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Kolloquium Parkbauten
2510-7763
expert verlag Tübingen
2022
101 Technische Akademie Esslingenkpb101/Zusatzmaterial.html
Herausgegeben von Susanne Gieler-Breßmer 10. Kolloquium Parkbauten Planung, Gestaltung, Bau, Instandhaltung, Instandsetzung, Betrieb von Parkhäusern und Tiefgaragen Tagungshandbuch 2022 10. Kolloquium Parkbauten 8. und 9. Februar 2022 Technische Akademie Esslingen Herausgegeben von Dipl.-Ing. Susanne Gieler-Breßmer 10. Kolloquium Parkbauten Planung, Gestaltung, Bau, Instandhaltung, Instandsetzung, Betrieb von Parkhäusern und Tiefgaragen Tagungshandbuch 2022 Medienpartner Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das vorliegende Werk wurde mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Weder Verlag noch Autoren oder Herausgeber übernehmen deshalb eine Haftung für die Fehlerfreiheit, Aktualität und Vollständigkeit des Werkes und seiner elektronischen Bestandteile. © 2022. Alle Rechte vorbehalten. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. expert verlag GmbH Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen E-Mail: info@verlag.expert Internet: www.expertverlag.de Printed in Germany ISBN 978-3-8169-3546-9 (Print) ISBN 978-3-8169-8546-4 (ePDF) Technische Akademie Esslingen e. V. An der Akademie 5 · 73760 Ostfildern E-Mail: bauwesen@tae.de Internet: www.tae.de 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Vorwort Bei Neubau, Umbau, Modernisierung, Instandhaltung und Betrieb von Parkbauten sind vielfältige und wachsende Anforderungen zu berücksichtigen - insbesondere im Zuge der Megatrends Digitalisierung, Mobilität und Urbanisierung. Darauf müssen sich alle im Bereich Parkhäuser und Tiefgaragen tätigen Personen einstellen. Hierzu leistet das 10. Kolloquium Parkbauten als Kommunikationsplattform für alle Beteiligten der Wertschöpfungskette einen wesentlichen Beitrag. Das Kolloquium richtet sich an: • Städte und Gemeinden • Bau- und Verkehrsbehörden • Betreiber und Investoren von Parkbauten • Facility-Management-Firmen • öffentliche Einrichtungen wie Kliniken, Bahnhöfe, Flughäfen • Sachkundige Planer, Bauingenieure, Architekten, Sachverständige • Spezialunternehmen für Parkbauten • Bauunternehmen • Unternehmen für Bautenschutz, Betoninstandsetzung, Bauwerksabdichtung, Oberflächenbeschichtung • Unternehmen im Bereich Bauchemie, Beton, Zement, Zusatzstoffe und Zusatzmittel • Gebäudeausrüster • Werkstoffwissenschaftler, Chemiker • Hochschulen In rund 40 Fachvorträgen in parallelen Sessions werden hier die neuesten Erkenntnisse über Planung, Gestaltung, Bau, Instandhaltung, Instandsetzung, Betrieb von Parkhäusern und Tiefgaragen zu folgenden Themenschwerpunkten präsentiert: • Konstruktion • Gestaltung • Betrieb • Digitalisierung im Bauwesen • Brandschutz • Instandhaltung und Instandsetzung • Kathodischer Korrosionsschutz • Oberflächenschutzsysteme • Prüfverfahren • Bestandsaufnahme • Fugen • Gussasphalt • Regelwerke • Forschung und Entwicklung • Rechtsfragen Das vorliegende Tagungshandbuch enthält die vorab eingereichten Beiträge zu den Vorträgen und gibt einen Überblick über den aktuellen Stand der Wissenschaft und Technik sowie neueste Entwicklungen und Trends in Konzeption, Technik und Management von Parkbauten. Weitere Informationen unter: www.tae.de/ go/ parkbauten. 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 7 Inhaltsverzeichnis P Plenarvorträge P.1 Brandschaden Parkhaus A am Flughafen Münster/ Osnabrück 13 Dipl.-Kfm. Thorsten Brockmeyer 1 Gussasphalt 1.1 Die Abdichtung von Verkehrsflächen aus Beton - PMMA basierte Grundierungen unter Polymerbitumenschweißbahnen 19 Arnd Laber, Gerd Kromarck 2 Betrieb 2.1 Mit dem Plattformansatz zum digitalen Parkhaus - Ein Blick auf Markt-Trends und Vorreiter 25 Christian Gronza 2.2 Die Garage der Zukunft 27 Michael Elbl 3 Konstruktion 3.1 Besonderheiten bei der Planung und Ausführung von Fugensystemen in Parkbauten 33 Dipl.-Ing. Stephan Sinz 3.2 Ulbrichfuge ® -Report 37 Stefan Wiegrink 3.3 Fahrräder in Pkw-Parkbauten - eine gute Symbiose oder ein Widerspruch? 39 Ilja Irmscher 3.4 An der Praxis orientiert - Lösungen für eine fachgerechte Parkdeckentwässerung 57 Mathias Johr, Werner Art 4 Regelwerke 4.1 Novelle zu den Empfehlungen für Anlagen des ruhenden Verkehrs EAR 05 - Neuerungen in Bezug auf Parkbauten 61 Ilja Irmscher 4.2 Parking Abrasion Test - Entwurf eines Regelwerks zur realitätsnahen Verschleißprüfung von befahrenen Oberflächenschutzsystemen 73 Dr. rer. nat. Joachim Schulze, M. Sc. Sara Blietschau, B. Sc. Jonas Lillig, Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Breit 4.3 Die Konformitätsnachweise für Bauprodukte nach der Technischen Regel (TR) „Instandhaltung von Betonbauwerken“ des DIBt 81 Dr.-Ing. Michael Fiebrich 5 Forschung und Entwicklung 5.1 Dauerhaftigkeit chloridexponierter Stahlbetonbauteile mit hochlegierter Bewehrung 95 Andreas Fraundorfer, Frederik Ripa, Christoph Dauberschmidt 8 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 5.2 Instandsetzung von Stahlblech-Stahlbeton-Verbunddecken durch eine Kombination aus Carbongelege/ -lamellen und geklebter Stahlverstärkung 103 Daniel Glomb, Prof. Dr.-Ing. Christoph Dauberschmidt, Felix Becker 5.3 Instandsetzung von chloridbelasteten Bauteilen durch Applikation einer Beschichtung - Verfahren 8.3 - ein verheißungsvolles Instandsetzungsverfahren? 113 Felix Becker, Christoph Dauberschmidt 6 Kathodischer Korrosionsschutz 6.1 Der Kathodische Korrosionsschutz im Wandel der Zeit und Regelwerke - CAB|ONE: Ein intelligentes und leistungsfähiges Überwachungs-und Monitoringsystem 125 Gregor Gerhard 6.2 KKS im Grenzbereich von Sonderkonstruktionen - Instandsetzung mit KKS im Grenzbereich 145 Detlef Koch, Björn Neuberger 7 Instandsetzung 7.1 Instandsetzung einer Großgarage im olympischen Dorf München von 1972 - Wie eine Betoninstandsetzung zur Generalinstandsetzung wurde 155 Dipl.-Ing. (FH) Robert Plückthun 7.2 Besondere Herausforderungen bei der Sanierung von Additiv-Decken Parkbauten 159 Heiner Stahl, Julian Heyer 7.3 Instandsetzung von Parkbauten im Wandel der anerkannten Regeln der Technik aus Sicht eines ausführenden Unternehmens 163 Dr.-Ing. Till Büttner, Helge-Leander Leitz Mackay 7.4 Schäden an Parkdeckbeschichtungen und abgedichteten Parkdächern - geeignete Systeme - Instandsetzungsvorschläge 175 Dipl.-Ing. Hamed El Diwany 7.5 Tiefgarage Friedrichplatz - Instandsetzung des documenta-Parkhaus bei laufendem Betrieb 183 Henning von Daake, Michael Glorius, Carsten Bücking, Jens Wortberg 7.6 Schnelle großflächige Instandsetzung durch Einsatz eines neuen fließfähigen und maschinell verarbeitbaren Betonersatzmörtels * Frank Halm 7.7 Betonschonende Sanierung von Parkbauten-Beschichtungen 185 Dipl.-Ing. Werner Noebel, Thorsten Fienz 8 Brandschutz 8.1 Brandschutz-Prophylaxe in Parkhäusern 201 Dipl.-Ing. Dierk Bauer, Dipl.-Ing. (FH) Klaus Haberl 8.2 Brandschutzlösungen statt Einfahrtsverbote für Elektrofahrzeuge in Park- und Tiefgaragen - Einsatz von Branddetektions- und Brandbekämpfungssystemen zur Vorbeugung von Personen- und Sachschäden 211 Matthias Bohnert 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 9 8.3 Die neue Garagenverordnung - aktueller Stand der Änderungen. Elektromobilität und Parkbauten - erhöhtes (Genehmigungs-)Risiko? 217 Dipl.-Ing. (FH) Simon Bertsch 8.4 Entscheidungshilfen für brandgeschützte Parkbauten mit individuell konfigurierbaren Verbund-System-Lösungen 223 Dipl.-Ing. (FH) Sascha Schaaf 9 Oberflächenschutzsysteme 9.1 Polyurea, ein Werkstoff der Zukunft? Polyurea am Beispiel Parkhausinstandsetzung 235 Marcus Kopp 9.2 Renaissance der Spritzabdichtung 239 Dipl.-Ing. Christoph Helf 9.3 Entwurf einer ausgewogenen Verteilung der Erhaltungslast in gewerblichen Pachtverträgen bei OS8 mit bzw. ohne begleitender Rissbehandlung auf direkt befahrenen Parkdecks von Tiefgaragen 247 Dr. Hubert Bauriedl 10 Digitalisierung im Bauwesen 10.1 BIM-zentrierte Bauwerksdiagnosen als Entscheidungshilfe bei der Instandhaltung von Parkbauten aus Stahlbeton 251 M. Sc. Hendrik Morgenstern, Univ.-Prof. Dr.-Ing. Michael Raupach 10.2 BIM in der Bauwerkserhaltung - Anwendung in der Planung und Ausführung einer KKS-Anlage 261 Mathis Münzner, Hannes Ahlgrimm 10.3 Digitale Bestandsaufnahme mittels 3D Realitätserfassungstechnologien in der Bauwerkserhaltung am Beispiel von Parkbauten 271 M.Eng. Cher Sze Tan, M.Sc. Sevket Ersan Anhang Programmausschuss 277 Autorenverzeichnis 279 Plenarvorträge 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 13 Brandschaden Parkhaus A am Flughafen Münster/ Osnabrück Dipl.-Kfm. Thorsten Brockmeyer FMO Flughafen Münster/ Osnabrück GmbH, Greven, Deutschland Zusammenfassung Im Jahr 2019 kam es zu einem Parkhausbrand am Flughafen Münster/ Osnabrück, bei dem sowohl das Gebäude, als auch ein Teil der sich in dem Parkhaus befindenden Fahrzeuge stark beschädigt wurden. Der Flughafen ergriff diverse Sofortmaßnahmen, um eine Informationsbereitstellung zu gewährleisten und die Kriminalpolizei bei ihren Ermittlungen zu unterstützen. Die Ermittlungen zur Aufklärung des Geschehens hielten mehrere Monate an und Untersuchungen zur Schadenssumme wurden aufgenommen. Auch dem Flughafen entstanden Aufwendungen in Verbindung mit dem Parkhausbrand. Nach Aufklärung der Brandursache, begannen die Klagen gegen den mutmaßlichen Verursacher. Die vorangegangenen Aspekte werden im Folgenden thematisiert und erläutert. 1. Übersicht Am Abend des 14. Oktober 2019 kam es gegen 19: 30 Uhr zu einem Brand im Parkhaus A des Flughafens Münster/ Osnabrück. Circa 280 Einsatzkräfte der Feuerwehr waren vor Ort und die Löscharbeiten liefen bis in die Nacht hinein. In der Brandnacht konnte die Aussage getroffen werden, dass in der ersten Ebene des Parkhauses das Feuer entfachte und die Fahrzeuge in Brand gerieten. Eine Brandursache konnte anfangs jedoch nicht ermittelt werden. Die Anzahl der Fahrzeuge, die ausgebrannt, nicht fahrbereit waren oder sich in einem abgesperrten Bereich befanden, beläuft sich auf ca. 137. Zu Einschränkungen im Flugbetrieb kam es nicht, jedoch war das Parkhaus unbefahrbar. [1] 2. Erste Erkenntnisse In den Tagen nach der Brandnacht gab es erste Untersuchungserkenntnisse. Demnach waren ausschließlich Fahrzeuge auf den ersten beiden Ebenen von dem Brand betroffen. Die auf den Ebenen 0, 3 und 4 abgestellten Fahrzeuge konnten dementsprechend problemlos ausgefahren werden, ebenso wie weitere 600 Fahrzeuge auf den betroffenen Ebenen. Die Fahrzeughalter erhielten an der Airport-Information Unterstützung. Die Zuordenbarkeit der Fahrzeughalter zu den betroffenen Fahrzeugen stellte jedoch eine Herausforderung in dem Sinne dar, dass die Fahrzeuge teilweise zu massiv beschädigt waren, um eine konkrete Aussage zu liefern. Die ersten Erkenntnisse beinhalteten des Weiteren die Entwarnung, dass das Parkhaus nicht einsturzgefährdet sei. 3. Maßnahmen Da die Anfragen der Fahrzeuginhaber in den folgenden Tagen deutlich an Umfang zunahmen, wurden Sofortmaßnahmen zur Informationsbereitstellung ergriffen, die im Folgenden näher erläutert werden. 3.1 Einleitung diverser Maßnahmen An dem Tag nach dem Brand wurden diverse Informationsquellen für die Betroffenen errichtet. Dazu gehören die Aufnahme einer Service-Hotline und Veröffentlichungen über die Sozialen Medien und die Unternehmenswebseite. Des Weiteren berichteten ebenfalls die lokalen Nachrichtendienstleister über den aktuellen Stand und das weitere Vorgehen. Für die Inhaber der unbeschädigten Fahrzeuge erstattete der Flughafen die Parkgebühren und für gelandete Passagiere, bei denen eine Parkhausausfahrt nicht möglich war, fand eine Erstattung der Fahrtkosten statt. Das Parkhaus wurde sicherheitshalber durch die Kräfte des Technischen Hilfswerks mit Betonträgern abgestützt und die Kriminalpolizei nahm die Ermittlungen zur Brandursache auf. 3.2 Service-Hotline als Hilfe für Betroffene Die genannte Service-Hotline, die am Tag nach dem Brand aufgenommen wurde, diente der angemessenen Beantwortung der über tausend eingehenden telefonischen Anfragen und hunderten E-Mails. Die Einrichtung der entsprechenden Infrastruktur erfolgte durch die IT-Abteilung des Flughafens. Mitarbeiter diverser 14 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Brandschaden Parkhaus A am Flughafen Münster/ Osnabrück Abteilungen legten ihre ursprüngliche Tätigkeit nieder und nahmen in den darauffolgenden Tagen die Anrufe über die Service-Hotline entgegen. Die Unterstützung beschränkte sich anfangs auf die Bereitstellung allgemeiner Informationen und Datenaufnahme, bis die Zuordnung der Betroffenen zu den beschädigten und unbeschädigten Fahrzeugen wenige Tage später erfolgen konnte. Die Datenaufnahme half ebenfalls der Kriminalpolizei bei ihren Ermittlungen. Nachdem der Großteil der Fahrzeughalter informiert wurde und die Datenaufnahme erfolgt war, fand eine Übergabe an die Polizei statt. 4. Mitarbeitereinsätze Der Flughafen erhielt in der thematisierten Woche Unterstützung von Mitarbeitern diverser Abteilungen und Bereiche. Im Folgenden wird näher auf die Zuständigkeiten bzw. die entsprechend übernommenen Aufgaben der Bereiche eingegangen. Zudem wird ein kurzer Einblick in die Arbeitszeiten der Mitarbeiter für die entsprechende Zeit gegeben. 4.1 Zuständigkeiten der Bereiche Die folgende Darstellung bietet eine Übersicht über die involvierten Bereiche mit entsprechender Aufgabenübernahme. Tab. 1: Zuständigkeiten der Bereiche 4.2 Arbeitszeiten der Mitarbeiter Insbesondere in den ersten Tagen nach dem Brand entstand aufgrund der Unterstützungsleistungen ein hohes Arbeitsaufkommen. Die Arbeitszeit der beteiligten Mitarbeiter lag täglich über der Soll-Zeit. Die folgende Tabelle zeigt die durchschnittliche Arbeitszeit derjenigen Mitarbeiter, die an der Service-Hotline tätig waren. Tab. 2: Durchschnittliche Arbeitszeiten 5. Untersuchungserkenntnisse Die Ursache für den Parkhausbrand blieb lange Zeit ungeklärt. Drei Tage nach dem Parkhausbrand wurde Brandstiftung durch die Polizei jedoch ausgeschlossen. Stattdessen wurden vier Fahrzeuge mutmaßlich als Brandverursacher identifiziert. Der Fokus lag bei den Untersuchungen anfangs auf einem Hybrid-Fahrzeug. Für weiterführende Ermittlungen wurden die Bilder der Videoüberwachung durch die Polizei ausgewertet und die Gebäudeversicherung des FMO gab ein Gutachten in Auftrag. [2] 6. Schaden Durch den Parkhausbrand entstanden sowohl Gebäudeschäden, als auch Fahrzeugschäden. Diese gilt es im weiteren Verlauf detaillierter zu betrachten. 6.1 Schadenssumme Die Schadenssumme belief sich nach anfänglichen Einschätzungen der Ermittler auf rund 250 Tsd. EUR. Nach kurzer Zeit wurde dies jedoch auf mehrere Millionen EUR korrigiert. Die Kosten für die Sanierung des Gebäudes belaufen sich dabei auf ca. 2 Mio. EUR. Für den Gebäudeschaden kam zunächst die Gebäudeversicherung des Flughafens auf und die Fahrzeugschäden wurden durch die individuellen Kaskoversicherungen abgedeckt. [3] 6.2 Aufwendungen für die FMO GmbH Die folgende Tabelle zeigt eine interne Auswertung der Aufwendungen, die dem Flughafen in Verbindung mit dem Parkhausbrand entstanden sind. 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 15 Brandschaden Parkhaus A am Flughafen Münster/ Osnabrück Tab. 3: Aufwendungen Parkhausbrand Die internen Leistungen beinhalten vorliegend alle Dienstleistungen, die konzernintern für die FMO Parking Services GmbH geleistet wurden. Insgesamt betragen die Aufwendungen der Jahre 2019 bis 2021 rund 1,94 Mio. EUR. 7. Gutachten Brandursache Die abschließenden Laboruntersuchungen fanden am 13. Dezember 2019 statt. Entgegen der anfänglichen Vermutungen war ein Diesel-Pkw brandverursachend. Der Grund war der Defekt eines Bauteils in der Motorelektronik. Das Relais begann zu glühen und löste das Feuer aus. Die langanhaltenden Untersuchungen hatten den Grund, dass eine gerichtsfeste Expertise gewahrt werden musste. [4] 8. Versicherungsklagen Nach aktuellem Stand klagen vier Kaskoversicherungen gegen die Haftpflichtversicherung des mutmaßlichen Verursachers. Bisher sind die Kaskoversicherungen der Versicherten für den Schaden an 35 Fahrzeugen aufgekommen. Zunächst steht ein Feststellungsantrag im Vordergrund, der die Fragestellung, ob die Versicherung des mutmaßlichen Verursachers für die Brandschäden aufkommen muss, beleuchten soll. Derzeit macht das Gutachten der Versicherung des Verursachers deutlich, dass nach deren Ansicht andere Ursachen nicht mit erforderlicher Sicherheit ausgeschlossen wurden. [5] Literatur [1] vgl. Meike Baars: Großbrand in Parkhaus am FMO unter Kontrolle - 65 Autos in Flammen. https: / / www.noz.de/ deutschland-welt/ nordrhein-westfalen/ artikel/ 1909423/ brand-im-parkhaus-am-fmoaktuell-feuerwehr-im-einsatz-am-flughafen-muenster-osnabrueck [2] vgl. Jörg Sanders: Brand im FMO-Parkhaus: Ermittler begrenzen Brandherd auf vier Autos. https: / / www.noz.de/ deutschland-welt/ nordrhein-westfalen/ artikel/ 1912097/ brand-im-fmo-parkhaus-ermittler-begrenzen-brandherd-auf-vier-autos [3] vgl. André Pottebaum: Parkhausbrand am FMO: Flughafen spricht von Schaden in Millionenhöhe. https: / / www.noz.de/ deutschland-welt/ nordrheinwestfalen/ artikel/ 2054970/ parkhausbrand-amfmo-flughafen-spricht-von-schaden-in-millionenhoehe [4] vgl. Elmar Ries: Gutachten: Diesel-Auto löste Parkhausbrand am FMO aus. https: / / www.azonline.de/ muensterland/ gutachten-diesel-auto-losteparkhausbrand-am-fmo-aus-934676 [5] vgl. Meike Baars: Brand am FMO - Versicherungen fordern Geld für 35 zerstörte Autos. https: / / www.noz.de/ lokales/ osnabrueck/ artikel/ 2352891/ brand-am-fmo-versicherungen-fordern-geld-fuer- 35-zerstoerte-autos Gussasphalt 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 19 Die Abdichtung von Verkehrsflächen aus Beton - PMMA basierte Grundierungen unter Polymerbitumenschweißbahnen Arnd Laber, Gerd Kromarck Triflex GmbH & Co. KG / Bereich Infrastruktur / Minden Zusammenfassung Seit vielen Jahren setzt die Triflex GmbH & Co. KG als Vertriebsgesellschaft der inhabergeführten Follmann-Chemie Gruppe in der bautechnischen Anwendung von PMMA-basierten Produkten und Systemen Maßstäbe und begleitet aktiv die Entwicklung heute geltender Regelwerke. Auch in Bezug auf die TR-Instandhaltung. Mit der stetig wachsenden Bedeutung des Segmentes Parkdecks/ Tiefgaragen werden hierbei auch Erfahrungen gesammelt, die wiederrum im Erhaltungsmanagement von Verkehrsflächen einen nachhaltigen Beitrag zur dauerhaften Instandhaltung leisten. Mit der Veröffentlichung der H PMMA (Hinweise für die Herstellung von Abdichtungssystemen aus einer Polymerbitumen-Schweißbahn auf einer Versiegelung, Grundierung oder Kratzspachtelung aus PMMA für Ingenieurbauten aus Beton) durch die FGSV im Jahr 2018 wurde der Anforderungen der Projekte nach Bauzeitenverkürzung Rechnung getragen. Aufbauend auf den bewährten Anforderungen an solche „Brückenharze“, wie sie in den TL/ TP BEL-EP (Ausgabe 1999) formuliert sind, steht nun auch für diese Form der Abdichtung eine Bindemittelgruppe zur Verfügung, die die Ausführung auch zu Jahreszeiten ermöglicht, die für die klassischen Produkte auf EP-Basis bisher ausgeschlossen waren. 1 PMMA: Polymethylmethacrylat 2 Hinweise für die Herstellung von Abdichtungssystemen aus einer Polymerbitumen-Schweißbahn auf einer Versiegelung, Grundierung oder Kratzspachtelung aus PMMA für Ingenieurbauwerke aus Beton (Ausgabe 2018) 1. Seit Jahren in den Normen In vielen Bereichen des Bauens im Bestand sind PMMA 1 -basierte Produkte und Systemlösungen seit Jahren die Norm. Wurden diese Flüssigkunststoffe noch vor 30 Jahren z.B. im Dachbereich eher belächelt, habe sie über ihre Performance heute doch einen festen Platz bei Planung und Ausführung teils komplizierter Details. Sie haben ihren Weg in die aktuellen Normenreihen gefunden und über viele Jahre den Nachweis angetreten, dass sie in Funktion und Dauerhaftigkeit mehr als nur eine flüssige Alternative zu den etablierten Bahnen darstellen. Nicht umsonst haben heute nahezu alle relevanten Bahnenhersteller entsprechende Flüssigkunststoffe in ihrem Lieferprogramm. 2. Was spricht für PMMA als Bindemittel Epoxidharze und Polyurethan sind seit vielen Jahren die Bindemittel in der Welt der Bauchemie. Sie haben sich anforderungsgerecht weiterentwickelt und leisten heute einen umweltgerechten Beitrag als Beschichtungsstoffe, als Rissfüllstoffe oder als Bindemittel für Betonersatzsysteme, die normiert und grundgeprüft sind. Die Bedeutung der PMMA-Produkte hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Als schnellreagierende, hoch belastbare System formuliert, nutzen sie ihren UV- und Witterungsbeständigkeit z.B. als kalt applizierte Fahrbahnmarkierungen (nach BASt) oder als grundgeprüfte Oberflächenschutzsysteme im Bereich von Parkbauten. Das dann erst im Herbst 2018 über das H PMMA 2 des FGSV der Weg für diese Bindemittel auch für Anwendungen z.B. im Bereich der Brücke normierbar geöffnet wurde, ist letztlich nur der Beleg dafür, dass sie - sinnvoll formuliert und anforderungsgerecht konzipiert - Basis für Werkstoffe sind, die einen relevanten Beitrag leisten, wenn kurze Bauzeiten benötigt werden und/ oder alternative Bindemittel aufgrund einzuhaltender Temperaturgrenzen nicht zielsicher eingesetzt werden können. 20 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Die Abdichtung von Verkehrsflächen aus Beton - PMMA basierte Grundierungen unter Polymerbitumenschweißbahnen 3. Was ermöglichen Grundierungen auf PMMA- Basis? Letztlich werden die Erwartungen an Produkte aus dieser Bindemittelgruppe schon über die Baugrundsätze der H PMMA auf Seite 6 formuliert, wenn als Ergänzung zu den bisherigen Kriterien der ZTV-ING 7-1, Abschnitt 2 Stoffe gefordert sind, die „…für Erneuerungs- und Instandsetzungsmaßnahmen, bei denen kurze Ausführungszeiten benötigt werden, sowie für Baumaßnahmen im Frühjahr und im Herbst, bei denen Versiegelungen und Grundierungen aus Epoxidharz aufgrund der niedrigen Temperaturen beim Einbau nicht eingesetzt werden können.“ Schränkt das den Einsatz in den Sommermonaten nun ein? Natürlich nicht! Getrieben durch die Rohstoff-krise der Sommersaison 2021 wurde deutlich, dass es bis zu einer gewissen Größe der Einzelmaßnahmen durchaus wirtschaftlich sein kann, wenn man nicht nur über den kg-Preis getrieben auf EP-Harze setzt, sondern wenn man die Maßnahme im Rahmen einer Vollkostenrechnung betrachtet. Rechnet man das nun mit jeweils 3 Manntagen inkl. mehrfacher An- und Abfahrt, wird schnell deutlich, dass nicht allein der kg-Preis entscheiden kann. Die Erfahrungen des vergangenen Jahres zeigen, dass je nach Zustand der vorbereiteten Fläche und je nach Zusammenstellung der ausführenden Teams durchaus Flächen von 600 - 800 m² inkl. Verlegung der Schweißbahn in einem Tag möglich sind. 4. Sind die Anforderungen an die Stoffe vergleichbar? Natürlich. Ausdruck dafür ist alleine schon die Aufnahme der grundgeprüften System in die jeweils aktuell ‚Zusammenstellung der zertifizierten Stoffe und Stoffsysteme nach TL-BEL-EP‘ der sog. BASt-Liste. Ergänzt um die durch die BASt gestempelten Ausführungsanweisungen mit Bezug zu den jeweils im System geprüften Polymer-Schweißbahnen ist der Planer abgesichert und der Ausführende weiß sehr genau, auf was er bei der Applikation zu achten hat 5. Auf was ist bei der Ausführung zu achten? Bei der Ausführung ist die deutlich kürzere Reaktionszeit der PMMA-Harze sicher der spürbarste Unterschied. Hinzu kommt, dass beim Anmischen nicht wie beim EP Stamm und Härter in einem vorgegebenen Mischungsverhältnis intensiv gemischt werden. Die Reaktion wird bei dieser alternativen Bindemittelgruppe durch die temperaturabhängige Zugabe eines Katalysators initiiert. Welche Kat-Menge bei welcher Temperatur zu der geforderten Reaktionszeit von mind. 10 Minuten führt, geben die Hersteller außer in den Ausführungsanweisungen auch durch Mischtabellen auf den Gebinde-etiketten an. Ein weiterer Unterschied ergibt sich bei den Kratzspachteln. Die meisten Grundprüfungen nach H PMMA in Verbindung mit TL/ TP-BEL-EP beinhalten eine vorkonfektionierte Kratzspachtelung im System. Im ersten Moment ein Nachteil zeigt sich in der Anwendung doch, dass die Möglichkeit der Teilmengenentnahme einer gebrauchsfertigen Mischung gerade bei Flächen die nur partiell gespachtelt werden müssen, durchaus auch Vorteile hat. Dabei ist die bauseitige Mischung von Kratzspachtel nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Sie ist nur an sehr klare Kriterien geknüpft und es hat sich gezeigt, dass diese nicht so ohne weiteres mit den Standard-Füllstoffen zu erreichen sind, die für EP-Harze verwendet werden. Dies hängt auch mit dem Paraffin zusammen, dass Bestandteil der PMMA-Harze ist. Dieses Paraffin ist es auch, dass zu dem wirklich entscheidenden Punkt führt, wenn eine Abdichtung mittels Polymer-Bitumenschweißbahne gelingen soll. Ein entscheidender Unterschied liegt in der Brennerführung! Es reicht nicht aus, nur das Bitumen der Bahn zu verflüssigen. Auch das an der Oberfläche der Versiegelung abgelagerte Paraffin muss erhitzt und damit aufgeschmolzen 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 21 Die Abdichtung von Verkehrsflächen aus Beton - PMMA basierte Grundierungen unter Polymerbitumenschweißbahnen werden. Darauf wurde bereits 2017 in einem Fachbeitrag hingewiesen 3 . 6. Fazit Der Titel des Fachbeitrag aus 2017 ist mehr als gut gewählt. Es geht schneller und dieser zeitliche Vorteil lässt sich natürlich auch auf die Abdichtung von Parkbauten übertragen. Dort wo nach DIN 18532, Teil 2 gebaut werden soll, können Bauzeiten im Neubau wie in der Instandsetzung verkürzt werden, wenn statt der nur im kg-Preis immer billigeren EP-Harze auf PMMA-basierte Produkte mit BASt-Zustimmung zurückgegriffen wird. Dies gilt nicht nur für die Monate im Frühjahr und Herbst, bei denen der Einsatz der EP-Harze durch niedrige Temperaturen kritisch gesehen werden muss. Je nach Flächengröße macht bereits eine abschnittsweise Nutzung im Rahmen sicher zu schaffender Tagesleistun- 3 „Schneller geht’s mit PMMA“ aus Straßen- und Tiefbau - Heft 0/ 2017 gen mehr als Sinn, wenn man Wartezeit und mehrfache An- und Abfahrten in seine Vollkostenberechnung mit einbezieht. Doch was nützt ein schnelles System, wenn sich über notwendigen Betonersatz Wartezeiten ergeben? Auch hier eröffnen die H PMMA der Bindemittelgruppe neue Möglichkeiten! Heisst es doch in den Hinweisen: „Instandsetzungen von Betonbauteilen können mit PMMA-Mörteln durchgeführt werden, wenn ein Verwendbarkeitsbachweis nach … ZTV-ING 3-4 Nr. 6 (RM/ RC) oder Nr. 7 (PRC) vorliegt…“ Waren PMMA-Mörtel früher hinsichtlich ihres Schwindverhaltens eher kritisch zu sehen, hat sich auch hier in den vergangenen Jahren im Erhaltungsmanagement von Verkehrsflächen eine Menge getan. Die Grundprüfungen für solche Betonersatzsysteme liegen inzwischen vor und damit steht einer schnellen Abwicklung nichts mehr im Wege. Betrieb 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 25 Mit dem Plattformansatz zum digitalen Parkhaus - Ein Blick auf Markt-Trends und Vorreiter Christian Gronza Ein wesentlicher Vorteil der Digitalisierung sind die vielen neuen Konzepte und Geschäftsideen, die sie mit sich bringt. Durch neue Technologien wie bspw. IoT-Sensoren, die die Kennzeichenerkennung ermöglichen, und Cloud-basierten Endkundenportalen lassen sich neue Konzepte wesentlich schneller umsetzen. Durch „Software-as-a-Service (SaaS)“ und „Hardware-as-a-Service (HaaS)“-Ansätze haben sie dabei oft keinen großen Einfluss mehr auf die Budget-Planung, sondern können bestenfalls einfach direkt hinzugeschaltet werden. Mit „mobility CONNECT“ hat evopark eine Plattform an den Start gebracht, die es Anbietern von Mobilitätslösungen ermöglicht, sich durch eine API zum „evopark GATEWAY“ an ein großes Netz von teilnehmenden Parkhausbetreibern anzuschließen. Hierbei setzt evopark auf partnerschaftliche Zusammenarbeit mit führenden Anbietern, bündelt die teils komplexen vertraglichen Strukturen und setzt auf agnostische Schnittstellen zu Parkraummanagement-Systemen. Zu den aktuellen Partnern der Plattform gehören Unternehmen wie Park Now, EasyPark, PayByPhone, PORSCHE Parken Plus, Mercedes.me und Parkamo (mehr Informationen finden Sie unter https: / / mobility-connect.info ). Darüber hinaus ist evopark in Gesprächen mit etlichen nationalen und internationalen Anbietern von Mobilitätskonzepten, die auch an einem digitalen Zugriff auf Parkhäuser interessiert sind. Hat man das Parkhaus erst einmal digital erschlossen und für die Verarbeitung von digitalen Anwendungsfällen vorbereitet, können bestehende Nutzungskonzepte mit digitalen Anwendungsfällen kombiniert werden. Betreiberexpertise ergänzt um digitale Softwarelösungen sorgen für smarte Angebote für Kunden und Partner. Die kommenden Jahre werden spannend und evopark möchte dazu beitragen, dass jeder Betreiber seinen eigenen, optimalen Weg in eine digitale Zukunft findet. Namhafte Betreiber haben sich bereits an das Netzwerk angeschlossen und/ oder nutzen den Service um ihre digitalen Konzepte umzusetzen. So hat beispielsweise die PBW, Parkraumgesellschaft Baden-Württemberg mbH, die Schnittstelle genutzt, um ihr eigenes digitales Produkt „vParken“ in die Liegenschaften mit Scheidt & Bachmann-Technologie zu bringen. Das Netzwerk wird in den nächsten Jahren stark ausgebaut und legt somit den Grundstein für das digitale Parken in Deutschland. Wenn Sie mehr darüber erfahren möchten, wie die Technologie funktioniert, empfehlen wir Ihnen unser „Product Spotlight - mobility CONNECT“ auf unserer Website. Dort ist die Technologie noch einmal genauer erklärt. Ansonsten: Probieren Sie es am besten einfach einmal in einem Parkhaus in Ihrer Nähe aus. 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 27 Die Garage der Zukunft Die Garage: Mobilitätsknotenpunkt & Servicecenter Michael Elbl e-carage Beratung, Parkhaus Elbl Betriebs GmbH.Wien, Österreich Zusammenfassung Laut den letzten entsprechenden Auswertungen werden 80 % aller Ladungen von Elektrofahrzeugen im Off-Street Bereich erfolgen. Derzeit werden viele verschiedenen Insellösungen an Ladeinfrastruktur entwickelt und auf den Markt gebracht. Einerseits die Elektroautofahrer, andererseits die Infrastrukturbetreiber (z.B. Parkplatz- und Garagenbetreiber) benötigen aber ein einheitliches, synchronisiertes Ladesystem. Vergleichbar mit dem weltweit einheitlichen Tankstellennetz für fossile Treibstoffe. Aber auch die Garage / der Parkplatz selbst befinden sich im Wandel der Elektromobilität, der multimodalen Mobilität, Digitalisierung und dem wandelnden Servicegedanken. Neu sind auch die durch COVID entstandenen Änderungen im Bereich der Arbeitswelten und allgemeinen Bewegungsradien. So wird die Garage / der Parkplatz der Zukunft, Ladeinfrastruktur, Mobilitätshub, automatisiertes Parken & Laden ermöglichen und zudem beispielweise Onlineeinkäufe direkt in die Garage liefern lassen. 1. Ausgangslage In den kommenden Jahren werden die Neuzulassungen von Elektrofahrzeugen weiter stark steigen. Vor allem im urbanen Bereich müssen die bestehenden Garagen und Parkplätze zusätzlich mit einer entsprechenden Ladeinfrastruktur ausgestattet werden. 2. Voraussetzungen Laden von Elektrofahrzeugen mit Akkus benötigen Zeit und Raum. Garagen und Parkplätze bieten beides. Zu bemerken ist, dass Garagen und Parkplätze keine “Stromtankstellen” sind, sondern eben weiterhin zum Abstellen von Fahrzeugen dienen - nun zusätzlich mit einer Lademöglichkeit ausgestattet. Ladeinfrastruktur muss flächendeckend, ausreichend und zuverlässig errichtet werden. Durchschnittlich steht ein Fahr zeug täglich 23 Stunden. Genügend Zeit für eine Akku schonende Langsamladung mit 3,7 KW/ h oder für Kurzparker maximal 11KW/ h. Somit stößt man nicht gleich an die Grenzen des lokalen Strombezuges. 