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Lebenskunst nach Leopardi

2020
978-3-8233-9416-7
Gunter Narr Verlag 
Milan Herold
Barbara Kuhn

Leopardis Dichtung und Philosophie werden gemeinhin als ausschließlich oder doch überwiegend pessimistisch beschrieben, obgleich der Autor selbst sich wiederholt gegen eine solche vereindeutigende und reduktive Lektüre aussprach. Tatsächlich lassen sich immer wieder in seinem Werk anti-pessimistische Strategien entdecken, etwa, wenn Leopardi über die Wirkung eines <<pezzo di vera, contemporanea poesia>> schreibt: <<essa aggiunge un filo alla tela brevissima della nostra vita>> (Zibaldone 4450). Der Band leistet einen facettenreichen Beitrag zur Überwindung des <Stereotyps des Pessimismus> (Antonio Prete), das noch immer die Rezeption des ungleich vielfältigeren Werks dominiert.

Milan Herold Barbara Kuhn (Hrsg.) Lebenskunst nach Leopardi Anti-pessimistische Strategien im Werk Giacomo Leopardis Lebenskunst nach Leopardi Periodikum der Deutschen Leopardi-Gesellschaft 29/ 30 Milan Herold, Barbara Kuhn (Hrsg.) Lebenskunst nach Leopardi Anti-pessimistische Strategien im Werk Giacomo Leopardis Umschlagabbildung: Ausschnitt aus Sandro Botticelli, La Primavera, 1482. Bildquelle: commons.wikimedia.org/ wiki/ File: Botticelli-primavera.jpg Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. Gedruckt mit freundlicher Unterstützung des Romanischen Seminars der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. © 2020 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de CPI books GmbH, Leck ISSN 1436-2260 ISBN 978-3-8233-8416-8 (Print) ISBN 978-3-8233-9416-7 (ePDF) ISBN 978-3-8233-0278-0 (ePub) www.fsc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC ® C083411 ® 5 Inhalt Barbara Kuhn Zeit, Gesang und Lebenskunst. Zur Frage einer «arte del vivere» nach Leopardi. Einführende Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Tempo, canto e arte del vivere. Modi e concetti di un’«arte del vivere» leopardiana. Riflessioni preliminari I Lebensbegriffe Helmut Meter Zwischen anti-pessimistischem Kalkül und latentem Optimismus. Zur «arte del vivere» in Leopardis Pensieri . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Tra calcolo anti-pessimistico e latente ottimismo. Sull’«arte del vivere» nei Pensieri di Leopardi Antonio Panico Leopardi persuasore di vita? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Leopardi als Lebensbejaher? Martina Kollroß ‹Dal nulla alla vita›. Leopardis Lebensbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 ‹Dal nulla alla vita›. La concezione leopardiana della vita II Heiterkeiten Milan Herold «Ernst ist das Leben, heiter ist die Kunst». Leopardis Konzepte der Heiterkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 «È seria la vita, allegra è l’arte». Concetti leopardiani della serenità Paul Strohmaier Heiterkeit, posthuman. Leopardi und die Astronomie . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 Serenità, postumana. Leopardi e l’astronomia 6 Inhalt III Lyrische Strategien Giuseppe Antonio Camerino «Chi mi ridona il piangere dopo cotanto obblio? ». Il Risorgimento di Leopardi e le risorse del cuore . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 «Wer schenkt nach so tiefem Vergessen mir die Tränen? ». Leopardis Risorgimento und die verborgenen Kräfte des Herzens Annika Gerigk Verwirrung als Programm. Il tramonto della luna, gelesen als erkenntnistheoretisches Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 La confusione programmata. Una lettura de Il tramonto della luna come problema gnoseologico IV Leopardi im Dialog Giulia Abbadessa La satira di Leopardi contro l’Ottimismo di Leibniz. Per un’ironia più che romantica . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 Leopardis Satire gegen Leibniz’ Optimismus. Für eine mehr als romantische Ironie Luigi Capitano La felicità delle chimere. Leopardi e Rousseau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 Das Glück der Chimären. Leopardi und Rousseau Giovanni di Stefano «Leopardi produce l’effetto contrario a quello che si propone». Francesco De Sanctis’ Dialog Schopenhauer und Leopardi . . . . . . . . . . . . . . 249 «Leopardi produce l’effetto contrario a quello che si propone». Il dialogo Schopenhauer e Leopardi di De Sanctis Uta Degner Poetische Lebens-Kunst mit Leopardi. Ingeborg Bachmanns Anrufung des Großen Bären . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 L’arte della vita con Leopardi. Invocazione all’Orsa Maggiore di Ingeborg Bachmann Zeit, Gesang und Lebenskunst 7 Zeit, Gesang und Lebenskunst Zur Frage einer «arte del vivere» nach Leopardi Einführende Überlegungen Tempo, canto e arte del vivere Modi e concetti di un’«arte del vivere» leopardiana Riflessioni preliminari Barbara Kuhn Della lettura di un pezzo di vera, contemporanea poesia, in versi o in prosa […], si può, e forse meglio, (anche in questi sì prosaici tempi) dir quello che di un sorriso diceva lo Sterne; che essa aggiunge un filo alla tela brevissima della nostra vita. Essa ci rinfresca, p. così dire; e ci accresce la vitalità. (Zibaldone 4450, 1.-Feb. 1829 1 ) Und wie seltsam wird das Phrasengeräusch der Pessimisten von der Nichtigkeit der Welt übertönt durch dieses memento vivere ihres größten Dichters! (Paul Heyse 2 ) 1 Giacomo Leopardi: Zibaldone. Ed. commentata e revisione del testo critico a cura di Rolando Damiani. Tomo secondo. Milano: Mondadori 3 2003, 3007sq. Im folgenden wird aus dem Zibaldone unter Angabe der Sigle Zib. und der Seitenzahl des Autographs nach dieser Ausgabe zitiert. Die Übersetzung folgt, wo nicht anders angegeben, folgender Ausgabe: Giacomo Leopardi: «Zibaldone. Gedanken zur Literatur», in: id.: Ich bin ein Seher. […] Aus dem Ital. hg. von Sigrid Siemund. Leipzig: Reclam 1990, hier 477 [«Über die Lektüre eines Stücks wahrer Gegenwartsdichtung in Versen oder in Prosa […] kann man (auch in diesen prosaischen Zeiten) und vielleicht besser, das sagen, was Sterne über ein Lächeln sagte: daß sie dem so kurzen Gewebe unseres Lebens ein Fädchen hinzufügt. Sie erfrischt uns sozusagen; und erhöht unsere Lebenskraft»]. 2 Paul Heyse: «Leopardis Weltanschauung», in: Giacomo Leopardi: Opuscula moralia oder Vom Lernen, über unsere Leiden zu lachen. Operette morali. Ausgesucht und übers. von 8 Barbara Kuhn «Kennen Sie Leopardi, Ingenieur, oder Sie, Leutnant? » Nicht von ungefähr stellt in Thomas Manns 1924 erstmals in Buchform erschienenem Zauberberg Lodovico Settembrini diese Frage an Hans Castorp und dessen Vetter Joachim. Offenbar konnte der Italiener solche Kenntnis nicht voraussetzen, denn er fährt fort: «Ein unglücklicher Dichter meines Landes, ein bucklichter, kränklicher Mann mit ursprünglich großer, durch das Elend seines Körpers aber beständig gedemütigter und in die Niederungen der Ironie herabgezogener Seele, deren Klagen das Herz zerreißen. Hören Sie dieses! », und man kann sich fragen, was Settembrini dann wohl vor den beiden Herren, die ihn nicht verstehen, rezitiert, bevor er weiter über den «Krüppel Leopardi», über die «Verkümmerung seiner Seele» und sein «[V]erzweifel[n] an Wissenschaft und Fortschritt» 3 räsonniert: vielleicht A se stesso, An sich selbst, in dem dem Ich die Welt nur mehr wie Schlamm erscheint, «e fango è il mondo» (v.-10)? Vielleicht die ironischen «magnifiche sorti e progressive» aus La ginestra (v.- 51 [die «großartige[n] und fortschrittliche[n] Geschicke»])? Oder vielleicht Sapphos letzte[n] Gesang, den Ultimo canto di Saffo, ehe die unglückliche Dichterin sich - möglicherweise - vom Leukadischen Felsen stürzt? Die Spekulation über das ungeschriebene Tun einer Romanfigur braucht nicht fortgeführt zu werden; sie ist ebenso müßig wie die Suche nach einer Antwort auf die Frage, ob Settembrini möglicherweise die Operette morali, vor allem den Dialog zwischen der Natur und einer Seele, allzu schlicht und unmittelbar auf deren Schöpfer bezogen hat, wenn er von Tragik spricht und von der grausamen Natur, die «einen edlen und lebenswilligen Geist mit einem zum Leben nicht tauglichen Körper verband» und so die «Harmonie der Persönlichkeit» gebrochen oder «von vornherein unmöglich» 4 gemacht habe. Zu erwägen ist aber dennoch die Frage, warum Settembrini diese Frage überhaupt stellen muß und zudem, offenbar zu recht, davon ausgeht, daß seine deutschen Zuhörer den berühmten italienischen Dichter nicht kennen, denn dieser Befund, der hier im Rahmen der Fiktion knappe 100- Jahre nach der Entstehung von Leopardis Texten angestellt wird, scheint auch weitere knappe 100-Jahre später in Teilen immer noch zuzutreffen, wenn etwa noch in einer 2002 erschienenen Dissertation statt von einer «fortuna di Leopardi in Germania» nur von einer «sfortuna» zu lesen ist, von Mißgeschick und Unglück, und dies konkretisiert wird in den Worten: Burkhart Kroeber auf der Basis der Erstübersetzung von Paul Heyse. Berlin: AB - Die andere Bibliothek 2017, 300. 3 Thomas Mann: Der Zauberberg. Roman. Frankfurt a.M.: S. Fischer 1986, 141. 4 Ibid. Zeit, Gesang und Lebenskunst 9 Im Falle Leopardis ist die merkwürdige Situation zu konstatieren, daß über einen Autor der hierzulande traditionell so beliebten italienischen Kultur und Literatur, der in seinem Heimatland ähnlich aufbereitet ist wie in Deutschland Goethe, Kafka oder Thomas Mann […], auch nach zweihundert Jahren vor allem Klischees kursieren. 5 Doch nicht nur im deutschen Sprachraum existieren solche Klischees, existieren jene Schubladen, in die Leopardi oft vorschnell gesteckt wird, auch wenn hier möglicherweise das eine oder andere Mißverständnis in Übersetzungen und Deutungen des komplexen Werks eine zusätzliche Rolle spielen mag 6 und auch wenn insbesondere das große Interesse Schopenhauers, der glaubte, in dem Dichter aus Recanati einen Geistesverwandten gefunden zu haben, die Rezeption vor allem, wenngleich keineswegs nur 7 hierzulande in eine spezifische Richtung lenkte. Die wichtigste und beliebteste Schublade, die bis in die Gegenwart immer wieder dazu dient, diese Texte in ihrer Komplexität, ihrer Offenheit und Vieldeutigkeit weniger zu erschließen, als zu verbergen, indem sie ihnen, statt Offenheit und Vieldeutigkeit zuzulassen, ein einheitliches Etikett aufklebt und sie so teilweise bis zur Unkenntlichkeit reduziert, 8 ist eben die des angeblichen, 5 Christof Nahen: Leopardi-Variationen. Über Poetik als Kulturkritik. Aachen: Shaker 2002, 24 und 15. 6 Die Geschichte dieser Mißverständnisse und ihre Konsequenzen für das Bild Leopardis und seines Werks wären ein lohnenswerter und vergnüglicher Gegenstand eines eigenen Beitrags: Man denke nur an die Vielfalt der Übersetzungen des Infinito und die Frage, ob nun das Herz ‹beinahe› oder gerade ‹nicht› erschrickt, aber auch an die Verwechslungen des Pronomens «mi» mit einem Reflexivpronomen in «io nel pensier mi fingo» oder «eterno io mi credei», so daß dieses lyrische Ich nicht unendliche Räume sich in Gedanken erschafft, sondern vermeintlich sich selbst fingiert, oder daß es nicht die Illusionen, sondern sich selbst für ewig hielt. 7 So spricht etwa Invernizzi zwar zunächst noch vorsichtig vom «cosiddetto pessimismo storico» Leopardis, greift das Konzept aber wenig später als offenbar fraglos gesetztes wieder auf, wenn er vom «passaggio dal pessimismo storico a quello cosmologico» handelt, der die folgende Schaffensphase bestimme (Giuseppe Invernizzi: «Leopardi, Schopenhauer e il pessimismo europeo», in: Italienisch 40 [1998], 20 und 22). Gegen diese Reduktion Leopardis auf das pessimistisch-nihilistische Denken Schopenhauers, die, wenngleich heute «l’insopportabile ritornello relativo alla tonalità pessimistica dell’opera leopardiana» vielleicht weniger häufig gespielt werde, dennoch geradezu einen «luogo comune» darstelle, schreibt etwa Miranda: «Troppo spesso l’accostamento Schopenhauer-Leopardi si è rivelato funzionale all’esigenza, affatto ideologica, di omologare la complessa meditazione leopardiana […] alle tonalità pessimistico-nichilistiche del pensiero schopenhaueriano» (Ernesto Miranda: «Per un etica tragica. Il paradigma dell’antico in Schopenhauer e Leopardi», in: Rivista di letteratura italiana 23 [2005], 35). 8 So weist etwa Palandri darauf hin, daß die Rede vom «pessimismo leopardiano» häufig eingesetzt werde «per liquidare le difficoltà che il suo pensiero presenta» (Enrico Palandri: Verso L’infinito. Firenze / Milano: Bompiani 2019, 153), und schon Negri hatte dieselbe Vokabel gebraucht, um die reduktive Wirkung des Stereotyps zu unterstreichen: «Una volta, Leopardi e Schopenhauer, era lo stereotipo che si usava per liquidare la portata 10 Barbara Kuhn gleichsam mantraartig wiederholten und daher schon fast legendären Pessimismus, der in seinen diversen Spielarten durch viele Publikationen geistert. So ist etwa die Rede von einem individuellen oder psychologischen Pessimismus, in einer nächsten Phase von einem historischen Pessimismus, die schließlich gar gekrönt werde von einem allumfassenden kosmischen Pessimismus in den letzten Lebens- und Schaffensjahren - aber ganz gleich, welche Facette gewählt wird, sie reduziert stets das vielgestaltige und vieldeutige Werk Leopardis auf die eine und in sich schon reduktive Dimension: auf jenes Stereotyp des Pessimismus, das einem sich unaufhörlich verändernden Dichten, einem Denken in ständiger Bewegung nicht gerecht werden kann. 9 Ein Text, der nicht nur besonders häufig Gegenstand der Forschung geworden ist, sondern zudem vielfach mit der beliebten Pessimismus-Formel bedacht wurde, ist Il passero solitario, der daher besonders geeignet scheint, um in einführenden Überlegungen der Frage nach möglichen anti-pessimistischen Strategien und nach jener spezifischen Lebenskunst nachzugehen, von der Leopardi im 79. seiner Pensieri handelt: jener Frage, der sich auch der 30.-Leopardi-Tag der Deutschen Leopardi-Gesellschaft vom 18. bis zum 20.-Juli 2019 an der Universität Bonn, dem Gründungsort der Gesellschaft, in einer Vielzahl von breit gefächerten Vorträgen, Diskussionen und einer Lesung von Burkhart Kroeber aus seiner Übersetzung der Operette morali widmete. Denn einmal mehr zeigt sich auch und gerade im Passero solitario, daß entgegen der verbreiteten Forschungsmeinung, die versucht, den Text bruchlos mit der Pessimismus-These zu verknüpfen, eine genaue Lektüre des Gedichts, die auf dieses vermeintliche Geländer verzichtet und sich statt dessen auf den Text selbst einläßt, anderes sovversiva della critica leopardiana. […] Leopardi, ovvero il grande vinto, il pessimismo cosmico, ecc. Nulla di meno vero. Questo andare di citazione in citazione, scegliendo le più disperate e tirandone conclusioni definitorie, è solo un malvezzo» (Antonio Negri: Lenta Ginestra. Saggio sull’ontologia di Giacomo Leopardi. Milano: Mimesis 2001, 107sq.; diese Passage zitiert auch Miranda zu Beginn seines Aufsatzes: cf. Miranda: «Per un etica tragica», 35). 9 Cf. das kurze Schlußkapitel im erst kurz nach der Tagung, auf die dieser Band zurückgeht, erschienenen Buch von Prete, das überschrieben ist mit «Oltre lo stereotipo del pessimismo» (173-184), und hier insbesondere: «Tra le formule critiche di più elevata divulgazione e più ostinate, c’era, e sopravvive ancora, quella del pessimismo. È vero che presso molti critici questa parola, riferita al pensiero leopardiano, appare all’interno di indagini preziose e può non avere una sua assolutezza definitoria. Ma, al di là di quelle pagine critiche, nell’uso scolastico la parola può impedire, proprio per la sua astrazione e genericità, di cogliere la relazione profonda che c’è in Leopardi tra la teoresi e la poesia, tra l’interrogazione filosofica e la forma poetica. Può anche impedire di considerare la variabile e a volte vivacemente contraddittoria modulazione di un pensiero in costante movimento, che non mira a una compiuta e statica formulazione» (Antonio Prete: La poesia del vivente. Leopardi con noi. Torino: Bollati Boringhieri 2019, 174sq.). Zeit, Gesang und Lebenskunst 11 sichtbar zu machen vermag als nur die erneute Bestätigung des allzuoft Wiederholten 10 . Anders als in der großen Mehrzahl der dem «Passero» gewidmeten Beiträge der Forschungsliteratur, die vor allem anderen und immer wieder den Fragen der Entstehungszeit des canto, seiner Quellen und der mit dem «passero solitario» gemeinten Vogelart nachging 11 , nähern sich die hier vorgeschlagenen Überlegungen dem Gedicht von einigen anderen Vögeln im Werk Leopardis her an, die die mit den fliegenden und singenden Wesen verknüpften Konnotationen in Erinnerung rufen und so die Lektüre des Gedichts, statt primär durch bisherige Forschungsbeiträge, durch die Bilder-, Klang- und Gedankenwelt des Leopardischen Werks grundieren. 10 Sowohl Prete als auch Negri betonen ihrerseits die Erfahrung, daß die unmittelbare Konfrontation mit den Texten selbst anderes offenbart als die über Forschung und Kritik vermittelten Schablonen. So erzählt ersterer von seiner Erfahrung mit Leopardi im Schulunterricht: «mi accorgevo che il testo così com’era, libero dalle interpretazioni sopravvenute e dalle formule critiche, era una fonte ricchissima di suggerimenti e di provocazioni, soprattutto era una messa in questione di un orizzonte culturale prestabilito e convenzionale» (ibid., 174). Und letzterer unterstreicht im Vorwort zur Neuausgabe seiner Lenta Ginestra ebenfalls die Diskrepanz zwischen der Fülle der Interpretationen des Werks und der eigenen Lektüre, die einen ganz anderen Leopardi enthüllte, weil sie ihr eben nicht das ‹Labyrinth der Interpretationen› voranstellte, sondern die Texte selbst zum Sprechen, zu einem anderen Sprechen, brachte: «quando leggevo Leopardi, con breve ricorso al buon senso io mi trovavo subito a negare quello che loro, quasi unanimi, sostenevano e che il labirinto [delle interpretazioni leopardiane] nascondeva: cioè che Leopardi fosse solo poeta e non anche philosophe; che Giacomo fosse uno psicopatico e non invece un uomo disperatamente capace di gioia, che la sua ontologia […] fosse pessimista, in termini metafisici» (Negri: Lenta Ginestra, 7). 11 Cf. stellvertretend für viele Beiträge den Aufsatz von Sconocchia, der ausführlich noch einmal sowohl die vorgeschlagenen Quellen von Bibel und antiker Literatur bis zu Leopardis Gegenwart als auch die Geschichte der Forschungsliteratur resümiert, um abschließend eine weitere mögliche Quelle, «una possibile fonte umanistica non dichiarata» (714) aus dem 16.- Jahrhundert vorzuschlagen: ein lateinischsprachiges Gedicht des friaulischen Dichters Federico Frangipane (Sergio Sconocchia: «Per una storia del ‹Passero solitario› di Leopardi», in: Concentus ex dissonis. Scritti in onore di Aldo Setaioli. A cura di Carlo Santini / Loriano Zurli / Luca Cardinali. Tomo secondo. Napoli: Edizioni Scientifiche Italiane 2006, 681-719). Exemplarisch findet sich ein Teil der zahllosen Beiträge zum Passero solitario im Literaturverzeichnis am Ende dieser einführenden Überlegungen zusammengestellt; bis auf wenige Ausnahmen, bei denen ich direkt einen Bezug herstelle, werde ich sie jedoch nicht einzeln in den Anmerkungen auflisten, um diese nicht über Gebühr in die Länge zu ziehen. 12 Barbara Kuhn I. Leopardis Vögel Während in Alla primavera o delle favole antiche der «Musico augel» 12 oder «sangeskundige[…] Vogel […] die Rückkehr- | des Frühlings», «il rinascente anno» (v.- 71sq.), in «klangreichen Lieder[n]» besingt, die, anders offenbar als die Lieder dieses hier singenden Ich, keine Klagelieder sind, nicht aus dem Schmerz entstehen («quelle tue varie note-| Dolor non forma», v.-78sq.), vermißt die unglückliche Dichterin Sappho gerade den «canto-| De’ colorati augelli», der «me non […] saluta» (Ultimo canto di Saffo, vv.- 29-31 [«Mich begrüßt nicht- | der farbigen Vögel froher Gesang»]): Noch in der Negation durch das lyrische Ich hebt das Gedicht so das herausragende Charakteristikum der Vögel desto stärker hervor: Vor allem anderen singen sie, und kaum ist der Sturm vorbei, singen sie schon wieder, wie das berühmte Incipit von La quiete dopo la tempesta erinnert: «Passata è la tempesta: -| Odo augelli far festa» (v.1sq. [«Vorüber ist das Gewitter.-| Vögel höre ich jubeln»]). 13 Entsprechend scheint diesen gefiederten Wesen ein leichteres Leben vergönnt, wie auch der Hirte im Canto notturno di un pastore errante nell’Asia oder Nachtgesang eines Hirten, der in Asien umherstreift, sich vorstellt: Forse s’avess’io l’ale Da volar su le nubi, E noverar le stelle ad una ad una, O come il tuono errar di giogo in giogo, Più felice sarei, dolce mia greggia, 12 Leopardis Gedichte werden unter Angabe von Gedichttitel und Verszahl stets zitiert nach der Ausgabe: Giacomo Leopardi: Poesie e Prose. Vol.- I. Poesie. A cura di Mario Andrea Rigoni con un saggio di Cesare Galimberti. Milano: Mondadori 3 1990. Übersetzungen folgen, wo nicht anders angegeben, der weitgehend so nah wie möglich am Originaltext bleibenden Ausgabe: id.: Canti e frammenti. Gedichte und Fragmente. Italienisch / Deutsch. Übers. von Helmut Endrulat. Hg. von Helmut Endrulat / Gero Alfred Schwab. Stuttgart: Reclam 2011. Gelegentlich werden stillschweigend kleine Änderungen vorgenommen, wenn zum Verständnis der Argumentation noch größere Nähe erforderlich ist. 13 Vergnüglich ist die Fortsetzung dieses Bildes am Gedichteingang, die selbst den Hühnern einen Vers in diesem Gesang oder Gedicht zugesteht: «Odo […] la gallina,-| Tornata in su la via,-| Che ripete il suo verso» (vv.-2-4 [«Die kleine Henne-| kehrt auf die Gasse zurück-| und gackert erneut ihren Vers»]). Wie sowohl diese Verse als auch die folgenden Seiten zeigen, könnten die hier angestellten Überlegungen - nicht zuletzt als kleine Hommage an Antonio Tabucchi, der ebenfalls ein stimulierender Leopardi-Leser war - auch I volatili di fra Giacomo heißen, um das oft vergessene oder überlesene Gewitzt-Witzige an den Gesängen dieses «frère Jacques› oder ‹Bruder Jakob› zu betonen, drohte ein solcher Titel nicht, als entweder zu respektlos oder seinerseits zu vereindeutigend wahrgenommen zu werden. Die Vielzahl der Vögel Leopardis bleibt trotz des Verzichts auf die Hommage sprechend, und an Tabucchis Leopardi- (und Leopardi-Pessoa-)Texte sei zumindest en passant erinnert. Zeit, Gesang und Lebenskunst 13 Più felice sarei, candida luna. O forse erra dal vero, Mirando all’altrui sorte, il mio pensiero: Forse in qual forma, in quale Stato che sia, dentro covile o cuna, È funesto a chi nasce il dì natale. (Canto notturno, vv.-133-143) [Vielleicht, wenn ich Flügel hätte,-| über den Wolken zu fliegen,-| die Sterne zu zählen, einen nach dem andern,-| oder als Donner von Berg zu Berg zu irren,-| wäre ich glücklicher, du liebe Herde,-| wäre ich glücklicher, du weißer Mond.-| Oder vielleicht irrt mein Sinn, wenn er das Schicksal-| andrer betrachtet, und verfehlt die Wahrheit.-| Vielleicht bringt einem jeden,-| ob in der Höhle, ob in der Stube geboren,-| der Tag der Geburt schon sein Verhängnis. 14 ] Wie in den drei zuvor zitierten Texten geht es auch in diesem Gedicht nicht eigentlich um Vögel, aber dennoch werden diese hier am Ende über die Flügel als zweitem Spezifikum neben dem Gesang sozusagen synekdochisch ins Gedicht hereingeholt: Mit den Flügeln assoziiert der singende Hirte die Vorstellung des Fliegens, das ihm wie eine Befreiung aus seiner Beschränkung erscheint. Fliegend, so denkt er, könnte er sich über sein kleines, unbedeutendes Dasein erheben, darüber schweben und damit über den bedrängenden Fragen seines Lebens, über der Frage nach dem Sinn des lebenslangen Sich-Abmühens stehen, und dann wäre er, wie die anaphorische Wiederholung des «Più felice sarei» unterstreicht, glücklicher. Trotz dieser Selbstbeschwörung jedoch ist dieses Glück nur im Konditional zu haben, nur in der Abhängigkeit vom Bedingungssatz, der durch seine Form und zudem durch das einleitende «Vielleicht» (v.-133) schon Zweifel anmeldet, und diese Zweifel am ‹Dann wäre ich glücklicher› werden noch hartnäckiger, wenn das «Vielleicht» gleich zweimal (v.-139 und 141) wiederholt wird: Vielleicht ist auch dies ja nur eine Illusion. Zur Gewißheit gelangt der singende Hirte nicht mit seinem Canto notturno, im Gegenteil; er gelangt zum dreimaligen «Forse», das mithin das ist, was vor allem stehen bleibt am Ende des Gedichts: Sicher ist nicht, daß er fliegend sein Glück fände, sicher ist aber ebensowenig, daß alles von Geburt an unheilvoll ist; sicher ist allein die im «forse» signalisierte und mit dem Gesang realisierte Möglichkeit des Gedankenflugs, die Möglichkeit, sich im canto dank der Imagination momentan aus seinem Trübsinn zu befreien, auch wenn das Ich dadurch nicht zum bewußtlosen Tier wird, sondern eher ein Melancholiker bleibt, wie sein bilder- und gedankenreicher canto in seinen suggestiven Klängen belegt. 14 Modifizierte Übersetzung, hier in Anlehnung an Helmut Endrulat und Hanno Helbling. 14 Barbara Kuhn Während hier der Hirte an seinem «pensiero» festhält und nur - aber immerhin - im dreimaligen «forse» dessen Relativierung durch andere Denk- und Lebensweisen andeutet, inszeniert Leopardi in einem anderen Text einen Philosophen, der, seinem sprechenden Namen zufolge, ein «spensierato» ist, Amelio, der Sorgenfreie oder, wörtlicher, Gedankenlose, der demnach seine Gedanken auch in der «immensità» des weiten Himmels fliegen lassen kann: Wie das Ich des Infinito, das sie in der Unermeßlichkeit des Meeres versinken läßt und so den Schiffbruch als Wonne erlebt, weil die Gedanken es einmal nicht weiter verfolgen 15 , imaginiert Amelio sich als frei, unbeschwert und unbekümmert über allem fliegender und singender Vogel. In diesem Fall handelt es sich nicht um einen der Canti, nicht um ein Gedicht, sondern um eine der Operette morali, den Elogio degli uccelli, das Lob der Vögel, das, anders als die meisten Operette, nicht in Dialogform gehalten ist, sondern nach einer kurzen Einleitung, wie der Titel ankündigt, der Form des Enkomion gehorcht. Hier heißt es über den Philosophen und die Situation, in der das Enkomion entsteht: Amelio filosofo solitario, stando una mattina di primavera, co’ suoi libri, seduto all’ombra di una sua casa in villa, e leggendo; scosso dal cantare degli uccelli per la campagna, a poco a poco datosi ad ascoltare e pensare, e lasciato il leggere; all’ultimo pose mano alla penna, e in quel medesimo luogo scrisse le cose che seguono. (153) [An einem Frühlingsmorgen, als der einsame Philosoph Amelios umgeben von seinen Büchern lesend im Schatten seines ländlichen Hauses saß, wurde er vom Singen der Vögel ringsum so abgelenkt, dass er ihnen mehr und mehr zuhörte, über sie nachzudenken begann, schließlich das Lesen aufgab und zur Feder griff, um Folgendes zu schreiben. (161)] 16 Auch hier spielt der Vogelgesang eine wichtige Rolle, der sich mithin nicht auf bloßes Zwitschern reduziert, denn vor allem zwei Gründe sind es, die Amelio, den sorgenfreien Philosophen, das Lob der Vögel singen lassen: ihr Gesang und ihr Fliegen, und damit auch jene Punkte, die den Elogio mit dem Canto notturno 15 «[…] Così tra questa- | Immensità s’annega il pensier mio: - | E il naufragar m’è dolce in questo mare» (vv.-13-15 [« […] Und so, in dieser-| Unermeßlichkeit, ertrinkt mein Denken,-| und süß ist mir, Schiffbruch zu leiden in diesem Meere»]). 16 Operette morali und Pensieri werden nach folgender Ausgabe zitiert: Giacomo Leopardi: Poesie e Prose. Vol.- II. Prose. A cura di Rolando Damiani. Milano: Mondadori 1988. Die (hier leicht modifizierte) Übersetzung der Operette ist die vor wenigen Jahren erschienene und oben bereits genannte von Burkhart Kroeber: Leopardi: Opuscula moralia oder Vom Lernen, über unsere Leiden zu lachen. Am Rande sei an dieser Stelle Burkhart Kroeber noch einmal herzlich dafür gedankt, daß er die Tagung, auf die vorliegender Band zurückgeht, durch eine wunderbare Lesung aus diesen Opuscula moralia bereicherte und so in Leopardis Operette einmal mehr Neues zum Klingen brachte, das immer neu zum unabschließbaren Nachsinnen anregt. Zeit, Gesang und Lebenskunst 15 verbinden. So wie sich dort der Hirte in seinem Gesang Flügel zum Fliegen wünscht, so wünscht Amelio am Ende seines Elogio: «io vorrei, per un poco di tempo, essere convertito in uccello, per provare quella contentezza e letizia loro» (160 [«so wäre ich gern für ein Weilchen in einen Vogel verwandelt, um die Zufriedenheit und Heiterkeit seines Lebens zu erfahren», 171]). Und wie der Hirte glaubt, wer Flügel hat und über den Wolken fliegen kann, müsse glücklicher sein als er auf seinen beschwerlichen Erdenwegen, so vermutet auch Amelio, die Zufriedenheit und Heiterkeit der Vögel hänge mit ihrem Fliegen und unaufhörlichen Singen zusammen. Der Gesang im allgemeinen und im besonderen der Vogelgesang ist für ihn ein Zeichen von Fröhlichkeit, gleichsam ein Lachen: Trost und Vergnügen bereite der Vogelgesang den Menschen oder, wie er vermutet, sogar allen Lebewesen, und zwar weder aufgrund der Süße des Klangs noch aufgrund seiner Vielfalt oder Harmonie, sondern weil er Freude bedeute: aufgrund «quella significazione di allegrezza che è contenuta per natura, sì nel canto in genere, e sì nel canto degli uccelli in ispecie. Il quale è, come a dire, un riso, che l’uccello fa quando egli si sente star bene e piacevolmente» (155 [aufgrund «jener Bekundung von Fröhlichkeit, die naturgemäß in jedem Gesang, besonders aber in dem der Vögel steckt. Ist er doch gleichsam ein Lachen, in das der Vogel ausbricht, wenn er sich wohl und vergnügt fühlt», 164]). Insofern die Vögel, wie Amelio fortfährt, folglich durch ihren Gesang am menschlichen Privileg, das einzige animal ridens zu sein, teilhaben, wird das Lob der Vögel insgeheim zu einem ‹Lob des Lachens› und kehrt sich damit in diesem kleinen Exkurs die Argumentation beinahe um: Obwohl die menschliche Spezies «unter allen Geschöpfen das geplagteste und elendeste» ist (164), «infra tutte le creature […] la più travagliata e misera» (155), besitzt der Mensch doch die Fähigkeit, noch unter den widrigsten Umständen zu lachen, selbst wenn er das Unglück des Lebens kennt und von der Eitelkeit aller menschlichen Güter überzeugt ist. Im Grunde scheint die Fähigkeit zu lachen ausgerechnet in jenem Wesen, das nicht nur das lachende, sondern auch das denkende Tier sein soll, zumindest paradox, wenn nicht gar eine Art momentaner Verrücktheit, eine «specie di pazzia non durabile», die sich der Mensch gelegentlich sogar durch Trunkenheit verschafft, weil es einen vernünftigen Grund zum Lachen im Dasein des unglücklichsten unter allen Lebewesen ja eigentlich nicht gebe, das Lachen aber erlaubt, sich selbst und sein Leben zeitweise zu vergessen. Dieses menschliche Lachen also sei dem Vogelgesang vergleichbar, der jedoch, und damit beschließt Amelio seinen Exkurs über das Lachen, anders als das Singen und Lachen der Menschen, das privat bleibe, dank des Wirkens der Natur öffentlich gehört werde und daher, wie jede Heiterkeit anderer, wo sie keinen Neid auslöst, tröste und erfreue: 16 Barbara Kuhn sapientemente [la natura] operò che la terra e l’aria fossero sparse di animali che tutto dì, mettendo voci di gioia risonanti e solenni, quasi applaudissero alla vita universale, e incitassero gli altri viventi ad allegrezza, facendo continue testimonianze, ancorchè false, della felicità delle cose. (157) [mit großer Weisheit hat die Natur es so eingerichtet, dass die Erde und die Luft erfüllt ist mit Tieren, die den ganzen Tag lang festliche Freudenstimmen erklingen lassen, als applaudierten sie gleichsam dem Leben selbst, und die anderen Wesen zum Frohsinn anstacheln, indem sie ununterbrochen Zeugnis ablegen, mag es auch falsch sein, von der Glückseligkeit aller Dinge. (167)] Mit diesem falschen Zeugnis, das dennoch seine gute Wirkung tut, kehrt er zu den Vögeln zurück, die nicht grundlos die fröhlichsten unter allen Lebewesen seien, mithin nicht grundlos fast ununterbrochen singen und somit vom scheinbaren Glück künden können: Da sie ebenso ununterbrochen den Ort wechseln, von Land zu Land fliegen, ohne sich irgendwo lang aufzuhalten, sich aus der Tiefe bis in die höchsten Lüfte erheben, sind sie nicht der noia, der Langeweile, unterworfen und von daher viel eher dazu geschaffen, zu genießen und glücklich zu sein. Sie sehen und erfahren in ihrem Leben unendlich viele und verschiedene Dinge, kommen und gehen, wie sie wollen, nicht von irgendeiner Notwendigkeit getrieben, sie fliegen aus purem Zeitvertreib, legen nur zum Vergnügen Hunderte von Meilen zurück, um am Abend wieder zurückzukehren, und selbst wenn sie einen kurzen Moment an einem Ort bleiben, verharren sie nie in Ruhe, wie der seinerseits sich rasch hin- und herbewegende Satz illustriert: sempre si volgono qua e là, sempre si aggirano, si piegano, si protendono, si crollano, si dimenano; con quella vispezza, quell’agilità, quella prestezza di moti indicibile. (158) immerzu drehen sie sich hierhin und dorthin, trippeln umher, bücken sich, strecken sich, schütteln sich, alles mit einer unbeschreiblichen Lebhaftigkeit, Gewandtheit und Geschwindigkeit. (168) Abgesehen von den Augenblicken des Schlafs kommt der Vogel vom Schlüpfen aus dem Ei bis zum Tod nie zur Ruhe, gönnt er sich nie eine Pause, wie das vielsagende und in Leopardis Texten rekurrente Verb «posare» 17 signalisiert: «non si posa un momento di tempo» (158 [«ruht er […] keinen Augenblick», 168]). 17 Zu denken ist insbesondere an die beiden «canti» La sera del dì di festa («Posa la luna», v.-3), wo die Ruhe des Mondes wie der friedlich schlafenden «donna mia» in signifikantem Gegensatz zur inneren Unruhe des Ich steht, und A se stesso («Or poserai per sempre,-| Stanco, mio cor. […]-| Posa per sempre. […]-| […] Non val cosa nessuna-| I moti tuoi», v.-1sq. und vv.-6-8), dessen Sprecher-Ich sich als das genaue Gegenbild zu den Vögeln des Elogio imaginiert. Zeit, Gesang und Lebenskunst 17 Zu diesen äußeren Eigenschaften des Vogels gesellen sich innere, die ihn ebenfalls fähiger zum Glück machen als alle anderen Lebewesen: Dank ihres feinen Gehörs und ihrer scharfen Augen «godono tutto giorno immensi spettacoli e variatissimi» [«genießen sie den ganzen Tag lang unermessliche und höchst abwechslungsreiche Schauspiele»], schreibt der Philosoph; sie überblicken aus der Höhe so viel Raum, sie entdecken so viele Länder, daß sie «debbono avere una grandissima forza e vivacità, e un grandissimo uso d’immaginativa» [«eine überaus große und lebhafte Phantasie haben müssen»], und zwar nicht jene, die in Unruhe und Ängste versetzen kann, sondern quella ricca, varia, instabile, leggera e fanciullesca; la quale si è larghissima fonte di pensieri ameni e lieti, di errori dolci, di vari diletti e conforti; e il maggiore e più fruttuoso dono di cui la natura sia cortese ad anime vive. (158sq.) [jene reichhaltige, vielfältige, leichte, unbeständige und kindliche Phantasie, die eine unerschöpfliche Quelle für angenehme und heitere Gedanken ist, für süße Irrtümer, Entzücken und Trost, mithin die größte und fruchtbarste Gabe, welche die Natur einer lebenden Seele zu schenken vermag. (169)] Der unaufhörliche Gesang, der dem Lachen gleicht, und die ständige Bewegung, die das taedium vitae verhindert und die Einbildungskraft stimuliert, also sind es, die Amelio das Lob der Vögel singen und ihn ebenso wie den Hirten des Canto notturno wünschen läßt, zeitweise in einen Vogel verwandelt zu werden: Canto und volo stellen wie die zeitweilige Verrücktheit und die kindliche Einbildungskraft eine Opposition zur allzu engen und einseitigen Vernunft des so oft unglücklichen Vernunftwesens Mensch dar, weil sie ihm erlauben, von seiner düsteren Gegenwart abzusehen und sich kraft seiner Imagination über das gleichzeitige Wissen um die «infelicità», über das Bewußtsein von der finitudine, der Vergänglichkeit und Endlichkeit, zu erheben. Fliegen und Imaginieren, Lachen und Gesang bewirken ein momentanes Vergessen der conditio humana - aber dieses momentane Vergessen ist, gerade weil es sich um «continue testimonianze, ancorchè false, della felicità delle cose» handelt, gerade weil das Bewußtsein der Endlichkeit gleichzeitig bestehen bleibt, kein Eskapismus, sondern eher eine Reflexion über das, was im «canto», in der Fiktion, in der Dichtung geschieht und was der paradoxen Situation des Menschen in seiner Welt entspricht: Er weiß um die vanitas, er kennt die «infelicità della vita» - aber er lacht, er singt, und er dichtet. Dank seiner Sprache und seiner Imagination erfindet er all jene Welten, die der Vogel singend überquert, erfindet er den einsamen Philosophen, der von all seinem allzu menschlichen Unglück abzusehen und das Lob der Vögel zu singen vermag. 18 Barbara Kuhn II. Der Vogel und der Mensch Ein «Io solitario», ein einsames, denkendes und singendes Ich inszeniert Leopardi aber auch in weiteren Canti, nicht nur im bereits zitierten Gesang des umherirrenden Hirten oder in jenem der Sappho, sondern insbesondere in jenem, der den canto zwar nicht im Titel trägt, aber dennoch «canto» ist und zudem, wie der Elogio, unter anderem vom Gesang der Vögel handelt: im Passero solitario. Il passero solitario D’in su la vetta della torre antica, Passero solitario, alla campagna Cantando vai finchè non more il giorno; Ed erra l’armonia per questa valle. Primavera dintorno Brilla nell’aria, e per li campi esulta, Sì ch’a mirarla intenerisce il core. Odi greggi belar, muggire armenti; Gli altri augelli contenti, a gara insieme Per lo libero ciel fan mille giri, Pur festeggiando il lor tempo migliore: Tu pensoso in disparte il tutto miri; Non compagni, non voli, Non ti cal d’allegria, schivi gli spassi; Canti, e così trapassi Dell’anno e di tua vita il più bel fiore. Oimè, quanto somiglia Al tuo costume il mio! Sollazzo e riso, Della novella età dolce famiglia, E te german di giovinezza, amore, Sospiro acerbo de’ provetti giorni Non curo, io non so come; anzi da loro Quasi fuggo lontano; Quasi romito, e strano Al mio loco natio, Passo del viver mio la primavera. Questo giorno ch’omai cede alla sera, Festeggiar si costuma al nostro borgo. Odi per lo sereno un suon di squilla, Odi spesso un tonar di ferree canne, Che rimbomba lontan di villa in villa. Tutta vestita a festa La gioventù del loco Zeit, Gesang und Lebenskunst 19 Lascia le case, e per le vie si spande; E mira ed è mirata, e in cor s’allegra. Io solitario in questa Rimota parte alla campagna uscendo, Ogni diletto e gioco Indugio in altro tempo: e intanto il guardo Steso nell’aria aprica Mi fere il Sol che tra lontani monti, Dopo il giorno sereno, Cadendo si dilegua, e par che dica Che la beata gioventù vien meno. Tu, solingo augellin, venuto a sera Del viver che daranno a te le stelle, Certo del tuo costume Non ti dorrai; che di natura è frutto Ogni vostra vaghezza. A me, se di vecchiezza La detestata soglia Evitar non impetro, Quando muti questi occhi all’altrui core, E lor fia voto il mondo, e il dì futuro Del dì presente più noioso e tetro, Che parrà di tal voglia? Che di quest’anni miei? che di me stesso? Ahi pentirommi, e spesso, Ma sconsolato, volgerommi indietro. (Il passero solitario, vv.-1-59) [Die einsame Amsel Droben, hoch auf der Spitze des alten Turmes,- | einsame Amsel, singst du ins weite Land- | dein Lied hinaus, bis schließlich der Tag vergeht.- | Und harmonischer Wohlklang erfüllt dieses Tal.-| Frühling glänzt überall-| in den Lüften und jubiliert auf den Feldern,- | und Rührung ergreift das Herz, wenn man schauend steht.- | Du hörst die Schafe blöken, die Rinder muhen.-| Die anderen Vögel ziehen vergnügt um die Wette-| am blauen, heiteren Himmel tausend Kreise-| und feiern ihres Lebens schönste Zeit.-| Du bleibst sinnend beiseit und betrachtest das alles.- | Du nimmst nicht teil, und du fliegst nicht.-| Scherz und Fröhlichkeit abgeneigt, sitzt du da und singst du,-| und so, in Gedanken, verbringst du-| des Jahrs und des eigenen Lebens Blütezeit. Weh mir, wie ähnlich im Grunde-| ist deine Art zu leben der meinen. Frohsinn-| und Lachen, stets mit der Jugend in süßem Bunde,-| und Liebe, auch dich, der Jugend leibliche Schwester-| und der späteren Tage bittere Sehnsucht,-| achte ich nicht, ich weiß nicht, warum. Statt dessen-| zieht es mich fluchtartig fort.-| Ein Einsiedler gleichsam 20 Barbara Kuhn und Fremder- | am eigenen Heimatort- | schaue ich zu, wie der Lenz meines Lebens verstreicht.-| Den heutigen Tag, der nun dem Abend weicht,-| pflegt man fröhlich zu feiern in unserem Städtchen.-| Du hörst in der klaren Luft die Glocke schallen,-| hörst wieder und wieder das Donnern aus ehernen Rohren-| von Dorf zu Dorf in der Ferne widerhallen.- | Die Burschen und Mädchen verlassen- | die Häuser im Festtagskleid- | und schlendern durch den Ort und füllen die Gassen.-| Man sieht und wird gesehen und freut sich von Herzen.-| Ich stehle mich einsam beiseit-| und suche diese entlegenen Felder, verschiebe-| auf eine spätere Zeit-| Freude und Scherz, und indessen trifft meinen Blick- | in lichtdurchfluteter Luft- | die Sonne, die in der Ferne zwischen den Bergen-| langsam versinkt und erblindet-| am Ende des heiteren Tags, und es scheint mir, sie ruft,-| sie flüstert mir zu, daß die glückliche Jugendzeit schwindet. Einsamer kleiner Vogel, du wirst am Abend-| deines Lebens, den dir die Sterne bestimmen,-| die Art, wie du lebtest, sicher-| nicht bedauern. Denn eure Neigung ist nur-| eine Frucht der Natur.-| Ich aber, wenn ich nicht-| die verabscheute Schwelle-| des Alters zu meiden vermag,-| wenn diese Augen nicht mehr zum Herzen des andren-| sprechen, die Welt sich leert und der morgige Tag-| trostloser, dunkler noch als der heutige zu werden verspricht,-| was wohl werde ich denken-| von mir selbst, und wie ich gelebt und gehofft? -| Bereuen werd ich und oft,-| doch ungetröstet, die Blicke rückwärts lenken.] Außer den drei oben angesprochenen Fragen hat sich, vor allem in den letzten Jahren, die Forschung selbstverständlich auch weiteren Aspekten zugewandt: Neben der immer wieder auftauchenden biographistischen Deutung des Textes, derzufolge Leopardi mit dem Ich des Textes exakt sich selbst und sein Leben in Recanati portraitiert habe, und neben den zahlreichen intertextuellen Anknüpfungspunkten vom «passer solitarius» in Psalm-102 über diverse Gedichte Petrarcas bis hin zu Texten ungefähr aus Leopardis Zeit sind dies vor allem zwei Bereiche: Zum einen wird, gerade in den neuesten Arbeiten, die Frage nach der Selbstbezüglichkeit des Textes gestellt, die Frage danach, ob es sich um ein Gedicht über das Dichten handle, zum anderen die Frage nach der Zeit, die in Anbetracht der vielen und vielfältigen Erwähnungen im Gedicht als dessen zentrale Isotopie angesehen werden muß, die zugleich die meisten anderen Aspekte berührt oder einschließt. 18 18 Einer der interessantesten Beiträge zum Passero solitario ist der kurze, bereits 1992 erschienene Aufsatz von Albert Gier, den ich daher im folgenden mehrfach aufgreife (cf. Albert Gier: «Die Gegenwart als Vor-Vergangenheit. Il passero solitario von Giacomo Loepardi», in: Giacomo Leopardi. Rezeption - Interpretation - Perspektiven. Hg. von Hans Ludwig Scheel / Manfred Lentzen. Tübingen: Stauffenburg-Verlag 1992, 63-71), auch wenn ich, wie sich zeigen wird, für diesen Text wie für das Werk Leopardis generell andere Schlüsse daraus ziehe bzw. der dem Verfasser und mir vorrangig erscheinenden Frage nach der Zeit als ein allgemein menschliches Problem und eben nicht nur im biographischen Sinn eine andere Wendung gebe. Zeit, Gesang und Lebenskunst 21 Der oben vollständig abgedruckte Text ruft in Erinnerung, daß das Gedicht nicht in regelmäßige Strophen, sondern in drei ungleich lange Versabschnitte geteilt ist, von denen der erste und der dritte mit 16 und 15- Versen ungefähr gleichlang sind, während der mittlere mit 28 Versen beinahe die doppelte Länge umfaßt und damit fast die Hälfte des Gedichts ausmacht. Diese freie Strukturierung, die einhergeht mit nur wenigen, verstreut eingesetzten Reimen, findet sich bekanntlich auch sonst in der Lyrik des späten Leopardi, der sich nach und nach von der strengen Canzonenform löst, wie sie aus der provenzalischen Dichtung in die italienische übernommen und vor allem in der bei Petrarca gestalteten Weise kanonisiert wurde. Diesem Aufbau in drei Teile entspricht die Sprechsituation des Gedichts, die, auch wenn das ganze Gedicht hindurch das lyrische Ich die Sprechinstanz bleibt, doch mehrfach changiert: Im ersten Teil wendet es sich vor allem an den Vogel, der im zweiten Vers direkt angesprochen wird. Hier dominiert ein eher beschreibender Gestus, insofern die Lebensgewohnheiten des Vogels geschildert werden, die sich von denen anderer Vögel unterscheiden. Demgegenüber beschreibt das Ich im zweiten Abschnitt, wie wiederum gleich die ersten beiden Verse unterstreichen («quanto somiglia-| Al tuo costume il mio» [«wie sehr ähnelt deine Lebensweise der meinen»]), seine eigenen Gewohnheiten, die nun wiederum dargelegt werden, aber hier ist sein Gesang von vornherein mit der Exclamatio Oimè als Klage statt als neutrale Beschreibung gekennzeichnet. Diese Doppelheit wiederholt sich im dritten und letzten Versabschnitt, der wie zuvor einen kürzeren Teil dem direkt angesprochenen Vögelchen, «Tu, solingo augellin», widmet und diesem mit dem «A me» ab Vers- 50 einen doppelt so langen Teil entgegensetzt. Dieser mündet in den letzten beiden Versen in einen durch «Ahi» eingeleiteten, klagenden Ausruf, die einzige Antwort auf die drei zuvor gestellten Fragen des Ich. Insbesondere zwischen erstem und zweitem Abschnitt sind die Bezüge vom Gedicht klar markiert und lassen sich bei aufmerksamem mehrfachem Hören und Lesen deutlich wahrnehmen, weil sich essentielle Elemente wiederholen: In der Mitte des ersten Teils ist zunächst von der «primavera» die Rede, dann vom Hören, «Odi», und von den anderen; dies wiederholt sich exakt im zweiten Teil, wo in v.- 26 der Frühling, in v.- 29sq. insistierend das «du hörst» und mit der «Dorfjugend» in v.- 33 auch das Pendant zu den anderen Vögeln wiederkehren. Dies wird in der Weise umrahmt, daß Teil-I mit dem Du und auf dem Land beginnt, während Teil-II mit dem Ich auf dem Land endet (cf. v.-2sq. und v.-36sq.); umgekehrt endet Teil-I damit, daß der Vogel sich nicht um das schert, was den anderen Freude bereitet - «non ti cal d’allegria» (v.-14) -, so wie der zweite damit beginnt, daß das Ich sich um Frohsinn, Lachen und Liebe nicht kümmert: «non curo» (v.- 22). Zahlreiche Elemente des Gedichts also lassen die enge Verbindung, die Ähnlichkeit zwischen Ich und «passero» hörbar und 22 Barbara Kuhn sichtbar werden, und tatsächlich unterstreichen diese beiden Teile in vielerlei Hinsicht die Gemeinsamkeiten zwischen beiden. 19 Allerdings könnte man doch leise Skepsis anmelden, wenn man die raffiniert überkreuzte Struktur der jeweiligen Rahmenteile betrachtet, die die Parallelen im Innern überlagern: Zwar wird so einerseits der Zusammenhalt der beiden Versabschnitte sehr deutlich markiert - am Anfang und Ende die «campagna», die Ich und Du in ihrer Gemeinsamkeit umschließt, dazwischen mit «non ti cal-|| non curo» ein gleitender Übergang vom Du zum Ich, der seinerseits die Ähnlichkeit durch den ähnlichen Klang sinnlich wahrnehmbar macht. Andererseits und gleichzeitig stellt durch diesen Chiasmus der zweite den ersten Teil auf den Kopf und weist damit bereits auf den dritten Teil voraus, der, wie erwähnt, die Strukturierung des Vorausgegangenen in einer Art Stretto wiederholt und dabei im Ich-Teil auch den Klagegestus wiederaufnimmt. Anders als zuvor jedoch betont das Ich nun vor allem die Unterschiede, wie schon die Opposition von «Tu - A me» andeutet, während zuvor mit «Passero solitario» und «Io solitario» die Analogie hervorgehoben worden war. So steht jetzt auf der einen Seite die Selbstgewißheit des Vogels, den in all seinem Wollen und Streben die Natur leitet. Auf der anderen Seite setzt das Ich diesem fraglosen «certo del tuo costume» (v.-47) konsequent seine eigenen Fragen entgegen, die es als reflexives und reflektierendes, als, wie der letzte Vers sagt, sich zurückwendendes Wesen zeigen - und mit diesem «volgerommi indietro» endet das Gedicht und wird daher gern als Beleg für die alles andere zum Schweigen bringende, aber kaum je selbst verstummende Pessimismus-These gewertet. Daß der canto und das, was er wie besingt, in einem Band über die «arte del vivere» und «anti-pessimistische Strategien» damit nicht seinerseits zum Verstummen gebracht werden kann, mag auf einen ersten Blick als petitio principii erscheinen, gründet sich aber weiterhin auf den Wortlaut des Textes und auf die bereits zitierten wie auch weitere Passagen des Leopardischen Werks. Keinesfalls soll damit suggeriert werden, es handle sich um ein per se fröhliches oder gar - horribile dictu - optimistisches Gedicht: Dies hieße, die Komplexität von Leopardis Texten einmal mehr, nur von der anderen Seite her, weit über Gebühr zu reduzieren, wenn nicht zu verfälschen - und nicht umsonst spricht der Bandtitel von anti-pessimistischen, nicht von optimistischen Strategien. Dennoch gilt es, dem nachzugehen, daß in diesen schönen, klangvollen und daher weiterklingenden Versen mehr stecken muß als nur ein pessimistischer Leopardi, der aus 19 Außer Gier geht auch Besomi detailliert auf diese sprachliche Gestaltung und die vielen wechselseitigen Bezüge ein (cf. Ottavio Besomi: «Il passero solitario», in: Lettura dei Canti di Giacomo Leopardi. Due giornate di studi in onore di Alessandro Martini. A cura di Christian Genetelli. Novara: Interlinea 2013, vor allem 136-148), aber wiederum mit anderen Schlußfolgerungen als den hier gezogenen. Zeit, Gesang und Lebenskunst 23 seinem engen Recanati nicht herauskommt und das ganze menschliche Leben unter einem ebensolchen Zeichen der Enge und Ausweglosigkeit sieht. Einmal mehr ließe sich mit und frei nach Hölderlin 20 sonst fragen: «Wozu Dichte[n] in dürftiger Zeit? » und antworten: «Was bleibet aber, stiften die Dichter.» Fraglos ist das bereits angesprochene Thema der Zeit als die zentrale Isotopie des Gedichts in vielfachen Bedeutungsaspekten so präsent, daß man die Zeit als das trotz seiner Vielfalt alle einzelnen Aspekte einende Element bezeichnen kann. Auffallend ist dabei, wie insbesondere Gier herausarbeitet 21 , daß unterschiedliche Ebenen, unterschiedliche Bezugsrahmen der Zeit kombiniert werden, wenn etwa gleich im ersten Versabschnitt zunächst vom ‹Sterben des Tages› die Rede ist, mithin vom sterbenden Tageslicht am Abend (v.-3), danach von der «primavera», dem Frühling (v.-5), und schließlich von der besten Zeit der Vögel (v.-11), von der Blüte des Lebens und der des Jahres (v.-16). Bezogen auf den Vogel werden hier Tageszeit, Jahreszeit und Lebenszeit thematisiert, so wie erneut im folgenden Abschnitt bezogen auf das Ich: Wieder wird der Frühling erwähnt, die untergehende Sonne am Ende des heiteren Tages und die Jugend im Gegensatz zum fortgeschrittenen Alter. Im dritten Versabschnitt, der im Gegensatz zum bisherigen Präsens als der typischen Zeit für Beschreibungen in einem visionären Futur gehalten ist, taucht erneut der Abend auf und in v.-50 die «vecchiezza», das Alter, in dem jeder künftige Tag dunkler, aussichtloser erscheint als der gegenwärtige: «fia […] il dí futuro-| Del dí presente più noioso e tetro» (v.-54sq.). Doch Tageszeit, Jahreszeit und Lebenszeit werden nicht nur nebeneinandergestellt; sie werden auch miteinander verflochten, in der Weise, daß jede zur Metapher, vielleicht auch einer Art metonymischer Metapher der anderen werden kann: So werden Jahreszeit und Lebenszeit nicht nur wie in v.-16 mit der Blüte des Lebens und des Jahres parallelisiert; vielmehr kann, nachdem der erste Versabschnitt zu solchem Lesen angeleitet hatte, im zweiten das eine unmittelbar für das andere einspringen: «Passo del viver mio la primavera», singt das Ich in v.- 26, um unmittelbar danach von dieser metaphorischen Verwendung der Jahreszeit zur eigentlichen Verwendung der Tageszeit zurückzuspringen: «Questo giorno ch’omai cede alla sera» (v.-27). Der sich dem Abend zuneigende Tag kehrt im dritten Teil wieder, nun aber erneut in metaphorischem Gebrauch, wenn das Ich sein Vögelchen mit einer poetischen Apostrophe anspricht mit den Worten: «Tu, solingo augellin, venuto a sera- | del viver che daranno a te 20 Zu den Bezügen zwischen den beiden Dichtern cf. insbesondere den Band: Hölderlin und Leopardi. Hg. von Sabine Doering / Sebastian Neumeister. Eggingen: Isele 2011 (Ginestra 19/ 20), insbes. den Beitrag von Uta Degner: «‹Paradoxe Praktiker›. Zur Poetik des Offenen bei Hölderlin und Leopardi» (117-142). 21 Cf. Gier: «Die Gegenwart als Vor-Vergangenheit», 65-70. 24 Barbara Kuhn le stelle» (v.-45sq. [‹wenn Du am Abend der Lebensspanne angekommen sein wirst, die dir die Sterne zuweisen›]). Dieses poetische Bild des Lebensabends ist die letzte bildliche Evokation des Themas Zeit, denn wenn das Ich es nun wiederum auf sich selbst bezieht, benennt es sie mit dem kruden, dem eigentlichen Wort «vecchiezza», das es zudem durch eine andere Metapher stark in den Vordergrund rückt: durch die verabscheute, aber gleichwohl nicht zu umgehende Schwelle zu diesem Alter. Dementsprechend wird diese Lebensphase in den folgenden Fragen auch nicht wieder poetisch als Herbst oder Abend stilisiert; vielmehr weist das Demonstrativum «questi» schlicht und klar auf ‹diese meine Jahre› hin, insofern «quest’anni miei» die «vecchiezza» wieder aufnimmt, so daß das ebenso bildhafte wie bilderreiche Gedicht in ein ungeschöntes Benennen mündet, dem die offenen Fragen und der klagende Ausruf korrespondieren. Aber nicht nur die für den Vogel und für das Ich jeweils gebrauchten Bezeichnungen divergieren hier; vor allem unterscheidet sich, wie das Ich darlegt, die Haltung, die der Besungene und der Singende, das Tier und der Mensch zu ihrer jeweiligen Lebenszeit einnehmen. Während beide sich von den jeweiligen Art- und Zeitgenossen absondern, die Einsamkeit suchen und dem lustigen Treiben allenfalls von ferne zuschauen, lebt der Vogel dabei, anders als das Ich, ganz in seiner Gegenwart: Er singt von seinem Turm aus über das Land, bis der Tag sich neigt, wie es gleich zu Beginn heißt, und singend verbringt er auch den besten Teil des Jahres und des Lebens, wie die Alliterationen und Assonanzen zusätzlich hervorheben: «alla campagna-| Cantando vai» (v.-2sq.), und «canti e così trapassi-| Dell’anno e di tua vita il più bel fiore» (v.-15sq.). Während also der Vogel nur seine Gegenwart kennt und jeden Tag mit seinem Gesang füllt, weiß das Ich um die Zukunft, weiß, daß die Liebe im fortgeschrittenen Alter Ursache bitterer Seufzer sein wird (cf. v.-20sq.), und läßt doch den Frühling seines Lebens einfach so vergehen: «Passo del viver mio la primavera». Zweimal weist es selbst auf den Abend hin, einmal fühlt es sich gar von der untergehenden Sonne ermahnt, deren Bild schon im zweiten Versabschnitt proleptisch den Lebensabend evoziert (cf. vv.-39-44), aber anders als der in seiner Gegenwart lebende, stets singende Vogel, anders auch als seinesgleichen, die festlich gekleidet die Straßen füllen und fröhlich miteinander umgehen (cf. vv.-32-35), verschiebt das Ich alle Freude auf eine unbestimmte Zukunft: «Ogni diletto e gioco-| Indugio in altro tempo» (v.-38sq.). Solcher Aufschub jedoch bewirkt nicht das Glück, von dem Leopardi im Zibaldone, wo er an verschiedenen Stellen seine teoria del piacere entfaltet, schreibt, es sei nur in der Erinnerung, im Rückblick, oder in der Hoffnung darauf, in einer imaginierten Zukunft, zu haben, nie in der Gegenwart, weil es, insofern es zwangsläufig ein Streben nach unbegrenztem Glück ist, nur in der Imagination ‹verwirklicht› werden kann, hinter der die konkrete Erfüllung stets Zeit, Gesang und Lebenskunst 25 zurückbleibt. So genügt dem Ich das Treiben der festlich gekleideten jungen Menschen nicht, allein die mahnenden Strahlen der untergehenden, der sich quasi auflösenden Sonne führen ihm vor Augen, daß eine Zeit kommen wird, in der auch diese unbestimmte ‹andere Zeit›, auf die es sein erfülltes Leben verschoben hatte, Vergangenheit sein wird. Eben diese Zukunft, in der «[s]ollazzo e riso, […] amore, […] diletto e gioco» keinen Ort und keine Zeit mehr haben werden, imaginieren die letzten Zeilen, die das Alter des Vogels und das des Ich vor Augen stellen und so vorwegnehmen: Während der Vogel dank seiner ständigen Gegenwärtigkeit auch dann seine Gegenwart hinnehmen wird, wie sie ist, nicht nach Unerreichbarem streben und sich nicht bedauernd zurückwenden - «Non ti dorrai» (v.- 48) -, fürchtet das Ich die Zeit schon vorab, in der ihm die Welt leer scheinen wird, seine Augen kein Herz eines anderen mehr ansprechen werden und jeder Tag dunkler sein wird als der vorausgehende. Das einzige, was dann bleibt, ist, zu bereuen und sich zurückzuwenden, wohl wissend, daß darin kein Trost zu finden sein wird. Genau gegensätzlich also, verglichen mit dem ‹jugendlichen Irrtum› in Petrarcas Eröffnungsgedicht, dessen Ich ebenfalls im vorletzten Vers nur die Reue beim Blick auf das vergangene Leben bleibt, bereut das Ich im Passero solitario nicht, sich dem, was der Welt gefällt und doch nur leerer Schein ist, zu sehr hingegeben zu haben; es bereut vielmehr, die Jugend in der Erwartung des Aufgeschobenen nicht gelebt zu haben und sich nunmehr nur zu ihr zurückwenden zu können. Das Tier also lebt glücklich, wie es der Elogio degli uccelli bereits vorgeführt hatte und wie die Zusammenschau der beiden Texte von anderer Warte her vorführt: Der unaufhörliche Gesang, der einem Lachen gleicht und das Leben der Vögel an das der Kinder erinnern läßt, signalisiert das ungebrochene Sein in der Gegenwart, das weder Vergangenheit noch Zukunft kennt. Das Ich hingegen lebt nur in der imaginären Vorwegnahme der Zukunft oder der Zurückwendung zur Vergangenheit; es scheint seine Gegenwart trotz des Carpe diem der untergehenden Sonne nicht zu erleben. Vielmehr besitzt es, anders als der Vogel und die Kinder, die Fähigkeit zur Reflexion, die aber, begnügt man sich mit der oberflächlichen Lesart, eher eine unheilvolle Gabe ist und einmal mehr das Tier dem Menschen entgegensetzt. Denn während das Tier einfach seiner Natur folgt und sich und diese nicht in Frage stellt - «di natura è frutto-| Ogni vostra vaghezza» (v.-48sq.) -, daher auch keine künftige Zeit in Gedanken vorwegnimmt und keine gewesene bedauernd erinnert, scheint dem Ich die Gegenwart zu entgehen, scheint es sie am Ende gar verpaßt zu haben. Aber es gibt doch etwas, was zwischen der gewesenen Jugend und dem gefürchteten Alter, zwischen erinnerter Vergangenheit und vorweggenommener Zukunft stehenbleibt, und eben dies verbindet über alle Unterschiede in gewis- 26 Barbara Kuhn ser Weise dann doch das singende Ich mit seinem besungenen Vogel: eben der canto, der Gesang. Hier wird die Fähigkeit zur Re-flexion, zum Zurückwenden, das «volgerommi indietro» gleichsam vom Fluch des Menschen zu seinem Segen. Zwischen der vergangenen Jugend des Ich und der noch nicht erreichten, nur vorgestellten Zukunft erklingen die Verse, wird die Klage zwar nicht erneut zu einem Elogio, zu einem Loblied, aber doch zu Musik, die vom Ende wieder an den Anfang springen kann, zu Klang, wie nicht zuletzt die Reime unterstreichen, die die Grenzen der so klaren gedanklichen Strukturierung doch wieder verwischen 22 . Was sie jedoch, über das Verwischen der klaren Gliederung hinaus, vor allem bewirken, ist das unaufhörliche Weiterklingen des canto, in dem gerade nicht, wie in einer typischen Canzone, identisch gebaute, aber sonst klanglich voneinander unabhängige Strophen aneinandergereiht werden. Allein der -ore-Reim durchzieht das ganze Gedicht von «core» in Vers-7 über «migliore», «fiore» und «amore» bis hin zum erneuten «core» im siebtletzten Vers und verbindet so alle drei Versabschnitte. Ähnliches ließe sich zeigen für die einzelnen Teile eines jeden Abschnitts, die alle, trotz der semantischen Gegensätze, klanglich verknüpft werden, wie besonders eindrücklich der letzte Abschnitt hörbar macht, der ausgerechnet «vaghezza» und «vecchiezza», das Ersehnte und das Verabscheute, in einen Klang, in Einklang bringt und so die scheinbar unüberbrückbare Kluft zwischen der Welt des Vogels und der des Menschen durch das Weiterklingen schließt. Überhaupt fällt in diesem letzten Versabschnitt auf, daß im dem Vogel gewidmeten Teil nur dieser eine Vers als Brücke zum nächsten reimt, während ausgerechnet im folgenden allerletzten Teil des Gedichts nur ein einziger Vers, signifikanterweise «il dì futuro», nicht reimt, alle anderen hingegen geradezu einen klangvollen Gegen- oder zumindest einen Nebengesang, para odia, zu den offen bleibenden Fragen und zu den stumm werdenden Augen anzustimmen scheinen. Mit anderen Worten: Der Gesang des Vogels verstummt einfach an dessen Lebensende, gleichsam naturgemäß, denn der Vogel kennt nur seine Gegenwart; der Gesang des Ich hingegen, auch wenn er sich in der Zeit entfaltet, gehorcht nicht solcher Linearität, sondern vermag in seiner Sprache, seinen Bildern, seinen Klängen die Zukunft, auch wenn aus ihr logischerweise noch nichts widerhallen kann, imaginativ vorwegzunehmen und sich erinnernd zur Vergangenheit zurückzuwenden; er klingt weiter, wie die Reimdichte am Ende belegt und wie das Ich selbst ausspricht, indem es sein eigenes «volgerommi 22 Dies erwähnt auch Gier in seinem kurzen Aufsatz und stellt in einem übersichtlichen Schema die mehrfache Verkettung aller Teile dar (cf. ibid., 66sq.), ohne indes, abgesehen von einem Fall, der Wiederholung des «core»-Reims im siebten und siebtletzten Vers (cf. 69sq.), näher auf die Funktion der Reime einzugehen. Zeit, Gesang und Lebenskunst 27 indietro» evoziert. Statt wie die lineare Zeit und wie der Vogelgesang unaufhörlich voranzuschreiten, zeichnen sich Verse - im Unterschied zum vorwärtsdrängenden prorsus der Prosa - eben durch dieses Zurückwenden, das vertere, aus, und was sie in solchem Re-flektieren bewirken, ist, daß aus dem prosaischen Vorwärtsdrängen, aus der Linie vom Schlüpfen aus dem Ei bis zum Tod, wie sie der Elogio evoziert hatte, ein Raum entsteht, ein Klangraum, in dem - wie erinnerte Vergangenheit und vorgestellte Zukunft in der Gegenwart des Ich - alles gleichzeitig gegenwärtig sein kann, alles präsent ist und präsent bleibt, wie die weiterklingenden Bilder und Töne des Schrift gewordenen Gedichts zeigen. Und in diesem Sinn kann dann der «passero solitario», wenngleich er dank seiner Unbewußtheit in Opposition zum melancholischen Menschen steht, doch zum Analogon des Dichters oder mehr noch von dessen Gedicht werden. Denn so wie der Vogel stets in seiner Gegenwart lebt, so ist im Gedicht alles gleichzeitig gegenwärtig und erlaubt es stets von neuem, sich zurückzuwenden und wieder neu mit dem Gesang einzusetzen. Damit aber ist die vergehende und vergangene Zeit kein Grund, pessimistisch zu verstummen; vielmehr öffnet sich in solcher Re-flexion die Zeit auf ein Unendliches, wie das oben erwähnte, das berühmteste Gedicht Leopardis, L’infinito, das in der Sammlung der Canti unmittelbar und wohl kaum zufällig 23 auf den Passero solitario folgt, in seinen nur 15-Versen vorführt. Wiederum entsteht das Unendliche, das hier die quasi endlos weiterklingenden, über die Versgrenzen hinweg schwingenden Verse und das unaufhörliche Hin und Her zwischen «questo» und «quello» andeuten, allein im Innern des Ich, in Reflexion und Imagination, im Nebeneinanderstellen aller Zeiten, in deren Unermeßlichkeit der Gedanke endlich Schiffbruch erleidet und untergeht. Doch dieser Schiffbruch ist ebensowenig wie das «volgerommi indietro» Grund zu pessimistischer Klage, im Gegenteil: «il naufragar m’è dolce in questo mare». Gegen die gängige Lesart, derzufolge die letzten beiden Verse des Passero solitario ein «gelido distico» 24 , ein ‹eisiges Verspaar› seien, eine «conclusione disillusa», die aus der «amara consapevolezza che gli anni più maturi hanno portato» resultiere und somit eine dem Ende des Elogio degli uccelli genau ent- 23 Ohne in all die Debatten über die Datierung des Passero einzustimmen, scheint doch ein möglicher Grund dafür, warum Leopardi das erst in die Ausgabe von 1835 aufgenommene Gedicht an dieser Schwelle zwischen canzoni und idilli plaziert hat, in dieser Korrespondenz zwischen Passero solitario und Infinito zu liegen: Liest oder hört man das ‹Liederbuch› in dieser Reihenfolge, erklingt nach dem «Volgerommi indietro» unmittelbar: «Sempre caro mi fu quest’ermo colle», mithin ein weiteres Sich-Zurückwenden, das über die Gegenwärtigkeit aller Zeiten im Ich und im Augenblick des Gesangs in das bereits zitierte «naufragar […] dolce» führt. 24 Giovanni Battista Bronzini: «L’ossimoro leopardiano del ‹Passero solitario›», in: Lares 62 (1996), 227. 28 Barbara Kuhn gegengesetzte «chiusa […] cupa, funebre e appesantita» 25 darstelle, läßt sich dieses Gedicht folglich auch ganz anders lesen. Nicht als «Verkörperung des philosophischen Pessimismus Leopardis» 26 , nicht als am Schluß «explizit» ausgesprochene «pessimistische Botschaft», die den sich als «absolut» erweisenden «Pessimismus des Gedichts» noch einmal bündelte 27 , und schon gar nicht als Eingeständnis des Scheitern des Dichters, wie Bárberi Squarotti formuliert: Er liest die beiden letzten Verse als «dichiarazione dello scacco del poeta», für den im Angesicht der ‹Wahrheit› von Alter und Tod das Dichten sinnlos geworden sei: «la poesia finisce, nel confronto con il prezzo di vita e di giovinezza e di gioia che è costata, ad apparire vana e senza senso». 28 Gewiß bezeichnet das Ich sein Sich-Zurückwenden als «sconsolato», führt doch an der Einsicht in die finitudine nach einer solchen ‹Analytik der Endlichkeit›, als die das Gedicht in Anlehnung an Foucault 29 auch qualifiziert werden könnte, kein Weg vorbei, gibt es mithin keinen billigen ‹Trost› und keinen pro- 25 Massimiliano Chiamenti: «Un antefatto del Passero solitario», in: Forum Italicum. A Journal of Italian Studies 33 (1999), 532sq. 26 Dina De Rentiis: «Des Spatzens Kern - zur metapoetologischen Dimension von Giacomo Leopardis Il Passero solitario», in: Animalia in fabula. Interdisziplinäre Gedanken über das Tier in der Sprache, Literatur und Kultur. Hg. von Miorita Ulrich / Dina De Rentiis. Bamberg: University of Bamberg Press 2013, 85. 27 Gier: «Die Gegenwart als Vor-Vergangenheit», 66, der am Ende seines Beitrags den Schluß zieht: «Der Pessimismus des Gedichts erweist sich bei näherem Hinsehen als absolut, die scheinbar idyllischen Züge unterstreichen in Wirklichkeit die Ausweglosigkeit der menschlichen Existenz» (ibid., 70). 28 Giorgio Bárberi Squarotti: «Leopardi: le allegorie della poesia», in: Italianistica. Rivista di letteratura italiana 9 (1980), 28sq. Seine Interpretation des Gedichts abschließend, gelangt der Autor gar zu der These: «Il canto muore prima della vita, quando cessa la possibilità di farne oggetto quella vita che non è piú se non mondo vuoto e noia e tristezza. E allora non resta, appunto, che il pentimento per la vita perduta, senza più l’illusione del canto» (ibid., 30). 29 Cf. Michel Foucault: «L’analytique de la finitude», in: id.: Les mots et les choses. Une archéologie des sciences humaines. Paris: Gallimard 1966, 323-329. Mehr noch als für den Sänger dieses einen Gedichts gilt dies für die Canti insgesamt, vielleicht gar für das Gesamtwerk Leopardis, der hellsichtig und klar, durchaus skeptisch, aber weder pessimistisch noch optimistisch auf das menschliche Leben blickt, wie neben Canti und Operette an unzähligen Stellen sein Zibaldone belegt. Überall im Werk ist jene «entschlossene Unruhe» und «bejahte Ungesichertheit» (Blumenberg) zu konstatieren, wie sie einer dem Paradigma der Immanenz entsprechenden Wirklichkeitsauffassung zugehören, weil die absolut gesetzte Immanenz, in der die «durch die Transzendenz bestimmte Grenze als Einhegung des Möglichen» nicht mehr existiert, entscheidend durch «Offenheit und Unabgeschlossenheit» charakterisiert ist (cf. Paul Strohmaier: Diesseits der Sprache. Immanenz als Paradigma in der Lyrik der Moderne (Valéry, Montale, Pessoa). Frankfurt a.M.: Klostermann 2017, 24 und 21). Nicht zuletzt das «volgerommi indietro» des Passero solitario in der hier vorgeschlagenen Lesart deutet als eine «Kenntlichhaltung dieser Offenheit» auf die «Poetik der Immanenz» (ibid., 25), wie sie die Lyrik der Moderne realisiert Zeit, Gesang und Lebenskunst 29 grammatischen ‹Optimismus› im Sinne der ‹besten aller möglichen Welten›; es gibt kein banales ‹positive thinking›, das die Wirklichkeit menschlichen Lebens nicht sehen und nicht wissen will, und kein selbstbetrügerisches ‹wishful thinking›, das sich über sich selbst belügt. Aber das «sconsolato», das nicht weg- und nicht schönzuredende Wissen um die Endlichkeit als conditio sine qua non der conditio humana, bewirkt gerade nicht den Verzicht auf das vertere und damit auch nicht den Verzicht auf die Poesie, im Gegenteil, ist doch der canto, ist die Dichtung letztlich die einzige Möglichkeit des Glücks 30 und damit immer ein ‹Gegengesang› zum «acerbo vero» [zur «herbe[n] Wahrheit»], immer ‹antipessimistische Strategie› und Lebenskunst in Anbetracht gewußter Negativität: «conosciuto, ancor che tristo,-| Ha i suoi diletti il vero» (Al Conte Carlo Pepoli, v.-140 und v.-151sq. [«Die Wahrheit, die man erkennt, auch wenn sie-| traurig ist, hat ihre Freuden»]). In diesem Sinne erweist sich gerade das Ende des Gedichts als zentral für das Verständnis des Textes wie der «poesia pensante» und des «pensiero poetante» 31 im Werk Leopardis generell, impliziert doch das ‹volgersi indietro› in eins das poetische Moment des Verses und das philosophische der Reflexion. Zwar scheint der Passero solitario mit seinen komplexen Zeitverhältnissen zunächst der berühmten «teoria del piacere», derzufolge das Glück nicht in der Gegenwart, sondern nur in der erinnerten Vergangenheit oder der imaginativ - und kaum zufällig steht der Name Leopardis, gemeinsam mit dem Baudelaires, am Beginn einer Lyrik der Moderne. 30 «Resterà comunque affidata al comporre e solo a quello la felicità di Leopardi. È il canto - com’è rivelatore il titolo del suo Libro poetico! - la sua più sicura, o la sua meno provvisoria medicina» (Gilberto Lonardi: «Per leggere L’Infinito con Leopardi», in: Il corpo dell’idea. Immaginazione e linguaggio in Vico e Leopardi. A cura di Fabiana Cacciapuoti. Roma: Donzelli 2019, 169). Zur Relation des «canto» im Text und zum Text selbst als canto, auch wenn der Passero solitario hier nur ganz am Rande erwähnt wird, cf. Rainer Stillers: «Der ‹canto› in den Canti. Beobachtungen zu einem poetologischen Motiv», in: Italienisch 40 (1998), 54 et passim, insbes.: «Der wiederkehrende Gesang hebt die Erfahrung des Verschwindens in sich auf und ermöglicht die Erfahrung einer Dauer, die dem Entzug der Ereignisse durch die Zeit entgegengesetzt ist» (ibid.). Wenngleich die Analyse sich hier auf La sera del dì di festa bezieht, sind viele Aspekte, die Stillers zu den verschiedenen «canti» und Canti herausarbeitet (ungeachtet seines Festhaltens an «Leopardis pessimistische[m] Bewußtsein» und an dessen «Fähigkeit […], den Pessimismus in aller Konsequenz zuende zu denken»), auch im Sinne der hier thematisierten anti-pessimistischen Strategien gültig, denn auch der Passero solitario zeugt von jener «Paradoxie von thematischer Negativität und Selbstbehauptung des bildschöpferischen ‹canto›» (ibid., 61), die Stillers abschließend am Tramonto della luna vorführt. 31 Nach den Konzepten von Prete, der etwa in seinem Aufsatz «Pensiero poetante e poesia pensante» die Untrennbarkeit der beiden Seiten in Leopardis Werk vor Augen führt (cf. Antonio Prete: Il pensiero poetante. Saggio su Leopardi. Milano: Feltrinelli 2 1984, 80-89). Cf. hier auch den Beitrag «Una ricordanza, una ripetizione» (ibid., 36-47), der - unter anderem - diese Frage ebenfalls aufgreift. 30 Barbara Kuhn vorweggenommenen Zukunft erfahren werden kann, geradezu antithetisch zuwiderzulaufen, insofern vom Ich dieses Gesangs die Vergangenheit vor allem als unwiederbringliche, die Zukunft vor allem wegen des Alters gefürchtet wird (cf. vv.-50-56). Doch gerade die Möglichkeit des Zurückwendens, über die der scheinbar beneidete Vogel nicht verfügt, erweist sich als Strategie, um dichtend das Gedachte zu bewältigen: Allein der canto als sich umwendendes vertere statt als vorlaufendes prorsus vermag dem Ich des Gedichts, vermag dessen Leserin und Leser wie dem poeta e pensatore als seinem ersten Leser als lebenskünstlerische Strategie zu dienen 32 . Mit ihrem «Volgerommi» evoziert die Sprechinstanz des Passero solitario, evoziert das Gedicht selbst somit diese Spezifik dichterischen Sprechens, memoria und ripetizione, Erinnerung und Wiederholung zu sein, wie sie Agamben aus seiner Lektüre des Infinito entfaltet und wie sie vergleichbar für eine Lektüre des Passero solitario Gültigkeit besitzt, insofern auch hier jeder Leser und jede Leserin das «Volgerommi indietro» ebenso mit-, nach- oder überhaupt vollziehen muß, wie dort jedes sprechende oder lesende Ich dem questo allererst ‹seinen› Sinn gibt 33 . Wie das «Volgerommi indietro» ausspricht und wie die sich in ihrem Rhythmus stets wieder zum Anfang zurückwendenden Verse samt den Reimen, Alliteratio- 32 Von daher verblüfft die These, das «Singen des Vogels» spiele in dem Gedicht, «denkt man an seine Parallelität zum Dichten, eine eher beiläufige Rolle», zumal im zweiten Versabschnitt «überraschenderweise kein einziges Mal vom Singen (des Dichters) die Rede» sei (Hermann H. Wetzel: «Leopardis ‹Passero solitario› - eine Blauamsel, ein einsamer Sperling oder nur ein einsamer Vogel? Zur Referentialität von Poesie», in: Italienisch 40 [1998], 96). Demgegenüber bezeichnet Ricciardi «cantando» (v.-3) geradezu als «una parola chiave», die in «canti» (v.- 15) wieder aufgenommen werde und sich hier «tutto funzionale all’esplicitazione del rapporto di scambio e di identità col poeta» erweise (Mario Ricciardi: «Progetto e poesia nel ‹Passero solitario›», in: Lettere italiane 40.1 [1988], 62; zum dort - in anderer Weise als in diesen einleitenden Überlegungen vorgeschlagen - hergestellten Zusammenhang von «canto», «atto poetico» und «riflessione» cf. ferner ibid., 68). 33 «Poiché certamente la poesia L’infinito è stata scritta per essere letta e ripetuta innumerevoli volte e noi la comprendiamo perfettamente senza recarci in quel luogo presso Recanati (ammesso che un tal luogo sia mai esistito) […]. Qui si rivela il particolare statuto dell’enunciazione nel discorso poetico, che costituisce il fondamento della sua ambiguità e della sua tramandabilità: l’istanza del discorso, cui lo shifter [sc. il questo] si riferisce, è lo stesso aver-luogo del linguaggio in generale, cioè, nel nostro caso, l’istanza di parola in cui qualsiasi locutore (o lettore) ripete (o legge) l’idillio L’infinito. [… L]’istanza del discorso è fin dall’inizio affidata alla memoria, in modo, però, che memorabile è la stessa inafferrabilità dell’istanza di discorso come tale (e non semplicemente un’istanza di discorso storicamente e spazialmente determinata), che fonda cosí la possibilità della sua infinita ripetizione. Nell’idillio leopardiano, il questo indica, già sempre oltre la siepe, al di là dell’ultimo orizzonte, verso un’infinità di eventi di linguaggio. La parola poetica avviene, cioè, in modo tale che il suo avvento sfugge già sempre verso il futuro e verso il passato e il luogo della poesia è sempre un luogo di memoria e di ripetizione» (Giorgio Agamben: Il linguaggio e la morte. Un seminario sul luogo della negatività. Torino: Einaudi 2008, 95). Zeit, Gesang und Lebenskunst 31 nen, Assonanzen und anderen Rekurrenzphänomenen des Passero solitario unterstreichen, führt die Lyrik geradezu ihr Spezifikum, Erinnerung und Wiederholung, immer schon erklungene und immer neu erklingende Sprache zu sein, vor: la poesia - ogni poesia - contiene […] un elemento che avverte già sempre chi l’ascolta o ripete che l’evento di linguaggio, che è, in essa, in questione, è già stato e farà ritorno infinite volte. Questo elemento, che funziona, in qualche modo, come un super-shifter, è l’elemento metrico-musicale. […] L’elemento metrico-musicale mostra innanzitutto il verso come luogo di una memoria e di una ripetizione. Il verso (versus, da verto, atto di volgere, di far ritorno, opposto al prorsus, al procedere dirittamente della prosa) mi avverte, cioè, che queste parole sono sempre già avvenute e ritorneranno ancora, che l’istanza di parola che, in esso, ha luogo, è, pertanto, inafferrabile. 34 Insofern aber jedes Sprechen, jede Lektüre eines Gedichts als Erinnerung und Wiederholung stets auf das schon Erklungene und immer wieder neu Erklingende und damit auf Vergangenheit und Zukunft deuten, weisen sie - wie das beide ebenso unauflöslich wie raffiniert zusammenbindende «Volgerommi indietro» 35 - zugleich in einem umfassenderen Sinn auf die zunächst vom Gedicht scheinbar in Frage gestellte teoria del piacere hin, die Leopardi in seinem Zibaldone di pensieri oder Gedankenbuch so oft umreißt und umkreist. Auch dort hängt das Empfinden von Glück oder Lust, piacere, nicht von einer ‹frohen› statt einer ‹pessimistischen› Botschaft ab, sondern von der Fähigkeit, zu erinnern und zu imaginieren und so den gegenwärtigen Augenblick dank des in Erinnerung und Vorstellung Gesehenen, Gehörten, Empfundenen zu bereichern. 36 34 Agamben: Il linguaggio e la morte, 96sq. In dieser Hinsicht unterscheidet sich, trotz der entscheidenden Gemeinsamkeiten, die die Erfahrung von Sprache in Dichtung und Philosophie besitzen - «L’esperienza poetica e quella filosofica del linguaggio non sono […] separate da un abisso, come un’antica tradizione ci ha abituato a pensare, ma riposano entrambe originalmente in una comune esperienza negativa dell’aver-luogo del linguaggio» (ibid., 93) -, die dichterische Spracherfahrung von der philosophischen, die in aller Regel über jenes metrisch-musikalische Element nicht verfügt (cf. ibid., 96). 35 Indem die Fügung den Blick in die Zukunft (in der Futurform des Verbs) mit jenem in die Vergangenheit (in dessen Semantik und der Präposition) im Akt des künftigen Sich- Zurückwendens zusammenfallen läßt und diesen ‹doppelten Blick› als letztes Wort des Textes zugleich als offen, als unabgeschlossen kennzeichnet, unterscheidet sich die hier erklingende Gestalt ‹künftiger Vergangenheit› essentiell von einem resignativen (oder auch ‹pessimistischen›) Futur-II, das seinerseits eine Relation von Zukunft und Vergangenheit ausdrückt, aber eine in dieser Zukunft abgeschlossene Handlung impliziert. Das Ich des Passero solitario singt eben nicht ‹ich werde mich zurückgewandt haben›; sein Zurückwenden, das «volgerommi indietro» erfolgt bei jedem Hören, Sprechen, Lesen des Gedichts und verwirklicht so jenes infinito-indefinito, das lyrisches Sprechen vom philosophischen, parole von termini unterscheidet, ohne dabei auf das pensare im poetare zu verzichten. 36 Cf. die berühmte Passage des Zibaldone vom 30.-November 1828 über die «doppia vista» (Zib. 4418). Zu dieser Stelle und generell zum Augenblick bei Leopardi cf. Milan Herold: 32 Barbara Kuhn III. Literatur und Lebenskunst In welchem Maße im Rahmen einer Lebenskunst, einer «arte del vivere», gerade der Dichtung eine «funzione vivificante» 37 zukommt, macht eine Zibaldone- Passage deutlich, die wie ein Anklang an Rousseaus Rêveries du promeneur solitaire klingt. Waren schon diese ‹Träumereien› oder ‹fantasticherie›, die letzte der autobiographischen Schriften Rousseaus, geschrieben, damit ihr Autor sich in späteren Jahren mit einem jüngeren Selbst unterhalten kann, 38 erhofft der Autor des Zibaldone, indem er in «quella età» die Zukunft, das Alter, imaginativ vorwegnimmt und durch die Erinnerung ‹köstlich› werden läßt, eine vergleichbare ‹Lust am Text›, ein geradezu sinnliches 39 «piacere» von seinen Versen, von seinem ‹volgersi indietro› zur eigenen Jugendzeit, vom «riflettere» über die Vergangenheit: Uno de’ maggiori frutti che io mi propongo e spero da’ miei versi, è che essi riscaldino la mia vecchiezza col calore della mia gioventù; è di assaporarli in quella età, e provar qualche reliquia de’ miei sentimenti passati, messa quivi entro, per conservarla e darle «Leopardi: Übergang zur modernen Dichtung», in: id.: Der lyrische Augenblick als Paradigma des modernen Bewusstseins. Kant, Schlegel, Leopardi, Baudelaire, Rilke. Göttingen: V&R unipress / Bonn University Press 2017, 206 und 244 et passim, ferner Luigi Capitano: «L’Oriente delle chimere», in: Rivista Internazionale di studi leopardiani 9 (2013), 112sq. 37 Miranda: «Per un’etica tragica», 47. Cf. hierzu und zum oben angesprochenen Verständnis des «sconsolato» auch: «L’etica leopardiana, insomma, ci pare caratterizzata dalla tenacia di un antagonismo che si rifiuta di trarre, dalla considerazione della inevitabilità della sconfitta cui il fato destina, motivo di rassegnazione o di rinuncia. E, naturalmente, una tale etica tragica è perfettamente consonante con la concezione della funzione estetico-morale che Leopardi attribuisce alla poesia, la quale deve appunto produrre ‹un effetto grande e forte, un’impressione e una passion viva› che metta gli uditori in una ‹disposizione tutta di abborrimento e detestazione verso i malvagi› [Zib. 3454sq.]» (ibid., 49). 38 «Si dans mes plus vieux jours aux approches du départ, je reste, comme je l’espére, dans la même disposition où je suis, l[a] lecture [de mes rêveries] me rappellera la douceur que je goute à les écrire, et faisant renaitre ainsi pour moi le tems passé doublera pour ainsi dire mon existence. En depit des hommes je saurai gouter encore le charme de la societé et je vivrai decrepit avec moi dans un autre age, comme je vivrois avec un moins vieux ami» ( Jean-Jacques Rousseau: Les Rêveries du promeneur solitaire, in: id.: Œuvres complètes. Vol.-I. Les Confessions. Autres Textes autobiographiques. Éd. publiée sous la direction de Bernard Gagnebin / Marcel Raymond. Paris: Gallimard 1981, 1001). 39 Cf. allein im folgenden Zitat das Glück oder die Lust, die durch die «frutti», das «assaporar[e]» und «gustare» sowie durch «calore» und «riscald[are]» empfunden werden. Auch die «reliquia», die hier wie andernorts dem Vergangenen oder Geglaubten eine sinnlich wahrnehmbare Gestalt, eine Art ‹Realpräsenz› verleiht, wenngleich sie sich hier freilich nicht in Holzsplittern o. ä. manifestiert, sondern in klingenden Versen, ist Teil dieser ‹Sinnenlust›, die neben dem Sehen des vor die inneren Augen Gestellten das Schmecken, Hören und Tasten impliziert (und vielleicht strömt die im kostbaren Schrein der Verse ‹konservierte› «reliquia» sogar einen gewissen Duft aus, denn madeleine- und aubépine-Erfahrungen machte vor Proust durchaus auch Leopardi schon). Zeit, Gesang und Lebenskunst 33 durata, quasi in deposito; […] oltre la rimembranza, il riflettere sopra quello ch’io fui, e paragonarmi meco medesimo; e infine il piacere che si prova in gustare e apprezzare i propri lavori, e contemplare da se compiacendosene, le bellezze e i pregi di un figliuolo proprio, non con altra soddisfazione, che di aver fatta una cosa bella al mondo, sia essa o non sia conosciuta per tale da altrui. (Zib. 4302 [15.-Feb. 1828]) 40 [Eine der wichtigsten Früchte, die ich mir von meinen Versen erhoffe und verspreche, ist, daß sie mein Alter mit dem Feuer meiner Jugend erwärmen mögen; daß ich sie im Alter genießen und manche Reliquie meiner vergangenen Gefühle wiederfinden werde, daselbst hineingetan, um sie aufzubewahren und ihr Dauer zu verleihen, fast wie in einer Schatzkammer; […] zudem die Erinnerung, das Nachdenken über das, was ich war, das Mich-mit-mir-selbst-Vergleichen; und schließlich die Lust, die man empfindet, wenn man die eigenen Arbeiten genießt und schätzt, wenn man für sich die Schönheiten und Vorzüge eines eigenen Kindes betrachtet und sich daran erfreut, mit keiner anderen Befriedigung als der, etwas Schönes auf der Welt gemacht zu haben, gleich ob es von anderen als schön erkannt wird oder nicht. 41 ] Auch das Ich des ‹Gedankenbuchs› praktiziert demnach, wie das im Gedicht inszenierte und sprechende Ich, das «volgerommi indietro», statt nach «felicità celesti» oder anderen «godimenti» [nach ‹himmlichen Glückseligkeiten› oder anderen ‹Genüssen›] zu streben. Zwischen «la mia vecchiezza» und «la mia gioventù» [«mein[em] Alter» und «meiner Jugend»] bereichern Rückblick und Vorausblick, Erinnertes und Erhofftes die Gegenwart und geben damit ein Bild jener «anti-pessimistischen Strategie», jener «Lebenskunst», die der 79.-pensiero skizziert (cf. Zib. 4420sq. [1.-Dic. 1828]). Wie - nach der Erläuterung mittels der (selbst-)ironischen und wiederum einem Gegengesang gleichkommenden ‹natura benigna› [‹wohlgesinnten Natur›] - das Ende des Aphorismus als seine eigentliche Pointe zeigt, ist diese «arte del vivere» letztlich vom zu errechnenden Lebensalter gänzlich unabhängig; genauer, er sagt sich los von den Stereotypen jugendlichen Stürmens und Drängens hier und vermeintlicher Altersweisheit und gesetzter Abgeklärtheit dort, weil de facto die einen solche ‹Kunst› schon in jungen Jahren erlernten und erfolgreich praktizierten, während sie den anderen bis ins hohe Alter und bis zum Tod verschlossen bleiben werde: 40 Auf diese Passage weist - allerdings ohne den Bezug zum Passero solitario und dessen «spesso […] volgerommi indietro» herzustellen - auch Gardini hin: cf. Nicola Gardini: «History and pastoral in the structure of Leopardi’s Canti», in: The Modern Language Review 103 (2008), 77. 41 Übersetzung hier frei nach Siemund («Zibaldone: Gedanken zur Literatur», 466) und Helbling (Giacomo Leopardi: Das Gedankenbuch. Aufzeichnungen eines Skeptikers. Auswahl und Übers. von Hanno Helbling. München: Winkler 1985, 567sq.), da nur die - stellenweise zusätzlich modifzierte - Mischung aus beiden jene Isotopie der Sinnlichkeit vermitteln kann, die das Original prägt. 34 Barbara Kuhn Il giovane non acquista mai l’arte del vivere, non ha, si può dire, un successo prospero nella società, e non prova nell’uso di quella alcun piacere, finchè dura in lui la veemenza dei desiderii. Più ch’egli si raffredda, più diventa abile a trattare gli uomini e se stesso. La natura, benignamente come suole, ha ordinato che l’uomo non impari a vivere se non a proporzione che le cause di vivere gli s’involano; non sappia le vie di venire a’ suoi fini se non cessato che ha di apprezzarli come felicità celesti, e quando l’ottenerli non gli può recare allegrezza più che mediocre; non goda se non divenuto incapace di godimenti vivi. Molti si trovano assai giovani di tempo in questo stato ch’io dico; e riescono non di rado bene, perché desiderano leggermente; essendo nei loro animi anticipata da un concorso di esperienza e d’ingegno, l’età virile. Altri non giungono al detto stato mai nella vita loro: e sono quei pochi in cui la forza de’ sentimenti è sì grande in principio, che per corso d’anni non vien meno: i quali più che tutti gli altri godrebbero nella vita, se la natura avesse destinata la vita a godere. Questi per lo contrario sono infelicissimi, e bambini fino alla morte nell’uso del mondo, che non possono apprendere. (Pensieri, LXXIX) [Der Jüngling wird niemals die Kunst zu leben erlernen, und man kann sagen, niemals in der Gesellschaft Erfolg oder Freude an ihr haben, solange die Heftigkeit seiner Wünsche nicht nachläßt. Je schneller er sich abkühlt, um so schneller wird er dazu fähig sein, die Menschen und sich selbst richtig zu behandeln. Die Natur, gütig wie sie zu sein pflegt, hat es so eingerichtet, daß der Mensch in gleichem Maße zu leben lernt, wie ihm der Grund zum Leben entschwindet, daß er die Wege, mit denen er seine Ziele erreichen kann, erst dann kennt, wenn er aufgehört hat, diese Ziele als himmlische Seligkeit anzusehen und wenn ihre Verwirklichung ihm nur noch eine recht mäßige Freude bereiten kann; kurz, daß der Mensch erst dann genießen kann, wenn er zum Genießen nicht mehr fähig ist. Viele befinden sich in dem Lebensabschnitt, von dem ich hier spreche, und sind noch Jünglinge; solche haben nicht selten guten Erfolg, weil sie nicht allzuviel mehr wünschen, da sie in ihren Seelen durch ein Zusammentreffen von Welterfahrung und Geist das Mannesalter vorweggenommen haben. Andere erreichen diesen Zustand aber niemals in ihrem ganzen Leben: es sind dies jene ganz wenigen, bei denen die Stärke des Gefühls von Anfang an so mächtig ist, daß es auch im Laufe der Jahre nicht schwächer wird; solche Menschen würden mehr als alle anderen das Leben genießen, wenn die Natur das Leben zum Genießen bestimmt hätte. Weil aber das Gegenteil der Fall ist, sind dies die unglücklichsten Menschen; sie sind bis an ihr Lebensende in ihrem Umgang mit der Welt wie Kinder, die nichts lernen können. 