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Zum poetischen Werk von Salvatore A. Sanna

2020
978-3-8233-9406-8
Gunter Narr Verlag 
Caroline Lüderssen

Dieser Band versammelt Aufsätze und Rezensionen zur Lyrik von Salvatore A. Sanna (1934-2018). Sannas erster Gedichtband erschien 1978 mit dem Titel Fünfzehn Jahre Augenblicke, es folgte 1984 Wacholderblüten, 1988 Löwen-Maul, 1991 Feste, 1999 Mnemosyne, 2009 Mare. I guess what you mean. Das Gesamtwerk erschien 2004 im Gunter Narr Verlag unter dem Titel Fra le due sponde/Zwischen zwei Ufern. Gedichte Italienisch Deutsch. Hrsg. von Thomas Amos, und auf Italienisch im Verlag Il Maestrale, Nuoro (2014). Sanna hat selbst den Begriff der "Letteratura de-centrata" geprägt, er verfasste seine Gedichte auf Italienisch, veröffentlichte seine Texte aber immer zweisprachig italienisch/deutsch, um auch das des Italienischen nicht mächtige Lesepublikum zu erreichen. Die hier vorgelegte Sammlung mit Texten in italienischer und deutscher Sprache erlaubt erstmals eine Zusammenschau der kritischen Texte über Sannas Lyrik.

Caroline Lüderssen (Hrsg.) Zum poetischen Werk von Salvatore A. Sanna Col rosso in dominante Caroline Lüderssen (Hrsg.) Zum poetischen Werk von Salvatore A. Sanna Col rosso in dominante © 2020 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de CPI books GmbH, Leck ISBN 978-3-8233-8406-9 (Print) ISBN 978-3-8233-9406-8 (ePDF) ISBN 978-3-8233-0231-5 (ePub) Umschlagabbildung: Elio Mariucci, Haiku del tramonto - Haiku des Abendrots, 2018, Holz, Stoff, Acryl, Bleistift auf Papier, 35 x 24 x 6 cm Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. www.fsc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC ® C083411 ® www.fsc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC ® C083411 ® 9 11 13 17 23 41 51 61 75 81 89 101 Inhalt Versi da sorseggiare. Un saluto in versi per Salvatore A. Sanna . . . . . . . . . . Verse zum Nippen. Ein Gruß in Versen für Salvatore A. Sanna . . . . . . . . . . Editorische Notiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nota editoriale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einführung Immacolata Amodeo Salvatore A. Sanna - Ein deutsch-italienischer Lyriker in Frankfurt . . . . . . Aufsätze Thomas Amos Zur Lyrik von Salvatore A. Sanna. [2004] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grazia Pulvirenti Salvatore A. Sanna: Die „Feste“ der Worte. [1995] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lucia Perrone Capano A casa nelle parole. La lirica di Salvatore A. Sanna. [1998] . . . . . . . . . . . . . . Anna Meda La poesia di Salvatore A. Sanna tra ironia e sublime. [2004] . . . . . . . . . . . . . Hermann H. Wetzel Salvatore A. Sanna als Dichter von Erinnerungsorten. [2004] . . . . . . . . . . . Peter Ihring „Un calice rosso“ - „Ein roter Blütenkelch“. Das nachgestellte Adjektiv als Übersetzungsproblem in der Lyrik Salvatore A. Sannas [2004] . . . . . . . . . . . Caroline Lüderssen Mythos und Erfahrung: Salvatore A. Sanna im Dialog mit Cesare Pavese. [2004] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 125 135 143 147 153 157 159 163 165 169 173 Thomas Amos „Due sfere s’incontrano“. Die deutsch-italienische Verständigung in Salvatore A. Sannas Gedichtsammlungen Fünfzehn Jahre Augenblicke und Wacholderblüten [2006] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gerhard Goebel Übersetzen und Vertonen am Beispiel dreier Gedichte von Salvatore A. Sanna. [2004] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Amos „Palestrina“ von Salvatore A. Sanna. [2004] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorworte und Nachworte Birgit Schneider Nachwort zu Wacholderblüten. [1984] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gerhard Goebel Der Sturz der Horizontale. Nachwort zu Löwen-Maul [1988] . . . . . . . . . . . . Gerhard Goebel Abschied und Aufbruch. Nachwort zu Feste [1991] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Luigi Malerba Prefazione a La fortezza dell’aria. [1995] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Christoff Neumeister Einleitung zu Mnemosyne. [1999] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gerhard Goebel Nachwort zu Mnemosyne. [1999] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Caroline Lüderssen Einführung zu Mare. [2009] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gino Chiellino Salvatore A. Sanna. [2011] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rezensionen Grazia Pulvirenti Sublime e quotidiano nella lirica di Salvatore A. Sanna. Recensione a Wacholderblüten [1987) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Inhalt 177 179 183 185 189 195 197 201 Franco Antonio Belgiorno Bocca di Leone e profumo d’Oristano. [1989] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grazia Pulvirenti Recensione di Löwen-Maul. [1990] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Carl-Wilhelm Macke Rezension von Feste. [1992] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gino Chiellino Recensione di Mnemosyne. [2000] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tania Baumann Il poeta Salvatore A. Sanna e la letteratura de-centrata. Recensione di Fra le due Sponde - Zwischen zwei Ufern [2005] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Annamaria Micheli Kiel Il mare poetico di Salvatore A. Sanna. Recensione di Mare [2010] . . . . . . . . Leonardo Vilei Recensione di Fra le due sponde. [2015] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Textnachweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Inhalt Versi da sorseggiare Un saluto in versi per Salvatore A. Sanna Ti conobbi nella poesia dell’abbraccio di tre fiumi. Negli occhi a poppa e nel cuore a prua di Carmine, Franco e Gino. Nell’incanto delle librerie imparai la tua voce e i tuoi versi. Delicati come il vento che accarezza la zagara. Cristallini come l’onda che corteggia lo scoglio. Sul Meno riempii una borraccia dei tuoi versi de-centrati. Per sorseggiarli oggi che viaggi ancora incerto fra le due sponde in sospeso sul mare che ostenta le sue venature. Giuseppe Giambusso Fröndenberg, 22 marzo 2020 Verse zum Nippen Ein Gruß in Versen für Salvatore A. Sanna In der Poesie der Umarmung dreier Flüsse lernte ich dich kennen. In den Augen auf dem Heck und im Herzen auf dem Bug von Carmine, Franco und Gino. Im Zauber der Buchhandlungen lernte ich deine Stimme und deine Verse. Sanft wie der Wind der die Orangenblüte umweht. Kristallklar wie die Welle die den Felsen umspielt. Am Main habe ich eine Wasserflasche mit deinen versi de-centrati gefüllt. Um heute daran zu nippen während du noch unterwegs bist in der Schwebe zwischen zwei Ufern hoch überm Meer das seine Äderung zeigt. Giuseppe Giambusso Fröndenberg, 22. März 2020 Übersetzt von Caroline Lüderssen; V. 14-16 aus einem Gedicht von Salvatore A. Sanna aus der Sammlung Feste (1999), Fra le due sponde-Zwischen zwei Ufern, Tübingen, Narr, 2004, S. 298-299, übersetzt von Gerhard Goebel. Editorische Notiz Der vorliegende Band enthält Texte zum poetischen Werk von Salvatore A. Sanna (1934-2018). Es ist eine Sammlung von literaturkritischen Analysen aus Sammelbänden und Zeitschriften, den Vorworten und Nachworten zu den Aus‐ gaben seiner Gedichte und Rezensionen. Der Titel „Col rosso in dominante“ ist dem Gedicht «Quadratscha» von Salvatore A. Sanna entnommen (1984), in dem die Farbe rot eine besondere Rolle spielt; die Sensibilität für Farben ist charak‐ teristisch für Sannas Schreiben. Die Gedichte von Salvatore A. Sanna werden in den Beiträgen nach folgenden Ausgaben zitiert: Fünfzehn Jahre Augenblicke. Gedichte Italienisch-Deutsch. Übersetzt von Ragni Maria Gschwend. Mit einer Zeichnung von Piero Dorazio, Frankfurt am Main, Privatdruck 1978. Wacholderblüten. Gedichte Italienisch-Deutsch. Übersetzt und mit einem Nachwort von Birgit Schneider. Mit zwei Zeichnungen von Fausto Melotti, Frankfurt am Main, Pri‐ vatdruck 1984. Löwen-Maul. Gedichte Italienisch-Deutsch. Übersetzt und mit einem Nachwort von Ger‐ hard Goebel-Schilling. Mit zwei Zeichnungen von Ermanno Leinardi, Frankfurt am Main/ Aarau, Verlag Sauerländer 1988. Feste. Gedichte Italienisch-Deutsch. Übersetzt und mit einem Nachwort von Gerhard Goebel-Schilling. Mit zwei Zeichnungen von Achille Perilli, München-Mainz, von Hase & Koehler Verlag 1991. La fortezza dell’aria [Löwen-Maul e Feste]. Presentazione di Luigi Malerba. Tre disegni di Enrico Della Torre, Torino: Franco Masoero Editore 1995. Ausgezeichnet mit dem Premio Pannunzio 1996. Mnemosyne. Hommage an die Mutter der Musen. Übertragung und Nachwort Gerhard Goebel. Einführung Christoff Neumeister. Zeichnungen Gianfranco Pardi, Frankfurt am Main/ Aarau, Verlag für deutsch-italienische Studien/ Sauerländer 1999. Mare. I guess what you mean. Gedichte Italienisch-Deutsch. Übertragen von Caroline Lüderssen. Mit einer Zeichnung von Marco Casentini, Tübingen, Narr 2009. Fra le due sponde / Zwischen zwei Ufern. Gesammelte Gedichte Italienisch Deutsch, her‐ ausgegeben und mit einem Essay versehen von Thomas Amos, Tübingen, Narr 2004. Fra le due sponde. Poesie. Nuoro, Il Maestrale, 2014. Ich danke allen Autorinnen und Autoren herzlich für Ihr Einverständnis, ihre Texte in diesen Erinnerungsband aufzunehmen. Diejenigen Rechteinhaber, mit denen wir trotz intensiver Bemühungen keinen Kontakt aufnehmen konnten, bitte ich, sich mit dem Verlag in Verbindung zu setzen. Ganz herzlich danke ich Giuseppe Giambusso, der als Weggefährte und Dich‐ terfreund von Salvatore A. Sanna ein poetisches Grußwort für den Band ge‐ schrieben hat. Giambusso, 1956 in Riesi/ Sizilien geboren, lebt seit vielen Jahren in Fröndenberg im Sauerland und gehört zu einem losen Zusammenschluss von italienischen Autorinnen und Autoren in Deutschland, die ab den 1980er Jahren mit Publikationen, Tagungen und Diskussionsveranstaltungen auf sich auf‐ merksam machten. Seine neue zweisprachige Gedichtsammlung ist im Er‐ scheinen: Foto di ragazza senza gruppo/ Mädchenbild ohne Gruppe, Dresden 2020. Besonderen Dank möchte ich auch dem Künstler und Lyriker Elio Mariucci aussprechen dafür, dass er sein Haiku del tramonto (Haiku des Abendrots) von 2018 für den Umschlag zur Verfügung gestellt hat. Mariucci, 1946 in Città di Castello in Umbrien geboren, ist seit 1995 durch die Frankfurter Westend Galerie (dem Kunstforum der Deutsch-Italienischen Vereinigung in Frankfurt, ge‐ gründet von Salvatore A. Sanna 1966) in Deutschland vertreten. Città di Castello ist auch die Geburtsstadt von Alberto Burri, dem großen Materialkünstler. Für Mariuccis Arbeit ist neben der Farbe das Material von großer Bedeutung. Seine letzte Ausstellung in Frankfurt trug den Titel „Sedimenti“, denn seine Malerei und seine Lyrik beruhen auf Sedimenten des persönlich Erlebten, „Bruchstücke aus Erinnerungen, Erfahrungen, Wünschen, Verlusten, Freude und Leid“ (Si‐ monetta Riccardini). Die Auseinandersetzung mit dem Material führte zu seiner Serie von „Haikus“, bei denen ein selbstgefertigter Holzkasten zum Aufklappen Sinn- und Bildträger wird. Der Haiku - eine japanische Gedichtform aus 17 Silben mit drei Versen von 5 - 7 - 5 Silben bzw. Lauteinheiten (Moren) ist immer auf eine Jahreszeit bezogen. Das ist auch bei Mariucci der Fall. Die dreiteiligen Werke bestehen in einem von Mariucci auf Italienisch geschriebenen Haiku, der sich auf der „Türinnenseite“ befindet, die Schrankseite rechts zeigt eine bildliche Übertragung und auf der Außenseite des Schränkchens ist die japanische Fas‐ sung des Haiku aufgetragen. In diesen Werken sind Ratio und Emotio, Bewusstes und Unbewusstes in den einzelnen Werkteilen aufeinander bezogen. Haiku del tramonto Haiku des Abendrots Mi piace stare Ich bin gerne sul filo del tramonto am Rand des Sonnenuntergangs in visibilio völlig verzaubert (Elio Mariucci, Haiku del tramonto - Haiku des Abendrots, 2018, Holz, Stoff, Acryl, Bleistift auf Papier, 35 x 24 x 6 cm) 14 Editorische Notiz Ein sehr herzlicher Dank geht, last but not least, an Ann Bromkamp-Sanna, die diesen Band zur Erinnerung an ihren Mann angeregt und möglich gemacht hat. Er sei ihm, dem Kulturvermittler, Italianisten und Lyriker in Erinnerung an viele Jahre fruchtbarer Zusammenarbeit gewidmet. Caroline Lüderssen 15 Editorische Notiz Nota editoriale Il presente volume contiene testi sull’opera poetica di Salvatore A. Sanna (1934-2018). È una raccolta di analisi di critica letteraria da antologie e riviste, dalle prefazioni ed epiloghi alle edizioni delle sue poesie, alle recensioni. Il titolo è tratto dalla poesia «Quadratscha» (1984) di Salvatore A. Sanna, in cui il colore rosso gioca un ruolo speciale; la sensibilità per i colori è caratteristica della scrittura di Sanna. Le poesie di Salvatore A. Sanna sono citate nelle seguenti edizioni: Fünfzehn Jahre Augenblicke. Gedichte Italienisch-Deutsch. Übersetzt von Ragni Maria Gschwend. Mit einer Zeichnung von Piero Dorazio, Frankfurt am Main, Privatdruck 1978. Wacholderblüten. Gedichte Italienisch-Deutsch. Übersetzt und mit einem Nachwort von Birgit Schneider. Mit zwei Zeichnungen von Fausto Melotti, Frankfurt am Main, Pri‐ vatdruck 1984. Löwen-Maul. Gedichte Italienisch-Deutsch. Übersetzt und mit einem Nachwort von Ger‐ hard Goebel-Schilling. Mit zwei Zeichnungen von Ermanno Leinardi, Frankfurt am Main/ Aarau, Verlag Sauerländer 1988. Feste. Gedichte Italienisch-Deutsch. Übersetzt und mit einem Nachwort von Gerhard Goebel-Schilling. Mit zwei Zeichnungen von Achille Perilli, München-Mainz, von Hase & Koehler Verlag 1991. La fortezza dell’aria [Löwen-Maul e Feste]. Presentazione di Luigi Malerba. Tre disegni di Enrico Della Torre, Torino: Franco Masoero Editore 1995. Insignito del premio Pan‐ nunzio 1996. Mnemosyne. Hommage an die Mutter der Musen. Übertragung und Nachwort Gerhard Goebel. Einführung Christoff Neumeister. Zeichnungen Gianfranco Pardi, Frankfurt am Main/ Aarau, Verlag für deutsch-italienische Studien/ Sauerländer 1999. Mare. I guess what you mean. Gedichte Italienisch-Deutsch. Übertragen von Caroline Lüderssen. Mit einer Zeichnung von Marco Casentini, Tübingen, Narr 2009. Fra le due sponde / Zwischen zwei Ufern. Gesammelte Gedichte Italienisch Deutsch, he‐ rausgegeben und mit einem Essay versehen von Thomas Amos, Tübingen, Narr 2004. Fra le due sponde. Poesie. Nuoro, Il Maestrale, 2014. Ringrazio tutti gli autori per aver concesso la ripubblicazione dei loro testi in questo volume commemorativo. Ai detentori dei diritti con i quali purtroppo non siamo stati in grado di prendere contatto, nonostante gli intensi sforzi, chiedo di contattare direttamente l’editore. Ringrazio molto sinceramente Giuseppe Giambusso, che come compagno e amico poeta di Salvatore A. Sanna ha scritto un saluto poetico per il volume. Giambusso, nato nel 1956 a Riesi/ Sicilia, vive da molti anni a Fröndenberg nel Sauerland e fa parte di una libera associazione di autori italiani in Germania che dagli anni ’80 in poi ha attirato l’attenzione con pubblicazioni, conferenze ed eventi di discussione. La sua nuova raccolta bilingue di poesie è in corso di pubblicazione: Foto di ragazza senza gruppo/ Mädchenbild ohne Gruppe, Dresden 2020. Un ringraziamento speciale va all’artista e poeta Elio Mariucci per aver messo a disposizione il suo Haiku del tramonto [2018] per la copertina di questo volu‐ metto. Nato nel 1946 a Città di Castello in Umbria, Mariucci è rappresentato in Germania dalla Frankfurter Westend Galerie (il forum d’arte dell’Associazione italo-tedesca, fondata da Salvatore A. Sanna nel 1966) dal 1995. Città di Castello è anche la città natale di Alberto Burri, il grande artista che sperimentava col materiale. Per il lavoro di Mariucci non solo il colore, ma anche il materiale è di grande importanza. La sua ultima mostra a Francoforte si intitola „Sedi‐ menti“ (2018), perché la sua pittura e la sua poesia si basano su sedimenti di esperienze personali, „frammenti di ricordi, esperienze, desideri, perdite, gioie e sofferenze“ (Simonetta Riccardini). L’esame del materiale ha portato Mariucci alla serie di „Haiku“: una scatola di legno da lui costruita che aprendola mostra con l’immagine il suo significato. L’haiku - una forma di poesia giapponese composta da 17 sillabe con tre versi di 5 - 7 - 5 sillabe o unità sonore (More) è sempre legata ad una stagione, così anche per Mariucci. Le opere (in tre parti) consistono in un haiku scritto da Mariucci in italiano che si trova all’„interno della porta“, il lato del mobile a destra mostra una interpretazione pittorica e all’esterno l’haiku è dipinto in Giapponese. In queste opere, la razionalità e l’e‐ mozione, coscienza e incoscienza, sono interconnesse nelle singole parti dell’o‐ pera. Haiku del tramonto Mi piace stare sul filo del tramonto in visibilio (Elio Mariucci, Haiku del tramonto, 2018, legno, stoffa, acrilico, matita su carta, 35 x 24 x 6 cm) 18 Nota editoriale Infine, un caloroso ringraziamento va ad Ann Bromkamp-Sanna, che ha ispirato e reso possibile questo volume in memoria del marito. È dedicato a lui, il me‐ diatore culturale, italianista e poeta, in memoria di molti anni di proficua colla‐ borazione. Caroline Lüderssen 19 Nota editoriale Einführung 1 Dieser Text basiert auf einem am 17. März 2016 in der Deutsch-Italienischen Vereinigung e. V. in Frankfurt am Main gehaltenen Vortrag. Die hier vorliegende schriftliche Fassung wurde post mortem für diesen Band erstellt. 2 Fünfzehn Jahre Augenblicke. Gedichte Italienisch-Deutsch. Übertragen von Ragni Maria Gschwend. Mit einer Zeichnung von Piero Dorazio, Frankfurt am Main, Privatdruck 1978. 3 Wacholderblüten. Gedichte Italienisch-Deutsch. Übertragen und mit einem Nachwort von Birgit Schneider. Mit zwei Zeichnungen von Fausto Melotti, Frankfurt am Main, Privatdruck 1984. 4 Löwen-Maul. Gedichte Italienisch-Deutsch. Übertragen und mit einem Nachwort von Gerhard Goebel-Schilling. Mit zwei Zeichnungen von Ermanno Leinardi, Frankfurt am Main/ Aarau: Verlag Sauerländer 1988. 5 Feste. Gedichte Italienisch-Deutsch. Übertragen und mit einem Nachwort von Gerhard Goebel-Schilling. Mit zwei Zeichnungen von Achille Perilli, München-Mainz: von Hase & Koehler Verlag 1991. 6 Mnemosyne. Hommage an die Mutter der Musen. Übertragung und Nachwort Gerhard Goebel. Einführung Christoff Neumeister. Zeichnungen Gianfranco Pardi, Frankfurt am Main/ Aarau: Verlag für deutsch-italienische Studien/ Sauerländer 1999. 7 Mare. I guess what you mean. Gedichte Italienisch-Deutsch. Übertragen von Caroline Lüderssen. Mit einer Zeichnung von Marco Casentini, Tübingen: Narr 2009. Salvatore A. Sanna - Ein deutsch-italienischer Lyriker in Frankfurt 1 Immacolata Amodeo Salvatore A. Sanna, der die Deutsch-Italienische Vereinigung in Frankfurt am Main ins Leben gerufen und ein halbes Jahrhundert lang geleitet hat, war als Kultur- und Kunstvermittler zwischen Deutschland und Italien nicht nur in Frankfurt sehr geschätzt. Weniger bekannt ist vielleicht, dass er auch ein hoch‐ angesehener Lyriker ist, der ein beachtliches Werk vorweisen kann. Er hat insgesamt sechs zweisprachige - italienisch-deutsche - Gedichtbände veröffentlicht. Der erste - Fünfzehn Jahre Augenblicke  2 - ist 1978 datiert, 1984 erschienen die Wacholderblüten  3 . Es folgten 1988 die Sammlung Löwen-Maul, 4 1991 Feste, 5 1999 Mnemosyne. 6 Der letzte Gedichtband - Mare  7 - ist von 2009. Alle sechs Bände wurden zunächst als zweisprachige Ausgaben in Deutschland veröffentlicht. Einige sind später auch in Italien als rein italienische Ausgaben 8 La fortezza dell’aria. Mit einer Einführung von Luigi Malerba. Torino: Franco Masoero Edizioni 1995. 9 Fra le due sponde/ Zwischen zwei Ufern. Gesammelte Gedichte Italienisch Deutsch. Her‐ ausgegeben, kommentiert und mit einem Essay versehen von Thomas Amos, Tübingen: Gunter Narr Verlag 2004. 10 Fra le due sponde. Poesie, Nuoro: Edizioni Il Maestrale 2014. 11 Seit 1999 Deutscher Italianistenverband - Fachverband Italienisch in Wissenschaft und Unterricht. erschienen, z. B. La fortezza dell’aria, mit einer Einführung von Luigi Malerba 8 . Es liegt auch eine zweisprachige Gesamtausgabe - mit dem Titel Fra le due sponde/ Zwischen zwei Ufern  9 - vor, die 2004 erschienen ist, sowie eine rein ita‐ lienische Gesamtausgabe mit dem Titel Fra le due sponde  10 aus dem Jahr 2014. Salvatore A. Sanna wurde 1934 in Oristano/ Sardinien geboren. Nach dem Studium der Germanistik und der Anglistik an der Universität Cagliari und einem Aufenthalt in England kam er 1958 mit einem Stipendium der sardischen Regierung nach Deutschland. Er lehrte zunächst als Austauschassistent Italie‐ nisch am Lessing-Gymnasium und an der Musterschule in Frankfurt und war schließlich von 1962 bis 1998 als Dozent für italienische Sprache und Literatur an der Johann Wolfgang Goethe-Universität tätig. 1966 gründete er die Deutsch-Italienische Vereinigung e. V., die er bis 2016 ehrenamtlich geleitet hat. Zudem hat er - bis 1996 gemeinsam mit Trude Müller - in der Frankfurter Westend Galerie seit 1967 zahlreiche Ausstellungen zeitgenössischer italieni‐ scher Künstler organisiert. Darunter waren international bekannte Künstler wie Piero Dorazio, Giulio Turcato, Carla Accardi, Giuseppe Santomaso, Fausto Me‐ lotti, um nur einige zu nennen. Salvatore A. Sanna gehörte auch zu den Gründern des Fachverbandes Italie‐ nisch in Wissenschaft und Unterricht (1976) 11 und rief 1979 zusammen mit Arno Euler die Zeitschrift „Italienisch“ ins Leben, die er bis zu seinem Tod 2018 als Mitherausgeber betreut hat. 1992 entstand auf seine Initiative hin die Frank‐ furter Stiftung für deutsch-italienische Studien. Schließlich wurde er 1977 als „Cavaliere“, 2004 als „Commendatore dell’Or‐ dine al Merito della Repubblica Italiana“ und 1996 mit dem Bundesverdienst‐ kreuz am Bande geehrt. Aus Salvatore A. Sannas umfangreichem lyrischen Werk seien im Folgenden einige Aspekte herausgegriffen, die mir - als Ergänzung, Kontrast oder Kon‐ trapunkt zu seiner Tätigkeit als Kulturvermittler und Kulturmanager - beson‐ ders interessant und relevant erscheinen. 24 Immacolata Amodeo 12 „Dalla cima del monte/ Vom Gipfel des Berges“, Fünfzehn Jahre Augenblicke, S. 46-47. 1. Salvatore A. Sanna als Lyriker der Erinnerung Die Erinnerung, das „non dimenticare“, das Nicht-Vergessen, nimmt einen zen‐ tralen Platz in der gesamten Lyrik Salvatore A. Sannas ein. Bei der Lektüre seiner Gedichte hat man fast das Gefühl, als sei das Vergessen eine ständig präsente Gefahr, welcher der Mensch ausgesetzt ist, vor der er auf der Hut sein muss, insbesondere, wenn er sich von einem Ort zum anderen, von einem Land in ein anderes, verpflanzt hat. Das Dichten selbst wird zu einem wirkungsvollen Mittel, um diese Gefahr einzudämmen. Als Beispiel sei auf ein Gedicht aus dem Band Fünfzehn Jahre Augenblicke verwiesen, das mit den Zeilen „Dalla cima del monte/ Vom Gipfel des Berges“ beginnt. In diesem Gedicht ist es eine sich schlängelnde Bergstraße, die in der Erinnerung als sinnlicher Eindruck so stark ist, dass sie das lyrische Ich sogar „den Zugriff des Meeres/ vergessen“ lässt: Dalla cima del monte vedo una strada serpente che si slunga a metà costa Il colore bianco argento mi fa scordare la morsa del mare Al regno di Poseidon è il Gennargentu una porta chiara di schisti Vom Gipfel des Berges sehe ich eine Straße auf halber Höhe sich schlängeln Die weiß-silberne Luft läßt mich den Zugriff des Meeres vergessen Zum Reiche Poseidons ist der Gennargentu eine leuchtende Pforte aus Schiefer 12 . Der Eindruck, der in der Erinnerung von dem höchsten sardischen Bergmassiv in diesem Gedicht wiederaufgerufen wird, ist so stark, dass sogar das Meer in den Hintergrund tritt. Der Gennargentu gewinnt in dem Erinnerungsgedicht 25 Salvatore A. Sanna - Ein deutsch-italienischer Lyriker in Frankfurt eine mythische Bedeutung, die über die Bedeutung des Meeres hinausgeht: „mi fa scordare la morsa/ del mare“ („läßt mich den Zugriff des Meeres/ vergessen“). Das ist, historisch gesehen, nicht erstaunlich, denn traditionellerweise sind die Sarden ein Volk, das eher auf das Land bezogen und stark mit dem Land ver‐ bunden ist; die Sarden werden traditionellerweise als Hirten gesehen und dar‐ gestellt, nicht als Seeleute. Sannas Gedicht, das zunächst als ein sehr persönliches daherkommt, trans‐ figuriert die persönliche Erfahrung eines lyrischen Ichs, indem es sich in ein kulturgeschichtliches Gedächtnis einschreibt. Der in Frankfurt lebende Lyriker partizipiert somit mit seinem Gedicht an einem kollektiven Gedächtnis, welches sich auf eine geographisch gesehen entfernte Lokalität bezieht - das Bergmassiv Gennargentu -, die aber in der Erinnerungsarbeit des Dichters zeitlich und ört‐ lich gewissermaßen ‚herangezoomt‘ wird. Deutlich wird durch dieses Beispiel auch, dass gerade aus der zeitlichen und örtlichen Ferne das Dichten Teil jener Vorsichtsmaßnahmen ist, die das Indivi‐ duum vor dem Vergessen bewahren und zugleich dabei helfen, die Erinnerung aufzufrischen. Das, was an einem anderen Ort, zu einer anderen Zeit erlebt wurde, wird durch das Dichten wieder ins Gedächtnis gerufen, wiederbelebt, in das Leben im Hier und Jetzt integriert. Was zunächst als ein individuelles Be‐ dürfnis, eine individuelle Verfahrensweise und als individueller Gewinn aus‐ sehen mag, gewinnt, aus der Vogelperspektive betrachtet, auch kollektiven Wert. Im Hinblick auf die Verfahrensweisen der Erinnerungsdichtung Sannas ist zunächst einmal festzuhalten: Erinnerung ist in Sannas Gedichten kein ab‐ straktes oder rein kognitives Gebilde, sondern hat in erster Linie mit sinnlicher Wahrnehmung zu tun. Erinnerung wird an Sinneseindrücken festgemacht, an Bildern, Gerüchen, Geschmäckern, Tönen. Aus der Erinnerung geschildert, wird die Kindheit in Sardinien als eine sinnliche Erfahrung heraufbeschworen: Er‐ wähnt werden die Karrenfahrten zum Weinberg und der Transport der Trauben zur Sammelstelle; die Gerüche, die bei der Traubenernte und bei der Weinpro‐ duktion entstehen; typische Speisen; und zwar auf eine Weise, die sie auch für den Leser des Gedichtes gegenwärtig, erfahrbar, lebendig machen: […] Rivedo i fichi bianchi sugli alberi, le corniole le vernacce, sento l’odore del mosto e delle vinacce il gusto dei minestroni di cavoli e di verdura […] 26 Immacolata Amodeo 13 „Le natiche bianche del cavallo/ Die weißen Hinterbacken des Pferdes“, Mnemosyne, S. 74-77. 14 Wacholderblüten, S. 68-69. 15 Mnemosyne, S. 12-13. 16 Mnemosyne, S. 14-15. 17 Mnemosyne, S. 18-19. 18 Mnemosyne, S. 20-21. 19 Mnemosyne, S. 22-23. 20 Mnemosyne, S. 34-35. 21 Mnemosyne, S. 60-61. 22 Mnemosyne, S. 84-85. […] Ich sehe die weißen Feigen wieder auf den Bäumen, die Hörnchen- und die Vernaccia-Trauben, rieche den Dunst von Most und Trester, spüre den Geschmack der Karfiol- und der Gemüsesuppen […] 13 . Der Mechanismus der Erinnerung funktioniert hier über sinnliche Eindrücke: sehen, schmecken, riechen. Diese konkreten Erfahrungen können - auch aus der zeitlichen und örtlichen Entfernung - abgerufen, wiederbelebt und dem Leser mitgeteilt, ja, sogar - sofern sich dieser darauf einlässt - mit dem Leser geteilt werden. In diesem großen Sardinien-Gedicht, aus dem ich hier nur einen Teil zitiere, wird - über die Beschreibung bzw. Rekapitulation von Sinnesein‐ drücken - eine vergangene, aber nicht verlorene Zeit erinnert, besungen und damit vergegenwärtigt. In anderen Gedichten macht der Dichter Erinnerung an Orten, Landschaften fest. Ich nenne einige: Karbach 14 , Torre del Pozzo 15 , Cornovaglia bzw. Cor‐ nouaille 16 , Bagno Vignoni 17 , Vignoni Alto 18 , Val d’Orcia 19 , Lausanne 20 , Juan les Pins 21 , Praga bzw. Prag 22 . Alle diese Orte erweisen sich als Stationen einer Er‐ innerungsarbeit, bei der sich die zeitliche Dimension an einer örtlichen fest‐ macht. Dabei nimmt Sardinien einen Sonderstatus ein. Sardinien steht für jenen Teil des Lebens des lyrischen Ichs, der sich in einem Anderswo abgespielt hat und dem das lyrische Ich während seiner Sardinienbesuche nachspürt. Sardinien steht für die Kindheit und Jugend: 27 Salvatore A. Sanna - Ein deutsch-italienischer Lyriker in Frankfurt 23 „In questa terra/ In dieses Land“, Fünfzehn Jahre Augenblicke, S. 48-49. In questa terra ci vengo per ricercare una matrice spenta Ogni incontro d’uomini rimprovera il tratto straniero il diverso pensare C’è un mare ovale per la sua cornice che ti rimette l’infanzia e ti fa sognare un viaggio di là da essa. In dieses Land komme ich auf der Suche nach einer versiegten Quelle Jede Begegnung mit Menschen ist wie ein Vorwurf fremden Gebarens anderen Denkens Es gibt ein Meer oval in seinem Rahmen das mich in die Kindheit versetzt und träumen läßt von einer Reise aus ihr heraus. 23 Erinnerung macht der Dichter nicht zuletzt an menschlichen Begegnungen und Beziehungen fest. Gerade auch in dieser Hinsicht spielt Sardinien eine wichtige Rolle. Erinnerungen an Personen aus dem engeren familiären Umfeld beziehen sich häufig auf eine Zeit, die Kindheit und Jugend, die in Sardinien verbracht wurde. Manchmal sind Erinnerungen an geliebte Menschen miteinander ver‐ woben oder verschachtelt, wie in einem Liebesgedicht, in dem, wie es heißt, „unsichtbare Erinnerungen“ in der menschlichen Begegnung und in der Erfah‐ rung mit den Dingen ans Licht kommen. Die Begegnung mit dem Vater des lyrischen Ichs in Sardinien und die Vertrautheit mit ihm ermöglichen der 28 Immacolata Amodeo 24 „Erano i frutti ancora/ Es waren die noch grünen“, Mnemosyne, S. 48-49. Fremden, der Geliebten des lyrischen Ichs, die Erinnerung an ihren eigenen, verstorbenen Vater wieder sehr gegenwärtig werden zu lassen: Erano i frutti ancora verdastri dell’orto presso lo stagno che mio padre tagliava a fette per te. Forse vedevi in lui il tuo scomparso nelle falde d’un tempo barbarico Discreta ne seguivi il rito nell’attesa infantile del gusto inconsueto Si creava un accordo per memorie invisibili e con fierezza ostentavi a noi del nucleo la tua appartenenza. Es waren die noch grünen Früchte aus dem Garten unten am Teich die mein Vater in Scheiben zerlegte für dich. Vielleicht sahst du in ihm den deinen der im Schlund barbarischer Zeit entschwand Diskret verfolgtest du den Ritus in kindlicher Erwartung ungewohnten Geschmacks Ein Einklang stellte sich her über unsichtbare Spuren und voller Stolz zeigtest du uns vom Kern daß du dazu gehörtest. 24 29 Salvatore A. Sanna - Ein deutsch-italienischer Lyriker in Frankfurt 25 „È difficile spiegarti il senso/ Es ist schwer“, Fünfzehn Jahre Augenblicke, S. 54-55. In einem anderen Gedicht wird im Dialog mit einem „Du“ die eigene Kindheit erinnert: È difficile spiegarti il senso delle pietre che rafforzano il muro del convento Su quel muretto ci camminavo da ragazzo cercando l’equilibrio Le mie uscite notturne mi riconducono in quella strada a pochi metri da casa E mi vien di tentare. Es ist schwer dir den Sinn der Steine zu erklären die die Klostermauer stützen Auf dieser kleinen Mauer lief ich als Kind mühsam das Gleichgewicht haltend Meine nächtlichen Spaziergänge führen mich von neuem in diese Straße nur wenige Meter von zu Hause Und wieder muß ich es versuchen. 25 Das Erinnern ist das zentrale Thema besonders in dem Band Mnemosyne. Dort heißt es: I ricordi balzano fuori dal fondo della terra come le talpe in primavera […]. 30 Immacolata Amodeo 26 „I ricordi balzano fuori/ Die Erinnerungen schnellen empor“, Mnemosyne, S. 54-55. Die Erinnerungen schnellen empor aus dem Erdgrund wie die Maulwürfe im Frühling […]. 26 Die Gestalt der Mnemosyne, die dem Band den Namen gibt, gilt in der griechi‐ schen Mythologie als die Personifikation der Erinnerung und als die Mutter der neun Musen. Vor diesem Hintergrund mag die Metapher des Maulwurfs ungewöhnlich er‐ scheinen. Der Maulwurf ist ein Tier, das in der Erde gräbt, im Untergrund bleibt. Die beim Graben anfallende Erde schiebt er mit dem Kopf beziehungsweise dem Rüssel an die Erdoberfläche, wodurch die typischen, circa 25 cm hohen Erd‐ haufen entstehen. Der Maulwurf sieht schlecht. Seine kleinen Knopfaugen nehmen nur Unterschiede zwischen Hell und Dunkel wahr. Auch der Gehörsinn ist beim Maulwurf wenig ausgeprägt. Stattdessen kann er mit den Haaren „hören“. Sie nehmen kleinste Erschütterungen, Schwingungen, Bewegungen, ja sogar Luftdruckveränderungen auf. Der Maulwurf gräbt komplexe Tunnelsys‐ teme, die bis 200 m lang werden und bis 70 cm tief unter der Erde liegen. Auch viele Erinnerungen bleiben zunächst einmal im Verborgenen, im Unbewussten. Der Maulwurf „schnellt“, wie es in dem Gedicht heißt, „im Frühling herauf “, vielleicht angelockt durch das Sonnenlicht, vielleicht aus Neugierde. Auf ähn‐ liche Weise kommen manchmal auch Erinnerungen unversehens ans Licht. Ge‐ dichte können solche Lichtblicke im Dunkeln sein. Sie fangen Erinnerungen ein. Kunst ist - so gibt uns der Mythos zu verstehen - geformte, inkarnierte Er‐ innerung. Kunst und Literatur führen uns durch das Labyrinthsystem der Er‐ innerung. Die Erinnerungsarbeit wird in Salvatore A. Sannas Lyrik kombiniert mit einer Identitätsarbeit. 2. Dichten als Identitätsarbeit Im ersten Lyrikband Salvatore A. Sannas - Fünfzehn Jahre Augenblicke - sind die Gedichte, die sich auf die Erfahrung in Deutschland beziehen, und jene, die sich auf seine ursprüngliche Heimat Sardinien beziehen, klar getrennt. Man hat den Eindruck, dass Deutschland für das lyrische Ich ein Terrain ist, auf dem es neue Erfahrungen sammelt, mit neuen sinnlichen Eindrücken konfrontiert ist, neue Begegnungen macht. Sardinien hingegen erscheint als Chiffre einer frü‐ heren, einer vergangenen Zeit. Das, was als Kontrast erscheinen mag - Kontrast 31 Salvatore A. Sanna - Ein deutsch-italienischer Lyriker in Frankfurt 27 „Salvatore A. Sanna im Gespräch mit Immacolata Amodeo“. Unveröffentlichtes Inter‐ view anlässlich der Jahrestagung des Fachverbandes Italienisch in Wissenschaft und Unterricht, Universität Trier, 21. April 1990, Privatarchiv Immacolata Amodeo. Das In‐ terview wurde teilweise in deutscher und teilweise in italienischer Sprache geführt. Entsprechend wird Salvatore A. Sanna im Folgenden aus diesem Interview einmal auf Deutsch, einmal auf Italienisch zitiert (und von mir übersetzt). 28 „Salvatore A. Sanna im Gespräch mit Immacolata Amodeo“. zwischen Vergangenheit und Gegenwart, Kontrast zwischen Sardinien und Deutschland, Kontrast zwischen Deutschland und vielen anderen Orten, von denen in Salvatore A. Sannas Gedichten die Rede ist -, erweist sich, betrachtet man sein Gesamtwerk, tatsächlich als Zusammenspiel. Aus diesem Zusammen‐ spiel von Verschiedenem und bisweilen Gegensätzlichem konstituiert sich in Salvatore A. Sannas Lyrik eine individuelle Identität. Ich zitiere hierzu den Dichter selbst, aus der Tonbandaufnahme eines von mir geführten Interviews von 1990: „È quindi il problema della identificazione culturale, e, nello stesso tempo, […], tutti noi dobbiamo, se l’Europa continua a marciare, […] rinunciare a una parte della nostra identificazione. […] Cioè, rinunciare nel senso che non possiamo credere solo ad essa, ma, ampliando […] il nostro campo culturale, riceveremo una identificazione più grande che non sarà più quella nazionale, ma sarà quella europea.“ 27 „Es ist also das Problem der kulturellen Identität und zugleich müssen wir alle, wenn es mit Europa weitergeht, auf einen Teil unserer Identität verzichten. Verzichten in dem Sinn, dass wir nicht nur an sie glauben dürfen, sondern indem wir unseren kulturellen Radius erweitern, erhalten wir eine umfassendere Identität, die nicht mehr die natio‐ nale, sondern die europäische ist.“ (Übers. aus dem Italienischen Immacolata Amodeo) Die Geschichte - die individuelle wie die kollektive - ist Teil der Identität, sie steckt in der Identität. Zur europäischen Identität gehört z. B. auch die spanische Vergangenheit Sardiniens: „Non si deve neanche dimenticare che la Sardegna per quasi 400 anni è stata territorio spagnolo, appunto dal 1321 al 1716. Allora questo fatto ci ha resi un po’ estranei, cioè, ha reso i sardi estranei alla cultura nazionale, anche se poi è il caso e il destino che opera, la Sardegna è stata la prima regione a far parte […] di quella che poi sarà stata, o sarà, l’Italia.“ 28 “Man darf nicht vergessen, dass Sardinien fast 400 Jahre lang spanisches Territorium war, und zwar von 1321 bis 1716. Aufgrund dieser Tatsache stehen wir der National‐ kultur etwas fremd gegenüber. Auch wenn dann der Zufall es wollte, dass Sardinien die erste Region war, die zu dem gehörte, was dann Italien sein würde.“ (Übersetzung aus dem Italienischen Immacolata Amodeo) 32 Immacolata Amodeo 29 „Salvatore A. Sanna im Gespräch mit Immacolata Amodeo“. 30 „Salvatore A. Sanna im Gespräch mit Immacolata Amodeo“. Salvatore A. Sannas Dichtung führt vor, wie sich aus unterschiedlichen kultu‐ rellen Einflüssen, aus partikularen Geschichten jenseits der Nationalgeschichte, aus der Begegnung der kulturellen Prägung einer scheinbar randständigen Re‐ gion wie Sardinien mit mitteleuropäischen Mentalitäten eine Identität konsti‐ tuieren kann. Diese ist natürlich nicht als homogene und statische Identität zu sehen, sondern als eine Identität, die sich gerade auf der Grundlage eines Lebens an verschiedenen Orten, unter unterschiedlichen kulturellen Einflüssen kon‐ stituiert, als eine Identität in Bewegung, offen für die vielfältigsten Verände‐ rungen. Zu einer solchen Identität gehören auch mehrere Sprachen. Sanna macht deutlich, dass die deutschsprachige Umgebung, in der er einen großen Teil seines Lebens verbracht hat, auf sein Italienisch, seine Sprache der Dichtung, Einfluss hatte, diese inspiriert und stimuliert hat. Wie hat man sich das vorzustellen? Ich zitiere den Dichter selbst, der es anhand einiger Beispiele erläutert: „…in der Formulierung und auch in der Verwendung bestimmter Wörter, zum Beispiel der Goldregen ist eine Pflanze, die man in Italien selten sieht, aber der Goldregen blüht im Mai in unserem Garten, und so hat mich diese Pflanze besonders interessiert, oder zum Beispiel die Ebereschen, auch das ist etwas, was man in Italien selten sieht. Also das sind Stimuli, die ich aus dem deutschen Milieu entnehme und auch hier erlebe in einem Kontext, und insofern beeinflusst dieses Milieu auch die Auswahl der Wörter, die ich verwende.“ 29 Vielleicht könnte man von Osmose zwischen dem Deutschen und dem Italieni‐ schen sprechen. Die deutschsprachige Umgebung, in der er lange gelebt hat, hat sein Italienisch, seine Literatursprache, beeinflusst, stimuliert, erweitert. Das Italienisch, das dabei herausgekommen ist und das der Dichter verwendet, ist ein spezielles Italienisch. Der Dichter erläutert diesen Gedanken folgender‐ maßen mit seinen eigenen Worten: „Io scrivo in italiano, ma das ist eine andere Sprache, è una lingua che non ha seguito gli sviluppi che si sono avuti in Italia. Io sono fermo al linguaggio degli anni sessanta, alla lingua degli anni cinquanta, quando venni in Germania. E poi ho seguito gli svi‐ luppi, così, attraverso la radio, attraverso il giornale […], io sono qui da 25 anni, ma certamente c’è un fenomeno di ritardo e probabilmente è una lingua letteraria a cui io mi riferisco.“ 30 33 Salvatore A. Sanna - Ein deutsch-italienischer Lyriker in Frankfurt 31 Vgl. Gilles Deleuze/ Félix Guattari: Kafka. Für eine kleine Literatur. Burkhart Kroeber (Übers. aus dem Französischen), Frankfurt am Main: Suhrkamp 1976. 32 „Salvatore A. Sanna im Gespräch mit Immacolata Amodeo“. Salvatore A. Sanna erklärt hier, dass sein Italienisch, das Italienisch, in dem er dichtet, ein anderes Italienisch ist als das heutige Standarditalienisch. Sein Italienisch sei jenes, das er mitgebracht hat, als er nach Deutschland kam. Es reflektiere stark die Zeit, als er Italien verlassen hat, die fünfziger und sech‐ ziger Jahre des 20. Jahrhunderts; sein Italienisch habe sich natürlich auch in Deutschland weiterentwickelt, es wurde ständig aktualisiert durch Radio‐ hören und Zeitunglesen, aber es befinde sich doch in einer gewissen Versetzt‐ heit gegenüber den Entwicklungen der ‚Nationalsprache‘ innerhalb von Ita‐ lien. Es ist gewissermaßen ein ‚archäologisches‘ Italienisch, das zwar immer wieder mit den aktuellen Sprachentwicklungen in Italien in Kontakt getreten ist, aber doch die Patina einer anderen Zeit auf sich trägt, eine Art „papierne Sprache“. Diesen Ausdruck haben die französischen Literatur- und Kultur‐ theoretiker Gilles Deleuze und Felix Guattari in Bezug auf Franz Kafkas Pra‐ gerdeutsch geprägt, welches ebenfalls eher eine literarische als eine gespro‐ chene Sprache war. 31 Die Originalausgaben von Salvatore A. Sannas Lyrikbänden haben alle deut‐ sche Titel: Fünfzehn Jahre Augenblicke, Löwen-Maul, usw. Die Gedichte selbst wurden von Sanna aber auf Italienisch geschrieben. Erschienen sind sie dann in zweisprachigen Ausgaben. Die deutsche Übersetzung wurde nicht vom Autor selbst, sondern von Übersetzern besorgt: Von Ragni Maria Gschwend, Birgit Schneider, Gerhard Goebel-Schilling, Caroline Lüderssen. Obwohl Salvatore A. Sanna auf Italienisch dichtet, besteht er darauf, dass sein intendierter Leser ein deutscher Leser ist. 32 Der deutsche Leser ist der Dialogpartner des lyrischen Ichs, das auch seinen Prozess der Annäherung an die Sprache des Anderen themati‐ siert. Indem die sprachliche Andersartigkeit in der sprachlichen Begegnung er‐ fahrbar wird, eröffnet sich eine Art dialogischer Raum: […] Siamo studenti e decliniamo il der die das della tua lingua […] 34 Immacolata Amodeo 33 „Un calore infrarosso/ Eine infrarote Wärme“, Fünfzehn Jahre Augenblicke, S. 34-35. 34 „Salvatore A. Sanna im Gespräch mit Immacolata Amodeo“. […] Wir sind Studenten und deklinieren das Der Die Das deiner Sprache […] 33 . Salvatore A. Sanna betonte immer wieder, dass er für einen deutschen Leser schrieb: „… denn unsere Arbeit entsteht hier, und ob wir wollen oder nicht, schreiben wir für ein deutsches Publikum in erster Linie.“ 34 Dieser deutsche Leser betritt, sobald er sich auf Sannas Gedichte einlässt, den vom Dichter geschaf‐ fenen dialogischen Raum. Und man hat den Eindruck, dass es genau dieser dia‐ logische Raum ist, in den der Dichter seinen Leser führen will, um ihm in sprachlicher Hinsicht so einiges zuzumuten. Salvatore A. Sannas Gedichte ent‐ halten in der italienischen Fassung deutsche Worte, in der deutschen Fassung italienische Worte, aber auch englische, französische Formulierungen, oft sind es Ortsangaben, aber auch anderes. Wer einmal das Glück gehabt hat, einem Gedichtvortrag von Salvatore A. Sanna beizuwohnen, kann ermessen, welche Bereicherung des lyrischen Ausdrucks die italienische Dichtungssprache hier von den anderen Sprachen her, mit denen sie in diesen Gedichten in Kontakt kommt, erfahren hat. Mit Hilfe der Einflechtung anderer Sprachen in das Ita‐ lienische, mit Hilfe dieser sprachlichen Heterogenität, die Salvatore A. Sannas scheinbar einsprachigen italienischen Gedichte prägt, markiert der Dichter eine Distanzierung bzw. Grenze sowohl zwischen ihm und den einsprachigen und monokulturellen Deutschen als auch zwischen ihm und den einsprachigen und monokulturellen Italienern und führt zugleich einen Dialog mit dem Anderen, dem Gegenüber. Die mehrsprachige lyrisch-poetische Erinnerungs- und Iden‐ titätsarbeit von Salvatore A. Sanna ist auch eine kulturelle Vermittlungsarbeit. Diese kulturelle Vermittlungsarbeit ist nicht immer eine einfache Aufgabe. Es bedarf einer großen Sensibilität, eines hohen Maßes an Fingerspitzengefühl, wie dieses Gedicht suggeriert: Dalla sensibilità delle tue antenne riconosci la potenza del trasmettitore Le onde sono diverse lunghe, medie, corte e a modulazione 35 Salvatore A. Sanna - Ein deutsch-italienischer Lyriker in Frankfurt 35 „Dalla sensibilitá delle tue antenne/ An der Empfindlichkeit deiner Antennen“, Wachol‐ derblüten, S. 64-65. 36 Erschienen Frankfurt: Diesterweg Verlag 1995. Devi sintonizzarti per carpire il messaggio cifrato L’occhio del ciclone è ancora lontano. An der Empfindlichkeit deiner Antennen erkennst du die Stärke des Senders Die Wellen sind unterschiedlich lang, mittel, kurz und ultrakurz Du mußt dich einstellen um die chiffrierte Botschaft zu empfangen Das Auge des Zyklons ist noch fern. 35 3. Salvatore A. Sanna als „Heimatdichter“ Salvatore A. Sannas Gedichte erwähnen, wie gesagt, viele verschiedene Orte: Frankfurt, Rom, Paris, Genf, Lausanne, New York, Toronto, Montepulciano, Pa‐ lestrina, Parma, Pisa, Positano, Prag - und immer wieder Sardinien. An diesen Orten sind die Gedichte vielleicht zum Teil entstanden, jedenfalls verweisen sie auf alle diese Orte. Man hat den Eindruck, dass das lyrische Ich - und ich wage zu sagen, auch der Dichter - gewissermaßen an allen diesen Orten, in Europa und in der Welt, beheimatet ist. Salvatore A. Sannas Gedichte beschreiben und entwerfen auf diese Weise eine Heimat, die nicht in einem fernen Anderswo situiert ist, die aber ohne ein Anderswo nicht denkbar ist. Salvatore A. Sanna hat den Begriff „letteratura de-centrata“ geprägt. Er hat zusammen mit Caroline Lüderssen eine Anthologie herausgegeben mit dem Titel „Letteratura de-centrata. Italienische Autorinnen und Autoren in Deutsch‐ land“. Diese Anthologie versammelt literarische Texte und Einführungen zu Autorinnen und Autoren italienischer Herkunft, die - überwiegend - in Deutschland leben und schreiben. 36 Die Anthologie basiert auf mehreren Ta‐ gungen mit Autoren und Wissenschaftlern, die teilweise im Literaturhaus 36 Immacolata Amodeo 37 „Salvatore A. Sanna im Gespräch mit Immacolata Amodeo“. 38 Vgl. etwa Marcel Reich-Ranicki, „Konfessionen eines Besessenen“, in: Anneliese Botond (Hrsg.), Über Thomas Bernhard, Frankfurt am Main, 1979. S. 93-99 sowie Ilja Dür‐ hammer/ Pia Janke (Hrsg.), Der „Heimatdichter“ Thomas Bernhard, Wien: Holzhausen 1999. 39 Erich Auerbach, „Philologie der Weltliteratur“ (1952), in: ders., Gesammelte Aufsätze zur Romanischen Philologie, Bern/ München: Francke Verlag 1967, S. 301-310. Frankfurt, teilweise an anderen Orten, darunter die Villa Vigoni, stattgefunden haben. Letteratura de-centrata ist für Salvatore A. Sanna „[…] eine Literatur, die außerhalb des italienischen Sprachraums entsteht, obwohl sie sich der italieni‐ schen Sprache bedient.