3. Herausforderungen Um den Strombezug nicht überzustrapazieren bzw. alle in der Garage befindlichen Elektrofahrzeuge laden zu können, spricht man in diesem Zusammenhang gerne von Lastmanagmentlösungen, Aber, Lastmangement ist zwar notwendig und bei Flotten durchaus gut anwendbar. Grundsätzlich ist aber Lastmanagement nicht unbedingt Kundenwunsch.erster Wahl. Individuelle Mobilität heißt auch Flexiblität & Spontanität - d.h., dass der Kunde jederzeit seine Mobilität in Anspruch nehmen möchte. So werden die verbesserten Akku Leistungen, Ausbau der Netze, intelligente Ladelösungen, aber auch die Speicherung von Strom das Thema Lastenverteilung entschärfen können. 4. Businessmodell Ladeinfrastruktur Investoren brauchen ein Geschäftsmodell und so ist es naheliegend, dass man den abgegbenen Strom leistungsbezogen verrechnet. EVU’s haben dies als Ersters erkannt und versuchen seither ihr Kerngeschäft weiter auszubauen. Aber man ist als Ladestellenbetreiber nicht zwingend verpflichtet, dass Geschäft aus der Hand nehmen zu lassen. Erfüllt man alle Vorraussetzungen, so lässt das EnWG in D und 28 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Die Garage der Zukunft das ElWog in Ö zu, dass man Strom an Dritte verkaufen kann. 5. Vorraussetzungen einer Verrechnung von Stromabgabe Wie bei jedem Anfang einer technologischen Entwicklung, muss der Gesetzgeber erst die entsprechenden jurisitschen Rahmenbedingungen errichten. Dzt. bestehen in vielen Ländern große Gesetzteslücken und somit Unsicherheiten über die marktgerechte Ladesäule. 6. Was ist zu beachten? EU-Richtlinie für die Ladinfrastruktur - Ladesäulenverordnung - Eich- und Messwesen - Preisangabenverordnung - Konsumentschutz - elektrotechnische Sicherheitsbestimmungen - uvm. Dh. eine Ladeinfrastruktur die im öffentlich zugänglichen Bereich installiert ist, muss oben aufgezählte Richtlinien, Gesetze und Verordnungen erfüllen, damit diese z.B. mit einer entsprechenden Konformitätsbewertung von der PTB ausgestattet und am Markt bedenkenlos eingesetzt werden kann. 7. Ladeinfrastruktur in Garagen und Parkplätzen Weltweit sind die Tankstellen für fossile Treibstoffe einheitlich geregelt und synchronisiert.. Ein einheitliches Tankstellennetz ist überregional verfügbar und gibt der Mobilität mit Verbrennungsmotor eine uneingeschränkte Reichweite. Nachdem 80 % aller Ladungen in Garagen und Parkplätzen erfolgen werden, muss man die Entwicklung der Ladeinfrastruktur genau dort ankoppeln weiter ansetzen. Weltweit sind die meisten Parkabfertigungsanlagen ebenfalls synchronisiert und einheitlich verwendbar Die bekanntesten Systemhersteller im DACH Raum sind SKIDATA, Scheidt & Bachmann, Designa, etc. Man muss nur die Ladeinfrastuktur in das bestehende Parabfertigungssystem implementieren. Einfahren - Parken - Laden - Zahlen … • Der Kurzparker zieht wie gewohnt sein Kurzparkticket am Einfahrtsschranken und aktiviert mit dem gleichen Medium die Ladesäule in der Garage. Ist der Park- und Ladevorgang beendet, können beide Umsätze (park & charge) am Kassenautomaten bezahlt warden. • Der Dauerparker verwendet wie gewohnt sein Dauerpakparkticket beim Einfahrtsschranken und aktiviert mit dem gleichen Medium die Ladesäule in der Garage. Ist der Ladevorgang beendet, wird dieser Umsatz (park & charge) am Kassenautomaten bezahlt. So kann zummindest in öffentlichen Garagen und Parkplätzen rasch ein einheitlicher Standard für Ladeinfrastruktur entstehen. Die nächste Generation von Parkabfertigungssystemen sind auch bereits in Umsetzung. Ticketless und rein digital mit Kennzeichenerkennung. Keine Insellösungen, keine Abhängigkeiten von Registrierungen und Apps, keine Probleme mit Raoaming und DSGVO. 8. Die Garage als Mobilitätsknotenpunkt Sämtliche Bereiche unseres Lebens unterliegen einem ständigen Wandel. Wohnen, Arbeiten und die Mobilität verändern sich in einer atemberaubenden Geschwindigkeit. Als wichtigste Triebfeder dieser Entwicklung ist die Ersparnis von Zeit & Geld. War früher eine Garage lediglich ein Aufbewahrungsort für Fahrzeuge, so entwickelt sich diese immer mehr zum Mobilitätsknotenpunkt = Mobilitätshub für die multimodale Mobilität. Egal womit man anreist, egal wie man seine Wege fortsetzt. Die Garage ist die Umstiegsstelle aller Mobilitätsformen. Aber die Garage ist noch mehr! Online Einkäufe werden in die Garage zugestellt, Autos werden in der Stehzeit gereinigt, geladen, geparkt, weitervermietet, etc., Storage, Carsharing, SB Corner für Bankgeschä fte, Snack- und Getränkeautomaten, 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 29 Die Garage der Zukunft . 9. Fazit: Die Garage / der Parkplatz der Zukunft muss für den Wandel im Bereich Mobilität - Schwerpunkt Ladeinfrastruktur und Digitaliserung, autonomes Fahren gerüstet werden… Und muss zukünftig in der Planung einen prominenten Platz finden! Konstruktion 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 33 Besonderheiten bei der Planung und Ausführung von Fugensystemen in Parkbauten Grundlagen, Bemessung, Auswahl Stephan Sinz, Dipl.-Ing. Leiter Produktmanagement, Migua Fugensysteme GmbH, Wülfrath Zusammenfassung Fugen sind Schwachstellen eines Bauwerks, in der Bauausführung aber unumgänglich. Fehler in der Planung oder Ausführung von Fugen führen jedoch zu beträchtlichen Schäden. Deshalb ist bei Einsatz von Fugen-Profilsystemen in Parkbauten größte Aufmerksamkeit und Sorgfalt geboten. Bei Fugensystemen in Parkbauten ist insbesondere darauf zu achten, dass das Fugenprofil dauerhaft wasserdicht an die angrenzende Oberflächenabdichtung, sei es ein OS-System oder eine bituminöse Bauweise, angeschlossen wird. In diesem Beitrag werden neben Hinweisen zur Planung von Fugen wichtige Hinweise zur Ausführung, insbesondere dem Anschluss an die verschiedenen Abdichtungsarten, gegeben. 1. Planung Eine Bewegungsfuge ist eine geplante Unterbrechung einer Konstruktion zur Vermeidung von Rissen. Eine Fuge hat zahlreiche wesentliche Aufgaben im Bauwerk zu übernehmen, wird aber im laufenden Baubetrieb oft wenig beachtet. So kommt es teils zu verheerenden Fehlern, die mit der richtigen Vorgehensweise zu verhindern sind. Die Bewegungsfugen des Rohbaus sind für den Gebrauch bis in die Oberkante des Fußbodens mit Hilfe von Fugenprofilsystemen so zu übernehmen, dass die Gebrauchstauglichkeit dauerhaft gegeben ist. Basis ist die richtige Planung. Dazu gehört zu allererst die Aufnahme der wesentlichen Anforderungen an ein zu passendes Fugensystem. Bei Parkbauten ist es unabdingbar, dass nur baurechtlich zugelassene wasserdichte Fugensysteme eingeplant werden, um einen Chlorid-eintrag im Bereich der Fuge dauerhaft auszuschließen. Dabei ist es absolut wichtig, wasserdicht an die jeweilige Oberflächenabdichtung anzuschließen, sei es ein OS- System oder eine bituminöse Bauweise. Eine sogenannte dauerelastische Verfüllung mit Fugenmassen ist für Parkbauten absolut ungeeignet. Im Folgenden sind eine Reihe von Merkmalen für die Auslegung eines Fugensystems festzulegen. Dies ergibt sich aus der geplanten Nutzung sowie der Tragkonstruktion. Bild 1: Einflussfaktoren auf die Profilbemessung 2. Bemesssung Zu den festzulegenden Bemessungsdaten gehören zunächst die Fugenbreite sowie die Fugenbewegung in allen drei Dimensionen, also Öffnung, Scherung und Setzung. Für die Bewegungsaufnahme im Profil ist die vektorielle Addition der drei Kennwerte entscheidend. Für diese Bewegungsdaten ist ein Profil passgenau zu dimensio- 34 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Besonderheiten bei der Planung und Ausführung von Fugensystemen in Parkbauten nieren. Dabei sind alle Lastzustände einzuplanen und zu berücksichtigen, dass die Bewegungen nicht immer symmetrisch ablaufen. Bild 2: Bemessungsdaten für Fugenprofilsysteme Selbst wenn z.B. keine Scherung rechnerisch zu erwarten ist, kann durch die vorhandene Geometrie -z.B. bei einem z-Versatz oder 90°Winkeldie Bewegung quer zur Fuge zu einer Scherung des Profils führen. Die Vielzahl der möglichen Fugenverläufe muss durch passgenaue Formteile des Fugensystems abgebildet werden können. Dabei ist die durch den Baukörper vorgegebene Fugengeometrie mit dem Fugenprofil zwingend zu übernehmen. Wenn dies nicht berücksichtigt wird, können die Bauteilbewegungen nicht im Profil übernommen werden. Schäden und Abrisse wären die Folge. Bild 3: Beispielhafte Formteile für Fugenprofilsysteme Gleiches gilt für Endstücke, Endaufkantungen. Da ein bewegliches stumpf an eine Wand geführtes Bewegungselement nicht dicht abschließen kann, sind Endstücke für die Dichtigkeit und Bewegungsaufnahme an den Profilenden zwingend notwendig. Die Höhe der Aufkantungen ist individuell festzulegen. Bild 4: Formteil/ Endaufkantung an Türdurchgang Fugenprofile, sollten in der Fugenbreite und Fugenbewegung anpassbar sein, um bei ungeplanten, großen Bewegungen, dennoch Lösungen zu bieten. Dies kann z.B. durch die Austauschmöglichkeit der mittleren Bewegungseinlage sichergestellt werden. Bild 5: verschiedene Bewegungseinlagen Bild 6: Bemessungsdaten für Fugenprofilsysteme 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 35 Besonderheiten bei der Planung und Ausführung von Fugensystemen in Parkbauten Die Profilhöhe ist von Bodenaufbau abhängig und sollte in Abhängigkeit der Ebenheitstoleranzen festgelegt werden. Dabei wird das Profilsystem immer auf einen dünnen, ausgleichenden Fugenglattstrich gesetzt und benötigt einen lastabtragenden Untergrund, meist die Geschossdecke. Besondere Berücksichtigung bedarf die Festlegung der einwirkenden statischen oder dynamischen Lasten. Die Profilbemessung erfordert die Angabe von Linienlasten oder den direkten Bezug auf die DIN 1991. Bei Einsatz von Staplern und Hubwagen mit harten Rollen sind unbedingt Einzelfallbetrachtungen der Radlasten durchzuführen. Bild 7: Wasserdichte Formteilausbildung Ein maschinell gefertigtes Fugenprofil hat eine sehr viel höhere Genauigkeit und Geradheit, als ein handwerklich gefertigter, flächiger Boden mit den erlaubten Ebenheitstoleranzen. Deshalb sind Absprachen zu treffen, damit Höhenversätze zwischen Profil und Belag vermieden werden. Sofern ein Gefälle vorgesehen ist, sind Hoch- und Tiefpunkte beim Fugenprofil zwingend zu übernehmen. Bild 8: Fugenverlauf mit ausgeprägten Hoch- und Tiefpunkten Auch wenn Fugenprofile nicht zum konstruktiven Brandschutz eingesetzt werden, gibt es Profilsysteme, die nach Brandschutzrichtlinien zertifiziert wurden. So ist eine Klassifizierung mit B fl,s1 inzwischen als Standard anzusehen. 3. Anpassung an die Oberflächenabdichtung Da die Chlorid induzierte Bewehrungskorrosion das größte Schadenspotential in sich trägt, ist zwingend der Einsatz von wasserdichten Fugensystemen mit der Möglichkeit des Anschlusses an Oberflächenschutzsysteme zu planen und auszuführen. Diese Anschlussfolien laufen entlang des eigentlichen Profils und binden in die jeweilige Abdichtung ein. Bild 9: verschiedene Anschlussmöglichkeiten von Fugenprofilen an Abdichtungsarten Für Beschichtungen, bituminöse Abdichtungen, als auch für Anschlüsse an die verschiedenen Flüssigkunststoffabdichtungen sollten angepasste Anschlussfolien zum Fugenprofil existieren. Migua bietet dabei auch die Möglichkeit der Kombination, auf der einen Seite des Profils eine OS-Beschichtung anzudichten und auf der anderen Seite an einen Gussasphalt. Diese Kombination ist oft im Übergang von Rampen zum Freideck zu finden und bedarf einer Lösung. Bild 10: Profilübergang zwischen OS-System und bituminöser Abdichtung 36 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Besonderheiten bei der Planung und Ausführung von Fugensystemen in Parkbauten 4. Sichtfläche gleich Dichtfläche Migua bietet mit dem System Sichtfläche = Dichtfläche die Besonderheit, dass direkt an der sichtbaren Oberfläche des Profils abgedichtet wird. Im Unterschied zu anderen Herstellern wird die Dichtebene nicht unter dem Fugenprofil durchgeführt. Somit entsteht kein Wasseraufstau im Profil mit den damit verbundenen Nachteilen. Durch die einzigartige Konstruktionsart kann auch bei bituminöser Abdichtung das Wasser komplett außerhalb des Profils gehalten werden und die Dichtigkeit des Profils schon an der Oberfläche erkannt werden. Da für Fugenprofile dieser Anwendung keine Normen existieren, fordert das Baurecht einen Verwendbarkeitsnachweis in Form eines Allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnisses (abP). Dieses sollte zwingend vor der Ausführung vorgelegt werden können. Der Einsatz fachgerecht geplanter und eingebauter Profilsysteme ist in Parkbauten zwingend. Ein auf diese Weise passgenaues, mit Formteilen versehenes Profilsystem, welches mit angepassten Anschlussfolien dauerhaft dicht mit der Oberflächenabdichtung verbunden ist, sichert eine lange Nutzungsdauer. 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 37 Ulbrichfuge ® -Report Die Fugenlösung, die jedem Druck Stand hält! Stefan Wiegrink WIEGRINK floor solutions GmbH, 46395 Bocholt Kurze Zusammenfassung der Thematik Wir erhielten den Auftrag, bei der Sanierung einer Tiefgarage unsere patentierte und zuverlässige ULBRICHFUGE® auszuführen. Besonders hervorzuheben ist, dass die Tiefgarage direkt an dem Fluss Maas angrenzt und der Tiefgaragenboden 2,5 Meter unterhalb des Wasserspiegels der Maas liegt. Die speziellen Anforderungen und die Beschreibung des aufwändigen Einbaus der ULBRICHFUGE® werden im Vortrag ausführlich erläutert. 1. Anforderungen Es wurden besondere Anforderungen an die von uns herzustellenden Bewegungsfugen gestellt. Eine dieser Anforderungen war die Beständigkeit gegen Streusalze, Tausalze und andere aggressive Medien. Eine weitere besondere Anforderung an die ULBRICH- FUGE® war, dass sie dem Wasserdruck aufgrund der aufsteigenden Feuchtigkeit/ drückendes Wasser standhält und kein Wasser in die Tiefgarage eindringt. Diese Anforderungen hat der bestehende, vorhandene ausgebildete Fugenbereich nicht erfüllt. Des Weiteren wurden hohe Anforderungen an die horizontale und vertikale Bewegungsaufnahme der Fuge gestellt. 1.1 örtliche Gegebenheiten Die ursprünglichen Bauwerksbewegungsfugen waren undicht, so dass die konstruktive Stahlbewehrung im Laufe der Zeit durch eingedrungenes Wasser (Regenwasser, Fahrwasser, ggf. verbunden mit Tausalzen etc.) in großem Ausmaß mit Rost befallen war. Der Beton wurde im Bereich der Bauwerksbewegungsfuge sowohl horizontal als auch vertikal auf einer Breite von ca. 40 cm händisch zurückgebaut. Der Einsatz von schwerem Gerät war nicht möglich, weil die vorhandene, vom Rost befallene Stahlbewehrung erhalten werden musste. 2. Arbeitsablauf 2.1 Fugenöffnungen Insgesamt wurden 204 lfm Bewegungsfugen ausgeführt. Dazu wurde mittels besonderer Schneid- und Stemmtechniken das Fugenbett weiter auf einer Breite von 200 mm und einer Tiefe von 20 mm ausgefräst und anschließend gereinigt und imprägniert. Im nächsten Arbeitsschritt wurde die Fuge mit unserem Systemmaterial ULBRICHFUGE® (mit erhöhter Bewegungsaufnahme) ausgefüllt und passend zur vorhandenen Fußbodenkonstruktion höhengleich angeschliffen. Die Oberfläche der ULBRICHFUGE® wurde dann im Anschluss farblich passend zu den verschiedenen Parkbereichen mit einem elastischen Siegel versehen. Im Bereich der Tiefgarageneinfahrt, ist quer zur Fahrtrichtung eine Bauwerksbewegungsfuge angeordnet. Besonders hervorzuheben ist, dass die Ein- und Ausfahrtsspuren durch einen Sockel getrennt sind. Zudem befindet sich im Randbereich der Ein- und Ausfahrt ein Fußweg, der ebenfalls als Sockel ausgebildet wurde. Auch diese Anarbeitungen mussten flüssigkeitsdicht im System ULBRICHFUGE® hergestellt werden. 3. Einsatzmöglichkeiten Das System ULBRICHFUGE® ist sowohl wie hier als Sanierungsmaßnahme geeignet, findet aber auch direkt beim Neubau seine Lösung. 38 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Ulbrichfuge®-Report Neben der Anwendung im klassischen Industriebodenbau als Fugenkonstruktion in der Erstherstellung findet die ULBRICHFUGE® insbesondere folgende Einsatzmöglichkeiten: Überall dort, wo Beschichtungen vorhanden sind, z.B. - Parkhäuser, Tiefgaragen - Befahrene Rampen Überall dort, wo Risse und Fugen saniert werden müssen, die sich im Zuge der Nutzung noch bewegen, z.B. - Riss/ Fugensanierungen in Parkhäusern, Tiefgaragen - Sanierung schadhafter Fugen im Industriebau - Riss/ Fugensanierung in befahrenen Bereichen - Riss/ Fugensanierungen in Walzbeton - Riss/ Fugensanierungen auf befahrenen Rampen. Überall dort, wo besondere Anforderungen an die Ebenheit gestellt werden, z.B. - Hochregallager - Luftkissenfahrzeuge - Führerlose Flurförderzeuge - Viel befahrene Durchfahrten zwischen Hallenabschnitten - Geringe Lärmentwicklung Überall dort, wo besondere Anforderungen an eine spaltfreie, dichte Oberfläche gestellt werden, z.B. - Luftkissenfahrzeuge - Lebensmittelbereich 4. Vorteile gegenüber anderen Fugenlösungen Der besondere Vorteil unserer ULBRICHFUGE® ist die geringe Austrocknungszeit des Fugenmaterials von nur 15-20 Minuten. Grundsätzlich kann der zu bearbeitende Bereich bereits nach nur 8 Stunden (von Arbeitsbeginn bis zur endgültigen Fertigstellung) wieder überfahren und vollständig belastet werden, was insbesondere im Fall einer Fugensanierung bedeutend und sehr interessant ist. Gerne stehen wir Ihnen mit unserer projektbezogenen, individuellen und kompetenten Erfahrung beratend und planend zur Seite. 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 39 Fahrräder in Pkw-Parkbauten - eine gute Symbiose oder ein Widerspruch? Ilja Irmscher GIVT Gesellschaft für Innovative VerkehrsTechnologien mbH, Berlin, BRD Zusammenfassung Bei nahezu jedem Neubauvorhaben werden inzwischen neben Pkw-Stellplätzen auch Fahrradstellplätze baurechtlich gefordert, mitunter auch ausschließlich. Damit wird dem Mobilitätswandel Rechnung getragen, wobei aber in vielen Fällen die erforderliche Qualität und Differenzierung dieser Fahrradstellplätze nicht oder nur unzureichend definiert wird. Es reicht aber nicht aus, einfach nur die entlegensten ungenutzten Restflächen von Pkw-Parkbauten mit Fahrradständern auszustatten. Teilweise werden auch explizit Anteile für Stellplätze für Lastenfahrräder empfohlen bzw. gefordert. Besondere Herausforderungen ergeben sich neben den Anforderungen an ein benutzerfreundliches Layout und ebensolchen Parkeinrichtungen aus den Aspekten, dass - Rampen für Fahrradparkbauten nur eine Neigung von 6 % über maximal 65 m (ausnahmsweise 10 % über maximal 20 m) im Gegensatz zu den üblichen Anforderungen bei Pkw-Parkhäusern mit Neigungen zwischen 10 % und 15 % aufweisen dürfen; - die erforderliche lichte Höhe für einen fahrenden Radfahrer 2,50 m beträgt, während für Pkw-Parkbauten nach den EAR 05 nur eine lichte Höhe von 2,10 m bzw. nach den Garagenverordnungen von nur 2,00 m zu realisieren ist; - die im Pkw-Bereich üblichen Schrankenanlagen nicht für Radfahrer ausgelegt und abgesichert sind, woraus eine erhebliche Unfallgefahr resultiert. Bei der Planung von Parkbauten sind diese spezifischen Anforderungen umzusetzen, bei größeren und öffentlichen Objekten vorzugsweise durch eine konsequente Trennung der Pkw- und der Radverkehre. Nicht zu vergessen sind auch benutzerfreundliche Fahrradabstellanlagen, die neben einer fahrradschonenden Halterung vorzugsweise nach dem Anlehnprinzip im öffentlichen Bereich auch über eine doppelte Sicherungsmöglichkeit verfügen. Bei der Bemessung der Aufstellordnungen wird auf die FGSV-Hinweise zum Fahrradparken und als Mindestanforderung auf die DIN 7900-1 Stationäre Fahrradparksysteme - Teil 1: Anforderungen verwiesen. 1. Vorbemerkungen Der Bestand an Fahrrädern betrug 2020 in Deutschland nach Angaben des Zweirad-Industrie-Verbands 79,1 Mio. Stück mit einem Anteil von inzwischen 7,17 Mio. Elektrofahrrädern - bei reichlich 83 Mio. Einwohnern und 48,3 Mio. Pkw. Während der Bestand an Fahrrädern insgesamt nur langsam wuchs, vollziehen sich insbesondere im urbanen Bereich erhebliche Entwicklungen zur Fahrrad-Nutzung hin. Unabhängig davon, wie die jeweiligen Nutzungsanteile ermittelt wurden, weist z. B. das Greenpeace-Ranking für Münster einen Radverkehrsanteil von 39 % und für Freiburg eine von 34 % aus. Im Vergleich der größeren Städte erreicht Bremen 23,4 %. Bei nahezu jedem Neubauvorhaben werden inzwischen neben z. B. Pkw-Stellplätzen auch Fahrradstellplätze baurechtlich gefordert, mitunter auch ausschließlich (Berlin). Damit wird dem Mobilitätswandel Rechnung getragen, wobei aber in vielen Fällen die erforderliche Qualität und Differenzierung dieser Fahrradstellplätze nicht oder nur unzureichend definiert wird. Während es sich bei Pkw in der Regel um kippsichere Vierradfahrzeuge mit einem leistungsfähigen Fahrantrieb handelt, sind Fahrräder überwiegend zweirädrige Balancefahrzeuge mit Muskelkraftantrieb, die erst in den letzten Jahren auch mit elektrischen Zusatzantrieben angeboten werden. Ihre Nutzung erfordert damit ein gewisses fahrerisches Geschick und auch eine gewisse körperliche Kondition. Das ist generell bei der Planung von Radverkehrsanlagen und im speziellen auch bei Parkbauten für Fahrräder zu berücksichtigen. 40 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Fahrräder in Pkw-Parkbauten - eine gute Symbiose oder ein Widerspruch? 2. Bemessungsfahrrad als Planungsgrundlage Ebenso wie für die Planung von Straßenverkehrsanlagen im Allgemeinen und von Parkbauten für Pkw im Speziellen gibt es das Bemessungsfahrzeug „Fahrrad / Pedelec / E-Bike“ in der 2020/ 2021 veröffentlichten RBSV - Richtlinie für Bemessungsfahrzeuge und Schleppkurven zur Überprüfung der Befahrbarkeit von Verkehrsflächen [1] (Tab. 1, Bild 1). Eine weitere Differenzierung nach den verschiedenen Fahrradarten ist in den „Hinweisen zum Fahrradparken“ 2012 der FGSV [2] enthalten. Dabei werden keine Unterschiede zwischen jenen mit und ohne elektrischem Hilfsantrieb (Pedelecs) gemacht. Bild 1: Hauptabmessungen eines normalen Fahrrads; Bildquelle: Ziegler Metall, Bild modifiziert https: / / www.ziegler-metall.de/ media/ image/ 24/ 51/ 6a/ Platzbedarf_Abmessung_600x250Px.png Tab. 1: Typische Abmessungen von Fahrrädern [1, 2 u. a.] Abmessungen (m) Breite Länge Höhe Quelle Fahrrad / Pedelec / E-Bike 0,65 2,00 1,25 (1,50*) [1], [2] Tandem 0,65 2,60 1,25 [2] Liegerad 0,60 2,35 0,85 [2] Dreirad 1,00 2,20 1,25 (1,50*) [2] Anhänger 1,00 1,60 (zusätzlich) 1,10 [2] Lastenfahrräder allgemein / Individualnutzung max. 0,90 max 2,70 max. 1,40 Eigene Erfahrungen, vorläufige Ansätze, unverbindlich Lastenfahrräder für Logistikdienstleistungen, Normalausführungen max. 1,00 2,80 max. 2,00 *Fahrrad mit Kindersitz Bei den FGSV-Bemessungsfahrzeugen handelt es sich um virtuelle 85 % - Fahrzeuge, die aus dem Kollektiv der Fahrzeuge der jeweiligen Gruppe auf der Basis der Statistiken des Kraftfahrtbundesamtes (KBA) bestimmt wurden, so dass 85 % der Fahrzeuge dieser Gruppe nicht größer sind. So wird gewährleistet, dass Anlagen für den fließenden und ruhenden Fahrzeugverkehr nach repräsentativen, aber nicht mit einem selten auftretenden Maximalfahrzeug bemessen werden. Dies bedeutet aber auch, dass die Abmessungen des jeweiligen maximalen Fahrzeugs mit in Betracht gezogen werden müssen. Da Fahrräder typisch nicht in den Statistiken des KBA geführt werden, ist die Ermittlung repräsentativer Abmessungen für Fahrräder hilfsweise auf anderen empirischen Wegen durchzuführen. Damit lässt sich auch erklären, dass statistisch belastbare Angaben zu Abmessungen neuer Produkte wie Lastenfahrräder oder Kleinstkraftfahrzeuge erst einen gewissen Bestand an Fahrzeugen erfordern. Flottenfahrzeuge (z. B. KEP, Deutsche Post) unterliegen ebenso wenig wie die verschiedenen Motorroller und Motorräder im baurechtlichen und verkehrsplanerischen Sinn noch keiner qualifizierten standardisierten Bemessung in Deutschland, so dass sie quasi bislang bei der Planung von Parkbauten einschließlich der verschiedensten integrierten Parkierungsanlagen keine geordnete Rolle spielen. Diese Sonderformen müssen aber auch stärker bei Parkbauten berücksichtigt werden, wobei die Thematik des Ladens und Umladens (Logistik-Hubs) jeweils besondere Anforderungen begründen. Beim Bestand der Fahrräder spielt aktuell die Renaissance der Lastenfahrräder eine erhebliche Rolle. Sie wurden bereits im 19. Jahrhundert (Bild 2) eingesetzt und dann mit der allgemeinen Motorisierung größtenteils substituiert. Nunmehr werden sie seit einigen Jahren zunehmend sowohl im privaten Bereich als auch für die sog. letzten Meile im Bereich der urbanen Logistik und für verschiedene Transportaufgaben im professionellen Einsatz eingesetzt (Bilder 3 bis 6). Dabei wurden mit der Verfügbarkeit der modernen E-Antreibe und -Speicher die Voraussetzungen für eine kraftschonende hybride Mobilität geschaffen, die in hohem Maße den Anforderungen nach einer emissionsarmen Mobilität entspricht. 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 41 Fahrräder in Pkw-Parkbauten - eine gute Symbiose oder ein Widerspruch? Bild 2: Lastenfahrrad als zweispuriges Tandem im 19. Jahrhundert http: / / 3.bp.blogspot.com/ -JTBmQKWdzJU/ UX- VQPL1OqVI/ AAAAAAAAAmc/ ZntSk--m45E/ s1600/ lastenrad_1.jpg Bild 3: Einspurige Lastenfahrräder als Pedelecs (Hersteller: Riese & Müller) Bilder 4 und 5: Zweispuriges Lastenfahrrad / Pedelec für den professionellen Einsatz Bild 6: Zweispuriges Lastenfahrrad als Pedelec für den professionellen Einsatz mit Wechselcontainer In Einzelfällen werden auch größere Lastenfahrräder erprobt und eingesetzt (Bilder 7 und 8). Bild 7: XXL-Lastenfahrrad „Megaliner“ mit einer Länge von 7,00 m, einer Breite von 1,10 m und einer Höhe mit Aufbau von 1,60 m sowie einem Wendekreisdurchmesser von 5,0 m als Cargobike in Hamburg; Hersteller CargoCycle https: / / im-efahrer.chip.de/ files/ 6012dc9b0a- 9da-cargocycle-megaliner.JPG? imPolicy=IfOrientation&width=720&height=405&color=%23000000&hash=49a3ed518e06deecb3e- 860643ce6ab006506440ebfe37b7a475134b59147b172 42 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Fahrräder in Pkw-Parkbauten - eine gute Symbiose oder ein Widerspruch? Bild 8: XXL-Lastenfahrrad „Megaliner“ mit der Funktionalität eines Sattelzuges https: / / cargocycle.de/ wp-content/ uploads/ 2021/ 08/ cargocycle-galerie-04-c.jpg 3. Besonderheiten bei der Nutzung von Fahrrädern 3.1 Spezifik der Nutzung von Fahrrädern Die Nutzung des Fahrrades wird wesentlich durch dessen Möglichkeiten zur zielnahen und damit sehr flexiblen Mobilität bestimmt. Daher kommt es auf eine sehr differenzierte Planung der entsprechenden Abstellanlagen bis hin zu Parkbauten an. Dabei müssen Aspekte berücksichtigt werden wie - die Nutzer mit ihren spezifischen Wünschen und Gewohnheiten, - die Rolle des Fahrrades als universelles jederzeit zu nutzendem Verkehrsmittel, als einfacher Gebrauchsgegenstand oder als Sport- und Freizeitgerät, - die örtlichen städtebaulich-architektonischen Möglichkeiten einschließlich der relevanten Verkehrsanbindungen, - die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, - die erforderliche und gewünschte Sicherheit für das Fahrrad, - die Mitnahmemöglichkeiten mit dem ÖV und dem eigenen Auto oder deren Ausschluss, - die Bereitschaft zu Bike and Ride und zur Nutzung von Mietfahrrädern, - die Fahrradpopulation einschließlich Pedelecs. 3.2 Konflikte im Mischbetrieb Bei einem Mischbetrieb von Pkw und Fahrrädern können betrieblich insbesondere folgende Probleme auftreten: - Im Bereich der Ein- und Ausfahrten ist eine Mitnutzung der für Pkw ausgelegten Abfertigungsanlagen mit Schranken durch Radfahrende nicht möglich (Bild 9). Die grundsätzlich genutzten Induktionsschleifen können ein Fahrrad nicht ausreichend detektieren, so dass sich schließende Schranken eine akute Unfallgefahr für Radfahrende darstellen. - Es ist mit häufigen Beschädigungen der Schranken zu rechnen, da Radfahrende einen nicht ausreichend breiten Raum zwischen dem geschlossenen Schrankenbaum und dem angrenzenden Bereich zum Passieren haben und dabei den Schrankenbaum abreißen oder verbiegen können. - Einzelne Beschichtungsarten in Parkbauten sind bei Nässe aufgrund erheblicher Rutschgefahr mit Zweirädern nicht sicher befahrbar. - Eine Nutzung derselben Rampen durch Fahrräder und Pkw ist nicht möglich (siehe 3.3). Bild 9: Illegale oder zumindest nicht gewünschte Durchfahrt einer Radfahrerin an einer Schrankenanlage mit kurzem Schrankenbaum 3.3 Spezifische Unterschiede zwischen Parkbauten für Pkw und Fahrräder Besonders ist darauf hinzuweisen, dass es zwar vielerorts einen großen Bedarf zur Schaffung von Fahrradstellplätzen in Verbindung mit Parkbauten für Pkw gibt, dass sich dabei jedoch vorzugsweise eine klare verkehrliche Abgrenzung beider Fahrzeugarten und der von ihnen genutzten Verkehrsräume empfiehlt. Wesentliche Probleme sind dabei neben den allgemein zu erfüllenden Standards für die erforderliche Verkehrssicherheit vor allem bei der vertikalen und der inneren Erschließung: - Die typische Rampe für Fahrradparkbauten hat eine Neigung von 6 % über maximal 65 m (ausnahmsweise 10 % über maximal 20 m), was im Gegensatz zu den üblichen Anforderungen bei Pkw-Parkhäusern mit Neigungen zwischen 10 % und 15 % steht (Bilder 10 bis 12). 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 43 Fahrräder in Pkw-Parkbauten - eine gute Symbiose oder ein Widerspruch? Bild 10: Typische Neigungen von Parkhausrampen für Pkw und Fahrräder im Vergleich Bild 11: Außen angeordnete langgestreckte 6%ige Fahrradrampe an der Fahrradgarage am Paulinum der Universität Leipzig Bild 12: Fahrradparkhaus am S-Bahnhof Bernau bei Berlin mit 10%igen Fahrradrampen und Wendestellen - Die lichte Höhe für Bereiche, in denen ein Radfahrer mit dem Fahrrad fährt, beträgt nach den ERA Empfehlungen für Radverkehrsanlagen 2,50 m (Bild 13) [3], was in Pkw-Parkhäusern im Regelfall mit den typischen lichten Höhen nach EAR 05 [4] von 2,10 m bzw. nach den Garagenverordnungen von nur 2,00 m [5] nicht gegeben ist. Bild 13: Lichtraumprofil und Sicherheitsraum eines fahrenden Radfahrers nach [3] - Fahrradtreppenrampen (Bilder 14 bis 16) sind zwar realisierbar, diese müssen jedoch ebenfalls baulich von Pkw-Bereichen abgetrennt realisiert werden und erfordern, dass die Radfahrer absteigen und ihr Fahrrad schieben. Bild 14: Fahrradtreppenrampe mit einer Schieberille nach [2] Bild 15: Fahrradtreppenrampe mit eben ausgeführten seitlichen Schiebebereichen in der Fahrradgarage der Mensa der Universität Leipzig 44 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Fahrräder in Pkw-Parkbauten - eine gute Symbiose oder ein Widerspruch? Bild 16: Fahrradtreppenrampe mit Schiebrillen in einem der Fahrradparkhäuser am Bahnhof Amsterdam Central - In einer Reihe von Fällen hat es sich bewährt, die Fahrräder mit Aufzügen zu transportieren, die als Durchlader auszuführen sind. Aufzüge, die durch Personen mit Fahrrad genutzt werden, sollten eine lichte Mindestbreite der Kabine von 1,2 m je zu transportierendem Radfahrer haben, bei öffentlicher Nutzung insgesamt mindestens 2,4 m aufweisen. Die Türen sollten nach Möglichkeit über die gesamte Breite öffnen, mindestens jedoch über eine Breite von 1,5 m bei Aufzügen für den Transport eines Fahrrades und 2,0 m für den Transport von zwei Fahrrädern. Die lichte Innenlänge der Kabine sollte mindestens 2,2 m, besser jedoch 2,4 m betragen. Vor und hinter den Aufzügen sollte sich ein mindestens 2,0 m breiter Weg befinden, wobei eine ausreichende Durchgangsmöglichkeit unter Berücksichtigung vorhandener Türen und anderer wartender Personen und Radfahrer gegeben sein sollte. Aus den o. g. Gründen ist bei öffentlichen Parkbauten und bei Großgaragen eine klare Trennung der Pkw- und der Radverkehre erforderlich. Es kann kein Radverkehr auf den Pkw-Rampen zugelassen werden. Gegebenenfalls muss ein StVO-Zeichen 254 „Verbot für Radfahrer“ oder die Aufforderung „Radfahrer absteigen“ mit einem Zusatzzeichen 1012-32 in Verbindung mit einem Hauptschild, zum Beispiel StVO-Zeichen 101 „Allgemeine Gefahrenstelle“ angebracht werden. 