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Dolmetschen als Dienst am Menschen

2021
978-3-8233-9433-4
Gunter Narr Verlag 
Klaus Kaindl
Sonja Pöllabauer
Dalibor Mikic

Ausgehend vom facettenreichen Schaffen von Mira Kadric präsentiert dieser Band Beiträge, die von einer Konzeption des Dolmetschens als Dienst am Menschen ausgehen und verschiedene ethisch-humanistische, politisch-rechtliche und kritisch-emanzipatorische Dimensionen des Dolmetschens in den Blick nehmen. In einem ersten Themenkreis wird aus dolmetschwissenschaftlicher Sicht der Dialog mit verschiedenen Bedarfsträger:innen in den Mittelpunkt gestellt. Danach werden der Dialog von Dolmetscher:innen mit der Gesellschaft und daraus resultierende rechtliche Fragestellungen untersucht. Und schließlich werden Fragen der Didaktik unter dem Aspekt des Dialogs der Dolmetschwissenschaft mit Lernenden und Lehrenden diskutiert. Mit diesen multiperspektivischen Beiträgen wird, ganz im Sinne von Mira Kadric, Dolmetschen als gesellschaftspolitische Handlung verortet und weiterentwickelt.

TRANSLATIONSWISSENSCHAFT BAND 16 DOLMETSCHEN ALS DIENST AM MENSCHEN Texte für Mira Kadric´ Klaus Kaindl / Sonja Pöllabauer / Dalibor Mikic´ (Hrsg.) TRANSLATIONSWISSENSCHAFT · BAND 16 herausgegeben von Klaus Kaindl und Franz Pöchhacker (Universität Wien) Gyde Hansen (Kopenhagen) Christiane Nord (Heidelberg) Hanna Risku (Wien) Christina Schäffner (Birmingham) Robin Setton (Paris) Klaus Kaindl / Sonja Pöllabauer / Dalibor Mikić (Hrsg.) Dolmetschen als Dienst am Menschen Texte für Mira Kadrić Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. © 2021 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de CPI books GmbH, Leck ISSN 1614-5909 ISBN 978-3-8233-8433-5 (Print) ISBN 978-3-8233-9433-4 (ePDF) ISBN 978-3-8233-0320-6 (ePub) www.fsc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC ® C083411 ® Inhalt 7 Inhalt Einleitung Klaus Kaindl & Sonja Pöllabauer Vom Mut über Grenzen zu gehen. Zu Leben und Werk von Mira Kadrić . . . 13 Dalibor Mikić Zum Inhalt der Festschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Veröffentlichungen Mira Kadrić . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Im Dialog mit den BedarfsträgerInnen Mary Snell-Hornby „Va‘, pensiero …“. Überlegungen zur kulturellen Dimension bei der Kommunikation mit Asylsuchenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Franz Pöchhacker Dolmetschen. Macht. Asyl. Translatorisches Handeln in Konfliktsituationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Caterina Falbo Politeness in interpreter-mediated interactions. Views, approaches and perspectives . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Erik Hertog ‘Social’ Interpreting in Flanders. An Intriguing Trajectory . . . . . . . . . . . . . . 79 Heidi Salaets, Katalin Balogh & Stefan Aelbrecht “Translaw” in Belgium. A Qualitative Comparative Study on the Perception of Communication with Foreign Detainees . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 Karin Reithofer Recht auf Translation in den EU-Institutionen. Sprachenpolitik, Mehrsprachigkeit und Machtasymmetrien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Carmen Valero-Garcés Multilingualism, LLD and PSIT in the EU. So close, so far . . . . . . . . . . . . . . 121 8 Inhalt Im Dialog mit der Gesellschaft Oliver Scheiber Die Wahrung der Würde des Menschen in der gedolmetschten Kommunikation. Eine Annäherung aus philosophischer und rechtlicher Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 Alexia Stuefer Sprachen im österreichischen Strafverfahrensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 Monika Stempkowski & Christian Grafl Dolmetschen und Lügenerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 Richard Soyer Rechtsambulanz - eine Law Clinic österreichischer Prägung. Was kann und soll juristische Ausbildung leisten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 Im Dialog mit Lernenden und Lehrenden Christina Schäffner Textbooks for a new audience: Limits to translation? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 Ana-Maria Bodo Translatorische Aus- und Weiterbildung am Beispiel des Universitätslehrgangs „Dolmetschen für Gerichte und Behörden“ an der Universität Wien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 Sylvi Rennert Dolmetschqualität als gemeinsame Verantwortung. Aus- und Weiterbildung für DolmetscherInnen und NutzerInnen im Rechtsbereich . . . . . . 215 Vlasta Kučiš Im Königreich der Wörter. Gerichtsdolmetschen für angeklagte fremdsprachige Personen in Slowenien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 Im Dialog mit der nächsten Generation Ivana Havelka, Katia Iacono, Dalibor Mikić, Judith Platter & Katerina Sinclair Das Doktorat als Marathon: Die fünf Etappen zum Ziel. Aus dem Leben einer ehemaligen Dissertantin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 Rechtsnachweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 BeiträgerInnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 Einleitung Vom Mut über Grenzen zu gehen Zu Leben und Werk von Mira Kadrić Klaus Kaindl & Sonja Pöllabauer 1 Werdegang Translation wird vielfach mit dem Konzept der „Grenze“ in Verbindung gesetzt, eine Assoziation, die bereits im lateinischen Ursprung des Wortes - tranfserre - angelegt ist. Übersetzen und Dolmetschen als Grenzerfahrung bedeutet immer auch über Grenzziehungen und Grenzüberschreitungen zu reflektieren. Wesentlich dabei ist, wie mit Grenzen umgegangen wird: Grenzen können einengen, aber auch Sicherheit geben. Grenzen stellen Barrieren dar und geben gleichzeitig den Blick auf Neuland frei, das zu betreten Mut erfordert. Grenzen verleihen einem Gebiet Kontur und definieren, was zentral und was nebensächlich ist. Betrachtet man Leben und Werk von Mira Kadrić, so sind Grenzen - Sprachgrenzen, Kulturgrenzen, Fachgrenzen und auch persönliche Grenzen - keine Barrieren, sondern produktive Räume, in denen Sprachen, Kulturen, Disziplinen und vor allem Menschen in Kontakt treten. In diesem Sinne sind für sie Grenzen keine Trennlinien, sondern Möglichkeitsräume für Austausch, Diversität und - um ein zentrales Konzept in Kadrić’ Denken aufzugreifen - Dialog. Geboren in einem Jugoslawien, das sich nicht über ethnische, religiöse oder sprachliche Grenzen zwischen den Landesteilen und Bevölkerungsgruppen definierte, war Sarajevo, wo Mira Kadrić das Gymnasium besuchte, mit seiner Offenheit und Multikulturalität zweifelsohne prägend für sie. Es gehörte sicherlich eine Portion Mut, Initiative und Neugier dazu, dass sich eine junge Frau Anfang zwanzig - und lange bevor es für viele ihrer Landsleute eine zwingende Notwendigkeit wurde - Anfang der 1980er-Jahre entschloss, Bosnien-Herzegowina, ihre Heimat, zu verlassen und nach Wien zu ziehen - mit nicht viel mehr in der Tasche als einem Abschluss eines Tourismuskollegs in Belgrad. In dieser Branche arbeitete sie auch, um ihr Studium am damaligen „Institut für Übersetzer- und Dolmetscherausbildung“ der Universität Wien zu finanzieren, 14 Klaus Kaindl & Sonja Pöllabauer das sie 1986 begann und mit einer Diplomarbeit (1991) über die serbokroatische Übersetzung von Sigmund Freuds Massenpsychologie und Ich-Analyse abschloss. Ihre akademische Laufbahn begann sie zunächst als Studienassistentin, dann Vertrags- und schließlich Universitätsassistentin bei Mary Snell-Hornby, die seit 1990 den ersten Lehrstuhl für Übersetzungswissenschaft an der Universität Wien innehatte. Bereits in dieser Zeit, die sowohl von fachlicher Aufbruchsstimmung und zukunftsweisenden Weichenstellungen als auch heftigem Widerstand und turbulenten Auseinandersetzungen geprägt war, stachen jene Eigenschaften von Mira Kadrić hervor, die sie auch später benötigen sollte, als sie 2006 - wieder in einer institutionellen Umbruchszeit - die Studienprogrammleitung des nunmehr umgetauften Zentrums für Translationswissenschaft übernahm: Klarheit in der Entscheidungsfindung, Entschlossenheit in der Umsetzung und Mut, auch bei Gegenwind zu ihren Entscheidungen zu stehen. Eine zentrale Leitlinie dabei war und ist ihr ausgeprägter Gerechtigkeitssinn. Es ist daher wohl kein Zufall, dass 1996 die Wahl des Dissertationsthemas schließlich auf den Bereich des Gerichtsdolmetschens fiel. Zuvor, nämlich 1993, absolvierte sie die Gerichtsdolmetscherprüfung, und die vielfältigen Erfahrungen im Rahmen dieser Tätigkeit bildeten eine wichtige Basis für ihre wissenschaftliche Arbeit in diesem Bereich. Ihr Doktoratsstudium fand im interdisziplinären Dialog zwischen Rechtswissenschaft und Translationswissenschaft statt, der rechtliche Teil wurde am Juridicum betreut, der translationswissenschaftliche Teil von Mary Snell-Hornby. Das Streben, Interdisziplinarität zu nutzen, um fachliche Grenzen zu überwinden und so den wissenschaftlichen Blick zu weiten, sollte ein zentrales Merkmal von Mira Kadrić’ wissenschaftlicher Arbeitsweise bleiben. Dass die im Jahr 2000 eingereichte Dissertationsschrift, die ein Jahr später in Buchform unter dem Titel Dolmetschen bei Gericht: Erwartungen - Anforderungen - Kompetenzen erschien, zu einem Standardwerk mit mehreren Auflagen (zuletzt 2009) sowohl in der Wissenschaft als auch in der Praxis wurde, offenbart ein weiteres Charakteristikum von Mira Kadrić’ Denken: Wissenschaft und Praxis sollten keine abgegrenzten Bereiche sein, sondern sich in konstantem Austausch befinden. Dieses Prinzip verfolgte sie auch im Rahmen ihres Habilitationsprojekts, in dem die translationswissenschaftliche Didaktikforschung mit der Praxis des Unterrichts vor dem Hintergrund des gesellschaftlichen Auftrags universitärer (Aus)Bildungsstätten verbunden wurde. Dass Dolmetschen und somit auch die Dolmetschausbildung immer in einem größeren gesellschaftlichen Zusammenhang stehen, wurde bereits in ihrer Dissertation deutlich gemacht. Nun wird die Idee Studierende für den Beruf so auszubilden, „dass man sie mündig macht, anstatt besänftigende zu Gehorsam erziehende Attituden des Translationsaktes oder Translationsberufes zu fördern“ (2009: 164), durch die Integrierung thea- Vom Mut über Grenzen zu gehen 15 terpädagogischer Konzepte des brasilianischen Regisseurs und Theatertheoretikers Augusto Boal in ein innovatives Didaktikkonzept umgesetzt. Auch in diesem Fall bleibt es nicht bei einem einfachen Blick über den disziplinären Grenzzaun, Mira Kadrić absolviert 2005-2006 einen Lehrgang für Theaterpädagogik nach Augusto Boal, den sie auch persönlich kennen- und schätzen lernt, um sich das theoretische und praktische Rüstzeug zu erwerben, das dann für die wissenschaftliche Arbeit in konkreten Unterrichtssituationen erprobt wurde. Mitten in der Arbeit an ihrer Habilitation übernahm Mira Kadrić 2006 die Funktion der Studienprogrammleitung. Eine neue Studienstruktur, aber auch eine neue Institutskultur im Bereich der Lehre zu etablieren, waren eine nicht nur anspruchsvolle, sondern auch kräftezehrende Aufgabe, der sich Mira Kadrić bis 2011 mit unnachahmlicher Energie widmete. Trotz dieser zeitraubenden Funktion brachte sie - quasi „nebenbei“, tatsächlich aber unter hohem persönlichen Einsatz - ihre Habilitation zum Abschluss. Nach einer kurzen Zeit als Außerordentliche Universitätsprofessorin bewarb sie sich 2010 erfolgreich für eine volle Professur und ist seit 2011 die erste Professorin mit einem dolmetschwissenschaftlichen Lehrstuhl am Zentrum für Translationswissenschaft. 2 Der Mensch im Zentrum - Dolmetschen als „Dienst am Menschen“ Mit dem Mensch in seiner Würde und Menschlichkeit in Dialog zu treten, steht als zutiefst humanistisches Anliegen im Zentrum des Schaffens von Mira Kadrić. Dieser Leitgedanke spiegelt sich nicht nur in ihrem persönlichen Umgang mit ihren Mitmenschen, ihren Kolleg*innen und Studierenden, sondern zieht sich auch als leitende Prämissen für verantwortungsvolles translatorisches Handeln durch das wissenschaftliche Wirken von Mira Kadrić. Der zuvor bereits erwähnte ausgeprägte Gerechtigkeitssinn Mira Kadrić’ und ihr engagiertes auch gesellschaftspolitisches Engagement zeigen sich beispielhaft in ihrer Auffassung von Dolmetschen als „Dienst am Menschen“ (2016: 103) und ihrer Forderung nach rechtlichen Garantien für eine angemessene und faire Dolmetschung in allen Bereichen des öffentlichen Lebens, in denen Menschen, die oft „weder über wirtschaftliche Macht noch über gesellschaftspolitischen Rückhalt“ (2016: 103f.) verfügen, darauf angewiesen sind. Die Arbeiten von Mira Kadrić erstrecken sich über verschiedene translatorische Handlungsfelder, vom Gerichtssaal (siehe exemplarisch 2001a, 2001b), über das Dolmetschen bei Polizei- und Asylbehörden (2012a, 2014a) und in medizinischen Einrichtungen (Pöchhacker & Kadrić 1999) bis hin zum Wirken von Dolmetscher*innen in der Diplomatie und Politik (2017a, Kadrić & Zanocco 2018, Kadrić, 16 Klaus Kaindl & Sonja Pöllabauer Rennert & Schäffner 2021). Stets ist es jedoch der Mensch in seiner Ganzheit, den Mira Kadrić in das Zentrum ihrer Forschung rückt, die sich dem Dolmetschen in verschiedenen dialogischen Interaktionsgefügen widmet, in denen Kommunikation zwar durch institutionell vordefinierte Routinen geprägt wird, aber doch interaktiv aus dem individuellen Handeln und den Motiven der daran Beteiligten entsteht. Dolmetscher*innen mit ihrer individuellen Sprachbiografie und ihren vielfältigen Identitäten (siehe auch 2012b) sind für Mira Kadrić als Sprach- und Kulturmittler*innen in diesem Gefüge zentrale Handlungspartner*innen. Die Würde des Individuums als ein Menschenrecht, so wie sie auch in der österreichischen Verfassung genannt wird, ist in diesem Zusammenhang eines der theoretischen Konstrukte, das sie in rezenten Publikationen zur Illustration ihrer Ansichten nutzbar macht (2016; siehe dazu auch den Beitrag von Scheiber in diesem Band). Die „Wahrung der Würde der anderen, Äquidistanz [und] Empathie“ (2016: 112) zeichnen sich dabei als zentrale handlungsleitende Prinzipien ab: „Und überall dort, wo es um tief menschliche Themen geht, ist die Wahrung der Würde zentral.“ (2016: 111) Die Umsetzung dieser Anschauung erweist sich allerdings vielfach als hohe Vorgabe, die „selbstständiges, reflexives und dialogisches Handeln“ (2016: 111) verlangt. Wie sehr ihr eine zeitgemäße Ausbildung zukünftiger Translator*innen am Herzen liegt, die forschungsbasiert, kritisch und reflektiert auf reale Gegebenheiten und neue Anforderungen vorbereiten soll, zeichnet sich durchgehend in ihrem Schaffen ab. Die Forderung nach Neuerungen in der Ausbildung erstreckt sich von ihrer Dissertation (2000a, 2001a), in der sie Überlegungen zu einer modularen sprach- und kulturübergreifenden Grundausbildung für Gerichtsdolmetscher*nnen anstellt, über ihre bereits erwähnte Habilitationsschrift, in der sie ein innovatives ausgereiftes Modell einer kritisch-emanzipatorischen Translationsdidaktik begründet, bis hin zu rezenten Werken (2019a), in denen sie auf Möglichkeiten einer Ausbildung für den wechselnden Bedarf an verschiedenen auch außereuropäischen Bedarfssprachen hinweist. Möglichkeiten zur Beiziehung und Qualifizierung von Dolmetscher*Innen für seltene Sprachen im Polizei- und Asylwesen (2012a, 2014a) stehen etwa im Zentrum einer quantitativen Umfrage aus den Jahren 2006-2007 (Kadrić 2008a). Mira Kadrić’ Weitblick in Hinsicht auf die Notwendigkeit einer bedarfsgerechten zeitgemäßen Ausbildung für verschiedene Felder translatorischen Handelns zeigt sich auch darin, dass es ihr gelungen ist, mit Erfolg und nachhaltig postgraduale Qualifizierungsmaßnahmen zum Gerichts- und Behördendolmetschen, Schriftdolmetschen und Dolmetschen mit neuen Medien am Postgraduate Center der Universität Wien einzurichten. Dass dieser Bedarf auch von außen als gesellschaftliche Notwendigkeit erkannt wird, zeigt die hohe Nachfrage nach diesen spezifischen Ausbildungen. Vom Mut über Grenzen zu gehen 17 Beharrlichkeit und der Mut zum direkten An- und Aussprechen von defizitären Strukturen und daraus resultierendem Handlungsbedarf zeigt sich auch in ihrem wissenschaftlichen Zugang. So ist es keine Selbstverständlichkeit, dass es Mira Kadrić zu einer Zeit, in der qualitativ diskursanalytische Methoden sich in der Dolmetschwissenschaft erst durchzusetzen begannen, gelungen ist, Erlaubnis zur Aufzeichnung einer authentischen gedolmetschten Gerichtsverhandlung zu erlangen, die sie im Rahmen ihrer Dissertation als Fallstudie kritisch analysierte. Mit der Fruchtbarmachung eines funktional-pragmatischen Zugangs unter Anbindung an die funktionale Translationstheorie zeigte sich sehr früh auch ihre fehlende Scheu vor der Überbrückung auch innerdisziplinärer Grenzen zwischen der Übersetzungs- und der Dolmetschwissenschaft. Die im Rahmen ihrer Dissertation dargelegten grundlegenden Erkenntnisse zur Translationspraxis im Gerichtssaal, die nicht nur für den österreichischen, sondern für den weiteren deutschsprachigen Raum als bahnbrechend erachtet werden können, wurden nicht nur innerhalb der Translationswissenschaft rezipiert, in der sie sich einen Namen als Expertin für das Gerichtsdolmetschen machte, wie auch ihre Autorenschaft für renommierte Handbücher belegt (etwa 2020), sondern fanden auch über die Grenzen des eigenen Fachs hinweg vor allem in der Rechtswelt reges Echo. Diese Rolle als Grenzgängerin zwischen verschiedenen disziplinären Welten zeigt sich nicht nur an der interdisziplinären Ausrichtung dieser Festschrift, sondern auch daran, dass die Überlegungen und Vorschläge von Mira Kadrić zur Translationskultur im Gerichtssaal (2001b) auch Eingang in rechtswissenschaftliche Publikationen fanden (Kadrić & Scheiber 2004, Kadrić 2004a, 2004b, 2010a, 2011a, 2012c) und sie mit ihrer ganzheitlichen Perspektive auf ein verantwortungsbewusstes translatorisches Handeln in der behördlichen und gerichtlichen Praxis (2019a) auch auf juristischen Veranstaltungen Gehör fand. Die bereits im Rahmen ihrer Dissertation angestrebte „(Neu)Definition der Möglichkeiten und Grenzen des Handlungsrahmens“ (2001a: 4) von Dolmetscher*innen erfuhr so eine fruchtbare praktische Umsetzung. Kern ihrer Argumentation in juristisch orientierten Arbeiten ist, dass „[d]efizitäre Dolmetschung als Hindernis für den Zugang zum Recht“ (2012c: 76) betrachtet werden sollte. So spricht sie etwa das Prinzip der „sichtbaren Gerechtigkeit“ als Grundsatz für ein faires Verfahren und allgemeine Verfahrensgarantien und die Rolle von Dolmetscher*innen in diesem Zusammenhang (2004b), das Dolmetschen im Zusammenhang mit der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) (2010a, 2011b) oder die Umsetzung der Europäischen Richtlinie über das Recht auf Dolmetschleistungen und Übersetzungen in Strafverfahren (RL 2010/ 64 EU) (2012c) an. Ihr Bestreben disziplinäre Grenzen aufzubrechen und das gemeinsame Ziel einer „sichtbaren Gerechtigkeit“ (2004b) und einer fairen und rechtskonformen 18 Klaus Kaindl & Sonja Pöllabauer Kommunikation mit allen an einer Situation beteiligten Menschen ins Zentrum zu rücken (2004a, 2004b), fand schließlich auch nachhaltigen Niederschlag in einer interdisziplinären Kooperation im Rahmen des Projekts TransLaw (2018- 2019) und der TransLaw Research Group (Translaw). Die in der Conclusio ihrer Dissertation formulierte Forderung, dass die „Diskussion um die Rolle des Dolmetschers und seinen Handlungsspielraum im Gerichtssaal […] in Zukunft in jedem Fall sowohl in Fachkreisen der Dolmetscherkollegen als auch mit Vertretern der Justiz verstärkt geführt werden [müsste]“ (2001a: 233), wird so erfolgreich und gewinnbringend in diesem interdisziplinären Dialog fortgesetzt. Vor dem Hintergrund der Translationspolitik der 1990er-Jahre in österreichischen Gesundheitseinrichtungen steht der Handlungsspielraum von nicht ausgebildeten Dolmetscher*innen im Fokus einer gemeinsam mit Franz Pöchhacker verfassten Publikation zum Dolmetschen im Gesundheitsbereich (Pöchhacker & Kadrić 1999). Auch hier wird der Blick auf defizitäre Strukturen und deren Auswirkungen auf das Handlungs- und Beziehungsgefüge in einer konkreten Dolmetschsituation gelegt. Im Zentrum dieser diskursanalytischen Fallstudie stehen ein 10-jähriger bosnischsprachiger Bub, dessen Eltern und deren Kommunikationsbedarf im Rahmen einer Logopädie. Wenig überraschend und doch ernüchternd wird aufgezeigt, wie Eingriffe der serbischsprachigen Ad-hoc-Dolmetscherin im Hinblick auf Format und Inhalt der Therapiesitzung sich negativ auf den Handlungsspielraum der Therapeutinnen und die Qualität der Betreuung auswirken, ohne dass die Betroffen dessen gewahr wurden. In Mira Kadrić’ Arbeiten zum Dolmetschen im Bereich der Politik und Diplomatie stehen nicht die mit geringem symbolischen Kapitel befrachteten Bereiche des Behördendolmetschens im Zentrum, wie sie oben skizziert wurden, sondern Felder, die zu „den schillerndsten Einsatzgebieten von Dolmetschenden“ (2017a: 193) gehören. Auch hier richtet sich ihr kritischer Blick auf das aktive Handeln von Dolmetscher*innen. So skizziert sie auf der Grundlage autobiografischer Texte, wie Ivan Ivanji, der in den 1960er- und 70er-Jahren als Dolmetscher für Josip Broz Tito, den Staatspräsidenten des damaligen Jugoslawien, fungierte, als Dolmetscher in einem autoritären System sich „kraft seiner Persönlichkeit und Expertise“ (2017a: 193) als gleichwertiger, auch nonkonformistisch agierender Partner behauptete. Das Themenfeld des diplomatischen Dolmetschens führte sie für eine weiter gefasste Leser*innenschaft auch im Rahmen eines Lehrwerks in der Reihe „Basiswissen Translation“ (Kadrić & Zanocco 2018) aus. Und 2021 wird zu diesem Themenfeld eine Publikation in der renommierten Reihe „Translation practices - explained“ folgen, in der auch neues Interviewmaterial mit Dolmetscher*innen im Feld Politik und Diplomatie präsentiert wird (Kadrić, Rennert & Schäffner 2021). Vom Mut über Grenzen zu gehen 19 3 Im Dialog mit der Gesellschaft: „Vom Recht verstanden zu werden“ Mira Kadrić’ wissenschaftliches Wirken bleibt nicht nur auf die Fachwelt beschränkt. Ihr kritischer Zugang und ihr Streben nach Gerechtigkeit, die von einem ausgewiesenen gesellschaftspolitischen Engagement getrieben werden, bewirken auch, dass sie den Dialog mit „der Gesellschaft“ im weitesten Sinne nicht scheut. So erwies sie sich über die Jahre als gefragte Gesprächspartnerin in Interviews, in denen sie nicht müde wird, auf die wichtige gesellschaftspolitische Funktion von Dolmetscher*innen und das Recht von Anderssprachigen „verstanden zu werden“ (2010c) hinzuweisen. Kritisch spricht sie dabei auch immer wieder die suboptimale Translationspolitik in verschiedenen öffentlichen Einrichtungen an, so etwa auch den problematischen Einsatz von Kindern als Dolmetscher*innen: „Der beste Arzt hilft nichts, wenn bei der Dolmetschung Fehler passieren.“ (2018) Mira Kadrić’ aktives gesellschaftspolitisches Engagement zeigt sich auch an kritischen Kommentaren im Feuilleton-Teil von Tageszeitungen, etwa wenn sie vor dem Hintergrund anhaltender Debatten zum Thema Migration und Integration kritisch die negativ besetzte und primär mit Zuwanderung assoziierte Verwendung des Begriffs „Parallelwelten“ thematisiert und Leser*innen mit dem Hinweis auf auch nationale innergesellschaftliche Parallelwelten den Spiegel vorhält: „Österreich hält einige Parallelwelten aus“ (2010b). Auch hier stehen Grundwerte für sie im Vordergrund: „Gesellschaften funktionieren, solange dieselben Grundwerte für alle gelten. Dies bedeutet gleiche Rechte für Zugewanderte, umgekehrt sollen aber auch keine Sonderregeln bestehen.“ (2010b) Vor diesem Hintergrund ist auch das von Mira Kadrić in die Literatur eingeführte Konstrukt der „Multiminoritätengesellschaft“ (2012b; siehe auch 2019a) zu verstehen, als eine Gesellschaft, die von einer durch steigende Mobilität und komplexe globale Migrationsverläufe bedingten hybriden sprachlichen und kulturellen Vielfalt geprägt ist, so wie sie auch Mira Kadrić’ persönlichen Hintergrund kennzeichnet. Ihre Herkunft aus dem ehemals multikulturellen Vielvölkerstaat Jugoslawien war sicher auch Motiv für eine kritische translatorisch motivierte Stellungnahme in den 1990er-Jahren zum „serbokroatischen Sprachstreit“ (1999), in der sie darauf hinweist, dass die Trennung des Serbokroatischen in drei Teilsprachen für die Sprecher*innen dieser Sprachen auch mit einem hohen symbolischen und emotionalen Wert besetzt war und ein Mehr an „Sensibilisierung für die Benennung der Sprache in den Gerichts- und Dolmetschalltag gebracht [hat]“ (1999: 10). Sprache „als identitätsstiftendes Mittel im vielsprachigen Europa“ (Kadrić & Snell-Hornby 2012a) stand auch im Zentrum eines 2011 gemeinsam mit ihrer 20 Klaus Kaindl & Sonja Pöllabauer Doktormutter und langjährigen Mentorin, Mary Snell-Hornby, organisierten Symposiums zum Thema „Sprache, Identität, Translationswissenschaft“, in dessen Rahmen verschiedene Referent*innen sich offen über ihre „gefühlte sprachlich-soziale Identität“ (Kadrić & Snell-Hornby 2012b: 9) austauschten. Im Mittelpunkt der Diskussion standen die Vielschichtigkeit und Hybridität der sprachlichen und kulturellen Zugehörigkeit von Menschen in einer „Multiminoritätengesellschaft“ (Kadrić 2012b): „Der Prozess der Identitätsbildung beginnt mit der Formung der ersten Worte und ist in die Gesamtbiografie eingebettet“ (2012b: 13). Die kritischen Diskussionen im Rahmen dieser Veranstaltung (Kadrić & Snell-Hornby 2012a) zeigen auch, dass Mira Kadrić mit diesem Thema wiederum einen Nerv der Zeit getroffen zu haben scheint. Multilingualismus, die Einführung EU-weiter Standards zur Umsetzung eines Rechts auf Translation in diversen gesellschaftlichen Bereichen in einem vielsprachigen Europa und die zentrale gesellschaftspolitische Funktion von Dolmetscher*innen in diesem Zusammenhang greift Mira Kadrić als „shared European challenge“ auch in Kooperation mit Kolleg*innen aus anderen europäischen Ländern auf (Valero-Garcés & Kadrić 2015). Als Mitwirkende an der 2010 vom European Language Council ins Leben gerufenen Special Interest Group on Translation and Interpreting for Public Services (SIGTIPS) steuerte sie neben anderen europäischen Expertinnen zudem einen Beitrag für den von der GD Dolmetschen der Europäischen Kommission veröffentlichten Endbericht zum Thema Interpreting for Public Services bei (European Commission 2011). Universitäten und Ausbildungseinrichtungen für Übersetzen und Dolmetschen nimmt Mira Kadrić vor dem Hintergrund der europäischen Sprachenpolitik und -vielfalt kritisch in die Verantwortung: Ihr Beitrag muss aus der Sicht Kadrić’ auch sein, die „mission impossible“ (2014b) einer bedarfsorientierten Ausbildung zu bewältigen, aus der TranslatorInnen hervorgehen, die verantwortungsbewusst ihre gesellschaftliche Aufgabe zu wahren in der Lage sind. Auch der Berufsstand selbst ist hier aus der Sicht Mira Kadrić’ gefordert, sich aktiv der Ausgestaltung des Berufsbildes, die auch die Entwicklung allgemeiner „Imagekriterien“ umfassen kann, und der „Pflege einer Translationskultur“ (2007a: 144) zu verschreiben. Translationsprozesse sollten möglichst transparent gestaltet sein, damit der gesellschaftliche Blick von außen auf die Berufsgruppe nicht weiterhin mit dem viel bemühten Bonmot traduttore-traditore verwoben wird (Kadrić 2007a: 143). So beschreibt sie vor der Schablone undifferenzierter oder widersprüchlicher Sichtweisen das „grundlegende Prinzip der translatorischen Tätigkeit“ als die „Verpflichtung, die Interessen der an der Kommunikation Beteiligten zu wahren. Unabhängig davon, wer diese beteiligten Personen sind“ (2007a: 142) und schließt in einer Publikation zu Image, Selbst- und Fremd- Vom Mut über Grenzen zu gehen 21 bild mit den Worten: „In diesem Sinne: Der Gesellschaft ihre Translation, der Translation ihre Freiheit, und das alles im Bewusstein: Don’t shoot the messenger! “ (2007a: 145) 4 Im Dialog mit Lehrenden und Studierenden Wissenschaft bedeutet für Mira Kadrić immer auch Anwendung, dies wird besonders deutlich im Feld der Translationsdidaktik. Ihre Vision eines zeitgemäßen Übersetzungsunterrichts (z. B. 2006) vor allem aber des Dolmetschunterrichts (2004c, 2007b, 2010d, 2011b, 2014c, 2017b) ist dabei von einem multidirektionalen Verständnis von Dialog geprägt. Will man Dolmetschen in diesem Sinne als eine partizipative und selbstbestimmte Tätigkeit begreifen, so muss man zunächst einmal die vielfältigen Dolmetschformen und -settings in ihrer Spezifik begreifen und darüber hinaus den Gedanken an starre Vorschriften über Bord werfen (2014c: 452) Die Dolmetschdidaktik war die längste Zeit vor allem auf das Konferenzdolmetschen fokussiert. Die interaktiven Dimensionen, die das Behörden- und Dialogdolmetschen prägen, wurden erst spät in der Didaktik berücksichtigt, und damit rückten auch neue Fragestellungen für den Unterricht in den Vordergrund, nicht zuletzt, wie mit sozialen Hierarchien in Dolmetschsituationen umzugehen ist und wie ein zeitgemäßer Dolmetschunterricht diesen Aspekt integrieren könnte (Kadrić 2010e: 232f.) Hierfür entwirft Kadrić ein „ganzheitliches Kompetenzprofil“ (2011b: 27), das nicht nur fachliche und methodische Dimensionen, sondern auch sozial-kommunikative und individuelle Aspekte berücksichtigt. Mit der ihr eigenen Beharrlichkeit und dem Mut zum Hinterfragen tradierter Meinungen scheut Mira Kadrić in diesem Zusammenhang auch nicht davor zurück, darauf hinzuweisen, dass ein derart partizipatorisches, verantwortungsbewusstes und ethisch reflektiertes Handeln nicht als selbstverständlich vorausgesetzt, sondern im Rahmen einer kritisch-konstruktiven „emanzipatorischen“ Didaktik gelehrt und erlernt werden muss (2016: 111). Dass sie mit Forderungen wie dieser durchaus auf Konfrontation mit langjährig in der Fachwelt tradierten Ansichten und Praktiken geht, unterstreicht ihren Mut Neuland zu betreten. Der dabei notwendige Dialog findet nicht im Elfenbeinturm statt, die Universität ist aufgerufen, mit den Institutionen wie Polizei, Gericht und Gesundheitsbehörden, in denen Dolmetschleistungen benötigt werden, und der Gesellschaft zusammenzuarbeiten (Kadrić 2014b). Die (Aus-)Bildung an den Universitäten sollte in diesem Zusammenhang nicht so sehr von einer Dienstleistungsmentalität geprägt sein, sondern die Aufgabe haben, Mehrsprachigkeit, die nicht nur vermeintlich prestigeträchtige Sprachen umfasst, als Ausdruck einer Multi- 22 Klaus Kaindl & Sonja Pöllabauer minoritätengesellschaft (2012b) ins Bewusstsein der politischen Instanzen und Entscheidungsträger zu rücken. Die gesellschaftliche Funktion, die Dolmetscher*innen mit ihrer Tätigkeit erfüllen, integriert Mira Kadrić in ihrem Habilitationsprojekt in ein didaktisches Modell, in dem sie mit der Einbindung leitender Prinzipien des Theaters der Unterdrückten nach Augusto Boal disziplinäre Grenzen sprengte und den Hörsaal zum „Ort des Dialogs“ machte, in dem der einzelne Mensch gestärkt und zur „Bildung eines kritischen Selbstbewusstseins“ (2011b: 159) angeregt werden sollte. Die Basis der translatorischen Tätigkeit stellen für sie nicht allein Transfertechniken dar, sondern „das Interesse am Kontakt“ mit Menschen (2011b: 90). Das daraus resultierende dialogische Prinzip ihrer Translationsdidaktik stellt nicht das Bewahren des Status quo, sondern Selbstreflexion, Experimentierfreudigkeit und vor allem die Bereitschaft, die soziale Realität (zum Besseren) zu verändern, in den Mittelpunkt. Kompetenzvermittlung setzt kompetente Vermittler*innen voraus. Folglich beschäftigt sich Mira Kadrić auch mit der Ausbildung der Ausbildner*innen (Valero-Garcés & Kadrić 2015: 10f.). Eine solche darf nicht nur die universitätsinternen Gegebenheiten und Strukturen in den Blick nehmen, sondern muss auf einem kritischen Dialog auf Augenhöhe mit dem Arbeitsmarkt, der Gesellschaft und den Institutionen basieren. Wie stark Mira Kadrić’ translationsdidaktisches Denken in einen gesellschaftlichen und europäischen Kontext eingebettet ist, zeigt sich auch in ihrer Konzeption neuer Ausbildungswege. Die Vielzahl der Sprachen, die zu einer „Superdiversität“ (2019b) in der heutigen Gesellschaft führt, macht es notwendig, dass die Ausbildung auf diese neuen Herausforderungen reagiert. Mobilität, Migration und damit zusammenhängend ein wachsender und sich ändernder Sprachenbedarf müssen auch eine Flexibilisierung und Diversifizierung der Ausbildung bedeuten. Mira Kadrić’ Konzeption eines postgradualen Universitätslehrgangs für gerichtlich beeidete DolmetscherInnen, in dem über den „klassischen“ Sprachenkanon der Universität hinausgegangen wird, ist einerseits im gesellschaftlichen Auftrag verankert, den Universitäten als (Aus-)Bildungsstätten haben, und beruht andererseits auf interdisziplinärem Dialog zwischen Translations- und Rechtswissenschaft und institutioneller Kommunikation mit Behörden und Gerichten (2019a: 160-169 und Bodo in diesem Band). Gleichzeitig schaffen die dynamischen gesellschaftlichen Entwicklungen neue Betätigungsfelder und damit auch Möglichkeiten für Dolmetscher*innen. Ein Bewusstsein für die nötigen Qualifikationen und Anforderungen in so unterschiedlichen Bereichen wie dem Dolmetschen im Medizintourismus, dem Schriftdolmetschen oder Militärdolmetschen zu schaffen, ist Mira Kadrić ein Anliegen. Für Studierende aber auch erfahrene Dolmetscher*innen erschließt Vom Mut über Grenzen zu gehen 23 sie in dem Sammelband Besondere Berufsfelder für Dolmetscher*innen (Kadrić 2019c) eine Reihe dieser neuen Berufszweige, wobei viele der Beiträge von ihren Dissertantinnen verfasst wurden (siehe auch Havelka et al. in diesem Band). 5 Wissenschaft als Forschungsreise Originalität und Innovation als wissenschaftliche Leitinien sind bei Mira Kadrić niemals Selbstzweck - ebenso wenig wie Datenfetischismus und Methodenfixiertheit. Wissenschaft hat für sie einen gesellschaftlichen Auftrag zu erfüllen und dementsprechend ist Wissenschaft immer auch Dialog mit anderen Disziplinen, mit der Gesellschaft und mit ihren Menschen. Ziel ist es dabei, fachliche, kulturelle und soziale Grenzen zu überwinden, um so eine dolmetscherische Haltung zu etablieren und zu leben, die allen Beteiligten eine Teilhabe an der Gesellschaft ermöglicht, und damit letztlich zu einer gerechteren Welt beizutragen. Wissenschaftliches Arbeiten ist letztlich immer auch eng mit der Persönlichkeit eines Menschen verbunden. Es ist daher selbstverständlich, dass Mira Kadrić diese Prinzipien auch außerhalb der akademischen Welt vertritt. Dies gilt unter anderem für ihre Affinität zur Kunst, die nicht nur in ihrer Habilitationsschrift mit der Einbeziehung von theaterpädagogischen Methoden zum Ausdruck kommt, sondern auch in einer Reihe von Ausflügen in angrenzende Fachbereiche, wenn sie sich zum Beispiel mit der Übersetzung von Comics (Kadrić & Kaindl 1997), fiktionalen Darstellungen von Dolmetscher*inen (Kadrić 2008b) und Übersetzer*innen (Kadrić 2010 f) oder Autobiographien von Dolmetscher*innen (Kadrić 2017a) auseinandersetzt. Ihre künstlerischen Interessen, die sich im literarischen Schreiben und Malen manifestieren, schreiben letztlich auch im Privaten das fort, was sie im Beruflichen lebt. In diesem Sinne gilt, was der Performancekünstler, Aktivist und Pädagoge Guillermo Gómez-Peña über Kunst sagt, auch für die Wissenschaft, wie sie Mira Kadrić betreibt: „Ihre Funktion ist es, zu überschreiten, Brücken zu bauen, zu verbinden, zu reinterpretieren, umbilden und redefinieren; die äußere Grenzen der eigenen Kultur zu finden und diese Grenzen zu überwinden.“ (Gómez- Peña 1996: 12) In diesem Sinne wünschen wir der Grenzgängerin Mira Kadrić für ihr weiteres wissenschaftliches Arbeiten und Wirken viele Forschungsreisen zu neuen und über neue Grenzen. 24 Klaus Kaindl & Sonja Pöllabauer Bibliographie European Commission (2011). Final Report. Special Interest Group on Translation and Interpreting in Public Services. European Commission, DG Interpretation. Abrufbar unter: www3.uah.es/ traduccion/ pdf/ SIGTIPS%20Final%20Report.pdf (Stand: 16/ 12/ 2020). Gómez-Peña, Guillermo (1996). The New World Border . New York: City Light Books. Kadrić, Mira (1991). 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Las Palmas de Gran Canaria: Servicio de Publicationes y Difusión Científica, 39-52. Zum Inhalt der Festschrift 29 Zum Inhalt der Festschrift Dalibor Mikić Uns HerausgeberInnen war bereits am Anfang klar, dass wir den interdisziplinären Dialog als Leitmotiv in Mira Kadrić’ Schaffen unbedingt in der Auswahl der Beiträge aufgreifen wollten: Aus diesem Grund besteht die Festschrift sowohl aus translationswissenschaftlichen als auch aus juristischen Beiträgen. Insgesamt gliedern sich 16 Beiträge in vier thematische Dialoge . Die Bilder, die die Festschrift rahmen, wurden von dem renommierten österreichischen Künstler Josef Schützenhöfer angefertigt, der mit dem Ehepaar Mira Kadrić und Oliver Scheiber befreundet ist. Josef Schützenhöfer ist - ähnlich wie Mira Kadrić - ein Grenzgänger, der mit seinen plastischen Bildern Haltung zeigt. Kunst ist für ihn immer auch politisch: Sei es in seinen Porträts von George W. Bush, Papst Benedikt XVI. oder dem ehemaligen österreichischen Bundespräsidenten Thomas Klestil, sei es in seiner künstlerischen Auseinandersetzung mit Österreichs nationalsozialistischer Vergangenheit oder mit dem politischen Umgang mit flüchtenden Menschen. Wir freuen uns sehr, dass er sich bereit erklärt hat, diesen Band mit seinen ausdrucksstarken Porträts zu bereichern und danken auch Oliver Scheiber, dem spiritus rector der Festschrift, dass er den Kontakt hergestellt hat. 1 Im Dialog mit den BedarfsträgerInnen In dieser Sektion wird das Dolmetschen für die unterschiedlichsten BedarfsträgerInnen präsentiert, angefangen von Asylsuchenden, über Häftlinge bis hin zu EU-BeamtInnen. Den Auftakt dabei bildet Mira Kadrić’ Doktormutter und Mentorin Mary Snell-Hornby mit einem Beitrag über die Bedeutung einer funktionierenden Zusammenarbeit von staatlichen und nichtstaatlichen Behörden, BürgerInnen und Asylsuchenden als wesentlicher Erfolgsgarant für die Multiminoritätengesellschaft. Unter diesem Gesichtspunkt betrachtet sie zwei authentische Fallbeispiele aus der jüngeren Vergangenheit in Vorarlberg. Das erste Fallbeispiel skizziert den fast schon vorbildlichen Werdegang einer jungen geflüchteten Syrerin. Im extremen Gegensatz dazu das zweite Fallbeispiel: der durch einen 30 Dalibor Mikić Asylsuchenden verübte Mord am Leiter einer sozialen Einrichtung in Dornbirn. In der Gegenüberstellung dieser beiden Beispiele geht Snell-Hornby auf die möglichen Ursachen und Folgen gelungener bzw. misslungener (transkultureller) Kommunikaton ein. Auch Franz Pöchhacker widmet sich dem Asylbereich, doch stehen bei ihm die Handlungsmacht der Dolmetscherin und der damit verbundene potentielle Einfluss auf den Inhalt und Verlauf einer gedolmetschten Befragungssituation im Fokus. Am Beispiel einer dreistündigen Berufungsverhandlung, die 2006 am heutigen Bundesverwaltungsgericht durchgeführt wurde, untersucht Pöchhacker mittels Diskursanalyse die aktive Rolle der Dolmetscherin. In ausgewählten Exzerpten wird das translatorische Handeln vor allem als protokollorientiertes Dolmetschen sichtbar gemacht, welches zwar von der verhandlungsleitenden Beamtin gewünscht und dadurch als Expertenhandeln wahrgenommen wird, sich an den Bedürfnissen des Berufungswerbers jedoch kaum orientiert. Caterina Falbo beschäftigt sich in ihrem Beitrag mit Höflichkeit in gedolmetschter Kommunikation. Sie vergleicht die Höflichkeitsmodelle von Penelope Brown und Stephen C. Levinson und Catherine Kerbrat-Orecchioni miteinander, die sie kontrastierend auf dieselben drei Fallbeispiele anwendet. Die Beispiele entstammen einer authentischen gedolmetschten Nachuntersuchung, die 2011 an einem Pariser Krankenhaus durchgeführt wurde. Falbo hält fest, dass Kerbrat-Orecchionis Modell eine Weiterentwicklung des Modells von Brown und Levinson ist: Vielmehr ließe sich dadurch die Höflichkeit in zwischenmenschlichen Interaktionen differenzierter erfassen, wodurch eine präzisere Untersuchung gedolmetschter Gespräche möglich wäre. Im Mittelpunkt von Erik Hertogs Beitrag steht das sogenannte Social Interpreting in Flandern , welches eine Schlüsselrolle bei der Integration von Neuankömmlingen und Personen mit Migrationshintergrund spielt . Nach einer kurzen Begriffserklärung beschreibt Hertog die Entwicklung der letzten zwanzig Jahre des Social Interpreting in Flandern. In dieser Zeit hat sich Flanderns Demographie stark gewandelt, wodurch der Bedarf nach entsprechenden Dolmetschdiensten wuchs. Aktuell existieren vier Social-Interpreting- Dienste in Flandern, zu denen Hertog Informationen liefert (Auftragsumfang, Dolmetschqualität und DolmetscherInnenausbildung, Zertifizierungsprozess, Bedarfssprachen und die Rolle der Wissenschaft bei der Entwicklung und Weiterentwicklung des Angebots). Auch der gemeinsame Beitrag von Heidi Salaets, Katalin Balogh und Stefan Aelbrecht weist einen Belgienbezug auf, allerdings mit einer anderen thematischen Schwerpunktsetzung: fremdsprachige Häftlinge als BedarfsträgerInnen, denen in Belgien oft das Recht auf Dolmetschung verwehrt wird. Die AutorInnen präsentieren hier die Aussagen von neun Häftlingen, die im Rahmen des Zum Inhalt der Festschrift 31 DG Justice-Projekts TransLaw zur Kommunikation durch DolmetscherInnen interviewt wurden. Das Projekt TransLaw wurde von Mira Kadrić in Kooperation mit den Universitäten Wien, Maribor, Triest und der belgischen KU Leuven ins Leben gerufen. Karin Reithofer geht in ihrem Beitrag der Frage nach, ob gleichberechtigte Mehrsprachigkeit tatsächlich auch so von den Institutionen und Organisationen der EU praktiziert wird. Nach einer Einleitung zur offiziellen Sprachenpolitik der EU, befasst sich Reithofer mit der internen und externen Kommunikation von Institutionen, wie zum Beispiel dem Europaparlament oder dem Rat der EU. Des Weiteren hält sie fest, dass in vielen Organisationen der EU aus pragmatischen Gründen oftmals Englisch als einzige Arbeitssprache angeboten wird, zu Lasten vieler BeamtInnen, deren Erstsprache eine andere ist. Die Entwicklung von der Mehrsprachigkeit, der sich die EU eigentlich verschrieben hat, zur Einsprachigkeit als De-facto-Kommunikationsmodus innerhalb der Institutionen sieht Reithofer kritisch. Auf die Bedeutung der Mehrsprachigkeit in der EU geht auch Carmen Valero-Garcés in ihrem Beitrag ein. So setzt sie sich konkret mit der Entwicklung der Mehrsprachigkeit am Beispiel der neuen Bedarfssprachen im behördlichen Bereich im letzten Jahrzehnt auseinander. Längst wird nicht nur bei großen Konferenzen gedolmetscht; Mehrsprachigkeit und gedolmetschte Interaktion gehören mittlerweile zum Alltag vieler nationaler Institutionen und Behörden. Dass das Dolmetschen in diesem Bereich immer mehr an Bedeutung gewinnt, zeigt sich besonders im Interesse aktueller dolmetschwissenschaftlicher Beiträge an derartigen Fragestellungen, aber auch in einem größer werdenden spezialisierten Ausbildungsbzw. Weiterbildungsangebot für das Dolmetschen für Gerichte und Behörden. 2 Im Dialog mit der Gesellschaft In dieser Sektion stehen die rechtlichen Dimensionen von dolmetschbezogenen Fragestellungen im Mittelpunkt. Aus pragmatischen Gründen entschieden wir, den Zitationsstil der Rechtswissenschaften an die Konventionen der Translationswissenschaft anzugleichen. Oliver Scheiber setzt sich in seinem Beitrag mit dem Begriff der Würde auseinander, die in Mira Kadrić’ wissenschaftlichem und didaktischem Werk eine treibende Kraft spielt. Scheiber tastet sich an den Begriff der Würde zunächst philosophisch heran, um ihn dann schließlich konkret im Kontext des Gerichts- und Behördendolmetschens zu beleuchten. So zeigt sich die Würde hier unter anderem auch als gleichberechtigte Kommunikation zwischen VertreterInnen von Gerichten und Behörden und fremdsprachigen Personen. Sie zeigt sich aber 32 Dalibor Mikić auch in der Würde der DolmetscherInnen, wenn ihr translatorisches Handeln allparteilich geprägt ist und somit zu einem fairen Prozess beitragen kann. Alexia Stuefer lässt in ihrem Beitrag „Stimmen“ unterschiedlicher österreichischer Rechtsnormen „zu Wort kommen“, die sich über die Bedeutung der Sprache(n) äußern. So werden beispielsweise Passagen aus der Verfassung und aus der Strafprozessordnung zitiert, in denen der Umgang mit den Minderheitensprachen, der Gebärdensprache aber auch das Recht auf Translationsleistungen thematisiert wird. Im zweiten Teil ihres Beitrags setzt sich Stuefer vor allem mit den österreichischen Rechtsnormen zum Dolmetschen im Strafverfahren auseinander. Monika Stempkowski und Christian Grafl befassen sich ebenfalls mit dem Dolmetschen im Strafverfahren. In ihrem kriminalpsychologischen Beitrag gehen sie der Frage nach, wie sich das Dolmetschen auf die Lügenerkennung im Strafverfahren auswirkt. VernehmungsexpertInnen machen Lügen nämlich an inhaltlichen Kriterien fest, die durch entsprechende Techniken, wie zum Beispiel durch das kognitive Interview, erhoben werden. Die AutorInnen beschreiben zunächst grundlegende Interviewtechniken und allgemeine Lügenmerkmale, bevor sie auf die potentiellen Schwierigkeiten bei gedolmetschten Vernehmungen übergehen. Vor diesem Hintergrund thematisieren sie auch die Rolle von DolmetscherInnen, heben jedoch gleichzeitig hervor, dass zu diesem Themenfeld noch kaum aussagekräftige Forschungsergebnisse vorliegen. Richard Soyer stellt in seinem Beitrag die Frage, was juristische Ausbildung leisten kann und soll und beschreibt in diesem Zusammenhang die von ihm initiierten Law Clinics bzw. Rechtsambulanzen an der Karl-Franzens-Universität Graz und an der Johannes-Kepler-Universität Linz. Soyer geht im Detail auf die Inhalte, den Ablauf und den Mehrwert praxisbezogener Lehrveranstaltungen ein. Resümierend hält er fest, dass durch die Kombination von Theorie und Praxis an Law Clinics und das dort vorherrschende learning by doing bestimmte Sachverhalte für Studierende nachvollziehbarer werden, was wiederum motivierend wirkt. Soyer sieht die Zukunft rechtswissenschaftlicher Curricula an österreichischen Universitäten in einem stärkeren Praxisbezug. Als Beispiel nennt er das Curriculum für das neue Bachelorstudium Rechtswissenschaften an der Johannes-Kepler-Universität Linz, in welchem eine stärkere Verzahnung von Theorie und Praxis vorgesehen ist. 3 Im Dialog mit Lernenden und Lehrenden Im Dialog mit Lernenden und Lehrenden finden sich Beiträge über die Entstehung eines Lehrbuchs für eine besondere Zielgruppe und über Ausbildungs- und Weiterbildungsangebote für das Dolmetschen für Gerichte und Behörden. Zum Inhalt der Festschrift 33 Christina Schäffners Beitrag handelt vom Entstehungsprozess des noch nicht veröffentlichten Lehrbuchs Interpreting in political and diplomatic contexts - explained , welches in gemeinsamer Autorinnenschaft mit Mira Kadrić und Sylvi Rennert verfasst wurde. Es basiert auf Kadrić’ und Zanoccos Buch Dolmetschen in Politik und Diplomatie (2018). Schäffner thematisiert anhand einiger Beispiele die Probleme bei der Adaption dieses Buchs. Eine große Herausforderung in der englischsprachigen Überarbeitung bestand darin, die Bedürfnisse einer globalen heterogenen LeserInnenschaft zu antizipieren. Die deutschsprachige Version konnte für diese Zwecke nicht einfach übersetzt werden, da sie einerseits einen zu starken Bezug zum DACH-Raum, vor allem Österreich, hatte. Andererseits entspricht beispielsweise der deskriptive Stil des deutschsprachigen Studienbuchs nicht unbedingt den Konventionen und Anforderungen englischsprachiger Lehrbücher, was das Autorinnenteam bei der Adaption berücksichtigen musste. Ana-Maria Bodo widmet sich in ihrem Beitrag der universitären Weiterbildung am Beispiel des von Mira Kadrić geleiteten postgradualen Universitätslehrgangs Dolmetschen für Gerichte und Behörden , der 2016 an der Universität Wien als Reaktion auf die Flüchtlingskrise 2015/ 16 eingerichtet wurde. Der Lehrgang wurde zunächst als zweisemestriger Grundlehrgang für die Bedarfssprachen Arabisch, Dari/ Farsi und Türkisch angeboten, bis er schließlich 2018 um ein Master-Upgrade erweitert wurde. Mittlerweile werden auch Albanisch und Chinesisch angeboten. Bodo, die nicht nur für das Management des Universitätslehrgangs zuständig ist, sondern bei Mira Kadrić auch eine Dissertation über den Universitätslehrgang schreibt, fokussiert sich in ihrem Beitrag vor allem auf die TeilnehmerInnen, deren Heterogenität - beispielsweise durch die unterschiedlichen beruflichen und akademischen Werdegänge - auffallend ist. Sylvi Rennerts Beitrag befasst sich ebenso mit der Aus- und Weiterbildung für DolmetscherInnen und NutzerInnen im Rechtsbereich. Rennert gibt zunächst einen Überblick über die verschiedenen Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten und stellt schließlich das interdisziplinäre DG Justice-Projekt TransLaw an der Universität Wien vor, in dem sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig war. Im Fokus dieses internationalen Projektes stand die Verbesserung der interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen DolmetscherInnen und JuristInnen, die beispielsweise in Wien in Form einer transkulturellen LawClinic für Studierende der Translationswissenschaft und der Rechtswissenschaften und eines gemeinsamen Workshops für angehende GerichtsdolmetscherInnen und RichteramtsanwärterInnen durchgeführt wurde. Vlasta Kučiš‘ Beitrag ist der dritte und letzte Beitrag zu TransLaw , wobei der Fokus auf der Projektimplementierung an der Universität Maribor liegt. Kučiš beginnt mit einer allgemeinen Einführung in die Situation des Gerichts- 34 Dalibor Mikić dolmetschens in Slowenien und beschreibt unter anderem die Zulassungs- und Professionalisierungskriterien für DolmetscherInnen. Danach präsentiert sie die im Rahmen von TransLaw eingeführte Lehrveranstaltung Mehrsprachige und transkulturelle Kommunikation in Strafverfahren , welche in Kooperation mit dem Lehrstuhl für Translationswissenschaft und der Rechtswissenschaftlichen Fakultät an der Universität Maribor abgehalten wird. 4 Im Dialog mit der nächsten Generation Den Abschluss bildet ein gemeinsamer Beitrag von Mira Kadrić’ DissertantInnen: Katia Iacono, Ivana Havelka, Judith Platter und Katherina Sinclair sind ehemalige DissertantInnen, und Dalibor Mikić ist derzeit Dissertant. Die AutorInnen beschreiben den Entstehungsprozess einer Dissertation, indem sie sich der Metapher des Marathons bedienen: Aus der Sicht einer fiktiven Ich-Erzählerin lassen sie die wichtigsten Etappen ihres „Dauerlaufs“ Revue passieren: angefangen vom Erstgespräch bis hin zum Rigorosum und dem beruflichen Werdegang danach. Obwohl die AutorInnen der Würdigung von Mira Kadrić natürlich eine zentrale Rolle zukommen lassen, bietet dieser Beitrag für angehende DissertantInnen durchwegs nützliche Informationen. Abschließend bleibt uns als HerausgeberInnen noch die angenehme Aufgabe, uns besonders bei Harald Pasch und Maria Bernadette Zwischenberger für die engagierte und umsichtige Unterstützung bei der redaktionellen Arbeit für diese Festschrift zu bedanken. Veröffentlichungen Mira Kadrić 37 Veröffentlichungen Mira Kadrić Kadrić, Mira/ Rennert, Sylvi/ Schäffner, Christina (2021). Interpreting in political and diplomatic contexts - explained . London/ New York: Routledge. 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Sie haben in unsere Kunst und Literatur Eingang gefunden, auch sogar in die Popkultur, wie etwa als Songtext im Musikalbum „Waters of Babylon“ von Don McLean. Ansonsten sind sie uns in anderer Form besonders vertraut, wie eben im berühmten Gefangenenchor „Va’, pensiero“ aus der Oper „Nabucco“ in der Musik von Giuseppe Verdi. Die historischen Fakten sind im Alten Testament belegt: nachdem im Jahr 586 v. Chr. ihre heilige Stadt Jerusalem von den Babyloniern unter König Nebukadnezar II (Verdis „Nabucco“) erobert und teilweise zerstört worden war (2. Buch der Könige 24), wurden die Juden nach Babylon verschleppt, wo sie jahrzehntelang in Gefangenschaft lebten. Der Psalm 137 ist ein Klagelied, das ihre Sehnsucht nach der verlorenen Heimat zum Ausdruck bringt. In Wirklichkeit lebten viele von ihnen im babylonischen Exil aber gar nicht schlecht: Es wurden vor allem die mächtigen, starken und gut ausgebildeten Männer mitgenommen und etwa als Zimmerleute und Schmiede eingesetzt (die Ärmsten und Schwächsten wurden zurückgelassen, 2. Buch der Könige 24,14); der Prophet Daniel wurde sogar zum Gouverneur ernannt (Buch Daniel 2,48). In der heutigen Diktion würden wir viele der damals exilierten Israeliten als bestens integrierte Fachkräfte bezeichnen. Auffallend an dieser Geschichte aus dem alttestamentarischen Babylon ist ihre Vergleichbarkeit mit der heutigen Situation in Europa, man könnte meinen, ihre Aktualität, - mit dem Unterschied, dass Menschen nicht gewaltsam aus ihrem Heimatland verschleppt, sondern sich wegen der dortigen Zerstörung und Gewalt gezwungen sehen, sie - in umgekehrter geografischer Richtung 46 Mary Snell-Hornby und unter welchen Umständen auch immer - zu verlassen und zu versuchen, in einem fremden Land aufgenommen zu werden, also um Asyl zu suchen. Und daraus ergeben sich bekanntlich viele Herausforderungen: Im vorliegenden Beitrag beschäftigen wir uns mit den kommunikativen Abläufen bzw. Hürden, die durch unterschiedliche Kulturen, gesellschaftliche Stellung und nicht zuletzt rechtliche Vorschriften entstehen. 1 Pionierarbeit im Dialogdolmetschen Ein wichtiges Bindeglied zwischen den Asylsuchenden und den Einheimischen bzw. den zuständigen Behörden wird üblicherweise im sprachlichen Bereich gesehen, also im Erlernen der fremden Sprache, aber auch im Übersetzen und Dolmetschen, vor allem im Dialogdolmetschen. Diese Thematik ist in der wissenschaftlichen Arbeit von Mira Kadrić von besonderer Bedeutung, weil sie zu den PionierInnen in Forschung und Lehre des Dialogdolmetschens gehört. Am Anfang ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit in den 1990er-Jahren verstand man unter Dolmetschen fast ausschließlich das Konferenzdolmetschen, und zwar innerhalb der großen Weltsprachen. Selbst das Gerichtsdolmetschen war an den Ausbildungsinstituten ein Randthema. Mit ihrer Dissertation, zuerst 2000 als Dolmetschen bei Gericht. Anforderungen, Erwartungen, Kompetenzen erschienen (vgl. auch die überarbeitete Neufassung Kadrić 2019), leistete sie einen wesentlichen Beitrag zur Bewusstseinsbildung für die Thematik im deutschsprachigen Raum. Im Laufe ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit wurde das Spektrum auf community interpreting , also das Dialogdolmetschen, erweitert, inklusive die damit verbundene Didaktik des Dolmetschens, wie in ihrem Buch Dialog als Prinzip (2011) beschrieben wird. Später kamen Bereiche, die sich mit „ausgesuchten ‚Bedarfssprachen‘“ (Scheidl 2020) befassten. Ein Höhepunkt auf diesem Gebiet war im Wintersemester 2016/ 17 die Einführung des Universitätslehrgangs „Dolmetschen für Gerichte und Behörden“ am Zentrum für Translationswissenschaft in Wien, mit den Sprachen Arabisch, Dari/ Farsi und Türkisch; weitere Sprachen (derzeit Albanisch und als Erweiterungsstudium in Planung Kurdisch) kamen hinzu. Diese postgraduale Weiterbildung in „seltenen“ Sprachen für DolmetscherInnen u. a. im Justizbereich, bei Polizei und Asylbehörden war überfällig - und es war Mira Kadrić Verdienst, diese in die Universitätslandschaft integriert zu haben (s. auch Reichart 2020). Inzwischen ist die Fachliteratur zum Thema Dialogdolmetschen (sowie in verschiedenen Ländern das praktische Angebot) für Außenstehende nicht mehr überschaubar: Das muss gewürdigt werden, kann aber in diesem Beitrag nicht angemessen erörtert werden. Stattdessen möchte ich mich auf kulturelle und soziale Aspekte konzentrieren und zwei konkrete Fälle beschreiben, die zei- Zur Kulturellen Dimension bei der Kommunikation mit Asylsuchenden 47 gen sollen, wie wichtig die Zusammenarbeit - und damit die transkulturelle Kommunikation - zwischen NGOs, Behörden und einheimischen BürgerInnen einerseits und Asylsuchenden andererseits für das Gelingen ihrer Integration und letztendlich für die Qualität des künftigen Zusammenlebens in Europa wäre. Beide Fälle stammen aus Vorarlberg, einem Land mit einer langen Geschichte menschlicher Zu- und Abwanderung, mit allen möglichen Folgen. 