“ 37 Der Bezeichnung „letteratura de-centrata“ möchte ich als ergänzenden Such‐ begriff den der „neuen Heimatliteratur“ zur Seite stellen. Ich gebrauche diesen Begriff nicht in einem abwertenden, sondern in einem emphatischen Sinn, ähn‐ lich wie etwa auch Thomas Bernhard als „Heimatdichter“ 38 bezeichnet werden konnte. Die Heimat, von der Salvatore A. Sannas Gedichte handeln, ist nicht eine globalisierte Welt ohne Vergangenheit und ohne Zukunft. Salvatore A. Sanna beschäftigt sich mit sehr konkreten Heimaten, die er in seinen Gedichten beschreibt, abbildet und gleichzeitig sprachlich erschafft. Diese Heimaten - von Toronto bis Karbach - bilden ein über die Erde gespanntes Netz, in der „wech‐ selseitigen Befruchtung des Mannigfaltigen“, von der der jüdische Romanist Erich Auerbach in seinem berühmten Aufsatz zur „Philologie der Weltliteratur“ gesprochen hat: Salvatore A. Sanna verwendet in seinen Gedichten nicht „fertig geprägte Begriffe“, die „überall“ „auf der Lauer“ liegen, die „zuweilen durch Klang und Modegeltung verführerisch“ sind. Seine Gedichte enthalten „nichts Allgemeines, was von außen an den Gegenstand herangetragen“ würde. Sie sind „aus ihm herausgewachsen, ein Stück von ihm selbst“. Die „Dinge“ kommen „selbst […] zur Sprache“ 39 . Es ist, als ob aus der Ferne der Blick geschärft wurde für das Vertraute. Salvatore A. Sanna setzte seine wichtige Tätigkeit als kultureller Vermittler zwischen Deutschland und Italien mit den Mitteln der Dichtung auf einer an‐ deren Ebene fort. Seine Lyrik der Erinnerung ist zugleich eine Lyrik, die alter‐ native Modelle der Identität und ein neues Konzept von Heimat entwirft und vorführt. Sannas Gedichte können nicht als Repräsentanten einer National‐ kultur aufgefasst werden, sondern sie erscheinen als Gebilde der Interferenz, als Organismen eines Zwischenraums, der sich als Schnittmenge unterschiedlicher Erfahrungsräume ergibt; sie präsentieren ein Panorama von unterschiedlichen und vielfältigen Beheimatungen - und noch mehr. Alles dieses konnte so wahr‐ scheinlich nur in den Gedichten eines deutsch-italienischen Lyrikers in Frank‐ furt entstehen. 37 Salvatore A. Sanna - Ein deutsch-italienischer Lyriker in Frankfurt Aufsätze Zur Lyrik von Salvatore A. Sanna [2004] Thomas Amos con altra voce omai, con altro vello ritornerò poeta Paradiso, XXV, 7 f. I In Salvatore A. Sannas erstem Gedichtband, Fünfzehn Jahre Augenblicke [1978], trennt eine Illustration, ein eigens von Piero Dorazio angefertigtes Aquarell, die beiden Hälften der Sammlung, deren Inhalt - die Annäherung an Deutschland im ersten und die Wiederbegegnung mit der sardischen Heimat im zweiten Teil - klar zutage tritt. Was aber zeigen, ja: was bedeuten die impressionistisch hin‐ getupften, in Reihen unregelmäßig angeordneten, grauen und schwarzen Farb‐ flecke? An eine Scharnierstelle gesetzt, markiert das (im Original aus zweierlei Blautönen bestehende) Aquarell mit seinen mittelmeerisch bewegten Wellen zunächst eine symbolisch zu verstehende Grenze und vermittelt, bevor der Sar‐ dinien-Zyklus beginnt, dem Leser den nun stattfindenden Wechsel zwischen zwei Bereichen, zwei Sphären. Doch Dorazios Illustration will mehr sein als paratextueller Prolog: Sehen bzw. lesen lässt sich das Bild auch als unkenntlich gemachter oder gelöschter Text, eben als jene wenig später erwähnte „matrice spenta“, worunter in einem weiteren Sinne der Mutter-Boden des Lebens und der Poesie gleichermaßen, für Sanna ohnehin untrennbar verbunden, zu ver‐ stehen ist. Mithin gerät die Abbildung zum Meta-Zeichen, zum Abbild der Lyrik Sannas überhaupt. Ähnliche, auf Sannas Lyrik übertragbare, sie resümierende selbst-referentielle Zeichen enthalten sämtliche Sammlungen, das reicht, in schöner, aufwärts führender Bewegung, von „Qualche insegna notturna“ (Tutto 1 Alle Verweise auf Gedichte von Salvatore A. Sanna in diesem Beitrag aus: Salvatore A. Sanna, Fra le due sponde - Zwischen zwei Ufern. Gesammelte Gedichte Italienisch Deutsch. Herausgegeben, kommentiert und mit einem Essay versehen von Thomas Amos, Tübingen: Gunter Narr Verlag 2004. 2 Vgl. Italo Calvino, Lezioni americane. Sei proposte per il prossimo millennio, Milano: Mondadori 1993, S. 16-35. mi sembra…, Fünfzehn Jahre Augenblicke, S. 4 1 ) bis zur angedeuteten Himmels‐ schrift in Mnemosyne: „Nel cielo terso di un azzurro/ pallido i pipistrelli/ nottam‐ boli tracciano nell’aria/ un intrico di linee invisibili“ (Le attese, le tensioni, Mne‐ mosyne, S. 386). Die nach Calvino jeglicher Dichtung grundsätzlich innewohnende (und von ihm an Cavalcanti und Dante dargelegte) Tendenz ent‐ weder zur Schwerelosigkeit oder zum Gewicht (peso) gelangt nunmehr zu einem harmonischen Gleichgewicht: Sanna strebt, und das verdeutlichen die ge‐ nannten Beispiele ganz beiläufig, in seiner Kunst nach einer Leichtigkeit, wo‐ hinter nichtsdestoweniger ein sinnhaft-ernster Gehalt bzw. sorgfältige Ausar‐ beitung steht (leggerezza della pensosità). 2 II Allegorien, Symbole, Zeichen - eines der hervorstechenden Merkmale dieser ohnehin meist kurzen, überaus komprimierten Gedichte bleibt ihre höchst ein‐ drückliche bildliche Ausdrucksweise, mit Recht könnte man vom Primat des Bildes sprechen. Virtuos bedient sich Sanna dabei verschiedener fein abgestufter Verfahren. Zuweilen geht er von einer offensichtlichen oder leicht nachvoll‐ ziehbaren allegorischen Bedeutung aus, erweitert sie jedoch (und entzieht sie dadurch wieder teilweise dem Verständnis), etwa indem er die Malven sich der Sonne darbieten lässt („le tue malve/ offerte al sole/ sotto il ventaglio/ delle palme/ perdono/ la loro innocenza/ per l’avidità/ dei calabroni“, Château de la Solenzara, Löwen-Maul, S. 142) oder den Hahnenschrei zum Teil eines natur-magisch auf‐ geladenen Ritus erklärt („Un gallo in lontananza/ ripete un rito antico“, Le attese, le tensioni…, Mnemosyne, S. 386). Andere Symbole erschließt der Kontext: Das Eröffnungsgedicht des Sardinien-Zyklus in Fünfzehn Jahre Augenblicke, Massi…, läuft nach der Evokation der anthropomorph dargestellten sardischen Landschaft auf ein Artefakt, ein fremd-artiges, künstliches Objekt zu („Una co‐ lonna greca/ è un simbolo estraneo/ al paesaggio“, S. 44), das die Sonderstellung Sardiniens außerhalb der Magna Graecia und, mittelbar, den ungefügen, rauhen Charakter der Insel anschaulicher nicht ausdrücken könnte - und Winckel‐ manns aus klassischer Position ausgesprochenem Verdikt über die sardischen Bronzen entspricht, deren Form und Bildung „ganz barbarisch“ seien. 42 Thomas Amos Die Affinität Sannas zur Bildenden Kunst des 20. Jahrhunderts äußert sich wiederholt durch eine hohe Bildhaftigkeit des Gedichtes insgesamt und offen‐ kundig intermediale Bezüge: Tutto mi sembra… (Fünfzehn Jahre Augenblicke) beruft sich auf den gefrorenen Realismus Edward Hoppers; Karbach lehnt sich mit seinen großflächig aufgetragenen Farben an expressionistische Land‐ schaften an; Samaden (ebenfalls Wacholderblüten) präsentiert eine rote Blüte nach Art der Neuen Sachlichkeit, isoliert inmitten einer Winterlandschaft. Ei‐ nige Gedichte bilden Raum-Installationen derart plastisch nach, dass der Leser, obwohl Sanna fast völlig ohne beschreibende Elemente auskommt, die arche‐ typischen Figuren greifbar vor sich zu sehen meint; dazu zählen der Radio hö‐ rende Einsiedler am See (L’eremita…) oder die Schwangere auf der Rasenfläche (Sur la pelouse…, beide Löwen-Maul); noch sorgfältiger inszeniert Quadratscha (Wacholderblüten) ein inferno-rotes Interieur, einen bedrohlich wirkenden Un-Ort. Vielschichtig, aufgebrochen in eine Folge fragmentierter bildlicher Splitter stellt Sanna dagegen Alte Kunst dar - und bedient sich dabei eines unerwartet elegischen Tones; Pisa und Parma (Feste) breiten aus, wie bei der Betrachtung des Pisaner Campo Santo oder des Baptisteriums zu Parma die Kunst der italie‐ nischen Frührenaissance als kenntnisreiche „visione/ del particolare“ (Parma, S. 282) er- und belebt wird. Nicht der weit ausholenden, beschreibenden Ge‐ samtschau, Rapport des Bildungsreisenden, sondern den für viele Betrachter belanglosen Details, sei es der bronzene Hippogryph oder ein antikes Relief, gilt die Aufmerksamkeit des Autors, der, vor dem Baptisterium zu Parma stehend, seine eigene (dichterische) Existenz in der Lünette des Südportals dargestellt findet. Beide Male allerdings holt Sanna, ganz illusionsdurchbrechend, sich und den Leser wieder in die Wirklichkeit zurück: Der Blick auf diese Kunst, übrigens ein symbolischer „sguardo in alto“ (Parma), übersieht keineswegs den distan‐ zierenden Rahmen. Ungleich wirkungsmächtiger (und faszinierender) aber sind die Rätsel-Bilder, die Sanna dem Leser aufgibt. So skizziert das Gedicht Hôtel-Dieu (Feste) eine entlegene mittelalterliche Heiligenlegende, lässt sich aber von seiner Struktur her genauso als suggestive Reihung einzelner Bilder lesen, als quasi-surrealis‐ tische Einladung zum freien Assoziieren, und insbesondere die vom Schlussvers vorgeschlagene Aufhebung der passiven Rezeptionshaltung öffnet das auf den ersten Blick hermetisch wirkende Gedicht beträchtlich. Selten trifft die inter‐ pretatorische Binsenweisheit, dass bedeutende Lyrik den Leser zu allererst mit sich selbst konfrontiert, mehr zu. Sanna fordert regelrecht dazu auf, gleichsam den Gang ins Bild zu tun, d. h. die weitgefassten Symbole (Einhorn, Heiliger, Eichenzweig) mit Leben zu erfüllen und damit das Gedicht erst zu vollenden. 43 Zur Lyrik von Salvatore A. Sanna Ganz zur enigmatischen Chiffre wird das klassische Wappentier des Dichters, der Schwan, der längst nicht mehr seine symbolistischen Kreise zieht, sondern, reines Zeichen, im Sturzflug auf einen See herabstößt: „Effemeride di un week-end: / picchiata/ del cigno/ nelle acque/ del lago“ (Löwen-Maul, S. 176). Un‐ verkennbar: Sanna schreibt die pictura eines Emblems, dessen inscriptio und subscriptio fehlen; das Symbol des Schwans wird für die Gegenwart nicht neu besetzt, sondern fern jeder interpretatorischen Eindeutigkeit zu einem seines Inhalts beraubten leeren Zeichen erklärt. - Mitunter erteilt Sanna dem Leser, der nach Erläuterung fragt, eine klare Absage: Nachdem er die verschneite Winterlandschaft beschrieben hat („La neve riposa/ sui bracci lunghi degli abeti/ curvi come tube tibetane“, Wacholderblüten, S. 104), schlägt er, statt den unge‐ wöhnlichen Vergleich weiter auszuführen, eine schneeglitzernde Volte („At‐ tendi un suono/ ma ricade una pioggia/ di polvere bianca/ che brilla al sole“). Zwei Gedichte belegen ausdrücklich, welch hohe, ja so scheint es, zentrale Bedeutung Sanna dem „segno“ innerhalb seines Werkes beimisst. Manche Zeichen wirken kraft ihrer selbst lange nach, bis sie sich allmählich enthüllen: „Non è il senso/ che lascia tracce/ ma il segno/ e per capirlo/ occorre spesso/ tutta una vita“ (Feste, S. 234), andere beanspruchen womöglich, überlegt der Autor, Allgemein‐ gültigkeit über ihr Bezugssystem hinaus („Ho scoperto il rosso/ nel verde della natura/ Che significhi/ fermati/ come il rosso del semaforo? “, Wacholderblüten, S. 86). Am Beispiel des zweigeteilten und gespaltenen, halb menschlichen, halb tierischen Fabelwesens thematisiert Centauri (Wacholderblüten) das für Sanna grundsätzlich problematische Wesen des Zeichens selbst: „Fatale/ la disamina/ sul segno/ Fuoco? / Si! / Ma dove? “ (S. 112) Das versteckte (göttliche) Feuer, worunter wohl der jedem bedeutenden Zeichen noch eigene Rest des Numinosen bzw. des Undeutbaren zu verstehen wäre, behalten diese Bilder weiterhin, und daher rühren ihr Glanz und ihre Größe. III Für die (durchaus kritische) Auseinandersetzung Sannas mit der deutschen wie mit der italienischen Dichtung des 20. Jahrhunderts stehen exemplarisch die Namen Gottfried Benn und Eugenio Montale. Benn übt auf Sanna insofern einen zumindest mittelbaren Einfluss aus, als er, nach Kriegsende zum identitätsstif‐ tenden Autor und idealen Vertreter einer im konservativen Sinne verstandenen Moderne erklärt, mit seinen Statischen Gedichten (1949) sowie den folgenden Sammlungen Fragmente (1951), Destillationen (1953) und Aprèslude (1955) tat‐ sächlich bis Anfang der 1960er Jahre das literarische Leben der Bundesrepublik beherrscht. Die kurzfristige Sympathie mit dem Nationalsozialismus und seine 44 Thomas Amos aristokratisch begriffene „Innere Emigration“ schaden ihm dabei nicht, im Ge‐ genteil, mit der Rehabilitation Benns erteilt sich, inzwischen selbstbewusst ge‐ worden, das Adenauer-Deutschland eine literarisch-politische Absolution. Benns Ruhm - unter anderem erhielt er 1953 von Theodor Heuss das Bundes‐ verdienstkreuz - gründet, abgesehen davon, dass ernsthafte Konkurrenten fehlen, hauptsächlich auf seiner entschieden vertretenen Position des apoliti‐ schen, ichbezogenen Dichters, der, jegliches Engagement ablehnend, eine im Grunde romantisch-eskapistische, also sehr deutsche Gefühlslyrik ins 20. Jahr‐ hundert hinüberrettet. Am restaurativen Literaturverständnis jener Zeit, das einem von außen kommenden, unvoreingenommenen Blick umso deutlicher wird, setzt Sannas kritische Beschäftigung an. Obwohl sich eine Reihe Remi‐ niszenzen, intertextueller Bezüge oder Parallel-Stellen zu Versen und Gedichten Benns leicht nachweisen lassen, vor allem in der ersten Sammlung Fünfzehn Jahre Augenblicke, lehnt Sanna schnell Benns zynische Haltung des elitären und kultur-pessimistischen Dichters ab und verneint entschieden die Frage, ob eine aus der Zeit gelöste Haltung der Kunst um der Kunst willen nachahmenswert sei. Vordergründig politisch gibt sich freilich Sanna nie; es fehlen, sieht man von Carnevale ’59 (Wacholderblüten) ab, Auseinandersetzungen mit der unmittel‐ baren deutschen Vergangenheit; nur ein einziges Mal, in Erano i frutti ancora/ verdastri… (Mnemosyne), ereignet sich plötzlich ein flashback in die Vergangen‐ heit, öffnen sich die „falde/ d’un tempo barbarico“ (S. 352). Vielmehr widmen sich - und hierin liegt Sannas Engagement, das ihn von Benns sprichwörtlichem Nihilismus trennt - wiederholt Gedichte den sich verändernden gesellschaftli‐ chen Zuständen im Deutschland und Italien der späten 1960er und 1970er Jahre (etwa Ingrid, Filastrocca oder Paternale in Wacholderblüten); Vorbild dieser nie belehrenden, aber oft ironischen Betrachtungsweise dürfte Heinrich Heine sein, über dessen Epen Atta Troll und Deutschland. Ein Wintermärchen Sanna pro‐ movierte (vgl. Hoppla… und Parcheggio, beide Löwen-Maul). Der zweite Autor, für Sanna ungleich leitbildhafter, ist Montale. Sanna er‐ kennt in ihm den wohl internationalsten italienischen Autor des 20. Jahrhun‐ derts, denjenigen, der durch Rezensionen und eigene Übersetzungen (haupt‐ sächlich aus dem Englischen, u. a. Dylan Thomas, T.S. Eliot, Ezra Pound) die zeitgenössische ausländische Literatur dem italienischen Publikum vorstellt. Montale erscheint als Modell des zwischen den Literaturen vermittelnden, des europäischen Dichters mit weltliterarischem Hintergrund; außerdem ignorierte Montale nie das Zeitgeschehen, dafür steht, was zu seinem hohen Ansehen nach dem Krieg ebenfalls wesentlich beitrug, seine eindeutige Ablehnung des Fa‐ schismus. Von dieser in Montale beispielhaft vorgebildeten Rolle des Dichters abgesehen, regen insbesondere die zweite Periode, die späten Zyklen, Sanna an, 45 Zur Lyrik von Salvatore A. Sanna der, als Montale 1981 stirbt, in seiner Würdigung darauf hinweist, dass die ita‐ lienische (oder allgemein die moderne) Lyrik gerade aus diesen gemeinhin für gering geachteten Gedichtsammlungen zu einer Erneuerung gelangen könne. Aus Satura (1971), dem Diario del ’71 e del ’72 (1973) und dem Quaderno di quattro anni (1977) zieht Sanna poetologischen Gewinn, beobachtet den ganz neuartigen Notat-Charakter einer Lyrik, die, allem Pathos misstrauend, das Gedicht auf nie zuvor gekannte Weise in den Alltag einbettet. Sein stark an der arte povera ausgerichtetes, zutiefst mimetisches Gestaltungsprinzip thematisiert Montale selbst in Realismo non magico (Satura II), darin er einer allen Zaubers beraubten Wirklichkeit das Wort redet, einer ernüchterten Wirklichkeit, die auf die Frage „Che cosa resta incrostato/ nel cavo della memoria“ mit der Aufzählung banaler Lebensereignisse antwortet. Aus dieser unbeteiligten, kühlen, wie zurückge‐ nommenen Darstellungsweise, die ihm als der Moderne einzig gemäß erscheint (und vielleicht als Reaktion auf eine poesie-feindliche Welt zu sehen ist), bezieht Montales späte Lyrik ihre überzeugende poetische Kraft. - Beide, Montale (Xenia I und Xenia II, Satura) und Sanna (Mnemosyne) schreiben über den Tod der Partnerin, ein klassisches, vor allem durch Petrarca der italienischen Lite‐ ratur empfohlenes Thema; beide um-schreiben ihn, gehen ihn langsam, auf Um‐ wegen an, setzen ihn aus mehreren Gedichten zusammen - und dennoch ge‐ winnt der Tod, jenseits romantischer Gefühlsausbrüche, eine bedrohliche Gestalt. Wie verschieden die Lyriker Montale und Sanna voneinander letztlich bleiben, zeigt ein Blick auf zwei aus dem gleichen Anlass hervorgegangene Ge‐ dichte. Noch in A mia madre (La bufera, 1940-54) nimmt Montale angesichts des Todes seiner Mutter Zuflucht zu einem beschwörenden, neo-klassischen Tonfall („Ora che il coro delle coturnici/ ti blandisce nel sonno eterno…); Sannas Gedicht Abschied (Feste) hingegen reiht Bild an Bild, Eindruck an Eindruck („Sorriso giovanile, odore/ acre d’alghe bruciate/ sciacquio di mare“, S. 236) und überzeugt durch den Schmerz, der sich hier unverfälscht Bahn bricht. IV Was heißt Dichtung, wozu Dichten? Über Sinn und Daseinsberechtigung der Poesie und folglich auch über die Aufgabe des Dichters stetig reflektierend, stellt sich die Lyrik Salvatore A. Sannas diesen Fragen mit einer selbst für die Moderne bemerkenswerten Konsequenz. Eine der wesentlichen Aufgaben, die Sanna der Lyrik wie auch der Dichtung im allgemeinen zuteilt, ist - und diese Feststellung mag erstaunen - das Spielen: Mit dem Gedicht und seinen Bestandteilen, mit der Erwartungshaltung des Lesers, vor allem aber mit der Wirklichkeit. So er‐ laubt sich Sanna neben dem häufig vorkommen den komischen Detail, dem re‐ 46 Thomas Amos spektlosen Sperling (Il passero umanista…) oder der Landzunge in Form eines Walfisches („Quella balena giallognola“, Torre del pozzo…, beide Mnemosyne), spätestens mit Wacholderblüten regelmäßig Ausflüge, Ausbrüche ins Surreale. Bemerkenswert jene als „anziane signore/ imparruccate“ (Estate, Wacholder‐ blüten, S. 70) verkleideten Platanen oder der „piccolo lok/ ribelle“ auf der Suche nach amourösen Abenteuern (Viafier, Feste, S. 228); genaueres Hinsehen zeigt freilich, dass hier jedes Mal mit der Sprache (und vielleicht auch um die Sprache) gespielt wird, denn die Platanen, im Italienischen männlichen Geschlechts, ver‐ wandeln sich, unübersetzbar, zu betulichen Damen, während Sanna seinem stählernen Casanova den Neologismus „lok“ (für „locomotiva“) verleiht, was die Übersetzung von Gerhard Goebel so elegant mit „Triebwagen“ (S. 229) wieder‐ gibt. Oder sollte man, bei freier, ganz sprach-spielerischer Interpretation, gar den kleinen log(os) erkennen wollen, das Wort, das sich in einer wilden écriture automatique selbsttätig zu Sätzen reiht? Piano bar erzählt beziehungsreich davon, wie sich ein Bar-Pianist aus dem banalen Alltagsgeschäft in die Regionen der E-Musik emporspielt, und ein Gedicht später steigt ein Standbild von seinem Sockel herab und setzt sich ins Café (Edoardo VII, beide Löwen-Maul). Nach dem Vorbild eines Dino Buzzati oder Italo Calvino wollen diese scheinbar leichthin entworfenen, doch sorgsam elaborierten Miniaturen die Unerbittlichkeit des Alltags mit einer poetisch-wunderbaren Atmosphäre überziehen und erhöhen, weshalb sie von verblüffenden Verwandlungen handeln. Solcherart in Frage ge‐ stellt, verliert die vermeintliche Wirklichkeit ihre Schrecken, deren größte Ba‐ nalität und Langeweile sind. Dass das Spiel, das Unernste und Heitere, stets subversive, befreiende Züge besitzt, bleibt nicht die geringste, dem Leser mit‐ gegebene Lehre. Dichten heißt Erinnern - und gleichzeitig Vergessen. Anfang und (vorläu‐ figes) Ende dieses Werkes beschäftigen sich, bezeichnend genug, mit der Erin‐ nerung und, in einem weiteren Sinne notwendigerweise, mit dem Phänomen der Zeit, die es durch den Vorgang des Erinnerns im Gedicht aufzuheben gilt. Bereits der antithetisch gefügte Titel Fünfzehn Jahre Augenblicke stellt der schwer wiegenden Zeit ein scheinbar widersinniges und unwirksames, doch tatsächlich ausgleichendes Gegengewicht an die Seite, nämlich Moment-Auf‐ nahmen, festgehaltene Impressionen, Augen-Blicke, die sich ihrerseits im nach‐ hinein, im Kontext der Sammlung, zu einem großen Bildmosaik der Erinnerung zusammensetzen. Aber Sannas Sichtweise bleibt, das zeichnet sich bereits in den ersten Gedichtbüchern ab, nie auf ein simples foto-realistisches Verfahren be‐ schränkt, vielmehr setzt er, ohnehin stets um subjektive Wiedergabe bemüht, vorzugsweise grelle Verfremdungseffekte ein, um dem Leser nur ja etwas deut‐ lich vor Augen zu führen, seien es maskenhafte Gesichter („Rosso, bianco avorio/ 47 Zur Lyrik von Salvatore A. Sanna labbra stirate/ in un sorriso“, Fünfzehn Jahre Augenblicke, S. 14) oder ein typi‐ sches Detail des deutschen Karnevals („la birra sulle salsicce oleose“, Carnevale ’59, Wacholderblüten, S. 72). Den kaleidoskophaft bewegten Erinnerungen an die Anfangsjahre in Deutschland, an Reisen, Menschen und Liebesbeziehungen folgen in den Sammlungen Feste und vor allem Mnemosyne ungleich gewichti‐ gere, sehr persönliche Gedichte über den Tod der Mutter und später seiner Le‐ bensgefährtin. Das als moderne Nänie angelegte Gedicht Abschied (Feste) bietet, Vergangenheit und Gegenwart, Kindheitseindrücke und philosophische Über‐ legungen vermischend, den Blick in einen dissonanten Strom durcheinander‐ wirbelnder Bilder und Emotionen, darin sich nur eine tröstliche Gewissheit ver‐ birgt: „Alla sorte del tempo/ anche gli dei sono/ soggetti. Chi li vive/ ne ricorda la presenza/ impetra aiuto/ sul baratro che è fondo“ (S. 236/ 238). Diese sentenzar‐ tigen Verse inmitten eines anscheinend spontan niedergeschriebenen Gedichtes nehmen bereits die Anrufung einer haltverheißenden Klassik vorweg, der grie‐ chisch-römischen Antike, daraus Sannas fünfter Gedichtband die Mutter der Musen, die Titanin Mnemosyne (d. i. die archaische Personifikation der Erinne‐ rung und des Gedächtnisses) als mächtiges Schutz-Zeichen wählt. Bedrängende, herandrängende Erinnerungen, bewältigte und dichterisch schon festgehaltene, doch auch sich eben erst bildende Erinnerungen begegnen dem Leser in Mne‐ mosyne überall; Sanna verarbeitet, verwandelt sie zum Gedicht, er schreibt: „Mi scopro a mettere/ i ricordi ormai pallidi/ in grandi valige/ dentro scatoloni di car‐ tone“ (S. 346) - und paraphrasiert damit den Prozess des Schreibens, der mit der Verwahrung der Gedichte zwischen zwei Buchdeckeln endet. Wie aus einem allmählichen Klärungsprozess das Gedicht entsteht, thematisiert Sanna eben‐ falls am Vergleich der Erinnerungen mit den Maulwürfen, die aus dem großen Unten empordrängen („I ricordi balzano fuori/ dal fondo della terra/ come le talpe in primavera“, S. 358), doch sogleich wieder, da sie noch keinen gültigen for‐ malen Halt haben, in sich zusammenfallen („e le immagini disgregate/ rientrano“, ebd.). Den Feind, gegen den Sanna anschreibt, benennt S’incrociano le visioni…, es ist die zerstörerische, die heraufbeschworenen Bilder trübende Zeit („Il tempo le [le visioni] opacizza“, S. 374). Vermag die Erinnerung, die Zeit zu überwinden? Haben die einmal gefundenen Bilder Bestand? Kann die im Gedicht bewahrte Erinnerung trösten? Sanna hält darauf die Antwort einiger Gedichte bereit. In Le natiche bianche del cavallo… reist der Autor mit seiner Lebensgefährtin in den sardischen Frühherbst einer stilisierten Kindheit zurück, doch obwohl die Ver‐ gangenheit lebendig wie ein Film abrollt, löst die letzte Strophe den ganzen Zauber jäh auf, vernichtet die Zeit das für die flüchtige Dauer des Gedichtes zuvor wahrgewordene Wunder: „ma il tempo/ aveva distrutto il miraggio“ (S. 380). In andern Fällen gelingt Sannas Unterfangen, das beweisen eine knappe 48 Thomas Amos Handvoll Gedichte - Ritorno a casa, Gli occhi di Santa Lucia…, Erano i frutti ancora/ verdastri… oder Il San Rocco sul pianerottolo… -, die alle die Harmonie einer im Gedicht wiedergefundenen Zeit durchzieht. Schließlich besinnt sich Sanna auf die älteste und zu allen Zeiten höchste Funktion der Lyrik. Dichten heißt Zaubern, magisch Sprechen, durch Sprache Bannen. Bereits am Schluss von Fünfzehn Jahre Augenblicke spricht Sanna an und zu Sardinien: „La tua crosta è ruvida/ mare ha corroso le rocce/ vento ha appianato le cime/ vulcano ha perso le forze“ (S. 62); und später in Le natiche bianche del cavallo… (Mnemosyne) beschwört er noch einmal Kindheitserinne‐ rungen gleichsam in einem Zauberspruch herauf: „Rivedo i fichi bianchi/ sugli alberi, le corniole/ le vernacce, sento l’odore/ del mosto e delle vinacce/ il gusto dei minestroni/ di cavoli e di verdura“ (S. 378/ 380). Mit seiner Lyrik ein Wunder zu bewirken, versucht Sanna, wenn er, für die Dauer eines Gedichtes, in die mythologische Maske des Sängers Orpheus schlüpft (Fossile della specie umana…, Feste), der, um seine Geliebte Eurydike aus dem Hades heraufzuholen, die unterweltlichen Götter mit seiner Musik verzau‐ bert. Wie sein antikes Vorbild scheitert Sanna; was er aus seinem Gang in die Unterwelt der eigenen Psyche mitbringt, sind die auf magische Weise zu Ge‐ dichten verwandelten Erinnerungsbilder. V Sanna hat für jegliche im Ausland entstandene Literatur den Begriff der „lette‐ ratura de-centrata“ geprägt, womit er eine ihres kulturellen Zentrums beraubte Literatur meint, die im selbstgewählten oder unfreiwilligen Exil vor allem ihre eigene, besondere Situation thematisiert. Ob er selbst darunter fällt, bleibt recht fraglich, zumal ihm seine fortdauernde Vermittlertätigkeit zwischen Deutsch‐ land und Italien weiterhin profunde Kenntnisse des italienischen Kulturkreises abverlangt, so dass die Verbindung dorthin umso enger fortbesteht. Vielmehr scheint es, als habe man es mit einem Phänomen des Überganges zu tun, wird sich doch ein zusammengewachsenes Europa, das aus transnationalen Regionen besteht, von den dann überflüssig gewordenen Begriffen der „letteratura de-centrata“ und der „letteratura centrata“ längst gelöst haben. Angesiedelt auf einem Kontinent ohne Nationalstaaten und ihre zentralistischen Hauptstädte, beruft sich eine zukünftige europäische Literatur auf viele Zentren und Vor‐ bilder, Bezugs-und Anknüpfungspunkte in Vergangenheit und Zukunft und verdankt ihre vitale Kraft ständigem interkulturellem Austausch. Mit seiner Person und Lyrik vertritt eine solche offene Haltung Salvatore A. Sanna, der - Sarde, Italiener, Deutscher - vor allem ein guter, ein idealer Europäer ist. 49 Zur Lyrik von Salvatore A. Sanna 1 Gekürzte und überarbeitete Fassung eines anlässlich der Tagung „Letteratura de-centrata - Italiener schreiben in der Fremde“, Literaturhaus Frankfurt, 4.-6. Juni 1991, gehaltenen Vortrags. Salvatore A. Sanna: Die „Feste“ der Worte 1 [1995] Grazia Pulvirenti „So kam ich unter die Deutschen. Ich forderte nicht viel und war gefaßt, noch weniger zu finden.“ (Friedrich Hölderlin, Hyperion) Dieses kurze Hyperion-Zitat wurde nicht im Sinne einer Anspielung auf eine gestörte Beziehung zwischen Migranten und deutscher Wirklichkeit gewählt. Es ist noch heute eine treffsichere Schilderung des modernen Menschen eines jeden Landes und jeder Kultur. Die Empfindungen Hyperions offenbaren die Suche nach dem Selbst, nach der Einheit zwischen dem Individuum und einer erhofften harmonischen Welt, gerade in einer Zeit der Zersplitterung, der Ent‐ fremdung, des Verlustes. Eine ähnliche Haltung gegenüber der Fremde spürt man in den Gedichten Salvatore A. Sannas. Die Suche führt schließlich zu einem Ort jenseits von Raum und Zeit, zu der „Feste“ seines letzten Gedichtbandes. Das Trauern um den Verlust ist jedoch nicht die Grundstimmung von Sannas Lyrik. Diese zeichnet sich vielmehr durch Nachdenklichkeit und eine wiedergefundene „Freude“ aus, die nicht von der epikureischen Göttin der Anakreontiker, sondern von der alle Widersprüche und Unausgeglichenheiten überwindenden Har‐ monie verkörpert wird. Diese wird durch die oxymorische Struktur der letzten drei Bände vermittelt. Das Oxymoron - Alltägliches/ Erhabenes in Wacholder‐ blüten, Endlichkeit/ Ewigkeit in Löwen-Maul, Ordnung/ Freiheit in Feste - ist Ausdruck und Auflösung der Widersprüche zugleich. 2 Vgl. dazu auch die Nachworte Gerhard Goebel-Schillings zu den Bänden Löwen-Maul und Feste. 3 Hugo Friedrich, Die Struktur der modernen Lyrik, Hamburg: Rowohlt 1956, S. 16. 4 Vgl. Salvatore A. Sanna, „Statt einer Einführung“, in: Salvatore A. Sanna, Fünfzehn Jahre Augenblicke, Frankfurt am Main 1978, S. 5. Inhalte, Stil und Sprache, die Anwendung der Metrik der klassischen italie‐ nischen Dichtung und der Einsatz von Metaphern rücken die Lyrik Sannas mehr ins Blickfeld der ,letteratura metropolitana‘, d. h. der italienischen Gegenwarts‐ dichtung - wenn auch mit anderen Konnotationen -, als in jenes der Auslän‐ derliteratur. Die durch das Leben in der Fremde unterbrochene Beziehung zum eigenen Land und zu den heimatlichen Traditionen wird durch ein vielleicht unbewusstes Wiedergewinnen des sprachlichen Vermögens italienischer Dich‐ tung neu gestaltet: Sannas Lyrik zeichnet ein ständiges Vortasten zu den bildli‐ chen und klanglichen Elementen des lyrischen Materials aus. 2 Zwei Koordinaten - die Suche nach dem inneren Gleichgewicht und das Streben nach einer ihr angemessenen Sprache - begegnen sich und lassen eine ganz persönliche Welt entstehen, in der Gegenwart und Vergangenheit, Fremde und Heimat, Mensch und Natur einander gegenübergestellt werden. Durch die Umsetzung seiner Erfahrungen in eine verdichtete Sprache sucht Sanna den Leser anzuregen, die gewohnte Wirklichkeit neu wahrzunehmen. Dieser Pro‐ zess der Bewusstwerdung kann zur Selbsterkenntnis und damit auch zu einem inneren Gleichgewicht führen. Die zweite Komponente ist die lyrische Sprache: Von ihrer etymologischen Bedeutung her betrachtet ist Lyrik, nach dem griechischen lyra, jene poetische Form, die von der Musikalität geprägt ist, und in der individuelle Gefühle des Autors zum Ausdruck gebracht werden. Hugo Friedrich bezeichnet die Lyrik als die „Sprache des Gemüts, der persönlichen Seele“ 3 - diese heute leider altmodi‐ sche klingende Aussage scheint uneingeschränkt auch für Sanna zu gelten. Besonders im ersten Band, der den Titel Fünfzehn Jahre Augenblicke trägt und Gedichte aus der Zeit von 1962 bis 1977 enthält, setzt sich der Autor mit seinen persönlichen Erlebnissen auseinander. Die Konfrontation mit der fremden Um‐ gebung ist Thema dieses Bandes, dessen Gedichte beabsichtigen, verschiedene Kulturen und Lebensauffassungen einander näher zu bringen. 4 Die Begegnung mit dem Gastland ist hier eher als Etappe einer gerade angefangenen Reise denn als etwas Endgültiges zu sehen. Die Reaktion des Autors gleicht jener eines Reisenden, der eine neu entdeckte Dimension innerlich erlebt: 52 Grazia Pulvirenti 5 Fünfzehn Jahre Augenblicke, S. 8/ 9. Alle Gedichte in diesem Band sind übersetzt von Ragni Maria Gschwend. 6 Ebd., S. 38/ 39. Tutto mi sembra Alles erscheint mir estraneo fremd per le vie del nuovo in den Straßen des neuen quartiere Viertels […] 5 […] Wenn auch in manchen Gedichten die Kollision mit der deutschen Wirklichkeit und die damit verbundenen Schwierigkeiten eine große Rolle spielen, so werden die neuen Eindrücke und die Wahrnehmung noch unbekannter Landschaften doch unmittelbar verarbeitet. Diese Auseinandersetzung beschränkt sich jedoch nicht auf die Fremde als Ort der Emigration: Einige Gedichte dieses Bandes und auch der folgenden Bände schildern Erlebnisse in anderen Städten und Ländern. Der Umgang mit der Sprache unterscheidet sich hier von der bewussteren und gezielteren Handhabung in den späteren Gedichten. Sanna versucht, über die Sprachgrenzen hinauszugehen, in Kommunikation mit anderen Menschen zu treten. Diese ist auch ohne Worte in einer anders kodierten Sprache möglich: […] […] Ma c’è un linguaggio muto Aber eine stumme Sprache ist es che ci attrae die uns anzieht ricco d’irregolarità voller Unregelmäßigkeiten e parliamo, parliamo 6 und wir reden und reden Die Liebe wie die Sprache erweisen sich als Grunderfahrungen des Men‐ schen: Durch sie sind Glück und Annäherung, aber auch deren Umkehrungen möglich. Auch der Teil des Bandes, der Sardinien gewidmet ist, stellt keine Rückkehr zur Vergangenheit, zur Kindheit dar, sondern vielmehr die Auseinandersetzung mit der eigenen Entwicklung, auf der Suche nach Identität: […] […] C’è un mare ovale Es gibt ein Meer per la sua cornice oval in seinem Rahmen che ti rimette l’infanzia das mich in die Kindheit versetzt e ti fa sognare und träumen läßt 53 Salvatore A. Sanna: Die „Feste“ der Worte 7 Ebd., S. 54/ 55. 8 Salvatore A. Sanna, Wacholderblüten, Frankfurt am Main 1984, S. 68/ 69. Alle Gedichte in diesem Band sind übersetzt von Birgit Schneider. 9 Im Gedicht La neve riposa/ Der Schnee ruht, ebd., S. 42/ 43. 10 Hugo Friedrich (Anm. 2), S. 53. un viaggio von einer Reise di là da essa 7 aus ihr heraus Das Ziel der hier begonnen Reise ist noch unscharf charakterisiert, aber es deutet auf eine Loslösung von der Heimat hin. Eine völlig neue Atmosphäre ist in der zweiten Gedichtsammlung, die den klangvollen Titel Wacholderblüten trägt, zu spüren. Eine Verwandlung sowohl hinsichtlich der Wahrnehmung als auch der Sprache hat stattgefunden. Die Konturen des lyrischen Subjekts verschwimmen, und aus der im vorherge‐ henden Band noch biographisch geprägten Individualität wird eine entpersön‐ lichte lyrische Stimme, welche das Reale dichterisch gestaltet. Die daraus ent‐ stehende Welt ist noch immer die wirkliche, jedoch durch die Entdeckung eines ihrer tiefsten Wunder verklärt: Das „Erhabene“ ist im „Alltäglichen“ verborgen, und das „Alltägliche“ wird als das „Erhabene“ erlebt. Anche il sublime Selbst das Erhabene diventa quotidiano wird zum Alltäglichen e di sé ancora und verschärft so aufs Neue riacutizza il desiderio 8 nach sich das Verlangen Die in diesem Oxymoron entdeckte Harmonie wird durch die Euphonie der Sprache dichterisch erreicht. Jedes Wort schafft durch seine Isolierung im Kon‐ text und durch den Klang neue Konnotationen. Das Unsagbare wird durch eigenwillige Laut-Kombinationen wahrge‐ nommen: Die Baumzweige, „bracci lunghi degli abeti“, welche in alliterierende „tube tibetane“ verwandelt werden, bekommen ein der Wirklichkeit fremdes Dasein. Dadurch verleihen sie dem „suono“, dem „annuncio“ der dann folgenden Verse eine verfremdete Bedeutung. 9 Sanna operiert also mit den Impulsen der Sprache, mit den „geheimnisvollen Zaubermächten des reinen Tönens“, 10 wobei die Klangfiguren die neue Atmo‐ sphäre dieser erdichteten Welt schaffen. Die schon im ersten Band angedeuteten Motive erklingen im zweiten wieder, aber so verwandelt, dass sie kaum zu erkennen sind. Landschaftsbilder bedürfen jetzt keiner Beschreibung und dienen nicht mehr vordergründig der Objekti‐ vierung von Seelenzuständen: „Ho scoperto il rosso/ nel verde della natura“ („Ich 54 Grazia Pulvirenti 11 Wacholderblüten, S. 24/ 25. 12 Ebd., S. 56/ 57, Pendoli melottiani/ Melottianische Pendel bzw. S. 58/ 59, Reminiscenze/ Reminiszenzen. 13 Ebd., S. 14/ 15. 14 Salvatore A. Sanna, Löwen-Maul, Frankfurt am Main/ Aarau: Sauerländer 1988, S. 84/ 85. Alle Gedichte in diesem Band übersetzt von Gerhard Goebel-Schilling. habe das Rot/ im Grün der Natur entdeckt“). 11 Ein bestimmter bedeutungsvoller Augenblick tritt in den Mittelpunkt von nur angedeuteten Ereignissen. Die neu auftretenden Vorlagen künstlerischen und literarischen Ursprungs - „Melottianische Pendel“, „Reminiszenzen“ 12 - sowie das Motiv der Liebe werden in einen hermetischen Kosmos versetzt: Sei Frine Bist Phryne sei bella bis schön hai fascino hast Reiz hai mura hast Mauern di fuoco 13 aus Feuer Der eigentlich seltsame Aufbau der Strophe durch gleichmäßige jambische Ter‐ naren, die doppelte Alliteration - „sei“, „hai“ -, die Wiederkehr der Palatalvo‐ kale / i/ , / e/ und / a/ und das Auftreten der Velarvokale erzeugen hier eine son‐ derbare Musikalität. Darüber hinaus greift der Autor auf Gestalten der Antike zurück, deren Geschichte eine verschlüsselte Aussage mit Bezug zur Gegenwart erlangt, eine Tendenz, die in den späteren Gedichten verstärkt auftritt. Das folgende kurze Gedicht aus dem Band Löwen-Maul ist Ausdruck einer gereiften und differenzierten Lebensauffassung: Tutto si rimescola Alles verbindet nella notte neu sich in der Nacht per rifiorare um zu erstehn in forma d’asfodelo 14 als Asphodelenblume In der Nacht, wenn die Erlebnisse des Tages überdacht werden, lösen sich Un‐ ausgeglichenheiten, Gegensätze und Spannungen auf. Das müde Weiß der As‐ phodele, der Blume des Totenreiches, des Elysiums, steht symbolhaft für die wiedergefundene Einheit des Ichs mit dem Ganzen, möglicherweise als moderne Variation der „blauen Blume“ der Romantik. In ähnlicher Weise verkörpert die Figur des Einsiedlers das Symbol der Ver‐ einigung mit dem allumfassenden Leben: L’eremita Der Einsiedler au bord du lac au bord du lac 55 Salvatore A. Sanna: Die „Feste“ der Worte 15 Ebd., S. 42/ 43. 16 Vgl. ebd., S. 14, 26, 30, 40. 17 Ebd., S. 68/ 69. 18 Vgl. ebd., S. 60, 80, 20 und 34. vi ha eretto la tenda hat sein Zelt aufgeschlagen la radio trasmette das Radio bringt musica jazz Jazz e lui und er si sente parte fühlt sich Teil del tutto 15 von Allem Ein fast synkopierter Rhythmus durchdringt sie Verse, die nicht mehr durch phonetische Spiele wie Alliterationen oder Assonanzen gebunden werden, son‐ dern durch ungleichmäßige Taktreihen. Auch in den anderen Gedichten tragen die Anwendung des Enjambements, die Wiederkehr französischer und archaisierender Wörter, die aufgrund ihrer Musikalität ins Sprachgewebe hineingezogen werden, z. B. „pelouse“, „juge de paix“, „occàso“, „riseca“, „avornello“, „appropizia“, zu einer beschwingten Stim‐ mung bei. 16 Solche Wörter rücken die Ereignisse in eine zeitlose Sphäre, in der Mythen der Vergangenheit und Empfindungen des Augenblicks miteinander verschmelzen. Auch surreale Momente schärfen die Konturen des beschrie‐ benen Erlebnisses: Edoardo VII Eduard VII. stanco di tanto teatro all des Theaters müde quando può steigt sobald möglich scende da cavallo vom Pferd e sulla grande piazza und auf dem großen Platz a La Pointe St. Eustache an der Pointe St. Eustache comanda un café crème 17 bestellt er einen Café crème Im Mittelpunkt der dichterischen Welt Sannas stehen die Liebe als Summe von unantastbaren Geheimnissen und die Grenzüberschreitung des Physischen in den unbegrenzten Raum der Seele. Die Liebesgedichte haben immer etwas Ero‐ tisches, und die Figur der Geliebten umgibt ein Hauch des Mythischen: Von Psyche, deren Name zugleich Seele bedeutet, Elisabeth, Inbegriff der Opferbe‐ reitschaft, der „normannischen Fee“, bis zur zweideutigen Figur der Polia, in der die „erstgeborene Fortuna“ lebt. 18 Die Liebe ist auch ein Prozess der Läuterung: Der Autor identifiziert sich mit einem „Du“ und gewinnt neue Klarheit: 56 Grazia Pulvirenti 19 Ebd., S. 22/ 23. 20 Ebd., S. 86/ 87. 21 Vgl. etwa ebd., S. 12, 22, 24, 80, 88. 22 Ebd., S. 26/ 27. 23 Vgl. ebd., S. 88/ 89: „Come quella del faro/ la tua luce/ sarà intermittente“ („Wie das des Leuchtturms/ wird deins/ ein Blinklicht sein“). 24 Salvatore A. Sanna, Feste, München-Mainz: von Hase & Koehler Verlag 1991, S. 28/ 29. Alle Gedichte in diesem Band übersetzt von Gerhard Goebel-Schilling. Bianca è la luce Weiß ist das Licht […] […] Il chiarore di Lei Das Helle an ihr è dell’occhio kommt vom Auge penetra la penombra durchdringt das Dämmern della notte 19 der Nacht Die Liebe ist außerdem Teil jener wiederentdeckten Einfachheit des Lebens, durch die in der Endlichkeit Ewigkeit gespürt wird: Bello Schön ist accorgersi das Wahnehmen delle cose semplici der einfachen Dinge finite die endlich e pure sind und doch eterne 20 ewig Die klare Sprache Sannas vermag Helligkeit zu beschwören. Über die Laut-Me‐ lodie hinaus betrifft die Lichtmetaphorik auch die semantische Ebene: Wörter, die zum Umfeld des Lichts gehören, kehren immer wieder: „sole“, „illumina“, „chiarore“, „lampeggia“, „luci“, „luce“ (fünfmal). 21 Was letzten Endes bleibt, ist die Suche nach Hellem, nach Erkenntnis: I nostri occhi Unsre Augen sono aperti sind aufgetan su uno spazio notturno nächtigem Raum avidi di chiarezza 22 nach Hellem gierig Die Finsternis wird durch das Licht der wiedergefundenen Harmonie verdrängt. Allerdings ist dem Menschen dieses Licht nur in der Form eines „Blinklichtes“ vergönnt, wie dem Seemann jenes des Leuchtturms. 23 Im bisher letzten Gedichtband Sannas, Feste, ereignet sich ein „cambiamento di senso“: „Per te cambian senso/ le cose impalpabili“ („Für dich ändern/ die un‐ greifbaren Dinge/ den Sinn“). 24 Das Zeichen, nicht der Sinn, erzeugt Bedeu‐ 57 Salvatore A. Sanna: Die „Feste“ der Worte 25 Vgl. ebd., S. 68/ 69: „Il senso del divino/ è vicino“ („Der Sinn für das Göttliche/ ist nah“). 26 Ebd., S. 92/ 93. tungen, und die Welt ist bedeutungsvoll, weil die Zeichen manchmal ihre ver‐ steckten vielfältigen Sinne entschleiern. Dadurch wird der Sinn für das „Göttliche“ stärker empfunden, obwohl es noch immer unerreichbar ist. 25 Im Beschauen und Erkennen der Kräfte, die mit mathematischer Strenge die Welt regieren, entdeckt sich das Individuum als Teil davon. Im Befolgen solcher Ge‐ setze sieht Sanna die menschliche Freiheit. Ordnung und Freiheit scheinen sich nicht zu widersprechen: Der scheinbare Gegensatz ermöglicht vielmehr das Ineinanderspielen der Widersprüche über ihr Spannungsverhältnis hinaus. Ent‐ gegengesetzte Begriffe werden durch diese rhetorische Figur vereint, um das Aufsteigen in eine Sphäre zu ermöglichen, die höher ist als jene der Wahrneh‐ mung und die in vielen Gedichten erahnt wird. Sprachlich zeigt Feste eine Hin‐ wendung zu geometrischen Strukturen und einer nahezu „klassischen“ Klarheit. Im letzten Gedicht wird die in der Ordnung gefundene Freiheit, die aber nicht die Entwicklung menschlicher Kräfte beeinträchtigt, in der sprachlichen Archi‐ tektur zum Ausdruck gebracht: L’ordine si ristabilisce Die Ordnung stellt sich wieder her e libertà diventa und Freiheit wird la salita alle stelle 26 der Weg zu den Sternen Offensichtlich ist der Parallelismus der Verse: Die ersten Halbzeilen der ersten zwei Verse - eines Novenars und eines Septenars - bestehen aus den Substan‐ tiven „ordine“ und „libertà“, die man als ,parole-tema‘ bezeichnen kann; die ab‐ schließenden Halbzeilen enthalten die Zeitwörter „si ristabilisce“ und „diventa“. Im letzten Vers folgen zwei Substantive hintereinander, wobei das erste durch die vorangegangenen Verben eine dynamische Kraft erhält, welche durch die Alliteration „salita“, „stelle“ und durch die hellen Vokale den aufsteigenden Rhythmus der Bewegung wiedergibt. Das Licht, nun durchsichtig, ohne Schatten oder Abtönungen, überflutet das Wort. Die Vielfalt der Bedeutungen jedes Zeichens oder jedes Syntagmas nimmt zu, und die vielen Konnotationen erschweren die Deutung. Dieses Phänomen ist das, was sprachlich einer neuen Einstellung zum Leben entspricht: Die Welt ist ein mehrdeutiges Gewebe von Chiffren, über denen die Himmelsfeste steht. Die nicht gedeuteten Chiffren sind das, was nach dem Vergehen des Lebens, des Menschen, der Götter, bleibt; Bilder, die von Künstlern geschaffen wurden: Die Maria von Nicola Pisano, die Geschichte des Knaben mit dem Honig des Meisters Benedetto Antelami, der thrakische Held, die Kuppel Palladios auf der Giudecca, 58 Grazia Pulvirenti 27 Ebd., S. 12, 64, 76, 86. 28 Ebd., S. 12, 30, 56, 76. 29 Ebd., S. 8, 10, 44, 54, 66. 30 Ebd., S. 38/ 39. Guidoriccio da Fogliano; 27 mythologische Figuren - Phaedra, Harmonia, Or‐ pheus, Morpheus 28 - oder Symbole, denen Sanna eine persönliche Bedeutung beimisst - „un cavalluccio marino“, „un piccolo lok“; verschiedene Landschaften, „le fiammelle della fortezza“, „il fischio d’una locomotiva“, „le pozze dʼacqua della strada“. 29 Das Leben erscheint in diesem Band oft als ein ununterbrochenes Abschied‐ nehmen. Darüberhinaus bleibt aber die Suche nach „corrispondenza“, bleibt „il passo lento/ sul cammino dell’esistere“ („das langsame Fortschreiten/ auf dem Wege des Daseins“) 30 und die Heraufbeschwörung jener unerreichbaren, aber doch intuierten „Feste“, in der der Mensch seinen mythischen Ursprung und den endgültigen Sinn seines Daseins finden kann. 59 Salvatore A. Sanna: Die „Feste“ der Worte 1 Salvatore A. Sanna scrive le sue poesie in italiano pubblicandole però con il titolo te‐ desco e la traduzione tedesca a fronte. Nel corso del lavoro faremo riferimento alle seguenti raccolte poetiche: Fünfzehn Jahre Augenblicke. Gedichte Italienisch-Deutsch. Übertragen von Ragni Maria Gschwend. Mit einer Zeichnung von Pietro Dorazio, A casa nelle parole. La lirica di Salvatore A. Sanna [1998] Lucia Perrone Capano „…und so ist denn zuletzt der ganze Zirkel abgeschlossen, in welchem sich die Annäherung des Fremden und Einheimischen, des Bekannten und Unbekannten bewegt“ (Goethe, Noten und Abhandlungen zum besseren Verständnis des West-östlichen Divans) 1. I luoghi della poesia Nella lirica di Salvatore A. Sanna i luoghi dell’„origine“ e della „Fremde“ non appaiono come realtà da avvicinare in maniera artificiosa o da contrapporre storicamente, filosoficamente, culturalmente, politicamente, ma piuttosto for‐ niscono una riserva di tratti la cui messa in moto, attraverso il gioco dell’inven‐ zione poetica, permette di creare un nuovo sistema simbolico nel quale risuo‐ nano richiami di differenza che il poeta ha potuto ascoltare. Il reale conosciuto si disfa, per così dire, sotto l’effetto di altre suddivisioni per costituire uno spazio di nuovi frammenti, una polvere di eventi che non si può coagulare, dirigere, concludere. L’„interculturalità“ propria della condizione del poeta Sanna 1 agisce come fermento stilistico nella ricerca di uno o più moduli espressivi e nella difficile Frankfurt am Main (Privatdruck) 1978; Wacholderblüten. Gedichte Italienisch-Deutsch. Übersetzt und mit einem Nachwort von Birgit Schneider. Mit zwei Zeichnungen von Fausto Melotti, Frankfurt am Main (Privatdruck) 1984; Löwen-Maul. Gedichte Italie‐ nisch-Deutsch. Übersetzt und mit Nachwort von Gerhard Goebel-Schilling. Mit zwei Zeichnungen von Ermanno Leinardi, Frankfurt am Main/ Aarau: Sauerländer 1988; Feste. Gedichte Italienisch-Deutsch. Übertragung und Nachwort von Gerhard Goebel-Schilling. Mit zwei Zeichnungen von Achille Perilli, München/ Mainz: von Hase & Koehler 1991. 