4. Fahrradparksysteme 4.1 Grundlagen Da Fahrräder bestenfalls über einen eigenen Ständer verfügen, muss für alle öffentlich zugänglichen Bereiche und in der Regel auch in Gemeinschaftsanlagen für das Parken von Fahrrädern bei Wohnanlagen, Schulen, Kita, Arbeitsstätten usw. in der Regel eine doppelt gesicherte Abstellung der Fahrräder oder eine Abstellung in verschließbaren Boxen möglich sein. Die Hinweise zum Fahrradparken formulieren im Konsens zu den allgemein üblichen Standards folgende Anforderungen [2, 6]: - guter Halt der Fahrräder durch ausreichend stabile und universell nutzbare Fahrradhalter, die auch die Fahrräder und ihr Zubehör nicht beschädigen; - gute Zugänglichkeit zum Ein- und Ausparken; - ausreichender Diebstahlschutz, Anschließmöglichkeiten für den Rahmen und ein Laufrad; - sicherer Betrieb und einfache Reinigung; - günstige Installation; - stadtgestalterische Verträglichkeit. Von ihrer grundsätzlichen Bauform her bewähren sich besonders sog. Anlehnhalter (Bild 17), die entweder als eigenständige Fahrradhalter oder mit ihrem Grundprinzip in größere Systeme integriert werden. Bild 17: Formen von Anlehnhaltern nach [2] als optimale Ausführung Reine Vorderradhalter erweisen sich in den meisten Ausführungsformen als ungünstig (Bild 19), weil das Fahrrad insgesamt nicht genügend gehalten wird, und weil leicht Querkräfte auf das Vorderrad aufgebracht werden können, die zu einer Verformung der Felgen führen. 4.2 Geometrische Bemessung von Fahrradabstellanlagen - Einfachaufstellung Bei der geometrischen Bemessung von Fahrradparkanlagen sind die Abstände so großzügig zu wählen, dass auch das in der Praxis erforderliche Handling des Fahrrades beim Ein- und Ausparken einschließlich dem Anschließen, dem Be- und Entladen und ggf. auch dem Hinein- 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 45 Fahrräder in Pkw-Parkbauten - eine gute Symbiose oder ein Widerspruch? setzen oder Herausnehmen eines Kleinkindes aus einem Kindersitz gefahrlos möglich ist. Diese Anforderungen werden besonders bei der differenzierten Bemessung in den Hinweisen zum Fahrradparken definiert. Bild 18: Nach dem Komfort und der Sicherheit differenziert geometrische Bemessung von Fahrradabstellanlagen nach [2] Die Fahrgasse muss eine Mindestbreite von 1,8 m aufweisen, besser jedoch 2,0 m. Bild 19: Räumlich großzügig eingerichteter Fahrradparkbereich in einem hochwertigen Wohnhaus in Berlin, jedoch mit ungünstigen Vorderradhaltern Die DIN 79008-1 fordert einen Mindestabstand bei Fahrradparksystemen auf einer Ebene von 0,7 m, bei abwechselnder Hoch-Tiefstellung von mindestens 0,5 m und bei einer Höhendifferenz der Standflächen der Vorderräder von mindestens 0,2 m (Bild 20). Diese Maße empfiehlt auch der ADFC [7]. Diese Maße dürfen keinesfalls unterschritten werden, und sie führen vor allem bei Doppelparkern zu Handlingproblemen vor allem an den unteren Fahrrädern. Bild 20: Beispiel für eine platzsparende Hoch-Tief-Aufstellung in der unteren Ebene von Fahrrad-Doppelparkern 4.3 Geometrische Bemessung von Fahrradabstellanlagen für Lastenfahrräder Es gibt bislang in den allgemeinen Regelwerken noch keine Aussagen zur Bemessung von Abstellflächen für Lastenfahrräder. Für Berlin wurden hierzu für das Parken von Lastenfahrrädern auf der Fahrbahn in Straßen mit einer zugelassenen Höchstgeschwindigkeit von 30 km/ h die Markierung derartiger Stellplätze definiert (Bild 21). Dies kann als gute Orientierung gelten. Bild 21: Vorgaben zur Markierung und Beschilderung von Stellplätzen für Lastenfahrräder; Quelle: Verkehrslenkung Berlin, RP373 Vom Grundsatz her können Stellplätze für Lastenfahrräder nach den Regeln für bequemes Parken nach [2], Bild 18, mit einem Zuschlag für die Stellplatzlänge (empfohlene Länge 3,0 m), die Fahrgasse (bei 900-Aufstellung empfohlene Breite von 2,8 m bis 3,0 m) sowie einem erweiterten Seitenabstand je nach dem angestrebten Zweck von etwa 1,5 m bemessen werden. 46 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Fahrräder in Pkw-Parkbauten - eine gute Symbiose oder ein Widerspruch? 4.4 Geometrische Bemessung von Fahrradabstellanlagen - Doppelaufstellung Bei einer doppelseitigen Aufstellung dürfen nach der DIN 79008-1 die vorderen Laufräder nicht weiter als bis zur Höhe der Vorderachsen überlappen (Bild 23). Bild 23: Doppelaufstellung mit der zulässigen Überlappung der Achsen nach DIN 79008-1 [6] Damit ergibt sich bei einer Doppelaufstellung bei einem entsprechenden seitlichen Versatz und ausreichenden Seitenabständen die Möglichkeit von 2 x 2 m auf insgesamt 3,50 m reduzieren. 4.5 Fahrrad-Doppelparker Vom Grundsatz her erscheint es naheliegend zu sein, unter der Voraussetzung einer ausreichenden Raumhöhe jeweils zwei Fahrräder übereinander zu parken, zumal Fahrräder überwiegend nicht allzu hoch sind und somit die Anordnung in zwei Ebenen übereinander sinnvoll erscheint (Bilder 24 und 25). Bild 24: Prinzipdarstellung eines Fahrrad-Doppelparkers [2] Bei Fahrrad-Doppelparkern sind insbesondere zwei Besonderheiten konstruktiv zu lösen: - Die Position des oberen Fahrrades muss so hoch sein, dass für das Handling des unteren Fahrrads genügend Platz zur Verfügung gestellt wird und keine Stoßgefahren für den Nutzer des unteren Fahrrads bestehen. - Das Heben und Absenken des Fahrrads, das jeweils in der oberen Position geparkt wird, muss ergonomisch für alle Nutzer beherrschbar sein. Es dürfen keine Quetsch- und Klemmgefahren zugelassen werden. Bild 25: Fahrrad-Doppelparker am Hauptbahnhof Erfurt mit einer Rückwand und Überdachung als Witterungsschutz In den Bildern 26 und 27 wird gezeigt, wie kritisch die Platzverhältnisse bei den unteren Stellplätzen sein können. Bilder 26 und 27: Fahrrad-Doppelparker mit beengten Platzverhältnissen für das Handling der unteren Fahrräder, wobei zusätzlich die Seitenabstände zu eng sind. Ein alternatives Doppelparksystem bieten die Doppelparker von Velopa, die das Aufhängen der Fahrräder an 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 47 Fahrräder in Pkw-Parkbauten - eine gute Symbiose oder ein Widerspruch? der Decke in einem genügend großen Abstand zu der unteren Stellplatzreihe ermöglichen (Bilder 28 bis 31). Als Hubhilfe werden integrierte Gasfedern genutzt. Das Fahrrad wird im Bereich des Lenkers und des Sattels an den rot gekennzeichneten Haken eingehängt. Bilder 28 und 29: Velopa-Fahrrad-Doppelparker, die an der Decke aufgehängt werden und horizontal verschoben und dann abgesenkt bzw. gehoben werden können Bilder 30 und 31: Velopa-Fahrrad-Doppelparker, die an der Decke aufgehängt werden und horizontal verschoben und dann abgesenkt bzw. gehoben werden können; mit Hilfe den roten Haken wird es einfach aufgehängt 48 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Fahrräder in Pkw-Parkbauten - eine gute Symbiose oder ein Widerspruch? 4.6 Weitere Fahrradabstellsysteme Am Markt wird eine Vielzahl von Fahrradabstellsystemen angeboten, die teilweise den zuvor dargestellten Systemen und teilweise anderen Funktionsprinzipien zuzuordnen sind. Als problematisch erweisen sich insbesondere Abstellanlagen, bei denen die Fahrräder geneigt werden, wozu meist ein nicht unerheblicher Kraftaufwand beim Handling erforderlich ist. Außerdem können bei Fahrrädern mit Fahrradkorb Utensilien herausfallen. Die sicherste Möglichkeit für das Abstellen von Fahrrädern bieten Fahrradboxen, die entweder an Dauerparker oder auch an Gelegenheitsparker über ein entsprechendes Abrechnungssystem vermietet werden können. Sie bieten meist auch Anschlussmöglichkeiten für das Laden eines E-Bikes und einen Haken für das Anhängen eines Fahrradhelms. 5. Zugangskontrollen - Abfertigungsanlagen Bei öffentlichen Fahrradparkhäusern, die oft auch als Radstation bezeichnet werden, ist die Zugangskontrolle im Sinne einer Parkabfertigung der Nutzer von großer Bedeutung, vor allem immer dann, wenn eine Zugangsberechtigung nur für bestimmte Nutzer (z. B. Dauerparker mit einem Abonnement) erteilt werden soll, und wenn Kurzparker ebenso wie in einem öffentlichen Parkhaus mit einer Schrankenanlage kontrolliert ein- und ausgelassen werden sollen. Ein Beispiel für eine Drehkreuz-Anlage mit einem separierten Zugang für den Radfahrer und das Fahrrad an der Radstation am Hauptbahnhof in Potsdam ist in den Bildern 32 bis 35 zu sehen. Derartige Anlagen ermöglichen ein hohes Niveau der Sicherheit, bedingen aber auch erhebliche Investitionskosten, die sich wegen der relativ niedrigen Tarife nur schwer refinanzieren lassen, und erfordern einen personellen Standby zur Bewältigung technischer Störungen. Daher ist immer mit der Erstellung eines geeignetes Betriebskonzepts abzuwägen, wie ein Fahrradparkhaus bewirtschaftet und abgesichert werden soll. In vielen Fällen beschränkt man sich daher auf die Ausstattung mit einer Videokontrollanlage, die dann zum Beispiel auf die Sicherheitszentrale des jeweiligen Objektes aufgeschaltet wird. Bild 32: Eingang der Radstation am Hauptbahnhof Potsdam: im Innenraum befinden sich witterungsgeschützt die Ein- und Ausgangsanfertigungsanlagen Bilder 33 bis 35: Parkanfertigungsanlage mit einem separierten Zugang für den Radfahrer und das Fahrrad und einer monetären Bewirtschaftung im Sinne einer High-End-Lösung 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 49 Fahrräder in Pkw-Parkbauten - eine gute Symbiose oder ein Widerspruch? Bilder 36 und 37: Eingang und Zugangskontrollanlage der Fahrradstation am Hauptbahnhof Karlsruhe die mit einem Drehkreuzsystem ausgestattet ist 6. Beispiele für Fahrradparkhäuser Die umfassendste Lösung für das Fahrradparken stellen Fahrradparkhäuser dar, die es inzwischen an verschiedenen zentralen Punkten mit einem besonders großen Bedarf an Fahrradabstellmöglichkeiten gibt, so insbesondere an Bahnhöfen und Universitäten. Ein charakteristisches Beispiel ist das Fahrradparkhaus am Hauptbahnhof Münster, das bereits seit 1999 in Betrieb ist und 2001 erweitert wurde und ca. 3.400 Fahrradstellplätze in verschiedenen Qualitäten und ein umfassendes Dienstleistungsangebot aufweist (Bilder 38 bis 44). Bild 38: Radstation am Hauptbahnhof Münster mit ihrer gläsernen Architektur; die vielen Fahrräder an der Oberfläche resultieren aus dem großen Stellplatzbedarf an diesem Standort Bild 39: Fahrradtreppenrampe der Radstation am Hauptbahnhof Münster; Ausgang zur Innenstadt Bild 40: Bestandsplan der Radstation am Hauptbahnhof Münster mit einer langen Fahrradrampe links im Plan, einer Treppenrampenanlage oben und direkten Zugängen zum Bahnhof und Bahnhofsvorplatz; Quelle: WBI Westfälische Bauindustrie GmbH Münster 50 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Fahrräder in Pkw-Parkbauten - eine gute Symbiose oder ein Widerspruch? Bild 41: Radstation am Hauptbahnhof Münster: lange Fahrradrampe mit einer 6%igen Neigung und Zugangskontrollen Bild 42: Radstation am Hauptbahnhof Münster: Fahrradparkbereich mit Velopa-Doppelparkern Bild 43: Radstation am Hauptbahnhof Münster: Fahrradparkbereich; vorn rechts eine Fahrradwaschanlage Bild 44: Radstation am Hauptbahnhof Münster: gesondert abgeschlossener Parkbereich für angemeldete Dauerparker Bei der Radstation am Hauptbahnhof Potsdam handelt es sich um einen Bereich, der ursprünglich zur Tiefgarage gehörte (Bilder 32 bis 35 und 46). Von der Straßenseite her ist die Radstation sowie ein Fahrradservice erreichbar (Bild 45). Bild 45: Radstation am Hauptbahnhof Potsdam von der Straßenseite: Zugang und Service Bild 46: Die Radstation am Hauptbahnhof Potsdam wurde in einem Teilbereich der Tiefgarage eingerichtet Ein Beispiel für die Integration eines Fahrradparkbereichs mit separierten Zugängen zeigt ein Entwurf für das Parkhaus Güterbahnhof in Coburg (Bild 47). 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 51 Fahrräder in Pkw-Parkbauten - eine gute Symbiose oder ein Widerspruch? Bild 47: Fahrrad-Parkbereich mit separiertem Zugang beim Entwurf für das Parkhaus Güterbahnhof in Coburg 7. Fahrrad-Services Es hat sich bewährt, dass bei Fahrradparkhäusern und größeren Fahrradparkanlagen einschlägige Serviceleistungen angeboten werden, so zum Beispiel die Bereitstellung von Reifenluft und Fahrradwerkzeugen (Bilder 48 und 49), von Schließfächern und E-Lademöglichkeiten (Bilder 50 und 51). Meistens werden diese Dienstleistungen unentgeltlich angeboten. Bilder 48 und 49: Fahrradwerkzeuge und manuelle Luftpumpe an einer Stele von DB Station Bild 50: Schließfächer in der Radstation am Hauptbahnhof Potsdam Für das Laden von Elektrofahrrädern kann entweder die Batterie ausgebaut (Bild 51), in einem speziellen Schließfach bzw. außerhalb geladen, oder das Fahrrad an einem speziellen Stellplatz mit E-Ladepunkt angeschlossen werden vorzugsweise auch innerhalb einer Fahrradbox. Bild 51: Radlager im Münster mit zusätzlichen Dienstleistungen: E-Lademöglichkeiten für ausgebaute Fahrradakkus und Reifenluft 52 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Fahrräder in Pkw-Parkbauten - eine gute Symbiose oder ein Widerspruch? 8. Automatische Fahrradparksysteme 8.1 Systematik In den Regelwerken gibt es keine Systematik für automatische Fahrradparksysteme. Die Übernahme von Systematiken aus dem Bereich der automatischen Parksysteme für Pkw ist ebenso wenig zielführend wie eine Systematik nach den allgemeinen Optionen, die aus fördertechnischer Sicht vorstellbar wären. Daher wurde eine Systematik entwickelt, die sich an den dem Autor seit etwa Mitte der 1990er Jahre bekannt gewordenen marktverfügbaren bzw. als Prototyp in Deutschland / Mitteleuropa (vor allem in A, CH, D, NL) Systemen orientiert. Tab. 2: Systematik für technisch realisierte automatische Fahrradparksyteme Automatische Fahrradparksysteme Systeme mit Direktzugriff ohne Lastaufnahmemittel Systeme mit Kabinen / Körben mit Lastaufnahmemittel Offene Lastaufnahmemittel Seitlich und hinten geschlossene Kabinen Parkregale Karusselle Umlaufparker Karusselle Umlaufparker Parkregale WÖHR BIKESAFE® Velominck NL 2010 Horizontalpaternoster KRUPS 1997 BIKEOMAT NL 1997 Vertikalpaternoster Koch & Partner radbox NUSSBAUM Technologies (6fach) Fahrradsafe® Fredenhagen 1996 Kühne 1997 Vertikalpaternoster V-Locker VELOMAT A 1997 Vertikal-paternoster GIVT 1997 Kompakt nur Unterbringung des Fahrrades mit fest befestigten Teilen Weniger kompakt auch Unterbringung von Gepäck / Helm möglich 8.2 Besondere Grundlagen für die Planung Aus der Systematik der verschiedenen automatischen Fahrradparksysteme ergeben sich spezifische Eigenschaften der Systeme, so dass die bislang oft aus der Sicht der Architektur und Stadtplanung gewählten Ansätze zur Auswahl und zum Einbau „passender“ Systeme zum Teil zu fatalen Problemen geführt haben, die der gewünschten Gebrauchstauglichkeit und Akzeptanz entgegenstehen. Daher ist dringend zu empfehlen in den Planungsprozess bis hin zur Inbetriebnahme eines automatischen Fahrradparksystems einen einschlägigen Fachplaner einzubeziehen. Wesentliche aus fachplanerischer Sicht zu beachtende Aspekte sind: - die Wahl eines verkehrlich optimalen Standortes, - die Dimensionierung für die entsprechenden Nutzergruppen mit ihren spezifischen Anforderungen, - die Schaffung optimaler Wegebeziehungen sowohl mit dem Fahrrad vom öffentlichen Straßenraum zum Parksystem als auch fußläufig zum Ziel und zurück, - die systemlogistische Dimensionierung entsprechend den zu erwartenden Tagesganglinien der Nutzer unter besonderer Berücksichtigung von Stoßbetriebsszenarien, - die Entwicklung eines nachhaltigen Betriebskonzepts mit allen allgemein betrieblichen und speziell anlagentechnischen Aspekten, - die Entwicklung eines möglichst langfristigen Fullservicevertrags einschließlich eines qualifizierten und schnell verfügbaren Entstörungsdienstes, - die sinnvolle Nutzung und Standardisierung von Zugangs- und Abrechnungssystemen, - die erforderlichen immissionsrechlichen Anforderungen, insbesondere zum Lärmschutz. 8.3 Projektbeispiele An verschiedenen Standorten wurden in den vergangenen Jahren einige automatische Fahrradparksysteme errichtet, von denen exemplarisch einige aufgeführt werden sollen. 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 53 Fahrräder in Pkw-Parkbauten - eine gute Symbiose oder ein Widerspruch? Der Wöhr Bikesafe ist zum Beispiel in Baden-Württemberg im Schulzentrum Rutesheim und bei Bosch in Reutlingen in Betrieb (Bilder 52 bis 58). Bilder 52 und 53: Bikesafe der Wöhr Autoparksysteme GmbH als Pilotanlage im Schulzentrum Rutesheim Bildquelle Bild 53: Otto Wöhr GmbH Friolzheim Bild 54: Übergabebereich des Bikesafes im Schulzentrum Rutesheim Bild 55: Übergabebereich des Bikesafes bei der Übergabe eines Fahrrads Bild 56: Lagerbereich des Bikesafes Bild 57: Wöhr Bikesafe bei BOSCH in Reutlingen Bild 58: Übergabebereich des Bikesafes in Reutlingen - die BOSCH-Beschilderung weist nur auf den Eigentümer und Nutzerkreis hin Am Bahnhof Fellbach hat Koch & Partner, Bike Parking Systems AG (CH), einen Fahrradparkturm errichtet, der aus vier Vertikalpaternostern besteht (Bilder 59 bis 62). Das System erreicht eine relativ hohe fördertechnische Systemleistung, wobei zu beachten ist, dass das Fahrrad am selben Tor ausgelagert werden muss, an dem es auch eingelagert worden ist. 54 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Fahrräder in Pkw-Parkbauten - eine gute Symbiose oder ein Widerspruch? Bild 59: Vertikalpaternoster von Koch & Partner (CH) am Bahnhof Fellbach Bild 60: Zwei der vier Tore der Vertikalpaternoster von Koch & Partner (CH) am Bahnhof Fellbach Bild 61: Kabine der Vertikalpaternoster von Koch & Partner (CH) mit einer Führungsschiene und einem Haken für den Fahrradhelm Bild 62: Die Anmeldung bei dem Fahrradparksystem am Bahnhof Fellbach erfolgt nach der Anmeldung über eine App Die Schweizer Firma V-Locker bietet ebenfalls Vertikalpaternoster an, die modular aufgestellt werden. Daher ist die Höhe und die Anzahl der Stellplätze pro Anlage kleiner als bei stationär installierten Vertikalpaternostern (Bilder 63 und 64). Bild 63: Varianten der Vertikalpaternoster von V-Locker (CH); Quelle V-Locker 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 55 Fahrräder in Pkw-Parkbauten - eine gute Symbiose oder ein Widerspruch? Bild 64: Vertikalpaternoster von V-Locker (CH) am Hauptbahnhof Halle/ Saale Die Nussbaum Technologies GmbH hat mehrere automatische Fahrradparkhäuser errichtet, die jeweils als einreihige Parkregale in einer Turmbauweise ausgeführt sind (Bilder 65 bis 70). Die Einlagerung der Fahrräder erfolgt jeweils in Lastaufnahmemittel mit 2x6 gegenüberliegenden Kabinen. Diese jeweils beiderseitig 6 kabinenartigen Stellplätze werden gleichzeitig auf einer der beiden Seiten in der Übergabeposition unten positioniert. Beim Einparken ist dies vorteilhaft, beim Ausparken kann dies im Stoßbetrieb zu chaotischen Zuständen führen, falls die auszulagernden Fahrräder über eine größere Anzahl von Lastaufnahmemittel verteilt sind. Bild 65: Automatisches Fahrradparksystem „RAD- HAUS“ am Bahnhof Waiblingen Bild 66: Sechs nebeneinander befindliche Zugangstüren auf der Seite A; das grüne Licht signalisiert, dass die dahinter liegende Kabine noch frei ist Bild 67: Kabine hinter dem Tor A4; der gelbe Bügel dient der Sicherung des eingelagerten Fahrrades Bild 68: Die Identifikation der Nutzer erfolgt am „RAD- HAUS“ Waiblingen nach Anmeldung mittels RFID- Karten, die die Parkierungsgesellschaft Waiblingen GmbH ausstellt 56 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Fahrräder in Pkw-Parkbauten - eine gute Symbiose oder ein Widerspruch? Bilder 69 und 70: Lagerbereich des automatischen Fahrradparksystems in Waiblingen; oben ist das Lager zu erkennen, das jeweils Lastaufnahmemittel für 2x6 Fahrräder aufnimmt, im unteren Bereich die vertikal schließendenTore sowie unten links die Struktur der gegenüber versetzt angeordneten Stellplätze innerhalb des Lastaufnahmemittels, das sich gerade in der Übergabeposition befindet 9. Fazit Die Schaffung qualifizierter, d. h. gebrauchstauglicher und nachhaltiger Stellplätze für Fahrräder aller an dem jeweiligen Standort anzutreffenden Arten von Fahrrädern, die gleichzeitig den Wünschen und Gewohnheiten der Nutzer entsprechen, stellt mehr denn je eine integrale Aufgabe bei der Planung und Realisierung nahezu aller Bauvorhaben dar. Sie ist mit spezifischen Anforderungen an die Kubaturen und Kosten verbunden und bedarf auch einer qualifizierten Fachplanung. Die dabei geltenden baurechtlichen Anforderungen beinhalten längst nicht alle wichtigen Ausführungsdetails nach den schon langjährig bekannten Regelwerken wie den z. B. FGSV-Hinweisen zum Fahrradparken. Literaturverzeichnis [1] RBSV Richtlinien für Bemessungsfahrzeuge und Schleppkurven zur Überprüfung der Befahrbarkeit von Verkehrsflächen - FGSV Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e. V., Köln Ausgabe 2020 [2] Hinweise zum Fahrradparken W1. - FGSV - Forschungsgesellschaft für Straßen- und Ve r k e h r s wesen e. V., Arbeitsgruppe Straßenentwurf. - Ausgabe 2012, Köln [3] ERA Empfehlungen für Radverkehrsanlagen. - FGSV - Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e. V., Ausgabe 2010, Köln [4] Empfehlungen für Anlagen des ruhenden Verkehrs EAR 05. - FGSV - Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e. V., Arbeitsgruppe Straßenentwurf. - Ausgabe 2005, Köln [5] Muster einer Verordnung über den Bau und Betrieb von Garagen (Muster-Garagenverordnung M-GarVO) - Fassung Mai 1993 -, geändert durch Beschlüsse vom 19.09.1996, 18.09.1997 und 30.05.2008. - Herausgeber Fachkommission Bauaufsicht der ARGEBAU [6] DIN 79008-1 | 2016-05 Stationäre Fahrradparksysteme - Teil 1: Anforderungen [7] Technische Richtlinie TR6102-0911 - Empfehlenswerte Fahrrad-Abstellanlagen, Anforderungen an Sicherheit und Gebrauchstauglichkeit, ADFC Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club e.V., Bremen 79008-1 | 2016-05 Stationäre Fahrradparksysteme - Teil 1: Anforderungen [8] Irmscher, I. u. a.: Handbuch und Planungshilfe Parkhäuser und Tiefgaragen. - Dom publishers, Berlin, 2012 Bildquellen: ©GIVT mbH Berlin, sofern nicht anders gekennzeichnet Kontakt: Dr.-Ing. habil. Ilja Irmscher GIVT mbH Pasedagplatz 3-4 D-13088 Berlin Tel. +49 (0) 30 - 47 49 98 - 10 E-Mail irmscher@givt.de Internet www.givt.de 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 57 An der Praxis orientiert - Lösungen für eine fachgerechte Parkdeckentwässerung Mathias Johr ACO Passavant GmbH, Dermbach, Thüringen Werner Art ACO Passavant GmbH, Dermbach, Thüringen Zusammenfassung Bei unserer täglichen Arbeit müssen wir immer wieder klimatische Einflüsse beachten. Regen- und Tauwasser muss von genutzten und auch ungenutzten Flächen abgeleitet werden. Die Entwässerung ist notwendig um, um Schäden an Personen oder an den Gebäuden abzuwenden. Bei der Planung einer Dach- und Parkfläche sind neben den Regenspenden, den Anstauhöhen, auch die Temperatur- oder die Materialbeständigkeit der Abdichtungsschicht und der Abläufe zu beachten. 1. Normative Grundlagen der Auslegung von Parkdeckentwässerungen Bei der Entwässerung von Parkdeckflächen müssen drei Anwendungsfälle unterschieden werden. Frei bewitterte Parkflächen oder die frei bewitterten Auffahrten können analog eines Flachdachs ausgelegt werden. Die Berechnung der Regenwassermenge ist sehr gut in den relevanten Normen beschrieben. Einfahrten zu Tiefgaragen, also Flächen unterhalb der Rückstauebene, werden mit einer anderen Regenspen-de berechnet. Sonst sind hier die Lage der Rückstau-ebene und ein Gefälle zur öffentlichen Kanalisation zu beachten. Die Auslegung und der Einsatz einer Hebe-anlage oder einer Pumpstation kann auch in Hinblick auf die Rückstausicherheit notwendig sein. Flächen, die überdacht sind, müssen auch entwässert werden. Eine Berechnung der Regen- oder Tauwassermenge ist in den Normen nicht beschrieben. Die Menge des abzuleitenden Wassers muss also abgeschätzt werden. Je nach Region und Schneeintensität können schnell 40 l pro Fahrzeug angenommen werden. 2. Parkdecks und die Entwässerung von Rampen Die Abläufe und Rinnen sind nicht nur wichtig für ein funktionierendes Entwässerungssystem. Gerade die sichere Verbindung der Abdichtschicht mit dem Ablauf ist entscheidend für den Bauwerksschutz. Sie sorgt dafür das keine schädigenden Verbindungen in den Baukörper eindringen können. Die Abläufe und Rinnensysteme sollten mit ihren Flanschen auf die Abdichtungssysteme namhafter Hersteller von Oberflächenschutzsystemen, z.B. Fa. Triflex, abgestimmt sein. 3. Praktische Umsetzung der Entwässerung Die Entwässerung kann über Punktabläufe oder Rinnen erfolgen. Die auftretenden Kräfte, z.B. die Belastung durch das Fahrzeuggewicht, dürfen die Roste der Abläufe nicht beschädigen. In öffentlichen Bereichen kann eine Verriegelung des Rostes Vandalismus vorbeugen. In frostgefährdeten Bereichen kann eine Beheizung der Abläufe und/ oder der Rohrleitung notwendig sein. Es sollten Abläufe ohne Geruchverschluss eingesetzt werden, da sonst die Wasservorlage einfrieren kann. Die angeschlossene Rohrleitung muss als Freispiegelleitung mit einem Gefälle berechnet werden. Unter Umständen muss auch der Brandschutz beachtet werden. 58 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 An der Praxis orientiert - Lösungen für eine fachgerechte Parkdeckentwässerung 4. Wartung und Instandhaltung Fahrscheine, Zigarettenkippen oder Kassenbons sind nur Beispiele für Dinge, die die Entwässerung verstopfen können. Selbst der größte Schmutzfangeimer kann nicht jeden Schmutz zurückhalten. Sie sind bei der Wartung zu entleeren. Die Wartung von Abläufen und Rinnen ist mind. 2mal im Jahr durchzuführen. Nur wenn das Entwässerungssystem korrekt ausgelegt, fachgerecht installiert und fristgerecht gewartet wird, haben Sie die Sicherheit, dass die Entwässerung auch zum Bauwerksschutz betragen kann. ACO Haustechnik möchte Ihnen mit dem Vortrag „Praxisorientierte Lösungsmöglichkeiten für eine fachgerechte Parkdeckentwässerung“ die wichtigen Punkte anreißen und Impulse für Ihre tägliche Arbeit geben. Regelwerke 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 61 Novelle zu den Empfehlungen für Anlagen des ruhenden Verkehrs EAR 05 - Neuerungen in Bezug auf Parkbauten Ilja Irmscher GIVT Gesellschaft für Innovative VerkehrsTechnologien mbH, Berlin, BRD Zusammenfassung Die Novelle zu den Empfehlungen für Anlagen des ruhenden Verkehrs EAR 05 befindet sich gegenwärtig im Abstimmungsprozess der Gremien der FGSV sowie mit unmittelbar inhaltlich Beteiligten wie dem Bundesverband Parken. In dieser Novelle sind wesentliche Änderungen enthalten, die sich in verschiedenen Aspekten widerspiegeln. Das betrifft zunächst die Gliederung, die u. a. einen selbständigen Abschnitt „Parkbauten“ ausweist, die Strukturierung nach den verschiedenen Fahrzeugkategorien in den betreffenden Abschnitten, und natürlich auch die Bezugnahme auf die neuen Bemessungsfahrzeuge nach der 2021 veröffentlichten RBSV - Richtlinie für Bemessungsfahrzeuge und Schleppkurven zur Überprüfung der Befahrbarkeit von Verkehrsflächen. Die größten Veränderungen beziehen sich dabei auf den Pkw. Der aktuelle Bemessungs-Pkw wurde entsprechend für die Ableitung der aktuell zu empfehlenden Regelabmessungen mit seinen Grundflächenabmessungen und seiner Fahrgeometrie herangezogen. Es ergeben sich verschiedene Anpassungen im Detail, die allein schon vor dem Hintergrund der Entwicklung innerhalb der vergangenen 17 Jahre seit der Veröffentlichung der EAR 05 objektiv eingetreten sind. 1. Vorbemerkungen Ursprünglich hatte ich geplant, entsprechend dem bestätigten Titel meines Vortrags über die Neuerungen aus der Novelle zu den Empfehlungen für Anlagen des ruhenden Verkehrs EAR 05 [3] zu sprechen, die für Parkbauten von besonderer Bedeutung sind. Nunmehr gab es jedoch weitere Verzögerungen im Abstimmungsprozess zu dieser Novelle, so dass ich meinen Vortrag höchstwahrscheinlich vor der Veröffentlichung der Novelle halten werde. Ich beziehe mich daher in diesem Vortrag auf diejenigen Aspekte, die offenbar unabhängig von den noch ausstehenden Abstimmungen in dieser Form so erscheinen werden. Vakant ist jedoch noch die nicht unwesentliche Frage, ob nur die Regelmaße für Pkw um die neue Regelstellplatzbreite von 2,65 m und die Regelstellplatzlänge von 5,20 m in der EAR-Novelle enthalten sein werden, oder auch jene (Regel)maße, die sich ergeben, wenn man die bisherige Pkw-Stellplatzbreite von 2,50 m als Mindestmaß anwendet. Diese Mindestbreite ist aus meiner Sicht nach wie vor überall dort von Bedeutung, wo es einen festen Nutzerkreis gibt, für den mit einem begrenzten Budget dennoch gebrauchstaugliche Stellplätze geschaffen werden sollen, so im normalen Wohnungsbau, an Arbeitsstätten und Bildungseinrichtungen. Dabei möchte ich aber ausdrücklich daran erinnern, dass in jedem Fall bei Stellplätzen neben aufragenden Bauwerksteilen die entsprechenden Zuschläge erforderlich sind. Ich beziehe mein Wissen für diesen Vortrag aus meiner Mitwirkung im Arbeitskreis 2.6 der FGSV Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e. V., wobei ich neben der Ermittlung der fahrgeometrischen Zusammenhänge für das neue Bemessungsfahrzeug Pkw [1] im Team des AA 2.6 und mit Mitarbeitern meines Unternehmens für das neue eigenständige Kapitel 6 „Parkbauten“ federführend aktiv war bzw. bin. Die Aufwertung der Parkbauten durch ein eigenständiges Kapitel ist dabei besonders hervorzuheben. Fahrgeometrische Zusammenhänge und daraus abgeleitete Maße sind quasi als Hintergrundinformation zu verstehen und werden im Regelwerk nicht erscheinen, jedoch in der 2. Auflage meines „Handbuches und Planungshilfe: Parkhäuser und Tiefgaragen“, vgl. [2]. 2. Neue Gliederung Die Novelle der EAR [4] soll nach tiefgreifenden Überarbeitungen wie folgt gegliedert werden: 1. Einleitung 2. Parkraummanagement 3. Parkflächengeometrie und Abmessungen 4. Parkflächen im Straßenraum 5. Parkplätze 6. Parkbauten 7. Nutzung und Betrieb Anhang. 62 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Novelle zu den Empfehlungen für Anlagen des ruhenden Verkehrs EAR 05 - Neuerungen in Bezug auf Parkbauten Dabei sind im Wesentlichen alle Inhalte einem Überarbeitungsprozess unterzogen und neu sortiert worden, mit der Maßgabe eine bessere fachliche Logik und Handhabbarkeit als Regelwerk zu erreichen. Inhalte, die in anderen Regelwerken als Primärquelle bzw. übergeordnet enthalten sind, wurden im Wesentlichen auf Verweise reduziert, um im weiteren Novellierungsprozess der verschiedenen Regelwerke nicht ständig einen neuen Anpassungsbedarf auszulösen. Ich beziehe mich hier im Wesentlichen auf die fahrgeometrischen Herleitungen, die Kapitel 3 „Parkflächengeometrie und Abmessungen“ zugrunde liegen, sowie Kapitel 6 „Parkbauten“, und konzentriere mich auf das Parken von Pkw, zumal ich einen gesonderten Vortrag zum Fahrradparken im Rahmen dieses Kolloquiums halte. 