2 Die Floristin Bei der jungen Syrerin Nour verlief die Kommunikationskette vorbildlich. Sie ist derzeit, im Sommer 2020, als Lehrling in einem Blumengeschäft in Bregenz beschäftigt. Dieses ist ein Familienbetrieb, und der Inhaber ist sehr bemüht, sie zu fördern - und zu behalten. Nour besucht die Berufsschule, hat die gleichen Pflichten und Rechte wie alle anderen MitarbeiterInnen, inklusive eines freien Tags pro Woche, und sie wird von einer Familienangehörigen betreut, die ihr beim Deutschunterricht behilflich ist. Sowohl Nour als auch ihre Betreuerin waren gerne bereit, im Rahmen eines Gesprächs ihre Geschichte - auf Deutsch - zu erzählen. Nour stammt ursprünglich aus Damaskus, und dort ging sie als Kind zur Schule. Als die Bombardierungen - im frühen Stadium des Krieges - immer bedrohlicher wurden, beschloss der Vater, mit der ganzen Familie (neben der Mutter auch einem älteren Bruder und zwei kleineren Kindern) das Land zu verlassen. Die nächsten Jahre verbrachten sie im Libanon, dort besuchte Nour die Mittelschule. Den Sprung nach Österreich sowie die weitere Betreuung verdankt die Familie der Caritas: So kam sie mit dem Flugzeug nach Wien, ein Dolmetscher mit arabischer Muttersprache wurde zur Verfügung gestellt, eine Unterkunft organisiert. Die notwendigen behördlichen Maßnahmen sowie die Verteilung der verschiedenen Familien und die Entscheidungen über deren weitere Destinationen übernahm ebenfalls die Caritas. So kam Nour mit ihren Angehörigen und anderen Familien mit einem Bus nach Vorarlberg. Dies geschah gegen Ende des Jahres 2015, als mit der immer größer werdenden Zahl an flüchtenden Menschen und der teilweisen Aussetzung von Grenzkontrollen die zunächst vorherrschende Willkommenskultur ins Gegenteil kippte. Von diesem Stimmungsumschwung bekam Nour wenig mit, sie war als Dreizehnjährige zunächst vor allem von dem Schnee auf den Bergen begeistert. Nach der Ankunft in Vorarlberg wurden für die verschiedenen Familien Unterkünfte gefunden und weitere notwendige Maßnahmen getroffen. Bei der Frage, wer bzw. welche Organisation für welche Leistungen zuständig war, wird Nours Erzählung allerdings etwas unklar. Klar war hingegen die freundliche Begrüßung der BewohnerInnen von Rohrbach, dem Stadtteil von Dornbirn, wo 48 Mary Snell-Hornby die Familie untergebracht wurde; das „Übersetzen“ übernahm der ältere Bruder über das Englische. Ansonsten gab es anscheinend - neben der Caritas - eine ganze Reihe von Institutionen, die Nour auf ihrem weiteren Weg in Vorarlberg geholfen haben. Gesprochen habe ich mit der Projektleiterin der ÜBA (Überbetriebliche Lehrausbildung) des Vereins FAB (Förderung von Arbeit und Beschäftigung), einer Unterabteilung des AMS. Sie hatte Nour an das Blumengeschäft vermittelt, war mit ihrem Fall (und mit vielen anderen auch) bestens vertraut und bezeichnete Nour als ein „Paradebeispiel“. Das ist sicherlich ein Idealfall, aber keineswegs eine Ausnahme: Wenn alle Instanzen funktionieren, kann die Integration rasch erfolgen und erfolgreich sein. Am wichtigsten war wohl das vorbildliche Wirken der Caritas, die alle Grundbedürfnisse erkannt, die behördlichen Hürden beseitigt und den Weg zu den Organisationen in Vorarlberg geebnet hat. Hinzu kamen das geregelte Leben mit regulärem Schulbesuch im Libanon und die Hilfsbereitschaft der Menschen in Rohrbach sowie der Vermittlungsorganisationen und des Gastbetriebs. Ganz wesentlich war aber auch die Eigenverantwortung und das Engagement der jungen Syrerin selbst: in der Schule, beim Erlernen der Sprache, bei der Lehre im Betrieb und in der Bereitschaft, sich in grundlegenden Fragen der Kultur des Gastlandes anzupassen, ohne ihre eigene Identität aufzugeben. Das ging freilich nicht ganz ohne Probleme: Ihr Wunschberuf wäre eigentlich Köchin gewesen. Als sie aber erfuhr, dass dazu das Probieren von Gerichten mit Schweinefleisch gehörte, sagte sie ab und begann die Lehre zur Floristin. Ihr Kopftuch will sie auch nicht ablegen, ihr Umfeld stört das nicht. Soziale Kontakte in der Berufsschule sind aber nicht immer leicht herzustellen. Auf die Frage, wo sie in zehn Jahren sein möchte, antwortet sie trotzdem: „In Vorarlberg“. Man kann es ihr nur wünschen: Wenn dieser Aufsatz erscheint, wird ihre Lehre beinahe beendet und ihre fünfjährige Aufenthaltserlaubnis abgelaufen sein. 3 Zahlen, Fälle oder Menschen? Wenn von Asylsuchenden die Rede war, wurde zu der Zeit in den internationalen und deutschsprachigen Medien von immensen Zahlen geschrieben, die nicht zu bewältigen wären, und auch eine Zuwendung wie bei Nour wäre nicht immer leicht durchzuführen. Man erfährt auch von Fällen, die unser Sozialsystem missbrauchen wollen oder einfach kriminell sind. Aber auch das sind Probleme, die mit etwas mehr Wohlwollen, Empathie und Menschenkenntnis, organisatorischem Geschick und auch sprachlicher und transkultureller Kompetenz zumindest verringert werden könnten. In seinem Buch Mut zum Recht! Plädoyer für einen modernen Rechtsstaat (2019) schreibt der Richter Oliver Scheiber immer wieder von Kleinkriminellen, auch unter Einheimischen, die unsere Gefängnisse überbevölkern und das Rechtssystem überlasten (während große Wirtschaftsdelikte weniger genau behandelt werden, aber ungleich mehr Schaden zufügen): Man konzentriert sich auf die Tat selbst und weniger auf den Täter oder die Täterin und deren Hintergrund. Mit der Überwindung der „Klassenjustiz“ könnten die Urteile und letztendlich die gesellschaftlichen Auswirkungen in unserem Rechtsstaat anders aussehen: Leitprinzipien der Justiz müssen der einfache, gleiche Zugang zum Recht und das faire Verfahren sein. Das muss sich in Informationspolitik, Sprache und Kommunikation der Justiz niederschlagen. Die Justiz muss innerhalb und außerhalb des Gerichtssaals verständlich, fair und empathisch agieren und kommunizieren. (2019: 72) Diese These möchte ich nun auf den zweiten Fall im Bereich des Asyls anwenden, der aufzeigt, wie verhängnisvoll die Kulturproblematik bei mangelnder Kommunikation und Kooperation und dem daraus entstehenden Fehlverhalten sein kann. 4 „Du hättest nur nett sein müssen“ Der Mord am Leiter der Sozialhilfeabteilung in Dornbirn durch einen Asylwerber im Februar 2019 hat österreichweit für Empörung gesorgt. Auch das politische Klima wurde vergiftet und sogar die Möglichkeit einer „Sicherungshaft“ für Asylsuchende zur Sprache gebracht. Der Prozess gegen den 35-jährigen Angeklagten Soner Ö. fand Anfang 2020 statt, das Urteil war einstimmig und eindeutig: Lebenslang wegen Mordes. Die Handlung sei „äußerst brutal, rachsüchtig und heimtückisch“ hieß es in der Begründung des Richters (Berger 2020a: 10). Als ausschlaggebend wurde der Vortrag des Gerichtsmediziners über die Tat erachtet, der die exzessive Wucht des tödlichen Messerstichs ausführlich darstellte (Berger 2020a: 10). Das wäre nach Scheiber ein eklatantes Beispiel für die Fokussierung auf die Tat und weniger auf den Täter. Dessen Hintergrund und die Vorgeschichte der Tat wurden in den meisten Medien eher skizzenhaft dargestellt, wobei aber klar sein müsste, dass es sich bei Soner Ö. um keinen klassischen Flüchtling handelt: In Vorarlberg geboren und aufgewachsen, als Jugendlicher in die Drogenszene und Kleinkriminalität geraten, mehrfach verhaftet und in die Türkei abgeschoben, versuchte er vielmehr, die Möglichkeiten des Asylrechts zu benutzen, um nach Vorarlberg zurückzukehren. Wie genau es dazu kommen konnte, wurde von der Journalistin Edith Meinhart 2019 im Magazin profil (2019: 32-36) ausführlich beschrieben, und zwar nach „Gesprächen mit Sozialarbeiterinnen, Streetworkern, Drogenberatern, Lehrern, Polizisten, Anwälten, türkischen und kurdischen Einwanderern“ (2019: 43). Die relevantesten Aspekte für unser Thema im Lebensweg des Zur Kulturellen Dimension bei der Kommunikation mit Asylsuchenden 49 50 Mary Snell-Hornby Soner Ö. können wie folgt zusammengefasst werden: Der Vater kam 1971 aus Anatolien nach Vorarlberg als einer der ersten „busweise angekarrten Gastarbeiter“ (Meinhart 2019: 34), von den Einheimischen nicht erwünscht, aber von der Industrie als Hilfsarbeiter gebraucht. Die Unterbringung war entsprechend primitiv. Integration war kein Thema, vielmehr sollten die Migrantenkinder durch muttersprachlichen Unterricht „fit für die Rückkehr“ in ihre Heimat gemacht werden. Der 1991 eingeschulte Soner Ö., den eine Lehrerin als „charmant, ein Sonnenschein“ beschrieb (2019: 35), landete aber immerhin in einer der ersten Inklusionsklassen. Als er zwölf ist, passiert jedoch ein Zwischenfall, die Polizei wird gerufen, ein Gendarm droht ihm „Du wirst abgeschoben“. Mit 14 gerät er in eine Gang von Kleinkriminellen, hat jahrelang Probleme mit Drogen und verschiedenen Straftaten (damals ohne sozialpädagogische Angebote) samt Anzeigen, Verwaltungs- und Haftstrafen und schließlich 2009 der Abschiebung in die Heimat seiner Vorfahren (wo er nie Fuß fasste) und dem damit verbundenen Rückkehrverbot. Anfang 2019 probierte er aber zu seiner Familie in Vorarlberg, „in meine Heimat“, zurückzukehren - als Asylwerber. (Berger 2020b: 10). Der zuständige Leiter der Sozialhilfeabteilung ist zufällig dieselbe Person, die als Gendarm dem 12jährigen mit Abschiebung drohte und später als Fremdenpolizist diese tatsächlich durchführen ließ: Da ihn nun Soner Ö. wiedererkennt und zudem u. a. aus bürokratischen Gründen seine Grundversorgung nicht erhalten hat (er ist nicht versichert und mittellos), sticht er voller Wut auf den Amtsleiter ein. Das ist ein natürlich ein Extremfall - aber in den grundsätzlichen Fragen des sozialen Hintergrunds und der schiefgelaufenen kulturellen Kommunikation auch ein abschreckendes Beispiel. Anstelle der organisierten Kommunikationskette wie bei der jungen Syrerin bestehen hier scheinbar unversöhnliche Gegensätze, verhängnisvolle Zufälle und vermeidbare Missstände. Hier das eher unerwünschte kurdische Gastarbeiterkind, dort der Amtsinhaber aus einer angesehenen alteingesessenen Familie; hier der Versager, der glücklose türkische Kleinkriminelle, dort der Gendarm, der abschiebende Fremdenpolizist, der spätere zuständige Amtsleiter und schließlich das Mordopfer, fatalerweise allesamt dieselbe Person, der Soner Ö. vor seiner Tat sagte: „Du hättest nur nett sein müssen“. Dazu kamen bürokratische Pannen etwa bezüglich der Grundversorgung sowie Unwissen des Asylwerbers in rechtlichen Fragen wie bei der früheren Abschiebung (Meinhart 2019: 35). An der sprachlichen Kommunikation lag es nicht: Vor Gericht sprach Soner Ö. „perfektes Hochdeutsch“ (Berger 2020b: 10). 5 Kommunikation in der Multiminoritätengesellschaft Es muss hier betont werden, dass im Falle Soner Ö. beim gegenständlichen Gerichtsverfahren kein juristischer Fehler moniert wird. Der Angeklagte hat eine engagierte Rechtsvertretung, die derzeit versucht, alle juristischen Möglichkeiten auszuschöpfen. Vielmehr geht es uns um die jahrelange Fehlkommunikation, die zu dieser Bluttat geführt hat. Das fängt bei der Stellung der türkischen Community in Vorarlberg an: Die Mutter des Angeklagten kann heute immer noch kein Deutsch (Meinhart 2019: 34), von Integration kann also nicht die Rede sein. Hinzu kommen kulturspezifische Eigenheiten wie etwa patriarchalischer Stolz oder die Einstellung zum Thema Rache. Erschwerend sind auch die Unkenntnisse der juristischen Möglichkeiten, etwa ob die damalige Abschiebung in die Türkei überhaupt rechtens war, was jetzt untersucht wird, und gerade in diesem Stadium wäre Scheibers Forderung (2019) nach einem fairen Zugang zum Recht und einer angemessenen Informationspolitik außerhalb des Gerichtssaals relevant gewesen. Auf der anderen Seite steht die Haltung der Einheimischen: Wie wird aus dem einstigen „Sonnenschein“ ein mehrfach verurteilter Drogensüchtiger (ein klassischer Fall des Kleinkriminellen nach Scheiber), dann ein abgeschobener Totalversager und schließlich ein Mörder, der in der Rolle des „Asylanten“ dafür herhalten muss, dass generell für Asylwerber die Sicherungshaft gefordert wird? Das genaue Gegenteil bietet der Fall Nour, die Flüchtlingsfamilie aus Syrien, die zunächst im Libanon aufgenommen, dann über die Caritas nach Wien eingeflogen und bis zur Weiterfahrt nach Vorarlberg betreut wird, wo dank der dortigen Institutionen und einer aufgeschlossenen Floristenfamilie eine Lehre sowie Deutschunterricht zustande kommt. Zusammenfassend: Wenn der Wille auf beiden Seiten gegeben ist, kann die Kulturproblematik durch sprachliche Unterstützung, Empathie und ausreichende Information, und nicht zuletzt Hilfe bei bürokratischen und rechtlichen Hürden sehr wohl überwunden werden. Genau das ist in den letzten Jahrzehnten bei der Zuwanderung nach Österreich geschehen, und bekanntlich zum Wohle des Landes. Im Oktober 2011 habe ich mit Mira Kadrić ein Symposium mit dem Rahmenthema „Sprache, Identität, Translationswissenschaft“ organisiert; für den Titel ihres Vortrags prägte sie einen sehr aussagekräftigen Begriff: „Die Multiminoritätengesellschaft“ (Kadrić 2012) - so lautete dann auch der Titel der darauf folgenden Publikation (Snell-Hornby & Kadrić 2012). Die Teilnehmenden am Symposium und späteren AutorInnen dieses Bandes hatten fast alle einen multikulturellen Hintergrund im weitesten Sinn: In diesem Fall lag der Schwerpunkt auf Südosteuropa, und manche waren in den 1990er-Jahren als Flüchtlinge nach Österreich gekommen. Solche Menschen verkörpern die kulturelle Vielfalt unseres Kontinents Zur Kulturellen Dimension bei der Kommunikation mit Asylsuchenden 51 52 Mary Snell-Hornby und sind eine Bereicherung für das Land, allen voran Mira Kadrić selbst, die in den 1980er-Jahren zum Studium nach Wien kam, wo sie eine herausragende wissenschaftliche Karriere aufgebaut hat und im Fach Dolmetschwissenschaft international anerkannte Pionierarbeit leistete. In ihrem Bereich Dialogdolmetschen ging es über rein sprachliche Probleme hinaus um wichtige Aspekte der Kultur und des Rechts, nicht zuletzt, wie ihr neuer Universitätslehrgang gezeigt hat, bei Polizei und Asylbehörden und vor allem mittels „exotischer“ Sprachen. Unklar sind noch die konkreten Ergebnisse in unserer Gesellschaft: Ob sich die Asylsuchenden als gut integrierte Fachkräfte, wie die Teilnehmenden am Wiener Symposium, hier heimisch fühlen, oder ob sie, wie die Israeliten in der babylonischen Gefangenschaft, in Gedanken noch jahrelang sehnsüchtig in der verlorenen Heimat verharren, ist wohl der wesentliche Punkt. Die hier geschilderten Beispiele sprechen eher dafür, dass moderne Asylsuchende eine neue Heimat suchen und - im Gegensatz zu den Gefangenen in Verdis „Nabucco“ - ebendort in Gedanken und Träumen verharren, um Perspektiven zu finden und ein sinnvolles Leben aufzubauen, wenn man es ihnen nur erlaubt und ihnen dabei hilft. Eine eindrückliche Bestätigung dafür liefert Ivana Havelka, eine Dissertantin von Mira Kadrić, in der Danksagung an ihre Eltern am Anfang ihrer 2018 als Buch erschienenen Doktorarbeit: „Sie haben mich gelehrt, Grenzen zu überwinden und niemals aufzugeben - als einstiges Gastarbeiterkind seinen Platz in der Gesellschaft zu suchen und zu finden.“ (2018: 6) Bibliographie Berger, Jutta (2020a). „Lebenslange Haft für Mord an Amtsleiter.“ Der Standard 23/ 01/ 2020, 10. Berger, Jutta (2020b). „Angeklagter in Mordprozess ist zurechnungsfähig.“ Der Standard 22/ 01/ 2020, 10. Die Bibel oder die ganze Heilige Schrift des Alten und Neuen Testaments nach der Übersetzung D. Martin Luthers. 1812. Stuttgart: Privilegierte Württembergische Bibelanstalt. Havelka, Ivana (2018). Videodolmetschen im Gesundheitswesen. Dolmetschwissenschaftliche Untersuchung eines österreichischen Pilotprojekts . Berlin: Franke & Timme. Kadrić, Mira (2000). Dolmetschen bei Gericht. Aufforderungen, Erwartungen, Kompetenzen . Wien: facultas. Kadrić, Mira (2011). Dialog als Prinzip. Für eine emanzipatorische Praxis und Didaktik des Dolmetschens . Tübingen: Narr. Kadrić, Mira (2012). „Die Multiminoritätengesellschaft. Zur Bedeutung der Sprache und Kultur im geeinten Europa.“ In: Snell-Hornby, Mary/ Kadrić, Mira (Hrsg.), 13-26. Kadrić, Mira (2019). Gerichts-und Behördendolmetschen. Prozessrechtliche und translatorische Perspektiven . Wien: Facultas. Meinhart, Edith (2019). „Du hättest nur nett sein müssen.“ profil 14, 32-36. Reichart, Nora (2020). „Erfahrungsbericht zum ULG Dolmetschen für Gerichte und Behörden.“ Universitas Mitteilungsblatt 2/ 20, 23-24. Abrufbar unter: https: / / www. universitas.org/ wp-content/ uploads/ Universitas_220_web.pdf (Stand: 22/ 08/ 2020). Scheiber, Oliver (2019). Mut zum Recht! Plädoyer für einen modernen Rechtsstaat. Wien: Falter-Verlag. Scheidl, Heide Maria (2020). „Universitätslehrgang „Dolmetschen für Gerichte und Behörden“: Zahlen, Daten, Fakten.“ Universitas Mitteilungsblatt 2/ 20, 25. Abrufbar unter: www.universitas.org./ wp-content/ uploads/ Universitas_220_web.pdf (Stand: 22/ 08/ 2020). Snell-Hornby, Mary/ Kadrić, Mira (Hrsg.) (2012). Die Multiminoritätengesellschaft. Beiträge zum Symposium “Sprache, Identität, Translationswissenschaft, 14.-15. Oktober 2011 im Oratorium der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien . Berlin: Saxa. The Book of Common Prayer according to the Use of the Church of England together with The Psalter or Psalms of David. 1905. Oxford: OUP. Zur Kulturellen Dimension bei der Kommunikation mit Asylsuchenden 53 Dolmetschen. Macht. Asyl Translatorisches Handeln in Konfliktsituationen Franz Pöchhacker Abstract: Mit Bezug auf den Arbeitsschwerpunkt von Mira Kadrić im Bereich des Gerichts- und Behördendolmetschens setzt sich dieser Beitrag mit den Themen Macht und Konflikt auseinander, denen im Rahmen des juristischen Dolmetschens ein zentraler Stellenwert zukommt. Im Kontext einer Berufungsverhandlung im Asylverfahren wird analysiert, wie die Macht der DolmetscherIn im komplexen institutionellen Handlungsgefüge zur Geltung kommen kann. Anhand der konfliktbeladenen Phase der Überprüfung der Glaubwürdigkeit in der Asylanhörung wird auf diskursanalytischer Basis gezeigt, wie sich eine professionelle DolmetscherIn positioniert und wie sie durch ihr translatorisches und koordinierendes Handeln bedeutenden Einfluss auf den Inhalt und Ablauf der Anhörung und möglicherweise auch auf den Ausgang des Verfahrens nehmen kann. 1 Einleitung Der vorliegende Beitrag, der sich mit einigen Schlüsselthemen im Bereich des Kommunaldolmetschens auseinandersetzt, knüpft in mehrfacher Weise an die dolmetschwissenschaftliche Arbeit von Mira Kadrić an, deren Wirken mit den Beiträgen in diesem Band gewürdigt werden soll. Als Kollegen, der nun schon gut ein Vierteljahrhundert lang in freundschaftlicher Verbundenheit mit ihr Seite an Seite und sogar Tür an Tür im Auf- und Ausbau der Translationswissenschaft an der Universität Wien engagiert ist, fällt mir dieses In-Beziehung- Setzen besonders leicht. Schließlich tBeilen wir nicht nur den selben Dienstort, sondern auch die Konzeption unseres Faches im Sinne des zunächst von und dann gemeinsam mit Mary Snell-Hornby (1995) propagierten Integrated Approach . In diesem kommt dem lange Zeit vernachlässigten Dolmetschen in gesellschaftlichen Institutionen eine zentrale Bedeutung zu, wenn es gilt, für anderssprachige Personen das Recht auf Sprache, gleichberechtigten Zugang und 56 Franz Pöchhacker faire Verfahrensabläufe zu gewährleisten. Mira Kadrić hat dies am eigenen Leib in mehreren Rollen erlebt ‒ als Migrantin aus Bosnien ebenso wie als spätere Gerichtsdolmetscherin im Aufnahmeland und in weiterer Folge dann als international renommierte Expertin für die Ausbildung von professionellen DolmetscherInnen für Gerichte und Behörden. Zugleich hat sie ihre lebenspraktische Dolmetscherfahrung eingehend reflektiert und vor allem in ihrer Habilitationsforschung (Kadrić 2011, 2012) das Thema Macht in den Fokus gerückt, das, wie Prunč (2012: 326f.) nachvollziehbar macht, in der vom Konferenzdolmetschen geprägten Tradition der Dolmetschwissenschaft unterbelichtet geblieben war. Das Thema Macht soll deshalb buchstäblich im Zentrum dieses Beitrags stehen. Der Titel „Dolmetschen. Macht. Asyl“ spielt dabei auf den eines Aufsatzes an, in dem Mira Kadrić (2012) ihre empirischen Untersuchungen zur Rekrutierung von DolmetscherInnen im österreichischen Polizeiwesen präsentiert. Das Verhältnis von Macht und Menschenrechten, insbesondere dem Recht auf Asyl, wird im gegenständlichen Fall auf diskursanalytischer Basis thematisiert. Konkret wird anhand einer Konfliktsituation im Rahmen einer Asylanhörung gezeigt, inwiefern und auf welche Weise DolmetscherInnen in ihrer institutionellen Rolle Macht ausüben können. Davor wird der theoretische Rahmen für die Beschreibung des institutionellen Bedingungsgefüges und die Analyse der Gesprächsauszüge skizziert. 2 Machtvolles Handeln im translatorischen Bedingungsgefüge? Wie einleitend erwähnt, wird in der Wiener Schule der Translationswissenschaft seit den frühen 1990er Jahren ein integrativer disziplinärer Ansatz verfolgt, der stark in der funktionalen Translationstheorie (Holz-Mänttäri 1984, Vermeer 1990) verankert ist. So wurde unter anderem das Simultandolmetschen bei internationalen Fachkonferenzen (Pöchhacker 1994) und eben auch das Dolmetschen bei Gericht (Kadrić 2009) als translatorisches Handeln im Sinne von Holz-Mänttäri und Vermeer (Prunč 2012, Kap. 5) analysiert. Als besonders wertvoll erwies sich dabei die Sichtweise von der Einbettung translatorischen Expertenhandelns in ein aus der Auftragsbeziehung resultierendes Bedingungsgefüge. Allerdings wurde das Verhältnis zwischen AuftraggeberIn und TranslatorIn als prinzipiell kooperativ und bestenfalls als ein wechselseitiges Abhängigkeitsverhältnis konzipiert; Konflikte oder Machtungleichgewichte waren kaum Thema, was auch durch die Fokussierung auf Fachtexte als Gegenstand von Bestell-, Produktions- und Liefervorgängen bedingt gewesen sein mag. Beim Dolmetschen ist das Auftragsgefüge weitaus komplexer, weil nicht (nur) ein Text (bzw. „Botschaftsträger“) bestellt wird und zu liefern ist, sondern ein interaktives Handeln in einer sozialen Situation ‒ konkret: einer zwischenmensch- Dolmetschen. Macht. Asyl 57 lichen Kommunikationssituation. Über die AuftraggeberIn‒ExpertIn-Beziehung hinaus werden dadurch die Beziehungen in der Triade der Interaktionsbeteiligten (d. h. primäre Gesprächspartner und DolmetscherIn) zum Thema, und diese sind gerade im Bereich gesellschaftlicher Institutionen wie Behörden und auch Dienstleistungseinrichtungen per definitionem durch ungleiche Machtverhältnisse geprägt. Während institutionelle Kommunikation trotz ausgeprägter Abhängigkeitsverhältnisse auch sehr kooperativ angelegt sein kann ‒ beispielsweise im Gesundheitswesen oder in der Asylberatung, gibt es im behördlichen Kontext Interaktionskonstellationen, in denen die beiden primären Gesprächspartner deutlich unterschiedliche, ja sogar ausgesprochen konträre Interessen und Ziele verfolgen (siehe dazu Parameter 6, „shared vs. conflicting goals“, in der Typologie von Alexieva 1997/ 2002). Das polizeiliche Verhör eines Verdächtigen wäre dafür ein typisches Beispiel; ein weiteres, das Gegenstand dieses Beitrags ist, ist eine Anhörung im Asylverfahren, bei der die angegebenen Fluchtgründe von der Behörde auf ihre Glaubwürdigkeit geprüft werden. Das Wort von „der Behörde“ deutet wiederum auf die Vielschichtigkeit des Interaktionsgefüges hin, das im Folgenden noch näher zu beschreiben sein wird. Zunächst aber sei die Skizze des theoretischen Rahmens um die Konstrukte der Rolle und Macht von Dolmetschenden ergänzt. Ungeachtet der kooperativen oder konfliktiven Beziehung zwischen den primären Gesprächspartnern stellt sich die Frage nach der Positionierung und den Handlungsmöglichkeiten der DolmetscherIn in der triadischen Interaktionssituation. Eine erste Antwort darauf gab der Soziologe Bruce Anderson (1976/ 2002), der die Position des Mittlers („ man in the middle “) als Diener zweier Herren mit ihren nicht unbedingt kompatiblen Anforderungen problematisierte. Er sah Rollenkonflikte gleichsam vorprogrammiert, da die fallspezifischen Rollenanforderungen nicht im Detail festgelegt seien: „the interpreter’s role is always partially undefined“ (Anderson 1976/ 2002: 211). Darüber hinaus sah er die Gefahr einer Überfrachtung der Dolmetscherrolle ( role overload ) durch situativ bedingte Leistungsanforderungen. Zugleich aber sah Anderson diese Schwächen zum Teil durch die Machtposition kompensiert, die aus der bilingualen (und wohl auch bikulturellen) Kompetenz des Dolmetschers erwächst: „Thus his position in the middle has the advantage of power inherent in all positions which control scarce resources“ (Anderson 1976/ 2002: 212). Nützt die DolmetscherIn diese Macht in dem Ermessensspielraum, der sich durch die unklaren Rollenerwartungen eröffnet, so sei von einem außergewöhnlich großen Einfluss auf den Ablauf der dolmetschervermittelten Interaktion auszugehen. Wie bereits erwähnt, blieb dieser frühe Problemaufriss in der Dolmetschforschung weitgehend unbeachtet, solange das internationale Konferenzdolmet- 58 Franz Pöchhacker schen mit seiner „Normalkonfiguration“ von „etwa gleich mächtigen Partnern“ (Prunč 2012: 32) im Vordergrund stand. Umso eindringlicher forderte Cronin um die Jahrtausendwende eine Neuorientierung ein, nicht zuletzt um die komplexe Frage der Macht beim Dolmetschen zu thematisieren: „power is everywhere in the definition, context and practice of interpreting“ (2002: 387). Zuerst gar nicht im Blick, dann omnipräsent? Ohne Zweifel bedarf das Konstrukt der Macht und deren situations- und rollenspezifischer Ausübung einer weiteren Analyse und Operationalisierung. Basierend auf der Auffassung von Macht als der Fähigkeit, kraft verfügbarer Ressourcen auf Handlungspartner einzuwirken (Kadrić 2011: 39), lässt sich mit Mason (2015) eine dreifache Differenzierung von Machtverhältnissen beim Dolmetschen vornehmen, die für das im Folgenden präsentierte Fallbeispiel unmittelbar relevant ist. Mason spricht zum einen ‒ mit Bezug auf Anderson ‒ die interaktionelle Macht an, die es der DolmetscherIn erlaubt, gesprächssteuernd zu agieren, und erwähnt zum Beispiel die Sprecherwechselkoordination, zusammenfassende oder eigenständige Gesprächsbeiträge ( summarizing bzw. non-renditions bei Wadensjö 1998) sowie ein Auftreten als „ co-interlocutor “, bei dem die DolmetscherIn die Interaktionsrolle der befugten InstitutionsvertreterIn übernimmt. Hier klingt schon die zweite, übergeordnete Ebene der institutionellen Machtverhältnisse an. Mason (2015: 315) ruft abgesehen vom vorgegebenen Machtgefälle zwischen den Beteiligten („immigration officials have more power than asylum seekers“) vor allem die Geringschätzung von DolmetscherInnen als Hilfsorganen von Behörden in Erinnerung, wie sie auch Kadrić (2009) thematisiert und durch ihre emanzipatorische Didaktik auf der Grundlage des Theaters der Unterdrückten im Sinne einer emanzipatorischen Praxis zu überwinden sucht (Kadrić 2011). Als dritte Bezugsebene nennt Mason das soziolinguistische Machtverhältnis zwischen den beteiligten Sprachen und scheint schon zum gegenständlichen Fallbeispiel überzuleiten, wenn er anführt, dass etwa afrikanische Sprachvarietäten und Diskursmuster im europäischen Kontext wenig Gehör finden: „persons using African styles of speech and writing lose their ‚voice‘ (that is, their ability to make themselves heard and be taken seriously) when translated into powerful European languages and settings.“ Vor eben diesem Hintergrund forderte Barsky (1994), dass DolmetscherInnen im Asylverfahren zugunsten der im System benachteiligten Seite aktiv eingreifen und als „ intercultural agents “ fungieren sollten, anstatt sich auf eine mechanisch-neutrale Rolle als „ innocuous translating devices “ zu beschränken. Im folgenden Fallbeispiel werden die hier angesprochenen Konzepte und Positionen zu Macht und Rolle in Erscheinung treten und eine Diskussion darüber ermöglichen, welchen Einfluss die DolmetscherIn auf das Interaktionsgeschehen nehmen kann. Dolmetschen. Macht. Asyl 59 3 Fallbeispiel Asylanhörung Das Corpus von authentischen zweitinstanzlichen Asylanhörungen, dem das Fallbeispiel entnommen wurde, stammt noch aus der Zeit der Vorläuferinstitution des 2008 eingerichteten Asylgerichtshofs bzw. (ab 2014) Bundesverwaltungsgerichts. Am sogenannten Unabhängigen Bundesasylsenat wurden insgesamt 14 Asylanhörungen mit Englisch sprechenden afrikanischen AsylwerberInnen aufgenommen, an denen fünf verschiedene EntscheiderInnen und sieben verschiedene DolmetscherInnen beteiligt waren (Pöchhacker & Kolb 2009). An der gegenständlichen Berufungsverhandlung, die im August 2006 aufgenommen wurde, sind eine verhandlungsleitende Beamtin (VL), die promoviert ist und über Schulenglischkenntnisse verfügt, eine universitär ausgebildete (Mag. phil.) und allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Dolmetscherin (D), ein nigerianischer Berufungswerber (BW) sowie eine Schreibkraft (SK) beteiligt (Abb. 1). Abbildung 1: Interaktionskonstellation Zur institutionellen Ebene ist zu sagen, dass die Bestellung von DolmetscherInnen direkt durch die betreffenden BeamtInnen erfolgt. Da D Erfahrung mit der Arbeit bei Asylanhörungen hat, ist davon auszugehen, dass sie von VL wiederbestellt wurde und nicht nur eine gewisse Vertrautheit, sondern auch Zufriedenheit mit ihrer Arbeitsweise besteht. Die Verhandlung läuft über mehr als drei Stunden (ohne Pause) und weist die typischen Strukturmerkmale einer (dolmetschervermittelten) Asylanhörung auf: Aufnahme der Daten, persönliche Hintergründe, Angabe der Fluchtgründe und Schilderung der Fluchtgeschichte, Befragung zu Fluchtgründen und -geschichte, Rückübersetzung des Protokolls. Die Schilderung der Fluchtgründe setzt nach ca. 25 Minuten ein und dauert ebenso lange. Noch bedeutend länger dauert die Befragung, in der VL die Fluchtgründe von BW auf ihre Glaubwür- 60 Franz Pöchhacker digkeit prüft. Diese Phase nimmt mehr als die gesamte zweite Verhandlungsstunde in Anspruch. Rund 70 Minuten ist VL damit beschäftigt, die Plausibilitätsmängel abzuklären, die im erstinstanzlichen Verfahren zu einem negativen Asylbescheid geführt haben, während BW trachtet, seine Fluchtgründe so überzeugend wie möglich zu schildern. Theoretisch könnte dies einen kooperativen Ansatz bedingen, in dem beide Parteien gemeinsam um die Wahrheitsfindung bemüht sind. In der Praxis ist vor dem Hintergrund der hohen Ablehnungsrate nigerianischer AsylwerberInnen davon auszugehen, dass die Interaktionsziele konträr sind und VL darauf abzielt, in dem bemühten Vorbringen von BW Widersprüche zu entdecken und zu protokollieren. In dieser Protokollierung spielt D eine unerwartet aktive Rolle. Wie an anderer Stelle ausführlich beschrieben (Pöchhacker & Kolb 2009), beschränken sich die DolmetscherInnen in den untersuchten Berufungsverhandlungen meist nicht auf das Wiedergeben der mündlichen Äußerungen, sondern sind bemüht, den Schreibkräften ein tippfertiges Diktat zu liefern. Der erste Transkriptausschnitt (Ex. 1), in dem BW sehr aufgeregt schildert, wie ihm von einem gewaltsamen Übergriff gegen seine Gefolgsleute berichtet wird, veranschaulicht diese Praxis der protokollreifen Wiedergabe, bei der von D auch syntaktische Umstellungen sowie Ergänzungen („sehr“, „denn“) vorgenommen werden. Zu den im Weiteren verwendeten Transkriptionskonventionen: ein Bindestrich (-) markiert den Abbruch einer Äußerung; überlappende (gleichzeitige) Äußerungen sind durch parallele Unterstreichungen gekennzeichnet; Unverständliches wird durch leere eckige Klammern angezeigt; das Schwa-Laut-Zeichen (ə) steht für hörbares Zögern; Punkte zeigen ungefüllte Pausen (.. = 1 Sek.); kleine Kreise (◦◦) stehen für Tastaturgeräusche von SK, die in Sprechpausen zu hören sind (◦◦ = 1 Sek.). Ex. 1 (19: 21‒19: 46) 1 BW So when he rushed to me I Iwhen he rushed to the office I w- I was sursurprised awhat happened? What happened? He said- 2 D Ich war sehr überrascht, ◦◦ als er hereingestürmt kam ◦◦ ◦◦ ◦◦ ◦◦ ◦◦ ◦◦ ◦◦ und fragte ◦◦ ◦◦ ◦◦ Doppelpunkt, Anführungszeichen ◦◦ ◦◦ Was ist denn passiert? Was ist passiert? Das in Extrakt 1 veranschaulichte aktive Formulierungshandeln von D gewinnt in der Phase der Glaubwürdigkeitsprüfung besondere Brisanz. Extrakt 2 zeigt deren Beginn und Gegenstand: BW gibt an, als christlicher Prediger tätig zu sein und deshalb in Nigeria von Muslimen bedroht und verfolgt worden zu sein. VL überprüft dies durch eine Wissensfrage nach christlichen Festen. Dolmetschen. Macht. Asyl 61 Ex. 2 (53: 25‒54: 16) 1 VL Können Sie mir einige christliche Feste nennen? 2 D Would you- Could you tell us about some Christian feasts? What kind of feasts do you have in Christianity? 3 BW Yeah, əm what is the[ ]s Christian we[ ] been trained for gospels. ə Like I might tell you ə I have some some some work that I have 4 D Wir wurden selbst ○○ ○○ 5 BW some work that I do do here ○○ ○○ (…) 10 D So but- Wait! But you said you do this work here? Obwohl D die Frage von VL wiederholt und paraphrasiert (2), wird sie von BW offensichtlich nicht verstanden. BW bezieht die Frage stattdessen auf seine Tätigkeit und äußerst sich ‒ anfangs sehr unklar ‒ dazu (3). D ignoriert den ersten Teil der Äußerung, die wie eine Wiederholung der Frage klingt, und setzt unmittelbar danach, in einer Sprechpause von BW, mit dem Protokolldiktat ein (4), das wiederum stark portioniert ist und vor allem an SK adressiert zu sein scheint. Mangels einer konzisen Wiedergabe kann VL nicht sofort auf die unpassende Antwort reagieren. Stattdessen spricht BW in den folgenden, nicht im Extrakt gezeigten Turns weiter unklar von seiner Tätigkeit, während D den Satz für das Protokoll zu Ende bringt („dazu ausgebildet Gospels zu üben.“). Im Anschluss daran ist es aber nicht VL, die eingreift, sondern D, die BW unterbricht („Wait! “) und eine eigenständige Rückfrage zu dessen Äußerung in Turn 5 stellt. Diese dyadische Abklärung zwischen D und BW erstreckt sich über die folgenden neun Turns im Gesprächsverlauf (hier aus Platzgründen nicht wiedergegeben) und gipfelt in der Bestätigung von BW, dass er dies in Österreich tue („In Austria.“) Ohne eine Wiedergabe abzuwarten, hakt die bis dahin aus dem Gespräch ausgeschlossene VL hier mit einer Bemerkung zu D ein („Ja mich interessiert aber Nigeria“). Doch erst nachdem die Äußerung von BW zu seiner Tätigkeit vollständig für das Protokoll diktiert worden ist, kommt VL zu Wort, um rund eine Minute nach der ursprünglichen Antwort auf das Missverständnis hinzuweisen („Das war nicht meine Frage“). Diese im Befragungsablauf durchaus kritisch bedeutsame Äußerung von VL bleibt allerdings für BW unübersetzt. Stattdessen versucht D eigenständig, die ursprünglich gestellte Frage erneut zu formulieren (Ex. 3: 1). 62 Franz Pöchhacker Ex. 3a (54: 48‒55: 12) 1 D No butəm you have certain- 2 VL Die Frage war ə ob er mir einfach einige Feste, die Christen feiern, nennen kann. 3 D No[w], Christians celebrate certain holidays 4 BW Certain holidays? 5 D Holidays, feasts. 6 BW Like Christmasts? 7 D Yes. 8 BW New Year? 9 D Yes, like Christmas, 10 BW New Year 11 D New Year. What else? 12 BW ə New Year is the death of Our Lord Jesus Christ, Christmas is the birth 13 VL Ja langsam, langsam 14 D Wait, wait. .. .. D wird in ihrem zögerlichen Versuch, zur gestellten Frage zurückzuführen, von VL unterbrochen, die diese nun explizit, aber in indirekter Adressierung, wiederholt (2). Einmal mehr aber bietet D keine direkte Wiedergabe (der Art „The question was…“). Vielmehr scheint sie mit ihrer Formulierung, in der sie die ursprünglich benutzte englische Entsprechung „feasts“ durch „holidays“ ersetzt, sogar ein neues Thema einzuführen (3). Für BW bleibt dadurch unklar, dass er eine für seine Glaubwürdigkeit wichtige Frage missverstanden hatte. Die Rückfrage von BW (4) zeigt, dass auch der Ausdruck „holidays“ nicht sofort verständlich ist. D scheint bezüglich der Wortwahl weiter verunsichert und wiederholt den neuen Ausdruck in Verbindung mit dem zuvor benutzten (5). Unsicher ist auch noch das Verständnis von BW, der D nun aber doch, fragend und mit falsch gesprochener Endung, eine Antwortmöglichkeit anbietet (6). Wiederum folgt hierauf keine Wiedergabe der Antwort für VL (bzw. SK), sondern eine Bestätigung von deren Richtigkeit gegenüber BW. D nimmt damit wieder die Rolle der Befragenden ein und verbleibt darin, obwohl das Prüfungsgespräch nun in eine entscheidende Phase geht. Die zunächst nur leise und tentativ geäußerte zweite Antwort von BW („New Year“) (8) wird von D nicht, wie dies in Turn 9 erneut für „Christmas“ der Fall ist, als korrekt bestätigt, wohl aber durch die Wiederholung der Wiederholung durch BW doch gleichsam ratifiziert (11). BW, der sich nun des Zwecks der Frage bewusst geworden zu sein scheint, geht über die erbetene Nennung von Dolmetschen. Macht. Asyl 63 christlichen Festen hinaus und bietet von sich aus die Art von Erläuterung, die VL zur Überprüfung des in Zweifel gezogenen Wissens vermutlich ohnehin im nächsten Schritt verlangt hätte. Ihr Wiedereintreten in die Befragung in Turn 13 lässt jedenfalls erkennen, dass nun aus ihrer Sicht protokollierenswerte Antworten auf die gestellte Frage vorliegen. Inwiefern sich das Interesse von VL auf die Falschaussage von BW in Turn 12 bezieht, die sie möglicherweise auf Englisch verstehen konnte, lässt sich nicht mit Sicherheit feststellen. Jedenfalls geht die Aussage aufgrund des verschriftungsorientierten statt auf genaue Wiedergabe bedachten translatorischen Handlungskonzepts von D für das Protokoll verloren (Ex. 3b). Ex. 3b (55: 14‒55: 57) 15 D əm Weihnachten [Räuspern] ○○ ○○ So .. you said Christmas is what? 16 BW Is the . birth of Our Lord Jesus Christ, 17 D əm Weihnachten .. .. oder mit mit Weihnachten .. .. oder Weihnachten ist die Geburt Christi, 18 VL Mhm 19 D Okay now, 20 BW and ə 21 D New Year? 22 BW New Year is resurrection and ə Easter is the death of Our Lord Jesus Christ. 23 D Neujahr ist die Auferstehung ○○ ○○ und Ostern ○○ ○○ der Tod ○○ In Turn 15, der eigentlich dem zweiten Teil von Turn 14 in Extrakt 3a entspricht, setzt D zur Wiedergabe an, was auch von SK rezipiert wird. Auffallenderweise beginnt sie mit der korrekten Antwort, während BW in Turn 12 zuerst das Neujahrsfest erläutert hatte. Als D abbricht und eine Rückfrage stellt, offenbar um sich die Aussage in Erinnerung rufen zu lassen, fragt sie wiederum nur nach „Christmas“ und gibt BW damit die Chance, zunächst eine passende Antwort zu liefern. Ob diese Hinleitung zum Richtigen bewusst erfolgt, darf bezweifelt werden; vielmehr mag es D schwergefallen sein, sich die inkohärente Verbindung von Neujahr und Tod Christi einzuprägen. Die auffallende Unsicherheit von D in Turn 17 führt einmal mehr die Ansprüche vor Augen, die sie sich beim protokollreifen Formulieren der Wiedergabe auferlegt. Mit ihrem phatischen „Okay now“ in Turn 19 erweckt D den Anschein, als wollte sie BW ein letztes Mal für die Brisanz seiner Aussage über das Neujahrsfest sensibilisieren; jedenfalls aber ruft sie ihm diese seine Angabe in Erinnerung (21). BW hat sich mittlerweile eine andere Erläuterung zurechtgelegt, die er auch sehr flüssig formuliert und die D hier zu guter Letzt sofort und 64 Franz Pöchhacker genau wiedergibt. Dass BW in den folgenden Turns, die aus Platzgründen nicht wiedergegeben werden, seine revidierte Aussage über Neujahr als Fest der Auferstehung noch argumentativ untermauert, ist dem Protokollauszug zu entnehmen, in dem die gesamte hier analysierte Prüfsequenz (Dauer: ca. 2,5 Minuten) ihren schriftlichen und entscheidungsrelevanten Niederschlag findet (Abb. 2). Abbildung 2: Protokoll 4 Fazit Das hier analysierte Fallbeispiel zeigt (ausschnitthaft) das translatorische Handeln einer Behördendolmetscherin mit einschlägiger Erfahrung und Qualifikation, die sowohl auf institutioneller als auch auf interaktioneller Ebene beträchtliche Macht für sich beanspruchen kann. Ihr protokollierungsorientiertes Dolmetschen und eigenständiges Agieren in verhandlungsleitender bzw. teils die Befragung führender Rolle ( co-interlocutor ) wird offenbar von der AuftraggeberIn als effizientes Expertenhandeln geschätzt, was ungeachtet berufsethischer Grundsätze eine Wiederbeauftragung zur Folge haben dürfte. Inwieweit die DolmetscherIn ihre interaktionelle Macht, die sich in erweiterten Wiedergaben und Auslassungen ( zero renditions ) ebenso manifestiert wie in eigenständigen interaktionssteuernden Beiträgen ( non-renditions ), bewusst und zielorientiert einsetzt, bleibt unklar. Es lassen sich sowohl Anzeichen für eine Positionierung an der Seite der entscheidungsmächtigen InstitutionsvertreterIn finden als auch für Interventionen zugunsten des Berufungswerbers, dem trotz seiner Benachteiligung durch die Benutzung des Englischen als Zweitsprache von der Dolmetscherin eine ‚druckreife Stimme‘ verliehen wird. Mag sein, dass hier das von Mira Kadrić favorisierte berufsethische Konzept der Allparteilichkeit vorliegt; was das Beispiel dieser Dolmetscherin, deren translatorischer Ansatz im Rahmen des gesamten Corpus durchaus keine Ausnahmeerscheinung darstellt, jedenfalls deutlich macht, ist der erhebliche diskursive Einfluss der KommunikationsmittlerInnen auf Inhalt und Ablauf der Anhörung, auf deren Grundlage Dolmetschen. Macht. Asyl 65 ein Asylbescheid erlassen wird. Vor dem Hintergrund der nach wie vor und mit Recht beklagten Geringschätzung des Kommunaldolmetschens steht hier ein Beispiel für eine durchaus emanzipierte professionelle Praxis, in der selbstbewusste Dolmetschende im institutionellen Bedingungsgefüge Macht besitzen und einsetzen. Bibliographie Alexieva, Bistra (1997/ 2002). “A typology of interpreter-mediated events.” In: Pöchhacker, Franz/ Shlesinger, Miriam (Hrsg.), 219‒233. Anderson, R. Bruce W. 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Here a number of examples of interactions in a medical context are analysed firstly in terms of the Brown/ Levinson model and then in terms of the Kerbrat-Orecchioni model, allowing a comparison of the two from a practical and - more limitedly - theoretical point of view. 1 Introduction Politeness is recognised as an element of fundamental importance in every human interaction. The manifestation of politeness allows interactants to respond reciprocally to the needs for attention and acknowledgement inherent in all humans. Starting from studies highlighting its sociological dimension (Goffman 1967, 1971), research subsequently progressed to the development of models which sought to explain the linguistic manifestations of politeness and the functions it performs. The Brown/ Levinson (1987) model has undoubtedly been the most successful in Interpreting Studies ( inter alia Berk-Seligson 1988, Hale 1997). This paper presents a model which is based on that of Brown/ Levinson but proposes a reworking of it. The work in question, by Kerbrat-Orecchioni (1992, 2005), has been (partially) applied to interpreter-mediated interactions in a medical context by Merlini & Falbo (2011) and Merlini (2013). The analysis in both contributions draws on the Brown/ Levinson model (B/ Lm) and the Kerbrat-Orecchioni model (K-Om) alike, which points to what might be learned from a more thorough 68 Caterina Falbo comparison of the two. An exhaustive analytical comparison of the two models would be an elaborate undertaking, so this paper will confine itself above all to a reflection on their operationalisation and the consistency of the results that can be achieved. To this end, some examples already analysed in Merlini & Falbo (2011) according to the B/ Lm are subjected to an analysis based on the K-Om, with the aim of identifying its operational advantages and, where possible, some theoretical implications. 2 Brown and Levinson’s Politeness Theory On the assumption that the B/ Lm is known to potential readers, attention here will be drawn only to the essential features which define it and at the same time distinguish it from the K-Om (see section 2.) At the basis of Politeness Theory lies the concept of face wants, that is to say the need of each interactant to protect their positive face and negative face and those of their interlocutor in order to preserve the relations between them. Indeed, “face is something that is emotionally invested, and that can be lost, maintained, or enhanced, and must be constantly attended to in interaction” (Brown & Levinson 1987: 61). Cooperation between interlocutors is thus based essentially on the awareness of reciprocal face wants and “mutual vulnerability of face” (Brown/ Levinson 1987: 61). In everyday interaction it is possible to detect acts (verbal and non-verbal) which by their very nature constitute a threat to the faces of the Speaker (S) and the Addressee/ Hearer (H) 1 and are thus known as Face-Threatening Acts (FTAs). By virtue of the principle according to which S and H cooperate with the intent of avoiding, or at least minimising, threats inherent to the interaction, the authors identify a number of strategies adopted by interlocutors to attenuate FTAs, besides the obvious one of not committing any. These are categorised as three “higher-order” or “super-” strategies, each of which in turn comprises a range of other (lower-order) strategies: off-record (15 strategies), positive politeness (15 strategies) and negative politeness (10 strategies) (Brown & Levinson 1987: 91-227). This approach to the identification of the various (sub-)strategies and the linguistic means by which they are manifested gives rise to a taxonomy whose great variety poses some problems at an operational level, which is compounded by the fact that the authors themselves regard it not as exhaustive but as “an open-ended set of procedures for message construction” (Brown & Levinson 1987: 21). 1 The terminology used here to refer to the interactants is that present in Brown & Levinson (1987). Politeness in interpreter-mediated interactions 69 3 The Kerbrat-Orecchioni approach Kerbrat-Orecchioni (1992, 2005) acknowledges the B/ Lm as her reference model and takes on board its authors’ basic considerations. However, picking up points made by others scholars, she offers a revisitation of the B/ Lm. First of all there is an attempt to resolve the ambiguity of the relationship that characterises positive face and positive politeness on one hand and negative face and negative politeness on the other, acting on two distinct axes. The first seeks a definition of negative vs positive politeness irrespective of the face to which they are addressed, thereby undermining a basic assumption of the B/ Lm. In Brown/ Levinson (1987: 70) “[N]egative politeness […] is oriented mainly toward satisfying (redressing) H’s negative face, his basic want to maintain claims of territory and self-determination”, while “[P]ositive politeness is oriented toward the positive face of H, the positive self-image that he claims for himself”. In Kerbrat-Orecchioni (1992, 2005), by contrast, negative politeness is not defined by being addressed to the negative face; it may also be addressed to H’s positive face. The same goes for positive politeness, which is not defined by being addressed to the positive face. Negative politeness consists of avoiding the commission of an FTA or attenuating it by means of redressive acts, while positive politeness is designed to produce what the author calls Face-Flattering Acts (FFA) 2 for the benefit of H’s faces (Kerbrat-Orecchioni 2005: 195-199). The creation of this category of acts opposed to FTAs, and the consequent redefinition of negative and positive politeness, necessitates a complete rethinking of the division of strategies put forward in the B/ Lm (Kerbrat-Orecchioni 2005: 198). Brown & Levinson (1987: 70) define negative politeness as “essentially avoidance-based”, pointing out that “realizations of negative-politeness strategies consist in assurances that the speaker recognizes and respects the addressee’s negative-face wants and will not (or will only minimally) interfere with the addressee’s freedom of action”. The idea of minimisation, however, is also part of positive politeness, which, having the aim of “anoint[ing] the face of the addressee by indicating that in some respects, S wants H’s wants”, consists of attenuating the potential threat: “The potential face threat of an act is minimized in this case by the assurance that in general S wants at least some of H’s wants.” In the final analysis, both positive and negative politeness in the B/ Lm are oriented to attenuating FTAs. It is on this basis that they come under negative politeness (avoidance and minimisation) in the K-Om, as do off-record strategies, which by their very nature are based 2 In Kerbrat-Orecchioni (1992) the idea is of acts opposed to FTAs, which the author calls anti-FTAs, while in Kerbrat-Orecchioni (2005) there is a more developed conception of such acts in their own right, reflected in the independent label FFA. 70 Caterina Falbo on threat attenuation. In the K-Om, then, positive politeness acts as a counterweight to negative politeness and refers solely to the production of FFAs. 3 This latter category of acts not only seems to answer criticisms that the B/ Lm is too pessimistic or even paranoid, 4 but it reflects the reality observable in interaction, as exemplified by the fact that a compliment need not necessarily be formulated to redress an FTA. The second axis examines acts (FTAs and FFAs) and the face to which they are addressed, bearing in mind that an FTA may be addressed to H’s negative face (an order) or his positive face (a reproach) and that what is at stake is not only the faces of the addressee (H) but those of the producer (S) of the act. 5 In terms of minimisation mechanisms, i.e. the linguistic means by which FTAs are attenuated, Kerbrat-Orecchioni (1992: 195-227; 2005: 210-216) proposes two macro-categories: “procédés substitutifs” [replacement procedures] - such as changing an order into a request, using a conditional instead of an indicative - and “procédés additifs” [additional procedures], such as the addition of linguistic material to express a justification or apology. Over the years Kerbrat-Orecchioni has supplemented a number of features of her work, in particular studying the forms and articulations of politeness in a range of communicative situations and contexts. This has led her to formulate a theory which comprises not only the expression of politeness but also impoliteness, non-politeness and even “polirudeness” (Kerbrat-Orecchioni 2013). These categories are conceived on the basis of sociological and contextual factors within the frame of the so called post-Brown and Levinson “discursive turn”: the social distance (D), relative power (P) and ranking of the imposition (R) of the B/ Lm seem to be insufficient to account for what emerges from empirical data, where “depending on the context (micro and macro) […] the same utterance can be seen as polite or impolite” (Kerbrat-Orecchioni 2013: 19). Thus, “[I]n order to identify an utterance as polite or impolite, we must take into account its content (as an FTA, an FFA or a combination of both), its formulation, and its context of production ” (Kerbrat-Orecchioni 2013: 19). As far as their application to in- 3 Merlini (2013: 270) states that Kerbrat-Orecchioni “attributes an autonomous status to positive politeness, by emphasising its productive rather than redressive function, and posits, alongside FTAs, the opposed category of ‘face-flattering acts […]”. In fact it is not so much a matter of emphasising the “productive function” at the expense of the “redressive” function, as of a completely new conception of the relationship between negative and positive politeness. 4 Kerbrat-Orecchioni (2005: 196) quotes Kasper (1990: 194), who remarked on the Brown & Levinson model in the following terms: “The theory represents an overly pessimistic, rather paranoid view of human social interaction”. 5 In this regard see the discussion of the implications for acts such as offers and promises (Kerbrat-Orecchioni 2005: 220-226). Politeness in interpreter-mediated interactions 71 terpreter-mediated discourse is concerned, these categories have proved to be heuristically valuable in the study of material such as the discourse produced by simultaneous interpreters in the highly conflictual interactions of the televised French presidential election debates (Falbo 2016). 4 Two models: an operational comparison Three cases 6 already analysed in Merlini & Falbo (2011) are examined here, firstly picking up the analysis based on the B/ Lm and then presenting an analysis based on the K-Om criteria. The examples are taken from an interaction audio-recorded in a Paris hospital between a diabetologist (M1), a patient (P), of Philippine origin, and an interpreter (I1), of Indian origin. The occasion is a follow-up in which the doctor has to assess the effects of a prescribed treatment, which was the administration of hypoglycaemic drugs and the observance of a specific dietary regimen. The doctor checks the glycaemia levels recorded by the patient in a special register and notes a rather high value. In 60 M1 involves P in an enquiry into the unsatisfactory nature of the value in question. It should be noted that the participation of I1 is extremely limited because at a number of points M1 and P are able to understand one another even though they are speaking in their own languages. 6 Clearly the analysis concerns not only the interpreter’s turn but what all the participants in the interaction do in terms of politeness. 72 Caterina Falbo Ex. 1 7 60 M1: alors ÇA c’est quoi ça ne vous plait pas↑ well THIS ONE what is this you don’t like this ↑ 61 P: three hundred↑= 62 M1: =c’est TRO: : : P =it’s TOO-: : : MUCH 63 P: ouai: : s= yeah: : = 64 M1: =oui: : =yes: : 65 ((risata della dottoressa e della paziente)) ((doctor and patient are laughing)) 66 P: (c’est trop) (it’s too much) 67 M1: c’est bien that’s right 68 P: ( ) 69 M1: qu’est-ce qui s’est passé ce jour là↑ est-ce qu’on a pris un petit goûter↑ what happened that day ↑ had a little snack ↑ 70 I1: [what happened] (°this day°↑)= 71 P: [no no ] 72 M1: =non↑ 73 P: no euh I get this befo: re I eat I get my: blood According to the B/ Lm, the strategies used by M1 are off record and of positive politeness. In 60 M1 assumes (off-record strategy) that P agrees with her assessment. P pronounces the glycaemia level (“three hundred”) with a rising intonation, indicating a need for confirmation from M1. In 62, M1 adopts an em- 7 Transcription key: word [word] overlapping utterances [word] = latched utterances ↑ rising intonation (abc de) transcriber’s guess ((word)) contextual information; characterisations of talk wo: : : rd lengthened phoneme WORD increased volume °word° decreased volume word emphasis >word< quicker pace <word> slower pace Politeness in interpreter-mediated interactions 73 phatic, jocular tone, corroborated by the laughter that follows, thereby resorting to strategies of positive politeness. In 63 and 66 P agrees with M1’s considerations, recognising that the glycaemia value in question is too high. At this point M1 tries to understand the reasons for the excess and in formulating the question uses the pronoun “on”, which has the effect of depersonalising what happened and viewing P’s behaviour as nothing out of the ordinary. This strategy may be identified as positive politeness, too. Aside from the observable strategies and their characterisation, there can surely be no doubt in identifying the act committed by M1: though using a cheerful tone and taking all the appropriate precautions, the doctor is pointing out to P that the level in question is evidence of failure to adhere to the prescribed dietary regimen. In other words, M1 is committing an FTA: she reproaches P with a direct threat to her positive face, announcing repercussions for her negative face in that these strictures are a reminder of P’s obligation to observe the prescribed diet. By contrast, M1 enhances her own positive face by involving P and thus acting in confirmation of her professional competence and above all of her capacity for empathy, which enables her to corroborate her relationship with P. It is precisely on the strength of these considerations that an analysis based on the K-Om model would classify M1’s acts as negative politeness, that is to say an FTA (reproach) mitigated by recourse to various linguistic strategies, such as the formulation of assumptions in 60 and 69 that contain further mitigating elements (“ petit goûter”) and the adoption of a cheerfully humouring tone that almost suggests a maieutic approach on the part of M1 towards P. The second example is taken from the last part of the interaction, in which M1, having formed a proper understanding of the glycaemia values recorded by P, expresses her concluding thoughts. Ex. 2 441 M1: d’accord↑ donc ceça arrive moi je pense qu’il y a le midi il y a de temps en temps ok ↑ so that happens I think that there are at lunch time sometimes 442 de >petits dérapages quoi< >some small excess< 443 I1: euh according to her at: : at the lunch time you sometimes eat too much or something like that= 444 M1: =mhm↑= 445 I1: =that’s why the results are too big: at the lunch time 74 Caterina Falbo 446 M1: ok↑ ((abbassando la voce)) parce que bon on lui a donné un traitement j’allais dire entre les ok ↑ ((lowering her voice)) because well she was given a therapy I am going to say between 447 entre guillemets relativement léger on pourrait peut-être euh peut-être je dis bien euh augmenter brackets relatively light it could maybe euh maybe I say be possible to increase 448 mais on l’a déjà fait les résultats sont pas mauvais je pense qu’elle peut faire attention but it was already done the results are not bad I think she can pay attention in 449 le MATIN qu’est-ce qu’elle mange↑ demandez [qu’est-ce qu’elle mange °le matin°] the MORNING what does she eat ↑ ask her [ what she eats in the morning ] 450 I1: [what do you eat at: : ] euh at morning time↑ Looked at through the B/ Lm analytical grid, the hedges (“moi je pense”, “de temps en temps”, “quoi”, “entre guillemets”, “relativement”, “peut-être”), impersonal forms (“il y a”, “on lui a donné un traitement”, “on pourrait”, “on l’a déjà fait”) and the verb “pouvoir” rather than “devoir” used here are all strategies coming under negative politeness and have the purpose of mitigating the FTA. I1 renders M1’s utterances in a much more direct form, using the pronoun “you” and thereby reinforcing the threat to P’s positive face. At the same time, though, she protects her own face by explicitly ascribing to M1 the responsibility for what she is saying (“according to her”). According to the K-Om, this is a case - as in the previous example - of negative politeness because the FTA is committed by M1 but mitigated through a number of linguistic strategies. As far as I1 is concerned, in protecting her own positive face she commits an FTA towards M1 who, through I1’s words, appears particularly “harsh” to P. To sum up, analysed according to the B/ Lm, examples (1) and (2) show a clear change of direction on the part of M1, who first adopts off-record and positive politeness strategies and subsequently negative politeness strategies. Seen through the K-Om lens, all the strategies used come into the negative politeness category in that they constitute threats, however mitigated, to one or both of H’s faces. This difference is due essentially to a different way of looking at the acts committed by the interlocutors. The impression is that in the B/ Lm attention is focused primarily on what S’s intentions could or should be and the linguistic expressions that give voice to them, 8 whereas the K-Om starts from 8 This consideration seems to be corroborated by the prescriptive manner in which all of the various types of strategy are presented, starting with positive politeness: “Do FTA on record plus redress to: H wants [S wants H’s wants]”, “Claim common ground” etc. (Brown & Levinson 1987: 102), and negative politeness: “Do FTA x, a) on record b) plus Politeness in interpreter-mediated interactions 75 the identification of S’s speech act and considers its potential by analysing the expressive form of that act. The following example presents characteristics different to those seen in the other two. Ex. 3 356 M1: vous faites de la cuisine essentiellement asiatique↑ you basically cook Asiatic food ↑ 357 I1: so do you cook euh: : Asiatic food↑ 358 P: mhm= 359 M1: =si hein↑ oui oui c’est normal ça [c’est bien= =don’t you ↑ yes yes it’s normal [that’s good = 360 P: [((risatina)) [((laughing)) 361 I1: =((sussurrato)) it’s normal= =((whispering)) 362 M1: =c’est bien et c’est très bon en plus= = that’s good and it’s tasty too= 363 I1: =it’s tasty too In turns 359 and 362 M1 expresses her appreciation of Asian cuisine, the cooking typical of P’s geographical area of origin. According to the B/ Lm this is positive politeness, as is also the case with an analysis based on the K-Om. But there is a basic difference. Taking the analysis further, 9 the type of positive politeness strategy applied could be, according to the B/ Lm, “ Strategy 2: Exaggerate (interest, approval, sympathy with H) ” (Brown & Levinson 1987: 104). It is striking that there is no provision for a strategy that invokes simple interest, approval or sympathy at a level less intense than that denoted by the verb “exaggerate”, that is to say a simple manifestation of appreciation without any exaggeration. In addition, and this is the most important point in this discussion, the strategy designed to express positive feelings and/ or opinions towards H, being conceived as one of the redressive actions on which positive politeness is based in the B/ Lm, means that the approval expressed by M1 can only be seen as redressive, which in the view of this writer constitutes a distortion of the analysis. redress to H’s want to be unimpinged upon”, Don’t presume/ assume” etc. (Brown & Levinson 1987: 131). 9 In Merlini & Falbo (2011: 198) the authors confine themselves to an indication of the type of politeness, without identifying a precise strategy: “[…] una tipica strategia della cortesia positiva, esprimendo approvazione per la cucina asiatica […]” [in English “a typical strategy of positive politeness, i.e. expressing approval for Asiatic food”]. 76 Caterina Falbo In Merlini & Falbo (2011: 198) it is pointed out that the approval in question precedes the sequences in which M1 draws her conclusions after noting that some of the patient’s glycaemia numbers are high, which would justify the hypothesis of a redressive action. In point of fact, though, the appreciation and approval of Asian cuisine are not preceded or followed by a suggestion to adopt a different style of cooking. It emerges that the problem is not the type of cuisine but the choice of particular foods and food quantity. In the K-Om, by contrast, the category of FFA makes it possible to justify those actions even when they are not preceded or followed by FTAs. 10 5 Concluding remarks On the basis of the above, it may be stated that the K-Om allows a clearer and more immediate operational analysis of the politeness present in interactions - in this specific case, interpreter-mediated interactions. And the consolidated position of the K-Om within the framework of Conversation Analysis strengthens its applicability to Dialogue Interpreting. The K-Om stands as an interesting development of Politeness Theory, as confirmed by Kerbrat-Orecchioni herself: when asked 11 if she had ever spoken of her proposals to Penelope Brown and Stephen C. Levinson, she replied that during a congress in Mexico, Penelope Brown herself had approached her and said that she found her ideas highly relevant. An FFA in no uncertain terms - which, it is to be hoped, will be extended to all those wishing to travel on this new path in the analysis of politeness in interpreter-mediated interactions. Bibliography Berk-Seligson, Susan (1988). “The impact of politeness in witness testimony. The influence of the court interpreter.“ Multilingua 7, 411-439. Brown, Penelope/ Levinson, Stephen C. (1987). Politeness: Some universals in language usage. Studies in interactional sociolinguistics, 4 . Cambridge University Press. 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In our discussion of the establishment of this service in Flanders our emphasis is on tracing the evolution over the past twenty years with regard to the provision, quality and research of ‘social interpreting’ towards more efficient structures and better practices. It is these strengths that help to ensure equal access to social services in a diverse society and at the same time might be the most instructive strategies for other countries or regions to consider or indeed implement. 