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Aufgaben in Übersetzungslehrbüchern

2020
978-3-8233-9382-5
Gunter Narr Verlag 
Junjie Meng

Dieser Band untersucht durch die Analyse von Übersetzungsaufgaben aus fünf ausgewählten deutsch-chinesischen Übersetzungslehrbüchern und anhand des Auswertungsinstruments der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring den Beitrag und das kognitive Leistungspotenzial von Übersetzungsaufgaben zur Vermittlung der Übersetzungskompetenz. Damit verortet er sich im Bereich der sogenannten Schreibtischinspektionen, die auf Basis von Lehrmaterialanalysen Rückschlüsse über mögliche Unterrichtsabläufe, Lernzuwächse oder inhaltliche bzw. didaktische Perspektiven auf Lernprozesse ermöglichen. Ziel ist die Ermittlung des objektiven Potenzials von Übersetzungsaufgaben hinsichtlich der Vermittlung der Übersetzungskompetenz.

Aufgaben in Übersetzungslehrbüchern Tübinger Beiträge zur Linguistik herausgegeben von Gunter Narr 575 Junjie Meng Aufgaben in Übersetzungslehrbüchern Eine qualitative und quantitative Untersuchung ausgewählter deutsch-chinesischer Übersetzungslehrbücher © 2020 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de CPI books GmbH, Leck ISBN 978-3-8233-8382-6 (Print) ISBN 978-3-8233-9382-5 (ePDF) ISBN 978-3-8233-0207-0 (ePub) Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. www.fsc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC ® C083411 ® www.fsc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC ® C083411 ® 9 1 11 1.1 11 1.2 13 1.3 14 2. 19 2.1 20 2.2 22 3. 27 3.1 27 3.1.1 28 3.1.2 30 3.2 34 3.2.1 34 3.2.2 36 4. 41 4.1 41 4.2 47 4.2.1 48 4.2.2 50 4.2.3 52 4.2.4 53 4.3 55 5. 57 5.1 57 Inhalt Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begriffliche Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einordnung und Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fragestellungen und Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übersetzungslehrbücher und Übersetzungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . Zu den Übersetzungslehrbüchern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übersetzungsaufgaben in den Lehrbüchern . . . . . . . . . . . . . . . Übersetzerkompetenz und Übersetzungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . Übersetzerkompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kompetenzbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Professionelle Handlungskompetenz . . . . . . . . . . . . . . . Übersetzungsprozess aus didaktischer Sicht . . . . . . . . . . . . . . . Übersetzungsprozess als kognitiver Prozess . . . . . . . . . Zirkelschema des Übersetzungsprozesses von C. Nord Zur Entwicklung eines Übersetzungskompetenzmodells . . . . . . . . . Analyse der vier ausgewählten Übersetzungskompetenzmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Modellierung der Übersetzungskompetenz aus didaktischer Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sprachkompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kulturkompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sachkompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Methodenkompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zur Entwicklung des Kategoriensystems zur Aufgabenanalyse . . . . Vorbemerkungen zur Entwicklung des Kategoriensystems . . 5.2 61 5.2.1 62 5.2.2 63 5.2.3 66 5.3 69 5.3.1 70 5.3.2 77 5.3.3 80 5.3.4 83 5.4 87 6. 89 6.1 90 6.1.1 90 6.1.2 95 6.2 97 6.3 100 6.4 103 6.4.1 105 6.4.2 150 7. 171 7.1 171 7.2 175 7.3 178 8. 181 185 187 197 Kategorien zur Aufgabenanalyse in verschiedenen Kompetenzdimensionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Themenauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art des Wissens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kognitive Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konkretisierungen der Kriterien im Kategoriensystem . . . . . . Kriterien der Sprachkompetenzdimension . . . . . . . . . . . Kriterien der Kulturkompetenzdimension . . . . . . . . . . . Kriterien der Sachkompetenzdimension . . . . . . . . . . . . Kriterien der Methodenkompetenzdimension . . . . . . . Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Empirische Untersuchung: Inhaltsanalyse der Übersetzungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Methodische Vorgehensweise und Aufgabenanalyseverfahren Qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring . . . . . . . . . . . Analyseverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorstellung und Eingrenzung der untersuchten Lehrbücher . Reliabilität des Kategoriensystems: Cohens Kappa (ĸ) . . . . . . Ergebnisse der kategorialen Inhaltsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . Darstellung der Ergebnisse in den fünf Lehrbüchern . Darstellung der Ergebnisse in verschiedenen Teilgebieten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Didaktisierung der Übersetzungsaufgaben im Unterricht . . . . . . . . . Zur Auswahl der Übersetzungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einsatz der Übersetzungsaufgaben im Unterricht . . . . . . . . . . Zur Progression der Übersetzungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang 1: Kategoriensystem für die Aufgabenanalyse in den Lehrbüchern hinsichtlich des Kompetenzaufbaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Inhalt 201 203 205 Anhang 2: Analyseergebnisse der Übersetzungsaufgaben in den fünf ausgewählten Lehrbüchern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tabellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Inhalt Danksagung Die vorliegende Dissertation im Fach Germanistik wurde im Sommersemester 2019 von der Fakultät für Philologie der Ruhr-Universität Bochum ange‐ nommen. Allen, die mich hierbei beraten und unterstützt haben, möchte ich meinen herzlichen Dank aussprechen. Mein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Björn Rothstein, der mir den Weg in die germanistische Linguistik gewiesen, meine Arbeit kontinuierlich begleitet und mit vielen wertvollen Hinweisen unterstützt hat. Herrn Prof. Dr. ZHU Jianhua (Tongji Universität Shanghai) schulde ich eben‐ falls herzlichen Dank für sein Zweitgutachten, seine stetige Ermutigung und konstruktiven Empfehlungen. Ich bedanke mich auch bei Herrn Prof. Dr. Hans-Rüdiger Fluck für seine Unterstützung während meiner Studienaufent‐ halte in Bochum und für die Teilnahme an meiner Disputation. Für das Korrekturlesen der Arbeit möchte ich meinen Kolleginnen am Lehr‐ stuhl Linguistik und Sprachdidaktik des Germanistischen Instituts danken. Be‐ sonders dankbar bin ich für die Hilfsbereitschaft und Unterstützung von Herrn Prof. Dr. Rüdiger Furrer (Karlsruher Institut für Technologie), der sich immer die Zeit genommen hat, das Manuskript meiner Arbeit zu lesen und mir hilf‐ reiche Rückmeldungen und Hinweise zu geben. Nicht zuletzt gilt der größte Dank meinen Eltern, insbesondere meiner lieben Mutter. Ohne ihre Unterstützung hätte ich nicht die Kraft gehabt, neben meiner Lehrtätigkeit an der Universität für Wissenschaft und Technik Qingdao diese Arbeit anzufertigen. Ihr ist diese Arbeit gewidmet. Bochum, Januar 2019 MENG Junjie 1 Einleitung Die vorliegende Arbeit leistet einen Beitrag zur Übersetzungswissenschaft durch Lehrbuchanalysen bzw. Aufgabenanalysen in Kombination mit dem Aus‐ wertungsinstrument der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2015). Durch die Analyse der Übersetzungsaufgaben aus fünf ausgewählten Überset‐ zungslehrbüchern, die als Korpus dienen, wird anhand eines Kategoriensystems der Beitrag von Übersetzungsaufgaben zur Vermittlung der Übersetzungskom‐ petenz dargelegt. Im ersten Kapitel werden im Wesentlichen die Zielsetzung, die Fragestellungen und die Struktur der Arbeit vorgestellt. Dabei werden die Ba‐ sistermini und begrifflichen Differenzierungen erarbeitet, die für das Verstehen und die Grenzen der Übersetzerkompetenz bedeutend sind und gleichzeitig bei der Modellierung der Übersetzungskompetenz bzw. Entwicklung des Kategori‐ ensystems eine herausragende Rolle spielen. 1.1 Begriffliche Vorbemerkungen Der Bedarf einer eigenständigen Übersetzungswissenschaft wurde bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts erkannt und von Friedrich Schleiermacher (1814) erstmals erhoben: Ueberall sind Theorien bei uns an der Tagesordnung, aber noch ist keine von festen Ursätzen ausgehende, folgegleich und vollständig durchgeführte, Theorie der Über‐ setzungen erschienen …: nur Fragmente hat man aufgestellt und doch, so gewiß es eine Altertumswissenschaft gibt, so gewiß muß es eine Uebersetzungswissenschaft geben. (Schleiermacher 1814, 104) „Nach Schleiermacher dauerte es dann noch fast 150 Jahre, bis eine systemati‐ sche und nachhaltige Auseinandersetzung mit den Problemen des Übersetzens begann“ (Siever 2010, 18). Als eine vergleichsweise junge Disziplin etablierte sich die Übersetzungswissenschaft aber erst in den Sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts (vgl. Salevsky 2002, 101; Hönig 1995, 7; Siever 2010, 17). Historisch hat sich die Übersetzungswissenschaft in Deutschland in den 1960er Jahren an der Kontrastiven Linguistik und der Systemlinguistik, in den 1970er Jahren an der Textlinguistik und der philosophischen Hermeneutik und in den 1980er Jahren an der philosophischen bzw. soziologischen Handlungstheorie orientiert. 1 Beispielswese wird bei Risku (1998) translatorische Kompetenz benutzt, bei Göpferich (2008) Translationskompetenz. In den 1990er Jahren flossen vor allem Anregungen aus der interkulturellen Kommunikationsforschung und den Kognitionswissenschaften ein (vgl. Siever 2010, 16). In der Übersetzungswissenschaft finden sich begriffliche Überlappungen, wie schon die Aneinanderreihung der Begriffe Translation, Übersetzen und Dolmet‐ schen oder Übersetzungswissenschaft, Übersetzungskompetenz, Translationswis‐ senschaft und Translationskompetenz zeigt. Otte Kade (1968, 33) führte die Trans‐ lation als Oberbegriff für Übersetzen und Dolmetschen in der Wissenschaft ein. Hinzu kommen die Begriffe Translationskompetenz bzw. translatorische Kom‐ petenz, die sich in der Literatur 1 finden und ebenfalls kaum unterscheiden. Eine andere Ansicht ist, dass das Dolmetschen auch zur Übersetzungswis‐ senschaft gehört. Im Brockhaus (1974, 172) findet sich die folgende Definition: „Übersetzung, die Übertragung von Gesprochenem oder Geschriebenem aus einer Sprache (Ausgangssprache) in eine andere (durch einen Übersetzer oder Dolmetscher).“ Danach wird Übersetzungswissenschaft als ein Synonym für Translationswissenschaft betrachtet. Unter dem Oberbegriff Übersetzungswis‐ senschaft sind sowohl die Wissenschaft des Dolmetschens als auch die Wissen‐ schaft, die sich ausschließlich mit dem Übersetzen befasst, subsumiert (vgl. Prunč 2007, 16 f.). Beispielsweise werden Siever (2010, 13) zufolge Übersetzen und Dolmetschen als Gegenstände der Übersetzungswissenschaft bezeichnet. Aus übersetzungsdidaktischer Sicht unterscheiden sich Übersetzen und Dol‐ metschen durch die Wiederholbarkeit und die Korrigierbarkeit (vgl. Kade 1968; Vermeer 1978; Prunč 2007). Das „Übersetzen“ als schriftliche Übertragung unterscheidet sich vor allem dadurch vom Dolmetschen, daß die Textvorlage längere Zeit zur Verfügung steht und der Übersetzungstext nach einem ersten Entwurf überarbeitetet werden kann. (Stolze 2001, 15) Mit anderen Worten ist der lineare bzw. einmalige Zugang zum Text charakte‐ ristisch für das Dolmetschen, dagegen besteht beim Übersetzen die Möglichkeit des multiplen Zuganges zum Ausgangs- und Zieltext (vgl. Prunč 2007, 14). Die Anforderungen an die Übersetzer- und Dolmetscherkompetenz unterscheiden sich daher beträchtlich unterschiedlich. In der Lehr- und Lernpraxis lassen sich Übersetzen und Dolmetschen getrennt behandeln. Mit der konsequenten Un‐ terscheidung bezieht sich die Übersetzungswissenschaft in der vorliegenden Arbeit ebenfalls auf das Übersetzen, denn die Dolmetscherwissenschaft ist ein 12 1 Einleitung eigenständiger Forschungsbereich (vgl. Stolze 2001, 15). Auf dieser Basis werden die Begriffe Übersetzungskompetenz und Übersetzerkompetenz differenziert dargelegt (vgl. Kapitel 3). 1.2 Einordnung und Zielsetzung Mit der Etablierung der Übersetzungswissenschaft als eigenständige Disziplin gewinnt auch die Entwicklung der Übersetzungsdidaktik an Bedeutung. Tradi‐ tionell wird die Übersetzungsdidaktik in dem Bereich der angewandten Über‐ setzungswissenschaft eingeordnet (vgl. z. B. Koller 1992; Reiß 2000; Salevsky 2002; Hansen-Schirra 2013). Die Aufgabe der Übersetzungsdidaktik besteht darin, die theoretische und methodische Grundorientierung für den Überset‐ zungsunterricht zu liefern (vgl. Wilss 1992, 57). Im Vergleich zu anderen Diszi‐ plinen befindet sich die wissenschaftliche Forschung der Übersetzungsdidaktik noch in den Anfängen; Vermittlung und Erwerb der Übersetzungskompetenz stehen dabei im Mittelpunkt. Dabei gehören die Fragen, wie die Übersetzungs‐ kompetenz im Unterricht zu vermitteln und zu fördern ist, welche überset‐ zungsdidaktischen Steuerungsmöglichkeiten vorhanden, aber auch welche Steuerungsgrenzen zu beachten sind, seit längerer Zeit zu den Kerngebieten der angewandten Übersetzungswissenschaft bzw. der Übersetzungsdidaktik (vgl. ebd., 56). Als wesentliches, strategisches Element des Unterrichts hat das Lehrmaterial bzw. die didaktische Qualität des Lehrmaterials einen großen Einfluss auf den Erfolg des Lehr-Lern-Prozesses (vgl. Helmke 2003, 43; Bloemen 2011, 1) und wird daher als Kernthema der Fachdidaktik bezeichnet. Zu diesem Lehrmaterial ge‐ hören vor allem Lehrbücher, aber auch die darin eingebetteten Aufgaben. Lehr‐ buchverlage bzw. Lehrbuchautorinnen und -autoren orientieren sich gewöhn‐ lich an den Bildungsstandards und den Lehrplänen, in denen Kompetenzorientierung im Mittelpunkt steht. Dabei spielen Aufgaben in den Lehrbüchern vom didaktischen Blickwinkel her eine signifikante Rolle, weil sie dazu bei‐ tragen können, dass die Lernenden die erwünschten Lernziele oder Kompe‐ tenzen, die vom jeweiligen Lehrplan gesetzt werden, erreichen bzw. erfüllen. Daher lassen sich die Lehrbücher und Lernaufgaben in Verbindung mit der Kompetenzvermittlung darstellen. Hierauf basiert der Forschungsansatz der vorliegenden Arbeit. Aufgaben prägen in herausragender Weise das institutionalisierte Lernen in unserer Gesellschaft. Über Aufgaben wird der Unterricht geplant, realisiert, ge‐ steuert, evaluiert und reflektiert. Durch Fortschritte in diesem Bereich ist eine 13 1.2 Einordnung und Zielsetzung Neubewertung von Unterrichtseffekten zu erwarten (vgl. Maier/ Kleinknecht et al. 2010a, 35). Bei der Kategorisierung der Aufgabenstellungen ist primär zwi‐ schen Lern- und Leistungsaufgaben zu unterscheiden (Köster/ Lindauer 2008, 152). Leistungsaufgaben dienen der Überprüfung von Wissen und Können, um diesen Lernstand letztendlich einer Bewertung zugänglich zu machen. Dagegen verankern sich Lernaufgaben in einer Lernsituation und lösen Lernhandlungen und Lerntätigkeiten aus, die zur Förderung einzelner fachspezifischer Kompe‐ tenz beitragen und häufig mit einem Produkt abgeschlossen werden (vgl. Heuer 2012, 104 f.). Zahlreiche Untersuchungen über fachdidaktische Studien zu theoretischen und empirischen Aufgaben zur Bewertung der Aufgabenqualität liegen z. B. in der Mathematik (z. B. Büchter/ Leuders 2005), in der Naturwissenschaft (z. B. Neumann et al. 2007), im fremdsprachlichen (z. B. Weskamp 2003) und ge‐ schichtlichen (z. B. Waldis 2013) Bereich sowie im wirtschaftlichen Bereich (z. B. Arndt 2013; Bloemen 2011) bereits vor. Im Bereich der Allgemeindidaktik sind ebenfalls neue Ansätze über fächerübergreifende Systeme zur Aufgabenanalyse (z. B. Blömeke et al. (2006) und Maier/ Kleinknecht et al. (2010a; 2010b) erkennbar. Im Gegensatz dazu sind Untersuchungen zu Aufgaben bzw. Lernaufgaben in den Übersetzungslehrbüchern innerhalb der Übersetzungsdidaktik bisher eher selten (z. B. Siepmann 1996; Nord 2011) zu finden; im Besonderen gilt dies für die deutsch-chinesischen Übersetzungslehrbücher. Um die Übersetzungskom‐ petenz der Studierenden effizienter zu fördern und die didaktischen Wirkungen der Lernaufgaben in den Übersetzungslehrbüchern zu verstärken, geht die vor‐ liegende Arbeit deswegen auf das Potential bzw. kognitive Leistungspotential der Übersetzungsaufgaben hinsichtlich der Vermittlung der Übersetzungskom‐ petenz ein. Ziel der vorliegenden Arbeit ist zu untersuchen, ob die Überset‐ zungsaufgaben einen Beitrag zur Vermittlung der Übersetzungskompetenz leisten können. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung findet eine umfas‐ sende qualitative und quantitative Analyse von Übersetzungsaufgaben in den ausgewählten Lehrbüchern statt. 1.3 Fragestellungen und Aufbau der Arbeit In Anlehnung an das Forschungsziel stellt sich zunächst die Frage, woran sich die Analyse des objektiven Potentials von den Übersetzungsaufgaben hinsicht‐ lich der Vermittlung der Übersetzungskompetenz orientieren soll. Prinzipiell besteht der theoretische Rahmen im Kern aus den zwei Teilen der Entwicklung eines didaktischen Übersetzungskompetenzmodells und eines Kategoriensys‐ 14 1 Einleitung tems. Auf der Basis des Übersetzungskompetenzmodells, die durch eine theo‐ retisch-deduktive Methode postuliert wird, werden die übersetzungsdidakti‐ schen Überlegungen und die allgemeindidaktischen Erkenntnisse über die Aufgabenanalyse integriert und ein Kategoriensystem zur Übersetzungsaufga‐ benanalyse entwickelt. Die zweite zentrale Forschungsfrage besteht darin, wie und in welchem Umfang die Bearbeitung der Übersetzungsaufgaben in den chi‐ nesisch-deutschen Lehrbüchern zur Übersetzungskompetenz beiträgt. Um diese Frage zu beantworten, wird eine empirische Untersuchung durchgeführt. Als methodisches Instrumentarium bietet sich die Aufgabenanalyse an. Dafür werden 297 Aufgaben aus fünf ausgewählten deutsch-chinesischen Überset‐ zungslehrbüchern mithilfe dieses Kategoriensystems analysiert und bewertet. In Kapitel 2 erfolgen zunächst allgemeine theoretische Analysen zu Überset‐ zungslehrbüchern und Übersetzungsaufgaben, um die beiden Begriffe genau zu bestimmen. Dabei werden zunächst der aktuelle Forschungsgegenstand und die bisherigen Forschungsergebnisse zu Übersetzungslehrbüchern zusammenfas‐ send dargestellt und bewertet. Daran schließen sich die Erörterung der Rolle der Lernaufgaben und der Klassifikation der Aufgaben in den Übersetzungslehrbü‐ chern an. Dies erfolgt insbesondere vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Übersetzungswissenschaft die Lehrbuchforschung und Aufgabenanalyse bisher nur am Rande behandelt und nie systematisch betrachtete. Kapitel 3 beschäftigt sich mit den Begriffen Übersetzerkompetenz und Über‐ setzungsprozess, um daraus die theoretische Grundlage für die Erstellung des Übersetzungskompetenzmodells und Entwicklung des Kategoriensystems ab‐ zuleiten. Neben den grundsätzlichen Prämissen der Kompetenzdiskussion un‐ terscheiden sich in Kapitel 3.1 Übersetzerkompetenz und Übersetzungskompetenz aus der handlungstheoretischen Perspektive. Basierend darauf erfolgt die Mo‐ dellierung der Übersetzerkompetenz, die hier als Summe der Übersetzungskom‐ petenz und Berufsqualifikationen dargestellt wird. Anschließend wird der Über‐ setzungsprozess als kognitiver Prozess beschrieben (Kapitel 3.2). Davon ausgehend werden die Bedeutung des Wissens und kognitive Anforderungen an den Übersetzungsprozess abgeleitet. Daran knüpft das Zirkelschema des Übersetzungsprozesses nach Nord (2010) an, das aufzeigt, an welcher Stelle des Übersetzungsprozesses welche Fähigkeiten bzw. Wissensarten vom Übersetzer verlangt werden und wie die unterschiedlichen Kenntnisse im Kopf des Über‐ setzers verarbeitet werden (vgl. ebd., 105). Um die Inhalte der Übersetzungskompetenz bzw. die Kompetenzdimensionen der Aufgabenanalyse zu bestimmen, wird in Kapitel 4 ein Übersetzungskompe‐ tenzmodell für die weiteren didaktischen Überlegungen (z. B. für die Analyse der in den Lehrbüchern eingebetteten Übersetzungsaufgaben) erstellt. Auf Basis 15 1.3 Fragestellungen und Aufbau der Arbeit der Auseinandersetzung mit den verschiedenen Modellen der Übersetzungs‐ kompetenz wird ein Modellvergleich durchgeführt. In Anlehnung an die ent‐ scheidenden Komponenten des Übersetzungsprozesses (vgl. Kapitel 3.2) werden die vier Teilkompetenzen, und zwar die Sprach-, Kultur-, Sach- und Methoden‐ kompetenz als grundlegende Bestandteile des Übersetzungskompetenzmodells dargestellt und interpretiert. Kapitel 5 fokussiert die Darstellung und Konzeption des Kategoriensystems zur Aufgabenanalyse. Unter Berücksichtigung des allgemeindidaktischen Ka‐ tegoriensystems zur Aufgabenanalyse und der übersetzungsdidaktischen Ma‐ terialauswahl lassen sich drei Hauptdimensionen für die Aufgabenpotential‐ analyse hinsichtlich des Kompetenzaufbaus erstellen. Diese bestehen in der Themenauswahl, den Wissensarten und den kognitiven Anforderungen. In der Verbindung mit den Kompetenzdimensionen in Kapitel 4 wurde ein zweidi‐ mensionales Kategoriensystem mit 23 Kategorien bzw. 42 Kriterien entwickelt. Um den Interpretationsraum von Kriterien zu verringern und die Validität sowie Objektivität zu erhöhen, wird jedes Kriterium in diesem Kapitel mit Beispielen präzisiert. Kapitel 6 greift die Erkenntnisse aus den vorherigen Kapiteln auf und widmet sich der Analyse der Übersetzungsaufgaben. Neben einem Überblick über em‐ pirische Hypothesen und Forschungsfragen sowie grundsätzlichen Überle‐ gungen zur inhaltsanalytischen Vorgehensweise werden die ausgewählten Übersetzungslehrbücher zunächst vorgestellt und deren Auswahl begründet, um die Rahmenbedingungen für die Aufgabenanalyse festzulegen. Zugleich wird der Koeffizient „Cohens Kappa“ als ein Indikator für die Reliabilität des Kategoriensystems berechnet, um die Anwendbarkeit des Kategoriensystems nachzuweisen. In Kapitel 6.5 werden zuerst Analyseergebnisse mit exemplari‐ schen Übersetzungsaufgaben aus den fünf Lehrbüchern präsentiert und an‐ schließend die Analyseergebnisse je nach Kompetenzdimensionen zusammen‐ gefasst. Anhand der empirischen Untersuchungsergebnisse werden die Modifizierungsvorschläge zum Kategoriensystem aufgestellt. Auf Basis der theoretischen und empirischen Untersuchungen werden in Ka‐ pitel 7 zuerst sechs Thesen zur Auswahl der Übersetzungsaufgaben erstellt. Im Rahmen der Didaktisierung der Übersetzungsaufgaben werden dann deren Ein‐ satz mithilfe eines Ablaufmodells bzw. eines Arbeitsplans der Übersetzungsauf‐ gaben im Unterricht dargestellt, damit ihr Potential hinsichtlich der Förderung des Kompetenzzuwachses ausgeschöpft werden kann. Zudem werden Empfeh‐ lungen zur Progression der Übersetzungsaufgaben in den Lehrbüchern bzw. im Unterricht vorgelegt, wobei die Rolle der Lehrperson im Unterricht fokussiert wird. 16 1 Einleitung Abschließend unterzieht Kapitel 8 die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit einer kritischen Gesamtreflexion und endet mit einem offenen Ausblick auf den zukünftigen Forschungsbedarf. 17 1.3 Fragestellungen und Aufbau der Arbeit 2. Übersetzungslehrbücher und Übersetzungsaufgaben In der Forschung wie in der Praxis wird den Übersetzungslehrbüchern und den darin eingebetteten Aufgaben offenbar nur unzureichend Aufmerksamkeit ge‐ widmet, obwohl nahezu alle Aspekte der Unterrichtseinführung, -durchführung und -evaluation letztendlich in Aufgaben gebündelt und mit Hilfe von Lehrbü‐ chern organisiert werden (vgl. Gerdsmeier 2004; Meyer 2003; Bloemen 2011). Für deutsche Muttersprachler fehlt bis heute ein deutsch-chinesisches Über‐ setzungslehrbuch bzw. ein kurstragendes Übersetzungslehrbuch. Zudem dürften die Gründe hierfür ökonomischer Art sein, wie Siepmann (1996) er‐ klärte: Zu unterschiedlich sind die Curricula, zu gering die Zahl der Ausbildungsstätten, Lehrer und Übersetzerstudenten in den jeweiligen Sachfächern. als dass sich genug Käufer für ein kurstragendes Lehrbuch finden würden. Rechnen würde sich ein sol‐ ches Lehrwerk allenfalls, wenn es die größere Gruppe der neusprachlichen Philologen ebenfalls ansprechen könnte (Siepmann 1996, 26). In China profitiert die Germanistik von dem Boom der wirtschaftlichen Koope‐ ration und des kulturellen Austauschs der letzten Jahre. So existieren mittler‐ weile zwar verschiedene deutsch-chinesische Übersetzungslehrbücher, deren Optimierung und Verbesserung jedoch dringend gebraucht wird. Die Forschung dazu wird leider aus unterschiedlichen Gründen, z. B. aufgrund der unzurei‐ chenden Entwicklung der Fremdsprachendidaktik, noch nicht entfaltet. In diesem Kapitel wird vor allem die Definition des Begriffs Übersetzungs‐ lehrbuch thematisiert. Anschließend soll ein Überblick über die Ergebnisse der Lehrbuchforschung im Bereich der Übersetzungsdidaktik, z. B. die Funktionen und die Anforderungen an die Lehrbücher, gegeben werden. Weiterführend lässt sich von der Klassifikation der Lernaufgaben in den Übersetzungslehrbüchern ausgehend der Forschungsgegenstand „Übersetzungsaufgaben“ definieren und vorstellen. 2.1 Zu den Übersetzungslehrbüchern Lehrbücher stellen eine wichtige Quelle der Unterrichtsplanung und -durch‐ führung dar und nehmen daher in den meisten Formen des Fremdsprachenun‐ terrichts eine zentrale Stellung ein. Während in der Fremdsprachendidaktik und anderen Disziplinen schon seit längerer Zeit eine rege Diskussion bezüglich der Optimierung von Lehrbüchern herrscht, wird „das Übersetzungslehrbuch mit Recht als ein Stiefkind der übersetzungsdidaktischen Überlegungen“ angesehen (Siepmann 1996, 24). Die Entwicklung der Lehrbuchforschung im Bereich der Übersetzungswissenschaft und Übersetzungsdidaktik wird im Allgemeinen als äußerst schleppend bezeichnet. Nur wenige Beiträge sind hierzu in der Literatur zu finden, u. a. von König (1987), Siepmann (1996) und Nord (2011). Basierend auf der Auffassung von König (1987) hatte Siepmann (1996, 24) ausgeführt: „das Übersetzungslehrbuch ist ein schriftlicher Lehrtext, dessen Aufgabe in der Vermittlung von übersetzerischer Kompetenz bzw. übersetzeri‐ schen Teilkompetenzen sowie Sprachkompetenz nach didaktischen und metho‐ dischen Prinzipien besteht“. Nach Nord (vgl. 2011, 246) soll ein Übersetzungs‐ lehrbuch dazu dienen, eine Übersetzungskompetenz auszubilden, welche die Adressaten in die Lage versetzt, Ausgangstexte in einer bestimmten Weise und zu einem bestimmten Zweck in die Zielsprache bzw. Zielkultur zu überführen. Dazu gehören (1) die Vermittlung theoretischer Grundlagen, (2) die Vermittlung von Methodenwissen bzw. Übersetzungstechniken und (3) die Breitstellung von Übungsmaterial (vgl. ebd.). Die Übereinstimmung zwischen den beiden oben genannten Definitionen liegt darin, dass die Vermittlung und Entwicklung der Übersetzungskompetenz als Hauptaufgabe bzw. Zweck der Lehrbücher immer im Mittelpunkt stehen, wie Nord im Folgenden dargestellt: Die Übersetzung von Texten eines Übersetzungslehrbuches ist kein „Wert an sich“, sondern ein Mittel zum Zweck, mit jedem übersetzten Text muss die translatorische Kompetenz des Lernenden gezielt erweitert werden. (Nord 2011, 248) Um diesen Anspruch umzusetzen, sollen zunächst die Vermittlung theoretischer Grundlagen und die Vermittlung von Theorie- und Methodenwissen in den Übersetzungslehrbüchern analysiert werden. Lehrbücher sollen klar definierte, theoretisch-methodische Grundlagen liefern, die jedoch nicht zu abstrakt sein dürfen, sondern als anwendbare und angewandte Theorie für die Bearbeitung des Übungsmaterials bezeichnet werden (vgl. Nord 2011, 248). In den Überset‐ zungslehrbüchern (z. B. Wang 2013; Zhang 2014; Gui 2009) folgen die Übungs‐ materialien und Lernaufgaben immer der Vermittlung der einschlägigen Über‐ 20 2. Übersetzungslehrbücher und Übersetzungsaufgaben setzungstheorien und -techniken. Bei der Ausgangstextanalyse werden z. B. im Lehrbuch von Wang (2013) die textinternen Faktoren (z. B. Thematik, Textinhalt, Textaufbau, Lexik Syntax) und die textexternen Faktoren (z. B. Textproduzent, Intention, Empfänger, Medium, Ort, Zeit) als theoretisch-methodische Grund‐ lage vorgestellt und erläutert. So können die Studierenden bei der Aufgabenbe‐ arbeitung den richtigen Zugang zur Analyse des Ausgangstextes erwerben. Tat‐ sächlich stellt die Integration von theoretischem und methodischem Wissen in der praktischen Umsetzung eine besondere Herausforderung dar und ist von‐ nöten, „denn ohne die theoretische Verankerung ist eine erfolgreiche transla‐ torische Praxis nur der Intuition oder dem Zufall überlassen - und dies zu ver‐ hindern ist die Aufgabe einer erfolgreichen und modernen Translationsdidaktik“ (Hansen-Schirra 2013, 278). Viele führende Wissen‐ schaftler betonen die Notwendigkeit, Übersetzungstheorien einzubeziehen und zu vermitteln (vgl. Hönig/ Kußmaul 1984, 133; Reiß 1986, 3). Der Übersetzungs‐ unterricht und die Übersetzungsdidaktik ohne eine ihn untermauernde, hand‐ lungsleitende Theorie sind unsystematisch, unökonomisch, ja gar unmöglich (vgl. Siepmann 1996, 9). Außerdem spielen Übungsmaterialien eine entscheidende Rolle, indem sie auf drei Aspekte fokussieren: die Informationen über die Originalsituationen der zu übersetzenden Texte bzw. Aufgaben, ausgangs- und zielsprachliche Parallel- und Vergleichstexte sowie Musterübersetzungen und Übersetzungsvarianten. Nord (vgl. 2011, 249) zufolge sind solche Texte unübersetzbar, über deren Originalsi‐ tuation keine (expliziten oder aus der Präsentation erschließbaren) Informa‐ tionen vorliegen. Übereinstimmend damit behauptete Kautz (2000), dass ein Text als Grundlage einer Übersetzungsübung geeignet sei, wenn er als „Text - in - Situation“ erkennbar ist, also mit Quellenangabe und in Originalform präsen‐ tiert wird (vgl. Kautz 2000, 148). Die Einbettung eines Textes in eine Kommunikationssituation beeinflusst den ge‐ samten Übersetzungsprozess. Es ist deshalb unabdingbar, mindestens die Quelle des Ausgangstextes anzugeben. Ideal ist die Präsentation in der Originalgehalt (als Kopie). Wenn z. B. ein Comic-Strip übersetzt wird, wo die Sprechblasen zielsprachlich ausge‐ füllt werden müssen, ist dies unerlässlich. (Kautz 2000, 148) In der Praxis werden Parallel- und Vergleichstexte oft als Mittel zur Verringe‐ rung des Schwierigkeitsgrades von Übersetzungsaufgaben angewandt, denn die Studierenden können sich durch Parallel- und Vergleichstexte Textsortenwissen und Redewendungen des Originaltextes aneignen. Die ausgangs- und ziel‐ sprachlichen Parallel- und Vergleichstexte sind daher aus der funktionalen Per‐ spektive unerlässlich. Als Bewertungskriterien muss das Lehrbuch nicht unbe‐ 21 2.1 Zu den Übersetzungslehrbüchern dingt Musterübersetzungen und Übersetzungsvarianten enthalten (siehe Kapitel 7.3). Aber wenn Musterübersetzungen oder mögliche Varianten zur Ver‐ fügung gestellt werden, müssen sie Angaben mit sich mitbringen. Musterüber‐ setzungen oder mögliche Varianten sollten mit Blick auf die zum Übersetzungs‐ auftrag zugehörigen Anforderungen kommentiert und begründet werden, da sie ansonsten didaktisch wertlos sind (vgl. Nord 2011, 258). In diesem Sinn zielt das Übersetzungslehrbuch auf eine Anleitung zum sachgerechten Gebrauch der Übersetzungshilfsmittel ab und dient weiterhin zur selbstständigen Bewälti‐ gung von Übersetzungsproblemen außerhalb der Lehrbuchsituation (vgl. Nord 2011, 248 ff.). Weiterhin kommt der Zielgruppe bzw. den Adressaten von Lehrbüchern eine signifikante Bedeutung zu. Nord konstatiert, dass „ein Übersetzungslehrbuch ausdrücklich an einen bestimmten Adressatenkreis gerichtet und an dessen Zielsetzung orientiert sein soll“ (Nord 2011, 250). Für Anfänger sollen sowohl die Vermittlung der Übersetzungstheorie und -technik als auch die Auswahl der Aufgabenmaterialien anders als für die Fortgeschrittenen gestaltet sein. Der Schwierigkeitsgrad der Übersetzungsaufgaben soll an das Vorwissen und an die Praxiserfahrungen der Adressaten anknüpfen. Die Übersetzung eines klassi‐ schen Gedichtes würde beispielsweise Anfänger überfordern und erzeugt daher bei denen ja eher Frust als Lust am Lernen. Unter Rückgriff auf Erkenntnisse der oben dargestellten Lehrbuchforschung in der Übersetzungswissenschaft sollen im Folgenden erste Anhaltspunkte für die Untersuchung der Lernaufgaben in den Übersetzungslehrbüchern ge‐ wonnen werden. 2.2 Übersetzungsaufgaben in den Lehrbüchern Lernaufgaben in den Lehrbüchern gelten als zentrales Instrument des Unter‐ richts sowohl in der allgemeinen Didaktik und Fachdidaktik als auch in der Unterrichtsforschung und der Lehr-Lern-Forschung, worauf zahlreiche Ar‐ beiten hinweisen (z. B. Büchter/ Leuders 2005; Bremerich-Vos 2008; Köster 2004). Anhand von offensichtlichen Vorteilen, wie beispielsweise kürzeren Planungs- und Durchführungszeiten oder geringeren Materialaufwand, gewinnen die Lernaufgaben als Lernumgebung immer mehr an Bedeutung (vgl. Müller 2010, 86). Forschung mit Blick auf die Aufgaben ergeben sich aus verschiedenen Per‐ spektiven, z. B. im Hinblick auf Aufgabenstellungen und Aufgabenauswahl bzw. den Einsatz der Aufgaben im Unterricht sowie die Qualitätsbewertung der Auf‐ gaben. 22 2. Übersetzungslehrbücher und Übersetzungsaufgaben Momentan ist eine deutliche Tendenz in unterschiedlichen Bereichen der Fachdidaktik zu erkennen, den Blick auf die Rolle bzw. Funktionen der Aufgaben zu intensivieren (z. B. Brüggemann 2016; Keller/ Reintjes 2016). Beispielsweise erlangen die Lernenden durch Lernaufgaben viele Gelegenheiten zum inten‐ siven Lernen, d. h. „Neues zu lernen, Wissenslücken zu schließen oder unklar Gebliebenes besser zu verstehen“ (Weinert 1999, 33). Nach Steiner (2010, 69) wirken Lernaufgaben als Katalysator, d. h. durch spezifische Aufgabenarten oder Aufgabenstellungen können bestimmte Teilprozesse des Lernens ermöglicht, erleichtert, intensiviert, beschleunigt oder nachhaltig verfügbar und zugänglich gemacht werden. Leisen (2010, 60) zufolge ist eine Lernaufgabe „eine Lernum‐ gebung zur Kompetenzentwicklung und steuert den Lernprozess durch eine Folge von gestuften Aufgabenstellungen mit entsprechenden Lernmaterialien“. Wie oben dargestellt, beschränken sich jedoch bisherige Untersuchungen zu Lernaufgaben in Übersetzungslehrbüchern im Wesentlichen auf die Übungs‐ materialien (vgl. Kapitel 2.1) und Arbeitsformen der Aufgaben im Unterricht (vgl. Nord 2010). Weiteren Überlegungen und Diskussionen zum Beitrag von Übersetzungsaufgaben hinsichtlich der Vermittlung der Übersetzungskompe‐ tenz wurde bisher keine ausreichende Aufmerksamkeit geschenkt, was auf die wenigen Arbeiten zur Lehrbuchforschung im Bereich der Übersetzungswissen‐ schaft zurückzuführen sein könnte. Daher sind weitergehende Untersuchungen zu den Lernaufgaben bzw. den Übersetzungsaufgaben in Lehrbüchern dringend notwendig. Bei Lernaufgaben in den Übersetzungslehrbüchern wird im Allgemeinen zwischen Denkfragen und Übersetzungsaufgaben unterschieden. Denkfragen werden in Form von „Was-Fragen“ oder „Wie-Fragen“ formuliert und zielen auf die Wiederholung des theoretisch-methodischen Wissens bzw. die Ablösung der Reflexion und das Nachdenken über das im Unterricht erworbene Wissen ab. Bsp.: „Wozu dienen Wörterbücher im Übersetzungsprozess? “ (Wang 2013, 24). In den Übersetzungsaufgaben geht es darum, die angegebenen Materialien, die als Ausgangs- oder Originalmaterial bezeichnet werden, in eine andere Sprache zu übersetzen. Bei der Bearbeitung der Übersetzungsaufgaben werden die Lernenden somit zur selbstständigen Bewältigung der behandelten Über‐ setzungsprobleme mithilfe des vorhandenen Wissens angeleitet. In der vorliegenden Arbeit werden die Übersetzungsaufgaben primär in Wort-, Satz- und Textübersetzungen unterteilt. Textübersetzungen können ferner in produktive und vergleichende Übersetzungsaufgaben untergliedert werden. Die produktiven Übersetzungsaufgaben zielen auf die Erstellung des Zielproduktes bzw. die Übersetzung des Ausgangsmaterial (inklusive Wörter, Sätze und Texte) ab. Vergleichende Aufgaben sind dagegen auf verschiedene 23 2.2 Übersetzungsaufgaben in den Lehrbüchern (1) (2) Weise vorstellbar: (1) Paralleltextvergleiche: Vergleich von thematischen und situativ gleichgearteten Texten (z. B. Rezensionen, Nachrufe, Resolutionen, Enzyklopädie-Artikel) zur Aufdeckung von Unterschieden in Vertextungskon‐ ventionen (vgl. Göpferich 1998, 184); Bsp.: „Vergleichen Sie die folgenden chi‐ nesischen und deutschen Einladungen und markieren Sie bitte die unterschied‐ lichen Textsortenkonventionen.“ (Wang 2013, 33) (2) Übersetzungsvergleiche: Vergleich eines Ausgangstextes mit einem oder mit mehreren veröffentlichten Übersetzungen; Bsp.: „Vergleichen Sie bitte den Ausgangs- und Zieltext und be‐ achten Sie bitte die Übersetzung der unterstrichenen Wörter.“ (Wang 2013, 37; Siepmann 1996, 115). Dabei sind zunächst das vergleichende Bewusstsein zwi‐ schen dem Ausgangstext und dem Zieltext hervorzuheben, deren Unterschiede (inkl. Umwandlung des Satzbaus, sprachlich-stilistische Merkmale und Text‐ konventionen usw.) herauszuarbeiten und schließlich die Reflexion des Über‐ setzers auf die Übersetzung anzuregen (vgl. Wilss 1992, 58). Bei der Analyse von Übersetzungsaufgaben fällt ferner auf, dass diese teil‐ weise mit zusätzlichen Hinweisen und Anforderungen versehen sind. Es bietet sich daher an, Übersetzungsaufgaben hinsichtlich des Vorhandenseins bzw. Nichtvorhandenseins von zusätzlichen Informationen zu gliedern: Übersetzungsaufgaben mit Hinweisen und Übersetzungsaufträgen Bsp.: „Übersetzen Sie den folgenden Text mithilfe des Hintergrundtextes und des Paralleltextes. Beachten Sie dabei die Fettschriften“ (Wang 2013, 37). Oder „Übersetzen Sie im Auftrag des Notariats Beijing den Führer‐ schein für einen Chinesen, der später in Deutschland arbeiten will“ (Wang 2013, 319); Übersetzungsaufgaben ohne Hinweise und Übersetzungsaufträge Bsp.: „Textübersetzungsübungen vom Deutschen ins Chinesische“ (Qian 2016, 355). Vorhandene Hinweise helfen den Lernenden bereits vor Aufgabenbearbeitung, sich zu Wissensarten bzw. Teilkompetenzen Gedanken zu machen. Bezüglich des kognitiven Aktivierungspotentials birgt eine Aufgabenstellung mit Hin‐ weisen die Möglichkeit, einen gezielten und aktiven Suchprozess nach dem be‐ nötigten Wissen in Gang zu setzen. Zudem werden die Aufträge im Überset‐ zungsprozess von den Übersetzungsdidaktikern (z. B. Nord 2011, Kautz 2000) insgesamt als hoch bewertet. Aus übersetzungsdidaktischer Sicht spielen solche Übersetzungsaufträge eine bedeutende Rolle, die die für das Übersetzen wich‐ tigen Informationen umfassen und eine Voraussetzung der übersetzungsrele‐ vanten Textanalyse sind. Zudem sind die zum Übersetzungsauftrag zugehörigen 24 2. Übersetzungslehrbücher und Übersetzungsaufgaben Anforderungen für die Analyse und die Begründung der Musterlösung bedeu‐ tend und nach Nord (2011, 258) didaktisch vonnöten (vgl. Kap. 2.1.). Mithilfe dieser Klassifikation der Lernaufgaben in den Übersetzungslehrbü‐ chern wird der Forschungsgegenstand der vorliegenden Arbeit „Übersetzungs‐ aufgaben“ definiert und kategorisiert. Im folgenden Kapitel wird jedoch zu‐ nächst auf die Übersetzerkompetenz und den Übersetzungsprozess eingegangen. 25 2.2 Übersetzungsaufgaben in den Lehrbüchern 3. Übersetzerkompetenz und Übersetzungsprozess In der Übersetzungsdidaktik werden Kompetenzorientierung und Prozessori‐ entierung seit langem von vielen Experten (z. B. Massey 2005; Siever 2010; Nord 2011; Stolze 2015 usw.) als Leitlinien angesehen. Es besteht in der Übersetzungs‐ didaktik Einverständnis darüber, „dass es das Ziel der Ausbildung von Überset‐ zern ist, den Studierenden das zu vermitteln, was man gemeinhin als Überset‐ zungskompetenz bezeichnet“ (Wilss 1992, 56). „Die Definition der Kompetenzen und deren Einordnung in den Übersetzungsprozess sind sowohl für die theore‐ tische Übersetzungswissenschaft, als auch für die angewandte Übersetzungs‐ wissenschaft und die übersetzerische Praxis von Bedeutung“ (Hansen-Schirra 2013, 261). In diesem Kapitel wird zunächst die Definition des Kompetenzbegriffs in der Erziehungswissenschaft dargelegt. Davon ausgehend wird die Übersetzerkom‐ petenz als eine professionelle Handlungskompetenz operationalisiert. Anschlie‐ ßend erfolgt eine fachdidaktische Darstellung zur Übersetzungsprozessfor‐ schung anhand der Erkenntnisse der Kognitionswissenschaft. Basierend darauf wird ein Einblick über den Übersetzungsprozess und die im diesem Prozess in‐ volvierten Faktoren bzw. Wissensarten gegeben, die für die kompetenz- und prozessorientierte Übersetzungsdidaktik bedeutend sind. 3.1 Übersetzerkompetenz Mit der Aktualisierung der Übersetzungstechnologie in den letzten Jahren be‐ findet sich Übersetzen als ein Berufsbild im rapiden Wandel. Von einem kom‐ petenten Übersetzer werden nicht nur Professionswissen und Fähigkeiten, son‐ dern auch die vom Markt geforderten Berufsqualifikationen erwartet. Alle diese Faktoren (inkl. Professionswissen, Fähigkeiten und die Berufsqualifikationen) werden in der vorliegenden Arbeit als Übersetzerkompetenz bezeichnet, die im Folgenden von der Definition des Kompetenzbegriffs ausgehend modelliert wird. 3.1.1 Kompetenzbegriff Kompetenz als einer der meistdiskutierten Begriffe der Sprach-, Sozial- und Er‐ ziehungswissenschaft ist in den vergangenen Jahren sehr populär und beliebt geworden. In den meisten Fällen werden der Begriff und dessen Modell aber domänenspezifisch definiert. Dazu haben Klieme und Hartig (2007, 14) erklärt: „Wer den Begriff nutzt, stellt damit heraus, dass er Fähigkeiten und Bereit‐ schaften (a) im Blick auf konkrete Situationen und Aufgaben betrachtet und zugleich (b) ihre Anwendbarkeit in einer Vielzahl solcher Situationen und Auf‐ gaben unterstellt“. Daher kann es ein endgültiges Kompetenzverständnis bzw. eine abschließende Kompetenzdefinition noch nicht geben (vgl. Erpenbeck et al. 2017, XII). In diesem Kapitel werden die sozialwissenschaftlichen bzw. erzie‐ hungswissenschaftlichen Wurzeln des Kompetenzbegriffs als theoretische Grundlage für das Definieren der Übersetzerbzw. Übersetzungskompetenz (vgl. Kap. 3.1.2) vorgestellt. Begriffsgeschichtlich begann die Popularität des Ausdrucks Kompetenz mit Chomsky (1969) in der Sprachwissenschaft. Er stellt den Begriff Kompetenz als „die Kenntnis des Sprecher-Hörers von seiner Sprache“ dar und stellt den Begriff Performanz als „aktuellen Gebrauch der Sprache in konkreten Situationen“ da‐ gegen (Chomsky 1969, 14). Die Kompetenz wird als eine angeborene, latente Fähigkeit aufgefasst und bezieht sich auf das situationsunabhängige kognitive System (vgl. Bach 2013, 17). In der Wirklichkeit kann die Sprachkompetenz eben nicht direkt durch Performanz widerspiegelt werden, weil die Performanz häufig durch außerlinguistische Faktoren beeinflusst wird (vgl. Dresselhaus 1979, 145). Beispielsweise zeigen sich bei Performanz bzw. natürlicher Rede stets zahlreiche falsche Ansätze, wie z. B. Abweichungen von Regeln und Abände‐ rungen der Strategie mitten im Sprechen (vgl. Chomsky 1969, 14). Im Unterschied zu Chomsky bezeichnet White (1959) Kompetenz in der Mo‐ tivationspsychologie als „an organism’s capacity to interact effectively with its environment“ (White 1959, 297). „Er meint, dass die Kompetenz nicht angeboren ist, sondern durch wirkungsvolle Interaktion eines Individuums mit seiner Um‐ welt erworben werden kann“ (Klieme/ Harig 2007, 16). In seinem Aufsatz wird die Kompetenz als eine Motivation angesehen, so dass die Faktoren Erlernbar‐ keit und Umweltbezogenheit durch die Unterstreichung der effektiven Interak‐ tionen des Individuums mit der Umwelt große Bedeutung gewinnen. Wenn Kompetenzen innere Voraussetzungen des selbstorganisierten Han‐ delns einer Person sind, stellt sich die Frage nach der Beobachtbarkeit von Kom‐ petenzen. In der Psychologie hat sich wohl McClelland (1973) als Erster um eine Aufklärung bemüht. Offensichtlich sind Kompetenzen nur anhand der tatsäch‐ lichen Performanz aufzuklären. „Wir schreiben dem physisch und geistig selbst‐ 28 3. Übersetzerkompetenz und Übersetzungsprozess organisiert Handelnden auf Grund bestimmter, beobachtbarer Handlungs‐ weisen bestimmte Dispositionen als Kompetenzen zu“ (Erpenbeck et al. 2017, XVI). Bei ihm stellen Kompetenzen Voraussetzungen für spezifische Tätigkeiten dar, „wobei er selbst keine genauere konzeptuelle oder theoretische Klärung des Begriffs vornimmt“ (Klieme/ Hartig 2007, 17). Eine Gemeinsamkeit in den beiden Ansätzen von White (1959) und McClel‐ land (1973) liegt in dem unmittelbaren Bezug der Kompetenz zu den konkreten Handlungen (vgl. Bach 2013). Daraus folgt, dass Kompetenzen in der psycholo‐ gischen Tradition als erlernbare und kontextspezifische Leistungsdisposition verstanden werden, die sich funktional auf Situationen und Anforderungen in bestimmten Domänen beziehen (vgl. Klieme/ Hartig 2007, 17). Die heute von den meisten Kompetenzforschern zugrunde gelegte definito‐ rische Einteilung in Selbstkompetenz, Sachkompetenz und Sozialkompetenz ist auf Heinrich Roth (1971), einen pädagogischen Anthropologen, zurückzu‐ führen. Er definiert Selbstkompetenz als Fähigkeit, für sich selbst verantwortlich handeln zu können, und Sachkompetenz als Fähigkeit, für Sachbereiche urteils- und handlungsfähig und damit zuständig sein zu können. Und Sozialkompetenz als Fähigkeit für sozial, gesellschaftlich und politisch relevante Sach- oder So‐ zialbereiche urteils- und handlungsfähig und also ebenfalls zuständig sein zu können (vgl. Roth 1971, 180; Erpenbeck et al. 2017). Diese Einteilung leistet große Beiträge zur jüngeren Kompetenzuntersu‐ chung und eine Grundlage für die Kompetenzentwicklung und -förderung. Wei‐ nert (2001) stimmt mit dieser Auffassung überein und stellt die weitverbreitete Kompetenzdefinition auf: Dabei versteht man unter Kompetenzen, die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Be‐ reitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen er‐ folgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können. (Weinert 2001, 27) Auffällig ist, dass in dieser Definition die Kompetenz in zwei Fähigkeiten, und zwar kognitive und motivationale Fähigkeiten, unterteilt wird. Weinert schlägt diesbezüglich vor, in einem empirischen Untersuchungsdesign kognitive und motivationale Tendenzen getrennt zu erfassen, weil nur so ihre Wechselwirkung analytisch dargestellt werden kann (vgl. Klieme/ Leutner 2006, 880; Klieme/ Hartig 2007, 18). Daher definiert Weinert (1999; 2001) den Begriff „Kompe‐ tenzen“ als „professionelle Handlungskompetenz“, die einerseits aus kognitiven Kompetenzen bzw. Professionswissen und andererseits aus Überzeugungen und Werthaltungen, motivationalen Orientierungen sowie selbstregulativen Fähig‐ 29 3.1 Übersetzerkompetenz 1 Beim Ursprung der Übersetzungskompetenz geht es am Anfang um zwei entgegen‐ setzten Positionen: Auf der einen Seite wird die Annahme vertreten, dass sich die Über‐ setzungskompetenz gleichsam automatisch aus bzw. mit der bilingualen Kompetenz entwickelt; auf der anderen Seite wird die Annahme vertreten, dass es sich bei der bilingualen Kompetenz und der Übersetzungskompetenz um qualitativ unterschied‐ liche Kompetenzen handelt (vgl. Presas 2007, 362 f.). keiten bestehen (vgl. Bach 2013, 25). Das stimmt mit der Kompetenzdefinition der handlungsorientierten Übersetzungstheorie überein, die die handlungsthe‐ oretischen Begriffe auf den übersetzungstheoretischen Objektbereich überführt und das Übersetzen als professionelles Handeln bzw. Expertenhandeln versteht (vgl. Holz-Mänttäri 1984, 86). Vor allem durch die handlungsorientierten Übersetzungstheorien von Holz-Mänttäri (1984) und Vermeer (1986b, Reiß/ Vermeer 1984) existiert ein theoretischer Rahmen, der eine Grundlage für die Bewältigung der Komplexität übersetzerischer Handlung bietet. Dieser erweitert den Blick vom dominanten Charakteristikum des Sprach‐ wechsels zu Strukturen und Funktionen des Übersetzens als kulturellen Transfers (Vermeer 1986a), cross-cultural event (Snell-Hornby 1988, 39), als Expertentätigkeit, translatorisches Handeln und Ermöglichung transkultureller Kommunikation. (Risku 1998, 14, zitierte nach Holz-Mänttäri 1984) Nach der handlungsorientierten Übersetzungstheorie wird Übersetzen als „eine zielgerichtete Handlung“ (Nord 1993, 9) und „professionelle Tätigkeit“ (Fleisch‐ mann 1999, 60) und weiterhin die Übersetzerkompetenz als professionelle Hand‐ lungskompetenz aufgefasst. Zahlreiche übersetzungswissenschaftliche For‐ schungen (vgl. Krings 1992; Lörscher 1991; Kußmaul 1995) weisen darauf hin, dass die Übersetzerbzw. Übersetzungskompetenz keine angeborene, sondern eine erworbene Fähigkeit ist. Die bilinguale Kompetenz ist somit eine notwen‐ dige, aber keine hinreichende Bedingung für die Entwicklung der Übersetzerbzw. Übersetzungskompetenz 1 (vgl. Presas 2007, 362 f.). 