42 ] 42 Die Übersetzung folgt der Neuausgabe der erstmals 1928 erschienenen Edition, die durch ein - hier nicht mehr aufgenommenes - Geleitwort von Theodor Lessing eingeleitet und, wie Peters in seinem Nachwort 1951 hinzufügt, «im Jahre 1933 öffentlich auf dem Scheiterhaufen verbrannt» (87) worden war. Möglicherweise lag dies vor allem am Publikationsort, dem «pazifistischen und sozialistischen Fackelreiter-Verlag», dessen Verleger Walter Hammer später auch verfolgt und inhaftiert wurde (cf. ibid.); es unterstreicht aber zugleich das im folgenden zitierte Benjaminsche Urteil über die Pensieri als «Kunst der Weltklugheit für Rebellen» und «todesmutige[s] Experimentieren mit dem Explosiv- Zeit, Gesang und Lebenskunst 35 Diese Maxime, in der Leopardi das über dem vorliegenden Band stehende Konzept der Lebenskunst explizit einführt, mag in ihrer Mehrdeutigkeit zugleich paradigmatisch für die Pensieri selbst stehen, wie sie Walter Benjamin in seiner Rezension der 1928 erschienenen deutschen Übersetzung der Gedanken qualifizierte. Während Leopardis Texte «der saturierten Geschichts- und Kunstbetrachtung des 19.-Jahrhunderts ganz unzugänglich geblieben» seien, so daß sie, ähnlich wie bei Hölderlin, offenbar nur die Möglichkeit fand, «hier ganz besonders beharrlich mit ihren Schlagworten aufzutrumpfen» und die Texte - im Falle Leopardis - mit dem «Kennwort des ‹Pessimismus›» zuzudecken, mithin «sein Schaffen ins Abstrakte zu verwandeln», erkennt Benjamin in dem Autor gerade nicht den «kontemplativen und resignierten Typus des Pessimisten». Vielmehr stellt sich diesem in dem Dichter […] ein anderer: der paradoxe Praktiker, der ironische Engel entgegen. […] Denn in der schlechtesten Welt das Rechte durchsetzen, ist bei ihm nicht nur Sache des Heroismus, sondern der Ausdauer und des Scharfsinns, der Verschlagenheit und der Neugier. Es ist dies todesmutige Experimentieren mit dem Explosivstoffe ‹Welt›, was die ‹Pensieri› so hinreißend macht. Sie sind ein Handorakel, eine Kunst der Weltklugheit für Rebellen. 43 Doch ungeachtet solcher aus dem ‹unverstellten› Lesen der Texte Leopardis gewonnenen Einsichten ist die Pessimismus-These als vermeintliches Kennwort für Leopardis Schaffen, das freilich eher zu dessen Verkennen beiträgt, auch im 20. und 21.-Jahrhundert keineswegs gänzlich verstummt, im Gegenteil: Wie Maria Corti etwa 40-Jahre nach Benjamin schrieb, breitete sie sich in ‹Legionen von Aufsätzen über den persönlichen, kosmischen etc. Pessimismus› 44 immer weiter aus. In solcher ‹Ausdifferenzierung› jedoch mußte sie notwendigerweise alle der These zuwiderlaufenden Differenzen, alle Offenheit und alle Widersprüche des vielschichtigen Werks, alles «todesmutige Experimentieren», alle stoffe ‹Welt›» (Giacomo Leopardi: Gedanken. Pensieri. Aus dem Ital. übertr. von Richard Peters. Hamburg: Schröder 1951, 61sq. Aufgrund einiger «Kürzungen und Streichungen» seitens des Verlags firmiert der zitierte Gedanke in dieser Ausgabe unter der Nummer-75). 43 Walter Benjamin: [Rezension von] «Giacomo Leopardi, Gedanken. Deutsch von Richard Peters […]» [1928], in: id.: Gesammelte Schriften. […] Bd.- III. Kritiken und Rezensionen. Hg. von Hella Tiedemann-Bartels. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1972, 117sq. 44 Cf. Maria Corti: «Passero solitario in Arcadia», in: Paragone. Letteratura 194 (1966), 14. Allerdings verknüpft Corti, anders als diese Seiten hier, ihre Feststellung mit der Klage, der Suche nach den Quellen des Gedichts werde demgegenüber zuwenig Aufmerksamkeit geschenkt: einer Klage, in die zumindest in der Gegenwart gewiß nicht mehr eingestimmt werden kann, nachdem gewissermaßen ‹Meere› von Quellen aufgetan wurden und werden, die ihrerseits manches Mal, ebenso wie die Suche nach dem ‹richtigen› Vogel, eher zum Selbstzweck werden, als noch zur immer neuen Lektüre des immer neuen Gedichts selbst anzuregen. 36 Barbara Kuhn «Neugier» und «Weltklugheit» aus dem Blick verlieren oder verbannen und statt ihrer das Werk selbst in die Gefahr des Verstummens bringen, weil sie weiter, wie der zu Beginn zitierte Settembrini in Thomas Manns wenige Jahre vor Benjamins Lektüre erschienenem Roman, nur von Unglück, Elend und Demütigung, von Niederungen der Ironie und herabgezogener, verkümmerter Seele, von herzzerreißenden Klagen, Entbehrungen und Verzweiflung sprechen wollte, dabei aber den «schönen Silben», von denen auch Ingenieur und Leutnant «kein Wort verstanden» 45 , kein Gehör schenkte. Dennoch sind, wie exemplarisch die Stimmen Paul Heyses mit der Einleitung zu der von ihm übersetzten Werkausgabe und Antonio Pretes mit seinem jüngsten Buch, La poesia del vivente, zeigen, seit dem 19.-Jahrhundert und bis in die Gegenwart auch jene Stimmen niemals völlig verstummt, die weder den Pessimismus für «die einzig befriedigende Lösung aller Tages- und Menschheitsfragen» halten noch gar Leopardis «memento vivere» vom «Phrasengeräusch der Pessimisten» 46 übertönen lassen. Auf den Spuren dieses memento vivere Leopardis, das sich weder auf die verschiedenen Pessimismen noch auf irgendeinen Optimismus reduzieren läßt, sondern in seinem Skeptizismus offen bleibt für immer neue Lesarten, bewegen sich die im vorliegenden Band versammelten Beiträge des Bonner Leopardi-Tags 2019. Dabei geht es in einem ersten Teil, dessen Beiträge vor allem von Pensieri (Helmut Meter), Operette morali (Antonio Panico) und Zibaldone (Martina Kollroß) ausgehen, unmittelbar um das Leopardische Konzept des Lebens und der Lebenskunst, das selbstverständlich immer auch die Frage noch dem Tod einschließt. Im zweiten Teil werden (in den Beiträgen von Milan Herold und Paul Strohmaier) wider die hartnäckige Pessimismus-These vielfältige Überlegungen zur vielgestaltig präsenten Heiterkeit im Werk Leopardis an- und vorgestellt, bevor zur Widerlegung der allzu schlichten These im dritten Teil einzelne canti, Il risorgimento (Giuseppe Antonio Camerino) und Il tramonto della luna (Annika Gerigk), einer je neuen und genauen Lektüre unterzogen werden. Der vierte Teil schließlich zeigt facettenreich, in welchem Maße Leopardi und sein Werk unaufhörlich in einem Dialog stehen und zum Dialog anregen: So entstehen seine Texte zum einen im Austausch und in der Auseinandersetzung mit früheren Autoren und Werken wie etwa Pascal, Leibniz, Voltaire (Giulia Abbadessa) oder Rousseau (Luigi Camerino); zum anderen wird Leopardis Denken und Dichten 45 Mann: Der Zauberberg, 141. 46 So Anfang und Ende der zu Beginn zitierten Einleitung: «Seitdem der Pessimismus als philosophische Doktrin […] täglich lauter als die einzig befriedigende Lösung aller Tages- und Menschheitsfragen gepriesen wird […], seitdem ist auch der Dichter des Pessimismus aus dem Dunkel herausgetreten. [… Doch] wie seltsam wird das Phrasengeräusch der Pessimisten von der Nichtigkeit der Welt übertönt durch dieses memento vivere ihres größten Dichters! » (Heyse: «Leopardis Weltanschauung», 269 und 300). Zeit, Gesang und Lebenskunst 37 seinerseits Gegenstand von De Sanctis’ Dialog Leopardi e Schopenhauer (Giovanni di Stefano), und zum dritten bleibt sein Werk seit dem 19.- Jahrhundert und bis in die Gegenwart wichtiger Dialogpartner späterer Autorinnen und Autoren, wie hier (im Beitrag von Uta Degner) die Lyrik Ingeborg Bachmanns ihrerseits bild- und sprachmächtig vor Augen und Ohren führt. Zugleich falten die Beiträge in ihrer Gesamtheit so den doppeldeutigen Titel einer Lebenskunst nach Leopardi auseinander, indem sie von der ‹Lebenskunst gemäß Leopardi› im ersten Aufsatz bis zur ‹Lebenskunst seit Leopardi› im letzten reichen und so in vielen Facetten einmal mehr den Facettenreichtum des offenbar unerschöpflichen Werks und der von ihm zu erlernenden Lebenskunst aufscheinen lassen. Herausgeber und Herausgeberin dieses Buches, die auch schon als Organisator und Organisatorin der Tagung über die Lebenskunst nach Leopardi fungierten, danken allen Beiträgerinnen und Beiträgern sehr herzlich für ihre Mitwirkung am vorliegenden Band und für ihr Sich-Einlassen auf das «todesmutige Experimentieren» wider das «Phrasengeräusch der Pessimisten». Und ebenso danken wir, auch im Namen der Deutschen Leopardi-Gesellschaft, der Universität Bonn und den dortigen romanistischen Kolleginnen und Kollegen, die das Zustandekommen der Tagung nicht nur räumlich ermöglicht, sondern - bis hin zur Drucklegung des Buches - auch materiell unterstützt haben. Für die finanzielle Unterstützung der Tagung danken wir ebenso der Arbeitsgemeinschaft literarischer Gesellschaften und Gedenkstätten e.V., dem Istituto Italiano di Cultura Köln und der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Und für die Betreuung dieses weiteren Ginestra-Bandes gilt unser Dank für die bewährte Unterstützung und die Geduld wiederum Kathrin Heyng und dem Narr-Verlag, bei denen wir dieses Periodikum der Leopardi-Gesellschaft so gut aufgehoben wissen. Bonn und Eichstätt, im September 2020 Literatur Leopardi, Giacomo: Canti e frammenti. Gedichte und Fragmente. Italienisch / Deutsch. Übers. von Helmut Endrulat. Hg. von Helmut Endrulat / Gero Alfred Schwab. Stuttgart: Reclam 2011. —: Gedanken. Pensieri. Aus dem Ital. übertr. von Richard Peters. Hamburg: Schröder 1951 [Hamburg-Bergedorf: Fackelreiter-Verlag 1928]. —: Das Gedankenbuch. Aufzeichnungen eines Skeptikers. Auswahl und Übers. von Hanno Helbling. München: Winkler 1985. —: «Zibaldone. Gedanken zur Literatur», in: id.: Ich bin ein Seher. Gedichte italienischdeutsch. [Übers. von Hanno Helbling.] Kleine moralische Werke. [Übers. von Alice 38 Barbara Kuhn Vollenweider.] Zibaldone: Gedanken zur Literatur. 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Diese deterministische Szenerie, die Leopardi im Kern als nicht veränderbar erachtet, ist ihm jedoch der Anlass, nach Wegen zu suchen, das jeweilige individuelle Leben erträglicher zu machen. Im Darlegen einer solchen «arte del vivere» manifestiert sich ein anti-pessimistisches Kalkül. Diese ‹Kunst› gründet sich auf eine rigorose Selbsterkenntnis und das Erkennen des Charakters der Mitmenschen. Dabei sind zumal die persönlichen Defizite der anderen, die man sich zunutze machen sollte, von Interesse. Aus ihnen können Handlungsanleitungen für geeignete Personen abgeleitet werden, um das eigene Leben weniger bedrückend zu gestalten. Leopardis Programm versteht sich nicht als Glücksversprechen, sondern als Anleitung zu der Fähigkeit, zu einem erträglichen ‹Unglücklichsein› zu finden. Dies ist eine latent optimistische Einstellung im Rahmen einer freilich substantiell negativen Auffassung des Menschen und der Gesellschaft. Leopardi, nei Pensieri, amplia ed elabora diversi passi dello Zibaldone e si propone di esercitare i lettori all’‹arte del vivere›. Il punto di partenza dell’intento moralistico è dato dall’immagine di una società autodistruttiva, risultante dalla convinzione di una natura umana negativa. Tale assetto deterministico, considerato da Leopardi come immutabile nel suo nucleo, si dimostra, però, il motivo decisivo per cercare delle vie, atte a rendere più sopportabile la vita di ogni singolo individuo idoneo. Nell’esporre tale ‹arte del vivere› si manifesta un calcolo anti-pessimistico. Questo si fonda su una rigorosa autoconoscenza e sulla cognizione caratteriale degli altri uomini. Riguardo a ciò sono 46 Helmut Meter di importanza particolare le carenze personali degli altri da cui si potrà trarre vantaggi. Da queste carenze, infatti, possono risultare regole da seguire che permettono di rendere meno desolata la propria vita. Perciò il programma leopardiano non intende essere una promessa di felicità, ma incoraggiare la capacità di giungere a una ‹infelicità› sopportabile. In tale proposta è da scorgere una latente attitudine ottimistica, anche se essa si inserisce comunque nel quadro di una concezione sostanzialmente negativa dell’uomo e della società. Schlagwörter: Anti-Pessimismus, Optimismus, Lebenskunst, Moralistik, Natur Parole chiave: anti-pessimismo, ottimismo, arte del vivere, moralistica, natura I. Die negative Beurteilung menschlicher Existenz in Leopardis moralistischem Spätwerk der 111 Pensieri - posthum 1845 erstmals veröffentlicht bei Le Monnier - hat geradezu topischen Charakter 1 . Da ist die soziale Welt etwa bestimmt von «l’ingratitudine, l’ingiustizia, e l’infame accanimento degli uomini contro i loro simili» (XVI, 51 [«der Undankbarkeit, der Ungerechtigkeit und dem niederträchtigen Hass der Menschen gegen ihresgleichen»]), und ebenso entschieden wird die «carneficina che l’uomo fa del suo prossimo» (XX, 57 [«das Gemetzel, das der Mensch unter seinen Nächsten anrichtet»]) bildkräftig ins Blickfeld gerückt 2 . Mitunter verweist Leopardi dabei auf eine «condizione umana» (LIII, 98 [«conditio humana»]) oder gar auf eine «natura umana» (LXVIII, 114 [«menschliche Natur»]), mithin auf Basisfaktoren unabänderlicher Art, die eine grundsätzliche Determiniertheit menschlichen Verhaltens umschreiben sollen. Um sich auf dem schwierigen Terrain gesellschaftlichen Lebens ohne größeren Schaden zu bewegen, sei der Mensch folglich auf einen Lernprozess angewiesen, auf ein «imparare a vivere» (LII, 97 [«zu leben lernen»]), das seinerseits nur auf dem kognitiven Erfassen der menschlichen Natur und den daraus zu ziehenden Schlüssen aufbauen könne. In dem facettenreich dargelegten Tableau eines bellum omnium contra omnes gilt es für den Einzelnen demzufolge, sich behaupten zu können, ohne indes im eigenen Tun nur einen weiteren Beleg für die Misere des konstitutiven menschlichen Antagonismus bereitzustellen. 1 Zitate und Textverweise im Folgenden und ohne weitere Spezifizierung nach der Ausgabe Giacomo Leopardi: Pensieri. A cura di Antonio Prete. Milano: Feltrinelli 4 2014. Die römischen Ziffern bezeichnen einen jeweiligen Pensiero Leopardis. 2 Hier wie im Folgenden werden die italienischen Zitate aus den Pensieri im unmittelbaren Anschluss an ein jeweiliges Zitat ins Deutsche übersetzt. Übersetzungen vom Vf. Zwischen anti-pessimistischem Kalkül und latentem Optimismus 47 Leben zu lernen oder gar zu einer erstrebenswerten «Lebenskunst», zu einer «arte del vivere» (LXXIX, 127), zu finden, ist ein komplexer Vorgang, an dem offenbar nur eine begrenzte Zahl von Menschen teilhat. Die weitaus meisten bleiben, wie Leopardi zeigt, in einem unreflektierten Habitus befangen und suchen keine Wege, sich mit den Zwängen ihrer Natur auseinanderzusetzen sowie im Rahmen ihrer existentiellen Festlegung einen modus vivendi zu finden, der das Dasein erleichterte und Seelenfrieden, nämlich «tranquillità dell’animo» ermöglichte sowie ein «poter vivere» (LIV, 99 [«leben können»]) garantieren könnte. Dies aber wäre die notwendige Grundlage einer anti-pessimistischen Einstellung zum Leben. Nun gibt es zwei Ansatzpunkte der negativen Einschätzung von Gesellschaft und Mensch in den Pensieri: zum einen die zeitgenössische Gesellschaft und ihre immanente Destruktivität; zum anderen die negative Beurteilung der menschlichen Natur in einem panchronischen Sinne. Sozialpsychologisch wie anthropologisch legt sich Leopardi mithin auf eine pessimistisch geprägte Rahmenvorstellung fest. Dies schließt anti-pessimistische Strategien sicherlich nicht aus, doch dies innerhalb eines gesellschaftlichen wie humanen Horizonts, der von unverrückbaren Gewissheiten unabänderlicher Negativität bestimmt ist. Lebenskunst kann sich demzufolge essentiell nur als Palliativ verstehen, als ein nützlicher Modus, die Zumutungen der Existenz erträglicher zu gestalten, als das Bemühen, in ausgewählten Segmenten der Lebensführung eine Entlastung zu finden. Und dies geschieht über eine operative Technik der Nutzbarmachung von Selbsterkenntnis und Erkenntnis der anderen Menschen. Diese Erkenntnisweisen charakterisieren sich durch den Umstand, dass sie sich hauptsächlich auf jeweilige humane Schwächen oder Defizite richten, mithin dadurch, dass aus einem Konzert widerstreitender Formen von Negativität per Kalkül für das nach Erleichterung existentieller Not suchende Subjekt ein spürbarer Mehrwert erwächst. Offenbar nutzt Leopardi hier die Hobbes’sche Auffassung des homo homini lupus antinomisch für ein Konzept der defensiven Selbstertüchtigung 3 . 3 Für Hobbes leitet sich der «Krieg eines jeden gegen jeden» aus den drei wesentlichen Konfliktgründen ab, die er in der menschlichen Natur angelegt sieht, nämlich: «competitio, defensio, gloria». Insoweit ist dies im Grunde mit Leopardis Vorstellung einer substantiell von Antagonismen bestimmten Gesellschaft vereinbar. Freilich kann sich, Hobbes zufolge, diese missliche Situation durchaus ändern, und zwar durch eine Macht, die die Menschen im Zaum hält - eine politische Dimension, die dem Denken Leopardis fremd ist. So heißt es in Kapitel XIII des Leviathan: «Manifestum igitur est, quamdiu nulla est potentia coerciva, tamdiu conditionem hominum eam esse quam dixi bellum esse uniuscujusque contra unumquemque.» Thomas Hobbes: Opera philosophica quae latine scripsit Omnia […]. III. Leviathan, sive de materia, forma, et potestate civitatis ecclesiasticae et civilis. Ed. by William Molesworth. Second Reprint [London: Bohn 1841]. Aalen: Scientia-Verlag 1966, 99. 48 Helmut Meter Um dies zu bewerkstelligen, bedarf es entscheidend des Einsatzes der Vernunft. Schließlich ist es diese, die die Unzulänglichkeiten der eigenen Person erkennbar macht sowie die unverrückbaren Persönlichkeitsmerkmale und Defizite der anderen. Nur der kühle, unvoreingenommene Blick auf die strukturellen Charakterschwächen der menschlichen Spezies vermag die Grundlage für eine «arte del vivere» zu schaffen, die einer partiellen Befreiung vom Joch anthropologischer Ausweglosigkeit gleichkommt. Diese Option für das rationale Vorgehen hat nun allerdings zwei nicht unproblematische Implikationen. Zunächst könnte sie der Grund dafür sein, dass in der Rezeptionsgeschichte der Pensieri diesen gelegentlich eine substantielle Aridität des Denkens und eine verengte Weltsicht unterstellt werden, wie es bereits im Urteil von Francesco De Sanctis der Fall ist 4 . Überdies ließe sich im Privilegieren des Vernunftregisters ein unverhüllter Widerspruch zu Leopardis ansonsten häufiger Kritik an der menschlichen Ratio, ja zu deren mitunter klaren Zurückweisung entdecken 5 . Das Bemühen um eine Eindämmung pessimistischer Gewissheiten bedarf mithin, so scheint es, der partiellen Reorganisation vertrauter Denkmuster und ihrer subjektiv gesicherten epistemologischen Basis. Dies hinterlässt letzten Endes den Eindruck einer Auflehnung gegen das ansonsten Unvermeidliche, gegen ein selbst erstelltes Weltbild ausnahmsloser Negativität. So hat es den nicht unbegründeten Anschein, Leopardis Bekenntnis zum Einsatz einer strategischen Vernunft, im Hinblick auf ein besseres Leben im Verständnis selbstgewissen Handelns, komme einer Auflehnung gegen sein eigenes besseres Wissen gleich. Folglich nimmt es nicht wunder, dass Walter Benjamin - freilich ohne Bezug auf den verdeckten Widerstreit - auf Karl Voßlers Spuren in den Pensieri «eine Kunst der Weltklugheit für Rebellen» erkennt 6 . Rebellisches Verhalten aber versteht sich notwendigerweise als ein Tun, das sich dem Ziel einer möglichen Alterität verpflichtet weiß, als eine Reaktion, die zumindest potentielle Veränderbarkeit missliebiger Verhältnisse nicht ausschließt. Unter solchem Gesichtspunkt erwiese sich die «arte del vivere» gleichsam als ein anti-pessimistisches Elixir, dem wenigstens eine kleine Wirkungskraft eignet. 4 Cf. Francesco De Sanctis: Leopardi. A cura di Carlo Muscetta- / Antonia Perna. Torino: Einaudi 1960, 289. Es ist z. B. die Rede von «un parto dell’umor nero». 5 So mitunter in den Operette morali, etwa in einem Sprechpart des Porfirio in dessen Dialog mit Plotino: «E saria pur duro ed iniquo che la ragione, la quale per far noi più miseri che naturalmente non siamo, suol contrariar la natura» (Giacomo Leopardi: Operette morali. A cura di Giorgio Ficara. Con un saggio di Andrea Zanzotto. Milano: Mondadori 2016, 234). 6 So in der Rezension der deutschen Übersetzung der Pensieri von Richard Peters (1928): Walter Benjamin: Gesammelte Schriften. III. Hg. von Hella Tiedemann-Bartels. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1972, 118. Zwischen anti-pessimistischem Kalkül und latentem Optimismus 49 Damit geht indessen folgerichtig eine weitere Erkenntnis einher. Rebellion - und der Terminus ist seitens der leopardiani gerne aufgegriffen worden - ist semantisch nicht abtrennbar von einem Potential an Emotionalität, an Impulsivität. Dies wäre dann konsequenterweise der latente energetische Antrieb für Leopardis konzeptuelle und pragmatische Rationalität in seinen Pensieri. II. Nun erfüllt Leopardis Konzept einer «arte del vivere» zunächst einmal den Zweck eines Selbstschutzes. Die intendierte Lebenskunst reiht sich keineswegs in das verbreitete aufklärerische Paradigma der Suche nach Glück ein. In seinem argumentativen Duktus verweilt Leopardi vielmehr innerhalb der Grenzen des «infelicità»-Begriffs: Lebenskunst bedeutet demnach, sich in einem unabänderlichen Unglücklichsein einzurichten, dessen Zwänge bestmöglich ertragen zu können 7 . Somit handelt es sich, präziser gesagt, um eine «arte di essere infelice» [«Kunst, unglücklich zu sein»], eine Formel, die von Leopardi schon wenige Jahre vor dem Abfassen seines späten Textes geprägt wurde, nämlich 1829 im Projekt eines Manuale di filosofia pratica 8 , und die neben ihrer Schlüssigkeit im Rahmen des Denk- und Erfahrungsgebäudes ihres Autors einen weiteren Aspekt freilegt: das Bemühen um Originalität. Letzteres meint nicht die Inszenierung gedanklicher Exzentrik, sondern vordringlich den Glauben, abseits oft beschrittener Wege sowohl zu neuen Einsichten als auch zu einer veränderten Lebensform zu gelangen. Leopardi schreibt sich mithin nicht ein in die longue durée eines moralistischen Schreibens, das den Fundus menschenbezogenen Wissens in organischem Sinne zu erweitern trachtete. Seine Haltung ist eher die des cavalier seul, der sich im Prinzip nicht 7 Hierin zeigt sich im Übrigen ein subtiler Unterschied zwischen Leopardis Lebenskunst und der Auffassung des ihm oft als philosophisch affin zur Seite gestellten Schopenhauer. So merkt dieser etwa zum Konzept der Eudämonie an, «daß ihr Name selbst ein Euphemismus ist und daß unter ‹glücklich leben› nur zu verstehen ist ‹weniger unglücklich›, also erträglich zu leben». Dies bilanziert im Kleinen Schopenhauers grundsätzliche Überzeugung, jeder Mensch sei entscheidend durch seine naturgegebene Individualität bestimmt: «Jeder steckt in seinem Bewusstsein wie in seiner Haut, und lebt unmittelbar nur in demselben; dabei ist ihm von außen nicht sehr zu helfen.» Arthur Schopenhauer: Aphorismen zur Lebensweisheit. Hg. von Rudolf Marx. Stuttgart: Kröner 1968, 133 und 5. Geht Schopenhauer von gesonderten menschlichen Individualitäten aus, so gilt hingegen für Leopardi die pluralische Basis von «gli uomini» (42, 48, 63, 70) oder die dem als Grundlage seiner Gesellschaftsbetrachtung letztlich identische Sammelkategorie «l’uomo» (57, 68, 90, 99). In diesem generischen Verständnis von Menschsein ist schließlich die Voraussetzung zu sehen für die prinzipiell allen Menschen offenstehende Möglichkeit, ‹leben zu lernen›. 8 Cf. Giacomo Leopardi: «Memorie e disegni letterari. Elenco di letture», in: id.: Tutte le opere. Vol.-I. A cura di Walter Binni-/ Enrico Ghidetti. Firenze: Sansoni 1969, 372. 50 Helmut Meter als Teil eines kollektiv getragenen Erkenntnisprozesses versteht 9 . Darin ist am Ende der Anspruch der Pensieri zu sehen, aber auch ihre eigentümliche Signatur eines Lebensentwurfs, dessen antipessimistische Qualität weder in den herkömmlichen Bahnen optimistisch angelegter Moralistik verläuft noch antinomisch auf den Merkmalen eines tradierten Pessimismus aufbaut. In geistesgeschichtlicher Betrachtung und bewusst plakativ gesagt, ist Leopardi in diesem Punkt ebenso wenig dem illuminismo zuzurechnen wie dem romanticismo, wenn man die wirkungsmächtigen zeitgeschichtlichen Kategorien bemühen will. 10 Indem die als anti-pessimistisch aufzufassende Lebenskunst im Bereich einer kompromisslos dekretierten gesellschaftlichen Negativität angesiedelt ist, sind ihre Grenzen unverkennbar und scheinen letztlich auch nicht erweiterbar. «Arte del vivere» lautet folglich das Angebot eines bescheidenen Refugiums. Für sich genommen, unter momentanem Ausblenden seiner bedrückenden Umrahmung, mag dieses als Kernbereich aufkeimender Hoffnung erfahren und aufgefasst werden. Doch solche Diskontinuitäten im deterministischen Grundgefüge von Gesellschaft und menschlicher Natur müssten sich schließlich und endlich als trügerisch erweisen. Das benimmt den anti-pessimistischen Fingerzeigen Leopardis allerdings nicht ihre genuine Qualität einer Suche nach Auswegen, einer Suche, die nicht allein zwangsläufig vergeblich zu sein scheint, sondern auch als probater Selbstzweck zu verstehen ist, aus dem eine größere Leichtigkeit des Seins hervorgehen könnte. Die Pensieri sind bekanntlich Erweiterungen und Ausarbeitungen bestimmter Passagen aus dem Zibaldone 11 . Verschiedentlich wurde in der Forschungsliteratur hervorgehoben, dass der markante Unterschied beider Werke texttypologisch in einer Reduktion der autobiographischen und narrativen Ausrichtung im Spätwerk bestehe und somit auch die Anteile eines textimmanenten ‹Ich› entschieden geringer seien. Dies kommt denn auch einer dialogisch intendierten Mitteilungsform entgegen, denn das durchaus noch in Restbeständen vorhandene «io» [«Ich»] sieht sich flankiert von den weiteren Personalpronomina «tu» [«du»] und «noi» [«wir»] sowie dem indefiniten Pronomen «uno» [«jemand»] in einem generalisierenden, überindividuellen Verständnis von Menschsein. 9 Dies mag nicht zuletzt dadurch begründet sein, dass Leopardi beim Abfassen seiner Pensieri offenbar nie vergaß, «che essi erano nati in lui da un’esperienza autobiografica» (Ugo Dotti: Il savio e il ribelle. Manzoni e Leopardi. Roma: Editori Riuniti 1986, 75). 10 Einen anderen, plausiblen Ansatz in der Beurteilung von Leopardis Denken und Konzeptualisierung verfolgt der Philosoph Severino, wenn er «un andamento rigoroso come quello di Aristotele» erkennt (Emanuele Severino: Il nulla e la poesia. Alla fine dell’età tecnica: Leopardi. Milano: Rizzoli 1990, 176sq.). 11 Cf. Luigi Blasucci: «I registri della prosa: ‹Zibaldone›, ‹Operette›, ‹Pensieri›», in: id.: Lo stormire del vento tra le piante. Testi e percorsi leopardiani. Venezia: Marsilio 2003, 101-123. Zwischen anti-pessimistischem Kalkül und latentem Optimismus 51 War der Zibaldone in seinem monologischen und der Selbstvergewisserung dienenden Charakter ursprünglich nicht zur Publikation vorgesehen, so verhält es sich ganz anders mit den Pensieri. Verstehen sie sich, Leopardis bekanntem Brief vom 2.-März 1837 an Louis De Sinner zufolge, als «un volume inédit de Pensées sur les caractères des hommes et sur leur conduite dans la société» 12 , so verweist das dialogische Substrat des Textes unschwer auf eine kommunikative Absicht. Schließlich stehen ja nicht nur die Beobachtung und Beurteilung der Menschen in ihrem gesellschaftlichen Verhalten im Fokus, sondern zugleich auch die Folgen, die daraus für die je eigene Lebensführung abzuleiten sind. Mündet diese idealerweise in eine «arte del vivere», so impliziert dies eo ipso ein mitteilsames Werben für die so verstandene Lebensweise. Die Pensieri sind mithin evidenterweise ein moralistischer Text, und es fehlt nicht an Schnittmengen mit anderen Texten des gleichen Genres. Montaignes Ausgangspunkt vom eigenen Ich 13 und La Rochefoucaulds Thema des amourpropre finden hier ebenso einen Nachhall wie die Aufwertung der Argumente des Herzens gegenüber der Vernunft in Pascals Pensées 14 . Sind die Pensieri mit diesen - so wie mit Rousseaus, freilich von anderen kompilierten Pensées - vom Titel her identisch, so fehlt ihnen indessen die Leitfunktion der christlichen Religion. Dem methodischen Zweifel Montaignes korrespondiert hingegen kontrapunktisch Leopardis analytische Gewissheit. Und La Rochefoucaulds negativ konnotierte Eigenliebe nimmt in den Pensieri die Gestalt einer unverzichtbaren Selbstliebe, des amor sui an 15 . 12 Giacomo Leopardi: Tutte le Opere. Vol.-III. Le Lettere. A cura di Francesco Flora. Milano: Mondadori 5 1970 ( 1 1949), 1127. 13 Bei Montaigne resultiert dies im Kapitel «De la solitude» seiner Essais schon aus der letzten Endes apodiktischen Festlegung: «La plus grande chose du monde c’est de savoir être à soi», verbunden mit der Aufforderung, sich von der Gesellschaft zurückzuziehen. Cf. Michel de Montaigne: Œuvres complètes. Texte établi et annoté par Robert Barral en collab. avec Pierre Michel. Paris: Seuil 1967, 112. In den Pensieri handelt es sich indessen darum, das individuelle Ich als Teil der Kategorie der «uomini», der Menschen an sich, zu verstehen und folglich gesellschaftlich zu positionieren. 14 Die entscheidende Rolle des Herzens bei Pascal beruht freilich auf der Verbindung des Herzens zu Gott - ein Umstand, der für Leopardis Ferne zu Gott nicht gelten kann: «C’est le cœur qui sent Dieu et non la raison. Voilà ce que c’est que la foi. Dieu sensible au cœur, non à la raison.» Blaise Pascal: Pensées. Texte de l’édition Brunschvicg. Introd. et notes par Ch[arles]-Marc des Granges. Paris: Garnier Frères 1961, 147 (P. 278). 15 Zu La Rochefoucaulds insgesamt negativer Sicht des «amour-propre» cf. François de La Rochefoucauld: Maximes. Suivis des Réflexions diverses, du Portrait de La Rochefoucauld par lui-même et des Remarques de Christine de Suède sur les Maximes. Éd. de Jacques Truchet. Éd. revue et augmentée. Paris: Garnier 1967, 165: «Dieu a permis, pour punir l’homme du péché originel, qu’il se fît un dieu de son amour-propre pour en être tourmenté dans toutes les actions de sa vie» (Maxime 22 der «Maximes posthumes»). 52 Helmut Meter Leopardis Text kommt also durchaus eine Sonderstellung zu. Darüber kann auch nicht ein ausgeprägtes Stilmittel moralistischer Literatur hinwegtäuschen: die durchgängig aphoristische Zurichtung der Gedankenführung. Nicht zuletzt diese erlaubt es im Grunde, die eigene deterministische Weltsicht durch antipessimistische Akzente kurzfristig, doch immer wieder zu überspielen. Es gibt indes eine weitere Besonderheit der Pensieri: ihre grundlegende Kürze bzw. Kompaktheit, die - wieder einmal - Walter Benjamin bewogen hat, die Sammlung der suggestiven Reflexionen mit dem Begriff des «Handorakels» zu versehen 16 . Dabei steht wohl trotz der erwähnten Nähe zu Gracián weniger dessen konzeptistische Dunkelheit im Oráculo manual vergleichsweise zur Debatte - in der lichten Semantik der Pensieri findet sie keine Entsprechung - als vielmehr die Handlichkeit und leichte Verfügbarkeit eines überschaubaren Buches 17 . Vorstellbar sind die Pensieri demzufolge durchaus als eine Art Vademecum orientierenden Wissens im Hinblick auf ein erleichtertes Leben. Kulturgeschichtlich scheint dies begreiflich zu sein. Ob der Verfasser es allerdings intendiert hatte, bleibt ungewiss, zumal angesichts des - allerdings alleinstehenden - Zeugnisses von Pietro Giordani, dem Vertrauten aus alten Zeiten, ursprünglich hätten 600 Pensieri vorgelegen 18 . Die sozialerzieherische Seite des Textes rückt damit jedenfalls unverkennbar ins Licht. Leopardis Ziel, den Charakter der Menschen und ihr Verhalten in der Gesellschaft zu erfassen, ist zweifellos seiner schon länger gehegten Absicht verschwistert, den «uomo in sé» [«Menschen in sich selbst»] zu begreifen, menschliche Charakteristika an sich aus der Betrachtung des eigenen Ich zu gewinnen, wie es in dem bekannten Brief vom 4.- März 1826 an Giampietro Vieusseux heißt 19 . Mit zunehmender Lebenserfahrung aber offenbart dieses Pars-pro-toto- Modell sein Ungenügen und weicht einer Dialektik von Selbst- und Fremdbeobachtung, aus der dann allerdings keine plane Anthropologie mehr hervorgeht. Die Entität Mensch spaltet sich für Leopardi nunmehr auf in eine Mehrzahl der negativen Personen und eine kleine Gruppe der «buoni» [«Guten»] und 16 Cf. Benjamin: Gesammelte Schriften. III, 118. 17 Indessen darf nicht verschwiegen werden, dass es im Hinblick auf die Lebensklugheit durchaus Parallelen zwischen dem Leopardi der Pensieri und Gracián gibt. Das gilt unter anderem, doch besonders für die Notwendigkeit nüchterner Selbsterkenntnis. Siehe dazu z. B. die Eintragungen «34: Conocer su realce rey», «161: Conocer los defectos dulces» und «225: Conocer su defecto rey». Cf. Baltasar Gracián: Oráculo Manual y Arte de Prudencia, in: id.: Obras completas. Edición, introducción y notas de Santos Alonso. Madrid: Cátedra 2011, 354, 391, 410. 18 Cf. dazu die Hinweise und Ausführungen von Vincenzo Guarracino: Guida alla lettura di Leopardi. Milano: Mondadori 1998, 136. 19 Cf. Leopardi: Tutte le opere. Vol.-III. Le Lettere, 648. Zwischen anti-pessimistischem Kalkül und latentem Optimismus 53 «magnanimi» (I, 32 [«Großmütigen»]). Diese manichäische Bipolarität 20 lässt schlüssigerweise nur zu, dass die «arte del vivere» den eher wenigen Ausnahmegestalten vorbehalten ist bzw. dem Typus des «uomo coraggioso e da bene» (I, 31 [«mutigen und ehrbaren Menschen»]). Die Hinwendung zu den solcherart markierten happy few ist jedoch im Einklang mit der philantropischen Grundhaltung Leopardis zu sehen: «la mia inclinazione non è mai stata d’odiare gli uomini, ma di amarli» (I, 31 [«ich habe nie dazu geneigt, die Menschen zu hassen, wohl aber, sie zu lieben»]). III. Nur einmal in der Gesamtheit der Pensieri, in Pensiero LXXIX (127), benennt und thematisiert Leopardi die «arte del vivere» explizit. Deren Essenz gilt ihm als das Geschick «a trattare gli uomini e se stesso» [«die Menschen und sich selbst handzuhaben»], und dieses Geschick muss erworben werden. Ungeeignet hierfür sei der «giovane», der junge Mensch, denn die «veemenza dei desideri», seine heftigen Begierden verwehrten ihm dies. Erst mit seiner progressiven ‹Abkühlung› erweise er sich als geeignet für die Annehmlichkeiten der Lebenskunst. Darin aber tritt für Leopardi zugleich ein grundlegendes Dilemma menschlicher Existenz zutage: Die stets ‹gütige› Natur - wie er ironisch festhält - habe es so eingerichtet, dass der Mensch nur in dem Maße fähig sei, zu leben zu lernen, wie der Anreiz zu leben - «le cause di vivere» - ihm bereits davoneile und sich für ihn nur noch eine bescheidene «allegrezza» [«Freude»] abzeichne. Allein solchen «giovani», die von nur schwachen «Begierden» geprägt seien, da so das Erwachsenenalter, «l’età virile», im Zuge des notwendigen «concorso di esperienza e d’ingegno» [«Zusammenwirkens von Erfahrung und Veranlagung»] früher einsetzen könne, sei großer Erfolg beschieden, eine Lebenskunst zu entwickeln. Andere junge Menschen wiederum, mit außergewöhnlicher «forza dei sentimenti» [«Kraft der Gefühle»] ausgestattet, hätten das Vermögen, in diesem Status der Jugendlichkeit sehr lange zu verharren; im Grunde könnten sie mithin das Leben weitaus mehr genießen als alle übrigen. Das gelte jedoch nur unter der fälschlichen Annahme, die ‹Natur› habe das Leben für den ‹Genuss› bestimmt. Deshalb seien die Personen dieser Kategorie am Ende - ganz im Gegenteil - «infelicissimi» [«höchst unglücklich»] und ver- 20 Die Bipolarität impliziert schlüssigerweise die Kategorie des «malvagio», des «Bösen» (CIX, 161), wobei Leopardi diese Qualität nicht als reinen Selbstzweck entsprechender Individuen versteht, sondern als subjektiv vermeinte Notwendigkeit, um schwerem Schaden zu entgehen. Demnach handelt es sich um Personen, die in anderem Zusammenhang als «dolcissimi» und «innocentissimi» zu gelten haben (CIX, 161). 54 Helmut Meter blieben ihr Leben lang in der Verfassung von «Kindern», denen der «uso del mondo», die Fähigkeit, sich die Welt dienlich zu machen, versagt bleibe. Es zeigt sich mithin, dass das Konzept der Lebenskunst der Rahmenvorstellung einer, phänomenologisch gesehen, desolaten menschlichen Existenz entspringt 21 . Es ist ein Ergebnis kühler Rationalität und repräsentiert zugleich den minimalen Spielraum an Freiheit, den ein umfassender Determinismus noch zu konzedieren scheint. Der «arte del vivere» eignet folglich zumindest auch ein Gran Melancholie. Wenn Leopardis entscheidendes Anliegen erst im letzten Viertel seiner Pensieri grundsätzlich expliziert wird, so ist der Gesamttext aber durchaus von dem zentralen Ansinnen durchwoben. In dieser Hinsicht lassen sich drei Textebenen unterscheiden. Auf der ersten Ebene wird das Bild einer ausnahmslos selbstzerstörerischen Gesellschaft entworfen, als deren wichtigste Facetten «la bassezza dell’animo, la freddezza, l’egoismo, l’avarizia, la falsità e la perfidia mercantile» [«die charakterliche Niedertracht, die Kälte, der Egoismus, der Geiz, die Falschheit und die Heimtücke in geschäftlichen Dingen»] zu gelten haben, somit «tutte le qualità e le passioni più depravatrici e più indegne dell’uomo incivilito» (XLIV, 87 [«die für den zivilisierten Menschen verruchtesten und schändlichsten Eigenschaften und Leidenschaften»]). Diese des Öfteren in variierenden Abwandlungen aufscheinende Situation lässt neben ihrem desillusionistischen Zuschnitt aber auch vage Anzeichen ohnmächtigen Widerspruchs erkennen. Das Bemühen um ein Einwirken auf die Leserschaft ist spürbar. Die zweite Textebene markiert demgegenüber schon deutlicher eine edukative Intention Leopardis. Diese manifestiert sich implizit, indem soziale Interaktionen vorgestellt werden, die sich auf nur begrenzte Handlungsmöglichkeiten eines jeweils involvierten Subjekts verengen. Dies entspricht dann einer indirekten Verhaltensanweisung. So etwa in dem sentenziösen Pensiero LXXXVI (134), wenn es heißt: «Il più certo modo di celare agli altri i confini del proprio sapere, è di non trapassarli» 22 [«Die sicherste Art, den anderen die Grenzen des 21 In dieser Existenzauffassung ist unschwer jenes «sentimento antivitale» zu erkennen, das Luporini aus Leopardis «nichilismo» ableitet, der sich besonders in den letzten Jahren des Zibaldone manifestiere und auf einer spezifischen Selbstanalyse des leopardischen Ichs beruhe, das sich essentiell durch «circostanze esterne» konditioniert und der «propria nullità» ausgeliefert sehe (cf. Cesare Luporini: Decifrare Leopardi. Napoli: Macchiaroli 1998, 227). Luporinis Konzept der das Subjekt in jedem Falle determinierenden gesellschaftlichen Umstände wird nun freilich durch das Prinzip der Lebenskunst in beträchtlicher Weise relativiert. 22 Die Bedeutung aphoristischen Schreibens in den Pensieri ist hoch zu veranschlagen. In Bezug auf den Zibaldone - und die mit diesem verknüpften Pensieri - betrachtet Rigoni den Autor gar als «il più grande aforista dell’Italia moderna». Die Besonderheit seiner Zwischen anti-pessimistischem Kalkül und latentem Optimismus 55 eigenen Wissens zu verbergen, besteht darin, sie nicht zu überschreiten»]. Ein ähnlich unausgesprochener Imperativ des Verhaltens liegt vor in Pensiero XCIV (143), wo ausgeführt ist, der «uomo savio e prudente» [«weise und besonnene Mensch»] dürfe einen guten Freund um sehr vieles, doch niemals um materielle Unterstützung, um das Gewähren von «roba» bitten. Eine jede Person setze im Allgemeinen eher ihr Leben für einen Fremden aufs Spiel, als dass sie einem Freund auch nur einen «scudo» zubillige. Der erfahrungsgeprägte Anspruch des dargelegten Wissens scheint auf Seiten des Lesers nur Zustimmung und damit auch ein entsprechendes Handeln als möglicherweise Betroffener zu erlauben. Leopardis moralistische Lenkung des Publikums erfolgt unter der Annahme mentaler Gleichförmigkeit aller sozialen Akteure. Die dritte Textebene schließlich offenbart ein deutlicheres, ein eher direktes Werben für das Sich-Einlassen auf einen Lernprozess zum Zwecke einer besseren und dem jeweiligen Selbst nützlicheren Lebensgestaltung. Zwar wird hierbei keine personalisierte Aufforderung ausgesprochen, etwa unter Rekurs auf die Pronomina tu oder voi, doch die textlich zum Vorschein kommenden Instanzen legen ihre Substitution durch jedweden Leser nahe. Leopardi bedient sich hier letzten Endes einer kaum verdeckten Deixis des argumentativen Herantretens an jeden vernunftbegabten Menschen. Dies wird exemplarisch fassbar in Pensiero LXXXII (130), dessen initiale Aussage die unhintergehbare Notwendigkeit der Selbsterkenntnis dekretiert, sofern man der Kategorie «uomo» [«Mensch»] angehören möchte: Nessuno diventa uomo innanzi di aver fatto una grande esperienza di sé, la quale rivelando lui a lui medesimo, e determinando l’opinione sua intorno a sé stesso, determina in qualche modo la fortuna e lo stato suo nella vita. [Niemand wird zum Menschen, bevor er nicht eine bedeutende Selbsterfahrung gemacht hat, die - indem sie ihn ihm selbst offenbart und die Anschauung seiner selbst bestimmt - in gewisser Hinsicht seinen Erfolg und seine Stellung im Leben bestimmt.] Nur auf diese Weise sei es möglich, «la natura e il temperamento proprio» [«die eigene Natur und Wesensart»] zu erkennen sowie das «Maß der eigenen Fähigkeiten und Kräfte» einzuschätzen. Dies mündet denn auch in das abschließend genannte Ziel, «mächtiger», «più potente» zu sein als «vorher», nämlich «più atto a far uso di se e degli altri» [«geeigneter, sich seiner selbst und der anderen zu bedienen»]. Aphorismen bestehe darin, mit dem Epigramm zu interferieren und so zugleich über eine polemische Qualität zu verfügen. Cf. Mario Andrea Rigoni: Il pensiero di Leopardi. Prefazione di Emil M. Cioran. Milano: Bompiani 1997, 198sq. 56 Helmut Meter Indem Leopardi für ein instrumentelles Agieren im sozialen Kontext plädiert, verlässt er im Grunde nicht die Ebene des allgegenwärtigen Antagonismus der Menschen, den er ja kontinuierlich beklagt. Der individuelle Vorteil des Lebenskünstlers resultiert nicht unerheblich aus der analytischen Überlegenheit gegenüber den ‹anderen›. Doch die Distanz zum eigenen Ich ist ebenfalls gegeben, insofern dessen erkennendes Verfügbarmachen seiner selbst nicht ohne Selbstobjektivierung auskommt. Um dem eigenen Leben eine optimistische Basis zu vermitteln, kann sich der Einzelne der gesellschaftlich und human vorherrschenden Normen nur besser bedienen, nicht aber diese außer Kraft setzen. Spricht dies für Leopardis psychologischen Realismus, so liegt es nahe, dass sich dieser textlich nicht in Formen planer Aufforderung zu existentieller Neuorientierung niederschlagen kann, sondern strukturell vermittelter Persuasionstechniken bedarf. Hinter diesen verbirgt sich indes ein geradezu «wissenschaftlicher» Anspruch, wie aus Pensiero LI erhellt, der nicht zuletzt dem Lob Guicciardinis gewidmet ist, dem einzigen modernen «Historiker», der die «cognizione della natura umana» (95), die «Erkenntnis der menschlichen Natur», zum Maßstab seines Denkens genommen habe und damit die «scienza dell’uomo» [«Wissenschaft vom Menschen»] im Unterschied zu einer meist ‹chimärischen› «scienza politica» (95 23 [«politischen Wissenschaft»]). Für Leopardi existieren demzufolge anthropologische Faktoren, deren anschauliche Demonstration die unausgesprochene Überzeugung umschreibt, dass kluge Menschen sich dem nicht verschließen und ihr Leben entsprechend ausrichten. Die Lebenskunst bzw. die potentielle Realisierung eines anti-pessimistischen Lebensmusters ist folglich der «scienza dell’uomo» bereits eingeschrieben. Leopardis Menschenbild beruht deshalb auch auf seiner Ansicht nach natürlich angelegten Elementen menschlicher Selbstentfaltung zum je persönlichen Nutzen hin. Freilich gilt dies, so ist erneut zu betonen, innerhalb der nur begrenzten Handlungsmarge, die eine wenig menschenfreundliche Natur vorsieht. 24 23 In der Tat beruft sich Guicciardini des Öfteren auf die «natura» des Menschen, doch ebenso auf die «varie nature degli uomini» oder auch auf eine sozial differenzierte «natura», etwa eines Herrschers und seiner Untertanen. Dies zeigt sich gelegentlich in seinen Ricordi, z. B. unter den Eintragungen 61 sowie 165 (cf. Francesco Guicciardini: «Ricordi», in: id.: Opere. A cura di Vittorio De Caprariis. Milano / Napoli: Ricciardi 1953, 110 und 131). 24 Savoca hegt Zweifel an einem deterministischen «ipotetico sistema materialistico leopardiano», einem Prinzip, das für manche Wissenschaftler in Leopardis Wahl satirischer Mittel einen verlässlichen Ausdruck finde. Er seinerseits erkennt eher «venature o anche ipotesi di pensiero ateo, materialistico e nichilistico», Aspekte, die indes auf einer «antica base positivamente religiosa […] e cristiana» aufbauten (cf. Giuseppe Savoca: Giacomo Leopardi. Roma: Marzorati / Editalia 1998, 160sq.). Zwischen anti-pessimistischem Kalkül und latentem Optimismus 57 IV. Ein Plädoyer für die Lebenskunst kann nicht durchgängig von einer wie auch immer gearteten didaktischen Insistenz bestimmt sein. So nimmt Leopardi bewusst auf seine Leserschaft Rücksicht und gibt dem einen oder anderen Pensiero ein vornehmlich narratives Gepräge, das teilweise auch anekdotischen Charakter hat. Der deklarierte Vorsatz, «per isvagamento del lettore» (IV, 37 [«zur Zerstreuung des Lesers»]) zu schreiben, entspricht somit durchaus einer captatio benevolentiae, die darauf abzielt, die Interessierten vom Einfachen zum Komplexeren zu geleiten, sie nicht ohne Unterlass mit virtuellen Entscheidungssituationen hinsichtlich eines zu verändernden Lebens zu konfrontieren. Was die Textstruktur betrifft, geschieht dies nicht in einem linearen Sinne, sondern eher in einem alternierenden Vorgehen. Offenkundig expliziert Leopardi seine «scienza dell’uomo» nicht nur an markanten Beispielen aus eigenem Erleben, der Reflexion, der Imagination und kulturgeschichtlicher Rezeption. Er wendet sie auch gegenüber dem in Menschenkunde zu unterweisenden Leser selbst an, nimmt also Bedacht auf dessen menschliche Schwächen, eine eventuell unangemessene Selbsteinschätzung und ein inkonstantes Interesse an einer diffizilen Fragestellung. In dieses vermittlungspsychologische Bild fügen sich denn auch solche Pensieri ein, die Leopardis Idee der Lebenskunst in Analogie zu vermuteten Alltagserfahrungen seiner Leser darlegen. Hierzu zählt unter anderem, in Pensiero LXXV (121), die Auffassung, die Frau - «la donna» in generischem Verständnis - sei ein Analogon, eine «figura» der Welt an sich. Denn mit denselben «arti» [«Künsten»], mit denen man die Frauen für sich gewinnen könne, lasse sich auch dem menschlichen Geschlecht, dem «genere umano», erfolgreich begegnen, und zwar: «con ardire misto di dolcezza, con tollerare le ripulse, con perseverare fermamente e senza vergogna» [«mit von Sanftheit durchwobenem Wagemut, mit dem Ertragen von Zurückweisungen, mit festem Beharren ohne Schamgefühl»]. Damit erreiche man sein Ziel bei den meisten Menschen, den Nationen, ja in allen Zeitaltern. Allerdings dürfe man den Frauen nur eine laue Liebe entgegenbringen und keineswegs eine authentische, einen «amore non finto» [eine «nicht vorgetäuschte Liebe»]. Die eigenen Interessen müssten dominieren. Sonst bleibe der Erfolg aus: «E il mondo è, come le donne, di chi lo seduce, gode di lui, e lo calpesta» 25 [«Und die Welt gehört, wie die Frauen, dem, der sie verführt, sie zu genießen weiß und sie mit Füßen tritt»]. 25 Diese Einstellung des Lebenskünstlers macht ihn verwandt mit Machiavellis Herrschergestalten, die im Grunde ja Überlebenskünstler sein sollen. In beiden Fällen ist der persönliche Vorteil die oberste Maxime. Die dominierende Gestalt muss sich also hier wie dort über die anderen Menschen hinwegsetzen, sich ihnen überlegen erweisen. Bei Ma- 58 Helmut Meter Unbeschadet der spezifischen Sicht der Geschlechterdialektik 26 , die hier zutage tritt, zeigen diese Ausführungen zumal, wie sehr es laut Leopardi gilt, die «interessi […] propri» [«eigenen […] Interessen»] unnachgiebig zu verfolgen. Gegenüber Rivalen, in der Liebe wie in weltlichen Belangen schlechthin, seien die gleichen «Waffen» vonnöten, und man müsse sich seinen Weg über die Körper der bezwungenen Kontrahenten hinweg bahnen. «La calunnia» [«die Verleumdung»] und «il riso» [«das Gelächter»] fungieren dabei als die wichtigsten Angriffsmittel überhaupt. Die durchweg martialische Diktion gibt in diesem Fall den Blick frei auf eine mögliche Aporie von Leopardis Lebenskunst. Denn das hier geforderte Verhalten des Lebenskünstlers ist nicht dazu bestimmt, sich in den Fährnissen einer destruktiven Gesellschaft ohne größeren Schaden zu bewegen. Es ist vielmehr ein Verhalten, das eigentümlicherweise gerade das reproduziert, was die Negativität der Gesellschaft ja laut Leopardi im Innersten ausmacht und diese als inakzeptables Modell der Autodestruktion diskreditiert 27 . Wäre somit der Lebenskünstler im Grenzfalle nichts anderes als ein in chiavelli kann das allerdings nicht in einem «calpestare» der Welt bestehen, denn die Menschen - «gli uomini» gemäß einer durchgängigen Formel - seien hauptsächlich von «Liebe» oder von «Furcht» umgetrieben, und zum Herrschen, zum «comandare», müsse man entscheiden, über welchen der beiden Pole Gefolgschaft und Gehorsam besser zu erreichen seien. Meist sei dies über die Option für das «temere» möglich, wobei freilich die Gefahr eines «farsi troppo temere» vermieden werden müsse. Cf. Niccolò Machiavelli: «Discorsi sopra la prima deca di Tito Livio», in: id.: Il Principe e le opere politiche. Introduzione di Delio Cantimori. Milano: Garzanti 1976, 404. Leopardis Lebenskünstler des atypischen Pensiero LXXV erweist sich also - bei aller Differenz zwischen privater und politischer Dominanz - als entschieden resoluter denn Machiavellis weitblickender Autokrat. 26 Interessanterweise weicht Leopardi hier von seiner üblichen Semantik im Hinblick auf das Lexem «uomo» ab. Dieses meint nun nicht mehr ‹Mensch› bzw. ‹menschliches Wesen›, sondern ‹Mann›, was durch das Gegensatzverhältnis der Termini «uomo» und «donna» manifest ist. Lässt sich daraus die Möglichkeit ableiten, Leopardi verstehe auch in den anderen Kontexten der Pensieri in latenter Weise unter «uomo» stets oder primär das männliche Geschlecht? Im Konkreten weist darauf nichts hin. Überdies - so wird sich im Folgenden am Duktus der Argumentation zeigen - fügt sich das begriffliche Aufspalten von «uomo» in «uomo» und «donna» durchaus in die Sonderstellung von Pensiero LXXV. 27 In diesem Punkt setzt sich Leopardi wiederum deutlich vom aufklärerischen Denken ab. Für Voltaire etwa, im Artikel «Méchant» des Dictionnaire philosophique, ist die Bosheit, die Qualität des «méchant», die unbedingte Ausnahme unter den Menschen. Deshalb gilt: «Il y a donc infiniment moins de mal sur la terre qu’on ne dit et qu’on ne croit.» Der Mensch sei nicht von Geburt aus schlecht, er werde es vielmehr, wie er krank werde. Wäre die Krankheit eine der menschlichen Natur ‹inhärente›, könnte er gar nicht genesen. Der Blick auf die Welt offenbare freilich das Gegenteil. Für Voltaire könnte demzufolge Leopardis im Kern negative Sicht der Gesellschaft im strikten Sinne nur auf eines zurückzuführen sein: «le plaisir de se plaindre et d’exagérer», wie es einem «esprit Zwischen anti-pessimistischem Kalkül und latentem Optimismus 59 die soziale Selbstzerfleischung verstrickter Jedermann und kein «uomo civile» (LIV, 99 [«gesitteter Mensch»])? Pensiero LXXV ist zweifellos ein Ausnahmefall in der variationsreichen Sequenz der moralistischen Rezepturen Leopardis, die den propagierten «uso del mondo» nicht als Synonym des in der Regel ja entschieden bekämpften Missbrauchs der Welt begreifen. Doch der Pensiero lässt sich nicht ausblenden. Im Grunde kann ihm entnommen werden, wie schmal der Grat ist zwischen selbstgewisser Nutzbarmachung einer bedrückenden Welt und dem unvermittelten Mitwirken an dem, was diese Bedrückung im Kern erklärt. Die «arte del vivere» wäre damit im Sonderfall keine anti-pessimistische Lebensform, sondern würde, in paradoxer Weise und kongenial, die pessimistisch stimmenden Verhältnisse zum eigenen Vorteil fortschreiben. Dass das Paradoxon für die Denkweise in den Pensieri konstitutiv ist, legt Leopardi in anderem Zusammenhang offen, wenn er die «sembianza di paradosso» (XCVII, 146 [«Züge des Paradoxes»]) in seiner Argumentation hervorhebt. Doch im Allgemeinen handelt es sich dabei darum, schlüssige Denkmuster in verstörender Weise abzuwandeln, so etwa, wenn in Pensiero LVII (103) zu lesen ist: «Gli uomini si vergognano, non delle ingiurie che fanno, ma di quelle che ricevono. Però ad ottenere che gl’ingiuriatori si vergognino, non v’è altra via, che di rendere loro il cambio» 28 [«Die Menschen schämen sich nicht der Beleidigungen, die sie praktizieren, sondern derer, die sie erhalten. Um jedoch zu erreichen, dass die Beleidiger sich schämen, gibt es keinen anderen Weg, als es ihnen in gleicher Münze zurückzuzahlen»]. Es liegt nahe, das Paradoxon bei Leopardi nicht zuletzt als den Versuch zu begreifen, der einförmigen Logik deterministischen Denkens über den sprachlichen Gestus wenn nicht zu entrinnen, so sie zumindest doch momentan zu unterlaufen. Diese ludische Komponente erweist sich mitunter als dazu geeignet, einer aufkeimenden anti-pessimistischen Mentalität besonderen Nachdruck mélancolique» eigne. Cf. Voltaire: Dictionnaire philosophique. Préface par Étiemble. Texte établi par Raymond Naves. Notes par Julien Benda. Paris: Garnier 1967, 302sq. 28 Die Sentenz stellt zugleich ein anschauliches Beispiel dafür dar, wie Leopardi in den Pensieri bestimmte Gedanken und Überlegungen aus dem Zibaldone übernimmt und diese modifiziert, komprimiert sowie mit apodiktisch formulierter Schärfe versieht. Dabei weicht eine ursprünglich eher deskriptive Betrachtung einer handlungsorientierten. So liest man auf der Seite 829 (20.-März 1821) des Zibaldone: «La ingiuria eccita in tutti gli animi il desiderio di vederla punita, ma negli alti il desiderio di punirla» (Giacomo Leopardi: Zibaldone. Ed. integrale diretta da Lucio Felici. Roma: Newton & Compton 1997, 196). Offenbar führt hier die Reflexion nicht zur Supposition einer reaktiven Handlung gegenüber den Beleidigern, sondern bildet allein eine, wenn auch intensive, psychische Gestimmtheit ab. Darüber hinaus ist die punitive Disposition in diesem Falle psychologisch abgestuft: Nur die hochgemuten Geister tendieren zur eigenen Tat. Demgegenüber ist das Diktum von Pensiero LXXV kategorisch auf alle, nämlich «gli uomini», gemünzt und impliziert die Aufforderung zum konkreten Handeln. 60 Helmut Meter zu verleihen. Die epistemische Statik im Hinblick auf das insgesamt unterstellte Menschenbild sieht sich dann schlaglichtartig durchbrochen. Indem die Negativität menschlichen Verhaltens im des Öfteren paradox anmutenden Handeln des Lebenskünstlers teilweise ins Positive gewendet wird, könnte sich eine vorsichtige Öffnung zu einer historischen - und damit evolutiven - Anthropologie abzeichnen. Ein plausibles Argument für das implizite Anzweifeln des rigorosen Determinismus der menschlichen Natur ist indessen auch der Umstand, dass die Lebenskunst sensu strictu nur dort ansetzen kann, wo sich eventuelle Lücken im deterministischen Gefüge offenbaren. Demnach weist die menschliche Natur möglicherweise doch eine gewisse Variabilität auf, unterliegt sie kleineren, aber nicht sprunghaften Veränderungen, ganz im Sinne des Linnéʼschen Axioms von Natura non facit saltus 29 . Der zweifellos ungewisse, doch nicht kategorisch auszuschließende Ausblick auf einen zuversichtlicher gestimmten Leopardi lässt sich zudem durch ein weiteres Argument plausibel machen. Denn nicht zuletzt gilt es für den Lebenskünstler ja, im Zuge der von Menschenkunde geleiteten Optimierung individueller Existenz, bei der Suche nach den Lücken im negativen Kausalzusammenhang der Lebensumstände sich nicht zuletzt auch gegen die eigene Natur in ihrem deterministischen Verständnis zu verteidigen. Dies impliziert per se einen leisen Zweifel an einer homogenen Naturauffassung. Dennoch kann das Streben nach einem besseren Leben nicht umhin, im praktischen Vollzug zugleich das Bewusstsein der negativ verstandenen existentiellen Grundproblematik - und damit auch des persönlichen Involviert-Seins in diese - wach zu halten. Es ist dies ein Balanceakt, der offen lässt, nach welcher Seite hin die Bewegung am Ende erfolgt: zum Festhalten am Prinzip schierer Negativität der menschlichen Natur oder zur leisen Skepsis gegenüber dessen uneingeschränkter Gültigkeit. Zumindest eines zeichnet sich indessen ab: Leopardis Pessimismus darf, was seinen oft behaupteten überzeitlichen Geltungsanspruch betrifft, 30 in Hinsicht 29 So die prägnante Formel von Carl von Linné aus der Philosophia botanica (1751), um die nicht sprunghaften, sondern kontinuierlichen Veränderungen in der Natur zu umschreiben (cf. Carolus Linnaeus [Carl von Linné]: Philosophia botanica in qua explicantur fundamenta botanica […]. Lehre: Cramer 1966). Diese Auffassung sieht sich später plausiblerweise in Frage gestellt durch die Erkenntnis biologisch diskontinuierlicher Veränderungen - Mutationen - sowie das Phänomen des Quantensprungs in der modernen Quantenphysik. 30 Auch in neueren Studien sieht sich die Beharrlichkeit der Negativität von Leopardis Denken in den Pensieri weiterhin und mitunter allzu peremptorisch herausgestellt. So hebt etwa Galimberti «un amarissimo distacco» hervor, «senza più veri intenti satirici, che sottintendano una qualche speranza di mutamento» (Cesare Galimberti: Cose che non sono cose. Saggi su Leopardi. Venezia: Marsilio 2001, 210sq.). Zwischen anti-pessimistischem Kalkül und latentem Optimismus 61 auf die Pensieri mit einem Fragezeichen versehen werden. Nicht zuletzt Leopardi selbst scheint seine Leserschaft diskret dazu anzuleiten. Man könnte darin sogar einen Anflug von Optimismus wahrnehmen. Literatur Gracián, Baltasar: «Oráculo Manual y Arte de prudencia», in: id.: Obras completas. 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Plotino, l’uomo del sentimento, si sforza di convincere l’amico a mettere da parte il suo proposito, appellandosi a quella natura originaria che ci attacca alla vita e ci spinge all’amicizia e al conforto reciproco. Il Dialogo si svolge intrecciando la logica stringente delle argomentazioni di Porfirio (che richiama l’antico Egesia persuasore di morte) e le rassicuranti ragioni del cuore espresse da Plotino (che ancora crede nel «sogno di Platone»), in una tensione drammatica che non lascia spazio - nella lettura che proponiamo - ad alcuna conclusione definitiva, che resta così sospesa tra il silenzio insondabile di Porfirio, che sembra sottintendere la rinuncia a continuare qualsiasi discorso, e l’ultima parola di Plotino, che nonostante tutto incoraggia ancora a vivere. È in gioco l’indagine dello stesso Leopardi, sono chiamati in causa i diversi momenti e le faticose acquisizioni del suo ragionare, che si intersecano e si condizionano sul piano dialettico, alla ricerca di una sintesi che - a nostro avviso - non si lascia intravedere. Si confrontano le sue due anime tormentate, l’uomo secondo natura e il mostro secondo ragione, la spinta irriducibile della speranza e la persuasione necessaria della morte come unica via d’uscita, in un dialogo impossibile che rivela la contraddittoria e irrisolvibile coesistenza di due sguardi sul mondo che, di fronte alla Natura matrigna e nel deserto del senso, pure richiedono lo stesso coraggio. Die beiden Figuren des Dialogs zwischen Plotin und seinem Schüler Porphyrios führen eine intensive Diskussion über die Legitimität des Selbstmords. Porphyrios, dessen Verstand vom wahrhaftigsten Wahnsinn [Zib. 104] der Vernunft befallen ist, bezeugt - im nihilistischen Bewusstsein der Nichtigkeit des Seins - die Absicht, sich das Leben zu nehmen. Plotin, der Gefühlsmensch, bemüht sich, den Freund zu überzeugen, von seinem Plan abzulassen, indem er sich auf jene ursprüngliche Natur beruft, die uns am Leben hängen lässt und uns zur Freundschaft und zum gegenseitigen Trost drängt. Der Dialog entwickelt sich, indem er die stringente Logik der Argumente des Porphyrios (der an den antiken Hegesias als Bejaher des Todes erinnert) und die beruhigenden und emotionalen Gründe Plotins (der noch an den ‹platonischen Traum› glaubt), auf eine dramatische Weise verflicht, die - gemäß der hier vorgeschlagenen Lektüre - keinen 64 Antonio Panico Raum lässt für eine irgendwie geartete, endgültige conclusio. So entsteht eine Spannung, die in der Schwebe bleibt zwischen dem unergründlichen Schweigen des Porphyrios, das den Verzicht auf jegliche Fortsetzung des Gesprächs nahezulegen scheint, und dem letztem Wort Plotins, der trotz allem immer noch dazu ermutigt weiterzuleben. Hier geht Leopardis eigene Auseinandersetzung mit dem Thema ein; in Frage gestellt werden die unterschiedlichen Phasen und die mühsam errungenen Resultate seines Nachdenkens, die sich überschneiden und dialektisch bedingen, auf der Suche nach einer Synthese, die sich - unserer Meinung nach - nicht erkennen lässt. Es stehen seine beiden gequälten Seelen einander gegenüber, der naturgemäße Mensch und das vernunftgemäße Ungeheuer, der unbeugsame Drang der Hoffnung und die notwendige Überzeugung, dass der Tod der einzige Ausweg sei, in einem unmöglichen Dialog, der die widersprüchliche und unauflösbare Koexistenz zweier Sichtweisen auf die Welt enthüllt, die in Anbetracht der ‹stiefmütterlichen Natur› und der Wüste des Sinns, doch denselben Mut erfordern. Parole chiave: natura, ragione, vita, suicidio, illusione Schlagwörter: Natur, Vernunft, Leben, Suizid, Illusion Il coraggio di sopportare tutto il peso del dolore, il coraggio di navigare verso il nostro libero mare, il coraggio di non sostare nella cura dell’avvenire, il coraggio di non languire per godere le cose care. (Carlo Michelstaedter, I figli del mare, vv. 150-157 1 ) Nel ragionare intorno alle Strategie anti-pessimistiche nell’opera di Giacomo Leopardi, questo lavoro intende soffermarsi in particolare sul Dialogo di Plotino e di Porfirio del 1827 2 . Una lettura in chiave positiva di questa operetta, che avrebbe come sbocco ideale la Ginestra 3 , rappresenta un argomento significativo in favore dell’anti-pessimismo di Leopardi, che nella fase matura del suo pensiero, alla visione tragica della nullità delle cose - risultato ultimo della sua filosofia -, 1 Carlo Michelstaedter: Poesie. A cura di Sergio Campailla. Milano: Adelphi 1987, 79-84. 2 Cf. Giacomo Leopardi: «Dialogo di Plotino e di Porfirio», in: id.: Operette morali. A cura di Laura Melosi. Milano: Rizzoli 2008, 537-570 (nel testo con l’abbreviazione DPP e il numero di pagina dell’edizione menzionata). 3 Nel commento di Laura Melosi la Ginestra è richiamata a proposito dell’«idea di una confederazione solidale degli uomini», cui si appella Plotino nelle ultime parole del Dialogo (Leopardi: Operette morali, 570, nota). Leopardi persuasore di vita? 65 si sforzerebbe di opporre le ragioni dell’«amicizia» richiamata da Plotino, nel suo inno alla vita nelle battute finali del Dialogo, e il motivo della «social catena» degli uomini, invocata dalla «nobil natura» della Ginestra 4 . Il fiore del deserto diviene così il simbolo di un’umanità che cerca riscatto sulle ceneri prodotte dalla forza annichilente del Vesuvio, volto terribile della Natura che, come aveva già scoperto l’Islandese, mostra di non avere nessuna cura per gli uomini 5 . Rileggendo il Dialogo di Plotino e di Porfirio ci siamo via via convinti della necessità di una maggiore cautela interpretativa e dell’esigenza di adottare un punto di vista problematizzante. In quest’ottica proviamo qui a considerare il Dialogo, interrogandoci su pessimismo e anti-pessimismo in Leopardi, senza dare per scontata alcuna presa di posizione definitiva. In questa sede, dunque, ci proponiamo di prendere in esame il Dialogo - dedicato, com’è noto, al suicidio, questione presente in Leopardi già a partire dal Frammento sul suicidio 6 e che, come si evince dai Disegni letterari 7 , sarebbe stata sviluppata in una progettata operetta intitolata Egesia pisatánato, per poi essere ampiamente trattata in tutto il complesso percorso dello Zibaldone 8 - alla luce di interrogativi che, a nostro avviso, non hanno una facile soluzione. Nel Dialogo Leopardi mette in forma letteraria la sua riflessione filosofica sul suicidio - quale emerge in particolare nello Zibaldone -, facendo confrontare dialetticamente due punti di vista antitetici: Plotino e Porfirio. Ci chiediamo se questo confronto giunga ad una conclusione e se essa risieda nella parola di Plotino, che formalmente chiude l’operetta, o nel silenzio di Porfirio, che potrebbe indicarci, più che una conclusione, una rinuncia a continuare il discorso. La domanda da cui partiamo è se Leopardi concluda con Plotino o piuttosto non concluda con Porfirio: se, con il primo, risolva in proposta etica (la posizione 4 Cf. Giacomo Leopardi: «La ginestra», vv.-111-157, in: id.: Canti. Introduzione, commenti e note di Fernando Bandini. Milano: Garzanti 1975, 303-324. 5 «Immaginavi tu forse che il mondo fosse fatto per causa vostra? Ora sappi che nelle fatture, negli ordini e nelle operazioni mie, trattone pochissime, sempre ebbi ed ho l’intenzione a tutt’altro, che alla felicità degli uomini o all’infelicità. Quando io vi offendo in qualunque modo e con qual si sia mezzo, io non me n’avveggo, se non rarissime volte: come, ordinariamente, se io vi diletto o vi benefico, io non lo so; e non ho fatto, come credete voi, quelle tali cose, o non fo quelle tali azioni, per dilettarvi o giovarvi. E finalmente, se anche mi avvenisse di estinguere tutta la vostra specie, io non me ne avvedrei» (Giacomo Leopardi: «Dialogo della Natura e di un Islandese», in: id.: Operette morali, 286). 6 Cf. Giacomo Leopardi: «Frammento sul suicidio», in: id.: Poesie e prose. A cura di Rolando Damiani-/ Mario Andrea Rigoni con un saggio di Cesare Galimberti. 2-vol. Milano: Mondadori 1987-1988, vol. 2, 275-277. 7 Cf. Giacomo Leopardi: «Disegni letterari», in: id.: Poesie e prose. Vol. 2, 1204-1220. Si vedano le pagine introduttive di Laura Melosi al Dialogo di Plotino e di Porfirio (Leopardi: Operette morali, 537-541). 8 Cf. Giacomo Leopardi: Zibaldone. Ed. commentata e revisione del testo critico a cura di Rolando Damiani. 3-vol. Milano: Mondadori 1997 (nel testo con l’abbreviazione Zib. e il numero di pagina del manoscritto autografo). 66 Antonio Panico di Plotino) il suo nichilismo (la posizione di Porfirio) 9 , aprendo ad una visione anti-pessimistica che si affida all’«amicizia» e poi alla «social catena» degli uomini, nonostante la consapevolezza della nullità delle cose; o se, con il secondo, non riesca a trovare una sintesi tra il punto di vista teoretico (Porfirio) e il punto di vista etico-pratico (Plotino), non sciogliendo la riserva sul suicidio, lasciando aperta la questione se il suicidio sia o meno l’ultimo approdo del suo sistema 10 . In altri termini, ci domandiamo se Leopardi sia veramente e fino in fondo persuasore di vita - e così diamo conto anche del titolo del nostro contributo e in generale del carattere problematico di questa occasione di riflessione, che può essere soltanto un momento di un’indagine che meriterebbe più ampi sviluppi. I due personaggi del Dialogo, non i filosofi Plotino e Porfirio realmente esistiti 11 , esprimono due tesi opposte: la tesi della vita (Plotino) e la tesi del rifiuto della vita (Porfirio). Sono le «due anime del Leopardi» 12 che insieme discorrono sull’arduo problema del suicidio. Un’estrema richiesta di vita (Plotino) si incrocia con un’altrettanto estrema esigenza di rigore e coerenza della ragione (Porfirio), in una tensione drammatica alla ricerca di una sintesi che non si lascia intravedere. Da un lato, Plotino, il persuasore di vita, la voce del sentimento, che riconosce che non siamo soltanto ragione; dall’altro, Porfirio-Egesia, il persuasore di morte, la voce della sola ragione, che non vede altro che la vanità di tutte le cose e che sa che non c’è altra via d’uscita che il suicidio. 13 Si confrontano 9 Sul nichilismo leopardiano si veda l’importante volume di Luigi Capitano: Leopardi. L’alba del nichilismo. Napoli / Salerno: Orthotes Editrice 2016; cf. in particolare le pagine 222-226 dedicate al Dialogo di Plotino e di Porfirio, in cui la prospettiva suicida di Porfirio esprime una forma di «nichilismo in atto». 10 «Non ci può essere dubbio che su un piano meramente razionale il Leopardi (come è comprovato ad abundantiam ed esemplarmente da questo stesso Dialogo il cui primo progetto risale ad anni addietro e che raccoglie materiali disseminati a piene mani e in tempi diversi nello Zibaldone) arriva a scorgere nel suicidio un possibile epilogo pratico del suo ‹sistema›» (Sergio Campailla: La vocazione di Tristano. Storia interiore delle Operette morali. Bologna: Pàtron 1977, 295). 11 «Anche in questo scritto […] il Leopardi volle mettere in bocca ai filosofi antichi pensieri ed espressioni, ben lontani dalle dottrine che veramente professarono. […- I]l Leopardi fa parlare i filosofi non a modo loro, ma a modo suo. A lui basta una piccola spinta per mettersi in via, ma la via la trova da sé e senza scorta di alcuno, ed è la più lontana da quella che i filosofi da lui addotti avrebbero battuta. […-I]n Plotino e in Porfirio ha voluto rappresentare i diversi elementi del suo pensiero, un pessimismo radicale in questo e in quello un sentimentalismo alla Rousseau» (Felice Tocco: «Il dialogo leopardiano di Plotino e di Porfirio», in: Studi italiani di filologia classica VIII (1900), 497-501). 12 Sergio Campailla: La vocazione di Tristano, 303. 13 «Il Leopardi ammette (ed è il concetto che svolgerà poi Plotino) che nell’uomo sano la ragione non è tutto; ma che vi sono altri coefficienti che, sia pure irragionevolmente, determinano i suoi sentimenti e le sue azioni. Ora, l’infermità di Porfirio, sopprimendo questi altri coefficienti, lascia scoperta e sola la voce della ragione» (passo di Manfredi Porena tratto da Giacomo Leopardi: Prose scelte di Giacomo Leopardi per le persone colte e Leopardi persuasore di vita? 67 così due contrapposte concezioni della realtà. In Zib. 102-104, tra le «maniere di vedere le cose» distinte da Leopardi, ve n’è una poetica per cui si guarda la realtà a partire dall’«immaginazione» e dal «cuore» e contraddistinta da un «rapporto continuo delle cose coll’infinito e coll’uomo» (la maniera di Plotino), e una filosofica, propria della sola ragione, per cui «le cose non hanno nè spirito nè corpo, ma son tutte vane e senza sostanza» (la maniera di Porfirio). In questo luogo emerge come l’«uso intero della ragione», la fissazione nella «considerazione» e nel «sentimento continuo del nulla veriss[imo] e certiss[imo] delle cose», l’incapacità di distogliere la mente da questo «pensiero», ci paralizzano (questo è lo stato di Porfirio) e come noi riusciamo a vivere e ad agire soltanto in virtù della «distrazione» e della «dimenticanza» e cioè grazie a forze assolutamente contrarie alla ragione (alle quali ricorre Plotino). Senza la possibilità di distrarci e di dimenticare, cioè di illuderci, come vuole la natura - intesa qui in un senso specifico, su cui ritorneremo più avanti - siamo in balìa della «veriss[ima] pazzia» della «ragione pura e senza mescolanza» (pazzia, perché impossibile da sostenere, ma verissima perché la «più ragionevole», anzi la «sola cosa ragionevole», la «sola intera e continua saviezza») e delle sue «operazioni materialiss[ime] e matematiche» (Zib. 107). Si affrontano e si scontrano due visioni del mondo agli antipodi: quella di Plotino che argomenta dal punto di vista del sentimento e quella di Porfirio che argomenta dal punto di vista della fredda e spietata ragione. Se vi sia tra di loro una conciliazione possibile - che spiegherebbe la ragione stessa del dialogare di queste due anime tormentate - è ciò su cui qui ci interroghiamo. Il proposito suicida di Porfirio viene annunciato nel preambolo dell’operetta: per Plotino si tratta di un pensiero che non viene da «discorso di mente sana», ma da «indisposizione malinconica» (DPP 542). La discussione avviene tra una mente sana e una mente che si suppone malata. Plotino fa derivare l’intenzione di Porfirio da cause contingenti, senza rendersi conto che i motivi di Porfirio sono puramente teoretici. Il discorso di Plotino si pone su un altro piano rispetto a quello razionale: Porfirio, tu sai ch’io ti sono amico; e sai quanto: e non ti dei maravigliare se io vengo osservando i tuoi fatti e i tuoi detti e il tuo stato con una certa curiosità; perché nasce da questo, che tu mi stai sul cuore. […] […] Vedi, Porfirio mio, non mi negare il vero; non far questa ingiuria a tanto amore che noi ci portiamo insieme da tanto tempo. So bene che io ti fo dispiacere a muoverti questo discorso; e intendo che ti sarebbe stato caro di tenerti il tuo proposito celato: ma in cosa di tanto momento io non poteva tacere; e tu non dovresti avere a male di per le scuole. A cura di Manfredi Porena. Milano: Hoepli 1921, riportato da Laura Melosi in: Leopardi: Operette morali, 542, nota). 68 Antonio Panico conferirla con persona che ti vuol tanto bene quanto a se stessa. Discorriamo insieme riposatamente, e andiamo pensando le ragioni: tu sfogherai l’animo tuo meco, ti dorrai, piangerai; che io merito da te questo: e in ultimo io non sono già per impedirti che tu non facci quello che noi troveremo che sia ragionevole, e di tuo utile. (DPP 543sq.) Plotino ricorre alle ragioni dell’amicizia, del cuore, dell’amore che si consolida nel tempo. Il socratico discorrere e lo sfogo degli animi aiuteranno l’amico a trovare la giusta via. Porfirio, dal canto suo, sa che ogni conversare è inutile, perché in gioco sono questioni che meritano «silenzio altissimo» e richiedono che la mente resti «solitaria e ristretta in se medesima più che mai» (DPP 544). La sua «inclinazione» riguarda il «fastidio della vita», il «tedio», il «non solamente conoscere, ma vedere, gustare, toccare la vanità di ogni cosa» (DPP 544sq.). Non soltanto la mente, ma ogni sensazione del corpo è ingombrata da questo fastidio. È una «disposizione» che proviene in qualche modo da un certo «mal essere corporale», ma ciononostante è «ragionevolissima», anzi tale che «tutte le altre disposizioni degli uomini fuori di questa, per le quali, in qualunque maniera, si vive, e stimasi che la vita e le cose umane abbiano qualche sostanza; sono, qual più qual meno, rimote dalla ragione, e si fondano in qualche inganno e in qualche immaginazione falsa» (DPP 545). È lo status proprio della ragione, condizione ragionevolissima, di chi sa che pensare che le cose della vita abbiano valore è inganno e falsità, che «nessuna cosa è più ragionevole che la noia», che i piaceri, i dolori, i timori, le speranze, sono vani, laddove soltanto la noia «la qual nasce sempre dalla vanità delle cose, non è mai vanità, non inganno; mai non è fondata in sul falso» (DPP 545). Ecco la verissima pazzia della ragione, che riconosce che continuare a vivere richiede una logica senza fondamento e cioè che la vita per esser vita dev’essere infondata, ché fondati sono soltanto la noia e la conseguente volontà suicida. Plotino ammette le ragioni di Porfirio, ma tenta comunque altre vie. La formula tipica del suo interloquire è sì… ma…, a dimostrazione che i piani del ragionamento dei due personaggi sembrano conservare sempre un certo scarto. A suo supporto, Plotino chiama in causa Platone che rifiuta il suicidio; Porfirio ribatte prontamente di lasciar stare Platone, le sue «dottrine» e «fantasie» (DPP 546). Il primo sente il bisogno di affidarsi all’autorità per convincere l’amico a mettere da parte le sue cattive intenzioni, il secondo sa che un conto è apprezzare le opinioni dei maestri «nelle scuole e nei libri», un altro è «seguitarle nell’uso pratico» (DPP 546). Per Porfirio, il pensiero di Platone - implicitamente, il cristianesimo - intriso di riferimenti alla vita ultraterrena, ha gettato gli uomini in preda al «dubbio» e al «sospetto circa lo stato loro dopo la morte» (DPP 547). La natura, «perpetuamente inimica della nostra specie», se da un lato ci ha resi infelici, dall’altro ci ha anche dato la morte come «medicina di tutti i mali» Leopardi persuasore di vita? 69 (DPP 547sq.). Chi ascolta il «discorso dell’intelletto» non può che desiderare la morte (DPP 548). Aspettare e pensare la morte come destinazione necessaria sarebbe un «conforto dolcissimo nella vita nostra» se non fosse per il «dubbio terribile» che Platone ha instillato nella mente degli uomini, che sono giunti al punto di respingerla più di ogni altra cosa, finendo per «temere più il porto che la tempesta» 14 e per odiare l’unico «rimedio e riposo […] alle angosce presenti e agli spasimi della vita» (DPP 548). In più, argomenta Porfirio, la logica delle punizioni e delle ricompense, implicita nell’idea di un mondo ultraterreno, non ha avuto sugli uomini gli effetti desiderati, consegnandoli piuttosto ad una vita di angosce e di paure (cf. DPP 548-552), e proprio in ciò risiede la «crudeltà» di Platone, che supera di gran lunga quella della stessa natura: per le tue dottrine il timore, superata con infinito intervallo la speranza, è fatto signore dell’uomo: e il frutto di esse dottrine ultimamente è questo; che il genere umano, esempio mirabile d’infelicità in questa vita, si aspetta, non che la morte sia fine alle sue miserie, ma di avere a essere dopo quella, assai più infelice. Con che tu hai vinto di crudeltà, non pur la natura e il fato, ma ogni tiranno più fiero, e ogni più spietato carnefice, che fosse al mondo. (DPP 551sq.) Così, per Porfirio, non c’è niente di più barbaro che non poter con l’uccidersi mettere un punto ai tormenti della vita. Gli animali non conoscono il suicidio, perché in loro l’infelicità è limitata e la vita meno sentita; soltanto l’uomo desidera morire e tuttavia, per quel «dubbio» che nessun animale avrebbe e che comunque a nessun animale impedirebbe di uccidersi qualora lo volesse, gli è vietata quella «libertà» che sarebbe per lui la fine di ogni sofferenza (cf. DPP 552sq.): La natura, il fato e la fortuna ci flagellano di continuo sanguinosamente, con istrazio nostro e dolore inestimabile: tu accorri, e ci annodi strettamente le braccia, e incateni i piedi; sicché non ci sia possibile né schermirci né ritirarci indietro dai loro colpi. In vero, quando io considero la grandezza della infelicità umana, io penso che di quella si debbano più che veruna altra cosa, incolpare le tue dottrine; e che si convenga agli uomini, assai più dolersi di te che della natura. (DPP 553sq.) La lunga parentesi del Dialogo su Platone - che vale, come si accennava, in particolare per la dottrina cristiana - rivela la profonda divergenza tra le posizioni dei due protagonisti. L’invettiva che Porfirio rivolge a Platone esprime 14 «Ahi perché dopo- | le travagliose strade, almen la meta- | non ci prescriver lieta? anzi colei-| che per certo futura-| portiam sempre, vivendo, innanzi all’alma,-| colei che i nostri danni-| ebber solo conforto,-| velar di neri panni,-| cinger d’ombra sì trista,-| e spaventoso in vista-| più d’ogni flutto dimostrarci il porto? » (Leopardi: «Sopra un bassorilievo antico sepolcrale», vv.-64-74, in: id.: Canti, 263-271). 70 Antonio Panico emblematicamente il dispiegarsi della forza negativa della ragione che demolisce le acquisizioni e le certezze anti-pessimistiche della tradizione occidentale; acquisizioni e certezze che Plotino con difficoltà riesce a sostenere e a difendere. Plotino rappresenta l’uomo platonico-cristiano ancora fiducioso nel destino ultraterreno dell’uomo, pensa nella prospettiva di minacce di castighi eterni e promesse di premi futuri, abita una visione del mondo per cui è ancora possibile avere scopi o valori e nutrire fede o speranza nel fatto che il mondo possa non risolversi tutto in quello terreno. Porfirio, invece, è l’«uomo copernicano» 15 che ha ormai rinunciato all’iperuranio platonico-cristiano, ha svelato la «spaventevole, ma vera proposizione e conchiusione di tutta la metafisica» che vuole che «l’uomo […] non nasce per goder della vita, ma solo per perpetuare la vita, per comunicarla ad altri che gli succedano, per conservarla» (Zib. 4169), per cui viene meno ogni finalismo, ogni residuo di antropocentrismo, ogni presunta idea di superiorità dell’uomo e anzi riaffermato il primato della sua infelicità. Plotino avverte di dover lasciare da parte l’autorità e «discorrere per ragione» (DPP 555). Non Platone, né nessun altro filosofo, ma la «natura stessa» ci dice che il suicidio è un atto illecito: se tu penserai un poco, non può essere che tu non conosca da te medesimo che l’uccidersi di propria mano senza necessità, è contro natura. Anzi, per dir meglio, è l’atto più contrario a natura, che si possa commettere. Perché tutto l’ordine delle cose saria sovvertito, se quelle si distruggessero da se stesse. E par che abbia repugnanza che uno si vaglia della vita a spegnere essa vita, che l’essere ci serva al non essere. Oltre che se pur cosa alcuna ci è ingiunta e comandata dalla natura, certo ci comanda ella strettissimamente e sopra tutto, e non solo agli uomini, ma parimente a qualsivoglia creatura dell’universo, di attendere alla conservazione propria, e di procurarla in tutti i modi; ch’è il contrario appunto dell’uccidersi. E senza altri argomenti, non sentiamo noi che la inclinazione nostra da per se stessa ci tira, e ci fa odiare la morte, e temerla, ed averne orrore, anche a dispetto nostro? Or dunque, poiché questo atto dell’uccidersi, è contrario a natura; e tanto contrario quanto noi veggiamo; io non mi saprei risolvere che fosse lecito. (DPP 555sq.) In fondo alla posizione di Plotino vi è una specifica idea di natura, che emerge nelle obiezioni che egli pone a Porfirio nel seguito della discussione. La natura cui si richiama Plotino - ed è un aspetto essenziale della complessità del significato della natura in Leopardi - è quella forza originaria per cui ogni essere attende alla propria conservazione in tutti i modi possibili. In questo ordine di idee, la natura va intesa come sinonimo di vita, senso che emerge chiaramente in questo brano dello Zibaldone: 15 Campailla: La vocazione di Tristano, 301. Leopardi persuasore di vita? 71 La natura è vita. Ella è esistenza. Ella stessa ama la vita, e proccura in tutti i modi la vita, e tende in ogni sua operazione alla vita. Perciocch’ella esiste e vive. Se la natura fosse morte, ella non sarebbe. Esser morte, son termini contraddittorii. S’ella tendesse in alcun modo alla morte, se in alcun modo la proccurasse, ella tenderebbe e proccurerebbe contro se stessa. S’ella non proccurasse la vita con ogni sua forza possibile, s’ella non amasse la vita quanto più si può amare, e se la vita non fosse tanto più cara alla natura, quanto maggiore e più intensa e in maggior grado, la natura non amerebbe se stessa […]. Quello che noi chiamiamo natura non è principalmente altro che l’esistenza, l’essere, la vita, sensitiva o non sensitiva, delle cose. (Zib. 3813sq.). Ogni vivente si sforza di conservare la vita, vuole la vita e la continua, per questo in ogni momento della sua esistenza cerca per sé il piacere e fugge il dolore 16 . La natura non può essere morte, il vivente non può voler morire, vita e morte sono in contraddizione. L’ordine delle cose sarebbe sovvertito, cioè sarebbe contraddittorio, se le cose si distruggessero da se stesse, se i viventi veramente volessero non vivere, se l’essere fosse destinato al non-essere. Plotino ha così buon gioco nel sostenere l’assurdità del suicidio, gesto contrario alla natura e anzi il più contrario di tutti. Ma agli occhi di Porfirio, il presupposto di Plotino, cioè la sostanziale identificazione della natura e del principio di non contraddizione, per cui la natura risulta essere in armonia con se stessa e libera da contraddizioni, non regge 17 . Come si legge in un passo decisivo dello Zibaldone, il principio di non contrad- 16 Alla radice della stessa «teoria del piacere» e dei suoi corollari vi è il principio di conservazione, declinato nei viventi nella forma dell’«amor proprio», che rientra tra i «pochissimi principii» del «sistema intero della natura» che spiegano gli «infiniti e variatissimi effetti» della realtà: «Tutto il sopraddetto intorno alla teoria del piacere è un nuovo argomento del quanto si potrebbe semplificare la teoria dell’uomo e delle cose […] e del come il sistema intero della natura si aggiri sopra pochissimi principii i quali producono gl’infiniti e variatissimi effetti che vediamo, e stabiliti i quali, si direbbe che la natura ha avuto poco da faticare, perchè le conseguenze ne son derivate necessariamente e come spontaneamente. [… L’]amor proprio si può considerare ancor esso (nella natura quale la vediamo) come una conseguenza dell’esistere […]. Ora discendiamo. Esistenza - amore dell’esistenza (quindi della conservazione di lei, e di se stesso) - amor del piacere (è una conseguenza immediata dell’amor proprio, perchè chi si ama, naturalmente è determinato a desiderarsi il bene che è tutt’uno col piacere, a volersi piuttosto in uno stato di godimento che in uno stato indifferente o penoso, a volere il meglio dell’esistenza ch’è l’esistenza piacevole, invece del peggio […]) - amore dell’infinito […]. Così queste qualità che paiono disparatissime e particolarissime vengono dirittamente dal principio generale dell’amor proprio, e tanto necessariamente e materialmente, che si può dire che la natura, dato che ebbe all’uomo l’amor proprio, e secondo la nostra maniera di concepire, data che gli ebbe l’esistenza, non ebbe da far altro, e le dette qualità […] senza opera sua, vennero da loro» (Zib. 181sq.). 17 Sul rapporto tra natura e contraddizione in Leopardi, sui suoi sforzi di salvare la natura dalla contraddizione e sulla sua definitiva scoperta della «contraddizione totale» che investe tutto l’essere, si vedano i fondamentali contributi di Emanuele Severino: Il nulla e la poesia. Alla fine dell’età della tecnica: Leopardi. Milano: Rizzoli 1990; id.: Cosa arcana e stupenda. L’Occidente e Leopardi. Milano: Rizzoli 1997. 72 Antonio Panico dizione perde di significato nel momento in cui si tiene conto delle «contraddizioni palpabili» che esistono nella natura: Non si può meglio spiegare l’orribile mistero delle cose e della esistenza universale […] che dicendo essere insufficienti ed anche falsi, non solo la estensione, la portata e le forze, ma i principii stessi fondamentali della nostra ragione. Per esempio quel principio, estirpato il quale cade ogni nostro discorso e ragionamento ed ogni nostra proposizione, e la facoltà istessa di poterne fare e concepire dei veri, dico quel principio. Non può una cosa insieme essere e non essere, pare assolutamente falso quando si considerino le contraddizioni palpabili che sono in natura. (Zib. 4099) Non solo il vivente non può essere felice né non essere infelice, e di conseguenza, per costituzione, non può realizzare se stesso, il suo bene, la sua perfezione, ma arriva al punto di rifiutare la vita, di non voler continuare a vivere, di preferire non essere piuttosto che essere. Le contraddizioni risiedono nell’essere stesso della natura; e che esistere implichi necessariamente il male, supporre che per il vivente l’infelicità non sia un male ma un bene, che non essere sia meglio che essere, è mostruoso: l’essere dei viventi è in contraddizione naturale essenziale e necessaria con se medesimo. La qual contraddizione apparisce ancora nella essenziale imperfezione dell’esistenza […] cioè nell’essere, ed essere p[er] necessità imperfettamente, cioè con esistenza non vera e propria. Di più che una tale essenza comprenda in se una necessaria cagione e principio di essere malamente, come può stare, se il male p[er] sua natura è contrario all’essenza rispettiva delle cose e perciò solo è male? Se l’essere infelicemente non è essere malamente, l’infelicità non sarà dunque un male a chi la soffre nè contraria e nemica al suo subietto, anzi gli sarà un bene poichè tutto quello che si contiene nella propria essenza e natura di un ente dev’essere un bene per quell’ente. Chi può comprendere queste mostruosità? Intanto l’infelicità necessaria de’ viventi è certa. E però secondo tutti i principii della ragione ed esperienza nostra, è meglio assoluto ai viventi il non essere che l’essere. Ma questo ancora come si può comprendere? che il nulla e ciò che non è, sia meglio di qualche cosa? (Zib. 4099sq.) L’infelicità dei viventi è necessaria: vivere significa inevitabilmente volere e non poter essere ciò che si vuole, e in questa incapacità sentita e vissuta come continua insufficienza consiste l’infelicità; il suicidio è un dato di fatto: noi vediamo che tra i viventi vi è chi giunge a togliersi la vita spontaneamente. La natura ha in sé la contraddizione: cade il principio di non contraddizione, stanno insieme il vivere e l’infelicità, l’essere e il non-essere. La natura rivela le sue «mostruosità»: rimane per noi incomprensibile come sia possibile che sia bene il male (l’infelicità), che sia meglio non vivere (il non-essere). Leopardi persuasore di vita? 73 Alle spalle del confronto dialettico tra i due protagonisti del Dialogo vi è questa profonda diversità di vedute. Porfirio conclude il suo discorso nel segno della radicalità della ragione 18 : in fine, noi possiamo conoscere che (eccetto il timor delle cose di un altro mondo) quello che ritiene gli uomini che non abbandonino la vita spontaneamente; e quel che gl’induce ad amarla, e a preferirla alla morte; non è altro che un semplice e un manifestissimo errore, per dir così, di computo e di misura: cioè un errore che si fa nel computare, nel misurare, e nel paragonar tra loro, gli utili o i danni. Il quale errore ha luogo, si potrebbe dire, altrettante volte, quanti sono i momenti nei quali ciascheduno abbraccia la vita, ovvero acconsente a vivere e se ne contenta; o sia col giudizio e colla volontà, o sia col fatto solo. (DPP 565) Plotino, invece, rilancia ancora la natura: lascia ch’io ti consigli, ed anche sopporta che ti preghi, di porgere orecchie, intorno a questo tuo disegno, piuttosto alla natura che alla ragione. E dico a quella natura primitiva, a quella madre nostra e dell’universo; la quale se bene non ha mostrato di amarci, e se bene ci ha fatti infelici, tuttavia ci è stata assai meno inimica e malefica, che non siamo stati noi coll’ingegno proprio, colla curiosità inaccessibile e smisurata, colle speculazioni, coi discorsi, coi sogni, colle opinioni e dottrine misere: e particolarmente, si è sforzata ella di medicare la nostra infelicità con occultarcene, o con trasfigurarcene, la maggior parte. (DPP 565sq.) Nell’ultimo momento del Dialogo, all’esortazione finale in favore della vita da parte di Plotino corrisponde il silenzio di Porfirio. La natura chiama ancora alla vita (Plotino), anche se la ragione ha tirato le somme e ha concluso per il rifiuto della vita (Porfirio). Il Dialogo si chiude con l’ultima parola di Plotino o, si può 18 Le argomentazioni da cui muove Porfirio sono sostanzialmente due. In primo luogo, se è vero che non è lecito troncare volontariamente la propria esistenza, è altrettanto vero che non è lecito continuare a vivere ed essere infelici; sarebbe strano se la natura da un lato vietasse il suicidio come liberazione dal dolore e dall’altro consentisse una vita infelice; la natura è sì «amore della conservazione propria» e «odio della morte», ma è anche, al tempo stesso, «odio della infelicità» e «amore del nostro meglio»: se è contraddittorio uccidersi, allora dovrebbe esserlo allo stesso modo vivere e non poter evitare l’infelicità (cf. DPP 556sq.). In secondo luogo, anche se si concedesse che il suicidio fosse inammissibile in natura, pure si dovrebbe concedere che noi uomini «non siamo creature naturali» ma esseri «inciviliti»; l’uomo non è più natura ma civiltà e questa «trasformazione» e «mutazion di vita, e massimamente d’animo» non è avvenuta pacificamente, ma anzi con «infinito accrescimento d’infelicità» - e non fa differenza, come detto nella nota a margine al Dialogo, se al tempo di Leopardi si chiamano con i termini «miglioramento», «perfezionamento», «progresso» ciò che Porfirio chiama «corruttela» e ancora con l’espressione «natura migliorata o perfezionata» ciò che egli chiama «seconda natura» -: dunque, ancora, se non è contraddittorio «vivere contro natura», e così vive l’uomo nella civiltà, allora non lo sarà nemmeno «morire contro natura» (DPP 557sq.). 