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Der Altersfaktor beim fortgeschrittenen Zweitspracherwerb

2021
978-3-8233-9498-3
Gunter Narr Verlag 
Kamil Dlugosz

Diese Arbeit widmet sich dem Altersfaktor beim kindlichen Zweitspracherwerb. Sie geht der Frage nach, welchen Einfluss das Alter bei Erwerbsbeginn längerfristig auf die syntaktische und allgemein-grammatische Kompetenz bilingualer Kinder in ihrer Zweitsprache hat. Untersucht werden polnischsprachige Kinder, die Deutsch als frühe Zweitsprache erwerben.

LD 41 Diese Arbeit widmet sich dem Altersfaktor beim kindlichen Zweitspracherwerb. Sie geht der Frage nach, welchen Ein uss das Alter bei Erwerbsbeginn längerfristig auf die syntaktische und allgemein-grammatische Kompetenz bilingualer Kinder in ihrer Zweitsprache hat. Untersucht werden polnischsprachige Kinder, die Deutsch als frühe Zweitsprache erwerben. 41 41 Language Development ISBN 978-3-8233-8498-4 Der Altersfaktor beim fortgeschrittenen Zweitspracherwerb Długosz Kamil Długosz Der Altersfaktor beim fortgeschrittenen Zweitspracherwerb Die Wortstellung im Deutschen bei polnisch-deutsch bilingualen Kindern Language Development 18498_Umschlag.indd Alle Seiten 18498_Umschlag.indd Alle Seiten 09.04.2021 16: 37: 38 09.04.2021 16: 37: 38 Der Altersfaktor beim fortgeschrittenen Zweitspracherwerb Language Developement Herausgegeben von Christina Flores (Braga), Tanja Kupisch (Konstanz), Esther Rinke (Frankfurt am Main) und Aldona Sopata (Poznań) Band 41 Kamil Długosz Der Altersfaktor beim fortgeschrittenen Zweitspracherwerb Die Wortstellung im Deutschen bei polnisch-deutsch bilingualen Kindern Die Publikation des Buches wurde vollständig durch die Fakultät für Sprach- und Literaturwissenschaften der Adam-Mickiewicz-Universität Poznań (Szkoła Nauk o Języku i Literaturze UAM) finanziert. © 2021 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de CPI books GmbH, Leck ISSN 0939-7973 ISBN 978-3-8233-8498-4 (Print) ISBN 978-3-8233-9498-3 (ePDF) ISBN 978-3-8233-0302-2 (ePub) Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. www.fsc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC ® C083411 ® www.fsc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC ® C083411 ® 9 1 11 2 17 2.1 17 2.1.1 20 2.1.2 28 2.2 34 2.2.1 34 2.2.2 38 2.3 40 2.4 46 2.5 52 3 53 3.1 53 3.2 57 3.2.1 57 3.2.2 59 3.2.3 62 3.2.4 64 3.3 65 3.4 69 4 71 4.1 71 4.2 75 4.2.1 75 4.2.2 83 Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung und Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklung der kindlichen Zweisprachigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Generativer Ansatz in der Spracherwerbsforschung . . . . . . . . Erstspracherwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zweitspracherwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bilinguale Erwerbsszenarien im frühen Alter . . . . . . . . . . . . . . Bilingualer Erstspracherwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kindlicher Zweitspracherwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einflussfaktoren auf den kindlichen Zweitspracherwerb . . . . Spracheneinfluss beim kindlichen Zweitspracherwerb . . . . . . Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wortstellung im Deutschen und im Polnischen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeines zur Wortstellung im Deutschen . . . . . . . . . . . . . . Untersuchte Wortstellungsmuster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inversion im Deklarativsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verbalklammer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verbendstellung im Nebensatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Negationsstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wortstellung in der Ausgangssprache Polnisch . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einfluss des Alters auf den Erwerb der Wortstellung im Deutschen . . . . . Zur Kontroverse um das Alter bei Erwerbsbeginn . . . . . . . . . . Altersbedingte Phänomene beim Wortstellungserwerb . . . . . Erstspracherwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zweitspracherwerb Erwachsener . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.3 89 4.2.4 101 4.3 104 4.3.1 104 4.3.2 109 4.4 111 5. 117 5.1 117 5.2 120 5.3 126 6. 131 6.1 132 6.1.1 132 6.1.2 133 6.2 134 6.3 137 6.3.1 137 6.3.2 139 6.4 140 6.4.1 140 6.4.2 141 6.5 141 6.6 142 6.7 146 7. 151 7.1 151 7.2 157 7.3 161 Kindlicher Zweitspracherwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einblick in fortgeschrittene Erwerbsphasen . . . . . . . . . Erklärungen für altersbedingte Phänomene beim Wortstellungserwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Neuronale Reifungsprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Alternative Erklärungsvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung und Fragestellung der vorliegenden Studie Methodisches Vorgehen der Studie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Probanden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Methode und Material . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Datenanalyseverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnisse der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sentence Repetition Task . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine grammatische Korrektheit . . . . . . . . . . . . . . Wortstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . The Multilingual Assessment Instrument for Narratives (MAIN) Grammaticality Judgment Task . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Korrektheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reaktionszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Forced Choice Task . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Korrektheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reaktionszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Produktionsdaten und Urteilsdaten im Vergleich . . . . . . . . . . . Regressionsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vertiefte Analysen des Erwerbsalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diskussion der Untersuchungsergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beantwortung der Forschungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zur Rolle des Alters bei Erwerbsbeginn für den langfristigen Erfolg in der Zweitsprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zum Einfluss der Kontaktdauer, des kumulativen Inputs und des Alters zum Testzeitpunkt auf den fortgeschrittenen Zweitspracherwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Inhalt 7.4 164 7.5 165 8 167 9 169 173 183 183 185 187 209 211 213 Zur Rolle des Spracheneinflusses beim fortgeschrittenen Zweitspracherwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diskussion der Ergebnisse im Rahmen der generativen Zweitspracherwerbsforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Implikationen für die Sprachdiagnostik bei zweisprachigen Kindern . . . . Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Streszczenie w języku polskim . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang A: Ausschnitte des Elternfragebogens . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang B: ANOVA-Statistiken für die Modelle, die nicht an die Daten angepasst sind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tabellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Inhalt Vorwort Die vorliegende Dissertation ist im Rahmen des von der Deutschen Forschungsge‐ meinschaft (DFG) und dem Nationalen Forschungszentrum (Narodowe Centrum Nauki, kurz: NCN) finanzierten Forschungsprojekts KiBi: Polnisch-deutsche Zwei‐ sprachigkeit bei Kindern: Die Rolle des Alters bei Erwerbsbeginn für den langfristigen Spracherwerbserfolg entstanden, das zwischen 2016 und 2020 von Frau Prof. Dr. Aldona Sopata und Herrn Prof. Dr. Bernhard Brehmer geleitet wurde. An dieser Stelle möchte ich all jenen danken, die durch ihre fachliche und persönliche Unterstützung zum Gelingen dieser Dissertation beigetragen haben. Mein besonderer Dank gilt zunächst meiner Doktormutter Prof. Dr. Aldona Sopata für die hervorragende Betreuung und die enorme Unterstützung bei der Umsetzung der gesamten Arbeit. Sie hat mich für das Thema des kindlichen Zweit‐ spracherwerbs begeistert und war trotz ihres vollen Terminkalenders jederzeit für ein Treffen mit mir bereit. Es war eine Ehre für mich, ihr Doktorand zu sein. Mein großer Dank gilt auch allen wissenschaftlichen und studentischen Mitarbeitenden des KiBi-Projekts, insbesondere Raina Gielge für ihr Verständnis in schwierigen Momenten, ihr enormes Engagement und die vielen inspirie‐ renden Gespräche, die meinen Horizont erweitert haben. Ich danke auch dem Nationalen Forschungszentrum, das meine Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter im KiBi-Projekt finanziert hat, sowie den beteiligten Kindern und ihren Eltern, ohne die diese Studie nicht entstanden wäre. Unermesslicher Dank gebührt Michał Piosik für sein scharfes Auge beim Korrekturlesen, vor allem aber dafür, dass er mir den Einstieg ins Promotionsstu‐ dium in Poznań erleichtert und mich auf meinem Weg mit Rat und produktiven Gesprächen begleitet hat. Zu Dank verpflichtet bin ich Tabea Schleinitz und Dr. Nadja Zuzok, die meine Arbeit sprachlich-stilistisch optimiert haben. Ich danke auch der Leitung der Neophilologischen Fakultät der Adam-Mic‐ kiewicz-Universität zu Poznań, insbesondere Frau Prof. Dr. Aldona Sopata und Frau Prof. Dr. Dominika Skrzypek, sowie der Direktorin des Instituts für Angewandte Linguistik, Frau Prof. Dr. Izabela Prokop, für das Schaffen optimaler Bedingungen für die wissenschaftliche und didaktische Arbeit. Schließlich möchte ich mich besonders bei meinen Eltern, meiner Schwester Ania und ihrem Mann für die aufbauenden Worte und immer offenen Ohren bedanken. Ganz besonders danke ich Maciej für seine unendliche Unterstützung und seinen Glauben an mich. 1 Vgl. Brehmer (2016) für detailliertere Informationen über Polnisch als Herkunftssprache in Deutschland. 1 Einleitung und Zielsetzung Es wird heutzutage davon ausgegangen, dass mehr als die Hälfte der Welt‐ bevölkerung mindestens zweisprachig ist (vgl. z. B. Riehl, 2014a: 10 f.). Aus diesem Blickwinkel ist Mehrsprachigkeit der Normalfall und Einsprachigkeit eher die Ausnahme. Auch für mitteleuropäische Verhältnisse klingt das nicht mehr befremdlich, wenn man das Ausmaß der Migration in den letzten Jahren betrachtet. Im Jahr 2018 hatte jede vierte Person in Deutschland einen Mi‐ grationshintergrund, wobei Polen, nach der Türkei, den zweiten Platz unter den Herkunftsländern der Migranten einnahm (vgl. Statistisches Bundesamt, 2019). 1 Sie führt zu intensiven Kontakten zwischen verschiedenen Kulturen, die ihrerseits die sprachliche Vielfalt fördern. Die Kenntnis mehrerer Sprachen wird von der Europäischen Union als ein bedeutendes sprachpolitisches Ziel aufgefasst: „Sprachenvielfalt ist ein grundlegender Bestandteil der europäischen Kultur und des interkulturellen Dialogs, und die Fähigkeit, in einer anderen Sprache als seiner Mut‐ tersprache zu kommunizieren, wird als eine der Schlüsselkompetenzen anerkannt, deren Erwerb die Bürger anstreben sollten.“ (Rat der Europäischen Union, 2014: 26) Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass Mehrsprachigkeit verstärkt in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit wissenschaftlicher Betrach‐ tungen rückt. Zu den Disziplinen, die sich mit mehrsprachigen Individuen befassen, zählt insbesondere die Zweitspracherwerbsforschung, die Prozesse des Erwerbs und Erlernens von Zweitsprachen untersucht. Eine besondere Position innerhalb der Zweitspracherwerbsforschung nehmen Untersuchungen zur Entwicklung der kindlichen Zweisprachigkeit ein, die sowohl aus erkennt‐ nistheoretischer als auch praxisorientierter Sicht eine sehr wichtige Aufgabe darstellen (vgl. z. B. Sopata, 2009; Chondrogianni, 2018). Sie ermöglichen es ei‐ nerseits, Erkenntnisse über die Funktionsweise der menschlichen Kognition zu gewinnen; andererseits leisten sie einen wesentlichen Beitrag zur Optimierung der Sprachvermittlung und Sprachdiagnostik. Daher bemühen sich die Forscher, den kindlichen Zweitspracherwerb mit all seinen Facetten zu beschreiben und zu erklären. 2 Aus Gründen der Lesbarkeit wird in dieser Arbeit bei Personenbezeichnungen die mas‐ kuline Sprachform verwendet. Es sind stets Personen aller Geschlechter gleichermaßen gemeint. Die vorliegende Arbeit schließt sich diesen Bemühungen an, indem sie den natürlichen Zweitspracherwerb polnisch-deutsch bilingualer Kinder unter‐ sucht. Das Haupterkenntnisziel besteht darin, einen Einblick in die Prozesse des Erwerbs der deutschen Wortstellung innerhalb des Haupt- und Nebensatzes bei kindlichen Zweitsprachlernern 2 zu gewinnen. Viele Studien befassen sich mit dem Syntaxerwerb des Deutschen als früher Zweitsprache (vgl. Kapitel 4.2). Sie fokussieren aber meistens nur die ersten Monate oder Jahre der sprachlichen Entwicklung bis zu dem Zeitpunkt, in dem Kinder ein gewisses Erwerbskriterium, z. B. 90 % produktiver Verwendung einer syntaktischen Regel in allen obligatorischen Kontexten (vgl. z. B. Czinglar, 2014a), erreichen. Die Frage nach dem späteren Erwerbsverlauf wird dabei jedoch außer Acht gelassen. Es liegen meines Wissens bisher keine Studien vor, die sich explizit mit späteren Erwerbsphasen beschäftigen. Die vorliegende Arbeit zielt daher darauf ab, diese Forschungslücke zu schließen, indem sie den fortgeschrittenen Zweitspracherwerb der grundle‐ genden Wortstellungsmuster im Deutschen ergründet. Angesichts der aktuellen Befunde, nach denen Kinder, die im Alter von bis zu vier Jahren in Kontakt mit dem Deutschen treten, die Satzstrukturen einschließlich Frage- und Neben‐ sätzen innerhalb von acht bis 18 Monaten erwerben (vgl. Rothweiler, 2006; Thoma & Tracy, 2006), und nach denen die Erwerbsgeschwindigkeit bei älteren Kindern sogar höher sein kann (vgl. Czinglar, 2014a, 2014b), wird hier der fortgeschrittene Zweitspracherwerb als Erwerb konzeptualisiert, der nach dem 18. Kontaktmonat erfolgt. Damit wird er zwischen dem frühen Verlauf und dem Endzustand des Spracherwerbs positioniert, wobei er vielmehr dem Letzteren näher ist. Der Endzustand wird in der englischsprachigen Fachliteratur vor allem mit den Begriffen endstate und ultimate attainment beschrieben und kann Herschensohn (2013: 321) zufolge als „a putative stage after which there is very little change in L2 competence“ definiert werden. Im Mittelpunkt der Studie steht der Altersfaktor, also die Frage danach, welche Auswirkungen das Alter bei Erwerbsbeginn (= AbE, age of onset, age of acquisition), d. h. bei erstmaligem Kontakt mit der Sprache, auf den fort‐ geschrittenen Zweitspracherwerb der deutschen Wortstellung bei polnischen Kindern hat. Zusätzlich zur Wortstellung werden in dieser Studie auch die allgemeine grammatische Kompetenz der Kinder und die Geschwindigkeit, mit der sie Sätze verarbeiten, untersucht. Diese Fragestellung ist deswegen relevant, weil der Altersfaktor beim kindlichen Zweitspracherwerb noch wenig 12 1 Einleitung und Zielsetzung untersucht ist und viele Meinungsverschiedenheiten hervorruft: „(…) until recently there has been little systematic investigation of the potential role of age of onset WITHIN childhood and its impact upon child L2 development [Hervorhebung im Original]“ (Unsworth, 2016: 609). Die Arbeit setzt sich auch zum Ziel, den Einfluss anderer Faktoren zu ermitteln. Hierzu zählen (I) das Alter zum Testzeitpunkt, (II) die Kontaktdauer mit der Zweitsprache und (III) der kumulative Input in der Zweitsprache. Die Einbeziehung all dieser Variablen ermöglicht es, ihr Zusammenspiel zu erfassen und herauszufinden, welcher Faktor den fortgeschrittenen Syntaxerwerb bilingualer Kinder determiniert. Dem untersuchten Sprachpaar wurde bisher in der Zweitspracherwerbs‐ forschung eher wenig Beachtung geschenkt. In den meisten Studien zum Deutscherwerb werden vornehmlich türkisch- und russischsprachige Kinder untersucht (vgl. Kapitel 4.2). Dies ist insofern erstaunlich, als die Anzahl der in Deutschland lebenden Polen sehr groß ist. Da sich Polnisch und Deutsch in Bezug auf syntaktische Regularitäten deutlich voneinander unterscheiden, bilden sie eine Steilvorlage für die Untersuchung des Erwerbs der Wortstellung. Die vorliegende Studie liefert somit neue Evidenz aus der in der Forschung unterrepräsentierten Sprachkonstellation. Um die Ziele der vorliegenden Arbeit zu erreichen, wurden im Rahmen einer Querschnittstudie vier Aufgaben durchgeführt, die sowohl auf die Repräsenta‐ tion als auch auf die Produktion der untersuchten Wortstellungsmuster in fort‐ geschrittenem Zweitspracherwerbsstadium eingehen. Erstere umfassten zwei Aufgaben des Grammatikalitätsurteils und der Strukturauswahl, in denen auch die Reaktionszeit als Indikator der Verarbeitungsgeschwindigkeit gemessen wurde. Außer kindlichen Zweitsprachlernern wurden zusätzlich simultan bilinguale und monolinguale deutsche Kinder untersucht, die miteinander verglichen wurden. Dies ermöglichte eine bewusste Trennung bestimmter Einflussfaktoren voneinander, z. B. sprachlicher von außersprachlichen. Mittels entsprechender statistischer Verfahren wurden auch Korrelationen zwischen den Leistungen der Kinder und den anvisierten Einflussfaktoren unter beson‐ derer Berücksichtigung des Alters zu Beginn des Zweitspracherwerbs festgelegt. Die zentralen Forschungsfragen lauten somit: (F1) Wie entwickeln sich die einzelnen Wortstellungsphänomene im fortge‐ schrittenen Stadium des Zweitspracherwerbs? (F2) Gibt es Unterschiede zwischen den sukzessiv bilingualen Kindern und den monolingualen und simultan bilingualen Kindern im fortgeschrit‐ tenen Stadium des Wortstellungserwerbs? 13 1 Einleitung und Zielsetzung (F3) Gibt es Unterschiede zwischen den Urteils- und Produktionsdaten in den einzelnen Gruppen? (F4) Welchen Einfluss hat das Alter bei Erwerbsbeginn auf den fortgeschrit‐ tenen Zweitspracherwerb der Wortstellung? (F5) Welchen Einfluss haben das Alter zum Testzeitpunkt, die Kontaktdauer und der kumulative Input auf den fortgeschrittenen Zweitspracherwerb der Wortstellung? (F6) Welcher der vier Faktoren, d. h. das Alter bei Erwerbsbeginn, das Alter zum Testzeitpunkt, die Kontaktdauer oder der kumulative Input, hat den größten Einfluss auf den fortgeschrittenen Zweitspracherwerb der Wortstellung? (F7) Gibt es Unterschiede zwischen dem fortgeschrittenen Zweitspracher‐ werb und dem fortgeschrittenen (bilingualen) Erstspracherwerb in Hin‐ blick auf die allgemeine grammatische Kompetenz und die Reaktionszeit? (F8) Welcher der vier Faktoren, d. h. das Alter bei Erwerbsbeginn, das Alter zum Testzeitpunkt, die Kontaktdauer oder der kumulative Input, hat den größten Einfluss auf die allgemeine grammatische Kompetenz und die Reaktionszeit? Der Gegenstand und die Ziele der Arbeit spiegeln sich in ihrer Struktur wider. Das zweite Kapitel ist als Einführung in die Entwicklung der kindlichen Zweisprachigkeit im natürlichen Kontext konzipiert und bildet den Bezugs‐ rahmen für die Untersuchung des Zweitspracherwerbs bei Kindern, indem es die relevantesten Begriffe und Themenbereiche beleuchtet. Im dritten Kapitel wird ein linguistisch definiertes Beschreibungsinstrument für die deutsche Wortstellung überblicksartig skizziert, um den Erwerbsgegenstand der untersuchten Kinder zu veranschaulichen. Das vierte Kapitel setzt sich mit dem Altersfaktor beim Erwerb der grundlegenden Wortstellungsmuster im Deutschen auseinander, indem es zuerst allgemein die Kontroverse um altersbedingte Phänomene beim Zweitspracherwerb thematisiert und daran anknüpfend die relevantesten Studien zum Erwerb der deutschen Satzstruktur sowohl bei monolingualen als auch bei bilingualen Kindern unterschiedlichen Alters kritisch referiert. Im Anschluss daran wird der Versuch unternommen, spätere Erwerbsphasen zu erfassen und die in diesen Studien ermittelten Alterseffekte zu erklären. Im fünften und im sechsten Kapitel werden das methodische Vorgehen und die empirischen Daten theorieneutral dargestellt. Erst im siebten Kapitel werden sie vor dem Hintergrund des theoretischen Bezugsrahmens wie auch im Lichte der bereits existierenden Studien disku‐ tiert und interpretiert. Das achte Kapitel hat das Ziel, einige praxisbezogene 14 1 Einleitung und Zielsetzung Schlussfolgerungen zu ziehen und mögliche Implikationen für die sprachliche Diagnostik bilingualer Kinder vorzuschlagen. Das neunte Kapitel zielt schließ‐ lich darauf ab, die wichtigsten Befunde kurz zusammenzufassen und einen forschungsorientierten Ausblick zu geben. 15 1 Einleitung und Zielsetzung 2 Entwicklung der kindlichen Zweisprachigkeit In diesem Kapitel wird der Versuch unternommen, die relevantesten Aspekte der kindlichen Zweisprachigkeit aus erwerbstheoretischer Perspektive zu be‐ sprechen. Dargestellt werden vor allem diejenigen Themenbereiche, die für den Erwerb der Wortstellung von Belang sind. Angefangen mit dem generativen Ansatz in der Spracherwerbsforschung wird zunächst seine theoretische Fun‐ dierung beschrieben, um dann daran anknüpfend auf die Hypothesen des Erst- und Zweitspracherwerbs detaillierter einzugehen. Die Studien, die explizit dem Wortstellungserwerb im Deutschen gewidmet sind, werden hier absichtlich nicht berücksichtigt und erst in Kapitel 4.2 separat behandelt. Als Nächstes werden mögliche Wege zur Zweisprachigkeit im frühen Alter unter besonderer Berücksichtigung der grammatischen Entwicklung diskutiert. Einen wichtigen Teil dieses Kapitels bilden ferner interne und externe Einflussfaktoren auf den kindlichen Zweitspracherwerb, die vor allem in Bezug auf die Entwicklung grammatischer Phänomene besprochen werden. Zentral ist hier die Frage, wel‐ cher Faktor die Entwicklung der Syntax bestens zu erklären vermag. Abschlie‐ ßend werden relevante Manifestationen von Spracheneinfluss im syntaktischen Bereich, einschließlich der ihn modulierenden Faktoren, aufgezeigt. 2.1 Generativer Ansatz in der Spracherwerbsforschung Das generative Paradigma hat die Sprach- und dabei insbesondere die Gramma‐ tiktheorie unermesslich stark beeinflusst. Mit der Veröffentlichung seines bahn‐ brechenden Werkes Syntactic Structures im Jahr 1957 hat Noam Chomsky, der wohl meistzitierte Sprachwissenschaftler des 20. Jahrhunderts, die Fundamente für die generative Linguistik geschaffen. Auf diese Art und Weise hat sich der Paradigmenwechsel vom Strukturalismus zur generativen Sprachwissenschaft vollzogen: „Angelpunkt der ganzen Absetzung der Generativen Grammatik von der nicht-gene‐ rativen Systemlinguistik ist eine fundamental andere sprachtheoretische Grundauf‐ fassung vom Gegenstand der Sprachforschung. Die Deskriptivisten fragen nach dem Allgemeinen, dem Regelmäßigen in einem äußerlich vorfindbaren Objekt (Korpus), nach den Typen, Klassen und Regeln einer Einzelsprache wie des Deutschen. Die Frage der Generativisten aber lautet: Was weiß jemand oder hat jemand im Kopf, der eine Sprache, z. B. die deutsche Sprache, beherrscht? Mit dieser Frage wird zum 3 Fromkin (1997: 14) beschreibt die Verdienste von Chomsky wie folgt: „Once Chomsky put the mind back into the brain, it was possible for linguists to ask questions about the brain/ mind/ language interface. Dramatic changes took place in cognitive psychology and in the relatively new area of psycholinguistics and laid the ground for the development of neurolinguistics - the study of the neurobiology of language“ (Fromkin, 1997: 14). Einen kritischen Vergleich zwischen Strukturalismus und Kognitivismus aus psycholinguistischer Sicht bietet z. B. Dakowska (2003: 52 ff., 2007: 16-22). 4 Schon in seinen frühen generativen Erklärungsmodellen vertritt Chomsky (1965) die These von der Autonomie der Syntax, obwohl anfangs nicht von Modulen, sondern lediglich von Komponenten die Rede ist. In der Standardtheorie (Chomsky, 1965) ist eine syntaktische Komponente Teil der Grammatik, die sich wiederum aus zwei Kompo‐ nenten zusammensetzt: einer Basis- und einer Transformationskomponente. Dabei ist die Unterscheidung zwischen einer Oberflächen- und Tiefenstruktur zentral: Aus der Tiefenstruktur, d. h. aus der syntaktischen Komponente, wird mithilfe von Transforma‐ tionsregeln die Oberflächenstruktur abgeleitet, die phonetisch und semantisch interpre‐ tierbar sind (vgl. R. A. Müller, 1991: 82; Mecner, 2005: 103 f.). Die innergrammatische Modularität kommt erst in neueren Arbeiten von Chomsky explizit zum Vorschein. 5 In seinen späteren Arbeiten ersetzt Chomsky (1986: 22 f.) dieses Begriffspaar durch die Termini I-Sprache und E-Sprache. Gegenstand des Sprachwissenschaft eine mentale, eine kognitive Fähigkeit, ein Teil des geistigen Besitzes des Menschen.“ (Linke et al., 2004: 103) Die Linguistik wird folglich zu einer Teildisziplin der Kognitionswissenschaft und setzt sich als solche zum Ziel, die Sprache als eine kognitive Fähigkeit des Menschen zu untersuchen, der ein Sonderstatus innerhalb der Kognition zuerkannt wird. 3 Damit hängt die Modularitätshypothese zusammen, der zu‐ folge der menschliche Geist aus mehreren relativ autonomen Modulen besteht, denen verschiedene kognitive Leistungen zugeordnet werden können (vgl. z. B. Sadownik, 2010: 59). Ein spezielles Modul bildet im generativen Paradigma insbesondere die Syntax, die ein eigenständiges, in sich geschlossenes System von mentalen Repräsentationen bzw. kognitiven Strukturen darstellt, dem eigene Gesetzmäßigkeiten zugrunde liegen, welche in keiner anderen Wissens‐ domäne vorzufinden sind (vgl. Fanselow & Felix, 1990: 66 f.). 4 Das syntaktische Wissenssystem kann mithin nicht von anderen kognitiven Wissensbeständen abgeleitet werden und bildet daher den wichtigsten Teil der menschlichen Sprachkompetenz. Der Begriff Kompetenz spielt aus generativer Perspektive eine besondere Rolle und wird der Performanz gegenübergestellt. Während die Kompetenz das implizite Sprachwissen umfasst, wird unter Performanz die An‐ wendung dieses zugrunde liegenden Wissens in konkreten Sprachsituationen verstanden (vgl. Chomsky, 1965: 3). 5 Die generative Theorie zielt darauf ab, Antworten auf zwei spezifische Frage‐ stellungen zu liefern: (1) die Frage nach der mentalen Organisation des sprachlichen 18 2 Entwicklung der kindlichen Zweisprachigkeit 6 Pinker (1994: 18) betont, dass die Sprache zur biologischen Ausstattung des Menschen gehört und beschreibt sie daher als mentales Organ. Auch Chomsky (1975: 10) ist der Meinung, dass kognitive Systeme des Menschen genauso komplex sind wie seine physischen Organe, deswegen sollten sie mit mehr oder minder gleichen Methoden untersucht werden. Als Organ kann die Sprache dementsprechend nach folgenden Gesichtspunkten erforscht werden: nach ihrer Funktion, Struktur, physischen Grundlage und ontogenetischen sowie evolutionären Entwicklung beim Individuum (vgl. Grewen‐ dorf et al., 1989: 22). 7 Es ist zu betonen, dass die generative Grammatik keineswegs veraltet ist, sondern bis heute in unterschiedlichen Ausprägungen erfolgreich weiterentwickelt wird (Chomsky, 2000, 2001; vgl. auch den Dikken, 2013). Wissens im Geist/ Gehirn und (2) die Frage nach dem Erwerb dieses Wissens (vgl. Fanselow & Felix, 1990: 7, 15). In Bezug auf die zweite Frage ist die generative Spracherwerbstheorie daran interessiert, universale Gesetzmäßigkeiten beim Er‐ werb von Sprachstrukturen aufzudecken, zu beschreiben und vor allem zu erklären. Nach Fanselow und Felix (1990: 137) handelt es sich hierbei vor allem um die Aufdeckung universaler Prinzipien, die der Sprachfähigkeit zugrunde liegen und als Teil der Biologie und Kognition des Menschen die Sprachaneignung erst mög‐ lich machen. Angestrebt wird eine explanatorische Theorie, die alle Sprachen auf diese fundamentalen Prinzipien zurückführen könnte. Ihre Universalität impliziert die Existenz biogenetisch verankerter Strukturen, die die Klasse natürlicher und erlernbarer Sprachen einschränken würden. Der generative Ansatz ist somit eng an die Idee des Nativismus gekoppelt, nach der bestimmte Fähigkeiten angeboren und von Geburt an im Gehirn verankert sind. Aus erwerbstheoretischer Sicht bedeutet das, dass Kinder mit einem vorprogrammierten sprachlichen Wissen, das den Anfangszustand des Spracherwerbs konstituiert, pränatal ausgestattet sind. 6 Chomsky (1986: 3) spricht in diesem Zusammenhang vom angeborenen initial state, dank dem der Spracherwerbsprozess in Gang kommt. Im Widerspruch dazu steht der Empirismus, dem zufolge die Sprache nicht genetisch determiniert, sondern erlernt und erfahrungsabhängig ist (vgl. Rohmann & Aguado, 2002: 263), was zwangsläufig jegliche angeborenen Prädispositionen, die das Kind zum Spracherwerb nutzen würde, infrage stellt, wenn nicht völlig ausschließt. Diese klassische Kontroverse zwischen Nativismus und Empirismus wird in der Fachlite‐ ratur als Nature-Nurture-Dichotomie bezeichnet und kann mit der Entstehung der modernen Spracherwerbsforschung in Verbindung gebracht werden. Es ist jedoch mit Wode (1993: 53f.) hervorzuheben, dass man nicht mehr darüber diskutieren sollte, ob etwas angeboren ist, sondern vielmehr wie viel und was. Die im Rahmen der generativen Grammatik entwickelte Konzeption der Sprache ist jedoch nicht die einzige. 7 Es gibt zahlreiche, zum Teil recht unter‐ schiedliche Auffassungen darüber, wie Sprache zu beschreiben und zu erklären 19 2.1 Generativer Ansatz in der Spracherwerbsforschung 8 Obgleich es den meisten Kindern problemlos gelingt, die jeweilige Zielsprache zu erwerben, gibt es auch abweichende Spracherwerbsverläufe, die allgemein als Sprachentwicklungsstörung (SES) bezeichnet werden. Es werden zwei Arten von SES unter‐ schieden: Zum einen spricht man von einer allgemeinen Sprachentwicklungsstörung, der organische oder geistige Schädigungen zugrunde liegen; zum anderen wird von einer spezifischen Sprachentwicklungsstörung (SSES) gesprochen, bei der keine er‐ kennbaren Ursachen ermittelt werden können, d. h., ein Kind entwickelt sich kognitiv und körperlich wie zu erwarten, hat aber gravierende sprachliche Probleme. Sowohl in der allgemeinen als auch in der spezifischen Sprachentwicklungsstörung beträgt die Entwicklungsretardierung nicht weniger als sechs Monate; hinsichtlich ihrer Symptome differieren sie ebenfalls nicht (vgl. Wendlandt, 2006: 48; vgl. auch Dittmann, 2006: 114-117). ist. Aus soziolinguistischer Perspektive wird sie z. B. als Bedingung und zugleich als Produkt des sozialen Lebens und nicht außerhalb desselben verstanden (vgl. Coulmas, 1997: 1 ff.). Funktional gesehen kann sie wiederum als kommunika‐ tives Instrument definiert werden, mit dem verschiedene kommunikative Ziele erreicht werden (vgl. Schwarz-Friesel, 2013: 22 f.). Die Art und Weise, wie man Sprache definiert, determiniert die Herangehensweise an den Spracherwerb. In der vorliegenden Arbeit wird erstens davon ausgegangen, dass Sprache keine externe Entität ist; sie wird als reine Struktur bestimmter Funktionen des menschlichen Gehirns verstanden, die eine nicht-materielle Struktur aufweist und sehr tief im Menschen verankert ist (F. Grucza, 1993a, 1993b; vgl. auch S. Grucza, 2010). Zweitens wird angenommen, dass sie ein modulares System von mentalen Repräsentationen darstellt, wobei der Syntaxautonomie besondere Bedeutung eingeräumt wird. Der Erwerb des syntaktischen Wissens wird als ein relativ autonomer Prozess aufgefasst, der sich zum Teil unabhängig von der kognitiven Entwicklung des Kindes vollzieht. In den darauffolgenden Subkapiteln wird auf die generativen Erklärungsmodelle in Hinblick auf den Erst- und Zweitspracherwerb eingegangen. 2.1.1 Erstspracherwerb Der Erstspracherwerb ist ohne Zweifel eine der komplexesten und faszinie‐ rendsten kognitiven Leistungen des Menschen. Schon ungefähr zwischen dem fünften und dem neunten Lebensmonat sind Kinder normalerweise imstande, Phrasenstrukturgrenzen zu erkennen. Im zweiten Lebensjahr tauchen in ihrer Sprache in der Regel erste Mehrwortäußerungen und Umstellungen der Satz‐ gliedreihenfolge auf (vgl. Philippi & Tewes, 2010: 19). Erstaunlich ist insbesondere, dass alle Kinder, bis auf einige wenige Einzel‐ fälle 8 , in der Lage sind, trotz unzureichender Evidenz ein so komplexes System 20 2 Entwicklung der kindlichen Zweisprachigkeit 9 Im Dialog Menon zeigt Platon, dass ein ungebildeter Sklave geometrische Figuren zu konstruieren weiß, obwohl er sich in der Geometrie gar nicht auskennt. Daraufhin kommt Platon zu folgender Erkenntnis: „In dem Nichtwissenden also sind von dem, was er nicht weiß, dennoch richtige Vorstellungen“ (vgl. Grewendorf, 2002a: 11). wie die Grammatik einer natürlichen Sprache zu erwerben. Das Sprachmaterial, das Kindern zur Verfügung steht, ist nicht nur unvollständig und fehlerhaft, son‐ dern vor allem zu wenig, als dass die grammatische Kompetenz allein auf seiner Basis aufgebaut werden könnte. Dieses logische Problem des Spracherwerbs wird innerhalb der Linguistik als Spezialfall von Platons Problem 9 aufgefasst: „For many years, I have been intrigued by two problems concerning human language. The first is the problem of explaining how we can know so much given that we have such limited evidence. (…) The first problem we may call Plato’s problem.“ (Chomsky, 1986: XXV) Der sprachliche Input, der von Kindern aufgenommen wird, ist nicht nur quanti‐ tativ, sondern auch qualitativ unterdeterminiert, weil er - im Gegensatz zum von Kindern erworbenen Wissen, das aus Regeln und Prinzipien zusammengesetzt ist - aus konkreten Äußerungen besteht, die nur als ein kleiner Ausschnitt der in einer Sprache möglichen Sätze zu betrachten sind. Darüber hinaus vollzieht sich der Erwerb des grammatischen Wissens allein auf der Grundlage positiver Evidenz, d. h. Kinder bekommen keinen Aufschluss darüber, welche Strukturen in ihrer Sprache ungrammatisch sind. Die Eltern konzentrieren sich eher auf den Inhalt einer Äußerung und lassen die grammatische Korrektheit außer Acht. Wenn sie aber doch grammatische Korrekturen vornehmen, werden sie von Kindern kaum beachtet (vgl. z. B. Pinker, 1984: 29). Das Problem der qualitativen und quantitativen Unterdeterminiertheit des grammatischen Wissens von Kindern durch die ihnen verfügbare Evidenz wird im Rahmen des generativen Ansatzes durch einen Verweis auf ein angeborenes, genetisch determiniertes Sprachprogramm gelöst. Es besteht eine Reihe von Argumenten, die die Annahme eines angeborenen sprachlichen Wissens kräftig unterstützen, darunter der Spracherwerb bei sprach‐ lich-sozialer Isolation. Ein klassischer Fall ist das „wilde“ Mädchen Genie, das seine Kindheit bis zum 13. Lebensjahr in völliger Abgeschlossenheit verbracht hat und deswegen keinerlei Kontakt mit der Sprache hatte. Trotz zahlreicher Fortschritte in der kognitiven Entwicklung, z. B. in der visuell-räumlichen Perzeption, war sie nicht imstande, das syntaktische und morphologische Wissen ihrer Mutter‐ sprache zu erwerben. Zwar hat Genie ein relativ komplexes Lexikon aufgebaut, wodurch sie mit der Zeit Mehrwortäußerungen produzieren konnte, sie waren aber immer noch ungrammatisch (vgl. Klann-Delius, 2016: 67). 21 2.1 Generativer Ansatz in der Spracherwerbsforschung Ein weiterer Beweis für die Existenz angeborener Prädispositionen liefern die Pidgin- und Kreolsprachen. Als Pidgin wird ein meist vor dem Hintergrund der Migration entstandenes Kommunikationssystem bezeichnet, das infolge des Kontaktes zwischen Sprechern verschiedener Sprachen herausgebildet wird und sich durch vereinfachte grammatische Strukturen sowie ein schlichtes Vokabular charakterisiert. Wenn ein Pidgin zu einer Muttersprache der nächsten Generationen wird, handelt es sich dann um eine Kreolsprache. Obschon sie auf der Basis einer stark reduzierten Sprachform entsteht, ist sie komplex und weist universale Struktureigenschaften auf. Darüber hinaus entstammen manche ihrer Eigenschaften weder der Muttersprache der Eltern noch der Um‐ gebungssprache. Dies hat Bickerton (1981) dazu veranlasst, die universalistische These zu formulieren, welche besagt, dass den Pidginsprachen ein Bioprogramm von Sprache zugrunde liegt. Die Markierung von Tempus, Modus und Aspekt durch Partikeln vor dem Verb kann als eine universale Tendenz in Kreolsprachen angesehen werden (vgl. z. B. Riehl, 2014b: 126). Eine Spracherwerbstheorie, die von einer angeborenen Grundausstattung ausgeht, muss den Anfangszustand der Sprachfähigkeit charakterisieren können. Nach Grewendorf (2002a: 12) müssen linguistische Hypothesen über den Anfangszustand folgenden Ansprüchen gerecht werden: 1. Eine Hypothese über den Anfangszustand muss restriktiv genug sein, um als Lösung für die linguistische Version von Platons Problem zu überzeugen. 2. Eine Hypothese über den Anfangszustand muss liberal genug sein, um mit der Verschiedenheit natürlich-sprachlicher Grammatiken kompatibel zu sein. 3. Eine Hypothese über den Anfangszustand muss es erlauben, den Erwerb einer einzelsprachlichen Grammatik aus der Interaktion von Anfangszu‐ stand und sprachlichem Input des Kindes zu erklären. Diese Bedingungen gehen in der Prinzipien- und Parameter-Theorie (PPT) von Chomsky (1981, 1986) in Erfüllung, die den eigentlichen Anfang eines univer‐ salgrammatischen Ansatzes markiert und infolge ihrer großen Erklärungskraft und damit einhergehender Erfolge als zweite kognitive Revolution bezeichnet wird (vgl. Grewendorf, 2002a: 7). Die PPT kann als Beschreibung der Univer‐ salgrammatik (UG) in Form von universalen Prinzipien angesehen werden. Als Anfangszustand des Spracherwerbs determinieren sie die zielsprachliche Grammatik, also den Endzustand des Spracherwerbs. Die Prinzipien sind des‐ wegen universal, weil sie allen Sprachen der Welt zugrunde liegen. Als Beispiel kann hier das Prinzip dienen, dass Nomina durch Adjektive modifiziert werden 22 2 Entwicklung der kindlichen Zweisprachigkeit 10 Die Grammatik konstituieren Chomsky (1981: 5) zufolge folgende Module: (1) Lexikon, (2) Syntax (zusammen als Basissystem bezeichnet), (2a) Kategoriale Komponente, (2b) Transformationelle Komponente (bewege ɑ), (3) Phonologische Form (PF) und (4) Logi‐ sche Form (LF). Werden lexikalische Einheiten in das Basissystem geliefert, so wird die D-Struktur (deep structure) generiert, aus der mithilfe des Bewege-ɑ-Mechanismus die S-Struktur (surface structure) abgeleitet wird. Ein Bewegungstyp ist z. B. die NP-Bewegung. In der D-Struktur werden Phrasen ihre Theta-Rollen, in der S-Struktur wiederum Kasus zugewiesen. Die phonologische Form bestimmt die phonologische Struktur des Satzes, die logische Form fungiert als Eingabe für dessen semantische Interpretation (vgl. Ramers, 2000: 132; Mecner, 2005: 121). Was die Subsysteme der Prinzipien anbetrifft, so erfüllen sie folgende Funktionen (vgl. N. Müller, 1993: 6): (1) Grenzknotentheorie - Beschränkungen für Bewegungsprozesse; (2) Rektionstheorie - die Festlegung der Relation zwischen dem Kopf einer Phrase und von ihm abhängigen Elementen; (3) Theta-Theorie - die Vergabe von Theta-Rollen; (4) Bindungstheorie - die Verbindung von grammatischen Elementen wie Personal- und Reflexivpronomina und ihrem jeweiligen Antezedens; (5) Kasustheorie - die Genuszuweisung und seine morphologische Realisierung; (6) Kontrolltheorie - die Bestimmung der möglichen Referenz von PRO (dem abstrakten pronominalen Element); (7) X-bar-Theorie - die Strukturbildung und die Bestimmung der Architektur von Phrasen. können (vgl. Philippi & Tewes, 2010: 26). Die Stellung des Adjektivs ist aber sprachspezifisch, worüber die Parameter entscheiden, die für einzelsprachliche Variationen zuständig sind. Sie nehmen auf der Grundlage des zielsprachlichen Inputs verschiedene Werte an, die anfangs noch unspezifiziert sind. Die Fest‐ legung der Werte in Abhängigkeit von der Einzelsprache wird als Fixieren von Paramatern bezeichnet. Dafür braucht ein Kind nur einfache Inputdaten, was das logische Problem des Spracherwerbs lösen lässt. Ein weiteres Prinzip kann das Wissen um die universalen Merkmale der Phrasenstruktur, d. h. das X-bar-Schema sein. Parametrisiert ist jedoch die Position des Phrasenkopfes, die festgelegt werden muss (vgl. Chomsky, 1981: 48 f.). Die einzelsprachlichen Regularitäten, die aus den Prinzipien und Parametern der Universalgrammatik abgeleitet werden können, machen den Kernbereich der Sprache aus, wohingegen die restlichen sprachlichen Aspekte, die erlernt werden müssen, zur Peripherie gehören. Rothweiler (1993: 140) weist beispielsweise darauf hin, dass sich der Erwerb von Nebensätzen im Deutschen teils parametrisiert, teils peripherisch vollziehen kann. Dabei muss einerseits ein rein kerngrammatisches Wissen über Rektion, Kongruenz und Genuszuweisung auf eine neue Struktur übertragen werden; andererseits spielt auch die Erweiterung des kindlichen Lexi‐ kons eine bedeutsame Rolle. Die Universalgrammatik ist modular aufgebaut, d. h. die Prinzipien sind spezifischen Modulen zuzuordnen, die zusammenwirken und damit für die grammatische Kompetenz konstitutiv sind (vgl. Grewendorf, 2002a: 13). In der PPT werden zwei Gruppen von Subkomponenten angenommen: (1) Module der Grammatik und (2) Subsysteme der Prinzipien: 10 23 2.1 Generativer Ansatz in der Spracherwerbsforschung 11 Die Variation in der Ordnung von Verb und Objekt ist an den Kopfparameter gekoppelt (vgl. Chomsky, 1981: 48 f.). 12 Vgl. Kapitel 3.2 für eine Analyse der deutschen Satzstruktur aus generativer Perspektive. „UG consists of interacting subsystems, which can be considered from various points of view. From one point of view, these are the various subcomponents of the rule system of grammar. From another point of view, which has become increasingly important in recent years, we can isolate subsystems of principles.“ (Chomsky, 1981: 5) In der PPT spielt die Unterscheidung zwischen funktionalen und lexikalischen Kategorien eine Schlüsselrolle. Zu den lexikalischen Kategorien gehören: N(omen), V(erb), A(djektiv) und P(räposition). Sie haben einen deskriptiven/ se‐ mantischen Inhalt und bilden eine offene Klasse, die ständig erweitert werden kann. Zu den funktionalen Kategorien werden im nominalen Bereich D(eter‐ minant) und N(umerus), im verbalen Bereich hingegen C(omplementierer), AGR(eement) und T(empus) zugerechnet. Sie erfüllen grammatische Funk‐ tionen und stellen eine Menge von abstrakten formalen Merkmalen dar. Nur die funktionalen Kategorien sind parametrisiert, was zur Folge hat, dass Un‐ terschiede zwischen einzelnen Sprachen auf unterschiedliche Merkmale der funktionalen Kategorien zurückzuführen sind. Die lexikalischen Kategorien werden vom Kind früher erworben als die funktionalen (vgl. Parodi, 1998: 14; Schmitz, 2006: 16). Für die vorliegende Arbeit sind nun folgende zwei Parameter relevant, die mit dem Aufbau der Satzstruktur in der deutschen Sprache zusammenhängen: der V2-Parameter (Platzack, 1983; Koopman, 1984; vgl. auch Slabakova, 2016: 224) und der OV/ VO-Parameter 11 (Neeleman, 1994; vgl. auch N. Müller, 1998). Der Erstere wird im Deutschen auf den Wert [+V2] fixiert, was dazu führt, dass das finite Verb im Hauptsatz obligatorisch in die zweite Position bewegt wird. Der V2-Parameter ist auch mit dem Erwerb der Negationsstellung verbunden (vgl. Kapitel 4.2.1). Der Letztere legt die Kopfstellung in der Verbalphrase fest und bezieht sich auf die interne Struktur des Satzes. Das Deutsche wird als eine OV-Sprache klassifiziert, weil sich das direkte Objekt sowohl in Hauptals auch in Nebensätzen vor dem infiniten Verbteil befindet. Das Polnische dagegen ist keine V2-Sprache und weist die VO-Abfolge auf, weil die VP im Gegensatz zum Deutschen linksköpfig ist (vgl. Mecner, 2005: 130-138). 12 Dabei gilt es zu fragen, wie diese Parameter festgelegt werden. Im Rahmen des generativen Ansatzes wird das Fixieren von Parametern als ein kognitiver Prozess beschrieben, der aufgrund von Triggering zustande kommt (vgl. Meisel, 2011: 52). Das Festlegen von den für die Einzelsprachen geltenden Werte wird 24 2 Entwicklung der kindlichen Zweisprachigkeit 13 Zu unterscheiden davon ist das induktive Lernen, das einen häufigen Kontakt mit der Sprache über eine längere Zeit hinweg und eindeutig strukturierte Inputdaten erfordert (vgl. Meisel, 2011: 52; vgl. auch Kapitel 4.3.1). 14 Vgl. Meisel (1995) für eine Auseinandersetzung mit Vorbedingungen für das Fixieren von Parametern. 15 Im Kontrast zur PPT, die die Einteilung in funktionale und lexikalische Kategorien pos‐ tuliert, wird im Minimalistischen Programm zwischen phonologischen, semantischen und formalen Merkmalen eines Lexikoneintrags unterschieden. Phonologische Merk‐ male beziehen sich auf die Lautstruktur, mithilfe deren ein Lexem akustisch realisiert wird. Der Laut / b/ weist beispielsweise die Merkmale [+bilabial] und [+stimmhaft] auf. Semantische Merkmale betreffen die Bedeutung eines Lexems. Das Nomen Junge hat z. B. die Merkmale [+männlich] und [+Kind]. Formale Merkmale determinieren die Grammatik eines Satzes. Hierzu zählen etwa φ-Merkmale (z. B. Numerus, Genus und Person) und Kasusmerkmale (vgl. Philippi, 2008: 313). 16 Vgl. Sopata (2008b) für eine ausführliche Darstellung weiterer Hypothesen der genera‐ tiven Erstspracherwerbsforschung. demnach durch den Input getriggert. 13 Dieser Prozess geschieht schnell und nur aufgrund einfacher Inputdaten. Die Vorkommenshäufigkeit und Salienz der relevanten Strukturen im Input sollen dabei eine untergeordnete Rolle spielen. Damit aber das Kind nötige Informationen aus dem Input extrahiert, muss zuerst eine Reihe von quantitativen wie auch qualitativen Vorbedingungen erfüllt werden. Sie können aber leider im Rahmen dieser Arbeit nicht diskutiert werden. 14 Die generative Sprachtheorie wurde im Laufe der Zeit mehreren Revisionen unterzogen, wozu eine systematische Forschungstätigkeit beigetragen hat. Viele theoretische Annahmen haben sich als insuffizient erwiesen, um das Phänomen des Spracherwerbs adäquat zu explizieren; infolgedessen wurde auch die PPT stark modifiziert, was zur Entstehung des Minimalistischen Programms (Chomsky, 1995) geführt hat. 15 In Hinblick auf die in der PPT eingeführte Konzeption der Parameter wird im Rahmen des Minimalistischen Programms angenommen, so Möhring (2005: 56), dass Parametrisierungen einerseits nur auf formale Merkmale, andererseits auf das Verhältnis zwischen Morphologie und Syntax zurückzuführen sind. Da diese Modifikationen für die vorliegende Studie nicht von großer Relevanz sind, werden sie nicht näher behandelt. Eine der fundamentalen Fragen in der generativen Erstspracherwerbsfor‐ schung ist, wann universale Prinzipien in die mentale Grammatik des Kindes implementiert werden. Als Antwort bieten sich zunächst zwei sich zuwider‐ laufende Hypothesen an: die Reifungshypothese (Felix, 1984, 1992; Borer & Wexler, 1987) und die Kontinuitätshypothese (Pinker, 1984). 16 Im Rahmen der Reifungshypothese wird argumentiert, dass die universalgrammatischen Prin‐ zipien nach einem genetisch vorprogrammierten Reifungsschema erst später im 25 2.1 Generativer Ansatz in der Spracherwerbsforschung Spracherwerb in Kraft treten (Felix, 1984: 142). Die Entfaltung der universalen Prinzipien kann dieser Hypothese zufolge mit der Reifung des Gehirns gleich‐ gesetzt werden, wobei die Bedeutung der Umgebung wesentlich geschmälert wird: „Like any other instance of biological maturation, the principles take time to develop, but the particular character of experience during this time is not what makes the principles develop.“ (Borer & Wexler, 1987: 124) Nach der Reifungshypothese (Felix, 1984, 1992; Borer & Wexler, 1987) geht der Syntaxerwerb somit mit dem Heranreifen kognitiver Fähigkeiten des Kindes einher, deswegen werden zunächst einfache Strukturen in die mentale Gram‐ matik inkorporiert. Die mentale Grammatik kann laut Möhring (2004: 13) aus diesem Grund anfangs noch nicht UG-konform sein, denn es bedarf Zeit, damit die universalen Prinzipien im Gehirn heranreifen. Zwar liefert der Ansatz eine Erklärung dafür, warum bestimmte Parameter zu einem bestimmten Zeitpunkt gesetzt werden, sie kann aber keinen Aufschluss über die interne Logik des Spracherwerbs geben. Die Kontinuitätshypothese (Pinker, 1984) geht demge‐ genüber davon aus, dass in der Kindersprache die gleichen Kategorien und Relationen auftreten wie in der Sprache von Erwachsenen. Der Spracherwerb verläuft in einer Reihe aufeinanderfolgender Stadien, die jeweils durch die Universalgrammatik restringiert sind. Der Übergang von einer Erwerbsstufe in die nächste erfolgt aufgrund von Informationen, die das Kind den gehörten und verarbeiteten Äußerungen entnimmt. Wenn das universalgrammatische Wissen dem Kind von Anfang an zur Verfügung steht, ist zu fragen, warum sich die grammatische Kompetenz eines Kindes von der eines Erwachsenen unterscheidet. Als Lösungsvorschlag kann z. B. die Hypothese des lexikalischen Lernens (z. B. Clahsen, 1988a) angesehen werden, nach der der Erwerb lexikalischer Elemente als Trigger für die Ingang‐ setzung der universalgrammatischen Prinzipien und für das Fixieren offener Parameter fungiert; der Grammatikerwerb hängt danach mit dem sukzessiven Lexikonzuwachs zusammen (vgl. Clahsen, 1988a: 246). Das kommt laut neueren generativen Theorien des mentalen Lexikons daher, dass ein Lexem nicht nur aus Informationen über die Lautstruktur und Bedeutung besteht, sondern auch morphosyntaktisches Wissen umfasst (vgl. Siebert-Ott, 2001: 45 f.). Eine andere Lösung liefert die Strukturaufbauhypothese (Guilfoyle & Noonan, 1992). Sie nimmt an, dass Kinder anfangs nur lexikalische Kategorien anwenden und funktionale Kategorien erst sukzessiv erwerben. Die Struktur der Kindersprache wächst allmählich heran, wobei jede Stufe des Spracherwerbs von universellen Prinzipien eingeschränkt ist, wodurch die kindliche Gram‐ 26 2 Entwicklung der kindlichen Zweisprachigkeit 17 Schon am Anfang der sechziger Jahre kam man in der Spracherwerbsforschung zu dem Schluss, dass der Spracherwerb ein größtenteils systematischer Prozess ist, der unabhängig von der jeweiligen Sprache nach einem relativ invarianten Grundmuster zu verlaufen scheint. Kinder durchlaufen auf dem Weg zur zielsprachlichen Kompetenz eine geordnete Entwicklungssequenz, d. h. nacheinander folgende Erwerbsstadien, die bestimmte strukturelle Eigenschaften aufweisen. In ein nächstes Stadium vollständig einzutreten ist erst dann möglich, wenn das vorangegangene Stadium abgeschlossen ist und die ihm inhärenten Strukturen erworben worden sind (vgl. Fanselow & Felix, 1990: 200 f.; Wode, 1993: 84). 18 Sie werden vom Autor dieser Arbeit an einer anderen Stelle kritisch diskutiert (vgl. Długosz, eingereicht). matik immer mit der Universalgrammatik übereinstimmt. Die Strukturaufbau‐ hypothese setzt somit keine Rekonstruierung der Grammatik, sondern vielmehr ihre sukzessive Ergänzung um neue Struktureinheiten voraus. In Hinblick auf die Wortstellung zeigen die Autoren, dass Kindern zuerst nur lexikalische Kategorien zugänglich sind, funktionale Kategorien, z. B. Kongruenz und Flexion, hingegen erst später erworben werden. Angesichts der Erkenntnis, dass der Erstspracherwerb in einer Reihe von geordneten Phasen verläuft, und dass der Erwerb verschiedener Phänomene zeitlich zusammenfällt, scheint die Strukturaufbauhypothese überzeugender zu sein. 17 Es ist aber nach Verrips (1990: 20) zu konstatieren, dass keine der beiden Extrempositionen, mit der Reifungshypothese auf der einen Seite und der Kontinuitätshypothese auf der anderen Seite, unkritisch annehmbar ist. Den Spracherwerb hat man sich vielmehr als Interaktion zwischen Maturation und Lernen vorzustellen. Man darf nicht vergessen, dass es auch andere Erstspracherwerbsansätze gibt, darunter vor allem interaktionistische und kognitivistische, aber auch die in letzter Zeit gefragten gebrauchsbasierten Theorien. Sie betonen jeweils andere Faktoren, z. B. den großen Einfluss der Interaktion mit der Umgebung auf den Erfolg beim Spracherwerb im Falle des Interaktionismus oder die Rolle der allgemein-kognitiven Fähigkeiten bzw. Intelligenz im Falle des Kognitivismus (vgl. z. B. Klann-Delius, 2016). Allerdings haben sie der Forschung zum Wort‐ stellungserwerb aus mehreren Gründen wenig anzubieten und werden daher in diesem Rahmen nicht miteinbezogen. 