3.1.2 Professionelle Handlungskompetenz Die Untersuchung von Kiraly (2007) zeigt, dass einige in der Berufspraxis auf‐ tauchende Schwächen und Schwierigkeiten für Absolventen im Bereich der Übersetzungswissenschaft sicherlich mit mangelnder übersetzungsspezifischer Kompetenz zusammenhängen. Andere hingegen lassen sich auf allgemeinere Faktoren zurückführen: Es mangelt offensichtlich an beruflichen Fähigkeiten, die nicht direkt mit der Sprachenvermittlung in Verbindung stehen (vgl. Kiraly 2007, 192 f.). Weinerts Definition der professionellen Handlungskompetenz kann so in 30 3. Übersetzerkompetenz und Übersetzungsprozess die Definition der Übersetzerkompetenz überführt werden. In Anlehnung daran wird die Übersetzerkompetenz in diesem Beitrag als professionelle Handlungs‐ kompetenz in Übersetzungskompetenz und Berufsqualifikationen (inkl. soziale Kompetenz und personale Kompetenz) unterteilt (siehe Abb. 1). Abb. 1: Professionelle Übersetzerkompetenz Die Übersetzungskompetenz wird als übersetzungsspezifische kognitive Leis‐ tungsdisposition bezeichnet, die sich einerseits auf konkrete Übersetzungssitu‐ ationen und Anforderungen des Arbeitsauftrags beziehen und andererseits er‐ lernbar sind und durch Training oder andere äußere Interventionen beeinflusst sowie durch langjährige Praxis möglicherweise zur Expertise ausgebaut werden können (vgl. Klieme/ Leutner, 2006; Klieme/ Hartig, 2007). Die Modellierung der Übersetzungskompetenz wird in Kapitel 4 vertiefend erläutert. Als Berufsqualifikationen lassen sich die mit der Übersetzungskompetenz verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fä‐ higkeiten auffassen, die für erfolgreiche und verantwortungsvolle Problemlö‐ sungen in variablen Situationen bedeutend sind. Als Handlungsträger gewinnen Übersetzer, der ggf. sogar zum Ko-Autor avanciert, heutzutage größere Spiel‐ räume und zugleich wird deren Stellung stark aufgewertet (vgl. Siever 2010, 151). Wer vom Übersetzer eine kreative Ko-Autorschaft erwartet, der muss ihm auch die „Freiheit zu selbstbewusstem intentionsadäquatem Handeln“ gewähren und ihn zur „Übernahme von Verantwortung für das eigene translatorische Handeln“ auffordern, so wie Vermeer dies auch explizit tut. (Vermeer 2002, 140) Aufgrund seiner Kompetenz als Experte für Kulturvermittlung und als gleich‐ berechtigter Handlungspartner hat der Übersetzer das Recht und die Pflicht, 31 3.1 Übersetzerkompetenz Entscheidungen selbst zu treffen und Verantwortung für sein Produkt bzw. sein eigenes Übersetzungshandeln zu übernehmen (vgl. Siever 2010, 162 f.). Zudem verändern sich die Übersetzungsmärkte in den letzten Jahrzehnten sehr stark durch die Software- und Internetangebote. Daher sind Übersetzer gezwungen, viel effektiver im Team zu arbeiten und dabei Ansprüchen gerecht zu werden, die weit über ihre traditionellen, sprachbezogenen Aufgaben hinausgehen (vgl. Kiraly 2007, 191). Vor diesem Hintergrund gewinnen die personalen und so‐ zialen Kompetenzen als Berufsqualifikationen immer größere Bedeutung. Dazu stellt Kiraly (2007) dar: Die seit eh und je verfolgte konventionelle didaktische Herangehensweise, in der sich alles auf den Ausbilder konzentriert, scheint die Einführung von Neuerungen zu ver‐ hindern, die eine parallele Vermittlung von persönlicher und sozialer Kompetenz neben der translatorischen Kompetenz ermöglichen könnten (Kiraly 2007, 196). Die Entwicklung und Förderung der personalen und sozialen Kompetenzen bzw. die kompetenzorientierte Übersetzerausbildung sollen von einer genauen Defi‐ nition und den tiefgehenden Verständnissen ausgehen, die im Folgenden aus‐ führlich erläutert werden. Personale Kompetenzen werden als die Dispositionen einer Person be‐ zeichnet, reflexiv selbstorganisiert zu handeln, d. h. sich selbst einzuschätzen, produktive Einstellungen, Werthaltungen, Motive und Selbstbilder zu entwi‐ ckeln, eigene Begabungen, Motivationen, Leistungsvorsätze zu entfalten und sich im Rahmen der Arbeit und außerhalb davon kreativ zu entwickeln und zu lernen (vgl. Erpenbeck et al. 2017, XXV). Aus der übersetzungswissenschaftlichen Sicht hat PACTE-Gruppe (2007) die persönlichen Eigenschaften als Wissensdurst, Genauigkeit, Kritikfähigkeit, Ver‐ trauen in die eigenen Fähigkeiten, Realitätssinn beim Einschätzen der eigenen Fähigkeiten, Motivation, usw. bezeichnet. Auch Kiraly (vgl. 2007, 194) hat die personale Kompetenz des Übersetzers erwähnt und erläutert, dass die persön‐ liche Kompetenz auf persönlichen, individuellen Fertigkeiten und Kenntnissen des Übersetzers (inkl. Selbstständigkeit, Bereitschaft zur kontinuierlichen Wei‐ terbildung, Qualitätskontrolle und professionellem Verantwortungsbewusst‐ sein) aufbaut. Ferner hat Göpferich (vgl. 2008, 156) in ihrem Werk auch die psy‐ chophysische Disposition des Übersetzers angesprochen, die Ehrgeiz, Ausdauer, Durchhaltevermögen, Selbstbewusstsein usw. umfasst. Der Vergleich der verschiedenen Definitionen zeigt deutlich Überlappungen. Personale Kompetenz deutet hier vor allem auf Verantwortungsbewusstsein bzw. berufliche Selbstverantwortung hin. Übersetzen ist eine verantwortungs‐ volle Aufgabe, da die Zielgruppe bzw. die Adressaten des Zieltextes in der Regel 32 3. Übersetzerkompetenz und Übersetzungsprozess die Ausgangssprache nicht beherrschen. Obwohl Fehler möglicherweise nicht sofort identifiziert werden können, sind Missverständnisse, möglicherweise sogar Konflikte nicht ausgeschlossen. Daher muss der Übersetzer stets mit einem hohen Verantwortungsbewusstsein arbeiten. Ferner müssen sich Selbst‐ ständigkeit und Selbstbewusstsein im diesem Prozess ebenfalls entwickeln. Nicht zuletzt können der Wissensdurst und der Ehrgeiz den Übersetzer ermu‐ tigen, durch die kontinuierliche Weiterbildung eigenes Wissen zu erneuern und seine eigenen Kompetenzen zu erweitern. Hinzu kommen die Motivation und Reflexion, die jeweils am Anfang und am Ende des Übersetzungsprozesses eine herausragende Rolle spielen. Während personale Kompetenz sich im Wesentlichen auf den einzelnen Übersetzer bezieht, zielt soziale Kompetenz in erster Linie auf den zwischen‐ menschlichen Umgang ab. Insofern beinhaltet soziale Kompetenz hauptsächlich Etikette, Kommunikation und Teamwork (vgl. Kiraly 2007, 195). Erpenbeck et al. (2017, XXV) definieren sozial-kommunikative Kompetenzen als die Dispositionen, kommunikativ und kooperativ selbstorganisiert zu han‐ deln, d. h. sich mit anderen kreativ auseinander- und zusammenzusetzen, sich gruppen- und beziehungsorientiert zu verhalten und neue Pläne, Aufgaben und Zielen zu entwickeln. Im Vergleich zur personalen Kompetenz bezieht sich soziale Kompetenz auf Fähigkeiten der Kommunikation, Kooperation und Interaktion mit anderen. Unter sozialer Kompetenz ist das Verhalten zu verstehen, in Kooperation mit anderen eine gestellte Aufgabe verantwortungsvoll zu lösen. Ist an einem Lö‐ sungsprozess - auch nur zeitweise - mehr als eine Person beteiligt, brauchen die Handelnden Fähigkeiten, die der Konflikt- und Kommunikationsfähigkeit, der Kooperationsfähigkeit oder auch der Führungsfähigkeit zuzuordnen sind (vgl. Kreisler et al. 2012, 89). Hinsichtlich der sozialen Kompetenz stimmen die meisten Autoren weitge‐ hend überein. Es geht dabei vorwiegend um Teamwork, das die Konflikt- und Kommunikationsfähigkeit, die Kooperationsfähigkeit und die Führungsfähig‐ keit beinhaltet. Zudem muss der Übersetzer nicht nur in der Gruppe, sondern auch diplomatisch mit Auftraggebern und Kunden verhandeln können. Der Übersetzer soll also lernen, sich professionell und entsprechend der Berufseti‐ kette zu verhalten (vgl. Kiraly 2007, 195). 33 3.1 Übersetzerkompetenz 3.2 Übersetzungsprozess aus didaktischer Sicht Zwischen den 1960er und 1980er Jahren hat sich die Übersetzungswissenschaft als eigenständige Wissenschaftsdisziplin aus der Linguistik und spezifischen übersetzungstheoretischen Paradigmen heraus entwickelt (vgl. Siever 2010, 17; Schreiber 2006, 31). Seit etwa Mitte der 1980er Jahre begünstigte der Auf‐ schwung der Kognitionswissenschaften die Übernahme kognitionswissen‐ schaftlicher Erkenntnisse in den übersetzungswissenschaftlichen Diskurs. Da‐ durch rückte der mentale Prozess im Kopf des Übersetzers immer stärker ins Zentrum des Interesses. Die Rezeption des Ausgangstextes und die Konzeption des Zieltextes beziehen sich seither stärker auf die mentalen Prozesse im Kopf des Übersetzers (vgl. Siever 2010, 173). Seitdem orientiert sich das Forschungs‐ interesse im Bereich der Übersetzungswissenschaft nicht mehr ausschließlich an den Zieltexten und deren Qualität, sondern auch am Weg, den der jeweilige Übersetzer hierzu einschlägt (vgl. Krings 2005, 344). Anders gesagt tritt die Pro‐ zessorientierung statt die Produktorientierung in den Vordergrund. In der modernen Übersetzungswissenschaft ist eine Entwicklung, nicht unähnlich der Erkenntnistheorie, zu beobachten: Während es traditionell um die Erkenntnispro‐ dukte (bzw. Übersetzungen) und ihre „Richtigkeit“ oder „Wahrheit“ an sich ging, wird nun zunehmend deren Entstehungsprozess und Funktion (Snell-Hornby 1991, 17) thematisiert. (Risku 1998, 21) Zu den ersten Arbeiten, die die kognitiven Prozesse beim Übersetzen unter‐ suchten, gehören Krings (1986), König (1987) und Lörscher (1991), die von einem fremdsprachendidaktischen Zugriff auf das Thema ausgingen. Danach findet die prozessorientierte Forschung des Übersetzens ab Mitte der 1990er Jahre ihren Niederschlag in genuin kognitionstheoretisch orientierten Untersu‐ chungen (z. B. Kupsch-Losereit 1996; Risku 1998; Göpferich 2008 und Nord 2010) an professionellen und semiprofessionellen Übersetzern (vgl. Siever 2010, 171 f.). 3.2.1 Übersetzungsprozess als kognitiver Prozess Gegenstand der Translationsprozessforschung sind alle Prozesse, die zu Trans‐ lationsprodukten führen. Die Prozesse können in zwei Grobkategorien einge‐ teilt werden: (1) „Translationsprozesse im Sinne von organisatorischen Abläufen (Workflows) und Kooperationen“ sowie (2) „Translationsprozesse im Sinne von mentalen Prozessen“ (Göpferich 2008, 1). 34 3. Übersetzerkompetenz und Übersetzungsprozess Der Schwerpunkt der Darstellung liegt auf mentalen Prozessen beim Übersetzen (im Gegensatz zum Dolmetschen). Die beim Übersetzen in ihrem Kopf ablaufenden men‐ talen Prozesse können Übersetzern selbst bewusst sein oder auch unbewusst bleiben. (Göpferich 2008,1) Auf der Basis, dass Übersetzungskompetenz als kognitive Disposition aufgefasst wird (vgl. Kapitel 3.1.1), verstehen sich in diesem Beitrag alle bewussten und unbewussten mentalen Prozesse im Übersetzungsvorgang als kognitive Pro‐ zesse. Hier ist es aber wichtig hervorzuheben, dass die Bedeutung der organi‐ satorischen Abläufe nicht zu unterschätzen ist, die die mentalen Prozesse als Arbeitsbedingungen beeinflussen, auch wenn sich diese Arbeit mit den men‐ talen Prozessen beschäftigt. „In den Kognitionswissenschaften bezeichnet der Begriff „Kognition“ alle perzeptiven, assoziativen, analytischen, produktiven und kreativen geistigen Prozesse“ (Siever 2010, 174). In der Übersetzungswissenschaft gehören vor‐ nehmlich die Verstehensprozesse und die Wortbildungsbzw. Reverbalisie‐ rungsprozesse zu den mentalen Prozessen (vgl. Siever 2010, 173). Gemeinsam ist den kognitionstheoretischen Übersetzungstheorien, dass sie „einen Zusam‐ menhang von Textverstehen und übersetzerischen Entscheidungen“ unter‐ stellen (Kupsch-Losereit 1996, 217). Nach Kupsch-Losereit (1993, 215) stellt sich der Übersetzungsprozess als zweiphasiger Prozess dar, bei dem „Sinnkonstruk‐ tion in der Verstehensphase und Sinngebung in der Übersetzungsphase […] un‐ trennbar verbunden“ sind. Anders gesagt, sollen sowohl die Rezeption des Aus‐ gangstextes als auch die Produktion des Zieltextes als kognitive Prozesse im Übersetzungsvorgang berücksichtigt werden. In der traditionell produktorientierten Übersetzungsdidaktik orientiert sich der Unterricht aber nur am Zieltext. Die Studierenden werden zuerst aufgefor‐ dert, Aufgaben bzw. Übungen in den Übersetzungslehrbüchern anzufertigen. Durch den Lehrenden werden die Produkte bzw. die Übersetzungen nach be‐ stimmten Kriterien aus der linguistischen Perspektive im Unterricht bewertet. Die produktorientierte Übersetzungsdidaktik bzw. der produktorientierte Über‐ setzungsunterricht lassen sich in mindestens zweifacher Hinsicht kritisieren. Zum einen werden die Lernenden und die in ihren Köpfen ablaufenden mentalen Prozesse in keiner Weise berücksichtigt. Zum anderen ist eine produktorien‐ tierte Bewertung der Übersetzungsleistung demotivierend, da Erfolgserlebnisse größtenteils ausgeschlossen werden (vgl. Siepmann 1996, 31). Darüber hinaus kann der produktorientierte Unterricht bei Lehrenden ebenso wie bei Studie‐ renden Frust auslösen, denn „die Lehrenden klagen über das Missverhältnis zwischen Vorbereitungsaufwand und Lernbzw. Lehreffekt und über alle Arten von Kompetenz- und Wissensdefiziten bei den Studierenden“ (Nord 1996, 313). 35 3.2 Übersetzungsprozess aus didaktischer Sicht Es ist folglich festzuhalten, dass der traditionell produktorientierte Unterricht der Komplexität des Translationsprozesses nicht gerecht werden kann. Vor diesem Hintergrund wird der prozessorientierten Übersetzungsdidaktik eine große Bedeutung beigemessen. Nach Krings (2005, 344) kann die Überset‐ zungsprozessforschung zum einen „wichtige Orientierungsmarken für ein ef‐ fektives Lehren und Lernen von Übersetzungskompetenz“ liefern und trägt zum anderen dazu bei, die Komplexität des Übersetzens und damit die Notwendigkeit von Professionalität in Ausbildung und Berufspraxis nachzuweisen. Kußmaul und Hönig (vgl. 1998, 172) erläutern, dass das erfolgreiche Übersetzen besser gelernt werden kann, indem man sich eine Vorstellung davon macht, welche Faktoren an den relevanten Prozessen beteiligt und wie sie miteinander vernetzt sind. Dieses Feld wird im folgenden Kapitel thematisiert. 3.2.2 Zirkelschema des Übersetzungsprozesses von C. Nord Das Ziel der übersetzungswissenschaftlichen Forschung besteht darin, zum einen ein reales Modell des Übersetzungsprozesses zu gewinnen und zum an‐ deren die Rolle der in diesem Prozess relevanten Faktoren aufzuzeigen. Insbe‐ sondere gilt es, die Rolle des translatorischen Wissens zu bestimmen (vgl. Presas 2007, 354). In Übereinstimmung damit ist es nach PACTE (2007, 328) notwendig herauszufinden, „wie die unterschiedlichen Kenntnisse im Kopf der Überset‐ zerin verarbeitet werden und welchen Einfluss sie auf den Übersetzungsprozess haben“. Um diese Fragen zu beantworten, hat Nord (2010) ein Zirkelschema des Über‐ setzungsprozesses erstellt, in dem der Übersetzungsprozess auf der didaktischen Ebene einerseits ausführlich beschrieben wird und andererseits alle im Über‐ setzungsprozess involvierten translatorischen Wissensbereiche und deren Ver‐ bindungen miteinander dargestellt werden (siehe Abb. 2). Anhand dieses Zir‐ kelschemas kann explizit nachvollzogen werden, an welcher Stelle des Übersetzungsprozesses welche Fähigkeiten bzw. Wissensarten vom Übersetzer verlangt und wie die unterschiedlichen Kenntnisse im Kopf des Übersetzers verarbeitet werden (vgl. Nord 2010, 105). 36 3. Übersetzerkompetenz und Übersetzungsprozess 2 Dieses Sach- und Fachwissen ist nach Nord (2010) nicht universell oder kulturunab‐ hängig, da sich die Perspektiven, aus der die beiden beteiligten Kulturen den Gegen‐ stand betrachten, unterscheiden können (Nord 2010, 106). Abb. 2: Der Übersetzungsprozess aus didaktischer Sicht von C. Nord (Nord 2010, 109) Nach dieser Abbildung beginnt der Übersetzungsprozess mit der Interpretation des Übersetzungsauftrags unter Rückgriff auf das Praxiswissen. Neben dem Praxiswissen fließt Sach- und Fachwissen 2 ebenfalls in die Interpretation des Auftrags ein, da manche Aufträge fachspezifisch sind. Anschließend werden Sprach- und Kulturwissen sowie Sach- und Fachwissen bei der Analyse des Ausgangstexts benötigt, denn das Sach- und Fachwissen gilt nicht nur für Fach‐ texte, denn auch in literarischen Texten können fachspezifische Gegenstände, Handlungen, Terminologie auftreten. Weil der Übersetzer nicht Experte in allen Bereichen sein kann, nehmen Recherchevorgänge einen besonderen Stellen‐ wert; durch Recherchen können die Wissenslücken behoben werden. Basierend auf der Interpretation des Übersetzungsauftrags und der Ausgangstextanalyse lassen sich Strategien in der Verbindung mit Theorie- und Methodenwissen 37 3.2 Übersetzungsprozess aus didaktischer Sicht heranziehen, wobei Wissenslücken in der Ausgangssprache und -kultur sowie Zielsprache und -kultur wieder mithilfe von Recherchen gefüllt werden. Zuletzt ist die Entwicklung des Zieltextes anzuführen, bei dem die Übersetzungsstra‐ tegie zur Anwendung kommt und die verschiedenen Wissensbereiche bzw. Fer‐ tigkeiten (z. B. Recherche und Analyse) integrativ eingesetzt werden (vgl. Nord 2010, 106 ff.). Fähigkeiten Wissen Fertigkeiten Analysefähigkeit Entscheidungsfähigkeit Kreativität Urteilsfähigkeit Sprach- und Kulturwissen Theorie- und Methodenwissen Sach- und Fachwissen Praxiswissen Auftragsanalyse Textanalyse in AS/ AK Strategieentwurf Textproduktion in ZS/ ZK Recherche(n) Tab. 1: Faktoren im Zirkelschema von C. Nord. (Nord 2010, 110) In diesem Prozess führt Nord eine Untergliederung der Übersetzerkompetenz ein. Es sind Fähigkeiten, Wissen und Fertigkeiten, die für die gelingende Über‐ setzung Voraussetzungen sind. So können Fähigkeiten, Wissen und Fertigkeiten unterschiedlich erlernt und vermittelt werden (Tab. 1). Darunter bilden Sprachwissen, Kulturwissen, Sach- und Fachwissen, Theorie- und Methodenwissen sowie Praxiswissen die fünf grundlegenden Wis‐ sensarten des Übersetzungshandelns, die im Unterricht oder durch Fachliteratur vermittelt werden (vgl. Nord 1996, 316) und im Schema in grauen Kästen sichtbar gemacht werden. Hierbei ist es sinnvoll, die Rolle des metasprachlichen Wissens sowohl im Hinblick auf die Fremdsprache als auch im Hinblick auf die Grund‐ sprache in die Betrachtung einbezogen werden. Insofern wird bei der Ausbil‐ dung eines übersetzungsorientierten Sprachbewusstseins hervorgehoben, „dass erst die ziel- und funktionsgerechte Verwendung der Sprachkenntnisse im Übersetzungsvorgang ermöglicht“ (Nord 1996, 319). Die Fertigkeiten, die „im Sinne von Techniken verstanden“ sind und „durch ein geeignetes Training weitgehend internalisiert werden können“ (Nord 1996, 316), umfassen Auftragsanalyse, Ausgangstextanalyse, Strategieentwurf, Ziel‐ textproduktion und Recherchieren in entsprechenden Kästchen mit einem fetten Rand. Nicht zuletzt zählen Analysefähigkeit für den Vergleich zwischen dem Über‐ setzungsauftrag und AT, Entscheidungsfähigkeit für die Auswahl der Überset‐ zungsstrategie, Kreativität für die Umsetzung der Entscheidung und Urteilsfä‐ higkeit bei der Qualitätssicherung zu den Fähigkeiten, „die durch gezielte Übungen weiterentwickelt werden“ (Nord 1996, 316). 38 3. Übersetzerkompetenz und Übersetzungsprozess Durch diese Untergliederung wird die Übersetzerkompetenz unter verschie‐ denen Aspekten betrachtet und dargestellt, was die Komplexität der Überset‐ zerkompetenz bzw. des Übersetzungsprozesses aufzeigt und zugleich einen Bei‐ trag zur Vermittlung der Übersetzerkompetenz im Unterricht leistet. Ein Nachteil des Zirkelschemas ist, dass sich die erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten und die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten nicht unterscheiden. Anders gesagt, werden die Übersetzungskompetenz und die Berufsqualifikationen (vgl. Kap. 3.2.1) in diesem Modell nicht separat behandelt. So kann z. B. das Praxiswissen als subjektive Erfahrung nicht unmittelbar im Unterricht vermittelt werden, was auch nicht durch Recherche erworben werden kann. Dieses Wissen kann nur in der Praxis allmählich gesammelt werden, da die didaktische Situation sich trotz aller Bemühungen um Realitätsnähe grundsätzlich von einer professio‐ nellen Situation unterscheidet. Insofern müssen sich das Praxiswissen und ko‐ gnitive Professionswissen (hier: Sprachwissen, Kulturwissen, Sach- und Fach‐ wissen sowie Theorie- und Methodenwissen) unterscheiden. Dieses Kapitel behandelte es sich vorwiegend um die Beschaffenheit und die Inhalte der Übersetzerkompetenz, die Komplexität des Übersetzungsprozesses und deren übersetzungsdidaktische Relevanzen und Konsequenzen. Dadurch wurde vor allem die Untersuchungsnotwendigkeit der Kompetenzentwicklung innerhalb der Übersetzungsdidaktik nachgewiesen. Ferner konnte daraus ab‐ geleitet werden, dass sich der Aufbau der Übersetzungskompetenz im Überset‐ zungsprozess verankert und daher von der prozessorientierten Übersetzeraus‐ bildung angewiesen ist. Nicht zuletzt ließen sich der Übersetzungsprozess und die darin involvierten Faktoren durch ein übersetzungsdidaktisches Zirkel‐ schema von Nord verdeutlichen. Basierend auf den Ergebnissen und Vorstel‐ lungen dieses Kapitels kann eine Modellierung der Übersetzungskompetenz in Kapitel 4 postuliert werden. 39 3.2 Übersetzungsprozess aus didaktischer Sicht 4. Zur Entwicklung eines Übersetzungskompetenzmodells In diesem Kapitel werden zunächst vier derzeit wichtigsten Translationskom‐ petenzmodelle bzw. Übersetzungskompetenzmodelle (Risku 1998; Schäffner 2000; PACTE-Gruppe 2007; Göpferich 2008) vorgestellt und analysiert. Anhand der erzielten Erkenntnisse zur Übersetzerbzw. Übersetzungskompetenz und zu dem Übersetzungsprozess (vgl. Kapitel 3) sowie der kritischen Auseinanderset‐ zung mit den vier angeführten Modellen wird ein Übersetzungskompetenzmo‐ dell konzipiert und dargelegt, das eine theoretische Grundlage für den Aufbau bzw. die Vermittlung der Übersetzungskompetenz und weiterhin für die Opti‐ mierung der Übersetzerausbildung bereitstellt. 4.1 Analyse der vier ausgewählten Übersetzungskompetenzmodelle Angehende professionelle Übersetzende müssen am Ende des Studiums über die Übersetzungskompetenz verfügen, die auf dem Arbeitsmarkt gefordert wird, um den dortigen Anforderungen gerecht zu werden. Aus den Überlegungen und Diskussionen in Kapitel 3 ergibt sich, dass Übersetzungskompetenz als kognitive Disposition und Professionswissen gesehen werden muss, deren Erwerb eine komplexe und anspruchsvolle Aufgabe ist. Im Kontext der wissenschaftlichen Bearbeitung didaktischer Ansätze stellt die Modellierung der für das Übersetzen wichtigen Kompetenzen die Basis für alle weiterführenden Überlegungen dar (vgl. Holz-Mänttäri 1984; Hönig 1995; Kußmaul 2000; Kiraly 1995, 2000). Für die Ausbildung der Übersetzer gibt es mehrere Modelle zur Erlangung der benötigten Übersetzerbzw. Übersetzungs‐ kompetenz, die sich in der perspektivischen Herangehensweise unterscheiden. Dadurch wird es deutlich, welche Teilkompetenzen beim Übersetzen eine Rolle spielen und wie diese Kompetenzen miteinander interagieren. Im Folgenden werden zunächst die vier wichtigsten und in der Literatur am häufigsten zi‐ tierten Modelle der Übersetzerbzw. Übersetzungskompetenz nach Risku (1998), Schäffner (2000), der PACTE-Gruppe (2007) und Göpferich (2008) vorgestellt und diskutiert. Das Modell von Risku (1998) baut auf den erkenntnistheoreti‐ schen Grundlagen für das Übersetzungshandeln bzw. die Übersetzerkompetenz auf. Schäffner (2000) geht von der Ausbildung der Übersetzenden aus und leitet ihr Modell im Wesentlichen aus einer Auflistung der wichtigen Kenntnisbe‐ reiche im Übersetzungsvorgang ab. Basierend darauf haben die PACTE-Gruppe (2007) und Göpferich (2008) die Darstellungen der miteinander interagierenden Teilkompetenzen schrittweise verbessert. Durch den Vergleich dieser Darstel‐ lungen werden die Grundlagen für das in dieser Arbeit entwickelte neue Über‐ setzungskompetenzmodell abgeleitet. Risku (1998) hat ein Kognitionsmodell der Übersetzungskompetenz unter Bezugnahme auf den Rahmen konstruktivistischer Erkenntnistheorien und handlungsorientierter Übersetzungstheorien aufgestellt. In ihrem Modell lassen sich zwei Extremphänomene einander gegenüberstellen: „die minimale Aus‐ rüstung des laienhaften Übersetzens“ und „das komplexe, flexible Modell des Expertenübersetzens“ (Risku 1998, 11). Durch den Vergleich dieser Laien- und Expertenhandeln in vier Anforderungsklassen bzw. Dimensionen, und zwar (1) Makrostrategieplanung, (2) Informationsintegration, (3) Maßnahmenplanung und Entscheidung sowie (4) Selbstorganisation, ist der Experte dadurch cha‐ rakterisiert, dass er „komplexe Probleme erfassen und adäquat bewältigen“ (ebd., 89) kann. Makrostrategie für laienhafte Übersetzungsprozesse wird einfach als die Re‐ präsentation vom allgemeinen Ziel und vom erworbenen Zieltextelementen transportiert (vgl. Risku 1998, 245). Verglichen damit ist Makrostrategie für Ex‐ perten kein „Ziel- und Elemententransport“ (ebd.), sondern „interaktiv zwischen Umwelt und kognitivem System“ (ebd., 248) gebildet. D.h. die aus verschiedenen, potentiell adäquaten Sollzuständen entstehende Zielhypothese über Makrostra‐ tegie wird im weiteren Verlauf immer wieder modifiziert und spezifiziert. Die Übersetzerkompetenz in der Makrostrategiebildung zeichnet sich dadurch aus, dass die Zielsituation, die vom Gesamtzieltext nur zu einem Teil repräsentiert wird, in der gewünschten Form antizipiert wird (vgl. ebd.). „Sowohl Laien als auch Experten aktivieren in Auftrags- und Rezeptionssi‐ tuationen erste Hypothesen über typische, allgemeine Merkmale eines Aus‐ gangstextes“ (Risku 1998, 250). Bei der Informationsintegration fokussieren Laien nur auf die Repräsentationen der oberflächlichen Ausgangstextelemente. Verglichen damit bemühen sich kompetente Übersetzende, die assoziative Basis zu erweitern und die Resultate dieser Assoziationen durch weitere Reflexion zu relativieren (vgl. ebd.). „Sie bilden mehrdimensionale hypothetische Repräsen‐ tationen der Ausgangs- und Zielsituationen (inkl. Texte), deren Entwicklung ständig reflektiert und evaluiert wird“ (ebd.). Bei der Maßnahmenplanung und Entscheidung ist eine Besonderheit des Lai‐ enhandelns „die extreme Reaktivität als Wiederholung fixierter Handlungs‐ 42 4. Zur Entwicklung eines Übersetzungskompetenzmodells (1) (2) (3) muster“ (Risku 1998, 253). Im Laufe des Übersetzungsprozesses verfestigen sich die Maßnahmenplanung und Entscheidung (auch Mikrostrategien genannt) immer weiter. In dieser Hinsicht ist das Laienhandeln daher durch „mangelhafte Reflexion“ gekennzeichnet (vgl. ebd.). Dagegen verfügen Experten über „hohe Kompetenz bei der Bewältigung komplexer, dynamischer Situationen“, die „in die Erkenntnis der Relativität von Verhaltensmustern“ mündet (vgl. ebd., 255). „Es bilden sich mehrdimensionale Strategiekombinationen, auf die zurückge‐ griffen wird, um sie für den aktuellen Fall zu modifizieren“ (vgl. ebd.). Selbstorganisation beruht nach Risku (1998, 259) auf der Interaktion der An‐ forderungen in den vier Dimensionen - Rollenmodelle, Metakognition, Ko-or‐ ganisation und Übersetzungsmodelle. Laienhafte übersetzerische Leitbilder zeichnen sich einerseits „durch einen Mangel an Erkenntnis der Entscheidungs‐ macht bzw. Kreativität“, und andererseits durch das niedrige Bewusstsein für die Notwendigkeit der Selbstorganisation beim Übersetzen aus, so dass die Stei‐ gerung der Übersetzungskompetenz auf die Suche nach Übersetzungstechniken beschränkt wird (vgl. ebd., 255 ff.). Im Gegensatz lässt sich das Selbstorganisa‐ tionsbewusstsein der Experten in den oben erwähnten vier Dimensionen durch Reflexion und Evaluation der eigenen Tätigkeit und ihrer Resultate erhöhen. Durch Aus- und Weiterbildung kann der Geltungsbereich von den Modellen des Übersetzens relativiert und neue Modelle können generiert werden (vgl. ebd., 258). Zusammenfassend lässt sich sagen, „dass übersetzerisches Laienhandeln vor‐ wiegend charakterisiert ist durch Statik, Fremdbestimmtheit (Reaktivität), Re‐ gelorientiertheit und Fixierung auf Einzelteile, während Übersetzen als Exper‐ tenhandeln sich durch Reflexivität, Kohärenzbildung, Vernetzung, Hierarchisierung, Flexibilität und Externalisierung auszeichnet“ (Kamm 2004, 599). Durch dieses Modell lassen sich die kognitiven Anforderungen an das Übersetzungshandeln als Expertenhandeln verdeutlichen. Die für die Überset‐ zerausbildung bedeutenden Inhalte der Teilkompetenzen bzw. das für den Teil‐ kompetenzaufbau benötigte konkrete Wissen werden hier jedoch nicht aus‐ führlich dargestellt. Zur Frage, wie Ausbildungsprogramme zum Übersetzen in modularer Struktur aufgebaut werden sollten, hat Schäffner (2000) eine Liste wichtiger Kenntnisbereiche vorgelegt: linguistic competence of the language concerned; cultural competence, i.e. general knowledge about historical, political, economic, cultural etc. aspects in the respective countries and communities; textual competence, i.e. knowledge of regularities and conventions of the texts, genres, text types; 43 4.1 Analyse der vier ausgewählten Übersetzungskompetenzmodelle (4) (5) (6) (1) (2) (3) (4) (5) domain/ subject specific competence, i.e. knowledge of the relevant subject, the area of expertise; research competence, i.e. a general strategy competence whose aim is the ability to resolve problems specific to the cross-culture transfer of texts; transfer competence, i.e. ability to produce target texts that satisfy the demands of the translation task. (Schäffner 2000, 146) Problematisch ist hierbei, dass einzelne Teilkompetenzen, wie z.B. linguistic, cultural, textual, domain/ subject specific competence, research und transfer com‐ petence, inhaltlich nicht scharf trennbar sind. Beispielsweise wird linguistische Kompetenz als „basic linguistic concepts (such as morpheme, word, meaning, speech act, syntax, semantics, pragmatics)“ definiert (Schäffner 2000, 147). Diese Teilkompetenz lässt sich nicht deutlich von der textuellen Kompetenz ab‐ grenzen, bei der es um „knowledge of regularities and conventions of texts, genres, text types“ geht. Zwischen research competence und transfer competence bestehen ebenfalls begriffliche Überlappungen. Beide Kompetenzen spielen eine bedeutende Rolle beim Problemlösen, deren funktionale Unterschiede allerdings nicht ausführlich dargestellt werden. Diese Probleme lassen sich mit dem Modell der PACTE-Gruppe verhältnis‐ mäßig gut lösen. Sie definiert die Übersetzungskompetenz als ein für die Über‐ setzung notwendiges, primär operatives, aber auch deklaratives Experten‐ wissen, das sich aus mehreren interagierenden Subkompetenzen und psychophysiologischen Komponenten zusammensetzt (vgl. PACTE 2007, 331). Alle Subkompetenzen bzw. Teilkompetenzen lassen sich genauer darstellen: Die zweisprachige Subkompetenz besteht vor allem aus primär operativem, für die Kommunikation in zwei Sprachen notwendigem Wissen: pragmatische, soziolinguistische, textlinguistische und lexikalisch-linguistische Kenntnisse. Die außersprachliche Subkompetenz besteht aus primär deklarativem Wissen über die Welt im Allgemeinen und über spezifische Themen; es sind bikulturelle und enzyklopädische Kenntnisse. Die Subkompetenz Übersetzungskonzeption besteht aus primär deklara‐ tivem Wissen über die Übersetzungsprinzipien (Übersetzungseinheit, Problemk‐ lassen, angewandte Prozesse, Methoden und Verfahren) sowie professionelle Aspekte (Auftragsarten, Ziellesertypen). Die instrumentelle Subkompetenz besteht aus primär operativem Wissen über die Dokumentationsquellen sowie über die Informations- und Kommuni‐ kationstechnologien. Die strategische Subkompetenz besteht aus operativem Wissen, das die Über‐ setzungseffizienz sichern soll. Diese Subkompetenz nimmt eine zentrale Stellung 44 4. Zur Entwicklung eines Übersetzungskompetenzmodells (6) bei der Steuerung des Übersetzungsprozesses ein, d. h. sie übernimmt die Pla‐ nung des Übersetzungsprozesses, die Entwicklung des Übersetzungsprojekts, die Bewertung von Übersetzungsprozess und Teilergebnissen unter Berücksich‐ tigung des angestrebten Übersetzungsziels, die Aktivierung der unterschiedli‐ chen Subkompetenzen und die Kompensierung möglicher Defizite sowie das Erkennen von Übersetzungsproblemen und die Anwendung der geeigneten Problemlösungsverfahren. Bei den psychophysiologischen Komponenten handelt es sich um kognitive Komponenten wie Gedächtnis, Wahrnehmung und Aufmerksamkeit und per‐ sönliche Eigenschaften wie Wissensdurst, Genauigkeit, Kritikfähigkeit, Ver‐ trauen in die eigenen Fähigkeiten, Realitätssinn beim Einschätzen der eigenen Fähigkeiten, Motivation, usw. (PACTE 2007, 332) Übereinstimmend mit Schäffner (2000) besteht das Modell ebenfalls aus fünf Teilkompetenzen, die durch psychophysiologische Komponenten ergänzt wird. Vorteilhaft ist in diesem Modell anzumerken, dass alle genannten Subkompe‐ tenzen als Bestandteile jedes Übersetzungsprozesses hierarchisch gegliedert sind. Dabei nimmt die strategische Subkompetenz eine zentrale Stellung, wäh‐ rend die psycho-physiologischen Komponenten nur eine ergänzende Rolle spielen (vgl. PACTE 2007, 332). Zudem lassen sich bei der Beschreibung der einzelnen Subkompetenzen die Wissensarten berücksichtigen, z. B. deklaratives, operatives und metakognitives Wissen. Insofern wird das operative und meta‐ kognitive Wissen im Bereich der außersprachlichen Subkompetenz leider nicht hinreichend mitberücksichtigt und dargestellt. Und das metakognitive Wissen im Kulturbereich, z. B. das für einen kompetenten Übersetzer notwendige kul‐ turelle bzw. interkulturelle Bewusstsein, wird nicht ausreichend gewürdigt. Aus der kritischen Auseinandersetzung mit dem Modell der PACTE-Gruppe ergibt sich das Translationskompetenzmodell von Göpferich (2008). Sie unter‐ scheidet in ihrem Translationskompetenzmodell, das zur Entwicklung der über‐ setzerischen Kompetenz von Übersetzungsstudierenden entstand, sechs Teil‐ kompetenzen: kommunikative Kompetenz, Sach- und Fachkompetenz, Hilfsmittelbenutzungs- und Recherchierkompetenz, Translationsroutineaktivie‐ rungskompetenz, psychomotorische Kompetenz und die strategische Kompetenz (vgl. Göpferich 2008, 155). Übereinstimmend mit dem Modell der PACTE-Gruppe sind die Inhalte der Teilkompetenzen - kommunikative Kompetenz, Sach- und Fachkompetenz, Hilfsmittelbenutzungs- und Recherchierkompetenz, psychomotorische Kompe‐ tenz - im Modell von Göpferich trotz terminologischer Unterschiede ebenfalls einbezogen. Unterschiedlich ist, dass sich die strategische Subkompetenz im Mo‐ 45 4.1 Analyse der vier ausgewählten Übersetzungskompetenzmodelle 1 Kommunikative Kompetenz schließt lexikalisches, grammatisches und pragmatisches Wissen in beiden Sprachen ein und erfordert dazu die Kenntnis der beiden involvierten Kulturen und ihrer Kulturspezifika. Hierbei ist für die Ausgangssprache primär die re‐ zeptive Kompetenz relevant, während in der Zielsprache die produktive Kompetenz eine zentrale Rolle spielt (vgl. Göpferich 2008, 148 ff.). dell der PACTE-Gruppe in zwei Teilkompetenzen (Translationsroutineaktivie‐ rungskompetenz und strategische Kompetenz) gliedern lässt. Die Translations‐ routineaktivierungskompetenz bezieht sich als Mikrostrategie auf bestimmte Maßnahmen, die beim Übersetzen häufig zu akzeptablen Lösungen führen und die routinemäßig abrufbar sein sollten. Die strategische Kompetenz bei Göpferich als Makrostrategie steuert und überwacht den Einsatz der Teilkompetenzen und legt situationsspezifische Prioritäten und Hierarchien fest (vgl. Göpferich 2008, 156). Bei genauerer Betrachtung fällt außerdem auf, dass die Sprach- und Kul‐ turkompetenz hier als kommunikative Kompetenz 1 bezeichnet wird. In der Praxis können die Übersetzungsprobleme in Abhängigkeit der nicht ausrei‐ chenden Entwicklung von Sprach- oder Kulturkompetenz entstehen. Daher sollen Sprach- und Kulturkompetenz im Unterricht aus fachdidaktischer Sicht getrennt behandelt werden, damit die beim Übersetzen auftretenden Probleme auf die richtigen Ursachen zurückgeführt werden können. Wenn man die angeführten Modelle miteinander vergleicht, erkennt man, dass Übersetzungskompetenz als theoretisch fundiertes Bündel miteinander in‐ teragierender Teilkompetenzen bzw. Subfacetten zu verstehen ist (vgl. Presas 2004, 202). Neben den hier genannten Teilkompetenzen lassen sich in der Lite‐ ratur noch zahlreiche weitere Teilkompetenzen und Kenntnisbereiche finden. Dazwischen lassen sich bereits inhaltliche Überlappungen unter den verschie‐ denen Modellen trotz terminologischer Unterschiede erkennen, was zu Unklar‐ heiten in der Lehr- und Lernzielformulierung in der Ausbildungspraxis führen kann. Ramolla (2013, 88) zufolge ist eine uneinheitliche Terminologie oder eine andere Strukturierung derselben Kompetenzen der Grund für die Vielfalt an Benennungen in den verschiedenen Kompetenzmodellen. Beispielsweise ist Sprachwissen in fast allen Modellen vorhanden; dieses wird bei Schäffner als linguistic competence, bei der PACTE-Gruppe als bilingual sub-competence, und bei Göpferich als kommunikative Kompetenz bezeichnet. Darüber hinaus werden Übersetzen und Dolmetschen in einigen Modellen, z. B. im Modell von Göpferich (2008), nicht voneinander abgegrenzt. Mit Be‐ rücksichtigung der Unterschiede zwischen Übersetzen und Dolmetschen und den daraus entstehenden didaktischen Anforderungen (vgl. Kap. 1) wird im Fol‐ genden ein Modell der Übersetzungskompetenz erstellt, das eine erweiterte 46 4. Zur Entwicklung eines Übersetzungskompetenzmodells Grundlage für den Aufbau der Übersetzungskompetenz bei Studierenden auf Basis didaktischer Überlegungen liefern möchte. 4.2 Modellierung der Übersetzungskompetenz aus didaktischer Sicht Mit einem Übersetzungskompetenzmodell aus didaktischer Sicht ist hier ge‐ meint, dass das Modell auf den Aufbau bzw. die Vermittlung der Übersetzungs‐ kompetenz im Unterricht abzielt. Von übersetzungsdidaktischen Überlegungen ausgehend wird die Übersetzungskompetenz vor allem als übersetzungsspezi‐ fische kognitive Fertigkeit und Fähigkeit bzw. als kognitives Progressionswissen bezeichnet, das im Unterricht erlernbar ist (vgl. Kap. 3.1). Psychophysiologi‐ schen Komponenten im Modell von PACTE-Gruppe (z. B. persönliche Eigen‐ schaften und Motivation etc.) und psychomotorische Kompetenz im Modell von Göpferich (z. B. Ehrgeiz, Ausdauer, Selbstbewusstsein etc.) als motivationale, volitionale und soziale Bereitschaften und Fähigkeiten (vgl. Weinert 2001; auch Kap. 3.1) zählen zu Berufsqualifikationen eines Übersetzers, die nicht im Un‐ terricht unmittelbar geschult, sondern in der Praxis erworben, und daher bei der Modellierung der Übersetzungskompetenz ausgeschlossen werden. Zugleich sollen terminologische Mehrdeutigkeiten bzw. Überlappungen im hier entwickelten Modell vermieden werden, weil das Modell aus didaktischer Sicht relativ einfach und daher auch für Lernende und Anfänger leicht nach‐ vollziehbar sein soll. In der Praxis ist es kaum möglich, einzelne Bausteine des Studiums zu isolieren, um ihren unmittelbaren Anteil an der Entwicklung der Übersetzungskompetenz zu verdeutlichen (vgl. Bergien 2004, 472). Dennoch sollen die spezifischen Kenntnisse des Übersetzers in jedem Teilbereich für di‐ daktische Überlegungen relativ isoliert determiniert werden, damit verschie‐ dene Wissensbereiche zugunsten des Kompetenzaufbaus im Übersetzungsun‐ terricht getrennt gelehrt und gelernt werden können. So lassen sich die bei der Bearbeitung der Übersetzungsaufgaben auftretenden Probleme, die auf dem Mangel von Teilkompetenzen beruhen, gezielt analysieren und lösen. Im Übersetzungsprozess wird im Allgemeinen zwischen zwei Phasen unter‐ schieden: einer Analyse des Ausgangstextes und einer Produktion des Ziel‐ textes. Die Benennung der beiden Phasen variiert. In diesem Modell werden die Begriffe rezeptive Phase (Rezeption des Ausgangstextes) und produktive Phase (Produktion des Zieltextes) benutzt (vgl. Kap. 3.2.1). Obwohl eine strikte Tren‐ nung nicht möglich ist, weil die Gestaltung des Zieltextes schon bei der Analyse des Ausgangstextes mitbedacht wird, lässt sich die Zweiteilung für die Über‐ 47 4.2 Modellierung der Übersetzungskompetenz aus didaktischer Sicht setzungsdidaktik aus Gründen der größeren Übersichtlichkeit beibehalten (vgl. Kautz 2000, 62). Aus diesen Gründen wird im Folgenden ein neues Übersetzungskompetenz‐ modell (siehe Abb. 3) in Anlehnung an die angeführten Modelle (vgl. Kap. 4.1) abgeleitet. Eine ausführliche Darstellung der Teilkompetenzen findet sich im nachfolgenden Kapitel. Abb. 3: Übersetzungskompetenzmodell aus didaktischer Sicht 4.2.1 Sprachkompetenz „Mit dem Begriff „Sprachkompetenz“ bezeichnet man im Allgemeinen die Fä‐ higkeit von Menschen, kommunikative Situationen intentions- und adressaten‐ spezifisch sprachlich zu bewältigen“ (Krelle 2013, 397). Als wichtiger Garant für einen erfolgreichen Übersetzungsprozess und als Baustein der Übersetzungs‐ kompetenz lässt sich Sprachkompetenz bzw. Sprachwissen trotz terminologi‐ scher Unterschiede in fast allen Übersetzungskompetenzmodellen finden. Bei Göpferich (2008) wird Sprachkompetenz als ein Bestandteil kommunikativer Kompetenz bezeichnet, bei der PACTE-Gruppe (2007) als zweisprachige Subkom‐ petenz. Bei Schäffner (2000) wird Sprachkompetenz in die linguistische und tex‐ tuelle Teilkompetenz gegliedert. Allen gemeinsam ist, dass Kommunikation, zweisprachige Kompetenz und linguistisches Wissen als Schlüsselbegriffe und wichtige Bestandteile der Sprachkompetenz unerlässlich sind. Davon ausgehend wird Sprachkompetenz nach dem in dieser Arbeit entwi‐ ckelten Modell als bilinguale Kompetenz bezeichnet und beinhaltet vor allem Muttersprach- und Fremdsprachkompetenz, mit denen die schriftliche interlin‐ guale (d. h. von der Ausgangssprache zur Zielsprache) Rezeption und Produktion erzielt wird. 48 4. Zur Entwicklung eines Übersetzungskompetenzmodells Als die zwei zentralen Bestandteile der bilingualen Kompetenz sollen daher Muttersprach- und Fremdsprachkompetenz gleichmäßig entwickelt werden. Mit Beginn der Ausbildung wird der Zusammenhang zwischen Kultur und Sprachverwendung am Beispiel der Muttersprache bewusstgemacht, „denn die Sprache, die verwendet wird, ist Ausdruck der kulturspezifischen Wahrneh‐ mung und Interpretation der Welt - eine für Translation unabdingbare Er‐ kenntnis, die zuerst an der Muttersprache erfahrbar gemacht werden muss“ (Resch 1998, 344). Daraus ergibt sich, dass die Muttersprachkompetenz nicht nur die unverzichtbare Voraussetzung der Übersetzungskompetenz, sondern auch notwendige Bedingung für die Erhöhung des Fremdsprachniveaus ist. Mit an‐ deren Worten führt eine unzureichende Muttersprachkompetenz nicht zum ge‐ wünschten Erfolg beim Fremdsprachlernen bzw. der Übersetzerausbildung. Leider wird die Bedeutung der Muttersprachkompetenz in der heutigen Über‐ setzerausbildung häufig vernachlässigt. Im Vergleich zur Fremdsprachkompe‐ tenz wird die Beherrschung der Muttersprachkompetenz oft als selbstverständ‐ lich vorausgesetzt, deren Verbesserung daher nicht prioritär ist. Tatsächlich kommt es bei den Studierenden häufig vor, dass sie bei der Übersetzung in die Muttersprache entweder kein richtiges bzw. inhaltlich angemessenes Wort finden können oder häufig grammatische Fehler machen. Das kann in vielen Fällen zu nicht verständlichen Zieltexten führen. Es ist folglich kaum vorstellbar, dass ein Übersetzer mit unzureichender Muttersprachkompetenz in der Lage sein wird, erfolgreiche Produkte, beispielsweise im Bereich der Literaturüber‐ setzung, schaffen zu können. Die schriftliche Rezeption und Produktion beschreibt der Kompetenzbereich „Lesen und Schreiben“, der sich inhaltlich auf alle linguistischen Ebenen (inkl. phonetisch-phonologisches, lexikalisch-semantisches, syntaktisches, textlingu‐ istisches und pragmatisches Wissen usw.) bezieht und im Übersetzungsprozess als sprachliches Hintergrundwissen in der Mutter- und Fremdsprache be‐ zeichnet werden kann. Herold (2010, 211) zufolge zählen alle Bereiche der Lin‐ guistik in ihrer angewandten aber auch in ihrer theoretischen Ausprägung zur Sprachkompetenz. Übersetzende müssen also in der Lage sein, grammatische, syntaktische, morphologische, lexikologische, stilistische, pragmatische und se‐ mantische Ausprägungen ihrer Arbeitssprachen, also sowohl ihrer Mutter- und Fremdsprache, zu verstehen, zu analysieren und bei der Übersetzung umzu‐ setzen. So entwickelt sich das auf den Übersetzungsprozess orientierte sprach‐ liche Übertragungswissen bzw. das übersetzungsspezifische Sprachwissen. Beide Wissensbereiche (sprachliches Hintergrundwissen und Übertragungs‐ wissen) sind für den schriftlichen Sprachtransfer (von dem Ausgangstext zum Zieltext) notwendig. Nicht zuletzt gehört es zur Sprachkompetenz, über Sprache 49 4.2 Modellierung der Übersetzungskompetenz aus didaktischer Sicht reflektieren zu können bzw. Sprache und Sprachgebrauch untersuchen zu können, um ein gewisses „Sprachbewusstsein“ zu erreichen (vgl. Kühn 2010, 32). Insofern ist metasprachliches Wissen sowohl im Hinblick auf die Fremdsprache als auch im Hinblick auf die Muttersprache bedeutend. Nach Nord (vgl. 1996, 319; auch Kap. 3.2.2) ermöglicht die Ausbildung eines übersetzungsorientierten Sprachbewusstseins die ziel- und funktionsgerechte Verwendung der Sprach‐ kenntnisse im Übersetzungsprozess. Durch das parallele Entwickeln von Mutter- und Fremdsprachkompetenz und die regelmäßige Reflexion darüber können die Übersetzenden eigene Sprach‐ gewohnheiten und das eigene Sprachniveau besser erkennen und verstehen. Ferner werden sie so in die Lage versetzt, das eigene Sprachbewusstsein zu ver‐ bessern, sodass sich deren Sprachkompetenz stetig und quasi selbstständig wei‐ terentwickelt. 4.2.2 Kulturkompetenz Kultur ist in der Allgemeinsprache und in verschiedenen universitären Diszi‐ plinen unterschiedlich definiert. Kulturvermittlung begleitet stets die Entwick‐ lung der Übersetzungswissenschaft. Historisch bezeichnete Goethe das über‐ greifende Ziel der Übersetzung als die „Annäherung des Fremden und Einheimischen, des Bekannten und Unbekannten“. Ihm zufolge ist die Aufgabe der Übersetzung, die sich in einem fremden Zeichensystem manifestierende Kultur zu verstehen und zu übertragen. „Kultur lässt sich für die Zwecke des Übersetzers definieren als all das, was dieser im Hinblick auf seine Ausgangsgesellschaft und seine Zielgesellschaften wissen und empfinden können muss“ (Albrecht 2017, 74). Als fremdsprachliche Kommunikationshandlung ist Übersetzen ohne eine entsprechende Vertrautheit mit dem jeweiligen kulturellen Hintergrund bedenklich und muss unweigerlich zu Missverständnissen führen. In der Übersetzungswissenschaft gibt es, wie in Kap. 4.1 dargestellt, zahl‐ reiche Darstellungen zur Kulturkompetenz aus verschiedenen Perspektiven. Beispielsweise werden im Übersetzungskompetenzmodell der PACTE-Gruppe (vgl. 2007, 332) bikulturelle deklarative Kenntnisse als wichtige Aspekte außer‐ sprachlicher Subkompetenz bezeichnet. Bei Schäffner (2010, 146) wird kulturelle Kompetenz als „general knowledge about historical, political, economic, cultural etc. aspects in the respective countries and communities” definiert. Und bei Göpferich (vgl. 2008, 148) werden die Kenntnisse der beiden involvierten Kul‐ turen und ihrer Kulturspezifika in die kommunikative Kompetenz einge‐ schlossen. 