext der Unterrichtseinheit wurde auf Aufgabe 4 verzichtet. Die Aufgaben 1-- 3 bildeten die Grundlage des unterrichtlichen dialogischen Sprechszenarios. Es wurden drei Schülerpaare während der Dialoge aufgenommen. Auch die Notizen dieser Lernenden 54 aus den Phasen 1 und 2 stehen dem Forscher zur Verfügung und werden in Relation zu den Sprachdaten gesetzt. Ebenso wurden die Phase der Aufgabenerteilung und das Anschlussgespräch aufgenommen und untersucht. Die Darstellung entspricht in diesem Kapitel der zeitlichen Abfolge der Stunde. 54 Mit Ausnahme der Notizen von S8 6.3 Dialogisches Sprechen: Analyse der Unterrichtsbeiträge 225 L09: 54 09: 55 09: 56 Okay so first of all you gonna look at your picture and do the first task which you‘ll be able to read in just a second. And then the communicative part will start. (teilt ABs aus) Okay so the tasks. Ehm imagine you are the person in the picture what are you thinking? And you have to take notes. And I would try to write nice sentences and we will take a look at this language support because I wanna give you a hint with using gerunds or -ing forms. Ehm you can have a whole lot more options for sentences. And then you can imagine what happens when this kid turns 45. Which dreams will come true? Do you remember what your dreams were when you were a little kid? Did you wanna be a fireman or? I can’t even remember what I wanted to be. I think I always wanted to be a teacher. And I became a teacher. Ehm okay. Those were your first two tasks. I’ll give you…How much time would you like for this? Fifteen minutes? Fifteen minutes to think? If you like maybe say after ten minutes you can get together with maybe someone else who has your picture and kind of compare especially if you’re not quite sure. If you don’t think you have enough to say. Maybe you can compare what another person with your picture wrote or thought. And then you gonna get together with somebody with the other picture and do task 3. Okay? But yeah before you start to dream about or to dream of something. Anytime you see something you can also use well you probably wanna start use the gerund. So maybe one of the little boys might say: Maybe you should be maybe in the roleplay you should be this little boy okay? So (schreibt an die Tafel): I am dreaming about or dreaming of you can say both. What do you think is he dreaming about, your boy? (wartet 5 Sekunden, schreibt dann an die Tafel) Becoming an English teacher. Okay. So you gonna use the gerund. To fancy something (liest vom AB vor) that’s sort of that’s British English. I don’t usually say that. What does it mean? To fancy something? S1? 16a, 16d 16d 16b 16d 16d 16c 16b 16b 16d 16d 16d 16d 16d 16c 16c 16a, 16d 16c 16a 16c 16c S1 Ehm what about faszinieren ? 11a 226 6 Analyse von Unterrichtsdaten: Grundkurs Klasse 12 6.3 Dialogisches Sprechen: Analyse der Unterrichtsbeiträge 227 L09: 57 No. Ehm actually Americans say feel like doing something. He fancies maybe my little boy he fancies playing football with white kids. I don’t know maybe he’s a little football player. Like I don’t wanna give too much away. He fancies playing (betont) football. So all of these you can use -ing ehm gerunds or -ing forms. He craves something. Well, I don’t really know what to say. Crave ehm. I crave chocolate. Not very ehm oh to crave attention. Do you know what to crave means? Ehm what’s the German translation for crave? Süchtig nach etwas. 16c 16b 16c 16c fragt nach Übersetzung S2 Verlangen haben ? 11a L Hm? S2 Verlangen haben . 11a L09: 58 09: 59 10: 00 Verlangen haben nach etwas . Yeah, I was thinking like I crave chocolate. It’s like wenn man süchtig ist . Ehm ja Verlangen nach etwas haben . So maybe maybe you can think of one. That’s a little bit harder for me. If only I could. Okay you could that’s an if-sentence. I would like to invent. Okay that one’s pretty clear. To be desperate for something. Desperate to do something. Maybe you’ll use nouns after that one. So maybe the first two or three think of using gerunds but the other ones you probably wanna use a noun. He‘s desperate for attention. Aufmerksamkeit. To be loved. Who knows? To long for something. Do you know what that means? To long for something? Just quickly and then you can get busy. Sich sehnen nach etwas . He’s longing for attention I don’t know, love. Recognition. Anerkennung . Okay I’ll just let you. Any other questions? On the words? Okay I’ll see what you have to say. You can also use other sentences. To tell you the truth I wouldn’t be able to think of a sentence with each one of these. I just don’t say fancy because I am American. Okay? So how do we go on? Maybe about quarter after we’ll get in groups. 16c 16c 16c 16c 16c 16c 16c 16c 16d 16c 16d 16e 16c 16d [Aufgabenstellung] Die Lehrerin erteilt den Arbeitsauftrag parallel zum Verteilen der Arbeitsblätter (16a). Sie verzichtet darauf, die Aufgabenstellungen mit den Lernenden gemeinsam zu lesen, sondern erläutert direkt die einzelnen Schritte (16d). Dabei stellt sie heraus, dass sich die Lernenden in die Rolle der Person auf den Bildern hineinversetzen und sich zudem Notizen machen sollen (16b). Interessant erscheint der Vorschlag And I would try to write nice sentences vor dem Hintergrund der Tatsache, dass es sich um die Vorbereitung einer Sprechaufgabe handelt und auf diese Weise die Gefahr erhöht wird, dass die Lernenden viel ablesen. Es steckt entsprechend in dieser Anweisung der Lehrerin das Potenzial, die Effektivität der Sprechaufgabe zu beeinflussen (vgl. Klippel 2014: 103). Den Einfluss der Schriftlichkeit auf die Schülerdialoge gilt es in diesem Lichte zu eruieren. Die Lehrerin legt während der Aufgabenerteilung einen großen Wert auf die sprachliche Vorentlastung der Aufgabe. Bereits zu Beginn spricht sie die support box an und ergänzt, dass sie einen Hinweis zum Gebrauch des Gerunds geben möchte (16c). Bevor sie dies jedoch konkret umsetzt, kommt sie auf den organisatorischen Ablauf der Aufgabe zurück und fokussiert Teilaufgabe 2 und den zweiten Schritt des zu leistenden Perspektivenwechsels (16b). Sie spricht die Lernenden zwar direkt an ( Do you remember what your dreams were when you were a little kid? Did you want to be a fireman? ), möchte aber in der Situation keine Schülerantworten generieren, sondern sieht die Ansprache als Stilmittel, um die Idee der Aufgabe zu exemplifizieren. Nachfolgend gibt sie den zeitlichen Rahmen der Aufgabenschritte 1 und 2 vor (15 Minuten) und fügt spontan eine weitere Ebene des scaffolding ein, indem sie den Lernenden vorschlägt, nach ca. 10 Minuten ihre Notizen mit einem Mitschüler zu vergleichen, der dasselbe Bild erhalten hat, sollten sie sich unsicher sein (16d). Dies formuliert sie als Option und macht es nicht zu einem verbindlichen Aufgabenschritt für alle Lernenden. Es ist zu überprüfen, wie intensiv diese Art des freiwilligen scaffolding von den Lernenden genutzt wird. Bevor die Lehrerin die Lerngruppe mit der Arbeit beginnen lässt, kommt sie auf den zuvor angesprochenen grammatikalischen Aspekt zurück, den Gebrauch des Gerunds im Zusammenhang mit der Möglichkeit, Träume und Wünsche in der Zielsprache auszudrücken (16c). Diese didaktische Entscheidung ist nachzuvollziehen, da das Arbeitsblatt als Chunk lediglich to dream about/ of sth. liefert, jedoch keinerlei Informationen darüber, wie man diesen in einem Satz korrekt gebraucht. Auch die weiteren Verben erfordern ein Gerund, wenn es darum geht, Tätigkeiten auszudrücken. Dies vorzuentlasten ist entsprechend als sinnvoll zu erachten. In der Folge geht die Lehrerin die einzelnen sprachlichen Mittel nacheinander mit der Lerngruppe durch. Sie bindet die Lernenden durch die Frage nach der Bedeutung einzelner Begriffe ( to fancy, to crave ) ein und gibt sich dabei immer wieder mit deutschen Übersetzungen zufrieden (16c). Auch sie selbst verwendet vereinzelt deutsche Ausdrücke zur Vokabelklärung. Diese Art und Weise, die 228 6 Analyse von Unterrichtsdaten: Grundkurs Klasse 12 6.3 Dialogisches Sprechen: Analyse der Unterrichtsbeiträge 229 Muttersprache der Lernenden zur Spracharbeit einzubeziehen, erscheint an dieser Stelle gewinnbringend, denn die Lehrerin verbleibt ansonsten konsequent einsprachig (vgl. Schmelter 2014: 211). Die intensive Wortschatzarbeit dauert knapp vier Minuten und wird von der Lehrerin zum Abschluss geführt, indem sie hervorhebt, in welchen sprachlichen Zusammenhängen die Lernenden ein Gerund verwenden sollen und welche Konstruktionen ein Nomen erfordern. Auf die Frage der Lehrerin, ob es noch Unklarheiten sprachlicher Art gebe, reagieren die Lernenden mit Kopfschütteln und so endet die Phase der Aufgabenerteilung mit dem Hinweis, dass die Lernenden nicht an die sprachlichen Mittel der Box gebunden sind, sondern auch andere Ausdrücke verwenden können (16c). Dabei stellt sie heraus, dass sie als amerikanische Sprecherin den Ausdruck to fancy nicht verwenden würde und dass es auch ihr schwer fallen würde, mit jedem der Ausdrücke einen Satz zu bilden. Es ist zu resümieren, dass die Vorbereitung auf die Aufgabe in dieser Phase sehr stark auf die sprachliche Vorentlastung ( bottom up ) abzielt und inhaltliche und genrespezifische Vorentlastung ( top down ) vernachlässigt wird. In der Betrachtung der Beispieldialoge ist daher darauf zu achten, wie sich diese einseitige Herangehensweise auf die Aufgabenlösung auswirkt. Es werden nun nacheinander drei Schülerdialoge analysiert. Dabei wird auch der Einfluss der Notizen auf die Sprache der Lernenden nachvollzogen. S3 10: 16 So what are you dreaming about? 12c, 4b, 5b S4 I am dreaming about becoming a pilot and ehm yeah I want to fly and be free like a bird. 12c, 3b, 8a S3 Wow. S4 And I would like to invent a cool plane 55 . Because I like planes (.) And flying. 5a, 6a, 3d, 8a Syntax S3 Okay. S4 Yeah. And I would I would like to explore the world (.) With my plane (.) With my cool plane. Okay. And you? 5a, 3d, 8a 3d, 4b S3 10: 17 I’m just dreaming about ehm a girl. I think so. He looks like he’s looking at a girl. I don’t know (lacht). And I dream about don’t know (…) what should I dream about? Not getting bullied? Be famous? I don’t know. 12c, 5b, 3b, 8a Metaebene 5a, 3c 3a 2a S4 Okay. You’re dreaming about everything. 12c 55 Die unterstrichenen Abschnitte sind wörtlich in den Notizen wiederzufinden. S3 Yes. I dream about sleeping (lacht). 12c, 2a S4 That’s it. 12b S3 10: 18 What the fuck. When you see this picture in I don’t know / s/ irty years, what would you think about that picture? 10b, 12c, 3a, 4b 2c S4 Ehm. I am the person in the picture I guess. 3b, 12b S3 Yes. S4 10: 19 The guy yeah yeah. Yeah I become a pilot became a pilot but ehm it’s not like ehm I thought it would be in th/ i/ in the past. Ehm there is (.) I am not (.) I am not so free. Well ehm it’s just a job. And I haven’t enough time for anything and I visit many places in the world but eh it’s not I can’t choose it so it’s not really (…) 12c, 3b, 3a, 5b, 2a, 3e, 3b, 2c 3b, 3d, 3a 2a, 8a 3b, 1c 2d, 3c S3 So you don’t have your own plane? 12c, 4b S4 Yeah yeah, I don’t have my own plane I am just a pilot in a well big thing (lacht). I am working for for a Fluggesellschaft . And I didn’t event a group invent a cool plane. That’s sad. 12c, 3b, 8a 3a, 1c, 1e 2b, 2a S3 That’s sad. That’s really sad. L Do you guys need another cup of coffee or are you good? I am your waitress. (S3 und S4 schauen verwirrt). You are at a cafe. 17a (eruiert) S4 Oh (lacht gemeinsam mit S3). L10: 20 Or are you finished? Are you ready to pay? jetzt eindeutig S3 Ehm, I want another coffee. 3b, 2b L Okay I’ll bring you another cup of coffee. They need another cup of coffee they are still talking. S3 (zu S4) What? (lacht) S4 Are you ready? Or oh no I am (unverst.) S3 Ehm, my dreams mostly come true. I think so. I have a nice wife (lacht). I’m not famous. 12c, 3b, 2a, 8a S4 Oh S3 But I don’t get bullied anymore so I think it’s cool (lacht). 12c, 5a 230 6 Analyse von Unterrichtsdaten: Grundkurs Klasse 12 6.3 Dialogisches Sprechen: Analyse der Unterrichtsbeiträge 231 S4 Okay S3 I have love infection. 6a S4 10: 21 That’s nice. Okay. Now we can pay. 4a, 12e S3 We can pay. Do you have money? But, hey I have dreams now. I want to meet some stars. Some cool stars. 2a, 4a, 12c 2d S4 Cool. Yeah ehm my dreams are that my, eh my children gets a good future and eh ehm I hope that their dream become true. Their dreams become true. 12c, 3b, 1c, 2a 3b, 2a, 8a 3e S3 That’s cool. They dream about your own plane? 12c, 4b, 2a S4 10: 22 I don’t know what they dreaming about (.) what they are dreaming about. I hope I just hope their dreams come true. 12c, 3a 3a, 8a S3 Hm and now? Drink old coffee. 4b, 2a L Ready to pay? S4 Yeah. L They are ready to pay. (beendet die Phase) 17h [Dialog S3 und S4] Die beiden Lernenden S3 (weiblich) und S4 (männlich) starten unvermittelt in den Dialog (12c). Es wird kein Bezug zur vorgegebenen Gesprächssituation hergestellt, sodass dieser Dialog auch in jedem anderen Setting verortet sein könnte. Weder findet eine Begrüßung statt, noch wird inhaltlich darauf Bezug genommen, dass sich die beiden ehemaligen Schulfreunde nach langer Zeit wieder treffen. Auch Smalltalk, der in einer solchen Gesprächssituation üblich wäre, gibt es nicht. Die fehlende inhaltliche Kontextualisierung des Gesprächs geht mit einem Verlust an Authentizität einher. Ein Blick in die Phase der Aufgabenerteilung macht deutlich, dass die Lehrerin auf den Aufgabenschritt 3, die eigentliche Sprechaufgabe, inhaltlich nicht konkret eingegangen ist (vgl. S. 12). Dass die Lernenden in ihren Dialogen das Setting nicht berücksichtigen, könnte ein Hinweis darauf sein, dass die Lehrerin dieses in der Aufgabenerteilung nicht hinreichend deutlich gemacht hat. Dies wird an den weiteren Schülerdialogen überprüft. Der Dialog beginnt damit, dass sich S3 direkt nach den Träumen ihres Gesprächspartners erkundigt (4b). Dass sie hierbei das present progressive verwendet, und somit ein Tempus, das unmittelbaren Gegenwartsbezug hat, lässt zunächst darauf schließen, dass sie sich zuerst über die aktuellen Träume der Protagonisten austauschen möchte und nicht, wie es die Aufgabenstellung impliziert, über die Träume aus der Kindheit. Möglicherweise führt dies dazu, dass S4 in seiner Antwort die Kindheitsträume im present progressive darstellt. Dass S3 aber offensichtlich mit der Antwort zufrieden ist, legt den Schluss nahe, dass es sich beim Gebrauch der Gegenwartsform in S3s Ursprungsfrage schlicht um einen Tempusfehler handelt und sie nicht auf die aktuellen Träume abzielen wollte. Auch S3 versucht in der Folge die Träume des Protagonisten darzustellen und hat dabei Probleme, den Perspektivwechsel zu vollziehen und in ihrer Rolle zu bleiben. Sie verwendet zwischendurch Metasprache, die man eher in einer Bildbeschreibung erwarten würde, nicht aber in der durch die Aufgabe vorgegebenen Sprechsituation (5a). Interessant ist auch, dass sie zwei der drei inhaltlichen Punkte, die sie anführt, scheinbar spontan kreiert. Lediglich der Aspekt getting famous ist den handschriftlichen Notizen zu entnehmen. Die Aspekte getting bullied und dreaming about a girl sind hingegen neu. S4 markiert daraufhin sprachlich den Abschluss des ersten Aufgabenschritts mit den Worten That’s it (12b) . S3 greift das auf und bezieht sich, wieder unter Verwendung von Metasprache und nicht direkt aus ihrer Rolle hinaus, auf den nächsten geforderten Aufgabenschritt, nämlich die Darstellung der aktuellen Träume und die Bilanz, welche Wünsche in Erfüllung gegangen sind bzw. aufgegeben wurden (12c). Es fällt auf, dass sie mit What the fuck ein sehr umgangssprachliches und unangemessenes Register verwendet (10b). Dies geschieht während des gesamten Dialogs jedoch lediglich an dieser Stelle. Auf inhaltlicher Ebene ist auffällig, dass weder S3 noch S4 Aufgabe 3 in Gänze verstanden haben (vgl. S. 12). Es geht nicht darum, zu beschreiben, was die Lernenden über das Bild in 30 Jahren denken würden (das ist ein Teilaspekt der vorbereitenden Aufgabe 2), sondern darum, gemeinsam die Kindheitsträume mit Bezug auf die aktuelle Lebenssituation der Protagonisten, die die Schüler selbst entwerfen müssen, zu reflektieren. Dies ist eine kognitiv und sprachlich recht anspruchsvolle Aufgabe. Auch hier liegt die Schlussfolgerung nahe, dass die Lehrerin in der Aufgabenerteilung, neben der durchaus sinnvollen Fokussierung der sprachlichen Mittel, auch der Klärung des Settings und der Gesprächssituation sowie der gedanklichen Vorbereitung des Themas mehr Wichtigkeit hätte beimessen sollen. S4 stellt daraufhin die aktuelle Situation seines Protagonisten dar. Zuerst noch auf der Metaebene, wechselt er dann zügig in die Ich-Perspektive. Er erzählt, wenn auch unter Verwendung der falschen Zeitform (2a), von der Verwirklichung seines beruflichen Ziels. Zwar sei er nun Pilot, habe aber feststellen müssen, dass Realität und Wunsch nicht übereinstimmten. Er sei nicht so frei, wie er es sich erträumt hatte, weder in der Gestaltung seiner Freizeit, noch wenn es um 232 6 Analyse von Unterrichtsdaten: Grundkurs Klasse 12 6.3 Dialogisches Sprechen: Analyse der Unterrichtsbeiträge 233 die Wahl der Reiseziele ginge. S3 geht darauf ein und fragt, ob sich der Wunsch nach dem eigenen Flugzeug erfüllt habe, was S4 verneint (12c). Dabei stellt er indirekt heraus, dass sein Traum nicht das Besitzen, sondern das Erfinden eines neuen Flugzeuges gewesen sei, sich dieser aber ebenfalls nicht erfüllt habe (12c). Sprachlich fällt auf, dass S4 Fehler in grundlegenden grammatikalischen Bereichen macht (Gegenwart oder Vergangenheit, have + got, unvollständiger Satzbau, Wahl der korrekten Vergangenheitsform), seine Sprache aber dennoch im Kontext des Dialogs verständlich genug ist, um seine Gedanken auszudrücken. Einmal greift er auf das deutsche Wort Fluggesellschaft zurück, als ihm die englische Entsprechung nicht einfällt (1c, 1e). Es kann resümiert werden, dass trotz der teils elementaren sprachlichen Fehler, der Inhaltsbezug immer bestehen bleibt (8a). S3 zeigt an dieser Stelle kommunikative Kompetenzen, weil sie das Gespräch durch ihre Fragen am Laufen hält und sich für das Gesagte zu interessieren scheint. Als im Anschluss an diesen Austausch die Lehrerin vorbei kommt und fragt, ob die Lernenden noch eine Tasse Kaffee wünschen, wirken beide sichtlich verwirrt (17a). Die Lehrerin merkt dies und ergänzt You are at a cafe. An dieser Stelle versucht die Lehrerin zwar geschickt das Setting herzustellen, indem sie selbst zur Kellnerin wird und in ihrer Rolle eruiert, wie weit die Aufgabenbearbeitung fortgeschritten ist, jedoch lässt sich aus der überraschten Reaktion der Lernenden schließen, dass dieses Setting den Lernenden während der Bearbeitung zu wenig präsent ist. S3 greift als Erste wieder das ursprüngliche Gespräch auf und stellt nun die aktuelle Lebenssituation ihres Protagonisten heraus (12c). Die meisten seiner Träume seien wahr geworden. Er habe eine nette Ehefrau, die er sehr liebe, sei zwar nicht berühmt, werde aber auch nicht mehr von anderen nieder gemacht. Sprachlich macht S3 zwar wenige Fehler, jedoch bildet sie sehr kurze Sätze und führt die Gedanken inhaltlich nicht detailliert aus. S4 zeigt sich an dieser Stelle, vielleicht auch aufgrund des mangelnden Detailgrads der Ausführen von S3, wenig interessiert am Fortgang des Gesprächs und antwortet zwar höflich That’s nice, ergänzt dies aber um Now we can pay, was klar den Wunsch nach Abschluss der Aufgabe markiert (4a, 12e). S3 geht, ebenfalls höflich, auf diesen Wunsch ein, macht aber deutlich, dass sie selbst noch Aspekte hat, die sie gerne anführen möchte (4a, 12c). So führt sie das Gespräch nach der höflichen Floskel einfach fort und ergänzt einen weiteren inhaltlichen Aspekt ( I want to meet some stars. Some cool stars ). Dieser Punkt findet sich auch in ihren Notizen. Interessanterweise führt diese Art der Gesprächsführung dazu, dass auch S4 wieder inhaltlich einsteigt und einen weiteren Punkt ergänzt (12c). Dieser scheint spontan entstanden zu sein, denn er findet sich nicht in den Notizen wieder. Er wünsche sich, dass sich die Träume seiner Kinder erfüllten und dass diese eine gute Zukunft hätten. Die Spontanität des Beitrags spiegelt sich auch in der sprachlichen Qualität. Es kommt zu Füllkonstruktionen (3b), grammatikalischen Fehlern (2a) und Reparaturen (3e), aber es gelingt ihm dennoch, den Gedanken auszuführen. Dies stellt den letzten inhaltlichen Aspekt des Dialogs dar, denn daraufhin erwähnt auch S3, dass sie nichts mehr zu sagen habe. Als die Lehrerin nun erneut vorbei kommt, nehmen die Lernenden die Möglichkeit wahr, das Gespräch zu beenden (17h). S5 10: 16 Hello. 5b S6 Hello. How are you? 5b, 4b S5 I’m fine. And you? 4b S6 Always and that’s fine. 2d S5 That’s nice. 12c S6 So what’s your dream? 12c S5 The first task was what his… 12b S6 I’ve got the same tasks (lacht). 12b S5 You mean the first task? I think. 2a, 4b S6 Eh yes. Ah okay (lacht). 3b S5 I got one two three four five dreams. The first is I am dreaming about being accepted in my family. The second is I’m having a vision of quitting everything here and start a new life. 5b, 2a, 12c 5a, 8a 2a S6 Hm. S5 10: 17 The third is I’m longing for a job I have fun to work. I don’t know if this is grammatically correct but okay. And the fourth is if I if only I could I would give my family a new chance. And the last one is I am dreaming of being happy with my d/ i/ (…) decisions (lacht) until the end of my life. 12c, 5a, 2a 12d, 5a 2d, 8a 5a 2c, 3e S6 Okay. Which task should we do? Task 3? I don’t know. 12b S5 (liest vor) Speaking time. Imagine you meet an old friend from school in a cafe. Hey! 12b S6 Hey! How are you? What was your dream in the childhood? 5b, 4b, 12c, 2b 234 6 Analyse von Unterrichtsdaten: Grundkurs Klasse 12 6.3 Dialogisches Sprechen: Analyse der Unterrichtsbeiträge 235 S5 When I am forty five? I don’t think I’ll reach the forty five years. 12c, 8b S6 You guess you’ll die? 12c S5 Yes. S6 Okay. Then we’ll do task 3. So. Hello. How are you? 12b, 5b, 4b S5 Hi. I’m fine and you. 5b, 4b S6 I’m totally fine too. What was your dream when you was a child? 2a, 12c, 4b S5 10: 18 That’s the first question I’m asking an old friend. Nice. Ehm I was dreaming about being accepted in my family and I (…) I was having a vision of quitting everything here and starting a new life and I was longing for a job I had fun to work and dreaming of being happy with my decisions until the end of my life. 12c, 3b, 6b 3c 8a 2a 2d S6 And did your dream comes true? 2a, 4b, 5a S5 Only the dream of ehm giving my family a new chance came true. 12c, 3b, 6b, 8a S6 Hm. S5 And yes. 5a S6 10: 19 Yes. Did you see that picture? I found it in my desk. It’s very beautiful. I was like (.) I was three years old and I was dreaming to become an pilot and make a flight license. So I can fly for a big airline and choo…ehm earn money for it and live with this money and that was my dream when I was a child and nearly everything become true now. Like you know I’m a pilot. 4b, 5a, 12c 3d, 3e 2a, 2a, 2a 2a, 3b, 3d, 3e 8a 2a, 3a 3a S5 Yes. 6b S6 And working for Lufthansa. 