1 Introduction Several reforms in recent decades have made Belgium a very complicated country. But to keep it simple: federal means national, applying to the three regions in Belgium - Flanders (Dutch-speaking), Wallonia (French-speaking) and the German-speaking region - and to the language-mixed community of Brussels where, instead of a territorial language policy, the person principle applies. Residents can choose between a Dutchor a French-speaking regime. This structure is crucial to understand how translation and interpreting for public services works in Belgium. Justice, for example, is federal, so an interpreter in criminal proceedings works in a federal context. However, youth care or reintegration counseling are regional matters. Interpreters in hospitals work in a federal setting but in a residential or mental health care center or at the GP’s they do so under regional systems. Asylum applications are processed federally, but housing and integration of newcomers are regional. And so on. It therefore comes down to the division of domains between the federal and regional levels. The term ‘social’ interpreting has nothing to do with a discourse genre (dialogue) or positioning (liaison), let alone an attitude, but everything 80 Erik Hertog with the setting, the domains of competence. One could have opted for a literal translation of ‘Community Interpreting’, but the Dutch term for ‘Community’ - ‘Gemeenschap’ - introduced a new constitutional level and perhaps there was another consideration: the term has a somewhat annoying sexual connotation in Dutch in the collocation with ‘to have’. Not quite suitable. ‘Public Service Interpreting’ is not only a mouthful but also does not define the responsibility level precisely enough. ‘Social’ interpreting on the other hand (from now on SI) is used only in the civic integration process of newcomers and other language speakers in all public service domains that are the responsibility of the Flemish Region, such as welfare, employment, social housing, education, child care, integration, mental health, youth aid, prevention, the socio-cultural sector etc. Hence: ‘social’ interpreters it is! 1 2 The Context The need for SI was a consequence of the changing demography in Flanders. Various waves of non--native speakers - guest workers, European immigrants, refugees, asylum seekers and (trans-)migrants - have turned Flanders into a multilingual society. Flanders has about 6.5 million inhabitants. In 2017, there were 43.397 newcomers and the percentage of persons with non-Belgian nationality was 8.4 %. But like everywhere else in the world, the spread is very uneven. In Antwerp, for example, there were 7.817 newcomers that year. The city has 166 different nationalities, 20.6 % with a non-Belgian nationality. In 2017, on the federal level, 30.027 humanitarian and refugee statuses were granted to applicants, many of whom would try to build a new life in Flanders (Myria 2018). Initially, this led to a number of fragmented initiatives in central cities such as Ghent and Antwerp and in the five provinces - a level between the local and Flemish authority - to assist non-Dutch speakers in their integration and facilitate their access to social services and. It is not until the late 1990s that a coordinating strategy was started at both federal and Flemish levels. At federal level, an Inter-ministerial Conference for Migration Policy recommended in 1998 to develop a SI service supported by an interdisciplinary guidance committee. But in spite of regular consultation between the Flemish and French-speaking partners, the centrifugal forces in the state structure, legislation and financing were ultimately too strong. In Flanders, too, it was found that there was too little coordination. SI was done by interpreters with different training and in unequal statutes - some in 1 This contribution exclusively focuses on SI. For a survey of ‘social’ translation in Flanders, which the author refers to as ‘public service translation’, see Idzikowska (2015). ‘Social’ Interpreting in Flanders 81 permanent employment, most of them freelance or ad hoc volunteers -, the rates could be very different, and the funding was a complex flow of federal, Flemish, provincial and local money. Studies carried out by interpreting institutes investigated the feasibility and financing models of the SI provision in Flanders, the need for quality control and coordination with the local antennas, and also which form of interpreting (on site, by telephone, video) was best suited for which service and assignment. (Vanderbauwhede et al. 2000 and Van Gucht et al. 2003). In 2000, the Flemish government decided, firstly, to develop a central SI telephone service that would operate for the whole of Flanders and, secondly, to set up a central service for coordination with local actors in the field of training, quality and professionalization. In September 2001, BA 🕽 BEL with this logo (a pun on the Dutch ‘bel’, i.e. to call) started as the Flemish Central (telephone) Interpreting Service and the COC, the ‘Centrale Ondersteuningscel’ or Central Support Cell. Furthermore, a steering group was set up in which the providers, government, training institutes and the COC were represented. By 2008, the SI landscape looked like this: 2 central services - BA 🕽 BEL and Brussel Onthaal (‘Welcome’) -, 5 provincial and a number of city services. The COC had in the meantime become a separate center of expertise with the responsibility to help develop a qualitative, needs-covering SI service. They would also do knowledge and data management, improve training and certification, develop codes and a complaints procedure, inform and raise awareness among users. In 2009, a Decree brought all these services together in a single framework with one central service for telephone interpreting and translation and eight decentralized services (in the five provinces and in three cities) for local interpreting and translation, all supported by the quality cell and the necessary funding (Decreet 2009). But in 2013 a new Decree was issued regulating SI in Flanders. This led in 2015 to the establishment of the Agency for Civic Integration (‘Agentschap Integratie en Inburgering’, from now on AgII), a merger of some 20 entities, and charged with coordinating the Flemish integration policy, including social interpreting and translation. This is the structure as we know it today in Flanders: the provincial services have disappeared, BA 🕽 BEL is responsible for telephone SI throughout Flanders and in Brussels as well as for on site interpreting, except for the city services in Ghent, Antwerp and Brussels. This division was undoubtedly a political decision but also one with a rationale: in this way, the SI service can respond flexibly and directly to local needs and operate in close contact with users. A word about funding. BA 🕽 BEL, for example, was almost entirely financed for infrastructure, operations and personnel by the Ministry of Civic Integration until 2012. As a first step towards accountability, from 2013 onwards the 82 Erik Hertog financing of the interventions was split among the governmental user services. For BA 🕽 BEL this meant that only 3 % of the costs was now carried by Civic Integration but 32 % by Education and 48 % by Welfare; 13 % of the users had no protocol with a government department and had to provide their own funding. At that time, the user fee was € 45 gross per hour. In 2020, user services must continue to ensure funding for their SI needs themselves while SI providers will bill them for €48 per interpreted hour. All services now follow the same rates for fee, transport and late cancellations (Naar een duurzaam 2019). The above shows that building a high-performance SI structure in Flanders has been a complex process. The state structure of Belgium has certainly not facilitated this. But the components of the process are clear. In a complex structure, one has to find a balance between the levels involved. Cooperation between the different actors must be ensured. Transparent financing must be developed between the authorities, the SI service providers and the users. In this context, it is important to mention that there is no public tendering for SI in Flanders and there are no commercial players on the market. Finally, it is striking how strong the input of external expertise and the continuous care to monitor quality have been. So much for the context. Now let us look at the concrete implementation. 3 The Provision SI is offered in Flanders by four services: the AgII, Atlas (Antwerp), IN-Gent and Brussel Onthaal. These services work with certified social interpreters listed in the Flemish register managed by the AgII. Using other interpreters is only possible if a certified interpreter is not available. (They are reimbursed only half of a certified interpreter’s fee, which of course is an incentive to get training). SI is only provided to users who have concluded an agreement with an interpreting service and only in the context of civic integration. Individual migrants or newcomers, clients or patients cannot request SI themselves, it is the user service - in education, employment, GPs etc. - that must do so. Due to the language complexity and the difficulty to train a sufficient number of people, Brussel Onthaal also works with volunteers (with a short training) and provides SI to users who actually fall outside the scope of the Decree but for whom SI is necessary though too expensive. Let us take a look at the SI volume of the four services as shown in the annual reports of 2018. We start with BA 🕽 BEL. In 2018, they received 21.068 requests. They could respond to 16.464 while 1.444 were cancelled and 2.890 could not be responded to because the language or interpreter was not available, 270 for some other reason. There were 21.206 requests for SI on site, 10.578 responded to, 4.409 cancelled, in 5.002 cases the language or interpreter was unavailable ‘Social’ Interpreting in Flanders 83 and in 1.218 cases the call could not be answered for other reasons. The requests could be answered for 39 languages (Modern Standard Arabic, Turkish and Dari in greatest demand) with health, welfare, education, public services and arrangements following asylum as the main domains. (Agentschap 2019). In Antwerp, Atlas received 12.047 SI requests, responding to 9.132 requests. By the end of 2018, 7.202 assignments had already been carried out, the remainder scheduled for early 2019. Languages most in demand were Modern Standard Arabic, Maghreb Arabic, Turkish, Farsi and Dari, in the domains of education, welfare and mental health (Atlas 2018). In 2018 the SI service of IN-Gent was able to carry out 6.128 on site assignments, 369 webcam calls, 581 requests for SI for a large(r) group, a total of 7.079 responses (In-Gent 2018). Brussel Onthaal (together with the AgII) received 11.106 requests for on site and 4.098 for telephone SI, of which they carried out 8.300 and 3.899 respectively. Only 912 of the 8.300 assignments were carried out on site by certified interpreters! The health sector was the main domain for on site, asylum for telephone interpreting. For the Flemish Community Commission in Brussels, responsible for health, mental health, youth assistance, education and welfare, they responded to 421 assignments and carried out 491 assignments for self-financing users (Brussel Onthaal 2018). These are impressive numbers. All in all, in 2018, the four SI agencies received 77.516 requests and were able to carry out 56.364 assignments. The gap between the two figures is due to a large number of cancellations by the users but also to the insufficiently wide range of languages or the unavailability of an interpreter in a language of lesser diffusion. Although the Flemish register currently has 456 certified social interpreters, the recruitment of interpreters in languages that are currently not sufficiently covered remains a challenge. Training of interpreters who are currently on a fallback list for cases when a certified interpreter is not available, and of the volunteers in Brussels, must remain a priority. Brussels was able to register 129 new interpreters in 2018 but it remains difficult territory: travel is often long, addresses are sometimes difficult to find, assignments are often short, not so many certified interpreters are living in Brussels, hence their great need for volunteers. Moreover, in Flanders as a whole, it remains a challenge to keep interpreters in the profession, either because the volume of work in other domains such as justice or hospitals is larger, or vice versa because the volume in the SI sector is too small for an individual interpreter to survive in freelance status. Nevertheless, the numbers suggest that SI in Flanders is fairly well covered. All agencies now rely on certified interpreters from the register, agree to uniform arrangements for training and certification, fees and transportation costs 84 Erik Hertog are standard. They all use on site, telephone and webcam or video interpreting. The agencies also set great store by ensuring efficient access to their service. They provide information to users, conduct training on how to work with an interpreter or have a successful remote interpreted conversation. They also make their expertise available to help users properly assess their language needs and to familiarize them with other communication tools. After all, what is the right instrument to address a language requirement efficiently? 4 The Quality Let us concentrate here on the issue of training. Initially, when the SI provision was still heavily decentralized, this did not amount to very much. But from the early years of 2000 on, the situation has changed. The Central Support Cell undertook the task of developing a solid training course 2 . With support of the European Refugee Fund two projects were carried out in 2003-2004. The first aimed to develop a course for candidates and for potential trainers as well as providing recommendations for users. The second expanded these findings to the decentralized agencies and recommended best practices for managing their service. This work resulted in an initial training module of 18 hours (also compulsory for volunteers), rounded off with an aptitude test and a main training component of 72 hours (fairly quickly increased to 84) leading to a final test. Over the next years further research was carried out, e.g. in 2006-2008 in an EU Equal project on professionalisation issues and on training with an eye to employment. This phase led to two important documents by the Social and Economic Council for Flanders, an official authority: the professional competence profile of the social interpreter and the criteria for the certification of the social interpreter (SERV 2008a and 2008b). The consequence was the implementation of a performancebased certification test. The test procedure as a whole, the test components (language tests and role plays), the materials and topics, the evaluation grids, the composition of the examining board, all were strictly defined. The detailed indicators of the evaluation grids ensured high inter-grader reliability and virtually excluded subjectivity and randomness (Vermeiren et al. 2009). In a 2011 European Social Fund project, the COC continued to refine the test. However, a number of fundamental problems refused to go away. In 2015, only 28 % of the candidates passed the test even though there was a significant in- 2 We have so far avoided naming names. However, we have to make an exception in the case of Jan van Gucht. His contribution to the development of SI in Flanders in the early years cannot be overestimated. His untimely death in 2010 robbed us of his vision for the future and potentially the best PhD on SI in Flanders. ‘Social’ Interpreting in Flanders 85 crease in the number of newcomers during that period and thus a greater need for SI. The quality of many candidates remained too low and there was an acute shortage of new languages. In addition, the system allowed candidates to take the test without training (only about 50 % actually went through the training). All this eventually made the system inefficient, time consuming and therefore expensive. In 2017 and 2018, a quantitative and qualitative analysis based on a consultation of the providers, a survey of 430 former students, on the literature and best practices was carried out. The objectives were: target the influx of the candidates, improve the quality, increase the success rate and achieve greater efficiency and better cost management. This work led to a new training program and certification test by the Certification Department of the AgII: ‘Appropriate trajectory’ it was called, and it looks as follows. The focus is now on bottleneck languages, which are better detected because the four SI services report quarterly which languages are often requested and where the current supply is insufficient. The candidates now attend an information session, introducing them to the profession and the training program. This is followed by an entry test with a language component (the candidate must have at least a B2 level at the start) and an interpreting aptitude test. The candidates pay €100 for this test but if successful, the ensuing training and certification exam are free, even if the candidate has to re-sit. Those who have passed may follow the basic training, which is now mandatory. It consists of a 46--hour Module focusing on Dutch and interpreting skills, concluded with a test. Module 2 - 93 teaching hours - deals with the SI field and practices the other language with language partners. The certification test itself consists of two real-life simulated role plays. Anyone who did not pass is obliged to show up for a feedback interview which leads to an assessment advice, either shortcomings the unsuccessful candidates must eliminate before they can re-sit, or that it does not make sense. Both opinions are binding (Certificering 2020). A first observation is that the success rate has increased significantly without any deterioration in quality, on the contrary. In 2015, only 28 % of the candidates succeeded, in 2018 this was already up to 41 % (based on 2019 figures it rises further to 51 %). The compulsory entrance test ensures that manifestly unsuitable candidates no longer go through the entire training course and take the certification test without any chance of passing. The elimination of lateral entrants also proves to be a major advantage. All this makes the training cohort more homogeneous and stronger. As a result, the certification test becomes less time-consuming and thus entails considerably less organizational costs. Finally, instead of recruiting more and more candidates for the same EU languages, the focus on languages in need increases the efficiency of the system. All of this 86 Erik Hertog shows that the emphasis on quality is not only an intrinsic methodological advantage but also a systemic one. 5 The Research Research has underpinned the development of SI in Flanders right from the start. Three recent examples only. We know that, for instance, for practical reasons, the type of conversation, urgency, possible costs, etc., care workers and social services use a whole range of other language communication support tools. They might resort to simplified Dutch, a contact language, a foreign-language colleague or an informal interpreter, visual materials, translation websites etc., all strategies that can be used easily and immediately. They will only use an interpreter if they assess the conversation as important, personal, sensitive, complex or necessarily informative. What is striking, however, is that this decision-making process is highly subjective. Organizations and employees often follow their own decision-making process, with major differences between sectors, organizations within the same sector and even between colleagues in the same service. On the other hand, it appears that experienced service providers make more thoughtful choices in their communication with non-Dutch speakers and will use SI more often to guarantee the quality of care (Roels et al. 2013). Given this common practice, an interesting tool that the AgII Language and Diversity Department has developed is the communication matrix. This schematically shows which language bridging instruments are best used, in which context, in which part of the process and for which purpose. Starting from the priority decision criterion - the client’s level of knowledge of Dutch - the matrix provides a detailed overview of the possible verbal and non-verbal bridging instruments, with success factors, points for attention, pitfalls and further information, so that the choice for a particular instrument is well thought-out and substantiated (Rillof et al. 2013). Finally, we need to look once again at the crucial cocktail of the deployment of certified interpreters, the cost and the structural shortage of certain languages. A teacher at the school gate obviously doesn’t have to call in a certified interpreter to remind a parent that the daughter should bring lunch on the school trip tomorrow. Another thing is when at a parent-teacher meeting the teacher wants to discuss a thorough evaluation of the son’s learning difficulties. In other words, SI has to be deployed in a well-considered manner, given the logistics and the cost. In combination with the language need, a track that is being thoroughly researched and evaluated is that of a layered register of certified interpreters and language assistants. Can briefly trained ‘auxiliary’ interpreters be deployed in certain situations and what impact might this have on the quality ‘Social’ Interpreting in Flanders 87 of the service? After an information session and an entry test, 84 candidates for languages in which a shortage was registered followed a two-day training course. Three return days with additional training and 15 observations completed the evaluation. Conclusion: the use of language assistants doing interpreting entails serious risks. The majority do not meet the standards in terms of language and interpretation skills, code of ethics and communication management. It is therefore important that service providers are well informed about the risks involved in working with language assistants or informal interpreters in general and are able to make a conscious choice of what is possible and what is not. Even when used in contexts in which the conversations are simple, structured and predictable, this still requires thorough guidance from the service provider and alertness to the possible risks. It is encouraging that 22 language assistants have indicated they want to obtain the SI certificate and 2 candidates have already succeeded in doing so. In any case, the language range of certified social interpreters should be further expanded so that the service providers can, if necessary, at all times conduct their communication with non--native speakers in the best possible way (Rillof et al. 2020). 6 Conclusion In conclusion we return to the context. In Flanders, SI operates in a local or regional but ultimately official context. This means that politics is bound to play a crucial role in the process of integration of newcomers and their access to public services across languages. If this task is carried out on the basis of a territorial and nationalistic identity politics, the policy will tend to place greater emphasis on linguistic ideology, on the use of Dutch by the services and on its acquisition by the newcomers. There will be less appreciation for language bridging tools such as SI, which can indeed be costly and may require some time and effort. Over the past seven years, this vision has apparently translated into the fact that less importance was attached to the efficient functioning of the AgII. In 2020, a new start has been made. The AgII is now part of a Ministry that has set itself the task of realizing a more inclusive vision of Flanders as a diverse society. Consequently, the AgII has to become a more efficient and performant organization. It must be made more dynamic and accountable, providing customer-oriented and more digital services tailored to the individual user, with closer links to education and employment. The AgII is a large organization and faces some considerable internal and external challenges. But the SI-related sections in the organization have shown that in all these years they have always endeavoured to deliver a provision of SI based on quality and underpinned by 88 Erik Hertog research. A formidable achievement indeed and as such an exemplary pendant of the work of Mira Kadrić (Kadrić 2016). Her unremitting and creative efforts throughout her academic career to improve the quality of interpreting training and practice has undoubtedly had an indisputable impact on the recognition of the importance of interpreting in our modern hyper-diverse societies. Her view of interpreting as a veritable ‘Dienst am Menschen’ characterizes her as a scholar and a person and has deservedly earned her the gratitude of many as well as the respect of her colleagues, including yours truly. Bibliography Agentschap Integratie en Inburgering (2019). Jaarverslag 2018. Available at: http: / / agii. vlaanderen/ 2018/ sites/ default/ files/ 20180328_jaarverslag_agii2018.pdf (accessed 15 June 2020). Atlas Antwerpen (2018). Jaarverslag 2018. Available at: https: / / 2018.atlas-antwerpen.be (accessed 15 June 2020). Brussel Onthaal (2018). Jaarverslag 2018. Available at: www.sociaalvertaalbureau.be/ wp-content/ uploads/ 2020/ 04/ jaarverslag-2018-BO-NL.FIN_.pdf (accessed 15 June 2020). Certificering Sociaal Tolken en Vertalen (2020). Available at: www.agii.be/ thema/ certificering-sociaal-tolken/ opleidings-en-certificeringstraject-sociaal-tolk/ certificeringsproef-sociaal-tolken (accessed 18 June 2020). 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Amsterdam/ Philadelphia: John Benjamins, 297-329. “Translaw” in Belgium A Qualitative Comparative Study on the Perception of Communication with Foreign Detainees Heidi Salaets, Katalin Balogh & Stefan Aelbrecht Abstract: According to the annual report of the Belgian Directorate General of Penitentiary Institutions of 2017 1 , more than half of detainees are Belgians (56 %), which means that the remaining 44 % are foreigners from more than 130 countries. According to the World Prison Brief 2 , Belgium occupies the 9th place out of 56 entries in Europe regarding foreign populations in prisons. The scope of this paper is not to find out why this is the case but to understand the service path of these non-Belgian detainees in the Belgian prison system. More specifically, through nine interviews with them, we will focus on the right to an interpreter as stipulated in Directive 2010/ 64/ EU 3 since it is key to understanding and therefore also key to the right to information. 1 Introduction and scope According to the annual report of the Belgian Directorate General of Penitentiary Institutions of 2017, almost half of detainees in Belgian prisons are foreigners from 130 countries. The question then arises as to how foreign prisoners tackle the lack of knowledge of the national language(s). Since EU Directive 2010/ 64 on the right to interpretation and translation in criminal proceedings, more attention has gone to the crucial role of (professional) interpreting in safeguarding the fundamental right to a fair trial, as enshrined in article 6 of the European Convention of Human Rights. 4 1 The 2017 report is the most recent available at the Belgian Ministry of Justice. 2 The World Prison Brief is an online database which provides free access to information on prison systems around the world. 3 2010/ 64/ EU can be found at the Eur-Lex website. 4 Article 6 of the ECHR. 92 Heidi Salaets, Katalin Balogh & Stefan Aelbrecht The research presented in the following contribution was carried out in the context of the TransLaw project ( JUST-AG-2016/ JUST-AG-2016-06) from January 2018 until December 2019. Mira Kadric and Sylvi Rennert represented the University of Vienna as the coordinators of this project. 5 Due to space constraints, this paper will for the most part zoom in on the empirical part of our investigation, namely the interviews we conducted with the persons accused of or suspected of crime (PAC) in Belgium 6 , to gain knowledge about their perception of the role of the interpreter during their service path. By service path, we refer to the services a PAC can rely on from their arrest and questioning by the police to their trial and (eventual) detention. In what follows, we will first highlight what has been published on interpreting in prison settings, as desk research was the starting point in the TransLaw project (section two). 7 Under heading three, we will briefly outline the methodology of the interviews. Then, we will present the results in section four and finally the discussion will provide us with new insights and also confirm existing knowledge. 2 Literature Review To know more about language assistance and solutions for communication needs in prison settings, we must turn to the limited academic research that exists. For general information, we can consult international initiatives like the World Prison Brief. Information from the side of national bodies is often scarce, and if it exists it is sometimes outdated (information from ministries, statistical bodies or other centres, like detention centres, for example) or it is not easily made available to third parties. The scholar that gave most attention to the particular setting of prison interpreting and is most productive in reporting on it in her research, is without any doubt Aída Martínez-Gómez. She was the first to attempt a courageous international overview of interpreting in prison settings in her study of 2014 (Martínez-Gómez, 2014a). She presents a rough taxonomy of countries in terms of their management of interpreting in prison settings: the first group that has no provision at all; the second group of most European countries that base their strategies to meet communicative needs on in-house ad-hoc resources, 5 For more detailed information about TransLaw, see the website of the TransLaw project (Research Group Interpreting Studies at KU Leuven). 6 In this regard, we wish to acknowledge Dr. Isabelle Bambust for her contribution as assistant researcher during the TransLaw project. 7 For the desk research report see the website of the TransLaw project (Research Group Interpreting Studies at KU Leuven). “ Translaw ” in Belgium 93 amongst which Belgium; the third group of countries that seem to make a balanced use of both ad-hoc solutions and professionally oriented strategies and finally, countries who have opted for promoting the use of professional-oriented measures. It must come as no surprise that these are also the leading countries in language mediation we know in interpreting studies, namely Australia, Denmark, England and Wales, the Netherlands and Sweden (Martínez-Gómez 2014a: 252-253). Furthermore, Martínez-Gómez inserts interpreting in prison settings as a specific setting (2015d, 2017, 2018) into the larger paradigm of non-professional interpreting (2015a, 2015c, 2015e, 2016, 2019, forthcoming ) and asks the following question: what are the consequences when inmates interpret for each other (2014b)? In this way she tries to define and assess quality in this specific setting (2015b). Like the present report, several studies tend to limit their scope to a single country. The UK is studied by Collin and Morris (1996) in a chapter dedicated to prison interpreting and later on by Samba (2007), who describes the initiatives taken to improve arrangements for prison interpreting. Spain seems to attract the most attention: two publications flow from the research project Comunicación eficiente en centros penitenciarios, which also had a two-fold practical goal. The first is to introduce staff in Spanish prisons to the profession of legal interpreters and translators through a short, basic guide and to create awareness about the possible risks when working without professional interpreters (Valero-Garcés et al. 2019a). The second is a hands-on manual which can be used to train future translators and interpreters in prison settings, but is mostly dedicated (through eight modules) to training bilingual inmates, at least to introducing them to the professional world of translation and interpreting (Valero-Garcés et al. 2019b). Baixauli-Olmos also investigates Spanish prisons - although he also has data from the UK and the US - but he takes a specific ethical stance in his publications (Baixauli-Olmos 2013) and analyses the public service interpreter and his professional function in prisons. He concludes, amongst other things, that “penal facilities represent very tense tightropes for interpreters to walk” (Baixauli-Olmos 2017: 83). Next to research on Spain, studies exist on the situation in Greece, Italy (Rossato 2017) and Belgium (Gallez 2018). Vlachopoulos (2014) und Vlachopoulos et al. (2015) show that foreign prisoners are generally dissatisfied with interpreting services in Greek prisons. Sixty percent of the prisoners stated that there was no interpreter at all. When an interpreter was appointed, 2 out of 5 did not speak the language of the prisoner. Finally, 9 out of 10 detainees declared they would not choose the same interpreter again, which seems to make legal interpreting in Greece a farce. 94 Heidi Salaets, Katalin Balogh & Stefan Aelbrecht 3 Methodology 3.1 Semi-structured interviews To complement the literature review during the project, semi-structured interviews were conducted to gain first-hand accounts of the provision and the quality of interpretation during service paths in criminal proceedings in Belgium. Although complex approval procedures were necessary to reach incarcerated PACs, we managed to conduct nine interviews. 8 None of the interviews focused on the legal aspects of specific cases or the criminal charges, but rather on the moments of interaction with interpreters from the perspective of a PAC. The interviews contained a mix of questions regarding the service path of a PAC, the perception of the interpreters, interpreting quality and conditions, and spatial interactions. The interviews were recorded, transcribed and subsequently, manually and individually coded by the two authors. The questions also provided the keywords for the analysis. They will serve as the structure for the discussion in section four below. • Description of the service path (SP): first contact with Belgian police or legal actors • Legal interpreter (LI) in the SP: communication after first contact with legal authorities - Were they trying to speak Dutch or French? - Was there somebody present who spoke your language? - If yes: was this person introduced? - If yes: professional or lay person? - If no: how did you communicate? What was the impact of that? • Complexity of the SP - Number of interpreters - Physical position (seating arrangements) - Ethical position (neutrality) - Performance of LI/ quality of interpreting - Impact of LI in service path • Would you take part in transcultural law clinics? 8 The research approach was approved by the SMEC (Social and Societal Ethics Committee) of KU Leuven, protocol number G-2018 08 1299, and acknowledged by the Belgian Directorate General of Correctional Facilities. The managers of the respective detention centres had distributed our invitation in several languages and had made a list of detainees who were interested to participate. Unfortunately, we even lost some interested detainees because they were released or transferred elsewhere. All detainees signed an informed consent for participation and for audio-recording the interview. 3.2 Population Some characteristics of the nine detainees are summarized in the next table. All detainees were male. PAC # Mother tongue or preferred language Languages spoken during the procedure/ used by the interpreter Prison location 1 Arabic French/ Spanish >< Dutch Beveren-Waas 2 Berber Dutch only 3 Arabic & French Moroccan Arabic/ Palestinian- Syrian varieties of Arabic >< Dutch 4 Berber Standard Arabic >< Dutch 5 Moroccan Arabic Egyptian Arabic >< Dutch 6 Russian Russian >< Dutch 7 Bulgarian Bulgarian >< Dutch 8 Standard Arabic & French French >< Dutch Mechelen 9 Italian Albanian >< Dutch 4 Results 4.1 First contact and communication issues Regarding the first contacts, all detainees except one (#8) declared that there was no communication because there was no interpreter present. This could be explained by the specific situation of their arrest: one was arrested in Luxemburg (#1), another in Bulgaria (#7), one in his car (#9) and all three remained without communication during the transfer to the police station from abroad/ the moment of arrest. Afterwards, some received the wrong interpreter: Standard Arabic instead of Berber for detainee #4, wrong varieties of Arabic and no French, although it was a language of communication for detainee #3. Of the remaining three (n = 8), one declared that he did not remember any interpreting during the first contact (#6), the second (#2) was sure about the lack of interpreting during the first contact and the third (#5) certified the following, which indicates the hostile attitude of the police and later on the impossibility to provide the right interpreter: “The police back in 2006 said that living in Belgium means I had to learn Dutch. I could speak Moroccan Arabic but no Berber. They gave me an Egyptian interpreter, when I told the judge, he said he was the only one available.” (#5) “ Translaw ” in Belgium 95 96 Heidi Salaets, Katalin Balogh & Stefan Aelbrecht During the next steps of the process, in most cases “somebody who spoke another language” was present in the PAC’s service path. It appeared to be difficult to answer the question of whether it was a professional because detainees possibly don’t know what the definition of a professional interpreter is. 9 However, they are perfectly capable of judging whether an interpreter is ‘good’ or ‘bad’ (which of course doesn’t always meet the ‘theoretical’ definition of a professional and/ or a good interpreter). In short, the question of whether there was somebody present that spoke the native language of the detainee or a language he feels comfortable in must be answered negatively in all cases but three (#6,7,8). However, these detainees indicated the strongly varying quality of interpreters: a Russian-speaking interpreter with bad Dutch or the other way around for #6 and the impact of the interpreter evaluated as 1/ 10 in the case of #7. Only detainee #8 was happy to speak French, a second language he feels perfectly comfortable in (see further). Answers to the question of whether the interpreter was introduced - so that primary participants (authority and detainee) knew what his/ her role is -were diverse: one detainee didn’t remember (#2), two remembered a woman that introduced herself as the interpreter (#1,3). Only one prisoner (#4) confirmed with certainty that he knew who the interpreter was; one confirmed he deduced it from the fact that she spoke Russian but he didn’t remember any formal presentation and links this to a possible factor because “I had other things on my mind” (#6). Prisoner #8 finally told the researchers that the interpreter introduced himself to the police officer only. Three detainees did not answer this question (#5, 7, 9). As for the question of whether it was then possible for the detainees to speak French or Dutch out of necessity (in case there was no other solution available), there was only one detainee who confirmed he could speak and understand French very well and that this was “key to making the process work” since he didn’t understand a word of Dutch (#8). In one case (#2) the desperation of the prisoner was evident when asked about the impact of the lack of linguistic assistance: “I didn’t understand anything in my file. There was no impact at all of anything. Only that they made it more difficult. They ruined my life.” (starts crying). 9 Only detainee #5 used the terminology “professional interpreter” and explained how he defines the role and task of a professional interpreter (see 4.2.1 and 4.2.3). 4.2 Complexity of the SP 4.2.1 One or multiple interpreters in the SP During their whole service path, detainees had several encounters with different interpreters, namely between two and six. It was striking that some interviewees clearly expressed a preference for different interpreters instead of the same during the whole service path. The reasons for that were “to avoid bad quality” (#7) or even to distinguish the good from the bad: “There were differences (accent, way of working) but I prefer different interpreters” (#8). Detainee #5 seemed very well aware of the significance of a professional interpreter: “I don’t care [about having different interpreters]: the only thing I hope is that every individual gets a professional interpreter who does his job in giving the person the possibility to speak his own language. There is a big difference in quality, their way of working and dealing with things. Sometimes they act like a police officer”. This indicates that (some) detainees know their rights and know that a professional interpreter can make a difference in getting access to justice. 4.2.2 Position: seating arrangements When asked about the physical setting, all detainees but one referred to a “classical” seating arrangement, meaning the interpreter is seated close to them - either left or right. Detainee #2 found it “too close”. Prisoner #6 recalled the interpreter being seated next to the police officer. Two detainees mentioned the fact that the number of people present and the acoustics of the room (e.g. the court room) made that “you could hear like 20 %” (#4) or that hearing is a problem “because the judge and the prosecutor talk very fast” (#5). Figure 1: I = interpreter / PO = Police officer / LA = Legal Actor 4.2.3 Position: neutrality The questions that treated the neutrality of the interpreter didn’t receive affirmative answers: either the detainees had the impression that the interpreter worked with the police (#3, 5, 8) or they felt empathy or even sympathy from “ Translaw ” in Belgium 97 98 Heidi Salaets, Katalin Balogh & Stefan Aelbrecht the interpreter because it was someone who was “standing next to me” (#1) or a person who comforted the detainee by saying that the “punishment was too severe” (#2). One detainee even declared he “trusted her [the interpreter]. She smiled all the time and I believed her. She repeated, “’ don’t have to worry’. She told me Belgians were just like that. That everything would be ok, that there was no evidence.” (#7). Detainee #4 and #5 had clear views on what the interpreter is supposed to do. The first one declared: “We are 2019, not 2012: human rights become clearer, it is not like before anymore. They introduced a new system in Belgium, and I think it is very good. If you go to the police, then an interpreter and lawyer is present. Everything that has been said, is also recorded”. The latter detainee seems to know the role boundaries of the professional interpreter: “Once they hired an Egyptian interpreter who thought I did not speak a word of Dutch. He made an addition towards the police, saying: "‘What he says, is not correct’ Then I have protested and told him: this is a conversation between myself and the police. If I don’t tell the truth, it is up to the policeman to discover, it is not your task! " 4.2.4 Performance of the LI In most of the cases, the performance and quality of the LI is judged as insufficient or even non-existent. What is rather evident is the human ‘variable’ that is mentioned regularly: depending on the interpreter’s competences, understanding varies from zero to good (#2, 5, 6, 7, 8, 9). This fact was nuanced by two detainees who didn’t see it as the interpreter’s responsibility when judges are impossible to understand because they speak too fast or in a complicated way (#2, 3). The following quote illustrates this: “I don’t see any difference with or without an interpreter in the communication with the authorities. Even if he translates, in what way can I check it? If he leaves things out? Everything goes very fast, so …? ” (#3) or “During the criminal proceeding, I almost wanted to stop the court hearing because I didn’t understand anything! ” (#2) In summary, we can say that vast majority of the comments concerning the interpreter’s performance were negative. According to the respondents, the following causes can be indicated: • “Weak” (#3) linguistic competence; “only once somebody with good control of Dutch and Russian” or “the interpreters were Dutch speaking and knew some Russian but no legal terms. Or if they were Russians, their Dutch was bad” (#6). • Lack of accuracy, described as follows: “they only translate and even this translation, they don’t do it completely” (#5); “She summarizes what I was saying in Russian. It was much shorter. So, information was lost. I didn’t dare to say something back then, now I would” (#6) • Language needs are decided by the authorities on the basis of nationality, not actual language use or competence. This is exemplified by the case of a detainee born in Albania but residing in Italy for 27 years since the age of 10. He testifies: “I didn’t understand. The interpreter didn’t listen to my questions and needs. I needed an interpreter in Italian, not Albanian. So, I didn’t have the right interpreter(s). Their intervention was completely useless […] I had 6 interpreters for Albanian, none in Italian […] I asked the police officer, lawyer, magistrates for an Italian interpreter. Didn’t receive it. Only incomprehension. (#9). This could have serious consequences as has shown the Case of Vizgirda vs. Slovenia at the European Court of Human Rights 10 were the following was decided: “Failure to provide interpretation of criminal proceedings and documentation in a language of which the accused had a sufficient command: violation”. • Interpreters of the wrong language and/ or dialect (Standard Arabic instead of Berber, Dutch instead of French, Albanian instead of Italian or third languages like Spanish or French) • Lack of respect for gender and/ or cultural and/ or religious aspects: “For me [male] it was a young woman, and it didn’t feel good because of her age, sex and as experienced by my religion. I had to tell her things and had to hear some things from her that felt as a humiliation to me. Since I was feeling uncomfortable, it didn’t feel like an assistance. They don’t take that into account.” (#6). The last quote shows not only the impact of linguistic assistance but also how crucial trust is. Unfortunately, only two respondents judged the impact of the interpreter as very positive, (“key to making the process work” (#8)) or at least as an impact on the respondent’s state of mind, “to know somebody was standing next to me” (#1). Others judged the impact of the interpreter as 1/ 10 (#7), “not ok” (#5) or indifferent (#3, 6, 9). Respondent #2 is quoted before as desperate because of a total lack of comprehension of his case. Detainee #4 is very negative in general (“You may have rights, but you don’t get them. Also, in prison you have rights, but they are not respected”). The possible far-reaching impact of bad interpreting is mentioned by prisoner #5, who refers to the story of a friend: “Once a friend of mine in court received fixed prison sentence of 3 years and 2 years’ probation. The interpreter said: a fixed prison sentence of 5 years. That is a big difference. My friend lodged an appeal. There they give him 4 years of determinate prison, which is actually one more than what he received originally.” 10 The final judgment can be found online at the LawEuro website. “ Translaw ” in Belgium 99 100 Heidi Salaets, Katalin Balogh & Stefan Aelbrecht 4.2.5 Interest in Transcultural Law Clinic Respondents were unanimously positive on the organisation of Transcultural Law Clinics in the future. Some of them added that supervision of students is necessary (#1,3, 4,6). Detainee #2 sees it as a solution to the problem of total non-understanding: “I am very positive. If it had existed before, a lot of people wouldn’t have the problems I have. This would lead to a better linguistic situation. I would certainly make use of it. The interpreter can do whatever he wants, there is no control! ” 5 Discussion and limitations In the introduction and methodology, we have already signalled that the scope of the interviews is limited to the communication in the service path of foreign language speakers accused or suspected of crime. We did not ask about their life in prison, how they manage to understand rules and regulations and communicate with staff when everything is explained (orally or in print) in Dutch (in prisons in Flanders (Belgium) like Mechelen and Beveren-Waas). We strongly suspect that of the 44 % of the prisoners, a considerable percentage fails to understand and being understood. The number of interviews is limited, as in most qualitative research, and so we have to be mindful of generalisations. Be that as it may, it is striking that all but one detainee had received no interpreting during first contact; that two of the detainees had a professional interpreter available in their mother tongue, however with deplorable results, while one detainee was happy with French as a third language to communicate because he was fluent in it. This also shows that they probably were not dealing with professional interpreters which in turn explains why neutrality was not observed either way (towards the detainee, towards the police). It further explains why the quality of the interpreting was mostly judged as unsatisfactory. However, it was repeated that much depends on the personality of the individual interpreter. On some occasions they were satisfied with the interpreter (still less the case than cases of dissatisfaction). For the first time, we reached out directly to the detainees in Belgian prisons themselves: this is rather unusual (see sub-section 2.2) for ethical and security reasons (Baixauli-Olmos 2013), for interpreters as well as researchers. On the one hand, this is unique; on the other hand, everything is seen only through the eyes of the detainees who find themselves in a difficult situation of disempowerment. Their perception of the “system” which puts them behind bars is negative almost by nature. Still, some of them are aware of their rights, of the Belgian system or knew about the role boundaries of the interpreter but feel helpless because nobody seems to bother. From the viewpoint of the detainees, we can say that interpreting in Belgian prisons seems to fit into the non-professional interpreting paradigm (see Martínez-Gómez’ publications). 11 Even though Belgium has a system in place that should monitor quality of legal interpreters, it seems challenging to find “the right interpreter in the right place at the right time”. Arguably, the fact that the register is not fully operational could explain why that is so. It seems that detainees in particular are the last in line to benefit from qualitative interpreting, but not only in prisons. Unfortunately, during the different steps in their service path, already from their arrest, there was not (always) an interpreter present and if he was, he often did not speak the language, is incompetent or not neutral. From the detainees’ testimonials, it seems that sometimes there is unwillingness to provide an interpreter or to satisfy the request of a detainee regarding the desired language of communication. We could further argue that - at least in Belgium - we are finding ourselves in a kind of vicious circle: the interpreter, instead of being seen as a plus value is mostly seen as an obstacle (what is confirmed by the detainees’ statements which illustrate the indifference of legal actors to providing a professional interpreter). Further research should be done on how in this way the fundamental right of access to justice is violated in Belgium. It is in this light that we have to understand the detainees’ approval of the transcultural law clinic. They are designed to create awareness amongst interpreting and law students about the consequences and risks of not getting access to linguistic assistance as a foreign language speaker, and thus also to justice. 6 Conclusion and recommendations When we look back at the results, we must conclude that we are closer to a Greek situation (Vlachopoulos et al. 2014) in Belgium or to an Italian context where offering linguistic assistance is not a priority in correctional institutions (Rossato 2017). Of course, we must keep in mind the fact that we cannot generalize on the basis of 9 interviews. On the other hand, it is striking that none of the interviewees has had an overall and constant positive idea about the interpreting in his entire service path. Should we keep in mind what Rossato states? It reads as follows: The Italian public opinion’s distorted perception that there has been an exponential increase in illegal actions committed by migrants in recent years may well have 11 Since 2017, Belgium has started to create a National Register for Sworn Translators, Interpreters and Translators-Interpreters . In July 2020 it still was not fully operational (it is provisional and legal actors and police still do not have access to it). “ Translaw ” in Belgium 101 102 Heidi Salaets, Katalin Balogh & Stefan Aelbrecht originated from an overwhelming media coverage of crime and delinquency among non-Italians, as well as from the relative scarcity of reliable and up-to-date information on social phenomena connected to migrants. (Rossato 2017: 161) Although we see similar tendencies in Europe, we are reluctant to transfer it to other European countries because it is a political and somehow general conclusion that must find ground in research before it can be stipulated. What we would rather conclude is that there seems to exist a more structural, deep-rooted denial of (the right to) the interpreter because every other right seems to come first: the right to a lawyer, the right to information and many others that could be clustered in the right to a fair trial. This can only be seen as a strength, but what often seems to be forgotten is that these rights are non-existent if you cannot understand them due to linguistic barriers. How can you even claim your rights if your counsellor acts in your place because (s)he is unable to explain what strategies (s)he will follow and why? How can you understand your case and possibly appeal if you do not understand what the judge is sentencing you for and with what kind of measures? How can you (re)act in a detention centre - an unpleasant situation in itself- if you do not understand the rules, if you cannot participate in basic communication and if you cannot take advantage of the services offered in prison because of linguistic barriers (work, leisure, encounters with social workers, lawyers, psychologists etc.)? We cannot but conclude with Gallez when she states that “linguistic isolation of foreign prisoners further accentuates their vulnerability and leads to inequality. It also risks jeopardizing their chances of release and social integration.” (Gallez 2018: 752). Other and more far-reaching consequences are at stake, not only the fact that one “doesn’t understand”! We therefore recommend to work only with professional interpreters in all stages of the criminal procedure (from arrest to trial and detention), which means that only official members of the National Register will be used as a standard. This can reduce and possibly avoid the lack of quality as mentioned by our interviewees. It would also minimalize ethical incidents because professional interpreters are aware of their ethical code and their role. Authorities should also be instructed to avoid to deduce from a detainee’s nationality the language the detainee wishes to communicate. We could diagnose from the Albanian detainee in our sample how this is perceived (as a total denial of every right, mostly the right to information) and we have ascertained what consequences this can have for example as in the Vizgirda vs. Slovenia case mentioned above. Finally, in light of the TransLaw project we presented, it his highly recommendable that transcultural law clinics take place in which future lawyers, magistrates, attorneys (etc.) and legal interpreters are prepared to learn to collaborate in a legal context under the supervision of professionals to avoid false steps in their future professional practice. 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Im Artikel wird des Weiteren die Frage aufgeworfen, ob das Paradigma der gleichberechtigten KommunikationspartnerInnen, von dem man im Bereich Konferenzdolmetschen weitgehend ausgeht, auch im EU- Kontext vorherrscht. Es soll gezeigt werden, dass auch in der Europäischen Union Sprachhierarchien zwischen Mächtigeren und Ohnmächtigeren bestehen, die für gewöhnlich eher im Bereich des Dolmetschens bei Gericht und Behörden verortet werden, und dass für verschiedene AkteurInnen in den einzelnen Organen der Union und EU-BürgerInnen nicht immer gleiche Kommunikationsbedingungen vorherrschen. In der Muttersprache kommunizieren zu können hat neben dem rechtlichen Aspekt eine nicht zu unterschätzende emotionale und symbolische Ebene: die Wertschätzung. (Kadrić 2012a: 14) Spricht man über das Recht auf Zugang zu Translationsleistungen, dann kommt vielen wohl spontan der Bereich Gerichts- und Behördendolmetschen in den Sinn. Zu einem großen Teil ist es Mira Kadrić und ihrer umfassenden Publikationstätigkeit sowie fachübergreifend bewusstseinsbildenden Arbeit zu diesem Thema (u. a. 2001, 2012b, 2019) zu verdanken, dass man in diesem Zusammenhang an das Gericht als translatorisches Handlungsfeld denkt, an unterschiedliche Lebenswelten in Asylverfahren oder an die Frage der Qualitätskriterien bei der Rekrutierung von DolmetscherInnen bei der Polizei. Auch Konzepte wie 108 Karin Reithofer allparteiisches transkulturelles Handeln (Kadrić 2019: 76f.) oder Machtasymmetrien zwischen KommunikationspartnerInnen (Kadrić 2016: 116) verbinden viele spontan mit diesem Thema. Eher selten wird das Recht auf Translation oder vielmehr das Fehlen desselben mit Übersetzen und Dolmetschen in den Institutionen der Europäischen Union assoziiert. In diesem Beitrag soll jedoch gezeigt werden, wie auch innerhalb der EU sowohl interessierte UnionsbürgerInnen als auch Beschäftigte der Institutionen und Abgeordnete das Recht auf Translation häufig nicht vollumfänglich genießen können. 1 Offizielle Sprachenpolitik der EU Ein Grund dafür, dass man bei dem Thema Recht auf Translation selten bis gar nicht an die (interne) Sprachenpolitik der EU denkt, mag darin liegen, dass dort kaum jemand ohnmächtige KommunikationspartnerInnen vermutet, denen das Recht auf Kommunikation in ihrer Erstsprache verwehrt bleibt, sondern man eher davon ausgeht, dass die dort agierenden Personen sich Translation auch leisten können und dass in diesen Settings Translation auch nach einer Kosten- Nutzen-Rechnung als sinnvoll betrachtet wird: „Die Dolmetschung wird dabei als ein Kostenfaktor gesehen, der aufgewendet wird, da sich die Dolmetschung ökonomisch bzw. politisch rechnet.“ (Kadrić 2016: 103) Seit ihren Ursprüngen in den 1950er Jahren hat die EU - nach außen - die Mehrsprachigkeit als eines ihrer Grundprinzipien hochgehalten, wobei dieses ohne Translation nicht umsetzbar wäre. Anders als in anderen internationalen Organisationen beschränken sich die Amtssprachen der EU nicht nur auf eine Hand voll Sprachen. Schon in der Verordnung Nr. 1 der damaligen Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft wurde festgeschrieben, dass die Sprachen der Mitgliedsstaaten 1 Amts- und Arbeitssprachen der Union sein müssen (EWG Rat 1958). Dieses Prinzip der Mehrsprachigkeit mit mittlerweile 24 Amtssprachen sollte es auch allen EU-BürgerInnen ermöglichen, sich in ihrer Muttersprache an die Institutionen zu wenden. Es machte die Übersetzung über viele Jahre hinweg zur „Sprache Europas“ (Eco 1993) und die EU zum weltweit größten Anbieter von Übersetzungs- und Dolmetschdienstleistungen. Das hat auch seinen Preis, den manche als wirtschaftlich untragbar bezeichnen (Cogo & Jenkins 2010: 272), wenngleich die Kosten weniger als 1 % des EU-Haushalts ausmachen (Europäische Kommission 2020b). 1 Nicht berücksichtigt werden dabei die Sprachen von Minderheiten, die nicht Amtssprache in einem der Staaten der EU sind. Recht auf Translation in den EU-Institutionen- 109 Dieses Bekenntnis zur Mehrsprachigkeit wurde sogar untrennbar mit der europäischen Identität verknüpft: „Die Mehrsprachigkeit ist ein wesentliches Element sowohl der europäischen Identität und Zugehörigkeit als auch der kognitiven Gesellschaft.“ (Europäische Kommission 1995: 59). Auch als der Aufstieg des Englischen zur globalen Lingua Franca nicht mehr zu ignorieren war, positionierte sich die offizielle EU klar und erklärte, dass es Mehrsprachigkeit braucht und Englisch allein nicht ausreicht (Europäische Kommission 2003: 4), und von 2007 bis 2010 gab es gar einen eigenen Kommissar für Mehrsprachigkeit. Das Image der EU als Vorreiterin für Sprachenrechte ist auch ihren zahlreichen Rechtstexten geschuldet, die das Recht auf Translation - vor allem im Bereich Gerichtsdolmetschen - für ihre Mitgliedsstaaten verpflichtend machen: beispielsweise mit der Richtlinie 2010/ 64/ EU über das Recht auf Dolmetschleistungen und Übersetzungen in Strafverfahren oder der Richtlinie 2012/ 13/ EU über das Recht auf Belehrung und Unterrichtung in Strafverfahren. 