2 In: Sanna, Wacholderblüten, p. 48. 3 Cfr. le osservazioni di B. Schneider nel Nachwort alla raccolta Wacholderblüten, p. 73. [In questo volume p. 143 s.] 4 Sanna, Fünfzehn Jahre Augenblicke, p. 54 conquista di un contenuto che rimane alla fine filiforme, quasi evanescente. Il poeta aspira a soluzioni liriche per un’intima sensibilità quotidiana, fornisce i connotati dell’occasione che ha stimolato in lui una poesia, sembra anzi voler sottolineare gli eventi minimi, quasi a far pensare che sia lì il soggetto della poesia stessa. L’esperienza fondamentale che ne è alla base è quella dello spostamento, as‐ sieme linguistico e geografico, che dà fiato e sostanza alla parola poetica. L’io lirico avanza e ritorna su se stesso, misura il mondo da differenti luoghi dei quali si appropria („in questo giardino/ sono io il giardiniere/ e le piante/ mi obbedi‐ scono“) 2 , superando il conflitto, come si diceva, tra realtà dell’origine e realtà tedesca 3 . Così il paesaggio natale non è solo vagheggiato come rifiuto della me‐ moria dell’infanzia ( il „mare ovale…“ di Sardegna „che ti rimette l’infanzia“) 4 ; lo sguardo severo e ironico del poeta riesce a vedere anche gli aspetti grotteschi della „modernità“ nel paesaggio italiano, l’inerzia del tempo e della storia sul paradiso terrestre, popolato ormai da „i rambo della domenica“, come nella To‐ scana di Bagno Vignoni: Nella grande vasca Im großen Becken l’acqua s’increspa appena kräuselt das Wasser sich kaum al vento di ponente unterm Abendwestwind. Riappare il suo sobrio passato Hervor tritt wieder sein nüchterner quando i rambo Urzustand, wenn della domenica die Sonntags-Rambos col loro sguaiato vociare mit ihrem rohen Geschrei si ritirano. È il vapore abziehen. Es ist der Dunst delle notti d’inverno der Winternächte la nebbia caldo-umida der feuchtwarme Nebel l’odore di ferrigno der Rostgeruch 62 Lucia Perrone Capano 5 Bagno Vignoni, in: Letteratura de-centrata. Italienische Autorinnen und Autoren in Deutschland, a cura di C. Lüderssen e S. A. Sanna, Frankfurt am Main: Diesterweg 1995, pp. 222-223 [La poesia fu pubblicata nel 1999 nella raccolta Mnemosyne. Hommage an die Mutter der Musen, Frankfurt/ Aarau: Verlag für deutsch-italienische Studien 1999, pp. 18-19]. 6 „in un passaggio del Malte, Rilke dice che ,i versi non sono sentimenti, sono esperienze. Per scrivere un solo verso bisogna aver visto molte città, uomini e cose…‘“. Maurice Blanchot, dopo aver citato queste parole del Malte, aggiunge che ciò non vuol dire che „il verso sia l’espressione di una personalità ricca, capace di vivere e di aver vissuto. I ricordi sono necessari, ma per essere dimenticati, affinché, in questo oblio, nel silenzio di una profonda metamorfosi, nasca alla fine una parola, la prima parola di un verso“ (M. Blanchot, Lo spazio letterario [1955], tr. it. di G. Zanobetti, Torino: Einaudi 1967, p. 69). 7 Sanna, Feste, p. 16. 8 O. Paz, „Traduzione: letteratura e letteralità“, in: Teorie contemporanee della traduzione, a cura di S. Nergaard, Milano: Rizzoli 1995, pp. 283-297, qui p. 292. il mesto gorgogliare das trauervolle Gurgeln delle polle il tuo messaggio der Springquellen deine Botschaft. 5 Il suo interesse si sposta da un mondo preesistente ad un mondo in fieri, soltanto possibile in assoluto: quello della parola che coincide con l’immagine. 6 La parola appare come la subitanea rivelazione di una verità, sotto la quale giace una sorta di geologia esistenziale. Essa ha il potere di far apparire le cose in quanto scom‐ parse, apparenza di una sparizione, è presenza che ritorna all’assenza. Questa possibilità verbale implica un tempo poetico che è quello di un’eventuale av‐ ventura, l’incontro di un segno e di un’intenzione: Non è il senso Nicht der Sinn che lascia tracce hinterläßt Spuren ma il segno sondern das Zeichen e per capirlo und um es zu verstehen occorre spesso bedarf ’s oft tutta una vita eines ganzen Lebens. 7 L’„immobilità dei segni“ 8 che caratterizza la scrittura poetica, dà luogo e rinvia infatti ad una „pluralità di significati“, che a sua volta risulta inesauribile. La ricerca di significato si rinnova quindi costantemente ed è legata a quella „im‐ penetrabilità“ del linguaggio poetico che è direttamente proporzionale alla pos‐ sibilità di soluzione simbolica che la realtà dell’esperienza offre al poeta. Il let‐ tore/ interprete avrà allora il compito di smontare, con un’operazione mai definitiva, gli elementi della poesia per rimetterne in circolazione i segni e ren‐ dere le parole „mute“ e insostituibili di nuovo parte del „linguaggio“. E quelle che possono apparire come criptiche allusioni ad un’esperienza personale, che 63 A casa nelle parole. La lirica di Salvatore A. Sanna 9 Scrive a questo proposito Carmine Chiellino che „für beide Autorengruppen sich das Sprachproblem identisch gestaltet, denn sowohl die Muttersprache als auch die deut‐ sche Sprache der Deutschen reichen nicht aus, um das Leben in der Fremde literarisch darzustellen“. („Mehrsprachigkeit. Muttersprache als literarisches Substrat? Gastarbeiter‐ deutsch als Notwendigkeit? Standarddeutsch für eine nichtnationale Literatur? “, Emi‐ granten- und Immigrantenliteratur. Akten des VIII. Internationalen Germanisten-Kon‐ gresses Tokyo 1990, IVG. Begegnung mit dem Fremden. Grenzen - Traditionen - Vergleiche, Bd. 8, hrsg. v. Y. Shichiji, München 1991, pp. 63-70, qui p. 64. 10 Feste, pp. 32-33. 11 Gino Chiellino citato da E. Markstein, „Das Fremde wird Buch. Literarisches Übersetzen in multikultureller Gesellschaft“, in: Lebende Sprachen, XL. Jg., 3/ 1995, pp. 97-101, qui p. 99. non tentano neppure di chiarire la loro enigmatica presenza, abbandonano al‐ l’interpretazione di chi legge la profonda e misteriosa atmosfera in cui nascono. 2. Lingua e memoria La „tecnica“ poetica, una certa innocente astuzia letteraria, rappresenta in questi testi non tanto un’operazione retorica, quanto soprattutto evocativa, o meglio allusiva, tesa tra memoria e ricordo, nostalgia e sentimento, attraversati da un vago filo ironia. La lingua italiana, in cui Sanna scrive i suoi versi - a differenza di altri connazionali che hanno optato per la lingua „straniera“ -, messa a con‐ fronto con quella tedesca risulta, in questi testi bilingui, in qualche modo estranea e allo stesso tempo familiare, un mezzo il cui uso è forse più autonomo e spontaneo, ma rappresenta, paradossalmente, un approccio diverso. 9 Il poeta poliglotta, che cambia patria e lingua, stabilisce infatti nuove linee di comuni‐ cazione e di congiunzione, come nell’incontro tra i poli e i meridiani di una delle sue poesie: Baciano i due poli Zart berühren die Pole i meridiani e un campo sich mit den Meridianen s’instaura di forze und aus ihrem Kuß entsteht magnetiche ein Magnetfeld 10 E la traduzione, a sua volta, appare più come l’opera di un coautore che „apre“ il tedesco alla lingua straniera 11 creando un effetto di rispecchiamento che rinvia il lettore da un testo all’altro e che mette l’opera stessa in costante movimento. Può sembrare addirittura in qualche momento che il testo tedesco dica di più nella sua operazione di trasferimento linguistico e semantico, sciolga le ambiguità o vice‐ versa dia vita ad una nuova figura poetica, come ad esempio in quella ruota „mü‐ degerollt“, che in italiano è semplicemente appoggiata al pino „per stanchezza“. 64 Lucia Perrone Capano 12 Löwen-Maul, pp. 78-79. 13 Nachwort a Feste, p. 95. [In questo volume p. 153 s.] 14 Feste, p. 24. 15 S. A. Sanna, La fortezza dellʼaria, presentazione di L. Malerba, tre disegni di E. Della Torre, Torino: Franco Masoero 1995, risvolto di copertina. 16 Wacholderblüten, pp. 68-69. […] […] Una ruota Ein Rad s’appoggia lehnt sich al pino an die Pinie per stanchezza müdegerollt 12 Emblematicamente il titolo dell’ultima raccolta, Feste, parola che può essere sia italiana che tedesca, esprime un intimo legame tra le due lingue. Feste, come scrive nel Nachwort Goebel-Schilling, sono quelle „des Abschieds und Auf‐ bruchs. Des Abschieds von einer fremd gewordenen, vielleicht immer gewe‐ senen Erde, und des Aufbruchs in eine Heimat, in der man nie war und vielleicht nie ankommen wird: eben die Feste“ 13 . Ma Feste, in tedesco, ha anche un signi‐ ficato singolare: è la fortezza e nel composto Himmelsfeste indica il firmamento o, come scrive il poeta, la „fortezza dell’aria“ che „è divina, ferma/ chiede rico‐ noscenza“ 14 . Fortezza dell’aria è d’altra parte il titolo scelto per l’edizione solo italiana delle due raccolte Löwen-Maul e Feste, una fortezza che rappresenta „il punto fisso in cui potersi orientare in un periodo di grande incertezza“ 15 . Se allora nella veste poetica i dati di realtà appaiono sottoposti a processo di trasposizione simbolica, non ne viene però vanificato il rinvio a esperienza e circostanza di vita vissuta e se, a volte, sembra che la poesia si ripieghi su se stessa, è comunque sempre per lasciare affiorare un lieve sottofondo ironico, una partecipazione evocativa - non importa se gioiosa o triste, se sensuale o candida - dentro i confini dell’esistenza quotidiana dei nostri giorni: Anche il sublime Selbst das Erhabene diventa quotidiano wird zum Alltäglichen e di sé allora und verschärft so aufs neue riacutizza il desiderio nach sich das Verlangen 16 A loro volta anche gli oggetti quotidiani, elementari, impoetici possono diven‐ tare altro nel contesto poetico e innalzarsi al sublime: Bello Schön ist accorgersi das Wahrnehmen delle cose semplici der einfachen Dinge 65 A casa nelle parole. La lirica di Salvatore A. Sanna 17 Stupore/ Erstaunen, in: Löwen-Maul, pp. 86-87. 18 Löwen-Maul, pp. 74-75. finite die endlich e pure sind und doch eterne ewig 17 Questi oggetti con la loro fisicità immediata si caricano, nello spazio rarefatto della poesia, di significati metafisici, sino a racchiudere nella banalità crepusco‐ lare delle cose minime e degli avvenimenti meno vistosi un’araldica del reale in cui nel „particolare“ si può captare un valore „universale“. Attraverso oggetti che sprigionano il sentimento senza dichiararlo, traspaiono non idee, ma il fondo emotivo delle idee con parole che non fanno rumore, non stonano. E, come queste parole, anche il verso è stringato, apparentemente nudo. In questo modo la poesia oppone resistenza al nulla che minaccia le cose mettendone in evidenza la concretezza e l’esistenza. Non vuole suscitare stupore, ma comunicare un’e‐ sperienza nell’urto/ attrito con la vita. Così il lessico lascia spazio alle voci dell’uso, ma vi accompagna talvolta vo‐ caboli volutamente sofisticati, parole francesi e arcaismi, mentre la sintassi aspira a superare l’articolazione dei legami logici per cercare i passaggi risolutivi. L’assenza di morbidità raffinate, un’armoniosità impeccabilmente conchiusa non implica comunque la rinuncia ad una musicalità in cui il ritmo nasce su se stesso, utilizzando consonanze e dissonanze, i suoni chiari o scuri delle vocali: Ticchettio Getrippel mattutino früh am Morgen modulato variiert in Hall in Hall andante andante in Hall in Hall presto presto in Hall in Hall 18 In questa poesia la brevità figurativa annulla la dimensione prospettica; i com‐ ponimenti poetici, compiuti nella loro immediatezza, non lasciano residui con‐ tenutistici che garantiscono una continuità senza interruzioni. Il ‚conte‐ nuto‘ della poesia ha, per così dire, un limite eminentemente evocativo, raggiunto il quale la poesia termina. La memoria, con una sottolineatura visiva, compie la trasformazione dell’im‐ magine in dato individuale di poesia. A sua volta, la sottolineatura visiva fa avanzare, con precisione affettiva, quanto può risultare presenza insolita e anche 66 Lucia Perrone Capano 19 Parma, in: Feste, pp. 64-65. 20 Feste, pp. 80-81. 21 Equinozio/ Tagnachtgleiche, in: Löwen-Maul, pp. 64-65. inedita sintesi paesistica, ritrovata nella memoria. I confini del paesaggio ven‐ gono così sospinti fino ad un’imprecisa e quasi simbolica frontiera. Del resto, che la memoria e lo scorrere del tempo siano gli elementi soggiacenti a questa poesia elegiaca è il poeta a suggerirlo con alcuni riferimenti espliciti: […] […] Si ritorna Man blickt zurück come se l’oceano als wären das Meer le bianche dune di sabbia die weißen Sanddünen i fiori esuberanti di colori die farbenprangeden Blumen le cipolline argentate die silbrigen Zwiebelchen fossero spariti dalla memoria aus dem Gedächtnis verschwunden 19 […] […] Non è molto Nicht lang ist her che tu ricuperavi il tempo daß du sie noch wiederfandest della memoria, non oggi die erinnerte Zeit, heute nicht 20 […] […] Così, tra precisione realistica e visione-sogno, il poeta intrattiene un dialogo con il reale passato e presente in un andirivieni che è continuità intrecciata alla discontinuità. La dimensione naturale del tempo conserva la sua inarcatura tra passato e futuro, e i punti alti stanno spesso nella momentaneità di una sospensione di attesa in cui il flusso cronologico si arresta: Tutto è in attesa Alles harrt S’intuisce la forza Erratbar die Kraft che avanza in ascesa die aufwärts drängt dalle sponde orientali von östlichen Ufern 21 La poesia testimonia sì un’intenzione narrativa, ma il racconto appare come immobilizzato sul nascere, per cui il poeta si limita ad enunciare una situazione bloccata nelle sue possibilità di sviluppo dinamico. In questa situazione non prendono corpo personaggi compiutamente fisionomizzati, anzi le figure sono come colpite da un’evanescenza ineluttabile e tutto diventa sospeso, perpetuità oscillante. Il ‚tu‘, che appare talvolta in questi versi, nasce forse come espediente, come un intervento rassicuratore in una situazione cosmica incerta. È uno 67 A casa nelle parole. La lirica di Salvatore A. Sanna 22 Venerdì di plenilunio/ Freitag bei Vollmond, in: Feste, pp. 34-35. 23 Impressioni veneziane/ Venezianische Impressionen, Feste, pp. 76-77. schermo che riflette i sentimenti, le immagini e i pensieri, eludendo come può il solipsismo del canto ermetico. Nella presenza del ‚tu‘, infatti, il mondo sembra ritornare al poeta caricato della testimonianza, sia pur muta e invisibile, di una partecipazione umana: […] […] Fu solo un cane da veglia Nur ein Wachhund a scoprirci ripetendo bemerkte uns und wiederholte la voce di chi cercava endlos den Laut der Suche corrispondenza nach Kommunikation 22 3. La poesia come esperienza visiva Come un pittore si serve delle pennellate di colore, Sanna sembra servirsi di sensazioni annotate per suggerire, più che definire, un ambiente, un paesaggio. Ne nasce così un quadro più suggerito che costruito. E, al suo interno, la figura umana rappresenta un elemento figurativo e non psicologico. Se appare un ri‐ tratto, non è mai definito a tutto tondo: ne risalta, ad esempio, una posa o il movimento di un gesto: Impressioni veneziane Venezianische Impressionen La scoperta del bianco Die Entdeckung des Weißen sulla forma ogivale vor dem Spitzbogen chiarifica l’oscuro hellt das Dunkel auf esalta l’irregolarità verklärt die Unregelmäßigkeit sul piano mobile auf bewegter Ebene L’eroe tracio a cavallo Der thrakische Held hoch zu Roß affronta lancia in resta stellt sich mit eingelegter Lanze lo sconosciuto essere dem unbekannten Wesen Troneggia la cupola Hoch wölbt sich die palladianische palladiana alla Giudecca Kuppel auf der Giudecca col suo piccolo compagno mit ihrem kleinen Gefährten accanto e striminzito der neben ihr kümmert 23 In tutti i libri di Sanna troviamo inoltre sempre delle ‚illustrazioni‘ che realizzano un felice incontro tra universo poetico e quello delle arti visive, in cui lo stesso poeta manipola lo spazio per imporre anche in una visione per dettagli, per 68 Lucia Perrone Capano 24 Cfr. Feste, pp. 13, 65, 87. 25 Nachwort a Feste, p. 96. [In questo volume p. 153 s.] 26 Per la definizione di emblema si fa riferimento a A. Schöne, „Emblemata. Versuch einer Einführung“, in: Deutsche Vierteljahresschrift, 37, 1963, XXX-VII, 2, pp. 197-231, qui p. 199. 27 Feste, p. 40-41. 28 L. Mittner, Storia della letteratura tedesca, III**, 1, Torino: Einaudi 1978, pp. 137-138. 29 V. Santoli, „Introduzione“ a H. Heine, Il libro dei canti, tr. it. di A. Vago, Torino: Einaudi 1964, p. XV. particolari, la totalità dell’insieme. Non è infatti solo la presenza di immagini dell’arte, di citazioni pittoriche 24 e l’inserzione di disegni di artisti contempo‐ ranei a fare della poesia di Sanna una poesia visiva, bensì, come nota Goebel-Schilling 25 , la stessa struttura che caratterizza le sue liriche e che in alcuni casi propone un’originale costruzione ad emblema. Nell’emblema, come sap‐ piamo, all’immagine, pictura, che può indicare una località, un oggetto, una pianta, un animale, la personificazione di un evento storico, biblico, o mitologico, si accompagnano un motto, l’inscriptio, collocato al di sopra, e un epigramma, la subscriptio, al di sotto di essa. 26 L’inscriptio, riassumendo in qualche modo il contenuto dell’immagine, dovrebbe aiutare il lettore a giungere alla soluzione dell’enigma che l’epigramma riconduce ad un a verità generale. Sono però questi ausili alla lettura che nella poesia di Sanna non svolgono più la loro funzione o risultano assenti, sicché l’immagine pone al lettore/ osservatore una sfida inter‐ pretativa inglobandolo ad un esempio in uno spazio nel quale può ‚passare‘ come le centinaia di visitatori passano sul pavimento dell’Hôtel-Dieu di Beaune, sulle cui piastrelle si trovano raffigurati ramoscelli di quercia quale simbolo di fedeltà reciproca dei fondatori: […] […] Il ramoscello Der Eichenzweig di quercia fühlt die Last sente il peso deines Schritts 27 del tuo passo Il carattere epigrammatico di alcune poesie, l’arguzia e la leggerezza ironica e gentilmente metaforica con cui il poeta traccia un quadro, un ritratto ricorda, sia pure nella diversità di intenti, l’„epigrammatismo lirico-malizioso“ della lirica di Heinrich Heine di cui parla Mittner, „lirico e malizioso ad un tempo, non solo perché dal lirismo si sviluppa l’ironia, ma perché l’ironia è sin da principio vir‐ tualmente nel lirismo.“ 28 E la capacità di unire il dettaglio realistico al visionario e al mitologico, che contraddistingue alcuni paesaggi heiniani 29 , ritorna qui sotto forma di realismo bizzarro, di dettagli, particolari che sfuggono e che colpiscono 69 A casa nelle parole. La lirica di Salvatore A. Sanna 30 Feste, p. 14. 31 Feste, p. 50. 32 Elm, in: Wacholderblüten, p. 26. 33 Karbach, in: Feste, p. 6. 34 Elm, in: Wacholderblüten, p. 26. invece il poeta il quale li trasforma in materiale poetico-visivo. Gli oggetti ac‐ quistano allora una funzione emblematica e rappresentano tutto quello che riesce a prevalere in un destino personale, segnando un passaggio da sentimenti alle figurazioni, depurato da commozioni soggettive. Ciò non significa però che la poesia obbedisca ad un intento descrittivo; la cosa, l’oggetto, l’evento sono trasformati in fragile essenza d’apparizione. Così in Positano la personificazione del luogo („Con le pupille arse/ gli occhi delle case/ guardano in attesa“) 30 è seguita da una fugace evocazione mitologica indicando, attraverso le metafore tramandate, una nuova modalità di percezione. In poche immagini essenziali il poeta condensa paesaggi incisivi, con una concentrazione visiva e panoramica su di un’unica parola-immagine. Talvolta la contrazione è così forte da condensare tutto in un aggettivo che si carica così di un’altrimenti inspiegabile ermetica intenzionalità: […] […] Infantile la gioia Kindlich die Freude alla visione beim Anblick del rosso riferimento des roten Punkts 31 L’attenzione rivolta ai dettagli, alla luce riflessa dagli oggetti, alla loro fattura cromatica sembra l’ultima possibilità che rimane al poeta di guardare le cose, una dote rabdomantica e insieme coltivata con precisione da anni. Le sensibili „antenne del colore“ 32 di cui è dotato gli fanno esperire il paesaggio ‚stra‐ niero‘ attraverso le sue differenze nel colore („il verde cupo della segale e del grano“ di Karbach  33 , „il giallo dei campi di colza“ di Elm  34 , ecc.) fino a trasformare i segnali cromatici in cifre poetiche che esprimono nella percezione del momento un condensato di esperienza. Si potrebbe quasi dire che in questi versi la realtà fonica, ritmica, metrica della poesia venga trasportata nel visuale. Attraverso un dato naturale si esprime la meraviglia della sorpresa di realtà innocenti, edeniche o segrete, in un ambito tra sensitivo e giocoso/ sentimentale: Ho scoperto il rosso Ich habe das Rot nel verde della natura im Grün der Natur entdeckt Che significhi Ob es bedeutet 70 Lucia Perrone Capano 35 Wacholderblüten, pp. 24-25. 36 Sentore/ Vorahnung, in: Löwen-Maul, pp.16-17. 37 I. Calvino, Lezioni americane. Sei proposte per il prossimo millennio, Milano: Garzanti 1991, 10, p. 13. fermati Halt an come il rosso del semaforo? wie das Rot der Ampel? 35 La scelta delle immagini comparative resta suggerita dalla natura, dai fenomeni, e si svolge secondo i modi conosciuti del sistema metaforico. Conserva, in fondo, una fiducia che di volta in volta riemerge fino a imporsi come la più evidente ragione di poesia: Cogliere di sorpresa Plötzlich die Primeln le primule del giardino im Garten ertappen che di marzo s’affacciano die märzhalber ans Licht alla luce e il freddo drängen trotz tardo sfidano, osservare verharrender Kälte, achten l’impudenza sbarazzina auf die unbeschwerte Schamlosigkeit dei petali rosa der Blütenblätter, rosa chiazzati di colore mit Farbtupfern, nell’offrirti la gialla wenn sie dir die gelbe corolla che palpita bebende Krone bieten Comparare quel palpito Dies Beben al tuo… dem deinen vergleichen… 36 4. Per una poetica della leggerezza „Se volessi scegliere un simbolo augurale per l’affacciarsi del nuovo millennio, sce‐ glierei questo: l’agile salto improvviso del poeta-filosofo che si solleva sulla pesantezza del mondo, dimostrando che la sua gravità contiene il segreto della leggerezza, mentre quella che molti credono essere la vitalità dei tempi, rumorosa, aggressiva, scalpitante e rombante, appartiene al regno della morte, come un cimitero d’automobili arruggi‐ nite.“ 37 Allo stesso modo di Calvino, potremmo dire, Luigi Malerba nella presentazione a La fortezza dell’aria sostiene che la „lettura di una buona poesia, di una lieve composizione poetica ci può dare il senso della leggerezza e qualche barlume di felicità, sia pure intrisa di malinconia. Una lettura 71 A casa nelle parole. La lirica di Salvatore A. Sanna 38 L. Malerba, „Presentazione“ a La fortezza dell’aria, p. 11. [In questo volume p. 157.] 39 Ivi, p. 10. 40 R. Barthes nell’Impero dei segni ritorna in diversi capitoli sulle particolarità dello haiku, forma in un certo senso incomprensibile agli „occidentali“, notando come questi ultimi „non possano tradurre con termini vagamente cristiani (illuminazione, rivelazione, in‐ tuizione)“ ciò che forse non è „altro che una sospensione panica del linguaggio“ (R.B., L’impero dei segni, tr. it. di M. Vallora, Torino: Einaudi 1984, p. 87). 41 Löwen-Maul, pp. 46-47. 42 Löwen-Maul, pp. 78-79. di questo elegante e intenso poeta sardo-francofortese ci porta in ogni caso molto più in alto dei grattacieli delle banche di Francoforte.“ 38 La leggerezza, nei testi lirici di Sanna, si accompagna inoltre ad un’altra qualità, la concisione, la stringatezza, che fa pensare allo haiku giapponese 39 , la cui bre‐ vità non rappresenta una riduzione o un espediente formale bensì la forma esatta di un evento breve. Come lo haiku, la poesia di Sanna non descrive e non clas‐ sifica gli eventi, non sembra voler giungere a delle conclusioni e non si appoggia su alcuna metafisica. In questi componimenti, legati alla situazione di un mo‐ mento e privi di sviluppo, tutto si verifica appunto in un attimo, che corrisponde ad un’improvvisa apparizione 40 : Effemeride Sternstunde di un week-end: eines Wochenends: picchiata den Kopf stürzt del cigno der Schwan nelle acque in die Wasser del lago des Sees 41 Carrozza Karosse con le stanghe mit dem Gestänge all’ingiù nach unten nel giardino im Garten Una ruota Ein Rad s’appoggia lehnt sich al pino an die Pinie per stanchezza müdegerollt 42 Tutto si rimescola Alles verbindet nella notte neu sich in der Nacht 72 Lucia Perrone Capano 43 Löwen-Maul, pp. 84-85. 44 Feste, pp. 56-57. 45 Feste, pp. 18-20. per rifiorare um zu erstehn in forma d’asfodelo als Asphodelenblume 43 Non si vogliono offrire qui motivi particolari di riflessione: qualcosa appare nella sua evidenza e assurge forse a simbolo esistenziale. Si stabilisce un gioco di scambio, di interrelazioni tra le immagini poetiche, le immagini interiori, l’e‐ sperienza individuale. Il cigno, di hölderliniana memoria, riappare in una forma ‚altra‘ catturando una diversa esperienza vitale. Anche se privo di attributi, il cigno rinvia già con l’articolo determinativo ad una conoscenza precedente ed ingloba nella parola poetica tutto ciò che essa ha assorbito nel corso del tempo. L’intuizione poetica evita l’affermazione esplicita di un senso e dissimula il significato dei simboli. La ruota della seconda poesia citata, che può essere sim‐ bolo della vita, del sole, ecc., „s’appoggia“ ironicamente „al pino/ per stan‐ chezza“ e l’asfodelo, il fiore dell’Elisio, riassume in una nuova cifra poetica il ritrovato legame dell’io con il tutto lasciando al simbolo la sua carica di allusività che gli impedisce di coincidere completamente con i dati della realtà. Allo stesso modo i riferimenti classico-mitologici, che caratterizzano soprat‐ tutto le ultime liriche, sembrano agire come le immagini dell’arte della memoria: sollecitano l’attenzione, la concentrano su di sé e, a quel punto, mettono in moto una catena associativa, un gioco di metamorfosi: Fossile della specie umana Fossil der Spezies Mensch vai per i boschi seguendo irrst du durch die Wälder gemäß il magico numero del ritorno der magischen Zahl der Wiederkehr Orfeo monocorde, la tua lira Orpheus, deine einsaitige Leier ha il suono d’un antico strumento hat den altertümlichen Klang che l’androgino futuro non intende den der künftige Androgyn nicht versteht […] […] 44 Il novello Orfeo, che non incanta più l’uditorio e risulta anzi incomprensibile all’„androgino futuro“, diventa veramente ciò che evoca il suo nome, l’orfano, il cui poetare viene da una perdita irrecuperabile. Se dunque da una parte le figure della mitologia e della tradizione rappresentano forse ancora per il poeta uno strumento stabile con cui fronteggiare il divenire, una forma unitaria e definita cui ricondurre la pluralità disordinata della vita, dall’altra esse stesse, come gli dei del passato, sono soggette „[a]lla sorte del tempo […]. Chi li vive/ ne ricorda la presenza/ impetra aiuto/ sul baratro che è fondo.“ 45 73 A casa nelle parole. La lirica di Salvatore A. Sanna 46 Pisa, in: Feste, p. 12. 47 Löwen-Maul, p. 28. 48 Feste, p. 22. 49 Löwen-Maul, p. 82. 50 Feste, p. 8. 51 Feste, pp. 44-45. L’occhio del poeta tesse una rete di metafore visive in cui l’esperienza che ha destato l’immagine si ferma e si acquieta nel tentativo di fissare l’intemporale, l’opacità che resiste. Non è il senso ad essere abolito, ma l’idea di una finalità. La virtù della leggerezza, che contraddistingue questa poesia, è così il requi‐ sito necessario per realizzare quell’aspirazione a dirigersi in alto, che ritorna costantemente nei versi di Sanna („Alto guarda l’ippogrifo“) 46 , il desiderio di librarsi nell’aria 47 , di comunicare „per i fili/ dell’aria“ 48 , di penetrarla „col becco del cormorano“ 49 e di scorazzarvi come il cavalluccio marino di Augure  50 , per salire, come dice l’ultima lirica di Feste, fino alle stelle. Tutto s’articola allora in una dimensione inventata di mito, di simbolo, che riassorbe la luce naturale e sensibile in una luce astratta, incerta, assorta: […] Le fiammelle […] Die Flämmchen della fortezza tremolano der Festung zittern ancora di lontano noch fern 51 74 Lucia Perrone Capano 1 Wacholderblüten (Frankfurt am Main, 1984), Löwen-Maul (Frankfurt am Main: Sauer‐ länder 1988), Feste (München-Mainz: von Hase & Koehler 1991), La fortezza dell’aria, Torino: Franco Masoero 1995). Quest’ultimo volumetto ripropone in sola versione ita‐ liana le due raccolte precedenti, con una presentazione di Luigi Malerba [in questo volume a p. 157 s.]. La poesia di Salvatore A. Sanna tra ironia e sublime [2004] Anna Meda Non è facile scrivere poesia, perlomeno che non sia solo un puro esercizio re‐ torico o un semplice sfogo sentimentale, e ancor meno coltivare l’estro poetico nella propria lingua d’origine quando si vive in terra straniera. Salvatore A. Sanna con le sue quattro raccolte poetiche si è creato uno spazio di tutto rispetto nell’ambito della variegata, anche se non sempre esaltante, produzione lirica in lingua italiana apparsa fuori dall’Italia. 1 Löwen-Maul (Bocche di leone), snella raccolta di liriche in italiano con tra‐ duzione in tedesco a fronte di Gerhard Goebel-Schilling, s’intitola come la pre‐ cedente, Wacholderblüten (Fiori di ginepro), ad un fiore ed il titolo in un certo senso già stabilisce il tono, l’atmosfera e lo stile inconfondibili dell’opera. Un tono che è di volta in volta raccolto e quasi umile o gentilmente ironico ed un’atmosfera che viene creata da delicate immagini e da densi sprazzi di luce e di sensazioni. Lo stile è sobrio, elegante, talvolta persino prezioso nella scelta accurata e sapiente dei vocaboli come nella lirica che richiama inestinguibili ricordi di un lontano passato: Il rosso vermiglio del sorbo selvatico attira lo sguardo arresta il cammino Per te sono ricordi di sorbe domestiche 2 Löwen-Maul, cit., p. 58. 3 Ibidem, p. 86. 4 Ibidem, pp. 22 e 30. 5 Ibidem, pp. 62 e 18. sul canestro di ferula in attesa di patina roggia e di brame infantili. 2 Il motivo conduttore della raccolta, tuttavia, sembra essere racchiuso nella lirica Stupore: Bello accorgersi delle cose semplici finite e pure eterne 3 che, nella sua brevità di folgorazione, diventa emblematica di un preciso atteg‐ giamento poetico, senza che questo sminuisca per altro la qualità di naturalezza e di spontaneità che la lingua di Sanna possiede. Le occasioni sono quelle di sempre, una passeggiata, una visita, un viaggio o i momenti del quotidiano, trasfigurati e orchestrati in uno spartito di immagini in cui le luci e i colori di un paesaggio spesso interiorizzato giocano un ruolo fondamen‐ tale: „Bianca è la luce/ che illumina lo spazio/ sul grigio orizzonte verticale“ e ancora „Il rovescio ha sottratto/ al giardino l’oro/ dell’avornello, impacciato/ di ostentare la sua verdura“. 4 Talvolta sono sprazzi d’intuizione lirica, immagini o sensazioni dell‐ ’attimo fugace, dove l’istante è fissato in pochi versi pregnanti: Effemeride di un week-end: picchiata del cigno nelle acque del lago. Il tema della fugacità del tempo, che affiora spesso insieme a quello della me‐ moria, diviene un altro leit-motif della raccolta: „S’è dileguato/ come il beccafico/ che spicca il volo/ a primavera/ È memoria/ di adagi/ lontani“ oppure „Lasciami un’orma/ anche se leggera/ ma dolce/ Sarà fugace l’altra/ sul terreno di zolle“. 5 76 Anna Meda 6 Ibidem, pp. 68 e 64. 7 Ibidem, pp. 84 e 34. In altri casi la poesia di Sanna è un commento bonario o anche più aperta‐ mente ironico della realtà che lo circonda, del quotidiano percepito tramite una sorta di straniamento dell’io poetico. Allora anche i fatti più comuni sembrano acquistare rilievo, distaccarsi dal sottofondo indistinto delle cose viste da tutti e da sempre per diventare immagini balenanti, emblematiche, su cui si sofferma lo sguardo di volta in volta assorto, sorpreso o divertito del poeta: Edoardo VII stanco di tanto teatro quando può scende da cavallo e sulla grande piazza a La Pointe St Eustache comanda un café crème oppure in Equinozio: Tutto è in attesa S’intuisce la forza che avanza in ascesa dalle sponde orientali, in cui l’auscultare se stesso e la natura al ritmo tacito ma possente del cosmo viene colto con grande finezza espressiva. 6 I versi si contraddistinguono per la raffinata attenzione al suono e alla parola, che si isola nel testo e, tramite accostamenti inaspettati, acquista connotazioni forti e nuove. Ritornano con una certa frequenza in tutta la poesia di Sanna, e si ritrovano anche in questa raccolta, gli elementi essenziali di un cosmo primi‐ genio e mitico: l’acqua, la terra, il fuoco e le divinità, le cui manifestazioni rela‐ tive, osservate e colte dal poeta, si sublimano in metafore: Tutto si rimescola nella notte per rifiorare in forma d’asfodelo ed anche in Palestrina: „[…] proteggi dallo sguardo/ profano le bianche volute/ del tuo già violato/ ninfeo. L’acqua/ attende un dio/ I dossi albani/ non chiudono la visione/ del mare.“ 7 77 La poesia di Salvatore A. Sanna tra ironia e sublime 8 Ibidem, p. 28. 9 In questa terra altrove. Testi di emigrati italiani in Germania, a cura di C. Abate e con presentazione di Tullio de Mauro, Cosenza: Pellegrini 1987, p. 90. Talvolta la voluta discordanza creata da espressioni prosaiche all’interno dei versi ne interrompe lo sviluppo lirico, sottolinea l’intromissione del mondo es‐ terno nella realtà interiore: Riseca le radici ch’io possa librarmi nell’aria e alimentare il tuo fuoco Poco importa se il peso sarà specifico. 8 I forestierismi dal tedesco, ma specialmente dal francese (hoppla grün, café crème, juge de paix, sur la pelouse, au bord du lac) costituiscono parte integrante del quadro che contribuiscono a ricreare nella sua atmosfera originaria. Sono scorci di un paesaggio o di uno scenario, elementi distintivi, iconici nella loro capacità d’evocazione dell’immagine reale. Così come anche i numerosissimi riferimenti a luoghi, edifici e a opere d’arte (di cui è data sommaria ma sufficiente spiegazione nelle note finali) chiariscono il ricco e internazionale sostrato cul‐ turale di questo poeta italiano trapiantato in terra tedesca. In un’altra raccolta di autori vari la terra d’origine viene definita da Sanna „una matrice spenta“. 9 Tuttavia, il fascino di questa poesia risiede anche nel fatto che l’immersione totale in una cultura diversa non ha reciso completamente le radici profonde della sua mediterraneità. Anche Feste (Fortezza) è apparso in formato bilingue nella traduzione sempre di Gerhard Goebel-Schilling, che inoltre ha scritto una breve postfazione e le note. Rispetto alle raccolte precedenti in questa si notano, accanto ad una ripresa di spunti e motivi che percorrono come autentici Leit-motive l’intera produzione poetica di Sanna, anche un nuovo e sottile senso d’inquietudine, che sembra alimentarsi nel ricordo e nel fascino misterioso della natura cerca conforto e protezione. Senso e bisogno di protezione e conforto che forse spiegano meta‐ foricamente il senso del titolo della raccolta. La trama che collega i testi è sottile, eterea, lo stile sapiente e terso, sempre teso a cogliere con la parola colta o leggermente dislocata semanticamente quel senso che sembra destinato a perennemente sfuggire. Si creano, allora, per que‐ sta costante tensione a cogliere l’istante significativo, immagini emblematiche di pregnante nitore come nella lirica che dà il nome alla raccolta: 78 Anna Meda 10 Feste, cit., p. 24. 11 Ibidem, p. 30. 12 Ibidem, pp. 18-20. 13 Ibidem, p. 38. 14 Ibidem, p. 32. La fortezza dell’aria è divina, ferma chiede riconoscenza. 10 Questa lirica serve da esempio significativo del misurato diario interiore che questi attimi di vita fissati sulla pagina, questi mottetti di sapienza distillata insieme contribuiscono a creare, come anche nella lirica Harmonia: Mantenerla è rara conquista Sono increduli i più e forse è bene che sia così non è di fede onore e gloria. 11 Emerge da questo diario minimo, che cerca di fissare e decifrare il mistero stesso dell’esistere, il senso doloroso, anche se controllato e sobriamente espresso, dello scorrere del tempo verso l’inevitabile fine: Alla sorte del tempo anche gli dei sono soggetti. Chi li vive ne ricorda la presenza impetra aiuto sul baratro che è fondo. 12 E la vita non è altro che „il passo lento/ sul cammino dell’esistere“. 13 La risposta all’inquietudine è la ricerca di armonia, un’aspirazione - sobria‐ mente cantata - all’eterno, a quel divino che si manifesta ancora a chi sa guar‐ dare e coglierlo nel fascino fatale dell’Eterno Femminino, che si manifesta in Maddalena o nella giovane donna che a petto nudo sfida come una dea l’oceano, e nel mistero racchiuso nelle forze stesse della natura: Baciano i due poli i meridiani e un campo s’instaura di forze magnetiche. 14 79 La poesia di Salvatore A. Sanna tra ironia e sublime 15 Ibidem, p. 92. Quando, tuttavia, il senso sembra sfuggire a ogni categorizzazione, nasce la consapevolezza che solo il segno „lascia tracce“, promessa di memoria davanti al perire di ogni cosa. È l’arte, allora, il tramite verso non solo l’ignoto, ma anche l’eterno dentro e fuori di sé. È l’arte, segno per eccellenza, che rivela e interpreta il reale, ed infine, come suggerisce la lirica che significativamente conclude la raccolta, L’ordine si ristabilisce e libertà diventa la salita alle stelle. 15 80 Anna Meda 1 Jan Assmann, „Kollektives Gedächtnis und kulturelle Identität“, in: Kultur und Ge‐ dächtnis, hrsg. von J. Assmann und T. Hölscher, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1988, S. 9-19. Salvatore A. Sanna als Dichter von Erinnerungsorten [2004] Hermann H. Wetzel Der Titel von Salvatore A. Sannas Gedichtband Mnemosyne (1999) könnte als Motto über seinem gesamten Werk stehen. Er verweist zurück auf den ersten seiner Gedichtbände, Fünfzehn Jahre Augenblicke von 1978, der in seinem wi‐ dersprüchlichen Titel auch schon Vergänglichkeit mit Dauer verband - eine Klammer, die nur das Gedächtnis zu spannen vermag. Die Gestalt der Mnemo‐ syne gilt in der griechischen Mythologie als die Personifikation der Erinnerung und als die Mutter der neun Musen (als Früchte einer Novene mit Zeus). Kunst ist - so gibt uns der Mythos zu verstehen - geformte, inkarnierte Erinnerung, und gleichzeitig macht er uns klar, dass Erinnerung nur geformt als Kultur wei‐ terlebt: Wie wir alle wissen, ist Erleben ohne Formung und ohne Pflege ephemer und flüchtig. Dennoch ist die Lyrik nicht die erste Kunst, die einem in den Sinn kommt, wenn man an die Schaffung und Bewahrung eines Generationen überdauernden kulturellen Gedächtnisses 1 denkt, viel eher bürdete man diese Aufgabe der Ge‐ schichtsschreibung und der für sie ‚zuständigen‘ Muse Clio auf. Terpsichore, die Muse der Lyrik, gilt vielen in der Tradition der klassisch-romantischen Erleb‐ nislyrik als eine auf das Subjekt und seine Gefühlswelt konzentrierte, eher mo‐ nologische (Bachtin), ja in bestimmten modernen Ausformungen schon fast au‐ tistische Kunst. Was macht denn ein Dichter anderes, als seine ganz private Erinnerung zu Kunst zu formen, seine Beobachtungen, seine Leiden, seltener seine Freuden? Und, so könnte man fragen, was gehen uns die Erinnerungen eines Dichters an? Wie sollen wir sie überhaupt teilen und verstehen, da uns die zugrundeliegenden 2 Bernhard Waldenfels, Topographie des Fremden I, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1997, Anm. S. 151. Erlebnisse fremd sind? Aus vage Gefühltem, Unbegriffenem, nicht auf den Be‐ griff Gebrachtem wird jedoch durch die gelungene künstlerische Formung ein Teil der Künstler-Identität, ein Teil seiner Persönlichkeit. Zusätzlich gewinnt es Dauer und allgemeinere Gültigkeit dadurch, dass es im Akt der Lektüre ein Teil des kulturellen Gedächtnisses einer Sprachgemeinschaft und somit, wenn sie sich darauf einlässt, auch ein Teil ihrer Identität werden kann. Während dieses Prozesses gelingt im besten Fall das, was man in der Hermeneutik ‚Verstehen‘ nennt, das Verschmelzen zweier Erwartungshorizonte, oder in der Soziologie, im Gegensatz zur bloßen Assimilation oder ‚Einvernahme‘ des Fremden, das ‚Einvernehmen‘, die ‚Integration‘, verstanden als „eine Synthese höherer Ord‐ nung“, 2 die nicht das Fremde restlos ins Eigene, ins bereits Vertraute überführt, sondern ihm seinen Charakter des Fremden lässt und damit das Eigene erwei‐ tert, modifiziert und ihm so erlaubt, sich weiter zu entwickeln. Dies gilt - wie an der Lyrik besonders augenfällig wird - nicht nur für das Fremde außerhalb der uns vertrauten Sprache und Kultur, sondern auch für das Fremde im Eigenen, in der eigenen Sprache. Die Idiolekte lyrischer Texte bleiben den Nutzern einer Sprachgemeinschaft nicht selten in verschiedenem Grade unverständlich, wie eine Fremdsprache, selbst wenn sie jedes einzelne Wort kennen. Lyrik nimmt daher unter den identitätsstiftenden Erinnerungsorten eine besondere Stellung ein. Obwohl sie an eine Nationalsprache gebunden ist, ist sie auf Grund ihrer spezifischen ‚Fremdheit‘ bei weitem nicht so eng an eine nationale Gruppe gebunden, wie man meinen könnte, und gleicht damit anderen Künsten, deren Sprache ‚international‘ ist, wie der Musik oder der Malerei. Pi‐ cassos Kunst ist weder ‚typisch spanisch‘ noch ‚typisch französisch‘, oder nehmen wir ein noch offensichtlicheres Beispiel: Arnold Schönbergs Musik dürfte kaum spezifisch identitätsstiftend für einen Österreicher sein, sondern für eine kleine internationale Gruppe von Kennern moderner Musik. Obwohl die Literatur auf Grund ihrer Bindung an eine (National-) Sprache vor allem mittels der Literaturgeschichtsschreibung im 19. Jahrhundert massiv zur natio‐ nalen Identitätskonstruktion eingespannt wurde, hat sie im Sinne der Goetheʼ‐ schen „Weltliteratur“ die engen Grenzen des Nationalen schon immer über‐ schritten und wird gerade deswegen bei einer zukünftigen supranationalen Identität eine hervorragende Rolle spielen können. Ein schönes Beispiel dafür geben diejenigen Gedichte Sannas aus Fünfzehn Jahre Augenblicke ab, die es uns erlauben, unser Land mit den Augen eines Fremden zu sehen, der kein Fremder mehr ist - oder im Gegenteil festzustellen, 82 Hermann H. Wetzel dass das, was ihm in unserem Land fremd erscheint, auch uns fremd im eigenen Land ist. Vielleicht lohnt es sich, bei aufgeregten Debatten über die „deutsche Leitkultur“ und abschätzigen Bemerkungen über ‚Multi-Kulti‘ einmal anhand einer beispielhaft europäischen Biographie wie derjenigen Sannas darüber nachzudenken, wie ‚Integration‘ im oben genannten Sinn, nämlich in dem einer höheren Synthese verschiedener Kulturen, aussehen kann. Salvatore A. Sanna wurde 1934 in Oristano/ Sardinien geboren, auf einer Insel, die auf ihren Status als autonome Region innerhalb Italiens pocht und, nicht zuletzt auf Grund der eigenen Sprache und Kultur, das uns neben Sizilien frem‐ deste, exotischste Italien repräsentiert. Doch Sanna ist frei von allem campani‐ lismo und Provinzialismus, ohne seine starke Bindung an sein Ursprungsland zu verleugnen, dessen Horizont stetig in seinen Texten aufleuchtet. Sardinien und Italien sind wohl die häufigsten Referenzen, doch reichen die Ortsangaben von der Bretagne bis zum Mittelmeer, von der March an der österreichisch-slo‐ wakischen Grenze bis zum Atlantik, ja hinüber in die Neue Welt. - Der Welt‐ bürger kann durchaus tief wurzeln, ohne dass er von „Erdverbundenheit“ in einem dann doch erst wieder zu übersetzenden Idiom raunen müsste. Sanna kommt durch sein Studium der Anglistik und Germanistik schon früh mit fremden Sprachen und Kulturen in engen Kontakt, reist in den fünfziger Jahren nach England und Deutschland, wo er schließlich seit 1962 in Frankfurt als Vermittler italienischer Sprache und Kultur tätig ist. Dass kulturelle Inte‐ gration eine Synthese höherer Ordnung ist und nichts mit einer Aufgabe der Identität zu tun hat, sondern im Gegenteil mit einem Zugewinn an unverwech‐ selbarer Identität, zeigt Sanna durch sein eigenes Werk: Er verzichtet auf das heimatliche sardische Idiom, um seine Identität in einer italienischen Kunst‐ sprache zu finden - in einer Sprache, die an den großen hermetischen Lyrikern dieses Jahrhunderts geschult ist und die größte Einfachheit mit äußerster Kon‐ zentration verbindet. Obwohl er sehr gut deutsch spricht, schreibt er trotzdem auf Italienisch, doch die Titel seiner Gedichtbände sind von Anfang an deutsch (Fünfzehn Jahre Augenblicke, 1978; Wacholderblüten, 1984; Löwen-Maul, 1988; Feste, 1991), da das Resümierende oder die Doppeldeutigkeit eines Titels in der synthetischen Morphologie des Deutschen besser aufgehoben scheinen, und nicht zuletzt sind die Ausgaben sorgfältig übersetzt zweisprachig. Die oft nur wenige Zeilen umfassenden Gedichte stehen in freien, meist sehr kurzen Versen überwiegend ohne Interpunktion. Diese Kürze, die zu Anfang des Jahrhunderts von Sannas Vorbildern dem emphatischen Wortschwall eines D’Annunzio abgerungen wurde, macht Sannas Texte trotz ihrer oft geogra‐ phisch verorteten Konkretheit zu abstrakten Rätseln. Wiewohl die Sätze voll‐ ständig, die einzelnen Wörter verständlich sind, erhalten sie durch das viele 83 Salvatore A. Sanna als Dichter von Erinnerungsorten 3 Salvatore A. Sanna, Feste. Gedichte Italienisch-Deutsch. Übertragung und Nachwort von Gerhard Goebel-Schilling, München-Mainz: von Hase & Koehler Verlag 1991, S. 16/ 17. 