50 4. Zur Entwicklung eines Übersetzungskompetenzmodells Bei näherer Betrachtung fällt auf, dass im Rahmen der Kulturkompetenz bi‐ kulturelle Kenntnisse eine zentrale Stellung einnehmen. Sie werden als die wichtigsten praktischen Berührungspunkte zwischen Kultur und Übersetzung aufgefasst und dargestellt, die: 1) die „Kulturspezifika“ unter den sogenannten Realien; 2) Sitten, Gebräuche, Wertvorstellungen etc., deren Kenntnisse im Aus‐ gangstext stillschweigend vorausgesetzt wird, und die im Zieltext möglicher‐ weise behutsam nachgeliefert werden müssen; 3) der kulturspezifische Erwar‐ tungshorizont und schließlich 4) das kulturelle Gedächtnis, die kulturspezifischen Kanons umfassen (vgl. Albrecht 2017, 81). Um die didaktische Orientierung der Kulturkompetenz anzubieten, lässt sie sich in intrakulturelle und interkulturelle Kompetenz unterteilen. Im Allge‐ meinen bezeichnet man intrakulturelle Kompetenz als Kompetenz jeweils in der Mutterkultur und in der Fremdkultur und interkulturelle Kompetenz als Kom‐ petenz zwischen Mutterkultur und Fremdkultur. Wenn ein Übersetzer intrakul‐ turelle Kompetenz hat, verfügt er zuerst über ein breites Fundament an Allge‐ meinbildung und über Kriterien und Methoden, auf denen sich das jeweils nötige spezialisierte Wissen, Kennen und Können aufbauen lässt. Dagegen orientiert sich ein Übersetzer mit interkultureller Kompetenz an den übersetzerischen Grundvoraussetzungen der Kontrastivität und des Perspektivenwechsels. Er orientiert sich bei seiner Recherche, Analyse und deren Umsetzung an der Re‐ levanz für die jeweiligen Übersetzungsgegebenheiten und weiß, dass diese Re‐ levanz sich nach den jeweiligen Übersetzungsgegebenheiten auch ändern kann. Zudem zeigt er Problembewusstsein und verfügt sowohl über ein hohes Maß an aktivem Wissen als auch über die Fähigkeit, passives Wissen zu aktivieren und das jeweils notwendige zusätzliche Wissen einzuholen (vgl. Löwe 2002, 155). Kenntnis und Verständnis einer fremden Kultur unterscheiden sich qualitativ und quantitativ immer von der eigenen Kultur (vgl. Vermeer 1986b, 189; Witte 1987, 109 ff.). Bei der interkulturellen Kompetenz spielt das Bewusstsein für Kontrastivität und Perspektivenwechsel eine ausschlaggebende Rolle. Kompe‐ tenz in der eigenen Kultur ist in der Regel vorhanden: Ihre einzelnen Elemente bzw. ihre Gesamtheit können im Allgemeinen als bekannt, häufig sogar als un‐ bewusst bekannt, vorausgesetzt werden. Bei der Kontaktaufnahme mit einer fremden Kultur werden deren Elemente bzw. ihre Gesamtheit normalerweise ebenso unbewusst nach den Maßstäben der eigenen Kultur wahrgenommen und interpretiert. Eine solche unbewusste Kompetenz in einer oder zwei Kulturen ist nicht selten anzutreffen und für Übersetzer nicht ausreichend (vgl. Löwe 2002, 149). Sie brauchen, um übersetzerisch tätig sein zu können, die bewusste Kompetenz in der eigenen sowie in der fremden Kultur. 51 4.2 Modellierung der Übersetzungskompetenz aus didaktischer Sicht Es sei daher darauf hingewiesen, dass Kulturkompetenz im Übersetzungs‐ prozess aus intrakulturellen und interkulturellen Kompetenzen besteht, die nicht nur kulturelles Wissen in eigener und fremder Kultur (z. B. die „Kultur‐ spezifika“ unter den sogenannten Realien, Sitten, Gebräuchen, Wertvorstel‐ lungen; der kulturspezifische Erwartungshorizont, das kulturelle Gedächtnis, die kulturspezifischen Kanons etc.), sondern auch interkulturelles Wissen und Bewusstsein beinhaltet. 4.2.3 Sachkompetenz Im Laufe der technischen und wirtschaftlichen Globalisierung erfährt die Fach‐ übersetzung eine stetig wachsende Bedeutung, was in eindeutigem Zusammen‐ hang mit der wachsenden internationalen Kooperation steht. In Fachtexten sind „Sachnormen und Terminologien, fachhermeneutische Begriffsevidenz und fachsprachliche Wortbildung, soziolektale Präferenz und Funktionalstil, Kul‐ turspezifika, Verständlichkeitsmaximen und Textsortenkonventionen auf spe‐ zifische Weise miteinander vernetzt“ (Stolze 1999, 20). Um Fachübersetzungen erfolgreich durchzuführen und die Inhalte des AT in den ZT zu transferieren sowie die Funktion des AT im ZT zu verwirklichen, soll der Übersetzer neben Sprach- und Kulturkompetenz über Sachkompetenz verfügen. Ihre Notwendig‐ keit und Wichtigkeit für eine erfolgreiche Übersetzung sind unumstritten (vgl. Fluck 1992, 221), wie oben in den vorgestellten Modellen betont. In Überein‐ stimmung damit führte Paepcke (1986, 121; Bergien 2004, 473) aus, dass ohne Sachkompetenz jedes Übersetzen reiner Dilettantismus ist. Im Modell von Göp‐ ferich (2008) wird Sach- und Fachkompetenz verhältnismäßig ausführlich und deutlich dargelegt: Hierzu gehört Welt-, Sach- und Fachwissen, das über das unter kommunikative Kom‐ petenz in der Ausgangs- und Zielsprache genannte hinaus zum Verstehen des Aus‐ gangstextes bzw. zur Formulierung des Zieltextes aktiviert werden können muss, bzw. zumindest die Fähigkeit zu erkennen, in welcher Hinsicht zur Anfertigung einer Übersetzung Recherchen in externen Informationsquellen zum Schließen von Sach- und Fachwissenslücken nötig sind. (Göpferich 2008, 149) In Anlehnung daran beruht Sachkompetenz in diesem Modell auf Sachwissen bzw. domänenspezifischem Wissen und beinhaltet daher den auf die domänen‐ spezifischen Inhalte bezogenen Sachverstand, fachorientiertes Wissen und Kenntnisse sowie die damit verbundenen Fähigkeiten und Fertigkeiten, mit denen Übersetzer das zutreffende Sach- und Fachwissen situationsgemäß an‐ wenden können. 52 4. Zur Entwicklung eines Übersetzungskompetenzmodells Hinsichtlich des Sachwissens sollte ein Übersetzer mit Sachkompetenz vor allem Terminologie Kenntnisse bzw. Terminologieverwaltung nachweisen (vgl. Provotorov 2004, 537; Schmitt 2004, 544). Heutzutage verbindet sich es eng mit der rechnergestützten Datenbank, die sich als eine bedeutende Technik im Rahmen der Methodenkompetenz bezeichnet. Darüber hinaus ist domänenspe‐ zifisches Wissen zu einschlägigen Prozeduren (inkl. Algorithmen, Abläufe, Rou‐ tinen, Fertigkeiten, Handlungen, Skripts etc.) zum Verstehen des Fachtextes, z. B. für das Lesen bzw. Interpretieren technischer Zeichnung, unerlässlich. Nicht zuletzt ist die Reflexion über die Bedeutungen und Funktionen des domänen‐ spezifischen Wissens bzw. eigener Wissenslücken für einen professionellen Übersetzer eben vonnöten. Dabei wird betont, dass das enzyklopädische Wissen bzw. Weltwissen hier nicht eingeschlossen ist, weil dieses für die Studierenden bereits vorausgesetzt wird. Andererseits muss sich die Sachkompetenz eines Übersetzers nicht auf demselben Niveau wie die eines Experten im betreffenden Sachgebiet befinden. Dies macht beispielsweise Fluck (1996) deutlich, wenn er schreibt: Zunächst gehört zur Fachübersetzung, außer einer gründlichen Kenntnis der Fremd‐ sprache, Sachwissen und Sachverstand. Diese Sachkompetenz muß zwar nicht so weit gehen, daß etwa ein Übersetzer von Texten zur Flugzeugkonstruktion auch in der Lage sein müßte, eine solche Konstruktion selbst zu entwerfen, sie muß ihm aber ein sinn‐ gemäßes Verstehen des Ausgangstextes ermöglichen. (Fluck 1996, 136) „Die Kenntnisse und die Fähigkeiten in all diesen Teilbereichen müssen auch bei erfahrenen Übersetzern ständig weiter ausgebaut und der jeweiligen Situa‐ tion angepasst werden“ (Nord 2004, 173). Lücken beim Sachwissen können durch Recherchekompetenz ergänzt werden, die als Übersetzungsmethode bzw. -techniken zur Methodenkompetenz gehört und weiterhin im Folgenden erklärt wird. 4.2.4 Methodenkompetenz Risku (1998) zufolge unterscheiden sich übersetzerisches Expertenhandeln und Laienhandeln in den Bereichen der Makrostrategieplanung, Informationsinteg‐ ration, Maßnahmenplanung und Entscheidung sowie Selbstorganisation (vgl. Kapitel 4.1), die teilweise der Methodenkompetenz zugerechnet werden können. Die PACTE-Gruppe (vgl. 2007, 333) vertritt die Ansicht, dass die strategischen, instrumentellen und die Übersetzungskonzeptionen betreffenden Subkompe‐ tenzen spezifisch für die Übersetzungskompetenz sind, da jede zweisprachige 53 4.2 Modellierung der Übersetzungskompetenz aus didaktischer Sicht Person über Kenntnisse in zwei Sprachen verfügt und wahrscheinlich auch au‐ ßersprachliche Kenntnisse besitzt. In Anlehnung an Hönig (1995) und Göpferich (2008) wird Methodenkompe‐ tenz im hier entwickelten Modell, die im Bereich der Übersetzungswissenschaft in Makro- und Mikrostrategien ausdifferenziert werden kann, außerhalb der Sprach-, Kultur- und Sachkompetenz als übersetzerische Metakompetenz als ausschlaggebend für die Anfertigung einer Übersetzung bewertet. Dazu zählen die theoretischen Kenntnisse (z. B. Texttyptheorie, Übersetzungsprinzip und -richtlinien) als Makrostrategien und instrumentell-strategischen Fähigkeiten (z. B. übersetzungsrelevante Analyse und Informationsrecherche) als Mikro‐ strategien. Die theoretischen Kenntnisse leisten vor allem einen Beitrag zu dem Entwurf der Übersetzungsstrategien, was durch die Vorstellung des Zirkelschemas des Übersetzungsprozesses bereits dargestellt wurde (vgl. Kapitel 3.2.2). Zugleich spielen sie zur Entwicklung des übersetzerischen Problembewusstseins des Lerners auch eine signifikante Rolle (vgl. Siepmann 1996, 21), wie Siepmann ausführt: Eine Übersetzungstheorie, die dem Lerner Aufschluss über Strategien und Phasen des Übersetzungsprozesses und des übersetzerischen Lernprozesses gibt und ihm ein Be‐ wusstsein für seine Verantwortlichkeit als eigenständigem Kommunikator vermittelt, kann ihm helfen, Entscheidungen bewusst zu treffen und diese kritisch zu reflektieren. (Siepmann 1996, 17) Darüber hinaus sind ein wissenschaftlicher Übersetzungsvergleich bzw. eine Übersetzungskritik ohne theoretische Kenntnisse (z. B. Fachtermini) unvor‐ stellbar. Die instrumentell-strategischen Fähigkeiten werden in den angeführten Modellen Translationsroutineaktivierungskompetenz (Göpferich 2008), transfer competence (Schäffner 2000), instrumentelle Subkompetenz oder auch strategische Subkompetenz (PACTE 2007) genannt. In dem hier entwickelten Modell werden sie als Mikrostrategie betrachtet und beziehen sich auf verschiedene Überset‐ zungsmethoden und -techniken. Bemerkenswert ist, dass mit der Verbreitung des Internets Übersetzungsmethoden und -techniken zunehmend digitalisiert werden. Beispielsweise wird die Recherchekompetenz heutzutage nicht nur als der effektive Umgang mit den klassischen Recherchemitteln (z. B. Wörterbücher und Paralleltexte), sondern auch als die Fähigkeit zu der Internet-Recherche (z. B. rechnergestützter Terminologie-Datenbank und dem Textverarbeitungs‐ programm) bezeichnet. Für die Verbesserung der instrumentell-strategischen Fähigkeiten werden die theoretischen Kenntnisse vorausgesetzt. Beispielsweise hängt die Wahl der 54 4. Zur Entwicklung eines Übersetzungskompetenzmodells Übersetzungsmethode vom Texttyp und von der Übersetzungsfunktion ab (vgl. Schreiber 1998, 151). Ein weiteres Beispiel dafür ist, dass Übersetzende theore‐ tisches Wissen über die Terminologieverwaltung vor die Auswahl der geeig‐ neten Hilfsmittel und deren effiziente Anwendung beherrschen sollen (vgl. Nord 2004, 173). Die angewendeten Methoden können umgekehrt als hypothetische Richtlinien externalisiert werden, wodurch sich die theoretischen Kenntnisse erweitern und bereichern lassen (vgl. Risku 1998, 255). Daher wird vom Übersetzer gefordert, vor der Befolgung von Mikrostrategien zunächst eine Makrostrategie zu entwickeln, d. h. der Übersetzer hat nicht nur und nicht in erster Linie bestimmte übersetzerische oder kontrastiv-linguisti‐ sche Regeln, Strategien und Gesetzmäßigkeiten zu erlernen, sondern auch den richtigen „Umgang mit Regeln und Prinzipien des Übersetzens“ (Siever 2010, 190). Metaregeln sagen uns, unter welchen Voraussetzungen die Regeln oder Strategien am besten einzusetzen oder eben nicht einzusetzen sind (vgl. ebd.). Daher sollen die theoretischen Kenntnisse zunächst in der Übersetzungsausbil‐ dung vermittelt werden. Basierend darauf werden die instrumentell-strategi‐ schen Fähigkeiten geschult. 4.3 Fazit „Der Kompetenzbegriff als zentrales Moment der aktuellen Translatologie bietet einen hervorragenden Ausgangspunkt für diverse zu untersuchende Problem‐ felder“ (Herold 2010, 215). Übersetzungskompetenz drückt sich durch ein be‐ sonders hohes Maß an transferfähigem und vielfältigem Wissen und durch ziel‐ gerichtetes und systematisches Handeln aus. Im Übersetzungsvorgang, der aus zwei Phasen - Rezeption des Ausgangstextes und Produktion des Zieltextes - besteht, gliedert sich die Übersetzungskompetenz in dem hier entwickelten Übersetzungskompetenzmodell in vier Teilkompetenzen. Darunter steuert Me‐ thodenkompetenz als Metakompetenz den ganzen Übersetzungsprozess, der sich einerseits auf theoretische Kenntnisse und andererseits auf konkrete Über‐ setzungsmethoden und -techniken in verschiedenen Übersetzungssituationen bezieht. Sprachkompetenz beinhaltet linguistisches Wissen in der Mutter- und Fremdsprache, Sprachwissen und Reflexion über den schriftlichen Sprach‐ transfer (vom Ausgangstext zum Zieltext). Kulturkompetenz besteht aus intra‐ kulturellen und interkulturellen Kompetenzen, die nicht nur kulturelles Wissen in eigener und fremder Kultur, sondern auch interkulturelles Wissen und Be‐ wusstsein (z. B. Bewusstsein für Kontrastivität und Perspektivenwechsel) um‐ fasst. Sachkompetenz beinhaltet den auf die domänenspezifischen Inhalte be‐ 55 4.3 Fazit zogenen Sachverstand, das fachorientierte Wissen sowie die Reflexion über Wichtigkeit und Notwendigkeit des domänenspezifischen Wissens. Durch das Zusammenwirken aller Teilkompetenzen führt zur erfolgreichen Anfertigung eines Übersetzungsproduktes. Ausgehend von der Übersetzerkompetenz (vgl. Kap. 3) wurde hier darauf eingegangen, was vom modernen Übersetzer eigentlich erwartet wird bzw. was für ein erfolgreiches Übersetzungshandeln notwendig ist. Die Modellierung der Übersetzungskompetenz in diesem Kapitel zeigt Wege auf, welches Professi‐ onswissen in verschiedenen Teilbereichen im Unterricht gelehrt und gelernt wird. Dadurch wird eine theoretische Grundlage für die didaktischen Überle‐ gungen bereitgestellt, z. B. bei der Entwicklung eines Kategoriensystems (vgl. Kap. 5) für die Analyse der Übersetzungsaufgabe hinsichtlich der Vermittlung der Übersetzungskompetenz (vgl. Kap. 6). 56 4. Zur Entwicklung eines Übersetzungskompetenzmodells 5. Zur Entwicklung des Kategoriensystems zur Aufgabenanalyse Wie in Kapitel 2 erwähnt, wird in der Übersetzungsdidaktik den Übersetzungs‐ aufgaben kaum Aufmerksamkeit geschenkt. Die bisherigen Untersuchungen zu den Übersetzungsaufgaben beziehen sich vorwiegend auf die Übungsmateria‐ lien und Arbeitsformen im Unterricht (vgl. Kap. 2), wodurch die Qualität bzw. das kognitive Leistungspotential der Übersetzungsaufgaben hinsichtlich der Vermittlung der Übersetzungskompetenz nur oberflächlich und beschränkend analysiert werden können. Aufbauend auf den Erkenntnissen, dass Übersetzungskompetenz als kognitive Disposition und Übersetzungsprozess als kognitiver Prozess aufgefasst werden (vgl. Kapitel 3), wird ein Kategoriensystem zur Aufgabenanalyse mit einem Blick auf die übersetzungsdidaktische Validierung und allgemeindidaktische Kategori‐ ensysteme zur Aufgabenanalyse erstellt und dargelegt. Dadurch wird die For‐ schungsfrage, woran sich die Analyse der Übersetzungsaufgaben beim Aufbau der Übersetzungskompetenz ausrichten soll, beantwortet. Und weiterhin lässt sich eine Grundlage für die empirische Untersuchung in dem darauffolgenden Ka‐ pitel 6 erstellen. Es zielt darauf ab, das kognitive Aktivierungspotential einer Übersetzungsaufgabe im Hinblick auf die Vermittlung der Übersetzungskompe‐ tenz bzw. der vier Teilkompetenzen (vgl. Kapitel 4) zu analysieren. 5.1 Vorbemerkungen zur Entwicklung des Kategoriensystems Die Kategoriensysteme der Aufgabenanalyse lassen sich zuerst innerhalb der allgemeinen Didaktik vorlegen, da die theoretischen und empirischen Studien zu Aufgaben in der Übersetzungsdidaktik, wie oben erwähnt, bislang noch nicht aufgegriffen werden. Hinsichtlich des objektiven Potentials bzw. kognitiven Potential der Aufgaben sind zwei allgemeindidaktische Kategoriensysteme je‐ weils von Blömeke et al. (2006) und von Maier/ Kleinknecht et al. (2010b) stell‐ vertretend, die sich im Folgenden vorstellen lassen. Ein allgemeines bzw. fachübergreifendes Modell zur Erfassung der Merkmale hoher Aufgabenqualität von Blömeke et al. (2006, 330 ff.) umfasst drei Unter‐ richtsperspektiven, und zwar Inhalt, Lehren und Lernen. Es wird ein darauf bezogenes dreistufiges Analyseverfahren vorgestellt, das zwischen dem objek‐ tiven Potential einer Aufgabe, den intendierten Anforderungen seitens der Lehrperson und der Realisierung dieser Anforderungen im Lehr-Lernprozess unterscheidet. Auf Grundlage lernpsychologischer, motivationspsychologischer und allgemeindidaktischer Konzepte werden im Kategoriensystem von Blömeke et al. (2006, 337) insgesamt neun übergreifende Anforderungen bzw. Dimen‐ sionen zur Analyse der Aufgabenqualität entwickelt: (1) Exemplarische Er‐ schließung eines gesellschaftlich relevanten Bildungsinhaltes; (2) Ansprache von Schülerbedürfnissen; (3) Förderung genereller intellektueller Fähigkeiten; (4) Neuigkeitswert in Bezug auf den bereichsspezifischen Wissens- und Erfah‐ rungsstand; (5) Chance auf Bewältigung; (6) Potential zur Differenzierung; (7) Authentizität der Aufgabensituation; (8) Förderung der Problemlösefähigkeit; (9) Möglichkeit sozialer Interaktion. Zu jeder Dimension werden weiterhin ei‐ nige Kriterien entwickelt, die in Tabelle 2 aufgelistet werden. Didaktische und fachliche Merkmale hoher Aufgabenqualität Analysekriterien Exemplarische Erschließung eines gesell‐ schaftlich relevanten Bildungsinhaltes Thematisierung einer gesellschaftlich re‐ levanten Grundfrage Thematisierung einer gesellschaftlich re‐ levanten allgemeinen Methode Ansprache eines Bedürfnisses der Schüle‐ rinnen und Schüler Durch die Aufgabe angesprochene Be‐ dürfnisse Förderung genereller intellektueller Fä‐ higkeiten Geforderte kognitive Prozesse Geforderte Wissensformen Neuigkeitswert in Bezug auf den bereichs‐ spezifischen Wissens- und Erfahrungs‐ stand Grad an Neuigkeit des Inhalts Grad an Neuigkeit der Methode Chance auf Bewältigung Grad an Bekanntheit des bereichsspezifi‐ schen Inhalts Grad an Bekanntheit der bereichsspezifi‐ schen Methode Sprachliche Komplexität der Aufgaben‐ stellung Potential zur inneren Differenzierung Möglichkeit der Bearbeitung auf unter‐ schiedlichem kognitiven Niveau, in unter‐ schiedlicher Tiefe, in unterschiedlichem Umfang Repräsentation einer authentischen Situa‐ tion Reichweite der Situierung des bereichs‐ spezifischen Inhalts bzw. der Methode Komplexität der Modellierung 58 5. Zur Entwicklung des Kategoriensystems zur Aufgabenanalyse Förderung von Problemlösefähigkeit Offenheit der Ausgangssituation Zahl der möglichen Lösungswege Offenheit der Zielsituation Erfordernis sozialer Interaktionen Erfordernis von Gruppen- oder Partner‐ arbeit Erfordernis von Diskussion und/ oder Re‐ flexion im Klassenverband Tab. 2: Merkmale didaktischer und fachlicher Aufgabenqualität mit Analysekriterien (Blömeke et al. 2006, 337) Bemerkenswerterweise lässt sich die Förderung genereller intellektueller Fä‐ higkeiten in zwei Richtungen bestimmen: kognitive Prozesse und Wissens‐ formen. Insofern wird die Unterteilung der Wissensformen von Anderson et al. (2001) angewendet. Danach wird Wissen in vier Wissensformen - Fakten‐ wissen, Konzeptwissen, prozedurales Wissen und metakognitives Wissen - un‐ terteilt. Zudem unterscheiden sich sechs kognitive Prozesse: Erinnern, Ver‐ stehen, Anwenden, Analysieren, Gestalten und Evaluieren. Vom Potential hier ist die Aufgabe geeignet, alle vier Wissensformen zu fördern und die ersten fünf kognitiven Prozesse anzuregen (vgl. Blömeke et al. 2006, 344). Ein anderes stellvertretendes fachübergreifendes Modell zur Analyse des ko‐ gnitiven Potentials von Aufgaben wird von Maier/ Kleinknecht et al. (2010a, 2010b) entwickelt. Unter Rückgriff auf allgemeindidaktische Lernzieltaxono‐ mien und Befunde der Kognitionspsychologie werden sieben Dimensionen auf‐ gestellt, und zwar (1) Art des Wissens, (2) Kognitive Prozesse, (3) Anzahl der Wissenseinheiten, (4) Offenheit der Aufgabenstellung, (5) Lebensweltbezug, (6) Sprachlogische Komplexität und (7) Repräsentationsformen des Wissens. In Übereinstimmung mit Blömeke benutzen Maier/ Kleinknecht et al. eben‐ falls die von Anderson und Krathwohl (2001) genutzte Unterteilung des Wissens. Bei der Beschreibung verschiedener Wissensarten orientieren wir uns an der von An‐ derson und Krathwohl (2001) genutzten Unterteilung in Faktenwissen, prozedurales Wissen, konzeptuelles Wissen und metakognitives Wissen. Diese Wissensklassen gehen auf lern- und kognitionspsychologische Befunde zum Aufbau und zur Spei‐ cherung von Wissen zurück. (Maier/ Kleinknecht et al. 2010b, 86) In der Dimension Kognitive Prozesse unterscheiden Maier/ Kleinknecht et al. (2010b, 87) vier Stufen: Reproduktion, naher Transfer, weiter Transfer und krea‐ tive Problemlöseaufgaben. Bei den Reproduktionsaufgaben ist eine Erinne‐ rungsleistung erforderlich, z. B. „der Abruf von Wissen aus dem Langzeitge‐ dächtnis in einer Form, in der es auch eingespeichert wurde“ (ebd.). Transfer 59 5.1 Vorbemerkungen zur Entwicklung des Kategoriensystems 1 „Für die Abschätzung der Differenz zwischen Aufgaben- und Lernsituation sind ver‐ schiedene Hinweise denkbar. Beispielsweise kann die Aufgabe so gestellt sein, dass den Lernenden klar ist, welches Wissen für die Aufgabenlösung zur Anwendung kommen sollte“ (Maier/ Kleinknecht et al. 2010b, 87). lässt sich weiter untergliedern, je nachdem wie neuartig eine Situation ist, in der bereits verstandenes Wissen zum Einsatz kommen soll. Naher Transfer als erste Stufe liegt dann vor, „wenn sich die Aufgabensituation nur geringfügig von bereits bekannten oder geübten Aufgaben bzw. von der Lernsituation un‐ terscheidet 1 “ (ebd.). Verglichen damit erfordern Aufgaben mit weitem Transfer „die Anwendung von Wissen in einer neuen, unbekannten Situation“ (ebd.). Zudem muss das vorhandene Wissen nach Prinzipien, Regeln, Lernstrategien etc. durchsucht werden, die sich auf die Aufgabe anwenden lassen (vgl. ebd.). Kreative Problemlöseaufgaben als höchste Stufe müssen von den Transferauf‐ gaben abgegrenzt werden. Während bei Reproduktion sowie nahem und weitem Transfer das Wissen bereits in der Form vorhanden ist, in der es in der Aufgabe zur Anwendung kommen soll, sind Aufgaben denkbar, bei denen zunächst einmal neues Wissen geschaffen werden muss, um eine Aufgabe lösen zu können. (Maier/ Kleinknecht et al. 2010b, 87) Aus der Sicht der translatorischen Handlungstheorie wird das Übersetzen als professionelles Handeln betrachtet. Übersetzungskompetenz wird als überset‐ zungsspezifische kognitive Disposition bzw. kognitives Professionswissen be‐ zeichnet, die sich einerseits auf konkrete Übersetzungssituationen und die An‐ forderungen des Arbeitsauftrags beziehen. Andererseits ist sie erlernbar und wird durch Training oder andere äußere Interventionen beeinflusst und durch langjährige Praxis möglicherweise zur Expertise ausgebaut (vgl. Kapitel 3). Davon ausgehend lassen sich Übersetzungsaufgaben als Handlungssituationen im Unterricht (vgl. Kapitel 3) ansehen und sollen sich daher auf die Vermittlung der Übersetzungskompetenz fokussieren. Durch die Aufgabenbearbeitung sollen die Teilkompetenzen bzw. die Übersetzungskompetenz der Lernenden vermittelt und verbessert werden. In Anlehnung an die Operationalisierung der Übersetzungskompetenz in Ka‐ pitel 4 beinhaltet sie vier Kompetenzbereiche (Sprach-, Kultur-, Sach- und Me‐ thodenkompetenz), die miteinander in engem Zusammenhang stehen. Hier werden die Teilkompetenzen der Übersetzungskompetenz als vier Strukturie‐ rungsdimensionen zur Aufgabenanalyse ins Kategoriensystem eingeführt. Ihr Zusammenwirken untereinander wird bereits in Kapitel 4 erläutert und in der Abbildung 4 verdeutlicht. 60 5. Zur Entwicklung des Kategoriensystems zur Aufgabenanalyse Abb. 4: Die Übersetzungskompetenz und Übersetzungsaufgaben 5.2 Kategorien zur Aufgabenanalyse in verschiedenen Kompetenzdimensionen In Anlehnung an die allgemeindidaktischen Studien zur Aufgabenanalyse und die übersetzungsdidaktischen Erkenntnisse über die Materialauswahl wird hier darauf eingegangen, wie die Übersetzungskompetenz bzw. Teilkompetenzen durch die Aufgabenbearbeitung vermittelt wird bzw. welche Faktoren bei der Bewertung der Übersetzungsaufgaben hinsichtlich dem Aufbau der Überset‐ zungskompetenz berücksichtigt werden sollen. Insofern spielt zunächst The‐ menauswahl einer Übersetzungsaufgabe eine Rolle. In Übereinstimmung mit Anderson et al. (2001) und Blömeke et al. (2006) sowie Maier/ Kleinknecht et al. (2010a; 2010b) lassen sich die Art des durch eine Aufgabenbearbeitung ange‐ regten Wissens sowie die erforderlichen kognitiven Prozesse bzw. Anforde‐ rungen für wichtige Kategorien zur Analyse des kognitiven Potentials halten. Im Folgenden lassen sich drei Dimensionen und die darunter stehenden Krite‐ rien konkretisieren und mit Beispielen erläutern. 61 5.2 Kategorien zur Aufgabenanalyse in verschiedenen Kompetenzdimensionen 5.2.1 Themenauswahl Von der Übersetzungsdidaktik ausgehend steht die Materialauswahl bzw. Text‐ auswahl in den Übersetzungslehrbüchern und im Unterricht im Vordergrund. Dazu kommen verschiedene Begriffe und Parameter als Kriterien zur Anwen‐ dung, um die Textauswahl zu erläutern. Ausgangspunkt der Diskussion war Nords Werk Textanalyse und Übersetzen (1988). Danach folgen beispielsweise Kußmaul/ Schmitt/ Hönig (1998) und Kautz (2000). Ein wichtiges Kriterium für die Textauswahl ist der Praxisbezug, der im Zu‐ sammenhang mit Authentizität, Textsorte und Thematik steht (vgl. Kußmaul/ Schmitt/ Hönig 1998; Nord 2010). Dazu wird erläutert: Im Laufe des Studiums sollten die Studierenden Gelegenheit haben, möglichst viele derjenigen Textsorten und Themen kennenzulernen, die im jeweiligen Sprachpaar und der jeweiligen Übersetzungsrichtung in der aktuellen Berufspraxis besonders häufig Gegenstand von Übersetzungen sind. (Kußmaul/ Schmitt/ Hönig 1998, 359) Bemerkenswerterweise stellt Ulrich Kautz (2000) im Werk Handbuch Didaktik des Übersetzens und Dolmetschens ein verhältnismäßig vollständiges Prinzip‐ system der Textauswahl dar. Dieses umfasst (1) didaktische Eignung, (2) Au‐ thentizität, (3) Thematik, (4) Schwierigkeitsgrad, (5) Textsorte, (6) Länge, (7) In‐ teressantheit und (8) Aktualität (vgl. Kautz 2000, 147 ff.). Zu jedem Prinzip werden Erfüllungsbedingungen und Aufforderungen aufgestellt. Beispielsweise ist ein Text als Grundlage einer Übersetzungsübung geeignet, wenn er zur Ver‐ besserung der translatorischen Kompetenz und Textkompetenz der Lerner oder zur Erhöhung der Sprach- und Kulturkompetenz der Lerner beiträgt, oder „wenn er sich in ein System von untereinander abgestimmten Fächern bzw. Übungen im Rahmen des Übersetzungsunterrichts integrieren lässt“ (ebd., 147). Für die Authentizität eines Textes soll er (1) in der Übersetzungspraxis tatsächlich vor‐ kommen oder (2) von Muttersprachlern verfasst werden oder (3) repräsentativ für eine bestimmte Textsorte sein oder (4) in sich geschlossen sein oder (5) als „Text-in-Situation“ erkennbar, also mit Quellenangabe und in Originalform prä‐ sentiert werden (vgl. Kautz 2000, 147 f.). In Übereinstimmung mit Kußmaul/ Schmitt/ Hönig (1998) und Nord (2010) findet Kautz, dass die Themen ausgewählt werden sollen, die im Berufsleben der Lernenden häufig vorkommen oder für die spätere Berufstätigkeit der Ler‐ nenden relevant sind (vgl. Kautz 2000, 149). Dabei sind besonders die Beiträge der Themenauswahl zur Verbesserung der Übersetzungskompetenz, vornehm‐ lich der Kultur- und Fachkompetenz, hervorzuheben (vgl. ebd.). Insofern soll ein Text im Themenbereich Kautz zufolge drei Voraussetzungen folgendermaßen ausfüllen: 62 5. Zur Entwicklung des Kategoriensystems zur Aufgabenanalyse - Er ist für die zielsprachige Kultur- und Kommunikationsgemeinschaft relevant. - Er ist für die spätere Berufstätigkeit der Lerner relevant. - Er ist dafür geeignet, das Sach- und Fachwissen zu bereichern, d. h. er trägt dazu bei, die Kultur- und Fachkompetenz der Lernenden zu verbessern. Kautz 2000, 149) Daraus wird abgeleitet, dass die Themenauswahl bei der Aktivierung und Be‐ reicherung des Wissens, insbesondere des Sach- und Fachwissens sowie des Kulturwissens, von großer Bedeutung ist. In diesem Sinn knüpft die Themen‐ auswahl eng an die Vermittlung der Sach- und Kulturkompetenz an. Als Krite‐ rien im Kategoriensystem zur Auswertung der Übersetzungsaufgaben werden zwei Fragen jeweils im Bereich Kultur- und Sachkompetenz gestellt: - Wird Kulturwissen zu diesem dargestellten Thema durch die Aufgaben‐ bearbeitung gefordert? - Wird fachliches Sachwissen zu diesem dargestellten Thema durch die Aufgabenbearbeitung gefordert? Bei der Bearbeitung einer Übersetzungsaufgabe über das chinesische Frühlings‐ fest könnten z. B. chinesische Sitten und Gebräuche betroffen werden. Dadurch wird kulturspezifisches Hintergrundwissen aktiviert, recherchiert, erweitert und ggf. im Übersetzungsprozess eingesetzt, was die Studierenden zur Reflexion über eigenes Kulturwissen veranlassen kann. In diesem Fall wird Kulturwissen zu diesem Thema durch diese Übersetzungsaufgabe bereichert und weiterhin die Kulturkompetenz der Studierenden verbessert. Ebenso lässt sich durch die Übersetzung von einem Text, z. B. im Bereich des Maschinenbaus, das relevante fachliche Sachwissen fordern, das einen Beitrag zur Vermittlung der Sachkom‐ petenz leisten kann. 5.2.2 Art des Wissens Zwar ist Wissen keine Kompetenz, aber es bildet die wichtige Voraussetzung für den Kompetenzaufbau. Ohne Wissen kann die Kompetenz nicht aufgebaut bzw. entwickelt werden. In der Kognitionswissenschaft besitzt Wissen einen zentralen Stellenwert, da Kognition als wesentlich wissensbasiert angesehen wird. Das gespeicherte Wissen bildet zugleich die Grundlage für kognitive Lern‐ prozesse und leistet einen großen Beitrag zur Modifizierung vorhandener Wis‐ sensstrukturen, zur Übertragung des Wissens auf neue Anwendungssituationen und zur Erzeugung des neuen Wissens. Um die Vermittlung der Teilkompe‐ tenzen in den Blick zu bringen, lässt sich das durch Lernaufgaben tangierte Wissen auffassen. „Wissen kann unterschieden werden nach Dimensionen der 63 5.2 Kategorien zur Aufgabenanalyse in verschiedenen Kompetenzdimensionen Allgemeinheit, nach seiner Herkunft, nach seiner Funktion oder Präzision sowie auch nach der Art und Weise, in der es repräsentiert ist“ (Strube 1996, 799). Wissensarten werden als Differenzierungen des Wissensbegriffs betrachtet. Am ehesten erscheinen „Wissensarten“ als angemessene Bezeichnung für unter‐ schiedliche Wissensinhalte (vgl. ebd.). Daher wird die Art des Wissens als eine Dimension für die Aufgabenanalyse bzw. -bewertung eingeführt. Aus der über‐ setzungsdidaktischen Sicht wird das Professionswissen als Basis der Überset‐ zungskompetenz, wie bereits erläutert, inhaltlich in vier Arten unterteilt, und zwar in Sprachwissen, Kulturwissen, Sachwissen und theoretisches sowie me‐ thodisches Wissen. Darunter können weiterhin verschiedene Subwissensarten konkretisiert werden. Bei der Beschreibung verschiedener Wissensarten gibt es noch keine ein‐ heitliche Unterteilung, weil die tangierte Wissensart der Aufgaben je nach Fä‐ chern unterschiedlich ist. Die von Anderson und Krathwohl (2001) vorgenom‐ mene Unterteilung in Faktenwissen, prozedurales Wissen, konzeptuelles Wissen und metakognitives Wissen passt allerdings nicht zur Analyse einer Übersetzungsaufgabe. Als ein Kriterium im Bereich der Sprachkompetenz spielen z. B. Textstruktur und Textbedeutung eine wichtige Rolle bei der Rezeption des Ausgangstextes sowie bei der Produktion des Zieltextes, denn die Überset‐ zung bzw. der sprachliche Transfer setzt vor allem eingehendes Verständnis über die Textstruktur und Textbedeutung des Ausgangs- und Zieltextes voraus. Es ist aber schwer zu entscheiden, welcher Wissensart (dem Faktenwissen, prozedu‐ ralem Wissen oder auch konzeptuellem Wissen) sie zuzuordnen ist. In der Übersetzungswissenschaft definiert die PACTE-Gruppe (2007, 331) die Übersetzungskompetenz als „ein für die Übersetzung notwendiges, primär ope‐ ratives, aber auch deklaratives Expertenwissen, das sich aus fünf Subkompe‐ tenzen […] zusammensetzt“. In Übereinstimmung damit meint Presas (2007, 358): „Experten verfügen sowohl über operatives Wissen (Prozeduren, die durch Praxis erworben und automatisch angewendet werden) als auch über deklara‐ tives Wissen (Kenntnisse, die durch Auslegung erworben und bewusst ange‐ wendet werden.)“. In Anlehnung daran wird die Wissensart unter Berücksich‐ tigung der fachspezifischen Merkmale der Übersetzungsaufgabe in Hintergrundwissen, Übertragungswissen und metakognitives Wissen unter‐ teilt. Hintergrundwissen umfasst im Wesentlichen vernetztes Begriffswissen in ein‐ zelner Sprache, Kultur und Domäne. Es ist die Grundlage für bedeutungsvolles und vertieftes Verständnis von fachspezifischen Inhalten und ermöglicht den kumulativen Wissensaufbau innerhalb einer Fachdomäne. Solches Wissen bzw. diese Kenntnisse werden normalerweise durch Auslegung erworben und be‐ 64 5. Zur Entwicklung des Kategoriensystems zur Aufgabenanalyse 2 „Das eigene Wissen wird an den Anforderungen gemessen und in entsprechender Richtung weiterentwickelt (Metakognition)“ (Risku 1998, 258). wusst angewendet (vgl. Presas 2007, 358). Im sprachlichen Bereich handelt es sich um die Basisregeln einzelner Sprachen, z. B. Struktur und Bedeutungen von Wörtern, Phrasen, Sätzen und Texten. Übertragungswissen umfasst im Wesentlichen strategisches und operatives Wissen im Übersetzungsprozess. Beim Übertragungswissen handelt es sich um ein auf den Übersetzungsprozess orientiertes Wissen. Es ermöglicht die Durch‐ führung komplexer kognitiver und motorischer Übersetzungshandlungen. Sol‐ ches Wissen wird normalerweise durch Praxis erworben und von Experten bzw. Fachleute automatisch angewendet (vgl. Presas 2007, 358). D.h. wenn es beim Hintergrundwissen darum geht, zu wissen, was das Übersetzungsprinzip ist, geht es beim Übertragungswissen darum, wie man das Übersetzungsprinzip bei der Bearbeitung der Übersetzungsaufgabe einsetzen kann. Dieses Übertra‐ gungswissen ist nicht nur einzelsprachlich, sondern vor allem aus kontrastiver Sicht zu beschreiben. Metakognitives Wissen basiert auf Hintergrundwissen und Übertragungs‐ wissen, und umgekehrt dient es dem Aufbau von Hintergrund- und Übertra‐ gungswissen. Als eigenständiger Bereich wird metakognitives Wissen als das Wissen über eigene Kognitionen und eigenes Wissen beschrieben, welches das Lernen und Denken steuert und überwacht (vgl. Bach 2013, 127). Nach Maier/ Kleinknecht et al. (vgl. 2010a, 28) ist metakognitives Wissen das Wissen über die Fähigkeit, den eigenen Lernprozess zu steuern sowie Informationsverarbei‐ tungsstrategien und Problemlösestrategien gezielt anwenden zu können. Aus übersetzungswissenschaftlicher Sicht betrachtet Risku (1998) Metakognition 2 als ein Entwicklungsprinzip der Expertenkompetenz. Ebenso wird die Wichtig‐ keit metakognitives Wissens von Wilss wie folgt erfasst: Von besonderer Wichtigkeit ist, dass sich der Studierende sozusagen selbst über die Schulter schaut und metakognitiv, d. h. selbstreflexiv „Wissen über Wissen" und „Wissen über Wissensdefizite" aufbauen kann und so die Möglichkeit hat, Selbstein‐ schätzung zu betreiben und Selbstkorrekturen vorzunehmen. (Wilss 1992, 59) In diesem Kategoriensystem orientiert sich metakognitives Wissen im Wesent‐ lichen daran, ob die Reflexion über die Bedeutung des übersetzungsrelevanten Wissens sowie die Reflexion über die eigene Übersetzungskompetenz angeregt bzw. gefördert werden. Kußmaul (2003,148) stellt fest: „Je höher der Reflexions‐ grad und je differenzierter die Reflexion, desto größer die Wahrscheinlichkeit einer guten Übersetzung.“ Der Grad der Reflexion ist deswegen maßgeblich für 65 5.2 Kategorien zur Aufgabenanalyse in verschiedenen Kompetenzdimensionen die Qualität der Übersetzung, weil er darüber entscheidet, inwieweit die Über‐ setzerin Übersetzungsprobleme erkennen und dementsprechend auch lösen kann (vgl. ebd. 148 ff.). Risku (1998, 44) meint, dass Kognitionstheorien wie auch Übersetzungstheorien, die das menschliche Handeln auf seine rationale Dimen‐ sion reduzieren, einer Reflexion bzw. einer Revision bedürfen. Mit anderen Worten könnten Hintergrundwissen und Übertragungswissen ohne Reflexion und Revision kaum verbessert und erweitert werden. Durch die Reflexion lässt sich das Aktivierungspotential des metakognitiven Wissens jeweils in vier Teil‐ bereichen auswerten. In dieser Kategorie Wissensart ist es zum einen möglich, mehrere Wissens‐ arten bei der Bearbeitung einer Übersetzungsaufgabe zugleich zu aktivieren. Zum anderen sollen die zur Lösung einer integrativen Übersetzungsaufgabe be‐ nötigten unterschiedlichen Wissensbereiche (Sprachwissen, Kulturwissen, Sachwissen und Methodenwissen) berücksichtigt werden. Ziel ist, durch die drei Wissensarten die von den Teilkompetenzen geforderten Wissensbereiche zu operationalisieren bzw. systematisieren. 5.2.3 Kognitive Anforderungen In der Kognitionswissenschaft bezeichnet der Begriff Kognition alle perzep‐ tiven, assoziativen, analytischen, produktiven und kreativen geistigen Prozesse, wodurch große Beiträge zur Beschreibung des Übersetzungsprozesses geleistet wurden (vgl. Siever 2010, 174; vgl. auch Kap. 3.2.1). Besonders für die Überset‐ zungsdidaktik sind die Erkenntnisse der Kognitionsforschung von entschei‐ dender Bedeutung. Dadurch können die Fragen, was im Kopf der Lernenden beim Übersetzen geschieht und warum einem etwas leicht oder schwerfällt, be‐ antwortet werden. Im kognitionswissenschaftlichen Kontext wird „Experten‐ kompetenz also nicht nach der bloßen Fähigkeit bescheinigt, bestimmte Hand‐ lungen durchführen zu können, sondern danach, wie komplex die gelösten Probleme waren“ (Risku 1998, 89). Um die Komplexität der Übersetzungsaufgabe zu beleuchten, wird die Kognitionsstufe eingeführt, die sich in Anlehnung an das allgemeindidaktische Kategoriensystem in drei kognitive Stufen - Repro‐ duktion, Transfer und kreatives Problemlösen - ausdifferenziert. Bei den Reproduktionsaufgaben geht es um den Abruf des einschlägigen Wissens in einer für die Übersetzenden bekannten, d. h. bereits erlebten Über‐ setzungssituation. „In der typischen Übersetzungssituation versucht der Über‐ setzer für eine vorliegende Äußerung in der Ausgangssprache ein Äquivalent in der Zielsprache zu finden“ (Pause 1983, 73). Zur Kompetenzentwicklung werden die Lerner durch eine Lernaufgabe in Situationen gebracht, die als Lern‐ 66 5. Zur Entwicklung des Kategoriensystems zur Aufgabenanalyse situationen fungieren (vgl. Leisen 2010, 64). In der vorliegenden Arbeit wird jede Übersetzungsaufgabe als eine Handlungssituation (vgl. Kapitel 3) bzw. Überset‐ zungssituation betrachtet, in der sich das Übersetzungshandeln von den Stu‐ dierenden umsetzen lässt. Das einschlägige Wissen (z. B. kulturspezifische Sach‐ verhalte oder technische Abläufe in einem bestimmten Fachgebiet) kann den Studierenden durch das Erlernen bereits vorhanden sein oder bei der Rezeption des Ausgangstextes oder durch Recherchieren erworben werden. Bei der Re‐ produktionsleistung genügt es oft, das übersetzungsrelevante Wissen wieder‐ zugeben, welches nicht zwingend angewendet werden muss. Normalerweise erfordern Übersetzungsaufgaben auf der Reproduktionsebene meist keine Ex‐ pertenkompetenz. Stattdessen wird nur Hintergrundwissen in den unterschied‐ lichen Teilgebieten abgerufen und reproduziert. Dazu gehören manche Über‐ setzungsaufgaben auf der Wortebene, die über niedrige kognitive Komplexität verfügen. Dies bedeutet aber nicht, dass die Übersetzungsaufgabe leichter wird, je kleiner die Übersetzungseinheit ist. Es ist nicht selten, dass zur Wortüberset‐ zung ebenfalls Transferfähigkeit und kreative Leistung gefordert werden. Transferaufgaben orientieren sich auf das Anwenden verschiedener Wis‐ sensarten in einer für die Übersetzenden unbekannten, d. h. neuen Überset‐ zungssituationen. Diese Aufgaben ermöglichen eine Anwendung des Wissens im Bearbeitungsprozess und stellen den Studierenden vor spürbare Herausfor‐ derungen (vgl. Erpenbeck/ Sauter 2015, 24). Dies bedeutet, dass sich das vorhan‐ dene Wissen, ggf. durch Modifizierung der Wissensstruktur, auf neue Anwen‐ dungssituationen übertragen lässt. Dabei lernen die Studierenden Hürden zu überwinden und ihre Lösungen auf Basis ihres vorhandenen Wissens zu opti‐ mieren (vgl. ebd.). Diese Transfersaufgaben können sich auf alle Wissensarten beziehen, nicht nur auf das Anwenden des Hintergrundwissens, sondern auch auf das Anwenden von dem Übertragungswissen. „Im Vergleich zu Reproduk‐ tionsaufgaben verlangen Transferaufgaben in der Regel eine Könnensleistung“ (Kleinknecht/ Bohl et al. 2013, 70). Verglichen mit der nächsten Stufe (kreatives Problemlösen) kommt das Wissen zwar in einer neuen, aber nicht in einer Un‐ konventionalität erfahrenden Übersetzungssituation zur Anwendung. Kreatives Problemlösen erfordert, das übersetzungsrelevante Wissen in einer für die Übersetzenden neuen, d. h. Unkonventionalität erfahrenden Überset‐ zungssituation anzuwenden. In diesem speziellen Fall ist entscheidend, ob der Übersetzer eine anzuwendende Prozedur sofort zur Verfügung hat oder nicht. Ist keine Prozedur für das Problem geeignet, muss eine bekannte Prozedur mo‐ difiziert werden, was einer kreativen Problemlösung, d. h. der höchsten Stufe gleichkommt. Beim kreativen Problemlösen, der obersten Stufe der kognitiven Prozesse, wird nach Maier/ Kleinknecht et al. (2010a; 2010b) eine kreative Leis‐ 67 5.2 Kategorien zur Aufgabenanalyse in verschiedenen Kompetenzdimensionen tung verlangt, d. h. „das Zusammenfügen vorhandener Elemente, so dass für die Lösung der Aufgaben erforderliches und neues Wissen entsteht“. Im Bereich der Übersetzungswissenschaft diskutiert Kußmaul (2000) Kreativität im Zusam‐ menhang mit der Lösung von Übersetzungsproblemen. Dementsprechend de‐ finiert er kreative Übersetzungen folgendermaßen: Eine kreative Übersetzung entsteht aufgrund einer obligatorischen Veränderung des Ausgangstexts, und sie stellt etwas mehr oder weniger Neues dar, das in einer (Sub-)kultur im Hinblick auf einen bestimmten Verwendungszweck als mehr oder weniger angemessen akzeptiert wird. (Kußmaul 2000, 31) So kommt er zum Ergebnis, dass Neuheit aus der Veränderung beim Überset‐ zungsprozess entsteht. Hier wird das Mehr-oder-weniger-Prinzip in die Defini‐ tion eingebracht, weil „Neuigkeit“ genauso wie „Kreativität“ ein graduierbarer Begriff ist. Übersetzer müssen gegenüber dem Ausgangstext fast immer etwas verändern. Somit schaffen sie fast immer etwas „Neues“ (vgl. Kußmaul 2000, 178). Um die Abstufungen nach dem Mehr-oder-weniger-Prinzip darzustellen bzw. zusammenzufassen, wird es wie im Folgenden erklärt: Keinerlei Kreativität ist erforderlich, wenn das Muster der Ausgangssprache mit dem gleichen Muster in der Zielsprache übersetzbar ist. Ein gewisses Maß an Kreativität ist erforderlich, wenn in der Zielsprache ein Muster vorhanden ist. Man muss sich an dieses Muster ja erst einmal erinnern bzw. man muss es entdecken. Mehr Kreativität ist erforderlich, wenn in der Zielsprache noch kein Muster vorhanden ist, um die Vorstellungen des Ausgangstexts auszudrücken. Dann muss ein neues Muster ge‐ schaffen werden. (Kußmaul 2000, 29) „Problemlösungen - und deren Kreativität - werden in der Kognitionsforschung anhand der Kriterien Neuheit und Angemessenheit bewertet“ (Siever 2010, 196). Das Kriterium Angemessenheit für kreatives Übersetzen ist grundsätzlich davon abhängig, ob die Übersetzungsprobleme erfolgreich gelöst werden und ob der Übersetzungszweck im Zieltext bzw. in der Zielkultur verwirklicht werden kann (vgl. Kußmaul 2000, 25). Nach Funke (1992, 5) wird vom Problemlösen dann gesprochen, wenn „die Überführung des Ausgangszustands in einen (u. U. selbstständig zu präzisierenden) Zielzustand nicht auf Anhieb gelingt, sondern das Überwinden von ‚Barrieren’ zwischen Ist- und Sollwerten erfordert“ (Risku 1998, 50). 68 5. Zur Entwicklung des Kategoriensystems zur Aufgabenanalyse 3 Darunter lässt sich die Themenauswahl in den Bereichen der Sprach- und Methoden‐ kompetenz nicht berücksichtigen, da sowohl die sprachliche Wissensexpansion als auch die Entwicklung der Methodenkompetenz nicht von dem Thema bzw. Inhalt der Aufgaben abhängt. In den Bereichen der Kultur- und Sachkompetenz werden vorwie‐ gend Hintergrundwissen und metakognitives Wissen in der Dimension „Wissensarten“ betroffen (siehe 5.3.2/ 5.3.3). Die Kategorie kreatives Problemlösen im Bereich der Sach‐ kompetenz wird ebenfalls ausgeschlossen. Die Gründe dazu werden in Kapitel 5.3.3 erklärt. 5.3 Konkretisierungen der Kriterien im Kategoriensystem Zu den Kategorien werden horizontal vier Teilkompetenzen der Übersetzungs‐ kompetenz als Hauptdimensionen betrachtet. Vertikal werden die oben darge‐ stellten drei Hauptdimensionen eingeführt: Themenauswahl, Wissensarten und kognitive Anforderungen. Daraus lässt sich ein zweidimensionales Kategorien‐ system mit 23 Kategorien bzw. 42 Kriterien bilden 3 (vgl. Tab. 3). Die vier Teil‐ kompetenzen - Sprach-, Kultur-, Sach- und Methodenkompetenz - werden im Folgenden jeweils durch die Abkürzungen SK, KK, SaK und MK ersetzt; die drei Dimensionen Themenauswahl, Wissensarten und kognitive Anforderungen als TA, WA und KA. Die Wissensart wird noch in Subdimensionen, und zwar in Hintergrundwissen (HW), Übertragungswissen (ÜW), metakognitives Wissen (MW), und kognitive Anforderungen in Reproduktionsaufgaben (RA) und Transferaufgaben (TA) sowie kreatives Problemlösen (KP) untergegliedert. Die 42 Ja-Nein-Fragen bzw. Kriterien darin werden mit Hilfe von Zahlen veran‐ schaulicht. Beispielsweise bedeutet die eins das erste Kriterium in der Sprach‐ dimension (SK) und wird in der vorliegenden Arbeit mit HW-1 bezeichnet. Die Ziffern 1-4 bezeichnen die Kategorie Hintergrundwissen im Bereich der Sprach‐ kompetenz. Die Ziffer zwei steht für das zweite Kriterium Phrasenstruktur und Phrasenbedeutung (HW-2). Im Folgenden wird jedes Kriterium in diesem Ka‐ tegoriensystem mithilfe von konkreten Beispielen aus der deutsch-chinesischen Übersetzungspraxis tiefgehend dargelegt. 69 5.3 Konkretisierungen der Kriterien im Kategoriensystem Tab. 3: Kategoriensystem zur Analyse des kognitiven Potentials von Übersetzungsauf‐ gaben 5.3.1 Kriterien der Sprachkompetenzdimension In der Sprachkompetenzdimension werden 14 Kriterien mit Ja-Nein-Fragen je‐ weils in sieben Kategorien aufgestellt. Hinsichtlich des Hintergrundwissens in dieser Sprachkompetenzdimension gibt es vier Kriterien, die mit der Leitfrage „Ist grundsätzlich davon auszugeben, dass die Aufgabenbearbeitung Hintergrund‐ wissen im Bereich der Sprachkompetenz erfordert? Wenn ja, welches? “ überprüft werden. In der Übersetzungswissenschaft nehmen morphologische Fragestellungen naturgemäß eine vergleichsweise untergeordnete Stellung ein. Übersetzt werden letztlich nicht einzelne Morpheme oder morphologische Merkmale, sondern Inhalte und Äußerungen. Die Berührungspunkte und damit der inter‐ disziplinäre Austausch zwischen der Lexik und der Übersetzungswissenschaft beschränken sich daher im Wesentlichen auf die Wortbedeutung. B. Nord (vgl. 70 5. Zur Entwicklung des Kategoriensystems zur Aufgabenanalyse 4 Charles Fillmore (1977) bezeichnet sie mit der Metapher Szene. Diese prototypischen Szenen sind Vorstellungen in unseren Köpfen. In der sprachlichen Kommunikation sind sie jeweils begrenzt durch einen Rahmen, d. h. eine sprachliche Form (vgl. Kußmaul 2010, 32). 