74 Antonio Panico anche dire, si interrompe quando Porfirio trae le logiche conseguenze del suo ragionamento. L’accorato appello di Plotino è una disperata richiesta di amore e di vita che viene dalla natura, l’atteggiamento di chiusura e silenzio di Porfirio rappresenta il punto di non ritorno della logica infallibile della ragione. È una dialettica inconclusa: Plotino parla ancora con la forza del sentimento, Porfirio si vede costretto a tacere, perché nell’ottica della ragione pura nessuna replica sarebbe ancora possibile. Con le sue ultime parole Plotino implora ancora una volta l’amico a desistere, Porfirio soffre in silenzio la rinuncia di chi sa che la verità comunicata non può essere compresa fino in fondo. Le due anime leopardiane - la spinta per la vita e la coscienza della legittimità del suicidio - vivono qui il momento di massima tensione e al tempo stesso rivelano la loro incolmabile distanza. Si può leggere la conclusione del Dialogo - e a questo punto bisogna sospendere il giudizio su quale sia la conclusione leopardiana - limitandosi ad ascoltare l’appassionata perorazione di Plotino, tanto debole sul piano del logos quanto forte su quello del pathos, e a prendere atto del silenzio di Porfirio, nella consapevolezza dell’aporetica coesistenza della speranza irriducibile della vita e della persuasione necessaria della morte. Plotino è la voce del sentimento, 19 di una ragione misurata usata per la vita e non contro la vita, 20 Porfirio esprime il silenzio di una ragione assoluta che non accetta compromessi con le retoriche della vita. La scelta è tra l’essere uomo secondo natura o mostro secondo ragione (cf. DPP 567), ma è una scelta impossibile, perché l’uomo che con la natura riaccende le illusioni e le speranze necessariamente convive con il mostro che con la ragione le spegne. 19 «E credi a me, che non è fastidio della vita, non disperazione, non senso della nullità delle cose, della vanità delle cure, della solitudine dell’uomo; non odio del mondo e di se medesimo; che possa durare assai: benché queste disposizioni dell’animo sieno ragionevolissime, e le lor contrarie irragionevoli. Ma contuttociò, passato un poco di tempo; mutata leggermente la disposizion del corpo; a poco a poco; e spesse volte in un subito, per cagioni menomissime e appena possibili a notare; rifassi il gusto alla vita, nasce or questa or quella speranza nuova, e le cose umane ripigliano quella loro apparenza, e mostransi non indegne di qualche cura; non veramente all’intelletto; ma sì, per modo di dire, al senso dell’animo. E ciò basta all’effetto di fare che la persona, quantunque ben conoscente e persuasa della verità, nondimeno a mal grado della ragione, e perseveri nella vita, e proceda in essa come fanno gli altri: perché quel tal senso (si può dire), e non l’intelletto, è quello che ci governa» (DPP 566sq.). 20 «Io so bene che non dee l’animo del sapiente essere troppo molle; né lasciarsi vincere dalla pietà e dal cordoglio in guisa, che egli ne sia perturbato, che cada a terra, che ceda e che venga meno come vile, che si trascorra a lagrime smoderate, ad atti non degni della stabilità di colui che ha pieno e chiaro conoscimento della condizione umana. Ma questa fortezza d’animo si vuole usare in quegli accidenti tristi che vengono dalla fortuna, e che non si possono evitare; non abusarla in privarci spontaneamente, per sempre, della vista, del colloquio, della consuetudine dei nostri cari» (DPP 568). Leopardi persuasore di vita? 75 La preghiera finale di Plotino lascia trasparire uno spiraglio di luce al cospetto del silenzio insondabile di Porfirio: Ora io ti prego caramente, Porfirio mio, per la memoria degli anni che fin qui è durata l’amicizia nostra, lascia cotesto pensiero; non volere esser cagione di questo gran dolore agli amici tuoi buoni, che ti amano con tutta l’anima; a me, che non ho persona più cara, né compagnia più dolce. Vogli piuttosto aiutarci a sofferir la vita, che così, senza altro pensiero di noi, metterci in abbandono. Viviamo, Porfirio mio, e confortiamoci insieme: non ricusiamo di portare quella parte che il destino ci ha stabilita, dei mali della nostra specie. Sì bene attendiamo a tenerci compagnia l’un l’altro; e andiamoci incoraggiando, e dando mano e soccorso scambievolmente; per compiere nel miglior modo questa fatica della vita. La quale senza alcun fallo sarà breve. E quando la morte verrà, allora non ci dorremo: e anche in quell’ultimo tempo gli amici e i compagni ci conforteranno: e ci rallegrerà il pensiero che, poi che saremo spenti, essi molte volte ci ricorderanno, e ci ameranno ancora. (DPP 569sq.) Plotino apre alla possibilità di un campo di strategie anti-pessimistiche con cui la verità persuasa al suicidio può riscattarsi nell’illusione che ci tiene attaccati alla vita: il richiamo all’amicizia come condizione necessaria per la costituzione della comunità degli uomini; la disponibilità a soffrire insieme, a confortarsi reciprocamente, a tenersi compagnia e a darsi soccorso per affrontare le sfide che la vita presenta; la disposizione ad attendere la morte con serenità e giudizio e con la speranza del conforto dei propri cari e del ricordo dei posteri come incentivi ad agire, a difendersi, a continuare a lottare. Porfirio è vero sapiente perché ha imparato a morire, ma è vero sapiente anche chi si sforza di recitare la parte avuta in sorte, di resistere alle insidie e ai colpi della Fortuna, per quanto impari siano le forze in gioco. Rifiutare la vita con ponderata e saggia decisione, ma anche affrontarla con distacco nella lucida consapevolezza del suo scarso valore, per quanto possano sembrare posizioni agli antipodi, pure richiedono lo stesso coraggio. Scriverà Leopardi nello Zibaldone: «il semplice rider alto vi dà una decisa superiorità sopra tutti gli astanti o circostanti, senza eccezione. Terribile ed awful è la potenza del riso: chi ha il coraggio di ridere, è padrone degli altri, come chi ha il coraggio di morire» (Zib. 4391). Il peso dell’angoscia di chi è persuaso a morire (Porfirio) e la leggerezza di chi vive la vita pur non tenendola in gran conto (Plotino) insistono nello stesso dramma. 76 Antonio Panico Bibliografia Leopardi, Giacomo: Prose scelte di Giacomo Leopardi per le persone colte e per le scuole. A cura di Manfredi Porena. Milano: Hoepli 1921. —: Canti. Introduzione, commenti e note di Fernando Bandini. Milano: Garzanti 1975. —: Poesie e prose. A cura di Rolando Damiani e Mario Andrea Rigoni con un saggio di Cesare Galimberti. 2-vol. Milano: Mondadori 1987-1988. —: Zibaldone. Edizione commentata e revisione del testo critico a cura di Rolando Damiani. 3-vol. Milano: Mondadori 1997. —: Operette morali. A cura di Laura Melosi. Milano: Rizzoli 2008. Michelstaedter, Carlo: Poesie. A cura di Sergio Campailla. Milano: Adelphi 1987. Campailla, Sergio: La vocazione di Tristano. Storia interiore delle Operette morali. Bologna: Pàtron 1977. Capitano, Luigi: Leopardi. L’alba del nichilismo. Napoli / Salerno: Orthotes Editrice 2016. Severino, Emanuele: Il nulla e la poesia. Alla fine dell’età della tecnica: Leopardi. Milano: Rizzoli 1990. —: Cosa arcana e stupenda. L’Occidente e Leopardi. Milano: Rizzoli 1997. Tocco, Felice: «Il dialogo leopardiano di Plotino e di Porfirio», in: Studi italiani di filologia classica VIII (1900), 497-501. ‹Dal nulla alla vita› 77 ‹Dal nulla alla vita› Leopardis Lebensbegriff ‹Dal nulla alla vita› La concezione leopardiana della vita Martina Kollroß Leopardis Lebensbegriff gründet auf seiner teoria del piacere, in der er die Bedingungen der menschlichen Existenz entwickelt. Die rein körperliche Empfindung der Nichtigkeit aller Dinge führt ihn zur Erkenntnis einer Entsprechung von bios und desiderio. Die harmonische Beziehung zwischen Natur und Leben wird durch das negative Element der menschlichen Suche nach unendlichem Genuss, eine materielle Unmöglichkeit, gebrochen. Nicht endende Genüsse kann der Mensch allein in der eigenen Vorstellungskraft finden, in der ästhetischen Überwindung der Grenzen der Welt. Dem poetisch Unbestimmten gelingt es daher in der Funktion einer ‹möglichen Unendlichkeit›, die Kluft zwischen Mensch und Natur zu überbrücken. Ihrem Wesen nach entzieht sich die Unbestimmtheit jeglicher Theoretisierung und wird allein in der poetischen Praxis wirksam. Aus diesem Grund kann Leopardis Theorie des Unbestimmten nicht nur kein Wissen über das Leben hervorbringen, sondern führt im Gegenteil zu einem affirmativen Lebenskonzept, das jene Spaltung zwischen reiner Existenz und qualifiziertem Leben verhindert, auf der das moderne Paradigma der Biopolitik fußt. In dieser Hinsicht bietet Leopardis Begriff des Lebens jenseits des pessimistischen Klischees Impulse für aktuelle Forschungsfragen, die wie Esposito auf einem affirmativen Lebensbegriff aufbauen. Il concetto di vita in Leopardi si basa sulla sua teoria del piacere nella quale scopre le condizioni dell’esistenza umana. Partendo dal «sentimento della nullità di tutte le cose», sentimento strettamente corporale, Leopardi arriva all’unione fra bios e desiderio. Dal momento che la vita umana è per lui caratterizzata dalla ricerca di infiniti piaceri - materialmente impossibile da raggiungere - viene introdotto un elemento negativo nel rapporto armonico fra natura e vita. Infatti quegli infiniti piaceri possono essere trovati dall’uomo soltanto nella propria immaginazione, attraverso la quale è possibile superare, almeno esteticamente, i confini del mondo. Pertanto l’indefinito poetico, in quanto ‹infinito possibile›, riesce a colmare la lacerazione tra uomo e natura. Tuttavia, per sua peculiarità, l’indefinitezza si sottrae a ogni teorizzazione e si mette in opera soltanto nella 78 Martina Kollroß prassi poetica. Perciò la leopardiana teoria dell’indefinito non si protende a produrre un sapere specifico sulla vita ma, al contrario, mette a disposizione un concetto affermativo di vita in quanto impedisce la scissione tra pura esistenza e vita qualificata su cui si fonda il paradigma moderno della biopolitica. In quest’ottica, come nel caso di Esposito, il concetto di vita in Leopardi, al di là del cliché pessimista, offre spunti per delle attuali linee di ricerca che si basano su un concetto di vita affermativo. Schlagwörter: Leben, Lebensbegriff, Unbestimmtheit, Biopolitik Parole chiave: vita, concetto di vita, indefinito, biopolitica […] Amaro e noia la vita, altro mai nulla; e fango è il mondo. (XXVIII. A se stesso 1 ) Bitterkeit, Überdruss, Nichts: Mit diesen kruden Worten bezeichnet Leopardi im 1833 verfassten A se stesso ein Leben, das in seiner Negativität vollständig unterzugehen scheint. 2 Doch die Radikalität der Auflösungsbewegung hält die Möglichkeit einer positiven Umkehr bereit. Es ist diese ‹lebendige Widersprüchlichkeit› 3 , die Leopardis pensiero kennzeichnet, worauf De Sanctis schon 1858 in seinem Dialogo su Schopenhauer e Leopardi hingewiesen hat. 4 Die Referenz des Lebens hat in der Leopardi-Rezeption bislang dennoch keine privilegierte Rolle gespielt. 5 Dabei ist es gerade sein Lebensbegriff, anhand dessen Esposito 1 Giacomo Leopardi: Tutte le poesie e tutte le prose. A cura di Lucio Felici / Emanuele Trevi. Roma: Newton Compton 2007, 179, v.- 9sq. Im Folgenden werden die Gedichte und der Discorso di un italiano intorno alla poesia romantica nach dieser Ausgabe zitiert und die Seitenangaben oder Gedichttitel in Klammern angegeben. 2 Während Il pensiero dominante, Amore e Morte und Consalvo zur positiven Phase der im Ciclo dei canti per Aspasia thematisierten Liebesgeschichte gezählt werden, gilt als Ausgangspunkt für A se stesso und Aspasia ein enttäuschtes, desillusioniertes Moment (cf. ibid., 57sq.). Für Borsò zeigt sich hier die in ‹pensiero› und ‹cuore› gespaltene dualistische Topologie des Subjekts bei Leopardi. Cf. Vittoria Borsò: «Auf der Schwelle von Sichtbarkeit und Sagbarkeit. Zum Ereignis der Sichtbarkeit in der Materialität des Bildes», in: Sieglinde Borvitz / Mauro Ponzi (Hg.): Schwellen. Ansätze für eine neue Theorie des Raums. Düsseldorf: Düsseldorf University Press 2014, 29-46. 3 Cf. Antonio Prete: La poesia del vivente. Leopardi con noi. Torino: Bollati Boringhieri 2019, 179. 4 Cf. Francesco De Sanctis: Schopenhauer e Leopardi. E altri saggi leopardiani [1858]. Como: Ibis 2001. 5 Unter den wenigen Ausnahmen sind die Analysen Antonio Pretes hervorzuheben, ausgehend von id.: Il pensiero poetante. Saggio su Leopardi. Milano: Feltrinelli 1980; cf. außerdem Emanuele Severino: In viaggio con Leopardi. La partita sul destino dell’uomo. Milano: ‹Dal nulla alla vita› 79 und Thüring Leopardi in die Nähe des biopolitischen Paradigmas gerückt und ihn zu unserem Zeitgenossen gemacht haben. 6 1. Die Entdeckung des Nichts und die teoria del piacere In historischer Perspektive fällt das Zutagetreten eines modernen Lebensbegriffs Leopardis in das sogenannte Schicksalsjahr 1819, als die bereits in der Auseinandersetzung mit den Romantikern kritisch diskutierte Referenz des Lebens eine existentielle Dimension bekommt (cf. 968-996). 7 Anders als jene, die hoffen, durch die Verschmelzung von Naturwissenschaft und Poetik ein höheres Wissen über das Leben zu erlangen, 8 wird Leopardis existentielle Grenzerfahrung mit dem «solido nulla» (Zib. 85, 90) 9 zu einer produktiven Schreibpraxis, was wir zum einem an seinen poetischen Werken, zum anderen aber auch an seinem Zibaldone dei pensieri ablesen können. In diesem philosophischen Tage- und Notizbuch skizziert er im Juli 1820 seine teoria del piacere, so überschreibt er diese ‹meditazioni sulla felicità›, in denen sein Lebensbegriff wurzelt. Antonio Prete schlägt vor, statt von einer Theorie vielmehr von einer ‹Schreibbewegung› («movimento di scrittura») zu sprechen, um den Gegensatz zu einem statischen Theoriegebäude zu unterstreichen. 10 Es ist diese Schreibbewegung, in der der Lebensbegriff seine eigene Dynamik erkundet und seine Produktivität erfahren Rizzoli 2015 sowie Emilio Bigi: Una vita più vitale. Stile e pensiero in Leopardi. A cura di Cristina Zampese. Venezia: Marsilio 2011. 6 Cf. Roberto Esposito: Pensiero vivente. Origine e attualità della filosofia italiana. Torino: Einaudi 2010 und Hubert Thüring: Das neue Leben. Studien zu Literatur und Biopolitik 1750-1938. Paderborn: Fink 2012. 7 Im Discorso di un italiano intorno alla poesia romantica kritisiert Leopardi die romantische Totalisierung des Lebens, wobei er sich konkret gegen Di Bremes Idee eines ‹vitalen› statt eines mythologischen poetischen Systems wendet. Den anthropomorphen bzw. anthropozentrischen Annahmen der romantici setzt Leopardi provokativ die Forderung nach der Vorstellung eines dem menschlichen unähnlichen Lebens entgegen (cf. 992). Für Prete steht dahinter auch eine Kritik Leopardis an der aufklärerischen Ratio, die der Romantik den Herrschaftsbereich ‹Gefühl› und das damit verbundene Machtwissen verleiht, cf. Prete: Il pensiero poetante, passim. 8 Cf. zur ‹romantischen Wissenspoetik› Gabriele Brandstetter / Gerhard Neumann (Hg.): Romantische Wissenspoetik. Die Künste und die Wissenschaften um 1800. Würzburg: Königshausen & Neumann 2004. 9 Im Anschluss vollzieht sich der Abfall vom Glauben an die Kraft der Illusionen, an die Poesie. Leopardi sieht sich nun nicht mehr als Dichter, sondern nennt sich selbst einen modernen Philosophen (cf. Zib. 143sq.). Der Zibaldone wird unter Angabe der Originalpaginierung zitiert nach der Ausgabe: Giacomo Leopardi: Zibaldone. A cura di Lucio Felici / Emanuele Trevi. Roma: Newton Compton 2016. 10 Cf. Prete: Il pensiero poetante, 14. 80 Martina Kollroß kann. 11 Als zentral erweist sich dabei folgende Stelle aus dem Zibaldone, in der Leopardi seine Grenzerfahrung reflektiert: Il sentimento della nullità di tutte le cose, la insufficienza di tutti i piaceri a riempierci l’animo, e la tendenza nostra verso un infinito che non comprendiamo, forse proviene da una cagione semplicissima, e piú materiale che spirituale. L’anima umana (e cosí tutti gli esseri viventi) desidera sempre essenzialmente, e mira unicamente, benché sotto mille aspetti, al piacere, ossia alla felicità, che considerandola bene, è tutt’uno col piacere. Questo desiderio e questa tendenza non ha limiti, perch’è ingenita o congenita coll’esistenza, e perciò non può aver fine in questo o quel piacere che non può essere infinito, ma solamente termina colla vita. (Zib. 165) [Die Empfindung der Nichtigkeit aller Dinge, das Unvermögen aller Freuden, unsere Seele zu erfüllen, und unser Hang zu einer uns unverständlichen Unendlichkeit haben vielleicht einen überaus simplen Grund und einen, der vielmehr materiell als spirituell ist. Die menschliche Seele (und mit ihr alle anderen Lebewesen) begehrt immer und zielt einzig, wenn auch auf tausend Arten, wesentlich auf das Wohlgefallen, das heißt auf das Glück, das bei näherer Betrachtung eins mit dem Vergnügen ist. Dieses Begehren bzw. diese Tendenz hat keine Grenzen, da es von oder mit der Existenz hervorgerufen wird, und daher nicht in diesem oder jenem Vergnügen, das nicht unendlich sein kann, aufgeht, sondern nur mit dem Leben selbst endet.] 12 Die anima umana wird vom Begehren in Gang gehalten, wobei sich dieses Begehren nicht auf einen bestimmten Genuss, sondern auf den Genuss an sich bzw. das Glück an sich richtet. Dieses grenzenlose Begehren ist Teil der Bedingung der Existenz, bios und desiderio bilden eine untrennbare Einheit, die einzig und allein mit dem Leben selbst endet bzw. mit diesem zusammenfällt. Vom desiderio geht also eine Bewegung aus, die einen bestimmten, materiellen Genuss begehrt, eigentlich jedoch nach etwas Unermesslichem strebt. Da der Genuss sowohl materiell als auch endlich ist und das Begehren somit letztlich unerfüllt bleiben muss, schließt sich der Kreis nie vollständig. Was das Leben angeht, sind dabei zwei Punkte entscheidend: Es wird durch das nie befriedigte Streben in Bewegung gehalten, und die Bewegung stellt gleichsam seinen inneren Zweck dar. Zuvor spricht Leopardi allerdings vom sentimento, von der Empfindung der nullità. Luporini erinnert uns daran, dass das Spezifische des Nihilismus Leopardis darin liegt, dass er weniger auf eine dominante Denkströmung antwor- 11 Die Schrift wirkt hier im Sinne Borsòs als materieller Ereignisraum, cf. Borsò: «Auf der Schwelle von Sichtbarkeit und Sagbarkeit», passim. 12 Die deutschen Übersetzungen im Text stammen von mir. Das zentrale piacere wird im Deutschen abwechselnd mit Genuss, Vergnügen, Freude und Wohlgefallen wiedergegeben, da es all diese Bedeutungsnuancen umfasst. ‹Dal nulla alla vita› 81 tet, als vielmehr auf persönlicher Erfahrung gründet. 13 An diesem Punkt wird genau das deutlich: Das Nichts ist eine sinnliche Erfahrung, ein Körperwissen, das sich in dem Moment einstellt, als ihn der temporäre Abfall seines Sehvermögens in Folge einer schweren Augenerkrankung von einem bedeutenden Teil der Außenwelt abschneidet. Die Oberfläche der Welt mit ihren Illusionen verschwindet, und darunter kommt nichts anderes zum Vorschein als die grausame Wahrheit der (menschlichen) Existenz: die Tatsache, dass der Tod, der in der absoluten Empfindungslosigkeit liegt, dem Leben in jedem Moment auflauert. Die Empfindung des Nichts generiert den negativen Pol des Lebensbegriffs. In dieser Empfindung liegt jedoch auch der Schlüssel für die folgende vitalistische Kehre. 2. Der Lebensbegriff und die Kraft der Imagination Esistenza - amore dell’esistenza (quindi della conservazione di lei, e di se stesso) - amor del piacere (è una conseguenza immediata dell’amor proprio, perché chi si ama, naturalmente è determinato a desiderarsi il bene che è tutt’uno col piacere, a volersi piuttosto in uno stato di godimento che in uno stato indifferente o penoso, a volere il meglio dell’esistenza ch’è l’esistenza piacevole, invece del peggio, o del mediocre ec.) - amore dell’infinito ec. colle altre qualità considerate di sopra. (Zib. 182) [Existenz - Liebe zur Existenz (das heißt ihrer Erhaltung und der eigenen) - Liebe zur Freude (eine unmittelbare Konsequenz des amor proprio, denn wer sich liebt, begehrt natürlicherweise für sich selbst Gutes, was mit Freude gleichzusetzen ist; der wünscht sich vielmehr in einen Zustand von Genuss anstatt in einen gleichgültigen oder schmerzhaften Zustand; der will für sich das Beste der Existenz, also ein angenehmes Dasein, statt das Schlimmste oder das Mittelmäßige etc.] In einem späteren Abschnitt des Zibaldone finden wir diese konsekutive Reihe: Der reinen Existenz folgt die Liebe zur Existenz, der Selbsterhaltungstrieb, den der Mensch mit allen anderen Lebewesen teilt, und der als Positivität von Lebensimpulsen gedacht werden kann. 14 Daraus erwächst ein Streben nach 13 Cf. Cesare Luporini: «Nichilismo e virtù nel percorso di Leopardi», in: Franca Janowski (Hg.): Leopardi und der Geist der Moderne. Akten des deutsch-italienischen Kolloquiums, Stuttgart, 10.-11. November 1989. Tübingen: Stauffenburg-Verlag 1993, 115-128. 14 Zur Figur des amor proprio cf. Giuseppe Roggerone: Figure e problemi dell’età dei lumi. Lecce: Milella 1986. An dieser Stelle werden Impulse deutlich, die Leopardi von Anhängern des Sensualismus und französischen Materialismus aufgenommen hat. Prete sieht in Leopardis teoria die aufklärerische Tendenz weitergeführt, die Reflexionen über das piacere von allen optimistischen Zügen, naturalistischer wie spiritualistischer Natur, zu befreien und in die Topik des Körpers zurückzuführen versucht. Cf. Prete: Il pensiero poetante, 13-15. Amor proprio und Lebendigkeit stehen dabei zueinander in einem proportionalen Verhältnis, cf. Zib. 2411-2414. 82 Martina Kollroß allem, was das Leben angenehm macht, der unstillbare amor del piacere. Dies geht wiederum mit einer grundsätzlichen Tendenz zum Unendlichen einher, da diese angenehmen Erfahrungen nie vollständig zur Erfüllung der Sehnsucht gereichen. Leopardi bindet die Erfahrung einer esistenza piacevole an die Sinne und an die Materialität der Welt und nicht an eine Außerweltlichkeit. Es ist kein Vorgeschmack auf das Paradies. Hier positioniert sich Leopardi in einem starken Gegensatz zu jeglicher sich auf Transzendenz berufenden Tradition und somit auch gegen die Romantiker. 15 Es ist die Unterscheidung zwischen den ersten Punkten, amore dell’esistenza - amore del piacere, zwischen denen sich der Umschlagpunkt der Positivität der Lebensimpulse ausbildet. Das bloße und existentielle Leben gilt für Leopardi als ein Gut an sich. Die existentielle Seite des Lebens setzt Leopardi mit der Natur gleich. La natura è vita. Ella è esistenza. Ella stessa ama la vita, e procura in tutti i modi la vita, e tende in ogni sua operazione alla vita. (Zib. 3813) [Die Natur ist Leben. Sie ist Existenz. Sie selbst liebt das Leben und sorgt in jeder Hinsicht für das Leben und strebt in allen ihren Handlungen nach dem Leben.] Bedürfnisbefriedigung und Selbsterhaltungstrieb sind für Leopardi nicht Grund für menschliches Unglück. Erst in der Abspaltung eines individuellen Lebens, das auf dem amor proprio beruht, auf Ebene der subjektiven Entscheidung in gut und schlecht, Glück und Unglück, erhält das menschliche Leben seine eigentümliche Doppelnatur. Die Natur-Leben-Einheit wird in dem Moment gesprengt, wo es um die Empfindungsqualität geht: So verstanden ist Leben das ‹Gefühl der Existenz›. Das Streben nach Glück als subjektives Existenzziel der Menschen steht dem generellen Existenzziel der Natur (dem Kreislauf von Kreation und Zerstörung) unvereinbar entgegen. Dieses antagonistische Verhältnis zwischen Natur und menschlichem Leben bildet den Rahmen für Leopardis Lebensbegriff. Dabei stellt Leopardi Vernunft und Gefühl jedoch nicht gegeneinander, desiderio und pensiero sind in der Seele miteinander verbunden. Der Mensch unterscheidet sich von allen anderen Lebewesen einzig darin, dass er ein höheres Empfindungsvermögen aufweist (cf. Zib. 2411sq.). Dieses Empfindungsvermögen erfährt in der Imagination eine Potenzierung, denn im Raum der Vorstellung ist nicht-endender Genuss zumindest potenziell denkbar (cf. Zib. 167). Doch der Versuch, die an die Endlichkeit materieller Güter geknüpfte Lust in der Vorstellungskraft zu erfüllen, führt zu einer Vergeistigung 15 Zum Materialismus Leopardis cf. Sebastiano Timpanaro: Alcune osservazioni sul pensiero di Leopardi. Chieti: Solfanelli 2015. ‹Dal nulla alla vita› 83 und Spiritualisierung dieser Lust und damit zu einem noch größeren Unglücksempfinden. 16 Wir befinden uns in einer Zwickmühle: Was materiell für uns verfügbar ist, reicht uns nicht. Und was uns erfüllen würde, das Unendliche, ist nicht für uns verfügbar, außer in seiner negativen Form, als Nichts. 3. Das Unbestimmte - L’indefinito Ein Dilemma, das sich nur in der poetischen Praxis auflösen lässt, wie Leopardi in seinem berühmtesten Gedicht L’infinito auf geniale Art und Weise demonstriert. Obwohl L’infinito in seiner nunmehr 200-jährigen Geschichte unzählige Interpretationen erfahren hat, möchte ich es zur Veranschaulichung der affirmativen Kraft, die im Lebensbegriff Leopardis steckt, ein weiteres Mal bemühen. Sempre caro mi fu quest’ermo colle, e questa siepe, che da tanta parte dell’ultimo orizzonte il guardo esclude. Ma sedendo e mirando, interminati spazi di là da quella, e sovrumani silenzi, e profondissima quiete io nel pensier mi fingo; ove per poco il cor non si spaura. E come il vento odo stormir tra queste piante, io quello infinito silenzio a questa voce vo comparando: e mi sovvien l’eterno, e le morte stagioni, e la presente e viva, e il suon di lei. Così tra questa immensità s’annega il pensier mio: e il naufragar m’è dolce in questo mare. (L’infinito, vv.-1-15) [Immer war dieser verlassene Hügel mir lieb- | und diese Hecke, die den Blick- | auf weite Teile des Horizonts verwehrt.-| Doch wenn ich hier sitze und schaue, denke ich-| mir unbegrenzte Räume jenseits von diesem aus- | und übermenschliche Stille und tiefste Ruhe,- | wo das Herz sich nicht- | so leicht ängstigt. Und wenn ich den Wind- | durch diese Büsche rascheln höre, vergleiche ich- | das grenzenlose Schweigen mit diesem Laut: - | ich gedenke der Ewigkeit und der verstorbenen- | Jahrhunderte sowie 16 Den romantici wirft Leopardi im Discorso vor, sie würden die Poesie vom commercio coi sensi abhalten, «e trasmutarla di materiale e fantastica e corporale che era, in metafisica e ragionevole e spirituale» (Leopardi: Tutte le poesie e tutte le prose, 969). Da die Empfindung von Genuss letztlich an die Sinne und den Körper gebunden ist, führt die zivilisatorische Tendenz zur Vergeistigung, die für Leopardi durch die christliche Religion noch potenziert wurde, zu insgesamt mehr Unglück. 84 Martina Kollroß des jetzigen, lebendigen,- | und dessen Lärm. In dieser Unendlichkeit- | versinkt mein Denken, und süß ist mir-| das Untergehen in diesem Meer.] 17 Wie alten Freunden begegnet das lyrische Ich dem einsamen Hügel und der Hecke in der Vorfreude auf eine vergnügliche Zeit. Während die Hecke den Blick begrenzt und sich damit eine grenzenlose Vorstellungswelt auftut, 18 findet das ewig begehrende Herz in der fingierten Empfindungslosigkeit kurzzeitig Frieden. Dann allerdings hebt der Wind an und bringt die Materialität der Welt zurück. 19 Es wird deutlich, dass der Körper der Ort der Erinnerung («vo comparando») und der Wahrnehmung des Hier und Jetzt ist und sich der pensiero eben doch nicht von ihm lösen kann. Die körperliche Wahrnehmung ist unbestimmt 20 , das Rauschen des Windes erzeugt selbst kein Bild, sondern öffnet einen Erinnerungsraum, in dem die zeitlichen Ebenen verschwimmen und die subjektive Ebene sich auflöst. 21 Als der pensiero untergeht, erklingt die Poesie der Gegenwart 22 . In annegare steckt die Negation, der Gedanke negiert sich selbst und mit ihm die ganze Sphäre der Subjektivität 23 . Wenn also desiderio und pensiero Voraussetzungen für das Leben sind (cf. Zib. 165), folgt aus ihrer Aufhebung auch die Auflösung des Lebens und sein Aufgehen im nulla. Anders als der philosophische pensiero evoziert das Gedicht aber nicht das Nichts, sondern ein süßes Meer als letztes Lebens-Zeichen des untergehenden Ichs. Darin liegt gerade das äußerste Vergnügen: im Loslassen, im Kontrolle-Verlieren, im Sich-selbst-Vergessen (cf. Zib. 4074). Die tödliche Kraft des desiderio wird ausgehebelt, es öffnet sich eine Dimension des Nicht-Wissens. Die Unermesslichkeit, in der der pensiero schließlich untergeht, ist nicht die 17 Giacomo Leopardi: «Das Unendliche», in: Italienische Lyrik. 50 Gedichte. Italienisch / Deutsch. Übers. u. hg. von Jürgen von Stackelberg. Stuttgart: Reclam 2004, 54 sq. 18 Hier wird der romantische Topos von der Möglichkeit der Vorstellungskraft zur Transzendenz des Empirischen aufgerufen. 19 Borsò stellt eine Spannung zwischen der Erfahrung des Erhabenen, die durch die intellektuelle Fiktion im ersten Teil hervorgerufen wird, und der konkreten Erfahrung des Fremden im zweiten Teil des Gedichts fest (cf. Borsò: «Auf der Schwelle von Sichtbarkeit und Sagbarkeit», 40). 20 Darin liegt ihr piacere. Im Zibaldone führt Leopardi zahlreiche Beispiele für angenehme Empfindungen an, die im Unbestimmten wurzeln, wobei er das Vergnügen des sinnlich Abwechslungsreichen besonders hervorhebt, cf. Zib. 1747. 21 Auf ersteres, das Verschwimmen der zeitlichen Ebenen, deutet das anaphorische ‹e› (vv.-11-13) hin, auf die Auflösung der subjektiven Ebene das ‹mi sovvien› (v.-10). Vergangenheit und Gegenwart ziehen sich zusammen und öffnen so einen ‹immensen› Empfindungsraum, in dem innen und außen ununterscheidbar geworden sind. 22 Zur musikalischen Kraft cf. Italo Calvino: Lezioni americane. Sei proposte per il prossimo millenio. Milano: Mondadori 2014, 65. 23 Cf. Borsò: «Auf der Schwelle von Sichtbarkeit und Sagbarkeit», 39sq., die in ihrer topischen Analyse die Entmächtigung des Subjekts feststellt. ‹Dal nulla alla vita› 85 Unendlichkeit, zu der weder der Intellekt noch die Vorstellungskraft tatsächlich Zugang haben, sondern l’indefinito: «O un infinito impuro, mescolato al ‹qui›, al presente» 24 [«Oder eine unreine Unendlichkeit, vermischt mit dem ‹Hier›, mit der Gegenwart»]. Das Unbestimmte reicht in seiner sinnlichen Funktion über den pensiero hinaus. Es löst eine Bewegung aus, die die Unterscheidung zwischen Leben und Tod, pensiero und desiderio, bloßer Existenz und empfundenem Leben verunmöglicht. Anders als das nulla löscht es jedoch nicht aus, sondern bewahrt in der Empfindung eine lebendige Potenz. 25 Die ‹Poetik des Unbestimmten› mit ihrer biologisch-poetischen Potenz bildet den Pol, an dem sich das Leben gegen das Nichts behaupten kann. 4. Anschlüsse: Agamben, Esposito Indem Leopardi die Poetik des Unbestimmten an dem Punkt ansetzen lässt, wo die Theorie der Lust Aporien aufwirft, zeigt er an, dass es sich dabei um das Produkt einer Praxis handelt, die nicht ursächlich auf Wissen und Technik zurückführbar ist. Der Umschlagpunkt von Nichts in Leben kann nur erzeugt werden, indem er passiert: im doppelten Sinn von ‹geschehen› und ‹vorbeigehen›. Das Leben erscheint dabei als reines Vermögen, das sich nicht politisieren lässt, weil es kein verwertbares Wissen über das Leben hervorbringt. 26 Leopardis Lebensbegriff ist auf der Schwelle zwischen Theorie und Praxis angesiedelt. Das macht ihn für heutige Anschlüsse interessant. 27 Hier knüpft auch Roberto Esposito an. In Weiterentwicklung des Paradigmas, das von Michel Foucault aufgeworfen und von Giorgio Agamben erweitert wurde, 28 hat er mit der ‹affirmativen Biopolitik› eine politische Theorie entworfen, die das Leben nicht in Funktion der Politik denkt, sondern eine Theorie des Lebens ist. In Pensiero vivente liest er Leopardi im Rahmen der paradigmatischen Achsen, um die sich für ihn ein spezifischer pensiero italiano gebildet hat (Poli- 24 Pietro Citati: Leopardi. Milano: Mondadori 2016, 181. 25 In seinem Homo-Sacer-Projekt schlägt Agamben vor, die Beziehung von Potenz und Akt neu zu denken, um sie aus dem souveränen Bann zu befreien, der auch das Leben in Beschlag hält, cf. Giorgio Agamben: Homo sacer. Die souveräne Macht und das nackte Leben. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2015. 26 Cf. Thüring: Das neue Leben, 175. 27 Agamben weist auf die von Poesie und Philosophie gleichermaßen geteilte Erfahrung vom negativen Ort der Sprache hin. Unter dem negativen Vorzeichen, das die beiden Bereiche sowohl trennt als auch verbindet, liest er L’infinito (cf. Giorgio Agamben: Il linguaggio e la morte, Torino: Einaudi 2008, 93-102). 28 Cf. Michel Foucault: Sexualität und Wahrheit. Bd.-1. Der Wille zum Wissen [1976]. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1998 und Agamben: Homo Sacer. 86 Martina Kollroß tik, Geschichte und Leben). 29 Leopardis pensiero verortet er im Paradigma der ‹storicizzazione del non storico›. 30 Esposito gruppiert Leopardi in eine Linie mit Vico und De Sanctis, da er in seiner Lektüre bei allen dreien das Problem des Ursprungs attestiert, zu dem es für den Menschen keine Rückkehr gebe. Die natürliche Existenz, die mit dem glücklichen Leben in eins fällt, ist im Menschen unwiederbringlich verloren. Die Versuche Leopardis, das Gift, also die überbordende Vernunft, aus der menschlichen Natur auszuleiten, haben für Esposito immunisierenden Charakter, 31 die letztlich zu Aporien führen. Dazu gehört die ständige Ablenkung und Bewegung, für die es Vitalität braucht, die ja im Abnehmen begriffen ist; außerdem die Flucht in eine Vorstellungswelt, die es mit der Wirklichkeit jedoch nicht aufnehmen kann; schließlich die moderne Poesie, in der in bewusster Täuschung eine ‹zweite Natur› fingiert wird. Auch in Espositos Lektüre kommt es an diesem Punkt zur vitalistischen Kehre: Wo sich pensiero und illusione zunächst gegenseitig bekämpfen, lässt sich das Konzept im pensiero poetante positiv umkehren. Die Philosophie, die der Poesie Raum lassen muss, wird zur ‹ultrafilosofia›, in der die Souveränität des Todes Anerkennung findet. 32 Die vitale Kraft der Poesie liegt nicht in dem, was sie uns sagt, sondern allein darin, Poesie zu sein. Esposito übersetzt diesen Gedanken in die Formel einer Gemeinschaft, die nichts gemeinsam habe außer dem Nichts (‹niente-in-comune›). Mit seiner Lektüre betont Esposito also die affirmative Seite von Leopardis Lebensbegriff, die sich in seine eigene Konzeption einer affirmativen Biopolitik einfügt, in der die Biomacht eine Macht des Lebens ist. Zum Schluss möchte ich noch einmal zu L’infinito zurückkehren, denn in seinem Gedicht-Sein führt es uns die Qualität von Leopardis Lebensbegriff am deutlichsten vor Augen. Es gibt darin keinen Endpunkt, weder zwischen den Wogen der sinnlichen Empfindung noch in der Stille, die ihnen nachfolgt. Das dolce des letzten Verses verweist zurück auf das caro im ersten, wo schon das erste Wort sempre die Wiederholung anzeigt, die ewige Kreisbewegung. 33 Auf biologisch-poetischer Ebene kann das Gedicht auch wie ein ganzer Atemzug gelesen werden, bis zur vollständigen und tiefen Ausatmung auf mare. Das Leben 29 Für Esposito liegt der «Ursprung», verstanden als historisches Apriori, in der lebendigen Kraft, der potenza, begründet. Im pensiero italiano sei dieser konfliktreiche Antagonismus im Unterschied zur wissenschaftlichen Tradition anderer Länder nicht vollständig neutralisiert worden. Zur Idee einer Italian Theory cf. Dario Gentili: Italian Theory. Dall’operaismo alla biopolitica. Bologna: Mulino 2012. 30 Cf. Esposito: Pensiero vivente, 99-135. 31 Zum Immunisierungsdispositiv cf. Roberto Esposito: Bios. Biopolitica e filosofia. Torino: Einaudi 2004. 32 Cf. Zib. 261. 33 Cf. Agamben: Il linguaggio e la morte, 101. ‹Dal nulla alla vita› 87 ist für Leopardi nicht in einer einzigen Bewegung zu fassen, sondern in einer Pulsation, im Hin- und Herschaukeln zwischen zwei Polen: zwischen ‹il Nulla e la Vita›. Literatur Giacomo Leopardi: Tutte le poesie e tutte le prose. A cura di Lucio Felici / Emanuele Trevi. Roma: Newton Compton 2007. —: «Das Unendliche», in: Italienische Lyrik. 50 Gedichte. Italienisch / Deutsch. Übers. u. hg. von Jürgen von Stackelberg. Stuttgart: Reclam 2004, 54sq. —: Zibaldone. A cura di Lucio Felici / Emanuele Trevi. Roma: Newton Compton 2016. Agamben, Giorgio: Il linguaggio e la morte [1982]. Torino: Einaudi 2008. —: Homo sacer. Die souveräne Macht und das nackte Leben. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2015. Bigi, Emilio: Una vita più vitale. Stile e pensiero in Leopardi. A cura di Cristina Zampese. Venezia: Marsilio 2011. Binni, Walter: Lezioni leopardiane. A cura di Novella Bellucci. Scandicci: La Nuova Italia Editrice 1994. —: La nuova poetica leopardiana. Firenze: Sansoni 1971. Borsò, Vittoria: «Auf der Schwelle von Sichtbarkeit und Sagbarkeit. Zum Ereignis der Sichtbarkeit in der Materialität des Bildes», in: Sieglinde Borvitz / Mauro Ponzi (Hg.): Schwellen. Ansätze für eine neue Theorie des Raums. Düsseldorf: Düsseldorf University Press 2014, 29-46. Calvino, Italo: Lezioni americane. Sei proposte per il prossimo millenio [1988]. Milano: Mondadori 2014. Citati, Pietro: Leopardi. Milano: Mondadori 2016. De Sanctis, Francesco: Schopenhauer e Leopardi. E altri saggi leopardiani. Como: Ibis 2001. Esposito, Roberto: Bíos. Biopolitica e filosofia. Torino: Einaudi 2004. —: Pensiero vivente. Origine e attualità della filosofia italiana. Torino: Einaudi 2010. Foucault, Michel: Sexualität und Wahrheit. Bd.-1. Der Wille zum Wissen [1976]. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1998. Gentili, Dario: Italian Theory. Dall’operaismo alla biopolitica. Bologna: Mulino 2012. Luporini, Cesare: «Nichilismo e virtù nel percorso di Leopardi», in: Franca Janowski (Hg.): Leopardi und der Geist der Moderne. Akten des deutsch-italienischen Kolloquiums, Stuttgart, 10.-11. November 1989. Tübingen: Stauffenburg-Verlag 1993, 115-128. Prete, Antonio: Il pensiero poetante. Saggio su Leopardi. Milano: Feltrinelli 1980. —: Finitudine e infinito. Su Leopardi. Milano: Feltrinelli 1998. —: Il cielo nascosto. Grammatica dell’interiorità. Torino: Bollati Boringhieri 2016. —: La poesia del vivente. Leopardi con noi. Torino: Bollati Boringhieri 2019. Roggerone, Giuseppe: Figure e problemi dell’età dei lumi. Lecce: Milella 1986. 88 Martina Kollroß Severino, Emanuele: In viaggio con Leopardi. La partita sul destino dell’uomo. Milano: Rizzoli 2015. Thüring, Hubert: «Die unbestimmte Empfindung. Giacomo Leopardis Lebensbegriff als (negative) Wissenspoetik zwischen Theorie der Lust und Poetik des Unbestimmten», in: Gabriele Brandstetter / Gerhard Neumann (Hg.): Romantische Wissenspoetik. Die Künste und die Wissenschaften um 1800. Würzburg: Königshausen & Neumann 2004, 179-212. —: Das neue Leben. Studien zu Literatur und Biopolitik 1750-1938. Paderborn: Fink 2012. Timpanaro, Sebastiano: Alcune osservazioni sul pensiero di Leopardi. Presentazione di Antonio Prete. Chieti: Solfanelli 2015. II H eiterkeiten «Ernst ist das Leben, heiter ist die Kunst» 91 «Ernst ist das Leben, heiter ist die Kunst» Leopardis Konzepte der Heiterkeit «È seria la vita, allegra è l’arte» Concetti leopardiani della serenità Milan Herold Leopardis poetische und philosophische Negativitätskonzepte lassen Raum für eine eigene Form der Heiterkeit. Während sein Werk gemeinhin dem Pessimismus zugeordnet wird, lassen sich semantische Einschränkungen rekonstruieren, die nur ungenau als eine poesia del nulla rubriziert werden. Gegen die geläufige Vereindeutigung-- etwa die oft unhinterfragte Einteilung in drei Phasen des pessimismo-- werden die Konzepte der Vagheit und der Ambiguität im engeren Sinne (unterbestimmt / überbestimmt) eingeführt. In seinen Briefen, im Zibaldone, in den Canti und in den Operette morali lässt sich eine Distanzierung von reiner Negativität erkennen, wenn nicht gar Ansätze zu einem Ausweg aus dem Pessimismus. Statt dieses globalen Begriffs sollte derjenige eines ‹realistischen Skeptizismus› verwendet werden, der lediglich zu pessimistischen Konsequenzen führt. Nella sua opera poetico-filosofica, Leopardi utilizza concetti negativi, che tuttavia ammettono di parlare di una forma propria di serenità. Di solito la sua opera viene considerata come un faro del pessimismo, però è possibile ricostruire certe riserve in merito al pessimismo. L’articolo argomenta a favore di una cessazione del parlare di una poesia del nulla. Al posto di una tale semplificazione e riduzione, l’articolo propone i termini della vaghezza e dell’ambiguità in sensu stricto (sottodeterminato / sovradeterminato), al fine di esaminare figure nascoste che permettono di distanziarsi da un pessimismo stretto e semplice. Evitando una negatività pura, le lettere, lo Zibaldone, i Canti e le Operette morali offrono la prospettiva di una via di scampo a un pessimismo assoluto. In cambio, parlando di uno ‹scetticismo realistico›, si può dedurre che certe conseguenze pessimistiche non sono che effetti secondari. Schlagwörter: Ambiguität, Negativität, Heiterkeit, Skeptizismus Parole chiave: ambiguità, negatività, serenità, scetticismo 92 Milan Herold E in questo rispetto forse io concederei similmente al Leibnizio che il mondo presente fosse il migliore di tutti i mondi possibili. (La scomessa di Prometeo) Passeggere: Ma se aveste a rifare la vita che avete fatta né più né meno, con tutti i piaceri e i dispiaceri che avete passati? Venditore: Cotesto non vorrei. (Dialogo di un venditore d’almanacchi e di un passeggere 1 ) Leopardi schreibt in einem Brief vom 24.-Mai 1832 an den befreundeten Schweizer Altphilologen und Orientalisten Louis de Sinner: «Mes sentiments envers la destinée ont été toujours ceux que j’ai exprimés dans Bruto minore» (1416). Die historische Figur und sein Gedicht sind dem Autor persönliches Sinnbild seiner Verzweiflung am Leben. Es sollte dennoch vermieden werden, sein Werk stark autobiographisch zu lesen und es so auf falsche Eindeutigkeit zu reduzieren. Gerade im zitierten Brief wehrt sich Leopardi gegen eine solche Reduktion: «[O]n a voulu considérer mes opinions philosophiques comme le résultat de mes souffrances particulières […]. Avant de mourir, je vais protester contre cette invention de la faiblesse et de la vulgarité, et prier mes lecteurs de s’attacher à détruire mes observations et mes raisonnements plutôt que d’accuser mes maladies» (1417). 2 Das ist zwar keine Aufforderung an den Leser, eine destruktive Lektüre vorzunehmen, die etwa Leopardis Pessimismus und seine Annahmen kritisierte oder zu widerlegen versuchte. Es werden aber einige poetologische Aussagen à rebours gelesen und Ambiguitäten aufgezeigt, die man auffassen kann als anti-pessimistische Strategien und als Formen der Heiterkeit. 1 Giacomo Leopardi: Tutte le poesie, tutte le prose e lo Zibaldone. A cura di Lucio Felici / Emanuele Trevi. Roma: Newton Compton 2010, 524 und 600. Im Folgenden werden Leopardis Schriften nach dieser Ausgabe zitiert. Seitenangaben des Zibaldone sind die der Originalpaginierung. Die Abkürzung «M.H.» bedeutet Kursivierung durch Verfasser. 2 Zieht man ein Zitat aus dem Zibaldone hinzu, in dem sich Leopardi zur Heiterkeit der Seele äußert, kommt es wirklich auf den Leser an, anti-pessimistische Strategien zu rekonstruieren, da Leopardi wegen seiner «maladies» keine Strategien der Heiterkeit aufstellen kann: «Il vigore e il ben essere del corpo conferisce alla serenità dell’animo, e la serenità dell’animo al vigore e al ben essere del corpo. Come per lo contrario la debolezza o mal essere del corpo, e la tristezza dell’animo. Così la natura aveva congegnata e ordinata ogni cosa alla più felice condizione dell’uomo» (Zib. 358). «Ernst ist das Leben, heiter ist die Kunst» 93 ‹Heiterkeit› bedeutet nicht dasselbe wie ‹Glück› und ist daher auch mit Pessimismus vereinbar. Glück im Sinne von εὐδαιμονία, etwa in Aristoteles’ Nikomachischer Ethik, ist das höchste Gut und Ziel des Lebens, hängt aber stark auch von äußeren Umständen ab. Heiterkeit hingegen, griechisch ἱλαρός/ ἵλαος, ist eine Form der Seligkeit (ὅλος/ serenus). Leopardis Werk lässt sich für den Autor und Leser 3 als ein Antidoton gegen den Pessimismus verstehen. Seine teoria del piacere ist lesbar als ein Versperren des Glücks, und serenità ist insofern der δεύτερος πλου̃ ς, die zweitbeste Fahrt, von der Platon im Phaidon spricht. Leopardis Werk, vor allem wenn man es in Gänze liest, wappnet oder impft auch den Leser gegen ein Durchschlagen, gegen ein Total-Werden des pessimismo. Eine negative Lust, eine reflektierte Ästhetisierung und eine Poetik des Lachens sind maßgebliche antipessimistische Strategien, und Leopardi ist immer auch selbst Leser seines Werks. «Ernst ist das Leben, heiter ist die Kunst.» Schillers berühmter Vers aus dem Prolog zum Wallenstein, bei dessen Uraufführung in Weimar Goethe Theaterleiter war, lässt sich exemplarisch auf Leopardi übertragen. 4 Denn auch für ihn gilt, dass «[d]iese berühmte Formel […] keine sorglose Abstraktion von der Wirklichkeit [meint], sondern […] darauf [verweist], dass die Kunst einen Freiraum gewährt, der eine kritische Distanz zu den Zwängen des Realitätsprinzips konstituiert» 5 . Harald Weinrich stellt 1968 «Drei Thesen von der Heiterkeit der Kunst» auf: I. Die Literatur steht allgemein der Negativität näher als dem Positiven. II. Die Heiterkeit der Kunst ist eine irreduktible Rollenqualität des Publikums. III. Die Negativität der Literatur kann aufgefaßt werden als ein Gegensteuern der Autoren gegen die Heiterkeit der Kunst. 6 Während die ersten beiden Thesen wohl klarerweise auf Leopardis Prosa und Poesie zutreffen, möchte ich im Folgenden dafür argumentieren, dass die dritte These abgewandelt werden sollte, um die Gründe zu verstehen, warum Leopar- 3 Anlässlich seiner Werther-Lektüre hält Leopardi fest, dass auch die pessimistischsten Werke, wenn sie gut gemacht sind, ein Trost für den Leser sein können: «Hanno questo di proprio le opere di genio, che quando anche rappresentino al vivo la nullità delle cose, quando anche dimostrino evidentemente e facciano sentire l’inevitabile infelicità della vita, quando anche esprimano le più terribili disperazioni, tuttavia ad un’anima grande che si trovi anche in uno stato di estremo abbattimento, disinganno, nullità, noia e scoraggimento della vita, o nelle più acerbe e mortifere disgrazie (sia che appartengano alle alte e forti passioni, sia a qualunque altra cosa); servono sempre di consolazione, raccendono l’entusiasmo, e non trattando nè rappresentando altro che la morte, le rendono, almeno momentaneamente, quella vita che aveva perduta» (Zib. 259sq.). 4 Cf. zum «Idealbild der klassischen Heiterkeit» Harald Weinrich: Kleine Literaturgeschichte der Heiterkeit. Opladen: Westdeutscher Verlag 1990, 17sq. 5 Michael Hofmann: Schiller. Epoche - Werke - Wirkung. München: Beck 2003, 10. 6 Harald Weinrich: «Drei Thesen von der Heiterkeit der Kunst», in: Arcadia. International Journal for Literary Studies 3 (1968), 121. 94 Milan Herold dis Denken fasziniert: Die Negativität der Literatur produziert selbst eine Form der Heiterkeit. Diese Heiterkeit könnte man eine Heiterkeit zweiter Stufe oder eine reflexive Heiterkeit nennen. Leopardi selbst spricht serenità den geistig einfachen Menschen und manchen Tieren zu: Si dice male che la noia è un mal comune. La noia non è sentita che da quelli in cui lo spirito è qualche cosa. […] Anche gli uomini sono, la più parte, come le bestie, che a non far nulla non si annoiano; come i cani, i quali ho ammirati e invidiati più volte, vedendoli passar le ore sdraiati, con un occhio sereno e tranquillo, che annunzia l’assenza della noia non meno che dei desiderii. (Zib. 4307) [Es ist falsch zu sagen, die Melancholie sei ein gemeines Übel. Die Melancholie wird nur von denjenigen gefühlt, die wirklichen Geist haben. […] Auch die Menschen sind meist wie die Tiere, insofern sie sich nicht langweilen, wenn sie nichts tun; wie die Hunde, die ich häufig bewundert und beneidet habe, wenn ich sie Stunden ausgestreckt habe verbringen sehen, mit einem heiteren und ruhigen Blick, der die Abwesenheit der Langeweile ankündigt, noch mehr die von Begierden.] 7 Samuel Beckett hat in Variationen diesen Gedanken aufgenommen, dass das Begehren selbst abzuschaffen sei. Darin bestünde der Umweg, der teoria del piacere als anthropologischer Konstante zu entkommen. Das wird bereits in Becketts Proust-Schrift deutlich. In den frühen Ausgaben findet sich als Motto auf der Titelseite «E fango è il mondo» [«und Schlamm ist die Welt»]. Der Vers aus A se stesso (v.-9) benennt das Problem des Aufsatzes: «[t]he identification of the subject with the object of his desire» und in dieser Verschränkung «[t]he subject has died and perhaps many times-- on the way» 8 . Insofern das Subjekt mit dem Objekt seiner Begierde gleichgesetzt wird, ist es bereits - und vielleicht mehrfach - auf dem Weg (zu) dieser Gleichsetzung gestorben. Ein weiterer Vers aus A se stesso wird als Lösungsversuch dargestellt: «the wisdom of all the sages, from Brahma to Leopardi, the wisdom that consists not in the satisfaction but in the ablation of desire: ‹In noi di cari inganni-| non che la speme, il desiderio è spento›» 9 [«In uns ist der lieben Trugbilder nicht nur die Hoffnung, auch die 7 Im Folgenden werden die italienischen Leopardi-Zitate im Fließtext übersetzt. Die Übersetzung aus dem Zibaldone stammt von mir, es sei denn, die Seitenzahl wird in Klammern angegeben; diese bezieht sich auf folgende Übersetzung, in der auch die Operette morali und die Canti in Übersetzung vorliegen: Giacomo Leopardi: Gesänge. Dialoge und andere Lehrstücke. Zibaldone. Übers. von Hanno Helbling [et al.]. Düsseldorf: Artemis & Winkler 1998. Übersetzungen können leicht abweichen. Italienische Zitate werden nur im Fließtext übersetzt. 8 Samuel Beckett: Proust. New York: Grove Press 1978 [ 1 1931],-3. 9 Ibid., 7. Zur fortschreitenden Parodierung der message von A se stesso im Werk Becketts, als Ausweg die Begierde selbst abzuschaffen, cf. Danelli Caselli: «Beckett’s Intertextual Modalities of Appropriation: the Case of Leopardi», in: Journal of Beckett Studies 6.1 «Ernst ist das Leben, heiter ist die Kunst» 95 Begierde erloschen»]. Das Begehren, das Leben, der amor sui lassen sich aber nicht beenden. Die Literatur gibt nicht Wegweiser an die Hand, wie der Begierde zu entkommen wäre. Sie registriert allerdings die Paradoxie, die sich aus der Begierde ergibt, die Begierde selbst aufheben zu wollen. 10 Wenn Glück unmöglich ist, bietet sich die Indifferenz gegenüber Glück und Unglück an. Stoizismus ist allerdings weder Leopardis Ziel noch Teil seiner Überzeugungen. So schreibt er am 16.- August 1827 an Francesco Puccinotti: «Sono stanco della vita, stanco della indifferenza filosofica [sc. Stoizismus], ch’è il solo rimedio de’ mali e della noia, ma che in fine annoia essa medesima» (1347 [«Ich bin des Lebens müde, müde der philosophischen Indifferenz, die das einzige Heilmittel gegen die Leiden und die Melancholie ist, aber die letztlich ihrerseits langweilt»]). Lyrisch kommt die Ablehnung des Konzepts der Ataraxie etwa in den letzten Versen von Aspasia zum Ausdruck: […] Cadde l’incanto, e spezzato con esso, a terra sparso il giogo: onde m’allegro. E sebben pieni di tedio, alfin dopo il servire e dopo un lungo vaneggiar, contento abbraccio senno con libertà. Che se d’affetti orba la vita, e di gentili errori, è notte senza stelle a mezzo il verno, già del fato mortale a me bastante e conforto e vendetta è che su l’erba qui neghittoso immobile giacendo, il mar la terra e il ciel miro e sorrido. (Aspasia, vv.-101-112) [Doch es fiel der Zauber, und mit ihm zerbrach auf der Erde verstreut das Joch: darüber freu ich mich. Und obgleich voll des Überdrusses, endlich nach der Knechtschaft und einem langen Fantasieren, umarme ich zufrieden Verstand mit Freiheit. Wenn das Leben der Gefühle und der lieben Irrtümer beraubt, ist es eine sternenlose Nacht mitten im Winter, und das Todesschicksal genügt mir schon und Trost und Rache ist es, dass ich hier liege, träge und unbeweglich auf dem Gras, das Meer, die Erde und den Himmel anschaue und lächle.] (1996), 1-24; Andrea Cortellessa: «‹E fango è il mondo›. Beckett e Leopardi», in: Giancarlo Alfano / Andrea Cortelessa (a cura di): Tegole dal cielo. [II.] La letteratura italiana nell’opera di Beckett. Roma: EdUP 2006, 111-120. 10 Cf. dazu Milan Herold: «Vom Ende des Endes. Leopardis und Becketts Endspiele. A se stesso und Fin de partie», in: Nora Eibisch / Hendrik Klinge (Hg.): Endspiele interdisziplinär. Zukunftserwartungen zwischen Weltuntergang und Utopia. Göttingen: Edition Ruprecht 2017a, 13-42. 96 Milan Herold Aspasia ist wie die meisten seiner Liebesgedichte eine Abwandlung und Parodierung der Tradition der Fernliebe, der amor de lonh. 11 So sagt er in der Ankündigung zur Bologna-Ausgabe der Kanzonen von 1824 über Alla sua donna, es werde «la donna che non si trova»-(222) behandelt. Während Il primo amore die Aufarbeitung der ersten Liebe ist, die im Diario (del primo amore) Eingang findet, nennt er Alla sua donna ein «fare all’amore col telescopio» (222). 12 Die donna ist ‹die Eine› und das Ideal, der Mond, zugleich: «Se dell’eterne idee- | l’una sei tu, […]-| questo d’ignoto amante inno ricevi» (Alla sua donna, v.-45sq., 55; M.H. [«Wenn du eine der ewigen Ideen bist, empfängst du diese Hymne eines unbekannten Liebhabers»]). Eine entsprechende Überhöhung findet auch in Aspasia statt. Außer an die Offenbarung (Off. 21,1) erinnert diese Stelle an Dantes Vita nova in der Wiederholung von «novo», allerdings im Kontext einer Quasi-Epiphanie: […] Apparve novo ciel, nova terra, e quasi un raggio divino al pensier mio. […] (Aspasia, vv.-26-28) [Da erschien ein neuer Himmel, eine neue Erde und fast ein göttlicher Strahl meinem Denken.] Eine reale Frau als Möglichkeit eines neuen Lebens anzusehen, wird reflektiert als der grundlegende Denkfehler des lyrischen Ichs. Deshalb wird abschließend die unerwiderte Liebe ins Positive gewendet. Das lyrische Ich nimmt den «tedio» (v.-104) heiter an - «m’allegro» (v.-103), «contento» (v.-105) -, findet Verstand und Freiheit wieder - «senno con libertà» (v.-106) - und kann schließlich lächeln: «sorrido» (v.- 112). Heiterkeit ist hier Ergebnis einer uneigentlichen Ataraxie, da sie sich nicht als Ergebnis eines inneren Kampfes einstellt, sondern aus einer von außen herbeigeführten Niederlage. Auch die Liebesgedichte stehen im Zeichen der Sinnlosigkeit der Existenz, die für Leopardi spätestens seit der ‹Entdeckung› der Sinnlosigkeit der Geburt feststeht. Unter der Hand und quasi gegen seinen Willen produziert Leopardis Sprache Sinn und damit Positivität; bzw. in Abwandlung der Theodizee mit Schelling gefragt: «Warum ist Sinn überhaupt, warum ist nicht Unsinn statt Sinn? » 13 11 Cf. dazu ausführlich Fabio Camilletti: «‹On pleure les lèvres absentes›. ‹Amor di lontano› tra Leopardi e Baudelaire», in: Italian Studies 64.1 (2009), 77-90. 12 Cf. dazu Milan Herold: «‹Il presente non può esser poetico›. Giacomo Leopardis Lesbarkeit der Zeit (Il primo amore, Alla sua donna)», in: id. / Michael Bernsen (Hg.): Der lyrische Augenblick. Eine Denkfigur der Romania. Berlin / Boston: De Gruyter 2015, 127-148. 13 Friedrich W. J. Schelling: Grundlegung der positiven Philosophie. Münchner Vorlesung WS 1832/ 33 und SS 1833. Hg. von Horst Fuhrmans. Torino: Bottega d’Erasmo 1972, 222. «Ernst ist das Leben, heiter ist die Kunst» 97 Größte existenzielle Verzweiflung und tiefste Erfahrung von Sinnlosigkeit produzieren notwendigerweise, insofern sie ausgesprochen werden, Sinn und Hoffnung. Diese Dialektik im Gedicht zu reflektieren, ist ein Grundzeichen moderner Dichtung. Die autobiographische Anekdote zur «mutazione totale in me» (Zib. 143sq.) ist Kern eines eigenen Leopardi-Mythos. Die Unterscheidung in drei verschiedene Phasen des Pessimismus - eines pessimismo individuale, storico und cosmico - leitet sich daraus ab. Der Übergang vom Philologen und Dichter zum (dichtenden) Philosophen habe sich im Jahr 1819 ereignet. In einem «secolo impoetico», so seine Analyse, entwirft er das Projekt einer «poesia non poesia» (Zib. 4497). 14 Es gibt gute Gründe dagegen, bei Leopardi verschiedene pessimismi zu unterscheiden. Aus hermeneutischen Gründen ist es jedenfalls angemessener, von einem realistischen Skeptizismus zu sprechen, der zu pessimistischen Konsequenzen führt. Gerade wegen seiner negativen Sicht auf die Wirklichkeit besitzt Leopardi eine Poetik der doppia vista. Sie löst die Formulierung ein, dass der Unterschied zwischen Poesie und Prosa, zwischen Antike und Moderne nicht absolut, sondern nur fast unüberbrückbar sei: «E s’io mi metteva a far versi, le immagini mi venivano a sommo stento, anzi la fantasia era quasi disseccata» (Zib. 144 [«Und wenn ich begann, Verse zu schreiben, kamen mir die Bilder sehr mühevoll, denn die Phantasie war fast verdorrt»]). Im «quasi» 15 wird das Versprechen einer Poetik der Vagheit gegeben. Eine der grundlegenden Techniken zu dichten besteht für Leopardi in der Verwendung romantischer Bilder und illusioni. Diese sind gleichsam als Zitat eingeklammert, eingesetzt im Zeichen der Melancholie und im Bewusstsein, dass keine poetische Illusion fähig wäre, Hoffnung oder Flucht ungebrochen darzustellen. 16 An dieser Stelle ähnelt seine Position derjenigen Schillers, der von der ästhetischen Kategorie des Naiven in Über naive und sentimentalische Dichtung 1795 schreibt, dass es ein Gefühl sei, «welches wir für die Alten haben. 14 Cf. dazu neuerdings Giulia Agostini: «Genealogie des Unendlichen. Leopardis Ergründung einer poesia senza nome», in: Germanisch-Romanische Monatsschrift 67.4 (2017), 377-394. 15 In gleicher Weise schränkt ein «quasi» Leopardis résumé zum ersten Eintrag zur teoria del piacere ein, wodurch die gegenwartsdiagnostische Krise des modernen Menschen abgeschwächt wird: «La speranza propria dell’uomo, degli antichi, fanciulli, ignoranti, è quasi annullata per il moderno sapiente» (Zib. 169). Die Sehnsucht nach dem Unendlichen wird zu einem Leiden an dem Unendlichen, aber das «quasi» hält die Möglichkeit für anti-pessimistische Strategien offen. 16 So spricht Leopardi im Frammento sul suicidio davon, dass die moderne Unnatürlichkeit den Menschen der Sorglosigkeit und natürlichen Freude beraubt habe: «Tutto il piano della natura intorno alla vita umana si aggira sopra la gran legge di distrazione, illusione e dimenticanza. Quanto più questa legge è svigorita tanto più il mondo va in perdizione» (614). Cf. dazu Ugo Dotti: «La missione dell’ironia in Giacomo Leopardi», in: Belfagor 39.1 (1984), 377-396. 98 Milan Herold Sie empfanden natürlich; wir empfinden das Natürliche». 17 Das hebt Leopardis bereits im unpublizierten Antwortschreiben auf Germaine de Staëls Brief an die italienische Nation hervor. Der Prozess des Schreibens erlangt den Rang einer Lebenskunst. Eine anti-pessimistische Strategie des Leopardi-Mythos liegt in seiner Wirkung auf den Leser. Mit Emil Ciorans De l’inconvénient d’être né gesprochen, kann man bei Leopardi eine Poetik der Tilgung der Möglichkeit jeden Versuchs ausmachen, die Zeit auszufüllen oder ihr dauerhafte Sinnstrukturen zu verleihen: «Je ne fais rien, c’est entendu. Mais je vois les heures passer-- ce qui vaut mieux qu’essayer de les remplir.» 18 Leopardi hat bekannterweise das Nicht-Geboren-Werden als antike Weisheit für sich wiederentdeckt: «Le plus grand des malheurs est de naître, le plus grand des bonheurs, de mourir» (Zib. 2672), wie er im Zibaldone Bartholomé zitiert in Rekurs auf Sophokles, Bakchylides und Cicero oder mit dem Vers aus der achten pythischen Ode von Pindar, die Chateaubriand in Voyage en Italie zitiert: Das gnomische «La vita umana […] non essendo cosa di più sostanza che un sogno di un’ombra» (507 19 [«Das menschliche Leben […] ist nicht von mehr Substanz als der Traum eines Schattens»]) drückt eine grundlegende Überzeugung Leopardis über sein Leben und über seine Dichtung aus. Diese und weitere Stellen im Zibaldone haben die italienische Leopardi- Forschung mit und seit Luporinis Leopardi progressivo dazu veranlasst, ein weiteres Krisenjahr- 1823 anzunehmen, das die krísis als kairós im Übergang von einem pessimismo storico zu einem pessimismo cosmico gestalte. 20 Der kritische Augenblick des Kairos geht auf den gleichnamigen Gott zurück. Der griechische Gott des günstigen Moments hat eine Glatze und einen Schopf auf der Stirn, woraus sich im Deutschen der Ausdruck herleitet, ‹die Gelegenheit beim Schopf zu packen›. Dieser momento d’oro hat zunächst die Bedeutung, dass ein Arzt im kritischen Moment (krísis) die richtige Entscheidung zur Genesung des Patienten trifft. Die etymologische Wortverwandtschaft zwischen kairós und krísis hat eine lange literarische Tradition. Leopardi behandelt sie ausgiebig im Zibaldone zum colpo d’occhio, zum Augenaufschlag, den er ausgehend von 17 Friedrich Schiller: Über naive und sentimentalische Dichtung [1795]. Hg. von Klaus L. Berghahn. Stuttgart: Reclam 2002, 27. 18 Emil-Michel Cioran: De l’inconvénient d’être né. Paris: Gallimard 1990 [ 1 1973], 11. 19 Das Zitat stammt aus Proposta di premi fatta dall’Academia dei Sillografi. Cf. «La vie, disoit Pindare, n’est que le rêve d’une ombre […]; image sublime, et qui d’un seul trait peint tout le néant de l’homme» (Zib. 2672). Bei Pindar heißt es: «ἐπάμεροι·τί δέ τις; τί δ’ οὔ τις; σκιᾶς ὄναρ-| ἄνθρωπος» (v.-95sq.). 20 Cf. Cesare Luporini: Leopardi progressivo. Roma: Editori Riuniti 1981 [ 1 1947] und die Zusammenfassung in Timpanaros Aufsatz «Il Leopardi e la Rivoluzione francese» (wieder in: Sebastiano Timpanaro: Nuovi studi sul nostro Ottocento. Pisa: Nistri Lischi 1994, 127-141). «Ernst ist das Leben, heiter ist die Kunst» 99 Diderots Encyclopédie zunächst in der technischen Bedeutung bespricht, eine Situation zu erkennen, dann aber auch poetisch überträgt als eine doppia vista, die ein infinito im indefinito herstellt bzw. findet. 21 Anders gesagt: Es gibt in Leopardis theoretischen Schriften eine Poetik des Umschlags, die man in seinen Gedichten als eine Dichtung des Augenblicks definieren kann. Gerade diese Umkehrfunktion lässt sich als eine anti-pessimistische Strategie verstehen, als ein Einspruch gegen globale Einteilungen des Werkes in verschiedene pessimismi. In dem Sinne schreibt Giuseppe Ungaretti in seinen Lezioni su Giacomo Leopardi: «Non esiste un primo e un secondo periodo nel pensiero di Leopardi.» 22 Exemplarisch möchte ich hier als Beleg zwei Stellen anführen; zunächst aus den Disegni letterari aus dem Jahr 1821: «L’arte d’esser infelice. Quella di essere felice è cosa rancida; insegnata da mille, conosciuta da tutti, praticata da pochissimi, e da nessuno poi con effetto» (1112). Hier kommt eine Ironie und Lakonik zum Ausdruck, die auf das Ganze geht («conosciuta da tutti»), aber auf nichts abzielt («da nessuno poi con effetto») und so einen Zwischenraum schafft. Leopardis Dichtung ist eine der rancidità, die den erfahrenen Leser mitunter lachen lässt. Der Gegensatz zwischen Transzendenz und Romantik, zwischen Antike und Moderne ergibt eine «Ambiguitätstoleranz» 23 einerseits und eine skeptische Eindeutigkeit andererseits. ‹Alles ist sinnlos› ist ein Satz aus Leopardis Gedankenwelt. Aber ‹Alles ist sinnlos› ist selbst ein sinnvoller Satz. Leopardis Dichtung prägt diesen Widerspruch aus. Das ist ihr Grundton. Dahinter verbergen sich poetologische Strategien, die im Folgenden vorgestellt werden. Die unpoetische Gegenwart sei das einzig mögliche Material der Dichtung, der erlebte Augenblick allein ist Material, er wird geformt durch eine doppia vista, und er steht unter dem Zeichen des Unglücks, veranlasst durch illusioni und damit Zeichen des Glücks. Leopardis Dichtung ist insofern eine Versuchsanordnung. 21 Cf. dazu Milan Herold: Der lyrische Augenblick als Paradigma des modernen Bewusstseins. Kant, Schlegel, Leopardi, Baudelaire, Rilke. Göttingen: Bonn University Press 2017b, 228-235. 22 Giuseppe Ungaretti: Vita d’un uomo. Vol.-1. Saggi e interventi. A cura di Mario Diacono / Luciano Rebay. Milano: Mondadori 1974, 326 («Il pensiero di Leopardi» [1933/ 1934]). So führt scheinbar das folgende Zitat in seinem universellen Geltungsanspruch in den a-historischen pessimismo cosmico, den Leopardis Lektüre von Jacques Barthélemys Voyage du jeune Anacharsis en Grèce herbeigeführt habe: «La vie, disoit Pindare, n’est que le rêve d’une ombre […]; image sublime, et qui d’un seul trait peint tout le néant de l’homme» (Zib. 2672). Cf. zu diesem Mythos der Leopardi-Forschung zwischen zwei pessimismi (storico, cosmico) in Bezug auf Pindars ephemere Kürzung des Menschen auf eine Eintagsfliege Lorenzo Polato: Il sogno di un’ombra. Leopardi e la verità delle illusioni. Venezia: Marsilio 2007, 65-67. 23 Thomas Bauer: Die Vereindeutigung der Welt. Über den Verlust an Mehrdeutigkeit und Vielfalt. Stuttgart: Reclam 2018, 12. 100 Milan Herold 1. Heiterkeit I - Canti Literatur und Lesen, Schrift und Schreiben sind für Leopardi ein Pharmakon 24 in der Doppelbedeutung von Gift und Gegengift bzw. von Antidoton und Medizin. Im vorletzten Tagungsband der Leopardi-Gesellschaft, Dichtung als inszenierte Selbsttäuschung in der Krise des Bewusstseins (2015), spricht Winfried Wehle in seinem Aufsatz zur «Modernität wider Willen» von einem «geistige[n] Pharmakon (‹medicina›, Zib. 521) wider Willen einer krankenden Moderne […], das nach wie vor eine Natur [er]reichen können [soll], die einst alle Wunden heilte» 25 . Die «drei Anleitungen», die Wehle rekonstruiert, - Antike, Gründungsmythen und die eigene Kindheit - möchte ich im Folgenden aber nicht als Rettungsvorschläge verstehen, sondern als illusioni, die - entsprechend der Doppelbedeutung von pharmakon - Dichtung überhaupt erst ermöglichen und das Ziel, Glück zu erreichen, zugleich verunmöglichen. Diese klar widersprüchliche und dichotome Struktur kann man auflösen in zwei Hinsichten: zugunsten des Pessimismus, dann ist die Einteilung in Pessimismen und eine poesia del nulla vorrangig. Es ist aber ebenso möglich, anti-pessimistische Strategien zu erkennen, dann ist die Einteilung in pessimismi hermeneutisch unfruchtbar und eine poesia del quasi-nulla (I) oder eine quasi-poesia del nulla (II) rücken in den Blick. Die erste Perspektive einer poesia del quasi-nulla ist eine Poetik der Vagheit, die zweite, eine quasi-poesia del nulla, stellt eine Poetik der Ambiguität dar. Vagheit und Ambiguität bezeichnen jeweils begriffliche Unschärfe(n), «weil beides darauf hinausläuft, dass einem Zeichen oder einem Umstand mehrere Interpretationen zugeordnet werden können». Vagheit bedeutet eine Unterbestimmtheit, «weil das Zeichen bzw. der Umstand nicht eindeutig genug ist». Ambiguität bezeichnet hingegen eine Überbestimmtheit, «weil Zeichen oder Umstände auf mehrere 24 Cf. aus Platons Phaidros Theuths Rede (274e): «denn als ein Mittel [Pharmakon] für Erinnerung und Weisheit ist sie [die Buchstabenkunst] erfunden. Jener [Thamus] aber habe erwidert: O kunstreichster Theuth, einer weiß, was zu den Künsten gehört, ans Licht zu bringen; ein anderer zu beurteilen, wieviel Schaden und Vorteil sie denen bringt, die sie gebrauchen werden» («μνήμης τε γὰρ καὶ σοφίας φάρμακον ηὑρέθη.’ ὁ δ᾽ εἶπεν: ‘ὦ τεχνικώτατε Θεύθ, ἄλλος μὲν τεκεῖν δυνατὸς τὰ τέχνης, ἄλλος δὲ κρῖναι τίν᾽ ἔχει μοῖραν βλάβης τε καὶ ὠφελίας τοῖς μέλλουσι χρῆσθαι»; Übersetzung nach Platon: Sämtliche Werke. Bd.-2. Lysis, Symposion, Phaidon, Kleitophon, Politeia, Phaidros. Übers. von Friedrich Schleiermacher, neu hg. von Ursula Wolf. Reinbek: Rowohlt 30 2004, 603). Cf. zum Begriff die klassischen Stellen: das letzte Kapitel in Julia Kristeva: Pouvoirs de l’horreur. Paris: Seuil 1990 und Jacques Derrida: «La pharmacie de Platon» [1968], in: id.: La dissémination. Paris: Seuil 1972b, 69-202. 25 Winfried Wehle: «Iconomachia. Über Leopardis Modernität wider Willen (Imitazione)», in: Cornelia Klettke / Sebastian Neumeister (Hg.): Giacomo Leopardi - Dichtung als inszenierte Selbsttäuschung in der Krise des Bewusstseins. Akten des Deutschen Leopardi-Tages 2015. Berlin: Frank & Timme 2017, 33. «Ernst ist das Leben, heiter ist die Kunst» 101 Bedeutungen gleichzeitig hindeuten». 26 Beide Pole lassen sich verstehen als Formen poetischer Heiterkeit innerhalb von Leopardis Skeptizismus. Vagheit ist anti-pessimistisch, insofern die Begierde sprachlich eingeklammert wird, so dass Totalität mit Nichts nicht mehr vollständig zusammenfällt. 27 Ambiguität ist anti-pessimistisch, insofern Aussagen über die Nichtigkeit von allem zugleich ganz anders gelesen werden können und müssen. 1.1 Ultimo canto di Saffo Einen weiteren Grund, nicht in unterschiedliche pessimismi zu unterscheiden, stellt der Ultimo canto di Saffo (109-112) dar, da er vor dem angenommenen Übergang zum pessimismo cosmico, nämlich im Mai 1822, verfasst wird: In der klassischen Trennung zwischen Phasen der leopardischen Philosophie und Dichtung ist gerade dieses Gedicht eine Vermittlungsstelle, die die Unterscheidung selbst fraglich werden lässt. Eine mythische, antike Figur empfindet ein Unglück von kosmischem Ausmaß. Das Gedicht umfasst vier Strophen. Jede Strophe besteht aus zwölf Versen, von denen sich nur die beiden letzten reimen. So bewegen sich die Strophen ‹singend› hin zur nächsten fort. Das erzeugt eine Kantabilität 28 , einen Gesang, der die Trauer über die unerwiderte Liebe abschwächt. Allein der Titel verrät, dass hier eine antike Figur singt. Der Anfang des Gedichts lautet: Placida notte, e verecondo raggio della cadente luna; e tu che spunti fra la tacita selva in su la rupe, nunzio del giorno; […] (Ultimo canto di Saffo, vv. 1-4) [Ruhige Nacht und schamhafter Schein des fallenden Monds; und du, die du aufsteigst aus dem stillen Wald über dem Felsen, Kündiger des Tags; ] Der Mond, das große Andere in Leopardis Dichtung, symbolisiert die zyklischewige Natur. Dieses Ideal steht auch für die Antike und ist damit zugleich ein Gegenbild der modernen Zerrissenheit. Aber es folgt keine romantisch-ver- 26 Bauer: Vereindeutigung, 13. 27 Die Gleichsetzung «infinito-indefinito» weicht untergründig derjenigen von «infinito-=-nulla» (cf. Luigi Blasucci: Leopardi e i segnali dell’infinito. Bologna: Il Mulino 1985, 138 [cf. Zib. 4178]). 28 Cf. Barbara Kuhn: «Und sie singt doch. Leopardis Palinodie des ‹Ultimo canto di Saffo›», in: Ginestra. Periodikum der Deutschen Leopardi-Gesellschaft 15 (2005), 29-51 und ebf. Uta Degner: «‹Belebende Kunst›. Zur ‹Sapphischen› Konzeption einer ästhetischen Wahrnehmung der Welt in Leopardis Ultimo canto di Saffo und Hölderlins Thränen», in: Sebastian Neumeister (Hg.): Die ästhetische Wahrnehmung der Welt. Giacomo Leopardi. Giacomo Leopardi e la percezione estetica del mondo. Bern [et al.]: Lang 2009, 185-214. 102 Milan Herold söhnliche Idyllendichtung. Das Ende der Nacht steht im Zeichen des Todes. Sapphos unerwiderte Liebe treibt sie in die Verzweiflung und an den Rand des Selbstmords. Früher waren ihr Bilder der Natur noch Ausdruck der eigenen Seele. Das lyrische Ich kann sich an eine ungebrochene Natur- und Selbstwahrnehmung nur erinnern. Ihr Unglück lässt sie nun an der dionysisch-erhabenen Natur Gefallen finden: Sturm in tiefen Schluchten, aufgewirbelter Staub, schnell dahinziehende Gewitterwolken, Wellen, die am Felsen zerschellen. Der anbrechende Tag verspricht keinen Neuanfang, denn das Ich ist ausgeschlossen aus der Harmonie der Natur: […] oh dilettose e care mentre ignote mi fur l’erinni e il fato, sembianze agli occhi miei; già non arride spettacol molle ai disperati affetti. (Ultimo canto di Saffo, vv. 4-7) [oh meinen Augen angenehme und geliebte Bilder, als mir die Erinnyen und das Schicksal unbekannt waren; nun aber erfreut kein sanftes Schauspiel die verzweifelten Gefühle.] Die zweite Strophe verdoppelt die Ausgeschlossenheit. Die Schönheit der Natur ist ein Schleier, «il […] manto». Das ist durchaus positiv gemeint: Der Schleier verbirgt die kalte, prosaische, unpoetische Wahrheit, dass Hoffnung nicht ontisch, in der Sache, abgesichert bzw. verwirklichbar ist. Der Bruch mit der Antike ist eine Figur der Entfremdung. Bello il tuo manto, o divo cielo, e bella sei tu, rorida terra. Ahi di cotesta infinita beltà parte nessuna alla misera Saffo i numi e l’empia sorte non fenno. […] (Ultimo canto di Saffo, vv. 19-23) [Schön ist dein Mantel [/ Anblick], oh göttlicher Himmel, und schön bist du, taubenetzte Erde. Ach, die Götter und das böse Schicksal ließen der elenden Sappho nichts von dieser unendlichen Schönheit.] Der Ton der Idylle steht im Zeichen der sprachlichen asperitas, die Dante in De vulgari eloquentia ausgehend von seinen Rime petrose bestimmt. Das Idyllenschema wird nur negativ aufgerufen: Die Natur ist bei Leopardi das Andere (geworden). 29 Das Ideal ist abgerückt, Spiegel antiker Identität und zugleich Spender eigener Hybridität. 29 Cf. «ogni attributo di bellezza e felicità è riferito alla natura, o comunque ad un ‹altro›» (Cesare Galimberti: Linguaggio del vero in Leopardi. Firenze: Olschki 1959, 77sq.). Galim- «Ernst ist das Leben, heiter ist die Kunst» 103 Bei Leopardi entfällt die Fiktion, eine Rückkehr zur Antike, zur Natur oder zur Kindheit sei möglich. Insofern ist die Hässlichkeit des lyrischen Ichs bzw. der Sappho eine Variante des unverfügbaren Ideals. Nachdem die erste Strophe das Gefühl eines kosmischen Ausgeschlossen-Seins darstellt, folgen einzelne Bilder der Entfremdung. Das seriell wiederholte «non» kann nur noch negativ Bilder der Ruhe benennen; nicht die Morgenröte, nicht der Vogelgesang, nicht das Rauschen der Buchen, nicht das Fließen des Bachs lassen die Illusion von Einheit und Harmonie im Gesang zu. Die dritte Strophe steigert den Widerspruch zwischen Ich und Welt. Leben ist koextensional mit dem Streben nach Glück. Wenn aber der Schleier der Natur gelüftet ist, bleibt nur die Einsicht in eine schuldlose Schuld, ein abstraktes Immer-schon-bestraft-Sein: [I]n che peccai bambina, allor che ignara di misfatto è la vita, onde poi scemo di giovinezza, e disfiorato, al fuso dell’indomita Parca si volvesse il ferrigno mio stame? […] (Ultimo canto di Saffo, vv. 40-44) [Worin habe ich gesündigt als Kind, während die Übeltat dem Leben unbekannt ist, so dass dann, mit abnehmender Jugend und verblüht, mein Lebensfaden aus Eisen sich auf der Spindel der unbeugsamen Parze drehte? ] Die Figur Sappho wird hier zur Existenzmetapher. Die vierte Strophe beginnt lapidar mit einem Ilias-Zitat: «Morremo.» Hier ist das Wir der vorherigen Verse nicht mehr ein pluralis majestatis, sondern ein Wir, das alle Menschen meint. Auch das Du ist nun nicht mehr das allgemeine Andere, die Natur, sondern der Geliebte, Phaon. Chiastisch überkreuzen sich globale Hoffnungslosigkeit und persönliche Liebestrauer: […] E tu cui lungo amore indarno, e lunga fede, e vano d’implacato desio furor mi strinse, vivi felice, se felice in terra visse nato mortal. […] (Ultimo canto di Saffo, vv. 58-62) [Und du, an den mich vergebens lange Liebe und lange Treue und ein vergebliches Rasen von unbefriedigter Begierde band, lebe glücklich, wenn glücklich je auf Erden ein Sterblicher lebte.] berti führt die zitierten Verse 19-23 an, des Weiteren die Verse 27-31 und 62-64 (cf. ibid., 77). Cf. zur sprachlichen Präsenz der Leere qua Negation Anna Dolfi: La doppia memoria. Saggi su Leopardi e il leopardismo. Roma: Bulzoni 1986, 11-42 (Kap. «La dialettica leopardiana e la tragedia dell’assenza»). 104 Milan Herold Zugleich verhält sich Phaon in seiner Ablehnung wie die Natur. Im Gegensatz zu den anderen Kanzonen verfährt der Ultimo canto di Saffo nicht dramatisch anhand von historischen Figuren, sondern lyrisch am Beispiel einer metaphysischen Krankheit, die ausgreift. In der Ankündigung seiner Kanzonen von 1824 benennt Leopardi einige Lesererwartungen, die seine klassizistisch anmutenden Gedichte nicht erfüllen. In keinem Liebesgedicht wird ein innamoramento, ein Augenblick des Sich-Verliebens, dargestellt. Damit unterläuft Leopardi die literarische Tradition von den Troubadouren über Dante bis Petrarca. Das entspricht einer poetologischen Überzeugung, die sich als klassischer Syllogismus rekonstruieren lässt. Leopardi setzt «poetico» und «piacere» gleich, wie zwei Gedanken aus dem Zibaldone belegen: Die Gegenwart ist sinnlos und vor allem nie eine Erfahrung von Fülle und Glück, «il piacere non è mai presente, ma sempre solamente futuro, segue che propriamente parlando, il piacere è un ente (o una qualità) di ragione, e immaginario» (Zib. 2629 [«Die Lust ist nie gegenwärtig, sondern immer nur zukünftig, woraus folgt, dass - richtig gesprochen - die Lust eine Sache (oder eine Eigenschaft) der Vernunft ist, und eine Einbildung»]). Die zweite Stelle lautet: «La rimembranza è essenziale e principale nel sentimento poetico, non per altro, se non perchè il presente, qual ch’egli sia, non può esser poetico; e il poetico, in uno o in altro modo, si trova sempre consistere nel lontano, nell’indefinito, nel vago» (Zib. 4426 [«Die Erinnerung ist wesentlich und primär im poetischen Gefühl, aus dem einzigen Grund, dass jedwede Gegenwart nicht poetisch sein kann; und das Poetische, auf die eine oder andere Weise, besteht immer im Fernen, im Unbestimmten und im Vagen»]). So ist auch der unmittelbar einsetzende Gesang der Sappho nur als Reflexion auf den Verlust und die Vergangenheit möglich. Eine andere Lesererwartung wird ebenfalls enttäuscht, und auch dieser Bruch ist Teil eines lustvollen Kalküls. Liebesdichtung wird vom Postulat der Schönheit entkoppelt. Die hässliche Sappho liebt, aber umsonst, und auch die platonische Schwester der Schönheit, das moralisch Gute, entfällt. Leopardi hat im Selbstkommentar zu seiner Saffo den Anlass, über die antike Dichterin zu schreiben, lapidar benannt: «La cosa più difficile del mondo, e quasi impossibile, si è d’interessare per una persona brutta» (471 [«Die schwierigste und nahezu unmögliche Sache der Welt besteht darin, Interesse für eine hässliche Person zu wecken»]). Die Stelle ist ein Beispiel für Leopardis lakonische Formulierungen und für eine Poetik des Zwischenraums, des Fast und des Quasi. Leopardi weist den Leser auch auf den Ovid-Bezug in seinem Gedicht hin, denn in den Heroides stürzt sich die unglücklich liebende Sappho vom leukadischen Felsen. Bei Leopardi wird diese Grenze des Todes, die noch nicht überschritten ist, am Ende des Gesangs nur benannt. Der Tod kann keine Grenze «Ernst ist das Leben, heiter ist die Kunst» 105 überschreiten, er bezeichnet keine Transgression-- weder der Existenz noch der Dichtung. Die letzten Verse lauten: […] Ecco di tante sperate palme e dilettosi errori, il Tartaro m’avanza; e il prode ingegno han la tenaria Diva, e l’atra notte, e la silente riva. (Ultimo canto di Saffo, vv.-68-72) [So bleibt von so vielen erhofften Palmenzweigen [sc. Erfolgen] und heiteren Irrtümern nur, dass der Tartaros sich mir nähert; und die Göttin des Tänarus und die dunkle Nacht und das stille Ufer beherrschen den tapferen Geist.] Hier wird dasjenige lyrische Ich eingeführt, das die berühmten, folgenden Idyllendichtungen bestimmt. Nur der Titel des Gedichts verweist auf die antike Sängerin. Ohne diesen Bezug auf die Antike wäre das Ganze kaum als Fiktion einer antiken Dichtung zu erkennen. Dennoch aber romantisiert Leopardi hier nicht das antike Ideal. Denn der singuläre Tod, der nicht benannt wird, ist so Teil der Dichtung als Remedium gegen das unglücksbestimmte Leben. Der Augenblick des Selbstmordes ereignet sich nicht 30 , denn innerhalb der Hoffnungslosigkeit der Existenz kann der Tod kein lyrisches Ereignis sein. Sappho singt auf der Schwelle zwischen Antike und Moderne, zwischen Leben und Tod. Die Kanzone endet so mit einem «‹adagio lamentoso›» 31 . Die Antike wird gleichsam in ihrem langsamen Einschlafen beobachtet. 32 Eine autobiographisch klingende, aber - wie die mutazione totale in me - ebenso inszenierte Verweigerung des Augenblicks des Todes liefert ein Gedankenexperiment im Zibaldone, das eine direkte leukadische Erinnerung an Sappho ist: Io era oltremodo annoiato della vita, sull’orlo della vasca del mio giardino, e guardando l’acqua e curvandomici sopra con un certo fremito, pensava: s’io mi gittassi qui dentro, immediatamente venuto a galla, mi arrampicherei sopra quest’orlo, e sforzandomi di uscir fuori dopo aver temuto assai di perdere questa vita, ritornato illeso, pro- 30 ‹Ereignis› wird hier verwendet im Sinne von Jurij Michailowitsch Lotman: Die Struktur literarischer Texte. Übers. von Rolf-Dietrich Keil. München: Fink 1993,-329sq. (cf. Alexander Rudolph: «Die Transgression der Situation. Zur Text-Kontext-Relation als Konstituens der Literarizität sapphischer Dichtung», in: Poetica 41 (2009), 330-354). 31 Carlo Annoni: «Alcune tracce per la poetica delle canzoni leopardiane», in: Italianistica 33.1 (2004), 105. 32 Cf. «Forse anche si potrà dire che l’addormentarsi non è un punto, ma uno spazio progressivo più o meno breve, un appoco appoco più o meno rapido; e lo stesso si dovrà dir della morte» (Zib. 290). 106 Milan Herold verei qualche istante di contento per essermi salvato, e di affetto a questa vita che ora tanto disprezzo, e che allora mi parrebbe più pregevole. La tradizione intorno al salto di Leucade poteva avere per fondamento un’osservazione simile a questa. (Zib. 82) [Ich war im höchsten Maß des Lebens überdrüssig, ich saß auf dem Rand des Brunnenbeckens meines Gartens, ins Wasser schauend und mich mit einem leisen Schauder darüber beugend, und dachte: Wenn ich mich da hineinwürfe, würde ich, kaum dass ich wieder aufgetaucht wäre, den Brunnenrand hochklettern; und hätte ich mich, nachdem ich große Angst um mein Leben hatte, herausgemüht und wäre unverletzt wieder da, so würde ich mich für einige Augenblicke meiner Rettung freuen und dieses Leben lieben, das ich jetzt so verachte und das mir dann wertvoller erscheinen würde. Dem Mythos um den Sprung vom Leukadischen Felsen lag vielleicht eine ähnliche Beobachtung zu Grunde.] Das Ich befindet sich in einem Zustand der noia und in einer Schwellensituation. Kurz vor dem Sturz in das Wasser, zitternd («fremito») wie Sappho im Fragment-Gedicht-31 φαίνεταί μοι κῆνος, auf das L’infinito nochmals anspielen wird, 33 reicht der Blick ins Wasser aus, um augenblicklich («immediatamente») zu erkennen, dass der Lebenstrieb, der amor proprio, gewönne und dass aus der Angst vor dem Verlust heraus («temuto assai di perdere questa vita») der rettende Griff zu einem kurzen Glück führen würde («proverei qualche istante di contento»). Ein Gedankenexperiment reicht aus, um größten Lebensüberdruss («annoiato della vita») einer Lebensbejahung unterlegen sein zu lassen. 1.2 L’infinito Leopardi entwickelt daraufhin eine Technik bzw. eine Kunst der Verschiebung, die auch mikrotextuell - wie in L’infinito (1819) - und in komplexeren Zeitbildern - wie in La sera del dì di festa (1820) - gestaltet wird. 34 L’infinito ist das klassische Beispiel für die Poetik einer doppia vista. Das Gedicht ist paradigmatisch in seiner Kürze für Leopardis Logik der Erinnerung: Die Erinnerung ist Teil einer Strategie, Vertrautes aus der Vergangenheit zu bewahren und daraus Kraft und Sinn zu schöpfen. Ein piacere kann nur momentan inszeniert werden und nur als negative Lust. Diese Lust nennt er im Zibaldone auch «il piacere 33 Genau in der Mitte des Gedichts variiert Leopardi das vor Angst Erschaudern des Herzens, wenn Sappho den Geliebten sieht - «καρδίαν ἐν στήθεσιν ἐπτόαισεν» (v.- 6) -, indem er es einklammert, zugleich aber die folgende harte Fügung von «ὠς γὰρ» (v.-7) im Fortgang übernimmt (Sappho: Lieder. Griechisch-deutsch. Hg. von Max Treu. München / Zürich: Artemis 7 1984,-24; cf. dazu Gilberto Lonardi: «Dio di se stesso. Una lettura dell’Infinito», in: Christian Genetelli (a cura di): Lettura dei Canti di Giacomo Leopardi. Due giornate di studi in onore di Alessandro Martini. Novara: Interlinea 2013, 161sq.). 34 Cf. dazu ausführlich Tommaso Tarani: Il velo e la morte. Saggio su Leopardi. Firenze: Società Editrice Fiorentina 2011. «Ernst ist das Leben, heiter ist die Kunst» 107 del dolore» (Zib. 105). Sie stellt gleichsam eine Lösung für die Paradoxie seiner teoria del piacere dar. Die ästhetische Idee besteht darin, das menschliche Lustprinzip bzw. die Begierde, die jede Lust relativiert und in Unlust umschlagen lässt, auszuhebeln bzw. einzuklammern. Die Begierde stellt die Grundparadoxie in Leopardis Werk dar. Wer die Fähigkeit zur doppia vista besitzt, kann gleichsam der Traurigkeit des Lebens entkommen. Sie lässt sich als Quasi-Epiphanie auffassen: All’uomo sensibile e immaginoso […] il mondo e gli oggetti sono in certo modo doppi. Egli vedrà cogli occhi una torre […] e nel tempo stesso coll’immaginazione vedrà un’altra torre […]. Trista quella vita che non vede, non ode, non sente se non che oggetti semplici […]. (Zib. 4418) [Für einen mit Empfindung und Vorstellungskraft begabten Menschen […] ist die Welt, sind die Gegenstände gewissermaßen doppelt. Mit den Augen sieht er einen Turm […,] und gleichzeitig sieht er in seiner Vorstellungskraft einen anderen Turm […]. Traurig jenes Leben, das nur einfache Gegenstände zu sehen, zu hören, zu spüren bekommt […]. (865)] Entsprechend wird, was in L’infinito (120sq.) gesehen und gehört wird - «questa siepe», «il vento» bzw. «questa voce» (v.-2, 8, 10 [«diese Hecke», «der Wind», «diese Stimme»] -, verschoben auf räumliche und semantische Ferne 35 und dann auf ein fingiertes «di là da quella», auf «quello infinito silenzio» und «interminati spazi» (v.- 5, 9sq., 4sq. [«jenseits von ihr [sc. der Hecke]», «jene unendliche Stille», «grenzenlose Räume»]). Im dritten Schritt scheitert der Vergleich zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Durch die Verschiebung der deiktischen Verweise ist in einer gewissen Hinsicht «questo mare» (v.-15 [«dieses Meer»]) zugleich auch ‹quello mare› [‹jenes Meer›], und der letzte Vers fasst in seiner Ambiguität den Gang des ganzen Gedichts zusammen. Die zeitliche Verschiebung von «mi fu» im ersten Vers zu «m’è dolce» am Ende gelingt sprachlich trotz und wegen des Scheiterns. Das Ideal, das infinito, ist nur im Modus eines indefinito 36 zu haben. Dahinter steht Leopardis Poetik des vago in der Doppelbedeutung von vage und schön. Das hat Auswirkungen auf die zuvor zitierte Stelle «il presente non può esser poetico». Es handelt sich zwar gram- 35 So wird (i) «questa siepe» zu «di là da quella» (v.-2, 5), dann wiederum zu «queste piante» (v.-9), (ii) «quiete» (v.-6) wird zu «quello-| infinito silenzio» (v.-9sq.), dann wiederum zu «questa-| immensità» (v.-13sq.; M.H.). 36 Cf. Giuseppe Rando: «Giacomo Leopardi. Nei pressi dell’Infinito. Argomenti ed abbozzi», in: Guido Baldassarri / Silvana Tamiozzo (a cura di): Letteratura italiana, letterature europee. Roma: Bulzoni 2004, 543sq. Leopardis Aufwertung des indefinito als sinnliche Form (der ästhetischen Idee) des infinito behandelt mit vielen Parallelstellen in den Canti und im Zibaldone Blasucci: Leopardi, 123-151 (Kap. «I segnali dell’infinito»). 