18 Aus dem Vorangegangenen ist ersichtlich, dass der generative Ansatz schlag‐ kräftige Antworten auf Fragen liefert, mit denen sich die Spracherwerbsforscher seit Langem auseinandersetzen. Er erfreut sich der längsten Forschungstra‐ dition, was zur Folge hat, dass er zahlreiche Erstspracherwerbshypothesen hervorgebracht hat, die zur Klärung der sprachlichen Entwicklung maßgeblich beigetragen haben. Der generative Ansatz hat nicht zuletzt die Erstspracher‐ werbsforschung revolutioniert und erschüttert, wodurch alternative Theorien 27 2.1 Generativer Ansatz in der Spracherwerbsforschung 19 Vgl. Meisel (2011) für eine eingehende Darstellung von L1/ L2-Divergenzen im Bereich der Grammatik. 20 In vielen Studien wird versucht nachzuweisen, dass auch erwachsene Zweitsprach‐ lerner eine muttersprachliche Kompetenz erzielen können (vgl. Kapitel 4.1). Klein (2007) äußert sich ironisch dazu: „Allerdings konnte bislang für jede untersuchte sprachliche Eigenschaft gezeigt werden, dass auch Erwachsene sie perfekt lernen können. Sie tun es bloß nicht“ (Klein, 2007: 138). ausgearbeitet wurden, die Chomskys Annahmen oft vervollkommnen oder aber infrage stellen wollen. 2.1.2 Zweitspracherwerb Der Zweitspracherwerb ist im Vergleich zum Erstspracherwerb kein einheitli‐ ches Phänomen, weil der Weg zur Beherrschung einer zweiten Sprache in Ab‐ hängigkeit von diversen internen und externen Faktoren verschiedene Formen annehmen kann. So betont Meisel (2008: 56 f.): „L1 and L2 are fundamentally different, meaning that the two types of learners acquire qualitatively different types of linguistic knowledge“. In der Fachliteratur herrscht Übereinstimmung darüber, dass sich die Prozesse des Erst- und Zweitspracherwerbs in vielen wesentlichen Punkten voneinander unterscheiden. Da die L1/ L2-Divergenzen in Hinblick auf alle Subsysteme und Fertigkeiten erforscht werden können, stellen sie einen enorm komplexen Problembereich dar. 19 Dennoch lassen sich einige übergreifende Unterschiede zwischen dem Erst- und Zweitspracherwerb spezifizieren, von denen die meisten Forscher ausgehen (vgl. Meisel, 2008: 57): 1. Anfangszustand des Spracherwerbs (initial state): Die Äußerungen der Zweitsprachlerner sind länger, möglicherweise komplexer und enthalten funktionale Kategorien. 2. Erwerbsverlauf (course of acquisition): Sowohl der Erstspracherwerb als auch der Zweitspracherwerb sind durch invariante Entwicklungsse‐ quenzen gekennzeichnet, die jedoch nicht identisch sind. 3. Schnelligkeit des Spracherwerbs (rate of acquisition): Die Erstsprache wird schneller erworben als die Zweitsprache. 4. Einheitlichkeit des Spracherwerbs (uniformity): Beim Zweitspracherwerb ist eine stärkere Variation sowohl auf der interindividuellen als auch auf der individuellen Ebene zu beobachten. 5. Endzustand des Spracherwerbs (ultimate attainment): Im Gegensatz zu einsprachigen Kindern erreichen wenige (oder keine) Zweitsprachlerner muttersprachliches Niveau. 20 28 2 Entwicklung der kindlichen Zweisprachigkeit 21 Die Aussagekraft alternativer Zweitspracherwerbstheorien in Bezug auf die Entwick‐ lung der Wortstellung ist auch zu beanstanden (vgl. Sopata, 2009: 87 f.). Daher sind sie für die Fragestellung der vorliegenden Arbeit irrelevant. Ihre Beschreibungen finden sich z. B. in Herschensohn und Young-Scholten (2013) oder in VanPatten und Williams (2015). Der unterschiedliche Anfangszustand beim Zweitspracherwerb hat mindestens zwei Ursachen: Erstens ist das zur Verfügung stehende Wissen am Anfang des Erwerbsprozesses grundsätzlich ein anderes, weil die Zweitsprachlerner auf ihre Erstsprache zugreifen können; zweitens schaffen die bei ihnen weiter entwickelten kognitiven Fähigkeiten mehr Möglichkeiten beim Lernen, Spei‐ chern und Verarbeiten von Sprache (vgl. Meisel, 2007a: 99). Die Tatsache, dass der Ausgangspunkt des Zweitspracherwerbs von dem des Erstspracherwerbs divergiert, muss notwendigerweise auch den Erwerbsverlauf beeinflussen, weil „ein gleiches Ziel von unterschiedlichen Startpunkten aus nicht auf gleichem Weg erreicht werden kann“ (Meisel, 2007a: 99). Die aufgelisteten Unterschiede können sicherlich auch dadurch erklärt werden, dass der Zugang zur Univer‐ salgrammatik beim Zweitspracherwerb nur teilweise oder gar nicht möglich ist (vgl. Kapitel 4.3.1). Die meisten dieser Variationen werden im Rahmen des generativen Ansatzes einleuchtend erklärt. Er ermöglicht es auch, präzise Hypothesen über den Zweitspracherwerb aufzustellen und zu verifizieren. 21 Im Mittelpunkt der generativen Zweitspracherwerbsforschung stand schon immer die Frage, wie das grammatische Wissenssystem einer Zweitsprache zu Beginn und im Verlauf des Erwerbs beschrieben und erklärt werden kann (vgl. z. B. Rothman & Slabakova, 2018: 419). Dabei wird, genauso wie im Falle des Erstspracherwerbs, auf die Universalgrammatik zurückgegriffen. Daraus resultiert die Kontroverse um den Anfangszustand des Zweitspracherwerbs, also die Frage, inwieweit das universalgrammatische Wissen die Entwicklung der Zweitsprache steuert. Zahlreiche Studien zeigen, dass L2-Grammatiken tatsächlich von der Universalgrammatik beeinflusst werden können: „Die L2-Grammatiken weisen Eigenschaften auf, die nicht dem L2-Input, der Erst‐ sprache der Lerner, dem Lehrverfahren, dem expliziten Lernen oder allgemeinen kognitiven Fähigkeiten entstammen können und für die nur eine Erklärung innerhalb der UG vorgelegt worden ist.“ (Sopata, 2009: 89) Betroffen sind aber nicht zufällige Aspekte der Zweitsprache, sondern Para‐ meter, die dank dem Input fixiert werden. Dies hat zur Folge, dass die Varia‐ bilität der L2-Grammatiken eingeschränkt ist. Im Rahmen des generativen Ansatzes wird ferner untersucht, auf welche Art und Weise die universalen Prinzipien die Entwicklung der Zweitsprache beeinflussen und inwieweit (wenn 29 2.1 Generativer Ansatz in der Spracherwerbsforschung 22 Der Begriff Interimssprache (auch: Lernersprache, Interlanguage) wird verwendet, um anzuzeigen, dass die sprachliche Kompetenz von Lernenden oft Merkmale aufweist, die sich weder der Erstsprache noch der Zielsprache zuschreiben lassen. Die Sprachkom‐ petenz bedeutet dabei die sich entwickelnden Wissenssysteme, die dem Sprachgebrauch der Lernenden zugrunde liegen (vgl. Dimroth, 2019: 22). überhaupt) sich die Struktur der Erstsprache auf die L2-Grammatik auswirkt, wobei hauptsächlich funktionale Kategorien anvisiert werden. Während sich die meisten Forscher darüber einig sind, dass die Zweitsprachlerner die univer‐ salen Prinzipien zur Verfügung haben, vertreten sie jedoch unterschiedliche Meinungen bezüglich des Erwerbs von Merkmalen der funktionalen Kategorien (vgl. Sopata, 2009: 90). Dies ist insofern wichtig, als verschiedene Merkmale der funktionalen Kategorien unterschiedliche Phänomene in den einzelnen Sprachen, z. B. unterschiedliche Wortstellungsregularitäten, nach sich ziehen. Die Hypothesen zum Anfangszustand des Zweitspracherwerbs differieren in Abhängigkeit davon, wie sie den Einfluss der Erstsprache und den Zugang zur Universalgrammatik auffassen: „One source is the native grammar, and how much of it constitutes the initial hypothesis for the L2 grammar. Full transfer, partial transfer, and no transfer were all proposed. The other possible source of knowledge, relevant for later stages of acquisition beyond the initial state, was access to UG, based on the L2 linguistic experience. Thus, full access, partial access, and no access to UG were discussed.“ (Slabakova, 2016: 2016) Ein voller Zugang zur Erstsprache und zur Universalgrammatik wird in der viel‐ zitierten Full Transfer/ Full Access Hypothesis von Schwartz und Sprouse (1994, 1996) angenommen. Der Initialzustand des Zweitspracherwerbs wird hiernach durch die volle L1-Grammatik mit allen L1-Parameterwerten konstituiert, die sozusagen kopiert werden, ohne das Original zu modifizieren. Die mentale Repräsentation der Lernersprache beinhaltet von Anfang an funktionale Kate‐ gorien und ihre Merkmale. Der Transfer betrifft die zugrunde liegenden Struk‐ turen und Parameterwerte der Erstsprache, weshalb sich die frühen Stadien des Zweitspracherwerbs nicht unbedingt an der Oberfläche der Erstsprache orientieren müssen. Wenn die übernommenen L1-Repräsentationen mit dem L2-Input nicht kompatibel sind, wird auf die UG-Optionen zurückgegriffen, die in der Erstsprache nicht vorhanden sind. Die Interimssprache 22 ist somit stets durch die Universalgrammatik restringiert, was aber nicht bedeutet, dass sie sich in späteren Phasen zur vollen Grammatik der Zielsprache entwickeln muss. Die der Zweitsprache nicht entsprechenden Grammatiken sind insbesondere dann zu erwarten, wenn die Eigenschaften der Erstsprache zu einer Inputanalyse 30 2 Entwicklung der kindlichen Zweisprachigkeit führen, die von der Inputanalyse der L2-Muttersprachler abweicht (vgl. auch White, 2003: 68). Das Erreichen der zielsprachlichen L2-Grammatik ist dieser Hypothese zufolge „possible but not inevitable“ (White, 2003: 94). Die Full Transfer/ Full Access Hypothesis von Schwartz und Sprouse (1994, 1996) wird von Westergaard et al. (2019) einer Kritik unterzogen und durch das Full Transfer Potential ersetzt. Nach diesem Konzept bildet die Erstsprache zwar den Initialzustand des Zweitspracherwerbs, jedoch nur in dem Sinne, dass sie immer aktiv bleibt; sie wird nicht als Ganzes übernommen bzw. kopiert. Potenziell können alle L1-Eigenschaften transferiert werden, dies darf aber nur schrittweise geschehen (property-by-property transfer). Wenn der Lerner dem L2-Input ausgesetzt wird, versucht er, ihn zuerst mithilfe der Erstsprache zu verarbeiten. Wenn der L2-Input mit der Erstsprache vereinbar ist, kommt ein Transfer zustande. Anderenfalls muss der Lerner auf die Universalgrammatik zurückgreifen. Westergaard et al. (2019) argumentieren, dass die L2-Grammatik zu Beginn des Zweitspracherwerbs noch nicht vollständig ist, sondern aufgrund der Interaktion zwischen Input und Universalgrammatik wie auch aufgrund des L1-Transfers inkrementell aufgebaut wird. Obwohl sie keine expliziten Aussagen über den Endzustand treffen, kann man dem theoretischen Rahmen dieser Hypothese unterstellen, dass die Lerner die zielsprachliche Grammatik letztendlich erwerben. Zu den Hypothesen, die den Zugang sowohl zur Erstsprache als auch zur Universalgrammatik postulieren, gehört darüber hinaus die Minimal Trees Hypothesis von Vainikka und Young-Scholten (1994, 1996). Sie nimmt den vollen Zugang zur Universalgrammatik an, aber lässt nur den Transfer der lexikalischen Kategorien zu. Die funktionalen Kategorien sind dagegen in der frühen Erwerbsphase abwesend. Die Hypothese knüpft an die Strukturaufbau‐ hypothese von Guilfoyle & Noonan (1992) an, die für den Erstspracherwerb entwickelt wurde. Wie Sopata (2009: 91) anmerkt, ist der Vorschlag von Vainikka und Young-Scholten (1994, 1996) mit dem Vorhandensein des L1-Wissens und der fortgeschrittenen kognitiven Entwicklung im Falle des Zweitspracherwerbs nicht zu vereinbaren. Die Full Transfer/ Full Access Hypothesis (Schwartz & Sprouse, 1994, 1996) und Minimal Trees Hypothesis (Vainikka & Young-Scholten, 1994, 1996) haben es gemeinsam, dass sie vom Transfer der Wortstellung der Erstsprache beim Zweitspracherwerb ausgehen. Demnach sollten polnische Lerner des Deutschen anfangs die zielsprachliche rechtsköpfige VP durch die linksköpfige VP ersetzen und infolgedessen sowohl das finite als auch das infinite Verb vor das Objekt stellen. Die Anwendung der Eigenschaften der VP aus der Erstsprache auf den 31 2.1 Generativer Ansatz in der Spracherwerbsforschung 23 Die dargestellten Hypothesen zum Anfangszustand des Zweitspracherwerbs wurden ausgewählt, weil sie die Wortstellung berücksichtigen. Zu anderen relevanten Hypo‐ thesen gehört außerdem z. B. die Missing Surface Inflection Hypothesis (Haznedar & Schwartz, 1997; Prévost & White, 2000), deren Fokus auf der Verbalmorphologie liegt. Dieser Aspekt spielt für die vorliegende Arbeit eine untergeordnete Rolle, weil sie die fortgeschrittenen Phasen des Wortstellungserwerbs untersucht, in denen die morpho‐ logische Finitheit schon erworben worden ist und mit der Entwicklung syntaktischer Phänomene nicht in Verbindung gebracht werden kann. Erwerb der VP in der Zweitsprache wurde tatsächlich für andere Sprachkons‐ tellationen bestätigt (vgl. Kapitel 4.2.3). Eine andere Charakteristik des Anfangszustands wird in der Valueless Fea‐ tures Hypothesis von Eubank (1993/ 1994, 1994, 1996) vorgebracht. Die Autorin argumentiert im Einklang mit den bereits referierten Hypothesen, dass die L1-Grammatik den Anfangszustand des Zweitspracherwerbs konstituiert. Al‐ lerdings geht sie von einem partiellen Transfer aus: Während die lexikali‐ schen Projektionen vollständig übernommen werden, sind die funktionalen Kategorien nur teilweise vom Transfer betroffen. Merkmale der funktionalen Kategorien sind zu Beginn noch nicht spezifiziert, weil ihre parametrisierten Werte an die overte Morphologie gebunden sind. In Bezug auf den Erwerb der Wortstellung zeigt Eubank (1994) anhand der ZISA-Daten (vgl. Kapitel 4.2.2), dass die unspezifizierten Merkmale der funktionalen Kategorien u. a. darin resultieren können, dass die Lernersprachen zugleich eine Grammatik mit und ohne V2-Eigenschaft permittieren. Nach dieser Hypothese konvergiert die Interimsgrammatik schließlich mit der zielsprachlichen L2-Grammatik. All die dargestellten Hypothesen betreffen vor allem den Anfangszustand des Zweitspracherwerbs. 23 Im Rahmen des generativen Ansatzes wird aber auch untersucht, wie sich die Interimsgrammatik in fortgeschrittenen Zweit‐ spracherwerbsstadien entwickelt. Diesbezüglich unterscheidet White (2003: 102) folgende vier Betrachtungsweisen: „(…) (i) global impairment, implying no parameters at all; (ii) local impairment, or breakdown in the case of some parameters; (iii) no parameter resetting, according to which only L1 settings are available; (iv) parameter resetting, which assumes the possibility of acquiring parameter settings distinct from those found in the L1. Under the first two views, interlanguage grammars fail to conform to properties of natural language. Under the two latter perspectives, interlanguage grammars are natural-language systems in which parameters are instantiated.“ (White, 2003: 102) Die erste Betrachtungsweise, also die globale Beeinträchtigung, beinhaltet, dass die Interimsgrammatiken der Zweitsprachlerner durch die Universalgrammatik nicht eingeschränkt sind. Dabei handelt es sich aber nicht um die UG-Prinzipien, 32 2 Entwicklung der kindlichen Zweisprachigkeit 24 Allerdings glauben einige Forscher, dass eine Art Anpassung von sprachlichen Daten an eine UG-konforme und zugleich L1-basierende Analyse möglich ist (vgl. Tsimpli & Roussou, 1991). sondern um die Parameter, die beim Zweitspracherwerb keine Rolle spielen (vgl. z. B. Clahsen & Hong, 1995). Als Beweis dafür wird vor allem der Befund ge‐ deutet, dass syntaktische und morphologische Phänomene in der Zweitsprache separat erworben werden. Als Vergleichsmaßstab wird der Erstspracherwerb herangezogen, bei dem ein Zusammenhang zwischen Syntax und Morphologie zu beobachten ist (clustering of properties) (vgl. Kapitel 4.2.1). Beim Erwerb von Eigenschaften der Zielsprache, die in der Erstsprache abwesend sind, muss der Lerner auf generelle Lern- und Problemlösungsstrategien ausweichen. Die lokale Beeinträchtigung (Beck, 1998) impliziert ein permanentes Defizit in der L2-Grammatik, das die Stärke der Werte von Merkmalen der funktionalen Kategorien betrifft. Die Werte der Merkmale können nicht spezifiziert werden, was zu einer permanenten Optionalität in der L2-Grammatik führt. Die lokale Beeinträchtigung basiert auf der Erkenntnis, dass solche Phänomene wie Ver‐ banhebung auch bei fortgeschrittenen Zweitsprachlernern optional sind. Im Kontrast dazu stehen die zwei letzten von White (2003: 102) genannten Po‐ sitionen, die jegliche Beeinträchtigung des grammatischen Moduls ausschließen und die L2-Grammatiken im Rahmen der Parametersetzung charakterisieren. Die No Parameter Resetting Hypothesis nimmt an, dass das Umsetzen der im Erstspracherwerb bereits festgelegten Parameter unmöglich ist (vgl. z. B. Sopata, 2004). Der Erwerb neuer Parameterwerte ist nicht vorgesehen, weil nur die in der Erstsprache schon fixierten Parameter zugänglich sind. Situationen, in denen die Erst- und Zweitsprache unterschiedliche Parameterwerte aufweisen, verhindern den erfolgreichen Erwerb des betroffenen Phänomens. 24 Anhänger der letzten Hypothese vertreten demgegenüber die Ansicht, dass die Lerner durchaus in der Lage sind, die funktionalen Kategorien sowie ihre Merkmale er‐ folgreich zu erwerben. Dies impliziert, dass die L1-Parameter umfixiert werden können: „(…) interlanguage grammars are not limited to the parameter settings realized in the L1 grammar. Rather, functional categories, features and feature values absent from the L1 grammar are instantiated in the interlanguage representation.“ (White, 2003: 127) Die Frage, ob die Lerner letztendlich die zielsprachliche L2-Grammatik errei‐ chen können, wird nur im Rahmen dieser Hypothese bejahend beantwortet. Dieser Überblick über die generativen Ansätze zum Anfangszustand, zum Verlauf und zum Endzustand des Zweitspracherwerbs ist keinesfalls voll‐ 33 2.1 Generativer Ansatz in der Spracherwerbsforschung 25 Vgl. z. B. White (2018) für einen Überblick über die generative Zweitspracherwerbsfor‐ schung. 26 Die Begriffe Zweisprachigkeit und Mehrsprachigkeit werden in der Fachliteratur unterschiedlich gebraucht. Für manche Autoren sind sie synonym (vgl. z. B. Romaine, 2007), andere dagegen betrachten Mehrsprachigkeit als Oberbegriff für Zweisprachig‐ keit (vgl. z. B. Bhatia, 2007). Eine dritte Möglichkeit ist die strikte Unterscheidung zwischen Zweisprachigkeit als Kenntnis von nur zwei Sprachen und Mehrsprachigkeit als Beherrschung von mehr als nur zwei Sprachen (vgl. z. B. Chłopek, 2011). In der vorliegenden Arbeit werden die Bezeichnungen zweisprachig bzw. bilingual gleichbe‐ deutend mit der Bezeichnung mehrsprachig verwendet. ständig. 25 Ziel war lediglich, diejenigen Hypothesen zu erhellen, die im Kontext der Entwicklung der Satzstruktur in der Zweitsprache relevant zu sein scheinen. Der Erwerb der Wortstellung im Deutschen als Zweitsprache, der im Mittel‐ punkt der vorliegenden Arbeit steht, wird in Kapitel 4.2 separat vorgestellt. 2.2 Bilinguale Erwerbsszenarien im frühen Alter Der Mensch kann sich prinzipiell jede natürliche Sprache aneignen. Aus biolo‐ gischer bzw. genetischer Perspektive ist niemand auf eine bestimmte Sprache vorprogrammiert (vgl. z. B. Pfeiffer, 2003: 265). Ganz im Gegenteil: Jeder verfügt über eine genetische Anlage zum Erwerb mehrerer Sprachen (vgl. Meisel, 2007a: 93). Als Oberbegriff für verschiedene Szenarien des mehrsprachigen Erwerbs wird im Allgemeinen der Begriff bilingualer Spracherwerb verwendet (vgl. Rothweiler, 2007: 106). 26 Der Weg zur Zweisprachigkeit im frühen Alter kann aber unterschiedliche Formen annehmen. Daher werden in der Fachliteratur einzelne Spracherwerbstypen spezifiziert, die sich zunächst einmal auf die zeitliche Abfolge von erworbenen Sprachen beziehen. 2.2.1 Bilingualer Erstspracherwerb Ein Spezialfall der individuellen Zweisprachigkeit ist der bilinguale Erstsprach‐ erwerb, der auch als doppelter Erstspracherwerb oder simultaner Erwerb zweier (oder mehrerer) Sprachen bezeichnet wird (vgl. Tracy & Gawlitzek-Maiwald, 2000: 502 f.). In der einschlägigen Literatur hat sich dafür auch das Kürzel 2L1 (= zwei Erstsprachen) oder BFLA (= bilingual first language acquisition) etabliert. Dieser Erwerbstyp bezieht sich auf die Situation, in der ein Kind zwei Sprachen von klein auf gleichzeitig erwirbt. Dies geht prinzipiell entweder durch die Verteilung des Inputs zwischen den Elternteilen, also nach dem Prinzip Eine Person - eine Sprache, oder zwischen dem Zuhause (Familiensprache) und der 34 2 Entwicklung der kindlichen Zweisprachigkeit 27 Vgl. z. B. Meisel (2006), Tracy (2009) und Olpińska-Szkiełko (2013) für eine eingehende Auseinandersetzung mit anderen Mythen, die sich um das Phänomen Zweisprachigkeit ranken. 28 Zwischen dem zweiten und dem dritten Lebensjahr nimmt die Anzahl von Sprachmi‐ schungen in Äußerungen simultan bilingualer Kinder rapide ab (vgl. Köppe, 1996: 928). Umgebung (Umgebungssprache), vonstatten. Allerdings stellt sich dabei die problematische Frage, wann genau der Erwerb der zweiten Sprache einsetzen soll, damit man vom bilingualen Erstspracherwerb sprechen darf. Laut manchen Forschern (vgl. z. B. De Houwer, 2009) ist unabdingbare Voraussetzung dafür die strikte Gleichzeitigkeit, d. h. der Kontakt mit beiden Sprachen von Geburt an. Andere sind indessen der Ansicht, dass die Grenze für das Alter von drei Jahren anzusetzen ist (vgl. Meisel, 2008: 59). Nach Ansicht vieler haben bilinguale Kinder, die von Anfang an mit zwei Sprachen aufwachsen, eine schwierige Aufgabe zu meistern. Sie seien nicht nur sprachlich, sondern auch kognitiv, emotional oder sogar moralisch verwirrt. 27 Viele Eltern machen sich auch Sorgen darüber, dass ihre Kinder die Sprachen mischen und sie nicht auf dem gleichen Niveau beherrschen. 28 Aus diesem Grund ging man in der Mehrsprachigkeitsforschung lange davon aus, dass bilinguale Kinder zuerst über ein gemeinsames System für beide Sprachen verfügen, das sich erst sukzessive ausdifferenziert. In diesem Zusammenhang sind vor allem ältere Arbeiten anzuführen, wie etwa die Studien von Leopold (1949, 1978) oder auch Volterra und Taeschner (1978), die noch heute gerne zitiert werden. Leopold (1949, 1978) geht der Grammatikentwicklung seiner Tochter in den ersten beiden Lebensjahren auf den Grund und stellt dabei fest, dass sie ein fusioniertes System aufgebaut hatte, in dem Elemente beider Sprachen anzutreffen sind (vgl. Leopold, 1978: 23). Volterra und Taeschner (1978) nehmen anhand einer Analyse von Daten zweier italienisch-deutscher Kinder an, dass simultan bilinguale Kinder zunächst drei Phasen durchlaufen müssen, um schließlich zwei distinkte sprachliche Systeme herauszubilden. In der ersten Phase verfügen sie über ein gemeinsames Lexikon, das sich aus Lexemen beider Sprachen zusammensetzt. Als Evidenz hierfür werten sie das Fehlen von Wort‐ äquivalenten. In der zweiten Phase sind zwar bereits zwei Lexika vorhanden, dennoch haben die Kinder nur eine Grammatik zur Verfügung, die sie auf beide Sprachen anwenden, was nach Volterra und Taeschner (1978) daran zu erkennen ist, dass die untersuchten Kinder nicht-zielsprachliche Wortstellungsmuster benutzen. Schließlich folgt eine völlige Trennung sowohl im Bereich der Lexik als auch der Grammatik, wobei jede Sprache nur mit einer Person assoziiert wird. Die vollständige Zweisprachigkeit beginnt demzufolge erst dann, wenn der personenbezogene Sprachgebrauch verschwindet. 35 2.2 Bilinguale Erwerbsszenarien im frühen Alter 29 Hager (2015: 110) zeigt in ihrer Untersuchung, dass Kinder, die mit der Methode Eine Person - eine Sprache erzogen werden, ihre Sprachen zu 1,53 % mischen; die Mischrate bei den nach anderen Methoden erzogenen Kindern liegt dagegen bei 1,96 %. Der Unterschied fällt somit nicht ins Gewicht. Müller et al. (2011: 108-118) stellen dieses Drei-Phasen-Modell infrage, indem sie die Anwendung der nicht-zielsprachlichen Wortstellung auf Sprachenein‐ fluss zurückführen. Sie weisen darauf hin, dass Volterra und Taeschner (1978) anhand der gleichen Daten zuerst von einer hybriden Grammatik und in der dritten Phase von Interferenzen sprechen. Um ihnen vorzubeugen, empfehlen sie während der dritten Phase, das Prinzip Eine Person - eine Sprache einzuhalten, was auch eher zweifelhaft erscheint. 29 Das Drei-Phasen-Modell wird auch von Meisel (1989: 15 f.) einer Kritik unterzogen. Er beklagt die Außerachtlassung unabhängiger Variablen, wie z. B. des Alters und der mittleren Äußerungslänge (MLU). Er bemerkt zu Recht, dass Volterra und Taeschner (1978) die Existenz von Sprachmischungen in der ersten Phase als Argument für ein gemeinsames Lexikon vorbringen, aber gleichzeitig feststellen, dass Sprachmischungen auch nach Abschluss der zweiten Phase vorkommen können. Meisel (1989: 17) be‐ mängelt weiterhin den Missbrauch der Sprachdaten in dem Sinne, dass die Phase der hybriden Grammatik anhand von Äußerungen nur eines Kindes spezifiziert wird. In der Untersuchung von Volterra und Taeschner (1978) wurde auch die Tatsache übersehen, dass die Sprachentwicklung eines Kindes unbalanciert war, was ebenso beachtet werden sollte. Anhänger der Ein-System-Hypothese betrachten das Auftreten von Sprach‐ mischungen als Evidenz für ihre Thesen. Meisel (2003: 4) argumentiert unter Zugrundelegung der Unterscheidung zwischen Kompetenz und Performanz, warum Sprachmischungen nicht als Beweis für die vermutete Fusion zweier Sprachen zugelassen werden dürfen. Sie stellen dem Autor zufolge eine wichtige sozial-funktionale und kommunikative Strategie dar, die im Sprachgebrauch von bilingualen Kindern und Erwachsenen oft zur Anwendung kommt. Diesbe‐ züglich besteht die Notwendigkeit, zwischen language separation und language differentiation zu unterscheiden. Der erste Begriff bezieht sich auf die Fähigkeit, mit zwei Sprachen in verschiedenen Interaktionen dem Kontext angemessen zu hantieren, also auf den soziolinguistischen Aspekt, der mit der Performanz zusammenhängt. Der zweite hingegen ist psycholinguistisch zu deuten und beschreibt die Independenz zweier Systeme auf kognitiver Ebene, d. h. im Zusammenhang mit der Kompetenz (vgl. auch Cantone, 2007: 15). Es gilt heute als gesichert, dass der bilinguale Erstspracherwerb bezüglich der grammatischen Entwicklung dem monolingualen Erwerb gleichkommt. Zwei‐ sprachige Kinder entwickeln von früh an zwei separate grammatische Wissens‐ 36 2 Entwicklung der kindlichen Zweisprachigkeit 30 Tracy und Gawlitzek-Maiwald (2000: 512 f.) verweisen darauf, dass auch monolinguale Kinder eine Zeit lang differenzierte, unabhängige syntaktische Teilsysteme aufrecht‐ erhalten, bevor sie eine Reanalyse dieser Systeme innerhalb eines übergreifenden Ableitungssystems vornehmen. 31 Befunde, die gravierende Auswirkungen der verfügbaren Inputmenge auf die Entwick‐ lung der schwächeren Sprache im Verlauf des bilingualen Erstspracherwerbs bestätigen, sind ferner den Untersuchungen von Döpke (1992) und La Morgia (2011) zu entnehmen. systeme und durchlaufen dieselben Erwerbsstadien wie monolinguale Kinder. Infolgedessen werden zwei vollständige und gleichwertige Grammatiken er‐ worben, die der monolingualen Kompetenz an Qualität in Nichts nachstehen (vgl. z. B. Rothweiler, 2007: 115; Wode, 1993: 243). 30 Die verfügbare Evidenz spricht nicht nur für die distinkte Entwicklung einzelsprachlicher grammati‐ scher Phänomene, sondern auch für einen frühen kontextbezogenen Einsatz von Sprachen. Bilinguale Kinder sind schon im Alter von weniger als zwei Jahren imstande, ihre Sprachen personenbezogen zu verwenden und ihre Sprachwahl demgemäß zu korrigieren (vgl. z. B. Genesee, 1989; Tracy & Gawlitzek-Maiwald, 2000: 513). Ferner lässt sich beim simultanen Erstspracherwerb, zumindest innerhalb der ersten sechs Jahre, kein systematischer zwischensprachlicher Einfluss nachweisen (vgl. De Houwer, 2018: 131). Viele simultan bilinguale Kinder weisen jedoch eine unbalancierte Zweispra‐ chigkeit auf, bei der eine der Sprachen als schwächere oder nicht-dominante Sprache bezeichnet wird. Als Grund dafür sind vor allem Asymmetrien im Input anzunehmen (vgl. z. B. Unsworth, 2016: 173; Yip, 2016: 122). Grosjean (1982) stellt diesbezüglich zu Recht fest: „The main reason for dominance in one language is that the child has had greater exposure to it and needs it more to communicate with people in the immediate environment“ (Grosjean, 1982: 189). 31 In der Fachliteratur wird diskutiert, inwieweit der Erwerb zweier Sprachen unausgeglichen sein muss, um tatsächlich von einer schwächeren Sprache sprechen zu können. Zur Bestimmung der Sprachdominanz wurden viele qualitative und quantitative Kriterien vorgeschlagen. Dazu gehören in erster Linie der MLU-Wert in Morphemen, Silben oder Wörtern, aber auch der Erwerb funktionaler Kategorien, der Größe des Lexikons oder die Mischrichtung (vgl. Müller et al., 2011: 75 f.). Die meisten Forscher nehmen an, dass die Entwicklung der schwächeren Sprache zwar verzögert ist, aber immer noch dem monolingualen Spracherwerb gleicht. So gesehen sind die Unterschiede zwischen der schwächeren und der stärkeren Sprache nicht qualitativer, sondern lediglich quantitativer Natur (vgl. Meisel, 2007b; Cantone et al., 2008; Bonnesen, 2009). In einer Studie zeigen Sopata und Długosz (2020), dass der Erwerb der Wortstellung im Deutschen 37 2.2 Bilinguale Erwerbsszenarien im frühen Alter 32 Auch Schlyter (1993) findet Parallelen zum Zweitspracherwerb. Sie geht der Sprachent‐ wicklung unbalancierter französisch-schwedischer Kinder auf den Grund und kommt zu dem Schluss, dass sie Fehler in der Verbstellung begehen, die für erwachsene Zweitsprachenlerner der schwedischen Sprache typisch sind. 33 Eine Auseinandersetzung mit dem frühen Fremdsprachenerwerb mit Bezügen auf das Deutsche bieten z. B. Sopata (2009: 78-86, 2010a) und Bielicka (2017). als schwächerer Sprache in der Tat wie beim Erstspracherwerb, lediglich langsamer verläuft. Zeitverzögert werden allerdings nur die Inversion und die Verbalklammer erworben, nicht die Negationsstellung. Andere Forscher ver‐ muten dagegen Gemeinsamkeiten zwischen der Entwicklung der schwächeren Sprache und dem Zweitspracherwerb. Pfaff (1994) untersucht z. B. den Erwerb der Nominal- und Verbalmophologie durch unbalancierte deutsch-türkische Kinder und stellt darin fest: „[Children] have little enough effective contact with German so that their patterns of language acquisition of German are more like L2 than like L1 learners“ (Pfaff, 1994: 94). 32 2.2.2 Kindlicher Zweitspracherwerb Wenn ein Kind mit einer zweiten Sprache konfrontiert wird, nachdem es die Grundzüge seiner ersten Sprache erworben hat, spricht man vom sukzessiven Zweitspracherwerb, der zumeist den ungesteuerten Zweitspracherwerb signali‐ siert (vgl. Rothweiler, 2007: 106). Zweitspracherwerb kann aber auch im gesteuerten Kontext vonstattengehen. Die Dichotomie natürlich/ gesteuert ist irreführend, weil sie zwei klar abgrenz‐ bare Erwerbstypen nahelegt. Beide Erwerbsprozesse basieren jedoch auf den kognitiven Fähigkeiten des Menschen und haben als natürlich zu gelten. Der Lernkontext hat einen großen Einfluss auf den kindlichen Zweitspracherwerb: „Der schulische Lernkontext scheint nicht oder unzureichend zur Entfaltung der für den natürlichen kindlichen Zweitspracherwerb charakteristischen Merkmale beizutragen, wie beispielsweise große Schnelligkeit der aufeinander folgenden Phasen des Spracherwerbs und geringe Anzahl der zielsprachlichen Abweichungen in der Lernersprache.“ (Sopata, 2009: 428) Wenn auch der natürliche Zweitspracherwerb von Kindern durch einen for‐ malen Unterricht in der Schule begleitet wird, handelt es sich dabei immer noch um einen natürlichen Input. Da die vorliegende Arbeit nur den natürlichen Zweitspracherwerb anvisiert, wird hier der gesteuerte Zweitspracherwerb nicht weiter thematisiert. 33 38 2 Entwicklung der kindlichen Zweisprachigkeit Die Bezeichnung sukzessiv ist aber nicht einzig dem Zweitspracherwerb von Kindern vorbehalten, sondern bezieht sich auf jede Situation, wenn die Zweitsprache später als die Erstsprache erworben wird, also auch auf den Zweitspracherwerb von Erwachsenen. Der sukzessive Zweitspracherwerb wird weiter je nach Alter bei Erwerbsbeginn eingeteilt, wobei die genauen Alters‐ grenzen fortwährend Gegenstand heftiger Kontroversen sind (vgl. Kapitel 4.3). Zuerst sollte das Alter von drei Jahren als Grenze zwischen dem bilingualen Erstspracherwerb und dem kindlichen Zweitspracherwerb beachtet werden: „Wenn der Beginn des Erwerbs einer zweiten Sprache im vierten Lebensjahr oder später liegt, ist der Spracherwerb nicht mehr simultan, sondern es handelt sich um kindlichen Zweitspracherwerb (…). Der kindliche Zweitspracherwerb erfolgt ungesteuert, auch wenn heute im KiTa-Alltag häufig Sprachförderung allgemeiner Art und zum Teil auch gezielt stattfindet. Der kindliche Zweitspracherwerb unterscheidet sich vom erwachsenen Zweitspracherwerb auf den ersten Blick dadurch, dass Kinder in den meisten Fällen weit erfolgreicher sind als Erwachsene. Das liegt vor allem darin begründet, dass die Spracherwerbsfähigkeit, die den Erst- und den doppelten Erstspracherwerb ermöglicht und steuert, nicht mit einem Schlag verschwindet. Erwachsenen steht diese Fähigkeit nicht mehr zur Verfügung, aber Kinder können sie nutzen. Wie lange diese Fähigkeit erhalten bleibt, wird kontrovers diskutiert.“ (Rothweiler, 2007: 122) Der kindliche Zweitspracherwerb kann demgemäß zwischen dem (bilingualen) Erstspracherwerb und dem Zweitspracherwerb von Erwachsenen positioniert werden, weil er sich allmählich von dem Ersteren entfernt und gleichzeitig dem Letzteren nähert. Dass das dritte Lebensjahr das Ende einer sensiblen Phase sein kann, bestätigen u. a. Untersuchungen zum Erwerb der deutschen Verbstellung (vgl. Kapitel 4.2.3). Man darf aber nicht außer Acht lassen, dass es keine einzige kritische Periode gibt, sondern vielmehr ein Bündel von sensiblen Phasen, die verschiedene Aspekte der L2-Grammatik selektiv betreffen (vgl. Kapitel 4.3). Dies ist insofern wichtig, als die Selektivität der Alterseffekte das Auseinanderhalten der einzelnen Erwerbstypen erschwert und gleichzeitig auch impliziert, dass solch ein Auseinanderhalten unmöglich oder sogar unnötig ist. Einige Forscher orientieren sich auch daran, ob der Zweitspracherwerb früh oder spät erfolgt. Schulz und Grimm (2012: 164) argumentieren, dass der Erwerb der zweiten Sprache im Alter von zwei bis drei Jahren als früher Zweitspracherwerb klassifiziert werden sollte; bei einem Erwerbsbeginn mit sechs Jahren oder später wird dagegen vom späten kindlichen Zweitspracherwerb gesprochen. Laut Hufeisen und Riemer (2010: 738) kann dann vom frühen Zweitspracherwerb die Rede sein, wenn die Zweitsprache im Alter von ungefähr 39 2.2 Bilinguale Erwerbsszenarien im frühen Alter 34 Interessanterweise unterscheidet Ruberg (2013a: 182) sogar zwischen vier unterschied‐ lichen Erwerbstypen. Der größte Unterschied zu den oben dargestellten Altersgrenzen besteht darin, dass er noch ein zusätzliches Erwerbsszenario vor dem kindlichen Zweitspracherwerb annimmt, und zwar den sukzessiv bilingualen Erwerb. 35 Eine ausführliche Darstellung aller Faktoren des Zweitspracherwerbs ist in diesem Rahmen leider nicht möglich. Beschreibungen relevanter Variablen sind z. B. den Aufsätzen in Herschensohn und Young-Scholten (2013) zu entnehmen. vier bis sechs Jahren hinzukommt. Vom kindlichen Zweitspracherwerb ist darüber hinaus der Zweitspracherwerb Erwachsener abzugrenzen, dessen Anfang nach Meisel (2008: 59) für das achte und nach Ruberg (2013a: 182) für das elfte Lebensjahr anzusetzen ist. 34 Vor diesem Hintergrund wird für die Zwecke der vorliegenden Arbeit von folgenden drei Erwerbstypen ausgegangen, die zunächst einen heuristischen Wert haben: Simultaner Erstspracherwerb (simultan bilinguale Kinder) AbE ≤ 3 Kindlicher Zweitspracherwerb (sukzessiv bilinguale Kinder) AbE ≥ 4 Zweitspracherwerb Erwachsener AbE > 11 In diesem Rahmen sind nur diejenigen Alterseffekte relevant, die sich im Bereich des Zweitspracherwerbs der Wortstellung auswirken. Daher werden an dieser Stelle andere Studien, die zur Bestimmung der Altersgrenzen beitragen, nicht weiter thematisiert. Stattdessen wird in den nachfolgenden Kapiteln auf den kindlichen Zweitspracherwerb detaillierter eingegangen, indem seine relevantesten Aspekte näher beleuchtet werden. 2.3 Einflussfaktoren auf den kindlichen Zweitspracherwerb Außer dem Alter zu Erwerbsbeginn, das als Schlüsselvariable bei der Unterschei‐ dung zwischen den einzelnen Spracherwerbstypen gilt, gibt es eine Reihe von Faktoren, die den Anfangszustand und Verlauf des Zweitspracherwerbs unter‐ schiedlich stark determinieren. Da die Verhältnisse, in denen eine Zweitsprache erworben wird, normalerweise viel komplexer sind als beim Erstspracherwerb, ist es nie ein einzelner Faktor allein, sondern immer ein Zusammenspiel ver‐ schiedener Variablen, die sich auf die Entwicklung der Zweitsprache auswirken. Im Folgenden werden nur diejenigen Einflussfaktoren thematisiert, die im Kontext des kindlichen Zweitspracherwerbs relevant erscheinen. 35 40 2 Entwicklung der kindlichen Zweisprachigkeit 36 Die internen Faktoren Erwerbsalter und vorhandenes sprachliches Wissen, die von Unsworth et al. (2011: 207) genannt werden, werden in Kapitel 4 und in Kapitel 2.4 getrennt diskutiert; daher konzentriert sich das vorliegende Subkapitel vornehmlich auf die externen Faktoren. In der Fachliteratur hat sich mittlerweile die Differenzierung zwischen internen und externen Faktoren etabliert. Erstere beziehen sich auf die Eigen‐ schaften des Lerners selbst, wohingegen Letztere von der Umgebung bestimmt und vom Lerner unabhängig sind (vgl. z. B. Ellis, 1985: 276; J. Paradis, 2011: 213). Sie umfassen folgende Faktoren: 36 „Internal factors include age of onset, knowledge of another language, cognitive maturity and language learning aptitude. External factors include socio-economic status (SES), maternal education and L2 proficiency, number of siblings, length of exposure, input quantity and quality as well as language use or output.“ (Unsworth et al., 2011: 207) Rothweiler und Ruberg (2011: 11) stellen fest, dass beim sukzessiven bilingualen Erwerb die kognitive, physiologische und anatomische Entwicklung nicht an erster Stelle stehen. Den Autoren zufolge ist - außer dem Erwerbsalter - die Dauer des Kontakts mit der Zweitsprache (length of exposure - LoE, length of residence - LoR), also der Erwerbszeitraum, eine wesentliche Einflussvariable für den erreichten Sprachentwicklungszustand. Insbesondere in Hinblick auf den Erwerb der Satzstruktur im Deutschen verweisen Rothweiler und Ruberg (2011: 11) auf aktuelle Befunde, die zeigen, dass Kinder, die im Alter von bis zu vier Jahren in Kontakt mit der deutschen Sprache treten, die Satzstrukturen einschließlich Frage- und Nebensätzen innerhalb von acht bis 18 Monaten erwerben (vgl. Rothweiler, 2006; Thoma & Tracy, 2006). Die Rolle der Kontakt‐ dauer mit der Zweitsprache wird u. a. von Hopp (2011) hervorgehoben. Er untersucht die Entwicklung der Determinansphrase beim frühen Zweitsprach‐ erwerb des Deutschen bei Kindern mit verschiedenen Erstsprachen im Alter zwischen 3; 5 und 7; 0 Jahren. Ihr Kontakt mit der Zweitsprache setzte im Alter zwischen 1; 2 und 5; 0 ein und dauerte zwischen 0; 5 und 5; 4 Jahren. Der Autor kommt zu dem Ergebnis, dass nicht das Erwerbsalter, sondern vielmehr die Kontaktdauer einen signifikanten Einfluss auf den untersuchten Bereich hat. Eine weitere Bestätigung für Auswirkungen der Kontaktdauer auf den kindli‐ chen Zweitspracherwerb liefert eine Studie von Armon-Lotem et al. (2011). An‐ hand von Satzwiederholungs- und Satzergänzungsaufgaben untersuchen sie die Entwicklung der komplexen Syntax und Morphologie bei 65 russisch-deutsch bilingualen Kindern im Alter zwischen 3; 11 und 7; 2 Jahren. Das Alter der Kinder bei Erwerbsbeginn betrug zwischen 1; 0 und 3; 10, die Kontaktdauer zwischen 1; 1 41 2.3 Einflussfaktoren auf den kindlichen Zweitspracherwerb 37 Vgl. Unsworth (2013) für eine Beschreibung der Prozedur der Berechnung des aktuellen Inputs. 38 Der Großteil von Studien zum Verhältnis zwischen der Kontaktdauer und der Kompe‐ tenz in der Zweitsprache betrifft erwachsene Lerner. Eine umfassende Zusammenstel‐ lung der Studien bieten z. B. Higby und Obler (2017). und 5; 5 Jahren. Die Kontaktdauer mit dem Deutschen erweist sich, im Gegensatz zum Erwerbsalter, als signifikanter Faktor sowohl beim Erwerb der Syntax (p < 0,05) als auch der Morphologie (p < 0,01). Die fehlenden Alterseffekte sind jedoch angesichts des Erwerbsalters der Kinder nicht verwunderlich. Die meisten von ihnen sind weniger als 30 Monate alt und befinden sich daher noch innerhalb der kritischen Phase (vgl. Meisel, 2007a). In diesem Zusammenhang ist auch auf die Studie von Unsworth (2016) zu verweisen, welche die Auswirkungen der Kontaktdauer und des Erwerbsalters auf die Entwicklung des V2-Phänomens bei englisch-niederländischen Kindern ins Visier nimmt. Das Erwerbsalter der Kinder lag entweder vor (M = 2; 4) oder nach dem vierten Lebensjahr (M = 5; 5). Die Gruppe mit niedrigerem Alter bei Erwerbsbeginn war im Durchschnitt 7; 3 Jahre alt und hatte 5; 0 Jahre Kontakt mit der Zweitsprache hinter sich. Das durchschnittliche Alter bei Erwerbsbeginn in der zweiten Gruppe lag bei 9; 1 Jahren, und die durchschnittliche Kontaktdauer bei 3; 7 Jahren. Unsworth (2016) kalkuliert zusätzlich den kumulativen Input in Jahren und den aktuellen Input in Prozent. Aufgrund zweier Aufgaben zur Sprachproduktion versucht die Autorin, die V2/ V3-Stellung zu elizitieren. Es stellt sich heraus, dass beide Gruppen unabhängig vom Erwerbsalter die gleichen falschen V3-Strukturen sowohl mit finiten als auch mit infiniten Verben produzieren. Demgegenüber zeigen die Ergebnisse, dass der Input in der Zweitsprache der einzige Faktor ist, der die Fehler der Kinder erklären kann. Dabei handelt es sich jedoch nicht um die einfache Erwerbsdauer in Jahren, sondern um die aktuelle Inputsituation der Kinder: Je mehr Input in der Zweitsprache sie aktuell erhalten, desto weniger Fehler machen sie. 37 Zum Faktor Kontaktdauer ist anzumerken, dass nach fünf bis zehn Jahren Kontakt mit der Zweitsprache die Kompetenz als stabilisiert gelten kann und nach Ablauf dieser Periode der Erwerbszeitraum nicht mehr mit dem erreichten Endzustand korreliert (vgl. z. B. Granena, 2016: 17). Nach Wode (1993: 327) ist die Stabilisierungsphase bei erwachsenen L2-Lernern sogar noch früher abgeschlossen, und zwar schon nach Ablauf von zwei bis zweieinhalb Jahren. Längerfristig sind dem Autor zufolge ein frühes Kontaktalter sowie Art und Umfang des Kontakts für den Lernerfolg entscheidend. 38 Wenn man zusätzlich bedenkt, dass simultan bilinguale Kinder prinzipiell weniger Sprach‐ angebot im Vergleich zu monolingualen Kindern erhalten, aber dennoch an 42 2 Entwicklung der kindlichen Zweisprachigkeit 39 Die Faktoren des bilingualen Erstspracherwerbs (2L1) sind grundsätzlich die gleichen wie die des monolingualen Erstspracherwerbs. Dabei spielen persönliche Eigenschaften des Kindes eine geringere Rolle als beim Zweitspracherwerb (vgl. Pearson, 2013: 176). Allerdings demonstrieren viele Studien, dass die Quantität und Qualität des Inputs gravierende Auswirkungen auf den Verlauf des bilingualen Erstspracherwerbs haben können (vgl. Kapitel 2.2.1). 40 Mit dem Input hängt ferner ein weiterer wichtiger Faktor zusammen, und zwar der Erwerbskontext. Dementsprechend kann ein Kind seine Zweitsprache entweder im natürlichen oder im gesteuerten Kontext erwerben (vgl. Kapitel 2.2.2). 41 Vgl. Banasiak & Olpińska-Szkiełko (2019) für eine ausführliche Besprechung der Rolle des Inputs der Eltern im Kontext verschiedener Methoden der bilingualen Erziehung. das muttersprachliche Niveau heranreichen, scheint die Kontaktdauer nicht der entscheidende Einflussfaktor auf den Zweitspracherwerb im syntaktischen Bereich zu sein. 39 Da aber einzelne Lerner trotz der gleichen Kontaktdauer die Zweitsprache unter verschiedenen Bedingungen erwerben können, ist notwendigerweise mit Variationen in verschiedenen Parametern des sprachlichen Inputs zu rechnen: „Children exposed to the L2 in a setting outside the home receive less input than L1 children exposed to a single language in both the home and social settings. This difference is both quantitative and qualitative in terms of the contexts that each language may be used in and is influenced by factors, such as the educational system, the status and the power relations between the two languages, and the institutional support that the minority language receives.“ (Chondrogianni & Marinis, 2011: 320) Daher wird in der Zweitspracherwerbsforschung auch der sprachliche Input, dem ein Kind innerhalb des Erwerbsraums ausgesetzt ist, als ein sehr wichtiger Faktor analysiert. Dabei scheinen sowohl seine Quantität als auch Qualität eine bedeutsame Rolle zu spielen. 40 Veränderungen in der Inputsituation sind insbesondere in Migrantenfamilien zu beobachten, in denen beide Elternteile die gleiche Sprache verwenden. 41 Das Kind ist dann in seinen ersten Lebensjahren fast ausschließlich dieser Sprache ausgesetzt. Ein Kontakt mit der Zweitsprache fällt normalerweise erst mit Eintritt in den Kindergarten oder in die Grundschule zusammen. Folglich ändert sich die Inputsituation des Kindes drastisch, weil die Erstsprache in den Hintergrund rückt und die Zweitsprache stark hervortritt (vgl. Rothman, 2009). Unterschiedlich können auch Inputquellen sein, denen bilinguale Kinder ausgesetzt sind. Manchmal passiert es, dass nur ein Elternteil die Minoritätssprache zu Hause spricht, wodurch die Inputmenge deutlich reduziert wird. Auch Geschwister haben einen großen Einfluss darauf, wie viel Sprachangebot in beiden Sprachen bilingualen Kindern zuteilwird. Anzumerken ist dabei, dass sich die Berechnungen der Inputmenge in den meisten Studien 43 2.3 Einflussfaktoren auf den kindlichen Zweitspracherwerb lediglich auf eine retrospektive Einschätzung der Inputsituation stützen, d. h. die Eltern werden gebeten, einzuschätzen, wie viel Zeit das Kind mit seiner Familie verbringt oder wie viele Stunden Kontakt mit den Medien in beiden Sprachen das Kind hat. Die zweifelhafte Validität der Elternfragebögen wird von Carroll (2017) wie folgt auf den Punkt gebracht: „(…) it may seem like a perfectly reasonable methodological decision to rely on questionnaires in which parents are asked to estimate how much time they spend with their children and what languages they are using when they do so. However, temporal units are crude measures of exposure and they tell us nothing about input [KD].“ (Carroll, 2017: 6) Wenn auch diese Ansicht legitim zu sein scheint, darf nicht vergessen werden, dass die retrospektiven Selbstangaben der Eltern normalerweise die einzige Möglichkeit sind, Informationen über den Input zu gewinnen. Zudem argu‐ mentieren einige Forscher, dass die von den Eltern angegebene Einschätzung der Inputmenge den Verlauf der bilingualen Entwicklung in vielen Bereichen tatsächlich voraussehen kann (vgl. J. Paradis, 2017). Auch die Qualität des sprachlichen Angebots kann sich auf den kindlichen Zweitspracherwerb auswirken. Nach Rothweiler (2007: 123) ist ein konstanter und eindeutiger Input relevant, in dem die verschiedenen Sprachen durch eine Zuordnung zu bestimmten Personen und Situationen getrennt werden. Ebenso förderlich ist es, wenn der Input in beiden Sprachen umfangreich ist und in erster Linie von Muttersprachlern kommt. Genauere Untersuchungen, die der genauen Struktur des Inputs und ihrem Einfluss auf den kindlichen Zweitspracherwerb der deutschen Wortstellung gewidmet wären, sind meines Wissens noch zu erwarten. In Studien zum kindlichen Zweitspracherwerb der grundlegenden Wortstel‐ lungsmuster im Deutschen wird der Input zwar als wichtiger Faktor analysiert, er wird jedoch ausschließlich in Monaten ab dem Eintritt des Kindes in eine deutschsprachige Kinderbetreuungseinrichtung gemessen (vgl. Czinglar et al., 2017: 16). Der Erwerb der deutschen Wortstellung scheint weniger von ver‐ schiedenen Eigenschaften des Inputs abzuhängen, weil er in einer geordneten Entwicklungssequenz verläuft, die sich durch den Input kaum modulieren lässt. Da diese Entwicklungssequenz beim Zweitspracherwerb anders verläuft als beim Erstspracherwerb (vgl. z. B. Diehl et al., 2000: 63 f.), ist davon auszugehen, dass nicht der Input, sondern vielmehr das Alter bei Erwerbsbeginn für den Wortstellungserwerb konstitutiv ist. Eine weitere Bestätigung dafür bietet der Erwerb des Deutschen als Herkunftssprache. In einer Studie zur Verb- und Negationsstellung zeigt Długosz (2019), dass der Erwerb dieser zwei Phänomene 44 2 Entwicklung der kindlichen Zweisprachigkeit 42 Die untergeordnete Rolle des Inputs für den Wortstellungserwerb im Deutschen, die hier postuliert wird, bedeutet durchaus nicht, dass er für den ganzen Zweitspracher‐ werb irrelevant ist. Der Input hat z. B. einen großen Einfluss auf den Lexikonerwerb (vgl. z. B. Czinglar et al., 2017; Budde-Spengler et al., 2018) oder auf die erreichte Sprechflüssigkeit in der Zweitsprache (vgl. z. B. Pearson, 2013: 172 ff.). sogar in einer sehr ungünstigen Inputsituation problemlos verläuft. Obwohl die allgemeine Kompetenz der untersuchten Kinder in der Herkunftssprache von einer Attrition betroffen zu sein scheint, erweisen sich die grundlegenden Wortstellungsmuster weitestgehend als robust und veränderungsresistent. In diesem Zusammenhang ist erneut auf den generativen Ansatz innerhalb der Zweitspracherwerbsforschung hinzuweisen, in dessen Rahmen postuliert wird, dass die L2-Grammatiken Eigenschaften aufweisen, die nicht dem Input ent‐ stammen können, sondern nur innerhalb der Universalgrammatik erklärbar sind (vgl. Sopata, 2009: 89). Von diesem Standpunkt aus gesehen darf dem Input keine alleinige oder entscheidende Erklärungskraft zugesprochen werden, zumindest nicht beim frühen Zweitspracherwerb. 42 Die weiteren, eingangs erwähnten, externen Faktoren, wurden im Kontext des Erwerbs der deutschen Wortstellung kaum untersucht. Erste Versuche, den Einfluss des sozioökonomischen Status auf den Zweitspracherwerb des Deutschen zu ermitteln, wurden zwar bereits unternommen, jedoch nicht in Bezug auf die Syntax (vgl. z. B. Czinglar et al., 2015). Einen durchaus wichtigen Faktor, der entweder als intern zu klassifizieren oder als unabhängig von der Intern/ Extern-Unterscheidung zu betrachten ist, stellt das bereits vorhan‐ dene L1-Wissen dar, das sowohl den Erwerb als auch die Verarbeitung der Zweitsprache bei Kindern beeinflussen kann. Auf die Frage des Einflusses der Erstsprache und seiner möglichen Manifestationen wird im darauffolgenden Subkapitel eingegangen. Zusammenfassend ist festzustellen, dass neben dem Alter bei Erwerbsbeginn auch die Dauer, Menge und Quantität des sprachlichen Inputs beim frühen Zweitspracherwerb eine bedeutsame Rolle spielen. Nichtsdestotrotz scheint der Erwerb der grundlegenden Wortstellungsmuster in der Zweitsprache Deutsch in erster Linie vom Alter bei Erwerbsbeginn abhängig zu sein. Die Möglichkeit des positiven Einflusses der Inputmenge und der Kontaktdauer mit der Zweit‐ sprache, der in einigen Studien zum Erwerb des syntaktischen Wissens in anderen Sprachen bestätigt wurde, muss im Kontext des Deutschen als früher Zweitsprache erst untersucht werden. 45 2.3 Einflussfaktoren auf den kindlichen Zweitspracherwerb 43 Der Begriff Spracheneinfluss wurde von den Autorinnen schon in der ersten Ausgabe ihrer Einführung in die Mehrsprachigkeitsforschung aus dem Jahr 2006 eingeführt. 44 Gleichbedeutend mit dem negativen Transfer wird oft der Begriff Interferenz verwendet, der infolge seiner Verankerung innerhalb der behavioristischen Lerntheorie eher negativ konnotiert ist (vgl. Długosz, 2018: 635 ff.). Der Umgang mit Begriffen rund um den Transfer erweist sich jedoch als uneinheitlich und problematisch, worauf z. B. Földes (2005: 68-84) detailliert eingeht. 2.4 Spracheneinfluss beim kindlichen Zweitspracherwerb Die Untersuchung des Einflusses der Erstsprache auf den Erwerb von Zweit‐ sprachen in verschiedenen sprachlichen Bereichen wird innerhalb der Zweit‐ spracherwerbsforschung als zentrale Aufgabe angesehen (vgl. Odlin, 2003). Zahlreiche Untersuchungen haben verschiedenerlei Interaktionen zwischen zwei sprachlichen Systemen sowohl bei Erwachsenen (vgl. z. B. Arabski, 2006; Muysken, 2013) als auch bei Kindern (vgl. Döpke, 1998; Argyri & Sorace, 2007; Kupisch, 2007) ans Licht gebracht. Alle Arten gegenseitiger Beeinflussung zwischen Sprachen bei einem Individuum werden in der englischsprachigen Li‐ teratur durchgängig unter dem Sammelbegriff cross-linguistic influence zusam‐ mengefasst. Dem entspricht das deutsche Äquivalent Spracheneinfluss, das von Müller et al. (2011) im Kontext der kindlichen Zweisprachigkeit vorgeschlagen wurde. 43 Im Verlauf des bilingualen Spracherwerbs (2L1 und L2) kann man im Grunde folgenden drei Manifestationen von Spracheneinfluss begegnen (vgl. Paradis & Genesee, 1996: 3 f.; Müller et al., 2011: 12, 121 f.): 1. Transfer (transfer): Transfer besteht in der Eingliederung einer gramma‐ tischen Eigenschaft aus der einen Sprache in die andere Sprache. Kurzum: Es handelt sich hier um eine Übertragung von Eigenschaften. 2. Beschleunigung (acceleration): Beschleunigung bedeutet, dass eine Eigen‐ schaft in der Grammatik der betreffenden Sprache früher vorkommt als beim monolingualen Erwerb. 