2002, 216) hat in einer empirischen Studie festgestellt, dass Übersetzer in erster Linie die Bedeutung einzelner Wörter nachschlagen. Auch nach Kußmaul (vgl. 2000, 11) sind Wortbedeutungen die häufigsten Probleme der Studierenden und führen bei der Übersetzung zu den gravierendsten Fehlern. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Wortstruktur, die beim Übersetzen auch relevant ist, außer Be‐ achtung gelassen wird. Daher wird Wortstruktur und Wortbedeutung als erstes Kriterium des Hintergrundwissens im Bereich der Sprachkompetenz postuliert und mit der Abkürzung von HW-1 bezeichnet. Die strukturelle Semantik hat für die Übersetzungswissenschaft die wichtige Er‐ kenntnis gebracht, daß sich die lexikalischen Systeme zweier Sprachen in vielen Fällen nicht entsprechen und daß es demzufolge Bedeutungsüberlappungen mit daraus re‐ sultierenden Konvergenzen und Divergenzen gibt. (Kußmaul 1998, 49) Der Szenen-und-Rahmen-Semantik (Scenes-and-frames-semantics) werden in diesem Fall von der Übersetzungswissenschaft große Aufmerksamkeiten ge‐ widmet, denn dieses Modell scheint als Erklärungshypothese für die Verstehens- und Reverbalisierungsvorgänge beim Übersetzen gut geeignet zu sein. Danach ist die Bedeutung von Wörtern ist nichts Statisches, sondern durch die Kom‐ munikationssituation 4 und den Kontext beeinflusst, ja oft sogar durch diese ge‐ schaffen (vgl. Kußmaul 2010, 26). Bei der Beschreibung der Wortbedeutung im Deutschen wie im Chinesischen lassen sich die pragmatischen Funktionen des Wortes einbeziehen; z. B. neben der Denotation (inkl. der denotativ-begrifflichen und der wertend-emotionalen Bedeutung) sollte die Konnotation (stilistische und soziale Worteigenschaften) zum Wortinhalt gerechnet werden (vgl. Römer/ Matzke 2005, 123). Das zweite Kriterium ist Phrasenstruktur und Phrasenbedeutung mit der Ab‐ kürzung von HW-2. Im Allgemeinen lassen sich Wortgruppen als Phrasen be‐ zeichnen, die syntaktisch eine Einheit bilden. Aus linguistischer Sicht sind so‐ wohl die Anzahl als auch die verschiedenen Definitionen der Phrasen im Chinesischen wie im Deutschen umstritten (vgl. Dürscheid 2010, 29; Liu/ Pan/ Gu 2017, 7). Im Bereich des Übersetzens werden die Phrasenstruktur und Phrasenbedeutung zwar bis heute oft benachteiligt; sie sind dennoch von großer Bedeutung, so dass von dem Kriterium Phrasenstruktur und Phrasenbe‐ deutung ausgegangen wird. Mit Hilfe von Verbalsubstantiven werden z. B. Hand‐ lungen nicht in Sätzen, sondern in syntaktisch komplexen Nominalphrasen rea‐ 71 5.3 Konkretisierungen der Kriterien im Kategoriensystem lisiert, wie die über Aktienfonds erzielten Gewinne eines Unternehmens statt die Gewinne, die ein Unternehmen über Aktienfonds erzielt (vgl. Kvam 1998, 55). Danach folgt das dritte Kriterium Satzstruktur und Satzbedeutung mit der Abkürzung von HW-3. Im Rahmen von Satzstruktur und Satzbedeutung handelt es sich vor allem um einzelsprachliche syntaktische Regeln, die die überset‐ zungsrelevante Analyse des AT und die Produktion des ZT stark beeinflussen können. Im Deutschen kann z. B. die Erststelle im einfachen Satz grundsätzlich durch jedes Satzglied besetzt werden. Aber die Besetzung der Erststelle im zu‐ sammengesetzten Satz durch Satzglieder des untergeordneten Satzes, Satzver‐ schränkung genannt, ist im heutigen schriftsprachlichen Deutsch sehr selten möglich, z. B. die Umstellung von „den Hund“ in „Ich weiß nicht, ob Peter den Hund sieht“ in „Den Hund weiß ich nicht, ob Peter sieht.“ Diese Satzverschrän‐ kung findet dagegen im Chinesischen deutlich breitere Anwendung (vgl. Kvam 1998, 54). In den meisten Fällen werden nicht alleinstehende Sätze, sondern Texte über‐ setzt. Daher vermag ein direktes Ableiten von Übersetzen von der satzbezo‐ genen Systemlinguistik nur wenige Aspekte des komplexen Phänomens Über‐ setzen zu berücksichtigen (vgl. Kvam 2009, 11). Die textlinguistischen Methoden und Erkenntnisse können an vielen Stellen der Übersetzungsdidaktik relevant sein und der Text als Funktionseinheit wurde dabei zunehmend in den Blick‐ punkt der Übersetzungsdidaktik gerückt: In der Analysephase, in der der AT rezipiert und verstanden werden muss, in der Synthesesphase, in der der ZT formuliert werden muss, und in der Evaluierungsphase, in der das Produkt Übersetzung an den Vorgaben des Übersetzungsauftrags gemessen werden muss (vgl. Nord 1998a, 59; Holzer 2002, 33). Daher ist Textstruktur und Textbedeutung als ein Kriterium (HW-4) ins Kategoriensystem einzuordnen. Textlinguistische Kategorien im engen Sinne betreffen vornehmlich die Be‐ reiche Thematik, Inhalt („was“) und Textstruktur („wie“), wie z. B. Thema-Rhema-Gliederung und thematische Progression, funktionale Satzper‐ spektive, kohärenz- und kohäsionsstiftende Mittel wie Anaphern/ Kataphern, Rekurrenz/ Paraphrase, Isotopien, Substitutionsmechanismen oder Konnek‐ toren (vgl. Nord 1998a, 60). Hinsichtlich der Analyse der Textbedeutung sind Analysekategorien nicht auf einer Ebene anzusetzen. Sie bilden stattdessen eine Hierarchie, wobei den pragmatischen Faktoren meist ein hoher Stellenwert ein‐ geräumt wird (vgl. Holzer 2002, 33 f.). Die Erkenntnis, dass Textbedeutung und damit auch textkonstituierende Verfahren nicht ohne Berücksichtigung der si‐ tuativen Faktoren ihrer Produktion bzw. Rezeption zu bestimmen sind, und die Herausarbeitung der Interdependenz zwischen textexternen und textinternen 72 5. Zur Entwicklung des Kategoriensystems zur Aufgabenanalyse Faktoren, die letztlich zu einer Textfunktions- oder Textsortenlinguistik und zu verschiedenen Texttypologien führte, hat die Entwicklung der modernen Über‐ setzungswissenschaft stark beeinflusst (vgl. Nord 1998a, 59). In der oben dargestellten Kategorie Hintergrundwissen der Sprachkompetenz lassen sich von der Linguistik ausgehend die einzelsprachliche Bedeutung und Struktur durch vier Aspekte bzw. Kriterien erfassen. Im Vergleich dazu lassen sich die fünf Berührungspunkte bzw. Kriterien der Kategorie Übertragungs‐ wissen (Wortartwechsel, Einfügen und Weglassen von Wörtern, Änderungen der Satzart, Umwandlung des Satzbaus und Aufbau der Zieltextkohärenz) von der Übersetzungswissenschaft bzw. Übersetzungsdidaktik ausgehend als Überset‐ zungstechniken bzw. interlinguale Fertigkeiten ansehen. Sie orientieren sich als strategisches Wissen eher auf den Übersetzungsprozess bzw. den Aufbau der sprachlichen Äquivalenz zwischen AT und ZT. In dieser Kategorie Übertra‐ gungswissen werden nicht alle Aspekte bezüglich des Sprachtransfers systema‐ tisch dargestellt, sondern nur die repräsentativen Berührungspunkte bei der deutsch-chinesischen Übersetzung, die in den ausgewählten Lehrbüchern ver‐ mittelt werden, exemplarisch dargelegt. Im Chinesischen wie im Deutschen lassen sich unterschiedliche Wortarten dekomponieren, wobei sowohl deren Anzahl als auch deren verschiedenen De‐ finitionen kontrovers diskutiert werden (vgl. Liu/ Pan/ Gu 2017; Knobloch/ Scha‐ eder 2007). Im Bereich des Übersetzens spielt Wortartwechsel eine besondere Rolle (vgl. Schreiber 1993; Zhang 2009; Qian 2009), so dass von dem Kriterium Wortartwechsel (ÜW-5) ausgegangen wird. Beispielsweise werden Nominalph‐ rasen eines deutschen Satzes häufig durch Verbalphrasen ins Chinesische über‐ setzt. Bspw.: Das vorrangige Ziel der deutschen Außenpolitik ist der Erhalt von Frieden und Sicherheit in der Welt. Dazu gehört der Einsatz für Menschenrechte weltweit, eine Weltwirtschaft mit Chancen für alle, grenzüberschreitender Um‐ weltschutz und ein offener Dialog zwischen den Kulturen (Aus: Tatsachen über Deutschland, 73). ( 德国外交政策的首要目 标 是 维护 世界和平和安全,其中包括在全球范 围 内 为 人 权 而努力,人人参与的世界 经济 ,跨国界的 环 境保 护 以及文化之 间 开 诚 布公的 对 话 。 ) Beim Übersetzen folgt man meist dem Bedürfnis nach Absicherung, indem zu‐ erst der Ausgangstext analysiert wird und dann die passenden Wörter in der Zielsprache gesucht werden. Unter Umständen werden noch Wörter hinzuge‐ fügt oder weggelassen, um das im Ausgangstext Gemeinte auch wirklich richtig wiederzugeben (vgl. Kußmaul 2010, 70). Einfügen und Weglassen von Wörtern 73 5.3 Konkretisierungen der Kriterien im Kategoriensystem (hier als ÜW-6 genannt) taucht sowohl innerhalb einer Sprache (z. B. die Rede‐ schmücke in ganzen Sätzen, wie Anapher, Ellipse und Zeugma u. a.) als auch im Bereich des Übersetzens sehr häufig auf. Bei der deutsch-chinesischen Überset‐ zung wird Einfügen und Weglassen von Wörtern als eine wichtige Übersetzungs‐ technik in den Lehrbüchern (siehe Gui 2013; Zhang 2014; Qian 2016) behandelt und von der kontrastiven Linguistik ausgehend beschrieben. Bspw. (1) „Angesichts der Fehlschläge der Vermittlungen von Clinton ist die Frie‐ densverhandlung zwischen Palästinensern und Israelis in die Sackgasse geraten.“ (Zhang 2014, 37) ( 鉴 于克林 顿 多次斡旋 连连 受挫,巴以和平 谈 判已陷入僵局。 ) Analyse: Als flektierende Sprache wird der Numerus durch Deklination des Substan‐ tivs ausgedrückt, während sich im Chinesischen ein Wort im Plural mit einer Meng‐ bezeichnung begnügt. In diesem Beispiel werden durch das Einfügen der zwei Meng‐ bezeichnungen „ 多次 (dūocì)“ und „ 连连 (liánlián)“ die Plurale der deutschen Wörter „Fehlschläge“ und „Vermittlungen“ ausgedrückt. Bspw. (2) „In der ganzen Region herrschen die Spannungen.“ (Zhang 2014, 38) ( 整个地区 笼 罩着 紧张 的气氛。 ) Analyse: Um die Kohärenz im Satz zu erreichen und die semantische Formulierung zu verwirklichen, müssen im Chinesischen zusätzliche Wörter eingefügt werden. Bspw. (3) „Wie du mir, so ich dir.“ (Zhang 2010, 39) ( 你 对 我怎么 样 ,我也 对 你怎么 样 。 ) Analyse: Aus stilistischer Sicht handelt es sich im deutschen Original um einen Pa‐ rallelismus, d. h. der Satz ist parallel gebaut. Durch Ergänzungen sind Reime und Pa‐ rallelismus des Originals ins Chinesische übertragbar. Der Subklassifikation in Satzarten (auch: Satztypen) liegt die Unterscheidung der Sätze im Deutschen wie im Chinesischen nach ihrer Modalität zugrunde. In beiden Sprachsystemen lassen sich Sätze in vier Satzarten (Aussagesatz, Frage‐ satz, Aufforderungssatz und Ausrufesatz) gliedern. Der Wunschsatz im Deut‐ schen kann im Chinesischen dem Ausrufesatz zugeordnet werden (vgl. Huang/ Liao 2002, 110; Dürscheid 2010, 61). Die Satzart steht in engem Zusammenhang mit der Kommunikationsabsicht und der Einstellung des Sprechers zu dem im Satz geäußerten Sachverhalt. Beim Übersetzen wird häufig vernachlässigt, ob der Satztyp je nach Kommunikationssituation oder -partner geändert werden sollte. Die Aufgabeanalyse zeigt, welche Rolle Änderung der Satzart (als ein Kri‐ terium ÜW-7 bezeichnet) bei der Übersetzung spielt und wie oft sie auftaucht. Um den Inhalt des AT in die ZT zu vermitteln, ist Umwandlung des Satzbaus im Bereich des Übersetzens von großer Relevanz und als ein Kriterium (ÜW-8) hier eingeführt. Dazu ist das sprachliche Hintergrundwissen auf der lexikali‐ 74 5. Zur Entwicklung des Kategoriensystems zur Aufgabenanalyse schen und syntaktischen Ebene gefordert. Aufgrund der Unterschiede zwischen deutscher und chinesischer Sprache ist die Umwandlung des Satzbaus beim Übersetzen häufig nicht zu vermeiden (vgl. Wang 2013, 183). Beispielsweise können die zu betonenden Informationen in den deutschen Sätzen an der Erst‐ stelle des Satzes stehen. Dies ist im Chinesischen nicht der Fall. Der Kohärenzaufbau muss bei der Erstellung des Zieltextes berücksichtigt werden, damit die Übersetzung für die Rezipienten der Zielsprache lesbar ist und die Texthaftigkeit bzw. Textqualität garantiert wird. Anders als im Deut‐ schen wird der Aufbau der Textkohärenz im Chinesischen meistens durch die impliziten plausiblen Relationen und durch Referenzidentität des Rezipienten ausgedrückt, d. h. die Kohäsion, also die expliziten Relationen, tritt zumindest nicht so häufig wie in der deutschen Sprache auf. Bei der Bearbeitung der Über‐ setzungsaufgabe soll dieser Unterschiede und den Methoden beim Aufbau der Zieltextkohärenz (als ÜW-9 genannt) besondere Beachtung geschenkt werden. In der Kategorie metakognitives Wissen im Bereich der Sprachkompetenz geht es darum, ob die Reflexion über die Bedeutung des Sprachwissens für die Auf‐ gabenbearbeitung angeregt (MW-10) und darüber hinaus die Reflexion über sprachlichen Transfer im Übersetzungsprozess bzw. über die eigene Sprach‐ kompetenz durch die Aufgabenbearbeitung gefördert wird (MW-11). Eine Auf‐ gabenstellung im Lehrbuch von Wang (2013, 58) lautet z. B. „Vergleichen Sie bitte die zwei Texte und überprüfen, ob die vermittelten Informationen darin gleich sind und ob das Weglassen und Einfügen der Informationen notwendig ist“. Diese Aufgabenstellung veranlasst die Studierenden, eine Reflexion über Weg‐ lassen und Einfügen der Informationen im Übersetzungsprozess vorzunehmen. Noch ein Beispiel dafür ist die Aufgabenstellung „Übersetzen Sie bitte zuerst den chinesischen Text ins Deutsche. Durch den Vergleich ihrer Lösung mit der ge‐ gebenen Musterlösung und das Recherchieren bei eventuellen Fragen analy‐ sieren Sie bitte die Unterschiede bei der Wortauswahl bzw. der Wortanwen‐ dung“. Durch diese Aufgabenstellung ist es bei den Studierenden möglich, über eigene Sprachgewohnheit bzw. Sprachkompetenz zu reflektieren. Wie Kapitel 5.2.3 zeigt, lassen sich in der Analysedimension kognitive Anfor‐ derungen drei Kategorien (Reproduktionsaufgaben, Transferaufgaben und krea‐ tives Problemlösen) unterscheiden. Für Reproduktionsaufgaben im Bereich der Sprachkompetenz (als RA-12 genannt) wird eine Leitfrage gestellt: Erfordert die Aufgabenbearbeitung, Sprachwissen in einer für die Übersetzenden bekannten, d. h. bereits erlebten Übersetzungssituation abzurufen? Das nachfolgende Beispiel ist dem Lehrbuch von Wang entnommen: 75 5.3 Konkretisierungen der Kriterien im Kategoriensystem Bspw.: Übersetzen Sie bitte die folgenden chinesischen Wörter ins Deutsche. (Wang 2013, 127) 煤气表, 压 力表, 电 表,温度表,石英表 党 费 ,学 费 ,养路 费 ,水 电费 ,生活 费 ,差旅 费 ,管理 费 […] Musterlösung: Gaszähler, Druckmesser, Stromzähler, Thermometer, Quarzuhr Beitrag des Parteimitgliedes, Schulkosten, Straßengebühr, Kosten für Wasser und Strom, Lebensunterhalt, Reisekosten, Gebühr für Verwaltung […] Die Wörter bzw. die Phrasen können von den Studierenden zuvor gespeichert oder durch Recherchieren erworben werden. Sowohl bei den originalen chine‐ sischen Wörtern als auch bei den entsprechenden Wörtern und Phrasen im Deutschen handelt es sich um eine für die Übersetzenden bekannte und bereits erlebte Übersetzungssituation. Daher wird diese Aufgabe sprachlich als Repro‐ duktionsaufgabe bezeichnet. Transferaufgaben als ein Kriterium (TA-13) orientieren sich an die Frage: Erfordert die Aufgabenbearbeitung, Sprachwissen in einer für die Übersetzenden unbekannten bzw. neuen Übersetzungssituation anzuwenden? Dafür sei auch ein Beispiel aufgeführt. Bspw.: Übersetzen Sie die folgenden Sätze mit der Wortgruppe Bedarf-Be‐ dürfnis. (Wang 2013, 127) 1. 人的日均液体需求量 为 2-3 升。 2. 天然气的供 应 降低了 对 煤炭的需求。 3. 他 紧张 工作后,需要休息。 4. 自从有了多媒体后,人 们读书 的愿望在下降。 5. 即使今天人 们 的住房需求仍然没能得到 满 足。 Musterlösung: 1. Das tägliche Flüssigkeitsbedürfnis des Menschen liegt bei zwei bis drei Litern. 2. Das Angebot an Erdgas führt dazu, dass der Bedarf an Kohle sinkt. 3. Nach der anstrengenden Arbeit hat er das Bedürfnis nach Entspannung. 4. Seit es Digitalmedien gibt, geht das Lesebedürfnis zurück. 5. Auch heute wird der Bedarf an Wohnungen nicht gedeckt. Die Sätze bieten eine Anwendungssituation für das Sprachwissen, vor allem lexikalisches und syntaktisches Wissen. Durch den Vergleich der originalen und 76 5. Zur Entwicklung des Kategoriensystems zur Aufgabenanalyse übersetzten Sätze lässt sich ableiten, dass das Sprachwissen (z. B. die Wortbe‐ deutung und der Satzbau) unter Rückgriff der Aufgabenstellung bei der Satz‐ bildung, mit der die Studierenden zuvor nicht vertraut sind, modifiziert und eingesetzt werden muss. Hinsichtlich der kognitiven Anforderungen wird diese Aufgabe den Transferaufgaben zugerechnet. Die kognitiven Anforderungen sind beim kreativen Problemlösen (KP-14) am höchsten. Hier sei die lyrische Übersetzung (z. B. die Übersetzung eines Ge‐ dichtes) stellvertretend genannt. Um den unbekannten Inhalt und sprach‐ lich-formale Merkmale des Originals, z. B. die Reime, in der Zielsprache wider‐ zuspiegeln, soll die Übersetzenden mithilfe des vorhandenen sprachlichen Wissens und Erfahrungen neue Ideen entwickeln und die Unterschiede zwi‐ schen AS und ZS sowie die für sich selbst unkonventionellen Übersetzungs‐ schwierigkeiten überwinden. Dazu wird die sprachliche Kreativität kontinuier‐ lich hoch angefordert (vgl. Bassnett/ Lefevere 1998). In diesem Sinn ist die Übersetzungsaufgabe ein kreatives Problemlösen. Als Kriterium wird eine Leit‐ frage daher so gestellt: Erfordert die Aufgabenbearbeitung, Sprachwissen in einer für die Übersetzenden neuen, d. h. Unkonventionalität erfahrenden Übersetzungs‐ situation anzuwenden? 5.3.2 Kriterien der Kulturkompetenzdimension Die Kriterien 15 bis 23 jeweils in den sieben Kategorien knüpfen sich an die Kulturkompetenz. Darunter bezieht sich das Kriterium 15 mit der Leitfrage „Wird Kulturwissen zu diesem dargestellten Thema durch die Aufgabenbear‐ beitung gefordert? “ auf die Themenauswahl und wird auch TA-15 bezeichnet. Die Leitfrage orientiert sich stets daran, ob die Kulturkompetenz der Studie‐ renden durch die Aufgabenbearbeitung zu diesem im Satz bzw. Text darge‐ stellten Thema verbessert wird. Bezieht sich z. B. die Übersetzungsaufgabe auf ein kulturspezifisches Thema, wie Chinesische Öffnung und Reform in den 80er Jahren oder die Geschichte chinesischer Tang-Dynastie, könnte Hintergrund‐ wissen wie „Vier Modernisierung“ oder „Tang Shi“ darin eingebettet sein. Sol‐ ches Wissen soll von den Studierenden im Bearbeitungsprozess entweder durch das Lesen abgerufen oder durch Recherchieren erworben werden, so dass sich das Kulturwissen bereichern und weiterhin die Kulturkompetenz verbessern lässt. Die wichtigsten praktischen Berührungspunkte zwischen Kultur und Über‐ setzung verankern sich vorwiegend in der Kategorie des Hintergrundwissens. Mit der Leitfrage „Ist grundsätzlich davon auszugeben, dass die Aufgabenbear‐ beitung Hintergrundwissen im Bereich der Kulturkompetenz erfordert? Wenn 77 5.3 Konkretisierungen der Kriterien im Kategoriensystem 5 Das bedeutet auf Deutsch: Es gibt nichts Leckeres! ja, welches? “ werden drei Berührungspunkte als Kriterien eingeführt und nach‐ geprüft. Der erste Aspekt ist kulturspezifische Sachverhalte und Begriffe/ Ausdrücke (HW-16). Es gibt in der übersetzungswissenschaftlichen Literatur unzählige Beispiele über solche im Ausgangstext thematisierten Gegenstände und Sachverhalte, die den Lesern des Zieltextes nicht unmittelbar vertraut sind (vgl. Albrecht 2017, 81). Dazu zählen z. B. die sprachlichen Phänomene wie his‐ torisch-geographische Bezeichnungen und Namen (z. B. Abendland, Morgen‐ land), politische Termini (z. B. „ein Land, zwei Systeme“ und „Vier Modernisie‐ rung“), sozialgeschichtliche Gegenstände (z. B. Kalter Krieg und Kulturrevolution), Ausbildungsgänge und Abschlüsse (z. B. Magister und Di‐ plom), die Benennung von Institutionen und Dienstgraden und die Benen‐ nungen in Speisekarten z. B. 珍珠丸子 (Perlenkugeln) usw. (vgl. Kupsch-Lose‐ reit 2002, 98). Darüber hinaus werden kulturspezifische Interaktionsweisen (HW-17), die sich auf kulturspezifische Verhaltensweise und Kommunikationsmuster beziehen, als ein Kriterium eingeführt. Sprechakte (z. B. fordern, entschuldigen, bitten, grüßen, argumentieren oder verhandeln etc.) sind konventional üblich und an soziale Subjekte und Voraussetzungen gebunden. Daher ist es wichtig, kultur‐ spezifische Kontraste einzelner diskurspragmatischer Aspekte (z. B. Anredever‐ halten, Verhandlungsstil, Gesprächsführung und Begrüßungssowie Ab‐ schiedsrituale etc.) herauszuarbeiten (vgl. Kupsch-Losereit 2002, 98). Nach Meyer (vgl. 2014, 60) werden diese Sprechereignisse von einer Reihe konstitu‐ ierender Faktoren beeinflusst, z. B. „Sender“, „Empfänger“, „Form der Mitteilung “, „Übertragungskanal“, „Kode“, „Inhalt der Mitteilung“ und „Situation der Mit‐ teilung“ usw. und stehen in engem Zusammenhang mit sozialen und kommu‐ nikativen Funktionen. Diese kollektive Diskursproduktion in einem bestimmten Kulturkreis ist nicht ohne weiteres auf andere kulturelle Zusammenhänge über‐ tragbar. Im alltäglichen Leben treten solche kulturspezifische Kommunikati‐ onsmuster leicht häufig auf. Bei einer Übersetzung ohne Anmerkung können Missverständnisse auftreten. Beispielsweise sagt der chinesische Gastgeber beim Essen immer zum Gast: „ 也没什么好吃的 ! ( yě meí shén me hǎo chī de ) 5 “ Damit drückt der chinesische Gastgeber lediglich seinen Respekt und seine hohe Wertschätzung gegenüber dem Gast aus, was aber bei den deutschen Lesern nicht richtig verstanden wird. Unter Berücksichtigung des kulturspezifischen Interaktionswissens soll der Satz im Deutschen besser „Fühlen Sie sich wie zu Hause“ übersetzt werden. Ein weiteres Beispiel für kulturspezifische Interakti‐ 78 5. Zur Entwicklung des Kategoriensystems zur Aufgabenanalyse 6 宋 词 . 7 Textsortenkonventionen sind Vertextungsnormen für den Aufbau bestimmter Text‐ sorten, z. B. Kohärenz- und Kohäsionstiftende Mittel, Imperativ in der deutschen Be‐ dienungsanleitung, Nominalstil und Passiversatzformen im wissenschaftlichen Text usw. onsweisen ist Umarmung und Wangenkuss als Begrüßungsformel im europäi‐ schen Kulturkreis. Das kommt jedoch kaum im chinesischen Kulturkreis vor. Das dritte Kriterium in der Kategorie Hintergrundwissen der Kulturkompe‐ tenz ist kulturspezifische Textsorten bzw. Textsortenkonventionen (HW-18). Im Vergleich mit den Vertextungsnormen auf der Sprachebene werden hier die kulturellen Unterschiede betont. Solche einzelsprachlichen Textsorten sind sehr stark in einer Kultur verankert. Beispiel dafür ist die „Sòngcí 6 “ im Chinesischen, die als eine kulturspezifische Textsorte in der Songdynastie entstanden ist und wegen der starken Abhängigkeit von der chinesischen Sprache bzw. Kultur Übersetzungsschwierigkeiten verursacht. „Oft sind gerade die Textsortennormen zwischen Sprachgemeinschaften sehr unterschiedlich, weil sich kulturell verschiedene Situationsbedingungen her‐ ausgebildet haben“ (Stolze 1999, 134). Insofern hat Kupsch-Losereit (2002) wie im Folgenden aufgefasst: Schon seit den 70er Jahren des 20. Jh. gibt es in der translatologischen Forschung Studien, die belegen, dass und wie Texte mit vergleichbarem, kommunikativen Zweck in den Einzelsprachen sozialen und kulturellen Konventionen unterworfen sind und unterschiedliche Textbildung in Makro- und Mikrostruktur sowie unterschiedliche Bildverarbeitung erfahren (Kupsch-Losereit 2002, 99). Ob und wie sich diese unterschiedlichen Textkonventionen in der Übersetzung niederschlagen, hängt vom Zweck der Übersetzung ab: Eine vollständige An‐ passung der Textsortenkonventionen ist nur dann angebracht, wenn für den Zieltext die Rechtsordnung der Zielkultur gilt. Wenn dagegen die Rechtsord‐ nung der Ausgangskultur gilt, d. h. wenn die Übersetzung nur eine informative Funktion hat, sind nur begrenzte Anpassungen möglich. In den meisten Fällen soll die in der Zielsprache übliche Form eingesetzt werden. Dazu hat Stolze (1999) in ihrem Werk bereits eine Erklärung gegeben: Dabei kann der Übersetzer entsprechende Beobachtungen an einem Text oft nicht abbildend in die Zielsprache und Zielkultur übertragen, sondern muss hier die ziel‐ sprachlich dem Übersetzungszweck funktional angemessenen Textsortenkonventi‐ onen 7 einsetzen. (Stolze 1999, 134) 79 5.3 Konkretisierungen der Kriterien im Kategoriensystem In der Kategorie metakognitives Wissen im Bereich der Kulturkompetenz geht es darum, ob die Reflexion über die Bedeutung des Kulturwissens für die Auf‐ gabenbearbeitung angeregt (MW-19) und darüber hinaus die Reflexion über kulturellen Transfer im Übersetzungsprozess bzw. die eigene Kulturkompetenz durch die Aufgabenbearbeitung gefördert werden (MW-20). Die Reflexion kann einerseits durch die Aufgabenbearbeitung implizit angeregt werden, z. B. kommen bei der Übersetzung eines Bachelor Abschlusszeugnis vor allem die kulturspezifischen Textsortenkonventionen in den Blick, was die Reflexion über kulturellen Transfer bzw. über das eigene Kulturwissen bzw. die Kulturkompe‐ tenz bei den Studierenden automatisch wecken kann. Andererseits wird die Re‐ flexion durch die Aufgabenstellung explizit abgerufen, z. B. durch eine Aufga‐ benstellung wie „Übersetzen Sie bitte im Auftrag eines chinesischen Restaurants in Deutschland die folgenden chinesischen Gerichte ins Deutsche. Würden Sie wörtliche Übersetzung anwenden? Warum? “ (Wang 2013, 57) lassen sich die Namen der chinesischen Gerichte als kulturspezifischen Ausdrücke beachten, wobei die Reflexion darüber angeregt wird. In der Kategorie Kognitive Anforderungen der Kulturkompetenz differen‐ zieren sich wie im Bereich der Sprachkompetenz drei Stufe aus, nämlich Repro‐ duktionsaufgaben (RA-21), Transferaufgaben (TA-22) und Kreatives Problemlösen (KP-23). Dafür werden die Kriterien jeweils durch eine Leitfrage wie folgt auf‐ gestellt: - Reproduktionsaufgaben (RA-21): Erfordert die Aufgabenbearbeitung, Kul‐ turwissen in einer für die Übersetzenden bekannten, d. h. bereits erlebten Übersetzungssituation abzurufen? - Transferaufgaben (TA-22): Erfordert die Aufgabenbearbeitung, Kultur‐ wissen in einer für die Übersetzenden unbekannten, d. h. neuen Überset‐ zungssituation abzurufen? - Kreatives Problemlösen (KP-23): Erfordert die Aufgabenbearbeitung, Kul‐ turwissen in einer für die Übersetzenden neuen, d. h. Unkonventionalität er‐ fahrenden Übersetzungssituation abzurufen? 5.3.3 Kriterien der Sachkompetenzdimension In der Sachkompetenzdimension werden sieben Kriterien mit Ja-Nein-Fragen jeweils in den sieben Kategorien aufgestellt. Darunter bezieht sich das erste Kriterium mit der Leitfrage „Wird Sachwissen zu diesem dargestellten Thema durch die Aufgabenbearbeitung gefordert? “ auf die Themenauswahl und wird TA-24 genannt. Aus diesem Kriterium lässt sich ableiten, ob die Sachkompetenz der Studierenden durch die Aufgabenbearbeitung zu diesem im Satz darge‐ 80 5. Zur Entwicklung des Kategoriensystems zur Aufgabenanalyse stellten Thema verbessert werden kann. Als ein Gedicht dient ein Fachtext z. B. immer besser zur Bereicherung des fachlichen Sachwissens bzw. zur Vermitt‐ lung der Sachkompetenz. Im Rahmen der Wissensarten beziehen sich die Berührungspunkte zwischen Übersetzung und Fachkompetenz vornehmlich auf Hintergrundwissen. Fach‐ termini und fachspezifische Abkürzungen tauchen sehr häufig auf, die dann zu Übersetzungsschwierigkeiten, manchmal sogar zum Misserfolg bei der Über‐ setzung führen könnten. Termini erfordern eine bestimmte Fachkenntnis. Wäh‐ rend Wörter der Gemeinsprache durch ihren Kontext monosemiert werden, „veranlassen die Termini im (Fach-)Text ganz im Gegenteil ihr Verständnis nicht primär aus dem umgebenden Kontext herauszuholen, sondern es als Vorwissen, als Wissenshorizont, als systematisierten Texthintergrund, als Modalität spezi‐ fischer ‚Sehweise‘ notwendig präsent zu haben“ (Stolze 1999, 39, zitiert von Kal‐ verkämper 1983, 155). Fachtermini entstehen in verschiedenen Wissenschaftsbereichen, und zwar in der Natur- und Technikwissenschaft (NTW) sowie in der Sozial- und Geis‐ teswissenschaft (SGW). Darunter sind die Fachtermini in der Natur- und Tech‐ nikwissenschaft relativ exakt und bestimmt, während es keine scharfe Trenn‐ grenze zwischen allgemeinsprachlichen Ausdrücken und Fachtermini in der Sozial- und Geisteswissenschaft gibt (vgl. Stolze 1999, 28). Zu der Schwierigkeit der Trennung von Fachwörtern und allgemeinen Wörtern in der Geisteswis‐ senschaft erwähnt Randow (1990) Folgendes: Nun ist es auch für Fachvertreter oft schwer, eindeutig und übereinstimmend zu de‐ finieren, was ein Fachwort innerhalb der betreffenden Disziplin ist. Die Begriffe und Konzepte, die in der Allgemeinsprache angelegt sind, können zu einem großen Teil in eine wissenschaftliche Disziplin übernommen werden, werden hier zwar definiert und präzisiert, existieren aber gleichwohl auch noch in einer gleichsam vorwissen‐ schaftlichen Alltagsvariante im Kopf der Rezipienten. Vermischen sich die Konzepte, dann wird so Verstehen schwergemacht. (Randow 1990, 146) Um dieses Problem eingehend darzulegen, hat Stolze (1999) Begriffssysteme in NWT und SGW zusammengefasst (siehe Tab. 4). Ihrer Meinung nach sind die Bildungen von Fachausdrücken in NWT und SGW verschiedenartig. „Dies sollte dem Übersetzer bewusst sein, denn es führt zu einer grundlegend verschiedenen Textgestaltung in den betreffenden Wissenschaftsbereichen.“ (Stolze 1999, 46) NWT SGW Benennen Sprache als Bezeichnungsinstrument Beschreiben Sprache als Erkenntnismittel 81 5.3 Konkretisierungen der Kriterien im Kategoriensystem NWT SGW Gegenstandsbezogenheit Äquivalente Begriffe Terminus Bedeutung systematisch fixiert Deduktive Herleitung Bedeutung normierbar Kumulative Anhäufung neuer Benen‐ nungen Objekte, Sachverhalte Terminus hat Ort im Fachbereich Geschlossenes System Analyse Humanorientierung Apriorische Evidenz der Begriffe Begriffswort Bedeutung konventionell vereinbart Diskursive Präzisierung Bedeutung interpretatorisch offen Uminterpretation von Bezeichnungen Vorstellungen, Prozesse, Entwicklung Begriffswort aus Denkschule Offenes System Interpretation Tab. 4: Unterschiedliche Begriffssysteme in NWT und SGW (Stolze 1999, 46) Daraus lässt sich ableiten, dass die Bezeichnung der Dinge in Naturwissenschaft und Technik mit einer eigens dazu geschaffenen, logisch strukturierten Fach‐ terminologie erfolgen kann und muss (vgl. Stolze 1999, 42). Dagegen kommt die Fachsprache der Geistes- und Sozialwissenschaften „in ihrer hermeneutischen Deutung des Inneren zu Zweck der Verhaltensabstimmung untereinander vom Menschen her, und ihre Sprache steht der Gemeinsprache näher, ja gründet in ihr“ (ebd.). Das Übersetzen im Bereich der Geistes- und Sozialwissenschaften setzt hinsichtlich der Begriffswörter eine Kenntnis der außersprachlichen Sachverhalte und deren In‐ terpretation voraus, während das Übersetzungsproblem in den Technik- und Natur‐ wissenschaften vor allem im Zugriff auf die ausufernde Terminologie besteht. (Stolze 1999, 56) Zwischen zwei Sprachen kann man leider nicht immer äquivalente Ausdrücke finden. Dabei können die Übersetzer einerseits Terminologiedatenbanken und Internet benutzen und andererseits ihr Wissensnetz durch die Aufgabenbear‐ beitung bereichern. Als eine Garantie für den Übersetzungserfolg werden die Fachtermini und fachspezifische Abkürzungen als unerlässliches Kriterium (HW-25) im Bereich des Hintergrundwissens der Sachkompetenz eingesetzt. Anschließend steht fachliches Sachwissen über einschlägige Prozeduren (z. B. Algorithmen, Abläufe, Routinen, Fertigkeiten, Handlungen, Skripts) als ein Kri‐ terium (HW-26) bei der Fachübersetzung ebenfalls im Vordergrund. Die ein‐ schlägigen Prozeduren sind fachspezifisch und daher schwerfallend für die Übersetzer bzw. Studierenden. Ohne Beherrschung solchen Fachwissens ist eine erfolgreiche Fachübersetzung unvorstellbar, auf die vielfach hingewiesen wird (z. B. Schmitt 1997; Stolze 1999). Als eine bedeutende Übersetzungsvorausset‐ 82 5. Zur Entwicklung des Kategoriensystems zur Aufgabenanalyse zung kann solches Wissen durch Recherche ergänzt und verbessert werden. Anders gesagt, wenn die Aufgabenbearbeitung fachliches Sachwissen über ein‐ schlägige Prozeduren voraussetzt, verfügt diese Übersetzungsaufgabe über das Potential, dieses Wissen zu bereichern und weiterhin die Sachkompetenz zu fördern. In der Kategorie metakognitives Wissen werden zwei Kriterien nachgeprüft, zum einen ob die Reflexion über die Bedeutung des domänenspezifischen Sach‐ wissens für die Aufgabenbearbeitung angeregt wird (MW-27) und zum anderen ob Reflexion über den eigenen Wissensstand in einem bestimmten Fachbereich durch die Aufgabenbearbeitung gefördert wird (MW-28). Ähnlich wie im Be‐ reich der Kulturkompetenz kann metakognitives Wissen bzw. Reflexion im Be‐ reich der Sachkompetenz durch die Aufgabenstellung explizit oder durch die Aufgabenbearbeitung implizit angeregt werden. Für die Übersetzung eines Fachtextes dürfen z. B. die Fachtermini nicht vernachlässigt werden, wobei die Reflexionen leicht zu wecken sind. In der Dimension kognitive Anforderungen geht es vornehmlich um zwei Arten von Aufgaben, nämlich Reproduktionsaufgaben und Transferausgaben. Die Übersetzungsprobleme, die durch die fehlenden Kenntnisse über Fachtermini und fachspezifische Abkürzungen oder durch den Mangel an fachlichem Sach‐ wissen über einschlägige Prozeduren verursacht werden, können meist durch Recherche gelöst werden. Das in den Übersetzungsaufgaben eingebettete fach‐ liche Sachwissen soll vollständig und unverändert in den Zieltext übertragen werden. Daher wird in diesem Bereich kaum kreative Leistung benötigt. Ebenso in den Bereichen der Sprach- und Kulturkompetenz wird bei den Reproduktionsaufgaben (RA-29) Sachwissen in einer für die Übersetzenden be‐ kannten, d. h. bereits erlebten Übersetzungssituation abgerufen. Bei den Trans‐ feraufgaben (TA-30) kommt das Sachwissen in einer für die Übersetzenden un‐ bekannten, d. h. neuen Übersetzungssituation zum Einsatz. 5.3.4 Kriterien der Methodenkompetenzdimension Methodenkompetenz ist eine übersetzungsspezifische Teilkompetenz und be‐ inhaltet theoretisches und methodisches Wissen der Übersetzungswissenschaft. Im Bereich der Methodenkompetenz als eine Metakompetenz, deren Aufbau nicht von dem Inhalt des Textes abhängig ist, wird die Themenauswahl des‐ wegen nicht berücksichtigt. In der Wissensartendimension werden drei wichtige Kategorien, wie oben genannt, herausgegriffen, die zum einen für die Auswertung der Übersetzungs‐ aufgaben und zum anderen für die Vermittlung der Übersetzungskompetenz 83 5.3 Konkretisierungen der Kriterien im Kategoriensystem bedeutend sind. Das Hintergrundwissen in dieser Dimension umfasst drei Kri‐ terien, die mit der Leitfrage „Ist grundsätzlich davon auszugeben, dass die Auf‐ gabenstellung Hintergrundwissen im Bereich der Methodenkompetenz erfor‐ dert? Wenn ja, welches? “ beurteilt werden. - Methodische bzw. theoretische Termini (HW-31) - Bezeichnungen von Datenbanken und Recherchemitteln (HW-32) - Übersetzungsrelevante Texttyptheorie (HW-33) Ein grundlegender Aspekt der Methodenkompetenz ist die Beherrschung me‐ thodischer bzw. theoretischer Termini, die sich in der Aufgabenstellung explizit aufstellen lassen. Beispielsweise ist eine Übersetzungsaufgabe in einem Lehr‐ buch mit einer Aufgabenstellung wie „Aufgaben zur instrumentellen Überset‐ zung - In welcher nachfolgenden Übersetzung kommt instrumentelle Überset‐ zungsstrategie zur Anwendung? (Ziel: Begreifen Sie dadurch die Merkmale und der Einschränkungen der instrumentellen Übersetzung)“ (Wang 2013, 112). Ohne die Erkennung von den methodischen bzw. theoretischen Termini kann man diese Übersetzungsaufgabe nicht richtig bearbeiten. Mit dem Sprachniveau der Studierenden und der Komplexität der Überset‐ zungsaufgabe ist die Recherche verbunden, die und deren Wichtigkeit bei der Übersetzung im Folgenden in der Kategorie Übertragungswissen dargestellt werden. Dafür soll man vor allem mit den Bezeichnungen der Hilfsmittel, wie Wörterbücher, Internetseiten und Datenbanken, vertraut sein. Besonders po‐ pulär sind heutzutage noch das Internet und die Übersetzungssoftwaren, aus der die Internetübersetzung entstanden ist. In den letzten Jahren entsteht eine Reihe von großen Datenbanken, die die Übersetzungsentwicklung in großem Maßen vorantreibt. Daher ist es umstritten, dass sich Bezeichnungen von Datenbanken und Recherchemitteln als ein Kriterium einsetzen lassen. Texttyptheorie als theoretische Grundlage der Übersetzungswissenschaft leistet nicht nur große Beiträge zur übersetzungsrelevanten Analyse, sondern auch zur Auswahl der Übersetzungsstrategien. Bei der Übersetzungsdidaktik bzw. Aufgabenbearbeitung sollte die Texttyptheorie als Hintergrundwissen im Bereich der Methodenkompetenz niemals vergessen werden. Übersetzungsre‐ levante Texttyptheorie kann sich auf Katherina Reiß (1976) zurückführen, die die Texttyptheorie auf der Basis des Sprachfunktionsmodells von K. Bühler ent‐ wickelt. Reiß geht von der Funktion des Textes in der jeweiligen Kommunika‐ tionssituation aus und fasst alle Texttypen als grundsätzlich der gleichen über‐ setzerischen Strategie unterliegend auf. Es ergeben sich dann drei Texttypen, und zwar informative, expressive und operative Texte. 84 5. Zur Entwicklung des Kategoriensystems zur Aufgabenanalyse - Informative Texte dienen vornehmlich der Vermittlung der informativen In‐ halte, wie Nachrichten, Wissen und Tatsachen. In ihnen dominiert die „reine“ Darstellung. Ihre sprachliche Gestaltung wird primär vom Redegegenstand be‐ stimmt. - Expressive Texte dienen primär der Vermittlung von künstlerisch gestalteten Inhalten. In ihnen dominiert der individuelle Mitteilungs- und Gestaltungswille des Autors. Ihre sprachliche Gestaltung wird primär vom individuellen Um‐ gang des Autors mit den Ausdrucksmöglichkeiten der Sprache bestimmt. - Operative Texte dienen primär der Vermittlung von persuasiv gestalteten In‐ halten zur Auslösung von Verhaltensimpulsen. In ihnen dominiert der Appell. Ihre sprachliche Gestaltung wird primär von der „Ansprechbarkeit“ des Adres‐ saten bestimmt. (Reiß 1976, 5; Kautz 2000, 76) Neben dem Hintergrundwissen sollen die Studierenden das auf den Überset‐ zungsprozess orientierte Übertragungswissen beherrschen, das deswegen für die Aufgabenbewertung sehr bedeutend ist und im Bereich der Methodenkompe‐ tenz die folgenden Aspekte beinhaltet: - Einsatz des einschlägigen Übersetzungsprinzips (ÜW-34); - Durchführung der übersetzungsrelevanten Analyse (ÜW-35); - Prozeduren der Informationsrecherche (ÜW-36); - Einsatz der einschlägigen Übersetzungsstrategien (ÜW-37). Mit der Leitfrage „Ist grundsätzlich davon auszugeben, dass die Aufgabenbear‐ beitung Übertragungswissen im Bereich der Methodenkompetenz erfordert? Wenn ja, welches? “ werden die oben erwähnten vier Kriterien für die Aufga‐ benanalyse beurteilt. Zudem wird hier geprüft, ob die Kriterien durch die Auf‐ gabenstellung explizit oder im Bearbeitungsprozess implizit gefordert werden (vgl. Kapitel 6.5.2.4). Übersetzungsprinzipien, fast eine unvermeidbare Frage beim Übersetzen eines Textes, können je nach Kultur und Kommunikationssituation unterschied‐ lich formuliert und von den Experten unbewusst angewendet werden. Statt Äquivalenz (Adäquatheit) und Treu hat Nord (vgl. 1990, 164) ein oberstes Über‐ setzungsprinzip „Funktionsgerechtigkeit und Loyalität“ formuliert, das sehr verbreitet ist und die Übersetzungsdidaktik stark beeinflusst. Dieses Prinzip be‐ sagt, dass bei der Übersetzung die Funktion eines Textes einen zentralen Stel‐ lenwert einnimmt, die aus dem Zusammenwirken der textinternen Faktoren und der Kommunikationspartner bestimmt wird, wobei die Intention des Sen‐ ders und die Erwartung des Empfängers eine besondere Rolle spielen. Die Ver‐ 85 5.3 Konkretisierungen der Kriterien im Kategoriensystem pflichtung zur Loyalität bedeutet, dass Übersetzer gegenüber ihren Handlungs‐ partnern, also sowohl gegenüber den Auftraggebern und den Zieltextempfängern als auch gegenüber dem Autor/ der Autorin des Ausgangstexts, in der Verantwortung stehen (vgl. Nord 1993, 18). Unter diesem Prinzip findet der Übersetzungsprozess mit einer übersetzungs‐ relevanten Analyse statt, die auf der Interdependenz der textinternen und text‐ externen Faktoren basiert. Aus den textexternen Faktoren, wie Textproduzent/ Sender, Senderintention, Empfänger, Medien/ Kanal, Ort, Zeit und Kommunika‐ tionsanlass, ergibt sich die Textfunktion. Und die textinternen Faktoren be‐ ziehen sich auf Thema, Textinhalt, Präsuppositionen, Textaufbau, Lexik, Syntax und suprasegmentale Merkmale. Ohne eine richtige Analyse des AT ist eine Übersetzung unvorstellbar. Die Frage nach der Wirkung betrifft einen übergrei‐ fenden Faktor, durch den das Zusammenspiel der textinternen und textexternen Faktoren erfasst wird (vgl. Nord 1988, 41). Dazwischen nimmt die Informationsrecherche einen wichtigen Stellenwert. Prozeduren der Informationsrecherche gehören zur Recherchekompetenz, die von vielen Übersetzungswissenschaftlern (z. B. Hönig 1998; Risku 1998; B. Nord 2004) als Schlüsselfähigkeit betrachtet wird. Nach Hönig (1998, 160) ist z. B. „den für ein ausreichendes Textverstehen nötigen Recherchierbedarf zu erkennen ein wichtiger Teil professioneller Kompetenz. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass Textverstehen und Recherchieren eng aufeinander bezogen werden.“ Aus diesen Gründen lassen sich Prozeduren der Informationsrecherche nicht vernachläs‐ sigen. Anschließend kommen die einschlägigen Übersetzungsstrategien bei der Lö‐ sung der konkreten Übersetzungsprobleme zur Anwendung. Unter Strategie werden zielgerichtete Überlegungen verstanden, die aus mehreren Schritten bestehen und zu einer guten Übersetzung führen (vgl. Kußmaul 2010, 163). Texte sind kaum monofunktional, so dass die Übersetzungen über verschiedene Funk‐ tionen verfügen. Nach den Funktionsrelationen einer Übersetzung zum Aus‐ gangstext werden verschiedene Übersetzungsstrategien eingesetzt (vgl. Nord 1993, 24), die dann als ein Kriterium eingeführt wird. In der Kategorie metakognitives Wissen im Bereich der Methodenkompetenz geht es darum, ob die Reflexion über die Bedeutung des theoretischen bzw. me‐ thodischen Wissens für die Aufgabenbearbeitung (MW-38) angeregt und dar‐ über hinaus die Reflexion über den Methodeneinsatz und die eigene Methoden‐ kompetenz durch die Aufgabenbearbeitung gefördert wird (MW-39). Die Reflexion kann einerseits durch die Aufgabenbearbeitung implizit angeregt werden, z. B. in der Anmerkung der vergleichenden Übersetzungsaufgabe wird der Methodeneinsatz oft analysiert und die Reflexion darüber unter den Stu‐ 86 5. Zur Entwicklung des Kategoriensystems zur Aufgabenanalyse dierenden geweckt. Andererseits wird die Reflexion durch Hinweise und An‐ forderungen explizit abgerufen. Durch eine Aufgabenstellung wie „Welche Übersetzung drunten folgt die instrumentelle Übersetzungsstrategie besser? “ (Wang 2013, 112) lassen sich z. B. die Eigenschaften und der Einsatz der instru‐ mentellen Übersetzung beachten, wobei die Reflexion darüber aktiviert wird. In der Kategorie kognitive Anforderungen lassen sich die Übersetzungsauf‐ gaben mit Rückgriff auf die Methodenkompetenz in drei Aufgabenarten unter‐ teilen. Bei Reproduktionsaufgaben (RA-40), die sich durch eine Leitfrage „Erfor‐ dert die Aufgabenbearbeitung, theoretisches bzw. methodisches Wissen in einer für die Übersetzenden bekannten, d. h. bereits erlebten Übersetzungssituation anzuwenden? “ als ein Kriterium stellen lässt, wird nur das Wiederholen des theoretischen bzw. methodischen Wissens betroffen. Ein Beispiel dafür ist die Aufgabe „Erzählen Sie bitte die textinternen und textexternen Faktoren bei der Ausgangstextanalyse“ (Wang 2013, 79). Bei Transferaufgaben (TA-41) wird der Einsatz des theoretischen bzw. me‐ thodischen Wissens in einer für die Übersetzenden unbekannten, d. h. neuen Übersetzungssituation betont. Beispielsweise lautet eine Aufgabenstellung: „Hier ist ein Ausschnitt des Arbeitsauftrags für eine Arbeitsstelle in einer deut‐ schen Hochschule. […] Übersetzen Sie den Vertrag bitte ins Chinesische. Be‐ achten Sie bitte dabei Textsortenkonventionen des AT und des ZT. Entscheiden Sie sich vor der Übersetzung für eine anpassende Übersetzungsstrategie.“ (Wang 2013, 286) Theoretisches und methodisches Wissen über die Auswahl und den Einsatz der Übersetzungsstrategie sollen aktiviert bzw. transferiert werden. Nicht zuletzt wird Kreatives Problemlösen (KA-42) als ein Kriterium mit einer Frage „Erfordert die Aufgabenbearbeitung, theoretisches bzw. methodisches Wissen in einer für die Übersetzenden neuen, d. h. Unkonventionalität erfah‐ renden Übersetzungssituation anzuwenden? “ gestellt. Wie oben erwähnt, sind die kognitiven Anforderungen beim kreativen Problemlösen am höchsten und die Methodenkompetenz wird als Metakompetenz betrachtet (vgl. Kap. 4.2.4). Die Kreativität auf der Metaebene ist ohne Zweifel noch schwieriger. Mit diesem Kriterium kann nachgeprüft, ob kreatives Problemlösen in den ausgewählten Lehrbüchern angeregt wird. 5.4 Fazit Um die Subjektivität und Unwissenschaftlichkeit bei der Aufgabenanalyse hin‐ sichtlich des Kompetenzaufbaus zu vermeiden, wurde in diesem Kapitel ein Ka‐ 87 5.4 Fazit tegoriensystem (siehe Anhang 1) entwickelt. Dabei sollen die folgenden drei Aspekte beachtet werden. Manche Kategorien enthalten vor allem mehr als ein Kriterium. In der Kate‐ gorie Hintergrundwissen im Bereich der Sprachkompetenz bestehen beispiels‐ weise vier Kriterien. Falls ein Kriterium darin durch die Aufgabenbearbeitung erfüllt werden kann, verfügt diese Aufgabe über das Potential, dieses Wissen zu aktivieren. Anschließend sind die kognitiven Anforderungen an die Teilkompetenzen bei einer Übersetzungsaufgabe selten gleich. Ist die kognitive Komplexität einer Übersetzungsaufgabe in den vier Teilbereichen unterschiedlich hoch, soll ko‐ gnitive Komplexität dieser Aufgabe von der höchsten Stufe abhängig sein. So könnte z. B. eine Übersetzungsaufgabe eines Fachtextes zu der Kategorie Trans‐ feraufgaben im Bereich der Sachkompetenz, aber im Bereich der Sprachkompe‐ tenz zu der Kategorie Kreatives Problemlösen gehören. Nicht zuletzt lassen sich die Kriterien des Kategoriensystems zwar mithilfe der Beispiele illustrieren, die sich nur an der deutsch-chinesischen Übersetzung orientieren, aber die Strukturierungsdimensionen, nämlich die vier Kompetenz‐ dimensionen, und die drei Analysedimensionen (Themensauswahl, Wissens‐ arten und Kognitive Anforderungen), werden aus der Übersetzungswissen‐ schaft und der Kognitionswissenschaft sowie allgemeindidaktischen Überlegungen abgeleitet und systematisch organisiert. Daher beschränkt sich das Kategoriensystem nicht auf die Analyse der deutsch-chinesischen Überset‐ zungsaufgaben. Im nächsten Kapitel wird der empirische Versuch, die Analyse und Bewertung der Übersetzungsaufgaben aus den fünf ausgewählten deutsch-chinesischen Lehrbüchern, anhand dieses Kategoriensystems durchzuführen, schrittweise entfaltet. Davor wird die Reliabilität des Kategoriensystems durch eine Reliabi‐ litätskoeffizient Cohens Kappa (ĸ) nachgewiesen. 