108 Milan Herold matisch um ein apodiktisches Urteil. Aber auch seinen eigenen Überzeugungen gegenüber bringt Leopardi eine hohe Ambiguitätstoleranz auf: Wie L’infinito sprachlich darstellt, sollte der Satz um die Unterscheidung in Hinsichten, wie sie in der doppia vista-Passage getroffen wird, erweitert werden: ‹in un certo modo il presente può esser poetico›. 1.3 La sera del dì di festa Diese Verdopplung der Gegenwart wird auf mehrfache Weise in La sera del dì di festa erweitert. Der Monolog wird zu Leopardis typischem Quasi-Dialog mit dem Mond und mit weiteren Figuren transformiert. Das psychologische und poetologische Verhältnis von Gegenwart und Erinnerung wird komplexer gestaltet. Die Abschlussfigur auch dieses Gedichts ist ambig und doppeldeutig. In La sera del dì di festa (122sq.) handelt es sich letztlich um eine endlose Verschiebung auf vorherige und analoge Kindheitserinnerungen, die den Wirklichkeitsgehalt der Erinnerung entleert. Das lyrische Ich führt fünf Figuren an, die in Form einer amplificatio ausgreifende Bewusstseinsstufen darstellen und den modernen Erfahrungsverlust besonderer Augenblicke gestalten 37 . Am Anfang wird der Mond angesprochen als Ideal. Er ist ein Bild der Ruhe («queta», «posa la luna», v.-2sq.) und der Heiterkeit («Dolce e chiara», «serena», v.-1, 4). Dieses Versprechen von Fülle und Gelassenheit wird abrupt abgeschnitten durch die Erinnerung an den Festtag, an persönliches Liebesunglück, das mit dem - vermuteten - (Liebes-)Glück der Frau kontrastiert. Die Schlafende teilt mit dem Mond die Heiterkeit und Ruhe und mag sich erinnern, wie sie anderen am Festtag gefiel («quanti oggi piacesti», v.- 19). Nur das leidende lyrische Ich glaubt sich aus ihrem Bewusstsein ausgeschlossen. Der nächtliche canto des Handwerkers, der in sein ärmliches Heim, aber «dopo i solazzi» (v.-27) ebenfalls glücklich zurückkehrt, schnürt dem lyrischen Ich das Herz ab («mi si stringe il core», v.-28), vielleicht auch, da sein Gesang einen weiteren Ausschluss der eigenen Existenz bedeutet, da sie keinen Zugang zu solch unreflektierter, authentischer Glückseligkeit und Akzeptanz des Lebens hat. Der Handwerker steigert im natürlichen Ausdruck der Freude die eigene Trauer, die dann assoziativ an das Ideal der Antike denken lässt, die noch weiter entfernt ist als la luna, donna mia und der artigiano. Damit schließt sich einerseits der Kreis zur eröffnenden Mond-Apostrophe, denn für Leopardi sind Natur und Antike in bestimmten Kontexten Quasi-Syn- 37 Cf. folgende Verse: «la luna» (3), «O donna mia» (4), «il solitario canto- | dell’artigian»-(25sq.), «que’ popoli antichi» (34) «il grande impero-| di quella Roma» (35sq.), «Nella mia prima età […] io doloroso» (40, 42; M.H.). Cf. ausführlich zur Bildlogik in La sera del dì di festa Herold: Augenblick als Paradigma, 331-348. «Ernst ist das Leben, heiter ist die Kunst» 109 onyme. Andererseits ist der Kreis damit zugleich aufgebrochen, da das poetischlogische Primat jeweils auf dem nachfolgenden Bild liegt: Erst die Erinnerung an die Dame lässt den Mond so hell erscheinen. Das Hören des Gesangs des armen artigiano steigert rückwirkend die imaginierte Sorglosigkeit der Angebeteten. Die Quasi-Natürlichkeit der Antike hebt die ungebrochene Qualität des Gesangs hervor. Diese verlorene und vergessene Zeit sowie das allumfassende Gefühl der Entfremdung werden allerdings in zwei gnomischen Versen minimal eingeschränkt. Die erste Stelle schließt den Gedankengang zum Verlust der donna als Sinnbild auch des heiligen Aspekts eines Festtags ab: «a pensar come tutto al mondo passa,-| e quasi orma non lascia […]» (v. 29sq. [«wenn ich bedenke, wie alles auf Erden vergeht und kaum eine Spur hinterläßt»]). Dass nichts bleibt, wird im «quasi» eingeschränkt. 38 Denn das lyrische Ich selbst geht hier auf Spurensuche nach Resten, die vom vergangenen Festtag zeugen. Der allgemeinen Flüchtigkeit der Existenz, die spurlos vorbeigeht (v.-29sq.) wie die Antike, wie der Festtag und der Gesang des Heimkehrenden, der an sie erinnert, steht eine minimale Differenz gegenüber: Dem scheinbar rein negativen, nächtlichen Trauergesang steht der Einspruch des «quasi» (v.- 30) gegenüber. Ohne diese minimale Differenz hätte das Gedicht keine autonome selbstlegitimierende Geste. Die zweite Stelle beschließt den Totengesang auf die Antike: «Tutto è pace e silenzio, e tutto posa-| il mondo, e più di lor non si ragiona» (v.-38sq. [«Alles ist Friede und Stille, und die ganze Welt ruht, und mehr denkt man über sie [sc. vv.-33-37] nicht nach»). Auch hier versteckt sich eine Einschränkung der All-Aussage 39 , insofern das lyrische Ich selbst, auch mit diesem Gedicht, nicht Teil des «di lor non si ragiona» ist. Die ideale Ruhe und die zyklische Zeit des Mondes zu Beginn («Dolce e chiara […] posa la luna», v.-1, 3) werden hier verkehrt in schlechte gedankliche Ruhe («e tutto posa-| il mondo»). Im fünften, letzten Schritt, in einer Kindheitserinnerung, wird dann die Funktionsweise der Wahrnehmung und der Erinnerung aufgedeckt und zugleich verdeckt. Hier findet eine transzendentale Struktur Ausdruck, die Leopardi im Zibaldone verstreut bespricht. In Analogie zur Antike als verlorene Kindheit der 38 Es finden sich weitere poetologisch wichtige Stellen, die eine Poetik des quasi entwickeln; etwa: (i) Die bekannten Gedichte Alla Luna und Il tramonto della luna prägen, wie Ultimo canto di Saffo, eine ambivalente Modernität aus. Denn in diesen in sich gebrochenen Mondaugenblicken und in diesen quasi-Monologen (cf. Herold: Augenblick als Paradigma, 283) wird eine quasi-mythische ästhetische Idee als das Andere des lyrischen Ichs inszeniert (cf. ibid., 280-311). (ii) Aber bereits in seiner frühen poetologischen Streitschrift Discorso di un italiano intorno alla poesia romantica schränkt Leopardi auf ambivalente Weise das Ideal der Antike ein, wenn er davon spricht, dass ihre Dichtung «l’ultimo quasi rifugio della natura» (975) sei. Für den Modernen kann die Antike nur ein Als-Ob-Ideal sein (cf. dazu Herold: Augenblick als Paradigma, 197sq.). 39 Cf. die dreifache Verwendung von ‹tutto› (v.-29, 38). 110 Milan Herold Menschheit erinnert das lyrische Ich ähnliche Festtagserfahrungen und ähnliche canti in der eigenen Kindheit («Nella mia prima età», v.-40). Auch damals zog sich das Herz zusammen. Da Leopardi der Überzeugung ist, dass jede gegenwärtige Erfahrung auf Erinnerungsbildern vorheriger Erfahrungen beruht, kann man folgendes Schema rekonstruieren: Der ‹empirische› Gang des Monologs bzw. die zeitliche Abfolge der lyrischen Bilder entspricht argumentativ einer Ausweitung des Leids. Allerdings verläuft die logische Struktur bzw. die Bedingung der Möglichkeit von Wahrnehmung und von Erfahrung andersherum und beginnt notwendig bei einer frühesten Kindheitserinnerung. Es bleibt vage, ob die letzte Figur des bambino die jetzige Erfahrung letztlich ermöglicht oder ob sie fingiert ist, im Sinne von «io […] mi fingo» in L’infinito (121, v.-7). Für meine Argumentation, eine anti-pessimistische Strategie in Doppeldeutigkeiten, in Vagheit bzw. Ambiguität zu erkennen, ist die Verwendung der Imperfektformen entscheidend: Nicht einzelne optische Momente wie der Blick in die Fenster der Frau, nicht auditive Ereignisse wie der Gesang beschließen das Gedicht, sondern eine kollektive Erinnerungssammlung; das zeigen die imperfektiven Formen an («era spento», «premea», «s’udiva» und «mi stringeva», vv.-42-44, 46). Der letzte Verweis, der Bilder stiftet - und damit rückwirkend auch Realität--, führt letztlich zu einem infiniten Regress. Das déjà-entendu vom vorherigen Gesang offenbart eine unvordenkliche Wiederholung, das «mi si stringe il core» ist ein Quasi-Abklang des «già similmente mi stringeva il core» (v.-28, 46). Auch dieser Gedankengang lässt sich als Syllogismus darstellen, um Klarheit in die Argumentation zur Vagheit als anti-pessimistische Strategie zu bringen: Das Imperfekt im Abschluss lässt Vagheit zu. Jede Wahrnehmung verweist auf ein Erinnerungsbild, um möglich zu sein. Da kein letzter Halt, keine erste Erinnerung benannt wird, geht die Erfahrung ins Leere, und der Gesang in der Kindheit ist eine Rekonstruktion und/ oder eine Fiktion. Die Endfigur ist vage, lässt beide Möglichkeiten wegen Unterbestimmtheit zu. Es wird ein anderer «canto» (v.-44) verwendet, um das Ende des Gedichts (v.-46) zu plausibilisieren oder zu begründen. Denn der Augenblick, in dem sich das Herz zusammenzog, verweist auf einen anderen Gesang bzw. canto (v.-28), den dieser wiederum wiederholt. Der jetzige Gesang entspricht dem erinnerten nur «similmente» (v.-46), nur «quasi» (v.- 30). Der erinnerte Gesang wird prinzipiell immer wieder und auf unbestimmte Weise gehört, wie das Imperfekt «s’udi[v]a» anzeigt. Die nichtidentische Erfahrung des Verlusts anlässlich eines vergleichbaren damaligen Gesangs mündet in eine abschließende Unbestimmtheit. Im Zibaldone wird eine noch radikalere Konsequenz formuliert, die sich auch als Interpretation und Konsequenz für La sera del dì di festa anbietet: Letztlich nimmt die Wahrnehmung auf nichts Bezug. Jede Erfahrung, so der Gedanke, bezieht sich auf die Erinnerung und letztlich auf die Kindheit: «Ernst ist das Leben, heiter ist die Kunst» 111 Così che la sensazione presente non deriva immediatamente dalle cose, non è un’immagine degli oggetti, ma della immagine fanciullesca; una ricordanza, una ripetizione […] della immagine antica. (Zib. 515) [So, wie die gegenwärtige Wahrnehmung nicht unmittelbar von den Dingen stammt, ist sie auch nicht ein Bild der Gegenstände, sondern des Bilds aus der Kindheit; eine Erinnerung, eine Wiederholung […] des einstigen [ursprünglichen] Bilds.] Die gegenwärtige Erfahrung wird also durch die Erinnerung vermittelt, und die Erinnerung nimmt nicht auf Dinge Bezug, sondern auf Bilder aus der Kindheit. Diese Bilder wiederholen die ursprüngliche «immagine antica». Die Struktur der Erinnerung geht allerdings ins Endlose und verweist letztlich auf nichts. Der bambino, der noch kein fanciullo ist, besitzt kaum Bewusstsein, insbesondere keine facultas memorandi: «Il bambino che non può aver contratto abitudine, non ha memoria […; ] manca formalmente della facoltà della memoria» (Zib.-1255 [«Das Kleinkind, das noch keine Gewohnheit hat erlangen können, hat keine Erinnerung […; ] es ermangelt notwendigerweise des Erinnerungsvermögens»]). Daraus folgt allerdings: «nessuno si ricorda delle cose dell’infanzia» (ibid. [«niemand erinnert sich an die Dinge der Kindheit»]). Jede gegenwärtige Erfahrung bezieht sich auf die Erinnerung, und deren Bilder verweisen immer nur auf Bilder, nicht aber auf die Sache selbst. Damit kommt der «sensazione presente» ihre Abbildfunktion «della immagine fanciullesca» abhanden. Leopardi dekonstruiert somit den Mythos der Kindheit, den er maßgeblich in der italienischen Literatur verankert hat. Dieser Gedankengang erklärt zugleich auf theoretische Weise, dass (fast) alle Canti - eine Ausnahme bildet die Palinodia al Marchese Gino Capponi - Erinnerungsgedichte sind. 1.4 Verschiebung Die Technik eines spostamento- - grammatisch, bewusstseinstheoretisch und poetologisch- - wird von Leopardi auch phänomenologisch im Zibaldone reflektiert. Unter dem Begriff des Augenblicks, dem momento oder colpo d’occhio, wird eine These aufgestellt, die etwa Derrida in La Voix et le Phénomène in Auseinandersetzung mit Husserl entwickelt als Denkfigur der différance. Leopardis Ausgangspunkt ist ein Satz-- oder, genauer gesagt, eine Proposition -, den wir intuitiv verwenden, der allerdings nicht zutrifft. Gerade Derridas Kritik an Husserls Weiterentwicklung des kantianischen Projekts zeigt auf, dass Leopardis Überlegung nicht an sich pessimistisch ist, aber für beide Seiten - für eine quasi-poesia del nulla und für eine poesia del quasi-nulla - die Basis darstellt. Diese Idee wird beginnend mit Einträgen vom 23.-Juli 1823 im Zibaldone entwickelt. 112 Milan Herold Glück und Lust bzw. felicità und piacere sind für Leopardi der subjektive Nullpunkt der Identität, ein ‹cogito ergo desidero›. Dieser (vermeintliche) Anfangspunkt der Identität ist aber zugleich zeitlich aufgespalten und doppelt. 40 Insofern sind Entzweiung und Alterität logisch primär gegenüber der Idee von Identität und einem ‹einfachen› Grund und fundamentum inconcussum der Subjektivität. Leopardi geht stattdessen von einer différance-Struktur unserer Sprache und unseres Bewusstseins aus, die an Derridas Überlegungen erinnert: «Ce qu’on appelle présent» […], l’apparaissant, ne se donne comme tel, pur surgissement sans aucun compte à rendre, que dans le discours mythique où s’effacerait la différence. […-L]e présent n’est plus simplement le présent. Il ne peut plus se laisser nommer «présent» que par discours indirect, dans les guillemets de la citation, du récit, de la fiction. 41 Auch Leopardi dekonstruiert im Zibaldone die logozentrische Vorstellung, es gebe so etwas wie ein ‹reines Bewusstsein›. Unsere Bewusstseinsakte hinken der Gegenwart gleichsam hinterher: «[T]utti s’ingannano quelli che dicono beato te o lui, e io sarei beato in tale o tal caso (e tutti gli uomini così parlano e parleranno sempre e di cuore)» (Zib. 3746 [«All jene irren, die sagen Du Glücklicher oder der Glückliche und Ich wäre glücklich in dieser oder jener Lage (und alle Menschen reden so und werden immer und aufrichtig so reden)»]). Der Zeitindex «in diesem Augenblick» bzw. «jetzt» verweist nicht, wie man unskeptisch und gemeinhin annimmt, auf die Gegenwart (des Sprechens). Einerseits wird der alltäglichen Ausdrucksweise wirklich so geglaubt («sempre di cuore»), andererseits verbirgt («s’ingannano») unsere Sprechweise über das Glück eine Struktur der Zerrissenheit, die phänomenologisch bzw. sprachanalytisch ausbuchstabiert wird. Das Subjekt sitzt einem Schein der Sprache auf und geht implizit immer von einer prinzipiellen Einheit des Subjekts und der Gegenwart aus. Leopardis Überlegungen finden sich gebündelt in einem Eintrag vom 3.-Juli 1823: [a] Io provo presentemente un piacere, io vorrei che la condizione di tutta la mia vita, di tutta l’eternità, fosse uguale a quella in cui mi trovo in questo momento. [b] Questo è ciò che nessun uomo dice mai nè può dire di buona fede, neppur per un solo momento, neppure nell’atto del maggior piacere possibile. [a’] Ora se egli in quel momento provasse in verità un piacer presente e perfetto (e se non è perfetto, non è piacere), egli dovrebbe naturalmente desiderare di provarlo sempre, perchè il fine dell’uomo è il piacere; e quindi desiderare che tutta la sua vita fosse tale qual è per lui quel momento, 40 Cf. zu diesen Ausführungen Kap. 3.3.2 «Phänomenologie der Lust» in: Herold: Augenblick als Paradigma,-223-235. 41 Jacques Derrida: La Dissémination. Paris: Seuil 1972a,-367sq. «Ernst ist das Leben, heiter ist die Kunst» 113 e di più desiderare di viver sempre, per sempre godere. [d] Ma egli è certissimo che nessun uomo ha concepito nè formato mai questo desiderio nemmeno nel punto più felice della sua vita, e nemmeno durante quel solo punto: egli è certissimo che non ha concepito nè mai concepirà questo desiderio per un solo istante neppur l’uomo, qualunque sia, che fra tutti gli uomini ha provato o è per provare il massimo possibile piacere. [c] E ciò perchè nemmeno in quel punto niuno mai si trovò pienamente soddisfatto, nè lasciò nè sospese punto il desiderio nè anche la speranza di un maggiore ed assai maggior piacere. Con che egli non venne in quel punto a provare un vero e presente piacere. [a’’] Bensì dopo passato quel tal punto l’uomo spesse volte desidera che tutta la sua vita fosse conforme a quel punto, ed esprime questo desiderio con se stesso e cogli altri di buona fede. [d’]-Ma egli ha il torto, perchè ottenendo il suo desiderio, lascerebbe di approvarlo ec. (Zib. 2883sq.; Einteilung M.H.) [[a] Ich empfinde jetzt eine Lust, ich wünschte, der Zustand meines ganzen Lebens, der ganzen Ewigkeit, sei dem gleich, in dem ich mich in diesem Augenblick befinde. [b]- Das ist es, was kein Mensch jemals aufrichtig sagt noch sagen kann, nicht einmal für einen Moment, nicht einmal im Augenblick größtmöglicher Lust. [a’]-Wenn er aber in einem solchen Augenblick wirklich eine gegenwärtige und vollkommene Lust verspürte (und wäre sie nicht vollkommen, wäre sie keine Lust), müsste er natürlicherweise wünschen, sie immer zu empfinden, denn das Ziel des Menschen ist die Lust; und er müsste also begehren, dass sein ganzes Leben so sei, wie für ihn jener Moment ist, und darüber hinaus wünschen, für immer zu leben, für immer zu genießen. [d]- Aber es ist absolut sicher, dass kein Mensch je ein solches Begehren konzipiert oder gedacht hat, auch nicht im allerglücklichsten Moment seines Lebens, und auch nicht während dieses einen Augenblicks: Es ist absolut sicher, dass nicht einmal der Mensch, wer es auch sei, der unter allen Menschen die größtmögliche Lust empfunden hat oder empfinden wird, niemals auch nur für einen einzigen Augenblick diesen Wunsch denken wird oder erdacht hat. [c]- Und zwar deshalb, da niemand, auch nicht in diesem Augenblick, sich vollständig befriedigt fand, da er die Begierde weder fahren ließ noch einstellte, auch nicht die Hoffnung auf eine größere und ausreichend größere Lust. Das bedeutet, dass er in diesem Augenblick keine wahre und gegenwärtige Lust empfand. [a’’]-Wenn hingegen ein solcher Augenblick vergangen ist, begehrt der Mensch oft, sein ganzes Leben entspräche diesem Augenblick, und er drückt dieses Begehren sich gegenüber und gegenüber anderen auf aufrichtige Weise aus. [d’]-Aber er ist im Unrecht, denn wenn er erreichte, was er begehrt, hörte er auf, es zu empfinden etc.] Aus diesem Gedankengang ergibt sich: Der Augenblick der Gegenwart fällt nicht mit der Gegenwart des Augenblicks zusammen. Die Argumentation lässt sich in vier Schritten 42 rekonstruieren. 42 [a]-[d]. Der erste und letzte Schritt werden reformuliert und wiederholt ([a’], [a’’] und [d’]). 114 Milan Herold [a] Die allgemeine Meinung ist, dass jede Lust eine gegenwärtige, im Jetzt erfahrene Lust sei, auch wenn es sich um eine Erinnerung oder um eine Vorfreude auf die Zukunft handle. Der Mensch begehrt darüber hinaus, dass eine solche (gegenwärtige) Lust von Dauer sei; gar dass sie ewig dauert («sia l’eternità»). [b] Der Satz «Io provo presentemente un piacere» mag zwar empirisch selten geäußert werden. Versteht man ihn allerdings als Urteil bzw. als Proposition, müsste er genau dann wahr sein, wenn ‹ich› jetzt eine lustvolle Empfindung habe. Leopardis skeptischer Einspruch besteht darin, dass man ein solches Urteil eigentlich («di buona fede») nicht mit Wahrheitsanspruch behaupten könne. Unser Sprechen ist hier also ‹eigentlich› unaufrichtig. [c] Sein Gegenargument richtet sich gegen einen absoluten, eigentlichen und eindeutigen Nullpunkt der Subjektivität, der im (lustvollen) Augenblick bestehe. 43 Wie glücklich und dauerhaft der Augenblick jemandem auch erscheint, so ist er doch immer Teil einer Kette von Zeitpunkten: «[I]l presente non è in verità che istantaneo, e fuori di un solo istante, il tempo è sempre e tutto o passato o futuro» (Zib. 3265 [«Die Gegenwart ist in Wahrheit nur augenblicklich, und jenseits eines einzigen Augenblicks ist die Zeit immer nur Vergangenheit oder Zukunft»]). Deshalb ist es falsch, davon auszugehen, es könne eine Lust jetzt geben. Hier besteht eine - von Leopardi nicht separat ausgeführte - Parallele zur Dekonstruktion des (eigenen) bambino-Mythos, denn die Gegenwart ist nicht monadologisch. Das wäre die naive Vorstellung, «secondo che noi siamo soliti di concepirlo e chiamarlo, si dee dire che il bambino non pensa che al presente. Poco più là mira il fanciullo» (Zib. 3265 [«gemäß [der] wir sie für gewöhnlich konzipieren und sie bezeichnen, müsste man sagen, dass das Kleinkind nur an die Gegenwart denkt. Kaum weiter schaut das Kind»]). Unter dem Gesetz der Flüchtigkeit 44 ist jeder individuelle Augenblick «relativo agl’istanti successivi; e non è piacevole se non relativamente agl’istanti che seguono, vale a dire al futuro» (Zib. 533 [«relativ zu den folgenden Zeitpunkten; er ist nur lustvoll im Verhältnis zu den folgenden Zeitpunkten, d. h. zur Zukunft»]). [d] Der Kern der teoria del piacere besteht darin, «[che l’uomo] desidera veramente il piacere, e non un tal piacere» (Zib. 166 [«[dass der Mensch] in Wahrheit die Lust begehrt, und nicht eine solche Lust»]). Diese zum Allgemeinplatz 43 Cf. Corrado Confalonieri: «Fine dell’attesa. Il futuro. L’apertura di un a-venire tra Leopardi, Montale e Zanzotto», in: Alessandro Benassi / Fabrizio Bondi (a cura di): Futuro italiano. Scritture del tempo a venire. Lucca: Pacini Fazzi 2012, 233. 44 Ein ähnliches Phänomen der Flüchtigkeit beschreibt Leopardi als Wirkung literarischer Texte. Die Lektüre anakreontischer Oden weckt in ihm eine ästhetische Erfahrung «indefinibile […] quasi istantanea» (Zib. 31), deren Gegenwartswert sich der Reflexion entzieht. Diese ästhetische Reflexion nennt Uta Degner einen «Sirenengesang der Moderne». Uta Degner: «Sirenengesang der Moderne. Leopardis L’Infinito», in: Ginestra 10 (2000), 24-34. «Ernst ist das Leben, heiter ist die Kunst» 115 der Leopardi-Forschung gewordene Annahme findet hier ihr zeittheoretisches Pendant in der prinzipiellen Nicht-Gegenwärtigkeit des glücklichen Augenblicks. Dass also auch aus bewusstseinstheoretischen Überlegungen die Überzeugung ‹Ich bin (jetzt) glücklich› notwendig falsch ist, scheint ein unverrückbares Fundament des Pessimismus zu sein. Diese Konsequenz lässt sich aber (I) einerseits auf die bisherigen Überlegungen zur quasi-poesia del nulla und zur poesia del quasi-nulla übertragen, und andererseits lässt sich (II) daraus ebenfalls eine leopardische Form der Heiterkeit ableiten. (I) So wie sich im Ultimo canto di Saffo der Augenblick des Todes nicht ereignet und im Ausbleiben eine positive Spur auf poetische Weise inszeniert wird, so ist die skeptische Einsicht in die différance-Struktur unseres (Lust-)Bewusstseins als solche lustvoll. In Anlehnung an Leopardis Begriff eines «piacere del dolore» kann man hier von einer theoretischen, skeptischen Lust sprechen. Die ausgehend von L’infinito abgeleitete negative ästhetische Lust lässt sich, wie ausgeführt, weiterdenken - in einer Lektüre à rebours - als ein «in un certo modo il presente può esser poetico». Dieser Gedanke ist übertragbar auf die Bewertung der phänomenologischen Analyse des Zeitbewusstseins. Vereindeutigt gelesen handelt es sich um ein Grundgesetz des Pessimismus. Lässt man hingegen Ambiguität zu, kann die Gegenwart auch in un certo modo lustvoll sein, nicht als ‹reine Gegenwart›, aber als Bewusstsein von einem immer schon zerrissenen Sprechen über Gegenwart. Hier steht Leopardis Skepsis deutlich im Zeichen der Tradition des Erhabenen. 45 Auch ein Scheitern, eine Unlust, auch ein naufragar können als dolce erfahren werden. Aus dieser Sicht behandelt La sera del dì di festa in seiner spiraloiden Zeitlichkeit, die kein Ende finden kann, eine poesia del quasi-presente. Die Lust besteht für das lyrische Ich - vielleicht auch für den Autor Leopardi - und für den Leser nicht in einem Augenblick der Lust, sondern in der iterativen Dauer neuen Verstehens, Interpretierens und im Umgehen mit lyrischer Gegenwart. Der Grundsatz «Der Augenblick der Gegenwart fällt nicht mit der Gegenwart des Augenblicks zusammen» bezeichnet zunächst die Zerrissenheit des Bewusstseins. Er legitimiert auf theoretische Weise poetische Unbestimmtheit, in der Doppelbedeutung von Unterbestimmtheit, also Vagheit, und von Überbestimmtheit, also Ambiguität. Dieser doppelte mögliche Umgang mit der Gegenwart ist eine reflexive Distanz des lyrischen Ichs und des Lesers. Beide Varianten sind eine semantische Einklammerung bzw., traditionell ausgedrückt, eine Form der epochê: Entweder wird die poesia del nulla nicht vollständig ausgedrückt, d. h. 45 Cf. zur Ambivalenz des Erhabenen Barbara Kuhn: «‹Forse s’avess’io l’ale›. Leopardi im Dialog mit Pico oder: dignitas und indignazione des Menschen», in: Romanische Forschungen 116 (2004), 485-501. 116 Milan Herold die Sprache bricht ab, bevor die Gleichung «Alles ist nichts» erreicht ist. Oder die Gleichung «Nicht alles ist nichts» wird poetisch dargestellt, dann handelt es sich um eine poesia del quasi-nulla. 2. Heiterkeit II - Operette morali Zum Abschluss und als Ausblick möchte ich auf den Elogio degli uccelli aus den Operette morali eingehen, der sich lesen lässt als poetologischer Kommentar zu den Prosagedichten selbst und der zugleich auf eine der zentralen anti-pessimistischen Strategien fokussiert: auf die Teilhabe an der Heiterkeit Anderer, vermittelt durch Attribute des Anderen. Die Vögel sind Figuren des Anderen und Inkarnationen der serenitas. Sie vermitteln Heiterkeit durch ihren ständigen movimento, ihren Flug und ihren natürlichen Gesang. Sie sind damit eine profanierte Form von Engeln, derjenigen Wesen, die nicht an Zeitpunkte gebunden sind, sondern im Zwischenreich des Aevum, zwischen Himmel und Erde, die Kette der Zeitpunkte schauen. Der Elogio degli uccelli ist ein Metatext, insofern er die Poetik der Operette insgesamt als Ideal formuliert und zugleich ihre Wirkungsabsicht performativ vorführt. Anthropologisch und kulturgeschichtlich ist Leopardi überzeugt, dass nur eine Rückkehr zur Antike Menschen ‹wirklich› glücklich machen könnte. Im Frammento sul suicidio heißt es zum Gegensatz zwischen den Modernen und den Alten: «allora si viveva anche morendo, e ora si muore vivendo» [«damals lebte man auch im Sterben, und heute stirbt man im Leben»]. Der Grund liege darin, dass es für den rational aufgeklärten Menschen unmöglich sei, das nulla durch Illusionen zu überdecken. Non è più possibile l’ingannarci o il dissimulare. La filosofia che ha fatto conoscer tanto che quella dimenticanza di noi stessi ch’era facile una volta, ora è impossibile. O la immaginazione tornerà in vigore, e le illusioni riprenderanno corpo e sostanza in una vita energica e mobile, e la vita tornerà ad esser cosa viva e non morta, e la grandezza e la bellezza delle cose torneranno a parere una sostanza, e la religione riacquisterà il suo credito; o questo mondo diverrà un serraglio di disperati, e forse anche un deserto. (614) [Uns sind Selbsttäuschung oder Selbstüberlistung nicht mehr möglich. Die Philosophie hat uns so sehr erkennen lassen, dass die Selbstvergessenheit, die einst so einfach war, heute unmöglich ist. Entweder erstarkt die Einbildungskraft wieder und die Illusionen nehmen wieder Gestalt und Substanz an in einem kraftvollen und beweglichen Leben, und das Leben wird wieder eine lebendige und nicht eine tote Sache sein, und die Großartigkeit und Schönheit der Dinge werden wieder als etwas Wirkliches erscheinen, und die Religion erlangt wieder ihr Ansehen; oder diese Welt wird ein Gefängnis von Verzweifelten und wohl auch eine Wüste werden.] «Ernst ist das Leben, heiter ist die Kunst» 117 Diese Einschätzung zur philosophischen Zurichtung der Welt behält Leopardi durchgehend - wenn auch in Variationen - bei. Als einzigen Ausweg setzt er eine veränderte Erziehung an, 46 argumentiert aber an keiner Stelle dafür, dass die angestrebte Rückkehr zur Natur möglich sei. Auch wenn diese Überzeugung sein gesamtes Werk grundiert, sind die Funktionsregeln sowohl seiner Lyrik als auch seiner Prosagedichte andere. Mit Verzweiflung und Pessimismus geht der Skeptiker Leopardi nicht nur als Dichter und Theoretiker um, sondern auch als lachender Philosoph. 47 Leopardi spricht in einem Brief von seinem Prosawerk, das auf die erste Phase der Canti folgt, selbst von einem ironischen Ton 48 : Avrei voluto fare una prefazione alle Operette morali, ma mi è paruto che quel tuono ironico che regna in esse, e tutto lo spirito delle medesime escluda assolutamente un preambolo. (1321; am 16.-Juni 1826 an den Herausgeber Antonio Fortunato Stella) [Ich hätte gerne ein Vorwort für die Operette morali schreiben wollen, aber es schien mir, dass der ironische Ton, der in ihnen herrscht, und ihr ganzer Geist eine Präambel absolut ausschließen.] Eine vergleichbare ironische Haltung wendet Leopardi auch auf sein Werk im Ganzen an, nicht nur auf das nie geschriebene Vorwort, sondern auch, wenn er rückblickend, im Juni 1836 aus Neapel, an Charles Lebreton über seine Canti schreibt «je n’ai jamais fait d’ouvrage, j’ai fait seulement des essais en comptant toujours préluder». 49 Die Operette haben einerseits zu Lebzeiten eine bescheidene Rezeption erfahren, andererseits schreibt etwa Italo Calvino in einem Brief an Antonio Prete: «le Operette morali sono il libro da cui deriva tutto quello che 46 «Pochissimi convengono che le cose antiche fossero veramente più felici delle moderne, e questi pochissimi le riguardano come cose alle quali non si dee più pensare perché le circostanze sono cambiate. Ma la natura non è cambiata, e un’altra felicità non si trova, e la filosofia moderna non si dee vantare di nulla se non è capace di ridurci a uno stato nel quale possiamo esser felici» (614). 47 Cf. zum dianoetischen Lachen bei Leopardi (und Beckett) unter Berücksichtigung des Einflusses von u. a. Demokrit, Hobbes und den französischen idéologues Roberta Cauchi- Santoro: «Leopardi’s and Beckett’s Dianoetic Laugh: The Intermediate Space of Desire in the Operette Morali and Krapp’s Last Tape», in: Forum Italicum. A Journal of Italian Studies 46.2 (2012), 235-252. Allgemein zum Lachen bei Leopardi mit einem Schwerpunkt auf einzelne Operette morali cf. neuerdings Emilio Russo: Ridere del mondo. La lezione di Leopardi. Bologna: Il Mulino 2017. 48 Cf. etwa Giuliana Benvenuti: «Ironia e parodia: la letteratura al secondo grado», in: ead.: Un cervello fuori di moda. Saggio sul comico nelle Operette morali. Bologna: Edizioni Pendragon 2001, 153-176, zur Abgrenzung Leopardis von Konzepten romantischer Ironie, wie sie etwa Friedrich Schlegel in seinen Fragment-Sammlungen konzipiert. 49 Cf. Martina Piperno: «Nothing to Declare? Authorship and Contradiction In and Around Giacomo Leopardi’s Canti», in: The Italianist 37.1 (2017), 36-49. 118 Milan Herold scrivo» 50 [«die Operette morali sind das Buch, aus dem sich alles ergibt, was ich schreibe»]. In den Operette morali kommen immer wieder Tiere zu Wort. Sie stehen ein für die Entfremdung von der Natur, für eine Einklammerung des Animalischen in uns. Giorgio Agamben drückt das in Auseinandersetzung mit Heidegger folgendermaßen aus: L’Esserci è un animale che ha afferrato la sua animalità e ha fatto di questa la possibilità dell’umano. Ma l’umano è vuoto, perché non è che una sospensione dell’animalità. 51 [Das Dasein ist ein Tier, das seine Tierhaftigkeit ergriffen hat und aus ihr die Möglichkeit des Menschen gemacht hat. Aber der Mensch ist leer, denn er ist nur eine Unterbrechung der Tierhaftigkeit.] Leopardi argumentiert immer wieder auf ähnliche Weise, etwa wenn er im Dialogo della Natura e di un’Anima von der Rationalität als einer Weltfremdheit und Naturferne spricht: Natura Gli animali bruti usano agevolmente ai fini che eglino si propongono ogni loro facoltà e forza. Ma gli uomini rarissime volte fanno ogni loro potere; impediti ordinariamente dalla ragione e dalla immaginativa; le quali creano mille dubbietà nel deliberare e mille ritegni nell’eseguire. […-T]i riuscirà sempre impossibile o sommamente malagevole di apprendere o di porre in pratica moltissime cose menome in sé, ma necessarissime al conversare cogli altri uomini; le quali vedrai nello stesso tempo esercitare perfettamente ed apprendere senza fatica da mille ingegni, non solo inferiori a te, ma spregevoli in ogni modo. (513sq.) [Natur Den Tieren fällt es leicht, alle ihre Kräfte und Fähigkeiten einzusetzen für einen einzigen Zweck. Die Menschen aber tun sehr selten alles, was in ihrer Macht steht; sie werden gewöhnlich von der Vernunft und der Phantasie daran gehindert, die beim Entscheiden tausend Zweifel und beim Ausführen tausend Bedenken aufkommen lassen. Dir wird es selbst immer unmöglich sein oder höchst mühevoll gelingen, sehr viele Dinge, die in sich winzig klein, aber äußerst notwendig sind für das Gespräch mit anderen Menschen, zu lernen oder anzuwenden; Dinge, welche du zugleich perfekt ausgeübt und ohne Mühen gelernt sehen wirst von tausend Köpfen, die nicht nur dir unterlegen sind, sondern in jeder Hinsicht erbärmlich.] Die Abgrenzung wird nicht nur gegenüber den Tieren («animali bruti») vorgenommen, sondern auch gegenüber geistig ‹einfachen› Menschen («ingegni […] 50 Italo Calvino: Lettere 1940-1985. A cura di Luca Baranelli. Milano: Mondadori 2000, 1532 (10.-März 1984). 51 Giorgio Agamben: L’uso dei corpi. Homo sacer, IV.2. Vicenza: Neri Pozza 2014, 240 (meine Übersetzung). «Ernst ist das Leben, heiter ist die Kunst» 119 inferiori […,] spregevoli»). Der Tiefsinn führt nicht nur zu einer Entscheidungsunfähigkeit («mille dubbietà nel deliberare» bzw. «irresoluzione» 52 ), sondern auch zu einer gesellschaftlichen Ausgeschlossenheit, einer Tendenz zu asozialem Verhalten «[nel] conversare cogli altri uomini» [«im Gespräch mit anderen Menschen»]. Die Operette morali lassen aber zugleich den Leser nicht nur lachen, sondern das Lachen wird selbst thematisiert, etwa von Leopardis alter ego Eleandro im Dialogo di Timandro e di Eleandro, der im Juni 1824 verfasst wird. Es wird kein Ausweg aus dem Pessimismus angeboten, sondern eine ironisch-heitere, distanzierte Haltung zu sich und der (Um-)Welt: Se questa infelicità non è vera, tutto è falso, e lasciamo pur questo e qualunque altro discorso. Se è vera, perché non mi ha da essere né pur lecito di dolermene apertamente e liberamente, e dire, io patisco? Ma se mi dolessi piangendo (e questa si è la terza causa che mi muove), darei noia non piccola agli altri, e a me stesso, senza alcun frutto. Ridendo dei nostri mali, trovo qualche conforto; e procuro di recarne altrui nello stesso modo. Se questo non mi vien fatto, tengo pure per fermo che il ridere dei nostri mali sia l’unico profitto che se ne possa cavare, e l’unico rimedio che vi si trovi. Dicono i poeti che la disperazione ha sempre nella bocca un sorriso. […-S]timo assai più degno dell’uomo, e di una disperazione magnanima, il ridere dei mali comuni; che il mettermene a sospirare, lagrimare e stridere insieme cogli altri, o incitandoli a fare altrettanto.-(583sq.) [Wenn dieses Unglück nicht wahr ist, so ist alles falsch, und wir können diese und jede Unterhaltung abbrechen. Wenn es aber wahr ist, warum soll es mir dann nicht erlaubt sein, mich offen und frei darüber zu beklagen und zu sagen, daß ich leide? Wenn ich mich aber mit Tränen beklagte (und dies ist der dritte Grund, der mich bewegt), würde ich mich selbst und die anderen nur langweilen und nichts davon haben. Lache ich aber über unser Leiden, so finde ich darin ein wenig Trost und tröste in gleicher Weise auch die andern. Gelingt mir das nicht, so bin ich doch überzeugt, daß das Lachen über unsere Leiden der einzige Vorteil ist, den man aus ihnen ziehen kann, und das einzige Heilmittel, das man gegen sie findet. Die Dichter sagen, die Verzweiflung habe immer ein Lachen auf den Lippen. […] Ich halte es für des Menschen und einer hochherzigen Verzweiflung würdiger, über das gemeinsame Leiden zu lachen, als darüber mit andern zu seufzen, zu weinen und zu wehklagen oder sie dazu aufzufordern. (438sq.)] 52 Cf. «È cosa evidente e osservata tuttogiorno, che gli uomini di maggior talento sono i più difficili a risolversi tanto al credere quanto all’operare; i più incerti, i più barcollanti, e temporeggianti, i più tormentati da quell’eccessiva pena dell’irresoluzione: i più inclinati e soliti a lasciar le cose come stanno; i più tardi, restii, difficili a mutar nulla del presente, malgrado l’utilità o necessità conosciuta. E quanto è maggiore l’abito di riflettere, e la profondità dell’indole, tanto è maggiore la difficoltà e l’angustia di risolvere» (Zib. 538sq.; M.H.). 120 Milan Herold Diese Haltung, lachen zu können über Übel, über die eigenen und die der Menschheit im Ganzen, kann man als Ausdruck von Heiterkeit verstehen, zumindest jedenfalls als das Bemühen um ein Verhalten, das Andere von außen als Heiterkeit interpretieren können und das ihnen Freude bereitet. Das Lachen im Sinne eines «la disperazione ha sempre nella bocca un sorriso» ist zugleich eine erwachsene Haltung, wie ein Zibaldone-Eintrag aus dem folgenden Jahr ausführt: «Quanto più l’uomo cresce […] e crescendo si fa più incapace di felicità, tanto egli si fa proclive e domestico al riso, e più straniero al pianto» (Zib. 4138 [«Je mehr der Mensch wächst […,] und wachsend wird er unfähiger zum Glück, desto mehr neigt er zum Lachen und gewöhnt sich daran, und umso fremder wird ihm das Weinen»]. Im Lachen erreicht der Mensch für einen Augenblick Distanz zu sich und seiner Existenz. Ein lachendes Selbstverhältnis zur eigenen Subjektivität, zur traurigen Lächerlichkeit der Gesellschaft und zur menschlichen Komödie kultivieren die Operette morali. Auch hier geht zuweilen die Welt unter - so im Cantico del Gallo silvestre und im Frammento apocrifico di Stratone da Lampsaco - und die Menschheit - so im Dialogo di un folletto e di uno gnomo. Die Perspektive auf den Menschen nähert sich im Elogio degli uccelli hingegen derjenigen der Vögel an: jener ausgezeichneten Spezies unter den Tieren, der die Natur beides, «il canto e il volo», zugesteht. Sie genießen das Privileg «che ha l’uomo di ridere» (572). Die Vögel kennen - in ausgezeichneter Weise unter allen Tieren - keine Langeweile und keine noia. «Noia» sollte hier in der (weiten) Bedeutung von ‹reine Begierde› verstanden werden, d. h. als die Begierde zu begehren, auch wenn kein (entsprechendes) Objekt der Begierde existiert. Diese Bedeutung ist-- wie es im Dialogo di Torquato Tasso e del suo genio familiare heißt - der «desiderio puro della felicità» 53 (531 [«das reine Streben nach Glück»]). Die uccelli sind natürliche Meister des colpo d’occhio und deshalb Verkörperungen einer erhabenen Erkenntnis. Ihre animalische Natürlichkeit erfüllt zunächst die Überzeugung «Non c’è maggior piacere (nè maggior felicità) nella vita, che il 53 Im Sinne eines genitivus obiectivus. In diesem wird am Ende eine weitere Distanz zur eigenen Existenz angesprochen, die in der Formulierung an die Freiheit der Vögel erinnern mag: «Io ti lascio; che veggo che il sonno ti viene entrando; e me ne vo ad apparecchiare il bel sogno che ti ho promesso. Così, tra sognare e fantasticare, andrai consumando la vita; non con altra utilità che di consumarla; che questo è l’unico frutto che al mondo se ne può avere, e l’unico intento che voi vi dovete proporre ogni mattina in sullo svegliarvi» (532; M.H.). Wie es im Cantico del gallo silvestre heißt, kann der Schlaf wie das Lachen jede Perspektive als solche fraglich werden lassen, so dass im Erwachen ein Moment der Heiterkeit aufbewahrt ist: «Spesso ancora, le angosce del dì passato sono volte in dispregio, e quasi per poco in riso, come effetto di errori, e d’immaginazioni vane. La sera è comparabile alla vecchiaia; per lo contrario, il principio del mattino somiglia alla giovanezza» (574). «Ernst ist das Leben, heiter ist die Kunst» 121 non sentirla» (Zib. 3895 [«Das Leben kennt keine größere Freude (und kein größeres Glück), als nichts von ihm zu verspüren»). Denn sie kennen keinen Augenblick der Ruhe - «[c]angiano luogo a ogni tratto» (573 [«Sie wechseln jeden Augenblick ihren Ort»]) - und sie entdecken «dall’alto […] a un tempo solo, tanto spazio di terra, e distintamente scorgono tanti paesi coll’occhio, quanti, pur colla mente, appena si possono comprendere dall’uomo in un tratto» (573 [«Sie entdecken aus der Höhe in einem Augenblick so viel Raum der Erde und erblicken klar so viele Länder, wie es der Mensch im Geist und auf einmal nicht fassen kann»]). Sie verkörpern damit einerseits eine poetische Erkenntnis und stehen in ihrem Flug der Bewegungslosigkeit des modernen Menschen gegenüber, die Leopardi als eine Zivilisationskrankheit und als mortifizierendes Prinzip bestimmt. 54 Die lange westliche Tradition, Körper und Geist getrennt zu denken, ist hier aufgehoben. Die Vögel unterscheiden sich von allen Tieren, der Mensch eingeschlossen, denn sie leben ohne Notwendigkeit («senza necessità») in ständiger Bewegung: Così l’uomo silvestre […] ama principalmente l’ozio e la negligenza […]. Gli uccelli, per lo contrario, pochissimo soprastanno in un medesimo luogo; vanno e vengono di continuo senza necessità veruna; usano il volare per sollazzo; e talvolta, andati a diporto più centinaia di miglia dal paese dove sogliono praticare, il dì medesimo in sul vespro vi si riducono. Anche nel piccolo tempo che soprasseggono in luogo, tu non li vedi stare mai fermi della persona; sempre si volgono qua e là, sempre si aggirano, si piegano, si protendono, si crollano, si dimenano; con quella vispezza, quell’agilità, quella prestezza di moti indicibile. In somma, da poi che l’uccello è schiuso dall’uovo, insino a quando muore, salvo gl’intervalli del sonno, non si posa un momento di tempo. Per le quali considerazioni parrebbe si potesse affermare, che naturalmente lo stato ordinario degli altri animali, compresovi ancora gli uomini, si è la quiete; degli uccelli, il moto. (573) [Auch der in der Wildnis lebende Mensch […] liebt vor allem Muße und Trägheit […]. Die Vögel dagegen halten sich nur kurze Zeit am gleichen Ort auf; sie bewegen sich fortwährend und ohne jede Notwendigkeit hin und her und fliegen zu ihrem Vergnügen. Sie sind imstande, zum Spaß Hunderte von Meilen weit von dem Ort wegzufliegen, an dem sie leben, und am Abend wieder dorthin zurückzukehren. Auch in der kurzen Zeit, die sie an einem Ort verbringen, sieht man sie nie stillstehen; beständig drehen sie sich hin und her, bücken, strecken, schütteln und bewegen sich mit unglaublicher Lebhaftigkeit, Anmut und Gewandtheit. Kurz, vom Moment, da der 54 Cf. etwa im Zibaldone den Eintrag vom 2.-September 1821: «L’animo e il corpo dell’uomo civile si rende appoco appoco immobile in ragione de’ progressi della civiltà: e si va quasi distruggendo (gran perfezionamento dell’uomo! ) la principal distinzione che la natura ha posto fra le cose animate e inanimate, fra la vita e la morte, cioè la facoltà del movimento» (Zib. 1608). 122 Milan Herold Vogel aus dem Ei schlüpft, bis zu seinem Tod ruht er, abgesehen von den Intervallen des Schlafs, keinen Augenblick. Und angesichts dieser Beobachtungen könnte man sagen, der natürliche Zustand der Lebewesen, die Menschen inbegriffen, sei die Ruhe, derjenige der Vögel dagegen die Bewegung. (421sq.)] Den uccelli kommen in Leopardis Beschreibung Eigenschaften von Heiligen 55 zu: Sie sind in einem ausgezeichneten Sinne frei, ihre Handlungen sind von keinem externen Zweck bestimmt, sie verwenden ihren Körper auf einzigartige Weise und ihnen kommt eine Herrlichkeit zu, die als «delizia interna all’atto» 56 beobachtbar ist. Die ‹Untätigkeit› 57 der Vögel besteht gerade in ihrer zweckfreien, ununterbrochenen Bewegung. Diese besondere Form des «moto» grenzt sie auf zweifache Weise von den anderen Lebewesen ab: Einerseits kennen die Vögel nicht den Müßiggang und das Ausruhen der anderen Lebewesen. Andererseits stehen sie außerhalb des mondo economico und jenseits von instrumenteller Vernunft. Das unterscheidet ihren Flug von der Unrast etwa des «Islandese, che era corso per la maggior parte del mondo» (533), denn hier ist Bewegung Ausdruck existenzieller Not und Sorge, oder von der Wanderschaft des pastore errante, dieser «[v]ecchierel bianco, infermo», der umherirrt «senza posa o ristoro» (161, v.-21, 31). 58 Gerade dieses Gedicht endet mit der Vorstellung einer anderen Lebensform, einer anderen Verwendung des Körpers: Forse s’avess’io l’ale da volar su le nubi, e noverar le stelle ad una ad una, o come il tuono errar di giogo in giogo, più felice sarei, dolce mia greggia, più felice sarei, candida luna. 55 Cf. «I beati, in una sorta di atto gratuito o di sublime snobismo, mangeranno e digeriranno il cibo senza averne alcun bisogno. […] La gloria non è che la separazione dell’inoperosità in una sfera speciale: il culto o la liturgia. […] Un nuovo uso del corpo è pertanto possibile solo se strappa la funzione inoperosa alla sua separazione, solo se riesce a far coincidere in un unico luogo e in un unico gesto esercizio e inoperosità, corpo economico e corpo glorioso, la funzione e la sua separazione» (Giorgio Agamben: Nudità. Roma: nottetempo 2009, 143sq.). Zur Anwendbarkeit des Begriffs der inoperosità cf. Alessandra Aloisi: «Elogio dell’inoperosità: Agamben e Leopardi», in: Italian Studies 72.3 (2017), 282-291. 56 Agamben: L’uso dei corpi, 81. 57 Der Begriff der Untätigkeit wird hier im Sinne von Agambens «inoperosità» verwendet. Dieses Konzept wird innerhalb des homo sacer-Projekts in verschiedenen Anläufen entwickelt. Für einen systematischen Überblick cf. William Watkin: Agamben and Indifference. A Critical Overview. London / New York: Rowman & Littlefield 2014, 209-243 (Kap. «The Kingdom and the Glory: The Articulated Inoperativity of Power»). 58 Für einen ausführlichen Vergleich der beiden operette morali cf. Franco d’Intino: L’immagine della voce. Leopardi, Platone e il libro morale. Venedig: Marsilio 2009, 19-76 (Kap. «Elogio della voce»). «Ernst ist das Leben, heiter ist die Kunst» 123 O forse erra dal vero, mirando all’altrui sorte, il mio pensiero: forse in qual forma, in quale stato che sia, dentro covile o cuna, è funesto a chi nasce il dì natale. (Canto notturno, vv.-133-143) [Vielleicht, wenn ich Flügel hätte, um über den Wolken zu fliegen und die Sterne einen nach dem anderen zu zählen, oder wie der Donner von Berg zu Berg umherzuirren, wäre ich glücklicher, meine liebe Herde, wäre ich glücklicher, weißer [unschuldiger] Mond. Oh, wohl entfernt sich vom Wahren, ein anderes Schicksal schauend, mein Verstand: Vielleicht, in welcher Form, in welcher Gestalt auch immer, in Hütte oder Wiege, ist betrüblich der Tag der Geburt demjenigen, der zur Welt kommt.] Gesang und Flug der Vögel sind Ausdruck von gratia, in der doppelten Bedeutung von Gnade und Anmut. An dieser Welt kann der Mensch nicht teilnehmen, seine ihn auszeichnende Fähigkeit hingegen ist das Lachen: Cosa certamente mirabile è questa, che nell’uomo, il quale infra tutte le creature è la più travagliata e misera, si trovi la facoltà del riso, aliena da ogni altro animale. (572) [Und es ist ja gewiss wunderbar, dass ausgerechnet der Mensch, der unter allen Geschöpfen das geplagteste und elendeste ist, die Fähigkeit zu lachen hat, die man sonst bei keinem anderen Tier findet. (419)] Auch der Titel Elogio degli uccelli lässt sich in zwei Hinsichten verstehen, sowohl als Lobrede auf die uccelli als auch als das Lob, das sie ausdrücken in einer Art «glorificazione dell’opera di Dio» 59 , durch ihr Sein «[che] avanza di perfezione quelle [sic! ] degli altri animali» (574 [«[, das] in seiner Vollkommenheit derjenigen der anderen Tiere vorangeht»]). Sie kennen keine Zeitpunkte, vorherige oder spätere, sondern gehen ganz in der Gegenwart, im Augenblick auf. «Questa combinazione del volo e del canto» 60 (Zib. 159 [«Diese Kombination von Flug und Gesang»]) lässt sie das Gegenteil jenes spiraloiden Kreisens der Erinnerung in La sera del dì di festa verkörpern. Insofern fällt ihr Wesen mit Festlichkeit selbst zusammen. 61 Zugleich gilt für den Menschen, der Vögel beobachtet und sich in sie hineinversetzt, dass er geistig an ihrer Welt der serenità teilnimmt. Im Verfassen von leichten, satirischen, dialogischen Stücken wie den Operette morali kann man 59 Agamben: Nudità, 142. 60 Cf. «Questa combinazione del volo e del canto non è certamente accidentale. E perciò la voce degli uccelli reca a noi più diletto che quella degli altri animali (fuorchè l’uomo) perchè era espressamente ordinata al diletto dell’udito» (ebd.). 61 Cf. «L’inoperosità […] non è una conseguenza o una condizione preliminare (l’astensione dal lavoro) della festa, ma coincide con la stessa festosità» (Agamben: Nudità, 154). 124 Milan Herold sich ihrer Leichtigkeit ebenfalls angleichen. In der fröhlichen Wissenschaft der Operette morali kann der Mensch, das unglücklichste, da denkende, Tier, das aber auch ein «animale risibile» (572) ist, zuweilen «Ablenkung von sich selbst» und im Lachen für einen Augenblick des Stillstands der Zeit einen «punktuellen Ausstieg aus der Not und der Langeweile» 62 finden. Insofern man größtenteils über Sachen lache, die überhaupt nicht komisch sind, 63 liegt auch hier ein abschwächender Umgang mit Negativität vor. Und auch der Leser solcher Texte hat die Möglichkeit, «per un poco di tempo, essere convertito in uccello, per provare quella contentezza e letizia della loro vita» (574 [«sich für einige Zeit in einen Vogel zu verwandeln, um die Zufriedenheit und Heiterkeit ihres Lebens zu erfahren» (423)]). Diesen Wunsch, «[di] esser convertito in uccello» [«sich für einige Zeit in einen Vogel zu verwandeln»], äußert abschließend «Amelio filosofo solitario» (571), der - so die Verfasserfiktion - an einem Frühlingsmorgen durch den canto der Vögel von seiner Lektüre abgelenkt wird und den vorliegenden Text verfasst. Dieser wiederum ist relativ rhapsodisch und nicht-argumentativ und entspricht insofern der inoperosità der Vögel. Der Name Amelio selbst bedeutet der Sorgenfreie, und die operetta stellt ein Ideal vor, eine ‹untätige› Form der Sprachverwendung: [L]a poesia è precisamente quell’operazione linguistica che rende inoperosa la lingua […], il punto in cui la lingua, che ha disattivato le sue funzioni comunicative e informative, riposa in se stessa, contempla la sua potenza di dire e si apre, in questo modo, a un nuovo, possibile uso. 64 [Die Dichtung ist genau jene sprachliche Operation, die die Sprache untätig werden lässt […], jener Punkt, in dem die Sprache, die ihre Kommunikations- und Informationsfunktion hinter sich lässt, in sich selbst ruht, ihre Sprechmöglichkeit schaut und sich solchermaßen öffnet hin zu einem neuen, möglichen Gebrauch.] Leopardi notiert 1823, also im Jahr des sogenannten pessimismo cosmico, im Zibaldone: «Tutto è degno di riso fuorchè il ridersi di tutto» (Zib. 3990 [«Alles ist des Lachens würdig, außer über alles zu lachen»]). Mit Rücksicht auf Leopardis Pessimismus einerseits und seine Poetik der Vagheit und Ambiguität andererseits ist es sinnvoll, dieses quantitative Urteil um eine qualitative Aussage zu 62 Sebastian Neumeister: «Das lachende Unglück. Leopardi, Baudelaire, Nietzsche», in: Roger Friedlein (Hg.): Literarische Wegzeichen. Vom Minnesang zur Generation X. Heidelberg: Winter 2004, 243. 63 Cf. aus den Detti Memorabili di Filippo Ottonieri: «Anzi le più delle cose delle quali si ride ordinariamente, sono tutt’altro che ridicole in effetto; e di moltissime si ride per questa cagione stessa, che elle non sono degne di riso o in parte alcuna o tanto che basti» (564). 64 Giorgio Agamben: Il Regno e la Gloria. Per una genealogia teologica dell’economia e del governo. Homo sacer, II.2. Vicenza: Neri Pozza 2007, 274sq. (meine Übersetzung). «Ernst ist das Leben, heiter ist die Kunst» 125 ergänzen, um beiden Seiten gerecht zu werden. «Tutto è degno di riso fuorchè il ridersi del tutto» («Alles ist des Lachens würdig, außer über das Ganze zu lachen»). Literatur Beckett, Samuel: Proust. New York: Grove Press 1978 [ 1 1931]. Calvino, Italo: Lettere 1940-1985. A cura di Luca Baranelli. Milano: Mondadori 2000. Cioran, Emil-Michel: De l’inconvénient d’être né. Paris: Gallimard 1990 [ 1 1973]. Leopardi, Giacomo: Gesänge. Dialoge und andere Lehrstücke. Zibaldone. Übers. von Hanno Helbling / Alice Vollenweider [et al.]. Düsseldorf: Artemis & Winkler 1998. —: Tutte le poesie, tutte le prose e lo Zibaldone. A cura di Lucio Felici / Emanuele Trevi. Roma: Newton Compton 2010. Platon: Sämtliche Werke. Bd.-2. Lysis, Symposion, Phaidon, Kleitophon, Politeia, Phaidros. Übers. von Friedrich Schleiermacher, neu hg. von Ursula Wolf. Reinbek: Rowohlt 30 2004. Sappho: Lieder. Griechisch-deutsch. Hg. von Max Treu. 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Heiterkeit, posthuman 129 Heiterkeit, posthuman Leopardi und die Astronomie Serenità, postumana Leopardi e l’astronomia Paul Strohmaier Obwohl die Astronomie schon im Jugendwerk Leopardis mit der Storia dell’astronomia präsent ist, wurde der Rolle dieser Mathematik, Beobachtung und Imagination so exemplarisch verbindenden Wissenschaft im Werk Leopardis nur selten nachgegangen. Ausgehend von der Storia wird deren Rolle bis zu den Operette morali verfolgt, um schließlich ihre Relevanz auch für zahlreiche Canti herauszuarbeiten. Leopardis Interesse an der Astronomie erfährt dabei eine wachsende Ästhetisierung und fokussiert die imaginativen Entgrenzungspotentiale, die sich aus ihren Blickverschiebungen ergeben. Im Zentrum dieser imaginativen Distanzierungsübungen aber steht das Bemühen um serenità als Teil einer anti-pessimistischen Strategie. Benché l’astronomia sia presente nell’opera del primo Leopardi con la Storia dell’astronomia, il ruolo di questa scienza, che unisce in maniera esemplare matematica, osservazione ed immaginazione, nelle opere leopardiane è stato raramente studiato. A partire dalla Storia nella presente analisi la sua portata sarà esaminata fino alle Operette morali per poi studiare la sua rilevanza anche all’interno dei Canti. In tale percorso l’interesse di Leopardi per l’astronomia si sviluppa in direzione di una progressiva estetizzazione e si concentra sul potenziale di trasgressione immaginativo che fornisce la sua dinamizzazione dello sguardo. Al centro di questi esercizi di distanziamento troviamo tuttavia il tentativo di raggiungere la serenità come elemento di una strategia anti-pessimista. Schlagwörter: Heiterkeit, Imagination, Astronomie, Universum, Kosmos Parole chiave: serenità, immaginazione, astronomia, universo, cosmo 130 Paul Strohmaier […] anima minimè sit dedita his sensibilibus, & mundanis, sed tanquam super totam naturam corpoream elevata rebus sensibilibus, parum aut nihil movetur, sed tanquam ad superiora conversa leviter superiorum influentiis confirmatur directè, sicut aqua quiescens effigies stellarum perfectè repræsentat[.] Arnald von Villanova Um die Rolle der Astronomie im Werk Leopardis angemessen zu begreifen, lohnt sich ein kleiner Umweg. In seinem 1958 erschienenen und rasch zum Welterfolg avancierten Roman Il gattopardo entwirft Giuseppe Tomasi di Lampedusa den Protagonisten, den Fürsten von Salina, nicht nur als einen begeisterten Jäger und Bewunderer schöner Frauen, sondern auch, wenngleich seltener beachtet, als einen Adepten der Astronomie. Die wissenschaftliche Befassung mit den Sternen in den Abend- und Nachtstunden des Fürsten erscheint jedoch beinahe sekundär. Sein eigentliches Interesse an der Astronomie führt tiefer: Sostenuti, guidati, sembrava, dai numeri, invisibili in quelle ore ma presenti gli astri rigavano l’etere con le loro traiettorie esatte. Fedeli agli appuntamenti le comete si erano avvezze a presentarsi puntuali sino al minuto secondo dinanzi a chi le osservasse. Ed esse non erano messaggere di catastrofi come Stella credeva: la loro apparizione prevista era anzi il trionfo della ragione umana che si proiettava e prendeva parte alla sublime normalità dei celi. «Lasciamo che qui giù i Bendicò inseguano rustiche prede e che il coltellaccio del cuoco trituri la carne di innocenti bestiole. All’altezza di quest’osservatorio le fanfaronate di uno, la sanguinarietà dell’altro si fondono in una tranquilla armonia. Il problema vero, l’unico, è di poter continuare a vivere questa vita dello spirito nei suoi momenti più astratti, più simili alla morte.» Così ragionava il Principe […]. 1 [Würdevoll, geleitet, so schien es, von den Zahlen, unsichtbar in jenen Stunden, aber gegenwärtig, durchzogen die Gestirne den Äther mit ihren exakten Umlaufbahnen. Treu, wie auf Verabredung, hatten sich die Kometen daran gewöhnt, sich bis auf die Minute, Sekunde pünktlich jenem zu zeigen, der sie beobachtete. Und sie waren keine Boten des Unheils, wie Stella glaubte: ihr vorhergesagtes Erscheinen bildete vielmehr den Triumph der menschlichen Vernunft, die sich hinaufschwang und teilnahm an der erhabenen Normalität der Himmel. «Lassen wir nur angehen, dass hienieden die Bendicòs auf rohe Beute aus sind und das Messer des Kochs unschuldige Tierchen zerteilt. Von der Höhe des Observatoriums verschmelzen die Auftrumpfereien des einen und die Grausamkeit des anderen zu einer ruhigen Harmonie. Das wahre Problem, 1 Giuseppe Tomasi di Lampedusa: Il gattopardo. A cura di Gioacchino Lanza Tomasi. Milano: Feltrinelli 98 2012, 60. Heiterkeit, posthuman 131 das einzige, besteht darin, dieses Leben des Geistes fortwährend leben zu können, in seinen entrücktesten Augenblicken, die so sehr dem Tode gleichen.» Dies waren die Gedanken des Fürsten.] 2 Die mathematische Bezwingung der erhabenen Himmelsräume durch die berechnende Vernunft dient der Vergewisserung über eine trotz aller historischen Verwerfungen und Umwälzungen anhaltende minutiöse Ordnung des Universums. Zu Geometrie und Arithmetik tritt hierbei jedoch mit gleichem Recht die Imagination: Die Vernunft selbst, so der Text, schwingt sich hinauf (proiettarsi) in die kartierten Räume und nimmt teil an ihrer erhabenen Regelmäßigkeit, indem sie sich einen eigentlich unverfügbaren Blick von oben zu eigen macht. Die «tranquilla armonia», die sich von diesem entrückten Standpunkt aus einstellt, jedoch ist nicht nur instabil - es sind immer nur «momenti» -, sondern weist in ihrem Abstraktionsgrad auch überraschende Ähnlichkeit zum Tod auf («più simili alla morte»). Der endliche Blick in das unendliche Universum ist immer auch getragen vom Reiz der Überschreitung. Man mag an diesem Punkt berechtigt einwenden, was das mit Leopardi zu tun hat. Nun, eine ganz ähnliche Grundkonstellation, ein analoges topologisches Begehren erweist sich als konstitutiv für Leopardis Beschäftigung mit der Astronomie, die mit seinen frühesten Schriften einsetzt und bis in das Spätwerk hinein immer wieder, zumindest punktuell, hervortritt. Auch sind die Korrespondenzen zwischen Il gattopardo und dem Werk Leopardis durchaus nicht zufällig. Vielmehr ist Tomasi di Lampedusas Roman durchzogen von einer ganzen Reihe expliziter und camouflierter Leopardi-Referenzen, und die pessimistische, fortschrittsskeptische Grundhaltung des Romans ähnelt vielfach analogen Einlassungen Leopardis. 3 Zwischen dem Fürsten von Salina und dem Dichter von Recanati gibt es folglich eine durchaus begründbare Affinität. Im Folgenden soll es nun aber um Leopardi gehen und um die selten beleuchtete Rolle der Astronomie in seinem Werk. Dabei soll grob in drei Schritten verfahren werden: Zunächst wird mit der Storia dell’astronomia und dem Saggio sopra gli errori popolari degli antichi das Frühwerk betrachtet, sodann mit den Operetti morali die spätere Werkphase, um schließlich anhand einiger weniger Beispiele aus den Canti zu erläutern, wie die zunächst theoretische Befassung 2 Die Übersetzungen der italienischen Zitate erfolgen - soweit nicht anders gekennzeichnet - durch den Verfasser. 3 So zitiert der Erzähler des Gattopardo etwa aus Leopardis La ginestra, wenn er sich nach dem Plebiszit von 1860 unverkennbar ironisch zu «le ‹magnifiche sorti e progressive› di una rinnovata Sicilia unita alla risorta Italia» äußert (ibid., 118 [«das ‹wunderbare und progressive Schicksal› eines erneuerten Sizilien, vereint mit einem wiedererstandenen Italien»]). Die Ironie wird darin kenntlich, dass in Leopardis Canto das untergegangene Pompeji als Merkzeichen jener sorti dienen soll. 132 Paul Strohmaier mit der Astronomie über das Mittelglied der Imagination auch in Leopardis Lyrik Eingang findet. Auch bei Leopardi, soviel vorweg, wird die Astronomie damit eine ganz ähnliche Rolle annehmen wie für den Fürsten von Salina: als paradoxaler Modus, in der Welt zu sein und zugleich außerhalb. Ob das am Ende hinreicht, um hierin eine ‹anti-pessimistische Strategie› zu identifizieren, wird sich zeigen. 1. Fragile Emanzipation: Die Storia dell’astronomia und der Saggio sopra gli errori popolari degli antichi Die Storia dell’astronomia, die Leopardi im Alter von vierzehn bis fünfzehn Jahren verfasste, ist in weiten Teilen ein ungenießbarer Text. 4 Während die ältere Mondadori-Ausgabe von Francesco Flora noch den gesamten, knapp 350 Druckseiten umfassenden Text anbietet, beschränkt sich die jüngere Ausgabe von Rolando Damiani auf die Introduzione und das letzte der insgesamt fünf Kapitel. Tatsächlich enthalten die so entfallenen ersten vier Kapitel nichts weiter als eine chronistisch-monotone Aufzählung astronomischen Wissens von den Babyloniern bis in das Jahr 1811. Gino Tellini spricht daher nicht unbegründet von einer «montagna di pedanteria» 5 [«ein Berg Pedanterie»] und Rolando Damiani, etwas konzilianter, von einer «compilazione onnivora» 6 [«die Kompilation eines Allesfressers»]. Wir werden es Damiani also gleichtun und die ersten vier Kapitel der Storia beiseitelassen, da sie zwar Leopardis Interesse an der Astronomie erschöpfend dokumentieren, über dessen Motivation jedoch keinen Aufschluss geben. In den ersten Sätzen der Einleitung hingegen begegnet man stattdessen einem - vor dem Hintergrund der späteren Werke - durchaus ungewohnten, optimistischen Leopardi, der am Leitfaden der Astronomie nicht weniger als die Möglichkeit menschlichen Fortschritts an sich nachweisen möchte: La più sublime, la più nobile fra le Fisiche scienze ella è senza dubbio l’Astronomia. L’uomo s’innalza per mezzo di essa come al di sopra di se medesimo, e giunge a conoscere la causa dei fenomeni più straordinari. […] L’uomo può certamente vantarsi di aver superati i maggiori ostacoli, che la natura oppor potesse al prepotente suo ingegno, e d’esser quasi giunto all’apice della sapienza. 7 4 Für eine wissenschaftshistorische Einordnung der Storia dell’astronomia cf. Maurice A. Finocchiaro: «A Curious History of Astronomy. Leopardi’s Storia dell’astronomia», in: Isis 65.4 (1974), 517-519. 5 Gino Tellini: Leopardi. Roma: Salerno Editrice 2001, 62. 6 Giacomo Leopardi: Poesie e prose. 2-vol. A cura di Rolando Damiani / Mario Andrea Rigoni. Milano: Mondadori 12 2016, vol. 2, 1427. 7 Ibid., 568. Heiterkeit, posthuman 133 [Die erhabenste, die edelste unter allen physischen Wissenschaften ist zweifellos die Astronomie. Der Mensch erhebt sich durch sie gleichsam über sich selbst und gelangt dahin, die Ursachen der außergewöhnlichsten Erscheinungen zu erkennen. […] Der Mensch kann sich gewiss rühmen, die größten Hindernisse überwunden zu haben, welche die Natur seinem vorwärtsdrängenden Geist entgegenzustellen vermochte, und beinahe schon den Gipfel der Weisheit erklommen zu haben.] Leopardi liest die Geschichte der Astronomie und insbesondere ihre frühneuzeitlichen Erfolge damit als eine Ermächtigungsgeschichte des menschlichen Intellekts. 8 Doch ist es nicht nur diese Fortschrittsgewissheit, die eine wichtige Trennlinie zu den späteren Werken bildet; das hier thematisierte Universum ist nämlich nicht nur Gegenstand einer immer akkurateren Beschreibung durch den Menschen, vielmehr ist es darüber hinaus providenziell geordnet. 9 So liest man über den Menschen: «La natura è sempre attenta a provvedere a tutti i suoi bisogni.» 10 Und weiter: «Tutto è provvidamente distribuito nella natura. La confusione e il disordine non possono aver luogo nelle opere di quella sapienza che detta leggi a tutto il creato.» 11 Ein physikotheologisch inspiriertes Staunen bildet somit auch den Grundton in jener ästhetischen Urszene, mit der Leopardi im fünften Kapitel den Beginn der Astronomie imaginiert: L’uomo non fu da principio spinto ad osservare gli astri, che dalla curiosità. Lo spettacolo imponente di tanti corpi luminosi e brillanti, di una picciollezza compensata dalla loro moltitudine invitava la sua vista fatigata dalla luce del giorno a riposarsi in quell’azzurro che rivestia la volta celeste diversamente illuminata dallo splendore di que’ piccioli fuochi. L’uomo seguì quest’invito con compiacenza. Preso da una profonda ammirazione, egli si rivolse a contemplare quei corpi che, camminando tranquillamente, senza urtarsi e senza distruggersi, annunziavano la potenza del Creatore e la magnificenza della natura. L’uomo riflessivo seguì quietamente il corso delle sue idee. Le solitudini, i deserti furono i primi osservatorii astronomici. 12 8 Zur Auseinandersetzung des jungen Leopardi mit Leibniz’ Lösung des Theodizee-Problems sowie den Fortschrittsformeln des Aufklärungszeitalters vgl. Franco Martina: «Leopardi, l’adolescenza filosofica», in: Belfagor 38 (1983), 377-394. 9 Zu dieser Situierbarkeit der Storia dell’astronomia innerhalb eines «illuminismo cattolico», dem der junge Leopardi noch verpflichtet ist, cf. Rolando Damiani: «Pensiero scientifico e poteri dell’immaginazione nella Storia dell’astronomia del giovane Leopardi», in: Il lettore di provincia 141.2 (2013), 12. 10 Leopardi: Poesie e prose. Vol. 2, 581 [«Die Natur ist stets darauf bedacht, seinen Bedürfnissen vorzusorgen»]. 11 Ibid., 586 [«Alles in der Natur ist mit Weitsicht verteilt. Verwirrung und Unordnung kann es in den Werken jener Weisheit, die allem Geschaffenen die Gesetze vorschreibt, nicht geben»]. 12 Ibid., 576. 134 Paul Strohmaier [Zu Anfang ward der Mensch einzig aus Neugier zur Betrachtung der Sterne getrieben. Das eindrucksvolle Schauspiel so vieler leuchtender und funkelnder Körper, von einer Winzigkeit, die von ihrer Vielzahl ausgeglichen wurde, lud seinen Blick, der vom Tageslicht erschöpft war, dazu ein, sich in jenem Blau zu erholen, in das sich das Himmelsgewölbe kleidete, das vom Glanz jener kleinen Feuer auf ganz andere Art erleuchtet ward. Der Mensch folgte dieser Einladung voll Beflissenheit. Von tiefer Bewunderung ergriffen wandte er sich nach oben, um diese Körper zu betrachten, die, da sie ruhig ihren Gang gingen, ohne einander zu bedrängen oder zu zerstören, die Macht des Schöpfers verkündeten und die Großartigkeit der Natur. Der denkende Mensch folgte in Ruhe dem Lauf seiner Ideen. Die Einsamkeiten und Einöden waren die ersten Observatorien der Astronomie.] Die überwältigende Schönheit des nächtlichen Firmaments fungiert als göttliche Einladung an den Menschen, die Gesetzmäßigkeiten hinter den Bewegungen der Himmelskörper zu erschließen und den Affekt der ammirazione in Wissen zu verwandeln. 13 In der Storia dell’astronomia zeigt sich der junge Leopardi damit fest integriert in das Erzählprojekt Aufklärung und dessen Meisternarrativ von einer unweigerlichen Progression menschlichen Wissens und einer ebenso unvermeidlichen Ausweitung der Spielräume einer instrumentell gewendeten Vernunft; denn, so Leopardi, das Wissen der Astronomie sei schließlich nicht nur «edel» («nobile»), sondern auch «nützlich» («utile»). 14 Auch die Rolle des 13 Das Staunen bildet hier also keinen ästhetischen Eigenwert. Es dient vielmehr als Anreiz zu Erkenntnis, wie auch Aristoteles in der Metaphysik die Produktivität des θαυμάζειν auf dessen Umwandlung in ἐπιστήμη bezieht. Im berühmten Passus über den Ursprung der Erkenntnis im Staunen führt schon Aristoteles die Sphäre des Himmels und der Gestirne an: «Denn Verwunderung [τὸ θαυμάζειν] war den Menschen jetzt wie vormals der Anfang des Philosophierens, indem sie sich anfangs über das nächstliegende Unerklärte verwunderten, dann allmählich fortschritten und auch über Größeres Fragen aufwarfen, z. B. über die Erscheinungen an dem Mond und der Sonne und den Gestirnen und über die Entstehung des Alls» (Aristoteles: Metaphysik. Bücher I-(A)-VI-(E). Gr.-dt. Übers. von Hermann Bonitz, hg. von Horst Seidel. Hamburg: Meiner 3 1989, 13 [982b, 11-17]). Zur Geschichte des Staunens cf. die - allerdings knappe - Arbeit von Stefan Matuschek: Über das Staunen. Eine ideengeschichtliche Analyse. Tübingen: Niemeyer 1991. 14 Cf. Leopardi: Poesie e prose. Vol.-2, 570. Zu dieser Nützlichkeit astronomischen Wissens zählt neben praktischen Zwecken, etwa in Landwirtschaft oder Navigation, auch der Aspekt der «Entängstigung des Menschen» (Blumenberg), da es die Menschen lehrt, scheinbar abweichende Phänomene wie Sonnenfinsternisse oder das Auftreten von Kometen rational zu bewältigen und auf Gesetzmäßigkeiten zurückzuführen. Diese tiefsitzende Furcht der Menschen vor ungewohnten Himmelserscheinungen stand Leopardi selbst lebhaft vor Augen, denn, wie er in der Einleitung seiner Storia dell’astronomia scheibt: «Io medesimo fui testimonio dello spavento cagionato nel volgo da una ecclissi del sole accaduta agli 11 di Febbraio dell’anno 1804» (ibid., 570 [«Ich selbst war Zeuge des Schreckens, den eine Sonnenfinsternis im einfachen Volk hervorrief, die sich am 11.-Februar des Jahres 1804 ereignete»]). Heiterkeit, posthuman 135 Kopernikus unterscheidet sich noch stark von jener, die er in den Operette morali einnehmen wird. Mit heute etwas ungelenk erscheinendem Pathos wird er als ein Eroberer präsentiert, der seinen Thron auf den Trümmern des ptolemäischen Systems errichtet habe. 15 Eine kulturelle Folgenabschätzung der kopernikanischen Wende hingegen findet sich hier noch nicht. Eine Andeutung der späteren, skeptischen Wende, die Leopardis Thematisierung der Astronomie als einer Agentin der Entzauberung nehmen wird, findet sich nur implizit, wenn etwa die antike Auffassung von der Beseeltheit der Gestirne als lächerlich verworfen wird. 16 Ebendiese skeptische Linie aber durchzieht den nur etwa zwei Jahre nach der Storia dell’astronomia entstandenen Saggio sopra gli errori popolari degli antichi. Leopardis Kompendium antiker Irrtümer zeichnet das Bild einer Antike, die sich aus ihrer klassizistischen Verklärung gelöst hat und sich stattdessen als von allerlei Aberglauben und einem magisch-animistischen Weltverständnis durchsetzt darstellt. Obwohl der Saggio sich einleitend immer noch als Beitrag zu menschlichem Fortschritt legitimiert - die Verzeichnung vergangener Irrtümer soll deren Fortdauer oder Wiederkehr verhindern -, bleibt dieser Fokus auf die Irrwege des menschlichen Wissens nicht ohne Rückwirkung auf die Konzeption einer menschlichen Wissensgeschichte als Fortschrittsnarrativ. Eingehegt durch den Konditional formuliert Leopardi damit die Möglichkeit eines nicht-linearen, d. h. potentiell katastrophischen Verlaufs menschlicher Wissensakkumulation: Questa riflessione ci condurrebbe a pensare che lo spirito umano non percorra una linea retta di cognizioni, allungata in infinito, ma un circolo limitato, e torni necessariamente di tempo in tempo sullo stesso luogo. […-C]i farebbe riguardare l’accrescimento reale della massa delle cognizioni come impossibile, e menerebbe per mano i filosofi alla disperazione. Per evitare questo inconveniente dimentichiamo queste tristi immagini. 17 15 «Copernico disprezzò tutti questi ostacoli, e ne trionfò. Egli fu un fortunato conquistatore, che fondò il suo trono sulle ruine di quello di Ptolomeo» [«Kopernikus verachtete all diese Hindernisse und triumphierte über sie. Er war ein vom Glück begünstigter Eroberer, der seinen Thron auf den Trümmern jenes des Ptolemaios gründete»] (Giacomo Leopardi: Storia dell’astronomia, in: id.: Tutte le opere. A cura di Francesco Flora. Vol.-2. Milano: Mondadori 10 1968, 895). 16 Leopardi: Poesie e prose. Vol.-2, 588. 17 Ibid., 755. Diese sich bereits im Saggio abzeichnende Skepsis in Hinblick auf die Idee des Fortschritts wird vielfach übersehen. Gaspare Polizzi etwa verschweigt in seiner Diskussion des Saggio diese und weitere Stellen, um Leopardi vielmehr als kritischen Rationalisten im Einklang mit den französischen Lumières zu konstruieren. Cf. id.: «Circostanze e congiunture della formazione scientifica leopardiana», in: Nuova Corrente 47 (2000), 73-109. 136 Paul Strohmaier [Diese Überlegung würde uns zu denken verleiten, dass der menschliche Geist keiner geradlinigen Bahn der Erkenntnis folgt, die sich ins Unendliche verlängert, sondern einer beschränkten Kreisbahn und so notwendig von Zeit zu Zeit zum selben Ort zurückkehrt. […- S]ie würde uns das tatsächliche Anwachsen der Menge an Wissen für unmöglich erachten lassen und führte die Philosophen an der Hand zur Verzweiflung. Um diese Unannehmlichkeit zu vermeiden, wollen wir diese traurigen Bilder vergessen.] Es fällt auf, dass Leopardi keine entkräftenden Argumente vorbringt, sondern lediglich ein pragmatisches Vergessen empfiehlt. 18 Innerhalb dieser zunehmend postaufklärerischen Konzeption kultureller Entwicklung nimmt die Astronomie eine komplexe Rolle ein. Zunächst dient sie auch weiterhin als ein Instrument intellektueller Emanzipation, denn, so Leopardi: «Non v’ha scienza fisica, che sia come essa opposta ai sentimenti che ogni uomo ha concepiti nella sua infanzia.» 19 Zumindest mit Blick auf den noch in seiner gattungsgeschichtlichen Kindheit befindlichen Menschen eignet der Astronomie damit etwas Unmenschliches. Sie widersetzt sich, wenigstens potentiell, seiner naiven Empirie, seiner animistischen Deutung der Gestirnbahnen und allen Spielarten eines kosmologisch verstandenen Anthropozentrismus. Doch ist die solchermaßen verstandene Astronomie Leopardis selbst eine retroaktive Konstruktion. In den Kapiteln neun bis elf des Saggio tritt die Astronomie immer in einer für Leopardi ärgerlichen Amalgamierung mit dem Phänomen der Astrolatrie auf, d. h. der religiösen Verehrung der Gestirne als göttlicher Wesen, und darüber hinaus vielfach in enger Verbindung mit den mantischen Praktiken der Astrologie, jener «scienza del futuro» [«Wissenschaft der Zukunft»], die nicht mehr sei als eine «scienza chimerica» [«chimärische Wissenschaft»]. 20 In dieser quellennahen, ‹dichten Beschreibung› ihrer kulturellen Ursprünge präsentiert sich die 18 Gleichwohl ist Aufklärung für Leopardi hier bereits ein Elitenphänomen, dem keine demographische Massenbasis entspricht: «la parte più grande del genere umano sarà sempre appresso a poco la medesima, sempre schiava della prevenzione, sempre intrattabile al saggio, sempre indurita nell’errore, sempre cieca, sempre in opposizione col buon senso» (ibid., 728 [«Der größte Teil der Menschheit wird sich immer mehr oder weniger gleich bleiben, stets eine Sklavin des Vorurteils, stets widerspenstig gegenüber dem Weisen, stets hartnäckig im Irrtum, stets blind, stets in Gegnerschaft zum gesunden Menschenverstand»]). Es ist die hier formulierte Unwahrscheinlichkeit ihrer Breitenwirkung, welche die Progression von Aufklärung zusätzlich prekär werden lässt. Zu dem Problem der «geringen Eindringtiefe der Theorie in das Bewusstsein» tritt das Problem der geringen Eindringtiefe der Theorie in die Gesellschaft (Hans Blumenberg: Die Vollzähligkeit der Sterne. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2011, 482). 19 Leopardi: Poesie e prose. Vol. 2, 729 [«Es gibt keine physische Wissenschaft, die wie diese den Auffassungen entgegengesetzt wäre, die jeder Mensch in seiner Kindheit empfangen hat»]. 20 Ibid., 756. Heiterkeit, posthuman 137 Astronomie damit als ein Hybrid, der empirische Beobachtung und möglichst exakte mathematische Berechnung mit allerlei religiösen und magischen Vorstellungen und anthropozentrischen Verzerrungen umstandslos verbindet. Der ideale Ursprung der Astronomie, der von der nächtlichen Kontemplation des Sternenhimmels zu dessen mathematisch-exakter Beschreibung führen sollte, ist damit immer schon überlagert, wenn nicht durchkreuzt von allen möglichen kulturell-religiösen Verunreinigungen. Schlimmer noch: Auch die Heldengalerie frühneuzeitlicher Astronomen, die Leopardi in der Storia dell’astronomia noch einigermaßen unkritisch aus seinen Quellen übernimmt, wird nunmehr eingeholt von diesem unheilvollen kulturellen Hintergrundrauschen. So verzeichnet er mit einigem Entsetzen, dass auch Tycho Brahe und Johannes Kepler noch ungebrochen an die Beseeltheit der Gestirne geglaubt hätten: «Ticone il cittadino del cielo, Keplero il padre dell’astronomia moderna, il rigeneratore della scienza celeste, il legislatore degli astri. Terribile esempio! » 21 Bei aller philologischen und kompilatorischen Akribie, die sich in der Storia dell’astronomia und im Saggio nachverfolgen lassen, bleibt doch zu fragen, ob Leopardis Interesse an der Astronomie überhaupt je streng szientifisch motiviert war. 22 Anders etwa als der eingangs erwähnte Fürst von Salina trägt Leopardi zur tatsächlichen astronomischen Forschung, etwa in Form einschlägiger Fachaufsätze, nichts bei, und auch von einer regelmäßigen Beobachtung des nächtlichen Himmels mittels Teleskop und Sternkarte durch den Dichter von Recanati ist nichts bekannt. 23 Tatsächlich hat es rückwirkend den Anschein, als ginge es ihm von Beginn an weniger um eine Präzisierung nächtlicher Empirie als vielmehr um etwas ganz anderes: eine Kritik der Imagination am Leitfaden der Astronomie. In Andeutungen zeigt sich dies bereits im erwähnten Saggio, bedenkt man die Rolle der hierin bemühten Autoren. Leopardis Beweisführung stützt sich nicht nur auf Philosophen, Astronomen und gelegentlich Kirchenväter, sondern ganz maßgeblich auch auf Dichter. Die erhabenen Dämmerungsperiphrasen bei Homer oder Vergil dienen hier vorrangig dazu, sämtliche kosmologischen Fehler und Unwahrheiten aufzulisten, die in ihnen enthalten sind: etwa, dass die Sonne aus dem Meer aufsteige, dass sich die Gestirne von 21 Ibid., 754 [«Tycho Brahe, der Himmelsbürger, Kepler, der Vater der modernen Astronomie, der Erneuerer der Himmelswissenschaft, der Gesetzgeber der Gestirne. Welch schreckliches Beispiel! »]. 22 Zu Leopardis Eignung als Astronom vgl. die gegensätzlichen Forschungsmeinungen, versammelt in Franco Gàbici: «Giacomo Leopardi, astronomo mancato? », in: Il lettore di provincia 141.2 (2013), 17-21. 23 Gaspare Polizzi: «Circostanze e congiunture», 77, Anm.- 6, verweist zwar auf Armillarsphären sowie weitere Modelle des ptolemäischen und kopernikanischen Sphärensystems, die sich in Leopardis Besitz befanden. Dabei handelt es sich indes um Medien wissenschaftlicher Illustration, nicht um empirische Instrumente. 138 Paul Strohmaier den Ausdünstungen der Erde nährten und dergleichen mehr. 24 Kurzum: Das eigentliche Interesse Leopardis an der Astronomie bleibt oder vielmehr wird ein ästhetisches. 25 2. Kosmoklasmus: Operette morali Eindrücklich wird diese ästhetisierende Wende der Astronomie in den Operette morali, insbesondere im Dialogo della Terra e della Luna und in Il Copernico. Dialogo 26 . Im ersten der beiden Texte wohnen wir einem Gespräch von Erde und Mond bei, in dessen Verlauf zahlreiche ererbte Mythen über die Beschaffenheit des Kosmos verabschiedet werden. Von der durch Pythagoras postulierten Sphärenharmonie etwa haben beide noch nie etwas vernommen, vielmehr durchherrsche reine Stille den leeren Raum zwischen den Himmelskörpern. Die Kommunikationslage ist zudem asymmetrisch. Nicht nur zeigt sich die Erde weit interessierter an den Verhältnissen auf dem Mond als umgekehrt, sondern auch die Begriffe, die sie dabei verwendet, bleiben dem Mond unverständlich. So rügt dieser schließlich die Erde: «Ma in vero che tu mi riesci peggio che vanerella a pensare che tutte le cose di qualunque parte del mondo sieno conformi alle tue; come se la natura non avesse avuto altra intenzione che di copiarti puntualmente da per tutto.» 27 Wir erleben also einen Universalienschwund, der die beiden an den Rand der kommunikativen Unmöglichkeit bringt. Schließlich findet sich aber doch noch eine Universalie, durch die Erde und Mond miteinander in Austausch treten können, die im wörtlichen Sinne Universalität des Übels und des Unglücks: «e non è maggior maraviglia quella che questa: perchè il male 24 Cf. Leopardi: Poesie e prose. Vol.-2, 738-748. 25 Dieser ästhetischen Wendung der Astronomie korrespondiert ein revidierter Vernunftbegriff Leopardis, den Franco Martina treffend als «ragione ‹negativa›» [«‹negative› Vernunft»] bezeichnet hat. Die Praxis der Vernunft ist nicht länger Garantie und Fundament allgemeinen Fortschritts, sondern beschränkt sich in der Folge auf einen «sforzo di disingannare» [«Bemühen um Entzauberung»] (Martina: «Leopardi, l’adolescenza filosofica», 393). 26 Cesare Galimberti hat hinsichtlich der Form zahlreicher Operette morali und ihrer vielfachen Bezüge zur Astronomie auf mehrere Parallelen zu Werken Fontenelles hingewiesen, insbesondere zu den Entretiens sur la pluralité des mondes und den Dialogue des morts. Id.: «Fontenelle, Leopardi e il dialogo alla maniera di Luciano», in: Leopardi e il Settecento. Atti del I-Convegno internazionale di studi leopardiani, Recanati, 13-16 settembre 1962. Firenze: Olschki 1964, 283-293. Dabei darf jedoch nicht übersehen werden, dass Leopardis Befassung mit der Astronomie, wie es die Storia dell’astronomia und der Saggio belegen, schon weit vor den Operette morali einsetzt. 27 Leopardi: Poesie e prose. Vol.-2, 48 [«In der Tat erscheinst du mir mehr als leichtfertig darin zu denken, dass alle Dinge wo auch immer in der Welt den deinen gleichen. Als habe die Natur keine andere Absicht gehabt, als dich überall getreu zu kopieren»]. Heiterkeit, posthuman 139 è cosa comune a tutti i pianeti dell’universo, o almeno di questo mondo solare, come la rotondità e le altre condizioni che ho detto, nè più nè meno.» 28 An die Stelle eines harmonisch geordneten Kosmos tritt damit ein Universum voll irreduzibel verschiedener Welten, das von keinem seiner Punkte aus vorurteilsfrei erfasst werden kann und in dem sich Konsens zwischen den Gestirnen nur in einem einzigen Punkt herstellen lässt: Auf allen lebt es sich gleich schlecht. 29 Bereits der Dialogo della Terra e della Luna legt damit einen deutlichen Akzent auf die Entzauberung des kosmischen Schauplatzes, doch zeigt sich der Dialog Il Copernico in dieser Hinsicht noch radikaler, bis zu dem Punkt, an dem er seine eigene enunziatorische Grundlage unterminiert. Das Setting des Dialogs bildet das Mythologem der Sonnenfahrt. Doch ist die Sonne hier müde geworden, auf 28 Ibid., 51 [«und jenes ist kein größeres Wunder als dieses: Denn das Übel ist etwas, das allen Planeten des Universums (oder zumindest in diesem Sonnensystem) gemein ist, so wie die runde Form oder die anderen Beschaffenheiten, die ich genannt habe, nicht mehr und nicht weniger»]. 29 Dieser Befund in Leopardis Dialogo della Terra e della Luna erweist sich auch als finstere Replik auf jenen Kosmosenthusiasmus, der sich an der Idee unendlich vieler Welten entzündet, etwa in Fontenelles Entretiens sur la pluralité des mondes (1686), aber auch weit früher schon in Giordano Brunos De l’infinito, universo e mondi (1584). Dort wird die Plausibilität eines grenzenlosen Universums, das unendlich viele Welten enthält, mit der unmöglichen Müßigkeit Gottes begründet, der keine Leere als unrealisierte Seinsfähigkeit zulassen könne. So fragt Filoteo: «Perché volete che quel centro della divinità, che può infinitamente in una sfera (se cossì si potesse dire) infinita amplificarse, come invidioso, rimaner più tosto sterile che farsi communicabile, padre fecondo, ornato e bello? […] Per che deve esser frustrata la capacità infinita, defraudata la possibilità de infiniti mondi che possono essere, pregiudicata la eccellenza della divina imagine, che deverebe più risplendere in un specchio incontratto, e secondo il suo modo di essere, infinito, imenso? » (Giordano Bruno: De l’infinito, universo e mondi, in: id., Dialoghi filosofici italiani. A cura di Michele Ciliberto. Milano: Mondadori 2009, 334 [«Warum wollt Ihr, daß jener Mittelpunkt der Gottheit, der sich zu einer - wenn man so sagen könnte - unendlichen Kugel erweitern kann, als wäre er neidisch, eher unfruchtbar sei, als daß er mitteilbar werde, ein fruchtbarer Vater, geschmückt und schön? […] Warum soll die unendliche Aufnahmefähigkeit ohne Erfüllung bleiben, die Möglichkeit unendlicher Welten, die sein können, hintertrieben und die Vortrefflichkeit des göttlichen Bildes herabgesetzt werden - eines Bildes, welches stärker widerstrahlen müßte in einem nicht zusammengezogenen Spiegel, der seiner Seinsweise gemäß unendlich, unermeßlich wäre? » Giordano Bruno: Über das Unendliche, das Universum und die Welten. Hg. u. übers. von Christiane Schultz. Stuttgart: Reclam 2004, 45sq.]). In Leopardis Il Copernico findet sich eine kaustische Anspielung hierauf, die Brunos Präsenz als Intertext belegt. Bezugnehmend auf die Verbrennung Brunos als Ketzer auf dem Campo de’ Fiori im Jahre 1600 prophezeit die Sonne gegenüber Kopernikus in ihrer finalen Äußerung: «Ti dico io dunque che forse, dopo te, ad alcuni i quali approveranno quello che tu avrai fatto, potrà essere che tocchi qualche scottatura, o altra cosa simile» (Leopardi: Poesie e prose. Vol.-2, 193, meine Herv., cf. auch den Kommentar ibid., 1361 [«Ich sage dir also, dass nach dir manche, die das, was du geleistet haben wirst, gutheißen werden, sich eine Verbrennung oder ähnliches zuziehen könnten»]). 140 Paul Strohmaier ihrem Wagen den Himmel zu durchqueren, um ein paar winzige Erdenbewohner - «quattro animaluzzi, che vivono in su un pugno di fango» 30 - mit Licht zu versorgen. Sie streikt und lässt die Erde im Dunkel liegen. Auf Drängen der ersten Stunde lässt sich die Sonne zu einem Plan überreden, wie sich der unvermeidliche Kältetod der Erdbewohner doch noch abwenden ließe. Die letzte Stunde wird zur Erde gesandt, um den ermländischen Domherrn Kopernikus zur Sonne zu führen. Von dieser erhält er den Auftrag, nunmehr die Erde in Bewegung zu setzen, damit die Sonne nach Zeitaltern der Mühsal endlich ruhen könne. Im Gespräch Kopernikus’ mit der Sonne dehnen sich die Ausmaße des kosmischen Schauplatzes immer weiter aus. Die vormaligen Zuschreibungen verlieren ihre Gültigkeit, bis schließlich in einem gänzlich entgrenzten Universum alle Fixpunkte abhandenkommen. Anders als noch der Kopernikus in der Storia dell’astronomia ist sich derjenige in den Operette morali dabei der Umwälzungen bewusst, welche die von ihm bewirkte Wende verursachen wird: il fatto nostro non sarà così semplicemente materiale, come pare a prima vista che debba essere; e […] gli effetti suoi non apparterranno alla fisica solamente: perchè esso sconvolgerà i gradi delle dignità delle cose, e l’ordine degli enti; scambierà i fini delle creature; e per tanto farà un grandissimo rivolgimento anche nella metafisica, anzi in tutto quello che tocca alla parte speculativa del sapere. E ne risulterà che gli uomini, se pur sapranno o vorranno discorrere sanamente, si troveranno essere tutt’altra roba da quello che sono stati fin qui, o che si hanno immaginato di essere. 31 [Die Angelegenheit, um die es uns geht, wird nicht bloß materieller Natur sein, wie es auf den ersten Blick scheinen mag, und ihre Wirkungen werden sich nicht allein auf die Physik beschränken. Denn sie wird die Rangstufen der Dinge durcheinander bringen und die Ordnung der Wesen. Sie wird die Zwecke der Geschöpfe austauschen. Und dadurch wird sie eine gewaltige Umwälzung auch in der Metaphysik bewirken, sogar in all jenem, was die spekulative Seite des Wissens betrifft. Und daraus wird sich ergeben, dass die Menschen, sofern sie vernünftig werden reden können oder wollen, sich als etwas ganz anderes wiederfinden werden als das, was sie bisher gewesen sind oder sich vorgestellt haben zu sein.] Genüsslich zelebriert der Dialog damit die Austreibung des Menschen aus dem Universum, und doch vermag er dies nicht, ohne in eine paradoxe Konstellation einzutreten: Das Initialereignis neuzeitlicher Entzauberung wird im Gewand des - freilich ironisierten - Mythos oder zumindest mythologischer Versatzstücke erzählt, d. h. in einer Form, die durch den Inhalt des Dialogs längst verunmöglicht worden ist. Dass sich der Text selbst dieser Paradoxie bewusst ist, wird unter anderem daran kenntlich, dass die Gesprächspartner selbst immer wieder 30 Ibid., 182. 31 Ibid., 190. Heiterkeit, posthuman 141 anmerken, wie unlogisch und unplausibel die ganze Szenerie doch eigentlich sei. 32 Die Spielart astronomisch inspirierter Imagination, die in den beiden genannten Operette morali hervortritt, wird charakterisiert von einer Lust an der Ausmalung eines unendlich leeren Raums, der freilich nicht als solcher imaginiert werden kann, sondern immer nur ausgehend von dem Moment, der seine Entleerung einleitet. In anderen Texten der Operette morali wird diese Entleerung sogar noch weitergetrieben. Im postapokalyptischen Setting des Dialogo di un folletto e di un gnomo unterhalten sich Gnom und Kobold über die untergegangene Menschheit und stellen fest, dass das Universum unbeeindruckt weiter seinen Gang geht: «Ma ora che ei [sc. gli uomini] sono tutti spariti, la terra non sente che le manchi nulla, e i fiumi non sono stanchi di correre, e il mare, ancorchè non abbia più da servire alla navigazione e al traffico, non si vede che si rasciughi.» 33 Im Cantico del gallo silvestre wird dies noch überboten durch die Vermutung, dass nicht nur die Menschheit, sondern auch das Universum selbst eines Tages enden werde. 