4 Italo Calvino, Romanzi e racconti, ed. diretta da Claudio Milanini a cura di Mario Ba‐ renghi e Bruno Falcetto, Vol. II, Milano 1992, S. 367. Weiß, das sie umgibt, die Aura des Geheimnisvollen, des Raren. Die Gedichte haben oft biographische Anlässe, die durch Ortsangaben oder Daten angedeutet werden, doch besteht ihr Reiz gerade darin, dass sie keine Schlüsseltexte sind, deren Sinn in biographischer Information aufginge, sondern abstrakte Chiffren, Zeichen und Spuren, die immer wieder neue Sinnangebote eröffnen, ähnlich den Illustrationen, die befreundete Künstler zu den Gedichtbänden beisteuerten: Non è il senso Nicht der Sinn che lascia tracce hinterläßt Spuren ma il segno sondern das Zeichen e per capirlo und um es zu verstehn occorre spesso bedarf ’s oft tutta una vita eines ganzen Lebens 3 Von den Dingen, den Ereignissen können uns in der Erinnerung nur Zeichen als Spuren des Vergangenen bleiben, und diese Zeichen sind semiotisch gesehen Indices, d. h. motivierte Zeichen wie die Ikone, die in ihrer Bedeutung nicht wie die Wörter konventionell festgelegt und daher mehrdeutig sind. Während diese Zeichen materiell sind, folgt ihnen der immaterielle Sinn erst nach. Ja, wir sehen etwas erst, wenn wir es als Zeichen für etwas anderes deuten oder wie es einer von Sannas Lieblingsschriftstellern, Italo Calvino, im Kapitel „Le città e i segni. 1.“ aus Le città invisibili ausdrückt: „Raramente l’occhio si ferma su una cosa, ed è quando l’ha riconosciuta per il segno d’un’altra cosa: un’impronta sulla sabbia indica il passaggio della tigre, un pantano annuncia una vena d’acqua, il fiore dell’ibisco la fine dell’inverno. Tutto il resto è muto […].“ 4 Aufgabe des Dichters ist es nun, uns solche Spuren von Erlebtem zu hinterlassen, in Form von künstlerisch, meist als (dichterisches) Bild geformten Gedichten, die nicht einen begrifflich gefassten Sinn übermitteln, wie systematische und theoretische Texte, sondern das Finden der Bedeutung dieser Zeichen dem Leser überlassen. Die ästhetische Formung, die den Unterschied zwischen der privaten Anek‐ dote und einem Gedicht, das seinen Namen verdient, ausmacht, spielt hierbei die entscheidende Rolle, denn sie erst erlaubt es, mit ‚alten‘, vertrauten Wörtern und grammatischen Regeln, dennoch etwas Neues, so noch nicht Gesehenes und 84 Hermann H. Wetzel 5 Feste, S. 42/ 43. 6 sornione: „Che non lascia trapelare quel che sente, pensa o sim. tenendo un atteggia‐ mento apparentemente tranquillo e indifferente.“ (Il nuovo Zingarelli) 7 prov. ‚sourne‘, ‚sorn‘ = dunkel (vgl. ‚sorne‘ = soir vom lat. surdus) (nach dem Petit Robert unter ‚sournois‘). 8 Francesco Flora, Poesia e poetica dell’ermetismo, 1936. 9 Feste, S. 32/ 33. Gesagtes zu vermitteln und so zum Umbau der eigenen Seh- und Verstehens‐ gewohnheiten beizutragen, das Fremde ins Eigene einzubauen. Unter ästheti‐ scher Formung ist deswegen auch nicht nur braves Handwerk und traditionelles Reimen zu verstehen: Non si esorcizza Es gehorcht nicht dem Bann con formule viete veralteter Formeln alla ripetizione vor Wiederholungen sfugge e si dilegua flieht es und schwindet hin Crealo dal di dentro Erschaff es von innen perché luca daß es leuchte se di pura tempra wenn die Härtung gelang Sarà tuo compagno allora Dann wird es dich als dein Gefährte anche se sornione wenngleich nicht ohne Heimtücke begleiten 5 Das gelungene Gedicht blinkt wie die Klinge geschmiedeten und gehärteten Stahls und wird zur Waffe, zum Überlebens-Helfer des Dichters und des Lesers. Das „sornione“ scheint mir in der deutschen Übersetzung mit „nicht ohne Heim‐ tücke“ jedoch zu negativ wiedergegeben. 6 Das Adjektiv ist im Italienischen nicht so abwertend wie im Französischen, wo es gleichbedeutend mit ‚hypocrite‘, also mit ‚heuchlerisch‘, ‚verschlagen‘, ‚hinterhältig‘ ist; es hat eher etwas von seiner vermuteten provenzalischen Etymologie, 7 etwas Dunkles, Verschlossenes, Un‐ durchsichtiges, Geheimnisvolles. Hermetik, dieser ursprünglich von Flora 8 als Schimpfwort gedachte Begriff, macht den Reiz der Dichtung überhaupt aus. Die Wörter selbst können durchaus vertraut sein, es ist ihre Zusammenstellung im Vers und ihre sogenannte (viel‐ leicht auf den ersten Blick gar nicht erkennbare) uneigentliche Verwendung, die sie fremd und bedeutungsträchtig werden lassen. Baciano i due poli Zart berühren die Pole i meridiani e un campo sich mit den Meridianen s’instaura di forze und aus ihrem Kuß entsteht magnetiche ein Magnetfeld 9 85 Salvatore A. Sanna als Dichter von Erinnerungsorten 10 Schade, dass im deutschen Text das die gegensätzliche Distanz unterstreichende ‚beide‘ verlorengeht. 11 Sanna ist nicht der erste, der den Meridian - obwohl er nur eine gedachte Linie ist - in Verbindung mit der Poesie zu einer Art Leitgestirn des Menschen erhebt - man denke nur an Paul Celans berühmte Rede zur Verleihung des Büchnerpreises. Der Anlass der Beobachtung, soweit es einen gab, ist völlig aufgegangen in der kunstvollen Gestaltung: Das Gedicht spricht von einer spannungsreichen Ver‐ einigung von Entgegengesetztem. Durch Inversion der normalen Wortstellung (*I due poli baciano) werden die beiden wichtigsten Begriffe (Kuss - Pole) in die Anfangs- und Endstellung gleich des ersten Verses und dadurch in ein rhyth‐ misches Spannungsverhältnis gebracht. Das Ergebnis dieser Operation, die Kraft des Magnetfeldes, steht ganz am Ende des Gedichts und dadurch im Bezug zur ersten Zeile wieder in Spannung, gleich doppelt betont am Schluss der beiden letzten, durch Enjambement verbundenen Zeilen. Zusätzlich wird eine seman‐ tische Spannung aufgebaut: Astronomisch-physikalische Begriffe, der Meridian, ein imaginärer Halbkreis, der durch die beiden 10 Magnetpole der Erde gelegt ist und jeden Ort der Erde in ein Magnetfeld bannt - alle diese naturwissenschaft‐ lichen, in die kosmische Weite weisenden Begriffe werden metaphorisch zu‐ sammengezwungen mit einer intimen menschlichen Tätigkeit wie dem Küssen und erzeugen so eine Art liebevoller Geborgenheit für alles, was unter den Me‐ ridianen 11 lebt. Neben der syntaktischen und der semantischen Spannung, welche die Sugges‐ tivkraft des Bildes ausmacht, ist eindrucksvoll, mit welcher Raffinesse Sanna den im Gedicht erwähnten Spannungsbogen sinnlich spürbar macht durch die gegen‐ läufige Gestaltung von Vers und Rhythmus: Wichtigstes Hilfsmittel dabei ist die kurze Zeilenbrechung. Normalerweise erwartet der Leser, dass die syntaktischen Einschnitte mit den Versenden und der Schlussbetonung zusammenfallen, wie das im deutschen Text am Ende von Zeile 2 und 4 der Fall ist. Geschieht dies nicht - und das kann umso öfter der Fall sein, je kürzer die Zeilen sind - dann entsteht ein sogenannter Zeilensprung (Enjambement), der eine rhythmische Spannung erzeugt zwischen dem Zeilenende und dem (Teil-)Satzende (an dem man norma‐ lerweise die Stimme senkt), das auf sich warten lässt und erst im Rejet seine Auf‐ lösung findet. Eine Spannung, die dazu führt, dass man am Zeilenende beim Vor‐ trag zwar kurz verweilt, die Stimme aber nicht senken kann, bis der Satz oder Teilsatz abgeschlossen ist. In diesem Gedicht nun baut Sanna systematisch in jedem Vers und über alle hinweg eine solche Spannung auf: Einerseits durch die Kürze der Verszeilen, andererseits dadurch, dass er den einzigen syntaktischen Einschnitt vor dem „e“ nicht an das Versende, sondern in die Versmitte verlegt, wo man die Stimme ebenfalls nicht senkt. Das ganze Gedicht spannt auf diese 86 Hermann H. Wetzel 12 Leider geht die Spannung in der deutschen Übersetzung verloren. Weise den Rhythmus ohne Ruhepunkt von der ersten bis zur letzten Zeile, ko-okkurrent zum alles umspannenden Magnetfeld der Erde. Normalerweise folgt im Italienischen (wie übrigens im Deutschen) auf das Subjekt das Verb und dann das Objekt: Er küsst sie. Romeo küsst Julia. Die In‐ version zu Anfang des Gedichts betont nicht nur das für alles Kommende ent‐ scheidende Verb baciano, sondern es rückt Subjekt und Objekt des Satzes (die Pole und die Meridiane) räumlich so eng aneinander, dass überhaupt nicht mehr zu unterscheiden ist, was Subjekt und was Objekt ist. (Im Gegensatz zu Er küsst sie, einem Satz, in dem durch den eindeutigen Nominativ er klar ist, wer Subjekt und wer Objekt ist, ist im Satz Romeo küsst Julia nicht eindeutig, wer Subjekt und wer Objekt ist, da sich der Akkusativ nicht vom Nominativ unterscheidet. Es könnte beides heißen: (der) Romeo küsst (die) Julia oder auch (den) Romeo (und keinen anderen) küsst (die) Julia; bzw. in unserem Beispiel: I due poli baciano i meridiani oder I meridiani baciano i due poli). Beide, Pole und Meridiane bilden ein ununterscheidbares Ganzes, das den geschilderten Sachverhalt in der Sprachstruktur abbildet. Gleichzeitig wird auch rhythmisch diejenige zusammenhaltende Kraft er‐ zeugt, von der erst im zweiten Teilsatz die Rede ist: Dadurch dass das Verb (Z. 1) vom Objekt (Z. 2), zu dem es im normalen Satz gehört, durch das Subjekt (Z. 1) getrennt wird, entsteht ein starkes Enjambement zwischen Zeile 1 und 2. Diese Spannung wird noch gesteigert durch ein doppeltes Enjambement, das durch die zweifache Zeilen-Trennung des Syntagmas „un campo / […] di forze/ magne‐ tiche“ im zweiten Halbsatz - diesmal wird entgegen der Norm das Verb in das Syntagma eingeschoben - die Trennung des Substantivs von seinem dazuge‐ hörigen Adjektiv und die Aufteilung auf drei Verszeilen entsteht. 12 Das Gedicht ist, wie wir gesehen haben, ein Zeichen, eine Spur, hier zunächst ein Bild, dann die rhythmische Spur einer im dialektischen Doppelsinne ‚auf‐ gehobenen‘ Spannung, aus der wir wie ein Detektiv auf die Ursache der Spur schließen können. Doch da Spuren, wie alle Indizien, nie eindeutig sind, gerade so wenig wie Bilder, bleibt es dem detektivischen Leser und seinen immer neuen Deutungsversuchen überlassen, welchen Titel er diesem Bilde unterlegt. Die beiden Pole und ihre im Magnetfeld aufgehobene Spannung bieten sich nicht nur für eine physikalische oder metaphysische Deutung an, sondern sie könnten sich auch meta-poetisch auf die beiden Pole einer Metapher und die daraus ent‐ stehenden Interaktion zwischen den Bildbereichen beziehen oder in lebens‐ weltlicher Deutung auf das Verhältnis zweier Liebender - „[…] e per capirlo/ occorre spesso/ tutta una vita“. 87 Salvatore A. Sanna als Dichter von Erinnerungsorten 1 Von Salvatore A. Sanna sind bislang folgende Gedichtbände erschienen: Fünfzehn Jahre Augenblicke 1978; Wacholderblüten 1984; Löwen-Maul 1988; Feste 1991; Mnemosyne. Hommage an die Mutter der Musen 1999. 2 Gerhard Goebel, „Nachwort: Der Sturz der Horizontale“, in: Sanna, Löwen-Maul, Ge‐ dichte Italienisch Deutsch. Übertragung und Nachwort von Gerhard Goebel-Schilling. Mit zwei Zeichnungen von Ermanno Leinardi, Frankfurt am Main/ Aarau 1988, S. 91- 97, hier S. 96. [In diesem Band S 147 ff.] „Un calice rosso“ - „Ein roter Blütenkelch“ Das nachgestellte Adjektiv als Übersetzungsproblem in der Lyrik Salvatore A. Sannas [2004] Peter Ihring Jede Sprache hat hinsichtlich der Gesetzmäßigkeit ihrer Wortstellung eigene syntagmatische Regeln. Der Spielraum, den diese Regeln lassen, ist indes so groß, dass er es erlaubt, durch kreative Variation im entsprechenden stilistischen Kontext individuelle ästhetische Akzente zu setzen. Das gilt gleichermaßen für Prosawie für Versliteratur, mit dem Unterschied freilich, dass der Vers ein zu‐ sätzliches Instrument für die Rhythmisierung des sprachlichen Kontinuums zur Verfügung stellt. Dieses Instrument ist ein Privileg vor allem lyrischer Dichtung. Es eröffnet die Möglichkeit, einzelnen Wörtern metrische Schlüsselpositionen zuzuweisen und ihnen damit eine besonders gewichtige Bedeutung zu verleihen. Andererseits bewegt sich natürlich auch die lyrische Dichtung im Rahmen der syntagmatischen Vorgaben einer bestimmten Sprache, jedenfalls dann, wenn sie - wie diejenige Salvatore A. Sannas 1 - „eine prinzipiell kommunikative Poesie“ 2 ist. Der italienische Lyriker Sanna darf daher die Syntagmatik des Ita‐ lienischen im Allgemeinen ebenso wenig ignorieren wie die daraus hervorge‐ henden Wortstellungsregeln im Besonderen. Dabei konstituiert sich die lyrische Bedeutung seiner Gedichte zunächst natürlich über den lexikalischen Sinn des eingesetzten Vokabulars und das zugehörige klangliche Material, das in aussa‐ gekräftiger Weise metrisch strukturiert ist; sie konstituiert sich aber auch über 3 Hinsichtlich der Gesetzmäßigkeiten, die im entsprechenden Kontext zu beobachten sind, unterscheidet Christoph Schwarze textpragmatische, syntaktische und lexikali‐ sche Faktoren. Vgl. C.S., Grammatik der italienischen Sprache, Tübingen: Niemeyer 1988, S. 244 ff. 4 Vgl. Caroline Lüderssen/ Salvatore A. Sanna (Hrsg.), Letteratura de-centrata. Italienische Autorinnen und Autoren in Deutschland. Texte und Analysen, Frankfurt am Main: Dies‐ terweg 1995. 5 Sanna, Fünfzehn Jahre Augenblicke, Gedichte Italienisch Deutsch. Übertragen von Ragni Maria Gschwend. Mit einer Zeichnung von Piero Dorazio, Frankfurt 1978, S. 36/ 37. die italienische Syntagmatik, zu der die genannten Wortstellungsregeln als ein wesentliches Element gehören. Jede Übersetzung der Gedichte Sannas ins Deut‐ sche hat daher diese Syntagmatik mit ihren spezifischen Gesetzmäßigkeiten zu berücksichtigen. Das wirft überall da Probleme auf, wo die italienischen Wort‐ stellungsregeln von den deutschen abweichen wie etwa im Falle der Position des adjektivischen Attributs: In den romanischen Sprachen und mithin auch im Italienischen steht dieses Attribut vielfach hinter dem zugehörigen Nomen, 3 im Deutschen dagegen fast immer davor. Die Lyrik Salvatore A. Sannas ist insofern ein geeignetes Quellenkorpus zur exemplarischen Erörterung des beschriebenen Übersetzungsproblems, als sie von einem Dichter stammt, der sich nicht nur um die Erforschung der „Lette‐ ratura de-centrata“ 4 verdient gemacht hat, sondern der allem Anschein nach auch seinem eigenem Werk eine ‚posizione de-centrata‘ zuweist, eine Position zwischen zwei Sprachen bzw. Kulturen; schließlich stellt er jedem veröffent‐ lichten Gedicht grundsätzlich eine von ihm autorisierte Übersetzung ins Deut‐ sche an die Seite. Da es im folgenden ausschließlich um die Frage geht, wie die italienische Nominalgruppe mit nachgestelltem Adjektiv im Deutschen wiederzugeben ist, enthält die hier vorgenommene Auswahl aus dem gesamten Œuvre Salvatore A. Sannas nur solche Gedichte, die im Hinblick auf das entsprechende Überset‐ zungsproblem aussagekräftig sind. Zum Einstieg sei ein frühes, titelloses Stück aus Sannas erster Sammlung Fünfzehn Jahre Augenblicke von 1978 vorgestellt: 5 1 Una barriera tenace m’impedisce di penetrare nella tua sfera sensoria 5 Le mie frange di tessuto sociale l’equilibrio degli affetti strani la pressura del tempo In te una forza vorace 90 Peter Ihring un groviglio chiuso 10 l’ansia di soccombere nel duetto d’amore Die Majuskeln in den Versen 1, 5 und 8 lassen keinen Zweifel daran, dass das Gedicht aus drei Sätzen besteht. Der zweite dieser Sätze ist ebenso wie der dritte insofern elliptisch, als darin ein finites Verb als Prädikat fehlt, so dass die ent‐ sprechenden Verse in syntaktischer Hinsicht eindeutig vom Prinzip der Nomi‐ nalkonstruktion dominiert sind. Dem einzigen Verb, das dort begegnet, dem Infinitiv „soccombere“ (V. 10), ist der dynamische Verbalsinn außerdem dadurch genommen, dass es in der Wendung „l’ansia di soccombere“ erscheint, mithin gewissermaßen in der Negation. Auch die Verbalgruppe des ersten Satzes „m’impedisce/ di penetrare“ trägt keine wirkliche Handlungsenergie in sich; sie indiziert vielmehr im Gegenteil jene spannungsvolle Statik, durch die das Ge‐ dicht als Ganzes bestimmt ist und die ihren syntaktischen Ausdruck darin findet, dass von den insgesamt elf Versen nicht weniger als sechs durch eine Nominal‐ gruppe mit nachgestelltem adjektivischem Attribut ausgefüllt sind: „…barriera tenace …sfera sensoria …tessuto sociale …affetti strani …forza vorace …groviglio chiuso…“. Die sechs genannten Nominalgruppen sind gleichmäßig über die drei Sätze verteilt: Jeder dieser Sätze enthält zwei davon. Was ihre Bedeutung angeht, so lässt sie sich, zugegebenermaßen etwas schematisch, mit dem folgenden Gliederungsmodell charakterisieren: Die Nominalgruppen des ersten Satzes (V. 1-4), „barriera tenace“ und „sfera sensoria“, bezeichnen das Verhältnis des sprechenden Ich zu dem angesprochenen Du; die des zweiten (V. 5-7), „tessuto sociale“ und „affetti strani“, die innere Befindlichkeit des Ich; und die des dritten (V. 8-11), „forza vorace“ und „groviglio chiuso“, die innere Befindlichkeit des Du. Da die Adjektive der genannten Nominalgruppen ausnahmslos dem zuge‐ hörigen Nomen nachgestellt sind, rücken sie an die prominente, weil metrisch hervorgehobene Position des Versschlusses. Von den elf Versen, die das Gedicht umfasst, enden also sechs mit einem adjektivischen Attribut, das auf ein vor‐ angehendes Substantiv bezogen ist. Im Falle des zweiten, auf das sprechende Ich bezogenen Satzes ist den beiden Nominalgruppen, durch welche die Verse 5 und 6 abgeschlossen werden, eine prononciert spannungsvolle Bedeutung nicht zu attestieren, im Gegenteil: Die metaphorischen „frange di tessuto sociale“ und das „equilibrio degli affetti strani“ vermitteln eher einen Eindruck diffuser Un‐ schlüssigkeit. Im Unterschied dazu bezieht der erste Satz, der die vier einlei‐ tenden Verse umfasst, seine atmosphärische Intensität vor allem von der dezi‐ dierten Wendung „barriera tenace“, die geradezu einschüchternd anmutet und die ihr semantisches Gewicht natürlich auch der Tatsache verdankt, dass sie als Subjekt fungiert. Dem ersten Vers „Una barriera tenace“ korrespondiert als 91 „Un calice rosso“ - „Ein roter Blütenkelch“ 6 Ebd., S. 54-55. ferner Reim V. 8 „In te una forza vorace“. Hier zeichnet sich eine bedrohliche Angriffslust ab, die freilich nicht zum Ausbruch kommt und durch den ebenfalls auf das Du bezogenen „groviglio chiuso“ aus V. 9 gleich wieder zurückge‐ nommen wird. Es bleibt festzuhalten, dass sich im Falle des gerade zur Diskussion stehenden Gedichtes die lyrische Bedeutung zu einem nicht geringen Anteil über adjekti‐ vische Attribute konstituiert und dass diese Art der Bedeutungskonstituierung ganz entscheidend von der Nachstellungsregel lebt, die für das entsprechende Syntagma durch die italienische Grammatik vorgegeben ist. Denn die poetische Intensität, die den Adjektiven „tenace“, „vorace“ und „chiuso“ hier zuwächst, verdankt sich ja nicht allein ihrem lexikalischen Sinn, sondern eben auch der metrisch privilegierten Position, die ihnen der Lyriker Sanna zugewiesen hat. In der Übertragung von Ragni Maria Gschwend sind die drei besonders mar‐ kanten Nominalgruppen des Gedichts - „Una barriera tenace“, „una forza vorace“ und „un groviglio chiuso“ - wiedergegeben mit „Eine unüberwindliche Barriere“, „eine gierige Kraft“ und „ein unentwirrbarer Knäuel“. Das bedeutet, dass die adjektivischen Attribute das besondere lyrische Gewicht, das ihnen im italienischen Original eigen war, durch die Übertragung ins Deutsche verlieren, denn in der Zielsprache rücken sie an eine weniger prominente Position im Inneren des Verses, so dass sie nicht mehr den metrisch signalhaften Schluss‐ punkt der Nominalgruppe setzen, sondern zu Überleitungs-Elementen mit eher vorbereitender Funktion ‚degradiert‘ werden. Auch das folgende, ebenfalls in Fünfzehn Jahre Augenblicke enthaltene Stück, ein melancholisches Heimkehrgedicht, 6 ist über weite Strecken von dem syn‐ taktischen Element der Nominalgruppe mit nachgestelltem Adjektivattribut do‐ miniert und wirft daher das Problem auf, wie das spezifisch italienische, durch die Nachstellungsregel bedingte Bedeutungspotential dieses syntaktischen Ele‐ ments im Deutschen wiederzugeben sei: 1 In questa terra ci vengo per ricercare una matrice spenta Ogni incontro d’uomini 5 rimprovera il tratto straniero il diverso pensare C’è un mare ovale per la sua cornice 92 Peter Ihring che ti rimette l’infanzia 10 e ti fa sognare un viaggio di là da essa Nominalgruppen mit nachgestelltem Adjektivattribut finden sich in den Versen 3 („matrice spenta“), 5 („tratto straniero“) und 7 („mare ovale“). Das „spenta“ aus Vers 3 hat deshalb ein besonderes Gewicht, weil es nicht nur an der metrisch hervorgehobenen Position des Versendes steht, sondern auch den ersten Satz abschließt und ihm durch seinen lexikalischen Sinn eine melancholische Be‐ deutungswendung gibt, die einigermaßen plötzlich kommt, da die Vokabel „matrice“ für sich genommen durchaus positive Assoziationen weckt. Das ita‐ lienische „spenta“ ist daher weitaus gewichtiger als die deutsche Entsprechung „versiegten“, die eher unauffällig im Inneren eines Verses steht, der zudem mit dem einleitenden „nach“ noch ein Wort mehr enthält als sein italienisches, sehr viel konziseres Pendant „una matrice spenta“. Leichter lösbar war das Überset‐ zungsproblem im Falle der zweiten Nominalgruppe „il tratto straniero“ aus V. 5. Hier kann Ragni Maria Gschwend das lyrische Gewicht von „straniero“ dadurch ins Deutsche hinüberretten, dass sie „fremden“ an eine in metrischer Hinsicht ebenfalls prominente Position rückt, nämlich an den Anfang des folgenden Verses. Ähnlich verfährt sie mit „mare ovale“ aus V. 7, wo sich mit dem nach‐ gestellten Attribut „ovale“ die entscheidende atmosphärische Wendung des Ge‐ dichts verbindet: Das „mare“, das von der fremdgewordenen Gemeinschaft der Sarden wegzuführen verspricht, ist „ovale“ eben nicht nur in Bezug auf die Küs‐ tentopographie an einer bestimmten Stelle der Insel, sondern auch in einem metaphorischen Sinn: Durch die klangliche Nähe von „ovale“ zu lat. „ovum“ bzw. zu ital. „uovo“ lässt es nämlich an die Geborgenheit einer lebendigen, weil bewegten Mütterlichkeit denken; insofern scheint es der „matrice spenta“ aus V. 3 als positives Gegenstück zu korrespondieren. Die Übersetzerin berücksich‐ tigt zwar die metrische Sonderstellung des italienischen „ovale“, indem sie dem deutschen „oval“ wieder einen Ehrenplatz am Versanfang zukommen lässt, den Beiklang der ‚Mütterlichkeit‘, der dem Original eigen war, kann sie jedoch nicht in die Zielsprache transferieren. Immerhin erhält sie die assoziative Verklam‐ merung von V. 3 „matrice spenta“ mit V. 7 „mare ovale“, aber nicht über das metaphorische Feld des Geburtsaktes, sondern über den Bildbereich des Was‐ sers, den sie im siebten Vers der italienischen Fassung vorgefunden hatte und den sie - wohl davon ausgehend - eigenständig in den dritten Vers ihrer Über‐ setzung einführt: Dem „Meer“ (V. 8), das „träumen lässt“ (V. 11), entspricht bei Ragni Maria Gschwend als negativer Kontrast die frustrierte Begegnung mit „einer versiegten Quelle“ (V. 3). 93 „Un calice rosso“ - „Ein roter Blütenkelch“ 7 Sanna, Wacholderblüten, Gedichte Italienisch Deutsch. Übertragen von Birgit Schneider. Mit zwei Zeichnungen von Fausto Melotti, Frankfurt 1984, S. 30/ 31. Das folgende Gedicht, Samaden, ist in Wacholderblüten enthalten, 7 Sannas zweitem Lyrikband, der 1984 erschienen ist und von Birgit Schneider ins Deut‐ sche übertragen wurde. Samaden Un calice rosso alla finestra mi saluta sulla ripida strada che porta alla Casa dell’Erica È l’annuncio d’amicizia in questo paesaggio bianco Es scheint fast so, als solle dem Syntagma der Nominalgruppe mit adjektivi‐ schem Attribut in Samaden die Rolle des dominierenden Gliederungs-Elements übertragen werden. Denn das Gedicht enthält drei solcher Syntagmen, zwei mit nachgestelltem und eines mit vorangehendem Adjektiv; und diese Syntagmen verteilen sich auf die drei Verse, die als Dreh- und Angelpunkte des kurzen Textes gelten können: „Un calice rosso“ steht am Beginn, „ripida strada“ im vierten von sieben Versen, also in der strukturellen Mitte, und „paesaggio bi‐ anco“ am Ende. Was nun die Frage nach der Position des adjektivischen Attributs angeht, so ist evident, dass die erste und die letzte Zeile miteinander korrespon‐ dieren: Weil „rosso“ und „bianco“ Farbadjektive sind, ist für sie die Nachstellung durch die Regeln der italienischen Grammatik vorgegeben. Dennoch ist natür‐ lich der Kunstwille des Lyrikers Sanna in Rechnung zu stellen, dem in beiden Fällen mehr am jeweiligen farblichen Attribut gelegen ist als am zugehörigen Nomen und der die entsprechenden Adjektive wohl nicht zuletzt aus diesem Grund metrisch privilegiert, indem er sie an den Schluss des Verses rückt. Auch im Hinblick auf den auslautenden Vokal antwortet die letzte Zeile auf die erste: Sowohl „rosso“ als auch „bianco“ sind durch ein „-o“ als Maskulina erkennbar. Alle anderen Verse des Gedichts enden auf „-a“, sei es das „-a“ einer Verbal-En‐ dung wie in „mi saluta“ oder das genus-anzeigende „-a“ eines femininen Nomens wie in den übrigen Fällen. Die einleitende Zeile von Samaden bildet also im Verhältnis zum Mittelteil des Gedichtes zusammen mit dem Schlussvers einen Rahmen, der in mehrfacher Hinsicht verklammert ist. Und diese Verklamme‐ rung wird sowohl semantisch als auch klanglich durch nichts anderes hergestellt als durch die beiden in der Form des Maskulinums gehaltenen adjektivischen 94 Peter Ihring 8 Gerhard Goebel, „Nachwort: Der Sturz der Horizontale“, in: Sanna, Löwen-Maul, S. 95- 97. [In diesem Band S 147 ff.] 9 In dem langen, titellosen Gedicht etwa, das durch die Formel „Poche cose/ consegnatemi in un sacco“ eröffnet wird und in dem Band Feste enthalten ist, sind die Nominalgruppen mit nachgestelltem Adjektiv fast durchgängig so übersetzt, dass das adjektivische At‐ tribut seine postnominale Position auch im Deutschen beibehält. „Poche cose/ conse‐ gnatemi“ - „Ein paar Sachen/ mir überbracht“; „Sorriso giovanile, odore/ acre“ - „Lä‐ cheln wie einst, Geruch/ beizend“; „Storia povera, di gente onesta“ - „Arme Geschichte, von Leuten, redlich“; „…macchine impazzite/ d’autostrada“ - „…Autos, die wild sind/ auf Autobahn“; „…un ragazzo/ guarda sul collinoso infinito/ del mare mentre le onde/ docili lambiscono i suoi piedi“ - „…ein Junge/ er schaut aufs unendlich aufgehügelte/ Meer indes Wellen/ ihm zahm die Füße lecken“; „L’avornello curvo su di te“ - „Der Goldregen beugt sich über dich“. Vgl. Sanna, Feste, S. 18-21. In der jetzt erschienenen Gesamtaus‐ gabe der Gedichte Sannas, Fra le due sponde - Zwischen zwei Ufern. Gesammelte Ge‐ dichte Italienisch Deutsch, hrsg., kommentiert und mit einem Essay versehen von Thomas Amos, Tübingen: Narr 2004, ist das Gedicht mit dem Titel Abschied versehen. Attribute „rosso“ und „bianco“, wobei deren Position jeweils hinter dem zuge‐ hörigen Nomen eine entscheidende Rolle spielt. Da die beiden Adjektive im Deutschen nicht auf sinnvolle Weise an eine Position hinter dem Nomen trans‐ feriert werden können, geht die genannte Verklammerung des ersten mit dem letzten Vers in der Übersetzung fast völlig verloren. Zwar bleibt die semantische Korrespondenz der beiden Farbwörter ‚rot‘ und ‚weiß‘ erhalten, aber da diese Wörter an einer vergleichsweise unbedeutenden Position im Inneren der beiden Verse stehen, kann die so bedeutungsträchtige, zugleich parallele und kontras‐ tive Beziehung zwischen dem Anfang des Gedichts und seinem Ende in der deutschen Fassung nicht angemessen zur Geltung kommen. Mit der Publikation der im Jahre 1988 erschienenen Sammlung Löwen-Maul beginnt die seitdem sehr erfolgreich andauernde Zusammenarbeit zwischen Salvatore A. Sanna und Gerhard Goebel. In dem kurzen Nachwort zu dieser Sammlung, aus dem oben bereits zitiert wurde, erwähnt Goebel die Schwierig‐ keiten, mit denen er sich im Verlauf seiner Übersetzungsarbeit auseinander‐ setzen musste. 8 Darin sagt er zwar nichts über die hier interessierende Frage, wie die italienische Nominalgruppe mit nachgestelltem Adjektiv im Deutschen wiederzugeben sei. Aber wer seine Übertragungen der Lyrik Sannas mit dem italienischen Original vergleicht, wird immer wieder feststellen können, dass er von Anfang an ein Gespür für die Wichtigkeit des genannten Problems hatte. 9 Es ist freilich einzuräumen, dass Gerhard Goebel als Übersetzer von Löwen-Maul, von Feste und von Mnemosyne unter besseren Voraussetzungen damit umgehen konnte als seine Vorgängerinnen. Denn in den genannten Werken tritt das problematische Syntagma der Nominalgruppe mit nachge‐ stelltem adjektivischem Attribut zumeist in der Weise auf, dass das Adjektiv von 95 „Un calice rosso“ - „Ein roter Blütenkelch“ 10 Sanna, Löwen-Maul, S. 86/ 87. 11 Es kommt in der Lyrik Sannas nicht selten vor, dass - wie im Falle von „cose semplici/ finite/ e pure/ eterne“ - das nachgestellte Attribut aus zwei oder mehr Adjektiven besteht bzw. dass ein einzelnes Adjektiv in postnominaler Position durch ein weiteres Wort, durch ein Adverb etwa, ergänzt ist. Das führt in der Regel dazu, dass diese postnominale Position bei der Übersetzung der jeweiligen Nominalgruppe in der deutschen Fassung erhalten bleibt. Der entsprechende Sachverhalt ist in übersetzungsanalytischer Hinsicht interessant, kann aber hier nicht weiter verfolgt werden. Es seien dennoch einige Bei‐ spiele genannt: „sono escluso/ da una lotta quasi vitale“ - „bin ich ausgeschlossen/ von einem Kampf/ der beinahe selbst das Leben ist“ (Fünfzehn Jahre Augenblicke, S. 16/ 17); „…sull’altipiano/ chiazzato di giallo d’orzo“ - „…auf der Hochebene/ gefleckt vom Gelb der Gerste“ (Wacholderblüten, S. 6/ 7); „…degli abeti/ curvi come tube tibetane“ - „…der Tannen/ gekrümmt gleich tibetanischen Hörnern“ (Wacholderblüten, S. 42-43); „Le sfere di metallo/ portate dal vento“ - „Metallene Kugeln/ vom Winde getragen“ (Wacholder‐ blüten, S. 56/ 57); „…un’orma/ anche se leggera/ ma dolce“ - „…eine Spur/ eine noch so leichte/ aber hold sei sie“ (Löwen-Maul, S. 18-19); „Sull’ampia spiaggia/ orfana per la marea“ - „Auf weitem Strande/ - verwaist ließ ihn die Flut -“ (Mnemosyne, Hommage an die Mutter der Musen. Übertragung und Nachwort Gerhard Goebel. Einführung von Christoff Neumeister. Mit drei Zeichnungen von Gianfranco Pardi, Frankfurt am Main/ Aarau 1999, S. 16/ 17). dem vorangestellten Substantiv durch ein Enjambement getrennt ist. Offenbar hat sich die entsprechende lyrische Figur als poetisches Stilmerkmal erst in Sannas späteren Werken durchgesetzt. Aus naheliegenden Gründen begegnet sie besonders häufig in Kurzversgedichten wie etwa Stupore/ Erstaunen  10 aus Löwen-Maul: Stupore Bello accorgersi delle cose semplici finite e pure eterne Die Nominalgruppe „cose semplici/ finite/ e pure/ eterne“ umfasst drei nachge‐ stellte Adjektivattribute, 11 wobei das letzte dieser Attribute durch die adversa‐ tive Partikel „pure“ ein besonderes Profil gewinnt. Entscheidend für das hier diskutierte Thema ist aber, dass in der Ausgangssprache alle drei Adjektive (durch die Nachstellungsregel der italienischen Grammatik bedingt) am Vers‐ ende stehen beziehungsweise, im Falle von „finite“ und „eterne“, sogar den ge‐ samten Vers ausfüllen und insofern mit einem erheblichen lyrischen Gewicht ausgestattet sind. Auch in der Zielsprache wird den lexikalisch entsprechenden 96 Peter Ihring 12 Sanna, Feste, Gedichte Italienisch Deutsch. Übertragung und Nachwort von Gerhard Goebel-Schilling. Mit zwei Zeichnungen von Achille Perilli, München-Mainz 1991, S. 62/ 63. Vokabeln „endlich“ und „ewig“ eine metrisch ähnlich privilegierte Position zu‐ teil. Was die Wendung „cose semplici“ angeht, so bleibt hingegen in der deut‐ schen Formulierung „der einfachen Dinge“ dem adjektivischen Attribut „einfa‐ chen“ nur eine unbetonte Mittelstellung, was freilich dadurch aufgewogen wird, dass dieses „einfachen“ insofern im Gleichklang mit „endlich“ und „ewig“ steht, als diese ebenfalls mit „e-“ anlauten. Die metrische Sonderstellung, die den nachgestellten Adjektiven im italienischen Original eigen war, wird durch den Übersetzer mit Hilfe einer syntaktischen Erweiterung ins Deutsche überführt: Die Nominalgruppe „delle cose semplici/ finite/ e pure/ eterne“ verwandelt sich in den vollständigen Relativsatz „der einfachen Dinge/ die endlich sind/ und doch/ ewig“. Das Beispiel lässt erkennen, dass sich der lyrische Sinn einer italienischen Nominalgruppe mit nachgestelltem Attribut vor allem dann relativ problemlos ins Deutsche übertragen lässt, wenn dieses nachgestellte Attribut im Original‐ text durch ein Enjambement von dem zugehörigen Nomen getrennt ist; denn dann liegt es nahe, das Adjektiv auch in der Zielsprache an die verseinleitende Position zu rücken und ihm damit jenes besondere lyrische Gewicht zu geben, das ihm in der Ausgangssprache schon aufgrund seiner durch die grammati‐ schen Regeln bedingten Nachstellung eigen war. Aber auch wenn ein nachge‐ stelltes Adjektivattribut, das im Italienischen am Versanfang stand, vom Über‐ setzer ans Ende des vorangehenden Verses der deutschen Fassung gerückt wird, kann der lyrische Sinn der gesamten Nominalgruppe durchaus intakt bleiben. Dies zeigt ein exemplarischer Fall aus dem Band Feste von 1991: 12 L’aratrice rivolta la terra su cui cresce un’erba ingenua. Non cambia il senso delle cose eterne è piuttosto sconvolgimento di stagione Das Gedicht enthält zwei Nominalgruppen mit nachgestelltem Adjektiv: „un’er‐ ba/ ingenua“ und „delle cose eterne“. In der deutschen Fassung steht das adjek‐ tivische Attribut jeweils vor dem Nomen: „argloses/ Gras“ bzw. „ewigen Dinge“. Was die „ewigen Dinge“ angeht, so ist zu sagen, dass sie einen Teil des lyrischen Sinns von „cose eterne“ unterschlagen, denn in der italienischen Wendung lag der Akzent eindeutig auf „eterne“, das nicht nur einen Vers abschließt, sondern 97 „Un calice rosso“ - „Ein roter Blütenkelch“ 13 Ebd., S. 76/ 77. einen syntaktisch vollständigen Halbsatz. Demgegenüber scheint das deutsche Wort „ewigen“ von dem gewichtigen „Sinn“ und dem abrundenden „Dinge“ in den Hintergrund gedrängt zu werden. Hier geht mit der Voranstellung des Ad‐ jektivs in der Zielsprache unbezweifelbar eine nicht geringe Bedeutungsverän‐ derung einher. Anders bei „erba/ ingenua“ - „argloses/ Gras“. Der adjektivische Teil der Nominalgruppe verliert bei der Übertragung vom Italienischen ins Deutsche zwar seine verseinleitende Stellung, rückt dafür aber ans Ende der vorangehenden Zeile und damit an eine nicht weniger prominente Position: Denn die Zeile „auf der argloses“ lebt im Hinblick auf ihren lyrischen Wert aus‐ schließlich von dem Adjektiv, das dem zugehörigen Nomen sein Profil gibt, während die beiden anderen Wörter nur einen syntaktisch funktionalen Sinn haben: Sie machen den Vers zu einem Relativsatz und stellen damit zur voran‐ gehenden Zeile eine logische Beziehung her. Impressioni veneziane 13 1 La scoperta del bianco sulla forma ogivale chiarifica l’oscuro esalta l’irregolarità 5 sul piano mobile L’eroe tracio a cavallo affronta lancia in resta lo sconosciuto essere Troneggia la cupola 10 palladiana alla Giudecca col suo piccolo compagno accanto e striminzito Der Ausgangstext umfasst sieben Nominalgruppen mit adjektivischem Attribut: Neben dem Gedichttitel „Impressioni veneziane“ sind das im einzelnen: „forma ogivale“, „piano mobile“, „L’eroe tracio“, „lo sconosciuto essere“, „la cupola/ palladiana“ und schließlich „piccolo compagno/ accanto e striminzito“. Bis auf eine Ausnahme, „sconosciuto essere“, wo die Voranstellung des italienischen Attributs als lyrische Markierung gelten darf, ist das Adjektiv immer nachge‐ stellt. Es ist Gerhard Goebel gelungen, das dadurch aufgeworfene Überset‐ zungsproblem ohne große Eingriffe in die sprachliche Gestalt des Gedichts zu lösen. Sehr oft konnte er die ursprüngliche Reihenfolge Nomen-Adjektiv für die deutsche Fassung schlicht umkehren, aus unterschiedlichen Gründen freilich: 98 Peter Ihring Zu „Venezianische Impressionen“ für „Impressioni veneziane“ gibt es wohl oh‐ nehin keine Alternative, und auch im Falle von „sul piano mobile“ bzw. „L’eroe tracio“ ist nur schwer eine Übersetzung denkbar, die Goebels einfachem „auf bewegter Ebene“ bzw. „Der thrakische Held“ vorzuziehen wäre. Auch für „forma ogivale“ ließ sich relativ problemlos eine zielsprachliche Entsprechung finden: der - etwas spezifischere - deutsche Fachausdruck „Spitzbogen“. Die beiden verbleibenden Wendungen, „la cupola/ palladiana“ und „piccolo compagno/ accanto e striminzito“, weisen eine Besonderheit auf: Das vorangestellte Nomen und das zugehörige adjektivische Attribut sind wieder durch ein Enjambement voneinander getrennt. Wie schon in den oben vorgestellten Beispielen, so hat diese lyrische Figur auch hier Folgen für die Übersetzbarkeit der jeweiligen No‐ minalgruppe, und zwar unabhängig davon, ob die von der ausgangssprachlichen Grammatik vorgegebene Reihenfolge Nomen-Adjektiv in der Zielsprache bei‐ behalten wird oder nicht: Letzteres ist der Fall bei „la cupola/ palladiana“, was von Goebel mit „palladianische/ Kuppel“ wiedergegeben wird. Diese Lösung ist auch vor dem Hintergrund der durch sie verursachten metrischen Verschiebung als sehr adäquat zu betrachten. Denn für das verseinleitende und insofern her‐ ausgehobene „palladiana“ des Originals ist das „palladianische“ des deutschen Textes ja insofern eine ebenbürtige Entsprechung, als es an einer nicht weniger prominenten metrischen Position steht: am Schluss der vorangehenden Zeile. Was dagegen das italienische „piccolo compagno/ accanto e striminzito“ angeht, so kann in der deutschen Wendung vom „kleinen Gefährten/ der neben ihr küm‐ mert“ die postnominale Position der nachgestellten Adjektivgruppe deshalb er‐ halten bleiben, weil diese in einen vollständigen Relativsatz aufgelöst ist: Aus dem Adjektiv „accanto“ wird die Präposition „neben“, welche die pronominale Ergänzung „ihr“ erfordert; und das aus dem entsprechenden italienischen Verb abgeleitete „striminzito“ wird durch den Übersetzungsvorgang in ein Verb zu‐ rückverwandelt, so dass es als Prädikat des von Gerhard Goebel neu geschaf‐ fenen Relativsatzes dienen kann. Die hier vorgenommene Übersetzungsanalyse einiger Gedichte Salvatore A. Sannas hat ergeben, dass auch die Poesie des Jubilars vielfach von Regeln lebt, die für die Syntagmatik des Italienischen spezifisch sind: Eine davon ist die Regel der postnominalen Stellung des adjektivischen Attributs. Die Untersuchung hat aber auch gezeigt, dass sich die lyrischen Effekte, die aus der Anwendung dieser Regel hervorgehen, in der gänzlich anders organisierten deutschen Zielsprache mit kreativem Übersetzungsgeschick durchaus reproduzieren lassen und dass aus der Betrachtung des entsprechenden Vorgangs auch neue Erkenntnisse über die Funktionsweise der Ausgangssprache erwachsen können: ein schönes Re‐ sultat, das zur weiteren Arbeit am Konzept der letteratura de-centrata ermutigt. 99 „Un calice rosso“ - „Ein roter Blütenkelch“ 1 Salvatore A. Sanna, „Endymion auf dem Latmos“, in: Italienisch Nr. 44 (Nov. 2000), S. 1. 2 Vgl. Dietrich Schlumbohn, Die Welt als Konstruktion. Untersuchungen zum Prosawerk Cesare Paveses, München: Fink 1978: „Bei der Interpretation der Dialoghi con Leucò erhebt sich die Frage […], ob die Gespräche in der Weise zu deuten sind, daß sie ein Konglomerat aus Theorien und Kommentaren eines Kerényi, Jung oder Freud und Selbstreflexionen Paveses darstellen. Ist es also von Intention und Aussage her ge‐ rechtfertigt, die Dialoghi ihres mythologischen Gewandes zu entkleiden und hinter der wirkungsvollen Dialogszene nur die abstrakte Idee zu suchen? “ (S. 154) 3 Vgl. Alessandro Pellegrini, „Mythos und Dichtung im Werk von Cesare Pavese“, in: Castrum Peregrini, Achtzehntes Heft, 1954, S. 7-24; Johannes Hösle, Cesare Pavese, Berlin 1961, S. 89: „Paveses offene Hinwendung zu den Mythen der Antike kam einem klaren Verzicht auf die Thematik des Neorealismus gleich“; und das Urteil von Armanda Guiducci (1972): „È un’operetta carica di intelligenza, ma molto affattuata. Gronda Mythos und Erfahrung: Salvatore A. Sanna im Dialog mit Cesare Pavese [2004] Caroline Lüderssen In einem Editorial in der Zeitschrift Italienisch zum 50. Todestag von Cesare Pavese beschreibt Salvatore A. Sanna Paveses 1948 erschienene Dialoghi con Leucò als ein Buch, in dem der Autor „persönliche Gefühle und Eindrücke, aber auch Menschen seiner Umgebung in mythologische Gestalten versetzt“, und schließt daraus: „man könnte behaupten, daß die Dialoghi con Leucò […] ein autobiographisches Werk sind.“ 1 Wegen ihrer ‚akademischen‘, ausgesuchten Thematik, die das Buch von einer unmittelbaren und breiten Rezeption aus‐ schloss, 2 haben die Dialoghi con Leucò bei ihrem Erscheinen, wenn nicht einen Skandal, so doch eine Kontroverse ausgelöst. Pavese, der dem PCI angehörte, der engagierten Literatur, der Neorealismus-Strömung nahe stand und ihr lite‐ rarisch durchaus seinen Tribut gezollt hatte, brüskierte anscheinend mit diesem Werk Schriftsteller-Freunde und politische Weggenossen, da die Beschäftigung mit der Mythologie als etabliert, elitär und rückwärtsgewandt empfunden wurde. 3 Folgt man Sannas autobiographischer Lesart der Dialoghi, dann er‐ mostri, ma è patetica. […] I mostri sono là, con le loro maschere dannunziane - e non fanno paura a nessuno.“ Zitiert nach Schlumbohm, S. 154. 4 So Schlumbohm, trotz aller Sympathie für Paveses Schöpfung, S. 157 f., und kürzlich Elio Gioanola, „Pavese e il silenzio“, in: Cuadernos de Filología Italiana, Vol. 9 (2002), S. 121-138, S. 133: „[…] questo libro schiacciato dal peso del voler dire l’indicibile […].“ 5 Vgl. den Brief Paveses, wahrscheinlich vom März 1946: „Ho trovato il titolo collettivo dei dialoghetti: Dialoghi con Leucò. Eh? “, Cesare Pavese, Lettere 1926-1950, a cura di Lorenzo Mondo e Italo Calvino, Torino: Einaudi 1966, S. 517. 6 Cesare Pavese, Dialoghi con Leucò, Torino: Einaudi 1947/ 1999, S. 3. 7 Pavese bevorzugt Gottheiten der vor-olympischen Zeit. Vgl. dazu Hösle, S. 95/ 96: „Das titanische Zeitalter erscheint bei Pavese als das goldene Zeitalter, weil Glück und Un‐ glück einander noch nicht gegenübergestellt waren.“ (S. 96) und Schlumbohm, S. 132. Pavese evoziert damit aber auch mit positiver Färbung den Zustand eines Chaos, in dem noch nicht das olympische Gesetz galt (vgl. den Dialog La nube, in dem von dem neuen Gesetz die Rede ist). Vgl. auch Paveses Aussage in Il mestiere di vivere, 1935-1950, a cura di Marziano Guglielminetti e Laura Nay, Torino: Einaudi 1952 (1990/ 2000), S. 326: „Tu consideri la realtà come sempre titanica, cioè come caos umano-divino. […] Presenti gli déi olimpici, superiori, felici, staccati, come i guastafeste di questa umanità […].“ (24.2.1947) 8 Pavese, Dialoghi con Leucò, S. 113 f. 9 Vgl. zu Überlegungen hinsichtlich der Dramaturgie der Dialoghi Hösle, S. 93, Schlumbohm, S. 150 f. sowie Paveses Aufzeichnungen zur Anordnung der Dialoghi, abgedruckt in der Einaudi-Ausgabe, S. 177/ 178; die Gruppen lauten: „Mondo titanico x weisen sich Interpretationen als verkürzt, die Pavese „Intellektualismus“ und „Bedeutungsüberladenheit“ vorwerfen: 4 Zweifellos haben die Figuren der Dia‐ loghi Vorbilder in Freunden und Kollegen Paveses, allen voran die namenge‐ bende Figur der Leukothea (ein Brief Paveses an Bianca Garufi gibt darüber Aufschluss, dass sie die nicht explizit genannte Widmungsträgerin des Buches ist 5 ); und Pavese gab sich mithilfe einer riscrittura der Mythen Aufschluss über ihn quälende Konflikte und Fragestellungen. In Paveses Vorwort zu den Dialoghi freilich heißt es, er habe versucht, im Mythos „il segreto di qualcosa che tutti ricordano, tutti ammirano“ zu finden. 6 Nimmt man diesen Hinweis ernst, dann sind die Dialoge als Geschichten zu lesen, deren Deutung grundlegende Einsichten erlaubt. In stets neuer Besetzung wird das Verhältnis der Götter 7 zu den Menschen immer wieder neu bestimmt. Auf der einen Seite steht die Schicksallosigkeit der Götter, für die diese den Preis zahlen, alles, was geschieht, vorher zu wissen; auf der anderen die Endlichkeit des Lebens der Menschen, die um dieser Gewissheit Willen den Augenblick auszukosten suchen („La loro vita è così breve che non possono accettare di far cose già fatte o sapute.“) 8 Beides wird fortwährend gegeneinander abgewogen. Und wenn es so scheint, als sei der göttliche der erstrebenswertere Zustand, so wird doch in den Dialogen auch die gegenteilige Position erläutert. 9 Das Glück des Augenblicks und der Erinnerung daran schenkt in Paveses poetischer Ima‐ 102 Caroline Lüderssen dèi nequizie divine, Tragedia di uomini schiacciati dal destino, Salvezze umane e dèi in imbarazzo, Dèi buoni.“ 10 Pavese, Dialoghi con Leucò, S. 164-165. 11 Ebd. S. 166. Danach folgt nur noch der als Epilog gedachte Dialog zwischen namenlosen Göttern Gli dei. 12 Pavese, Il mestiere di vivere, S. 336. (28.7.1947) 13 Brief Paveses an Fernanda Pivano vom Juni 1942, Lettere, S. 425 f. 14 „So steht […] für die pavesianische Erinnerung die Zeit still…“, Schlumbohm, S. 111. gination Mnemósine, der Mutter der Musen, das Leben. Im Dialog Le muse spricht sie zu Esiodo: „Non ti sei chiesto perché un attimo, simile a tanti del passato, debba farti d’un tratto felice, felice come un dio? Tu guardavi l’ulivo, l’ulivo sul viottolo che hai percorso ogni giorno per anni, e viene il giorno che il fastidio ti lascia, e tu carezzi il vecchio tronco con lo sguardo, quasi fosse un amico ritrovato e ti dicesse proprio la sola parola che il tuo cuore attendeva. Altre volte è l’occhiata di un passante qualunque. Altre volte la pioggia che insiste da giorni. O lo strido strepitoso di un uccello. O una nube che diresti di aver già veduto. Per un attimo il tempo si ferma, e la cosa banale la senti nel cuore come se il prima e il dopo non esistessero più. Non ti sei chiesto il suo perché? “ 10 Aus dieser Position entwickelt sich eine poetologische Perspektive: „Prova a dire ai mortali queste cose che sai“ empfiehlt zum Schluß Mnemósine ihrem Ge‐ sprächspartner. 