3. Bemessungsfahrzeug als Planungsgrundlage für Parkbauten Mit der Veröffentlichung der RBSV - Richtlinie für Bemessungsfahrzeuge und Schleppkurven (Ausgabe 2020) zur Überprüfung der Befahrbarkeit von Verkehrsflächen [1] Anfang 2021 steht nunmehr auch förmlich die Grundlage für die Novellierung der Regelabmessungen in den EAR zur Verfügung. Gleichzeitig ist darauf hinzuweisen, dass mit der Novelle dieses Schriftwerk vom Status „Hinweise“ zu einer „Richtlinie“ faktisch um zwei Stufen aufgewertet worden ist. Grundsätzlich wird von dynamisch erzeugten Schleppkurven auf der Basis geeigneter CAD-Software ausgegangen, die Schablonen wurden bewusst deutlich reduziert und dürfen nur noch als spontanes Kontrollinstrument, jedoch nicht mehr als Planungsgrundlage eingesetzt werden. Die sog. Bewegungsspielräume werden nach der RBSV nunmehr mit 0,30 m bzw. 0,50 m angesetzt, der seitliche Sicherheitsabstand von 0,25 m ist damit nicht mehr enthalten. Die Methodik der RBSV wurden mit der Novellierung der Hinweise zu Bemessungsfahrzeugen und Schleppkurven beibehalten. Es wurden auf der Basis der KBA- Zulassungsstatistik 2018 die relevanten Bemessungsfahrzeuge überabeitet. Im Bereich der Nutzfahrzeuge wurden einige Gruppierungen geändert. Der aktuelle Bemessungs-Pkw (Tab. 1) wird vergleichsweise gut durch den Audi A6 Avant B7 (2011-2018) als Realfahrzeug abgebildet, ebenso durch die aktuellen Kombiversionen der BMW 5er Reihe sowie der Mercedes-E-Klasse. Als Besonderheit wurde für den Bemessungs-Pkw eine Fahrzeughöhe von 2,00 m definiert, weil die Spielräume bei den lichten Höhen deutlich kleiner als die seitlichen Sicherheitsräume sind, so dass damit auch eine Bemessungsfahrzeug-seitige Grundlage für die bisher festgelegten lichten Höhen nach EAR 05 von 2,10 m bzw. 2,30 m an Neigungswechseln über 8 % geschaffen wurde; die Höhen wurden für Pkw-Parkbauten beibehalten. Tab. 1: Veränderung der geometrischen Kenndaten (85%-Perzentile) der auf dem Neuwagenmarkt erhältlichen Pkw-Modelle insgesamt (ohne Berücksichtigung der Häufigkeit des Auftretens) Betrachtungsjahr KBA Länge Radstand Höhe Überhanglänge Breite ohne Außenspiegel Wendekreisradius außen vorn hinten 1999 / 2000 4,74 m 2,70 m 1,51 m 0,94 m 1,10 m 1,76 m 5,85 m 2018 4,88 m 2,86 m 2,00 m 0,92 m 1,10 m 1,89 m 5,85 m Audi A6 Avant B7 4,938 m 2,905 m 1,534 m 0,95 m 1,15 m 1,898 m 6,00 m Entwicklung von 2000 bis 2018 + 14 cm + 16 cm + 13 cm 0 cm In den EAR [3,4] wird für den Pkw-Bereich nur Bezug auf das Bemessungsfahrzeug genommen. Es hat sich jedoch in unserer eigenen Planungspraxis bewährt, zusätzlich eine sog. Durchfahrtprüfung mit einem Maximalfahrzeug in Fahrweise 1 durchzuführen. Hierfür setzen wir seit über 10 Jahren den VW T6 mit langem Radstand ein (Tab. 2). Vergleichende Untersuchungen haben gezeigt, dass damit auch eine ausreichende Befahrbarkeit für etwa 2,0 m breite SUV wie den BMW X7 gegeben ist, weil Fahrzeuge dieser Klasse einen deutlich kürzeren Radstand haben. Diese Prüfung ließ sich schon erfolgreich mit regulär nach EAR 05 geplanten Parkbauten realisieren und wurde daher zusätzlich intern als Prüfung bei der Festlegung neuer Regelwerte im Bereich der Rampen und Fahrgassenlayouts durchgeführt. 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 63 Novelle zu den Empfehlungen für Anlagen des ruhenden Verkehrs EAR 05 - Neuerungen in Bezug auf Parkbauten Tab. 2: Empfehlungen für Pkw-Bemessungsfahrzeuge für die Planung von Parkbauten in Deutschland Bemessungsfahrzeug Novelliertes Bemessungsfahrzeug Maximalfahrzeug VW T6 lang Beschreibung Obere Mittelklasse als 85 %-Fahrzeug des Fahrzeugbestandes 2018 Kleinbus mit langem Radstand Luxusklasse, SUV und Vans bis zu einer Länge von 5,30 m Maximalhöhe 2,00 m 2,00 m Länge (Maximallänge) 4,88 m 5,30 m Radstand 2,86 m 3,40 m Überhang vorn / hinten 0,92 m / 1,10 m (< 1,13 m / < 1,18 m) Breite ohne / mit Rückblickspiegel 1,89 m / ~ 2,10 m 2,00 m / 2,30 m Wendekreisdurchmesser außen 11,70 m 13,2 m 4. Ableitung neuer Regelabmessungen Es wurden alle Pkw-relevanten Regelmaße der EAR 05 im Zuge der Novellierung einer Überprüfung unterzogen. Dabei zeigte sich, dass bestimmte Abmessungen wie die Fahrgassenbreiten in Bereichen ohne Stellplätze sowie auf Rampen im Allgemeinen weiterhin Bestand haben, weshalb hierzu keine Änderungen erforderlich waren. Allerdings war es erforderlich die Breiten der Halbgeschossrampen neu abzuleiten. Entsprechend der Veränderung der Breite des Bemessungsfahrzeugs Pkw ergab sich eine Anpassung der Regel-Stellplatzbreite um (leicht aufgerundet) +15 cm und der Stellplatzlängen um +20 cm. Daraus „ergeben sich die folgenden Parkstandbreiten für die Schräg- und Senkrechtaufstellung zu: - b = 2,65 m, wenn keine Längsseite, - b = 3,00 m, wenn eine Längsseite und - b = 3,05 m, wenn jede Längsseite durch aufgehende Bauwerksteile oder Absperrungen ganz oder teilweise begrenzt ist. Hierzu zählen z. B. auch Stützen auf halber Parkstandlänge, die das Öffnen der Fahrzeugtüren behindern. Nicht zu vermeidende Stützen oder Wände zwischen den Parkständen sollen um 0,75 m vom Fahrgassenrand abgesetzt werden, andernfalls stehen sie beim Ein- oder Ausparken in der für die Kurvenfahrt benötigten Fläche.“ (Bild 1) 64 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Novelle zu den Empfehlungen für Anlagen des ruhenden Verkehrs EAR 05 - Neuerungen in Bezug auf Parkbauten Bild 1: Neue Regelabmessungen für Pkw-Parkstände nach [4] Die Fahrgassenbreite beträgt bei 90 0 -Aufstellung anstelle bislang 6,00 m nunmehr 5,60 m, weil die Stellplätze durch die größere Breite ebenso gut wie vorher geometrisch anfahrbar sind, wobei bei einer Senkrechtaufstellung das Parken mit dem Bemessungsfahrzeug nur rückwärts in insgesamt drei Zügen möglich ist. Die Fahrgassen für Schrägaufstellung wurden ebenfalls neu ermittelt, siehe exemplarisch Bild 2. Die kompletten neuen Regelwerte wurden jeweils ermittelt und tabellarisch zusammengetragen. Dazu wurden die in Bild 3 gezeigten Parkmodule entwickelt. 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 65 Novelle zu den Empfehlungen für Anlagen des ruhenden Verkehrs EAR 05 - Neuerungen in Bezug auf Parkbauten Bild 2: Fahrgassenbreite in Abhängigkeit vom Aufstellwinkel exemplarisch für 54 0 und 72 0 nach [4] Gegensinnig angeordnete Parkmodule Gleichsinnig angeordnete Parkmodule Bild 3: Abmessungen von Parkmodulen für Pkw-Parkflächen nach [4] 5. Parkbauten Der Abschnitt Parkbauten (ehemals 4.5) wurde zu einem eigenen Kapitel 6 aufgewertet und wesentlich erweitert. Im Folgenden soll auf die einzelnen Unterpunkte nach dem vorläufigen Arbeitsstand kurz eingegangen werden. Die Nummerierung der Gliederungspunkte hier weicht von jener in der EAR-Novelle ab. Direkte Zitate habe ich im Folgenden kursiv gedruckt. Bei der inhaltlichen Systematik wurde besonders darauf geachtet, dass diese in ihrer Reihenfolge der Logik eines typischen Entwurfsprozesses folgt. 66 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Novelle zu den Empfehlungen für Anlagen des ruhenden Verkehrs EAR 05 - Neuerungen in Bezug auf Parkbauten 5.1 Grundsätze und Klassifizierung Parkbauten sind in dem Abschnitt „Grundsätze und Klassifizierung“ definiert. Es wird explizit auch gefordert, bei der Planung von Parkbauten in besonderem Maße Wert auf eine uneingeschränkte Gebrauchstauglichkeit und ein hohes Maß an Benutzerfreundlichkeit im Sinne der Empfehlungen des ADAC zu legen (siehe auch [7]). Die Nachhaltigkeit ist im Interesse zukünftiger Nutzungen zu berücksichtigen. Parallel ist die Schaffung von Fahrradabstellplätzen in der ausreichenden Anzahl und in einer angemessenen Qualität zu sichern. Zur Thematik des Fahrradparkens verweise ich auf meinen gesonderten Vortrag. Zur Vordimensionierung von Pkw-Parkbauten wird auf der Grundlage realisierter aktueller Planungen orientierungsweise von einem spezifischen Grundflächenbedarf pro Pkw-Stellplatz von 30 m² bis 40 m² ausgegangen, je nach dem Grundriss, der Größe, dem Layout und dem System der vertikalen Erschließung. Die Differenzierung der Parkbauten nach der M-GarVO wird detailliert erläutert. Da Großgaragen eine große Varianz der Stellplatzanzahlen von ca. 30 bis zu mehreren Tausend Stellplätzen aufweisen, werden, weitere Differenzierungen eingeführt, die jeweils spezifisch anzuwenden sind: • Kleine Großgaragen bis zu etwa 100 Stellplätzen sind typisch für zahlreiche integrierte Parkierungsanlagen ohne weitere besondere Anforderungen; • Mittlere Großgaragen mit etwa 100 bis 400 Stellplätzen sind oft typische Parkbauten in innerstädtischen Bereichen, auch mit öffentlichen Nutzungen und mit durchschnittlichen Anforderungen; • Große Großgaragen mit etwa 400 bis 800 Stellplätzen sind als Parkbauten an größeren Standorten anzutreffen und weisen oft deutlich erhöhte Anforderungen auf; • Sehr große Großgaragen mit mehr als 800 bis zu mehreren 1.000 Stellplätzen werden charakteristisch an besonders großen Mobilitätsschnittstellen (Flughäfen, Park-and-Ride, Bahnhöfen u. ä.), Einkaufszentren mit über 50.000 m² Verkaufsfläche, Universitätskliniken und Krankenhäusern der Maximalversorgung, Sport- und Veranstaltungsstätten sowie Großunternehmen betrieben. Die Definition mechanischer, halbautomatischer und automatischer Parksysteme wurde im Kontext zu der heutigen Praxis präzisiert. Es wurde wiederum die Kategorie der halbautomatischen Parksysteme eingeführt, die es in den EAR 05 so nicht gab. 5.2 Allgemeine Aspekte bei der Planung Als Planungshilfe wurden die wesentlichen Grundlagen für den Entwurf von Parkbauten in einem gesonderten Abschnitt „Basisdaten“ zusammengetragen. Aufgrund ihrer großen Bedeutung wurde den Anforderungen in Bezug auf den Brandschutz und den Lärmschutz eigene Abschnitte gewidmet. 5.3 Entwurf von Parkbauten Es werden ausführliche Empfehlungen zum Entwurf von Parkbauten gegeben. Diese widmen sich dann Einzelpunkten, wobei ich hier besonders auf die Änderungen gegenüber der EAR 05 eingehe. 5.3.1 Ein- und Ausfahrten Bezüglich der Ein- und Ausfahrten erfolgte eine Präzisierung der räumlichen Situation an Schrankenanlagen mit einer auf 2,50 m bis 2,70 m verengten Fahrbahn (Bild 4). Die Dimensionierung der Rückstauräume erfolgt nicht mehr nach Vorgaben innerhalb der EAR, sondern wird inhaltlich gleichlautend mit Verweis auf das HBS Handbuch für die Bemessung von Straßenverkehrsanlagen [6] abgehandelt. Hierzu läuft ein gesonderter Novellierungsprozess, der einer Anpassung an aktuelle Parkabfertigungsanlagen beinhalten soll. Weiterhin wird auf Aspekte einer schrankenlosen Parkabfertigung hingewiesen, die jedoch nach dem vorläufigen Entwicklungsstand der Freeflow-Systeme die gleichen baulichen Maßnahmen in Bezug auf eine Kanalisierung der Verkehrsströme erfordert wie beim Einsatz von Schrankenanlagen 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 67 Novelle zu den Empfehlungen für Anlagen des ruhenden Verkehrs EAR 05 - Neuerungen in Bezug auf Parkbauten Bild 4: Beispiel für eine kombinierte Ein- und Ausfahrtkontrolle nach einer Rechtskurve [4] 5.3.2 Geschossbauweisen Die Geschossbauweisen werden ähnlich wie früher beschrieben, allerdings mit überarbeiteten Grafiken (Bild 5), die der Gestaltung in meinem Handbuch [2] folgen, jedoch nicht coloriert werden. Weiterhin werden Hinweise zur erforderlichen Aufweitung beim Anschluss gerader Rampen an eine Parkebene gegeben, die in Korrespondenz zu [2] erfolgen und in der 2. Auflage des Handbuches ausführlicher dargestellt werden. Bild 5: Prinzipbilder zu den verschiedenen Geschossbauweisen von Parkbauten (unmaßstäblich): Vollgeschossbauweisen mit geraden und mit Wendelrampen, Halbgeschossbauweise, Rampenparkhäuser mit Parkrampen [2] 68 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Novelle zu den Empfehlungen für Anlagen des ruhenden Verkehrs EAR 05 - Neuerungen in Bezug auf Parkbauten 5.3.3 Parkebenen Die Parkebenen werden als wesentliches Element der Parkbauten beschrieben. Sie sind entsprechend den grundlegenden Regeln zur Parkflächengeometrie (Kapitel 3) zu gestalten. 5.3.4 Rampen Zahlreiche Aspekte bei der Planung der Rampen wurden aus den EAR 05 übernommen und nur geringfügig modifiziert. Die Fahrbahnbreiten von Zufahrt- und Vollgeschossrampen blieben unverändert. Bezüglich der Rampenneigung werden die bisherigen Regelwerte von maximal 15 % im Allgemeinen und 6 % bei Parkrampen im Speziellen übernommen. Innenrampen in nichtöffentlichen Parkbauten können in Ausnahmefällen bis zu 20 % geneigt sein; dies muss in einem Baugenehmigungsverfahren beantragt werden. Bei Neigungswechseln sind Neigungsdifferenzen über 8 % auszurunden, um ein Aufsetzen der Fahrzeuge zu vermeiden. Kuppenausrundungen sollen (wie bisher auch) mit einem Halbmesser H K > 15 m und Wannenausrundungen mit H W > 20 m ausgeführt werden (Bild 6). Die früher übliche Abflachung mit der mittleren Rampenneigung über 1,5 m bzw. 2,5 m wurde explizit herausgenommen, weil diese mitunter nicht sachgerecht ausgeführt wurde und nicht immer ausreichend die Böschungswinkel und Bodenfreiheit moderner Sportwagen berücksichtigte. Gekrümmte Rampen müssen eine Querneigung zur Kurveninnenseite von mindestens 3 % aufweisen. Beim Richtungswechsel der Krümmung einer Rampe erfolgt eine Verwindung um die Fahrbahnmittelachse. Beim Übergang von geraden zu gekrümmten Bereichen einer Rampenfahrbahn und umgekehrt ist eine stetige Anpassung von 0 % bis zu dem nominellen Wert zu realisieren, und umgekehrt. Die Länge des Übergangsbereiches soll in Anlehnung an die Längen von Kuppen und Wannen über eine Fahrbahnlänge von 1,50 m bis 2,50 m erfolgen. Bei der Anbindung von Ein- und Ausfahrten an Rampen mit gekrümmten Fahrbahnen ist die Querneigung sinngemäß anzupassen, es kann partiell eine Reduktion der Querneigung auf 0 % erforderlich sein. Bild 6: Kuppen- und Wannenausrundung bei Rampen [4] Bautechnisch werden Halbrampen zwar meist als gerade Rampen ausgeführt, sie sind aber im Bereich der Anschlüsse an die Halbgeschosse fast immer mit einer 90°-Kurve anzufahren, weshalb sie eine besonders breite Fahrbahn (in der Regel > 4,00 m) erfordern. Hierzu verweise ich auszugsweise auf Bild 7. Bild 7: Bemaßtes Beispiel für eine Halbrampe mit Zweirichtungsverkehrs als Linksverkehr [4] 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 69 Novelle zu den Empfehlungen für Anlagen des ruhenden Verkehrs EAR 05 - Neuerungen in Bezug auf Parkbauten 5.3.5 Autoaufzüge Autoaufzüge wurden aufgrund ihrer offenbar zunehmenden Bedeutung als alternative vertikale Erschließung aufgenommen. Ich zitiere wesentliche Teile dieses Abschnitts und verweise auf das hierzu erstellte Bild 8; damit soll auch Planungsfehlern entgegengewirkt werden, die in der Vergangenheit immer wieder auftraten: „Die Kabinenabmessungen ergeben sich neben der Fahrzeuggröße vor allem aus der fahrgeometrischen Zufahrtsituation. Im Regelfall wird eine lichte Innenbreite der Aufzugskabine bei voll geöffneten Türen von 3,00 m, mindestens jedoch 2,80 m, empfohlen. Die lichte Innenlänge der Kabine sollte mindestens 5,80 m betragen, die lichte Innenhöhe bei horizontaler Zufahrt 2,10 m, bei Neigungswechseln vor oder hinter der Zufahrt 2,30 m. Nur bei Kleingaragen kann die Ausfahrt ausnahmsweise rückwärts akzeptiert werden, wenn dies die Sichtbeziehungen an der Grundstückszufahrt erlauben, ansonsten sollte das Fahrzeug immer vorwärts ein- und ausfahren können. Die Zufahrt zu einem Autoaufzug soll möglichst gerade sein und mit einer Schleppkurve bemessen werden. Bei der Einfahrt in die Kabine besteht ein wesentlich größerer Grundflächenbedarf als bei der Ausfahrt. Außerdem ist die vor dem Aufzug erforderliche Warteposition für Gegenverkehr und ein angemessener Rückstauraum zu berücksichtigen. Der Einfahr- und Ausfahrbereich ist fahrgeometrisch nachzuweisen. Bei Parkbauten mit weniger als 10 Stellplätzen und Förderhöhen bis 3,00 m reichen Autohebeanlagen nach der europäischen Maschinenrichtlinie 2006/ 42/ EG mit einer Fördergeschwindigkeit mit 0,15 m/ s; in allen anderen Fällen sind Autoaufzüge nach der europäischen Aufzugsrichtlinie 2014/ 33/ EU (in Deutschland eingeführt als Zwölfte Verordnung zum Produktsicherheitsgesetz „Aufzugsverordnung vom 6. April 2016 - 12. ProdSV“) einzusetzen.“ Bild 8: Kabine eines Autoaufzugs und Ein- und Ausfahrtbereiche [4] 5.3.6 Durchfahrtshöhe und lichte Höhe Aufgrund der großen Bedeutung der Thematik der Durchfahrtshöhe und der lichten Höhe wurde bei Beibehaltung der Anforderungen aus der EAR 05 [3] auf die Durchfahrtshöhe im Sinne des StVO-Zeichens Nr. 265, d. h. die maximal zulässige „tatsächliche Höhe“ der einparkenden Fahrzeuge mit einem gesonderten Bild eingegangen (Bild 9). Mit dem Hinweis zur richtigen Einstellung des Höhenbalkens wurden auch Erfahrungen aus den ADAC-Parkhaustests, die wir von 2010 bis 2013 durchgeführt haben, im Regelwerk umgesetzt. Bild 9: Lichte Höhe, Durchfahrtshöhe = maximale Fahrzeughöhe und Einstellung eines Höhenbalkens [4] Als Besonderheit beim Fahrradparken ist zu beachten, dass nach den ERA Empfehlungen für Radverkehrsanlagen [8] die lichte Höhe für Bereiche, in denen Radfahrer mit dem Fahrrad fahren, 2,50 m beträgt. In diesen Bereichen muss die Durchfahrtshöhe entsprechend angepasst werden. 70 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Novelle zu den Empfehlungen für Anlagen des ruhenden Verkehrs EAR 05 - Neuerungen in Bezug auf Parkbauten 5.3.7 Seitliche Sicherheitsräume und Schrammborde Es werden weiterhin auch Schrammborde in den bisherigen Abmessungen gefordert, wobei wir stets empfehlen, diese kontrastreich, in der Regel in verkehrsgelb, zu beschichten (vgl. [7]). Schrammborde werden als seitliches Sicherheitselement neben aufragenden Bauteilen für baulich abgetrennte Gehwege sowie für gesperrte Bereiche eingesetzt. Sie dienen dem Schutz der Bauteile und der Fahrzeuge und unterstützen die Einhaltung des erforderlichen Sicherheitsraumes und abstandes. Ihre Breite beträgt mindestens 0,25 m in geraden nicht begehbaren Bereichen bis zu 1,00 m. Schrammborde sollten innerhalb von Parkbauten 6 cm bis 8 cm hoch ausgeführt werden und leicht abgeschrägte Flanken aufweisen. Weitere Details beschreibe ich in der 2. Auflage meines Handbuches [2]. 5.3.8 Treppen und Aufzugshäuser Die Empfehlungen Treppen- und Aufzugshäusern wurden inhaltlich gestrafft. Es ist funktional zwischen Haupt- und Nebentreppenhäusern sowie Treppenhäusern, die ausschließlich als Rettungsweg dienen, zu unterscheiden. Treppenhäuser müssen immer die erforderliche Brandschutzqualität nach der Garagenverordnung bzw. dem Brandschutzgutachten aufweisen. Die Treppenlaufbreite bei Haupttreppenhäusern sollte mindestens 1,50 m bis maximal 2,50 m, bei Nebentreppenhäusern mindestens 1,20 m betragen, sofern nicht nach dem Landesbaurecht oder dem Brandschutzgutachten größere Breiten gefordert werden. Alle Treppenläufe sind als Haupttreppen nach DIN 18065 - Gebäudetreppen - Begriffe, Messregeln, Hauptmaße auszulegen. Treppenhäuser, die ausschließlich als Rettungsweg bestimmt sind, sollten eine Treppenlaufbreite von mindestens 1,00 m aufweisen, soweit nicht das Rettungswegekonzept des Gebäudes und Landesrecht eine andere Dimensionierung erfordern. … Die Türen von ständig genutzten Treppenhäusern öffentlicher Parkbauten sowie Kabinen und Türen von Aufzügen sollten möglichst große Glasfüllungen aufweisen, um auch im geschlossenen Zustand Personen, Gegenstände und Gefahren erkennen zu können. Rauch- und Brandschutztüren mit einer Positivschließung können, während des Normalbetriebs, ständig offengehalten werden und verbessern somit die soziale Sicherheit und Benutzerfreundlichkeit. 5.3.9 Räume für Technik- und Serviceeinrichtungen Es wurde explizit ein Abschnitt über Räume für Technik- und Serviceeinrichtungen aufgenommen, weil es hierzu in der Praxis immer wieder Unklarheiten vor allem bei öffentlichen Parkbauten gab, die dann einem spezialisierten Betreiber verkauft oder anderweitig zum Betrieb übergeben werden sollten. 5.4 Bauliche Gestaltung und Ausstattung Die Bauliche Gestaltung und Ausstattung wird in einem gesonderten Abschnitt beschrieben. Dabei wird nur auf spezifische Aspekte von Parkbauten eingegangen um Redundanzen oder Unklarheiten im Kontext zu den einschlägigen Regelwerken zu vermeiden. Es wird explizit auf die DIN-Normen, das DBV-Merkblatt Parkhäuser und Tiefgaragen in der jeweils aktuellen Fassung sowie die weiteren fachspezifischen Erkenntnisse und Empfehlungen verwiesen. Zu Oberflächenschutzsystemen, der notwendigen Entwässerung und dem anzuwendenden Regelgefälle werden einschlägige Empfehlungen gegeben. Für eine wirksame Entwässerung der Fahrbahn- und Parkflächen sind im Regelfall die Herstellung eines Gefälles von 2 % bis 3 % sowie die Anordnung von Entwässerungsabläufen oder -rinnen erforderlich, um eine definierte Ableitung mit den Fahrzeugen eingetragener Wassermengen - im Winter auch als Schmelzwasser - sowie ggf. auch von Niederschlag zu sichern. Da die Fahrzeuge auch viel Sand und Splitt eintragen, sind offene flache Rinnen geschlossenen Systemen vorzuziehen. Es werden beispielsweise 0,20 m breite und 2,00 cm tiefe Flachrinnen in den Fahrbahnen empfohlen, in die bündig Abläufe eingesetzt werden. Diese Flachrinnen können mit oder ohne Längsgefälle ausgeführt werden; danach richtet sich die Anordnung und Anzahl der Abläufe. Zu der Thematik der Absturzsicherungen wurde wegen der immer wieder auftretenden Verkehrsunfälle in Form von Abstürzen aus Parkbauten explizit Empfehlungen formuliert: In mehrgeschossigen Parkbauten müssen Verkehrs- und Stellflächen, von denen Pkw abstürzen können, ausreichend hohe und anprallfeste Geländer / Umwehrungen gemäß den baurechtlichen Anforderungen und den aktuell geltenden Lastannahmen aufweisen. Trennelemente in Form von Trennwänden oder gleichwertigen Pkw-Absturzsicherungen sind innerhalb der Parkebenen vor allem neben Rampen und an Geschossversätzen (z. B. bei Halbgeschossbauweise) einzubauen. Ihre Höhe soll mindestens 1,20 m betragen. Brüstungen und Fassaden von oberirdischen, offenen Parkbauten sollten so ausgebildet sein, sodass das Scheinwerferlicht fahrender und geparkter Fahrzeuge die Nachbarschaft nicht beeinträchtigt. Bei der Nutzung ausschließlich mit Pkw liegt der besonders auszublendende Bereich in einer Höhe von etwa 0,40 m bis 1,00 m über der Fahrbahn. 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 71 Novelle zu den Empfehlungen für Anlagen des ruhenden Verkehrs EAR 05 - Neuerungen in Bezug auf Parkbauten 5.5 Aspekte der gebäudetechnischen Ausstattung Bezüglich der gebäudetechnischen Ausstattung wurde bewusst nur auf spezifische Aspekte von Parkbauten hingewiesen, weil es hierzu gesonderte Regelwerke gibt. Bezüglich der Elektroanlage wird u. a. ausgeführt: Jedes Parkbauwerk ist mit einer ausreichend dimensionierten Elektroanlage auszustatten. Die elektrische Anschlussleistung richtet sich wesentlich nach der Größe des Parkbauwerks, der spezifischen haustechnischen Ausstattung sowie dem System für das Laden von Elektrofahrzeugen. Dabei wird besonders auf Gebäude- Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetz (GEIG) und die VDI-Richtlinie 2166 - Planung elektrischer Anlagen in Gebäuden - Hinweise für Elektromobilität hingewiesen. Vor allem bei oberirdischen Parkbauten bietet es sich an, auf dem Dach und ggf. in Bereichen der Fassade eine Photovoltaik-Anlage zu installieren, mit der ein Teil des elektrischen Energiebedarfs tagsüber abgedeckt werden kann. Weiterhin kann eine Energiespeicherung mit einer geeigneten Speichertechnologie implementiert werden, in die zukünftig auch die Batteriesysteme geeigneter Elektrofahrzeuge einbezogen werden können. Bezüglich des in der Praxis sensiblen Themas der Beleuchtung wird empfohlen: Über die Mindestanforderungen nach den Garagenverordnungen hinausgehend, sollen Parkbauten entsprechend den spezifischen Sehaufgaben ausgeleuchtet werden. Diese Anforderungen berücksichtigt die DIN 67528 - Beleuchtung von öffentlichen Parkbauten und öffentlichen Parkplätzen. Im Kontext zu Arbeitsstätten sind in der DIN EN 12464-1 - Licht und Beleuchtung - Beleuchtung von Arbeitsstätten die Anforderungen und die Berechnung der zu erreichenden Beleuchtungsstärken sowie die grundsätzlichen Mindestbeleuchtungsstärken von Parkplätzen und Parkbauten definiert. Weiterhin sind für frei bewitterte Parkdecks und Parkplätze ohne Überdachung die deutlich abgeminderten Anforderungen nach DIN 13201 bzw. DIN EN 12464-2 - Straßenbeleuchtung zu beachten. Für nichtöffentliche Parkbauten, die den o. g. Gruppen nicht zuzuordnen sind, z. B. Parkbauten, die von Anwohnern genutzt werden, empfiehlt sich, je nach Wohnqualität, eine Orientierung an den Werten nach DIN 67528 - Beleuchtung von öffentlichen Parkbauten und öffentlichen Parkplätzen. Eine ausreichende Beleuchtungsstärke und die Gleichmäßigkeit der Beleuchtung ist zu gewährleisten. Die Beleuchtungsplanung sollte durch einen Fachplaner für Beleuchtungsanlagen erfolgen. Weiterhin wird in einem gesonderten Abschnitt auf Brandschutz-, Lüftungs- und Entrauchungsanlagen hingewiesen, die in der Praxis in Korrespondenz zu der Ausführung des Parkbauwerks entsprechend der Garagenverordnung nach einem qualifizierten Brandschutzkonzept auszulegen und zu betreiben sind. 6. Nutzung und Betrieb Das Kapitel 7 Nutzung und Betrieb wurde gestrafft und den aktuellen Anforderungen des Betriebs von Parkbauten angepasst. Wesentliche Aspekte Dieses Kapitel ist jedoch nicht Gegenstand meines Vortrags. 7. Fazit Mit der neuen Philosophie der EAR-Novelle und insbesondere des nunmehr eigenständigen Kapitels „Parkbauten“ wurde eine neue Qualität dieses Regelwerks erreicht. Bewährte Aspekte wurden übernommen und die Regelmaße und Empfehlungen der aktuellen Entwicklung angepasst. Literaturverzeichnis [1] RBSV Richtlinien für Bemessungsfahrzeuge und Schleppkurven zur Überprüfung der Befahrbarkeit von Verkehrsflächen - FGSV Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e. V., Köln Ausgabe 2020 [2] Irmscher, I. u. a.: Handbuch und Planungshilfe Parkhäuser und Tiefgaragen. - Dom publishers, Berlin, 2012 [3] Empfehlungen für Anlagen des ruhenden Verkehrs EAR 05. - FGSV - Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e. V., Arbeitsgruppe Straßenentwurf. - Ausgabe 2005, Köln [4] Novelle zu den Empfehlungen für Anlagen des ruhenden Verkehrs. - noch nicht veröffentlicht [5] Muster einer Verordnung über den Bau und Betrieb von Garagen (Muster-Garagenverordnung M-GarVO) - Fassung Mai 1993 -, geändert durch Beschlüsse vom 19.09.1996, 18.09.1997 und 30.05.2008. - Herausgeber Fachkommission Bauaufsicht der ARGEBAU [6] HBS Handbuch für die Bemessung von Straßenverkehrsanlagen. - FGSV - Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e. V., - Ausgabe 2015, Köln [7] Benutzerfreundliche Parkhäuser - ein Leitfaden für die Praxis. - ADAC Allgemeiner Deutscher Automobil-Club e. V, Ressort Verkehr. - München, 2013 [8] ERA Empfehlungen für Radverkehrsanlagen. - FGSV - Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e. V., Ausgabe 2010, Köln 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 73 Parking Abrasion Test - Entwurf eines Regelwerks zur realitätsnahen Verschleißprüfung von befahrenen Oberflächenschutzsystemen Dr. rer. nat. Joachim Schulze Technische Universität Kaiserslautern, Kaiserslautern, Deutschland Sara Blietschau, M. Sc. Technische Universität Kaiserslautern, Kaiserslautern, Deutschland Jonas Lillig, B. Sc. Technische Universität Kaiserslautern, Kaiserslautern, Deutschland Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Breit Technische Universität Kaiserslautern, Kaiserslautern, Deutschland Zusammenfassung In Ermangelung normativ geregelter Prüfverfahren, die die Beanspruchung befahrener Oberflächenschutzsysteme (OS- Systeme) realitätsnah simulieren und damit eine Prognose der Anwendungssicherheit sowie der Dauerhaftigkeit ermöglichen, wurde der Parking Abrasion Test im Fachgebiet Werkstoffe im Bauwesen der Technischen Universität Kaiserslautern weiterentwickelt. Durch die Verwendung handelsüblicher PKW-Reifen bei der Ausführung der Drehbewegung und eine realitätsnahe Radlast ist eine praxisgerechte Abbildung der Belastung und eine Bestimmung des Verschleißwiderstandes befahrener Oberflächenschutzsysteme möglich. Zur Erarbeitung eines Regelwerkentwurfs ist die Festlegung umfassender Parameter, die unter anderem die Reifenart, den Prüfablauf, das Prüfklima und den prinzipiellen Aufbau der Prüfapparatur betreffen, Zielsetzung weitreichender Versuchsreihen innerhalb eines durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderten WIPANO Forschungsvorhabens. Darin werden, aufbauend auf dem aktuellen Kenntnisstand, getroffene Festlegungen vertiefend überprüft und durch zusätzliche beeinflussende Faktoren erweitert. 1. Einleitung An befahrenen Oberflächenschutzsystemen, die unter anderem in Parkbauten dem dauerhaften Schutz der Betonkonstruktion gegen das Eindringen von chloridhaltigem Wasser dienen, treten immer wieder Schadensbilder in Form von mechanischem Materialabtrag, Rissen oder Adhäsionsverlusten auf. Die Sicherstellung der Dauerhaftigkeit dieser Parkbauten durch die Auswahl geeigneter Oberflächenschutzsysteme innerhalb der Planungsphase und die gezielte Entwicklung von Systemkombinationen setzt belastbare und realitätsnahe Prüfmethoden voraus. Gegenwärtige Regelwerke, die zur Bestimmung des Verschleißwiderstands von befahrenen Oberflächenschutzsystemen herangezogen werden, bilden die tatsächlichen Belastungen und Beanspruchungen des Fahrverkehrs auf diesen Flächen jedoch nicht wirklichkeitsgetreu ab. Vor diesem Hintergrund wurde an der Technischen Universität Kaiserslautern in Zusammenarbeit mit mehreren Projektpartnern (u. a. Bilfinger Construction GmbH und nachfolgend Implenia Construction GmbH, Sika Deutschland GmbH) der sogenannte Parking Abrasion Test (PAT) weiterentwickelt, der die Drehbewegung eines PKW-Rades auf der Stelle simuliert, um die erforderliche Anwendungssicherheit und Dauerhaftigkeit von OS-Systemen zu prüfen. Im Rahmen eines WIPANO (Wissens- und Technologietransfer durch Patente und Normen) Forschungsvorhabens, das durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) gefördert wird, sollen hinsichtlich der Ausführung des Parking Abrasion Test finale Festlegungen getroffen werden, die zur Ausarbeitung eines Regelwerkentwurfs führen sollen. Die darin enthaltenen Festlegungen hinsichtlich der Prüfapparatur sowie der Versuchsbedingungen resultieren aus umfassenden Versuchsreihen, wobei die Reproduzierbarkeit der Versuchsergebnisse des PAT-Prüfverfahrens durch einen Laborvergleichsversuch untersucht wird. 74 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Parking Abrasion Test - Entwurf eines Regelwerks zur realitätsnahen Verschleißprüfung von befahrenen Oberflächenschutzsystemen Der Entwurf des Regelwerks mit Zielsetzung einer normativen Verankerung soll in der Praxis zukünftig Produktherstellern, Planern sowie Sachverständigen als Werkzeug zur Abschätzung des Verschleißwiderstandes von befahrbaren Oberflächenschutzsystemen dienen. 2. Normative Grundlage Befahrbare Oberflächenschutzsysteme sind wesentlichen mechanischen Beanspruchungen ausgesetzt. In der aktuellen TR Instandhaltung (Technische Regel „Instandhaltung von Betonbauwerken“ - Teil 2: 2020-05) [1] werden die erforderlichen Merkmale für Oberflächenschutzsysteme für Schutz- und Instandsetzungsmaßnahmen an Betonbauwerken und Betonbauteilen aufgeführt. Hinsichtlich der Abriebfestigkeit wird gefordert, dass der mittels BCA-Verfahren ermittelte Verschleißwiderstand nach DIN EN 13892-4: 2003-02 [2] mindestens der Klasse AR1 nach DIN EN 13813: 2003-01 [3] bzw. E DIN EN 13813: 2017-03 [4] entsprechen muss. Alternativ muss der Widerstand gegen Rollbeanspruchung, geprüft nach DIN EN 13892-5: 2003-09 [5], mindestens der Verschleißwiderstandsklasse RWA10 nach DIN EN 13813 entsprechen. Inwieweit die hierbei gemessenen Abriebtiefen in einer Größenordnung von 50 µm bis 100 µm zur Beurteilung eines realen Verschleißverhaltens durch PKW-Verkehr bei OS-Systemen herangezogen werden können, ist als fraglich zu beurteilen. Auch weitere zur Verfügung stehende, genormte Prüfverfahren wie z. B. das Taber Abriebverfahren (DIN EN ISO 5470-1: 2017- 04 [6]) und die Stuttgarter Prüfung (DIN EN 660-1: 1999- 06 [7]; zurückgezogen) sind für andere Materialien bzw. Anwendungsgebiete entwickelt worden und somit nicht mit den Belastungen vergleichbar, die in der Praxis aus den Beanspruchungen durch PKW-Reifen resultieren [8, 9]. 