5a, 6a S5 I think so yeah. 12c. 6b S6 And I earn a lot of money and I can live with it. And I dreamed of visiting a lot of foreign countries and I would like to know lots of parts of the world and I nearly visited all countries of the world. 5a, 12c 2a 2a, 2a 8a S5 You have seen the world. 4b S6 Yes. 12c S5 That’s nice. S6 And that was a big dream. 12c S5 Look at this picture of me. It’s very tumblr-like. (lacht) 12c, 4b, 5a S6 You were very depressive. 2b S5 Looking thinkful and it’s very tumblr-like yes. 2b S6 Hm but (.) 3d S5 And (.) what? 3d, 12c S6 What did you thought about at this picture? 4b, 2a, 2a S5 10: 20 I think I thought of how old I could (.) be (.) How how long my life will last. 6b, 8a, 3d S6 Ehm didn’t you expect to become 45 years? 3b, 12c S5 I didn’t because I thought cars are very (…) 6b, 3c S6 Dangerous. 12d S5 Dangerous. For little kids. So I was very afraid every time I see a car. 5a, 2a, 8a S6 But you’re still alive. 12c S5 Yes. 6b S6 You didn’t get killed by a car crash. So that’s good. We are still alive and can drink a cup of coffee together. 12c, 2a, 5a, 8a L Do you guys need another coffee or are you good? I’m your waitress. (zur Nachbargruppe) 17a S5 I’m a little bit out of my role now. 12b S6 Yes because (…)? (zeigt auf Lehrerin) 3c, 7a S5 10: 21 What dreams have you given up? I think you’re very very happy with your life but there must be something. You won’t be in this cafe if… 12a, 2a, 12c, 8a L Would you like something else to eat or drink? Or would you like to keep on talking? Or are you ready to pay? 17a (eruiert) S6 I would like to have a cake. 6b L Piece of cake? And for you? 17a S5 For me nothing. Thank you. 6b L Okay. 236 6 Analyse von Unterrichtsdaten: Grundkurs Klasse 12 6.3 Dialogisches Sprechen: Analyse der Unterrichtsbeiträge 237 S6 You never eat anything. 12c S5 Yes I know. I have to look for my fat and (.) 6b, 12c, 3d S6 Aha. S5 Yes. S6 Hm, I wanted to live in a house. In one house and not always travelling and now I’m living in a flat nearby the (…) station of Lufthansa. And I‘m not always at home only sometimes and only for a few hours so I love my flat but I can’t see it. 2d 3c, 2b 5a, 8a 5a, 2b S5 So it’s a flat and not a house. 12c S6 10: 22 Yeah and now I want to live in a house but maybe if I didn’t work as a pilot I would buy a house and live there. 6b, 12c 2a, 2a, 8a S5 That sounds nice. 6b S6 Did all your dreams come true? 2a, 4b S5 No ehm I have given up the dream that I will be happy with everything in my life until the end. 6b, 3b, 2a, 8a S6 Yeah but that’s nearly impossible. 6b, 12c S5 There is every time there’s something negative. If you’re a pessimist. That‘s that’s… unumgänglich . 1c, 1e S6 Yes. And what’s your dream for your future? 6b, 12c, 4b S5 Ehm my dream for my future is ehm (…) I am dreaming of starting a new and wonderful life with my actual boyfriend. 6b, 3b, 3b, 3c, 8a S6 With your boyfriend? Okay. (Unterton und Rückfrage spielt evtl. darauf an, dass main character männl. ist und S5 w; entweder kreiert sie hier bewusst einen schwulen Charakter oder sie vermischt die Rollen) 6b, 4b S5 Yes. And what is your dream for your future? 6b, 4b S6 10: 23 I don’t know. I would like to fly a lot and continue my life like it is because I love my life and (…) maybe once I won’t fly anymore and then I would like to do something (…) with science or something like that. Maybe I will fly for four or five years and then I will study something else. 6b, 12c 3c 3c 2a 8a S5 That sounds good! One thing never happened. I one thing one dream never… 6b, 12c, 2d S6 Never become true. 12d S5 Never woke. No no it became true. I won’t have children so I haven’t. 2b, 2a, 2d, 8b S6 Okay that‘s if you like this. 6b, 2d S5 Children or childrens? Children. 12d, 1c, 3e S6 10: 24 Maybe you’ve got lots of (…) lots of maybe once you’d like to get a child but not now. 1c, 3c, 2d, 4b, 8b S5 I don’t think so. 6b S6 But maybe your husband would like to have one. 5a, 6b, 4b, 12c S5 No. 6b S6 He also hates children like I‘m doing. 12c, 2a S5 Yes. (…) 6b, 3c S5 Yes. (lacht) Ms. waitress we want to pay. 12e L Oh. Okay. You’re ready to pay? 17a S5 Yes. 6b L Please. There you are lady (lacht). Thank you very much. (beendet Phase) 17h [Dialog S5 & S6] Auch dieser Schülerdialog zwischen S5 (weiblich) und S6 (männlich) beginnt recht unvermittelt. Im Gegensatz zum zuvor betrachteten Dialog, gibt es hier zunächst einen förmlichen Austausch von Begrüßungsfloskeln (4b, 5b), doch unmittelbar danach folgt direkt die Frage So what’s your dream? (12c). Dass auch diese Gruppe Probleme mit der inhaltlichen Ebene der Aufgabenstellung hat, zeigt sich im nachfolgenden Austausch. S5 will S6 zunächst die Ergebnisse ihrer ersten Aufgabe vorstellen und beginnt damit, diese zu erklären, als sie von S6 unterbrochen wird und mitgeteilt bekommt, dass beide dieselben Aufgaben haben (12b). S5 versteht offenbar nicht ganz, worauf S6 hinaus will, und stellt dann ihre Resultate dennoch vor (12c, 8a). Dabei orientiert sie sich sehr stark am Wortlaut den schriftlichen Notizen und übernimmt auch den grammatikalischen Fehler start a new life (2a). Im Satz If only I could I would give my family a new chance hat sie allerdings einen Fehler aus den Notizen (dort heißt es I will statt I would ) verbessert. Jetzt äußert auch S6 Unverständnis in Bezug auf die Aufgabe und fragt S5, welche Aufgabe denn nun eigentlich zu bearbeiten sei (12b). Er schlägt richtigerweise Task 3 vor, woraufhin S5 diesen vom Arbeits- 238 6 Analyse von Unterrichtsdaten: Grundkurs Klasse 12 6.3 Dialogisches Sprechen: Analyse der Unterrichtsbeiträge 239 blatt nochmals laut vorliest und beide direkt in den Dialog einsteigen (12b). Der Dialog startet zwar an dieser Stelle neu, hinsichtlich der Authentizität und des Settings ändert sich aber auch im zweiten Anlauf nichts. Wieder beginnt er unvermittelt und direkt mit der Frage nach den Träumen aus der Kindheit (12c). Nach einem kurzen Exkurs darüber, ob der Protagonist denn überhaupt seinen 45. Geburtstag erlebt (8b), führt S6 zur Aufgabenbearbeitung zurück und stellt die Frage nach den Träumen erneut (12b, 5b, 4b). S5 reagiert mit einer ironischen Anmerkung hinsichtlich dieser Direktheit und entgegnet That’s the first question I’m asking an old friend. Nice. Hierbei spielt sie auf die offensichtlich geringe Authentizität der Gesprächssituation an, die die beiden Lernenden zuvor kreiert haben (12c, 6b). Ungeachtet dessen beantwortet sie die Frage dann aber doch und bietet eine ähnliche Lösung wie im ersten Anlauf: Sie passt den Tempus korrekterweise an und verwendet nun Vergangenheitsformen. Den Fehler aus dem ersten Anlauf übernimmt sie diesmal nicht, sondern produziert starting a new life mit der korrekten Gerundform. Eine Erklärung dafür kann sein, dass nun dadurch, dass sie aufgrund der geänderten Situation aufgefordert ist, die Notizen sprachlich anzupassen, eine bewusstere Auseinandersetzung mit der Sprache stattfindet und der Fehler nicht unreflektiert übernommen wird. Auch S6 bringt sich nun inhaltlich in das Gespräch ein und stellt die Träume seines Protagonisten vor (12c). Bei ihm tritt ein gegensätzliches Phänomen auf. Obwohl er in den Notizen die grammatikalisch korrekte Form dreaming about becoming a pilot stehen hat, produziert er im Dialog fälschlicherweise einen Satz ohne Gerundkonstruktion (2a). Ein Blick in die Daten verrät aber auch, dass der Anteil an Übernahmen aus den Notizen bei S6 deutlich geringer als bei S5 ist. Dies könnte ein Indiz für das Auftreten von neuen Fehlern in der mündlichen Produktion sein. Auch wenn die Fehlerzahl in dem Beitrag von S6 recht hoch ist, so stellt die Antwort auf inhaltlicher Ebene eine zufriedenstellende Lösung der Aufgabe dar. Er stellt die Träume aus der Vergangenheit vor und verknüpft sie mit der aktuellen Situation, wie es in der Aufgabenstellung gefordert ist (8a). Er greift auch sehr gelungen das Bild auf und integriert es in die Sprechsituation, (4b, 5a). S5 übernimmt diese Struktur und bezieht sich dann auf die gleiche Weise auf ihr Bild (12c, 4b, 5a). In diesem Ausschnitt des Dialogs sind vor allem Auffälligkeiten auf lexikalischer Ebene festzustellen (2b). S5 verwendet das selbst kreierte Adjektiv tumblr-like, um ihr Bild zu beschreiben. Auch wenn diese Wortkreation nicht existiert, so impliziert S5, dass S6 als Sprecher ihrer Generation die Blogging-Plattform tumblr kennt und somit einschätzen kann, welche Art von Bildern Menschen dort hochladen. S6 macht sprachlich auch an keiner Stelle deutlich, dass er es nicht versteht, geht allerdings auch nicht weiter darauf ein, obwohl S5 noch ein zweites Mal hervorhebt, dass das Bild tumblr-like aussehe. Eine weitere lexikalische Auffälligkeit ist der Gebrauch der Begriffe depressive und thinkful (2b) . Während es sich beim ersten um einen Fehler zu handeln scheint, der auf die Muttersprache zurückzuführen ist (depressiv), scheint der zweite auf das Memorisieren eines falschen Begriffs zurückzugehen. S6 führt das Gespräch fort, indem er S5 fragt, was sie (in ihrer Rolle als schwarzer Junge auf dem Bild) in jener Situation gedacht habe, die auf dem Bild dargestellt ist (4b, 2a). Die weiteren Ausführungen dazu scheinen die Lernenden spontan in der Dialogsituation zu entwickeln. In den Notizen ist nirgendwo vermerkt, dass der Protagonist in seiner Kindheit Angst vor Autos hatte und davor, überfahren zu werden. Beide zeigen gute kommunikative Fähigkeiten, schaffen es, auf das spontan Entstehende sprachlich zu reagieren und den Dialog am Laufen zu halten. Besonders zwei Situationen sollen hierzu exemplarisch angeführt werden: Erstens, als S6 auf die spontane Geschichte zu den Ängsten des schwarzen Protagonisten entgegnet You didn’t get killed by a car crash. So that’s good. We are still alive and can drink a cup of coffee together und damit gelungen Interesse zeigt und die Rolle des Freundes einnimmt (12c, 8a) und zweitens, als die beiden spontan auf die Situation nach dem Eintreffen der Lehrerin eingehen und darüber sprechen, dass S5 nie etwas bestelle, da sie auf ihre Linie achten müsse. Hier entsteht eine überaus authentische Gesprächssituation, die durch einen externen Impuls ausgelöst wird (das Eingreifen der Lehrerin), aber von den Lernenden aufgegriffen wird, obwohl kein direkter Bezug zur Aufgabe besteht. Gegen Ende des Dialogs entsteht auf Seiten von S5 noch eine erwähnenswerte Problematik. Als S5 von S6 gebeten wird, ihre Träume für die Zukunft vorzustellen, scheinen plötzlich die Grenzen zwischen Rolle und Realität zu verschwimmen. Dies führt auch bei S6 zu Konfusionen. S5 nennt als Wunsch, ein neues Leben mit ihrem aktuellen Freund ( boyfriend ) zu beginnen (12c, 6b, 8a). Der Protagonist, den S5 verkörpern soll, ist männlich, weswegen S6 zunächst überrascht reagiert und nachfragt With your boyfriend? Okay. Selbstverständlich ist es auch möglich, dass S5 hier bewusst einen schwulen Charakter kreiert hat und aus dessen Perspektive den Wunsch äußert und sich somit in diesem Moment bei seinem Gesprächspartner outet, dass dies aber eher nicht so intendiert war, lässt sich aus dem Fortgang des Dialogs schließen. S5 führt aus, dass nie der Wunsch nach Kindern „wach geworden“ sei. S6 hinterfragt dies und verweist darauf, dass sich der Wunsch noch entwickeln könne oder dass er vom Partner geäußert werden könne (5a, 6b, 12c), was S5 kurz angebunden verneint und relativ abrupt die Gesprächssituation beendet, indem sie die Lehrerin ruft und darum bittet, bezahlen zu dürfen (6b, 12e). Aus dieser Reaktion ist zu schließen, dass es sich möglicherweise um ein sehr persönliches Thema handelt und dass S5 viel von sich in den zu verkörpernden Charakter projiziert hat. Dies führte in der Dialogsituation aber zu Schwierigkeiten, da S6 die Rollenkonflikte nicht 240 6 Analyse von Unterrichtsdaten: Grundkurs Klasse 12 6.3 Dialogisches Sprechen: Analyse der Unterrichtsbeiträge 241 durchschaut hat und S5 durch die Vermischung von Rolle und Realität die eine oder andere missverständliche Situation generiert hat. Eine Folgerung ist, dass das Einnehmen von „fremden“ Perspektiven geübt werden muss und immer beeinflusst wird, von den eigenen Emotionen und dem daraus resultierenden Einfühlungsvermögen bzw. der Empathie, die der Rolle entgegengebracht werden kann. Für die Aufgabenkonzeption und -vorbereitung bedeutet es, dass die Rollen und deren Erarbeitung deutlicher in den Vordergrund gerückt werden müssen als es beispielsweise in dieser Aufgabe geschehen ist. Abschließend ist zu diesem Fallbeispiel zu resümieren, dass die kommunikativen Fähigkeiten beider Lernenden gut ausgeprägt sind, was die spontane erfolgreiche Bewältigung der Sprechsituation unterstreicht. Beide Lerner machen teils elementare Fehler in dem Bereich Korrektheit (Grammatik, Lexik, Syntax), sind aber sehr erfolgreich in anderen Kategorien wie Flexibilität, Spektrum, Adressatenbezug und, vor allem, Inhaltsbezug. S7 10: 16 So what’s our? 12b, 2d, 5a, 4b S8 Would you like to start? 6b, 8b S7 I don’t know our task so. (liest vor) Imagine you meet an old friend from school in a caf/ i/ . You are now both forty five and look back at your childhood dreams. Aha. 12b, 2d 2c S8 Ehm ehm (zeigt auf ihre Notizen) also ne? 12a S7 Okay do we want to begin now? So. Hey hello S8 how are you? 12a, 5a, 5b, 4b S8 I’m good and you? 6b, 5a, 4b S7 Yeah. I’m fine too. 6b S8 What about your dreams? 12c, 4b S7 About my dreams from childhood? Yeah. I wanted to become a pilot when I was young. I wanted to be above the sky. 12c, 8a S8 Yeah. I remember. 6b, 8a S7 10: 17 And yeah feeling free because I could choose where I wanted to go and just fly there. Wherever I want. And yeah that’s why I wanted to buy myself a little plane. 5a, 3b, 2a 2d, 5a, 3b 12c S8 Hm hm. S7 So I could be totally free to decide where I want to go. 5a, 12c S8 Hm hm. S7 Yeah and I wanted to invent an own plane which is easy to fly and cheap so everybody who wants to eh could get the opportunity to feel free to go wherever he wants or she wants to go. And what’s about your dream? 2a 12c 2d, 3b 4b, 2a S8 Hmm in school the teachers ehm don’t really give me attention like the white students. So ehm I don’t like school and ehm if I only could stay out of school everything’s I like to do. So this was ehm a dream of me. So I like eh paying attention to sports so I have I had the vi[sch]… vision of become the captain of the football team. 3b, 6b, 2a 5a, 3b, 2a, 3b 2a, 2d, 8b, 5a 3b, 2a, 5a, 3b, 3b, 2d, 3e 2c, 2a S7 Okay. S8 10: 18 And yeah I do but after that I become a really big football career. But now 45 I’m not football player anymore and, ehm, so now I’m dreaming to build a family but I don’t find a (…) nice woman so let’s see. 5a, 2a, 2a, 2b 5a, 2a 3b, 5a, 2a, 2b, 2a 3c S7 Alright but you want to say your dreams became true? 6b, 12c S8 Yes ehm but I (…) if I could ehm live my life again (…) 6b, 3b, 3c, 3b, 3c S7 Yeah? S8 I want eh I wouldn’t be a football player. 3e, 2a S7 Okay. 6b S8 10: 19 Because I think family is much more important and yeah I think I lost very much time to build a family. Maybe I won’t have a family anymore so yeah. And you? Are you a pilot now? 12c, 5a, 3b 8b, 1a 2b, 3b, 4b, 4b, 12c S7 Yeah I’m a pilot now but I’m also not really happy about a lot of things how they became because yeah I can fly and I love to fly but I don’t I’m not free anymore. I don’t have the opportunity to decide where I fly. I (.) 6b,12c, 2a, 8a 2a 3e, 2d 3d S8 That’s true yeah. 6b S7 I fly every day to a different destination and it’s really cool because I see different countries and meet so many people but, ehm, it’s not my decision where I fly and so I don’t feel free very much. So yeah I still have the dream to buy myself a little plane so I could be free again. 2d, 12c 5a 3b 5a, 3b 2a, 2a S8 Hmm maybe. 6b 242 6 Analyse von Unterrichtsdaten: Grundkurs Klasse 12 6.3 Dialogisches Sprechen: Analyse der Unterrichtsbeiträge 243 S7 Yeah but (…) 3c S8 As a pilot you don’t have so so so ehm 3b, 1c S7 Money or? 6b, 12d S8 Yeah or (.) 6b, 3d, 2d S7 A pilot didn’t get paid so good like the years before. 6b, 2a S8 Really? 6b S7 Yeah maybe in twenty years. 6b, 12c S8 10: 20 Maybe when you’re seventy you can fly (.) 6b, 3d S7 Seventy yeah. 6b S8 Wherever you want. 6b S7 Yeah but I don’t know if I can fly then hopefully. Ehm yeah maybe. (zu Lehrerin, die gerade vorbei kommt) I think we are done. 6b, 2d, 12c, 3b 12e [Dialog S7 und S8] Direkt zu Beginn dieses Auszugs aus den Daten wird deutlich, dass auch das dritte Schülerpaar die Aufgabe nicht richtig verstanden hat und erst gemeinsam verifizieren muss, was der Arbeitsauftrag in der Pair-Phase ist (12b). Wie auch bei dem Paar S5 und S6 besteht die Lösung darin, sich den Aufgabenzettel anzuschauen und den Auftrag laut vorzulesen. Ebenfalls analog zu den anderen beiden Paaren, beginnt auch dieses den Dialog sehr direkt. Es wird nicht auf die Situation des Treffens in einem Cafe eingegangen und, nach einer kurzen Begrüßung durch S8, direkt die Frage nach den Träumen gestellt (12c, 4b). S7 stellt dar, dass er Pilot werden wollte und sich immer nach Freiheit gesehnt habe (12c, 8a). Obwohl er sich in den Notizen, wie von der Lehrerin gefordert, ganze Sätze aufgeschrieben hat, finden sich diese nur bruchstückhaft in den Dialogen wieder. Dennoch gelingt es ihm, weitgehend sprachlich korrekt, sämtliche der in den Notizen gelisteten Aspekte auszudrücken. Manchmal ist der Satzbau dabei eher fragmentarisch. Wenn er anführt, dass er auch immer den Traum gehabt habe, ein eigenes Flugzeug zu erfinden, mit dessen Hilfe alle Menschen leicht fliegen und frei sein könnten, orientiert er sich das einzige Mal stark am Wortlaut der schriftlichen Vorlage in den Notizen. S8 hält sich kommunikativ sehr zurück und überlässt S7 das Rederecht. Sie fragt allerdings auch nicht interessiert nach oder bemüht sich anderweitig darum, das Gespräch zu führen. Erst als sie direkt angesprochen wird, bringt sie sich ein. Hierbei ist auffällig, dass sie sehr unsicher wirkt und viele Füllkonstruktionen gebraucht (3b). Sie verbleibt auch nicht im korrekten Tempus ( I don’t like school. / 2a) und zuweilen ist der Satzbau derart fehlerhaft, dass das Verständnis negativ beeinträchtigt wird ( So, ehm, I don’t like school and, ehm, if I could only stay out of school everything’s I like to do/ 8b). Die von der Lehrerin recht ausführlich im Vorhinein thematisierten Gerund-Konstruktionen werden größtenteils in der Dialogsituation falsch verwendet. Auf die eigenen Notizen greift S8 auch nur wenig zurück. Lediglich drei längere Redebeiträge zeugen davon, dass sie sich sprachlich recht unsicher fühlt. Dass auch S7 nicht immer versteht, was S8 ausdrücken möchte, lässt sich u. a. an der höflichen Rückfrage Alright but you want to say your dreams became true? erkennen, die gleichzeitig S8 die Option bietet, lediglich zuzustimmen und keine weiteren Ausführungen erfordert, es sei denn, die Intention wurde völlig missverstanden. S8 nimmt dies jedoch als Anlass, ihre Ausführungen um einen Punkt zu ergänzen, der über die Vorarbeit (Notizen) hinausgeht. Recht spontan, aber auch knapp, führt sie aus, dass sie sich gegen eine Karriere als Fußballer entscheiden würde, wenn sie nochmals die Möglichkeit dazu bekommen würde, da sich die Sportlerkarriere bei der Gründung einer Familie als hinderlich herausgestellt habe (12c). Sie übernimmt dann sogar die Gesprächsführung und fragt S7, ob er denn nun Pilot sei und seinen Traum verwirklicht habe (4b, 12c). S7 beantwortet abschließend diese Frage und stellt dar, dass er nicht wirklich zufrieden sei, da die Karriere als Pilot nicht mit dem erhofften Freiheitsgefühl einhergegangen sei. Den Traum, ein eigenes Flugzeug zu besitzen, habe er noch immer, die Verwirklichung sei aber bislang an der schlechter werdenden Bezahlung als Pilot gescheitert (6b, 12c). Relativ abrupt beendet auch dieses Paar den Dialog durch das Ansprechen der Lehrerin (12e). Die Probleme in diesem Dialog liegen vor allem in den unterschiedlichen kommunikativen Fähigkeiten der Sprecher begründet. Nachdem die Aufgabe gemeinsam geklärt wurde, gelingt es S7 deutlich besser, spontan die Vorarbeit aus den vorangegangenen Phasen auf die Aufgabensituation zu beziehen und die Position seiner Rolle darzulegen. S8 hat große Schwierigkeiten, die sprachlichen Anforderungen der Aufgabe erfolgreich zu meistern. Sie tut sich sehr schwer damit, ihre eigentlich guten Ideen, die sie sich notiert hat, in der Sprechsituation spontan und verständlich anzubringen. Zuweilen führt das dazu, dass S7 nur erahnen kann, was sie ausdrücken möchte. Das Resultat ist ein wenig authentischer Dialog, der recht fragmentarisch die in der Aufgabenstellung geforderten Schritte abarbeitet, aber nie darüber hinausgeht, wie es beispielsweise im Dialog von S5 und S6 der Fall ist. Auch dieser Dialog stützt die Annahme, dass die Lehrerin die eigentliche Sprechaufgabe, und die zugrundeliegende Sprechsituation in der Aufgabenerteilungsphase deutlicher hervorheben müsste. Die Schüler scheinen Probleme 244 6 Analyse von Unterrichtsdaten: Grundkurs Klasse 12 6.3 Dialogisches Sprechen: Analyse der Unterrichtsbeiträge 245 damit zu haben, zu verstehen, wie die verschiedenen Phasen der Aufgabe zusammenhängen. Daraus folgt, dass die Sprechaufgabe nicht optimal vorbereitet wird und erst in der Pair-Phase geklärt wird, was zu tun ist und erst dann eine Verknüpfung zu den Notizen hergestellt wird. Eigentlich sollten aber die Notizen als Gerüst sowie kognitive, sprachliche und inhaltliche Vorarbeit der Sprechaufgabe dienen. L10: 30 I’m kind of curious what you talked about. You guys were very quiet very secretive and then I wanted to give you a little space. Would anyone be willing to do a mini version of their conversation? (keine Meldungen) No? Maybe somebody would like to tell me some of their sentences for the little pilot. The one which I love that picture the one that is dreaming of being a pilot. What did you say? 17h S6 I’m dreaming of becoming a pilot (lacht). 13b L Yeah good. (lacht und zeigt Daumen hoch) Anything else? What did you say for him? What does he crave? What does he long for? Yeah, S9? 19a S9 Ehm I crave high space and air. 3b, 13b L10: 31 I crave high space and air. Yeah that’s a good one with crave. Anything else? S5? Oh no you had the other one. Yeah, S6? 19a S6 My heart‘s desire is to visit a lot of foreign countries. 13b L My heart’s desire is to visit a lot of foreign countries. Good. Yeah. Ehm S3 what did you? No you got the other one. The other one with (…) What of his dreams came true? When you were at the cafe? Was he a pilot or was he somebody else? Something else? (zeigt auf S5) 19a 19b S5 He was a pilot and visited foreign countries and he loves this. But the only thing he didn’t like that much ehm he can’t live in a house. He still lives in a flat. 13b 3b, 2a L Really? And he is a pilot? Commercial pilot? 19b S5 Yes. 6b L10: 32 But sometimes I know pilots, cause my sister was a flight attendant, they live in shared flats like in New York. But lots of times pilots have big homes. Does he, did he have a family? A wife and a family? 19b S5 Don’t know. 13d L You don’t know? What about somebody else? What happened to the pilot? The little boy who became grew up. Did anybody else have something else? 19b S6 You know it. I told her that story. 