3. Verlangsamung (delay): Verlangsamung führt dazu, dass eine Eigenschaft in der Grammatik der betreffenden Sprache später auftritt als beim monolingualen Erwerb. Der Spracheneinfluss, der einen beschleunigenden Effekt auf den Erwerbspro‐ zess hat, wird als positiver Transfer bezeichnet. 44 Wird der Erwerb hingegen durch einen Spracheneinfluss verlangsamt, so spricht man vom negativen Transfer. Die beiden Begriffe werden im Rahmen der Zweitspracherwerbsfor‐ schung folgenderweise definiert: 46 2 Entwicklung der kindlichen Zweisprachigkeit 45 Zur Unterscheidung zwischen kompetenz- und performanzgetriebenen Einflüssen wird von manchen Forschern der Begriff Interferenz verwendet, der in dieser Bedeutung nicht als negativer Transfer, sondern als Performanzphänomen gewertet wird (vgl. Müller et al., 2011: 17 ff.). In Anbetracht der oben erwähnten negativen Konnotation der Interferenz scheint es aber angebracht zu sein, diesen Begriff zu vermeiden. „Negativer Transfer entsteht, wenn die beiden Sprachen, die Muttersprache und die Zweitsprache, für einen bestimmten grammatischen Bereich unterschiedlich sind und der Lerner die grammatischen Regularitäten der Erstsprache auf die Zweitsprache anwendet. Positiver Transfer entsteht, wenn sich die beiden Sprachen in einem gram‐ matischen Bereich gleichen und der Lerner die Regularitäten der Erstsprache für seine Zweitsprache übernehmen kann und sich somit ein problemloser Erwerbsverlauf abzeichnet.“ (Müller et al., 2011: 22) Es ist wichtig hervorzuheben, dass der Transfer kompetenzabhängig ist. Da aber der Spracheneinfluss auch die Performanz betreffen kann, weisen Müller et al. (2011: 19) auf das Kriterium der Vorkommensfrequenz von Spracherschei‐ nungen hin, anhand dessen der kompetenzabhängige Transfer von Performanz‐ phänomenen abgegrenzt werden kann. 45 Diejenigen Spracherscheinungen, die mit einer Frequenz von unter 5 % vorkommen, sollten den Autorinnen zufolge der Performanz zugerechnet werden. Erst wenn der Gebrauch einer Struktur diese Häufigkeitsschwelle überschreitet und systematisch auftritt, wird von Transfer gesprochen. Ein weiteres Kriterium ist der Übergang von einer Struktur zu einer anderen, der im Falle des Transfers linear erfolgen sollte (vgl. Sopata, 2010b: 221). Ferner kann der Transfer von der Erstsprache nur dann zweifellos belegt werden, wenn Kinder mit unterschiedlichen Ausgangssprachen systema‐ tisch die gleichen abweichenden Strukturen produzieren, was es ermöglicht, den Transfer von einzelsprachlichen Erscheinungen auseinanderzuhalten (vgl. So‐ pata, 2009: 114). Dieser Logik folgend sollte der kompetenzgetriebene Transfer sowohl in der Sprachproduktion als auch in der Sprachrezeption erkennbar sein. Rothweiler und Ruberg (2011: 14) argumentieren, dass bisherige Untersu‐ chungen zum kindlichen Zweitspracherwerb keine eindeutigen Belege für strukturellen Transfer liefern können. Eine derartige Argumentation ist zwar sehr radikal, sie erweist sich aber angesichts der soeben diskutierten Bedin‐ gungen für das Auftreten des Transfers als legitim. Nichtsdestotrotz gibt es einige bemerkenswerte Studien, die nicht-zielsprachliche Erwerbsverläufe auf den Einfluss der Erstsprache zurückführen. Haznedar (1997) untersucht beispielsweise die frühe Phase der Entwicklung der Verbalphrase im Englischen als Zweitsprache bei einem türkischen Jungen (Erwerbsalter: 4; 3). Türkisch ist eine SOV-Sprache und unterscheidet sich deswegen vom Englischen, das die 47 2.4 Spracheneinfluss beim kindlichen Zweitspracherwerb 46 Der Transfer von der Erstsprache auf die Zweitsprache wird insbesondere bei Erwach‐ senen festgestellt (vgl. z. B. Müller et al., 2011: 22-29). Aus diesem Grund legt das Auftreten des Transferphänomens beim kindlichen Zweitspracherwerb die Nähe zum Zweitspracherwerb Erwachsener nahe (vgl. auch Sopata, 2009: 114). 47 Flores (2010) postuliert anhand ihrer Studie zur Attrition der Verbstellung im Deutschen als Erstsprache die Existenz einer Stabilisierungsphase beim Spracherwerb, die um das elfte Lebensjahr ausklingt: „During this phase, the acquired knowledge seems to settle in the speaker’s mind. After its complete stabilization, verb order parameters, i.e., features of narrow syntax, appear to be no longer susceptible to input loss“ (Flores, 2010: 544). SVO-Folge aufweist. Innerhalb der ersten drei Monate produziert der Junge überwiegend Äußerungen mit der für das Türkische typischen XV-Folge, was die Autorin mit dem Transfer von der Erstsprache in Verbindung bringt. Auch Haberzettl (2005) analysiert die Möglichkeit des Transfers beim kindlichen Zweitspracherwerb. Sie untersucht den Erwerb des Deutschen bei türkischen und russischen Kindern (Erwerbsalter: 6; 0-8; 0). Die türkischsprachigen Kinder beginnen den Deutscherwerb mit einer rechtsköpfigen Verbalphrase, also mit der XV-Folge, die sowohl mit dem Verlauf des Erstspracherwerbs bei monolingu‐ alen deutschen Kindern als auch mit dem Transfer aus der Erstsprache Türkisch im Einklang steht. Die Autorin ist der Ansicht, dass das Vorhandensein der rechtsköpfigen Verbalphrase in der Erstsprache der Kinder ihnen den Erwerb der Satzstruktur im Deutschen erleichtert hat. Demgegenüber produzierten die russischsprachigen Kinder zuerst die kanonische SVO-Folge, die auch zu Beginn des Zweitspracherwerbs Erwachsener attestiert wird, wodurch der Erwerb der deutschen Satzstruktur für sie viel schwieriger war als für die türkischspra‐ chigen Kinder. Haberzettl (2005) erklärt die verschiedenen Erwerbsverläufe mit dem Transfer aus den jeweiligen Erstsprachen der Kinder (vgl. Kapitel 4.2.3). Auch scheint das Alter bei Erwerbsbeginn einen Einfluss auf das Auftreten des syntaktischen Transfers zu haben: Je älter ein Kind am Anfang des Zweit‐ spracherwerbs ist, desto eher ist mit Transfererscheinungen zu rechnen, wie sie aus dem Zweitspracherwerb Erwachsener bekannt sind. 46 Kinder bringen sie al‐ lerdings viel leichter hinter sich als Erwachsene (vgl. Rothweiler & Ruberg, 2011: 14). Aufgrund der Tatsache, dass die erstsprachliche Kompetenz bei jüngeren Kindern noch nicht völlig entwickelt und stabilisiert ist, ist es nicht verwunder‐ lich, dass der Einfluss der Erstsprache erst mit steigendem Erwerbsalter an Stärke zunimmt. 47 Einen Nachweis dafür liefert z. B. die Studie von Sopata (2013a), in der sie den Erwerb der W-Fragen bei vier polnisch-deutschen Kindern untersucht, die bei erstmaligem Kontakt mit dem Deutschen unterschiedlich alt waren. Während bei dem jüngsten Mädchen mit dem Erwerbsalter 2; 6 kein Transfer nachweisbar ist, produzieren die drei älteren Jungen (Erwerbsalter: 3; 8, 4; 0, 4; 7) nicht-zielsprachliche V3-Strukturen, die im Polnischen neben der 48 2 Entwicklung der kindlichen Zweisprachigkeit 48 Zwar wurden diese Kriterien zunächst für den bilingualen Erstspracherwerb vorge‐ schlagen, ihre Validität wurde aber nachfolgend auch im Kontext des Zweitspracher‐ werbs überprüft (vgl. z. B. Kraš, 2016). V2-Stellung möglich sind. Brehmer und Gielge (2019) zeigen auch, dass der Spracheneinfluss bei älteren Kindern mit steigender Kontaktdauer mit der Zweitsprache nachlässt. Sie untersuchten 20 deutsch-polnische Kinder im Alter zwischen 7; 0 und 12; 11 Jahren. Ihr Erwerbsalter variierte zwischen 0; 0 und 11; 0, die Kontaktdauer zwischen 0; 8 und 11; 4 Jahren. Auf der Basis von Urteilsdaten weisen Brehmer und Gielge (2019) nach, dass der Einfluss des Deutschen im Bereich der Satzklammer mit der Länge des Kontakts mit dem Polnischen negativ korreliert. Außer den Faktoren Erwerbsalter und Kontaktdauer werden in der einschlä‐ gigen Literatur auch sprachinterne Bedingungen vorgeschlagen, die für das Auftreten von Spracheneinfluss eine bedeutsame Rolle spielen: 48 „Cross-linguistic influence occurs at the interface between two modules of grammar, and more particularly at the interface between pragmatics and syntax in the so-called C-domain, since this is an area which has been claimed to create problems in L1 acquisition.“ (Hulk & Müller, 2000: 228) „Syntactic cross-linguistic influence occurs only if language A has a syntactic const‐ ruction which may seem to allow more than one syntactic analysis and, at the same time, language B contains evidence for just one of these possible analyses. In other words, there has to be a certain overlap of the two systems at the surface level.“ (Hulk & Müller, 2000: 228) Nach der ersten Bedingung tritt der Spracheneinfluss dann auf, wenn ein syntaktisches Phänomen an der Schnittstelle zwischen grammatischen Modulen oder zwischen Syntax und Pragmatik liegt. Der zweiten Bedingung zufolge muss Sprache A Konstruktionen aufweisen, die so geartet sind, dass sie mehr als nur eine syntaktische Analyse erlauben, und Sprache B sollte Evidenz nur für eine der möglichen Analysen enthalten. Mit anderen Worten: Es muss eine Überlap‐ pung zwischen zwei Systemen an der Oberfläche des Satzes gegeben sein. Argyri und Sorace (2007: 80) ergänzen die zweite Bedingung, indem sie unter diesen Umständen den Spracheneinfluss von Sprache B zu Sprache A prognostizieren. Um die Richtung des Spracheneinflusses zu bestimmen, ziehen Müller et al. (2002) ein Komplexitätskriterium heran. Sie gehen davon aus, dass Kinder einem Ökonomieprinzip folgen und daher die weniger komplexe Analyse auf beide 49 2.4 Spracheneinfluss beim kindlichen Zweitspracherwerb 49 So erweist sich der Faktor Sprachdominanz, der oft als determinierender Faktor gewertet wird, als insuffizient, um die Richtung des Spracheneinflusses vorauszusehen (vgl. Müller et al., 2011: 92 ff.). 50 M. Paradis (2004: 188) und Grosjean (2016: 21) sprechen in diesem Kontext von dynamischem Transfer, der von statischem Transfer zu unterscheiden ist. Der Erstere ist eine Performanzerscheinung, bei der während der Sprachverarbeitung anstatt eines zielsprachlichen ein nicht-zielsprachliches Element aktiviert wird. Der Letztere liegt demgegenüber immer dann vor, wenn Elemente der Grammatik einer Sprache in die Grammatik einer anderen Sprache (permanent) inkorporiert werden, wodurch es zu einer Umstrukturierung der impliziten Sprachkompetenz kommen kann. 51 In der Fachliteratur sind auch andere Bezeichnungen vorzufinden, z. B. Code-Switching, Sprachwechsel, Kodewechsel, Kode-Umschaltung und besonders in englischsprachli‐ chen Arbeiten: language mixing und code-switching, um nur wenige zu nennen. Viele Autoren benutzen sie nicht synonym und schreiben ihnen folglich unterschiedliche Bedeutungen zu. Meisel (1989: 13 f.) weist beispielsweise auf die Inkonsistenz beim Gebrauch der letzten zwei genannten Begriffe hin. Seiner Meinung nach beschreibt language mixing Mischungen bei Kindern bis zum zweiten Lebensjahr. Demgegenüber bezieht sich code-switching auf die pragmatische Kompetenz und sollte daher auf ältere Kinder angewendet werden, die eine hohe Kompetenz in ihren beiden Sprachen erreicht haben. Einen Überblick über die relevanten Termini, die in der Fachliteratur zur Verwendung kommen, bieten z. B. Müller et al. (2011: 188-193) und N. Müller (2015: 11-21). 52 Da das Phänomen der Sprachmischung für die vorliegende Arbeit nicht relevant ist, wird es hier nicht genauer behandelt. Mit kindlichen Sprachmischungen setzen sich z. B. Cantone (2007) und Müller et al. (2015) eingehend auseinander. Sprachen anwenden. Eine Übergeneralisierung der komplexeren Analyse wäre dementsprechend aus Gründen der Ökonomie weniger wahrscheinlich. 49 Die Schnittstellen zwischen grammatischen Modulen und zwischen Syntax und Pragmatik werden auch von anderen Autoren als problematische Bereiche beim Zweitspracherwerb angesehen. Ein Grund für die Instabilität an den Schnittstellen sollen Probleme bei der Sprachverarbeitung sein, wenn Informa‐ tionen aus multiplen Domänen in Echtzeit integriert werden müssen. Diese Annahme hat sich in der Spracherwerbsforschung unter dem Begriff Inter‐ face-Hypothese etabliert (vgl. Sorace & Filiaci, 2006; Sorace, 2011). Es darf nicht außer Acht gelassen werden, dass der Spracheneinfluss auch während der Sprachverarbeitung vorkommen kann. 50 Das bekannteste Beispiel für ein Produktionsphänomen sind wohl Sprachmischungen 51 , die keinesfalls als Anzeichen eines Kompetenzdefizits, sondern als Teil des natürlichen Re‐ pertoires mehrsprachiger Kinder angesehen werden sollten. Sie sind darüber hinaus regelgeleitet und können je nach Alter als sozial-funktionale oder als kommunikative Strategie analysiert werden (vgl. z. B. Cantone, 2007; Tracy, 2009). 52 Nach Meisel (2007b: 506) kann es auch innerhalb einer Sprache zu einer „versteckten Sprachmischung“ kommen, bei der nur strukturelle Eigenschaften 50 2 Entwicklung der kindlichen Zweisprachigkeit der nicht-involvierten Sprache aktiviert werden, ohne dass lexikalisches Mate‐ rial im Spiel ist. Dadurch können dem Autor zufolge ungewöhnliche Strukturen erklärt werden, die zuweilen von bilingualen Kindern produziert werden. Von einer Koaktivierung zweier Sprachen während der Sprachverarbeitung geht auch Hulk (2000) aus, indem sie untypische Strukturen in der Kindersprache nicht auf strukturellen Transfer, sondern auf spezifische Verarbeitungsmecha‐ nismen im bilingualen Sprachgebrauch zurückführt, wenn eine Sprache bei der Aktivierung der anderen nur teilweise ausgeschaltet wird: „One language is activated whereas the other is inhibited. However, inhibition is never complete [KD]“ (Hulk, 2000: 75). Demzufolge kann die unvollständige Ausschaltung einer der Sprachen sogar zu Fehlern in der Sprachproduktion und -rezeption (z. B. in Grammatikalitätsurteilen) führen, die wohlgemerkt nicht die Kompetenz der Kinder widerspiegeln, sondern lediglich als Resultat der Koaktivierung zweier Sprachen während der Sprachverarbeitung (in Echtzeit) gelten dürfen (vgl. auch Meisel, 2010: 110). Außerdem sollte darauf hingewiesen werden, dass diese ungewöhnlichen Strukturen bzw. Fehler auch von Asymmetrien zwischen Produktion und Re‐ zeption herrühren können. Schulz (2007: 73) betont in diesem Zusammenhang, dass Kinder komplexe syntaktische Strukturen produzieren können, bevor sie diese Strukturen korrekt zu interpretieren vermögen. Somit können bilinguale Kinder in ein und demselben Sprachbereich je nach Aufgabe unterschiedliche Ergebnisse erzielen (vgl. auch Grüter, 2018: 201-207). Der Spracheneinfluss kann sich auch in subtilerer Weise manifestieren, z. B. durch quantitative Veränderungen in einer der Sprachen. Dies betrifft Situa‐ tionen, in denen eine Struktur oder Eigenschaft in beiden Sprachen vorhanden ist (was die Möglichkeit der Transfers ausschließt) und in einer der Sprachen häufiger oder auch seltener zum Vorschein kommt. Yip und Matthews (2007) zeigen beispielsweise, dass englisch-kantonesisch bilinguale Kinder infolge der Beeinflussung des Kantonesischen Nullobjekte im Englischen viel öfter benutzen als monolinguale englische Kinder. Ein noch feinstrukturierteres Beispiel für den Spracheneinfluss im Bereich der Nullelemente kann der Fall sein, wenn Mechanismen der Referenzfestlegung von Nullargumenten von einer Sprache auf eine andere angewendet werden (vgl. z. B. Sopata, 2019a). Insgesamt zeigt sich, dass der Spracheneinfluss nicht nur den Erwerbspro‐ zess, sondern auch die Sprachverarbeitung von bilingualen Kindern betreffen kann. Beim Ersteren handelt es sich im Prinzip um drei Phänomene, d. h. Transfer, Beschleunigung und Verlangsamung, wohingegen mit dem Letzteren Interaktionen zwischen zwei sprachlichen Systemen beim Sprechen und beim 51 2.4 Spracheneinfluss beim kindlichen Zweitspracherwerb Sprachverstehen gemeint sind, die mit spezifischen Sprachverarbeitungsmecha‐ nismen im bilingualen Sprachgebrauch in Verbindung zu bringen sind. 2.5 Fazit Der in diesem Kapitel vorgenommene Versuch, die wichtigsten Aspekte der kindlichen Zweisprachigkeit aus spracherwerbstheoretischer Sicht darzu‐ stellen, zeigt, dass der kindliche Zweitspracherwerb ein enorm komplexer Pro‐ zess ist, der trotz intensiver Forschungstätigkeit immer noch wenig untersucht ist. Die Auseinandersetzung mit dem generativen Ansatz hat demonstriert, dass die Spracherwerbshypothesen, die in seinem Rahmen entwickelt wurden, eine herausragende Erklärungskraft für den Grammatikerwerb besitzen. In‐ folgedessen wird in der vorliegenden Arbeit von der Syntaxautonomie inner‐ halb der modular aufgebauten Sprachfähigkeit sowie von der Existenz der Universalgrammatik, die bei der Entwicklung der Zweitsprache nicht uneinge‐ schränkt zugänglich ist, ausgegangen. Daher wird auch angenommen, dass der Erstspracherwerb und der Zweitspracherwerb Erwachsener zwei fundamental verschiedene Prozesse sind, die zu einem qualitativ anderen grammatischen Wissen führen. Es wurde ferner dafür argumentiert, dass das Alter bei Er‐ werbsbeginn der entscheidende Faktor beim Zweitspracherwerb der deutschen Sprachstruktur ist, zumindest in der frühen Phase des Erwerbsprozesses. Welche Faktoren die fortgeschrittenen Erwerbsphasen determinieren, ist jedoch noch eine offene Frage, die im weiteren Verlauf der Arbeit beantwortet werden soll. 52 2 Entwicklung der kindlichen Zweisprachigkeit 53 Für syntaktische und lexikalische Prozesse, die die Freiheit der Wortstellung im Mittel‐ feld erklären, wird in der generativen Grammatik der Begriff scrambling verwendet. 54 Vgl. Mikołajczyk (2000) für einen kommentierten Überblick über die Wortstellungsfor‐ schung. 3 Wortstellung im Deutschen und im Polnischen Ziel des vorliegenden Kapitels ist es, einen linguistisch definierten Beschrei‐ bungsapparat in gebotener Kürze darzustellen, um die Erwerbsaufgabe der untersuchten Kinder nachvollziehbar zu machen. Angesichts einer beträchtli‐ chen Menge von in der Fachliteratur zur Verfügung stehenden Beschreibungen des deutschen Satzes (vgl. z. B. DUDEN-Grammatik, 2009; Dürscheid, 2012; Pittner & Berman, 2013; Wöllstein, 2014) erhebt die folgende Darstellung der Wortstellung keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Vielmehr sollen allein dieje‐ nigen Phänomene beschrieben werden, deren Erwerb in der vorliegenden Arbeit untersucht wird, d. h. die Inversion im Deklarativsatz (XVS), die Verbalklammer, die Verbendstellung im Nebensatz und die Stellung der Negation in Relation zum Verb im Deklarativsatz. Zugrunde gelegt werden hier sowohl das topologische Modell (auch: Stellungsfeldermodell), das die Eigenschaften der deutschen Satzstruktur übersichtlich beschreibt als auch die generative Grammatik, die über die rein linguistischen Beschreibungen hinausgeht und die Erwerbsaufgabe aus kognitiver Sicht erklärt. Im Anschluss an die Auseinandersetzung mit den untersuchten Wortstellungsphänomenen im Deutschen wird auch die Wortstellung im Polnischen im Rahmen einer komparativen Besprechung näher beleuchtet. 3.1 Allgemeines zur Wortstellung im Deutschen Die Wortstellung im Deutschen gilt einerseits als relativ frei, was auf die variable Anordnung von Elementen im Mittelfeld zurückzuführen ist, andererseits aber wird sie im Einzelfall durch das Ineinandergreifen von syntaktischen, pragma‐ tischen, kognitiv-semantischen sowie prosodischen Faktoren determiniert (vgl. Speyer, 2011: 14). 53 Zur Beschreibung der Wortstellung innerhalb des Satzes bietet sich zunächst das topologische Feldermodell an, das zuerst von Drach (1937) entworfen und später von anderen Sprachwissenschaftlern (vgl. z. B. Zifonun et al., 1997) weiterentwickelt bzw. modifiziert wurde. 54 Ausgangspunkt hierfür ist die Beobachtung, dass die Teile des Verbalkomplexes in der deutschen 55 Vgl. Sopata (2009: 122−151) für eine genauere Analyse der morphologischen Finitheit im Deutschen aus linguistischer und erwerbstheoretischer Perspektive. Sprache als diskontinuierliche Konstituenten vorkommen und damit die restli‐ chen Konstituenten einklammern. Als Folge dessen entsteht eine Satzklammer und der Satz wird in drei Felder gegliedert: Vorfeld, Mittelfeld und Nachfeld. Diese werden durch die Grenzmarker, d. h. die linke und die rechte Satzklammer, voneinander abgegrenzt (vgl. Pittner & Berman, 2013: 79): Vorfeld Linke Klammer Mittelfeld Rechte Klammer Nachfeld Sie hat ihn schon einmal gesehen irgendwo. Tab. 1: Das Stellungsfeldermodell des deutschen Satzes nach Pittner und Berman (2013: 79). In der linken Klammer befindet sich der finite Teil, in der rechten Klammer der nicht-finite Teil des Verbalkomplexes. Die Form des finiten Verbs verändert sich im Deutschen in Abhängigkeit von den vier Kategorien Person, Numerus, Tempus und Modus. Das regelmäßige Flexionsparadigma für (thematische) Verben im Präsens kann folgendermaßen dargestellt werden: Infinitiv machen 1. Singular mach(e) 2. Singular machst 3. Singular macht 1. Plural machen 2. Plural macht 3. Plural machen Aus erwerbstheoretischer Sicht sind insbesondere die Kategorien Person und Numerus von Belang, denn der Erwerb der Subjekt-Verb-Kongruenz (SVK) bei monolingualen Kindern geht mit dem Erwerb syntaktischer Phänomene einher (vgl. z. B. Clahsen, 1982). 55 Die Form des nicht-finiten Teils des Verbalkomplexes (des Infinitivs oder des Partizips) in der rechten Klammer bleibt unverändert. Die Besetzung der restlichen topologischen Einheiten, d. h. des Vor-, Mittel- 54 3 Wortstellung im Deutschen und im Polnischen 56 Die Tendenzregeln für die Besetzung der topologischen Felder werden u. a. auch von Dürscheid (2012: 95−105) beleuchtet. 57 Hierfür sind in Grammatiken auch die Bezeichnungen Stirnsätze (V1), Kernsätze (V2) und Spannsätze (VE) auffindbar (vgl. Dürscheid, 2012: 72). 58 Als Komplementierer werden nebensatzeinleitende Konjunktionen bezeichnet, die semantisch leer sind, z. B. dass und ob (vgl. auch Kapitel 3.2.3). und Nachfelds ist auch bestimmten syntaktischen Regelungen unterworfen. Im Vorfeld kann idealiter nur eine Konstituente stehen, die im unmarkierten Fall mit dem Subjekt identisch ist. Wenn keine besonderen Prinzipien dagegen vorliegen, kann sich aber auch jede andere Konstituente im Vorfeld befinden, ebenso wie ganze Sätze. Wird das Vorfeld durch eine andere Konstituente als das Subjekt oder ein Adverb besetzt, so handelt es sich um eine Topikalisierung. Unbetonte Elemente wie das Reflexivpronomen echt reflexiver Verben, Modal‐ partikeln, das akkusativische Personalpronomen es und abtrennbare Verbparti‐ keln können nicht im Vorfeld erscheinen. Eine Ausnahme macht das expletive es, das stets im Vorfeld stehen muss (vgl. Philippi & Tewes, 2010: 238 f). Im Mittelfeld können im Prinzip alle Elemente des Satzes stehen, ausschließlich der Elemente, die andere Einheiten besetzen müssen. Die Anordnung der nominalen Elemente im Mittelfeld hängt zwar von pragmatischen Faktoren ab, es gibt aber einige feste Regeln, z. B. die unmarkierte Folge: Subjekt > indirektes Objekt > direktes Objekt. Im Nachfeld müssen wiederum mit sodass eingeleitete Sätze, dass-Komplemente von es scheint sowie Vergleichsphrasen stehen. Möglich sind auch eingebettete Komplementsätze, Relativsätze und umfangreiche oder nachgestellte Konstituenten. Dass-Komplemente von es heißt und finite Subjekt- oder Objektkomplemente zahlreicher Verben können entweder im Nachfeld oder auch im Vorfeld stehen (vgl. Philippi & Tewes, 2010: 239−242). 56 Hinsichtlich der Stellung des finiten Verbs gibt es im Deutschen genau drei denkbare Positionen: Verberst- (V1), Verbzweit- (V2) und Verbendsätze (VE). 57 In der ersten Position steht das finite Verb grundsätzlich in Aufforderungsätzen, Entscheidungsfragesätzen und Wunschsätzen ohne Komplementierer 58 . Kenn‐ zeichnend für sie ist das Nichtvorhandensein des Vorfelds und die Platzierung aller Satzglieder im Mittelfeld oder gegebenenfalls im Nachfeld. Die rechte Satzklammer kann hierbei leer bleiben, wohingegen die linke mit einem finiten Verb besetzt sein muss (vgl. Dürscheid, 2012: 76, 91). 55 3.1 Allgemeines zur Wortstellung im Deutschen Linke Klammer Mittelfeld Rechte Klammer Nachfeld Komm doch mit mir ins Kino. Wirst du heute mit mir ins Kino kommen, wenn du Zeit hast? Kämst du doch mit mir ins Kino! Tab. 2: Felderbesetzung in V1-Sätzen nach Dürscheid (2012: 91). Zur Klasse der Sätze mit V1-Stellung zählen darüber hinaus uneingeleitete, vorangestellte Nebensätze, die in einem übergeordneten Satz auch das Vorfeld besetzen können: Vorfeld Linke Klammer Mittelfeld Rechte Klammer Nachfeld Kommst du mit mir ins Kino, freue ich mich sehr. Tab. 3: Ein uneingeleiteter, vorangestellter Nebensatz als V1-Satz nach Dürscheid (2012: 91). Laut Philippi und Tewes (2010: 237) können auch Deklarativsätze mit einem finiten Verb in der initialen Position vorkommen: Vor‐ feld Linke Klammer Mittelfeld Rechte Klammer Nachfeld Hat er doch das Auto gestohlen, ohne an die Folgen zu denken. Tab. 4: Ein Aussagesatz mit V1-Stellung nach Philippi und Tewes (2010: 236). Da die V1-Stellung außerhalb des Bereichs der vorliegenden Arbeit liegt, wird sie hier nicht weiter behandelt. In den nachfolgenden Subkapiteln sollen stattdessen die V2-, VE- und Negationsstellung detaillierter beschrieben werden. 56 3 Wortstellung im Deutschen und im Polnischen 59 Die V2-Stellung kommt darüber hinaus in W-Fragen, uneingeleiteten Nebensätzen, Konjunktivsätzen in der 3. Person zur Kennzeichnung des Wunsches oder Begehrens und in irrealen Vergleichsätzen mit als vor (vgl. Philippi & Tewes, 2010: 237). 60 Es ist jedoch anzumerken, dass das Vorfeld auch mit mehreren Satzgliedern besetzt sein kann, z. B. Ihm den Stern hat Irene gezeigt (vgl. Eisenberg, 2006: 399). 61 Hinrichs und Kübler (2005: 72) zeigen anhand einer Korpusanalyse gesprochener und geschriebener Sprache auf, dass circa die Hälfte aller Hauptsätze in der deutschen Sprache mit einem Subjekt beginnen. Mit einem Objekt beginnen ihrer Analyse zufolge interessanterweise nur zwischen 5 und 10 % aller Sätze. 3.2 Untersuchte Wortstellungsmuster 3.2.1 Inversion im Deklarativsatz Der gängigen syntaktischen Analyse gemäß ist das Deutsche eine Verbzweit‐ sprache, d. h., die V2-Stellung ist die Grundstellung für den Deklarativsatz, abgesehen davon, wie das Vorfeld besetzt ist. 59 In zweiter Position steht das finite Verb bzw. der finite Verbteil, dem normalerweise eine Konstituente vorangeht: 60 Vorfeld Linke Klammer Mittelfeld Rechte Klammer Nachfeld ein Satzglied finites Verb n-1 Satz‐ glieder Verbalkomplex/ Verbalzusatz Tab. 5: Felderbesetzung für einen Deklarativsatz mit n-Satzgliedern nach Dürscheid (2012: 105). Ist das Vorfeld mit einem anderen Satzglied, z. B. mit einem Objekt, Adverb oder mit einer Präpositionalphrase, besetzt, so wird das Subjekt ins Mittelfeld verschoben. Daher wird die Wortfolge im Deutschen auch entweder als SVX oder XVS wiedergegeben. 61 Diese Verschiebung wird als Inversion bezeichnet. Im Rahmen der generativen Grammatik wird davon ausgegangen, dass dem Deutschen die Abfolge SOV zugrunde liegt, weil sich das direkte Objekt sowohl in Hauptals auch in Nebensätzen vor dem infiniten Verbteil befindet (vgl. N. Müller, 1998: 91). Es wird angenommen, dass die Verbalphrase (VP) und die Phrase der Flexion (IP) kopffinal sind. Infinite Verbalelemente bleiben in der VP, wogegen finite Verben in die IP bewegt werden. Die V2-Stellung in Hauptsätzen wird hiernach dadurch ausgelöst, dass das finite Verb weiter in die Kopfposition (C) der Komplementiererphrase (CP) und das Subjekt in die Spezifiziererposition dieser Phrase bewegt wird. Diese Bewegung kommt dadurch zustande, dass im 57 3.2 Untersuchte Wortstellungsmuster 62 Chomsky (2001) argumentiert, der traditionellen Annahme innerhalb des generativen Ansatzes entgegen, dass die Verbbewegung ein phonologisches Phänomen ist, weil die Verben gleich interpretiert werden, abgesehen davon, ob sie nach T oder C bewegt werden oder aber in situ bleiben (Chomsky, 2001: 30-31). Demgegenüber sind andere Forscher der Auffassung, dass die Verbbewegung ein syntaktisches Phänomen darstellt (vgl. z. B. Lasnik, 1999: 104-115; Baker, 2002). Deutschen ein Merkmal für Finitheit [+F] in C steht (vgl. Grewendorf, 1988: 213−242, 2002b: 234−243; vgl. auch Sopata, 2008a: 410): 62 Abb. 1: Struktur der deutschen CP. (1) ob Piotr joggen geht [ CP C ob [ IP Spec Piotr [ VP V joggen] I geht]] (2) Piotr geht joggen [ CP Spec Piotr C geht [ IP [ VP V joggen]]] Anzumerken ist zudem, dass das Vorfeld im V2-Satz unter bestimmten Bedin‐ gungen leer bleiben kann: Vorfeld Linke Klammer Mittelfeld Rechte Klammer Nachfeld ∅ Komme heute später. ∅ Kenne ich nicht. Tab. 6: Felderbesetzung für einen V2-Satz mit leerem Vorfeld nach Dürscheid (2012: 89). 58 3 Wortstellung im Deutschen und im Polnischen 63 Die Stellung der Hauptsatzkonjunktionen im Vor-Vorfeld wird kontrovers diskutiert (vgl. z. B. Auer, 1997). Im ersten Satz fehlt das Subjektpronomen und im zweiten Satz das Objekt‐ pronomen, was mit dem Gebrauch der Nullargumente zusammenhängt. Im Deutschen sind die Nullargumente an die Topik-Position gebunden. Das Objekt als eine volle NP oder ein Pronomen können sowohl im Satzinneren wie auch in der Topik-Position, also am Satzanfang, erscheinen. Wird das Objekt als Nullobjekt realisiert, kann es nur in der Topik-Position stehen (topic drop). Dasselbe trifft auf das Nullsubjekt zu, das auch nur in der Topik-Position zugelassen ist (vgl. Sopata, 2017: 71). Es ist aber davon auszugehen, dass in den Sätzen in Tabelle 6 die Vorfeldposition tatsächlich gegeben ist. Nach Dürscheid (2012: 89) liegt in diesem Fall ein Telegrammstil vor und die Vorfeldelemente werden aus Ökonomiegründen elidiert. Eine solche Vorfeldellipse ist nur dann erlaubt, wenn sich das betroffene Element aus dem Kontext erschließen lässt. Im Zusammenhang mit der V2-Stellung ist auch von Bedeutung, dass vor dem Vorfeld noch ein zusätzliches Element auftreten kann, wodurch das sogenannte Vor-Vorfeld entsteht. Es kann u. a. mit Hauptsatzkonjunktionen, Interjektionen und Vokativen gefüllt werden: 63 Vorvor‐ feld Vorfeld Linke Klammer Mittelfeld Rechte Klammer Nachfeld Und sie bewegt sich doch. Tab. 7: Ein Aussagesatz mit Vor-Vorfeld nach Dürscheid (2012: 97). Es ist wichtig zu betonen, dass alle Vor-Vorfeld-Elemente weggelassen werden können, ohne dass der Satz ungrammatisch wird. Dies deutet darauf hin, dass sie außerhalb der Satzstruktur stehen (vgl. Dürscheid, 2012: 97). Durch die Besetzung des Vor-Vorfelds entstehen scheinbare V3-Strukturen, die den Zweit‐ spracherwerb der V2-Stellung und zugleich die Inversion unter Umständen erschweren können. 3.2.2 Verbalklammer Ein wesentliches Charakteristikum des Deutschen ist ferner die Distanzstellung, die im Aussagesatz mit einem Verbalkomplex zustande kommt. Sie besteht darin, dass das finite Verb und das infinite Verb bzw. ein Verbzusatz diskontinuierlich 59 3.2 Untersuchte Wortstellungsmuster 64 Vgl. Thurmair (1991: 176 ff.) für die Entwicklung der Verbalklammer im Deutschen. 65 Thurmair (1991: 179) verweist noch auf den dritten Typ der Verbalklammer, und zwar auf die Kopulaklammer, die von Kopulaverben und ihrem Prädikament gebildet wird. Die Kopulaklammern werden jedoch im Allgemeinen nicht zu den Klammern gerechnet. auftreten. 64 Aus generativer Sicht rührt das daher, dass die VP kopffinal ist, weswegen das direkte Objekt vor dem infiniten Verbteil stehen muss (OV −fin ): Vorfeld Linke Klammer Mittelfeld Rechte Klammer Nachfeld Die Ritter sollen mutig sein. Tab. 8: Distanzstellung mit einem Verbalkomplex. Der Verbalkomplex umfasst in erster Linie das finite Verb in der linken Klammer und den Infinitiv oder das Partizip in der rechten Klammer. In der rechten Klammer können aber auch nicht-verbale Elemente stehen. Hierzu zählen Verbzusätze, Nominal-, Adjektiv- und Präpositionalphrasen als Bestandteile der Funktionsverbgefüge, phraseologische Glieder wie auch substantivische und adjektivische Prädikative (vgl. Zeman, 2002: 82; vgl. auch DUDEN-Grammatik, 2009: 415 f.). Im Großen und Ganzen ist von folgenden zwei Typen der Verbal‐ klammer auszugehen, wobei nur die Letztere für die vorliegende Arbeit relevant ist (vgl. Thurmair, 1991: 178 f.): 65 1. Lexikalklammer: Damit sind die trennbaren Verben, also Verben mit einem unfesten Verbzusatz, und die Funktionsverbgefüge, gemeint. 2. Grammatikalklammer: Es handelt sich dabei um alles, was die gramma‐ tikalische Veränderung eines Vollverbs betrifft, also Wechsel im Tempus, im Genus verbi und in der Modalität. Die Grammatikalklammer umfasst somit die Tempusklammer, die Passivklammer und die Modalklammer. Vorfeld Linke Klammer Mittelfeld Rechte Klammer Nachfeld (1) Die Ritter greifen den Feind an. (2) Die Ritter sollen für ihren König kämpfen. Tab. 9: Beispielsätze mit der Lexikal- und Grammatikalklammer. 60 3 Wortstellung im Deutschen und im Polnischen In einem Satz mit Verbalklammer ist es auch möglich, dass das Mittelfeld unbesetzt bleibt: Vorfeld Linke Klammer Mittelfeld Rechte Klammer Nachfeld Die Ritter sollen kämpfen. Tab. 10: Distanzstellung mit einem Verbalkomplex und leerem Mittelfeld. An dieser Stelle bedarf es der Anmerkung, dass die Distanzstellung in solchen Sätzen nicht erkennbar ist, was womöglich eine Erschwernis beim Zweitsprach‐ erwerb der Verbalklammer darstellen kann. Im Zusammenhang mit der Ver‐ balklammer ist außerdem unbedingt auf das Phänomen der Ausklammerung (auch: Rechtsversetzung) hinzuweisen. Die Ausklammerung besteht darin, dass Satzelemente nachgestellt, d. h. hinter die rechte Klammer eingeordnet werden. Sie können jedoch auch in die Verbalklammer zurückverschoben werden (vgl. Żebrowska, 2006: 105; DUDEN-Grammatik, 2009: 886): Vorfeld Linke Klammer Mittelfeld Rechte Klammer Nachfeld Die Ritter sollen kämpfen für ihren König. Tab. 11: Ein Satz mit einer ausgeklammerten Präpositionalphrase. In Bezug auf die Vorkommenshäufigkeit der Ausklammerung stellt Bußmann (2008: 70) fest, dass „die Tendenz zur Ausklammerung im Deutschen besonders in mündlicher Alltagssprache, aber auch zunehmend in der geschriebenen Hochsprache zu beobachten ist“. Bußmann (2008: 70) betont überdies, dass die Ausklammerung in einigen Fällen bereits zur Norm geworden ist. Sie tritt vor allem bei Häufung komplexer Satzglieder, bei eingeleiteten Nebensätzen und bei Infinitivkonstruktionen, die besonders hervorgehoben werden sollen, auf. Der Gebrauch der Ausklammerung wird durch kommunikativ-pragmatische Fak‐ toren begünstigt. Ausgeklammert werden können nominale und präpositionale Satzglieder, vorausgesetzt, dass sie keine Verbergänzungen sind (vgl. Tab. 11). Eine Ausklammerung der Verbergänzungen wäre stark markiert und nur dann zugelassen, wenn ein Satzglied durch das Hinzufügen von weiteren Attributen 61 3.2 Untersuchte Wortstellungsmuster 66 Eine detaillierte Auseinandersetzung mit weiteren Beschränkungen beim Gebrauch der Ausklammerung in der Schriftsprache bietet z. B. Żebrowska (2006). 67 Vgl. Rinke und Flores (2014) für eine ausführliche Diskussion der Auslöser von Variationen in der Herkunftssprache. komplexer würde (vgl. Dürscheid, 2012: 102 f.). 66 Żebrowska (2006) zeigt anhand einer Korpusanalyse, dass die Ausklammerung im geschriebenen Deutsch in der Regel Präpositionalphrasen umfasst. Der hohe Anteil der ausgeklammerten Präpositionalphrasen wird auch durch Untersuchungen zum gesprochenen Deutsch bestätigt (vgl. z. B. Zahn, 1991). Dass die Ausklammerung eine an Stärke zunehmende Tendenz des Deutschen ist, könnten auch Studien zum Sprachkontakt bestätigen. In der Sprachkontakt‐ forschung wird nämlich angenommen, dass die Situation, in der zwei Sprachen aufeinandertreffen, die Entwicklung von in einer Sprache schon existierenden Tendenzen beschleunigen kann (vgl. z. B. Burridge, 1992: 206 f.). In einer Studie zum Erwerb der Herkunftssprache Deutsch bei deutsch-polnischen Kindern zeigt Długosz (2019), dass die Präferenz für die Ausklammerung unter den Bedingungen des Sprachkontakts tatsächlich stärker ausgeprägt ist. Während die Herkunftssprecher der ersten Generation weder in der Produktion noch in Grammatikalitätsurteilen von monolingualen Kindern abweichen, tendieren die Sprecher der zweiten und der dritten Generation stark zur Ausklammerung der Präpositionalphrasen. 67 Nach Żebrowska (2006: 113) kann der Gebrauch einer Ausklammerung auch dadurch motiviert sein, dass der Sprecher die Verarbeitung der aus kognitiver Sicht komplexen Distanzstellung meidet: „[Die Ausklammerung] erleichtert dem Leser die kognitive Verarbeitung der Gesamtinformation, weil ihm ihr entscheidender Teil, das in der Satzklammer ausgedrückte Prädikat, nicht erst ganz am Ende zur Verfügung steht“. Dementgegen argumentiert Thurmair (1991) überzeugend, dass die Klammerstruktur keine besonderen Gedächtnis‐ leistungen fordert. Ein Argument dafür kann z. B. der Erstspracherwerb deut‐ scher Kinder sein. Wenn die Klammer tatsächlich so gedächtnisbelastend wäre, müsste man erwarten, dass sie in der Sprachentwicklung spät vorkommen und viele Fehler verursachen sollte. Dies ist eindeutig nicht der Fall (vgl. Kapitel 4.2.1). 3.2.3 Verbendstellung im Nebensatz Der Nebensatz im Deutschen kann je nach seiner Form, Funktion und Se‐ mantik charakterisiert werden, wobei nur das Kriterium der Form für die vorliegende Arbeit von Relevanz ist. Sie hängt davon ab, wie die linke und die 62 3 Wortstellung im Deutschen und im Polnischen 68 Vgl. Rothweiler (1993: 9-22) für eine detaillierte Analyse der deutschen Nebensätze aus generativer Sicht. rechte Satzklammer besetzt sind, bzw. ob sie überhaupt gegeben sind. Hier‐ nach lassen sich folgende Satzformen spezifizieren (vgl. DUDEN-Grammatik, 2009: 1026): Satzform Beispiel Subjunktionalnebensatz Ich bin sicher, dass dich das interessiert. Pronominalnebensatz Wir organisieren Badeferien, die auch die Möglichkeit zum Sprachstudium geben. Uneingeleiteter Verbzweitne‐ bensatz Ich denke, Agnes wird nachher auch noch kommen. Uneingeleiteter Verberstne‐ bensatz Siegen wir dieses Jahr nicht, müssen wir es nächstes Jahr überlegter angehen. Satzwertige Infinitivphrase Anna vergaß, das Licht zu löschen. Satzwertige Partizipphrase Vom Donnergrollen aufgeschreckt, packten wir die Badesachen zusammen. Tab. 12: Formen des Nebensatzes nach der DUDEN-Grammatik (2009: 1026). Für die vorliegende Arbeit sind nur die eingeleiteten Nebensätze von Relevanz, die der Klarheit halber im Folgenden als Nebensätze bezeichnet werden, hierzu zählen nur der Subjunktionalnebensatz und der Pronominalnebensatz. Der Erstere wird durch eine Subjunktion (auch: nebensatzeinleitende Konjunk‐ tion), der Letztere hingegen durch ein Relativpronomen, ein Interrogativpro‐ nomen, ein Artikelwort oder ein Adverb, eingeleitet (vgl. DUDEN-Grammatik, 2009: 1027). Für die eingeleiteten Nebensätze ist es essenziell, dass das finite Verb am Satzende steht. Der generativen Theorie zufolge ergibt sich dies dadurch, dass die CP bereits durch einen Komplementier besetzt ist, wodurch das Verb nicht bewegt wird und in kopffinaler Position verbleibt. 68 Als Komplementierer werden nebensatzeinleitende Konjunktionen bezeichnet, die semantisch leer sind, z. B. dass und ob. Je nach Klassifikation können sie den Subjunktionen gegenübergestellt werden, die nicht semantisch leer sind (vgl. Elsner, 2013: 125). Unter dem Blickwinkel des topologischen Feldermodells ist die linke Klammer im Nebensatz durch ein nebensatzeinleitendes Element besetzt. Der 63 3.2 Untersuchte Wortstellungsmuster 69 Dies ist aber nicht unumstritten. In der DUDEN-Grammatik (2009: 1027) wird z. B. davon ausgegangen, dass das Relativpronomen bzw. das Interrogativpronomen oder ein entsprechendes Adverb im Vorfeld steht und die linke Klammer leer ist. 70 Außer den weil-Sätzen wurde dieses Phänomen auch für Nebensätze mit obwohl, wobei, während und nicht zuletzt mit dass beschrieben (vgl. Freywald, 2009: 113). 71 Einen Überblick über mögliche Erklärungen für die Anwendung der V2-Stellung auf die VE-Kontexte stellt z. B. Diesel (2013: 130 ff.) zur Verfügung. 72 Vgl. Strecker (2007: 555 ff.) für andere Klassifikationen von nicht. Verbalkomplex steht in der rechten Klammer und kann auch mehrgliedrig sein. Ein Vorfeld ist in diesem Fall nicht vorhanden (vgl. Dürscheid, 2012: 92): 69 Vorfeld Linke Klammer Mittelfeld Rechte Klammer Ich weiß, dass die Ritter für ihren König kämpfen. Ich kenne die Ritter, die für ihren König kämpfen. Tab. 13: Ein mit dass eingeleiteter Nebensatz. Im Gebrauch von Nebensätzen lassen sich allerdings einige Besonderheiten ausfindig machen, die von der VE-Stellung abweichen. Der prominenteste Fall einer solchen Besonderheit ist sicherlich die V2-Stellung im weil-Satz, die vor‐ wiegend im mündlichen Sprachgebrauch und in der informellen schriftlichen Kommunikation erkennbar ist (vgl. Hennig, 2006: 123 ff.; Elsner, 2013: 130; Mroczynski, 2012: 148 ff.). 70 Die kontrovers diskutierten Fragen, wie dieses Phänomen zu erklären ist, und ob es sich tatsächlich bei der VE- und V2-Stellung um zwei unterschiedliche weil-Arten handelt, würden den Rahmen dieser Arbeit sprengen. 71 Wichtig ist nur, dass weil-Sätze mit V2-Stellung nicht als Fehler klassifiziert und als Indiz für Schwierigkeiten beim Erwerb von Nebensätzen gewertet werden dürfen. 3.2.4 Negationsstellung Die Satznegation wird im Deutschen durch die Negationspartikel nicht aus‐ gedrückt, die im Folgenden allgemein als Negator bezeichnet wird. 72 Aus generativer Perspektive wird die Phrase der Negation (NegP) zwischen der VP und IP angenommen. Das finite Verb im Hauptsatz wird in eine Position über der NegP bewegt. Dies hat zur Folge, dass der Negator nicht nach dem finiten Verb steht. Die nicht-finiten Verben verbleiben in der VP, wodurch der Negator im 64 3 Wortstellung im Deutschen und im Polnischen 73 Ausnahmsweise kann die Negation auch vor dem finiten Verb im Nebensatz stehen, z. B. Er sagte etwas, was er besser nicht hätte sagen sollen. Da aber solche Sätze im Vergleich zu Sätzen mit postverbaler Negation selten in der gesprochenen Sprache vorkommen, ist es kaum möglich, dass sie den Zweitspracherwerb der Negation erschweren könnten. 74 Die Negationsstellung wird z. B. in der DUDEN-Grammatik (2009: 907-912) ausführlich beschrieben. Falle von nicht-finiten Verben und Partizipien in präverbaler Position erscheint (vgl. Clahsen, 1988b: 5 ff.; vgl. auch Sopata, 2009: 127). (3) Ich esse nicht. (4) Ich mag das Essen nicht. (5) Ich habe das Essen nicht gemocht. (6) Das Essen habe ich nicht gemocht. Aus topologischer Sicht strebt die Negation dem Ende des Mittelfelds zu. Nach Engel et al. (1999: 1223) steht sie vor: • indefiniten Dativ-, Akkusativ und Genitivergänzungen, • dem die Satzklammer bildenden zweiten Teil des Verbalkomplexes, • den Gefügenomen und Präpositiv-, Situativ-, Direktiv-, Expansiv-, No‐ minal- und Adjektivergänzungen, • allen nicht direkt von Obersatzverb abhängigen Elementen der Verbativ‐ ergänzung, • den Modalangaben. In Bezug auf die Stellung der Negation in Relation zum Verb kann man somit zusammenfassend feststellen, dass sie prinzipiell nie vor dem finiten Verb und (fast) immer vor dem infiniten Verb steht, was auch im Nebensatz sichtbar ist. 73 Für die vorliegende Arbeit ist nur die erstere, also die postverbale Negationsstellung im Deutschen von Belang. 74 3.3 Wortstellung in der Ausgangssprache Polnisch Das Polnische ist eine SVO-Sprache. Die Phrasen VP und IP sind im Gegensatz zum Deutschen linksköpfig. Das Verb wird wie im Deutschen in der Kopfposi‐ tion der VP generiert. Das Finitheitsmerkmal [fin+] ist in der Kopfposition der IP lokalisiert, weshalb das Verb in die IP bewegt wird, um seine Flexionsmerkmale zu überprüfen. Die Bewegung eines flektierten Verbs nach C geschieht im Pol‐ nischen sehr selten, ist aber in Fragesätzen oder Topikalisierungskonstruktionen möglich. Dies hat zur Folge, dass sich die Wortfolge im Polnischen von der im 65 3.3 Wortstellung in der Ausgangssprache Polnisch 75 Der hier skizzierte Beschreibungsapparat stellt den klassischen Ansatz innerhalb der generativen Literatur dar. Deutschen unterscheidet (vgl. Bsp. 7 und 8) (vgl. Mecner, 2005: 130−138; Pilarski, 2002: 92−100; vgl. auch Sopata, 2008a: 411): 75 Abb. 2: Struktur der polnischen CP. (7) czy Piotr idzie biegać ob Piotr joggen geht ‚ob Piotr joggen geht‘ [ CP C czy [ IP Spec Piotr I idzie [ VP V biegać]]] (8) Piotr idzie biegać Piotr geht joggen ‚Piotr geht joggen‘ [ IP Spec Piotr I idzie [ VP V biegać]] Die Subjekt-Verb-Kongruenz wird im Polnischen morphologisch realisiert und kann an verbalen Affixen erkannt werden. Der Verbalkomplex im Polnischen ist informationsreicher als im Deutschen, weil neben den Kategorien Person, Tempus und Modus noch die Kategorien Aspekt und - in einigen Tempus‐ formen - sogar Genus am Verb markiert sind. In der dritten Person Singular erhält das Verb im Präsens keine Personalendung (vgl. Rittel, 1985: 29). Nach Nagórko (1998: 115-119) sind die zahlreichen Unterschiede in der polnischen Verbalmorphologie auf Stammsuffixe zurückzuführen. Die Verben bekommen, ausschließlich der ersten Person Singular, einheitliche Personalendungen und 66 3 Wortstellung im Deutschen und im Polnischen 76 Eine allgemeine und leicht zugängliche Einführung in die deutsch-polnische kontras‐ tive Grammatik mit Bezügen auf die Wortstellung bietet z. B. Morciniec (2016). unterscheiden sich nur durch die Ableitungssilben. Dementsprechend kann das polnische Flexionsparadigma im Präsens wie folgt dargestellt werden: Infinitiv 1. Singular -ę/ -m 2. Singular -sz 3. Singular ∅ 1. Plural -my 2. Plural -cie 3. Plural -ą Der Erwerb der SVK ist auch im Polnischen entscheidend für das Auftauchen syntaktischer Aspekte der Finitheit (vgl. Sopata, 2008a). Was die Nullargumente im Polnischen betrifft, sind sie im Gegensatz zum Deutschen nicht an die Topik-Position gebunden, d. h. sie können auch im Satzinneren auftauchen (pro drop). Nullsubjekte sind kongruenzbedingt. Nullobjekte sind dagegen extern bedingt und werden durch den Diskurs interpretiert (vgl. Sopata, 2017: 71 f.). Die Verbstellung im Polnischen ist im Vergleich zum Deutschen nicht fest verankert. 76 Die SVO-Folge ist unmarkiert, aber die Position des finiten Verbs kann in Abhängigkeit von pragmatischen und informationsstrukturellen Fak‐ toren variieren (vgl. Bartnicka et al., 2004: 516; vgl. auch Boniecka, 1998: 56 ff.). Derwojedowa (2000: 55) zeigt, dass die SVO-Folge im Polnischen am häufigsten auftritt. Die Mehrheit bilden aber Sätze mit einem Nullsubjekt, die sie als VO-Folge klassifiziert (1193 vs. 993 Kontexte in einer Korpusanalyse). Die OVS-Folge taucht vergleichsweise selten auf (319 Kontexte). Die Verschie‐ bung eines Elements an den Satzanfang bewirkt keine Subjekt-Verb-Inversion, die im Deutschen zu den kernlinguistischen Phänomenen gezählt wird. Die V2-Stellung ist somit keine obligatorische Eigenschaft des Polnischen. Als eine SVO-Sprache besitzt das Polnische auch keine OV-Struktur, die für das Deutsche charakteristisch ist. Dies ist in Hauptsätzen mit einem Verbalkomplex erkennbar, in denen das infinite Verb nicht in der letzten Satzposition stehen bleibt, sondern unmittelbar nach dem finiten Verb erscheint. Im topologischen Feldermodell ist der polnische Verbalkomplex im Gegensatz zum deutschen somit einteilig und nicht klammerbildend (vgl. Engel et al., 1999: 495). Es ist aber 67 3.3 Wortstellung in der Ausgangssprache Polnisch 77 Der Grad der Klammerfähigkeit der beiden Sprachen wird von Piosik (2018) folgender‐ maßen beschrieben: „Während die Äußerungsklammer in einer konkreten Äußerung immer potenziell vorhanden ist, unabhängig davon, ob sie realisiert oder aber nicht realisiert wird, zeichnet sich ihre Entsprechung im Polnischen, die hier als die Prädi‐ katsklammer bezeichnet wird, durch eine äußerst kleine Potenz aus. Die komplexen Prädikate im Deutschen treten dementgegen verhältnismäßig selten in Kontaktstellung auf “ (Piosik, 2018: 38). nicht ausgeschlossen, dass ein Satzglied, z. B. ein Objekt, zwischen den beiden Teilen des Verbalkomplexes positioniert wird (vgl. Bsp. 10): (9) Ania musi posprzątać swój pokój. Ania muss aufräumen ihr Zimmer. ‚Ania muss ihr Zimmer aufräumen.‘ (10) Ania musi swój pokój posprzątać. Ania muss ihr Zimmer aufräumen. ‚Ania muss ihr Zimmer aufräumen.‘ Da die Verbalkomplexelemente auch diskontinuierlich vorkommen können, wird in der einschlägigen Literatur manchmal postuliert, dass die Unterschei‐ dung zwischen drei Stellungsfeldern auch im Polnischen möglich ist (vgl. Piosik, 2018). Dennoch ist anzumerken, dass die diskontinuierlichen Folgen von Verbformen selten vorkommen und der Verbalkomplex im Polnischen im Vergleich zum deutschen nicht grammatikalisiert ist, sondern vielmehr von stilistischen, rhythmischen wie auch kommunikativen Faktoren abhängt (vgl. Engel et al., 1999: 498). 77 Die dem Satz im Polnischen zugrunde liegende Struktur spiegelt sich weiterhin in Nebensätzen wider, in denen sich die Verbposition von dieser in Hauptsätzen nicht unterscheidet (vgl. Bsp. 11): (11) Ania wie, że Piotr idzie biegać. Ania weiß, dass Piotr geht joggen. ‚Ania weiß, dass Piotr joggen geht.‘ Die Differenzen zwischen dem Deutschen und dem Polnischen in der zugrunde liegenden Struktur resultieren auch in einer anderen Negationsstellung: Im Deutschen ist sie postverbal und im Polnischen präverbal, was innerhalb der ge‐ nerativen Linguistik auf die Unterschiede in der Position des Finitheitsmerkmals zurückgeführt wird (vgl. Grewendorf, 2002b: 40-46). Es wird vorausgesetzt, dass die Negation im Polnischen ein funktionaler Kopf ist. Die Negationsphrase (NegP) befindet sich zwischen der AgrP und TP (vgl. Pilarski, 2002: 127). In der polnischen Sprache wird die Verbnegation durch die Partikel nie zum Ausdruck gebracht. Im Gegensatz zum deutschen nicht befindet sich die Negationspartikel 68 3 Wortstellung im Deutschen und im Polnischen 78 Für die vorliegende Arbeit ist nur der Unterschied zwischen der prä- und postverbalen Stellung der Negation relevant. Weitere Stellungsmöglichkeiten werden z. B. von Engel et al. (1999: 1223 f.) dargestellt. 79 Es ist aber möglich, dass die Negation im Polnischen vor den nicht-finiten Teil des Verbalkomplexes rückt, was aber selten geschieht und mit der Veränderung ihrer Funktion einhergeht (vgl. Bartnicka et al., 2004: 518). nie unmittelbar vor dem finiten Verb, auch im Nebensatz. 78 Im Falle eines Verbalkomplexes steht sie daher vor seinem ersten finiten Teil. 79 3.4 Zusammenfassung Wie aus dem Vorangegangenen ersichtlich wird, unterscheidet sich das Deut‐ sche bezüglich der untersuchten Wortstellungsmuster stark vom Polnischen. Dies kommt daher, dass die den beiden Sprachen zugrunde liegende Satzstruktur anders ist, wobei diese Andersartigkeit hauptsächlich in den Verbstellungsre‐ gularitäten sichtbar wird. Ein Überblick über die untersuchten Wortstellungs‐ phänomene wird in Tabelle 14 gegeben: Wortstellungsphänomen Deutsch Polnisch Inversion im Deklarativsatz + − Verbalklammer (maximale Distanzstellung) + − Verbendstellung im Nebensatz + − Postverbale Negation + − Tab. 14: Vergleich zwischen Deutsch und Polnisch bezüglich der untersuchten Wortstel‐ lungsphänomene. Es kann somit davon ausgegangen werden, dass der Erwerb des Deutschen als Zweitsprache eine große Herausforderung für polnischsprachige Kinder darstellt. Sie werden mit restriktiven Wortstellungsregeln konfrontiert, die sie aus ihrer Erstsprache nicht kennen. Für Verwirrung kann zudem der Umfang der Erwerbsaufgabe sorgen, weil der Erwerbsgegenstand drei völlig neue Verbstel‐ lungsmuster involviert. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass beide Sprachen aufgrund der diskutierten Unterschiede eine Steilvorlage für die Erforschung des Zweitspracherwerbs der deutschen Syntax bieten. 