34 Im unmittelbar folgenden Frammento apocrifo di Stratone da Lampsaco wird das unvermeidliche Ende des Universums wiederum durch den Gedanken abgemildert, dass aus den materiellen Überresten seiner Auflösung notwendig ein neues Universum mit neuen Lebensformen entstehen werde, deren Beschaffenheit unser Erkenntnisvermögen freilich überschreite. 35 32 Ausführlicher zu dieser paradoxalen Verwendung des Mythos in Leopardis Dialog cf. Barbara Kuhn: «‹Raziocinando a rovescio›. Leopardis Logomythie in Il Copernico. Dialogo», in: Paradox oder Über die Kunst, anders zu denken. Mélanges für Gerhart Schröder. Hg. von Gisela Febel / Françoise Joly / Silke Pflüger. Kemnat: Quantum Books 2001, 327-345; zu den humoristischen Verfahren cf. Dennis Looney: «Leopardi’s Il Copernico and Paradigm Shifts in Art», in: Annali d’Italianistica 23 (2005), 133-135. 33 Ibid., 37 [«Doch jetzt, da sie [sc. die Menschen] allesamt verschwunden sind, empfindet die Erde keinerlei Mangel, und die Flüsse sind es nicht müde zu fließen, und das Meer, obwohl es nicht länger der Seefahrt und dem Handel dienen muss, macht keinerlei Anstalten zu versiegen»]. 34 «Tempo verrà, che esso universo, e la natura medesima, sarà spenta» (ibid., 164 [«Es wird eine Zeit kommen, da dieses Universum und die Natur selbst erloschen sein werden»]). 35 «Venuti meno i pianeti, la terra, il sole e le stelle, ma non la materia loro, si formeranno di questa nuove creature, distinte in nuovi generi e nuove specie, e nasceranno per le forze eterne della materia nuovi ordini delle cose ed un nuovo mondo. Ma le qualità di questo e di quelli, siccome eziandio degl’innumerabili che già furono e degli altri infiniti che poi saranno, non possiamo noi nè pur solamente congetturare» (ibid., 171 [«Wenn die Planeten, die Erde, die Sonne und die Sterne verschwunden sein werden, nicht aber ihre Materie, werden sich aus dieser neue Geschöpfe formen, verschieden und von neuer Art und Spezies, und durch die ewigen Kräfte der Materie werden neue Ordnungen der Dinge entstehen und eine neue Welt. Doch über die Beschaffenheit dieser und jener wie ja auch der unzähligen, die bereits waren, und der unendlichen, die danach sein werden, können wir noch nicht einmal eine Vermutung anstellen»]). 142 Paul Strohmaier In diesem (post)apokalyptischen Experimentalraum der Imagination bleibt der Letztbefund über die Bestandschancen des Universums damit aufgeschoben. Es wird kein eindeutiges Schicksal dekretiert. Vielmehr wird eine Pluralität von Möglichkeiten durchgespielt, die jedoch in einem - nicht unerheblichen - Punkt übereinkommen: In ihnen allen hat die Menschheit ausgedient. Leopardis Spiel mit metaphysischen Varianten über die ‹tiefe Zukunft› des Universums wird bestimmt von einer Lust an der Nichtung, genauer: am allgemeinen Anthropozid. 36 3. Siderales Sehen: Canti Das kosmologische Imaginarium, das Leopardi aus seiner frühen Beschäftigung mit der Astronomie gewinnt, bleibt in seiner Reichweite nicht auf die Prosawerke beschränkt, sondern tritt an zentralen Stellen vielfach auch in den Canti hervor. Exemplarisch soll dies hier an zwei Langgedichten entwickelt werden, in denen diese Bezüge mit besonderer Deutlichkeit kenntlich werden, dem Canto notturno di un pastore errante dell’Asia und La ginestra, o il fiore del deserto. 37 Vor dem Hintergrund der Storia dell’astronomia mit ihrem Anfang der Astronomie im Staunen der ersten Menschen über den nächtlichen Sternenhimmel (s. o.) entwirft der Canto notturno so etwas wie eine revidierte Urszene der Astronomie. 38 Das Gedicht hebt an mit einer Apostrophe an den Mond. Sein 36 Mit Blumenberg ließe sich hier skeptisch anmerken, ob nicht auch in der von Leopardi so aggressiv betriebenen Marginalisierung des Menschen wiederum ein recht menschlicher Zug zum Vorschein kommt: «Einem einzigen Verdacht auf ein letztes - vielleicht sogar das größte - Quantum an Anthropozentrik können wir uns nicht mehr entziehen, würden es wohl niemals wollen: deren unterkühltem Residuum, das in der Befriedigung an ‹reiner› Rationalität, am gelungenen Selbstauszeichnungsverzicht, besteht. Denn eben dadurch schon zeichnen wir uns aus, daß wir so hartnäckig bis verzweifelt darauf verzichten, von der Natur ausgezeichnete Wesen zu sein» (Blumenberg: Vollzähligkeit der Sterne, 274). 37 Die Canti werden zitiert nach Leopardi: Poesie e prose. Vol.-1. 38 In der Storia dell’astronomia hieß es ja bereits: «Le solitudini, i deserti furono i primi osservatorii astronomici» (Leopardi: Poesie e prose. Vol.- 2, 576 [«Die Einsamkeiten und Einöden waren die ersten Observatorien der Astronomie»]). In einer etwas weitschweifigen Studie des Canto notturno, die Leopardis Gedicht zuweilen aus den Augen verliert, führt Bortolo Martinelli mehrere aufschlussreiche Intertexte an, besonders aus der astronomischen Traktatliteratur des 18.- Jh., z. B. Noël-Antoine Pluches Spectacle de la nature (1732-42), Jérôme Lalandes Traité de l’astronomie (1764) und Jean-Sylvain Baillys Histoire de l’astronomie ancienne (1781). Aus ihnen erhellt einerseits die Wahl des Hirten als lyrischer Sprecher, wurden doch nach einer weitverbreiteten Tradition Hirtennomaden die ersten Sternbeobachtungen zugeschrieben. Zum anderen kontrastiert die im Verlaufe des Canto sich als Möglichkeit abzeichnende Grundlosigkeit des Universums denkbar scharf mit dem physikotheologisch aufgeladenen Tenor von Leopardis Quellen, die in Heiterkeit, posthuman 143 zyklischer Auf- und Untergang, das unerschütterliche Regelmaß der Mondphasen wird dem lyrischen Ich zur Metapher seiner eigenen von der Routine immer gleicher Verrichtungen gezeichneten Existenz: «Somiglia alla tua vita-| La vita del pastore» (v.-9sq. [«Es gleicht deinem Leben das Leben des Hirten»]). Sowohl dem Gang des Mondes als auch den zirkulär verlaufenden Wegen des Hirten scheint es an einem Ziel zu gebrechen. Zugleich aber wird bereits hier dem Mond die Möglichkeit einer anderen, erhabeneren Perspektive zugeschrieben: E tu certo comprendi Il perchè delle cose, e vedi il frutto Del mattin, della sera, Del tacito, infinito andar del tempo. (Canto notturno, vv.-69-72) [Und du begreifst gewiss das Weshalb der Dinge, und siehst die Frucht des Morgens, des Abends, des schweigsamen, unendlichen Laufs der Zeit.] Die genauere Beschaffenheit eines solch lunaren Blicks aber bleibt zwangsläufig unartikuliert, dem Hirten steht nur seine eigene, pessimistisch getönte Perspektive zu Gebote: Spesso quand’io ti miro Star così muta in sul deserto piano, Che, in suo giro lontano, al ciel confina; Ovver con la mia greggia Seguirmi viaggiando a mano a mano; E quando miro in cielo arder le stelle; Dico fra me pensando: A che tante facelle? Che fa l’aria infinita, e quel profondo Infinito seren? che vuol dir questa Solitudine immensa? ed io che sono? Così meco ragiono: e della stanza Smisurata e superba, E dell’innumerabile famiglia; Poi di tanto adoprar, di tanti moti D’ogni celeste, ogni terrena cosa, Girando senza posa, Per tornar sempre là donde son mosse; Uso alcuno, alcun frutto Indovinar non so. […] (Canto notturno, vv.-79-98) der Pracht des Universums einen Verweis auf die Größe und Allmacht seines Schöpfers erkennen; cf. Bortolo Martinelli: «Il pastore e l’astronomo. La scena del Canto notturno», in: Otto/ Novecento 23.2 (1999), 5-66. 144 Paul Strohmaier [Oft, wenn ich dich betrachte, wie du so stumm über der öden Ebene stehst, die in ihrem fernsten Umkreis an den Himmel grenzt; oder wie du mir mit meiner Herde folgst, gemeinsam ziehend Hand in Hand; und wenn ich am Himmel die Sterne strahlen sehe, spreche ich in Gedanken zu mir selbst: Wozu all diese Fackeln? Was soll diese unendliche Luft und diese tiefe ruhende Unendlichkeit? Was soll diese unermessliche Einsamkeit bedeuten? Und was bin ich? So spreche ich zu mir sowohl von der grenzenlosen und erhabenen Kammer als auch von der zahllosen Familie. In all dieser Geschäftigkeit, in all diesen Regungen jedes himmlischen, jedes irdischen Dings, das rastlos kreist, um stets zurückzukehren, woher es kam, vermag ich keinen Nutzen, keinen Zweck zu erraten.] Der Blick des Hirten in die unermessliche Weite des nächtlichen Sternenhimmels führt nicht, wie etwa in jener oben zitierten Urszene der Astronomie, wie sie die Storia dell’astronomia noch entfaltet, zu einem Moment erhabener Andacht, vielmehr gerät sie ihm zur pessimistischen Epiphanie. Auch wenn in der Metapher der «stanza-| Smisurata e superba» (v.-90sq.) für das nächtliche Himmelszelt ein Rest kosmologischen Staunens nachhallt, bleibt die mehrfach betonte Weite der Szenerie («l’aria infinita», v.- 87; «Infinito seren», v.- 88; «Solitudine immensa», v.- 89) befremdlich leer. Das All präsentiert sich vielmehr als Mechanismus, als machina mundi, die sich in ihrem reinen Funktionieren selbst genügt. Dabei ist es durchaus überraschend, dass Leopardi ein solches Ausmaß an Desillusioniertheit einem Sprecher zukommen lässt, der als Hirte eigentlich noch jenem Entwicklungsstadium in der Geschichte des Menschen zuzuordnen wäre, in welchem die inganni intakt und nicht durch das Ernüchterungswerk der Reflexion gebrochen sind. 39 Entsprechend heißt es im Inno ai Patriarchi über die Anfänge der Menschheit, die typologisch auch der Kulturstufe des Hirten entsprächen: […] ma di suo fato ignara E degli affanni suoi, vota d’affanno Visse l’umana stirpe; alle secrete Leggi del cielo e di natura indutto Valso l’ameno error, le fraudi, il molle Pristino velo; e di sperar contenta Nostra placida nave in porto ascese. (Inno ai Patriarchi, vv. 97-103) [doch in Unkenntnis ihres Schicksals und ihrer Leiden lebte frei von Leid der Menschen Geschlecht; über den geheimen Gesetzen des Himmels und der Natur hingen der liebliche Irrtum, die Täuschungen, der weiche Schleier der ersten Zeit; und froh an Hoffnung lief unser ruhiges Schiff ein in den Hafen.] 39 Man vergleiche hierzu die zahlreichen Einträge unter dem Lemma «SELVAGGI, SEL- VAGGIO» im Indice analitico des Zibaldone (Ausgabe Damiani). Heiterkeit, posthuman 145 Auch wenn es wenig plausibel wäre, Leopardis Hirten im Canto notturno eine präzise Kenntnis jener «secrete- | Leggi del cielo» im Sinne astronomischen Wissens zu unterstellen, wird im Vergleich der beiden Canti deutlich, dass für den pastore jener «molle-| Pristino velo» nicht mehr intakt ist. In Gänze kann der Canto notturno damit als eine Auslotung des kosmologischen Ortes jenes Bewusstseins begriffen werden, für das der genannte Schleier ein erstes Mal zerrissen ist. Der Hirte selbst nimmt dabei in seiner nächtlichen Befragung des Mondes eine instabile Zwischenposition ein zwischen zwei Seinsweisen, die ihm beide gleichermaßen unzugänglich sind: der (vermuteten) epistemischen Vollkommenheit der luna einerseits und der in sich ruhenden Zufriedenheit der greggia andererseits, die gerade auf deren Freiheit von Bewusstsein beruht: «Tu se’ queta e contenta; -| E gran parte dell’anno-| Senza noia consumi in quello stato» (vv.-114-116 [«Ruhig bist du und zufrieden und einen großen Teil des Jahres verbringst du ohne Überdruss in diesem Zustand»]). Im verfremdeten Gewand der bukolischen Tradition entwickelt der Canto notturno damit angesichts des nächtlichen Himmels eine (hypothetische) Hierarchie von Bewusstseinsstufen. Dem mittleren, in seinem epistemischen Zugriff eng umschränkten Verstand des Menschen korrespondiert nach oben die epistemische Fülle des Mondes, nach unten die vollkommene Unbewusstheit der Herdentiere. Die beiden dem Hirten selbst unzugänglichen Extrema dieses Bewusstseinsspektrums bilden beide in eigener Weise die Fluchtpunkte einer Glücksvermutung: als epistemische Vollkommenheit im Fall des Mondes, als, wenn man so will, animalische Vollkommenheit im Fall des Herdentiers. In dieser unter nächtlichem Himmel entfalteten Topologie jedoch liegt das Glück immer anderswo. In der von Rastlosigkeit geprägten Mittelposition des Hirten ist es nicht auffindbar. 40 Dabei legt der Canto notturno in den Worten des Hirten zugleich eine Dynamik frei, die dem Sprecher selbst unzugänglich bleibt. Dramatisieren die Klagen des pastore gewissermaßen den Sündenfall des Bewusstseins, das der Geborgenheit in seinen angestammten Illusionen verlustig gegangen ist, bildet doch auch dieser disinganno nur den Anlass zu anderen, neuen inganni. Es ist gerade die komplementäre Opposition von luna und greggia, die das verdeutlichen kann, denn, so ließe sich fragen: Woher gewinnt Leopardis Hirte überhaupt die Vermutung, der Mond könne ein Bewusstsein haben, noch dazu eines, das dem des Menschen bei weitem überlegen sei? Man könnte hierbei kursorisch auf ein animistisches Weltverständnis verweisen, doch scheint es dem epistemologischen 40 Cf. vv.-117-121: «Ed io pur seggo sovra l’erbe, all’ombra,-| E un fastidio m’ingombra-| La mente, ed uno spron quasi mi punge-| Sì che, sedendo, più che mai son lunge-| Da trovar pace e loco» [«Ich aber sitze im schattigen Gras und Verdruss beschwert meinen Geist, als stäche mich ein Sporn, sodass ich, sitzend, weiter denn je davon entfernt bin, Ruhe und Frieden zu finden»]. 146 Paul Strohmaier Tenor des Gedichts angemessener, dieses hypothetische Mondbewusstsein als Resultat inferenzieller Verfahren durch den pastore selbst zu begreifen. 41 So vollzieht der Hirte, in seinem klagenden Ausgriff in den nächtlichen Himmel, im Grunde nicht anderes als die Reduplikation jener epistemischen Differenz, die er zwischen sich selbst und den Tieren seiner Herde gewahrt, und schreibt dem Mond einen analogen epistemischen Überschuss gegenüber der Unvollkommenheit menschlicher Erkenntnis zu (Tier-: Mensch-= Mensch-: Mond). Erst aus dieser qua Analogie gewonnenen Hypothese eines lunaren Bewusstseins, das einen qualitativen Unterschied verheißt wie die anthropologische Differenz zum Tier, nur diesmal in Hinsicht auf den Menschen, erwächst dem Hirten eine Möglichkeit des Trosts. Wenigstens sub specie lunae mag sich in der Mühsal des Lebens und der Feindseligkeit der Welt eine Harmonie oder zumindest eine Form der Intelligibilität einstellen, die menschlicher Erfahrung unzugänglich ist. Der imaginierte Aufschwung des Hirten in der letzten Strophe des Gedichts lässt sich somit auch als Affirmation eines inganno lesen, den sich der pastore selbst inferenziell erworben hat, um die Folgen des ersten disinganno ertragen zu können (ohne dies freilich selbst zu durchschauen): 42 Forse s’avess’io l’ale Da volar su le nubi, E noverar le stelle una ad una, O come il tuono errar di giogo in giogo, Più felice sarei, dolce mia greggia, Più felice sarei, candida luna. (Canto notturno, vv.-133-138) [Vielleicht wenn ich Flügel hätte, um über den Wolken zu schweben und die Sterne zu zählen, einen nach dem anderen, oder wie der Donner zu irren von Joch zu Joch, wäre ich glücklicher, meine liebe Herde, wäre ich glücklicher, strahlend weißer Mond.] Die Crux des aufrechten Gangs, die der pastore im Vergleich mit der greggia exemplarisch verkörpert, wird - wenigstens in Form eines irrealen Bedingungsgefüges - kompensiert durch eine Variante des Seelenflugs. 43 Dem befiederten 41 Die epistemologische Dimension des Gedichts zeigt sich in den zahlreichen Markierungen von Zweifel und Ungewissheit wie «forse» (v.-60, 62, 132, 139, 141) und «credo» (v.-106), syntaktisch aber auch in den insgesamt zwölf Interrogativsätzen im Gedichtverlauf. 42 Für einen instruktiven Vergleich dieses Aufstiegsgeschehens mit Pico della Mirandolas Vorstellung einer dignitas hominis, der in Leopardis Aufwertung der Imagination zugleich ein kompensatorisches Vermögen gegenüber der inhärenten Negativität menschlicher Existenz geltend macht, cf. Barbara Kuhn: «‹Forse s’avess’io l’ale›. Leopardi im Dialog mit Pico oder: dignitas und indignazione des Menschen», in: Romanische Forschungen 116.4 (2004), 485-501. 43 Diese qua Imagination durchgespielte Glückshypothese des Hirten gleicht in auffallender Weise jener enthusiastischen Beschreibung kreatürlichen Glücks in der wohl außerge- Heiterkeit, posthuman 147 Aufschwung des Bewusstseins entspricht eine unerhörte epistemische Fülle, denn im Zählen der Sterne («noverar le stelle una ad una», v.-135) nähert sich das Ich der epistemischen Vollkommenheit Gottes an, von dem es in Psalm 146 heißt: «numerat multitudinem stellarum et omnes nomine suo vocat» (Ps. 146,4). Die lyrische Einübung eines sideralen Blicks, von dem aus sich das Übel der Welt und des menschlichen Lebens als schlüssig und sinnhaft erweisen könnte, bleibt im Canto notturno jedoch unvollkommen. Der imaginierte Aufschwung des Hirten zu den Sternen wird durch den Beschluss des Gedichts aufgefangen, der wenigstens hypothetisch die Alternative eines kosmisch gewendeten Pessimismus formuliert, dem auch luna und greggia zuzuordnen wären. 44 Einen weiteren Schritt in dieser imaginativen Praxis sideralen Sehens hingegen markiert die vierte Strophe aus La ginestra, in der die eudämonistische Hoffnung, die der pastore dem anderen, ‹höheren› Blick zuwandte, freilich getilgt ist: Sovente in queste rive, Che, desolate, a bruno Veste il flutto indurato, e par che ondeggi, wöhnlichsten aller Operette morali, dem Elogio degli uccelli. Auch dort ist ihre Fähigkeit, zu fliegen und die Dinge von oben wahrzunehmen, wesentliches Element der den Vögeln zugeschriebenen felicità: «per la qual potenza godono tutto giorno immensi spettacoli e variatissimi e dall’alto scuoprono, a un tempo solo, tanto spazio di terra, e distintamente scorgono tanti paesi coll’occhio, quanti, pur colla mente, appena si possono comprendere dall’uomo in un tratto; s’inferisce che debbono avere una grandissima forza e vivacità, e un grandissimo uso d’immaginativa» (Leopardi: Poesie e prose. Vol.- 2, 158sq. [«durch welches Vermögen sie jeden Tag die gewaltigsten und abwechslungsreichsten Schauspiele genießen und von oben - in einem Moment - soviel Raum überblicken und so viele Landstriche mit dem Auge präzise erkennen, dass man diese mit dem Verstand kaum auf einmal erfassen kann. Man vermutet, dass sie eine sehr ausgeprägte Kraft und Lebendigkeit besitzen und eine gewaltige Imagination»]). Vor der Folie des Canto notturno bilden die Vögel im Elogio degli uccelli damit eine Art Synthese von luna und greggia, von epistemischer (oder doch ästhetischer) Weite des Blicks und animalischer Unbekümmertheit. Besonders ist dabei, dass die hypothetische Einhegung dieser Glücksmöglichkeit, wie sie typisch für den pastore ist, hier gänzlich in den Hintergrund rückt. 44 Diese durch das alternative «Forse» und «O forse» (v.- 133 u. 139) offengehaltene Unbestimmtheit, welche die letzte Strophe des Canto notturno strukturiert, will Martinelli nicht gelten lassen, der das Gedicht vielmehr durch eine Frage-Antwort-Struktur bestimmt sieht: «alla domanda iniziale: ‹Che fai tu, luna in ciel? -| dimmi che fai,-| silenziosa luna? ›, corrisponde invero la sentenza finale, che sigilla epigraficamente la conclusione dell’inchiesta: ‹è funesto a chi nasce il dì natale›» (id.: «Il pastore e l’astronomo», 26). Das lässt aber doch die subtil durchgehaltene Struktur der Unentschiedenheit aus dem Blick geraten, die in Wahrheit den gesamten Canto durchzieht. Jedenfalls mag man berechtigt fragen, wieviel Gesetzeskraft einer solchen «sentenza finale» zukommen kann, die Martinelli im letzten Vers erblicken will, wenn diese wiederum zweifach durch «forse» (v.-139 u. 141) eingehegt wird. 148 Paul Strohmaier Seggo la notte; e su la mesta landa In purissimo azzurro Veggo dall’alto fiammeggiar le stelle, Cui di lontan fa specchio Il mare, e tutto di scintille in giro Per lo vóto seren brillare il mondo. E poi che gli occhi a quelle luci appunto, Ch’a lor sembrano un punto, E sono immense, in guisa Che un punto a petto a lor son terra e mare Veracemente; a cui L’uomo non pur, ma questo Globo ove l’uomo è nulla, Sconosciuto è del tutto; e quando miro Quegli ancor più senz’alcun fin remoti Nodi quasi di stelle, Ch’a noi paion qual nebbia, a cui non l’uomo E con la terra sol, ma tutte in uno, Del numero infinite e della mole, Con l’aureo sole insiem, le nostre stelle O sono ignote, o così paion come Essi alla terra, un punto Di luce nebulosa; al pensier mio Che sembri allora, o prole Dell’uomo? […] (La ginestra, vv.-158-185) [Oft sitze ich nachts an diesen menschenleeren Ufern, welche die raue Woge in Dunkel hüllt, und die selbst zu wogen scheinen; und über der tristen Heide sehe ich im reinsten Blau die Sterne von oben herableuchten, denen in der Ferne das Meer als Spiegel dient, und die Welt in den Funken ringsum strahlen in der heiteren Leere. Und wenn ich die Augen auf diese Lichter richte, die ihnen als Punkt erscheinen und die unermesslich sind, sodass ihnen Erde und Meer wahrhaftig nicht mehr sind als ein Punkt; denen nicht nur der Mensch, sondern diese Erdkugel, wo der Mensch nichts ist, vollkommen unbekannt sind; und wenn ich gar jene endlos entfernten Sternknoten betrachte, die uns als Nebel erscheinen, denen nicht nur Mensch und Erde, sondern unsere Sterne, unendlich an Zahl und Masse, zusammen mit der goldenen Sonne, entweder unbekannt sind oder so erscheinen, wie jene auf der Erde: ein Punkt nebligen Lichts; als was erscheinst du meinem Nachdenken dann, oh Menschengeschlecht? ] Der zitierte Abschnitt inszeniert ein komplexes optisches Geschehen. Das Ich sitzt einsam an der Küste, betrachtet den Sternenhimmel und dessen Reflexe im nächtlich dunklen Meer. Der Blick auf die winzigen, punktförmigen Sterne wird konterkariert durch das Wissen von ihrer die Erde vielfach übertreffenden Heiterkeit, posthuman 149 Größe, so dass sich ein zweiter, gleichsam von den Sternen zurück auf die Erde gerichteter Blick eröffnet, von dem aus die Erde ihrerseits nur mehr punktgroß ist. 45 An Winzigkeit überboten wird sie nur noch von den Menschen und selbst die Bezugsgröße vorneuzeitlicher Kosmologien, unser Sonnensystem, wird unbedeutend angesichts der unzähligen potentiellen Sonnen in der Milchstraße. Auch das nächtliche Ich erblickt damit im Sternenhimmel letztlich sich selbst, jedoch nicht im Sinne eines naiven Geozentrismus, sondern vielmehr in seiner kosmischen Marginalität. Die Vielzahl der Sterne ist die bildgewordene Kontingenz alles Irdischen. Dabei muss ein weiterer Aspekt hervorgehoben werden, der für Leopardis Interesse an der Astronomie und deren imaginative Entgrenzungspotenziale wichtig ist. Der kosmische Raum wird bezeichnenderweise als «vòto seren» (v. 166 [«heitere Leere»]) gefasst. Insgesamt fällt auf, dass nahezu sämtliche Texte Leopardis, die in irgendeiner Weise die Astronomie berühren, von einer Isotopie der Ruhe, des Ruhens und der Gelassenheit durchzogen werden. Das gilt auch für die Canti. In La vita solitaria etwa wird der Mond, mit dem das Ich in Zwiesprache tritt, als «serena- | Dominatrice dell’etereo campo» (v.- 101sq. [«heitere Herrscherin über die ätherischen Gefilde»]) tituliert. Tranquillità, quiete, serenità und die zugehörigen Adjektive kehren in diesen Texten stets wieder und werden in aller Regel dem Weltraum oder den einzelnen Gestirnen zugeschrieben, immer wieder aber auch - und das ist entscheidend - dem betrachtenden Subjekt. Kurzum: die immer wieder vorgenommene, imaginäre Betrachtung der Erde vor dem Hintergrund eines unendlich weiten, indifferenten Raumes führt zu einer affektiven Übertragung oder genauer: einer affektiven Entleerung. Einer der antiken Namen dieses von Affekten befreiten 45 Diese Praxis imaginativer Distanznahme von der umgebenden Nahwelt hat bereits antike Vorläufer. In den Selbstbetrachtungen des Marc Aurel etwa findet man im Zusammenhang einer Therapeutik des Strebens nach Ruhm und äußerer Anerkennung auch folgenden Passus: «Bedenke doch, wie rasch alles vergessen wird, und denk an die Kluft der unendlichen Zeit nach beiden Seiten hin und an das Nichtige des Beifalls und an den Wankelmut und die Urteilslosigkeit der Menschen, die dich zu loben scheinen, und die Kleinheit der Stätte [τὸ στενὸν τοῦ τόπου], in der sich dies alles abspielt! Die ganze Erde ist ja nur ein Punkt [ὅλη τε γὰρ ἡ γῆ στιγμὴ], und ein wie kleiner Fleck von ihr ist diese Wohnstätte der Menschen! Und wie wenige sind dort, und was für Leute sind es, die dich loben werden! » (Marc Aurel: Selbstbetrachtungen. Übers. von Wilhelm Capelle. Stuttgart: Kröner 12 1973, 33sq. [IV, 3]). Anders jedoch als bei Leopardi ist hier noch die regulierende Idee einer kosmischen Ordnung und Harmonie intakt, verbunden mit der stoischen Vorstellung einer den Lauf der Dinge regulierenden Vorsehung (πρόνοια). Weder die Vorstellung eines unendlich ausgedehnten Universums noch die den ontologischen Vorrang der Erde destabilisierende Hypothese von einer Vielzahl bewohnter Welten kommen hier zum Austrag. Leopardis Distanznahme ist folglich ohne den Beitrag der modernen Astronomie zur räumlichen und axiologischen Selbstverortung des Menschen undenkbar. 150 Paul Strohmaier Seelenzustands aber ist serenitas, zu Deutsch: Heiterkeit. 46 Bezeichnenderweise wiederholt der Blick in das «vòto seren», der seinerseits serenitas freisetzt, ebenjene semantische Bewegung, die in der Etymologie des Begriffs greifbar wird. In der Etymologie von serenitas findet sich eine metaphorische Übertragung, die sich analog verhält zu dem hier thematisierten Blick in den Himmel und zu den Sternen. Das zugrundeliegende Adjektiv serenus bedeutet zunächst ‹heiter›, ‹hell›, ‹klar›, ‹wolkenlos› und bezieht sich auf Wörter wie caelum, nox, aër und damit auf die Sphäre des Himmels und der Gestirne. Erst in übertragener Bedeutung wird daraus ‹heiter›, ‹fröhlich›, ‹ruhig›, ‹gelassen› mit typischen Bezugswörtern wie animus, vita, vox und damit die Kennzeichnung eines seelischen Zustands. Auch das deutsche heiter enthält diese Polysemie, geht es doch auf das altnordische heiđ zurück, das so viel bedeutet wie ‹klarer Himmel›. 47 Die Heiterkeit, die der Titel dieses Beitrags verheißen hat, ist damit vielleicht eine andere, als man erwartet haben mag, doch scheint sie mir zentral, um das anhaltende Interesse Leopardis an der Astronomie über die Jugendwerke hinaus zu begreifen. Während im Saggio die Perspektivierung menschlicher Geschichte als Fortschrittsgeschehen eine deutliche Abkühlung erfahren hat und in der Folge Fortschrittsverheißungen ganz allgemein nur mehr zu jener diskursiven Konkursmasse zählen, über die sich trefflich ironisieren lässt, bleibt der astronomische Blick in seiner ästhetischen Wendung erhalten; allerdings nicht mehr in seinen segensreichen Potentialen für die Menschheit, sondern in seiner seltsam erhebenden Wirkung auf den Einzelnen, der fähig ist, die eigene Marginalität im All zu genießen. Diese Heiterkeit aber hat etwas Unmenschliches, oder Nachmenschliches, eben: Posthumanes, weil diese Form der Distanznahme und Entgrenzung durch die in den Kosmos ausgreifende Imagination durchzogen ist von einem Moment der Nichtung. Sie impliziert immer schon das baldige Ende der Menschheit oder gelegentlich des Universums selbst, und erst aus dieser Relativierungsgeste heraus stellt sich die genannte Form der ruhigen Heiterkeit ein. Die Angleichung des Ichs an die menschenferne Ruhe der Gestirne erinnert damit an jene Szene 46 Zur Begriffsgeschichte der serenitas cf. die Studie von Seraina Plottke: «Semantiken der Seelenruhe. tranquillitas, serenitas und impassibilitas in der paganen Antike, bei den Kirchenvätern und im lateinischen Mittelalter», in: Semantik der Gelassenheit. Generierung, Etablierung, Transformation. Hg. von Burkhard Hasebrink / Susanne Bernhard / Imke Früh. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2012, 80-112. 47 Cf. hierzu ibid., 89: «Die zu den Adjektiven tranquillus und serenus gebildeten Substantive stammen eigentlich aus dem Bereich des Wetters. Mit tranquillitas wird die Wind- oder Meeresstille und überhaupt das stille und ruhige Wetter bezeichnet, serenitas meint in der Grundbedeutung das heitere und klare Wetter, den heiteren Himmel und allgemein die Heiterkeit oder Klarheit». Heiterkeit, posthuman 151 aus La vita solitaria, in der das lyrische Ich sich an einem stillen Seeufer in seinem Ruhigwerden gleichsam selbst aufzulösen beginnt: Tien quelle rive altissima quiete; Ond’io quasi me stesso e il mondo obblio Sedendo immoto; e già mi par che sciolte Giaccian le membra mie, né spirto o senso Più le commova, e lor quiete antica Co’ silenzi del loco si confonda. (La vita solitaria, vv. 33-38) [In tiefster Stille liegen die Ufer, wo ich reglos sitzend gleichsam mich selbst und die Welt vergesse; und schon scheint es mir, als lägen meine Glieder gelöst, als regte sie weder Atem noch Geist, und ihre uralte Ruhe ginge ein in das Schweigen des Ortes.] Die Isotopie der Ruhe und des Schlafs («altissima quiete», «sciolte-| Giaccian le membra mie») wird intensitär soweit gesteigert, dass sie sich dem Tod annähert, wenn am tiefsten Punkt der Ruhe der Atem selbst suspendiert erscheint («né spirto o senso-| Più le commova»). Nur durch das einschränkende «quasi» und die einhegende Formulierung «mi par che» bleiben Hypnos und Thanatos noch unterscheidbar. Doch wird durch die Ambiguisierung dieser «altissima quiete» einigermaßen transparent, inwieweit jene «momenti», von denen anfangs anlässlich des Gattopardo di Rede war, «più simili alla morte» sind. 48 Die Berücksichtigung von Leopardis intensiver Befassung mit der Astronomie und deren Fruchtbarmachung für die Interpretation der Canti soll hier durchaus nicht dahingehend verstanden werden, dass die behandelten Gedichte die andernorts bereits gewonnenen Zusammenhänge von astronomischer Reflexion und imaginativer Entgrenzung im Medium der Lyrik lediglich ein weiteres Mal artikulieren. Weder der Canto notturno noch La ginestra lassen sich auf die hier entwickelte Propädeutik eines sideralen Blicks reduzieren. Vielmehr lässt sich die Berücksichtigung der Astronomie auch für die Canti aus einer Eigenheit lyrischer Sprache und lyrischen Sprechens begründen, die Leopardi selbst entwickelt hat. In einem Eintrag im Zibaldone vom 26. Juni 1826 entfaltet er die Besonderheit dichterischer Sprache in einer Konstrastierung von parole precise und parole vaghe. Während erstere für die wissenschaftliche Erfassung der Welt und die philosophische Begriffsbildung unerlässlich seien, gelte für die Dichtung das Gegenteil: «Al poeta e al letterato per lo contrario [convengono] le parole più vaghe, ed esprimenti idee più incerte, o un maggior numero d’idee» (Zib. 1226 [«Dem Dichter oder Literaten hingegen gebühren möglichst 48 Peter Sloterdijk hat für dieses Verfahren der Selbstausblendung im Akt reiner Kontemplation die in unserem Zusammenhang überaus treffende Metapher eines ‹Scheintods im Denken› entwickelt (cf. Peter Sloterdijk: Scheintod im Denken. Von Philosophie und Wissenschaft als Übung. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2010). 152 Paul Strohmaier vage Wörter, die möglichst ungewisse Ideen ausdrücken oder eine große Zahl an Ideen»]). Die Eigenheit lyrischer Rede besteht damit nicht in präziser Denotation, sondern in einer suggestiven Fülle an Konnotationen. Durch diese allein erklärt sich die lyrische Effizienz von Wörtern wie luna, notte, immenso, lontano etc., die nicht in der Besonderheit ihrer Bedeutungen liegt, sondern in der Besonderheit ihres Bedeutens: als Kristallisationspunkte von potentiell unerschöpflichen Assoziationsclustern. Verfährt die Sprache der Wissenschaften und der Philosophie (und eben auch die mathematisierte Astronomie) nach dem Gebot der Eindeutigkeit und Prägnanz, setzt die Sprache der Lyrik auf Resonanz. 49 Das heißt aber auch, dass alles, was diesen Konnotationsspielraum lyrischer Rede erweitert, prinzipiell ihrer Besonderheit zuträglich ist. In genau diesem Sinne aber scheint mir die Berücksichtigung der Storia dell’astronomia, des Saggio und der einschlägigen Operette morali die generische Besonderheit der Canti nicht zu verringern, sondern vielmehr zu befördern. Leopardis Befassung mit der Astronomie versieht die zahlreichen Mondapostrophen und Blicke ans nächtliche Firmament nur mit einer weiteren Bedeutungsfolie, ohne sie zu doxographischen Bebilderungen astronomischer Erkenntnis zu reduzieren. In den scheinbar atemporalen Begegnungen von lyrischem Ich und luna hallt damit immer auch die Ambivalenz der postkopernikanischen Conditio nach und der Wunsch nach einer Transzendierung eines rein menschlichen Blicks auf das Universum. In diesem Sinne ist die Parallelführung von Leopardis Astronomica und Canti vor allem auch als eines zu begreifen: als Resonanzverstärkung des lyrischen Texts. 49 ‹Resonanz› ist dabei zunächst nicht mehr als eine akustische Metapher zur Beschreibung eines semantischen Verfahrens, doch erscheint diese mit Blick auf die Erfahrung des vago e piacevole durchaus angemessen, greift doch Leopardi selbst in diesem Zusammenhang immer wieder auf lautliche und musikalische Beispiele zurück. So etwa im Zibaldone-Eintrag vom 21. September 1827: «Una voce o un suono lontano, o decrescente e allontanantesi appoco appoco, o eccheggiante con un’apparenza di vastità ec. ec. è piacevole p[er] il vago dell’idea ec. Però è piacevole il tuono, un colpo di cannone, e simili, udito in piena campagna, in una gran valle ec. il canto degli agricoltori, degli uccelli, il muggito de’ buoi ec. nelle med[esime] circostanze» (Zib. 4293 [«Eine Stimme oder ein ferner Klang, abklingend oder sich nach und nach entfernend oder mit einem Anschein von Weite widerhallend usw. usw. gefällt wegen der Vagheit der Idee usw. Doch gefällt der Donner ebenso wie Kanonenfeuer und Ähnliches, vernommen inmitten einer Landschaft, einem weiten Tal usw. der Gesang der Bauern, der Vögel, das Muhen der Rinder usw. unter den gleichen Umständen»]). Entscheidend hier ist nicht das lautliche Phänomen (Donner, Gesang) für sich genommen, sondern die Weise seiner räumlichen Entfaltung mit ihrer Suggestion von Weite («un’apparenza di vastità»). Im Feld der Bedeutungen der - meist auch wegen ihrer Klangeigenschaften geschätzten - parole vaghe beschreibt ‹Resonanz› damit ein analoges Phänomen: das Vermögen dieser besonderen Wörter, durch ihre Artikulation eine ganze semantische ‹Landschaft› mitzusuggerieren. Heiterkeit, posthuman 153 4. Schluss: Undichte Pessimismen? Es bleibt abschließend zu erwägen, inwiefern Leopardis Beschäftigung mit der Astronomie und die hierin immer wieder genossene Entgrenzung der Imagination als anti-pessimistische Strategie begriffen werden können. Zunächst gilt es festzuhalten, dass die Bezeichnung ‹anti-pessimistisch› mit Bedacht gewählt ist. Sie meint gewiss nicht einfach ‹optimistisch›, sondern - so mein Vorschlag - ein im Pessimismus selbst angelegtes Moment des Widerstands, eine innere Spannung, die möglicherweise konstitutiv für den Pessimismus selbst ist. 50 Innerhalb von Leopardis Pessimismus jedenfalls eröffnet der imaginative Ausgriff in den Kosmos und die Solidarisierung mit einem a-humanen Universum eine Art Hintertür, die es dem geeigneten Einzelnen wenigstens momenthaft erlaubt, sich der Logik von inganno und vane speranze im Zustand vollendeter serenità zu entziehen. Dass es sich bei solchen intra-pessimistischen Exit-Strategien womöglich um ein konstitutives Moment solcher Systeme handelt, legt zumindest ein analoges Schlupfloch in der Willensphilosophie Schopenhauers nahe. In Die Welt als Wille und Vorstellung wird der Ästhetik eine ganz ähnliche, den Willen überwindende (oder doch: sistierende) Lizenz eingeräumt. So heißt es dort über den Moment der ästhetischen Einstellung: Wann aber äußerer Anlaß oder innere Stimmung uns plötzlich aus dem endlosen Strome des Wollens heraushebt, die Erkenntniß dem Sklavendienste des Willens entreißt, die Aufmerksamkeit nun nicht mehr auf die Motive des Wollens gerichtet wird, sondern die Dinge frei von ihrer Beziehung auf den Willen auffaßt, also ohne Interesse, ohne Subjektivität, rein objektiv sie betrachtet, ihnen ganz hingegeben, sofern sie bloß Vorstellungen, nicht sofern sie Motive sind: dann ist die auf jenem ersten Wege des Wollens immer gesuchte, aber immer entfliehende Ruhe mit einem Male von selbst eingetreten, und uns ist völlig wohl. Es ist der schmerzenslose Zustand, den 50 Diese innere Ambivalenz des Pessimismus mag auch mit dessen historischer Genese zu tun haben. Zwar kennt - und Leopardi dürfte einer der ersten gewesen sein, der konsequent darauf verwiesen hat - bereits die Antike pessimistische Formulierungen des menschlichen Daseins. Doch bleiben diese auf der Ebene vereinzelter doxographisch tradierter Einlassungen, die sich nicht - wie etwa Epikurismus, Platonismus oder Stoa - als greifbare philosophische Schule institutionalisiert haben. Begrifflich wird ‹Pessimismus› daher erst als Korrektiv zum Optimismus eines Leibniz und des Aufklärungszeitalters greifbar. Man kann daher vermuten, dass ebenso wie der Brachialoptimismus, den etwa Voltaires Candide einem Leibniz unterstellt und der historisch so kaum jemals gepflegt worden sein dürfte, auch ein Brachialpessimismus an den gleichen Plausibilitätsdefiziten laborieren würde und sich daher nach innen hin immer schon differenzieren muss, um sich als ‹authentischere› Lesart des Weltgeschehens zu behaupten. Cf. zur Entstehung des Pessimismus den Eintrag «Pessimismus», in: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Bd. 7. P-Q. Hg. von Joachim Ritter / Karlfried Gründer / Gottfried Gabriel. Basel: Schwab 1989, 386-395. 154 Paul Strohmaier Epikuros als das höchste Gut und als den Zustand der Götter pries: denn wir sind für jenen Augenblick des schnöden Willensdranges entledigt, wir feiern den Sabbath der Zuchthausarbeit des Wollens, das Rad des Ixion steht still. 51 Der Genuss der Kunst wie auch die leidenschaftsbefreite Arbeit an Begriff und Erkenntnis bilden hier zwar keine ebenbürtigen Antagonisten zur leidvollen Beschaffenheit des menschlichen Daseins, dessen ontologische Negativität sie nicht aushebeln können. Immerhin aber bieten sie, so Schopenhauer selbst, ein «Quietiv des Willens» 52 , und das heißt eben auch: eine zeitlich beschränkte Enklave, in der man vor den Anfechtungen des Willens geschützt ist. Vielleicht ist ein geschlossener Pessimismus ohne temporäre Binnenüberschreitung nicht nur nicht lebbar, sondern auch nicht dauerhaft denkbar und zumindest in diesem, freilich herabgestimmten Sinne firmiert Astronomisches bei Leopardi stets auch als Element einer anti-pessimistischen Strategie. Allerdings gilt für diese das gleiche wie für die wolkenlosen Nachtstunden des Fürsten von Salina: «Il problema vero, l’unico, è di poter continuare a vivere questa vita dello spirito nei suoi momenti più astratti, più simili alla morte.» 53 Bibliographie Aristoteles: Metaphysik. Bücher I-(A)-VI-(E). Gr.-dt. Übers. von Hermann Bonitz. Hg. von Horst Seidel. Hamburg: Meiner 3 1989. Aurel, Marc: Selbstbetrachtungen. Übers. von Wilhelm Capelle. Stuttgart: Kröner 12 1973. Bruno, Giordano: De l’infinito, universo e mondi, in: id.: Dialoghi filosofici italiani. A cura di Michele Ciliberto. Milano: Mondadori 2009, 301-454. —: Über das Unendliche, das Universum und die Welten. Hg. u. übers. von Christiane Schultz. Stuttgart: Reclam 2004. Leopardi, Giacomo: Poesie e prose. 2-vol. A cura di Rolando Damiani / Mario Andrea Rigoni. Milano: Mondadori 12 2016. —: Storia dell’astronomia, in: id.: Tutte le opere. A cura di Francesco Flora. Vol.-2. Milano: Mondadori 10 1968, 723-1069. 51 Arthur Schopenhauer: Die Welt als Wille und Vorstellung (I). Hg. von Wolfgang Freiherr von Löhneysen. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 14 2019 (Sämtliche Werke, 1), 280. Die Formulierungen, die Schopenhauer im Weiteren zur Beschreibung dieses Zustands nutzt - «reine Kontemplation, Aufgehn in der Anschauung, Verlieren ins Objekt, Vergessen aller Individualität» (ibid.) -, belegen die gedankliche Nähe zu Leopardis Wunsch nach einer Selbstaufhebung des Subjekts. 52 Ibid., 539, im Original kursiv. Schopenhauers Metapher entstammt wohlweislich der Palliativmedizin. Eine ‹Heilung› stellt sie nicht in Aussicht. 53 Tomasi di Lampedusa, Il gattopardo, 60 [«Das wahre Problem, das einzige, besteht darin, dieses Leben des Geistes fortwährend leben zu können, in seinen entrücktesten Augenblicken, die so sehr dem Tode gleichen»]. Heiterkeit, posthuman 155 —: Zibaldone. 3-vol. A cura di Rolando Damiani. Milano: Mondadori 2 2015. Schopenhauer, Arthur: Die Welt als Wille und Vorstellung (I). Hg. von Wolfgang Freiherr von Löhneysen. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 14 2019 (Sämtliche Werke, 1). Tomasi di Lampedusa, Giuseppe: Il gattopardo. A cura di Gioacchino Lanza Tomasi. Milano: Feltrinelli 98 2012. Blumenberg, Hans: Die Vollzähligkeit der Sterne. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2011. Damiani, Rolando: «Pensiero scientifico e poteri dell’immaginazione nella Storia dell’astronomia del giovane Leopardi», in: Il lettore di provincia 141.2 (2013), 9-16. Finocchiaro, Maurice A.: «A Curious History of Astronomy. 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Si tratta di un testo poetico particolare, sia per l’unicità della struttura ritmica, che riprende il modello della canzonetta arcadica (caratteristica da non considerare come casuale) sia per l’insistenza su importanti parole-chiave come cor (v.-28), o speme (v.-105) e per l’affiorare del sentimento e del lessico dello stupore, componenti fondamentali della concezione leopardiana della poesia. In questo componimento, datato al giorno di Pasqua 1828, e preceduto, nel febbraio dello stesso anno, da uno assai più breve intitolato Scherzo, Giacomo riconosce esplicitamente come essenza profonda del poetare una forma, se non l’unica, di felicità possibile. Eppure, due anni prima, l’autore aveva composto l’epistola Al Conte Carlo Pepoli, testo elaborato in chiave del tutto antitetica rispetto a quello del Risorgimento perché faceva prevalere sulla vita del cuore, dell’immaginazione o dello stupore, il concetto di «acerbo vero» (v.-140), equiparandolo tout court con quello di diletto poetico, che ne è invece la sua assoluta negazione. Si tratta di un passaggio di estremo interesse esegetico nel percorso elaborativo dei Canti che merita ancora maggiore approfondimento da parte dei commentatori del poeta di Recanati. Nach einer längeren Phase des Nicht-Dichtens, während der Leopardi offenbar definitiv auf das Schreiben in Versen verzichtet zu haben scheint, lässt sich Il risorgimento als ein Wendepunkt in der Ausarbeitung der Canti erkennen. Es ist ein besonderer lyrischer Text, sowohl durch die Einzigartigkeit der rhythmischen Struktur, die das Modell der arkadischen canzonetta aufgreift (ein keineswegs zufälliges Charakeristikum), als auch durch sein Insistieren auf wichtigen Schlüsselwörtern wie cor (v.-28) oder speme (v.-105) 160 Giuseppe Antonio Camerino und auf einer Sprache des Staunens, die grundlegende Elemente der Dichtungskonzeption Leopardis darstellen. In diesem am Ostertag 1828 entstandenen Gedicht, das auf ein deutlich kürzeres mit dem Titel Scherzo vom Februar desselben Jahres folgt, erkennt Leopardi ausdrücklich die grundlegende Essenz des Dichtens, insofern es eine, wenn nicht die einzige, Form möglichen Glücks darstelle. Doch nur zwei Jahre zuvor hatte der Autor die «Epistola» Al Conte Carlo Pepoli verfasst: einen, verglichen mit dem Risorgimento, gänzlich konträren Text, da er über das Leben des Herzens, die Vorstellungskraft oder das Staunen den Begriff des «acerbo vero» (v.-140) stellt, einen Begriff, den er hier tout court mit dem des poetischen Vergnügens gleichsetzt, der jedoch dessen absolute Negation darstellt. Hierbei handelt es sich um einen Übergang von höchster exegetischer Bedeutung im Entstehungsprozess der Canti, der einer noch eingehenderen Analyse durch die Interpreten des Dichters aus Recanati bedarf. 1 Parole chiave: cuore, speranza, rimembranza, meraviglia Schlagwörter: Herz, Hoffnung, Gedächtnis, Staunen Il termine risorse, che si legge nel titolo, è da intendere come ipotesi di una strategia alternativa alle verità più negative sull’esistenza che il poeta ha elaborato nella sua complessa ricerca umana e letteraria. L’esame concerne Il risorgimento, la cui composizione è datata al giorno di Pasqua del 1828, inserito al n.-xx nell’ordine dei Canti. È un esame in cui emergono - come si vedrà - due poli strettamente convergenti nell’arginare le conseguenze del vuoto terribile della «infausta verità» e della vanità di tutta la vita sentimentale e immaginativa dell’uomo. Si tratta anche di un testo particolare; e non solo per l’unicità della struttura ritmica, che riprende il modello della canzonetta arcadica, o perché, oltre a parole-chiave come cor (v. 28), o speme (v. 105), vi affiorano soprattutto il sentimento e il lessico dello stupore e della meraviglia, che ne costituiscono gli autentici motivi-guida, che coincidono perfettamente pure con quelli della concezione leopardiana della poesia, ma anche perché va considerato un componimento metapoetico, in cui la facoltà di poetare, di riconoscere nel canto lirico la sua natura più profonda, sembra coincidere in Leopardi con una forma di felicità possibile. E inoltre, tende a delineare un’alternativa ai duri referti della ragione sul destino dei viventi. A questa risorsa primaria si aggiunge nella parte finale della canzonetta una seconda, la cosiddetta «ingenita virtù», cioè un’innata qualità, che alla necessità di credere al «beato errore» e agli «ameni inganni» permette di arginare in qualche modo i responsi della dolorosa cognizione dell’«infausta verità» (v. 116). 1 Übersetzung des Zitats im Titel nach: Giacomo Leopardi: Canti e Frammenti. Gesänge und Fragmente. Italienisch / Deutsch. Übers. von Helmut Endrulat. Hg. von Helmut Endrulat-/ Gero Alfred Schwab. Stuttgart: Reclam 2011, 141. «Chi mi ridona il piangere dopo cotanto obblio? » 161 Circa due anni prima, l’autore aveva composto l’epistola Al Conte Carlo Pepoli, che è testo elaborato in chiave del tutto antitetica e che tuttavia, come Il risorgimento, ha pure funzione metapoetica, dal momento che, pur ponendo sempre come fine il lavoro poetico, fa precedere alla vita del cuore e dei sentimenti, dell’immaginazione e dello stupore l’attività speculativa ed eminentemente filosofica. E questa connotazione antitetica viene sancita con parole quasi identiche a quelle che si leggono in due luoghi leopardiani diversi risalenti rispettivamente al ’22 e al ’24. Tra l’altro, nel primo si legge: «Il vero certamente non è bello: ma pure anch’esso appaga o se non altro, affetta in qualche modo l’anima»; e nel secondo: «Certamente il vero non è bello. Nondimeno anche il vero può spesse volte porgere qualche diletto» 2 . È questa la sfida che il poeta rilancia ancora due anni dopo, quasi con le stesse parole, nell’epistola Al Conte Carlo Pepoli, in cui infatti egli arriva a equiparare il concetto di «acerbo vero» (v.-140) con quello di diletto poetico, che ne è invece la sua assoluta negazione, come si constata ai vv.-150-152: «In questo specolar gli ozi traendo-| Verrò: che, conosciuto, ancor che tristo,-| Ha i suoi diletti il vero» 3 . In ogni caso, per quanto paradossale questa sortita possa sembrare, Leopardi mostra di voler preservare il primato al lavoro poetico, che pure - dopo la epistola al Pepoli - egli interrompe ancora per due anni, fino al Risorgimento (anzi, a essere precisi, fino alla composizione di Scherzo, nel febbraio del 1828, datato venerdì di Carnevale: una strofa libera di endecasillabi e settenarî, in tono epigrammatico). Il cuore del poeta, che nella ‹canzonetta› del ’28 risorge, è il protagonista assoluto dello stupore: motivo che viene esplicitato nella parte finale («E de’ suoi proprii moti- | Si maraviglia il sen», v.- 147sq.) e che costituisce certamente un topos, quello dello stupore e della meraviglia, fondamentale, costruito anche - come ho dimostrato in altra sede - attraverso una rielaborazione e reinvenzione molto originale della semantica del sostantivo spavento e delle forme verbali spaura o si spaura 4 . 2 Si veda rispettivamente Zib. 2653 del 16 dicembre 1822 (Giacomo Leopardi: Zibaldone di pensieri. Edizione critica in CD-rom. A cura di Fiorenza Ceragioli / Monica Ballerini. Bologna: Zanichelli 2009), e i «Detti memorabili di Filippo Ottonieri» (in: id.: Tutte le opere. A cura di Walter Binni, con la collaborazione di Enrico Ghidetti. Vol.-I. Firenze: Sansoni 1969, 146 (cap.-V). 3 Tutte le citazioni dai Canti si basano su Giacomo Leopardi: Canti e Poesie disperse. Ed. critica diretta da Franco Gavazzeni. 3- vol. A cura di Cristiano Animosi [et al.]. Firenze: Accademia della Crusca 2009 (Vol.-I: Canti, Vol.-II: Canti. Appendici; Vol.-III: Poesie disperse). 4 Mi sia concesso rinviare al capitolo «Spavento, spaura, si spaura» in Giuseppe Antonio Camerino: Lo scrittoio di Leopardi. Processi compositivi e formazione di tópoi. Napoli: Liguori 2011, 75-87: l’accezione specificamente petrarchesca di spavento in Leopardi deriva in linea 162 Giuseppe Antonio Camerino La capacità del cuore umano di stupirsi è risorsa notevolissima che il poeta perfeziona nel tempo e si lega al sentimento di commozione per il risorgere di quella fantasia che - restituendo le usate immagini - gli restituisce pure l’essenza, la condizione stessa del fare poesia. Nell’autografo napoletano, invece che usate, si leggeva: «le passate, perdute immagini». Si tratta infatti di qualcosa di estremamente prezioso che per lui era andato smarrito, e che in seguito viene ritrovato, procurandogli una gioia inaspettata, che gli fa intravvedere una felicità possibile, ancorché precaria, da intendere come «beato errore» e che si lega indissolubilmente allo stupore e alla meraviglia che la informano. In sordina, e pur persistente, resta però la voce di un passato ancora recente, quella delle tristi verità della ragione, che tende a insidiare quel felice richiamo di resurrezione dei sentimenti e delle immagini favolose della verde età. Ne deriva da una parte un’orditura del testo in cui non pochi lemmi semanticamente affini delineano via via un sistema di motivi topici, dall’altra configura - meno velatamente di quanto possa sembrare - una raffinata esecuzione della canzonetta, modulata secondo la tecnica musicale della ‹fuga›, che di norma articola il centrale controsoggetto che replica al primo, non in netta contrapposizione, ma a parziale rettifica delle favolose immagini evocate. È come se si sovrapponessero due funzioni diverse della voce del cuore, se è vero che alle prevalenti sequenze del prodigio eccezionale di una natura non matrigna e persino suscitatrice di forte commozione, si alternano gli echi, pur sempre incancellabili, di un antico dolore. In questo alternarsi tra le incursioni di precedenti, dolorose esperienze e l’inusitato ritorno all’«error beato», non senza qualche ripresa a distanza (si pensi a versi come «mancati i dolci affanni», v.-3, e «mancàr gli usati palpiti», v.-13), si snoda senza soluzione di continuità il monologo della ‹canzonetta›, in cui si percepisce in parte pure una tecnica adottata da Metastasio in La clemenza di Tito (a.-II, sc.-VIII), melodramma musicato da Mozart e in particolare al monologo dell’imperatore protagonista modulato sulle titubanze del suo animo. E del resto, sono titubanze anche quelle espresse dal Recanatese di fronte al rinascere dei favolosi fantasmi della sua più verde età. Singolare nel Risorgimento è il metro prescelto dall’autore, che poggia sulle quartine doppie di settenarî e sulla rigorosa coordinazione di versi sdruccioli e versi tronchi (rispettivamente all’inizio e alla fine di ogni quartina): un modello adottato in particolare dai classicisti di tradizione arcadica, a cominciare dal Parini del Brindisi, che, col titolo L’età provetta, ancora Leopardi inserisce nella sua Crestomazia 5 e che è ben adattabile al motivo augurale del componimento. diretta dai vv. 53-55 della canzone CXXVI dei Rerum vulgarium fragmenta (sigla: RVF): «Quante volte diss’io-| Allor pien di spavento: -| Costei per fermo nacque in paradiso». 5 Si veda Giacomo Leopardi: Crestomazia italiana. La poesia. Introduzione e note di Giuseppe Savoca. Torino: Einaudi 1968, 269sq. «Chi mi ridona il piangere dopo cotanto obblio? » 163 E questo modello ritmico-metrico sarà poi ripreso dal Manzoni delle odi civili, in particolare del Cinque maggio, e degli Inni sacri ben noti al poeta dei Canti 6 . Se nell’iniziale doppia quartina l’avvio (o ‹esposizione›, per dirla in termini musicologici), si apre a una tonalità gioiosa per la ricomparsa dei teneri moti e dei dolci affanni di un tempo andato, già nella seconda e terza doppia quartina prende piede il primo controcanto (‹controsoggetto›, s’è detto, nella terminologia specifica) di una memoria dolente che rievoca il venir meno degli usati palpiti del sentire d’amore: il cuore si era raggelato; e in cielo luna e stelle si erano spente, scomparse dall’orizzonte: Quante querele e lacrime Sparsi nel novo stato, Quando al mio cor gelato Prima il dolor mancò! Mancar gli usati palpiti, L’amor mi venne meno, E irrigidito il seno Di sospirar cessò! Piansi spogliata, esanime Fatta per me la vita; La terra inaridita, Chiusa in eterno gel; Deserto il dì; la tacita Notte, più sola e bruna; Spenta per me la luna, Spente le stelle in ciel. (vv.-9-24) 6 Si veda Leopardi: Canti, 386, in cui, richiamando Domenico De Robertis, si rileva che «immemore» (riferimento manzoniano alla spoglia di Napoleone) è apax in Leopardi. Per Arcadia e Metastasio in Il risorgimento, oltre al già menzionato richiamo al Parini del Brindisi (id est: L’età provetta), va opportunamente ricordato la canzonetta metastasiana La libertà, testo pure antologizzato dal poeta dei Canti nella sua già menzionata Crestomazia: si veda al riguardo pure Marco Santagata: «Il risorgimento di Leopardi», in id.: Il tramonto della luna e altri studi su Foscolo e Leopardi. Napoli: Liguori 1999, 81. Ritengo non poco forzato però il giudizio complessivo che lo studioso pisano formula sul componimento in esame; in particolare quando osserva che il testo «è troppo connotato di letterarietà, troppo ligio alle convenzioni, troppo marcato da una particolare tradizione perché possa essere accettato come un normale prodotto leopardiano. Se ne eliminassimo la componente ironica e la dimensione parodica il suo sostanziale anacronismo resterebbe per l’appunto anacronistico» (ibid., 83). In verità, anche nel parlare disinvoltamente di ironia e parodia in questo componimento, c’è non poca forzatura. 164 Giuseppe Antonio Camerino Le querele e le lacrime prolungano il collegamento semantico con i «dolci affanni» e i «teneri moti del cor profondo». E allora il dolor, - intuizione rimarchevole - va inteso come sollievo, anziché come tormento, perché costituisce pur sempre un moto vivo dell’animo, un sintomo attivo per un cuore vivo e appassionato, che, ridotto a irrigidito seno - si ricordi il verso- 15 - aveva un tempo cessato di sospirare. Motivo topico che torna ancora pochi versi dopo: E la tristezza mia Era dolor ancor. (v.-31sq.) S’intende: e anche la mia tristezza, elargitrice ancora di dolore era pur sempre un moto vitale dell’animo. Versi, questi, che, sia pur in un contesto molto diverso, richiamano quelli della canzone Ad Angelo Mai (in cui il dolore appare al poeta motivo costante nella lirica italiana): […] Ahi dal dolor comincia e nasce L’italo canto. E pur men grava e morde Il mal che n’addolora Del tedio che n’affoga. […] (vv.-69-72) 7 . Si fa notare che «irrigidito il seno» è sintagma che trova poi due varianti in due iuncture situate prima e dopo: «gelato cor» al v.-11, e, ben più avanti, «spossato sen», al v.-72; mentre sospirare è verbo di chiara ascendenza petrarchesca, che Giacomo rivaluta e rielabora nel suo peculiare linguaggio lirico, soprattutto con riferimento alla passione d’amore 8 . E si fa notare altresì che il richiamo dolente a «gelato cor» e a «spossato sen» evoca in qualche modo quello che nel monologo teatrale, genere diffuso nel XVIII secolo, costituiva il cosiddetto antefatto, quasi sempre dolente, del tema centrale: nel Risorgimento infatti il poeta chiarisce che le già evidenziate sue lacrime sono originate dalla ripresa di un antico sentire («l’antico affetto», come si legge al v.-26), che certifica la vitalità del suo cuore nella sua parte più profonda e segreta, in stretta sintonia con la sua travagliata («stanca») fantasia, ricercando le beate immagini di un tempo. Si leggano questi versi: 7 Motivo centrale, questo del tedio, che - come già evidenziato in altra sede - Leopardi elabora sulla scia di forti e inequivocabili suggestioni della Vita di Alfieri: si veda ora Camerino: Lo scrittoio, 149-163. Investe pure il tema della noia il mio scritto «Leopardi lettore di Algarotti», ora in: id.: Il ‹metodo› di Goldoni e altre esegesi tra Lumi e Romanticismo. Presentazione di Paolo Viti. Galatina: Congedo 2012, 143-153. 8 Camerino: Lo scrittoio, 133-145 (cap. «Simmetrie e processi compositivi nei canti fiorentini. La parte di Petrarca»). «Chi mi ridona il piangere dopo cotanto obblio? » 165 Pur di quel pianto origine Era l’antico affetto: Nell’intimo del petto Ancor viveva il cor. Chiedea l’usate immagini La stanca fantasia: E la tristezza mia Era dolore ancor. (vv.-25-32) Il risorgere per Leopardi coincide perfettamente col rinascere alla poesia. Al gennaio 1828, ben prima di concludere la composizione della ‹canzonetta›, risale un’annotazione zibaldoniana che richiama ancora l’idea di risurrezione: «risorta la speranza» (Zib. 4301 [19-gennaio 1828]): un ritorno d’eccezione a un tempo favoloso che sembrava al poeta definitivamente precluso: cioè a quello del sentire energico e profondo del cuore e delle grandi passioni e dell’immaginazione e della fantasia e della rimembranza. Quest’ultima in particolare, sia detto per inciso, verrà riconosciuta, circa undici mesi dopo in un altro appunto, come componente «essenziale e principale nel sentimento poetico» (Zib. 4426 [14-dicembre 1828]). Nei vv.-25-32 poco prima menzionati, vanno evidenziati almeno due sintagmi semanticamente rilevanti ai fini dell’assunto poetico: «Nell’intimo del petto» (v.- 27) e «usate immagini» (v.- 29). Il primo matura attraverso lezioni attestate dall’autografo napoletano: «nel secreto, profondo], Quasi ne l’imo petto] Nel più riposto, secreto]»; il secondo, invece, conferma - insieme alla fantasia ormai provata e al senso di tristezza che ne deriva per questo - la già sottolineata funzione positiva, di fronte all’insorgere delle «usate immagini», del dolore inteso come garanzia e conferma della vigile operatività dello spirito, cioè della vita e della poesia. In quest’ottica andrebbe letto un appunto zibaldoniano del 1819, che risale cioè a circa nove anni prima della stesura de Il risorgimento, in cui il poeta rivela: è un nulla anche questo mio dolore, che in un certo tempo passerà e s’annullerà, lasciandomi in un vôto universale e in un’indolenza terribile che mi farà incapace anche di dolermi. (Zib. 72) Questa incapacità di dolersi è il rischio più grave: emerge infatti nella sequenza dei vv.-17-24, ancor prima citata, che investe via via nell’ordine: la vita («spogliata», «esanime»), la terra («inaridita», «chiusa in eterno gel»), il dì («deserto»), la notte («più sola e bruna»), la luna («spenta»), le stelle («spente»). Sono questi infatti i sei momenti entro cui l’immaginazione leopardiana racchiude lo scenario universale, primo e ultimo, della vita e della poesia. E dopo averli evi- 166 Giuseppe Antonio Camerino denziati, non a caso il poeta innesta, di nuovo, e in crescendo, un suo particolare inno alla gioia, che tuttavia, con alta perizia inventiva, quasi senza soluzione di continuità, fa sbocciare non nel pieno di una felicità risorta, ma proprio a contatto diretto con la malinconica rievocazione di immagini estreme di prostrazione e di morte, soprattutto in quei versi (vv.-33-44) in cui, a ritroso nel tempo, egli si scopre «insensato» 9 e «attonito», in una condizione assai dissimile da quel sé stesso che pur aveva nutrito nell’animo «tanto ardore» (v.- 42) e il «beato errore» (v.-44), indispensabili alla vita della poesia, che coincide - s’è già detto - con quella del sogno, dello stupore, dell’immaginazione e della rimembranza: una condizione d’animo solo due anni prima - come s’è già accennato - emersa nella epistola Al Conte Carlo Pepoli (v.-140sq.), in cui invece si tentava di sanare l’irredimibile conflitto tra cuore e ragione solo in virtù di una sfida titanica al destino di infelicità che una razionale filosofia imponeva all’autore, il quale, non a caso, affermava di voler «investigar» e «specolar» l’«acerbo vero»: cioè l’esatto contrario del «beato errore» della poesia: […] L’acerbo vero, i ciechi Destini investigar delle mortali E dell’eterne cose […] […]. In questo specolar gli ozi traendo Verrò; che ancor che tristo, Ha i suoi diletti il vero. […]. (vv.-140-152) Come dire che anche l’acerbo vero - che due anni dopo, si noti, nel Risorgimento (v.-116) viene ridenominato come «infausta verità» - era invece sembrato nell’epistola del ’26 poter addirittura riservare i diletti funzionali alla poesia, che resta dunque in ogni caso il valore più prezioso perseguito. D’altra parte, Leopardi è consapevole che il «beato errore», l’esatto contrario dell’«acerbo vero», nasce da memorie e immagini idilliche e amene di un’infanzia in un primo tempo creduta felice, ma che, soprattutto a partire dalla crisi del ’19, egli viene a giudicare come illusorie, anche se assolutamente indispensabili all’invenzione poetica, che si alimenta della meraviglia; cioè della più grande e felice delle virtù poetiche. Si legga: 9 Come già notato da Gavazzeni nel suo citato commento ai Canti, 381, insensato è parola-chiave di grandi autori del XVIII secolo come Metastasio (Il ratto d’Europa, v.-136), e Alfieri (Vita, Ep.-III, cap.-XI: «insensato, mi rimango qual pietra»). «Chi mi ridona il piangere dopo cotanto obblio? » 167 La rondinella vigile, Alle finestre intorno Cantando al novo giorno, Il cor non mi ferì: Non all’autunno pallido In solitaria villa, La vespertina squilla, Il fuggitivo Sol. Invan brillare il vespero Vidi per muto calle, Invan sonò la valle Del flebile usignol. E voi, pupille tenere, Sguardi furtivi, erranti, Voi de’ gentili amanti Primo, immortale amor, Ed alla mano offertami Candida ignuda mano, Foste voi pure invano Al duro mio sopor. (vv.-45-64) Sono evocate immagini di inusitato stupore: dalla «rondinella vigile» che canta «al novo giorno» alla «solitaria villa» e alla «vespertina squilla» e al «fuggitivo Sol». Fenomeni visivi diversi tra loro, che subiscono in autunno una suggestiva metamorfosi di colori e di tonalità (vv.-49-52). «Il fuggitivo Sol», in particolare, si allaccia subito al «brillare del vespero» e al «flebile usignol», di cui risuona la vallata (vv.-53-56). E alle immagini di natura seguono subito (vv.-57-64) i segnali più sensibili e più dolci della pur sempre precaria felicità umana: sono i segnali e i gesti più trepidanti del primo amore, sentimento generalmente legato per tutti i mortali a una prima idea di felicità nella «novella età» (v.- 92), di cui il cuore restituisce al poeta «[…] ineffabili-| Giorni […]-| Che sì fugaci e brevi-| Il cielo a noi sortì» (vv.-77-80). Inusitato il sentimento di stupore sembra, come per una miracolosa virtù, rinascere agli occhi e al cuore del poeta incredulo: Moti soavi, immagini, Palpiti, error beato, Per sempre a voi negato Questo mio cor non è? 168 Giuseppe Antonio Camerino Siete pur voi quell’unica Luce de’ giorni miei? Gli affetti ch’io perdei Nella novella età? Se al ciel, s’ai verdi margini, Ovunque il guardo mira, Tutto un dolor mi spira, Tutto un piacer mi dà. Meco ritorna a vivere La piaggia, il bosco, il monte; Parla al mio core il fonte, Meco favella il mar. (vv. 85-100) «[…] Immagini-| Palpiti, error beato»: non v’è dubbio che il motivo dello stupore e quello del cuore prevalgano nettamente in questo canto, e non a caso, ciascuno per metà, tali motivi investiranno - nella parte finale del componimento - un’intera quartina doppia: Pur sento in me rivivere Gl’inganni aperti e noti: E de’ suoi proprii moti Si maraviglia il sen. Da te, mio cor, quest’ultimo Spirto, e l’ardor natio, Ogni conforto mio Solo da te mi vien. (vv.-145-152) Si rinnoverà pure in quei versi il miracolo dell’eccezionale capacità di sentire da parte del cuore su cui il poeta ritorna spesso; e, a maggior ragione, nell’ultima parte del Risorgimento: «Da te mio cor, quest’ultimo- | Spirto, e l’ardor natio,- | Ogni conforto mio- | Solo da te mi vien» (vv.- 149-152). Se Il risorgimento è un rinascere, in modo inaspettato, alla maraviglia e allo stupore 10 , non a caso nella sequenza di versi per ultima citata si concentra il repertorio fondamentale del lessico di uno stupefatto risveglio alle sollecitazioni degli occhi per le immagini - la piaggia, il bosco, il monte - di una natura che appare benigna sia perché generatrice di quello stupore che (non si dimentichi) è fondamentale per l’av- 10 Si ricordi quanto sottolineato sul topos dello stupore e della meraviglia rielaborato da Leopardi attraverso un percorso che chiama in causa Petrarca e la particolarissima connotazione del lemma petrarchesco spavento (per cui si veda qui anche alla nota 4). «Chi mi ridona il piangere dopo cotanto obblio? » 169 vento della poesia sia per le sollecitazioni del cuore: «Parla al mio core il fonte-| Meco favella il mar». Si comprende bene allora che la parola risorgimento esprime rinascita, ma anche l’idea di risveglio da un torpore pesante e immemore: «Chi dalla grave, immemore-| Quiete or mi ridesta? » (v.-81sq.). E la «immemore quiete» viene poi più avanti pure ridefinita «cotanto obblio»: Chi mi ridona il piangere Dopo cotanto obblio? E come al guardo mio Cangiato il mondo appar? (vv.-101-104) Di tale risveglio, in evidente contrapposizione rispetto a precedenti fasi di una condizione umana del tutto negativa, il poeta vuole rendere ragione, attraverso alcuni interrogativi che pur sempre fanno perno sul cuore e investono in primo luogo il ruolo della speranza: «Forse la speme, o povero- | Mio cor, ti volse un riso? » (v.-105sq.). In questa sequenza in particolare, «speme», che è voce aulica, si distingue dalla moderna voce ‹speranza› e si configura come un nume imperscrutabile ai sentimenti più segreti, quasi anticipando la speme acerbamente troncata di A Silvia. E si veda pure ai vv.-32-34 allorché la memoria di «cotanta speme», ricalco, questo, di un noto sintagma petrarchesco, viene seguito da un sentimento «doloroso e sconsolato» e prefigura, sempre in A Silvia, la «lacrimata speme» del v.-55. Ma, restando a Il risorgimento, già nel menzionato appunto dell’inizio del fatidico 1828, che ne precede di poco l’imminente composizione, s’indovina un senso di liberazione nelle parole: «circostanze mutate, risorta la speranza». Speranza, o speranze, è il vocabolo chiave che aveva accompagnato - a livelli diversi - il travagliato spirito leopardiano, sempre tenendo saldo il collegamento a cuore, come, del resto, si può constatare nella già menzionata epistola Al Conte Carlo Pepoli: «di che speranze il core -| Vai sostentando? » (v.-3sq.). Già in quel componimento «speranze» - al plurale - indica, ancor più, se possibile, rispetto ad altri luoghi dei Canti leopardiani, una varietà di aspettative mancate che conducono a quell’«acerbo vero» (Al Conte Carlo Pepoli, v.-140), che, in nome della filosofia della ragione nega ai mortali la felicità a ogni grado e stato del vivere e vengono di conseguenza percepite come irraggiungibili. In ogni caso va detto che alcune evidenti affinità linguistiche e stilistiche tra il componimento del ’26 e Il risorgimento, se confermano la fondamentale continuità della sperimentazione e della lunga gestazione del suo specifico linguaggio poetico da parte del poeta, non devono tuttavia far trascurare l’alternarsi e l’evolversi dei temi cen- 170 Giuseppe Antonio Camerino trali della sua ricerca: due aspetti che non vanno assolutamente confusi 11 . Così come, sia pure in un’ottica diversa, va differenziato rispetto a Il risorgimento, il testo di A Silvia, che lo segue solo di una settimana, in cui i «pensieri soavi», le «speranze» o i «cori» (ibid., v.- 27sq.) s’intrecciano a verbi della memoria: per esempio, sovvenire (v.- 32) o rimembrare (v.- 1), che in A Silvia però tornano a restituire immagini o fenomeni particolari naturali ridotti a labili apparenze di felicità: «Quale allor ci apparia-| La vita umana e il fato! » (v. 31sq.). Si aggiunga che, a differenza di altri canti della sua sublime silloge, nella ‹canzonetta› del ’28 il poeta chiama in causa (v.-112), in modo esplicito, «l’ingenita virtù» del cuore, cioè il dono di quella virtù connaturata sin dalla nascita, tanto forte da resistere al «fato», alle «sventure» e alla «infausta verità». Questa consapevolezza emerge come Leitmotiv mediante la tecnica delle non casuali iterazioni del verbo sapere: «So ben ch’ella discorda: - | So che natura è sorda» (v.-118sq.); «So che pietà fra gli uomini-| Il misero non trova» (v.-125sq.)»; «E voi pupille tremule,-| […]-| So che splendete invano» (vv.-133-135). Ma si legga per intero la lunga sequenza delle quartine a partire dal v.-101: Chi mi ridona il piangere Dopo cotanto obblio? E come al guardo mio Cangiato il mondo appar? Forse la speme, o povero Mio cor, ti volse un riso? Ahi della speme il viso Io non vedrò mai più. Proprii mi diede i palpiti, Natura, e i dolci inganni. Sopiro in me gli affanni L’ingenita virtù; Non l’annullar: non vinsela Il fato e la sventura; Non con la vista impura L’infausta verità. 11 Si rivelano significative interferenze tra quest’ultimo testo e alcuni loci cruciali de Il risorgimento, anche se affermare «che il secondo componimento sembra quasi scritto con gli occhi fissi sul primo» (Santagata: Il tramonto della luna, 67) può risultare fuorviante proprio con riferimento alle diverse finalità tematiche dei due testi. «Chi mi ridona il piangere dopo cotanto obblio? » 171 Dalle mie vaghe immagini So ben ch’ella discorda: So che natura è sorda, Che miserar non sa. Che non del ben sollecita Fu, ma dell’esser solo: Purché ci serbi al duolo, Or d’altro a lei non cal. So che pietà fra gli uomini Il misero non trova; Che lui fuggendo, a prova, Schernisce ogni mortal. Che ignora il tristo secolo Gl’ingegni e le virtudi; Che manca ai degni studi L’ignuda gloria ancor. E voi, pupille tremule, Voi, raggio sovrumano, So che splendete invano, Che in voi non brilla amor. Nessuno ignoto ed intimo Affetto in voi non brilla: Non chiude una favilla Quel bianco petto in sè. Anzi d’altrui le tenere Cure suol porre in gioco; E d’un celeste foco Disprezzo è la mercè. Pur sento in me rivivere Gl’inganni aperti e noti; E de’ suoi proprii moti Si maraviglia il sen. (vv.-101-148) «Pur sento in me rivivere-| Gl’inganni aperti e noti». Va detto subito che il v.-145 contiene due verbi - sentire e rivivere - di massimo rilievo in questo specifico luogo del Risorgimento. Il primo infatti rivela un’accezione vicinissima al forte sentire di Alfieri, come ho dimostrato in un mio precedente studio, e coincide con la già evidenziata ingenita virtù. È un verbo che certifica per Leopardi - così come già per Alfieri - una passione e una forza immaginativa dirompenti che, 172 Giuseppe Antonio Camerino al di là di ogni negativa consapevolezza razionale, apre uno spazio illimitato all’invenzione poetica: quella che il poeta dei Canti attribuisce agli «inganni aperti e noti» e ai «moti» che lasciano stupefatto il cuore. Quanto al secondo verbo, rivivere, ulteriore variante del risorgere o del rinascere, alla rassegna, prima segnalata, sulle negative condizioni del destino dei viventi vengono di seguito riproposti, non a caso, i versi finali, che, nelle due ultime quartine doppie del Risorgimento ribadiscono i motivi della rinascita dei felici inganni e dell’incantato stupore della poesia; e in tal modo l’explicit del componimento si salda al suo incipit, se è vero che il risorgere (o il rinascere) si rivela, almeno provvisoriamente, anche come un rivivere, per riprendere lo stesso verbo adottato al v.-145 («Pur sento in me rivivere»), del quale, appunto, «si maraviglia il sen». Come dire che l’ultima quartina citata (vv.-145-148) irrompe all’improvviso, creando uno stacco ed elevando un argine alla ragionata e pacata rassegna dell’infelicità umana, conseguenza di quella «infausta verità» che è il vero bersaglio della sfida avanzata dall’«ingenita virtù» e dal «sentire» del cuore. Sfida condotta in nome dell’«error beato» contro la legge durissima di una razionalità rigorosa e del conseguente concetto di natura matrigna. Un’analisi, questa, che è pure una conferma ulteriore che il rapporto tra la filosofica negatività dell’epistola al Pepoli e la ‹canzonetta› del risorgere e del rivivere del cuore va concepito in funzione antitetica. Un’antitesi che d’altra parte Leopardi costruisce proprio nel Risorgimento attraverso il fin qui analizzato sdoppiamento del suo monologo lirico in una sorta di delicatissimo contrappunto che restituisce al lettore due voci complementari del suo cuore: quella commossa e gioiosa della sorprendente rinascita delle immagini e delle favolose memorie della prima età della vita e quella molto dolente dei disinganni più acerbi che, prima della ‹canzonetta› del ’28, sembravano aver definitivamente prosciugato e inaridito ogni possibile sentimento, ogni linfa di vita interiore. Le prospettive esistenziali più negative derivate da una rigida speculazione razionale nel Risorgimento leopardiano erano infatti evidenziate nell’ultimo contrappunto della lirica, che concerne i versi 117-145, dove, in modo esplicito, la ingenita virtù induce a porre come in parentesi il monologo per fare spazio a una consapevole e puntuale rassegna delle cause dell’infelicità umana: dalla netta discordanza tra le «vaghe immagini» (v.- 117) del cuore e la spietatezza della natura avversa alla vita dei viventi e alle loro sofferenze (vv.-119-124) e al disprezzo degli uomini stessi verso gli infelici (vv.-125-128); dal tristo secolo che «ignora […]- | Gl’ingegni e le virtudi» (v.- 129sq.) al vano splendere degli occhi in cui «non brilla amor» (vv.-133-136) e «nessuno ignoto ed intimo-| Affetto» (vv.-137-144). Una rassegna fondata sul verbo reggente sapere, verbo di consapevolezza, che - come s’è detto - viene non a caso ripetuto nella prima persona dell’indicativo. Mediante questa iterazione il poeta prende coscienza definitiva «Chi mi ridona il piangere dopo cotanto obblio? » 173 di una sua propria «ingenita virtù», in cui - specie nella fase estrema dei Canti - egli riconoscerà, come in embrione, anche quel titanico coraggio di guardare negli occhi e di sfidare a viso aperto la già menzionata «infausta verità» e i colpi della natura cosiddetta matrigna. Sarà a quel punto maturato definitivamente nella poetica leopardiana il mito opposto, quello della nobil natura della Ginestra 12 : si ricordino qui almeno i celeberrimi versi che iniziano: «Nobil natura è quella-| Che a sollevar s’ardisce-| Gli occhi mortali incontra-| Al comun fato […]» (vv.-111-114). Si capisce che questo richiamo al «comun fato» non nasce nella fase ultima dei Canti leopardiani, ma si collega all’impegno per ben due volte specificato nel Risorgimento: la prima volta (v.-113sq.) in riferimento alla sua «ingenita virtù», mai vinta dal fato e dalla sventura, e la seconda volta ai versi 157-160: «Ma se tu vivi, o misero,-| Se non concedi al fato,-| Non chiamerò spietato-| Chi lo spirar mi dà». Non concedere al fato, cioè non cedere, è regola che dunque s’era imposta all’autore già diversi anni prima della composizione della Ginestra: testuali riscontri, questi, che fanno comprendere come Leopardi abbia sempre predisposto per tempo, e nel tempo, i motivi topici del suo universo poetico. Il «sen», nell’ultimo dei versi dell’ultima ampia sequenza sopra citata («Si maraviglia il sen») è variante di cuore, che è - s’è detto - il protagonista assoluto della meraviglia e dei suoi proprî «moti» e dei «noti inganni» ed è, contestualmente, la sede dello «spirto» e di quell’«ardor natio», che è, a sua volta, variante molto sintomatica della già richiamata «ingenita virtù», che va collegata a doppio filo al motivo dell’anima «alta, gentile e pura»: nel significato cioè di profonda, nobile e schietta, motivo che avvia e connota decisamente la sequenza successiva del componimento, in cui sembrano imprevedibilmente reintrodotte le componenti basilari della condizione umana, cioè «La sorte, la natura,- | Il mondo e la beltà». Si leggano i seguenti versi: Da te, mio cor, quest’ultimo Spirto, e l’ardor natio, Ogni conforto mio Solo da te mi vien. Mancano, il sento, all’anima Alta, gentile e pura, La sorte, la natura, Il mondo e la beltà. 12 Giuseppe Antonio Camerino: «Leopardi e il mito della nobil natura nella Ginestra», in: La parola del testo. Rivista internazionale di letteratura italiana e comparata XXII.1-2 (2018), 131-140. 174 Giuseppe Antonio Camerino Ma se tu vivi, o misero, Se non concedi al fato, Non chiamerò spietato Chi lo spirar mi dà. (vv.-149-160) In questi versi si riflettono, come in controluce, meditazioni pregresse. Già a partire infatti dalla crisi del ’19, la natura costituisce per Leopardi una fonte inesauribile d’interrogazione sulla «miserabile condizione dell’uomo, e il barbaro insegnamento della ragione», nonché su «quel travaglio che deriva dalla certezza della nullità delle cose» 13 . Solo ai più giovani, del resto, il mondo può presentarsi - citazione testuale - come «una bella cosa» (Zib. 3440 [15-settembre 1823]). E per quanto concerne specificamente il richiamo alla beltà, si tenga presente che per lui l’idea di bellezza è sempre da collegare a quella di grazia: «Dovunque non cade bellezza, non cade grazia. […]. E viceversa similmente, dovunque cade bellezza, cade ancor grazia. Non che l’una non possa esser senza l’altra. Ma quel genere ch’è capace dell’una è capace dell’altra» (Zib. 2834 [27- giugno 1823]). E - per quanto invece concerne la sorte, o la fortuna che dir si voglia, - il poeta aveva già osservato in una nota zibaldoniana di pochi giorni precedente a quella appena citata, che «il sapiente non si debba curare, […] né riporre la sua beatitudine nella presenza o nell’assenza delle cose che dipendono dalla fortuna, quali ch’elle si sieno, o da veruna forza di fuori, ma solo in quelle che dipendono interamente e sempre dipenderanno da lui solo» (Zib. 2800 [21-giugno 1823]). Ne consegue che - privato della ragione - all’uomo «d’immaginazione di sentimento e di entusiasmo» (la definizione è testuale) non resta che la resistenza del cuore e la volontà strenua di opporsi alla spietatezza del fato: «Non chiamerò spietato-| Chi lo spirar mi dà». E spirar non è verbo casuale, né comune: va al di là del significato letterale, cioè il respirare, e quindi il muoversi e il vivere del cuore perché è soprattutto un verbo che condensa significati e collegamenti di antica e di alta tradizione, se è vero che si avverte il Petrarca di RVF CCLXXXVI quando dice di Laura che «[…] anchor par qui sia,-| et viva, et senta, et vada, et ami, et spiri» (v.-3sq.). Spirare in questo caso è da affiancare a verbi quali essere, vivere, sentire, andare, amare; verbi, ai quali è da aggiungere anche sospirare presente infatti in forma derivata nel sonetto petrarchesco («Se quell’aura soave de’ sospiri») e che pure rientra a pieno titolo nel linguaggio poetico leopardiano, e non solo in quello del Risorgimento, componimento, come si è avuto modo in questa sede di documentare, che rivela anche una peritissima ars poetica che 13 Lettera del 6-marzo 1820 a Pietro Giordani, in: Giacomo Leopardi: Epistolario. A cura di Franco Brioschi / Patrizia Landi. Vol.-I. Torino: Bollati Boringhieri 1998, 379sq. «Chi mi ridona il piangere dopo cotanto obblio? » 175 costruisce corrispondenze e parallelismi felicemente funzionali ai significati particolari e al messaggio più generale del componimento. Bibliografia Leopardi, Giacomo: Crestomazia italiana. La poesia. Introduzione e note di Giuseppe Savoca. Torino: Einaudi 1968. —: Tutte le opere. A cura di Walter Binni, con la collaborazione di Enrico Ghidetti. 2-vol. Firenze: Sansoni 1969. —: Epistolario. A cura di Franco Brioschi / Patrizia Landi. 2-vol. Torino: Bollati Boringhieri 1998. —: Canti e Poesie disperse. Ed. critica diretta da Franco Gavazzeni. A cura di Cristiano Animosi [et al.]. 3-vol. Firenze: Accademia della Crusca 2009. —: Zibaldone di pensieri. Ed. critica in CD-rom. A cura di Fiorenza Ceragioli / Monica Ballerini. Bologna: Zanichelli 2009. Camerino, Giuseppe Antonio: Lo scrittoio di Leopardi. Processi compositivi e formazione di tópoi. Napoli: Liguori 2011. —: «Leopardi lettore di Algarotti», ora in: id.: Il ‹metodo› di Goldoni e altre esegesi tra Lumi e Romanticismo. Presentazione di Paolo Viti. Galatina: Congedo 2012, 143-153. —: «Leopardi e il mito della nobil natura nella Ginestra», in: La parola del testo. Rivista internazionale di letteratura italiana e comparata XXII.1-2 (2018), 131-140. Santagata, Marco: «Il risorgimento di Leopardi», in: id.: Il tramonto della luna e altri studi su Foscolo e Leopardi. Napoli: Liguori 1999. Verwirrung als Programm 177 Verwirrung als Programm Il tramonto della luna, gelesen als erkenntnistheoretisches Problem La confusione programmata Una lettura de Il tramonto della luna come problema gnoseologico Annika Gerigk Il tramonto della luna wird zumeist als radikaler Ausdruck von Leopardis sogenanntem kosmologischen Pessimismus betrachtet. Ignoriert wird dabei jedoch der ebenso radikale Widerspruch zwischen Form und Inhalt des Gedichtes. Nach der konsequent inhaltlichen Auslegung offenbart sich ein erschütternder Blick auf die menschliche Existenz, allerdings deckt sich dieser nicht mit der Leseerfahrung des Gedichtes. Die idyllische Landschaft, die als Analogie (1.- Strophe) für die Jugend beziehungsweise als Kontrast (4.- Strophe) zur Linearität der menschlichen Existenz präsentiert wird, unterläuft das Argument mittels ihrer Bildgewalt, während die Parallelisierung, die Kontrastsetzung und die Reihenfolge der Strophen Verwirrung beim Leser erzeugen. Die Verwirrung ist Programm und bietet sich als alternative Lesart für den Text an, welche das Gedicht nicht zum Optimismus hinwenden soll, die jedoch zeigt, dass der Text einen skeptischen Blick auf die Menschheit wirft und nicht von einer pessimistischen Gewissheit erfüllt ist. Um zu zeigen, dass Il tramonto della luna die mangelnde Erkenntnisfähigkeit des Menschen ins Auge fasst, wird ein Vergleich zu dem Gedicht Alla sua donna und dem satirischen Text Dialogo di Federico Ruysch e delle sue mummie hergestellt. Il tramonto della luna viene spesso considerato il culmine del cosiddetto pessimismo cosmologico dell’ultimo Leopardi ignorando la contraddizione radicale tra forma e contenuto. Sulla base di una interpretazione del contenuto si offre una visione sconcertante della conditio humana che non collima con l’esperienza del lettore. Il paesaggio idillico che funziona come analogia (prima strofa) per la giovinezza e come contrasto (quarta strofa) con la linearità dell’esistenza, elude l’argomento mediante la forza dell’immagine, e il parallelismo, il contrasto e l’ordine delle strofe confondono il lettore. Per dimostrare come Il tramonto della luna mette in scena le scarse facoltà conoscitive dell’essere umano, la poesia viene paragonata alla canzone Alla sua donna e al testo satirico Dialogo di 178 Annika Gerigk Federico Ruysch e delle sue mummie. La confusione è programmata e offre una lettura alternativa del testo, senza dirigerlo verso una visione positiva, la quale mostra che la poesia raffigura l’umanità con scetticismo, senza però fornire una certezza pessimistica. Schlagwörter: Negativität, Verwirrung, Poetik, Bilder Parole chiave: negatività, confusione, poetica, immagini Il tramonto della luna wird zumeist als radikaler Ausdruck von Leopardis Lebensüberdruss gedeutet, als «definitivo distacco» 1 und als Synthese des sogenannten kosmologischen Pessimismus, 2 da das Gedicht durch seine zahlreichen intertextuellen Beziehungen zu anderen Canti typische Motive, Bilder und Themen des Dichters aufgreift. Die entsprechenden Deutungen fokussieren sich auf den Lebensüberdruss und die Ungerechtigkeit, die der Mensch von Natur aus ertragen muss, und interpretieren den Monduntergang als erste Todeserfahrung im Leben. Beim Blick auf die rein inhaltliche Ebene eröffnet sich ein rein pessimistischer Blick auf die conditio humana. Der Mensch darf nur in der Jugend auf ein wenig Glück hoffen; auf ein paar seltene Illusionen, die zumindest minimal über die vielfach häufigeren Leiden hinweghelfen. Sobald diese kurze Phase abgeschlossen ist, hat er jedoch nichts mehr vom Leben zu erwarten. Danach verbringt der Mensch den Rest seines Lebens in der metaphorischen Dunkelheit, ohne Sinn und Zweck seines Daseins zu kennen. Zwischen Mensch und Natur tritt im Erwachsenenalter die totale Entfremdung ein, die erst mit seinem Tod enden wird. Während die Natur sich beständig zyklisch erneuert, ist für den Menschen nur der lineare Weg in den Tod vorbestimmt. Zusätzlich zu dem negativen Inhalt betonen diese Deutungen den unpersönlichen Ton 3 , das Fehlen eines lyrischen Ichs, die Unterbrechung des lyrischen Stils und den langsamen, gedämpften Rhythmus. Insbesondere der Rhythmus, der die Grabthematik untermalt und damit an die Sepolcrali anschließt, fügt sich ein in eine chronologische Lektüre mit graduellem Abstieg in einen tieferen Pessimismus 4 , 1 Giacomo Leopardi: Poesie e prose. Vol.-I. Poesie. A cura di Mario Andrea Rigoni. Milano: Mondadori 11 2011, 989. Im Folgenden werden Leopardis Schriften nach den Ausgaben, die in der Reihe Le opere di Giacomo Leopardi nei Meridiani erschienen sind, zitiert. Dies erfolgt für die Canti unter Angabe von Gedichttitel und Verszahl, für Kommentare und Prosatexte unter Angabe des Bandes und der Seite. Der Zibaldone wird unter Nennung der Originalpaginierung zitiert und von mir selbst übersetzt. 2 Cf. Walter Binni: La protesta di Leopardi. Firenze: Sansoni 1973, 159. 3 Cf. Giorgio Petrocchi: Il tramonto della luna. Studi tra Leopardi e oggi. Napoli: Edizione Scientifiche Italiane 1993, 46sq. 4 Wanning bezeichnet diesen Zugang zum Werk als Entwicklungshypothese (cf. Frank Wanning: «Die Verführung durch das Nichts. Negativität und Zeiterfahrung in Leopardis Canti», in: Italienisch 40 (1998), 65). Verwirrung als Programm 179 der die Dichtung in der Dunkelheit verenden lässt. 5 Zudem scheint das Gedicht den biografischen Kontext seines Dichters nicht abschütteln zu können. Einerseits eignete sich die Entstehungsgeschichte des Gedichts lange zur weiteren Negativierung der Interpretation, denn Leopardi soll die letzten sechs Verse auf dem Sterbebett verfasst haben. Dies gilt zwar zwischenzeitlich als widerlegt, aber auch die Falsifikation 6 dieser Entstehungsgeschichte ruft immer wieder die biografische Komponente hervor und lässt diese unfreiwillig fortwirken, da sie gekoppelt an eine rein inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Text eben eine radikal negative Deutung nahelegt. Auch die Diskussionen um die Reihenfolge der Entstehung der Gedichte - vor oder nach La ginestra - sind wohl kaum von Bedeutung, wenn man die Gedichte nicht mit Leopardis Biografie verknüpfen will, um entweder La ginestra als heroischen oder Il tramonto della luna als lebensüberdrüssigen Abschluss seines Werks zu deuten. Derartige Deutungen ignorieren, dass die Struktur und die Wirkung der Bildsprache den Inhalt, der zunächst entschlüsselt werden muss, konterkarieren. Um also dieses Framing zu verlassen und die Diskrepanz zwischen Inhalt und Rhythmus auf der einen Seite und Struktur und Bildsprache auf der anderen Seite aufzuzeigen, bedarf es eines anderen Zugangs zum Text. Dabei soll es nicht Ziel dieser Arbeit sein, die Negativität des Gedichts zu widerlegen oder die Widersprüche aufzulösen. 7 Stattdessen soll gezeigt werden, dass in Il tramonto della luna Anhaltspunkte für eine skeptische, aber nicht gänzlich negative Lektüre gegeben sind. Vielmehr stellt Leopardi erneut die Erkenntnisfähigkeit des Menschen in Frage. Davon ausgehend, dass die Canti, ähnlich wie der Zibaldone, nicht chronologisch gelesen werden müssen, wird der Bezug im Folgenden über das Gedicht Alla sua donna und den satirischen Text Dialogo di Federico Ruysch e delle sue mummie hergestellt. Beide Texte entstammen zwar einer anderen Schaffensperiode, sie beinhalten jedoch Strukturelemente und Motive, die auch in Il tramonto della luna erkannt werden können, wie etwa das Unsichtbare, das Fremde und die Unerreichbarkeit des scheinbar Gegenüberliegenden. All- 5 Bárberi Squarotti sieht in dem Gedicht eine Parodie auf einen Mond-Gott, der für die Materie steht und die Reisenden in der Dunkelheit allein lässt. Der Mensch ist bis zum Tod einer grausamen und indifferenten Natur ausgesetzt (cf. Giorgio Bárberi Squarotti: «La luna in cielo», in: Sebastian Neumeister (Hg.): Leopardi in seiner Zeit. Leopardi nel suo tempo. Tübingen: Stauffenburg-Verlag 1995, 104-106). 