6b L 10: 33 Aha. Did anybody give him a wife and children or partner? And he just lived in a little flat. That’s a good question why he’s living in a little flat. Maybe a Lufthansa salary. Their pilots earn quite a bit of money. But maybe he just spends all of his money travelling in foreign countries and likes living in a little flat. What about the other little boy? He is sitting in front of a locker in school it looks like. S8? 19b S8 Our group thought so if I only could become the same attention from the teachers like the white students. 13b, 2a, 2b 2a L Aha. To get the same attention from the teacher as white students. Hm hm yeah. And what was he dreaming of becoming? 19d2 19a, 19b S8 A football player. 6b L Aha. Anybody else for the little boy at school? S6? 19b S6 I want to become famous. 6b L Aha. What’s he dreaming of becoming? 19b S6 10: 34 I don’t know. He only wanted to become famous and he wanted to live with his girlor his boyfriend and be happy. But he’s a bit depressive. 13d, 6b 2a, 13b 13b L He’s a bit depressed. A bit depressed. (zeigt auf S5) 19d2 S5 I think, ehm, he’d say „I am longing to help children if they got problems with maths.” For me he’s a bit like a ehm genius? 6b, 3b, 13c 3b L A little genius hm hm. And he’s one that wants to help kids. Help others. Hmm. Seems often alone. He seems sort of lonely and sad maybe. But maybe he’s dreaming of having contact with people. That’s what he wants. Ehm what did what was he his conversation? What was his story when he was 45? S8? 19a 19b 246 6 Analyse von Unterrichtsdaten: Grundkurs Klasse 12 6.3 Dialogisches Sprechen: Analyse der Unterrichtsbeiträge 247 S8 10: 35 Ehm in my case he would become a football player but he refuse it because ehm he would like to have a family at home at the end of his career and hadn’t so. 3b, 6b, 13b 2a, 3b, 2a L Hm, hm so being a professional football player is (.) 19b S8 Yeah you spend all your time with the job and yeah. 6b, 13b L It’s like being a teacher. You don’t have time for your kids either. (lacht) Anybody else? Always the trick is making your private life and your work life keep the two in balance. S5? 19b S5 I think ehm he’s still lonely but he got a partner and he’s living with his partner. 6b, 3b, 13b, 2a L 10: 36 He’s living with his partner. Ehm what did you say in the cafe? What did you talk about in the cafe? Did he become a social worker? Football player? What was his job? (…) No ideas? Okay. I kind of like the idea wishing he had more contact to people wishing he could help someone. Maybe it became it came true. Okay. Ehm, that’s actually it. 19b 19b 19e [Anschlussdiskussion] Die Lehrerin eröffnet die Anschlussdiskussion, indem sie Interesse an den Schülerdialogen zeigt (17h). Von der Idee, die Lernenden eine Kurzversion des Dialoges vor der Klasse vorspielen zu lassen, rückt sie sehr schnell wieder ab, als sie die negative Resonanz der Lerngruppe auf den Vorschlag wahrnimmt. Hier verspielt sie jedoch eine Möglichkeit, mit der Lerngruppe einzelne Dialoge dezidiert in den Blick zu nehmen und zu besprechen. Durch die Wahl des Aufgabenformats ist gewährleistet, dass alle Lernenden in der Stunde gesprochen haben, allerdings gestattet das parallele Ablaufen von zehn Schülerdialogen der Lehrerin lediglich das Wahrnehmen einzelner Ausschnitte aus einzelnen Gruppen. Anhand eines oder zweier Beispielsdialoge hätte sie, mit den Lernenden gemeinsam, Feedback auf einzelne Aspekte der Dialoge geben können. Was sind die Träume der Protagonisten? Wurde die Gesprächssituation berücksichtigt? Welche Fehler wurden gemacht? Zudem hätten einzelne Schülerprodukte eine größere Wertschätzung erfahren. Es ist aber auch verständlich, dass die Lehrerin in der konkreten Unterrichtssituation keine Schülergruppe zur Präsentation vor der Gruppe zwingen wollte. Auffällig ist nur, wie schnell sie die Idee verwirft. Das könnte ein Zeichen dafür sein, dass sie sich in der Unterrichtsplanung nicht überlegt hat, wie die Feedbackphase in der Stunde gestaltet werden soll. Sie entschließt sich dann für eine Herangehensweise, die zunächst stark auf die sprachliche Ebene der Aufgabe abzielt, indem sie sich nach einzelnen sentences erkundigt. Die erste Schülerantwort ist I’m dreaming of becoming a pilot, auf welche die Lehrerin mit einer zustimmenden Geste (Daumen hoch) reagiert, sonst aber weder inhaltlich noch sprachlich darauf eingeht (19a). Danach fordert sie eine Schülerantwort mit dem Verb to crave, zeigt sich mit der Antwort I crave high space and air s ehr zufrieden und merkt zustimmend an: That’s a good one with crave (19a) . Das Feedback verbleibt hier auf einer sehr oberflächlichen Ebene. Dem Schüler wird nicht mitgeteilt, warum die Lehrerin diesen Ausdruck für einen besonders gelungenen erachtet. Der inhaltliche Zusammenhang der Äußerung im Dialog ist bei dieser Art der Nachbesprechung nicht relevant. Im weiteren Verlauf rückt die Lehrerin dann aber von dem reinen focus on form in der Feedbackphase ab und beginnt die Schülerantworten inhaltlich zu würdigen und stellt Rückfragen wie beispielsweise nach den familiären Verhältnissen des Piloten (19b). Es kristallisiert sich heraus, dass sich mit S5, S6 und S9 nur drei Lernende an dem Gespräch beteiligen und recht schnell keine neuen Argumente zur Rolle des Piloten mehr kommen. Die Lehrerin stellt in diesem Zusammenhang zwei weitere Fragen, auf die die Resonanz ausbleibt und bietet dann selbst eine Alternative zur Biografie des Piloten an. Mit der Darstellung dieser belässt sie es dann und leitet zur nächsten Figur, dem schwarzen Jungen vor dem Schulspind, über (19b). Die erste Schülerantwort kommt von S8, die anmerkt, der Junge könnte sich nach derselben Anerkennung sehnen, die die weißen Mitschüler erhielten (13b). Dabei gebraucht sie das Verb become statt get im Zusammenhang mit attention (2a) und wird dafür von der Lehrerin verbessert, indem diese den korrekten Ausdruck bei der Wiederholung der Antwort verwendet (19d2). Auf den Inhalt geht sie aber nicht ein, sondern stellt direkt weiter Fragen (19b). Es entwickelt sich ein Gespräch zwischen den Lehrerin und den Schülern S5, S6 und S8. Die Inhalte, die die Lernenden vorstellen, decken sich größtenteils mit denen, die sie in den Dialogen ausgetauscht haben (13b). Eine Ausnahme bildet die Antwort von S5. Sie glaubt, der abgebildete Junge könne auch ein hochbegabter Schüler sein, der seinen Mitschülern Mathe beibringen möchte (13c). Diese Idee muss spontan entstanden sein, denn sie findet sich weder in den Notizen, noch im Dialog wieder. Der Lehrerin gefällt dieser Vorschlag. Sie findet, der Junge sehe einsam aus und sehne sich möglicherweise nach sozialen Kontakten (19a, 19b). S5 glaubt, dass zwar auch der 45-jährige Protagonist noch einsam sei, aber mit einem/ einer Partner/ in zusammenlebe (13b). Dieses Argument ist auch eines, das sie im Dialog angeboten hat. Die Lehrerin wiederholt diesen Vorschlag, kommentiert ihn aber nicht (19b). Sie versucht abschließend noch einmal weitere Schülerantworten zu erhalten, begnügt sich dann aber recht schnell mit 248 6 Analyse von Unterrichtsdaten: Grundkurs Klasse 12 6.4 Analyse: Referat zur Harlem Renaissance 249 den bereits zusammengetragenen Antworten und führt die Aufgabe zum Abschluss (19e). Es ist sehr auffällig, dass sich in dieser Phase mit S9 nur eine der Schülerinnen beteiligt, deren Dialoge nicht aufgezeichnet wurden. Alle anderen Antworten kommen von Lernenden, deren Dialoge genauer analysiert wurden. Insgesamt hat die Lehrerin in dieser Phase, gemeinsam mit den Lernenden, zu beiden Protagonisten Beispielantworten gesammelt. Da die Aufgabe auf das Aushandeln von Träumen und Sehnsüchten abzielt, kann auf diese Weise nicht mehr als eine Sammlung an möglichen Antworten entstehen. Auf die Gesprächssituation selbst wurde nicht eingegangen. Der anfangs recht auffällige focus on form wandelt sich schnell zu mehr Inhaltsorientierung. Dabei beschränkt es sich häufig auf ein IRF-Schema, in welchem einzelne Lerner mit der Lehrerin interagieren und der Großteil sich überhaupt nicht beteiligt. Feedback auf die eigentliche Sprechleistung blieb, aufgrund des schnellen Verwerfens der Idee, einzelne Dialoge vorspielen zu lassen, in dieser Phase aus. 6.4 Monologisches Sprechen: Referat zur Harlem Renaissance: Analyse der Unterrichtsbeiträge Die Aufgabe zum monologischen Sprechen- - das Referat zur Harlem Renaissance- - war in der ursprünglichen Planung der Einheit nicht vorgesehen. Da der betreffende Schüler allerdings die vorherige Klausur krankheitsbedingt versäumt und einen Antrag gestellt hatte, den schriftlichen Leistungsnachweis durch einen mündlichen ersetzen zu dürfen, entwickelte sie die Idee, das Referatsthema entsprechend zu wählen und den Vortrag als Möglichkeit zur Vermittlung von literatur- und gesellschaftsgeschichtlichem Hintergrundwissen in die Einheit aufzunehmen. Sie legte einen zeitlichen Rahmen von 30 Minuten fest und teilte dem Schüler eine Woche vor dem Termin das Thema mit. Der Vortrag sollte eine interaktive Komponente beinhalten, im Rahmen derer die anderen Lernenden einzubeziehen waren. Es kann an dieser Stelle nicht die gesamte Präsentation untersucht werden. Daher erfolgt die Analyse ausschnittweise. S7 56 11: 35 11: 36 Yeah. Today I wanna talk about the Harlem Renaissance. And in the beginning I don’t know if everybody knows where Harlem is. Harlem is an part of New York City. This one over here and yeah. Just for the beginning. The Harlem Renaissance was after the great migration. I’m going to talk about the great imm…migration later. During the Roaring Twenties and after the Great Depression and before the World War II. Yeah the Great Migration. Was from 1916 to 1930. Was a big movement of coloured people who went from the South to the industrial North. Yeah you can see here the movement lines from the other coast also but especially in the Eastern North and also to New York, to Harlem. Yeah the South…oh just a second (justiert den Beamer)… now you can see the upper part better. Yeah ehm the Southern Exodus by decade. You see here (…) the nineteen hundreds with a little less and the nineteen twenties with more than eighthundred thousands coloured people going from the South to the North and after that year more people moving but it was the impact of the second world war and the people who came back after the war. 5b, 4a, 10b, 5a, 2d 2a, 8a, 7a 6a 8a 4a 3e 8a 5a, 2a, 2d 2d 2d, 5a, 4a, 4b, 10b, 1c, 8a, 5a 2a, 10b 2d 5a, 3b, 1b, 2d 3d, 4a 5a, 2d 2a, 3c, 10b 8a, 2a 2d [Einleitung] S7 eröffnet seine Präsentation mit einer knappen Vorstellung der Thematik. Auch wenn er sprachlich den Adressatenbezug herstellt und versucht, den Vortrag publikumsorientiert zu gestalten (4a, 4b), fällt auf, dass er auf eine Vorstellung der Gliederung zu Beginn verzichtet. Somit wirkt der inhaltliche Einstieg unvermittelt und die Zuhörenden werden sehr schnell mit historischem Faktenwissen konfrontiert. Es erscheint sinnvoll zunächst zu klären, wofür der Begriff Harlem in Harlem Renaissance steht und damit aufzuzeigen, dass es sich um einen Stadtteil New Yorks handelt. Warum es sich aber um eine Renaissance handelt und welche Bewegung dahinter steht, wird zu Beginn noch nicht angesprochen. Die Zuhörer erhalten lediglich die Information darüber, wann die Bewegung stattgefunden hat. Die angeführten historischen Informationen sind inhaltlich korrekt (8a), werden aber sprachlich recht fehlerhaft vermittelt (2a, 2d). S7 verwendet während seines Vortrags keine Notizen, sondern stützt sich lediglich auf seine Präsentationsfolien. Dieser Einfluss der projizierten Folien auf den Vortragsstil ist in der fragmentarischen Syntax erkennbar (2d). An vie- 56 Es handelt sich um den Schüler S7 aus der Fallstudie I. Die Nummerierung wurde beibehalten, um eine einheitliche Identifizierung der Lernenden zu ermöglichen. Dies geschieht auch mit Blick auf die retrospektiven Interviews. 250 6 Analyse von Unterrichtsdaten: Grundkurs Klasse 12 6.4 Analyse: Referat zur Harlem Renaissance 251 len Stellen greift S7 die Information der Folie auf und führt dann aus, was er dazu sagen kann ( Yeah the Great Migration. Was from 1916 to 1930. Was a big movement of couloured people who went from the South to the industrial North). Auch die gehäufte Verwendung des Konnektors yeah steht damit im Zusammenhang (5a). Insgesamt scheint es in diesem Ausschnitt der Fall zu sein, dass hohe spontansprachliche Teile die Fehlerzahl ansteigen lassen und zu einer Aneinanderreihung von Fakten und Gedanken führen, die sprachlich nicht immer sinnvoll verknüpft werden. Im weiteren Verlauf der Datenanalyse wird daher auf den Einfluss der fehlenden Notizen zu achten sein. Es fällt zudem auf, dass der hohe spontansprachliche Anteil auch zu vereinzelten Registerbrüchen führt (10b). Die in diesem Zusammenhang ebenfalls erwartbaren Hesitationsmarker in Form von Füllkonstruktion bleiben bisher aus. Lediglich eine längere Pause tritt auf, als S7 die Informationen auf der Folie gedanklich sortieren muss. S7 11: 38 11: 39 And the Harlem Renaissance was as movement where the black people were expressed theirselves with paintings, literature, theatre, music and dance. And yeah Harlem Renaissance was kind of the centre of this movement and yeah. There was a big part of the Harlem Renaissance in painting and art and there was one big or many big but one of them was Aaron Douglas a painter who expressed his feelings with his art. Yeah you also can see this one. A bit later but I think this is really impressive. Also I don’t know if you can see it the kind of the history of the black people in America. Ehm another famous eh painter ehm artist for this time was Lois Mailou Jones. She lived from 1905 to 1998. And yeah she painted this style. Yeah I think it’s Expressionismus so yeah. And one very big pin (.) ehm painter from this time was Jacob Lawrence and he lived 1917 to 2000. He was born on September 7 nineteen sixteen eh seventeen in Atlantic City New Jersey. His parents were one of the first who went to the North and to Harlem. And he grew up in a settlement house during the Harlem Renaissance. Yeah and in his works he reflected his travel to the North. So he painted over sixty ehm pictures ehm about this great migration. 5a, 2a 2a, 2a 5a, 3b, 2a 3b, 10b, 5a, 2b/ 8b 5a 2b, 2d 5a, 2a, 7a 2d, 7b 5a, 4b 2b, 8b 3b, 3b 3b, 3e, 5a 2a, 8a 5a, 3b, 3e, 2a 5a, 2a 8a, 3b 6c 3b, 3e, 5a 8a, 3b, 5a 8a, 5a, 3b 3b, 6a, 2a [Harlem Renaissance: Kunst und Musik] In diesem Ausschnitt stellt S7 einige Künstler der Harlem Renaissance und deren Kunstwerke vor. Zu diesem Zeitpunkt wird erstmals geklärt, worum es sich bei der Harlem Renaissance eigentlich handelt und welche Bedeutung sie für die afroamerikanische Kultur zu dieser Zeit hatte. Die Beschreibungen der Bilder fallen sehr knapp und oberflächlich aus. S7 beschränkt sich auf vereinzelte biografische Informationen und eine knappe inhaltliche Kontextualisierung ( In his works he reflected his travel to the North ) . Sprachlich bleibt die Leistung fehlerhaft. Der Satzbau ist weiterhin fragmentarisch und spiegelt die Spontanität der Präsentationssituation wider (2d). Sobald S7 eine neue Folie aufruft, betrachtet er diese zunächst und überlegt spontan, welche Informationen er zu dieser anführen kann (3b, 5a, 7). Dies kann eine Erklärung für die inhaltliche Oberflächlichkeit liefern, ist aber auch ein Indiz für die nun auftretenden Schwächen in der Kategorie Flüssigkeit. War der Vortrag im vorherigen Abschnitt trotz der auffälligen Fehlerzahl noch recht flüssig, so fallen nun zehn Stellen auf, an denen S7 auf Füllkonstruktionen wie ehm und eh zurückgreifen muss, um sich Zeit zu verschaffen (3b). Auch der häufige Gebrauch von yeah erfüllt diese Funktion und dient zudem oft als Konnektor um Aspekte zu verknüpfen oder Beiträge ein- und auszuleiten (3b, 5a). Hinsichtlich der Kategorie Korrektheit ist festzuhalten, dass sprachliche Verstöße in allen untersuchten Bereichen auftreten. Während die grammatikalischen, phonetischen sowie die syntaktischen Fehler das inhaltliche Verständnis meist nicht behindern, ist dies bei den lexikalischen Verstößen anders. Zweimal wurde im untersuchten Ausschnitt der Code 8b für unverständlichen Inhalt im Zusammenhang mit lexikalischen Ungenauigkeiten vergeben ( a big part of the Harlem Renaissance; the kind of the history / 8b, 2b). 252 6 Analyse von Unterrichtsdaten: Grundkurs Klasse 12 6.4 Analyse: Referat zur Harlem Renaissance 253 S7 11: 45 11: 46 Ehm another really important writer at this time was Claude McKay.Yeah and you have this text “If we must die” at your backside of the handout. I think this is really impressive so (hustet, räuspert sich): If we must die. If we must die—let it not be like hogs. Hunted and penned in an inglorious spot, while round us bark the mad and hungry dogs. M/ a/ king their mock at our accursed lot. If we must die oh, let us nobly die, so that our pr/ i/ cious bl/ u/ d may not be sh/ i/ d. In vain then even the monsters we defy shall be contined to honor us through dead. Oh, Kinsmen! We must meet the come foe common foe though far outnumbered let us show us brave and for their thousand rollers eh blows deal one deathblows. What thought before us lies the open grave? Like men we will face the murderous cowardly pack, pressed to the wall, dying, but fighting back. Yeah really impressive. This was really one of the biggest writings at this time. And even Winston Churchill many years later eh used this poetry to express his feelings in front of the courthouse I think in the second world war. Ehm yeah I don’t know…How do you feel about something ehm such a story such poetry? Anybody wants to say something? Yeah? S2? 3b 3b, 4b 2a 2c 2c, 2c, 2c 2b 2b, 3e 3b 5a, 3b 2b, 5a, 6a 3b, 8a 3a 3b 3b, 2d, 4b 2a, 4b S12 Do I have to say something? 6b S7 You don’t have to but it would be nice for me. 6b L Or for your grade. S12 I think it’s just normal that when they had to live like that that they have such feelings. Yeah and if you work as writer you can write something like this. 2a, 13b 5a S7 S13? 4b S13 11: 47 I think it is. I have no words for it. It’s it’s moving. 6b, 2d S7 (nickt) S5? 4b, 7b S5 He’s just putting everything in his poem. It’s like everything what he feels just he wants to impress like what the people think the audience to them with his feeling and do it like so moving and want to show everything to the world and not to leave it like that. 6b 2a, 2a 2b, 2d, 8b 2d S7 Okay. S14? 4b S14 I think the song is a bit rebellious. Like the last line “We’re fighting back”. It’s like he is fighting for freedom against the white people and not that. 6b, 5a 8a 2d S7 Yeah I guess so. S6? 6b, 4b S6 11: 48 I think you could see easily that he knows sometime he has to die for the whites. He has to fight for rights but he knows that. And so he tries to say that he is aware of that but he also says ehm he wants no not he but want honor. 6b, 2a 2a, 2a 3b, 2a, 3e, 2d, 2b, 8b S7 11: 49 Exactly yeah. Because this was a really big problem in the first world war where the colored people had to fight for the white ones and really died in a horrifying way. And and the black people also in the Harlem Renaissance but also then had this problem with being not the same yeah not the same how can I say it? Not equal. And even in dying not equal. And this was really also important for him. And one of his other sentences was: If a man is not faithful to his own individuality he cannot be loyal to anything. Because he was one of the writers who was very confident about being black and also about being a black writer. 6b,5a 6a 10b, 2b, 5a 2d, 8a 3a 1c, 2d, 5a 2a, 8a, 5a 2a, 5a 6a, 5a 2a 8a [Gedicht & Diskussion] Dieser Ausschnitt stellt den interaktiven Part der Präsentation dar. Zunächst leitet S7 zu dieser Diskussion über, indem er auf das Gedicht Claude McKays zu sprechen kommt. Die Überleitung selbst wirkt hölzern und inhaltsleer. Es wird lediglich gesagt, dass McKay zu den bekanntesten Autoren/ Dichtern der Harlem Renaissance gezählt habe und sein Gedicht If we must die sich auf der Rückseite des Handouts befinde. Weder stellt S7 dar, warum es sich um einen prägenden Dichter der Harlem Renaissance handelt, noch wird eine Kontextualisierung des Gedichts in den Gesamtzusammenhang der Präsentation vorgenommen. Stattdessen beginnt S7 damit, das Gedicht vorzulesen. Dabei entsteht schnell der Eindruck, dass er sich darauf nicht hinreichend vorbereitet hat. Er macht einige Betonungsfehler (2c) und der Vortrag wirkt an dieser Stelle insgesamt nicht flüssig (3). Die Zuhörer lesen zudem nebenbei mit, da sie das Gedicht vorliegen haben. Im Anschluss an den Vortrag des Gedichts, geht S7 weder auf den Inhalt, noch auf die Sprache oder die lyrischen Merkmale des Texts ein. Er äußert lediglich seine unbegründete persönliche Meinung, dass er das Gedicht impressive finde und fügt die Zusatzinformation hinzu, dass der Text derart bekannt sei, dass selbst Winston Churchill ihn einst vor dem courthouse rezi- 254 6 Analyse von Unterrichtsdaten: Grundkurs Klasse 12 6.4 Analyse: Referat zur Harlem Renaissance 255 tiert habe. Zu diesem Zeitpunkt der Präsentation kann keine Aussage darüber getroffen werden, ob S7 den gewählten Text selbst inhaltlich und sprachlich verstanden hat. Der Vortragsstil und die mangelnde Kontextualisierung lassen darauf schließen, dass dies nicht der Fall ist. Dennoch wählt er ihn als Impuls für die sich anschließende Diskussion mit der recht allgemein gehaltenen Leitfrage How do you feel about (…) such a story? Es überrascht daher nicht, dass zunächst die Wortmeldungen ausbleiben. S1 spricht nach kurzer Wartezeit S12 direkt an und bittet um dessen Meinung (4b, 6b). Zuerst versucht dieser, den Beitrag zu vermeiden, wird dann aber von S7 ( It would be nice for me ) und der Lehrerin ( Or for your grade ) umgestimmt (6b). Aus dem daraufhin geäußerten Beitrag lässt sich schließen, dass S12 den Text in der Kürze der Vorbereitungszeit nicht verstanden hat. Es handelt sich um eine sehr allgemein gehaltene Aussage ( It’s just normal (…) that they have such feelings (…) as writer you can write something like this ). Hier fehlt ein konkreter Inhaltsbezug (8). Warum ist es normal solche Gefühle zu haben? Was meint S12 mit something like that genau? Diese Fragen bleiben offen, werden aber auch von S7 nicht aufgegriffen, der sich mit dem Beitrag zufrieden gibt und direkt S13 anspricht, die sich nun ebenfalls gemeldet hat. Auch in diesem Beitrag fehlt der Inhaltsbezug (8b) und es bleibt unklar, was genau in dem Gedicht S13 zu dem Urteil It‘s moving verleitet. Mittlerweile sind einige Meldungen hinzugekommen und S7 erteilt, nach kurzem zustimmenden Nicken, direkt S5 das Rederecht. Diese bringt zwar einen komplexeren Beitrag, dieser ist jedoch sprachlich derart fehlerhaft, dass die inhaltliche Aussage unklar bleibt (2a, 2b, 2d, 8b). S14 stellt mit der These, der Text sei rebellisch einen ersten konkreteren Bezug zu diesem her, auch wenn sie das Gedicht für ein Lied hält. S6 liefert daraufhin einen weiteren inhaltlichen Beitrag und geht darauf ein, dass der Autor sich bewusst darüber sei, dass er eventuell für die Weißen sterben müsse (6b, 8a). Er wisse, dass er für seine Rechte kämpfen müsse, aber er wolle auch Anerkennung erhalten. Dies streift zwar wichtige Begriffe und Themen des Gedichts, offenbart aber auch das rudimentäre Textverständnis der Zuhörenden, die mit dem Impulstext offenbar überfordert sind. S7 nimmt diesen Beitrag als Grundlage für einen eigenen Kommentar und stellt heraus, dass insbesondere nach dem ersten Weltkrieg, in welchem die Schwarzen für die Weißen kämpfen mussten und deren Leben geringer geschätzt worden sei als das eines Weißen, das Selbstwertgefühl der schwarzen Bevölkerung gelitten habe. Es sei für die Harlem Renaissance auch kennzeichnend gewesen, sich mit der Ungleichbehandlung auseinanderzusetzen. Insbesondere Claude McKay sei dieses Thema sehr wichtig gewesen. Hier zeigt S7 auf, dass er den Text durchaus in den Kontext der Zeit einordnen kann und die Beiträge der Mitschüler spontan um Zusatzinformationen ergänzen kann (6a). Anders als zuvor, als er die Beiträge seiner Mitschüler unkommentiert stehen gelassen hat, bringt er sich nun aktiv ein und wird seiner Expertenrolle gerecht. Auf den Inhalt des Gedichts bezieht er sich aber erneut nicht. Es spielt im Rahmen dieser Aufgabe eine sehr untergeordnete Rolle. Zwar soll es als Impuls für die Diskussion dienen, da es aber weder vom Präsentierenden noch von der Zuhörerschaft wirklich verstanden wird, erscheinen die wenigen Bezüge zum Text oberflächlich. Es kann resümiert werden, dass der Text, hätte er wirklich als inhaltliche Grundlage für die Diskussion dienen sollen, im Vorfeld von S7 besser hätte vorbereitet werden müssen. Er hätte ihn kontextualisieren können und den anderen Lernenden mehr Zeit zur Beschäftigung mit dem Text einräumen müssen. Die Frage selbst ist zwar recht offen und zielt eher auf die Emotionen der Mitschüler ab, aber auch um sich dieser bewusst zu werden, benötigen sie eine intensivere Auseinandersetzung mit dem Text als es ein einmaliges Lesen oder Zuhören ermöglicht. Hier hätte auch die Lehrerin, die sich während der gesamten Präsentation zurück gehalten hat, intervenieren können und eine kurze Think-Pair-Share-Phase vorschlagen können bzw. S7 den Hinweis geben können, den anderen etwas mehr Zeit einzuräumen. 