2 Zumindest nach außen scheint die EU demnach ein Vorzeigebeispiel für angewandte Mehrsprachigkeit zu sein. 2 Lässt die EU ihren Worten auch wirklich Mehrsprachigkeit folgen? Nimmt man die Arbeit der Institutionen der EU genauer unter die Lupe, zeigt sich jedoch, dass das Prinzip der Mehrsprachigkeit im Inneren der Union nicht immer angewandt wird (z. B. Reithofer 2018). Den einzelnen Organen steht es ebenfalls laut Verordnung Nr. 1 frei, in ihren Geschäftsordnungen festzulegen, wie sie die Mehrsprachigkeit anwenden möchten (vgl. EWG Rat 1958). Dass es in einer supranationalen Organisation mit mittlerweile 27 Mitgliedstaaten und umfassenden Zuständigkeiten, die weit über die klar abgegrenzten Bereiche der ursprünglichen Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen, schwierig ist, alle sprachlichen Interaktion in 24 Sprachen durchzuführen, ist unumstritten. Dass Englisch als Lingua Franca (ELF) jedoch auch in der EU - wie fast überall sonst - immer mehr auf dem Vormarsch ist und die Bedeutung der Mehrsprachigkeit in den letzten zehn Jahren abgenommen hat, lässt sich aber durchaus an bestimmten symbolhaften Entwicklungen erkennen: Nach 2010 wurde der Mehrsprachigkeit beispielsweise kein Kommissar mehr gewidmet. Der Bereich wurde in der Folgekommission vielmehr mit anderen Portefeuilles 2 Ein umfassender Überblick über alle relevanten Rechtstexte findet sich in Kadrić (2019: 23ff.) 110 Karin Reithofer zusammengefasst und in der Junker-Kommission ab 2014 in den Agenden der KommissarInnen gar nicht mehr explizit erwähnt. Es soll in den nächsten Unterabschnitten betrachtet werden, wie die Sprachenpolitik von Institution zu Institution je nach deren Zusammensetzung und Aufgaben unterschiedlich ausgelegt und umgesetzt wird. 2.1 EU-Kommission Die europäische Kommission arbeitet intern nicht in allen Amtssprachen, sondern beschränkt sich offiziell mit Englisch, Französisch und Deutsch auf drei Arbeitssprachen, was nachvollziehbar ist, wenn man bedenkt, dass die KommissionsmitarbeiterInnen durchwegs EU-BeamtInnen sind, die für diese Arbeit auch nach Brüssel ziehen. Von ihnen werden dementsprechend neben ihren fachlichen Qualifikation auch sprachliche Voraussetzungen verlangt. Sie müssen ihre sehr guten Kenntnisse in mindestens zwei der drei Hauptsprachen in herausfordernden Auswahlverfahren auch beweisen. De facto ist jedoch Englisch mittlerweile in fast allen Arbeitsbereichen der Kommission die vorherrschende Sprache. Diesbezüglich haben Gazzola und Grin (2013: 99) gezeigt, dass dieser zunehmende Monolingualismus in Form von ELF nicht zu vernachlässigende sekundäre Kosten verursacht, wie z. B. verringerte Produktivität oder mentale Ermüdung der BeamtInnen, wenn diese ständig in einer Fremdsprache arbeiten müssen. MitarbeiterInnen mit Englisch als Erstsprache oder mit sehr guten Englischkenntnissen haben somit einen großen Vorteil gegenüber anderen. Dass mittlerweile 95 % der Kommissiontexte direkt auf Englisch verfasst werden (Wagner 2010) und viele davon auch nicht übersetzt werden, hat aber nicht nur interne Folgen, sondern auch Auswirkungen auf die Außenkommunikation der EU-Kommission. Während die Hochglanz-Broschüren und Startseiten der meisten Kommissionswebsites noch in allen Sprachen verfügbar sind, stößt man bei etwas einschlägigeren Themen schnell auf sprachliche Barrieren, und das auch, wenn es um hochaktuelle Angelegenheiten geht, die bei den BürgerInnen großes Interesse hervorrufen. Wer sich beispielsweise auf der Kommissions-Website über den Außenhandel der EU und Handelsabkommen mit Drittländern wie beispielsweise TTIP informieren möchte, der/ die muss des Englischen mächtig sein, da diese Informationen nur in dieser Sprache vorliegen (Europäische Kommission 2020a). Das schließt zahlreiche Interessierte aus, denn während viele heute davon ausgehen, dass ohnehin jedeR Englisch kann , zeigen Untersuchungen etwas ganz Anderes. Laut Gazzola (2016: 33f.) sprechen 45 % der EU-BürgerInnen 3 gar kein Englisch und weitere 20 % tun 3 EU 25 ohne Kroatien, die Niederlande und Rumänien. Recht auf Translation in den EU-Institutionen- 111 dies nur auf einem eher niedrigen Niveau. Insgesamt 65 % der EuropäerInnen bleibt der Zugang zu den angesprochenen Informationen damit de facto verwehrt. In diesem Zusammenhang muss auch berücksichtigt werden, dass die tatsächlichen Englischkenntnisse zwischen den EU-Mitgliedsländern und auch zwischen verschiedenen Gesellschaftsschichten innerhalb der einzelnen Staaten stark variieren, was bedeutet, dass diese Zahl in einigen Ländern oder Gesellschaftsgruppen sogar über 65 % liegt. Große Bürgernähe drückt diese einsprachige Kommunikation von kontrovers diskutierten Themen, bei denen der Kommission immer wieder mangelnde Transparenz vorgeworfen wurde, nicht aus. Teilweise kann man sogar von einer echten sprachlichen Ausgrenzung sprechen, wenn beispielsweise Informationen, die für offizielle Ausschreibungen oder Förderprogramme relevant sind, auf Websites nur auf Englisch verfügbar sind und eine Teilnahme gerade für kleinere AnbieterInnen somit erschwert oder gar verunmöglicht wird (Gazzola 2016: 51). 2.2 Europaparlament Das Europaparlament (EP) versteht sich als einzige direkt demokratisch gewählte Vertretung in der EU und gibt sich auch auf seiner Website besonders vielsprachig: Dokumente des Parlaments werden in sämtlichen Amtssprachen der Europäischen Union (EU) veröffentlicht, und die Mitglieder des Europäischen Parlaments (MdEP) haben das Recht, in der Amtssprache ihrer Wahl zu sprechen und zu schreiben. Dadurch wird auch sichergestellt, dass alle die Tätigkeit des Parlaments verfolgen können und Zugang dazu haben. (Europäisches Parlament 2020a) Das betrifft offizielle Dokumente wie Berichte oder Entschließungen, aber schon das Video unter dem oben zitierten Text ist auf Audioinput auf Französisch und Englisch sowie auf englische Untertitel beschränkt. Ähnliches gilt für die Seite Aktuelles , wo in der deutschen Version nach einigen aktuellen Meldungen auf Deutsch, sehr viele News auf Englisch erscheinen (Europäisches Parlament 2020b). Auch bezüglich der Dolmetschung ist im EP keineswegs eine vollumfängliche Mehrsprachigkeit sichergestellt, sondern in der Formulierung des Verhaltenskodex Mehrsprachigkeit eine „ressourceneffiziente umfassende Mehrsprachigkeit“ (Europäisches Parlament 2019). Hinsichtlich der Bereitstellung von Dolmetschleistungen gibt es demnach eine Rangordnung der verschiedenen Sitzungen und Veranstaltungen, wobei die Plenarsitzungen an erster Stelle stehen, gefolgt von hochrangigen politi- 112 Karin Reithofer schen Sitzungen wie Sitzungen des Präsidenten. Die Sitzungen der parlamentarischen Ausschüsse und Delegationen, die ebenfalls öffentlich abgehalten und auch webgestreamt werden, stehen erst an dritter Stelle und verfügen nur selten über ein volles Sprachenregime. Dasselbe gilt für die Sitzungen der verschiedenen Parlamentsfraktionen. (Europäisches Parlament 2019). In der Praxis zeigt sich, dass tatsächlich die monatlich stattfindenden und webgestreamten Plenarsitzungen am vielsprachigsten sind und die Mehrsprachigkeit dort von den Abgeordneten auch gelebt wird. Als Beispiel sollen nur zwei willkürlich ausgewählte Tage in zwei verschiedenen Plenarwochen angeführt werden. Dies soll keinen statistisch relevanten empirischen Beweis darstellen, sondern lediglich einen exemplarischen Einblick in das Geschehen gewähren. Bei Sitzungen vom 15. April 2019 und 17. Juni 2020 gab es insgesamt 283 Wortmeldungen von denen 221 in der Erstsprache (L1) der Abgeordneten und Gäste abgegeben wurden und nur 62 in anderen Sprachen, wobei dies vor allem Englisch war (Abb. 1). Die große Mehrheit der Abgeordneten sprachen an den betrachteten Daten somit ihre Erstsprache, weniger als ein Viertel der RednerInnen nutzten die Möglichkeit nicht. Es ist anzunehmen, dass viele Abgeordneten unter anderem auch deshalb in Plenarsitzungen ihre Erstsprache sprechen, weil diese Wortmeldungen als Möglichkeit der Kontaktaufnahme und Kommunikation mit ihren WählerInnen genutzt werden. Häufig veröffentlichen sie Kurzvideos davon auf sozialen Medien wie Facebook, Twitter oder ihren persönlichen Websites. Abbildung 1: Sprache der Wortmeldungen im Plenum vom 15.04.2019 und 17.06.2020 Ganz anders stellt sich die Situation in den ebenfalls online mitverfolgbaren parlamentarischen Ausschüssen dar, in denen weniger politische Statements gemacht werden und dafür mehr konkrete Arbeit an Rechtstexten geleistet wird. Recht auf Translation in den EU-Institutionen- 113 Es kann angenommen werden, dass das Interesse der Öffentlichkeit an diesen sehr fachlichen Sitzungen meist geringer ist. Als Beispiel sei der Ausschuss für Auswärtige Angelegenheiten (AFET) angeführt. Bei dessen wieder willkürlich ausgewählten Sitzungen vom 1. April 2019 und vom 06. Juli 2020 gab es insgesamt 70 Wortmeldungen. Dabei sprachen nur 22 RednerInnen ihre Erstsprache, ganze 48 äußerten sich in einer anderen Sprache - nämlich Englisch (Abb. 2). Weniger als ein Drittel der Abgeordneten und Gäste nutzten damit in den beiden Sitzungen ihre Erstsprache, was auch auf das angebotene Sprachenregime zurückzuführen ist, das in den Ausschusssitzungen wie erwähnt weniger umfangreich ist. Einerseits betrifft diese Tatsache die Außenkommunikation mit interessierten BürgerInnen, von denen nicht alle den Arbeiten der Ausschüsse in ihrer Erstsprache folgen können. Andererseits müssen auch manche Abgeordnete eine andere Sprache als ihre Erstsprache - meist Englisch - sprechen, wobei viele dies freiwillig tun und ein einsprachiges Sprachenregime sogar befürworten, während bei anderen angenommen werden kann, dass sie unter einem gewissen Druck ihrer KollegInnen stehen, ebenfalls auf Englisch zu kommunizieren (Wright 2007). Abbildung 2: Sprache der Wortmeldungen im AFET-Ausschuss vom 01.04.19 und 06.07.20 Dass viele der Abgeordneten keine einsprachige Union wollen, zeigte sich auch dadurch, dass während der Corona-bedingten beträchtlichen zusätzlichen Einschränkung des Sprachenregimes in vielen Sitzungen zahlreiche EU-ParlamentarierInnen sich klar für die Mehrsprachigkeit und Dolmetschung aussprachen (EUAid4Interpreters 2020). Neben den offiziellen Sitzungen im Plenum, den Ausschüssen und auf Fraktionsebene sind jedoch für die politische Arbeit auch informelle Interaktionen und Verhandlungen sehr bedeutsam. Hier zeigen sich die auf sprachlichen Un- 114 Karin Reithofer terschieden basierenden Machtasymmetrien zwischen den Abgeordneten wohl am stärksten. Diese Treffen finden nämlich aufgrund ihres informellen Charakters meist ohne Dolmetschung und üblicherweise auf Englisch oder Französisch statt und schließen somit Abgeordnete völlig aus, die diese Sprachen nicht auf verhandlungsfähigem Niveau sprechen (Wright 2007: 160). Diese ParlamentarierInnen können in solchen Settings meist nur mit der Unterstützung ihrer sprachkundigen AssistentInnen kommunizieren, die jedoch in der Regel keine DolmetscherInnen sind. Neben dieser Ausgrenzung von bestimmten Abgeordneten in der mündlichen Kommunikation gibt es auch in der schriftlichen Kommunikation sprachliche Benachteiligungen: Obwohl alle offiziellen Dokumente in sämtliche Sprachen übersetzt werden, sind doch Abgeordnete benachteiligt, die nicht in der Lage sind diese zur genauen Prüfung auf Englisch zu lesen, da die Übersetzungen vor allem für die kleineren Sprachen oft sehr kurzfristig vor den offiziellen (Plenar-) Sitzungen geliefert werden. Für die wichtigen Vorabtreffen und -verhandlungen stehen ihnen somit keine schriftlichen Unterlagen zur Verfügung. Auch die Übersetzungen von Änderungsanträgen, über die abgestimmt werden muss, oder von Aktualisierungen von ersten Textentwürfen dauern oft zu lang, um Abgeordneten mit geringeren Englischkenntnissen genug Zeit zu geben, die Texte genau in ihrer Erstsprache zu prüfen. Sie sind somit im Verhandlungsgeschehen klar benachteiligt und können sich nicht so gut einbringen, wie Abgeordnete, die die Texte sofort auf Englisch rezipieren und sich dementsprechend länger und besser auf eine Auseinandersetzung dazu vorbereiten können. Es entsteht eine klare Machtasymmetrie zugunsten derer, die Englisch als Erstsprache oder sehr gut sprechen. Manche sind der Ansicht, dass Europaabgeordnete nun mal neben ihrer Erstsprache zumindest Englisch gut sprechen können sollten (Wright 2007). Dabei wird jedoch vergessen, dass es sich um politische VertreterInnen handelt, die die unterschiedlichsten Werdegänge haben können, die in vielen Fällen keine Englischkenntnisse vorausgesetzt hatten. Zudem arbeiten sie mit hochkomplexen Rechtstexten, deren Lektüre ein sehr hohes Sprachniveau und oft ein äußert spezifisches Vokabular erfordert. Dass diese Kenntnisse zum Ausschlusskriterium für demokratisch gewählte VolksvertreterInnen werden, scheint dem Grundprinzip der EU der Einheit in der Vielfalt zu widersprechen. 2.3 Rat Im Rat der EU und in dessen Arbeitsgruppen treffen MinisterInnen bzw. BeamtInnen aus den jeweiligen Fachministerien der Mitgliedsstaaten zusammen. Während auf höchster Ebene meist ein volles Sprachenregime angeboten wird, ist das interne Sprachregime in den Arbeitsgruppen stark von den einzelstaatli- Recht auf Translation in den EU-Institutionen- 115 chen Sprachpolitiken der Mitgliedsländer geprägt. So gibt das deutsche Außenamt an, in den Arbeitsgruppen des Rates, in denen die Mitgliedsstaaten selbst Dolmetschung beantragen können und auch mitfinanzieren müssen, dies zu tun, wo immer es möglich sei (Auswärtiges Amt 2019). Auch Frankreich, Spanien und Italien tun dies üblicherweise. VertreterInnen anderer Länder wie beispielsweise der skandinavischen Länder sprechen oft oder sogar meistens Englisch. Es gibt jedoch auch settingspezifische Sprachenregimes: Im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik wird Englisch und Französisch gesprochen und auf Dolmetschung verzichtet (Auswärtiges Amt 2019), während in der Fischerei-Arbeitsgruppe beinahe alle Mitgliedsstaaten tatsächlich ihre Erstsprache sprechen. Obwohl es im Rat ein Sprachenregime „auf Nachfrage“ gibt, d. h. die Mitgliedsstaaten geben vor den Sitzungen an, ob sie Dolmetschung aus und in ihre Sprache wünschen, entspricht das Regime nicht immer den Bedürfnissen der TeilnehmerInnen an den Sitzungen. So gaben in einer KundInnenzufriedenheitsumfrage der Generaldirektion Dolmetschen (Majcen 2018) 76 % der Befragten an, dass es leichter gewesen wäre, an der Sitzung teilzunehmen, hätten sie ihre Erstsprache sprechen können. Auch diese Zahlen sind sehr vom Herkunftsland der Befragten abhängig. So gaben 92 % der spanischsprachigen Befragten an, dass dies einfacher gewesen wäre, während nur 43 % der FinnInnen das so sahen. Ebenso gibt es laut dieser Umfrage große Unterschiede je nach Zugehörigkeit der SitzungsteilnehmerInnen: Während VertreterInnen von Behörden aus den Mitgliedstaaten zu 80 % der Ansicht waren, dass eine Teilnahme an der Sitzung einfacher wäre, wenn sie ihre Erstsprache sprechen können, so waren es nur 42 % der KommissionsmitarbeiterInnen, die dieser Meinung waren (Scardulla 2020). Auch in der internen Kommunikation im Rat scheint es somit klare Ungleichheiten zwischen den AkteuerInnen zu geben. Obgleich der Zugang zu Translation meist theoretisch möglich wäre, wird er oft nicht gewährleistet und benachteiligt jene, die sich in einer Lingua Franca - in den meisten Fällen Englisch - nicht so ausdrücken können wie in ihrer Erstsprache. 2.4 Organe mit einer English-only-Politik In einigen EU-Organen, wie der Europäischen Zentralbank oder verschiedenen Agenturen, ist Englisch überhaupt die einzige Arbeitssprache, was damit gerechtfertigt wird, dass dort ausschließlich FachexpertInnen zu hoch spezifischen Themen arbeiten. Weniger leicht zu begründen ist es, dass auch die Kommunikation der Arbeit dieser Organe und damit der Austausch mit den EU-BürgerInnen in vielen Bereichen auf Englisch beschränkt ist. 116 Karin Reithofer Auf der Website der europäischen Umweltagentur beispielsweise, deren Arbeit auch für Nicht-Fachleute von großer Relevanz ist, ist der Umfang der auf Deutsch verfügbaren Texte sehr eingeschränkt. So sind beispielsweise alle landesspezifischen Daten, Profile und Briefings nur auf Englisch abrufbar und schließen somit einen großen Kreis von potentiellen InteressentInnen weitgehend aus (Europäische Umweltagentur 2020). Ähnliches gilt für die Grundrechteagentur FRA, deren Berichte zu äußerst gesellschaftsrelevanten Themen wie Justiz und Opferrechte, Nichtdiskriminierung und Rassismus oder Asyl und Migration ebenfalls nur in geringem Ausmaß in anderen Sprachen als Englisch vorliegen: Betrachtet man alle Veröffentlichungen nach der Sprache, so liegen 640 auf Englisch vor, 142 auf Deutsch und gar nur 16 auf Kroatisch (Europäische Grundrechteagentur 2020). Damit haben viele EU-BürgerInnen keinen Zugang zu zahlreichen Dokumenten, die zwar keine Rechtsverbindlichkeit haben, aber doch gesellschaftspolitisch von hoher Relevanz sind. 3 Zusammenfassung Insgesamt kann festgestellt werden, dass die Institutionen der EU in ihrer internen Arbeit wie auch in ihrer Außenkommunikation die Mehrsprachigkeit und das Recht auf Translation für BürgerInnen wie auch MitarbeiterInnen und Abgeordnete nicht immer sicherstellen. Auch wenn die dadurch entstehenden Machtasymmetrien nicht so offensichtlich sind wie im Bereich des Gerichts- und Behördendolmetschens, kann doch das Paradigma der gleichberechtigten KommunikationspartnerInnen in diesen Konferenzdolmetsch-Settings nicht uneingeschränkt bestätigt werden. Die Ungleichheiten und die Kluft zwischen Sprachenpolitik und tatsächlicher Umsetzung werden vor allem dann sichtbar, wenn man ins Detail geht. Dann wird offensichtlich, dass nicht vollständig garantierte Mehrsprachigkeit und das Fehlen von Translation zu ungleichen Machtverhältnissen zwischen EU- Abgeordneten, zu zusätzlicher Belastung von KommissionsbeamtInnen, deren Erstsprache nicht Englisch ist, zu Benachteiligung von TeilnehmerInnen an Sitzungen im Rat und zur sprachlichen Ausgrenzung von vielen EU-BürgerInnen führt. Dies hat meist keine so einschneidenden Auswirkungen auf das Leben der Betroffenen wie bei Gericht und vor Behörden, es stellt jedoch eine nicht zu vernachlässigende Beeinträchtigung des demokratischen Prozesses und der Bürgerbeteiligung und -teilhabe dar. In vielen Bereichen der EU ist ein schleichender Wandel von der de jure Mehrsprachigkeit hin zu einer de facto Einsprachigkeit festzustellen (Ives 2004: 26), der nicht auf politischer Ebene beschlossen wurde, sondern vielmehr als un- Recht auf Translation in den EU-Institutionen- 117 vermeidbar gesehen wird (Ives 2004: 43). Von vielen wird Englisch als Lingua Franca auch als Lösung für das Sprachwirrwarr in Brüssel gepriesen und als eine gerade nach dem Brexit neutralere Sprache betrachtet, die nur mehr sehr wenigen besondere Vorteile verschafft und vermeintlich gleiche Bedingungen für alle gewährleistet (Mac Giolla Chríost & Bonotti 2019). Dabei werden einige wichtige Punkte, die teils zuvor erörtert wurden, außer Acht gelassen: Einerseits sind die Englischkenntnisse der EuropäerInnen bei Weitem nicht so gut wie man aus einem akademischen Kontext kommend vermuten könnte (siehe Kapitel 2.1). Andererseits würden auch in einer Englishonly -EU Kosten für Übersetzung anfallen, z. B. im Fall von Verordnungen, die direkt in den Rechtsbestand der Mitgliedstaaten übergehen und somit ohnehin übersetzt werden müssen. Nur dass diese Translationskosten dann von den Mitgliedsstaaten selbst geschultert werden müssten, was viel ungerechter wäre, da Staaten mit einem geringeren BIP wie Malta genau so viel dafür ausgeben müssten wie Staaten mit einem höheren BIP wie Frankreich. Zudem wäre auch die Rechtssicherheit solcher Übersetzungen nicht automatisch gegeben, was zu Auslegungsproblemen bei der Anwendung der Rechtstexte führen könnte (Reithofer 2014: 53). Die sekundären Kosten der Einsprachigkeit umfassen ferner - neben den unter 2.1 angesprochenen Benachteiligungen in der täglichen Arbeit der BeamtInnen - auch die Verringerung des politischen Gewichts von AkteurInnen, die in der Lingua Franca nicht so trittsicher sind wie andere, und nicht zuletzt eine Entfremdung der BürgerInnen von der Union (Gazzola & Grin 2013). Wie im Eingangszitat von Mira Kadrić bereits treffend formuliert wurde, geht es beim vollumfänglichen Garantieren von Mehrsprachigkeit somit nicht nur um ein Recht, sondern auch um Symbolik, Emotion und Wertschätzung - allesamt Kategorien, die eine EU, deren Daseinsberechtigung von vielen Seiten zunehmend in Frage gestellt wird, dringend benötigen würde. Bibliographie Auswärtiges Amt (2019). Die deutsche Sprache in der EU. Abrufbar unter: www. auswaertiges-amt.de/ DE/ Europa/ Deutsche_Europapolitik/ DeutscheSpracheInDerEU_node.html (Stand: 20/ 07/ 2020). Cogo, Alessia/ Jenkins, Jennifer (2010). “English as a lingua franca in Europe. A mismatch between policy and practice.” European Journal of Language Policy 2: 2, 271-294. Eco, Umberto (1993). Vortrag bei Assises de la Traduction littéraire in Arles, 14. November 1993. Abrufbar unter: www.eutrio.be/ language-europe-translation (Stand: 08/ 11/ 2016). EUAid4Interpreters (2020). Support Messages. 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Multilingualism, LLD and PSIT in the EU So close, so far Carmen Valero-Garcés Abstract: Multilingualism is at the heart of the EU. The 27 Member States of the European Union (EU) could not function without translators and interpreters. But this fact takes on a new dimension if we think about the hundreds of languages spoken today in the EU, partly due to migration in recent decades and referred to as LLD. Thus, translation and interpreting have become an essential part of our lives, not only in international organizations, summits, and conferences, but also in town halls, courts, hospitals, and other places where people have access to public services. It is my intention to review the developments achieved in relation to multilingualism, LLD, and PSIT in the last decade. 1 Introduction: Multilingualism and PSIT When the editors asked me to write an article in homage to Mira, I was surprised, but also very honoured. Added to this was the challenge of choosing the subject and the scope of the article. However, after reviewing her academic and research work and remembering the animated conversations and the projects we shared, including publications, I quickly decided I was going to contribute by continuing the work we started together about multilingualism and Public Service Interpreting and Translation (PSIT) in the EU (Valero-Garcés & Kadric 2014). As a result, the main goal of this article is to offer a brief review of the progress being made in relation to multilingualism and PSIT by focusing on three basic areas: progress in multilingualism and PSIT— mainly focusing in languages of lesser diffusion (LLD); training in PSIT; and research in PSIT. This is a rather limited personal reflection, but one that seeks to highlight the need for PSIT in a multilingual society such as that of the EU, and for which Mira also worked. 122 Carmen Valero-Garcés 2 Multilingualism in the EU Multilingualism is at the heart of the EU. Nowadays, multilingualism necessarily includes a rising topic in the EU: languages of lesser diffusion (LLD), or migration languages. In the EU context, multilingualism is restricted by the European Charter for Regional or Minority Languages (Council of Europe 1992) that explicitly indicates that “regional or minority languages” means languages that are: traditionally used within a given territory of a State by nationals of that State, “[…] it does not include […] the languages of migrants ” (italics set by the author). Language issues are often not recognised as an integral part of migratory movements or social integration. While interlinguistic communication professionals (translators, interpreters, mediators) know that language is a necessary component to achieve migrant integration and consolidate a truly multilingual society, policy makers at local, national, or supranational levels do not always seem aware of the risks and costs of not providing interpretation and translation services. The report Special Eurobarometer 386 ‘Europeans and their languages’ carried out in spring 2012 (European Commission 2012), provides useful information about EU citizens’ attitudes towards multilingualism and foreign-language learning. All 27 Member States were covered in the report, and those taking part represented a range of social and demographic groups. The report indicates that most Europeans were very aware of the benefits of multilingualism. The report also emphasized the interest in Internet and computer technologies as a main objective in the EU. However, some years later, the situation has not changed much. Thus, in May 2019, in the Council Recommendations on a comprehensive approach to the teaching and learning of languages (Council of Europe 2019), EU Council states that it is essential for EU citizens to know at least two languages other than their mother tongue. As Ottaviani (2019) points out the goal is as simple as it is fascinating and ambitious. He argues that in Europe, speaking more than one language is still a privilege, even though multilingualism is one of the founding principles of the EU. His study reveals that little more than half of European citizens claim to be able to hold a conversation in a second language, and only one citizen in five can speak two languages other than their own, while fewer than one in ten know more than three languages. These percentages vary from country to country and are influenced by factors such as age-group and employment situation. Ottaviani concludes that getting European citizens to learn more languages is still just a project on paper. Multilingualism, LLD and PSIT in the EU 123 Of course, unsurprisingly, English is the most spoken and known foreign language in the EU, and the most commonly studied language. But there are also great differences among EU countries. Adding LLD makes this mosaic even more complex. Nathalie Baïdak (2019), coordinator of analysis and research for the Education, Audiovisual and Culture Executive Agency (EACEA), states: On the one hand we’re seeing an encouraging drop in the age at which language learning begins. 20 years ago children began studying foreign languages at 10-11 years old, whereas today in virtually all EU countries they begin at 6-8 years old. On the other hand, looking at the data we see that the differences between countries are enormous, and there’s still a lot of work to do to improve the study of second foreign languages. Baïdak argues that there are two main factors involved in successfully learning foreign languages: the effectiveness of language teaching in the school system and exposure to the languages in the lived environment. However, there is no specific mention to other languages spoken in areas where migrants, asylum seekers, or refugees live across Europe. Some years before, in 2017, in the report entitled Key data on teaching languages at school in Europe (Eurydice 2017) ‘migration’ is mentioned. But the pupils’ languages are not mentioned. The report analyses 60 indicators related to the study of languages, including variables such as the range of languages available in compulsory education programs, hours dedicated to language lessons, the transnational mobility of teachers and students, and linguistic support for newly arrived immigrant pupils (my emphasis). This information brings to mind the necessity of ad hoc approaches in such a rich, complex mosaic as Europe. 3 Multilingualism, LLD, and translation Multilingualism, LLD, and translation go hand in hand. Translation (oral or written) as an activity is most likely as old as cross-cultural interaction itself. From ancient Egypt, to the encounters between Romans and Iberians, to the exploration of the New World, or to interactions with friends and relatives of migrants in this 21st century, translators and interpreters (Tr&In) have always been present in schools, hospitals, and courts all around the world. Nowadays, this increasing multilingual and multicultural complexity has brought new challenges and consequences. Some of the most relevant challenges may be the recruiting of translation and interpreting practitioners in an expanding range of languages, the use of non-professional interpreters and translators, the emergence of professions for intermediaries in community settings, the development of codes of ethics and guides of good practice, and the design of training programs and professional 124 Carmen Valero-Garcés development (Valero-Garcés 2019). But, contrary to the expected uniformity, we can still find significant differences in the answers to the challenges of multilingualism, LLD, and the understanding of the role of Tr&In across different sectors and countries today. The experience of large institutions shows that while declarations and legislation may seem both necessary and urgent, this alone does not ensure that change will actually take place. In 2019, the report commissioned by the EC (European Commission) (European Commission 2019) indicated that it was imperative to develop effective policies for the integration of third-country immigrants. It called for actions to deal not only with the practical matters of migration, such as hosting and providing services for growing populations with very specific needs, but also with host population responses. Communication between parties was not mentioned. In 2020, as we read in the European Web Site on Integration (EWSI) (EWSI 2020), under the title of “COVID-19’s impact on migrant communities,” [t]he global COVID-19 pandemic has disproportionately affected vulnerable communities, including third-country nationals across the EU. From the very beginning, EWSI has been tracking the impact on migrant communities in a number of key integration areas presented below. From outreach initiatives meant to keep migrants informed, extraordinary administrative measures introduced by the Member States, to funding opportunities meant to assist the civil society response, we continuously update this page to bring you the latest. Examples of COVID-19’s administrative flexibility on permit applications and procedures to apply for and obtain residence or work permits in Member States are provided (European Parliament (2020). But there is no mention to LLD, communication problems, or PSIT. This apparent lack of action related to multilingualism, LLD, and PSIT contradicts the growing interest in research. Proof of all this can be found in the increasing number of books and articles, as well as in the organization of seminars, conferences, and very specific training programs during the last decades. New initiatives are also being developed: cooperation between governments and NGOs, professionalization of individuals working voluntarily as liaisons, collaboration between different immigration groups and authorities or humanitarian organizations, etc. Following EU recommendations after EU Directive 2010/ 64, a growing interest in providing interpreters, at least in courts and police stations, was expected. However, these vital improvements are not always visible in some instances and institutions in certain countries (Gascón Nasarre 2017). Several studies and news on social media in most EU countries have been warning of the lack of Multilingualism, LLD and PSIT in the EU 125 quality in the fulfilment of these obligations. EULITA — the European Legal Interpreters and Translators Association — (EULITA 2018) presented a complaint to the European Ombudsman on the European Commission’s failure to report on time on Member States’ compliance with Directive 2010/ 64/ EU on the right to interpretation and translation in criminal proceedings. The European Ombudsman’s answer was published on the Ombudsman’s website in December 2018 (Ombudsman 2018). Based on the inquiry, the Ombudsman closed the case OI/ 6/ 2018/ LM with the following conclusion: There is maladministration by the European Commission given it has not yet produced the report to the 2and to the Council required under Directive 2010/ 64/ EU on the right to interpretation and translation in criminal proceedings, which was due on 27 October 2014. The European Commission and the complainant in case 969/ 2017/ LM will be informed of this decision. This information demonstrates the state of affairs in the praxis of the EU countries. It indicates at least two facts: 1. A significant number of ‘professionals’ have never received general or specific training in translation and interpreting strategies as recommended by organizations such as the EU itself. 2. Multilingualism is still restricted to the EU languages, following the European Charter for Regional or Minority Languages (1992), and after the changes, with a view to strengthening the Charter operability that entered into force in 2019. More advances have been seen in relation to Machine Translation (MT) and artificial intelligence (AI). In the translation industry, technological change has had an ever-increasing impact on the way translation services are performed and the growing range of language services which translators and translation companies can provide, though human intelligence, knowledge, and skills are still the key factors in delivering quality translations. Market needs have also evolved, with the continuing expansion of English as a lingua franca creating new needs that can only be met by reversing the traditional “mother tongue” principle in some translation environments. The EU launched its own online machine translation service (eTranslation) in November 2017 (European Commission 2019). Simultaneously, AI and social media have considerably changed people’s relation to communication in general and translation in particular, with MT applications and other computer-assisted translation tools (CAT tools) now commonly available on desktop and mobile devices. 126 Carmen Valero-Garcés New tools and devices offering linguistic assistance are being launched continually, and the word ‘technology’ is included in almost any call for papers or publications related to PSIT. Virtual learning environments are also a reality in facilitating PSIT training, and new technology in this field has been embraced by Valero-Garces (2018). In interpreting, there is also a growing interest in telephone interpreting, video conferencing, and remote interpreting. These advances have been included in a number of training programmes and in some public service settings such as police stations and hospitals, especially in the legal context (Braun et al. 2018). This rapid development of MT and AI is opening new doors and yet-to-be explored areas in all spheres: professional, social, and personal. CAT tools and MT are leading to new resources, new professions, and new profiles for translators and interpreters in areas such as post-editing, localization, terminology, and corpus and database building. However, many of these technological developments and resources are virtually non-existent for LLD. Furthermore, institutions rarely have linguistic resources and/ or they may not allow Tr&In to use their own by excluding the use of devices such as mobiles, computers, and tablets and insisting that no material can be taken home because of confidentiality or authorship issues, or simply because of a lack of trust. 4 Advances in PSIT and LLD Training PSIT is institution-driven (Ozolins 2000: 32), that is, translating and interpreting in this area is an activity born in and for organizations and the public service sector. Therefore, this fact implies a strong connection between both, which means that the Tr&In’s duties are dictated by the immediate needs and expectations of the public institution. These needs may imply tasks that go beyond simply interpreting and translating in the most traditional sense. A more academic approach is also being applied to the development of PSIT curricula, and training is geared not just to passing qualifying examinations or exercising a vocational activity without specific preparation, but beyond that to preparing trainees for good professional practice and development. In the EU in general, courses for Tr&In in public services are becoming increasingly available, either as continuing education programmes (e.g. courses in PSIT at the University of Graz), as part of graduate and postgraduate translation and interpreting programmes (e.g. London Metropolitan University, Heriot-Watt University, the University of Graz, or the University of Vienna), wider-ranging programmes (e.g. MA in Refugee Integration at Dublin City University), or PSIT-specific programmes (e.g. the MA in Intercultural Communica- Multilingualism, LLD and PSIT in the EU 127 tion and Public Service Interpreting and Translation, at the University of Alcalá (Madrid), or the BA in PSI at the University of Stockholm). A brief, though not exhaustive, overview of the situation of PSIT training in LLD across the EU shows something quite different. As Balogh, Salaets and Van Schoor point out (2016: 10): The range of these languages is usually related to educational training opportunities in the country. The urgent problem, however, is the need to provide equally appropriate quality in legal interpreting (LI) in these LLDs [languages of lesser diffusion] which are a reality in every European member state […]. All EU member states struggle with this problem. The real problem is the number and range of LLDs which require specific training methodologies and programme. Different countries, different solutions, and still family members, friends, and even children working as ad hoc nonprofessional translators and interpreters are found. Despite these differences, PSIT has been gradually moving towards professionalisation in some countries since it became the focus of academic and research interests at the well-known 1995 Critical Link conference held in Canada. Training is necessary to achieve this professionalisation, though, as De Pedro Ricoy (2010) suggests, questions remain as to whether training should be offered by higher education or professional training institutions or imparted by NGOs or other entities. In 2012, Prunč (2012: 5) pointed out that PSIT has turned from the former Cinderella of Interpreting Studies into a quite respectable sister of Conference Interpreting. Since then, a step further has been taken in some areas. This situation is accompanied by an evolution in the training offers and curricula which present a range of solutions, such as: • Discussion sessions, seminars, and workshops organized by NGOs, associations, or institutions to more academic courses, many drafted in close cooperation between educational entities and institutions, associations, and NGOs. • Incorporation of internships/ traineeship, or workplace assignments into the curricula. • In-service training for practicing interpreters; better chances for students to customise their studies by choosing electives from a pool of predefined modules according to their languages and professional interest. • Development of programs completely (or mainly) devoted to PSIT (e.g. the University of Alcalá, Spain; London Metropolitan University, or Heriot Watt, UK); • Development of programs for potential bilingual students with a migration background or programs that intensified translational training with a foreign (minority) language only. 128 Carmen Valero-Garcés All these efforts represent, firstly, attempts to break the vicious circle of low status, lack of training, low level of professionalisation, and lack of interpreting quality in PSIT by promoting and offering a wide range of courses to students and (lay) practitioners. Recent examples of continuous professional development programs based on interdisciplinary and collaborative approaches to LLD learning are those described by Verhoeff (2016: 4-46), Skaaden (2016: 162-184), or Driesen (2016: 91- 100). Balogh, Salaets and Van Schoor (2016: 203), based on their experience of PSIT training in LLD, recommend the following key strategies: • collaborative learning (including peer review) • blended learning • shared internet platform for online learning • tandem method • cross-border collaboration This leads to another burning topic: the necessity of training the trainers. A methodology for the T&I teachers’ training has not yet been properly evolved, though the professional community’s interest in this topic has resulted in a number of publications focusing on this issue (Valero-Garcés 2006, Hale 2007, Corsellis 2008). As Furmanek (2010: 82) pointed out: “It has become a trend, an infamous trend, to offer training workshops rather than solid education in interpreting didactics.” This is a call to develop continuous professional development programs. 5 Advances in research in PSIT and LLD The main focus of this section is on research as a way to close the gap between training and research, on the one side, and between society and academia on the other, as it is a fact that the provision of adequate T&I services largely depends on the availability of properly trained and qualified professionals. As already mentioned, Directive 2010/ 64/ EU outlines the need to guarantee that citizens are provided with the means necessary to express themselves in their own language. The Directive was preceded by a series of EU-funded projects focusing on legal interpreting and translation: Aequitas (2001), Aequalitas (2003), Aequilibrium (2005), Status Quaestionis (2008), EULITA (2009), Building Mutual Trust (2011), the series of AVIDICUS I, II, III (2011, 2014, 2016), Qualitas (2012), or Qualetra (2012). More recent ones are directed towards objectives more closely connected with areas included in PSIT. Some examples of such projects are: Multilingualism, LLD and PSIT in the EU 129 IMPLI (Improving Police and legal interpreting) (2014), Speak Out for Support (SOS-VICS) (2014), Co-Minors IN/ QUEST (Cooperation in Interpreter Mediated Questioning of Minors), NETPRALAT (2017), CAPISCE (Child victims of trafficking), or LIT Search - Pilot project for an EU database of legal interpreters and translators (2013). Some other projects that contribute to increase awareness about the need to a more open multilingualism which includes non-EU languages are: The Special Interest Group on Translation and Interpreting for Public Services (SIGTIPS) (European Commission 2011); A Study on Public Service Translation in Cross-Border Healthcare (Angelelli 2015); Training in Languages of Lesser Diffusion (TraiLLD) (2014); European Network for Public Service Interpreting (ENPSIT) (2014), and the European Masters´ in Translation (EMT) network working group Mapping PSIT in EU (Valero-Garcés 2020). SIGTIPS was set up in 2010 under the umbrella of the European Council. The experts produced a report analysing the situation of PSIT in Europe, identifying problems to tackle, and putting forward recommendations to stakeholders. The study showed a failure to adequately address language issues: Where someone required the services of an interpreter or translator, it was common for family or friends to act as interpreters. This happened (and still happens) in various settings and includes many areas of government service provision. The conclusion of the Final Report was as follows (European Commission 2011: 19): […] Professional translators and interpreters are key to guaranteeing inclusiveness and enjoyment of rights, and can help public service providers save time and money by increasing their efficiency and effectiveness and avoiding the risks of malpractice and legal actions. Professional trainers on the other side are key to guaranteeing a proper training. Mapping PSIT in the EU (Valero-Garcés 2020) is another initiative that started in spring 2020 during the COVID pandemic. It is a working group that developed within the EU-DGT European Masters’ in Translation network (DGT-EMT network) and coordinated by the University of Alcalá. The main aims of the working group, as in most of the only projects mentioned due to space restrictions, is twofold: 1) contributing to one of the European Commission’s priorities: the efficient management of migration and asylum seekers and refugees; 2) helping to respond to the communication challenges faced by the EU with the arrival of migrants and refugees at borders. 130 Carmen Valero-Garcés 6 Conclusions Taking as a point of departure the fact that translation and interpreting and languages of lesser diffusion (LLD) have become an essential activity not only in international organizations, summits, and conferences, but also in town halls, courts, hospitals, and other places where people have access to public services, a brief analysis of some of the developments achieved in relation to multilingualism, LLD, and PSIT in the EU have been showed. The study shows that multilingualism in the EU goes far beyond the European Charter for Regional or Minority Languages of 1992 , in which only EU official and co-official languages or regional languages are included, and non-EU languages (e.g. LLD or migration languages) are excluded. The hundreds of languages spoken today in the EU, many of them considered LLD due to migration in recent decades, indicate that LLD is becoming an issue in the EU. This fact shows that there is a growing need for competent PSIT services and practitioners in LLD. A gradual awareness of society and on-going efforts made by institutions, NGOs, ethnic communities, and individuals are also observed and some solutions are envisaged to solve new challenges. However, the array of solutions offered still demonstrates the lack of coordination and professionalism and the need for training, as well as the gradual emergence of joint projects that seek global solutions in Europe. The EU and its Member States should establish standards throughout its territory to guarantee the right to translation and interpreting for fair and equitable treatment. Given the EU background, hopefully multilingualism and PSIT will undoubtedly continue to develop throughout the century. Bibliography Angelelli, Claudia V. (2015). Study on Public Service Translation in Cross-Border Healthcare. EU Directorate-General for Translation. Available at: https: / / publications.europa.eu/ en/ publication-detail/ -/ publication/ 6382fb66-8387-11e5-b8b7-01 aa75ed71a1 (accessed 10 July 2020). Baïdak, Nathalie (2019). “Council Recommendations on a comprehensive approach to the teaching and learning of languages.” Official Journal of the European Union . Available at: https: / / ec.europa.eu/ education/ education-in-the-eu/ council-recommendation-improving-teaching-and-learning-languages_en (accessed 10 July 2020). Balogh, Katalin/ Salaets, Heidi/ Van Schoor, Dominique (eds.) (2016). 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Am Beginn steht eine kurze philosophische Annäherung an den Begriff der Würde, der der Arbeit von Mira Kadrić folgt. Daran schließt eine rechtliche Auseinandersetzung mit dem Begriff der Würde an. Gezeigt wird, dass es sich bei der Würde um einen grundlegenden Baustein des europäischen Verfassungsrechts handelt, der immer öfter in Richtlinien der Europäischen Union bearbeitet wird. Schließlich erfolgt die Anwendung der philosophisch-rechtlichen Grundlagen auf das konkrete Setting des Gerichts- und Behördendolmetschens. Sprachen und Identitäten sind bewegliche Annahmen, die sich politisch und gesellschaftlich ständig verändern und neu konstruieren. Der Umgang mit ihnen hat Symbolcharakter, er ist Maßstab für den Reifegrad einer Gesellschaft. (Kadrić 2012: 25) 1 Die Würde im Werk von Mira Kadrić So alt wie die Universitäten ist auch das Bestreben, mit der Wissenschaft dem Menschen zu dienen. Die Hochschulen bekennen sich seit jeher zu einem gesellschaftlichen Auftrag. Heute finden wir das ausdrückliche Bekenntnis dazu in ähnlichen Formulierungen in vielen Satzungen von Hochschulen. Wissenschaft und Forschung sollen demnach zu einer Verbesserung der Lebensverhältnisse von Menschen beitragen. Mira Kadrić (2016) hat dieses Streben, mit der Wissenschaft dem Menschen zu dienen, als Titel eines Aufsatzes gewählt („Dolmetschen als Dienst am Men- 136 Oliver Scheiber schen“) und verbindet es für den Bereich der Dolmetschwissenschaft und Dolmetschdidaktik mit dem Bemühen um die Wahrung der Würde des Menschen (Kadrić 2016: 107). Sie geht davon aus, dass die Wahrung der Würde grundsätzlich in allen gedolmetschten Situationen eine Rolle spielt; bei der Dolmetschung im öffentlichen Raum, etwa in medizinischen, psychosozialen und rechtlichen Settings (Kadrić 2016: 110). Das Bewusstsein um die Bedeutung der Würde bei der translatorischen Tätigkeit beschäftigt Kadrić insbesondere im Zusammenhang mit der Ausbildung - sie sieht die didaktische Herausforderung darin, angehenden TranslatorInnen eine Haltung im Umgang mit Menschen zu vermitteln, die die Wahrung der Würde in gedolmetschten Kommunikationsprozessen sicherstellt (Kadrić 2016: 111 und 115). 1 Dieser Beitrag will den Gedanken der Bedeutung der Würde für die gedolmetschte Gerichts- und Behördenkommunikation weiterführen und insbesondere den bisher wenig erörterten rechtlichen Aspekt der Würde untersuchen. 1.1 Philosophische Annäherungen an die Würde Zum Begriff der Menschenwürde finden sich in der Philosophie zwei große Konzepte. Das heteronomische Konzept geht auf die griechisch/ römische Stoa zurück und wurde vom Christentum übernommen. Würde beruht demnach auf der Wahl eines moralisch guten Lebens; wer eine andere Wahl trifft, verfehlt seine Würde als Mensch. Das autonomische Konzept geht auf die europäische Renaissance zurück; es sieht die Würde des Menschen in seiner Willensfreiheit und der Möglichkeit, anders als Tiere, das Leben frei zu gestalten (Näheres zu beiden Konzepten bei Tiedemann 2012: 117 und 157 ff.). Kadrić nimmt bei ihrer Untersuchung der Bedeutung der Würde für translatorische Prozesse und translationsdidaktische Konzepte Bezug auf den Philosophen und Schriftsteller Peter Bieri (Kadrić 2016: 107ff.). Bieri hat der Würde ein gesamtes Buch gewidmet, das er mit der Fragestellung einleitet: „Die Würde des Menschen - das ist etwas Wichtiges und etwas, das nicht angetastet werden darf. Doch was ist es eigentlich? Was ist es genau ? “ (Bieri 2015: 11, Hervorhebung i. O.). Der Zugang Bieris ist ähnlich den Zugängen der Rechtswissenschaft: Die Annäherung an den Begriff der Würde erfolgt bei Bieri unter anderem über Verhaltensweisen, die allgemein als Verletzung der Menschenwürde angesehen werden. „Was alles kann man jemandem wegnehmen, wenn man seine Würde zerstören will? Oder auch: was darf man jemandem auf keinen Fall wegnehmen, wenn man seine Würde schützen will? Auf diese Weise erhält man eine Übersicht über die vielen Facetten der Würde, sofern sie von anderen abhängt […]“ 1 Als ganz praxisnaher Ausfluss des gesellschaftlichen Auftrags lässt sich etwa das mehrsprachige Wörterbuch für Kinder von Muhr & Kadrić (2005) sehen. Die Wahrung der Würde des Menschen in der gedolmetschten Kommunikation 137 (Bieri 2015: 12). Bieri sieht die Würde als bestimmten Umgang mit existenziellen Gefahren: „Unser Leben als denkende, erlebende und handelnde Wesen ist zerbrechlich und stets gefährdet - von außen wie von innen. Die Lebensform der Würde ist der Versuch, diese Gefährdung in Schach zu halten. Es gilt, unser stets gefährdetes Leben selbstbewußt zu bestehen . […] Die Lebensform der Würde ist deshalb nicht irgend eine Lebensform, sondern die existenzielle Erfahrung der Gefährdung.“ (Bieri 2015: 15, Hervorhebung i. O.) Würde bedeutet bei Bieri unter anderem ein Subjekt zu sein (Bieri 2015: 20). Das schlägt eine wichtige Brücke zum Recht - wurden doch etwa Kinder bis vor nicht allzu langer Zeit im Familienrecht eher als Objekte behandelt, über die es im Fall der Trennung der Eltern zu verfügen gilt - erst in jüngerer Zeit ist ein ernsthafter Wandel hin zur Orientierung am Wohl des Kindes erfolgt. 2 Das auch noch recht junge Verbot der körperlichen Züchtigung durch die Eltern erlaubt die These, dass das Recht den Kindern erst spät Würde zugestanden hat. Bieri (2015: 33, Hervorhebung i. O.) sagt es so: „Wenn man uns als Subjekt mißachtet oder als bloßes Mittel mißbraucht, fühlen wir uns gedemütigt . Demütigung ist die Erfahrung, daß uns jemand die Würde nimmt.“ 3 Die Unmöglichkeit, sich zu äußern oder zu verstehen, bedeutet eine besondere Form der Demütigung. Die Betroffenen werden zu Handlungsunfähigen gemacht. Nimmt man einem Menschen die Sprache, ist er zur Ohnmacht verurteilt. Dies gilt für Menschen, die vor Gerichten und Behörden keine ausreichende Dolmetschung erhalten; es galt früher für gehörlose Kinder, die man in Sonderschulen unterbrachte und denen man regelmäßig den Gebrauch der Gebärdensprache untersagte. Bieri (2015: 35) definiert die Würde deshalb unter anderem als das Recht, nicht gedemütigt zu werden - eine Definition, die rechtlich dem Zugang der internationalen Staatenübereinkommen zu entsprechen scheint. Kadrić will der Gefahr der von Bieri beschriebenen Demütigung durch Empowerment und die Befreiung von Menschen aus Unterdrückungssituatio- 2 Vergleiche etwa die Leitlinien des Ministerkomitees des Europarates für eine kindgerechte Justiz, verabschiedet durch das Ministerkomitee des Europarates am 17. November 2010; oder Bestimmungen und Erwägungen der jüngeren strafrechtlichen Richtlinien (RL) der Europäischen Union, etwa Erwägung 55 der Richtlinie 2013/ 48/ EU; Erwägung 43 der Richtlinie 2016/ 343/ EU; Art 7 Abs 2 und Erwägung 36 der Richtlinie 2016/ 800/ EU. 3 Im rechtlichen Kontext denke man nur den Fall AULA: Eine österreichische Staatsanwaltschaft hatte in einer Entscheidungsbegründung die menschenverachtende Sprache einer rechtsextremen Zeitschrift übernommen. Die Überlebenden eines NS-Vernichtungslagers erhoben Beschwerde vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (Fall Lewit gegen Österreich) und obsiegten dort: Der Gerichtshof sprach aus, Österreichs Behörden hätten die Rechte der Überlebenden nicht ausreichend geschützt. Inhaltlich geht es dabei stark um Fragen der Würde. 138 Oliver Scheiber nen entgegenwirken 4 und nimmt dabei insbesondere Bezug auf Brecht (Kadrić 2011: 77f.), Buber (Kadrić 2011: 72) und den Theaterpädagogen Augusto Boal (Kadrić 2011: 75ff.). 5 Eine Verletzung der Würde ist aber nicht nur das Nicht-Verrstehen-Können, sondern auch das Nicht-Verstehen-Dürfen. Bieri (2015: 121) belegt das mit Kafkas Der Prozeß und dem Einleitungssatz des Romans: „Jemand mußte Josef K. verleumdet haben, denn ohne daß er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet.“ Man fühlt sich an Kadrićs wiederholte Ausführungen zur fairen und umfassenden Kommunikation 6 erinnert (Kadrić 2019: 171), wenn Bieri weiter mit dem Prozeß argumentiert: So ist es auch, wenn es nicht nur um Information geht, sondern um Erklären und Verstehen . Nicht nur darum, was geschieht, sondern warum . K’s Ohnmacht und Demütigung besteht durch das ganze Buch hindurch vor allem darin, daß lauter Dinge zu ihm gesagt und mit ihm gemacht werden, die er nicht verstehen kann, weil sie ihm niemand erklärt. Er erfährt bis zum Schluß nicht, warum er verhaftet, angeklagt und hingerichtet wird. Er wird in seiner Würde verletzt als einer, der verstehen möchte, was mit ihm geschieht. […] Wiederum geht es nicht einfach darum, daß eine Erklärung für etwas fehlt . Die Demütigung besteht darin, daß sie uns vorenthalten wird.“ (Bieri 2015: 124, Hervorhebung i. O.) Bieri verweist auf die Gefährdung der Würde, die mit besonders wichtigen Bereichen verbunden ist und nennt hier Gesundheit und Recht. Und er verweist darauf, dass neben eine vorenthaltene Information und Erklärung oft noch die verweigerte Begründung oder Rechtfertigung eines Tuns tritt, die einen Men- 4 Zu Freires Pädagogik der Unterdrückten siehe Kadrić (2011: 72ff.). 5 Den großen brasilianischen Theaterpädagogen, der seine partizipativen Ansätze als Gemeinderat in Rio de Janeiro erprobt hat, hat Kadrić mehrmals persönlich getroffen und seine Theorien und Ansätze in die Translationsdidaktik übertragen (vgl. dazu Kadrić 2017). Boals Theaterarbeit führe insgesamt zu „Selbstachtung, Festigung, Bildung eines kritischen Selbstbewußtseins. Damit werden die Bereitschaft und Fähigkeit der Studierenden zur Kritik und Selbstkritik, Argumentationsbereitschaft und -fähigkeit sowie die Empathiefähigkeit gesteigert. […] Auf diese Weise leisten Studierende auch einen Beitrag zu Selbstbestimmung, Solidarität und Aufbau von Werten innerhalb des Berufes und der Gesellschaft insgesamt.“ (Kadrić 2011: 159). Diese Strategie ermöglichte unter anderem neue Formen eines sprachenübergreifenden Unterrichts. Das wertvollste Ergebnis war die Etablierung eines postgradualen Universitätslehrgangs zum Gerichts- und Behördendolmetschen an der Universität Wien (näher dazu Kadrić 2019: 10ff.). 6 Faire und umfassende Kommunikation meint bei Kadrić - verkürzt - die Möglichkeit, alles verstehen und alles sagen zu können. Dolmetschende vor Behörden und Gerichten sollen in Kadrićs Konzept deshalb sowohl aktiv Kulturmittlung bieten, also Kulturspezifika erklären, soweit zur störungsfreien Kommunikation nötig, als auch Sachverständigenaufgaben übernehmen, indem sie der Behörde kultur-/ sprachspezifische Informationen liefern (Kadrić 2019: 57 und 124 ff.). Die Wahrung der Würde des Menschen in der gedolmetschten Kommunikation 139 schen direkt betrifft (Bieri 2015: 126). Wir sind direkt im Gerichts- und Behördenalltag und auch beim Gerichtsdolmetschen, wenn Bieri (2015: 125) zum Recht auf Verstehen - einem der zentralen Kriterien des fairen Verfahrens nach der Menschenrechtskonvention - ausführt: Wenn wir ohne Begründung abgeurteilt, versetzt oder entlassen werden, empfinden wir das als eine Verletzung unserer Würde. […] Die Geschichte von Josef K. ist die Geschichte einer Vernichtung. Auch die einer physischen Vernichtung, einer Hinrichtung. Aber vor allem die einer Vernichtung der Person, die darin besteht, daß ihre Würde vernichtet wird. Und es diese besondere Art der Würde, die vernichtet wird: das Recht zu verstehen, was mit dem eigenen Leben geschieht. Das lässt sich durch ein Beispiel aus der Behördenpraxis veranschaulichen: Wer in Österreich Mindestsicherung bezieht, verpflichtet sich der Behörde, Auslandsaufenthalte zu melden. In den letzten Jahren geschieht es immer wieder, dass erst seit kurzem in Österreich lebende Asylberechtigte für einige Tage zu einem Begräbnis eines Verwandten ins Ausland reisen. Sie finden sich kurz darauf vor dem Strafgericht wieder, angeklagt des Betrugs an der Behörde. Oft sind es ältere Menschen, die weder die Belehrung über die Verpflichtung zur Meldung der Auslandsreise verstanden haben, noch wissen können, wie ihnen vor dem Strafgericht geschieht. Solche Szenarien sind Kafka näher, als es uns recht sein darf. Auch wenn sich Kadrić in ihren Betrachtungen erstmals 2016 explizit auf die Würde beruft (2016: 107ff.) - inhaltlich hat sie in ihren Untersuchungen des Dolmetschprozesses seit jeher die Würde mehrerer Player im Auge. Es geht bei ihren Forschungen zum Gerichts- und Behördendolmetschen immer darum, allen Beteiligten gleiche Chancen, also Fairness durch eine bestmögliche Kommunikationsstruktur zu bieten (Kadrić 2014a: 138 sowie Kadrić 2019: 77 und 158). Kadrić beruft sich dabei regelmäßig auf das rechtliche Gebot bzw. Grundrecht des fairen Verfahrens (Kadrić 2019: 174ff.). Die Personen, deren Rechte durch eine qualifizierte Dolmetschung gewahrt werden sollen, sind bei Kadrić zunächst einmal die Menschen, die als Parteien oder ZeugInnen an einem Gerichts- und Behördenverfahren beteiligt sind. Sie sollen gleichberechtigt kommunizieren können und ein faires Verfahren genießen. Kadrić weist zutreffend darauf hin, dass es bei der Gerichtsdolmetschung nicht nur um die Wahrung der Rechte fremdsprachiger Beteiligter geht - vielmehr soll die Dolmetschung auch jenen Personen, die die Amtssprache verstehen, eine störungsfreie Kommunikation garantieren (Kadrić 2019: 17). Schließlich ermöglicht die Dolmetschung den Behörden die Erfüllung ihrer Aufgabe, ein faires Verfahren durchzuführen (Kadrić 2019: 17). Über die Verfahrensbeteiligten und Behörden hinaus hat Kadrić aber auch die Dolmetschenden selbst im Blick - ihnen müsse mehr Aufmerksamkeit als KommunikationsträgerInnen zuteil werden (Kadrić 2019: 158). 140 Oliver Scheiber Aus der Tatsache, dass die Dolmetschung so vielen Beteiligten dient, leitet Kadrić eine Verpflichtung der Dolmetschenden zur Allparteilichkeit ab: Dolmetschende müssten allen am Verfahren Beteiligten gegenüber loyal und sein und ihnen gleich nah stehen bzw. gleich fern bleiben (Kadrić 2019: 77). Berufsethisch fordert Kadrić ein System, das Verantwortungs- und Gesinnungsethik verbindet (Kadrić 2019: 137). 1.2 Die Würde im Recht Die Würde spielt in der rechtswissenschaftlichen Diskussion und Literatur nicht die Rolle, die ihr längst zukommen müsste. Selbst JuristInnen sehen die Wahrung der Würde oft als achtenswerte ethische Forderung, die rechtlich nicht geboten wäre. Sie übersehen, dass die Wahrung der Würde das zentrale Gebot der europäischen Rechtsordnung ist. Zur Menschenwürde gelangen wir in rechtswissenschaftlichen Schriften meist über den Begriff der Menschenrechte. Oder umgekehrt formuliert: Am öftesten stoßen wir bei der Erörterung der Menschenrechte auf den Begriff der Würde des Menschen bzw. der Menschenwürde - das ist nahe liegend, wenn wir an grundlegende Gebote der Rechtsordnung wie das Folterverbot oder das Verbot der Sklaverei denken. Seit den 1960er-Jahren werden die Menschenrechte in der Literatur von der Menschenwürde abgeleitet (Tiedemann 2012: 9). Dabei sind Menschen- und Grundrechtskataloge älter als die an sich naheliegende Verknüpfung von Menschenwürde und Menschenrechten. Vor dem 20. Jahrhundert findet sich der Begriff der Menschenwürde gar nicht im Recht (Tiedemann 2012: 9). Erst die schwersten Verletzungen der Menschenwürde der jüngeren Geschichte, der Faschismus und insbesondere der Nationalsozialismus mit seinen Massenverbrechen und der versuchten Auslöschung der Jüdinnen und Juden haben eine Konzentration auf den Begriff der Würde bewirkt. 