69 3.4 Zusammenfassung 4 Einfluss des Alters auf den Erwerb der Wortstellung im Deutschen Nachdem im vorangegangenen Kapitel ein linguistisch definiertes Beschrei‐ bungsinstrument für die deutsche Wortstellung in gebotener Kürze skizziert worden ist, hat das vorliegende Kapitel das Ziel, bisherige Untersuchungen zum Erwerb der Verb- und Negationsstellung darzustellen. Dabei wird zwischen dem monolingualen Erstspracherwerb, dem Zweitspracherwerb Erwachsener und dem kindlichen Zweitspracherwerb unterschieden, um schließlich Ver‐ gleiche zwischen allen drei Erwerbstypen anzustellen. Das Hauptaugenmerk liegt hierbei auf der Entwicklung der Inversion im Deklarativsatz, der Verbal‐ klammer, der VE-Stellung im Nebensatz und der Negationsstellung. Aus diesem Grund wird deshalb einigen Aspekten, die mit diesen grammatischen Phäno‐ menen nicht zusammenhängen, entsprechend weniger Beachtung geschenkt. Die Darstellung der unterschiedlichen Erwerbsszenarios liefert den Rahmen für die Erforschung der fortgeschrittenen Erwerbsphasen und für die Fehler‐ diagnostik in ihrem Verlauf. Abschließend werden Erklärungen für altersbe‐ dingte Phänomene beim Zweitspracherwerb der Wortstellung im Deutschen behandelt, wobei die größte Explikationskraft neuronalen Reifungsprozessen zugeschrieben wird. 4.1 Zur Kontroverse um das Alter bei Erwerbsbeginn Das Alter, in dem ein Kind erstmals mit einer Zweitsprache in Berührung kommt (= AbE, age of onset, age of acquisition), ist derzeit einer der am heftigsten diskutierten Faktoren, die sowohl den Verlauf als auch den Endzustand der sprachlichen Entwicklung determinieren. Wie kontrovers der Altersfaktor ist, zeigt beispielsweise die spezielle Ausgabe der Zeitschrift Science aus dem Jahre 2005, in der kritische Perioden für den Spracherwerb in eine Liste der 125 größten Fragen der Wissenschaft eingetragen wurden. Die Überlegungen zur Rolle des Alters sind durch die Einsicht geprägt, dass Kinder, die im Kindesalter mit dem Erwerb einer zusätzlichen Sprache beginnen, gemeinhin bessere Leistungen erzielen als erwachsene Lerner. Damit verknüpft ist die häufig geäußerte Ansicht Je früher, desto besser, die als eine grobe Verallge‐ meinerung zu verstehen ist (vgl. Dimroth, 2007: 115 f.). Während ein früher Start beim natürlichen Zweitspracherwerb als ein starker Prädiktor für langfristigen Erfolg gelten kann (vgl. z. B. Herschensohn, 2007; Olpińska-Szkiełko, 2013: 55), ist die Rolle des Alters beim frühen Fremdsprachenlernen bisher bei Weitem ungeklärt (vgl. z. B. Iluk, 2006; Stasiak, 2006; Sopata, 2010a). Den Einfluss des Erwerbsalters auf den erreichbaren Endzustand des Zweitspracherwerbs kann man grafisch folgendermaßen darstellen (vgl. Birdsong, 2006: 15; Clahsen, 2017: 36): Abb. 3: Schematische Darstellungen von Alterseffekten auf den Endzustand des Zweit‐ spracherwerbs. 1. The earlier, the better 2. Great until age X, thereafter it gets worse 3. The earlier, the better, until a certain critical age 4. Great until age X, thereafter it gets worse, until a certain critical age Auf der vertikalen Achse ist das Sprachleistungsniveau, auf der horizontalen hingegen das Erwerbsalter zu positionieren. Das erste Schema stellt eine lineare Korrelation zwischen dem Alter bei Erwerbsbeginn und dem erreichbaren Endzustand dar. Die Form dieser Grafik veranschaulicht, dass sprachliche 72 4 Einfluss des Alters auf den Erwerb der Wortstellung im Deutschen 80 Vgl. z. B. Bialystok (1997) für eine kritische Diskussion der Studie. Leistungen mit zunehmendem Erwerbsalter graduell immer schlechter werden. Das zweite Schema geht wiederum anfangs von einer Periode aus, in der unabhängig vom Erwerbsalter die gleiche Kompetenz erreicht wird, und die erst später durch einen graduellen Rückgang ersetzt wird. Auf dem dritten Schema ist ein umgekehrter Zusammenhang zu sehen: Zuerst korreliert der Endzustand negativ mit dem Alter bei Erwerbsbeginn, dann werden unabhängig vom Erwerbsalter die gleichen sprachlichen Leistungen erbracht. Das letzte Schema stellt eine Verbindung der Schemata 2 und 3 dar. Es gilt zu beachten, dass keines der Schemata das Erreichen eines muttersprachlichen Endzustands zulässt. Diese Ansicht wird tatsächlich von vielen Forschern geteilt (vgl. z. B. Johnson & Newport, 1989; Hyltenstam & Abrahamsson, 2003; DeKeyser & Larson-Hall, 2005; Granena & Long, 2012; Hartshorne et al., 2018; Veríssimo et al., 2018). Evidenz für Auswirkungen des Erwerbsalters auf die erreichte Zweitsprach‐ kompetenz wird z. B. von Johnson und Newport (1989) in ihrer vielzitierten Studie geliefert, die lange Gegenstand heftiger Debatten war. 80 Sie überprüfen anhand von Grammatikalitätsurteilen die grammatische Kompetenz von 46 koreanischen/ chinesischen Lernern des Englischen als Zweitsprache, die im Alter zwischen drei und 39 Jahren in die Vereinigten Staaten kamen. Zusätzlich wird eine Kontrollgruppe von 23 englischen Muttersprachlern untersucht. Das Experiment umfasst zwölf grammatische Phänomene, die sowohl syntak‐ tisches als auch morphologisches Wissen betreffen, u. a. W-Fragen, Plural und Determinierer. Es stellt sich heraus, dass die Korrektheit der Grammati‐ kalitätsurteile mit dem Erwerbsalter stark korreliert. Diejenigen Probanden, die vor dem siebten Lebensjahr mit dem Erwerb des Englischen begannen, erreichen muttersprachliches Niveau. Darauf nimmt die Sprachkompetenz mit zunehmendem Erwerbsalter bis zur Pubertät kontinuierlich ab. Beim Erwerbs‐ beginn nach dem 17. Lebensjahr sind interessanterweise keine Korrelationen mehr zu finden. Johnson & Newport (1989: 90) verweisen ferner darauf, dass nicht alle untersuchten Phänomene gleichermaßen von Alterseffekten betroffen sind. Ein Beispiel hierfür kann die Wortstellung sein, die von allen Probanden, unabhängig von ihrem Erwerbsalter, mühelos erworben wird. Der Frage nach der Relation zwischen dem Erwerbsalter und dem Endzu‐ stand gehen auch Granena und Long (2012) nach. In ihrer breit angelegten Studie fokussieren sie mittels einer Reihe von Tests lexikalische, phonologische, syntaktische und morphologische Fähigkeiten von 65 Zweitsprachlernern des Spanischen mit chinesischer Erstsprache. Sie wurden in drei Gruppen aufgeteilt: 73 4.1 Zur Kontroverse um das Alter bei Erwerbsbeginn AbE = 3-6, AbE = 7-15 und AbE = 16-29. Die Ergebnisse zeigen, dass altersbe‐ dingte Änderungen in den verschiedenen Sprachbereichen zu unterschiedlichen Zeitpunkten erfolgen. Morphosyntaktische Fähigkeiten nehmen im Alter zwi‐ schen sieben und 15 Jahren drastisch ab, wobei insbesondere dem Alter von zwölf Jahren ein hoher Stellenwert beizumessen ist. Die Kontaktdauer mit dem Spanischen, die bei den Probanden zwischen acht und 31 Jahren variiert, wie auch die Sprachlerneignung korrelieren bei Kontrolle des Erwerbsalters nicht signifikant mit dem Endzustand im Bereich der Morphosyntax. Eine besondere Rolle des Alters bei Erwerbsbeginn für den langfristigen Spracherwerbserfolg beweisen auch Hartshorne et al. (2018). In ihrer Studie un‐ tersuchen sie mittels einer Internetumfrage die syntaktische Kompetenz im Eng‐ lischen von insgesamt 669 498 Sprechern mit verschiedenen Erstsprachen. Zu den untersuchten Phänomenen gehören z. B. Relativsätze, Subjektauslassungen und W-Bewegung. Die Autoren zeigen auf, dass die Spracherwerbsfähigkeit über die Kindheit hinweg intakt bleibt und erst in der späten Adoleszenz, und zwar im Alter von 17 Jahren, rapide abnimmt, wobei diese Abnahme graduell ist. Wie unschwer zu erkennen ist, ergeben die drei referierten Studien ein inkonsistentes Bild, indem sie auf unterschiedliche Altersgrenzen hindeuten. Solche Inkonsistenzen tragen dazu bei, dass das Verhältnis zwischen dem Alter bei Erwerbsbeginn und der erreichbaren sprachlichen Kompetenz in der Zweitspracherwerbsforschung ununterbrochen kontrovers diskutiert wird. Auf der anderen Seite gibt es Bemühungen, zu zeigen, dass auch Erwachsene in der Lage sind, muttersprachliche Kompetenz zu erwerben. Dabei wird sehr häufig der Qualität und Quantität des Inputs eine große Bedeutung zugeschrieben (vgl. z. B. Bialystok, 1997; Montrul, 2009; Muñoz & Singleton, 2011). Bialystok (1997) stellt diesbezüglich Folgendes fest: „Age differences in second language acquisition ability are inconsistent, sometimes to the advantage of older learners, but appearing only on certain kinds of tasks that assess specific aspects of knowledge. The documented cases of perfect mastery of a second language achieved by late learners are not anomalous exceptions to a biological law or extraordinary feats by rare individuals with an unusual and prodigious talent. Rather, they are quite ordinary occurrences that emerge when conditions are favourable.“ (Bialystok, 1997: 134) An dieser Stelle ist besonders hervorzuheben, dass das Fehlen von Alterseffekten in späteren Phasen der sprachlichen Entwicklung keinesfalls bedeutet, dass sie in früheren Phasen nicht vorgekommen sind. Ganz im Gegenteil: Eine Reihe von Studien zum Erwerb der Wortstellung zeigen, dass sich altersbedingte Phänomene insbesondere am Anfang des Erwerbsprozesses, also in den ersten 74 4 Einfluss des Alters auf den Erwerb der Wortstellung im Deutschen Kontaktmonaten, manifestieren, und dann nachlassen, sodass sie im späteren Verlauf, zumindest in Offline-Aufgaben, womöglich nicht mehr sichtbar sind. Selbst wenn ein Zweitsprachlerner einen Endzustand erreicht, der, zumindest auf den ersten Blick, nicht von der muttersprachlichen Kompetenz abweicht, bedeutet dies nicht, dass beide sprachlichen Wissenssysteme qualitativ gleich sind. Unterschiede zwischen exzellenten Zweitsprachsprechern und Mutter‐ sprachlern, die am häufigsten subtil sind, lassen sich mittels Offline-Methoden manchmal nicht aufdecken. Erst in Experimenten, in denen die Online-Verarbei‐ tung untersucht wird, können altersbedingte defizitäre Verarbeitungsprozesse ermittelt werden (vgl. z. B. Clahsen & Felser, 2006; Veríssimo et al., 2018). Es lässt sich aber nicht leugnen, dass auch erwachsene Lerner durchaus in der Lage sind, trotz spätem Einstieg in den Zweitspracherwerb manche Aspekte der Gram‐ matik auf einem beinah muttersprachlichen Niveau zu erreichen; allerdings auf einem anderen Weg als Kinder. Erwachsene müssen analytische Fähigkeiten und Problemlösungsstrategien nutzen, weil ihnen implizite Lernmechanismen nicht mehr zugänglich sind (vgl. DeKeyser, 2000: 515). Deswegen können nur diejenigen Lerner eine hohe grammatische Kompetenz erreichen, bei denen derartige Fähigkeiten überdurchschnittlich entwickelt sind. 4.2 Altersbedingte Phänomene beim Wortstellungserwerb Anknüpfend an die soeben erwähnte Rolle des Erwerbsalters beim Sprach‐ erwerb werden im Folgenden altersbedingte Phänomene beim Erwerb der Wortstellung im Deutschen dargestellt und diskutiert. Zunächst werden die relevantesten Untersuchungen in diesem Forschungsbereich beschrieben, die in Abhängigkeit vom Alter bei Erwerbsbeginn über unterschiedliche Erwerbsver‐ läufe berichten. Im Anschluss daran wird kurz auf die späteren Erwerbsphasen eingegangen, die aufzeigen, wie sich die grundlegenden Wortstellungsmuster in einem fortgeschrittenen Erwerbsstadium entwickeln. 4.2.1 Erstspracherwerb In den frühesten Phasen der sprachlichen Entwicklung sind für Kinder nur einzelne Wörter, also keine produktive Syntax verfügbar. In der Phase der ersten 50 Wörter produzieren Kinder vornehmlich Äußerungen, die aus einem Wort bestehen. Es lassen sich Wörter aus allen lexikalischen Klassen erkennen, doch kaum grammatische Funktionswörter wie Artikel, Konjunktionen, Auxiliare 75 4.2 Altersbedingte Phänomene beim Wortstellungserwerb 81 Kauschke (2012: 85) hebt hervor, dass die Lexikongröße auch in späteren Phasen mit syntaktischen Variablen korreliert; je mehr Wörter Kinder mit 21 Monaten verwenden, desto länger, korrekter und komplexer sind ihre Äußerungen mit drei Jahren. 82 Sobald Modalverben, Hilfsverben und Formen des Verbs sein in der Kindergrammatik auftauchen, werden sie finit realisiert und gewöhnlich kongruent zum Subjekt flektiert. 83 Mit den frühen Zweiwortäußerungen werden grundlegende Relationen ausgedrückt. Hierzu zählen z. B. Besitzverhältnisse (mama bein) (vgl. Szagun, 2006: 68). 84 Dies ist aber nicht unumstritten. Nach Meisel (1990: 284) „(…) non-finite verbs never appear in sentence-second position“. Chilla (2008: 51) stellt demgegenüber fest, dass die Prozentzahl von Infinitiven in V2-Stellung sogar 6 % betragen kann, was allerdings immer noch eine geringe Prozentzahl ist. 85 Ob es sich bei dem Flexiv -t tatsächlich um einen Kongruenzmarker handelt, wird in der Fachliteratur kontrovers diskutiert (vgl. Clahsen, 1982; Meisel, 1990). 86 Detailliertere Analysen von Meisel (1990) zeigen, dass der Erwerb der morphologischen Finitheit im Deutschen als Erstsprache grundsätzlich in zwei Phasen eingeteilt werden kann. In der ersten Phase, die ungefähr drei Monate dauert, tauchen in der Kinder‐ sprache alle Formen auf, die die 3. Person Singular markieren (d. h. -ø und -t). Am Ende dieser Phase kommen auch die Formen der 1. Person Singular bei Modalverben vor. oder Präpositionen (vgl. Rothweiler, 2015: 281). 81 Verben und Verbalpartikeln werden bereits in der Phase der Einwortäußerungen produziert (vgl. z. B. Penner et al., 1998). Die ersten Verben sind thematische Verben und erscheinen in nicht-finiter Form. Modalverben, Auxiliare und Kopulas tauchen in der Kindersprache etwas später auf (vgl. z. B. Mills, 1985). 82 Die produktive Entwicklung der Syntax beginnt mit ersten Wortkombinationen, die ab einem Alter von circa eineinhalb Jahren in der Kindersprache auftreten. 83 In der Zweiwortphase werden Verben mit Objekten oder Adverbien kombiniert und befinden sich in der zielsprachlichen Position, d. h., finite Verben stehen initial (geht nicht) und nicht-finite Verben final (nicht gehen). Manche Kinder benutzen Stammformen anstatt von nicht-finiten Verben. Fehler werden fast nur in Bezug auf finite Verben beobachtet, die bis zu 10 % in VE-Stellung erscheinen (vgl. Penner et al., 1998; Weissenborn, 2002). Nur 1 bis 2 % der nicht-finiten Verben kommen in V2-Stellung vor (vgl. Clahsen et al., 1996). 84 Anstelle von finiten Formen, die zuerst nur für die 3. Person Singular (d. h. -ø und -t) markiert sind, kommen in der Kindersprache auch optionale Infinitive (root infinitives) vor, die parallel zu den markierten Formen produziert werden (vgl. auch Kupisch & Rinke, 2007). 85 Sie werden also in Positionen gebraucht, die für nicht-finite Verben vorgesehen sind. Nur thematische Verben können als optionale Infinitive vorkommen (vgl. Wexler, 1994). In der Phase der optionalen Infinitive werden Subjekte sehr oft ausgelassen, also als Nullsubjekte realisiert (vgl. Rizzi, 1993/ 1994). Einen weiteren wichtigen Meilenstein macht der Erwerb der Flexive -e und -st für die 1. und die 2. Person Singular aus (vgl. z. B. Meisel, 1994). 86 Damit 76 4 Einfluss des Alters auf den Erwerb der Wortstellung im Deutschen Die restlichen Markierungen, d. h. die 1. und die 2. Person Singular sowie die 1. und die 3. Person Plural, werden erst in der nächsten Phase erworben, die auch ungefähr drei Monate dauert. Einige unregelmäßige Formen und die Form der 2. Person Plural werden erst später erworben. 87 Der Zusammenhang zwischen der morphologischen Finitheit und dem V2-Phänomen wird nicht von allen Forschern unkritisch angenommen (vgl. z. B. Kauschke, 2012: 89 f.). 88 In einer Analyse aus gebrauchsbasierter Sicht stellt Elsner (2015: 358 f.) fest, dass Kinder in einem frühen Erwerbsstadium zuerst eine hohe Anzahl an Nominalphrasen im Nachfeld produzieren. Erst im Laufe der Zeit nähern sie sich der Erwachsenensprache und besetzen das Nachfeld mit Präpositional- und Adverbialphrasen. kann auch die Subjekt-Verb-Kongruenz als erworben gelten. Gleich nach dem Erwerb der SVK kommen die Verben mit Finitheitsmarkierungen nach den Subjekten und anderen topikalisierten Elementen überwiegend in der korrekten V2-Stellung vor, was als Indiz für den Aufbau der funktionalen Kategorie CP gewertet wird. 87 Die Zahl der korrekten V2-Sätze steigt innerhalb eines Monats rapide von 40 % auf 90 %. Fragen und Sätze mit Satznegation werden mit der zielsprachlichen Wortstellung produziert. Die Distanzstellung verbaler Elemente wird durchgängig vollzogen, und zwar in Modalverbkonstruktionen, in Perfektsätzen, in Sätzen mit Kopula und prädikativem Adjektiv und in der Trennung von Partikelverben (vgl. Clahsen, 1982; Rothweiler, 2015). 88 (12) die schere hat julia (13) ein schiff musst du erst jetzt bauen An dieser Stelle ist anzumerken, dass abweichende V3-Strukturen auch möglich sind, weil die Inversion im Vergleich zur VE-Stellung im Nebensatz schwerer zu meistern ist: „In contrast to the apparent ease of acquisition of word order in subordinates, it has been observed that the placement of verbs in second position represents a major acquisitional difficulty. Even after children have begun to place the finite verb after the subject they frequently fail to invert subject-verb order when some other constituent has been fronted. Thus, in utterances with an initialized interrogative pronoun, or those with a topicalized complement (object or adverbial), the verb sometimes appears in third position.“ (Meisel, 1986: 134) Zur gleichen Zeit unterstreicht Meisel (2007b: 502), dass V3-Strukturen beim Erstspracherwerb zwar produziert werden, aber nicht häufiger als in 2 % aller Sätze. Die obligate V2-Stellung ist eine wesentliche Voraussetzung für den Erwerb von Nebensätzen. Rothweiler (1993) zeigt, dass nur 1,5 % aller eingeleiteten Nebensätze das finite Verb in V2-Position enthalten, wobei manche von ihnen, z. B. weil-Sätze mit V2-Stellung, tatsächlich nicht als ungrammatisch 77 4.2 Altersbedingte Phänomene beim Wortstellungserwerb 89 Die Tendenz zur VE-Stellung wird durch die Studie von Mills (1985) bestätigt. Berman und Weissenborn (1991) sind dagegen der Ansicht, dass die variable Wortfolge lediglich individuelle Unterschiede widerspiegelt. klassifiziert werden dürfen (vgl. Kapitel 3.2.3). Penke (2001) verweist darauf, dass zu Beginn der Nebensatzproduktion eine Übergangsphase erkennbar ist, während deren Konjunktionen ausgelassen werden. Ihre Stelle kann auch durch Platzhalterformen besetzt werden. Später kommen subordinierende Konjunk‐ tionen wie weil, dass und ob, und W-Elemente hinzu. Zuletzt werden Relativsätze gebildet. Diesem Erwerbsverlauf entspricht die von Clahsen (1982: 60 ff.) und Clahsen und Muysken (1986: 98 ff.) ermittelte Entwicklungssequenz, die den Wortstel‐ lungserwerb erst ab der Phase der Mehrwortäußerungen verfolgt. Sie besteht aus folgenden vier Phasen: Phase I: Zuerst ist in der Kindersprache eine variable Wortfolge festzustellen. Verbale Elemente tauchen in V2- und VE-Stellung auf, wobei die Letztere bevorzugt wird (60-70 %). 89 (14) ich bau ein mast (15) der teddy zu dick ist (16) ich schaufel haben Phase II: Nicht-finite Verbteile, z. B. Partikeln, erscheinen durchgehend in VE-Position. Finite Verben werden nach wie vor sowohl in V2als auch in VE-Stellung positioniert, wobei die VE-Stellung immer noch die bevorzugte Option darstellt. (17) deckel drauftun (18) purzel pierkorb rausräum Phase III: Alle finiten Verben tauchen in V2-Stellung auf, was mit dem Erwerb der Inversion gleichbedeutend ist. Zusammengesetzte verbale Elemente werden getrennt. (19) die schere hat julia (20) ein schiff musst du erst jetzt bauen Phase IV: In der Kindersprache erscheinen erste Nebensätze, in denen das Verb von Anfang an korrekt in VE-Stellung gestellt wird. (21) guck was ich in mein tasche hab (22) ich will mal sehen ob das schwarz ist 78 4 Einfluss des Alters auf den Erwerb der Wortstellung im Deutschen 90 Vgl. Vainikka und Young-Scholten (2013) für eine eingehende Auseinandersetzung mit der Problematik der Erwerbsstadien. Diese Sequenz wird auch durch die Studie von Mills (1985) bestätigt, die über keine wesentlichen Abweichungen von den von Clahsen (1982) vorgestellten Phasen berichtet. Ein wesentlicher Unterschied zwischen beiden Studien betrifft lediglich den Erwerb der VE-Stellung im Nebensatz. Während Clahsen (1982) dabei keine Fehler findet, zeigt Mills (1985: 44 f.), dass im Falle von zusammen‐ gesetzten verbalen Elementen das finite Verb manchmal dem nicht-finiten Verb vorangehen kann. Die von Clahsen (1982) entwickelte Einteilung des Wortstellungserwerbs in die Phasen wird von Tracy (2007a, 2007b) um Angaben zu ihrer Dauer ergänzt. Beide Vorschläge sind grundsätzlich komparabel. Tracy (2007a: 72, 2007b: 75-83) weist auf folgende vier Erwerbsphasen hin: Meilenstein I: Erste Wortkombinationen (10-18 Monate) Tür auf, da Tür, Tür (auf-)mache, große Bus Meilenstein II: Mehrwortäußerung mit nicht-finiten Verben am Ende (18-24 Monate) Mama auch Bus fahren Meilenstein III: Zielsprachliche Sätze mit finiten V2-Verben (24-36 Monate) Jetzt geh ich auch hoch Meilenstein IV: Nebensätze mit finiten Verben am Ende (ungefähr ab 30. Monat) Ich warte, bis der Hund auch weggerannt ist Man sollte die Altersangaben nicht verabsolutieren, weil die Erwerbsdynamik je nach Kind unterschiedlich ist. Es ist somit mit individuellen Erwerbsprofilen einzelner Kinder zu rechnen, was jedoch den systematischen und universalen Verlauf des Spracherwerbs nicht infrage stellt. Wode (1993: 84) stellt fest, dass die zeitliche Abfolge der Entwicklungsphasen nicht absolut, sondern vielmehr relativ ist, wobei „das relative Nacheinander“ stabil bleibt. Der Übergang von einem Stadium zu einem anderen verläuft nicht abrupt, sondern es kommt vielmehr zu einer vorübergehenden Überlappung von älteren und neuen Strukturen (vgl. Wode, 1993: 84 f.). Mit anderen Worten: Die Entwicklungs‐ phasen decken sich über eine gewisse Zeit und wechseln sich schrittweise ab, indem das vorangegangene Stadium allmählich ausklingt und das neue beginnt. 90 79 4.2 Altersbedingte Phänomene beim Wortstellungserwerb Wie systematisch Kinder beim Erwerb der deutschen Satzstruktur vorgehen, wird ersichtlich, wenn man die Meilensteine in ein topologisches Schema überträgt: Satzklammer Vorfeld V2 Mittelfeld VE Tür auf Mama Bus fahren Mama auch Bus Jetzt geh ich hoch Da kommt Ball rein Valle hat (pro-)biert ob das pfeift Tab. 15: Meilensteine beim Erwerb der deutschen Satzstruktur nach Tracy (2002: 8). Dem topologischen Schema ist zu entnehmen, dass die Satzstruktur schritt‐ weise von rechts nach links erworben wird. Von großer Wichtigkeit ist die Erkenntnis, dass nicht-finite Verben und Verbpartikeln von Anfang an in der rechten Klammer auftauchen, was dem zielsprachkonformen Satzbau ent‐ spricht. Hierfür lassen sich nach Tracy (2002: 8) einige schlagkräftige Gründe nennen: 1. Die Position der Verbpartikel ist stabil, weil sie verlässlich am Satzende steht. 2. Sie ist stärker betont als das finite Verb, mit dem sie verbunden ist. 3. Im Vergleich zum Vollverb kodiert sie die wichtigeren Bedeutungsbe‐ standteile. 4. Im Gegensatz zum flektierenden Verb, das mit verschiedenen Endungen versehen werden kann, ist die Verbpartikel formal invariant. Als Wegweiser beim Strukturaufbau von rechts nach links erweisen sich ferner weitere invariante Partikeln, insbesondere auch und nicht. Eine bemerkenswerte Erscheinung stellt der Gebrauch von Füllsilben bzw. Platzhaltern anstelle ziel‐ sprachlicher Wörter dar, der darauf hindeutet, dass Kinder schon mehr von einer 80 4 Einfluss des Alters auf den Erwerb der Wortstellung im Deutschen Struktur wissen, als sie lexikalisch umsetzen können (vgl. Tracy, 2002: 10). Dies ist insofern wichtig, als auch Konjunktionen ersetzt werden können: (23) [nnnn] so laut is (auf Warum-Frage) Wichtig ist auch die Erkenntnis, dass in der Kindergrammatik gegensätzliche Strukturformate eine Zeit lang koexistieren können. Wie bereits erwähnt, kann ein und dasselbe Kind zeitweilig Nebensätze sowohl mit V2als auch mit VE-Stellung produzieren. In Anbetracht der Existenz der geordneten Entwicklungssequenz stellt sich die Frage, wodurch der Entwicklungsweg festgelegt wird. Eine Hypothese zur Ontogenese grammatischer Strukturen stellt Meisel (1994) auf. Er untersucht Sprachdaten von simultan bilingualen Kindern, die Deutsch und Französisch erwerben. Nach Meisel (1994: 92) stellt zunächst die lexikalische Kategorie des Verbs den Kern der frühesten Strukturen der Kinder dar. Frühe Mehrwortäu‐ ßerungen werden daher als Verbalphrasen gewertet. Funktionale Kategorien tauchen in der mentalen Grammatik der Kinder allmählich auf, weil die Kinder auf der Basis des Inputs erst entdecken müssen, welche funktionalen Kategorien und welche Merkmale der Kategorien Teil der Zielsprache sind. Die Kinder verwenden in den ersten Phasen Verbalformen ohne Kongruenzmarker und lassen oft Subjekte aus. Sobald finite Verbalformen in der Kindergrammatik erscheinen, kongruieren sie sofort mit den Subjekten, die zu diesem Zeitpunkt von den Kindern fast immer realisiert werden. Dies kommt daher, dass beide Phänomene durch den Aufbau einer Projektion in der Kindergrammatik bedingt sind. Ein weiteres Indiz für den Aufbau einer funktionalen Kategorie zu diesem Zeitpunkt ist der Gebrauch von Subjekten und topikalisierten Konstituenten in der zielsprachlichen Position im Satz (vgl. Meisel, 1994: 107; vgl. auch Sopata, 2014: 155 f.). Der zeitliche Zusammenhang beim Erwerb dieser Phänomene kann mit der Wirkung der Universalgrammatik erklärt werden und ist eine essenzielle Charakteristik des Erstspracherwerbs. Wie diese Darstellung der Erwerbsphasen zeigt, unterliegt der Erwerb der Wortstellung bestimmten Regelungen. Der Verlauf des Verbstellungserwerbs kann folgendermaßen zusammengefasst werden: 1a. Variable Wortstellung mit bevorzugter VE-Stellung 1b. Voranstellung von Objekten und Adverbien 1c. V −fin immer in VE-Stellung V +fin variabel; sowohl in V2als auch VE-Stellung 81 4.2 Altersbedingte Phänomene beim Wortstellungserwerb 91 Als anaphorische Negation bezeichnet Wode (1977) die Fälle, in denen zwischen der Negation und einem anderen Element der Äußerung keine Verneinungsbeziehung vorhanden ist. V +fin immer in V2-Stellung Fehlerfreie VE-Stellung im Nebensatz Tab. 16: Phasen des Wortstellungserwerbs im Deutschen als Erstsprache in Anlehnung an Meisel (1986: 132). Zur Erwerbsaufgabe der Kinder gehört ebenfalls die Negation, die für die vorliegende Arbeit relevant ist. Die initiale Phase des Erwerbs der Negation im Deutschen wird hier nicht detailliert besprochen. Der Fokus liegt lediglich auf Sätzen mit dem Negator nicht plus Verb, die bei der Beschäftigung mit dem Aufbau der Satzstruktur wichtig sind. Die erste systematische Beschreibung des Negationserwerbs gibt Wode (1977): Einwortnegation mit nein Zwei- und Mehrwortnegation mit nein 2a. Für sog. anaphorische Negation 91 2b. Für nicht anaphorische Negation Satzinterne Negation mit nicht, wobei es zu Stellungsfehlern kommen kann Erwerb der korrekten Negationsstellung Tab. 17: Entwicklungssequenz des Negationserwerbs im Deutschen als Erstsprache nach Wode (1977: 100 f.). Dieser Erwerbsverlauf wird nachfolgend von Clahsen (1988b) modifiziert und verfeinert, insbesondere in Bezug auf die letzten zwei Phasen, die seiner Ansicht nach zu undifferenziert sind. Sie werden von Clahsen (1988b: 12) innerhalb der von ihm vorgeschlagenen Phasen des Verbstellungserwerbs verankert: 82 4 Einfluss des Alters auf den Erwerb der Wortstellung im Deutschen Phase II/ III NEG + X max , wobei X = {N, V, A, P} Post- und präverbale Negation, wobei dominant unmittelbare postverbale Nega‐ tion Postverbale Negation meist mit flektierten Verben Keine Trennung des Negationselements vom Verb bei postverbaler Negation Präverbale Negation meist mit nicht-flektierten Verben: NEG VP […V] Phase IV NEG postverbal Trennung bei postverbaler Negation Tab. 18: Modifizierte Entwicklungssequenz des Negationserwerbs nach Clahsen (1988b: 12). Besondere Beachtung verdient dabei der zeitliche Zusammenhang beim Erwerb der morphologischen Finitheit und der Negation: Die Stellung der Verben im Verhältnis zur Negation ist zielsprachlich, sobald die SVK erworben wurde (vgl. auch Meisel, 1997: 257). Davor ist die Position von nicht variabel, d. h. Kinder verorten die Negation sowohl vor als auch nach infiniten Verben. Als Resümee zeigt sich, dass der monolinguale Erstspracherwerb der Wort‐ stellung im Deutschen ein höchst systematischer Prozess ist, bei dem allerdings individuelle Unterschiede nicht auszuschließen sind. 4.2.2 Zweitspracherwerb Erwachsener Erwachsene Zweitsprachlerner, die das Deutsche unter natürlichen Bedin‐ gungen erwerben, tun sich schwer mit subtilen Merkmalen der deutschen Grammatik, zu denen auch die grundlegenden Eigenschaften deutscher Sätze gerechnet werden. Der Zweitspracherwerb der Wortstellung verläuft grund‐ sätzlich anders als der Erstspracherwerb und der kindliche Zweitspracherwerb. Die deutlichsten Unterschiede manifestieren sich vor allem im Erwerbsverlauf. Betroffen ist aber auch der Endzustand in einigen Grammatikbereichen, der von erwachsenen Zweitsprachlernern sehr oft gar nicht erreicht wird. Verlässliche Erkenntnisse zum natürlichen Zweitspracherwerb Erwachsener entstammen in erster Linie dem vielzitierten ZISA-Projekt (Meisel et al., 1981; Clahsen et al., 1983). An informellen Interviews nahmen insgesamt 45 83 4.2 Altersbedingte Phänomene beim Wortstellungserwerb erwachsene L2-LernerInnen teil, darunter 20 Italiener, 19 Spanier und sechs Portugiesen, die als ArbeiterInnen in Deutschland tätig waren. Die Interviews dauerten zwischen 20 und 120 Minuten und betrafen persönliche Themen, z. B. die ökonomische und soziale Situation vor der Emigration. Zum Zeitpunkt des Interviews haben alle Probanden mindestens das 14. Lebensjahr vollendet, mit Ausnahme eines Jungen, der 13 Jahre alt war. Das Erwerbsalter variiert jedoch erheblich zwischen dem 14. und 50. Lebensjahr (zwei Personen waren älter als 50 Jahre). Auch in Bezug auf die Kontaktdauer mit dem Deutschen bilden die Probanden eine eher heterogene Gruppe, weil sie bei fünf Personen weniger als ein Jahr und bei vier Personen mehr als 20 Jahre beträgt. Ein zentraler Untersuchungsbereich der ZISA-Gruppe ist der Erwerb der Wortstellung. Anhand der erhobenen Querschnittsdaten wurden folgende sechs Stadien ermittelt (vgl. Clahsen et al., 1983: 158; Clahsen & Muysken, 1986: 106-107): • Phase I - SVO: Keine Wortstellungsregel ist implementiert. Konstitu‐ enten erscheinen in der festen linearen Abfolge: NP (AUX/ MOD) V (NP) (PP). • Phase II - ADV-PREP: Adverbien und Präpositionalphrasen werden fakultativ an die satzinitiale Position verschoben, ohne die SV-Abfolge zu beeinflussen. Infolgedessen werden inkorrekte V3-Strukturen produziert. • Phase III - PARTIKEL: Infinite Verbteile, d. h. Verbpartikeln, Infinitive und Partizipien werden an die satzfinale Position verschoben. • Phase IV - INVERSION: Bei Voranstellung einer Phrase treten finite Verben vor das Subjekt, sodass die XVS-Abfolge entsteht, die in der 2. Phase fehlt. • Phase V - ADV-VP: Adverbien können optional zwischen dem finiten Verb und dem Objekt erscheinen. • Phase VI - V-ENDE: Finite Verben besetzen in Nebensätzen die Verbend‐ stellung. Es ist zu betonen, dass bei PARTIKEL, INVERSION und V-ENDE keine Ent‐ wicklungssequenz für die Anwendungskontexte festgestellt werden kann (vgl. Clahsen et al., 1983: 158). Der Wortstellungserwerb verläuft in implikationell geordneten Phasen, z. B. setzt der Erwerb von V-ENDE in der sechsten Phase den Erwerb von INVERSION und ADV-VP voraus. Diese anhand der Querschnitt‐ daten ermittelte Reihenfolge wird von Clahsen (1984) auch in einer longitudi‐ nalen Studie bestätigt und mithilfe von Verarbeitungsstrategien erklärt. Es stellt sich aber heraus, dass nicht alle Lerner die Inversion und die VE-Stellung im Nebensatz erworben haben. Der Grund dafür kann Fossilisierung sein, also ein Zustand, in dem die Lerner auf einer Erwerbsstufe verbleiben und weder 84 4 Einfluss des Alters auf den Erwerb der Wortstellung im Deutschen 92 Klein und Perdue (1992) untersuchen die Informationsstruktur von Äußerungen er‐ wachsener Zweitsprachlerner und kommen zu dem Ergebnis, dass sie in einer frühen Phase eine Basisvarietät herausbilden, die ein intuitives Inventar pragmatischer und semantischer Prinzipien umfasst. Viele Lerner verbleiben auf dieser Stufe, ohne ihr grammatisches Wissen zu erweitern, wodurch es bei ihnen zu einer rudimentären Fossilisierung kommen kann. Da informationsstrukturelle Aspekte der Wortstellung für diese Arbeit nicht von Interesse sind, wird hier auf weitere Beschreibungen der Studie von Klein und Perdue (1992) verzichtet. 93 Da der gesteuerte Zweitspracherwerb für die vorliegende Arbeit irrelevant ist, wird er hier nicht weiter thematisiert. Dieser Problembereich wird z. B. von Sadownik (2008) und Barczyk (2009) erschöpfend behandelt. Fortnoch Rückschritte machen (vgl. z. B. Kniffka & Siebert-Ott, 2009: 56). 92 Je später sie in den Erwerb der Zweitsprache einsteigen, umso größer das Risiko, dass es dabei zur Fossilisierung kommt. Terrasi-Haufe und Roche (2018: 107) veranschaulichen, dass insbesondere die Phase der Voranstellung von Adverbien vor dem Erwerb der Verbalklammer fossilisieren kann. Interessanterweise lassen sich die im ZISA-Projekt ermittelten Erwerbs‐ phasen auch beim gesteuerten Zweitspracherwerb Erwachsener aufdecken (vgl. z. B. Ellis, 1989; Sadownik, 2008; Barczyk, 2009). Allerdings berichten einige Autoren über Abweichungen vom natürlichen Zweitspracherwerb. Diehl et al. (2000: 364) stellen beispielsweise fest, dass die Inversion unter institutionellen Bedingungen sehr spät erworben wird (Phase V), nämlich erst nach dem Erwerb der Distanzstellung (Phase III) und des Nebensatzes (Phase IV). Die Reihenfolge der Phasen kann durch explizite grammatische Instruktion kaum beeinflusst werden (Sadownik, 1997: 242). 93 Zu den grundlegenden Wortstellungsmustern des Deutschen gehört auch die Position des Negators im Verhältnis zum Verb. Der Erwerb der Negation bei erwachsenen Zweitsprachlernern vollzieht sich, im Gegensatz zum Erst‐ spracherwerb, unabhängig vom Erwerb der Finitheit (vgl. Meisel, 1997: 257). Für den L2-Erwerb der Negationsstellung erfasst Clahsen (1988b) anhand der ZISA-Daten folgende drei Phasen, die er auf den Verbstellungserwerb bezieht: SVO ⇒ präverbale Negation Verbalklammer ⇒ unmittelbare postverbale Negation Inversion (ADV VP) ⇒ NEG-Trennung Tab. 19: Entwicklungssequenz des Negationserwerbs bei erwachsenen Zweitsprachler‐ nern nach Clahsen (1988b: 21) 85 4.2 Altersbedingte Phänomene beim Wortstellungserwerb In den ersten Phasen dominiert die abweichende präverbale Stellung der Negation. In der zweiten Phase taucht die unmittelbar postverbale Negation auf. Zunächst wird NEG nicht vom Verb getrennt, auch dann nicht, wenn eine Trennung im Deutschen eigentlich obligatorisch wäre. In der dritten Phase be‐ nutzen erwachsene Zweitsprachlerner erstmals Stellungsmuster vor, bei denen Verb und Negation durch andere Konstituenten getrennt werden können. Alles in allem erweist sich die präverbale Negation als das typische Stellungsmuster beim Zweitspracherwerb Erwachsener. Die postverbale Negationsstellung und NEG-Trennung treten wiederum erst in späteren Entwicklungsphasen in Er‐ scheinung, was im Widerspruch zum Erstspracherwerb steht. Meisel (1997) zeigt aber, dass nicht alle erwachsenen Zweitsprachlerner eine Phase durchlaufen, in der die präverbale Negationsstellung vorgezogen wird. Er stellt diesbezüglich vielmehr fest: „The use of preverbal negation characterizes a specific type of learner, rather than an early phase of L2 acquisition“ (Meisel, 1997: 255). Anhand von Longitudinaldaten dreier Lerner aus dem ZISA-Korpus unter‐ sucht Parodi (2000), in welcher Relation thematische vs. nicht-thematische Verben zur SVK und Verbstellung stehen. Als nicht-thematische Verben werden Modalverben, Auxiliare, Kopulas und possessives haben definiert, die von Parodi (2000: 361) mit Einschränkungen für semantisch leer gehalten werden. Sie werden auch leichte Verben (light verbs) genannt. Thematische Verben dagegen sind Träger lexikalischer Informationen und können als lexikalische Verben bezeichnet werden. Parodi (2000) entdeckt einen Zusammenhang zwischen der SVK und der Verbstellung für leichte Verben. Sie treten in den meisten Fällen finit auf und werden korrekt flektiert. Darüber hinaus stehen sie immer vor der Negation. Aufgrund dessen nimmt die Autorin an, dass die Verbstellung in den frühen Phasen des Zweitspracherwerbs nicht durch die Finitheit, sondern durch die Leichtigkeit (lightness) von Verben determiniert werden kann. Dies ist insofern überzeugend, als die meisten Studien keinen Zusammenhang zwischen der morphologischen Finitheit und der Verbstellung beim Zweitspracherwerb Erwachsener eruieren. Czinglar (2014a, 2014b) untersucht in ihrer Studie Spontansprachdaten zweier L2-Lernerinnen des Deutschen mit russischer Erstsprache, Nastja und Dascha, die im Alter von 8; 7 und 14; 4 Jahren nach Deutschland kamen. Sie wurden jede Woche meist an denselben Tagen in spontanen Interaktionen mit einem Muttersprachler oder einer Muttersprachlerin aufgenommen. Beide Mädchen besuchten eine deutsche Schule und einmal pro Woche eine russische Schule. Sie bekamen keinen zusätzlichen DaF-Unterricht und sprachen unter‐ einander und mit der Mutter Russisch. Wichtig ist, dass sich die Mädchen hinsichtlich des ihnen zugänglichen Inputs und der Motivation zum Deutsch‐ 86 4 Einfluss des Alters auf den Erwerb der Wortstellung im Deutschen lernen voneinander unterscheiden. Das ältere Mädchen kommuniziert anfangs erfolgreich auf Englisch. Hinzu kommt, dass sich Dascha der Begrenztheit ihres Aufenthaltes in Deutschland stärker bewusst ist und ihren Schulerfolg vor allem vom Zeugnis der russischen Schule abhängig macht (vgl. Czinglar, 2014a: 27). Der untersuchte Erwerbszeitraum erstreckt sich über zwölf Monate, wobei der Erwerbsanfang im 2. bis 5. KM mit drei bis vier Aufnahmen pro Monat intensiver dokumentiert ist als die späteren Monate mit nur einer Aufnahme. Die Autorin bedient sich des Erwerbskriteriums der 90 %-igen Korrektheit in mindestens fünf obligatorischen Kontexten. Beide Kinder produzieren von Anfang an SVbzw. SVO-Folgen. Ab dem 2. KM werden mit vorangestellten Adverbien V3-Strukturen und erst ab dem 3. KM korrekte V2-Sätze gebildet. Die ältere Lernerin produziert doppelt so viele abweichende V3-Sätze als die jüngere. Am häufigsten wird das Verbstel‐ lungsmuster SV bzw. SVO verwendet, das im Russischen die häufigste Abfolge darstellt. Die Autorin ist deswegen der Meinung, dass die Kinder zuerst davon ausgehen, dass Deutsch eine SVO-Sprache ist und die SV-Folge bei einem vor‐ angestellten Adverb benutzen. Die abweichenden V3-Strukturen konkurrieren temporär mit der obligaten V2-Stellung. Die jüngere Nastja beginnt im 4. KM mit dem Erwerb der Inversion und braucht vier Monate, um die 90 %-Grenze zu über‐ schreiten und stabil zu halten. Die ältere Dascha beginnt zwei Monate später und erreicht innerhalb von zehn Monaten zwar einmal diese Grenze, aber der Erwerb der Inversion wird nicht stabilisiert. Was die Distanzstellung angeht, so zeigt Czinglar (2014a: 33), dass beide Mädchen insgesamt einen geringen Anteil an falsch realisierten Satzklammern hervorbringen. Im 2. KM produziert Dascha noch mehr korrekte Klammern als Nastja, aber der Unterschied verschwindet innerhalb eines Monats. Im vierten bzw. fünften Monat kann die Satzklammer schon als erworben gelten. Große Differenzen zwischen beiden Lernerinnen lassen sich dagegen beim Erwerb von Nebensätzen ermitteln. Das ältere Mäd‐ chen produziert 52 % aller Nebensätze mit inkorrekter V2-Stellung, wohingegen das jüngere Mädchen zu 68 % die zielsprachliche VE-Stellung verwendet. Die ersten Nebensätze erscheinen im 3. KM und enthalten Verben in inkorrekter V2-Position. Diesen Entwicklungsweg führt Czinglar (2014a: 31) wieder auf den Einfluss der Erstsprache Russisch zurück. Nastja erfüllt das 90 %-Kriterium bereits ab dem 9. KM. Dascha kommt im 16. KM nah an die 90 %-Grenze heran, sie erzielt aber keinen stabilen Endzustand. Was den Erwerbsverlauf bei beiden Lernerinnen betrifft, ist er dem Zweitspracherwerb Erwachsener ähnlich. Sie bilden zunächst SVO- und V3-Folgen, erwerben anschließend die Distanzstellung, dann die Inversion und schließlich die VE-Stellung im Neben‐ satz. Die Autorin schlussfolgert aus den Ergebnissen, dass der Altersunterschied 87 4.2 Altersbedingte Phänomene beim Wortstellungserwerb einen Einfluss auf die Erwerbsgeschwindigkeit hat. Es stellt sich heraus, dass das jüngere Mädchen alle drei Strukturformate innerhalb von neun Monaten stabil erwirbt. Demgegenüber eignet sich das ältere Mädchen innerhalb von 17 Monaten nur die Satzklammer stabil an. In einem Übersichtsartikel fasst Dimroth (2008) die wichtigsten Unterschiede zwischen beiden Probandinnen zusammen, wobei sie sich nicht nur auf die Verbstellung fokussiert: 1. Keine Unterschiede: Verbalklammer im deklarativen Hauptsatz, Substan‐ tivflexion (Numerus), postverbale Stellung der Negation 2. Kleine Unterschiede: Verbzweitstellung/ Inversion, Verbflexion (SVK und Tempus), Substantivflexion (Kasus) 3. Große Unterschiede: Auslassung der Determinierer, Substantivflexion (Genus), Adjektivflexion Es ist auffällig, dass die Unterschiede im Erwerb der Verbstellung im Allge‐ meinen nicht groß sind; nur die V2-Stellung in Inversionskontexten kann sich je nach Erwerbsalter unterschiedlich entwickeln. Eine andere Studie zum Wortstellungserwerb eines Jugendlichen stammt von Schwartz und Sprouse (1994, 1996). Sie untersuchen die Sprachentwicklung eines türkischsprachigen Jungen, Cevdet, der im Alter von 15 Jahren nach Deutschland immigrierte. Insgesamt wurden innerhalb von 26 Monaten elf Interviews durchgeführt, die um Rollenspiele und Filmnacherzählungen ergänzt wurden. Bis zum ersten Interview, in dem die Wortstellung analysiert wird, hat Cevdet zwölf Monate in Deutschland verbracht. Die erste Phase beginnt somit ab dem 12. KM. und dauert bis zum 16. KM. In dieser Phase dominiert von Anfang an die SOV-Folge, die in Sätzen mit infiniten Verben und Verbpartikeln sichtbar ist. Finite Verben erscheinen nicht in VE-Stellung, sondern unmittelbar nach dem Subjekt, auch mit vorangestellten Konstituenten, was die Produktion von V3-Strukturen zur Folge hat. Die zweite Phase beginnt mit dem zweiten Inter‐ view ab dem 20. KM. Cevdet erwirbt endlich die Inversion mit pronominalen Subjekten und Nebensätze, in denen finite Verben fast ausschließlich in der korrekten VE-Stellung auftauchen. Allerdings produziert er weiterhin V3-Sätze, die jedoch in der Minderheit sind. Die dritte Phase wird nur anhand eines Interviews im 34. KM spezifiziert. Zwar kommen zu diesem Zeitpunkt fast keine Probleme mit der Inversion mit pronominalem Subjekt mehr vor, aber fast die Hälfte aller Inversionskontexte mit NP-Subjekten wird falsch realisiert. Leider beschreiben Schwartz und Sprouse (1994) nicht den weiteren Erwerbsverlauf bei Cevdet, wodurch es unmöglich ist, die Entwicklung der Inversion weiter zu verfolgen. 88 4 Einfluss des Alters auf den Erwerb der Wortstellung im Deutschen Auch N. Müller (1998) untersucht Sprachdaten eines jugendlichen Lerners. Bruno ist im Alter von 16 Jahren nach Deutschland gekommen und wurde un‐ gefähr zwei Jahre lang beobachtet, beginnend mit der siebten Aufenthaltswoche. Zuerst durchläuft der Junge bis zur 20. Aufenthaltswoche eine Phase, in der Objekte systematisch hinter dem finiten Verb stehen. Danach folgt eine Phase, in der Objekte sowohl vor als auch nach dem finiten Verb erscheinen. Sie lässt sich bis zur 56. Aufenthaltswoche nachweisen. Ab der 60. Aufenthaltswoche sind fast keine abweichenden Stellungsmuster zu beobachten. Bei dem Erwerb von Nebensätzen zeichnen sich dieselben drei Phasen ab. Bis zur 60. Aufent‐ haltswoche weisen finite Nebensätze nicht die Endstellung des Finitums auf. Bis zur letzten Aufenthaltswoche (110.) hat Bruno nicht erschlossen, dass alle Nebensatzeinleiter die VE-Stellung erfordern. Er erwirbt die Nebensatzstellung lexemspezifisch, d. h. für jeden Nebensatzeinleiter einzeln. Die letzte Phase, in der nur die zielsprachliche VE-Stellung verwendet wird, wird bis zur letzten Aufnahme nicht für alle Nebensatzeinleiter erreicht (dass, ob, wenn). 4.2.3 Kindlicher Zweitspracherwerb Obwohl die Frage nach der Grenze zwischen dem simultanen Erstspracherwerb und dem kindlichen Zweitspracherwerb nach wie vor ungeklärt bleibt, sind in der einschlägigen Literatur einige Studien vorzufinden, die sich mit der Entwicklung der deutschen Satzstruktur bei Zweitsprachlernern verschiedenen Alters auseinandersetzten. Allerdings erweist sich die Beschäftigung mit dem Altersfaktor als besonders problematisch, weil Forscher sehr oft zu zum Teil gegensätzlichen Ergebnissen kommen, was die Bestimmung einer sensiblen Phase für den Wortstellungserwerb wesentlich erschwert. Der frühen Entwicklung des V2-Phänomens im Deutschen geht z. B. Roth‐ weiler (2006) auf den Grund, indem sie spontane Sprechdaten von einem Jungen und zwei Mädchen mit türkischer Erstsprache untersucht. Das Alter der Kinder zum Zeitpunkt der ersten Datenerhebung war unterschiedlich: Furkan - 2; 10, Ece - 3; 0 und Melisa - 4; 5. Die Kinder besuchten einen deutschen Kindergarten, in dem sie täglich mindestens vier Stunden Kontakt zur deutschen Sprache hatten. Die Eltern sprachen Türkisch und ihre Deutschkenntnisse waren eher gering. Darüber hinaus wohnten sie in Hamburg in einem Viertel, wo der Anteil türkischer Familien hoch war. Furkan wurde ab dem 3. KM siebenmal, Ece und Melisa hingegen ab dem 9. KM dreimal aufgenommen. Die Entwicklung von Furkan innerhalb der ersten sechs Monate entspricht dem monolingualen Verbstellungserwerb in vielerlei Hinsicht. Er produziert Sätze sowohl mit infiniten Verbformen in satzfinaler Position (root infinitives) 89 4.2 Altersbedingte Phänomene beim Wortstellungserwerb als auch mit Verbstämmen in V2-Stellung, die mit dem Subjekt überwiegend übereinstimmen, wobei er das Letztere bevorzugt. Außerdem durchläuft er eine Phase der optionalen Infinitive, die für monolinguale Kinder typisch ist. Im Einklang mit dem Erstspracherwerb ist auch der Befund, dass Furkan das Flexiv -st für die 2. Person Singular als Letztes erworben hat. Zwischen dem 6. und 8. KM können das Verbflexionsparadigma und die V2-Stellung, einschließlich der Inversion und W-Fragen, als erworben gelten (Rothweiler, 2006: 100 f.). Mit der Entwicklung von Ece und Melisa verhält es sich grundsätzlich ähnlich. Bis zur ersten Datenerhebung, d. h. nach 9,5 KM, hat Ece alle relevanten Entwicklungsstadien durchlaufen. Es lässt sich aber leider nichts darüber aussagen, wie sich ihre mentale Grammatik bis zu diesem Zeitpunkt entwickelt hat. Der Erwerb der Verbstellung und Flexion durch Melisa unterscheidet sich von der Entwicklung der zwei anderen Kinder, insbesondere bezüglich ihrer Schnelligkeit und Variabilität. Die korrekte SVK hat sie erst im 15. KM erworben. Bis zum 12. KM produziert sie einige Sätze mit infiniten Verben sowohl in V2-Stellung als auch in satzfinaler Position. Wenn auch deren Anteil relativ gering ist (8 %), kontrastiert er stark mit dem Anteil solcher Sätze bei Furkan (0 % ab dem 8. KM) und Ece (1,6 % im 9,5 KM) (Rothweiler, 2006: 102 ff.). Allerdings bringt Melisa schon ab dem 9,5 KM Objekttopikalisierungen hervor, die auf eine erfolgreiche Etablierung der CP schließen lassen. Alles in allem ist Melisas Entwicklung im Bereich der Verbstellung und Flexion langsam und heterogen, wollte man den Erwerb dieser Phänomene bei Furkan und Ece zum Vergleich heranziehen. Rothweiler (2006: 108) kommt anhand dieser Erkenntnisse zu dem Schluss, dass nur die sprachliche Entwicklung von Furkan und Ece mit dem monolingualen Erwerb korrespondieren, wohingegen Melisas Erwerb von ihm in manchen Punkten abweicht. Wenn man aber individuelle Variationen im monolingualen Erstspracherwerb in Betracht zieht, sind diese Abweichungen noch annehmbar. Rothweiler (2006: 110) konstatiert, dass alle Kinder mit dem Erwerb des Deutschen noch innerhalb der kritischen Phase begonnen haben. Mit dem kindlichen Zweitspracherwerb der Wortstellung beschäftigt sich auch Sopata (2010b), die in ihrer Studie anhand von longitudinalen Daten dreier Jungen mit polnischer Erstsprache auf gravierende Auswirkungen des Erwerbsalters auf die Entwicklung des V2-Phänomens im Deutschen verweist. Nach dem Umzug nach Deutschland besuchten die Kinder einen deutschen Kindergarten, wo sie täglich zwischen vier und sieben Stunden Kontakt zur Majoritätssprache Deutsch hatten. Sie wurden über einen Zeitraum von fünf Monaten in alltäglichen Spielsituationen aufgenommen. Insgesamt wurden fünfzehn 45-minütige Aufnahmen einer quantitativen und qualitativen Analyse unterzogen. Das Erwerbsalter der Kinder unterschied sich wie folgt: Witek - 90 4 Einfluss des Alters auf den Erwerb der Wortstellung im Deutschen 3; 8, Adam - 4; 0 und Jan - 4; 7. Sopata (2010b: 216) liegt ihrer Analyse drei Kriterien zugrunde, nach denen der Zweitspracherwerb erwachsener Sprecher vom Erstspracherwerb abgegrenzt werden kann (vgl. auch Kapitel 4.2.1): L1-Erwerb L2-Erwerb Erwach‐ sener abweichende V3-Strukturen vor dem Erwerb der Inversion - + fehlende Korrelation zwischen der Verbalmorphologie und Verbstellung - + infinite Verben in V2-Stellung - + Tab. 20: Kriterien zur Unterscheidung zwischen dem Erst- und Zweitspracherwerb Erwachsener. Die Datenanalyse zeigt, dass die Entwicklung der untersuchten Kinder all diese Kriterien erfüllt. Vor dem Erwerb der V2-Stellung gibt es eine Phase, in der V3-Strukturen sowohl in der SXVals auch XSV-Abfolge bevorzugt werden, auch nach dem Erwerb der SVK. Die Kinder produzieren zudem anfangs Sätze mit infiniten Verben in V1- und V2-Stellung, die im Erstspracherwerb normalerweise in satzfinaler Position auftreten, was Sopata (2010b: 220) mit der Existenz einer nicht-zielsprachlichen kopfinitialen VP in der mentalen Grammatik der Kinder in Verbindung bringt. (24) ich hören nicht (Adam, 5. KM) (25) dann er fliegt ( Jan, 4. KM) (26) gehen ein Haus so (Witek, 7. KM) Angesichts dessen kommt Sopata (2010b: 225) zu dem Schluss, dass die un‐ tersuchte Entwicklung aufgrund der ermittelten Auffälligkeiten eine Instanz des Zweitspracherwerbs darstellt. Die Ergebnisse liefern ferner Evidenz für das Vorhandensein einer sensiblen Phase für den Erwerb des V2-Phänomens im Deutschen, die möglicherweise schon im Alter von ungefähr 3; 8 Jahren abgelaufen ist. Damit wird die Hypothese von Meisel (2008) bestätigt, nach der die ersten qualitativen Veränderungen der menschlichen Spracherwerbsfä‐ higkeit sehr früh zustande kommen, und zwar schon zwischen dem dritten und dem vierten Lebensjahr. Neben dem Erwerbsverlauf macht Sopata (2010b: 225) noch auf die phänomenale Schnelligkeit des Erwerbs bei den untersuchten Kinder aufmerksam; für Adam dauert die Übergangsphase des Gebrauchs von V3-Strukturen drei Monate, bei Jan sogar nur einen Monat. Dem steht 91 4.2 Altersbedingte Phänomene beim Wortstellungserwerb der Erwerb der V2-Stellung bei erwachsenen Zweitsprachlern gegenüber, der zwischen sechs (vgl. Eubank, 1994) und zehn (vgl. Clahsen, 1984) Monaten in Anspruch nimmt. In einer exhaustiven Studie zum kindlichen Erwerb des Deutschen als Zweit‐ sprache untersucht Sopata (2009) die Entwicklung der Finitheit und der damit verbundenen syntaktischen Phänomene. Sie analysiert Spontansprachdaten von fünf Kindern, die in unterschiedlichem Alter in Kontakt mit dem Deutschen gekommen sind: Ewa - 2; 6, Witek - 3; 8, Adam - 4; 0, Jan - 4; 7 und Ala - 9; 1. Im syntaktischen Bereich ist die Grenzlinie zwischen Ewa und den anderen Kindern sehr deutlich zu ziehen. Die Dominanz der Infinitive in VE-Stellung über die Infinitive in V2-Stellung ist nur bei Ewa erkennbar. Bei allen anderen Kindern dominieren dagegen in einigen oder mehreren Monaten die Infinitive in V2-Stellung. Nur bei Ewa liegt eine Korrelation zwischen dem Erwerb der SVK und der zielsprachlichen Stellung der Infinitive vor: Nach dem Erwerb der SVK gebraucht sie keinen einzigen Infinitiv in V2-Stellung (vgl. Sopata, 2009: 279). Auffällig ist, dass ein strikter Zusammenhang zwischen der SVK und der Inversion im Deklarativsatz bei keinem der Kinder festgestellt werden kann. Nur bei Ewa liegt die Anzahl der V2-Sätze mit Inversionskontexten zu diesem Zeitpunkt bei mehr als 80 %, wobei sie nie unter diese Grenze fällt und schon nach zwei Monaten 98 % beträgt. Sopata (2009: 281) schließt daraus, dass die Entwicklung von Ewa am wenigsten Abweichungen vom Erstspracherwerb aufweist, wodurch sie als bilingualer (unbalancierter) Erstspracherwerb einge‐ stuft werden kann. Die Entwicklung der älteren Kinder entspricht wiederum den sprachlichen Profilen erwachsener Zweitsprachlerner. Thoma und Tracy (2006) untersuchen den Erwerb des Deutschen als Zweit‐ sprache von vier Kindern, die zu Beginn der Datenerhebung unterschiedlich alt waren: AHA (L1 Arabisch) - 3; 5, RAS (L1 Russisch) - 3; 7, RNV (L1 Russisch) - 3; 0 und TEO (L1 Türkisch) - 3; 11. Die Datenerhebung erfolgte mittels teilnehmender Beobachtung und gezielter Tests, während deren die Kinder aufgenommen wurden. Sie besuchten unterschiedliche Kindertagestätten und erhielten keine besondere Sprachförderung. Es stellt sich heraus, dass die sprachliche Entwicklung aller Kinder dem ungestörten Erstspracherwerb äh‐ nelt. Sie erwerben die wichtigsten Eigenschaften deutscher Sätze innerhalb eines halben Jahres. Dadurch sind sie mit L1-Kindern vergleichbar, die norma‐ lerweise von der Produktion erster Wortkombinationen bis zur Entwicklung der Satzklammer mindestens ein halbes Jahr brauchen. Thoma und Tracy (2006: 74) stellen in ihrer Studie die gleichen Meilensteine fest, die für den Erstsprach‐ erwerb charakteristisch sind: die rasche Fixierung des Kopfparameters in der VP auf den OV-Wert, den Zusammenhang zwischen der Finitheit und der 92 4 Einfluss des Alters auf den Erwerb der Wortstellung im Deutschen 94 Die Annahme des Transfers der OV-Folge vom Türkischen ist aber nicht unumstritten. Thoma und Tracy (2006) zeigen, dass die wichtigsten Eigenschaften der deutschen Satzstruktur innerhalb weniger Monate erworben werden, und dies unabhängig von den Erstsprachen der untersuchten Kinder. V2-Stellung und die Asymmetrie der Verbstellung in Haupt- und Nebensätzen. Darüber hinaus lässt sich in der sprachlichen Entwicklung der Kinder kein Transfer von der Erstsprache nachweisen, auch beim ältesten Jungen TEO. Zu den Untersuchungen, die der Entwicklung der Verbstellung bei bilin‐ gualen Kindern gewidmet sind, zählt überdies die Studie von Haberzettl (2005). Die Autorin untersucht zwei Mädchen mit L1 Türkisch, Me und Ne, sowie ein Mädchen und einen Jungen mit L1 Russich, An und Eu, die zu Beginn der Er‐ hebung zwischen sechs und acht Jahren alt waren. Analysiert werden Spontan‐ sprachdaten und Nacherzählungen von Bildergeschichten. Die Inputsituation der russischen Kinder kann als gut bis sehr gut, die der türkischen Kinder als weniger gut bis schlecht klassifiziert werden. Den russischsprachigen Kindern fällt es deutlich schwerer, die Verbstellung zu erwerben. Sie realisieren zwar von Beginn an zielsprachliche SVX-Sätze, sie müssen allerdings das eigentliche V2-Phänomen erst erwerben. Insbesondere haben sie Schwierigkeiten damit, die rechte Klammer mit nicht-finiten Teilen des Verbalkomplexes oder mit Ver‐ bpartikeln zu besetzen. Auch scheint es für sie mühsam zu sein, die VE-Stellung im Nebensatz zu etablieren (vgl. Haberzettl, 2005: 135). Im Kontrast dazu fällt es den türkischen Kindern leicht, die Verbalklammer und die VE-Stellung im Nebensatz normkonform zu verwenden, weil sie hier so gut wie keine Fehler begehen. Sie übernehmen die SOV-Folge des Türkischen und gehen von Anfang an von einer kopffinalen VP aus. 94 Damit haben sie eine zentrale Eigenschaft der deutschen Wortstellung erfolgreich erworben. Dafür produzieren sie zu Beginn nicht-zielsprachliche Sätze mit SXV, die sie zugunsten von SVX aufgeben müssen. Auch bei den türkischen Kindern entspricht SVX nicht der V2-Stellung, weil sie ebenfalls zuerst noch gegen die Inversion verstoßen. Es gibt einen zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Erwerb der morphologischen Finitheit und der korrekten Produktion lexikalischer Verben in V2-Stellung. Wichtig ist auch, dass alle Kinder, abgesehen von ihrer Erstsprache, abweichende V3-Sätze in Inversionskontexten produzieren. Dies ist insbesondere bei Ne und Eu der Fall, die V3-Strukturen ein bis drei Monate lang in 12-47 % der Kontexte verwenden. Nach drei Monaten werden schon nur mehr korrekte Inversionssätze gebildet. In einer Folgestudie reanalysieren Haberzettl et al. (2013) die Daten, sodass genauere Informationen zum Erwerbsalter der Kinder angegeben werden: Me - 6; 6, Ne - 6; 6, Eu - 7; 8 und An - 8; 6. Darüber hinaus 93 4.2 Altersbedingte Phänomene beim Wortstellungserwerb 95 Chilla (2008) analysiert zusätzlich Sprachdaten von drei Kindern, bei denen der Verdacht auf Vorliegen einer spezifischen Sprachentwicklungsstörung besteht. Diese Daten werden hier nicht präsentiert, weil sie nicht im Interesse der vorliegenden Arbeit liegen. stellen die Autorinnen detailliertere Angaben zur Erwerbsgeschwindigkeit dar, wobei das Erwerbskriterium 80 % beträgt: Inversion Verbalklammer Nebensatz Me (Türkisch) 18. KM 10. KM 30. KM Ne (Türkisch) 11. KM 10. KM 12. KM An (Russisch) 4. KM 9. KM 16. KM Eu (Russisch) 3. KM 3. KM 3. KM Tab. 21: Erwerbsgeschwindigkeit bei den von Haberzettl (2005) untersuchten Kindern nach Haberzettl et al. (2013: 150). Wenngleich die russischsprachigen Kinder gegenüber den türkischsprachigen Kindern im Vorteil sind, kann dieser Vergleich aufgrund der Unterschiede im Input nicht unkritisch angenommen werden. Daher ist festzustellen, dass der verlangsamte Erwerb der Verbstellung bei den türkischen Kindern in ihrer schlechteren Inputsituation begründet liegt. Haberzettl (2005: 138 ff.) kommt zu der Feststellung, dass die Ergebnisse ihrer Studie vor allem auf einen großen Einfluss des L1-Wissens auf den Erwerb der Zweitsprache im Bereich der Verbstellung bei älteren Kindern hinweisen. Dies steht im Widerspruch zum Verbstellungserwerb jüngerer Kinder, bei denen die Auswirkungen der Erstsprache nicht so massiv sind. In der Folgestudie konkludieren Haberzettl et al. (2013: 157), dass die Zweitsprachlerner im Alter von 6; 6 bis 8; 6 Jahren bestimmte Fehler machen können, die man weder im Erstspracherwerb noch im frühen kindlichen Zweitspracherwerb findet. Die Autorinnen weisen schließlich auf den Vorteil älterer kindlicher Zweitsprachlerner hin, die sich bezüglich des Erwerbstempos als erfolgreicher erweisen. Ein Versuch, die Hypothese einer sensiblen Phase beim Erwerb der Haupt‐ satzstruktur im Deutschen zu überprüfen, wird auch von Chilla (2008) unter‐ nommen. Sie analysiert Spontansprachdaten von vier Kindern mit türkischer Erstsprache, die Deutsch als ihre Zweitsprache erwerben. Die Kinder werden in zwei Gruppen aufgeteilt, die sich im Erwerbsalter voneinander unterscheiden: Faruk und Gül - ca. 3; 0, und Ne und Me - ca. 6; 0, wobei die Letzteren in der soeben referierten Studie von Haberzettl (2005) untersucht werden. 