88 5. Zur Entwicklung des Kategoriensystems zur Aufgabenanalyse 6. Empirische Untersuchung: Inhaltsanalyse der Übersetzungsaufgaben Lernaufgaben stehen als Kernstücke didaktischer Planung im Zentrum des Sprachunterrichts. Sie sind in der Fachdidaktik für die Kompetenzentwicklung bereits gut dargestellt, wie die reichhaltige Literatur zeigt (z. B. Weinert 1999; Leisen 2010; Steiner 2010; Kastrup/ Tenfelde 2008; Bloemen 2011). Die empirische Untersuchung in diesem Kapitel fokussiert auf die Analyse von Übersetzungs‐ aufgaben bei der Vermittlung der Übersetzungskompetenz am Beispiel ausge‐ wählter deutsch-chinesischer Übersetzungslehrbücher. Dafür wurden die Mo‐ dellierung der Übersetzungskompetenz bzw. die Kompetenzdimensionen für die Aufgabenanalyse (vgl. Kapitel 4) und das übersetzungsdidaktische Kategorien‐ system zur Aufgabenanalyse (vgl. Kapitel 5) herausgearbeitet. Nun soll mittels kategorialer Inhaltsanalyse überprüft werden, welches Potential einer Überset‐ zungsaufgabe aus fachdidaktischer Sicht mit Blick auf die Vermittlung der Über‐ setzungskompetenz innewohnt und wie und in welchem Umfang die Überset‐ zungskompetenz durch Bearbeitung der Übersetzungsaufgaben in den Lehrbüchern aufgebaut wird. Auf Basis der beiden oben genannten Forschungsfragen wird zunächst eine Hypothese zur Aufgabenanalyse der fünf deutsch-chinesischen Übersetzungs‐ lehrbücher erarbeitet. Durch die empirische Untersuchung soll nachgewiesen oder widerlegt werden, dass Übersetzungsaufgaben zur Vermittlung der Über‐ setzungskompetenz beitragen können. Durch die Aufgabenanalyse mittels des Kategoriensystems und ihre Ergebnisanalyse sollen weitere Forschungsfragen beantwortet werden. Zunächst wird untersucht, ob die Übersetzungsaufgaben in den ausgewählten Lehrbüchern die Übersetzungskompetenz in ihrer Gesamtheit oder in ihren Teilkompetenzen fördern. Dadurch wird ermittelt, welche Teilkompetenzen ausreichend und welche unzureichend durch die Aufgabenbearbeitung geför‐ dert werden. Auf dieser Basis lässt sich die Übersetzungsausbildung im Unter‐ richt gezielt gestalten. Um die Übersetzungskompetenz zu fördern, muss an‐ schließend bekannt sein, welches Wissen bzw. welche Wissensarten in verschiedenen Kompetenzdimensionen durch die Aufgabenbearbeitung ge‐ schult werden. Aktiv kann Wissen nur in Verbindung mit einem kognitiven System eingeführt werden, denn dann erst kann Wissen für Entscheidungen und Handlungen genutzt werden (vgl. Strube 1996, 803). Kognitive Anforde‐ rungen spielen bei dem Kompetenzaufbau eine bedeutende Rolle. Daraus leitet sich die letzte Forschungsfrage ab, auf welcher kognitiven Stufe sich eine Über‐ setzungsaufgabe in verschiedenen Kompetenzdimensionen befindet. Hypo‐ these- und frageorientiert wird die empirische Forschung mit der qualitativen Inhaltsanalyse durchgeführt, die im Folgenden vorgestellt wird. 6.1 Methodische Vorgehensweise und Aufgabenanalyseverfahren Es ist über 30 Jahre her, seit sich die „Qualitative Inhaltsanalyse“ im sozialwis‐ senschaftlichen Methodeninventar etablieren konnte. In den letzten beiden Jahrzehnten haben sich die Sozialwissenschaften zunehmend qualitativ orien‐ tierten Ansätzen geöffnet, vor allem in der Soziologie und den Erziehungswis‐ senschaften. Obwohl methodologische Entwicklungen in den Sozial- und Hu‐ manwissenschaften entscheidende Veränderungen hervorgebracht haben, fehlt in der Methodenliteratur eine systematische und umfassende Anleitung zur Auswertung des komplexeren sprachlichen Materials, aus dem sich klare Inter‐ pretationsregeln ableiten lassen (vgl. Mayring 2015, 7 ff.). In diesem Fall kommt der „Qualitativen Inhaltsanalyse“ immer größere Beachtung zu. Als die metho‐ dische Vorgehensweise wird sie im Folgenden dargestellt. 6.1.1 Qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring Früh (2011, 133) sieht in der Inhaltsanalyse im Allgemeinen „eine empirische Methode zur systematischen, intersubjektiv nachvollziehbaren Beschreibung inhaltlicher und formaler Merkmale von Mitteilungen“. Mayring (vgl. 2015, 13) will mithilfe der Inhaltsanalyse Kommunikation bzw. fixierte Kommunikation analysieren, dabei systematisch, regelgeleitet und theoriegeleitet vorgehen und das Ziel verfolgen, die Rückschlüsse auf bestimmte Aspekte der Kommunikation zu ziehen. Die Inhaltsanalyse kann als quantitatives wie auch als qualitatives Verfahren eingesetzt werden. Heute wird vor allem die qualitative Inhaltsanalyse sehr häufig und in ganz unterschiedlichen Kontexten eingesetzt. Es gibt aber zuneh‐ mend Arbeiten, die beiden Analyseverfahren miteinander kombinieren (vgl. Burwitz-Metzler/ Steininger 2016, 256). Tatsächlich steht immer ein qualitativer Schritt am Anfang wissenschaftli‐ chen Vorgehens. Hypothese und Forschungsfragen werden auf Basis einer vor‐ handenen Theorie gestellt; im Anschluss wird ein Kategoriensystem entwickelt, 90 6. Empirische Untersuchung: Inhaltsanalyse der Übersetzungsaufgaben dessen Anwendung meist im Zentrum des zu untersuchenden Materials steht. Von diesem qualitativen Anfangsschritt hängen die Ergebnisse der Inhaltsana‐ lyse entscheidend ab. Erst auf dieser Basis können quantitative Analyseschritte vorgenommen werden und deren Resultate müssen wieder Bezug auf ihren Ausgangspunkt nehmen, der vorausgehenden qualitativ entwickelten Frage‐ stellung (vgl. Mayring 2015, 20 ff.). Damit bedürfen Zahlen grundsätzlich einer qualitativen Interpretation. So lässt sich die grundlegende Abfolge im For‐ schungsprozess wie folgt kennzeichnen: „Von der Qualität zur Quantität und wieder zurück zur Qualität“ (ebd. 22) (siehe Abb.5). Abb. 5: Phasenmodell zum Verhältnis qualitativer und quantitativer Analyse (Mayring 2015, 21) Im Folgenden wird ein allgemeiner Ablauf von Mayring (2015) angegeben (siehe Abb. 6). Am Anfang des inhaltsanalytischen Vorgehens erfolgt zunächst die Festlegung, welches Material der Analyse unterzogen werden soll. In der an‐ schließenden Analyse der Entstehungssituation muss erläutert werden, von wem und unter welchen - auch soziokulturellen, emotionalen und kognitiven - Bedingungen das Material produziert wurde. Schließlich müssen eingangs die formalen Charakteristika des Materials bestimmt werden, in dem dargestellt wird, in welcher Form das Material vorliegt. Nachdem das Ausgangsmaterial beschrieben ist, werden die Richtung der Analyse sowie die theoretische Diffe‐ renzierung der Fragestellung festgelegt. Es lassen sich bei der Interpretation von sprachlichem Material Aussagen in ganz verschiedene Richtungen machen. So 91 6.1 Methodische Vorgehensweise und Aufgabenanalyseverfahren können Aussagen über das Thema des Textes, aber auch über die Textverfasser oder die Textwirkungen bei der Zielgruppe getroffen werden. Abb. 6: Allgemeines inhaltanalytisches Ablaufmodell (Mayring 2015, 60) Schließlich bedarf es einer theoretisch hergeleiteten Fragestellung, die eine Klä‐ rung des jeweiligen Forschungsstandes voraussetzt, um einen Erkenntnisfort‐ schritt überhaupt erst möglich zu machen. An diese Überlegungen knüpfen nun 92 6. Empirische Untersuchung: Inhaltsanalyse der Übersetzungsaufgaben 1 In der qualitativen Forschung können drei Analysetechniken unterschieden werden: die Zusammenfassung, die Explikation und die Strukturierung (vgl. Mayring 2015, 13). 2 Kuckartz verweist auch auf mögliche Mischformen der deduktiv-induktiven Kategori‐ enbildung, die zunächst theoriegeleitet vorgehen, dann jedoch die Vorab-Kategorien am empirischen Material modifizieren und ergänzen (vgl. Kuckartz 2012, 69). die Bestimmung der Analysetechnik 1 und die Definition der Analyseeinheit an. Im Vordergrund steht die Entwicklung des Kategoriensystems. Diese Kategorien werden in einem Wechselverhältnis zwischen der Theorie bzw. der Fragestel‐ lung und dem konkreten Material entwickelt. D.h. die Kategorien müssen am Material ausprobiert werden und bei Veränderungen muss der Materialdurch‐ lauf erneut durchgeführt werden. Die Ergebnisse werden in Richtung der Hauptfragestellung interpretiert und die Aussagekraft der Analyse wird anhand der inhaltsanalytischen Gütekriterien eingeschätzt (vgl. Mayring 2015, 61). Die qualitative Inhaltsanalyse lässt sich in zwei Grundformen teilen, die de‐ duktive und die induktive Analyse (vgl. Mayring 2015), wobei die Differenzie‐ rung über den Zeitpunkt der Kategorienbildung 2 und die Verknüpfung mit den theoretischen Grundlagen bzw. den empirischen Daten erfolgt: Im deduktiv ori‐ entierten Ansatz wird das Datenmaterial entlang vorab systematisierter Kate‐ gorien geordnet und strukturiert, so dass theoretische Vorannahmen und Er‐ klärungsmodelle eingesetzt werden können. Im induktiv orientierten Ansatz dient erst das Datenmaterial selbst dazu, Kategorien zu bilden, die Struktur eines Erklärungsmodells aus den systematisierten Zusammenhängen abzuleiten und mit der Theorie vereinbar zu machen (vgl. Burwitz-Melzer/ Steininger 2016, 259). Hier wird vorwiegend eine theoriegeleitete, also deduktive qualitative In‐ haltsanalyse vorgestellt, die in der vorliegenden Arbeit neu eingeführt wird. Eine deduktive Kategoriendefinition bestimmt das Auswertungsinstrument durch theoretische Überlegungen. Aus Voruntersuchungen, aus dem bisherigen Forschungs‐ stand und aus neu entwickelten Theorien oder Theoriekonzepten werden die Kate‐ gorien in einem Operationalisierungsprozess auf das Material hin entwickelt. (May‐ ring 2015, 85) Als Beispiel der deduktiven Kategoriendefinition wird die strukturierende In‐ haltsanalyse bzw. skalierende Strukturierung (siehe Abb. 7) angeführt, die zum Ablauf der Kategorienbildung in der vorliegenden Arbeit passt. 93 6.1 Methodische Vorgehensweise und Aufgabenanalyseverfahren Abb. 7: Ablaufmodell skalierender Strukturierung (allgemein) (Mayring 2015, 107) In Anlehnung an das Ablaufmodell skalierender Strukturierung von Mayring sollen die grundsätzlichen Strukturierungsdimensionen nach der Bestimmung der Analyseeinheiten aus der Fragestellung abgeleitet und theoretisch be‐ gründet werden. Die Strukturierungsdimensionen werden dann zumeist weiter differenziert, indem sie in einzelne Ausprägungen aufgespaltet werden. Für die skalierende Strukturierung ist das Material auf einer Skala anzuordnen. Die 94 6. Empirische Untersuchung: Inhaltsanalyse der Übersetzungsaufgaben Ausprägungen können für die qualitative Inhaltsanalyse, z. B. in der vorlie‐ genden Arbeit, in Form von Nominalskalen erstellt werden. Die Dimensionen und Ausprägungen werden dann zu einem Kategoriensystem zusammenge‐ stellt. Um die Ambiguität der Interpretationen zu verringern, sollen einzelne Kategorien möglichst deutlich definiert und durch Ankerbeispiele illustriert werden. Für eindeutige Zuordnungen sollen ebenfalls Regeln formuliert werden. Danach wird in der Regel ein Probelauf vorgenommen. Überall dort, wo sich Anhaltspunkte ergeben, dass die Skalenpunkte falsch gewählt oder falsch defi‐ niert wurden, müssen das Kategoriensystem und seine Definitionen überar‐ beitet werden. Die Ergebnisaufbereitung hängt dabei von der Fragestellung ab (vgl. Mayring 2015, 108 f.). 6.1.2 Analyseverfahren Auf Basis der vorhandenen empirischen und theoretischen Untersuchung zur Übersetzungskompetenz wird zunächst ein übersetzungsdidaktisches Kompe‐ tenzstrukturmodell erstellt (vgl. Kapitel 4), das sich mit der Frage befasst, welche verschiedenen Kompetenzdimensionen für die Analyse und Konstruktion der Übersetzungsaufgaben unerlässlich sind. Die vier Teilkompetenzen werden als Strukturierungsdimensionen des Ka‐ tegoriensystems für Aufgabenanalysen in den Übersetzungslehrbüchern einge‐ führt. In Anlehnung an die qualitative Inhaltsanalyse ergibt sich ein zweidi‐ mensionales Kategoriensystem durch deduktive Kategorienbildung. Von der fachdidaktischen sowie der allgemeindidaktischen Theorie ausgehend werden dann drei Hauptdimensionen für jede Teilkompetenz erstellt, und zwar The‐ menauswahl, Wissensarten und kognitive Anforderungen. Darunter stehen noch Subdimensionen und Ausprägungen in nominalskalierter Form, die zu‐ sammen das Kategoriensystem mit 23 Kategorien und 42 Kriterien bilden (siehe Tab. 3/ 5). Dieses Kategoriensystem findet sich in Tabelle 3 (siehe Kapitel 5) und wird hier zugunsten der Lesefreundlichkeit in Tabelle 5 erneut dargestellt. Um die Spannweite des Interpretationsspielraums zu bestimmen und die Intersub‐ jektivitäten zu garantieren, wird einerseits jedes Kriterium als die Regel der Zuordnung möglichst deutlich und klar definiert und kodiert. Andererseits werden die Grenzen des zulässigen Interpretationsraums durch Beispiele mar‐ kiert. 95 6.1 Methodische Vorgehensweise und Aufgabenanalyseverfahren 3 Wang (2006) deutet auf das Lehrbuch von Wang, Binbin hin. 4 Wang (2013) deutet auf das Lehrbuch von Wang, Jingping hin. Tab. 5: Kategoriensystem zur Analyse des kognitiven Potentials von Übersetzungsauf‐ gaben mit Abkürzungen Alle Übersetzungsaufgaben stammen aus den fünf ausgewählten chine‐ sisch-deutschen Übersetzungslehrbüchern von Zhang (2014), Qian (2016), Wang (2006) 3 , Gui (2009) und Wang (2013) 4 , die in Kapitel 6.2 eingehend dargestellt werden. Eine Übersetzungsaufgabe bzw. eine Analyseeinheit wird durch die Klassifikation der Lernaufgaben in den Übersetzungslehrbüchern bestimmt und begrenzt (vgl. Kapitel 2). Insgesamt wurden 297 Übersetzungsaufgaben bzw. Analyseeinheiten ausgewählt, die sich auf Wort-, Satz- und Textübersetzung beziehen. Da das Kategoriensystem hinsichtlich des Aufbaus der Übersetzungskompe‐ tenz einerseits deduktiv, d. h. aus der Theorie heraus, entwickelt und anderer‐ seits diese Kriterien von der Autorin zum Zweck der empirischen Untersuchung angelegt wurden, musste zur Einschätzung der Objektivität der Kriterien ge‐ testet werden, ob auch andere Beurteiler mit den angelegten Kriterien zu den gleichen Ergebnissen kommen, wie die Autorin selbst. Das vorgestellte Kate‐ goriensystem kann so weiterbearbeitet und modifiziert werden. Um die Reliabilitätsgrad zu bewerten bzw. um die Urteilsübereinstimmung abschätzen zu können, wird der Koeffizient „Cohens Kappa (ĸ)“ hierher einge‐ führt. Unabhängig analysieren die Beurteilerin und die Autorin 50 zufällig von den fünf deutsch-chinesischen Übersetzungslehrbüchern ausgewählten Über‐ setzungsaufgaben mittels des Kategoriensystems. Wenn die Reliabilitätskoeffi‐ zienten Cohens Kappa (ĸ) von allen 50 Beispielen im Mittel über 0,75 liegen, so zeigt dies, dass das Kategoriensystem sinnvoll anwendbar ist. Mithilfe des Ka‐ tegoriensystems kann dann die Auswertung der Analyse sämtlicher Überset‐ zungsaufgaben erfolgen. 96 6. Empirische Untersuchung: Inhaltsanalyse der Übersetzungsaufgaben Die relevanten Befunde liegen nach der Analyse der einzelnen Übersetzungs‐ aufgabe und nach der Auswertung aller Aufgaben vor. Das Erkenntnisinteresse der Inhaltsanalyse zielt in der Regel auf strukturelle Informationen über Text‐ mengen (vgl. Früh 2011, 138). In Anlehnung an die qualitative Analyse einzelner Übersetzungsaufgaben mithilfe des Kategoriensystems erfolgt der quantitative Analyseschritt. Die Analyseergebnisse der Übersetzungsaufgaben in den fünf Lehrbüchern werden jeweils erfasst, in eine Tabellenkalkulation (hier Excel) übertragen und ausgewertet. Die Resultate müssen wieder Bezug auf ihren Aus‐ gangspunkt nehmen, der vorausgehenden qualitativ entwickelten Fragestel‐ lung. Eine Interpretation zu empirischen Forschungsergebnissen ist dann mög‐ lich, was zusätzlich zur Modifizierung und Ergänzung des Vorab- Kategoriensystems am empirischen Material beitragen kann. 6.2 Vorstellung und Eingrenzung der untersuchten Lehrbücher Deutsch als Fremdsprache wird in China vorwiegend in den Fremdsprachenfa‐ kultäten der Hochschulen gelehrt. Im Vergleich zu den zahlreichen englisch-chi‐ nesischen Übersetzungslehrbüchern ist die Zahl der deutsch-chinesischen Über‐ setzungslehrbücher auf dem chinesischen Markt sehr überschaubar. Die ausgewählten fünf deutsch-chinesischen Übersetzungslehrbücher sind seit 2000 vom chinesischen Bildungsministerium für die Übersetzungsausbildung an der chinesischen Hochschule zugelassen und stammen von den Autoren Zhang (2014), Qian (2016), Wang (2006), Gui (2009) und Wang (2013). Sie dienen in der vorliegenden Arbeit der Erhebung des Korpus. Auf Basis von übersetzungsthe‐ oretischen Grundlagen und ausgestattet mit vielfältigen Übersetzungsaufgaben bieten diese Lehrbücher zahlreiche Möglichkeiten, Kenntnisse im Bereich der Übersetzungswissenschaft zu vertiefen und die Übersetzungskompetenz aufzu‐ bauen bzw. zu vermitteln. Diese Lehrbücher richten sich an chinesische Germanistikstudenten im Hauptstudium, die über das Sprachniveau B2 bis C1 verfügen und Deutsch als Fremdsprache gut beherrschen. Für die Übersetzungswissenschaft gelten sie aber noch als Anfänger, denen grundlegendes übersetzungstheoretisches Wissen und tiefgehende übersetzungsmethodische bzw. -technische Kenntnisse fehlen, obwohl im Grundstudium schon eine große Zahl interlingualer Übungen und Aufgaben im Fremdsprachenunterricht vermittelt wird, die vor allem der Verdeutlichung des Zwecks, der Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Muttersprache und Fremdsprache dienen. D.h. Übersetzen ist ein Hilfsmittel des 97 6.2 Vorstellung und Eingrenzung der untersuchten Lehrbücher Sprachvergleichs im Dienste der Vermittlung fremdsprachlicher Kompetenz. In der Übersetzungsausbildung soll dagegen ein anderer Zweck im Vordergrund stehen: die Vermittlung professioneller Übersetzungskompetenz (vgl. Schreiber 2006, 64). Das Lehrbuch von Zhang (2014), erstmals im Jahr 2002 erschienen und viel‐ mals nachgedruckt, lässt sich in drei Einheiten gliedern. Im ersten Teil werden grundlegende Übersetzungstechniken vermittelt, z. B. Wortartwechsel, Ein‐ fügen und Weglassen von Wörtern und Textsortenkonventionen von Fach‐ texten. Im zweiten Teil geht es um die Übersetzungsaufgaben, insbesondere Übersetzungsaufgaben auf der Textebene, vollständige Texte und Auszüge. Die Standardlösungen der Übersetzungsaufgaben befinden sich im dritten Teil. Auf‐ fällig ist, dass literarische Übersetzungen in diesem Lehrbuch kaum eine Rolle spielen. Dagegen stehen Berichte in Zeitungen und Zeitschriften über Politik, Diplomatie, Wirtschaft, Wissenschaft und Technik im Vordergrund (vgl. Zhang 2014, i). Das Lehrbuch von Qian (2016), erschien erstmals im Jahr 2003 und in unver‐ änderter Form vielmals nachgedruckt, orientiert sich nur an der Übersetzung vom Chinesischen ins Deutsche, während die anderen vier Lehrbücher Hin- und Herübersetzung behandeln. In diesem Lehrbuch werden die Forschungsergeb‐ nisse und Theorien der Linguistik, kontrastiver Linguistik und Diskurslinguistik in die Übersetzungsdidaktik eingeführt, um die Gemeinsamkeiten und Unter‐ schiede zwischen deutscher und chinesischer Sprache auf der Ebene von Lexik, Grammatik und Stilistik systematisch herauszustellen und damit die Lösungen für Übersetzungsprobleme zu erläutern. Durch zahlreiche Übersetzungsbei‐ spiele und Erläuterungen zielt dieses Lehrbuch auf Vermittlung der grundle‐ genden Übersetzungstechniken ab (vgl. Qian 2016, I). Übersetzungsaufgaben (hier: Textübersetzung vom Chinesischen ins Deutsche) und ihre Lösungsvor‐ schläge stehen am Ende. Im Vorwort wird hervorgehoben, dass die Musterlö‐ sungen zu allen Beispielen und Aufgaben nicht die einzigen Möglichen, sondern kontextbzw. situationsabhängig sind (vgl. Qian 2016, II). Trotzdem sind in den Musterlösungen verschiedentlich Missverständnisse, Übersetzungsfehler und Informationsverluste zu finden, was nachfolgend durch Beispiele eingehend dargestellt und analysiert wird. Zu beachten ist aber, dass wegen des großen Unterschieds der deutschen und chinesischen Sprachsysteme und der Eigen‐ schaft der Übersetzungswissenschaft solche Probleme in fast allen untersuchten Lehrbüchern vorkommen und nur schwer zu vermeiden sind. Zu den wich‐ tigsten übersetzungsdidaktischen Themen gehören die theoretische Basis und die Musterlösungen in den Übersetzungslehrbüchern. 98 6. Empirische Untersuchung: Inhaltsanalyse der Übersetzungsaufgaben Das Lehrbuch von Wang (2006) gliedert sich in sechs Kapitel, und zwar in (1) eine Übersicht über das Lehrbuch und die Schlüsselaspekte, (2) Wortüberset‐ zungen, (3) Satzübersetzungen, (4) Übersetzung der Phraseologie, (5) Textüber‐ setzungen aus dem Bereich Literatur, Diplomatie, Technik und Tourismus sowie (6) in die Praxis (Übungen und Aufgaben). Mit Blick auf die Berufspraxis der Bachelorabsolventen bilden sprachenpaarbezogene Übersetzungstechniken den Kernteil dieses Lehrbuches. In Kapitel 1 werden grundlegende Fragen und Kenntnisse vermittelt, z. B. ein Einblick in die chinesische und ausländische Übersetzungstheorie, das Dolmetschen und Übersetzen, die Rolle der literari‐ schen Übersetzer, die Übersetzungsqualität und -methoden sowie die Überset‐ zungsmittel. Kapitel 2 befasst sich mit der Lexik, in dem zum einen Wortbil‐ dungen, lexikalische Semantik und Onomastik (Namenkunde) und zum anderen Übersetzungstechniken (z. B. Einfügen und Weglassen von Wörtern, Wortar‐ tenwechsel usw.) besprochen werden. In Kapitel 3 werden einige der syntakti‐ schen Phänomene herausgegriffen, die häufig Probleme beim Übersetzen und z.T. auch beim Dolmetschen zwischen dem Deutschen und dem Chinesischen bereiten. Als ein wichtiges Sprachphänomen sind zahlreiche kulturspezifische Faktoren in der Phraseologie (hier: Redensarten, Redewendungen und Sprich‐ wörter) dargestellt, die zu Übersetzungsschwierigkeiten führen könnten. Das ist m. E. der Grund, warum die Übersetzung der Phraseologie als ein eigenständiges Kapitel behandelt wird. Textübersetzungen von verschiedenen Textsorten finden sich in Kapitel 5, die Übersetzungsaufgaben in Kapitel 6. Die Erstauflage des Lehrbuchs von Wang (2013) erschien 2008 und wurde der Autorin infolge „aus neuer Perspektive” entfaltet, d. h. verglichen mit anderen deutsch-chinesischen Übersetzungslehrbüchern werden hier einerseits Über‐ setzungskonzeption und -prinzipien, Übersetzungsprobleme und -strategien im Rahmen der funktionalen Übersetzungstheorie verankert. Andererseits be‐ schränkt sich das Aufgabendesign nicht auf linguistische bzw. kontrastive lin‐ guistische Kategorien, sondern legt großen Wert auf Entwicklung der Überset‐ zungskompetenz, die nach Wang im Vordergrund der Ausbildung von Übersetzern stehen soll. Merkwürdig ist hieran, dass die Autorin die For‐ schungsergebnisse und Theorien verschiedener deutscher Übersetzungstheo‐ retiker (z. B. P. Kußmaul, W. Wilss, K. Reiß, C. Nord und U. Kautz) einführt. Dies ist für die Übersetzung der deutschen Sprache besonders sinnvoll und auch praktisch. Dieses Lehrbuch enthält viele Informationen zu theoretischen Grund‐ lagen und Hinweise zu weiterführender Literatur, worauf die übrigen Autoren kaum eingehen. Im Vorwort wird erwähnt, dass die Autorin sich von den Bü‐ chern „Handbuch Didaktik des Übersetzens und Dolmetschens” (Kautz 2000) und „Textanalyse und Übersetzen“ stark inspirieren ließ. Konkret gesagt lässt 99 6.2 Vorstellung und Eingrenzung der untersuchten Lehrbücher sich der neuartige Ansatz von Wang durch folgende drei Aspekte charakteri‐ sieren: (1.) Von der Berufspraxis ausgehend wird die Übersetzung als dynami‐ sche soziale Kommunikation bezeichnet, sodass die textinterne und textexterne Übersetzungsanalyse gefördert werden soll. (2.) Teilkompetenzen wie Textkom‐ petenz, Strategiekompetenz, Recherchekompetenz sollen parallel zur Sprach‐ kompetenz entwickelt werden. (3.) In jedem Kapitel ist die zu vermittelnde Theorie mit den Übersetzungsaufgaben eng verknüpft (vgl. Wang 2008, Vf.). Basierend auf seinen Übersetzungserfahrungen erläutert Gui (2009) Fragen der Übersetzungswissenschaft. Hierzu zählen Übersetzungsprinzipien, Überset‐ zungsfehler und -schwierigkeiten und Übersetzungsstrategien sowie -tech‐ niken. Gui gibt jeweils Beispiele für die Hin- und Herübersetzung. Dazu kommen 125 Satzübersetzungen und 48 Textübersetzungen jeweils für die Hin- und Herübersetzung (vgl. Gui, 1 ff.). Allerdings verbleiben die Vorstellung und Diskussion der grundlegenden Fragen m. E. noch weitgehend auf der Ebene der „Technik“. Zugleich mangelt es an theoretisches Fundament für die Überset‐ zungswahrnehmung von den Anfängern bzw. den Studierenden. 6.3 Reliabilität des Kategoriensystems: Cohens Kappa (ĸ) Die inhaltsanalytische Methodenlehre teilt die Gütekriterien in die Reliabilität (Zuverlässigkeit) und die Validität (Gültigkeit) ein. Reliabilität ist die Voraus‐ setzung für Validität, nicht jedoch umgekehrt. Bei inhaltsanalytischen Reliabi‐ litätsbestimmungen wird üblicherweise so vorgegangen, dass die gesamte Ana‐ lyse von mehreren Personen durchgeführt wird und die Ergebnisse anschließend verglichen werden (vgl. Mayring 2015, 123 ff.). Um die Reliabili‐ tätsgrad zu bewerten bzw. um die Urteilsübereinstimmung abschätzen zu können, wird der Koeffizient Cohens Kappa (ĸ) hierher eingeführt. Cohens Kappa ist das am häufigsten angewandte Maß zur Bestimmung der Überein‐ stimmung. „Cohens ĸ quantifiziert das Ausmaß, in dem die relative Häufigkeit übereinstimmender Raterurteile (Po) von der relativen Häufigkeit zufällig zu erwartender Übereinstimmungen (Pe) abweicht“ (Wirtz 2006, 370). In der neueren Literatur wird nahezu ausschließlich Cohens ĸ als zufallskorrigiertes Übereinstimmungsmaß für Nominaldaten herangezogen und diskutiert (vgl. Wirtz/ Caspar 2002, 56). Werte im Bereich von 0 indizieren, dass keine überzufällige Übereinstimmung vorliegt. Je näher ĸ am Wert 1 liegt, desto höher ist die Übereinstimmung der Beurteiler (Wirtz 2006, 370). Nach Fleiss und Cohen (1973) wird ein Kappa > 0,75 als Indikator für eine sehr gute, ein Kappa zwischen 0,6 und 0,75 als Indikator 100 6. Empirische Untersuchung: Inhaltsanalyse der Übersetzungsaufgaben für eine gute Übereinstimmung angesehen. Allerdings fordern Bakeman und Gottman (1986) wie auch Frick und Semmel (1978) jedoch einen strengeren Maßstab und empfehlen, erst dann von zufriedenstellender Übereinstimmung auszugehen, wenn Kappa > 0,7 bzw. > 0,75 gilt (vgl. Wirtz/ Caspar 2002, 59). Zur kategorialen Inhaltsanalyse hinsichtlich der Vermittlung der Überset‐ zungskompetenz werden insgesamt 297 Übersetzungsaufgaben bzw. Analy‐ seeinheiten aus fünf deutsch-chinesischen Übersetzungslehrbüchern ausge‐ wählt (siehe Abb. 8). Darunter steht die Zahl der Übersetzungsaufgaben im Lehrbuch von Gui (2009) mit 42 % an erster Stelle. Danach folgen jeweils 28 % Übersetzungsaufgaben im Lehrbuch von Wang (2013), 15 % bei Zhang (2014), 11 % bei Qian (2016) und 4 % bei Wang (2006). Abb. 8: Anteil der Übersetzungsaufgaben in den fünf untersuchten Lehrbüchern Als Stichprobe wurden aus den fünf Lehrbüchern 50 Übersetzungsaufgaben zu‐ fällig ausgewählt. Entsprechend der prozentualen Häufigkeit der Übersetzungs‐ aufgaben in den fünf Lehrbüchern wurden die 50 Stichproben wie folgt gewählt: 22 Aufgaben von Gui (2009), 13 Aufgaben von Wang (2013), acht Aufgaben von Zhang (2014), fünf Aufgaben von Qian (2016) und zwei Aufgaben von Wang (2006). Um die Vielfältigkeit der Aufgaben zu gewährleisten, waren Wort-, Satz- und Textübersetzungsaufgaben mit einem Bezug auf Hin- und Herübersetzung vertreten. Um dementsprechend interpretierbare Analyseergebnisse zu erhalten, wurde die Überprüfung der Analyseinstrumente durch eine zweite, unabhängige Be‐ urteilerin (eine chinesische Germanistikstudentin) vorgenommen. Nach einer 101 6.3 Reliabilität des Kategoriensystems: Cohens Kappa (ĸ) ca. 40-minütigen Schulung erhielt diese Beurteilerin das Kategoriensystem, das dem Anhang zu entnehmen ist, und einen Überblick über den Zweck der Auf‐ gabenbewertung. So wird sichergestellt, dass das Kategoriensystem und die fachlichen Begriffe richtig verstanden und die Übersetzungsaufgaben bewertet werden können. Anschließend kodieren die zwei Beurteilerinnen unabhängig voneinander die 50 Aufgaben (inkl. zwei Wortübersetzungen) mit dem Katego‐ riensystem. Danach werden alle Daten gesammelt, in eine Tabellenkalkulation übergetragen und ausgewertet. An die Erfassung der Intercoder-Übereinstimmung schloss sich die Berech‐ nung des Kappa-Werts ĸ an, der ein häufig verwendetes Maß zur Übereinstim‐ mungsanalyse von Raterurteilen bei nominalskalierten Merkmalen darstellt. Dann lässt sich das Koeffizient Cohens Kappa (ĸ) wie im folgenden Beispiel bestimmen (vgl. Wirtz/ Caspar 2002, 53 ff.). Rater 1 Ja Nein ∑ Rater 2 Ja a 1266 b 42 1308 Nein c 64 d 724 788 ∑ 1330 766 n 2096 Tab. 6: Berechnung des Kappa-Werts ĸ Das Kategoriensystem, wie in Kapitel 5 dargestellt, umfasst 42 Kriterien, die jeweils mit einer Ja-Nein-Frage gestellt werden. Für Wortübersetzungen sind nur 40 Kriterien von Bedeutung. Bei den 50 Stichproben ist die Summe der Be‐ 102 6. Empirische Untersuchung: Inhaltsanalyse der Übersetzungsaufgaben urteilungsangabe n=2096 (42 x 48 + 40 x 2). In der Tabelle 6 sind die überein‐ stimmenden Angaben beider Raterinnen schraffiert. Der Anteil tatsächlich be‐ obachteter Übereinstimmungen liegt bei 0,94 (Po), wobei der Anteil zufälliger Übereinstimmungen 0,53 (Pe) beträgt (siehe die oben genannte Formel). Wie oben dokumentiert, werden ĸ-Werte größer als 0,7 als Indikatoren guter Über‐ einstimmung der unterschiedlichen Beurteiler betrachtet. Hier berechnet sich Cohens Kappa für das Kategoriensystem zu 0,89. Dieser Wert ist ziemlich hoch und deutet auf eine gute Übereinstimmung zwischen den beiden Raterinnen und bzw. eine hohe Reliabilitätsgrad dieses Kategoriensystems hin. Daraus ergibt sich, dass das eingesetzte Kategoriensystem insgesamt zu einer recht zuverläs‐ sigen Einschätzung der Übersetzungsaufgabe hinsichtlich der Kompetenzver‐ mittlung führt. Durch die Analyse der Aufgaben mit dem Kategoriensystem wird deutlich, zu welchen Teilkompetenzen in verschiedenen Dimensionen eine Auf‐ gabe gestellt wird. In einem weiteren Schritt können die Analysedimensionen genutzt werden, um Übersetzungsaufgaben hinsichtlich des Kompetenzaufbaus zu optimieren oder neu zu konstruieren. 6.4 Ergebnisse der kategorialen Inhaltsanalyse Um einen Überblick über alle Analyseeinheiten in den Lehrbüchern zu ge‐ winnen, werden zunächst alle untersuchten Übersetzungsaufgaben nach lingu‐ istischer Einteilung erfasst. Die Wortübersetzung kommt nur bei Wang (2013) vor und macht 3 % (9 Aufgaben) aus, während die Satzübersetzung in zwei Lehrbüchern (31,3 %) auftaucht. Die Textübersetzung mit 195 Aufgaben (65,7 %) macht erwartungsgemäß den größten Teil aus (siehe Tab. 7). Die Lehrbücher von Zhang (2014), Qian (2016) und Wang (2006) befassen sich ausschließlich mit der Textübersetzung. Dagegen sind die Übersetzungsaufgaben mit Wort-, Satz- und Textübersetzungen bei Wang (2013) besonders vielseitig. Darüber hinaus fällt der hohe Anteil der Satzübersetzung im Lehrbuch von Gui (60,8 %) auf. 103 6.4 Ergebnisse der kategorialen Inhaltsanalyse Tab. 7: Überblick über die Aufgaben in den untersuchten Lehrbüchern Insgesamt sind die meisten Aufgaben der Textübersetzung (66 %) zuzuordnen, wobei die Wortübersetzung und die Satzübersetzung in den fünf Lehrbüchern jeweils 3 % und 31 % ausmacht (siehe Abb. 9). Abb. 9: Anteil der Wort-, Satz- und Textübersetzungen in den fünf untersuchten Lehr‐ büchern Im Folgenden werden die Analyseergebnisse zunächst getrennt nach Lehrbü‐ chern erfasst und dargestellt. Die Analysen werden gemäß der vier Kompetenz‐ dimensionen nach dem Kategoriensystem durchgeführt, um die Beziehung zwi‐ schen jeder Teilkompetenz und den drei Hauptkategorien (Themenauswahl, Wissensarten und kognitive Anforderungen) zu operationalisieren. 104 6. Empirische Untersuchung: Inhaltsanalyse der Übersetzungsaufgaben 6.4.1 Darstellung der Ergebnisse in den fünf Lehrbüchern Das erste Ziel besteht darin, ob die Übersetzungsaufgaben in den ausgewählten Lehrbüchern die Übersetzungskompetenz in ihrer Gesamtheit oder in ihren Teilkompetenzen fördern. Daraus leichtet sich ab, welches Lehrbuch für die Vermittlung von Teilkompetenzen am besten geeignet ist. Abschließend werden alle Untersuchungsergebnisse zusammengefasst und mit Beispielen erläutert. 6.4.1.1 Analyse von exemplarischen Aufgaben im Lehrbuch von Zhang (2014) Sprachkompetenz und Methodenkompetenz finden Anwendung in dem Lehr‐ buch von Zhang bei allen Übersetzungsaufgaben. Kulturkompetenz wird bei der Lösung von 65,2 % der Aufgaben vermittelt, während 34,8 % der Aufgaben dem Aufbau und der Vermittlung der Sachkompetenz dienen. Darunter gibt es nur 5 (10,8 %) Aufgaben, die die Übersetzungskompetenz in ihrer Gesamtheit fördern (siehe Abb. 10). In unterstehender Abbildung wird die absolute Zahl durch die Säule und die prozentuale Verteilung durch die Kurve veranschaulicht. So können die Unter‐ schiede bei der Vermittlung der Teilkompetenzen verdeutlicht werden. Abb. 10: Berücksichtigung der Teilkompetenzen und der Übersetzungskompetenz in ihrer Gesamtheit im Lehrbuch von Zhang (n=46) Im Folgenden wird beispielhaft eine Übersetzungsaufgabe (Aufgabe 1) aufge‐ führt, die die Übersetzungskompetenz in ihrer Gesamtheit fördert. 105 6.4 Ergebnisse der kategorialen Inhaltsanalyse Aufgabe 1: Übersetzen Sie den folgenden Text. (Zhang 2014, 137) Perspektive der deutschen Außenpolitik im 21. Jahrhundert (4): Über die Zu‐ sammenarbeit zwischen der EU und dem asiatisch-pazifischen Raum (Rede vom BM a. D. Hans-Dietrich Genscher, MdB anlässlich der Tagung der Vereinigung der Deutschlandforscher der Akademie der Sozialwissen‐ schaften Chinas aus Anlass des 25. Jahrestags der Aufnahme der deutsch-chi‐ nesischen Beziehungen am 11. 11. 1997 in Peking) Das Schicksal der Welt im 21. Jahrhundert wird entscheidend davon abhän‐ gigen, ob es gelingt, auch in Asien eine dauerhafte, kooperative Stabilitäts‐ architektur zu errichten. Die vor einigen Tagen von Präsident Clinton und Generalsekretär Jiang Zemin erklärte Bereitschaft der USA und Chinas zu einer „konstruktiven strategischen Partnerschaft“ und der derzeitige Besuch von Präsident Jelzin in China sind Ausdruck der Verantwortung dieser großen Staaten für Stabilität in Asien und für eine neue stabile Weltordnung. Das besondere Gewicht des amerikanisch-chinesischen Verhältnisses nimmt jedoch der regionalen Kooperation in Asien nichts von der Bedeutung. Dau‐ erhafte Stabilität wird es nur geben, wenn alle Staaten daran beteiligt sind. Deshalb ist die sich erweiternde und vertiefende Kooperation im Rahmen von ASEAN so wichtig. Das gilt auch für den mit APEC unternommen Ver‐ such, die regionale Kooperation im asiatisch-pazifischen Raum durch den Ausbau der wirtschaftlichen Zusammenarbeit bis hin zur Einrichtung einer Freihandelszone im Jahre 2005 zu vertiefen. Hier wie auch bei anderen regionalen Zusammenschlüssen ist entscheidend: sie dürfen nicht zu neuer wirtschaftlicher oder gar politischer Blockbildung führen, sondern müssen Bausteine einer kooperativen Weltordnung werden. Regionale Kooperation bliebe auch in Asien unvollständig ohne den inten‐ siven Dialog über Abrüstung, Rüstungskontrollen und die Bekämpfung der Proliferation von Massenvernichtungsmitteln. Die Gründung des ASEAN-Regional Forums war deshalb ein Schritt in die richtige Richtung. Damit bietet sich erstmals die Chance, unter Beteiligung Chinas, der USA, Russlands, Japans, Indiens auch in Asien regionale Sicherheitsfragen zu er‐ örtern. Es ist ein gutes Zeichen, dass auch die EU am ASEAN-Regional Forum teilnimmt. Sie kann bei den Bemühungen um kooperative Sicherheitsstruk‐ turen in Asien die Erfahrung der Konferenz für Sicherheit und Zusammen‐ arbeit in Europa, heute OSZE, mit der Zusammenarbeit von Ländern mit unterschiedlichen, ja gegensätzlichen politischen Systemen einbringen. Am Vorabend des 21. Jahrhunderts steht die Welt, stehen Deutschland und China vor großen Weichenstellungen. 106 6. Empirische Untersuchung: Inhaltsanalyse der Übersetzungsaufgaben Nach einem Jahrhundert beispielloser Gewalt haben wir die Chance, eine menschenwürdige Welt zu bauen, eine Welt, in der Hegemoniestreben, Na‐ tionalismus und Unterdrückung keinen Platz mehr haben. Lassen Sie uns, Deutsche und Chinesen, diese Chance mutig und ent‐ schlossen ergreifen. (Aus: Deutschland-EU-China in der Jahrhundertwende, Verlag für Litera‐ turen der Sozialwissenschaften, 1998) (Anmerkung: Die nachfolgende Musterlösung im Original Lehrbuch wird aufgrund ihres Umfangs hier nicht übernommen.) Analyse: Diese Aufgabe ist ein Ausschnitt des Textes „Perspektiven der deut‐ schen Außenpolitik im 21. Jahrhundert“. Es geht hier um die Zusammenarbeit der EU mit dem asiatisch-pazifischen Raum. Als ein informativer Text dient diese Rede vornehmlich der Vermittlung der informativen Inhalte. Die sprachliche Gestaltung wird primär vom Redegegenstand bestimmt. Sprachliches Hinter‐ grundwissen inkl. Wortstruktur und Wortbedeutung (HW-1), Phrasenstruktur und Phrasenbedeutung (HW-2), Satzstruktur und Satzbedeutung (HW-3), sowie Textstruktur und Textbedeutung (HW-4) im Übersetzungsvorgang wird selbst‐ verständlich gefordert. Mit Ausnahme des Kriteriums Änderungen der Satzart (ÜW-7) kommt Übertragungswissen zur Anwendung, nämlich Wortartwechsel (ÜW-5), Einfügen und Weglassen von Wörtern (ÜW-6), Umwandlung des Satz‐ baus (ÜW-8) und Aufbau der Zieltextkohärenz (ÜW-9), um die sprachliche Äquivalenz bzw. Adäquatheit zwischen AT und ZT zu erreichen. Dieses Thema leistet auch einen Beitrag zur Bereicherung des Kulturwissens und fachlichen Wissens. Historisch-geographische Bezeichnungen und Namen als kulturspezifische Begriffe und Ausdrücke, wie EU, ASEAN, APEC und OSZE, steigern den Schwierigkeitsgrad dieser Übersetzungsaufgabe. Hinzu kommen in diesem Abschnitt noch einige Fachtermini, wie z. B. das „Hegemoniestreben“ oder der „Nationalismus“. Obwohl das Hintergrundwissen im Bereich der Me‐ thodenkompetenz nicht in der Aufgabenstellung gefordert wird, ist das Über‐ tragungswissen in diesem Bereich für die Aufgabenlösung unerlässlich. Bei der Bewältigung dieser Aufgabe ist es leicht, die Reflexion über das Sprachwissen und methodisches Wissen bzw. dessen Einsatz anzuregen, was metakognitives Wissen betrifft. Bei der Aufgabenbearbeitung kommt das verschiedene Wissen der vier Kom‐ petenzdimensionen zur Anwendung. Die Übersetzungssituation ist hier zwar nicht bekannt, aber nicht unkonventionell. Eine Kreativität lässt nicht in diesem Sinn nicht in Anspruch nehmen. Daher wird diese Textübersetzung kognitiv als eine Transferaufgabe eingestuft. 107 6.4 Ergebnisse der kategorialen Inhaltsanalyse Die Übersetzungskompetenz wird in ihrer Gesamtheit vermittelt und geför‐ dert. Die qualitativen Analyseergebnisse der Aufgabe werden mithilfe des Ka‐ tegoriensystems in Tabelle 8 zusammengefasst und veranschaulicht. Die graue Farbe kennzeichnet positive Antworten und die weiße Farbe negative Ant‐ worten. Die Antworten zu den 42 Ja-Nein-Fragen werden so in der folgenden Tabelle zusammengefasst. Tab. 8: Analyseergebnisse der Übersetzungsaufgabe 1 Im Lehrbuch von Zhang (2014) werden Sprach- und Methodenkompetenz für die Aufgabenbearbeitung mit hoher Frequenz vermittelt. Verglichen damit werden Kultur- und Sachkompetenz alternativ gefördert. Beispielhaft dafür stehen die zwei folgenden Aufgaben (Aufgabe 2 und Aufgabe 3), die jeweils die Kulturkompetenz oder die Sachkompetenz fördern. Aufgabe 2: Übersetzen Sie den folgenden Text. (Zhang 2014, 130) Perspektive der deutschen Außenpolitik im 21. Jahrhundert (2): Über die deutsch-chinesischen Beziehungen (Rede vom BM a. D. Hans-Dietrich Genscher, MdB anlässlich der Tagung der Vereinigung der Deutschlandforscher der Akademie der Sozialwissen‐ schaften Chinas aus Anlass des 25. Jahrestags der Aufnahme der deutsch-chi‐ nesischen Beziehungen am 11. 11. 1997 in Peking) Wir Deutsche werden nicht vergessen, daß China unseren Wunsch, in einem ungeteilten Deutschland zu leben, auch in den Zeiten des Kalten Krieges unterstützt hat. Heute sind das vereinte Deutschland und China enge Partner. Die politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen zwischen un‐ seren beiden Ländern haben sich in einer Weise entwickelt, wie es vor 25 108 6. Empirische Untersuchung: Inhaltsanalyse der Übersetzungsaufgaben Jahren kaum jemand für möglich gehalten hätte. Der politische Dialog zwi‐ schen unseren Regierungen ist eng und vertrauensvoll. Deutschland ist Chinas wichtigster Wirtschaftspartner in Europa. China ist für die deutsche Wirtschaft ein bedeutender Markt mit enormen Möglichkeiten; andererseits führt kein europäisches Land mehr chinesische Technologie ein als Deutsch‐ land. Dabei sind wir Deutschen uns der Tatsache bewußt, daß China vor gewal‐ tigen Herausforderungen steht: den Übergang von einer agrarisch geprägten zu einer modernen Industriegesellschaft zu bewältigen und die staatlichen Strukturen den Erfordernissen der Marktwirtschaft anzupassen. Deutsch‐ land ist bereit, China dabei ein enger Partner zu sein, wo immer es dies wünscht. Wie rege die kulturellen und wissenschaftlichen Beziehungen zwischen un‐ seren Ländern sind, wird schon daran deutlich, daß über 10000 chinesische Studenten an deutschen Universitäten studieren. Aber es könnte sehr viel mehr sein, es sollte auch keine Einbahnstraße sein. Die deutsch-chinesischen Beziehungen besitzen heute eine Qualität wie nie zuvor in der Geschichte. Deutschland begegnet China heute als ein friedlich vereintes Land, fest integriert in die Europäische Union und das Atlantische Bündnis. (Aus: Deutschland-EU-China in der Jahrhundertwende, Verlag für Litera‐ turen der Sozialwissenschaften, 1998) (Anmerkung: Die nachfolgende Musterlösung im Original Lehrbuch wird aufgrund ihres Umfangs hier nicht übernommen.) Analyse: In der Übersetzungsaufgabe mit dem Titel „Perspektive der deutschen Außenpolitik im 21. Jahrhundert (2): Über die deutsch-chinesischen Bezie‐ hungen“ kommen einige kulturspezifische Begriffe und Ausdrücke vor, wie „Kalter Krieg“, „Europäische Union“ und „das Atlantische Bündnis“, bei deren Übersetzung kulturelles Hintergrundwissen vorausgesetzt wird. Damit läuft die Reflexion über die Bedeutung des Kulturwissens bzw. über die eigene Kultur‐ kompetenz zusammen. Aus der kognitiven Perspektive kommt das vorhandene sprachliche, kulturelle und methodische Wissen in einer für die Studierenden neuen und unbekannten Textübersetzung zum Einsatz: dies wird daher als Transferaufgabe bezeichnet. Neben der Sprach-, Kultur- und Methodenkompe‐ tenz wird Sachkompetenz in dieser Aufgabe nicht benötigt (siehe Tab. 9). 109 6.4 Ergebnisse der kategorialen Inhaltsanalyse Tab. 9: Analyseergebnisse der Übersetzungsaufgabe 2 Wie die Analysen aufzeigen, fördern über 34 % der Aufgaben in diesem Lehrbuch die Sachkompetenz. Hierfür sei ein weiteres Beispiel (Aufgabe 3) angeführt. Aufgabe 3: Übersetzen Sie den folgenden Text. (Zhang 2014, 155) Produktion von Stahl Unter Stahl versteht man nach deutschen Normen jedes Eisen, das ohne jeg‐ liche Nachbehandlung schmiedbar ist. Der Stahl ist im Prinzip eine Legierung mit Kohlenstoff und anderen Beimengungen, die in Form von festen Lö‐ sungen, Reinmetallen oder chemischen Verbindungen vorhanden sind. Nach dem Zustandsschaubild Eisenkohlenstoff ist dabei der Inhalt von Kohlenstoff im Stahl nicht höher als 1,7 %. Früher erzeugte man den Stahl vorwiegend aus Material im teigartigen, halbfesten Zustand als Schweißstahl. Bei dieser Produktionsart überschreitet man die Schmelztemperatur nicht. Über‐ schreitet man sie, gewinnt man Flußstahl, der heutzutage laufend erzeugt wird. Die Produktion von Flußstahl hat drei Phasen: Oxydieren von Beimen‐ gungen, Desoxydation des Stahls und Wiederaufkohlen unter Zugabe von weiteren Zusatzstoffen. Den Flußstahl erzeugt man im Konverter, im Sie‐ mens-Martin-Ofen oder im Elektroofen. (Anmerkung: Die nachfolgende Musterlösung im Original Lehrbuch wird aufgrund ihres Umfangs hier nicht übernommen.) Analyse: Die Übersetzungsaufgabe mit dem Titel „Produktion von Stahl“ bezieht sich auf die Chemie und Physik. Thematisiert wird die Stahlproduktion, die zur Bereicherung des Sachwissens dient. In diesem Sachgebiet kommen zum einen 110 6. Empirische Untersuchung: Inhaltsanalyse der Übersetzungsaufgaben fachliche Termini (z. B. Oxydieren, Desoxydation des Stahls) und zum anderen Übertragungswissen über Stahlproduktion bei der Übersetzung zur Anwen‐ dung. Die Studierenden, die über ungenügendes Sachwissen verfügen, sind hier gefordert, ihr domänenspezifisches Wissen in diesem Bereich zu erweitern bzw. zu recherchieren. Dadurch wird die Reflexion über die Bedeutung des fachlichen Sachwissens bzw. über eigenen Wissensstand in diesem Bereich ausgelöst. Ver‐ glichen mit den vorausgegangenen Beispielen kommen in diesem Text kaum kulturspezifische Faktoren im Ausgangstext vor, so dass die Kulturkompetenz nicht weiter geschult wird. Die konkreten Analyseergebnisse zeigt Tabelle 10. Tab. 10: Analyseergebnisse der Übersetzungsaufgabe 3 Wie oben erwähnt, ist das Lehrbuch von Zhang im Jahr 2002 erstmals erschienen (vgl. Kap. 6.2). Die Übersetzungsmaterialien gehen daher überwiegend auf die 1990er Jahre zurück, darunter befinden sich Berichte über Politik, Diplomatie, Wirtschaft in den Zeitungen und Zeitschriften sowie Sachtexte über Wissen‐ schaft und Technik. Den ersten 20 von insgesamt 46 Übersetzungsaufgaben sind nicht nur Musterlösungen, sondern auch Analysen und Kommentare beigefügt, die sich vornehmlich auf sprachliches Übertragungswissen (z. B. Wortart‐ wechsel und Einfügen, Weglassen von Wörtern) beziehen. Dies führt zu wei‐ teren Reflexionen über das Sprachwissen und die eigene Sprachgewohnheit bzw. -kompetenz. Ohne Hinweise und Übersetzungsaufträge in den Aufgaben‐ stellungen lässt sich das Hintergrundwissen in der Methodendimension, z. B. methodische und theoretische Termini, kaum schulen. Zudem wird die Kreati‐ vität der Studierenden bei der Aufgabebearbeitung wenig gefordert, weil die Aufgaben bzw. Übersetzungsmaterialien mit niedriger Komplexität keine un‐ konventionellen Ausdrücke und Kommunikationssituationen beinhalten. 111 6.4 Ergebnisse der kategorialen Inhaltsanalyse 6.4.1.2 Analyse von exemplarischen Aufgaben im Lehrbuch von Qian (2016) Im Lehrbuch von Qian befasst sich nur eine Übersetzungsaufgabe (3,1 %) mit der Übersetzungskompetenz in ihrer Gesamtheit. Genau wie im Lehrbuch von Zhang stehen Sprachkompetenz und Methodenkompetenz im Mittelpunkt. Für jede Aufgabenlösung sind beide Teilkompetenzen vonnöten. Die Kulturkompe‐ tenz wird in 50 % der Aufgaben vermittelt, während Sachkompetenz nur in 6,25 % Aufgaben gefördert wird. Die Übersetzungsaufgaben, die die vier Teilkompe‐ tenzen integrativ fördern können, kommen vergleichsweise selten vor (siehe Abb. 11). Abb. 11: Berücksichtigung der Teilkompetenzen und der Übersetzungskompetenz in ihrer Gesamtheit im Lehrbuch von Qian (n=32) Im Folgenden werden vier repräsentative Übersetzungsaufgaben des Lehrbuchs von Qian nach dem Kategoriensystem illustriert und analysiert. Eine einzige Übersetzungsaufgabe (Aufgabe 4) fördert die Übersetzungskompetenz in ihrer Gesamtheit. Aufgabe 4: Übersetzen Sie den folgenden Text. (Qian 2016, 214) 要有民族自尊心 据 11 月 4 日《工人日 报 》 报 道,浙江大学 讲师 路甬祥同志在西德 进 修两 年多, 连创 五 项发 明,并 获 得了德国工程科学博士学位。他的 发 明被誉 为 “ 崭 新的八十年代液 压 技 术 ” 。一家美国跨国公司愿出八万 马 克的年薪 聘 请 他, 还 提出愿意帮助他把妻子儿女也接到西德去。路甬祥婉言 谢绝 了,他 说 : “ 对 不起,我的祖国是中国,我的事 业 在中国。 ” 112 6. Empirische Untersuchung: Inhaltsanalyse der Übersetzungsaufgaben 5 Die Musterlösung ist in einigen Fällen nicht die beste Übersetzung. Meines Erachtens soll der Titel mit einer nominalen Phrase übersetzt werden, z. B. „Notwendigkeit des nationalen Selbstbewusstseins“. 路甬祥同志的回答,令人鼓舞,令人 钦 佩。路甬祥没有把出国 进 修当作 为 个人增加 资 本的手段,而是看作 为 祖国学 习 的好机会。他只用两年多 时间 就 获 得 别 人通常要用五六年才能 获 得的学位,并且有所 创 造 发 明, 就因 为 他 热爱伟 大的社会主 义 祖国,具有献身四化的 坚强 决心, 强 烈的 爱 国主 义 思想激励他 发奋图强 ,并使他面 对 国外 优 厚的物 质 条件 丝 毫不 为 所 动 。在路甬祥同志身上,生 动 的体 现 了中 华 儿女的高尚情操。 —— 摘自 1981 年 12 月 20 日 《人民日 报 》 Musterlösung: Nationales Selbstbewusstsein ist notwendig 5 Einem Bericht der „Arbeitszeitung“ vom 4. 