1945 begegnen wir in der Gründungsurkunde (Charta) der Vereinten Nationen dem Begriff der Würde erstmals in einem internationalen Vertrag. Die Präambel der Charta beruft sich auf den „Glauben an die Grundrechte des Menschen, an Würde und Wert der menschlichen Person.“ In der 1948 beschlossenen Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen heißt es in Artikel 1: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Brüderlichkeit begegnen.“ Tiedemann (2012: 182) belegt, dass der Begriff der Menschenwürde nach 1945 den Legitimationsgrund dafür bildete, die Menschenrechte zu universalisieren und dem alleinigen Zugriff der nationalen Verfassungs- und Gesetzgebung zu entziehen (Tiedemann 2012: 182). So gelang es, die Menschenrechte zum über- Die Wahrung der Würde des Menschen in der gedolmetschten Kommunikation 141 nationalen Standard zu machen, an dem sich nationales Recht messen muss. Nationales Recht, das den internationalen Menschenrechtskodifikationen widerspricht, wird zum Unrecht. Diese geänderte Ordnung markiert die Lehre aus Weltkriegen und Faschismus und den großen Fortschritt, den das Recht 1945 gefunden hat. Dieser Entwicklungssprung des Rechts ist direkt mit dem Einzug des Begriffs der Würde in das Recht verbunden. Wenn in den letzten Jahren internationale Menschenrechtskonventionen infrage gestellt werden, dann wird damit ein Konzept angezweifelt, das auf der Würde des Menschen aufbaut. In der 1950 begründeten, bis heute bedeutenden Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) kommt der Begriff der Würde nicht vor. 7 Doch bereits seit 1978 verwendet der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, der die EMRK anwendet und auslegt, den Begriff regelmäßig in seinen Entscheidungen. Der Gerichtshof scheint dabei unter Menschenwürde das zu verstehen, was durch eine erniedrigende Behandlung verletzt wird (Tiedemann 2012: 36). 8 In ähnlicher Weise gebraucht der österreichische Verfassungsgerichtshof den Begriff der Menschenwürde ab Ende der 1970er-Jahre in seiner Rechtsprechung. Auch er zieht die direkte Folgerung von einer erniedrigenden Behandlung zur Verletzung der Menschenwürde. Kaum ein (Einleitungs)Satz im Rechtsbereich hat solche Bekanntheit erlangt wie Artikel 1 Absatz 1 des deutschen Grundgesetzes. Er lautet: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Das deutsche Grundgesetz ist höchstes deutsches Verfassungsrecht. Es wurde im Mai 1949 erlassen. Die Bezugnahme auf die Würde des Menschen in der einleitenden Bestimmung war damals Ausdruck der Lehren aus der kurz zurückliegenden Erfahrung von Nationalsozialismus und Krieg. In ganz Europa galt und gilt diese deutsche Verfassungsbestimmung bis heute als gemeinsamer europäischer Grundkonsens der Absage an Faschismus und Diktatur. Im Jahr 2000 verständigte sich die Europäische Union auf ein eigenes Menschenrechtsdokument und beschloss die Europäische Grundrechtecharta. Die Charta schließt an das deutsche Grundgesetz an; ihr Artikel 1 („Würde des Menschen“) lautet: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie ist zu achten und zu schützen.“ Rechtskraft erlangte die Charta am 1. Dezember 2009, gemeinsam mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon. Auch der Vertrag über 7 Zum Menschenwürdekonzept der EMRK grundsätzlich vgl. Bührer 2020 und von Schwichow (2016). 8 Die Menschenwürde spielt in der Rechtsprechung des EGMR zunehmend eine Rolle, auch in vielen gesellschaftspolitisch wichtigen Fragen. So hat der EGMR etwa bei der Prüfung des Verbots von Gesichtsverhüllungen dazu Stellung genommen und ausgeführt, ein pauschales Gesichtsverhüllungsverbot im gesamten öffentlichen Raum lasse sich mit dem Ziel der Achtung von Menschenwürde nicht vereinbaren (dazu Zußner 2018). 142 Oliver Scheiber die Europäische Union (2012) erwähnt die Menschenwürde. Artikel 2 enthält eine Aufzählung der Grundwerte der Union und nennt dabei „[…] die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte“. Artikel 21 des Vertrags schließt bei den Bestimmungen über die Außenbeziehungen an Artikel 2 an: Die Union lässt sich bei ihrem Handeln auf internationaler Ebene von den Grundsätzen leiten, die für ihre eigene Entstehung, Entwicklung und Erweiterung maßgebend waren und denen sie auch weltweit zu stärkerer Geltung verhelfen will: Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, die universelle Gültigkeit und Unteilbarkeit der Menschenrechte und Grundfreiheiten, die Achtung der Menschenwürde, der Grundsatz der Gleichheit und der Grundsatz der Solidarität sowie die Achtung der Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen und des Völkerrechts. Das deutsche Bundesverfassungsgericht bezeichnet die Menschenwürde immer wieder als Grundwert der Verfassung (Tiedemann 2012: 552). Nach Bryde & Jentsch (2006: 622) ist der Schutz der Menschenwürde in Art 1 Abs 1 GG […] keinerlei Einschränkungen zugänglich. Die Würde des Menschen ist der oberste verfassungsrechtliche Grundwert […] und zugleich als wichtigste Wertentscheidung tragendes Konstitutionsprinzip des Grundgesetzes […]. Deswegen unterliegt die Garantie der Menschenwürde, wie der Wortlaut des Grundgesetzes (‚unantastbar‘) verdeutlicht, auch keinen Einschränkungen durch andere Verfassungsgüter. Nichts Anderes kann im Hinblick auf die EU-Grundrechtecharta für alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union gelten. Die Würde des Menschen ist oberster Verfassungsgrundsatz der Union, an dem sich alles staatliches Handeln zu orientieren hat - das gilt für die Gesetzgebung genauso wie für Verwaltung und Rechtsprechung. Die Wahrung der Menschenwürde impliziert zunächst einmal den Schutz des Lebens, die Wahrung der körperlichen Unversehrtheit und den Schutz vor Folter und erniedrigender Behandlung. Es geht bei der Wahrung der Würde im rechtlichen Sinn aber auch um die Mitwirkung am politischen Prozess, also um Partizipation (näher dazu Pernthaler 2006: 628f.). 9 9 Die Frage der Partizipation ist in vielen Staaten der Welt aktuell und wird stark auf kommunaler Ebene diskutiert. Durch restriktive Staatsbürgerschaftsrechte in Verbindung mit Migrationsbewegungen ist in vielen Städten und Staaten ein vergleichsweise hoher Anteil der Bevölkerung vom Wahlrecht und damit von jeder politischen Partizipation ausgeschlossen. In Wien ist es etwa bereits ein Drittel der Wohnbevölkerung, die mangels österreichischer Staatsbürgerschaft nicht mitbestimmen kann - das betrifft viele Menschen, die in Wien geboren und aufgewachsen sind. Die Wahrung der Würde des Menschen in der gedolmetschten Kommunikation 143 Die europäische Ebene spielt beim Ausbau des Schutzes der Menschenwürde generell eine zentrale Rolle. Europäische Union und Europarat haben in den letzten Jahren ambitionierte Bemühungen um den rechtlichen Schutz schwacher und verletzlicher Personengruppen - zu denen auch jene Menschen zählen, die die jeweilige Amtssprache nicht beherrschen - unternommen. Das erste Harmonisierungsprojekt der Europäischen Union auf dem Gebiet des Strafverfahrensrechts war dem Gerichtsdolmetschen gewidmet - ein breites Konsultationsverfahren von Rechts- und Translationswissenschaft mündete in die Erlassung der sogenannten Dolmetschrichtlinie (Richtlinie 2010/ 64/ EU). 10 Nach der Dolmetschrichtlinie hat die Europäische Union eine weitere Reihe von Gesetzeswerken (Richtlinien) erlassen, die sich mit den Rechten von Angeklagten, Opfern und Beteiligten im Strafverfahren und immer wieder mit Dolmetschfragen beschäftigen. Auch wenn der Begriff der Würde darin nur sporadisch explizit erwähnt wird, so sind diese Richtlinien nach ihrer Begründung und ihrem Text ganz klar der Sicherung des fairen Verfahrens und damit in einem weiteren Sinne auch der Wahrung der Würde von Menschen gewidmet, die rechtliche Ansprüche durchsetzen möchten bzw. vor Gericht stehen. 11 In jüngster Zeit hat die EU-Gesetzgebung im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Corona-Pandemie die Menschenwürde angesprochen. 12 Im nationalen österreichischen Recht ist die wohl grundsätzlichste, jedenfalls aber älteste Bestimmung zur menschlichen Würde der in Fachkreisen bekannte § 16 ABGB. Die Bestimmung ist über 200 Jahre alt (in Kraft getreten am 1.1.1812) 10 Die Bedeutung der europäischen Ebene für das Gerichts- und Behördendolmetschen hatte Kadrić früh erkannt und war in die ExpertInnenforen von EU und Europarat eingebunden, die sich mit Vorbereitung und Umsetzung der EU-Dolmetschrichtlinie befassten. Vgl. zum gesamten Prozess Hertog (2001 und 2003), Hertog & van Gucht (2008), Hertog, Erik (o. J.), Europäische Kommission (2009) und Kadrić (2005). Eine gute Übersicht über EU-Projekte zum Gerichts- und Behördendolmetschen bis in die jüngste Zeit findet sich auf der Seite des Internationalen Berufsverbands EULITA. 11 Nur beispielhaft können hier einige Erwägungsgründe und Artikel aus Richtlinien der jüngeren Zeit genannt werden, die explizit die Würde ansprechen oder ihrem Inhalt nach klar der Wahrung der Würde dienen: Erwägung 17, 22 und 27 der Richtlinie 2010/ 64/ EU (Dolmetschrichtlinie); Art 3 Abs 2 und Erwägung 25 der Richtlinie 2012/ 13/ EU; Art 3, Art 7 Abs 1 und Art 18 sowie Erwägung 16, 17, 36, 42, 52 der Richtlinie 2012/ 29/ EU (Opferschutzrichtlinie); Erwägung 51 und 55 der Richtlinie 2013/ 48/ EU; Erwägung 31 und 43 der Richtlinie (EU) 2016/ 343; Art 7 Abs 2 und Erwägung 36 der Richtlinie (EU) 2016/ 800; Art 9 und Erwägung 29 der Richtlinie (EU) 2016/ 1919. 12 Vgl. Art 3 der Verordnung 2016/ 369/ EU, insbesondere Art 3 Abs 1: „(1) Die im Rahmen dieser Verordnung gewährte Soforthilfe ermöglicht bedarfsorientierte Sofortmaßnahmen in Ergänzung zu den Maßnahmen der betroffenen Mitgliedstaaten und mit dem Ziel der Rettung von Leben, der Vermeidung und Linderung menschlichen Leids und der Wahrung der Menschenwürde, wo immer dies aufgrund von Katastrophen im Sinne von Artikel 1 nötig ist.“ 144 Oliver Scheiber und lautet: „Jeder Mensch hat angeborne, schon durch die Vernunft einleuchtende Rechte, und ist daher als eine Person zu betrachten. Sclaverey oder Leibeigenschaft, und die Ausübung einer darauf sich beziehenden Macht, wird in diesen Ländern nicht gestattet.“ Der erste Satz ist in seiner Modernität beachtlich, der zweite Satz verweist auf die Zeit, der er entstammt. § 16 ABGB gilt der Rechtsprechung und Literatur als Kernbestimmung zu den Persönlichkeitsrechten und wird in Verbindung zur Menschenwürde ausgelegt (Rummel & Lukas, Rz 44 zu § 16 ABGB). § 16 ABGB wird zu den Grundprinzipien der österreichischen Rechtsordnung gezählt; deshalb werden ausländische Normen, die die Menschenwürde verletzen, in Österreich nicht angewandt. (Rummel & Lukas, Rz 60 zu § 16 ABGB). § 16 ABGB hat für verschiedenste Rechtsbereiche Bedeutung. Die Wahrung der Würde lässt sich also als Eckpfeiler unserer Rechtsordnung bezeichnen. In bestimmten Rechtsgebieten kommt der Würde erhöhte Bedeutung zu, und ihr Begriff wird dort öfter (aber immer noch erstaunlich selten) erwähnt als in anderen Rechtsbereichen. Hohe Bedeutung hat die Wahrung der Würde etwa in allen Gesetzeswerken, die sich mit Beginn und Ende des Lebens (Sterbehilfe etc.) befassen sowie mit dem Umgang mit vulnerablen Bevölkerungsgruppen - also mit Kindern 13 , mit alten Menschen, mit Pflegebedürftigen oder psychisch Kranken. Auch das Strafvollzugsrecht ist an dieser Stelle zu nennen, befinden sich Strafgefangene doch durch die Beschränkung der Freiheit in einer ausgelieferten Lage, in der der Wahrung der Würde große Bedeutung zukommt. Der Schutz der Persönlichkeitsrechte ist Inhalt unter anderem im Medienrecht, wenn es um die Wahrung der Anonymität von Menschen bzw. um den Schutz vor Bloßstellung durch Namensnennung oder Fotografien in der Berichterstattung geht. 14 Menschenwürde und Schutz der Persönlichkeitsrechte spielen zudem im Arbeitsrecht eine wichtige Rolle. 15 In der aktuellen Diskussion 13 Siehe Nachweise in Fußnote 1. 14 Vgl. etwa RL (EU) 2010/ 13. 15 Beispielhaft lassen sich aus der österreichischen Rechtsordnung folgende Bestimmungen herausgreifen, die entweder inhaltlich besondere Bedeutung für die Wahrung der Würde des Menschen haben oder die den Begriff ausdrücklich anführen: Im Strafrechtsbereich § 283 StGB (Tatbestand der Verhetzung), §§ 5, 61 und 121 StPO (Gesetz- und Verhältnismäßigkeit, Rechtliches Gehör, Beteiligung der Opfer, Personendurchsuchung), §§ 14a, 22, 26, 102a, 165StVG (Innere Revision des Strafvollzugs, Behandlung der Strafgefangenen, Allgemeine Pflichten der Strafgefangenen, Sicherung der Ordnung in der Anstalt, Unterbringung nach § 21 Abs 1 StGB) und § 39a VStG (Zwangsgewalt); im Verfassungsrecht Art 1 Bundesverfassungsgesetz über den Schutz der persönlichen Freiheit sowie die Grundsatz- und Staatszielbestimmungen in den Landesverfassungen des Burgenlands, von Oberösterreich, Salzburg und Tirol; im Sicherheitsrecht § 47 SPG (Durchführung einer Anhaltung), §§ 13, 99 FPG; im Gesundheitsbereich Art 2 der Patientencharta, § 1 UbG (Schutz der Persönlichkeitsrechte, § 1 HeimAufG (Schutz der persönlichen Freiheit), § 3 GentechnikG (Grundsätze) sowie im Bildungsbereich zahlreiche Lehrpläne. Die Wahrung der Würde des Menschen in der gedolmetschten Kommunikation 145 um Hass im Netz, also bei der Frage nach wirksamem Schutz gegen Hassparolen und Beleidigungen in sozialen Netzwerken, geht es um den Kernbereich der Menschenwürde, nämlich um den Schutz der Persönlichkeitsrechte. Auch für diesen Bereich wird § 16 ABGB wohl zur zentralen Norm. 2 Gerichts- und Behördendolmetschen: Würde und Sprache Das faire Verfahren ist ein zentrales Recht der Europäischen Menschenrechtskonvention. Die Menschenrechtskonvention verwendet den modernen Ansatz des fairen Verfahrens, wo man früher oder auch umgangssprachlich vom Anspruch nach Gerechtigkeit gesprochen hat. Gerechtigkeit lässt sich am ehesten durch Verfahrensgerechtigkeit herstellen. Jede/ r beurteilt das nach seinen bzw. ihren eigenen Wertvorstellungen und Haltungen, welches Ergebnis eines Konflikts oder eines Rechtsstreits gerecht sein soll. Einfacher lässt sich ein Konsens über die Verfahrensgerechtigkeit herstellen, also darüber, wann ein Verfahren gerecht ist, wann es fair ist. Verfahrensgerechtigkeit ist ein allgemeiner philosophischer Begriff, der davon ausgeht, dass sich Gerechtigkeit über eine bestimmte Ausgestaltung von Verfahren erreichen lässt. Verfahrensgerechtigkeit entsteht demnach dann, wenn Entscheidungsprozesse gewissen Regeln gehorchen und gewisse Anforderungen erfüllen (Hinsch 2016: 138). Das Prinzip der Verfahrensgerechtigkeit lässt sich auf Gesellschaft und Politik allgemein anwenden, aber auch ganz speziell auf Gerichts- und Behördenverfahren. Im Gerichts- und Behördenverfahren strebt man gerechte Ergebnisse und Entscheidungen unter anderem durch die faire Ausgestaltung von Verfahren und Prozessrecht an. Dabei geht es zentral darum, dass jede/ r angehört wird, dass jede/ r alles verstehen kann, dass alle gut informiert sind und dass jede/ r das vorbringen und einwerfen kann, was er oder sie möchte. Hier verbindet sich das Konzept mit Bieris Forderung, die Würde von Menschen dadurch zu wahren, dass sie verstehen können und verstehen dürfen - und an diesem Punkt wird auch die Bedeutung der Dolmetschungen vor Gerichten und Behörden sichtbar. Leben wir heute doch in Gesellschaften, in denen in vielen Staaten ein hoher Anteil der Menschen der Landesbzw. Amtssprache nicht ausreichend kundig ist. Diese Bevölkerungsgruppe kann Verfahrensgerechtigkeit und ihr Recht auf ein faires Verfahren nach der Menschenrechtskonvention eben nur durch eine qualitativ hochwertige Dolmetschung erhalten. 16 16 Einen Überblick zu den zentralen Bereichen des Gerichts- und Behördendolmetschens bieten Pöllabauer (2005) für das Asyldolmetschen und Kadrić (2019) insbesondere für das gerichtliche Dolmetschen. 146 Oliver Scheiber Mira Kadrić weist in ihrem Werk an vielen Stellen darauf hin, wie wichtig die Verwendung der Muttersprache für jeden Menschen ist (Kadrić 2016: 13f.). Das macht unter anderem die heutige Bedeutung der Staatsverträge von St. Germain und von Wien aus, die die Rechte der sprachlichen Minderheiten in Österreich festschreiben. Die Aufnahme des Rechts auf die Verwendung der Gebärdensprache in die österreichische Bundesverfassung im Jahr 2005 war ein rechtlicher Meilenstein der jüngeren Zeit. Denn gleiche Kommunikationschancen sind direkt mit der Menschenwürde verbunden. Tiedemann hat bei seinen grundlegenden Ausführungen (2012: 368) zwar vor allem die allgemeine Kommunikationsfreiheit im Blick. Er weist aber treffend darauf hin, dass ungleiche Kommunikationschancen nicht zwingend zu einer Verletzung der Menschenwürde führen, dass aber privilegierte Kommunikationschancen zumindest ein Gefährdungspotenzial für die Menschenwürde darstellen (Tiedemann 2012: 369). Über die politische Teilhabe hinaus ist eine allgemeine und gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben vor allem über die Sprache möglich. Spricht jemand in einem Land nicht die Amtssprache, so ist er auf Sprachvermittlung, also Dolmetschungen, angewiesen. Auch im Bildungs- und Gesundheitswesen ist Dolmetschen ein wichtiges Kriterium zur Gleichberechtigung. Durch das gesamte Werk von Mira Kadrić zieht sich die die Forderung danach, dass alle Menschen über die Möglichkeit verfügen sollen, vor Gerichten und Behörden gleichberechtigt zu kommunizieren. Wer nicht alles verstehen kann, was in einem Verfahren passiert, kann seine Rechte schlechter durchsetzen, kann sich nicht gleichberechtigt verteidigen und einbringen. Oft sind es Details, die den Ausschlag dafür geben, wer sich in einem Behördenverfahren durchsetzt - das ist der Hintergrund der Forderung nach umfassenden kommunikativen Garantien, die sich im Gerichts- und Behördenalltag nur durch ein Zusammenwirken von Rechts- und Translationswissenschaft umsetzen lässt. 3 Schluss Die Wahrung der Würde ist ein zentraler Baustein für ein glückliches Leben. Wer keine Würde erfährt, der kann schwer glücklich leben. Die Katastrophe der Weltkriege und des Faschismus hat dies den uns vorangehenden Generationen schmerzlich vor Augen geführt. Die großen Menschenrechtskonventionen sind zu einem guten Teil nach dem Zweiten Weltkrieg und nach der Erfahrung des Faschismus entstanden. Sie haben im Auge, allen Menschen ihre Würde zu garantieren. In der geschichtlichen Entwicklung wurde die Würde lange als hehrer Anspruch ohne rechtliche Verbindlichkeit gesehen. Würde und Recht sind auch heute noch keine selbstverständliche Assoziation. Doch die Wahrung Die Wahrung der Würde des Menschen in der gedolmetschten Kommunikation 147 der Würde bildet heute die Spitze der Rechtsordnung - das ist gut, eben weil Würde so zentral für menschliches Glück ist. Die rechtlichen Vorgaben der europäischen Verfassungsordnung, die Würde des Menschen zu wahren, und Bieris philosophische Forderung, das Nicht-Verstehen-Können und das Nicht-Verstehen-Dürfen vor staatlichen Einrichtungen zu verhindern und so die Würde zu wahren, fließen in Kadrićs Überlegungen zum Gerichtsdolmetschen zusammen. Kadrić verbindet Recht und Ethik zu einem Konzept eines verantwortungsbewussten, allen Beteiligten gleichermaßen verpflichteten Gerichts- und Behördendolmetschens. Gut ausgebildete, allparteiliche Dolmetschende tragen in diesem Konzept wesentlich zu einem fairen Verfahren im Sinne der Menschenrechtskonvention bei. Wenn Kadrić von der „Selbstachtung, Festigung, Bildung eines kritischen Selbstbewußtseins“ bei angehenden Dolmetschenden und generell von „emanzipatorischem translatorischen Handeln“ spricht (Kadrić 2011: 159), dann lässt sich das aber auch als Bemühen um die Würde der Dolmetschenden verstehen - die Dolmetschenden werden aufgefordert, ihre Aufgabe selbstbewusst und professionell auszufüllen, ohne sich von irgendeiner Seite instrumentalisieren zu lassen. Die Absicherung der Unabhängigkeit des translatorischen Handelns ist ein erheblicher Beitrag nicht nur zur Wahrung der Unabhängigkeit, sondern auch der Würde der TranslatorInnen. Folgt man Bieri, dann bestimmen gerade die Fairness von Behördenverfahren, der gleiche Zugang zum Recht und gleiche politische und rechtliche Partizipationsmöglichkeiten für alle Menschen darüber, wie entwickelt eine Gesellschaft ist und welche Rolle die Würde in der Gemeinschaft spielt. Die Arbeiten von Kadrić tragen dazu bei, die Bedeutung des zentralen rechtlichen Gebots der Wahrung der Würde verstärkt ins Bewusstsein der Bevölkerung und der Fachwelt der Juristinnen und Juristen, der Dolmetscherinnen und Dolmetscher zu bringen. Bibliographie Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, A/ RES/ 217, UN-Doc. 217/ A-(III). Bieri, Peter (2015). E ine Art zu leben - Über die Vielfalt menschlicher Würde. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch. Bryde, Brun-Otto/ Jentsch, Hans-Joachim (2006). „Die Kriterien der Einschränkung von Menschenrechten bei der Verfassungsrechtspflege“. Europäische Grundrechte-Zeitschrift 33, 617. Bührer, Torben (2020). Das Menschenwürdekonzept der Europäischen Menschenrechtskonvention . Berlin: Dunker & Humblot. Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl C 2000/ 364, 1. EGMR 10.10.2019, 4782/ 18, Lewit/ Österreich. 148 Oliver Scheiber EULITA (2020). Recently completed EU projects. 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Jede Rechtsordnung schließt in diesem Sinne (mindestens) zwei normative Systeme in sich, jenes der Normen und jenes der Sprache. Der Zugang zum Recht erfolgt über Sprache. Ist (gesatztes) Recht in einer Erstsprache verfasst, erscheint dies selbstverständlich. Äußert sich Recht in einer Zweit- oder Drittsprache, treffen - etwa anlässlich einer Gerichtsverhandlung - (mindestens) zwei sprachliche und zwei juristische Systeme aufeinander, eine komplexe Situation insbesondere für Personen, die der Gerichtsprache nicht oder nicht ausreichend kundig sind. Das Strafrecht zeichnet sich innerhalb des Rechts durch eine zur Aufklärung, Verfolgung und Sanktionierung von Straftaten hingenommene Grundrechtseingriffsintensität aus. Im äußersten Fall erlaubt es den zwangsweisen Zugriff auf den menschlichen Körper und den Entzug der persönlichen Freiheit. Der Zugang zum Strafverfahrensrechts, insbesondere seinen Rechtsschutzgarantien, ist - für das Individuum wie für die Rechtsgemeinschaft - von grundlegender Bedeutung. Wird das Strafrecht häufig als Gradmesser der Verfasstheit einer Gesellschaft gedeutet, gilt dies umso mehr für den Zugang zu ihm. Den Gegenstand der Untersuchung bilden die - Strafverfahren und Sprache konstituierenden - Rechtsnormen. Die wesentlichen werden im Folgenden als Prolog durch wortwörtliche Wiedergabe selbst zu Wort kommen und sich auf diese Weise als Subjekte emanzipieren. Der Prolog, griechisch πρόλογος, die Vor-Rede, verleiht ihnen eine Stimme. Die im höchsten Rang der Rechtsordnung, der Verfassung, verankerten - sprachenbezogenen - Normentexte bilden den Anfang, sie sind die „Stimme der Verfassung,“ sodann sprechen die Normen des einfachen Gesetzes. Auch im Hauptteil werden Normtexte „auftreten“. 152 Alexia Stuefer Stimmen der Verfassung Die deutsche Sprache ist, unbeschadet der den sprachlichen Minderheiten bundesgesetzlich eingeräumten Rechte, die Staatssprache der Republik. Die Österreichische Gebärdensprache ist als eigenständige Sprache anerkannt. (Art 8 Abs 1 und Abs 3 Bundesverfassungsgesetz) In den Verwaltungs- und Bezirksgerichten Kärntens, des Burgenlandes und der Steiermark mit slowenischer, kroatischer oder gemischter Bevölkerung wird die slowenische oder kroatische Sprache zusätzlich zum Deutschen als Amtssprache zugelassen. (Art 7 Z 3 Staatsvertrag betreffend die Wiederherstellung eines unabhängigen und demokratischen Österreich) Die Behörden haben sicherzustellen, dass im Verkehr mit der jeweiligen Behörde und Dienststelle die kroatische, slowenische oder ungarische zusätzlich zur deutschen Sprache als Amtssprache verwendet werden kann. (§ 13 Abs 1) „Jeder Angeklagte hat mindestens (engl. „minimum“) insbesondere (franz. „notamment“) die folgenden Rechte: […] in möglichst kurzer Frist in einer für ihn verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über die Art und den Grund der gegen ihn erhobenen Beschuldigungen in Kenntnis gesetzt zu werden; […] die unentgeltliche Beiziehung eines Dolmetschers zu verlangen, wenn der Angeklagte die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder nicht darin ausdrücken kann. (Art 6 Abs 1 lit a und lit e Europäische Menschenrechtskonvention) Stimmen des einfachen Gesetzes Ein Beschuldigter, der die Verfahrenssprache nicht spricht oder versteht, hat das Recht auf Dolmetschleistungen. Soweit dies zur Wahrung der Verteidigungsrechte und eines fairen Verfahrens erforderlich ist, hat der Beschuldigte darüber hinaus das Recht auf schriftliche Übersetzung der wesentlichen Aktenstücke, die innerhalb einer angemessen festzusetzenden Frist vorzunehmen ist. (§ 56 Abs 1 Strafprozessordnung) Opfer haben - unabhängig von ihrer Stellung als Privatbeteiligte - das Recht, […] auf Übersetzungshilfe durch Dolmetschleistungen. (§ 66 Abs 1 Z 5 Strafprozessordnung) Im Sinne dieses Gesetzes ist […] „Dolmetscher“ eine Person, die auf Grund besonderer Kenntnisse in der Lage ist, aus der Verfahrenssprache in eine andere Sprache oder von einer anderen in die Verfahrenssprache zu übersetzen. (§ 125 Z 2 Strafprozessordnung) Sprachen im österreichischen Strafverfahrensrecht 153 Dolmetscher sind im Rahmen der Übersetzungshilfe und dann zu bestellen, wenn eine Person vernommen wird, die der Verfahrenssprache nicht kundig ist, oder für die Ermittlungen wesentliche Schriftstücke in die Verfahrenssprache zu übersetzen sind. (§ 126 Abs 1 zweiter Strafprozessordnung) 2 Performanz der Sprachen im Strafverfahrensrecht Die Grundlagen der zu untersuchenden Rechtsnormen finden sich wie ausgeführt in der Verfassung, die die grundlegenden Rechtsprinzipien der Gesellschaft verkörpert. Verfassungsgesetze sind aufgrund ihres abänderungsfesten Kerns von besonderer juristischer Qualität und bilden den obersten Rang im Stufenbau der Rechtsordnung (Kelsen 1934: 228). Teil dieser Normen betreffen auch Sprachen. Art 8 Bundesverfassungsgesetz (B-VG) erklärt die deutsche Sprache zur Staatssprache der Republik, sichert die Rechte der sprachlichen Minderheiten und ordnet die Eigenständigkeit der Gebärdensprache an (Art 8 Abs 3 B-VG BGBl I 81/ 2005). Die Rechte der sprachliche Minderheiten 1 sind an drei weiteren Stellen in der Verfassung, nämlich in Abschnitt V des Staatsvertrags von Saint-Germain, 2 in Art 7 Z 3 des Staatsvertrags von Wien und § 13 Abs 1 Volksgruppengesetz (Bundesgesetz über die Rechtsstellung der Volksgruppen in Österreich) geschützt. In Verfassungsrang steht auch Art 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), der die grundlegenden Verfahrensgarantien in zivil- und strafgerichtlichen Verfahren festschreibt (vgl. BGBl Nr 120/ 158 idF BGBl III Nr 30/ 1998). Das Recht in einer verständlichen Sprache über strafrechtliche Vorwürfe informiert zu werden (Art 6 Abs 1 EMRK) sowie erforderlichenfalls unentgeltliche Dolmetsch- und Übersetzungsleistungen (Art 6 Abs 3 lit a EMRK) in Anspruch zu nehmen, zählen zu diesen Garantien. Österreich ist als Mitgliedstaat der Europäischen Union Teil ihrer Rechtsordnung. Auch das Recht der Europäischen Union kann als Stufenbau gedacht werden. An oberster Stelle steht das unionsrechtliche Primärrecht über die Grundlagen zur Verwirklichung eines Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (Art 82-86 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union). Kern der Regelungen auf dem Gebiet des Strafrechtes sind Maßnahmen zur Stärkung der 1 „Autochthone Volksgruppen“ (Art 8 Abs 2 B-VG), vorwiegend in den Grenzgebieten des Burgenlandes, der Steiermark und Kärntens lebendende Teile der Bevölkerung kroatischer, slowenischer und ungarischer Sprache. 2 Näher siehe BG über die Durchführung der die Amtssprache bei Gericht betreffenden Bestimmungen des Art 7 Z 3 des Staatsvertrages von Wien, BGBl 102/ 1959; §§ 13-17, 22 VoGrG iVm mit den Amtssprachenverordnungen: Slowenisch: BGBl 307/ 199 idF BGBl II 200/ 428; Kroatisch: BGBl 231 1990 idF BGBl 6/ 1991; Ungarisch: BGBl 229/ 2000 idF BGBl II 335/ 2000. 154 Alexia Stuefer Strafverfolgung flankiert von in Art 47 und Art 48 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GrCh) verankerten Verfahrensgarantien, die die Einhaltung eines fairen Verfahrens für Sachverhalte mit unionsrechtlichem Bezug sichern. Im Stufenbau unterhalb stehen (Bundes- und Landes-)Gesetze sowie unionsrechtliches Sekundärrecht. Sie dienen (kontextbezogen) der Umsetzung der jeweiligen verfassungs- oder primärrechtlichen Bestimmungen. Sie sind einfacher abänderbar, ihr Bestand hängt von ihrer Vereinbarkeit mit der innerstaatlichen Verfassung und dem unionsrechtlichen Primärrecht ab. Die für die Untersuchung zentrale einfachgesetzliche Norm ist die Strafprozessordnung (StPO), ergänzt von einer Reihe weiterer Bestimmungen in einfachen Gesetzen. Auf die primärrechtlichen Vorgaben zur Sicherung eines fairen Verfahrens (auch) in Strafsachen gehen die Richtlinie über das Recht auf Dolmetschleistungen und Übersetzungen in Strafverfahren, 3 über die Mindeststandards für die Rechte, die Unterstützung und den Schutz von Opfern von Straftaten (RL 2012/ 29/ EU) und über das Recht auf Belehrung und Unterrichtung im Strafverfahren (RL 2012/ 13/ EU) zurück (Kadrić 2019: 24). Sämtliche Regelungsinhalte dieser Richtlinien sind aufgrund der primärrechtlichen Verpflichtungen in innerstaatliches Recht zu implementieren. An den Beginn der Darstellung der innerstaatlichen einfachgesetzlichen Vorschriften ist § 53 der Geschäftsordnung für die Gerichte I. und II. Instanz (ausf. Geo, Danzl 2011) zu nennen, der die deutsche Sprache als Gerichtssprache festschreibt (§ 2 Durchführungsverordnung zum Staatsanwaltschaftsgesetz - DV- StAG). Die Geschäftsordnung gilt auch für Staatsanwaltschaften und ergänzt die StPO. Die mündliche und schriftliche Kommunikation (auch) der Strafverfolgungsbehörden untereinander einerseits und mit natürlichen und juristischen Personen andererseits hat in deutscher Sprache zu erfolgen. Nach § 13 Abs 2 VoGrG können Angehörige der sprachlichen Minderheiten Kroatisch, Slowenisch und Ungarisch im schriftlichen und mündlichen Behördenverkehr zusätzlich zur deutschen Sprache als Amtssprache verwenden. Die Strafverfolgungsbehörden sind damit verpflichtet, das Strafverfahren in der jeweils beantragten Sprache der Minderheit zu führen. Keine Verpflichtung, aber eine Option, einen Abschnitt einer Verhandlung in einer anderen als in einer der vier Verfahrenssprachen zu führen, eröffnet § 82 Geo: Ist eine Person zu vernehmen, die der deutschen Sprache unkundig ist und sich auch nicht in einer anderen Sprache ausdrücken kann, deren der Richter und wenn, der Vernehmung ein Schriftführer beizuziehen ist, auch dieser mächtig ist, so ist ein vertrauenswürdiger Dolmetsch beizuziehen. 3 Umgesetzt durch Strafrechtsänderungsgesetz 2013 BGBl 1 195/ 2013. Sprachen im österreichischen Strafverfahrensrecht 155 Kadrić (2019: 35) weist unter Hinweis auf die Rechtsprechung auf die mit dieser Regelung aufgeworfenen Fragen hin. Im Falle der - grundsätzlich öffentlich - zu führenden Hauptverhandlung stellt sich das Problem des Zugangs der Öffentlichkeit zum Gerichtsverfahren, wenn das Gericht und die beschuldigten Personen nicht in einer der Verfahrenssprachen kommunizieren. Der Gehalt der Regelung ist dennoch hervorzuheben: Sowohl die Verfahrensfairness als auch die Wahrheitsfindung lässt sich in unmittelbarer Kommunikation viel eher verwirklichen. Aus der StPO ist an erster Stelle der Anspruch auf Dolmetsch- und Übersetzungsleistungen für Beschuldigte zu nennen (ausf. Bachner-Foregger 2020). Das in § 56 StPO normierte Recht gebührt Beschuldigten, die die „Verfahrenssprache nicht sprechen oder verstehen“. Im Katalog der Rechte von Beschuldigten in § 49 StPO sowie - für die Praxis besonders relevant - in § 164 StPO über die Vernehmung von Beschuldigten ist § 56 StPO explizit hervorgehoben. § 381 Abs 6 StPO bestimmt klarstellend, dass die Kosten für Dolmetsch- und Übersetzungsleistungen nicht zu den von Verurteilten grundsätzlich zu tragenden Verfahrenskosten zählen, also unentgeltlich sind. Für Freigesprochene sowie ehemals Beschuldigten eines eingestellten Verfahrens ist die selbstverständlich (vgl. §§ 381, 393 Abs 2 StPO). Auch Opfer und Privatbeteiligte (vgl. §§ 65 StPO; 66 Abs 1 Z 5, Abs 3 StPO; 67 Abs 6; 72 StOP) haben sprachenbezogene Rechte: § 66 gewährt ihnen einen am Recht von Beschuldigten orientierten Anspruch auf Dolmetsch- und Übersetzungsleistungen (vgl. § 66 Abs 3 StPO). Auch für alle übrigen - in welcher Rolle auch immer - am Strafverfahren Beteiligten (z. B. Zeuginnen und Zeugen, Auskunftspersonen, Sachverständige) ist, so sie „der Verfahrenssprache nicht kundig“ sind, ein Dolmetscher oder eine Dolmetscherin beizustellen (§ 126 Abs 1 zweiter Satz StPO). Sie haben zwar keinen Rechtsanspruch auf die eigene (oder eine gewählte) Sprache, angesichts des Zwecks des Strafverfahrens, den Verdacht einer strafbaren Handlung (§§ 1 Abs 2, 3 StPO) aufzuklären, ist selbstverständlich, dass ihre Aussagen sowie etwaige beigebrachte Schriftstücke (so für die Aufklärung erheblich) in die Verfahrenssprache zu übersetzen sind. Zur Form von Dolmetsch- und Übersetzung ist in § 56 Abs 1 StPO der Ausdruck „schriftliche Übersetzung“ zu finden, der als Auftrag zur wortwörtlichen Übersetzung von Schriftstücken gedeutet werden kann. Hingegen lässt der gesetzlich nicht weiter konkretisierte Begriff „mündliche Dolmetschleistungen“ (§ 56 Abs 2 StPO) offen, ob wortwörtlich, resümierend, konsekutiv oder simultan zu übersetzen ist. Grundsätzlich favorisiert das Gesetz die mündliche vor der schriftlichen Übersetzung (zum Umfang siehe sogleich). Zur Form im weiteren Sinne zählt auch die Frage der physischen Anwesenheit der Dolmetschenden und der Aussagenden. § 56 Abs 2 StPO sieht grundsätzlich die gleich- 156 Alexia Stuefer zeitige Anwesenheit in einem Raum vor. Kann aber eine Dolmetschleistung für die Sprache, die die beschuldigte Person spricht oder versteht, am Ort der Vernehmung nicht binnen angemessener Zeit zur Verfügung gestellt werden, ist die Dolmetschung unter Verwendung technischer Einrichtungen zur Wort- und Bildübertragung zulässig. Nicht gesetzlich festgelegt ist die Positionierung von Dolmetschenden und Aussagenden im Raum (z. B. Vernehmungszimmer, Verhandlungssaal, Beweisrekonstruktion). Verantwortlich für die Sitzordnung ist damit das für die Leitung der Amtshandlung zuständige Organ („Sitzungsgewalt“), das auch für die Bereitstellung der Dolmetsch- und Übersetzungsleistungen für Beschuldigte und Opfer verantwortlich ist. Die Wichtigkeit der Sprachenkenntnisse für die beschuldigte Person lässt sich aus der Bestimmung über ihre Befragung ableiten, die das Vernehmungsorgan expressis verbis zur Feststellung der Sprachkenntnisse verpflichtet (§ 164 Abs 1 StPO). Eine dahingehende allgemeine Verpflichtung leitet sich aus den genannten Grundsätzen der Verfahrensfairness, der Wahrung des Opferschutzes und der Verpflichtung zur Erforschung der materiellen Wahrheit ab. Die in Art 6 EMRK normierten Rechte blieben theoretisch, wenn die beschuldigte Person - nicht anlässlich der ersten Vernehmung - durch die Kriminalpolizei oder die Staatsanwaltschaft über Existenz, Umfang und Reichweite in Kenntnis gesetzt wird (vgl. EGMR, 19.12.1989, Kamasinski, Nr 9783/ 82, Z 74). Auch in § 50 StPO findet sich diese Grundannahme: Die Rechtsbelehrung ist in einer Sprache, „die der Beschuldigte versteht“ und in einer „verständlichen Art und Weise“ zu erteilen, wobei „besondere persönliche Bedürfnisse“ zu berücksichtigen sind. Das Recht auf Beistellung von Dolmetsch- und Übersetzungsleistungen ist (folgerichtig) als absolutes Recht ausgestaltet (Grabenwarter & Pabel 2016: 545). Die Einhaltung aller weiteren Verfahrensgarantien - auch jene der Durchsetzung des Rechts auf Gewährung von Dolmetsch- und Übersetzungsleistungen selbst - hängt (nicht nur in der Praxis) von der effektiven Umsetzung dieses Rechts ab. Das Gesetz trägt damit auch dem Umstand Rechnung, dass beschuldigte Personen - insbesondere im Falle der Vernehmung anlässlich einer (erstmaligen) Festnahme oder Vorführung - (auch prozessual) besonders verletzlich und daher schützenswert und - zum Ausgleich - mit besonderer Rechtsmacht auszustatten sind. In diesem Lichte ist auch § 56 Abs 6 StPO zu sehen, der für den Verzicht auf die schriftliche Übersetzung von Aktenteilen (siehe dazu sogleich) eine schriftlich dokumentierte Rechtsbelehrung und eine ausdrückliche Verzichtserklärung verlangt. Der ebenfalls in § 56 StPO geregelte Umfang der zu erbringenden Dolmetsch- und Übersetzungsleistungen gestaltet sich prima facie komplex. Nach § 56 StPO sind „jedenfalls jene Beweisaufnahmen, an denen die beschuldigte Person teilnimmt“ mündlich zu übersetzen (i.e. Vernehmungen, kontradiktori- Sprachen im österreichischen Strafverfahrensrecht 157 sche Einvernahmen vor allem von Opfern, Tatkonstruktionen, Augenscheine, Verhandlungen über die Forstsetzung der Untersuchungshaft sowie über Einsprüche wegen Rechtsverletzungen, Hauptverhandlungen, Gerichtstage vor Rechtsmittelgerichten und dem Obersten Gerichtshof). Mündlich ist auch der Kontakt der beschuldigten Person mit der Verteidigung (Wahlverteidigung und Verfahrenshilfeverteidigung). Voraussetzung ist ein Antrag der beschuldigten Person, über den Umfang der Dolmetschleistungen bestimmt das zur Leitung der Amtshandlung zuständige Organ ausgehend vom „unmittelbaren Zusammenhang mit einer Beweisaufnahme, einer Verhandlung, der Erhebung eines Rechtsmittels oder einem sonstigen Antrag.“ Schriftlich zu übersetzen sind binnen angemessener Frist „wesentliche Aktenstücke“, worunter die Anordnung und gerichtliche Bewilligung der Festnahme (Anm. bei Gefahr in Verzug: die dafür notwendige schriftliche Begründung der Kriminalpolizei), der Beschluss auf Verhängung und Fortsetzung der Untersuchungshaft, die Anklage und die Ausfertigung des noch nicht rechtskräftigen Urteils oder der noch nicht rechtskräftigen Strafverfügung fallen. 4 Weitere schriftliche Übersetzungen von Aktenteilen sind von einem Antrag der beschuldigten Person abhängig und nur dann anfertigen zu lassen, wenn sie zur Wahrung der Verteidigungsrechte und der Verfahrensfairness erforderlich sind. Die Schriftstücke sind grundsätzlich vollständig zu übersetzen; zulässig ist gleichwohl eine Einschränkung auf jene Abschnitte (Textteile), die zur Kenntnisnahme der Vorwürfe erforderlich sind. Von einer schriftlichen Übersetzung kann zugunsten einer mündlichen ganz abgesehen werden, wenn Verteidigungsrechte nicht gefährdet erscheinen; ist die beschuldigte Person in einem solchen Fall durch einen Verteidiger oder eine Verteidigerin vertreten, genügt eine zusammenfassende Übersetzung. Auf den Punkt gebracht lässt sich der Umfang auf Übersetzungshilfe nach § 56 StPO mit der vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in seiner Rechtsprechung entwickelten Formel umschreiben (vgl. EGMR, 19.12.1989, Kamasinski, Nr 9783/ 82, Z 74): Abs 3 lit. e (Anm. das Recht auf unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher oder einer Dolmetscherin in Art 6 EMRK) bedeutet, dass der Angeklagte, der die Verhandlungssprache nicht versteht oder sie nicht spricht, Anspruch auf unentgeltlichen Beistand eines Dolmetschers hat, damit ihm sämtliche Schriftstücke und mündliche Erklärungen in dem gegen ihn durchgeführten Verfahren übersetzt werden, auf deren Verständnis er angewiesen ist, um ein faires Verfahren zu haben […]. 4 Für Opfer (bei Antragstellung): Schriftliche Bestätigung der Anzeige, Verständigung von der Einstellung des Ermittlungsverfahrens und deren Begründung sowie eine Ausfertigung des Urteils und der Strafverfügung (§ 66 Abs 3 StPO). 158 Alexia Stuefer Abs 3 lit. e geht aber nicht so weit, eine schriftliche Übersetzung jeder Beweisurkunde oder jedes Aktenstückes zu verlangen. Die Unterstützung durch einen Dolmetscher muss es dem Angeklagten ermöglichen zu verstehen, was man ihm vorwirft, und sich zu verteidigen, indem er insbesondere dem Gericht seine Version der Ereignisse vortragen kann. Die Frage, wer die gesetzlich vorgeschriebenen Dolmetsch- und Übersetzungsleistungen erbringt, beantwortet für die StPO § 125, der als „Dolmetscher“ eine Person umschreibt, die „aufgrund besonderer Kenntnisse in der Lage ist, aus der Verfahrenssprache in eine andere oder aus einer anderen in die Verfahrenssprache zu übersetzen“ (vgl. ausf. Hinterhofer). Bestellung und Auswahl regelt § 126 StPO: Sowohl Kriminalpolizei als auch Staatsanwaltschaften und Gerichte werden von (staatlichen) PersonaldienstleisterInnen mit Dolmetschern und Dolmetscherinnen beschickt. Bei mangelnder Verfügbarkeit (oder Befangenheit) hat das für die jeweilige Amtshandlung zuständige Organ „eine andere geeignete Person“ zu bestellen, vorrangig eine in die Gerichtssachverständigen- und Gerichtsdolmetscherliste eingetragene Person. Spezifische Anforderungen an Ausbildung und Qualifikation von Dolmetscherinnen und Dolmetschern sind der StPO selbst nicht zu entnehmen. Gefordert sind „besondere Kenntnisse“ (§ 125 Z 2 StPO) und „geeignete“ Personen (§ 126 Abs 2a und Abs 2b StPO). Die gesetzlich angeordnete Bevorzugung, somit bei fehlender Verfügbarkeit von staatlich bereitgestellten Dolmetscherinnen und Dolmetschern, auf jene zurückzugreifen, die in die Gerichtssachverständigen- und Gerichtsdolmetscherliste eingetragen sind, könnte als Hinweis gedeutet werden, die dafür geforderten fachlichen und organisatorischen Standards (vgl. Bundesgesetz über die allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen und Dolmetscher) als allgemeines Qualitätsniveau zu etablieren. Gegen eine solche (dem Gesetz somit immanente) Ausbildungs- und Qualifikationsgarantie spricht aber, dass staatlich bereitgestellte Dolmetscherinnen und Dolmetscher diese Anforderungen formal nicht erfüllen müssen. Auch (der bloß für Justizbehörden geltende) § 86 Gerichtsorganisationsgesetz (GOG) weist nicht in diese Richtung, wenn er von den Dolmetscherinnen und Dolmetschern vor Beginn ihrer Tätigkeit im Verfahren verlangt, „ihre Ausbildung und Qualifikation kurz darzulegen,“ so sie nicht in die erwähnte Liste eingetragen sind. Dass sie das im Sachverständigen- und Dolmetschergesetz festgelegte Qualitätsniveau erreichen müssen, wird damit gerade nicht gefordert. Die zweimalige (einfachgesetzliche) Bezugnahme auf die im Sachverständigen- und Dolmetschergesetz geforderten Standards akklamiert sie gleichsam als Richtmaßstab in Theorie und Praxis (siehe auch Beschlüsse des 2. StrafverteidigerInnentages 2004). Sprachen im österreichischen Strafverfahrensrecht 159 3 Epilog Die Untersuchung zeigt eine Rechtsordnung mit einem verfassungsrechtlich vorgegebenen viersprachigen Strafverfahren mit einfachgesetzlichen Ansätzen hin zur Öffnung zu Mehrsprachigkeit. § 82 Geo ermöglicht dem Gericht, zumindest Abschnitte des Verfahrens, nämlich Vernehmungen, in der Sprache der beschuldigten Person oder in einer beiden vertrauten zu führen. Die weiteren verfassungs- und (sie konkretisierenden) einfachgesetzlichen Normen stehen dazu nicht im Widerspruch. Im Gegenteil: Sie lassen ein System erkennen, dessen Anspruch die Etablierung eines der unmittelbaren Kommunikation möglichst heranreichenden Modells ist. Die programmatisch in § 12 StPO und § 13 StPO festgeschriebenen Grundsätze der Mündlichkeit und der Unmittelbarkeit sind tragende Säulen des Strafverfahrens, die in einer Vielzahl von Bestimmungen der StPO Ausdruck finden und konkretisiert sind. Zentral ist § 258 StPO, der für die Hauptverhandlung als Dreh- und Angelpunkt des Strafverfahrens vorschreibt: „Das Gericht hat bei der Urteilsfällung nur auf das Rücksicht zu nehmen, was in der Hauptverhandlung vorgekommen ist.“ Unter „Vor-Kommen“ sind mündliche, auch physisch, räumlich zu denkende Sprechakte vor dem entscheidenden Organ, dem Gericht, in Anwesenheit der Beteiligten des Verfahrens zu verstehen. Die Untersuchung legt als Ergebnis eine Normenstruktur frei, die „Un-Mittel-Barkeit“ nicht an eine Sprache bindet, „Anderssprachigkeit“ nicht per se als Mangel auffasst, sondern vielmehr das Gegenteil nahelegt. Die Jubilarin und ihr jahrzehntelanges Wirken auf allen hier denkbaren Gebieten der Wissenschaft, der Gesetzgebung und der Praxis haben den größten Anteil daran. Bibliographie Bachner-Foregger, Helene (2020). Kommentar zu § 56. In: Fuchs, Helmut/ Ratz, Eckart (Hrsg.) Wiener Kommentar StPO . Wien: MANZ’sche Verlags- und Universitätsbuchhandlung. Beschlüsse des 2. StrafverteidigerInnentages (2004). In: Soyer, Richard (Hrsg.) Strafverteidigung - Konflikte und Lösungen . Wien: facultas. Bundesgesetz, mit dem die Strafprozessordnung 1975, das Strafregistergesetz 1968 und das Sicherheitspolizeigesetz geändert werden (Strafprozessrechtsänderungsgesetz 2013) BGBl I 2013/ 195. Bundesgesetz über die allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen und Dolmetscher (Sachverständigen- und Dolmetschergesetz - SDG) BGBl 137/ 1975 idF I 2019/ 44. Bundesgesetz über die Rechtsstellung der Volksgruppen in Österreich (Volksgruppengesetz - VoGrG) BGBl 1976/ 396. 160 Alexia Stuefer Bundesverfassungsgesetz (B-VG) BGBl 1/ 1930 idF BGBl I 1999/ 194. Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird 2005 BGBl I 2005/ 81. Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GrCh) ABl C 2012/ 326, 391. Danzl, Karl-Heinz (2011). Kommentar zu § 53 und § 82. Kommentar zur Geschäftsordnung für die Gerichte I. und II. Instanz. 8. Aufl. Wien: MANZ’sche Verlags- und Universitätsbuchhandlung. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) 19.12.1989, 9783/ 82, Z74, Kamasinski/ Österreich. Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) BGBl 1958/ 2010 idF BGBl III 31998/ 30. Geschäftsordnung für die Gerichte I. und II. Instanz (Geo.) BGBl 1951/ 264 idF BGBl II 2020/ 187. Gesetz vom 27. November 1896, womit Vorschriften über die Besetzung, innere Einrichtung und Geschäftsordnung der Gerichte erlassen werden (Gerichtsorganisationsgesetz - GOG) RGBl 1896/ 217 idF BGBl U I 2019/ 44. Grabenwarter, Christoph/ Pabel, Katharina (2016). Europäische Menschenrechtskonvention. 6. Aufl. München: C. H. BECK; Basel: Helbing Lichtenhahn; Wien: MANZ’sche Verlags- und Universitätsbuchhandlung. Kadrić, Mira (2019). Gerichts- und Behördendolmetschen . Wien: Facultas. Kelsen, Hans (1934). Reine Rechtslehre . 2., vollst. neu bearb. und erw. Aufl. - Nachdruck 2000. Wien: Verlag Österreich. RL (EU) 2012/ 13 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012 über das Recht auf Belehrung und Unterrichtung in Strafverfahren, ABl L 2012/ 142, 1. RL (EU) 2012/ 29 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 über Mindeststandards für die Rechte, die Unterstützung und den Schutz von Opfern von Straftaten sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2001/ 220/ JI, ABl L 2012/ 315, 57. Staatsvertrag betreffend die Wiederherstellung eines unabhängigen und demokratischen Österreich (Staatsvertrag von Wien) BGBl 152/ 1955. Staatsvertrag von Saint-Germain-en-Laye vom 10. September 1919 StGBl 1920/ 303. Strafprozessordnung (StPO) BGBl 631/ 1975 idF BGB I 2004/ 19. Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) ABl C 2008/ 115, 47. Verordnung des Bundesministers für Justiz vom 16. Juni 1986 zur Durchführung des Staatsanwaltschaftsgesetzes (DV-StAG) BGBl 1986/ 338 idF BGBl II 2016/ 325. Dolmetschen und Lügenerkennung Monika Stempkowski & Christian Grafl Abstract: Lügenerkennung ist für den Strafprozess von großer Bedeutung. Doch während die Hoffnung weit verbreitet ist, Lügen anhand nonverbaler Merkmale zu erkennen, zeigt die Forschung, dass sich Warnhinweise vielmehr aufgrund inhaltlicher Kriterien ergeben. Vernehmungstechniken wie das kognitive Interview unterstützen diesen Prozess. Inwiefern eine Dolmetschung die Möglichkeit der Lügenerkennung verändert, konnte bisher nicht abschließend beantwortet werden. So sind etwa gedolmetschte Aussagen in der Regel weniger detailreich, dies erschwert die Lügenerkennung. Zwar liegen Hinweise vor, dass bekannte Vernehmungstechniken auch in Dolmetschsituationen erfolgreich eingesetzt werden können, umfassende Forschung ist aber geboten, um verlässliche Antworten auf die noch offenen Fragen zu erhalten. 1 Einleitung Translation steht im Mittelpunkt des Forschungsinteresses von Mira Kadrić- Scheiber. Wie wir aus gemeinsamen Lehrveranstaltungen (Vernehmungstechniken: kriminologische und translatorische Perspektiven; Pilotprojekt Transcultural Law Clinic) wissen, ist ihr die Notwendigkeit von frühzeitigem und qualitätsvollen Dolmetschen in Gerichtsverfahren ein besonderes Anliegen. Ihr hohes Fachwissen und ihre interdisziplinär geprägte wissenschaftliche Neugier sowie ihre Dialogbereitschaft machen Diskussionen mit ihr besonders spannend und fruchtbar. In der Hoffnung, mit unserem kleinen Artikel über die Problematik der Lügenerkennung - allgemein und speziell beim Einsatz von Dolmetscherinnen und Dolmetschern - Freude zu bereiten, wünschen wir Mira alles Gute zum 60. Geburtstag und viele weitere Jahre voller Schaffenskraft und Tatendrang. Vernehmungen dienen unterschiedlichen Zwecken. Es macht beispielsweise einen Unterschied, ob ein Zeuge über ein von ihm wahrgenommenes Geschehen berichten soll, oder ob eine Beschuldigte über den Vorsatz ihrer Tathandlung vernommen oder aber über Tatsachen befragt wird, die zur Verhängung der Untersuchungshaft führen können. Der Wahrheitsgehalt bzw. die Glaubhaf- 162 Monika Stempkowski & Christian Grafl tigkeit einer Aussage sind in jedem Fall zentrale Punkte jeder Vernehmung. Das Gericht kann nämlich in einem Strafverfahren nur jene Beweismittel berücksichtigen, die es „auf ihre Glaubwürdigkeit und Beweiskraft“ (vgl. § 258 Abs 2 StPO) geprüft hat. Je zuverlässiger somit die Glaubhaftigkeit einer Aussage festgestellt werden kann, desto beweiskräftiger ist sie. Aber mit welchen Methoden und wie sicher kann man erkennen, ob eine Person die Wahrheit sagt oder lügt? Es wäre u. E. naiv, auf eine fehlerfreie und eindeutige Lügenerkennung aufgrund langjähriger Erfahrung, Intuition oder Menschenkenntnis (alleine) zu vertrauen. Diese Faktoren tragen sicher zu einer fundierten Einschätzung bei, können aber gesicherte Forschungserkenntnisse und methodisch richtiges Vorgehen nicht ersetzen. 2 Rechtliche Rahmenbedingungen einer Vernehmung Kurz und prägnant kann die Vernehmung als eine unter rechtlichen und kriminalistischen Gesichtspunkten geführte Befragung einer Person zu einem rechtlich relevanten Sachverhalt definiert werden (Wirth 2011: 616). Die österreichische Strafprozessordnung unterscheidet zudem zwischen „Erkundigung“ und „Vernehmung“, wobei letztere eine Befragung von Personen ist, nachdem diese förmlich über ihre Stellung und Rechte im Verfahren aufgeklärt wurden (vgl. § 151 Z 2 StPO). Es gelangen also sowohl rechtliche als auch kriminalistische Gesichtspunkte zur Anwendung, wobei die beiden Aspekte im Idealfall einander ergänzen, jedenfalls aber nicht im Widerspruch zueinander stehen sollen. Vernehmungsmethoden, deren Anwendung eindeutig rechtlich verboten sind - z. B. Versprechungen und Drohungen (vgl. § 164 Abs 4 StPO) - lassen sich mitunter auch taktische Maßnahmen gegenüberstellen, deren (rechtliche/ ethische) Zulässigkeit nicht so einfach zu beantworten ist. Als Beispiel sei die Zeitdauer einer Vernehmung zu nennen. Hier kann dem Interesse mehrerer einander abwechselnder vernehmender Personen, einen „günstigen“ Zeitpunkt zur Aufklärung aller Tatumstände auszunützen 1 , das Interesse der vernommenen Person, bei Anzeichen einer Erschöpfung eine längere Pause einlegen zu wollen, gegenüberstehen. Abgesehen davon, dass die Frage einer „zulässigen“ Zeitdauer wohl nicht absolut beantwortet werden kann 2 , muss auch kriminaltaktisch berücksichtigt werden, ob eine Person, die völlig erschöpft ist, noch eine in allen Details glaubhafte Aussage abgibt oder aber alles zugesteht, um endlich in Ruhe gelassen zu werden. 1 Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn die vernommene Person bereit ist, ein umfassendes Geständnis abzulegen. 2 Vgl. dazu die Entscheidung des OGH vom 28.4.2005 (12 Os 37/ 95s), der eine Vernehmungsdauer von 15: 00 bis 23: 45 Uhr mit längeren Pausen als unbedenklich angesehen hat. Dolmetschen und Lügenerkennung 163 3 Vernehmungsmethoden Wer berufsmäßig Vernehmungen durchführt, entwickelt im Laufe der Jahre einen bestimmten Ablauf und verwendet (Frage-)Techniken, die sich bewährt haben. Wenn dabei nicht nur Intuition und Erfahrung eine Rolle spielen, sondern auch auf empirisch gesichertes Wissen zurückgegriffen wird, können diese Methoden dazu beitragen, sich an Wahrnehmungen richtig zu erinnern und diese auch richtig wiedergeben zu können. Einige Methoden sollen vorweg in aller Kürze aufgezählt werden (näher dazu und mit weiteren Nachweisen Grafl & Stempkowski 2017: 62ff.). 3.1 Das kognitive Interview Wenn eine vernommene Person zwar aussagebereit ist, aber Erinnerungslücken zeigt, kann der Einsatz des kognitiven Interviews eine gute Methode sein, um diese Erinnerungslücken zu schließen (Hermanutz & Litzcke 2012: 117ff.). Nach einer zuerst möglichst freien Erzählung werden bei gezielten Nachfragen von den Vernehmenden Hilfestellungen angeboten, um Erinnerungslücken zu schließen. Die vernommene Person wird beispielsweise gebeten, sich in die damalige Situation zurückzuversetzen und zu versuchen, sich an möglichst viele Details zu erinnern. Eine weitere Hilfestellung liegt in der Bitte, alles - also auch scheinbar unwichtige Details - zu berichten. Die Aufforderung, nicht chronologisch, sondern in einer anderen Erzählreihenfolge zu berichten, führte in Untersuchungen ebenso zu Erfolgen wie die Aufforderung, die Erzählperspektive zu verändern, also das Geschehen aus Sicht einer anderen damals anwesenden bzw. beteiligten Person zu schildern. Eine weitere Methode, Erinnerungslücken zu schließen, liegt darin, der vernommenen Person vor ihrer Aussage eine sehr detailreiche Aussage zu einem anderen Thema, ein sogenanntes Model Statement , als Beispiel vorzulegen (Leal et al. 2015: 129ff.). 3.2 Interviewtechniken bei vermuteter Lüge Wenn die vernehmenden Personen den Eindruck haben oder bestimmte Anhaltspunkte vorliegen, dass die vernommene Person lügt, können verschiedene Techniken eingesetzt werden, die Lüge zu erkennen. Gemeinsam ist all diesen Vernehmungsstrategien die Annahme, dass Lügen eine kognitiv aufwendige Leistung ist (Vrij et al. 2011: 28ff.). Einerseits muss die Wahrheit (teilweise oder gänzlich) unterdrückt werden und andererseits muss eine glaubhafte Lügengeschichte erfunden, gemerkt und erzählt werden. Indem der vernommenen Person diese kognitive Leistung erschwert wird, soll Wahrheit von Lüge unterschieden werden. 164 Monika Stempkowski & Christian Grafl In empirischen Untersuchungen erfolgreiche Vernehmungsstrategien war die Aufforderung an die vernommene Person, das Geschehen in umgekehrter Reihenfolge zu erzählen. Dahinter steckt der Gedanke, dass eine erfundene Geschichte nicht problemlos „von hinten nach vorne“ erzählt werden kann. Auch Unterbrechungen durch Vernehmende und das Stellen unerwarteter Fragen erfordern das „Erfinden“ einer sofortigen plausiblen Antwort. Wenn diese Frage mehrmals gestellt wird, muss sich die vernommene Person zudem daran erinnern, welche Antwort beim ersten Mal erfunden wurde. Eine weitere Möglichkeit ist, die vernommene Person zu bitten, einen beschriebenen Ort zu zeichnen und nicht nur zu beschreiben. 4 Lügenerkennung allgemein Wie bereits dargestellt, ist die Beurteilung der Glaubhaftigkeit einer Aussage ein wichtiger Faktor bei polizeilichen und gerichtlichen Vernehmungen. Woran erkennt man aber, ob jemand die Wahrheit sagt oder lügt? Gibt es bestimmte Anzeichen, die auf eine Lüge hinweisen? Zu unterscheiden sind vermutete Lügenmerkmale, die meist auf stereotypen Vorstellungen beruhen, von Anzeichen für Lügen, die durch empirische Befunde belegt sind. Die Formulierung „Anzeichen“ soll darauf hinweisen, dass es keine eindeutigen Merkmale gibt, die sicher und unabhängig von den vorherrschenden Bedingungen der vernehmenden Person zu erkennen geben, dass die vernommene Person lügt. Für die Beurteilung, ob eine Aussage glaubhaft ist, lassen sich nonverbale und verbale Kennzeichen heranziehen. Gerade nonverbale Merkmale, wie beispielsweise Vermeidung des Augenkontakts oder Nervosität, werden oft stereotyp und damit auch in hohem Maß fälschlich als Lügenmerkmale herangezogen. Auch verbale Stereotype wie die häufige Verwendung von Füllwörtern oder das Verbessern von Aussagen werden vielfach als „typische“ Lügenanzeichen gedeutet. Studien belegen, dass anhand dieser Merkmale die Beurteilung, ob eine Person lügt oder nicht, nur unwesentlich zutreffender ist als wenn geraten wird (Bond & DePaulo 2006: 214ff.). In einer Meta-Analyse wurde zudem festgestellt, dass weder Vernehmungserfahrung noch Alter, Geschlecht oder Ausbildung Einfluss auf die Korrektheit der Lügenerkennung haben (Aamodt & Custer 2006: 6ff.). Anzeichen, die aufgrund empirischer Befunde als Lügenerkennungsmerkmale gefunden wurden, werden auch als Warnsignale bezeichnet. Um ein Warnsignal als solches in einer konkreten Situation erkennen und richtig einschätzen zu können, ist das Wissen über das „normale“ Verhalten der vernommenen Person notwendig. Erst wenn diese Basisrate bekannt ist, können Abweichungen davon als Warnsignale interpretiert werden. Wenn beispielsweise eine Person grund- Dolmetschen und Lügenerkennung 165 sätzlich keinen Augenkontakt hält, ist es nicht sinnvoll, diesen Mangel in der konkreten Vernehmungssituation als Lügenanzeichen zu werten. Ob jedoch diese Basisrate in einem kurzen „small talk“ vor der eigentlichen Vernehmung zur Sache verlässlich festgestellt werden kann, ist fraglich (Ewens et al. 2014: 244ff.). Besser geeignet, wenn auch nicht in allen Details, erscheint ein vergleichbarer Gesprächskontext (Palena et al. 2018: 124ff.). In einer umfassenden Meta-Analyse (DePaulo et al. 2003: 74ff.) konnten u. a. folgende Merkmale als Warnsignale identifiziert werden: • Lügende Personen sind weniger entgegenkommend und mitteilsam als Personen, die die Wahrheit sagen; • Die Berichte von Lügenden sind weniger überzeugend; • Lügende sind weniger umgänglich und weniger kooperativ; • Lügende sind angespannter; • Lügende achten stärker darauf, dass ihre Aussagen stringent und fehlerfrei erscheinen und vermeiden Verbesserungen ihrer Aussagen. Für eine zutreffende Interpretation dieser Warnsignale sind aber zusätzlich bestimmte Variablen, sog. Moderatorvariablen, zu berücksichtigen (Sporer & Schwandt 2007: 1ff.). Zu nennen sind beispielsweise die Lügenmotivation, die Vorbereitungszeit oder der Lügeninhalt. Je wichtiger es der vernommenen Person ist, dass ihr die Lüge geglaubt wird, desto deutlicher und ausgeprägter sind Warnsignale, wie beispielsweise eine merkbare Anspannung. Wenn eine Lüge spontan ohne Vorbereitungszeit vorgebracht werden muss, ist der Zeitraum zwischen Frage und Antwort länger als bei Personen, die wahrheitsgemäß antworten. Bei gut zurechtgelegten Lügen mit langer Vorbereitungszeit ließen sich in den Studien hingegen kürzere Antwortzeiten feststellen als bei Personen mit wahrheitsgemäßer Aussage. Schließlich spielt auch der Inhalt der Lüge eine Rolle. Wenn nicht nur über Fakten, sondern auch über Gefühle gelogen wird, sind Warnsignale ausgeprägter zu bemerken. Abgesehen davon, dass - wie bereits mehrfach erwähnt - Warnsignale ohnehin keine eindeutigen Merkmale sind, die Lüge von Wahrheit sicher unterscheiden können, ist die Validität mancher dieser Studien nicht sehr hoch. Vielfach nahmen Studierende an den Experimenten teil und die Ergebnisse der Studien sind zudem wenig konsistent. Reale und vielfältige Lebenssituationen widerspiegelnde Vernehmungen sind nicht ohne weiteres mit Vernehmungen unter experimentellen Bedingungen vergleichbar. Eine weitere Chance, Lüge von Wahrheit zu unterscheiden, wird in der Überprüfung des Aussageinhalts gesehen. Diese als „Criteria-Based Content Analysis“ (CBCA) bezeichnete Methode (Vrij 2005: 3ff.) versucht, anhand verschiedener Kriterien auf das Vorliegen einer wahrheitsgemäßen Aussage zu schließen. 166 Monika Stempkowski & Christian Grafl Voraussetzungen für die Anwendung der Methode sind eine freie Erzählung der vernommenen Person, die nicht durch Fragen unterbrochen werden darf, und das Vorliegen mehrerer sog. Realkennzeichen; ein einziges Merkmal genügt nicht. Diese Realkennzeichen können in allgemeine Merkmale wie beispielsweise logische Konsistenz oder quantitativer Detailreichtum, in spezielle Inhalte, z. B. Verknüpfungen von Raum und Zeit, die Schilderung von Interaktionen oder die Wiedergabe von Gesprächen, in inhaltliche Besonderheiten wie etwa die Beschreibung ausgefallener oder nebensächlicher Einzelheiten, in motivationsbezogene Inhalte, z. B. das Eingestehen von Erinnerungslücken oder Selbstbelastungen, sowie in deliktsspezifische Inhalte unterteilt werden (Steller & Köhnken 1989: 217ff., Sporer et al. 2020: 1ff.). 