6 Cf. den kurzen Kommentar von Rigoni hierzu in I, 988sq. 7 Blasucci kritisiert in seinem Aufsatz «Gentile critico di Leopardi» Tendenzen einer zu einseitigen, fast optimistischen Lektüre, die auf dem «cuore/ intelletto»-Gegensatz beruht (cf. Luigi Blasucci: I titoli dei «Canti» e altri studi leopardiani. Venezia: Marsilio 2011, 238-241). 180 Annika Gerigk gemeiner gesagt beschäftigt sich Leopardi in den Jahren 1823/ 24 mit der Frage, wie die ‹ideale› neben die ‹reale› Welt 8 gestellt werden kann. Struktur und Inhalt von Il tramonto della luna Die Szenerie der ersten Strophe des Gedichts ruft eine idyllisch anmutende Landschaft 9 auf, der das schummrige Licht des Mondes unzählige vage Schattengebilde produziert. Ein einsamer Fuhrmann singt ein Lied und verabschiedet sich von dem schließlich untergehenden Mond, der ihm zuvor den Weg wies. Die zweite Strophe ist argumentativ parallel zu der ersten Strophe aufgebaut, wie bereits die korrelative Verknüpfung in Vers-1 «Quale» und Vers-20 «Tal» und «tale» ankündigt. Die Strophen können parallel zueinander gelesen werden, um die Landschaft mit einer neuen Bedeutung zu verknüpfen. Dann wird deutlich, dass die Landschaft den Lebenszyklus des Menschen verbildlicht. Leopardi verwendet hier erneut das Parallelisierungsverfahren aus Il passero solitario, verlegt aber den Topos des Tagesablaufs als Analogie zum Lebensverlauf in die Nacht. Während in der Analogie zwischen Leben und Tagesablauf der Sonnenuntergang den Tod bedeutet, leitet in Il tramonto della luna der Monduntergang das Ende der Jugend ein. Der Monduntergang kann dadurch als metaphorisches Absterben der Illusionen und Hoffnungen im Erwachsenalter gelesen werden. Weiter verkompliziert wird die Parallelisierung durch einen Zeitsprung: Während die erste Strophe den Augenblick vor dem Untergang festhält, ist der Mond in den letzten Versen der zweiten Strophe bereits untergegangen. Nicht der Strophenwechsel markiert also den Zeitsprung, sondern der Punkt am Ende des 26.-Verses. Der Fuhrmann wird in der zweiten Strophe zum verwirrten Wanderer, der hier bereits vergeblich den Weg in der Dunkelheit sucht. Quale in notte solinga, Sovra campagne inargentate ed acque, Là ’ve zefiro aleggia, E mille vaghi aspetti E ingannevoli obbietti Fingon l’ombre lontane 8 Hinter dem Begriff ‹real› verbergen sich ein phänomenologisches Konzept und eine materialistische Weltauffassung; d. h. der Begriff ist bei Leopardi eng verbunden mit der individuellen Erfahrung von Negativität und der Weltauffassung, dass alles Materie ist. Im Zusammenspiel mit dem Begriff ‹ideal›, der u. a. auf eine kollektive Erfahrung verweist, ebenso wie auf die Illusion, wird die ‹reale› Welt beständig hinterfragt. 9 Entsprechend das idyllische Vokabular: «notte», «campagne», «acque», «zefiro», «l’ombre lontane», «l’onde tranquille», «rami e siepi e collinette e ville», «luna», «ombre», «valle», «notte», albor della fuggente luce». Verwirrung als Programm 181 Infra l’onde tranquille E rami e siepi e collinette e ville; Giunta al confin del cielo, Dietro Apennino od Alpe, o del Tirreno Nell’infinito seno Scende la luna; e si scolora il mondo; Spariscon l’ombre, ed una Oscurità la valle e il monte imbruna; Orba la notte resta, E cantando, con mesta melodia, L’estremo albor della fuggente luce, Che dianzi gli fu duce, Saluta il carrettier dalla sua via; Tal si dilegua, e tale Lascia l’età mortale La giovinezza. In fuga Van l’ombre e le sembianze Dei dilettosi inganni; e vengon meno Le lontane speranze, Ove s’appoggia la mortal natura. Abbandonata, oscura Resta la vita. In lei porgendo il guardo, Cerca il confuso viatore invano Del cammin lungo che avanzar si sente Meta o ragione; e vede Ch’a se l’umana sede, Esso a lei veramente è fatto estrano. (Il tramonto della luna, vv. 1-33) [Wie in einsamer Nacht-| über silberglänzenden Feldern und Wassern-| der Westwind säuselnd weht- | und tausend unbestimmte Bilder- | und trügerische Gestalten- | die fernen Schatten entfalten-| zwischen den schimmernden, stillen-| Wellen, den Zweigen und Hecken, den Hügeln und Villen- | und wie am Rande des Himmels- | hinter dem Apennin oder den Alpen oder am tuskischen Meere- | im unendlichen Schoß- | der Mond versinkt und die Welt sich entfärbt und verblaßt,-| die Schatten schwinden und ringsum Finsternis schwillt-| und Tal und Berg in ein einziges Dunkel hüllt,-| die Nacht erblindet zurückbleibt-| und mit einem Liede, einer traurigen Weise,-| den letzten Schimmer des fliehenden Lichts, das ihm eben-| als Führer noch Rat gegeben,-| der Fuhrmann zum Abschiede grüßt auf seiner Reise, so entschwindet und eben-| so hinterläßt die flüchtige-| Jugend das sterbliche Leben.-| Es fliehen die Schatten und Schemen-| geliebter Träume, und von der stillen Hoffnung-| gilt es, Abschied zu nehmen,-| die im Leben der Sterbliche braucht, um Mut zu fassen.-| Dunkel und verlassen-| verbleibt das Leben. Den Blick in es richtend-| sucht vergeb- 182 Annika Gerigk lich der verwirrte Wandrer- | des weiten, ihm bestimmten Weges Ziel- | und Zweck und erkennt, daß die Welt,-| die er für die seine hält,-| ihm nicht mehr und er ihr nicht mehr zugehört.] 10 Die dritte Strophe kann als Synthese des Gedichts, in Form eines Urteils, gelesen werden, und würde dann mit der argumentativen Reihenfolge des Textes brechen. Dem Menschen wurde das grausamste aller Schicksale vorbestimmt. Statt zu sterben, muss er zunächst das illusionslose Alter durchleben. Seine Existenz unterliegt nicht denselben Regeln, die für die Natur gelten, die sich beständig zyklisch erneuert, wie es die vierte Strophe im Anschluss antithetisch verdeutlichen wird. Das Leben des einzelnen Menschen hingegen ist entgegen allem Anschein linear und endet schließlich im Grab. Während in der Natur die Sonne wieder aufgeht, markiert der Sonnenaufgang den Tod des Menschen, da dieser die Sonne nie sehen wird. Troppo felice e lieta Nostra misera sorte Parve lassù, se il giovanile stato, Dove ogni ben di mille pene è frutto, Durasse tutto della vita il corso. Troppo mite decreto Quel che sentenzia ogni animale a morte, S’anco mezza la via Lor non si desse in pria, Della terribil morte assai più dura. D’intelletti immortali Degno trovato, estremo Di tutti i mali, ritrovàr gli eterni La vecchiezza, ove fosse Incolume il desio, la speme estinta, Secche le fonti del piacer, le pene Maggiori sempre, e non più dato il bene. Voi, collinette e piagge, Caduto lo splendor che all’occidente Inargentava della notte il velo, Orfane ancor gran tempo Non resterete, che dall’altra parte Tosto vedrete il cielo Imbiancar novamente, e sorger l’alba: 10 Übersetzung der Canti in Anlehnung an Helmut Endrulat: Giacomo Leopardi: Canti e frammenti. Gedichte und Fragmente. Italienisch / Deutsch. Übers. von Helmut Endrulat. Hg. von Helmut Endrulat / Gero Alfred Schwab. Stuttgart: Reclam 1990. Verwirrung als Programm 183 Alla qual poscia seguitando il sole, E folgorando intorno Con sue fiamme possenti, Di lucidi torrenti Inonderà con voi gli eterei campi. Ma la vita immortal, poi che la bella Giovinezza sparì, non si colora D’altra luce giammai, nè d’altra aurora. Vedova è insino al fine; ed alla notte Che l’altre etadi oscura, Segno poser gli Dei la sepoltura. (Il tramonto della luna, vv. 34-68) [Allzu glücklich und heiter-| schiene unser Los-| denen dort droben, wenn-| die Jahre der Jugend,-| wo jede Freude mit tausend Leiden erkauft wird,-| dauern sollte bis an des Lebens Ende,-| allzu mild der Beschluss,-| dass jedes Geschöpf sich dem Tod unterwerfen muss,-| wenn man der Hälfte des Lebens-| nicht noch härtere Not-| zugedacht hätte als den schrecklichen Tod.-| Ihres unsterblichen Geistes-| würdig befanden die Götter-| und entdeckten das äußerste aller Übel,-| das gebrechliche Alter,-| wo ungebrochen die Sehnsucht, die Hoffnung erloschen,-| vertrocknet sein sollte der Quell der Freuden, die Plagen-| ständig vermehrt und versagt jedes Wohlbehagen. Ihr, ihr Hügel und Strände,-| werdet, wenn jener Glanz erlischt, der im Westen-| den Schleier der Nacht in silbernen Schimmer fasst,- | nicht lange verwaist sein. Denn bald schon-| werdet ihr auf der anderen Seite sehen,-| wie der Himmel erblasst-| und wie in zarter Röte der Morgen emporsteigt.-| Und auf dem Fuße folgen wird ihm die Sonne,-| und blitzend wird sie ringsum-| mit ihren flammenden Gluten-| in gleißenden, mächtigen Fluten- | zugleich mit euch die Weiten des Himmels erhellen.- | Aber das Menschenleben, wenn erst die schöne-| Jugend entschwand, wird nie mehr die Farbe sich borgen-| von einem anderen Licht, einem anderen Morgen.-| Witwe bleibt es. Und für das Dunkel der Nacht,-| in das alle Zeiten entweichen,-| schufen die ewigen Götter das Grab zum Zeichen.] Die Rekonstruktion des Arguments verdeutlicht, warum Fubini das Gedicht als artifiziell bezeichnet. 11 Das Gedicht setzt beim Rezipienten den Akt der inhaltlichen Rekonstruktion voraus. Zudem erzeugt die Bauart durch die Sprünge, Parallelisierungen und die verdrehte Reihenfolge eine Spannung in Bezug zum Inhalt des Gedichts, da sie eben nicht linear ist. Erst in den letzten Versen greift Leopardi die Linearität des Gedichtes wieder auf, indem er das Leben, nach einem ironischen Verweis auf die schöne Jugend, im Finale des Gedichts im Grab enden lässt. Auch stilistisch klaffen die Strophen auseinander und pro- 11 Cf. Giacomo Leopardi: Canti. A cura di Mario Fubini. Torino: Loescher 1971, 243. 184 Annika Gerigk duzieren dadurch eine Fragmenthaftigkeit. Während die Strophen 1, 2 und 4 Bilder und Stimmungen evozieren, zieht die dritte Strophe die kühle Bilanz der conditio humana und dient damit der philosophischen Analyse. Diese Aspekte der Struktur sind ebenso erklärungsbedürftig wie der hyperbolische Charakter des Sonnenaufgangs in der vierten Strophe, da er sich in seiner Bildgewalt gegen seine Einordnung versperrt. Eine Bildgewalt aus Wärme und Licht wird evoziert und gleichzeitig dem Menschen versagt. Der Dialogo di Federico Ruysch e delle sue mummie In der Stilsuche der Jahre 1823/ 24 lässt sich Leopardi von den Chören der antiken Dramen, wie unter anderem von Sophokles, inspirieren. In den Chören findet Leopardi formal die Kriterien des indefinito und des vago wieder, die in den Szenen durch Individuen nicht dargestellt werden konnten: La nazione intera […] s’esprimeva in versi lirici e pieni di poesia. Il suono della sua voce non era quello degl’individui umani: egli era una musica un’armonia. […] Questo era quasi lo stesso che legare sulla scena il mondo reale col mondo ideale e morale, come essi sono legati nella vita […]. Gli avvenimenti erano rappresentati dagl’individui; i sentimenti, le riflessioni, le passioni, gli effetti ch’essi producevano o dovevano produrre nelle persone poste fuori di essi avvenimenti erano rappresentati dalla moltitudine, da una specie di essere ideale. (Zib. 2806-2808) [Die ganze Nation drückte sich in lyrischen Versen und voller Poesie aus. Der Ton ihrer Stimme war nicht der von menschlichen Individuen: Er war eine Musik, eine Harmonie. Es war fast ebenso, als ob in einer Szene die reale Welt mit der idealen und der moralischen Welt verbunden wird; so wie diese auch im Leben miteinander verbunden sind. […] Die Geschehnisse wurden von Individuen dargestellt; die Gefühle, die Reflexionen, die Leidenschaften und die Effekte, die diese in den Personen (weitere Figuren des Dramas und das Publikum), die außerhalb der Geschehnisse standen, produzierten oder produzieren sollten, wurden von der Vielzahl [dem Chor] dargestellt; von einer Art des idealen Seins.] Im antiken Drama wird die reale Welt repräsentiert durch Individuen, neben der idealen und moralischen Welt, 12 und in Form von Chören auf die Bühne gestellt. 13 Leopardi sieht darin eine formale Darstellung ihres Verhältnisses in der 12 Cf. zu Leopardis Theaterbegriff: Simonetta Bosso: «Leopardi e l'idea del teatro», in: Sebastian Neumeister (Hg.): Leopardi in seiner Zeit. Leopardi nel suo tempo. Tübingen: Stauffenburg-Verlag 1995, 139-145. 13 Im Sammelband Der Chor im antiken und modernen Drama wird die Frage nach dem Verhältnis von Chor und Individuum an zahlreichen Beispielen erörtert. Silk fasst in seinem Aufsatz «Style, Voice and Authority in the Choruses of Greek Drama» die Positionen von Gould und Goldhill zur Stimme und Autorität des Chors zusammen, die das Spektrum der Verwirrung als Programm 185 Welt. Derartige Überlegungen zum Verhältnis des Einzelnen zum Kollektiven sind vielerorts im Zibaldone zu finden. So beschreibt Leopardi unter anderem die Tugend als kollektives Phänomen, das nur in Einzelfällen im Individuum gefunden werden kann: «L’individuo non è virtuoso, la moltitudine sí» (Zib. 1565 [‹Das Individuum ist nicht tugendhaft, das Kollektiv schon›]. Einen moderneren Chorgesang findet Leopardi in dem Pastoraldrama Aminta von Tasso und in Guarinis Pastor fido wieder, obwohl der Chor hier eine andere Funktion einnimmt und primär am Ende der Akte erscheint (cf. Zib. 2999). In Aminta hat der Chor zwar auch eine moralische Bedeutung, seine Rolle ist jedoch zurückhaltender als im griechischen Drama, und Tasso nutzt den Chor zudem für poetologische Überlegungen zur Gattung und Stilart. Trotz der Kritik, die Leopardi am 16.- Jahrhundert übt, erkennt er in der Formgebung des Dramas ein zeitgenössisches italienisches Vorbild der Chordichtung 14 , um sich einer universalen Ausdrucksform zu nähern: «Sprache muss sich zur Musik erheben, damit die Dichtung die banale Wahrscheinlichkeit hinter sich lassen kann». 15 Am deutlichsten werden die Einflüsse dieser Überlegungen in dem irrealen Stück Dialogo di Federico Ruysch e delle sue mummie, wenn die Toten am Ende eines kosmischen Zyklus im «anno grande e matematico» [im «Große[n] Mathematische[n] Jahr»] als Chor auftreten und zu einem entsetzten Frederik Ruysch 16 sprechen. Leopardi übernimmt das Metrum aus Aminta - die freigereimte selva - und ebenso die refrainartige Struktur, indem er im letzten Vers des Gesangs den ersten Vers aufgreift. In diesem irrealen Stück lüftet sich für einen Moment der Vorhang zwischen der Welt der Toten und der der Lebenden, und die unbekannten Toten aller Zeiten treten als Chor auf. Diskussion verdeutlichen. Gould betont die spezifische Verortung eines jeden Chors und grenzt dadurch den verallgemeinernden Charakter des Chors ein: «[E]ach chorus is a particular group whose words come from, and refer back to, a particular situation; as such, each chorus has a particular voice, which is not in any straightforward sense the voice of truth. Yes, the chorus taps into the collective memory of the community; but still, its views and its utterances are partial: they, and it, have no overriding authority.» Goldhill hingegen räumt ein, dass der Chor zwar gesellschaftlich verortet ist, betont aber seinen kollektiven Charakter und seine imaginativen Fähigkeiten. Dies versetzt den Chor in die Lage, sich selbst zu hinterfragen: «[E]ach chorus is situated, in time, in place, in socio-cultural affiliation, and as such, each chorus does have a partial and a particular view; yet, at the same time, it comprises not one voice, but many. Among the utterances of each tragic chorus, one can expect to hear the voice of communal authority, but also, in the chorus’ mobilization of traditions, images, connections, a voice that questions that authority too.» Goldhills Beschreibung rückt damit nah an Leopardis Auffassung (Michael Silk: «Style, Voice and Authority in the Choruses of Greek Drama», in: Peter Riemer / Bernhard Zimmermann (Hg.): Der Chor im antiken und modernen Drama. Stuttgart: Metzler 1998, 1). 14 Cf. Karl Maurer: Giacomo Leopardis «Canti» und die Auflösung der lyrischen Genera. Frankfurt a.M.: Klostermann 1957, 216. 15 Ibid., 215. 16 Frederik Ruysch (1638-1731) war ein niederländischer Arzt und Botaniker. 186 Annika Gerigk Sola nel mondo eterna, a cui si volve Ogni creata cosa, In te, morte, si posa Nostra ignuda natura; Lieta no, ma sicura Dall’antico dolor. Profonda notte Nella confusa mente Il pensier grave oscura […]. (II, 116) [Du einzig Ew’ges in der Welt, o Tod,-| Ziel aller Kreatur,-| Dem unsre Staubnatur-| Darf endlich Ruhe danken-| Nicht froh, doch allem Kranken-| Des alten Seins entrückt, mit tiefer Nacht-| Hüllst im verworr’nen Sinn-| Du ein die Qualgedanken! (143)] 17 In einem unpersönlichen, meditativen Ton besingen sie den ewigen Tod, der ihnen die Schmerzen und Sorgen genommen hat, jedoch nicht durch Erlösung, sondern durch Verneblung und Verdunklung. Der verwirrte Geist nimmt seine Sorgen nicht mehr wahr. Das Gleiche gilt für seine Erinnerungen an das Leben: Cosa arcana e stupenda Oggi è la vita al pensier nostro, e tale Qual de’ vivi al pensiero L’ignota morte appar. Come da morte Vivendo rifuggia, così rifugge Dalla fiamma vitale Nostra ignuda natura; Lieta no ma sicura; Pero ch’esser beato Nega ai mortali e nega a’ morti il fato. (II, 116sq.) [Ein wundersam Geheimnis-| Scheint uns das Leben heut, so rätselhaft-| Wie denen, die noch leben,-| Der unbekannte Tod. Wie vor dem Tode-| Wir flohen, da wir lebten, so erschrickt-| Die nackte Staubnatur-| Jetzt vor der Lebensflamme,-| Nicht froh, doch leidentrückt.- | Versagt doch wahres Glück- | So Sterblichen wie Toten das Geschick. (143sq.)] Den Toten ist das Leben, nachdem sie die Schwelle zum Tode überschritten haben, ebenso rätselhaft und sogar unheimlich geworden wie der Tod den Lebenden. Der Dialog zwischen den Toten und Ruysch wird zwar in diesem seltenen, erhabenen Moment ermöglicht, scheitert aber zugleich. Ruysch konterkariert zunächst das Erhabene, indem er den Gesang als Hahnengesang bezeichnet 17 Übersetzung von Burkhart Kroeber: Giacomo Leopardi: Opuscula moralia oder Vom Lernen, über unsere Leiden zu lachen. Operette morali. Ausgesucht und übers. von Burkhart Kroeber auf Basis der Erstübersetzung von Paul Heyse. Berlin: AB - Die andere Bibliothek 2017 (Die andere Bibliothek, 389). Verwirrung als Programm 187 und sich darum sorgt, wie er sich seiner neuen Mitbewohner entledigen kann, damit er sie nicht versorgen muss. Nachdem geklärt ist, dass die Kommunikation nur eine Viertelstunde dauern wird, beginnt der Dialog. Doch Ruysch erhält kaum kenntnisreiche Antworten auf seine Fragen, außer dass der Tod ein Ort ohne Leiden ist, an dem alles in der Verwirrung verhüllt wird. Innerhalb des Kontinuums der Toten findet keine Kommunikation statt: «Non possiamo parlare altrimenti, che rispondendo a qualche persona viva. […] Quando anche potessimo, non sentiresti nulla; perchè non avremmo che ci dire» (II, 118 [«Wir können nur sprechen, wenn wir einem Lebenden antworten sollen. […] Selbst wenn wir es könnten, würdest du nichts hören, denn wir hätten uns nichts zu sagen», 146]). Das Überschreiten der Lebensgrenze kann nicht erinnert werden. Der Tod - als gradueller Prozess der Ermattung gedacht - geht mit Lust einher. Sterben ist, entgegen allen Befürchtungen, ein Übergang von Unlust zur Lust, die jedoch nicht als positives Gefühl definiert wird, sondern als Mangel an Leben und Schmerz: 18 [I]l piacere non è che un abbandono e un oblio della vita, e una specie di sonno e di morte. Il piacere è piuttosto una privazione o una depressione di sentimento che un sentimento, e molto meno un sentimento vivo. [… L]a vita per sua natura è dolore. Onde è piacevole l’esserne privato in quanta parte si può, senza dolore e senz’altro patimento che nasca o sia annesso a questa privazione. (Zib. 4074) [Das Begehren ist nichts anderes als ein Aufgeben und ein Vergessen des Lebens und eine Art Schlaf oder Tod. Das Begehren ist vielmehr ein Entzug oder ein Niederdrücken von Gefühlen als ein Gefühl und noch viel weniger ein lebhaftes Gefühl. Leben ist von Natur aus Schmerz. Deshalb ist es vergnüglich, so viel wie möglich den Entzug zu erfahren und dadurch ohne Schmerz und Qual zu sein.] Ruyschs letzte Frage - «come conosceste d’essere morti? » (II, 122 [«Woran hattet ihr erkannt, dass ihr gestorben wart? », 151]) - bleibt unbeantwortet. Die Viertelstunde ist abgelaufen und die Toten sind wieder verstummt. Der Dialog endet damit, dass Ruysch wieder schlafen gehen kann, nachdem ihn der Gesang geweckt hatte. Dadurch schließt sich die zyklische Struktur des Stücks, in dem die Toten Ruysch in einer kurzen Wachphase erscheinen. Leopardis einziger Versuch die Chorlyrik zu imitieren, ist ein ironischer. Die ‹ideale› Welt hat keinen idealen Charakter. Die Toten existieren in der vollkommenen Indifferenz in einer idealeren Welt. Die ‹ideale› Welt wird den Lebenden und den Toten versagt. Ihr Remedium ist lediglich eine Verwirrung, die das Leiden verhüllt, 18 Cf. zur zeitlichen Dimension von Lust und Unlust: Milan Herold: «‹Il presente non può esser poetico›. Giacomo Leopardis Lesbarkeit der Zeit (Il primo amore, Alla sua donna)», in: id. / Michael Bernsen (Hg.): Der lyrische Augenblick. Eine Denkfigur der Romania. Berlin: De Gruyter 2015, 133-135. 188 Annika Gerigk und Lust ist vielmehr ein Entzug. Diese Überlegung überträgt Leopardi auf die Lyrik, insofern sie Lust darstellt: Qualunque poesia o scrittura, o qualunque parte di esse esprime o collo stile o co’ sentimenti il piacere e la voluttà, esprime ancora o collo stile o co’ sentimenti formali o con ambedue un abbandono, una noncuranza, una negligenza, una specie di dimenticanza d’ogni cosa. (Zib. 4074) [ Jede Poesie oder Schrift oder jeder Teil davon, der durch den Stil oder durch Gefühle Begehren oder Genuss ausdrückt, drückt wiederum durch die Form des Stiles oder der Gefühle, oder durch beides, ein Aufgeben, eine Achtlosigkeit, eine Gleichgültigkeit, eine Art Vergessenheit von allem aus.] Leopardi wird den refrainartigen Stil des Chors in dieser Form nicht wiederholen, aber das kurze Zwischenspiel gibt Hinweise zu Leopardis formalen und inhaltlichen Interessen an der Interaktion der ‹idealen› mit der ‹realen› Welt in seiner Lyrik. Die Canzone Alla sua donna Auch in der Canzone Alla sua donna lassen sich ähnliche Bestrebungen erkennen. Die Canzone decima folgt mit einem Jahr Abstand auf die Entstehung des Inno ai Patriarchi und des Ultimo canto di Saffo, weist aber weder im Inhalt noch in der Form starke Ähnlichkeiten dazu auf. Alla sua donna wechselt von Strophe zu Strophe das Reim- und Versschema, und der Inhalt wird mit jeder Strophe variiert. Die Rezeption versuchte diesen Zustand durch unterschiedliche Produktionsphasen zu erklären. In der Handschrift von Alla sua donna erscheinen die Strophen in einer anderen Reihenfolge, über denen jeweils eine Ordnungsnummer eingefügt wurde. Moroncini schloss daraus, dass Leopardi zunächst die zweite, dritte und fünfte Strophe verfasste und erst später, mit Abstand, die erste und die vierte Strophe (cf. I, 956). Während die zuerst verfassten Strophen die abstrakte Idee der weiblichen Schönheit philosophisch verhandeln, sind die anderen beiden Strophen in einem persönlicheren Ton verfasst, der den Stil der Idyllen aufgreift. Dieser Umstand ist jedoch nicht der Produktion geschuldet, sondern der erneuten Suche nach geeigneten Formen, um die Beschaffenheit der Welt in Frage zu stellen. Dabei bedient Leopardi sich an Elementen der Canzonen und der Idyllen. Dass Alla sua donna nicht nach den anderen Canzonen, sondern an der Stelle XVIII in den Canti steht, folgt also durchaus einer inneren Logik. Ein Blick in die Handschriften verrät, wie intensiv Leopardi an der Verklausulierung des Gedichts gearbeitet hat. Die affektiv mit «Cara» angesprochene Verwirrung als Programm 189 Frau in der ersten Strophe ist eine pure Abstraktion der idealen Schönheit, die sich nur als Schatten im Traum zeigt oder als Illusion existiert. 19 Cara beltà che amore Lunge m’inspiri o nascondendo il viso, Fuor se nel sonno il core Ombra diva mi scuoti, O ne’ campi ove splenda Più vago il giorno e di natura il riso; (Alla sua donna, vv.-1-6) [Teure Schönheit, die Liebe- | von fern, oder wenn ich die Augen schließe, mir einflößt,-| wenn du im Schlaf nicht mein Herz-| als göttlicher Schatten erschütterst oder auf freiem Felde,-| wo unbestimmter der Tag erstrahlt und lacht die Natur.] In den Varianten finden sich Versionen, die bereits in der ersten Strophe noch deutlicher gezeigt hätten, dass hier die Rede von der absoluten Schönheit ist. Denn im ersten Vers erwog Leopardi «diva beltà» [«göttliche Schönheit»], im vierten Vers «ombra vaga» [«unbestimmter Schatten»] und im fünften und sechsten Vers «splende più dolce il giorno» [«sanfter der Tag erstrahlt»]. 20 Auch sie kann nur im Traum oder als Schatten erwogen werden. Das lyrische Ich fragt sich, ob ihr Geist in der Gegenwart einfach nicht erkannt werden kann. Dadurch verkörpert die Schönheit das poetologische Problem, dass die Gegenwart nicht poetisch dargestellt werden kann. 21 Sie zeigt aber auch, wie die ‹ideale› und die ‹reale› Welt verbunden sind. Wenn es sich hier um Liebe handeln würde, dann nur um eine Liebe um ihrer selbst willen und nicht um eine Liebe zu der besungenen Frau. Leopardi selbst gibt in einer Notiz der Edition von 1831 den entsprechenden Hinweis: La donna, cioè l’innamorata, dell’autore, è una di quelle immagini, uno di quei fantasmi di bellezza e virtù celeste e ineffabile, che ci occorrono spesso alla fantasia nel sonno e nella veglia, quando siamo poco più che fanciulli, e poi qualche rara volta nel sonno, o una quasi alienazione di mente, quando siamo giovani. In fine è la donna che non si trova. L’autore non sa se la sua donna (e così chiamandola, mostra di non amare che questa) sia mai nata finora, o debba mai nascere: sa che ora non vive in terra […]; la cerca tra le idee di Platone, la cerca nella luna, nei pianeti del sistema solare, in quei de’ sistemi delle stelle. Se questa canzone si vorrà chiamare amorosa, sarà pur 19 Cf. zur Semantik des Scheins: Carlo Mathieu: «Imago, ombre, sembianze. Semantik des Scheins von Alla sua Donna bis Il tramonto della luna», in: Cornelia Klettke / Sebastian Neumeister (Hg.): Giacomo Leopardi - Dichtung als inszenierte Selbsttäuschung in der Krise des Bewusstseins. Akten des Deutschen Leopardi-Tages 2015. Berlin: Frank & Timme 2017, 183-200. 20 Giacomo Leopardi: Canti. Ed. fotografica degli autografi e edizione critica di Emilio Peruzzi. Milano: Rizzoli 4 2009, 395sq. 21 Cf. Herold: «‹Il presente non può esser poetico›», 137, 143. 190 Annika Gerigk certo che questo tale amore non può nè dare nè patir gelosia, perché, fuor dell’autore, nessun amante terreno vorrà fare all’amore col telescopio. 22 [Die Frau, das heißt die Geliebte des Dichters, ist eines dieser Bilder, eines dieser Phantasmen der unaussprechlichen, göttlichen Schönheit und Tugend, wie sie uns, wenn wir fast noch Kinder sind, häufig in der Phantasie, im Traum und im Wachzustand erscheinen; und dann selten noch im Traum oder in einem Anflug von Geistesgestörtheit, wenn wir Jugendliche sind. Schlussendlich ist sie die Frau, die nicht anzutreffen ist. Der Autor weiß nicht, ob seine Frau (und sie so nennend zeigt er, dass er keine andere liebt) jemals geboren wurde, oder je geboren wird: Er weiß, dass sie jetzt nicht auf Erden lebt; er sucht sie zwischen den Ideen des Platon, er sucht sie im Mond, in den Planeten des Sonnensystems und in jenen der anderen Sternensysteme. Wenn man diese Canzone als Liebeslied bezeichnen wollte, dann steht fest, dass von dieser Liebe keine Eifersucht ausgehen kann, denn mit Ausnahme des Autors will kein Liebhaber der Erde die Liebe nur durch ein Telekosp erleben.] Sie ist die Denkfigur der absoluten Illusion. Die Frau, in dieser idealisierten Form, befindet sich in einem Spannungsverhältnis zwischen Sein und Nicht- Sein, Kontingenz und dem Absoluten, Materie und Imagination, Realität und Irrealität. Rhythmisch variiert das Gedicht entsprechend zwischen Schwere und Leichtigkeit und gibt dadurch Hinweise auf das Zusammenspiel der idealen und der realen Welt. Auf Erden hat das lyrische Ich die Hoffnung aufgegeben, sie zu finden, nachdem es in seiner Jugend noch glaubte, dass sie seine Begleiterin und Führerin durchs Leben sein werde. Gäbe es sie, dann wäre alles Unglück auf Erden durch das Glück, das sie ihm bescheren würde, aufgewogen. Nun wünscht er sich zumindest ihren Anschein: […] E potess’io, Nel secol tetro e in questo aer nefando, L’alta specie serbar; che dell’imago, Poi che del ver m’è tolto, assai m’appago. (Alla sua donna, vv.-41-44) [Ach, könnt ich zumindest- | im Pesthauch dieses dunklen Jahrhunderts dein edles- | Bild mir bewahren. Ich würde ja mit dem Schein,- | seit ich dich selbst verloren, zufrieden sein.] Diesen Anschein verknüpft Leopardi mit dem Mond, der in petrarkischer Manier versteckt auch Eingang in Alla sua donna findet: 23 22 Leopardi: Canti. A cura di Mario Fubini, 145. 23 Cf. Herold: «‹Il presente non può esser poetico›», 145. Verwirrung als Programm 191 Se dell’eterne idee L’una sei tu […] (Alla sua donna, v. 45sq., Herv. von mir) [Wenn aber von den ewigen-| Ideen du eine bist] Die Verknüpfung der Frau und des Mondes ist kein Hapax bei Leopardi. Galimberti stellt dies mit Bezug auf den Canto notturno di un pastore errante dell’Asia fest: «Immagine femminile, che può rinviare a una platonica idea di bellezza, e disco lunare sono tra le manifestazioni predilette dal poeta nel suo vagheggiamento di un altro modo di essere. E tendono a sfumare l’una nell’altra» 24 . Die Schönheit und der Mond verweisen auf eine andere Art des Seins. In Il tramonto della luna wird dieser Anschein durch die Mondlandschaft in der ersten Strophe evoziert. Leopardi wählt damit kein salientes Bild, da der Mondzyklus nicht den Alltag des menschlichen Lebens regelt, im Gegensatz zur Sonne. Was also zunächst im Kontrast zum Tagestopos wie eine Verdunklung des Themas anmutet, ist Teil der leopardischen Illusionsbildung: Ed è pur piacevole […] la vista di un cielo diversamente sparso di nuvoletti, dove la luce del sole o della luna produca effetti variati e indistinti e non ordinari ec. […] A questo piacere contribuisce la varietà, l’incertezza, il non veder tutto e il potersi perciò spaziare coll’immaginazione, riguardo a ciò che non si vede. (Zib. 1745sq.) [Die Sicht auf einen Himmel mit einem Flickwerk aus Wolken, durch die hindurch das Licht der Sonne oder des Mondes abwechslungsreiche und unbestimmte und ungewöhnliche Effekte produziert, ist ebenfalls angenehm. […] Abwechslung, Unsicherheit, nicht alles sehen können und deshalb mit der Imagination umherstreifen zu können, durch das, was nicht sichtbar ist, trägt zur Lust bei.] Der vage Charakter der Strophe wird unterstrichen durch die unbestimmten Beschreibungen der Landschaft, auf der «mille vaghi aspetti- | E ingannevoli obbietti- | Fingon l’ombre lontane» [‹tausend unbestimmte Bilder und trügerische Gestalten die fernen Schatten entfalten›]. Die Schatten produzieren unbestimmte Gebilde in der Landschaft und eine Form der Dunkelheit - «una oscurità» - und nicht die Dunkelheit bricht herein. Und wo verschwindet der Mond? «Dietro Apennino od Alpe, o del Tirreno» [«Hinter dem Apennin oder den Alpen oder am tuskischen Meere»]? Ebenso vage sind die weiteren Verortungen in der ersten Strophe, wie die antike Präposition «infra» im 7.-Vers, die Leopardi vermutlich im Sinne von «nel» und nicht «tra» oder «fra» verwendet. 25 Der Sonnenaufgang in der vierten Strophe käme dann als die ‹ideale› 24 Cesare Galimberti: «Leopardi: meditazione e canto», in: Giacomo Leopardi: Poesie e prose. Vol.-I. Poesie. A cura di Mario Andrea Rigoni. Milano: Mondadori 2011, XXIX. 25 Cf. Fernando Bandini: «Il tramonto della luna», in: Lectura leopardiana. I quarantuno «Canti» e «I nuovi credenti». A cura di Armando Maglione. Venezia: Marsilio 2003, 609sq. 192 Annika Gerigk Welt in ihrer Reinform in Frage, als «la donna che non si trova» [‹die Frau, die nicht anzutreffen ist›]. Die Illusionshaftigkeit der Jugend, die im Erwachsenenalter verschwindet, der fehlende Sinn des Lebens, die Bedingungen der Menschheit und ihr linearer Weg in das Grab entsprächen dann dem philosophischen Diskurs, der die ‹reale› Welt repräsentiert. Während das lyrische Ich in Alla sua Donna zweifelt, seine Erkenntnisse im Konjunktiv, in Fragen und durch das Adverb «forse» ausdrückt und der Tonfall durch Nostalgie geprägt ist, suggeriert Il tramonto della luna eine scheinbare Gewissheit über das Ende der Illusionen. Diese entsteht allerdings erst durch die Entschlüsselung des Diskurses, da die Gegenüberstellung von der Struktur des Textes verhüllt wird. Dieser Punkt ist nicht zu vernachlässigen, da insbesondere die Gewissheit und der Anspruch auf Verallgemeinerung den Pessimisten zugeschrieben wird: Kurz zusammengefaßt ließe sich ‹Pessimismus› […] bestimmen als eine metaphysische oder kulturhistorische Deutung, die auf einem kosmologischen oder geschichtsphilosophischen Hintergrund zu einer radikal negativen Bewertung des Bestehenden kommt. Dabei beruft sich die Bewertung zwar in der Regel auf die Perspektive des einzelnen Subjekts, die Theorie insgesamt erhebt aber den Anspruch, objektive Aussagen über die Wirklichkeit und den historischen Prozeß zu machen; der metaphysische Pessimismus glaubt gar, bis zu den ‹Prinzipien des Seins› vorgestoßen zu sein. 26 Leopardi hat einen Großteil seiner Überlegungen und Dichtungen den falschen Repräsentationen gewidmet, die in diesem späten Gedicht nicht nur in den Illusionen, sondern auch in der Form und dem Gesamteffekt zum Tragen kommt. Merleau-Ponty beschreibt in der Phénoménologie de la perception eine Form der visuellen Illusion: Ein Spaziergänger läuft an einer Küste entlang und sieht vor sich ein Schiff und dahinter einen Wald. Erst beim Näherkommen stellt er fest, dass sich vor dem Wald auch die Masten des Schiffes erheben, die er zuvor als Teil des Waldes wahrgenommen hat, da sie sich nicht vom Hintergrund unterschieden. 27 Bei dieser Form der Illusion handelt es sich nicht um eine solche Illusion, die - wie bei Figuren aus psychologischen Tests - erst durch einen Perspektivwechsel oder die Hinzunahme oder Entfernung von etwas sichtbar wird. 28 Zu letzterer Illusion führt Leopardi im Zibaldone mehrere Formen der 26 Michael Pauen: Pessimismus. Geschichtsphilosophie, Metaphysik und Moderne von Nietzsche bis Spengler. Berlin: Akademie-Verlag 1997, 17. 27 Cf. Maurice Merleau-Ponty: Phénoménologie de la perception. Paris: Gallimard 1945, 24. 28 Cf. Charles Siewert: «Attention and Sensorimotor Intentionality», in: David Woodruff Smith / Amie L Thomasson (Eds.): Phenomenology and Philosophy of Mind. Oxford: Oxford University Press 2005, 283. Söffner wirft mit Blick auf Merleau-Pontys Bild die Frage auf, wie Literaturverständnis im «Wald der Textbedeutung aus Wörterbäumen» zustande kommt ( Jan Söffner: Partizipation. Metapher, Mimesis, Musik - und die Kunst, Texte bewohnbar zu machen. Paderborn: Fink 2014, 93). Verwirrung als Programm 193 Illusion auf, die aus einer Versperrung oder einer bestimmten Perspektive entstehen und den Blick von einer Begrenzung trennen. Leopardi differenziert hier nicht, aber es handelt sich in allen Fällen um Illusionen, die den Effekt des infinito hervorrufen können: Circa le sensazioni che piacciono pel solo indefinito puoi vedere il mio idillio sull’Infinito, e richiamar l’idea di una campagna arditamente declive in guisa che la vista in certa lontananza non arrivi alla valle; e quella di un filare d’alberi, la cui fine si perda di vista, o per la lunghezza del filare, o perch’esso pure sia posto in declivio ec. ec. ec. Una fabbrica una torre ec. veduta in modo che ella paia innalzarsi sola sopra l’orizzonte, e questo non si veda, produce un contrasto efficacissimo e sublimissimo tra il finito e l’indefinito ec. ec. ec. (Zib. 1430sq.) [Bezüglich der Empfindungen, die nur aufgrund ihrer Unbestimmtheit gefallen, kannst du meine Idylle über die Unendlichkeit (L’infinito) betrachten und die Idee einer Landschaft aufrufen, die steil abfällt, wo die Sicht aus einer gewissen Distanz nicht bis in das Tal reicht; und die einer Baumreihe, deren Ende aus dem Blick gerät, entweder durch die Länge der Reihe oder weil auch diese auf einer Schräge steht etc. Eine Fabrik, ein Turm etc., aus einer Perspektive gesehen, aus der es so scheint, als würde er allein sich über den Horizont hinaus erheben, und aus der der Horizont nicht sichtbar ist, produziert einen sehr wirkungsvollen und sublimen Kontrast zwischen dem Endlichen und dem Unendlichen etc.] Die Versperrung soll nicht aufgehoben werden, stattdessen soll, gemäß der doppia vista, die Imagination den Raum erforschen und Bilder fingieren. 29 Jene Illusion, die Merleau-Ponty beschreibt und die Leopardi in Il tramonto della luna umsetzt, spielt mit den Vorerwartungen, die an ein Gedicht gestellt werden. Die Differenzierung erfolgt erst durch den zielgerichteten Blick bzw. durch die genaue und wiederholte Lektüre; durch jenen chirurgischen Blick, der Gefahr läuft, die Vagheit aufzulösen, ohne ihre Bedeutung in der Gesamtkonstruktion zu sichern. 30 Durch diesen Effekt verhüllt Leopardi das Zusammenspiel der ‹realen› und der ‹idealen› Welt und zeigt Zweifel. 29 Cf. Milan Herold: «Funktionale Bildlichkeit - Leopardis Denkbilder (Frammento XXXIX Spento il diurno raggio in occidente)», in: Barbara Kuhn / Michael Schwarze (Hg.): Leopardis Bilder. Immagini e immaginazione oder Reflexionen von Bild und Bildlichkeit. Tübingen: Narr 2019, 50sq. 30 Der Blick des Literaturkritikers kann verglichen werden mit dem Gehör des Musikkritikers, der urteilend an die Musik herantritt. Der Laie hingegen hört die Musik und bildet auf Basis seiner Wahrnehmung ein Urteil: «[G]l’intendenti giudicano, e giudicando sentono (cioè col fattizio, ma reale sensorio dell’intelletto e della memoria), secondo i principii e le norme della loro scienza; e i non intendenti sentono e sentendo giudicano secondo le loro assuefazioni relative al proposito» (Zib. 3218). 194 Annika Gerigk Spuren einer Personalität In Alla sua donna wird das Zusammenspiel durch den Wechsel zwischen persönlichen und unpersönlichen Strophen begleitet, ohne dabei eine scharfe Trennlinie zu ziehen. Ebenso enden die einzelnen Strophen, die dann trotzdem keine Aussicht auf Erfüllung haben, hoffnungsvoll. Daraus ergibt sich auch die Ambivalenz in der Rezeption des Gedichts, dem Attribute von Hymne bis Nihilismus zugeschrieben werden. Il tramonto della luna wird aufgrund des unpersönlichen Tons als radikaler Ausdruck des sogenannten kosmologischen Pessimismus diskutiert, denn die ersten beiden Strophen kommen ohne Personalität aus. Sieht man von dem vagen «là ’ve» (v.-3) ab, fehlen ebenfalls die deiktischen Verweise, die in Leopardis Gedichten (besonders in L’infinito: «questo», «di là da quella», etc.) häufig zu finden sind. Der Verzicht auf deiktische Verweise kann als Abwesenheit des lyrischen Ichs interpretiert werden, da es nicht durch die Landschaft führt. 31 Stattdessen erfolgt der Blick scheinbar von Außen aus einer unbekannten Perspektive. Der Zeuge dieses Spektakels wählt eine Mischung aus detaillierten Aufzählungen, «rami e siepi e collinette e ville» [«Zweigen und Hecken, […] Hügeln und Villen»] oder «confin del cielo» [«am Rande des Himmels»], und unbestimmten Beschreibungen, wie «vaghi aspetti» [«unbestimmte Bilder»], «ingannevoli obbietti» [«trügerische Gestalten»], «l’ombre lontane» [«ferne Schatten»] 32 , «dietro Apennino od Alpe, o del Tirreno» [«hinter dem Apennin oder den Alpen oder am tuskischen Meere»], «nell’infinito seno» [«im unendlichen Schoß»], zwischen denen die Details verschwimmen. Durch die Unbestimmtheit wird die Beobachtung der Mondlandschaft, entgegen der thematisierten Linerarität, zum wiederholbaren Akt. Auf sprachlicher Ebene zeigen sich Spuren einer Personifikation in der Mondlandschaft. Durch Zephiro, den Westwind, der den Frühling ankündigt, thematisiert die erste Strophe bereits das Thema der Jugend. Ein deutlicheres Indiz für die Personifikation der Landschaft findet sich im 12.-Vers: «Scende la luna; e si scolora il mondo» [‹der Mond versinkt und die Welt entfärbt sich›]. Das Verb «scolorare» wird von Leopardi sonst vornehmlich für die Liebe und den Tod verwendet. 33 Dolcemente appressando al volto afflitto E scolorato dal mortale affanno (Consalvo, v.-70sq., Herv. von mir) [Sanft sich dem Antlitz nähernd, das betrübt-| und entfärbt war vom Todeskampf] 31 Oder gar als Abwesenheit des Dichters (cf. Bandini: «Il tramonto della luna», 612). 32 Leopardi beschreibt die Wortwahl im Zibaldone: «Le parole lontano, antico e simili sono poeticissime e piacevoli, perchè destano idee vaste, e indefinite, e non determinabili e confuse» (Zib. 1789). 33 Cf. Bandini: «Il tramonto della luna», 616. Verwirrung als Programm 195 Quando soleva ogni lontano accento Del labbro tuo, ch’a me giungesse, il volto Scolorarmi? […] (Le ricordanze, vv. 146-148, Herv. von mir) [Wie einst, als jeder ferne Laut deiner- | Lippen, wenn er mich nur erreichte, mein Antlitz-| erbleichen ließ? ] Che sia questo morir, questo supremo Scolorar del sembiante (Canto notturno, v.-65sq., Herv. von mir) [Wozu dieses Sterben taugt, dieses letzte-| Erblassen des Antlitzes] So klingen die sentimenti und passioni, die der Landschaft abgesprochen werden, zumindest an. Ebenso nimmt die Harmonie eine ambivalente Rolle in dem Gedicht ein, da der Rhythmus durch die Satzkonstruktion, in der das Subjekt hintangestellt ist, und durch die Wortpaare wie «aspetti» und obietti» verlangsamt wird. 34 Dadurch kann das Gedicht in die Reihe der Sepolcrali gestellt werden. Die Enjambements lassen die erste und die vierte Strophe jedoch zu Musik heranschwellen und regen Emotionen an, wie sie bei der Beobachtung von Naturschauspielen empfunden werden. Die entstehende Harmonie suggeriert Ordnung und Kausalität im Chaos, 35 entpuppt sich aber als Illusion. Fazit Alle drei besprochenen Texte spielen mit der Frage, was wir überhaupt erkennen, erfahren und akzeptieren können. Die Eindeutigkeit, die Il tramonto della luna inhaltlich suggeriert, wird formal durch Verwirrungen und bildlich angefochten. Während in der Jugend noch die Illusion von Sinn und Zweck des Lebens besteht, schwindet diese später. Diesen Zustand durch die Akzeptanz des Nichts zu ertragen, schließt Leopardi jedoch weitestgehend aus: «Due verità che gli uomini generalmente non crederanno mai: l’una di non saper nulla, l’altra di non esser nulla» (Zib. 4525 [‹Zwei Wahrheiten, die die Menschen nie glauben werden: die eine, nichts zu wissen, die andere, nichts zu sein›]). Das Leben endet zwar im Grab, wie es vor allem die letzten Verse verdeutlichen, die Linearität der menschlichen Existenz bleibt dem «confuso viatore» jedoch 34 In den Sepolcrali zeigt Leopardi auf syntaktischer Ebene den Kontrast von Dauer und Flüchtigkeit durch Dehnungen und Raffungen. Cf. Georges Güntert: «Poetiken der Grabesdichtung. Foscolo, Leopardi, Montale», in: Barbara Kuhn / Michael Schwarze (Hg.): Leopardis Bilder. Immagini e immaginazione oder Reflexionen von Bild und Bildlichkeit. Tübingen: Narr 2019, 137. 35 Cf. Margherita Pieracci Harwell: I due poli del mondo leopardiano. Firenze: Cesati 1986, 125sq. 196 Annika Gerigk verborgen. Erst durch die Loslösung von der argumentativen Rekonstruktion, die sich der Rezipierende erarbeiten musste, können Zweifel erkannt werden, die formal erzeugt, aber nicht thematisiert werden. Leopardis Dichtung enthält einen Widerspruch, den die Kunst gut kennt. Während Sprache die Fähigkeit zur Negation besitzt, zeigen und verweisen Bilder auf etwas und affirmieren es dadurch. Traditionell wird der Kunst sogar oft ein negierendes Potential abgesprochen. 36 Stillers schreibt deshalb der imaginativen Dimension eine autonome Rolle im Werk zu. «Eine bildhafte Vorstellung kann sprachlich verneint werden, als Vorstellung ist sie aber unvermindert präsent; von der Verneinung bleibt das Bildhafte unberührt.» 37 In diesem Zusammenhang müsste auch die Formgebung diskutiert werden, die in den Canti eine ständige Veränderung durchläuft. Illusionen werden verneint und gleichzeitig evoziert. Dieses paradoxe Verfahren wird überdies möglich, da Leopardi selbst sich vom Satz des Widerspruchs - non potest idem simul esse et non esse (Zib. 4129) - abkehrt. Die Grundlage für diese Überlegungen ist erneut die conditio humana: Der Mensch ist für Leopardi ein Widerspruch in sich, da er durch seine Vernunftfähigkeit unglücklich ist, jedoch durch seinen Erhaltungstrieb, «la cura di conservare la propria esistenza» (Zib. 56) [die sorgfältige Bewahrung der eigenen Existenz], trotzdem fortbesteht: Non si può meglio spiegare l’orribile mistero delle cose e della esistenza universale […] che dicendo essere insufficienti ed anche falsi […] i principii stessi fondamentali della nostra ragione. Per esempio quel principio […] e la facoltà istessa di poterne fare e concepire dei veri […]. Non può una cosa insieme essere e non essere, pare assolutamente falso quando si considerino le contraddizioni palpabili che sono in natura. L’essere effettivamente, e il non potere in alcun modo esser felice […]. (Zib. 4099) [Man kann die schrecklichen Mysterien der Dinge und der universalen Existenz nicht besser erklären, als zu sagen, dass die fundamentalen Prinzipien unserer Vernunft ungenügend und auch falsch sind. Zum Beispiel jenes Prinzip und die Fähigkeit selbst, Wahrheiten aufstellen und erkennen zu können. Eine Sache kann nicht gleichzeitig sein und nicht sein, erscheint absolut falsch, wenn die Widersprüche in der Natur berücksichtigt werden. Faktisch zu sein und nicht in der Lage zu sein, glücklich zu sein.] Indem Leopardi grundlegende Prinzipien der Logik anzweifelt, stellt er die allgemeine Erkenntnisfähigkeit des Menschen in Frage. Leopardi selbst sieht das Prinzip als die Grundlage für alle Diskussionen und Argumentationen und stellt 36 Cf. Sylwia Chomentowska: «Das Nichts (re)präsentieren. Negation und Episteme in der Kunst um 1800», in: Alessandro Bertinetto / Christoph Binkelmann (Hg.): Nichts - Negation - Nihilismus. Frankfurt a.M.: Lang 2010, 185. 37 Rainer Stillers: «Der ‹canto› in den Canti. Beobachtungen zu einem poetologischen Motiv», in: Italienisch 40 (1998), 59. Verwirrung als Programm 197 dadurch das gegenseitige Verständnis in einer Kommunikation auf einen wackeligen Boden, wie wir im Text Dialogo di Federico Ruysch e delle sue mummie sehen konnten. Ebenso können die Gegensätze, die sich aus der ‹realen› und der ‹idealen› Welt, aus dem Gegensatz der philosophischen Rede und der bildlichen und formalen Konzeption des Gedichts ergeben, im Spannungsverhältnis nebeneinander stehenbleiben, ohne aufgelöst werden zu müssen. Literatur Leopardi, Giacomo: Canti. A cura di Mario Fubini. Torino: Loescher 1971. —: Canti. Edizione fotografica degli autografi e edizione critica di Emilio Peruzzi. Milano: Rizzoli 4 2009. Leopardi, Giacomo: Canti e frammenti. Gedichte und Fragmente. Italienisch / Deutsch. Übers. von Helmut Endrulat. Hg. von Helmut Endrulat / Gero Alfred Schwab. Stuttgart: Reclam 1990. —: Opuscula moralia oder Vom Lernen, über unsere Leiden zu lachen. Operette morali. Ausgesucht und übers. von Burkhart Kroeber auf Basis der Erstübersetzung von Paul Heyse. Berlin: AB - Die andere Bibliothek 2017 (Die andere Bibliothek, 389). —: Poesie e prose. Vol.-I. Poesie. A cura di Mario Andrea Rigoni. Milano: Mondadori 11 2011. —: Poesie e prose. Vol.-II. Prose. A cura di Rolando Damiani. Milano: Mondadori 12 2016. —: Zibaldone. Ed. commentata a cura di Rolando Damiani. 3-vol. Milano: Mondadori 4 2015. Bandini, Fernando: «Il tramonto della luna», in: Lectura leopardiana. I quarantuno «Canti» e «I nuovi credenti». A cura di Armando Maglione. Venezia: Marsilio 2003, 607-623. Bárberi Squarotti, Giorgio: «La luna in cielo», in: Sebastian Neumeister (Hg.): Leopardi in seiner Zeit. Leopardi nel suo tempo. Tübingen: Stauffenburg-Verlag 1995, 83-108. Binni, Walter: La protesta di Leopardi. Firenze: Sansoni 1973. 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Leopardi infatti prende le distanze anche dall’Illuminismo, sviluppando una filosofia del paradosso, che ha molti punti di contatto con quella di Pascal, la cui ironia militante sembra influenzare l’opera del recanatese, specialmente il Dialogo di Tristano e di un Amico. Analizzando la satira di Leopardi, che indica apertis verbis un modello nell’ironia socratica, questo studio si domanda in che misura il riso leopardiano possa essere considerato un prodotto del Romanticismo. Nonostante indichi la poetica di Byron come un modello di satira moderna, Leopardi si distingue nel panorama romantico per aver elaborato un’originale teoria del riso, di cui traccia la storia nell’Elogio degli uccelli, ma anche per aver usato l’ironia per difendere la sua stessa filosofia, come Socrate, Pascal e Voltaire. Der Zibaldone kritisiert - ebenso wie das satirische Stück La scommessa di Prometeo - den Leibniz’schen Optimismus. Besonders intensiv setzte sich Leopardi mit Voltaires Poème sur le désastre de Lisbonne auseinander. Voltaire war zugleich stilistisch ein Vorbild für den satirischen Stil der Operette morali, obgleich sein Name hier nicht explizit genannt wird. Leopardi distanziert sich von der Aufklärung und entwickelt eine Philosophie des Paradoxen, die große Gemeinsamkeiten mit Pascal aufweist. Dessen ausgeprägte Ironie scheint für die Operette stilprägend zu sein, vor allem für den Dialogo di Tristano e di un Amico. Im Folgenden wird Leopardis satirisches Schreiben und dessen offensichtliche sokratische Ironie analysiert. Der Schwerpunkt der Untersuchung liegt auf dem Leopardi’schen Lachen im Kontext der Romantik. Wenngleich Leopardi Byrons Dichtung als ein Modell moderner Satire bezeichnet, grenzt er sich doch insofern von der Romantik ab, als er zum einen eine eigene Theorie des Lachens entwickelt, deren Geschichte er im 202 Giulia Abbadessa Elogio degli uccelli skizziert, zum anderen, wie Sokrates, Pascal oder Voltaire, mittels der Ironie seine eigene Philosophie verteidigt. Parole chiave: satira, ironia socratica, Romanticismo, paradosso Schlagwörter: Satire, sokratische Ironie, Romantik, Paradox Se moquer de la philosophie c’est vraiment philosopher. (Pascal, Pensée 513) Leopardi e Leibniz Leibniz è citato nello Zibaldone undici volte: una nel 1820, otto nel 1821, una nel 1826 e un’ultima nell’Indice del 1827 1 . La Biblioteca di Recanati non conserva opere di Leibniz, a cui Leopardi si riferisce in modo generico: Franco Martina spiega che le citazioni sono di seconda mano, tratte dall’Origine des decouvertes attribuées aux modernes di Louis Dutens, che è ugualmente assente dalla Biblioteca di Recanati. 2 Tuttavia, Martina sostiene che Leopardi abbia letto, parzialmente o integralmente, i Saggi di Teodicea nel 1812, anno a cui risale il Dialogo filosofico, che cita Leibniz 3 . In particolare, nel Dialogo filosofico sopra un libro intitolato «Analisi delle idee ad uso della gioventù», che, come spiega la prefazione d’autore, segue la tradizione apologetica cristiana e cattolica, Leopardi accoglie il nesso leibniziano tra libertà e necessità, definendo il libero arbitrio una condizione della divina provvidenza 4 . Segnalando nel Dialogo filosofico delle concordanze testuali con la Teodicea, inoltre, Martina sostiene l’ipotesi di una lettura leopardiana, perché Leibniz cita un pensiero di Bayle («Una gran parte delle verità che i filosofi hanno dovuto stabilire sarebbe inutile se l’errore non esistesse… Egli è pur deplorevole che l’uomo che ha sí breve vita, debba impiegarne per difendersi dagli errori che ha concepiti, una parte maggiore di quella che gli rimase per andare in traccia del 1 Giacomo Leopardi: Zibaldone di pensieri, in: id.: Tutte le opere. Con introduzione e a cura di Walter Binni. Vol.-II. Firenze: Sansoni 1969, 1-1239. Tutte le citazioni dello Zibaldone sono tratte da questa edizione. 2 Franco Martina: «Leopardi. L’adolescenza filosofica», in: Belfagor 38.4 (1983), 377-394. 3 «Il celebre Leibnizio rigetta giustamente la nozione della libertà che vien proposta dall’autore [King] dell’Origine del male, la quale appunto è quella che sogliono d’ordinario ammettere i fatalisti» (ibid., 380). Cf. Giacomo Leopardi: «Dialogo filosofico», in: id.: Tutte le opere. Con introduzione e a cura di Walter Binni. Vol.-I. Firenze: Sansoni 1969, 579. 4 Martina: «Leopardi. L’adolescenza filosofica», 379. La satira di Leopardi contro l’Ottimismo di Leibniz 203 vero»; Leibniz, Teodicea, I, 770), ma per muovergli una critica («Il signor Bayle giunge a credere che la ragione umana è un principio di distruzione e non già di edificazione»; ibid., 431), che è rovesciata in chiave positiva all’inizio del Saggio sopra gli errori popolari degli antichi, in cui si evoca il «detto» di Bayle per cui «la ragione sia piuttosto strumento di distruzione che di edificazione». 5 Rimasta inascoltata 6 , l’ipotesi di Martina è avvalorata da prove interne ma anche esterne: Leopardi, che nel 1812 ha quasi concluso il biennio di studi filosofici, iniziati probabilmente in preparazione a quelli teologici, lesse autori cattolici illuminati, che combattevano l’ateismo illuminista, nelle lezioni del precettore Don Sanchini. 7 Leopardi si ricorda forse di questa formazione nella prima citazione di Leibniz dello Zibaldone, in cui sostiene un principio di aseità; dunque, che ogni essere, essendo conforme alla natura della sua specie, possiede tutto il bene che è bene per lui, e che non esiste un bene assoluto 8 . Nel 1821 lo Zibaldone cita Leibniz attraverso Dutens, il quale aveva osservato che le questioni dell’ottimismo e dell’origine del male erano state discusse in tutti i tempi e luoghi «ove fu coltivata l’umana ragione», ma che, con Leibniz, erano state rinnovate, perché «il sagace e avveduto Tedesco» aveva sviluppato i principi «abbozzati dagli antichi» per «servir la religione». 9 Il confronto con Leibniz ha un ruolo chiave nella modulazione del pensiero leopardiano, perché, spiega Marco Moneta, fino al settembre 1821, lo Zibaldone 5 Ibid. Cf. Giacomo Leopardi: «Saggio sopra gli errori popolari degli antichi», in: id.: Tutte le opere. Vol.-II, 1104sq.; Zib. 4192sq. (1 settembre 1826): «Il detto del Bayle, che la ragione è piuttosto uno strumento di distruzione che di costruzione […] ritorna a quello che mi par di avere osservato altrove, che il progresso dello spirito umano […] consiste […] nel conoscere la falsità di quello che per lo passato, da piú o men tempo addietro, si era tenuto per fermo…». 6 Bortolo Martinelli: Leopardi tra Leibniz e Locke. Roma: Carocci 2003; Luigi Baldacci: Il male nell’ordine. Scritti leopardiani. Milano: Rizzoli 1998. Marco Moneta: L’Officina delle aporie. Leopardi e la riflessione sul male negli anni dello Zibaldone. Milano: Franco Angeli 2013. 7 Loretta Marcon: La crisi della ragione moderna in Giacomo Leopardi. Recanati: Bieffe 1996. 8 «Il bene non è assoluto, ma relativo […; ] perché la natura delle cose poteva esser tutt’altra da quella che è; […] perché in questa medesima natura tal qual esiste quello ch’è bene per questa cosa non è bene per quella, quello che è male per questa è bene per quell’altra, cioè gli conviene. La convenienza è quella che costituisce il bene. L’idea astratta della convenienza si può credere la sola idea assoluta […]. Ma l’idea concreta di essa convenienza è relativa. […] Ogni specie dunque ed ogni individuo, in quanto è conforme alla natura della sua specie, è perfetto […] ([…] ma non essendoci perfezione assoluta, […] nessun essere o specie è piú perfetta di un’altra): possiede tutto il bene […]. Tutto ciò tanto nel fisico che nel morale. Questo io credo che sia il sistema (Leibniziano se non erro) dell’ottimismo» (Zib. 391sq. [8 dicembre 1820]). 9 Moneta: L’Officina delle aporie, 127. 204 Giulia Abbadessa considera i mali «accidenti […] non […] imputabili al sistema» 10 , ma dopo aver letto Dutens, Leopardi li definisce necessari al bene e al sistema della natura: i mali […] pigliano vera […] essenza di beni nell’ordine generale della natura […] (i quali mali benché accidentali uno per uno, forse il genere e l’università loro non è accidentale), si riconoscono per conducenti e in certo modo necessarii alla felicità dei viventi, […] con ragione contenuti e collocati e ricevuti nell’ordine naturale, il qual mira in tutti i modi alla predetta felicità […,] perch’essi mali danno risalto ai beni, e perché piú si gusta la sanità dopo la malattia, e la calma dopo la tempesta […] senza essi mali, i beni non sarebbero neppur beni a poco andare venendo a noia e non essendo gustati né sentiti come beni e piaceri […]. (Zib. 2600-2602 [7-agosto 1822]) L’anno prima, infatti, Leopardi definisce Leibniz modello di filosofo con un «sistema», necessario per mettere in relazione gli elementi e pervenire al vero (cf. Zib. 946 [16-aprile 1821]). Tuttavia, mentre riprende il relativismo di Leibniz, secondo cui la creazione «poteva dirsi perfetta, non perché esente da ogni male, ma perché composta dalla miglior mistura possibile di beni e di mali» 11 , Leopardi si confronta con l’apologetica cristiana e abbandona il Cristianesimo: il principio delle cose, e di Dio stesso, è il nulla. [… U]n primo ed universale principio delle cose, o non esiste, nè mai fu, o se esiste o esistè, non lo possiamo in niun modo conoscere […; ] secondo il naturale errore di credere assoluto il vero, crediamo di conoscere questo principio, attribuendogli […] tutto ciò che noi giudichiamo perfezione […]. Ma queste perfezioni, son tali solamente nel sistema delle cose che noi conosciamo, vale a dire in un solo dei sistemi possibili; anzi solamente in alcune parti di esso […]. Anche la necessità di essere, o di essere in un tal modo, e di essere indipendentemente da ogni cagione, è perfezione relativa alle nostre opinioni ec. Certo è che distrutte le forme Platoniche preesistenti alle cose, è distrutto Iddio. (Zib. 1341sq. [18-luglio 1821]) 12 Due giorni dopo aver scritto questa riflessione, Leopardi compara il suo pensiero con quello di Leibniz 13 , e poi, definendo la sua filosofia astratta «settentrionale» 14 , 10 Ibid., 126, cf. Zib. 1088 (26-maggio 1821). 11 Moneta: L’Officina delle aporie, 128. 12 «Niente preesiste alle cose. […] Tutto è posteriore all’esistenza» (Zib. 1616 [3-settembre 1821]). 13 «Io non avendo mai letto scrittori metafisici […] aveva già ritrovata la falsità delle idee innate, indovinato l’Ottimismo del Leibnizio, e scoperto il principio, che tutto il progresso delle cognizioni consiste in concepire che un’idea ne contiene un’altra; il quale è la somma della tutta nuova scienza ideologica. […] Com’è possibile che […] nessuno abbia saputo veder quello, ch’io […] ho veduto da me, ed anche con minori cognizioni in queste materie […]? » (Zib. 1347sq. [20-luglio 1821]). Moneta spiega che la dichiarazione di un’ignoranza degli autori di metafisica è eccessiva (cf. Moneta: L’Officina delle aporie, 71 e 129). 14 «Il settentrione, l’Inghilterra, la Germania, […] appena si diede alla filosofia vi fece […] progressi […]. Bacone […,] Leibnizio […,] Newton, Locke ec. La Germania, elevata assai La satira di Leopardi contro l’Ottimismo di Leibniz 205 la considera lontana dalla natura e dalla poesia, che rappresenta la natura stessa. 15 Avendo confutato nuovamente lo spiritualismo di Leibniz con le teorie leibniziane sulla fisica 16 , Leopardi infine irride «Monadi, ottimismo, armonia prestabilita, idee innate; favole e sogni» 17 , concludendo che, anche in merito a questioni astratte, eccellono la filosofia meridionale e quella inglese. L’eccezione a tale requisitoria consiste nella difesa dell’idea per cui nihil in natura fieri per saltum, che oppone Leibniz a Newton, ma Leopardi la recupera, nuovamente, solo per descrivere il processo dell’assuefazione 18 , avendola contestata dal punto di vista epistemologico l’anno precedente. 19 Inoltre, prima delle Operette, come si è detto, Leopardi fa propria la metodologia bayliana che Leibniz criticava, infatti descrive «il vero modo di filosofare» come il metodo di coloro che, anziché «insegnare e fabbricare» illusioni, «sempre togliendo, nulla sostituiscono» al «vero»; perché «la cognizione del vero non è altro che lo spogliarsi degli errori» (Zib. 2710 [21-Maggio 1823]). D’altra parte, influenzato dal pensiero di Vico, Leopardi idea un metodo filosofico-poetico, che unisca immaginazione e ragione, perché, se considera la dopo l’Inghilterra, cioè dopo Federico II, ad una universale e stabile letteratura, è divenuta in un momento la sede della filosofia astratta, ec.» (Zib. 1351sq. [20-luglio 1821]). 15 «[L]a filosofia di Locke, di Leibnizio ec. non potrà mai stare colla letteratura né colla vera poesia. La filosofia di Socrate partecipava assai della natura, ma questa nulla ne partecipa, ed è tutta ragione» (Zib. 1359sq. [20-luglio 1821]). 16 «Un corpo, essendo composto, dimostra l’esistenza di altre cose che lo compongano. Ma siccome tutte le parti o sostanze materiali componenti la materia sono altresí composti, però bisogna necessariamente salire ad esseri che non sieno materia. Cosí discorrono i leibniziani per arrivare alle loro Monadi o Esseri semplici e incorporei […] e […] al principio di tutte le cose. Or dico io. Arrivate fino alla menoma parte o sostanza materiale, e ditemi, se potete: le parti o sostanze di cui questa si compone non sono piú materia, ma spirito. […] Affinate quanto volete l’idea della materia, non oltrepasserete mai la materia. […]. Non v’è scala, gradazione, né progressione che dal materiale porti all’immateriale, come non v’è dall’esistenza al nulla. Fra questo e quello v’è uno spazio immenso, ed a varcarlo v’abbisogna il salto che da’ leibniziani giustamente si nega in natura. [… D]all’esistenza della materia (contro ciò che pensa Leibnizio) non si può argomentare quella dello spirito piú di quello che dall’esistenza dello spirito si potesse argomentare quella della materia. Vedi Dutens, par.-II. tutto il cap.-1» (Zib. 1635sq. [5-settembre 1821]). 17 «[N]essuna […] strepitosa scoperta nelle materie astratte […] è uscita dalle scuole ec. tedesche. Quali sono […] le grandi scoperte di Leibnizio, forse il piú gran metafisico della Germania, e certo profondissimo speculatore della natura, gran matematico ec.? Monadi, ottimismo, armonia prestabilita, idee innate; favole e sogni. […] Insomma lo spirito inventivo è cosí proprio del mezzogiorno, riguardo all’astratto ec.» (Zib. 1856-1858 [5-6-ottobre 1821]). 18 «L’assioma de’ Leibniziani (se non erro) nihil in natura fieri per saltum […] non dimostra […] che tutta la natura è un sistema di assuefazione? La gradazione importa l’assuefazione, e viceversa» (Zib. 1658 [9-settembre 1821]). 19 «[I]l passaggio dal conoscere al non conoscere, dall’essere al non essere, dalla cosa quantunque menoma al nulla, non ammette gradazione, ma si fa necessariamente per salto, e istantaneamente» (Zib. 292sq. [21-ottobre 1820]). 206 Giulia Abbadessa ragione capace di svelare gli errori, giudica la natura intenta a un fine poetico 20 : infatti, accompagnerà sempre la riflessione filosofica con l’attività poetica. Avendo elaborato la teoria del piacere, nei Canti e nelle Operette Leopardi però rappresenta «la contraddizione spaventevole dell’esistenza»: lo scopo della natura non coincide con quello dell’uomo, che ha un infinito desiderio di piacere (Zib. 4128sq. [5-6-Aprile 1825]). In particolare, le Operette citano Leibniz due volte: in chiave positiva nel Parini, ovvero della gloria, dove, per la «forza immaginativa» è modello di poeta e filosofo 21 ; e in modo polemico nella Scommessa di Prometeo, in cui un concorso, indetto nel regno della fantasia, dà in palio all’autore di una grande invenzione una corona d’alloro. Prometeo vorrebbe partecipare con la creazione del genere umano e, rifiutato, per capire perché altre invenzioni siano state anteposte alla sua, viaggia sulla Terra e assiste alla violenza umana. La conclusione è che l’uomo può definirsi: perfettissimo, se tu ti risolvi a dire che la sua perfezione si rassomiglia a quella che si attribuiva da Plotino al mondo: il quale, diceva Plotino, è ottimo e perfetto assolutamente; ma perché il mondo sia perfetto, conviene che egli abbia in se, tra le altre cose, anco tutti i mali possibili; però in fatti si trova in lui tanto male, quanto vi si può capire. E in questo rispetto forse io concederei similmente al Leibnizio che il mondo presente fosse il migliore di tutti i mondi possibili. (Operette Morali, 227) Nel 1826, nella riflessione zibaldoniana che accompagna l’opera creativa, Leopardi ipotizza che «Tutto è male» 22 , ma non sostituisce all’Ottimismo un pessimismo e tiene aperta ogni possibilità; perché considera la ragione limitata e incapace di comprendere ciò che il Cantico del gallo silvestre definisce «arcano mirabile e spaventoso dell’esistenza universale» (Operette morali, 472): Questo sistema, benché urti le nostre idee, che credono che il fine non possa essere altro che il bene, sarebbe forse piú sostenibile di quello del Leibnitz […]. Non ardirei però estenderlo a dire che l’universo esistente è il peggiore degli universi possibili, sostituendo cosí all’ottimismo il pessimismo. Chi può conoscere i limiti della possibilità? (Zib. 4174, corsivo nostro) 20 Cf. Giulia Abbadessa: «La filosofia poetica di Vico e Leopardi», in: Bollettino del centro di studi vichiani, di prossima pubblicazione (2020). 21 Cf. Giacomo Leopardi: Operette Morali. A cura di Laura Melosi. Milano: Rizzoli 2014, 237. 22 «Tutto è male. […] Non v’è altro bene che il non essere […]. L’esistenza […] è un’imperfezione, un’irregolarità, una mostruosità. Ma questa imperfezione è […] un vero neo, perché tutti i mondi che esistono, […] non essendo però certamente infiniti né di numero né di grandezza, sono per conseguenza infinitamente piccoli a paragone di ciò che l’universo potrebbe essere se fosse infinito; e il tutto esistente è infinitamente piccolo a paragone della infinità vera, per dir cosí, del non esistente, del nulla» (Zib. 4174 [19-aprile 1826]). La satira di Leopardi contro l’Ottimismo di Leibniz 207 Gli apprezzamenti delle Operette e dello Zibaldone per Leibniz mostrano che Leopardi ammira la capacità filosofica del pensatore tedesco, la cui ipotesi resta valida persino nel passo citato sopra, sebbene impossibile da verificare: rovesciandolo di segno, anzi, Leopardi si appropria del relativismo di Leibniz e della sua filosofia della natura. Ciò che, invece, egli disprezza è lo spiritualismo coevo, sostenitore dell’Ottimismo; la cultura cattolica che censurò le Operette. 23 Infatti, dopo l’appunto menzionato, Leopardi cita il Poème sur le désastre de Lisbonne (cf. Zib. 4175), che critica l’Ottimismo. Voltaire: un modello di ironia militante Voltaire è un modello fondamentale per Leopardi 24 . Come spiega Roberto Ubbidiente, sulla scorta della polemica cattolica, nelle Dissertazioni filosofiche (1811- 1812) e in Sopra le doti dell’anima umana (1812) Leopardi critica il «famoso empio» e «Materialista»; ma nel Saggio sopra gli errori popolari degli antichi, che riprende il metodo di Bayle celebrato da Voltaire, quest’ultimo è lodato come un filosofo «sì ragionevole e sì nemico dei pregiudizi» 25 . 23 Si veda la nota alla Storia del genere umano imposta dal censore Mauro Bernardini: «Protesta l’autore che in questa favola, e nelle altre che seguono, non ha fatta alcuna allusione alla storia mosaica, né alla storia evangelica, né a veruna delle tradizioni e dottrine del Cristianesimo» (Ottavio Besomi: «Introduzione», in: Giacomo Leopardi: Operette morali. Ed. critica a cura di Ottavio Besomi. Milano: Mondadori 1979, LXXII). 24 Voltaire è citato nel IV (novembre 1823 e marzo, aprile e ottobre 1824) e nel IX-elenco di letture (cf. Giuseppe Pacella: «Elenchi di letture leopardiane», in Giornale storico della letteratura italiana CXLIII (1966), 557-577). Su Leopardi e Voltaire cf. Antonio Prete: Il pensiero poetante. Milano: Feltrinelli 2006; Walter Binni: Leopardi. Scritti 1964-1967. Firenze: Il ponte 2014; Sebastiano Timpanaro: Classicismo e illuminismo. Pisa: Nistri-Lischi 1965; Maria Maddalena Sirocchi: «Leopardi e Voltaire», in Convivium 1 (1962), 30-39; Cesare Luporini: Filosofi vecchi e nuovi. Firenze: Sansoni 1947. La Biblioteca di Recanati conserva l’Histoire du siècle de Louis XIV, Haye, 1752, vol.-2, in-8; l’Histoire de Charles XII avec les critiques de M. la Motraye et les réponses a ces critiques, Londres, 1735, vol.-2, in-12; la Vie de Charles XII, roi de Suède, vol.-1, in-12; l’Histoire de l’Empire de Russie sous Pierre le Grand, 1761, tom.-1, in- 12; il Testamento politico, 1779, in-8; il Candido o l’ottimismo del signor Dott. Ralph, tradotto in italiano, 1759, vol.-1, in-8 (nella sezione dei libri proibiti); le Opere scelte appartenenti alla Storia Letteraria e Filosofia; oltre testi come quelli di Cesare Beccaria: Dei delitti e delle pene coi commenti di Voltaire, confutazioni ed altri opuscoli relativi, Bassano, 1797, tom.-4, in-8; o di Barbeyrac: Voltaire fra le Ombre, Roma, 1777, in-12; id.: Voltaire di ritorno dalle Ombre e sul punto di ritornarvi etc. Londra, 1778, in-8; o di Nonnotte: Errori di Voltaire confutati, Venezia, 1778, tom.-2, vol.-1, in-8. Cf. Andrea Campana: Catalogo della Biblioteca Leopardi in Recanati (1847-1899). Pref. di Emilio Pasquini. Firenze: Olschki 2011. 25 Roberto Ubbidiente: «Le désastre de Lisbonne. Leopardis Auseinandersetzung mit Voltaires Poème», in: Cornelia Klettke / Sebastian Neumeister (Hg.): Giacomo Leopardi - Dichtung als inszenierte Selbsttäuschung in der Krise des Bewusstseins. Akten des Deutschen Leopardi-Tages 2015. Berlin: Frank & Timme 2017 (Ginestra, 25/ 26), 248 e 251. 208 Giulia Abbadessa Nello Zibaldone, che cita Voltaire fin da pagina 4, Leopardi sviluppa varie riflessioni, soprattutto sulla società e contro la metafisica, sulla scorta del pensiero illuminista volterriano 26 . Del resto, lo stesso Zibaldone, che Leopardi tenta di indicizzare tre volte 27 , evoca il Dictionnaire philosophique, in cui, come nel diario filosofico, si celebra quella di Psiche come la più bella favola antica. 28 Tuttavia, pur studiando la facoltà dell’immaginazione 29 , Voltaire celebra in primis la ragione, di cui Leopardi sottolinea i limiti 30 : il maggiore punto di contatto tra i due non va dunque ricercato sul piano filosofico, ma consiste nell’adozione di uno stile misto, sia filosofico sia letterario. Leopardi infatti apprezza la scrittura moderna, precisa e tagliente di Voltaire, che definisce nel 1822, con Alfieri, «Disinventore od inventor del nulla, (vere […] qualità ed attributi della sapienza moderna)» (Zib. 2456). 31 Voltaire è una fonte di ispirazione nei Canti, in primis nel Bruto minore. Se il filosofo francese identifica la virtù con l’amor patrio e la lega alla repubblica 32 , come Rousseau e Montesquieu 33 , Leopardi sviluppa riflessioni analoghe nello Zibaldone, ma infine la definisce un concetto che ormai non ha più significato 34 . 26 Cf. ibid. Anche il Discorso sui costumi degli italiani (1824) echeggia il titolo di un’opera volterriana, l’Essai sur les mœurs et l’esprit des nations (1756). 27 Cf. Emilio Peruzzi: «Introduzione», in: Giacomo Leopardi: Zibaldone di pensieri. Ed. fotografica dell’autografo con gli Indici e lo Schedario. A cura di Emilio Peruzzi. Vol.-I. Pisa: Scuola Normale Superiore di Pisa 1989, V-LXI. 28 L’interpretazione di Leopardi differisce da quella di Voltaire, perché non riconosce nell’allegoria di Psiche un’opposizione di sensi/ ragione, ma di ragione/ fantasia (cf. Lionello Sozzi: Amore e Psiche. Un mito dall’allegoria alla parodia. Bologna: Il Mulino 2007, 151). 29 «L’immaginazione, scrive Voltaire, è la facoltà che consente all’uomo di rappresentarsi nello spirito le cose sensibili: perciò essa ‹dépend de la mémoire›. Esistono però ‹deux sortes d’imagination, l’une qui consiste à retenir un[e] si[mp]le impression des objets; l’autre qui arrange ces images reçues, et les combine en mille manières. La premi[è]re a été appelée imagination passive, la second[e] active›. Esiste poi la imagination d’invention, propria dei poeti e degli artisti, che scatta in forza del genio» (Stefano Gensini: Linguistica Leopardiana. Fondamenti teorici e prospettive politico-culturali. Bologna: Il Mulino 1984, 38). 30 Cf. Leopardi e la filosofia. A cura di Gaspare Polizzi. Firenze: Polistampa 2001. 31 Perle Abbrugiati: «Effetto Voltaire», in: Giacomo dei libri. La Biblioteca Leopardi come spazio delle idee. Catalogo della mostra (Recanati, 1- luglio 2012 - 31- dicembre 2013). A cura di Fabiana Cacciapuoti. Milano: Mondadori Electa 2012, 119-126. 32 Nel Dictionnaire philosophique, Voltaire definisce le virtù «celles qui sont utiles au prochain» e in La Mort de César la identifica con l’amor patrio, che rapporta all’amor proprio nel Dictionnaire philosophique: «une patrie est un composé de plusieurs familles, et comme on soutient communément sa famille par amour-propre, lorsqu’on n’a pas un intérêt contraire, on soutient par le même amour-propre sa ville ou son village, qu’on appelle sa patrie» (Voltaire: Dictionnaire philosophique. Paris: Flammarion 2010, 516sq.). 33 Su Leopardi e la filosofia politica francese cf. Timpanaro: Classicismo e illuminismo, 150sq.; Luporini: Filosofi vecchi e nuovi; id.: Leopardi progressivo. Roma: Editori Riuniti 1993. 34 Leopardi riconosce che la virtù «ora non interessa come una volta […,] ora che questa si è conosciuta per un fantasma» per la prima volta in Zib. 117 (9-giugno 1820). La satira di Leopardi contro l’Ottimismo di Leibniz 209 La virtù è rappresentata tale nel Bruto minore ma anche nella Comparazione delle sentenze di Bruto Minore e di Teofrasto condannati a morte 35 , che registra le parole di Bruto, citate nel VII dei Discours en vers sur l’homme (1738), Sur la vraie vertu (v.- 12sq.: «Brutus, se repentit d’être un homme de bien: - | la vertu, disait-il, est un nom sans substance») 36 . Lo Zibaldone sviluppa la citazione in chiave antivolterriana, spiegando che la virtù è un’illusione ispirata dalla natura, sola capace di generare passioni, che muovono il mondo: se gli antichi erano un popolo attivo, i moderni sono immobili, perché nessuno crede più alle illusioni naturali, quindi alla virtù stessa. In particolare, Leopardi indica che la virtù sussiste nella monarchia primitiva, la più antica forma di governo, e nella repubblica, forma naturale di governo successiva alla prima (cf. Zib. 543-580 [22-29-gennaio 1821]) 37 , ma diventa un fantasma con lo sviluppo della ragione, con la fine della repubblica romana (cf. Zib. 574 [22-29-gennaio 1821]). 38 Il Bruto minore è «le dernier des anciens» 39 che, dopo aver seguito la virtù come gli antichi, prende consapevolezza della sua natura illusoria. D’altronde, Luporini e Timpanaro rapportano il pessimismo etico-politico del Bruto Minore alla delusione storica che segue la sconfitta dei moti del 1821 di Napoli e Torino, e la disfatta della Rivoluzione francese. 40 Infatti, lo Zibaldone riflette sulla virtù come amor patriae non solo in relazione alla storia romana ma anche alla Rivoluzione francese, che è esempio delle cattive conseguenze prodotte dall’eccesso di ragione: la Rivoluzione riportò l’uomo alla natura e alle illusioni, tra cui la virtù, con cui rinacque il concetto di «patria», ma il periodo fu breve perché fu generato dalla ragione stessa 41 , che distruggendo le illusioni 35 Come per Voltaire, per Leopardi «[l]a virtú […] è […] l’applicazione e ordinazione dell’amor proprio […] al bene altrui» (Zib. 893 [4-6-aprile 1821]) identificata anche con l’amor patrio (cf. Zib. 872-911 [3-marzo - 6 aprile 1821]). Inoltre, come Voltaire, Rousseau e Montesquieu, lo Zibaldone lega la virtù alla repubblica, considerandola un principio di uguaglianza, che sottomette gli interessi particolari a quelli generali, ed è destinata a sparire con la tirannia o il dispotismo, che rimpiazzano all’interesse per la collettività l’egoismo individuale e l’ineguaglianza (cf. ibid.). 36 Voltaire: «Discours en vers sur l’homme», in: id.: Mélanges. Préf. d’Emmanuel Berm. Texte établi et annoté par Jacques Van Den Heuvel. Paris: Gallimard 1961 (Bibliothèque de la Pléiade, 152), 210-240, cit. 236. 37 Per Voltaire «[i]l est impossible qu’il y ait sur la terre un état qui ne se soit gouverné d’abord en république» (id.-: Dictionnaire philosophique, 435); ma come Leopardi definisce la tirannia la peggiore forma di governo: in particolare, il recanatese considera la tirannia una monarchia assoluta e non naturale (cf. Zib. 573sq. [22-29-gennaio 1821]). 38 Cf. Pietro Citati: Leopardi. Milano: Mondadori 2010, 195. 39 Charles Augustin de Sainte-Beuve: Portrait de Leopardi [1844]. Paris: Allia 1994, 47, che riprende la celebra lettera di Leopardi al De Sinner. 40 Cf. Timpanaro: Classicismo e illuminismo, 150sq., Luporini: Filosofi vecchi e nuovi, 185sq. 41 Cf. ibid.; id.: Leopardi progressivo; Edoardo Sanguineti: «Leopardi e la rivoluzione», in: Sebastian Neumeister / Raffaele Sirri (a cura di): Leopardi. Poeta e pensatore / Dichter und Denker. Napoli: Guida 1997, 489-496. 210 Giulia Abbadessa (cf. Zib. 575 [22-29- gennaio 1821]) introdusse la tirannia e l’egoismo 42 . Del resto, Leopardi paragona la Rivoluzione francese alla storia di Roma dopo la morte di Cesare (cf. Zib. 160sq. [8- luglio 1820] e 475sq. [5- gennaio 1821]) 43 : la rappresentazione di Bruto come apostata della virtù è quindi influenzata dalla prospettiva assunta dal poeta in merito sia alla storia romana sia alla Francia rivoluzionaria, per la quale il ribelle eroe antico fu un modello, celebrato anche da Alfieri. 44 All’inizio dei Canti Leopardi si pone come nuovo interprete del passato, più raffinato dello stesso Voltaire. Anche Alla Primavera o delle Favole antiche richiama un testo del filosofo illuminista, l’Apologie de la Fable, citato nel capitolo dell’antologia francese di Noël et De la Place dedicato all’allegoria, su cui Leopardi studiava. 45 L’Apologie de la Fable, aprendosi con un’evocazione dei miti antichi, come quello di Filomena, e con lo Zefiro, concludendosi con la visione dell’Olimpo, ha un’affinità con la canzone leopardiana 46 , che, però, proclama l’impossibilità di recuperare la mitologia antica. Leopardi accentua così, in chiave metapoetica, la polemica di Voltaire con la tradizione, manifesta nell’Henriade, che Rousseau loda in quanto il meraviglioso pagano e quello cristiano sono assenti dal poema 47 , ma che anche il Discorso intorno alla poesia romantica (1818) celebra per il suo stile allegorico, naturale anziché affettato, paragonandolo a quello di Milton e di Omero; e che, infine, lo Zibaldone apprezza per i contenuti, cioè per aver narrato una storia nazionale e popolare anziché aristocratica. 48 42 Cf. Zib. 160 (8-juillet 1820), Zib. 1078 (23-maggio 1821) e Zib. 2334sq. (6-gennaio 1822). 43 Leopardi riconosce come un assioma il pensiero secondo cui tutte le epoche sono sempre le stesse come «l’orbita dei pianeti» in termini allegorici (cf. Zib. 868-870 [25-marzo 1821]). 44 Cf. Giuseppe Antonio Camerino: «Libertà e tirannide. Il ‹Brutus› del Voltaire e il ‹Bruto primo› dell’Alfieri», in: Italianistica XII.2-3 (1983), 265-275. Alfieri sviluppa il tema della virtù sconosciuta in Il principe, evocato in Nelle nozze della sorella Paolina. 45 Leopardi lesse l’antologia francese già nel 1817, cf. Nicolas Serban: Leopardi e la France. Paris: Champion 1913, 117. Cf. François Joseph Michel Noël / Guislain François Marie Joseph de la Place: Leçons françaises de littérature et de morale. Ou Recueil en prose et en vers des plus beaux morceaux de notre langue dans la littérature des deux derniers siècles. Avec des Préceptes de genre et des Modèles d’exercice par La Harpe, Marmontel, Maury, Le Batteux, etc. 2-vol. Paris: Le Normant 1822. 46 Cf. ibid., vol.- 2, 325sq., dove compare anche la La forêt de Navarre di De Fontanes, che, come la canzone di Leopardi, rappresenta le ninfe danzanti e dichiara perduta l’antichità: «mais c’en est fait! Le chêne oublia ses oracles- | les bois désenchantés ont perdu leurs miracles». 47 Cf. Arturo Farinelli: Voltaire et Dante. Berlin: Duncker 1906, 26sq. 48 Leopardi prende posizione nella Querelle des anciens et des modernes anche sulla scorta di Fontenelle, emulato da Voltaire; Giulia Abbadessa: «L’allegoria in Leopardi: l’eco dantesca», Lexicon Philosophicum. International Journal for the History of Texts and Ideas 6 (2018). La satira di Leopardi contro l’Ottimismo di Leibniz 211 Come Voltaire, Leopardi rifiuta la consolazione del mito ma anche quella della metafisica; infatti, riprende nella Ginestra il Poème sur le désastre de Lisbonne (1756), i cui versi 226-227 «Des humains égarés partageant la faiblesse,-| Dans une épaisse nuit cherchant à m’éclairer» ritornano persino nell’esergo del carme 49 . I molteplici legami intertestuali mostrano che gli autori hanno uno stile comune, che consiste nella riflessione filosofico-lirica sulla natura 50 . Tuttavia, contro la metafisica di Leibniz, Voltaire usa l’allegoria platonica della «chaîne des corps, des esprits, et des mondes», soggetti alle «immuables lois de la nécessité» (v.-72sq.), contrapponendole il dubbio, promosso in ambito teorico da Bayle (v.-191sq.), sull’«origine» del male (v.-82). Leopardi invece rovescia di segno l’allegoria della «chaîne des êtres créés» 51 , perché, pur rifiutando lo spiritualismo, invita l’«umana compagnia» a unirsi in una «social catena» (La Ginestra, v.-129 e 149) contro il male della natura. Tale celebrazione della dimensione collettiva è data nei Canti anche dall’alternanza della prima persona singolare con la prima plurale 52 , ed è estranea a Voltaire, che appare più individualista; tanto che il Candide si conclude con l’invito a «cultiver son jardin» 53 . Nonostante la forte apertura dell’opera leopardiana alla collettività, gli slanci lirici accomunano Leopardi e Voltaire, che amano lo stile interrogativo, forse perché esprime il dubbio filosofico: si può citare a titolo esemplificativo il VI dei 49 Cf. Ubbidiente: «Le désastre de Lisbonne. Leopardis Auseinandersetzung mit Voltaires Poème», 247-282; Enrico De Angelis: «Poesia delle catastrofi da Voltaire a Leopardi», in: Rivista di letterature moderne e comparate 69.4 (2016), 333-357; Voltaire: «Poème sur le désastre de Lisbonne», in: id.: Mélanges, 308. 50 Si compari l’impennata lirica della Ginestra (vv.- 158-201) con questi versi di Voltaire: «Mais je vis, mais je sens […]» (v.- 87); «Et je ne vois en vous que l’effort impuissant- | D’un fier infortuné qui feint d’être content.-| Je ne suis du grand tout qu’une faible partie» (vv.-103-105); «Je ne conçois pas plus comment tout serait bien: -| Je suis comme un docteur; hélas! je ne sais rien» (v.-174sq.); «Que suis-je, où suis-je, où vais-je, et d’où suis-je tiré? » (v.-200). Cf. ibid. e Giacomo Leopardi: Canti. A cura di Lucio Felici. Roma: Newton Compton 2007. 51 A tale nozione di origine platonica è dedicata una voce del Dictionnaire philosophique, 182-184. 52 Questo aspetto dello stile di Leopardi è sottolineato da Mengaldo: Leopardi antiromantico, 55-73, ed è un’eredità dantesca cf. Abbadessa: «L’allegoria in Leopardi: l’eco dantesca», che sottolinea la preminenza accordata da Leopardi a rappresentanti del popolo (Silvia, il pastore ec.). 53 Voltaire: «Candide ou l’optimisme», in: id.: Romans et contes. Éd. établie par René Pomeau. Paris: Flammarion 1996, 179-259, 259. Nadia Urbinati precisa che Voltaire accoglie la massima egoistica ubi bene, ibi patria a cui il De republica (I, XXV) di Cicerone contrappone il desiderio di partecipare al bene comune (cf. Nadia Urbinati: Individualismo democratico. Emerson, Dewey e la cultura politica Americana. Roma: Donzelli 2009, 138, n.-22). Voltaire è infatti un rappresentante discusso dell’umanesimo (cf. Xavier Martin: Voltaire méconnu. Aspects cachés de l’humanisme des Lumières (1750-1800). [Bouère]: Dominique Martin Morin 2015. 212 Giulia Abbadessa Discours en vers sur la nature de l’homme, Sur la nature de l’homme, in cui l’io lirico protesta domandando, come quello del Canto Notturno o della Ginestra, perché non possa viaggiare fino alla luna con il pensiero («Pourquoi suis-je en un point resserré par le temps? -| Mes jours devraient aller par delà vingt mille ans; -| ma taille pour le moins dut avoir cent coudées,-| d’où vient que je ne puis, plus prompt que mes idées,- | voyager dans la lune, et réformer son cours? » 54 , vv.-105-109). Questo testo suggerisce un ‹ottimismo ragionevole› e la possibilità di un bonheur, perché «rien n’est grand ni petit, tout est ce qu’il doit être», ma si conclude con una sentenza certo suggestiva per Leopardi: «[…] la félicité pure-| Ne fut jamais permise à l’humaine nature» (Discours, 235) 55 . Poiché arricchisce la letteratura con la filosofia, Voltaire è per Leopardi un modello, ma contrastivo, dal punto di vista sia stilistico, perché lo stile leopardiano è più indefinito - poetico in termini leopardiani 56 -, sia contenutistico: i livelli sono anzi indissolubilmente legati. Si consideri in proposito il Pensiero dominante, che rappresenta un pensiero immaginativo anziché logico-razionale 57 : […] io dal secco ed aspro mondano conversar vogliosamente, quasi in lieto giardino, a te ritorno, e ristora i miei sensi il tuo soggiorno. (Il pensiero dominante, vv.-33-36) Questi versi ricordano l’allegoria del «Tutto è male» del giardino della souffrance (Zib. 4177 [22-aprile 1826]) 58 , in cui la lingua allude alla cultura francese e, forse, all’invito a «cultiver son jardin» 59 del Candide, che Leopardi lesse nel Marzo 1824. L’allegoria del «lieto giardino» è contrastiva verso quella della souffran- 54 Corsivo nostro. L’uomo volterriano però critica il sonno («Pourquoi faut-il dormir un grand tiers de mes jours? » v. 75), che Leopardi celebra, ad esempio, in Il cantico del gallo silvestre. L’immagine volterriana dell’uomo figurata in un punto è ripetuta nella Ginestra in chiave anti-antropocentrica, cf. Voltaire: «Discours en vers sur la nature de l’homme», 233. Cf. nota 52. 55 Il lemma «pura» è attribuito alla «felicità» in Zib. 1025sq. (1821), in senso materialistico: «la piú spirituale e pura e immaginaria e indeterminata felicità che noi possiamo o assaggiare o desiderare, non è mai, né può esser altro, che materiale, perché ogni qualunque facoltà dell’animo nostro finisce assolutamente sull’ultimo confine della materia ed è confinata intieramente dentro i termini della materia». L’«Optimisme raisonnable» di Voltaire sarà criticato da Madame Du Deffand, cf. Raymond Trousson: Voltaire. Paris: Tallandier 2008. 56 Cf. Adolfo Tura: A Silvia controluce. Leopardi e Voltaire. Milano: Tipografia Campi 2012. 57 Cf. Antonio Prete: Il demone dell’analogia. Da Leopardi a Valéry, studi di poetica. Milano: Feltrinelli 1986, 33sq. 58 Cf. Franca Janowski: «La favola di Psiche: allegoria e ironia in Leopardi», in Sebastian Neumeister / Raffaele Sirri (a cura di): Leopardi. Poeta e pensatore / Dichter und Denker. Napoli: Guida 1997, 431-450. 59 Voltaire: «Candide ou l’optimisme», 259. La satira di Leopardi contro l’Ottimismo di Leibniz 213 ce, ma entrambe riprendono il topos del locus amoenus che Voltaire rielaborò in difesa del razionalismo. Rappresentando il pensiero immaginativo, il «lieto giardino» sembra così contrapporsi a quello illuminista di Voltaire e alla cultura francese: infatti, al dialogo con il pensiero dominante l’io lirico oppone il «mondano conversar» (v. 34), che evoca le pagine dello Zibaldone che definiscono la Francia il paese della conversazione 60 . Voltaire influenza anche le Operette Morali, che rispondono al sogno di un’epica moderna 61 : Leopardi cita il saggio volterriano sull’epica il 21-Gennaio 1824 (Zib. 4020), in concomitanza con l’inizio delle prosette. Tuttavia, più dell’Henriade, sono i Discours en vers sur l’homme, i Contes philosophiques e i Dialogues et entretiens philosophiques ad influenzare le Operette, in cui, come Voltaire, Leopardi usa spesso allegorie personificate e soprattutto la satira. 62 Se il riso appartiene anche ai Canti, è infatti con le Operette che lo Zibaldone intende affinare le «armi del ridicolo», ma nella convinzione che potranno giovare «anche piú di quelle del ragionamento, benché oggi assai forti» (Zib. 1393sq. [1821]). 63 Usando l’ironia che caratterizzò la divulgazione galante della letteratura scientifica francese settecentesca, come quella di Fontenelle, che Voltaire emulò, Leopardi è dunque deciso a combattere l’Illuminismo. 64 La sua intenzione, sia nei Canti sia nelle Operette, è mostrare che la filosofia razionalista ha creato non una civiltà perfetta, ma un falso mito sulla perfettibilità umana, che, nonostante la Restaurazione, regna in quella che Eleandro definisce una «barbarie […] non minore della prima; quantunque nata dalla ragione e dal sapere, e non dall’ignoranza» (Operette morali, 511). A tale intenzione si riconduce il titolo delle operette, presentate con un diminutivo che prende le distanze dalla letteratura canonica: Leopardi vuole formare moralmente alla rovescia, con la lingua comico-seria (σπουδαιογέλοιον) della satira menippea, prediligendo i modelli antichi. Il poeta distinse infatti il comico antico, che afferisce alla «sfera materiale e corporea» 60 Leopardi registra la voce «Conversazione alla francese» nell’Indice dello Zibaldone, iniziato nel 1827 a Firenze, dove compose circa nel 1831 il Pensiero dominante, cf. id.: Canti, 162. 