95 Während 94 4 Einfluss des Alters auf den Erwerb der Wortstellung im Deutschen die jüngeren Kinder Faruk und Gül, die im Alter von drei Jahren in Kontakt mit dem Deutschen kommen, einen Entwicklungsprozess vollziehen, der dem mo‐ nolingualer deutscher Kinder gleicht, erwerben die älteren Kinder Ne und Me die deutsche Satzstruktur wie Erwachsene. Faruk und Gül platzieren von Anfang an Infinitive in VE-Stellung. Mit dem Erwerb der Kongruenzmarkierungen werden finite Verben in finite Verbpositionen bewegt und nicht-finite Verben in VE-Stel‐ lung belassen. Bei beiden Kindern lässt sich ein Zusammenhang zwischen dem Erwerb der morphologischen Finitheit und der V2-Stellung feststellen, der für den Erstspracherwerb charakteristisch ist. Mit dem produktiven Gebrauch des Flexivs -st an thematischen Verben steigen bei Faruk und Gül die Werte für die SVK über 90 %. Ab diesem Zeitpunkt verfügen sie über die V2-Stellung. Dieser Erwerbsschritt wird von Faruk im 8. KM, von Gül wiederum im 18. KM erreicht. Zur gleichen Zeit nehmen Subjektauslassungen ab (vgl. Chilla, 2008: 208 f.). Keines der Kinder bildet V3-Sätze, die aus dem Zweitspracherwerb Erwachsener bekannt sind. Auch der Erwerb der Negationsstellung stimmt mit dem monolingualen Erstspracherwerb überein. Die älteren Kinder Ne und Me bilden dagegen von Anfang an Sätze mit finiten Verben in VE-Stellung. Dieses Wortstellungsmuster taucht sogar noch im 24. KM nach der produktiven Verwendung des Flexivs -st auf. Ne produziert zudem Sätze mit Infinitiven in V2-Stellung, auch in Klammerstrukturen. Für Ne und Me stellen die SVK und die V2-Stellung zwei separate Erwerbsaufgaben dar. In ihrer Grammatik kann man auch viele V3-Strukturen erkennen, die in der von der Autorin beschriebenen Form vom Erstspracherwerb abweichen (vgl. Chilla, 2008: 270). Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass das Alter bei Erwerbsbeginn erhebliche Auswirkungen auf den Verlauf des Zweitspracherwerbs im syntaktischen Be‐ reich haben kann. Die Entwicklung der Wortstellung beim kindlichen Zweitspracherwerb wird auch von Kostyuk (2005) auf der Basis von Spontansprachdaten dreier rus‐ sischsprachiger Jungen erforscht. Leider gibt die Autorin keine Information darüber, wann sie in Kontakt mit dem Deutschen kamen. Die in ihrem Versuch beobachteten Jungen sind unterschiedlich alt: Artur - 4; 0-5; 4, Igor - 2; 9-3; 11 und Jakob - 3; 0-3; 11. Die Kinder beginnen mit der SVO-Folge, die aber schnell um die Inversion ergänzt wird (zwischen dem 7. und 15. KM). Dies geschieht am schnellsten bei Igor, der jedoch früher auch V3-Sätze produziert. Wann die V3-Strukturen verschwinden, bleibt leider unklar. Bei Artur und Igor kann ein Zusammenhang zwischen der morphologischen Finitheit und der Verbstellung festgestellt werden; bei Jakob dagegen nicht. Er produziert darüber hinaus Sätze mit Infinitiven in V2-Stellung, braucht mehr Zeit für den Erwerb der Distanzstellung und vermeidet Nebensatzstrukturen (vgl. Kostyuk, 2005: 95 4.2 Altersbedingte Phänomene beim Wortstellungserwerb 125 f.). Der Erwerb von Nebensätzen ist auch bei Artur und Igor in gewissem Maße auffällig, weil beide Jungen ziemlich lange Nebensätze mit abweichender V2-Stellung bilden. Czinglar (2014b: 94) fasst die Studie von Kostyuk (2005) treffend zusammen, indem sie die Angaben zum Anfang und Ende der einzelnen Erwerbsphasen aus den Ergebnissen herausfiltert: Beginn Ende (24. KM) V3 (AdvSVO) Igor: ab 4. KM abnehmend Satzklammer keine Angabe Jakob: bis 8. KM Artur & Igor: schneller V2 & Inversion ab 7.-15. KM keine Angabe VE-Stellung im Nebensatz ab 5.-8. KM Artur: bis 20. KM Igor: nicht vollständig Jakob: nicht produktiv Tab. 22: Erwerbsphasen bei den von Kostyuk (2005) untersuchten Kindern nach Czinglar (2014b: 94). Kroffke und Rothweiler (2006) untersuchen den Erwerb der Negation bei zwei Gruppen von Kindern mit türkischer Erstsprache und Deutsch als Zweitsprache. Die Grundlage ihrer Untersuchung bilden Spontansprach- und elizitierte Daten. Die erste Gruppe besteht aus fünf Kindern, die im Alter zwischen 2; 8 und 4; 4 Jahren mit dem Erwerb des Deutschen begonnen haben. In der zweiten Gruppe gibt es zwei Kinder aus dem Wegener-Korpus, die im Alter von sechs Jahren nach Deutschland kamen. Die Autorinnen weisen darauf hin, dass die Inputsituation beider Gruppen unterschiedlich sein kann. Sie gehen aber davon aus, dass dieser Unterschied keinen Einfluss auf den Erwerbsverlauf, sondern lediglich auf die Erwerbsgeschwindigkeit haben kann. Die Ergebnisse zeigen, dass der Erwerb der Negation in der ersten Gruppe dem monolingualen Erwerb deutscher Kinder ähnelt. Zuerst nutzen die Kinder infinite Verbelemente bevorzugt mit präverbaler und finite Verbelemente mit postverbaler Negationsstellung. Sobald die SVK erworben ist, dominiert die V2-Stellung des finiten Verbs, womit schließlich der Erwerb der zielsprachlichen postverbalen Negation einhergeht. Sätze mit infiniten Verben in V2-Stellung kommen nicht vor. Die Daten der älteren Kinder unterscheiden sich von denen der jüngeren Kinder in wesentlichen Punkten. Die Positionierung der Verben in V2- und VE-Stellung ist variabel, ähnlich wie beim Zweitspracherwerb Erwachsener, und scheint nicht eindeutig mit dem Erwerb der Finitheit verknüpft zu sein. Hinzu kommt, dass die älteren Kinder Verben in V3-Stellung, infinite Verben in V2-Stellung und finite Verben in VE-Stellung nach 96 4 Einfluss des Alters auf den Erwerb der Wortstellung im Deutschen dem Erwerb der SVK produzieren. Allerdings entspricht dieses Erwerbsszenario nicht ganz dem Zweitspracherwerb Erwachsener: Nach einer Phase der prä- und postverbalen Negationsstellung ist mit der Festigung der SVK eine Trennung von Negator und Verb möglich. Dies zeugt davon, dass der kindliche Zweitsprach‐ erwerb weder mit dem Erstspracherwerb noch mit dem Zweitspracherwerb Erwachsener vollständig vergleichbar ist. Kroffke und Rothweiler (2006: 152) kommen somit zu dem Schluss, dass die spezifischen Spracherwerbsfähigkeiten im Alter von drei bis sechs Jahren allmählich schwächer werden. In der Studie von Pienemann (1981) wird der Erwerb des Deutschen als Zweit‐ sprache von drei italienischen Mädchen verfolgt. Zu Beginn der Datenerhebung waren sie acht Jahre alt. Sie wurden ab der ersten Woche ihres Aufenthalts in Deutschland über einen Zeitraum von 60 Wochen beobachtet. In diesem Zeitraum wurden sie jede dritte bis sechste Woche zu kurzen Interviews in der Schule besucht. Die Interviews wurden in Form von Spielen und lockeren Ge‐ sprächen durchgeführt. Eine Probandencharakteristik ist der folgenden Tabelle zu entnehmen: Luigina Concetta Eva Alter bei Untersuchungsbeginn in Jahren 8 8 8 Aufenthaltsdauer bei Untersuchungsbeginn in Wochen 1 1 4 Anzahl der Interviews 18 15 13 Tab. 23: Charakteristik der untersuchten Mädchen nach Pienemann (1981: 26). Nur ein Mädchen, Eva, hatte bereits Kontakt mit dem Deutschen, weil sie in ihrer frühen Kindheit ungefähr ein Jahr in Deutschland verbracht hat. Die Mädchen besuchten eine italienische Schule und bekamen keinen Deutschunterricht. Die Äußerungen von Luigina weisen ab der 19. Woche die Reihenfolge NP + V (NP) (PP) auf: (27) junge einslaf (28) ich schule (29) vater weg Sie erinnern an die ersten Phasen des monolingualen Erstspracherwerbs, in denen Verben und Partikeln final stehen und, wenn sie zusammen vorkommen, nicht getrennt werden. In der 19. und 26. Woche treten in Luiginas Äußerungen die ersten vorangestellten Adverbien da und hier auf: 97 4.2 Altersbedingte Phänomene beim Wortstellungserwerb 96 Obwohl Pienemann (1981) zuerst angibt, dass die Kinder über einen Zeitraum von 60 Wochen beobachtet wurden, spricht er dann an manchen Stellen von der sprachlichen Entwicklung in der 85. Woche. (30) hier junge (31) da geh Nach Pienemann (1981: 52) handelt es sich bei diesen Äußerungen um die un‐ analysierte Einheit hier/ da ist x, die durch die häufige Frage des Interviewers was ist hier/ da/ das? hervorgerufen wird. In der 64. Woche und beim Nachinterview in der 85. Woche produziert Luigina ähnliche Strukturen, die aber nun ein Verb enthalten: 96 (32) hier ist eine schokolade (33) da ist ein fehler Sie dürfen allerdings nicht als Indiz für den Erwerb der Inversion mit vorange‐ stellten Adverbien gewertet werden, weil sie nach wie vor nur die Adverbien hier und da wie auch nur das Verb sein enthalten. In der 85. Woche kommen zwar in der Interimsgrammatik von Luigina Sätze, die womöglich als Vorläufer der Inversion in W-Fragen gelten können: (34) was möchtest? (35) wieviel kostet? Sie sind jedoch zu wenige, als dass sie die Etablierung der Inversion in der Grammatik bestätigen könnten. Andere Verbpermutationen, z. B. Partikelshifts, sind auch nicht vorhanden. In der 85. Woche produziert Luigina nur einen Satz mit realisierter Satzklammer. Die VE-Stellung in Nebensätzen wird gar nicht erworben. Das zweite Mädchen, Concetta, produziert bis zur 39. Woche ausschließlich Äußerungen mit der Reihenfolge NP + V (NP) (PP). Die ersten Veränderungen dieser Reihenfolge werden in der 47. Woche vorgenommen: (36) in italien ist nicht die arbeit (37) hier ist spielplatz Sie ähneln Pienemann (1981: 54) zufolge den unanalysierten Einheiten von Lui‐ gina, sie werden aber nicht durch das Fragemuster was ist hier/ da/ das? ausgelöst. In Beispiel 36 wird eine volle PP vorangestellt, was auf den Erwerb der Inversion schließen lässt. Nachfolgend produziert sie aber viele V3-Strukturen. Pienemann (1981: 55) konstatiert, dass die Inversion in der 53. Woche aufgrund der großen Zahl von Stereotypen (da ist x), Nichtanwendungen und Vermeidungen nicht als Bestandteil der Interimsgrammatik des Mädchens gelten kann. Erst in der 98 4 Einfluss des Alters auf den Erwerb der Wortstellung im Deutschen 58. Woche kann man aufgrund von Concettas Äußerungen schlussfolgern, dass sie die Inversion erworben hat: (38) un jez hat sie ne streit (39) die habe nur ich Der Erwerb der Inversion fällt mit der Etablierung der Endposition des Partizips bei komplexen Verbgruppen zeitlich zusammen. Dabei geht es aber nur darum, dass beide Phänomene im selben Interview beobachtet wurden. Daher kann ihre Erwerbsreihenfolge nicht eindeutig ermittelt werden. Das letzte Mädchen, Eva, produziert anfangs Äußerungen mit derselben Wortfolge wie Luigina und Concetta. Die ersten Adverbvoranstellungen treten bei ihr bereits in der 7. Woche auf. Wie bei Concetta wird auch bei Eva der Erwerb der Inversion durch den Gebrauch von Stereotypen überlagert. Die absolute Zahl der Anwendung der Inversion erlaubt erst in der 24. Woche verlässliche Aussagen über deren Erwerb zu machen. Der Erwerb der Satzklammer ist schwierig zu analysieren, weil sie bei Eva bereits in der 20., 24. und 32. Woche vereinzelt vorkommt. Daher setzt Pienemann (1981: 60) den Erwerb der Satzklammer für den Zeitraum zwischen der 20. und der 38. Woche an. In Tabelle 21 werden die Erwerbsverläufe von Luigina, Concetta und Eva zusammengefasst, wobei die Zeitangaben in Monaten angegeben werden. Luigina Concetta Eva Inversion ggf. ab 21. KM ab. 14. KM zwischen 3. und 6. KM Satzklammer nicht erworben ab 14. KM zwischen 5. und 9. KM VE-Stellung im Nebensatz nicht erworben keine Angabe keine Angabe Tab. 24: Erwerbsphasen von Luigina, Concetta und Eva. Es fällt deutlich auf, dass die VE-Stellung im Nebensatz gar nicht und die Satzklammer nur bei zwei Mädchen erworben werden. Überdies erwerben die Mädchen die anvisierten Phänomene zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Ihr Erwerb kann jedoch nicht als völlig inkonsistent betrachtet werden. Alle drei Mädchen beginnen den Erwerb mit derselben Wortfolge NP + V (NP) (PP). In einer nächsten Phase tauchen in ihren Äußerungen vorangestellte Adverbien auf, zuerst mit V3-Stellung und dann mit korrekt realisierter Inversion. Der weitere Erwerbsverlauf ist aber unklar. Zwar erwirbt Eva die Satzklammer als 99 4.2 Altersbedingte Phänomene beim Wortstellungserwerb 97 Leider gibt der Autor keine genaueren Informationen zur Kontaktdauer mit dem Deutschen an. 98 Diskutiert werden lediglich individuelle Unterschiede. Leider bleiben Charakteristika der betroffenen Kinder unklar. drittes Phänomen, allerdings wird sie von Concetta zusammen mit der Inversion erworben. Was die VE-Stellung im Nebensatz betrifft, wird sie von Luigina gar nicht erworben; bei Concetta und Eva fehlen Informationen dazu. Angesichts dessen kann man von einer Art unvollständigem Zweitspracherwerb sprechen, der möglicherweise mit dem den Mädchen zugänglichen Sprachangebot zu tun hat (vgl. Pienemann, 1981: 27 f.). Der Grund für die höhere Erwerbsgeschwin‐ digkeit bei Eva ist wahrscheinlich ihr Aufenthalt in Deutschland. Die Ergebnisse zeigen, dass die Kinder, die mit dem Zweitspracherwerb im Alter von acht Jahren beginnen, dem Zweitspracherwerb Erwachsener ähneln. Dies kann aber nur aufgrund der ermittelten Erwerbsreihenfolge festgestellt werden, weil Pienemann (1981) keine zusätzlichen Informationen liefert, die als Kriterien zur Unterscheidung zwischen den einzelnen Erwerbstypen dienen könnten. Ahrenzholz (2006) analysiert die Wortstellung in Filmnacherzählungen von 31 SchülerInnen, von denen acht Muttersprachler und 23 Nichtmuttersprachler des Deutschen sind. Zum Zeitpunkt der ersten Datenerhebung waren die Kinder zwischen 7; 9 und 10; 11 Jahre alt. Ihre früheren Erfahrungen mit dem Deutschen werden folgendermaßen beschrieben: „Vier wurden bereits in den Herkunftslän‐ dern eingeschult, die anderen in Berlin. 12 von ihnen waren zuvor in einem Kindergarten, 2 in einer Vorschule“ (Ahrenholz, 2006: 228). Diese Beschreibung dürfte dazu berechtigen, den Erwerb, zumindest einiger Kinder, als fortgeschritten einzustufen. 97 Der Autor zeigt zunächst auf, dass die Inversion kein Problem für die meisten untersuchten Kinder darstellt. Sie wird sowohl nach vorangestellten Adverbien als auch nach komplexen adverbialen Ausdrücken realisiert. Fehlende Inversion findet sich bei drei Kindern, die erst relativ kurz in Deutschland ansässig sind. Was die Satzklammer betrifft, kommen sowohl bei den Muttersprachlern als auch bei den Nichtmuttersprachlern viele Nachfeldbesetzungen vor. Die Ana‐ lyse zeigt ferner, dass Nichtmuttersprachler die Satzklammer seltener realisieren als Muttersprachler (durchschnittlicher Wert pro Sprecher: 19,8 vs. 31,5). Beim Übergang von der dritten in die vierte Klasse nimmt aber die Zahl der korrekt realisierten Klammern zu. 98 In Bezug auf den Gebrauch von Nebensätzen gibt es einen gravierenden Unterschied zwischen den Nichtmuttersprachlern und den Muttersprachlern, die im Durchschnitt doppelt so viele komplexe Äußerungsstruk‐ turen produzieren. Die Häufigkeit dieser Strukturen ist allerdings bei den Kindern sehr variabel (vgl. Ahrenholz, 2006: 236). Zusammenfassend stellt Ahrenholz (2006: 237) fest, dass die untersuchten Wortstellungsmuster für Kinder mit Migrations‐ 100 4 Einfluss des Alters auf den Erwerb der Wortstellung im Deutschen hintergrund keine Lernaufgabe mehr darstellen. Dieser Befund gilt jedoch nur für diejenigen Kinder, die ab dem dritten oder vierten Lebensjahr Kontakt mit dem Deutschen haben. Bei den Kindern, die später nach Deutschland kommen, zeigen sich vor allem für die Inversion und die VE-Stellung in Nebensätzen beträchtliche Abweichungen von zielsprachlichen Wortstellungsmustern. Aus dem Vorangegangenen ist ersichtlich, dass das Alter bei Erwerbsbeginn gravierende Auswirkungen auf den kindlichen Zweitspracherwerb der deut‐ schen Wortstellung hat, wobei die kritischen Altersgrenzen je nach Studie unterschiedlich festgelegt sind. In der Studie von Rothweiler (2006) entspricht der Erwerbsverlauf eines Kindes mit einem AbE von 3; 0 Jahren dem monolin‐ gualen Erstspracherwerb. Der Erwerb der Verbstellung bei Kindern, die im Alter von 4; 5 Jahren mit dem Deutscherwerb beginnen, ist demgegenüber langsam und heterogen, wird aber trotzdem als Erstspracherwerb eingestuft. Thoma und Tracy (2006) argumentieren, dass Kinder mit einem AbE zwischen 3; 0 und 3; 11 die wichtigsten Eigenschaften deutscher Sätze wie monolinguale Kinder erwerben. Haberzettl (2005) zeigt, dass Kinder, die im Alter von drei Jahren in den Zweitspracherwerb einsteigen, einen Entwicklungsprozess voll‐ ziehen, der dem monolingualer Kinder gleicht. Wenn aber der Kontakt mit dem Deutschen nach dem sechsten Lebensjahr erfolgt, wird die Verbstellung wie beim Zweitspracherwerb Erwachsener erworben, was auch, wie Kroffke und Rothweiler (2006) demonstrieren, auf den Negationserwerb zutrifft. Die Studien von Sopata (2009, 2010b) zeigen, dass der Verbstellungserwerb der Kinder, die im Alter von 3; 8, 4; 0 und 4; 7 in Kontakt mit dem Deutschen kommen, eine Instanz des Zweitspracherwerb darstellt; setzt der Erwerb aber im Alter von 2; 6 Jahren ein, so ähnelt er dem Erstspracherwerb. In der Studie von Pienemann (1981) resultiert ein Erwerbsalter von acht Jahren sogar in einem unvollständigen Erwerb der Wortstellung, der in seinem Verlauf mit dem Erwerb Erwachsener vergleichbar ist. Zusammenfassend ist festzustellen, dass die sensible Phase für den Erwerb der Verbstellung und der Negation zwischen dem dritten und sechsten Lebensjahr ausklingt, wobei die für den Zweitspracherwerb Erwachsener charakteristischen Phänomene bereits bei einem Erwerbsbeginn ab 3; 8 Jahren zu sehen sind. Man sollte aber beachten, dass der Erwerb der Wortstellung in den referierten Studien auch durch andere Faktoren, insbesondere durch den Input, beeinflusst werden kann. 4.2.4 Einblick in fortgeschrittene Erwerbsphasen Es liegen meines Wissens bisher keine Untersuchungen vor, die sich gezielt mit dem fortgeschrittenen Wortstellungserwerb im Deutschen auseinandersetzen. Um 101 4.2 Altersbedingte Phänomene beim Wortstellungserwerb einen Einblick in die späteren Erwerbsphasen zu gewinnen, wird hier auf die bereits referierten Studien zurückgegriffen. Anvisiert werden exemplarisch die letzten Perioden, die in den ausgewählten Studien dokumentiert sind. Von speziellem Interesse sind Erwerbsverläufe, die zu dem Zeitpunkt einer letzten Datenerhebung weiterhin instabil sind und daher nicht als abgeschlossen gelten können. Monolinguale Kinder erwerben die generalisierte V2-Stellung spätestens im 36. Monat. Ungefähr ab dem 30. Monat bilden sie Nebensätze, größtenteils mit der korrekten VE-Stellung. Die Verbalklammer ist ihnen von Anfang an verfügbar, weil sie den Erwerb mit einer kopffinalen VP beginnen. Monolinguale Kinder haben auch keine Schwierigkeiten mit der Stellung der Verben im Ver‐ hältnis zur Negation, die gleich nach dem Erwerb der SVK zielsprachlich ist. Der kindliche Zweitspracherwerb der grundlegenden Wortstellungsmuster nimmt weniger Zeit in Anspruch. Rothweiler und Ruberg (2011: 11) verweisen auf die aktuellen Befunde, die zeigen, dass Kinder, die im Alter von bis zu vier Jahren mit dem Erwerb des Deutschen beginnen, die Satzstrukturen einschließlich Frage- und Nebensätzen innerhalb von acht bis 18 Monaten erwerben. Eine inkonsistente Verwendung einiger Verbstellungsmuster in fortgeschrit‐ tenen Entwicklungsphasen lässt sich erst bei Zweitsprachlernern mit einem späteren Erwerbsalter ermitteln. Aussagen über den fortgeschrittenen Erwerb können anhand von vier der oben dargestellten Studien gemacht werden: Satz‐ klammer Inversion VE im Neben‐ satz Clahsen (1984) bei 2 von 3 Probanden; AbE: 18; 0 & 22; 0 im 30. KM nicht erworben im 30. KM nicht erworben Kostyuk (2005) bei 2 von 3 Probanden; AbE: ca. 3; 0 - im 24. KM nicht vollständig/ produktiv Ahrenholz (2006) Probandenzahl nicht ermittelbar; AbE: ab 4. Lebensjahr später später Schwartz & Sprouse (1994, 1996) 1 Proband; AbE: 15; 0 im 34. KM teil‐ weise (v. a. mit NP-Subjekten) - Tab. 25: Fortgeschrittene Phasen des Verbstellungserwerbs in den referierten Studien. Es liegt auf der Hand, dass manche Zeitangaben problematisch sind. Ahrenholz (2006) gibt keine genauere Information über die Kontaktdauer mit dem Deut‐ 102 4 Einfluss des Alters auf den Erwerb der Wortstellung im Deutschen schen und stellt nur fest, dass die Inversion und die VE-Stellung in Nebensätzen für diejenigen Kinder problematisch sind, die nach dem dritten bzw. vierten Lebensjahr nach Deutschland kamen. Man weiß nur, dass alle Probanden zum Zeitpunkt der ersten Datenerhebung zwischen 7; 9 und 10; 11 Jahre alt waren. Wenn man beide Zeitangaben miteinander kombiniert, kann man eventuell annehmen, dass die Kinder in ihrem Zweitspracherwerb schon weit fortge‐ schritten sind. Es muss auch angemerkt werden, dass die dargestellten Fälle nur einzelne Probanden betreffen, und nicht die ganzen untersuchten Gruppen. Man kann also in diesem Fall von einer großen Variabilität beim Zweitspracherwerb sprechen, die beim Erstspracherwerb nicht so massiv ist (vgl. Kapitel 2.1.2). Insgesamt zeigt sich, dass die Inversion sogar im 30. bzw. 34. KM noch nicht erworben sein kann. Problematisch kann auch in späteren Erwerbsphasen die VE-Stellung sein, die im 24. KM bei zwei Kindern nicht produktiv verwendet wird und im 30. bei zwei Erwachsenen noch nicht erworben ist. Es bleibt jedoch unklar, wie sich diese zwei Phänomene im weiteren Erwerbsverlauf entwickeln. Im Zusammenhang mit späteren Phasen des Zweitspracherwerbs können auch Studien zum Wortstellungserwerb in anderen Sprachen informativ sein. Unsworth (2016) untersucht die Produktion des V2-Phänomens im Niederländi‐ schen bei zwei Gruppen von englischen Kindern: mit AbE < 4 (M = 2; 4) und mit AbE > 4 (M = 5; 5). Nach im Durchschnitt 5; 0 Jahren (AbE < 4) und 3; 7 Jahren (AbE > 4) produzieren beide Gruppen die gleiche Zahl von abweichenden V3-Strukturen, die mit steigender Inputquantität verschwinden. Paradis et al. (2017) analysieren den Erwerb der komplexen Syntax im Englischen als Zweitsprache bei Kindern mit verschiedenen Erstsprachen (durchschnittliches Erwerbsalter: 4; 4). Nach 17 Kontaktmonaten produzieren sie einfache und komplexe Sätze, die zum Großteil korrekt sind; nur 4 % der Sätze enthalten Fehler und 1,6 % eine merkwürdige Wortstellung. Die Studie zeigt ferner, dass die Zahl von komplexen Sätzen mit der Kontaktdauer mit dem Englischen zunimmt. In diesem Kontext kann noch einmal auf die vielzitierte Studie von Johnson und Newport (1989) hingewiesen werden, in der der Einfluss das Erwerbsalters auf langfristigen Erfolg in der Zweitsprache untersucht wird. Am Beispiel chinesischer Lerner des Englischen, die im Alter zwischen drei und 39 Jahren in die Vereinigten Staaten kamen und dort durchschnittlich zwischen drei und 26 Jahren lebten, wird gezeigt, dass die einfache Wortstellung vom Alter bei Erwerbsbeginn nicht betroffen ist. Komplexere syntaktische Phänomene, d. h. W- und Entscheidungsfragen, bereiten nur denjenigen Probanden Schwierigkeiten, die nach dem 17. Lebensjahr in Kontakt mit dem Englischen kamen. Allerdings ist die Fehlerzahl relativ klein (ca. 25 %). Die Studien zu anderen Sprachpaaren bestätigen somit den Befund, dass die 103 4.2 Altersbedingte Phänomene beim Wortstellungserwerb 99 Das Sprachzentrum befindet sich vornehmlich in der linken Hemisphäre, die relativ distinkte neuronale Systeme für die Verarbeitung lexikalisch-semantischer (temporalpa‐ rietal) und grammatischer (frontaltemporal) Informationen inkludiert. Penner et al. (2006: 637) weisen jedoch darauf hin, dass die linke Hemisphäre in der frühen Phase der Sprachentwicklung noch nicht dominant ist. Im ersten Lebensjahr kommt der rechten Hemisphäre eine besondere Bedeutung für den Spracherwerb zu. Danach fördern die posterioren Anteile der linken Hemisphäre, und nach dem Alter von fünf Jahren, links anteriore Gebiete die Sprachentwicklung. Bezüglich des Syntaxerwerbs sind anfangs wohl Phänomene, die an die Inversion gekoppelt sind, sogar nach vielen Kontaktjahren mit der Zweitsprache problematisch sein können. 4.3 Erklärungen für altersbedingte Phänomene beim Wortstellungserwerb In Anbetracht der Unterschiede zwischen den einzelnen Erwerbstypen stellt sich zwangsläufig die Frage, wie sie erklärt werden können. Es ist anzumerken, dass sie in den meisten Fällen nicht den Endzustand, sondern lediglich den Erwerbsverlauf betreffen. Die Wirkung des Alters bei Erwerbsbeginn schlägt insbesondere am Anfang und in den ersten Monaten der Entwicklung durch, indem der Erwerbsprozess unterschiedliche Trajektorien aufweist. Flege (2009: 184) fasst das Erwerbsalter zu Recht als Makrovariable auf, die an andere Variablen gekoppelt ist und erst auf diese Art und Weise an Erklärungskraft gewinnt. Eine der Variablen stellen neurobiologische Reifungsprozesse dar, die in einer Reihe psycho- und neurolinguistischer Studien in der Tat als die wichtigste Variable beim Erwerb der Grammatik anerkannt werden. 4.3.1 Neuronale Reifungsprozesse Bereits in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts haben Penfield und Roberts (1959) im Kontext des Sprachenlernens darauf hingewiesen, dass das Gehirn im Alter von neun Jahren an Flexibilität verliert: „For the purposes of learning languages, the human brain becomes progressively stiff and rigid after the age of nine“ (Penfield & Roberts, 1959: 236). Die Relation zwischen altersbedingten Prozessen im Gehirn und Veränderungen in der menschlichen Spracherwerbsfä‐ higkeit wurde nachfolgend von Lenneberg (1967) in der vielzitierten Hypothese der kritischen Periode vorgeschlagen. Die kritische Periode für den Spracherwerb wird hiernach auf die Lateralisierung des Gehirns zurückgeführt und dauert vom zweiten Lebensjahr bis zur Pubertät. 99 Die Idee, die dahintersteckt, ist, dass eine 104 4 Einfluss des Alters auf den Erwerb der Wortstellung im Deutschen links temporale Regionen und später links frontale Regionen besonders aktiv (vgl. Penner et al., 2006: 638). 100 Gegen die Hypothese von Lenneberg (1967) liegen inzwischen Befunde vor, die darauf hinweisen, dass weder der Zusammenhang mit der Lateralisierung noch die von ihm vorgeschlagenen Altersgrenzen aufrechterhalten werden können (vgl. Hyltenstam & Abrahamsson, 2003). 101 Vgl. Bialystok (1997) für eine Diskussion zum Gebrauch der Begriffe kritisch, sensitiv und optimal. muttersprachliche Kompetenz ohne bewusste Anstrengung, d. h. allein aufgrund des natürlichen Inputs, nur innerhalb dieser Periode erreicht werden kann. Dies bedeutet aber nicht, dass das Fremdsprachenlernen im späteren Alter unmöglich ist (vgl. Lenneberg, 1967: 176). 100 Die Hypothese der kritischen Periode für den Erstspracherwerb kann aus ethischen Gründen selbstverständlich nicht empirisch verifiziert werden. In der Fachliteratur sind aber einige Fälle dokumentiert, in denen Kinder von der Welt isoliert wurden. All diese Kinder haben es gemeinsam, dass sie trotz Sozialisation nicht in der Lage waren, die Grammatik der jeweiligen Sprache zu erwerben (vgl. z. B. Curtiss, 1988). Im Laufe der Zeit wurde der Begriff kritisch durch sensibel ersetzt, was darauf zurückzuführen ist, dass die Änderungen im Sprachvermögen nicht abrupt, son‐ dern schrittweise zustande kommen. 101 Schachter (1996: 185) spricht in diesem Zusammenhang von Fenstern der Möglichkeit (windows of opportunity), weil die Prinzipien der Sprache dem Lerner im Verlauf der sprachlichen Entwicklung stu‐ fenweise zugänglich werden. Die Annahme, dass neuronale Reifungsprozesse beim Zweitspracherwerb eine wichtige, wenn nicht entscheidende Rolle spielen, wird von vielen Forschern geäußert: „The age-related loss in ability is cumulative (not a catastrophic one-time event), affecting first one linguistic domain and then another, and is not limited to phonology. The deterioration in some individuals begins as early as age 6 - not at puberty as is often claimed (…). The capacity for language development is maturationally constrained, and its decline probably reflects a progressive loss of neural plasticity, itself possibly associated with increasing myelination.“ (Long, 1990: 251) „As neither input nor affective variables can explain the range of phenomena observed in the literature, differences in cognitive functioning must certainly be involved; to what extent these follow from independent neurological changes is still an open question. It may be that the severe decline of the ability to induce abstract patterns implicitly is an inevitable consequence of fairly general aspects of neurological maturation and that it simply shows up most clearly in language acquisition, because any human language is an exceedingly complex web of highly abstract patterns.“ (DeKeyser, 2000: 519) 105 4.3 Erklärungen für altersbedingte Phänomene beim Wortstellungserwerb 102 Vgl. Kapitel 2.1.2 für eine Diskussion der Rolle der Universalgrammatik beim Zweitsprach‐ erwerb. Besondere Beachtung gilt in diesem Zusammenhang der Hypothese von Meisel (2007a, 2010), der zufolge der Mensch eine genetisch vermittelte Sprachfähig‐ keit zur Verfügung hat, die während der frühkindlichen Entwicklung infolge neuronaler Reifung zugänglich wird. Ein Ergebnis neuronaler Reifung ist aller‐ dings auch, dass diese angeborene Fähigkeit zum Erwerb mehrerer Sprachen nicht zeitlich uneingeschränkt verfügbar bleibt. Meisel (2007a: 93) betont: „Teile der sprachlichen Anlagen müssen in bestimmten Entwicklungsphasen aktiviert werden, um nicht unwiederbringlich verloren zu gehen, andere wiederum bleiben langfristig oder sogar permanent erhalten“. Der Autor argumentiert einleuchtend, dass nur parametrisierte Prinzipien der Universalgrammatik neuronalen Rei‐ fungsprozessen unterworfen sind. Wenn ein parametrisiertes Prinzip im Verlauf der Entwicklung der Erstsprache nicht aktiviert wurde, dann haben erwachsene Zweitsprachlerner keinen Zugang dazu (vgl. auch Kapitel 2.1.2). Diejenigen Parameter, die beim Erstspracherwerb fixiert wurden, können demgegenüber in die sich entwickelnde L2-Grammatik eingegliedert werden. Die These, dass die Zweitsprachlerner keinen Zugriff auf in der Erstsprache nicht gewählte Parameteroptionen haben, bedeutet nicht, dass die mit diesem Parameterwert kompatiblen strukturellen Eigenschaften nicht mehr erlernbar sind. 102 Sie müssen aus dem Input erschlossen werden, also induktiv erlernt werden. Das Festlegen von Parametern wird in diesem Fall durch das induktive Lernen ersetzt, bei dem andere kognitive Ressourcen, z. B. nicht-sprachspezifische Prinzipien zur Problemlösung, in Anspruch genommen werden (vgl. Meisel, 2007a: 101). Dies hat weitreichende Konsequenzen für die Entwicklung der Satzstruktur im Deutschen als Zweitsprache. Sie zieht sich über einen längeren Zeitraum hin und führt nicht immer zum Erfolg. Dabei kommt es nicht zu einer chrono‐ logischen Bündelung, die aus dem Erstspracherwerb bekannt ist, sondern die verschiedenen Oberflächenkonstruktionen müssen separat erlernt werden. Die Zweitsprachlerner orientieren sich nicht an strukturellen Positionen, sondern an der linearen Sequenz der Oberflächenstellung. Ein Beispiel hierfür kann die Stellung der Negation direkt vor das zu negierende Element sein, die nicht als Folge einer strukturbezogenen Operation gelten kann. Ein anderes Beispiel zeigt, dass das V2-Phänomen simuliert werden kann, indem das Subjekt, anstelle der Bewegung des finiten Verbs, in die VE-Stellung gestellt wird. Das so erworbene sprachliche Wissen stellt ein hybrides System dar, das sowohl struk‐ turbezogene als auch nicht-strukturabhängige Ordnungsprinzipien umfasst, allerdings mit Konsequenzen für den erreichten Erwerbserfolg (vgl. Meisel, 106 4 Einfluss des Alters auf den Erwerb der Wortstellung im Deutschen 103 Vgl. Sopata (2019b: 16) für eine genauere Beschreibung des Verlaufs einer sensiblen Phase. 2007a: 94, 102). Dadurch unterscheidet sich die grammatische Kompetenz der Zweitsprachlerner qualitativ von der der Muttersprachler. Dies wird auch in der Hypothese des fundamentalen Unterschieds (Funda‐ mental Difference Hypothesis) von Bley-Vroman (1990) postuliert, der zufolge der Spracherwerb von Kindern und Erwachsenen grundverschieden ist, weil ihm andere Erwerbsmechanismen zugrunde liegen. Während sich die Kinder die an‐ geborene Spracherwerbsfähigkeit und sprachspezifische Erwerbsmechanismen zunutze machen, spielen beim Spracherwerb der Erwachsenen der Transfer aus der Erstsprache und allgemein-kognitive Mechanismen eine entscheidende Rolle. Die derzeit verfügbare Evidenz zeigt jedoch, dass Teile der angeborenen Spracherwerbsfähigkeit bis in das späte Alter erhalten bleiben können (vgl. z. B. Sopata, 2004; Tsimpli & Dimitrakopoulou, 2007). Von besonderer Wichtigkeit ist die Erkenntnis, dass die Reifungsprozesse nicht die Sprache als Ganzes betreffen, sondern vielmehr einzelne Module der Grammatik sowie einzelne Phänomene innerhalb dieser Module. Daher sollte man davon ausgehen, dass ein Bündel sensibler Phasen existiert, von denen jede eine für die Entwicklung eines spezifischen grammatischen Phänomens optimale Periode darstellt (vgl. Meisel, 2007a: 103; vgl. auch Locke, 1997). Für ein adäquates Verständnis dieses Konzepts ist von besonderer Relevanz, dass eine sensible Phase nicht abrupt beginnt und endet. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass sie innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums einsetzt (onset), schnell den Höhepunkt (peak) erreicht und dann über einen längeren Zeitraum hinweg ausklingt (offset) (vgl. Meisel, 2007a: 103). 103 Der Prozess wird in Abbildung 4 schematisch präsentiert. Abb. 4: Eine schematische Darstellung des Entwicklungsverlaufs einer sensiblen Phase nach Meisel (2007a: 103). 107 4.3 Erklärungen für altersbedingte Phänomene beim Wortstellungserwerb 104 Exemplarisch dafür kann der Gebrauch von Nullelementen im Deutschen stehen. Während die Verwendung der Nullsubjekte in Strukturen mit infiniten Verben alters‐ bedingt zu sein scheint, sieht der Einsatz der Nullsubjekte in Sätzen mit finiten Verben unabhängig von Alter und Lernkontext sehr ähnlich aus (vgl. Sopata, 2011) 105 Vgl. Meisel (2010) für einen genaueren Überblick über weitere Befunde, die auf diese Altersgrenzen hindeuten. Die Beschaffenheit von sensiblen Phasen impliziert, dass die genaue Sprachent‐ wicklung einzelner Zweitsprachlerner schwer vorauszusehen ist. Eine wesent‐ liche Eigenschaft der Alterseffekte ist auch ihre Selektivität. Sie besagt, dass nicht alle grammatischen Phänomene gleichermaßen von reifungsbedingten Änderungen im Sprachvermögen betroffen sind. 104 Es muss betont werden, dass die Annahme mehrerer sensibler Phasen, die verschiedene grammatische Phänomene selektiv betreffen, das Konzept der Modularität der menschlichen Sprachfähigkeit untermauert. Meisel (2007a: 104, 2010: 239) weist auf zwei relevante Altersphasen hin, in denen sich sensible Phasen bündeln. Für den Erwerb des syntaktischen Wissens scheint zuerst das Alter zwischen drei und vier Jahren von besonderer Bedeutung zu sein; der zweite qualitative Sprung erfolgt um das siebte bzw. achte Lebensjahr. Dieses Bild von der Rolle des Alters bei Erwerbsbeginn bestätigen die referierten Studien zum Erwerb der Wortstellung im Deutschen größtenteils (vgl. Pienemann, 1981; Haberzettl, 2005; Kroffke & Rothweiler, 2006; Ahrenholz, 2006; Chilla, 2008; Sopata, 2009, 2010; Czinglar, 2014a, 2014b). Die besondere Rolle der neuronalen Reifungsprozesse beim Zweitspracher‐ werb wird auch durch neurolinguistische Studien bestätigt. Sie können nach‐ weisen, dass Veränderungen im Sprachvermögen eine funktionale Reorganisa‐ tion des Gehirns nach sich ziehen, die sich durch andere räumliche Organisation und veränderte Aktivierungsmuster manifestiert. Die verfügbare Evidenz deutet darauf hin, dass das Erwerbsalter insbesondere die syntaktische Verarbeitung beeinflusst: „Die durch eine syntaktische Verletzung im Satz evozierten Poten‐ ziale (…), die mittels EKP gemessen werden, zeigten sich bei Mehrsprachigen verzögert oder in ihrer Amplitude stark verändert, wenn die Sprache erst nach dem dritten oder sechsten Lebensjahr erworben worden war [KD]“ (Wartenburger, 2012: 183). 105 Diese Erkenntnis steht im Einklang mit der Hypothese von Meisel (2007a, 2010) und mit den dargestellten Studien zum Wortstellungserwerb, in denen sich die Erscheinung auffälliger Erwerbsverläufe größtenteils mit diesen Altersgrenzen deckt. Dass die Maturation des Gehirns tatsächlich für die altersbedingten Phänomene beim Erwerb der Grammatik zuständig ist, wird ferner von Pulvermüller und Schumann (1994) hervorgehoben: 108 4 Einfluss des Alters auf den Erwerb der Wortstellung im Deutschen 106 Motivation ist ein facettenreiches Konstrukt, das sich im Allgemeinen „auf das Ingang‐ setzen, Steuern und Aufrechterhalten von körperlichen und psychischen Aktivitäten [bezieht]“ (Zimbardo, 1995: 407). Eine ausführliche Auseinandersetzung mit den Grund‐ begriffen der Motivation bieten z. B. Becker-Carus und Wendt (2017: 486−538). „The decline of grammatical proficiency in early learners is due to gradual maturation of the perisylvian cortex, starting in the primary cortices and proceeding towards the higher-order association cortices. Due to this gradual maturation, neuronal plasticity is gradually reduced until puberty, so that learning gets more and more difficult with later onset. Usually, knowledge of grammatical words, syntactic relations, and phonemic skills is laid down primarily in early maturing brain areas (lower layers of the perisylvian language cortex), so that later learning affects acquisition of grammatical abilities most strongly.“ (Pulvermüller & Schumann, 1994: 720 f.) Die Erklärung für die altersbedingten Phänomene beim Spracherwerb mithilfe neuronaler Reifungsprozesse erweist sich als überzeugend und findet Anklang sowohl in der psycholinguistischen als auch in der neurolinguistischen For‐ schung. Da aber das Alter bei Erwerbsbeginn einen kontrovers diskutierten Faktor darstellt, wurden mittlerweile auch andere Erklärungsvorschläge formu‐ liert, in denen andere, nicht-biologische Variablen in den Vordergrund gerückt werden. 4.3.2 Alternative Erklärungsvorschläge Aus dem Vorangegangenen wird ersichtlich, dass die Annahme der Existenz reifungsbedingter sensibler Phasen sowohl mit dem Verlauf als auch mit dem Endzustand des Zweitspracherwerbs verbunden sind. Die meisten alternativen Erklärungsvorschläge fokussieren sich dagegen vor allem auf die Frage, warum die meisten Zweitsprachlerner nicht in der Lage sind, muttersprachliche Kom‐ petenz zu erreichen. Als Gründe hierfür werden in erster Linie sozio-affektive und kognitive Faktoren, aber auch verschiedene Parameter des Inputs ange‐ führt. Im Kontext von sozio-affektiven Faktoren schreibt Pagonis (2009) der alters‐ typischen Motivation eine besondere Bedeutung zu. 106 In seiner antriebsorien‐ tierten Erklärung für die Alterseffekte nimmt er an, dass die Erwerbsmotivation bei Erwachsenen grundsätzlich anders ist als bei Kindern. Während sich Kinder noch in einer Phase der Identitätsbildung befinden und sich ihrer Sprachge‐ meinschaft anpassen wollen, haben Erwachsene ihre Identität bereits heraus‐ gebildet und weisen einen alterstypisch kommunikativen Erwerbsantrieb auf. Anhand einer Reanalyse der Sprachdaten von Nastja und Dascha (vgl. Czinglar, 109 4.3 Erklärungen für altersbedingte Phänomene beim Wortstellungserwerb 2014a, 2014b) glaubt Pagonis zeigen zu können, dass die Unterschiede in den Erwerbsverläufen beider Mädchen auf unterschiedliche Erwerbsmotivationen zurückführbar sind. Das ältere Mädchen erwirbt nur diejenigen Formen und Strukturen, die von ihr als kommunikativ relevant erfasst werden. Die kommu‐ nikativ irrelevanten Bereiche werden dagegen nur dann angegangen, „wenn die hierfür in der Zielsprache vorgesehenen Form-Funktions-Korrelationen häufig, regelhaft, transparent, prägnant oder in einer anderen Hinsicht ›leicht‹, d. h. mit wenig Verarbeitungsaufwand zu erwerben sind“ (Pagonis, 2009: 121). Auch wenn die Motivation eine bedeutsame Rolle beim Zweitspracherwerb Erwachsener spielt, kann sie meines Erachtens altersbedingte Phänomene im syntaktischen Bereich nicht überzeugend erklären. So reicht sie offensichtlich nicht aus, um die fehlende Korrelation zwischen der morphologischen Finitheit und der Verbstellung sowie den Gebrauch von unflektierten Modalverben zu begründen. Haberzettl et al. (2013) bringen die Alterseffekte, die sie in ihrer Studie finden, mit der Einprägung der Erstsprache (L1 entrenchment) in Verbindung. Dieser Begriff bezieht sich darauf, dass das erstsprachliche Wissen im Laufe der Zeit immer stärker eingeprägt und infolgedessen veränderungsresistent wird. Demzufolge wird die Integration neuer Strukturen der Zweitsprache in die schon existierenden Strukturen der Erstsprache erschwert: „Once the neural system settles into stable states for learned patterns (rather than for brain late‐ ralization), radical changes become difficult even if the new language requires such changes“ (vgl. Li, 2016: 150). Haberzettl et al. (2013: 157) sind jedoch zugleich der Meinung, dass auch der Kommunikationsstress für die ermittelten Unterschiede zwischen dem jüngeren und dem älteren Kind verantwortlich sein könnte. Er löst in der Schule bestimmte Kommunikationsstrategien aus, die im Kindergarten noch nicht notwendig sind; kleineren Kindern bleibt darüber hinaus mehr Raum für Schweigepausen. Die Unterschiede im Erwerbsverlauf werden in vielen Studien mit dem Einfluss der Erstsprache in Zusammenhang gebracht. Czinglar (2014a: 35) schreibt beispielsweise die ermittelten Alterseffekte bei Nastja und Dascha dem Transfer von der Erstsprache zu, der mit steigendem Erwerbsalter ausgeprägter werden soll. Dazu ist aber kritisch anzumerken, dass der Erwerbsverlauf der Mädchen, wie die Autorin selbst konstatiert, mit der natürlichen Entwicklungs‐ sequenz übereinstimmt, die vor allem in der ZISA-Studie aufgedeckt wurde. An dieser Stelle ist die Argumentation von Czinglar (2014a) wenig überzeugend, zumal ihre Analyse die wichtigsten Kriterien zur Bestimmung des syntakti‐ schen Transfers nicht erfüllen kann (vgl. Kapitel 2.4). Die psycholinguistische Forschung hat aufgezeigt, dass keine der Sprachen eines zweisprachigen Indi‐ 110 4 Einfluss des Alters auf den Erwerb der Wortstellung im Deutschen 107 Die Betrachtung von Ungleichheiten im Input als Erklärung für die ermittelten Unter‐ schiede beim Wortstellungserwerb, z. B. in der Studie von Kostyuk (2005), bedeutet nicht, dass der Input die Alterseffekte erklärt. Vielmehr wird hier deutlich, dass er nicht kontrolliert wurde, wodurch nicht entschieden werden kann, welcher Faktor tatsächlich relevanter ist. viduums völlig ausgeschaltet werden kann, d. h. beide Sprachen bleiben bis zu einem gewissen Grad aktiv (vgl. Kapitel 2.4). In Anbetracht dessen ist es nicht verwunderlich, dass Zweitsprachlerner Strukturen produzieren, die beim Erstspracherwerb nicht attestiert sind. Auch hängt die Koaktivierung der Sprachen von vielen Faktoren ab. Daher wäre es nicht plausibel, dass sie bei allen Zweitsprachlernern, unabhängig von individuellen Faktoren, ähnlich funktioniert. Zur Erklärung von Alterseffekten greifen schließlich einige Forscher auf den Input zurück (vgl. z. B. Moyer, 2009). Die einfache Kontaktdauer in Monaten und die aktuelle Inputsituation, ausgedrückt in Prozent, machen jedoch separate Variablen aus, die auseinandergehalten und unabhängig vom Erwerbsalter untersucht werden können. 107 Als Erklärung mag eventuell die Inputqualität gelten, die zwischen den einzelnen Spracherwerbstypen variieren kann. Es wird zuweilen angenommen, dass Kinder ein einfacheres Sprachangebot zur Verfügung haben, das z. B. durch die kindgerichtete Sprache vereinfacht wird. Andererseits haben Zweitsprachlerner Zugang zu mehreren Inputquellen, ein‐ schließlich der Schriftsprache, die Kindern in den ersten Lebensjahren nicht zugänglich sind. Die Erklärungskraft verschiedener Inputparameter in Bezug auf altersbedingte Phänomene beim Erwerb der Satzstruktur im Deutschen muss als eingeschränkt betrachtet werden (vgl. auch Kapitel 2.3). Im Zusam‐ menhang mit dem Input schlägt Newport (1991) alternativ vor, dass Kinder über eine geringere Kurzzeitgedächtniskapazität verfügen und aus diesem Grund weniger Informationen auf einmal verarbeiten können. Erwachsene haben in dieser Hinsicht einen Vorteil. Dieser trügt aber, weil Erwachsene zu viele Informationen parallel zu verarbeiten versuchen, was ihnen den Spracherwerb wiederum erschwert. 4.4 Zusammenfassung und Fragestellung der vorliegenden Studie Die dargestellten Befunde haben gezeigt, dass das Erwerbsalter eine entschei‐ dende Rolle beim Zweitspracherwerb in Bezug auf die Wortstellung im Deut‐ schen spielt. Die aufgeführten Studien ergeben im Grunde ein konsistentes Bild, 111 4.4 Zusammenfassung und Fragestellung der vorliegenden Studie wenn auch nicht alle Forscher zu den gleichen Ergebnissen kommen. Aus dem oben Diskutierten lassen sich folgende allgemeine Schlussfolgerungen ziehen: 1. Die Auswirkungen des Erwerbsalters auf den Verlauf des Wortstellungs‐ erwerbs im Deutschen sind gravierend. Von höchster Relevanz sind hierbei zwei Altersgrenzen: (I) das Alter zwischen dem dritten und vierten Lebensjahr sowie (II) das Alter zwischen dem sechsten und siebten Lebensjahr. Dies wird durch neurobiologische Erkenntnisse unterstützt. 2. Der Einfluss des Erwerbsalters auf den Verlauf und den Endzustand des Zweitspracherwerbs ist selektiv, d. h. nicht alle grammatischen Phäno‐ mene sind von Alterseffekten betroffen. Es gibt viele sensible Phasen, die zu verschiedenen Zeitpunkten schnell einsetzen, eine Zeit lang dauern und allmählich ausklingen. 