5 Lügenerkennung im Dolmetschkontext Es zeigt sich somit, dass entgegen der von vielen Menschen gehegten Hoffnung, Unwahrheiten durch leicht sichtbare Merkmale wie die Unterbrechung des Blickkontakts erkennen zu können, umfassende inhaltliche Kriterien für diese Prüfung herangezogen werden müssen. Abgestellt werden muss somit vielmehr auf verbale Kennzeichen im Gegensatz zu nonverbalen Hinweisen. Um Aufbau und Inhalt der Aussagen von Zeuginnen und Zeugen sowie Beschuldigten im Detail analysieren zu können, müssen diese in einer für die Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft sowie das Gericht verständlichen Sprache vorliegen. In jenen Fällen, in denen keine Sprache sowohl von vernehmender als auch vernommener Person in ausreichendem Maß gesprochen wird, ist daher die Leistung durch Dolmetscherinnen und Dolmetscher unumgänglich für den Strafprozess. Durch die Teilnahme einer dritten Person an dem Gespräch besteht allerdings die Gefahr, dass sich das Gefüge der sozialen Interaktion deutlich verändert, zumal eine direkte Kommunikation zwischen vernehmender und vernommener Person nicht mehr möglich ist, sondern beide nur mehr mit der dolmetschenden Person kommunizieren können (Hale 2007: 13ff.). Der Kommunikationsfluss wird durch die Übersetzung unterbrochen, wodurch Techniken wie das oben erläuterte kognitive Interview nicht mehr in der ursprünglich dafür vorgesehenen Form durchführbar sind (Fowler et al. 2016: 323ff.). Auch wird das Hinzuziehen einer Dolmetscherin bzw. eines Dolmetschers zur Vernehmung teilweise von den vernehmenden Personen kritisch gesehen, da diese zum Teil Sorge haben, in ihrer Fähigkeit der Erkennung von Unwahrheiten beeinträchtigt zu sein, wenn sie Dolmetschleistungen in Anspruch nehmen müssen (Evans et al. 2020: 133ff.). Obgleich es sich bei der Frage von Auswirkungen einer Dolmetschung auf die Möglichkeit der Erkennung von wahren und gelogenen Aussagen angesichts der Vielzahl an Vernehmungen, die im Rahmen von Strafprozessen gedol- Dolmetschen und Lügenerkennung 167 metscht werden, sowie der Bedeutung, die der Entscheidung zwischen Wahrheit und Lüge zukommt, um eine bedeutsame Thematik handelt, liegt aktuell nur sehr wenig Forschung hierzu vor (Vrij et al. 2018b: 94ff.). Die bisherigen Studien führen teilweise zu widersprüchlichen Erkenntnissen. So zeigt sich einerseits, dass übersetzte Aussagen zu einer verbesserten Lügenerkennung führen können. Als Grund wird vermutet, dass sich die vernehmende Person während der fremdsprachigen Aussage der vernommenen Person auf nonverbale Merkmale konzentrieren könne, während der Übersetzung hingegen auf den Inhalt des Gesagten (Leins et al. 2017: 319ff.). In anderen Untersuchungen führte der Einsatz von Dolmetscherinnen und Dolmetschern hingegen zu einer verschlechterten Erkennung von Unwahrheiten, weil in den übersetzten Aussagen weniger Warnhinweise enthalten waren (Vrij et al. 2018b: 94ff.). Von untergeordneter Bedeutung dürfte in diesem Zusammenhang die Sitzposition bzw. die physische Anwesenheit der dolmetschenden Person sein: In einem Vergleich von Situationen, in denen die Dolmetscherin bzw. der Dolmetscher neben oder hinter der aussagenden Person saß bzw. aus einem anderen Raum per Telefon verbunden war, zeigten sich keine nennenswerten Unterschieden in der Häufigkeit von Warnhinweisen für Lügen zwischen diesen Sitzpositionen (Ewens et al. 2017: 180ff.). 5.1 Detailreichtum gedolmetschter Aussagen Ein für die Erkennung dieser Warnhinweise wesentlicher Faktor ist der Detailreichtum von Aussagen. Der Großteil der einschlägigen Studien zeigt, dass übersetzte Aussagen im Vergleich zu solchen, in denen vernehmende und vernommene Person dieselbe Sprache sprechen, deutlich weniger Details enthalten (Ewens et al. 2016a: 854ff., Ewens et al. 2016b: 286ff., Ewens et al. 2017: 180ff., Vrij et al. 2017b: 44ff., Vrij et al. 2019: 1197ff., abweichend: Vrij et al. 2018a: 303ff., Vrij et al. 2018b: 94ff.). Verschiedene Erklärungen sind für dieses Phänomen denkbar: So könnten die Dolmetscherinnen und Dolmetscher in ihrer Wiedergabe Details und Informationen aussparen oder die aussagenden Personen könnten ihre Aussagen kürzer halten, wenn diese transferiert werden müssen. Möglich wäre ebenso, dass es durch die Unterbrechungen zu einer Beeinträchtigung der Erinnerungsleistung der vernommenen Personen kommt (Vrij et al. 2014: 129ff.). Es liegen Anzeichen dafür vor, dass die Ursache einerseits in den aussagenden Personen selbst liegt: Aufgrund dessen, dass die Dolmetschung zeitaufwändiger ist, sind die Vernommenen tatsächlich um konzisere Aussagen bemüht (Vrij et al. 2019: 1197ff.). In einer Studie von Ewens et al. gab etwa ein Drittel der Aussagenden an, dass sie bei einer direkten Vernehmung ohne Übersetzung umfangreichere Angaben machen würden (Ewens et al. 2017: 180ff.). 168 Monika Stempkowski & Christian Grafl Dennoch lohnt es sich andererseits, einen Blick darauf zu werfen, welche Bestandteile von Aussagen weniger genau gedolmetscht werden. In einer Serie von Untersuchungen wurde das Vorkommen verschiedener Details in direkten und übersetzten Aussagen untersucht (Vrij et al. 2017b: 44ff., Vrij et al. 2018a: 303ff., Vrij et al. 2018b: 94ff., Vrij et al. 2019: 1197ff., Vrij & Leal 2020: 155ff.). Folgende drei Konstruktionen wurden untersucht: complications, common knowledge details und self-handicapping strategies . Unter complications werden Zusatzinformationen verstanden, die von den Aussagenden mitgeteilt, für das Verständnis einer Aussage aber nicht notwendigerweise von Bedeutung sind, wie bspw. die Information, eine Person, mit der man zu einem Treffen verabredet war, in einer Menschenmenge zuerst nicht entdeckt und erst nach einiger Zeit gefunden zu haben. Diese Art von Informationen stellt ein Kriterium der zuvor erläuterten CBCA dar und ist häufiger in wahren Aussagen enthalten (Amado et al. 2015: 3ff.). Common knowledge details umfassen allgemein bekannte Informationen und Fakten, die in unwahre Aussagen integriert werden, weil persönliche Erfahrungen fehlen, wie beispielsweise den Hinweis, man habe eine großartige Aussicht von der Spitze des Eiffelturms gehabt. Schließlich sind mit self-handicapping strategies Rechtfertigungen gemeint, die von aussagenden Personen vorgebracht werden und Wissenslücken erklären sollen, wobei es explizit um die Rechtfertigung geht, nicht um die Angabe einer Wissenslücke an sich (z. B. zu einem Geschehen zu spät gekommen zu sein und daher darüber keine Angaben machen zu können) (weitere Nachweise: Vrij et al. 2017b: 46). Es zeigte sich, dass sich diese beiden Konstruktionen häufiger in unwahren als in wahren Aussagen finden (Vrij et al. 2017b: 44ff., Vrij et al. 2018b: 94ff.). Kein klares Bild ist bisher hinsichtlich der Frage erkennbar, ob und wie sich diese Effekte verändern, wenn eine Aussage gedolmetscht werden muss. So gibt es Anzeichen dafür, dass vernommene Personen weniger complications in gedolmetschte Aussagen einbauen (Vrij et al. 2018a: 303ff., Vrij et al. 2019: 1197ff., Vrij & Leal 2020: 155ff.). Dies könnte erneut auf das Streben der vernommenen Personen nach konzisen Aussagen zurückzuführen sein. Allerdings ist dieser Befund nicht einheitlich (Vrij et al. 2017b: 44ff., Vrij et al. 2018b: 94ff.). Zum Teil wurden in gedolmetschten, unwahren Aussagen weniger common knowledge details eingebaut als in nicht gedolmetschten (Vrij et al. 2017b: 44ff., Vrij et al. 2018a: 303ff., Vrij et al. 2018b: 94ff, Vrij & Leal 2020: 155ff.). Vermutet wird, dass dies auf die längeren Überlegungsphasen zurückzuführen ist, die den Vernommenen während der Dolmetschung zur Verfügung stehen und dazu genutzt werden können, Details der Aussage vorzubereiten, die dann weniger aus Allgemeinplätzen bestehen. Hinsichtlich self-handicapping strategies zeigten sich in manchen Studien keine Unterschiede zwischen gedolmetschten und nicht-gedolmetschten Aussagen (Vrij et al. 2017a: 1ff., Vrij et al. 2018b: 94ff.), während sie in einer anderen Studie Dolmetschen und Lügenerkennung 169 zwar gleich häufig von den Aussagenden vorgebracht, von den Dolmetschenden aber seltener übersetzt wurden (Vrij et al. 2019: 1197ff.). Hier zeigt sich somit ein Eingriff der Dolmetscherinnen und Dolmetscher in die Aussage, welcher deren Inhalt vermutlich nicht maßgeblich verändert, aber dennoch Warnhinweise für unwahre Aussagen den vernehmenden Personen nicht übermittelt. Die Forschung zu diesen Fragen befindet sich erst ganz am Beginn, so dass weiterführende Untersuchungen nötig sind, um die vorherrschenden Unklarheiten zu beseitigen (Vrij & Leal 2020: 155ff.). 5.2 Die Verwendung von Vernehmungstechniken im Dolmetschkontext Wie bereits ausgeführt, können verschiedene Vernehmungstechniken zum Einsatz kommen, um die Erkennung wahrer und gelogener Aussagen zu erleichtern. Doch sind diese weiterhin effektiv, wenn Aussagen gedolmetscht werden müssen? Auch hierzu liegt aktuell nur sehr wenig Forschung vor. Die Notwendigkeit von Veränderungen in der Durchführung kognitiver Interviews wurde bereits angeschnitten. Denkbar wäre hier etwa, an Stelle des üblichen konsekutiven auf simultanes Dolmetschen umzustellen, so dass die vernommene Person in ihrer Aussage nicht unterbrochen werden muss. Auch längere Sprechphasen, in denen die Dolmetscherin oder der Dolmetscher umfangreiche Notizen anfertigt, würden dies eher ermöglichen (Fowler et al. 2016: 325). Es zeigt sich weiters, dass der Einsatz eines Model Statements zu einer Steigerung des Detailreichtums von gedolmetschten Aussagen führen dürfte, wobei dieser in manchen Fällen weiterhin weniger umfangreich war als in nicht-gedolmetschten Aussagen (Ewens et al. 2016a: 854ff.), während sich in anderen Studien kein Unterschied mehr erkennen ließ (Vrij et al. 2017b: 44ff.). Zu einer verbesserten Erkennbarkeit von unwahren Aussagen mittels Anwendung der Methode, dass Personen die Ereignisse in umgekehrter Reihenfolge schildern sollen, kommt es auch dann, wenn diese Aussagen gedolmetscht werden (Ewens et al. 2016c: 242ff.). Weiters hat sich gezeigt, dass die Technik, Inhalte von Aussagen aufzeichnen zu lassen, zu einer Steigerung des Detailreichtums und zu einer besseren Erkennbarkeit von Warnhinweisen führt (Vrij et al. 2010: 587ff.). Dieser Effekt konnte auch nachgewiesen werden, wenn die Vernehmung gedolmetscht wird (Vrij et al. 2018a: 303ff.). All diese ersten Erkenntnisse lassen darauf schließen, dass diese Techniken ebenso effizient in gedolmetschten Vernehmungen eingesetzt werden können. Umfangreiche Untersuchungen sind allerdings notwendig, um dies durch robuste Ergebnisse zu bestätigen. 170 Monika Stempkowski & Christian Grafl 6 Resümee und offene Fragen Neben den bisher evident gewordenen Forschungslücken zu dem Konnex zwischen Wahrheitsfindung und Dolmetschleistungen sind noch weitere Fragen unbeantwortet. So gibt es etwa Hinweise darauf, dass sich Warnhinweise für die Erkennung von Lügen zwischen verschiedenen Kulturen unterscheiden könnten (Leal et al. 2018: 192ff.). Auch basieren viele Vorannahmen von Vernehmungen auf kulturellen Gegebenheiten, wie bspw. die der Technik der umgekehrten Reihenfolge zugrundeliegende Überzeugung, unsere Erinnerung würde linear erfolgen. Studien zeigen allerdings, dass zwischen verschiedenen Kulturen große Unterschiede darin bestehen, wie Erinnerungen generiert werden (Taylor et al. 2015: 195). Was bedeutet dies für die Rolle der Dolmetscherinnen und Dolmetscher? Sollen diese rein das Gesagte wiedergeben oder umfasst ihre Aufgabe hier eine Vermittlung von kulturellen Unterschieden, um auf ein diesbezüglich besseres Verständnis der vernehmenden Personen hinzuwirken? Für eine adäquate Umsetzung der anspruchsvollen Aufgabe, die Dolmetscherinnen und Dolmetscher im Strafprozess wahrnehmen, ist eine fundierte Ausbildung besonders wichtig. Dies war und ist auch der Jubilarin ein besonderes Anliegen (siehe beispielsweise Kadrić 2019). Gerade im Kontext der Strafverfolgung zeigen Studien auf, dass nur durch umfassende Edukation der notwendige Qualitätsanspruch erfüllt werden kann (Hale et al. 2019: 107ff.). Speziell für den Bereich der Erkennung von Warnsignalen ist es von Bedeutung, die diesbezügliche Forschung in die Dolmetsch-Ausbildung zu integrieren und Dolmetschende anzuhalten, sämtliche Informationen und Sprachkonstruktionen der vernommenen Person zu übersetzen, um den Vernehmenden eine fundierte Basis für die Beurteilung des Wahrheitsgehaltes der Aussage zu geben. Eine weitere Maßnahme zur Qualitätssicherung von Übersetzungen wäre eine verpflichtende Aufnahme von gedolmetschten Vernehmungen. International ist dies zum Teil bereits Standard (Fowler et al. 2016: 324). Es bleibt zu hoffen, dass sich diese Praxis auch in Österreich in absehbarer Zeit etablieren wird. Bibliographie Aamodt, Michael G./ Custer, Heather (2006). “Who can best catch a liar? A meta-analysis of individual differences in detecting deception.” The Forensic Examiner 1, 6-11. 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Richard Soyer Abstract: Als Lehrveranstaltung mit besonderem Praxisbezug konzipiert, erwies sich die ab dem Jahr 2005 an der KFU Graz und ab 2011 an der JKU Linz abgehaltene Rechtsambulanz als ein Glücksgriff für alle Beteiligten: Die vom Autor initiierte und mit KollegInnen und KooperationspartnerInnen betreute Law Clinic österreichischer Prägung wird hier anhand von Projektberichten vorgestellt. Nachvollziehbar werden so die praktischtheoretische Lernmethode, der Bedarf an soft skills und die gesellschaftliche Vermittlungsfunktion dieser Intensivlehrveranstaltung zwischen den Welten der Studierenden, der Strafgefangenen, von PraktikerInnen und anderer PlayerInnen. Im darauf aufbauenden zweiten Teil werden die vielfältigen Erfahrungen verallgemeinert und es wird dabei der Frage nachgegangen, was eine juristische Ausbildung leisten kann und soll. 1 Einleitung Mit Mira Kadrić verbindet mich eine lange Freundschaft. Es war in den 90er Jahren, alle waren wir Greenhorns in unseren Metiers. In beständiger Weise haben sich seither unsere Wege gekreuzt, privat und beruflich: Als langjähriger Sprecher der Vereinigung Österreichischer StrafverteidigerInnen war es mir wiederholt ein großes Anliegen, die Jubilarin als Mitwirkende für Tagungen zu gewinnen. Ich erinnere mich auch gut daran, Mira Kadrić zum Projekt Rechtsambulanz in Graz um Rat gefragt zu haben. Dennoch war ich überrascht, als mich die Jubilarin 2019 einlud, an einem EU-Projekt zum Thema Gerichtsdolmetschen (TransLawClinic) mitzuwirken. Dabei kam mir gelegen, dass ich zuvor bei dem Jungen Forum der Juristenkommission über die juristische Ausbildung gesprochen hatte. Die Einladung, einen Beitrag zu dieser Festschrift zu verfassen, ist ein willkommener Anlass, meine Erfahrungen zusammenzuführen und zu Ehren Mira Kadrić reflektiert zu verschriftlichen. 176 Richard Soyer Im Beitrag werden die ab dem Jahr 2005 an der Karl-Franzens-Universität (KFU) Graz und daran anschließend an der Johannes Kepler Universität ( JKU) Linz gemachten Erfahrungen mit der Rechtsambulanz als law clinic österreichischer Prägung berichtet und zusammenfassend reflektiert (2.). Darauf aufbauend werden die in diesen Intensivlehrveranstaltungen gewonnenen Einsichten und Erkenntnisse einer Systematisierung unterzogen und mit Blick auf die künftige juristische Ausbildung kommentiert und propagiert (3.). 2 Rechtsambulanz im Strafrecht 2.1 Projektberichte 2005-2010 1 Die an der KFU Graz gehaltene Lehrveranstaltung startete im Wintersemester 2005/ 06 als Block-Seminar in Kooperation mit der Justizanstalt ( JA) Graz- Karlau. Hintergrund des mehrjährig angelegten Projekts Rechtsambulanz im Strafvollzug war die Problematik, dass die mit dem Vollzug von Freiheitsstrafen einhergehende Abschließung für rechtskräftig Verurteilte einen erschwerten Zugang zum Recht bewirkt. Rechtsberatung und -vertretung durch VerfahrenshilfeverteidigerInnen (aber auch durch WahlverteidigerInnen) enden in der Regel mit Rechtskraft des Urteils. Die InsassInnen (idF Insasse, weil die Quote an weiblichen Gefangenen nur 5% beträgt) von Justizanstalten sind dennoch sehr häufig, ohne dass in vielen Fällen auch nur irgendwelche finanziellen Mittel zur Verfügung stünden, mit rechtlichen Problemstellungen konfrontiert, die ohne Rechtswissen nicht lösbar sind. Macht- und Rechtlosigkeit werden nicht nur von Insassen, sondern auch von deren Angehörigen oft als vorherrschende Hafterfahrung berichtet. Die interdisziplinäre, praxisbetonte Lehrveranstaltung setzte sich das Ziel, diese Problemstellungen aufzugreifen: Bestimmte Rechtsbereiche kann man erst verstehen, wenn man die dazugehörige Realität kennt. Mit der ersten Schwerpunktsetzung Gefangenenrechte startete das Seminar im Wintersemester 2005/ 06 und fand bei den Studierenden sofort großen Anklang. Am Anfang des Semesters erfolgte eine Einteilung der 30 SeminarteilnehmerInnen in drei Kleingruppen mit verschiedenen Themenschwerpunkten: Der erste Themenbereich umfasste Gefangenenrechte und -pflichten, der zweite Schwerpunkt Schnittstellen und Konfliktfelder im Vollzugsalltag aus Insassen- 1 Die Projektberichte wurden geringfügig gekürzt und bearbeitet den vom Verfasser seinerzeit erstellten (unveröffentlichten) internen Tätigkeitsberichten seiner Stiftungsprofessur für Prävention und Strafrechtspraxis am Institut für Strafrecht, Strafprozessrecht und Kriminologie der Karl-Franzens-Universität Graz entnommen. Sie veranschaulichen und begründen die im Beitrag nachfolgend gezogenen Schlussfolgerungen und Lehren zu Fragen der juristischen Ausbildung. Vgl. die Kurzdarstellung der Erfahrungen mit der Rechtsambulanz in den Jahren 2005 und 2006 in Soyer & Hauser (2007: 25-27). Rechtsambulanz - eine Law Clinic österreichischer Prägung 177 und Anstaltsperspektive, und der dritte Themenbereich lautete Angehörige und Vollzug. In der thematischen Aufarbeitungsphase standen den Studierenden auf der einen Seite die Projektleitung (Univ.-Prof. Dr. Schmölzer und der Verfasser sowie die wiss. Mitarbeiterin Mag. Hauser) bei Fragen und Problemen zur Verfügung: Auf der anderen Seite konnten aber auch MitarbeiterInnen der JA Graz-Karlau gewonnen werden, die sich bereit erklärt hatten, als Ansprechpartner zu fungieren. In Gesprächen mit MitarbeiterInnen der JA Graz-Karlau wurden die Studierenden auf vollzugsinterne Probleme und Konfliktfelder aufmerksam gemacht. Nach zweimonatiger Vorbereitungsphase erfolgte die Präsentation der Arbeitsergebnisse der Studierenden vor zehn MitarbeiterInnen der JA Graz-Karlau an der Universität Graz - eine Art Testlauf und Überprüfung für die Studierenden, ob sie die Theorie mit der Praxis richtig verbunden hatten. Wie sich herausstellte, war es den Studierenden so in kurzer Zeit möglich, sehr viel Wissen von Theorie und Praxis über den Strafvollzug zu sammeln. Die Darstellungen übertrafen teilweise die Erwartungen aller. Im Jänner 2006 wurden die Arbeitsergebnisse der Studierenden in gekürzter Form vor etwa 100 Vollzugsbediensteten und drei Insassen als Redakteuren der internen Anstaltszeitschrift in der JA Graz-Karlau präsentiert. Unterstützt wurden die vortragenden Studierenden von einem hochkarätigen Podium. Anschließend war es Aufgabe der Studierenden, ihre Arbeitsergebnisse weiteren Insassen in Einzelgesprächen zu präsentieren und nochmals kritisch würdigen zu lassen. Auf diese Weise konnte nun auch die Sicht der Insassen in die Seminararbeiten miteingebunden werden, um ein möglichst vollständiges Bild der Realität zu bekommen. Als erstes Ergebnis des Projektes ging Anfang Februar 2006 zunächst eine Homepage Rechtsambulanz im Strafvollzug online, die möglichst benutzerfreundlich die Strafgefangenen und ihre Angehörigen über wichtige Rechte und Pflichten informieren sollte. Die Inhalte der Homepage waren ab Juni 2006 auch als Informationsbroschüre allen BesucherInnen der JA Graz-Karlau zugänglich. Profitiert von diesem Projekt haben alle Beteiligten. Die Studierenden waren unmittelbar mit der Realität des Strafvollzuges konfrontiert und konnten praktische Erfahrungen sammeln. Den Angehörigen von Strafgefangenen wurden via Homepage und Informationsbroschüre wichtige Informationen geboten. In der JA Graz-Karlau hoffte man auf eine bessere Zusammenarbeit mit den künftigen Richter-, Staats- und RechtsanwältInnen. Das Wintersemester 2006/ 07 stellte die Fortsetzung des Seminars des Wintersemesters 2005/ 06 dar, in welchem Rechte und Pflichten von Strafgefangenen praxisnah aufgearbeitet wurden. Dieses Semester wurde schwerpunktmäßig der Untersuchungshaft gewidmet. Unerlässlich dafür war die Mitarbeit des Gerichtshofgefängnisses Graz-Jakomini als Untersuchungshaft- und Strafvoll- 178 Richard Soyer zugsanstalt, welches für den Sprengel des Landesgerichtes für Strafsachen Graz zuständig ist. Zu Beginn der Lehrveranstaltung erfolgte die Einteilung der SeminarteilnehmerInnen in vier Gruppen mit unterschiedlichen Themenschwerpunkten. Die erste Gruppe trug den Arbeitstitel Information, widmete sich Gefangenenrechten und -pflichten und arbeitete das Untersuchungshaftrecht auf. Gruppe Zwei befasste sich mit dem Thema Flexibilisierung einer Justizanstalt, da am 1.1.2005 die Flexibilisierungsklausel für die JA Graz-Jakomini eingeführt worden war. Die dritte Gruppe widmete sich dem Untersuchungshaftvollzug und versuchte, die wichtigsten alltäglichen Belange eines Untersuchungshäftlings herauszuarbeiten. Die vierte und letzte Gruppe beschäftigte sich mit der Betreuung der Insassen, wobei insbesondere die Bereiche der medizinischen und psychologischen Betreuung wie auch der Bereich des Sozialen Dienstes durchleuchtet wurden. Nachdem die Studierenden sich in ihre Themengebiete eingelesen hatten, fand das erste Treffen als sog. Startveranstaltung mit den ihnen zur Seite stehenden ExpertInnen der JA Graz-Jakomini statt. Jeder Studierendengruppe, bestehend aus sieben bis acht Personen, stand eine Gruppe von Justizanstaltsbediensteten von etwa fünf bis sechs Personen gegenüber. Unter der Moderation eines Mitglieds der Projektleitung wurde in diesen Startveranstaltungen versucht, eine Informationsnetzwerk zwischen den Studierenden und den AnsprechpartnerInnen der JA Graz-Jakomini zu bilden und die Vorgangsweise für die kommenden Wochen zu besprechen. In den folgenden Wochen folgten weitere Treffen der Gruppen mit einigen AnsprechpartnerInnen aus der Justizanstalt. Am 18. Dezember 2006 präsentierten die Studierenden schließlich ihre bisherigen Arbeitsergebnisse in den Räumlichkeiten der Universität Graz unter Beteiligung einer großen Anzahl an Justizanstaltsbediensteten. Nach den Präsentationen der Studierenden folgten Diskussionen und Anregungen aus dem Auditorium, die den SeminarteilnehmerInnen bei der weiteren Bearbeitung ihrer Themen helfen sollten. Anfang Jänner 2007 wurden auch einige Insassen der JA Graz-Jakomini mit den Ergebnissen konfrontiert und um ihre Meinung gebeten, bevor die endgültigen Seminararbeiten eingereicht werden konnten. Die Abschlussveranstaltung dieses Seminars stellte einen Pilotversuch dar: Ein „Tag der offenen Tür(en)“ in der JA Graz-Jakomini für Studierende der Rechtswissenschaftlichen Fakultät. Diese hatten von 12.00 bis 17.00 Uhr die Möglichkeit, an Führungen durch die Justizanstalt teilzunehmen. Eine limitierte BesucherInnenzahl und strenge Anmeldekriterien waren Bedingung, jedoch war es im Rahmen dieser Veranstaltung 300 Studierenden möglich, eine Justizanstalt von Innen kennenzulernen. Im Anschluss an eine einbis eineinhalbstündige Führung durch die JA in Kleingruppen von etwa zehn Personen wurden die Studierenden der Rechtswissenschaftlichen Fakultät in die Buchbinderei Rechtsambulanz - eine Law Clinic österreichischer Prägung 179 geführt. Dort hatten sie die Möglichkeit, die von den SeminarteilnehmerInnen aufgebauten Informationsstände zu besuchen, Informationsmaterial mitzunehmen und ergänzende Fragen zu stellen. Im Anschluss fand eine Diskussionsveranstaltung zum Thema „Strafvollzug und Öffentlichkeit“ statt. Dank der tatkräftigen organisatorischen Hilfe von Seiten der JA Graz-Jakomini, die für den Veranstaltungsfreitag das diensthabende Personal aufgestockt hatte, war es möglich, diesen erfolgreichen „Tag der offenen Tür(en)“ möglich zu machen. Im Sommersemester 2006 folgte die Fortsetzung des Seminars „Rechtsambulanz im Strafvollzug“, diesmal jedoch mit geänderter Schwerpunktsetzung. Nachdem im Wintersemester Gefangenenrechte und -pflichten im Strafvollzug im Vordergrund gestanden hatten, widmete sich das Sommersemester der Verfahrensreflexion mit Insassen. Die in Strafverfahren verwendete Fachsprache ist oftmals nicht allgemein verständlich, Urteilsbegründungen von Rechtsmittelgerichten sind häufig sehr dogmatisch und abstrahierend. Ein geringes Bildungsniveau bei Betroffenen und Fremdsprachigkeit der Verurteilten ließen es sinnvoll erscheinen, mit Insassen im Rahmen des Seminars Verfahrensreflexion zu betreiben. Ausgangspunkt für diese Verfahrensreflexion waren Urteile der Höchstgerichte, vor allem jene des Obersten Gerichtshofes, welche Insassen der JA Graz-Karlau betrafen. Nach einer mehrwöchigen Vorbereitungszeit erfolgten im April und Anfang Mai 2006 einleitende Gespräche mit Insassen in der JA Graz-Karlau, die ein erstes Zusammentreffen bedeuteten. Unter Anleitung und Aufsicht der Projektleitung wurde versucht, verfahrensrechtliche Problemstellungen, die den Insassen während seines Verfahrens bewegt haben, herauszufiltern. Wie hatte der Insasse seinen Strafprozess erlebt? Welche Verfahrensabläufe waren ihm gänzlich unklar geblieben? Der Verlauf dieser Insassengespräche war von Fall zu Fall unterschiedlich und es erwies sich als notwendig, auf die verschiedensten Situationen ad hoc zu reagieren. Bei Insassen beispielsweise, die sich bereits seit mehr als einem Jahrzehnt in Haft befanden, mit ihrem Verfahren abgeschlossen hatten und nur noch in die Zukunft blicken wollten, wurde stärker auf Zukunftsperspektiven eingegangen. Dabei konnte auch festgestellt werden, dass ein großer Wissens- und Aufklärungsbedarf rund um den Bereich der bedingten Entlassung und einer allfälligen Vorbereitung darauf besteht. Nachdem jede Kleingruppe mit „ihrem“ Insassen erste Gespräche geführt und daraus spezielle, verfahrensrechtliche Problembereiche mitgenommen hatte, traf sich das Plenum, bestehend aus 30 SeminarteilnehmerInnen und den beiden ProjektleiterInnen, an der Universität. Dieser Termin war der Aufarbeitung oder Wiederholung von verfahrensrechtlichen Eckpunkten gewidmet. Im Laufe des Juni 2006 kam es zur konkreten Anwendung der in der „Hörsaal-Theorie“ gewonnenen strafprozessualen Fähigkeiten auf die praktischen 180 Richard Soyer Fälle. Im Rahmen von Gruppengesprächen in der JA Graz-Karlau wurden die Strafgefangenen neuerlich eingeladen, mit den Studierenden zusammenzuarbeiten. Unter der Moderation von UniversitätsprofessorInnen wurden die aufgekommenen verfahrensrechtlichen Frage- und Problemstellungen erörtert und eingehend diskutiert. Nichtigkeitsbeschwerden, Individualbeschwerden an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte hatten viele Studierende zuvor noch nie gesehen. Gespräche mit Insassen wurden in den meisten Fällen noch nie geführt. Was die Studierenden mitgenommen hatten, war „Vieles“, wie den zum Abschluss verfassten Erfahrungsberichten zu entnehmen war. Hatte es sich diese Auflage der Rechtsambulanz zum Ziel gesetzt, die Rolle der Verteidigung und die Kommunikation während des gesamten Verfahrens, inklusive des Vorfahrens, hervorzuheben, so lautete rückblickend auch der Tenor in vielen Feedbacks der Studierenden, die Bedeutung von Vorverfahren und Verteidigung zu erkennen und zu verstehen werde erst durch die Konfrontation mit der Realität bewusst. Im Sommersemester 2007 wurde das Vorjahreskonzept der Verfahrensreflexion größtenteils übernommen. Es fanden sich wieder freiwillige Strafgefangene in der JA Graz-Karlau, die am Projekt Rechtsambulanz teilnehmen wollten. Diesmal gab es keine Beschränkung dahingehend, dass das im zu behandelnden Fall ergangene Urteil im Instanzenzug bekämpft worden war und daher ein höchstgerichtliches Urteil vorlag. Die zu bearbeitenden Delikte waren dadurch viel weiter gestreut als im Sommersemester 2006. In diesem Seminar hatten die Studierenden zusätzlich zu ihren Fällen unterschiedliche Schwerpunkte aufzuarbeiten. Zwei Gruppen befassten sich mit bestimmten Fragestellungen aus dem Fremdenrecht und die dritte Großgruppe bearbeitete den Bereich rund um die Entlassungsvorbereitung. Die JA Graz-Karlau hatte diese Fachgebiete vorgeschlagen, da sie in der derzeitigen Informationsbroschüre für Insassen und deren Angehörige noch zu wenig Beachtung gefunden hätten, es sich aber um Bereiche handle, die für Insassen und deren Angehörige von großer Bedeutung seien. Sowohl das (auf der Universität selten gelebte) Zusammenarbeiten in großen Gruppen als auch das oft erstmalige Zusammentreffen mit einem Insassen in einer JA, wurden von den Studierenden als besondere Erfahrungen des Seminars hervorgehoben. Wie schon in den Wintersemestern zuvor wurde die Rechtsambulanz auch im Wintersemester 2008/ 09 als schwerpunktbezogenes Praxisseminar durchgeführt. Der Themenschwerpunkt des in Kooperation mit der Justizanstalt Graz-Jakomini durchgeführten Seminars lautete Drogen/ Sucht/ Gefängnis. Die Studierenden forschten, bezogen auf diesen Schwerpunkt, zu vier unterschiedlichen Teilgebieten: Drogen/ Sucht/ Behandlung; Suchtmittelrecht; Suchtmittelpolitik; Gefangenenrechte und -pflichten. Die Insassen konnten auf der Grundlage Rechtsambulanz - eine Law Clinic österreichischer Prägung 181 persönlicher Erfahrungen über den „Suchtmittelalltag“ in der Justizanstalt Auskunft geben und zu Fragen der Suchtmittelpolitik bzw. zum Suchtmittelrecht als unmittelbar Betroffene Stellung nehmen. Die Ergebnisse der Interviews ließen die Studierenden in ihre schriftlichen Abschlussarbeiten einfließen. Im Sommersemester 2009 konnte das Seminar Rechtsambulanz leider nicht wie üblich als Verfahrensreflexion mit Gefängnisinsassen durchgeführt werden. Als Grund dafür wurden vom Justizministerium Bedenken wegen der Kosten, der Persönlichkeitsrechte der Insassen sowie der Sicherheit der Studierenden angegeben. Aus Sicht der Lehrveranstaltungsleitung gab es für diese Einwände keinerlei Anhaltspunkte, waren doch in den vergangenen Jahren die Erfahrungen mit diesem Seminar immer äußerst positiv. Im Wintersemester 2009/ 2010 wurde die bewährte Lehrveranstaltung mit Praxisbezug gemeinsam mit dem Bewährungshilfeverein Neustart durchgeführt - eine Zusammenarbeit, die sich aus Sicht der Studierenden und der Lehrveranstaltungsleitung bewährt hatte. Im Mittelpunkt dieser „Rechtsambulanz“ stand die Reflexion rechtskräftiger Urteile einerseits und die Analyse diversioneller Erledigung unter Mitwirkung von Neustart-KlientInnen, darunter bedingt entlassenen Strafgefangenen, anderseits. Die am Lehrveranstaltungsprojekt beteiligten 41 Studierenden hatten zunächst die Aufgabe, die ihnen zugeteilten Fälle und die jeweils relevanten Rechtsmaterien zu studieren. Anschließend hatten sie Gelegenheit, in einem Kleingruppengespräch (in den Räumlichkeiten des Vereins Neustart) mit den KlientInnen oder den BewährungshelferInnen bzw. KonfliktreglerInnen ein jeweils ca. einstündiges Gespräch zu führen und damit an weitere interessante Informationen abseits des Urteils bzw. des Diversionsaktes zu gelangen. Im Laufe dieser Gespräche wurden drei bis vier rechtliche Frage- und Problemstellungen des jeweiligen Falles einvernehmlich als erörterungswürdig festgelegt und in weiterer Folge von der Kleingruppe lösungsorientiert analysiert sowie im Kreis aller SeminarteilnehmerInnen an der Universität diskutiert. Im Beisein der KlientInnen, der Neustart-MitarbeiterInnen sowie der Lehrveranstaltungsleitung wurden in einer zweiten Gesprächsrunde sehr ergiebige Diskussionen geführt, die einmal mehr zum Vorschein brachten, dass sich die Rechtswirklichkeit vielfach anders, vor allem komplexer darstellt, als es rein theoriegeleiteter Unterricht vermuten lässt. Im Sommersemester 2010 wurde die Rechtsambulanz in bewährter Weise mit der Justizanstalt Graz-Jakomini durchgeführt. 2.2 Projektberichte ab 2011 Nach einem Wechsel des Verfassers an die JKU Linz Ende 2011 wurden der Rechtsambulanz zunächst wieder - wie schon im Sommersemester 2009 in Graz 182 Richard Soyer - bundesministeriell Steine in den Weg gelegt. Nach mühsamen Gesprächen mit dem Justizministerium, die das bisherige Setting zunächst gar nicht, dann aber doch in eingeschränkter Weise stattfinden ließ, gelang es in den Jahren 2014 bis 2015 in guter Kooperation mit der JA Linz mehrere Rechtsambulanzen, auch unter Beteiligung von Insassen, abzuhalten. Dabei gab es jeweils die Schwerpunktsetzung „Verfahrensreflexion mit Insassen“. Ab dem Jahr 2016 fand die Rechtsambulanz ohne Beteiligung von Insassen auf dem Campus der JKU Linz statt, zunächst unter Leitung des Autors, später unter Leitung des schon in den Linzer Anfangsjahren beteiligten Assist.-Prof. Dr. Stefan Schumann, stets unter Mitwirkung des Linzer Richters Dr. Rainer Nimmervoll statt. Der Fokus lag dabei auf der Analyse von Urteilen mittels Powerpoint-Präsentationen von Studierenden mit anschließender Diskussion unter Beteiligung der PraktikerInnen. Derart wurde Vertiefung von Basiswissen und Einüben von practical skills praktiziert. Im Herbst 2019 hat schließlich Stefan Schumann die Rechtsambulanz, nach dem viel zu frühen Tod von Rainer Nimmervoll, neu aufgestellt. Im Zentrum stand der Erwerb praktischer juristischer und persönlicher Fähigkeiten: Vom Verständnis für den Ablauf eines Strafverfahrens über Wirkung und Dynamik der Kommunikation der Beteiligten außerhalb und innerhalb des Verfahrens bis hin zur Kenntnis von der Struktur und Verstehen des Inhalts des Aktes. Neben juristischen Fähigkeiten konnten die TeilnehmerInnen auch das eigene Auftreten und dessen Wirkung in einem Rhetoriktraining mit einer Schauspielerin erproben. Zum Abschluss der von Schumann, der auch Rechtsanwalt (RAK München) ist, gemeinsam mit einer Richterin und einem Staatsanwalt durchgeführten Rechtsambulanz nahmen die Studierenden anhand eines fiktiven Falls und des Verfahrensaktes unter Betreuung jeweils durch die Lehrveranstaltungsleitung die Rollen als Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung ein. Im Schwurgerichtssaal des Linzer Landesgerichts simulierten sie den Ablauf einer strafrechtlichen Hauptverhandlung (OÖN 11.01.2019). Gute juristische Ausbildung und neu erworbene berufspraktische Fertigkeiten führten zu einer für alle Beteiligten spannenden Hauptverhandlung. Das Urteil? Freispruch! Eine Anmerkung darf nicht fehlen: Den Bedarf für solche praktischen Ausbildungsteile belegte die Resonanz. Die Veranstaltung gehörte zu den bestevaluierten der JKU insgesamt in diesem Semester: Nachdrücklicher Zuspruch kam auch aus Kreisen des Linzer Landesgerichts. 2.3 Learning by doing im (geschützten) Echtbetrieb Resümierend lassen sich die positiven Lehr- und Lernerfahrungen aus der Rechtsambulanz vor dem Hintergrund konventioneller Lehrveranstaltungs- Rechtsambulanz - eine Law Clinic österreichischer Prägung 183 kategorien als eine hybride Form von Seminar und Praktikum mit folgenden Besonderheiten (Soyer & Hauser 2007: 25) als neuer Typ einer Intensivlehrveranstaltung charakterisieren: Sowohl der Theorieals auch der Praktikumsteil wird dabei von UniversitätslehrerInnen geleitet. Externe PraktikerInnen spielen auch im Seminar-Teil eine sehr aktive Rolle; sie können ihre Vorstellungen und Erwartungshaltungen somit in die gesamte Lehrveranstaltung einbringen. Die Rechtsambulanz orientiert sich damit auch an gesellschaftlichen Interessen. Das von den Studierenden erarbeitete Wissensprodukt wird nicht ‚schubladisiert’, sondern möglichst allen interessierten Gruppen gut zugänglich gemacht. Die Vertiefung von Basiswissen wird im Wege von learning by doing , möglichst im (geschützten) Echtbetrieb, realisiert und erweist sich als wünschenswerte Praxis- und Berufsorientierung. Law has not only to be taught. Law has also to be practiced. Diese Erkenntnis, die in Legal Aid Clinics and Law Clinics im anglo-amerikanischen Rechtskreis schon lange gelebt wird, ist somit auch in Kontinentaleuropa in modifizierter Weise umsetzbar (Soyer et al. 2009: 90). Nicht wie bei Moot Courts werden Fälle simuliert bzw. nachgespielt, sondern im Echtbetrieb geübt. Dabei spielen „hybride“ Lehrpersonen, also habilitierte WissenschaftlerInnen, die auch einen klassischen Rechtsberuf (AnwältIn, RichterIn, StaatsanwältIn) ausüben, eine verbindende Schlüsselrolle. Mündliche Präsentationen, auch und gerade in freier Rede, können von Studierenden in einem speziellen Setting unter Supervision von praxiserfahrenen, wissenschaftlich ausgebildeten Lehrenden trainiert werden. Die mit der Rechtsambulanz gemachten Erfahrungen haben klar gezeigt: Learning from the real world links theory and pratice (Soyer et al. 2009: 92). 3 Was soll und kann juristische Ausbildung leisten? Begibt man sich auf die Meta-Ebene, so lässt sich schlussfolgern, dass eigene und fremde, durchaus experimentell angelegte Lehrveranstaltungen - als theoretical approach - wichtig sind und neue Erfahrungen möglich machen. Um dies, auch das Auf und Ab zu veranschaulichen, ist der Erfahrungsbericht unter Pkt 1. sehr ausführlich dargetan worden. Interessanterweise waren nicht die Leitungen der Justizanstalten Graz-Karlau, Graz-Jakomini und Linz im „Widerstand“, sondern nach den erfolgreichen und sehr positiv aufgenommenen Grazer Jahren vielmehr das Justizministerium unter seiner damaligen Leitung. Ausgehend von den langjährigen Erfahrungen wird nun - als practical approach - der Versuch unternommen, Ansätze einer Theorie der Lehre und des Lernens im Strafrecht zu entwickeln. 184 Richard Soyer 3.1 Profunde Rechtskenntnisse und Practical Skills Was sind profunde Kenntnisse des Strafrechts? Es handelt sich dabei kurz gesagt um einen Mix aus gediegenem Basiswissen und ausgewählt vertieftem (statt enzyklopädischen) Strafrechtswissen. Nicht grenzenloses Halbwissen, sondern Methodenwissen und „ Methodenlernen“ (d.h. Recherchieren, Auslegen und Subsumieren, Systematisieren und Querdenken statt Auswendiglernen) sind gefragt. Das Erlernen von Rechtswissen ist vielfach deshalb so schwer und wird oftmals als langweilig erlebt, weil die Rechtswirklichkeit geradezu beharrlich aus- oder mit künstlich wirkenden Fallgestaltungen lebensfremd eingeblendet wird. Gerade die Erfahrungen in der Rechtsambulanz machten überdeutlich, dass learning by doing bei vielen TeilnehmerInnen große Neugier und damit einhergehend Motivationsschübe auslöste. Teilweise wurde fallbezogen gelernt, dass sich die (Lern-)Balken bogen - weil es Freude bereitete, Sinn hatte und spannend war! Und dabei war der Umgang mit Sprache immer zentral, nicht nur schriftlich, sondern vor allem auch mündlich. Ohne lebendige, realitätsnahe Interaktion kann das nicht spielerisch ausprobiert, schon gar nicht trainiert werden. Praktika, kombiniert mit anspruchsvollen theoretischen Auseinandersetzungen, generieren erst das Erfahrungswissen, ohne dem Lernen nicht stattfinden kann. Wer immer Strafprozessrecht an der Universität studiert, hat im Regelfall keinerlei Vorstellung, wie (unterschiedlich, teilweise banal, dann wieder hochkomplex) Strafprozesse ablaufen. Sie bringen viel Routine, aber auch massive Konfliktsituationen hervor, langweilige Verhandlungen in Wald-und-Wiesen-Fällen, aber auch spektakuläre Highlights mit emotionalen und zugleich scharfsinnigen Reden und Gegenreden, die es in sich haben. Im Strafrecht geht es ja um das sog. Eingemachte. Kein Strafprozesslehrbuch kann das vermitteln. Gespräche mit Gefangenen, die juristisch ungebildet nach ihnen wichtigen Antworten suchen, haben sich in der Rechtsambulanz für viele Studierende als Trigger erwiesen, Lehrbücher intensiv nicht nur als Lernbehelfe zu benützen, sondern die Informationen so zu verarbeiten, dass die aufgeworfenen Fragen intersubjektiv erklär- und verstehbar gemacht werden können. Ohne die Einbeziehung der Rechtspraxis läuft das Erlernen des Strafrechts Gefahr, blutleeres Rechtswissen zu werden. Es verwundert daher überhaupt nicht, dass das Medizinstudium ganz nah an (Universitäts-)Kliniken angebunden ist. Warum nicht auch im Strafrecht ein signifikantes Mehr an Anbindung an die sog. Gerichtspraxis als es bisher der Fall ist? Noch immer ist die Absolvierung der Gerichtspraxis erst im Anschluss an das Studium möglich, statt es in das Studium voll zu integrieren. Zu den practical skills ist im Übrigen auch das nachhaltige Einüben Rechtsambulanz - eine Law Clinic österreichischer Prägung 185 von Teamarbeit zu zählen. Arbeitsteilige Prozesse prägen unsere Arbeitswelt, warum aber nicht auch die universitäre Ausbildung? 3.2 Verschränkung von Theorie und Praxis Ein kleiner Exkurs soll abschießend verdeutlichen, dass ähnliche Erfahrungen mit sog. Moot Courts , insbesondere im Strafverfahrensrecht gemacht wurden und werden, so z.B. an der Goethe-Universität Frankfurt a. M. ( Jahn & Meinecke 2018: 22-41). Die Verbindung von Theorie und Praxis nimmt auch dort eine zentrale Bedeutung ein. Hochinteressant ist dabei das Plädoyer für einen „[…] späten Siegeszug der Sozialwissenschaften im Strafrecht.“ Die Bedeutung informeller Programme in der strafjuristischen Ausbildung (wie es ja auch in der Rechtspraxis der Fall ist) wird dabei herausgestrichen. Sic! Es lässt sich nicht bestreiten, dass soft skills in vielen konsensorientiert geführten Strafverfahren äußerst bedeutsam sind. Die übergroße Distanz zwischen Theorie und Praxis im Strafrecht, insbesondere im Strafprozessrecht, lässt sich auf diese Weise minimieren und auf ein intersubjektiv nachvollziehbares und damit auch besser kontrollierbares Prozedere im Verfahren zurückführen. Die elaborierte Kommunikation zwischen allen Verfahrensbeteiligten ist dabei eine conditio sine qua non, die schon in der Ausbildung einen hohen Stellenwert haben muss. Nur durch eine lebendige Einbeziehung der Rechtspraxis und von PraktikerInnen lässt sich strukturell fehlendes Erfahrungswissen (u.a. beim Lehrpersonal der Universitäten) kompensieren. Auch bei Moot Courts ist, wie bei der Rechtsambulanz, Spaß und Erfolg bei den Studierenden feststellbar. Meines Erachtens ist weiters zu konstatieren, dass anspruchsvolle, aber alltägliche (d.h. nicht exzeptionelle) Gerichtsfälle besser für Ausbildungszwecke geeignet sind als allzu clamoröse Rechtsfälle (argumentum: kein Rechtstheater). In diesem Lichte ist die österreichweit feststellbare Entwicklung, das traditionelle Studium der Rechtswissenschaften zeitgemäß zu modulieren, zu begrüßen. So startet etwa an der JKU Linz bereits mit dem Wintersemester 2020 parallel zum Diplomstudium ein Bachelorstudium mit einem bemerkenswerten Curriculum ( JKU Linz). Unter § 1 Qualifikationsprofil ist in diesem Curriculum u.a. zu lesen: „Bei der Ausbildung wird daher den rechtswissenschaftlichen Methoden sowie den Grundstrukturen des Europäischen und österreichischen Rechts vorrangige Bedeutung beigemessen. Das Studium vermittelt darüber hinaus im Hinblick auf die aktuellen und zukünftigen Anforderungen an juristische Berufe interdisziplinäre Kenntnisse und stärkt auf dieser Grundlage juristische Fähigkeiten.“ Und weiter: 186 Richard Soyer • Methodensicherheit bei der Anwendung des geltenden Rechts auf praktische Fälle • Fähigkeit zur juristischen Problemerkennung und -analyse sowie zur Entwicklung von Lösungsstrategien • Fähigkeit zur sprachlich und methodisch einwandfreien juristischen Argumentation • Fähigkeit zur zielgruppengerechten Kommunikation rechtswissenschaftlicher Themen • Argumente an NichtjuristInnen Die im Hauptteil berichteten Erfahrungen einer theorie- und zugleich praxisorientierten Ausbildung verlangen von allen Beteiligten Vieles: Das Einlassen auf Neues, die Bereitschaft, persönlich an die Grenzen zu gehen, und einen Mehraufwand. Aber es lohnt sich! Bibliographie Jahn, Matthias/ Meinecke, Fabian (2018). „Zur Theorie des Moot Courts im Strafverfahren.“ Zeitschrift für Didaktik der Rechtswissenschaft , 5, 22-41. Soyer, Richard/ Schumann, Stefan/ Bruckmüller, Karin (2009). “Law Clinics: Learning from the Real World.” In: Diplomatische Akademie Wien (Hrsg.) Can the United Nations be taught? - A Compendium of Innovative Teaching Techniques , 90-94. Soyer, Richard/ Hauser, Silvia (2007). „Rechtsambulanz in der Justizanstalt Graz-Karlau.“ Journal für Strafrecht , 25-27. Oberösterreichische Nachrichten vom 11.01.2020: 39 Ressort: Land & Leute, „Erstmals Gerichtssaal-Luft schnuppern. Studierende der Kepler-Uni übten im Linzer Landesgericht Rollenbilder und Rhetorik.“ JKU Linz: Curriculum zum Bachelorstudium Rechtswissenschaften an der JKU Linz (UK 033/ 503). Abrufbar unter: www.jku.at/ fileadmin/ gruppen/ 32/ ZUS/ Curricula/ Bachelor/ 1_BS_Rechtswissenschaften_MTB39_110820.pdf (Stand: 14/ 08/ 2020). Rechtsambulanz - eine Law Clinic österreichischer Prägung 187 Im Dialog mit Lernenden und Lehrenden Textbooks for a new audience: Limits to translation? 189 Textbooks for a new audience: Limits to translation? Christina Schäffner Abstract: This chapter reflects on challenges posed by producing an English version of an original German textbook devoted to interpreting in political and diplomatic contexts. Building on interviews with interpreters and diplomats, the book covers language as a tool of diplomatic communication, the role of interpreters in diplomacy, and the different forms of interaction and communicative behaviour interpreters face and exhibit. This chapter addresses the aims of the English book, the new audience, the new contexts of use, as well as aspects linked to language and culture. It finishes with reflections on the scope and limitations of translating such a textbook. 1 Introduction: Textbooks for Training The need for translation and interpreting services has grown constantly, despite temporary setbacks due to fundamental changes in the global political landscape or unexpected crises situations. Over the last years, the Global Market Surveys for the Language Industry published by Common Sense Advisory have regularly reported annual growth rates between 5 and 10 per cent (e.g. DePalma et al. 2018). In order to meet the growing demand, sufficient numbers of qualified translators and interpreters are needed. There is by now widespread agreement that they need to have undergone a proper training. Within the last decades, translator and interpreter training programs have therefore seen a steady increase worldwide. For example, the website of the translation agency BeTranslated lists a total of 192 schools and universities in 44 countries which offer different types of programs in translation and/ or interpreting. These training programs are nowadays predominantly delivered at universities and at postgraduate level. They have also evolved in the course of time and have become more professionally oriented. This can be seen, for example, in the inclusion of placements and closer involvement of the translation industry in the delivery of the programs. The institutionalisation and professionalization of programs has also been accompanied by the development of textbooks which are used to support the training. One example is Munday’s Introducing Transla- 190 Christina Schäffner tion Studies: Theories and Applications , initially published by Routledge in 2008. The publication of a 4th edition of this book in 2016 indicates its popularity in the field. Since this book has been published in English and includes examples from a variety of languages, it has increasingly been used in translator training programs in many more countries than its initial market, the United Kingdom. Translator training programs in German-speaking countries frequently use a similar textbook by Stolze, Übersetzungstheorien: Eine Einführung , initially published in 1994, with a 7th edition of 2018. Austrian universities can benefit as well from a number of manuals published in the series Basiswissen Translation , which are intended to support training programs by providing information about theories, concepts, methods, and closely link theory and professional practice. Some of the volumes published in this series have also seen new editions which have been revised, updated and expanded, in line with new developments in theory and practice. In this respect, the volume Translatorische Methodik which has seen its 6 th edition is in particular worth mentioning (Kadrić et al. 2019). In addition to coursebooks which aim at a general introduction to the field of Translation Studies, and can thus be used for various courses (e.g. on translation theories, translation history, practical translation), some other manuals have a more specific topic and a narrower focus. One example of such textbooks is the most recent addition to the series Basiswissen Translation , namely the book Dolmetschen in Politik und Diplomatie (Kadrić & Zanocco 2018). With its focus on interpreting in political and diplomatic settings, this book is innovative and a much needed addition to the range of literature on interpreting. It is a major achievement that immediately after its publication this book attracted the attention of the publishing company Routledge who commissioned an English version (Kadrić et al. forthcoming). In this chapter, I intend to reflect on the challenges which such a task poses, addressing the aims of the book, the new audience, the new contexts of use, as well as aspects linked to language and culture. At the end of this paper, I will reflect on scope and limitations of translating a German manual into English. 2 Challenges for Producing an English Language Version The book Dolmetschen in Politik und Diplomatie reflects on language as a tool of diplomatic communication and on the role of interpreting and interpreters in politics and diplomacy. It illustrates the different forms of interaction and communicative behaviour and the different ways in which interpreters manage (verbal and non-verbal) information and expressivity. It also addresses strategies interpreters (think they are expected to) use (e.g. how and to what extent information can be explicated, omitted, or modified), their degrees of involvement Textbooks for a new audience: Limits to translation? 191 (e.g. their own attitude to emotional messages), and aspects of professional ethics such as trust and confidentiality. A particular value of the book is that it quotes from the interviews with interpreters, thus giving a voice to the interpreters themselves. In reflecting on the features of an interpreted rendition, Kadrić and Zanocco (2018) argue as follows: Dolmetschprodukte richten sich nach den TextrezipientInnen und ihrer Kultur; sie werden den Erwartungen und den kommunikativen Bedürfnissen der TextrezipientInnen, ihrer (Fach)Sprache und ihrem soziokulturellen Umfeld angepasst. Dadurch wird erreicht, dass die vermittelte Nachricht verstanden wird. (Kadrić & Zanocco 2018: 53f.) (Interpreted renditions comply with the text recipients and their culture; they are adapted to the expectations and communicative needs of the text recipients, to their (specialised) language and their sociocultural context. This ensures that the message transmitted will be understood. - my translation) These criteria, i.e. expectations and needs of recipients, sociocultural context, language, can be applied to the task of producing an English version of this manual as well. I will reflect on them in turn. 2.1 Communicative Needs of New Recipients Although the characteristics of interpreting in political and diplomatic settings apply at an international scale, the German manual was produced originally for students in Austria. For this reason, we find a multitude of references to institutions and procedures in Austria. For example, there is a detailed description of the Austrian institutions responsible for security arrangements during state visits of foreign politicians, and quite a lot of examples of specific interpreter-mediated events refer to Austrian politicians or settings in Austria. For a wider audience, a decision will have to be taken on how to deal with this. With publications in English as a lingua franca being able to reach an international audience, the new audience is anticipated to be pretty much a worldwide audience. As said above, training programs in translation and interpreting have increased over the years, which should make an English version of the book appealing to students and trainers not only in English-speaking countries (e.g. UK, USA, Canada, Australia) but also to programs in Asia, the Middle East, and Africa. With such a wide audience it is impossible to find detailed information of, say, institutions responsible for diplomatic protocol and security arrangements for plenty of countries. Such a comprehensive coverage is also not required for the purposes of a coursebook. One option could be to select a few countries, most advisably those with strong interpreting training programs (e.g. China, Australia, France, UK). Another option would be to just have a general statement about 192 Christina Schäffner the extent of work and people involved in arranging a political event, such as a state visit or bior multi-lateral negotiations to arrive at a treaty, and give the students the task to research the exact arrangements in their own country. Adding tasks to students is an option provided by the nature of a coursebook. 1 This last point is related to the genre of the book. The German book is presented as a ‘manual’ (as all other issues in the Basiswissen Translation series). ‘Manual’ is not a very frequently used word in the context of training programs in German-speaking countries. The book by Stolze mentioned above is presented as a ‘Studienbuch’ (literally: study book), and another one frequently used in training programs in Germany by Hönig and Kussmaul (1991) is presented as a ‘Lehr- und Arbeitsbuch’ (a textand work-book). In their preface, Kadrić and Zanocco (2018: 7) speak of the book as being a ‘Lehrbehelf für Studierende’, i.e., a kind of support for training. The book is meant to provide both information about political and diplomatic interpreting and give guidance to students as to what to expect in the professional context. The element of guidance is probably more explicit if the label ‘textbook’ is used. The book by Munday mentioned above is characterised as a textbook, and in addition to an overview of theories and concepts, each chapter is accompanied by tasks for students, introduced as ‘discussion and research points’. The textand work-book by Hönig and Kussmaul (1991) also includes specific tasks to reflect on and/ or to apply the translation-relevant aspects discussed in the respective chapters. The original German book by Kadrić and Zanocco (2018) does not include any explicit tasks, exercises, or assignments for its users. The information it provides on features of interpreting in political and diplomatic contexts is based on research, i.e. an engagement with relevant literature (of which, however, there is little since this field of interpreting has largely been neglected), supplemented by information gathered from the interviews with professional interpreters. The information about specific features of diplomatic language, genres, communicative intent, aspects of interaction (e.g. spatial arrangements, preparation) is presented in a scholarly way. That is, the text is written in a formal style, confirming to the norms of academic writing. However, the authors do not engage in lengthy scholarly discussions of alternative theories or controversial concepts. As a result, the book is very reader-friendly, in particular for its main audience, the students. It is of a descriptive nature, there is nothing prescriptive in it. Admittedly, the textbooks by Munday and Hönig and Kussmaul too, are not prescriptive, not telling students what they ‘must’ or ‘should’ do in specific 1 At the time of writing, the translation process is in progress and discussions of the points mentioned in this chapter as well as other aspects are still going on, with final decisions not yet taken. Textbooks for a new audience: Limits to translation? 193 situations. However, the Hönig and Kussmaul book finishes with ‘suggestions for solutions’ to the tasks, thus having a slightly implicit prescriptive element. The examples presented in Kadrić and Zanocco (2018) of how interpreters dealt with linguistic, cultural or other challenges, are not evaluated as to their correctness. In fact, in some cases, examples show that interpreters dealt with the same problem (e.g. handling negative emotions, Kadrić and Zanocco 2018: 100) in different ways. This offers students an opportunity to reflect on the appropriateness and potential consequences of the interpreters’ different actions and reactions. With the English version of the book to be intended for worldwide use, we need to take into account that students and trainers may have different expectations of the nature of a textbook. In some countries, more explicit advice and guidance, i.e. more prescription, may be the normal expectation. However, training at university level has become more professionalised on the one hand, and it is also expected to be led by research on the other hand. There is never the one and only ‘correct’ solution to any translation or interpreting problem anyway, and critical reflection on the variety of factors which determine the decision-making process of a translator or interpreter is increasingly included in high-quality training programs. Such factors include the purpose of the target text, the addressees in the target culture, the potential significance of genre conventions, specific linguistic features, institutional constraints, time pressures and various ergonomic features. The German book by Kadrić and Zanocco (2018) does not provide many bibliographic references in illustrating its points either, as would be the case in scholarly publications. We do, however, find references and suggestions for further reading at the end of each chapter. They can be used by students for independent study to gather more information on specific issues or to deepen their knowledge on theoretical aspects or on related research. These references also need to be amended (e.g. omitting some of the sources in German, providing more references in other languages) for the new international audience. Adding explicit tasks to the English version of the book may also make it more typical of a textbook. A related question, of course, is how the book will be used in a training program, with user expectations also depending on the nature of the training program, which I will address now. 2.2 Sociocultural Context As said at the beginning of this chapter, there has been an increase in training programs worldwide. The nature of these programs, however, is diverse, including dedicated undergraduate and postgraduate programs delivered at universities as well as short-term courses delivered by professional organisations as 194 Christina Schäffner part of continuing studies. Moreover, some programs combine translation and interpreting whereas others are dedicated to either translation or interpreting. Even a postgraduate program in interpreting usually caters for all types of interpreting in a variety of settings, thus preparing graduates for the diversity of the professional practice. That is, training for interpreting in political and diplomatic contexts can be part of a more general interpreting program, as is the case at the university in Vienna (Austria). In such a context, the book by Kadrić and Zanocco (2018) can be used to inform a series of lectures which address the theory and practice of interpreting in political and diplomatic contexts. Concrete exercises can then be incorporated in seminars where interpreting is practiced for specific language pairs. In such wider interpreter training contexts, the book will function as a supplementary textbook. In other contexts, such as a focused course in a Continuous Professional Development framework and potentially be delivered by a professional association, it can serve as the main textbook to guide teaching, addressing the respective topics chapter by chapter. The possibility of being used as a main or supplementary textbook applies to the English version of the book as well in view of the variety of the target audience. However, for producing the English version of the book we need not only to consider how the book can be used for which kind of program, we also need to reflect on other aspects of the sociocultural and institutional context. The type and nature of a program (undergraduate or postgraduate, translation and interpreting together or separate, any specific focus) is related to training traditions in the various countries. In some countries, programs may have a longer and more established tradition than in others. In Europe, for example, four-year diploma programs were common until the Bologna process, starting in the late 1990s, created the European Higher Education Area with a common framework of three cycles of higher-education qualifications. As a result, translation and interpreting programs are now widely offered at a postgraduate level, with undergraduate programs developing language competence or competence in intercultural communication more generally. In other parts of the world, however, the situation will be different. China, for example, has both undergraduate and postgraduate programs in translation and interpreting, whereas the development of training programs in multilingual countries in Africa requires a contextualized and diversified approach, as Delgado Luchner (2019) illustrates with case studies from Kenya. There are thus differences in what is expected from a beginner translator/ interpreter in, say, an African country as compared to Austria, the UK, or Spain. In respect of the content of the book, we need to consider what knowledge of interpreting the students (may) already have, what they have studied before and to what extent. I will illustrate this with concepts and theories of linguistics and Translation and Interpreting Studies. Textbooks for a new audience: Limits to translation? 