11. zufolge verbrachte Genosse Lu Yongxiang, ein Dozent der Universität Zhejiang, zwei Jahre in BRD zur Weiterbildung. In dieser Zeit machte er fünf Erfindungen und erlangte den deutschen Doktortitel in Ingenieurwissenschaft. Seine Erfindungen wurden als „völlig neue Technologie der Hydraulik in den 80er Jahren“ gerühmt. Ein amerikanischer multinationaler Konzern wollte ihn mit einem Jahresein‐ kommen von 80000 DM anstellen und erklärte sich zudem bereit, ihm bei der Einreise seiner Frau und seiner Kinder in die BRD behilflich zu sein. Lu Yon‐ gxiang lehnte höflich ab. „Verzeihen Sie, aber meine Heimat ist China und meine Aufgabe ist in China“, sagte er. Dieser Antwort des Genossen Lu Yongxiang hat die Weiterbildung um Aus‐ land nicht als Mittel zum sozialen Aufstieg benutzt, sondern sie als gute Ge‐ legenheit betrachtet, sich für das Vaterland neue Kenntnisse zu erwerben. In nur zwei Jahren hat er einen Titel erlangt, für den andere normalerweise fünf oder sechs Jahre benötigen, und hat dazu noch Erfindungen gemacht. Das tat er allein aus großer Liebe zum sozialistischen Vaterland und aus dem festen Entschluss heraus, einen Beitrag zu den Vier Modernisierungen seines Landes zu leisten. Sein starker Patriotismus bewegte ihn dazu, sich voll und ganz für ein mächtiges Vaterland einzusetzen und bewirkte, dass er sich von den vorzüglichen materiellen Bedingungen im Ausland in keiner Weise be‐ eindrucken ließ. An Lu Yongxiang zeigen sich die edlen Werte des chinesi‐ schen Volkes anschaulich. Quelle: Chinesische Volks-Tageszeitung 20. Dezember 1981 113 6.4 Ergebnisse der kategorialen Inhaltsanalyse Analyse: Die Sprachkompetenz wird hier gut vermittelt bzw. entwickelt. Insbe‐ sondere dient die Angabe der Textquelle zur Durchführung der übersetzungs‐ relevanten Analyse und darüber hinaus zur Auswahl der einschlägigen Über‐ setzungsstrategien. Das methodische Übertragungswissen könnte in diesem Sinn gut geschult werden. Dagegen werden methodische bzw. theoretische Ter‐ mini (HW-32) und Bezeichnungen von Datenbanken und Recherchemitteln (HW-33) sowie die Texttyptheorie in der Aufgabenstellung nicht gefordert. Zum geforderten fachlichen Hintergrundwissen gehört hier die Hydraulik ( 液 压 - yè yā). Dieses muss vorhanden sein oder der Übersetzer muss dieses durch Recherchieren erwerben. So wird die Reflektion über die Bedeutung des fachlichen Sachwissens hervorgerufen. Der Ausdruck bzw. der Begriff „ 四化 (sì huà)“ mit der Bedeutung „Vier Modernisierungen“ - Modernisierung der In‐ dustrie, Modernisierung der Agrarwissenschaft, Modernisierung der Landes‐ verteidigung und Modernisierung der Wissenschaft und Technik - wurde in den 1980er Jahren vom damaligen chinesischen Staatspräsident DENG Xiaoping häufig angewendet und ist daher stark im Bewusstsein der Chinesen verwurzelt. Für dessen Übersetzung ist eine Reflexion über den kulturellen Hintergrund erforderlich, so dass Hintergrundwissen und metakognitives Wissen im Bereich der Kulturkompetenz in Anspruch genommen werden. Die Aufgabenbearbeitung verlangt den Wissenstransfer zur Bearbeitung eines für die Studierenden unbekannten Textes. Daher wird diese Überset‐ zungsaufgabe hinsichtlich der kognitiven Anforderungen als eine Transferauf‐ gabe angesehen. Besondere Kreativität fordert die Aufgabe jedoch nicht. Wie die folgende Tabelle 11 aufzeigt, werden alle vier Teilkompetenzen angemessen gefördert, d. h. die Übersetzungskompetenz wird mit dieser Aufgabe in ihrer Gesamtheit vermittelt. Tab. 11: Analyseergebnisse der Übersetzungsaufgabe 4 114 6. Empirische Untersuchung: Inhaltsanalyse der Übersetzungsaufgaben Außer Sprach- und Methodenkompetenz ist zunächst die Kulturkompetenz für das Verstehen bzw. das Übersetzen der Aufgabe sehr bedeutend. Beispielsweise stammt der untenstehende Bericht (Aufgabe 5) aus der Volks-Tageszeitung vom 8. Juli 1981. Darin wurden Phänomene der 1980er Jahre und vor der Zeit vor 1945 in China beschrieben bzw. berichtet, so dass kulturspezifisches Wissen bzw. Kulturkompetenz zur Aufgabenbearbeitung unerlässlich ist. Aufgabe 5: Übersetzen Sie den folgenden Text. (Qian 2016, 222) 知 识 的 饥饿 不久前一个清晨,一列四百多人的 队 伍,其中有不少 鬓发 斑白的老者, 焦急地等候在北京 图书馆门 前。开 馆时间 一到,人 们 蜂 拥 而入,把里面 一个 阅览 室的大 门 都 挤 破了。 看到 这 种情景,我 们 眼前浮 现 出了解放前 饥 民 们 在米店 门 前排 队籴 米的 情景。今天在中国共 产 党的 领导 下的社会主 义 新中国, 这 种悲惨的 场 面 已 经 不复 见 了。在我 们 眼前出 现 的,却是知 识 的 饥饿 者在 图书馆门 前排 队 等候 进馆读书 的 场 面。 看到 这 种情景,我 们 心里真有 说 不出的高 兴 。 图书馆 是 书 本知 识 的宝 库 。但是就拿北京 图书馆 来 说 吧,主楼内搭小七 八个 阅览 室,只能同 时 容 纳 四百多个 读 者。可是 现 在平均每天有一千四 百多人去那里 读书 。 当前出 现 的那种人 们 的知 识 的 饥饿 ,反映了我国四化建 设 的大好形 势 。 所以我 们 的干部,特 别 是有关部 门 的 领导 干部,切莫 轻视 人 们对 于精神 食粮的渴求。 (摘自 一九八一年七月八日《人民日 报 》第八版) Musterlösung: Wissensdurst Neulich warteten über 400 Personen, darunter nicht wenige Ältere mit er‐ grautem Haar, früh morgens in einer Schlange unruhig vor dem Tor der Pe‐ kinger Bibliothek. Kaum wurde geöffnet, drängten sie hinein. Dabei wurde die Tür eines Lesesaals eingedrückt. Bei dem Anblick trat uns das Bild Hungriger vor der Befreiung vor Augen, wie sie vor dem Reisladen Schlange standen, um Reis zu kaufen. Heute, im sozialistischen neuen China, unter der Führung der Kommunistischen Partei, gibt es solch tragische Szenen nicht mehr zu sehen. Was wir vor Augen hatten, waren nach Wissen Hungernde, die vor dem Tor der Bibliothek Schlange standen und warteten, bis sie hineingehen und Bücher lesen durften. Bei diesem Anblick erfüllte uns eine unsägliche Freude. Bibliotheken sind Schatzkammern des Wissens. Aber nehmen wir einmal die Pekinger Biblio‐ 115 6.4 Ergebnisse der kategorialen Inhaltsanalyse thek als Beispiel. Im Hauptgebäude gibt es 7-8 größere und kleinere Lesesäle, die gleichzeitig nicht mehr als 400 Leser aufnehmen können. Im Durchschnitt kommen jetzt jedoch ca. 1400 Leute, um dort zu lesen. Der Wissensdurst der Bevölkerung, wie er sich zurzeit zeigt, widerspiegelt die vorzügliche Lage unseres Landes bei der Verwirklichung der Vier Modernisierung. Daher sollten die Kader, allen voran die leitenden Kader der betreffenden Stellen und Institutionen, das Verlangen der Bevölkerung nach geistiger Nahrung auf keinen Fall geringschätzen. Quelle: Volks-Tageszeitung, 8. Juli 1981 Analyse: Charakteristisch für diese Aufgabe ist die Kreativität im Bereich der Sprachkompetenz. So ist der Aufsatz mit „ 知 识 的 饥饿 (zhī shī de jī è)“ über‐ schrieben. Damit ist inhaltlich die Begeisterung der Menschen für Bildung und Wissen gemeint. „ 知 识 (zhī shī)“ heißt auf Deutsch Wissen und „ 饥饿 (jī è) “ bedeutet Hunger. Eine wörtliche Übersetzung wäre „Hunger des Wissens“ und enthält damit einen Kollokationsverstoß, welcher nicht akzeptabel ist. Statt‐ dessen wird in der Musterlösung „Wissensdurst“ eingesetzt, um die sprachliche Adäquatheit zu erreichen. Die Veränderung bei der Übersetzung erfordert ein gewisses Maß an die Kreativität vom Studierenden. Diese Aufgabe ist daher sprachlich als kreatives Problemlösen zu werten. Bei den „Vier Modernisierungen“ handelt es sich um einen kulturspezifischen Slogan, also einen kulturspezifischen Ausdruck, zu dessen Übersetzung kultu‐ relles Hintergrundwissen vorausgesetzt wird. „Neulich warteten über 400 Per‐ sonen, darunter nicht wenige Ältere mit ergrautem Haar, früh morgens in einer Schlange unruhig vor dem Tor der Pekinger Bibliothek. Kaum wurde geöffnet, drängten sie hinein. Dabei wurde die Tür eines Lesesaals eingedrückt.“ Dieses Verhalten, das heute eher als chaotisch und undiszipliniert zu bezeichnen wäre, ist im Text positiv und als Zeichen der Begeisterung aufgenommen worden. Während der chinesischen Kulturrevolution zwischen 1966 und 1976 waren das freie Lesen und Lernen verboten; Schulen wie Hochschulen waren geschlossen. In der darauffolgenden Zeit der „Reform- und Öffnungspolitik“ hatten die meisten Menschen daher großes Verlangen nach Wissen und Lesen. Diese kul‐ turspezifischen Sachverhalte und Verhaltensweise können zudem die Reflexion der Studierenden über dieses Kulturphänomen anregen. Die Analyseergebnisse werden in Tabelle 12 zusammengefasst. 116 6. Empirische Untersuchung: Inhaltsanalyse der Übersetzungsaufgaben Tab. 12: Analyseergebnisse der Übersetzungsaufgabe 5 Durch das Übersetzen eines Sachtextes, z. B. einer Gebrauchsanweisung als ty‐ pisches Beispiel, wird Sachkompetenz in Anspruch genommen. Beispielhaft sei hier die nachfolgende Aufgabe 6 aufgeführt. Aufgabe 6: Übersetzen Sie den folgenden Text. (Qian 2016, 227 f.) 产 品使用 说 明 书 翻 译 一例 (Übersetzung einer Gebrauchsanweisung) 双喜 压 力 锅 使用方法 食物和佐料不得超 过 国内容量五分之四。 合盖前要 检查阀 座孔是否通 畅 。然后按 锅 上箭 头 所示 “ 关 ” 的方向 转换 (即 顺时针 方向),直到两手柄全重合才算盖好。 当限 压阀 因放气抬起 时 , 应 减火保持限 压阀 在似起非起的状 态 ,直到食 物熟了 为 止。 开盖前, 锅 内如有气 压时应进 行冷却降 压 。可以自然冷却,也可用冷水 强 制冷却,也可取下限 压阀 放气降 压 。 取下限 压阀 后,确 认阀 座不再放气 时 ,可按 锅 上箭 头 所示 “ 开 ” 的方向(即 逆 时针 方向) 转动 手柄,打开 锅 盖。 Musterlösung: SHUANG-XI Dampfkochtopf Gebrauchsanweisung Speisen und Zutaten dürfen 4/ 5 des Topfinhalts nicht überschreiten. Vor dem Schließen des Topfs kontrollieren, ob Ventilöffnung frei (od. nicht verstopft) ist. Dann Deckel in Pfeilrichtung „schließen“ (d. h. im Uhrzeiger‐ sinn) drehen, bis die beiden Handgriffe genau übereinanderliegen. 117 6.4 Ergebnisse der kategorialen Inhaltsanalyse Wenn am Überdruckventil Dampf ausströmt und es steigt, Hitze reduzieren, so daß das Ventil in leicht angehobener Stellung bleibt, bis die Speisen gar sind. Vor dem Öffnen des Topfes muß der Druck durch Abkühlung reduziert (od. entlastet) werden, entweder durch Luft- und Wasserkühlung oder durch Dampfausströmung, indem das Überdruckventils abgehoben wird. Nach Abheben des Überdruckventils genau überprüfen, ob Ventil keinen Dampf mehr ausströmt, erst dann Handgriff in Pfeilrichtung „öffnen“ (d. h. gegen Uhrzeigersinn) drehen und den Topf öffnen. Analyse: Bedienungsanleitungen gehören zu den tätigkeitsleitenden Texten und beziehen sich auf einzelne Arbeitsaufgaben bzw. auf ein spezielles Gerät. Sie dienen nicht dem Aneignen komplexer Wissensgebiete (vgl. Stolz 1999, 153). Das Hauptproblem bei der Übersetzung dieser Texte stellt die Exaktheit der Terminologie dar. Um die beispielhaft angeführte Gebrauchsanweisung richtig und verständlich zu übersetzen, soll der Übersetzer einerseits die vorkom‐ menden Fachtermini, z. B. „ 限 压阀 (xìan yā fá)“ (auf Deutsch: Überdruckventil) kennen und anderseits über ausreichend fachliches Sachwissen zu einschlägigen Prozeduren (z. B. Arbeitsabläufe) verfügen. Die Reflexionen über die Bedeutung des fachlichen Sachwissens (MW-28) und den eigenen Wissensstand in diesem Fachbereich (MW-29) werden hier hervorgerufen (siehe Tab. 13). Hinsichtlich der sprachlichen Form gilt die Forderung der Norm nach Ein‐ fachheit. Nach den Normenvorschriften sollen Anleitungstexte so kurz wie möglich, aber trotzdem vollständig, korrekt und lernzielfördernd sein. Zugleich soll der Leser folgerichtig entsprechend den chronologischen Arbeitsabläufen durch den Text geführt werden (vgl. Stolz 1999, 152 ff.). Solche übereinzel‐ sprachliche Vertextungsnormen sind in beiden Sprachensystemen gültig und sollen daher bei der Übersetzung beachtet werden. Bei den Formen der Anwei‐ sungssprache gibt es einzelsprachspezifische Unterschiede der Sprechakt. Im Chinesischen bevorzugt die Anweisungssprache immer Imperativ ohne Perso‐ nalpronomen, während im Deutschen gewöhnlich Personalpronomen in der Anweisungssprache auftreten. Davon weicht die beigefügte Aufgabenlösung ganz beträchtlich ab. Wie in Kap. 6.2 erwähnt, kommen die abweichende Mus‐ terlösung und Übersetzungsfehler in den untersuchten Lehrbüchern häufig vor. Insofern könnte der Aufbau der Übersetzungskompetenz beeinträchtigt werden und daher sind die didaktischen Hinweise und richtige Darstellung seitens der Lehrkraft in diesem Fall notwendig. 118 6. Empirische Untersuchung: Inhaltsanalyse der Übersetzungsaufgaben Tab. 13: Analyseergebnisse der Übersetzungsaufgabe 6 Im Folgenden sei eine kleine Geschichte (Aufgabe 7) widergegeben. Darin kommen weder kulturspezifische Faktoren noch fachliches Sachwissen vor, so dass die Kultur- und Sachkompetenz kaum vermittelt werden. Entscheidend für diese Aufgabe ist die vollständige Entwicklung der Sprach- und Methodenkom‐ petenz. Aufgabe 7: Übersetzen Sie den folgenden Text. (Qian 2016, 209) 作 证 买鲜鱼 的 长队 排得井然有序。突然有个小伙子不排 队 ,硬 挤 到前 边 去。 人 们纷纷 指 责 他,他就煞有介事的仰天 长叹 : “ 让 老天作 证 吧,我真的排 了 队 啊。 ” 这时 候,只 见 阿凡提走 过 来,拍拍他的肩膀 说 : “ 小伙子,你用不着指天 誓日。我作 证 ,你的确是排 队 了,就排在我后 边 。 ” “ 就是嘛! ” 年 轻 人 说 : “ 还 是阿凡提 讲 公道!他 们 就会冤枉人! ” “ 这 也不能怪他 们 , ” 阿凡提笑着解 释 道: “ 因 为 他 们 都排在我前 边 啊! ” Musterlösung: Der Zeuge Ein paar Leute, die frischen Fisch kaufen wollten, standen geordnet in einer Schlange. Plötzlich kam ein junger Bursche. Er stand nicht hinten an, sondern drängte sich grob nach vorn. Alle kritisierten ihn, er aber setzte eine ernste Miene auf, seufzte tief und blickte zum Himmel: „Der Himmel sei mir Zeuge. Ich bin wirklich Schlange gestanden! “ Da kam Afanti vorbei, klopfte ihm auf die Schulte und sagte: „Mein lieber Junge, du brauchst keinen Schwur abzu‐ legen. Ich bin Zeuge, du bist in der Tat angestanden, allerdings hinter mir.“ - „Eben“, sagte der Junge. „Wenigstens Afanti tritt für Gerechtigkeit ein. Die 119 6.4 Ergebnisse der kategorialen Inhaltsanalyse 6 Im Chinesischen wird daneben noch Chéng yǔ zu Phrasen gerechnet (Liu/ Pan/ Gu 2017, 9). In einigen Arbeiten wird der Begriff Chéng yǔ als Bezeichnung für die phraseolo‐ gische Subklasse „Idiome“ verwendet und lässt sich aufgrund seiner meist viersilbigen Form in der deutschen Sinologie oft als Tetragramm bezeichnen. (Vgl. Spiel‐ manns-Rome 2014, 20) Die Chengyu stammen normalerweise vom alten Sprichwörtern ab und formulieren Erfahrungsinhalte, Sinnsprüche, Verhaltensregeln etc. (Schäfer 1983, 46). wollen einem nur Unrecht tun! “ - „Deswegen darfst du ihnen nicht böse sein“, erklärte Afanti lächelnd, „sie standen eben alle vor mir! “ Analyse: Wie oben erwähnt, werden Sprach- und Methodenkompetenz bei der Aufgabenbearbeitung vorausgesetzt. Das chinesische Tetragramm 6 (Chéng yǔ) „ 指天誓日 (zhǐ tiān shì rì)“ bedeutet, dass man auf den Himmel blickt und auf die Sonne schwört. Weil im Deutschen kein äquivalentes Idiom besteht, ist dieses Tetragramm in der Musterlösung in „Der Himmel sei mir Zeuge.“ übersetzt worden. Insofern soll das Sprachwissen mit Blick auf den Kontext bzw. die Kommunikationssituation zum Transfer kommen. Zudem sollen die Studie‐ renden etwas Neues beim Erarbeiten des ZT schaffen, d. h. ihre Kreativität in die Übersetzung einbringen, damit die Zieltextrezipienten dieses Idiom richtig verstehen und akzeptieren können. Übertragungswissen im Bereich der Methodenkompetenz (inkl. Einsatz des einschlägigen Übersetzungsprinzips (ÜW-35), die Durchführung der überset‐ zungsrelevanten Analyse (ÜW-36), Informationsrecherche (ÜW-37) und Einsatz der einschlägigen Übersetzungsstrategien (ÜW-38) sowie die Reflexion über den Methodeneinsatz (MW-39) und Reflexion über eigene Methodenkompetenz (MW-40)) wird im Bearbeitungsprozess implizit Anspruch genommen. Die kon‐ kreten Analyseergebnisse werden in der folgenden Tabelle (siehe Tab. 14) zu‐ sammengefasst. 120 6. Empirische Untersuchung: Inhaltsanalyse der Übersetzungsaufgaben Tab. 14: Analyseergebnisse der Übersetzungsaufgabe 7 Wie in Kapitel 6.2 vorgestellt, ist das Lehrbuch von Qian im Jahr 2003 erschienen. Die Übersetzungsaufgaben darin beziehen sich nur auf die Textübersetzung vom Chinesischen ins Deutsche. Da die Übersetzungsmaterialien vorwiegend in den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts in China entstanden, treten darin häufig zeitliche kulturspezifische Ausdrücke/ Begriffe und Sachverhalte auf. Dies stellt den Studierenden vor hohe Anforderungen an die Kulturkompetenz. Verglichen mit dem Lehrbuch von Zhang (2014) sind die Textsorten in diesem Lehrbuch, einschließlich der Zeitungsartikel, des Vertrages, der Gebrauchsanweisung, der Einladung und der Ausschnitte aus literarischen Werken usw., umfangreicher, was die Förderung der sprachlichen und kulturellen Kreativität und den Einsatz der verschiedenen Übersetzungsstrategien angeht. Ähnlich wie die Aufgaben im Lehrbuch von Zhang (2014) finden sich in den Aufgabenstellungen keine Hinweise bzw. Übersetzungssaufträge. Vorteilhaft in diesem Lehrbuch ist, dass die Aufgaben mit Musterlösungen und ggf. Kommentaren und Analysen sowie Quellenangaben versehen sind, die der Durchführung der übersetzungsrele‐ vanten Analyse dienen. 6.4.1.3 Analyse von exemplarischen Aufgaben im Lehrbuch von Wang (2006) Wie in Kapitel 5.1 darstellt, finden sich bei Wang (2006) insgesamt 12 Textüber‐ setzungen, die alle Sprach- und Methodenkompetenz fördern können. Im Ver‐ gleich damit legen 66,6 % der Aufgaben den Fokus auf den Aufbau der Kultur‐ kompetenz, während nur 25 % der Aufgaben sich dem Aufbau der Sachkompetenz widmen. Im Folgenden werden einige Aufgaben zur Charakte‐ risierung dieses Lehrbuchs exemplarisch analysiert (siehe Abb. 12). 121 6.4 Ergebnisse der kategorialen Inhaltsanalyse Abb. 12: Berücksichtigung der Teilkompetenzen und der Übersetzungskompetenz in ihrer Gesamtheit im Lehrbuch von Wang (2006) (n=12) Eine einzige Aufgabe (Aufgabe 8) dieses Lehrbuchs zielt auf die Vermittlung der Übersetzungskompetenz in ihrer Gesamtheit ab. Wegen des Umfangs der Auf‐ gabe werden hier nur repräsentative Ausschnitte zitiert. Aufgabe 8: Übersetzen Sie bitte den folgenden Text. (Wang 2006, 188) Wo sich der „Gelbe Drache“ ins Tal windet „Huanglong“ heißt „Gelbe Drache“, und wer in sein Gebiet eindringen will, der muss hohe Berge überqueren. Bis auf 4100 Meter windet sich die Pass‐ straße hinauf und mündet schließlich in jenem Tal, in dem sich prägnante Kalksteinformationen ausbreiten. Durch grüne, von schneebedeckten Gipfeln gesäumte Hochtäler wallen graue Nebel, die, wenn sie sich lüften, bizarre Gesteinsformationen enthüllen. Farbtupfer am Wegesrand sind blaue und weiße Zelte, aufgeschlagen von Tibetern, die seit Jahrhunderten hier ansässig sind. Bewegt man sich auf diese Zelte zu, kommen Kinder mit drahtigen, kleinen Pferden näher, auf denen man, gegen ein kleines Entgelt, ein paar Runden übers Plateau reiten darf. Noch ganz erfüllt von der erhabenen Schönheit des Hochlandes, wird man drüben im Tal mit einer Landschaft konfrontiert, die nicht minder spekta‐ kulär, vielleicht sogar einzigartig auf der Welt ist: eine Karstformation mit unzähligen Seen oder Teichen. Diese smaragdgrünen oder blauen Tupfer in gelbbrauner Kalksteinfassung ziehen sich über 600 Meter am Hang hoch, und sie erinnern an Reisterrassen oder an eine riesige Freitreppe: ein Wunder‐ werk, das durch eine Laune der Natur entstanden ist. 122 6. Empirische Untersuchung: Inhaltsanalyse der Übersetzungsaufgaben 7 Mit der chinesischen Phrase „ 鬼斧神工 (guǐ fǔ shén gōng)“ ist entweder Gottes- oder Teufelswerk gemeint. 8 Das Wort „ 瑶池 (yáo chí)“ ist ein Teich im Kun-Lun-Gebirge, der nach dem chinesischen Märchen der Wohnort von der taoistischen Göttin des Westens ist. Mit der Metapher „ 人 间 瑶池 (rén jiān yáo chí)“ wird die schöne Landschaft beschrieben. […] In einigen wuchern Algen und Bakterien, die das Spektrum der Farben noch erweitern. In die dominierenden Blau- und Grüntöne mischen sich auch Nu‐ ancen von Rot, Orange und Kastanienbraun. Es ist ein schillerndes Kaleido‐ skop, das den Kalksteinterrassen von Huanglong einen „fast über irdischen Aspekt“ verleiht. […] Einen Legende erzählt, dass jener Tempel zu Ehren eines Mönchs gebaut wurde, der vor Tausenden von Jahren dem Begründer der Xia-Dynastie ge‐ holfen haben soll, den Lauf des Min-Flusses zu formen und ihn in den Yangtze münden zu lassen, um die Überflutungen in der Region zu beenden. Dass das Tal des Huanglongs die Inkarnation eines Drachen sei, davon be‐ richtet eine andere Legende. Der Kopf des Fabeltieres forme sich demnach aus den mächtigen Felsgipfeln, sein Körper setze sich aus den märchenhaften Teichterrassen zusammen, und sein Schwanz sei schließlich der Fluss Fu, der durchs Tal fließt. (Helga Bertra, aus Schätze der Welt, Erbe der Menschheit, Band 4, Chronik Verlag, Lexikon Verlag GmbH, München, Gütersloh) (Anmerkung: Die nachfolgende Musterlösung im Lehrbuch wird aufgrund ihres Umfangs hier nicht übernommen.) Analyse: Durch Angabe der Quelle wird die Textsorte klar, was zur überset‐ zungsrelevanten Analyse und zum Einsatz der Übersetzungsstrategien von be‐ sonderer Relevanz ist. Charakteristisch in dieser Aufgabe ist die Kreativität im Bereich der Sprachkompetenz. Beispielhaft sei hier die Übersetzung des Satzes „ein Wunderwerk, das durch eine Laune der Natur entstanden ist“ besprochen. In der Musterlösung wird der Satz mit einem chinesischen Tetragramm (Chengyu) „ 鬼斧神工 (guǐ fǔ shén gōng) 7 “ übersetzt, wodurch die emotionale und expressive Wirkung der originalen Sprache deutlich und gleichzeitig an‐ schaulich zum Ausdruck kommt. Zudem wird die Phrase im Ausgangtext „fast überirdischen Aspekt“ im Zieltext mit einem Tetragramm bzw. einer Metapher „ 人 间 瑶池 8 (rén jiān yáo chí)“ übersetzt. Diese Übersetzungen sind natürlich nicht die einzig möglichen, aber die aufgeführte Übersetzungsoption bringt hier 123 6.4 Ergebnisse der kategorialen Inhaltsanalyse den Einsatz von Kreativität beim sprachlichen Transfer besonders schön zum Ausdruck. In den sprachlichen Veränderungen gegenüber dem Ausgangstext zeigt sich das Neue einer Übersetzung. Und dieses Neue ist kreativ, wenn es angemessen ist, d. h. wenn der Leser den Text so besser versteht (vgl. Kußmaul 2010). Anders gesagt verfügt diese Aufgabe über das Potential, die Kreativität bei den Studierenden anzuregen. Darüber hinaus tauchen kulturspezifische Begriffe auf, insbesondere die ge‐ schichtlich-geographischen Bezeichnungen (z. B. Begründer der Xia-Dynastie, die Flüsse Fu und Yangtze), deren Übersetzung eine diesbezügliche Kulturkom‐ petenz voraussetzt. Die Vermittlung der Sachkompetenz erfolgt zum einen durch geographische Termini, (z. B. Kalksteinformationen und Gesteinsforma‐ tionen), zum anderen auch durch geographisches Hintergrundwissen. Die Ana‐ lyseergebnisse finden sich in Tabelle 15. Tab. 15: Analyseergebnisse der Übersetzungsaufgabe 8 Die Sachkompetenz wird in diesem Lehrbuch in 25 % der Übersetzungsaufgaben angesprochen. Beispielhaft sei hier eine folgende Aufgabe aufgeführt (Aufgabe 9). Aufgabe 9: Übersetzen Sie bitte den Text. (Wang 2006, 167) Sicherheitssystem: In den neuen Modellen von Daimler-Chrysler schützt ein so genanntes Pre-Safe-System die Insassen bei einem drohenden Unfall. Er‐ kennen Sensoren starke Bremsmanöver oder einen Überschlag, ziehen Elek‐ tromotoren die Sicherheitsgurte an, pumpen Luftpolster in den Sitzen auf und stellen die Beifahrersitzlehne aufrecht. So werden die Passagiere in ihren Sitzen fixiert, damit Airbags und Gurte sie optimal schützen können. (Quelle: Deutsche Zeitschrift, im Juni 2005) 124 6. Empirische Untersuchung: Inhaltsanalyse der Übersetzungsaufgaben Abweichende Übersetzung: 安全系 统 :在戴姆勒-克莱斯勒的新 车 型上,所 谓 的 预 安全系 统 保障着 乘客不受迫近中的危 险 的 伤 害。 传 感器一旦 侦测 到急刹 车 或翻 车 , 电 机 就会收 紧 安全 带 , 为 座椅中的气囊充气,同 时 收直副 驾驶 座椅靠背,使 乘客与座椅 紧 密 贴 合,从而 获 得气囊和安全 带 的最 优 保 护 。 Kritische Anmerkung: 点 评 : “ 所 谓 的 预 安全系 统 保障着乘客不受迫近中的危 险 的 伤 害。 ” 一句 中的 “ 着 ” 应该删 除。另外 „so genannt“ 不一定非 译为 “ 所 谓 的 ” 。 Musterlösung: 安全系 统 :戴姆勒-克莱斯勒新 车 型安装了一种事故 预 警系 统 , 发 生事 故 时 他能保障乘客安全。 传 感器一旦 侦测 出急刹 车 的 动 作或翻 车 , 电 机 就会收 紧 安全 带 并 给 座椅上的气囊充气,同 时 把副 驾驶 座的椅背 竖 直, 于是乘客被固定在座椅上, 这样 一来气囊和安全 带 可以很好地保 护 乘 客。(摘自 : 德国 杂 志 2005 年 6 月) Analyse: Es handelt sich um die Beschreibung des im Fahrzeug eingebauten Sicherheitssystems. Durch den Vergleich der Musterlösung und der abwei‐ chenden Übersetzung mit kritischen Anmerkungen wird metakognitives Wissen im Bereich der Sprachkompetenz ausgelöst. Die Sachkompetenz wird zum einen durch die vorkommenden Fachtermini, z. B. Sensoren und Brems‐ manöver, und zum anderen durch Beschreibung der Funktionsweise des Sicher‐ heitssystems vermittelt. Die Quelle des Textes, die auf die Textsorte bzw. Text‐ konventionen hinweist, dient zur übersetzungsrelevanten Analyse und zur Festlegung auf die Übersetzungsstrategien. Das Übertragungswissen der Me‐ thodenkompetenz lässt sich gut schulen. Aus der kognitiven Perspektive ist diese Aufgabe in den Bereichen der Sprach-, Sach- und Methodenkompetenz als Transferaufgabe einzustufen (siehe Tab. 16). 125 6.4 Ergebnisse der kategorialen Inhaltsanalyse Tab. 16: Analyseergebnisse von Übersetzungsaufgabe 9 Im Lehrbuch von Wang (2006) hat die Kulturkompetenz einen bedeutenden Stellenwert, die durch mehr als 66 % der Aufgaben vermittelt wird. Die von Wang vorgenommene Themenauswahl dient damit vorzugsweise zur Bereicherung des Kulturwissens. Beispielhaft sei hier Aufgabe 10 aufgeführt. Aufgabe 10: Übersetzen Sie den folgenden Text. (Wang 2006, 162) Warum braucht Europa eine Verfassung Nur als politisches Gemeinwesen hat Europa tatsächlich Zukunft (Auszug) Von Jürgen Habermas Transformationsgesellschaften in Mitteleuropa, die der EU beitreten wollen, müssen mit den extremen Herausforderungen eines Systembruchs fertig werden, aber deren Antwort war die Rückkehr zum Nationalstaat. In diesen Ländern besteht kein Enthusiasmus für die Übertragung von jüngst wieder‐ gewonnenen Souveränitätsrechten auf europäische Instanzen. Angesichts der fehlenden Motivation auf beiden Seiten wird das Ungenügen ausschließ‐ lich ökonomischer Gründe umso deutlicher. Diese müssen sich mit Ideen ganz anderer Art verbinden, um in den Mitgliedstaaten Mehrheiten für eine Veränderung des politischen Satus quo zu gewinnen, sagen wir, mit der Idee der Bewahrung einer spezifischen, heute in Gefahr geratenen Kultur und Lebensform. Die große Masse der europäischen Bürger fühlt sich eins in dem Interesse an der Verteidigung einer Lebensform, die sie, in den begünstigten Regionen diesseits des Eisernen Vorhangs, während des zweiten Drittels des vergangenen Jahrhunderts entwickeln konnte. Gewiss war ein schnelles Wirtschaftswachstum die Grundlage für einen Sozialstaat, in dessen Rahmen sich die Nachkriegsgesellschaften regeneriert haben. Aber als Ergebnis dieser Regeneration zählt nur eins - Lebensweisen, in denen sich auf der Grundlage 126 6. Empirische Untersuchung: Inhaltsanalyse der Übersetzungsaufgaben von Wohlstand und Sicherheit der Reichtum und die nationale Vielfalt einer über Jahrhunderte zurückreichenden, attraktiv erneuerten Kultur ausdiffe‐ renziert haben. (Quelle: Deutsche Zeitschrift, im November 2001/ Januar 2002) (Die nachfolgende abweichende Übersetzung und kritische Anmerkungen im Originallehrbuch werden aufgrund ihres Umfangs hier nicht über‐ nommen.) Musterlösung: 欧洲需要一部 宪 法 吗 —— 欧洲只有成 为 政治 联 合体才真正有前途 于 尔 根 哈 贝马 斯 那些准 备 加入欧盟的, 处 于社会 变 革的中欧国家面 临 着 严 峻的挑 战 。因 为 原有的社会制度崩 溃 了,可 对 挑 战 的回 应 是向民族国家回 归 。 这 些国 家并不 热 衷于把前不久重新 赢 得的自主 权转 交 给 欧洲当局。双方都缺乏 热 情更加清楚地表明,只看到 经济 原因是不 够 的,要想 说 服成 员 国大多 数人同意改 变 政治 现 状,就得把 经济 原因与其他完全不同的理念 结 合起 来,比如 说 保持各自特有的文化和生活方式的理念,而 这 种文化和生活 方式目前已陷入危机。欧洲大多数公民都想保持他 们 的生活方式,在 这 一点上他 们 倒是一致的。 这 种生活方式是在上个世 纪 五六十年代 铁 幕 这 一 侧 条件好的地区形成的。毫无疑 问 , 经济 的快速 发 展 为创 建社会福利 国家奠定了基 础 , 战 后社会在此基 础 上得以复 苏 。但复 苏 的 结 果只有一 个,即多种生活方式的形成,在 这 些生活方式中,在福利和安全基 础 上 创 造的 财 富有差异,有几百年 历 史又不断更新的文化也 显 示出民族的多 样 性。 (摘自德国 杂 志, 2001 年 11 月/ 2002 年 1 月) Analyse: Diese Aufgabe setzt einige kulturspezifische Ausdrücke voraus, z.B. Ei‐ serner Vorhang. Der Inhalt handelt von der politischen Konstellation Europas um die Jahrtausendwende und der Notwendigkeit einer europäischen Verfassungsre‐ form. Die Aufgabe adressiert damit kulturspezifische europäische Sachverhalte. Auf der formalen Ebene folgt nach der Wiedergabe des Originaltextes und der abweichenden Übersetzung eine Übersetzungsanalyse, die von Übersetzungsfeh‐ lern handelt. Abschließend erfolgt die oben zitierte Musterlösung. Die im Überset‐ zungsprozess wiederholende Revision auf der sprachlichen, kulturellen und me‐ thodischen eben sowie die angegebene Analyse zur Übersetzung sollen die Lernenden zur Reflexion des vorhandenen Wissens anregen. Aus der kognitiven Perspektive wird zuerst das einschlägige Wissen in den verschiedenen Bereichen angesprochen; danach wird dieses auf die Übersetzung angewendet bzw. transfe‐ riert. Die konkreten Analyseergebnisse finden sich in Tabelle 17. 127 6.4 Ergebnisse der kategorialen Inhaltsanalyse Tab. 17: Analyseergebnisse der Übersetzungsaufgabe 10 In den oben analysierten drei Beispielen werden mindestens drei Teilkompe‐ tenzen bzw. die Übersetzungskompetenz in ihrer Gesamtheit vermittelt. Jedoch legt die Mehrzahl der Aufgaben den Fokus schwerpunktmäßig nur auf die Schu‐ lung der Sprach- und Methodenkompetenz. Beispielhaft steht hier Aufgabe 11. Aufgabe 11: Übersetzen Sie den folgenden Text. (Wang 2006, 191) Wenn Arbeit die (scheinbar) knappe Ressource unserer Zeit ist, dann wird „Bildung“ der Schlüssel für Zukunft. So lapidar könnte man eine Erkenntnis ausdrücken, die in den Programmen der „posttraditionalen“ Politiker der Gegenwart, allen voran Bill Clinton und Tony Blair, heute aufscheint. Kein Zweifel: das Thema Bildung wird zum Metathema der Jahrtausendwende. Aber wir können Bildung nicht mehr nur im Sinne einer tradierten, staatli‐ chen Bildungspolitik denken. Sie verändert ihre Farbe und ihre Funktion. Sie formt unser Mensch- und Selbstbild um. Und sie gerät ins Zentrum einer neuen Umverteilungsdebatte. (Aus „Das Zukunfts-Manifest“ von Matthias Horx, Econ Verlag.) Musterlösung: 如果 说劳动 是我 们时 代(看似) 紧 缺的 资 源,那么教育 则 是未来的关 键 。 也 许 人 们 可以极 为简洁 地表达一种 认识 ,今天 这 种 认识 在当前 “ 后 传统 ” 政治家 们 的 纲领 中,特 别 是比 尔 克林 顿 和托尼布莱 尔 的 纲领 中 显 露。毋 庸置疑,教育主 题 成 为 世 纪 之交的大主 题 ,但我 们 不能再将教育 仅仅 理 解 为传统 的,国家教育政策意 义 上的教育。教育改 变 了 颜 色和功能,改 变 了我 们 人的形象与自我形象,它已 处 于新的再分配 讨论 的中心。(摘 自未来宣言,王 滨滨译 ,云南人民出版社) 128 6. Empirische Untersuchung: Inhaltsanalyse der Übersetzungsaufgaben Analyse: Die untenstehende Analyse (siehe Tab. 18) zeigt, dass diese Aufgabe zur Vermittlung von Sprach- und Methodenkompetenz gut geeignet ist. Obwohl sich in dieser Aufgabe zunächst kein Bezug auf kulturelle und fachliche Faktoren findet, wird eine relativ hohe Anforderung auf der kognitiven Ebene in den Bereichen der Sprach- und Methodenkompetenz gestellt. Das vorhandene Wissen soll reproduziert und auf die Übersetzungen der neuen Sätze transferiert werden. Bei der Übersetzung des Wortes „Metathema“ wird sprachliche Krea‐ tivität benötigt, da sich im Chinesischen hierfür kein entsprechendes Wort finden lässt. Tab. 18: Analyseergebnisse der Übersetzungsaufgabe 11 Bei Wang (2006) finden sich expressive Texte (vgl. Kap. 5.3.4) als Aufgabenma‐ terialien. Beispiele sind Gedichte von Goethe und Günter Eich, Ausschnitte der literarischen Werke von Wolfgang Borchert und Qian Zhongshu (einem pro‐ minenten chinesischen Schriftsteller) und Textausschnitte aus „Schätze der Welt, Erbe der Menschheit“. Sie dienen primär dem Verständnis von literari‐ schen Inhalten. In ihnen dominiert der individuelle Mitteilungs- und Gestal‐ tungswille des Autors. Ihre sprachliche Gestaltung wird primär vom individu‐ ellen Umgang des Autors mit den Ausdrucksmöglichkeiten der Sprache determiniert (vgl. Reiß 1976, 5). Sprachliche und kulturelle Kreativität im Über‐ setzungsprozess werden daher besonders gefördert. Typisch für dieses Lehrbuch ist, dass manchmal eine abweichende Übersetzung zu der Aufgabe beigefügt ist. Basierend auf der Analyse zu den Fehlern darin werden Musterlösungen ge‐ geben, was zur Anregung des metakognitiven Wissens bzw. der weiteren Re‐ flexionen bei der Studierenden beiträgt. In den Aufgabenstellungen finden sich in diesem Lehrbuch auch keine Übersetzungsaufträge. 129 6.4 Ergebnisse der kategorialen Inhaltsanalyse 6.4.1.4 Analyse von exemplarischen Aufgaben im Lehrbuch von Wang (2013) Ein Blick auf die Statistik in Kapitel 6.3 zeigt, dass die Übersetzungsaufgaben bei Wang (2013) neun Wortübersetzungen (11 %), 17 Satzübersetzungen (20,7 %) und 56 Textübersetzungen (68,3 %) umfassen. Dabei zielen nahezu alle Aufgaben auf die Vermittlung von Sprachkompetenz und Methodenkompetenz ab, lediglich vier Aufgaben lassen keinerlei methodischen bzw. theoretischen Bezug er‐ kennen. In mehr als 40 % der Aufgaben findet sich ein Bezug zur Kulturkompe‐ tenz, während 23,2 % der Übersetzungsaufgaben der Schulung von Sachkom‐ petenz dienen. Schließlich ist auch der Anteil der Aufgaben, die die Übersetzungskompetenz in ihrer Gesamtheit fördern, mit 10,9 % relativ hoch (siehe Abb.13). Abb. 13: Berücksichtigung der Teilkompetenzen und der Übersetzungskompetenz in ihrer Gesamtheit im Lehrbuch von Wang (2013) (n=82) Auffällig ist, dass fast alle Übersetzungsaufgaben in diesem Lehrbuch Arbeits‐ aufträge und Hinweise in den Aufgabenstellungen beinhalten. Zugleich enthält dieses Lehrbuch vielseitige Übersetzungsaufgaben (inklusive Wort-, Satz- und Textübersetzung). Beispielsweise tauchen Wortübersetzungen unter den fünf ausgewählten Lehrbüchern nur in diesem Lehrbuch auf. Die Analyse der Auf‐ gaben zu Wortübersetzungen weist deutlich darauf hin, dass der Bezug zur Ver‐ mittlung der Sprachkompetenz in 100 % Wortübersetzungen wie in Satz- und Textübersetzungen gegeben ist. Verglichen damit spielen die Kulturkompetenz (56 %) mit fünf und die Methodenkompetenz (67 %) mit sechs Wortüberset‐ zungen eine eher ungeordnete Rolle, wie Tabelle 19 aufzeigt. Die Sachkompe‐ tenz wird jedoch durch die Wortübersetzungen eben nicht gefördert. 130 6. Empirische Untersuchung: Inhaltsanalyse der Übersetzungsaufgaben 9 蚂蚁 上 树 (mǎ yǐ shàng shù) bedeutet wörtlich Ameisen auf dem Baum, womit ein chinesisches Gericht aus Glasnudeln und kleingeschnittenem Paprika gemeint ist. 10 珍珠丸子 (zhēn zhū wán zi) bedeutet wörtlich Perlenkugeln, womit ein mit Schwei‐ nefleisch gefüllter Reiskloß gemeint ist. 11 夫妻肺片 (fū qī feì piàn) bedeutet wörtlich Ehepaar-Zunge, womit ein chinesisches Gericht gemeint ist, das ein Ehepaar erfand und das aus Rinderzunge, Rinderherzen und Rindfleisch zubereitet wird. Wortübersetzung Ja Absolute Zahl Prozent SK 9 100 % KK 5 56 % SaK 0 0 % MK 6 67 % ÜK 0 0 % Tab. 19: Wortübersetzungen im Hinblick auf die Entwicklung der Teilkompetenzen Im Folgenden wird ein Beispiel (Aufgabe 12) angeführt, in dem außer der Sprachkompetenz auch die Kultur- und Methodenkompetenz in gewissem Maßen vermittelt werden. Aufgabe 12: 德国的一家中餐 馆请 你把下列食 谱 : 蚂蚁 上 树 ,珍珠丸子,夫 妻肺片,素什 锦 ,四喜丸子翻 译 成德 语 ,你打算按字面翻 译吗 ? 为 什 么? (Wang 2013, 57) (Aufgabe: Übersetzen Sie bitte im Auftrag eines chinesischen Restaurants in Deutschland die folgenden chinesischen Gerichte ins Deutsche. 蚂蚁 上 树 (mǎ yǐ shàng shù) 9 ,珍珠丸子 (zhēn zhū wán zi) 10 ,夫妻肺片 (fū qī feì piàn) 11 , 素什 锦 (sù shí jǐn) ,四喜丸子 (sì xǐ wán zi). Sollen Sie hier wörtliche Über‐ setzung anwenden? Warum? ) Analyse: Diese Aufgabe bezieht sich auf die Übersetzung der kulinarischen Ge‐ richte, die zu kulturspezifischen Ausdrücken gehören und sich stark in der chi‐ nesischen Kultur verankert sind. Die darin eingebetteten kulturspezifischen Faktoren wecken bei chinesischen Rezipienten Assoziationen, die beim deut‐ schen Restaurantbesucher allerdings leicht zu Missverständnissen führen können. Insofern müssen sich die Übersetzenden über den kulturellen Transfer 131 6.4 Ergebnisse der kategorialen Inhaltsanalyse bzw. das kulturelle Phänomen Gedanken machen. Um die kulturpaarspezifi‐ schen Übersetzungsprobleme zu überwinden, müssen die originalen Bezeich‐ nungen abgeändert werden. In diesem Sinn ist diese Aufgabe aus dem Bereich Kulturkompetenz ebenfalls dem kreativen Problemlösen zuzuordnen. Sprachliches Hintergrundwissen, wie Wortstruktur und Wortbedeutung, Phrasenstruktur und Phrasenbedeutung, und sprachliches Übertragungswissen, wie Wortartwechsel und Einfügen und Weglassen von Wörtern, finden als In‐ strumente bei der Aufgabenbearbeitung Anwendung. Kognitiv ist diese Aufgabe als Transferaufgabe einzustufen. Die Analyseergebnisse sind in Tabelle 20 zu‐ sammengefasst. Hier ist zu betonen, dass im Arbeitsauftrag sowohl der Auftraggeber (also: ein Restaurant) genannt als auch Hinweise zur Übersetzungsstrategie durch die Frage („Sollen Sie hier wörtliche Übersetzung anwenden? “) gegeben werden. Dadurch werden Reflexionen über die Funktionsgerechtigkeit der Überset‐ zungen, den Bedarf des Auftraggebers, den Einsatz der Übersetzungsstrategie usw. hervorgerufen. Tab. 20: Analyseergebnisse der Übersetzungsaufgabe 12 Die Vermittlung der Kultur- und Methodenkompetenz findet sich nicht in jeder Wortübersetzung. Im nachfolgenden Beispiel (Aufgabe 13) findet sich kein Bezug zu diesen beiden Teilkompetenzen, sondern nur auf die Sprachkompe‐ tenz. Aufgabe 13: 请 把斜体字和他后面的 词组 合在一起,翻 译 成 汉语 ,尽量不 要 查 字典。 (Kombinieren Sie bitte das kursive Wort mit seinen nachfol‐ genden Wörtern und Übersetzten Sie die ins Chinesische. Verwenden Sie möglichst nicht das Wörterbuch.) (Wang 2013, 159) 132 6. Empirische Untersuchung: Inhaltsanalyse der Übersetzungsaufgaben 12 Gleich wie „trockener Wein“ im Chinesischen „ 干 红 (gān hóng)“. aggressiv: Chemie, Tier, Farbe dünn: Kleid, Kaffee, Stimme, Suppe frisch: Luft, Wind, Brot, Wäsche, Wunde, Gemüse, Informationen hart: Holz, Leben, Arbeit, Währung, Herz, Rede heiß: Waren, Musik, Diskussion, Spuren hell: Zimmer, Zukunft, Lachen, Wasser, Kopf, Bier jung: Mann, Zeit, Vogel, Gurke kalt: Milch, Körper, Miete, Frau schwer: Koffer, Aufgabe, Wein, Zeit, Sprache stark: Mann, Tier, Ast, Regen, Kaffee, Medikament trocken: Tuch, Brot, Vorlesung, Antwort, Wein, Husten (Anmerkung: Die nachfolgende Musterlösung im Lehrbuch wird aufgrund ihres Umfangs hier nicht übernommen.) Analyse: Bei dieser Übersetzungsaufgabe handelt sich um die Kombination des Adjektivs mit Nomen. Die Kombinationen eines Adjektivs mit unterschiedli‐ chen Nomina weisen die verschiedenen Bedeutungen auf, was zu Missverständ‐ nissen bei dem interlingualen Transfer bzw. bei der Übersetzung führen könnte. Beispielsweise kommen Kombinationen wie „heiße Spuren“, „schwerer Wein“, „Kaltmiete“ in dem chinesischen Sprachsystem nicht vor. Zudem sind die Be‐ deutungen des Adjektivs „jung“ in den Phrasen „junge Vogel“ und „junge Gurke “ mit einem semantischen Kollokationsverstoß in dem chinesischen Sprach‐ system mit dem Adjektiv „ 小 (xiǎo) klein“ zu ersetzen. Grammatisch wird „tro‐ ckener Husten“ mit „ 干咳 (gān ké) 12 “ ins Chinesische übersetzt, die nicht mehr als eine Phrase mit zwei Wörtern, sondern als ein Nomen anzusehen ist. In diesem Sinn wird das Sprachwissen Wortstruktur und Wortbedeutung, Phra‐ senstruktur und Phrasenbedeutung für die Aufgabenbearbeitung benötigt und dann je nach den unterschiedlichen sprachlichen Konventionen ins Chinesische übertragen. Die Revision bzw. Reflexion des sprachlichen Transfers sowie die Reflexion über sprachliche Komplexität der Aufgabe bzw. über eigene Sprach‐ gewohnheit bzw. Sprachkompetenz können verhältnismäßig geweckt werden. Die nachfolgende Tabelle fasst die Analyseergebnisse dieser Übersetzungsauf‐ gabe zusammen (siehe Tab. 21). 133 6.4 Ergebnisse der kategorialen Inhaltsanalyse Tab. 21: Analyseergebnisse der Übersetzungsaufgabe 13 In Anlehnungen an die Klassifikation der Übersetzungsaufgaben (vgl. Kapitel 5.4) finden sich in den oben erwähnten zwei Wortübersetzungen übersetzungs‐ relevante Hinweise. Es folgt noch ein Beispiel auf der Satzebene (Aufgabe 14), in dem die Methodenkompetenz, vor allem Hintergrundwissen und Übertra‐ gungswissen in dieser Dimension, gefordert wird. Zugleich lassen sich mit dieser Aufgabenstellung die vier Teilkompetenzen vermitteln. Aufgabe 14: 请 根据下面内容决定采取什么翻 译 策略(工具型/文献型), 对 比功能是否等效,并翻 译 下列内容。 (In Anlehnung an die Funktionsge‐ rechtigkeit entscheiden Sie sich bei der Übersetzung für eine instrumentelle oder dokumentarische Übersetzungsstrategie.) (Wang 2013, 111) ( 交通法 规 ) (Verkehrsregel) - 过 街 请 走人行横道 - 不 许 停 车 , 违 者 罚 款。 - Sackgasse keine Wendemöglichkeit! - Ausfahrt freihalten ( 标语 口号) (Slogan und Schlagwort) - 不敬不孝,将被耻笑 - 学 习 雷 锋 ,助人 为乐 ( 欢 迎 词 ) (Begrüßung) - 2008 北京奥运 欢 迎您 - Wie man sich bettet, so schläft man, sagt ein Sprichwort. Dabei wollen wir Ihnen, lieber Gast, mit dieser Hotelliste behilflich sein… ( 论 文 标题 ) (Unterschrift der wissenschaftlichen Arbeit) - 浅 谈 德国税收政策 134 6. Empirische Untersuchung: Inhaltsanalyse der Übersetzungsaufgaben - 功能翻 译 理 论 基 础 及其意 义 - 对 文化在外 语 教学中地位的思考 Musterlösung: 1. 工具型翻 译 策略,功能等效 : 1.1 Nur Zebrastreifen zum Überqueren der Straße. 1.2 Parken wird bestraft. 1.3 此路不通,不能掉 头 1.4 车辆 出口,保持通 畅 2. 文献型翻 译 策略,功能 发 生 变 化,它不再是口号,而是提供信息。 2.1 Wer seine Eltern nicht ehrt und seine Kinderpflicht nicht erfüllt, wird verachtet. 2.2 Lernen wir von Lei Feng, den die anderen zu helfen. 3. 工具型翻 译 ,功能等效。 3.1 Herzlich willkommen nach Beijing zu den Olympischen Spielen 2008 3.2 众口 难调 。 为 了 满 足各位客人的不同需求,我 们编 写 这 本旅店名 录 , 希望他能 为 您到不来梅住店 时 提供方便。 4. 文献型翻 译 策略,功能等效。 4.1 Einblick in die deutsche Steuerpolitik 4.2 Grundlagen der funktionalen Übersetzungswissenschaft und deren Be‐ deutung 4.3 Reflexion über den Stellenwert der Kultur im DaF-Unterricht Analyse: Für diese Übersetzungsaufgabe wird vor allem methodisches Hinter‐ grundwissen durch die in der Aufgabenstellung vorkommenden theoretischen Termini, z. B. das von Nord aufgestellte Übersetzungsprinzip Funktionsgerech‐ tigkeit und instrumentelle oder dokumentarische Übersetzungsstrategien, vor‐ ausgesetzt. Durch den Einsatz methodischen Wissens lässt sich folglich die Re‐ flexion über den Methodeneinsatz im Übersetzungsprozess und über die eigene Methodenkompetenz in verschiedenen Ausmaßen auslösen. Die Methoden‐ kompetenz wird in diesem Fall effizient vermittelt. Durch Berücksichtigung des fachspezifischen Terminus, z. B. „ 功能翻 译 理 论 (gōng néng fān yì lǐ lùn)“ (auf Deutsch: Funktionale Übersetzungstheorie), und die dadurch geförderte Reflexion über die Bedeutung des fachlichen Terminus und den eigenen Wissensstand in der Übersetzungswissenschaft kann fachspe‐ zifisches Sachwissen bzw. Sachkompetenz hier geleichermaßen geschult werden. Ein Bezug auf kulturspezifische Faktoren, z. B. das deutsche Sprichwort „Wie man sich bettet, so schläft man“, und das chinesische sozialgeschichtliche Person 135 6.4 Ergebnisse der kategorialen Inhaltsanalyse 13 Lei Feng ist ein im Jahr 1963 vom Vorsitzenden Mao ausgezeichneter Soldat, der sehr hilfsbereit war. „Lernen wir von Lei Feng“ ist ein kulturspezifisches Phänomen aus dem China des letzten Jahrhunderts. „ 雷 锋 (Leí Fēng) 13 “ ist deutlich zu erkennen. Zur Übersetzung des deutschen Sprichwortes „Wie man sich bettet, so schläft man“ wird die instrumentelle Übersetzungsstrategie angewendet und mit einem chinesischen Sprichwort „ 众 口 难调 (zhòng kǒu nán tiáo)“ übersetzt. Obwohl die beiden Sprichwörter ganz unterschiedlich sind, werden die semantische und kommunikative Äquivalenz erfüllt. Insofern spiegelt sich die Kreativität nicht nur sprachlich, sondern auch kulturell wider. In Tabelle 22 finden sich die Analyseergebnisse. Tab. 22: Analyseergebnisse der Übersetzungsaufgabe 14 Eine Herausforderung bei literarischen Übersetzungen besteht im Überwinden kulturspezifischer Übersetzungsprobleme. Der Übersetzer sollte stark in die beiden Kulturen verwurzelt sein, um über die notwendige Kulturkompetenz zu verfügen, die zum erfolgreichen Übersetzen notwendig ist. Zugleich sind die Anforderungen literarischer Übersetzung gegenüber der reinen Sprach- und Methodenkompetenz deutlich höher. Der folgende Abschnitt (Aufgabe 15) stammt aus einem chinesischen Roman, bei dessen Übersetzung hohe Anfor‐ derungen an die Kulturkompetenz gestellt werden. Aufgabe 15: 下面是高立希翻 译邓 友梅的小 说 《那五》的一个片段, 请 参考 本章分析方法, 总结 高立希 处 理 汉语 句子的翻 译 策略。你可能会 发现译 者 对 原文的某些表达做了改 动 ,你 对 此有何看法。 Darunter steht ein Ab‐ schnitt aus dem Roman Na Wu von Deng Youmei, der von Ulrich Kautz übersetzt wird. Bitte gehen Sie auf die Übersetzungsstrategien mittels Ana‐ 136 6. Empirische Untersuchung: Inhaltsanalyse der Übersetzungsaufgaben lysemethode in diesem Kapitel ein. Welche Meinungen haben Sie zu den Veränderungen und Bearbeitungen in der Übersetzung? (Wang 2013, 206) 原文 (Originaltext): 雇三 轮 吧,三 轮 要一袋面当 车钱 ,他(那五)舍不得。等他下狠心花一袋 面 时 ,路又不通了。急得他直拍大腿唱 “ 文昭关 ” ,唱了两天 头发 倒是没 有白,可是得了重感冒。接着又拉了痢疾。大 车 店掌柜心眼好, 给 他吃偏 方,喝香灰, 烧纸 ,送鬼, 过 了一个多月才能下地,瘦的成了人灯。他那 一袋面早已吃 净 ,剩下一袋 给 掌柜作房 钱 。掌柜 给 她烙了两 张饼 送他上 路。就 这 么点路,他走了三天才到永定 门 。 译 文 (Übersetzung): Dann wollte er eine Fahrradrikscha mieten, doch der Rikschafahrer verlangte einen Sack Mehl als Fuhrlohn, und davor scheute er zurück. Als er sich end‐ lich doch dazu durchgerungen hatte, war die Trasse nicht mehr passierbar. Jetzt erging es ihm also wie Wu Zixu, dem Helden der Oper „Der Wenzhao-Pass“. Dem fiel auch kein Ausweg ein, so dass er vor lauter Sorge über Nacht schlohweiße Haare kriegte, was sich aber als seine Rettung er‐ weisen sollte, denn so konnte er am nächsten Morgen unerkannt die feind‐ liche Postenkette passieren. Nach zwei Tagen fruchtlosen Wartens in der Herberge hatte Na Wu zwar keine weißen Haare, dafür aber eine schwere Erkältung. Obendrein kriegte er noch die Ruhr. Der Wirt, ein gutmütiger Mann, kurierte Na Wu mit allerlei Hausmittelchen, ließ ihn aufgelöste Asche von Weihrauchstäbchen trinken, verbrannte Opfergeld und veranstaltete Teufelsaustreibungen. Dennoch dauerte es über einen Monat, ehe Na Wu - zum Skelett abgemagert - wieder aufstehen konnte. Einer von den beiden Säcken Mehl war inzwischen aufgezehrt, den anderen überließ er dem Wirt als Zimmermiete. Der Wirt röstete ihm noch zwei Mehlfladen und brachte ihn auf den Weg zur Stadt. Trotz der kurzen Entfernung brauchte er geschla‐ gene drei Tage, ehe er am Yongding-Tor ankam. Analyse: Es geht um eine vergleichende Aufgabe zwischen dem Originaltext und der Übersetzung, die beide angegeben werden. Auffällig ist, dass kultur‐ spezifische Faktoren den Schwierigkeitsgrad der Übersetzung steigern. „ 文昭关 (wén zhāo guān)“ (auf Deutsch: „Der Wenzhao-Pass“) ist der Name einer be‐ kannten Beijing-Oper. Im Original besteht weder die weitere Beschreibung über den Protagonisten Wu Zixu noch die Situationsschilderung. Aber die deutschen Rezipienten, die nicht über einschlägiges kulturelles Vorwissen verfügen, können mit derartigen Querverweisen nichts anfangen; sie bleiben unverständ‐ lich. Daher ist eine in der Übersetzung hinzugefügte Erklärung zu dieser Ge‐ schichte, also der unterstrichene Teil, bedeutend und unbedingt notwendig. 137 6.4 Ergebnisse der kategorialen Inhaltsanalyse In den Wortübersetzungen spiegelt sich folglich die sprachliche und kultu‐ relle Kreativität wider. Das Wort „ 人灯 (rén dēng)“ besteht z. B. aus zwei Schrift‐ zeichen und wird im Chinesischen als eine Metapher für eine abgemagerte Person angewendet. „ 人 (rén)“ bedeutet Person oder Mensch und „ 灯 (dēng) “ heißt die Lampe. Eine wörtliche Übersetzung ist unverständlich und nicht zielführend. Um die gleiche sprachliche Wirkung unter den Rezipienten des ZT zu erreichen, hat der Übersetzer das Wort „Skelett“ mit annährend identischer Bedeutung ausgewählt und angewendet. Hier sei noch ein weiteres Beispiel ge‐ geben: die direkte Übersetzung des chinesischen Ausdrucks „ 偏方 (pīan fāng) “ liefert „Volksmedizin“, gemeint ist jedoch ein „Hausmittelchen“. Durch den Vergleich und die Bewertung wird metakognitives Wissen, z. B. die Reflexionen über Übersetzungsstrategien bzw. der Einsatz von Methoden‐ kompetenz, letztlich gut gefördert. Die konkreten Analyseergebnisse zeigt Ta‐ belle 23. Tab. 23: Analyseergebnisse der Übersetzungsaufgabe 15 Vergleichende Übersetzungsaufgaben können sich nicht nur auf den Vergleich von AT und ZT, sondern auch auf zwei Paralleltexte zu einem Thema beziehen. Dafür wird ein Beispiel angeführt (Aufgabe 16). Aufgabe 16: (Wang 2013, 58) 下面的德 汉 两个文本抄自中德科学基金研究 交流中心 为 2000 年 10 月在北京 举办 《交 汇 ——— 中德科学交流与合作展 览 》而 发 行的宣 传 册, 请对 比 这 两个文本,看它 们 所 传递 的信息是否一 致,省略或增加信息有没有必要?( 说 明: 这 两个文本不存在原文与 译 文 的关系。) Die folgenden deutschen und chinesischen Texte stammen aus der vom deutsch-chinesischen Zentrum für Wissenschaftsförderung im Oktober 2000 veröffentlichten Broschüre für „Integration-deutsch-chinesische Wis‐ senschaftsaustausch und Kooperationsausstellung “ in Beijing. Vergleichen 138 6. Empirische Untersuchung: Inhaltsanalyse der Übersetzungsaufgaben Sie bitte beide Texte und überprüfen Sie, ob die vermittelten Informationen darin gleich sind und ob das Weglassen bzw. Einfügen von Informationen notwendig ist. (Anmerkung: Die beiden Texte bezeichnen sich nicht als Aus‐ gangs- und Zieltexte.) 中德文化交流的先 驱 徐光启与 汤 若望 徐光启是中国近代科学的先 驱 ,是集科学家,学者,朝廷高官(光禄大 夫)和天主教徒( 1630 年接受洗礼)于一身的 传 奇式人物。徐光启在引 进 西方科学的启蒙运 动 中起了 带头 作用。他于 1607 年和意大利耶 稣 会士 利 玛窦 合 译 古希腊欧几里得 “ 几何原本 ” 前六卷,自 1631-1638 年主持 编 译 “ 崇 祯历书 ” ,并著有 “ 农 政全 书 ” ( 1625-1628 年写作, 1637 年出版)。 