3. Parking Abrasion Test (PAT) 3.1 Versuchsapparatur- und Durchführung Die Verschleißprüfung von befahrenen Oberflächenschutzsystemen erfolgt beim Parking Abrasion Test durch die Rotation eines handelsüblichen, belasteten PKW-Reifens um ± 90 ° auf der Prüffläche, die aus einem beschichteten Betongrundkörper besteht. Aufgrund der im aktuellen Forschungsvorhaben zu ermittelnden Präzisionsdaten des Parking Abrasion Test, werden die Prüfstände zur Zeit in einer Klimakammer betrieben, um Umwelteinflüsse durch schwankende Temperaturen und Feuchtgehalte im Labor auszuschließen (Abb. 1). Sofern der Versuch nicht infolge eines Systemversagens vorzeitig zu beenden ist, umfasst die Prüfung einer Messstelle 15.000 Zyklen, die in vorgegebenen Intervallen zur Dokumentation unterbrochen werden. Ein Zyklus setzt sich dabei aus der Rotation um 90 °, der darauffolgenden entgegengesetzten Drehung in die Ausgangsposition und einer Pause von sieben Sekunden zusammen. Die Pause verhindert zum einen das Erreichen einer kritischen Temperatur durch einen verminderten Anstieg der Reibungswärme und dient zum anderen der Simulation von Anfahr- und Bremsvorgängen. Abb. 1: PAT-Prüfstände des Fachgebiets Werkstoffe im Bauwesen der Technischen Universität Kaiserslautern in der Klimakammer Der Versuchsaufbau und die -durchführung sind so konzipiert, dass insbesondere im Vergleich mit Prüfverfahren in gegenwärtigen Regelwerken tatsächliche Beanspruchungen durch Fahrverkehr praxisnah abgebildet werden können. 3.2 Dokumentation und Auswertung Die Dokumentation des Verschleißfortschritts erfolgt zunächst referenzierend vor Beginn der Prüfung (Null- Messung), in festgelegten Intervallen sowie nach dem Erreichen von 15.000 Prüfzyklen oder einem Systemversagen. Neben der visuellen und fotografischen Kontrolle umfasst die Dokumentation des Verschleißwiderstandes die zerstörungsfreie Vermessung der Prüffläche durch einen Halbleiter-Laser. Durch numerische Berechnungssoftware können die in der Lasermessung erfassten Daten zur Berechnung der mittleren und maximalen Verschleißtiefe sowie des Verschleißvolumens herangezogen werden. In Abb. 2 (oben) ist die nach der Lasermessung ermittelte Verschleißtiefe dargestellt, wobei die ursprüngliche Ausgangsoberfläche im Bild der orangefarbenen Fläche entspricht. Der gemessene Verschleiß des Oberflächen- 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 75 Parking Abrasion Test - Entwurf eines Regelwerks zur realitätsnahen Verschleißprüfung von befahrenen Oberflächenschutzsystemen schutzsystems (Höhendifferenz zum Versuchsbeginn) kann durch die Farbzuordnung (Millimetereinteilung der Farbskala) erfolgen. Abb. 2: Verschleißdarstellung durch Lasermessung (oben) und dazugehörige fotografische Darstellung des Verschleißbereichs (unten) Zur Erhöhung der Messgenauigkeit wurde im Rahmen des aktuellen Forschungsvorhabens, ausgehend von der ursprünglich verwendeten mobilen Messeinheit mit dem durch ein Linearmodul gesteuerten Halbleiter-Laser, ein ausgesteifter Messrahmen entwickelt (Abb. 3). Durch ein auf der Prüffläche als Referenz angebrachtes Metallplättchen (ca. 40 mm x 40 mm x 2 mm) können die Messdaten der aufeinanderfolgenden Intervalldokumentationen präzise übereinandergelegt werden, wodurch Schiefstellungen und Verschiebungen in der Plattenebene ausgeglichen, weitere äußere Einflussfaktoren minimiert und die Reproduzierbarkeit der Messergebnisse erhöht werden. In Abhängigkeit von der ermittelten Verschleißtiefe und des Verschleißvolumens kann zwischen OS-Systemen mit geringem, mittlerem und hohem Verschleißwiderstand differenziert werden. Abb. 3: PAT-Messtisch mit schematisch dargestellter Lasermessung Manuelle Tiefenmessungen mittels verschiedener Schablonen und Messuhren (in Anlehnung an DIN EN 13892- 4: 2003-02 (BCA) und DIN EN 13892-5: 2003-09 (RWA)) wurden aktuell untersucht, konnten jedoch in den bislang durchgeführten Messreihen die Anforderungen an die Genauigkeit nicht erfüllen. 4. Bisherige Festlegungen Zur Festlegung der im Rahmen des aktuellen Forschungsvorhabens zu untersuchenden Parameter hinsichtlich des Parking Abrasion Test wurden bislang erworbene Kenntnisse bezüglich des Versuchsaufbaus und -ablaufs übernommen, die sich in der bisherigen Entwicklungszeit [8], [10]-[14] bewährt haben. Dazu zählen neben einer Auflast von (400 ± 5) kg, die der Radlast eines durchschnittlichen Fahrzeugs entspricht, ebenfalls eine Reifengröße von 195/ 65 R15 91 bei einem Reifendruck von (0,25 ± 0,01) MPa. Die Drehung des Reifens von (90 ± 10) ° erfolgt innerhalb von (4,0 ± 1,5) s. Die Betongrundkörper der Abmessungen 500 mm x 500 mm x 50 mm sind nach DIN EN 1766: 2017-05, Typ C (0,45) [15] auszuführen und vor der Applikation des OS-Systems zu sandstrahlen, um eine mit dem Sandflächenverfahren ermittelte Oberflächenrauigkeit zwischen 0,3 mm und 0,5 mm zu gewährleisten. 76 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Parking Abrasion Test - Entwurf eines Regelwerks zur realitätsnahen Verschleißprüfung von befahrenen Oberflächenschutzsystemen 5. Ergebnisse WIPANO Im Rahmen des aktuellen WIPANO-Forschungsvorhabens wurde der Einfluss verschiedener Parameter der Versuchsdurchführung auf die ermittelten Verschleißkenngrößen untersucht. Untersucht wurden die folgenden Parameter: • Einfluss des verwendeten Reifens • Einfluss des Prüfablaufs, insbesondere die Anzahl der Belastungszyklen je Prüfintervall • Einfluss der verwendeten Pausenzeiten • Einfluss der Reinigung der Prüffläche mittels eines geeigneten Lösungsmittels von anhaftendem Reifenabrieb • Einfluss des Alters der Beschichtung • Einfluss des Umgebungsklimas Exemplarisch werden die Parameter des verwendeten Reifens, der Pausenzeiten und der Reinigung im Fol-genden dargestellt. Untersucht wurden der Einfluss der Verwendung von Sommer- und Winterreifen gleicher Größe auf den Verschleißwiderstand eines OS 11a Systems. Der Sommerreifen wies mit einer Härte von (69 ± 2) Shore A eine wesentlich härtere Gummimischung auf als der verwendete Winterreifen mit (52 ± 7) Shore A. Abb. 4 zeigt, dass die bei Prüfung mit dem Sommerreifen auftretende Verschleißtiefe deutlich größer ist als bei der Prüfung mit dem Winterreifen. Zudem zeigte sich bei der Prüfung mit dem Winterreifen eine ausgeprägte Schmierfilmbildung mit Reifenabrieb auf der Prüffläche. Abb. 4: Einfluss des verwendeten Reifens auf die ermittelte mittlere Verschleißtiefe Die verschiedenen Prüflaboratorien, die den Parking Abrasion Test durchführen, verwenden aktuell unterschiedliche Pausenzeiten. Während die Sika Deutschland GmbH nur eine Pause von 7 Sekunden je Prüfzyklus verwendet (0/ 7 s), prüft die Technische Universität Kaiserslautern mit einer Pause von 7 Sekunden nach jeder Drehung um 90 ° (7/ 7 s), d. h. 14 Sekunden je Zyklus. In Abb. 5 sind beispielhaft die an einem OS 11b System ermittelten Verschleißtiefen in Abhängigkeit von der Pausenzeit dargestellt. Es zeigt sich, dass die Pausenzeit 0/ 7 s zu deutlich höheren Verschleißtiefen führt. Eine weitere Folge des Verzichts auf jede zweite Pause ist eine um bis zu 10 K erhöhte Oberflächentemperatur während des Versuchs. Allerdings kann mit der Pausenzeit 0/ 7 s eine signifikante Verkürzung der Versuchsdauer realisiert werden. 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 77 Parking Abrasion Test - Entwurf eines Regelwerks zur realitätsnahen Verschleißprüfung von befahrenen Oberflächenschutzsystemen Abb. 5: Einfluss der verwendeten Pausenzeiten auf die ermittelte mittlere Verschleißtiefe In Folge der Verschleißbeanspruchung zeigt sich in Abhängigkeit vom geprüften Oberflächenschutzsystem ein Auftrag des Reifenabriebs auf der Prüffläche (siehe Abb. 6). Dieser führt einerseits dazu, dass die auftretenden Verschleißtiefen unterschätzt werden, andererseits wirkt diese Anhaftung als „Schutzschicht“ zwischen dem zu prüfenden Oberflächenschutzsystem und dem Reifen. Daher erscheint eine Entfernung des Reifenabriebs mittels geeignetem Lösungsmittel, das die Oberfläche des Beschichtungssystems nicht angreift bzw. verändert, nach jedem Prüfintervall sinnvoll. Abb. 6: Prüffläche vor der Reinigung (oben), Prüffläche nach der Reinigung (unten) Die in Abb. 7 dargestellten Ergebnisse bestätigen, dass die gemessenen Verschleißtiefen durch anhaftenden Reifenabrieb unterschätzt werden. Zudem konnte gezeigt werden, dass die auf der Prüffläche anhaftende Gummischicht die Verschleißbeanspruchung des Oberflächenschutzsystems reduziert. Abb. 7: Einfluss einer Reinigung mit geeignetem Lösungsmittel auf die mittlere Verschleißtiefe 6. Vorschlag für zukünftigen Regelwerkentwurf Hauptziel des aktuellen Forschungsvorhabens ist die Ergänzung und Zusammenführung der bisherigen Verfahrensvorschrift [8] um die Erkenntnisse von vorangegangenen [10-14] sowie aktuellen Untersuchungsergebnissen mit abschließender Überführung der überarbeiteten Verfahrensvorschrift in einen Regelwerkentwurf. Die aktuellen, zum Teil noch vorläufigen Festlegungen für den Regelwerkentwurf sollen an dieser Stelle zusammengefasst werden. 78 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Parking Abrasion Test - Entwurf eines Regelwerks zur realitätsnahen Verschleißprüfung von befahrenen Oberflächenschutzsystemen • Betongrundkörper mit den Abmessungen (500 ± 5) mm x (500 ± 5) mm x (50 ±5) mm; Beton C (0,45) nach DIN EN 1766: 201705; Alter der Betongrundkörper mindestens 90 Tage; Oberflächenzugfestigkeit des Betons mindestens 2,5 N/ mm² (kleinster Einzelwert) nach DIN EN 1542: 199907 [16]; mittlere Rautiefe der Betonoberfläche (0,40 ± 0,10) mm nach DIN EN 1766: 2017-05; Betonplatten vor der Applikation mindestens 24 Stunden im Normklima 23/ 50 Klasse 1 nach DIN EN ISO 291: 200808 [17] lagern • Applikation nach Vorgaben des Produktherstellers bzw. Systemanbieters bei (23 ± 1) °C und (50 ± 5) % relativer Feuchte • Auflast von (400 ± 5) kg • PKW Sommerreifen der Größe 195/ 65 R15 91 nach ECER30 [18]; Härte der Gummimischung (75 ± 7) Shore A, Reifenluftdruck (0,25 ± 0,01) MPa bei (23 ± 1) °C • Prüfung bei Normklima 23/ 50 Klasse 1 nach DIN EN ISO 291: 200808 • Prüfalter der Proben 28 bis 56 Tage • Definition eines Prüfzyklus • Drehung des Prüfrades auf der Stelle um (90 ± 5) Grad innerhalb einer Zeitspanne von (4,0 ± 1,5) s • Ohne Unterbrechung Drehbeanspruchung in entgegengesetzte Richtung (-90 ± 5) Grad innerhalb einer Zeitspanne von (4,0 ± 1,5) s • Pause von (7,0 ± 1,0) s. • Verschleißbeanspruchung • Prüfstufe 1: 0 - 5.000 Prüfzyklen: 4 Prüfintervalle von je 1.250 Prüfzyklen • Prüfstufe 2: 5.000 - 10.000 Prüfzyklen: 2 Prüfintervalle von je 2.500 Prüfzyklen • Prüfstufe 3: 10.000 - 15.000 Prüfzyklen: 1 Prüfintervall von 5.000 Prüfzyklen • Bei Systemversagen erfolgt der Abbruch der Prüfung. • Reinigung der Prüffläche mittels geringfügiger Menge eines geeigneten Lösungsmittels (z. B. Aceton) und Papiertüchern von anhaftendem Reifenabrieb. Dabei darf keine Beschädigung am geprüften Oberflächenschutzsystem auftreten. • Prüfung von je einer Prüfstelle auf drei Betongrundkörpern. • Die Dokumentation des Verschleißfortschritts erfolgt in festgelegten Intervallen bis zum Erreichen von 15.000 Prüfzyklen. Neben der fotografischen Kontrolle umfasst die Dokumentation und Auswertung des Verschleißwiderstandes die zerstörungsfreie Vermessung der Prüffläche durch einen geeigneten Laser. • Mit den in der Lasermessung erfassten Daten erfolgt die Bewertung der Verschleißbeständigkeit durch drei Verschleißkategorien (hoher, mäßiger und geringer Verschleißwiderstand) über das Verhältnis des Medianwertes der mittleren bzw. maximalen Verschleißtiefe zu der Schichtdicke. 7. Laborvergleichsversuch Neben den PAT-Prüfeinrichtungen der Sika Deutschland GmbH und der Technischen Universität Kaiserslautern werden mehrere weitere PAT-Prüfstände für Verschleißmessungen verwendet (Implenia Construction GmbH, Master Builders Solutions Deutschland GmbH, Kiwa GmbH Polymer Institut), die sich hinsichtlich des Messprinzips - Drehung eines PKW-Rades auf einer mit einem Oberflächenschutzsystem beschichteten Betonplatte grundsätzlich entsprechen. Im Detail weisen diese Prüfstände jedoch deutliche Unterschiede hinsichtlich Antrieb und Aufbau der Belastungsvorrichtung auf. Durch einen Laborvergleichsversuch (Zeitraum November 2021 bis voraussichtlich März 2022) mit den zuvor aufgeführten Teilnehmern soll an mehreren Beschichtungssystemen mit unterschiedlichen Verschleißwiderständen die Wiederhol- und Vergleichspräzision des PAT-Verfahrens ermittelt werden, um abschließend eine Beurteilung der Anwendbarkeit und Praxistauglichkeit des PAT-Verfahrens zu ermöglichen. Unter Einbeziehung sämtlicher Prüfergebnisse der beteiligten Verbundpartner und den Erkenntnissen aus dem Laborvergleichsversuch sollen alle Prüfparameter des PAT-Verfahrens sowie sämtliche Anforderungen an den Prüfstand in Zusammenarbeit mit allen Beteiligten festgelegt und zur Ausarbeitung eines Regelwerkentwurfs herangezogen werden. 8. Danksagung Für die finanzielle Unterstützung im Rahmen des Förderprogramms „WIPANO - Wissens- und Technologietransfer durch Patente und Normen“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) möchten wir uns bedanken. Des Weiteren gilt unser Dank den Projektteilnehmern: Sika Deutschland GmbH, Deutscher Ausschuss für Stahlbeton e.V. (DAfStb), Deutscher Beton- und Bautechnikverein e.V. (DBV) und Deutsche Bauchemie e.V. für die beratende Unterstützung sowie den Teilnehmern am Laborvergleichsversuch: Sika Deutschland GmbH, Implenia Construction GmbH, Master Builders Solutions Deutschland GmbH und Kiwa GmbH Polymer Institut. Literatur [1] Deutsches Institut für Bautechnik (DIBt), Technische Regel - Instandhaltung von Betonbauwerken (TR Instandhaltung), 2020-05 [2] DIN EN 13892-4: 2003-02 Prüfverfahren für Estrichmörtel und Estrichmassen - Teil 4: Bestimmung des Verschleißwiderstandes nach BCA [3] DIN EN 13813: 2003-01 Estrichmörtel, Estrichmassen und Estriche - Estrichmörtel und Estrichmassen - Eigenschaften und Anforderungen 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 79 Parking Abrasion Test - Entwurf eines Regelwerks zur realitätsnahen Verschleißprüfung von befahrenen Oberflächenschutzsystemen [4] E DIN EN 13813: 2017-03 - Estrichmörtel, Estrichmassen und Estriche - Estrichmörtel und Estrichmassen - Eigenschaften und Anforderungen [5] DIN EN 13892-5: 2003-09 Prüfverfahren für Estrichmörtel und Estrichmassen - Teil 5: Bestimmung des Widerstandes gegen Rollbeanspruchung von Estrichen für Nutzschichten [6] DIN EN ISO 5470-1: 2017-04 Mit Kautschuk oder Kunststoff beschichtete Textilien - Bestimmung des Abriebwiderstandes - Teil 1: Taber-Abriebprüfgerät [7] DIN EN 660-1: 1999-06 Elastische Bodenbeläge - Ermittlung des Verschleißverhaltens - Teil 1: Stuttgarter Prüfung (zurückgezogen) [8] Wolfgang Breit, Eva-Maria Ladner, Jürgen Krams: Neue Prüfverfahren für eine praxisgerechte Bewertung von befahrenen Oberflächenschutzsystemen. In: 4. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken, TAE Esslingen (Ostfildern), S. 539-546, 27.-28.01.2015 [9] Thomas Pusel, Carsten Zilg, Heinz Bänziger: Abnutzungsprüfung von OS Parkhaussystemen unter “Real-Bedingungen”. In: 3. Kolloquium Verkehrsbauten, TAE (Ostfildern), 01.2008 [10] Wolfgang Breit, Eva-Maria Ladner, Jürgen Krams: Nachweis der Verschleißbeständigkeit von Parkhausbeschichtungssystemen unter realitätsnahen Prüfbedingungen. Technische Universität Kaiserslautern; Bilfinger Construction GmbH, Forschungsinitiative Zukunft Bau F 2954, Fraunhofer IRB Verlag, Stuttgart, 2015 [11] Wolfgang Breit, Eva-Maria Ladner: Dauerhaftigkeit von rissüberbrückungs-fähigen Beschichtungssystemen unter realitätsnaher Beanspruchung - Abschlussbericht, Forschungsinitiative Zukunft Bau F 3021, Fraunhofer IRB Verlag, Stuttgart, 2017 [12] Wolfgang Breit, Eva-Maria Ladner, Anja Tusch: Praxisnahe Bewertung des Verschleißverhaltens von befahrenen Oberflächenschutzsystemen - Praxistest vs. Normprüfung. Fraunhofer IRB-Verlag; Technische Universität Kaiserslautern, Forschungsinitiative Zukunft Bau F 3146, Fraunhofer IRB Verlag, Stuttgart, 2018 [13] Wolfgang Breit, Eva-Maria Ladner: Festlegung von Verschleißklassen für Oberflächenschutzsysteme in Parkhäusern in Abhängigkeit von der Nutzungsfrequenz durch vergleichende Bewertung nach BCA- und PAT Verfahren - Abschlussbericht. Technische Universität Kaiserslautern, Kaiserslautern Ausgabe 2018 [14] Wolfgang Breit, Eva-Maria Ladner, Joachim Schulze, Sara Blietschau, Melanie Merkel, Frank Schuler: Untersuchungen zu Umwelteinflüssen auf die Dauerhaftigkeit und Verschleißbeständigkeit von befahrenen Oberflächenschutzsystemen während der Applikations- und Nutzungsphase. Technische Universität Kaiserslautern, Forschungsinitiative Zukunft Bau F 3219, Fraunhofer IRB Verlag, Stuttgart, 2021 [15] DIN EN 1766: 2017-05 Produkte und Systeme für den Schutz und die Instandsetzung von Betontragwerken - Prüfverfahren - Referenzbetone für Prüfungen [16] DIN EN 1542: 1999-07 Produkte und Systeme für den Schutz und die Instandsetzung von Betontragwerken - Prüfverfahren - Messung der Haftfestigkeit im Abreißversuch [17] DIN EN ISO 291: 2008-08 Kunststoffe - Normalklimate für Konditionierung und Prüfung [18] ECE-R30, Regelungen für Luftreifen für Kraftfahrzeuge und Anhänger; Economic Commission for Europe 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 81 Die Konformitätsnachweise für Bauprodukte nach der Technischen Regel (TR) „Instandhaltung von Betonbauwerken“ des DIBt Anspruch und Wirklichkeit aus der Sicht des Sachkundigen Planers Dr.-Ing. Michael Fiebrich BauIngenieurSozietät (BIS) Sasse & Fiebrich, Aachen, Deutschland Zusammenfassung Das Stichwort „Nachhaltigkeit“ ist im Zuge voranschreitender Klimaveränderungen und Ressourcenknappheit vorneweg in aller Munde. Die am Bau Beteiligten, insbesondere Sachkundige Planer und ausführende Unternehmen müssen sich allerdings sicher sein, dass die Produkte bzw. Materialien, die benötigt werden, um ein Instandsetzungsziel für eine möglichst lange Restnutzungsdauer zu gewährleisten, den an sie gestellten Anforderungen auch genügen. Hier reichen Absichtserklärungen oder unverbindliche Angaben in Technischen Merkblättern - und das ist nicht erst heute so - in den meisten Fällen bei Weitem nicht aus. Der Beitrag erläutert die Vorgehensweise bei drei unterschiedlichen Instandhaltungsplanungen anhand der neuen Technischen Regel „Instandhaltung von Betonbauteilen“ (TR) des Deutschen Instituts für Bautechnik (DIBt). Die TR ermöglicht eine entsprechend dem Stand der Wissenschaft und Technik standardisierte Vorgehensweise beginnend mit der Ist- Zustandsaufnahme bis hin zur Festlegung von Anforderungen an die einzusetzenden Produkte oder Systeme für die Instandsetzung. 1. ZIELE EINER SACHKUNDIGEN INSTAND- HALTUNGSPLANUNG Der Sachkundige Planer (SKP) hat durch eine fachkundige Instandhaltungsplanung sicherzustellen, dass die Grundanforderungen an Bauwerke - Mechanische Festigkeit und Standsicherheit - Brandschutz, Hygiene, Gesundheit und Umweltschutz - Sicherheit und Barrierefreiheit bei der Nutzung - Schallschutz - Energieeinsparung und Wärmeschutz über die planmäßige Restnutzungsdauer eines Betonbauwerks eingehalten werden. Diese Forderung ergibt sich aus - der Musterbauordnung 2016-05, § 3 Absatz 1 [ 1 ] - der Bauproduktenverordnung 2011 (Verordnung EU) Nr. 305/ 2001, Anhang 1 [2] Eine ausführliche Diskussion der genannten baurechtlichen Dokumente und die daraus ableitbaren übergeordneten baurechtlichen Instandsetzungsziele findet sich in [3]. Neben diesen übergeordneten baurechtlichen Instandsetzungszielen hat der Sachkundige Planer nach der Technischen Regel „Instandhaltung von Betonbauwerken“ (TR) des Deutschen Instituts für Bautechnik (DIBt) [4] in Zusammenarbeit mit dem ausführenden Unternehmen im Auftrage des Bauherrn die bauteilspezifischen Instandsetzungsziele jeweils über die Nutzungsdauer des Betonbauwerks umzusetzen: - Korrosionsschutz des Betons und der Bewehrung - Beständigkeit des Instandsetzungssystems - Dauerhaftigkeit des Verbundes zwischen Instandsetzungsbaustoff und Bestandsbeton. Um diese vorgenannten bauteilspezifischen Ziele bei einer Betoninstandhaltungsmaßnahme mit Betonersatzsystemen realisieren zu können, formuliert der SKP in seinem Leistungsverzeichnis Leistungsmerkmale und Anforderungen an die harmonisierten Instandsetzungsprodukte. Diese Leistungsmerkmale und zugehörigen Anforderungen werden aus den Einwirkungen aus der Umgebung einerseits und den Einwirkungen aus dem Untergrund andererseits abgeleitet. 82 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Die Konformitätsnachweise für Bauprodukte nach der Technischen Regel (TR) „Instandhaltung von Betonbauwerken“ des DIBt Abbildung 1 Die Grundlage für die Präzisierung der wesentlichen Merkmale und Anforderungen an die Instandsetzungsprodukte sind die Festlegungen in Teil 2 der TR. Der SKP hat ebenso die zugehörigen Qualitätssicherungsverfahren aufzustellen, durch deren Einhaltung der Bauprodukthersteller die Zuverlässigkeit und Leistungsbeständigkeit der zur Baustelle gelieferten Produkte zu gewährleisten hat. Nach der Anmerkung 1 in der TR [4], Teil 1, Abschnitt 2, Absatz 2, wird ein Qualitätssicherungsverfahren als die Art des Nachweises der Verwendbarkeit (z. B. Herstellererklärung, Prüfung durch unabhängige Prüfstelle, Fremdüberwachung oder Kontrollprüfung) definiert. Mit Hilfe des vom SKP ausgearbeiteten Leistungsverzeichnisses bittet der Unternehmer den Bauprodukthersteller darum, verbindliche Dokumente (Verwendbarkeitsnachweise, Übereinstimmungsbestätigung, verbindliche Angaben zur Ausführung u. a.) bereitzustellen, mit deren Hilfe die Zuverlässigkeit und Leistungsbeständigkeit der auf der Baustelle verarbeiteten Produkte gewährleistet werden. Dies ist der Anspruch. 2. DIE WIRKLICHKEIT DER KONFORMITÄTS- NACHWEISE FÜR HARMONISIERTE BAU- PRODUKTE 2.1 Vorgehensweise Anhand von folgenden realisierten Betoninstandsetzungsmaßnahmen - flächiger Betonersatz an Stahlbetonbauteilen eines Regenüberlaufbeckens - Oberflächenschutzmaßnahme an einer Spannbetonbrücke - Rissfüllmaßnahme an fallweise wasserführenden Trennrissen in einem denkmalgeschützten Stahlbetonbauwerk werden die Leistungsmerkmale und Anforderungen an die Bauprodukte (Betonersatz, Oberflächenschutzsystem, Rissfüllstoff) mit Hilfe der im Teil 2 der TR [ 4 ] niedergelegten Informationen präzisiert. Dabei werden die Leistungsmerkmale und Anforderungen aus den am Objekt im Zuge der Ist-Zustandsermittlung charakterisierten Expositionen und den festgelegten Instandsetzungsprinzipien und -verfahren abgeleitet. Ferner werden die Qualitätssicherungsverfahren für die vom Bauprodukt- 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 83 Die Konformitätsnachweise für Bauprodukte nach der Technischen Regel (TR) „Instandhaltung von Betonbauwerken“ des DIBt hersteller auf der Baustelle bereitzustellenden Baustellenchargen vorgegeben. Es werden zu jedem dieser Produkte die dem Bieter seitens des Produktherstellers bereitgestellten Dokumente erläutert. 2.2 Planung und Ausführung einer Betoninstandsetzungsmaßnahme mittels Betonersatz an einem Regenüberlaufbecken 2.2.1 Ist-Zustand Aus den Bestandsdokumenten wurden die nachfolgenden Informationen gewonnen: - Baujahr 1978 - 2 baugleiche Becken mit den Grundrisshauptmaßen von jeweils 44 m x 14 m zuzüglich Zulaufgerinne und Notablauf - Jedes Becken besteht aus 4 Segmentbauteilen (2 Randsegmente von 12 bzw. 10 m Länge und 2 Mittelsegmente von 11 m Länge) - Die Segmente sind mit einem in den Bauwerksfugen eingebauten Fugenband (mutmaßlich flüssigkeitsdicht) verbunden. - Die Nenndicke der Wände beträgt rd. 35 cm. - Bestandsbetonqualität: BN 250 mit BSt 42/ 50 - Grundwasser liegt in Höhe der Einstauhöhe der Becken. Ausgewählte charakteristische Erhaltungszustände sind auf den nachfolgenden Objektbildern (Bild 1 bis 4) wiedergegeben. Bild 1 Bild 2 Bild 3 Bild 4 2.2.2Instandsetzung, Leistungsmerkmale, Anforderungen an Bauprodukte und Qualitätssicherung Die Ergebnisse der Planungsschritte - Ermittlung des Ist-Zustands gemäß TR [ 4 ] , Teil 1, Tabelle 1 - festgelegter Mindestsollzustand 84 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Die Konformitätsnachweise für Bauprodukte nach der Technischen Regel (TR) „Instandhaltung von Betonbauwerken“ des DIBt - Instandsetzungsprinzip und -verfahren sowie Wahl des Betonersatzes - Spezifikation der Leistungsmerkmale und Anforderungen gemäß [ 4 ] , Teil 2, Tabelle C3 und die Präzisierung der Zuverlässigkeit der Bauprodukte sind in der nachfolgenden Abbildung 2 stichwortartig zusammengestellt. Abbildung 2 Es ist zu entnehmen, dass zur Instandsetzung der karbonatisierungsinduzierten Korrosionsschäden ein SRM mit einer Mindestschichtdicke von 20 mm im Spritzverfahren gewählte wurde. Die Leistungsmerkmale und Anforderungen sind in [ 4 ] , Teil 2, Tabelle C3, Spalten 2 und 8 entlang der Zeilen 1 bis 30 präzisiert. Auszugsweise sind die Leistungsmerkmale für die hier vorliegende Altbetonklasse A3 auf der nachfolgenden Abbildung 3 markiert. Ferner sind Angaben, die in den Ausführungsanweisungen des Produktherstellers für den gewählten Spritzmörtel (SRM: Sprayable Repair Mortar) gemäß Tabelle C5 bestätigt werden sollen, hier wiedergegeben. 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 85 Die Konformitätsnachweise für Bauprodukte nach der Technischen Regel (TR) „Instandhaltung von Betonbauwerken“ des DIBt Abbildung 3 (Quelle: [ 4 ] , Teil 2, Tabelle C.3) 86 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Die Konformitätsnachweise für Bauprodukte nach der Technischen Regel (TR) „Instandhaltung von Betonbauwerken“ des DIBt 2.2.3 Unterlagen der Bieter a. Etwa 10 Prozent der Bieter haben Unterlagen zur Verfügung gestellt, die das Ingenieurbüro näherungsweise als vollständig bezeichnen könnte. b. Unvollständig und teilweise nicht nachvollziehbar war die Bewertung der werkseigenen Produktionskontrolle. Die Ergebnisse wurden mit dem Pauschalsatz bewertet, die Prüfergebnisse lägen innerhalb der zulässigen Toleranzen. Es wurden keine Angaben bezüglich der durchgeführten Einzelprüfungen sowie deren Ergebnisse gemacht. c. Ein Bieter hat während des Bieterverfahrens der Vergabestelle mitgeteilt: „Die Ausschreibung widerspricht dem europäischen Baurecht.“ d. Lediglich jene Bieter, die in die enge Auswahl kamen, haben fallweise nach Aufklärungsgesprächen die erforderlichen Mindestunterlagen (Verwendbarkeitsnachweise und Angaben zur Ausführung) bereitgestellt. 2.3 Oberflächenschutzmaßnahmen auf dem befahrenen/ begangenen Deck einer Spannbetonbrücke (Bild 5) 2.3.1 Ist-Zustand Nach den Bauwerksunterlagen lassen sich folgende wesentliche Daten zum Bestand stichwortartig zusammenfassen: - Baujahr 1956/ 57 - Konstruktion: 3-feldrige Spannbetonbrücke mit einer Stützweite von insgesamt 80 m, wobei die beiden Endfelder jeweils eine Stützweite von jeweils 25 m aufweisen, das mittlere Brückenfeld rd. 30 m - Spannstahl: Sigma-Rundstahl - Querschnitt des Brückenbauwerks: Plattenbalken - Bestandsbetondruckfestigkeit nach Ist-Zustandsaufnahme variierte zwischen 56,5 und 70,8 MPa (Zylinderdruckfestigkeit) bei Rohdichten zwischen 2,29 und 2,31 kg/ m 3 - Unterhalb der vorhandenen polymeren Bestandsbeschichtung wurden keine Chloride festgestellt - die Untersuchung der Spannstäbe hat keine Hinweise auf akutes Eintreten eines wasserstoffinduzierten Sprödbruchs angezeigt - über die Materialidentität des Oberflächenschutzes an der Oberseite lagen keine Angaben vor. Aus den Ist-Zustandsuntersuchungen wurde die Altbetonklasse A4 ermittelt. Durchbiegungsinduzierte Rissbildungen infolge planmäßiger Verkehrslasten liegen nicht vor. Der Querschnitt ist vollständig überdrückt. Bild 5 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 87 Die Konformitätsnachweise für Bauprodukte nach der Technischen Regel (TR) „Instandhaltung von Betonbauwerken“ des DIBt 2.3.2 Instandsetzungskonzept Als Instandsetzungskonzept wurde gemäß Tabelle 5 in [ 4 ] das Verfahren 1.3 „Schutz gegen das Eindringen von Stoffen durch Beschichtung“ gewählt. Die Verschleißbeanspruchung wird charakterisiert durch den regelmäßigen Verkehr von - Fußgängern - Radfahrern - Mofafahrern und - die jährliche Befahrung durch ein kettengeführtes Raupenfahrzeug (Brückenuntersichtgerät) mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 7,5 t. Gewählt wurde ein Oberflächenschutzsystem OS 8 gemäß [ 4 ] , Teil 1, Tabelle 12 „Starre Beschichtung für befahrbare Flächen“ (siehe hierzu Abbildung 5). Abbildung 4 Die Leistungsmerkmale und zugehörigen Anforderungen für das Oberflächenschutzsystem OS 8 sind in der TR [ 4 ] , Teil 2, Tabelle A7 präzisiert, wobei die einzelnen Leistungsmerkmale gegliedert sind bezüglich - Bestandteile (Zeilen 1 bis 10) - Frisches Gemisch (Zeilen 11 bis 14) - System (Zeilen 15 bis 25) Als Auszug ist die Tabelle A7 mit den Spalten 1 bis 10 wiedergegeben. Daraus ist zu entnehmen, dass zur Qualitätssicherung der Bauprodukte für die identifizierenden Merkmale wie Infrarotspektroskopie, Thermogravimetrie, Dichte u. a., gemäß Spalte 4 der Tabelle das Mindestniveau „System B nach DIN 18200“ zur Sicherstellung der Zuverlässigkeit und Genauigkeit der erklärten Leistung gefordert wird. 88 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Die Konformitätsnachweise für Bauprodukte nach der Technischen Regel (TR) „Instandhaltung von Betonbauwerken“ des DIBt Abbildung 5: Quelle [ 4 ] , Teil 2, Tabelle A7 (Auszug) 2.3.3 Unterlagen der Bieter Verwendbarkeitsnachweise bzw. Ergebnisse einer Erstprüfung konnten nicht zur Verfügung gestellt werden, jedoch die Angaben zur Ausführung in vollständigem Umfang entsprechend den Vorgaben der TR [ 4 ] , Tabelle A11, Teil 2. 