256 6 Analyse von Unterrichtsdaten: Grundkurs Klasse 12 6.4 Analyse: Referat zur Harlem Renaissance 257 S7 12: 00 12: 01 12: 02 But yeah ehm the Harlem Renaissance ended with the Great Depression in 1930s. And the whole economy broke broke down and so there was no time and no money to keep going with the Harlem Renaissance because yeah if you don’t have food you can’t be happy. Here in New York and on Christmas Eve there are thousands of people waiting in front of I think it’s from church where they get food for their christmas dinner. So the people were unbelievable poor even at especially in Harlem where the people never had much money but enough to live. After the Great Depression many of the jobs weren’t there anymore so this was really dramatic for the people living there. That’s why the Harlem Renaissance ended there. But the Harlem Renaissance impact history very deeply and I think the yeah ehm most known fact from this time is really the jazz which became very big in this time as we heard before but also yeah the civil rights movement in the fifties and sixties ehm the Harlem Renaissance set the stage for it and yeah give the coloured people a self-understanding in the USA which made it possible that they go against this ehm really bad things. And yeah it also influenced the world and of course the USA and the understood of American eh African Americans. And eh yeah it redefined the role in society they have and yeah also the immieh integration of the black people was easier after this. Yeah ehm I think that’s it and thanks for your attention. So yeah has anyone questions? 5a, 3b, 3b 8a, 3e, 5a, 1b 2b 5a, 3b, 10b, 2d 2a. 3a 5a, 2a 8a, 2a 2a 6a, 8a 5a 3a, 3b, 2b 5a, 2b, 2a, 4c 3b 3b, 1b 3b, 2a 2d, 2a, 3b 5a, 3a, 8a, 10b 2b, 3b 5a, 10b, 3b, 3b, 1c, 2a, 5a, 3a, 3b, 3e 3a, 3, 5c, 5a 4b, 2a L Unfortunately you already answered the questions I was gonna ask you. Ehm yeah you had everything in there. I had a few kind of in my head. I just have one little question. Maybe you said something different. In the handout you said that the Harlem Renaissance was from the 1920s to the 1940s. 15b1 S7 Oh really? 6b L Shouldn’t that be 1930s or 1932? Till the beginning of the 30s. 15b1 S7 Yeah exactly. 6b L Maybe we should correct that. S7 I’m sorry yeah just cross it out. 6b [Abschluss der Präsentation] Strukturell ist es sinnvoll, die Präsentation inhaltlich auszuleiten, indem auf die Gründe für das Ende der Harlem Renaissance verwiesen wird. Stellt S7 zu Beginn des Ausschnitts diese Gründe noch sehr unwissenschaftlich und sprachlich, insbesondere bezüglich des verwendeten Registers, auf einem recht niedrigen Niveau dar ( if you don’t have food you can’t be happy, 10b), so gewinnen die Ausführungen inhaltlich im weiteren Verlauf stark an Substanz. Es wird auf historische Ereignisse Bezug genommen ( Great Depression ) und erläutert, dass die zunehmende Arbeitslosigkeit ein Hauptgrund für das Enden der Harlem Renaissance gewesen sei (8a). Desweiteren wird ausgeführt, welche Bedeutung die Bewegung für das Selbstverständnis der schwarzen Bevölkerung gehabt habe und dass sie auch den Grundstein für das civil rights movement gelegt habe (8a). Gegen Ende der Präsentation folgt dann aber noch eine inhaltlich unklare Passage. Es wird nicht transparent gemacht, welchen Einfluss die Bewegung auf das Weltgeschehen hatte und inwiefern als Folge der Harlem Renaissance die Integration der schwarzen Bevölkerung in das Gesamtgefüge der amerikanischen Gesellschaft vereinfacht worden sei. Insbesondere die Aussage integration of the black people was easier after this erscheint sehr fragwürdig und missverständlich (8b). Die Präsentation selbst wird mit den Worten That’s it and thanks for your attention beendet (5c). S7 eröffnet zwar im Anschluss daran die Möglichkeit Fragen zu stellen, allerdings macht kein Mitschüler von dieser Gelegenheit Gebrauch. Lediglich die Lehrerin meldet sich zu Wort und korrigiert einen inhaltlichen Fehler auf dem Handout (15b1). Dieser ist jedoch recht gravierend, wird doch dort eine falsche Zeitspanne für die Dauer der Harlem Renaissance angegeben. Das Eingreifen der Lehrerin an dieser Stelle und das Ansprechen des Fehlers erscheint in diesem Kontext durchaus sinnvoll. Die sprachliche Leistung weist keine neuen Auffälligkeiten auf, folgt jedoch den zuvor aufgezeigten Mustern. Noch immer ist die Fehlerzahl recht hoch (2a, 2b, 2d) wie auch die Anzahl der Hesitationen und Füllkonstruktionen (3a, 3b, 3e). Das Register ist, aufgrund der hohen spontansprachlichen Anteile mitunter eher umgangssprachlich (BICS-Niveau), auch wenn die Fakten inhaltlich meist korrekt vermittelt werden. Wie aber weiter oben erwähnt, führt die damit einhergehende vereinfachte Darstellung der Sachverhalte in zwei Fällen auch dazu, dass der Inhaltsbezug verloren geht (8b). Es muss festgehalten werden, dass sich S7, durch den Verzicht auf Notizen, seine Aufgabe auf sprachlicher Ebene deutlich erschwert hat. Zwar wird dadurch die Gefahr des Ablesens gebannt, allerdings geht dies auch mit einer konstant recht hohen Fehlerzahl, insbesondere auf Syntaxebene (2d), weil viele Aussagen erst spontan sprachlich verknüpft werden, einher. Hinsichtlich der Kategorie Flüssigkeit nimmt die Leistung im Verlauf der Präsentation ab. Hier sind exemplarisch die steigende Zahl an Füllkonstruktionen (3b), die gehäufte Verwendung von yeah als Konnektor (3b, 5a) und der 258 6 Analyse von Unterrichtsdaten: Grundkurs Klasse 12 6.4 Analyse: Referat zur Harlem Renaissance 259 stockende Vortrag des Gedichts zu nennen. Trotzdem bleibt der Adressatenbezug (4a) weitgehend bestehen. Die Fakten werden meist korrekt, wenn auch manchmal verkürzt dargestellt, und S7 versucht durch Blickkontakt (7e), inkludierende Personalpronomen (4b) und die Bezugnahme auf geteiltes Vorwissen (4c) den Vortrag publikumsorientiert zu gestalten. Auch wenn die Diskussion während der Präsentation aus den bereits genannten Gründen stockend verläuft, zeigt S1 durch das Aufgreifen von Beiträgen der Mitschüler und das gezielte Anbringen von Zusatzinformationen sowohl auf, dass er Expertenwissen hat, als auch, dass er die kommunikativen Kompetenzen besitzt, diese Situation zu meistern. L12: 03 Feedback? 15c S7 Yeah. S12. 6b S12 Yeah. I like your theme that you made your Referat about. It was really interesting. It was nice that you could show us pictures. You can explain what happened and you don’t have to write so much text in your presentation. And that’s a good thing. And it really shows how much important was art and music during that time (.) For the black people. And yeah it was interesting. 14a 14f 14a S15 I like that you have so much pictures to show and that you have lyrics. 14f S7 Thanks. S5? 6b S6 It’s a big thing and all this in English. It was very nice. 14a S7 Thanks. S8? 6b S8 12: 04 I just want to say that you didn’t have any stuff to read about. Like you didn’t have any paper. And you did it all by yourself. Like everything you had. And this was really good. And also I think that you did a good presentation by just putting everything together. The music and the pictures. And it was a good handout because you can see everything that happened in a good short eh handout. And I like it that you had the song to keep it in our heads with the songtexts. 14d 14d 14f S7 Thanks. S9? 6b S9 You did a very good job. I like your presentation. Much information pictures much personalities. Artists writers. 14d, 2a 2a, 2d S7 Thanks. S13? 6b S13 12: 05 I would like to say thank you for this brilliant presentation. It was perfect. Just this song it was so impressive. 14d S7 Thanks. 6b L I have one question. What is one thing that you have learned? There’s one thing I want you to go back to. Before you take it away (zu S7, der die Präsentation schließen will). What did you learn that you didn’t know before? I learned a few things. S13? 15b1 S13 12: 06 Everybody knows jazz as a music or art that is happy. And now you could see a side of jazz which is impressive on the other side with the songtexts. You read it and you know what has happened in these situations what she is describing in this songtext. And you see that jazz is not only happy. Jazz is also the complete opposite. 13b 13c L The blues. S8 what did you learn? S8 I learned that the people expressed themselves so much in music and in writing. And you see through this work how they feel about it. And you see everything in these pictures. It is incredible. 13b L S9? S9 I learned that the Harlem Renaissance exists. I didn’t know that. 13b L S5? S5 12: 07 I think I learned that the artists were very self-confident and not in their personality they were self-confident but in their poetry and arts. 13b L Yeah. S11. S11 I learned the same than S9 but it was impressive as how much how important the music and the poems for the whole Harlem Renaissance and that was a big part of all of these and if you hear the music now you can say it’s out of this time. 13b L Hm. Hm. S6? S6 Ehm I learned how much influence Harlem had to the black American culture. 13b L 12: 08 And as support of the beginning of the Civil Rights Movement. Without the Harlem Renaissance the path wouldn’t have been paved for the Civil Rights Movement. Like said they used dreams that Martin Luther King picked up on. S5? 260 6 Analyse von Unterrichtsdaten: Grundkurs Klasse 12 6.4 Analyse: Referat zur Harlem Renaissance 261 S5 I learned too that nightlife brings a little bit of hope and happiness. 13b L Hm. Hm. I learned (.) Yeah S12 first. S15 I found it very interesting to hear a song about lynching with Strange Fruits. 13b L Did you think the music fit the song? S15 I think so. Yes. I think it was very interesting because she sang the song very slowly this way and it was very interesting. 13c L Hmm. Hmm. (zeigt auf S12) S12 Maybe she sings slowly because they are dying so slowly when they get lynched. 13c L12: 09 Oh that’s a very interesting thought. The mood of the song the melody was kind of creepy strange and it fit the strage fruit. There’s a lot in this song. That’s something for the Leistungskurs. They have to analyse this.(zeigt auf S5) S5 I think she used her voice very good. The endings of the sentences are very short. Only sometimes they are a little bit longer. 13c L 12: 10 Yeah. She says drop and she dropped her voice. You could talk about Strange Fruit for a long time. You know what I learned? I learned why so many black people walked to New York, Chicago, Detroit. It’s like where did they all come from? They were all slaves in the South. Do you remember why? That’s what I learned. (…) S 11. S11 They come there to work and to live because it’s better than in the South? 13b L When? S11 In the Harlem Renaissance before that time. 13b L This is the right time to ask S1. When did the great migration start and why? What happened right before the great migration? Yes S12? S12 First World War. 13b L Yes First World War. S8. S8 12: 11 I think they go to the North in the World War because of the industrial revolution in America. 13d L Exactly. So it was basically the First World War and they needed to produce a lot of industrial things for the war. And then afterwards in the factories. Ehm could you go back to the picture of Louis Armstrong because there was a tiny little quote that I don’t think anybody got. It’s from Shakespeare sort of. It reminds you of Shakespeare. Yeah there it is. What a wonderful thing for Louis Armstrong to say. To jazz or not to jazz. There is no question. Isn’t that cool? Do you know what the original quote is? S13 12: 12 To be or not to be that’s the question. 6b L That is the question. Yeah exactly. To jazz or not to jazz. There is no question. Cool. (…) Okay S7. Thank you very much. [Feedback und Anschlussdiskussion] Die Lehrerin eröffnet die Feedbackphase und S7 erteilt daraufhin den aufzeigenden Mitschülern das Rederecht. Das Schülerfeedback auf die Präsentation fällt sehr positiv aus. S12 lobt die Gestaltung der Folien. Er findet es gut, dass viele Bilder gezeigt wurden und die Präsentation nicht mit vielen Texten überladen wurde (14a, 14 f.). Die Präsentation habe die Bedeutung von Musik für die Menschen zur Zeit der Harlem Renaissance aufgezeigt. S6 zeigt sich beeindruckt, dass S7 eine derart komplexe Präsentation in der Zielsprache ohne Notizen gehalten hat (14a). Dies lobt auch S8 und verweist auf die verschiedenen Medien und Texte, die zum Einsatz kamen (14d, 14 f.). Als sich die Rückmeldungen zu wiederholen beginnen, greift die Lehrerin ein. Sie selbst verzichtet auf ein Feedback und startet eine Diskussion, indem sie die Lerngruppe darum bittet mitzuteilen, was sie durch die Präsentation gelernt haben. Anders als die Lehrer in den anderen Fallstudien, die im Rahmen dieser Arbeit durchgeführt wurden, greift die Lehrerin hier im Anschluss an die monologische Schülerleistung die Thematik konkret auf. Es entspinnt sich eine interessante Diskussion, an der sich insgesamt acht Schülerinnen und Schüler aktiv beteiligen. Dabei wird die Rolle der Musik, insbesondere des Jazz (Blues), aufgegriffen und konkret der Song Strange Fruits 57 diskutiert. Dieser wurde von S7 während der Präsentation vorgespielt, allerdings nicht ausführlich bespro- 57 Dieses von dem Schriftsteller Abel Meeropol komponierte und von der afroamerikanischen Sängerin Billie Holliday vorgetragene Lied, zählt zu den bekanntesten künstlerischen Texten, die die Lynchjustiz an Schwarzen in den amerikanischen Südstaaten thematisierten. Strange Fruit ist dabei eine Metapher für die leblosen Körper der gelynchten Schwarzen, die an den Bäumen hingen. 262 6 Analyse von Unterrichtsdaten: Grundkurs Klasse 12 6.4 Analyse: Referat zur Harlem Renaissance 263 chen. Dies wird nun im Anschluss nachgeholt. Die Lernenden sprechen auf das Thema derart gut an, dass sich die Lehrerin über die Qualität der Beiträge überrascht zeigt. So stellt beispielsweise S12 die Hypothese auf, der langsame Gesang sei Ausdruck des langsamen Todes, den die gelynchten Schwarzen zur damaligen Zeit erleiden mussten. Dies hält die Lehrerin für einen sehr interessanten Gedanken, ergänzt noch, dass die Stimmung des Liedes sich im Titel widerspiegele, versucht aber zugleich, die Diskussion nicht zu sehr darauf zu fokussieren. Die Analyse des Liedes im Detail sei vielmehr eine Aufgabe für den Leistungskurs. S6 möchte das Thema nochmal aufgreifen, die Lehrerin würdigt auch dessen Beitrag, leitet dann aber die Diskussion durch eine weitere Frage an die Lerngruppe von dem Lied weg. Diese ist mehr auf den historischen Zusammenhang bezogen, der in der Präsentation dargestellt wurde und wird von der Lehrerin eingeleitet mit den Worten You know what I learned? Hierdurch macht sie die Lernenden neugierig darauf, welche Information es wohl sein könnte, die auch die Lehrerin im Vorfeld nicht gekannt habe. Sie sollen nachvollziehen, warum so viele Schwarze zur damaligen Zeit nach New York, Detroit und Chicago gekommen sind und dabei die Great Migration als ein geschichtliches Ereignis begreifen, das auch mit dem Ersten Weltkrieg in Zusammenhang steht. Infolge des Krieges sei es auch zu einer Industrial Revolution gekommen, die viele Arbeitskräfte erfordert haben, worin viele Schwarze ihre Chance gesehen haben, der Sklaverei in den Südstaaten zu entkommen. An dieser Stelle zeigt sich, dass der Lehrerin nicht entgangen ist, dass die historischen Zusammenhänge aufgrund der großen spontansprachlichen Anteile in der Präsentation nicht immer transparent wurden. Wichtige Zusammenhänge, die auch für den Kontext der Lektüre To Kill a Mockingbird, welche in der Unterrichtseinheit thematisiert wird, relevant sind, werden daher nochmal lehrerseitig aufgegriffen. Es gelingt der Lehrerin, durch ihre geschickte Gesprächsführung, ihr Hintergrundwissen zur Thematik und ihre sprachlichen Kompetenzen eine interessante Diskussion zu initiieren und viele Schüler für die Teilnahme an der recht frontalen Phase zu begeistern. Diese Anschlussdiskussion stellt damit ein positives Beispiel für das Aufgreifen einer monologischen Sprechleistung dar. Die inhaltliche Leistung des Schülers wird gewürdigt und auch die anderen Lernenden werden eingebunden. Abschließend muss kritisch festgehalten werden, dass auch in dieser Fallstudie allerdings das sprachliche Feedback auf die Präsentationsleistung ausbleibt. Zudem erhält S7 keine Einschätzung darüber, wie seine Sprechleistung von der Lehrerin beurteilt wurde, schließlich handelte es sich um eine Klausurersatzleistung 58 . 58 Die Lehrerin führte im Nachgang an die Stunde aus, dass sie die Leistung im guten Notenbereich ansiedeln würde, konkretisierte dies jedoch nicht. 6.5 Retrospektive Interviews mit den Lernenden (RiS) Die retrospektiven Interviews mit den Lernenden fanden, im Sinne der Daten und Perspektiventriangulierung, eine Woche nach der letzten aufgenommen Unterrichtssequenz statt. Die sechs Schülerinnen und Schüler wurden in zwei Dreiergruppen befragt (I1 bestehend aus S5, S10 und S12, I2 bestehend aus S1, S3 und S7). Auch diese Interviews wurden videografiert. Die Auswahl der Lernenden erfolgte auf Basis der beobachteten Datenausschnitte. I10: 32 Dann würde ich jetzt gerne auf die anderen Aufgaben eingehen. Und die erste war die mit den picture prompts . (gibt SuS zur Erinnerung die Aufgabenzettel) Fangen wir damit an die Aufgabe als solche nochmal ein bisschen Revue passieren zu lassen. Wie fandet ihr die Aufgabe? S3 Ich weiß es nicht. Ich fand das andere Bild eigentlich einfacher sich dazu was auszudenken oder irgendwas reinzuinterpretieren. Das Bild mit dem Jungen, der da vor den Schließfächern sitzt in der Schule ist halt so; was soll das jetzt aussagen? Was will der später werden? Keine Ahnung. 15c I Okay, also du hast dich mit dem Bild schwer getan? S3 Ja. I Was ist mit euch? S7 Wir mussten doch da Notizen zu machen, oder? I10: 33 Genau. Ihr habt euch da Notizen zu gemacht und es dann besprochen. S1 Wir hatten sowas auch schon in der Sprechprüfung. Sowas in der Art. S7 Ich finde die Aufgabenstellung an sich eigentlich ganz spannend. Wir haben das sehr auf den Notizen beruhend gemacht, aber sonst ist das ja eine Aufgabe wo man schon viel umschreiben können muss und einiges an Wortschatz braucht. Insofern fand ich die Aufgabe eigentlich ganz spannend, wenn auch nicht ganz einfach. 15a 15b 15a [Dialogaufgabe - I2] S3 äußert, dass sie den zweiten Bildimpuls mit dem schwarzen Jungen vor dem Spind weniger zugänglich empfunden hat als den mit dem Jungen, der Pilotenkleidung trägt. Es sei ihr schwer gefallen, anhand des Bildes Hypothesen 264 6 Analyse von Unterrichtsdaten: Grundkurs Klasse 12 6.5 Retrospektive Interviews mit den Lernenden (RiS) 265 bezüglich dessen beruflicher Zukunft abzuleiten (15c). Die Betrachtung der Schülernotizen sowie der Dialoge zeigt auf, dass die Ideen der Lernenden bezüglich dieses Charakters tatsächlich unterschiedlicher sind als es beim Alternativcharakter der Fall ist. Bei diesem ist durch die Pilotenthematik bereits einiges vorgegeben. Für die Lernenden kann die interpretative Freiheit, die ihnen das Bild mit dem schwarzen Jungen gestattet, sowohl positiv als auch erschwerend sein. Einerseits sind sie in der Gestaltung des Charakters wesentlich freier und können mehr von sich selbst in diesen projizieren, andererseits ist auch mehr Kreativität gefordert. In einer Lernaufgabe im Unterricht kann ein solch unterschiedliches Anforderungsniveau hinsichtlich der beiden an der Diskussion beteiligten Charaktere fruchtbar sein und als Differenzierungsinstrument genutzt werden. In einer Prüfungssituation hingegen, sollte auf mehr Einheitlichkeit geachtet werden. S7 betont, dass er die Aufgabe recht spannend und anspruchsvoll fand (15a). Er hat sich mit dem Charakter des Piloten befasst und die Diskussion stark auf den Notizen beruhend aufgebaut (15b). Da er mit S8 eine Diskussionspartnerin hatte, die sprachlich recht schwach war und die Aufgabe im Vorfeld falsch verstanden hatte, entwickelte sich das Gespräch so, dass spontansprachliche Passagen die Ausnahme blieben. Wie der Dialog von S5 und S6 aber gezeigt hat, bietet die Aufgabe durchaus das Potenzial eine authentische Diskussion mit improvisierten Anteilen zu generieren. In diesem Fall ist das Anforderungsniveau, wie von S7 dargestellt, recht hoch. Verbleibt die kommunikative Phase auf der Ebene des reinen Austauschs von zuvor notierten Gedanken, sinkt entsprechend das Anforderungsniveau. I10: 14 Gut, dann würde ich jetzt gerne mal auf die Aufgaben etwas genauer eingehen. Das Erste war diese Aufgabe mit den Bildern. Könnt ihr nochmal draufschauen (teilt AB aus). Wie würdet ihr die Aufgabe reflektieren? Was ist euch leicht gefallen und was ist euch schwer gefallen? S12 Ich finde die sehr gut. Also zum einen lernt man durch solche Aufgaben Leute aus dem Kurs noch ein bisschen besser kennen, ihre Meinungen, man lernt über solche Aufgaben auch andere Ansichten so ein bisschen besser kennen. 