11 Die Dialoghi dienen dem Erkenntnisgewinn, nicht nur Esiodo-Paveses, sondern auch des Lesers, seine eigene Existenz betreffend. An‐ gesichts der Fülle von Personen und Bezügen, die die 27 Dialoge zu überfrachten scheinen und ihr unmittelbares Verständnis verstellen, scheint es zunächst schwer begreiflich, dass Pavese also etwas ganz Einfaches im Sinn hatte: „I Dialoghetti conservano gli elementi, i gesti, gli attributi, i nodi del mito, ma ne aboliscono la realtà culturale radicata in una storia d’innesti, calchi, derivazioni, ecc. (e li rende comprensibili). Ne aboliscono pure l’ambiente sociale […]. Quello che resta è il problema, che la tua fantasia risolve.“ 12 Paveses Dialoghi präparieren aus dem Mythos eine Grundfrage heraus, die All‐ gemeingültigkeit hat. Unnötig zu sagen, dass es dabei um Fragen geht, die ihn selbst interessieren, auch um die eigene Positionsbestimmung, ausgelöst durch die Rückkehr in die piemontesische Heimat der Langhe. „Ci vogliono miti, uni‐ versali fantastici, per esprimere a fondo e indimenticabilmente quest’esperienza che è il mio posto nel mondo.[…] Bisogna che i paesaggi […] vivano come per‐ sone, come contadini, e cioè siano mitici.“ 13 Die Erinnerung wird fixiert, indem sie zum zyklisch konstituierten Mythos stilisiert wird. 14 Beispielhaft geschieht 103 Mythos und Erfahrung: Salvatore A. Sanna im Dialog mit Cesare Pavese 15 Cesare Pavese, Feria d’agosto, Torino: Einaudi 1946/ 2002, S. 12 u. 13. 16 „Perché a ogni sussulto mitico ti ritornano in mente i tronchi e il fiume e la collina con dietro la luna e la strada e l’odore di prato e di campo, del tuo paese? “ Pavese, Il mestiere di vivere, S. 320 (19.8.1946) Zur Bedeutung der „collina“ und der Landschaft der Langhe für Pavese vgl. Gioanola, bes. S. 124 f., und Hinrich Hudde, „Verrà la morte - Paveses späte Gedichte“, Biblioteca poetica, in: Italienisch Nr. 44/ Nov. 2000, S. 84-90. Hudde schreibt zur Naturbezogenheit der späten Lyrik Paveses, auch im Hinblick auf die Dia‐ loghi, sie sei „mythosnah.“ (S. 85) 17 Pavese, Dialoghi con Leucò, S. 78. 18 „La donna della voce rauca è fisicamente non molto bella, ma ha un carattere fermo, freddo, volitivo. È forte nello sport come un uomo, ed anche per la facoltà universitaria scelta, la matematica, è l’opposto della vocazione umanistica di Pavese. […] La sua tra‐ gedia ch’egli chiamava provata, incomincerà appena sarà costretto a rendersi conto che questa donna lo abbandona e lo respinge senza pietà. […] La donna della voce rauca è l’unica donna che Pavese abbia veramente amato.“ Davide Lajolo, Il vizio assurdo. Storia di Cesare Pavese, Milano: Il Saggiatore 1960, S. 104 f., 111 (Kapitel VI trägt den Titel „La donna della voce rauca“. 19 Dialoghi con Leucò, S. 115. Im Vorspann zu diesem Dialog (Le streghe) bezieht sich Pavese auf Homer: „Ma la maga […] sapeva da tempo che nel suo destino sarebbe entrato un Odisseo. Di ciò Omero non ha tenuto quel conto che si vorrebbe.“ Vgl. Odyssee, Zehnter dies im Abschnitt „Il campo di granturco“ aus Feria d’agosto (1946), in dem von einer Erinnerung an einen Dialog mit einem Weizenfeld berichtet wird: „Il giorno che mi fermai ai piedi di un campo di granturco e ascoltai il fruscío dei lunghi steli secchi mossi nell’aria, ricordai qualcosa che da tempo avevo dimenticato. […] E il campo, e gli steli secchi, a poco a poco mi frusciano e mi si fermano in cuore. Tra noi non occorrono parole. Le parole sono state fatte molti anni fa. […] Che il tempo allora si sia fermato lo so perché oggi ancora davanti al campo lo ritrovo intatto. E un fruscío immobile.“ 15 Aus der Mythos gewordenen Erinnerung heraus 16 entwickelte sich Paveses Plan der Dialoghi con Leucò. Hier stand nicht die eigene, sondern die kollektive Er‐ innerung im Vordergrund. Orpheus’ Scheitern, als er Eurydike aus dem Hades zurückholen will, die Begegnung des Odysseus mit Kirke, der Prometheus-My‐ thos, Sapphos Liebestod, das unausweichliche Schicksal des Ödipus usw. - die seiner Ansicht nach für die Selbstkonstitution der Menschen vitalen Mytholo‐ gien greift Pavese auf und stellt ihnen Fragen: „Was war der eigentliche Grund für Orpheus, sich nach Eurydike umzudrehen? “ - Es ging ihm um das Erkennen seiner selbst: „Io cercavo, piangendo, non più lei ma me stesso. Un destino, se vuoi. Mi ascoltavo.“ 17 Welche Funktion hat die Begegnung zwischen Odysseus und Kirke? - Sie verhalf ihm zur Erinnerung an seine Heimat: „E cantando mi misi al telaio e la mia voce rauca 18 la feci voce della casa e dell’infanzia, la rad‐ dolcii, gli fui Penelope.“ 19 Was trieb Sappho in den Freitod? - „Se non posso esser 104 Caroline Lüderssen Gesang, Verse 135 ff. Paveses Imagination des Gesprächs zwischen Kirke und Odysseus bezieht sich auf die Verse 472 ff.; die Gefährten fordern von Odysseus, sich der Heimat zu erinnern, er bittet Kirke, ihn ziehen zu lassen, was sie zugesteht: „Wollt ihr nicht mehr, dann bleibt auch nicht weiter bei mir im Palaste.“ (Übertr. Anton Weiher). 20 Dialoghi con Leucò, S. 49. 21 Sanna, „Endymion auf dem Latmos“ (Anm. 1). 22 Salvatore A. Sanna, Fra le due sponde - Zwischen zwei Ufern. Gesammelte Gedichte Italienisch Deutsch. Herausgegeben, kommentiert und mit einem Essay versehen von Thomas Amos, Tübingen: Narr 2004. 23 Vgl. hierzu die Einführung von Thomas Amos in Fra le due sponde, S. XI: „Das Eröff‐ nungsgedicht des Sardinien-Zyklus […] läuft […] auf ein Artefakt, ein fremd-artiges, künstliches Objekt zu […], das die Sonderstellung Sardiniens außerhalb der Magna Graecia und […] den ungefügen, rauhen Charakter der Insel anschaulicher nicht aus‐ drücken könnte - und Winckelmanns aus klassischer Position ausgesprochenem Ver‐ dikt über die sardischen Bronzen entspricht, deren Form und Bildung ‚ganz barbarisch‘ seien.“ 24 „Zum Reiche Poseidons/ ist der Gennargentu/ eine leuchtende Pforte aus Schiefer“, ebd., S. 46/ 47. Übersetzt von Ragni Maria Gschwend. 25 Im Gegensatz zu dem eher Distanz nehmenden Sardinien-Bild Sannas vgl. etwa das Gedicht Sardegna von Salvatore Quasimodo; der Autor erkennt eine Verwandtschaft mit der sizilianischen Heimat („e qui ritrovo il segno/ che allo squallido esilio/ s’esprime Saffo, preferisco esser nulla.“ 20 Hier vermischen sich auf kongeniale, unentwirr‐ bare Weise persönliche Erinnerungen und innere Konflikte Paveses mit den be‐ kannten (und auch unbekannteren) Mythen und schaffen Assoziationsketten, die nicht im einzelnen entschlüsselt, sondern die erlebt werden wollen. Der oben zitierte Text des Editorials von Salvatore A. Sanna referiert auch Paveses Erwartungen an Poesie: „Für ihn mußte die Poesie etwas mitteilen und nicht nur ein Spiel mit Worten sein.“ 21 Wie nun, wenn man versuchte, aus Sannas Hommage an Pavese ein Motiv für seine eigene, poetische Beschäftigung mit dem Mythos abzuleiten? Rund ein Zehntel des lyrischen Gesamtwerks von Sanna, das in fünf Gedichtbänden von 1978 bis 1999 erschienen ist und jetzt aus Anlass seines 70. Geburtstags in einer kommentierten Ausgabe zusammenge‐ fasst veröffentlicht wurde, 22 hat einen Bezug zu Figuren der griechischen My‐ thologie, beginnend schon im ersten Gedichtband Fünfzehn Jahre Augenblicke von 1978, mit einem zehn Gedichte umfassenden Teil über Sardinien. Die Hin‐ weise sind aperçu-artig eingeflochten, die sardische Kultur erscheint als archa‐ isch, 23 als eine Kultur, die die zivilisatorischen Impulse der griechischen Antike nicht erfahren hat. In einem Text über die gebirgige Landschaft Sardiniens heißt es: „Al regno di Poseidon/ è il Gennargentu/ una porta chiara di schisti“. 24 Der rein geologisch-geographische Bezug - das große Gennargentu-Gebirge in der Mitte der Insel fällt nach Osten und Westen zum Meer hin ab - wird mit einer naheliegenden mythologischen Konnotation erweitert. 25 105 Mythos und Erfahrung: Salvatore A. Sanna im Dialog mit Cesare Pavese amoroso“) und schließt: „e la fraterna aura conforta amore.“ Zitiert nach L’Antologia dei poeti italiani dell’ultimo secolo, a cura di Giuseppe Ravegnani e Giovanni Titta Rosa, Milano: Aldo Martello Editore 1972, S. 894-895. 26 In Wacholderblüten (1984) und Löwen-Maul sind es jeweils vier Gedichte, die mytholo‐ gische Bezüge enthalten, und in Feste (1991) neun. 27 Vgl. ausführlich Vfn., „Venere fenicia. Ein Liebesgedicht von Salvatore A. Sanna“, in: „Versos de amor, conceptos esparcidos…“ Diskurspluralität in der romanischen Liebes‐ lyrik. Für Hans Felten. Hrsg. von Anna-Sophia Buck, Marina Mariani, David Nelting, Ulrich Prill, Münster: Daedalus Verlag 2003, S. 346-351. 28 Sanna, Fra le due sponde, S. 112/ 113. Übers. v. Birgit Schneider. 29 Fra le due sponde, S. 114/ 115. Übers. v. Birgit Schneider. Die Beschäftigung mit der Mythologie spielt bei Sanna in der zweiten Samm‐ lung (Wacholderblüten) eine größere Rolle. 26 In „Sei Frine“ wird in knapper Form eine Frauengestalt der antiken Hetäre Phryne verglichen, was zahlreiche Asso‐ ziationen weckt. 27 In Centauri werden die Fabelwesen ihrer Wildheit wegen zum Vergleich herangezogen: Centauri Kentauren Fatale Schicksalhaft la disamina das Sinnen sul segno über das Zeichen Fuoco? Feuer? Si! Ja! Ma dove? 28 Aber wo? Neben der erotischen Allusion kann hier auch eine poetologische Funktion ver‐ mutet werden: Die poetische Kodierung des Erlebten ist schwierig, das „kreative Feuer“ muss noch „gezähmt“ werden. Auf ähnliche Weise wird in Elicona der Bezug auf die Musen zur Vergewisserung der eigenen dichterischen Position gewählt: Elicona Helikon Lo scalpitio Der Hufschlag del cavallo des geflügelen alato Rosses ha rinverdito ließ das Kiesbett il greto della fronte der Quelle L’acqua wieder ergrünen gorgoglia Das Wasser gurgelt e il suo peso und nimmt zu sale 29 an Gewicht 106 Caroline Lüderssen 30 Auf dem Helikon wäre es die Quelle Hippukrene, aber es kann auch die Quelle Kastalia auf dem Parnass gemeint sein. Vgl. hierzu den Kommentar von Thomas Amos, Fra le due sponde, S. 429. 31 Vgl. hierzu Thomas Amos, „‚Palestrina‘ von Salvatore A. Sanna, Biblioteca poetica, in: Italienisch Nr. 52, Nov. 2004, S. 72 ff. [In diesem Band S. 135 ff.] 32 Fra le due sponde, S. 232/ 233. Übers. v. Gerhard Goebel. Die durch den Hufschlag des Pegasos entstehende Quelle 30 wird imaginativ der Kreativität gleichgesetzt; es werden Topoi der mythologischen Tradition abge‐ rufen (der Sitz der Musen auf dem Helikon, damit verbunden der dichterische Wettbewerb) und weiter gedacht: in den Schlussversen „e il suo peso/ sale“ ist die kreative Kraft der Quelle als poetische Inspiration gemeint, eine Inspiration, die dazu verhilft, dem Ergebnis (dem Gedicht) mehr Bedeutung, zu verleihen. Eine andere Gruppe von Gedichten mit mythologischem Bezug widmet sich der Beschreibung von Orten: Palestrina imaginiert eine tatsächliche Person als Polia; 31 Positano erzählt, naturmagisch, von einem Zusammentreffen am Himmel: Positano Positano Con le pupille arse Mit ausgebrannten Pupillen gli occhi delle case blicken die Häuser guardano in attesa wartend sul vallone ins Tal che ripido conduce das steil abfällt al mare zum Meer Vestita d’azzurro In ihrem Azurkleid la dea è pioggia ist die Göttin Regen profumo d’Olimpo olympischer Duft messaggio severo strenge Botschaft Tenta il sole Helios sucht di schiarire l’oscuro 32 was noch dunkel, zu hellen Was zunächst wie eine anthropomorphe Beschreibung des im Herbst schläf‐ rigen, verlassenen Ortes beginnt, wird im zweiten Teil („Vestita d’azzurro…“) zur Imagination einer Begegnung: Die Naturgewalten sind göttliche Personifikationen. Der Dreischritt vom Regen über den olympischen Duft zur strengen Botschaft verunklart darüber hinaus das Natur-Bild hin zu einer chiffrierten Erinnerung. Das Schlussbild schließlich greift den Anfang wieder auf, wenn Helios das Dunkel (die Blindheit) zu klären versucht. Die Schlüsselstelle ist der „messaggio severo“, der im Rahmen des Naturbildes an die Verantwortung für die Schöpfung gemahnt, vielleicht auch an eine irgendwie geartete Verantwor‐ 107 Mythos und Erfahrung: Salvatore A. Sanna im Dialog mit Cesare Pavese 33 Wie die mythologische Referenz Reflexionen über die Verfasstheit der eigenen Identität auslösen und filtern kann, zeigt das Gedicht „Con un cielo leggermente coperto…“, das eine Legende der Geschichte Sardiniens zitiert, nach der König Thespios Herkules seine 50 Töchter zur Gründung eines Geschlechts anbot, deren Nachkommen Sardinien be‐ siedelten. (Vgl. Sanna, Fra le due sponde, S. 298/ 299) Vgl. hierzu Vfn., „Literatur italie‐ nischer Autorinnen und Autoren in Deutschland“, in: Zwischen Kontinuität und Rekon‐ struktion. Kulturtransfer zwischen Deutschland und Italien nach 1945, hrsg. von Hansgeorg Schmidt-Bergmann, Tübingen: Niemeyer 1998, S. 166-185, hier S. 179. 34 Fra le due sponde, S. 190/ 191. Übers. v. Gerhard Goebel. 35 Vgl. den Kommentar von Thomas Amos in Fra le due sponde, S. 443. Das Gedicht ist anlässlich des Besuchs des Archäologischen Museums in Neapel entstanden. tung des einzelnen für sich selbst. In diese Bereiche stößt Sanna des öfteren vor, nicht nur in seinen mythologischen Gedichten. 33 In Sannas Texten löst die erudite Phantasie eine Serie von Assoziationen aus; die Situation ruft jeweils den Mythos auf, der dann mit dem Erlebten in Ver‐ bindung gebracht wird, was eine neue Sicht auf die Situation des Sprechers möglich macht. In einem fremden Kontext werden die allgemein bekannten Fi‐ guren assoziiert, aber die Bedeutung einer Figur im neuen Umfeld ergibt sich nicht immer von selbst. Surrealistisch-heiter wirkt etwa die Evokation der Epi‐ sode von Amor und Psyche: Ma cos’è Was nur ist quel fruscio dies Flügeld’ali rauschen di dentro von innen gentilizio? höherer Herkunft? È Psiche Psyche ist es con i suoi eroti von ihren Eroscompagni Knaben begleitet Vereconda Schamhaft sincronia das Gleichmaß del tempo im Tempo Lei, con lo sguardo, Sie aber, mit ihrem Blick ammicca 34 zwinkert Eine poetische Standardsituation: Ein Bild belebt sich in der Imagination des Betrachters. 35 In der Überlieferung verschiedene Leidenschaften verkörpernd, hat die Psyche in Sannas Gedicht (bzw. auf der betrachteten pompejanischen Darstellung) mehrere Eros-Knaben um sich, sie ist zwar schamhaft, doch das Flügelrauschen (sind es die Flügelchen der Knaben oder Schmetterlings-Flügel? ) könnte man als Ausdruck des Flirts interpretieren, und Psyche zwinkert dem Betrachter ja zu. Er ist davon berauscht und bildet gedanklich eine Analogie zur 108 Caroline Lüderssen 36 Fra le due sponde, S. 274/ 275. Übers. v. Gerhard Goebel. 37 Pavese imaginiert, dass Orpheus sich bewusst gegen Eurydike entschieden hat: „Ridi‐ colo che dopo quel viaggio, dopo aver visto in faccia il nulla, io mi voltassi per errore o per capriccio.“ Dialoghi con Leucò, S. 77. Zur Bedeutung des Dialogs L’inconsolabile für Paveses Poetik vgl. Carmine di Biase, „L’inconsolabile Orfeo in Cesare Pavese“, in: Esperienze letterarie, XXV, 2000, 3-4, S. 23-37. Di Biase hebt v. a. auf die Symbolik des Orpheus-Mythos für die Überwindung des Todes durch die Poesie ab und interpretiert den Dialog als Ausdruck der Resignation Paveses. 38 Dialoghi con Leucò, S. 78. Darauf, dass in der Suche nach dem Mythos bei Pavese die Suche nach dem Selbst steckt, weist auch hin Thorsten Greiner, „Die List des Schöpfers. Zum Verständnis von Paveses Sündenfall-Drama Si parva licet“, in: Italienisch Nr. 29/ Mai 1993, S. 30-40, hier S. 37. 39 Hier allerdings nicht streng der Linie Freud-Jung-Kerenyi folgend, wie Schlumbohm darlegt (S. 137): „Mythologie verstanden als Seelenkunde war die Voraussetzung seiner eigenen literarischen Gestaltung mythischer Vorwürfe. Aber die von Jung entwickelte und auch von Kerenyi gutgeheißene Theorie von den Archetypen, die sich unter an‐ Gegenwart - die „sincronia del tempo“ führt auch aus der Bildbetrachtung heraus. Dass es mit den Beziehungen unter den Menschen nicht einfach ist, zeigt ein anderer Text, in dem ein moderner Orpheus unterwegs ist: Fossile della specie umana Fossil der Spezies Mensch vai per i boschi seguendo irrst du durch die Wälder gemäß il magico numero del ritorno der magischen Zahl der Wiederkehr Orfeo monocorde, la tua lira Orpheus, deine einsaitige Leier ha il suono d’un antico strumento hat den altertümlichen Klang che l’androgino futuro non intende den der künftige Androgyn nicht versteht Non l’atomica forza distruttrice Nicht die zerstörende Kraft des Atoms avrà forse l’effetto d’oppianina wird wohl diese dolce, sicura, perseverante 36 sanft, sicher, anhaltend einschläfernde Wirkung haben Diese Orpheus-Figur, übrigens ganz ähnlich der von Pavese imaginierten ein bisschen müde und abgeklärt, 37 versucht ihre Position zu bestimmen (Pavese: „Ho cercato me stesso. Non si cerca che questo“ 38 ) in einer ihr fremd gewordenen Welt („l’androgino futuro“): Schaubildhaft wird die Atomkraft an die Stelle der Musik gesetzt, jene aber wird, so die Schlussfolgerung des lyrischen Ichs, keine solche Wirkung entfalten wie laut dem Mythos die Orpheus’sche Leier. Lira ist hier natürlich auch die Lyrik, und so verweist der Text auch auf den Autor selbst als einen Dichter, dessen Verse - so die ängstliche Vermutung - keiner versteht. Es geht hier also um eine persönliche Lektüre des Mythos in dem Sinne, dass die mythologischen Figuren in einer gegenwärtigen Situation „erprobt“ werden. Was Cesare Pavese für seine Dialoghi beanspruchte, war ja der Beweis der Gül‐ tigkeit von Mythen für die Konstitution der Identität, auch der unbewussten. 39 109 Mythos und Erfahrung: Salvatore A. Sanna im Dialog mit Cesare Pavese derem im Mythos zu erkennen geben, fehlt in den pavesianischen Dialogen voll‐ kommen.“ Das Unbewusste definiert Pavese auch im Begriff des „selvaggio“ (vgl. hierzu Schlumbohm, S. 126 ff.) als ein Bedürfnis des Erwachsenen nach Ursprünglichkeit, nach einer Befreiung vom Bewusstsein. 40 Pavese, Il mestiere di vivere, S. 309. 41 Zu den Vorbildern, an denen sich Pavese möglicherweise auch orientiert hat, vgl. Pa‐ vese, Il mestiere di vivere, S. 267: „La poiesis italiana ama le grandi strutture fatte di piccoli capitoletti, di parti brevi e sugosissime - i frutti dell’albero.“ (2.11.1943) Pavese zitiert u. a. die Scienza Nuova von Giambattista Vico, über die er später schreibt: „Quel che t’incanta in Vico è l’aggirarsi perpetuo tra il selvaggio e il contadinesco, e i loro sconfinamenti reciproci, e la riduzione di tutta la storia a questo germe.“, S. 288 (19.8.1944), eine auffallende Parallele zu der inhaltlichen Struktur der Dialoghi. 42 Il mestiere di vivere, S. 322 (31.10.1946). 43 Pavese, Dialoghi con Leucò, S. 159. Vgl. auch: „O cara speranza,/ quel giorno sapremo anche noi/ che sei la vita e sei il nulla.“, Pavese, „Verrà la morte e avrà i tuoi occhi“ (1950), in: C.P., Le poesie, a c. di Mariarosa Masoero, Torino: Einaudi 1998, S. 136. 44 Sanna, Fra le due sponde, S. 308/ 309. Der Wunsch nach Erkenntnis, nach Selbstvergewisserung führte ihn zwangs‐ läufig zu einer strengen Form, denn nur diese erlaubte genau das: „cerchiamo […] di limitarci, di darci una cornice, d’insistere su una conclusa presenza.“ 40 Die Form des Dialogs 41 gab Pavese die Möglichkeit, die widerstreitenden Positionen wertfrei darzustellen: „Nei dialoghetti gli uomini vorrebbero le qualità divine; gli dèi le umane. Non conta la molteplicità degli dèi - è un colloquio tra il divino e l’umano.“ 42 In der Lösung des grundlegenden Konflikts (der Todesgewissheit) macht Pavese aus der Not eine Tugend in der Überhöhung der Hoffnung (der Menschen ureigenstem Gefühl, das den Göttern abgeht, da sie um ihr Schicksal wissen) als zur Erinnerung komplementär: „Questo vuol dire, la speranza. Dare un nome di ricordo al destino.“ 43 Die beiden Begriffe sind auch in Sannas Lyrik zentral. In einem Gedicht über die Büchse der Pandora schreibt er: Il vaso di Pandora Das Gefäß der Pandora vive e singultendo belebt sich und schluchzend s’apre leggermente öffnet es sich einen Spalt Folate maligne emergono Bösartige Schwärme entweichen passano l’ozono della terra durchbrechen den Ozon der Erde La speranza è di loro Die Hoffnung ist ihnen forza contraria, cova Gegenkraft, sie lagert hennengleich distesa le teste degli uomini 44 über den Häuptern der Menschen Dass die Hoffnung in der Büchse zurückbleibt, ist zweideutig: Kommt sie nicht, wie die Übel, über die Menschen, dann steht sie auch nicht zur Verfügung; bei 110 Caroline Lüderssen 45 Der Gefangene in Luigi Dallapiccolas Einakter Il prigioniero erlebt die Hoffnung als schlimmstes Folterinstrument der Inquisition: Der Kerkermeister hat absichtlich die Zellentür offen gelassen, doch ‚draußen‘ erwartet den Gefangenen der Henker. 46 Sanna, Fra le due sponde, S. 346/ 347. Übers. v. Gerhard Goebel. 47 „Ich bin mit dir zurückgekehrt/ auf Erinnerungsreise, doch die Zeit/ hatte das Trugbild zerstört.“, Fra le due sponde, S. 380/ 381. Vgl. auch ähnlich den Schluss eines anderen Gedichts über das Erinnern: „Ma niente è ancora possibile/ e le immagini disgregate/ rientrano.“ Fra le due sponde, S. 358/ 359. Sanna aber ist sie doch „Gegenkraft“, wirkt vielleicht sogar beschützend -- „hennengleich“ heißt es in der Übersetzung von Gerhard Goebel. 45 Der Erinnerung hat Sanna die Gedichte in dem Band mit dem Titel Mnemo‐ syne (1999), eine „Hommage an die Mutter der Musen“ laut Untertitel, gewidmet. Anders als bei Pavese, der die Unveränderlichkeit der mythischen Erinnerung (an seine Kindheit) als tröstlich empfand („È un fruscío immobile“), betont Sanna in den Gedichten dieser Phase den Aspekt der produktiven Verarbeitung von Erinnerungen: Mi scopro a mettere Ich ertappe mich dabei, i ricordi ormai pallidi die verblichenen Erinnerungen in grandi valige in großen Koffern dentro scatoloni di cartone in Pappkartons zu verstauen, per portarli con me um sie mitzunehmen su una costa ricca d’azzurro an eine azurreiche Küste, perché vivano ancora damit sie wieder aufleben Se un giorno ti metterai Wenn du eines Tags sulle loro tracce ihnen nachspürst, li ritroverai, purificati wirst du sie finden, geläutert dalle acque del fiume, durch die Wasser des Flusses, sulla via in ascesa del Capo 46 auf dem ansteigenden Weg zum Kap Im Bild der Erinnerung als zirkulärer, über den Tod hinaus währender Prozess („acque del fiume“) wird die Erinnerung selbst zum Mythos. Die Suche nach ihr gestaltet sich bei Sanna jedoch stets im Dialog mit der Gegenwart, im Dialog auch mit dem eigenen skeptischen Ich: „Sono stato con te in un viaggio/ a ritroso della memoria, ma il tempo/ aveva distrutto il miraggio“ heißt es am Schluss eines langen Gedichts über die Kindheit im ländlichen Sardinien (aus Mnemosyne). 47 Als ein Dialog mit Pavese erscheint schließlich folgendes Gedicht aus dem Band Feste - es fasst ein Konzept dichterisch zusammen, das die Amalgamierung mit dem Mythos als Motor für den Erhalt von Erinnerung und Gegenwart postuliert: 111 Mythos und Erfahrung: Salvatore A. Sanna im Dialog mit Cesare Pavese 48 Fra le due sponde, S. 286/ 287. Übers. v. Gerhard Goebel. Della nostra storia Von unserer Geschichte non si parlerà più wird nicht mehr die Rede sein nei convitti degli dei bei den Gelagen der Götter Forse essa è comune Vielleicht ist die zu gewöhnlich ma la dolce ambrosia aber die süße Ambrosia ci mancherà come wird uns fehlen wie una riduzione ein entzogenes che tocca la vita Stück Leben Il senso del divino Der Sinn für das Göttliche è vicino 48 ist nah 112 Caroline Lüderssen 1 Salvatore A. Sanna, Fünfzehn Jahre Augenblicke. Gedichte Italienisch Deutsch. Über‐ tragen von Ragni Maria Gschwend. Mit einer Zeichnung von Piero Dorazio, Frankfurt am Main, Privatdruck, 1978, S. 8, jetzt in: S. A. Sanna, Fra le due sponde - Zwischen zwei Ufern. Gesammelte Gedichte Italienisch Deutsch, hrsg. und mit einem Essay versehen von Thomas Amos, Tübingen: Narr 2004, S. 4. „Due sfere s’incontrano“ Die deutsch-italienische Verständigung in Salvatore A. Sannas Gedichtsammlungen Fünfzehn Jahre Augenblicke und Wacholderblüten [2006] Thomas Amos Die Ankunft in Deutschland, in einem fremden Land und in einer fremden Großstadt, gerät in Fünfzehn Jahre Augenblicke, Salvatore A. Sannas erstem Ge‐ dichtband zu einem für die Lyrik der Sechziger Jahre ungewöhnlichen Nacht-Stück, das man als langgezogenes Saxophon-Solo zu hören hat. „Tutto mi sembra/ estraneo/ per le vie del nuovo/ quartiere/ Qualche insegna notturna/ e spero di aver trovato/ dove rompere/ la solitudine/ Niente di più triste/ che con‐ tentarsi/ di birra“. 1 „Estraneo“ ist hier das Schlüssel-Wort, das sowohl die Um‐ gebung, das wiederaufgebaute Frankfurt, beschreibt, als auch, durchaus noch post-existenzialistisch gemeint, die psychische Verfassung des Autors umreißt, des Fremden ohne soziale Kontakte und gesellschaftliche Bezüge. Auf seinem Gang durch die Dunkelheit verwandeln sich ihm die Neon-Reklameschilder zu unverständlichen Zeichen der anderen Kultur, bevor schließlich ein Glas Bier, das deutsche Getränk schlechthin, den Schmerz vorübergehend dämpft. Gleichsam an einem Nullpunkt siedelt Sanna den Beginn seiner Beschäfti‐ gung mit Deutschland an, die ihn schließlich auf die Höhen des deutsch-italie‐ nischen Kulturaustausches führen sollte. Vor allem aber ist Salvatore A. Sanna ein Lyriker von hohem Rang: Zwischen 1978 und 1999 erscheinen, teils als Pri‐ vatdruck, insgesamt fünf Bände, darin Sannas italienischen Gedichten eine 2 Zur Bild der Deutschen in Italien vgl. Eva Sabine Kuntz, Konstanz und Wandel von Stereotypen. Deutschlandbilder in der italienischen Presse nach dem Zweiten Weltkrieg, Frankfurt am Main u.a.: Peter Lang, passim, für den interessierenden Zeitraum bis 1978 besonders S. 147-310. 3 Vgl. komprimiert Klaus Heitmann, „Das Deutschland der Adenauer-Zeit - von italie‐ nischen Autoren gesehen“, in: Anna Comi / Alexandra Pontzen, Italien in Deutschland / Deutschland in Italien. Die deutsch-italienischen Wechselbeziehungen in der Belletristik des 20. Jahrhunderts, Berlin: Erich Schmidt 1999, S. 81-130, hier S. 81-98; ausführlicher Christian Vordemann, Deutschland-Italien 1949-1961. Die diplomatischen Beziehungen, Frankfurt am Main u.a.: Peter Lang 1993; Rudolf Lill, „Die Bundesrepublik Deutschland und Italien. Etappen einer europäischen Annäherung“; in: Fridriciana. Zeitschrift der Universität Karlsruhe, Heft 47, 1993, S. 27-37. deutsche Übersetzung zur Seite steht und somit sein wichtigstes Anliegen, das harmonische Gleichgewicht der beiden Kulturen, ein weiteres Mal aufs Schönste augenfällig wird. Zwischen den beiden Ländern, Italien und der Bundesrepublik, bestehen von Kriegsende bis etwa 1955 ausgezeichnete politische und wirtschaftliche Bezie‐ hungen, was im wesentlichen den Christdemokraten Konrad Adenauer und Al‐ cide de Gasperi zu verdanken ist. Nachdrücklich imponiert den Italienern das Wirtschaftswunder und die dem Europagedanken verpflichtete deutsche Po‐ litik; einen wichtigen Beitrag zur freundschaftlichen Annäherung der beiden Völker, die sich für die Deutschen beträchtlich schneller und unkomplizierter als an die französischen Nachbarn vollzieht, leisten das 1955 geschlossene An‐ werbe-Abkommen, das italienische Arbeitskräfte, die „Gastarbeiter“, nach Deutschland holt und die zeitgleich einsetzende Reisewelle der deutschen Ur‐ lauber gen Süden. 2 Als die Bundesrepublik 1956 den Aufbau einer eigenen Armee vorantreibt und die Wehrpflicht einführt, schlägt die öffentliche Mei‐ nung in Italien um: Deutschland wird nunmehr unheimlich, und dort beobach‐ tete vermeintliche oder tatsächliche faschistoide Tendenzen lassen alte Befürch‐ tungen vom militaristischen, aggressiven Deutschland wiederaufleben; insbesondere bei der politischen Linken steht der Bundesrepublik die positiver besetzte Deutsche Demokratische Republik gegenüber. 3 Vor diesem hier nur grob skizzierten Hintergrund gibt Fünfzehn Jahre Au‐ genblicke Auskunft über folgende Fragen, ohne sie jedoch erschöpfend oder auch eindeutig zu beantworten: Wie sieht Sanna, ein Italiener, Deutschland; und wie schlägt sich dies in seiner Lyrik nieder? Und: Verändert sich sein Bild von Deutschland im Laufe der Zeit? Wie stellt er Italien in seiner Lyrik fortan dar? Nimmt er, dorthin besuchsweise zurückgekehrt, Italien anders wahr? Fünfzehn Jahre Augenblicke, der erste und unmittelbar am leichtesten zu‐ gänglichste Gedichtband Sannas, erschien 1978 und enthält die zwischen 1961 114 Thomas Amos und 1977 entstandenen Gedichte. Die Sammlung besteht aus einem titel-losen ersten Teil mit 20 Gedichten; in die „Augenblicke“ des Gedichtes gefasst, the‐ matisiert Sanna hier seine Anfangszeit und allmähliche Konsolidierung in Deutschland; dann folgt, nach einer Zeichnung von Piero Dorazio, der „Sar‐ degna/ Sardinien“ überschriebene Zyklus mit zehn Gedichten, eine Beschrei‐ bung, Rückschau und Neu-Sicht der sardischen Heimat. Eine so bezeichnende wie eingängige Metapher für die, zumindest anfangs, sehr unangenehme und bedrückende Situation des italienischen Neuankömm‐ lings ist die „morsa“, der Schraubstock oder die Zange; Sanna sieht offenbar seine schlimmsten Erwartungen bestätigt und findet sich ganz kafkaesk in einen in‐ fernalischen Apparat eingespannt: „Stretto da questa morsa/ ogni tentativo d’e‐ quilibrio/ è vano. Ma se la vita / mi libera da essa/ sono escluso/ da una lotta quasi vitale.“ (S. 16) Die Nebenbedeutung von „morsa“, nämlich „Maulknebel“ deutet an, dass der kulturelle Austausch, der wesentlich durch Gespräche und Diskus‐ sionen mit Deutschen entsteht, noch nicht stattgefunden hat. Was Sanna an‐ strebt, den harmonischen Zustand des Gleichgewichtes zwischen deutscher und italienischer Kultur, das der „morsa“ trotzig entgegengehaltene „equilibrio“ (V. 2), ein für Sanna zentraler Begriff, scheint nur schwer erreicht zu werden, wie das Gedicht zutiefst pessimistisch formuliert. Dennoch enthält die zweite Gedichthälfte (V. 3-6) auch das Bekenntnis, nicht aufzugeben und das Streben nach harmonischem kulturellem Gleichgewicht immer wieder von neuem zu wagen; der Mythos vom Sisyphos, darin Albert Camus die Situation des mo‐ dernen Menschen erkennt, klingt an. Ein nicht minder melancholischer und düsterer Grundton herrscht verborgen unter scheinbar zwangloser Party-Atmosphäre: „Rosso, bianco avorio/ labbra stirate/ in un sorriso/ Abbracci/ Equilibrio di forze/ grandi interessi/ È giunta la notte/ e qualcuno ritorna/ a casa sconfitto.“ (S. 18) Genau in der Mitte des Ge‐ dichtes fällt die Maske (des Sprechers) in sich zusammen, stehen sich die „Ab‐ bracci“ (V. 4) und die „grandi interessi“ (V. 6) unversöhnlich und, so scheint es, unvereinbar gegenüber: Das Gleichgewicht des Gedichtes, markiert durch den fünften, den mittleren Vers, kippt in das trostlose Schluss-Bild mit dem nur iro‐ nisch zu verstehenden „a casa“ (V. 9): in Deutschland zu Hause ist der Sprecher längst noch nicht, vielmehr erleidet er, der Außenseiter, vorerst Niederlage um Niederlage. In der Mitte der Abteilung, exakt mit dem zehnten Gedicht, geschieht der Wechsel: „Tutti sono vestiti/ di leggiero/ Cʼè come una tensione/ nellʼaria/ È pri‐ mavera.“ (S. 24) Die Feststellung „È primavera“ (V. 6) bedeutet den (thermischen) Wendepunkt und verkündet, vielleicht in Anlehnung an den Osterspaziergang im ersten Faust, Neu-Anfang und hoffnungsvollen Aufbruch. Die zweite Hälfte 115 „Due sfere s’incontrano“ der Abteilung durchzieht eine ungleich heitere, gelöste Stimmung; es finden sich an Frauen adressierte Gedichte (Non cercare…; G. F.; Jessi) und Liebesgedichte (z. B. Una barriera tenace…). Zweimal behandelt Sanna Besuche in Italien: La Magra evoziert eine Sommerfrische an der ligurischen Küste, wo die Magra, der Grenzfluss zwischen der Toskana und Ligurien, ins Meer mündet und situiert, poetologisches Gedicht, den Autor vor einem erweiterten, europäischen Hin‐ tergrund. Das andere Beispiel, Chi viene dal Nord…, entstand im Frühsommer 1966 und ist datiert mit „Roma 1966“: „Chi viene dal Nord/ trova le strade e le piazze/ che vivono di gente/ Le ragazze son belle/ e si fanno ammirare/ Vestono corto e svelano/ agli occhi di pochi/ lʼoscuro che tende/ alla luce“. (S. 30) Der Spre‐ cher, der sich im ersten Vers so seltsam distanzierend umschreibt, schlüpft nun in die Rolle des Nordeuropäers oder gar des „nordischen Künstlers“ und erlebt Italien, das er gleichsam mit neuen Augen sieht, als befreiendes Gegenbild zur deutschen Tristesse. Zwar entspricht die dort herrschende unbeschwert-sorg‐ lose und sinnliche Atmosphäre dem in Italien verbreiteten Klischee des kalten Nordens, doch verbreitet das Gedicht ebenso deutlich die gegen Ende der Sech‐ ziger Jahre verbreitete Aufbruchsstimmung; Sanna erinnert mittelbar daran, dass das Palindrom von „Roma“ „amor“ lautet. In den beiden letzten Versen repräsentieren Dunkelheit und Licht ganz konventionell Nord und Süd, Deutschland und Italien und paraphrasieren somit die alte Italien-Sehnsucht der Deutschen; beide Länder gehören zusammen, was sich auch formal ausdrückt: „Nord“ (V. 1) und „luce“ (V. 9) bilden die (freilich ohne Reim auskommende) Klammer, den Zusammenhalt des Gedichtes. Obwohl sich zweifelsohne die Annäherung an Deutschland allmählich voll‐ zieht, thematisiert Sanna weiterhin diesen mühevollen Prozess. An 17. Stelle setzt Sanna das Gedicht Un calore infrarosso…, das deutlich vor den übrigen, nämlich um 1961 entstand: „Un calore infrarosso/ emana dal tuo grembo/ sotto il leggiero panno strutturato/ preso all’emporio della Zeil/ / Siamo studenti e de‐ cliniamo/ il der die das/ della tua lingua/ / Ma cʼè un linguaggio muto/ che ci attrae/ ricco dʼirregolarità/ e parliamo, parliamo“. (S. 38) Was als erotisches Gedicht mit leicht frivolem Unterton beginnt - wenn man so will, erzählt Sanna hier von seiner Liebe zu Deutschland, das die Adressatin, eine moderne Germania, ver‐ tritt -, findet rasch zu ernsterem Ton. Unter den komisch wirkenden Deklina‐ tionsübungen verbirgt sich der Unterschied zwischen der strengen Regeln un‐ terworfenen „lingua“, der deutschen Sprache (und, wie Sanna einkalkuliert, der Zunge) und der unregelmäßigen und freieren „linguaggio“, der (mündlichen) Ausdrucksweise. Der letzte Vers („parliamo, parliamo“) verdeutlicht noch einmal, wie sehr die Annäherung an Deutschland mit Sprache verbunden ist und durch Sprache, verbaler und nonverbaler Art, geschieht. 116 Thomas Amos Den ersten Teil von Fünfzehn Jahre Augenblicke beschließen zwei Gedichte, die Sannas zwar positiveres, doch im Grunde weiterhin ambivalentes Verhältnis zu Deutschland ausdrücken und dabei auch von einer gewissen Unsicherheit zeugen. Zunächst gibt er sich optimistisch: „Due sfere sʼincontrano/ una prende parte dellʼaltra/ e il sangue lenisce/ lo spasmo degli arti“. (S. 42) Hier wiederholt Sanna seine in der Sammlung leitmotivartig eingesetzte Überzeugung, dass die Vereinigung der beiden kulturellen Sphären, der deutschen und der italieni‐ schen, ein beträchtlich sinnlich-erotisches Moment besitzt. Anders dagegen das eigentliche Schlussgedicht mit seinem Rückgriff auf technisch-distanzierendes und damit verfremdendes Vokabular: „Strani gli equilibri/ dei sensori umani/ Captano ancestrali radiazioni/ dʼaltra frequenza/ ma si ritirano/ se la mancanza dʼesse/ ti rattrappisce“. Unwägbar, rational nicht erklärbar sind die Sinnesorgane des Menschen und seine Wahrnehmung - was sich auf die „Augenblicke“ der Sammlung, mithin auf die eigene Wahrnehmung beziehen lässt. Fehlen die „an‐ cestrali radiazioni“ (V. 3), worunter im weiteren Sinne die Bindungen an die sardisch-italienische Heimat zu verstehen wären, scheint der Sprecher auf sich selbst zurückgeworfen; wieder verwendet Sanna die Metapher des Krampfes (V. 7). Die zweite Abteilung von Fünfzehn Jahre Augenblicke, „Sardegna/ Sardinien“ überschrieben, führt in Sannas Heimat. Programmatisch, d. h. die Quintessenz der Insel enthaltend, wirkt das Einleitungsgedicht mit seiner expressiven Bild‐ lichkeit: „Massi/ come uomini rozzi/ formano torri solitarie/ Alberi/ con la schiena curva/ verso sud-est dal maestrale/ ricordano/ una fierezza antica/ Una colonna greca/ è un simbolo estraneo/ al paesaggio“. (S. 50) Das hier beschworene, kunst‐ voll stilisierte Sardinien hat mit dem farbengesättigten, sensualistischen Mythos des Mittelmeerraumes, den Montale und Camus propagierten, nichts mehr ge‐ mein, statt dessen bildet Sanna mit drei symbolischen Elementen - Felsblöcke, verkrüppelte Bäume und griechische Säule - eine (der arte povera verpflichtete) Assemblage lyrisch nach, um Sardinien zu veranschaulichen. Rauh, ungefüg, grob - so sind die „massi“ (und wie der Vergleich sogleich nahe legt, auch die Bewohner), aus denen die über die Insel verstreuten Festungen („torri solitarie“, V. 3), die zwischen 2000 und 500 v. Christus von den Ureinwohnern erbauten „nuraghi“, bestehen. Mit Absicht setzt Sanna die symbolisch so gewichtigen „massi“ in den ersten Vers: Einer sardischen Sage nach entstand die Insel aus jenen Felsen, die bei der Erschaffung der Welt übriggeblieben waren. Darüber hinaus verweisen die Felsbrocken auf die Gebirge Sardiniens, isolierte Massive mit zerrissenen Hängen, die, vergleicht man sie mit der toskanischen Hügel‐ landschaft, wuchtig, geradezu barbarisch wirken und den Eindruck einer ar‐ chaischen Landschaft entstehen lassen. Die vom Maestrale, einem kühlen Nord‐ 117 „Due sfere s’incontrano“ 4 D.H. Lawrence schreibt in Sea and Sardinia (1921): „These are the woods of Gennar‐ gentu. But they arenʼt woods in my sense of the word. They are thin sprinkles of oaks and chestnuts and cork-trees over steep hill slopes. And cork-trees! “ (D.H. Lawrence and Italy, London: Penguin Books 1985, S. 92.) 5 Vgl. den 1960/ 61 entstandenen Reise-Essay Nach Tharros von Alfred Andersch (in: Norden Süden rechts und links. Von Reisen und Büchern 1951-1971, Zürich: Diogenes 1972, S. 84-101). westwind, gebeugten, gebückten „alberi“ (V. 4), etwa Ölbäume oder pittoresk verwachsene Korkeichen, stehen für die ausdrucksstarke sardische Flora. 4 Vor diesem mit wenigen Strichen skizzierten Hintergrund ragt als fremdes, da von außen kommendes Objekt („un simbolo estraneo“, V. 10) eine griechische Säule auf. Damit erinnert Sanna daran, dass Sardinien nicht zur Magna Graecia ge‐ hörte, sondern Gebiet der von den römischen Eroberern ausgelöschten phöni‐ zisch-punischen Kultur war, die ihrerseits um 1000 v. Christus die Nu‐ raghen-Kultur ins Innere der Insel abdrängte. Unter der scheinbar harmlosen Naturbeschreibung verbirgt sich ein historischer Bezug, eine Anspielung auf die zahlreichen Fremdherrschaften, unter denen Sardinien immer stand. Bemerkenswert ist, wie Sanna die in den Sechziger Jahren auch in Sardinien Einzug haltende Industrialisierung herausstellt: Fortschritts- und technikkriti‐ sche, frühe ökologische Gedichte entstehen. Dem Land der Hirten wurde, schreibt Sanna in Anelli…, mit der auf der Ebene von Ottana errichteten, riesigen petrochemischen Anlage ein Fremdkörper eingepflanzt: „Anelli/ di fede bianca/ sollecitano lʼattenzione/ dellʼincauto pilota/ sulle ciminiere di cemento/ della piana di Ottana/ Nella terra dei pastori/ è sorto un complesso/ un paradosso/ per le sue origini“. (S. 63) Tharros, mit 17 Versen das längste Gedicht der Sammlung, übt bei elegischem Grundton ebenfalls deutliche Fortschrittskritik: „Il tamburo del mare/ fa sentire i suoi colpi/ secondo il moto irregolare/ delle onde/ Sono colpi dʼinerzia/ e di malinconica lentezza/ che comunicano alla terra/ vestigiosa e bec‐ china/ il veleno anorganico/ scivolato/ in graduale discesa/ per la valle del Tirso/ La schiuma bianca/ gorgoglia sulle sponde/ si accumula sulle rocce/ senza integrarsi/ Ma intacca altrove“. (S. 64) Erneut setzt Sanna gewisse historische Kenntnisse zum Verständnis voraus. Tharros, heute eine Ruinenstadt, liegt auf der Sinis-Halbinsel am nordwestlichen Rand des Golfes von Oristano, wo Sanna geboren wurde. Dort befanden sich im Laufe der Zeit Siedlungen der Nura‐ ghenkultur, Phönizier und Römer; der Ort war in byzantinischer Zeit Bischofs‐ sitz; um 1000 v. Christus verließen ihn die Ureinwohner. Zu Anfang des 17. Jahrhunderts errichteten die Spanier einen Küstenturm, im 19. Jahrhundert kamen Grabräuber, heute ist Tharros eine bedeutende Ausgrabungsstätte. 5 Im Kleinen führt demnach Tharros komprimiert die unerhört wechselvolle Ge‐ 118 Thomas Amos schichte Sardiniens vor, einer Insel, die sich ständig übers Meer kommenden Eroberern ausgesetzt sah. An diesem sardischen Erinnerungsort entdeckt Sanna die „schiuma bianca“ (V. 13), und das ist nicht die Gischt, woraus Aphrodite geboren sein soll, sondern Abschaum, giftiges Abwasser, von der Industriean‐ lage ins Meer geleitet. Heute, so Sanna, läuft die Insel Gefahr, sich selbst zu zerstören, da das Gleichgewicht zwischen dem notwendigen wirtschaftlichen Fortschritt und dem Naturschutz nicht besteht. Anders als D.H. Lawrences Reise-Essay Sea and Sardinia (1921), der die Be‐ wohner der Insel in für die Zeit ungewöhnlicher naturalistischer Anschaulich‐ keit vorstellt, nimmt Sanna Sardinien vorrangig als Natur-Erlebnis wahr: „In questa terra/ ci vengo per ricercare/ una matrice spenta/ Ogni incontro dʼuomini/ rimprovera il tratto straniero/ il diverso pensare“. Abgebrochen sind Verbindung und Bezug zur „Mutter Sardinien“; „matrice spenta“ ist zu übersetzen mit „er‐ loschene Quelle“ oder „gelöschter Mutterboden“. Der Besuch in seinem Eltern‐ haus im Gedicht A casa lässt sich auf die ganze Insel übertragen: „Mi fermo/ di fronte al camino/ che accoglie/ lʼultimo fuoco/ Lontane visioni/ sʼinfrangono/ Lo scoppio del mortaretto/ mi scrolla di dosso/ un anno che sʼè consumato“. (S. 58) Längst fühlt sich der Sprecher hier nicht mehr zu Hause, das zeigt der Blick ins erlöschende Feuer. Beides, die Datierung des Gedichtes auf den 31. Dezember und seine Stellung als fünftes innerhalb der Abteilung, markieren einen Wen‐ depunkt, nicht nur zwischen den Jahren, sondern zwischen den Kulturen. Ist Deutschland an die Stelle der sardischen Heimat getreten, der sich Sanna nun entfremdet fühlt? Begreift er sich zu diesem nicht näher präzisierten Zeitpunkt als Deutscher? Oder fällt es ihm schwer, sich ausschließlich zu einer sardischen oder italienischen Identität zu bekennen? Auf jeden Fall scheint eine tiefe Ver‐ unsicherung eingetreten zu sein, was die eigene kulturelle und nationale Iden‐ tität anbelangt. Sanna fühlt sich weder dem deutschen noch dem italienischen Kulturkreis zugehörig, und gerade der Aufenthalt in Sardinien macht ihm diese Zwischenstellung bewusst. Ein Spaziergang gibt Anlass, in einer Kindheitser‐ innerung - dem Balancieren auf einer niedrigen Mauer - das große Thema der Sammlung, die Suche und Sehnsucht nach einem inneren, einem physischen Gleichgewicht, gleichnishaft darzulegen: „È difficile spiegarti il senso/ delle pie‐ tre/ che rafforzano il muro/ del convento/ Su quel muretto/ ci camminavo/ da ra‐ gazzo/ cercando lʼequilibrio/ Le mie uscite notturne/ mi riconducono/ in quella strada/ a pochi metri da casa/ E mi vien di tentare“. (S. 60) Nicht zufällig knüpft Sanna hier an eines der bekanntesten Gedichte Eugenio Montales in den Ossi di seppia (1928) an, Meriggiare pallido e assorto…, das die menschliche Existenz als Entlanggehen an einer mit Glasscherben gespickten Mauer vergleicht („com’è tutta la vita e il suo travaglio/ in questo seguitare una muraglia/ che ha in cima 119 „Due sfere s’incontrano“ 6 Eugenio Montale, Tutte le poesie. A cura di Giorgio Zampa, Milano: Mondadori 1984, S. 30. 7 Vgl. Hanns Bächtold-Stäubli (Hrsg.), Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, Bd. 9, Berlin/ New York: de Gruyter 1987, Sp.1-12. 8 Salvatore A. Sanna: Wacholderblüten. Gedichte Italienisch Deutsch. Übertragen von Birgit Schneider. Mit zwei Zeichnungen von Fausto Melotti, Frankfurt am Main: Pri‐ vatdruck 1984, S. 6, jetzt in: Sanna, Fra le due sponde (Anm. 1), S. 68. cocci aguzzi di bottiglia.“ 6 ). Sanna nimmt sich vor, diesen symbolischen Gang, weiterhin zu versuchen, weiter das Gleichgewicht anzustreben. Wacholderblüten (1984) bietet einen inhaltlich heterogenen Eindruck. Die Sammlung umfasst drei Abteilungen zu elf, sieben und zwölf Gedichten, zwi‐ schen denen zwei Zeichnungen von Fausto Melotti stehen. Den Titel darf man als poetologische Blumensprache auffassen: Mit den unscheinbaren weißen Blüten des Wacholderstrauches charakterisiert Sanna selbst seine Lyrik. Von den zahlreichen, dem Wacholder in ganz Europa zugeschriebenen abergläubi‐ schen Vorstellungen seien zwei erwähnt: In Deutschland meint der Volksglaube, der an den Hut gesteckte Wacholderzweig bewahre auf Reisen vor Ermüdung; in Italien soll ein aus Wacholder gefertigter Stab unterwegs Glück bringen. 7 Das Thema Reisen durchzieht die Sammlung. Sanna, zum Zeitpunkt der Veröffent‐ lichung seit 22 Jahren Dozent für italienische Sprache und Kultur, fährt in die Schweiz (davon handelt der zweite Teil) und nach Frankreich (Reminiscenze) und besucht regelmäßig Italien. Der Beschäftigung mit dem inzwischen vertrauter gewordenen Deutschland kommt eine ungleich geringere Bedeutung zu als dies noch in Fünfzehn Jahre Augenblicke geschah, so dass das Gleichgewicht zwi‐ schen den beiden Ländern und Kulturen, Sannas wesentliches Anliegen, ent‐ weder mittlerweile hergestellt und stabil zu sein scheint - dafür spricht seine interkulturelle Vermittlertätigkeit - oder in den Hintergrund getreten ist. Drei Gedichte widmen sich im ersten Teil ausdrücklich Deutschland. Kar‐ bach, ein Gedicht um einen Ort oder eher eine Landschaft in der Nähe von Würzburg, leitet die Sammlung insgesamt ein: „Mʼaccompagna il verde/ cupo della segale e del grano/ sullʼaltipiano/ chiazzato di giallo dʼorzo/ I mucchi di fieno/ assecondano le forme/ degli alberi sparsi/ e dallʼoccidente/ sʼavvicinano raggi scuri/ di pioggia“. 