2.4 Rissfüllmaßnahme an fallweise wasserführenden Trennrissen in einem denkmalgeschützten Stahlbetonbauwerk 2.4.1 Ist-Zustandsaufnahme Die für die hier vorliegende Betrachtung relevanten Informationen zum instandzusetzenden Bauteil lassen sich wie folgt zusammenfassen: - Baujahr des Gesamtbauwerks 1959 - Bauteil Stahlbetonwand im Zuge eines Tunnels oberirdisch - Nutzung als TGA-Tunnel nach Instandsetzung des Gesamtbauwerks geplant (Brandschutzbekleidung vorgesehen) - vertikaler Trennriss im Bereich einer Betonierarbeitsfuge vor (Bild 6) - Rissbreiten bei einer Objekttemperatur von 14 °C zwischen 0,3 mm (Sockelbereich) und 1,0 mm (oberer Wandbereich gemessen an der Oberfläche - Rissbreiten werden während der künftigen Nutzungsdauer variieren - Rissflanken im unteren Sockelbereich sind karbonatisiert - nur vereinzelte Stäbe kreuzen den unteren Sockelbereich - Expositionsklassen nach [ 4 ] , Teil 1, Tabelle 2 im Hinblick auf die füllstoffspezifischen Verwendungsbedingungen: XCR (cracks): Risse 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 89 Die Konformitätsnachweise für Bauprodukte nach der Technischen Regel (TR) „Instandhaltung von Betonbauwerken“ des DIBt Feuchtezustand: Während der künftigen Nutzungsdauer prognostiziert aus den vergangenen Ereignissen: XBW2 flächige Durchströmung WF (waterflow): zusammenhängender Wasserstrom tritt aus dem Riss aus Rissbreitenänderung LFR (low frequent): zyklisch niederfrequent z. B. aus Temperatur bzw. Wasserstandsänderungen Bild 6 Bild 7 Bild 8 2.4.2 Instandsetzungskonzept Entsprechend [ 4 ] , Teil 1, Tabellen 13 und 14 (hier in Auszügen ohne Fußnoten wiedergegeben; Abbildungen 6 und 7) wird das Füllziel definiert und die sich daraus ergebenden füllstoffspezifischen Verwendungsbedingungen für den einzusetzenden reaktiven Rissfüllstoff: Füllziel: Begrenzt dehnbares Verbinden (D-I (P)) durch Injektion mit reaktiven Rüssfüllstoffen nach dem Verfahren 7.6a Rissfüllstoff: Füllstoff-Füllart: D-I (P) Rissart: Trennriss Rissursache: offensichtlich wiederkehrend XSTAT statisch mitwirkend: nein XBW2 flächige Durchströmung: zum Inspektionszeitpunkt trocken bis feucht DY bzw. DP im Durchströmungsfalle: WF Niedrigste Bauteiltemperatur: 5 °C Injizierbarkeitsklasse nach DIN EN 1504-5: 5 bis 8 Rissbreite: 0,3 bis 1,0 mm Bei einer Überschreitung der mit dieser Füllstoffart möglichen Rissbreitenänderung kann nicht ausgeschlossen werden, dass eine erneute Durchfeuchtung erfolgt und dann nachinjiziert werden muss. 90 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Die Konformitätsnachweise für Bauprodukte nach der Technischen Regel (TR) „Instandhaltung von Betonbauwerken“ des DIBt Abbildung 6 (Quelle: [ 4 ] , Teil 1, Tabelle 13, Ausschnitt) 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 91 Die Konformitätsnachweise für Bauprodukte nach der Technischen Regel (TR) „Instandhaltung von Betonbauwerken“ des DIBt Abbildung 7 (Quelle: [ 4 ] , Teil 1, Tabelle 14, Ausschnitt) Die Ergebnisse der Planungsschritte einschließlich Ableitung der Leistungsanforderungen an die einzusetzenden Produkte für das „Füllen von Rissen“ sind in der nachfolgenden Abbildung 8 stichwortartig zusammengestellt: 92 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Die Konformitätsnachweise für Bauprodukte nach der Technischen Regel (TR) „Instandhaltung von Betonbauwerken“ des DIBt Abbildung 8 2.4.3 Unterlagen Bieter Die relevanten Nachweise für die Materialien wurden seitens des Bieters dessen Angebot nicht beigefügt. 3. Fazit und Ausblick Die besten Regelwerke nützen wenig, wenn - sie den Zielgruppen weitgehend unbekannt sind, - wirtschaftliche Interessen dem wissenschaftlich fundierten Stand der Technik entgegenstehen und/ oder - die Bauzeiten durch unkooperatives Verhalten und dadurch ausgelöste zusätzliche Aufwendungen für Nachweise von Leistungsmerkmalen der angebotenen und am Markt verfügbaren Instandsetzungsprodukte unnötig verlängert werden. Nachhaltigkeit, Ressourcenschonung und Qualität lassen sich nur verwirklichen, wenn auf Seiten aller Projektbeteiligter, auch der Produkthersteller, die Bereitschaft zu Transparenz und Zusammenarbeit besteht. Der aktuelle Ausblick insbesondere im Hinblick auf die Produkte unbekannter Zusammensetzung lässt hier - immer noch - zu wünschen übrig. LITERATUR [1] Musterbauordnung (MBO) 2016-05, § 3, Absatz 1 [2] Bauproduktenverordnung 2011 (Verordnung EU) Nr. 305/ 2011, Anhang 1 [3] Fiebrich, M.: Die Ausgestaltung von Leistungsverzeichnissen und Vergabeempfehlungen unter Beachtung der bauaufsichtlichen Bestimmungen - Erfahrungsbericht über Betoninstandsetzungsmaßnahmen in: 9. Kolloquium Parkbauten 2020, Technische Akademie Esslingen, Tagungshandbuch Expert Verlag, Tübingen, Seiten 441ff [4] Deutsches Institut für Bautechnik (DIBt): Technische Regel „Instandhaltung von Betonbauwerken“ (TR), Ausgabe 2020-05 Forschung und Entwicklung 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 95 Dauerhaftigkeit chloridexponierter Stahlbetonbauteile mit hochlegierter Bewehrung Übertragung von Untersuchungsergebnissen zu wirtschaftlichen Ausführungen bei Tiefgaragen Andreas Fraundorfer Institut für Material- und Bauforschung, Hochschule München, Deutschland Frederik Ripa Institut für Material- und Bauforschung, Hochschule München, Deutschland Christoph Dauberschmidt Institut für Material- und Bauforschung, Hochschule München, Deutschland Zusammenfassung Der Schutz von chloridexponierten Stahlbetonbauteilen wird häufig durch Beschichtungssysteme sichergestellt, die meist mit einem hohen Wartungsaufwand über die weitere Nutzungsdauer einhergehen. Eine mögliche Alternative besteht in der Verwendung hochlegierter, nichtrostender Bewehrung. Durch geschickte Wahl in besonders stark beanspruchten Bereichen und die Möglichkeit der Ausführung von Mischbewehrung mit Schwarzstahl, kann mit dieser Bewehrung auch wirtschaftlich gebaut werden. In vielen Bereichen ist dabei anstelle sehr teurer, hochkorrosionsfester austenitischer Chrom-Nickel-Stähle die Verwendung deutlich günstigerer Chromstähle ausreichend. An der Hochschule München wurde ein Industrieforschungsvorhaben durchgeführt, in dem die Beständigkeit einer Chromstahl-Bewehrung mit Werkstoffnummer 1.4003 im chloridbelasteten Trennrissbereich untersucht wurde. Diese dabei ermittelten Ergebnisse bildeten die Grundlage für die Erstellung von Ausführungsvarianten bei Tiefgaragen. Über Bauwerksuntersuchungen an einer Vielzahl von Bestandsbauwerken wird dargestellt, wie sich eine hohe Nutzungsdauer mit solch einer Bewehrung auch bei hoher Chloridbelastung realisieren lässt. 1 Zwischenergebnisse und das Versuchsprogramm zu diesem Forschungsprojekt wurden bereits in [Dau1] vorgestellt. Kapitel 1 bis Kapitel 4 sind inhaltlich weitgehend deckungsgleich zu [Dau1], wurden aber aktualisiert. 1. Einleitung 1 Zur Sicherstellung der Dauerhaftigkeit von chloridexponierten Bauteilen bieten sich vielfältige Möglichkeiten. Meistens wird eine über den Nutzungszeitraum wartungsintensive Beschichtung oder eine Abdichtung mit Verschleißschicht auf den Beton aufgebracht, um einen Chlorideintrag in den Beton auszuschließen. Werden die Beschichtungssysteme nicht korrekt gewartet und eine Rissbildung bleibt unentdeckt, kann bereits eine Winterperiode [RAU1] ausreichend sein, um Korrosion im Bauteil aufgrund des dabei stattgefundenen Chlorideintrags zu initiieren. Der Grenzwert von 0,5 M-% Cl - / z, ab dem laut [TRI1] ein sachkundiger Planer das Korrosionsrisiko bewerten soll und der als unterer Grenzwert für eine eintretende Korrosion angesehen wird, bezieht sich hierbei maßgeblich auf den ungerissenen Beton und auf unlegierten Bewehrungsstahl. Eine Möglichkeit, das Korrosionsrisiko weitestgehend auszuschließen, besteht in der Verwendung von nichtrostender Bewehrung (gängig: Edelstahl- oder GFK-Bewehrung). Während GFK-Bewehrung kostenintensiver als unlegierter Betonstahl und das Biegen auf der Baustelle nicht mehr möglich ist, ist die Verwendung der gängigen hochlegierten, austenitischen Edelstähle 1.4571 und 1.4401 (früher V4A) nochmals teurer (etwa Faktor 10 zu 96 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Dauerhaftigkeit chloridexponierter Stahlbetonbauteile mit hochlegierter Bewehrung unlegiertem Bewehrungsstahl) und nur in wenigen Fällen wirtschaftlich. Eine weitere Ausführungsvariante besteht in der Verwendung des deutlich kostengünstigeren, hochlegierten, ferritischen Chromstahls 1.4003. Die Korrosionsbeständigkeit eines solchen auf dem Markt erhältlichen Bewehrungsstahls in chloridhaltigen Rissbereichen bei Stahlbetonbauteilen ist aktueller Forschungsgegenstand am Institut für Material- und Bauforschung der Hochschule München. [Dau2] 2. Unlegierte und legierte Bewehrungsstähle Als gängige, unlegierte Betonstähle finden Stähle der Werkstoffnummern 1.0438 (B500A, normalduktil) oder 1.0439 (B500B, hochduktil) Verwendung [DIN1]. Die Bezeichnung Edelstahl bezieht sich auf einen Stahl besonderer Reinheit, bezogen auf die unerwünschten Eisenbegleiter wie Phosphor und Schwefel. Der Begriff Edelstahl intendiert noch keinen rostfreien Stahl. Damit Stähle bei normalen Umwelteinflüssen „rostfrei“ werden, ist ein hoher Anteil an Chrom (10,5 % und mehr [DIN3], praktisch jedoch i.d.R. erst ab 12 %) erforderlich. Solche Stähle mit hohem Chromanteil bilden eine schützende Passivschicht aus Chromoxiden an der Stahloberfläche. Abhängig von Art und Gehalt an Legierungselementen, sowie der Herstellung, können nichtrostende Stähle in verschiedenen Gefügearten (Ferrit, Austenit, Martensit, eine Mischung aus Austenit und Ferrit (Duplexstahl) oder eine Mischung aus Ferrit und Martensit (Dualphasenstahl)) vorliegen, die auf einer anderen räumlichen Gitteranordnung der Atome beruhen [GRE1]. Dadurch werden u.a. auch Korrosionsneigung, Härte und Festigkeit beeinflusst. Austenitbildende Legierungselemente sind z.B. Nickel, Kohlenstoff, Stickstoff und Mangan. Chrom und Molybdän sind zwei Vertreter der ferritstabilisierenden Legierungselemente. Der im Rahmen dieser Versuche untersuchte Edelstahl ist der Werkstoffnummer 1.4003, Werkstoffkurzname X2CrNi12 nach [DIN2] zuzuordnen. Die Werkstoffnummer 1.4003 beschreibt einen korrosionsträgen, hochlegierten, ferritischen Chromstahl mit 10,5 bis 12,5 % Chromanteil und Nickelzusatz. Der Anteil an Kohlenstoff liegt bei 0,02 %. Dabei steht die Bezeichnung X für den mittleren Legierungsanteil eines Elements von mindestens 5 % [DIN2]. Im Vergleich zu den geläufigeren Edelstahlbewehrungen aus Chrom-Nickel-Stählen, wie 1.4401 (X5CrNiMo17-12-2, ehemals V4A), wird beim 1.4003 auf Molybdän als Legierungselement verzichtet. Der Chromgehalt ist reduziert. Nickel ist nur bis 1 % zugesetzt, wodurch der Stahl deutlich günstiger hergestellt werden kann als die gängigen Austenite. Im speziellen Fall des hier untersuchten Edelstahls („Top12“) handelt es sich um einen ferritischen Stahl mit mindestens 12 % Chromanteil. Die Herstellerangaben zur Zusammensetzung sind in nachfolgender Tab. 1 gegeben: Tab. 1: Zusammensetzung Top12-500 nach [SWI1] C Si Mn P S Cr Ni N Ø 0,015 0,7 0,5 max. 0,025 max. 0,005 mind. 12,0 0,5 0,02 Eine Analyse mittels Röntgenfluoreszenanalyse der getesteten Stähle an der Hochschule München ergab einen Chromgehalt von ca. 12,5 %. Ein Materialmix im Stahlbetonbauteil aus Edelstahlbewehrung und unlegiertem Betonstahl (Mischbewehrung) führt hierbei zu keiner Unverträglichkeit durch eine eintretende Kontaktkorrosion. Solange der unlegierte Bewehrungsstahl durch die Alkalität des Betons ausreichend passiviert ist, sind Ruhepotential von Edelstahl und unlegiertem Stahl nahezu identisch, wodurch sich keine anodischen und kathodischen Bereiche ausbilden können [NÜR1]. Bei hochlegierten, sehr korrosionsbeständigen Stahlwerkstoffen basiert die Reaktionsträgheit auf der Bildung einer sehr stabilen Passivschicht aus Chromoxiden, die unter einem weiten Bereich von pH-Werten und Einwirkungen stabil ist. Verglichen mit unlegiertem Bewehrungsstahl findet dabei eine Korrosionsinitiierung erst unter deutlich ungünstigeren Randbedingungen, die wie bei herkömmlichem Betonstahl in alkalischer Umgebung mit einer Auflösung der Passivschicht verbunden ist, statt. Sobald die Passivschicht des hochlegierten Stahls jedoch verletzt ist, treten meist lokal begrenztere Depassivierungen als bei normalem Bewehrungsstahl auf. Die Korrosionsrate ist bei hochlegierten Edelstählen im Vergleich zu unlegiertem Stahl kleiner, die Abtragstiefe dadurch jedoch etwa vergleichbar groß [SCH1]. Hinzu kommt, dass bei kleineren Lochfraßnarben eine schlechtere Belüftung des Elektrolyten in der Narbe stattfindet, was eine zusätzliche Ansäuerung bewirkt, die den Abtrag weiter verstärkt. 3. 3. Bisherige Untersuchungen zu 1.4003 In der Literatur gibt es durchaus zahlreiche Untersuchungen zum Korrosionsverhalten von Bewehrungsstählen mit der Werkstoffnummer 1.4003 in chloridhaltigem Beton. Die dort untersuchten Bewehrungsstähle aus 1.4003 besaßen aber noch teilweise die damals übliche Lieferform mit Walzhaut. Da diese zu einer schlechteren Chloridbeständigkeit führt, wurden neue Untersuchungen an der aktuell üblichen Lieferform ohne Walzhaut (gebeizt) an verschiedenen Instituten durchgeführt. In früheren Untersuchungen kommen [Bis1], [Gre1], [Sch1], [Sch2] zu einem kritischen korrosionsauslösenden Chloridgehalt über 2,6 M.-%/ z bei sehr unterschiedlichen Untersuchungsmethoden. In [EBE1], zusammengefast in [EBE2] wurde an der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung ein kritischer korrosionsauslösender Chlorid- 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 97 Dauerhaftigkeit chloridexponierter Stahlbetonbauteile mit hochlegierter Bewehrung gehalt von 2,7 M.-%/ z bei 10-%iger Korrosionswahrscheinlichkeit ermittelt. In [KAE1] wurden diverse Versuchsprogramme zusammenfassend dargestellt. Beim Vergleich der unterschiedlichen Prüfmethoden ergab sich dabei ein kritischer korrosionsauslösender Chloridgehalt der 1.4003 Bewehrung von 2,3 M.-%/ z in ungerissenem Beton. 4. Versuchsreihe zum Korrosionsverhalten in chloridbelasteten Rissen 4.1 Fragestellung Wie dargestellt existiert bereits eine Vielzahl an Untersuchungen zu 1.4003 in ungerissenen Beton, aber nur wenige Versuche zum Korrosionsverhalten dieses Stahls in chloridbelasteten Rissen. Dieses Korrosionsverhalten ist insofern von hoher Praxisrelevanz, da durch die gezielte Auswahl von bestimmten Zementen bzw. Betonen die Einleitungsphase von z.B. ungerissenen und unbeschichteten Tiefgaragenbodenplatten mit herkömmlicher Bewehrung auf mehr als 50 Jahre auslegt werden kann. Allerdings führt das Entstehen eines Risses, in den Chloride eindringen können, zu einer hohen Korrosionswahrscheinlichkeit der Bewehrung im Rissbereich. Die heute häufig angewandte Methode, die Bodenplatte mit einer rissüberbrückenden Beschichtung zu versehen, ist aber sehr wartungs- und instandhaltungsintensiv. Auch können bei hohen Wasserdrücken von außen Blasen und Ablösungen entstehen. Insofern würde die Einsatzmöglichkeit eines Bewehrungsstahls 1.4003 mit einer nachgewiesenen hinreichenden Korrosionsbeständigkeit im chloridbeaufschlagten Riss eine wirtschaftliche und robuste Bauweise von z.B. Tiefgaragen-Bodenplatten ermöglichen. Ziel des Forschungsvorhabens war die Ermittlung der Beständigkeit des 1.4003 Bewehrungsstahls im chloridbelasteten, nicht karbonatisierten Trennrissbereich. Sämtliche Proben des 1.4003 wurden gebeizt (ohne Walzhaut) geprüft, das der aktuellen Lieferform des „Top12“ zur Baustelle entspricht. Aus Voruntersuchungen an der Hochschule München wurde bereits ein Vorgehen für die Untersuchung entwickelt [Dau3]. 4.2 Versuchsaufbau Für die Versuche wurden Stahlbetonbalken mit Trennriss erstellt. Untersucht werden Stahlbetonproben mit 1.4003 sowie mit unlegiertem Bewehrungsstahl 1.0439 (B500B), der als Referenz dient. Die verschiedenen Probekörper werden regelmäßig mit Chloridlösungen unterschiedlicher Konzentration beaufschlagt, um einen Chloridgehalt in der Rissflanke zu ermitteln, ab dem eine erste stabile Korrosionsinitiierung gemessen werden kann. Je Stahlbetonbalken wurde ein Bewehrungsstab zentrisch einbetoniert. Die Balken erhielten umlaufend eine Sollbruchstelle über eingelegte Dreikantleisten, durch die später die Risserzeugung erfolgte s. Abb. 1. Abb. 1: Skizze des Prüfkörperaufbaus Bis auf den Bereich um den Trennriss wurde der Bewehrungsstahl mit einer PU-Abdichtung versehen, um eine Verfälschung der Messergebnisse durch Karbonatisierung der Randzone auszuschließen und um eine definierte Anodenfläche zu erhalten. Als Referenz- und Gegenelektroden wurden Ringe aus einem Titanmischoxidband verwendet. Der Abstand zur Bewehrung wurde über Kunststoffabstandhalter sichergestellt, vgl. Abb. 2. Abb. 2: 1.4003 mit Titanmischoxidelektroden Die Verbindungsstellen der Messkabel wurden ebenfalls mit einer PU-Abdichtung versehen, um eine Kontaktkorrosion zu unterbinden. Für den Betonentwurf wurde ein CEM I 42,5 N Zement mit einem w/ z-Wert = 0,45 und eine A/ B 8 Sieblinie verwendet. Nach Aushärtung des Betons wurde ein Trennriss in der Prüfmaschine über eine Doppelbiegung in einem Dreipunkt-Biegeversuch erstellt und mittels rostfreier Edelstahlplättchen offen gehalten. (w k = 0,25 mm), vgl. Abb. 3. 98 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Dauerhaftigkeit chloridexponierter Stahlbetonbauteile mit hochlegierter Bewehrung Abb. 3: Probekörper mit erstelltem Trennriss Nach einer ausreichenden Erhärtungsphase von 28 Tagen wurde zuerst eine Leitungswasserbeaufschlagung und Nullmessung gestartet, anschließend erfolgte die Beaufschlagung mit chloridhaltigem Wasser. 4.3 Versuchsdurchführung Die externe Beaufschlagung mit chloridhaltigem Wasser erfolgte durch eine NaCl-Lösung in verschiedenen Konzentrationen. Diese wurde in den seitlich verdämmten und nur einseitig für die Beaufschlagung offenen Rissbereich gegeben. Dabei können Chloride aus der Lösung teilweise in den Beton eindiffundieren, großteils ist jedoch auch ein „Huckepacktransport“ der Chloride durch kapillare Saugvorgänge in den zwischenzeitlich immer wieder trocken gelagerten Probekörper möglich. In regelmäßigen Zyklen wurden die Balken im Rissbereich mit chloridhaltiger Lösung beaufschlagt, deren Konzentration auf Grundlage der Vorversuche aus [Dau3] ermittelt wurden. Im Anschluss erfolgte eine mehrtägige Trocknungsphase. Wöchentlich wurden die freien Korrosionspotentiale, Elementströme, Polarisationswiderstände, sowie Elektrolytwiderstände der Proben erfasst. Ein Teil des tatsächlichen Korrosionsstroms ist durch die Korrosionsstrom-Messung nicht korrekt erfassbar, da Anode und Kathode räumlich nicht vollständig voneinander getrennt werden können. Ströme, die für die Kathodenreaktion auf der Anode verbraucht werden, sind somit nicht gesondert identifizierbar [HEI1]. Nachfolgend wird der Begriff Elementstrom als Strom zwischen der vermeintlichen Anode und der Kathode verwendet. Näherungsweise wird dieser dem Korrosionsstrom gleichgesetzt. Nach jeder Elementstrommessung wurde der absolute Wechselstromwiderstand (Impedanz) bei 1 kHz Messfrequenz ermittelt. Dieser Wert dient zum Abgleich mit den Elementströmen. Dadurch ist ein Rückschluss möglich, ob ein Stromanstieg lediglich auf einem verringerten Elektrolytwiderstand oder auf einer Veränderung der anodischen Korrosionsaktivität beruht. Für die korrekte Erfassung des sehr kleinen Elementstroms wurde ein Potentiostat verwendet, der als Nullwiderstandsstrommessgerät (Zero Resistance Amperemeter, kurz: ZRA) geschalten wurde. Für diese Messanordnung wird eine Zwei-Elektroden-Anordnung verwendet, wobei auf eine separate Referenzelektrode zur Potentialerfassung verzichtet wird. Die Gegenelektrode wird zeitgleich als Referenz genutzt, vgl. Abb. 4. Zu Beginn der Messung wird dabei das Ruhepotential zwischen Gegenelektrode (Titanmischoxidband) und Arbeitselektrode (1.4003 bzw. B500B) ermittelt. Danach wird die Potentialdifferenz zwischen Arbeits- und Gegenelektrode zu Null geregelt und gehalten. Der dazu nötige Strom wird über die Zeit aufgezeichnet. Je länger die Messung dauert, desto stärker konvergiert der Verlauf des „Kurzschlussstroms“ dem Elementstrom, der tatsächlich bei einem dauerhaften Kurzschluss von Arbeits- und Gegenelektrode fließen würde. Abb. 4: Messanordnung (ZRA) im Versuch Eine Problematik bei der Versuchausauswertung der Elementströme ergibt sich bei der Bestimmung der Anodenfläche im Rissbereich, die zur Bestimmung der Elementstromdichte und damit zur quantitativen Bestimmung des Querschnittsverlust erforderlich wäre. Der Elementstrom entspricht dabei nicht exakt dem Korrosionsstrom, da die Arbeitselektrode (für die Messung als Anode betrachtet) auch kathodische Bereiche ausbildet, durch die ein Teil des Korrosionsstroms als Elektrolytreaktion verbraucht wird. Hier besteht nun eine Unwägbarkeit hinsichtlich der Korrosionsaktivität des Stahls in der Randzone der Rissflanken. Die im Riss befindliche und damit mathematisch ableitbaren Stahloberfläche als Anodenfläche anzusetzen ist hier nicht zielführend. Die mitwirkende Anodenfläche hängt von zu vielen Einflussfaktoren ab. Insgesamt ist eine korrekte Flächenbestimmung der Anode bei Lochfraßkorrosion, wie im vorliegenden Fall untersucht wird, durch die Narbenbildung und die damit verbundene immer größer werdende Aushöhlung der Narbe versuchstechnisch kaum möglich. Anhand der Darstellung in Abb. 5 werden die Problematiken deutlich. 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 99 Dauerhaftigkeit chloridexponierter Stahlbetonbauteile mit hochlegierter Bewehrung Abb. 5: Modell der Korrosion im Rissbereich nach [SCH1] und [GOT1] 4.4 4.4. Auswertung Als Abbruchkriterium für die Versuche wurde die erste stabile Korrosionsinitiierung ohne Repassivierungsvorgänge gewählt. Diese zeichnet sich in einem Sprung in den freien Korrosionspotentialen, sowie einem signifikante Anstieg der Elementströme ab, die nach zwei Wochen der Nicht-Beaufschlagung auch nicht wieder den Ursprungswert erreichen. Zu diesem Zeitpunkt war auch erst sichtbare Korrosion an den herausgetrennten Stahlproben zu erkennen. Der exemplarische Verlauf einer Probe mit und ohne Korrosionsinitiierung kann Abb. 6 entnommen werden. Abb. 6: Verlauf eine Probe mit (lila) und ohne (orange) Korrosionsinitiierung Zum Versuchsende werden in den Rissflanken die tatsächlich vorhandenen Chloridgehalte im Beton am Rissbereich photometrisch ermittelt. Danach wurden die Proben gespalten und fotografisch dokumentiert. Die Darstellung eines Ausgebauten Stahls (B500B) mit Korrosion aus der Versuchsreihe kann Abb. 7 entnommen werden. Die Darstellung einer 1.4003 Probe mit Korrosion ist in Abb. 8 dargestellt. Hier zeigt sich deutlich die zum Trennrissbereich exzentrisch versetzte Narbe nach Abb. 5 . Abb. 7: ausgebauter Schwarzstahl mit Korrosion vor gespaltener Betonprobe Abb. 8: 1.4003 Bewehrungsstahl in gespaltener Betonprobe mit Korrosionsnarbe exzentrisch zum Trennriss 100 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Dauerhaftigkeit chloridexponierter Stahlbetonbauteile mit hochlegierter Bewehrung Abb. 9: aufsummierte Korrosionsinitiierungswahrscheinlichkeiten (Werte der stabilen Korrosionsinitiierung an den Proben) mit linearer Regressionsfunktion und (gestrichelt) Normalverteilung aus [HM1] Je zu untersuchender Betonstahlsorte wurden 18 Prüfkörper geprüft. Dabei sind alle 18 Proben untereinander identisch hergestellt und dienen der üblichen Ermittlung von Streuungen bei den Versuchen. Aus den ermittelten Chloridgehalten bei Korrosionsinitiierung wurde eine Verteilungsfunktion nach der Korrosionsinitiierungswahrscheinlichkeit erstellt, s. Abb. 9 . Dabei ergibt sich bei den 1.4003 Stählen bei Ansatz einer linearen Verteilungsfunktion und einer Korrosionsinitiierungswahrscheinlichkeit von 5 % ein Chloridgehalt von 1,7 M.-%/ z. Dieser Wert liegt unter dem kleinsten Einzelwert bei den ermittelten Proben und daher für die Versuche auf der sicheren Seite. Bei einer Wahrscheinlichkeit von 50% für eine Korrosionsinitiierung ergibt sich aus den Versuchen ein Chloridgehalt von rd. 4,1 M.-%/ z. Vergleicht man die B500B Referenzstähle ergibt sich bei 50% Korrosionsinitiierungswahrscheinlichkeit ein Wert von 0,6 M.-%/ z. Ergebnisse an gebeizten 1.4003 Bewehrungsstählen im nicht gerissenen Beton sind in [KAE1] dargestellt. Dabei ergab sich ein mittlerer kritischer korrosionsauslösender Chloridgehalt von c crit = 2,3 M.-%/ z. Im Vergleich ergibt sich hier ein deutlich höherer c crit = 1,3 M.-% für unlegierten Bewehrungsstahl. Die im Vergleich deutlich bessere Performance des unlegierten Bewehrungsstahls im ungerissenen Beton ist hierbei primär auf die durchgehende Umhüllung durch das alkalische Milieu des Betons verglichen zum Rissbereich zurückzuführen. Alle Untersuchungsergebnisse beziehen sich dabei auf gebeizte Bewehrung aus 1.4003. 5. 5. Anwendungsmöglichkeiten des 1.4003 bei Tiefgaragen Die höhere Chloridbeständigkeit von 1.4003 Betonstahl zu unlegierter Bewehrung ist bei Verwendung in Tiefgaragen die maßgebende Eigenschaft. Dabei ist jedoch nach Bauteil gestaffelt zu unterscheiden, ob eine Verwendung sinnvoll ist oder nicht. Anhaltspunkte hierfür können die speziell auf diesen Anwendungsfall erstellten Bauteilkataloge [Dau4] und [Dau5] geben. Darin werden die möglichen Anwendungsfälle für 1.4003 Bewehrung bei Bauteilen unter Pflasterbelägen [Dau4], sowie horizontale, direkt befahrene Bauteile nach EGS C [Dau5] erörtert. Am Beispiel von [Dau4] wurden an 13 gepflasterten Bestandstiefgaragen im Alter zwischen 8 und 47 Jahren die unbeschichteten Stahlbetonbauteile unterhalb oder knapp oberhalb des Pflasterbelags auf deren Chloridgehalt untersucht. Aus den 172 Untersuchungsstellen wurden Summenhäufigkeiten der Chloridgehalte in Abhängigkeit des Entnahmeorts des Bohrmehls bei einer mittleren Tiefe von 20 mm gebildet. Dabei wurde nach den Bereichen oberhalb des Pflasters, der Arbeitsfuge und der Fundamentoberseite unterschieden. Während bei 65% der Stellen oberhalb des Pflasters ein Chloridgehalt von 0,5 M.-%/ z überschritten wurde, lagen die Ergebnisse mit 41% (Arbeitsfuge) bzw. 28% (Fundamentoberseite) deutlich geringer. Bei einem kritischen korrosionsauslösenden Chloridgehalt von 1,7 M.-% für den gerissenen Bereich lagen nur noch 6% aller Messwerte in der Arbeitsfuge darüber. Im ungerissenen Be- 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 101 Dauerhaftigkeit chloridexponierter Stahlbetonbauteile mit hochlegierter Bewehrung reich der Pflasteroberkante lagen rd. 3% über einem Wert von 2,6 M.-%. Einen Wert von 2,3 M.-% überschritten weniger als 10% der Untersuchungsstellen. In den meisten Fällen wird aus wirtschaftlicher Sicht die Verwendung einer Mischbewehrung, wie bereits in [FIN1] für sehr hochlegierte Bewehrung vorgeschlagen. Der hochlegierte Bewehrungsstahl wird dabei in neuralgischen Punkten eingesetzt (z.B. Stützen- und Wandfüße im Bereich der Chloridexposition) während der unlegierte Bewehrungsstahl in den restlichen Bereichen zum Einsatz kommt. Für 1.4003 sind diverse Anwendungsfälle sinnvoll. So ist z.B. die Verwendung bei aufgehenden Bauteilen im Sockelbereich und auf Fundamentoberseiten und Zerrbalken ohne weitere Abdichtung zielführend. Hier kann beispielsweise mit einem separaten Schutz der Arbeitsfuge Stütze/ Wand zu Fundament mittels Hohlkehle eine dauerhafte Konstruktion erreicht werden, vgl Abb. 10 . Der Vorteil im Vergleich zu einer Abdichtung nach DIN 18533 [DIN4] ist der Entfall des Abdichtungsgewerks zu einem ungünstigen Zeitpunkt der Bauphase. Ein exemplarischer Kostenvergleich aus [Bec1] ergab hier bei einer Stütze mit oberseitig bewehrtem Fundament annähernd gleiche Herstellungskosten wie bei einer Ausführung mit OS5b. Abb. 10: Vergleich Stützenausführung unter Pflaster mit Abdichtung (oben) und 1.4003 Bewehrung (unten), Prinzipskizze in Anlehnung an [Bec1] Auch für Anwendungen im Bereich horizontaler Bauteile im Entwurfsgrundsatz C ergeben sich Vorteile zu konventioneller Bewehrung. So ermöglicht der Einsatz von 1.4003 bei Sollrisssystemen das längere Abwarten über ein oder mehrere Winterperioden, bis sich eine endgültige Rissweitenöffnung eingestellt hat. Die dann entstandenen Risse können mit einer Rissbandage überarbeitet werden. Der Vorteil liegt darin, dass die Rissbandage danach weit weniger gefährdet ist aufzureißen, als bei sehr früher Überarbeitung. 6. Fazit Betonstahl aus Werkstoffnummer 1.4003 erweist sich bei Chloridexposition beständiger als konventionelle Bewehrung. Auch wenn dieser Stahl keine so weitreichende Beständigkeit wie z.B. 1.4571 besitzt, so ist dessen Verwendung für eine Vielzahl an Anwendungen dennoch denkbar. Aktuell ist die Verwendung von 1.4003 als Bewehrung in den meisten Bereichen noch als nicht anerkannte Regel der Technik zu sehen, weshalb eine umfassende Aufklärung der BauherrInnen über Vor- und Nachteile, sowie technische Risiken erforderlich ist. Wie bei sehr hochlegierter Bewehrung wird sich die Anwendung im Einzelfall einer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung im Vergleich zu aktuell gängigen und regelwerkskonformen Bauweisen unterziehen müssen. Bei Anwendung von Mischbewehrung und Verwendung des hochlegierten Chromstahls in gut durchdachten Bereichen kann dabei jedoch in einigen Fällen eine ähnlich wirtschaftliche Bauweise wie mit Abdichtungs- oder Beschichtungssystemen in der Herstellung erreicht werden, die zusätzliche Vorteile hinsichtlich des Bauablaufs und der Folgekosten bietet. Literatur [Bec1] Becker, F.: Dauerhaftigkeit von Stahlbetonbauteilen unter Pflasterbelägen. Vortrag auf 3. Münchner Bausymposium, 26.09.2018 [BIS1] Bisschop, J.; Schiegg, Y.; Linden, C.: Effect of rebar and cement type on the critical chloride content of reinforced concrete. Proceedings of EUROCORR, Montpellier (F), September 2016 [Dau1] Dauberschmidt, C.; Fraundorfer, A.: Chloridbeständigkeit eines hochlegierten Bewehrungsstahls im Trennrissbereich von Stahlbetonbauteilen. 9. Kolloquium Parkbauten, 04. und 05.02.2020, TAE, Ostfildern. [Dau2] Dauberschmidt, C.; Fraundorfer, A.: Korrosionsverhalten eines hochlegierten, korrosionsarmen Bewehrungsstahls in chloridbelasteten Rissen von Stahlbetonbauteilen. 8. Kolloquium Parkbauten, 23. und 24.01.2018, TAE, Ostfildern [Dau3] Dauberschmidt, C.; Fraundorfer, A.: Corrosion behaviour of rebars 1.4003 in cracks of RC 102 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Dauerhaftigkeit chloridexponierter Stahlbetonbauteile mit hochlegierter Bewehrung structures containing chlorides, 19 - 21.11.2018, ICCRRR, Cape Town [Dau4] Dauberschmidt, C.; Bauteilkatalog-Einsatzgebiete des Betonstahls Top12 der Fa. Steeltec- Group - Bauteile unter Pflasterbelag. Gutachterliche Stellungnahme vom 10.06.2021 [Dau5] Dauberschmidt, C.; Einsatzgebiete des Betonstahls Top12 der Fa. Steeltec AG - Horizontale, befahrbare Parkflächen nach Entwurfsgrundsatz C. Gutachterliche Stellungnahme vom 20.06.2021 [DIN1] DIN Deutsches Institut für Normung e.V.: DIN 488-1: Betonstahl - Teil1: Stahlsorten, Eigenschaften, Kennzeichnung, August 2009 [DIN2] DIN Deutsches Institut für Normung e.V.: DIN EN 10027-1: Bezeichnungssysteme für Stähle - Teil 1: Kurznamen; Deutsche Fassung EN 10027-1: 2016; Januar 2017 [DIN3] DIN Deutsches Institut für Normung e.V.: DIN EN 10088-1: 2014-12: Nichtrostende Stähle - Teil 1: Verzeichnis der nichtrostenden Stähle; Deutsche Fassung EN 10088-1: 2014; Dezember 2014 [DIN4] DIN Deutsches Institut für Normung e.V.: DIN 18533-1: 2017-07: Abdichtung von erdberührten Bauteilen - Teil 1: Anforderungen, Planungs- und Ausführungsgrundsätze; Juli 2017 [EBE1] Ebell G.; Burkert A.: Elektrochemische Untersuchungen zum kritischen korrosionsauslösenden Chloridgehalt in Mörteln. Gutachten des Fachbereichs 7.6 „Korrosion und Korrosionsschutz“ der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM). Aktenzeichen: 16017800, 20.02.2019. [EBE2] Ebell, G.; Burkert, A.; Günther, T.; Wilsch, G. (2020), Untersuchungen zum korrosionsauslösendenChloridgehalt an nicht rostendem ferritischem Betonstahl in Mörtel. Bautechnik, 97: 21- 31. doi: 10.1002/ bate.201900077. [FIN1] Fingerloos, F.; Meier, A.: Dauerhaftigkeit von Betonbauteilen und Fundamenten unter durchlässigem Fahrbelag. Deutscher Beton und Bautechnikverein; Beton- und Stahlbetonbau 106 (2011), Heft 9 [GOT1] Goto Y.: Cracks formed in concrete around deformed tension bars. Journal oft the American Concrete Institute, 68: 244-251, 1971 [GRE1] Greve-Dierfeld S., Bisschop J., Schiegg Y.: Nichtrostende Bewehrungsstähle zur Verlängerung der korrosionsfreien Lebensdauer von Stahlbetonbauwerken. Beton und Stahlbetonbau 112 (2017), Heft 9 [HEI1] Heitz E., Henkhaus R., Rahmel A.: Korrosionskunde im Experiment, Untersuchungsverfahren - Messtechnik - Aussagen, 2. überarbeitete Auflage; VCH Verlagsgesellschaft mbH, 1990 [HM1] Dauberschmidt, C.; Fraundorfer, A.: Untersuchungen zum kritischen korrosionsauslösenden Chloridgehalt von Top12- Bewehrungsstäben im Trennrissbereich von Stahlbeton. Abschlussbericht der Hochschule München vom 10.06.2021 [KAE1] Käthler, C. B.; Ebell, G.; Keßler, S.; Schiegg, Y.; Dauberschmidt, C.; Angst, U. M.: A comparison of methods to assess the resistance of reinforcing steel against chloride-induced corrosion in concrete: Particular consideration of 12% chromium steel. Mater. Corros. 