3. Der Effekt des Erwerbsalters kann auch in den fortgeschrittenen Phasen des Wortstellungserwerbs im Deutschen als Zweitsprache erkannt werden, insbesondere ab dem Erwerbsalter von 15 Jahren. Er manifestiert sich dadurch, dass der Gebrauch einiger Wortstellungsmuster instabil und variabel ist. 4. Das Erwerbsalter beeinflusst den Endzustand des Zweitspracherwerbs im grammatischen Bereich. Die Altersgrenze scheint je nach Studie in der späten Kindheit bzw. Adoleszenz, präziser ausgedrückt, im Alter zwischen sieben und 17 Jahren, zu liegen. Während die Existenz sensibler Phasen beim Zweitspracherwerb nicht zu bean‐ standen ist, steht nach wie vor zur Debatte, wie die altersbedingten Phänomene zu erklären sind. Es ist zum Schluss mit Hyltenstam und Abrahamsson (2003: 563) zu konstatieren: „As there is no convincing counter-evidence to the default assumption that biology constraints L2 acquisition, we must maintain that maturation does have a significant impact on decreasing learning potentials with higher AOs“. Die Rolle anderer Erklärungsvariablen kann somit nur darin bestehen, den reifungsbedingten Verlust einiger Teile der Spracherwerbsfähig‐ keit zu kompensieren. Der in diesem Kapitel gegebene Überblick über den Erwerb der deutschen Satzstruktur ermöglichte es, jene Fragestellungen zu identifizieren, die trotz intensiver Forschungstätigkeit nach wie vor offenbleiben und einer eingehen‐ deren Untersuchung bedürfen. Eine dieser Fragestellungen betrifft den Einfluss des Alters bei Erwerbsbeginn auf den Verlauf und den erreichbaren Zustand des Zweitspracherwerbs bei Kindern. Insbesondere steht zur Debatte, in welchem Alter die Grenze zwischen dem (bilingualen) Erstspracherwerb und dem (kind‐ lichen) Zweitspracherwerb zu setzen ist. Der Erwerb des Deutschen als früher 112 4 Einfluss des Alters auf den Erwerb der Wortstellung im Deutschen Zweitsprache ist in dieser Hinsicht gut untersucht (vgl. Kapitel 4.2.3). Ungeklärt bleibt jedoch, wie sich die einzelnen grammatischen Phänomene nach den ersten Kontaktmonaten mit dem Deutschen entwickeln. Die vorliegende Querschnitt‐ studie setzt sich daher zum Ziel, die syntaktische Kompetenz polnisch-deutsch bilingualer Kinder in einem fortgeschrittenen Zweitspracherwerbsstadium, d. h. nach dem 18. KM mit dem Deutschen, zu untersuchen. Das Interesse liegt hierbei auf dem Einfluss des Alters bei Erwerbsbeginn, aber auch anderer Faktoren, die im Kontext des kindlichen Zweitspracherwerbs für relevant gehalten werden, und zwar des Alters zum Testzeitpunkt, der Kontaktdauer und des kumulativen Inputs. Vor diesem Hintergrund lassen sich sechs zentrale Forschungsfragen formu‐ lieren, die sich auf den fortgeschrittenen Zweitspracherwerb der deutschen Wortstellung bei Kindern mit polnischer Erstsprache beziehen: (F1) Wie entwickeln sich die einzelnen Wortstellungsphänomene im fortge‐ schrittenen Stadium des Zweitspracherwerbs? (F2) Gibt es Unterschiede zwischen den sukzessiv bilingualen Kindern und den monolingualen und simultan bilingualen Kindern im fortgeschrit‐ tenen Stadium des Wortstellungserwerbs? (F3) Gibt es Unterschiede zwischen den Urteils- und Produktionsdaten in den einzelnen Gruppen? (F4) Welchen Einfluss hat das Alter bei Erwerbsbeginn auf den fortgeschrit‐ tenen Zweitspracherwerb der Wortstellung? (F5) Welchen Einfluss haben das Alter zum Testzeitpunkt, die Kontaktdauer und der kumulative Input auf den fortgeschrittenen Zweitspracherwerb der Wortstellung? (F6) Welcher der vier Faktoren, d. h. das Alter bei Erwerbsbeginn, das Alter zum Testzeitpunkt, die Kontaktdauer oder der kumulative Input, hat den größten Einfluss auf den fortgeschrittenen Zweitspracherwerb der Wortstellung? Die erste Forschungsfrage (F1) betrifft die Kompetenz der sukzessiv bilingualen Kinder im Bereich der untersuchten Wortstellungsmuster. Es wird erwartet, dass sie durchschnittlich sehr hoch sein wird, weil die Kinder bereits über 18 Monate Kontakt mit dem Deutschen hatten. Trotzdem können einige Wortstel‐ lungsphänomene problematischer sein als andere. Aus diesem Grund bezieht sich diese Forschungsfrage auch auf die potenziellen Schwierigkeiten, die im fortgeschrittenen Erwerbsstadium auftauchen können. Einige wenige Studien zum Zweitspracherwerb der Wortstellung, die zum Teil über fortgeschrittene Entwicklungsphasen berichten (vgl. Kapitel 4.2.4), suggerieren, dass kindliche 113 4.4 Zusammenfassung und Fragestellung der vorliegenden Studie 108 Die Ansicht, dass bilinguale Populationen mit monolingualen Sprechern nicht vergli‐ chen werden sollten, bezieht sich im breiteren Kontext auf das Postulat innerhalb der Mehrsprachigkeitsforschung, dass ein bilinguales Individuum keine einfache Summe zweier einsprachiger Personen darstellt (vgl. z. B. Cook, 1992; Grosjean, 1989, 2016). Wenn auch bilinguale Kinder imstande sind, die kerngrammatischen Phänomene wie monolinguale Kinder zu erwerben, kann es zwischen den zwei Sprachsystemen zu gegenseitiger Beeinflussung kommen (vgl. Kapitel 2.4). und jugendliche Zweitsprachlerner manchmal andauernde Probleme mit der Inversion und der Verbendstellung im Nebensatz haben können. Sie sind charakteristisch für erwachsene Zweitsprachlerner und können bei ihnen sogar in einem unvollständigen Erwerb resultieren. In der vorliegenden Studie wird der Frage nachgegangen, ob sich solche Probleme auch bei fortgeschrittenen kindlichen Lernern des Deutschen als Zweitsprache nachweisen lassen. Sollten die untersuchten Kinder große Schwierigkeiten mit der Inversion und der Verbendstellung im Nebensatz haben, die im Laufe der Zeit nicht nachlassen, würde das eine Nähe zum Zweitspracherwerb Erwachsener nahelegen (vgl. Kapitel 4.2.2). Auch Fehler in der Negationsstellung in Relation zum finiten Verb, die für Erwachsene typisch sind, wären ein deutlicher Hinweis darauf, dass die Entwicklung der untersuchten Kinder in diesem Bereich dem Zweitspracher‐ werb Erwachsener ähnlich ist. Demgegenüber gehört die Verbalklammer zu den Phänomenen, die weder Kindern noch Erwachsenen größere Probleme bereiten. Daher wird erwartet, dass sie im fortgeschrittenen Zweitspracherwerbsstadium unauffällig gehandhabt wird. Daran anknüpfend wird gefragt (F2), ob sich die Kompetenz der untersuchten sukzessiv bilingualen Kinder, die Deutsch als ihre Zweitsprache erwerben, von der monolingualer deutscher Kinder unterscheidet. Da aber Vergleiche mit monolingualen Sprechern in der Zweitspracherwerbsforschung oft auf Kritik stoßen (vgl. z. B. Grotjahn & Schlak, 2013: 28 f.), werden in dieser Studie auch simultan bilinguale Kinder als Vergleichsmaßstab herangezogen, wodurch zwei bilinguale Populationen gegenübergestellt werden. 108 Damit kann beispielsweise der Einfluss der Erstsprache der Kinder, des Polnischen, bestätigt oder verworfen werden: Würden sich beide bilingualen Gruppen in einem Bereich ähnlich verhalten und von monolingualen Kindern unterscheiden, könnte man daraus auf das Auftreten von Spracheneinfluss schließen. Bei der dritten Forschungsfrage (F3) handelt es sich schließlich um Unter‐ schiede und Ähnlichkeiten zwischen Produktions- und Urteilsdaten. Es wird gefragt, ob die Kinder ein und dasselbe Wortstellungsphänomen gleicherweise produzieren und interpretieren. Einige Studien berichten über Asymmetrien zwischen Produktion und Rezeption grammatischer Strukturen bei bilingualen 114 4 Einfluss des Alters auf den Erwerb der Wortstellung im Deutschen Kindern (vgl. Kapitel 2.4). Sie bestehen darin, dass die Kinder in der Lage sind, eine Struktur beim Sprechen korrekt zu produzieren, aber nicht zu interpretieren. Die vorliegende Studie zielt darauf ab, diese These im Kontext des fortgeschrittenen Zweitspracherwerbs zu überprüfen, indem sie die Produktion und die Interpretation der untersuchten Wortstellungsphänomene einander gegenüberstellt. In Bezug auf die vierte Forschungsfrage (F4) kann davon ausgegangen werden, dass das Alter bei Erwerbsbeginn den fortgeschrittenen Zweitspracher‐ werb der Wortstellung bei Kindern nur bedingt beeinflussen wird. Die wenigen in Kapitel 2.3 referierten Studien zu anderen Sprachpaaren zeigen, dass das Erwerbsalter nach den ersten Jahren der sprachlichen Entwicklung nicht mehr mit der grammatischen Kompetenz der Kinder korreliert, was aber keineswegs bedeutet, dass es keinen Einfluss auf die früheren Erwerbsphasen hat (vgl. Kapitel 4.2.3). Die dritte Forschungsfrage ist auch mit der Selektivität von Al‐ terseffekten verbunden. Viele Studien liefern Evidenz dafür, dass verschiedene grammatische Phänomene vom Erwerbsalter unterschiedlich betroffen sind (vgl. Kapitel 4.3). Angesichts dessen ist mit Unterschieden in der Entwicklung der einzelnen Wortstellungsmuster zu rechnen, zumal die Inversion und die Verbendstellung im Nebensatz für erwachsene Zweitsprachlerner schwer zu meistern sind. Andererseits können die Unterschiede in einer fortgeschrittenen Erwerbsphase bereits ausgeglichen sein, sodass weder Alterseffekte noch ihre Selektivität zu erkennen sind. Die fünfte Forschungsfrage (F5) bezieht sich auf die Wirkung anderer Faktoren, die den kindlichen Zweitspracherwerb beeinflussen können. Die Bestimmung ihrer Rolle stellt aber eine Herausforderung dar, weil sie oft linear miteinander verbunden sind: „In most studies, there is a moderate to strong correlation between these three variables (age at testing = age of acquisition + length of residence, so if length or residence varies little, age of acquisition and age at testing will be strongly correlated; if age at testing varies little, age of acquisition and length or residence will be strongly correlated.“ (DeKeyser et al., 2010: 416) Bei der Untersuchung der Kinder mit einem niedrigen Erwerbsalter zeigt sich beispielsweise, dass die Kontaktdauer mit steigendem Alter zum Testzeitpunkt länger wird. Doch lassen sich die Variablen unter Zuhilfenahme statistischer Methoden einigermaßen auseinanderhalten (vgl. Kapitel 6.6). Im Einklang mit den in Kapitel 2.3 besprochenen Studien kann man prognostizieren, dass die fortgeschrittenen Zweitspracherwerbsphasen durch die Kontaktdauer und den kumulativen Input beeinflusst werden können. 115 4.4 Zusammenfassung und Fragestellung der vorliegenden Studie Die Forschungsfrage danach (F6), welcher der Faktoren den fortgeschrit‐ tenen Zweitspracherwerb stärker beeinflusst, ist für die Zweitspracherwerbs‐ forschung insofern relevant, als sie unmittelbar die Determinanten der gram‐ matischen Entwicklung in der Zweitsprache betrifft. Die im Kontext der Auswirkungen des Erwerbsalters erwähnte Selektivität kann auch in Bezug auf die Kontaktdauer, das Alter zum Testzeitpunkt und den kumulativen Input analysiert werden. Es kann sich herausstellen, dass die untersuchten Wortstel‐ lungsmuster durch diese Faktoren unterschiedlich betroffen sind. Zusätzlich zur Wortstellung werden in der vorliegenden Studie zwei Aspekte untersucht: (1) die allgemeine Kompetenz der Kinder im Bereich der Grammatik, gemessen als Korrektheit bei der Satzwiederholung, und (2) die Reaktionszeit bei der Satzbeurteilung. Daher werden ergänzend folgende zwei Forschungsfragen gestellt, die sich auf den fortgeschrittenen Zweitspracherwerb des Deutschen bei polnischen Kindern beziehen: (F7) Gibt es Unterschiede zwischen dem fortgeschrittenen Zweitspracher‐ werb und dem fortgeschrittenen (bilingualen) Erstspracherwerb in Hin‐ blick auf die allgemeine grammatische Kompetenz und die Reaktionszeit? (F8) Welcher der vier Faktoren, d. h. das Alter bei Erwerbsbeginn, das Alter zum Testzeitpunkt, die Kontaktdauer oder der kumulative Input, hat den größten Einfluss auf die allgemeine grammatische Kompetenz und die Reaktionszeit? Da bei der Satzwiederholung eine Vielzahl von grammatischen Phänomenen im Spiel ist, die im Vergleich zu den grundlegenden Wortstellungsmustern später erworben werden und schwieriger zu meistern sind, z. B. das Genus (vgl. Ruberg, 2013b), ist zu erwarten, dass sich die allgemeine grammatische Kompetenz der sukzessiv bilingualen Kinder von der der monolingualen und simultan bilin‐ gualen Kinder unterscheiden wird. Wenngleich viele Studien zum Endzustand des Zweitspracherwerbs den Einfluss des Erwerbsalters auf die grammatische Kompetenz nachweisen, decken sie unterschiedliche Altersgrenzen auf (vgl. Kapitel 4.1). Von diesem Standpunkt aus gesehen sind Alterseffekte auf die allge‐ meine grammatische Kompetenz der fortgeschrittenen Zweitsprachlerner nicht auszuschließen. Was die Reaktionszeit betrifft, so kann in Übereinstimmung mit der verfügbaren Evidenz prognostiziert werden, dass die bilingualen Kinder mehr Zeit für die Satzverarbeitung brauchen werden als die monolingualen Kinder, was u. a. mit der Konkurrenz zwischen den beiden Sprachen in Echtzeit in Verbindung gebracht werden kann (vgl. z. B. Chondrogianni & Marinis, 2012; Kaltsa et al., 2016; Kail et al., 2018). 116 4 Einfluss des Alters auf den Erwerb der Wortstellung im Deutschen 109 Die Erhebung der Daten von Kindern, die Deutsch als ihre Zweitsprache in Deutschland erwerben, war die Aufgabe des Greifswalder Forschungsteams. Der Autor der vorlie‐ genden Arbeit hat dagegen die Daten in Polen erhoben. Sie betreffen aber das Deutsche als Erstbzw. Herkunftssprache und werden in dieser Studie nicht genutzt. 110 Wenn ein Kind nicht teilnehmen wollte, wurde das respektiert. Das schriftliche Einverständnis der Eltern liegt vor. 5. Methodisches Vorgehen der Studie In diesem Kapitel wird das methodische Vorgehen der Studie dargestellt. Zuerst werden die untersuchten Kinder im Detail charakterisiert. Abschließend werden die Methode und das Datenanalyseverfahren ausführlich beschrieben. 5.1 Probanden Die vorliegende Studie wurde im Rahmen des deutsch-polnischen Forschungs‐ projekts KiBi: Polnisch-deutsche Zweisprachigkeit bei Kindern: die Rolle des Alters bei Erwerbsbeginn für den langfristigen Spracherwerbserfolg durchgeführt. Das Projekt lief zwischen 2016 und 2020 und wurde an Prof. habil. Aldona Sopata vom Nationalen Forschungszentrum (Narodowe Centrum Nauki) in Polen und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft an Prof. Dr. Bernhard Brehmer in Deutschland finanziert. Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um einen Teil der Daten, die im Zeitraum zwischen 2017 und 2018 in Deutschland gesammelt worden sind. 109 Für die Studie wurden insgesamt 78 Kinder, darunter 43 Jungen und 35 Mädchen, ausgewählt, die an den Untersuchungen im Rahmen des KiBi-Projekts freiwillig 110 teilgenommen haben. Es gab drei Probandengruppen: sukzessiv bilinguale Kinder (N = 25), simultan bilinguale Kinder (N = 32) und monolinguale Kinder (N = 22). Im Zusammenhang mit dem Spracherwerb simultan bilingualer Kinder wird in der Fachliteratur oft die Frage gestellt, wann genau der Erwerb der zweiten Sprache einsetzen soll, damit man vom bilingualen Erstspracher‐ werb sprechen darf. Laut manchen Forschern (vgl. z. B. De Houwer, 2009) ist unabdingbare Voraussetzung dafür die strikte Gleichzeitigkeit, d. h. der Kontakt mit beiden Sprachen von Geburt an. Andere sind wiederum der Meinung, dass die Grenze für das Alter von drei Jahren anzusetzen ist (vgl. z. B. Meisel, 2008: 59, 2011: 212; vgl. auch Riehl, 2014b: 87). Daher wurden in der Studie zwei Gruppen von simultan bilingualen Kindern definiert, um herauszufinden, ob sie sich voneinander unterscheiden: simultan bilinguale Kinder mit AbE ≤ 3; 0 (N = 20) und simultan bilinguale Kinder mit AbE = 0 (N = 12). Das Alter bei Erwerbsbeginn wurde als das Alter operationalisiert, in dem die Kinder mit dem Deutschen regelmäßig in Kontakt kamen. Die wichtigsten Informationen über die Probanden sind nachstehend zusammengefasst: Sukzessiv bilinguale Kinder (AbE > 3; 0) Simultan bilinguale Kinder mit AbE ≤ 3; 0 Simultan bilinguale Kinder mit AbE = 0 Monolin‐ guale Kinder Probandenzahl 25 20 12 22 Alter 9; 9 (6; 2 - 13; 2) 8; 6 (5; 5 - 13; 11) 9; 7 (4; 11 - 13; 9) 8; 10 (5; 1 - 13; 6) Alter bei Erwerbsbeginn 5; 8 (3; 1 - 11; 0) 1; 10 (0; 2 - 3; 0) 0 0 Kontaktdauer 3; 11 (1; 6 - 10; 0) 6; 7 (2; 6 - 11; 6) 9; 7 (4; 11 - 13; 9) 8; 10 (5; 1 - 13; 6) kumulativer Input 2,4 (1,0 - 8,5) 3,5 (1,5 - 7,5) 5,6 (1,7 - 9,1) 8,1 (5,1 - 13,6) Tab. 26: Die wichtigsten Informationen über die untersuchten Kinder. Es fällt auf, dass die Gruppen in sich heterogen und die verschiedenen Intervalle groß sind. Das rührt daher, dass es bekanntermaßen schwierig ist, homogene Gruppen von bilingualen Kindern zu finden. Jede bilinguale Familie, mit der Mehrsprachigkeitsforscher in Kontakt kommen, hat ihre ganz eigene Sprach‐ biografie. Die Kinder sind unterschiedlich alt und unterscheiden sich in ihren Erfahrungen mit ihren beiden Sprachen voneinander. Würde man eine Variable, z. B. das Alter bei Erwerbsbeginn, konstant halten wollen, so wäre man auf kleinere Gruppen angewiesen, was statistische Analysen erschweren würde. In der vorliegenden Studie sind die Gruppen groß genug, um trotz ihrer Heterogenität statistisch angemessen gehandhabt zu werden. In Bezug auf das Alter zum Testzeitpunkt sind alle Gruppen einander ähnlich. Sie wurden aber hinsichtlich der Kontaktdauer mit dem Deutschen und des kumulativen Inputs miteinander verglichen. Ein Kruskal-Wallis-Test ergab, dass die Unterschiede zwischen den Gruppen hoch signifikant sind (vgl. Tab. 27): 118 5. Methodisches Vorgehen der Studie Sukzessiv bilinguale K. (AbE > 3; 0) Simultan bilinguale K. mit AbE ≤ 3; 0 Simultan bilinguale K. mit AbE = 0 Monolin‐ guale Kinder Me IQR Me IQR Me IQR Me IQR Χ 2 p ƞ 2 Kontakt‐ dauer 45,00 24,00 79,50 34,75 105,00 64,50 112,00 35,50 41,56 <0,001 0,53 kumula‐ tiver Input 2,17 1,28 3,47 2,01 5,54 5,33 9,15 2,90 51,01 <0,001 0,65 Tab. 27: Vergleich der Gruppen bezüglich der Kontaktdauer und des kumulativen Inputs. Eine Post-Hoc-Analyse mittels des Dunn-Tests mit Bonferroni-Korrektur zeigte, dass die Kontaktdauer bei den sukzessiv bilingualen Kindern signifikant nied‐ riger ist als bei den simultan bilingualen Kindern mit AbE ≤ 3; 0 (p < 0,012), den simultan bilingualen Kindern mit AbE = 0 (p < 0,001) und den monolingualen Kindern (p < 0,001). Was den kumulativen Input anbetrifft, ist er bei den suk‐ zessiv bilingualen Kindern signifikant kleiner als bei den simultan bilingualen Kindern mit AbE = 0 (p = 0,004) und den monolingualen Kindern (p < 0,001). Die sukzessiv bilingualen Kinder und die simultan bilingualen Kinder mit AbE ≤ 3; 0 unterscheiden sich wiederum nicht voneinander. Im Falle der sukzessiv bilingualen und der simultan bilingualen Kinder mit AbE ≤ 3; 0 sind die Spracherwerbsbedingungen ähnlich. In dieser Hinsicht können die beiden Gruppen als homogen gelten. Die Kinder sind in Polen geboren und ihre Familiensprache ist Polnisch. Die Entwicklung des Polnischen ist bei ihnen unauffällig und altersangemessen. Die simultan bilingualen Kinder mit AbE = 0 und die monolingualen Kinder sind dagegen in Deutschland geboren und erwerben Deutsch von Geburt an. Bei keinem der Kinder besteht ein Verdacht auf Vorliegen einer spezifischen Sprachentwicklungsstörung. Einige bilinguale Kinder erhielten jedoch eine zusätzliche Sprachförderung für das Deutsche, weil sich die Eltern Sorgen um ihre Sprachentwicklung machten. Die Erziehung der Kinder zur Zweisprachigkeit war allen Eltern wichtig. Die Ausbildung der Eltern und der sozioökonomische Status der Familien wurden nicht analysiert. Um die oben dargestellten demografischen Informationen über die Probanden zu gewinnen, wurde im Rahmen des KiBi-Projektes ein ausführlicher Fragebogen entwickelt (vgl. Anhang A). Auf seiner Basis wurden die Eltern der untersuchten Kinder entweder vor oder nach der Untersuchung persönlich oder seltener per Telefon interviewt. Für die Zwecke der vorliegenden Studie wurden aus dem Fragebogen relevante Informationen bezüglich der anvisierten Variablen, d. h. des 119 5.1 Probanden Alters zum Testzeitpunkt, des Erwerbsalters, der Kontaktdauer und des kumula‐ tiven Inputs, extrahiert. Zur Gewährleistung des kumulativen Inputs wurden die Eltern gebeten, zusammen mit dem Testleiter eine Tabelle auszufüllen, in der die gesamte Inputmenge in beiden Sprachen angegeben werden sollte. Für jedes Lebensjahr standen insgesamt 100 % Inputs zur Verfügung, die zwischen Deutsch und Polnisch verteilt werden sollten. Das Ziel dieser subjektiven Einschätzung der Inputmenge war es, eine allgemeine Information über die relative Quantität des den Kindern verfügbaren sprachlichen Angebots zu gewinnen, ohne die einzelnen Inputquellen zu analysieren. Schließlich wurde ein Mittelwert berechnet, der dann mit der Anzahl der Kontaktjahre mit der jeweiligen Sprache multipliziert wurde. Demnach betrüge der Mittelwert beispielsweise bei einem fünfjährigen Kind, das nur in seinem vierten und fünften Lebensjahr 30 % Kontakt mit Deutsch hätte (0, 0, 0, 30, 30) 12 %. Um den kumulativen Input zu berechnen, sollte dieser Mittelwert mit der Anzahl der Kontaktjahre, also mit zwei, multipliziert werden. Der kumulative Input wäre dann 0,24. 5.2 Methode und Material Die Daten wurden anhand des MAIN-Tests zur Erzählfähigkeit (Multilingual Assessment Instrument for Narratives; Gagarina et al., 2012) und dreier experi‐ menteller Aufgaben: Sentence Repetition Task (SRT), Grammaticality Judgment Task (GJT) und Forced Choice Task (FCT), erhoben. Tabelle 28 gibt einen Überblick über die Wortstellungsphänomene, die in den einzelnen Aufgaben getestet wurden: MAIN-Test SRT GJT FCT Produktion Repräsentation Inversion im Deklarativsatz (OVS, XVS) + + + + Verbalklammer (OV -fin ) + + + + Verbendstellung im Nebensatz (OV +fin ) + + - - Negationsstellung (V +fin NEG) + + + + Tab. 28: Die in den einzelnen Aufgaben untersuchten Wortstellungsmuster. 120 5. Methodisches Vorgehen der Studie Im MAIN-Test wurden die Kinder gebeten, anhand von sechs Bildern eine Geschichte frei zu erzählen. Das Kind hatte drei Umschläge mit der jeweils selben Bildergeschichte zur Wahl und sollte sich nur einen auswählen. Ziel dieser Vorgehensweise war es, dem Kind nahezulegen, dass der Testleiter nicht weiß, welche Geschichte sich in dem Umschlag befindet. Das Kind sollte die Bilder dem Umschlag entnehmen, die Geschichte auseinanderfalten und sich die Bilder beim ersten beginnend bis zum Schluss in Ruhe ansehen. Die Instruktion war: Schau dir alle Bilder an, aber zeig sie mir nicht. Nur DU darfst die Geschichte sehen. Dann wurde die Geschichte wieder in drei Teile gefaltet. Das Kind wurde gebeten, mit dem Erzählen der Geschichte zu beginnen und nur die ersten beiden Bilder anzuschauen. War das Kind mit den ersten beiden Bildern fertig, sollte es die nächsten beiden Bilder auffalten. War das Kind fertig, sollten die letzten beiden Bilder aufgefaltet werden, sodass die ganze Geschichte sichtbar war. Nachdem das Kind die Erzählung beendet hatte, stellte der Testleiter ihm ein paar Fragen zur Geschichte, die meistens mit warum anfingen, sodass kausale Nebensätze mit VE-Stellung elizitiert werden konnten (vgl. Gagarina et al., 2012: 6). Zur Durchführung des MAIN-Tests wurden zwei verschiedene Geschichten verwendet, damit die Kinder, falls sie Geschwister oder Klassenfreunde sind, nicht dieselbe Aufgabe auszuführen hatten. Im Sentence Repetition Task (SRT) wurden die Kinder gebeten, die auditiv dargebotenen Sätze, einen nach dem anderen, zu wiederholen. Um ein passives Imitieren der Sätze zu vermeiden, wurde zwischen der Präsentation des Satzes und der Wiederholung ein Stroop-Test (Farbe-Wort-Interferenz-Test) (Stroop, 1935) eingesetzt. Das Kind sollte dabei mit einem Tastendruck die Farbe eines auf dem Bildschirm präsentierten Farbwortes bestimmen. Hierbei konnten Wortfarbe und Wortbedeutung übereinstimmen, z. B. ROT in roter Farbe, oder die Wortbedeutung konnte sich auf eine andere Farbe als die des Wortes beziehen, z. B. BLAU in roter Farbe. Die Logik, die dahintersteckt, ist folgende: Sieht man ein Farbwort, z. B. blau, in einer Farbe geschrieben, die sich von der bezeichneten Farbe unterscheidet, fällt es schwerer, die Farbe zu benennen, als wenn das Wort die Farbe bezeichnet, in der es geschrieben ist (vgl. Dietrich, 2007: 32). Um eine aktive Rekonstruktion des Satzes sicherzustellen, wurden die Kinder mit vier Farbwörtern nacheinander konfrontiert. Erst nach der Ausführung des Stroop-Tests erschien auf dem Bildschirm ein Gesicht mit offenem Mund, das dem Kind signalisierte, dass es den Satz wiederholen konnte. War das Kind mit der Wiederholung fertig, so sollte es mit einem Tastendruck zu einem nächsten Satz übergehen. Die im SRT dargebotenen Sätze werden in Tabelle 29 präsentiert, die auch über ihre Zuordnung zu den einzelnen Wortstellungsphänomenen informiert. 121 5.2 Methode und Material Satz Hast du dich um die Blume gekümmert? Hab ich gegossen. + Fährt Emil mit? Will nicht mitkommen, weil’s ihm dort zu heiß ist. + + Es ist windig. Hast du den Schal dabei? Den hab ich verloren. + Ich will auf den höchsten Baum klettern, den ich finden kann. + + Was hat er mit der Puppe gemacht? Hat sie gekämmt. + Was ist mit dem Flugzeug? Das hab ich repariert, es fliegt jetzt. + Sieh mal da den Vogel, der vorhin hier saß. + Ich will heute noch Mehl kaufen. Ich will Kuchen für dich backen. + Warst du gestern auf dem Spielplatz? Kennst du den Jungen, der Anja geschubst haben soll und dann weggelaufen ist? + Meine Schwester will zum Geburtstag einen Schal geschenkt bekommen, den sie im Winter tragen kann. + + Was hat sie mit der wunderschönen bunten Vase gemacht? Sie hat sie zerbrochen. + Ich mag dich sehr, weißt du? Will dir einen Stoffhasen geben, den meine Mama selbst genäht hat. + + Willst du ein Pflaster? Hab ich schon draufgeklebt, damit die Wunde nicht mehr blutet. + + Gehst du mit mir auf den Spielplatz? Ich möchte dir einen neuen Freund von mir vorstellen. + Ist er nach Hause gegangen? Ist weggelaufen, weil er Angst vor dem Hund hatte. + Hole einen Bagger, den ich nicht mehr brauche und dann werfen wir ihn ins Wasser. + + Hast du den Kuchen geschnitten? Den hab ich geteilt, damit wir ihn zusammen essen können. + + + Komm in den Garten! Siehst du den Apfel, der eben vom Baum runtergefallen ist? + 122 5. Methodisches Vorgehen der Studie Inversion Verbalklammer Verbendstellung Negationsstellung 111 Vgl. z. B. Schütze und Sprouse (2014: 31-32) für eine Beschreibung der Forced-Choice- Methode. Ich liebe alle Tiere. Ich habe aber Angst einen Hund zu streicheln, den ich gar nicht kenne. + Im Spiel sollst du immer auf den schnellsten Spieler aufpassen. Sonst verlierst du. + + Sie hat keine Angst vor wilden Tieren. Einen Tiger streichelt sie auch. + Blau steht mir leider gar nicht. Ich trage einen blauen Rock nie wieder. + Hat er mit dem Hund gespielt? Er hat mit ihm gespielt, weil er traurig war. + + Feen sollen niemals einen Zauberstab aus Silber bei sich haben. + Du magst den Hund nicht. Du solltest ihn aber mal streicheln. Dann freut er sich. + + Tab. 29: Überblick über die Sätze im SRT. Wie Tabelle 29 zu entnehmen ist, waren alle Sätze korrekt bzw. norment‐ sprechend. Die Inversion wurde in sieben Sätzen analysiert, in denen das vorangestellte Element entweder ein Objekt oder ein Adverb war. Hinsichtlich der Verbalklammer wurden 13 Sätze mit Modal- und Tempusklammern ausge‐ wertet. Die Verbendstellung im Nebensatz wurde in 13 Sätzen berücksichtigt, die entweder mit einer Subjunktion oder mit einem Relativpronomen eingeleitet wurden. Die Negationsstellung wurde dagegen nur in zwei Sätzen untersucht, in denen der Negator nicht zwar vom Verb separiert war, aber immer noch postverbal stand. In den Sätzen im Rahmen der Urteilsaufgaben befand er sich bereits unmittelbar vor bzw. nach dem finiten Verb (vgl. unten). Der Forced Choice Task (FCT) bestand darin, aus zwei vorgegebenen Antwort‐ möglichkeiten diejenige auszuwählen, die „besser“ klang. 111 Zuerst sah das Kind auf dem Bildschirm eines Laptops eine Frage und gleich danach erschienen zwei Antworten in verschiedenen Farben, eine nach der anderen. Die Aufgabe war es, mit einem Tastendruck ohne Zeitdruck zu entscheiden, welche der beiden Antworten besser klang. Das Kind konnte nur zwei Tasten drücken, die den Farben der auf dem Schirm präsentierten Antworten entsprachen. Sowohl die Fragen als auch die Antworten wurden zusätzlich auditiv dargeboten. Die im FCT dargebotenen Sätze werden in Tabelle 30 dargestellt: 123 5.2 Methode und Material Frage Antwort A *Antwort B Inversion im Deklarativsatz Wann müssen die Ritter kämpfen? Bei Gefahr müssen die Ritter mutig sein. *Bei Gefahr die Ritter müssen mutig sein. Kommst du mit in den Wald? Heute kann ich wirklich nicht. *Heute ich kann wirklich nicht. Verbalklammer Mama, muss ich wirklich eine warme Jacke anziehen? Ja, du musst deine grüne Jacke auf jeden Fall mit‐ nehmen. *Ja du musst mitnehmen auf jeden Fall deine grüne Jacke. Willst du mit mir ein Spiel spielen? Ja, gern. Ich kann in einer Stunde zu dir kommen und dann spielen wir. *Ja, gern. Ich kann kommen in einer Stunde zu dir und dann spielen wir. Negationsstellung Siehst du die Katze? Ich sehe sie nicht. *Ich nicht sehe sie. Welches Auto ist schneller? Heute fährt der Fahrer mit der Sonnenbrille nicht schneller als der andere. *Heute nicht fährt der Fahrer mit der Sonnenbrille schneller als der andere. Tab. 30: Überblick über die Sätze im FCT. Was die Inversion im Deklarativsatz angeht, so unterschieden sich die zwei Sätze bezüglich der vorangestellten Konstituente. In einem Satz war es eine Präposi‐ tionalphrase, im anderen ein Temporaladverb. Einer der zwei Sätze mit der Verbalklammer enthielt eine Modalklammer, der andere eine Tempusklammer. Bei der Negationsstellung handelte es sich um die Sätze mit postvs. präverbaler Stellung des Negators nicht. Die Prozedur im Grammaticality Judgment Task (GJT) war sehr ähnlich. Es wurde aber nur eine Antwort auf die visuell und auditiv dargebotene Frage bzw. auf den visuell und auditiv dargebotenen Kontext präsentiert. Das Kind musste mit einem Tastendruck entscheiden, ob sie gut oder schlecht klang. Dadurch bekamen die Kinder keine explizite Information über die Grammatikalität der Sätze, die für sie eventuell problematisch gewesen wäre (vgl. Kapitel 7.1). Es gab nur zwei Tasten zur Wahl, die mit Farben markiert wurden: Grün stand für korrekt und Rot für inkorrekt. Zum Schluss wurden die Kinder angewiesen, die Sätze, die sie für schlecht hielten, mündlich zu korrigieren. Diejenigen Sätze, die als schlecht klassifiziert, aber nicht korrigiert wurden, wurden aus der Analyse ausgeschlossen. Eine genaue Darstellung der Sätze liefert Tabelle 31: 124 5. Methodisches Vorgehen der Studie 112 Dies kann aber nicht völlig unkritisch aufgenommen werden, worauf in der Diskussion der Ergebnisse in Kapitel 7.1 ausführlicher eingegangen wird. Frage/ Kontext Antwort Inversion im Deklarativsatz Was macht ihr im Park am liebsten? *Am liebsten wir spielen Fangen. Was ist beim Essen verboten? *Beim Essen wir nicht dürfen in der Nase bohren. Was machen Lena und ihr Bruder abends? Abends spielen sie manchmal Kartenspiele. Verbalklammer Was ist die Aufgabe der Ritter? *Die Ritter sollen kämpfen immer für ihren König. Ich weiß nicht, ob die Prinzessin den Frosch am Ende geküsst hat oder nicht. Du hast gestern im Theater nicht aufge‐ passt. Ich habe mein Zimmer aufgeräumt und den ganzen Spinat aufgegessen. Willst mir wohl Märchen erzählen. Negationsstellung Was ist beim Essen verboten? *Beim Essen wir nicht dürfen in der Nase bohren. Tab. 31: Überblick über die Sätze im GJT. Wie die Tabelle zeigt, gab es zur Inversion einen normentsprechenden Satz und zwei nicht normentsprechende Sätze, zur Verbalklammer wiederum einen normentsprechenden und einen nicht normentsprechenden Satz und zur Nega‐ tionsstellung einen nicht normentsprechenden Satz. Ein Satz wurde zweimal analysiert, da er sowohl eine Inversion als auch eine Negation enthielt. Das vorangestellte Element in den Sätzen mit Inversion war entweder ein Adverb oder eine Präpositionalphrase. Die Sätze mit Verbalklammer umfassten eine Tempus- und zwei Modalklammern. Sowohl der GJT als auch der FCT können im Grunde zu den Urteilsauf‐ gaben gerechnet werden, die einen Einblick in die mentale Repräsentation grammatischen Wissens ermöglichen (vgl. z. B. Sorace, 1996; Ionin & Zyzik, 2014). 112 Der MAIN-Test und der SRT beziehen sich dagegen eindeutig auf die Sprachproduktion, wobei der Letztere weniger Raum für freies Sprechen bietet (vgl. Kapitel 6.1.1). Dank der Kombination dieser vier Aufgaben war es möglich, den Repräsentationen der untersuchten syntaktischen Phänomene 125 5.2 Methode und Material 113 E-Prime ist ein System für die computergestützte Entwicklung und Durchführung von experimentellen Aufgaben und wird nicht nur in der Psycholinguistik, sondern auch allgemein in der experimentellen Psychologie angewendet. E-Prime ermöglicht es, komplexe Experimente unter Einsatz von Bildern und Tonspuren zu gestalten und Antworten der Probanden in verschiedenen Formen, z. B. als Reaktionszeiten oder Satzwiederholungen zu speichern (vgl. https: / / pstnet.com/ products/ e-prime/ ). 114 Mein besonderer Dank gilt an dieser Stelle Raina Gielge, die den Großteil der Arbeit in Bezug auf die Gestaltung der experimentellen Aufgaben selbstständig geleistet hat. auf den Grund zu gehen und zu ermitteln, wie diese Repräsentationen beim Sprechen umgesetzt werden. Die in den experimentellen Aufgaben auditiv dargebotenen Sätze wurden in Zusammenarbeit mit deutschen Muttersprachlern in einem speziellen Studio aufgenommen. Wichtig war, dass die Sätze mit neutraler Intonation und in demselben Tempo ausgesprochen wurden. Die Untersuchungen wurden mit der Instruktion und ein paar Übungsitems eingeleitet, mit dem Ziel, den Kindern die Aufgaben vorzustellen und zu erklären. In den experimentellen Aufgaben gab es jeweils zwei Randomisierungen, um Effekte der Reihenfolge (order effects) zu eliminieren. In den Urteilsaufgaben wurden außer der Korrektheit der Urteile zusätzlich die Reaktionszeiten gespeichert. Zur Gestaltung und Durchführung der experimentellen Tasks sowie zur Antworterfassung und Reaktionszeitmes‐ sung wurde die E-Prime 2.0 Professional SP2-Software 113 angewendet. 114 Die Kinder wurden entweder zu Hause oder in der Schule in einem ruhigen Raum untersucht, wo sie auf einem Stuhl vor einem Computer saßen. Der Test‐ teiler war jeweils ein deutscher Muttersprachler. Er sorgte für eine freundliche Atmosphäre und sprach mit den Kindern nur in der Zielsprache, so dass sie sich am monolingualen Ende des Kontinuums befanden (vgl. Grosjean, 2016). Die Experimente wurden auf eine spielerische Art und Weise konzipiert, um die Konzentration der Kinder auf die laufende Aufgabe beizubehalten und ihre Motivation zu wecken. Im GJT sammelten die Kinder beispielsweise Obst, indem sie für jede getroffene Wahl eine weitere Frucht als Belohnung bekamen. Im FCT wiederum setzten die Kinder einzelne Stücke eines Bildes zusammen, d. h., nach jeder Antwort erschien auf dem Bildschirm ein neues Puzzle. 5.3 Datenanalyseverfahren Die Urteilsdaten aus dem GJT und dem FCT wurden mit der E-Prime 2.0 Profes‐ sional SP2-Software in einer Datei gespeichert. Die Datei enthielt Informationen dazu, welche Taste bei dem jeweiligen Satz gedrückt wurde und wie schnell die Reaktion des Kindes war. Die Reaktionszeit in Millisekunden entsprach der 126 5. Methodisches Vorgehen der Studie 115 Eine genaue Analyse aller Fehler in den wiederholten Sätzen würde über die Fragestel‐ lung dieser Arbeit hinausgehen. Zeit zwischen der Präsentation eines Satzes und der Entscheidung des Kindes. Die so gespeicherten Daten wurden manuell in Excel transportiert und nach den untersuchten Phänomenen sortiert. Im GJT galt als eine korrekte Antwort entweder die Annahme eines korrekten oder die Ablehnung eines inkorrekten Satzes. In der Analyse wurden nur die relevanten Antworten berücksichtigt; die Fälle, bei denen die Kinder die abgelehnten Sätze nicht korrigiert haben, wurden als irrelevant klassifiziert und daher aus der Analyse ausgeklammert. Die Prozedur hatte zum Ziel, sicherzustellen, dass die Kinder die Sätze aus den für die Untersuchung relevanten Gründen ablehnen. Die Prozentzahlen in den Ergebnissen drücken somit das Verhältnis der korrekten Antworten zur Gesamtzahl aller relevanten Antworten aus. Als korrekte Antwort im FCT galt entweder die Wahl eines Satzes mit richtiger Verbbzw. Negationsstellung oder die Ablehnung eines Satzes mit falscher Verbbzw. Negationsstellung. In der ersten Aufgabe zur Sprachproduktion, dem SRT, wurden die von den Kindern wiederholten Sätze mithilfe der E-Prime 2.0 Professional SP2-Soft‐ ware aufgenommen. Sie wurden dann in Excel transkribiert und nach den untersuchten Wortstellungsmustern sortiert. Zuerst wurden alle Sätze in einer binären Skala daraufhin analysiert, ob sie morphologische und syntaktische Fehler aufwiesen oder nicht, um allgemeine grammatische Korrektheit zu untersuchen. Wenn ein Proband irgendwelche grammatischen Fehler im wie‐ derholten Satz beging, bekam er keinen Punkt. Wenn der Satz aber völlig korrekt wiederholt wurde, bekam der Proband einen Punkt. Unter den Fehlern waren neben der falschen Wortstellung u. a. auch Kasus- und Genusfehler zu finden. Die Fehlertypen wurden jedoch nicht genau analysiert und unterschieden. 115 Le‐ xikalisch-semantische und phonetische Aspekte wurden bei der Analyse außer Acht gelassen. Dann wurden die wiederholten Sätze gezielt einer Analyse auf die untersuchten Phänomene unterzogen. Dabei wurde überprüft, ob die Kinder die Position der Verben und des Negators nicht in den Wiederholungen änderten oder nicht. Da alle Sätze im SRT korrekt waren, drücken die Prozentzahlen in den Ergebnissen in diesem Fall das Verhältnis der unverändert wiederholten Sätze zur Gesamtzahl aller wiederholten Sätze aus. In der Analyse wurden alle Äußerungen ausgeschlossen, in denen entweder das Verb oder der Negator ausgelassen wurde. 127 5.3 Datenanalyseverfahren 116 EXMARaLDA ist ein System für das computergestützte Arbeiten mit (vor allem) mündlichen Korpora. Es besteht aus einem Transkriptions- und Annotationseditor, einem Tool zum Verwalten von Korpora und einem Such- und Analysewerkzeug. Das System wurde ursprünglich im Teilprojekt Computergestützte Erfassungs- und Analysemethoden multilingualer Daten des Sonderforschungsbereichs Mehrsprachigkeit (SFB 538) der Universität Hamburg entwickelt (vgl. https: / / exmaralda.org/ de/ ueber-ex maralda/ ). 117 Als X galt in den aus der finalen Analyse ausgeschlossenen Sätzen entweder ein Objekt oder eine Adverbialbestimmung. 118 Formelhafte Chunks werden als „mehrmorphemische Sequenzen, die nicht mittels Regeln konstruiert werden, sondern - wie ein einzelnes Lexem - als Ganzes abgerufen werden“ (Aguado, 2002: 30) definiert. Typische Beispiele hierfür sind z. B. Hier ist X oder Das weiß ich dienen, die die produktive Verwendung der Inversion imitieren können. Die Erzähldaten wurden in EXMARaLDA 116 transkribiert und annotiert. Die Dauer jeder Erzählung betrug jeweils zwischen vier und zehn Minuten. Die Transkriptionen wurden mit Annotationen versehen, die verschiedene Fehler‐ typen, darunter Fehler in der Wortstellung, betrafen. In den Transkriptionen wurden alle Kontexte identifiziert, in denen ein Verb oder der Negator nicht verwendet wurde. Sie wurden dann in einer detaillierten Analyse in Excel kodiert. Die kodierten Daten enthielten die genauen Informationen über die Position des Verbs bzw. des Negators. Bei der Inversion wurden zusätzlich die Verbtypen und die Vorfeldbesetzungen analysiert. Was den Verbtyp angeht, so wurde nur zwischen lexikalischen und allen übrigen Verben unterschieden, weil die Zahl der Fehler insgesamt sehr niedrig war, sodass eine vertiefte Analyse der Verbtypen unmöglich war. Die vorangestellten Elemente wurden in vier Gruppen eingeteilt: das Adverb dann, alle anderen Adverbien, Präposi‐ tionalphrasen und Objekte. Bei der Analyse der Verbalklammer wurde zudem eine Differenzierung zwischen der Tempusklammer, der Passivklammer und der Modalklammer vorgenommen, die jedoch keine signifikanten Unterschiede ergab und daher in der Darstellung der Ergebnisse nicht berücksichtigt wird. Bei der Kodierung der VE-Stellung in Nebensätzen wurde zusätzlich analysiert, ob die Sätze mit einer Subjunktion oder einem Relativpronomen eingeleitet wurden. Da diese Unterscheidung nicht signifikant war, wurde sie auch in der finalen Analyse der Ergebnisse aufgegeben. Um dem Phänomen der V2-Stellung in Nebensätzen nachzugehen, wurden ergänzend alle weil-Sätze auf die Position des Verbs hin ausgewertet. An dieser Stelle sollte betont werden, dass einige Sätze in den Erzählungen der Kinder aus der finalen Analyse ausgeklammert wurden. Das waren Sätze mit SV(X)-Folge 117 , die aus Sicht der Fragestellung der Arbeit irrelevant sind, aber auch formelhafte Chunks 118 , Wiederholungen und V1-Sätze, deren Zahl insgesamt sehr niedrig war (< 2 %). Die Prozentzahlen in den Ergebnissen 128 5. Methodisches Vorgehen der Studie 119 Ich danke an dieser Stelle Tomasz Klapczarek, der die meisten Erzählungen transkribiert hat. des MAIN-Tests beziehen sich somit auf das Verhältnis der Sätze mit korrekt realisierter Wortstellung zur Gesamtzahl aller in der finalen Analyse berücksich‐ tigten Sätze. Alle oben beschriebenen Arbeitsschritte, außer dem Transkribieren der MAIN-Erzählungen in EXMARaLDA 119 , wurden vom Autor dieser Arbeit selbstständig durchgeführt. Alle Daten wurden vollständig anonymisiert. Die einzelnen Kinder wurden mit Zahlen kodiert. Statistische Analysen der Daten wurden mit IBM SPSS Statistics Version 25 durchgeführt. 129 5.3 Datenanalyseverfahren 6. Ergebnisse der Untersuchung Im folgenden Kapitel werden die Untersuchungsergebnisse dargestellt. Zuerst werden die Gruppen hinsichtlich ihrer Ergebnisse in den vier Aufgaben vergli‐ chen. Zu diesem Zweck wird ein Kruskal-Wallis-Test (Kruskal & Wallis, 1952) angewendet, mit dem ermittelt werden soll, ob die Unterschiede zwischen den vier Gruppen statistisch signifikant sind oder nicht. Um die signifikanten Unterschiede eingehender zu untersuchen, wird dann ein Dunn-Test mit Bon‐ ferroni-Korrektur (Dunn, 1964) als Post-Hoc-Verfahren eingesetzt. Das gleiche Verfahren kommt bei dem Vergleich der Korrektheitsraten für die einzelnen Wortstellungsmuster in der Gruppe der sukzessiv bilingualen Kinder zur An‐ wendung. Die Korrektheit in den Produktionsaufgaben wird der Korrektheit in den Urteilsaufgaben mittels eines Mann-Whitney-U-Tests (Mann & Whitney, 1947) gegenübergestellt. Aufgrund der Unterschiede in der Kontaktdauer und dem kumulativen Input liefern die Gruppenvergleiche keine verlässlichen Informationen über den Einfluss des Erwerbsalters auf die Kompetenz der bilingualen Kinder. Es kann sich z. B. herausstellen, dass die sukzessiv bilingualen Kinder (AbE > 3; 0) in einem Bereich mehr Fehler begehen als die simultan bilingualen Kinder mit AbE ≤ 3; 0. Solch ein Ergebnis dürfte jedoch nicht dem Erwerbsalter allein zugeschrieben werden, weil der ersteren Gruppe deutlich weniger Input im Deutschen zuteilwird. Daher wird in Kapitel 6.6 eine Regressionsanalyse durchgeführt, in der die Beziehungen zwischen den unabhängigen Variablen, also dem Erwerbsalter, dem Alter zum Testzeitpunkt, der Kontaktdauer und dem kumulativen Input, sowie der abhängigen Variable, also den Leistungen der bilingualen Kindern in den untersuchten Bereichen, modelliert werden (vgl. z. B. Backhaus et al., 2016). Zum Schluss werden vertiefte Analysen des Faktors Erwerbsalter durchge‐ führt, in denen die Relation zwischen dem Alter bei Erwerbsbeginn und den Leistungen der bilingualen Kinder eingehend untersucht wird; allerdings nur in Bezug auf diejenigen Phänomene, die in der Regressionsanalyse mit dem Erwerbsalter korrelieren. Zur Ermittlung des kritischen Alters wird dabei ein Mann-Whitney-U-Test eingesetzt. Statistische Signifikanz wird im Folgenden nur dann angegeben, wenn sich ein Unterschied bzw. eine Korrelation als signifikant erweist (p ≤ 0,05). Es wird zwischen drei Signifikanzniveaus unterschieden, die in den Diagrammen und in den Tabellen folgenderweise markiert werden: * für den p-Wert ≤ 0,05, ** für den p-Wert ≤ 0,01 und *** für den p-Wert ≤ 0,001 (vgl. z. B. Leahey, 2005). 6.1 Sentence Repetition Task Im Folgenden werden die Ergebnisse des SRTs dargestellt. Sie beziehen sich auf die Korrektheit der wiederholten Sätze hinsichtlich der untersuchten Wortstel‐ lungsphänomene, aber auch auf die allgemeine grammatische Korrektheit. 6.1.1 Allgemeine grammatische Korrektheit Übereinstimmend mit den meisten Forschern wird hier angenommen, dass Satzwiederholungen die zugrunde liegende Sprachkompetenz von Kindern widerspiegeln: „Sentence repetition is best seen as a reflection of an underlying language ability factor rather than as a measure of a separate construct with a specific role in language processing. Sentence repetition appears to be a valuable tool for language assessment because it draws upon a wide range of language processing skills.“ (Klem et al., 2015: 146) Dies ist umso überzeugender, als eine erfolgreiche Satzwiederholung viele Verarbeitungsprozesse auf allen Repräsentationsebenen erfordert: „SRep involves listening to sentences and repeating them verbatim. To perform a SRep task, participants have to be able to process/ analyse the sentence in terms of all levels of representation (phonological, morpho-syntactic, semantic), extract its meaning and then use the production system to regenerate the meaning of the sentence from activated representations in long term memory (…). Therefore, accuracy in repeating sentences verbatim depends on all processes and levels of representation related to comprehension and production and the ability to store and retrieve language material from memory.“ (Marinis & Armon-Lotem, 2015: 98) Um einen Satz erfolgreich zu wiederholen, müssen ihn Kinder zuerst verar‐ beiten, seine Bedeutung im Arbeitsgedächtnis behalten und dann mithilfe entsprechender Repräsentationen sprachlichen Wissens rekonstruieren. Ist ein syntaktisches bzw. morphologisches Merkmal (noch) nicht ein Teil der mentalen Grammatik des Kindes, kann es offensichtlich nicht bei der Satzwiederholung genutzt werden; aus der Satzwiederholung kann man also schließen, ob eine Struktur erworben worden ist. 132 6. Ergebnisse der Untersuchung Im Folgenden wird zuerst die allgemeine grammatische Korrektheit im SRT dargestellt, die Aufschluss über die allgemeine grammatische Kompetenz der Kinder gibt: Diag. 1: Allgemeine grammatische Korrektheit bei der Satzwiederholung im SRT. Dem Diagramm kann entnommen werden, dass die monolingualen Kinder und die simultan bilingualen Kinder mit AbE = 0 die größte Korrektheit erreichen. Das bedeutet, dass sie am wenigsten morphologische und syntaktische Fehler in den wiederholten Sätzen machen. Die niedrigste Korrektheit wird wiederum von den sukzessiv bilingualen Kindern erzielt. Sie begehen signifikant mehr Fehler als die simultan bilingualen Kinder mit AbE = 0 (p = 0,012) und die monolingualen Kinder (p < 0,001). Die anderen Unterschiede zwischen den Gruppen sind nicht statistisch signifikant. 6.1.2 Wortstellung Die Analyse des SRTs in Hinblick auf die Wortstellung bestand darin, die Verb- und Negationsstellung in den wiederholten Sätzen zu untersuchen. Die Ergebnisse zeigen, dass alle Gruppen fast keine Änderungen in diesen Bereichen vornehmen: 133 6.1 Sentence Repetition Task Diag. 2: Korrektheit der Wortstellung im SRT. Dem Diagramm ist zu entnehmen, dass die Korrektheit aller Wortstellungsphä‐ nomene sehr hoch ist (≥ 92 %). An dieser Stelle gilt es noch einmal darauf hinzuweisen, dass alle Sätze im SRT, im Gegensatz zu den Urteilsaufgaben, korrekt waren. Die Kinder akzeptieren somit die in den zu wiederholenden Sätzen präsentierten Wortstellungsmuster mit Ausnahme einiger Wiederho‐ lungen der Sätze mit Verbendstellung, die jedoch weder innerhalb der Gruppe der sukzessiv bilingualen Kinder noch zwischen den Gruppen statistisch ins Gewicht fallen. Es ist wichtig zu betonen, dass die Unterschiede zwischen den sukzessiv bilingualen Kindern und den monolingualen Kindern nicht signifikant sind. 6.2 The Multilingual Assessment Instrument for Narratives (MAIN) Die Ergebnisse der zweiten Aufgabe zur Sprachproduktion, des MAIN-Tests, ergeben ein ähnliches Bild wie die Ergebnisse des SRTs. Es stellt sich heraus, dass die Korrektheit in allen Gruppen sehr hoch ist, d. h., die Kinder produzieren beim Erzählen fast keine Sätze mit falscher Verb- oder Negationsstellung: 134 6. Ergebnisse der Untersuchung Diag. 3: Korrektheit der Wortstellung im MAIN-Test. Aus dem Diagramm geht hervor, dass die Korrektheit der Negationsstellung durchgehend 100 % beträgt. Auch der Gebrauch der korrekten Verbstellung bereitet den Kindern keine Probleme. Auffallend ist lediglich die 80 %-ige Korrektheit der sukzessiv bilingualen Kinder im Bereich der Inversion. Dieses Ergebnis unterscheidet sich jedoch nicht signifikant von den Ergebnissen der anderen Gruppen. Die Unterschiede in der Produktion der einzelnen Wort‐ stellungsmuster in der Gruppe der sukzessiv bilingualen Kinder sind nicht signifikant. Diagramm 4 stellt zusätzlich die Korrektheit der Inversion in Abhängigkeit von der Vorfeldbesetzung dar. Es handelt sich um das Verhältnis von V2zu V3-Stellungen für die sukzessiv bilingualen Kinder und die simultan bilingualen Kinder mit AbE ≤ 3; 0 zusammen. Es gibt insgesamt 143 Sätze mit dem Adverb dann, 74 Sätze mit einem anderen Adverb, 26 Sätze mit einer Präpositionalphrase und 13 Sätze mit einem Akkusativobjekt an erster Stelle im Hauptsatz: 135 6.2 The Multilingual Assessment Instrument for Narratives (MAIN) Diag. 4: Typen der vorangestellten Elemente in den Sätzen mit Inversion im MAIN-Test. Es erweist sich, dass die meisten V3-Sätze mit dem Adverb dann beginnen. Dabei werden 20 % aller dann-Sätze mit falscher V3-Stellung gebildet, z. B. *dann die Vogelmama fliegt weg. Demgegenüber produzieren die Kinder kaum V3-Sätze mit anderen Adverbien und keine V3-Sätze mit Präpositionalphrasen und Akkusativobjekten. Zu den Nebensätzen, die die Kinder in ihren Erzählungen produzieren, gehören auch weil-Sätze. Da die weil-Sätze mit V2-Stellung nicht als Fehler klassifiziert werden dürfen (vgl. Kapitel 3.2.3), werden sie an dieser Stelle separat analysiert: Diag. 5: Prozentzahl der weil-Sätze mit VE-Stellung im MAIN-Test. 136 6. Ergebnisse der Untersuchung Diagramm 5 gibt Auskunft darüber, in wie vielen weil-Sätzen die Kinder die VE-Stellung verwenden. Es ist deutlich erkennbar, dass die monolingualen Kinder die VE-Stellung bevorzugen (93 %). Demgegenüber benutzen die bilin‐ gualen Kinder mehr weil-Sätze mit V2-Stellung, insbesondere die sukzessiv bilingualen Kinder (52 % der VE-Stellung). Nur der Unterschied zwischen den monolingualen Kindern und den sukzessiv bilingualen Kindern ist statistisch signifikant (p = 0,001). 6.3 Grammaticality Judgment Task Im Folgenden werden die Leistungen der Kinder in der Aufgabe des Gramma‐ tikalitätsurteils dargelegt. Die Daten beziehen sich sowohl auf die Korrektheit der untersuchten Wortstellungsphänomene als auch auf die Reaktionszeit bei der Beurteilung der Sätze auf ihre Grammatikalität. 6.3.1 Korrektheit Die Ergebnisse des GJTs werden zuerst hinsichtlich der korrekten und dann der inkorrekten Sätze dargestellt. Diagramm 6 präsentiert die Urteile der Kinder über die korrekten Sätze: Diag. 6: Korrektheit der Urteile über die korrekten Sätze im GJT. 137 6.3 Grammaticality Judgment Task Es fällt deutlich auf, dass alle Gruppen die korrekten Sätze zu 100 % akzeptieren. In Diagramm 7 ist dagegen die Korrektheit zu sehen, die die Kinder bei der Beurteilung der inkorrekten Sätze erreichen: Diag. 7: Korrektheit der Urteile über die falschen Sätze im GJT. Aus dem Diagramm lässt sich ablesen, dass die Korrektheit der Inversion und der Negationsstellung in allen Gruppen sehr hoch ist (≥ 80 %). Keiner der Unterschiede zwischen den Gruppen ist statistisch signifikant. Auffallend ist die niedrige Korrektheit der Verbalklammer in allen Gruppen. Sie ist am niedrigsten bei den sukzessiv bilingualen Kindern, aber auch die monolingualen Kinder lehnen nur 43 % der falschen Sätze mit Kontaktstellung ab. Der Grund hierfür ist der Satz *Die Ritter sollen kämpfen immer für ihren König, der sowohl von den bilingualen als auch den monolingualen Kindern in den meisten Fällen akzeptiert wird. Dies kommt wahrscheinlich daher, dass die Präpositionalphrase für ihren König einen Standardfall für Ausklammerung darstellt, wodurch der Satz als korrekt empfunden wird. Da aber in dem Satz das Wort immer dazukommt, bleibt er in dieser Form ungrammatisch. Innerhalb der Gruppe der sukzessiv bilingualen Kinder zeigt sich jedoch, dass sie deutlich mehr Fehler in ihren Urteilen über die Verbalklammer machen als in den Urteilen über die Inversion (p = 0,001) und die Negationsstellung (p = 0,002). Dieser Unterschied tritt auch in den drei anderen Gruppen auf (p < 0,05). 138 6. Ergebnisse der Untersuchung 6.3.2 Reaktionszeit In Urteilsaufgaben kann man nicht nur die Korrektheit der Urteile, sondern auch die Reaktionszeit untersuchen. In der experimentellen Psycholinguistik wird davon ausgegangen, dass die Zeit, die für die Ausführung einer Aufgabe, z. B. für die Beurteilung eines Satzes auf seine Grammatikalität bzw. Akzeptabilität hin, benötigt wird, den kognitiven Aufwand widerspiegelt, der dabei entsteht. Der Verarbeitungsaufwand wird somit durch unterschiedliche Reaktionszeiten gemessen, indem längere Reaktionszeiten auf einen größeren Verarbeitungsauf‐ wand hindeuten (vgl. z. B. Eichler, 2015: 319). Somit entsprechen die Reaktionszeiten, die hier analysiert werden, der Verarbeitungsgeschwindigkeit der Sätze im GJT. In Diagramm 8 sind die durch‐ schnittlichen Reaktionszeiten kumuliert für alle sechs Sätze zu sehen. Es handelt sich also nicht um eine phänomenspezifische Verarbeitung, sondern eher um eine allgemeine Verarbeitungsgeschwindigkeit der Sätze bei den untersuchten Kindern. Diag. 8: Reaktionszeit bei der Beurteilung der Sätze im GJT. Es fällt deutlich auf, dass alle bilingualen Gruppen durchschnittlich mehr Zeit für die Grammatikalitätsurteile brauchen als die monolingualen Kinder. Obwohl der Unterschied zwischen den monolingualen Kindern und den bilingualen Kindern groß zu sein scheint, ist er nicht statistisch signifikant. Auch eine zusätzliche Analyse ohne Ausreißer, die hier als Reaktionszeiten über 3000 Mil‐ 139 6.3 Grammaticality Judgment Task lisekunden definiert werden, ergibt keine signifikanten Differenzen zwischen den Gruppen. 