8 Diese Verse über die deutsche Mittelgebirgslandschaft in einem farben-strahlenden Sommer antworten mit Absicht auf die bedrückenden Großstadtgedichte, wie sie Fünfzehn Jahre Augenblicke Sannas erster Zeit in Deutschland zuordnet; indem der Sprecher sich nunmehr Deutschland in der aus der deutschen Literatur hinreichend vertrauten Rolle des Wanderers oder Spaziergängers erschließt, zeigt er, wie weit kulturelle Assimilation und auch Identifikation vorangeschritten sind. 120 Thomas Amos Es fällt auf, dass Sannas Lyrik insgesamt spektakuläre deutsche Orte, Ge‐ dächtnis- oder Erinnerungsorte meidet. Eine Ausnahme bildet das Carnevale ʼ59 genannte Gedicht, das zeitlich präzis in den Adenauer-Jahren spielt und am Rhein zwischen Bingen und Koblenz angesiedelt ist, an einem wie Karbach für den Italiener phonetisch diffizilen Ort, Bacharach: „Sei la mia compagna quella sera/ in un baraccone di Bacharach/ là dove scorre il Reno/ e la birra sulle salsicce oleose/ / Ti ho strappato al gruppo/ e al tuo amico chimico/ / È lʼinizio di un pen‐ dolare settimanale/ fra Vohwinkel e Barmen/ sulla Wupper tortuosa/ sorvolata dalla monorotaia“. (S. 10) Als Zauber und Ballast steigt zunächst die seit dem Anfang des 19. Jahrhunderts popularisierte und europaweit präsente Rheinro‐ mantik empor, bricht aber, nicht tragfähig, mit dem vierten Vers abrupt in sich zusammen. Unklar bleibt erneut, wer mit „la mia compagna“ (V. 1) angeredet ist, eine tatsächlich existierende Frau, die sagenhafte Loreley oder das in der Gestalt der Germania personifizierte Deutschland. Wenn auch gewiss persönliche Er‐ innerungen des Autors in dieses Gedicht Eingang fanden, so begibt er sich doch zum ersten und einzigen Mal an einen hochsymbolischen, um nicht zu sagen: deutschen Gedächtnisort, wo, was sein Blick umso schärfer bemerkt, gerade in den Nachkriegsjahren jüngste Vergangenheit und Gegenwart unvermittelt auf‐ einandertreffen. Der pittoreske Rheinlauf mit seinen überschaubaren Städten bildet bis in die 1960er Jahre hinein die heile Lieblingslandschaft der Deutschen, idyllisches Gegenbild zum Kalten Krieg und Flucht vor der Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte. Der durch den Titel so hervorgehobene Karneval, und im übertragenen Sinne das Spiel mit Masken und Maskierung, schaffen eine irreale, latent bedrohliche Atmosphäre, bezeichnend für das Jahr 1959, da in Genf die Außenministerkonferenz stattfand, ohne die deutsche Frage oder das Berlin-Problem lösen zu können. Außerdem liegt wenige Kilometer flussab‐ wärts von Bacharach bei St. Goarshausen der Loreley-Felsen, wo der Sage nach eine Wasser-Fee, die Loreley, einst Schiffer verführte und untergehen ließ. Eng, geradezu untrennbar verbunden mit diesem berühmten Rhein-Mythos ist Hein‐ rich Heines überaus populäres 1824 geschriebene Gedicht, das bekanntlich die Nationalsozialisten nicht aus dem deutschen Balladenschatz streichen konnten und deshalb mit dem Zusatz „Verfasser unbekannt“ versahen. Die Wuppertaler Schwebebahn (im italienischen übrigens prosaischer „monorotaia“/ „Einschie‐ nenbahn“ genannt) schließlich, stolzes Symbol sowohl des deutschen Wieder‐ aufbaus als auch der Technikgläubigkeit der Fünfziger Jahre, beendet als mo‐ dernes Transportmittel und dabei sehr unwirklich das Gedicht - als wollte, davonschwebend, der Sprecher sich diesem Wirklichkeitskonglomerat ent‐ ziehen. Karnevalsstimmung, Loreley, Schwebebahn - das alles fasst ein nur scheinbar unpolitisches Gedicht sehr eingängig zusammen, dabei sehr genau die 121 „Due sfere s’incontrano“ Entstehungszeit, die restaurativen Fünfziger Jahre der Bundesrepublik Deutsch‐ land charakterisierend. Elm beschließt die erste Abteilung von Wacholderblüten. „Il giallo dei campi di colza/ sul piano collinoso/ irrita le mie antenne del colore/ e limita piste/ dʼat‐ terraggio di un volo umano/ senza motori e ali meccaniche/ Giunti al castello/ di Ulrich von Hutten/ sullo Steckelberg/ ne vedo gli aspetti pratici/ olio bollente/ versato sulle corazze/ delle macchine-uomini/ / Il giallo, spiega lʼamico/ di ritorno al luogo dʼescursione/ è di stimolo agli insetti/ a posarsi“. (S. 26) Wieder setzt Sanna einen kleinen, diesmal nordhessischen Ort in den Titel; unweit von Elm liegt die Burgruine Steckelberg, wo, was allerdings zum Verständnis der sensu‐ alistisch wirkenden Verse wenig beiträgt, 1488 Ulrich von Hutten geboren wurde. Die starken Farbeindrücke, die bereits Karbach enthält, verdichten sich zu einer Farbe, dem intensiven Sonnen-Gelb der Rapsfelder; auch der Rückblick auf mittelalterliche Verteidigungspraktiken (V. 11 ff.) vermag die schließlich zoologisch erklärte Strahlkraft der Felder nicht zu stören. Sannas Deutsch‐ land-Bild lässt sich kaum besser resümieren: Deutschland leuchtet. Die beiden Italien-Gedichte des dritten Teils, Firenze und das ebenfalls in Flo‐ renz angesiedelte Pendoli melottiani, beherrscht ein ausgesprochen heiterer Grundton. Am Beispiel des Florentiner Doms Santa Maria del Fiore weist Fi‐ renze, ungewöhnlich genug, auf die sexuellen Aspekte in der Bausymbolik der Kirchenanlage hin; die Kuppel vertritt das weibliche, der Campanile das männ‐ liche Prinzip: „Il seno/ di madre chiesa/ turgido e fiero/ sʼerge sui tetti/ bassi della città/ È un invito/ a stillare la tua sete/ e a posare il tuo capo/ fra le costole bianche/ Lʼelegante e vanitoso/ compagno/ come i galli canterini/ fa sentire le sue cam‐ pane/ quasi per farsi perdonare/ la sua bassa statura.“ (S. 54) Die Darstellung der Arno-Stadt erinnert an eine Postkartenansicht mit einem launigen Text fern aller kunsthistorischen Schwere; Platz für individuelle Gefühlseindrücke gibt es nicht, doch erlaubt das Gedicht Rückschlüsse auf die ausgeglichene Stimmung des Sprechers. Das wiedergefundene Gleichgewicht vermittelt noch stärker das folgende Gedicht Pendoli melottiani. „Le sfere di metallo/ portate dal vento/ scan‐ discono un tempo/ folle/ e pure incerto/ I loro tocchi/ sollecitano il passaggio/ degli spazi cromatici/ per raggiungere il paradiso/ dellʼIsolotto/ chiuso ai mortali/ ma non alle anime/ innamorate.“ (S. 56) Sanna beschreibt eine Skulptur oder Instal‐ lation des Bildhauers Fausto Melotti, die 1981 anlässlich einer Ausstellung auf dem linken Arno-Ufer im Forte Belvedere aufgestellt wurde. Fünf Meter hohe Pendel schlagen, durch den Wind bewegt, gegeneinander und bringen eine fremdartig wirkende, atonale (Sphären-)Musik hervor. Obwohl sie ein „tempo/ folle“ (V. 3 f.) anzeigen, schafft ihr synästhetisch erlebter Klang eine magisch aufgeladene, ins Unwirkliche spielende Stimmung und bewirkt, dass Liebes‐ 122 Thomas Amos 9 Vgl. Heitmann, S. 87 u. 129. paare die Besuchern üblicherweise verschlossene kleine Insel im Boboli-Garten betreten können. Italien, selbst das von Touristen überrannte Florenz birgt, ist, so mag man dieses stimmungsvolle, ganz der romantischen Tradition verhaftete Gedicht deuten, noch immer voller Wunder. Sanna zeigt das alte Sehnsuchtsland der Deutschen. * Fünfzehn Jahre Augenblicke und Wacholderblüten, die zwischen 1961 und 1984 entstandenen Gedichte Sannas, umfassen einen denkbar wechselvollen Zeit‐ raum der deutschen Geschichte, der mit der Errichtung der Berliner Mauer ein‐ setzt, über die letzten Jahre der Kanzlerschaft Adenauers, Große Koalition und Studentenbewegung, die soziale-liberale Regierung unter Willy Brandt und Helmut Schmidt bis hinein in die Ära Kohl reicht. Sannas Blick auf Deutschland bewahrt stets eine subjektive, dabei distanzierte und reflektierende Grundhal‐ tung; fotografisch scharf hält er Eindrücke, Erlebnisse, Erkenntnisse fest, die über Persönliches und Augenblickhaftes hinausgehen und Allgemeingültigkeit beanspruchen dürfen. Offen und unvoreingenommen beginnt ein Italiener, sich auf Deutschland und, mehr noch, auf seine Bewohner einzulassen. Eine unmit‐ telbare Auseinandersetzung mit Zeitgeschichte bzw. deutscher Politik ver‐ meidet Sanna indes, und insbesondere Wiederaufbau und Wirtschaftswunder, für jeden ausländischen Besucher der Bundesrepublik nach dem Krieg unüber‐ sehbar, 9 werden, wie auch die Existenz zweier deutscher Staaten, nicht thema‐ tisiert. Vordergründig engagiert gibt sich somit diese Lyrik nirgendwo. Die Vo‐ kabeln „Germania“ und „tedesco“ fehlen übrigens gänzlich. Sanna geht subtiler vor; indem er Großstädte weitgehend ausklammert, Berlin und Bonn geradezu demonstrativ übergeht, sucht (und findet) er in kleinen Ortschaften die idylli‐ sche Natur der deutschen Mittelgebirgslandschaft, ein über-zeitliches Deutsch‐ land (Karbach, Elm in Wacholderblüten). Lediglich das komprimierte und viel‐ schichtige Carnevale ʼ59 (Wacholderblüten) fasst die bundesrepublikanische Nachkriegsstimmung prisma-artig zusammen. Sanna sucht keine Bildungser‐ lebnisse, sondern strebt den unmittelbaren Austausch, das Gespräch mit Deut‐ schen an (vgl. Rosso, bianco avorio…, Un calore infrarosso…, Due sfere sʼincont‐ rano… in Fünfzehn Jahre Augenblicke). Die Sammlung Fünfzehn Jahre Augenblicke zeigt einen Italiener, der Ende der 1950er Jahre in ein Deutschland kommt, das er bisher nur aus zweiter Hand, über den Umweg der Literatur kannte. Nach schwierigen Anfängen, die nicht zuletzt mit der alles Fremde ablehnenden insgesamt restaurativen Gesellschaft 123 „Due sfere s’incontrano“ der Bundesrepublik zu tun haben, vollzieht sich allmählich eine Annäherung, die dann in Wacholderblüten erreicht ist. Die fremde Kultur wird umso ver‐ trauter, je länger Sanna in seine interkulturelle Vermittlerfunktion hinein‐ wächst, d. h. je länger er die italienische Sprache, Kultur und Literatur seinen Studenten nahebringt. Als Dozent vertritt, ja verkörpert er gleichsam Italien und steht dabei ständig in unmittelbarem Austausch und Dialog mit Deutschen. Die aus einer gewissen Unsicherheit resultierende Suche nach einer kulturellen bzw. nationalen Identität - davon berichtet Fünfzehn Jahre Augenblicke -, die man sich ja nicht selbst zuteilt, sondern die wesentlich auch von anderen verliehen wird, tritt mit der Zeit fast völlig in den Hintergrund. Sehr gut veranschaulicht diese Entwicklung Sannas Verhältnis zu Italien. Während Fünfzehn Jahre Au‐ genblicke noch von einem durchaus schmerzlichen Ablösungsprozess von Ita‐ lien bzw. Sardinien handelt, herrscht in Wacholderblüten zwischen Deutschland und Italien ein harmonisches Gleichgewicht der gegenseitigen Ergänzung und Anregung, das sich gerade in einem europäischen Kontext als ungemein fruchtbar und förderlich erweist. Die persönliche, doch in vielerlei Hinsicht ty‐ pische Entwicklung des Autors darzulegen, bleibt die Leistung einer Lyrik, deren Bedeutung für die Geschichte der deutsch-italienischen Beziehungen nicht hoch genug veranschlagt werden kann. 124 Thomas Amos Übersetzen und Vertonen am Beispiel dreier Gedichte von Salvatore A. Sanna [2004] Gerhard Goebel I Non si scorge alcuna vibrazione Nicht erkennbar ist irgend ein Schimmer, di luce, né sagoma dolcemente von Licht noch auch ein sanft scura, ma s’ode lontano dunkler Umriß, doch fern hört man sconvolgimenti umani wildes Getriebe von Menschen. II Relais du silence Relais du silence Echeggia il canto dei galli lontani Es echot der Schrei ferner Hähne nella notte puntata di stelle in der sternübersäten Nacht È presagio per orecchie insonni Ist’s Vorzeichen für schlaflose Ohren di un’alba ancora dormiente eines noch schlummernden Morgengrauens o son voci di mondi diversi oder sind’s Stimmen anderer Welten che l’aria cristallina trasmette? übertragen von der kristallenen Luft? Il condizionatore del Château Die Klimaanlage des Château di Pizay, rumoroso e carparbio de Pizay, lärmend und stur, tiene alta la temperatura hält die Temperatur hoch e a tempi alternati s’accende und springt in wechselnden Phasen an Interferenze magnetiche Elektromagnetische Interferenzen che Morfeo impotente subisce die Morpheus ohnmächtig erduldet 1 Fünfzehn Jahre Augenblicke (1978); Wacholderblüten (1984); Löwen-Maul (1988); Feste (1991); Mnemosyne (1999). Ab Löwen-Maul sind Übertragungen und Nachwort von mir. 2 Jetzt in: Salvatore A. Sanna, Fra le due sponde - Zwischen zwei Ufern. Gesammelte Ge‐ dichte Italienisch Deutsch. Herausgegeben, kommentiert und mit einem Essay versehen von Thomas Amos, Tübingen: Narr 2004, S. 395 ff. Hier in revidierter Übersetzung und neuer Anordnung. 3 Eine andere Art von Hermetik, die späte Poesie Stéphane Mallarmés, hat mich schon seit 1984 zu dem Versuch musikalischer Übersetzung herausgefordert. Ich berichte dar‐ über in „Übersetzen und Vertonen: Mallarmés Lied von der Rose“, in: lendemains, Heft 73 (1994), S. 64-74. III Pallida, sfumata Bleich und dunstig nella barchessa della villa im Kornspeicher der palladianischen palladiana, la luce Villa das Licht, pittura della memoria ein Bild des Erinnerns Si dilata la pupilla Es weitet sich die Pupille coglie tracce lievi fängt leichte Spuren ein di colore nel bianco von Farbe, im Weiß diffuso, sospese aufgelöst, schwebend in una realtà conclusa in einer abgeschlossenen Wirklichkeit Wie für Sannas ersten Gedichtband Fünfzehn Jahre Augenblicke und für die nachfolgenden vier Bände, 1 so gilt auch für diese drei neuen Gedichte, 2 die eine Art Triptychon bilden: Thema von Sannas Poesie ist immer ein erinnerbarer Augenblick, erinnerbar gerade vermöge einer sonderbaren Bedeutungsarmut, ja Banalität. Das verbindet Sannas Poesie mit dem Frühwerk Eugenio Montales. Im ersten dieser drei Gedichte führt die Erblindung des Gesichtssinnes in ab‐ steigendem Rhythmus, vom Novenario und Endecasillabo zum Settenario, zu einem fernen Gehörseindruck. Im zweiten Gedicht überlagert sich der ferne, vielleicht gar einer anderen Welt angehörige Hahnenschrei mit dem insistenten Nähelärm der Klimaanlage zur Qual des Schlaflosen. Schließlich, im dritten Ge‐ dicht, kehrt das Licht wieder, aber bleich und dunstig, fast farb-lose Verdichtung in einer definitiven Wirklichkeit, als plastische Erinnerung („Bild“) des Erin‐ nerns. Die Versuchung liegt nahe, solche Poesie erinnerbarer Augenblicke in Moments musicaux zu übersetzen. 3 Sanna selbst hat sie mir nahegelegt, als er mir das Triptychon überreichte: „Das kannst du vertonen.“ Er meinte auch, hier könne ich mein Lieblingsgenre, den Tango, verwenden. In der Tat: Besser als irgendeine verbale Formel eignen sich die Tango- Schluss-Klischees zur Übersetzung der „sconvolgimenti umani“ (I) und der „re‐ altà conclusa“ (III). Die lexikalische Übersetzung der „realtà conclusa“ mit „ab‐ 126 Gerhard Goebel 4 Die besten Informationen über Tango und Milonga habe ich aus einem Vortrag von Thomas Sträter (Köln), gehalten in der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am 17.6.1998: „Duelo de la palabra con la musica: Borges y el Tango“. Sträters Habili‐ tationsschrift Feste und Proteste (1998) ist dem Wechselverhältnis von Literatur und Musik in Lateinamerika gewidmet. Borges ist im Gegensatz zu Piazzolla parteiisch: gegen die Melancholie des klassischen Tangos, für die fröhliche Milonga. geschlossene Wirklichkeit“ ist eine Verlegenheitslösung, es fehlt ihr das Moment der Trauer. Vollends unübersetzbar sind die „sconvolgimenti umani“ (I). Das lexikalische Angebot „Erschütterungen“ oder „Umwälzungen“ ist unbrauchbar. „Erschütterungen“ sind individuell, „Umwälzungen“ gesellschaftlich. Hier aber geht es, mit der ironischen Note des Plurals, um jenen Lärm zwischenmensch‐ licher Auseinandersetzungen, den man aus dem Leben und dem Fernsehen kennt. Meine Übersetzung trägt der ironischen Note Rechnung, ist aber zu frei und auch nur eine Verlegenheitslösung. Besser kann es der Tango, dieses Genre voller Trauer und Ironie. Allerdings klingt, was vorausgeht, eher wie eine klez‐ merisierte Bachsche Kanzone. Für die Überlagerung des fernen Hahnenschreis mit dem Lärm der Klimaan‐ lage in dem Relais du Silence benannten Hotel (II) bietet sich die Milonga an, eine Vorform des argentinischen Tangos. „Milonga“, eine Vokabel afrikanischen Ur‐ sprungs, heißt in der Sprache des Palermo-Viertels von Buenos Aires soviel wie „Streit“. 4 Es streiten sich hier nicht nur melodische Motive, sondern auch Rhythmen: Der Viervierteltakt, der sich in der Caminada des klassischen Tangos durchsetzen wird, und der Milonga-Rhythmus, der mit einer Folge von drei Achteln, dann im Takt selbst noch einmal drei Achteln + zwei Achteln einsetzt; die nächsten drei Achtel sind dann wieder Auftakt. Neben dem Taktschema 3 + 2 + 3 kommt auch das im Latin Swing geläufigere vor, also 3 + 3 + 2. An den Periodenschlüssen kommt der Tango deutlich zum Tragen, in jener Tonart, die man mit Klezmer assoziiert, die aber im Grunde allgemein orientalisch und nordafrikanisch ist. Darin liegt immer etwas von Trauer. Relais du Silence (II) bildet dagegen ein heiter dissonantes Intermezzo, im Stil Darius Milhauds Ver‐ tonung von Mallarmés Chansons bas verwandt, im Rhythmus jedoch eher der Histoire du tango von Astor Piazzolla, die fast ausschließlich der Milonga ver‐ pflichtet ist. Der goldene Schnitt, der in Sannas Poesie wie in ihrer Vertonung eine nicht unwichtige Rolle spielt, ist selbstverständlich auch semantisch relevant. In dem Vierzeiler hebt er das Enjambement „dolcemente scura“ hervor, den Abstieg von Takt 12 und 13 im Gesangsteil. Die Enjambements in „Pallida, sfumata…“, näm‐ lich „palladiana“ und „di colore nel bianco“ fallen zusammen mit dem Minor und dem Maior des Goldenen Schnitts (in der Vertonung Takt 4 und 10). Enjambe‐ 127 Übersetzen und Vertonen am Beispiel dreier Gedichte von Salvatore A. Sanna 5 Gerhard Goebel, „Mallarmé et le nombre d’or“, in: Europe, no. 825-826, janvier-février 1998, S. 225-236; ders., „Poemathessis ou la poésie et les nombres: La Fontaine rac‐ compte“, in: Carolina Romahn/ Gerold Schipper-Hönicke (Hrsg.), Das Paradoxe. Fest‐ schrift für Ralph-Rainer Wuthenow, Würzburg: Königshausen & Neumann 1999, S. 117-126. Ein gutes Beispiel für J.S. Bachs Spiel mit dem Goldenen Schnitt wäre die Arie „Bereite dich, Zion“ aus dem Weihnachtsoratorium. Ihr 1. Teil umfasst 88 Takte, also 22 Perioden, entsprechend dem Alphabet der Thora, ihr 2. Teil nur 50 Takte. So kommt man auf 138, den approximativen Minor von 360 Grad. Mit der Wiederholung des 1. Teils sind es aber insgesamt 226 Takte, und das ist der approximative Goldene Schnitt des Sonnenjahrs. Verstehen soll man: Mit der Geburt des Messias gelangt das Gesetz, das Jesus nicht aufhebt, vom Raum in die Zeit. Es scheint mir unmöglich, dass Bach hier nicht kalkuliert haben soll. ments sind immer Hervorhebungen des dem Autor Wichtigen. Hier ist das der Farbeinschluss im Weißen und das „Palladianische“, das Sanna in leicht ironi‐ scher Paronomasie mit „pallida“ koppelt. Die Ironie ist nicht ohne Trauer, geht es doch um das Verblassen der Erinnerung, das die Szenerie emblematisch ver‐ bildlicht. Wie zu erwarten, setzt sich der Goldene Schnitt auch in Relais du Silence in einem Enjambement durch, nämlich „di Pizay“ (Takt 15), mit dem nun aus‐ drücklich hervortretenden Lärm der Klimaanlage. Ich glaube nicht, dass Sanna dergleichen bewusst kalkuliert hat. Der Goldene Schnitt ist eine natürliche Uni‐ versalie, die sich in rhythmisch wohlgeformter Poesie spontan realisiert. Auch in der Musik: Ich habe dies zuerst in eigenen Kompositionen festgestellt, die nicht errechnet waren. Gewiss gibt es Poeten und Komponisten, die rechnen und ein raffiniertes Spiel mit dem Goldenen Schnitt und der Kreiszahl betreiben wie La Fontaine, Mallarmé und der große Johann Sebastian Bach. Ich konnte das in Aufsätzen über La Fontaine und Mallarmé zeigen. 5 Für Bach ist diese Demonstration von mir noch zu leisten. 128 Gerhard Goebel 129 Übersetzen und Vertonen am Beispiel dreier Gedichte von Salvatore A. Sanna 130 Gerhard Goebel 131 Übersetzen und Vertonen am Beispiel dreier Gedichte von Salvatore A. Sanna 132 Gerhard Goebel 133 Übersetzen und Vertonen am Beispiel dreier Gedichte von Salvatore A. Sanna 1 Salvatore A. Sanna, Fra le due sponde/ Zwischen zwei Ufern. Gesammelte Gedichte Ita‐ lienisch deutsch. Herausgegeben, kommentiert und mit einem Essay versehen von Thomas Amos, Tübingen: Narr 2004, S. 164/ 165. Übersetzt von Gerhard Goebel. „Palestrina“ von Salvatore A. Sanna [2004] Thomas Amos Richtet sich, was selten geschieht, der lyrische Blick Salvatore A. Sannas auf eine italienische Stadt, entstehen Momentaufnahmen von bemerkenswerter Eindrücklichkeit: So setzt Firenze Kuppel und Campanile in ein neues, post-freu‐ dianisches Verhältnis zueinander, Pendoli melottiani (beide Wacholderblüten, 1984) erhöht den Boboli-Garten zum magisch-irrealen Ort, Pisa und Parma (Feste, 1991) verleihen durch gleichsam fotografische Vergrößerung einzelner Details berühmten Bauwerken neuen Sinngehalt. Das hier näherer Betrachtung unterzogene Gedicht Palestrina, Schluss-Stück der ersten Abteilung in der Sammlung Löwen-Maul (1988), erschließt sich - ohne hermetisch im eigentli‐ chen Sinne zu sein - dem Leser nicht unmittelbar, darf indes als vorzügliches Beispiel dafür gelten, auf welch originelle und kunstfertige Weise Sanna die dichterische Anverwandlung des Stadt-Bildes und schließlich dessen Öffnung zur Landschaft vollzieht. Palestrina 1 Palestrina 1 Che in te sia Polia Birgt in dir sich Polia sotto la pergola pregna unter der von trächtigen di gravidi glicini Glyzinien schweren Laube o che tu sia la primigenia oder bist du 5 Fortuna des neuen Tempels erstgeborene del giovane tempio Fortuna proteggi dallo sguardo schütz vor dem unberufenen profano le bianche volute Blick die weißen Voluten 2 Zur Stadt Palestrina vgl. Ferdinand Gregorovius, Wanderjahre in Italien, München: Beck 3 1978, S. 276-279; Gerhard Goebel-Schilling, „Pales trina“, in: Italienisch, Nr. 14/ 1985, S. 18-27. 3 Vgl. Silke Schilling, Heinrich und Thomas Mann in Palestrina. Katalog zur Ausstellung, Frankfurt am Main: Dr. Mißlbeck 1989. 4 Zur zentralen Rolle der kleinen Stadt/ Palestrina als demokratisches Gegenmodell des wil‐ helminischen Deutschland vgl. Thomas Amos/ Gerhard Goebel, „Die Kleine Stadt de Hein‐ rich Mann dans son contexte européen“, in: Revue de littérature comparée, Nr. 4/ 1998, S. 491-507. 5 Thomas Mann spricht im XXIV. Kapitel von „sabinischem Bergnest“ (Frankfurt: Fischer 1980, S. 211), dann nennt er es „eine pittoresk am Berge lehnende Siedlung, in welche vom unteren Kirchplatz eine von den Häusern beschattete nicht eben reinliche Berggasse hin‐ einführte“ (ebd.) del tuo già violato deines schon einmal entweihten 10 ninfeo. L’acqua Nymphaions. Das Wasser wartet attende un dio auf einen Gott I dossi albani Die gebeugten Albanerberge non chiudono la visione wehren den Blick nicht del mare. Il denso aufs Meer. Verdichteter 15 vapore lontano Dunst in der Ferne fa presagire la forma läßt die Gestalt erahnen Neben präziser geographischer Situierung evoziert das Überschrift gewordene To‐ ponym, aufs äußerste komprimierter Paratext, die kleine mittelitalienische Stadt Palestrina am Fuße der Monti Prenestini, etwa dreißig Kilometer östlich von Rom. Mythos und Landschaft, Geschichte und die Künste verleihen dem bewusst als Gegen-Bild zur nahen Metropole gesehenen Ort einen (facetten-)reichen kultur‐ historischen Hintergrund, den der Titel gleich einem Kulissenprospekt entrollt. 2 Dunkel der Ursprung - das antike Praeneste soll Telegonos, der Sohn des Odys‐ seus und der Kirke, oder, nach anderer Sage, der Sohn des Vulcanus, Caeculus, gegründet haben. Schon im 7. Jahrhundert v. Chr. blühendes Zentrum der Etrusker und später des Klimas wegen bei den Römern beliebt, gehörte die Stadt im Mittel‐ alter der Adelsfamilie Colonna, bevor sie 1630 durch Verkauf an die Barberini ging. 82 v. Chr. durch die Soldaten Sullas, 1298 und 1437 durch päpstliche Truppen zerstört und 1944, kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs noch bombardiert, er‐ steht Palestrina viermal neu. Hier wurde 1525 der bedeutende Renaissancekompo‐ nist und Begründer der polyphonen Musik Giovanni Pierluigi Palestrina geboren; hier, am Rande jenes von Malern seit dem frühen 19. Jahrhundert gepriesenen, bis Subiaco reichenden Gebietes, verbrachten 1895-98 Heinrich und Thomas Mann die Sommermonate, 3 was weltliterarischen Niederschlag im Italien-Roman Die kleine Stadt (1907) 4 und, noch Jahrzehnte später, im Doktor Faustus (1947) fand. 5 136 Thomas Amos 6 Mario Praz/ Folco Quilici, Lazio, Ufficio Pubbliche Relazioni della Esso italiana 1975, S. 18. 7 Ebd., S. 10. 8 Vgl. Maria Teresa Casella/ Giovanni Pozzi, Francesco Colonna - Biografia e Opere, 2 vol., Padova: Antenore 1959. 9 Vgl. Maurizio Calvesi, „Identificato l’autore del Polifilo“, in: Europa Letteraria, Nr. 35, 1965, S. 9-20. 10 Vgl. Emanuela Kretzulesco-Quaranta, „L’itinerario spirituale di ‚Polifilo‘ - Uno studio necessario per determinare la paternità dell’Opera. Nota letta da Mario Praz.“, in: Atti della Accademia Nazionale dei Lincei, Rendiconti, 22, 1967, S. 269-283; den Weg Poliphilos lokalisiert E. Kretzulesco in: Les Jardins du Songe, „Poliphile“ et la Mystique de la Renais‐ sance. Préface de Pierre Lyautey, Paris: Les Belles Lettres 1976, S. 391-398. 11 Francesco Colonna, Hypnerotomachia Poliphili. Edizione critica e commentata, a cura di Giovanni Pozzi e Lucia A. Ciapponi, 2 vol., Padova: Antenore 1980, Vol. 1, S. 133. 12 Die Laube wird zum lieu de passage („alquanto io gli occhii levando, et ecco dinanti ad me vedo solo una artificiosa pergula di floroso gelsamino, cum procera incurvatione, Miteinbezogen wissen will Sanna freilich auch die Region, das gerade im Vergleich zu Rom von Touristen eher gemiedene Latium. Dieser landschaftlich außerordentlich schöne Teil Mittelitaliens vom Lago di Bolsena bis zum Monte Cassino im Süden hat mit frei aufragenden Bergen und Grotten alle Züge einer sakralen Landschaft; mit Recht bezeichnete Mario Praz das Latium als von My‐ then gesättigtes Land, als „terra di presenze e numi e di sogni d’eroi“ 6 und „pae‐ saggio eroico, commemorante un’epoca mitica in cui gli uomini vivevano in comunione coi numi“, 7 was nur außerhalb Romas in der Campagna möglich sei. Die Sage weiß, um nur zwei berühmte Beispiele anzuführen, dass Aeneas, von Troia zurückkehrend, bei Cumae landete und Odysseus in einer der Grotten des Monte Circeo ein Jahr lang bei der Zauberin blieb. Spielerisch beginnt das Gedicht: Der Sprecher wendet sich allem Anschein nach an eine Frau und teilt ihr personae zu, die er scheinbar leichthin aus mytho-lite‐ rarischem Fundus herausgreift (V. 1-5). Eine sprach-magische Geste, erkennbar an den Alliterationen auf p und g, verwandelt (oder: befreit) die Adressatin, und hervor tritt zunächst Polia, d. i. eine fiktive Gestalt, die langersehnte, endlich ge‐ wonnene Geliebte des Poliphilo in dem 1499 erschienenen Roman Hypnerotoma‐ chia Poliphili (Poliphilos Erzählung vom Krieg zwischen Liebe und Schlaf), der dem Dominikanermönch Francesco Colonna (1433/ 4-1527) 8 bzw. dem Baron Fran‐ cesco Colonna di Palestrina (um 1453-1538) 9 sowie neuerdings dem Architektur‐ theoretiker Leon Battista Alberti zugeschrieben wird. 10 Diese aus der Fiktion ins Leben getretene Polia umrahmen im Halblicht des Laubenganges schwere Glyzinien, was ausgesprochen bildhaft wirkt; tatsäch‐ lich bezieht sich Sanna auf jene Stelle des Poliphilo, da der Protagonist das erste Mal Polia („una elegantissima nympha“ 11 ) begegnet. 12 137 „Palestrina“ von Salvatore A. Sanna depicta per tutto degli sui odorabili flosculi del triplice colore comixti.“, ebd.), den Polia durchschreitet; vgl. Abbildungen S. 134 und 141. 13 Jacob Burckhardt, Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens, Stuttgart: Krömer 1978, S. 25. 14 Vgl. ausführlich Gerhard Goebel, „Lo sguardo del principe. Francesco Colonna 1493/ 1993“, in: Italienisch, Nr. 29/ 1993, S. 42-52. 15 Goebel-Schilling, S. 19; zum gelehrt-artistischen Nachweis der in Palestrina verehrten Göttin vgl. ebd. S. 18 f. Aber Polia besteht nicht; im atemlosen Bogen der ersten fünf Verse beschwört der Sprecher, von seiner Umgebung inspiriert, sogleich eine Göttin, die „primi‐ genia/ Fortuna“ (V 4 f.). Offensichtlich nun der Bezug zu Palestrina und dessen dea loci: Der dortige Fortuna-Tempel mit seinem uralten, aus Kleinasien kom‐ menden und etruskische Überlieferung enthaltenden Kult war bis zu seiner Schließung durch Kaiser Theodosius 392 eine der bedeutendsten Orakelstätten des antiken Italien; bereits im zweiten vorchristlichen Jahrhundert hatte das weithin berühmte Heiligtum gewaltige Ausmaße angenommen - nach Burck‐ hardt „vielleicht eine der prächtigsten Anlagen der alten Welt“ 13 - und erstreckte sich terrassenförmig den Berghang hinauf. Fortuna, gleichgesetzt mit der grie‐ chischen Tyche, der Tochter des Zeus und der Tethys, verehrte man in Palestrina ebenso als Mutter des Jupiter, um zu bedeuten, dass auch die Götter dem Schicksal unterworfen sind. Die Verbindung der Fortuna mit dem „giovane tempio“ (V. 6) meint eine aus der Renaissance heraus wiedererstandene, alt-neue Göttin, denn der humanistisch gebildete Fürst Colonna ließ im Jahre 1493 den antiken Tempel in Form des 1437 zerstörten Baronalspalastes rekonstruieren. 14 Auch die Überblendung der realen Person zum numinosen Wesen dauert nur einen Augenblick und gestaltet sich ohnehin schwierig, wie der durch den Zei‐ lensprung auseinandergerissene Name andeutet. Unvermittelt endet diese Suche nach anderen Identitäten (V. 6). Dass der Sprecher womöglich kein reales Gegenüber mehr hat, zeigen die in seiner Aufforderung unerwartet verwen‐ deten architektonischen Termini („proteggi dallo sguardo/ profano le bianche volute/ del tuo già violato/ ninfeo“, V. 7-10): Adressatin ist vielmehr, das erweist sich jetzt, die Stadt Palestrina und gleichermaßen deren Personifikation, eine mythokratische Göttin von wahrhaft schillernder, höchst heterogener Identität: „Fortuna ist Turan ist Pales ist Venus-Juno-Minerva.“ 15 Zum zentralen, symbo‐ lischen Teil ihres Körpers/ Tempels wird das zerstörte, nur ruinenhaft erhaltene Nymphaeum des unteren Bezirkes an der heutigen Via degli Arcioni erklärt, wobei „ninfeo“ die sexuelle Konnotation ausdrücklich miteinschließt, beinhaltet doch für den Sprecher das Erleben dieses Stadt-Körpers ein starkes sinnlich-ero‐ tisches Moment. Dem weltlich-laienhaften oder, schreibt die Übersetzung, dem „unberufenen“ Blick („sguardo/ profano“, V. 8) gilt es, die weißen Voluten des 138 Thomas Amos 16 Vgl. Abbildung 1 in Goebel (1993), S. 43. Das Gedicht Palestrina von Dieter Hoffmann stellt die Stelle vor dem Palast so dar: „Der Brunnen hat Hörner./ Ein Tor/ ist als Netz in den Himmel geworfen,/ Abendrot fließt hinein.“ (Lebende Bilder. Gedichte aus einem Jahr‐ zehnt, Mainz: von Hase & Koehler 1971, S. 109). 17 Vgl. Gregorovius, S. 279. 18 Giacomo Leopardi, Canti, Milano: Rizzoli 5 1986, S. 93. 19 Ebd. Nymphaeums zu entziehen; anders ausgedrückt, auch das, was sich hinter diesen Versen verbirgt, die im Gedicht vollzogene Verschmelzung von Stadt und Göttin, soll verschleiert werden. Sanna bleibt mit Absicht unklar; auf selbstre‐ ferentieller Ebene steht die Volute, die spiralförmige Einrollung am Kapitell io‐ nischer Säulen, für den in diesem architektonischen Element verborgenen, da sichtbar ausgestellten Schlüssel zur Erklärung des Gedichtes. Bezeichnenderweise markiert der 10. Vers mit dem „ninfeo“ exakt die Trenn‐ linie des Goldenen Schnittes. Ein Wechsel geschieht, fast eine Peripetie, formal kenntlich in dem aus parataktischer Reihung bestehenden, von ständigen Zei‐ lensprüngen beschleunigten zweiten Teil, der, verglichen mit den ersten zehn Versen, womöglich noch schneller und jedenfalls staccatohafter auf das Ende des Gedichtes zuläuft. An dieser hervorgehobenen Stelle des Gedichtes, nach „ninfeo“ (V. 10), klärt sich mittelbar der Standpunkt des Sprechers: An einzigartigem Schau-Platz befindet er sich, nämlich auf dem höchsten Punkt der einstigen Tem‐ pelanlage, vor dem Palazzo Colonna-Barberini, wo die Zuschauerränge des an‐ tiken Kulttheaters eine großartige Freitreppe bilden und der aus Säulen und Ar‐ chitrav bestehende Überbau des hier errichteten Brunnens dem sich darbietenden Panorama einen Rahmen liefert. 16 Möglicherweise, so sei zu vermuten erlaubt, legt auch der Sprecher eine historische persona an, wird für die Dauer seines Ge‐ dichtes zum Renaissance-Fürsten Francesco Colonna, der seine Stadt über‐ schaut. 17 Ausgangspunkt des Betrachters ist das Nymphaeum, das Quellhaus, mit seinem wartenden Wasser (V. 10 f.); von oben schweift dann der Blick ins Of‐ fene, über die Albaner Berge („dossi albani“, V. 12), die Pontinische Ebene bis zur Küstenstadt Nettuno und dem Meer. Gewiss erinnert die Passage an Leopardis Gedicht L’infinito (1819), das die so romantische Betrachtungshaltung („sedendo e mirando“ 18 ) und das selbstvergessene Verlieren im Unendlichen mit dem Schlussvers mustergültig formuliert: „E il naufragar m’è dolce in questo mare.“ 19 Bei Sanna jedoch gebiert der träumerische Blick einen Gott. In der Ferne lässt sich eine „forma“ (V. 16) undeutlich ausmachen, ein Gebilde aus Dunst mehr erahnen denn sehen. Ob dies die Umrisse der Stadt Nettuno sind oder der aus dem Wasser steigende Gott Neptun, der zu seiner Göttin heraneilt und dann die tote Stadt mit neuem Leben erfüllen wird, verschweigt das Gedicht. 139 „Palestrina“ von Salvatore A. Sanna Vorworte und Nachworte Nachwort zu Wacholderblüten [1984] Birgit Schneider Aus Anlass der diesjährigen Filmfestspiele in Venedig machte ein russischer Regisseur in einem Interview die folgende Bemerkung: „Poesie zu übersetzen, ist wie Schmetterlinge berühren: sie verlieren ihre Farben.“ Gedichte wie Schmetterlinge, Schmetterlinge und poesie - Dinge, die man besser nicht anrührt, will man sie unversehrt lassen; denn eine Berührung würde ihnen die schillernden Farben von den Flügeln streifen, sie verändern, ja, würde sie schlimmstenfalls zerstören. Doch besteht das Risiko des Farbverlustes überhaupt bei Gedichten, in denen gerade Farben ein so determinierendes Element der poetischen Struktur aus‐ machen, wie es bei den hier vorliegenden der Fall ist? Ist es nicht ausreichend, „rosso“ in „rot“, „verde“ in „grün“, „bianco“ in „weiß“ zu überführen, um die Farbigkeit der Originale in die Sprachwelt des Übersetzers, des Lesers, herüber‐ zuretten? Schließlich sind Farben überall auf der Welt gleich! Das sicherlich extreme Beispiel der Sprache der Eskimos, die über eine ganze Skala von Be‐ zeichnungen verfügt, um das zu differenzieren, was bei uns mit dem einen Wort „weiß“ - Farbe, in der sich alle anderen Farben neutralisieren - umschrieben wird, mag darauf verweisen, in welch enger Beziehung Kulturwelt, Farbwelt und Sprachwelt zueinander stehen. „Le mie antenne del colore“, die Farban‐ tennen des Dichters, orten Farben, die in der Landschaft seiner Gedichte zu Chiffren werden: „Ich habe das Rot/ im Grün der Natur entdeckt“, Chiffren für Augenblicke und Empfindungen, für Erinnerungen und Erkenntnisse, für Ge‐ dankenbilder, die der Übersetzer aufzuspüren wünscht. So wie der eingangs er‐ wähnte Filmemacher Poesie in Lichtbilder einzufangen hat, ist es Aufgabe des Übersetzers, poesie in Bilder seiner Sprache zu überführen. Also mehr - aber wer würde das bezweifeln - als die Übertragung einzelner Wörter, einzelner Farbadjektive. Übersetzung ist auch der Versuch, den ästhetischen Verdich‐ tungsprozess, der jedem poetischen Produkt vorausgeht, nachzuvollziehen. 1 Fünfzehn Jahre Augenblicke, S. 57 Jener künstlerische Prozess, in dem Erlebtes und Erfahrenes synthetisiert wird, in dem sich der autobiographische Anlass des Hier und Jetzt in der Verdichtung aufhebt, Ort und Zeit sich verflüchtigen, um intersubjektiven Charakter anzu‐ nehmen. Ein gewagter Versuch, der meistens a priori zum Scheitern verurteilt ist, bedenkt man die Tatsache, dass Autor und Übersetzer zwei verschiedene Subjekte sind, die sich nicht nur in Bezug auf Geschlecht, Alter, Sprach- und Kulturkreiszugehörigkeit unterscheiden, sondern auch in ihrer Denk- und Er‐ fahrungswelt. Wenn große Dichter zu Übersetzern wurden, legitimierten sie ihr Unternehmen oft mit der Überzeugung von einer ‚Geistesverwandtschaft‘ zu dem fremdsprachigen Schöpfer der von ihnen übersetzten Werke. Es ist aber auch ein sehr reizvoller, spannender Versuch, wenn man Überset‐ zung, wie ich es bei meiner Arbeit getan habe, als Annäherungsversuch begreift - Annäherung an die vor mir liegenden Texte, mit denen ich zunächst nicht viel mehr gemein habe als die Sprache, die ich nicht beherrsche, an der ich aber teilhaben kann. Annäherung aber auch in ihren Schöpfer, an seine Persönlich‐ keit und seine Lebenswelt, um seine ‚Bilder‘ aufzufinden und Verbindungen zu den eigenen herstellen zu können. Ein Versuch, der Zeit beansprucht und zu‐ weilen auch Entfernung fordert. Gespräche und Diskussionen mit dem Autor fördern Verständnis und Erkenntnis, verursachen ‚Aha‘-Erlebnisse und ändern - manchmal - den Entwurf. Der Leser, der des Italienischen unkundig ist, sollte sich dennoch nicht von diesem komplexen Faktorengeflecht Autor-Text-Übersetzer beirren lassen und gar nicht erst versuchen es zu entwirren: Es würde der Rezeption und letztlich dem Kunstgenuss hinderlich sein. Wohl aber sollte er die Originale in ihrer Textmaterialität und ihrer Lautqualität ‚sinnlich‘ erfassen, auch fern kognitiven Verstehens, um die Unterschiede zwischen „rosso“ und „rot“, „verde“ und „grün“, „bianco“ und „weiß“ zu erspüren. In dem Gedichtband Fünfzehn Jahre Augenblicke, 1978, von Salvatore A. Sanna bahnt sich ein Annäherungsprozess anderer Art an: Allmähliche Annä‐ herung an das andere Land, an die fremde Sprache, deren „Der Die Das“ noch dekliniert werden müssen, an eine Lebenswirklichkeit, die noch längst nicht zur eigenen geworden ist. Die fremde Landschaft und Natur werden noch nicht thematisiert, sprachlich noch nicht angeeignet. Doch Annäherung beinhaltet hier bereits Ablösung, Ablösung von der heimatlichen Landschaft, dem Land der Kindheit, deren Poetisierung im Zyklus Sardinien schon diesen Prozess an‐ kündigt: „Ohne Erregung/ bin ich/ in Sardinien angekommen“. 1 In den darauf‐ folgenden Jahren, Zeit zwischen Ablösung und Annäherung, der Annäherung 144 Birgit Schneider 2 Fünfzehn Jahre Augenblicke, S. 55. bereits viel näher, entstehen 30 neue Gedichte - Zeugnisse einer „Vita Nuova“, die in Elicona (S. 52/ 53) ihren poetischen Anfang nimmt? Auf dem Musenberg Helikon, so verrät uns der Autor, sprudelt wieder eine Quelle: Ist es die, von der es in Sardinien heißt, dass sie versiegt ist: „In dieses Land/ komme ich auf der Suche/ nach einer versiegten Quelle“ 2 oder ist es eine neue, in einem anderen Land aufgefundene? Die Gedichte selbst geben uns darauf eine Antwort. Der poetische Ausdruck hat sich verändert, neue Bilder dominieren. Konzepte der einst „anderen“, deutschen Wirklichkeit dienen nicht mehr nur als Versatz‐ stücke, die auf das „Fremde“ verweisen, sondern werden auch sprachlich als Erlebtes assimiliert. Eine Distanz scheint aufgehoben, ein Konflikt überwunden: Karbach, Karneval ʼ59, Rundgang, Elm - Orte und Landschaften als Symbole erfahrener Wirklichkeit, die nicht mehr aufgrund ihrer Fremdheit Sinnhaftigkeit stiften. Das Ich eignet sich sprachlich Landschaft an, tritt durch den Schreib‐ prozess mit ihr in Interaktion und macht Natur so für sich verfügbar: „In diesem Garten/ bin ich der Gärtner/ und die Pflanzen/ gehorchen mir.“ (S. 48/ 49) Land‐ schaft und Natur, Räume und Orte erhalten damit eine Dimension, die weit über die einer Kulisse hinausgeht. Deutsche Wirklichkeit wird angenommen und poetisiert: „sulla Wupper tortuosa“, „Vohwinkel“ und „Barmen“ und „Bacha‐ rach“, eingebettet in das melodische, vokalreiche Italienisch, erwecken für das deutsche Ohr ungewohnte Assoziationen (S. 10/ 11). Sanna spielt nicht unbeschwert mit den Worten, sondern wählt und setzt sie sehr bedacht. Ja, so bedacht, dass es der Übersetzung nicht immer gelingt, hin‐ tergründige Bezüge deutlich werden zu lassen, weil die deutsche Sprache nicht ‚mitspielt‘: „I platani di Ascona“ (S. 8/ 9), das Deutsche nimmt hemmungslos eine Geschlechtsumwandlung mit ihnen vor, il platano - die Platane, und vereindeu‐ tigt so den subtilen Vergleich mit den „betagten Damen“, verhindert eine sehr interessante Lesart, die im Original kraft des männlichen Artikels gegeben ist. Die „neuen“ Gedichte - Wacholderblüten - reflektieren wie die Fünfzehn Jahre Augenblicke Welt in ihren mannigfaltigen Aspekten, setzen sich auch intellek‐ tuell mit erfahrener Wirklichkeit auseinander, synthtisieren sie, aber sie legen weit weniger Gewicht auf die Auseinandersetzung mit den beiden „Kultur‐ welten“: Firenze und Liscia di Vacca, auch Samaden - übrigens Verweis auf eine dritte, noch nicht erwähnte Kultur-Landschaft, vielleicht eine Art ‚Zwischen‐ landschaft‘, die für Sanna von Bedeutung zu sein scheint, chiffriert durch die Farbworte „bianco“ und „rosso“ - fügen sich konfliktlos, sehr eigenständig, in den neuen Zyklus ein. 145 Nachwort zu Wacholderblüten 3 Tharros, in: Fünfzehn Jahre Augenblicke, S. 64/ 65. Der Autor wendet sich nunmehr auch Themen zu - Beweis einer gelungenen Auseinandersetzung mit der individuellen Lebenswelt? -, denen ein ‚Prätext‘ zugrunde liegt. Literarische Vorlagen, Reminiszenzen an Prousts „verlorene Zeit“, aber auch Werke der Bildenden Kunst, Melottianische Pendel, inspirieren ihn zu einer Konfrontation mit Konzepten, die auch für seine Realität Gültigkeit haben, die den Leser zu neuen Wahrnehmungen anregen. Auch mythologische Konzepte, Helikon, Bist Phryne, bewahrheiten sich in ihrer Überzeitlichkeit für das schreibende Ich. Physikalische Bilder, erzeugt von Strahlungen, Frequenzen, Wellen und Schlägen, bilden ein Motiv, das in dem neuen Zyklus weiterentwi‐ ckelt wird und eine Dynamik erzeugt, die zuweilen an den Widerhall, „Il tam‐ buro del mare“ 3 , „Die Trommeln“ des fernen Meeres Sardiniens erinnert, um dann überzuleiten zu metaphysischen Sprachräumen, die Landschaft über‐ winden und auf den Kosmos verweisen: „Das Antlitz des Mondes/ verkündet dann die tellus“ (S. 64/ 65); Schweigen („Il silenzio/ dei grilli“), wo die Sprache, auch die des Dichters, versagt, wo „weißer Pulverregen“ (S. 43) herabfällt und alles, auch die Worte, einhüllt. „Ich suche nach Worten […]/ und finde sie nicht“ (S. 66/ 67) spricht von der Unmöglichkeit der adäquaten Versprachlichung von Gefühlen, von der Angst, Sprachstereotypen, Wörtern wie „amore“, wie „Liebe“, die tausendfach gebraucht, abgegriffen, verbraucht sind, zu verfallen. Liebesgedichte - ich finde viele in diesem Zyklus, ohne auf jene verbrauchten Worte zu stoßen. Sie zeichnen sich für mich als solche aus durch die Präsenz eines „Du“, welches das „Ich“ abgrenzt. Im italienischen Gedicht wird die Posi‐ tion dieses „tu“ zusätzlich verstärkt, da das „io“ explizit nicht notwendig ist, sich diskret morphologisch im Verb versteckt. Gerade sie verursachen bei mir als Übersetzerin eine gewisse „Berüh‐ rungs“-Angst, eine gewisse Scheu, den Poetisierungsakt, der sich mit textlich manifestiert, anzutasten, die anfangs erwähnten „Schmetterlingsflügel“ mit meiner Sprache zu verletzen. Doch vielleicht ist diese Angst hier unangebracht, überflüssig, hält man sich vor Augen, dass es letztlich der Leser ist, der durch seine Lektüre neue Sinnzu‐ sammenhänge produziert, dass Sprache, in dem Moment, in dem sie Dichtung wird, ihre pragmatische Eindeutigkeit abstreift, von privaten Anlässen und von dem sie hervorbringenden Subjekt abstrahiert und öffentlich wird. 146 Birgit Schneider Der Sturz der Horizontale Nachwort zu Löwen-Maul [1988] Gerhard Goebel Was ist das eigentlich, reimlose Lyrik in freien Rhythmen? Gibt es eine Garantie? Brecht, mit seinem einschlägigen Essay, lässt uns im Stich: Er gibt nur Beispiele. Aber da war doch noch der Erzvater des Formalismus und Strukturalismus, Roman Jakobson, was sagt er? Er sagt, sinngemäß, die poetische Sprachverwendung sei ein Sturz der Ver‐ tikale in die Horizontale. Es finden beim Sprechen und Schreiben zwei Opera‐ tionen statt: Nicht nur die Kombination von Zeichen in der horizontalen Achse der Textsequenz, sondern auch, in jedem Moment, ihre Auswahl aus einer so‐ zusagen vertikalen Reihe einander ähnlicher, und das heißt auch: miteinander kontrastierender Zeichen. Normalerweise bildet die Textsequenz die zeiträum‐ lichen Zusammenhänge ab, in denen wir uns bewegen: Subjekt - Prädikat - Objekt, Ursache - Wirkung. In Poesie wird nun gewissermaßen die vertikale Achse der Sprache, in der Ähnlichkeit und Kontrast regieren (keine Ähnlichkeit ohne Kontrast und viceversa), in die Horizontale des Textes umgeschlagen. „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln“, sagt der Psalmist, und er fährt fort: „er weidet mich auf grüner Au“. Damit sagt er zweimal (fast) dasselbe, aber er sagt es anders (darum nur „fast“). Er braucht, um sein Lied zu machen, weder das hehre homerische Gleichmaß noch das frühmittelalterliche Mönchspielzeug des Reims. Und ähnlich wie der Psalmist verfuhren auch die griechischen Oden‐ dichter. Reimlose Lyrik in freien Rhythmen ist also etwas sehr Altes, Gleichmaß und Gleichklang nur „klassische“ Sonderfälle des allgemeinen Prinzips von Ähnlichkeit und Kontrast. Aber Jakobsons Bild vom Sturz der Vertikale bedarf selbst einer Retusche, die es umstürzt. Denn woher gewinnen die Zeichen eigentlich die Ähnlichkeiten und Kontraste ihrer Bedeutung, wenn nicht aus den „horizontalen“, prosaischen Zusammenhängen, in denen sie normalerweise vorkommen? Und was, wenn nicht die vertikale Neuordnung, treibt an ihnen die auch in Prosa begegnenden, aber da zufälligen und unbeachteten Konsonanzen und Dissonanzen hervor? Die Umkehrung von Jakobsons Bild, also der Sturz der Horizontale, hat überdies eine sinnliche Evidenz, die schon in den Verskolonnen herkömmlicher Lyrik hervortritt - wieviel mehr noch in den haiku-ähnlich verknappten der hier vor‐ liegenden Gedichte, die schon in dieser Hinsicht an eine bestimmte, von Mal‐ larmé und Ungaretti sich herleitende Tendenz und Tradition der Moderne an‐ knüpfen. Der Sturz nicht der, sondern in die Vertikale wird aber nicht nur durch den graphischen Signifikanten dieser Gedichte suggeriert: Er ist, an zahlreichen, im Gesamtplan des Löwen-Mauls wohlberechneten Stellen, ihr Thema und insofern (wenn denn Gedichte, nach Mallarmé, Konstruktionen eines neuen, der Alltags‐ sprache fremden ganzheitlichen Zeichens, eines mot total sind) ihr Signifikat. So folgt auf das horizontale Verrinnen der Autofahrt (6) das panische Erlebnis einer allgemeinen Levitation, Entschwerung, gleichsam eines Sturzes nach oben (8); dem Sonnengott bringen unter Palmen die Malven des Château de la Solenzara