15a I Und auf das Sprechen bezogen? S5 Ich find’s sehr gut, weil es sind persönliche Dinge, die man da aufschreibt und das kann man besser rüberbringen als irgendwelche Sachtexte. 15a S12 Man kann auch viel erzählen ohne…also man kann mit wenig Wissen, darum geht’s ja auch primär in Englisch eigentlich nicht, man kann halt mit wenig Wissen so viel rüberbringen. Einfach so eigene Intuition. Verbessert dann die Note auch sehr gut. 15f I10: 15 Und macht das denn einen Unterschied, dass man das hier über diese fiktive Figur macht? S12 Worüber denn stattdessen? I Stattdessen über eigene Erfahrungen, also wirklich über einen selbst sprechen. S12 Also eigentlich ist das schon besser, wenn man das mit Bildern macht. Weil sonst wird das immer ziemlich privat find ich. 15a, 15c I Zu privat? S12 Ja. S5 Man kann ja immer auch sich selbst sozusagen da reinversetzen. Ich meine wir haben ja nur ein Bild gegeben und keinen kompletten Charakter. 15a, 15c I Genau den entwickelt man ja dann in diesem Moment. Ihr habt euch ja vorher was aufgeschrieben dazu. Hat das einen großen Einfluss auf das, was ihr gesagt habt oder seid ihr da stark von abgekommen? S5 10: 16 Ich glaube ich hatte am Anfang die Aufgabe ein bisschen falsch verstanden, hatte dann nochmal einen neuen Zettel angefangen und ähm ich hab dann auch ein bisschen drauf geachtet was, ich glaub mit S6 habe ich da gearbeitet, was S6 da gesagt hat und hab mich dann auch da so ein bisschen entlanggehangelt und hatte dann neue Denkanstöße. 15e 15f I Also war das, dadurch dass du am Anfang die Aufgabe falsch verstanden hattest, schwieriger mit S6 zu sprechen? S5 Nein. Also ich hätte die Vorbereitung vielleicht auch gar nicht gebraucht. Dadurch, dass man sich halt auch gegenseitig ein bisschen was gefragt hat. 15e [Dialogaufgabe - I1] Die zweite Interviewgruppe bewertet die Dialogaufgabe insgesamt sehr positiv. S12 findet es vorteilhaft, dass die Aufgabe wenig inhaltliches Vorwissen erforde- 266 6 Analyse von Unterrichtsdaten: Grundkurs Klasse 12 6.5 Retrospektive Interviews mit den Lernenden (RiS) 267 re und dass man recht intuitiv agieren könne (15 f.). S5 stimmt zu und exemplifiziert dies anhand ihrer eigenen Vorbereitungsphase. Sie habe zuerst die Aufgabe falsch verstanden und sei während der eigentlichen Sprechphase, gemeinsam mit ihrem Partner S6, dennoch in der Lage gewesen, die Aufgabe zu lösen (15e, 15 f.). Die Analyse des Dialogs hat diese nun durch die Schülerin bestätigte Annahme bereits aufgezeigt. Zuerst ging S5 davon aus, sie solle lediglich Notizen zu den ersten beiden Aufgabenteilen machen und diese einem Partner vorstellen. Erst gemeinsam fanden die beiden heraus, dass sie sich in die Rolle des nun 45-jährigen Protagonisten versetzen und einen Dialog führen sollen. Die Aussage, sie habe die Vorbereitung eigentlich nicht gebraucht, lässt sich anhand der Daten anzweifeln. Bei der Betrachtung wird deutlich, dass sie während des spontanen Dialogs Probleme mit dem Perspektivenwechsel bekommt, sodass ihr Gesprächspartner zunächst verwundert ist. Eine detailliertere Auseinandersetzung mit der Rolle im Vorfeld der Aufgabe hätte hier Probleme vermeiden können. Der Perspektivwechsel wird auch von den Lernenden thematisiert. S12 findet es richtig, dass die Aufgabe auf die Träume und Wünsche eines Charakters und nicht die eigenen abziele. Wäre dies nicht der Fall, bestünde die Gefahr, zu persönliche Dinge im Dialog mit Mitschülern preisgeben zu müssen. S5, die sich selbst in der Sprechsituation stark in den Charakter projiziert hat (siehe Analyse der Daten), hebt ebendieses Potenzial der Aufgabe hervor. Dadurch, dass lediglich ein Bild und kein kompletter Charakter gegeben sei, könne man sich gut in diesen hineinversetzen. Welche Gefahren dies bergen kann und wie dies im Vorfeld umgangen werden könnte, wurde bereits in der Analyse aufgegriffen. I10: 27 Könnt ihr mal versuchen zu sagen, worauf es euch bei guten Referaten ankommt? S3 Dass das Thema interessant gestaltet wird, auch wenn es vielleicht nicht ganz so interessant ist. Dass es eine anschaubare Powerpointpräsentation gibt womit man das ganze präsentiert. 15a, 15c, 15f I Eine visuelle Unterstützung. S3 Irgendwie ein Plakat was anschaulich ist oder ein Tafelbild. 15f S7 10: 28 Dass es frei gesprochen ist. Das finde ich bei Referaten eigentlich immer ganz wichtig, weil man da dann auch merkt, ob der Referent es verstanden hat oder nicht. Und auch weil dann das Sprachmuster natürlicher wirkt, was ich persönlich bei Referaten ganz besonders wichtig finde. 15f I Und du hast überhaupt keine Notizen gehabt, oder? S7 Ja im Englischen finde ich das ein bisschen schwieriger, aber bei normalen Referaten mache ich das generell so, dass ich die Powerpointpräsentation mache und das drumherum, mir dann aber nicht irgendwie Stichpunkte mache für die Präsentation, weil das dann irgendwie so einschränkt, nenne ich es mal, weil man dann nicht weiß…okay im Englischen war das jetzt nicht ganz so dolle…in welche Richtung geht das Referat? Was interessiert die Leute? Aber da kann man dann drauf eingehen, wenn man quasi drumherum alles weiß, aber wenn man dann nur Stichpunkte hat, dann ist man irgendwie sehr auf diese Stichpunkte fixiert. Und das finde ich manchmal bei Referaten, ist es der Teil, den es dann langweilig macht. 15b, 15f I Du versuchst sozusagen, dadurch dass du keine Stichpunkte benutzt, dich nicht auf die Stichpunkte zu sehr zu fixieren. Gibt es auch Gefahren dabei? S7 10: 29 Abschweifen oder generell halt ein Blackout oder so. Aber die Erfahrung, okay im Englischen, habe ich das jetzt noch nicht so oft gemacht, aber im Deutschen…Meine Erfahrungen waren eigentlich immer ganz gut, das heißt, wenn es ganz doll abschweifend ist, dann kriegt man das ja auch mit so vom Feedback der Gruppe. 15a, 15f S1 Ich finde es auch wichtig bei englischen Sachen, dass man nicht nur Bilder hat, sondern dass man auch mal ein paar Sätze auf der Präsentation sieht, die man lesen kann, weil man es dann noch besser versteht. Wenn man selber ein bisschen Probleme hat mit dem Hörverstehen, dann kann man es so noch ein bisschen besser verstehen. 15c I Ihr (zu S1 und S3) hattet ja die Rolle, dass ihr zuhören musstest und du (S7) hattest die Rolle, dass du präsentieren musstest. Wenn du dich jetzt mal in die Rolle der Zuhörer versetzt; fällt es euch leicht bei einem Referat zuzuhören oder fällt es euch schwer bei einem Referat zuzuhören? Wovon hängt das ab? 268 6 Analyse von Unterrichtsdaten: Grundkurs Klasse 12 6.5 Retrospektive Interviews mit den Lernenden (RiS) 269 S3 10: 30 Das ist unterschiedlich finde ich. Wenn die Präsentationsweise auch anschaulich ist, dann ist es halt relativ einfach zuzuhören, aber wenn irgendjemand da vorne steht und, na gut gegen die Stimme kann man nicht wirklich was machen, aber wenn jemand eine einschläfernde Stimme hat und das Ganze auch eher langweilig rüberbringt, ist das halt ziemlich schwierig da aufzupassen. Das ist halt ein bisschen doof. 15i, 15f S7 Die Art der Präsentation finde ich sehr wichtig, also bei mir ist es weniger das Thema, das mich langweilt, weil ich bin eigentlich relativ begeisterungsfähig, aber wenn man merkt, dass der Referent vielleicht selbst keine Lust darauf hat und das Thema vielleicht selbst auch nicht spannend findet, das finde ich den Teil, der es dann eigentlich langweilig macht, weil man hat dann selbst nicht so richtig die Motivation, sich in das Thema einzudenken oder irgendwie aufmerksam zu bleiben. 15i, 15f S1 10: 31 Also bei mir kommt es eher auf das Thema an, was mich so interessiert. 15a, 15f I Wie fandet ihr denn das Thema? Ihr habt ja das Thema Harlem Renaissance gehabt. S3 Ich fand das eigentlich voll interessant. Ich meine, ich persönlich hätte mich nicht zuhause hingesetzt und das Ganze gegoogelt. Ich meine, ich wusste noch nicht einmal, dass es das gab, aber das ist etwas anderes. Aber ich fand es interessant zuzuhören und das Ganze dann halt irgendwie zu wissen. 15i, 15a S1 Ja ich auch. 15i I (zu S7) Hast du das Thema bekommen oder selbst ausgesucht? S7 So ein Mittelding aus beiden. Frau X. hat das Thema an sich dann so wie ich es machen sollte vorgeschlagen und ich fand es eigentlich auch ganz spannend. 15a, 15d [Referate aus zwei Perspektiven - I2] S2, der in der Fallstudie Harlem Renaissance selbst die Präsentation gehalten hat, hebt den freien Vortrag als eines der wesentlichen Gütekriterien guter Referate hervor (15b, 15 f.). Man erkenne als Zuhörer am Sprechmuster des Vortragenden, ob er das Thema verstanden habe. Er habe auf Stichpunkte verzichtet, um sich während der Präsentation nicht zu stark an diesen orientieren zu können. Dabei stellt er auch heraus, dass er auch in anderen Fächern so verfahre, wenn er einen Vortrag halten solle, es ihm aber in Englisch schwerer gefallen sei. Es bestehe zwar die Gefahr des Abschweifens oder eines „Blackouts“, allerdings habe er bislang gute Erfahrungen mit dieser Art des Vortrags gemacht. Die Datenanalyse hat bestätigt, dass der Verzicht auf Notizen einen großen Einfluss auf die Qualität der Sprechleistung hatte. Dem Schüler ist es gelungen, einen Vortrag zu einem komplexen gesellschaftspolitischen Thema in der Zielsprache zu halten und viele Inhalte korrekt und sprachlich verständlich zu vermitteln. Dennoch ist die Fehlerzahl aufgrund der hohen spontansprachlichen Anteile recht hoch und zuweilen auch wenig flüssig. Der Verzicht auf Notizen hat sich vor allem auf der Syntaxebene offenbart. Viele Sätze sind sprachlich unvollständig oder ungeschickt verknüpft. Wie auch in den anderen Fallstudien besteht in diesem Fall verstärkt die Gefahr, in ein umgangssprachliches Register abzudriften. Interessant erscheint auch die Äußerung von S1, der sich bei englischen Präsentationen in den Folien ausformulierte Sätze wünscht. Dies steht in Kontrast zu der allgemeinen Meinung der Lernenden, die diese in den verschiedenen retrospektiven Interviews geäußert haben, wenn sie nach den Kriterien guter Referate befragt wurden. Forderten die Lernenden sonst mehrheitlich wenig Sprache und viele Bilder/ Modelle, so verweist dieser Schüler darauf, dass ausformulierte Sätze besonders den Lernenden helfen könnten, die im Hörverstehen Probleme hätten. Auch die Inhalte der Präsentationen werden im Zusammenspiel mit der Vortragsweise reflektiert. Durch eigene Begeisterung für das Thema gelinge es dem Vortragenden, diese auf die Zuhörerschaft zu übertragen. Umgekehrt wirke mangelnde Begeisterung für das Thema gegenteilig und mindere die Bereitschaft des Publikums, der Präsentation zu folgen. 270 6 Analyse von Unterrichtsdaten: Grundkurs Klasse 12 6.6 Retrospektives Interview mit der Lehrkraft (RiL) 271 6.6 Retrospektives Interview mit der Lehrkraft (RiL) Das retrospektive Interview mit der Lehrerin fand eine Woche nach der Erhebung der Daten statt. I16: 00 Wie würden Sie die Mündlichkeit in Ihrem Kurs beschreiben? L Ich finde für einen Grundkurs sind sie sehr mutig. Also teils, teils. Viele haben eigentlich wenig gute Englischkenntnisse so wo sie fehlerfrei sprechen. S4 zum Beispiel. Ich bewundere ihn. Seinen Mut zu sprechen. Er kann wirklich kommunizieren und das finde ich für Grundkursschüler sehr faszinierend. Als ich in der Schule war, war das nicht der Fall. Aber damals wurden Sprechkompetenzen auch wenig gefördert. Ich finde es echt erstaunlich, was sie kommunizieren können. Da sind aber auch einige wo ich sagen würde, ich würde ihre Stimme nicht mal erkennen, weil sie nie was sagen. = I16: 01 Aber insgesamt würden Sie den Kurs dennoch als aktiv beschreiben? L Ich würde sagen zwei Drittel ja und ein Drittel nein. Man kann sie nur dazu ermutigen. Sie haben noch etwa ein Jahr. ≠ [Mündlichkeit im Kurs] Die Lehrerin differenziert bei der Einschätzung der Mündlichkeit in ihrem Kurs. Grundsätzlich findet sie die, dass die Sprechkompetenzen ihrer Schülerinnen und Schüler sehr unterschiedlich ausgeprägt sind. Dabei wird deutlich, dass sie von einem Grundkurs eine weniger ausgeprägte Mündlichkeit erwartet als von einem Leistungskurs. Zwar seien die Sprechleistungen vielfach fehlerhaft, die kommunikativen Fähigkeiten jedoch seien dennoch gut bei einem Großteil der Klasse gut ausgeprägt. Ihren Ausführungen zufolge beteiligen sich zwei Drittel des Kurses aktiv am Unterrichtsgeschehen, wohingegen sie von einigen wenigen Probleme habe, deren Stimme zu erkennen. Die Datenanalyse hat gezeigt, dass die Einschätzungen der Lehrerin zutreffend sind. Es beteiligen sich recht viele Lernende an frontal geführten Gruppendiskussionen. Die mündlichen Beiträge der Lernenden sind in diesem Zusammenhang inhaltlich meist gut verständlich, sprachlich aber mitunter recht fehlerhaft (=). Im Rahmen der Studie haben sich einige Lernende, die von der Lehrerin als eher zurückhaltend eingeschätzt wurden, aktiv beteiligt. Wieder andere, wie beispielsweise eine Schülerin, die ein Auslandsjahr in Neuseeland gemacht hat und laut den Einschätzungen der Lehrerin zu den sprachlich stärksten Lernenden des Kurses zählt, hielten sich stark zurück. Hier ist anzunehmen, dass die besondere Situation durch die Beobachtung einen Einfluss auf die Beteiligung einzelner Lernender hat, auch wenn die Kamera über einen längeren Zeitraum präsent war. I16: 07 Welches Ziel haben Sie mit der Dialogaufgabe zu den picture prompts verfolgt? L Ja spontanes Sprechen. Vielleicht eigene Fantasien mal ausdrücken, obwohl sie Bilder hatten. Das Thema Träume von dem Langston Hughes Film wieder aufgreifen. Es war wirklich so, dass sie spontan ihre Ideen dazu äußern konnten. Es gab nichts Richtiges und nichts Falsches. Sie hätten auch sagen können, was sie sich erträumt haben als Kinder und das wäre auch eigentlich ganz gut gewesen. ≠ ≠ I Würden Sie etwas anders machen? L 16: 08 Ja bestimmt. Ich muss darauf achten, wenn ich Think Pair Share mache, dass ich auf stringente Zeitangaben achte und klare akustische Signale bei den Übergängen verwende. Es macht mich nervös, wenn so ein Chaos entsteht. Da möchte ich mehr Disziplin haben. Ich würde dafür sorgen, dass es strukturierter ist und die Think -Phase mehr berücksichtigt wird. Ich finde sie ist wichtig, meist kommt sie aber zu kurz und die Schüler beginnen gleich mit dem Sprechen. = ≠ [Dialogisches Sprechen - Aufgabe] Nach ihren didaktischen Zielen zu der dialogischen Sprechaufgabe mit den Bildimpulsen befragt, antwortet die Lehrerin, dass das Hauptaugenmerk auf dem spontanen Sprechen gelegen habe. Inhaltlich sollte dies anhand des Themas „Träume“ vollzogen werden, welches den Lernenden aus dem in der vorherigen Einheit geschauten Film vertraut ist. Dabei wird deutlich, dass es der Lehrerin nicht um das kommunikative Problemlösen im Rahmen eines dialogischen Aufgabenformats gegangen ist, sondern vielmehr um die sprachliche und inhaltliche Rekapitulation eines Themenfeldes. Im Vorgespräch betonte die Lehrerin allerdings auch, dass das regelmäßige Wiederholen von Prüfungsformaten Bestandteil ihrer Unterrichtsplanung sei. Die Rückfrage bezüglich der didaktischen Schwerpunktsetzung hat zum Ziel, Auffälligkeiten aus der Datenanalyse zu den Aussagen der Lehrerin in Bezug 272 6 Analyse von Unterrichtsdaten: Grundkurs Klasse 12 6.6 Retrospektives Interview mit der Lehrkraft (RiL) 273 zu setzen. So fiel beispielsweise auf, dass in der Aufgabenerteilungsphase der eigentlichen Sprechsituation zu wenig Wichtigkeit beigemessen wurde. Dass die Lehrerin offenbar den Schwerpunkt auf das Thema des Gesprächs und weniger auf das Genre gelegt hat, kann eine mögliche Erklärung dafür liefern. Dass die Lehrerin zudem selbst in der Reflexion die Anforderung an die Lernenden anders definiert als die auf dem Arbeitsblatt formulierte Aufgabe, untermauert dies noch (≠). Sie betont, die Lernenden hätten auch über ihre eigenen Träume sprechen können und es gebe „nichts Richtiges und nichts Falsches.“ Dies ist insofern vage, als dass es vernachlässigt, dass die Aufgabe mit den Bildern zumindest eine Richtung vorgibt. Dass in den Schülerdialogen Verständnisprobleme auftreten, wenn Lernende die Perspektiven mischen, konnte exemplarisch aufgezeigt werden. Würde die Lehrerin die Aufgabe erneut durchführen, so würde sie auf stringentere Zeitvorgaben in der Think-Pair-Share -Phase achten. Die Think- Phase komme meist zu kurz, obwohl sie im Zuge der Ideenfindung eine wichtige Funktion habe. Dieser Eindruck lässt sich anhand der Datenanalyse nicht bestätigen (≠). Zwar hat sich die Lehrerin, wie sie auch moniert, in der Umsetzung nicht genau an die in der Aufgabenerteilungsphase erwähnten Zeitvorgaben gehalten und die Vorbereitungsphase insgesamt verkürzt (=), allerdings haben die Lernenden diese nicht von selbst beendet (≠). Vielmehr hat sich herausgestellt, dass die Lernenden von einer Pair- Phase vor der eigentlichen Sprechaufgabe profitiert hätten, um Argumente austauschen und sich gezielter mit der eigentlichen Sprechaufgabe auseinandersetzen zu können. Die Lehrerin hat diesen Vorschlag während der Aufgabenerteilung auch angebracht, jedoch nicht verbindlich durchgesetzt. So kam es, dass von den untersuchten Schülerpaaren niemand diese Möglichkeit wahrgenommen hat. Einige wenige Lernende sind allerdings bereits vor der Sprechaufgabe in den Austausch getreten, was bei der Lehrerin einen chaotischen Eindruck hinterlassen haben muss. Die Analyse zeigt in Kombination mit der Retrospektive hier auf, dass Probleme in der Aufgabendurchführung von der Lehrkraft zwar erkannt, aber nicht immer schlüssig interpretiert werden. Da die Lehrerin das Problem an einer anderen Stelle vermutet, würde sie im nächsten Durchgang ein falsches Zahnrad im komplexen Aufgabengefüge modifizieren und letztlich das Problem nicht lösen. Verschlechtern würde sie den Prozess durch eine konsequentere Einhaltung von zeitlichen Vorgaben und Strukturen allerdings auch nicht. I16: 16 Wie würden Sie die Präsentation zur Harlem Renaissance reflektieren? L Erstens muss ich sagen, dass ich recht selten gute Referate erlebe. Oft wird irgendetwas aus dem Internet kopiert und dann schlecht vorgelesen. Und die Schüler hören überhaupt nicht zu. S1 hat schon seine sprachlichen Probleme, aber für einen Grundkursschüler finde ich es stark, wie er die Aufmerksamkeit behalten konnte. Und er hat schon kommuniziert auf eine Art, die verständlich war. Ich war begeistert. Die Fragen, die er vorbereitet hatte, hat er schon mit eingebaut. = = I Welchen Input hat er von Ihnen bekommen? L 16: 17 Ich habe lediglich gesagt, dass er ein Referat zur Harlem Renaissance halten soll. Er hat das alles selbst gemacht. Ich sagte: Maybe you can do a presentation on the Harlem Renaissance . Ich habe ihm keine Unterthemen und nichts gegeben. Umso begeisterter war ich über den Inhalt. Ja das war irgendwie sprachlich: Also ich hätte mir gewünscht, dass, wenn er schon mal ein Gedicht vorliest, dass er das richtig übt. Trotzdem, dass er sich das traut, ein Gedicht einzubauen. Ich fand die Idee ganz gut. = I Wie stehen Sie generell zu Präsentationen und Referaten im Englischunterricht? L 16: 18 Zeitverschwendung. Ich musste ihm eine Klausurersatzleistung geben. Oft ist so etwas leider Zeitverschwendung. Ich würde mir wünschen und vielleicht werde ich das auch mal durchsetzen im nächsten Schuljahr, wenn sie etwas lockerer sind, dass jeder Schüler ein Referat hält. Im Leistungskurs würde ich immer ein Referat geben. Es kommt ja auch darauf an, wie viel Zeit man hat. I Warum halten Sie es für Zeitverschwendung? L Weil ich so oft erlebt habe, dass sie nicht so gut sind. Weil ich das Gefühl habe, dass sie so oft etwas vorstellen, was sie selbst nicht richtig verstehen. Und dann geht das da rein und da raus. Auch bei den Mitschülern. Es kommen keine Nachfragen und sie sind nur froh, wenn es vorbei ist. Um das Interesse zu steigern habe ich es früher oft gemacht, dass fünf Leute ein Referat beurteilen müssen und beim nächsten dann wieder andere. Das hilft ganz gut bei der Bewertung, dass die Schüler das auch einschätzen. Dann haben sie auch einen Maßstab für ihre eigenen Präsentationen. 274 6 Analyse von Unterrichtsdaten: Grundkurs Klasse 12 6.6 Retrospektives Interview mit der Lehrkraft (RiL) 275 I16: 19 Weichen die Einschätzungen der Schüler stark von Ihren eigenen ab? L Ich finde es ist wie bei der mündlichen Selbsteinschätzung. Wenn sie sich selbst einschätzen, sind sie oft sehr bescheiden. Habe ich oft schon erlebt, dass ich sie sogar ein bisschen besser einschätzen würde als sie sich selbst. I Ist das auch so, wenn sie die anderen beurteilen sollen? L Es war schon okay. Irgendwie konnte man einen Mittelweg finden. [Harlem Renaissance und Referate] Die Lehrerin bewertet die monologische Schülerleistung positiv. S7 habe sprachliche Probleme, sei aber dazu in der Lage, die Aufmerksamkeit des Publikums zu erhalten und kommunikativ erfolgreich zu sein. Wie auch die Datenanalyse bestätigt, führen die zahlreichen Verstöße in der Kategorie Korrektheit nicht zu Korrelationen mit dem Inhaltsbezug. Durch die Verwendung einer Powerpointpräsentation und die Implementierung verschiedener Texte und Bilder (z. B. Lied, Gedicht) und durch die interaktiven Passagen gelingt der von der Lehrerin gelobte Adressatenbezug (=). Die Lehrerin zeigt sich von der Tatsache, dass S7 die Präsentation inhaltlich und strukturell selbst gestaltet hat, begeistert. Die Idee, das Gedicht einzubauen und diskutieren zu lassen gefällt ihr, allerdings kritisiert sie die schlechte Vorbereitung des Vortragens des Gedichtes, welche in einer Reihe von Betonungsfehlern resultierte (=). Zunächst scheinen die Aussagen der Lehrerin zur Lernwirksamkeit von Referaten ambivalent. Sie beschreibt sie als „Zeitverschwendung“, merkt aber gleichsam an, dass sie im kommenden Schuljahr auch im Grundkurs durchsetzen möchte, dass jede/ r Lernende eine Präsentation hält. Auf Nachfrage hin führt sie allerdings aus, dass diese Klassifizierung ein Resultat schlechter Vorerfahrungen darstellt. Sie habe schon viele schlechte Referate gehört, bei denen Lernende „etwas vorstellen, was sie selbst nicht richtig verstehen“ oder einfach Inhalte aus dem Internet „kopieren und schlecht vorlesen.