6.4 Forced Choice Task Ähnlich wie im GJT werden auch im FCT sowohl die Korrektheit der Entschei‐ dungen der Kinder als auch die Reaktionszeit dargestellt. 6.4.1 Korrektheit Diagramm 9 zeigt zunächst die Korrektheit der drei untersuchten Phänomene: Diag. 9: Korrektheit der Urteile über die Sätze im FCT. Allen Gruppen fällt es demzufolge leicht, den korrekten Satz zu wählen; die Korrektheit übersteigt durchgehend 80 %. Keiner der Unterschiede zwischen den Gruppen ist signifikant. Innerhalb der Gruppe der sukzessiv bilingualen Kinder sind auch keine signifikanten Unterschiede in Bezug auf die einzelnen Phänomene zu verzeichnen. 140 6. Ergebnisse der Untersuchung 6.4.2 Reaktionszeit Die durchschnittlichen Zeiten, die die Kinder für die Wahl der bevorzugten Antwort benötigten, sind in Diagramm 10 dargestellt: Diag. 10: Reaktionszeit bei der Beurteilung der Sätze im FCT. Alle Gruppen brauchen demnach durchschnittlich mehr als drei Sekunden für die Entscheidung, welchen Satz sie präferieren. Die längsten Reaktionszeiten sind bei den sukzessiv bilingualen Kindern zu verzeichnen (4046 ms), die kürzesten wiederum bei den simultan bilingualen Kindern mit AbE ≤ 3; 0 (3026 ms). Der Unterschied zwischen den Gruppen ist statistisch signifikant (p = 0,028). 6.5 Produktionsdaten und Urteilsdaten im Vergleich Zur Bestimmung der Unterschiede zwischen Produktion und Interpretation der Wortstellungsphänomene werden die Produktionsdaten mit den Urteilsdaten verglichen. Die Produktionsdaten entsprechen den Ergebnissen des SRTs und des MAIN-Tests, die Urteilsdaten den Ergebnissen des GJTs und des FCTs. Die Prozentzahlen beziehen sich nur auf diejenigen Phänomene, die allen Aufgaben gemeinsam sind, also auf die Inversion, die Verbalklammer und die Negations‐ stellung, ausgenommen die Verbalklammer im GJT, bei der die Korrektheit in 141 6.5 Produktionsdaten und Urteilsdaten im Vergleich allen Gruppen sehr niedrig ist und daher den Vergleich verfälschen könnte (vgl. Kapitel 6.3.1). Diag. 11: Vergleich der Korrektheit in den Produktions- und Urteilsaufgaben. Diagramm 11 ist zu entnehmen, dass die Korrektheit in den Produktionsauf‐ gaben jeweils höher ist als in den Urteilsaufgaben. Der größte Unterschied ist in der Gruppe der sukzessiv bilingualen Kinder zu sehen. Er beträgt 13 % und erweist sich als signifikant (p = 0,023). Die Unterschiede in den anderen Gruppen sind nicht statistisch signifikant. 6.6 Regressionsanalyse Zur Modellierung von Beziehungen zwischen den Ergebnissen der Kinder beim Lösen der vier Aufgaben und den untersuchten Faktoren wurde eine Regressionsanalyse durchgeführt, in der die Daten der simultan bilingualen Kinder mit AbE ≤ 3; 0 und der sukzessiv bilingualen Kinder mit AbE > 3; 0 zusammen ausgewertet wurden. Die gemeinsame Betrachtung beider Gruppen, also insgesamt 45 Kinder mit AbE zwischen 0; 2 und 11; 0, hatte zum Ziel, den Einfluss des Erwerbsalters zu untersuchen, ohne a priori anzunehmen, dass die Grenze zwischen dem bilingualen Erstspracherwerb und dem kindlichen Zweitspracherwerb etwa im dritten Lebensjahr liegt. Mit anderen Worten: 142 6. Ergebnisse der Untersuchung Es sollte herausgefunden werden, ab welchem Erwerbsalter von kindlichem Zweitspracherwerb gesprochen werden darf. Die wichtigsten Informationen über die Probanden in der neu definierten bilingualen Gruppe werden in Tabelle 32 dargestellt: Probandenzahl Alter Erwerbsalter Kontaktdauer kumulativer Input 45 9; 2 (5; 5 - 13; 11) 4; 1 (0; 2 - 11; 0) 5; 1 (1; 6 - 11; 6) 2,9 (1,0 - 8,5) Tab. 32: Die wichtigsten Informationen über die bilingualen Kinder in der Regressions‐ analyse. Zuerst wurde mit einer Spearman-Korrelation überprüft, ob die untersuchten Faktoren miteinander korrelieren: Alter zum Testzeitpunkt Erwerbsalter Kontaktdauer kumulativer Input Alter zum Testzeitpunkt - - - - Erwerbsalter 0,198 - - - Kontaktdauer 0,429*** -0,739*** - kumulativer Input 0,335** -0,757*** 0,909*** - Tab. 33: Korrelationen zwischen den untersuchten Faktoren. Die Korrelation nach Spearman ergab, dass das Alter zum Testzeitpunkt positiv mit der Kontaktdauer und dem kumulativen Input korreliert: je älter die Kinder, desto länger die Kontaktdauer und desto größer der kumulative Input. Das Er‐ werbsalter korreliert negativ mit der Kontaktdauer und dem kumulativen Input: je höher das Erwerbsalter, desto kürzer die Kontaktdauer und desto kleiner der kumulative Input. Die Korrelationsanalyse zeigte auch, dass die Kontaktdauer sehr stark positiv mit dem kumulativen Input korreliert, d. h. mit steigender Kontaktdauer bekommen die Kinder mehr Input im Deutschen, weshalb der kumulative Input aus der Regressionsanalyse ausgeschlossen wurde. Die Fak‐ toren, die schließlich als Prädiktoren in das Regressionsmodell eingingen, waren das Alter bei Erwerbsbeginn (AbE), das Alter zum Testzeitpunkt (Alter) und die Kontaktdauer (Dauer): 143 6.6 Regressionsanalyse Abb. 5: Zusammenfassung der Prädiktoren für die Regressionsmodelle zur Korrektheit und Reaktionszeit. Da die Prädiktoren kollinear, d. h. linear abhängig, sind (VIF > 10), wurde eine Ridge-Regression durchgeführt, die die Multikollinearität der erklärenden Variablen verringert (vgl. Hoerl & Kennard, 1970; Hastie et al., 2001). An dieser Stelle sollte darauf hingewiesen werden, dass das Problem der linearen Abhängigkeit von Alter bei Erwerbsbeginn, Alter zum Testzeitpunkt und Kon‐ taktdauer in der Zweitspracherwerbsforschung kontrovers diskutiert wird (vgl. z. B. Stevens, 2006; DeKeyser et al., 2010). Als eine mögliche Lösung wird zuweilen die Außerachtlassung einer der Variablen angegeben, die jedoch, so Stevens (2006: 689), auch irreführende Schlussfolgerungen hervorrufen kann. Beispielsweise kann der Ausschluss des Alters zum Testzeitpunkt aus dem Modell darin resultieren, dass die Signifikanz der übrigen Korrelationen höher wird und dass dabei mögliche Alterungseffekte übersehen werden. Aus diesem Grund müssen alle drei Variablen stets gemeinsam analysiert werden, auch wenn sie statistisch schwer zu handhaben sind. Als abhängige Variablen wurden die Korrektheit, die die bilingualen Kinder in den vier Aufgaben erzielt haben, und die Reaktionszeit in den Urteilsaufgaben, d. h. im GJT und FCT, verwendet. Im Folgenden werden nur die gut an die Daten angepassten Modelle besprochen. Die Regressionsparameter, die in einer ANOVA nicht statistisch signifikant waren, werden nicht berücksichtigt (vgl. Anhang B): Aufgabe Phänomen Prä‐ diktor B SE t p F R 2korr λ GJT Inversion Alter 62,84 18,55 3,39 <0,001 5,28** 0,23 0,19 AbE 2,74 16,72 0,16 0,870 Dauer 58,78 17,88 3,29 0,001 GJT Negationsstel‐ lung Alter 63,98 20,49 3,12 0,002 3,98* 0,18 0,24 AbE 9,42 17,78 0,53 0,596 Dauer 51,68 19,74 2,62 0,009 144 6. Ergebnisse der Untersuchung FCT Inversion Alter 23,52 9,94 2,37 0,018 4,91** 0,21 0,83 AbE -9,52 9,22 1,03 0,302 Dauer 32,24 9,67 3,33 0,001 FCT Verbalklammer Alter 23,51 9,21 2,55 0,011 4,35** 0,19 1,42 AbE -5,81 8,68 0,67 0,503 Dauer 28,48 9,01 3,16 0,002 FCT Reaktions‐ zeit Alter 2027,1 842,8 2,41 0,016 2,84* 0,11 0,49 AbE 1610,0 771,8 2,09 0,037 Dauer 167,6 816,8 0,21 0,837 MAIN-Test weil-Sätze Alter 70,11 21,96 3,19 <0,001 5,67** 0,25 0,16 AbE -12,99 18,67 0,7 0,487 Dauer 80,64 20,72 3,89 <0,001 SRT allgemeine Korrekt‐ heit Alter 116,69 27,32 4,27 <0,001 16,80*** 0,52 0,07 AbE -89,09 26,45 3,37 0,001 Dauer 35,41 26,29 1,35 0,178 Tab. 34: Ergebnisse der Regressionsanalyse für die Modelle mit signifikanten Parametern. Was den Einfluss des Alters bei Erwerbsbeginn betrifft, so ergab die Ridge-Re‐ gression nur zwei signifikante Effekte, und zwar eine positive Korrelation mit der Reaktionszeit im FCT (p = 0,037) und eine negative mit der allgemeinen grammatischen Korrektheit im SRT (p = 0,001): Mit steigendem Alter bei Erwerbsbeginn benötigen die bilingualen Kinder mehr Zeit für eine Reaktion im FCT und erreichen geringere Korrektheit im SRT. Sie korrelieren auch positiv mit dem Alter zum Testzeitpunkt: je älter die Kinder, desto länger die Reaktionszeit im FCT (p = 0,016) und desto größer die Korrektheit im SRT (p < 0,001). Die Kontaktdauer ist dagegen kein signifikanter Prädiktor für die Reaktionszeit im FCT und die Korrektheit im SRT. Die Ridge-Regression zeigte ferner positive Korrelationen zwischen der Kon‐ taktdauer und der Korrektheit einiger Wortstellungsphänomene: Mit steigender Kontaktdauer wird die Korrektheit im Bereich der Inversion im GJT (p = 0,001) und im FCT (p = 0,001) sowie der Negation im GJT (p = 0,009) und der Klammer im FCT (p = 0,002) höher. Die Kontaktdauer erweist sich auch als signifikanter Prädiktor für die Produktion der weil-Sätze mit VE-Stellung (p < 0,001): Je länger 145 6.6 Regressionsanalyse der Kontakt mit dem Deutschen besteht, desto mehr weil-Sätze mit VE-Stellung werden produziert. Das Alter zum Testzeitpunkt erweist sich als signifikanter Prädiktor mit einer großen Vorhersagekraft in allen Modellen: Je älter die Kinder, desto höhere Korrektheit erreichen sie im Bereich der Inversion im GJT (p < 0,001) und im FCT (p = 0,018), der Negation im GJT (p = 0,002) und der Klammer im FCT (p = 0,011). Mit steigendem Alter zum Testzeitpunkt wird auch die allgemeine Korrektheit höher (p < 0,001) und die Reaktionszeit wird länger (p = 0,016). 6.7 Vertiefte Analysen des Erwerbsalters Die Regressionsanalyse gab nur Aufschluss darüber, welche der untersuchten Variablen die sprachlichen Leistungen der Kinder vorhersagen können. Sie zeigte beispielsweise, dass mit steigendem Erwerbsalter die allgemeine gramma‐ tische Korrektheit im SRT an Qualität einbüßt, lieferte aber keine detaillierteren Informationen darüber, in welchem Kontaktmonat dies geschieht. Infolgedessen reicht die Regressionsanalyse allein nicht, um das Ende einer sensiblen Phase präzise zu bestimmen und muss daher um vertiefte Analysen des Faktors Erwerbsalter in derselben Gruppe, d. h. bei bilingualen Kindern mit AbE zwischen 0; 2 und 11; 0 Jahren, ergänzt werden. Die vertieften Analysen betrafen nur die allgemeine grammatische Kor‐ rektheit und die Reaktionszeit, die in der Regressionsanalyse durch das Erwerbsalter beeinflusst wurden. Sie zielten somit darauf ab, das kritische Alter zu ermitteln, ab dem sich die Ergebnisse der bilingualen Kinder in diesen Bereichen verschlechtern. Um dies zu erreichen, wurden die bilin‐ gualen Kinder in mehrere Gruppen nach Erwerbsalter eingeteilt. Diagramm 12 demonstriert die allgemeine grammatische Korrektheit im SRT in Relation zum Erwerbsalter: 146 6. Ergebnisse der Untersuchung Diag. 12: Relation zwischen dem Alter bei Erwerbsbeginn und der allgemeinen gramma‐ tischen Kompetenz. Es fällt deutlich auf, dass die allgemeine grammatische Korrektheit im SRT zwischen dem dritten und dem vierten Lebensjahr abfällt. Diesem Sinken geht eine stabile Phase zwischen dem ersten und dem dritten Erwerbsjahr voran, in der die Korrektheit durchgehend 73 % beträgt. Nach dem vierten Erwerbsjahr verringert sich die Korrektheit nicht mehr und hält sich stabil bei etwa 55 %. Der durchschnittliche Unterschied zwischen den Kindern mit AbE ≤ 3; 0 und den Kindern mit AbE > 3; 0 beläuft sich somit auf 18 % und ist statistisch signifikant (p = 0,036). An dieser Stelle muss angemerkt werden, dass dieser Unterschied beim Vergleich aller vier Gruppen untereinander nicht signifikant ist (vgl. Kapitel 6.1.1). Das kommt daher, dass dabei die Bonferroni-Korrektur angewendet wird, die zur Neutralisierung der Alphafehler-Kumulierung bei multiplen Vergleichen dient (vgl. Abdi, 2007). Wenn aber nur zwei Gruppen einander gegenübergestellt werden, wird der Unterschied signifikant. Der Vergleich der Kinder mit AbE ≤ 3; 0 mit den Kindern mit AbE > 3; 0 ist methodo‐ logisch korrekt, weil das Erwerbsalter in der Regressionsanalyse innerhalb der Gruppe der bilingualen Kinder mit der allgemeinen grammatischen Korrektheit korreliert. Eine zusätzliche Darstellung des Unterschieds zwischen den beiden Gruppen bietet Diagramm 13: 147 6.7 Vertiefte Analysen des Erwerbsalters Diag. 13: Allgemeine grammatische Korrektheit bei den Kindern mit AbE ≤ 3; 0 und AbE > 3; 0. Die Relation zwischen dem Erwerbsalter der bilingualen Kinder und der Reak‐ tionszeit im FCT stellt Diagramm 14 dar: Diag. 14: Relation zwischen dem Alter bei Erwerbsbeginn und der Reaktionszeit im FCT. 148 6. Ergebnisse der Untersuchung Es stellt sich heraus, dass die Reaktionszeit von Anfang an mit steigendem Erwerbsalter kontinuierlich länger wird, allerdings nur bis zum vierten Lebens‐ jahr. Bei den bilingualen Kindern mit AbE zwischen 4; 0 und 7; 0 kommt es zu einer vorübergehenden Verkürzung der Reaktionszeit, die sich dann bei einem AbE nach dem siebten Lebensjahr erneut verlängern. Ein Vergleich der bilingualen Kinder mit AbE ≤ 3; 0 und der bilingualen Kindern mit AbE > 3; 0 zeigt, dass der durchschnittliche Unterschied zwischen den beiden Gruppen 1020 Millisekunden beträgt und statistisch signifikant ist (p = 0,011). Dieser Unterschied wird zusätzlich in Diagramm 15 veranschaulicht: Diag. 15: Reaktionszeit bei den Kindern mit AbE ≤ 3; 0 und AbE > 3; 0. Die Ergebnisse der vertieften Analysen des Erwerbsalters zeigen, dass sich die bilingualen Kinder mit AbE ≤ 3; 0 in Hinblick auf die allgemeine grammatische Korrektheit und die Reaktionszeit von den bilingualen Kindern mit AbE > 3; 0 signifikant unterscheiden. Dass die relevante Altersgrenze um das dritte Lebensjahr liegt, bestätigen insbesondere die Ergebnisse der allgemeinen gram‐ matischen Korrektheit. 149 6.7 Vertiefte Analysen des Erwerbsalters 120 Im Folgenden bezieht sich der Begriff bilinguale Kinder durchgehend auf die Kinder mit AbE zwischen 0; 2 und 11; 0, also auf die simultan bilingualen Kinder mit AbE ≤ 3; 0 und die sukzessiv bilingualen Kinder mit AbE > 3; 0, die in der Regressionsanalyse zusammen betrachtet wurden. Mit sukzessiv bilingualen Kindern sind dagegen nur die sukzessiv bilingualen Kinder mit AbE > 3; 0 gemeint, die so beim Gruppenvergleich definiert wurden. 7. Diskussion der Untersuchungsergebnisse Die durchgeführte Studie liefert Antworten auf die gestellten Forschungsfragen. Ihre Beantwortung dient als Ausgangspunkt für die weitere Diskussion der Untersuchungsergebnisse innerhalb des theoretischen Bezugsrahmens. 120 Sie werden insbesondere in Bezug auf den Einfluss des Alters bei Erwerbsbeginn auf den fortgeschrittenen Zweitspracherwerb diskutiert und interpretiert. Auf‐ grund der Befunde dieser Studie wird darüber hinaus versucht, die Rolle der Kontaktdauer, des Alters zum Testzeitpunkt und des kumulativen Inputs zu be‐ stimmen. Es wird auch der Frage nachgegangen, inwieweit der Spracheneinfluss mit den Leistungen der bilingualen Kinder in Zusammenhang gebracht werden kann. Zum Schluss werden die Untersuchungsergebnisse vor dem Hintergrund der generativen Zweitspracherwerbstheorien besprochen. 7.1 Beantwortung der Forschungsfragen Zunächst werden die sechs zentralen Forschungsfragen beantwortet, die sich auf den fortgeschrittenen Zweitspracherwerb der deutschen Wortstellung bei Kindern mit polnischer Erstsprache beziehen: (F1) Wie entwickeln sich die einzelnen Wortstellungsphänomene im fortgeschrit‐ tenen Stadium des Zweitspracherwerbs? Die Ergebnisse aller vier Aufgaben ergeben ein konsistentes Bild: Keines der untersuchten Wortstellungsphänomene bereitet den sukzessiv bilingualen Kindern im fortgeschrittenen Erwerbsstadium größere Schwierigkeiten. Darauf weist die hohe Korrektheit aller Phänomene hin, die durchgehend über 80 % beträgt. Die Zahl einiger weniger Fehler unterscheidet sich je nach Aufgabe. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Wortstellungsphänomenen in der Gruppe der sukzessiv bilingualen Kinder erweisen sich jedoch nicht als si‐ gnifikant, allerdings mit Ausnahme der Verbalklammer im GJT, bei der signi‐ fikant mehr inkorrekte Urteile getroffen werden als bei der Inversion und der Negationsstellung. Dieser Unterschied kommt aber auch in allen anderen Gruppen zum Vorschein, worauf bei der Beantwortung der dritten Forschungs‐ frage detaillierter eingegangen wird. Was die (fehlende) Inversion betrifft, so zeigen die Produktionsdaten des MAIN-Tests, dass das erste Element in den normabweichenden V3-Sätzen fast immer das Adverb dann ist. Das kommt wahrscheinlich daher, dass es in narrativen Sequenzen im Vergleich zu anderen Adverbien und Präpositionalphrasen viel häufiger vorkommt. Allerdings ist anzumerken, dass die Zahl der V3-Sätze bei den sukzessiv bilingualen Kindern nicht signifikant höher ist als in den anderen Gruppen. Bei der Produktion der restlichen Wortstellungsmuster begehen die sukzessiv bilingualen Kinder noch weniger oder gar keine Fehler, wovon vor allem die 100 %-ige Korrektheit der Negationsstellung zeugt. Einige wenige abweichende Strukturen in den Erzählungen der Kinder sind somit als Performanzfehler zu betrachten. Die Ergebnisse des SRTs demonstrieren, dass die bilingualen Kinder fast keine Fehler bei der Wiederholung der Sätze begehen, woraus geschlussfolgert werden kann, dass die Inversion, Verbalklammer, Verbendstellung und die Negationsstellung bereits ein Teil ihrer mentalen Grammatik sind. Auch die Urteilsdaten zeigen, dass der fortgeschrittene Zweitspracherwerb der Wortstel‐ lung unauffällig verläuft. Eine Ausnahme macht die Beurteilung der inkorrekten Sätze mit Verbalklammer im GJT aus, die bei der Beantwortung der dritten Forschungsfrage diskutiert wird. (F2) Gibt es Unterschiede zwischen den sukzessiv bilingualen Kindern und den monolingualen und simultan bilingualen Kindern im fortgeschrittenen Stadium des Wortstellungserwerbs? Die Ergebnisse zeigen keine Unterschiede zwischen dem Spracherwerb durch sukzessiv bilinguale Kinder und dem (bilingualen) Erstspracherwerb hinsicht‐ lich der Wortstellung im fortgeschrittenen Entwicklungsstadium. Eine interes‐ sante Erscheinung stellt aber die Produktion der weil-Sätze dar. Es erweist sich, dass die sukzessiv bilingualen Kinder viele weil-Sätze mit V2-Stellung produ‐ zieren, im Gegensatz zu den monolingualen Kindern, welche die VE-Stellung bevorzugen. Der Grund, warum die monolingualen Kinder fast keine weil-Sätze mit V2-Stellung bilden, obwohl sie im heutigen Deutsch so häufig vorkommen (vgl. Kapitel 3.2.3), kann die Testsituation sein, in der die Kinder übermäßig auf sprachliche Korrektheit achten. Sie meiden die V2-Stellung im Nebensatz, weil sie wissen, dass sie dem mündlichen Sprachgebrauch angehört. Als Erklärung dafür, warum sich die bilingualen Kinder anders verhalten, kann der Einfluss 152 7. Diskussion der Untersuchungsergebnisse der polnischen Sprache dienen, der in Kapitel 7.4 separat zur Diskussion gestellt wird. (F3) Gibt es Unterschiede zwischen den Urteils- und Produktionsdaten in den einzelnen Gruppen? Der Vergleich zwischen den Urteils- und Produktionsdaten zeigt, dass nur die sukzessiv bilingualen Kinder mit AbE > 3; 0 mehr Fehler in den Urteilsaufgaben begehen als in den Produktionsaufgaben (96 % vs. 83 %). Man darf jedoch nicht vergessen, dass ihre Zahl immerhin sehr klein ist und sich von der Fehlerzahl in den anderen Gruppen nicht signifikant unterscheidet. Nichtsdes‐ totrotz bedarf die Diskrepanz zwischen Interpretation und Produktion bei den sukzessiv bilingualen Kindern einer Erklärung, die auf vier wesentliche Gründe heruntergebrochen werden kann: Erstens könnte sie mit der Entwicklung der syntaktischen Bewusstheit verbunden sein, die Gombert (1992: 39) als „the ability to reason consciously about the syntactic aspects of language, and to exercise intentional control over the application of grammatical rules“ definiert. Ein Teil der syntaktischen Bewusstheit ist die Fähigkeit, ungrammatische Sätze abzulehnen und zu korrigieren. Sie verbessert sich im Laufe der Zeit und ist deshalb bei älteren Kindern besser entwickelt (vgl. z. B. Tsang & Stokes, 2001; Cairns et al., 2006). Zweitens könnten die Schwierigkeiten mit der Interpretation der Sätze dadurch erklärt werden, dass kleine Kinder sich im Allgemeinen mit verschiedenerlei Urteilsaufgaben schwertun (vgl. z. B. Hakes, 1980). Demzufolge wären die fehlerhaften Urteile über die Sätze kein sprachliches, sondern eher ein allgemein-kognitives Phänomen, das an die geistige Entwicklung der Kinder gekoppelt ist. Drittens könnten die nicht norm‐ gerechten Antworten der bilingualen Kinder auf den Mangel entsprechender Verarbeitungsstrategien zurückgeführt werden, die noch zu erwerben sind (vgl. Hendriks & Koster, 2010). Viertens kann die Diskrepanz zwischen Produktion und Interpretation mit dem Spracheneinfluss in Verbindung gebracht werden. Diese Möglichkeit wird bei der Diskussion der Rolle des Spracheneinflusses in Kapitel 7.4 analysiert. Im Zusammenhang mit den Urteilsdaten ist unbedingt auf die außergewöhnlich niedrige Korrektheit der Grammatikalitätsurteile über die Verbalklammer hinzuweisen, die bei allen Kindern zu sehen ist. Der Grund hierfür ist eine Ausklammerung, die berechtigterweise als korrekt empfunden wird (vgl. Kapitel 3.2.2). Die niedrige Korrektheit kann in diesem Fall nicht als Indiz für Schwierigkeiten beim Erwerb der Verbalklammer angesehen werden. Die Kinder treffen keine falschen Grammatikalitätsurteile, wenn sie mit den korrekten Sätzen konfrontiert werden. Dies ist nicht erstaunlich, da sich die Kinder bereit im fortgeschrittenen Entwicklungsstadium befinden. Würden sie 153 7.1 Beantwortung der Forschungsfragen die korrekten Sätze ablehnen, so würde das auf beträchtliche Erwerbsprobleme hindeuten. Auch aus den falschen Urteilen darf nicht auf die Schwierigkeiten beim Erwerb der Wortstellungsregularitäten geschlossen werden, weil sie, wie die Produktionsdaten zeigen, korrekt umgesetzt werden. Die etablierte Ansicht, dass Grammatikalitätsurteile einen Einblick in die mentale Repräsentation grammatischen Wissens und damit in die grammatische Kompetenz ermögli‐ chen würden (vgl. z. B. Sorace, 1996; Ionin & Zyzik, 2014), trifft somit nicht uneingeschränkt zu. (F4) Welchen Einfluss hat das Alter bei Erwerbsbeginn auf den fortgeschrittenen Zweitspracherwerb der Wortstellung? Der Gruppenvergleich zeigt, dass die bilingualen Kinder, die im Alter zwischen 0; 2 und 11; 0 Jahren in Kontakt mit dem Deutschen kamen, sich nicht von den simultan bilingualen Kindern mit AbE = 0 unterscheiden. Das bedeutet, dass das Alter bei Erwerbsbeginn keinen Einfluss auf den fortgeschrittenen Zweitspracherwerb der grundlegenden Wortstellungsmuster hat. Dies wird auch durch die Ergebnisse der Regressionsanalyse bestätigt, in der keine Kor‐ relationen zwischen dem Erwerbsalter und den Leistungen der bilingualen Kinder im Bereich der Wortstellung gefunden wurden. Dieser Befund steht im Einklang mit den Studien zu anderen Sprachpaaren, die in Kapitel 2.3 dargelegt wurden. Daraus darf aber nicht geschlussfolgert werden, dass das Alter bei Erwerbsbeginn keine Auswirkungen auf den Erwerb der Wortstellung im Deutschen als Zweitsprache hat. Ganz im Gegenteil: Eine Reihe von Studien weisen nach, dass das Alter bei erstmaligem Kontakt mit dem Deutschen den Erwerbsverlauf in den ersten Monaten der grammatischen Entwicklung erheblich beeinflusst (vgl. z. B. Kroffke & Rothweiler, 2006; Chilla, 2008; Sopata, 2009, 2010b). Die vorliegende Studie liefert Evidenz dafür, dass nach über 18 Kontaktmonaten mit dem Deutschen keine Alterseffekte im Bereich der Syntax mehr zu erkennen sind. (F5) Welchen Einfluss haben das Alter zum Testzeitpunkt, die Kontaktdauer und der kumulative Input auf den fortgeschrittenen Zweitspracherwerb der Wortstellung? Der kumulative Input wurde aufgrund seiner starken Korrelation mit der Kontaktdauer aus der Analyse ausgeschlossen. Folglich gingen neben dem Erwerbsalter das Alter zum Testzeitpunkt und die Kontaktdauer als Prädiktoren in die Regressionsanalyse ein. Die Häufigkeit einiger weniger Fehler im Bereich der Wortstellung, die von den bilingualen Kindern gemacht werden, lässt sich mit dem Faktor Kontaktdauer vorhersagen. Allerdings gilt das nur für die Fehler 154 7. Diskussion der Untersuchungsergebnisse in den Urteilsdaten: Je länger der Kontakt mit dem Deutschen, desto weniger Fehler im Bereich der Inversion, der Verbalklammer und der Negationsstellung begehen die Kinder. Mit anderen Worten: Mit steigender Kontaktdauer fällt es den Kindern leichter, die inkorrekten Sätze im GJT abzulehnen und die korrekten Sätze im FCT zu wählen. Es stellt sich heraus, dass auch das Alter zum Testzeitpunkt einen Einfluss auf die Leistungen der bilingualen Kinder im Bereich der Wortstellung hat, der jedoch, genauso wie der Einfluss der Kontaktdauer, auf die Urteilsdaten beschränkt ist. Eine Erklärung hierfür wäre, dass die älteren Kinder im Allge‐ meinen weniger Schwierigkeiten mit verschiedenen Urteilsaufgaben haben. Wenngleich der kumulative Input aus der Regressionsanalyse ausgeschlossen wurde, kann man dem Gruppenvergleich entnehmen, dass er eher eine unter‐ geordnete Rolle spielt. Die syntaktische Kompetenz der sukzessiv bilingualen Kinder ist mit der der simultan bilingualen und der monolingualen Kinder vergleichbar, obwohl diese deutlich weniger Input bekommen (halb so viel wie die simultan bilingualen Kinder mit AbE = 0). Diese im Vergleich zu den anderen Gruppen reduzierte Inputmenge hindert die sukzessiv bilingualen Kinder nicht daran, die deutsche Satzstruktur innerhalb kurzer Zeit erfolgreich zu erwerben. (F6) Welcher der vier Faktoren, d. h. das Alter bei Erwerbsbeginn, das Alter zum Testzeitpunkt, die Kontaktdauer oder der kumulative Input, hat den größten Einfluss auf den fortgeschrittenen Zweitspracherwerb der Wortstellung? Die Ergebnisse zeigen, dass nur die Kontaktdauer und das Alter zum Testzeit‐ punkt den fortgeschrittenen Zweitspracherwerb der Wortstellung beeinflussen. Der Einfluss macht sich aber nur in den Urteilsdaten bemerkbar. Es ist schwierig zu bestimmen, welcher der Faktoren sich stärker auf die syntaktische Kompe‐ tenz der bilingualen Kinder auswirkt. Die Kontaktdauer hat einen größeren Einfluss auf die Inversion und die Verbalklammer im FCT, das Alter zum Testzeitpunkt wiederum auf die Inversion und die Negationsstellung im GJT. Betrachtet man die Befunde der anderen Studien zum fortgeschrittenen Zweit‐ spracherwerb bei Kindern (vgl. Kapitel 2.3), so könnte man unterstellen, dass die Kontaktdauer der Faktor ist, der die größte Vorhersagekraft besitzt. Zu betonen ist jedoch, dass die Kontaktdauer keinen Effekt auf die Produktion der Wortstellungsphänomene hat, was darauf zurückzuführen ist, dass die Zahl der Produktionsfehler in der bilingualen Gruppe insgesamt sehr niedrig ist. Im Folgenden sollen zudem die zwei zusätzlichen Forschungsfragen beant‐ wortet werden, die sich auch auf den fortgeschrittenen Zweitspracherwerb des Deutschen bei polnischen Kindern beziehen. 155 7.1 Beantwortung der Forschungsfragen (F7) Gibt es Unterschiede zwischen dem fortgeschrittenen Zweitspracherwerb und dem fortgeschrittenen (bilingualen) Erstspracherwerb in Hinblick auf die allgemeine grammatische Kompetenz und die Reaktionszeit? Aus der allgemeinen Korrektheit, die die Kinder bei der Satzwiederholung erreichen, wird auf ihre grammatische Kompetenz geschlossen. Die sukzessiv bilingualen Kinder begehen signifikant mehr grammatische Fehler als die simultan bilingualen Kinder mit AbE = 0 und die monolingualen Kinder. Was die Reaktionszeit betrifft, so zeigen die Ergebnisse ein inkonsistentes Bild: Die Unterschiede in der Schnelligkeit der Urteile sind im FCT, nicht aber im GJT zu erkennen. Die sukzessiv bilingualen Kinder benötigen signifikant mehr Zeit für die Wahl des korrekten Satzes als die simultan bilingualen Kinder mit AbE ≤ 3; 0. Die monolingualen Kinder haben in dieser Hinsicht keinen Vorsprung vor den bilingualen Kindern. (F8) Welcher der vier Faktoren, d. h. das Alter bei Erwerbsbeginn, das Alter zum Testzeitpunkt, die Kontaktdauer oder der kumulative Input, hat den größten Einfluss auf die allgemeine grammatische Kompetenz und die Reaktionszeit? Die Korrelationsanalysen zeigen, dass die allgemeine grammatische Korrektheit durch das Alter bei Erwerbsbeginn beeinflusst wird. Mit zunehmendem Alter bei erstmaligem Kontakt mit dem Deutschen verschlechtert sich die allgemeine grammatische Kompetenz der bilingualen Kinder. Sie korreliert auch mit dem Alter zum Testzeitpunkt: je älter die Kinder, desto besser die grammatische Kompetenz. Interessanterweise konnte in der Regressionsanalyse kein Einfluss der Kontaktdauer festgestellt werden. Das Alter bei Erwerbsbeginn wirkt sich auch auf die Reaktionszeit im FCT aus: Je später der Kontakt mit dem Deutschen erfolgt, desto mehr Zeit brauchen die bilingualen Kinder für die Wahl des korrekten Satzes. Die Reaktionsgeschwindigkeit korreliert auch mit dem Alter zum Testzeitpunkt: Mit steigendem Alter nimmt der Entscheidungsprozess mehr Zeit in Anspruch. Auch in diesem Fall spielt die Kontaktdauer keine bedeutsame Rolle. In Bezug auf den Einfluss des Alters bei Erwerbsbeginn auf die allgemeine grammatische Kompetenz und die Reaktionsgeschwindigkeit stellt sich die Frage, wann die ersten Veränderungen in diesen zwei Bereichen zu erkennen sind. Die vertieften Analysen zeigen, dass die Periode zwischen dem dritten und dem vierten Lebensjahr von besonderer Bedeutung für die Entwicklung der allgemeinen grammatischen Kompetenz ist: Die Kinder, die im Alter von mehr als drei Jahren mit dem Deutscherwerb beginnen, erreichen eine signifikant niedrigere grammatische Korrektheit. Bezüglich der Reaktionszeit 156 7. Diskussion der Untersuchungsergebnisse lässt sich hingegen keine klare Grenze feststellen. Der Gruppenvergleich zeigt jedoch, dass die bilingualen Kinder mit AbE > 3; 0 signifikant mehr Zeit für die Wahl des korrekten Satzes brauchen als die bilingualen Kinder mit AbE ≤ 3; 0. Beide Alterseffekte wurden in der statistischen Analyse bei der Kontrolle der Kontaktdauer und des Alters zum Testzeitpunkt herausgefunden. Dies ist insofern wichtig, als der Einfluss des Alters bei Erwerbsbeginn in vielen Studien (vgl. z. B. Unsworth, 2016) erst nach Ausschluss einer Variable ermittelt werden kann, was methodologisch zweifelhaft erscheint (vgl. Stevens, 2006). 7.2 Zur Rolle des Alters bei Erwerbsbeginn für den langfristigen Erfolg in der Zweitsprache Der Einfluss des Alters bei Erwerbsbeginn auf den Verlauf und den Endzu‐ stand des Zweitspracherwerbs ist ohne Zweifel eine der umstrittensten Fragen der modernen Zweitspracherwerbsforschung. Die Untersuchung der sensiblen Phasen für die Entwicklung verschiedener grammatischer Phänomene hat zum Teil widersprüchliche Erkenntnisse hervorgebracht. Vieles spricht in Hinblick auf den Erwerb morphologischen und syntaktischen Wissens dafür, dass die ersten qualitativen Veränderungen in der menschlichen Spracherwerbsfähigkeit schon im Alter zwischen drei und vier Jahren erfolgen (vgl. Kapitel 4.3.1). Auch die zahlreichen Versuche, das Ende einer kritischen Periode für die Entwicklung einer muttersprachlichen grammatischen Kompetenz zu bestimmen, haben zu gegensätzlichen Ergebnissen geführt (vgl. Kapitel 4.1). Die vorliegende Arbeit konzentriert sich dagegen auf den fortgeschrittenen Zweitspracherwerb, der zwischen dem frühen Verlauf und dem Endzustand zu positionieren ist. Das Bild von der Rolle des Alters bei Erwerbsbeginn, das sich hier ab‐ zeichnet, zeigt, dass die bilingualen Kinder, unabhängig vom Alter bei erst‐ maligem Kontakt mit dem Deutschen, nach über 18 Kontaktmonaten keine Schwierigkeiten mit den grundlegenden Wortstellungsmustern haben. Die altersbedingten Phänomene, die vielen Studien zufolge die ersten Monate der syntaktischen Entwicklung im Deutschen als Zweitsprache prägen (vgl. z. B. Kroffke & Rothweiler, 2006; Chilla, 2008; Sopata, 2009, 2010b), sind im fortgeschrittenen Erwerbsstadium nicht mehr erkennbar. Daraus lässt sich auch folgern, dass der fortgeschrittene Zweitspracherwerb der Wortstellung bei Kindern, die bis zum elften Lebensjahr in Kontakt mit dem Deutschen kommen, keine Gemeinsamkeiten mit dem fortgeschrittenen Zweitspracher‐ werb Erwachsener aufweist. Erwachsene Lerner produzieren nämlich viele abweichende V3-Strukturen und Nebensätze mit V2-Stellung, deren Zahl im 157 7.2 Zur Rolle des Erwerbsalters für den langfristigen Erfolg in der Zweitsprache Laufe der Zeit nur geringfügig schrumpft (vgl. Kapitel 4.2.2). Die untersuchten Kinder machen dagegen nur wenige Fehler, die vor allem in den Urteilsaufgaben auftreten und mit steigender Kontaktdauer mit dem Deutschen verschwinden. Es ist aber durchaus wahrscheinlich, dass die sukzessiv bilingualen Kinder nicht unbedingt über eine muttersprachliche Kompetenz im Bereich der Wortstellung verfügen, weil die richtige Verwendung von Strukturen nicht notwendigerweise qualitativ gleichwertige Wissenssysteme widerspeigelt. Darauf können auch die unterschiedlichen Reaktionszeiten hindeuten. Anders verhält es sich mit der allgemeinen grammatischen Kompetenz der bilingualen Kinder, die als Korrektheit bei der Satzwiederholung gemessen wird. Es stellt sich heraus, dass sie im Gegensatz zur Wortstellung durch das Alter bei Erwerbsbeginn beeinflusst wird. Die Kinder, die bis zum dritten Lebensjahr mit dem Deutscherwerb beginnen, erreichen die gleiche grammatische Korrektheit. Erst bei einem Erwerbsalter zwischen dem dritten und dem vierten Lebensjahr kommt es zu einer Verschlechterung der grammatischen Kompetenz, die jedoch nicht drastisch ist. Die Kinder, die im Alter von 3; 1 Jahren und später in Kontakt mit dem Deutschen treten, haben eine im Durchschnitt um 18 % geringere Korrektheit vorzuweisen, die aber mit zunehmendem Erwerbsalter nicht weiter sinkt. Dieser Alterseffekt auf die allgemeine grammatische Kompetenz hängt nicht von der Kontaktdauer ab und kann folglich sogar nach längerem Kontakt mit dem Deutschen identifiziert werden. Die ermittelte Relation zwischen dem Alter bei Erwerbsbeginn und der gram‐ matischen Kompetenz im fortgeschrittenen Stadium des Zweitspracherwerbs entspricht somit dem Schema Great until age X, thereafter it gets worse, until a certain critical age (vgl. Kapitel 4.1), das folgenderweise visualisiert werden kann: Abb. 6: Schematische Darstellung der ermittelten Relation zwischen dem Alter bei Erwerbsbeginn und der allgemeinen grammatischen Kompetenz. 158 7. Diskussion der Untersuchungsergebnisse Es ist hervorzuheben, dass die grammatische Kompetenz der untersuchten Kinder kein holistisches Ganzes darstellt, sondern sich aus verschiedenen syn‐ taktischen und morphologischen Phänomenen zusammensetzt, die jedoch in der durchgeführten Studie nicht einzeln analysiert und einander gegenübergestellt wurden. Daher lässt sich leider nicht ermitteln, in welchem grammatischen Bereich die meisten Fehler auftauchen oder, anders gesagt, welches Phänomen die grammatische Korrektheit bei der Satzwiederholung determiniert. Bei erster Betrachtung scheinen bei den bilingualen Kindern Fehler in der Anwendung der Kasus- und Genusflexion an Artikeln und attributiven Adjektiven zu über‐ wiegen. Auffällig ist auch das Auslassen obligatorischer Elemente, z. B. Artikel oder Objektpronomen. Dies bedürfte jedoch noch einer genaueren Überprüfung. Das Alter bei Erwerbsbeginn beeinflusst auch die Reaktionszeit. Je später die Kinder mit der deutschen Sprache konfrontiert werden, desto mehr Zeit benötigen sie für die Wahl des korrekten Satzes. Dabei stellt sich die Frage, was sich hinter dieser Wahl des korrekten Satzes verbirgt. Es ist anzunehmen, dass die Entscheidung, welcher der präsentierten Sätze grammatikalisch korrekt ist, außer der Verarbeitung des Satzes auch den Zugang zum syntaktischen und morphologischen Wissenssystem erfordert, das (bewusst) konsultiert werden muss. Die längere Reaktionszeit bei den Kindern mit höherem Erwerbsalter kann auf der einen Seite daraus resultieren, dass die Satzverarbeitung bzw. der Zugriff auf das Grammatikwissen weniger automatisch erfolgt und infol‐ gedessen mehr Zeit in Anspruch nimmt. Auf der anderen Seite kann sie als Resultat des Spracheneinflusses gelten, der bei den Kindern, die später mit dem Deutscherwerb beginnen, stärker ausgeprägt ist (vgl. z. B. Meisel, 2011). Damit ist gemeint, dass die nicht-intendierte Sprache, also das Polnische, bei der Satzverarbeitung mitaktiviert ist und die Interpretation der zu beurteilenden Sätze beeinflussen kann (vgl. Kapitel 7.4). Der Effekt des Erwerbsalters auf die Reaktionsgeschwindigkeit unterscheidet sich jedoch von dem auf die allgemeine grammatische Kompetenz. Setzt der Kontakt mit dem Deutschen bis zum vierten Lebensjahr ein, so wird die Reaktionszeit kontinuierlich länger, d. h., der Alterseffekt steigt in diesem Fall linear an. Zwischen dem vierten und dem siebten Erwerbsjahr kommt es zu einer Verlangsamung, danach wiederum zu einer Verkürzung der Reaktionszeit. Die Relation zwischen dem Erwerbsalter und der Reaktionsgeschwindigkeit stimmt somit teilweise mit dem Schema The earlier, the better überein. Der Befund, dass sich das Alter bei Erwerbsbeginn auf die allgemeine grammatische Kompetenz und die Reaktionszeit, nicht aber auf die Kompetenz im Bereich der Wortstellung auswirkt, zeugt davon, dass die menschliche Sprachfähigkeit durch das Erwerbsalter selektiv betroffen ist und steht daher 159 7.2 Zur Rolle des Erwerbsalters für den langfristigen Erfolg in der Zweitsprache 121 Vgl. z. B. Bosch et al. (2019) für eine Diskussion zur Selektivität der Alterseffekte. 122 Meisel (2011) weist darauf hin, dass zur angeborenen Ausstattung des Menschen neben der Universalgrammatik auch die sog. Discovery Principles gehören, die die Aufmerksamkeit der Kinder auf formale Aspekte der Sprache lenken. Der Zugang zu ihnen ermöglicht es, Genuskategorien auf der Basis formaler Eigenschaften von Wörtern zuzuweisen. Meisel (2011) zufolge werden diese Prinzipien genauso wie die Universalgrammatik durch das Alter bei Erwerbsbeginn beeinflusst. Wenn die Discovery Principles nicht mehr zugänglich sind, müssen sich die Kinder an seman‐ tischen Aspekten von Wörtern orientieren. Dies hat zur Folge, dass sie (sehr oft falsche) Generalisierungen vornehmen und im Extremfall das Genus für jedes Wort einzeln erwerben müssen. Für den Erwerb des jeweiligen Phänomens ist es somit von Bedeutung, was die Kinder im Laufe der Zeit mit steigendem Erwerbsalter verlieren. im Einklang mit der Modularitätshypothese. Die Selektivität der Alterseffekte wird tatsächlich von vielen Forschern postuliert und ist in zahlreichen Studien dokumentiert worden (vgl. z. B. Granena & Long, 2012; Huang, 2013; Bosch et al., 2019). 121 Dazu ist aber kritisch anzumerken, dass die Wortstellung ein Teil der grammatischen Kompetenz ist. Erst eine Zerlegung der allgemeinen gram‐ matischen Kompetenz in ihre Einzelteile wird die Selektivität der Alterseffekte eindrucksvoll bestätigen können. Im Zusammenhang mit den selektiven Auswirkungen des Alters bei Erwerbs‐ beginn auf den fortgeschrittenen Zweitspracherwerb stellt sich die Frage, warum die Wortstellung davon unbeeinflusst bleibt, während andere gramma‐ tische Phänomene stark von Abweichungen gegenüber dem monolingualen Erstspracherwerb betroffen sind. Wie bereits erwähnt, scheinen die Fehler der bilingualen Kinder in ihren Satzwiederholungen auf den ersten Blick vor allem mit der Genusflexion und dem falschen Einsatz von Nullobjekten verbunden zu sein. Im Gegensatz zu kernlinguistischen Phänomenen wie Verb- oder Negationsstellung sind diese Phänomene komplexer, weil sie an der Schnitt‐ stelle zwischen mehreren Modulen liegen (vgl. Kapitel 2.4). Beispielsweise erfordert der erfolgreiche Erwerb des Genus eine Integrierung von rein lexika‐ lischem, phonologischem und morphologischem Wissen. Der mit dem Ende einer sensiblen Phase einhergehende Verlust einiger Erwerbsmöglichkeiten kann dazu führen, dass eines dieser Module negativ beeinflusst wird, was notwendigerweise auf den Genuserwerb einwirkt (vgl. Meisel, 2011: 217-223). 122 Auf eine derartige Argumentation deuten auch die Schwierigkeiten mit dem Gebrauch von Nullobjekten hin. Sie liegen nämlich an der Schnittstelle zwischen Syntax und Pragmatik. Man kann also annehmen, dass die Komplexität des jeweiligen grammatischen Phänomens mit steigendem Erwerbsalter eine immer wichtigere Rolle für den langfristigen Erwerbserfolg spielt. Der Unterschied zwischen der Wortstellung und anderen grammatischen Phänomenen in Bezug 160 7. Diskussion der Untersuchungsergebnisse auf die Hypothese der sensiblen Phase kann jedoch nicht sprachübergreifend angenommen werden. Dies liegt darin begründet, dass ein und dasselbe Phä‐ nomen, z. B. das Genus, je nach Sprache unterschiedlich komplex sein kann. Auch die Wortstellung ist nicht in allen Sprachen so stark parametrisiert wie im Deutschen. Daher ist davon auszugehen, dass im Zusammenhang mit der sensiblen Phase nicht nur das Alter als solches relevant ist, sondern auch das entsprechende sprachliche Phänomen berücksichtigt werden muss. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das Alter bei Erwerbsbeginn keinen Einfluss auf den fortgeschrittenen Zweitspracherwerb der Wortstellung im Deutschen hat. Es wirkt sich aber auf die Reaktionszeit aus, sodass die bilin‐ gualen Kinder mit zunehmendem Erwerbsalter mehr Zeit für die Wahl einer korrekten Struktur benötigen. Zwar wird die Reaktionszeit kontinuierlich länger, wenn der Kontakt mit dem Deutschen bis zum vierten Lebensjahr erfolgt, aber die Verarbeitungsgeschwindigkeit der Sätze bei den Kindern mit einem Erwerbsalter von mehr als vier Jahren schließt einen völlig linearen Zusammenhang aus und verhindert die Festlegung einer klaren Altersgrenze. Demgegenüber ist die Relation zwischen dem Alter bei Erwerbsbeginn und der allgemeinen grammatischen Kompetenz der bilingualen Kinder fest umrissen. Es zeigt sich, dass die optimalen Entwicklungsphasen für einige Aspekte der Grammatik schon im Alter zwischen drei und vier Jahren zu Ende gehen, wodurch die von Meisel (2006, 2008, 2007a, 2013) vorgeschlagene Altersgrenze bestätigt wird. Die qualitativen Veränderungen in der menschlichen Spracher‐ werbsfähigkeit, die in diesem Zeitraum zustande kommen, sind zwar nicht drastisch, aber machen sich sogar noch nach längerem Kontakt mit der Zweit‐ sprache bemerkbar. Die Grenze zwischen dem bilingualen Erstspracherwerb und dem kindlichen Zweitspracherwerb ist somit für das Alter von drei Jahren anzusetzen. 7.3 Zum Einfluss der Kontaktdauer, des kumulativen Inputs und des Alters zum Testzeitpunkt auf den fortgeschrittenen Zweitspracherwerb Die Untersuchung der Rolle des Alters bei Erwerbsbeginn für den Verlauf und Erfolg des Zweitspracherwerbs erfordert die Berücksichtigung der Kon‐ taktdauer mit der Zweitsprache und des Alters zum Testzeitpunkt. Daher sind die Forscher imstande, auch wenn sie in ihren Studien gezielt dem Einfluss des Erwerbsalters nachgehen, nebenbei Auswirkungen dieser zwei Faktoren auf das untersuchte sprachliche Phänomen zu eruieren. Es ist offensichtlich, 161 7.3 Zum Einfluss der anderen Faktoren auf den fortgeschrittenen Zweitspracherwerb dass die Länge des Kontakts mit der Zielsprache einen großen Einfluss auf die Entwicklung der Sprachkompetenz hat. Die Erfahrung zeigt: Je länger man eine Sprache lernt, desto besser beherrscht man sie. Weniger offensichtlich ist jedoch, dass die Kontaktdauer nicht immer mit dem Erwerbserfolg korreliert. Die Studien zum kindlichen Zweitspracherwerb zeigen, dass die späteren Phasen des Erwerbs einiger grammatischer Phänomene tatsächlich durch die Länge des Kontakts mit der Zweitsprache determiniert werden, wenn sie bis zu fünf Jahre beträgt (vgl. z. B. Armon-Lotem et al., 2011; Hopp, 2011). Nach fünf bis zehn Kontaktjahren ist bereits keine Korrelation zwischen der Kontakt‐ dauer und dem erreichten Endzustand mehr zu erkennen (vgl. z. B. Granena, 2016: 17). Die vorliegende Studie beschäftigt sich mit dem fortgeschrittenen Zweitspracherwerb des Deutschen, der als Erwerb nach dem 18. Kontaktmonat konzeptualisiert wird (durchschnittliche Kontaktdauer bei den bilingualen Kin‐ dern: 5; 1). Die Ergebnisse zeigen, dass die Kontaktdauer mit dem Deutschen einen Einfluss auf die Korrektheit aller Wortstellungsphänomene hat, allerdings nur in den Urteilsaufgaben. Zudem ist zu beachten, dass die Zahl der Fehler insgesamt sehr niedrig und nicht höher als bei den monolingualen Kindern ist. Einige falsche Urteile der bilingualen Kinder verschwinden mit steigender Kontaktdauer. Die Befunde, nach denen Kinder, die im Alter von bis zu vier Jahren in Kontakt mit dem Deutschen treten, die wichtigsten syntaktischen Baupläne innerhalb von acht bis 18 Monaten erwerben (vgl. Rothweiler, 2006; Thoma & Tracy, 2006), werden somit durch die Ergebnisse der vorliegenden Studie nicht nur bestätigt, sondern auch erweitert. Sie zeigen auf, dass der Kontakt mit dem Deutschen bis zum elften Lebensjahr ausreichend ist, um nach 18 Monaten eine syntaktische Kompetenz zu erreichen, die der monolingualer und simultan bilingualer Kinder an Qualität in Nichts nachsteht. Die Kontaktdauer hat aber keinen Einfluss auf die allgemeine grammatische Kompetenz und die Reaktionszeit der bilingualen Kinder. Daraus ist zu folgern, dass die Fehler, die bei der Satzwiederholung begangen werden, solche gram‐ matischen Eigenschaften betreffen können, die schwer zu meistern sind und nicht von der Länge des Kontakts mit der Zweitsprache abhängen, zumindest nicht dann, wenn diese durchschnittlich 5; 1 Jahre beträgt. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass die Fehler nach fünf Kontaktjahren verschwinden werden. Nichtsdestotrotz scheint für die allgemeine grammatische Kompetenz und die Reaktionszeit längerfristig das Erwerbsalter entscheidend zu sein. Was den kumulativen Input anbetrifft, so lässt sich seine Rolle nicht eindeutig bestimmen, weil er aus der Korrelationsanalyse ausgeschlossen werden musste. Allerdings ist aus dem Gruppenvergleich zu schließen, dass er für den fortge‐ schrittenen Erwerb der Wortstellung in der Zweitsprache eher irrelevant ist. Die 162 7. Diskussion der Untersuchungsergebnisse 123 Vgl. Sękowska (2015) für eine Auseinandersetzung mit dem Verhältnis zwischen dem Arbeitsgedächtnis und der Satzverarbeitung. sukzessiv bilingualen Kinder, die die Hälfte des kumulativen Inputs der simultan bilingualen Kinder bekommen, erreichen die gleiche syntaktische Kompetenz bereits nach 18 Kontaktmonaten. Die Rolle des kumulativen Inputs für die allgemeine grammatische Kompetenz und die Reaktionszeit kann aufgrund der Daten dieser Studie nicht bestimmt werden. Eine große Herausforderung stellt es dar, den Einfluss des Alters zum Testzeitpunkt genauer zu interpretieren. Einerseits muss dieser Faktor bei der Untersuchung des Erwerbsalters und der Kontaktdauer mit der Zweitsprache aus methodologischen Gründen immer mitberücksichtigt werden (vgl. Kapitel 6.6). Andererseits wird er von vielen Forschern bei der Diskussion der Ergeb‐ nisse außer Acht gelassen (vgl. z. B. Birdsong & Flege, 2001; Hakuta et al., 2003; vgl. auch Stevens, 2006). Cook (1995: 56) nimmt sogar an: „Chronological age is a meaningless variable in itself “. Man darf aber nicht vergessen, dass die Zusammenhänge, von denen hier die Rede ist, nur für die Urteilsdaten gelten. In der Sprachproduktion konnten, ausschließlich der allgemeinen Korrekt‐ heit bei der Satzwiederholung und der weil-Sätze, keine Einflüsse der unter‐ suchten Faktoren auf die Kompetenz der bilingualen Kinder im Bereich der Wortstellung festgestellt werden. In Anbetracht dessen könnte der Einfluss des Alters zum Testzeitpunkt mit dem Arbeitsgedächtnis in Verbindung gebracht werden, das in die Satzverarbeitung involviert ist. 123 Die Kapazität des Arbeits‐ gedächtnisses wird mit zunehmendem Alter größer (vgl. z. B. Kemps et al., 2000), was die Verarbeitung der Sätze und zugleich die Beurteilung ihrer Grammati‐ kalität erleichtern mag. Dies würde auch erklären, warum die älteren Kinder eine höhere grammatische Korrektheit bei der Satzwiederholung erzielen. Wenn die Kapazität ihres Arbeitsgedächtnisses tatsächlich größer ist, sind sie in der Lage, temporär mehr Informationen zu behalten und die Sätze in unveränderter Form zu wiederholen. Damit wird suggeriert, dass die aktive Rekonstruktion der Sätze bei den älteren Kindern durch ein passives Wiederholen verdrängt werden kann. Zur Überprüfung dieser Annahme müsste man jedoch die Korrektheit bei der Satzwiederholung in Abhängigkeit von der Länge bzw. der Komplexität der Sätze analysieren. 163 7.3 Zum Einfluss der anderen Faktoren auf den fortgeschrittenen Zweitspracherwerb 7.4 Zur Rolle des Spracheneinflusses beim fortgeschrittenen Zweitspracherwerb Die gleichzeitige Entwicklung von zwei Sprachsystemen kann zu gegenseitiger Beeinflussung wie Beschleunigung, Verlangsamung oder Transfer von sprach‐ lichem Wissen führen. Diese Tatsache sollte bei der Untersuchung des Syntaxerwerbs polnisch-deutsch bilingualer Kinder berücksichtigt werden. Polnisch und Deutsch unterscheiden sich in Bezug auf die grundlegenden Wortstellungs‐ muster stark voneinander, weshalb syntaktische Fehler beim Erwerb beider Sprachen vom strukturellen Transfer herrühren können. Die Frage, inwieweit Transfer aus dem Polnischen die inkorrekten Antworten der sukzessiv bilingualen Kinder im Bereich der Wortstellung in dieser Studie zu erklären vermag, ist jedoch schwierig zu beantworten. Da das Polnische eine im Vergleich zum Deutschen relativ freie Wortstellung aufweist, könnten die inkorrekten Urteile der Kinder im Deutschen auf den Transfer aus dem Polni‐ schen zurückgeführt werden. Auffallend ist jedoch der Unterschied zwischen den Urteils- und Produktionsdaten in der vorliegenden Studie. Daher können die nicht normgerechten Antworten der bilingualen Kinder mit spezifischen Verarbeitungsmechanismen im bilingualen Sprachgebrauch in Verbindung ge‐ bracht werden, bei dem eine Sprache bei der Aktivierung der anderen nur teilweise ausgeschaltet wird (Hulk, 2000; Meisel, 2007b). Bei den Produktions‐ aufgaben ist eine Sprache eindeutig aktiv, und die andere nicht, was zu einem hohen Grad korrekten Gebrauchs der deutschen Satzstruktur bei den Kindern führt. Wenn dieselben Kinder experimentelle Aufgaben zur Beurteilung der Grammatikalität oder zur Strukturauswahl ausführen, wird die Ausschaltung der anderen Sprache, also des Polnischen, nicht vollständig vollzogen, was zu inkorrekten Antworten in einigen Sprachbereichen führt. Wenn das Polnische das Deutsche durch syntaktischen Transfer beeinflussen würde, dann hätten die nicht zielsprachlichen Antworten der Kinder in allen Aufgaben auftauchen müssen. Das ist eindeutig nicht der Fall. Der Einfluss des Polnischen auf das Deutsche ist fast ausschließlich bei der Lösung der Urteilsaufgaben bemerkbar. Dabei kann die Ausschaltung der anderen Sprache als schwächer angenommen werden. Die Ergebnisse können daher mit den im bilingualen Sprachgebrauch spezifischen Verarbeitungsmechanismen erklärt werden. So gesehen sind die inkorrekten Urteile, die, wohlgemerkt, selten sind und nicht häufiger als bei den monolingualen Kindern vorkommen, nur als Resultat einer Koaktivierung zweier Sprachen während der Sprachverarbeitung (in Echtzeit) und nicht eines kompetenzgetriebenen Transfers zu betrachten (vgl. auch Meisel, 2010: 110). Da die Fehler mit der Zeit verschwinden (vgl. 164 7. Diskussion der Untersuchungsergebnisse Kapitel 7.3), kann man annehmen, dass der Spracheneinfluss im Laufe der Zeit an Stärke abnimmt. Der Spracheneinfluss könnte auch erklären, warum die sukzessiv bilingualen Kinder fast doppelt so viele weil-Sätze mit V2-Stellung produzieren als die mo‐ nolingualen Kinder. Die VE-Stellung ist keine Eigenschaft des Polnischen. Das Deutsche lässt aber beide Verbstellungsmuster zu. Die Kinder bekommen also mehr Evidenz für die V2-Stellung und wenden sie daher auf beide Sprachen an. In anderen Nebensätzen, wo in den meisten Fällen nur ein Verbstellungsmuster möglich ist, begehen sie fast keine Fehler. Es ist auch möglich, dass die sukzessiv bilingualen Kinder einem Ökonomieprinzip folgen und die weniger komplexe Analyse, also die V2-Stellung, in beiden Sprachen bevorzugen (vgl. Müller et al., 2002). 