sich dar (12), und dem berauschten Strömen der Jugend treten die Türme der Conciergerie des ursprünglichen Palais Royal entgegen (14). Vor Bianca und dem weißen Licht ihres Auges stürzt gar der Horizont selbst, als Skyline, in die Verti‐ kale (22); im titelgebenden Gedicht entsteigt den auf den Tischen placierten Lö‐ wenmäulchen der bis dahin friedlich plätschernde Bar-Pianist und entschwebt samt Instrument über die Hänge des Falkenis (66). Der Sturz, geht er, wie der des (als „Star“ eingedeutschten) „beccafico“ (62), immer nach oben? Gewiss nicht: Da ist das Frühjahr-Striptease des Goldregens (30), das heftige Eintauchen des Schwans in die Wasser des Sees (46), die Angst des Läufers vorm Fall in den ehr‐ losen Graben (56). Am Ende freilich steht ein aufwärts gerichtetes Zeichen, das zugleich, der Fahrt die Richtung weisend, mit seinem intermittierenden Licht den Horizont wiederherstellt: der Leuchtturm (88). Dem Leuchtturm-Gedicht geht allerdings eines voraus, das sich durch seinen retrospektiv programmatischen Charakter den anderen Gedichten als eine Art ars poetica überordnet und als solche die hier behauptete Dominanz der Vertikale und des Sturzes in sie in Frage stellen könnte: „Bello/ accorgersi/ delle cose sem‐ plici/ finite/ e pure/ eterne“ (86). Sind nicht die einfachen, durch Endlichkeit wie durch ein Fallbeil aus dem Kontinuum der Welt herausgeschnittenen, selber dem Fall und Verfall unterworfenen Dinge des Lebens in der Vertikale gefangen und von ihr beherrscht? Und nun dehnen sie sich unter den Augen des modernen Mystikers, in ihrer knapp bemessenen „Diesheit“ (Dun Scotus), gleich der Punktmenge eines Atoms, ins absolute Kontinuum der „Ewigkeit“, die man sich nur als endlose Ebene, horizontlose Horizontale vorstellen kann. Wird hier nicht 148 Gerhard Goebel die Perspektive des Sturzes noch einmal umgestürzt: eben doch in die „Hori‐ zontale“? So wäre das Gedicht, in dem der Autor die Quintessenz aus seinen Gedichten zieht, zugleich deren perspektivische Umkehrung. Nur, nicht zu ver‐ gessen: Diese Umkehrung geschieht gegen Ende der Fahrt, kurz vor dem „Leuchtturm“, dessen Licht, wie intermittierend auch immer, die Entgrenzung aufhebt. Nur einen Augenblick, blitzhaft, darf „Ewigkeit“„ sich in die Endlichkeit einschreiben - in einem Gedicht, das selbst aufs engste von Weiß umgrenzt und in die Vertikale gedrängt ist. Unabhängig von solcher vielleicht spitzfindiger und prekärer Auslegung der Schlusstexte scheint mir die semantische Garantie von Sannas Gedichten in der Raum-Erfahrung (Er-fahrung) zu liegen, die von ihnen vergegenwärtigt und gestaltet ist; im über das Einzelgedicht kalkulierten Spiel mit deren Koordinaten, das in einer Mischung von Panik und Ironie stets des Absturzes - wohin auch immer - gewärtig ist: schriftlich fixierter vertige. Auch Zeit-Erfahrung, „senti‐ mento del tempo“? Gewiss. Die aber bleibt notwendig verschwiegen, implizit: als ver-räumlichte. Das lyrische Ich der Moderne weiß, dass es kein Odysseus ist, der seine Irrfahrten erzählen kann, weil ihm eine Heimkehr winkt. Das „lyrische Ich“: Gibt es noch dies die Literaturwissenschaft durchgeis‐ ternde Gespenst, nachdem es schon in den Gedichten des Erzvaters der Mo‐ derne, Stéphane Mallarmé, sich nicht mehr blicken ließ? Doch, es existiert noch, dank der Pflege, die nicht nur Saba, auch Ungaretti und Montale ihm angedeihen ließen; sogar noch in diesen Gedichten. Es hat sich nur versteckt und verstellt, sozusagen desidentifiziert: Unsichtbar sitzt es am Steuer seines Fahrzeugs, das als dritte Person es metonymisch vertritt. Beispiel hierfür ist gleich das erste Gedicht. Oder es hat sich, metaphorisch, aus der ersten Person in die zweite geflüchtet, dem alten Ritus gemäß, wonach wir im inneren Monolog uns duzen: „dies Beben dem deinen vergleichen“ (17). Doch nicht immer ist dies sicher. Wer, Ich oder Du, vielleicht auch die Poesie selbst, ist der Leuchtturm, dessen Licht „intermittierend“ (und dadurch Zeichen) ist? Vielleicht gibt es da doch ein lyri‐ sches Du, in welches das Ich, wie in die dritte Person der Dinge, sich projiziert? Sturz der Horizontale dann also auch hier: Das Ich, nicht mehr gewiss seiner Identität, in der es sich an der zweiten und dritten Person entlangbewegt, fällt ins Paradigma der Personalpronomina: ich - du - er, sie, es. Wenn das Spiel mit dem Raum und die Metamorphosen des Ich die Poetizität dieser Texte semantisch begründen, so gibt es noch ein anderes, recht eigentlich versstiftendes Moment, das sie einer nur graphisch in die „lyrische“ Vertikale gestürzten Prosa enthebt. Dies Moment liegt hier kaum in den vom Symbolismus ausgebeuteten, seitdem etwas verbrauchten Ressourcen von Alliteration und Assonanz, den Ersatzformen des bereits von Verlaine geschmähten Reims. Der 149 Der Sturz der Horizontale Löwen-Maul-Dichter scheint mit einer Angst, die ihn ehrt, solche Gütesiegel geradezu zu meiden, und andererseits scheint auch die „kühne Metapher“, von manchen akademischen Kritikern als Schibboleth moderner Lyrik angesehen, seiner Nüchternheit nicht gemäß. Was die Zeile zum Vers macht, ist hier viel‐ mehr ein schlafwandlerisch sicherer, wahrscheinlich kalkulierter Rhythmus, der das Gleichmaß selten erreicht (am flagrantesten in den Ternaren von 46: „pic‐ chiata/ del cigno/ nelle acque/ del lago“), aber immer, jazzähnlich, umspielt. Es ist wohl kein Zufall, dass das erste und das letzte Gedicht der Sammlung von Sep‐ tenaren ausgehen und in sie zurücklaufen: „Il suo palpito è colto“ und „traver‐ sando la notte“ (6) und „Come quella del faro/ la tua luce/ sarà intermittente“ (88). Kein Zufall wohl auch, dass die beiden letzten, syntaktisch zusammengehörigen Zeilen (wenn man vor „intermittente“ die prosodisch erlaubte, vom Wortsinn gebotene Pause macht) einen klassischen endecasillabo ergeben. Es ist schade, dass dieses Spiel mit dem Rhythmus hier nicht in extensiver Textanalyse vor‐ geführt werden kann. Bleibt noch, zu den Problemen der Übersetzung ein Wort zu sagen. Dass Lyrik ganz allgemein recht eigentlich unübersetzbar ist, weiß man. Der Übersetzer hat sich zwischen einer als Lesehilfe dienenden Interlinearversion, die nur die Be‐ deutung - in ihrer nie ganz auslotbaren Vielfalt - unvollkommen wiedergibt, und einer sogenannten „Nachdichtung“ zu entscheiden. Die „Nachdichtung“ veruntreut den Text, selbst wo sie dessen Rhythmus und dessen Spiel mit den Wortbedeutungen im Medium der eigenen Sprache nachbildet: Sie opfert den Gesamtsinn und produziert bestenfalls ein neues Gedicht. Aber den Text verrät auch die treulich bescheidene Interlinearversion: sie opfert Klang und Rhythmus, die wesentliche Dimensionen des Originals sind. Hinzu kommen spezifische Schwierigkeiten dieser Lyrik. Gewiss ist dies eine prinzipiell kommunikative Poesie, die noch, wie in einem Tagebuch oder in Briefen, auf Mitteilung von Erfahrungen, auf Signifikate setzt, darin den Ge‐ dichten von Umberto Saba und Cesare Pavese verwandt. Insofern steht sie quer zu den allein auf der Ebene der sprachlichen Signifikanten spielenden Experi‐ menten eines Andrea Zanzotto oder Giovanni Giudici. Aber ihre Fremdheit ist eine doppelte. In italienischer Sprache geschrieben, hat sie ihren Ort irgendwo außerhalb des heimatlichen Zentrums: in Frankfurt, Paris, Genf, Toronto. Nur einmal, ungefähr (aber wohl nicht von Ungefähr) in der Mitte der Sammlung, kehrt sie ins Zentrum zurück: „Palestrina“ (34) - und auch dort nicht in die insulare Heimat. Diese Dezentration bringt eine Verzer‐ rung des Lexikons mit sich: Wo sonst in italienischer Lyrik hätten Primeln (16), Goldregen (30), Ebereschen (58), Löwenmäulchen (66), Dackel (70) Erwäh‐ nungschancen (um hier nur die teutonischen Tagesreste zu nennen), selbst wenn 150 Gerhard Goebel die italienische Sprache über Vokabeln für diese Exotica verfügt! Das müsste, sollte man meinen, die Übersetzeraufgabe erleichtern. Doch Sanna - wie zen‐ trifugal auch immer - verbindet mit diesen uns vertrauten Wörtern und Dingen andere Assoziationen: Primeln, für uns Inbegriff einer leicht spießigen Vorgar‐ tenunschuld, sind ihm einfach Blumen, und die sieht er als das, was sie sind, Organe pflanzlicher Sexualität; beim Goldregen fällt ihm wirklich Gold sein, als welches Zeus der Danae in den Schoß fiel; die Ebereschen erinnern ihn an hei‐ mische, uns unbekannte Gartenfrüchte; im Löwenmäulchen, auch eine teuto‐ nische Vorgartenblume, sperrt sich die Bocca di Leone - ein Hort gefährlicher Wahrheiten - auf; und der flinke Dackel wird zur befremdlichen Allegorie deut‐ scher Staatsbürgertugend. Es gibt auch unübersetzbar Italienisches, wie die „sorbe“ (58), den „beccafico“ (62), den „ritmo amebeo“ (32), die „effemeride“ (46). Vogelbeeren? Grasmücke? Gegengesang? Tagesbericht? Solche Lexikon-Äqui‐ valente leiten fehl: Sie lassen die Frucht und den Vogel nicht erkennen, im „Ge‐ gengesang“ nicht die amöbisch ausufernde Form, im „Tagesbericht“ nicht die ephemere Konstellation, die der Himmelsbeobachter notiert. Der Kompromiss, der hier geschlossen wurde, ist, wie jeder, prekär. Den Primat hatte die zuweilen „amöbisch“ verzweigte Bedeutung, der gelegentlich auch mit in den deutschen Text einbezogenen Varianten nachgegeben wurde (22 „Bianca“, 32 „Ritmo amebeo“). Zugleich aber musste ein lesbarer, auch laut lesbarer Rhythmus gefunden werden: Es konnte nicht der des Originaltextes, es musste ein eigener, neuer sein. Insofern als „Nachdichtung“ - bei möglichst weit getriebener Bedeutungstreue. 151 Der Sturz der Horizontale Abschied und Aufbruch Nachwort zu Feste [1991] Gerhard Goebel Es wird dem Leser nicht entgangen sein: Was hier gefeiert wird, sind nicht nur Feste im Plural, es ist zugleich die singulare Feste, die des Himmels, die laut Genesis Gott zu Anfang schuf. Aber Fest im Plural immerhin auch und auf den ersten wortverstehenden Blick. Was für Feste? Es sind, wie das jüdische Pessach, solche des Abschieds und Aufbruchs. Des Abschieds von einer fremd gewordenen, vielleicht immer gewesenen Erde, und des Aufbruchs in eine Heimat, in der man nie war und vielleicht nie ankommen wird: eben die „Feste“. Die fremde Erde, das sind viele Dinge und Wesen, die „ich“, nach dem Motto dieser Gedichtsammlung, von Antonio Machado, „in meiner Einsamkeit sah“; die taghell sind und doch nicht mehr, oder noch nicht, ganz wahr: Magdalena (7), die Gefährtinnen von gestern (11), Städte und Stätten des Mutterlandes (13, 15, 27, 37, 39, 65, 77, 81, 83, 85, 87), die Mutter selbst, die ihrerseits Abschied nahm (19, 23). Im Zeichen des Abschieds und des Blicks zurück stehen in solcher Umgebung auch Momente erotischer Kommunikation (65, 69, 71, 73, 77, 79), selbst wo das Präsens Gegenwart fingiert (73, 77) und selbst wo das begegnende Du den Abglanz oder Vorschein dessen in sich trägt, was Sanna sich nicht scheut, „göttlich“ zu nennen (69, 75). Dies ist nurmehr Wegzehrung, den Mazzen gleich oder der Ambrosia, die uns bald ausgehen wird (69). Eurydike kehrt nicht wieder, und Orpheus’ Klage wurde den Kindern eines anderen Zeitalters zum ebenso narkotischen wie unverständlichen Lullaby (57); der Sänger selbst ein Fossil ähnlich dem eingefrorenen „cygne d’autrefois“ in einem Sonett Stéphane Mal‐ larmés. Die Feste, zu der aufgebrochen wird, blinkt gelegentlich auf, als Verheißung in der Ferne (25, 45, 93), heimlich präsent in jedem Bild, in dem Duft und Luft (7, 9, 15), Harmonie und eine nicht erzwungene Ordnung beschworen werden (31, 43, 63, 73, 89, 93). Im Bilde präsent, das heißt: im Emblem. Viele dieser Gedichte, vielleicht alle, und jedenfalls nicht nur die gar nicht zahlreichen, die Bilder der Kunst zitieren (13, 41, 65, 77), sind selbst Embleme - allerdings stets unvollständige. Ein Emblem besteht aus drei Teilen: dem Bild, der Legende und dem Sinnge‐ dicht. Das Bild deutet die Geschichte an, die Legende resümiert sie, und das Sinngedicht deutet sie aus - erst mit ihm vollendet sie sich. Die meisten dieser Gedichte sind nun, in einem, Bild und Legende, doch ohne Sentenz; einige nur Sentenzen, ohne Bild und Legende; unvollendete Geschichten immer. Die klas‐ sischen, auch biblischen Mythen, die Sanna - durchaus in der Emblem-Tradi‐ tion - gern evoziert (und gelegentlich abwandelt), finden bei ihm nicht, wie in jener, zum beruhigenden Abschluss einer moralischen oder heilsgeschichtlichen Allegorie. Und den Gedichten, die ganz Sentenzen, Sinngedichte sind, fehlt die Garantie der Legende. Seite 41 stellt ein Beauner Wandteppich, das verstümmelte Einhorn und der hilflos zur Madonna betende Heilige, das emblematische Bild, in das die Le‐ gende - also das Gedicht - noch den Schritt des betrachtenden „Du“ einbezieht: Er lässt den gemalten Eichenzweig erzittern. Jede Deutung, auch die nahelie‐ gende psychoanalytische, wäre Verrat in einem doppelten Sinne: Geheimnis‐ verrat und Verrat an dem Geheimnis, das den vielleicht gegebenen psychologi‐ schen Sinn überschießt und das in der Schwebe bleiben soll. Die Deutung erst wäre der lastende Schritt, der das Gleichgewicht der Dinge stört, wäre Bruch des Tabus. In „Venezianische Impressionen“ (77) ist das Bild mit dem, was es bedeuten könnte, Carpaccios den Drachen überragender Georg und der von der Kuppel überragte Campanile Palladios mit der durchschimmernden erotischen Kon‐ stellation auf einer Ebene vereinigt. Wieder ist der Betrachter „im Bild“, und wieder wäre die psychoanalytische Deutung Verrat an dem vorenthaltenen Sinn des Gedichts, der sicherlich, aber auch dies ist Verkürzung, eine kritische Revi‐ sion des Mythos vom in St. Georg verkörperten Zivilisationshelden einschließt. Solche Gedichte sind gewissermaßen Tarot-Karten, vor denen der Betrachter, sich selbst in ihnen erkennend, meditieren, nicht aber sich oder anderen einen „Sinn“ weissagerisch oktroyieren soll. Das letzte Gedicht (93) ist nur ein dreizeiliger Sinnspruch, ohne vorausge‐ hende Legende, es sei denn sie wäre angedeutet in der Hoffnung, die sich in 91 den aus dem Gefäß der Pandora entwickelnden Kräften des Ökozids entgegen‐ stellt (doch erscheint die Hoffnung dort in ironischem Licht als dumpf über den Köpfen brütende Henne). Der Dreitakt aus einem Novenar und zwei Septenaren 154 Gerhard Goebel verbirgt einen spiegelsymmetrischen Parallelismus (ABBA): Subjekt (Ord‐ nung) - Prädikat (stellt sich wieder her) - Prädikat (Freiheit wird) - Subjekt (Weg zu den Sternen); und dieser wieder enthüllt bei näherer Betrachtung ein tatsachenlogisches Verhältnis, das nachzuvollziehen nur vermag, wer, wie die Ordnung des Gedichts es gebietet, bereit ist, Ordnung und Freiheit zu assozi‐ ieren. Dass die Ordnung, nach allem Vorangegangenen offensichtlich nicht die von Menschen verordnete, sondern die des Kosmos, die die „Abenteurer des Himmels“ (89) zu zerstören drohen, sich wiederherstellt, ist sicherlich nicht als Affirmation zu verstehen, sondern als Ausdruck einer stillen, unzerstörbaren Zuversicht „trotz allem“. Es ist jedenfalls die logische Voraussetzung dafür, dass „der Weg zu den Sternen“ (wieder) wird, was er in Dantes Paradiso war: nicht zwanghafte und illusorische Evasion, auch nicht per aspera ad astra, die euphe‐ mistisch verbrämte Fatalität des Verreckens, sondern Zuwachs an Freiheit in einer Ordnung, die diese enthält. Man darf ein Sinngedicht interpretieren, sofern man die Deutung auslegt, die es selbst ist. Noch mehrere der Feste sind Sinngedichte (17, 23, 25, 29, 31, 43, 61, 63, 89), und einige davon (17, 29, 43) sind solche zweiten Grades, die über die Arbeit am Sinn der Zeichen meditieren. So dieses (17): „Nicht der Sinn/ hinterlässt Spuren/ sondern das Zeichen/ und um es zu verstehn/ bedarf ’s oft/ eines ganzen Lebens“. Denn, so darf man extrapolieren, der Sinn ist den Dingen wie den Gedichten nicht vorgegeben, er ist zu erarbeiten, vom Dichter wie vom Interpreten. Auch der Dichter ist ja nur ein Interpret. Ob Sinngedichte oder Legenden, es scheint erlaubt, Sannas Gedichte als her‐ metisch zu bezeichnen - im doppelten Wortsinn. Hermetisch sind sie als gegen‐ über der Anekdote oder der Sinndeutung verschlossene, eben als unvollständige Embleme. Und sie sind es als Etappen einer Initiation, festliche Marken eines unabgeschlossenen, gerade erst begonnenen Weges, im Zeichen von Abschied und Aufbruch. Das Ziel darf nur in der Ferne glänzen, als utopische und viel‐ leicht doch reale Ordnung jenseits der verhängten tödlichen Realitäten. „Le Néant parti, reste le château de la pureté“, heißt es am Ende von Mallarmés Igitur. Nach Abzug des Nichts verbleibt das Schloss der Reinheit: die Feste. Wegmarken einer Initiation, Feste des Abschieds und Aufbruchs sind nicht we‐ nige klassische Canzonieri seit Dante und Petrarca. Diese Gedichte jedoch reihen sich ein in eine hermetische Tradition, die wie in Nervals Chimères oder in Mal‐ larmés Igitur nicht mehr den (erhofften) Sinn an die Geschichte noch diese an jenen verrät. 155 Abschied und Aufbruch Prefazione a La fortezza dell’aria [1995] Luigi Malerba Parole sussurrate all’orecchio di un confessore laico, il lettore, che non osa fare domande ma ascolta in silenzio le parole del poeta. Che altro può essere la poesia lirica se non una ininterrotta confessione? Ma può succedere che il lettore-con‐ fessore sia intimidito dalle parole della poesia, e paradossalmente sia lui a sperare nella assoluzione. Dunque confessione del poeta al lettore, ma anche confessione del poeta a se stesso, unico privilegiato lettore-confessore. Questo doppio-sta‐ tuto non rivela tutti i segreti (un poeta senza segreti non è un poeta) e può essere una ragione in più del fascino alto e strano della lirica di Salvatore A. Sanna. La poesia si può leggere con timidezza, rispetto o deferenza letteraria, ma quando chi la legge si sente coinvolto in aree che sfuggono alla sua competenza non ha altra risorsa che aprire senza rimorsi qualche spiraglio alla propria indole e la‐ sciarsi andare a un confortevole gioco di predilezioni personali. Il lettore-confessore sa che tra le righe, tra i versi, si scopre sempre, nono‐ stante tutto, qualche piccolo o grande segreto dell’autore. La prima scoperta (ma si può accontentare chi non possiede strumenti analitici professionali) è che Salvatore A. Sanna non ha soltanto una superficie gentile e quasi angelica (che smentisce l’aspetto corrusco che di solito si attribuisce a chi vanta o nasconde una origine sarda), ma aspira decisamente alle altitudini celesti. Dunque il poeta vuole volare come volano gli angeli? O come vola il cormorano? Anche il cor‐ morano vola alto, forse più alto degli angeli. Un primo sintomo di questa ten‐ denza al sublime di Salvatore A. Sanna si riscontra nella estrema concisione che apparenta certe sue poesie più recenti agli haiku giapponesi, quelle brevissime composizioni poetiche (tre versi, quasi tre gesti simbolici) con i quali l’autore tenta di scavalcare tutti i passaggi della logica per tentare di colpo l’approdo alle sintesi risolutive. Accettare la poesia come paradigma dell’universo, come fanno i lettori-interpreti-filosofi giapponesi, appare a noi occidentali un atteggiamento forse eccessivo, ma in qualche misura riflette le ambizioni e le tentazioni, più o meno palesi, del nostro poeta. Il quale serenamente pone fra i suoi desideri, quello di levarsi in volo, beninteso non come un aereo ma verso altitudini sim‐ boliche che fanno parte della sua cifra inconscia di poeta. Le spie di questo de‐ siderio poetico sono disseminate soprattutto nelle sue poesie di Löwen-Maul (1988) le più concise e ‚giapponesi‘ (ma forse più che agli haiku dovrei riferirmi ai bonsai). Dev’essere la più recente aspirazione di Salvatore A. Sanna perché i sintomi di questo desiderio sono più segreti nelle due precedenti raccolte e quasi assenti nelle petrose poesie dedicate alla Sardegna così aspre e ancorate a segni terrestri (monti sassi strade mare terra ponti scogli fuoco pietre vento torri). Ecco invece qualche frammento pescato a caso fra le ambizioni più recenti: „Ch’io possa librarmi nell’aria“, „leggermente s’innalza“ e „tu vivi/ lo spazio/ nella levitazione/ generale“, „e io penetro l’aria“, ma si potrebbe continuare la ricerca anche se alla fine risulterà vana e forse impropria. Feste è l’ultima raccolta di poesie, sgomento e malinconia che sembrano smentire il titolo. E finalmente, a chiusura del percorso: „L’ordine si ristabilisce/ e libertà diventa/ la salita alle stelle.“ Il desiderio delle altitudini non offusca, non riuscirà a offuscare, lo sguardo del poeta sulle concretezze. Una sola certezza: leggendo queste poesie a tratti il lettore si sente sottratto alla forza di gravità e librato non sulle altitudini eccelse e inabitabili alle quali aspirano tutti i poeti del mondo, ma in quel cielo virtuale e sottilmente volut‐ tuoso dove le gravità terrestri che hanno occupato per anni le sue composizioni già sfumano nella lontananza. La lettura di una buona poesia, di una lieve com‐ posizione poetica, ci può dare il senso della leggerezza e qualche barlume di felicità, sia pure intrisa di malinconia. Una lettura di questo elegante e intenso poeta sardo-francofortese ci porta in ogni caso molto più alto dei grattacieli delle banche di Francoforte. 158 Luigi Malerba Einleitung zu Mnemosyne [1999] Christoff Neumeister Mnemosyne, die Erinnerung, so heißt es bei dem altgriechischen Dichter Hesiod, ist die Mutter der Musen, die ihrerseits Lesmosyne, Vergessen, zu schenken vermögen, indem sie den Menschen durch ihren Gesang wenn nicht auf Dauer, so doch wenigstens momentweise von den Leiden, die er zu erdulden hat, und auch von der Erinnerung an erlittenes Leid abzulenken vermögen. In Salvatore A. Sannas Gedichten ist es jedoch gerade die Erinnerung selbst, welche, indem sie im Munde der Muse Gesang wird, d. h. indem sie sich zu Gedichten ausformt, erinnertes Leid zu bewältigen hilft. Denn diese neue Sammlung von Gedichten Sannas ist die Geschichte einer Trauerarbeit - allerdings nicht erzählt, sondern in der dem Lyriker eigentümlichen Weise vergegenwärtigt: Als eine Folge von kleinen, selten die Seitengrenze überschreitenden Gedichten, die Augenblicke der Erinnerung in verschlüsselter Form festhalten. Die poetische Sprache des modernen Lyrikers entnimmt ihre Bilder, Meta‐ phern und Symbole in der Regel nicht mehr dem vertrauten Bestand der litera‐ rischen Tradition, sondern prägt sich ihre eigenen, ganz persönlichen Aus‐ drucksmittel, welche auf die Verständnismöglichkeiten eines Lesers, der den Autor nicht näher kennt und ihn nicht befragen kann, oft wenig Rücksicht nimmt. Deshalb könnte es hilfreich sein, den Gedichten einige erklärende Be‐ merkungen vorauszuschicken. Jeder von uns trägt die verklärten Bilder seiner Heimat, seiner Kindheit und Jugend lebenslang mit sich. Bei Sanna ist es Sardinien, ist es eine ländliche Kindheit am Meer (S. 13, 75), von wo er seitdem durch Lebenswahl und Schicksal in unser nördliches Kimmerien verschlagen worden ist. Dem Leiden an dieser Trennung, dem Bemühen, auch am neuen Ort wenigstens einigermaßen hei‐ misch zu werden, waren viele seiner frühen Gedichte gewidmet. Doch gibt es Begegnungen, die auch ein fremdes Land unversehens zu einer zweiten Heimat werden lassen. Dadurch wird die Sehnsucht nach der ersten zwar nicht ausgelöscht (wer würde je aufhören, sich nach dem Land seiner Kindheit zurückzusehnen! ), sie wird jedoch ruhiger, weniger quälend. Ja, es kann sogar geschehen, dass man sich zwar immer noch von hier dorthin sehnt, aber auch von dort nach hier zurücksehnt (S. 37: In attesa). Beide Heimaten (um den paradoxen, hier aber zutreffenden Plural zu gebrauchen) scheinen sich nun sogar miteinander vereinen zu lassen: Unvergessen die Erinnerung an die erste gemeinsame Fahrt mit der Gefährtin nach Sardinien (S. 39: Ritorno a casa) und an die schlichte Geste des Vaters, mit der er die Fremde annimmt (S. 49). Es folgen gemeinsame Reisen. Es sind Ferien auch von der Wirrnis der Zeit, welche Ahnungen vermitteln von einer auch heute noch immer möglichen Harmonie und Schönheit der Welt (S. 23: Val d’Orcia). Doch dann melden sich Vorzeichen kommenden, tödlichen Unheils, damals übersehen, erst im Rückblick zu spät begriffen (S. 53, 59). Von dem Tag an, da es sich vollendete - er wird in einem ganz knappen, lakonischen Gedicht noch einmal beschworen (S. 57) - tritt auch in sein Leben das ständige Bewusstsein der eigenen Todesbestimmtheit - das Bewusstsein jenes Grundgesetzes, dem alle Dinge und Mensch unterworfen sind, und das es zu akzeptieren gilt, will man sein Leben nicht dem Zufall über‐ lassen (S. 81). Dieses Leben erscheint ihm wie eine Seefahrt hin zu unbekanntem Hafen (S. 73), oder wie ein geradlinig auf ein vorgegebenes Ziel gerichteter Lauf - während das der Verstorbenen aller Zielgerichtetheit enthoben, in jene Kreis‐ bewegung eingeschwenkt ist, die von alters her Symbol ist für Vollendung und Ewigkeit, und in welche die Wechselfälle, Erwartungen und Ängste des Lebens, wenn überhaupt, nur ganz gedämpft noch hineinwirken (S. 69). Gut, dass Alltag und Alltagspflichten ihn zwingen, sich dem Leben wieder zuzuwenden. Aber es bleiben Schmerzen der Erinnerung. Gerade diese schmerzlichen Er‐ innerungen lassen, wie Maulwurfshügel im Frühling, zunächst noch disparat und ohne genaueren Umriss, dann aber immer deutlicher, wieder Bilder und Gedanken in ihm entstehen (S. 55): Nicht also, indem sie Vergessen schenken, bringen die Musen ihm Trost, sondern gerade dadurch, dass sie diese Erinne‐ rungen aufnehmen und zum Gegenstand ihres Singens machen. Könnten doch selbst Hesiods Musen auf Dauer solche Erinnerung nicht verdrängen; immer wieder würde sie sich, in Momenten der Stille, zurückmelden, so wie in einer geschüttelten Flüssigkeit, kommt sie zur Ruhe, immer wieder dasselbe Partikel‐ chen am Boden sich absetzt: unauflöslicher Bodensatz des Lebens (S. 69). Statt die Erinnerung zu verdrängen, nimmt seine Dichtung sich ihrer also an und holt sie in das neue Leben herüber, dass nun wieder beginnen muss. Auch bei einem Umzug nimmt man ja aus der alten Wohnung nicht nur das Nützliche und Not‐ wendige mit, sondern verpackt manches liebevoll in Koffer und Kartons, was Außenstehenden als nutzlos, seltsam und gleichgültig erscheint: z. B. Muscheln, 160 Christoff Neumeister einst von einem geliebten Menschen am Strand gesammelt (S. 41). Jede Erinne‐ rung verblasst zwar, doch sie wird gerade dadurch, dass der Lethestrom der Zeit über sie hinweggeht, auch gereinigt, so dass nunmehr ihr unvergängliches Wesen zutage kommt (S. 43). Nur so kann sie im Gedicht gestaltbar werden - und auf Dauer bewahrt. 161 Einleitung zu Mnemosyne Nachwort zu Mnemosyne [1999] Gerhard Goebel Einen Lebensanlass gibt es immer, und sei es ein Tod. Die Eitelkeit eines Nach‐ worts wird vielleicht gemindert, wenn der Schreiber sich auf den Standpunkt des über den persönlichen Anlass nicht informierten Lesers stellt. Wie liest der diese irgendwo zwischen Dantes Vita nova und Eugenio Montales Occasioni angesiedelte Poesie, oder wie kann er sie lesen? Meist gerichtet an ein abwe‐ sendes Du, zuweilen auch Selbstanrede des Dichters, zwingt sie ihn wohl zu dem Versuch, in ihr sein eigenes Leben und Erinnern - aber gibt es denn ein Leben ohne Erinnern? - zu lesen. Besser wohl bezeichnet „Erinnerungsarbeit“ das Gemeinte. Denn die Erinne‐ rung, wissen wir spätestens seit Proust, gibt sich von selbst nur in schnell wieder zerfallenden Momenten und Fragmenten. Die sind hier aufgezeichnet, kom‐ mentarlos (anders als bei Dante und Proust), oder der Kommentar gehört dazu und bedarf selbst der Deutung. Die Mitarbeit am Erinnern bleibt dem Leser nicht erspart. Eine gewisse Hilfe bietet ihm die Anordnung, sozusagen die makrometrisch das einzelne Gedicht übergreifende Struktur. Es wird ja, wie bei Dante und Pe‐ trarca, eine wie auch immer ergänzungsbedürftige Geschichte erzählt, eben die des Erinnerns. Die hat, wie jede Geschichte oder jedes Gedicht, ihren Goldenen Schnitt. Man muss dessen maior, bei 0,618…: 1, und minor, bei 0,382…: 1, nicht berechnen können, um ihn zu erkennen. Auch der Poet muss ihn nicht berechnet haben, er weiß intuitiv, wie der Leser, wo er liegt, so wie das Pflanzen und Tiere in ihrem Wachstum wissen (nur die computerisierten Architekten wissen es nicht). In dieser 35 Stücke zählenden Sammlung liegt der maior, den man zuerst wahrnimmt, im 22. Gedicht (Seite 59), der minor im 14. (41). Das 22. Gedicht ist das des weissagenden Unglücksvogels. „Wäre ich Me‐ lampus gewesen,/ so hätte ich den Sinn begriffen, seine Unglücksverheißung“. Das 14. Gedicht ist das der Santa Lucia-Augen und der „anderen Augen, nun deine“, die „folgen mir/ mit liebevollem Blick“, besser vielleicht ganz wörtlich „Wohl wollendem Blick“. Hier wird außer der Vergangenheit auch eine Gegen‐ wart erinnert, die künftiges Glück verheißt - im minor des Goldenen Schnitts, doch gibt gerade der dem Ganzen die Richtung, aufwärts weisend. Anders als in Montales Occasioni, wird eine Transzendenz, die Dante noch neuplatonisch zu konstruieren vermochte, wenigstens angedeutet. Nur im Understatement leicht, fast scherzhaft hingetupfter Bilder darf die Richtung solcher Transzendenz aufscheinen. So in dem „Meeting point“ auf dem Bergfried („L’intermittenza“ [S. 31], oder sollte der Ort doch geradeswegs der Himmel sein? : „ma il cielo era chiaro/ e questo fra noi convenuto“ [S. 56]), im Aufflug des humanistischen Spatzen, der vom Apfelrest der Erkenntnis pickte (S. 35) oder in dem geflügelten Uno, den das hier einmal erwähnte Ich im „Luft-Hafen“ imaginiert (S. 37), kurz vor den Santa Lucia-Augen im minor des Goldenen Schnitts (S. 41). Die angedeutete Richtung aufwärts findet sich denn auch im ersten und letzten Bild. Im ersten der biblische Wal, der, obzwar aus Kalkstein, dem modernen Jonas „vertraut“ scheint (S. 13). Im letzten erwarten dann, wie im 11. Gesang der Odyssee, zwei Tonschalen „im Dunkeln/ die Trank‐ opferspende“. Wie eine Antiphrase, zugleich wie ein Komplement der aszen‐ denten Gesamtrichtung, mutet das der Sammlung vorangestellte Motto des me‐ taphysical poet John Donne an: „Go, and catch a falling star“. 164 Gerhard Goebel 1 „Song of myself “, Leaves of grass, Strophe 22. 2 „Es gibt ein Meer/ oval in seinem Rahmen/ das mich in die Kindheit versetzt […]“ Fünf‐ zehn Jahre Augenblicke, in: Fra le due sponde - Zwischen zwei Ufern. Gesammelte Ge‐ dichte Italienisch Deutsch, herausgegeben, kommentiert und mit einem Essay versehen von Thomas Amos, Tübingen: Narr 2004, S. 48/ 49. Übersetzt von Ragni Maria Gschwend. Einführung zu Mare [2009] Caroline Lüderssen „The sea whisper’d me“: Walt Whitman hat in seinem langen Poem „Song of myself “ aus der Sammlung Leaves of grass (1855) das self-fashioning im Dialog mit dem Meer erprobt. Die Botschaften der Natur vermitteln dem Dichter eine tiefe Wahrheit, die über das Wort hinausgeht. Immer wieder kehrt Whitman zum Meer zurück, verwandelt dessen Rhythmen und Stimmungen in Poesie: „You sea! I resign myself to you also - I guess what you mean“. 1 Whitmans Lektüre des Meeres steht als Initialzündung am Anfang der hier vorliegenden 13 Gedichte von Salvatore A. Sanna, einem poetischen Zwiege‐ spräch mit dem Meer. Das drei Kontinente und viele Kulturen umfassende Mare Mediterraneo, „la fonte della vita“ (S. 24), Braudels „Meereskomplex“, ist dem Lyriker Sanna, der in Oristano im Westen Sardiniens geboren wurde und auf‐ wuchs, freilich nicht fremd: „C’è un mare ovale/ per la sua cornice/ che ti rimette l’infanzia […]“ 2 heißt es in einer frühen Erinnerung an Torre Grande am Golf von Oristano. Die Mare-Gedichte, bestehend aus einem dreiteiligen Prolog und zehn mit „Dialog“ überschriebenen Texten, sind jedoch nicht auf Sardinien, sondern in Antibes an der Côte d’Azur entstanden, der Prolog im Juli 2007, die restlichen Gedichte am Jahreswechsel 2008/ 2009. Ähnlich wie Whitman spiegelt Sanna das Ich im Austausch mit dem Meer, auf der Suche nach dem Urgrund des Lebens, weniger emphatisch im Sinne des Sich-Hineinversetzens als vielmehr ‚gleich auf ‘, leicht ironisch, genau das Farben- und Formenspiel beobachtend und be‐ 3 „Die gebeugten Albanerberge/ wehren den Blick nicht/ aufs Meer. Verdichteter/ Dunst in der Ferne/ lässt die Gestalt erahnen“. Löwen-Maul, in: Fra le due sponde - Zwischen zwei Ufern, S. 164/ 165. Übersetzt von Gerhard Goebel. 4 Bei Whitman »Night of south winds - night of the large few stars! « (Strophe 21). 5 »Was nur ist/ dies Flügel-/ rauschen/ von innen/ höherer Herkunft? / Psyche ist es/ von ihren Eros-/ Knaben begleitet…«. Löwen-Maul, in: Fra le due sponde - Zwischen zwei Ufern, S. 190/ 1991. Übersetzt von Gerhard Goebel. Das Gedicht entstand nach einem Besuch der Pompej-Sammlung im Archäologischen Museum in Neapel, vgl. Kom‐ mentar S. 443. schreibend und dabei das Göttliche, das als Poseidon imaginierte Du, entzau‐ bernd. Die dichterische Nähe von göttlicher und menschlicher Existenz ist Pro‐ gramm, nicht erst in diesen neuen lyrischen Notaten. Sanna spielt auch in früheren Texten mit der Vergegenwärtigung des Mythos, vor allem in den Bänden Löwen-Maul (1988) und Feste (1991). Der Blick von dem der Fortuna geweihten Tempel in der nahe Rom gelegenen ‚kleinen Stadt‘ Palestrina im gleichnamigen Gedicht geht über die Albanerberge und die Stadt Nettuno hin bis zum Tyrrhenischen Meer: „I dossi albani/ non chiudono la visione/ del mare. Il denso/ vapore lontano/ fa presagire la forma.“ 3 Jene als Dunstgebilde unklar bleibende „forma“, wohl der dem Wasser ent‐ steigende Gott des Meeres, hat nun in den neuen Gedichten die Kommunikation aufgenommen. Nicht souverän, droben im Licht, schicksallos, sondern als von den gleichen Sorgen und Nöten wie der Mensch geplagt erscheint hier Poseidon, der auch einmal eine sms schickt (S. 14) oder sich Steinbuttfilet mit Kartoffeln à la jeunesse zubereiten lässt (S. 30). Über die direkte Anrede rhetorisch einge‐ führt und stets den Kontrast von high und low ausspielend, reflektiert Sanna, an Hölderlins Hyperion erinnernd, Nähe und Distanz von Menschen und Göttern: „Ah, voi divinità delle acque/ Ci assomigliate e noi a voi.“ (S. 18) Das Ich versucht, die Botschaft der aufgewühlten See, die es als Wutausbruch eines verärgerten Gottes interpretiert, zu entschlüsseln. Ist dies zunächst das Gemahnen an das ökologische (S. 28) und auch politische (S. 30) Gewissen, so scheint sich aus der „assenza presente“ der Olympier (S. 20, 24) noch eine andere Art der Verant‐ wortung zu ergeben: Nicht nur bringt die nächtliche Kontemplation äußere Zeichen der Unruhe hervor, sondern der Seesturm repräsentiert für das lyrische Ich, noch einmal Whitman aufgreifend - „Night of East Winds/ Night of no Stars“ 4 - das Streben nach Harmonie und Verbrüderung. Himmel und Meer ver‐ schmelzen im Dunst. (S. 32) In einem früheren Gedicht, in dem die weibliche Figur auf einem Bild zu Leben erweckt wird, erinnert Sanna ironisch an das »Flügelrauschen« der sie umge‐ benden Erosknaben: „Ma cos’è/ quel fruscio/ d’ali / di dentro/ gentilizio? / È Psiche/ con i suoi eroti/ compagni […]“. 5 166 Caroline Lüderssen 6 Salvatore A. Sanna, Mare. I guess what you mean, Tübingen 2009, S. 34/ 35. Die letzte Botschaft des „fast väterlichen“ Gottes Poseidon gilt eben Psyche, der liebenden Seele, empathischer Appell an die Menschen, das Leben dankbar anzunehmen und zu achten: […] […] Dal tuo aspetto pacato Aus deiner sanften, quasi paterno, deduco fast väterlichen Haltung schließe ich che vuoi dirmi qualcosa dass du mir etwas sagen willst che anche Psiche è nata dass aus deinen schäumenden Wogen dalle tue acque spumanti auch Psyche geboren wurde e che l’umanità di deve und die Menschheit dir questo dono essenziale. 6 dieses große Geschenk verdankt. 167 Einführung zu Mare Salvatore A. Sanna [2011] Gino Chiellino Con le sue sei raccolte di poesie: Fünfzehn Jahre Augenblicke (Quindici anni istanti, 1978), Wacholderblüten (Fiori di ginepro, 1984), Löwen-Maul (Bocca di leone, 1988), Feste (1991), Mnemosyne (1999) e Mare (2009), scritte in italiano e pubblicate bilingui, Salvatore A. Sanna fa parte completamente a sé. I motivi per questa sua singolare posizione sono diversi, ma in primo luogo la poesia di Sanna nasce come progetto estetico all’interno della letteratura nazionale, sulla scia della poesia montaliana. A Montale riportano due elementi di fondo delle poesie di Sanna: Il rapporto dell’io con la natura e con i paesaggi urbani, ed il colloquio costante tra l’io e il tu. Ad essi va aggiunta l’accurata scelta di un lessico, a volte ai limiti del disueto, con cui l’autore costruisce la lingua delle sue poesie. Se da una parte Sanna si sa nella scia della poesia italiana del Novecento, dall’altra rivendica apertamente la posizione autonoma della sua poesia definendola un esempio di letteratura de-centrata; e cioè di una letteratura che si sviluppa lon‐ tana dal centro e quindi in piena autonomia. Oltre ad essere decentrate culturalmente le sei raccolte di Sanna sono da con‐ siderare autonome anche per un altro motivo. Esse sono prive di centralità per quanto riguarda i contenuti ma sono tenute insieme da una ben visibile conti‐ nuità dei modelli estetici. La poesia di Sanna non è improntata all’impegno so‐ ciale immediato che contraddistingue il gruppo fondatore della letteratura degli scrittore italiani in Germania. Tuttavia non si deve pensare che la poesia di Sanna nasca in una specie di sottovuoto di italianità asettica all’interno della vita di una metropoli come Francoforte. Le sue raccolte sono ricche di poesie in cui l’incontro domina sovrano, sia per l’abbondanza dei paesaggi: sardi, tedeschi, francesi, svizzeri ed europei in genere, sia come incontro tra un io ed un tu appartenenti a culture diverse. L’impianto tematico delle poesie richiede una lingua capace di esprimere in contemporanea: se stesso e l’altro, il consueto e l’inconsueto, l’identità e la diversità personale o culturale. L’italiano delle poesie di Sanna è un italiano che ha dovuto aprirsi alle diversità culturali delle espe‐ rienze del suo io lirico per non venire penalizzato dalla fedeltà ai modelli della poesia metropolitana a cui Sanna deve tanto ma sempre in forma autonoma. Con le sue ultime poesie di Mare (2009) Sanna si distacca dall’indirizzo pre‐ cedente, stimolato dalla lettura delle poesie di Walt Whitman, Leaves of Grass, e affronta temi di estrema essenzialità, che riguardano il mito del mare in rapporto all’individuo. 170 Gino Chiellino Rezensionen 1 Salvatore A. Sanna, Wacholderblüten (Fiori di ginepro). Poesie. (Italiano-tedesco, con disegni di Fausto Melotti), Frankfurt am Main, Privatdruck, 1986. Traduzione di Birgit Schneider. Sublime e quotidiano nella lirica di Salvatore A. Sanna Recensione a Wacholderblüten [1987) Grazia Pulvirenti Wacholderlüten. Un musicalissimo titolo tedesco per una raccolta di finissima lirica di un poeta italiano che, nella sua parola, fonde un’innata sensibilità me‐ ridionale con l’acquisita cultura tedesca. 1 Il pensiero dominante di quest’ultima raccolta di Salvatore A. Sanna si po‐ trebbe dire sia un ossimoro: il sublime quotidiano. L’ultima lirica della raccolta concilia i due termini antitetici nella lieve trama delle parola: „Anche il sublime/ diventa quotidiano/ e di sé allora/ riacutizza il desiderio“ (p. 68). La soave parola di Sanna scopre il „sublime“ nel quotidiano, ed il quotidiano vissuto quale sublime sollecita l’io del poeta alla ricerca di un nuovo ed irrag‐ giungibile „sublime“. La parola poetica opera il miracolo in virtù della sua sa‐ piente forza evocatrice e trasfigurante. La poesia di Sanna non scaturisce dal libero gioco di parole. Essa è piuttosto conquistata attraverso travagliate ricerche, che alla fine creano una trama fi‐ nissima, in cui ciascun lessema si carica di forza significativa grazie al suo iso‐ lamento all’interno del sintagma. La trama linguistica è levissima quasi smate‐ rializzata: ciascuna parola è un mondo in sé compiuto e crea, accanto ad altre, un irreale cosmo immaginifico: „I platani di Ascona/ sono anziane signore/ imparruccate“ (p. 8); „Mandorle/ dagli occhi cigliuti/ sono il tuo mezzo veico‐ lare“ (p. 12); ed infine „Lo scalpitio/ del cavallo/ alato/ ha rinverdito/ il greto della fonte“ (p. 52). Dalla originalissima attrazione fra lessemi appartenenti ad aree semiche dif‐ ferenti, a volte contrastanti fra loro, si sprigionano nuove aree di significazione, che si collocano ad un livello differente da quello del significato mimetico e abituale. Il reale diviene metaforico, nella metafora il poeta attinge al „sublime“. Il „sublime“, l’inesprimibile è proprio nel singolarissimo effetto sonoro scatu‐ rente dall’associazione di parole scelte in virtù della loro materia fonica. I bracci degli abeti trasformati in allitteranti „tube tibetane“ assumono una irreale esi‐ stenza, che colora l’immagine di una magica realtà di fiaba, e sospendendo l’at‐ mosfera nell’irrealtà, connotano di superiore, misteriosa esistenza il „suono“, l’„annuncio“ dei due versi seguenti. Questa raccolta è inoltre caratterizzata dal tema della conciliazione fra „Ger‐ mania e Italia“, citando il titolo di un quadro di Overbeck. In un precedente volume Fünfzehn Jahre Augenblicke (Quindi anni di istanti), Sanna vive il dramma dell’impatto dell’uomo „meridionale“, „isolano“ con la fredda terra nor‐ dica: estraneità, disagio nei confronti del contesto tedesco sono i sentimenti che pervadono la raccolta. In Fiori di ginepro, invece, Sanna concilia nella sua solare parola la realtà tedesca, nella quale è ormai inserito, con la sua ancestrale cultura italiana. La lirica di Sanna riesce a descrivere con calde tonalità i freddi paesaggi del nord: nella poesia Karbach, il chiarore emanato dal „grano sull’altipiano“, dal „giallo d’orzo“, dai „mucchi di fieno“ illumina i „raggi scuri di pioggia“, ancora lontani all’occidente (p. 6). La solitudine, l’amore, la fuga nel ricordo, l’attesa di un lontano „an‐ nuncio“ che riscatti l’uomo sono i temi della poesia di Sanna. Motivi eterni, cui il poeta conferisce una luminosa gioventù nella freschezza primaverile della sua parola soave: „Attendi un suono/ un annuncio/ ma ricade una pioggia/ di polvere bianca/ che brilla al sole“ (p. 42). Un cosmo ermeticamente immaginifico caratterizza le poesie d’amore: „Sei Frine/ sei bella/ hai fascino/ hai mura/ di fuoco“ (p. 14). Le ricorrenti citazioni di opere letterarie o le allusioni ad opere d’arte figu‐ rativa evocano, nell’impalpabile cosmo linguistico, l’opera citata, con tutta la gamma di sensazioni che può suscitare l’originale. „Proustianissima“ è l’imma‐ gine, evanescente nell’uso del linguaggio decadentista, della sala del Grand Hôtel de Cabourg - in cui è da scorgere il Grand Hôtel de Balbec de Proust -, da Sanna connotato quale „…acquario/ d’altri tempi/ canto perlaceo/ che un cloison de verre/ ancor oggi protegge/ dal vento di mare“ (p. 58). Nei Pendoli me‐ lottiani l’autore crea la misteriosa sospensione, propria degli originali di Fausto Melotti, in quel tempo „folle/ e pure incerto“ (p. 56). La poesia di Sanna, la poesia del „sublime“, scaturisce dalla ricerca di esso nel quotidiano, e si conclude in una nuova ricerca del medesimo oltre ogni livello 174 Grazia Pulvirenti di quotidiana percezione. La poesia è ricerca di sempre nuove cifre linguistiche che consentano l’espressione di quel quotidiano nel quale, nascosto, alita ancora un impercettibile „sublime“. Cerco parole che dicano grazie e non le trovo Cerco parole che esprimano la mia ebbrezza e non le trovo Vorrei dirti che ti amo e cerco le parole (p. 66) 175 Sublime e quotidiano nella lirica di Salvatore A. Sanna 1 Salvatore A. Sanna, Löwen-Maul, Aarau/ Frankfurt am Main: Sauerländer 1988, S. 54. Bocca di Leone e profumo d’Oristano [1989] Franco Antonio Belgiorno Contrasti del paesaggio sono in Sardegna un gioco fisico d’immagini, di colori e caratteri. Da quell’isola, da Oristano con i suoi cento pantani, viene Salvatore A. Sanna, lettore di lingua e letteratura italiana all’Università di Francoforte e poeta per vocazione. Nel suo ultimo libro - il primo era denso degli umori segreti del Campidano, e portava profumo di opunzie e i toni delle fughe delle palme che fanno di quel paesaggio un lembo d’Africa - la lirica si è fatta più intellet‐ tuale, montaliana per certi aspetti. E sembra infatti che queste poesie siano fogli di diario di viaggio, momenti di incontro o perdite sul filo sottile del ricordo che in Sanna sembra andare à rebours sicché quelle che erano state le evocazioni dell’infanzia in Wacholderblüten, sono diventate adesso i richiami degli anni della maturità. Löwen-Maul, uscito presso l’editore Sauerländer, è un libretto prezioso che rappresenta un inaspettato momento nella letteratura italiana di Germania, dove il poeta si suppone quasi sempre legato ai temi della nostalgia e mai ulissoide. Dicevo „diario di viaggio“ e non a caso; perché mi sembra che Sanna, quando scrive le sue liriche a Montreal o a Parigi, negli occhi si porti le immagini della sua unica terra. E mi sembra anche, che dal ricordo immacolato dei luoghi da dove viene, abbia tirato fuori, per riviverla, l’angoscia di essere in altri mondi. Se è vero che quelli che nascono su un’isola - e a dirlo è un siciliano! - si portano sulle spalle il guscio della loro origine e il peso della loro storia, Sanna appartiene a coloro che mai dimenticano di guardarsi dietro alle spalle. E l’eru‐ dizione, l’aver visto cose nuove, aquistato altrettante nuove cognizioni, non ba‐ stano a frenarlo di rivolgersi nel mondo in cui vive a quello da cui proviene: il millenario pianeta sardo, da dove, anche se una lirica porta la coordinata di Sparhof, si libera quell’„effimero bianco/ del mattino/ sulla coltre invernale“ 1 che è allusione bellissima ad altri lidi e altri sogli. Queste ultime liriche di Sanna sono momenti magici che la memoria ripristina in un gioco poetico e quasi musicale di specchi e le consiglio caldamente ai miei tre lettori. 178 Franco Antonio Belgiorno 1 Salvatore A. Sanna, Wacholderblüten, Frankfurt/ M 1984. 