61 Franco D’Intino: «L’autorità del libro morale. Il progetto leopardiano di epica moderna», in: Leopardi e il libro nell’età romantica. Atti del Convegno internazionale di Birmingham, 29-31 ottobre 1998. Roma: Bulzoni 2000, 153-195. Il IV elenco di letture registra a marzo del ’24 le Opere scelte di Voltaire e il Candide. 62 Cf. Northrop Frye: Anatomy of Criticism. Four Essays. Princeton: Princeton University Press 1957, 237: «The chief distinction between irony and satire is that satire is militant irony: its moral norms are relatively clear». I racconti di Voltaire erano stati imitati anche da Gasparo Gozzi nel Mondo morale. 63 Cf. Il riso leopardiano. Comico, satira, parodia. Atti del IX Convegno internazionale di studi leopardiani (Recanati, 18-22 settembre 1995). Firenze: Olschki 1998. 64 Cf. Riccardo Ciampi: Le conchiglie di Voltaire. Firenze: Alinea 2001. 214 Giulia Abbadessa da quello moderno, vittima di astrazione e spiritualismo 65 ; caratteristiche che secondo Bachtin impedirono agli Illuministi «di comprendere e di dare un senso teorico al riso ambivalente della festa popolare». 66 In particolare, dopo lo snaturamento, tema centrale delle prime prosette, il Dialogo di un folletto e di uno gnomo è una distopica parodia antiantropocentrica e antifinalista: scomparso il genere umano, la natura continua il suo corso. Giuseppe Blanco indica una fonte nel VI Discours sur la nature de l’homme, che crea un’analoga disputa fra vari animali e uomini, i quali sostengono tutti di primeggiare e di possedere il creato 67 ; ma Leopardi sottopone il testo di Voltaire a un’ulteriore parodia 68 . Come nei Canti, dunque, Leopardi prende le distanze dal modello, in primis nella Scommessa di Prometeo, che evoca il Candide, in cui il viaggio del protagonista trova gli uomini conformi nel segno del male, e in cui si alternano sezioni narrative, riflessive e dialogiche, come nell’operetta, che evoca i toni più oscuri del racconto di Voltaire. 69 Tuttavia, Leopardi accosta due allegorizzanti tradizionali, il difensore dell’uomo, Προμηθεύς, ‹colui che riflette prima›, a Momo, che nella Teogonia è il figlio della Notte, fratello della Morte, del Sonno e del Lamento, per porsi sulla scia della satira di Luciano, contro Voltaire. 70 D’altronde, le Muse che indicono il concorso sono allegorizzanti che, ritornando al singolare nello Scherzo, forse, alludono a un principio artistico che ispira la natura; una concezione sviluppata nello Zibaldone 71 , ed espressa nel 65 Lucio Felici: La luna nel cortile. Capitoli leopardiani. Soveria Mannelli: Rubettino 2006, 47. Cf. Zib. 41sq. (1818). 66 Michail M. Bachtin: L’opera di Rabelais e la cultura popolare. Torino: Einaudi 2020, 131. 67 Cf. Giuseppe Blanco: Voltaire. Rapporti letterari con Parini e Leopardi. Catania: Giannotta 1967, 73sq. 68 «[S]e per Voltaire gli astri sono ‹fiaccole› (e nella parola «fiaccol’ c’è tutta la dignità di qualcosa di altamente splendente […]) […] queste […] sono […] ridotte dal Leopardi a modesti ‹moccoli da lanterna› quasi ad oscurare l’incedere dell’uomo» (ibid., 73sq.). 69 L’episodio di antropofagia del Prometeo ha un precedente in una lettera di Voltaire a Federico II di Prussia, citata dallo Zibaldone, cf. Abbrugiati: «Effetto Voltaire», 124. 70 L’illuminismo celebra Prometeo: al contrario di Rousseau, Voltaire ne fa un titano, difensore dell’uomo contro gli Dei. Cf. Beatrice Cristalli: «L’Eden non esiste: il fallimento di Prometeo e l’antropologia negativa leopardiana», in: ENTHYMEMA 17 (2017), 213-224; Alberto Folin: «L’impossibile scommessa di Prometeo», in: Il riso leopardiano. Comico, satira, parodia. Atti del IX Convegno internazionale di studi leopardiani (Recanati, 18-22 settembre 1995). Firenze: Olschki 1998, 393-406. Il tema del viaggio ricorre anche nel racconto Micromégas di Voltaire. 71 «[L]a cagion finale del suo essere e del suo esser tale, il perché ella abbia così disposto e così formato le sue parti, nella cognizione delle quali cose dee consistere lo scopo del filosofo, […] è impossibile il ritrovarle o l’intenderle a chiunque colla sola ragione analizza ed esamina la natura. La natura così analizzata non differisce punto da un corpo morto. [… L]a natura, e […] l’università delle cose, è […] destinatamente ordinata a produrre La satira di Leopardi contro l’Ottimismo di Leibniz 215 volterriano Dialogue entre le Philosophe et la Nature, la quale esclama di fronte al Filosofo: «Mon pauvre enfant, veux-tu que je te dise la vérité? c’est qu’on m’a donné un nom qui ne me convient pas; on m’appelle nature, et je suis tout art». 72 Questo dialogo volterriano sembra una fonte anche del Dialogo della Natura e di un’Anima e del Dialogo della Natura e di un Islandese. In Voltaire, l’allegoria della Natura come figura madre, interrogata dal Filosofo affinché sveli il suo ‹enigma› (che ricorda il sostantivo ‹arcano›, molto presente in Leopardi), ammette di non conoscere i primi principi e invita il Filosofo a interrogare chi l’ha creata, alludendo a un’intelligenza superiore, così come la Natura leopardiana dichiara di dipendere da un fato o destino imperscrutabili. Quella che apostrofa l’Anima come «figliola mia prediletta» (Operette morali, 179) è però diversa dalla Natura indifferente del Dialogo della Natura e di un Islandese, rappresentata sia fisicamente sia come un’ospite, invece che come una madre. Altri sottotesti volterriani di quest’ultima operetta sono Le Marseillais et le lion, Histoire de Jenni ou l’athée et le sage (cf. Operette Morali, 272) e il Candide, da cui si riprende il tema del pellegrinaggio, ma di nuovo in chiave satirica: il protagonista di Voltaire viaggia perché costretto, mentre l’Islandese per fuggire la natura. 73 Infine, nel Dialogo di Tristano e di un Amico Tristano afferma con ironia che «gl’individui sono spariti dinanzi alle masse» (Operette morali, 597): la dichiarazione, in corsivo, sembra una citazione, ed evoca il Poème sur le désastre de Lisbonne, che - come il Candide - Leopardi molto apprezzò per il suo tono disincantato e antileibniziano. 74 In conclusione, diversamente da Voltaire, Leopardi sviluppa le allegorie, anche astratte, in chiave materialistica, in sintonia con lo stile greco antico; ma, come l’illuminista, predilige temi antimetafisici e antiantropocentrici, e uno un effetto poetico generale […]. Nulla di poetico poterono né potranno mai scoprire la pura e semplice ragione e la matematica» (Zib. 3238-3242 [1823]); cf. «colui che ignora il poetico della natura […] non conosce […] la natura, perché non conosce il suo modo di essere» (Zib. 1835 [1821]). 72 Il dialogo volterriano può influenzare anche le pagine dello Zibaldone citate nella nota precedente, infatti la Natura di Voltaire dice: «Je ne suis pas mathématicienne; et tout est arrangé chez moi selon les lois mathématiques. Devine si tu peux comment tout cela s’est fait», e il filosofo replica: «Certainement, puisque ton grand tout ne sait pas les mathématiques, et que tes lois sont de la plus profonde géométrie qui te dirige, une intelligence suprême préside à tes opérations». Sarebbe necessario consultare l’edizione delle opere di Voltaire nella Biblioteca di Recanati. 73 Pertanto la fuga dell’Islandese ricorda quella del Manfred di Byron, del quale si parlerà più avanti. 74 «Et vous composerez dans ce chaos fatal-| Des malheurs de chaque être un bonheur général! » (Voltaire: «Poème sur le désastre de Lisbonne», in: id.: Mélanges, 307, v.-119sq.). 216 Giulia Abbadessa stile che mescola filosofia e poesia, riunite nella satira. In particolare, Perle Abbrugiati precisa che «[l]a pagina di Voltaire appartiene alla seconda fase della satira che rivendica il realismo e l’autorità dei sensi contro astrazioni e moduli fissi», laddove «la prosa satirica di Leopardi è […] orientata verso la terza fase (swiftiana) in cui si raggiunge la vittoria finale sul senso comune» 75 . È anzi Leopardi stesso a contrapporre la sua satira a Voltaire nell’Elogio degli uccelli: del privilegio che ha l’uomo di ridere: il quale non hanno gli altri animali; e perciò pensarono alcuni che siccome l’uomo è definito per animale intellettivo o razionale, potesse non meno sufficientemente essere definito per animale risibile; parendo loro che il riso non fosse meno proprio e particolare all’uomo, che la ragione. [ … M]irabile è […] che nell’uomo, il quale infra tutte le creature è la più travagliata e misera, si trovi la facoltà del riso […]. Mirabile ancora si è l’uso che noi facciamo di questa facoltà: poiché si veggono molti in qualche fierissimo accidente, altri in grande tristezza d’animo […] certissimi della vanità di ogni bene umano […] nondimeno ridere. Anzi, quanto conoscono meglio la vanità […] e l’infelicità della vita; e quanto meno sperano, e meno eziandio sono atti a godere; tanto maggiormente sogliono […] essere inclinati al riso. [… I]l riso è specie di pazzia non durabile, o pure di vaneggiamento e delirio. Perciocché gli uomini, non essendo mai soddisfatti né mai dilettati veramente da cosa alcuna, non possono aver causa di riso che sia ragionevole e giusta. (Operette morali, 447sq.) Questo brano è centrale per comprendere la filosofia di Leopardi, che indica nel riso una risposta ultima al male. 76 In particolare, pur contrapponendo una filosofia del riso irrazionale a quella razionalistica, Leopardi si pone sulla scia di Voltaire e di altri autori settecenteschi e antichi. Così l’Elogio traccia una «storia del riso» e, individuandone l’origine nell’ubriachezza, cioè in un’«intermissione […] della vita», spiega che nel «tempo presente»: egli si trova essere in dignità e stato maggiore che fosse mai; tenendo nelle nazioni civili un luogo, e facendo un ufficio, coi quali esso supplisce […] alle parti esercitate in altri tempi dalla virtù, dalla giustizia, dall’onore […]; e in molte cose raffrenando e spaventando gli uomini dalle male opere. (Operette morali, 450sq.) Questa storia del riso anticipa quella esposta in Controdolore dal futurista Palazzeschi 77 , il quale descrive come, dopo esser nato piangendo, man mano che 75 Abbrugiati: «Effetto Voltaire», 125. 76 Cf. Emilio Russo: Ridere del mondo. Bologna: Il Mulino 2017. Cf. di nuovo il volume Il riso leopardiano. Comico, satira, parodia; Ugo Dotti: «La missione dell’ironia in Giacomo Leopardi», in Belfagor 39.4 (1984), 377-396. 77 Aldo Palazzeschi: Il controdolore. Manifesto futurista. A cura di Antonio Castronuovo. Roma: Stampa Alternativa 2000 ( 1 1913]. La satira di Leopardi contro l’Ottimismo di Leibniz 217 cresce, l’uomo apprenda l’arte di ridere. La satira leopardiana è anzi tanto moderna da anticipare l’humour noir 78 , ma nei Detti Memorabili di Filippo Ottonieri Leopardi indica un modello nell’antichità, nello stile «ironico e dissimulato» di Socrate (Operette morali, 381): il poeta si riferisce alla sua stessa poetica, meno retorica e aggressiva, più ‹maieutica› di quella di Voltaire. D’altronde, questi usò un’ironia sprezzante non in chiave divulgativa, come i suoi predecessori, ma perché il suo pubblico vi era abituato da tempo 79 : se Fontenelle la usò come mezzo galante per «eludere le critiche», sfruttando soprattutto la litote, Voltaire vi ricorse per «schiacciare» le teorie che rifiutava. 80 In tal senso, prima degli autori settecenteschi, per comprendere l’ironia militante leopardiana bisogna considerare Pascal, in cui Voltaire stesso indicò un modello. 81 Pascal e l’ironia socratica La Biblioteca di Recanati conserva varie opere pascaliane 82 , registrate negli elenchi di letture leopardiane dal 1825 83 . Se le Operette non citano l’autore cristiano, ma nemmeno il razionalista Voltaire, nello Zibaldone Leopardi apprezza entrambi e dal 1820 cita Pascal per la sua sensibilità; tema centrale del Dialogo di Torquato Tasso e del suo genio familiare e del Dialogo della Natura e di un’anima. 84 Inoltre, nel 1820 Leopardi dichiara di apprezzare molto lo stile di Pascal 78 Christophe Graulle: André Breton et l’humour noir. Une révolte supérieure de l’esprit. Paris: L’Harmattan 2000. 79 Cf. Ciampi: Le conchiglie di Voltaire, 255. Cf. Raymond Trousson: Socrate devant Voltaire, Denis Diderot et Jean-Jacques Rousseau. La conscience en face du mythe. Paris: Lettres modernes Minard 1967. 80 Cf. Ciampi: Le conchiglie di Voltaire, 54 e 255. 81 Nelle Remarques sur certaines pensées de M. Pascal Voltaire lo definisce un misantropo sublime, vittima della superstizione, ma scrisse anche che: «Les meilleurs comédies de Molière n’ont pas plus de sel que les premières Provinciales; Bossuet n’a rien de plus sublime que les dernières» (id.: Le siècle de Louis XIV. Nouv. éd. augmentée. Paris: Arvensa 2014, 392. 82 [Blaise Pascal: ] Pensieri di Pascal sopra la religione ed alcuni altri soggetti colla vita del medesimo. Trad. dal francese di Carlo Francesco Bodiani. Aggiuntavi la lettera del Sig. Abate Gauchat contro la Critica del Sig. Voltaire intorno a’ suddetti Pensieri, Vicenza: Antonio Veronese 1790, in -12; Les Provinciales, ou lettres écrites par Louis de Montalte (Pascal) à un provincial avec les notes de Guillaume Wendrock (Nicole), Amsterdam, 1783, vol. 3, in -12; Pensées sur la religion, et sur quelques autres sujets. Edition nouvelle augmentée de beaucoup de Pensées de la Vie de l’Auteur, et de quelques Dissertations, Amsterdam. Cf. «Catalogo della Biblioteca Leopardi in Recanati», in Atti e memorie della deputazione di storia patria per le province delle Marche, IV, 1899, Ancona, Morelli, 1899. 83 Nella VII lista di letture ma anche nella IV, che registra nel giugno 1825 i Pensées sur la religion tom. 6. Cf. Pacella: «Elenchi di letture leopardiane», 567 e 573. 84 Cf. Zib. 207 (11-agosto 1820); Zib. 1176sq. (17-giugno 1821); Zib. 3245 (23-agosto 1823). 218 Giulia Abbadessa per la sua chiarezza, definendolo come un modello contro la decadenza della prosa filosofica francese contemporanea (cf. Zib. 375). 85 Leopardi commenta Pascal anche da un punto di vista contenutistico, perché riflette sulla sua definizione dell’opinione come «regina del mondo» 86 , e sulle sue osservazioni sui limiti della ragione, ripetendole in polemica contro l’eccesso di raziocinio dell’Illuminismo 87 : queste citazioni dei Pensées sono tratte da Lamennais e Madame de Lambert, ma nello stesso periodo, tra 1820 e 1821, altre riflessioni zibaldoniane sul contrasto tra ragione e immaginazione evocano la filosofia pascaliana 88 , per cui è possibile che, leggendo Pascal attraverso altri autori, Leopardi abbia voluto consultare direttamente le sue opere nella Biblioteca di Recanati. Anche la necessità, affermata da Pascal, di unire ragione e cuore, e il «coup d’œil», che allude alla conoscenza intuitiva, espressa nel pensiero sulla differenza tra l’«esprit de géométrie et l’esprit de finesse» 89 sembrano avere un’eco in Leopardi (cf. Zib. 3270 [26-agosto 1823]), che inizia a sviluppare queste idee nel 1821, quando sottolinea che la conoscenza della verità si ottiene con l’azione congiunta di qualità contrarie, ragione e cuore 90 , e con il «colpo d’occhio». 91 Inoltre, un pensiero di Pascal è citato dallo Zibaldone a proposito della ‹doppia immaginazione› (cf. Zib. 4416 [23- ottobre 1828]) e, se anche questa citazione 85 Cf. «tanta posatezza e castigatezza di stile quanta è indispensabile alla prosa: come la Sevigné, Madame Lambert, Racine e Boileau nelle prose, Pascal ec. Anzi, letto Pascal, e passando ai filosofi e pensatori moderni, si nota e sente il passaggio e la differenza in questo punto» (Zib. 375 [2- dicembre 1820]); passo che sembra alludere a una lettura diretta di Pascal. 86 Zib. 329sq. (15-novembre 1820). 87 Cf. Zib. 382sq. (7-dicembre 1820) e Zib. 333 (17-novembre 1820); Pascal: Pensées, n.-188. Si citano solo i pensieri dell’edizione di Port-Royal, che fu modello di tutte le edizioni dal XVIII al XIX secolo e, verosimilmente, di quella conservata a Recanati. Cf. Louis Lafuma: Histoire des Pensées de Pascal (1656-1952). Paris: Éd. du Luxembourg 1954. Si cita l’edizione di Lafuma da http: / / www.penseesdepascal.fr/ . Prete compara queste pagine in: id.: Il pensiero poetante, 86. Invece, il pensiero posto da Pascal in epigrafe a questo intervento non dovrebbe essere nell’edizione di Port-Royal, e bisognerebbe fare una ricerca approfondita alla biblioteca di Recanati. 88 Cf. Zib. 305 (7-novembre 1820); Zib. 407 (9-15-dicembre 1820); Zib. 1163 (13-giugno 1821); Zib. 1377 (23- luglio 1821); e Pascal: Pensées, n.- 512 e n.- 110, che sembrano avere un’eco in Zib. 3237-3245 (22-agosto 1823), perché in Zib. 3245 si cita Pascal come un modello di genio. 89 Pascal: Pensées, n.-512; cf.: «L’esprit de finesse ne représente-t-il pas la conquête du point haut? » (Pierre Magnard: Pascal. La clé du chiffre. Paris: La table ronde 2007, 136sq.). 90 Cf. Zib. 1833-1842 (4- ottobre 1821), Zib. 1850-1859 (5-6- ottobre 1821), e Zib. 1961sq. (21-ottobre 1821). 91 L’espressione (citata in Zib. 1833 e 1852) passa dal francese all’italiano dal XVIII secolo; cf. Pietro Folena: L’italiano in Europa. Esperienze linguistiche del Settecento. Torino: Einaudi 1983, 36. La satira di Leopardi contro l’Ottimismo di Leibniz 219 è indiretta 92 , Franco D’Intino ne coglie un’eco alle pagine 2296-97, scritte il 27-dicembre 1821, vale a dire, nel periodo in cui si è indicata la possibilità di una lettura leopardiana dell’opera di Pascal, forse parziale o cursoria. 93 Per entrambi i filosofi, l’immaginazione è una facoltà, che l’uomo applica senza saperlo, creatrice e di disproporzione, perché ha il potere di ingrandire gli oggetti. 94 Tuttavia, Leopardi rapporta l’immaginazione suscitata dalla natura alla teoria del piacere, pertanto la definisce, positivamente, generatrice di illusioni e infinito, oltre che necessaria alla comprensione della natura. 95 Affermando che la ricerca della felicità si risolve in Dio, invece, Pascal relega l’immaginazione all’ultimo rango delle facoltà, accusandola di nutrirsi di opinioni e di trasgredire la distinzione tra l’ordine della natura e quello divino. 96 Inoltre, lo Zibaldone cita Pascal nel 1821 97 in rapporto alla teoria del piacere: D’Intino spiega che anche questa citazione è indiretta, tratta da Madame de Lambert 98 , ma non si può scartare l’ipotesi di una lettura dei Pensées, che sono vicini alle pagine zibaldoniane sul piacere scritte nel 1821. 99 Anzi, la prossimità cronologica con gli appunti dello Zibaldone che citano Pascal autorizza a riconoscere la possibilità che Leopardi abbia meditato sul piacere leggendo i Pensées. Pascal infatti riconosce che «Tous les hommes recherchent d’être heureux. […] Ils tendent tous à ce but […], le présent nous ne satisfaisant jamais» 100 come Leopardi. D’altronde se Pascal sviluppa questa idea sul piano teologico 101 e Leopardi in chiave materialistica (cf. Zib. 179 (12-13 luglio 1820), sono molte le argomentazioni comuni: entrambi riconoscono l’inadeguatezza del desiderio umano agli oggetti della natura; affermano che egli cerca il movimento e non 92 Cf. Franco D’Intino: «Il funambolo sul precipizio. Leopardi verso Montaigne», in: Critica del testo XX (2017), 179-217. 93 Cf. ibid., 188sq. 94 Cf. Zib. 168sq. (12-23 luglio 1820); cf. Pascal: Pensées, n.-531. 95 Cf. Prete: Il pensiero poetante, 53. 96 Cf. Pascal: Pensées, n.-551; Gérard Ferreyrolles: Les Reines du monde. L’imagination et la coutume chez Pascal. Paris: Champion 1995, 159sq. 97 «Le présent n’est jamais notre but; le passé et le présent sont nos moyens; le seul avenir est notre objet: ainsi nous ne vivons pas, mais nous espérons de vivre, dice Pascal» (Zib. 649 [13-febbraio 1821]). 98 Cf. Franco D’Intino: «Leopardi sulle tracce di Montaigne», in: Quaderns d’Italià 22 (2017), 39-52. 99 «La nature nous rendant toujours malheureux en tous états, nos désirs nous figurent un état heureux, parce qu’ils joignent à l’état où nous sommes les plaisirs de l’état où nous ne sommes pas; et quand nous arriverions à ces plaisirs, nous ne serions pas heureux pour cela, parce que nous aurions d’autres désirs conformes à ce nouvel état» (Pascal: Pensées, n. 109). Cf. Zib. 532 (20-gennaio 1821); Zib. 612 (5-febbraio 1821); Zib. 826 (20-marzo 1821); Zib. 3525 (26-settembre 1823). 100 Pascal: Pensées, n. 425. 101 Cf. Magnard: Pascal. La clé du chiffre, 252. 220 Giulia Abbadessa il riposo; considerano la ricerca preferibile alla conquista; rapportano il piacere alla noia, al divertissement e all’amor proprio 102 . Anche il titolo del primo indice dello Zibaldone, Pensieri di varia filosofia e di bella letteratura, evoca l’opera di Pascal, e fu redatto nel «1820 o qualche tempo dopo». 103 Non è questa la sede per comparare la filosofia di Leopardi e Pascal, ma la critica ha sottolineato un’affinità stilistica tra i due autori, perché, spiega Fabiana Cacciapuoti riprendendo Paul Ricœur 104 , lo Zibaldone usa il linguaggio fondato sulle antinomie dei Pensées. 105 Inoltre, entrambe le opere hanno una forma frammentaria, atta a evitare gli eccessi della ragione geometrica, e la stessa varietà di registri stilistici, altrettanto legata alla ricerca di un metodo paradossale: i due autori ricorrono al lirismo, alla rappresentazione degli stati d’animo, al racconto favoloso e al dialogo, ma anche alla satira e all’ironia, che consente di sviluppare una teoria del paradosso, perché accoglie la contraddizione; riconosciuta come elemento costitutivo della vita umana sia da Leopardi sia da Pascal. 106 In particolare entrambi usano la litote, l’iperbole ironica, l’antifrasi, il sarcasmo, l’ironia socratica e la permissio, che caratterizza il Dialogo di Tristano e di un Amico; redatto, probabilmente, dopo la lettura delle Provinciales, annotata nel VII elenco di letture leopardiane. 107 Pur attribuendo all’ironia un messaggio morale, i due filosofi si distinguono perché il riso leopardiano è una risposta ultima al male, laddove Pascal indica quest’ultima nella fede: in proposito, si ricordi la satira contro il Cristianesimo e la Chiesa, ad esempio, de Il Copernico e del Dialogo di Plotino e Porfirio. Pertanto, si conclude che, leggendo Pascal, Leopardi sviluppa le sue idee filosofiche ma soprattutto affina uno strumento per difenderle, perché esse furono derise dai suoi 102 Cf. Pascal: Pensées n. 133 e 134. Le somiglianze tra la teoria del piacere di Leopardi e il pensiero di Pascal sono state sottolineate da Riccardo Pineri: Leopardi et le retrait de la voix. Paris: Vrin 1994, 122sq.; Giovanni Gullace: «Pascal and Leopardi: some relationships», in: Italica 32.1 (1955), 27-37; Michele Federico Sciacca: «Leopardi et Pascal», in: La table ronde 171 (1962), numéro spécial Le tricentenaire de la mort de Pascal; Paolo Petruzzi: Leopardi e il cristianesimo. Dall’Apologetica al Nichilismo. Macerata: Quodlibet 2009, 379sq. Cf. Giulia Abbadessa: «L’écho des Pensées de Pascal chez Leopardi», in: Lexicon Philosophicum. International Journal for the History of Texts and Ideas 7 (2019), http: / / lexicon.cnr.it/ index.php/ LP/ article/ view/ 657/ 494. 103 Emilio Peruzzi: «Introduzione», in: Leopardi: Zibaldone di pensieri. Vol.-I, XXVI. 104 Cf. Paul Ricœur: Aux frontières de la philosophie. Paris: Seuil 1994, 161-171. 105 Cf. Fabiana Cacciapuoti: Dentro lo Zibaldone. Il tempo circolare della scrittura di Leopardi. Roma: Donzelli 2010, 16sq. 106 Cf. Jules Mesnard: «Ironie», in: id.: Les Pensées de Pascal. Paris: Sedes 1976, 277-299; Gérard Ferreyrolles: «L’ironie dans les Provinciales de Pascal», in: Cahiers de l’Association internationale des études françaises 38 (1986), 39-50. 107 Cf. Pacella: «Elenchi di letture leopardiane», 567. La satira di Leopardi contro l’Ottimismo di Leibniz 221 contemporanei e sottoposte alla censura, come quelle pascaliane. De Sanctis infatti chiarisce che «il dialogo socratico», definito da Leopardi un modello, non è che la lotta dell’intelletto contro le false apparenze […]. Leopardi aveva un complesso d’idee lontanissime dalle opinioni volgari nate appunto da illusioni o false apparenze […], anzi ha dirimpetto a sé il riso della moltitudine, e vi risponde con un certo piglio ironico, che noti nelle sue prose anche più severe. Si trovava dunque naturalmente sulla scia del dialogo socratico e […] del ragionamento, che fu detto ironia socratica. 108 Un’ironia più che romantica L’analisi dell’influenza su Leopardi dello stile di Voltaire e Pascal mette in luce due modelli chiave per la costruzione della satira leopardiana, ma non esaurisce lo studio delle sue molteplici fonti, che convergono sulla tradizione letteraria, da quella antica di Luciano fino a quella moderna di Molière, Marmontel e Gresset. 109 D’altronde, Leopardi è stato reso sensibile al tema del riso anche dalla corrente letteraria del Romanticismo 110 : fu Schlegel a proporre l’ironia come uno dei suoi tratti distintivi, in quanto essa rappresenta la superiorità dello spirito rispetto alla realtà, lo scarto tra infinito e finito, la dialettica tra creazione e distruzione 111 ; ma anche in Italia i romantici Ludovico di Breme, Pietro Borsieri e Giovanni Berchet presero parola con l’ironia. Spiega Francesco De Sanctis: Quando un mondo se ne va, si dichiara l’ironia. Questo dà un alto significato all’ironia di Socrate o di Luciano, all’ironia di Ariosto o di Parini, all’ironia di Voltaire o di Goethe; questo dà un’importanza storica al Manzoni. 112 Se anche Michail Bachtin sottolinea che il riso può essere «espressione di una nuova coscienza storica» 113 , si è visto che le stesse teorie leopardiane non sono esenti da una prospettiva storicistica. Sulla scia di Bachtin, si può anzi definire 108 Gerardo Bianco: Francesco de Sanctis. Cultura classica e critica letteraria. Napoli: Guida 2009 115, che cita e commenta de Sanctis. 109 Sarebbe interessante condurre un’analisi approfondita su queste fonti. 110 Cf. Lilian R. Furst: «Who Created ‹Romantische Ironie›? », in: Pacific Coast Philology 16.1 (1981), 29-37; Ernst Behler: Klassische Ironie, romantische Ironie, tragische Ironie. Zum Ursprung dieser Begriffe. Darmstadt: Wiss. 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D’altronde, nei Pensieri, che rappresentano in primis la società, Leopardi sviluppa ulteriormente la sua originale teoria del riso, e indica in quest’ultimo un mezzo privilegiato non di derisione, ma di coesione sociale; anche rielaborando la tradizione moralistica francese tout court, citata nell’antologia di Noël e De la Place. 115 Sottolineando la sua capacità di rovesciare una situazione sfavorevole, ma soprattutto la forza di aggregazione del riso, il pensiero LXXVIII non solo anticipa Le Rire. Essai sur la signification du comique di Bergson (1900), ma fa pendant con l’Elogio degli uccelli, che ne descriveva la natura privata 116 : Il ridere concilia stima e rispetto anche dagl’ignoti, tira a se l’attenzione di tutti i circostanti, e dà fra questi […] superiorità. E se, come accade, tu ti ritrovassi in qualche luogo alle volte o non curato o trattato con alterigia o scortesemente, tu non hai a far altro che scegliere tra i presenti uno che ti paia a proposito, e con quello ridere franco e aperto e con perseveranza, mostrando più che puoi che il riso ti venga dal cuore: e se forse vi sono alcuni che ti deridano, ridere con voce più chiara e con più costanza che i derisori. Tu devi essere assai sfortunato se, avvedutisi del tuo ridere […] quelli che […] o non si danno alla fuga, o non vengono spontanei a chieder pace, ricercando la tua favella, e forse profferendotisi per amici. Grande tra gli uomini e di gran terrore è la potenza del riso […]. Chi ha coraggio di ridere, è padrone del mondo, poco altrimenti di chi è preparato a morire. (Leopardi: Pensieri, LXXVIII) 117 Tuttavia, il riso di Leopardi è anche un prodotto culturale del Romanticismo: in particolare, la poetica satirica leopardiana fu molto influenzata da Lord Byron. 118 114 Ibid., 86. Su Bachtin e Leopardi cf. Felici: La luna nel cortile, 48. 115 Il VII elenco di letture cita i Pensées di Rousseau, che stimolano Leopardi alla redazione dei Pensieri, dove, però, non si può escludere che sia attivo il modello di Pascal. Cf. Pacella: «Elenchi di letture leopardiane», 573. 116 «[I]l canto e il riso degli uomini, per rispetto al rimanente del mondo, sono privati» (Operette morali, 451). Su Bergson e Leopardi cf. Felici: La luna nel cortile, 49. 117 Una riflessione analoga è in Zib. 4392 (23-settembre 1828): «il semplice rider alto vi dà una decisa superiorità sopra tutti gli astanti […]. Terribile ed awful è la potenza del riso: chi ha il coraggio di ridere, è padrone degli altri, come chi ha il coraggio di morire». 118 Su Leopardi e il modello di Byron, cf. Russo: Ridere del mondo; Cecilia Gibellini: «Byron e Leopardi», in: Byron e l’Europa. L’Europa e Byron. A cura di Franco Piva / Angelo Righetti / Laura Colombo. 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Puramente dilettare, e far ridere gli altri, come noi ridiamo spesso e di cuore, specialmente, come dice Lord Byron, quando non ci riesce di piangere […]. 119 Verducci spiega che la citazione, dal Don Juan («when we know what all are, we must bewail us,-| But ne’ertheless I hope it is no crime-| To laugh at all things-- for I wish to know- | What, after all, are all things - but a show? », vv.-13-16), influenza la Ginestra («Mortal prole infelice, […] qual pensiero-| Verso te finalmente il cor m’assale? -| Non so se il riso o la pietà prevale», vv.-199-201) 120 ; ma si ricordino anche le parole di Eleandro, ‹colui che ha compassione del genere umano›, il quale, dolendosi del fato e non credendo alla «perfezione dell’uomo», afferma di aver pubblicato un libro nella convinzione che: «il ridere dei nostri mali sia l’unico profitto che se ne possa cavare» (Operette morali, 504sq.). Se la poetica di Byron è un riferimento per Leopardi, questi supera il modello, non solo perché si avvale dei classici ed elabora una storia del riso, ma anche perché, rinunciando a ogni metafisica obsoleta, afferma un’estetica o un’etica del riso, a cui infine pone un limite, precisando che «Tutto è degno di riso fuorché il ridersi di tutto» (Zib. 3999 [17 dicembre 1823]). Bibliografia Leopardi, Giacomo: Canti. A cura di Lucio Felici. Roma: Newton Compton 2007. —: Operette Morali. A cura di Laura Melosi. Milano: Rizzoli 2014. —: Pensieri. A cura di Cesare Galimberti. Milano: Adelphi 1982. —: Tutte le opere. Con introduzione e a cura di Walter Binni. Con la collaborazione di Enrico Ghidetti. 2-vol. Firenze: Sansoni 1969. —: Zibaldone di pensieri. Ed. fotografica dell’autografo con gli Indici e lo Schedario. A cura di Emilio Peruzzi. 10-vol. Pisa: Scuola Normale Superiore di Pisa 1989-1994. Palazzeschi, Aldo: Il controdolore. Manifesto futurista. A cura di Castronuovo Antonio. 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La medesima prospettiva di tipo genealogico ci consentirà di osservare come «le cose che non sono» che compaiono nella leopardiana «teoria del piacere» (1820) siano destinate a riemergere alla fine degli anni Venti, tornando a rifiorire all’insegna del roussoiano «paese delle chimere». Frattanto, vedremo aprirsi uno squarcio luminoso perfino nelle pagine più buie dello Zibaldone, laddove le «cose che non son cose» rappresentano (secondo l’interpretazione qui da noi rilanciata) le cose immaginarie, ovvero le chimere e le metafore poetiche. Per un’ultima volta il genio di Rousseau può dunque tornare ad interferire sul pensiero del Recanatese, ben oltre le superficiali e banalizzanti formule del pessimismo e dell’ottimismo. Il richiamo a Rousseau nell’ultimo Leopardi consente di riabilitare la funzione vivificatrice delle illusioni e delle chimere, superando tutte le stagioni e le ragioni del pessimismo leopardiano, che semmai rimarrebbero da decifrare, ad un più profondo livello di analisi ermeneutica, come sintomi del nichilismo. Einer der faszinierendsten Aspekte von Leopardis Poetik und Ethik betrifft die tröstliche, erheiternde Dimension der Einbildungskraft. Wir zeigen in dem Beitrag, inwiefern auch das Nichts, das mit der Leopardi’schen Imagination verwoben ist, im Lichte der Metapher der Chimären neu gelesen werden kann, die eindeutig Rousseau’scher Herkunft ist. Dieselbe genealogische Perspektive wird uns erlauben zu untersuchen, inwiefern ‹die Dinge, die nicht sind›, die in der Leopardi’schen «teoria del piacere» (1820) vorkommen, Ende der 20er-Jahre von neuem auftauchen und hier im Zeichen des Rousseau’schen «Landes der Chimären» erscheinen. In der Zwischenzeit sehen wir, wie selbst durch die dunkelsten Seiten des Zibaldone Licht hindurchscheint: dort, wo, gemäß der von uns hier vorgeschlagenen Interpretation, unter den ‹Dingen, die keine Dinge sind›, die 230 Luigi Capitano imaginären Dinge - oder die Chimären und die poetischen Metaphern - zu verstehen sind. Ein letztes Mal, und weit über die oberflächlichen und banalisierenden Formeln des Pessimismus und Optimismus hinausgehend, kann demnach Rousseaus Genius auf das Denken des Dichters aus Recanati einwirken. Die Berufung auf Rousseau beim späten Leopardi gestattet es, der belebenden Funktion der Illusionen und Chimären neues Recht zu verschaffen und dabei alle Phasen und Ursachen des Leopardi’schen Pessimismus zu überwinden, die - wenn überhaupt - auf einer tiefergehenden Ebene hermeneutischer Analyse als Symptome des Nihilismus zu entschlüsseln wären. Parole chiave: chimere, felicità, illusioni, immaginazione, nulla creativo, ottimismo, pessimismo, sentimento della vita Schlagwörter: Chimären, Glück, Illusionen, Imagination, schöpferisches Nichts, Optimismus, Pessimismus, Lebensgefühl «Due anime nel petto» Fra le leopardiane arti della felicità e del «vivere» 1 l’immaginazione occupa un posto privilegiato. In tal senso, si rivela particolarmente illuminante la metafora del «paese delle chimere», la quale ci riporta, per via genealogica, 2 ad un autore da sempre al centro della biblioteca fantastica del nostro Giacomo: Jean-Jacques Rousseau. Fin dal giovanile Discorso di un italiano sulla poesia romantica (1818) Leopardi aveva rivendicato, non senza chiari echi roussoiani, il primato del «regno della fantasia» sull’impero della ragione che svilisce ogni cosa riducendo tutto «qua- 1 «Arte del vivere» è il sintagma leopardiano che compare, nel LXXIX dei Pensieri, con allusione all’arte (machiavellica) del «saper vivere» («Novella Senofonte e Machiavello») nella società e nel mondo. Si potrebbe assumere la formula leopardiana come la cifra di un’estetica dell’esistenza, nonché di un’etica aperta al dialogo con la saggezza ellenistica e con i moralisti francesi (Rousseau in primis). Se, sulla scorta di Machiavelli, Leopardi smaschera la genealogia della morale, sulle orme di Guicciardini gli appare «chimerica» l’arte politica («Pensiero LI»). Più congeniale al Nostro risulterà l’«uso del vivere» indicato nel «Preambolo» alla traduzione di Epitteto. Di «utilità o danno» per la vita discutono personaggi emblematici delle Operette morali come Eleandro e Tristano. Sul valore edificante del savoir-vivre cf. Michele Zedda: «Leopardi e la pedagogia del saper vivere», in: Studi sulla Formazione. Open Journal of Education 2 (2015), 223-251. 2 Quello genealogico è un metodo squisitamente leopardiano, con Vico alle spalle e Nietzsche all’orizzonte (cf. Luigi Capitano: Leopardi. L’alba del nichilismo. Napoli / Salerno: Orthotes 2016, 73-101). La felicità delle chimere 231 si a nulla» 3 . Tra le due facoltà si sarebbe ben presto innescata una dialettica paradossale: «la ragione ha bisogno dell’immaginazione e delle illusioni ch’ella distrugge» 4 . Se la ragione fa strage d’illusioni, l’immaginazione poetica, al contrario, infonde passioni edificanti e vivificanti quali la felicità, l’entusiasmo, la consolazione, il sentimento del bello 5 . Il dissidio fra ragione e immaginazione percorre un po’ tutte le Operette, declinandosi spesso nella ben nota antitesi - di roussoiana memoria - ragione-natura 6 . Non deve pertanto stupire l’oscillazione dell’animo leopardiano fra le opposte spinte del cuore e della ragione, della speranza e della disperazione, della rassegnazione ‹stoica› e della rivolta eroica, del desiderio e della distrazione 7 , dell’attaccamento alla vita e del cupio dissolvi. Tali tensioni riflettono, per dirla con Goethe (Faust, v.-1112), le «due anime nel petto» di Leopardi, condensabili nella formula della «disperata speranza» (Zib. 1865). Su questa scia, l’Eleandro leopardiano parlerà di una «disperazione magnanima», rivendicando al tempo stesso il valore e l’utilità morale dei «libri poetici». 8 Di una lotta fra due anime si potrebbe parlare anche a proposito dell’antagonismo fra spirito illuministico e spirito romantico, nonché tra ragione filosofica e immaginazione poetica, sempre in dissidio nel cuore dell’iconoclasta, ma pur sempre fervente cultore delle chimere. 3 Giacomo Leopardi: «Discorso di un italiano intorno alla poesia romantica», in: Poesie e prose. 2 vol. A cura di Rolando Damiani / Mario Andrea Rigoni. Milano: Mondadori 1987-1988 (d’ora in poi, PP), vol.-II, 362sq. 4 Zib. 1839; cf. Zib. 1650. Per i riferimenti allo Zibaldone di pensieri, adottiamo qui l’edizione critica Pacella (Milano: Garzanti 1991, 3 vol.), con l’abbreviazione Zib., seguita dalle pagine dell’autografo (ci limiteremo a segnalare, fra parentesi, solo le date più significative, con particolare riferimento a Rousseau). 5 Ad es., mentre in Zib. 98 si accenna ad un «entusiasmo virtuoso», in Zib. 4493, si legge che «è proprietà ed effetto essenziale d’ogni immaginaz. e sentim. di natura poetica l’inalzar l’anima», al punto da definire «sublime» «il sentim. morale» del «bello». 6 Sottesa ad essa rimane l’opposizione natura-incivilimento: per Leopardi, come già per Rousseau, l’uomo si sarebbe in qualche modo corrotto a causa della civiltà e della ragione (cf. Zib. 56; Zib. 3935). 7 In Zib. 172, Leopardi parla di «riposo dal desiderio». Di strategie anti-pessimistiche della «distrazione» si tratta nelle stesse pagine della «teoria del piacere»: Zib. 172-174. 8 Cf. Giacomo Leopardi: «Dialogo di Timandro e di Eleandro», in: id.: Operette morali. A cura di Cesare Galimberti. Napoli: Guida 1998, d’ora in poi, OM, 418: «Se alcun libro morale potesse giovare, io penso che gioverebbero massimamente i poetici: dico poetici, prendendo questo vocabolo largamente; cioè libri destinati a muovere la immaginazione». Sull’importanza felicitante ed edificante delle illusioni rimane pure eloquente la conclusione di Eleandro: -«lodo ed esalto quelle opinioni, benché false, che generano atti e pensieri nobili, forti, magnanimi, virtuosi, ed utili al ben comune o privato; quelle immaginazioni belle e felici, ancorché vane, che danno pregio alla vita; le illusioni naturali dell’animo; e in fine gli errori antichi, diversi assai dagli errori barbari» (OM 429). 232 Luigi Capitano Né sorprende che il filologo 9 , il filosofo e il poeta 10 possano convivere nel genio multiforme di un letterato il cui brillante stile aforistico si ispira spesso a quello dei ‹moralisti› francesi del Cinque-Settecento: Pascal e Rousseau in primis. 11 Accanto ai CXI Pensieri e ai «detti» di Filippo Ottonieri si potrebbe pensare alle tante pagine zibaldoniche rubricabili sotto il titolo di «manuale di filosofia pratica» (cf. Zib. 4239). «Concepire le cose che non sono» L’immaginazione, ovvero la capacità di trovare «il tutto anche nel niente» 12 , rimane alla base della stessa «teoria del piacere», enunciata nel luglio del 1820 e richiamata spesso da Leopardi lungo tutto lo Zibaldone. Pur essendo stata letta spesso in chiave pessimistica, tale «teoria» non esclude, anzi implica il ruolo felicitante della fantasia. Su questo punto, Leopardi non avrebbe potuto essere più chiaro: esiste nell’uomo una facoltà immaginativa, la quale può concepire le cose che non sono, e in un modo in cui le cose reali non sono […]. Il piacere infinito che non si può trovare nella realtà, si trova così nella immaginazione, dalla quale derivano la speranza, le illusioni ec. Perciò non è maraviglia […] che la felicità umana non possa consistere se non nella immaginazione e nelle illusioni. (Zib. 167 [corsivi nostri]) Lo spazio delle illusioni veniva invaso dalla logica del paradosso: «Pare un assurdo, e pure è esattamente vero che tutto il reale essendo un nulla, non v’è altro di reale nè altro di sostanza al mondo che le illusioni» (Zib. 99); «il più solido piacere di questa vita è il piacer vano delle illusioni» (Zib. 51). È pro- 9 Leopardi raggiunge dapprima la fama europea come filologo, grazie a Louis De Sinner e a Giordani. Com’è noto, gli Excerpta di Leopardi vennero pubblicati a Bonn nel gennaio 1835 da De Sinner sulla Rheinisches Museum für Philologie, la prestigiosa rivista tedesca di filologia alla quale collaborerà anche Nietzsche. 10 Il nesso essenziale fra poesia pensante e pensiero poetante si è imposto già da alcuni decenni nell’ambito della critica leopardiana. Il pensiero poetante (1980) di Antonio Prete segna, in tal senso, uno spartiacque nell’ermeneutica leopardiana. 11 I maggiori modelli per i CXI Pensieri rimangono le Pensées di Pascal e quelle di Rousseau. Se non è affatto trascurabile la suggestione esercitata sul Recanatese da moralisti come La Bruyère e Mme de Lambert, ben più incisivo appare l’influsso di pensatori quali appunto Pascal, Rousseau, Montesquieu e - seppur sottotraccia - Montaigne. Sulla presenza dei moralisti francesi in Leopardi cf. Francesca Mecatti: La cognizione dell’umano. Firenze: Società Editrice Fiorentina 2003, 187 e passim. 12 Giacomo Leopardi: «Detti memorabili di Filippo Ottonieri», cap. II, OM 320; cf. Zib. 152sq.; Zib. 527. La felicità delle chimere 233 prio a partire da simili osservazioni che Leopardi svilupperà la propria poetica dell’immaginario: 13 in luogo della vista, lavora l’immaginazione e il fantastico sottentra al reale. Se tutto quanto si trovasse già interamente offerto alla nostra vista, non rimarrebbe spazio alcuno per l’immaginazione. L’anima s’immagina quello che non vede, che quell’albero, quella siepe, quella torre gli nasconde, e va errando in uno spazio immaginario, e si figura cose che non potrebbe se la sua vista si estendesse da per tutto, perché il reale escluderebbe l’immaginario. (Zib. 171. Cf. Zib. 1430sq.; Zib. 4418) Quello del poeta-fingitore è un motivo ricorrente nello Zibaldone: «l’immaginazione vede il mondo come non è» (Zib. 4358). Nel suo modo d’inseguire il mito dell’infinito 14 , il fingere leopardiano continua ad aprirsi varchi nella selva delle chimere, nella materia poetica. Volendo richiamare il linguaggio delle Operette morali, si tratta di quelle «larve» e di quei «fantasmi» che da sempre hanno illuminato la «storia del genere umano»: giustizia, virtù, gloria, amore. Sono queste le illusioni che hanno reso grandi e magnanimi gli antichi e che, benché ormai dissolte nell’età moderna della ragione, consentono di offrire un senso alla vicenda umana, rinverdita nelle sue giovani speranze e «belle e care immaginazioni» (Storia del genere umano). A dispetto di tutto, Leopardi non si è mai stancato di coltivare il culto delle «belle illusioni», dei «cari», «ameni inganni», dei «sogni leggiadri», dei «beati errori» del cuore, riuscendo così a raccogliere, perfino nel tempo del disincanto e della «rimembranza», i frutti della loro dileguante aura. Per combattere la noia il nostro poeta aveva ben presto sperimentato il rimedio dell’immaginazione, come testimonia pure la canzone Ad Angelo Mai 15 , in cui peraltro si preannunciano alcuni motivi fantastici del Dialogo di Torquato Tasso e del suo Genio familiare. E se nei versi della malinconica canzone il mondo appariva in tutta la propria inconsistenza, nell’operetta su Tasso l’incanto amoroso perdurava nel sogno, nella capacità di «fantasticare», di «crearsi il mondo a suo modo» 16 . La teoria negativa del piacere espressa nel Tasso leopardiano viene così compensata dal rimedio, a lungo perseguito nello Zibaldone, di un benefico nonessere, rappresentato dalle «cose che non sono» (Zib. 167 [12-23 luglio 1820]; 13 Sul valore dell’immaginazione attiva e vitale cf. Zib. 650. 14 Cf. Alberto Folin: Il celeste confine. Leopardi e il mito moderno dell’infinito. Venezia: Marsilio 2019. 15 Cf. Zib. 175sq.: «la forza della loro immaginazione dà corpo e vita e azione ad ogni fantasia che si affacci loro alla mente ec. e trovano in somma in se stessi una sorgente inesauribile di occupazioni e sempre varie». 16 Giacomo Leopardi: «Dialogo di Torquato Tasso e del suo Genio familiare», OM 227. Cf. Zib. 681sq. 234 Luigi Capitano Zib. 4174 [19 aprile 1826]), vale a dire le «chimere» (Zib. 4500 [7 maggio 1829]), le illusioni poetiche. Simili cose fantastiche ci trasportano in una dimensione di sogno, dilatando le porte della percezione. Per Leopardi l’uomo è un animale poetico-fantastico: l’animale razionale (cf. Zib. 180sq.) non avrebbe potuto sopravvivere, rimanendo a lui preclusa «la massima parte della natura» (Zib. 1836). Sicché è davvero triste la vita di chi non vede se non ciò che vede semplicemente con i sensi, rimpicciolendo il mondo ancor più con gli occhi della ragione (cf. Zib. 2943). Di qui l’importanza di superare la ragione con l’immaginazione, nello spirito di quella che una volta Leopardi stesso aveva chiamato «ultrafilosofia» (Zib. 115). Il ruolo delle chimere e delle «illusioni» rimane del resto essenziale, non solo per poetizzare e «romanticizzare» il mondo (per dirla alla Novalis), ma anche per scoprire le verità più riposte della natura. D’altro canto, per Leopardi, il «gran poeta» non toglie nulla alla figura del «vero filosofo» (Zib. 1650sq.), anzi l’ingrandisce e la perfeziona, rimanendo l’immaginazione «la sorgente della ragione come del sentimento, delle passioni e della poesia» (Zib. 2132sq.). In tal modo, Leopardi torna a variare il motivo roussoiano del «sentimento della vita» (Zib. 2431; Zib. 3922sq.) 17 . Il poeta vagheggia cose brillanti e aeree (cf. Zib. 275), «cose che non sono» (Zib. 167), «immagini di cose supremamente vaghe, fantastiche, chimeriche» che «ci dilettano sommamente», ci «sublimano» e ci «traggono fuori di [noi] stessi e del mondo reale» (Zib. 4513 [21-maggio 1829]). Analogamente, Leopardi parla di «impressioni poetiche» (Zib. 4515 [24-maggio 1829]), di quei «fantasmi di bellezza e virtù celeste e ineffabile» che visitano spesso la «fantasia» del poeta quando cerca di figurarsi la «donna che non si trova». 18 Non per caso, le «chimere» di Rousseau «tornano a rifiorire» (Zib. 214) nello Zibaldone, sconfessando in un sol colpo tutte le volte che erano state liquidate come favole e sogni. 19 Diverso il caso delle mitologie della ragione e degli inganni dell’intelletto, che 17 Cf. Zib. 2737; Zib. 4145. Nelle Operette Leopardi parla analogamente di «intensione della […] vita» («Dialogo della Natura e di un’Anima», OM 143), di «semplice sentimento dell’esser proprio […] amabile e desiderabile per natura» («Dialogo di un Fisico e di un Metafisico», OM 200), di «senso nostro» («Dialogo di Plotino e di Porfirio», OM 468), di «senso dell’animo» (ibid., 480). Rousseau aveva già parlato di un «gusto della vita» (Nuova Eloisa, III, 23), di un positivo, «dolce», «sentimento dell’esistenza» («Lettera sulla Provvidenza»; Emilio; Le fantasticherie del passeggiatore solitario). Per inciso, «sentimento dell’esistenza» è un’espressione alquanto diffusa nel Settecento francese (Montesquieu, Delisle De Sales, ecc.). 18 Giacomo Leopardi: «Preambolo» alle «Annotazioni alle dieci Canzoni», in: PP, vol. I, 164. 19 Si pensi soprattutto al «Saggio sopra gli errori popolari degli antichi», dove vengono condannati come «chimere» gli incantesimi, l’anima degli astri, i giganti, e via di questo passo. Ma ancora nello Zibaldone verranno considerati alla stregua di chimere, di volta in volta, l’utopia della «Dea ragione» (Zib. 358), il progetto di una «lingua universale» (Zib. 936), l’idea di un «bello ideale» (Zib. 3207). La felicità delle chimere 235 Leopardi non ha mai cessato di sfatare: «quanti sogni, quante chimere, quante utopie ne’ pensieri de’ filosofi» (Zib. 562). 20 Ancora nel marzo del 1826, in una famosa lettera a Vieusseux, Leopardi dichiarava di «considerar tutte le cose come chimere» 21 , nel segno dell’antico adagio: «tutto è nulla». Sennonché si giunge al punto di catastrofe allorquando si passa repentinamente dall’assioma del nulla («tutto è nulla») al teorema del male («tutto è male»). Ma lungi dal concludere che il male è il nulla, si ricava che il male coincide con l’essere, con le cose che sono. Ma è proprio qui che le chimere tornano a fiorire e a brillare alla luce del nulla. Così, nella primavera del 1829, Rousseau riconquista Leopardi al culto delle «selvagge chimere» (l’espressione è del Kant precritico), il cui regno rimane pur sempre quello del non essere, delle non-cose, delle cose inesistenti, ora connotate in modo eccezionalmente positivo. 22 In due note zibaldoniche del maggio 1829, Leopardi riporta le espressioni roussoiane: «pays des chimeres» (Zib. 4500 [7-maggio 1829]) 23 e «chimeres qui ornent les objets réels» (Zib. 4502 [10-maggio 1829]). Segue, ad appena due settimane di distanza, la famosa annotazione che celebra «le cose supremamente vaghe, fantastiche, chimeriche, impossibili» (Zib. 4513 [21-maggio 1829]). Tutto ciò testimonia l’aleggiare di un fantasma la cui decifrazione richiede una «nuova arte critica» (Vico), un’«arte della filigrana» (Nietzsche). Un singolare «genio familiare» Assiduo lettore di Rousseau fin da giovanissimo, 24 alla fine degli anni Venti, Leopardi rimane nuovamente catturato da quelle «chimere dell’immaginazio- 20 Si tenga pure presente che, per Leopardi, la ragione senza immaginazione si riduce ad una «bruttissima e acerbissima mitologia» (Zib. 1841sq.). 21 Giacomo Leopardi: «Lettera a Gian Pietro Vieusseux», in: id.: Lettere. A cura di Rolando Damiani. Milano: Mondadori 2006, 632sq. 22 Non bisogna nascondersi che, per Leopardi, ideali quali l’amore platonico, l’idea dello spirito e l’amicizia, negli anni zibaldonici 1823-1829, vengono considerati alla stregua di idee chimeriche. 23 Il passo roussoiano sul «paese delle chimere» era sicuramente già familiare a Giacomo, come si evince da una missiva del fratello Carlo datata 12 dicembre 1822. Per una ricognizione sull’immaginario letterario delle chimere, con particolare riferimento a Rousseau, cf. Lionello Sozzi: Il paese delle chimere. Palermo: Sellerio 2007, 136sqq. e passim; Gauthier Ambrus: «‹Poetico fanciullo›. Lo strano dialogo di Leopardi e Rousseau», in: Giacomo dei libri. La Biblioteca Leopardi come spazio delle idee. A cura di Fabiana Cacciapuoti. Milano: Electa 2012, 158sq. Per una trattazione di maggior respiro filosofico, rimando al mio: Leopardi. L’alba del nichilismo, 681-818. 24 Cf. la minuziosa ricostruzione filologica di Maria de las Nieves Muñiz Muñiz: «Il Rousseau di Leopardi: tracce di lettura», in: Giacomo dei libri, 126-134; vedi pure, a cura della stessa, le schede di lettura sulle opere roussoiane presenti nella biblioteca di casa Leopardi, ibid., 322-326. Una prima menzione di Rousseau risale all’epoca delle puerili 236 Luigi Capitano ne» che avevano alimentato il cuore del pensatore ginevrino. Rousseau si conferma pertanto uno dei massimi numi tutelari dell’immaginazione leopardiana nell’età moderna, accanto ai vari Pascal 25 , Vico 26 , ecc. Il ritorno di Leopardi a Rousseau viene peraltro a compensare le più tristi verità dello Zibaldone, pur senza rimuoverle. Difatti, la vanità delle illusioni può essere lamentata solo da chi «le onora e desidera e predica più di tutti gli altri, come Rousseau, la Staël ec.» (Zib. 318 [11-novembre 1820]). 27 Purtroppo, si è così abituati ad associare il nome del pensatore ginevrino alla fase del cosiddetto «pessimismo storico» leopardiano 28 che passa quasi inosservato il rifiorire del «paese delle chimere» Dissertazioni metafisiche: «…celeberrimo Gio: Giacomo Rousseau» («Dissertazione sopra l’anima delle bestie», 1811). Il dialogo con Rousseau si intensifica a partire dal Discorso di un italiano del 1818. Le note zibaldoniche testimoniano la grande complicità con il genio immaginativo del ginevrino, specie all’altezza delle Operette morali, malgrado l’infuriare del dibattito sulla provvidenza. La presenza di Rousseau si infittisce nuovamente nelle trascrizioni del periodo marzo - maggio 1829, in particolare nel blocco di citazioni contenenti le «chimere» (Zib. 4500-4502) e variamente rubricabili come «machiavellismo sociale» e «manuale di filosofia pratica». Quanto Rousseau fosse familiare a Leopardi (per vie non solo indirette) è del resto testimoniato dai cosiddetti ‹elenchi di letture› (dove il nome del ginevrino ricorre a più riprese, quasi sempre in connessione con le Pensées), nonché dalle numerose citazioni che si trovano disseminate nello Zibaldone, non senza riflessi anche espliciti nelle Operette («Detti memorabili di Filippo Ottonieri», cap. I; cap. IV) e nei Pensieri (XLIV; XCII). 25 Il pensatore francese rimane uno dei più influenti geni familiari di Leopardi (vedi il nostro Leopardi. L’alba del nichilismo, 344-357). Anche Pascal aveva parlato di chimere, descrivendo l’uomo come una «chimera» (Pensées, fr. 434 Brunschvicg) che rincorre le «chimere» della propria immaginazione (ibid., fr. 80). 26 Sull’immaginazione mitica in Vico e in Leopardi, rimando al nostro saggio: «La mitologia dopo Natale Conti. Il «mondo fanciullo» fra Vico e Leopardi», in: Il corpo dell’idea. Immaginazione e linguaggio in Vico e Leopardi. A cura di Fabiana Cacciapuoti. Roma: Donzelli 2019, 51. 27 L’«ec.» allude, come si chiarisce nella stessa pagina, agli esempi antichi: Teofrasto e Bruto, rispettivamente «penitenti» della «gloria» e della «virtù». Le Lettres su J.-J. Rousseau (1785) di Mme de Staël, possedute da Leopardi, rappresentano peraltro la riprova di tanto roussoismo di seconda mano. 28 Nel presente saggio tentiamo di svincolare il confronto Leopardi-Rousseau dalla vecchia distinzione fra «pessimismo storico» ispirato a Rousseau (Leopardi possedeva il Discorso sull’ineguaglianza nella versione settecentesca del Rota) e «pessimismo cosmico» (influenzato soprattutto da Voltaire). Tali formule si riferiscono al diverso atteggiamento assunto da Leopardi nei confronti della natura (considerata benigna e provvida prima dell’ingresso dell’uomo nella «civiltà», denunciata infine come «matrigna», «nemica», ecc.). Per una prima revisione critica sul tema del pessimismo, cf. Sebastiano Timpanaro: Classicismo e illuminismo nell’Ottocento italiano. Pisa: Nistri-Lischi 1973, 150sqq.; 88sqq.; sul Rousseau mediato da altre fonti, ibid., 380. Dal dibattito tra Timpanaro e Sergio Solmi traspare nondimeno la presenza, nell’opera leopardiana, di «due linee» che sembrano coesistere, a volte perfino nella fase in cui esplodono le contraddizioni del «sistema della natura» (cf. Sergio Solmi: Studi leopardiani. Milano: Adelphi 1987, 99-117; Cesare Lu- La felicità delle chimere 237 nell’ultimo Leopardi. Tale ritorno felicitante rischia così di rimanere oscurato dalla polemica di Leopardi contro l’ottimismo del tout est bien. «Non v’è altro bene che il non essere» (Zib. 4174 [19-aprile 1826]) è l’aforisma che avevamo visto apparire, come un fiore nel deserto, a ridosso del giardino del male, nella primavera bolognese del 1826. Ma non si trattava certo di sostituire l’ottimismo del «tout est bien» 29 con il pessimismo, giusta la rigorosa posizione scettico-relativistica del Recanatese. 30 «Non v’è altro bene che il non essere» rimane l’inavvertita parafrasi roussoiana del famoso passo del «pays des chimeres». «Il n’y a rien de beau que ce qui n’est pas» (Zib. 4500 [7-maggio 1829]), ripeterà appunto Leopardi con Rousseau, esplicitando ora la fonte: i frammenti sull’immaginazione contenuti nelle Pensées. 31 Così, pur ripudiando decisamente l’ottimismo della natura che si accompagnava al roussoismo della prima ora, l’ultimo Leopardi tornava al genio preromantico dell’immaginazione, facendo risorgere il «gusto della vita» 32 insieme a quelle «chimere» che, come abbiamo mostrato, rinviano al regno delle «cose che non son cose». Ciò a riprova del fatto che non si tratta d’altro che delle illusioni poetiche, di quelle stesse «chimere che - come Leopardi trascrive ancora da Rousseau - ornano gli oggetti reali» (Zib. 4502 [9-maggio 1829]). 33 Quest’ultimo porini: Decifrare Leopardi. Napoli: Macchiaroli 1998, 127). La questione del pessimismo leopardiano è considerata uno «stereotipo» ormai superato (Antonio Prete: La poesia del vivente. Leopardi con noi. Torino: Bollati Boringhieri 2019, 173-184). 29 La formula ottimistica è di Rousseau (Pensées, vol. II, Amsterdam 1786, 200; cit. in Zib. 4511, 17 maggio 1829). Essa verrà sfruttata in chiave polemica (specie contro Leibniz e Pope) da Voltaire (Candido; Poema sul disastro di Lisbona; voce «Bene, tutto è bene» del Dizionario filosofico). Com’è noto, il disastro di Lisbona del 1755 rilanciò la «controversia sul male» alla quale parteciparono anche Voltaire, Rousseau, Kant. 30 Tale posizione scettica, esplicita in Zib. 1655, viene mantenuta ben salda fino alla fine dello Zibaldone nonché nelle Operette, laddove Tristano conclude che «non sappiamo nulla». Difatti, chi può affermare (o negare) alcunché di assoluto (cf. Zib. 539sq.; Zib. 1623; Zib. 1645)? Chi potrebbe quindi sostituire «all’ottimismo il pessimismo», beninteso il pessimismo assoluto? «Chi può conoscere i limiti della possibilità? » (Zib. 4174). L’approfondirsi della crisi del principio di ragione sufficiente (nel 1821) in una crisi della ragione tout court e del «sistema della natura» (nel 1824), non è un effetto del pessimismo. Semmai, quest’ultimo rimane un epifenomeno del nichilismo, come abbiamo mostrato nel nostro Leopardi. L’alba del nichilismo. 31 Si tratta di un’antologia tematica alquanto raccogliticcia pubblicata dall’editore cattolico Laurent Prault nel 1763. Per quanto giudicata mediocre dallo stesso Rousseau, la silloge ebbe molta fortuna e fu assai cara al nostro Giacomo, che ne possedeva un’edizione del 1786. 32 Giacomo Leopardi: «Dialogo di Plotino e di Porfirio», OM 480. L’espressione leopardiana ricalca, com’è noto, quella roussoiana della Nuova Eloisa, III, 23. 33 Si tratta dell’aforisma conclusivo sull’Immaginazione del florilegio settecentesco delle Pensées di Rousseau già citato da Leopardi alla pagina 4500 (7 maggio 1829). Il brano è tratto, questa volta, dall’Emilio. Cf. Jean-Jacques Rousseau: Le confessioni. A cura di 238 Luigi Capitano passo rimanda espressamente alla pagina zibaldonica sulla cosiddetta ‹seconda vista› dell’«uomo immaginoso» (cf. Zib. 4418 [30- novembre 1828]). Leopardi non si limita a dire che le immagini chimeriche, subentrando alla realtà, svolgono una funzione felicitante. Egli spiega anche perché ciò avvenga: in virtù del fatto che le illusioni sono capaci di rinviare, ravvivandone la memoria, alle «rimembranze» felici dell’età fanciulla. Per dirla con Chateaubriand: «l’immaginazione è ricca, abbondante e meravigliosa, l’esistenza povera, arida e disincantata. Con il cuore traboccante, si abita in un mondo vuoto» 34 . Abitare un mondo vuoto con un cuore pieno di traboccanti chimere fu appunto il destino di Leopardi, sulla scia di Rousseau. Giungiamo così alla primavera del 1829. Pare davvero di sentir rifiorire nell’aria un nuovo «maggio odoroso» (A Silvia), dopo che il giardino bolognese, nella primavera di tre anni prima, aveva rivelato il volto malefico della natura, ma non senza un inatteso risvolto felicitante sul non-essere, sulle chimere dell’immaginazione. Dopo essere stato, per così dire, respinto dalla porta della teodicea (Zib. 4511 [17-maggio 1829]) 35 , Rousseau rientrava così inaspettatamente dalla finestra del nulla fantastico. Del resto, il demone dell’immaginazione si fa largo fra mondi e cose che non esistono. L’enigma delle «cose che non son cose» cui allude Leopardi può dunque considerarsi risolto. Esse hanno infatti alle loro spalle le fantastiche «cose che non sono» (Zib. 167 [12-23-luglio 1820]; Zib. 4174 [19-aprile 1826]) enunciate fin dalla teoria del piacere del 1820, e davanti a sé le non meno felicitanti «chimere» roussoiane della primavera del 1829. Qui non sono in gioco soltanto quei valori illusori - l’«amore», l’«amicizia», la «pietà» - 36 capaci di dare un senso alla nostra vita (come suggerito, a suo tempo, da Cesare Galimberti). 37 Andrea Calzolari; tr. Valentina Valente. Milano: Mondadori 1990, I, 96sq.: «Possedendo un’immaginazione abbastanza ricca da ornare con le sue chimere tutte le condizioni, abbastanza potente da trasportarmi, per così dire, a mio piacimento dall’una all’altra, mi importava poco a quale appartenessi realmente». 34 François-René de Chateaubriand: «Prefazione di René», in: id.: Atala. René. Traduzione di Massimo Bontempelli. A cura di Alberto Capatti. Milano: SE 2003, 95 (Genio del cristianesimo, II, III, 9). 35 Si tratta della famosa pagina in cui Leopardi obietta a Rousseau (secondo cui nel «sistema del mondo» tout est bien) che il «male è nell’ordine». 36 Tali valori erano tenuti nella massima considerazione anche da Rousseau, proprio in relazione all’«immaginazione creatrice», che anche nel pensatore ginevrino non va intesa come puro ripiegamento dell’io nel suo mondo arcadico, ma slancio vitale e passionale. Cf. Élaine Larochelle: «Jean-Jacques et ses chimères», in: Pensée Libre 7 (1998), 157, nota 17. 37 Cf. Cesare Galimberti: Cose che non son cose. Saggi su Leopardi. Venezia: Marsilio 2001, 230sq. e passim; id.: «Senso del nulla e senso delle cose», in: Die ästhetische Wahrnehmung der Welt: Giacomo Leopardi e la percezione estetica del mondo. A cura di Sebastian La felicità delle chimere 239 Tanto meno si tratta di quel non-essere annientante che, stando invece all’analisi di Emanuele Severino 38 , verrebbe invocato da Leopardi - con inconsapevole «radicale contraddizione» - per annullare il male dell’essere. Né, infine, ci pare più persuasiva la lettura del francesista Lionello Sozzi, che - in un suo pur pregevole saggio - ha considerato le chimere di Leopardi come semplici proiezioni di ideali in un «mondo illusorio», a suo dire nient’affatto paragonabile al «mondo di fantasia, compensatorio e alternativo» di Rousseau. 39 Se così fosse, non si comprenderebbe come mai Leopardi abbia evocato proprio le chimere di Rousseau, suggerendo, perdipiù nelle stesse pagine, l’accostamento della ‹doppia vista› 40 all’immaginazione roussoiana che - col suo charme - adorna le percezioni dei sensi: «ce sont les chimeres qui ornent les objets réels» (Zib. 4502 [9-maggio 1829]). Dal canto nostro, abbiamo invece cercato di mostrare come il richiamo di Leopardi al pensatore svizzero rimanga funzionale ad una rivincita del mondo immaginario su quello reale. Le «cose che non son cose» rappresentano quelle «cose illusorie» 41 , fantastiche, chimeriche di cui si è nutrita la poesia di ogni tempo e meridiano, tutte le non-cose d’«altra natura» che cadono fuori dal cerchio bronzeo della materia. In breve, le illusioni poetiche e più in generale le «cose immaginarie e chimeriche» in cui «consiste la vita» (Zib. 339). Fra i numerosi Disegni letterari immaginati nel 1829 da Leopardi, troviamo un progetto sull’«Arte di essere infelice. Quella di essere felice, è cosa rancida; insegnata da mille, conosciuta da tutti, praticata da pochissimi, e da nessuno poi con effetto» 42 . Ma solo in apparenza la posizione di Leopardi converge con quella espressa da Schopenhauer nell’Arte di essere felici, lì dove il filosofo tedesco afferma che «la felicità e i piaceri sono soltanto chimere». 43 Infatti, proprio Neumeister. Francoforte: Lang 2009, 20sq. Per Leopardi, come per Rousseau (Le confessioni, IX), l’amore e l’amicizia erano idoli e chimere del cuore. 38 Cf. Emanuele Severino: Cosa arcana e stupenda. Milano: Rizzoli 1997, 465-467. 39 Lionello Sozzi: Il paese delle chimere, 268-270, 273. 40 È Leopardi stesso, in Zib. 4502, a rinviare - in apertura di capoverso - «alla p. 4418» (dove si parla, appunto, di «mondo» e «oggetti» che appaiono «doppi» allo sguardo dell’uomo «sensibile e immaginoso»). Si tratta di pagine piene di citazioni roussoiane che testimoniano un riacceso interesse, da parte di Leopardi, per il pensiero del ginevrino all’altezza del 1829: quasi un preludio ai CXI Pensieri (cf. Maria de las Nieves Muñiz Muñiz, Il Rousseau di Leopardi, 129, 132). 41 Giacomo Leopardi: «Discorso sopra lo stato presente dei costumi degl’Italiani», in: PP, vol. II, 476. 42 Giacomo Leopardi: «Disegni letterari», in: PP, vol.-II, 1218. 43 Arthur Schopenhauer: L’arte di essere felici. Milano: Adelphi 2010, 55. Si confronti questa posizione con la teoria negativa del piacere espressa nello Zibaldone come pure nel Dialogo di Torquato Tasso. Ma, per il giovanissimo - e ancora credente - Giacomo, «l’unica vera felicità dell’uomo» risiede nella vita eterna, giacché «tutte le altre sorte di felicità, non sono altro che chimere» (Giacomo Leopardi: «Dissertazione sopra la felicità», in: Dissertazioni filosofiche. A cura di Tatiana Crivelli. Padova: Antenore 1995, 244). Sull’«ar- 240 Luigi Capitano perché per Leopardi la felicità è «sempre nulla» in ogni «presente» 44 , la maschera indiscreta di ogni nostra chimera rimane pur sempre viva, continuando ad esser vagheggiata in tutti i luoghi dell’immaginazione: dalla speranza alla rimembranza, dalla «luna» alla «donna che non si trova». Il piacere dell’inesistente Il poeta è in grado di rivelare cose inesistenti e di accedere ad «arcani mondi» (Le ricordanze, v.-23): All’uomo sensibile e immaginoso, che viva, come io sono vissuto gran tempo, sentendo di continuo e immaginando, il mondo e gli oggetti sono in un certo senso doppi. Egli vedrà con gli occhi una torre, una campagna; udrà con gli orecchi il suono di una campana; e nel tempo stesso con l’immaginazione vedrà un’altra torre, un’altra campagna, udrà un altro suono. In questo secondo genere di obbietti sta tutto il bello e il piacevole delle cose. (Zib. 4418) 45 L’uomo «sensibile e immaginoso» (Zib. 4038sq.) - e tale indubbiamente era anche Rousseau - non si rappresenta le cose circostanti, «dappresso». Egli evoca cose-non-cose, chimere poetiche, metafore. La poesia stessa si rivela una visione alternativa rispetto alla prosaica e pedestre realtà, lasciando apparire, in una sorta di apocalissi euforica, «novo ciel, nova terra» (Aspasia, v.-27). Leopardi è quindi persuaso che l’immaginazione poetica ci conduca, attraverso questa via d’accesso privilegiata, ad un paese in cui l’immaginario subentra al reale (cf. Zib. 171; Zib. 1430sq.; Zib. 4418). Ed è proprio da qui che trae origine la poetica del vago e dell’indefinito, poiché l’uomo tende sempre verso l’infinito ma, non potendo concepirlo, si perde appunto in una serie d’immagini confuse e poetiche. Vale la pena rimarcare come, anche dopo l’ennesima svolta ‹pessimistica›, Leopardi continui ad insistere sulla felicità illusoria dell’immaginazione lungo tutto l’arco degli anni Venti: dalla inclinazione a figurarsi «cose che non sono» (Zib. 167) al sogno tassesco dell’inesistente, alla felicità delle «lettere amene» e del «comporre» 46 , alla creazione di una sorta di realtà parallela trasfigurante la realtà (cf. Zib. 4417sq.), a quel filo di poesia che, anche in prosaici tempi come i nostri, si aggiunge come un «sorriso» alla fragile «tela» della vita (Zib. 4450 te della felicità» in Leopardi rimane sempre utile il cap. II della Filosofia di Leopardi (1940) di Adriano Tilgher. 44 Zib. 4426: «il presente, qual ch’egli sia, non può esser poetico; e il poetico, in uno o in un altro modo, si trova sempre consistere nel lontano, nell’indefinito, nel vago». 45 Cf. Zib. 103: «uomini di genio e sensibili»; Zib. 171; Zib. 1430sq. Cf. Zib. 1648. 46 Giacomo Leopardi: «Il Parini», cap. VII, OM 272. Cf. «Dialogo di Timandro e di Eleandro», OM 418. La felicità delle chimere 241 [2-febbraio 1829]). Benché non si dia mai nel presente, il piacere illusorio non è affatto inconsistente, essendo anzi l’unico luogo utopico capace di consentire uno spazio di «felicità». E si badi che non c’è alcuna contraddizione, da parte di Leopardi, nel ribadire la concezione negativa del piacere affermando, al tempo stesso, la possibilità positiva dell’immaginazione. «In effetti, non appartiene ad altro che all’immaginazione, come Leopardi scrive nell’estate del 1823 ad un turista fiammingo conosciuto a Roma - André Jacopssen 47 -, la facoltà di procurare all’uomo la sola specie di felicità positiva di cui egli sia capace» 48 . Si tratta di una delle rare occasioni in cui Leopardi accenna ad una «felicità positiva» (cf. Zib. 3847sq.; Zib. 3879) 49 . Due anni prima, egli aveva parlato di una «felicità possibile» 50 , osservando, fra l’altro: «Dalla mia teoria del piacere […] risulta che […], stante l’amor proprio, non conviene alla felicità possibile dell’uomo se non che uno stato o di piena vita, o di piena morte» (Zib. 1585 [29-agosto 1821]). Nel «Preambolo» al Manuale di Epitteto (1825) tradotto da Leopardi, come alternativa all’etica eroico-tragica, traspare l’ammirazione del Nostro verso la morale stoica e atarassica della rinuncia al piacere e dell’estinzione del desiderio 51 . Ecco dunque l’aut aut: «Senza dubbio, mio caro amico, bisognerebbe o non vivere proprio o sempre sentire, sempre amare, sempre sperare. La sensibilità sarebbe il più prezioso di tutti i doni, se lo si potesse far valere» 52 , giacché «la felicità dell’uomo non può consistere in ciò che è reale» 53 , Leopardi conclude la sua lettera a Jacopssen, sostenendo che «la vera saggezza è quella di cercare la felicità nell’ideale», vale a dire in quel tipo privilegiato di sensibilità immaginativa che lo rende ‹romanzesco›, ma anche ‹romantico›: «suis-je romanesque? » 54 Nell’estate del 1826, non lontano dal giardino della souffrance, Leopardi tornerà sul dilemma della felicità: «il più felice o il meno infelice di tutti i modi di vita» consiste in «quello di somma vita e quello di tanta morte» (Zib. 4185sq.). 47 Cf. Luigi Capitano: «What then is happiness, my dear friend? », in Dear Friend, You must change your life. A cura di Ada Bronowski. London: Bloomsbury 2020, 109-115. 48 Giacomo Leopardi: «Lettera a Jacopssen» (23 giugno 1823), in: id.: Lettere, 432 (tr. nostra). Cf. Zib. 717: «il bene, soggetto della gioia, non è altro che immaginario». 49 Sulla felicità dei fanciulli e dei primitivi, vedi pure Zib. 716sq. 50 Cf. Zib. 76; Zib. 406; Zib. 421-423; Zib. 528; Zib. 626; Zib. 647; Zib. 649; Zib. 1585; Zib. 3847 («felicità negativa»). I sintagmi «felicità possibile» e «felicità positiva» non ricorrono nelle Operette. 51 Cf. Sebastiano Timpanaro: La filologia di Giacomo Leopardi. Roma / Bari: Laterza 1997, 109sq. 52 Leopardi: «Lettera a Jacopssen», 430. 53 Ibid., 431. In questo passo sembra proprio aleggiare lo spirito di Rousseau, come pure al termine della lettera, quando Giacomo confida all’amico che i suoi libri e le sue «passeggiate solitarie» («promenades solitaires») riempiono tutto lo spazio della propria vita. 54 Ibid. Cf. Zib. 4415; Zib. 4471. 242 Luigi Capitano In altre parole, quand’anche «tutto è male», la felicità rimane ancora possibile negli spazi della nuda vita, della «vita estrinseca» o «esteriore», purché la vita attiva venga intensificata e resa «vitale» al massimo grado oppure, in alternativa, quando essa venga spenta e ridotta al grado zero del desiderio. Ma perfino di fronte allo spettacolo del nulla osservato dal genio poetico, rimane lo spazio per reazioni positive. Leopardi spiega infatti che «l’anima riceve vita (se non altro passeggiera) dalla stessa forza con cui sente la morte perpetua delle cose» (Zib. 261). A tutta prima, si potrebbe credere che opere ‹pessimistiche› come il Werther debbano avere effetti annichilenti, se si pensa all’ecatombe di anime belle che riuscì a provocare quel romanzo. Eppure, osserva Leopardi, noi usciamo come rafforzati dalla lettura di una simile «opera di genio» 55 . La forza della vita prevale sul rischio della morte come mostra pure il mitico «salto di Leucade» rievocato da Cristoforo Colombo nel suo avventuroso «fantasticare» 56 . Come abbiamo visto, anche di fronte al giardino bolognese della souffrance si apre un inatteso squarcio fantastico e felicitante sul nulla. Nella pagina 4174 dello Zibaldone Rousseau viene riportato pressoché alla lettera, a riprova del fatto che le non-cose qui non alludono ad altro che alle «belle illusioni» (Zib. 3990); a quelle «chimere» già «teneramente» accarezzate da Rousseau nelle Confessioni 57 e nutrite nelle Fantasticherie del passeggiatore solitario 58 , capaci di donare un’aura e un calore di charme poetico alle cose immaginate (cf. Zib. 4502 [9-maggio 1829]). Ecco come il pensatore delle douces chimères 59 e delle douces rêveries 60 spiegava nelle Confessioni le ragioni della propria estasi fantastica: L’impossibilità di raggiungere gli esseri reali mi lanciò nel paese delle chimere, e non vedendo nulla, tra gli esseri esistenti, che fosse degno del mio delirio, lo nutrii con un mondo ideale che la mia immaginazione creatrice popolò ben presto di esseri fatti secondo il mio cuore. 61 55 Ibid. In queste pagine Leopardi sembra riecheggiare un passo della Corinne (XVIII, 4) di Mme de Staël: «ciò che tocca profondamente nelle opere di genio non è l’infelicità in sé, ma la potenza che l’anima mantiene in quell’infelicità». 56 Il verbo «fantasticare», di roussoiana memoria, è significativamente condiviso, nelle Operette, da un solo altro personaggio, oltre Cristoforo Colombo: il «Genio familiare» di Torquato Tasso. 57 Cf. Jean-Jacques Rousseau: Le confessioni, 94: «accarezzavo teneramente le mie chimere, non vedendo nulla intorno a me che potesse valerle» (tr. ritoccata). Le confessioni traboccano di chimere dal primo all’ultimo libro (cf. I, IV; IX; XII). 58 Cf. Jean-Jacques Rousseau: Le fantasticherie del passeggiatore solitario («Quinta passeggiata»). A cura di Henri Roddier e con un saggio di Jean Starobinski. Milano: Rizzoli 2018, 266. 59 Jean-Jacques Rousseau: Le confessioni, IV, 219. «Une tendre et douce chimère» è la versione resa da Poincinet del quinto verso dell’ode ottava di Anacreonte, citata dal giovane Leopardi nel suo «Discorso sopra Mosco» (Spettatore italiano, Milano, 31-luglio 1816, in: PP, vol. I, 485). 60 Jean-Jacques Rousseau: Le confessioni, IX, 510; XII, 730. 61 Ibid., IX, 506. La felicità delle chimere 243 «Grazie al cielo» - aveva già scritto Rousseau - «ero libero da tutti questi ostacoli: potevo sprofondare a mio agio nel paese delle chimere, perché non restava altro che questo davanti a me» 62 . Simili sentimenti circolavano pure nella Nouvelle Héloïse (1761), proprio nel passo ‹celebrato› da Leopardi nel maggio del 1829: «Le pays des chimeres est en ce monde le seul digne d’être habité, et tel est le néant des choses humaines, que hors l’être existant par lui-même, il n’y a rien de beau que ce qui n’est pas» 63 . Non ci pare trascurabile il fatto che tale aforisma sia estratto proprio dalla teoria roussoiana del piacere, la quale sembra davvero preludere a quella leopardiana: Guai a chi non desidera più niente! Perde per così dire tutto quanto possiede. Si gode meno di ciò che si ottiene che di ciò che si spera, non si è felici che prima di essere felici. Infatti l’uomo avido e limitato, fatto per volere tutto e ottenere poco, avuto dal cielo una forza consolatrice che avvicina a lui tutto quanto desidera, lo sottomette alla sua immaginazione, glielo fa presente e sensibile, glielo abbandona quasi, e per fargli più dolce codesta illusoria proprietà lo modifica a seconda della sua passione. Ma tutto questo giuoco prestigioso svanisce davanti all’oggetto desiderato; nulla più lo abbellisce agli occhi di colui che lo possiede, l’illusione cessa dove comincia il piacere. Il paese delle chimere è il solo degno d’esser abitato quaggiù, e il nulla delle cose umane tale che salvo l’Essere che esiste di per sé non esiste nulla di bello se non ciò che non esiste. 64 Il sogno dell’infinito La stupenda terza lettera indirizzata da Rousseau a Malesherbes deve aver alimentato fin dalla giovinezza nel cuore di Leopardi il culto delle «chimere», facendogli rivivere il sogno di quell’estasi fantastica che spingeva anche lui oltre ogni spazio e ogni limite, verso l’infinito 65 . Una possibile reminiscenza di tale 62 Ibid., IV, 224 (tr. ritoccata). 63 Jean-Jacques Rousseau: Julie ou la nouvelle Héloïse, VI, «Lettera VIII», cit. in Zib. 4500 (7- maggio 1829). Pur disponendo di un’edizione ginevrina del 1793, Leopardi riporta il passo dal solito florilegio delle Pensées, a lui tanto caro (op. cit., 206sq.). 64 Jean-Jacques Rousseau: Giulia o la nuova Eloisa. A cura di Elena Pulcini; tr. di Piero Bianconi. Milano: Rizzoli 2008, VI, «Lettera VIII», 718. Il passo doveva essere noto a Leopardi che in Zib. 4492 (21 aprile 1829) ne trae il seguente aforisma: «L’on est heureux qu’avant d’etre heureux. Rousseau, Pensées, I. 204. Cioè p. la speranza». Una chiara teoria negativa del piacere è pure contenuta nel II cap. dell’Emilio: «La felicità dell’uomo quaggiù non è dunque che uno stato negativo». 65 Cf. Jean-Jacques Rousseau: «Troisième Lettre à M. de Malesherbes» (26 gennaio 1762), in: id.: Œuvres completes, vol.- I, 140sq. Tale lettera doveva essere ben nota a Leopardi tramite l’antologia letteraria di Laplace-Noël (a quanto pare, livre de chevet di Giacomo fin dall’infanzia). Sulla succitata lettera cf. Jean Starobinski: L’inchiostro della malinconia. 244 Luigi Capitano lettera si è depositata - com’è stato già ipotizzato - sul più celebrato idillio del Recanatese: «con lo spirito immerso in questa immensità […]; mi piaceva perdermi con l’immaginazione nello spazio; avrei voluto slanciarmi nell’infinito». 66 Con il già citato aforisma della Nouvelle Héloïse («non esiste nulla di bello se non ciò che non esiste» 67 ) Rousseau suggeriva inoltre a Leopardi che il segreto della bellezza e della felicità non consiste in altro che nel fantasticare. Al «negativo del mondo sussistente» (Hegel) 68 , come dire al reale impossibile, Leopardi poteva pur sempre opporre l’irreale possibile, il roussoiano regno delle chimere. Ricordiamo che per il Recanatese la «facoltà immaginativa […] può concepire le cose che non sono», sicché «il piacere infinito che non si può trovare nella realtà, si trova […] nell’immaginazione» (Zib. 167 [12-23-luglio 1820]). Fin da queste primissime battute sulla «teoria del piacere», apparivano dunque le «cose che non sono», forse sull’onda delle dantesche «cose le quali non sono». 69 In un celebre passo zibaldonico del gennaio 1820 Leopardi aveva distinto «tre maniere di vedere le cose»: quella degli uomini di genio (sensibili allo spirito, all’immaginazione e al cuore); quella degli uomini comuni e volgari (per i quali «le cose hanno corpo» piuttosto che spirito); e infine quella degli uomini di sentimento e filosofi «per cui le cose non hanno nè spirito nè corpo, ma son tutte vane e senza sostanza» (Zib. 103; cf. Zib. 1648). Malinconici transfughi del mondo dello spirito, questi ultimi «trovano e sentono da per tutto il nulla e il vuoto» (Zib. 103). Tali sono quegli spiriti nichilisti che si sono fissati con la ragione su questa «verissima pazzia» (Zib. 104). Mentre non è difficile riconoscere, nel primo modo di vedere le cose, «Rousseau e gli altri tali uomini sensibili e virtuosi e magnanimi» (Zib. 4039) 70 , lo sguardo di Leopardi contempla e abbraccia entrambe le visioni estreme, benché fra loro «incompatibili»: la «vita» illusa e la «ragione» nichilista. 71 Torino: Einaudi 2014, cap. I. Si veda pure Lionello Sozzi: «Rousseau e i letterati», in: Studi francesi 167 (2012), § 11. 66 Cf. Pietro Citati: Leopardi. Milano: Mondadori 2010, 173sq.; 253sq.; Luigi Capitano: «Leopardi. Lo spazio immaginario dell’Infinito», in: Declinazioni dello spazio nell’opera di Leopardi. Tra letteratura e scienza. A cura di Antonella Del Gatto / Patrizia Landi. Milano: LED 2020, in corso di pubblicazione. 67 Cit. in: Zib. 4500 (7-maggio 1829). Corsivi nostri. 68 Cit. in: Cesare Luporini: Leopardi progressivo. Roma: Editori Riuniti 2006, 6. 69 Dante: Vita nova, XXV, 8. Cf. Capitano: Leopardi. L’alba del nichilismo, 723-728. 70 Cf. Zib. 38; Zib. 3189sq.; 3245; 3492; Zib. 3846; Zib. 4038. In queste pagine, quasi tutte del biennio 1823-24, il genio schivo di Rousseau assurge, con evidente valore proiettivo, a paradigma degli «ingegni veramente singolari e sommi», di «gagliarda natura», «riflessiva, immaginosa ec.». Vedi pure: «Detti memorabili di Filippo Ottonieri», cap. I, OM 315. 71 Zib. 358. La ragione è «vera madre e cagione del nulla» (Zib. 2942), e perciò fonte di «barbarie» (cf. OM 430). La felicità delle chimere 245 Rovesciando il guanto vuoto del mondo, Leopardi ha finito così col ritrovarsi - come Rousseau - nel regno incantato delle chimere. Pochi filosofi e poeti hanno saputo pensare e cantare in maniera così altamente drammatica le due metà del nulla: il niente del tutto (‹nichilismo›) e il tutto del nulla (‹idealismo›). Bisognerà attendere Andrea Emo per sapere nuovamente che la poesia non è altro che la «voce della Chimera», «la voce dell’assenza, cioè del nulla». 72 Una voce alla luce della quale sbiadisce la stessa antinomia pessimismo-ottimismo: L’espressione del nostro pessimismo è sempre un superamento del pessimismo; perciò l’espressione del pessimismo è diversissima anzi è l’opposto del pessimismo, del dolore. […] Forse che i versi di Leopardi, luminosi come il marmo, o quelli dei grandi tragici non trasportano subitamente al di là di ogni tragedia, nella regione della loro stessa luminosità? 73 Abbiamo visto come «gli inganni dell’immaginazione» attraversino indenni tutti i lustri dello Zibaldone dalla prima «teoria del piacere» alle chimere che risorgono felicemente nel maggio 1829, superando tutte le pretese svolte o incrinature pessimistiche del pensiero leopardiano, senza venire smentite neppure dalla voce sconsolata e definitiva di Tristano (comunque capace di reazioni attive quali la «maraviglia», lo «sdegno», il «riso» 74 , il «coraggio» di affrontare senza infingimenti la visione del «vero»). Un «ultimo quasi rifugio» 75 , un rimedio privilegiato resta pur sempre, per Leopardi, il ritiro nel bosco delle chimere. Le illusioni poetiche continueranno a brillare nella stagione delle Ricordanze, nella struggente luce di ciò che è «dolce per sé». «Dolce», come dieci anni prima Leopardi aveva immaginato il naufragio della sua mente nell’Infinito. 76 «Dolce», come le «fantasticherie» e le «piacevoli chimere» d’un «sognatore», «sulle ali dell’immaginazione» 77 . 72 Andrea Emo: Supremazia e maledizione. Diario filosofico 1973. A cura di Massimo Donà / Romano Gasparotti. Milano: Cortina 1998, 9. 73 Andrea Emo: Quaderni di metafisica 1927-1981. A cura di Massimo Donà / Romano Gasparotti. Prefazione di Massimo Cacciari. Milano: Bompiani 2006, 727. 74 Nel personaggio di Tristano, come già in quello di Amelio, torna «l’unico rimedio» e «conforto» di Eleandro ai «nostri mali»: il «riso». Ma l’irrisione metafisica e la leggerezza ironica non richiedono pur sempre la facoltà d’immaginare? 75 Giacomo Leopardi: «Discorso di un italiano intorno alla poesia romantica», in: PP, vol.-II, 365. 76 Cf. Luigi Capitano: «Naufragio nel Nulla: Leopardi e Schopenhauer», in: il Pensare 9 (2019), 93. Sulle cosiddette ‹vie di liberazione dal dolore› nei due pensatori, ibid., 89, nota 83. 77 Rousseau: Le fantasticherie del passeggiatore solitario, 266sq. 246 Luigi Capitano Bibliografia Chateaubriand, François-René de: Atala. René. Traduzione di Massimo Bontempelli. A cura di Alberto Capatti. Milano: SE 2003. Leopardi, Giacomo: Dissertazioni filosofiche. A cura di Tatiana Crivelli. Padova: Antenore 1995. —: Lettere. A cura di Rolando Damiani. Milano: Mondadori 2006. —: Operette morali. A cura di Cesare Galimberti. Napoli: Guida 1998. —: Pensieri. A cura di Cesare Galimberti. Milano: Adelphi 1995. —: Poesie e prose. A cura di Rolando Damiani / Mario Andrea Rigoni. 2-vol. Milano: Mondadori 1987-1988. —: Zibaldone di pensieri. A cura di Giuseppe Pacella. 3 vol. Milano: Garzanti 1991. Rousseau, Jean-Jacques: Le confessioni. A cura di Andrea Calzolari. Traduzione di Valentina Valente. 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Seine Analyse ironisch als Apologetik verkleidend stellt De Sanctis das System Schopenhauers als philosophische Rechtfertigung der Zeit der Restauration vor. Dessen Pessimismus, der mit Vergnügen «die bittersten Wahrheiten» verkünde, ziele im Grunde nur darauf, sich mit dem Zustand der Welt abzufinden. Ganz anderer Natur sei der Pessimismus Leopardis: Er entlarvt die Freiheit, die Liebe, den Fortschritt, die Suche nach dem Glück als Illusionen, gerade weil er diese Ideale und Sehnsüchte sehr ernst nimmt und sieht, wie sie von der Wirklichkeit verleugnet werden. Indem er so vorgeht, hält er jedoch an ihrem Anspruch fest und fordert indirekt den Leser auf, sich mit dem Wortlaut seiner Reflexionen nicht zufrieden zu geben: «Leopardi löst eine der beabsichtigten entgegengesetzte Wirkung aus». De Sanctis’ pointierte Formulierung erweist sich noch heute als wichtiger Schlüssel zum Verständnis von Leopardis Werk, vor allem wenn wir den ‹Widerspruch› nicht wie noch De Sanctis als vom Autor unbeabsichtigte Wirkung, sondern, wie eine Stelle im Zibaldone nahelegt, als Moment einer bewussten Textstrategie auffassen, die nur unzulänglich mit der Kategorie des Pessimismus zu beschreiben ist. Il dialogo Schopenhauer e Leopardi di Francesco De Sanctis, apparso nel 1858, è la prima o una delle prime testimonianze critiche che si interroga se il pessimismo come caratte- 250 Giovanni di Stefano rizzazione generale renda giustizia all’opera di Leopardi e alla sua recezione. Il dialogo, scritto negli anni d’esilio a Zurigo, riflette la delusione per il fallimento dei moti del 1848, a cui il critico aveva preso attivamente parte. Su questo sfondo politico si svolge il confronto fra Schopenhauer e Leopardi, apparentemente uniti dal loro pessimismo. Travestendo la sua analisi ironicamente da apologia, De Sanctis presenta il sistema di Schopenhauer come legittimazione filosofica dell’epoca della Restaurazione. Il cui pessimismo, che «gode annunziarti verità amarissime», predica la rassegnazione di fronte allo stato del mondo. Di tutt’altra natura è il pessimismo di Leopardi, che smaschera la libertà, l’amore, il progresso, la ricerca della felicità come illusioni, proprio perché prende questi ideali e questi desideri sul serio e li vede contraddetti dalla realtà. Nel fare così tiene però fermo alla loro legittimità e anima indirettamente il lettore a non accettare il contenuto delle sue riflessioni: «Leopardi produce l’effetto contrario a quello che si propone». La formulazione provocatoria di De Sanctis può dimostrarsi ancora oggi un’importante chiave di comprensione dell’opera di Leopardi, soprattutto se intendiamo l’«effetto contrario» non, come ancora De Sanctis, quale effetto non voluto dall’autore, ma, come un luogo dello Zibaldone suggerisce, quale momento di una consapevole strategia testuale, che può essere descritta solo insufficientemente con la categoria del pessimismo. Schlagwörter: Pessimismus, Restauration, Freiheit des Willens, Quietismus, konträre Wirkung Parole chiave: pessimismo, Restaurazione, libero arbitrio, quietismo, effetto contrario Noch heute wird die Entwicklung Leopardis meist als ein Übergang von einer zur nächsten Form von Pessimismus dargestellt: von einem noch im eigenen Leid verfangenen ‹pessimismo individuale› zu einem ‹pessimismo storico›, der das Übel vor allem in der Heraufkunft der Moderne sehe, von diesem zu einem alles umfassenden ‹pessimismo cosmico›, der ebenso die Natur einbeziehe, zu dem sich wiederum in der Spätphase als letzte Stufe noch ein ‹pessimismo eroico› geselle, der in dem nie aufgebenden Widerstandswillen gegen die Gleichgültigkeit der Natur und die Hoffnungslosigkeit der Geschichte bestehe. 1 Sind solche Etikettierungen aber wirklich noch aussagekräftig und fassen das eigentlich Wesentliche bei Leopardi? Werden sie insbesondere der nicht nur ästhetischen Wirkung, die von seinen Gedichten unvermindert ausgeht, gerecht? Der Dichter selbst ging übrigens mit dem Begriff «Pessimismus» sparsam um. Nur ein einziges Mal findet er Erwähnung im Zibaldone. 2 Es wäre lohnenswert, die 1 Stellvertretend für viele (vor allem im Schulbereich verbreitete) Darstellungen cf. den Eintrag zu Leopardi in der italienischen Wikipedia: https: / / it.wikipedia.org/ wiki/ Pensiero_e_poetica_di_Giacomo_Leopardi [15.6.2020]. 