“ Solche Referate seien weder für den Präsentierenden noch für die Zuhörenden interessant. Sie erkennt aber auch die Potenziale des Formats, auch wenn sie diese nicht explizit aufführt. Aus ihren Ausführungen kann geschlossen werden, dass sie so gestaltet sein müssen, dass Präsentierende die Themen gezielt vorbereiten und so darbieten, dass sie sich die Aufmerksamkeit der Mitlernenden sichern. Sie bringt Peer- Feedback als Vorschlag an um zu gewährleisten, dass die Aufmerksamkeit der Zuhörenden höher ist. Zudem liefere dieses einen Maßstab und eine Orientierung für die Qualität der eigenen Präsentation. Es wird aber auch deutlich, dass Lernende es erst lernen müssen, die eigene und die fremde Sprechleistung richtig zu beurteilen. I16: 21 Wird Aussprache in ihrem Englischunterricht auch geübt? L Ich übe Aussprache im Unterricht selten. So wie practical phonetics . Ich finde die Bücher legen auch wenig Wert darauf. Hin und wieder gehe ich auf so Aspekte ein wie where/ were und das th. Ich bin nie in den Jahrgängen 5 und 6 eingesetzt, wo das th geübt wird. Bei who, how und so handelt es sich um Wörter, wo man es wirklich missverstehen kann, wenn man es nicht richtig ausspricht. Ich finde generell, dass deutsche Schüler, wenn sie Englisch sprechen lernen wollen, auf ein sehr gutes Ausspracheniveau kommen können. Ihr Englisch ist besser als mein Deutsch. Wenn sie aus dem Ausland zurückkommen und man erkennt wo sie waren. Das ist Wahnsinn. Ich staune, wie gut deutsche Schüler Englisch sprechen können. = [Fehlerkorrektur und Ausspracheschulung] Was die Ausspracheschulung angeht, so scheint sie, wie auch der Lehrer aus der Fallstudie in Kapitel 5, davon auszugehen, dass sich die englische Aussprache modular zu einem festgelegten Zeitpunkt schulen ließe. Die Betonung von thsounds werde in der fünften und sechsten Klasse trainiert, weswegen sie damit wenig in Kontakt komme. Es ist auffällig, dass der Großteil der im Rahmen dieser Studie befragten Lehrkräfte die Ausspracheschulung als Teilelement der Sprechkompetenz begreift, der in der Sekundarstufe I zu fokussieren sei und danach nicht mehr. Studien zum Spracherwerb postulieren jedoch, dass es sich um einen langfristigen Prozess handelt und manche Strukturen, die von Lehrkräften als sehr einfach wahrgenommen werden, erst spät erworben werden. (Pienemann et al. 1988, Ellis 1995, Ellis & Shintani 2014). Es liegt der Schluss nahe, dass in der Lehrerbildung mehr Gewicht auf dem Vermitteln der Komplexität der Sprechkompetenz liegen sollte, denn nur wenn Lehrer die Sprechkompetenzentwicklung als Prozess verstehen, können sie damit einhergehende Variablen wie Sprechzeit und Fehlerkorrektur bzw. Fehlertoleranz richtig beurteilen und Aufgabenformate effektiver gestalten. 276 6 Analyse von Unterrichtsdaten: Grundkurs Klasse 12 6.7 Fazit der beiden Fallstudien 277 6.7 Fazit der beiden Fallstudien Die Fallstudie zum dialogischen Sprechen hat einige Erkenntnisse in Bezug auf die in Kapitel 3 angeführten Forschungsfragen geliefert: - Die obligatorische Verankerung von Sprechprüfungen in den Schulcurricula führt in diesem Fall zu einem gesteigerten Bewusstsein der Lehrkraft für die Relevanz des Übens solcher Formate im regulären Unterricht - Die Sprechaufgabe in der Fallstudie ist ein typisches Format, das auch zu Evaluationszwecken in mündlichen Prüfungen verwendet werden kann. Es fordert die Lernenden auf, sich zunächst inhaltlich und sprachlich auf eine authentische Sprachhandlungssituation vorzubereiten und diese dann mit einem Partner gemeinsam zu bewältigen. Eine kommunikative Problemlösung stand bei der Aufgabe der Fallstudie jedoch nicht im Fokus. - Die Vorbereitung der Aufgabe erfolgte stark bezogen auf die Erarbeitung sprachlicher Mittel. Die Lehrerin verwendete viel Zeit auf die in der support box gelisteten Begriffe und wie diese sprachlich umzusetzen sind (Wiederholung Gerund). Die scaffolding- Option, dass sich die Lernenden vor dem eigentlichen Dialog und nach dem Anfertigen von Notizen zu den Schritten 1 und 2 mit einem Mitschüler austauschen, der denselben Protagonisten vorbereitet hat, erscheint didaktisch sinnvoll. Allerdings wurde dies von der Lehrerin nicht verbindlich gefordert, sondern nur als Möglichkeit angeführt. Entsprechend wurde die Idee von den in der Fallstudie untersuchten Paaren überhaupt nicht angenommen und konnte die Sprechleistungen nicht positiv beeinflussen. - Die Aufarbeitung der Dialoge erfolgte zunächst recht formbezogen und hob insgesamt zu wenig auf die Inhalte und die eigentliche Sprechsituation ab. Es ist eine geringe Schülerbeteiligung zu verzeichnen und es fehlte an Feedback auf die eigentliche Sprechleistung in Abhängigkeit des Genres, das die Aufgabe vorgibt (vgl. Hallet 2014) - Die Betrachtung der Beispieldialoge hat gezeigt, dass die Lernenden gezielter auf die eigentliche Sprechsituation vorbereitet werden müssen. Auch die Abfolge der Aufgaben auf dem Arbeitsblatt hätte gemeinsam besprochen werden müssen. Die Schülerpaare mussten zunächst die eigentliche Aufgabe klären und hatten überdies Probleme damit, die Authentizität des geforderten Szenarios sprachlich herzustellen (unvermittelter Beginn, kaum Smalltalk, Rollenkonflikte) - Auf sprachlicher Ebene wurde die Aufgabe von den Schülerpaaren sehr unterschiedlich gelöst. Da die in der Aufgabe eingeführte Sprachhandlungssituation auf den Austausch von Träumen und Sehnsüchten und den Vergleich von Kindheitsträumen mit den Wünschen eines nun erwachsenen Protagonisten abzielt, ist sie nicht problemlösungsorientiert und in der Länge sehr variabel. Die Ausführlichkeit der Schülerdialoge ist daher auch recht unterschiedlich. Das erste Schülerpaar tauscht lediglich nacheinander die Argumente aus und geht kaum aufeinander ein. Dies ist beim zweiten Schülerpaar anders. Der komplette zweite Teil des Dialogs stützt sich nicht mehr auf die Notizen und konstruiert sich spontan während der Sprechsituation. Hierbei zeigen sowohl S5 als auch S6 viel Kreativität und sprachliche Flexibilität. Es wird aber an den Daten auch ersichtlich, dass spontan produzierte Sprache fehleranfälliger ist, wenngleich der Inhaltsbezug, zumindest in dem Beispiel der Fallstudie, nicht verloren geht. Dies ist beim dritten Schülerpaar anders. S8 macht eine Reihe sprachlicher Fehler, die auch teilweise die Verständlichkeit des Gesagten verhindern. Im Vergleich zum Dialog von S5 und S6 wird hier schnell der Abschluss des Gesprächs gesucht und kein Risiko eingegangen, weitere Fehler zu machen. - Der Einfluss der Notizen konnte anhand der Fallstudie nachvollzogen werden. Es ist sehr unterschiedlich, wie stark sich die vorbereitende Schriftlichkeit auf den Dialog auswirkt. Manche Schüler halten sich zunächst sehr stark an die Vorlage, beweisen dann aber im Verlauf des Dialogs, dass dies nicht unbedingt ein Zeichen für sprachliche Unsicherheit sein muss (S5). Andere Schüler stützen sich sehr wenig auf die Notizen, und machen recht viele Fehler (S4). Eine Hypothese, die aufgrund der Fallstudie aufgestellt werden kann, bezieht sich auf das Verhältnis von Notizen und der Reflexion der eigenen Sprachproduktion: Es macht den Anschein, dass die Häufigkeit mit der Lernende Fehler aus den Notizen unreflektiert übernehmen steigt, je stärker die Sprache auf den Notizzetteln ausformuliert ist. In der Fallstudie hat sich gezeigt, dass Schüler ihre Fehler aus den Notizen teilweise verbessern, wenn die Aufgabe es erfordert, die Notizen zu überdenken oder sprachlich abzuwandeln. Umgekehrt ist es aber auch vorgekommen, dass die Lernenden Aspekte, die in den Notizen sprachlich fehlerfrei enthalten waren, in der Sprechsituation dennoch falsch produzierten. Dies ist eher der Fall, wenn die Notizen seltener verwendet werden. In diesem Licht ist der Hinweis der Lehrerin And I would try to write nice sentences in der Vorbereitung einer Sprechaufgabe eher kritisch zu sehen. Die Fallstudie zum monologischen Sprechen hat aufgezeigt, dass der Verzicht auf Notizen während des Vortrags sich besonders auf der syntaktischen Ebene der Sprechleistung bemerkbar macht. Wie auch in den anderen Fallstudien zum monologischen Sprechen, zeigt die Schülerleistung Auffälligkeiten im Bereich Register. Es scheint Lernenden umso schwerer zu fallen, während 278 6 Analyse von Unterrichtsdaten: Grundkurs Klasse 12 6.7 Fazit der beiden Fallstudien 279 einer Präsentation dauerhaft in einem angemessenen sprachlichen Register zu verbleiben, je höher die spontansprachlichen Anteile sind. Auch diese Studie offenbart die Unterschiedlichkeit der Anforderungsbereiche, die die Aufgabe stellt. Das Hauptaugenmerk liegt auf der angemessenen Aufarbeitung und Vorstellung eines inhaltlichen Sachverhaltes in der Zielsprache. Mit den genretypischen Anforderungen sind die Lernenden durch Vorerfahrungen vertraut, was sich sowohl in der Struktur der Sprechleistung (Adressatenbezug, Inhaltsbezug) als auch in den retrospektiven Interviews (Kriterien gute Referate) zeigt. Der zweite Teil der Aufgabe besteht aber darin, eine Impulsdiskussion auf Basis der Präsentation anzuregen und zu moderieren. Hier offenbaren sich auf Seiten der Lernenden größere Schwierigkeiten. In dieser Fallstudie wird von dem Schüler ein zu anspruchsvoller Inhalt gewählt, der den Mitschülern nicht schnell genug zugänglich ist, sodass die Beteiligung trotz offener Fragestellung sehr gering bleibt. Anders als die Präsentierenden in den anderen beiden Fallstudien, scheint der Schüler in dieser Studie mit den an ihn gestellten Anforderungen während der Diskussion besser zurechtzukommen. Es gelingt ihm, Beiträge inhaltlich aufzugreifen und seiner Expertenrolle gerecht zu werden, indem spontan Zusatzinformationen geliefert werden. Auch in dieser Fallstudie bleibt die Rückmeldung durch die Lehrkraft auf die gezeigte Sprechleistung aus, was insbesondere vor dem Hintergrund verwundert, dass es sich um eine Klausurersatzleistung handelt. Ebenfalls abweichend ist die Qualität der Anschlussdiskussion. In diesem Fallbeispiel gelingt es der Lehrerin, durch gezieltes Aufgreifen einzelner Aspekte der Präsentation ( Great Migration, Industrial Revolution ), eine weiterführende Diskussion zu initiieren und die Relevanz der Inhalte für die Lernenden transparent zu machen. 7 Erkenntnisse und Hypothesen Die vorliegende Studie hat sich mit der übergeordneten Forschungsfrage beschäftigt, wie im Englischunterricht der gymnasialen Oberstufe Sprechkompetenz in monologischen und dialogischen Aufgabenformaten gefördert wird. Dabei zielte sie auf die Herausstellung von Faktoren ab, die sich in diesem Zusammenhang als besonders dienlich oder aber als problematisch erweisen. Die gewählte Forschungsmethodik gestattete eine dichte Beschreibung des Gegenstandsbereichs und ermöglichte es, Aufgabenformate unter besonderer Beachtung ihrer Komplexität zu untersuchen. Auf diese Weise konnten sämtliche Aufgabenphasen, der zugrundeliegende Input, die unterrichtliche Einbettung der Aufgabe wie auch die Perspektiven der Lehrenden und Lernenden berücksichtigt werden. In diesem Kapitel sollen nun die Erkenntnisse der Studie zusammengeführt und diskutiert werden. Dies geschieht entlang verschiedener Schwerpunkte, die sich im Verlauf der Analyse als wiederkehrend und somit als relevant erwiesen haben. Die Abfolge, in der die Schwerpunkte hier diskutiert werden, ist angelehnt an die Progression einer Sprechaufgabe im Unterrichtsverlauf. Zunächst wird der Blick auf den Input und die Aufgabenstellung gerichtet, dann werden Aufgaben- - und Problemlösungsprozesse in der Erarbeitungsphase und der Präsentationsphase thematisiert und auf Basis dessen Erkenntnisse hinsichtlich Aufgabenkonzeption und Durchführung abgeleitet. Abschließend werden noch die Aufarbeitung der Sprechleistungen sowie das Feedback auf diese ausgeführt. Das Kapitel schließt mit einer Auflistung von Hypothesen, die sich aus den Erkenntnissen ableiten lassen und die Grundlage für weitere Forschung in diesem Feld liefern. 7.1 Bedeutung des Inputs und der Aufgabeninstruktion In allen Fallstudien hat sich der den Aufgaben zugrunde liegende Input, zu welchem die Aufgabeninstruktion, das sprachliche und inhaltliche Scaffolding, die Texte und Materialien sowie die gewählten Inhalte zu zählen sind, als maßgeblich für die Bearbeitung dieser durch die Lernenden herausgestellt. In der Pilotstudie bestand die Aufgabe der Lernenden darin, eine Talkshow zur Thematik Todesstrafe in den USA vorzubereiten und diese dann im Unterricht selbstgesteuert durchzuführen. Auch wenn es sich bei einer Talkshow um ein sprachliches Genre handelt, das den Lernenden aus der eigenen Lebenswelt vertraut ist, hatten sie Schwierigkeiten damit, die komplexe und aus ethischer Perspektive diffizile sowie kontroverse Thematik zu diskutieren. Es hat sich gezeigt, dass die didaktischen Entscheidungen des Lehrers im Vorfeld der Aufgabe bereits dazu geführt haben, dass in der Bearbeitungs- und Präsentationsphase auf Seiten der Lernenden Probleme aufgetreten sind. Die Abkehr von der Romanvorlage To Kill a Mockingbird, die in den vorherigen Stunden Unterrichtsgrundlage war, hat sich in diesem Fall als problematisch erwiesen. Die Entscheidung gegen die Gerichtsverhandlung als Zielgenre der Sprechaufgabe begründet der Lehrer retrospektiv mit einer Erleichterung für die Lernenden. Diese seien mit den Rollen aus der Romanvorlage überfordert gewesen und auch die Thematik (Diskriminierung vor Gericht, Ungerechtigkeit des Justizsystems) sei schülerferner als eine Talkshow zu einem aktuellen Thema wie der Todesstrafe in den USA. In der Fallstudie hat sich aber gezeigt, dass die Schüler dennoch große Schwierigkeiten mit dem Format und der Thematik hatten. Die Analyse hat transparent gemacht, dass die Lernenden kaum Input erhalten haben, der ihnen eine gezielte Vorbereitung auf die Sprechphase ermöglicht hätte. Der Lehrer belässt es bei einer Frontalphase, in der die Rollen sehr spontan kreiert werden und bei einer anschließenden Internetrecherche. Die Lernenden müssen sich im Rahmen dieser Aufgabe auf Rollen vorbereiten, deren Relevanz im Verlauf der Diskussion vom Lehrer nicht im Vorfeld durchdacht wurde, und die eine Perspektivenübernahme schwer gestalten (z. B. Henker, rassistische Polizistin, Bruder eines Vergewaltigungsopfers), wenn sie nicht durch konkrete Situationen (z. B. Texte) emotional zugänglich gemacht werden. In diesem Zusammenhang erscheint es umso problematischer, dass sich der Lehrer gegen die Romanvorlage entschieden hat. Diese hätte sich zwar nicht angeboten, um das Zielgenre Talkshow vorzubereiten, hätte den Lernenden aber bekannte Charaktere zur Verfügung gestellt, die sie bereits im Unterricht und durch ihre Lektüre kennengelernt haben, und deren Perspektiven sie leichter hätten übernehmen können. Nicht nur zur Erleichterung der Perspektivenübernahme hätte sich die Romanvorlage als dienlich erwiesen. Auch sprachlich hätte sie den Lernenden eine Orientierung gegeben, um sich zu den Themen zu äußern, die im Zusammenhang der Aufgabe von Relevanz sind. Die Romanvorlage hätte somit als zusätzliches sprachliches Scaffolding dienen können. Ein solches gab es allerdings in der Sprechaufgabe auch an keiner anderen Stelle. Es fehlten außerdem konkrete Vorgaben zur Vorbereitung der Rollen. Die Lernenden kannten lediglich das Thema der Talkshow und ihre jeweilige Rolle. Es hätte sich als zielführend erwiesen, den Lernenden die Leitfragen der vorzubereitenden Diskussion im Vorfeld transparent zu machen. Insbesondere in der Moderatorenrolle hat sich gezeigt, dass das eigene Vorwissen der Lernenden zum Genre Talkshow alleine nicht ausreicht, um dieses Format in der Unterrichtssituation problemlos umzusetzen. Dies erfordert umfangreiche Vorbereitung sämtlicher an der Talkshow 282 7 Erkenntnisse und Hypothesen beteiligten Rollen und ausgeprägte Kompetenzen in der Gesprächssteuerung, die in der beobachteten Situation nicht gegeben waren (vgl. Kapitel 7.3). Es lässt sich für die Pilotstudie resümieren, dass der Input eine wesentliche Rolle bei der Planung und Durchführung von Sprechaufgaben in der gymnasialen Oberstufe spielt. Die Analyse liefert in diesem Zusammenhang ein negatives Beispiel anhand dessen sich aufzeigen lässt, wie sich Defizite in diesem Bereich auswirken und wie Probleme entstehen. Wie in Kapitel 2.6.4 geschildert, besteht die Relevanz des Inputs darin, die Lernenden zu motivieren, einen Zugang zur Thematik und zur Situation zu schaffen, ein inhaltliches und sprachliches Gerüst zu liefern und auf diese Weise eine Sprachhandlung zu ermöglichen. Der Lehrer lässt die Lernenden mit einer inhaltlich komplexen und sprachlich überaus anspruchsvollen Aufgabe alleine und verlässt sich auf die Vertrautheit der Lernenden mit dem Genre des Sprechformats. Der Input ist auf ein Minimum reduziert (Genre, Rolle, Thema), wodurch die Aufgabe für die Lernenden eher abstrakt verbleibt. Sprachliche Vorentlastung findet überhaupt nicht statt und auch auf der gesprächsstrukturellen Ebene sind die Lernenden auf sich alleine gestellt. Der Input ist allerdings auch Grundlage dafür, eine psycholinguistische Passung der Aufgabe zu gewährleisten. Dies ist in der Fallstudie ebenfalls nicht geschehen. Die Aufgabenstellung ist zu allgemein gehalten und überlässt es dem Zufall oder der Gewissenhaftigkeit der Lernenden, die nötigen Wissensspeicher zu aktivieren (vgl. Levelt 1999). Es geschieht weder ein gezieltes Aktivieren von Vorwissen, noch der für die Sprachproduktion relevanten Speicher ( mental lexicon, syllabary ). Auch die Fallstudie „ Cartoons HIV in South Africa “ stellt in diesem Zusammenhang ein eher negatives Beispiel dar. Der Lehrer verzichtet auf eine inhaltliche Vorentlastung der Aufgabe und verlässt sich darauf, dass die Lernenden die Cartoons unter Zuhilfenahme ihres Vorwissens und auf Basis derer textuellen und gestalterischen Merkmale interpretieren können. Dabei wird inhaltliches Vorwissen nicht durch eine vorgeschaltete Aufgabe reaktiviert (z. B. Brainstorming), sondern als vorhanden vorausgesetzt. Wie sich in der Analyse herausgestellt hat, führen die fehlenden Kenntnisse der gesellschaftspolitischen Situation, die in den Cartoons behandelt wird, in sämtlichen Schülergruppen zu Problemen. Die gegebenen Informationen beschänken sich auf die Namen und die Funktion von beteiligten Politikern, sind aber nicht ausreichend, um die gestellte Aufgabe zu bewältigen. Auch das Referat zum Thema HIV in South Africa , welches die Lerngruppe im Vorfeld der Aufgabe gehört hat, bereitet inhaltlich nicht auf die gestellten Anforderungen vor. Es wäre aus Sicht des Lehrers sinnvoll gewesen, die nötigen Hintergrundinformationen gemeinsam mit den Lernenden zu erarbeiten bevor sie sich mit den Cartoons befassen. Es hat sich überdies gezeigt, dass die Cartoons die Lernenden auf mehreren Ebe- 7.1 Bedeutung des Inputs und der Aufgabeninstruktion 283 nen überfordert haben. Neben den inhaltlichen Schwierigkeiten, die wie weiter oben erwähnt, hauptsächlich auf fehlendes Hintergrundwissen zurückzuführen sind, ergaben sich auch Probleme mit dem sprachlichen Verständnis der kurzen Texte auf den Cartoons. Da die Lernenden im Zusammenhang der Aufgabe wichtige Begriffe wie antiretroviral, comrade und rollout nicht kannten, verursachten diese bei der Interpretation Schwierigkeiten und wurden zwar teilweise recherchiert, aber selbst dann nicht immer verstanden. Inhaltliches und sprachliches Wissen sind hier eng vernetzt. Wenn den Lernenden der inhaltliche Zusammenhang unklar ist, wirkt sich dies auch hin und wieder negativ auf das sprachliche Verständnis aus. Der Lehrer könnte während der Bearbeitungsphase als Ressource zur Klärung herangezogen werden, allerdings macht nur eine Schülergruppe davon Gebrauch. Die anderen entscheiden sich bewusst dagegen und ziehen eine Internetrecherche oder das Risiko einer „falschen“ Lösung dem Konsultieren des Lehrers vor. In der Fallstudie „Dialog mit Bildimpuls“ zeigt sich ebenfalls die Bedeutung des Inputs auf die Aufgabenbearbeitung. Anders als in den anderen Fallstudien legt die Lehrerin hier im Vorfeld der Aufgabe einen starken Fokus auf die Erarbeitung der sprachlichen Mittel, die auf dem Arbeitsblatt angegeben sind. Sie geht die verschiedenen Ausdrücke mit den Lernenden gemeinsam durch, bildet beispielhafte Sätze und übersetzt manche ins Deutsche. Das Vorhandensein eines Arbeitsblattes, das einerseits den Bildimpuls und zudem die Aufgabenstellung sowie sprachliches Scaffolding enthält, wirkt sich positiv auf die Schülerleistungen aus. In den Sprachhandlungen finden sich die erarbeiteten Ausdrücke wieder und mehrere Gruppen klären mithilfe des Arbeitsblattes gemeinsam die Aufgabenstellung, die sie in der Aufgabenerteilungsphase offenbar nicht richtig verstanden haben. In diesem Zusammenhang kann die Analyse aber auch eine Schwäche in ebendieser Phase aufdecken. Die Lehrerin versäumt es, die Aufgabe mit den Lernenden ausführlicher durchzugehen. Sie macht den Zusammenhang der einzelnen Schritte der Aufgabe, die didaktisch sinnvoll erscheinen, nicht transparent genug, sodass die Lernenden sich zwar mit den Bildimpulsen beschäftigt haben und sich Notizen zu diesen gemacht haben, allerdings nicht im Zusammenhang mit der nachfolgenden Sprechaufgabe. Einige Gruppen haben erst unmittelbar vor der Sprechphase gemeinsam festgestellt, worin die eigentliche Sprechaufgabe besteht. Die Notizen können dann zwar spontan auf die Aufgabe bezogen werden, allerdings erfolgte die Vorbereitung ohne Bezug zur Sprechsituation, wodurch diese an Qualität einbüßt. Auch die Sprechsituation als solche hätte die Lehrerin im Vorfeld der Aufgabe klarer ansprechen können. In den Daten zeigen sich einige Passagen, denen es an Genreauthentizität mangelt. Während der Bearbeitungsphase nimmt die Lehrerin die Rolle einer Kellnerin ein und schafft es so, sich einen Überblick 284 7 Erkenntnisse und Hypothesen über die Gespräche zu verschaffen und gegebenenfalls eingreifen zu können. Sie überlässt es den Lernenden, wann sie ihre Gespräche beenden wollen, und bietet ihnen mit I would like to pay eine einfache und authentische Möglichkeit das Ende zu signalisieren. Die Fallstudien konnten die Relevanz des Inputs und der Aufgabenstellung auf die Aufgabenbearbeitung an einigen Beispielen aufzeigen. In den meisten Fällen handelt es sich um Beispiele, die einen Optimierungsbedarf aufdecken. In Unterkapitel 7.6 werden einige Hypothesen aufgeführt, die sich aus den Analysen, die im Rahmen der Studien durchgeführt wurden, ergeben haben. 