Wegbreiter des wissenschaftlichen Austauschs Der Mandarin und der Jesuitenpater Aus der Geschichte des wissenschaftlichen und kulturellen Austauschs zwi‐ schen China und Deutschland ragen zwei Namen heraus, Xu Guangqi und Johann Adam Schall von Bell. Xu Guangqi (1562-1633) war ein Mandarin von hohem Rang, der sich zum Christentum bekannte und zur Einführung west‐ licher Wissenschaft maßgeblich beitrug. Gemeinsam mit dem italienischen Jesuiten Matteo Ricci übersetzte er die ersten sechs Bände der „Elemente“ von Euklid. Zudem war er zuständig für die Einstellung des Kalenders unter Kaiser Chongzhen. Analyse: In Anlehnung an den Arbeitsauftrag stammen die deutschen und chi‐ nesischen Texte als Paralleltexte aus der o. g. Broschüre des deutsch-chinesi‐ schen Zentrums für Wissenschaftsförderung. Daher sind die vermittelten In‐ formationen in beiden Texten nicht völlig identisch. Der Titel „ 光禄大夫 (guāng lù dà fū)“ als ein Dienstgrad in der Qing-Dynastie tritt z. B. in der deutschen Version nicht auf; stattdessen erfolgt nur eine kurze Vorstellung eines Mandarin von hohem Rang. In dieser Version bleibt außerdem das bekannte chinesische Buch „ 农 政全 书 (nóng zhèng quán shū)“ unerwähnt, während die „Elemente “ von Euklid in beiden Versionen auftauchen. Ohne solche kulturspezifischen Begriffe bzw. Sachverhalte ist die deutsche Version für die Rezipierten jedoch leichter zu verstehen und zu akzeptieren. Das Weglassen und Einfügen von In‐ formationen fordert die Studierenden zum Nachdenken über den Kulturtrans‐ ferprozess auf. Nach der Klassifikation der Übersetzungsaufgaben (vgl. Kap. 2.2) zählt diese Aufgabe zu vergleichenden Übersetzungsaufgaben bzw. Paralleltextvergleichen. Obwohl eine Anfertigung eines Zieltextes in dieser Aufgabe nicht gefordert wird, wird beim Vergleich ein Übersetzungshandeln in Anspruch genommen, 139 6.4 Ergebnisse der kategorialen Inhaltsanalyse das Sprachwissen und methodisches Wissen für die Aufgabenbearbeitung vor‐ aussetzt. In der Tabelle 24 sind die Analyseergebnisse dieser Aufgabe zusam‐ mengefasst. Tab. 24: Analyseergebnisse der Übersetzungsaufgabe 16 Die folgende Aufgabe 17 bezieht sich auf einen Ausschnitt des Ausländerge‐ setztes. Laut Stolze wird „bei der Übersetzung juristischer Fachtexte eine Zu‐ sammenschau der komplexen Problematik unterschiedlicher Rechtsordnungen, der Begriffsübersetzung und der Funktionalstilistik gefordert“ (1999, 181). Aufgabe 17: 请 采取主 谓结 构法解析下面的德 语 复合句,把他 们 翻 译 成 汉 语 ( Analysieren Sie bitte die folgenden zusammengesetzten Sätze anhand der SV-Struktur und Übersetzen Sie bitte den Satz ins Chinesische ) (Wang 2013, 205) Zur Verpflichtungserklärung gemäß § 84 Ausländergesetz: Der Erklärende (Gastgeber) ist nach § 84 Ausländergesetz verpflichtet, sämt‐ liche öffentlichen Mittel zu erstatten, die für den Lebensunterhalt des Aus‐ länders einschließlich der Versorgung mit Wohnraum und der Versorgung im Krankheitsfalle und bei Pflegebedürftigkeit angewendet werden, auch soweit die Aufwendungen auf einem gesetzlichen Anspruch der genannten Person berufen. Aufwendungen, die auf Beitragsleistungen beruhen, sind nicht zu erstatten. Der Erstattungsanspruch steht jeder öffentlichen Stelle zu, die öffentliche Mittel aufgewendet hat und ist nach Maßgabe des Verwaltungsvollstre‐ ckungsgesetzes vollstreckbar. Die Ausländerbehörde unterrichtet auf Ersuchen oder, wenn sie Kenntnis von den Aufwendungen zu erstattender öffentlicher Mittel erlangt, ohne Er‐ 140 6. Empirische Untersuchung: Inhaltsanalyse der Übersetzungsaufgaben suchen unverzüglich die öffentliche Stelle, der der Erstattungsanspruch zu‐ steht, über die Verpflichtung und ist berechtigt, alle erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Hierzu ist sie gemäß § 84 Abs. 4 AusLG befugt. Die Daten dürfen vom Empfänger nur zum Zwecke der Erstattung der für den Ausländer auf‐ gewendeten öffentlichen Mittel und der Versagung weiterer Leistungen ver‐ wendet werden. (Anmerkung: Die nachfolgende Musterlösung im Lehrbuch wird aufgrund ihres Umfangs hier nicht übernommen.) Analyse: Als typische Fachübersetzung tauchen fachliche Termini wie „Verwal‐ tungsvollstreckungsgesetz“ und „Erstattungsanspruch“ auf. Juristisches Hin‐ tergrundwissen und Kenntnisse über das deutsche Ausländergesetz bzw. die einschlägigen Vorschriften werden zunächst vorausgesetzt. Zum Verstehen bzw. zur Analyse eines solchen Fachtextes muss man fachliches Sachwissen reflek‐ tieren bzw. sich zusätzliches Fachwissen aneignen. Zusammengesetzte Sätze als bedeutende sprachlich-stilistische Merkmale des Satzes bzw. die Textsortenkonventionen der juristischen Texte steigern die sprachliche Kompliziertheit bzw. den Schwierigkeitsgrad der Übersetzung. In der Aufgabenstellung ergibt sich ein Bezug auf die Analysemethode „SV-Struktur“, die zur sprachlichen Analyse dienen kann. Für die Bewältigung der Aufgabe lässt sich die Sprachkompetenz verhältnismäßig gut vermitteln. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass diese Aufgabe Wissen in den Berei‐ chen der Sprach-, Sach- und Methodenkompetenz in Anspruch nimmt. In der Dimension der kognitiven Anforderungen wird diese Aufgabe als eine Trans‐ feraufgabe angesehen. Die konkreten Analyseergebnisse zeigt die nachfolgende Tabelle 25. Tab. 25: Analyseergebnisse der Übersetzungsaufgabe 17 141 6.4 Ergebnisse der kategorialen Inhaltsanalyse Bemerkenswerterweise sind in diesem Lehrbuch Hinweise und Übersetzungs‐ aufträge in den Aufgabenstellungen, die sich auf verschiedene Aspekte be‐ ziehen, z. B. den Auftraggeber, die Rezipienten des ZT, Übersetzungszwecke, Übersetzungsmethoden bzw. -strategien. Dadurch lässt sich nicht nur Hinter‐ grundwissen, sondern auch Übertragungswissen in der Methodendimension, wie in obigen Beispielen erläutert, gut entwickeln. Zudem sind Textsorten in diesem Lehrbuch genauso umfangreich wie in der Realität. 6.4.1.5 Analyse von exemplarischen Aufgaben im Lehrbuch von Gui (2009) Die Analyseergebnisse weisen deutlich darauf hin, dass es in allen Überset‐ zungsaufgaben bei Gui gelingt, die Sprach- und Methodenkompetenz zu ver‐ mitteln bzw. zu fördern. Darunter wird Kulturkompetenz in 51 % der Aufgaben in verschiedenem Ausmaß gefordert, während 15,2 % der Aufgaben auf die Ver‐ mittlung der Sachkompetenz abzielen. 8 % der Aufgaben fördern die Überset‐ zungskompetenz in ihrer Gesamtheit (siehe Abb. 14). Abb. 14: Berücksichtigung der Teilkompetenzen und der Übersetzungskompetenz in ihrer Gesamtheit im Lehrbuch von Gui (n=125) Unter den zehn Übersetzungsaufgaben (8 %), die auf die Übersetzungskompe‐ tenz in ihrer Gesamtheit abzielen, finden sich neun Textübersetzungen und eine Satzübersetzung. Beispielhaft steht eine folgende Textübersetzung (Aufgabe 18). 142 6. Empirische Untersuchung: Inhaltsanalyse der Übersetzungsaufgaben Aufgabe 18: Übersetzen Sie den folgenden Text. (Gui 2009, 360) Der Euro kommt Der Euro kommt, aber er kommt nicht auf einen Schlag. Es dauert bis zum 1. Januar 2002, bis Sie die neue gemeinsame Währung auch in Ihrem Porte‐ monnaie haben werden. Solang gilt: Bargeld bleibt die D-Mark. In den kom‐ menden drei Jahren kann, muss aber nicht jeder mit dem Euro arbeiten. Der Euro startet 1999 endgültig mit Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Irland, Italien, Luxemburg, den Niederlanden, Österreich, Portugal und Spa‐ nien. Das Euro-Parlament billigte die Währungsunion, mit den ersten elf Ländern. Auch die Wechselkurse der Währungen untereinander wurden festgelegt. Nicht in der Anfangsphase der Europäischen Währungsunion (EWU), aber nach einer gewissen Zeit dürfte der Euro dem US-Dollar als internationale Reserve- und Anlagewährung Konkurrenz machen. Langfristig seien Kapi‐ talumschichtungen aus dem Dollar in den Euro in Höhe von 1 Bill. $ eine realistische Größenordnung. Diese Ansicht vertritt die Dresdener Bank in einem Beitrag zum Thema „Wie stark wird der Euro? “ Die EU könne sich in der Wirtschaftsleistung und im Außenhandel folglich durchaus mit den USA messen. Der Euro steigere Liquidität, Tiefe und Effizienz der europäischen Geld- und Finanzmärkte. Nach einer gewissen Zeit dürfte die europäische Währung daher eine wichtige Rolle im Weltwährungssystem spielen. Gegenwärtig dominiere an den Weltfinanzmärkten der Dollar. Rund zwei Drittel der offiziellen Devisenreserven der Zentralbanken würden in Dollar gehalten. Der Anteil der europäischen Währungen sein in den letzten drei Jahren auf 21 % zurückgegangen. Der Euro werde für den Dollar anfangs also allenfalls ein „Juniorpartner“ sein, schreibt die Dresdener Bank. Dies entspreche aber nicht den Relationen der Wirtschaft. 1996 sei das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der EU höher ge‐ wesen als das der USA. Die elf voraussichtlichen Teilnehmerländer er‐ reichten zusammen - je nach Wechselkurs - 80 bis 90 % der US-BIP. Beim Vergleich der Welthandelsanteile hätten die EU-Länder sogar einen Vor‐ sprung. Sie exportieren etwa 20 % aller Waren weltweit, die USA rund 15 %. Analyse: In dieser Aufgabe geht es um den Euro bzw. die Währung und die Wirtschaft. Aus linguistischer Sicht wird sprachliches Hintergrundwissen und Übertragungswissen in Bezug auf die Wortartwechsel, auf die Umwandlung des Satzbaus und auf den Aufbau der Zieltextkohärenz gefordert. Der erste Satz mit 143 6.4 Ergebnisse der kategorialen Inhaltsanalyse einer Redensart „auf einen Schlag“, die nicht wörtlich ins Chinesische übersetzt werden kann, verlangt daher eine kreative sprachliche Leistung von den Stu‐ dierenden. Obwohl methodisches Hintergrundwissen in der Aufgabenstellung nicht gefordert wird, soll das methodische Übertragungswissen bei den Studie‐ renden bewusst oder unbewusst zur Anwendung kommen. Das Übersetzen der Institutionen, z. B. „Europäischen Währungsunion (EWU)“, „die Zentralbank“, setzt eine entsprechende Kulturkompetenz bei der Aufgabenbearbeitung voraus, was bei den Studierenden zur Reflexion ihrer eigenen Kulturkompetenz führt. Zudem wird fachliches Sachwissen durch einige fachliche Termini und deren Abkürzungen adressiert, z. B. „internationale Reserve- und Anlagewäh‐ rung“, „Devisenreserven“ und „Bruttoinlandsprodukt (BIP)“. Die konkreten Analyseergebnisse sind in Tabelle 26 zusammengefasst. Tab. 26: Analyseergebnisse der Übersetzungsaufgabe 18 Satzübersetzung ist die Hauptart der Übersetzungsaufgaben im Lehrbuch von Gui und beträgt 61,6 %. Im Folgenden wird eine Satzübersetzung (Aufgabe 19) beispielhaft angeführt, die den Fokus auf Sprach-, Methoden- und Kulturkom‐ petenz legt. Aufgabe 19: Übersetzen Sie die folgenden Sätze. (Gui 2009, 69) 1. Er ist unser Bruder, unser Fleisch und Blut. 2. „Man steht immer mit einem Bein im Grab.“ 3. Schon vor einer Woche hat die Ochsentour zwischen dem amtierenden Bundeskanzler und dem Bundeskanzlerkandidaten Stoiber begonnen. 4. „Liebe Mutter, ich kann Sie das Schicksal, das ich für mich bestimme, nicht teilen lassen.“ 144 6. Empirische Untersuchung: Inhaltsanalyse der Übersetzungsaufgaben 14 „ 骨肉 (gǔ roù) “ bedeutet auf Deutsch Knochen und Fleisch. 5. Nur im Osten der Republik gibt es Stacheldraht, überall sonst sind unsere Grenzen offen für Wanderer und grün für Schmuggler. Analyse: Aus sprachlicher und methodischer Sicht ist diese Aufgabe nicht kom‐ pliziert. Es werden auch keine großen Ansprüche an die Sachkompetenz gestellt. Ein Bezug auf die Metaphern in dieser Aufgabe lässt sich leicht finden. Als Pro‐ dukte der kreativen Verletzung semantischer Regeln des Sprachsystems sind Metaphern zutiefst kulturspezifisch verankert (vgl. Schäffner 1998, 281). Bei‐ spielsweise ist „Fleisch und Blut“ im ersten Satz als Metapher für Bruder nicht üblich im chinesischen Sprachsystem. Um die Schockwirkung im Chinesischen zu erhalten bzw. emotionale Aspekte mit zu berücksichtigen, besteht die Mög‐ lichkeit, diese Formulierung durch eine gängige Formulierung bzw. ein ver‐ gleichbares Bild im Chinesischen „ 骨肉 (gǔ roù) 14 “ zu ersetzen. In einem anderen Fall, der sog. „die Ochsentour“ (die Metapher im dritten Satz), ist leider kein vergleichbares Bild im Chinesischen zu finden; d. h. die mit diesem Wort in der deutschen Sprache verbundenen semantischen Assoziationen sind im chinesi‐ schen Sprachsystem nicht reproduzierbar. Es ist deswegen zu empfehlen, den Sinn durch einen nichtmetaphorischen Ausdruck „ 艰难 的旅程 (jiān nán de lǔ chéng)“ (auf Deutsch: mühevolle Reise) widerzugeben. Bei derartigen Aufgaben müssen die Studierenden Veränderungen gegenüber dem Ausgangstext vor‐ nehmen und damit etwas Neues schaffen, um die kulturspezifischen Überset‐ zungsprobleme anpassend zu lösen. Dadurch wird die kulturelle Kreativität er‐ fordert. Die konkreten Analyseergebnisse finden sich in Tabelle 27. Tab. 27: Analyseergebnisse der Übersetzungsaufgabe 19 145 6.4 Ergebnisse der kategorialen Inhaltsanalyse Unter den 19 Übersetzungsaufgaben (15,2 %), die auf die Vermittlung der Sach‐ kompetenz abzielen, befinden sich 14 Textübersetzungen und fünf Satzüberset‐ zungen. Im Folgenden wird eine Aufgabe (Aufgabe 20) angeführt, bei deren Übersetzung fachliches Wissen bzw. Sachkompetenz einen wichtigen Stellen‐ wert hat. Aufgabe 20: Übersetzen Sie die folgenden Sätze. (Gui 2009, 75) 1. Im Warmwalzwerk bewegen sich Eisenblöcke durch Walzen und ändern dabei ihre Form. 2. Sie müssen diese Walzen mehrmals passieren, um ihre endgültige Form zu erreichen. 3. Je weniger Stiche, d. h. Durchgänge durch die Walzen, der Walzvorgang braucht, umso wirtschaftlicher lässt sich der Produktionsprozess durch‐ führen. 4. Auch soll die Zeit zwischen zwei Stichen möglichst klein sein, deshalb müssen die Walzen nach dem Durchgang des Eisenblockes ihre neue Stellung in kürzer Zeit einnehmen, damit sich das Walzgut in umgekehrter Richtung ohne Zeitverlust durch die Walzen zurückbewegen lässt. Analyse: Die vier Sätze sind nicht getrennt zu betrachten, sondern bilden einen kohärenten Text, in dem semantische Beziehungen bestehen. Im Bereich der Sachkompetenz werden zum einen fachliche Termini, wie z. B. Warmwalzwerk, Walzvorgang und Walzgut etc., und zum anderen prozedurales Wissen über den Walzvorgang für die Aufgabenbearbeitung vorausgesetzt. Anfänger, die nicht über das einschlägige Fachwissen verfügen, müssen sich zunächst das nötige Hintergrundwissen in diesem Fachbereich aneignen. Dies erfordert eine Refle‐ xion über die Bedeutung des Fachwissens. Sprachlich beschränkt sich diese Aufgabe auf die Satzebene, obwohl die vier Sätze eigentlich einen zusammen‐ hängenden kleinen Text bilden. Das Textsortenwissen und der Aufbau der Ziel‐ textkohärenz werden nicht so stark gefordert. Aus kognitiver Sicht handelt es sich hier um eine Transferaufgabe. Die vollständigen Analyseergebnisse finden sich in Tabelle 28. 146 6. Empirische Untersuchung: Inhaltsanalyse der Übersetzungsaufgaben Tab. 28: Analyseergebnisse der Übersetzungsaufgabe 20 Nicht alle Aufgaben zielen auf die Entwicklung der Kultur- und Sachkompetenz. Zahlreiche Aufgaben auf der Satzebene ermöglichen nur die Schulung des sprachlichen Wissens und dienen daher als interlinguale Übungen vielmehr dem Fremdsprachenerwerb. Beispielhaft steht hier die nachfolgende Aufgabe 21. Aufgabe 21: Übersetzen Sie die folgenden Sätze. (Gui 2009, 98) 1. Jetzt spricht man viel vom Umweltschutz. 2. Man kommt aus allen Richtungen. 3. Bei dem Getöse versteht man sein eigenes Wort nicht. 4. Man soll nicht alles glauben, was die anderen erzählen. 5. Der Besuch des deutschen Außenministers in diesem Land verlief ohne ernsthafte Störungen, wenn man einmal von manchen Kommentaren der Presse dort absah. Analyse: In dieser Aufgabe findet sich zuerst kein Bezug zu kulturellen und fachlichen Faktoren (siehe Tab. 29). Dadurch verringert sich die Aufgabenkom‐ plexität. Die Methodenkompetenz lässt sich ebenfalls kaum fördern. Kognitiv soll das vorhandenen Wissen reproduziert und in die Übersetzungen der neuen Sätze transferiert werden. Insofern ist diese Übersetzungsaufgabe für Anfänger geeignet. 147 6.4 Ergebnisse der kategorialen Inhaltsanalyse Tab. 29: Analyseergebnisse der Übersetzungsaufgabe 21 Satzübersetzungen, die sprachlich und methodisch nur wenige Kriterien akti‐ vieren, d. h. wenige Wissensbereiche in den beiden Dimensionen erfordern, ma‐ chen den Hauptteil der Übersetzungsaufgaben (61,6 %) in diesem Lehrbuch aus. Insofern ist der Aufbau der Kultur- und Sachkompetenz mehr abhängig von den darin eingebetteten kulturspezifischen Ausdrücken/ Begriffen (HW-16) sowie den Fachtermini (HW-25). Obwohl die Musterlösungen mit Analysen und Kom‐ mentaren für einen Teil der Textübersetzungen (16 % der Aufgaben) angegeben werden, ist es nachteilhaft, dass keine Musterlösungen allen Satzübersetzungen und den 28 Textübersetzungsaufgaben (insgesamt 84 % der Aufgaben) beigefügt sind. Hinweise und Übersetzungsaufträge in den Aufgabenstellungen finden sich in diesem Lehrbuch ebenfalls nicht. 6.4.1.6 Zwischenfazit Die Zusammenfassung der Analyseergebnisse und exemplarischen Aufgaben‐ analysen zeigen ähnliche Tendenzen in allen fünf ausgewählten Lehrbüchern. Vor allem richten sich nur wenige Aufgaben ganzheitlich auf das vierdimensio‐ nale Konstrukt der Übersetzungskompetenz aus, d. h. die meisten untersuchten Übersetzungsaufgaben in den Lehrbüchern ermöglichen nur die Vermittlung einer bis drei Teilkompetenzen (Tab. 30). Die Übersetzungsaufgaben, die die Übersetzungskompetenz in ihrer Gesamtheit fördern, d. h. alle vier Teilkompe‐ tenzen gleichzeitig schulen, machen jeweils nur 10,9 % (Wang 2013), 10,8 % (Zhang 2014), 8,3 % (Wang 2006), 8 % (Gui 2009) und 3,1 % (Qian 2016) aus. In Bezug auf die gleichzeitige Vermittlung aller Teilkompetenzen steht das Lehr‐ buch von Wang (2013) anteilhaft an erster Stelle. 148 6. Empirische Untersuchung: Inhaltsanalyse der Übersetzungsaufgaben Lehrbuch Zahl der Aufgaben Absolute Zahl Prozent Zhang (2014) 5 10,8 % Qian (2016) 1 3,1 % Wang (2006) 1 8,3 % Wang (2013) 9 10,9 % Gui (2009) 10 8 % Tab. 30: Die die Übersetzungskompetenz in ihrer Gesamtheit befördernden Aufgaben Die meisten Übersetzungsaufgaben schulen nur Teilbereiche der Übersetzungs‐ kompetenz. Dabei kommt die Sprachkompetenz als grundlegende Kompetenz bei jeder Übersetzungsaufgabe zur Anwendung. Mit großem Abstand folgen Aufgaben, die zur Vermittlung der Kultur- und Sachkompetenz beitragen. Die beiden Teilkompetenzen werden vergleichsweise weniger gefördert. Die Kulturkompetenz lässt sich noch besser fördern als Sach‐ kompetenz in allen Lehrbüchern. Über 60 % der Aufgaben in den Lehrbüchern von Wang (2006) (66,6 %), Zhang (2014) (65,2 %) legen den Fokus auf die Ver‐ mittlung der Kulturkompetenz. Diese Zahl liegt in den anderen Lehrbüchern jeweils bei 51 % (Gui 2009), 50 % (Qian 2016) und 43,9 % (Wang 2013). Betrachtet man die absoluten Zahlen, so steht das Lehrbuch von Gui (2009) mit 64 Auf‐ gaben, die die Kulturkompetenz fördern können, an erster Stelle. Danach folgt das Lehrbuch von Wang (2013) mit 36 Aufgaben auf dem zweiten Platz. Auf die Entwicklung der Sachkompetenz zielen jeweils 34,8 % der Aufgaben (Zhang 2014), 25 % (Wang 2006), 23,2 % (Wang 2013), 15,2 % (Gui 2009) und 6,2 % der Aufgaben (Qian 2016) ab. Ausgehend von der absoluten Zahl stehen die Lehrbücher von Gui (2009) und Wang (2013) mit jeweils 19 Aufgaben, die die Sachkompetenz fördern können, an der ersten Stelle. Danach folgen Zhang (2014) mit 16, Wang (2006) mit drei und Qian (2016) mit zwei Aufgaben. Hinzu kommt die Methodenkompetenz, die mehr oder minder durch alle Übersetzungsaufgaben mit Ausnahme von vier Wortübersetzungsaufgaben ge‐ fördert wird. Insofern steht selbstverständlich Gui (2009) mit 125 Aufgaben an der Spitze. Aber in diesem Lehrbuch betragen die Satzübersetzungen 60,8 %, die die Methodenkompetenz nur teilweise fördern, denn die Satzübersetzungen sind im Mittel von niedrigerer Komplexität als die Textübersetzungen und sprechen deswegen weniger Kriterien der Dimension der Methodenkompetenz an. Da‐ nach folgt das Lehrbuch von Wang (2013) mit 78 Aufgaben, die die Methoden‐ 149 6.4 Ergebnisse der kategorialen Inhaltsanalyse kompetenz fördern. Insofern lässt sich die Methodenkompetenz durch die Auf‐ gaben dieses Lehrbuchs vergleichsweise besser aufbauen bzw. entwickeln. Auf der einen Seite wird methodisches und theoretisches Hintergrundwissen nur in diesem Lehrbuch adressiert, da die Aufgabenstellungen sich mit methodischen und theoretischen Fachtermini, Bezeichnungen von Datenbanken und Recher‐ chemitteln oder übersetzungsrelevanter Texttyptheorie befassen. Auf der an‐ deren Seite wird metakognitives Wissen bzw. Reflexionen über die Methoden‐ kompetenz durch die methodenrelevanten Anforderungen und Hinweise in den Aufgabenstellungen verstärkt gefördert. In dieser Hinsicht sind die Aufgaben im Lehrbuch von Wang (2013) als sehr vorteilhaft zu werten. Zusammenfassend sind die Aufgaben bei Wang (2013) hinsichtlich des Auf‐ baus der Übersetzungskompetenz besser geeignet als die Aufgaben in den an‐ deren vier Lehrbüchern. 6.4.2 Darstellung der Ergebnisse in verschiedenen Teilgebieten Durch die Zusammenfassung und Darstellung der empirischen Analyse wird die Vermittlung einzelner Teilkompetenzen aus drei Dimensionen - Themen‐ auswahl, Wissensarten und kognitive Anforderungen - operationalisiert bzw. ermittelt. Vor allem richtet sich die Analyse an den Zusammenhang zwischen Themenauswahl und Vermittlung der entsprechenden Teilkompetenzen. Ferner lässt sich herausfinden, welche Wissensarten und welche Kriterien in verschie‐ denen Kompetenzdimensionen durch die Aufgabenbearbeitung gefördert werden. Zudem werden die kognitiven Anforderungen in verschiedenen Kom‐ petenzdimensionen analysiert. 6.4.2.1 Analyseergebnisse in der Dimension Sprachkompetenz In der Dimension der Sprachkompetenz fokussiert die Analyse vornehmlich darauf, welches Sprachwissen durch die Aufgabenbearbeitung geschult wird und welchem kognitiven Anforderungsniveau die Aufgabe zugeordnet wird. Basierend auf den gesammelten Daten wird auf die Analyseergebnisse in dieser Dimension vertiefend eingegangen. Das Hintergrundwissen über Wortstruktur und Wortbedeutung (HW-1) sowie Phrasenstruktur und Phrasenbedeutung (HW-2) lässt sich in allen Auf‐ gaben der fünf Lehrbüchern finden. Dagegen ist das Hintergrundwissen Satz‐ struktur und Satzbedeutung (HW-3) im Lehrbuch von Wang (2013) durch 73 Aufgaben (89 %) zu schulen, wobei solches Wissen für die anderen neuen Wort‐ übersetzungen (11 %) nicht zur Anwendung kommt. Folglich lässt sich Hinter‐ grundwissen über Textstruktur und Textbedeutung (HW-4) überwiegend durch 150 6. Empirische Untersuchung: Inhaltsanalyse der Übersetzungsaufgaben die Textübersetzungen vermitteln. Hierfür sind die Lehrbücher von Wang (2013) und Gui (2009) mit ihren Wort- und Satzübersetzungsaufgaben nur bedingt ge‐ eignet (siehe Abb. 15). Insofern ermöglichen 56 Aufgaben (68 %) bei Wang (2013) und 53 Aufgaben (42 %) bei Gui (2009) die Schulung von Textstruktur und Text‐ bedeutung (HW-4). Daraus leitet sich ab, dass das Vermitteln des Sprachwissens mit der Art der Übersetzungsaufgaben bzw. mit der Kompliziertheit der Übersetzungsaufgaben eng verknüpft ist. Nahezu jegliches Hintergrundwissen der Sprachdimension ist durch die Textübersetzungen anzusprechen. Dabei können unterschiedliche Wissensarten bei der reinen Satz- oder Wortübersetzung begrenzt gefördert werden. Abb. 15: Hintergrundwissen in der Sprachdimension Manchmal gelingt es auch, dem Kriterium Textstruktur und Textbedeutung durch eine Satzübersetzungsaufgabe zu genügen. Dafür wird ein Beispiel (Aufgabe 22) angeführt. Obwohl diese Übersetzungsaufgabe im Lehrbuch von Gui (2009) der Satzübersetzung zugeordnet wird, handelt es sich hier um den Abschnitt eines Textes, der zusätzlich mit einer Quelleangabe versehen ist. Beim Übersetzen sollen daher der Aufbau der Zieltextkohärenz und zugleich das mit der Quel‐ lenangabe geforderte Textsortenwissen berücksichtigt werden, so dass das Wissen über Textstruktur und Textbedeutung einkalkuliert wird. 151 6.4 Ergebnisse der kategorialen Inhaltsanalyse Aufgabe 22: 句子翻 译练习 (Satzübersetzungen): (Gui 2009, 32) 1)-3) Wenn´s im Kreuz kracht, mach dich locker! Experten sagen: Hausarbeit ist prima fürs Kreuz. Dehnen und Muskeln aufbauen beim Staubsaugen - gut ist, was das Rückgrat mitmacht. Auf dem Sofa zu lümmeln schadet nach neuen Erkenntnissen den Rücken nicht - wenn man öfter mal die Stellung wechselt. Viele geben auf, wenn eine Bewegung wehtut. Besser ist es, eine Variante zu probieren, mit der man das Ziel erreichen kann. Ruhig mal auf dem Stuhl turnen. Es schwächt den Rücken, nur gerade zu sitzen. Lasten heben ist Training, egal wie. Mit Schonhaltung geht´s leichter, aber nicht gesünder. (aus dem Nachrichtenmagazin Der Stern, 2002/ Nr. 15) 4)-5) Nichts ist dauernd, als der Wechsel, nichts beständig, als der Tod. Und das Leben wäre ein ewiges Verbluten, wenn nicht die Dichtkunst wäre. Sie gewährt uns, was uns die Natur versagt: eine goldene Zeit, die nicht rostet, einen Frühling, der nicht abblüht, wolkenloses Glück und ewige Jugend. (von Ludwig Börne) Nach der quantitativen Analyse der Lehrbücher zeigt sich, dass das sprachliche Übertragungswissen unterschiedlich stark entwickelt wird. Alle Übersetzungs‐ aufgaben in den Lehrbüchern von Zhang, Qian, Wang (2006) verlangen die An‐ wendung des sprachlichen Übertragungswissens einschließlich Wortartwechsel (ÜW-5), Einfügen und Weglassen von Wörtern (ÜW-6), Umwandlung des Satz‐ baus (ÜW-8) und Aufbau der Zieltextkohärenz (ÜW-9). Dagegen ist die Zahl der Übersetzungsaufgaben bei Wang (2013) unterschied‐ lich, die den verschiedenen Kriterien in dieser Kategorie genügen können. Der Grund liegt zuerst darin, dass sich bei den neun Wortübersetzungsaufgaben bei Wang (2013) ein ungünstigeres Bild hinsichtlich der Vermittlung des Übertra‐ gungswissens ergibt. Einfügen und Weglassen von Wörtern (ÜW-6), Ände‐ rungen der Satzart (ÜW-7) und Umwandlung des Satzbaus (ÜW-8) sowie Aufbau der Zieltextkohärenz (ÜW-9) werden nicht adressiert. Bei Gui sind die 53 Aufgaben, die dem Kriterium ÜW-9 entsprechen, viel ge‐ ringer als die die anderen drei Kriterien schulenden Aufgaben, denn 72 Satz‐ übersetzungen in diesem Lehrbuch beziehen sich nicht auf den Aufbau der Ziel‐ textkohärenz (siehe Abb. 16). 152 6. Empirische Untersuchung: Inhaltsanalyse der Übersetzungsaufgaben Abb. 16: Übertragungswissen in der Sprachdimension In dieser Kategorie ist ferner bemerkenswert, dass Änderungen der Satzart (ÜW-7) selten oder kaum durch die Bearbeitung der Übersetzungsaufgaben geübt werden, was auf alle fünf Lehrbücher gleichermaßen zutrifft. Der Grund liegt darin, dass es keine großen Unterschiede hinsichtlich der Funktionen der chinesischen und deutschen Satztypen gibt. Die übereinzelsprachliche Typo‐ logie der drei Hauptsatztypen (Deklarativsatz, Interrogativsatz und Imperativ‐ satz) gilt nicht nur im Deutschen, sondern auch im Chinesischen. Um die kon‐ sistente Kommunikationsfunktion im AT und ZT zu garantieren, kommen Änderungen der Satzart selten vor. Eine Ausnahme hiervon bildet eine einzige Übersetzungsaufgabe (Aufgabe 23). Aufgabe 23: 请 按照括号里的要求翻 译 下面的交通警示 语 。 (Wang 2013, 57) (Aufgabe 23: Übersetzen Sie bitte die nachfolgenden Sätze ins Chinesische und berücksichtigen Sie dabei die Hinweise in den Klammern.) Ausfahrt freihalten -( 张贴 在出口) (Am Ausgang) -(提醒停 车 人) (Eine Hinweise für den Autofahrer) Achtung! Auf allen Zufahrtswegen der Tiefgarage besteht absolutes Halte‐ verbot! - (告 诉 要停放自行 车 的小孩) (Für die radfahrenden Kinder) - (提醒一位正要停 车 的司机) (Für einen Autorfahrer) - ( 张贴 ) (Anmerkung) 153 6.4 Ergebnisse der kategorialen Inhaltsanalyse Achtung! Nicht anlehnen - Tür öffnet selbsttätig. - ( 张贴 要公交 车门 旁 边 ) (Auf der Tür des Busses) - (看到有人靠在 车门 上,你提醒他) (Eine Hinweise für jemanden, der sich an die Tür lehnt.) Musterlösung: Ausfahrt freihalten -( 张贴 在出口)出口,保持通 畅 。 -(提醒停 车 人) 别 在此停 车 , 这 是出口! Achtung! Auf allen Zufahrtswegen der Tiefgarage besteht absolutes Halte‐ verbot! - (告 诉 要停放自行 车 的小孩)小朋友, 这 是地下停 车场 的入口,把自行 车 停到 别处 吧! - (提醒一位政要停 车 的司机)喂,先生! 这 里不准停 车 。 - ( 张贴 )注意!地下停 车场 的入口通道上不准停 车 。 Achtung! Nicht anlehnen - Tür öffnet selbsttätig. - ( 张贴 要公交 车门 旁 边 )自 动车门 ,依靠危 险 。 - (看到有人靠在 车门 上,你提醒他)快 躲 开! 这 是自 动门 ,危 险 ! Zu dieser Aufgabe werden die Rezipienten und die Kommunikationssituationen mit den Arbeitshinweisen angegeben. Ein Beispiel sei das Hinweisschild „Aus‐ fahrt freihalten“. Damit werden im Allgemeinen Autofahrer angesprochen, ihr Fahrzeug an dem gekennzeichneten Ort nicht zu parken. Gegebenenfalls werden auch andere Personen aufgefordert, dort keine Gegenstände abzustellen. Im Chinesischen sind in diesen Fällen besser unterschiedliche Satztypen zu wählen, nämlich ein Deklarativ- und ein Imperativsatz. Hier wird die Kategorie „Ände‐ rungen der Satzart“ angesprochen. Tatsächlich fokussiert diese Aufgabe mehr auf die verschiedenen intralingualen Ausdrücke. Die Originalsätze sind hier als Informationsangebote zu verstehen. In unterschiedlichen Kommunikationssi‐ tuationen sind der Satzart verschiedene Funktionen zuzuweisen. Mit dem metakognitiven Sprachwissen ist die Reflexion über die Bedeutung des Sprachwissens, sprachlichen Transfer im Übersetzungsprozess bzw. die ei‐ gene Sprachkompetenz gemeint. Wie die Abbildung 17 aufzeigt, lassen sich solche Reflexionen mit allen Übersetzungsaufgaben anregen. Da Metakognition bzw. Reflexion beim Kompetenzaufbau einen hohen Stellenwert einnehmen, wie in Kap. 4 bereits dargestellt, sind die höhere Möglichkeit und das Potential der untersuchten Aufgaben hinsichtlich der Förderung der Sprachkompetenz durch die Analyse einigermaßen zu beweisen. 154 6. Empirische Untersuchung: Inhaltsanalyse der Übersetzungsaufgaben Abb. 17: Metakognitives Wissen in der Sprachdimension 248 Übersetzungsaufgaben (83,5 %) der insgesamt 297 Übersetzungsaufgaben der analysierten Lehrbücher sind kognitiv als Transferaufgaben in der Sprach‐ dimension einzustufen, während 48 Übersetzungsaufgaben (16,1 %) auf krea‐ tives Problemlösen abzielen. Als Reproduktionsaufgabe kommt nur eine Wort‐ übersetzung (0,04 %) vor. Die Statistik (siehe Abb. 18) weist darauf hin, dass die Anzahl der kreativen Übersetzungsaufgaben bei Qian (15 Aufgaben), Gui (22 Aufgaben) und Wang (2006) (5 Aufgaben) durchschnittlich höher liegt. In den anderen beiden Lehr‐ büchern machen sie nur bei 2 Aufgaben (Zhang) und 4 Aufgaben (Wang 2013) aus. D.h. in den Lehrbüchern von Qian, Gui und Wang (2006) sind die kognitiven Anforderungen in der Sprachdimension vergleichsweise höher. Die Anforderung an die sprachliche Kreativität steigert den Schwierigkeits‐ grad erheblich und fordert von Anfängern eine flexible und integrative An‐ wendung ihres Sprachwissens bzw. ihrer Sprachkompetenz. Mit anderen Worten, je größer die Anzahl der kreativen Übersetzungsaufgaben ist, umso höher ist der sprachliche Anspruch. Aus diesem Blickwinkel sind die Aufgaben in den Lehrbüchern von Qian und Wang (2006) mit viel höheren kognitiven Anforderungen sprachlich als sehr anspruchsvoll zu bezeichnen. Daher besteht in den beiden Lehrbüchern die Gefahr, dass sprachliche schwächere Studie‐ renden überfordert werden. 155 6.4 Ergebnisse der kategorialen Inhaltsanalyse Abb. 18: Kognitive Anforderungen in der Sprachdimension 6.4.2.2 Analyseergebnisse in der Dimension Kulturkompetenz In der Dimension der Kulturkompetenz konzentriert sich die Analyse auf drei Aspekte: den Zusammenhang zwischen Themenauswahl und Schulung der Kul‐ turkompetenz, die Vermittlung des unterschiedlichen Kulturwissens durch die Aufgabenbearbeitung und die kognitiven Anforderungen im Bereich der Kul‐ turkompetenz. Die Zahl der die Kulturkompetenz fördernden Aufgaben beträgt 152, während die Zahl der thematisch kulturrelevanten Übersetzungsaufgaben in den fünf untersuchten Lehrbüchern bei 145 liegt (siehe Abb. 19). In solchen Überset‐ zungsaufgaben sind entweder kulturspezifische Sachverhalte und Ausdrücke sowie Begriffe oder kulturspezifische Interaktionsweisen eingebettet, zu deren Übersetzungen Kulturkompetenz vorausgesetzt wird. Daraus leitet sich ab, dass alle Aufgaben mit kulturrelevanten Themen die Kulturkompetenz fördern. Darüber hinaus können die thematisch nicht kulturrelevanten Übersetzungs‐ aufgaben ebenfalls Beiträge zur Vermittlung der Kulturkompetenz leisten. Nach der Statistik beziehen sich fünf Wortübersetzungen bei Wang (2013) auf kultur‐ spezifische Begriffe und Ausdrücke und dienen der Erweiterung der Kultur‐ kompetenz. Ein weiteres Beispiel dafür ist eine Satzübersetzung bei Gui „Ziel von Audi ist es, trotz der wachsenden Konkurrenz nach dem WTO-Beitritt Chinas den Marktanteil mindestens zu halten.“ Die kulturspezifischen Aus‐ 156 6. Empirische Untersuchung: Inhaltsanalyse der Übersetzungsaufgaben drücke „WTO-Beitritt“ und „Audi“ ermöglichen die Erweiterung des Kulturwis‐ sens und darüber hinaus auch den Aufbau der Kulturkompetenz. Nicht zuletzt dienen kulturspezifische Textsorten (z. B. Gedichte, Einla‐ dungen und Mitteilungen usw.) der Erweiterung der Kulturkompetenz. Bei‐ spielsweise kann das kulturspezifische Textsortenwissen durch den Parallel‐ textvergleich zwischen einer chinesischen und deutschen Einladung bei den Studierenden angesprochen werden. Abb. 19: Themenauswahl in der Kulturdimension Hintergrundwissen in der Kulturdimension lässt sich durch die Aufgabenbear‐ beitung hauptsächlich in drei Bereichen vermitteln, nämlich durch kulturspe‐ zifische Ausdrücke/ Begriffe und Sachverhalte (HW-16), kulturspezifische Inter‐ aktionsweisen (HW-17) und kulturspezifische Textsorten bzw. Textsortenkonventionen (HW-18). Grob gesprochen steht die Förderung der Kulturkom‐ petenz in engem Zusammenhang mit dem kulturspezifischen Hintergrund‐ wissen, d. h. alle die Kulturkompetenz fördernden Aufgaben beziehen sich mehr oder minder auf die Vermittlung des Hintergrundwissens. Abbildung 20 zeigt, inwiefern das kulturelle Hintergrundwissen jeweils in den fünf Lehrbüchern vermittelt bzw. gefördert wird. In dieser Kategorie kommen kulturspezifische Ausdrücke/ Begriffe und Sach‐ verhalte (HW-16) sehr häufig vor. Dagegen tauchen kulturspezifische Interak‐ tionsweisen (HW-17) und kulturspezifische Textsorten bzw. Textsortenkonven‐ tionen (HW-18) vergleichsweise eher selten auf. Im Lehrbuch von Gui wird das 157 6.4 Ergebnisse der kategorialen Inhaltsanalyse Kriterium kulturspezifische Interaktionsweisen häufiger berücksichtigt. Zu‐ gleich wird kulturspezifisches Textsortenwissen bei Wang (2013) und anteilhaft auch bei Wang (2006) besser geschult. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Aufbau der Kulturkompetenz in den fünf Lehrbüchern primär von kultur‐ spezifischen Ausdrücken/ Begriffen und Sachverhalten abhängig ist. Didaktisch soll besondere Beachtung den kulturspezifischen Interaktionsweisen und Text‐ sortenkonventionen geschenkt werden. Abb. 20: Hintergrundwissen in der Kulturdimension Der Schulung von metakognitivem Wissen widmen sich alle fünf Lehrbücher. Die Zahl der das metakognitiven Wissen vermittelnden Aufgaben ist jedoch geringer als die Zahl der die Kulturkompetenz fördernden Aufgaben, d. h. der Aufbau der Kulturkompetenz im Übersetzungsprozess und die Reflexion über die Bedeutung des Kulturwissens (MW-19), sowie kulturellen Transfer im Über‐ setzungsprozess bzw. eigene Kulturkompetenz (MW-20) laufen bei der Aufga‐ benbearbeitung nicht immer synchron (siehe Abb. 21). 158 6. Empirische Untersuchung: Inhaltsanalyse der Übersetzungsaufgaben Abb. 21: Metakognitives Wissen in der Kulturdimension Die Zahl der die Kulturkompetenz fördernden Übersetzungsaufgaben (siehe Abb. 21) beträgt 152. Darunter wird nur eine Wortübersetzung bei Wang (2013) hier als Reproduktionsaufgabe eingestuft. Insgesamt 122 Transferaufgaben be‐ sitzen 80,3 % der die Kulturkompetenz fördernden Übersetzungsaufgaben, wobei die kulturelle Kreativität in 29 Aufgaben (19,1 %) gefördert wird. In dieser Hin‐ sicht ist das kognitive Anforderungsniveau im Lehrbuch von Gui viel höher als das in den anderen vier Lehrbüchern. Etwa zwei Drittel der kreativen Überset‐ zungsaufgaben (19 Aufgaben) befinden sich im Lehrbuch von Gui (siehe Abb. 22). 159 6.4 Ergebnisse der kategorialen Inhaltsanalyse Abb. 22: Kognitive Anforderungen in der Kulturdimension 6.4.2.3 Analyseergebnisse in der Dimension Sachkompetenz In der Dimension der Sachkompetenz liegt der Fokus auf drei Aspekte: den Zu‐ sammenhang zwischen Themenauswahl und Schulung von Sachkompetenz, die Vermittlung des Sachwissens durch die Aufgabenbearbeitung und die Einstu‐ fung des kognitiven Niveaus im Bereich der Sachkompetenz. Basierend auf den in drei Dimensionen gesammelten Daten werden die Analyseergebnisse im Be‐ reich der Sachkompetenz beleuchtet. Die Anzahl der die Sachkompetenz fördernden Aufgaben (siehe Abb. 23) liegt in allen Lehrbüchern nur bei 59. D.h. durch die Übersetzungsaufgaben wird die Sachkompetenz nicht zureichend gefördert. Die Anzahl der die Sachkompetenz fördernden Aufgaben und die Zahl der thematisch fachbezogenen Aufgaben sind in den untersuchten Lehrbüchern fast übereinstimmend. Nur eine Aufgabe im Lehrbuch von Wang (2013) fördert zwar die Sachkompetenz, hat aber kein fachrelevantes Thema. 160 6. Empirische Untersuchung: Inhaltsanalyse der Übersetzungsaufgaben Abb. 23: Themenauswahl in der Sachdimension Das Hintergrundwissen im Bereich der Sachkompetenz bezieht sich vorwiegend auf Fachtermini und fachspezifische Abkürzungen (HW-25) sowie fachliches Sachwissen über einschlägige Prozeduren (HW-26). In den die Sachkompetenz fördernden Aufgaben werden diese zwei Kriterien teilweise parallel gefördert, z. B. im Lehrbuch von Zhang (2014). Zudem wird fachliches Sachwissen über einschlägige Prozeduren (HW-26) im Vergleich zu Fachtermini und fachspezi‐ fische Abkürzungen (HW-25) deutlich seltener geschult, insbesondere bei Wang (2013) und bei Gui (siehe Abb. 24). 161 6.4 Ergebnisse der kategorialen Inhaltsanalyse Abb. 24: Hintergrundwissen in der Sachdimension Falls metakognitives Wissen im Bereich der Sachkompetenz durch die Aufga‐ benbearbeitung bereichert und vermittelt wird, werden Reflexionen über die Bedeutung des domänenspezifischen Sachwissens und/ oder über eigenen Wis‐ sensstand in einem bestimmten Fachbereich angeregt. Wie die nachfolgende Abbildung 25 zeigt, wird metakognitives Wissen in hohem Umfang entwickelt, obwohl die zwei Kriterien (MW-27 und MW-28) in dieser Kategorie unter‐ schiedlich stark berücksichtigt werden. Abb. 25: Metakognitives Wissen in der Sachdimension 162 6. Empirische Untersuchung: Inhaltsanalyse der Übersetzungsaufgaben Es wird deutlich, dass fast alle Übersetzungsaufgaben aus der kognitiven Per‐ spektive Transferaufgaben in der Sachdimension sind. Hiervon weicht nur eine Aufgabe bei Wang (2013) ab (siehe Abb. 26). In dieser Aufgabe (siehe Aufgabe 14) muss der deutsche Terminus „funktionale Übersetzungstheorie“ bei der Übersetzung des Fachbegriffs „ 功能翻 译 理 论 基 础 及其意 义 (auf Deutsch: Grundlagen der funktionalen Übersetzungstheorie und deren Bedeutung)“ be‐ kannt sein. Die Lernenden können das Fachwort entweder aus dem Langzeit‐ gedächtnis abrufen oder durch Recherchieren unmittelbar erwerben. Die Auf‐ gabebearbeitung bzw. -lösung nimmt keinen Bezug auf die Anwendung des Sachwissens in einer für die Übersetzenden unbekannten Übersetzungssitua‐ tion. In diesem Sinn wird diese Aufgabe den Reproduktionsaufgaben zuge‐ ordnet. Abb. 26: Kognitive Anforderungen in der Sachdimension 6.4.2.4 Analyseergebnisse in der Dimension Methodenkompetenz Nach der Analyse in Kapitel 6.4.1 wird die Methodenkompetenz bei Zhang (2014), Qian (2016), Gui (2009) und Wang (2006) in allen Aufgaben gefördert. Nur bei Wang (2013) dienen 79 Aufgaben (96 %) dem Aufbau der Methoden‐ kompetenz. Bei den übrigen drei Aufgaben (4 %) handelt es sich um Wortüber‐ setzungen; es ist kein Bezug zur Methodenkompetenz zu erkennen. Da bei Wang (2013) insgesamt neun Aufgaben zu Wortübersetzungen vorkommen, zeigt sich, dass Wortübersetzungen die Schulung der Methodenkompetenz auch ermögli‐ chen. 163 6.4 Ergebnisse der kategorialen Inhaltsanalyse In der Methodendimension lässt sich durch die Ergebnisanalyse beantworten, welche Wissensarten bei der Vermittlung der Methodenkompetenz einbezogen werden und welche kognitive Anforderungen im Bereich der Methodenkom‐ petenz gestellt werden. In der nachfolgenden Abbildung 27 wird deutlich, dass methodische bzw. theoretische Termini (HW-31) und Bezeichnungen von Datenbanken und Re‐ cherchemittel (HW-32) sowie übersetzungsrelevante Texttyptheorie (HW-33) als Hintergrundwissen nur in den Aufgabenstellungen bei Wang (2013) gefor‐ dert bzw. vermittelt werden. Ferner tauchen methodische bzw. theoretische Termini (HW-31) und Bezeichnungen von Datenbanken und Recherchemittel (HW-32) weniger häufig auf. In den anderen vier Lehrbüchern ist es kein Bezug zu methodischem Hintergrundwissen zu erkennen. Daraus folgt, dass metho‐ disches und theoretisches Hintergrundwissen in den Lehrbüchern unzurei‐ chende Beachtung finden (siehe Abb. 27). Abb. 27: Hintergrundwissen in der Methodendimension Übertragungswissen im Bereich der Methodenkompetenz beinhaltet vorwie‐ gend vier Wissensbereiche bzw. Kriterien, und zwar Einsatz den einschlägigen Übersetzungsprinzipien (ÜW-34), die Durchführung der übersetzungsrele‐ vanten Analyse (ÜW-35), Prozeduren der Informationsrecherche (ÜW-36) und den Einsatz der einschlägigen Übersetzungsstrategien (ÜW-37). Diese werden in jeder Übersetzungsaufgabe in den Lehrbüchern von Zhang, Qian und Wang (2006) berücksichtigt. Bei Wang (2013) entwickeln sich die vier Wissensbereiche im Rahmen vom Übertragungswissen jedoch nicht ausge‐ wogen: in 76 Aufgaben wird das einschlägige Übersetzungsprinzip eingesetzt; 164 6. Empirische Untersuchung: Inhaltsanalyse der Übersetzungsaufgaben 79 Aufgaben beziehen sich auf die Durchführung der übersetzungsrelevanten Analyse; 78 Aufgaben leisten Beiträge zur Informationsrecherche; bei der Be‐ arbeitung von 67 Aufgaben soll Einsatz der einschlägigen Übersetzungsstrate‐ gien berücksichtigt werden. Die Gründe sind auf die Vielfalt der Übersetzungs‐ aufgaben in diesem Lehrbuch zurückzuführen. Bei den vergleichenden Übersetzungsaufgaben ist beispielsweise keine aufwändige Recherche nicht un‐ bedingt erforderlich, da sich die benötigten Informationen bereits in der ange‐ gebenen Übersetzung oder dem Paralleltext finden. Ferner werden für die Wort‐ übersetzungen und Satzübersetzungen kaum alle Kriterien in dieser Kategorie umgesetzt. Bei Gui (2009) lassen 52 Aufgaben, die zumeist zu den Satzüberset‐ zungen gehören, keinen Bezug zur Durchführung der übersetzungsrelevanten Analyse und dem Einsatz der einschlägigen Übersetzungsstrategien erkennen (siehe Abb. 28). Abb. 28: Übertragungswissen in der Methodendimension Die Datenanalyse in Abbildung 29 zeigt, dass die Anzahl der metakognitives Methodenwissen vermittelnden Aufgaben viel geringer ist als die Zahl der die Methodenkompetenz fördernden Aufgaben. In den Lehrbüchern von Zhang, Qian, Wang (2013) und Wang (2006) laufen die Reflexion über die Bedeutung des theoretischen bzw. methodischen Wissens (MW-38) und Reflexion über den Methodeneinsatz und die eigene Methodenkompetenz (MW-39) mit dem Aufbau der Teilkompetenzen beinahe zusammen. Davon abweichend sind die Aufgaben bei Gui (2009), durch die das metakognitive Hintergrundwissen nur begrenzt gefördert wird. 165 6.4 Ergebnisse der kategorialen Inhaltsanalyse Abb. 29: Metakognitives Wissen in der Methodendimension Methodenkompetenz als übersetzerische Metaregel besteht aus theoretischem Wissen und instrumental-strategischer Fähigkeit, die im Übersetzungsprozess einen zentralen Stellenwert nimmt (vgl. Kapitel 4.2.4). Durch die Analyseergeb‐ nisse wird es deutlich, dass alle Aufgaben in Transferaufgaben in der Metho‐ dendimension eingestuft sind und beim Übersetzen keine methodische Kreati‐ vität gefördert wird (siehe Abb. 30). Anforderungen an die Kreativität ist gerade für Anfänger sehr schwierig. Dies zeigt sowohl die empirische Untersuchung wie auch die Daten in der folgenden Abbildung. 166 6. Empirische Untersuchung: Inhaltsanalyse der Übersetzungsaufgaben Abb. 30: Kognitive Anforderungen in der Methodendimension 6.4.2.5 Fazit und Modifizierungsvorschläge Basierend auf der Ergebnisdarstellung in den verschiedenen Kompetenzdimen‐ sionen werden die Erkenntnisse für die Analyse der Dimension „Themenaus‐ wahl“ zuerst zusammengeführt. Durch die Zusammenfassung der Analyseer‐ gebnisse lässt sich zeigen, dass die Themenauswahl in engem Zusammenhang mit der Vermittlung der Kultur- und Sachkompetenz steht. Der Aufbau der Sachkompetenz läuft fast immer mit den thematisch fachbezogenen Überset‐ zungsaufgaben parallel. So zeigt sich, dass der Aufbau der Sachkompetenz von der Themenauswahl abhängig ist. In der Kulturdimension handelt es sich 95,4 % der die Kulturkompetenz fördernden Aufgaben auch um ein kulturrelevantes Thema. Die restlichen thematisch kulturirrelevanten Aufgaben können durch kulturspezifische Textsorten die Kulturkompetenz ebenfalls fördern. Normalerweise wird von den Übersetzenden stillschweigend vorausgesetzt, dass sie über erforderlichen Sprachkenntnisse verfügten, um die Aufgaben ziel‐ gerichtet zu bearbeiten (vgl. Bernardo 2004, 43). Die empirische Untersuchung bestätigt die Relevanz der Sprachkompetenz durch die Bearbeitung aller Über‐ setzungsaufgaben. Sprachliches Wissen findet Anwendung bei allen Aufgaben, insbesondere bei den Textübersetzungen, die im Vergleich zu Wort- und Satz‐ übersetzungen sprachlich komplexer sind und daher mehrere Kriterien gleich‐ zeitig schulen. Verglichen mit der Sprachkompetenz lässt sich die Kulturkompetenz durch 51,1 % und die Sachkompetenz nur durch 19,8 % der Übersetzungsaufgaben ver‐ 167 6.4 Ergebnisse der kategorialen Inhaltsanalyse mitteln. In der Kulturdimension wird das Hintergrundwissen kulturspezifische Interaktionsweisen (HW-17) und kulturspezifische Textsorten bzw. Textsorten‐ konventionen (HW-18) seltener geschult. Ebenso kommt fachliches Sachwissen über einschlägige Prozeduren (HW-26) in der Sachdimension bei der Aufga‐ benbearbeitung ebenfalls seltener vor. Diesem Sachverhalt sollte daher größere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Es zeigt sich, dass Übersetzungsaufgaben in den untersuchten Lehrbüchern ein defizitäres Bild beim Aufbau der Kultur- und Sachkompetenz aufweisen. Obwohl das Übertragungswissen im Bereich der Methodenkompetenz durch fast alle Übersetzungsaufgaben zur Anwendung kommt, lässt sich Hintergrund‐ wissen in diesem Bereich jedoch sehr selten schulen. Nach der empirischen Un‐ tersuchung beziehen sich nur 13 Aufgaben (4,3 %) auf methodische und theo‐ retische Termini (HW-31), wobei Bezeichnungen von Datenbanken und Recherchemitteln (HW-32) nur in 3 Aufgaben (1 %) auftauchen. Die überset‐ zungsrelevante Texttyptheorie (HW-33) lässt sich folglich durch 44 Aufgaben (14,8 %) fördern. Diese unzureichende Vermittlung des methodischen Hinter‐ grundwissens in den Übersetzungsaufgaben soll von der Lehrperson beachtet und dementsprechende ergänzt werden, damit das Aufgabenpotential bei dem Abruf des Übertragungswissens und metakognitiven Wissens in der Metho‐ dendimension nicht beeinträchtigt wird. Reflexionen im Kopf der Lernenden über eigenes Verhalten und Wissensniveau sind nicht unmittelbar zu beob‐ achten. Trotzdem zeigen die empirischen Untersuchungen, dass fast alle unter‐ suchten Übersetzungsaufgaben metakognitives Wissen mehr oder minder an‐ regen bzw. schulen können. Kognitiv sind fast alle analysierten Übersetzungsaufgaben Transferaufgaben, die Beiträge zur Vermittlung der Übersetzungskompetenz bzw. zur Optimierung des Übersetzungsprozesses leisten können. Insofern ergeben die Reprodukti‐ onsaufgaben mit einer niedrigen kognitiven Anforderung ein defizitäres Bild, weil wichtige Prozesse wie Vergleiche zwischen dem Übersetzungsauftrag und AT, Auswahl der Übersetzungsstrategie, Umsetzung der Entscheidung in sol‐ chen Aufgaben ausgespart werden. Kreativität tritt nur in den Bereichen der Sprach- und Kulturkompetenz auf. Die sprachlich kreativen Übersetzungsauf‐ gaben treten in den fünf Lehrbüchern zahlreicher auf als die kulturell kreativen Aufgaben (vgl. Tabelle 31). Daraus leitet sich ab, dass kognitive Anforderungen im Bereich der Sprachkompetenz höher sind als sie in den anderen Bereichen. 