2021, 1-20. https: / / doi. org/ 10.1002/ maco.202112609 [NÜR1] Nürnberger U., Beul W., Onuseit G.: Korrosionsverhalten geschweißter nichtrostender Bewehrungsstähle in Beton. 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Forschungsbericht zum Forschungsauftrag AGB 2005/ 010,2012; Schweizerische Eidgenossenschaft, November 2012 [SCH2] Schiegg Y.; Hunkeler F.; Keller D., Ungricht H.: Maßnahmen zur Erhöhung der Dauerhaftigkeit - Fortsetzung des Feldversuchs Naxberg, AS- TRA Forschungsprojekt AGB 2005/ 01, 2017 [TRI1] Deutsches Institut für Bautechnik: Technische Regel Instandhaltung von Betonbauwerken (TR Instandhaltung), Teil 1 - Anwendungsbereich und Planung der Instandhaltung; Mai 2020 [SWI1] Swiss Steel: TOP12-500 Nichtrostender Betonstahl; Produktdatenblatt X2CrNi12 1.4003; Swiss Steel AG; http: / / www.swiss-steel.com/ fileadmin/ files/ swiss-steel.com/ documents/ dokumente/ Unternehmensentwicklung/ Produktdatenblatt_Top12-500_D-CH_PP9.pdf; zuletzt aufgerufen am 18.10.2017 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 103 Instandsetzung von Stahlblech-Stahlbeton-Verbunddecken durch eine Kombination aus Carbongelege/ -lamellen und geklebter Stahlverstärkung Daniel Glomb Institut für Materialund Bauforschung, Hochschule München, Deutschland Prof. Dr.-Ing. Christoph Dauberschmidt Institut für Materialund Bauforschung, Hochschule München, Deutschland Felix Becker B+P Baustoffprüfung Ingenieurgesellschaft mbH, Hohenlinden, Deutschland Zusammenfassung In den letzten Jahrzenten wurden im großen Umfang Parkhäuser mit Deckensystemen aus Stahl-Trapezblechen und Stahlbetonergänzung errichtet. Hierbei haben sich besonders die Additivdecken durchgesetzt, deren Bauweise es ermöglicht große stützenfreie Parkflächen in kurzer Bauzeit zu realisieren. Diese Deckenkonstruktionen sind durch den Einsatz als Parkflächen einer regelmäßigen Chloridbelastung aus Taumitteln ausgesetzt. Durch Undichtigkeiten, wie Oberflächenrisse in der Beschichtung, gelangen diese Chloride in den Stahlbeton und führen häufig zu Lochkorrosion am Betonstahl. Meist gelangen Chloride im Rissbereich sogar bis zum Trapezblech, wo sie Korrosion mit hohen Querschnittsverlusten an den mittragenden Blechprofilen auslösen können. Solche geschädigte Deckensysteme sind bislang kaum wirtschaftlich instand zu setzen. Der Korrosionsschutz der Bewehrung muss meist aufwändig durch Freistrahlen mittels HDW und einer Reprofilierung wiederhergestellt werden. Die Korrosion der Bleche lässt sich durch herkömmliche Instandsetzungsmaßnahmen von der Deckenoberseite kaum unterbinden. Im Rahmen eines Forschungsvorhabens des Bundesministeriums für Bildung und Forschung wird an der Hochschule München eine Instandsetzungsund Verstärkungsmethode für solche Parkhäuser entwickelt, bei der eine Kombination zweier innovativen Methoden zum Einsatz kommen soll: Zum einen wird ein kathodisches Korrosionsschutz- System (KKS) entwickelt, bei dem Gitter oder Lamellen aus Carbon mit einem zementösen Kleber über die vorhandenen Risse in den Beton eingebracht werden. Das Carbon dient sowohl der Verstärkung der vorhandenen Stahlbetondecke im Stützbereich als auch als Anode für das KKS-System mit Fremdstrom. Zum anderen werden auf das vorhandene Blech von der Deckenunterseite Stahlbleche geklebt und somit die Lasten der geschädigten Bereiche durch die Verstärkung übernommen und in nicht geschädigte Bereiche weitergeleitet. Der Fokus der hier vorgestellten Untersuchungsergebnisse liegt bei dem KKS-System an der Deckenoberseite. 1. Parkhäuser mit additiven Deckensystemen 1.1 Allgemeines zur Bauweise Additive Deckensysteme bestehen aus einer Kombination von Stahltrapezprofiltafeln und einer Stahlbetonrippendecke, welche auf Trägern in Stahloder Verbundbauweise auflagern. An den Obergurten der Träger angebrachte Auflagerknaggen halten die dort abgehängten Profiltafeln in Kombination mit Setzbolzen während des Bauzustandes in Position. Dadurch dienen die Blechprofile im Zuge der Ortbetonergänzung einerseits als unterstützungsfreie Schalung und andererseits als Tragsystem für das Eigengewicht und der Ortbetonergänzung im Endzustand. Der Stahlbetonrippendecke werden die Verkehrslasten zugewiesen und somit entsteht eine additive Tragwirkung beider Komponenten. Ein mechanischer Verbund zwischen dem Blech und der Betondecke entsteht hierbei nicht [1]. Das im Rahmen eines an der Hochschule München laufenden Forschungsvorhabens betrachtete Deckensystem darf im Zuge der statischen Bemessung als eine Kette von einachsig gespannten Einfeldträgern definiert und somit zwischen den Hauptträgern als gelenkig gela- 104 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Instandsetzung von Stahlblech-Stahlbeton-Verbunddecken durch eine Kombination aus Carbongelege/ -lamellen und geklebter Stahlverstärkung gert angenommen werden. Bei Verwendung optionaler Blechformteile und einer kraftschlüssigen Betonage bis zu den Stegen der Träger kann auch eine Betrachtung als Durchlaufplatte erfolgen. Das einwirkende Biegemoment in Feldmitte sowie die Querkraft am Auflager wird additiv aufgenommen und zwischen Bewehrung und Blech verteilt [1]. Durch die Aufteilung der einwirkenden Belastung und der Abhängung der Profilbleche kann somit eine filigrane Bauweise mit großen Spannweiten sichergestellt werden (siehe Abb. 1). Die kurze Bauzeit bei der unterstützungsfreien Erstellung der Decken, sowie die Möglichkeit den Brandschutz über Zulagenbewehrung in der Stahlbetondecke zu gewährleisten, macht dieses Deckensystem zu einer attraktiven Ausführungsvariante bei Parkbauten. Allein ein Hersteller dieser Additivdecken gibt an, in über 500 Projekten rd. 4,5 Millionen Quadratmeter Parkhausflächen erstellt zu haben. Abbildung 1: Ausführungsbeispiel einer Additivdecke im Parkhausbau 1.2 Schädigungsursachen Durch eine Kombination unregelmäßiger oder falscher Wartung, großer Rissbreiten, gerade über den Stahlträgern, und freier Bewitterung bzw. hoher Temperaturänderungen bei Verformungsbehinderung, weisen viele Beschichtungen bereits nach wenigen Jahren Risse und Ablösungen auf. Durch diese Undichtigkeiten gelangen Chloride in die Stahlbetonkonstruktion, wo diese am Betonstahl zu einer chloridinduzierten Lochkorrosion führen können. Diese Korrosion kann die Tragfähigkeit der Deckenkonstruktion durch die hohe Korrosionsgeschwindigkeit und den damit verbundenen Querschnittsverlusten nach wenigen Jahren stark einschränken. Abbildung 2: Skizzenhafte Darstellung der Schadensmechanismen Eine weitere Schwachstelle der Systeme stellt die Hinterläufigkeit des Stahlblechs dar: Durch eine nicht funktionstüchtige Beschichtung und durch Risse im Betonquerschnitt gelangen Chloride häufig auch auf die verzinkte Oberseite der Stahlbleche und führen auch dort innerhalb kurzer Zeit zu deutlichen Querschnittsverlusten an den Blechen bis diese letztlich „durchrosten“. Eine schematische Darstellung der einzelnen Schädigungsmechanismen ist in Abbildung 2 gegeben. Solch geschädigte Deckensysteme sind bislang kaum wirtschaftlich instand zu setzen: Der Korrosionsschutz der Betonstahlbewehrung muss bei hoher Chloridbelastung im Rissbereich meist durch Entfernen des belasteten Betons mittels Höchstdruckwasserstrahlen und anschließender Reprofilierung wieder hergestellt werden. Die Korrosion der Bleche lässt sich durch herkömmliche Instandsetzungsmaßnahmen von der Deckenoberseite kaum unterbinden. Auch sind übliche Verstärkungsmaßnahmen wie Schweißen aufgrund der dünnen Blechdicke oder Nieten und Schrauben aufgrund der geringen Kraftübertragung nicht geeignet, so dass häufig der Abriss der geschädigten Deckenfelder erforderlich ist. Dies ist mit sehr hohen Instandsetzungskosten und einem hohen Ressourceneinsatz sowie langfristigen Nutzungsunterbrechungen verbunden. 1.3 Untersuchung und Kategorisierung einzelner Parkbauten Um einen Überblick über die einzelnen Schädigungsmechanismen an bestehenden Additivdecken zu bekommen, wurde im Rahmen des Forschungsvorhabens Bestandsaufnahmen an sechs Parkbauten (Baujahr 1997 bis 2015) durchgeführt. Dabei lag der Untersuchungsschwerpunkt auf Faktoren, welche die Dauerhaftigkeit der Bestandsdecken maßgeblich beeinflussen. Dazu zählen insbesonde- 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 105 Instandsetzung von Stahlblech-Stahlbeton-Verbunddecken durch eine Kombination aus Carbongelege/ -lamellen und geklebter Stahlverstärkung re der Zustand des Oberflächenschutzsystems, Rissbilder im Deckensystem, die Chloridbelastung im Rissbereich und augenscheinliche Korrosionserscheinungen an der Deckenunterseite (Blech). Zusätzlich wurde stichpunktartig der Querschnittsverlust an Blechund Bewehrungsproben bestimmt. Im Rissaufkommen stellen die Biegerisse über den Hauptträgern den weitaus größten Anteil dar. Diese sind durch das statische System unvermeidbar und erfordern regelmäßige Wartung am Oberflächenschutzsystem sowie eine dauerhaft rissüberbrückende Beschichtung bzw. Rissbandagen. Im Zuge einer vollständigen Risskartierung des jüngsten Parkhauses (Baujahr 2015, Fläche ca. 27.500 m²) wurde deutlich, dass bereits nach einer kurzen Nutzungsdauer eine ausgeprägte Rissbildung zu erwarten ist, sofern das Beschichtungssystem nicht für die zu erwartenden Rissbreiten ausgelegt ist. Aus Tabelle 1 ist eine Risshäufung in den unteren, stark frequentierten und somit stärker mit Verkehr belasteten Parkebenen ablesbar. Die maximalen Rissbreiten traten hauptsächlich im Bereich der Rampen auf, da hier zusätzlich zu der Belastung aus PKW-Verkehr Zwangsspannungen zwischen den Ebenen wirken. Tabelle 1: Parkhaus Baujahr 2015 Auswertung Rissbreitenund längen Geschoss w m [mm] w max [mm] lfm Riss [m] 1. OG 0,23 0,90 573,5 2. OG 0,23 0,60 577,1 3. OG 0,18 0,50 438,2 4. OG 0,17 0,65 465,1 5. OG 0,16 0,30 233,1 Von der Deckenoberseite wurde im Bereich von augenscheinlich verschlissenen Oberflächenschutzsystemen, von Rissen und auffälliger Potentiale, aber auch unauffälligen Referenzstellen tiefengestaffelt Bohrmehlproben entnommen. Von der Deckenunterseite wurden Bohrmehlproben im Bereich von korrodierenden Blechen sowie ebenfalls in unauffälligen Referenzbereichen entnommen. Die Bohrmehlproben wurden anschließend auf den Gesamtchloridgehalt durch Säureaufschluss hin untersucht. Abbildung 3: Häufigkeitsverteilung der ermittelten Chloridgehalte in Abhängigkeit des Zustandes des Oberflächenschutzsystems an der Deckenoberseite Hierbei zeigte sich von der Deckenoberseite, dass die Chloridbelastung maßgeblich vom Schädigungsbild des Oberflächenschutzsystems abhängt. Sobald Risse oder auch deutliche Verschleißerscheinungen auftreten, ergeben sich Chloridgehalte, die über dem natürlichen Eigenchloridgehalt des Betons liegen und auch den Chloridgehalt von 0,5 M.-%/ z überschreiten, ab dem gemäß TR-IH [2] ein sachkundiger Planer das Korrosionsrisiko bewerten soll. Im Rissbereich kommt es darüber hinaus zu einer Aufkonzentration von Chloriden, so dass hier stellenweise auch sehr hohe Chloridgehalte über 1,5 M.-%/ z auftreten. Abbildung 3 zeigt eine Häufigkeitsverteilung der festgestellten Chloridgehalte an den untersuchten Parkhäusern in Abhängigkeit der Auffälligkeiten. Auch an der Deckenunterseite korreliert das visuell feststellbare Schädigungsbild gut mit den ermittelten Chloridgehalten. Im Bereich von stark durch Korrosion angegriffenen Stahlprofilblechen sind in der Regel auch deutlich erhöhte Chloridgehalte festzustellen, vgl. Abbildung 4. Vereinzelt ergeben sich trotz deutlich sichtbarer Korrosionsspuren lediglich moderate Chloridgehalte über dem Eigenchloridgehalt, hier ist von einer Hinterläufigkeit der Stahltrapezbleche bei einer hohen Chloriddichtheit des Betons auszugehen. Generell deuten die Ergebnisse der Chloridprofile darauf hin, dass sich das tausalzbelastete Wasser zwischen Stahlblech und Beton verteilen kann. In der Regel ergibt sich von der Deckenunterseite ein deutlicher Gradient des Chloridgehalts. Dies belegt die Hinterläufigkeit der Stahltrapezbleche. Dadurch können wasserführende Trennrisse weit von den sichtbaren Korrosionsschäden entfernt sein. 106 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Instandsetzung von Stahlblech-Stahlbeton-Verbunddecken durch eine Kombination aus Carbongelege/ -lamellen und geklebter Stahlverstärkung Abbildung 4: Häufigkeitsverteilung der ermittelten Chloridgehalte in Abhängigkeit der augenscheinlichen Schädigung an den Deckenunterseiten Im Rahmen der Bestandsuntersuchungen konnten die Korrosionserscheinungen an der Deckenunterseite näher untersucht werden. Diese zeichnen sich von der Deckenunterseite maßgeblich durch Verfärbungen und Verlaufsspuren ab. Bei der Probenentnahme wurden zum Teil sehr stark ausgebildete Korrosionserscheinungen auf der Rückseite des Blechs festgestellt (siehe Abbildung 5). Im Falle eines der untersuchten Parkbauten weisen die Proben in einem begrenzten flächigen Bereich zum Teil sehr starke Querschnittsverluste mit bis zu 100 % in Lochkorrosionsnarben und bis zu 80 % Querschnittsverlust als Flächenkorrosion auf. Abbildung 5: Probeentnahme Korrosion am Trapezblech Abschließend wurden die untersuchten Parkbauten für eine gezielte Planung von Instandsetzungsmaßnahmen in sechs Kategorien eingeteilt und somit nach Schädigungsgrad unterteilt. Dabei stellen die Kategorien Nr. 1 (ohne Schädigung) bis Nr. 4 (moderate Schädigung) Parkhäuser dar, die ggf. über herkömmliche Wartungs- und Instandsetzungsmaßnahmen bis zum Ende ihrer Lebenszeit betrieben werden können. Die Kategorie Nr. 5 (hoher Schädigungsgrad) definiert die Parkbauten, bei denen aufgrund ihres ausgeprägten Schädigungsgrades zeitnah Instandsetzungsmaßnahmen durchgeführt werden müssen. Diese Parkbauten können daher als geeignet erachtet werden, entsprechend der im Zuge des Forschungsvorhabens entwickelten Instandsetzungsmethode aus einer Kombination von geklebter Verstärkung und kathodischem Korrosionsschutz wirtschaftlich instandgesetzt zu werden. Die letzte Kategorie Nr. 6 (sehr hoher Schädigungsgrad) lässt vermutlich keine wirtschaftliche Instandsetzung zu - was letztlich häufig zu einem Teil- oder Komplettabbruch führen wird. Eine Übersicht der Kategorisierung ist in Tabelle 2 gegeben. Tabelle 2: Einteilung der untersuchten Parkhäuser in ihre Schädigungskategorien Nr. Baujahr Schadenskategorie/ Schädigungsgrad 1 1997 Klasse 5 hoch 2 2007 Klasse 5 hoch 3 1999 (1985) Klasse 5 hoch 4 2000 Klasse 5 hoch 5 2002 Klasse 2 - sehr niedrig 6 2015 Klasse 3 gering 2. Zielsetzung des Forschungsvorhabens Seit Ende 2019 wird an der Hochschule München das Forschungsvorhaben „GlueCSPark“ bearbeitet - es umfasst zunächst die Entwicklung von Methoden zur Diagnose des Schädigungsumfangs am Bauwerk für die Planung einer zielgerechten Instandsetzungsmaßnahme. Hierbei werden zerstörungsfreie Prüfmethoden für das vorhandene Schädigungsbild weiterentwickelt: Mittels Potentialfeldmessung und galvanostatischer Pulsmessung werden Bereiche mit hoher Korrosionsaktivität der Betonstahlbewehrung und des Stahlblechs geortet. Eine Modifizierung von Ultraschallgeräten soll zukünftig die zerstörungsfreie Restquerschnittsermittlung von der Unterseite der beschichteten Bleche ermöglichen. Die Dauerhaftigkeit des Betonstahls und idealerweise auch die des Blechs soll durch Kathodischen Korrosionsschutz (KKS) sichergestellt werden. Dazu werden Carbongelege bzw. -lamellen mittels eines zuvor auf seine Eignung untersuchten Einbettungsmörtels elektrolytisch mit der Betonoberfläche verbunden und mit Fremdstrom gespeist. Damit wird zusätzlich eine Verstärkungsmaßnahme im Stützenbereich angestrebt, welche die Betonstahlbewehrung gleichzeitig vor Korrosion schützen soll. Um den elektrolytischen Verbund zwischen Blech und Beton wieder herzustellen, sollen ggf. vorhandene Risse und Ablösungen mittels eines leitfähigen Acrylatgels verschlossen werden. Nach Sicherstellung dieses Verbundes kann das Trapezblech theoretisch auch von der Deckenoberseite kathodisch geschützt werden - ob dies bei den großen Bauteildicken im Sickenbereich erfolg- 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 107 Instandsetzung von Stahlblech-Stahlbeton-Verbunddecken durch eine Kombination aus Carbongelege/ -lamellen und geklebter Stahlverstärkung reich sein kann, soll im Zuge des Forschungsvorhabens untersucht werden. Auf der Unterseite der Decken werden Stahlbleche auf das geschädigte Trapezblech geklebt, um die dort auftretenden Zugkräfte im Blech durch die Verstärkung zu übernehmen. In diesem Zusammenhang werden bestehende Additivdecken anhand von Finite-Element- Berechnungen mit den zuvor ermittelten Schädigungsgraden nachgerechnet und damit auch in Abhängigkeit der Größe der Korrosionsstelle die Resttragfähigkeit der Konstruktionen ermittelt. Auf diesen Ergebnissen fußend, werden die Auswirkungen der Verstärkungsmaßnahmen auf die Tragfähigkeit untersucht und Art und Umfang der erforderlichen Instandsetzungsmaßnahmen numerisch optimiert. 3. Experimentelle Untersuchungen 3.1 Allgemeines Nachfolgend wird der aktuelle Stand der experimentellen Untersuchungen aufgeführt. Es sei angemerkt, dass sich das Forschungsvorhaben noch bis Ende 2022 in Bearbeitung befindet. Somit spiegeln die hier aufgeführten Ergebnisse lediglich den aktuellen Stand der Untersuchungen wider. 3.2 Korrosionsmonitoring am Großprüfkörper Um die Korrosionsprozesse am Bauteil untersuchen zu können, wurde ein Prüfkörper als Ausschnitt eines repräsentativen Deckenausschnittes gemäß Abbildung 6 konzipiert. Die Geometrie und Bewehrungsmenge/ führung richtet sich nach der in der Praxis üblichen Ausführung der Additivdecken. In der Platte und im Stegbereich wurden vorab präparierte Blechausschnitte als Anoden und Kathoden verbaut, wobei die Anodenbleche (bez. B1 bis B3) in chloridhaltigen Beton vergossen wurden. Die Verzinkung an den Blechplomben wurde vor dem Verguss entfernt und die Rückseite der Bleche abgedichtet, um einen einseitigen elektrolytischen Anschluss zu gewährleisten. Eine zusätzliche Anode (bez. B0) im unteren Stegbereich als elektrisch entkoppelter Bewehrungsstab im chloridbelasteten Beton ermöglicht die Korrosionsuntersuchung der im Steg befindlichen Biegebewehrung. Die schematische Lage der eingebauten Anoden, Kathoden und der Referenzelektroden ergibt sich aus Abbildung 8 und 9. Die Anoden und Kathoden sowie das verzinkte Stahlblech wurden über ein niederohmiges Strommessgerät mit dem eigentlichen Bewehrungskorb verbunden und der Elementstrom im dauerhaften Kurzschluss gemessen. Somit kann eine Aussage darüber getroffen werden, welche Bereiche stärker korrodieren und welche elektrochemischen Interaktionen zwischen den verschiedenen Elektroden stattfinden. Abbildung 6: Korrosionsmonitoring am Großprüfkörper Die nachfolgenden Messergebnisse stellen die Korrosionsstromdichten der einzelnen Anoden in den ersten 700 Stunden nach Kurzschluss dar. Die Stromdichten der Blechanoden B1 bis B3 (chloridhaltig) nahmen hierbei einen mittleren Endwert von bis zu 45,9 mA/ m² an. Unter der Annahme einer gleichmäßigen Korrosion entspricht dies einem Querschnittsverlust von ca. 53,2 μm/ Jahr (Blechdicke 1250 µm). Abbildung 7 zeigt die Korrosionsstromdichten der Anodenplomben B0 (Betonstahl in chloridhaltigen Beton) und B1 bis B3 (Anodenblech) in der vertikalen Primärachse. Die grüne Sekundärachse stellt den Stromdichte zwischen Bewehrung und dem verzinkten Trapezblech dar. Aufgrund der großen Anodenfläche (ABlech = 1,0 m²) ergeben sich Werte <1,0 mA/ m² und würden auf einer kollektiven Achse keinen übersichtlichen Vergleich darstellen. Abbildung 7: Korrosionsstromdichten der Anoden (vertikale Primärachse) und Stromfluss zwischen Bewehrung und Trapezblech (vertikale Sekundärachse) Bei der Betrachtung der Korrosionsströme (formal: Elementströme) in der Anode B0 wird deutlich, dass eine Schutzwirkung des betonseitig verzinkten Trapezbleches zugunsten des Bewehrungsstahls stattfindet. Die Verzinkung des Bleches induziert einen geringen Schutzstrom und fungiert in den ersten Tagen des Kontaktes somit als Opferanode. Die Anode B0 fällt aufgrund dessen nach ca. 50 h in den kathodischen Bereich und weist eine minimale (negative) Stromdichte auf. Bis zum 108 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Instandsetzung von Stahlblech-Stahlbeton-Verbunddecken durch eine Kombination aus Carbongelege/ -lamellen und geklebter Stahlverstärkung Ende des Messintervalls stieg die Korrosionsstromdichte der Bewehrungsanode bis auf einen aktiven Wert von 21,4 mA/ m². Vergleichsmessungen ohne Kurzschluss der Bewehrung mit dem Trapezblech bestätigen dessen Einfluss. 3.3 Korrosionsortung mittels Potentialfeldmessung und galvanostatische Pulsmessung Neben dem zuvor beschriebenen experimentellen Korrosionsmonitoring, wurde am Großprüfkörper aus Abschnitt 3.1 untersucht, ob mittels Potentialfeldmessung auf der Oberfläche des Aufbetons korrosionsaktive Bereiche im Bauteil (Betonstahl oder Blech) auch bei großen Bauteildicken im Sickenbereich sicher detektiert werden können. Die Messung erfolgte hierbei mittels einer Kupfer-Kupfersulfat-Elektrode in einem auf dem Beton aufgezeichneten Rastermaß von 50 x 50 mm². Ergänzend wurden galvanostatische Pulsmessungen mit einem Rastermaß von 100 x 100 mm² durchgeführt, um zu überprüfen ob durch Pulsmessungen die Detektierbarkeit verbessert werden kann. Bei der zerstörungsfreien Prüfung von Betonbauteilen mittels Potentialfeldmessungen ist in der Praxis bekannt, dass die Messwerte durch unterschiedliche Feuchtegehalten im Beton stark beeinflusst werden. Somit scheint es bei frei bewitterten Bauteilen (z. B. Parkdecks) oft schwierig, korrosionsaktive Bereiche bei hoher Betondeckung ausfindig zu machen. Zumal die Potentialmessung zumeist erst nach Rückbau eines evtl. vorhandenen Oberflächenschutzsystems zum Einsatz kommen kann (z. B. im Zuge einer Instandsetzungsmaßnahme). Das DGZfP-Merkblatt B 03 [3] und Untersuchungen an der TU-München [4] geben hierbei eine Übersicht der Einflussfaktoren und Fehlerquellen. Besonders in Kombination mit einer komplizierten Geometrie, wie bei unterschiedlichen Bauteilhöhen oder Verbundkonstruktionen, lassen sich somit zumeist keine adäquaten Aussagen bzgl. dem Zustand der Bewehrung treffen. Potentialmessungen vor und nach Kurzschluss der Bewehrung mit dem Trapezblech haben ergeben, dass ein elektrischer Kurzschluss zu einer schlechteren Detektierbarkeit der tiefer gelegenen Korrosionsaktivitäten führt. Eine zusätzliche Befeuchtung der Oberfläche über einen längeren Zeitraum lässt nur Potentialgradienten in der Korrosionszone des oberen Plattenbereichs erkennen. Aktive Bereiche im Steg sind somit nicht mehr zu orten, siehe Abbildung 8. Abbildung 8: Potentialfeldmessung nach 140 Tagen Oberflächenwässerung mittels Cu/ CuSO4-Elektrode in [mV] Erste Vergleichsmessungen mit einem galvanostatischen Pulsmessgerät (bez. GP-5000 GalvaPulseTM) zeigen, dass auch tiefer liegende aktive Bereiche erfassbar sind. Das galvanostatische Messerverfahren eignet sich zur Ermittlung von Elektrolytund Polarisationswiderständen in Stahlbetonkonstruktionen. Dabei wird die Bewehrung einem konstanten Stromimpuls ausgesetzt und die resultierende Potential-Zeit- Kurve mittels einer Referenzelektrode aufgezeichnet und ausgewertet. Der Polarisationswiderstand kann anschließend über die sog. Stern-Geary-Konstante [5] in einen Korrosionsstrom umgerechnet werden. Abbildung 9 zeigt die Ergebnisse der galvanostatischen Pulsmessung mit einer angelegten Stromstärke von 100 μA über 10 Sekunden. 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 109 Instandsetzung von Stahlblech-Stahlbeton-Verbunddecken durch eine Kombination aus Carbongelege/ -lamellen und geklebter Stahlverstärkung Abbildung 9: Abgeleiteter Korrosionsstrom aus galvanostatischer Pulsmessung in [mA] 3.4 Integriertes KKSund Verstärkungssystem 3.4.1 Ansatz Das geplante KKS-System bestehend aus einem ausreichend leitund tragfähigen Einbettungsmörtel und der inerten CFK-Anode wurde in nachfolgend aufgeführten Versuchen auf seine Funktionalität überprüft. Dafür wurden experimentelle Untersuchungen zur Leitfähigkeit beider Komponenten durchgeführt und deren Tragfähigkeit im Verbund genauer analysiert. Die Carbonanode soll hierbei entweder flächig in Form eines Gitters oder eingeschlitzt als Lamellen auf die Oberseite des Ortbetons aufgebracht werden. Neben dem Schutz der Bewehrung soll das KKS-System auch das Blech ausreichend polarisieren und somit die dort stattfindende Eisenauflösung unterbinden. Abschließend werden erste Ergebnisse potentiostatischer Stufenversuche und Biegeversuche vorgestellt, die die Interaktion im Gesamtsystem, bestehend aus Einbettungsmörtel, Carbonanode, Ortbeton, Bewehrung und Blech, zeigen soll. 3.4.2 Sorptionsprüfungen am KKSEinbettungsmörtel Im Rahmen des Forschungsvorhabens wurden drei kommerziell erhältliche Spezialmörtel zur Einbettung von Carbonanoden untersucht. Für die Anwendung im KKS- System müssen diese eine ausreichende elektrolytische Leitfähigkeit besitzen, um auch bei stark differierenden Umgebungsbedingungen (z. B. Temperatur und Feuchtigkeit) eine ausreichende Übertragung der Schutzströme zu gewährleisten. Dies setzt eine ähnliche Leitfähigkeit des Einbettungsmörtels wie die des Betons der Additivdecken voraus. Die Untersuchungen der Produkte erfolgten mittels Sorptionsprüfungen. Die Lagerung von Prüfkörpern in unterschiedlichen Umgebungsfeuchten mit anschließender Bestimmung der Elektrolytwiderstände und der Vergleich mit üblichen Betonen soll Aufschluss darüber geben, ob die vorausgewählten Mörtel elektrolytisch für den Einsatz eines KKS-Systems geeignet sind oder nicht. Hierfür wurden unbewehrte Betonprismen an den Stirnseiten mit Titanmischoxidbänder ausgestattet und bei Labortemperatur (20°C) und relativen Luftfeuchten von 45 % bis 95 % eingelagert. Die Proben wurden während der Lagerung in den jeweiligen Klimaten regelmäßig gewogen und die Elektrolytwiderstände bestimmt. Sobald sich das Gewicht der Proben binnen 14 Tagen um weniger als 0,1 M.-% veränderte, wurden die zuletzt gemessenen Elektrolytwiderstände erfasst und dann die Proben auf Massekonstanz getrocknet. Abbildung 10 zeigt die Ergebnisse der Sorptionsprüfungen, eingeteilt in Adsorption (Wasseraufnahme) und Desorption (Wasserabgabe). Die Produkte Nr. 1 und Nr. 2 besitzen ähnlich gute Widerstandswerte, wobei der höhere Anmach-Wassergehalt bei dem zementgebundenen Mörtel zum Schwinden und damit ggf. zur Rissbildung führen kann. Für eine flächige Anwendung, wie sie bei den additiven Deckensystemen notwendig ist, wurde deshalb der kunststoffmodifizierte Betonersatz für die folgenden Versuche gewählt. 110 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Instandsetzung von Stahlblech-Stahlbeton-Verbunddecken durch eine Kombination aus Carbongelege/ -lamellen und geklebter Stahlverstärkung Abbildung 10: Ergebnisse Sorptionsprüfungen - Adsorptionsprüfkörper (oben) und Desorptionsprüfkörper (unten) der untersuchten Mörtel im Vergleich 3.5 KKS-Vorversuche Nach Auswahl eines geeigneten Einbettungsmörtels wurden verschiedene KKS-Ausführungsvarianten auf ihre Eignung untersucht. Es wurden erste potentiostatische Stufenversuche durchgeführt und hinsichtlich des 100 mV Kriteriums nach DIN EN ISO 1269 [6] überprüft. Die Prüfkörper wurden gemäß Abbildung 11 konzipiert und stellen somit drei unterschiedliche Ausführungsvarianten eines KKS-Systems mit Carbonanoden dar. Variante 1 (V1) und Variante 2 (V2) wurden mit einem Carbongelege ausgeführt, welches in dem kunststoffmodifizierten Betonersatz eingebettet wurde. Die Körper unterscheiden sich hierbei dadurch, dass V1 einen Betonersatz bis zur Bewehrung und V2 eine dünne Aufbetonschicht charakterisiert. Beide Varianten verwenden ein mit SBR (Styrene Butadiene Rubber) getränktes Gelege. Untersuchungen an der RWTH Aachen [7] zeigen, dass diese Art der Imprägnierung größere Stromdichten ermöglichen als epoxidgetränkte Textilgelege aus Carbon. Im Gegensatz dazu besitzt der Körper Variante 3 (V3) epoxidharzgebundene Carbonlamellen (bez. MCCarbon- Fiber Lamella), die in den chloridhaltigen Ortbeton eingeschlitzt und mittels einem leitfähigen Injektionsharz (Epoxidharz mit Graphit versetzt) eingeklebt wurden. Alle Prüfkörper wurden mittels periodisch ansteigenden Spannungsstufen für jeweils 72 Stunden polarisiert. Vor jeder Spannungserhöhung wurde eine Ausschaltmessung über 24 h getätigt. Die Depolarisationsmessung gemäß DIN EN ISO 12696 [6] dient der Überwachung der Bewehrungspolarisation und somit der Leistungsbeurteilung des KKS-Systems. Abbildung 11: Versuchskörpervarianten der potentiostatischen Stufenversuche Im Zuge der hier dargestellten Vorversuche wurde der elektrische Verbund zwischen Bewehrungskorb und dem Trapezblech während der gesamten Prüfdauer und somit auch während der Ausschaltmessung beibehalten. Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass die Anwendung der normativen Schutzkriterien in Bezug auf Additivdecken (Mischpotential zw. Bewehrung und Blech) im Zuge des laufenden Forschungsvorhabens weiter zu untersuchen ist. Nachfolgendes Diagramm stellt die Ergebnisse der Polarisationsmessung graphisch dar. Die Polarisation der einzelnen Prüfkörper wurden hierbei gegen eine MnO2- Referenzelektroden gegen das Mischpotential von Bewehrung und Blech im Beton gemessen. Abbildung 12: Ergebnisse Polarisationsmessung der KKS-Prüfkörpervarianten Im Kurvenverlauf ist zu erkennen, dass das 100 mVDepolarisationskriterium für den Prüfkörper V1 ab einer Spannungsstufe von 2,5 V und bei V2 ab 2,0 V erreicht wurde. Der Prüfkörper V3 mit den eingeschlitzten Carbonlamellen kann in keiner der untersuchten Spannungsstufen eine Depolarisation von 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 111 Instandsetzung von Stahlblech-Stahlbeton-Verbunddecken durch eine Kombination aus Carbongelege/ -lamellen und geklebter Stahlverstärkung 100 mV nach 24 Stunden Ausschaltmessung aufweisen und eignet sich somit in Bezug auf die hier untersuchten Spannungsstufen nicht für die Anwendung als KKS-System. 