195 In a chapter on the interaction of conventionality and creativity in communication, Kadrić and Zanocco (2018: 51f.) present a distinction between ‘Deutung’ and ‘Auslegung’. They argue that successful interpreting requires understanding the original message. Understanding is based on interpretations (Deutungen), i.e. mental representations which arrange sensory input and experience into meaning. In this process, we draw on our individual linguistic and cultural experience and world view so that the message received is always an interpretation (Auslegung). It is possible that this interpretation (Auslegung) is different to the one intended by the sender. A meaningful interpretation (Deutung) is only possible if the context in which an action is embedded is understood. Interpretation (Deutung) thus leads to meaning construction. As we can see, this description is based on a specific theory of meaning and communication. In the German book, however, there is no explicit reference to a theory, a scholar, or a bibliographic reference. The problem for a translation into English is that both German terms, ‘Deutung’ and ‘Auslegung’, can be rendered as ‘interpretation’, maybe specifying ‘Auslegung’ as subjective interpretation. Postgraduate students who will have had some introduction to linguistics, semantics, and pragmatics, will have come across concepts such as meaning, mental representation, meaning construction, interpretation before. But in view of the heterogenuous audience of the English version of the book, we cannot automatically assume the same amount and depth of knowledge of linguistics. Moreover, even if students did have some introduction to linguistics, they will probably not have been exposed to the same theories. So even if we opt for different English terms for ‘Deutung’ and ‘Auslegung’, e.g. comprehension and interpretation, or construction and interpretation, we may provoke conflicts with concepts the students had encountered before. One possibility would be to add references to the discussion in the chapters, thus specifying which theory has been used. There is, however, another factor which adds to the complexity of the task: as already said, each chapter ends with a list of bibliographical references labelled sources and further reading. Some of the sources are in German, others in English. In the chapters, the key points from the literature are summarised and reported. Assuming the theoretical discussions are based on literature in English, we could go back to this original publication to check for the concepts used. But since exact references are not provided in the German book, such a search would be time-consuming. What we see here then, is that the reader-friendliness of the German book has led to unexpected problems for its translation into English. As another example I will address the discussion of Translation Studies theories in the German book. In a chapter devoted to text types and their functions, reference is made to Reiß (however, not mentioned in the sources list at the end of the chapter), Nord, and to functionalist approaches to translation. The 196 Christina Schäffner text typology by Reiß was originally introduced in German (Reiß 1976), but some of her papers have been translated into English. Reiß had suggested three types of texts (in German originally as informativer, expressiver, appellativer Texttyp), and in English translations of her work (e.g. Reiß 2004) as well as in other publications (e.g. Munday 2016), they have predominantly been rendered as informative, expressive, and operative text type. That is, students who have been introduced to functionalist approaches will be familiar with these terms, also as a result of publications by Nord in English (e.g. Nord 1997, 2005), which are often used in translator training worldwide. Moreover, since functionalism has become established as a research paradigm at an international scene (for an overview see Nord 2012), there would not be any need for expanding on Reiß’s text types in the book. Adding alternative text typologies suggested by other scholars (e.g. argumentative, expositive, exhortative or instructive text types by Hatim and Mason 1997) would go beyond the purpose of the textbook (although a task could be formulated which asks students to compare different text typologies and reflect on their value for political and diplomatic interpreting). The final aspect I would like to address is the use of language-specific examples. 2.3 Language-Specific Issues As said above, the primary addressees of the original book by Kadrić and Zanocco (2018) are postgraduate students in Austria, with students in other German-speaking countries as well as trainers and professional interpreters as secondary audience. With this audience in mind, it is of course highly appropriate to have concrete examples of challenges which involve the German language, either as source language or as target language. For example, a number of Austriacisms, i.e. expressions which are specific to the language and culture of Austria (e.g. Kaiserschmarrn, a traditional sweet desert, or Fiaker, a horse-drawn carriage) are given as illustration (p. 65). The interpreters interviewed commented that they usually provide explanations for such expressions if their audience is not well familiar with the Austrian culture. As a result of such a strategy of explication, the target rendition is longer. For the English version of the book, examples from other languages could be found, or a task could be formulated for students to find culture-specific terms (usually called realia ) for their own context. Kadrić and Zanocco (2018) only talk about strategies, but they do not give concrete formulations in target languages used by the interpreters. Since for the English version of the book additional interpreters with a broader range of language pairs have been interviewed, a larger set of concrete examples of both the realia plus their renditions (as far as the interpreters remember) could be provided. With the book to be addressed at an international audience, it will Textbooks for a new audience: Limits to translation? 197 also be necessary to provide back translations of the examples in German or other languages (e.g. Spanish). Other examples illustrate how interpreters acted in specific contexts. Here again, Kadrić and Zanocco (2018) very often give examples of interpreter-mediated events in Austria or involving Austrian politicians, such as a French politician speaking at the opening event of the Salzburg Festival (Kadrić and Zanocco 2018: 68) or an Austrian Member of Parliament interacting with a politician from a Latin American country (Kadrić and Zanocco 2018: 79). For the English version of the book, it would again be advisable to find additional examples involving other countries and languages, which can be added to the current examples or replace them. The interviews conducted with a larger group of interpreters than interviewed for the original German version are indeed intended to collect more data. And since these new interviews are conducted with the specific aim of getting more input for the extended international audience of the English version of the book, questions can be formulated in a very detailed and focused way. In addition to data from new interviews, examples of challenges posed by interpreting in political and diplomatic contexts can also be taken from the existing, albeit scarce, literature (e.g. Torikai 2009, Obst 2010). And, of course, relevant tasks can be formulated for students again. With the book not being aimed at any specific audience in one particular country, it should be possible to focus on the general features of diplomatic interpreting which can be covered in a lecture series independently of any specific language (pair). As said above, the German book is characterised by an academic nature, providing information about features and challenges of interpreting in political and diplomatic settings, with this information being based on relevant theories and previous research. The authors illustrate how interpreters understand their role and their task and how they engage with the challenges. The discussion is descriptive, reporting what interpreters have said, but avoiding any explicit evaluation of their comments. The English version of the book will have the additional benefit of having input from interviews with politicians and diplomats, who had not yet been interviewed for the German book. Their views of interpreter-mediated events can support, modify, or challenge the interpreters’ views. Such a comparison of viewpoints and arguments will also allow to identify similarities and differences in the expectations of the various partners in an interpreter-mediated event. Expectations, however, may also differ depending on the experience the politicians and diplomats may have with working with an interpreter, their individual (cultural, educational, etc.) background, their status and position, and their own language competence. It would again be a possibility to formulate discussion points and exercises for students which would require them to do some more reading and research to inform their reflection 198 Christina Schäffner on reasons and consequences of potential differences - thus allowing for the development of generic research skills which are an integral part of translation and interpreting programs at a postgraduate level. 3 Limits to Translation? So far, I have spoken of an ‘English version’ of the original German book by Kadrić and Zanocco (2018). This English version is to a large extent a translation of the German book. In view of its purpose and the new audience, it is of course not a literal translation, rather an adapted and expanded translation. As I have tried to illustrate above, certain adaptations will have to be made (e.g. new examples, restructuring of information), in addition to necessary omissions and additions (especially the newly added views of politicians and diplomats). Such strategies, however, are typical of translation in general, if it is understood in a functionalist way as a purposeful activity, or as translational action (Holz-Mänttäri 1984). Nord (2005: viii) makes a similar argument in the preface to the English version of her German textbook (Nord 1988) when she says that the book is a translation, with the text adapted “to what we expect to be the needs of the new addressees”. Ways of making the target text reader-friendly and “produc[ing] a translation that would fulfil the expectations of target readers in terms of accuracy, fluency and intelligibility” is also discussed by Jawad (2014: 52) who translated Munday’s textbook into Arabic. From the academic point of view then, I would argue that it is futile to reflect on the appropriateness of the term translation for our endeavour. There is however another aspect to take into account. As said above, the diverse audience to which the English version is addressed will have different expectations of the content and structure of a textbook. If such a textbook is explicitly presented as a translation from German, potential users may suspect that it includes too many examples involving the German language, and that it may thus not be sufficiently suitable for their own needs. It would therefore be appropriate to avoid the explicit reference to translation on the cover and in other marketing material. With new content and amendments that go beyond adaptations to genre conventions, the English book, although based on a German one, is intended as a textbook in its own right. It would however be worthwhile to refer to the German book and to address the role of translation in a preface to the English version. And finally, in view of the rapidly evolving context in which translators and interpreters operate, training programs will have to respond to the social and technological challenges. There may thus also be an opportunity to produce another edition of the book which would be updated to make it appropriate to newly emerging needs. Textbooks for a new audience: Limits to translation? 199 Bibliography BeTranslated (2018). Schools and universities for translation and interpreting studies. Available at: www.betranslated.com/ blog/ translation-schools/ (accessed 18 August 2020). Delgado Luchner, Carmen (2019). “Contextualizing Interpreter Training in Africa: Two Case Studies from Kenya.” International Journal of Interpreter Education 11, 4-15. Available at: www.cit-asl.org/ new/ contextualizing-interpreter-training-in-africa/ (accessed 19 August 2020). DePalma, Donald A./ Pielmeier, Hélène/ Stewart, Robert G. (2018). The Language Services Market: 2018. 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Darauf haben Universitäten mit Aus- und Weiterbildungsangeboten reagiert. Diesbezüglich lässt sich feststellen, dass sich sowohl Rahmenbedingungen als auch TeilnehmerInnen der universitären Weiterbildung stark von Regelstudien unterscheiden. Dolmetschen als Gegenstand der universitären Weiterbildung wird im vorliegenden Beitrag am Beispiel des Universitätslehrgangs „Dolmetschen für Gerichte und Behörden“ aufgegriffen, der an der Universität Wien in den Sprachen Albanisch, Arabisch, Dari/ Farsi und Türkisch angeboten wird. 1 Einleitung Seit 2016 arbeiten Mira Kadrić und ich in der translatorischen Aus- und Weiterbildung eng zusammen. Was lag für mich näher, als in dieser Schrift zu ihren Ehren jene Bereiche zu thematisieren, in denen sich unsere Arbeit und Forschungsinteressen begegnen? Die translatorische Ausbildungslandschaft ist in einem ständigen Wandel begriffen, der mit gesellschaftlichen Entwicklungen und veränderten Marktanforderungen einhergeht. So ändern sich u. a. Inhalte, Schwerpunkte, Sprachenangebot sowie gesetzliche und organisatorische Rahmenbedingungen zur Durchführung von Ausbildungsprogrammen. Es entstehen auch gänzlich neue Angebote, die sich mitunter an nicht-traditionelle Zielgruppen 1 richten. Ein Beispiel für derartige Veränderungen stellen translatorische Weiterbildungsprogramme dar, die an Universitäten angesiedelt sind. In Österreich werden sie außerhalb der translationswissenschaftlichen Institute, aber in enger Zu- 1 Dazu gehören u. a. Erwerbstätige, Personen mit Familienpflichten, BerufsrückkehrerInnen, BachelorabsolventInnen, StudienabbrecherInnen (Seitter et al. 2015: 28). 202 Ana-Maria Bodo sammenarbeit mit diesen ausgearbeitet und durchgeführt und ergänzen das Angebot der Regelstudien. In diesem Beitrag wird ein universitäres Weiterbildungsprogramm zum Behörden- und Gerichtsdolmetschen der Universität Wien präsentiert. Zunächst wird die universitäre Weiterbildung allgemein mit Fokus auf Österreich angeschnitten, um dann Weiterbildungsangebote österreichischer Universitäten am konkreten Beispiel des Universitätslehrgangs „Dolmetschen für Gerichte und Behörden“ zu beleuchten. 2 Verortung der universitären Weiterbildung Universitäten reagieren auf gesellschaftliche, politische und gesetzliche Entwicklungen sowie den damit einhergehenden Bedarf mit neuen (Weiterbildungs)Programmen. Sie übernehmen zunehmend gesellschaftliche Verantwortung und erkennen ihren Auftrag zur Ermöglichung des Lebenslangen Lernens an (Gornik & Tomaschek 2011: 7). Während Regelstudien generell ein allgemeineres Qualifikations- und Kompetenzprofil sowie eine längere Lebensdauer aufweisen, können Angebote der universitären Weiterbildung vielmehr als rasche Reaktion auf einen dringenden Bedarf eine maßgeschneiderte, spezifische Qualifizierung ermöglichen. Somit leistet die universitäre Weiterbildung, auch im Sinne der Erfüllung der Third Mission , einen konkreten Beitrag zur Lösung gesellschaftlicher Probleme. Im Bereich des Dolmetschens, wo in bestimmten Sparten und/ oder Sprachen ein notorischer Mangel an qualifizierten Dolmetschenden herrscht, entwickeln Universitäten Weiterbildungsangebote mit dem Ziel, DolmetscherInnen zu professionalisieren. Die universitäre Weiterbildung wird oft mit der wissenschaftlichen oder der postgradualen Weiterbildung gleichgestellt und synonym verwendet. Gornik et al. (2018: 42) erwähnen die terminologische Unschärfe und verweisen auf die Etablierung der universitären Weiterbildung als autonome Unterkategorie der wissenschaftlichen Weiterbildung und auf die häufige Verwendung im österreichischen Sprachgebrauch. Zur postgradualen Weiterbildung als Sonderform der wissenschaftlichen Weiterbildung gehören „Studiengänge, die in der Regel auf einem ersten Hochschulabschluss aufbauen […] und mit einem Zertifikat oder einem weiteren Hochschulgrad […] abschließen“ (Fröhlich & Jütte 2004: 9f.). Unter universitärer Weiterbildung werden hier jene Bildungsformen und -formate verstanden, die an Universitäten - oftmals berufsbegleitend - angeboten werden und nicht den Regelstudien zuzuordnen sind. Die Weiterbildungslandschaft ist sehr komplex: AnbieterInnen, Organisationsformen, TeilnehmerInnen und ihre Motivation (um nur einige Anhaltspunkte zu nennen) sind dermaßen vielfältig, dass eine eindeutige und aus- Translatorische Aus- und Weiterbildung 203 schöpfende Klassifizierung im Bereich des Unmöglichen liegt. Die universitäre Weiterbildung mit ihren vielfältigen, an diverse Zielgruppen gerichteten Angebotsformaten wird immer stärker betont und ist neben Forschung und Lehre als Hauptaufgabe der Universität gesetzlich verankert 2 (BGBl I Nr 120/ 2002), dennoch erweist sich die tatsächliche Praxis als verbesserungswürdig (Gruber & Lenz 2016: 104f.). Sie dient zur Erfüllung des Bildungsauftrags der Universität und richtet sich sowohl an StudienabsolventInnen als auch an Personen ohne Hochschulabschluss, die über Berufserfahrung verfügen. Somit spricht sie neue Zielgruppen an, die sich in vielerlei Hinsicht von Regelstudierenden unterscheiden (z. B. Seitter et al. 2015, Wolter et al. 2016). Gleichzeitig ist sie, wie Universitäten im Allgemeinen, darauf angewiesen, ihr Angebot weiterzuentwickeln und auf neue Zielgruppen auszurichten (Resch & Tomaschek 2018: 9). In Österreich wurde ein „breites Spektrum an Weiterbildungsangeboten entwickelt“ (Birke & Hanft 2012: 16). Auf Hochschulebene können sie folgendermaßen gegliedert werden: 1. Universitätslehrgänge an öffentlichen Universitäten und Privatuniversitäten, die zu einem akademischen Grad oder einer akademischen Bezeichnung führen, 2. Lehrgänge zur Weiterbildung an Fachhochschulen, die zu einem akademischen Grad oder einer akademischen Bezeichnung führen, 3. Sonstige Weiterbildungsangebote, die weder zu einem akademischen Grad noch zu einer akademischen Bezeichnung führen. Diese treten am Markt unter anderem mit folgenden Termini auf - Zertifikatskurse - Zertifikatsprogramme - (Universitäts-)Kurse - Seminare - Vorträge etc. (Birke & Hanft 2012: 16) Universitäten bieten Weiterbildung vorwiegend fakultätsübergreifend an eigens dafür eingerichteten Stellen an. Im translatorischen Bereich werden derzeit universitäre Weiterbildungsprogramme der Kategorien 1 und 3 angeboten, auf die im folgenden Abschnitt näher eingegangen wird. 2 Exemplarisch für den Stellenwert der universitären Weiterbildung in Österreich ist auch die Gründung der Donau-Universität Krems (BGBl Nr 269/ 1994) als Universität für Weiterbildung. 204 Ana-Maria Bodo 3 Translatorische universitäre Weiterbildung in Österreich Ausbildungsprogramme im Community Interpreting und Gerichtsdolmetschen sind heutzutage immer noch in einer geringen Anzahl vorhanden - sowohl hinsichtlich Sprachen als auch Anzahl der AbsolventInnen, die nicht den gesamten Bedarf abdecken können. Überhaupt gibt es nur wenige Bachelor- und Masterstudien in diesem Bereich (Pöchhacker 2016: 193). Gleichzeitig werden eigens hierfür ausgebildete DolmetscherInnen in zahlreichen Sprachen benötigt und eine Ausbildung in all diesen Sprachen erscheint wenig praktikabel bis unmöglich (Kadrić 2019: 154). Die angebotenen Formate werden meistens berufsbegleitend durchgeführt und richten sich an unterschiedliche Zielgruppen, von Laien bis zu ausgebildeten Dolmetschenden (Daneshmayeh 2008: 333). Manche werden als Regelstudien, andere als Teil der universitären Weiterbildung und wieder andere außerhalb von Universitäten durchgeführt. Verschiedene Ausbildungsbzw. Weiterbildungsformate haben bestimmte Implikationen, die sich u. a. aus den Rahmenbedingungen, Gruppenzusammensetzungen und Zielsetzungen ableiten. Die Unterschiede zwischen der universitären Weiterbildung und dem Regelstudium sind beträchtlich, jedoch fehlen umfassende Untersuchungen zur universitären Weiterbildung von Dolmetschenden. An den drei österreichischen Universitäten, die translatorische Weiterbildungsprogramme anbieten, wurde der Professionalisierungsbedarf im Bereich der Weiterbildung durch Einrichtungen gedeckt, die fakultätsübergreifend dafür zuständig sind. Die Karl-Franzens-Universität Graz hat die Weiterbildung an die UNI for LIFE Weiterbildungs GmbH ausgegliedert, die über 60 Programme anbietet (UNI for LIFE 2020). An der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck bietet die Koordinationsstelle für universitäre Weiterbildung derzeit 16 Universitätslehrgänge, 27 Universitätskurse sowie 12 Weiterbildungsseminare (Kurzformate, mitunter nur eintägig) (Universität Innsbruck 2020). Das Postgraduate Center ist das Kompetenzzentrum für postgraduale Weiterbildung der Universität Wien, das Universitätslehrgänge (mit und ohne Master-Abschluss) sowie Zertifikatskurse und offene Weiterbildungsformate durchführt (Postgraduate Center 2020). Die universitären Weiterbildungsangebote im Dolmetschbereich reichen von kurzen Seminaren in Innsbruck (drei Weiterbildungsseminare im Bereich „Community Interpreting - Seminare“ und ein Weiterbildungsseminar „Community Interpreting - Sensibilisierung von Fachkräften“), deren Dauer von wenigen Stunden bis zu einigen Tagen reicht, über Universitätskurse in Graz („Kommunaldolmetschen Basiskurs“ und „Kommunaldolmetschen Aufbaukurs“) und Innsbruck („Community Interpreting. Professionalisierung von Laiendolmetscherinnen und Laiendolmetschern im sozialen, medizinischen, psychotherapeutischen und kommunalen Bereich“) und Zertifikatskurse in Wien („Barrierefreie Kommunikation: Schriftdolmetschen“ und ab 2020 „Dolmetschen mit neuen Medien: CAI-Tools, Telefon- und Videodolmetschen“) bis zu den umfangreicheren Universitätslehrgängen mit und ohne Master-Abschluss in Wien (zwei gleichnamige Universitätslehrgänge „Dolmetschen für Gerichte und Behörden“) (Postgraduate Center 2020, UNI for LIFE 2020, Universität Innsbruck 2020). Die Angebotspalette enthält Programme zum Kommunaldolmetschen, wobei der Wiener Universitätslehrgang vor allem das Gerichtsdolmetschen abdeckt. Dadurch behandeln sie einen der größten Einsatzbereiche für Dolmetschende (Kadrić 2009: 5). 4 Universitätslehrgang „Dolmetschen für Gerichte und Behörden“ an der Universität Wien Anfang 2013 entwickelte sich das 2008 ins Leben gerufene Rektoratsprojekt zu einer fakultätsübergreifenden Dienstleistungseinrichtung der Universität Wien: dem Postgraduate Center (Gornik et al. 2018: 62f.). Das Angebot umfasst inzwischen über 60 Weiterbildungsprogramme (Postgraduate Center 2020). Insgesamt waren im Wintersemester 2019 1.936 Studierende zugelassen: 1.662 in einem Universitätslehrgang und 274 Personen in einem Zertifikatskurs. In den drei translatorischen Weiterbildungsprogrammen gab es im Wintersemester 2019 58 Studierende: im Zertifikatskurs „Barrierefreie Kommunikation: Schriftdolmetschen“ (12), Universitätslehrgang „Dolmetschen für Gerichte und Behörden“ (Grundlehrgang, 36) und Universitätslehrgang „Dolmetschen für Gerichte und Behörden (MA)“ (10) (SLW 2020, vorläufige Daten). Der Fokus der weiteren Ausführungen liegt auf den beiden letztgenannten Programmen. Der notorische Mangel an qualifizierten Dolmetschenden in Sprachen, die nicht in den translationswissenschaftlichen Regelstudien angeboten werden, wird in unterschiedlichen Kontexten immer wieder thematisiert. Ein anschauliches Beispiel ist eine parlamentarische Anfrage, in der auf den Notstand im gerichtlichen Dolmetschwesen hingewiesen wird. Der Ernst der Lage lässt sich u. a. daraus ableiten, dass das Durchschnittsalter der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten DolmetscherInnen im Sprengel des Landesgerichts Wien 2018 bei 14 Sprachen über 60 - für Arabisch sogar 70 - Jahre betrug (Österreichisches Parlament 2019). Besonders zugespitzt hat sich die Lage durch die Fluchtwelle ab 2015. Um dem akuten Dolmetschendenmangel bzw. den fehlenden Ausbildungsmöglichkeiten in Wien abzuhelfen, richtete die Universität Wien innerhalb kurzer Zeit ein bedarfsorientiertes Curriculum ein, das eine Translatorische Aus- und Weiterbildung 205 206 Ana-Maria Bodo Zusatzqualifikation samt Vorbereitung auf die Tätigkeit vor Gericht und bei Behörden bietet ( Jantscher-Karlhuber 2018: 10, Kadrić 2019: 160). 3 Der Universitätslehrgang „Dolmetschen für Gerichte und Behörden“ umfasst 90 ECTS, führt TeilnehmerInnen in vier Semestern zum Masterabschluss und wird in der Durchführung auf zwei Programme aufgeteilt: Auf einen Grundlehrgang zu 60 ECTS folgt ein Aufbauprogramm, in dem weitere 30 ECTS erworben werden. Anders als der Grundlehrgang bleibt der Master ausschließlich AkademikerInnen vorenthalten. Erstmals wurde der zweisemestrige Grundlehrgang 2016 in den Sprachen Arabisch, Dari/ Farsi und Türkisch - jeweils in Kombination mit Deutsch - angeboten. Dieser richtet sich an Personen, die als DolmetscherInnen und ÜbersetzerInnen „im Justizbereich, bei Polizei und Asylbehörden sowie in Gesundheits-, Bildungs- und Sozialeinrichtungen“ (Postgraduate Center 2020: 58) tätig sind bzw. sein wollen. Zur Zielgruppe gehören UniversitätsabsolventInnen sowie Nicht-AkademikerInnen, die über die Hochschulreife und eine mindestens vierjährige translatorische Berufserfahrung verfügen. BewerberInnen müssen Deutsch und die gewählte Sprache auf mindestens C1-Niveau beherrschen und sich einem Auswahlverfahren unterziehen, das die Prüfung der Bewerbungsunterlagen sowie schriftliche und mündliche Tests beinhaltet (ULG 2016). Da ein beträchtlicher Teil der Zielgruppe berufstätig ist, wird das Programm zwar in Vollzeit angeboten, findet aber geblockt zu berufsbegleitenden Zeiten statt. Inhaltlich gliedert sich der Universitätslehrgang in sechs Module zu jeweils 8 bzw. 10 ECTS. Ein Pflichtpraktikum (200 Stunden) sowie eine schriftliche und mündliche Abschlussprüfung sind vorgesehen. Das erste Semester erfolgt zum größten Teil sprachübergreifend. Die TeilnehmerInnen erwerben Grundlagenwissen und eignen sich Kompetenzen in folgenden Bereichen an: institutionelle Kommunikation, Dolmetschen und Übersetzen für Behörden, mündliches und schriftliches Texten, Gerichts- und Verwaltungsorganisation sowie Recherche und Terminologie. Das zweite Semester geht verstärkt auf sprachspezifische und kontrastive Dimensionen ein. So werden Kenntnisse erworben und Kompetenzen entwickelt, die für die Dolmetschtätigkeit in den Settings Gericht, Polizei, Asyl-, Bildungs- und Gesundheitswesen sowie für das institutionelle Übersetzen erforderlich sind. Bei den Abschlussprüfungen wird ein Fachtext ins Deutsche übersetzt und eine Dolmetschsituation simuliert. AbsolventInnen wird die akademische Bezeichnung „AkademischeR BehördendolmetscherIn“ verliehen (ULG 2016). 3 Die Autorin ist seit 2016 für das Program Management der Universitätslehrgänge „Dolmetschen für Gerichte und Behörden“ zuständig. Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich Daten und Zahlen in diesem Abschnitt auf eigene Erfahrungswerte. Inzwischen wurde das Grundgerüst um zwei Dimensionen erweitert: 2018 durch die Einführung des Masterstudiums und 2019 durch die Erweiterung des Sprachenangebots um Albanisch - weitere Sprachen sind angedacht. Das Curriculum aus dem Jahr 2016 sah die Möglichkeit vor, das Sprachenangebot nach Bedarf und Maßgabe der Möglichkeiten zu erweitern (ULG 2016), der Ausbau von 60 auf 90 ECTS bedurfte der Einrichtung eines neuen Curriculums (ULG 2018). Die ersten 60 ECTS des Masters entsprechen dem kompletten Grundlehrgang, die zusätzlichen 30 ECTS stellen eine Erweiterung dar. So können einerseits Kompetenzen im Bereich des Dolmetschens mit neuen Medien und des Übersetzens mit Übersetzungstools und andererseits translationswissenschaftliche Kompetenzen untergebracht werden. 14 ECTS gliedern sich in drei Module zu jeweils 4 oder 5 ECTS: 9 ECTS entfallen auf die erwähnten technologischen Erneuerungen der translatorischen Praxis und die restlichen 5 ECTS teilen sich auf eine Vorlesung und ein Seminar zur translationswissenschaftlichen Forschung. Abschließend verfassen TeilnehmerInnen eine Masterthesis (15 ECTS) und treten zur Masterprüfung (1 ECTS) an. Nach positiver Absolvierung aller vorgesehenen Leistungen wird den AbsolventInnen der akademische Grad „Master of Arts“ (MA) verliehen (ULG 2018). Abbildung 1 bietet eine Übersicht aller Module und Lehrveranstaltungen. Translatorische Aus- und Weiterbildung 207 208 Ana-Maria Bodo (Grafik: E. Frischengruber) Nachdem die Rahmenbedingungen thematisiert wurden, soll der Fokus auf die TeilnehmerInnen gerichtet werden. Insgesamt haben 61 Personen den Universitätslehrgang „Dolmetschen für Gerichte und Behörden“ in den ersten drei Zyklen (2016-2018) begonnen. 4 10 TeilnehmerInnen haben entweder das Studium noch nicht abgeschlossen oder es abgebrochen, sodass 51 Personen einen Abschluss vorweisen können (Stand November 2019). 13 AbsolventInnen haben sich danach für das Aufbauprogramm inskribiert; drei haben es bislang absolviert (Stand April 2020). Eine Aufschlüsselung der AbsolventInnen des Grundlehrgangs nach Arbeitssprachen, Zyklen und Geschlecht kann Tabelle 1 entnommen werden. Sprache 2016/ 17 m w 2017/ 18 m w 2018/ 19 m w Gesamt m w Arabisch 6 5 1 8 5 3 9 4 5 23 14 9 Dari/ Farsi 9 3 6 5 3 2 6 4 2 20 10 10 Türkisch 5 2 3 2 0 2 1 0 1 8 2 6 GESAMT 20 10 10 15 8 7 16 8 8 51 26 25 Tabelle 1: Abschlüsse Universitätslehrgang „Dolmetschen für Gerichte und Behörden“ nach Sprache, Studienjahr und Geschlecht (Stand November 2019) Es fällt auf, dass es in den Sprachen Arabisch und Dari/ Farsi mit jeweils 23 bzw. 20 die meisten Abschlüsse gibt, während es nur acht AbsolventInnen mit Türkisch gibt. Außerdem gibt es mehr Absolventen als Absolventinnen mit Arabisch, während das Geschlechterverhältnis bei Dari/ Farsi paritätisch ausfällt und es drei Mal mehr Absolventinnen mit Türkisch als Absolventen gibt. Hinsichtlich des beruflichen und akademischen Hintergrunds, Alters oder Herkunftsorts, um nur einige Punkte zu erwähnen, die hier zum Tragen kommen, ist die Gruppe besonders heterogen. Von den insgesamt 61 TeilnehmerInnen wurden 39 aufgrund der hochschulischen Vorbildung zugelassen. Die anderen 22 hatten keinen Hochschulabschluss, dafür aber mindestens - und teilweise viel mehr als - vier Jahre translatorische Berufserfahrung. Manche TeilnehmerInnen ohne abgeschlossenes Vorstudium hatten bereits einige Semester an einer postsekundären Bildungseinrichtung studiert und einigen fehlten nur wenige Leistungen, um das Vorstudium abzuschließen, andere hatten zum Zeitpunkt der Bewerbung (außer-) universitäre Weiterbildungsprogramme im Dolmetschbereich absolviert. Es gab 4 Wenn nicht anders erwähnt, beziehen sich die Ausführungen auf die TeilnehmerInnen der ersten drei Zyklen des Grundlehrgangs. Da alle TeilnehmerInnen des Masters gleichzeitig AbsolventInnen des Grundlehrgangs sind, wird auf sie nicht gesondert Stellung genommen. Translatorische Aus- und Weiterbildung 209 210 Ana-Maria Bodo auch Personen, die entweder noch nie zuvor an einer Hochschule zugelassen waren oder aber Studierende, die über mehrere Abschlüsse verfügen. Eine große Bandbreite der inhaltlichen Ausrichtung der Abschlüsse ist zu verzeichnen: von Transkultureller Kommunikation, Übersetzen oder Dolmetschen über Turkologie, Arabistik, Philosophie, Volks- und Betriebswissenschaft, Rechtswissenschaft, Medizin bis hin zu Agraringenieurwesen oder auch Maschinenbau. Viele AkademikerInnen waren vor der Zulassung translatorisch tätig oder brachten relevante Erfahrungen aus anderen Berufsfeldern mit (z. B. Rechtswissenschaften oder Sprachlehre). So lassen sich markante Unterschiede hinsichtlich des Erfahrungshorizontes der Teilnehmenden und ihres Zugangs zur Translation bzw. zum Lernen im universitären Kontext vermuten. Das Durchschnittsalter der Teilnehmenden beträgt 37 Jahre, wobei die jüngste Person am ersten Unterrichtstag 21 Jahre und die älteste Person beinahe 53 Jahre alt war, was einen Altersunterschied von über 31 Jahren ergibt. Es ist ersichtlich, dass das Alter der Teilnehmenden höher als in Regelstudien ist. So waren im Wintersemester 2019 lediglich 19 % aller Regelstudierenden an österreichischen Universitäten 31 Jahre und älter und die 20 bis 30-Jährigen machten sogar 72,73 % aller ordentlichen Studierenden aus (unidata 2020). Im Falle des Grundlehrgangs zeigt sich ein umgekehrtes Bild: Lediglich 19,67 % sind am Tag der ersten Lehrveranstaltung unter 30 und die restlichen 80,33 % sind 30 Jahre oder älter. Dies könnte Interaktionen der TeilnehmerInnen untereinander sowie zwischen Lehrenden und Lernenden beeinflussen und sich auf den Wissens- und Kompetenzerwerb auswirken. Der Geburtsort der Teilnehmenden dient als anschauliches Beispiel für den heterogenen kulturellen Hintergrund. Die TeilnehmerInnen kamen in jeweils einem von 12 Ländern auf die Welt: Afghanistan (5), Ägypten (5), Deutschland (3), dem Iran (17), Kuwait (1), Libyen (1), Marokko (1), Österreich (9), den Palästinensischen Gebieten (2), Syrien (9), Tunesien (2) oder in der Türkei (6). Die Regelstudien am Zentrum für Translationswissenschaft der Universität Wien (Bachelorstudium Transkulturelle Kommunikation und Masterstudium Translation ) sind eindeutig frauendominiert: 84,6 % Frauen im Vergleich zu 15,4 % Männern im Wintersemester 2018 (SLW 2019). Im Universitätslehrgang ist das Geschlechterverhältnis ausgeglichener: 52,5 % Teilnehmerinnen stehen 47,5 % Teilnehmern gegenüber. Diese hier veranschaulichte Heterogenität stellt Teilnehmende und Unterrichtende vor besondere Herausforderungen, kann aber bereichernd sein, da alle TeilnehmerInnen eine besondere Expertise in bestimmten Bereichen haben, die beim kollaborativen Lernen allen Beteiligten zugutekommen kann. Diesbezüglich lässt sich vermuten, dass es einige Unterschiede zwischen einem derartigen Weiterbildungsprogramm und einem translatorischen Regelstudium gibt. WeiterbildungsteilnehmerInnen haben zwar potenziell wegen Familie und Beruf weniger Freiräume und womöglich als zahlende Kundschaft höhere Erwartungen an die Qualität des Studienprogramms, bringen aber tendenziell mehr Expertise im Beruf und Studium sowie Lebenserfahrung mit. 5 Ausblick Die Entstehung neuer und die Erweiterung bestehender universitärer translatorischer Weiterbildungsprogramme der letzten Jahre in Österreich deuten auf einen zukünftigen Wachstumskurs hin. Die komplexe Thematik der universitären Weiterbildung weist Spezifika auf, die sie von Regelstudien unterscheiden. Sie wurde bereits aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet (u. a. Zielgruppen der Weiterbildung, bildungspolitische, gesetzliche oder institutionelle Rahmenbedingungen, konkrete Weiterbildungsprogramme); eine systematische Auseinandersetzung mit translatorischen universitären Weiterbildungsprogrammen steht noch aus. Es ist anzunehmen, dass die unterschiedlichen Erscheinungsformen dieser Weiterbildungsmaßnahmen sich auf mehreren Ebenen von translationswissenschaftlichen Regelstudien unterscheiden. Fragen nach dem Einfluss der universitären Weiterbildung auf individueller, institutioneller und gesellschaftlicher Ebene bleiben somit offen. Auf gesellschaftlicher und institutioneller Ebene sei hier an die gesellschaftlichen Implikationen und an die Bedeutung der universitären Weiterbildung für die Universität als Institution gedacht, die neben Forschung und Lehre auch Weiterbildung als gesetzlich verankerte Hauptaufgabe erfüllt. So reagieren Universitäten einerseits auf (veränderte) gesellschaftliche Bedürfnisse mit der Einrichtung von Weiterbildungsprogrammen; andererseits fließen die Ergebnisse der universitären Weiterbildungsarbeit in der Gestalt der AbsolventInnen durch ihr Handeln und Interagieren in beruflichen und sonstigen sozialen Kontexten zurück in die Gesellschaft. Auf individueller Ebene rücken die an Weiterbildungsprogrammen beteiligten AkteurInnen in den Mittelpunkt: die Weiterbildungsteilnehmenden und die Lehrenden. Ihre Beweggründe für die Mitwirkung an einer universitären Weiterbildung sind zu erforschen, ebenso die damit verbundenen Erwartungen, Anforderungen und die Wahrnehmung der „gelebten“ Weiterbildung. Darüber hinaus ist auch an Charakteristika der TeilnehmerInnen zu denken. Ihre Auswirkungen auf Lernprozesse und Gruppendynamik bzw. konkrete didaktische Methoden und Prinzipien sind zu beleuchten. Abschließend spielt auch das berufsbegleitende Studieren eine nicht zu unterschätzende Rolle im Gesamtgefüge der universitären Weiterbildung. Translatorische Aus- und Weiterbildung 211 212 Ana-Maria Bodo Schlussendlich ist anzunehmen, dass eine umfassende Auseinandersetzung mit konkreten universitären Weiterbildungsprogrammen diese präsumtiven Unterschiede prüfen und in Empfehlungen zur Verbesserung bestehender und die Entwicklung neuer Modelle der universitären Weiterbildung im Bereich der Translation münden kann. Bibliographie Birke, Barbara/ Hanft, Anke (2012). „Rahmenbedingungen der Weiterbildung in Österreich.“ In: Österreichische Qualitätssicherungsagentur/ Austrian Agency for Quality Assurance (AQA) (Hrsg.) Qualitätsentwicklung der Weiterbildung an Hochschulen . Wien: Facultas, 15-20. Bundesgesetz über die Errichtung des Universitätszentrums für Weiterbildung mit der Bezeichnung Donau-Universität Krems (DUK-Gesetz) BGBl 269/ 1994. 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Translatorische Aus- und Weiterbildung 213 Dolmetschqualität als gemeinsame Verantwortung 215 Dolmetschqualität als gemeinsame Verantwortung Aus- und Weiterbildung für DolmetscherInnen und NutzerInnen im Rechtsbereich Sylvi Rennert Abstract: Dolmetschqualität ist keine absolute Größe, sondern wird von verschiedenen Faktoren bestimmt, die nicht alle im Einflussbereich von DolmetscherInnen liegen. Neben dem professionellen translatorischen Handeln der Dolmetscherin bzw. des Dolmetschers wird die Qualität einer Dolmetschung von den Bedingungen der jeweiligen Dolmetschsituation, wie den Erfordernissen und Präferenzen der KommunikationsteilnehmerInnen, der Qualität des Ausgangstextes, der Sprechweise der RednerInnen, der Sitzordnung und anderen Faktoren bestimmt. Änderungen bei diesen können die Qualität beeinflussen. Der vorliegende Artikel betrachtet Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen für DolmetscherInnen, RechtspraktikerInnen und institutionelle NutzerInnen im Rechtsbereich als potenzielle qualitätsverbessernde Maßnahmen durch Sensibilisierung der einzelnen Berufsgruppen für die Aufgaben, Arbeitsweise und Bedürfnisse der anderen. Neben Trainings, die sich an einzelne Berufsgruppen wenden, werden auch gemeinsame Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen in Studium und Beruf vorgestellt. Das dadurch entstehende gegenseitige Verständnis soll dazu beitragen, gemeinsam die Bedingungen für erfolgreiche Dolmetschungen zu schaffen. Die Interdisziplinarität zieht sich wie ein roter Faden durch das Werk von Mira Kadrić: Kommunikationswissenschaft, Didaktik, Theaterpädagogik, Handlungstheorie, Kulturanthropologie, Kulturwissenschaft, Rechtswissenschaft und Translationswissenschaft sind bei ihr auf fachlicher wie methodischer Ebene verwoben. Dabei stehen der Dialog und die Position von DolmetscherInnen als allparteiische AkteurInnen im Kommunikationsprozess stets im Mittelpunkt. Mira Kadrić geht es nicht nur um die Untersuchung von Dolmetschprozessen und Arbeitsbedingungen oder die Bereicherung der Dolmetschausbildung durch neue didaktische Ansätze, sondern immer auch um die Erfüllung der sozialen Verantwortung und Third Mission der Universität: Bessere Ausbildung 216 Sylvi Rennert und Arbeitsbedingungen für DolmetscherInnen tragen auch dazu bei, die Kommunikation für alle Beteiligten zu verbessern. Der vorliegende Artikel widmet sich unter diesen Gesichtspunkten der Qualität von Dolmetschungen im Rechtsbereich und deren Verbesserung durch Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen. Nach einem kurzen Überblick über die rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen wird die Dolmetschqualität und wie sie in der institutionellen Kommunikation verbessert werden kann beleuchtet. Auf diese Ausführungen folgt eine Auswahl von Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen für DolmetscherInnen und RechtspraktikerInnen sowie institutionelle NutzerInnen in Justiz und Exekutive, wobei Trainings für einzelne Berufsgruppen einerseits und gemeinsame Trainings von DolmetscherInnen mit anderen Berufsgruppen andererseits vorgestellt und exemplarisch einige im Rahmen des von Mira Kadrić geleiteten EU-Projekts TransLaw 1 in Wien gehaltene gemeinsame Trainings näher beschrieben werden. 1 Das Recht auf Dolmetschung in Theorie und Praxis In Europa ist das Recht auf Dolmetschung in Strafverfahren zur Gewährleistung eines fairen Verfahrens in Art 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verbrieft. Eine Reihe von EU-Richtlinien (RL) regelt das Recht auf Dolmetschleistungen für verdächtige oder beschuldigte Personen in Strafverfahren (2010/ 64/ EU, 2012/ 13/ EU) und für Opfer von Straftaten (2012/ 29/ EU) sowie die kommunikativen Garantien für AntragstellerInnen im Asylverfahren (2013/ 32/ EU, 2013/ 33/ EU). Entsprechende Regelungen finden sich in den nationalen Gesetzgebungen der EU-Mitgliedsstaaten und ähnlich auch in vielen anderen Ländern. Bei den erforderlichen Qualifikationen für GerichtsdolmetscherInnen gibt es jedoch große Unterschiede und auch die konkrete Dolmetschpraxis im Gerichtssaal variiert: So lassen etwa in Österreich nur 29 % der RichterInnen von ihnen geleitete Verhandlungen im Strafverfahren immer vollständig dolmetschen (Kadrić 2009: 136), im Zivilverfahren gar nur 8 % (Kadrić 2009: 135). Dabei mag der höhere Zeitaufwand beim Konsekutivdolmetschen eine Rolle spielen - häufig werden DolmetscherInnen nämlich aufgefordert, Zeugenaussagen zusammenzufassen, Flüsterdolmetschen hingegen wird selten eingesetzt und manchmal auch nicht erlaubt, obwohl DolmetscherInnen es gerne anbieten würden, da es als störend empfunden wird (Balogh et al. 2019). Vor allem DolmetscherInnen selbst haben gelegentlich auch den Eindruck, sie würden als 1 Die Forschung im Rahmen des Projekts TransLaw - Exploring Legal Interpreting Service Paths and Transcultural Law Clinics for persons suspected or accused of crime wurde von der Europäischen Kommission gefördert (DG Justice Grant Agreement number: 760157 - TransLaw - JUST-AG-2016/ JUST-AG-2016-06) (Translaw). Dolmetschqualität als gemeinsame Verantwortung 217 Störfaktor oder Belastung empfunden (Balogh et al. 2019, Hale & Napier 2016). Die Bedingungen, unter denen Dolmetschleistungen erbracht werden, sind der Qualität derselben also nicht unbedingt zuträglich. 1.1 Anforderungen und Qualität Nach RL 2010/ 64/ EU ist durch konkrete Maßnahmen die „ausreichende Qualität“ der Dolmetschleistungen und Übersetzungen zu gewährleisten, etwa durch Register qualifizierter DolmetscherInnen. Als Qualitätskriterium gilt, „[…]dass verdächtige oder beschuldigte Personen wissen, was ihnen zur Last gelegt wird, und imstande sind, ihre Verteidigungsrechte wahrzunehmen“ (Art 2 der RL) 2 . In diesem Kriterium spiegelt sich die funktionalistische Sichtweise wider, nach der der Zieltext (ZT) für das Zielpublikum verständlich und funktionsgerecht sein sollte. Vor allem die Funktionsgerechtigkeit muss aus translationswissenschaftlicher Sicht differenziert betrachtet werden, denn gerade in rechtlichen Settings - vor allem im Gerichtssaal - wechseln sich verschiedene Arten translatorischen Handelns häufig ab: Während beim Dolmetschen von Äußerungen der Richterin bzw. des Richters oder der Staatsanwältin bzw. des Staatsanwaltes für die beschuldigte Person eine anpassende - erklärende oder an die kulturellen und sprachlichen Gegebenheiten angepasste - Dolmetschung aus Verständigungssicht die beste Wahl sein kann, werden umgekehrt die zum Prozessstoff gehörenden Aussagen von ZeugInnen oder Beschuldigten meist eher dokumentarisch gedolmetscht, sodass RichterInnen und andere Prozessbeteiligte tatsächlich denselben Eindruck erhalten, den sie bei einer Aussage in ihrer eigenen Sprache erhalten hätten, inklusive aller Versprecher, Unsicherheiten und Widersprüche (Kadrić 2009: 39-46; 2019: 92ff.). Die Verantwortung für die Qualität liegt dabei jedoch nicht nur bei der Dolmetscherin bzw. dem Dolmetscher. Der prozessorientierte Ansatz geht davon aus, dass Qualität „[…] der gelungene Einsatz von Dolmetschstrategien zur Lösung von Problemen im Verstehensvorgang, zur Erreichung translatorischer Lösungen und zur erfolgreichen Produktion des ZT […]“ ist (Kalina 2009: 171). Qualität ist folglich auch keine absolute Größe, sondern abhängig von den Bedingungen der jeweiligen Dolmetschsituation, wie den Erfordernissen und Präferenzen der KommunikationsteilnehmerInnen, der Situation, der Qualität des Ausgangstextes (AT) und der Sprechweise der RednerInnen (Kalina 2009: 177). 2 Nähere Empfehlungen zur Erreichung einer entsprechenden Qualität im Gerichts- und Behördendolmetschen wurden vor und nach Verabschiedung der Richtlinie in verschiedenen Arbeitsgruppen (z. B. DG Interpretation 2009, 2011) und Projekten (z. B. AEQUI- TAS/ AEQUALITAS (Hertog 2003)) und QUALITAS (QUALITAS - Assessing Legal Interpreting Quality through Testing and Certification) entwickelt. 218 Sylvi Rennert Schließen wir uns Kalinas Sichtweise an, so sehen wir, dass die Qualität der Dolmetschleistung davon beeinflusst wird, wo DolmetscherInnen im Gerichtssaal sitzen, wie gut sie alle Beteiligten hören und sehen, ob sie sich vorbereiten konnten, ob sie Urkunden oder Dokumente, die vorgelesen werden, vom Blatt dolmetschen dürfen oder dies auf Grundlage ihrer Notizen tun müssen, ob sie z. B. Zeugenaussagen für die Angeklagte bzw. den Angeklagten simultan flüstern oder überhaupt vollständig (konsekutiv) dolmetschen dürfen oder zusammenfassen müssen, ob die Beteiligten auf ihre Arbeitsweise und Bedürfnisse Rücksicht nehmen und vielen anderen Faktoren mehr. Auch Ozolins & Hale (2009: 3) betrachten Dolmetschqualität als eine gemeinsame Verantwortung aller beteiligten Parteien, von RednerInnen über AuftraggeberInnen, Bildungseinrichtungen und ForscherInnen bis hin zu den DolmetscherInnen: Quality in interpreting cannot be regarded as the sole responsibility of interpreters. All parties need to assume responsibility: each speaker needs to assume responsibility for what they say and how they say it; employers need to assume responsibility for providing suitable conditions and remuneration; the different systems need to assume responsibility for ensuring that minimum standards are demanded; educational institutions need to assume responsibility for providing adequate resources and support; researchers need to assume responsibility for making their research relevant, applicable and accessible to practitioners; and interpreters need to assume responsibility for their own professional development and professionalism. Wenn wir von der Verbesserung der Dolmetschqualität im Rechtsbereich sprechen, müssen wir also auch immer die Verbesserung der Arbeitsbedingungen im Blick haben. Besonders wichtig ist, dass sich alle Gesprächsbeteiligten dessen bewusst sind, welche Aufgaben und Bedürfnisse die anderen haben (Corsellis 2015, Hertog 2003, Ozolins & Hale 2009). In diese Richtung gehen auch die Empfehlungen der erwähnten Arbeitsgruppen (DG Interpretation 2009, 2011): Professionalisierung, entsprechende Bezahlung, Ausbildung und Trainings für NutzerInnen: Quality may also be improved by raising the service providers’ awareness of the nature and function of translation and interpreting in public service settings. Cooperation between service providers and translators/ interpreters should be actively pursued: a common understanding of the other’s role, goals, expectations and constraints is a precondition for a quality service. (DG Interpretation 2011: 16) Dies ist auch in RL 2010/ 64/ EU festgehalten, deren Artikel 6 bei der Weiterbildung von an Strafverfahren beteiligten Justizangehörigen „[…] besonderes Augenmerk auf die Besonderheiten einer dolmetschgestützten Verständigung […]“ fordert. Dolmetschqualität als gemeinsame Verantwortung 219 2 Aus- und Weiterbildung Die Forderung nach Aus- und Weiterbildung findet sich auch in der dolmetschwissenschaftlichen Literatur. In Befragungen wird von NutzerInnenseite meist die fachliche und terminologische Weiterbildung von DolmetscherInnen genannt, während DolmetscherInnen sich von NutzerInnen vor allem Verständnis für ihre Arbeitsweise und Aufgaben wünschen, um ihnen zu ermöglichen, gut zu arbeiten (vgl. Hale & Napier 2016, Perez & Wilson 2007). Aus dolmetschwissenschaftlicher Sicht wird ein solcher Trainingsbedarf meist auf beiden Seiten verortet, vor allem in Bezug auf Funktion und Handlungsweisen (z. B. Martonova 2003). DolmetscherInnen im Rechtsbereich sind Teil eines interdisziplinären Teams, in dem alle Mitglieder die Funktionen, Aufgaben und Handlungsweisen der anderen kennen müssen, um gut zusammenzuarbeiten, wie Hertog (2003: 107) betont: The legal system comprises a number of different disciplines, such as police officers, lawyers, judges, probation and prison officers. They are all trained to understand, recognise and support each other’s role, code of conduct and expertise […] Legal interpreters and translators are the newly formalised professions to join the legal multi-disciplinary team. Im Folgenden werden exemplarisch einige Aus- und Weiterbildungsformate vorgestellt, die international zur Anwendung kommen. Für DolmetscherInnen gibt es inzwischen zahlreiche Angebote, von der Einbindung rechtlicher Themen in allgemeine universitäre Dolmetschstudiengänge, spezielle Lehrgänge, Seminare und Fortbildungen von Berufsverbänden oder auf EU-Ebene (so wurden etwa im Rahmen des Building Mutual Trust-Projekts (BMT) Übungen und Trainingsunterlagen für die Ausbildung von DolmetscherInnen entwickelt). Auf eine nähere Beschäftigung mit solchen rein an DolmetscherInnen gerichteten Angeboten muss hier aus Platzgründen verzichtet werden, jedoch darf an dieser Stelle der von Mira Kadrić initiierte Universitätslehrgang „Dolmetschen für Gerichte und Behörden“ an der Universität Wien nicht unerwähnt bleiben, in dem seit 2016 auf postgradualer Ebene DolmetscherInnen für derzeit Albanisch, Arabisch, Dari/ Farsi und Türkisch, jeweils in Kombination mit Deutsch, ausgebildet werden (vgl. Kadrić 2019: 159-169). Daher werden hier zunächst eine Auswahl von Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen für RechtspraktikerInnen und institutionelle NutzerInnen und im Anschluss daran gemeinsame Trainings dieser Gruppen mit DolmetscherInnen (bzw. Studierenden der entsprechenden Fächer) vorgestellt. 220 Sylvi Rennert 2.1 Trainings für einzelne Berufsgruppen Trainingsmaßnahmen für institutionelle NutzerInnen und RechtspraktikerInnen bzw. Studierende der Rechtswissenschaften reichen von Online-Kursen über Workshops bis hin zu Ausbildungsmodulen. Als didaktische Methoden finden sich sowohl rein theoretischer Input als auch Diskussionen, praktische Übungen oder interaktive Multimedia-Trainings. So widmen sich verschiedene EU-Projekte der Entwicklung von audiovisuellem Trainingsmaterial für Polizei und Justizangehörige für die Durchführung von Trainings oder das Selbststudium (z. B. AVIDICUS und Building Mutual Trust 2 (BMT)). Im Rahmen bzw. in Folge des EU-Projekts Aequalitas wurden u. a. in Dänemark bereits ab 2001/ 2002 verschiedene Seminare für RichterInnen und Polizei zur Arbeit mit DolmetscherInnen initiiert (Hertog et al. 2007: 156) und in Österreich gibt es in der Ausbildung von RichteramtsanwärterInnen (RiAA) seit 2008 ein Grundrechtsmodul, bei dem unter anderem das Dolmetschen bei Gericht behandelt wird (Buchinger et al. 2015). In Australien werden regelmäßig Vorträge und Workshops für RichterInnen, AnwältInnen und andere im Rechtsbereich tätige Personen sowie Studierende der Rechtswissenschaften durchgeführt, bei denen eine Mischung aus theoretischem Input, Diskussionen anhand praktischer Beispiele, konkreten Handlungsanweisungen für die effektive Arbeit mit DolmetscherInnen und intralingualen Gedächtnisübungen zum Veranschaulichen der Schwierigkeiten des Dolmetschens zum Einsatz kommt (Hale 2015). In Schottland finden Trainings für Polizeibeamte statt, bei denen grundlegende Informationen zur Arbeit mit DolmetscherInnen vermittelt und Bewusstsein für die Funktion und Arbeitsweise von DolmetscherInnen geweckt werden und es werden Trainings für AusbilderInnen der Polizeiakademie im Bereich Vernehmungstechnik angeboten (Perez & Wilson 2007). Ein Beispiel für die Integration entsprechender Inhalte ins Studium findet sich an der Law Clinic der Hamline University in Minnesota, wo die Studierenden auf die Arbeit mit DolmetscherInnen vorbereitet werden. Law Clinics (s. auch Soyer in diesem Band) sind ein in den USA weit verbreiteter praxisnaher Bestandteil des Studiums der Rechtswissenschaften, bei dem Studierende unter Aufsicht pro bono echte KlientInnen beraten. Im Rahmen dieses Trainings beschäftigen sie sich nicht nur mit den rechtlichen Rahmenbedingungen und den Kriterien, die sie bei der Wahl einer Dolmetscherin bzw. eines Dolmetschers beachten sollten - neben Sprachkenntnissen und Ausbildung auch Rollenverständnis und Berufsethik -, sondern erproben auch in praktischen Übungen die Herausforderungen des Konsekutiv- und Simultandolmetschens. Sie lernen außerdem, wie sie sich auf dolmetschgemittelte Beratungsgespräche vorbereiten und was sie während eines solchen Gesprächs beachten sollten, sowie wie sie vorgehen sollten, wenn ihre KlientInnen vor Gericht eine Dolmetschung benötigen. (McCaffrey 2000) Dolmetschqualität als gemeinsame Verantwortung 221 2.2 Berufsgruppenübergreifende Trainings Die Integration juristischer und anderer Fachinhalte in die Dolmetschausbildung sowie das Anbieten von Einheiten zum Umgang mit gedolmetschten Gesprächssituationen in der Aus- und Weiterbildung von RechtspraktikerInnen bzw. institutionellen DolmetschnutzerInnen, wie oben beschrieben, können bereits große Wirkung zeigen und sind sicherlich für den Erwerb theoretischer Kenntnisse und grundlegender Fertigkeiten sinnvoll, sie können aber den persönlichen Austausch und die Erfahrung der tatsächlichen Zusammenarbeit im Team nicht ersetzen. Bei den hier vorgestellten gemeinsamen Trainings kommt eine Vielfalt an Methoden von unterschiedlicher Interaktivität und Praxisnähe zum Einsatz. Methodisch gibt es zunächst die Möglichkeit des mündlichen Austausches, etwa wenn sich PolizistInnen und DolmetscherInnen in England über ihre Erfahrungen mit Dolmetschungen, Herausforderungen, Arbeitsmethoden und Erwartungen austauschen (Norton 2020). Ebenfalls in England wurde ein Workshop mit der Polizei von Cambridgeshire zu gedolmetschten Vernehmungen durchgeführt (Norton 2020). Auch an der Universität Wien wurde eine gemeinsame Lehrveranstaltung zur Vernehmungstechnik veranstaltet (Kadrić et al. in Vorbereitung; siehe unten), in der auch Rollenspiele und andere praktische Übungen zum Einsatz kamen. Noch praxisnäher sind Simulationen oder gemeinsame Einsatzübungen. Bei Rollenspielen können die TeilnehmerInnen verschiedene Handlungsweisen ausprobieren, während bei Simulationen und vor allem bei Einsatzübungen die Zusammenarbeit im Team im Vordergrund steht. In allen Fällen erhalten die TeilnehmerInnen durch die Übung und die anschließende gemeinsame Analyse Einblicke in die Handlungs- und Denkweisen der anderen Beteiligten. Verschiedene Übungen und Trainingsmodule finden sich z. B. in einem im Rahmen von Co-Minor-IN/ QUEST II entwickelten Handbuch für gemeinsame Trainings von PsychologInnen, Polizei- und Justizangehörige sowie DolmetscherInnen zur Befragung von Minderjährigen (Balogh et al. 2018) oder dem im Projekt TransLaw erstellten Leitfaden für Joint Trainings von RechtspraktikerInnen und DolmetscherInnen bzw. Studierende dieser Fächer (Falbo & Viezzi 2019a), dessen Anwendung hier näher beschrieben werden soll. Das DG Justice-Projekt TransLaw wurde 2018-2019 von einem aus den Universitäten Wien, Maribor, Triest und KU Leuven bestehenden Konsortium unter wissenschaftlicher Leitung von Mira Kadrić durchgeführt. Dabei wurde einerseits der Status Quo von Dolmetschungen für verdächtige oder beschuldigte Personen in den Partnerländern untersucht, andererseits wurden verschiedene Aus- und Fortbildungsmaßnahmen entwickelt, die zur Verbesserung der Situation beitragen sollten: Transkulturelle Law Clinics für die gemeinsame Ausbildung von Studierenden der Rechts- und Translationswissenschaft sowie Joint 222 Sylvi Rennert Trainings für RechtspraktikerInnen und DolmetscherInnen. In Wien wurde das Joint Training als Workshop für RiAAs und angehende GerichtsdolmetscherInnen durchgeführt. Letztere hatten alle eine Dolmetschausbildung abgeschlossen, waren berufstätig und strebten die Ablegung der GerichtsdolmetscherInnenprüfung an. RiAAs sind AbsolventInnen der Rechtswissenschaften, die im Rahmen einer dreijährigen Ausbildung an verschiedenen Gerichten in Rotation sind. Die TeilnehmerInnen waren alle mindestens im zweiten Jahr, eine hatte bereits vor kurzem die Richteramtsprüfung abgelegt. Der eintägige Workshop begann mit einem Erfahrungsaustausch und Fragen von Seiten der TeilnehmerInnen, die im anschließenden theoretischen Input von der Workshopleitung aufgegriffen wurden. Bereits im Gespräch unter den TeilnehmerInnen zeigte sich, dass viele Fragen oder als frustrierend erlebte Situationen bei gedolmetschten Verhandlungen schon durch das Kennenlernen der anderen Perspektive gelöst werden konnten. Am Nachmittag wurde eine Verhandlung mit Dolmetschung in und aus drei Sprachen simuliert und anschließend diskutiert. In einer direkt anschließend und nach drei Monaten nochmals durchgeführten Evaluierung zeigte sich, dass bereits dieser eintägige Workshop ausgereicht hatte, um ein besseres Verständnis für die Arbeit und Bedürfnisse der jeweils andere Berufsgruppe zu entwickeln und sich dies auch in der Praxis niedergeschlagen hatte, etwa bei der Bestellung von DolmetscherInnen oder der Sprechweise. (Falbo & Viezzi 2019b) Wie erwähnt können auch Simulationen und Einsatzübungen durchgeführt werden, bei denen alle Beteiligten in einer wirklichkeitsnahen Situation zusammenarbeiten. Für das Gerichtsdolmetschen bieten sich hier simulierte Gerichtsverhandlungen an, im Polizeibereich können Vernehmungen simuliert werden, doch gibt es gerade beim Dolmetschen für die Polizei auch andere Situationen, die von den anderen Beteiligten - Polizei, Rettungsdienste, psychosoziale Dienste usw. - zu Übungszwecken simuliert werden und die auch für DolmetscherInnen eine ungewöhnliche und mit Stress verbundene Situation darstellen. Die Einbindung von DolmetscherInnen in praktische Einsatzübungen findet bislang hauptsächlich im Militärbereich statt, wäre jedoch auch in anderen Bereichen zum Erproben der Arbeit als Team wertvoll, wie Corsellis (1997: 87) argumentiert: When there is a road traffic accident, police officers, fire and rescue officers, doctors, and nurses all work swiftly and smoothly as a team. They know and respect - because they have been trained to do so - each other’s roles, responsibilities, strengths, and expertise. The linguist must be able to stand shoulder to shoulder within the team on the same basis. Dolmetschqualität als gemeinsame Verantwortung 223 In Großbritannien werden seit 2017 solche berufsgruppenübergreifenden Trainings in simulierten Geiselnahme- und anderen Krisenszenarien durchgeführt. Bei der Zusammenarbeit in diesen dynamischen Stresssituationen kommen auch Erkenntnisse zu Tage, die bei einem Workshop oder auch einer Simulation, die nur mit Mitgliedern einer Berufsgruppe durchgeführt wird, nicht auftreten, etwa konkrete Beispiele für interkulturelle Vermittlung durch DolmetscherInnen oder Fragen der räumlichen Interaktion. Die DolmetscherInnen werden als ExpertInnen auf ihrem Gebiet erlebt und fühlen sich als gleichwertige Teammitglieder, was die Kommunikationsbasis verbessert (Norton 2020). Die bisher genannten Trainings sind weitgehend im Bereich der Weiterbildung angesiedelt und meist eher kurz - über wenige Stunden oder Tage - angelegt. Da die TeilnehmerInnen bereits im Berufsleben stehen und Erfahrung mit gedolmetschten Gesprächen haben, kann auch in einer kurzen Schulung viel nützliches Wissen vermittelt werden. Nachteile dabei sind, dass meist nur eine kleine Gruppe von - oft ohnehin bereits interessierten - Personen erreicht wird, wenn solche Trainings nicht verpflichtend sind, und dass manche Verhaltensweisen und Einstellungen bereits zur Routine geworden und daher schwerer zu ändern sind. Setzt man bereits in der Berufsausbildung - etwa im Studium oder an der Polizeiakademie - an, kann schon früh ein Bewusstsein für die Besonderheiten gedolmetschter Kommunikation geweckt werden. Dies war das Ziel der bereits erwähnten Transkulturellen Law Clinics und der Lehrveranstaltung „Vernehmungstechniken: kriminologische und translatorische Perspektiven“(Kadrić et al. in Vorbereitung), mit der im Wintersemester 2018/ 19 der gemeinsame Unterricht für Studierende der Rechts- und Translationswissenschaft an der Universität Wien erstmals erprobt wurde. Durch gemeinsames fächerübergreifendes Lernen und praktische Übungen sollten die Studierenden bereits früh ein Verständnis für die Funktionen und Aufgaben der jeweils anderen Berufsgruppe entwickeln und lernen, diese in ihrer eigenen Tätigkeit zu berücksichtigen. Zu den Lehrveranstaltungsinhalten gehörten die theoretische Einführung in das (Gerichts)Dolmetschen und die Vernehmungstechnik sowie das Durchspielen von Befragungsszenarien mit Dolmetschung unter Verwendung von Methoden der Theaterpädagogik (Kadrić 2011). Durch die Wiederholung von Szenen konnten die TeilnehmerInnen unterschiedliche Strategien ausprobieren. In den anschließenden ausführlichen Besprechungen kamen von beiden Seiten wichtige Fragen, etwa nach dem Grund für die genaue Formulierung einer Frage des „Richters“ und wie in der Dolmetschung der gleiche Effekt erzielt werden könnte oder nach der für DolmetscherInnen besten Sitzordnung; zudem lernten die TeilnehmerInnen die Vorteile des Flüsterdolmetschens - v. a. den schnelleren Verfahrensablauf und eine vollständigere Dolmetschung - schätzen. Aufbauend 224 Sylvi Rennert auf den Erfahrungen aus der Lehrveranstaltung Vernehmungstechniken gab es auch im Pilotprojekt Transkulturelle Law Clinic (Wintersemester 2019/ 20) theoretischen Input, unter anderem von Gastvortragenden wie einer Strafverteidigerin und einer Psychologin. Die TeilnehmerInnen beobachteten und analysierten außerdem mehrere gedolmetschte Verhandlungen bei Gericht und zum Abschluss wurde eine simulierte Verhandlung mit Dolmetschung an einem Bezirksgericht durchgeführt. Die Dauer der hier vorgestellten verschiedenen Trainings ist sehr unterschiedlich und reicht von wenigen Stunden bis zu einem Semester. Dies richtet sich vor allem nach dem bisherigen Erfahrungsstand der TeilnehmerInnen - während Studierende erst an die Themen herangeführt werden und die entsprechenden Fertigkeiten entwickeln müssen, sind bei Personen mit Berufserfahrung vor allem der Austausch mit Mitgliedern der anderen Berufsgruppen und praktische Übungen sinnvoll, die auch in relativ kurzer Zeit durchgeführt werden können. Vor allem bei Personen mit Berufserfahrung ist es sicherlich sinnvoll, den Austausch und die Praxis in den Vordergrund zu stellen und theoretisches Wissen allenfalls ergänzend dazu zu vermitteln. Rein theoretische berufsgruppenübergreifende Seminare erscheinen bei diesen weniger sinnvoll, da hier das volle Potenzial der Gruppenzusammensetzung nicht ausgeschöpft wird. Es ist anzunehmen, dass für die gezielte Vermittlung von theoretischen Inhalten und gegebenenfalls auch einzelnen Fertigkeiten homogene TeilnehmerInnengruppen besser geeignet sind. Je nach Zielgruppe und Thema können praktische Übungen verschiedener Ausprägung eingesetzt werden: für das gemeinsame Erarbeiten möglicher Strategien für bestimmte Situationen, etwa Konflikte zwischen zwei Gesprächspartnern oder Umstände bzw. Verhaltensweisen, die das Dolmetschen erschweren, sind theaterpädagogische Methoden eine gute Möglichkeit, während zum Erproben der Teamarbeit detaillierte Simulationen und Einsatzübungen gut geeignet sind. Bei allen in diesem Abschnitt vorgestellten Trainings schätzten die TeilnehmerInnen besonders die gemischte Zusammensetzung der Gruppe. Der damit einhergehende Erkenntnisgewinn, der durch rein theoretische Wissensvermittlung wohl kaum erreicht werden kann, spricht dafür, bevorzugt berufsgruppenübergreifende Trainings durchzuführen. 