168 6. Empirische Untersuchung: Inhaltsanalyse der Übersetzungsaufgaben Lehrbücher Zahl der kreativen Übersetzungsaufgaben Sprachkompetenz Kulturkompetenz Zhang (2014) 2 1 Qian (2016) 15 4 Wang (2006) 5 3 Wang (2013) 4 2 Gui (2009) 22 19 Tab. 31: Zahl der kreativen Übersetzungsaufgaben in der Sprach- und Kulturdimension Bei der Modifizierung wird vor allem ein Rückblick auf die Entwicklung des Kategoriensystems gegeben. Dazu verweist Kuckartz (vgl. 2012, 69) auf mög‐ liche Mischformen der deduktiv-induktiven Kategorienbildung, die zunächst theoriegeleitet vorgehen, dann jedoch die Vorab-Kategorien am empirischen Material modifizieren und ergänzen. Die deduktive Kategorienbildung dieser Arbeit basiert zum einen auf der Theorie der Übersetzungswissenschaft und zum anderen auf der allgemeindidaktischen und fachdidaktischen Theorie. Um die theoretische Vollständigkeit zu gewährleisten, werden möglichst alle aus der theoretischen Grundlage abgeleiteten Aspekte an das Analysematerial in das Kategoriensystem einbezogen. Basierend auf der empirischen Analyse der Aufgaben konzentriert sich die Modifizierung des Kategoriensystems auf zwei Kriterien. Im Bereich der Sprach‐ kompetenz lässt sich zunächst durch die empirische Analyse der Aufgaben ab‐ leiten, dass sich das Kriterium Änderungen der Satzart (ÜW-7) in der Kategorie Übertragungswissen nur auf eine Übersetzungsaufgabe bezieht, in der es um int‐ ralinguistische Paraphrasierung (siehe Aufgabe 21) geht. Insofern ergibt dieses Kriterium im Kategoriensystem ebenfalls keinen großen Sinn und wird daher nicht mehr berücksichtigt. Zudem ist der kreative Versuch im Bereich der Me‐ thodenkompetenz für die Lernenden von hohem Schwierigkeitsgrad und kommt daher kaum in der Aufgabenstellung bzw. bei der Aufgabenbearbeitung vor. Deshalb kann das Kriterium kreatives Problemlösen im Bereich der Methoden‐ kompetenz als kognitive Anforderung entfallen. 169 6.4 Ergebnisse der kategorialen Inhaltsanalyse 7. Didaktisierung der Übersetzungsaufgaben im Unterricht In Anlehnung an die Erkenntnisse in den letzten Kapiteln besteht Übersetzer‐ kompetenz aus der Übersetzungskompetenz und den damit verbundenen Be‐ rufsqualifikationen (inkl. der personalen und sozialen Kompetenz). Überset‐ zungsaufgaben leisten einen Beitrag zur Vermittlung der Übersetzungskompetenz in unterschiedlichen Umfängen, was bereits durch die theoretische und empirische Analyse in der vorliegenden Arbeit belegt wurde. Davon ausgehend geht es in diesem Kapitel vorwiegend um einen didakti‐ schen Ausblick auf die Übersetzungsaufgaben. Insofern lassen sich zuerst sechs Thesen hinsichtlich der Auswahl der Übersetzungsaufgaben darstellen. An‐ schließend wird darauf eingegangen, wie das Defizit einer aufgabenbasierten Schulung von Kultur- und Sachkompetenz unterrichtlich an Begleitmaterial bzw. durch die Lehrkraft moderiert werden kann. Nicht zuletzt wird die Pro‐ gression der Übersetzungsaufgaben in den Lehrbüchern und im Unterricht be‐ leuchtet. Ziel der Didaktisierung der Übersetzungsaufgaben ist, dass sich die Übersetzungskompetenz durch die Übersetzungsaufgabe möglichst tief und vielseitig aufbauen lässt und dass sich ferner die vielfältigen Funktionen der Aufgaben im Unterricht ausschöpfen lassen. 7.1 Zur Auswahl der Übersetzungsaufgaben Durch die empirische Untersuchung ergeben sich sechs Aspekte, die eng an das Design bzw. die Auswahl der Übersetzungsaufgaben in einem Lehrbuch an‐ knüpfen und sich spezifisch für die Vermittlung der Übersetzungskompetenz auszeichnen. Im Folgenden werden die sechs zentralen Punkte in Form von Thesen zusammengefasst. These 1: Übersetzungsaufgaben sollen Hinweise und Übersetzungsaufträge in den Aufgabenstellungen beinhalten. Nach empirischen Analyseergebnissen lässt sich die Übersetzungskompetenz vor allem durch die expliziten Anforderungen zu den verschiedenen Arten des Hintergrundwissens, Übertragungswissens und metakognitiven Wissens sowie ihrem Einsatz in den Aufgabenstellungen gezielt und verstärkt aufbauen. Bei‐ spielsweise wird methodisches und theoretisches Hintergrundwissen nur durch die Übersetzungsaufgaben mit entsprechenden Hinweisen und Übersetzungs‐ aufträgen im Lehrbuch von Wang (2013) geschult und erweitert (vgl. Kap. 6.4.2.4). Darüber hinaus nehmen Übersetzungsaufträge, die bei Nord (vgl. 2011, 234; vgl. auch Kap. 2) als didaktisches Konzept bzw. effektives didaktisches Mittel angesehen werden, in Hinsicht auf die Fachdidaktik einen wichtigen Stellenwert ein. Vereinfacht gesagt wird der Übersetzungsvorgang in der Praxis in der Regel dadurch in Gang gesetzt, dass man den Auftrag bekommt, einen bestimmten ausgangssprachlichen Text in eine bestimmte Zielsprache zu übersetzen. Auf‐ trag und Text erreichen den Übersetzer gewissermaßen gleichzeitig. Der Über‐ setzungsunterricht ist eine Art Simulation des Vorgangs, der sich abspielt, wenn ein Übersetzer einen Auftrag bekommt und ihn ausführt. In dieser Simulation sollten alle in der Praxis vorkommenden Faktoren berücksichtigt werden, weil durch diese Faktoren der Entscheidungsprozess bei der Auswahl unter mehreren zur Verfügung stehenden Übersetzungsmöglichkeiten determiniert und erleich‐ tert wird. Daher gehört auch der „Übersetzungsauftrag“ für jeden zu überset‐ zenden Text bzw. jede Übersetzungsaufgabe in den Übersetzungsunterricht (vgl. Nord 2011, 234 f.). Zugleich lassen sich die Bewertungskriterien für Übersetzungsleistungen von den Hinweisen und Übersetzungsaufträgen in den Aufgabenstellungen ableiten, weil darin der Übersetzungszweck, die Übersetzungsfunktion und -anforde‐ rungen vorgegeben werden (vgl. Kap. 7.3). These 2: Die Quellenangabe des Übersetzungsmaterials ist didaktisch sinnvoll. Da es schwer ist, Originaltexte in einer für ein Übersetzungslehrbuch vertret‐ baren Länge zu finden, sind Auslassungen oder Kürzungen von Textteilen, die nicht unbedingt für die Kohärenz wesentlich sind, oft unvermeidlich (vgl. Nord 2011, 259). In diesem Fall ist ein Text mit Quellenangabe als „Text-in-Situation“ erkennbar, d. h. die Kommunikationssituation des Übersetzungsmaterials, die den gesamten Übersetzungsprozess beeinflusst, wird dadurch gegeben (vgl. Kap. 2.1). Zudem folgt aus der empirischen Analyse, dass sich der Texttyp bzw. die Textsorte anhand der Quellenangabe festlegen lässt und dies die Auswahl der Übersetzungsstrategie erleichtert. Es ist deshalb unabdingbar, mindestens die Quelle des Ausgangstextes anzugeben. 172 7. Didaktisierung der Übersetzungsaufgaben im Unterricht These 3: Die Aktualität des Übersetzungsmaterials bzw. der Übersetzungsaufgabe ist in die Betrachtung einzubeziehen. Theoretisch hat die Entstehungszeit bzw. die Aktualität des Übersetzungsma‐ terials keinen unmittelbaren Einfluss auf die Entwicklung der Übersetzungs‐ kompetenz. Wenn ein Übersetzungslehrer einen Text sorgfältig didaktisiert hat, sollte er diesen Text ruhig über mehrere Jahre hinweg verwenden. Das ist allemal besser, als flüchtig oder gar nicht didaktisierte Texte (z. B. „aus der Zeitung von heute! “) um der Aktualität willen zu verwenden. (Kautz 2000, 154) Dennoch zeigt die Analyse der Übersetzungsaufgaben, dass die sprachlichen und kulturellen Konventionen in den Texten der 1980er Jahre dem heutigen Sprachgebrauch und der heutigen Kulturkonvention nicht mehr entsprechen. Beispielsweise findet der bekannte Slogan „Die Vier Modernisierungen“ aus dem China der 1950er und 1960er Jahre (vgl. Kap. 6.4.1.2) als kulturspezifischer Aus‐ druck heute kaum mehr Erwähnung. Hinzu kommen die kulturspezifischen Sachverhalte der 1970er oder 1980er Jahren, die nicht mehr in die heutige Zeit passen und kaum oder sehr begrenzt zur Ausbildung von Kulturkompetenz bei‐ tragen. Die fachspezifischen Termini und Themenschwerpunkte der Materialien aus den 1990er Jahren sind daher wenig aktuell und deshalb weder für die Aus‐ bildung von Interesse noch für die spätere Berufstätigkeit der Studierenden re‐ levant bzw. hilfreich. Ein Beispiel dafür ist das Fachwort „der Siemens-Martin Stahl“ in Aufgabe 3 bei Zhang (2014) (vgl. Kap. 6.4.1.1), der heute keine Rolle mehr spielt, da mittlerweile Konverter und Elektroofen in der Stahlproduktion dominieren. Unter der didaktischen und praktischen Berücksichtigung soll die Auswahl solcher Texte bzw. Übersetzungsmaterialien vermieden werden. These 4: Transferaufgaben und kreatives Problemlösen in den Lehrbüchern sollen eine zentrale Rolle spielen. In Anlehnung an die Darstellung zum Übersetzungsprozess (vgl. Kap. 2) kommen verschiedene Wissensarten, Fertigkeiten und Fähigkeiten im Überset‐ zungsprozess integrativ zur Anwendung. Der Aufbau der Übersetzungskompe‐ tenz ist einigermaßen abhängig von der Optimierung des Übersetzungsproz‐ esses. Insofern sind Transferaufgaben und kreatives Problemlösen im Vergleich zu Reproduktionsaufgaben, die dem Schließen vereinzelter Wissenslücken besser dienen, vorteilhafter. Daher sollten Satz- und Textübersetzungen anstelle von Wortübersetzungen im Zentrum stehen. 173 7.1 Zur Auswahl der Übersetzungsaufgaben These 5: Die Auswahl exemplarischer Textsorten verlangen die Grundsätze der quantitativen Reduktion und der qualitativen Verdichtung. Die empirische Analyse belegt, dass eine Teilkompetenz desto besser entwickelt wird, je mehr Wissensarten in einer Teilkompetenzdimension durch die Aufga‐ benbearbeitung angesprochen werden (vgl. Kap. 5.2.2). Die Übersetzungstexte bzw. Textsorten in den Lehrbüchern sollen daher ein möglichst großes Spektrum in der Praxis üblicher Übersetzungsprobleme abdecken, z. B. sollen anhand möglichst weniger wirtschaftswissenschaftlicher Fachtexte a) die Spezifika dieser Textsorte in der Übersetzung dargestellt und b) transferierbare (d. h. auf andere Textsorten übertragbare) Übersetzungsverfahren ermittelt werden (vgl. Siepmann 1996, 21). These 6: Musterlösungen zu Aufgaben und ggf. Kommentaren sowie Analysen zu den Musterübersetzungen dienen dem Aufbau der Übersetzungskompetenz. Der Vergleich der eigenen Übersetzung mit der Musterübersetzung stärkt das Problembewusstsein und fördert zugleich Reflexionen über einschlägiges Wissen und dessen Einsatz im Übersetzungsvorgang, sodass die Übersetzungs‐ kompetenz besser aufgebaut werden kann (vgl. Kap. 2.2). Dies setzt zunächst voraus, dass Musterübersetzungen grammatisch korrekt, stilistisch den Kon‐ ventionen der Textsorten entsprechen und funktionsadäquat wie auch der in‐ tendierten Wirkung förderlich sind (vgl. Nord 2011, 263). Höhere Anforde‐ rungen an die Musterübersetzungen laut Nord (vgl. ebd.) sind, dass „sie gegenüber erwartbaren Fehlübersetzungen abgegrenzt sowie im Hinblick auf den Übersetzungsauftrag kommentiert und begründet werden müssen und dazu das im theoretisch-methodischen Teil eingeführte begriffliche und methodische Instrumentarium zu verwenden ist“. Außer den oben erläuterten sechs Thesen soll die Lehrperson bei der Auswahl der Übersetzungsaufgaben nicht nur den Kompetenzaufbau als Lernziel und die Komplexität bzw. den Schwierigkeitsgrad dieser Aufgaben im Lehrbuch be‐ achten, sondern auch andere Faktoren wie zum Beispiel die Interessantheit der Aufgaben, denn diese beeinflussen wesentlich die Aufgabenwirkung im Unter‐ richt. Beispielsweise kann hohe Interessantheit einer Aufgabe die Neugier der Studierenden wecken bzw. die Motivation der Studierenden fördern (vgl. Kautz 2000, 154). 174 7. Didaktisierung der Übersetzungsaufgaben im Unterricht 7.2 Einsatz der Übersetzungsaufgaben im Unterricht Das empirische Ergebnis zeigt, dass die Kulturkompetenz durch 51 % und die Sachkompetenz nur durch 20 % der Übersetzungsaufgaben vermittelt wird. Ver‐ glichen mit der Sprachbzw. Methodenkompetenz lässt sich ein Defizit hin‐ sichtlich des Aufbaus der Kultur- und Sachkompetenz aufweisen. Daraus ent‐ steht die Frage, wie die Lehrkräfte diese Nachteile der Lehrbücher bzw. Lehrmaterialien ausgleichen. Eine wirksame Lösung ist die Ausschöpfung des Aufgabenpotentials, die sich eng mit der Didaktisierung bzw. dem Einsatz der Übersetzungsaufgaben im Unterricht verknüpft. Heuer (2012, 103) hebt hervor, dass es für erfolgreiche Lernprozesse neben der inhaltlichen Qualität der Aufgabenformate (Aufgabentext) entscheidend darauf ankommt, wie Lehrende und Lernende gemeinsam im Unterricht die Aufgabenformate durch ihr Handeln verändern und mit den Aufgaben arbeiten (Aufgabenkontext). Dazu hat Kautz (2000) die zwei herkömmlichen Durchfüh‐ rungsweisen für Übersetzungsaufgaben im Unterricht dargestellt: Variante 1: Ein Text wird vorab verteilt und von den Lernern zu Hause präpariert. Im Unterricht lesen die Lerner satzweise ihre Lösungen, die dann diskutiert und von der Lehrperson eingeschätzt und oftmals rein sprachbezogen ausführlich korrigiert werden. Schließlich wird sich gemeinsam auf eine „verbindliche“ Übersetzung geei‐ nigt, die von jedem einzelnen mehr oder minder sorgfältig protokolliert wird. (Kautz 2000, 267) Variante 2: Der Text wird zu Beginn der Unterrichtsstunde zu verteilt und ggf. vor‐ gelesen, indem ein Lerner mit dem ersten Satz beginnt und dann meist vom Lehrer sprachlich korrigiert wird. Währenddessen beschäftigen sich die anderen Lerner je‐ doch ggf. schon mit dem nächsten Satz, da ja die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass sie als nächste darankommen. Am Ende steht vielleicht eine vom Lehrer vermehrt un‐ kommentiert vergebene Zensur. (Kautz 2000, 268) Bei dieser herkömmlichen Durchführungsweise lassen sich die sprachlichen Fehler nur teilweise herausfinden und in manchen Fällen verabsolutieren (vgl. Kautz 2000, 268). Darüber hinaus werden die Textanalyse und die Überset‐ zungsstrategien bzw. Übersetzungsentscheidung oft ignoriert, so dass die Kultur-, Sach- und Methodenkompetenz schwer zu beobachten bzw. zu be‐ werten sind. In diesem Sinn ist Übersetzen als interlinguale Übung ein Hilfs‐ mittel des Sprachvergleichs im Dienste der Vermittlung fremdsprachlicher Kom‐ petenz (vgl. Kap. 6.2). So werden Motivationen und mögliche Erfolgserlebnisse größtenteils verhindert, was sowohl bei Lehrenden wie auch bei Studierenden 175 7.2 Einsatz der Übersetzungsaufgaben im Unterricht zur Frustration führen kann (vgl. Siepmann 1996, 31; Nord 1996, 313; Kautz 2000, 268). Um die Nachteile dieses herkömmlichen Übersetzungsunterrichts zu über‐ winden, hat Nord (2010) ein Ablaufmodell zum aufgabenbasierten Unterricht bzw. zur Durchführungsweise der Übersetzungsaufgaben ausgehend von den Erkenntnissen zum Übersetzungsprozess entwickelt, das inhaltlich vier ent‐ scheidende Komponenten beinhaltet (siehe Abb. 31): Übersetzungssituation und Übersetzungsauftrag, Funktionsanalyse und Übersetzungsstrategie, Zieltext‐ produktion und Systematisierung der Übersetzungsprobleme. Abb. 31: Arbeitsplan der Übersetzungsaufgaben (vgl. Nord 2010, 192f.) Konkret gesagt soll eine aufgabenbasierte Unterrichteinheit von den Vorstel‐ lungen des Ausgangstextes oder den übersetzungsrelevanten Assoziationen in Bezug auf den Ausgangtext ausgehen. Im nächsten Schritt könnte man die Übersetzungssituation (Auftraggeber, Zielvorgaben etc.) kurz beschreiben und verdeutlichen, worum es bei dieser Übersetzungsaufgabe geht (vgl. Nord 2010, 192). Inzwischen sollen das in der Aufgabe einbezogene Kulturwissen im Hin‐ blick auf die Ausgangs- und Zielgesellschaften, insbesondere kulturspezifische Sachverhalte, Begriffe, Interaktionsweisen und Textsorten bzw. Textsortenkon‐ ventionen (vgl. Kap. 4.2.2) und der auf die domänenspezifischen Inhalte bezo‐ genen Sachverstand (inkl. Fachtermini, fachspezifische Abkürzungen und do‐ mänenspezifisches Wissen zu einschlägigen Prozeduren) (vgl. Kap. 4.2.3) von den Lehrkräften deutlich hervorgehoben und erklärt werden. Um die Kultur- und Sachkompetenz zu fördern bzw. zu verstärken, soll die Lehrperson das zu‐ treffende Kultur-, Sach- und Fachwissen situationsgemäß und zweckmäßig er‐ weitern. Danach folgt die Funktionsanalyse, die für Anfänger normalerweise von der Lehrperson gesteuert wird. Darauf basierend lassen sich die entspre‐ chenden Übersetzungsstrategien festlegen und der Zieltext produzieren. Am 176 7. Didaktisierung der Übersetzungsaufgaben im Unterricht Schluss könnte die Systematisierung der Übersetzungsprobleme auf der Grund‐ lage des Vergleichs von Musterlösung mit den unterschiedlichen Versionen der Lernenden folgen (vgl. Nord 2010, 187 ff.). Durch dieses Ablaufmodell lassen sich nicht nur die sprachlichen Überset‐ zungsfehler und Unangemessenheiten der Übersetzung beurteilen, sondern auch die im Übersetzungsprozess eingebetteten Fehlerquellen und die Lücken und Defizite im Bereich der Kultur-, Sach- und Methodenkompetenz ermitteln. Da mentale Prozesse der Fremdbeobachtung jedoch nicht zugänglich sind, ist eine Beteiligung der Studierenden unbedingt erforderlich. Durch die innere Re‐ flexion der Studierenden lassen sich die eigenen Probleme von den Studierenden selbst herausfinden und überwinden. Wichtig ist, dass die Studierenden über grundlegende Vorkenntnisse verfügen, damit sie die Möglichkeiten zur Selbst‐ beobachtung erhalten und in die Analyse, Reflexion und Bewertung von Lern‐ prozessen einbeziehen können. Für Anfänger soll die Lehrperson dazu bedeut‐ same Leitfragen über das Lernziel, die Anforderungen der Aufgaben und des Übersetzungsprozesses entwerfen, um die persönliche Reflexion anzuregen. Hinzu kommt, dass zur Systematisierung der Übersetzungsprobleme die Übersetzungsbewertung vorausgesetzt wird. Dabei kommen die Hinweise und Übersetzungsaufträge in den Aufgabenstellungen und die Musterlösungen wieder in den Blick (vgl. Kap. 7.1). Insbesondere sind die Bewertungskriterien für die Textübersetzungen bzw. den Zieltext momentan noch umstritten. Denn die Qualität einer Übersetzung ist nicht im naturwissenschaftlichen Sinne messbar, da auch subjektive Zweckmäßigkeitserwägungen oder ästhetische Ur‐ teile eine Rolle spielen (vgl. Nord 1998b, 384). In der Praxis kann von den ein‐ heitlichen oder den allgemein verbindlichen Qualitäts- und Bewertungsstan‐ dards für Übersetzungen keine Rede sein, da die Interessen und die Arbeitssituation der Beteiligten (Auftraggeber, Nutzer, Übersetzer, Lehrkräfte) zu heterogen sind (vgl. Kautz 2000, 281). Dazu soll die Evaluierung des Zieltextes auf den Übersetzungsauftrag zu‐ rückführen (vgl. Nord 2010, 194; vgl. auch Kap. 2.1). Nach einem funktionalen Verständnis des Übersetzens wird der Maßstab, an dem die Qualität einer be‐ stimmten Übersetzung zu messen ist, durch den Übersetzungsauftrag festgelegt. Das bedeutet, dass jede Übersetzungsleistung nur in Bezug auf ein vorgegebenes Übersetzungsziel beurteilt werden kann (vgl. Nord 1998b, 385). Mit anderen Worten: die Bewertungskriterien der Übersetzungsaufgaben sollen einerseits von den Lehr- und Lernzielen und andererseits von den Hinweisen und Über‐ setzungsaufträgen in den Aufgabenstellungen abgeleitet werden. 177 7.2 Einsatz der Übersetzungsaufgaben im Unterricht 7.3 Zur Progression der Übersetzungsaufgaben Wenn Übersetzungskompetenz im Unterricht wirklich vermittelt werden soll, müssen Übersetzungsaufgaben in einem Lehrbuch in einer sinnvollen Progres‐ sion zugänglich sein. Theoretisch können die Übersetzungsaufgaben, die alle vier Teilkompetenzen integrativ adressieren, über einen höheren Schwierig‐ keitsgrad bzw. höhere Komplexität verfügen, um die Übersetzungskompetenz der Lernenden besser entwickeln zu können. Dabei muss jedoch berücksichtigt werden, in welchem Umfang jede Teilkompetenz tatsächlich gefördert wird. Durch die empirische Untersuchung des Aufgabenpotentials ergibt sich fol‐ gender Befund: Zum einen werden umso mehr Wissensarten in einer Teildi‐ mension durch die Aufgabenbearbeitung umgesetzt, je besser diese Teilkompe‐ tenz gefördert wird. Zum anderen leisten die Übersetzungsaufgaben mit höheren kognitiven Anforderungen größere Beiträge zur Optimierung des Übersetzungsprozesses bzw. zum Aufbau der Übersetzungskompetenz (vgl. Ka‐ pitel 6). Durch die Übersetzungsaufgaben sollen deswegen möglichst mehrere Wissensarten abgedeckt und höhere kognitive Anforderungen in verschiedenen Teildimensionen befriedigt werden, damit sich die Teilkompetenzen bzw. die Übersetzungskompetenz möglichst optimal entwickeln können. Davon ausgehend lässt sich die Graduierung der Aufgaben und die innere Differenzierung des Lehrbuchs darstellen. Das Erlernen der Übersetzungskom‐ petenz läuft im Allgemeinen über bestimmte Vorstufen. Der Erwerb von Teil‐ kompetenzen kann als Vorstufe betrachtet werden. Die Übersetzungsaufgaben, die beispielsweise nur eine oder zwei Teilkompetenzen vermitteln können, sind in der Einführungsphase des Unterrichts und für die erste Vorbereitung der Studierenden angemessen, wohingegen die Aufgaben, die die Übersetzungs‐ kompetenz in ihrer Gesamtheit fördern können, als Vertiefung des Unterrichts bzw. des Lernens zur Anwendung kommen sollen. D.h. in einem Übersetzungs‐ lehrbuch muss sich das Design jeder Aufgabe nicht unbedingt an der Vermitt‐ lung bzw. der Entwicklung der integrativen Übersetzungskompetenz, sondern an der Vermittlung unterschiedlicher Teilkompetenzen orientieren. Bei der Vermittlung irgendeiner Teilkompetenz sind die Übersetzungsauf‐ gaben mit niedriger Komplexität, die sich auf wenige Wissensarten und niedrige kognitive Anforderungen beziehen, als Vorbereitungsübungen zu stellen. Bei‐ spielsweise sind Reproduktionsaufgaben als Vorbereitungsübungen für die Transferaufgaben bzw. kreative Übersetzungsaufgaben geeignet. Dies sind auch die Gründe dafür, dass ein Übersetzungslehrbuch nicht nur Textübersetzungen als Lern- und Übungsmaterial bereitstellen, sondern auch Satz- und Wortüber‐ setzungen als Vokabeltraining enthalten sollte. 178 7. Didaktisierung der Übersetzungsaufgaben im Unterricht (1) (2) (3) (4) (5) Zusammenfassend sollte ein Übersetzungslehrbuch für den Aufbau der Über‐ setzungskompetenz so gestaltet sein, dass bei sukzessiver Bearbeitung der Auf‐ gaben die Anforderungen an die unterschiedlichen Teilkompetenzen bzw. die zu lösenden Übersetzungsprobleme schrittweise ansteigen, so dass in einem Lehrbuch alle Teilkompetenzen möglichst systematisch auf- und ausgebaut werden. Darüber hinaus spielt die Lehrperson im Unterricht bei der Didaktisierung der Übersetzungsaufgaben eine signifikante Rolle, die die Schwierigkeit bzw. Progression der Aufgaben verändern bzw. verbessern kann. Durch die Vorstel‐ lung der Aufgaben oder Hinweise zur Durchführung kann die Lehrperson die Anforderungen der Aufgaben abändern und ferner die Komplexität einer Über‐ setzungsaufgabe vermindern oder erhöhen. Wenn eine Aufgabe z. B. hinsichtlich Thema, inhaltlicher Komplexität, Prä‐ suppositionen usw. die vorhandene Kultur- und Sachkompetenz der Studie‐ renden überfordert, kann die Lehrkraft die situative Einbettung dieser Aufgabe im Unterricht durch entsprechende Vorentlastung klären oder Parallel- und Hintergrundtexte zur Verfügung stellen. Wenn eine Aufgabe die Sprachkompe‐ tenz der Studierenden überfordert, kann die Lehrkraft zur Vorentlastung eine detaillierte Analyse der entsprechenden textinternen Faktoren (Lexik, Syntax, suprasegmentale Merkmale, nonverbale Ausdrucksmittel etc.) durch‐ führen; geeignete Recherchemittel (Wörterbücher, Parallel- und Hintergrundtexte, evtl. Grammatiken usw.) bereitstellen; bestimmte komplizierte, in sich geschlossene Passagen auslassen; in manchen Fällen übersetzerische Lösungen in geeigneter Form (Arbeitsblatt, Wortliste etc.) vorgeben; durch die Aufgabenstellung, d. h. den Übersetzungsauftrag, die Schwierigkeit verringern (vgl. Kautz 2000, 150 f.). Wenn Schwierigkeiten bei der Methodenkompetenz auftauchen, sollte die Auf‐ gabenstellung näher erläutert werden oder Hinweise zum theoretischen bzw. methodischen Wissen gegeben werden. 179 7.3 Zur Progression der Übersetzungsaufgaben 8. Zusammenfassung und Ausblick Ziel der vorliegenden Arbeit war es, die Zusammenhänge der Übersetzungs‐ aufgaben mit dem Aufbau der Übersetzungskompetenz aufzuklären. Basierend auf der theoretisch-deduktiven Modellierung der Übersetzungskompetenz und dem Kategoriensystem wird die empirische Untersuchung zu den Überset‐ zungsaufgaben in den deutsch-chinesischen Übersetzungslehrbüchern durch‐ geführt. Die ermittelten Ergebnisse können dazu beitragen, das objektive Po‐ tential der Übersetzungsaufgaben in den fünf ausgewählten Übersetzungslehrbüchern hinsichtlich der Vermittlung der Teilkompetenzen bzw. der Über‐ setzungskompetenz darzustellen. Die Übersetzungsaufgaben in den Lehrbüchern als Forschungsgegenstand wurden in Kapitel 2 klassifiziert und definiert. Von dem Kompetenzbegriff aus‐ gehend ließen sich zuerst Übersetzerkompetenz und Übersetzungskompetenz hinsichtlich deren Beschaffenheit und Inhalt ausdifferenzieren und darstellen (vgl. Kap. 3). Darauf basierend wurde ein Strukturmodell der Übersetzungs‐ kompetenz für die weiteren didaktischen Überlegungen aufgestellt, in dem die vier Teilkompetenzen im Übersetzungsprozess mit Blick auf vier vertretende Übersetzungskompetenzmodelle ausführlich erläutert wurden (vgl. Kap. 4). Folglich wurde ein zweidimensionales Kategoriensystem für die Aufgabenana‐ lyse hinsichtlich der Vermittlung der Übersetzungskompetenz entwickelt (vgl. Kap. 5). Damit schloss die empirische Untersuchung im Kapitel 6 einerseits die qualitative Analyse von 297 Übersetzungsaufgaben ein und andererseits er‐ folgten quantitative Betrachtungen zu Analyseergebnissen jeweils in den aus‐ gewählten Lehrbüchern und in den vier Kompetenzdimensionen. Nicht zuletzt werden Empfehlungen zur Auswahl der Übersetzungsaufgaben, deren Einsatz im Unterricht und Progression der Übersetzungsaufgaben in den Lehrbüchern bzw. im Unterricht in Kapitel 7 gegeben, um das Aufgabenpotential bei der Ver‐ mittlung der Übersetzungskompetenz auszuschöpfen. Als zentrales Ergebnis dieser Analysen kann festgehalten werden, dass Über‐ setzungsaufgaben in den ausgewählten Lehrbüchern vorwiegend zum Aufbau der Sprach- und Methodenkompetenzen beitragen. Die Kultur- und Sachkom‐ petenz werden in den Übersetzungsaufgaben eher unzureichend berücksichtigt. Daraus folgt, dass sich die meisten Übersetzungsaufgaben nicht zum Aufbau der Übersetzungskompetenz in ihrer Gesamtheit eignen, sondern als interlinguale Übungen vor allem dem Fremdsprachenerwerb dienen. Ein genauerer Blick auf die Inhalte bestärkt die Annahme, dass die Übersetzungsaufgaben ausgewählte Teilkompetenzen fördern, indem sie vor allem im Bereich der Sprachkompetenz je nach Art der Übersetzungsaufgaben (d. h. Wort-, Satz- oder Textüberset‐ zungen) die entsprechenden Kriterien auf unterschiedlichen linguistischen Ebenen aktivieren und die kognitiven Anforderungen erfüllen. Ferner ist die Vermittlung der Kultur- und Sachkompetenz vorwiegend von der Kenntnis der kulturspezifischen Ausdrücke, Begriffe und Sachverhalte sowie den domänen‐ spezifischen Fachtermini abhängig, die zumeist in den thematisch kulturrele‐ vanten oder fachrelevanten Übersetzungsaufgaben auftreten. Die kulturspezi‐ fischen Interaktionsweisen und das Textsortenwissen im Bereich der Kulturkompetenz sowie fachliches Sachwissen über einschlägige Prozeduren im Bereich der Sachkompetenz lassen sich leider kaum beachten. Nicht zuletzt zeigt sich ein defizitäres Bild bei der Vermittlung des Hintergrundwissens im Bereich der Methodenkompetenz. Aus kognitiver Sicht sind beinahe alle Übersetzungs‐ aufgaben den Transferaufgaben zuzuordnen. Kreatives Problemlösen kommt nur im Bereich der Sprach- und Kulturkompetenz vor. Als eine einzige Aus‐ nahme tritt eine Wortübersetzung als Reproduktionsaufgabe bei Wang (2008) auf. Die bisher vorliegenden Ergebnisse bestätigen die Notwendigkeit, dass Kultur-, Sach- und Methodenkompetenz und Sprachkompetenz systematisch und ausgewogen vermittelt werden müssen, um die Übersetzungskompetenz zielgerichtet aufzubauen. Die theoretischen und die empirisch-analytischen Er‐ gebnisse liefern folglich Hinweise auf weitergehende Forschungsfragen. In der Forschung sind verschiedene Kompetenzmodelle zu entwickeln, die die Struktur, Stufung und Entwicklung von Kompetenzen beschreiben und sich entsprechend in Strukturmodelle, Niveaumodelle sowie Entwicklungsmodelle unterscheiden lassen (vgl. Bach 2013, 21). Mit der vorliegenden Arbeit wurde kein Kompetenzniveaumodell, sondern ein Kompetenzstrukturmodell erstellt. Damit wird der Beitrag bzw. das Potential der Übersetzungsaufgaben zur Ver‐ mittlung der Übersetzungskompetenz bewiesen und darauf eingegangen, wie bzw. inwiefern sich die Übersetzungskompetenz bzw. Teilkompetenzen durch die Aufgabenbearbeitung aufbauen lassen. Jedoch steht die Frage aus, inwieweit sich die Übersetzungskompetenz durch die Aufgabenbearbeitung entwickelt. Anhand eines Niveaumodells der Übersetzungskompetenz könnte diese For‐ schungsfrage weiterhin erforscht werden. Ferner entwickeln sich die Berufsqualifikationen als Bestandteile der Über‐ setzerkompetenz (siehe Abb. 32) in der praxisnahen Lernumgebung, was im Unterricht nicht ignoriert und in die Forschung zum Lehr-Lern-Prozess im Un‐ terricht einbezogen werden soll. Die vorliegende Arbeit legt den Fokus auf den 182 8. Zusammenfassung und Ausblick Beitrag der Übersetzungsaufgaben zur Übersetzungskompetenz. Basierend darauf ist noch zu untersuchen, ob sich die Berufsqualifikationen mittels Über‐ setzungsaufgaben verbessern bzw. erweitern können. Abb. 32: Übersetzerkompetenzmodell 183 8. Zusammenfassung und Ausblick Abkürzungen ZT Zieltext AT Ausgangstext AK Ausgangskultur ZK Zielkultur AS Ausgangssprache ZS Zielsprache ÜK Übersetzungskompetenz SK Sprachkompetenz KK Kulturkompetenz SaK Sachkompetenz MK Methodenkompetenz TA Themenauswahl HW Hintergrundwissen ÜW Übertragungswissen MW Metakognitives Wissen RA Reproduktionsaufgabe TA Transferaufgabe KP Kreatives Problemlösen NTW Natur- und Technikwissenschsft SGW Sozial- und Geisteswissenschaft Literaturverzeichnis Anderson, L. W. / Krathwohl, D. R. (Hgg.) (2001): A Taxonomy for Learning, Teaching and Assessing: A Revision of Bloom ́s Taxonomy of Educational Objectives. New York: Longman. Albrecht, J. (2017): „Kultur“ und Kulturwissenschaft. Ihre Bedeutung für die Translati‐ onswissenschaft und für die Translationspraxis. In: Heller, L. (Hrsg.): Kultur und Über‐ setzung. Studien zu einem begrifflichen Verhältnis. Bielefeld: transcript, S. 65-92. Arndt, H. 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Sprachkompetenz 1.1 Art des Wissens 1.1.1 Hintergrundwissen: Ist grundsätzlich davon auszugeben, dass die Aufgabenbearbeitung Hinter‐ grundwissen im Bereich der Sprachkompetenz erfordert? Wenn ja, welches? (1) Wortstruktur und Wortbedeutung (2) Phrasenstruktur und Phrasenbedeutung (3) Satzstruktur und Satzbedeutung (4) Textstruktur und Textbedeutung 1.1.2 Übertragungswissen: Ist grundsätzlich davon auszugeben, dass die Aufgabenbearbeitung Übertra‐ gungswissen im Bereich der Sprachkompetenz erfordert? Wenn ja, welches? (5) Wortartwechsel (6) Einfügen und Weglassen von Wörtern (7) Änderungen der Satzart (8) Umwandlung des Satzbaus (9) Aufbau der Zieltextkohärenz 1.1.3 Metakognitives Wissen: (10) Wird die Reflexion über die Bedeutung des Sprachwissens für die Auf‐ gabenbearbeitung angeregt? (11) Wird die Reflexion über sprachlichen Transfer im Übersetzungsprozess bzw. die eigene Sprachkompetenz durch die Aufgabenbearbeitung gefördert? 1.2 Kognitive Anforderungen 1.2.1 Reproduktionsaufgaben: (12) Erfordert die Aufgabenbearbeitung, Sprachwissen in einer für die Über‐ setzenden bekannten, d. h. bereits erlebten Übersetzungssituation abzurufen? 1.2.2 Transferaufgaben: (13) Erfordert die Aufgabenbearbeitung, Sprachwissen in einer für die Über‐ setzenden unbekannten, d. h. neuen Übersetzungssituation anzuwenden? 1.2.3 Kreatives Problemlösen: (14) Erfordert die Aufgabenbearbeitung, Sprachwissen in einer für die Über‐ setzenden neuen, d. h. Unkonventionalität erfahrenden Übersetzungssitua‐ tion anzuwenden? 2. Kulturkompetenz 2.1 Themenauswahl: (15) Wird Kulturwissen zu diesem dargestellten Thema durch die Aufgaben‐ bearbeitung gefordert? 2.2 Art des Wissens 2.2.1 Hintergrundwissen: Ist grundsätzlich davon auszugeben, dass die Aufgabenbearbeitung Hinter‐ grundwissen im Bereich der Kulturkompetenz erfordert? Wenn ja, welches? (16) Kulturspezifischer Begriff/ Ausdrücke und Sachverhalte (17) kulturspezifische Interaktionsweisen (18) kulturspezifische Textsorten bzw. Textsortenkonventionen 2.2.2 Metakognitives Wissen: (19) Wird Reflexion über die Bedeutung des Kulturwissens für die Aufgaben‐ bearbeitung angeregt? (20) Wird Reflexion über kulturellen Transfer im Übersetzungsprozess bzw. die eigene Kulturkompetenz durch die Aufgabenbearbeitung gefördert? 2.3 Kognitive Anforderungen 2.3.1 Reproduktionsaufgaben: (21) Erfordert die Aufgabenbearbeitung, Kulturwissen in einer für die Über‐ setzenden bekannten, d. h. bereits erlebten Übersetzungssituation abzurufen? 2.3.2 Transferaufgaben: (22) Erfordert die Aufgabenbearbeitung, Kulturwissen in einer für die Über‐ setzenden unbekannten, d. h. neuen Übersetzungssituation anzuwenden? 2.3.4 Kreatives Problemlösen: (23) Erfordert die Aufgabenbearbeitung, Kulturwissen in einer für die Über‐ setzenden neuen, d. h. Unkonventionalität erfahrenden Übersetzungssitua‐ tion anzuwenden? 3. Sachkompetenz 3.1 Themenauswahl (24) Wird Sachwissen zu diesem dargestellten Thema durch die Aufgaben‐ bearbeitung gefordert? 3.2 Art des Wissens 3.2.1 Hintergrundwissen: Ist grundsätzlich davon auszugeben, dass die Aufgabenbearbeitung Hinter‐ grundwissen im Bereich der Sachkompetenz erfordert? Wenn ja, welches? (25) Fachtermini und fachspezifische Abkürzungen 198 Anhang 1: Kategoriensystem für die Aufgabenanalyse hinsichtlich des Kompetenzaufbaus (26) Fachliches Sachwissen über einschlägige Prozeduren (z. B. Algorithmen, Abläufe, Routinen, Fertigkeiten, Handlungen, Skripts) 3.2.2 Metakognitives Wissen: (27) Wird Reflexion über die Bedeutung des domänenspezifischen Wissens für die Aufgabenbearbeitung angeregt? (28) Wird Reflexion über eigenen Wissensstand in einem bestimmten Fach‐ bereich durch die Aufgabenbearbeitung gefördert? 3.3 Kognitive Anforderungen 3.3.1 Reproduktionsaufgaben (29) Erfordert die Aufgabenbearbeitung, Sachwissen in einer für die Überset‐ zenden bekannten, d. h. bereits erlebten Übersetzungssituation abzurufen? 3.3.2 Transferaufgaben (30) Erfordert die Aufgabenbearbeitung, Sachwissen in einer für die Überset‐ zenden unbekannten, d. h. neuen Übersetzungssituation anzuwenden? 4. Methodenkompetenz 4.1 Art des Wissens 4.1.1 Hintergrundwissen: Ist grundsätzlich davon auszugeben, dass die Aufgabenstellung Hintergrund‐ wissen im Bereich der Methodenkompetenz erfordert? Wenn ja, welches? (31) Methodische bzw. theoretische Termini (32) Bezeichnungen von Datenbanken und Recherchemitteln (33) Übersetzungsrelevante Texttyptheorie 4.1.2 Übertragungswissen Ist grundsätzlich davon auszugeben, dass die Aufgabenbearbeitung Übertra‐ gungswissen im Bereich der Sprachkompetenz erfordert? Wenn ja, welches? (34) Einsatz des einschlägigen Übersetzungsprinzips (35) Durchführung der übersetzungsrelevanten Analyse (36) Prozeduren der Informationsrecherche (37) Einsatz der einschlägigen Übersetzungsstrategien 4.1.3 Metakognitives Wissen (38) Wird Reflexion über die Bedeutung des theoretischen bzw. methodischen Wissens für die Aufgabenbearbeitung angeregt? (39) Wird Reflexion über den Methodeneinsatz und die eigene Methoden‐ kompetenz durch die Aufgabenbearbeitung gefördert? 4.2 Kognitive Anforderungen 4.2.1 Produktionsaufgaben (40) Erfordert die Aufgabenbearbeitung, theoretisches bzw. methodisches Wissen in einer für die Übersetzenden bekannten, d. h. bereits erlebten Über‐ setzungssituation abzurufen? 199 Anhang 1: Kategoriensystem für die Aufgabenanalyse hinsichtlich des Kompetenzaufbaus 4.2.2 Transferaufgaben (41) Erfordert die Aufgabenbearbeitung, theoretisches bzw. methodisches Wissen in einer für die Übersetzenden unbekannten, d. h. neuen Überset‐ zungssituation anzuwenden? 4.2.3 Kreatives Problemlösen (42) Erfordert die Aufgabenbearbeitung, theoretisches bzw. methodisches Wissen in einer für die Übersetzenden neuen, d. h. Unkonventionalität er‐ fahrenden Übersetzungssituation anzuwenden? 200 Anhang 1: Kategoriensystem für die Aufgabenanalyse hinsichtlich des Kompetenzaufbaus Anhang 2: Analyseergebnisse der Übersetzungsaufgaben in den fünf ausgewählten Lehrbüchern In 297 Tabellen sind die Einzelergebnisse der Untersuchungen zu den 297 Übersetzungsaufgaben der untersuchten fünf Lehrbücher zusammengefasst. Die Details der wissenschaftlichen Auswertung umfassen ca. 80 Seiten. Diese können Sie als PDF direkt bei diesem Buch im Online-Shop des Narr Verlags unter www.narr.de kostenfrei herunterladen. Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Professionelle Übersetzerkompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Abb. 2: Der Übersetzungsprozess aus didaktischer Sicht von C. Nord (Nord 2010, 109) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Abb. 3: Übersetzungskompetenzmodell aus didaktischer Sicht . . . . 48 Abb. 4: Die Übersetzungskompetenz und Übersetzungsaufgaben . 61 Abb. 5: Phasenmodell zum Verhältnis qualitativer und quantitativer Analyse (Mayring 2015, 21) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 Abb. 6: Allgemeines inhaltanalytisches Ablaufmodell (Mayring 2015, 60) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 Abb. 7: Ablaufmodell skalierender Strukturierung (allgemein) (Mayring 2015, 107) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 Abb. 8: Anteil der Übersetzungsaufgaben in den fünf untersuchten Lehrbüchern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 Abb. 9: Anteil der Wort-, Satz- und Textübersetzungen in den fünf untersuchten Lehrbüchern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 Abb. 10: Berücksichtigung der Teilkompetenzen und der Übersetzungskompetenz in ihrer Gesamtheit im Lehrbuch von Zhang (n=46) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 Abb. 11: Berücksichtigung der Teilkompetenzen und der Übersetzungskompetenz in ihrer Gesamtheit im Lehrbuch von Qian (n=32) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 Abb. 12: Berücksichtigung der Teilkompetenzen und der Übersetzungskompetenz in ihrer Gesamtheit im Lehrbuch von Wang (2006) (n=12) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 Abb. 13: Berücksichtigung der Teilkompetenzen und der Übersetzungskompetenz in ihrer Gesamtheit im Lehrbuch von Wang (2013) (n=82) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 Abb. 14: Berücksichtigung der Teilkompetenzen und der Übersetzungskompetenz in ihrer Gesamtheit im Lehrbuch von Gui (n=125) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 Abb. 15: Hintergrundwissen in der Sprachdimension . . . . . . . . . . . . 151 Abb. 16: Übertragungswissen in der Sprachdimension . . . . . . . . . . . . 153 Abb. 17: Metakognitives Wissen in der Sprachdimension . . . . . . . . . 155 Abb. 18: Kognitive Anforderungen in der Sprachdimension . . . . . . . 156 Abb. 19: Themenauswahl in der Kulturdimension . . . . . . . . . . . . . . . 157 Abb. 20: Hintergrundwissen in der Kulturdimension . . . . . . . . . . . . . 158 Abb. 21: Metakognitives Wissen in der Kulturdimension . . . . . . . . . 159 Abb. 22: Kognitive Anforderungen in der Kulturdimension . . . . . . . 160 Abb. 23: Themenauswahl in der Sachdimension . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 Abb. 24: Hintergrundwissen in der Sachdimension . . . . . . . . . . . . . . 162 Abb. 25: Metakognitives Wissen in der Sachdimension . . . . . . . . . . . 162 Abb. 26: Kognitive Anforderungen in der Sachdimension . . . . . . . . . 163 Abb. 27: Hintergrundwissen in der Methodendimension . . . . . . . . . . 164 Abb. 28: Übertragungswissen in der Methodendimension . . . . . . . . . 165 Abb. 29: Metakognitives Wissen in der Methodendimension . . . . . . 166 Abb. 30: Kognitive Anforderungen in der Methodendimension . . . . 167 Abb. 31: Arbeitsplan der Übersetzungsaufgaben (vgl. Nord 2010, 192f.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 Abb. 32: Übersetzerkompetenzmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 204 Abbildungsverzeichnis Tabellenverzeichnis Tab. 1: Faktoren im Zirkelschema von C. Nord. (Nord 2010, 110) . . . . 38 Tab. 2: Merkmale didaktischer und fachlicher Aufgabenqualität mit Analysekriterien (Blömeke et al. 2006, 337) . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Tab. 3: Kategoriensystem zur Analyse des kognitiven Potentials von Übersetzungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Tab. 4: Unterschiedliche Begriffssysteme in NWT und SGW (Stolze 1999, 46) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 Tab. 5: Kategoriensystem zur Analyse des kognitiven Potentials von Übersetzungsaufgaben mit Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 Tab. 6: Berechnung des Kappa-Werts ĸ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 Tab. 7: Überblick über die Aufgaben in den untersuchten Lehrbüchern 104 Tab. 8: Analyseergebnisse der Übersetzungsaufgabe 1 . . . . . . . . . . . . . 108 Tab. 9: Analyseergebnisse der Übersetzungsaufgabe 2 . . . . . . . . . . . . . 110 Tab. 10: Analyseergebnisse der Übersetzungsaufgabe 3 . . . . . . . . . . . . . 111 Tab. 11: Analyseergebnisse der Übersetzungsaufgabe 4 . . . . . . . . . . . . . 114 Tab. 12: Analyseergebnisse der Übersetzungsaufgabe 5 . . . . . . . . . . . . . 117 Tab. 13: Analyseergebnisse der Übersetzungsaufgabe 6 . . . . . . . . . . . . . 119 Tab. 14: Analyseergebnisse der Übersetzungsaufgabe 7 . . . . . . . . . . . . . 121 Tab. 15: Analyseergebnisse der Übersetzungsaufgabe 8 . . . . . . . . . . . . . 124 Tab. 16: Analyseergebnisse von Übersetzungsaufgabe 9 . . . . . . . . . . . . . 126 Tab. 17: Analyseergebnisse der Übersetzungsaufgabe 10 . . . . . . . . . . . . 128 Tab. 18: Analyseergebnisse der Übersetzungsaufgabe 11 . . . . . . . . . . . . 129 Tab. 19: Wortübersetzungen im Hinblick auf die Entwicklung der Teilkompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 Tab. 20: Analyseergebnisse der Übersetzungsaufgabe 12 . . . . . . . . . . . . 132 Tab. 21: Analyseergebnisse der Übersetzungsaufgabe 13 . . . . . . . . . . . . 134 Tab. 22: Analyseergebnisse der Übersetzungsaufgabe 14 . . . . . . . . . . . . 136 Tab. 23: Analyseergebnisse der Übersetzungsaufgabe 15 . . . . . . . . . . . . 138 Tab. 24: Analyseergebnisse der Übersetzungsaufgabe 16 . . . . . . . . . . . . 140 Tab. 25: Analyseergebnisse der Übersetzungsaufgabe 17 . . . . . . . . . . . . 141 Tab. 26: Analyseergebnisse der Übersetzungsaufgabe 18 . . . . . . . . . . . . 144 Tab. 27: Analyseergebnisse der Übersetzungsaufgabe 19 . . . . . . . . . . . . 145 Tab. 28: Analyseergebnisse der Übersetzungsaufgabe 20 . . . . . . . . . . . . 147 Tab. 29: Analyseergebnisse der Übersetzungsaufgabe 21 . . . . . . . . . . . . 148 Tab. 30: Die die Übersetzungskompetenz in ihrer Gesamtheit befördernden Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 Tab. 31: Zahl der kreativen Übersetzungsaufgaben in der Sprach- und Kulturdimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 206 Tabellenverzeichnis TÜBINGER BEITRÄGE ZUR LINGUISTIK (TBL) Bisher sind erschienen: Frühere Bände finden Sie unter: https: / / www.narr.de/ linguistik-kat/ linguistikreihen-kat? ___store=narr_starter_de 541 Maria Stopfner Streitkultur im Parlament Linguistische Analyse der Zwischenrufe im österreichischen Nationalrat 2013, 332 Seiten €[D] 78,- ISBN 978-3-8233-7791-7 542 Carlotta Viti Variation und Wandel in der Syntax der alten indogermanischen Sprachen 2015, 530 Seiten €[D] 89,- ISBN 978-3-8233-6796-3 543 Sascha Bechmann Bedeutungswandel deutscher Verben Eine gebrauchstheoretische Untersuchung 2013, 400 Seiten €[D] 64,- ISBN 978-3-8233-6797-0 544 Silvana Rizzi Der Erwerb des Adjektivs bei bilingual deutsch-italienischen Kindern 2013, 253 Seiten €[D] 49,- ISBN 978-3-8233-6802-1 545 Christian Timm Französisch in Luxemburg 2014, 313 Seiten €[D] 48,- ISBN 978-3-8233-6845-8 546 Wolfgang Dahmen, Günter Holtus, Johannes Kramer, Michael Metzeltin, Wolfgang Schweickard, Otto Winkelmann (Hrsg.) Romanische Kleinsprachen heute Romanistisches Kolloquium XXVII 2016, 449 Seiten €[D] 98,- ISBN 978-3-8233-6881-6 547 Jan Henrik Holst Advances in Burushaski Linguistics 2014, 180 Seiten €[D] 49,99 ISBN 978-3-8233-6908-0 548 Wolfgang Dahmen, Günter Holtus, Johannes Kramer, Michael Metzeltin, Wolfgang Schweickard, Otto Winkelmann (Hrsg.) Zur Lexikographie der romanischen Sprachen Romanistisches Kolloquium XXVIII 2014, 276 Seiten €[D] 68,- ISBN 978-3-8233-6912-7 549 Christian Discher Sprachkontakt, Migration und Variation: Die frankophone Integration von Rumänen in Paris nach 1989 2015, 272 Seiten €[D] 58,- ISBN 978-3-8233-6915-8 550 Cornelia Lorenz Zugezogene im Fokus Sprachkontakterscheinungen im Regiolekt 2014, 277 Seiten €[D] 78,- ISBN 978-3-8233-6918-9 551 Qiang Zhu Die Anmoderation wissenschaftlicher Konferenzvorträge Ein Vergleich des Chinesischen mit dem Deutschen 2015, 220 Seiten €[D] 49,99 ISBN 978-3-8233-6973-8 552 Birgit Umbreit Zur Direktionalität der lexikalischen Motivation Motiviertheit und Gerichtetheit von französischen und italienischen Wortpaaren auf der Basis von Sprecherbefragungen 2015, 370 Seiten €[D] 68,- ISBN 978-3-8233-6971-4 553 Wolfgang Dahmen, Günter Holtus, Johannes Kramer, Michael Metzeltin, Christina Ossenkop, Wolfgang Schweickard, Otto Winkelmann (Hrsg.) Sprachvergleich und Übersetzung Die romanischen Sprachen im Kontrast zum Deutschen | XXIX. Romanistisches Kolloquium 2017, 436 Seiten €[D] 88,- ISBN 978-3-8233-6982-0 554 Tanja Anstatt, Anja Gattnar, Christina Clasmeier (Hrsg.) Slavic Languages in Psycholinguistics Chances and Challenges for Empirical and Experimental Research 2016, 315 Seiten €[D] 68,- ISBN 978-3-8233-6969-1 555 Gaios Tsutsunashvili Adjektivischer Bedeutungswandel: Deutsch - Georgisch Eine gebrauchstheoretische Untersuchung mit strukturalistischen Ansätzen 2015, 212 Seiten €[D] 68,- ISBN 978-3-8233-6994-3 556 Barbara Lux Kurzwortbildung im Deutschen und Schwedischen Eine kontrastive Untersuchung phonologischer und grammatischer Aspekte 2016, 377 Seiten €[D] 88,- ISBN 978-3-8233-6999-8 557 Benjamin Stoltenburg Zeitlichkeit als Ordnungsprinzip der gesprochenen Sprache 2016, 363 Seiten €[D] 78,- ISBN 978-3-8233-8056-6 558 Lingyan Qian Sprachenlernen im Tandem Eine empirische Untersuchung über den Lernprozess im chinesisch-deutschen Tandem 2016, 366 Seiten €[D] 68,- ISBN 978-3-8233-8057-3 559 Tingxiao Lei Definitheit im Deutschen und im Chinesischen 2017, 228 Seiten €[D] 58,- ISBN 978-3-8233-8092-4 560 Fabienne Scheer Deutsch in Luxemburg Positionen, Funktionen und Bewertungen der deutschen Sprache 2017, 416 Seiten €[D] 78,- ISBN 978-3-8233-8097-9 561 Wolfgang Dahmen, Günter Holtus, Johannes Kramer, Michael Metzeltin, Claudia Polzin- Haumann, Wolfgang Schweickard, Otto Winkelmann (Hrsg.) Sprachkritik und Sprachberatung in der Romania Romanistisches Kolloquium XXX 2017, 427 Seiten €[D] 88,- ISBN 978-3-8233-8104-4 562 Martina Zimmermann Distinktion durch Sprache? Eine kritisch soziolinguistische Ethnographie der studentischen Mobilität im marktwirtschaftlichen Hochschulsystem der mehrsprachigen Schweiz 2017, 304 Seiten €[D] 68,- ISBN 978-3-8233-8144-0 563 Philip Hausenblas Spannung und Textverstehen Die kognitionslinguistische Perspektive auf ein textsemantisches Phänomen 2018, 256 Seiten €[D] 88,- ISBN 978-3-8233-8155-6 564 Barbara Schäfer-Prieß, Roger Schöntag (Hrsg.) Seitenblicke auf die französische Sprachgeschichte Akten der Tagung Französische Sprachgeschichte an der Ludwig-Maximilians- Universität München (13. - 16. Oktober 2016) 2018, 558 Seiten €[D] 128,- ISBN 978-3-8233-8118-1 565 Vincent Balnat L’appellativisation du prénom Étude contrastive allemand-français 2018, 298 Seiten €[D] 78,- ISBN 978-3-8233-8185-3 566 Silvia Natale Informationsorganisation und makrostrukturelle Planung in Erzählungen Italienisch und Französisch im Vergleich unter Berücksichtigung bilingualer SprecherInnen 2018, 212 Seiten €[D] 68,- ISBN 978-3-8233-8209-6 567 Ilona Schulze Bilder - Schilder - Sprache Empirische Studien zur Text-Bild-Semiotik im öffentlichen Raum 2019, 227 Seiten €[D] 59,- ISBN 978-3-8233-8298-0 571 Melanie Kunkel Kundenbeschwerden im Web 2.0 Eine korpusbasierte Untersuchung zur Pragmatik von Beschwerden im Deutschen und Italienischen 2020, 304 Seiten €[D] 78,- ISBN 978-3-8233-8364-2 573 Mario Franco Barros Neue Medien und Text: Privatbrief und private E-Mail im Vergleich 2020, ca. 750 Seiten €[D] 119,90 ISBN 978-3-8233-8377-2 574 Sofiana Lindemann Special Indefinites in Sentence and Discourse 2020, 250 Seiten €[D] 68,- ISBN 978-3-8233-8381-9 575 Junjie Meng Aufgaben in Übersetzungslehrbüchern Eine qualitative und quantitative Untersuchung ausgewählter deutschchinesischer Übersetzungslehrbücher 2020, 206 Seiten €[D] 48,- ISBN 978-3-8233-8382-6