7.2 Problemlösungsprozesse und Lehrersteuerung während der Bearbeitung der interaktiven Sprechaufgaben In der Pilotstudie wurden die Lernenden vor die Aufgabe gestellt, verschiedene Rollen zu erarbeiten, die sich in der Präsentationsphase an einer Talkshow zum Thema Todesstrafe in den USA beteiligen sollen. Diese Aufgabe ist auf mehreren Ebenen für die Lernenden anspruchsvoll. Sie müssen die Position ihrer Rolle im Kontext der Debatte festlegen und sich passende Argumente überlegen, die ihre Position untermauern. Dazu ist es ebenfalls erforderlich, über den Tellerrand der eigenen Rolle hinaus zu blicken und zu antizipieren, welche Argumente die Mitschüler anbringen werden, deren Rollen der gegensätzlichen Position (Pro oder Contra) zugehörig sind. Sie müssen entsprechend selbst gute Argumente finden, die Schwachstellen der eigenen Argumentation im Vorfeld aufdecken und sich auf eine Attacke der Gegenseite einstellen, sowie selbst gezielt Angriffe auf schwache gegnerische Argumente vorbereiten. Die Komplexität der zugrundeliegenden Aufgabe macht eine umfangreiche Vorbereitung unabdingbar, die weit über die Kenntnisse der eigenen Position und das Brainstormen und Niederschreiben einzelner Argumente für die eigene Rolle hinausgeht. Desweiteren ist diese Aufgabe in der Fremdsprache zu absolvieren, was ihren Anspruch noch erhöht und auch diesbezüglich Vorbereitung bedarf. Es geht nicht nur darum, die Argumente, Schwachpunkte und Gegenargumente zu finden bzw. zu erkennen, sondern auch darum, dies in der Zielsprache Englisch zu realisieren. Die Datenanalyse hat aufgezeigt, wie es bereits in 7.1 aufgegriffen wurde, dass der Lehrer die kognitiven und sprachlichen Anforderungen der Aufgabe stark unterschätzt hat und durch den Verzicht auf Scaffolding jeglicher Art die Lernenden mit dieser komplexen Problemstellung weitgehend alleine gelassen hat. Die Lernenden sind die Aufgabenvorbereitung, auch aufgrund fehlender Vorgaben, entsprechend sehr unterschiedlich angegangen. In sämtlichen Fällen 7.2 Problemlösungsprozesse und Lehrersteuerung 285 286 7 Erkenntnisse und Hypothesen diente die Internetrecherche als Hauptquelle der Argumentfindung. Die Verschiedenheit der Rollen hat sich ebenfalls als Stolperstein erwiesen. Während es den Lernenden leichter gefallen ist, Rollen zu erarbeiten, die auf Grundlage politischer oder ethischer Position argumentieren (demokratischer/ republikanischer Politiker, Menschenrechtsaktivistin), gestaltete sich die Vorbereitung für die Lernenden umso schwieriger, deren Rollen eher emotional geleitet argumentieren müssen (z. B. Vater eines zu Unrecht hingerichteten Mannes, Bruder eines Vergewaltigungsopfers, rassistische Polizistin). Diese hatten, so zeigte es auch die retrospektive Reflexion in den Schülerinterviews, Schwierigkeiten mit der Perspektivübernahme, was sich in einer sehr oberflächlichen Vorbereitung manifestiert hat. Die Rolle des Henkers nimmt in diesem Zusammenhang nochmals eine Sonderstellung ein. Diese war dem Schüler überhaupt nicht zugänglich und gestattete, aus seiner Sicht, nur das Anbringen eines möglichen Arguments, nämlich das der eigenen Arbeitslosigkeit im Falle einer Abschaffung der Todesstrafe, welches seine Seite in der Debatte nicht vorangebracht, sondern eher noch angreifbarer gemacht habe. Die Schwierigkeit der Rolle besteht in der Tat darin, dass sie stark von der argumentativen Stärke des Lernenden, der sie einnehmen muss, abhängt, da sie eine leere Projektionsfläche darstellt, die selbst keine Position vorgibt (auch ein Henker kann gegen die Todesstrafe argumentieren) und kaum rollenspezifische Vorbereitungsmöglichkeiten bietet. Sie ist somit noch anspruchsvoller einzunehmen und erfordert noch mehr Kreativität und argumentative Stärke als andere Rollen, die klarer umrissen sind. Der Lehrer äußerte retrospektiv, dass er auf diese Rolle in künftigen Aufgaben verzichten würde, da sie sich als schwierig erwiesen habe, konkretisiert dies aber nicht. Die kognitiv und sprachlich anspruchsvollste Rolle ist die des Moderators der Talkshow. Er muss sämtliche Rollen und Argumente kennen, eine klare Struktur der Talkshow erarbeiten und in der Durchführung umsetzen, Neutralität wahren und Fragen an alle Beteiligten vorbereiten. Mit der Qualität der Moderation steht und fällt die Qualität des gesamten Formats. Deswegen ist es gerade diese Rolle, welche die intensivste Vorbereitung bedarf und die meiste Unterstützung erfordert. Hier macht sich die Zurückhaltung des Lehrers, was Scaffolding betrifft, am stärksten bemerkbar. Die Vorbereitung des Moderators ist auffällig oberflächlich ausgefallen. Er hat weder ein klares Konzept für den Ablauf der Show entwickelt noch im Vorfeld die Argumente der anderen Rollen erfragt oder zumindest antizipiert. Dies zeigt sich dann auch in der Präsentationsphase (Kapitel 4.4). Auffällig ist in diesem Zusammenhang auch, dass der Lehrer retrospektiv die Moderatorenleistung positiv herausstellt und folgert, der Schüler habe offensichtlich viel Zeit in die Vorbereitung investiert. Eine Einschätzung, die sich in der Analyse keinesfalls bestätigt und die auch der Lerner 7.2 Problemlösungsprozesse und Lehrersteuerung 287 selbst im Interview widerlegt, als er anführt, dass er sich nicht viel vorbereitet habe, da die Rolle dies, seiner Meinung nach, weniger stark erfordere als diejenigen, die eine klare Position beziehen müssten (vgl. Kapitel 4.6). Insgesamt lässt sich für die Pilotstudie resümieren, dass die Komplexität der zugrundeliegenden Problemstellung zuerst durch die Lehrkraft und, als Spiegel dessen, letztlich auch durch die Lernenden nicht erkannt wurde und die Erarbeitungsphase sehr oberflächlich ausfällt. Sie bleibt damit weit hinter ihrem didaktischen Potenzial zurück und bereitet die genrespezifische Sprechleistung weder inhaltlich noch sprachlich adäquat vor. Die dargestellten Probleme mit den Rollen untermauern zudem das in 7.1 angebrachte Argument, dass die Abkehr von der literarischen Vorlage und der ursprünglichen Aufgabe für die Qualität der Sprechaufgabe abträglich gewesen ist. In der Fallstudie „ Cartoons HIV in South Africa “ müssen die Lernenden kooperativ einen politischen Cartoon interpretieren und auf dessen Kernaussage reduzieren. Dies erfordert auf Seiten der Lernenden Kenntnisse und Kompetenzen in verschiedenen Bereichen. Sie müssen Strategien zur Beschreibung und Interpretation von doppelt kodierten Texten kennen und in der Lage sein, diese auf die gegebene Situation anzuwenden. Zudem benötigen sie umfangreiches gesellschaftspolitisches und landeskundliches Hintergrundwissen, um die Situationen, die in den Cartoons dargestellt werden, zu erkennen und diskutieren zu können. Nicht zuletzt sind rezeptive und produktive sprachliche Kompetenzen erforderlich, um die Texte auf den Cartoons zu verstehen und gemeinsam Bedeutung aushandeln zu können. Anders als in anderen Sprechaufgaben, die im Rahmen der vorliegenden Studie betrachtet wurden, stellt diese hinsichtlich des Formats einen Sonderfall dar. Sie erfordert in der Bearbeitungsphase viel Interaktion, zielt aber auf eine monologische Sprechleistung-- eine Zusammenfassung und Deutung-- des Cartoons ab. Wie bereits in Kapitel 7.1 ausgeführt wurde, mangelte es bei sämtlichen Gruppen an einem oder mehreren dieser Faktoren. Die Aufgabe wurde retrospektiv von vielen Lernenden als schwer empfunden. Das nicht zur Verfügung stehende Vorwissen führte bei manchen Gruppen zu der Schlussfolgerung, dass mehrere Lösungsansätze möglich seien und die Aufgabe auf ein Spekulieren abziele. Die Lernenden stellen in den Interviews selbst fest, dass ihre Probleme mit der Aufgabe hauptsächlich in fehlendem inhaltlichem Vorwissen begründet liegen. Die Analyse zeigt, dass dieser Faktor in allen Gruppen wesentlich ist, aber nicht als alleinige Problemquelle herauszustellen ist. Nicht minder schwerwiegend wirkten sich die fehlende sprachliche Vorentlastung und die teilweise wenig zielführende Herangehensweise an die Dekodierung der Cartoons aus. Die Lernenden entwickelten recht unterschiedliche Strategien im Umgang mit der Aufgabe. Manche stellen zunächst eine Bildbeschreibung in den Vordergrund, 288 7 Erkenntnisse und Hypothesen während andere mit einer ungeordneten Aushandlung von problematischen Aspekten (Inhalte, Sprache, Gestaltung) beginnen. Wieder andere stellen ihre verschiedenen Hypothesen direkt zur Diskussion und erarbeiten diese nicht gemeinsam. Diese uneinheitlichen Herangehensweisen zeigen auf, dass die Lernenden im Unterricht wenig Erfahrung mit der Textsorte sammeln konnten und keine Strategien zum Umgang mit dieser erlernt haben. Der Umgang des Lehrers mit den Resultaten gibt Grund zur Annahme, dass die Textarbeit im Kurs mitunter recht oberflächlich ausfällt und gerade darin ein Erklärungsansatz für die Probleme der Lernenden mit der in der Fallstudie beobachteten Aufgabe liegen könnte. Sprachliche Hürden versuchen die Lernenden meist mithilfe von Online-Wörterbüchern zu überwinden, sind dabei aber in vielen Fällen nicht erfolgreich. Nur eine Gruppe wendet sich direkt an den Lehrer und erhält eine Erklärung, die die Diskussion voranbringt. Insgesamt wird die Möglichkeit, den Lehrer zu konsultieren, von den Lernenden gemieden und eine eigenständige Recherche vorgezogen. Dies begründen die Lernenden damit, dass sie davon ausgehen, der Lehrer erwarte, dass sie die Ausdrücke bereits kennen oder sie sich selbst erschließen können. Die Angst vor einer negativen Einschätzung der eigenen Fähigkeiten durch den Lehrer überwiegt und führt dazu, dass die Schüler lieber spekulieren statt nachzufragen. Auf Seiten des Lehrers sendet dies offenbar falsche Signale, denn dieser erkennt retrospektiv keine Probleme mit der Aufgabe und hat den Eindruck gewonnen, diese sei den Lernenden leicht gefallen. Insgesamt betrachtet muss auch für diese Fallstudie resümiert werden, dass die Lernenden auf eine anspruchsvolle Aufgabe nicht ausreichend vorbereitet wurden und verschiedene Strategien angewandt haben, mit diesem Umstand umzugehen, und die Aufgabe dennoch zu lösen. Ein sehr zurückhaltender Lehrer, der nur bei Bedarf als Ressource zur Verfügung stand, wird hier seiner Aufgabe nicht gerecht, die Sprechsituation zugänglich zu machen und auf die aufkommenden Probleme didaktisch zu reagieren (z. B. durch klare Zielvorgaben, Hilfestellungen, Intervention zur Klärung der politischen Situation). In der Fallstudie „Dialog mit Bildimpuls“ sollen die Lernenden in der Erarbeitungsphase die Rolle eines 45-jährigen Mannes vorbereiten, der sich in einem Treffen mit einem ehemaligen Schulfreund über die Träume und Wünsche aus der Kindheit unterhalten und dabei reflektieren soll, ob und gegebenenfalls wie sich diese gewandelt haben. Zu diesem Zweck sieht die Aufgabenstellung einen Bildimpuls und zwei vorbereitende Tasks vor, die die Lernenden in Einzelarbeit bearbeiten sollen. Zuerst soll in 1.) ein Perspektivenwechsel hergestellt werden und die Gedanken und Gefühle des Kindes auf dem Foto notiert werden und dann in 2.) die Rolle der Aufgabe vorbereitet werden, indem die Lernenden nun die Kindheitsträume zu denen eines nun 45-jährigen Mannes in Beziehung setzen. Diese beiden Teilaufgaben bereiten inhaltlich sehr intensiv auf die 7.3 Interaktive Formate: Erkenntnisse zur Aufgabenkonzeption und Durchführung 289 eigentliche Sprechaufgabe vor. Lediglich hinsichtlich der spontansprachlichen Elemente der zu erwartenden Diskussion geschieht keine Vorentlastung. Selbst beispielhafte sprachliche Mittel zur Realisierung werden auf dem Arbeitsblatt zur Verfügung gestellt und von der Lehrerin in der Aufgabenerteilungsphase ausführlich besprochen. Die Analyse hat aber dennoch offenbart, dass die Erarbeitungsphase nicht optimal auf die Sprechphase vorbereitet hat. Die Fallstudie kann somit aufzeigen, wie wichtig es ist, im Rahmen komplexer Aufgabenstellungen, die auf die Zielkompetenz Sprechen abzielen, den Gesamtzusammenhang der einzelnen Phasen transparent zu machen. Die Lernenden haben die einzelnen Tasks 1 und 2 zwar inhaltlich treffend bearbeitet, haben aber nicht gezielt die Sprechaufgabe aus Task 3 im Sinn gehabt. Aus kognitiver Sicht wäre es zielführender gewesen, und das bestätigt auch die Datenanalyse, den Kontext zur Sprechaufgabe bereits in der Aufgabenerteilung herzustellen. In diesem Fall hätten die Lernenden sich gezielt auf die anstehende Diskussion vorbereitet und somit in der Erarbeitungsphase einen Kompetenzstatt eines Inhaltsfokusses gehabt. Desweiteren wäre eine höhere Genreauthentizität bei der Präsentation erwartbar gewesen. Trotz der dargestellten Problematik haben die Lernenden jedoch auch die Notizen aus der Erarbeitungsphase nutzen können, was sich an den Gesprächsbeiträgen in der Analyse aufzeigen lässt. Eine stärkere psycholinguistische Passung hätte aber eine effektivere Vorbereitung der Sprechphase ermöglicht und den Schülern die Aufgabe erleichtern können. Zusammenfassend lässt sich resümieren, dass die Fallstudien es ermöglicht haben, die Problemlösungsprozesse der Lernenden im Rahmen verschiedener Sprechformate des Englischunterrichts der gymnasialen Oberstufe nachzuzeichnen und aus diesen Erkenntnissen Hypothesen für die Gestaltung effektiver Sprechaufgaben abzuleiten. Die Hypothesen, die in 7.6 aufgeführt werden, sind fallspezifische Teilantworten auf die Forschungsfragen 1 und 2 (Wie werden Sprechaufgaben gelöst und welche Probleme treten auf? ). Die Studie konnte entsprechend in diesem Bereich einen Beitrag zur fremdsprachendidaktischen Forschung liefern, der insbesondere in langfristig angelegten Untersuchungsreihen fruchtbar weiter untersucht werden sollte. 7.3 Interaktive Formate: Erkenntnisse zur Aufgabenkonzeption und Durchführung Die Präsentationsphase in der Pilotstudie besteht in der Durchführung der Talkshow zum Thema Todesstrafe in den USA. Die Lernenden schaffen es über eine sehr lange Zeit von annähernd 60 Minuten in der Zielsprache zu diskutieren. Insofern ist zunächst zu konstatieren, dass das Format Talkshow prin- 290 7 Erkenntnisse und Hypothesen zipiell geeignet ist, Sprachhandlungen zu initiieren und aufrecht zu erhalten. Es ist authentisch, in der Lebenswelt der Lerner verankert, und erfordert eine problemlösungsorientierte Sprachverwendung. Grundsätzlich sind dies sehr gute Voraussetzung für eine effektive Sprechaufgabe (vgl. Ellis 2000, Hallet 2012, Long 2015). Wie bereits in Kapitel 4 ausgeführt und in den Unterkapiteln 7.1 und 7.2 weiter thematisiert wurde, können dennoch einige Problemfelder bereits in der Aufgabenerteilungs- und der Erarbeitungsphase aufgezeigt werden, die sich in der Durchführung bemerkbar machen. Durch die zu oberflächliche Erarbeitung der Rollen, insbesondere der Moderatorenrolle, entstehen strukturelle Schwierigkeiten und ein argumentatives Ungleichgewicht zwischen den Pro- und Contra-Parteien. Die fehlenden zeitlichen Vorgaben machen sich in Redundanzen und mit zunehmender Aufgabendauer ansteigenden Fehlerzahlen bemerkbar. Je ausführlicher die Rollen vorbereitet wurden (vgl. Rolle der Menschensrechtsaktivistin), desto überzeugender sind sie in der Argumentation. Umgekehrt hat sich gezeigt, dass Rollen, die den Lernenden schwerer zugänglich waren (z. B. rassistische Polizistin und Henker), sich negativ auf die Partizipation und die argumentative Qualität der Beiträge auswirken. Es kann, auf Grundlage der Datenanalyse resümiert werden, dass die Sprechaufgabe, so wie sie konzipiert und durchgeführt wurde, ein eher negatives Fallbeispiel für ein interaktives Sprechformat darstellt. Dies liegt aber nicht am Genre selbst, sondern an der gewählten Thematik, der fehlenden Einbettung in den Unterrichtskontext der vorherigen Stunden sowie einer zu geringen Unterstützung der Lernenden (bezogen auf Inhalt, Sprache, Struktur der Talkshow). Durch die Wahl eines schülernahen (oder eines durch literarische Texte vertrauten) Themas, eine konkrete Leitfrage für die Diskussion und das vorherige Festlegen eines zeitlichen Rahmens, könnte das Format aus didaktischer Sicht effektiver gestaltet werden. Auch die Wahl der Rollen hat sich als bedeutend erwiesen. Sie sollte durch die Lehrkraft im Vorfeld einer solchen Aufgabe sorgfältig durchdacht werden, sodass die Lernenden diese zielführend erarbeiten können und sich selbstbewusst in die Debatte einbringen können. Die Erarbeitung der Rollen und die Findung von Argumenten vollständig den Lernenden zu überlassen und keine Informationen zur Verfügung zu stellen, hat sich in der Fallstudie als überfordernd herauskristallisiert. Hier könnte die Lehrkraft mit Arbeitsblättern und dem Bereitstellen von Internetquellen und Links eine Erleichterung schaffen (vgl. Hallet 2012). Bereits während der Erarbeitungsphase kann der Lehrer sich einen Überblick über die Argumente der Lernenden verschaffen und eingreifen, sollte die Vorbereitung problematisch sein. Der Lehrer in der Fallstudie vertraut sehr stark auf die Eigenständigkeit der Lernenden in der Erarbeitungsphase, wird auf diese Weise aber auf Probleme erst in der Präsentationsphase aufmerksam, was ein Gegensteuern er- 7.3 Interaktive Formate: Erkenntnisse zur Aufgabenkonzeption und Durchführung 291 schwert. Hinsichtlich der Kompetenzförderung ergibt sich ein großes Problem der Aufgabe daraus, dass ein Großteil des Kurses in der Präsentationsphase nicht die Möglichkeit bekommt, durch eine Teilnahme an der Debatte die eigenen kommunikativen Kompetenzen zu trainieren. Nur sieben Lernende stehen über 60 Minuten der Unterrichtsstunde im Fokus, die anderen werden in eine Zuhörerrolle verbannt. Es gibt jedoch für die Zuhörer keinen lehrerseitig erteilten Hörauftrag oder kommunikativen Auftrag. Bei einer Durchführung eines solchen Formats sollte daher darauf geachtet werden, dass die Möglichkeit zur Kommunikation nicht nur einigen wenigen zur Verfügung steht. Die gemeinsame Erarbeitung der Rollen durch alle Lernende in Gruppen, wie sie durch den Lehrer aufgetragen wurde, kann sich in diesem Zusammenhang als fruchtbar erweisen. Wenn die Lernenden die Argumente nicht nur erarbeiten, um den einen Schüler zu unterstützen, der dann schließlich die Rolle verkörpert, sondern alle bereit sind, die jeweilige Rolle zu übernehmen, kann die Aufgabe so konzipiert werden, dass die Lernenden in verschiedenen Kleingruppen die Talkshows vorher üben (wobei alle die Sprecherfahrung machen könnten) und dann einer oder mehrere Durchgänge im Plenum durchgeführt werden. Auf diese Weise wären alle Lernenden involviert und könnten sich aktiv am Unterrichtsgeschehen beteiligen. Es bleibt für dieses Aufgabenformat zu konstatieren, dass es mit einigen Modifikationen, zur Förderung des Sprechens in der gymnasialen Oberstufe dienlich ist. Die Fallstudie „ Cartoons HIV in South Africa “ stellt einen Sonderfall dar. Sie erfordert, dass die Lernenden in Kleingruppen, also interaktiv, ein monologisches Format erarbeiten, nämlich eine Kurzpräsentation ihres Cartoons bzw. ihrer Interpretation des Cartoons. Es muss festgehalten werden, dass diese Aufgabe die Lernenden auf vielen verschiedenen Ebenen vor Probleme stellt, sie sich dieser aber dennoch annehmen und um eine bestmögliche Lösung bemühen. Zunächst ist, wie in 7.1 dargestellt, die Instruktion sehr knapp gefasst. Die Lernenden erhalten lediglich den Cartoon, unter Umständen kurze biografische Informationen zu den abgebildeten Personen und eine vage Arbeitsanweisung diesen zu interpretieren. Die verschiedenen Gruppenlösungen, die in der Fallstudie betrachtet und analysiert werden, zeigen die Bereitschaft und das Bemühen der Lernenden, dieser Anweisung nachzukommen, obwohl ihnen sowohl die inhaltliche Kontextualisierung des Materials als auch sprachliche Mittel fehlen, um dieses zu verstehen. Die Lernenden nutzen das Internet um an fehlende Informationen zu kommen oder beziehen sich auf das vorangegangene Referat zu HIV in Südafrika. Häufig gelingt es ihnen dabei aber nicht, die inhaltlichen oder sprachlichen Probleme effektiv zu klären. Als Resümee der Betrachtung dieses Aufgabenformats steht daher zunächst die Problematik der fehlenden Aktivierung von inhaltlichen und sprachlichen 292 7 Erkenntnisse und Hypothesen Wissensquellen, die zur Aufgabenlösung benötigt werden. Auch die Offenheit hinsichtlich der Zielvorgabe ( The groups talk about the cartoons and explain what they found out. ) erschwert den Lernenden die Auseinandersetzung mit der Aufgabe. Dass die Aufgabe auf ein monologisches Genre ( presentation ) abzielt, wird nicht thematisiert und somit nicht gezielt vorbereitet. Es muss allerdings festgehalten werden, dass die Lernenden im Rahmen dieser Aufgabe ihre kommunikativen Kompetenzen durchaus trainieren. Sie handeln ihr Unverständnis zumeist in der Zielsprache aus und versuchen kommunikativ zu einer Lösung zu kommen. Auf diese Weise gewährt die Aufgabe den Lernenden etwa zehn Minuten Sprechzeit und diese werden auch von allen Gruppen benötigt. Dennoch handelt es sich auch bei diesem Aufgabenformat um ein problematisches Beispiel. Die Studie hat sich aufgrund ihrer Konzeption, die eine detaillierte Betrachtung sämtlicher Phasen ermöglicht und auch die Positionen von Lehrenden und Lernenden berücksichtigt, als geeignet erwiesen, die Stärken und Schwächen von interaktiven Sprechformaten fallbezogen aufzudecken. Sie liefert daher die Möglichkeit, verschiedene Formate kritisch zu beleuchten und aufzuzeigen, welche didaktischen Entscheidungen sich als besonders förderlich für die Förderung des Sprechens herausgestellt haben und welche weniger effektiv zu bewerten sind. 7.4 Erkenntnisse zu monologischen Aufgabenformaten In dieser Studie werden auch monologische Aufgabenformate in verschiedenen Lerngruppen und Unterrichtskontexten betrachtet. Das am häufigsten beobachtete Format ist das Referat bzw. die mediengestützte Präsentation. Diese enthält meist noch eine interaktive Phase, die sich aus einem Gesprächsimpuls entwickelt. Ein Sonderfall lässt sich ebenfalls in den Daten finden. Dabei handelt es sich um die Aufgabe „ Cartoons HIV in South Africa “, welche zunächst eine etwa zehnminütige interaktive Phase enthält, in der die Lernenden gemeinsam eine Problemstellung bearbeiten müssen, und in einem Kurzvortrag, einem monologischen Format, mündet. In der Pilotstudie wird ein Schülerreferat zum Roman To Kill a Mockingbird analysiert. Bei diesem handelt es sich um eine freiwillige Schülerleistung. Die fehlenden Vorgaben des Lehrers hinsichtlich thematischer Schwerpunktsetzung und Gestaltung des Vortrags spiegeln sich in der Schülerleistung wider. Er bemüht sich um die Darstellung der Relevanz des Romans für eine heutige Leserschaft und befassst sich konkreter damit, ob in der aktuellen amerikanischen Gesellschaft eine ähnliche Dynamik entstehen kann wie in der literarischen 7.4 Erkenntnisse zu monologischen Aufgabenformaten 293 Vorlage. Eine derart komplexe Fragestellung erfordert einerseits umfassende Kenntnisse der Lektüre und andererseits eine detaillierte Auseinandersetzung mit den sozialen Gefügen in den USA. Es verwundert daher nicht, dass der Schüler dies nicht umfassend in einem zehnminütigen Referat analysieren kann und inhaltlich hinter seiner Zielsetzung zurück bleibt. Der Vortrag selbst passt inhaltlich nicht zur Progression der Unterrichtseinheit, denn die Lernenden haben den Roman noch nicht vollständig gelesen und können ihn daher schwer einordnen. Auch in der Stunde wirkt er thematisch deplatziert. Die Lernenden haben sich zuvor mit der Talkshow zum Thema Todesstrafe befasst, in der aufgrund einer didaktischen Entscheidung des Lehrers bewusst eine Abkehr von der Romanvorlage vorgenommen wurde, und sollen nun wieder abrupt zu dieser zurückkehren. Ohne konkreten Hörauftrag beginnt dann die Präsentationsphase. Wird nun die Sprechleistung betrachtet, fällt auf, dass der Schüler einen insgesamt sehr flüssigen Vortrag hält. Er stellt immer wieder sprachlich einen Adressatenbezug her, beispielsweise durch das Rekurrieren auf geteiltes Vorwissen oder inkludierende Personalpronomen, und hat ein breites Spektrum angemessener Fachbegriffe zur Verfügung. Seine Erfahrungen als Austauschschüler in Kanada sind insbesondere in Bezug auf den Faktor Flüssigkeit von Vorteil. Der Schüler verzichtet auf ein Skript und hält den Vortrag frei. Viele spontansprachliche Passagen sind die Folge, die allerdings nur selten den Redefluss ins Stocken bringen. Auffällig ist jedoch, dass das verwendete Register häufig eher umgangssprachlich (BICS-Niveau) ist und somit genreuntypisch. Ein Erklärungsansatz ist das Fehlen der Notizen und das erforderliche spontane Zurückgreifen auf bekannte sprachliche Strukturen in der Präsentationssituation. Da der Schüler den Vortrag sehr frei konstruiert und die sprachlichen Anforderungen an die Textsorte in der Vorbereitung zu wenig berücksichtigt hat, kann er die erforderlichen Strukturen nicht spontan abrufen. Die Studie kann also aufzeigen, dass eine ausgeprägte kommunikative Kompetenz im umgangssprachlichen Bereich nicht mit einer gleichsam ausgeprägten Kompetenz im Umgang mit akademischer Sprache (CALP) einhergeht. In dem untersuchten Fall hat sie sich eher als hinderlich erwiesen, da der Schüler spontan