2 Die Stelle setzt sich mit Leibniz’ Idee der besten aller möglichen Welten auseinander. Leopardi beschreibt zunächst, was geschieht, wenn man dessen These genau umkehrt: «Leopardi produce l’effetto contrario a quello che si propone» 251 Geschichte dieser Bezeichnungen in der Leopardi-Rezeption nachzuzeichnen. Die Frage, ob und inwieweit es sinnvoll ist, bei Leopardi vom Pessimismus zu sprechen, stellt sich bereits Francesco De Sanctis in seinem 1858 erschienenen und noch heute sehr lesenswerten Dialog Schopenhauer e Leopardi. Der Dialog ist auch in literarischer Hinsicht ein glänzender Text, ein Meisterwerk subtiler Ironie. In der Produktion des berühmten Kritikers ist er ein Unikum geblieben, De Sanctis hat sich dieser Form nicht mehr bedient. Gewiss hat er dabei das Beispiel der Operette morali vor Augen gehabt, deren Dialoge häufig von einem ironischen Tonfall durchzogen sind. Andererseits lässt seine Länge auch an das Vorbild der platonischen Dialoge denken. Vordergründig befasst sich der Dialog vor allem mit der Philosophie Schopenhauers, die zum ersten Mal dem italienischen Leser ausführlich dargestellt wird. Leopardi kommt nur kurz zur Sprache, erst zum Schluss, ist jedoch im Hintergrund ständig präsent. «Tutto è male. Cioè tutto quello che è, è male; che ciascuna cosa esista è un male; ciascuna cosa esiste per fin di male; l’esistenza è un male e ordinata al male; il fine dell’universo è il male; l’ordine e lo stato, le leggi, l’andamento naturale dell’universo non sono altro che male, nè diretti ad altro che al male» [«Alles ist übel. D.h. alles, was ist, ist übel; der Zweck des Universums ist das Übel; die Ordnung und der Zustand, die Gesetze, der natürliche Ablauf des Universums sind nichts anderes als übel, zielen auf nichts anderes ab als auf das Übel»]. Er führt dann diesen Gedanken weiter aus, indem er ihn in Beziehung zum Unendlichen setzt: «Il tutto esistente, il complesso dei tanti mondi che esistono; l’universo; non è che un neo, un bruscolo in metafisica […] a paragone di ciò che l’universo potrebbe essere se fosse infinito; e il tutto esistente è infinitamente piccolo a paragone dell’infinità vera, p. dir così, del non esistente, del nulla» [«Das ganze Seiende, die Gesamtheit aller Welten, die existieren; das Universum; ist nichts als ein Schönheitsfehler, ein metaphysisches Stäubchen […] im Vergleich zu dem, was das Universum sein könnte, wäre es unendlich; und das gesamte Seiende ist unendlich klein im Vergleich mit der wahren Unendlichkeit, um es so zu sagen, mit dem Nicht-Seienden, dem Nichts»]. «Questo sistema - so der Dichter - sarebbe forse più sostenibile di quello del Leibnitz, del Pope ecc., che tutto è bene» [«Dieses System wäre wohl tragfähiger als dasjenige von Leibniz, von Pope etc., dass alles gut ist»]. Und nun kommt die etwas überraschende Schlussfolgerung der ganzen Argumentation: «Non ardirei però estenderlo a dire che l’universo esistente è il peggiore degli universi possibili, sostituendo così all’ottimismo il pessimismo. Chi può conoscere i limiti della possibilità? » (Zib. 4174, 17- Aprile 1826 [«Dennoch würde ich nicht wagen, so weit zu gehen zu sagen, das existierende Universum sei das schlechteste der möglichen Universen, und dergestalt Optimismus durch Pessimismus ersetzen. Wer vermag die Grenzen des Möglichen zu erkennen? »]. Die unausgesprochene Pointe ist: Der Pessimismus würde hier einen voreiligen Endpunkt setzen, denn man könnte sich durchaus noch schlimmere Welten erdenken, was aber wiederum unsere Vorstellung der Übel der existierenden Welt relativieren würde. Wir haben hier ein typisches leopardisches Gedankenexperiment: Eine These wird bis zu ihren extremen Konsequenzen verfolgt, wobei der Schluss häufig einen Perspektivenwechsel einleitet. Der Zibaldone wird hier und in der Folge zitiert nach der Ausgabe: Giacomo Leopardi: Zibaldone di pensieri. Ed. critica e annotata. A cura di Giuseppe Pacella. 3- vol. Milano: Garzanti 1991. Eigene Übersetzung. 252 Giovanni di Stefano Zunächst möchte ich kurz auf die Umstände eingehen, denen der Text seine Entstehung verdankt. Zwar sind sie weitgehend bekannt, aber ihre Rekonstruktion stellt ein interessantes und auch unterhaltsames Kapitel europäischer Kulturgeschichte dar. 3 De Sanctis schreibt den Dialog während seiner Exiljahre in Zürich. Infolge seiner Beteiligung an dem 1848er-Aufstand in Neapel war er von 1850 bis 1853 in Gefangenschaft im berühmt-berüchtigten Castel dell’Ovo gehalten und danach des Landes verwiesen worden. Er sollte nach Amerika eingeschifft werden, aber ihm gelingt es, nach Turin zu fliehen. Hier kann er zwar seinen Studien nachgehen und in einer privaten Mädchenschule unterrichten, aber eine Professur an der Universität bleibt ihm aus politischen Gründen verwehrt. So nimmt er 1856 einen Ruf an das Eidgenössische Polytechnicum in Zürich wahr. Deutsch hatte er bereits gelernt, um Hegel im Original zu lesen. Schon in seinem ersten Sommersemester bietet er einen Literaturkurs an, mit Erfolg, wenn man den Schilderungen in seinen Briefen Glauben schenken darf. De Sanctis möchte aber nicht nur die großen Klassiker wie Dante und Petrarca behandeln, sondern auch die neuere Literatur einbeziehen. Zu seiner Verwunderung muss er feststellen, dass, während der Name Manzoni für die meisten ein Begriff ist, niemand dagegen Leopardi kennt; nicht einmal der große Historiker Jakob Burckhardt. Ich zitiere aus dem Brief vom 6.- Mai 1856 an den Freund Diomede Marvasi: Crederesti che non solo non ho potuto trovare un Leopardi, ma che qui Leopardi è ignorato da tutti, anche da’ ticinesi? Burckart [sic! ], p.e., è stato otto anni in Italia: non conosceva che Monti! Dimandatogli di Leopardi, mi citò con elogio un libriciattolo di Monaldo, del padre: di Giacomo ignorava perfin l’esistenza. Quando dico che Leopardi è un gran poeta; - Vraiment! - mi rispondono con un sorriso d’incredulità. 4 [Kannst du es glauben, dass ich nicht nur kein Buch von Leopardi gefunden habe, sondern dass er hier vollkommen unbekannt ist, auch den Tessinern? Burckhardt z. B., er war acht Jahre in Italien und kannte allein Monti! Gefragt nach Leopardi, erwähnte er mir anerkennend ein Büchlein von Monaldo, dem Vater: von Giacomo wusste er nicht einmal, dass es ihn gab. Wenn ich sage, Leopardi ist ein großer Dichter, antwortet man mir: - Wirklich? - mit einem ungläubigen Lächeln.] Dies bekräftigt seine Absicht, sich in Zürich für die Bekanntheit von Leopardi einzusetzen: «Sto battagliando per Giacomo Leopardi» [«Ich kämpfe um Giacomo Leopardi»], meldet er in einem folgenden Brief vom 24.- Mai an seinen 3 Die wichtigste Quelle bleibt nach wie vor der Aufsatz von Benedetto Croce: «De Sanctis e Schopenhauer» aus dem Jahr 1902, nun in: id.: Saggio sullo Hegel seguito da altri scritti di Storia della filosofia. Bari: Laterza 1967, 349-363. 4 Francesco De Sanctis: Opere. Vol.-XIX. Epistolario (1856-1858). A cura di Carlo Muscetta. Torino: Einaudi 1965, 43. «Leopardi produce l’effetto contrario a quello che si propone» 253 Freund. 5 Auf der akademischen Ebene bleiben diese Versuche jedoch eher erfolglos. «In questo semestre»- - schreibt er fast zwei Jahre später am 1.- April 1858 an Angelo Camillo De Meis, wobei er sich auf das kurz vorher abgeschlossene Wintersemester bezieht-- «ho esposta la prima parte del Canzoniere petrarchesco, ed alla fine ho fatto alcune lezioni sul Leopardi. Ma il crederesti? appena annunziato ciò, tutt’i tedeschi sono scomparsi. Probabilmente avranno detto: chi è Leopardi? val la pena di saperlo? » [«In diesem Semester habe ich den ersten Teil von Petrarcas Canzoniere dargestellt und gegen Ende einige Vorlesungen über Leopardi gehalten. Aber kannst du es glauben? Sobald ich sie angekündigt hatte, sind alle Deutschen verschwunden. Sie werden wohl gesagt haben: Wer ist Leopardi? Ist es wert, es zu wissen? »] 6 Aus dieser frustrierenden Erfahrung reift der Vorsatz, Leopardi einen Platz in einem Aufsatz für die Rivista contemporanea zu sichern. Warum im Zusammenhang mit Schopenhauer? In Zürich kommt De Sanctis in Berührung mit verschiedenen Kreisen. 7 Er lernt u. a. Mathilde Wesendonck kennen, die berühmte Muse Richard Wagners, der er Italienisch-Unterricht erteilt. Erhalten ist ein Billet (vom August 1858), das uns Einblick in seine Lehrmethoden gibt: Er empfiehlt ihr, einen Abschnitt aus einer deutschen Übersetzung von Manzonis Promessi sposi ins Italienische zu übertragen und dann das Ergebnis mit dem Original zu vergleichen. 8 Im selben Billet legt ihr De Sanctis Leopardi ans Herz und bestätigt dankend den Empfang von Schopenhauers Werken, die sie ihm offenbar ausgeliehen oder geschenkt hatte. Wir haben eine höchst interessante Konstellation: Zu der Zeit hält sich in der Villa der Wesendoncks nämlich auch Richard Wagner auf, der gerade an seinem Musikdrama Tristan und Isolde arbeitet. Schopenhauer war zu der Zeit für ihn fast tägliche Lektüre. Der Komponist soll laut eigener Aussage dessen voluminöses Hauptwerk Die Welt als Wille und Vorstellung viermal hintereinander gelesen haben. 9 Frau Wesendonck lädt 5 Ibid., 68. 6 Ibid., 459. 7 Croce erwähnt, auf einer Notiz von De Sanctis basierend, viele Namen von deutschen und französischen Exilierten, mit denen der italienische Kritiker in Berührung kam und die ihn ebenfalls auf Schopenhauer aufmerksam gemacht haben können, wie der Historiker Theodor Mommsen, der Ästhetiker Friedrich Theodor Vischer und der Dichter Georg Herwegh, der seine Vorlesungen besuchte (cf. Croce: «De Sanctis e Schopenhauer», 351sq.). 8 Hier der vollständige Wortlaut des Billets: «Je regrette beaucoup, Madame, votre absence, d’autant plus que je dois partir demain, et je ne puis pas retourner vous voir. Vous pouvez traduire Manzoni de l’allemand, et comparer votre travail avec le texte italien: c’est un bon exercice. Et vous n’oublierez pas notre cher Leopardi. […] J’ai reçu Schopenhauer, et je vous en remercie; il sera mon compagnon de voyage» (De Sanctis: Epistolario, 505). 9 Cf. Hartmut Reinhardt: «Richard Wagner und Schopenhauer», in: Wagner-Handbuch. Hg. von Ulrich Müller / Peter Wapnewski. Stuttgart: Kröner 1986, 101. 254 Giovanni di Stefano De Sanctis zu einem privaten Diner ein, bei dem er Bekanntschaft mit Wagner machen soll: «Il n’y aura que Wagner et je me ferai un plaisir tout particulier de vous procurer sa connaissance plus intime» (13.-Februar 1858). 10 Das Gespräch beim Diner dürfte sich sicher auch, wenn nicht sogar hauptsächlich, um den Philosophen gedreht haben, hinterlässt allerdings beim italienischen Literaten keine sonderliche Begeisterung, aber führt ihn immerhin dazu, dessen Werke einer gründlichen Prüfung zu unterziehen. «Leggo ora il gran Schopenhauer, che proclama la sua grandezza ai quattro canti del mondo» [«Ich lese nun den großen Schopenhauer, der in allen vier Ecken der Welt seine Größe verkündet»], schreibt er zwei Wochen später am 26.- Februar 1858 an De Meis und fügt etwas sarkastisch noch hinzu: «ed il gran Wagner, il genio dell’avvenire, come modestamente si chiama, disdegnoso de’ presenti che non lo comprendono. Con questi ciarlatani innanzi, quanto non ti debbo stimare! , Camillo! » [«und den großen Wagner, das Genie der Zukunft, wie er sich - die Heutigen verschmähend, die ihn nicht verstehen - bescheiden selber nennt. Mit diesen Scharlatanen vor mir, wie hoch muss ich dich schätzen! , Camillo! »] 11 Übrigens: die Antipathie zwischen den beiden Kontrahenten war gegenseitig. Gegenüber Frau Wesendonck nennt Wagner De Sanctis spöttisch «Von den Heiligen». 12 Das Wort «Ciarlatani», das in Zusammenhang mit dem Philosophen und dem Komponisten in De Sanctis’ Brief fällt, ist bekanntlich eines der häufigsten Epitheta, mit denen Schopenhauer bevorzugt Hegel und die Vertreter des Idealismus tituliert; nun wird es hier gegen ihn selbst verwendet. So lässt es bereits nicht allein erahnen, welche Absicht der aufmerksame Hegel-Leser De Sanctis verfolgt, sondern indirekt auch seinen Ansatz: sich zunächst Schopenhauers Philosophie zu eigen zu machen, um sie dann ad absurdum zu führen und die daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen gegen ihn zu wenden. Bald nimmt die Idee eines Artikels, der den nun von der Zeit gefeierten Philosophen Schopenhauer und den hingegen scheinbar unzeitgemäßen Dichter Leopardi zusammen behandeln soll, konkrete Form an. In einem Brief an De Meis vom 1.-April 1858 kündigt er an, mit dem Artikel begonnen zu haben, für den er eine ordentliche Bezahlung von 100- Franken erwartet - «lungo o corto che venga» [«ob kurz oder lang»]. 13 Das ist derselbe Brief, in dem er über die vor Leopardi spurlos verschwundenen deutschen Studenten klagt. Schopenhauer e Leopardi - auf die Bedeutung dieser Konjunktion kommt es an. Während Leopardi vom deutschen Philosophen keine Kenntnis hat - zu spät, lange nach seinem Tod im Jahr 1837, setzt der Erfolg von Die Welt als Wille 10 De Sanctis: Epistolario, 440. 11 Ibid., 447. 12 Zitiert in Croce: «De Sanctis e Schopenhauer», 351, Anm.-3. 13 De Sanctis: Epistolario, 458. «Leopardi produce l’effetto contrario a quello che si propone» 255 und Vorstellung ein, dessen erste Ausgabe eigentlich schon 1818 erschienen war -, kennt dagegen Schopenhauer die Werke des italienischen Dichters und ist sich ihrer Qualität durchaus bewusst. Die wichtigsten Quellen und Zeugnisse hat, wie bereits erwähnt, Benedetto Croce in seinem Aufsatz De Sanctis e Schopenhauer aus dem Jahr 1902 aufgelistet, dem ersten bedeutenden Beitrag, der sich mit De Sanctis’ Dialog eingehend auseinandersetzt. 14 Der Zufall will, dass Schopenhauer den italienischen Dichter im selben Jahr 1858 kennenlernt, in dem De Sanctis mit seinem philosophischen Werk in Berührung kommt, sogar in denselben Monaten. In einem langen Brief vom 20.-Februar 1858 empfiehlt ihm sein Freund und Bewunderer Adam Ludwig von Doß, der ihn 1850 bei einem Aufenthalt in Frankfurt bereits auf die kurz davor in einem deutschen Blatt angezeigten Briefe Leopardis aufmerksam gemacht hatte, die Lektüre der Operette morali und der Pensieri aufs Wärmste und stellt Leopardi als wahlverwandten Geist hin. Auf eigenen Wegen sei der Italiener zu ähnlichen Ergebnissen wie der deutsche Philosoph gelangt, wenn es ihm auch an einer gewissen Systematik fehle. In diesem Zusammenhang fällt auch das Stichwort ‹Pessimismus›. Doß nennt Leopardi «diesen südländischen Doppelgänger im Pessimismus» und erkennt in ihm sogar eine gleiche (allerdings unbewusste) Nähe zum Buddhismus. 15 Schopenhauer folgt dem Ratschlag des Freundes, wie er ihm am 14.-März 1858 schreibt, 16 und teilt dessen begeisterte Einschätzung. In der erweiterten dritten Ausgabe von Die Welt als Wille und Vorstellung, die ein Jahr später, 1859, erscheint, wird der Dichter voll des Lobes erwähnt. In einem Kapitel mit dem bezeichnenden Titel «Von den Nichtigkeiten und den Leiden des Lebens» steht er am Ende einer Reihe illustrer Geister von Hesiod und Sophokles bis Shakespeare und Byron, die den unerträglichen Jammer des Lebens besungen haben: «Keiner jedoch hat diesen Gegenstand so gründlich und erschöpfend behandelt wie in diesen Tagen Leopardi. Er ist von demselben ganz erfüllt und durchdrungen: Überall ist der Spott und Jammer dieser Existenz sein Thema, auf jeder Seite seiner Werke stellt er ihn dar, jedoch in einer solchen Mannigfaltigkeit von Formen und Wendungen, mit solchem Reichtum in Bildern, dass er nie Überdruß erweckt, vielmehr durchweg unterhaltend und erregend wirkt.» 17 Der Philosoph sieht im Dichter einen «Geistes- 14 Cf. ferner Giuseppe De Lorenzo: Leopardi e Schopenhauer. Napoli: Ricciardi 1923; Peter Ihring: «Dichtung oder Philosophie? Der satirische Lehrdialog Leopardi e Schopenhauer von Francesco De Sanctis», in: Ginestra 14 (2004), 23-32. 15 Der Brieftext findet sich in: Arthur Schopenhauer: Gespräche. Hg. von Arthur Hübscher. Stuttgart-Bad Cannstatt: Frommann 1960, 154sq. 16 Arthur Schopenhauer: Gesammelte Briefe. Hg. von Arthur Hübscher. Bonn: Bouvier 1978, 425. 17 Arthur Schopenhauer: Sämtliche Werke. Bd.-2. Die Welt als Wille und Vorstellung. II. Textkrit. bearb. u. hg. von Wolfgang von Löhneysen. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1986, 754. 256 Giovanni di Stefano verwandten», der seinen Pessimismus teilt 18 . «Pessimist gleich ihm selbst», soll er in einem Gespräch mit Bernhard Müller im September 1859 laut Auskunft des Letzteren gesagt haben 19 . Gegenüber einem anderen Gesprächspartner, dem Musiker Robert von Hornstein, als er auf seinen früheren Aufenthalt in Italien in den Jahren 1818-19 zu sprechen kommt, kommentiert er scherzhaft ebenfalls 1859: «Wissen Sie auch, dass in einem Jahr die drei größten Pessimisten zugleich in Italien waren? Doß hat es ausgerechnet, Byron, Leopardi und ich. Doch hat Keiner den Anderen kennen gelernt.» 20 Nach dem Gesagten erstaunt nicht, dass Schopenhauers Bewunderung eher den Operette morali als den Gedichten gilt. «Mit großem Genusse habe ich ihn wiederholt gelesen: doch gefällt mir seine Prosa bei Weitem besser, als seine Verse: nur ein paar Gedichte haben meinen vollen Beifall, die recantazione [sic! ] und einige andere», schreibt er an Doß am 1. März 1859. 21 In den Operette morali glaubt der Philosoph wohl eher eine Bestätigung für seine Betonung des Pessimismus bei Leopardi zu finden. Genau in der gleichen Zeit, wie gesagt, befasst sich De Sanctis mit der Idee, in einem Aufsatz beide Autoren zu vergleichen. Kein Wunder, dass Schopenhauer, als er im Februar 1859 durch Ernst Otto Lindner von der Veröffentlichung des Dialogs erfährt, sich sofort von ihm ein Exemplar schicken lässt 22 . Schon wenige Tage später, am 23. Februar 1859, schreibt er dem Freund begeistert zurück 23 . Er sei erstaunt, in welch hohem Maße «dieser Italiäner» seine Philosophie verstanden habe. Hier der ganze Passus im Wortlaut: Viel tausend Dank, lieber Herr Dr. Lindner, für das große Pläsir, welches Sie mir verschafft haben, und dessen ich ohne Sie wahrscheinlich nie theilhaftig geworden wäre. Ach, ich erfahre nicht die Hälfte! Es ist ein wichtiger Fortschritt, der mir Italien eröffnet - Hab’ es 2-Mal sehr aufmerksam gelesen und muß erstaunen, wie sehr dieser Italiäner sich meine Phil angeeignet und wie wohl er sie verstanden hat: er excerpirt nicht, wie die deutschen Professoren, namentl. Erdmann, meine Schriften, ohne wahres Verständniß und nach der Seitenzahl. Nein, er hat sie in succum & sanguinem vertirt und hat Alles an der Schnur, wo er es gerade braucht. Auch ist er von der Wahrheit überzeugt und voll Enthusiasmus; glaubt jedoch, um sein Publikum zu amüsiren, hin und wieder a sarcastic sneer zeigen 18 So im Brief an David Ascher vom 3. Januar 1859, in: Schopenhauer: Gesammelte Briefe, 440. 19 Schopenhauer: Gespräche, 345. 20 Ibid., 220. 21 Schopenhauer: Gesammelte Briefe, 450. 22 «Schicken Sie, schicken Sie den Dialog, meine brennende Neugier eiligst zu befriedigen: hier ist nicht daran zu denken, daß er sich vorfinde, in diesem Abdera», Brief an E. O. Lindner vom 14.-Februar 1859, ibid., 447. 23 Ibid., 447sq. «Leopardi produce l’effetto contrario a quello che si propone» 257 zu müssen. p.-405, 6 lobt er mich himmelhoch und thut dabei dem Leopardi Unrecht, - den ich oft mit Bewunderung lese. Die Invektiven gegen mich, am Schluß lasse ich gelten: denn sie laufen darauf hinaus, dass die giovine Italia so wenig wie unser Pack von 1848, an mir ihren Mann gefunden hat. Vielleicht ist der Verf. ein sbandito, in Zürich. Sein begeistertes Lob über den Dialog wiederholt der Philosoph ein paar Tage später mit den fast gleichen Worten auch an andere Adressaten («eine ganz richtige Darstellung meiner Lehre») 24 . Nun hat sich Schopenhauer, der eigentlich Italienisch sehr gut beherrschte, jedoch von dem scheinbar apologetischen Tonfall des Textes auf eklatante Weise irreführen lassen und dessen tief ironisch-kritische Anlage offenbar übersehen. Er spricht lediglich von ein paar sarkastischen Stellen und «Invektiven», die er abschätzig als politisch motiviert herunterspielt. Gänzlich missversteht er den Hinweis auf Leopardi, den er glaubt, vor den Vorbehalten des Autors schützen zu müssen, wohingegen der Dichter in den letzten Seiten des Dialogs als Beispiel eines Pessimismus, der über sich hinausweist, Schopenhauers ‹quietistischem› Pessimismus positiv gegenübergestellt und in höchsten Tönen gelobt wird. Vielleicht hat ihm hier die Eitelkeit, gegen die der deutsche Philosoph bekanntlich nicht immun war, einen bösen Streich gespielt. De Sanctis’ Artikel war der erste Beitrag in italienischer Sprache über seine Philosophie, von dem er Kenntnis hatte. Croce fragt sich maliziös sogar, ob er seinen Freunden und Bewunderern nicht bewusst etwas vormachen wollte («per deliberata intenzione di trarre in inganno i suoi amici tedeschi») 25 . Zu Recht sieht Croce in der «invettiva contro le idee politiche dello Schopenhauer» sowie im «tono sarcastico» keineswegs etwas Nebensächliches und Entbehrliches, sondern den Kern der Kritik von De Sanctis und deren angemessenen Ausdruck. Auch Croce irrt aber, wenn er dagegen behauptet: «il giudizio sul Leopardi ha veramente importanza secondaria» [«Das Urteil über Leopardi hat wirklich nur nebensächliche Bedeutung»] 26 . Hier teilt er Schopenhauers Meinung, dass bei Leopardi der Dichter vom Denker zu trennen sei, wenngleich freilich seine Gewichtung eine ganz andere ist. Schopenhauer zieht die Prosa und die Gedanken vor, denn er sieht in ihnen den Pessimismus deutlicher und konsequenter ausgedrückt. Für Croce dagegen ist Leopardi kein genuiner «Philosoph», zu unsystematisch sei seine Herangehensweise. Er ist in seinen Augen vor allem «poeta», die Operette morali beurteilt Croce sehr dis- 24 Cf. die Briefe an Carl G. Bähr (26.-Februar), Carl Schütz (27.-Februar), aus dem das Zitat in Klammern entnommen ist, Adam von Doß (1.-März), Julius Bahnsen (2.-März) und David Asher (9.-März), der ganze Passagen aus dem Brief an Lindner wiederholt (Gesammelte Briefe, 448-453). 25 Croce: «De Sanctis e Schopenhauer», 363. 26 Ibid., 357. 258 Giovanni di Stefano tanziert. Gemäß seiner strikten Unterscheidung zwischen «Poesia» und «Non Poesia» erreichen Leopardis Gedichte für ihn lyrische Qualität erst in dem Moment, in dem der Dichter das Räsonnieren ausblende und dem reinen Ausdruck von Gefühlen freien Lauf lasse. Dies geschehe in den Idyllen, die die einzigen Gedichte von ihm sind, die er gelten lässt. 27 Heute würden wir sagen, dass genau die enge Verbindung zwischen Immaginazione und Ragione bei Leopardi einer der Hauptgründe für seine ungebrochene Aktualität ist und uns gerade der antisystematische Impuls seines Denkens, den Antonio Prete treffend als «pensiero poetante» und «pensiero interrogativo» bezeichnet 28 , viel näher liegt als der Anspruch des neapolitanischen Philosophen, die unerschöpfliche Vielfalt des Lebens in ein starres System hineinpressen zu wollen. Wenden wir uns nun dem Dialog zu. 29 Die beiden Gesprächspartner werden lediglich mit den Buchstaben D. und A. bezeichnet. Sie sind alte Freunde, die sich aus gemeinsamen Jahren in Neapel kennen. D. zeigt sich als direkte Projektion des Autors: Er erzählt zu Anfang, dass er gerade dabei sei, einen Artikel für die Rivista Contemporanea über Schopenhauer zu verfassen, den er dem Freund, der ihn nicht kennt, als «filosofo dell’avvenire» [Philosoph der Zukunft] vorstellt (117). Der zweite Gesprächspartner A. trägt freilich ebenfalls Züge von De Sanctis, und seine gelegentlich saloppen Formulierungen bringen häufig dessen Kritik auf den Punkt. Wie der Autor ist A. ein enttäuschter 1848er-Kämpfer, der unter der harten politischen Verfolgung nach der Wiederherstellung der alten Ordnung gelitten hat. Immer wieder im Laufe des Gesprächs evoziert er als Schreckgespenst den Namen von Campagna, dem Polizeichef des bourbonischen Königreichs zweier Sizilien. A. hat den Glauben an die Ideale verloren: «Due buone cannonate hanno fatto fuggire le idee» (119 [«Zwei gute Kanonaden haben die Ideen in die Flucht geschlagen»]) und «Le idee ci hanno piantato e si sono messe ai servigi dei vincitori, che le fanno sbucar fuori, questa o quella, secondo che loro torna» (119 [«Die Ideen haben uns im Stich gelassen und haben sich in den Dienst der Sieger gestellt, die sie aufmarschieren lassen, diese oder jene, wie es ihnen paßt»]), kommentiert er trocken. Seine Liebe zur Philosophie hat einer ernüchterten Skepsis Platz gemacht. 27 Cf. Benedetto Croce: «Leopardi», in: id.: Poesia e non poesia. Note sulla letteratura europea del secolo decimonono. Bari: Laterza 1923, 100-116. 28 Cf. Antonio Prete: Il pensiero poetante. Saggio su Leopardi. Milano: Feltrinelli 1980. 29 Als Textgrundlage dient hier die Ausgabe des Dialogs in: Francesco De Sanctis: Opere. Vol.-XIII. Leopardi. A cura di Carlo Muscetta. Torino: Einaudi 1969, 117-160. Die Seitenzahl wird in runden Klammern nachgewiesen. Die Übersetzungen in eckigen Klammern sind der deutschen Übertragung entnommen, die zusammen mit dem italienischen Originaltext im Jahrbuch der Schopenhauer-Gesellschaft XIV (1927), 129-217, veröffentlicht wurde. Einige Stellen wurden von mir stillschweigend korrigiert. «Leopardi produce l’effetto contrario a quello che si propone» 259 Diese halbfiktionale Einrahmung des Dialogs dient keineswegs nur zur erzählerischen Ausschmückung. Sie deutet gleich zu Beginn an, in welche Richtung De Sanctis seine Argumentation stellt und verstanden wissen möchte. D. möchte dem Freund die Philosophie Schopenhauers als eine für ihn in seiner jetzigen Situation geeignete Denkart nahelegen («Arthur Schopenhauer è proprio il fatto tuo», 119 [«Arthur Schopenhauer ist ganz dein Fall»]) - als eine Philosophie, die für all diejenigen geeignet sei, die vom Streben nach Idealen und von der Aufklärung und ihrem Vertrauen auf die Durchsetzungskraft der Vernunft enttäuscht geblieben sind. Die 1848er-Bewegung sei «un tempo di una illusione, o piuttosto di una imbecillità generale» gewesen (122 [«Es ist eine Zeit der Illusion gewesen, oder vielmehr einer allgemeinen Verblödung»]). Schopenhauer habe das vor allen anderen verstanden, und entsprechend groß sei sein Erfolg in einer Zeit, in der «quello che governa il mondo non è la Ragione, ma il duca di San Vito» (121 [«das, was die Welt regiert, nicht die Vernunft, sondern der Herzog von San Vito ist»]), das ist der Kommandant der bourbonischen Armee. Sarkastisch vermerkt D.: «Se vai a Francfort, entra nel grande albergo, e vedrai quanti ufficiali austriaci stanno lì con la bocca aperta a sentire: è Arturo che predica» (127 [«Wenn Du nach Frankfurt gehst, so tritt in das große Gasthaus ein, und du wirst sehen, wieviel österreichische Offiziere mit offenem Mund dastehen und zuhören: Arthur predigt»]). Unter diesem politischen Zeichen wird das System Schopenhauers gedeutet und dargestellt. Scheinbar preist De Sanctis dessen ‹Aktualität› und dessen Anspruch, Kants Kritizismus und Hegels Idealismus hinter sich zu lassen, in Wirklichkeit sieht er darin nichts als die philosophische Rechtfertigung der Restauration. Dies zeigt sich exemplarisch, so der Autor, an dessen Schlüsselbegriff, dem Willen, den der Philosoph als das Grundprinzip hinter allen Phänomenen erkennt und der im eigentlichen Sinn nichts mit Wollen oder Intention zu tun hat, sondern als ein «stimolo cieco, inconscio, che sforza a operare» (134 [«ein blinder, unbewußter Trieb, welcher zum Handeln zwingt»]) zu verstehen sei. Im Text bleibt das deutsche Wort ‹Wille› im Original, wie um seine Fremdheit und Distanz zu der gängigen Vorstellung von «volere» und «volontà» herauszustreichen. Damit verficht Schopenhauer in den Augen De Sanctis’ eine deterministische Auffassung, in der Freiheit nur eine optische Illusion sei. «Tutti facciamo secondo la nostra natura» (143 [«Alle handeln wir gemäß unserer Natur»]), so fasst D. Schopenhauers Gedanken zusammen, wie sie vor allem in der Schrift Über die Freiheit des Willens dargelegt werden: «Il ‹Wille› prendendo forma d’individuo non è più libero, ma è questo o quello, cioè condizionato così o così, col tale e tale carattere. E datosi un carattere, opera secondo quello. Ora, operare secondo il carattere, è fare quello che si vuole» (143 [«Wenn der Wille individuelle Form annimmt, ist er nicht mehr frei, sondern dieser oder jener, d. h. so oder so bedingt, mit dem oder 260 Giovanni di Stefano dem Charakter. Und nachdem er sich einen Charakter gegeben hat, handelt er jenem gemäß. Also bedeutet dem Charakter gemäß handeln: das tun, was man will»]). Wenn man dies ernst nimmt, hieße es dann, dass, was wir als Ergebnis einer freien Entscheidung glauben, allein unserem Charakter geschuldet sei. D. führt die moralischen paradoxen Konsequenzen einer solchen Auffassung aus: Ein Dieb, der stehle, begehe keine Sünde, denn er gehorche seinem Charakter, sowenig wie ein Stein, der seiner Natur gehorche und nach unten falle. «Uomo libero» sei in einem solchen System, das alles auf das Wirken von Naturgesetzen zurückführt, eine «contradictio in adjecto» (143). De Sanctis untermauert seine Zusammenfassung mit punktuellen Verweisen - in Klammern oder in den Anmerkungen - auf die Originalstellen in den Werken des Philosophen. Kein Wunder, folgert weiter D., dass Schopenhauer die Möglichkeit von politischen Veränderungen verneine, Geschichte und Nation als Fiktionen abtue, für die bestehende Ordnung eintrete und die absolute Monarchie als die «natürlichste» Regierungsform verherrliche (cf. 146-149). Erst an dieser Stelle wendet sich das Gespräch auch Leopardi zu, der mit Schopenhauer viel zu teilen scheint. Sein Name war bereits ein paar Mal gefallen, aber eher beiläufig. D. hebt die Gemeinsamkeiten hervor und erklärt sogar, dem Philosophen gegenüber dem Dichter den Vorzug zu geben: «Leopardi s’incontra ne’ punti sostanziali della sua dottrina con Schopenhauer; ma gli sta di sotto per molti rispetti» (156 [«Leopardi berührt sich in den Hauptpunkten seiner Lehre mit Schopenhauer, aber er steht in verschiedener Hinsicht unter ihm»]). Dieses Lob ist aber - wie das Folgende zeigt - zweischneidig und bereitet vielmehr einen Perspektivenwechsel vor, durch den der scheinbar apologetische Tonfall sich endgültig in sein Gegenteil verkehrt. Schopenhauer ist zwar von den beiden der stringentere Denker, aber das ist nicht der Punkt: Die beiden unterscheiden sich nicht so sehr in dem, was sie sagen, sondern in ihrer Haltung und Art, wie sie es sagen. Und dies führt zu einer gegensätzlichen Bewertung dessen, was sie sagen. «Schopenhauer gode annunziarti verità amarissime […; ] quando ragiona, ti pare alcuna volta che si trovi in una conversazione piacevole, dove, tra una tazza di thè ed un bicchier di champagne, declami sulla vanità e la miseria della vita» (158 [«es ist ihm ein Vergnügen, dir bitterste Wahrheiten zu verkünden[, …] und wenn er philosophiert, scheint es dir bisweilen, als befinde er sich in einer gefälligen Unterhaltung, wobei er zwischen einer Tasse Tee und einem Glas Champagner über die Eitelkeit und das Elend der Welt deklamiert»]). Hier macht sich De Sanctis auch lustig über die vom Philosophen gepredigte Lebensverneinung. Seine ironische Beschreibung erinnert ein wenig an Lukács’ sarkastisches bon mot über die Frankfurter Schule als «Grand Hotel Abgrund». Während sich Schopenhauer offenbar in seiner Philosophie des Leidens gemütlich einrichtet, spüren wir dagegen bei Leopardi seine «profonda tristezza» und «Leopardi produce l’effetto contrario a quello che si propone» 261 seinen Ernst. Er entlarvt die Freiheit, die Liebe, den Fortschritt, die Suche nach dem Glück als Illusionen gerade, weil er diese Ideale und Sehnsüchte sehr ernst nimmt und sieht, wie sie von der Wirklichkeit verleugnet werden. Indem er so tut, hält er jedoch an ihrem Anspruch fest und fordert indirekt den Leser auf, sich mit dem Wortlaut seiner Reflexionen nicht zufrieden zu geben: Leopardi produce l’effetto contrario a quello che si propone. Non crede al progresso, e te lo fa desiderare; non crede alla libertà, e te la fa amare. Chiama illusioni l’amore, la gloria, la virtù, e te ne accende in petto un desiderio inesausto. E non puoi lasciarlo, che non ti senta migliore […]. È scettico, e ti fa credente; e mentre non crede possibile un avvenire men tristo per la patria comune, ti desta in seno un vivo amore per quella e t’infiamma a nobili fatti. (159) [Weil Leopardi eine der beabsichtigten entgegengesetzte Wirkung hervorbringt. Er glaubt nicht an den Fortschritt, und macht dich ihn ersehnen; er glaubt nicht an die Freiheit, und läßt dich sie lieben. Er nennt die Liebe, den Ruhm, die Tugend Illusionen, und entzündet dir in der Brust eine untilgbare Sehnsucht danach. Du kannst ihn nicht weglegen, ohne dich besser zu fühlen […]. Er ist Skeptiker und macht dich gläubig; und während er eine weniger traurige Zukunft für das gemeinsame Vaterland nicht für möglich hält, weckt er dir im Herzen eine lebendige Liebe zu ihm und entflammt dich zu edlen Taten.] Höhepunkt dieses Lobes ist die etwas kühne Behauptung: «E se il destino gli avesse prolungata la vita infino al quarantotto, senti che te l’avresti trovato accanto, confortatore e combattitore» (159 [«Und wenn das Geschick ihm das Leben bis 1848 verlängert hätte, so fühlst du, daß du ihn zur Seite gefunden hättest als Tröster und Kämpfer»]). Dies mag wie eine Übertreibung erscheinen, soll aber wieder den Gegensatz zu Schopenhauer unterstreichen, denn zuvor hatte D. an die berühmte Anekdote erinnert, derzufolge der Philosoph bei den Unruhen 1848 in Frankfurt sein Fernrohr einem Offizier ausgeliehen hätte, damit dieser besser auf die Aufständischen schießen könnte. «L’abisso che divide queste due anime» (159 [«der Abgrund, der diese beiden Geister trennt»]), ist das Fazit dieses Vergleichs. Schopenhauer ist der Philosoph nicht der Zukunft, sondern der Gegenwart, dessen Denken vollkommen dem Geist der Restauration entspricht; Leopardi wäre dagegen in einem tieferen Sinn inaktuell: Er drückt Unbehagen und Widerspruch gegenüber seiner Zeit aus. Der Titel des Dialogs findet somit seine Erklärung: Pessimismus gleicht nicht Pessimismus. Der eine fördert Resignation und Quietismus, der andere dagegen verstärkt den Widerstandswillen, hier seine ideale Nähe zur 1848er-Bewegung. Pessimismus als Kategorie erweist sich als zu wenig differenziert. De Sanctis’ Dialog steht am Anfang einer Interpretationslinie, die im 19.-Jahrhundert auch Carduccis großen 262 Giovanni di Stefano Essay einschließt und die die Reduktion von Leopardis Werk auf Varianten des Pessimismus in Frage stellt. Dies ist seine historische Bedeutung. Aber es gibt noch einen weiteren Aspekt, der eine erneute aufmerksame Lektüre dieses Dialogs verdient. Seine Hauptthese, «Leopardi produce l’effetto contrario a quello che si propone», wird gern und häufig zitiert, aber nicht in ihren Konsequenzen genügend reflektiert. Sie liefert uns einen wichtigen Schlüssel zum Verständnis seiner Gedichte und deren Rezeption, der seine Aktualität nicht verloren hat, vor allem wenn wir versuchen, eine letztendlich vage Formulierung wie «quello che si propone» näher zu präzisieren. De Sanctis gibt dafür keine konkreten Beispiele, er beschränkt sich auf die Behauptung, dass bei Leopardi eine Art Widerspruch zwischen den pessimistisch erscheinenden Aussagen in den Gedichten und ihrer Wirkung beim Leser bestehe, die keineswegs resignierend oder deprimierend sei, eher lebensverstärkend. Dieser «effetto contrario» scheint aber gemäß seiner Formulierung eher unbeabsichtigt zu sein. Hier kommt indirekt seine gelegentliche Ratlosigkeit vor der Negativität des bewunderten Dichters zum Ausdruck. Leopardi selbst sinniert im Zibaldone über die tröstende Wirkung großer Kunstwerke, auch wenn sie nichts Tröstendes mitteilen: Hanno questo di proprio le opere di genio, che quando anche rappresentino al vivo la nullità delle cose, quando anche dimostrino evidentemente e facciano sentire l’inevitabile infelicità della vita, quando anche esprimano le più terribili disperazioni, tuttavia ad un’anima grande […] servono sempre di consolazione, raccendono l’entusiasmo; e non trattando né rappresentando altro che la morte, le rendono, almeno momentaneamente, quella vita che aveva perduta. […] Tant’è siccome l’autore che descriveva e sentiva così fortemente il vano delle illusioni, pur conservava un gran fondo d’illusione e ne dava una gran prova col descrivere così studiosamente la loro vanità, nello stesso modo il lettore, quantunque disingannato e per sé stesso e per la lettura, pur è tratto dall’autore in quello stesso inganno e illusione nascosta ne’ più intimi recessi dell’animo, ch’egli provava. E lo stesso conoscere l’irreparabile vanità e falsità di ogni bello e di ogni grande è una certa bellezza e grandezza che riempie l’anima, quando questa conoscenza si trova nelle opere di genio. (Zib. 259sq. [undatiert, vermutlich Oktober 1820]) [Geniewerken ist zu eigen, dass sie, auch wenn sie die Nichtigkeit der Dinge lebendig darstellen, auch wenn sie das unabwendbare Unglück des Lebens klar zeigen und empfinden lassen, auch wenn sie die furchtbarsten Verzweiflungen ausdrücken, einer großen Seele doch immer als Trost dienen, ihren Enthusiasmus entfachen; und wenngleich sie nichts anderes behandeln noch darstellen als den Tod, geben sie ihr doch jenes Leben, das sie verloren hatte, zumindest für den Augenblick zurück […]. Da der Autor, der die Eitelkeit der Illusionen so stark beschrieb und empfand, doch einen großen Rest an Illusion bewahrte und, indem er deren Eitelkeit so sorgfältig beschrieb, «Leopardi produce l’effetto contrario a quello che si propone» 263 einen starken Beweis dieser Illusion erbrachte, ist es so, dass gleichermaßen der Leser, obschon er sowohl seiner selbst als auch der Lektüre wegen desillusioniert ist, doch vom Autor in dieselbe Täuschung, in dieselbe in den hintersten Winkeln der Seele verborgene Illusion hineingezogen wird, die er empfand. Und selbst das Erkennen der irreparablen Eitelkeit und Falschheit alles Schönen und alles Großen ist eine gewisse Schönheit und Größe, die die Seele erfüllt, wenn man diese Erkenntnis in dem Werk eines Genies findet.] Den Hauptgrund für diese Wirkung sieht der Dichter in einem dialektischen Parodoxon: «Oltracciò il sentimento del nulla, è il sentimento di una cosa morta e mortifera. Ma se questo sentimento è vivo, come nel caso ch’io dico, la sua vivacità prevale nell’animo del lettore alla nullità della cosa che fa sentire, e l’anima riceve vita (se non altro passeggiera) della stessa forza con cui sente la morte perpetua delle cose, e sua propria» (Zib. 260sq. [«Außerdem ist das Gefühl des Nichts das Gefühl von etwas Totem und Todbringendem. Aber wenn dieses Gefühl lebendig ist, wie in dem von mir genannten Fall, überwiegt seine Lebendigkeit in der Seele des Lesers gegenüber der Nichtigkeit der Sache, die sie verspüren lässt, und die Seele empfängt (wenn auch vergängliches) Leben von derselben Kraft, mit der sie den immerwährenden Tod der Dinge und ihren eigenen empfindet»]). Leopardi ist sich demnach des von einem Kunstwerk ausgelösten «effetto contrario» wohl bewusst. Er findet ihn vor allem in der ‹südländischen› Dichtung (Petrarca in den Trionfi, die Szene zwischen Achilles und Priamus in der Ilias sind seine Beispiele), aber auch im Werther wieder, viel weniger jedoch in der ‹nordländischen› (wobei er vor allem Byron meint: cf. Zib. 261sq.). Es ist nicht abwegig, die Stelle im Zibaldone auch auf sein eigenes Werk zu beziehen und darin die Umrisse einer konsequenten Textstrategie zu erkennen, die in den Gedichten zum Tragen kommt. Der «effetto contrario», weit davon entfernt, eine mehr oder weniger unbeabsichtigte Wirkung auf den Leser zu sein, ist bereits in die Texte sozusagen von vornherein eingeschrieben, in ihre polare Struktur, in der die ‹pessimistischen› Äußerungen nicht isoliert zu betrachten sind; vielmehr gewinnen sie ihre Bedeutung allein im Kontrapunkt zu der Beschwörung flüchtiger erfüllter Augenblicke und intensiver Naturbilder in einem immer von Neuem aufbrechenden Wechselspiel, das notwendigerweise offen bleibt, so wie die vielen in den Gedichten verstreuten Fragen, die keine Antwort finden und finden können. Darauf aufmerksam gemacht zu haben, ist nicht das geringste Verdienst von De Sanctis’ Dialog. 264 Giovanni di Stefano Literatur Leopardi, Giacomo: Zibaldone di pensieri. Ed. critica e annotata. A cura di Giuseppe Pacella. 3-vol. Milano: Garzanti 1991. Schopenhauer, Arthur: Gesammelte Briefe. Hg. von Arthur Hübscher. Bonn: Bouvier 1978. —: Gespräche. Hg. von Arthur Hübscher. Stuttgart-Bad Cannstatt: Frommann 1960. —: Sämtliche Werke. Bd.-2. Die Welt als Wille und Vorstellung. II. Textkrit. bearb. u. hg. von Wolfgang von Löhneysen. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1986. Croce, Benedetto: «De Sanctis e Schopenhauer», in: id.: Saggio sullo Hegel seguito da altri scritti di Storia della filosofia. Bari: Laterza 5 1967 [1902], 349-363. —: «Leopardi», in: id.: Poesia e non poesia. Note sulla letteratura europea del secolo decimonono. Bari: Laterza 1923, 100-116. De Lorenzo, Giuseppe: Leopardi e Schopenhauer. Napoli: Ricciardi 1923. De Sanctis, Francesco: Opere. Vol.-XIX. Epistolario (1856-1858). A cura di Carlo Muscetta. Torino: Einaudi 1965. —: «Schopenhauer e Leopardi», in: id.: Opere. Vol.-XIII. Leopardi. A cura di Carlo Muscetta. Torino: Einaudi 1969, 117-160. Ihring, Peter: «Dichtung oder Philosophie? Der satirische Lehrdialog Leopardi e Schopenhauer von Francesco De Sanctis», in: Ginestra 14 (2004), 23-32. Prete, Antonio: Il pensiero poetante. Saggio su Leopardi. Milano: Feltrinelli 1980. Reinhardt, Hartmut: «Richard Wagner und Schopenhauer», in: Wagner-Handbuch. Hg. von Ulrich Müller / Peter Wapnewski. Stuttgart: Kröner 1986, 101-113. Poetische Lebens-Kunst mit Leopardi 265 Poetische Lebens-Kunst mit Leopardi Ingeborg Bachmanns Anrufung des Großen Bären L’arte della vita con Leopardi Invocazione all’Orsa Maggiore di Ingeborg Bachmann Uta Degner Obwohl Ingeborg Bachmann den Namen Leopardis wiederholt erwähnt, gibt es bislang keine Überlegungen zu einer ‹leopardianischen› Dimension ihrer Dichtung. Meinem Beitrag geht es indes darum zu zeigen, dass Bachmanns zweiter Gedichtband Anrufung des Großen Bären von 1956, der weitgehend in Italien entstanden ist, nicht zuletzt als eine Auseinandersetzung mit dem Werk Leopardis verstanden werden kann und vor diesem Horizont neue Akzentsetzungen erlaubt. Bachmanns Poetik teilt mit Leopardi nämlich zentrale poetologische Überzeugungen und poetische Praktiken: sowohl die Insistenz auf die Vermittlung ‹negativer› Wahrheit, die immer an eine subjektive Erfahrung gekoppelt ist, als auch ihre Integration in eine Poetik der Lebendigkeit, für die gerade die Literatur aufgrund ihrer Fiktionalität und ihres Appellcharakters prädestiniert ist. Benché Ingeborg Bachmann menzioni più volte il nome di Giacomo Leopardi, non esistono ancora considerazioni su una dimensione ‹leopardiana› della sua poesia. Il seguente contributo cerca di dimostrare come la sua seconda collezione di poesie, Invocazione all’Orsa Maggiore del 1956, scritta per la gran parte in Italia, può essere intesa come un dialogo con l’opera di Leopardi aprendo, quindi, nuove piste interpretative. Infatti, la poetica di Bachmann condivide con Leopardi convinzioni poetologiche centrali e pratiche poetiche: sia l’insistenza sulla riflessione di verità ‹negative›, legate ad una esperienza soggettiva, sia l’integrazione di essa in una poetica della vita per la quale soprattutto la letteratura con la sua immaginazione e la sua forza coinvolgente è predestinata. Schlagwörter: Poetik, Negativität, Wahrheit, ästhetische Erfahrung, Italien Parole chiave: poetica, negatività, verità, esperienza estetica, Italia 266 Uta Degner I. ‹Nacktes› Leben Die Gedichte von Ingeborg Bachmanns zweitem Gedichtband Anrufung des Großen Bären, der 1956 im Münchner Piper-Verlag erschien, sind maßgeblich in Italien entstanden, wo die Autorin seit 1953 in Ischia, Neapel und Rom lebte und das vor allem im dritten und vierten Teil des Bandes aufgerufen wird. In einem Filminterview wenige Monate vor ihrem Tod verbalisiert sie die Bedeutung Italiens für sie mit der Formulierung, sie habe in Italien «leben gelernt»: Gelernt habe ich etwas von den Italienern, das ist schwer zu erklären. Denn man kann von ihnen etwas lernen, wenn man alles wegwirft, jede Vorstellung, die man sich vorher gemacht hat davon. Es sind nicht die Schönheiten, nicht die Orangenbäume und nicht die herrliche Architektur, sondern die Art zu leben. Ich habe hier leben gelernt. 1 Die Betonung einer Praxis, einer Lebenspraxis gegenüber einer bloß kontemplativen Weltwahrnehmung bestätigt sich auch beim Blick in die Anrufung des Großen Bären: Es ist auffällig, wie sehr die Texte dort Abstand nehmen von einem konventionalisierten ‹schönen› Italienbild 2 und stattdessen eine «chthonische[]» 3 Landschaft aufrufen, in der sich das Ich der Gedichte in existentielle Situationen versetzt sieht. Besonders das den dritten Teil des Zyklus eröffnende Gedicht stellt dies fast ostentativ heraus: Das erstgeborene Land In mein erstgeborenes Land, in den Süden zog ich und fand, nackt und verarmt und bis zum Gürtel im Meer, Stadt und Kastell. Vom Staub in den Schlaf getreten Lag ich im Licht, und vom ionischen Salz belaubt hing ein Baumskelett über mir. Da fiel kein Traum herab. 1 Ingeborg Bachmann: Ein Tag wird kommen. Gespräche in Rom. Ein Porträt von Gerda Haller. Mit e. Nachwort von Hans Höller. Salzburg: Jung und Jung 2004, 29. 2 Zum Italienbild bei Bachmann generell cf. Ariane Huml: Silben im Oleander, Wort im Akaziengrün. Zum literarischen Italienbild Ingeborg Bachmanns. Göttingen: Wallstein 1999 sowie die Beiträge von Luigi Reitani: «‹zu spät erreichten wir der Gärten Garten›. Ingeborg Bachmanns ‹Italien-Gedichte›» und von Camilla Miglio: «Ingeborg Bachmanns chthonisches Italien», beide in: Fabrizio Cambi [et al.] (Hg.): Ingeborg Bachmann in aktueller Sicht. Perspektiven der Forschung. Roma: Istituto Italiano di Studi Germanici 2016, 107-119, 121-140. 3 Miglio: «Ingeborg Bachmanns chthonisches Italien», 121. Poetische Lebens-Kunst mit Leopardi 267 Da blüht kein Rosmarin, kein Vogel frischt sein Lied in den Quellen auf. In meinem erstgeborenen Land, im Süden, sprang die Viper mich an und das Grausen im Licht. O schließ Die Augen schließ! Preß den Mund auf den Biß! (Das erstgeborene Land, vv.-1-18) 4 Wie schon Luigi Reitani betont hat, sind die Naturelemente des Gedichts ebenso wie andere literarische Italien-Bilder Bachmanns trotz ihrer biographischen Lebensbezüge allererst Teil einer symbolischen Landschaft 5 und - wie sollte es bei einer Schriftstellerin anders sein - nicht zuletzt literarisch vermittelt. So zitiert die Negationenkette im dritten und vierten Teil des Gedichts wohl ganz bewußt die menschenfeindliche Süden-Erfahrung der ersten Strophe von Hölderlins Elegie Der Wanderer. 6 Charakteristisch ist aber dann eine Wendung, die dieses lebensfeindliche und lebensbedrohliche Setting als existentielle Erfahrung fruchtbar macht: Und als ich mich selber trank und mein erstgeborenes Land die Erdbeben wiegten, war ich zum Schauen erwacht. Da fiel mir Leben zu. 4 Ingeborg Bachmann: Das erstgeborene Land, in: ead.: Werke. Hg. von Christine Koschel / Inge von Weidenbaum / Clemens Münster. Bd.-1. Gedichte, Hörspiele, Libretti, Übersetzungen. München / Zürich: Piper 4 1993, 119sq. Bachmanns Gedichte werden im Folgenden unter Angabe der Verszahl jeweils nach dieser Ausgabe zitiert. 5 Reitani: «‹zu spät erreichten wir der Gärten Garten›», 115. 6 «Einsam stand ich und sah in die Afrikanischen dürren-| Ebnen hinaus; vom Olymp reegnete Feuer herab,-| Reißendes! milder kaum, wie damals, da das Gebirg hier-| Spaltend mit Stralen der Gott Höhen und Tiefen gebaut.- | Aber auf denen springt kein frischaufgrünender Wald nicht- | In die tönende Luft üppig und herrlich empor.- | Unbekränzt ist die Stirne des Bergs und beredtsame Bäche- | Kennet er kaum, es erreicht selten die Quelle das Thal.-| Keiner Heerde vergeht am plätschernden Brunnen der Mittag,-| Freundlich aus Bäumen hervor blikte kein gastliches Dach.- | Unter dem Strauch saß ein ernster Vogel gesanglos,- | Aber die Wanderer flohn eilend, die Störche, vorbei» (Friedrich Hölderlin: Der Wanderer (zweite Fassung), in: id.: Gedichte nach 1800. Text. Stuttgart: Kohlhammer 1951 (Große Stuttgarter Ausgabe. Hg. von Friedrich Beißner, 2.1), 80-83, hier 80). Auch das korrespondierende Flucht-Thema aus den Liedern auf der Flucht ist hier schon vorgebildet. Cf. Ingeborg Bachmann: Lieder auf der Flucht, in: ead.: Gedichte, 138-147. 268 Uta Degner Da ist der Stein nicht tot. Der Docht schnellt auf, wenn ihn ein Blick entzündet. (Das erstgeborene Land, vv.-21-26) Das ‹Zufallen› von Leben in einer als lebensfeindlich erfahrenen Natur ist zunächst paradox, erklärt sich jedoch durch einen Lebens-Begriff, für den gerade die negative Natur-Erfahrung im Zentrum steht. Das im Imperfekt verfasste Gedicht - das die Erfahrung also nachträglich ‹erzählt› - dokumentiert das ‹erwachte Schauen›, die essentielle Erkenntnis über die ‹Natur› des Lebens im Symbolwert der Bilder, die auf eine von allem Überflüssigen und Dekorativen befreite Darstellung des ‹nackten› (v.-2) Lebens abzielen: die Einsicht in den immerwährenden (Über-)Lebenskampf (symbolisiert in dem Angriff der Viper) und den letztlichen Triumph des Todes («Baumskelett», v.-8). Diese nicht ästhetische, sondern ‹essentielle› Natur-Sicht manifestiert sich bereits im titelgebenden Adjektiv «erstgeboren[]». Das Epitheton betont, dass die Natur selbst dem Prinzip von Leben und Tod unterliegt. Sogar der scheinbar die Zeit überdauernde «Stein» ist «nicht tot» (v.-24); auch er ist auf seine anorganische Weise dem zeitlichen Werden und Vergehen ausgeliefert, versinnbildlicht in den ‹wiegenden› «Erdbeben» (v.-21) - deren Dynamik sich wiederum auf das «Land» (v.-20) überträgt. Mit dem Präfix ‹erst-› etabliert das Ich eine Relation zwischen dem Land und ihm als nächstem Glied der Übertragungskette: Auch das Ich ist diesen Lebensgesetzen ausgesetzt, dem, wie es in den Liedern auf der Flucht heißt, «Kreislauf» von «Geburt, Blut, Kot und Auswurf,-| Tod» 7 . Gerade die ‹nackte› Landschaft ermöglicht dem Ich den ungeschützten Blick auf die ‹reine› Existenz. Ich will im Folgenden argumentieren, dass die Gedichte in Anrufung des Großen Bären und das in ihnen entwickelte Modell existentieller Lebens-Erfahrung trotz aller biographischen Sättigung ein wichtiges, bislang noch nicht gewürdigtes Vorbild aufgreifen: nämlich die Dichtung des italienischen Autors Giacomo Leopardi. Bachmann hat gerade in ihrer Rezeption der italienischen Literatur ein Signum ihrer Autorschaft gesehen, das sie von ihren deutschsprachigen Kolleg*innen unterscheidet. Im Allgemeinen nämlich herrsche ein «Gähnen zwischen den beiden Literaturen»: Die Beziehungen zwischen der italienischen und deutschen Literatur beruhen auf einem freundlichen aber schlimmen Mißverständnis. Ich glaube nicht, daß die italienische Literatur auch nur den geringsten Einfluß auf die deutsche in diesen letzten Jahrzehnten gehabt hat, eine kleine Zahl von interessierten Lesern hat Pavese zur 7 Bachmann: Lieder auf der Flucht, 140. Selbst die Liebe ist diesem Kreislauf von Geburt und Tod unterworfen, wie die Teile VI und XII herausstellen, cf. ibid. 141, 145. Poetische Lebens-Kunst mit Leopardi 269 Kenntnis genommen, vor allem seines Selbstmords wegen, auch Vittorini, [eine] noch kleinere Schicht auch einige Bücher, die, zu Recht oder zu Unrecht, ein sanftes Aufsehen erregt haben. 8 Bachmann nennt als Beispiel Alberto Moravia und dass gerade Bücher ein größeres Publikum fanden, die einem Klischee von Italien entsprachen: «Die wahren ‹Erfolge› waren Bücher, die ich nie zuende lesen konnte, ‹Don Camillo und…›, verzeihen Sie mein schwaches Gedächtnis, aber es war ein Erfolg, und es war ach so italienisch.» 9 In diesem Kontext fällt auch der Name Leopardi als ein großer Unbekannter: «Die deutschen Schriftsteller kennen die großen Schriftsteller Italiens nicht oder sie verbergen es gut, sie zu kennen. Leopardi ist bis heute ein unbekannter Mann, ein Name, ja, aber gelesen hat ihn niemand.» 10 Bachmann setzt sich selbst ganz dezidiert von der konstatierten deutschen Ignoranz ab: Ich habe, da ich in Italien lebe, natürlich eine andre Beziehung zu der Literatur meines Gastlandes, ich lese, mit der kritischen und natürlichen Anteilnahme, ohne Enthusiasmus, ich sehe die Versuche, die Ergebnisse. Und sehe einiges im Vergehen, einiges im Werden. 11 Gelesen hat Bachmann Leopardi nachweislich: Sie besaß die dreibändige, von Giuseppe de Robertis herausgegebene Ausgabe, die seit 1937 in vielen Auflagen im Mailänder Verlag Rizzoli erschien. 12 In einem Interview vom Januar 1963 8 Ingeborg Bachmann: «[Reflexionen über die Beziehung zwischen italienischer und deutscher Literatur]», in: ead.: Kritische Schriften. Hg. von Monika Albrecht / Dirk Göttsche. München / Zürich: Piper 2005, 466. 9 Ibid. 10 Ibid., 467. 11 Ibid. Als Promotorin der italienischen Literatur tritt Bachmann 1961 durch Ungaretti-Übersetzungen in der Bibliothek Suhrkamp auf; auch in ihrem Nachwort zu dieser Ausgabe kommt sie auf Leopardi zu sprechen: «Als seine [Ungarettis] Ahnen werden Petrarca und Leopardi genannt. Das mag sonderbar erscheinen, denn für einen Dichter dieser letzten europäischen Moderne würde man bei uns die Ahnen wohl nicht so weit in der Vergangenheit suchen. / Petrarca, Leopardi… Doch beide haben ja, wie unser Dichter meint, ihre eigne schöne Biographie geschrieben. Sie haben das Leben eines Mannes gelebt zu anderer Zeit und waren, wie der Nachfahr, in der Konfession in ihrem Element. Sie haben das erste Erzittern über all das, was sie erfuhren und was ihnen widerfuhr, in die italienische Sprache gebracht. ‹Ed io pur vivo! › heißt es bei Petrarca. Das war ein erster Schmerz, ein erstes Ausbrechen, erstes Aussprechen. Solche ‹erste› Regungen finden wir auch bei Ungaretti. ‹Sono una creatura…›, ‹E t’amo, t’amo…› Ein Wort ist darum auf ihn geprägt worden: Voce vivente. Lebendige Stimme.» Die drei Autoren Petrarca, Leopardi und Ungaretti werden also gerade über das Kriterium der lebendigen Erfahrung in eine Reihe gerückt - in die sich wohl auch Bachmann einzurücken gedenkt (Ingeborg Bachmann: «Nachwort (Ungaretti-Übertragung)», in: ead.: Kritische Schriften, 363sq.). 12 Giacomo Leopardi: Opere. 3- vol. A cura di Giuseppe de Robertis. Milano: Rizzoli [s.d.]. In der von Robert Pichl erstellten (unpublizierten) Inventarisierung der Privatbibliothek 270 Uta Degner nach ihren Lieblingsschriftstellern gefragt, nennt sie neben Tolstoi und Balzac als dritten Leopardis Namen. 13 Trotz dieses expliziten Hinweises spielt der Name Leopardi in der Bachmann-Forschung bislang keine Rolle, obwohl er erklärungsbedürftiger ist als die Namen Tolstois und Balzacs, die auf Bachmanns großes gesellschaftskritisches Prosaprojekt, den Todesarten-Zyklus, hinweisen. Bekannt wurde der 1798 in Recanati in den Marken geborene und 1837 in Neapel verstorbene Autor vor allem durch seine Gedichtsammlung Canti, die den Formenkanon der italienischen Lyrik modernisierte und auch in ihrer gedanklichen Negativität Neuland betrat. Neben anderen Prosawerken ist vor allem sein erst postum publiziertes, umfangreiches ‹Gedankentagebuch› Zibaldone von Bedeutung, in dem Leopardi in unsystematischen, aber gleichwohl philosophisch anspruchsvollen Reflexionen poetologische, existentielle, psychologische und moralische Themen behandelt und über den Status quo der Welt und die conditio humana nachdenkt - Reflexionen, die auch vielfach in seine Canti eingeflossen sind und deren Modernität bereits Schopenhauer und Nietzsche begeisterten. 14 Walter Benjamin würdigte in einer Rezension Leopardis Pensieri als «Kunst der Weltklugheit für Rebellen» aufgrund ihres «todesmutige[n] Experimentieren[s] mit dem Explosivstoffe ‹Welt›». 15 Die promovierte Philosophin Bachmann mag Bachmanns ist leider kein Jahr angegeben, per E-Mail übermittelte mir Robert Pichl zu Bachmanns Leopardi-Ausgabe folgende Zusatzinformation: «Wichtiger Hinweis: Umbrische Kästen 106, d. h. von I.B. sicher gelesen.» (E-Mail an Verf. vom 18.6.2019. Ich danke Robert Pichl für diese Auskunft.) Zu der Aufstellung in den «Umbrischen Kästen» cf. Robert Pichl: «Ingeborg Bachmanns Privatbibliothek. Ihr Quellenwert für die Forschung», in: Dirk Götsche / Hubert Ohl (Hg.): Ingeborg Bachmann - Neue Beiträge zu ihrem Werk. Internationales Symposion, Münster 1991. Würzburg: Königshausen & Neumann 1993, 382: «Nach Aussage von ihr nahestehenden Personen hatte Ingeborg Bachmann die für sie aus verschiedenen Gründen besonders ‹wichtigen› Werke in ihrem jeweiligen Arbeitszimmer […]-und vor allem in zwei holzgeschnitzten Bücherschränken, die nach ihrer Herkunft als ‹Umbrischen Kästen› [sic]-bezeichnet wurden, aufgestellt und so vom übrigen Bestand eigens abgehoben. […]-Man kann die in den ‹Umbrischen Kästen› versammelten Werke gleichsam als Teil eines ‹poetischen Handapparats› der Autorin begreifen, aus dem sie Anregungen und quellenmäßige Informationen für ihr eigenes Oeuvre bezogen hat». 13 Ingeborg Bachmann: «[Interview mit Kuno Raeber, Januar 1963]», in: ead.: Wir müssen wahre Sätze finden. Gespräche und Interviews. Hg. von Christine Koschel / Inge von Weidenbaum. München / Zürich: Piper 1991, 43. 14 In einem Brief an den Lektor Walter Boehlich erwähnt Bachmann den Zibaldone: «Besonders für deutsche Leser, denen Petrarca und Leopardi Hekuba sind und bleiben werden - und Sie sind ja sogar so grausam, unsozial, exklusivistisch und -tistisch, daß Sie meinen, man sollte unsren Leuten den Zibaldone vorenthalten. Sie mit Wilhelm Raabe stattdessen sterben lassen.» Ingeborg Bachmann zitiert nach Monika Albrecht / Dirk Göttsche: «Kommentar», in: Bachmann: Kritische Schriften, 598. 15 Walter Benjamin: «Giacomo Leopardi, Gedanken. Deutsch von Richard Peters. Mit einem Geleitwort von Theodor Lessing. Hamburg-Bergedorf: Fackelreiter 1928 [Rezension]», in: id.: Gesammelte Schriften. Hg. von Rolf Tiedemann / Hermann Schweppenhäuser. Poetische Lebens-Kunst mit Leopardi 271 vor allen inhaltlichen Gemeinsamkeiten die eminente Verwobenheit von Dichten und Denken bei Leopardi 16 angesprochen haben - der hohe gedankliche Anspruch, den seine Dichtung stellt. Das Spezifikum der Canti besteht darin, Leopardis an die französische Aufklärung anschließende, vollkommen illusionsfreie Sicht auf die letztliche Sinnlosigkeit menschlicher Existenz auf die Wahrnehmungs- und Reflexionsinstanz eines lyrischen Ich zu applizieren. In der Perspektivierung durch ein fühlendes und nachdenkendes, fragendes und sich mit sich selbst konfrontierendes Ich gewinnt das andernorts artikulierte Wissen eine emotionale, ja seelische Dimension von hoher Affizierungskraft. Liest man Bachmanns Gedichtband Anrufung des Großen Bären vor der Folie von Leopardis Dichtung, zeigt sich gerade in dieser poetischen Essenz eine große Affinität: in einem Verständnis von ästhetischer Erfahrung als lebendige Wahrheits-Erfahrung - im Interesse der Gewinnung eines ‹wahren› Begriffs von ‹Leben›. Gegenüber Bachmanns erstem Gedichtband Die gestundete Zeit von 1953, der sich sehr dezidiert mit der Situation der Nachkriegszeit befasst, 17 kommt es in Anrufung des Großen Bären zu einer Blick-Erweiterung: Die Gedichte haben nun mehr als zuvor den Anspruch, menschliche Grunderfahrungen darzustellen, die spezifisch modern sind insofern, als sie keinerlei metaphysische Hoffnungen hegen, 18 die aber in ihrer Subjektivität die Allgemeingültigkeit von ‹Existenzialien› betreffen, als Frage nach den spezifisch menschlichen Bedingungen des In-der-Welt-Seins. Die Stadt und Umgebung von Neapel - in der Leopardi seine letzten Lebensjahre verbracht hat und auch starb - als «nackte» 19 und «unterworfene[]» 20 Bd.-3. Kritiken und Rezensionen. Hg. von Hella Tiedemann-Bartels. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1981, 118. 16 Cf. e.g. Antonio Prete: Il pensiero poetante. Saggio su Leopardi. Milano: Feltrinelli 2 1988; Sebastian Neumeister / Raffaele Sirri (a cura di): Leopardi. Poeta e pensatore / Dichter und Denker. Atti del terzo convegno internazionale della Deutsche Leopardi-Gesellschaft in collaborazione con l’Istituto Universitario Orientale, Napoli, 20-24 marzo 1996. Napoli: Guida 1997. Milan Herold hat kürzlich für die Metaphorik Leopardis den treffenden Benjamin’schen Begriff «Denkbilder» vorgeschlagen. Vgl. Milan Herold: «Funktionale Bildlichkeit - Leopardis Denkbilder (XXXIX: Spento il diurno raggio)», in: Barbara Kuhn / Michael Schwarze (Hg.): Leopardis Bilder. Immagini e immaginazione oder Reflexionen von Bild und Bildlichkeit. Tübingen: Narr Francke Attempto 2019 (Ginestra. Periodikum der Deutschen Leopardi-Gesellschaft, 27/ 28), 41-64. 17 Cf. Hans Höller: Ingeborg Bachmann. Das Werk. Von den frühesten Gedichten bis zum «Todesarten»-Zyklus. Frankfurt a.M.: Hain 1993, 13-36. 18 Anders Sergio Corrado: «Bachmann e la dialettica della verità. Lieder von einer Insel», in: Annali. Sezione germanica 15.1-2 (2005), 287. 19 Bachmann: Das erstgeborene Land, 119. 20 Bachmann: Lieder auf der Flucht, 140. 272 Uta Degner Stadt par excellence wird bereits in Das erstgeborene Land als Erfahrungsraum aufgerufen, 21 noch expliziter in den den Gedichtband beschließenden Liedern auf der Flucht, die neapolitanische Namen nennen: Ich bin unschuldig und gefangen im unterworfenen Neapel, wo der Winter Posilip und Vomero an den Himmel stellt, […] Ich bin unschuldig, und bis Camaldoli rühren die Pinien die Wolken; (Lieder auf der Flucht, IV, vv.-5-8, 13sq.) Ganz ähnlich verfährt Leopardis die Canti beschließendes Gedicht La Ginestra o il fiore del deserto, das am Vesuv ‹spielt› und «di Capri la marina-| e di Napoli il porto e Mergellina» (v.-256sq. [«von Capris Felsenrand-| von Mergellina, von Neapels Strand»]) nennt (neben dem Vesuv und Pompei) 22 . Wie bei Leopardi wird bei Bachmann der Vesuv und seine Lava - der ‹nicht tote Stein› - zum Symbol des ‹nackten› Lebens, und es ist kein Zufall, dass mehrere der von Bachmann genannten Ortsnamen einen spezifischen Leopardi-Bezug haben: zwischen dem Hügel von Posillipo und dem Vomero liegt das Grab Leopardis; Camaldoli heißt ein weiterer Hügel Neapels, namensgleich ist jedoch auch der Ort, auf dem unterhalb des Vesuv bei Torre del Greco die heutige Villa delle Ginestre steht, einer der letzten Wohnorte Leopardis und Ort der Entstehung des Gedichts La Ginestra. 23 21 Die Charakterisierung «bis zum Gürtel im Meer,- | Stadt und Kastell» (Das erstgeborene Land, v.-3sq.) trifft insofern besonders auf Neapel zu, als sich das Castel dell’Ovo auf einer vorgelagerten Insel befindet und - wie die direkt am Meer gelegene Stadt - im Meer zu stehen scheint. 22 Giacomo Leopardi: La ginestra o il fiore del deserto / Der Ginster oder die Blume der Wüste, in: id.: Gesänge, Dialoge und andere Lehrstücke. Übers. von Hanno Helbling / Alice Vollenweider. Mit e. Nachwort von Horst Rüdiger. Düsseldorf: Artemis & Winkler 1998, 258sq. Leopardis Gedichte werden im Folgenden - samt der Übersetzung, wo nicht anders erwähnt - unter Angabe der Verszahl stets nach dieser Ausgabe zitiert. 23 Dieses Camaldoli nimmt auch Jörg-Ulrich Fechner als gemeint an: «Ingeborg Bachmanns Lieder auf der Flucht. Kommunikative und interpretative Signale im hermeneutischen Gedichtzyklus», in: Arcadia 21 (1986), 67. In Ingeborg Bachmanns Leopardi-Ausgabe finden sich zwei Photos dieses Gebäudes (damals Villa Ferrigni) mit Ortsangabe. Cf. Giacomo Leopardi: Opere. A cura di Giuseppe de Robertis. Vol.-III. Zibaldone scelto. Milano / Roma: Rizzoli 1950, 417, 449. Poetische Lebens-Kunst mit Leopardi 273 II. Anrufung des Großen Bären Bereits der Titel des Gedichtbandes lässt sich als Leopardi-Referenz verstehen, beginnt Leopardis Gedicht Le ricordanze doch mit einer Anrufung des Großen Bären: «Vaghe stelle dell’Orsa» (v.- 1 [«Gestirn des Bären! »]). 24 Bachmanns Anrufung im gleichnamigen Gedicht wird von einem Hirten artikuliert 25 - es handelt sich also um Rollenrede, wie sie in Leopardis Canti im unmittelbar auf Le ricordanze folgenden Gedicht Canto notturno di un pastore errante dell’Asia ebenfalls von einem Hirten - diesmal adressiert an den Mond - artikuliert wird. Bachmanns Anrufung verschränkt beide Texte Leopardis, und es zeigt sich an dieser freien Motiv-Kombination bereits, dass es bei ihren Bezügen auf Leopardis Lyrik nicht um eine Nachdichtung geht, sondern vielmehr um ein eigenständiges Fortschreiben. Die Leopardi-Referenzen situieren sich nicht (primär) auf der Ebene einzelner Bilder 26 , sondern auf einer basaleren des poetischen Selbstverständnisses, im Sinne «untereinander kommunizierende[r] Poetiken» 27 . Beide Gedichte Leopardis haben - auch mit vielen anderen Canti - gemein, dass ihr lyrisches Ich in der dichterischen Erfahrung eine bittere Einsicht artikuliert: «a me la vita è male» (v.-104 [«mich aber straft das Leben»]). 28 Leopardis lyrische Ichs kommen in der einsa- 24 So weit ich sehe, haben bislang als einzige Reitani und Kucher en passant auf die Leopardi-Stelle hingewiesen, ihre Aussagekraft aber zugleich durch die Behauptung ihrer Topik relativiert. Da es sich bei Leopardi tatsächlich um eine Anrufung handelt, liegt der Bezug zu diesem Gedicht näher als zum öfter als Referenz herangezogenen 18.- Gesang der homerischen Ilias oder zum Buch Hiob, wo das Sternbild bloß erwähnt wird. Primus- Heinz Kucher / Luigi Reitani: «Zur Lyrik Ingeborg Bachmanns. Annäherungen», in: id. (Hg.): «In die Mulde meiner Stummheit leg ein Wort…». Interpretationen zur Lyrik Ingeborg Bachmanns. Wien / Köln / Weimar: Böhlau 2000, 27. 25 «[W]achsam halten wir die Herden» (Anrufung des Großen Bären, v.-7). 26 Wenn sich gleichwohl auch auf bildlicher Ebene Echos finden lassen. So könnte man, um nur ein Beispiel zu nennen, in der Formulierung in An die Sonne: «Und das Kleid, das du angetan hast. Und dein Kleid, glockig und blau! » (Bachmann: An die Sonne, in: ead.: Gedichte, 74sq.) eine Wiederaufnahme vom Letzten Gesang der Sappho sehen: «Bello il tuo manto, o divo cielo» - «Schön ist dein Mantel, ewiger Himmel» (Leopardi: Ultimo Canto di Saffo / Letzter Gesang der Sappho, in: id.: Gesänge, 75sq.). Auch auf rhythmischer Ebene gibt es Anklänge, so z. B. in den Elfsilbern von Was wahr ist oder in dem Wechsel von längeren und kürzeren Verszeilen von Das Spiel ist aus, die man als Echo von Leopardis Kombination von Elf- und Siebensilbern verstehen kann. 27 Georges Güntert: «Leopardi und die Poetik der ‹ricordanza›. Entstehung - Anwendungsformen - Aufhebung», in: Sebastian Neumeister (Hg.): Die ästhetische Wahrnehmung der Welt: Giacomo Leopardi. Giacomo Leopardi e la percezione estetica del mondo. Frankfurt a. M. [et al.]: Lang 2009, 263. 28 Cf. in Le ricordanze e.g.: «[…] con dolor sottentra-| il pensier del presente, un van desio-| del passato, ancor tristo, e il dire: io fui» (vv. 58-60 [ ‹ mit dem Schmerz tritt der Gedanke ein- | an die Gegenwart, ein leeres Begehren- | nach der Vergangenheit, auch betrübend, und das Sagen: Ich war›, Übers. U.D.]). 274 Uta Degner men Selbstbefragung ihrer Existenz zum Bewusstsein der Negativität des (nicht nur menschlichen) Lebens, seiner notwendigen Leiderfülltheit und Sinnlosigkeit; «è funesto a chi nasce il dì natale» (v.-143 [‹wer geboren wird, dem ist der Tag der Geburt unheilvoll›, Übers. U.D.]), so lautet das - freilich durch ein «Vielleicht», ein «Forse» (v. 141) relativierte - Fazit des nächtlichen Hirten am Ende. Auch durch Bachmanns Gedichtband ziehen sich negative Bilder von Leid und Tod. In Anrufung des Großen Bären artikuliert sich in der Konfrontation mit einer stellaren Sphäre eine Erfahrung von der irdischen Bedeutungslosigkeit, Gefährdetheit und Abhängigkeit von kosmischen Natur-Mächten, die nicht kontrolliert werden können: Anrufung des Großen Bären Großer Bär, komm herab, zottige Nacht, Wolkenpelztier mit den alten Augen, Sternenaugen, durch das Dickicht brechen schimmernd deine Pfoten mit den Krallen, Sternenkrallen, wachsam halten wir die Herden, doch gebannt von dir, und mißtrauen deinen müden Flanken und den scharfen halbentblößten Zähnen, alter Bär. Ein Zapfen: eure Welt. Ihr: die Schuppen dran. Ich treib sie, roll sie von den Tannen im Anfang zu den Tannen am Ende, schnaub sie an, prüf sie im Maul und pack zu mit den Tatzen. Fürchtet euch oder fürchtet euch nicht! Zahlt in den Klingelbeutel und gebt dem blinden Mann ein gutes Wort, daß er den Bären an der Leine hält. Und würzt die Lämmer gut. s’ könnt sein, daß dieser Bär sich losreißt, nicht mehr droht und alle Zapfen jagt, die von den Tannen gefallen sind, den großen, geflügelten, die aus dem Paradiese stürzten. (Anrufung des Großen Bären, vv.-1-28) Poetische Lebens-Kunst mit Leopardi 275 Die Anrufung des Sternbildes erfolgt in der ersten Strophe als Herausforderung einer übermenschlichen Macht aus einer ambivalenten Positionierung heraus: Das Ich ist zugleich «gebannt» und «mißtrau[isch]» (v.-8); deutlich ist der Rede eine geschichtsphilosophische Perspektive eingeschrieben, wenn sie den Bären als «alte[n]» (v.- 11) anspricht, dessen Kraft in der Gegenwart in Frage steht. Die zweite Strophe bedeutet demgegenüber einen völligen Perspektivwechsel: Nun erfolgt eine Rede aus der Sicht des Bären, die man wohl innerhalb der Gedichtlogik als vom Ich imaginierte zu verstehen hat - ähnlich wie Leopardis Hirte in Asien die Perspektive des Mondes supplementiert und sich dadurch der Sinnlosigkeit des menschlichen Lebens bewusst wird. In dieser Rede nun erfolgt aus einer extraterrestrischen Sicht eine weitgehende Devalorisierung der menschlichen Existenz per se: Die «Welt» erscheint als «[Tannen-]Zapfen» (v.-12) und die Menschen als deren «Schuppen» (v.-13): Beide sind Spielball in den Händen des Großen Bären, der mit ihnen umspringt, wie es ihm gefällt, und der in Dimensionen denkt, die die weltlichen Horizonte sprengen («von den Tannen im Anfang-| zu den Tannen am Ende», v.-15sq.). Hans Höller hat die Bedeutung dieser poetischen Szene und ihre über den Einzeltext hinausgehende Relevanz klar herausgearbeitet: Der Große Bär, das wäre in dieser Vision dieses trostlosen Kosmos die ‹Riesenschlange der Ewigkeit› […]. [E]s gibt hier eine Zone von Tod und Untergang, die von der geschichtlichen Erklärung nicht mehr erreicht werden kann, weil ihr die Gedichte keinen menschlichen Sinn zu verleihen bereit sind. In dieser Weigerung […]-bleiben Tod und Untergang ständig drohendes Unheil, nicht auflösbar in einem menschlichen Sinn, ja letztlich seine Negation. 29 Die «Todesverfallenheit des Lebens», der «Naturzwang, dem nicht zu entgehen ist», 30 wird erst in der imaginierten kosmischen Perspektive als eine Wahrheit evident; auch in der vorletzten Strophe des programmatischen Gedichts Was wahr ist wird ein analoges Setting aufgerufen: «Es kommt der Mond mit den vergällten Krügen.-| So trink dein Maß. Es sinkt die bittre Nacht» (Was wahr ist, v.-17sq.). Wie bei Leopardi wird die Wahrheitserkenntnis als ‹bitter› qualifiziert: «L’acerbo vero» (Al Conte Carlo Pepoli, v.-140 [«Herbe Wahrheit»]). III. Wahrheitserfahrung Ein solche Insistenz auf Wahrheit - gerade angesichts ihrer Negativität - ist eines der wichtigsten durchgehenden Motive in Leopardis und Bachmanns Li- 29 Höller: Ingeborg Bachmann, 61 (unter Verwendung eines Jean Paul-Zitats) und 63. 30 Ibid. 276 Uta Degner teratur. Das Gedicht Was wahr ist, das den zweiten Zyklus von Bachmanns Gedichtband abschließt und zu den Italien-Teilen III und IV überleitet, entfaltet ein Wahrheits-Pathos, wie es einige Jahre später auch in Bachmanns Rede anlässlich der Verleihung des Hörspielpreises der Kriegsblinden 1959 auftaucht - bis in die Gemeinsamkeit der Bilder hinein: 31 Was wahr ist, streut nicht Sand in deine Augen, was wahr ist, bitten Schlaf und Tod dir ab als eingefleischt, von jedem Schmerz beraten, was wahr ist, rückt den Stein von deinem Grab. […] Du haftest in der Welt, beschwert von Ketten, doch treibt, was wahr ist, Sprünge in die Wand. Du wachst und siehst im Dunkeln nach dem Rechten, dem unbekannten Ausgang zugewandt. (Was wahr ist, vv.-1-4, 21-24) Die Bilder des Todes und der Nacht als Metapher für den «Zustand der verheerten Welt» 32 , die auch an vielen anderen Stellen der Anrufung des Großen Bären präsent sind, sind hier begleitet von positiven Geschehnissen, die paradoxerweise gerade von der Einsicht in die Dunkelheit in Gang gesetzt werden. Unüberhörbar ist ein anthropologisch fundierter 33 Wahrheitsbegriff: Wahrheit ist schmerzhaft, ihr ins Auge zu blicken, darf daher, so Bachmann in ihrer Rede, von «Stolz» begleitet sein, «enttäuscht, und das heißt ohne Täuschung, zu leben» 34 . Dies hat große Affinitäten zu Leopardis Poetik des ‹disinganno›, wie ihn die Canti als Erfahrung inszenieren und rekapitulieren. In Le ricordanze nutzt Leopardi die Rückkehr eines fiktiven Ich an den Ort seiner Kindheit, um in der Differenz von einstigem und aktuellem Bewusstsein die Erfahrung der Desillusionierung offenzulegen: […] ove abitai fanciullo, e delle gioie mie vidi la fine. Quante immagini un tempo, e quante fole 31 Cf. das sehr ähnliche Bild in der Rede: «Ich glaube, daß dem Menschen eine Art des Stolzes erlaubt ist - der Stolz dessen, der in der Dunkelheit der Welt nicht aufgibt und nicht aufhört, nach dem Rechten zu sehen» (Ingeborg Bachmann: Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar. Rede zur Verleihung des Hörspielpreises der Kriegsblinden, in: ead.: Kritische Schriften, 248). 32 Höller: Ingeborg Bachmann, 56. 33 Cf. Bachmanns Bestimmung des Menschen, der «verwundet [ist] von dem großen geheimen Schmerz, mit dem der Mensch vor allen anderen Geschöpfen ausgezeichnet ist» (Bachmann: Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar, 246). 34 Ibid., 248. Poetische Lebens-Kunst mit Leopardi 277 Creommi nel pensier l’aspetto vostro e delle luci a voi compagne! […] (Le ricordanze, vv.-5-9) [wo ich als Kind wohnte-| und das Ende meiner Freuden sah.-| Wieviele Bilder einst und wieviele Geschichten-| schuf mir im Geist Euer Anblick-| und der der Himmelslichter, die Euch begleiten! Übers. U.D.] Man kann bei diesen Versen an das Eingangsgedicht von Bachmanns Gedichtband, Das Spiel ist aus, denken, das eine ebensolche Erfahrung der ‹Ent-täuschung› in der Überblendung von kindlicher Phantasie und ‹wissendem› Wirklichkeitsbewusstsein inszeniert: Mein lieber Bruder, wann bauen wir uns ein Floß und fahren den Himmel hinunter? Mein lieber Bruder, bald ist die Fracht zu groß und wir gehen unter. Mein lieber Bruder, wir zeichnen aufs Papier viele Länder und Schienen. Gib acht, vor den schwarzen Linien hier fliegst du hoch mit den Minen. 35 (Das Spiel ist aus, vv.-1-8) «[W]ir werden singen» (Das Spiel ist aus, v.-28), prophezeit das Ich, und tatsächlich sind mehrere der folgenden Gedichte als «Lieder» apostrophiert. Leopardis ganz ähnliche Titelwahl Canti, Gesänge, so hat bereits Karl Maurer herausgearbeitet, meint nicht Kantabilität, sondern zielt auf eine größere Allgemeingültigkeit gegenüber den tradierten Genrebezeichnungen 36 . Auch Bachmanns «Lieder» gehen in diese Richtung: Denn die Gedichte verstehen sich nicht als subjektive Erlebnislyrik, sondern zielen auf die Vermittlung von «Erfahrung mit allgemeingültigem Charakter» 37 - dazu passen auch die Texte mit expliziter Rollenrede und/ oder männlich konnotierter Stimme wie zum Beispiel beim Gedicht Nebelland. Es geht also nicht um die Darstellung persönlicher Individualität, sondern um geteilte Erfahrung im Horizont des Menschlichen - aber im Modus subjektiven Erfahrens. Diese Erfahrungsdimension ist das Herzstück von Bachmanns - und Leopardis - lyrischer Poetik: So kann es auch nicht die Aufgabe des Schriftstellers sein, den Schmerz zu leugnen, seine Spuren zu verwischen, über ihn hinwegzutäuschen. Er muß ihn, im Gegenteil, 35 Bei dem Schiffbruch im Himmel kann man sich an Leopardis wohl bekannteste Metapher erinnert fühlen: «e il naufragar m’è dolce in questo mare» (L’infinito, v.-15 [«und Schiffbruch ist mir süß in diesem Meere»]). 36 Cf. Karl Maurer: Giacomo Leopardis «Canti» und die Auflösung der lyrischen Genera. Frankfurt a.M.: Klostermann 1957 (Analecta Romanica, 5), 199-210. 37 Reitani: «‹zu spät erreichten wir der Gärten Garten›», 110. 278 Uta Degner wahrhaben und noch einmal, damit wir ihn sehen können, wahrmachen. Denn wir wollen alle sehend werden. Und jener geheime Schmerz macht uns erst für die Erfahrung empfindlich und insbesondere für die der Wahrheit. Wir sagen sehr einfach und richtig, wenn wir in diesen Zustand kommen, den hellen, wehen, in dem der Schmerz fruchtbar wird: Mir sind die Augen aufgegangen. Wir sagen das nicht, weil wir eine Sache oder einen Vorfall äußerlich wahrgenommen haben, sondern weil wir begreifen, was wir doch nicht sehen können. Und das sollte die Kunst zuwege bringen: daß uns, in diesem Sinne, die Augen aufgehen. 38 Wahrheitserfahrung im Medium der Literatur geht mit einem besonderen «Zustand» einher, einem Modus des Erfahrbarmachens, der das Subjekt nicht zuletzt emotional («Schmerz») involviert. Auch Leopardis Wahrheitsdiskurs ist eng an eine poetische Praxis gekoppelt, als ‹gefühlte› Erfahrung von Wahrheit: 39 Non basta intendere una proposizion vera, bisogna sentirne la verità. […] Chi la intende, ma non la sente, intende ciò che significa quella verità, ma non intende che sia verità, perché non ne prova il senso, cioè la persuasione. 40 [Es reicht nicht, eine wahre Aussage zu verstehen; man muss ihre Wahrheit fühlen. […] Wer sie versteht, aber nicht fühlt, versteht, was die Wahrheit bedeutet, aber er versteht nicht, dass sie eine Wahrheit ist, denn er empfindet den Sinn, also ihre Überzeugungskraft, nicht.] Bachmanns Ausführungen bleiben auf einer eher abstrakten Ebene, Leopardi aber entwickelt die Bedingungen, unter denen eine solche ästhetische Wahrheitserfahrung («esperienza della verità», Zib.- 348) stattzufinden vermag. Die Literatur nämlich, so legt er dar, erlaubt es, sich mittels Imagination in eine fremde Subjektivität hineinzuversetzen (wir würden heute - was Leopardi noch nicht tut - stärker zwischen lyrischem Ich und Autor differenzieren): per intendere i poeti, [è necessario] aver tanta forza d’immaginazione e di sentimento, e tanta capacità di riflettere, da potersi porre nei panni dello scrittore, e in quel punto preciso di vista e di situazione, in cui egli si trovava nel considerare le cose di cui scrive. (Zib. 349) [um die Dichter zu verstehen, braucht es eine so große Einbildungskraft und ein so großes Gefühls- und Reflexionsvermögen, dass man sich in den Autor hineinversetzen 38 Bachmann: Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar, 246. 39 Cf. hierzu Carlo Ferrucci: «Leopardi e l’esperienza estetica della verità», in: id. (a cura di): Leopardi e il pensiero moderno. Milano: Feltrinelli 1989, 199-213. 40 Leopardi: Zibaldone scelto, 205. Herv. und folgende deutsche Übers. U.D. Ich zitiere hier und in der Folge bewusst aus dieser heute veralteten Ausgabe, da sie der von Bachmann besessenen entspricht (die Akzente wurden modernisiert und vereinheitlicht). Nach der heute üblichen und auch im Folgenden verwendeten Zählung: Zib. 348. Poetische Lebens-Kunst mit Leopardi 279 kann: in die exakte Sicht und Situation, in der sich dieser befand, als er die Dinge erfasste, über die er schreibt.] Dichtung stellt also nicht nur Wahrheiten dar - dies ginge auch durch einen faktualen Text -, sie macht diese Wahrheiten vielmehr in einer subjektiven Perspektive erfahrbar. IV. Zumutbarkeit schaffen Aus diesem Erfahrungsbewusstsein heraus ziehen sowohl Leopardi als auch Bachmann ganz analoge poetische Konsequenzen. Ein wichtiger Punkt ist die Anerkennung der poetischen Sprache als ein Erfahrungsmodus, dessen vorrangige Leistung nicht zuletzt darin besteht, gerade eine radikal negative Erfahrung zumutbar zu machen. Dies betrifft nicht so sehr die Frage nach der Funktion der Bildlichkeit und deren eventueller Kompensationskraft 41 als die bereits angesprochene Fiktionalisierung und Leser*innen-Involvierung. Gerade die prononcierte Rollenrede macht darauf aufmerksam, dass lyrisches Sprechen in der ersten Person Abstand nimmt von pragmatischen Realitätsbezügen und insofern einen Erfahrungsraum ohne direkte Sanktionierungen bereitstellt. Dadurch aber, dies ist auch eine These von Pierre Bourdieu, wird eine negative Wahrheitserfahrung aushaltbar, da die Fiktionalisierung des literarischen Textes die Behauptung realer Geltung suspendiert: 41 Rainer Stillers hat gegen die Auffassung, dass Leopardis Bilder nur zur Veranschaulichung seiner gedanklichen Themen dienten, die These aufgestellt, dass die Imagination in den Canti eine autonome Ebene etabliere, welche die gedankliche unterlaufe: «Leopardis Canti sind also, was ihre immanente Poetik angeht, von einem radikalen Bruch durchzogen. Da ist einerseits Leopardis pessimistisches Bewußtsein, das den Texten ihre thematische Substanz gibt und das das genuin Poetische, den imaginativ-unmittelbaren Zugang zur Welt untergräbt. Aber da ist andererseits die Präsenz einer bildschöpferischen Sprache, die eben dieses Denken unterminiert. Die außerordentliche Modernität Leopardis macht weniger seine Fähigkeit aus, den Pessimismus in aller Konsequenz zuende zu denken und ihm eine poetische Form zu geben, als die Fähigkeit, den Widerspruch zwischen dem negativen Bewußtsein und der Selbstbehauptung des Poetischen gelten zu lassen und diesen Widerspruch in der Struktur seiner Lyrik greifbar zu machen» (Rainer Stillers: «Der ‹canto› in den Canti. Beobachtungen zu einem poetologischen Motiv», in: Italienisch 40 (1998), 61). Nach der hier vorgestellten Lesart integrieren sich beide von Stillers separierten ‹Dimensionen› im Akt der Erfahrung, so dass nicht von einem «Bruch» zu sprechen wäre, sondern von einer Mehrdimensionalität. Zu dem spezifischen Erfahrungsmodus der Lyrik gehört auch maßgeblich die hier nicht näher in den Blick genommene formale ‹Sinnlichkeit› (cf. Barbara Kuhn: «Und sie singt doch. Leopardis Palinodie des Ultimo canto di Saffo», in: Ginestra 15 (2005), 29-51); sie besitzt eine Eigendynamik, die ‹modal› positiv wirkt, auch in der Darstellung negativer Inhalte. 280 Uta Degner [D]ie durch den literarischen Ausdruck vollzogene Verneinung erlaubt die begrenzte Äußerung einer Wahrheit, die anders gesagt untragbar wäre. Der ‹Realitätseffekt› ist jene sehr spezifische Form von Glauben, die die literarische Fiktion produziert vermittels eines verleugneten Bezugs zum bezeichneten Realen, der zu wissen erlaubt, zugleich aber ablehnt zu wissen, was es wirklich damit auf sich hat […]. 42 Der Modus der Fiktionalisierung lässt eine sonst verleugnete Erkenntnis durch ein literaturspezifisches Ineinander von Enthüllen und Verschleiern aussprechen, wie Bourdieu in einer paradoxen Formulierung argumentiert: «Die […] literarische Objektivierung […] ermöglicht sicher das Zutagetreten der profundesten, der bestkaschierten Wirklichkeit […], weil sie den Schleier bildet, der es dem Autor wie dem Leser erlaubt, das Wirkliche den anderen und sich zu verbergen.» 43 Bei der «sinnlich wahrnehmbare[n] Übertragung» 44 , von der Bourdieu spricht, darf man wohl im Falle der Lyrik nicht zuletzt an die Funktion der grammatikalisch ersten Person denken, die die Kommunikationsstruktur lyrischer Texte (zumindest bei Leopardi und Bachmann) so dominant bestimmt. Denn im Modus der Lektüre überträgt sich der Sprechgestus vom lyrischen Ich auf den/ die Leser*in: «[D]er Leser leiht seine [Stimme] dem Gedicht, wodurch er notwendigerweise den Gestus des sprechenden ‹ich› nachahmt.» 45 Im Akt des Lesens vollzieht der/ die Rezipient*in also die Erfahrung des Ich nach, die im Selbstverständnis Bachmanns eine «Erfahrung vom Menschen» schlechthin ist: Der Schriftsteller - und auch das ist in seiner Natur - ist mit seinem ganzen Wesen auf ein Du gerichtet, auf den Menschen, dem er seine Erfahrung vom Menschen zukommen lassen möchte (oder seine Erfahrung der Dinge, der Welt und seiner Zeit, ja von all dem auch! ), aber insbesondere vom Menschen, der er selber oder die anderen sein können und wo er selber und die anderen am meisten Mensch sind. 46 Gerade der Anspruch auf Vermittlung einer paradigmatischen, alle Menschen betreffenden Erfahrung befördert die Übertragung, so dass sie eine geteilte Er- 42 Pierre Bourdieu: Die Regeln der Kunst. Genese und Struktur des literarischen Feldes. Übers. von Bernd Schwibs / Achim Russer. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 7 2016, 67. 43 Ibid., 67sq. 44 Ibid., 66. 45 Heinz Schlaffer: «Die Aneignung von Gedichten. Grammatisches, rhetorisches und pragmatisches Ich in der Lyrik», in: Poetica 27 (1995), 40. Schlaffer stützt sich auf Émile Benvenistes grammatikalische Analyse des Ich als «Leerzeichen» [signe vide], «das erst durch den Gebrauch im jeweiligen Diskurs eines Sprechers aufgefüllt werde» (ibid.). 46 Bachmann: Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar, 247. Poetische Lebens-Kunst mit Leopardi 281 fahrung wird, was Bachmann durch die Verwendung der ersten Person Plural («wir»/ «uns» 47 ) betont. 48 Dadurch ‹übersteigt› 49 das Lied den Einzelnen. Bezeichnenderweise bleibt die inhaltliche Füllung dessen, was wahr ist, im gleichnamigen Gedicht ausgespart: ‹Wahrheit› ist bei Bachmann keine transzendentale Kategorie, sondern eine menschliche Erfahrungswahrheit, deren Inhalt sich auf das menschliche Leben bezieht und die daher auch vom Lesenden mit seiner Erfahrung ausgefüllt werden kann. Was wahr ist, zielt in seiner Bildlichkeit ganz auf den Effekt der Wahrheitserfahrung: Diese wirkt paradoxerweise auch dort belebend, wo sie inhaltlich vom Tod handelt. Die Metaphern der Auferstehung, die sich in Bachmanns Gedichtband immer wieder finden, sind Bilder für die belebende Wirkung der negativen Erfahrung, wie sie programmatisch schon im Gedicht Das erstgeborene Land dargestellt wurde. Dichtung ist nach dieser Konzeption im doppelten Sinne Lebens-Kunst: Sie bemüht sich einerseits darum, einen ‹wahren› Lebensbegriff zu gewinnen; sie tut dies aber zugleich in einem die menschlichen Lebenssinne involvierenden Modus der sinnlichen und kognitiven Einbeziehung, der nicht zuletzt auch Raum lässt für die im Subjekt selbst aktiven Ambivalenzen und Konflikte zwischen Verstand und Gefühl und einem daraus resultierenden ständigen Wechsel zwischen euphorischen und dysphorischen Zuständen. 50 Die eigentlich negative Wahrheits-Erfahrung wird im Gedicht zu einem Motor von Lebendigkeit; Leopardi und Bachmann haben dies allererst selbst als Lesende erfahren: Hanno questo di proprio le opere di genio, che quando anche rappresentino al vivo la nullità delle cose, quando anche dimostrino evidentemente e facciano sentire l’inevitabile infelicità della vita, quando anche esprimano le più terribili disperazioni, tuttavia ad un’anima grande che si trovi anche in uno stato di estremo abbattimento, disinganno, nullità, noia e scoraggimento della vita, o nelle più acerbe e mortifere disgrazie […]; servono sempre di consolazione, raccendono l’entusiasmo, e non trattando né rappresentando altro che la morte, le rendono, almeno momentaneamente, quella vita che aveva perduta. (Zib. 259sq.) [Geniale Werke haben die Eigenheit, dass sie, auch wenn sie offenkundig die Nichtigkeit der Dinge darstellen, wenn sie das unvermeidliche Unglück des Lebens fühlbar machen, wenn sie die furchtbarste Verzweiflung ausdrücken, doch für ein großes 47 Ibid., 246. 48 Cf. auch Fechner: «Ingeborg Bachmanns Lieder auf der Flucht». 49 Cf. den programmatischen letzten Satz des Gedichtbandes: «doch das Lied über Staub danach-| wird uns übersteigen» (Lieder auf der Flucht, XV, v.-15sq.). 50 Cf. Uta Degner: ‹«Belebende Kunst›. Zur ‹Sapphischen› Konzeption einer ästhetischen Wahrnehmung der Welt in Leopardis Ultimo canto di Saffo und Hölderlins Thränen», in: Neumeister (Hg.): Die ästhetische Wahrnehmung der Welt, 185-214. 282 Uta Degner Herz, auch wenn es sich in einem Zustand äußerster Niedergeschlagenheit, Enttäuschung, Nichtigkeitsgefühl, Überdruss und Entmutigung dem Leben gegenüber befindet, oder in dem bittersten und tödlichsten Unglück, immer tröstlich wirken, sie entfachen Enthusiamus, und selbst wenn sie nichts als den Tod darstellen, erstatten sie ihm, zumindest für den Moment, das verlorene Leben zurück.] Und Bachmann: Es gibt für mich keine Zitate, sondern die wenigen Stellen in der Literatur, die mich immer aufgeregt haben, die sind für mich das Leben. Und es sind keine Sätze, die ich zitiere, weil sie mir so sehr gefallen haben, weil sie schön sind oder weil sie bedeutend sind, sondern weil sie mich wirklich erregt haben. Eben wie Leben. 51 Leopardis Modell einer ‹Lebens›-Kunst lebt in Bachmanns Anrufung des Großen Bären weiter. Literatur Bachmann, Ingeborg: Kritische Schriften. Hg. von Monika Albrecht / Dirk Göttsche. München / Zürich: Piper 2005. —: Ein Tag wird kommen. Gespräche in Rom. Ein Porträt von Gerda Haller. Mit einem Nachwort von Hans Höller. Salzburg: Jung und Jung 2004. —: Werke. Hg. von Christine Koschel / Inge von Weidenbaum / Clemens Münster. Bd.-1. Gedichte, Hörspiele, Libretti, Übersetzungen. München / Zürich: Piper 4 1993. —: Wir müssen wahre Sätze finden. Gespräche und Interviews. Hg. von Christine Koschel / Inge von Weidenbaum. München / Zürich: Piper 1991. Hölderlin, Friedrich: Gedichte nach 1800. Text. Stuttgart: Kohlhammer 1951 (Große Stuttgarter Ausgabe. Hg. von Friedrich Beißner, 2.1). Leopardi, Giacomo: Gesänge, Dialoge und andere Lehrstücke. Übers. von Hanno Helbling / Alice Vollenweider. Mit e. Nachwort von Horst Rüdiger. 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Der Band leistet einen facettenreichen Beitrag zur Überwindung des ‹Stereotyps des Pessimismus› (Antonio Prete), das noch immer die Rezeption des ungleich vielfältigeren Werks dominiert. ISBN 978-3-8233-8416-8