3 Conclusio Ausgehend vom prozessorientierten Qualitätsbegriff, bei dem alle Beteiligten zum Gelingen der gedolmetschten Kommunikation beitragen, wurden hier einige Trainings für einzelne und mehrere Berufsgruppen vorgestellt. Während Trainings für einzelne Berufsgruppen zur Vermittlung theoretischer Inhalte und zum Aneignen einzelner Fertigkeiten - etwa grundlegender Dolmetschtechni- Dolmetschqualität als gemeinsame Verantwortung 225 ken oder dem Leiten einer Verhandlung - geeignet sind, sind berufsübergreifende Trainings für den Austausch und praktische Übungen besser. Hier zeigt sich auch, dass abhängig von der Zielgruppe selbst kurze berufsgruppenübergreifende Trainings mit praktischer Komponente eine Verhaltensänderung im Arbeitsalltag erwirken können. Die besprochenen Trainings fanden teils im Studium, teils zu Beginn der Karriere und teils für bereits im Berufsleben stehende Personen statt. Während Veranstaltungen im Studium die TeilnehmerInnen von Anfang an sensibilisieren und deren Einstellung womöglich nachhaltiger ändern können als Fortbildungen im Berufsleben, haben die TeilnehmerInnen solcher Trainings auch im eigenen Fach noch nicht alles gelernt, was für eine gedolmetschte Situation relevant ist. Sie lernen gemeinsam sowohl ihre eigenen Funktionen und Aufgaben als auch die der anderen kennen, im Rollenspiel kann dies aber bedeuten, dass sie nicht entsprechend ihrer eigenen handeln. Sinnvoll ist es hier, zumindest eine der Rollen mit jemandem zu besetzen, der sie beherrscht - etwa mit einem erfahrenen Richter, wie dies in der Abschlusssimulation der Transkulturellen Law Clinic gemacht wurde. Workshops mit BerufsanfängerInnen profitieren davon, dass alle zumindest etwas an Erfahrung mitbringen und ihre eigene Rolle realistisch spielen können, aber möglicherweise noch empfänglicher für Input sind als später, wenn sie bereits feste Routinen entwickelt haben. Diese können bei erfahrenen DolmetscherInnen, RichterInnen, PolizistInnen und anderen institutionellen NutzerInnen schwerer zu ändern sein, doch bei gemeinsamen Simulationen und Einsatzübungen können diese TeilnehmerInnen überzeugend in ihrer Funktion handeln und die Erkenntnisse zur Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen direkt und regelmäßig im Berufsleben umsetzen. Denkbar sind auch gemischte Modelle, bei denen die TeilnehmerInnen einen unterschiedlichen Erfahrungsstand haben, wie dies etwa an der Universität Sheffield im Bereich des Gesundheitsdolmetschens geschieht: Dort werden Rollenspieltrainings für Medizinstudierende mit professionellen DolmetscherInnen durchgeführt, die sich auf Gesundheitsdolmetschen spezialisieren möchten (Bansal et al. 2014). Aus didaktischer Sicht ist es sicherlich sinnvoll, solche Trainingsangebote auf allen Ebenen anzubieten, wofür sich Mira Kadrić schon seit langem engagiert: gemeinsame Lehrveranstaltungen im Studium, Workshops für BerufsanfängerInnen und regelmäßige Weiterbildungen für erfahrene JuristInnen, Justizangehörige, Exekutivbeamte und DolmetscherInnen im Sinne des lebenslangen Lernens. 226 Sylvi Rennert Bibliographie AVIDICUS. Abrufbar unter: www.videoconference-interpreting.net/ (Stand: 28/ 09/ 2020). Balogh, Katalin/ Salaets, Heidi/ Van Schoor, Dominique (2018). Interpreter-mediated Child Interviews . 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Gerichtsdolmetschen in Slowenien 229 Im Königreich der Wörter Gerichtsdolmetschen für angeklagte fremdsprachige Personen in Slowenien Vlasta Kučiš Abstract: Der Bedarf an Dolmetschleistungen ist auch in Slowenien stark angestiegen, besonders bei Gerichtsverhandlungen für Angeklagte, die Slowenisch weder sprechen noch verstehen. In diesem Kontext wird an der Universität Maribor im Rahmen des Projekts TransLaw ein interdisziplinär konzipiertes Seminar angeboten, um zukünftige DolmetscherInnen und JuristInnen für eine konstruktive Kooperation zu sensibilisieren und auf die Bedeutung der Translation bei der transkulturellen juristischen Kommunikation aufmerksam zu machen. In diesem Beitrag werden vor dem Hintergrund der europäischen und slowenischen Rechtslage das innovative Potential dieses Seminars vorgestellt. 1 Gerichtsdolmetschen als juristische Kommunikationsbrücke in der EU Die europäische vielsprachige Gesellschaft bietet eine Rechtsgrundlage für Meinungsfreiheit, Zugang zu Informationen und sprachliche Gleichberechtigung in Strafverfahren (RL 2010/ 64/ EU). Migration, Mobilität und sprachlich-kulturelle Vielfalt prägen Europa seit Jahrhunderten, aber auch Mehrsprachigkeit und Multikulturalität gehören zu den Hauptcharakteristika des alten Kontinents. Globalisierung und Migrationsbewegungen haben alle Lebensbereiche im europäischen Raum beeinflusst. Dies lässt sich nicht nur in einer zunehmenden kulturellen und damit auch sprachlichen Vielfalt erkennen, sondern auch im Gerichtswesen, in dem sich - nicht zuletzt auch in Slowenien - der demografische Hintergrund der Personen, die begangener Straftaten verdächtigt oder beschuldigt werden, verändert hat. Slowenien und Österreich sind traditionell Länder, in denen die Bevölkerung mit Migrationshintergrund kontinuierlich wächst. Laut der staatlichen Statistikdaten lag Anfang 2020 in Österreich der 230 Vlasta Kučiš Ausländeranteil an der Gesamtbevölkerung bei 16,7 % (Statistik Austria), in Slowenien bei 7,6 % (Statistični urad RS). Slowenien war und ist ein Zielland hauptsächlich für arbeitsbedingte und wirtschaftliche Migration, gefolgt von Bildungsmigration. Deswegen konzentriert sich dieser Beitrag auf die Möglichkeiten, Pro-Bono Dolmetscherdienste in transkulturellen Rechtskliniken für aus dem Ausland stammende und migrierte Menschen anzubieten, die die slowenische Sprache nicht beherrschen und verdächtigt oder beschuldigt werden, Straftaten begangen zu haben. Der Fokus auf diese Zielgruppe ist kein Zufall. Die EU setzt sich für Rede- und Meinungsfreiheit ein, einen freien Zugang zu Informationen und vor allem für die Gleichberechtigung in Strafverfahren. Gemäß der EU-Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Art 5/ 6) haben alle Personen das Recht auf ein faires Verfahren in einer für sie verständlichen Sprache. Angesichts der Tatsache, dass in Europa und in Slowenien die Vielfalt der straffälligen Bevölkerung als Folge der Globalisierungs- und Migrationstrends steigt, rücken damit auch die Sprachanforderungen in den einzelnen EU-Ländern in den Vordergrund der öffentlichen Debatte, da es für einige Sprachkombinationen keine qualifizierten DolmetscherInnen gibt. Die Bereitstellung von professionellen Dolmetscherdiensten für AusländerInnen, die die Sprache nicht sprechen und eines Verbrechens oder einer rechtswidrigen Tat verdächtigt oder beschuldigt sind, ist von entscheidender Bedeutung, um Menschenrechte zu sichern und zu schützen. Wie Kučiš (2020) bemerkt, hat die Globalisierung zwar einen intensiven Kontakt zwischen verschiedenen Kulturen, Sprachen und Nationen bewirkt, gleichzeitig aber keine einheitliche Sprache, Kultur bzw. Rechtskultur hervorgebracht. Daher stellen die fortschreitenden Globalisierungsprozesse nun quantitativ wie auch qualitativ neue Anforderungen an die DolmetscherInnen und ÜbersetzerInnen, die nicht nur sprachliche Exzellenz-Kriterien erfüllen müssen, sondern auch ExpertInnen in bestimmten, mitunter eng gefassten Fachbereichen, wie beispielsweise verschiedenen Rechtsordnungen, sein müssen. GerichtsdolmetscherInnen sollen neben fachsprachlichen, kulturellen und juristischen Kompetenzen auch besondere psychologische Fähigkeiten besitzen, um sich emotional bei Strafverhandlungen distanzieren und konzentriert das Gerichtsverfahren verfolgen zu können. GerichtsdolmetscherInnen führen insbesondere psychologische und emotionale Aspekte an, die zu Beginn der Karriere schwieriger zu meistern sind als kulturelle und sprachliche Herausforderungen. Vor kurzem hat die Autorin mit der Gerichtsdolmetscherin Metka Dubrovnik aus Maribor ein Interview über ihre Dolmetschtätigkeit bei Gerichtsverhandlungen geführt. Mit diesen Worten schilderte die langjährige Gerichtsdolmetscherin ihre Erfahrungen und ihre Tätigkeit bei Strafverhandlungen: Gerichtsdolmetschen für angeklagte fremdsprachige Personen in Slowenien 231 Bei Gerichtsverhandlungen wird meistens sehr schnell, sehr viel und oft auch ziemlich lange geredet, das hängt vom Richter und den Anwälten ab. Man hat wenig Zeit sich entsprechend vorzubereiten, auch Gerichtsakten stehen nicht immer zur Verfügung. Es gibt niemanden, der einen gründlich auf diesen Job vorbereiten kann, weil man die Aussagen von Menschen unterschiedlicher Bildung, sozialer Gesellschaftsschicht mit unterschiedlichem finanziellem Status dolmetschen muss. Man dolmetscht Aussagen von Personen, die so schnell gesprochen haben, dass man es einfach nicht schaffen konnte, so schnell zu dolmetschen. Ich dolmetschte manchmal auch zwei Stunden lang, obwohl es sich nur um drei wesentliche Sätze handelte. Die Thematik im Strafrecht ist sehr unterschiedlich, man beschäftigt sich mit Raubüberfällen, Geldwäscherei, Mord, bis hin zum Drogenverkauf. Menschen vor Gericht verlieren sich oft in ihren Aussagen, meistens aus Angst. Für mich ist es sehr wichtig, immer zu versuchen, die Person im Strafprozess richtig zu verstehen und dies dem Richter sinngemäß zu übertragen. Der Kontakt zu den Personen, die man dolmetschen muss, ist auch wichtig. Es handelt sich vor allem um Vertrauen. Man entspannt sich, wenn man mit mir spricht. Oft passiert es, dass die Angeklagten die juristische Autorität im Gerichtssaal nicht mehr als den wahren Kommunikationspartner betrachten, sondern mich. Eigentlich spricht der fremdsprachige Angeklagte mit mir. Ich bin aber nur Vermittlerin, mein Job ist nur zu vermitteln, anders ausgedrückt, ich bin eine Unterstützung und Hilfe beim Verständigungsprozess, damit das Strafverfahren möglichst reibungslos zu Ende gebracht werden kann. Ich bin bei Gericht ausschließlich eine Kommunikationshilfe. Meine Rolle ist klar, ich muss im Namen der Institution eine korrekte Dolmetschung gewährleisten und habe keinen Einfluss auf das Strafverfahren. DolmetscherInnen im Rechtsbereich wirken also als Brücken zwischen verschiedenen Rechtskulturen. Dabei wird dem Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht eine wichtige Rolle zugeteilt um allen ProzessteilnehmerInnen ihre Rechte zu sichern, denn immer mehr ausländische fremdsprachige Personen sind besonders bei Strafverfahren auf Dolmetschen und Übersetzen angewiesen, um sich überhaupt verständigen zu können (Kadrić 2019). GerichtsdolmetscherInnen tragen Verantwortung für die kommunikativen Rechte der fremdsprachigen ProzessteilnehmerInnen im Sinne des europäischen Menschenrechtschutzsystems. Es ist ihre Aufgabe Schriftstücke und die mündliche Kommunikation sowohl möglichst genau zu übertragen, als auch bei potentiellen Missverständnissen bedingt durch z. B. kulturelles Unverständnis, die juristische Fachsprache oder den Bildungshintergrund der ProzessteilnehmerInnen erklärend zu dolmetschen. Die Dolmetschtätigkeit muss neutral ausgeübt werden. „Zur Neutralität gehören auch die Schweigepflicht und der Verzicht darauf, Informationen zum eigenen Vorteil zu benutzen“ (Driesen & Petersen 2011: 6). Es handelt sich um eine große Verantwortung für GerichtsdolmetscherInnen, denn „Rechtstexte sind in der Regel durch eine spezifische, exakte und eindeutige Terminologie charakterisiert, um Doppeldeutigkeiten und damit eng verbun- 232 Vlasta Kučiš denen Missverständnissen vorzubeugen, was von GerichtsdolmetscherInnen unbedingt zu beachten ist, da bei der Dolmetschung die juristischen Inhalte des Ausgangs- und Zieltextes dieselbe Information, denselben Transparenzgrad sowie auch dieselbe Textfunktion haben sollen“ (Kučiš & Dubrovnik 2013: 59). Einige der Herausforderungen, mit denen DolmetscherInnen dabei konfrontiert sind, hängen mit der Asymmetrie der Rechtssysteme zusammen sowie mit der damit verbundenen Relativität der Rechtsterminologie. 2 Europäische Menschenrechtskonvention im Lichte des slowenischen Gerichtsdolmetschens Die Europäische Menschenrechtskonvention (Artikel 5/ 6) garantiert, dass alle Personen das Recht auf ein faires Verfahren in einer Sprache haben, die sie verstehen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg entschied im Jahre 2018, dass Slowenien dagegen verstoßen habe, indem es dem litauischen Staatsbürger Vizgirda beim Gerichtsverfahren keine Kommunikation auf Litauisch ermöglicht hätte. Laut Gerichtsurteil wurde Vizgirda 2002 vom Bezirksgericht Kranj wegen Beteiligung an einem bewaffneten und gewaltsamen Raubüberfall auf eine Bankfiliale in Radovljica zu acht Jahren und vier Monaten Gefängnis verurteilt (Kučiš 2020). Slowenien verletzte das Recht des Angeklagten auf ein faires Verfahren, da die gerichtliche Auslegung und Übersetzung auf Russisch erfolgten. Im vorliegenden Fall entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, dass Slowenien Vizgirda eine Entschädigung in Höhe von 6.250 Euro zahlen muss. Der/ die jeweils vorsitzende Richter/ in entscheidet, ob ein/ e Gerichtsdolmetscher/ in ernannt werden soll und ob gegebenenfalls bestimmte gerichtliche Schritte aufgrund der Sprachbarriere zu verschieben sind. Aus der slowenischen Rechtspraxis geht hervor, dass die Frage, wann ein/ e Dolmetscher/ in zu ernennen ist und wann nicht, ziemlich problematisch ist, denn im erwähnten Gerichtsverfahren hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte erst kürzlich höhere Standards festgelegt als diejenigen, die zuvor in der slowenischen Gerichtspraxis galten. Der Beschwerdeführer Vizgirda, dessen Muttersprache Litauisch ist, beschwerte sich beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, dass er nach der Anklage wegen Raubes kein faires Verfahren in Slowenien erhalten habe. Die Dolmetschung wurde ihm in allen Verfahrensphasen in russischer Sprache zugesichert, die er angeblich nicht verstanden hätte, obwohl keine im Strafprozess beteiligte Person, einschließlich der Dolmetscher, bemerkt hatte, dass der Angeklagte Probleme mit der Kommunikation in dieser Sprache hatte. In seiner Beschwerde beim Gerichtshof für Menschenrechte führte er allerdings an, er verstehe kein Russisch und seine Sprachrechte seien verletzt worden. Der Oberste Gerichtshof Sloweniens und das slowenische Verfassungsgericht stellten keine Verstöße gegen sein Recht fest, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte war jedoch anderer Meinung, da in der zugestellten Dokumentation nicht angegeben wurde, ob und wann die staatlichen Behörden die Russischsprachkenntnisse von Vizgirda überprüft hatten, um seine Verteidigung in dieser Sprache effektiv durchführen zu können. Man bezweifelte außerdem, dass er jemals über sein Recht auf Dolmetschung in seiner Muttersprache Litauisch informiert worden war. Damit hat Slowenien Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention verletzt (Kučiš 2020). Das Recht, die eigene Sprache und Schrift zu verwenden, hat tiefgreifende Auswirkungen auf alle Phasen des Strafverfahrens. In Übereinstimmung mit Artikel 8 des slowenischen Strafprozessgesetzes (2012) haben Verdächtige das Recht, bei allen Ermittlungsphasen und Befragungen die eigene Sprache zu verwenden. Die Polizei stellt ausländischen Verdächtigen auch eine Liste der registrierten GerichtsdolmetscherInnen zur Verfügung, aus denen sie eine/ n Gerichtsdolmetscher/ in auswählen können, bevor überhaupt Ermittlungsmaßnahmen eingeleitet werden. Laut Kučiš et al. (2020) ist in Bezug auf fremdsprachige Angeklagte Folgendes zu berücksichtigen: „Wenn dem Verdächtigen die Freiheit entzogen wird, werden seine Rechte zusätzlich durch Artikel 19 der slowenischen Verfassung (1991) geschützt. Diese Bestimmung entspricht dem Artikel 5 Absatz 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention aus dem Jahre 1950, die besagt, dass jeder, dem die Freiheit entzogen wird, unverzüglich in seiner Muttersprache oder in einer Sprache, die er versteht, über die Gründe für den Freiheitsentzug informiert werden muss.“ Die Polizei muss bei der Verhaftung ausländischer StraftäterInnen diese sofort auf ihr Recht und ihren Anspruch auf eine Dolmetschung informieren. 3 Gerichtsdolmetscher in Slowenien - Zulassungs- und Professionalisierungskriterien Slowenien gehört mit ca. 2 Mio. Einwohnern zu den kleineren EU-Staaten, ist aber laut Verfassung ein vielsprachiges Land (Kučiš 2020). Gemäß Artikel 11 der slowenischen Verfassung aus dem Jahre 1991 ist die Amtssprache Slowenisch, teilweise aber auch Italienisch und Ungarisch. Diese Bestimmung der Verfassung impliziert, dass alle staatlichen Behörden der Republik Slowenien ihre Tätigkeit in slowenischer Sprache bzw. in den zweisprachigen Gebieten auch in italienischer oder ungarischer Sprache ausführen müssen. Die slowenischen öffentlichen Institutionen dürfen keine anderen Sprachen verwenden, auch nicht Gerichtsdolmetschen für angeklagte fremdsprachige Personen in Slowenien 233 234 Vlasta Kučiš bei Strafverfahren, in denen die angeklagte Person keine slowenischen Sprachkenntnisse besitzt. Um für jene Personen, die Slowenisch nicht verstehen und sprechen, die grundlegenden Menschenrechte (Sprachenrechte) vor dem Gesetz zu gewährleisten, steht in der slowenischen Verfassung, dass man die Sprache und Schrift des Angeklagten verwenden darf, denn „für ausländische Untersuchungshäftlinge zählt die Sprachbarriere zu einem der größten Probleme - dies trifft auch für Asylbewerber in der Schubhaft zu.“ (Pöllabauer 2005: 36). Die Rechtsgrundlage und die Zulassungskriterien für die Ernennung zum/ zur Gerichtsdolmetscher/ in in Slowenien sind in den Vorschriften für GerichtsdolmetscherInnen definiert ( Pravilnik o sodnih tolmačih , Uradni list RS, št. 88/ 10, 1/ 12, 35/ 13, 50/ 15, 22/ 18 - ZSICT in 84/ 18). Die Vorschriften legen nun kleinere Änderungen für GerichtsdolmetscherInnen fest, denn das Gesetz aus dem Jahre 2019 (Artikel 2, Absätze 3 und 4) definiert GerichtsdolmetscherInnen als Personen, die auf unbestimmte Zeit ernannt werden und das Recht und die Pflicht haben, bei gerichtlichen Hauptverhandlungen zu dolmetschen und Dokumente auf Ersuchen des Gerichts zu übersetzen, was eine mündliche und schriftliche Tätigkeit vorsieht. Wenn für eine bestimmte Sprache kein/ e Gerichtsdolmetscher/ in verfügbar ist, kann das Gericht eine andere Person ernennen, die eine Fremdsprache fließend spricht, für die keine oder nicht genügend GerichtsdolmetscherInnen verfügbar sind. Die Kosten für das Übersetzen und Dolmetschen werden vom Staat übernommen. Die neuen Vorschriften für die Akkreditierung der GerichtsdolmetscherInnen in Slowenien verlangen keine slowenische Staatsbürgerschaft mehr, was bis Anfang 2019 zu den Hauptbedingungen zählte, um diese Tätigkeit im Namen des slowenischen Staates ausüben zu können. In Slowenien wird man GerichtsdolmetscherIn, indem man auf eine öffentliche Anzeige und Aufforderung zur Einreichung von Anträgen für GerichtsexpertInnen, GerichtsgutachterInnen und GerichtsdolmetscherInnen hin, die im Amtsblatt der Republik Slowenien und auf der Website des Justizministeriums veröffentlicht wurden, einen Antrag beim Justizministerium einreicht. Bewirbt man sich als EU-StaatsbürgerIn ohne slowenische Staatsbürgerschaft, muss man bei der Bewerbung zuerst die EU-Staatsbürgerschaft nachweisen und die Institution angeben, an der man nachweislich Kompetenzen in slowenischen Sprache erworben hat und zwar gemäß dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen (GER) 1 auf dem Niveau C2. Die Prüfung zum/ zur Gerichtsdolmetscher/ in in Slowenien besteht aus einem schriftlichen und mündlichen Teil. Der schriftliche Teil der Prüfung für GerichtsdolmetscherIn- 1 Mehr Informationen zum Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen (GER) (Europäischer Referenzrahmen 2020). nen umfasst die Übersetzung von Rechtstexten oder juristischen Dokumenten aus der slowenischen Sprache in die Fremdsprache, für die man ernannt werden möchte, und einer Übersetzung aus dieser Fremdsprache ins Slowenische. Der schriftliche Teil des Tests dauert maximal vier Stunden. Dabei kann man Fachliteratur, Wörterbücher und andere Unterlagen konsultieren. Der/ die Vorsitzende der Kommission informiert die KandidatInnen im mündlichen Teil der Prüfung über das Ergebnis des schriftlichen Teils der Prüfung. Nachdem man alle Formalitäten erledigt und die Prüfung bestanden hat, bekommt man ein Siegel zur Ausübung der Gerichtsdolmetschtätigkeit und man wird in das offizielle Register der slowenischen GerichtsdolmetscherInnen eingetragen. Wie schon erwähnt, werden GerichtsdolmetscherInnen in Slowenien auf unbestimmte Zeit ernannt. Dennoch muss man alle fünf Jahre Nachweise über die berufliche Entwicklung und laufende berufliche Fortbildung vorlegen. Diese Fortbildungen werden meistens vom Berufsverband oder dem Justizministerium organisiert. 4 Innovative Lehrveranstaltung an der Universität Maribor-- Mehrsprachige und transkulturelle Kommunikation in Strafverfahren Die Nachfrage nach DolmetscherInnen und ÜbersetzerInnen für die verantwortungsvolle Tätigkeit bei Gerichtsverfahren, vor allem bei Strafverfahren für Menschen, die die Landessprache nicht verstehen, steigt auch in Slowenien. Mira Kadrić (2008) zählt zu den ExpertInnen, die sich aus diesem Grund langjährig für eine spezifische Ausbildung im Bereich des gerichtlichen Dolmetschens einsetzen und entwickelt konkrete Vorschläge, denn die erforderlichen Kompetenzen werden nicht automatisch erworben, sondern müssen durch systematische und praxisbezogene Übungen in Kooperation mit JuristInnen, RechtsanwältInnen und RichterInnen angeeignet werden. Im Vordergrund der Zusammenarbeit stehen didaktische Modelle, die einen fachlichen Meinungs- und Erfahrungsaustausch ermöglichen. Zu Recht behauptet Štefčik (2018: 13): Dolmetschen bei Gericht ist eine Sonderart des Dolmetschens, das durch seine spezifischen Situationsbedingungen gekennzeichnet ist. Diese Bedingungen hängen unmittelbar mit dem Gerichtsprozess (Stress, Unsicherheit, Misstrauen) zusammen sowie mit dem Dolmetschprozess, der auf exakte und fachliche Kommunikation basiert und mit der Verantwortung des Dolmetschers, der vom Staat rekrutiert wird und dementsprechend von ihm ein ethisches Benehmen (Unparteilichkeit, Unvoreingenommenheit, Schweigepflicht) erwartet werden muss. Gerichtsdolmetschen für angeklagte fremdsprachige Personen in Slowenien 235 236 Vlasta Kučiš Die Universität Maribor und der Lehrstuhl für Translationswissenschaft bieten in Kooperation mit der Rechtswissenschaftlichen Fakultät speziell für den Bereich des Gerichtdolmetschens eine innovative Lehrveranstaltung mit dem Titel Mehrsprachige und transkulturelle Kommunikation in Strafverfahren an , die für MA-Studierende des Studiengangs Übersetzens und Dolmetschens am Lehrstuhl für Translationswissenschaft und für Jus-Studierende an der Rechtwissenschaftlichen Fakultät als Wahlfach im Studienjahr 2020/ 21 vorgesehen ist. Die Idee der Wahlfach-Implementierung in das bestehende MA-Curriculum an der Philosophischen Fakultät in Maribor entstand im Rahmen des Projekts TransLaw , in dem man versuchte, transkulturelle Law Clinics in den einzelnen Partnerländern (Österreich, Belgien, Italien und Slowenien) aufzubauen. Die neue interdisziplinär aufgebaute Lehrveranstaltung sieht 30 Kontaktstunden im Sommersemester vor und wird sowohl in Englisch als auch in Deutsch angeboten. Später wird es die Möglichkeit geben, auch andere Sprachen einzuführen wie beispielsweise Russisch, Mazedonisch, Kroatisch, Serbisch, Albanisch, Türkisch und Farsi. Derzeit wird das Wahlfach aus finanziellen Gründen nur in zwei Sprachen angeboten (Kučiš 2020). Das Seminar beschäftigt sich mit folgenden Themen und Inhalten: Einführung in das europäische Strafrecht, Menschenrechte im internationalen Umfeld, Strafrechtsgesetz in Slowenien, Einwanderungs- und Asylrecht, Übersetzen und Dolmetschen für ausländische Personen im Strafprozess, Konventionen, Normen und Werte im internationalen Vergleich, Analyse des aktuellen Standes der Dolmetscher- und Übersetzungsdienste mit dem Fokus auf dem Gerichtsdolmetschen, Terminologie im Strafrecht, Praxis in einer realen Umgebung, beispielsweise bei Gericht oder in einem Anwaltsbüro. Dem Lehrplan des Wahlfaches kann entnommen werden, dass es eine theoretische Einführung gibt, die vor allem zu Beginn einer Ausbildung wichtig ist, denn universitäre Ausbildungsprogramme und Seminare müssen wissenschaftlich fundiert sein, um für ein besseres Verständnis für das Gerichtsdolmetschen zu sorgen, obwohl man auch der Qualität und Redeflüssigkeit bei der Dolmetschung Aufmerksamkeit widmen sollte (Rennert 2019). Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Maribor hat einen qualifizierten Dozenten für die Zusammenarbeit beim Wahlfach bereitgestellt, einen Spezialisten für internationales Strafrecht. Es handelt sich eigentlich um eine Beratung für konkrete KlientInnen in einer realen Situation. Nach einer theoretischen Einführung folgt der praktische Teil. In Kooperation mit der Polizei und einigen Anwaltsbüros in Maribor werden die Studierenden ausländischen Personen, die bestimmter Straftaten angeklagt sind und die slowenische Sprache nicht beherrschen, kostenlose Dolmetsch- und Übersetzungsdienste anbieten (vgl. Kučiš & Kaloh Vid 2020). Die Studierenden werden von verschiedene MentorInnen aus der Praxis betreut, vor allem von vereidigten GerichtsdolmetscherInnen und AnwältInnen. Die Intention des neuen Wahlfaches ist es, einen besseren Einblick in die translatorisch-juristische Praxis zu bekommen und dadurch die Zusammenarbeit zwischen der Universität und den potentiellen Arbeitgebern im juristischen Bereich zu fördern. So werden die theoretischen Inhalte des neuen Fachs Mehrsprachige und transkulturelle Kommunikation in Strafverfahren als Wahlfach an der Universität Maribor angeboten, wobei die praktische Arbeit in der transkulturellen Übersetzungs- und Dolmetschklinik stattfinden wird, an der die Beratung für ausländische StaatsbürgerInnen und MigrantInnen als Pro-Bono-Tätigkeit angeboten wird. Bei konkreten juristischtranslatorischen Fällen können die Studierenden auch Teamarbeit praktizieren, was auch eine große Herausforderung bedeutet, denn sie müssen in einer Gruppe entsprechend kommunizieren und andere Meinungen akzeptieren können. Dabei werden die Studierenden von professionellen GerichtsdolmetscherInnen, juristischen ÜbersetzerInnen und AnwältInnen betreut. Was die Leistungsbewertung des Wahlfaches betrifft, wurden einige Bedenken geäußert, denn es stellte sich die Frage, ob man auch externe PartnerInnen, wie beispielsweise Anwaltskanzleien, bei der Bewertung der translatorisch-juristischen Tätigkeit von Studierenden einbeziehen soll. Wir haben uns geeinigt, dass 20 % der Endnote beim Wahlfach vom Partner aus der Praxis beigetragen wird. 5 Ausblick GerichtsdolmetscherInnen tragen eine große Verantwortung im Strafprozess, denn ein Sprachfehler kann einerseits Leben und Menschen ruinieren, anderseits aber StraftäterInnen auf freien Fuß setzen. Deswegen ist eine professionelle und universitäre Ausbildung für GerichtsdolmetscherInnen von großer Bedeutung; das neue Seminar an der Universität Maribor soll einen Beitrag dazu leisten. Im Umgang mit rechtlichen und kulturell-sprachlichen Unterschieden geht es vor allem um das Verstehen der Anderen und die Verständigung mit ihnen, aber auch darum, fremdsprachigen Angeklagten oder Verdächtigten Rechtssicherheit durch qualifizierte DolmetscherInnen zu gewährleisten. Das war auch die Motivation für Mira Kadrić, die sich stets für einen fairen Zugang zum Rechtssystem aussprach und in deren persönlichen Leben das Dolmetschen sowohl in der Praxis als auch in der Wissenschaft stets eine herausragende Rolle gespielt hat. Liebe Mira, alles Gute und weiterhin viel Erfolg! Gerichtsdolmetschen für angeklagte fremdsprachige Personen in Slowenien 237 238 Vlasta Kučiš Bibliographie Europäischer Referenzrahmen (2020). Sprachniveau. Abrufbar unter: www.europaeischer-referenzrahmen.de/ sprachniveau.php (Stand: 01/ 09/ 2020). Die Europäische Menschenrechtskonvention. Abrufbar unter: https: / / www.echr.coe. int/ Documents/ Convention_deu.pdf (Stand: 15/ 12/ 2020). 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Gerichtsdolmetschen für angeklagte fremdsprachige Personen in Slowenien 239 Im Königreich der Wörter 241 Im Dialog mit der nächsten Generation Das Doktorat als Marathon: Die fünf Etappen zum Ziel 243 Das Doktorat als Marathon: Die fünf Etappen zum Ziel Aus dem Leben einer ehemaligen Dissertantin Ivana Havelka, Katia Iacono, Dalibor Mikić, Judith Platter & Katerina Sinclair Abstract: Der vorliegende Beitrag wurde von ehemaligen und gegenwärtigen DissertantInnen von Mira Kadrić in Form einer Erzählung verfasst. Die AutorInnen beschreiben in fünf „sportlichen“ Etappen - längeren Phasen und entscheidenden Tagesereignissen - Vita und Erlebnisse einer fiktiven Dissertantin unter der Obhut von Mira Kadrić, von den ersten, noch unsicheren Schritten in der akademischen Welt bis hin zum erfolgreichen Abschluss des Doktoratsstudiums und der Emanzipation als Wissenschaftlerin. Für den Werdegang der Protagonistin lassen sich die AutorInnen von Episoden ihres eigenen akademischen Lebens inspirieren und fokussieren auf die unterschiedlichen wissenschaftlichen und persönlichen Facetten von Mira Kadrić. 1 „Auf die Plätze-…“: Das Erstgespräch Ich kann mich noch intensiv an das erste Gespräch erinnern: Mira Kadrić elegant in roten Handschuhen mit roter Handtasche, und ein wenig außer Atem - wahrscheinlich kommt sie von einem auswärtigen Termin -, begrüßt mich, angehende Dissertantin, und schenkt mir ein versicherndes Lächeln, während sie mich in ihr Arbeitszimmer einlässt. Der Übertritt der Türschwelle bedeutet für mich auch den Übertritt in eine neue Sphäre. Die Einzelheiten des Gesprächs sind aus der Erinnerung verflüchtigt, geblieben ist jedoch der Eindruck einer entspannten Atmosphäre, in der viel besprochen wurde. Ich komme nicht unvorbereitet, habe ein konkretes Dissertationsthema vorzuschlagen, das ich aufregend finde. Das Thema wird mit Kopfnicken begrüßt, doch es wird auch darauf hingewiesen, dass sich der Zugang zu Daten schwierig gestalten könnte. „Sie könnten auch folgendes Thema nehmen“, schlägt meine nunmehrige Betreuerin vor. Ich beharre auf meinem ursprünglichen Thema und es gibt keine Einwände. Die Freiheit der wissenschaftlichen Entfaltung, das Vertrauen in meine eigene Urteilskraft werden zu prägenden Merkmalen der Betreuung. Ich 244 Ivana Havelka, Katia Iacono, Dalibor Mikić, Judith Platter & Katerina Sinclair spüre, ich habe einen großen Spielraum und keinen Druck. Scheinbar keinen Druck, denn hinter der sanften Großzügigkeit spüre ich auch ihren aufmerksamen wissenschaftlichen Blick. Da will ich nicht, da darf ich nicht enttäuschen! Und ja! Der schwierige Datenzugang wird mir zu einem Stolperstein. Ich bin wieder am Anfang. „Sie könnten auch dieses Thema nehmen“, erinnert mich meine Betreuerin. Im zweiten Anlauf erscheint der Vorschlag im völlig anderen Licht: Ein Thema, das bis dato ausgeklammert wurde, aber notwendig ist. Kaum zu glauben, dass ich es nicht gleich gewählt habe! Mein Frust wird sichtbar, habe ich doch viel Zeit unnötig investiert! „Manchmal hat man Leerlauf, das ist okay“, beruhigt mich Mira Kadrić. Ich glaube ihr und wechsle vom Selbstvorwurf zur Hoffnung, dass sich möglicherweise auch diese Forschungsphase einmal verwerten lässt. Der konstruktive Zugang meiner Betreuerin bei Problemlösungen hilft mir nicht nur diesmal, meinen Blick auf das Wesentliche zu lenken. Rückblickend war diese Phase genauso wichtig wie der Rest des Doktoratsstudiums. Neben der Vertiefung wichtiger Kompetenzen wie dem Recherchieren oder dem wissenschaftlichen Lesen bewirkt die scheinbare Durststrecke, dass ich in Zukunft keinen der erfolgreich absolvierten Meilensteine des Doktoratsstudiums als Selbstverständlichkeit betrachte und sie wirklich genießen kann. Nach dem Erstgespräch inskribiere ich sofort das Doktoratsstudium der Transkulturellen Kommunikation und antworte sehr gerne all jenen, die sich nach meinem Berufsleben erkundigen, dass ich nun neben der Arbeit auch als Dissertantin forsche. Mein Stolz und meine Begeisterung sind groß, doch viel zu schnell weicht das Gefühl der Besonderheit der sachlichen Bemühung, so schnell und gleichzeitig so gut wie möglich mit meinem Forschungsprojekt voranzukommen. Als Betreuerin leistet Mira Kadrić viel an fachlicher und menschlicher Unterstützung. Sie verweist auf wichtige Quellen, mögliche Ansprechpersonen aus anderen Wissenschaften (da meine Forschungsarbeit interdisziplinär ist), gibt Input bezüglich weiterer Schritte und lobt. „Sie als Person sind rund“, ist eines ihrer Komplimente, auf das ich sehr stolz bin, da ich gerade meine Betreuerin für äußerst vielschichtig halte. Mira Kadrić ist - wie sich in Gesprächen offenbart - konstant in ihrer Weltanschauung, gleichzeitig jedoch für Veränderungen offen. Sie fordert und fördert zugleich. Ihre Leistungsbereitschaft ist immens, trotzdem steht die Lebensfreude für sie im Mittelpunkt - wie man aus zahlreichen lustigen Geschichten, die sie erzählt, erkennen kann. Je weiter ich mich in das Studium vertiefe, desto intensiver empfinde ich, wie entscheidend die Wahl der Betreuerin ist; nicht nur für das Studium, sondern auch für meine weitere persönliche Entwicklung. Das Doktorat als Marathon: Die fünf Etappen zum Ziel 245 2 „Fertig …“: Dies Doctoralis Nachdem das anonyme Gutachten zu meinem Exposé positiv ist und ich endlich den nächsten Schritt setzen kann, bereite ich mich auf den Dies Doctoralis vor. Die genaue Arbeit am Exposé hat sich gelohnt. Ohne die gezielte Vorbereitung durch Mira Kadrić im Seminar wäre das nicht möglich gewesen. Sicherlich hängt es auch ein wenig mit dem Thema zusammen. Die Vorbereitung des Exposés verlangt von mir als junge Forscherin schon klare Vorstellungen zum Dissertationsvorhaben. Schier unmöglich scheint mir diese Aufgabe, zumal ich erst seit einem Semester im Doktoratsstudium inskribiert bin. Kann ich denn jetzt schon wissen, wie ich eine dreijährige Untersuchung umsetzen werde? Der Gedanke an die bevorstehende Präsentation meiner geplanten Doktorarbeit vor der Fakultät bereitet mir Kopfzerbrechen. Eine große Hilfe ist die Vorbereitung im Seminar. Die Anforderungen und Erwartungen werden kritisch im Kollegium unter Mira Kadrićs Anleitung besprochen. Mit meiner Schreibkollegin aus dem Seminar treffe ich mich regelmäßig. Wir profitieren immens von der kollegialen Zusammenarbeit. Wir haben uns entschieden, eine Schreibgruppe zu bilden. Eigentlich hatten wir auch einen Dritten im Bunde, aber der ist uns irgendwie nach dem zweiten Treffen abhandengekommen. Wir beschließen kurzerhand, unsere Schreibgruppe als Duo fortzuführen. Das gemeinsame Ziel ist es, den Dies Doctoralis erfolgreich zu absolvieren. Naja, eigentlich ist das Ziel, die Dissertation abzuschließen, aber wir starten mal mit dem Dies Doctoralis . Die gemeinsamen Hürden schweißen uns zusammen. Wir besprechen die Inhalte und die Reihenfolge der jeweiligen Präsentationen. Immer wieder plagen mich auf den ersten Blick einfache, aber für mich in diesem Moment quälende Gedanken. Banale Entscheidungen, wie die visuelle Präsentation, lassen mich stundenlang im Internet nach Präsentationsformen suchen. Wie soll ich mein Thema nur vorstellen? Mit einer PowerPoint-Präsentation? Oder gar Prezi? Eine Kollegin im Seminar präsentiert auch mit Prezi. Das macht großen Eindruck, nicht nur auf mich. Mira Kadrić mag die Präsentation mit Prezi sehr. Sofort will ich auch Prezi einsetzen. Wir spielen meine Präsentation mehrmals durch. Die Generalprobe meiner Präsentation mit Prezi für den Dies Doctoralis ist ein Fiasko. Ich muss feststellen: Ich bin kein Prezi-Mensch. Nicht nur Prezi entgleitet meiner Kontrolle, auch meine Sprechgeschwindigkeit ist nicht zu bändigen. Dabei passiert es mir, dass ich auf eine kritische Frage von Mira Kadrić zwecks Vorbereitung auf den Dies Doctoralis lapidar antworte: „Meine Zunge ist schneller als mein Hirn.“ Alle lachen. Ich auch. Na gut, dann muss ich wohl PowerPoint verwenden, dabei will ich doch so gerne auch mit etwas Neuem, ja etwas Außergewöhnlichem, glänzen. Für den Dies Doctoralis bastle ich im letzten Moment eine PowerPoint-Präsentation und spiele meine Präsentation 246 Ivana Havelka, Katia Iacono, Dalibor Mikić, Judith Platter & Katerina Sinclair immer wieder durch. Schließlich muss alles sitzen. Am Dies Doctoralis sind alle da. Mira Kadrić empfängt mich mit einem stolzen Lächeln. Mit ihrer Körperhaltung suggeriert sie den Anwesenden: Das ist meine Dissertantin. Ich setze mich in den Zuschauerbereich und lausche den anderen KandidatInnen vor mir. An diesem Dies Doctoralis kommen unterschiedliche geisteswissenschaftliche Disziplinen zusammen. Meine Spannung steigt mit jeder Minute. Schließlich ist meine Präsentation an der Reihe. Ich rufe meinen ersten Satz in Erinnerung. Dabei verspüre ich eine unglaubliche Enge im Hals. Zunächst bringe ich kein Wort heraus. So sehr will ich ihr zeigen, dass ich mich für die Präsentation vorbereitet habe. „Was wird wohl Mira Kadrić denken? Ich darf nicht versagen. Ich darf sie nicht enttäuschen. Sie erwartet Höchstleistung von mir“, dröhnt es in meinem Kopf. Als ich endlich mein irritierendes Gestotter beende und mich für die Nervosität entschuldige, löst sich auch der Knödel im Hals. Später lobt mich Mira Kadrić dafür, dass ich meine Nervosität offengelegt habe. Seitdem bin ich nicht minder nervös, kann aber mit meiner Nervosität besser umgehen. Nach kurzer Beratungszeit wird mir bekannt gegeben, dass mein Dissertationsvorhaben von der Studienprogrammleitung und dem bestellten Beirat der Fakultät genehmigt wird. Die erste große Hürde habe ich erfolgreich absolviert. 3 „Los! “: Die Seminare und das Schreiben Gott sei Dank habe ich den Dies Doctoralis hinter mir. Jetzt kann ich mich endlich dem Schreiben widmen. Und natürlich dem Forschen, denn das muss parallel erfolgen, sonst kann ich meine unzähligen Ziele und Deadlines, die ich mir selbst auferlegt habe, nicht erreichen. Ich freue mich sehr, meine KollegInnen und meine Betreuerin wieder treffen zu können. Das ist das erste Seminar nach der Genehmigung meines Forschungsvorhabens. Ich liebe das kleine Format der Seminare, die meine Betreuerin anbietet: Wir treffen einander einmal im Monat für drei Stunden - eigentlich viel länger, weil wir immer so viele interessante Dinge besprechen und die Zeit übersehen - in ihrem Besprechungsraum, mit einer Tasse Kaffee und einem Stück Kuchen. Die Gruppe wächst jedes Semester, aber wir haben noch immer in diesem Raum ausreichend Platz. Das lockere Format fördert einen regen Austausch. Wir bekommen von allen KollegInnen und von unserer Betreuerin Feedback. Das Seminar ist inklusiv und demokratisch: Es macht keinen Unterschied, ob man gerade mit dem Doktoratsstudium begonnen, den Dies Doctoralis hinter sich hat oder kurz vor dem Rigorosum steht. Bei Mira Kadrić sind alle willkommen. Jede von uns - in diesem Semester sind wir tatsächlich nur Frauen - kann und soll ihre Ideen einbringen. Denn unser Konzept muss sein Potenzial entwickeln und dafür braucht es Zeit und Austausch. „Trauen Sie sich! “, sagt sie uns immer wieder. Und das gilt nicht Das Doktorat als Marathon: Die fünf Etappen zum Ziel 247 nur für unsere Methoden- und Fachkompetenz. In dieser emanzipatorischen Didaktik sollen wir die Fähigkeit zur Selbstbestimmung, Mitbestimmung und Solidarität entwickeln. Es gibt keine Tabuthemen, obwohl die meisten von uns über brisante Themen schreiben, denen in der Praxis mit einer gewissen Angst begegnet wird. Deswegen ist es umso wichtiger, auf diese gesellschaftsrelevanten Entwicklungen einzugehen: Unsere Forschung kann etwas bewirken, kann die Realität verändern. Ich betrete den Raum und habe wie im letzten Semester das Gefühl, von netten und kompetenten Menschen umgeben zu sein, die mich - auch als Menschen - mögen und mir Mut machen. Mira Kadrić lächelt uns an. Wie immer gibt es eine kleine Einführungsrunde: Jede von uns gibt einen kurzen Statusbericht ab, schildert die eigenen Semesterpläne, und anschließend legen wir den Zeitplan der Präsentationen sowie der Seminararbeitsabgabe fest. Einige TeilnehmerInnen stehen kurz vor dem Abschluss, und Mira Kadrić ist sehr stolz auf sie, das kann man an ihrem Gesichtsausdruck klar erkennen. Jetzt bin ich an der Reihe. Ich brauche einige Minuten, um meine vielen Unterlagen zu sammeln: Tabellen, Leitfadeninterviews, Schemata für das Forschungsdesign und Forschungsfragen, To-Do-Listen, Projektpläne mit Arbeitspaketen. Sofort entschuldige ich mich, dass wegen eines Denkfehlers ein Arbeitspaket verschoben werden muss. Vermutlich verschrecke ich mit diesem Verhalten meine Betreuerin gerade ein wenig. Doch ich bekomme wieder das gleiche ermutigende Lächeln: „Klar, super! Aber seien Sie bitte nicht zu streng zu sich selbst.“ Natürlich hat sie Recht; ich muss noch lernen, mit mir selbst Geduld zu haben. Eine gute Arbeit will Weile haben! Und nicht alles klappt auf Anhieb. Nach dem ersten Seminartreffen kehre ich voller Motivation nach Hause zurück. Da ich leider keine Vollzeitdissertantin bin, werde ich nur an den Wochenenden schreiben können; hoffentlich überhäufen mich meine KundInnen nicht mit allzu vielen Aufträgen! Die Tatsache, dass ich nur wenige - aber sehr intensive - Stunden pro Woche der Dissertation widmen kann, macht mir sehr zu schaffen. Nach jeder Pause habe ich das Gefühl, immer wieder von vorne anfangen zu müssen. Meine Betreuerin macht mir trotzdem Mut: Sie meint, es sei keine Schande, dass meine Kolleginnen und ich neben der Arbeit dissertieren. Wir sollten stolz sein, dass wir Fortschritte machen und tolle Leistungen erbringen! „Machen Sie sich gleich Notizen für die Schlussfolgerungen: Zum Schluss hat man möglicherweise keine Energie mehr, und manche Details gehen vielleicht verloren. Es ist aber immer schön, wenn sich der Kreis schließt und im letzten Kapitel auf die Forschungsfragen eingegangen wird“, ist ein weiterer Tipp, den ich insbesondere im Endspurt zu schätzen lerne. Während des Semesters ist Mira Kadrić mit Forschung, Lehre sowie administrativen Aufgaben ziemlich ausgelastet und außerhalb des Seminars physisch nicht wirklich erreichbar. Trotzdem weiß sie genau, wann wir ihre Hilfe benötigen. Wenn sie zum Beispiel nicht gerade in 248 Ivana Havelka, Katia Iacono, Dalibor Mikić, Judith Platter & Katerina Sinclair Wien ist, sondern auf ihrem Landwohnsitz, umgeben von sanften Bäumen und zwitschernden Vögeln, unterstützt sie uns per Skype. Durch die fortwährende Rückenstärkung lässt sich jede Schreibblockade schnell in den Griff bekommen. Stück für Stück an den Wochenenden, in den Osterferien, in den Weihnachts- und Sommerferien nimmt meine Arbeit endlich Gestalt an. Und irgendwann, kurz vor der Einreichung der fertigen Dissertation, macht mir meine Betreuerin ein überraschendes Geschenk: das vertraute Du! 4 Endspurt: Der Tag des Rigorosums Nun ist er gekommen, der Tag auf den ich hingearbeitet habe - nach den absolvierten Seminaren im zunächst kleineren und später immer größeren Kreis in Präsenz an der Universität ist das Rigorosum der letzte Schritt in meinem Doktoratsstudium. Die Stellungnahmen der BegutachterInnen sind eingelangt - mal mit erwarteten Inhalten, mal mit spannenden neuen Aspekten, die ich möglicherweise nicht ausreichend berücksichtigt habe. Gerade letztere gilt es nun in der Präsentation, die ich vorbereite, aufzugreifen bzw. einzubinden, so rät mir Mira. Sie ist gerade in den letzten Tagen vor dem Tag der Tage da, mit aufmunternden Worten, Tipps und Tricks für den letzten Feinschliff: telefonisch, per Videotelefonie - ich sehe im Hintergrund die gewohnt minimalistische Einrichtung im mir bekannten Büro am Zentrum für Translationswissenschaft, erhasche aber auch einen Blick auf die gefüllten Bücherregale im privaten Umfeld, in dem sie zu erreichen ist; zuletzt kommt eine aufmunternde SMS. Ich habe die Folien meiner PowerPoint-Präsentation mehrmals geübt, trotzdem spüre ich, dass die Nervosität mich in den Seminarraum begleitet - es ist eine öffentliche Präsentation; ich weiß nicht, wie viele ZuhörerInnen mich erwarten, wer sonst noch da ist und welche Rückfragen auf mich zukommen - andererseits fühle ich mich inhaltlich ausreichend sattelfest und gut vorbereitet, ich weiß, womit ich mich in den letzten Jahren, Monaten, Wochen und Tagen beschäftigt habe und welche Schlüsse ich daraus ziehen kann. Außerdem ist alles relativ - selbst ein abgeschlossenes Doktoratsstudium ist lediglich ein Schritt in meinem Leben, das im besten Fall einen Beitrag zu einer Disziplin leisten und Ausgangspunkt für Weiteres sein kann. Mit diesem Hinweis hat mir Mira schon an früheren Tagen des Zweifels, des Überdenkens und des Neuansetzens weitergeholfen. Aber zunächst gilt es, „abzuliefern“, bestmöglich zu präsentieren und auf die Fragen des Schwerpunktthemas mit Reflexion auf den Wissensbereich meiner Dissertation zu antworten. Nun denn: Den Gang entlang; ich betrete den Raum, die Vorsitzende der Prüfungskommission ist schon da, ebenso mein Zweitprüfer und Mira. Auch ein paar meiner KollegInnen aus den Seminaren haben sich dazugesellt. Datenstick in den Computer und nach der Begrüßung durch die Das Doktorat als Marathon: Die fünf Etappen zum Ziel 249 Vorsitzende darf ich endlich loslegen - soweit läuft alles gut, zustimmendes Nicken von Mira und der Prüfungskommission nimmt mir mit jedem Wort mehr und mehr die Nervosität, und irgendwann fließt alles. Auch die Fragen zum Schwerpunktthema erörtere ich, und dann sind die knapp 45 Minuten Prüfungszeit auch schon vorüber. Ich vernehme das Fäuste-Klopfen auf der Tischplatte; heute und jetzt doch aus einer ganz ungeahnten Perspektive. Der Moment, in dem ich durchatmen kann, ist gekommen. Die Kommission zieht sich zur Beratung zurück; ich vertreibe mir die Zeit im Kreis meiner StudienkollegInnen, ganz klassisch am Kaffeeautomaten: Das Koffeingetränk schmeckt wie immer scheußlich, die Sonne scheint heute aber umso heller. Auch bewahrheitet sich der Spruch: Je kürzer die Beratung, desto eindeutiger und einstimmiger das Prüfungsergebnis und die Bewertung. Die Gratulation zum Studienabschluss fällt wertschätzend und herzlich aus. „Du bist jetzt die Expertin“, meint Mira: Ein Kompliment, das ich gerne annehme und in seiner Tragweite wohl erst noch begreifen muss. Unbestritten, was ich aus dieser Zeit mitnehme: viele Erfahrungen im kritischen Austausch mit anderen WissenschaftlerInnen, neue Kenntnisse zur qualitativen und quantitativen Forschung, zum Publikations- und Vortragswesen, zu den Möglichkeiten, im Rahmen der vorhandenen Ressourcen und Kapazitäten zwischen beruflicher Tätigkeit, reservierten Schreibzeiten und privaten Verpflichtungen unter Zeitdruck bestmöglich zu arbeiten. Macht mich das zu einer Expertin? Ich denke ja, auch voller Vorfreude, meine Mailsignatur und Visitenkarten mit dem neu erworbenen Titel zu ergänzen. Doktorin der Philosophie - das hört und fühlt sich genauso gut an, wie ich mir das seit den ersten Gedanken darüber ausgemalt hatte. Eine besonders feierliche Stimmung kommt dann auch bei der akademischen Abschlussfeier im Großen Festsaal der Universität Wien auf, wo ich nach Gelöbnis und Urkundenüberreichung das Doktoratsstudium mit Familie und FreundInnen Revue passieren lasse - und ich bin mir sicher, dass Mira zweifelsohne auch dazu gehört. 5 (Mit Jubel) Über die Ziellinie: Wie es weitergehen kann Der Doktoratsabschluss, ein siegreicher Moment, bringt wider Erwarten keine ungetrübte Freude mit sich, sondern auch eine gewisse Wehmut. Ich fühle mich noch nicht bereit, das Privatissimum mit Mira, die aufregenden Diskussionen, den Austausch mit geschätzten und liebgewonnenen KollegInnen, die geschützte Forschungsatmosphäre aufzugeben. Und dennoch warten jetzt neue Herausforderungen auf mich, die ich vor allem erst für mich selbst definieren darf. Bei einem festlichen, vorweihnachtlichen, privaten Abendessen auf Einladung von Mira, im Kreise meiner KollegInnen, lernen wir einander von einer anderen Seite kennen; plötzlich tut sich durch das Wissen um die privateren Umstände 250 Ivana Havelka, Katia Iacono, Dalibor Mikić, Judith Platter & Katerina Sinclair jeder einzelnen eine neue Dimension, noch mehr Wertschätzung auf. Wir besprechen gemeinsam in lockerer Atmosphäre, was uns in beruflicher Hinsicht an neuen Zielsetzungen durch den Kopf geht; dabei habe ich das Gefühl, dass Mira auch hier wieder mit Weitblick die Fäden im Hintergrund zieht, die intrinsische Motivation fördert und fordert und das immer wieder mit dem gewissen Fingerspitzengefühl. Ich habe immer noch - oder gerade jetzt - das Gefühl, dass ich ihren Rat jederzeit einholen kann, schließlich finde ich mich in der Welt, die sich mir auftut, noch nicht ohne Hilfestellung zurecht. Da ist plötzlich von Verlagen die Rede, die sich für die Publikation der Dissertation anbieten und von einem gemeinschaftlichen Projekt einer bereits ins Leben gerufenen Buchreihe: „Hierfür gibt es sogar Tantiemen! “, heißt es dazu überraschenderweise. Auch über Vortragstätigkeiten auf unterschiedlichen Konferenzen wird gesprochen. Wie sieht es mit den Reisekosten aus? Wo stelle ich den entsprechenden Antrag auf Übernahme? Habe ich jetzt Anspruch auf ein Vortragshonorar? Auf alle sich auftuenden Fragen hat Mira nicht nur Antworten parat, sondern wartet auch mit so manch persönlicher Anekdote auf, die lehrreich und unterhaltsam zugleich ist. Und ich stelle fest, das Vertrauen ist auf beiden Seiten enorm. Für jede Inspiration bin ich dankbar. Nun selbst als Vortragende in Miras Schuhen gebe ich ihre Worte, Ideen und Visionen an eine neue Generation weiter. Zunächst als Studentin, dann als Dissertantin und jetzt in ihrem Gefolge auf Augenhöhe, treffen wir einander immer wieder, am Zentrum für Translationswissenschaft, meinem „Stammhaus“, aber auch an postgradualen Einrichtungen, wo Mira mir als weiteren Vertrauensbeweis die Modulleitung eines neuen Kursformates überträgt. Ich darf hier unter ihrer wissenschaftlichen Leitung konzipieren, meine wissenschaftliche Forschung um eine gesellschaftsrelevante Dimension erweitern und im Feld „wirken“. Mira lässt mich somit ganz aktiv Third Mission betreiben. Und sie macht mir auch die weitere wissenschaftliche Forschung schmackhaft. Das erste postdoktorale Forschungsprojekt öffnet nicht nur eine Tür. Der Antrag für das Forschungsprojekt ist bereits für die Einreichung vorbereitet, und ich stehe wieder vor einer neuen Herausforderung, die mich auch an andere Institute, unter anderem ins Ausland führen könnte. Eine mögliche Habilitation, die Mira einmal angesprochen hat, schließe ich mittlerweile nicht mehr aus. Meine wissenschaftliche Tätigkeit wandelt sich fast schon wie von selbst von einer Leidenschaft, der ich in der Freizeit nachgegangen bin, zum Vollzeitjob. Und wenn ich mit Mira spreche, habe ich das Gefühl, dass sie schon ganz genau weiß, wie es weitergehen wird. Ihre Zuversicht gibt mir Kraft und Sicherheit. Und dafür danke ich ihr. 252 Im Dialog mit der nächsten Generation Rechtsnachweise p. 5 „Portrait“ © 2021 Josef Schützenhöfer p. 11 „Jugendzeichnung“ © 2021 Josef Schützenhöfer p. 35 „Buchstabensuppe“ © 2021 Josef Schützenhöfer p. 251 „We can do it“ © 2021 Josef Schützenhöfer Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Künstlers (www.josef-schuetzenhoefer.com/ ). Im Dialog mit der nächsten Generation 253 Stefan Aelbrecht Faculty of Arts KU Leuven Campus Antwerp stefan.aelbrecht@kuleuven.be Dr. Katalin Balogh Faculty of Arts KU Leuven Campus Antwerp katalin.balogh@kuleuven.be Ana-Maria Bodo, BA BA MA Zentrum für Translationswissenschaft Universität Wien Gymnasiumstraße 50 1190 Wien ana-maria.bodo@univie.ac.at Prof. Caterina Falbo Full Professor of French Language and Translation Department of Legal, Language, Interpretation and Translation Studies University of Trieste cfalbo@units.it Univ.-Prof. Dr. Christian Grafl Institut für Strafrecht und Kriminologie Universität Wien, Schenkenstraße 4 1010 Wien christian.grafl@univie.ac.at Dr. phil. Ivana Havelka Zentrum für Translationswissenschaft Universität Wien Kolingasse 14-16 1090 Wien ivana.havelka@univie.ac.at Em. Prof. Dr. Erik Hertog Faculty of Arts KU Leuven Campus Antwerp, Belgium erik.hertog@outlook.be Dr. phil. Katia Iacono Zentrum für Translationswissenschaft Universität Wien Kolingasse 14-16 1090 Wien katia.iacono@univie.ac.at Univ.-Prof. Dr. Klaus Kaindl Zentrum für Translationswissenschaft Universität Wien Gymnasiumstraße 50 1190 Wien klaus.kaindl@univie.ac.at ao. Prof. Dr. Vlasta Kučiš Lehrstuhl für Translationswissenschaft Philosophische Fakultät Universität Maribor Koroška cesta 160 SI-2000 Maribor vlasta.kucis@um.si BeiträgerInnen 254 BeiträgerInnen Dalibor Mikić, MA Zentrum für Translationswissenschaft Universität Wien Kolingasse 14-16 1090 Wien dalibor.mikic@univie.ac.at Dr. phil. Judith Platter Zentrum für Translationswissenschaft Universität Wien Gymnasiumstraße 50 1190 Wien judith.platter@univie.ac.at Univ.-Prof. Dr. Franz Pöchhacker Zentrum für Translationswissenschaft Universität Wien Gymnasiumstraße 50 1190 Wien franz.poechhacker@univie.ac.at Univ.-Prof. Mag. Dr. Sonja Pöllabauer Zentrum für Translationswissenschaft Universität Wien Kolingasse 14-16 1090 Wien sonja.poellabauer@univie.ac.at Mag.a Dr.in Karin Reithofer, M.A. Zentrum für Translationswissenschaft Universität Wien Gymnasiumstraße 50 1190 Wien karin.reithofer@univie.ac.at Mag.a Dr.in Sylvi Rennert Zentrum für Translationswissenschaft Universität Wien Kolingasse 14-16 1090 Wien sylvi.rennert@univie.ac.at Prof. Dr. Heidi Salaets Faculty of Arts KU Leuven Campus Antwerp heidi.salaets@kuleuven.be Christina Schäffner Professor Emerita, Aston University, Birmingham, UK C.Schaeffner@aston.ac.uk Dr. Oliver Scheiber Institut für Staats- und Verwaltungsrecht Universität Wien Schottenbastei 10-16 1010 Wien oliver.scheiber@univie.ac.at Dr. phil. Katerina Sinclair Zentrum für Translationswissenschaft Universität Wien Gymnasiumstraße 50 1190 Wien katerina.sinclair@univie.ac.at em. Univ.-Prof. Dr.Mary Snell-Hornby Zentrum für Translationswissenschaft Universität Wien Gymnasiumstraße 50 1190 Wien mary.snell-hornby@univie.ac.at Univ.-Prof. Dr. Richard Soyer Institut für Strafrechtswissenschaften Johannes Kepler Universität Altenberger Straße 69 4040 Linz richard.soyer@jku.at BeiträgerInnen 255 Dr. Monika Stempkowski, Univ.-Ass. MMag. Institut für Strafrecht und Kriminologie Universität Wien Schenkenstraße 4 1010 Wien monika.stempkowski@univie.ac.at Dr.in Alexia Stuefer Institut für Strafrecht Universität Wien Schottenbastei 10-16 1010 Wien alexia.stuefer@univie.ac.at M. Carmen Valero-Garcés Full Professor of Translation and Interpreting Department of Modern Philology C / Trinidad 3-5 University of Alcalá 28801 - Alcalá de Henares (Madrid) carmen.valero@uah.es ISBN 978-3-8233-8433-5 Ausgehend vom facettenreichen Schaffen von Mira Kadric´ präsentiert dieser Band Beiträge, die von einer Konzeption des Dolmetschens als Dienst am Menschen ausgehen und verschiedene ethisch-humanistische, politisch-rechtliche und kritisch-emanzipatorische Dimensionen des Dolmetschens in den Blick nehmen. In einem ersten Themenkreis wird aus dolmetschwissenschaftlicher Sicht der Dialog mit verschiedenen Bedarfsträger: innen in den Mittelpunkt gestellt. Danach werden der Dialog von Dolmetscher: innen mit der Gesellschaft und daraus resultierende rechtliche Fragestellungen untersucht. Und schließlich werden Fragen der Didaktik unter dem Aspekt des Dialogs der Dolmetschwissenschaft mit Lernenden und Lehrenden diskutiert. Mit diesen multiperspektivischen Beiträgen wird, ganz im Sinne von Mira Kadric´, Dolmetschen als gesellschaftspolitische Handlung verortet und weiterentwickelt.