auf bekannte Strukturen zurückgegriffen hat und sich die Spezifika des Zielformats Präsentation zu wenig bewusst gemacht hat. Diese Erkenntnisse aus der Fallstudie sind sehr interessant und sollten langfristig gezielt weiter erforscht werden. Wenn Lernende umgangssprachliche und bildungssprachliche Kompetenzen getrennt voneinander ausprägen, müssen unterrichtliche Sprechformate beide Bereiche ansprechen, um ihnen ein kompetentes Sprachhandeln in möglichst vielen Situationen zu ermöglichen. Insbesondere die kognitiven Zusammenhänge müssen in künftigen Studien genauer betrachtet werden. Welchen Ein- 294 7 Erkenntnisse und Hypothesen fluss haben Sprachlernbiografien auf die Ausprägung der beiden Kompetenzbereiche? Haben Lernende, die hauptsächlich mit Umgangssprache konfrontiert werden, Probleme im akademischen Sprachgebrauch? Ist dies auch umgekehrt der Fall? Wie hängen die Bereiche zusammen und wie können beide gefördert werden? Gibt es Synergieeffekte? Antworten auf diese Fragen können bei der Optimierung der Sprechkompetenzförderung von wichtiger Bedeutung sein. Sie können Lernenden Strategien aufzeigen, ihre Informationsspeicher effektiv zu nutzen und Lehrende in der Entwicklung psycholinguistisch gepasster Aufgabenformate unterstützen. Auch wenn die Fallstudie ein, hinsichtlich des didaktischen Mehrwerts für die Lerngruppe, eher negatives Beispiel für eine monologische Sprechaufgabe ist, so werfen die Erkenntnisse aus der detaillierten Betrachtung der Schülerleistung interessante Fragen für eine mögliche Anschlussforschung auf. Auch in der Fallstudie „ Political System of South Africa “ wird eine Schülerpräsentation analysiert. Anders als in der Pilotstudie ist diese Präsentation geplanter Bestandteil der Unterrichtseinheit und wird von der Lehrkraft bewusst eingesetzt, um zusammenhängendes monologisches Sprechen zu fördern. Jeder Kursteilnehmer muss im Verlauf der vier Oberstufenhalbjahre zwei Präsentationen halten, die thematisch auf die Unterrichtseinheiten abgestimmt werden. Die Vertrautheit der Lernenden mit dem Format führt dazu, dass diese konkretere Vorstellungen von einer solchen Sprechleistung entwickelt haben und diese retrospektiv auch ausführlicher reflektieren können. Hinsichtlich der Sprechleistung war in der Fallstudie auffällig, dass die Schülerin sich sehr intensiv auf die Präsentation vorbereitet hat. Dies steht im starken Kontrast zu der Vorbereitung des Schülers in der Pilotstudie und offenbart sich in den gezeigten Leistungen. Anders als in der Pilotstudie hat die Schülerin in dieser Fallstudie kein Problem mit dem angemessenen Register. Sie verwendet viele Fachbegriffe und es gelingt ihr, den Vortrag auf einem sprachlich angemessenen Niveau zu halten. Im Vergleich zu dem Schüler in der Pilotstudie wirkt ihre Präsentation allerdings weniger flüssig. Sie hat in der Vorbereitung, wie sie in den retrospektiven Interviews bestätigte, die Präsentation mehrfach geprobt und es entsteht der Eindruck, einem teilweise memorisierten Vortrag zuzuhören. In den spontansprachlichen Passagen gegen Ende der Präsentation, wie auch in den interaktiven Phasen, macht die Schülerin deutlich mehr formale Fehler. Dies lässt sich zum Einen damit erklären, dass sie diese Passagen nicht detailliert im Vorfeld planen konnte, könnte, zum Anderen, aber auch Folge eines Konzentrationsverlusts mit zunehmender Dauer des Vortrags sein. Auch diese Fallstudie liefert Erkenntnisse über Charakteristika und Problemfelder des monologischen Formats Präsentation, die sich zu denen aus der 7.4 Erkenntnisse zu monologischen Aufgabenformaten 295 Pilotstudie in Relation setzen lassen. Die Tatsache, dass die Schülerin nicht in ein umgangssprachliches Register verfällt, kann verschiedene Gründe haben. Es ist wahrscheinlich, dass einer dieser Gründe die wesentlich intensivere Auseinandersetzung der Schülerin mit der Aufgabe selbst und den genrespezifischen Eigenschaften der Textsorte Präsentation darstellt. Sie hat sich im Vorfeld damit befasst, wie sie den Vortrag strukturieren möchte und wie sie die Informationsvermittlung sprachlich angemessen realisieren kann. Zudem ist sie durch die Regelmäßigkeit, in welcher sich die Lernenden des Kurses mit dem Format Präsentation befassen, vertrauter mit den Kriterien guter und schlechter Beispiele. Dieser Fall ist ein möglicher Indikator dafür, dass sich eine akademische Sprachkompetenz mit zunehmender Erfahrung mit entsprechenden Aufgabenformaten entwickelt. Desweiteren stützt er die These aus der Pilotstudie, dass die Fehlerzahl bei zunehmender Dauer der Sprechleistung steigt. Dies sollte bei der Aufgabenkonzeption berücksichtigt werden. Die monologische Sprechleistung in der Fallstudie „ Harlem Renaissance “ ist zwar ebenfalls eine Schülerpräsentation mit interaktiver Phase und somit vergleichbar mit der aus der Fallstudie „ Political System of South Africa “, doch ist sie in einem anderen unterrichtlichen Zusammenhang verortet. Es handelt sich um eine mündliche Klausurersatzleistung. Die Lehrerin hat das Thema zwar mit dem Schüler abgesprochen und auf die Einheit abgestimmt, allerdings ist die Vertrautheit des Kurses mit dem Format wesentlich geringer als es in der weiter oben angesprochenen Situation der Fall ist. Der Schüler hat den Vortrag auf der inhaltlichen Ebene detailliert vorbereitet. Er hat die geschichtlichen Zusammenhänge der Harlem Renaissance recherchiert und gewährt durch Texte (Lieder, Gedichte) Einblicke in die Bewegung. Zuweilen entsteht allerdings der Eindruck, dass diese Texte vom Schüler inhaltlich und/ oder sprachlich nicht vollständig verstanden wurden. Es fällt auf, dass er versucht, den Vortrag möglichst spontan zu halten. Dabei beginnt er in medias res und stellt den zuhörenden Lernenden direkt historische Fakten und Zusammenhänge vor. Auf eine Darstellung der Gliederung zu Beginn des Vortrags verzichtet er ebenso wie auf eine allgemeine Begriffsklärung. Der hohe Anteil an Spontansprache geht in diesem Fall mit einer erhöhten Fehlerzahl einher. Die Präsentationsfolien dienen zwar nicht als wortwörtliches Skript, liefern jedoch häufig die Struktur der Sprachhandlung und spiegeln den fragmentarischen Charakter des Gesagten wider. Diese Fallstudie liefert zudem Evidenz für die Hypothesen, dass mit zunehmender Dauer des Vortrags die Korrektheit und die Flüssigkeit nachlassen und sich Registerbrüche häufen. Hier lassen sich Vergleiche zur Pilotstudie anstellen. Auch in der dort untersuchten monologischen Sprechleistung steigt die Fehlerzahl mit zunehmender Dauer. 296 7 Erkenntnisse und Hypothesen Insgesamt konnten in der Studie drei Schülerpräsentationen detailliert nachvollzogen und analysiert werden. Dabei sind einige sprachliche Auffälligkeiten angeführt und diskutiert worden. Resultat sind verschiedene Hypothesen über genretypische Problemfelder. Diese können bei der Konzeption monologischer Sprechaufgaben als Grundlage dienen, um dieses Format langfristig effektiv zu schulen. Es ist aber unabdingbar, diese Hypothesen weiter zu testen und auf Basis der Erkenntnisse, die diese Studie gebracht hat, weiterführende Forschung anzusetzen. Die Hypothesen selbst sind in Kapitel 7.6 gelistet. 7.5 Aufarbeitung der Sprechleistungen, Reflexion und Feedback Obwohl zahlreiche Autoren in unterschiedlichen Zusammenhängen die Bedeutung von Metaphasen betonen, die den Lernenden im Rahmen von Sprechaufgaben dabei helfen, die eigenen Sprachhandlungen zu reflektieren und sich langfristig zu verbessern (Piepho 1974, Luoma 2004, Goh/ Burns 2012, Funk 2014, Grünewald 2014), zeigten die Fallstudien exemplarisch auf, dass diese in der unterrichtlichen Praxis zuweilen recht kurz kommen oder gar ausbleiben. Auch das lehrerseitige Feedback auf die Sprechleistungen der Schüler ist in den Fallstudien insgesamt knapp ausgefallen. In der Pilotstudie wurde im Anschluss an die Talkshow ein längeres Unterrichtsgespräch zur Reflexion der Aufgabe geführt. Der Lehrer legt den Fokus darauf, wie die Lernenden den Verlauf der Debatte beurteilen. Dabei stellen sie heraus, dass die Contra-Seite die bessere Argumentationsgrundlage gehabt habe und es aufgrund der Thematik für die Pro-Seite unmöglich gewesen sei, auf Augenhöhe zu diskutieren. Es wird auch die Rollenproblematik aufgegriffen, die sich in der Analyse offenbart hat. Der Lehrer gesteht vor der Klasse ein, dass manche Rollen sehr schwer einnehmbar gewesen seien und dass es verständlicherweise den Schülern mehr Probleme bereitet habe, die im wahren Leben gegen eine Todesstrafe seien, nun die andere Perspektive einzunehmen und diese argumentativ überzeugend zu vertreten. Die Fallstudie macht deutlich, dass die Lernenden in der Lage sind, den Verlauf der Argumentation wie auch die eigene Rolle innerhalb der Aufgabe detailliert in der Zielsprache zu reflektieren. Sie zeigen dabei sogar Aspekte auf, die sich in der Analyse als problematisch erwiesen haben und die bei der Aufgabenkonzeption zu berücksichtigen gewesen wären. So verbalisiert ein Schüler, dass emotionale Zugänge geschaffen werden müssen, damit die Lernenden eine Rolle erfolgreich einnehmen können: 7.5 Aufarbeitung der Sprechleistungen, Reflexion und Feedback 297 I think you could only get emotional, if you think about people getting murdered by other people and those people just getting out of prison like maybe ten years later because they maybe changed so. Like I've watched a lot of movies and read a lot of books where this kind of stuff happens so you could get emotional by thinking about like some of us here getting like killed and then just, ähm, the murderer getting free and meeting him every day maybe at some place like I don't know. (S19, siehe 159-160) Interessant ist, dass der Schüler sich hier, um sich in die Emotionen der Protagonisten einzufühlen, einer Situation bedient, die nicht im Zusammenhang mit der Aufgabe steht. Eine wichtige Erkenntnis ist entsprechend, dass Sprechaufgaben, die auf einen Perspektivwechsel abzielen, diesen durch die Schaffung emotionaler Zugänge erleichtern können. Dazu ist es vonnöten, die Rollen im Vorfeld intensiv genug zu erarbeiten und beispielsweise durch literarische Texte Einblicke in verschiedene Emotionsspektren, die für die Aufgabe relevant sind, zu ermöglichen. Ein reflektierendes Unterrichtsgespräch nach der Durchführung von Sprechaufgaben kann, wie es das Fallbeispiel zeigt, dazu beitragen, Sprachbewusstheit zu entwickeln. Die Lernenden vollziehen nach, wie sie die Aufgabe gelöst haben und an welchen Stellen sie Probleme hatten. Auch zur Bewusstmachung von sprachlichen Auffälligkeiten oder zu Genrespezifika kann ein solches Unterrichtsgespräch dienen. Allerdings bleiben in der Fallstudie diesbezüglich didaktische Potenziale ungenutzt, da der Lehrer weder auf konkrete Schülerleistungen eingeht, noch Inhalte nachträglich aufarbeitet. In der Fallstudie „ Cartoons HIV in South Africa “ kann keine separate Feedbackphase beobachtet werden. Der Lehrer kommentiert während der Präsentationsphase vereinzelt einzelne Beiträge und gibt inhaltliche Zusatzinformationen. Eine Reflexion der im Aufgabenkontext erbrachten Sprechleistung erfolgt ebenso wenig wie ein Fokus auf Sprache oder Strategien. Der Lehrer würdigt dabei die Schülerantworten nur sehr knapp. Er nutzt auch die offensichtlich unvollständigen und inhaltlich teilweise fragwürdigen Schülerantworten nicht als didaktisches Sprungbrett für eine gemeinsame Betrachtung der Cartoons oder für das Erarbeiten eines systematischen Vorgehens für zukünftige Sprechaufgaben. Werden diese Beobachtungen zu der Datenanalyse in Bezug gesetzt, liegt die Hypothese nahe, dass die Gründe dafür bereits in der Aufgabenkonzeption und den vorherigen Phasen der Durchführung zu suchen sind. Die Aufgabe selbst wird von dem Lehrer derart offen formuliert, dass die Lernenden wenige Anhaltspunkte bezüglich dessen haben, was von ihnen erwartet wird und wie sie die Aufgabe kommunikativ adäquat bewältigen sollen. Es entsteht überdies der Eindruck, dass die lehrerseitige Auseinandersetzung mit dem Input selbst zu oberflächlich ausgefallen ist (vgl. 7.1). Der Detailgrad, mit dem sich die Lernenden mit dem Input auseinandergesetzt haben, reflektiert 298 7 Erkenntnisse und Hypothesen sich nicht in der lehrergesteuerten Auseinandersetzung mit den präsentierten Resultaten. In der Präsentationsphase gibt sich der Lehrer, wie bereits ausgeführt wurde, mit sämtlichen Schülerantworten zufrieden und kommentiert diese kaum. Somit kommt aber auch die Würdigung der mündlichen Schülertexte sehr kurz. Weder inhaltlich noch sprachlich erhalten die Lernenden eine Rückmeldung auf Basis derer sie ihre künftigen Sprachhandlungen optimieren können. Sie müssen davon ausgehen, dass sie die Aufgabe bestmöglich absolviert haben oder aber, dass der Lehrer nur ein geringes Interesse an den mündlichen Schülertexten hat. Somit kann diese Fallstudie aufzeigen, dass in der unterrichtlichen Praxis ein Zusammenhang zwischen den verschiedenen Phasen einer Sprechaufgabe besteht. Ein vager Arbeitsauftrag führt demnach nicht nur zu Schwierigkeiten in der Erarbeitungs- und Präsentationsphase, sondern erschwert auch das Aufarbeiten der Sprechleistungen und das Erteilen von Feedback. Wenn es keine klar umrissene Aufgabenstellung gibt, fällt es einerseits schwer die Bearbeitung zu reflektieren und andererseits die Vielzahl der verschiedenen Lösungsansätze aufzuarbeiten und kriteriengeleitetes Feedback zu erteilen. In diesem Zusammenhang liefert die Fallstudie „Dialog mit Bildimpuls“ Erkenntnisse, die diese Hypothesen stützen. Diese Aufgabe steht hinsichtlich Planung und Erarbeitung in starkem Gegensatz zum zuvor diskutierten Beispiel. Die Lehrerin hat die Aufgabe mehrschrittig geplant und legt in der Aufgabenerteilungsphase einen Schwerpunkt auf die Aktivierung sprachlicher Strukturen. Somit schafft sie eine Grundlage für die Aufarbeitung der Sprechleistung im Anschluss an die Aufgabe. Insgesamt lässt sich resümieren, dass hinsichtlich der Feedbackpraxis innerhalb der Fallstudien starke Unterschiede aufgefallen sind. Schülerseitige Rückmeldungen auf Sprechleistungen erfolgten in monologischen Formaten deutlich häufiger als in interaktiven Formaten. Die Betrachtung dieser Feedbackphasen wie auch die Betrachtung der retrospektiven Interviews zeigen auf, dass Lernende in der Oberstufe klare Vorstellungen von gelungenen Präsentationen haben. Dies kann sowohl an den Erfahrungen der Lernenden mit dem Format im Englischunterricht liegen, aber auch an den Erfahrungen mit Präsentationen und Referaten in anderen Fächern. Insgesamt entsteht in den Fallstudien der Eindruck, dass insbesondere auf die sprachliche Leistung im Oberstufenunterricht wenig Rückmeldung erteilt wird. In den retrospektiven Interviews begründen die Lehrkräfte dies mit einem Verweis auf den Grundsatz meaning before form. Dass die Lernenden aber zur Entwicklung ihrer kommunikativen Fähigkeiten auch Rückmeldung auf sprachliche Aspekte benötigen, scheint in der Unterrichtspraxis zu wenig Beachtung zu finden. Auch die Spezifika der Genres, welche den Sprechaufgaben zugrunde liegen, bleiben in der Feedback- 7.6 Hypothesen 299 phase meist unberücksichtigt. Es bietet sich daher für künftige empirische Forschung im Englischunterricht der gymnasialen Oberstufe in diesem Zusammenhang an, die Feedbackpraxis genauer, langfristiger und großflächiger zu betrachten. Die Erkenntnisse aus der vorliegenden Studie können dazu dienen, die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Phasen einer Sprechaufgabe aufzuzeigen und dadurch die Aufgabenkonzeption zu optimieren. 7.6 Hypothesen In der folgenden Tabelle werden Hypothesen aufgeführt, die sich aus den Datenanalysen ergeben haben. Diese bilden eine Grundlage für weitere Forschung in diesem Feld. Eine qualitativ-empirische Studie alleine vermag es nicht, allgemeingültige Aussagen zu treffen, die ein Phänomen klar belegen oder widerlegen. Dazu bedarf es weiterer Forschung, die im Optimalfall longitudinal angelegt ist. Die Erkenntnisse und Hypothesen aus der vorliegenden Studie können aber einen wichtigen Beitrag dazu leisten, indem sie neue Forschungsfragen aufwerfen und bereits existierende theoretische Forschung mit empirischen Fallbeispielen untermauern. 300 7 Erkenntnisse und Hypothesen Input, Inhalte und Aufgabeninstruktion bei Sprechaufgaben im Englischunterricht der gymnasialen Oberstufe - Literarische Texte stellen, aufgrund ihrer Eigenschaft den Lernenden fremde Perspektiven auf unterschiedlichste Sachverhalte zu eröffnen, eine wertvolle Quelle für interaktive Sprechformate dar. Sie liefern dabei emotionale und empathische Zugänge zu Situationen, in die sich die Lernenden auf einer abstrakten Ebene nur schwer einfühlen können. - Mehrfach kodierte Texte (Cartoons, Comics, Graphic Novels, Videos) können motivierende Inhalte darstellen, die den Lernenden sowohl eine inhaltliche als auch eine sprachliche Rahmung für eine Sprechaufgabe liefern. Die Verwendung solcher Textsorten in Sprechaufgaben erfordert allerdings eine Vertrautheit der Lernenden mit deren Besonderheiten und das vorherige Einüben von Strategien zur Entschlüsselung dieser. - Die Wahl der Inhalte ist für die Durchführung von Sprechaufgaben konstitutiv. Dabei ist darauf zu achten, dass sie den Lernenden zugänglich gemacht werden und keine Kontextinformationen erfordern, die den Lernenden nicht zur Verfügung stehen. - Für das Gelingen von Sprechaufgaben ist das Aktivieren der verschiedenen kognitiven Speicher der Lernenden unabdingbar. Dies erfordert die Berücksichtigung von Hintergrund-, Genre- und Weltwissen, sprachlichen Vorkenntnissen und Problemlösestrategien, wenn diese für die Bewältigung der Aufgabe erforderlich sind. - Bei der Aufgabenerstellung ist das Genre der Sprechleistung, die eine Aufgabe erfordert, zu berücksichtigen. Die Vorkenntnisse der Lernenden bezogen auf das Zielgenre sind unter Umständen nicht ausreichend, um sie dazu zu befähigen, dieses situationsbezogen in der Zielsprache umzusetzen. Das Genre der Sprechleistung ist auch in der Aufgabeninstruktion zu thematisieren und den Schülern transparent zu machen. - Die Lernenden können durch Sprechaufgaben Erfahrungen mit unterschiedlichen mündlichen Genres entwickeln (z. B. Präsentation, Dialog). Die Datenanalyse lässt, im Zusammenspiel mit den retrospektiven Lernerreflexionen, darauf schließen, dass Lernende durch regelmäßiges Üben eine Sensibilität für genrebedingte Register oder kulturell festgelegte Spezifika der Sprachverwendung entwickeln. Lehrkräfte können die Lernenden dahingehend unterstützen, dass sie sie mit vielen mündlichen Genres sowie deren Charakteristika konfrontieren und diese kontinuierlich thematisieren, üben und reflektieren. 7.6 Hypothesen 301 Problemlösungsprozesse und Lehrersteuerung während der Sprechaufgaben - Lernende greifen bei der Bearbeitung von Sprechaufgaben zur Problemlösung zunächst auf Strategien zurück, die aus der Aufgabenstellung und aus dem Material abgeleitet werden. Sollten diese keine hinreichenden Informationen liefern, entwickeln sie spontan Strategien auf Basis ihrer Vorerfahrungen mit ähnlichen Formaten. - Lehrkräfte können durch klare Aufgabenstellungen und Materialien die Problemlösungsprozesse lenken und unterstützen. Durch Präsenz und Verfügbarkeit während der Erarbeitungsphase können sie Probleme erkennen und intervenieren. Versäumen sie dies, spiegeln sich die Probleme in der Erarbeitungsphase häufig in den Präsentationsphasen. Präsentationsphasen bei monologischen und interaktiven Sprechaufgaben im Englischunterricht der gymnasialen Oberstufe - Präsentationsphasen werden von den Lehrenden nur sehr selten unterbrochen. - Eine ausgeprägte kommunikative Kompetenz im umgangssprachlichen Bereich geht nicht automatisch mit einer gleichsam ausgeprägten Kompetenz im Umgang mit akademischer Sprache einher. Besonders bei monologischen Sprechaufgaben (hier: Präsentation) fällt auf, dass die Vertrautheit mit dem Format ein stärkerer Indikator für angemessenen Sprachgebrauch zu sein scheint als allgemeine Flüssigkeit oder eine ausgeprägte kommunikative Kompetenz. - Lernende weisen die Tendenz auf, mit zunehmender Dauer einer Sprechaufgabe gehäuft Fehler zu machen. - Mit steigenden spontansprachlichen Anteilen im Rahmen einer Sprechaufgabe steigt ebenfalls die Fehlerzahl. - Es ist sehr unterschiedlich, wie stark sich zuvor gemachte Notizen auf die Präsentationsphasen auswirken. Es scheint, dass die Wahrscheinlichkeit, dass Lernende Fehler aus den Notizen unreflektiert übernehmen, steigt, je stärker die Sprache auf den Notizzetteln ausformuliert ist. In der Fallstudie hat sich gezeigt, dass Schüler ihre Fehler aus den Notizen teilweise verbessern, wenn die Aufgabe es erfordert, die Notizen zu überdenken oder sprachlich abzuwandeln. Umgekehrt ist es aber auch vorgekommen, dass die Lernenden Aspekte, die in den Notizen sprachlich fehlerfrei enthalten waren, in der Sprechsituation dennoch falsch produzierten. Dies ist eher der Fall, wenn die Notizen seltener verwendet werden. 302 7 Erkenntnisse und Hypothesen Aufarbeitung der Sprechleistungen, Reflexion und Feedback - Metaphasen zum Reflektieren der eigenen Sprechleistung bzw. der Sprechleistungen anderer Lernender kommen in den Fallbeispielen recht kurz, obwohl sie sich als fruchtbar für die Ausbildung von Sprachbewusstheit, zur Besprechung sprachlicher Auffälligkeiten oder zur Thematisierung von Genrespezifika herausgestellt haben. - Insbesondere auf korrekte Sprachverwendung, Register, Genre und Wortschatz wird in den Fallstudien selten Rückmeldung erteilt. Ein stärkerer Fokus liegt offenbar auf inhaltlichen Rückmeldungen. Häufig verbleibt das Feedback knapp und unspezifisch oder es bleibt aus. - Zwischen Aufgabenkonzeption und Feedback scheint ein Zusammenhang zu bestehen. Je präziser die kommunikativen Ziele einer Sprechaufgabe festgelegt und kommuniziert werden, desto zielführender kann eine Rückmeldung erfolgen. Aus der Aufgabe selbst entstehen dann die Kriterien entlang welcher die Lernenden und Lehrenden (ihre) Sprachhandlungen und Sprechleistungen beurteilen können. [Tabelle: Hypothesen und Erkenntnisse] 8 Bibliografie Aguado, Karin, Heine, Lena & Karen Schramm (2013). Introspektive Verfahren und Qualitative Inhaltsanalyse in der Fremdsprachenforschung . Frankfurt a.M.: Lang. Ahrens, Rüdiger (2014). Mündlichkeit als Alleinstellungsmerkmal des Englischunterrichts.. In Burwitz-Melzer, Eva, Königs, Frank G. & Claudia Riemer (Hrsg.) Perspektiven der Mündlichkeit. Arbeitspapiere der 34. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts (S. 9-16). Tübingen: Narr. Bachmann-Stein, Andrea (2013). Authentische gesprochene Sprache im DaF-Unterricht - Pro und Contra. In Sandro Moraldo & Federica Missaglia (Hrsg.) Gesprochene Sprache im DaF-Unterricht. Grundlagen - Ansätze - Praxis (S. 39-58). Heidelberg: Winter. Baumert, Jürgen (2003). 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Entsprechend leistet die Studie einen Beitrag zur Erforschung des kompetenzorien�erten Englischunterrichts der gymnasialen Oberstufe und liefert Erkenntnisse und Hypothesen, die für die weitere Forschung wie auch die Lehrerbildung von besonderer Bedeutung sind. ISBN 978-3-8233-8368-0 18368_Umschlag.indd 3 14.10.2019 15: 48: 24