7.5 Diskussion der Ergebnisse im Rahmen der generativen Zweitspracherwerbsforschung Die generativen Spracherwerbshypothesen sind insbesondere für die Untersu‐ chung der frühen Phasen des Erwerbs grammatischen Wissens geeignet. Einige von ihnen machen jedoch auch Aussagen darüber, wie sich die Interimsgram‐ matik des Kindes in späteren Phasen entwickelt (vgl. Kapitel 2.1.2). Die Ergebnisse zeigen, dass in der fortgeschrittenen Entwicklungsphase die vollständig spezifizierte Komplementiererphrase (CP) etabliert ist und die dadurch bedingten Wortstellungsphänomene erworben sind. Im Rahmen der ge‐ nerativen Zweitspracherwerbsforschung wird argumentiert, dass erwachsene Zweitsprachlerner keinen (oder nur eingeschränkten) Zugang zur Universal‐ grammatik haben (vgl. Kapitel 4.3.1). Dies hat zur Folge, dass sie strukturelle Eigenschaften aus dem Input erschließen, also induktiv erlernen, müssen. Der Erwerb der Satzstruktur zieht sich dann über einen längeren Zeitraum hin und führt nicht immer zum Erfolg. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigen, dass die bilingualen Kinder nach 18 Kontaktmonaten bereits keine Schwierig‐ keiten mit den an den V2-Parameter und den OV/ VO-Parameter gekoppelten syntaktischen Eigenschaften haben, wodurch sie sich von erwachsenen Lernern des Deutschen unterscheiden. Ob in den ersten Monaten ihrer Entwicklung die für den Zweitspracherwerb Erwachsener typischen Phänomene, darunter die fehlende Korrelation zwischen der Verbalmorphologie und Verbstellung wie auch die Produktion von infiniten Verben in V2-Stellung und von V3-Strukturen, erkennbar waren, kann im Rahmen dieser Studie nicht ermittelt werden. In Bezug auf die Wortstellung darf somit nicht von einer Beeinträchtigung bzw. 165 7.5 Diskussion der Ergebnisse im Rahmen der generativen Spracherwerbsforschung von einem Defizit in der Grammatik der Kinder gesprochen werden. Vielmehr ist davon auszugehen, dass kindliche Zweitsprachlerner die funktionalen Kate‐ gorien und ihre Merkmale mit der Zeit erfolgreich erwerben können. Die Rolle des Transfers kann nicht eindeutig bestimmt werden. Es ist durchaus möglich, dass die sukzessiv bilingualen Kinder die zugrunde liegenden Parameterwerte vom Polnischen ins Deutsche in den ersten Entwicklungsmo‐ naten transferiert haben. Im fortgeschrittenen Erwerbsstadium, in dem die die VP determinierende funktionale Kategorie in die Struktur der Kindersprache bereits eingebaut ist, lässt sich nicht ermitteln, ob der potenzielle L1-Transfer vollständig (full transfer) oder aber partiell (property-by-property transfer) war. Anders verhält es sich mit der allgemeinen grammatischen Kompetenz. Es stellt sich heraus, dass die bilingualen Kinder bei der Satzwiederholung viele grammatische Fehler machen, die auf den ersten Blick mit der Genus- und Kasusflexion verbunden zu sein scheinen und mit der Zeit nicht verschwinden. Das kritische Alter liegt in diesem Fall zwischen dem dritten und dem vierten Lebensjahr. Dieser Befund ist mit der Annahme vereinbar, dass die menschliche Spracherwerbsfähigkeit von Reifungsprozessen betroffen ist. Sie bewirken, dass der Zugang zum universalgrammatischen Wissen eingeschränkt wird, was nicht nur den Verlauf, sondern auch den Endzustand des Zweitspracherwerbs negativ beeinflusst. Es ist auch zu unterstreichen, dass die Selektivität der Alterseffekte mit der Annahme der Existenz vieler sensibler Phasen beim Spracherwerb im Einklang steht. Damit wird zugleich das Konzept der Modu‐ larität der menschlichen Sprachfähigkeit unterstützt, das im generativen Ansatz favorisiert wird. Dabei muss man allerdings beachten, dass die Erklärung der Untersuchungsergebnisse unter Rückgriff auf die Modularität erst durch eine genauere Analyse der von den Kindern wiederholten Sätze an Kraft gewinnen wird. Das Wissen, welche Fehler die allgemeine grammatische Kompetenz negativ beeinflusst haben, ist nämlich unerlässlich für die Bestimmung, welches Modul der Grammatik durch den späten Einstieg in den Zweitspracherwerb längerfristig beeinträchtigt werden kann. Die Ergebnisse bestätigen auch die empirisch bewiesene Erkenntnis, dass der bilinguale Erstspracherwerb hinsichtlich der grammatischen Entwicklung dem monolingualen Erstspracherwerb gleichkommt. Die simultan bilingualen Kinder haben eine syntaktische Kompetenz erworben, die von der der monolin‐ gualen Kinder nicht abweicht. 166 7. Diskussion der Untersuchungsergebnisse 8 Implikationen für die Sprachdiagnostik bei zweisprachigen Kindern Im Jahr 2018 hatte jede vierte Person in Deutschland einen Migrationshin‐ tergrund, wobei Polen, nach der Türkei, den zweiten Platz unter den Her‐ kunftsländern der Migranten einnahm (vgl. Statistisches Bundesamt, 2019). Vor diesem Hintergrund ist es nicht erstaunlich, dass die Erforschung von Schwie‐ rigkeiten beim Erwerb des Deutschen als Zweitsprache von Migrantenkindern im deutschsprachigen Raum ein Desiderat darstellt. Auf der einen Seite kann man von Problembereichen im ungestörten Zweitspracherwerb, auf der anderen hingegen von sprachlichen Defiziten, die auf abweichende Erwerbsverläufe hinweisen, sprechen. Mit der Unterscheidung gesunden sprachlichen Verhal‐ tens von (spezifischen) Sprachentwicklungsstörungen (SSES) beschäftigt sich die Sprachdiagnostik (vgl. Reitenbach et al., 2018). Eine solche Diagnose ist ins‐ besondere bei frühen Zweitsprachlernern schwierig, weil typische Zweitspra‐ cherwerbsphänomene mit Indikatoren für (spezifische) Sprachentwicklungss‐ törungen verwechselt werden können. Einerseits kann es dazu kommen, dass eine SSES nicht erkannt wird, weil sprachliche Defizite als Phänomene des Zweitspracherwerbs missdeutet werden. Andererseits kann ein unauffälliger Zweitspracherwerb als gestört diagnostiziert werden, wenn die Länge des Kon‐ takts mit der Zweitsprache und die dadurch bedingten Erwerbsmöglichkeiten nicht beachtet werden (vgl. Reitenbach et al., 2018). Ein gestörter Grammatikerwerb gilt als Hauptsymptom einer SSES. Im Deutschen stellen die Hauptsatzstruktur (einschließlich der V2-Stellung), die Verbklammer sowie komplexe Sätze besondere Problembereiche dar (vgl. Roth‐ weiler, 2013: 187). Die vorliegende Studie zeigt, dass der Zweitspracherwerb dieser Phänomene im fortgeschrittenen Entwicklungsstadium ungestört ver‐ läuft. Dies impliziert für die Sprachdiagnostik, dass in einem unauffälligen Zweitspracherwerb nach 18 Kontaktmonaten bereits keine Fehler in der Verb- und Negationsstellung zu erwarten sind. Die vorliegende Studie zeigt aber auch, dass bilinguale Kinder, die Deutsch als ihre frühe Zweitsprache erwerben, bestimmte grammatische Fehler in der Satzwiederholungsaufgabe machen, die mit der Zeit, also nach durchschnittlich 5; 1 Jahren, nicht verschwinden. Für diese Arbeit wurde, neben der Korrektheit im Bereich der Wortstellung, zusätzlich auch die allgemeine syntaktische und morphologische Korrektheit der wiederholten Sätze analysiert, um einen Ein‐ blick in die allgemeine grammatische Kompetenz der Kinder zu gewinnen (vgl. Kapitel 6.1.1). Daher lässt sich nicht ermitteln, welche Fehlertypen dominant sind. Die Ergebnisse zeigen, dass die allgemeine grammatische Korrektheit vielmehr durch das Alter bei Erwerbsbeginn determiniert wird. Jene Kinder, die nach dem dritten Lebensjahr in Kontakt mit dem Deutschen kommen, schneiden bei der Satzwiederholung schlechter ab als jene, die vor dem dritten Lebensjahr mit dem Deutscherwerb beginnen. Das bedeutet, dass sie nicht mit denselben Kriterien zur Feststellung einer SSES diagnostiziert werden dürfen (vgl. auch Chilla, 2019: 77). Setzt der Kontakt mit dem Deutschen nach dem dritten Lebensjahr ein, so ist mit grammatischen Fehlern zu rechnen, die auf den sensiblen Phasen beruhen, die für bestimmte Phänomene zumindest teilweise bereits ausgelaufen sind. Besondere Erwerbshürden beim kindlichen Zweitspracherwerb stellen die Realisierung von Artikeln sowie die Flexion von Nomina, Adjektiven und Arti‐ keln dar (vgl. Ruberg, 2013a: 183). Nach heutigem Forschungsstand erwerben sukzessiv bilinguale Kinder das Kasus- und Genussystem im Deutschen zwar ähnlich wie monolinguale Kinder, allerdings kann sich der Erwerb bis ins Grundschulalter hinziehen (vgl. Ruberg, 2013a: 184). Daher kann es sich bei den Fehlern, die die bilingualen Kinder bei der Satzwiederholung machen, sehr wohl um diese zwei Bereiche handeln. Die vorliegende Studie zeigt ferner, dass Schwierigkeiten beim Grammatikerwerb länger dauern können, als man üblicherweise annimmt. Für die Sprachdiagnostik bedeutet dies, dass bestimmte grammatische Fehler im unauffälligen Zweitspracherwerb noch bis zum fünften Kontaktjahr zu erwarten sind. Die Gefahr einer Fehldiagnose ist also groß. Diese Studie zeigt auch, dass die Reaktionszeit in der Aufgabe der Struktur‐ auswahl mit steigendem Erwerbsalter länger wird. Die Wahl der korrekten Struktur und zugleich die Ablehnung der inkorrekten Struktur nimmt bei den Kindern, die später mit dem Zweitspracherwerb beginnen, mehr Zeit in An‐ spruch. Dieser Befund sollte in der Sprachdiagnostik Berücksichtigung finden. Längere Reaktionszeit bei der Ausführung von Sprachverständnisaufgaben, die in einigen diagnostischen Verfahren zur Erfassung rezeptiver Fähigkeiten angewendet werden, sollten auf das Erwerbsalter des Kindes geprüft werden. Das Bild, das sich hier abzeichnet, zeigt, dass der kindliche Zweitspracher‐ werb durch ein dynamisches Ineinandergreifen vieler Faktoren gekennzeichnet ist, die sich zu unterschiedlichen Zeitpunkten auf verschiedene grammatische Bereiche unterschiedlich auswirken. In der sprachdiagnostischen Praxis sollten somit die wichtigen Aspekte, die den kindlichen Zweitspracherwerb prägen, wie Alter zu Erwerbsbeginn, Kontaktdauer und verschiedene Parameter des Inputs immer berücksichtigt werden. 168 8 Implikationen für die Sprachdiagnostik bei zweisprachigen Kindern 9 Zusammenfassung und Ausblick Die vorliegende Arbeit zielte darauf ab, den kindlichen Zweitspracherwerb der grundlegenden Wortstellungsmuster im Deutschen in einem fortgeschrit‐ tenen Entwicklungsstadium zu untersuchen. Die meisten Studien zum Wort‐ stellungserwerb konzentrieren sich auf die ersten Monate der syntaktischen Entwicklung, bis die Kinder ein gewisses Erwerbskriterium erreichen, ohne längerfristige Entwicklungstrajektorien zu berücksichtigen. Die Arbeit schloss diese Forschungslücke, indem sie den fortgeschrittenen Erwerb der Inversion, Verbalklammer, Verbend- und Negationsstellung nach 18 Kontaktmonaten mit dem Deutschen ergründete. Außerdem wurden die allgemeine grammatische Kompetenz und die Reaktionszeit bei der Beurteilung von Sätzen auf ihre Grammatikalität und bei der Strukturauswahl miteinbezogen. Im ersten Kapitel wurde der Kontext der vorliegenden Studie vorgestellt, indem die Relevanz der Forschung zur kindlichen Zweisprachigkeit begründet wurde. Vor allem aber wurden die verschiedenen Motivationen für die Beschäf‐ tigung mit dem fortgeschrittenen Zweitspracherwerb der deutschen Wortstel‐ lung bei polnischsprachigen Kindern und die Ziele der Studie formuliert. Das zweite Kapitel war als Einführung in die Thematik der kindlichen Zweisprachigkeit und Bezugsrahmen für die vorgenommene Untersuchung konzipiert. Im Mittelpunkt stand dabei der generative Ansatz in der Sprach‐ erwerbsforschung, der für die Untersuchung des Syntaxerwerbs besonders geeignet ist. Es wurden ausgewählte Erst-, aber vor allem Zweitspracherwerbs‐ hypothesen behandelt, die unterschiedliche Aussagen über die Entwicklung der Interimsgrammatik und den erreichbaren Endzustand des Spracherwerbs machen. Im zweiten Kapitel wurden ferner bilinguale Erwerbsszenarien im frühen Alter dargestellt. Dabei wurde gezeigt, dass die Definition einzelner Spracherwerbstypen alles andere als einfach ist, weil Forscher von verschie‐ denen Altersgrenzen ausgehen. Der letzte Aspekt, der dabei zur Sprache kam, waren die wichtigsten Faktoren des Zweitspracherwerbs unter besonderer Berücksichtigung der Kontaktdauer, des Inputs und des Spracheneinflusses. In Bezug auf den Spracheneinfluss wurde argumentiert, dass er sich nicht nur als Transfer, Beschleunigung und Verlangsamung, sondern auch als spezifi‐ sche Verarbeitungsmechanismen im bilingualen Sprachgebrauch manifestieren kann, wenn eine Sprache bei der Aktivierung der anderen nur teilweise ausge‐ schaltet wird. Das dritte Kapitel hatte zum Ziel, einen linguistisch definierten Beschrei‐ bungsapparat der Wortstellung im Deutschen und im Polnischen darzustellen, wobei nur die für die durchgeführte Studie relevanten Phänomene thematisiert wurden. Zugrunde gelegt wurden das topologische Modell und die generative Grammatik. Besonders wichtig war die Auseinandersetzung mit den Tendenzen im heutigen Deutsch, wie beispielsweise die Ausklammerung, die auf den ersten Blick gegen die sprachliche Norm verstoßen, aber nicht als Fehler klassifiziert werden dürfen. Zum Schluss wurde hervorgehoben, dass der Erwerb der deut‐ schen Satzstruktur bei polnischsprachigen Kindern aufgrund der Unterschiede zwischen beiden Sprachen bezüglich der Verb- und Negationsstellung für die Zweitspracherwerbsforschung besonders ergiebig sein kann. Im vierten Kapitel wurde die Rolle des Alters bei Erwerbsbeginn für den Ver‐ lauf und den Endzustand des Zweitspracherwerbs eingehend beleuchtet. Aus‐ gehend von einigen einflussreichen Studien wurden verschiedene Auffassungen zur Relation zwischen dem Erwerbsalter und der erreichbaren sprachlichen Kompetenz besprochen. Den Kern des Kapitels bildete eine Auseinandersetzung mit den Studien zur Entwicklung der deutschen Satzstruktur beim Erstsprach‐ erwerb, beim kindlichen Zweitspracherwerb und beim Zweitspracherwerb Erwachsener, wodurch altersbedingte Unterschiede zwischen den einzelnen Erwerbstypen ans Licht gebracht wurden. Abschließend wurden Erklärungen für altersbedingte Phänomene beim Syntaxerwerb diskutiert, wobei die größte Bedeutung neuronalen Reifungsprozessen beigemessen wurde. Die vier letzten Kapitel bildeten den empirischen Teil der Arbeit. Im fünften Kapitel wurde das methodische Vorgehen der Studie im Detail beschrieben. Das sechste Kapitel stellte die Ergebnisse der Studie theorieneutral dar, die im siebten Kapitel in Bezug auf die gestellten Forschungsfragen und den theoretischen Bezugsrahmen diskutiert wurden. Im achten Kapitel wurden einige Implikationen für die Sprachdiagnostik bei Kindern, die Deutsch als ihre Zweitsprache erwerben, dargelegt. Die vorliegende Studie ermöglichte einen Einblick in die späteren Phasen des Erwerbs des Deutschen als früher Zweitsprache, die bisher kaum dokumentiert wurden. Es wurde nachgewiesen, dass das Alter bei Erwerbsbeginn keinen Ein‐ fluss auf den fortgeschrittenen Zweitspracherwerb der deutschen Wortstellung, also nach 18 Kontaktmonaten, hat. Keines der Wortstellungsmuster bereitete den sukzessiv bilingualen Kindern, die im Alter zwischen 3; 1 und 11; 0 in Kon‐ takt mit dem Deutschen kamen, Schwierigkeiten in den Sprachproduktionsauf‐ gaben. Sie begangen einige Fehler in den Aufgaben des Grammatikalitätsurteils oder der Strukturauswahl, allerdings nicht signifikant mehr als die simultan bilingualen und die monolingualen Kinder. Diese Fehler wurden mit der erst 170 9 Zusammenfassung und Ausblick zu erwerbenden syntaktischen Bewusstheit, allgemeinen Schwierigkeiten mit Urteilsaufgaben und mit dem Spracheneinfluss in Verbindung gebracht. Die Korrelationsanalyse zeigte, dass die Zahl der falschen Urteile mit steigender Kontaktdauer mit dem Deutschen sank. Zusätzlich zur Wortstellung wurde die allgemeine grammatische Kompetenz und die Reaktionszeit in den Urteilsaufgaben untersucht. Im Gegensatz zum fortgeschrittenen Syntaxerwerb konnte in diesen Bereichen ein Einfluss des Alters bei Erwerbsbeginn festgestellt werden. Mit zunehmendem Erwerbsalter wurde die grammatische Kompetenz niedriger und die Reaktionszeit länger, wobei, wohlgemerkt, die Kontaktdauer mit dem Deutschen keine Rolle spielte. Die vertieften Analysen zeigten, dass die allgemeine grammatische Kompetenz zwischen dem dritten und dem vierten Lebensjahr abnahm. Diese Abnahme war aber nicht drastisch. Für die Reaktionszeit konnte dagegen keine eindeutige Altersgrenze ermittelt werden. Dies wurde als Evidenz dafür gedeutet, dass die ersten qualitativen Veränderungen in der menschlichen Spracherwerbsfähigkeit zwischen dem dritten und dem vierten Lebensjahr zustande kommen (vgl. Meisel, 2006, 2008, 2007a, 2013) und sich sogar nach vielen Jahren Kontakt mit der Zweitsprache erkennen lassen. Die vorliegende Studie erbrachte folglich den Nachweis für die Selektivität der Alterseffekte für den Erwerb einzelner sprachlicher Phänomene. Die Grenzen der Studie ergeben sie sich vornehmlich aus starken Korre‐ lationen zwischen den untersuchten Faktoren. Dieses Problem könnte man künftig dadurch lösen, dass man eine Variable konstant hält. Ein Beispiel hierfür wäre die Untersuchung gleichaltriger Kinder, die mit dem Zweitspracherwerb in verschiedenem Alter beginnen. Darüber hinaus wurden in der vorliegenden Studie nur Offline-Methoden angewendet. In Zukunft sollten auch Studien zur syntaktischen Verarbeitung in Echtzeit bei fortgeschrittenen Lernern des Deut‐ schen als früher Zweitsprache durchgeführt werden. Sie könnten Alterseffekte auf die Entwicklung der Wortstellung aufdecken, die in Offline-Aufgaben nicht sichtbar sind. Die Einsichten in den Prozess des kindlichen Zweitspracherwerbs sind trotz intensiver Forschungstätigkeit immer noch gering. Es ist zu hoffen, dass zukünftige Untersuchungen das komplexe Zusammenspiel diverser Einfluss‐ faktoren auf die Entwicklung der kindlichen Zweisprachigkeit in verschiedenen Entwicklungsstadien erhellen werden. 171 9 Zusammenfassung und Ausblick Streszczenie w języku polskim Czynnik wieku w zaawansowanym stadium akwizycji języka drugiego: szyk wyrazów w zdaniu w języku niemieckim u dzieci dwujęzycznych (bilingwizm polsko-niemiecki) Kontekst pracy i uzasadnienie podjęcia problemu badawczego Niniejsza praca powstała w ramach projektu badawczego Polsko-niemiecki bilingwizm dzieci: wiek rozpoczęcia przyswajania języka a sukces długotermi‐ nowego rozwoju językowego, który był realizowany w latach 2016-2020 pod kierownictwem prof. UAM dr hab. Aldony Sopaty z Uniwersytetu im. Adama Mickiewicza w Poznaniu i prof. dra Bernharda Brehmera z Uniwersytetu w Greifswaldzie. W badaniach nad wielojęzycznością często podkreśla się fakt, że obecnie ponad połowa populacji świata jest co najmniej dwujęzyczna. Posługiwanie się dwoma językami należy do codzienności mieszkańców wielu zakątków świata. Dwujęzyczność staje się w ostatnich latach także częścią krajobrazu środkowoeuropejskiego, który kształtowany jest przez napływ migrantów. W 2018 roku już co czwarta osoba w Niemczech miała tło migracyjne, a Polska zajmowała drugie miejsce wśród krajów pochodzenia zaraz po Turcji. W takich okolicznościach dochodzi siłą rzeczy do spotkania wielu kultur, ale także - jeśli nie przede wszystkim - wielu języków. Rodzi to naglącą potrzebę zajęcia się kwestią współistnienia wielu języków w jednym społeczeństwie, ale również w jednym umyśle. Szczególnie ten drugi aspekt zdaje się być interesujący z perspektywy poznawczej, ale też praktycznej. Badanie procesów leżących u podstaw nabywania i posługiwania się wieloma językami pozwala bowiem z jednej strony na wgląd w funkcjonowanie ludzkiego umysłu, z drugiej zaś umożliwia np. optymalizację kształcenia językowego i diagnostyki językowej dzieci z tłem migracyjnym. Szczególne miejsce wśród badań nad wielojęzycz‐ nością indywidualną zajmują badania nad dziecięcą akwizycją języka drugiego, którym poświęca się w ostatnich latach coraz więcej uwagi w debacie naukowej. Badacze starają się m.in. opisać i wyjaśnić, jak przebiega rozwój dwujęzyczności u dzieci. Niniejsza praca stanowi przyczynek do tych starań. Skupiając się na rozwoju językowym dzieci polskojęzycznych, które nabywają język niemiecki jako swój język drugi, poszerza perspektywę badawczą na parę językową, której nie poświęcono dotychczas zbyt wiele uwagi. Przeprowadzone badanie skupia się na akwizycji kompetencji składniowej w języku niemieckim, która została już wprawdzie dość dobrze zbadana (por. np. Haberzettl, 2005; Chilla, 2008; Sopata, 2010), jednak z wyłączeniem późniejszych faz rozwojowych. Niezbadany pozos‐ taje także wpływ wielorakich czynników, które mają wpływ na zaawansowane stadia akwizycji składni w języku niemieckim, takich jak długość kontaktu z językiem czy ilość inputu językowego. Wpływ wieku pierwszego kontaktu z językiem drugim na przebieg i stan końcowy akwizycji jest jedną z najbardziej kontrowersyjnych kwestii w badaniach nad przyswajaniem języka, która - mimo intensywnej pracy wielu badaczy - wciąż pozostaje przedmiotem sporów. Badania poświęcone rozwojowi składni w języku niemieckim u dzieci wskazują na istotne różnice między poszczególnymi profilami akwizycyjnymi w zależ‐ ności od wieku pierwszego kontaktu z językiem. Niewiele jednak wiadomo o jego długoterminowych skutkach. Ponadto dostępne badania koncentrują się głównie na produkcji językowej dzieci, nie podejmując próby równoczesnego zgłębienia produkcji i rozumienia wzgl. interpretacji tych samych zjawisk składniowych. Intencją autora było wypełnienie tych luk badawczych. Cel pracy i pytania badawcze Głównym celem niniejszej pracy było zbadanie dziecięcej akwizycji szyku wyrazów w zdaniu w języku niemieckim w zaawansowanym stadium rozwoju językowego. Zostało ono zostało zdefiniowane na podstawie literatury przed‐ miotu jako stadium następujące po 18 miesiącu kontaktu z językiem niemieckim. W badaniu zbadano kompetencję dzieci w zakresie następujących zjawisk składniowych: • inwersja w zdaniu deklaratywnym (XVS), • klamra werbalna (SOV -fin ), • szyk końcowy (SOV +fin ), • pozycja negatora nicht względem czasownika finitywnego w zdaniu deklaratywnym. Punktem wyjścia była identyfikacja trudności dzieci sukcesywnie dwujęzycz‐ nych z poszczególnymi zjawiskami składniowymi na podstawie popełnionych błędów, by móc następnie określić wpływ badanych czynników na kompe‐ tencję składniową dzieci dwujęzycznych. Do owych czynników należał przede wszystkim wiek pierwszego kontaktu z językiem, ale też wiek dziecka w momencie badania, długość kontaktu z językiem i input kumulatywny. W pracy postawione zostały następujące pytania badawcze: 174 Streszczenie w języku polskim 1. Jak rozwijają się poszczególne zjawiska składniowe w zaawansowanym stadium akwizycji języka drugiego u dzieci? 2. Czy dzieci dwujęzyczne sukcesywnie różnią się od dzieci dwujęzycznych symultanicznie i dzieci monolingwalnych w odniesieniu do kompetencji składniowej w zaawansowanym stadium akwizycji języka? 3. Jaki wpływ ma wiek pierwszego kontaktu z językiem na akwizycję szyku wyrazów w zdaniu w zaawansowanym stadium rozwoju języka drugiego? 4. Jaki wpływ mają długość kontaktu z językiem, input kumulatywny i wiek dziecka na akwizycję szyku wyrazów w zdaniu w zaawansowanym stadium rozwoju języka drugiego? 5. Który czynnik ma największy wpływ na akwizycję szyku wyrazów w zdaniu w zaawansowanym stadium rozwoju języka drugiego? 6. Czy istnieją różnice między produkcją a interpretacją w poszczególnych grupach? Praca miała także na celu zbadanie ogólnej kompetencji gramatycznej dzieci i czasu reakcji w zadaniach eksperymentalnych (por. poniżej). W odniesieniu do nich zostały dodatkowo postawione następujące pytania badawcze: 7. Czy dzieci dwujęzyczne sukcesywnie różnią się od dzieci dwujęzycznych symultanicznie i dzieci jednojęzycznych odnośnie do ogólnej kompe‐ tencji gramatycznej i czasu reakcji w zadaniach eksperymentalnych? 8. Który z czynników ma największy wpływ na ogólną kompetencję gra‐ matyczną i czas reakcji w grupie dzieci dwujęzycznych sukcesywnie? Metodyka badania W badaniu wzięło udział łącznie 79 dzieci, w tym 25 dzieci dwujęzycznych sukcesywnie (wiek pierwszego kontaktu: 3; 1 - 11; 0), 20 dzieci dwujęzycznych symultanicznie, których kontakt z językiem niemieckim nastąpił do trzeciego roku życia włącznie, 12 dzieci dwujęzycznych symultanicznie, które nabywały język niemiecki od urodzenia i 22 niemieckich dzieci jednojęzycznych. Trzy ostatnie grupy posłużyły jako grupy kontrolne w celu porównania kompetencji dzieci dwujęzycznych sukcesywnie nie tylko z dziećmi jednojęzycznymi, co jest często krytykowane przez badaczy, ale również z dziećmi dwujęzycznymi symultanicznie. Długość kontaktu z językiem niemieckim w grupie dzieci dwujęzycznych sukcesywnie wynosiła od 18 miesięcy wzwyż (średnio 3; 11). Wszystkie dane na temat dzieci zostały pozyskane przy pomocy kwestionari‐ usza, który został wypełniony razem z rodzicami osobiście lub przez telefon. 175 Streszczenie w języku polskim Szczegółowe informacje na temat wszystkich grup znajdują się w tabeli w rozdziale 5.2. W ramach badania poprzecznego zostały przeprowadzone cztery zadania badające produkcję (1, 2) i reprezentację (3, 4): 1. The Multilingual Assessment Instrument for Narratives (MAIN-Test) Main-Test został zaprojektowany przez Gagarinę i współpracowników (2012) jako narzędzie badające umiejętności dzieci wielojęzycznych w zakresie pro‐ dukcji językowej. Jest to narzędzie uniwersalne, które może zostać zastosowane do produkcji w każdym języku. Zadanie polegało na tym, że dzieci opowiadały historię na podstawie sześciu obrazków. Dodatkowo dzieci zostały poproszone o udzielenie odpowiedzi na kilka pytań związanych z historią. Opowiadania zos‐ tały nagrane, stranskrybowane w programie EXMARaLDA i przeanalizowane pod kątem występowania pozycji czasownika i negatora w zdaniu. Oddzielnie przeanalizowano pozycję czasownika w zdaniach ze spójnikiem weil (szyk kanoniczny vs. szyk końcowy) oraz typ elementu poprzedzającego czasownik w zdaniach z inwersją (przysłówek vs. fraza przyimkowa). 2. Sentence Repetition Task W tym zadaniu dzieci zostały poproszone o powtórzenie poprawnych zdań zawierających docelowe zjawiska składniowe. Między prezentacją zdania a powtórzeniem go dzieci miały wykonać test Stroopa, by uniknąć biernej imitacji zdań. Powtórzone zdania zostały nagrane, stranskrybowane w programie Excel i przeanalizowane w odniesieniu do pozycji czasownika i negatora. Dodatkowo przeanalizowano ogólną poprawność morfologiczną i składniową zdań, by uzyskać informację o ogólnej kompetencji gramatycznej dzieci. Użyte zdania znajdują się w tabeli 29. 3. Forced Choice Task W tym zadaniu dzieci miały do wyboru dwie odpowiedzi na pytanie, jedną poprawną i jedną błędną. Dzieci musiały zdecydować, która z nich brzmiała „lepiej“, przez co uniknięto informacji o gramatyczności zdań, która mogła być problematyczna dla dzieci. Odpowiedzi dzieci zostały przeanalizowane pod względem poprawności i czasu reakcji. Lista użytych zdań znajduje się w tabeli 30. 4. Grammaticality Judgment Task W tym zadaniu dzieciom zostały zaprezentowane pytanie/ kontekst i odpowiedź. Dzieci musiały zdecydować, czy odpowiedź brzmiała „dobrze“ czy „źle“. Przea‐ 176 Streszczenie w języku polskim nalizowano poprawność decyzji dzieci dla poszczególnych zjawisk składnio‐ wych oraz czas podejmowania decyzji dla wszystkich zdań razem, by uzyskać ogólną informację o czasie reakcji, niezależnie od badanego zjawiska. Lista użytych zdań znajduje się w tabeli 31. Zdania w zadaniach eksperymentalnych zostały zaprezentowane zarówno w formie wizualnej na ekranie laptopa, jak też w formie audytywnej przez słuchawki. Do zaprojektowania i przeprowadzenia zadań eksperymentalnych użyto programu E-Prime 2.0 Professional SP2-Software. Zadania miały formę gier, by wzbudzić zainteresowanie dzieci. Badanie miało miejsce w cichym pomieszczeniu w domu lub w szkole. W nagrodę za udział w badaniu dzieci otrzymały drobne prezenty. Wyniki badania i odpowiedzi na pytania badawcze Badanie pokazało, że dzieci dwujęzyczne sukcesywnie nie wykazują żadnych problemów rozwojowych w zakresie składni w zaawansowanym stadium ak‐ wizycji języka drugiego. Po 18 miesiącach kontaktu z językiem niemieckim ich kompetencja składniowa nie różni się istotnie od kompetencji dzieci jedno‐ języcznych i dzieci dwujęzycznych symultanicznie, które miały kontakt z oboma językami od pierwszych miesięcy życia. Poprawność, którą osiągają dzieci dwu‐ języczne sukcesywnie w zadaniach badających produkcję językową, tj. Sentece Repetition Task i MAIN-Test, przekracza dla każdego badanego zjawiska 80 %. Łączna poprawność dla wszystkich zjawisk syntaktycznych w obu zadaniach w tej grupie wynosi średnio 96 %. Świadczy to o tym, że okres 18 miesięcy jest wys‐ tarczający dla dzieci rozpoczynających akwizycję języka niemieckiego między 3 a 11 rokiem, by przyswoić główne regularności składniowe języka niemieckiego pozwalające na tworzenie zdań prostych i złożonych. W zadaniu MAIN-Test przeanalizowano dodatkowo konteksty, w których dzieci zastosowały inwersję. Okazało się, że nieliczne błędne struktury z czasownikami finitywnymi na trzeciej pozycji w zdaniu prostym (*V3) rozpoczynają się niemal wyłącznie przysłówkiem dann, co wiąże się prawdopodobnie z jego częstym występowa‐ niem w sekwencjach narracyjnych. Oddzielnie potraktowano także zdania podrzędnie złożone ze spójnikiem weil ze względu na tendencję we współczesnej niemczyźnie do zastępowania w takich zdaniach szyku końcowego (SOV) szykiem kanonicznym (SVO). Okazało się, że dzieci dwujęzyczne sukcesywnie stosują istotnie częściej szyk kanoniczny (48 %) niż dzieci jednojęzyczne (7 %) (p = 0,001). W zadaniach badających reprezentację, tj. Grammaticality Judgment Task i Forced Choice Task, dzieci dwujęzyczne sukcesywnie także osiągają bardzo wysoką poprawność, która - podobnie jak w zadaniach badających produkcję - wynosi każdorazowo ponad 80 %, z wyłączeniem poprawności 177 Streszczenie w języku polskim dla klamry werbalnej, która okazała się być niska we wszystkich badanych grupach ze względu na konstrukcję jednego ze zdań eksperymentalnych. Łączna poprawność dla wszystkich zjawisk syntaktycznych w obu zadaniach jest w tym przypadku jednak niższa i wynosi 83 %. Różnica w poprawności między produkcją a reprezentacją wynosi zatem 13 % i jest istotna statystycznie (p = 0,023). Warto podkreślić, że w pozostałych grupach różnica ta nie występuje. Podsumowując wyniki dzieci w zakresie składni należy podkreślić, że żadne z badanych zjawisk nie sprawiało im istotnie większych problemów. Oznacza to, że wszystkie zjawiska zostały przyswojone na tym samym, wysokim poziomie i stanowią część gramatyki mentalnej dzieci. Oprócz kompetencji dzieci w zakresie badanych zjawisk składniowych przeanalizowana została ogólna poprawność gramatyczna w zadaniu Sentence Repetion Task oraz czas reakcji w zadaniach Grammaticality Judgment Task i Forced Choice Task. W przypadku czasu reakcji potraktowano wszystkie zdania eksperymentalne razem, nie rozróżniając między badanymi zjawiskami składniowymi. W przeciwieństwie do wyników dotyczących kompetencji syn‐ taktycznej, dzieci dwujęzyczne sukcesywnie osiągają istotnie niższy poziom ogólnej kompetencji gramatycznej w porównaniu do dzieci dwujęzycznych symultanicznie nabywających oba języki od urodzenia (p = 0,012) i dzieci jed‐ nojęzycznych (p < 0,001). Co się tyczy czasu reakcji, można zaobserwować tylko jedną istotną różnicę w zadaniu Grammaticality Judgment Task między dziećmi dwujęzycznymi sukcesywnie a dziećmi dwujęzycznymi symultanicznie, któ‐ rych kontakt z językiem niemieckim rozpoczął się między 2 miesiącem a 3 rokiem życia (p = 0,028); dzieci dwujęzyczne sukcesywnie potrzebują średnio o 1020 milisekund więcej na ocenę poprawności badanych struktur. W celu ustalenia wpływu badanych czynników, tj. wieku pierwszego kon‐ taktu z językiem, długości kontaktu z językiem, inputu kumulatywnego i wieku dziecka, przeprowadzono analizę regresji. Ponieważ zmienne okazały się powi‐ ązane ze sobą liniowo, co oznacza na przykład, że z rosnącym wiekiem dzieci zwiększa się równocześnie długość kontaktu z językiem, zdecydowano się prze‐ prowadzić regresję grzbietową, która częściowo znosi problem współliniowości zmiennych niezależnych. Wykluczono jednak input kumulatywny, który silnie korelował z długością kontaktu z językiem. Kluczowe było zachowanie trzech pozostałych zmiennych w modelach regresji ze względów metodologicznych (por. Stevens, 2006). W przeciwieństwie do pierwszej części wyników opisanej powyżej, która dotyczyła dzieci dwujęzycznych sukcesywnie w porównaniu z pozostałymi trzema grupami, w analizie regresji połączono ze sobą dwie grupy, mianowicie dzieci dwujęzyczne sukcesywnie i dzieci dwujęzyczne sy‐ multanicznie z wiekiem pierwszego kontaktu mniejszym niż 3 lata, które na 178 Streszczenie w języku polskim potrzeby dalszych analiz i dyskusji wyników zostały zdefiniowane jako dzieci dwujęzyczne (w opozycji do dzieci dwujęzycznych sukcesywnie). Miało to na celu wykluczenie przyjętego na podstawie literatury podziału dzieci ze względu na wiek pierwszego kontaktu, ponieważ analiza miała na celu zweryfikowanie zasadności takiego podziału. Innymi słowy, celem było najpierw określenie ko‐ relacji między wiekiem pierwszego kontaktu a wynikami dzieci, a następnie, dla tych obszarów, gdzie korelacje są istotne, określenie dokładnego wieku, który mógłby stanowić granicę między dwoma typami akwizycji. Wyniki pokazały, że wiek pierwszego kontaktu z językiem niemieckim nie koreluje z poziomem kompetencji dzieci w zakresie badanych zjawisk syntaktycznych. Oznacza to, że oddziaływania wieku pierwszego kontaktu z językiem niemieckim na rozwój składni, który jest konstytutywny dla wczesnych faz rozwojowych (por. np. Rothweiler, 2006; Sopata, 2009, 2010), nie jest już widoczny w zaawansowanym stadium akwizycji u dzieci, które rozpoczynają ją między 2 miesiącem a 11 rokiem życia. Nieliczne błędy, które dzieci dwujęzyczne popełniają w zadaniach badających reprezentację, dają się za to przewidzieć przy pomocy czynnika długości kontaktu z językiem niemieckim. Analiza regresji wykazała, że koreluje on silnie dodatnio z wynikami dzieci w zadaniach Grammaticality Judgment Task i Forced Choice Task. Oznacza to, że wraz z rosnącą długością kontaktu z językiem, liczba błędnych odpowiedzi w tych zadaniach maleje. Należy jednak jeszcze raz podkreślić, że liczba błędów jest ogólnie niewielka i nie różni się istotnie od liczby błędów w grupie dzieci jednojęzycznych. Istotnym predyktorem poprawności w tych zadaniach okazał się być też wiek dzieci - im starsze dzieci, tym wyższa poprawność. Analiza regresji wykazała, że wiek pierwszego kontaktu z językiem niemie‐ ckim nie koreluje z poprawnością w zadaniach dotyczących składni. Okazał się być on jednak istotnym predyktorem ogólnej poprawności gramatycznej i czasu reakcji w grupie dzieci dwujęzycznych; wraz z rosnącymi wiekiem pierwszego kontaktu ogólna poprawność gramatyczna zmniejsza się, a czas reakcji staje się dłuższy. Także w tym przypadku można stwierdzić korelacje z wiekiem dzieci - pozytywną dla poprawności i negatywną dla czasu reakcji. Oznacza to, że starsze dzieci osiągają wyższą poprawność gramatyczną, ale potrzebują więcej czasu na podjęcie decyzji w zadaniu Grammaticality Judgment Task niż dzieci młodsze. Warto podkreślić, że żadna z tych dwóch zmiennych zależnych nie koreluje z długością kontaktu z językiem, co oznacza, że błędy dzieci dwujęzycznych w zakresie ogólnej kompetencji gramatycznej nie znikają z upływem czasu (średnia długość kontaktu wynosi 5; 1 lat). 179 Streszczenie w języku polskim Dyskusja i interpretacja wyników W odniesieniu do czynnika wieku w akwizycji języka drugiego, który był kluczowy dla niniejszej pracy, należy stwierdzić, że wiek pierwszego kontaktu z językiem niemieckim nie ma wpływu na kompetencję składniową dzieci dwujęzycznych sukcesywnie w zaawansowanym stadium rozwoju językowego. Oznacza to, że po 18 miesiącach kontaktu z językiem niemieckim - niezależnie od tego, kiedy on nastąpił - dzieci osiągają kompetencję składniową porów‐ nywalną do kompetencji składniowej dzieci dwujęzycznych symultanicznie i dzieci jednojęzycznych. W przypadku dziecięcej akwizycji języka drugiego nie może być zatem mowy o negatywnych skutkach wieku pierwszego kontaktu z językiem na długoterminowy rozwój w zakresie składni. Inaczej rzeczy się mają w odniesieniu do ogólnej kompetencji gramatycznej i czasu reakcji. Okazuje się bowiem, że są one zależne od wieku pierwszego kontaktu z językiem niemieckim; im późniejszy kontakt, tym niższy poziom kompetencji i dłuższy czas reakcji podczas oceny poprawności zdań. Pogłębione analizy wykazały, że dzieci dwujęzyczne, które rozpoczęły przyswajanie języka niemieckiego w wieku od 0 do 3 lat, osiągają taki sam wysoki poziom ogólnej kompetencji gramatycznej. Kompetencja gramatyczna dzieci, których kontakt z językiem niemieckim nastąpił po 3 roku życia, okazuje się być istotnie niższa (por. wykres w rozdziale 7.2). Oznacza to, że pierwsze frazy wrażliwe dla akwizycji języka drugiego kończą się już między 3 a 4 rokiem życia, potwierdzając tym samym granicę postulowaną przez Meisela (2006, 2008, 2007a, 2013) i potwierdzoną przez innych badaczy (Rothweiler, 2006; Sopata, 2009, 2010b). Określenie konkretnego wieku krytycznego w przypadku czasu reakcji było niemożliwe. Analiza wykazała wprawdzie, że czas reakcji wydłuża się wprost proporcjonalnie do wieku pierwszego kontaktu z językiem niemieckim, ale tylko wówczas, gdy kontakt ten miał miejsce do 4 roku włącznie (por. wykres w rozdziale 6.7). W przypadku dzieci, które rozpoczęły przyswajanie języka niemieckiego między 4 a 8 rokiem życia, czas reakcji staje się krótszy. Selektyw‐ ność oddziaływań wieku pierwszego kontaktu z językiem, która jawi się na tle wyżej opisanych zależności, stanowi podparcie dla modularnej koncepcji ludzkiej umiejętności językowej. Pozostałe czynniki, tj. długość kontaktu z językiem i wiek w momencie ba‐ dania, mają wpływ na kompetencję składniową dzieci dwujęzycznych. Nieliczne błędy, które dzieci popełniają w zadaniach oceny poprawności zdań, znikają wraz z wiekiem i z rosnącą długością kontaktu z językiem niemieckim. Wpływ wieku, którego interpretacja nastręcza więcej problemów niż interpretacja wpływu długości kontaktu z językiem, został powiązany z ograniczeniami 180 Streszczenie w języku polskim pamięci roboczej u młodszych dzieci oraz ze świadomością syntaktyczną, która rozwija się z biegiem lat. Input kumulatywny okazuje się być podrzędnym czynnikiem w kontekście akwizycji składni, ponieważ dzieci sukcesywne, które otrzymywały ponad dwa razy mniej inputu niż dzieci dwujęzyczne symulta‐ nicznie nabywające dwa języki od urodzenia, osiągają taką samą kompetencję składniową już po 18 miesiącach kontaktu z językiem niemieckim. Nieliczne błędy popełniane przez dzieci dwujęzyczne w zadaniach badających reprezentacje syntaktyczne zostały przypisane wpływowi języka polskiego, jednak nie w formie transferu międzyjęzykowego, ponieważ liczne kryteria nie pozwalały na jego stwierdzenie. Błędne decyzje dzieci są raczej skutkiem działania mechanizmów przetwarzania językowego, które są specyficzne dla osób wielojęzycznych. Podczas wykonywania zadań język polski był aktywny w umyśle dzieci i wywierał wpływ na ich odpowiedzi. Wpływ języka polskiego był także widoczny podczas produkcji zdań ze spójnikiem weil, w których dzieci dwujęzyczne sukcesywnie stosowały szyk kanoniczny. Wyniki pracy zostały także przedyskutowane w świetle generatywnej teorii akwizycji języka drugiego oraz w kontekście wyzwań, jakie stawia diagnostyka językowa dzieci z tłem migracyjnym, proponując praktyczne implikacje dla diagnostów rozwoju dzieci dwujęzycznych nabywających język niemiecki jako język drugi. Kluczowe było wskazanie na cechy niezaburzonej akwizycji języka drugiego, które mogłyby błędnie zostać uznane za markery kliniczne zaburzeń językowych. Podsumowując należy stwierdzić, że poziom kompetencji składniowej w zaawansowanym stadium dziecięcej akwizycji języka drugiego nie jest uwa‐ runkowany wiekiem pierwszego kontaktu, lecz przede wszystkim długością kontaktu i wiekiem dziecka. Poziom ogólnej kompetencji gramatycznej i czas reakcji podczas oceniania poprawności zdań jest natomiast determinowany przez wiek pierwszego kontaktu, ale nie przez długość kontaktu. Jeśli kontakt z językiem drugim następuje po 3 roku życia, dzieci osiągają istotnie niższy po‐ ziom kompetencji gramatycznej. Pierwsze zmiany jakościowe w mechanizmie akwizycji języka zachodzą zatem już między 3 a 4 rokiem życia i mogą być widoczne w kompetencji gramatycznej nawet po dłuższym kontakcie z językiem drugim. 181 Streszczenie w języku polskim Anhang Anhang A: Ausschnitte des Elternfragebogens 197 Wie viel % pro Tag hört Ihr Kind __ DE PL Wo und von wem hört Ihr Kind… DEUTSCH POLNISCH Wie viel % pro Tag spricht Ihr Kind ___ DE PL Wo und mit wem spricht Ihr Kind... DEUTSCH POLNISCH Lebensjahr 1 2 3 4 5 6 7 8 9 IV. Sprachbiografie des Kindes 23. Mit welcher Sprache hatte das Kind zuerst Kontakt? ☐ Polnisch ☐ Deutsch ☐ gleichzeitig Polnisch und Deutsch ☐ andere ____________________________________________________ 24. Welche Sprache hat Ihr Kind als zweite kennengelernt? ☐ Polnisch ☐ Deutsch ☐ andere ____________________________________________________ ☐ trifft nicht zu 25. Wie alt war Ihr Kind, als es mit seiner zweiten Sprache regelmäßig in Kontakt kam? ________________________________________________________ 26. Wodurch kam Ihr Kind mit der zweiten Sprache in Kontakt? ☐ ☐ KiTa ☐ ☐ Babysitter ☐ ☐ Familienmitglied ☐ ☐ sonstiges IVB. Entwicklung der deutschen Sprache 35. Wie viele deutsche Kinder besuchen bzw. besuchten den Kindergarten Ihres Kindes? ☐ keine ☐ wenige ☐ viele ☐ kann ich nicht sagen 38. Erhält bzw. erhielt Ihr Kind eine besondere Sprachförderung für das Deutsche? ☐ ja, erhielt in _____________ für ____ Stunden/ Woche, ____ Jahre lang ☐ ja erhält in _______________für ____ Stunden/ Woche, seit ____ Jahren ☐ nein 39. Haben Sie sich zu irgendeiner Zeit Sorgen um die Sprachentwicklung des Kindes im Deutschen gemacht? ☐ ja, weil ____________________________________________________ ☐ nein 184 Anhang Anhang B: ANOVA-Statistiken für die Modelle, die nicht an die Daten angepasst sind Phänomen und Aufgabe Anpassung des Modells Verbalklammer im GJT F(3,41) = 1,98; p = 0,133 Reaktionszeit im GJT F(3,41) = 1,36; p = 0,268 Negationsstellung im FCT F(3,41) = 2,53; p = 0,070 Verbalklammer im SRT F(3,41) = 0,93; p = 0,435 Verbendstellung im SRT F(3,40) = 2,65; p = 0,062 Inversion im MAIN-Test F(3,40) = 1,95; p = 0,137 Verbalklammer im MAIN-Test F(3,40) = 0,68; p = 0,572 Verbendstellung im MAIN-Test F(3,36) = 0,94; p = 0,434 185 Anhang B: ANOVA-Statistiken für die Modelle, die nicht an die Daten angepasst sind Literaturverzeichnis Abdi, H. (2007). The Bonferonni and Šidák corrections for multiple comparisons. In N. Salkind (Hrsg.), Encyclopedia of measurement and statistics (S. 103-107). Thousand Oaks, CA: Sage. 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Prace Językoznawcze, 8, 101−115. 208 Literaturverzeichnis Abkürzungsverzeichnis AbE Alter bei Erwerbsbeginn, Erwerbsalter Adv Adverb AO Age of Onset Aux Auxiliarverb BFLA Bilingual First Language Acquisition CP Complementizer Phrase, Komplementiererphrase DaF Deutsch als Fremdsprache FCT Forced Choice Task GJT Grammaticality Judgment Task IP Flexionsphrase KM Kontaktmonat L1 Erstsprache L2 Zweitsprache MAIN The Multilingual Assessment Instrument for Narratives MOD Modalverb NEG Negator NegP Negationsphrase NP Nominalphrase OV Objekt-Verb PP Präpositionalphrase PPT Prinzipien- und Paramater-Theorie SOV Subjekt-Objekt-Verb SRT Sentence Repetition Task SSES Spezifische Sprachentwicklungsstörung SVK Subjekt-Verb-Kongruenz SVO Subjekt-Verb-Objekt UG Universalgrammatik VE Verbend VP Verbalphrase V1 Verberst V2 Verbzweit V3 Verbdritt 210 Abkürzungsverzeichnis Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Struktur der deutschen CP. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Abb. 2: Struktur der polnischen CP. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Abb. 3: Schematische Darstellungen von Alterseffekten auf den Endzustand des Zweitspracherwerbs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 Abb. 4: Eine schematische Darstellung des Entwicklungsverlaufs einer sensiblen Phase nach Meisel (2007a: 103). . . . . . . . . . . 107 Diag. 1: Allgemeine grammatische Korrektheit bei der Satzwiederholung im SRT. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 Diag. 2: Korrektheit der Wortstellung im SRT. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 Diag. 3: Korrektheit der Wortstellung im MAIN-Test. . . . . . . . . . . . . 135 Diag. 4: Typen der vorangestellten Elemente in den Sätzen mit Inversion im MAIN-Test. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 Diag. 5: Prozentzahl der weil-Sätze mit VE-Stellung im MAIN-Test. 136 Diag. 6: Korrektheit der Urteile über die korrekten Sätze im GJT. . . 137 Diag. 7: Korrektheit der Urteile über die falschen Sätze im GJT. . . . 138 Diag. 8: Reaktionszeit bei der Beurteilung der Sätze im GJT. . . . . . . 139 Diag. 9: Korrektheit der Urteile über die Sätze im FCT. . . . . . . . . . . . 140 Diag. 10: Reaktionszeit bei der Beurteilung der Sätze im FCT. . . . . . . 141 Diag. 11: Vergleich der Korrektheit in den Produktions- und Urteilsaufgaben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 Abb. 5: Zusammenfassung der Prädiktoren für die Regressionsmodelle zur Korrektheit und Reaktionszeit. . . . 144 Diag. 12: Relation zwischen dem Alter bei Erwerbsbeginn und der allgemeinen grammatischen Kompetenz. . . . . . . . . . . . . . . . 147 Diag. 13: Allgemeine grammatische Korrektheit bei den Kindern mit AbE ≤ 3; 0 und AbE > 3; 0. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 Diag. 14: Relation zwischen dem Alter bei Erwerbsbeginn und der Reaktionszeit im FCT. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 Diag. 15: Reaktionszeit bei den Kindern mit AbE ≤ 3; 0 und AbE > 3; 0. 149 Abb. 6: Schematische Darstellung der ermittelten Relation zwischen dem Alter bei Erwerbsbeginn und der allgemeinen grammatischen Kompetenz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 Tabellenverzeichnis Tab. 1: Das Stellungsfeldermodell des deutschen Satzes nach Pittner und Berman (2013: 79). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Tab. 2: Felderbesetzung in V1-Sätzen nach Dürscheid (2012: 91). . . . . 56 Tab. 3: Ein uneingeleiteter, vorangestellter Nebensatz als V1-Satz nach Dürscheid (2012: 91). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 Tab. 4: Ein Aussagesatz mit V1-Stellung nach Philippi und Tewes (2010: 236). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 Tab. 5: Felderbesetzung für einen Deklarativsatz mit n-Satzgliedern nach Dürscheid (2012: 105). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Tab. 6: Felderbesetzung für einen V2-Satz mit leerem Vorfeld nach Dürscheid (2012: 89). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Tab. 7: Ein Aussagesatz mit Vor-Vorfeld nach Dürscheid (2012: 97). . . 59 Tab. 8: Distanzstellung mit einem Verbalkomplex. . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Tab. 9: Beispielsätze mit der Lexikal- und Grammatikalklammer. . . . . 60 Tab. 10: Distanzstellung mit einem Verbalkomplex und leerem Mittelfeld. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Tab. 11: Ein Satz mit einer ausgeklammerten Präpositionalphrase. . . . 61 Tab. 12: Formen des Nebensatzes nach der DUDEN-Grammatik (2009: 1026). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Tab. 13: Ein mit dass eingeleiteter Nebensatz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Tab. 14: Vergleich zwischen Deutsch und Polnisch bezüglich der untersuchten Wortstellungsphänomene. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 Tab. 15: Meilensteine beim Erwerb der deutschen Satzstruktur nach Tracy (2002: 8). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 Tab. 16: Phasen des Wortstellungserwerbs im Deutschen als Erstsprache in Anlehnung an Meisel (1986: 132). . . . . . . . . . . . 81 Tab. 17: Entwicklungssequenz des Negationserwerbs im Deutschen als Erstsprache nach Wode (1977: 100 f.). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 Tab. 18: Modifizierte Entwicklungssequenz des Negationserwerbs nach Clahsen (1988b: 12). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 Tab. 19: Entwicklungssequenz des Negationserwerbs bei erwachsenen Zweitsprachlernern nach Clahsen (1988b: 21) . . . . . . . . . . . . . . 85 Tab. 20: Kriterien zur Unterscheidung zwischen dem Erst- und Zweitspracherwerb Erwachsener. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 Tab. 21: Erwerbsgeschwindigkeit bei den von Haberzettl (2005) untersuchten Kindern nach Haberzettl et al. (2013: 150). . . . . . 94 Tab. 22: Erwerbsphasen bei den von Kostyuk (2005) untersuchten Kindern nach Czinglar (2014b: 94). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 Tab. 23: Charakteristik der untersuchten Mädchen nach Pienemann (1981: 26). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 Tab. 24: Erwerbsphasen von Luigina, Concetta und Eva. . . . . . . . . . . . . 99 Tab. 25: Fortgeschrittene Phasen des Verbstellungserwerbs in den referierten Studien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 Tab. 26: Die wichtigsten Informationen über die untersuchten Kinder. 118 Tab. 27: Vergleich der Gruppen bezüglich der Kontaktdauer und des kumulativen Inputs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 Tab. 28: Die in den einzelnen Aufgaben untersuchten Wortstellungsmuster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 Tab. 29: Überblick über die Sätze im SRT. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 Tab. 30: Überblick über die Sätze im FCT. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 Tab. 31: Überblick über die Sätze im GJT. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 Tab. 32: Die wichtigsten Informationen über die bilingualen Kinder in der Regressionsanalyse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 Tab. 33: Korrelationen zwischen den untersuchten Faktoren. . . . . . . . . 143 Tab. 34: Ergebnisse der Regressionsanalyse für die Modelle mit signifikanten Parametern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 214 Tabellenverzeichnis Language Development herausgegeben von Cristina Maria Moreira Flores, Tanja Kupisch, Esther Rinke und Aldona Sopata Zuletzt erschienen: Frühere Bände finden Sie unter: https: / / www.narr.de/ linguistik/ reihen/ language-development/ 34 Maialen Iraola Azpiroz Anaphora Resolution in Children and Adults An Experimental Study of Mature Speakers and Learners of Basque 2015, 199 Seiten €[D] 48,- ISBN 978-3-8233-6929-5 35 Gülsüm Günay Erwerb der deutschen Pluralflexion Empirische Studien zu Kindern mit Türkisch als Erstsprache und Deutsch als Zweitsprache 2016, 262 Seiten €[D] 68,- ISBN 978-3-8233-8053-5 36 Ursula Kania The Acquisition and Use of Yes-no Questions in English A Corpus-Study from a usage-based perspective 2016, 219 Seiten €[D] 58,- ISBN 978-3-8233-8068-9 37 Jana Gamper Satzinterpretationsstrategien mehr- und einsprachiger Kinder im Deutschen 2016, 287 Seiten €[D] 68,- ISBN 978-3-8233-8079-5 38 Adam Tomas Der „am“-Progressiv im Pennsylvaniadeutschen Grammatikalisierung in einer normfernen Varietät 2018, 357 Seiten €[D] 88,- ISBN 978-3-8233-8138-9 39 Tim Diaubalick La adquisición del sistema verbal español por aprendices alemanes y el papel del aspecto gramatical Una comparación entre los tiempos del pasado y los tiempos del futuro 2019, 375 Seiten €[D] 78,- ISBN 978-3-8233-8279-9 40 Helena Olfert Spracherhalt und Sprachverlust bei Jugendlichen Eine Analyse begünstigender und hemmender Faktoren für Spracherhalt im Kontext von Migration 2019, 315 Seiten €[D] 78,- ISBN 978-3-8233-8306-2 41 Kamil Długosz Der Altersfaktor beim fortgeschrittenen Zweitspracherwerb Die Wortstellung im Deutschen bei polnischdeutsch bilingualen Kindern 2021, 214 Seiten €[D] 58,- ISBN 978-3-8233-8498-4 LD 41 Diese Arbeit widmet sich dem Altersfaktor beim kindlichen Zweitspracherwerb. Sie geht der Frage nach, welchen Ein uss das Alter bei Erwerbsbeginn längerfristig auf die syntaktische und allgemein-grammatische Kompetenz bilingualer Kinder in ihrer Zweitsprache hat. Untersucht werden polnischsprachige Kinder, die Deutsch als frühe Zweitsprache erwerben. 41 41 Language Development ISBN 978-3-8233-8498-4 Der Altersfaktor beim fortgeschrittenen Zweitspracherwerb Długosz Kamil Długosz Der Altersfaktor beim fortgeschrittenen Zweitspracherwerb Die Wortstellung im Deutschen bei polnisch-deutsch bilingualen Kindern Language Development 18498_Umschlag.indd Alle Seiten 18498_Umschlag.indd Alle Seiten 09.04.2021 16: 37: 38 09.04.2021 16: 37: 38