2 Salvatore A. Sanna, Löwen-Maul, Gedichte Italienisch-Deutsch, trad. di Gerhard Goebel-Schilling, Frankfurt/ M. 1988. Recensione di Löwen-Maul [1990] Grazia Pulvirenti Un nuovo fiore nell’erbario poetico di Salvatore A. Sanna: dopo i Fiori di gi‐ nepro  1 - titolo della precedente raccolta dello scrittore -, simbolo spesso ricor‐ rente nelle sue poesie, la cifra della nuova raccolta è costituita dalle „bocche di leone“, che ne è anche il titolo. 2 Difficile da stabilire è il significato metaforico di questa pianta, come degli altri fiori ricorrenti nei „primaverili“ versi della nuova raccolta: dalle „fleurs“ del‐ l’epigrafe al „fiore di ginepro“ è tutto un susseguirsi di immagini floreali - i „petali di rosa“, le „margherite di campo gialle e bianche“, il „sorbo selvatico“, un „cesto di rose“, i „gravidi glicini“, le „giovani foglie di un tiglio“, „l’acacia sulla piazza“, per finire con le profumate „primule del giardino“. Il fiore è in generale simbolo di una stagione della vita, di uno stato d’animo, emblema di una condizione di primaverile maturità, ormai dimenticata delle gelate invernali e appena sfiorata da un velo di presaga tristezza per l’inevitabile appressarsi del futuro. Ma il tramonto non invade con le sue tinte conturbanti la luminosità delle pagine di Sanna, che vuole cogliere il momento, fissare l’istante magico, il mo‐ mento incantato per eternarlo nella sua tersa parola. Sarebbe errato però intendere questa filosofia come una forma moderna del classico carpe diem. Per il poeta l’essere, l’esistere si invera nel momento, nel‐ l’istante che non viene sfiorato né dal ricordo del passato né dalla paura per il futuro. È così che ogni istante vissuto con grande intensità si dilata in una di‐ mensione magica, nella quale rivivono miti passati, riaffiorano echi di storie perdute. L’istante si eterna nel recupero del mistero dell’essere e il quotidiano perde ogni velo di banalità. Così scrive il poeta nell’ultima poesia della raccolta, che sembra fornirci la chiave di lettura dell’intera opera: „Stupore. Bello/ accorgersi/ delle cose/ semplici/ finite/ e pure/ eterne“ (p. 86). La ricerca del sublime nel quotidiano, che affiora dalle liriche della raccolta Fiori di ginepro, cessa in Bocche di leone. Nel quotidiano il poeta non cerca più il sublime, ma la semplicità stessa della vita, che penetrata sino in fondo, svela l’arcano che ci circonda. Parecchie liriche della nuova raccolta sono espressione di questa dimensione incantata, che il poeta riesce a far sua giacché entra in sintonia con le forze della natura, del mondo, della vita stessa: „Cogliere di sorpresa/ le primule del giar‐ dino/ che di marzo s’affacciano/ alla luce e il freddo/ tardo sfidano, osservare/ l’impudenza sbarazzina/ dei petali rosa/ chiazzati di colore/ nell’offrirti la gialla/ corolla che palpita“ (p. 16). L’incanto è la magia della luminosità, il rifiuto delle tenebre. La parola di Sanna, tersa, abbagliante, suggestivamente colorata, riesce a evocare un effetto di intensa luminosità: ricorrenti sono lessemi come „sole“ (p. 12), „illumina“, „chiarore“ (p. 22), „lampeggia“, „luci“ (p. 24), „chiarezza“ (p. 26), „l’effimero bianco“ (p. 54), „luce“ con ben 5 occorrenze (pp. 22, 24, 80, 88), sino ad arrivare a delle immagini in cui le tenebre della notte vengono sconfitte dall’Io in armonia con il Tutto: „Il chiarore di Lei/ è dell’occhio/ penetra la penombra/ della notte“ (p. 22); o ancora: „I nostri occhi/ sono aperti/ su uno spazio notturno/ avidi di chiarezza“ (p. 26). Emblema dell’unione dell’Io con il Tutto è la figura dell’eremita: „L’eremita/ au bord du lac/ vi ha eretto la tenda/ la radio trasmette/ musica jazz/ e lui/ si sente parte/ del tutto“ (p. 42). In alcuni versi si percepisce una totale immersione dell’Io nella molteplicità delle forze cosmiche, di chiara ascendenza romantica: „Tutto è in attesa/ S’in‐ tuisce la forza/ che avanza in ascesa/ dalle sponde orientali“ (p. 64). Privilegiata sacerdotessa del mistero della vita è la donna, che per il poeta è forse la creatura nella quale la vita si manifesta nella maniera più sublime e profonda. Centro del mistero e dell’universo poetico di Sanna è un’ambigua figura femminile con mille sfaccettature, sempre mutevoli e cangianti: „Sei fer‐ vore d’altri tempi/ fata normanna/ sei filo d’Arianna/ per tutti“ (p. 20). La donna è ora „Psiche“, „con i suoi eroti“, „ammiccante“ sacerdotessa d’amore (p. 60), ora „Elisabetta“, simbolo del sacrificio (p. 80), ora invece equivoca figura nella quale rivive la „primigenia Fortuna“ che assume le forme della sfuggente figura di Polia (Palestrina, p. 34). In questa raccolta il poeta si diverte anche a comporre versi surrealistici come nella ironica e pungente poesia Edoardo VII: „Edoardo VII/ stanco di tanto teatro/ 180 Grazia Pulvirenti quando può/ scende da cavallo/ e sulla grande piazza/ a La Pointe St. Eustache/ comanda un café crème“ (p. 68). Sulla scia del surrealismo Sanna sfiora a volte il nonsense, come nella poesia che segue: „Hoppla/ grün! / Il bassotto/ attraversa/ di corsa/ felice/ di eseguire/ un comando“ (p. 70). Questa poesia recupera un po’ quel gioco di parole, quella ricerca di effetti fonici che creavano la trama linguistica della raccolta precedente e che in que‐ st’ultima sono sensibilmente ridotti, anche se parzialmente presenti, a vantaggio di una scrittura che gioca di più con le immagini e con le loro suggestive asso‐ ciazioni che con il materiale fonico. Si considerino comunque i giochi fonici come il „ROSso vermiglio“ anagrammato in „SORbo selvatico“, o ancora il gioco semantico creato ad un tempo come mome proprio di donna e aggettivo: „Bianca è la luce.“ Molta attenzione è dedicata a volte al ritmo, sempre teso e incalzante e a volte ben sottolineato dall’alternarsi di versi quinari e settenari riconducibili a un endecasillabo diviso. In stridente contrasto con la dimensione mitico-magica di atmosfere im‐ palpabili e sfuggenti, creata con la sua parola, Sanna ci offre una cupa imma‐ gine del mondo moderno privato della magia e dell’incanto della poesia del quotidiano: „L’occhio/ computerizzato/ del cerbero/ allogeno/ registra/ l’imma‐ gine/ del petulante/ La sbarra/ s’innalza/ / Il luminare/ fa un cenno/ devoto/ rin‐ grazia/ china il capo/ sorride/ S’avvia/ al suo box/ e riprende/ contegno/ / Oh Alma/ Mater! “ (p. 72). E non possiamo non concludere queste brevi note se non con la speranza che la „luce del faro“ se pur „intermittente“ (p. 88), riesca a sconfiggere le tenebre del nostro quotidiano. Sanna con la sua „primaverile“ poesia c’è riuscito. Le sue liriche sono il frutto della sua claritas interiore e della sua maestria linguistica e formale. 181 Recensione di Löwen-Maul 1 Salvatore A. Sanna, Feste. Gedichte Italienisch Deutsch, Übertragung von Gerhard Goebel-Schilling, Mainz: von Hase & Koehler Verlag 1991. Rezension von Feste [1992] Carl-Wilhelm Macke Umfangreich ist dieser Gedichtband nicht. 93 Seiten, viele davon nur mit we‐ nigen Zeilen bedruckt, dazu noch die Gegenüberstellung von italienischem Ori‐ ginaltext und deutscher Übersetzung, sind schnell zu lesen. Doch der Schein trügt. Lyrik schreiben und lesen ist immer auch ein widerständiger Akt gegen Flüchtigkeit und Ungeduld. Die Lektüre, die Aufnahme von Gedichten, verlangt viel Zeit. Erinnerung und Hoffnung, Abschied und Erwartung, Melancholie und zag‐ hafte Heiterkeit, von ferne auch ein ganz zarter Windhauch beginnenden Alters sind in der Lyrik von Salvatore A. Sanna eingewoben. Es sind besonders die kürzeren, nur wenige Worte umfassenden Gedichte, die im Kopf der Leser lange nachhallten. „Non è il senso/ che lascia tracce/ ma il segno/ e per capirlo/ occorre spesso/ tutta una vita/ / [Nicht der Sinn/ hinterläßt Spuren/ sondern das Zeichen/ und um es zu verstehen/ bedarf ’s oft/ eines ganzen Lebens]“ (S. 16/ 17) 1 . Salvatore A. Sanna, gebürtiger Sarde, aber seit vielen Jahren in Frankfurter lebend und dort als Lektor an der Universität und Mitherausgeber der Zeitschrift Italienisch tätig, ist als Lyriker bisher nur einem kleinen Kreis bekannt gewesen. Zwar liegen bereits Gedichtbände vor (Fünfzehn Jahre Augenblicke, 1978; Wa‐ cholderblüten, 1984; Löwen-Maul, 1988), aber größere Aufmerksamkeit wurde seinem lyrischen Schaffen bislang nicht entgegengebracht. Vielleicht, hoffent‐ lich wird dies mit dem vorliegenden, vom Verlag mit großer Sorgfalt und Sinn für das ästhetische Detail gestalteten Band anders. Allein der Einband mit der Zeichnung von Achille Perilli ist bereits eine Augenweide! In einigen der Gedichte kommen von weit her die Wellen der Erinnerung an die Kindheit des Autors: „Vola con le tue/ ali oltre il mare donde/ venisti. [Schwing dich auf und/ flieg weit übers Meer dorthin von wo/ du kamst! ]“ (S. 20/ 21). Sanna zeichnet auch mit dem feinen Federstrich der Poesie Umrisse italienischer Orte wie Positano: „Con le pupille arse/ gli occhi delle case/ guardano in attesa/ sul vallone/ che ripido conduce/ al mare [Mit ausgebrannten Pupillen/ blicken die Häuser/ wartend/ ins Tal/ das steil abfällt/ zum Meer]“ (S. 14/ 15). Montepulciano, Parma, Venedig, Pisa sind die Namen der anderen Orte, denen wir in Sannas Gedichten begegnen. Wie sehr sich der Autor inzwischen in den Bedeutungshöfen sowohl italie‐ nischer wie auch deutscher Wörter auskennt, zeigt die Wahl des Titels der Ge‐ dichtsammlung: Feste, das können im Italienischen wie im Deutschen die Gele‐ genheiten eines feierlichen, freudigen Zusammenseins von Menschen sein, aber auch jene großen, gegenüber der feindlichen Welt trutzig abgeschlossenen mit‐ telalterlichen Festungen. Das Sprechen und das Schweigen, das Sich-Öffnen und das Sich-Schließen gegenüber der Welt ist in dieser stillen Dichtung ein wie‐ derkehrendes Motiv. Die Übersetzung von Gerhard Goebel-Schilling verdient Lob. Nur selten findet man Stellen, wo die deutsche Übersetzung nicht ganz dem Wortsinn des Originals angemessen scheint. Für „dolcemente“ etwa ließen sich auch im deut‐ schen Sprachschatz Worte finden, bei denen der italienische Wortsinn besser aufgehoben wäre als in dem kurz gesprochenen, melodielosen „sacht“. Aber diese Anmerkung ist nur peripher und soll das Verdienst der kenntnisreichen und gelungenen Übersetzung nicht schmälern. 184 Carl-Wilhelm Macke 1 Mnemosyne. Hommage an die Mutter der Musen. Gedichte Italienisch-Deutsch, aus dem Italienischen von Gerhard Goebel, Frankfurt am Main/ Aarau: Verlag für deutsch-ita‐ lienische Studien/ Sauerländer 1999. Recensione di Mnemosyne [2000] Gino Chiellino Nel presentare l’ultima raccolta di Salvatore A. Sanna dal titolo Feste (1991) il suo traduttore Gerhard Goebel scriveva che con quel volumetto l’autore voleva congedarsi per ricominciare. Oggi, a distanza di quasi dieci anni, la raccolta Mnemosyne  1 ci dà la possibilità di andare a vedere in che cosa consistono il congedo e la ripresa annunciati da Gerhard Goebel. Ma prima di andare a vedere vorrei fare presente che il volume è corredato da una breve ma intensa intro‐ duzione di Christoff Neumeister, che va letta subito. Christoff Neumeister vi espone tutto quello di cui si ha bisogno per potersi sintonizzare sulle frequenze poetiche di un autore così determinate per la letteratura de-centrata. Nella post‐ fazione Gerhard Goebel invita il lettore a riflettere su alcuni problemi di tradu‐ zione, o meglio di divergenze culturali tra la lingua del poeta e quella del tra‐ duttore. Così facendo il traduttore permette al lettore di avvicinarsi, in un certo qual modo, alla creatività interculturale di Salvatore A. Sanna. In copertina è stato riprodotto un elegante e leggero pastello di Gianfranco Pardi. A prima vista il pastello fa pensare alla sovrimpressione di un aquilone su una farfalla di un giallo particolarmente corposo. Il tutto è sovrastato dalla sagoma in nero di una stella a quattro punte. La sagoma in nero sottolinea la corposità del giallo e rinvia ad un copricapo regale. Il punto di partenza per leggere con profitto Mnemosyne rimane pur sempre l’introduzione di Christoff Neumeister. È qui che il lettore trova un rinvio, di‐ screto ma percettibile, ad esperienze personalissime che sono diventate memoria attraverso la parola. Ma le prime domande che il futuro lettore si porrà sono certamente le seguenti: „Che significherà mai la parola Mnemosyne scelta come titolo dell’opera? E poi dove posare l’accento per invocare Mnemosyne, la madre delle muse? che, secondo quanto si può leggere nella prefazione, faceva dono ai mortali della capacità di dimenticare. Scrivendola in modo più pronunciabile, la parola mnemosine potrebbe essere fraintesa come la „farfalla dei Papilionidi dalle ali diafane, reperibile sui pascoli montani“, così come informa Devoto/ Oli; ed in tedesco si avrebbe quindi a che fare con un bellissimo (immagino! ) schwarzer Apollofalter! Ma con la sua scelta Salvatore A. Sanna è rimasto fedele ad un modello di bilinguismo tanto suo. Anche per questa sua raccolta di 35 testi in italiano, ma con tradizione a fronte, l’autore ha scelto un titolo in tedesco così come aveva già deciso nel lontano 1978 quando alla sua primissima raccolta di poesie italiane aveva dato il titolo Fünfzehn Jahre Augenblicke. L’ha fatto per segnalare, ancora una volta, la co-presenza nei suoi testi in italiano di un inter‐ locutore di madre lingua tedesca. Premesso tutto ciò non c’è dubbio che il tema centrale dei testi di Mnemosyne sia quello che l’autore definisce „una legge/ fondamentale/ delle cose e degli uomini“ (p. 80). Ma come consegnare questa legge fondamentale alla memoria di una lingua una volta che essa si è inverata nella persona amata? Da questo interrogativo nascono poesie non di lutto ma di serena certezza che quello che ci accade ci rende sempre più umani, che „i fatti sono amichevoli“ avrebbe detto Carl R. Rogers, fondatore della Gesprächs‐ psychotherapie. Il lettore non avrà certo difficoltà nel ritrovarsi in sintonia con quella sem‐ plicità densa di umanità, a cui rinviano le poesie di Mnemosyne. Da parte mia vorrei, ancora una volta, sottolineare che la creatività di Salvatore A. Sanna si nutre di paesaggi e le sue opere vivono di paesaggi. Ma questa volta i suoi pae‐ saggi: Torre del Pozzo (p. 12), la Cornovaglia (p. 14), La Torche (p. 16), Bagno Vigoni (p. 18), Vignoni Alto (p. 20), Val d’Orcia (pp. 22-30), Lausanne (p. 34), Juan les Pins (p. 60), Die March (p. 66), Praga (p. 84) e come sempre la Sardegna, si con‐ figurano come le tappe di una scadenza di cui solo l’indovino Melampo (p. 58) ne avrebbe potuto intuire l’incombere. Senonché lo snodarsi dei paesaggi di per se fa pensare ai grani di un rosario profano, dove ogni grano corrisponde ad una esperienza sempre positiva; e tutti insieme suggeriscono l’idea di un autore in continuo pellegrinaggio. Come se di Salvatore A. Sanna ce ne fossero due: uno stabile a Francoforte e uno non „stanziale“. Uno impegnato in un intenso lavoro di mediazione tra la cultura italiana e quella tedesca, ed uno in giro per l’Europa. In questa sua raccolta di paesaggi europei ci vedrei pertanto un’operazione di scrittura interculturale particolarmente riuscita. Se è vero che ogni cultura eu‐ ropea deve salvaguardare la propria identità perché essa è fonte di creatività, è pur vero che ci riesce meglio quella che se si apre alle diversità che compongono 186 Gino Chiellino l’Europa, evitando così di ghettizzarsi. A questo punto si direbbe che „il sogno giovanile di remare in canoa verso la foce del grande fratello“ si stia avverando: Die March Giovanile sogno il tuo remare in canoa verso la foce del grande fratello lungo la via dell’ambra sul fiume di confine cortina di tempi minacciosi per perdersi fra i rami bassi delle acque blu (p. 66) Ed il lettore gli sarà grato di essere stato coinvolto in un sogno così innocente ed innovatore. 187 Recensione di Mnemosyne Il poeta Salvatore A. Sanna e la letteratura de-centrata Recensione di Fra le due Sponde - Zwischen zwei Ufern [2005] Tania Baumann Spaziare con agilità tra due culture diverse è affascinante e stimolante allo stesso tempo perché consente di guardare le cose da un punto di vista privilegiato. Da oltre quarant’anni Salvatore A. Sanna, nato ad Oristano nel 1934 e per 35 anni docente di lingua e letteratura italiana alla prestigiosa Johann-Wolf‐ gang-Goethe-Universität di Francoforte sul Meno, opera una feconda media‐ zione culturale tra Italia e Germania. Arrivato a Francoforte nel 1958 grazie ad una borsa di studio della Regione Sarda, si adopera presto per una maggiore comunicazione tra i due paesi: nel 1966 fonda la Deutsch-Italienische Vereinigung e. V. (Associazione italo-tedesca), alla quale si affianca successivamente la gal‐ leria d’arte Westend Galerie che dal 1977 espone opere di artisti italiani contem‐ poranei - tra i quali Piero Dorazio, Giulio Turcato, Carla Accardi, Giuseppe Santomaso, Fausto Melotti - presentandoli per la prima volta al pubblico te‐ desco. Alla sua terra d’origine Sanna dedica nel 1974 la bibliografia Sardinien, un prezioso strumento che presenta in modo organico contributi da diverse di‐ scipline scritti in lingua tedesca che hanno arricchito la conoscenza dell’isola. Con instancabile energia Sanna, già tra i fondatori del Fachverband Italienisch in Wissenschaft und Unterricht (Associazione per l’italiano nell’università e nella scuola), insieme ad Arno Euler nel 1979 fonda „Italienisch“, impostasi presto come autorevole rivista d’italianistica. I meriti di Salvatore A. Sanna per i rap‐ porti fra l’Italia e la Germania sono stati riconosciuti in entrambi i paesi: nel 1977 è stato insignito del titolo di Cavaliere all’Ordine della Repubblica Italiana, e in Germania nel 1996 gli viene conferito il Bundesverdienstkreuz am Bande (croce al merito della Repubblica federale tedesca). Alla sua opera di mediazione culturale Salvatore A. Sanna ha sempre accom‐ pagnato la propria produzione letteraria in versi: nel 1978 esce a Francoforte la 1 È seguita nel 2014 l’edizione completa della sua opera in un volume dal titolo Fra le due sponde presso Il Maestrale, Nuoro. sua prima raccolta di poesie, scritte in lingua italiana tra gli anni Sessanta e Settanta e con la traduzione tedesca di Ragni Maria Gschwend a fronte, intitolata Fünfzehn Jahre Augenblicke (nel senso ambiguo di „15 Anni di Attimi“ oppure „Attimi di 15 anni“). Seguono le raccolte Wacholderblüten (Fiori di ginepro) (1984), con traduzione e postfazione di Birgit Schneider, Löwen-Maul (Bocca di leone) (1988), Feste (1991) e Mnemosyne (1999), queste ultime con traduzione tedesca e postfazione del romanista Gerhard Goebel. La raccolta La fortezza del‐ l’aria (1995), l’unica pubblicazione in Italia 1 (Franco Masoero Edizioni, Torino), è corredata di una presentazione di Luigi Malerba e vince nel 1996 il Premio Pannunzio. Accompagnano le diverse raccolte di poesie disegni di artisti italiani contemporanei - Piero Dorazio, Fausto Melotti, Ermanno Leinardi, Achille Pe‐ rilli, Enrico Della Torre e Gianfranco Pardi - che testimoniano l’affinità di Sanna con l’arte del XX secolo. Ora, per la prima volta, le cinque raccolte di poesie apparse in Germania e tre poesie inedite costituiscono un unico volume bilingue dal titolo Fra le due sponde - Zwischen zwei Ufern, curato da Thomas Amos, autore del saggio introduttivo e dell’apparato di note in appendice. Apparso nel 2004 a Tubinga presso la casa editrice Gunter Narr, il volume ci permette di seguire lo sviluppo dell’opera poetica di Sanna nella sua interezza. Sistemate in ordine cronologico, le raccolte di poesie toccano un ampio ventaglio di tematiche. L’iniziale Fünfzehn Jahre Augenblicke, suddivisa in due parti, si muove tra la scoperta del Nuovo e la riflessione sul Vecchio: la prima parte registra con grande sensibilità le impressioni dell’io lirico al suo impatto con il Nuovo, con l’E‐ straneo, che in primis è la Germania, ma anche altri paesi visitati. Il proprio iniziale sentirsi estraneo („Tutto mi sembra/ estraneo/ per le vie del nuovo/ quar‐ tiere/ […] Niente di più triste/ che contentarsi/ di birra“, p. 4) è tuttavia mitigato dalla speranza d’incontrare una persona con la quale riuscire a comunicare anche oltre la barriera linguistica e culturale („c’è un linguaggio muto/ che ci attrae/ ricco d’irregolarità/ e parliamo, parliamo“, p. 34). La seconda parte, com‐ posta da dieci poesie, è invece dedicata alla Sardegna. Dopo anni di vita passati in un contesto culturale diverso l’io lirico torna alla sua terra d’origine, forse per un bisogno di autoverificazione: „In questa terra/ ci vengo per ricercare/ una ma‐ trice spenta“ (p. 48). Ma davanti all’incomprensione che incontra („Ogni incontro d’uomini/ rimprovera il tratto straniero/ il diverso pensare“, p. 48), sente che la terra-madre ormai ha finito di svolgere il suo ruolo di nutrice: restano i ricordi dell’infanzia, minati dal procedere del tempo („Lontane visioni/ s’infrangono“, 190 Tania Baumann p. 52), e un’impronta culturale determinante („l’impronta che tu lasci/ è ruvida“, p. 62) che permette al figlio, libero e grato, di confrontarsi con altre realtà. Il costante sforzo per trovare un equilibrio, uno dei motivi centrali dell’intera rac‐ colta, come scrive a ragione Thomas Amos, non si riferisce soltanto alle due culture diverse entro cui si muove l’autore, ma alla vita in generale e - natural‐ mente - alla poesia. Harmonia della raccolta Feste esprime esplicitamente questa necessità di equilibrio e insieme la consapevolezza che ottenerlo richiede co‐ stante impegno: „Harmonia/ / Mantenerla/ è rara conquista/ / Sono increduli i più/ e forse è ben che sia così/ non è di fede onore e gloria“ (p. 248). Con spirito acuto, ora critico ora ironico, Sanna osserva e commenta le diverse realtà che incontra, ma che egli vede sempre attraverso il filtro della poesia, mezzo necessario per poter sopportare la banalità e la noia della vita quotidiana („Il velo non si rompe/ nella nudità delle cose“, Mnemosyne, p. 364). Così coglie la superfi‐ cialità della società del consumo e del turismo di massa, puntualizzata in una poesia dedicata ad un centro di turismo invernale in Svizzera, dove la salita degli sciatori alle piste bianche di neve, presunto paradiso disponibile a prezzi stabiliti, si oppone all’ascesa spirituale, più difficile da ottenere: „Esiste per i neviadi/ una chiave di San Pietro/ un tesserino plastificato/ da portarsi appeso al collo/ Apre tutte le vie verso l’alto/ il bianco elisio/ ma l’accalcarsi delle anime/ ne ritarda la salita/ Il valore dell’altra/ non ancora codificata/ è loro ignota“ (Wacholderblüten, p. 98). Il poeta vede altrettanto chiaramente il pericolo di una fede cieca nel pro‐ gresso industriale e tecnologico che provoca spesso più danni che benefici, causando l’estraniamento dell’uomo dal suo ambiente, come dimostra il caso di Ottana: „Nella terra dei pastori/ è sorto un complesso/ un paradosso/ per le sue origini“ (Fünfzehn Jahre Augenblicke, p. 56). Sanna chiude la poesia ricor‐ dando che ci sarà un futuro soltanto per chi è conscio delle proprie radici: „I nostri radar/ sono il vento e le stelle/ il fuoco in cima/ alle torri/ e l’occhio/ è il sestante.“ Propone, insomma, un progresso a misura d’uomo, nel pieno ri‐ spetto delle risorse umane e della terra. Nelle diverse raccolte di poesie non mancano, infatti, riflessioni critiche circa l’inquinamento e lo sfruttamento irrazionale della natura che vengono rese attraverso un quadro idilliaco in cui s’insinuano elementi inquietanti: „Le sponde/ appartate/ del lago/ sono grato/ rifugio/ della schiuma/ veleno“ (Löwen-Maul, p. 174). Allo stesso modo Sanna segue con attenzione gli sviluppi sociali non sempre positivi che si sono manifestati e si manifestano dopo le fondamentali libertà conquistate nell’ambito degli avvenimenti del Sessantotto; così ricorda a una ragazza in tono „paternale“, così il titolo della poesia, che la libertà dello spirito non si ottiene attraverso la sola libertà sessuale: „Scoprire il tuo corpo/ accostarlo 191 Il poeta Salvatore A. Sanna e la letteratura de-centrata ad un altro/ […]/ ti sarà facile/ Ma non sai ancora/ dello spogliarello/ cui dovrai sottoporre/ il tuo inconscio/ per sentirti libera“ (Wacholderblüten, p. 80). Un posto di rilievo nella poetica di Salvatore A. Sanna occupa inoltre l’arte, vissuta con una tale partecipazione che durante una visita al Museo Archeolo‐ gico di Napoli l’io lirico ha l’impressione che una rappresentazione pompeiana di Psiche si animi ammiccandogli con familiarità (Löwen-Maul, p. 190); o imma‐ gina in una poesia surreale che la statua di Edoardo VII davanti al Teatro Sacha Guitry a Parigi scenda da cavallo e si sieda in un bistrot ordinando un café crème (Löwen-Maul, p. 198). Vi sono inoltre ritratti e impressioni di viaggio dedicate alle città d’arte italiane e straniere, e ripetutamente al paesaggio toscano dove l’io lirico ritrova uno dei rari momenti di armonia nella disarmonia del mondo odierno: „Val d’Orcia/ / Il rovescio è dominante il diritto conta poco/ potrei dire/ che la bussola/ è impazzita/ Eppure succede/ che al Creatore/ arrida la fortuna il suo operato qui/ contempla l’armonia“ (Mnemosyne, p. 326). La vicinanza di Sanna alla pittura si esprime anche laddove egli descrive il paesaggio di Karbach in Assia imitando le pennellate vigorose del pittore: „M’accompagna il verde/ cupo della segale e del grano/ sull’altipiano/ chiazzato di giallo d’orzo“ (Wachol‐ derblüten, p. 68). Anche la memoria - in duplice senso - ha un ruolo centrale nella poesia di Salvatore A. Sanna: nelle diverse raccolte di poesie affiora sempre il ricordo della Sardegna, provocato magari in maniera del tutto casuale come quando, durante una passeggiata in un bosco autunnale, l’io lirico intravede una pianta di sorbo selvatico: „Per te sono ricordi/ di sorbe domestiche/ sul canestro di ferula/ in at‐ tesa di patina/ roggia e di brame/ infantili“ (Löwen-Maul, p. 188). I ricordi si fanno dolenti quando riferiti a persone care che ormai non ci sono più: dopo la morte del padre il figlio ripete da solo l’escursione fatta insieme al genitore durante la sua prima visita in Germania: „La discesa accelerava/ il tuo passo/ e ti rendeva euforico/ Ma hai faticato/ per la distanza/ a raggiungere/ il parcheggio/ e mi rim‐ proveravi/ l’inganno/ / A casa, fiero,/ ricordavi l’impresa/ / Di sabato pomeriggio/ ho rifatto il percorso/ con passo veloce/ misurando il mio tempo/ e tu, non più presente,/ tenevi il passo“ (Wacholderblüten, p. 82). E con una lunga poesia di pudica tenerezza („È difficile renderti omaggio“) ricorda la madre morta, donna di „saggezza antica“ e nume tutelare al quale il figlio chiede protezione („La tua protezione/ mi è cara“, Feste, p. 238). Molte poesie - la seconda parte di Feste e gran parte delle poesie di Mnemosyne - sono dedicate al ricordo della compagna scomparsa e all’elaborazione del lutto. S’impone infine la certezza che anche le esperienze più dolorose aiutano a continuare la grande avventura della vita: „S’incrociano le visioni/ del pensiero e il conflitto/ ne impedisce il godimento/ Ma non demordere/ Il tempo le opacizza/ e previdente/ crea un fondo di esperienza“ 192 Tania Baumann (p. 374). Vi è in Sanna anche memoria letteraria: nella sua opera si riscontrano influenze letterarie che spaziano dalla cultura classica alla letteratura del XX secolo, toccando nel mezzo i massimi poeti italiani Dante e Petrarca, il roman‐ ticismo tedesco - ove spicca la figura di Heinrich Heine - e i simbolisti francesi, per arrivare infine a Eugenio Montale. Salvatore A. Sanna ha coniato il termine di „letteratura de-centrata“ per de‐ finire ogni produzione letteraria nata lontano dal proprio centro culturale. Con quel titolo nel 1995 ha pubblicato a Francoforte, insieme a Caroline Lüderssen, un libro dedicato agli scrittori italiani che vivono e operano in Germania - oltre allo stesso Sanna si possono citare Franco Biondi, Gino Chiellino, Marisa Feno‐ glio, Giuseppe Giambusso, Sonja Guerrera, Chiara de Manzini, Lisa Mazzi, Frut‐ tuoso Piccolo, Luigi Rossi e Franco Sepe. Ora nel nostro tempo confuso e senza più stelle fisse come direbbe il poeta-scrittore Salvatore Mannuzzu, questo ter‐ mine - di cui è segno dominante il trattino - rinvia alla certezza di un tale centro, dal quale partire per confrontarsi con realtà diverse. Con le poesie che compon‐ gono Fra le due sponde - Zwischen zwei Ufern Salvatore A. Sanna è riuscito a darci un quadro armonioso che affianca senza dissonanze la ruvidezza della Sardegna alla dolcezza delle colline toscane, il suono duro delle consonanti te‐ desche alla morbidezza delle vocali italiane, l’atemporalità della cultura classica all’inquietudine dell’anima moderna. Ha raggiunto un equilibrio ammirevole tra il proprio mondo e le diverse culture acquisite: il che non è poco. 193 Il poeta Salvatore A. Sanna e la letteratura de-centrata Il mare poetico di Salvatore A. Sanna Recensione di Mare [2010] Annamaria Micheli Kiel Il mare è sempre stato per molti fonte d’ispirazione, a cominciare da coloro che hanno avuto il privilegio di nascere sulle sue sponde. Salvatore A. Sanna è nato ad Oristano, città sarda sulla costa occidentale ba‐ gnata da un mare meraviglioso. Mare è la sua ultima raccolta poetica pubblicata nel 2009 in occasione del suo 75mo compleanno. Eccolo il poeta, acuto osserva‐ tore, sulla terrazza della sua casa; nella sua ultima poesia si legge „[…] una ca‐ tena/ di monti in tuta grigia/ dietro les Alpes Maritimes/ inzuccherate di neve/ […]“ Siamo in Francia. Ma potrebbe essere ovunque, un angolo di Mediterraneo. È un vero e proprio dialogo col mare. Il mare non sa parlare, non ha voce ma tuttavia si esprime, dialoga a modo suo, attraverso la grande varietà di aggettivi che lo descrivono. Come se fosse un parente, un amico, un compagno, una com‐ pagna, la „mer“, dalle caratteristiche umane. È riservato, fresco, intraprendente, calmo, amabile, placido, bonario, con l’aspetto pacato, quasi paterno. Un mare che però sa essere anche irato, violento, tonante: […] Oggi, giorno di festa, ti presenti accigliato, le nuvole scure del Nord-Est accentuano il tuo malumore. […] (p. 20) Un mare pieno di luce, un mare ricco di colori con tutte le varietà dei chiaro‐ scuri. Un mare che si muove per volere degli Dei. Dei antichi ma sempre pre‐ senti, sempre pronti a minacciarci: „[…] Hai eccittato i cavalli del mare/ Eolo i suoi venti forzuti/ finché stanco di tanta rampogna/ ti sei dato in braccio a Morfeo.“ (p. 22) Un mare spaventevole, che rimprovera la nostra arroganza, un mare che ha paura per la propria sopravvivenza: Mi metto nei tuoi panni hai scaricato la tensione accumulata nei mesi precedenti. Oggi ti sei calmato, anche se ti ricopre una patina di grigio scuro. Il risultato della tua sfuriata un litorale pieno di detriti. Si direbbe che ti sei dato una purga. Gli uomini devono capire finalmente che tu non sei la loro pattumiera. (p. 28) 196 Annamaria Micheli Kiel Recensione di Fra le due sponde [2015] Leonardo Vilei È sufficiente dare uno sguardo al percorso esistenziale e poetico di Salvatore A. Sanna per rendersi conto di essere di fronte a un caso peculiare di scrittura, sospesa tra due luoghi e due mondi linguistici. L’autore, che in questo volume presenta per la prima volta in Italia la raccolta completa delle sue poesie, è nato a Oristano nel 1934. Dopo essersi specializzato in germanistica presso le Uni‐ versità di Cagliari e di Francoforte, dal 1962 fino al 1998 è stato docente di lingua e letteratura italiana in Germania. Nel 1966 fonda la Deutsch-Italienische Ve‐ reinigung e. V. e nel 1979 Italienisch, la prima rivista di italianistica in Germania, organo ufficiale dell’Associazione dei professori tedeschi d’italiano. Le sue rac‐ colte poetiche, fin dalla prima, del 1978, Fünfzehn Jahre Augenblicke (‚Attimi di 15 anni‘) condividono delle caratteristiche comuni: presentano per lo più un titolo in tedesco e sono scritte in italiano con traduzione tedesca a fronte. Si tratta perciò di un’esperienza assimilabile ad una letteratura de-centrata italiana e della scrittura migrante, nonché un caso interessante di autotraduzione poe‐ tica, che merita certamente un’attenzione critica finora riscontrata maggior‐ mente in ambito tedesco. Vivere, lavorare, pensare e amare in un’altra lingua, rendono il proprio idioma di partenza differente, ma allo stesso tempo, per chi con le parole dà forma all’esperienza, lo fortificano. Se il luogo da cui si proviene entra a far parte della sfera del ricordo, del sogno o del ritorno, i suoni e i significanti, che per primi hanno dato forma al mondo, accompagnano chi si stabilisce in nuove frontiere e rappresentano il lascito più vivo della sponda di partenza. Fra le due sponde, non a caso, è il titolo scelto da Sanna per riunire una produzione poetica che si è venuta formando in una vita di lontananza dalla sua Sardegna natale, in una Germania che sente al principio come ostile ed estranea e da cui apprende invece l’importanza di ampliare la sfera di ciò che è già conosciuto. Dato che la poesia è sempre il nucleo più intimo dell’esperienza, attraverso il linguaggio, di fronte all’esistenza di sé e del mondo, nella lingua di Sanna non troviamo soltanto tracce del tedesco di arrivo, la lingua della vita adulta, a fare da cornice all’italiano. Nelle successive raccolte, a partire dalla fine degli anni ottanta, oltre a farsi più preciso lo stile, altre lingue e altri luoghi entrano a far parte di questo universo poetico. I versi di Sanna si muovono quindi fra la Sar‐ degna, la Germania, la Francia o la Svizzera e sono perciò, secondo le parole dello stesso autore, „esperienze non italiane ma europee“ (p. 15), in equilibrio tra „due sponde, isolana l’una e l’altra continentale“, da cui si estrae la consa‐ pevolezza di quanto si è perso e di quanto si è aggiunto alla vita, attraverso le distanze colmate dal filo della poesia. Il francese e il romancio entrano così a far parte di questo amalgama - „Chi chi/ Vo per/ Fö/ Perda/ Sieu/ Bun/ Lö“ (p. 79) - spiazzando persino l’italiano al cor‐ sivo della lingua in traduzione, con la consapevolezza acquisita che si può anche ignorare „il segno/ ma non il senso/ del tutto“ (p. 79). Il gusto per il suono e il significato delle parole straniere corrisponde a una sorta di rieducazione, un nominare di nuovo le cose e risistemare il pensiero secondo coordinate culturali differenti. L’ebrezza di quest’esperienza, che certamente si sente nei testi di Sanna, convive in modo anche contraddittorio, e perciò più veritiero, con la nostalgia del punto di partenza. Succede per esempio che uno dei tanti ritorni in Sardegna si carichi di noia, quasi a demitizzare simboli e miti dell’isola di omerica memoria, perciò medi‐ terranea in senso assoluto, ma senza la veste ironica di un Gozzano, bensí con asciuttezza quasi cronachistica. È una lucidità fredda a dire „Sono arrivato in Sardegna/ senza emozioni […] Oggi sono rimasto a letto/ fino all’attracco della nave“ (p. 50) e che trasforma il viaggio in resoconto, ripetizione e noia e che tuttavia non lo esaurisce in queste categorie, perché il discorso si riprende in altre circostanze, in un punto diverso di quello stesso mare che può tornare a parlare non sempre laddove ce lo aspetteremmo. In un simile quadro dell’espe‐ rienza lo stesso concetto di casa è messo in discussione, perché nel camino, in un inverno che immaginiamo umido e sardo „lontane visioni/ s’infrangono“ e sembra che il senso del luogo non sappia star quieto. È tuttavia una parola, ancora una volta, il mortaretto di meridionale inflessione, a scuotere l’impasse dell’indefinizione, scrollando „di dosso/ un anno che s’è consumato“ (p. 51). Se il senso del luogo barcolla in senso assoluto, poiché si dispiega su una mappa geografica variegata, il percorso non avviene in solitudine, ma è accom‐ pagnato e spesso completato da un referente, invocato in forma di dialogo, con una insistenza sulla seconda persona verbale, in genere in assenza di pronome. Si intuiscono amici o compagni di cammino, su cui spicca la persona con cui si 198 Leonardo Vilei condivide un’intimità lunga una vita, in fasi e momenti differenti - „Sei la mia compagna quella sera“ (p. 65); „Sei repressa/ la tua voce non conta“ (p. 66); „Sei Frine/ sei bella“ (p. 67) -. La figura dell’etera Mnesarete, meglio conosciuta come Frine, richiama così colei che è capace di far ricordare la virtù, ma tale classica immagine si deve misurare anche con le diramazioni intellettuali di una cultura che scava tra le pieghe della mente e si interroga in chiave psicanalitica. Il dialogo di vita si trasforma così in una paternale, venuta fuori nel letto dell’amore tra‐ sformato poi nel lettino dello psicanalista: «Ma non sai ancora/ dello spogliarello/ cui dovrai sottoporre/ il tuo inconscio/ per sentirti libera“ (p. 69). Il doppio sguardo, il contrappunto di pensiero che richiama ad un altro ordine o interpretazione delle cose, potremmo dire, si esercita non solo sui luoghi e sull’amore, ma lo si ritrova a fare da filo conduttore a tutta la raccolta, in perenne equilibrio tra quelle due sponde che non sono dunque più soltanto linguistiche e biografiche, ma ormai definitivamente interne al poeta, come due emisferi cerebrali in competizione e completamento tra loro. È il caso dell’esperienza della natura, che da estetica e osservante - „Il giallo dei campi di colza/ sul piano collinoso/ irrita le mie antenne del colore/ e limita piste/ d’atterraggio di un volo umano“ (p. 73) - si fa biologica e botanica, attraverso la lezione dell’amico, le cui parole mettono in luce una sorta di ammissione di ignoranza del fenomeno incompreso: „Il giallo, spiega l’amico/ di ritorno al luogo d’escursione/ è di sti‐ molo agli insetti/ a posarsi“ (p. 73). Nella quinta raccolta del volume, Mnemosyne, entriamo in un’atmosfera dif‐ ferente, che corrisponde a una tappa della vita e della poesia in cui i paesaggi e i luoghi si caricano d’assenza e, allo stesso tempo, di presenze seccanti e sguaiate. I vuoti, le mancanze, tendono ad avere una cornice di ordine naturale e pura‐ mente fenomenico - „Sull’ampia spiaggia/ orfana per la marea/ i gambecchi/ danzanti e frenetici/ evitano le blande/ onde dell’oceano“ (p. 209) - mentre la pace la si ritrova in assenza dell’umano vociferare „quando i rambo/ della domenica/ col loro sguaiato vociare/ si ritirano. […]“ (p. 210). Il turismo si presenta come morbo dei luoghi e del paesaggio, per una sensibilità che tende alla misantropia, allo sbeffeggiamento e all’isolamento: „Sfuggo le macchine/ del piazzale, l’o‐ stentata/ sicurezza dei parlanti/ i desueti deretani/ che i jeans evidenziano/ Leggo dei due Voyagers/ che hanno completato/ l’identikit di Venere/ - beati loro -/ e raggiunto l’eliopausa“ (p. 211). Il peso di una realtà che sembra essersi fatta molesta non impedisce al poeta dei moti di ribellione e leggerezza; „il passero umanista“ (p. 219) immagina voli in auto sospinti dalla tramontana e affronta il peso dei ricordi della vita amorosa che si manifesta con toni pallidi e perciò vanno portati ancora una volta altrove „dentro scatoloni di cartone/ […] su una costa ricca d’azzurro“ (p. 223). 199 Recensione di Fra le due sponde Ecco dunque che la rivelazione del Mediterraneo si ripresenta in una Costa Azzurra invernale e mite, a un passo dalle Alpi Marittime e la neve. La sesta raccolta che compone il volume si svolge anch’essa in forma di dialogo, questa volta con un titolo italiano, Mare, accompagnato da un sottotitolo in inglese che introduce il tono colloquiale, I guess what you mean. I versi qui creano una ri‐ spettosa intimità con un Poseidone ugualmente divino e umano - „[…] Sento/ che stanotte molti pensieri/ ti sono passati per la testa“ (p. 261) - un bur‐ bero dio dai tratti a volte comprensivi, altre volte collerico, impaziente o persino goloso - „Anfitrite ha preparato per te/ dei filetti di turbot che il tuo/ pescivendolo ha pescato/ nella riserva del palazzo./ Per contorno delle patate/ à la jeunesse e carciofi/ filettati. Hai voluto di nuovo/ provare la cucina dei mortali […]“ (p. 266). Nel risvolto di copertina, a cura di Luigi Malerba, leggiamo che quelle di Sanna sono „Parole sussurate all’orecchio di un confessore laico, il lettore, che non osa fare domande ma ascolta in silenzio le parole del poeta“. Al termine di questa lettura ci si sente, in effetti, depositari di confidenze elargite con riserbo. 200 Leonardo Vilei Textnachweise Giuseppe Giambusso, Versi da sorseggiare/ Verse zum Nippen, unveröffentlicht. Immacolata Amodeo, Salvatore A. Sanna - Ein deutsch-italienischer Lyriker in Frankfurt, schriftliche Fassung eines Vortrags in der Deutsch-Italienischen Vereinigung e. V. Frankfurt, 17. März 2016, unveröffentlicht. Thomas Amos, Zur Lyrik von Salvatore A. Sanna. Eine Einführung, in: Salvatore A. Sanna, Fra le due sponde - Zwischen zwei Ufern. Gesammelte Gedichte Italienisch Deutsch, hrsg. von Thomas Amos, Tübingen: Narr 2004, S. VII-XXIV. Grazia Pulvirenti, Salvatore A. Sanna: Die „Feste“ der Worte, in: Letteratura de-centrata. Ita‐ lienische Autorinnen und Autoren in Deutschland. Texte und Analysen, hrsg. von Caroline Lüderssen und Salvatore A. Sanna, Frankfurt: Verlag Moritz Diesterweg 1995, S. 210-219. Lucia Perrone Capano, A casa nelle parole. La lirica di Salvatore A. Sanna, in: Die Fremde. Forme d’interculturalità nella letteratura tedesca contemporanea, a cura di Pasquale Gallo, introduzione di Giuseppe Farese, Fasano: Schena Editore 1998, S. 113-131. Anna Meda, La poesia di Salvatore A. Sanna fra ironia e sublime, in: Das Gesetz der Osmose. Salvatore A. Sanna zum 70. Geburtstag, hrsg. von Caroline Lüderssen und Cristina Ricca, Tübingen: Narr 2004, S. 18-23 (überarbeitete Fassung). Hermann H. Wetzel, Salvatore A. Sanna als Dichter von Erinnerungsorten, in: Das Gesetz der Osmose. Salvatore A. Sanna zum 70. Geburtstag, hrsg. von Caroline Lüderssen und Cristina Ricca, Tübingen: Narr 2004, S. 35-42. Peter Ihring, Un calice rosso - Ein roter Blütenkelch. Das nachgestellte Adjektiv als Übersetzungsproblem in der Lyrik Salvatore A. Sannas, in: Das Gesetz der Osmose. Salvatore A. Sanna zum 70. Geburtstag, hrsg. von Caroline Lüderssen und Cristina Ricca, Tübingen: Narr 2004, S. 44-55. Caroline Lüderssen, Mythos und Erfahrung: Salvatore A. Sanna im Dialog mit Cesare Pavese, in: Das Gesetz der Osmose. Salvatore A. Sanna zum 70. Geburtstag, hrsg. von Caroline Lüderssen und Cristina Ricca, Tübingen: Narr 2004, S. 57-68. Thomas Amos, „Due sfere s’incontrano“. Die deutsch-italienische Verständigung in Salvatore A. Sannas Gedichtsammlungen Fünfzehn Jahre Augenblicke und Wacholderblüten, in: Klaus Dieter Ertler (Hrsg.), Migration und Schreiben in der Romania, Wien: Lit 2006, S. 157 ff. Gerhard Goebel, Übersetzen und Vertonen am Beispiel dreier Gedichte von Salvatore A. Sanna, in: Das Gesetz der Osmose. Salvatore A. Sanna zum 70. Geburtstag, hrsg. von Caroline Lüderssen und Cristina Ricca, Tübingen: Narr 2004, S. 24-33. Thomas Amos, „Palestrina“ von Salvatore A. Sanna, in: Italienisch 52, November 2004, S. 72-76. Birgit Schneider, Nachwort, in: Salvatore A. Sanna, Wacholderblüten. Gedichte Italienisch Deutsch. Übertragen von Birgit Schneider. Mit zwei Zeichnungen von Fausto Melotti, Frankfurt am Main 1984, Privatdruck, S. 71-75. Gerhard Goebel, Der Sturz der Horizontale, in: Salvatore A. Sanna, Löwen-Maul. Gedichte Italienisch-Deutsch. Übertragung und Nachwort von Gerhard Goebel-Schilling. Mit zwei Zeichnungen von Ermanno Leinardi, Aarau: Verlag Sauerländer 1988, S. 91-97. Gerhard Goebel, Abschied und Aufbruch, in: Salvatore A. Sanna, Feste. Gedichte Italie‐ nisch-Deutsch. Übertragung und Nachwort von Gerhard Goebel-Schilling. Mit zwei Zeichnungen von Achille Perilli, Mainz: v. Hase & Koehler Verlag 1991, S. 95-99. Luigi Malerba, „Presentazione“, in: Salvatore A. Sanna, La fortezza dell’aria. Presenta‐ zione di Luigi Malerba. Tre disegni di Enrico Della Torre, Torino: ; Franco Masoero Editore 1995, S. 9-11. Christoff Neumeister, Einleitung, in: Salvatore A. Sanna, Mnemosyne. Hommage an die Mutter der Musen. Übertragung und Nachwort Gerhard Goebel. Einführung Christoff Neumeister. Zeichnungen Gianfranco Pardi. Aarau/ Frankfurt: Verlag für deutsch-ita‐ lienische Studien/ Sauerländer 1999, S. 7-11. Gerhard Goebel, Nachwort, in: Salvatore A. Sanna, Mnemosyne. Hommage an die Mutter der Musen. Übertragung und Nachwort Gerhard Goebel. Einführung Christoff Neu‐ meister. Zeichnungen Gianfranco Pardi. Aarau/ Frankfurt: Verlag für deutsch-italie‐ nische Studien/ Sauerländer 1999, S. 91-93. Caroline Lüderssen, leicht überarbeitete Fassung der Einführung, in: Salvatore A. Sanna, Mare. I guess what you mean. Gedichte italienisch-deutsch. Übertragen von Caroline Lüderssen. Mit einer Zeichnung von Marco Casentini, Tübingen: Narr 2009, S. 7-9. Gino Chiellino, Salvatore A. Sanna, in: Als Dichter in Deutschland. Scrivere poesia in Ger‐ mania, Dresden 2011, S. 175 ff. Grazia Pulvirenti, Sublime e quotidiano nella lirica di Salvatore A. Sanna, in: Rassegna di Cultura e Vita Scolastica, Anno XLI, N. 12, dicembre 1987. 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Sannas erster Gedichtband erschien 1978 mit dem Titel Fünfzehn Jahre Augenblicke, es folgte 1984 Wacholderblüten, 1988 Löwen-Maul, 1991 Feste, 1999 Mnemosyne, 2009 Mare. I guess what you mean. Das Gesamtwerk erschien 2004 im Gunter Narr Verlag unter dem Titel Fra le due sponde/ Zwischen zwei Ufern. Gedichte Italienisch Deutsch, herausgegeben von Thomas Amos, und auf Italienisch im Verlag Il Maestrale, Nuoro (2014). Sanna hat selbst den Begriff der „Letteratura de-centrata“ geprägt, er verfasste seine Gedichte auf Italienisch, veröffentlichte seine Texte aber immer zweisprachig italienisch/ deutsch, um auch das des Italienischen nicht mächtige Lesepublikum zu erreichen. Die hier vorgelegte Sammlung mit Texten in italienischer und deutscher Sprache erlaubt erstmals eine Zusammenschau der kritischen Texte über Sannas Lyrik. ISBN 978-3-8233-8406-9