3.6 Verstärkung mit Carbon Die kombinierte Nutzung der Carbongelege/ -lamellen als Anode für ein KKS-System und als Verstärkungsmaßnahme zur Rissbreitenbeschränkung stellt eine wirtschaftliche und nachhaltige Alternative zu bestehenden Instandsetzungsvarianten dar. Um die Tragfähigkeit und Rissbildung aus der Kombination von Altbeton, Einbettungsmedium (Mörtel oder Klebstoff) und Carbonanode zu ermitteln, wurden 4-PunktBiegeversuche durchgeführt. Die Abmessungen und der Bewehrungsgehalt der Betonbalken orientieren sich nach den Stützbereichen der Additivdecken in der Praxis. Die hier auftretenden Biegerisse über den Hauptträgern sollen künftig durch das Verstärkungssystem durch Zugkräfte im Carbongelege hinsichtlich ihrer Rissbreite begrenzt werden. Untersucht wurden jeweils drei Versuchskörper ohne Verstärkung (Referenzversuche), mit Verstärkung aus eingeschlitzten Carbonlamellen, als Variante im leitfähigen Harz und zementgebundenen Mörtel, und eine Charge mit im Aufbeton eingebetteten Carbongelegen. Außerhalb des Bereiches des kontinuierlichen Biegemoments wurden vorgespannte Stahlmanschetten als externe Querkraftbewehrung angebracht. Diese sollten ein Versagen in der querkraftfreien Biegezone gewährleisten. Eine Prinzipskizze des Prüfaufbaus ist in Abbildung 13 und die Ergebnisse der Biegezugprüfung in Abbildung 14 dargestellt. Die Prüfung wurde verformungsgeregelt mit einer Prüfgeschwindigkeit von 0,025 mm/ s durchgeführt. Abbildung 13: Versuchsaufbau 4-Punkt-Biegeversuche (hier als Verstärkungsvariante mit Carbongelege im Aufbeton) Abbildung 14: Ergebnisse 4-Punkt-Biegeversuche mit und ohne Carbonverstärkung Die Ergebnisse der Biegeversuche zeigen, dass die mit Carbon verstärkten Biegebalken eine deutliche Steigerung in der Tragfähigkeit aufweisen können. Hierbei konnten insbesondere die Prüfkörpervarianten mit dem Carbongelege im kunststoffmodifizierten Aufbeton und die eingeschlitzten Lamellen im zementgebundenen Vergussmörtel überzeugen. Letztere bewirkten einen mittleren Tragfähigkeitsanstieg um 75 %. Die Charge mit den Carbongelege lag im Mittel mit 60 % nur knapp darunter. Hierbei sei erwähnt, dass das Carbongelege einlagig ausgeführt worden ist und somit eine weitere Steigerung des Widerstandes durch mehrlagige Ausführungsvarianten durchaus möglich ist. 4. Zusammenfassung und Ausblick Im Zuge der hier aufgeführten Untersuchungen an Parkbauten unterschiedlichen Alters konnte festgestellt werden, dass der Zustand bestehender Additivdecken maßgeblich vom Zustand des Oberflächenschutzsystems und somit von dessen fachmännischen Ausführung und einer regelmäßigen Wartung abhängt. Ein Korrosionsmonitoring-System am Großprüfkörper zeigte, dass korrosive Bereiche im unteren Sickenbereich der Additivdecken nicht mittels Potentialfeldmessung detektiert werden können, da einerseits Feuchtegradiente im Beton und andererseits der elektrische Kurzschluss zwischen der Bewehrung und dem Trapezblech zu einem Abschirmungseffekt führen. Dagegen wurden durch erste galvanostatische Messungen am Großprüfkörper auch aktive Bereiche im unteren Sickenbereich teilweise erkennbar. Das KKS-System bestehend aus einem kunststoffmodifizierten Einbettungsmörtel und einem Carbongelege konnte bei ersten Voruntersuchungen eine ausreichende Polarisation am Verbundkörper und eine deutliche Tragfähigkeitssteigerung sicherstellen. Dieses System wird 112 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Instandsetzung von Stahlblech-Stahlbeton-Verbunddecken durch eine Kombination aus Carbongelege/ -lamellen und geklebter Stahlverstärkung insofern im Zuge des laufenden Forschungsvorhabens näher untersucht. Bis zum Abschluss des Forschungsvorhabens folgen weiterführende Untersuchungen zum Einsatz der galvanostatischen Pulsmessung und Versuche einer modifizierten Ultraschallmessung an der Unterseite der Additivdecken, die einen Aufschluss über den Restquerschnitt des geschädigten Bleches ermöglichen soll. Ferner wird z. Z. die Entwicklung und Prüfung eines geklebten Verstärkungssystems auf der Unterseite des vorhandenen Blechs vorangetrieben. Hierbei sollen Stahlbleche auf geschädigte Bereiche geklebt werden. Dort angreifenden Lasten sollen durch die mittels FEBerechnungen optimierte Verstärkung übernommen und in nicht geschädigte Bereiche weitergeleitet werden. Das KKS-System mit dem Carbongelege soll weiter optimiert und auf den Großprüfkörper aus Abschnitt 3.2 appliziert werden. Abschließend soll das System seine Praxistauglichkeit in einem Pilotprojekt unter Beweis stellen. 5. Literatur [1] DIBt Deutsches Institut für Bautechnik: Allgemeine Bauartgenehmigung Nr. Z-26.1-44 vom 23. Oktober 2020 “Hoesch Additiv Decken®” [2] DIBt Deutsches Institut für Bautechnik: Technische Regel Instandhaltung von Betonbauwerken (TR Instandhaltung), Teil 1 - Anwendungsbereich und Planung der Instandhaltung; Mai 2020 [3] DGZfP Deutsche Gesellschaft für zerstörungsfreie Prüfung e. V.Fachausschuss für Zerstörungsfreie Prüfung im Bauwesen: Merkblatt B 03 „Elektrochemische Potentialmessungen zur Detektion von Bewehrungsstahlkorrosion“; April 2021 [4] S. Keßler: Zur Verwertbarkeit von Potentialfeldmessungen für die Zustandserfassung und -prognose von Stahlbetonbauteilen - Validierung und Einsatz im Lebensdauermanagement; Dissertation; Technische Universität München; München 2015 [5] A.L. Geary, M. Stern: Electrochemical Polarization: 1. A theoretical Analysis of the Shape of Polarization Curves. Journal of the Electrochemical Society 104: 56-63; January 1974 [6] DIN Deutsches Institut für Normung e.V.: DIN EN ISO 12969: 2017-05: Kathodischer Korrosionsschutz von Stahl in Beton; Mai 2017 [7] A. Asgharzadeh: Durability of polymer impregnated carbon textiles as CP anode for reinforced concrete; Dissertation; RWTH Aachen University; Aachen 2019 Danksagung: Seit Ende 2019 wird an der Hochschule München das durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Forschungsvorhaben mit dem Titel „Innovative Instandsetzung von Parkhäusern in Stahlblech-Stahlbeton-Verbundbau durch eine Kombination von geklebter Verstärkung und Kathodischem Korrosionsschutz“ (Akronym: „GlueCS-Park“) bearbeitet. Neben den hier aufgeführten Autoren, sind in diesem Forschungsvorhaben Prof. Dr.-Ing. Christian Schuler und M. Eng. Florian Ilg aus dem hochschulinternen Institut für Materialund Bauforschung für die Untersuchungen und Entwicklungen am Blech verantwortlich. Ein großer Dank geht an unsere Projektpartner die HIB Huber Integral Bau GmbH, Koch GmbH, Laumer Bautechnik GmbH, Sika Deutschland GmbH und der Verein der Freunde des Stahlbaus an der Hochschule München e. V.. Projektträger ist die VDI Technologiezentrum GmbH in Düsseldorf. 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 113 Instandsetzung von chloridbelasteten Bauteilen durch Applikation einer Beschichtung - Verfahren 8.3 - ein verheißungsvolles Instandsetzungsverfahren? Felix Becker B+P Baustoffprüfung Ing.mbH Christoph Dauberschmidt Institut für Material- und Bauforschung, Hochschule München, Deutschland Zusammenfassung Auch mit Einführung der neuen Technischen Regel des Deutschen Instituts für Bautechnik (DIBt) „Instandhaltung von Betonbauwerken“ [TRIH 20] kurz TR-IH ist es weiterhin möglich, chloridbelastete Bauteile durch Applikation eines Oberflächenschutzsystems und Belassen der Chloride im Beton instand zu setzen. Mit Durchführung dieser als Verfahren 8.3 bezeichneten Instandsetzungsmethode wird zunächst keine direkte Repassivierung des Bewehrungsstahls angestrebt. Der Instandsetzungserfolg ist vielmehr an die Änderung der korrosionsrelevanten Kenngrößen gekoppelt. Hierzu zählen die Erhöhung des spezifischen Elektrolytwiderstands des Betons infolge von Austrocknung sowie die Abnahme der Korrosionsströme und Treibspannungen am Bewehrungsstahl. Im Rahmen eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) 1 geförderten Forschungsvorhabens konnten die in der TR-IH genannten Anwendungsgrenzen weitgehend bestätigt und hinsichtlich der Betongüte und der Art des Oberflächenschutzsystems weiter zugeschärft werden. Nach derzeitigem Kenntnisstand ist das Instandsetzungsverfahren 8.3 nur bei Chloridgehalten unter 1,0 M.-%/ z und bei diffusionsoffenen Oberflächenschutzsystemen mit einem geringen Risiko anwendbar. Werden diese Randbedingungen nicht eingehalten, bleibt die Anwendung dieser Instandsetzungsmethode weiter mit einem erhöhten technischen Risiko, was eine Aufklärung des Bauherren durch den Sachkundigen Planer erforderlich macht. 1 Gemeinsam mit TU Kaiserslautern, Herrn Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Breit und Herrn Dr.-Ing. Ayhan Celebi 1. Einleitung Die Materialkombination Stahlbeton ist u. a. deshalb seit über einem Jahrhundert überaus erfolgreich, weil der Beton durch den hohen pH-Wert den Betonstahl vor Korrosion schützt. Dadurch bedarf es bei normal exponierten Bauwerken keinen zusätzlichen Korrosionsschutz für Stahlbeton. Allerdings können Chloride z. B. aus Tausalzen und Meereswasser die Dauerhaftigkeit von Stahlbetonbauwerken signifikant einschränken. Bei unbeschichteten Bauwerken, insbesondere im Bereich der Infrastruktur, können an der Betonoberfläche anstehende Chloride über Diffusions- und kapillare Saugprozesse in das Betoninnere gelangen. Übersteigt an der Kontaktzone Beton-Stahl der Chloridgehalt des Betons einen Grenzwert, kann chloridinduzierte Korrosion initiiert werden, welche bei ungünstigen Randbedingungen mit hohen Korrosionsraten und damit mit hohen Querschnittsverlusten des Betonstahls in kurzer Zeit einhergeht. Dies kann letztlich zur Schwächung der Tragfähigkeit des Bauwerks führen. Auch wenn in den letzten Jahrzehnten schon zahlreiche chloridbelastete Bauwerke instandgesetzt wurden, besteht ein immer noch sehr hoher Instandsetzungsbedarf für Bauwerke insbesondere der Verkehrsinfrastruktur wie Brücken, Tunnel, Tiefgaragen, Parkhäuser, Salzwasserschleusen und Kais. Instandsetzungsprinzipien bzw. Verfahren sind in vielen Bundesländern bauaufsichtlich eingeführten Technischen Regel „Instandhaltung von Betonbauteilen“ des Deutschen Instituts für Bautechnik (DIBt) der TR Instandhaltung [TRIH 20] geregelt. Diese behandelt in Teil 1 „Anwendungsbereich und Planung der Instandhaltung“ und in Teil 2 „Merkmale von Produkten oder Systemen für die Instandsetzung und Regelungen für deren Verwendung“. Europäisch werden die 114 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Instandsetzung von chloridbelasteten Bauteilen durch Applikation einer Beschichtung - Verfahren 8.3 - ein verheißungsvolles Instandsetzungsverfahren? Grundsätze für den Schutz und die Instandsetzung von Betontragwerken durch die 2008 eigeführte DIN EN 1504-9 geregelt. Das in den meisten Fällen durchgeführte Instandsetzungsverfahren 7.2 (früher Prinzip R-Cl) besteht im Entfernen des chloridhaltigen Betons bis hinter die Bewehrungslage durch z. B. Höchstdruckwasserstrahlen und dem anschließenden Reprofilieren mit einem geeigneten und geregelten Betonersatz. Dieses herkömmliche Instandsetzungsverfahren ist meist verbunden mit einem signifikanten Eingriff in die Tragstruktur des Bau-werks, da durch das Entfernen des Betons das statische System während der Instandsetzung verändert wird. Nach derzeitiger Rechtsauffassung muss für diese Instandsetzung durch den Eingriff in die Tragstruktur während der Instandsetzung in Deutschland ein Bauantrag, mit dem daraus folgenden Genehmigungsverfahren, gestellt werden. Ferner ist dieses Instandsetzungsverfahren mit längeren Sperrzeiten des Bauwerks, Staub- und Lärmemissionen und hohen Kosten verbunden. Alternativ zu der herkömmlichen Instandsetzung hat sich in den letzten Jahren eine innovative Instandsetzung nach dem Prinzip des Kathodischen Korrosionsschutzes, Verfahren 10.1 etabliert. Hier wird der Korrosionsprozess des Betonstahls meist durch eine auf die Betonoberfläche applizierte, korrosionsresistente Anode unterdrückt, welche durch Einprägung eines Schutzstroms den Betonstahl zwingt, als Kathode zu wirken. Auch wenn bei diesem Instandsetzungsprinzip die Eingriffe in die Tragstruktur durch Beton-abtrag gegenüber einer herkömmlichen Instandsetzung reduziert werden können, so ist die Anwendung des Prinzips des KKS am Bauwerk mit einem hohen Planungsaufwand und hohen Ausführungskosten verbunden. In der TR-IH ist noch ein weiteres Instandsetzungsverfahren für chloridbelasteten Stahlbeton geregelt, welches auf den ersten Blick deutliche Vorteile bietet: Verfahren 8.3 „Erhöhung des elektrischen Widerstandes durch Beschichtung“, welches in der „alten“ Instandsetzungsrichtlinie [RLSIB 01] als Instandsetzungsprinzip W-Cl beschrieben ist. Auch hier kann der chloridbelastete Beton im Bauwerk verbleiben, was zu geringeren Eingriffen in die Tragstruktur im Vergleich zur herkömmlichen Instandsetzung führt. Das Korrosionsschutzprinzip besteht darin, dass trockener Beton einen so hohen spezifischen Elektrolytwiderstand aufweist, dass Korrosionsprozesse stark gebremst werden idealerweise so stark, dass die verbleibenden Korrosionsraten für die Dauerhaftigkeit des Bauwerks unerheblich sind. In der Praxis soll diese Austrocknung des Betons durch das Aufbringen eines Oberflächenschutzsystems erreicht werden, was zum einen wasserundurchlässig ist und zum anderen gleichzeitig wasserdampfdiffusionsoffen sein soll analog zu modernen Membranen bei Funktionskleidung. 2. Problemstellung Die Anwendung dieses Instandsetzungsverfahrens scheiterte in der Praxis bis dato häufig daran, dass allgemein anerkannte Anwendungsgrenzen für den risikoarmen Einsatz noch nicht hinreichend untersucht waren. So waren bislang folgende Fragen unbeantwortet: • Wie stark bremsen Oberflächenschutzsysteme das Austrocknen des chloridhaltigen Betons? Kann eine hinreichende Austrocknung zum Unterbinden von Korrosion über die gesamte Restnutzungsdauer sichergestellt werden? • Kann chloridhaltiger Beton aufgrund der Hygroskopizität der Salze bei für die Praxis üblichen Luftfeuchten überhaupt hinreichend austrocknen? • Bei welchen Chloridgehalten auf Höhe der Bewehrung kann eine Reduktion der Korrosionskinetik auf ein unschädliches Maß sichergestellt werden? Um diese offenen Fragen zu beantworten und damit die Bewertung der Anwendbarkeit dieser beiden Verfahren zukünftig auf gesicherte Erkenntnisse zu stellen, wurden im Rahmen eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Forschungsvorhabens in einem Verbundvorhaben der Technischen Universität Kaiserslautern und der Hochschule München zahlreiche Untersuchungen zur Klärung der vorgenannten offenen Fragen durchgeführt. Die Ergebnisse wurden u.a. in [BEC2020] und [DAU21] veröffentlicht. Die maßgeblichen Erkenntnisse dieses Forschungsvorhabens, im Hinblick auf das Verfahren 8.3 sind nachfolgend zusammengefasst. 3. Vorgaben in den Regelwerken Nach TR-IH [TRIH20] beruht das Verfahren 8.3 (innerhalb des Instandsetzungsprinzips 8) auf einer Absenkung des Wassergehaltes im Beton, die die elektrolytische Leitfähigkeit so stark reduziert, dass die Korrosionsgeschwindigkeit auf praktisch vernachlässigbare Werte gesenkt wird. Das entsprechende Instandsetzungsprinzip wird in der Instandsetzungsrichtlinie [RLSIB 01] als W-Cl bezeichnet. Die Anwendbarkeit des Verfahrens 8.3 / Prinzips W-Cl ist in beiden Regelwerken stark eingrenzt und nur unter bestimmten Bedingungen in der Praxis anwendbar. So fordert z. B. die RL-SIB [RLSIB 01] dass das Verfahren nur angewendet werden darf, „wenn durch Probeinstandsetzungen an Referenzflächen bzw. -bauteilen vor Ausführung der Instandsetzungsmaßnahme die Auswirkung der Maßnahme auf den Korrosionsfortschritt der Bewehrung, z. B. durch Einbau geeigneter Korrosionsstrommessvorrichtungen von einem sachkundigen Planer überprüft worden ist.“ Weiter muss bei höheren Chloridgehalten im Bauteil (> 1 M.-% Cl-/ z) von einem sachkundigen Planer geklärt werden, ob eine ausreichende Austrocknung des Bauteils erreicht werden kann [RLSIB 01]. Da der Einfluss des 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 115 Instandsetzung von chloridbelasteten Bauteilen durch Applikation einer Beschichtung - Verfahren 8.3 - ein verheißungsvolles Instandsetzungsverfahren? Chloridgehaltes auf den Korrosionsverlauf zahlreichen Parametern, wie z. B. den Umgebungsbedingungen oder der Betonzusammensetzung unterliegt, kann nach dem aktuellen Stand der Technik kein Grenzwert für den maximalen Chloridgehalt im Altbeton angegeben werden. Aus diesem Grund ist aktuell bei der Anwendung des Instandsetzungsprinzips W-Cl ein aufwendiger Wirksamkeitsnachweis erforderlich, welcher z. B. durch sensorgestützte Monitoring-Systeme erfolgen kann [RLSIB01]. Das Verfahren 8.3 darf nach TR-IH [TRIH20] bei chloridkontaminiertem Beton nur angewendet werden, wenn nach der Ausführung der Instandsetzungsmaßnahme die Auswirkung auf den Korrosionsfortschritt der Bewehrung, z. B. durch Einbau geeigneter Sensoren, von einem sachkundigen Planer über die Restnutzungsdauer überprüft wird. Ab einem Chloridgehalt von 1,5 M.-% Cl - / z an der Bewehrung sollte das Verfahren nicht angewendet werden, da unter Umständen keine ausreichende Austrocknung im Beton eintritt. Für das Verfahren 8.3 werden grundsätzlich die Oberflächenschutzsysteme OS 2, OS 4, OS 5a und OS 5b, OS 8, OS 11 sowie OS 14 als geeignet angesehen. 4. Grundlagen des Instandsetzungsverfahrens 8.3 Die Korrosionsprozesse bei einer chloridinduzierten Makrokorrosion können vereinfacht in einem elektrischen Ersatzschaltbild, wie in Bild 1 in Anlehnung an [RAU92] dargestellt, beschrieben werden. Dabei ist der Korrosionsstrom I e ein Maß für die in einer Zeiteinheit abrostete Eisenmenge und damit bei bekannter Größe der Lochnarbe auch ein Maß für den zeitlichen Querschnittsverlust des Betonstahls. Der Korrosionsstrom I e wird dabei bestimmt von den Geschwindigkeiten der Teilprozesse: anodische und kathodische Teilreaktion sowie dem Ionentransport im (den Stahl umgebenden) Beton zwischen anodischen und kathodischen Oberflächenbereichen. Ein Maß für den Ionentransport stellt dabei der spezifische Elektrolytwiderstand des Betons dar. Die Aktivität der anodischen und der kathodischen Teilreaktion wird durch den anodischen Polarisationswiderstand R a und den kathodischen Polarisationswiderstand R c beschrieben. Als Treibspannung in diesem System wirkt die Potentialdifferenz zwischen Anode und Kathode (E R,C - E R,A ), die sich aufgrund des Potentialabfalls an der Anode infolge des Verlusts der Passivität einstellt. Der Eigenkorrosionsanteil I eigen an der Anode kann bei Messung der Elementströme durch Trennung von Anode und Kathode versuchstechnisch nicht erfasst werden. Wie aus der Gleichung in Bild 1 abgeleitet werden kann, ist eine Verringerung der Reaktionskinetik (ausgedrückt als I e ) u. a. durch eine Erhöhung der Teilwiderstände möglich. Hier setzt nun das Instandsetzungsverfahren 8.3 an: so soll u.a. durch Erhöhung des elektrolytischen Betonwiderstands der Ionentransport im Beton soweit behindert werden, dass der Korrosionsstrom auf ein unschädliches Maß reduziert wird. Diese Erhöhung des Betonwiderstandes soll durch signifikante Reduktion des Feuchtegehaltes des Betons erreicht werden. Hierzu wird auf die Betonoberfläche ein wasserdichtes Oberflächenschutzsystem (Beschichtung) appliziert, welches die weitere Wasseraufnahme verhindert. Gleichzeitig soll ein Austrocknen des Betons sichergestellt werden. Diese Austrocknung kann über die unbeschichtete Rückseite von Innenbauteilen oder idealerweise durch ein wasserdampfdiffusionsoffenes Oberflächenschutzsystem auf der Betonoberfläche erfolgen. Bild 1: Vereinfachte Darstellung des Korrosionsprozesses als elektrisches Ersatzschaltbild in Anlehnung an Raupach [RAU92] für die Anwendung des Instandsetzungsverfahren 8.3 Hierbei stellt sich zunächst die Frage, welche verbleibenden Elementströme (nachfolgend vereinfacht Korrosionsströme genannt) nach Austrocknung des Betons als unschädlich für das Bauteil zu bewerten sind. Hier sind in [AND04] eine Bewertung der Elementstromdichten hinsichtlich der Auswirkung auf die Lebensdauer der Bewehrung und eine Bewertung des spezifischen Elektrolytwiderstandes im Hinblick auf das Korrosionsrisiko der Bewehrung zu finden, siehe Tabelle 1. Tabelle 1: Auswirkungen der Elementstromdichte und des spezifischen Elektrolytwiderstands auf die Lebensdauer der Bewehrung [AND09] Spezifischer Elektrolytwiderstand Elementstromdichte Jährlicher Querschnittsverlust a Auswirkung auf die Lebensdauer der Bewehrung [Ωm] [µA/ cm²] [mm/ a] [-] 1 2 3 4 > 1.000 £ 0,1 £ 0,001 vernachlässigbar 500 - 1.000 0,1 - 0,5 0,001 - 0,005 gering 100 - 500 0,5 - 1,0 0,005 - 0,010 moderat < 100 > 1,0 > 0,010 groß a Berechnet nach Faraday für gleichmäßige Korrosion 116 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Instandsetzung von chloridbelasteten Bauteilen durch Applikation einer Beschichtung - Verfahren 8.3 - ein verheißungsvolles Instandsetzungsverfahren? 5. Bisherige Untersuchungen zur Anwendbarkeit des Verfahrens 8.3 In zahlreichen Untersuchungen konnte nachgewiesen werden, dass der spezifische Elektrolytwiderstand des Betons mit der Elementstromdichte (vereinfacht als Korrosionsstromdichte bezeichnet) korreliert. In Bild 2 sind die Untersuchungsergebnisse aus [AND04], [BRE04] und [HOR17] gemeinsam mit den Bewertungen aus Tabelle 1 in einer doppellogarithmischen Darstellung zusammengefasst. Dabei zeigt sich zum einen, dass in den zitierten Literaturstellen eine starke Korrelation zwischen spezifischem Elektrolytwiderstand und der Korrosionsstromdichte festgestellt wurde. Es zeigt sich aber auch, dass die Lage der Korrelationsgeraden sehr unterschiedlich ist. Bild 2: Zusammenhang zwischen gemessener Korrosionsstromdichte und spezifischem Elektrolytwiderstand [RAU09] mit Darstellung der Regressionsgerade nach [AND04], [BRE04] und [HOR17] Eine umfangreiche Untersuchungsreihe zu den Anwendungsgrenzen des Instandsetzungsprinzips W-Cl ist in [RAU09] beschrieben. Dabei wurde an unbeschichteten Probekörpern festgestellt, dass bei sehr trockener Lagerung (20 °C/ 50 % r. F.) auch bei Chloridgehalten von über 2 M.-%/ z eine erhebliche Reduktion der Korrosionsrate infolge der ansteigenden spezifischen Elektrolytwiderstände des Betons eintrat. So reduzierten sich die gemessenen Elementstromdichten (jeweils bezogen auf die Gesamtoberfläche des korrodierenden Stabes) nach einer Lagerung von 200 Tagen bei 20 °C/ 50 % r. F. im Mittel rd. um den Faktor zehn. Insgesamt lagen die gemessenen Elementströme meist immer noch um ein Vielfaches über den üblicherweise angenommenen Passivstromdichten. Lediglich die Prüfkörper aus einem Beton CEM III, w/ z = 0,55 zeigten Elementströme in einem Bereich, der nach Tabelle 1 als hinsichtlich der Lebensdauer der Bewehrung vernachlässigbar bzw. gering einzustufen ist, siehe Bild 2. Danach liegen die Messergebnisse von [RAU09] meist zwischen den Regressionsgeraden nach Brem [BRE04] und nach RILEM [AND04]. Es zeigt sich, dass die Bewertung des Korrosionsrisikos nach dem Elektrolytwiderstand entsprechend Tabelle 1 zum Teil stark auf der unsicheren Seite liegt. An einem Praxisbeispiel wird in [RAU17] gezeigt, wie durch tiefengestaffelte Messung des elektrolytischen Betonwiderstandes durch Verwendung der sogenannten Multiring-Elektroden [KOS17] das Austrocknen des Betons nach Applikation eines Oberflächenschutzsystems erfasst werden kann: bei dem Bauwerk handelt es sich um ein Parkhaus in halboffener Bauweise, das gut belüftet ist, was bezüglich der Trocknung günstig ist. Bei der Applikation des Oberflächenschutzsystems verblieb ein erhöhter Restchloridgehalt im Beton. Anhand der zeitlichen Widerstandsverläufe ist erkennbar, dass die elektrolytischen Widerstände des Betons auch noch im Zeitraum von 7 bis 14 Jahren nach der Applikation deutlich steigen. Das bedeutet, dass die Austrocknung des Betons, wie zu erwarten, nur sehr langsam abläuft, aber im Laufe der Zeit zu nennenswerten Austrocknungsgraden geführt hat. Teilweise ist nach 14 Jahren Austrocknung die obere Messbereichgrenze der verwendeten Messelektronik von 100 kΩ erreicht, was einem spezifischen Elektrolytwiderstand von rd. 10.000 Ωm entspricht. Hier kann nach Bild 2 von einer vernachlässigbaren Korrosionsaktivität ausgegangen werden. Hinsichtlich der erforderlichen „Trockenheit“ der Umgebungsluft zur Sicherstellung einer hinreichenden Austrocknung des Betons zeigen die Ergebnisse aus [BRE04], dass die anodischen Korrosionsströme bei Luftfeuchten oberhalb von 66 % r. F. nicht auf ein unschädliches Niveau abfallen. Erst bei Luftfeuchten um 50 % r. F. konnte in [RAU09] ein entsprechender Abfall bei einigen Prüfkörpern festgestellt werden. Es bedarf also sehr trockener Randbedingungen, dass der Beton soweit austrocknet, dass unschädliche Korrosionsaktivitäten zu erwarten sind. 6. Eigene Untersuchungen zur Anwendbarkeit des Verfahrens 8.3 Im Rahmen des o. g. DFG-Forschungsvorhabens wurde an Probekörpern mit unterschiedlichen Betonzusammensetzungen sowie einer Variation unterschiedlicher Oberflächenschutzsysteme anhand eingebauter Korrosionsstrom-Monitoring-Systeme untersucht, wie sich die korrosionsrelevanten Kenngrößen bei Auslagerung in trockenen Klimaten verändern. Zu den Kenngrößen zählen der spezifischen Elektrolytwiderstand des Betons (der bei Austrocknung ansteigen sollte) sowie Elementströme und Treibspannungen (die beide bei Austrocknung abfallen sollten) [RAU17]. Tabelle 2 zeigt die für die Prüfkörper eingesetzte Betonzusammensetzung sowie die verwendeten Oberflächenschutzsysteme (OSSysteme). Durch Aufbringen eines Oberflächenschutzsystems (Beschichtung) werden die chloridbelasteten Stahlbetonbauteile vor einem weiteren Chlorideintrag und einer 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 117 Instandsetzung von chloridbelasteten Bauteilen durch Applikation einer Beschichtung - Verfahren 8.3 - ein verheißungsvolles Instandsetzungsverfahren? erneuten direkten Wasserbeaufschlagung geschützt. Jede Beschichtung hemmt aber auch den Durchgang von Wasserdampf, insofern kann der darunter befindliche Beton nur verlangsamt austrocknen. Dabei bestimmt die Größe des Wasserdampf-Diffusionskoeffizienten (oder auch die diffusionsäquivalente Luftschichtdicke) der Beschichtung den Durchgang von Wasserdampf und damit auch, wie stark die Austrocknung verlangsamt wird. Hier gelten OS 4-Beschichtungen als eher diffusionsoffen und rissüberbrückende Beschichtungen mit einer Polyurethan-Dichtungsschicht (z. B. OS 11 Beschichtungen) als wasserdampf-diffusionssperrend. Im Rahmen der Untersuchungen wurden Beschichtungen ausgewählt, die ein breites Spektrum bezüglich der diffusionsäquivalenten Luftschichtdicken aufweisen. Tabelle 2: Betonzusammensetzung und verwendete Beschichtungssysteme Sorptionsisotherme: Es wurden u. a. die Sorptionsisotherme von Probekörpern mit der Betonmischung CI 0,5 bei Chloridgehalten 0 M.-%/ z, 2,0 M.-%/ z und 4,0 M.-%/ z untersucht. Dabei zeigte sich eine ausgeprägte Hysterese zwischen Adsorption und Desorption, vgl. Bild 3. Bild 3: Beispielhafte Darstellung der Sorptionsisotherme von Probekörpern ( CEM I, w/ z = 0,50) für unterschiedliche Chloridgehalte Für Chloridgehalte bis 2 M.-%/ z konnte über die Austrocknung keine relevante Beeinflussung der Ausgleichsfeuchte ermittelt werden. Erst bei sehr hohen Chloridgehalten von 4,0 M.-%/ z zeigte sich eine deutliche Verschiebung des Deliqueszenzpunkts in den Bereich niedriger Luftfeuchte. Insofern ist damit zu rechnen, dass die Austrocknung moderat chloridbelasteter Betone über die Zeit ähnlich ablaufen wie die Austrocknung chloridfreier Betone gleicher Betonzusammensetzung. Zeitliche Entwicklung des Elektrolytwiderstandes der Betone unter der Beschichtung: Nach dreimonatiger Konditionierung bei 98 % r. F. und anschließendem Aufbringen der Beschichtung erfolgte eine rund zwölfmonatige Auslagerung von seitlich abgedichteten Probekörpern bei einem definierten Laborklima von durchschnittlich 55 % r. F. und (21 ± 1)°C. Parallel wurden unbeschichtete Referenzprüfkörper über den gesamten Zeitraum bei 55 % r. F. und 98 % r. F. gelagert. Die Messung der Elektrolytwiderstände erfolgte in regelmäßigen Abständen an eingebauten Elektrodenleitern (in Anlehnung an [SCH99]) mittels einer Impedanzmessung bei 1.000 Hz. Nachfolgend werden die spezifischen Elektrolytwiderstände, ermittelt an Elektrodenpaaren mit einer mittleren Tiefenlage von rd. 10 mm, vorgestellt. Bild 4: Entwicklung der spezifischen Elektrolytwiderstände über den Untersuchungszeitraum exemplarisch für CEM I, w/ z = 0,50, 2 M.-% Cl - / z in Abhängigkeit von der applizierten Beschichtung und den Klimata 118 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Instandsetzung von chloridbelasteten Bauteilen durch Applikation einer Beschichtung - Verfahren 8.3 - ein verheißungsvolles Instandsetzungsverfahren? Die Ergebnisse in Bild 4 zeigen für die Prüfkörper ohne Beschichtung bei Lagerung in feuchtem Klima (98 % r. F.) erwartungsgemäß über die Zeit annähernd konstante Elektrolytwiderstände. Dagegen nehmen die Elektrolytwiderstände der Probekörper ohne Beschichtung bei Trockenlagerung in den ersten zehn Monaten kontinuierlich um den Faktor von rd. 40 gegenüber dem Ausgangswiderstand auf zuletzt rd. 1.500 Ωm zu. Die Elektrolytwiderstände der beschichteten Probekörper bei Trockenlagerung liegen bei zunehmender Auslagerungsdauer zwischen denen der unbeschichteten Probekörper in Trockenlagerung auf der einen Seite und denen der unbeschichteten Probekörper in Feuchtlagerung auf der anderen Seite. Dabei zeigen die Probekörper mit einer diffusionsoffenen OS 4 Beschichtung Elektrolytwiderstände, die sich zum Ende des Untersuchungszeitraums denen der unbeschichteten Probekörper bei Trockenlagerung annähern. Dagegen verharren die Elektrolytwiderstände der Probekörper mit OS 8 Beschichtung und der PU-Dichtungsschicht über den gesamten Untersuchungszeitraum auf einem niedrigen Niveau. Eine signifikante Austrocknung kann bei solchen diffusionssperrenden Beschichtungen erwartungsgemäß nicht festgestellt werden. Zeitliche Entwicklung der Korrosionsströme: Um die zeitliche Entwicklung der Korrosionsaktivität von beschichteten Prüfkörpern erfassen zu können, wurden Bewehrungsstahl-Anoden in chloridhaltige Betone eingebaut. Die Elementströme wurden gegen temporär kurzgeschlossene Titanmischoxid-Bänder als Kathode mittels ZRA-Messung (Zero Resistance Amperemeter) mit einem Potentiostaten (Gamry Reference 600) erfasst. Der Eigenkorrosionsanteil (siehe Bild 1) kann zwar mit dieser Messanordnung nicht ermittelt werden, dennoch wird der ermittelte Elementstrom nachfolgend vereinfachend als Korrosionsstrom bezeichnet. Zur Umrechnung der Korrosionsstromdichten aus den Korrosionsströmen (Elementströmen) wurden die Anoden nach Beendigung der Versuchsreihe ausgebaut und die Korrosionsnarben unter einem Auflichtmikroskop vermessen. Die Korrosionsstromdichten wurden daraufhin auf die gemessenen Anodenflächen bezogen. Bild 5 zeigt die zeitliche Entwicklung der Korrosionsstromdichten exemplarisch für die Probekörperreihe CEM I, w/ z = 0,5 und 2 M.-% Cl- / z, wobei analog zu Tabelle 1 die Korrosionsstromdichte von 0,1 µA/ cm² als vernachlässigbar hinsichtlich der Lebensdauer der Bewehrung strichliniert dargestellt ist. Analog zu den gleichbleibenden Elektrolytwiderständen (Bild 4) zeigen die Ergebnisse in Bild 5 für die Prüfkörper ohne Beschichtung bei Lagerung in feuchtem Klima (98 % r. F.) über die Zeit annähernd konstante Korrosionsstromdichten. Dagegen nehmen die Korrosionsstromdichten der Probekörper ohne Beschichtung bei Trockenlagerung in den ersten neun Monaten kontinuierlich um den Faktor 200 gegenüber den Korrosionsstromdichten bei Feuchtelagerung auf zuletzt unter 0,1 µA/ cm² (Passivstromdichte) ab. Ebenfalls analog zu den Elektrolytwiderständen liegen die Korrosionsstromdichten der beschichteten Probekörper zwischen denen der feucht bzw. trocken gelagerten Referenzprüfkörper. Die Korrosionsstromdichten der Probekörper mit einer eher diffusionsoffenen OS 4 Beschichtung nähern sich zum Ende des Untersuchungszeitraums denen der unbeschichteten Probekörper bei Trockenlagerung an. Dagegen verharren die Korrosionsströme der Probekörper mit einer OS 8 Beschichtung bzw. PU-Dichtungsschicht zuletzt bei rd. 10 µA/ cm² bis 20 µA/ cm² und liegen damit um den Faktor 100 bis 200 über den Passivstromdichten. Bild 5: Entwicklung der Korrosionsstromdichten über den Untersuchungszeitraum exemplarisch für CEM I, w/ z = 0,50, 2 M.-% Cl - / z in Abhängigkeit von der applizierten Beschichtung/ Klimata Bild 6: Korrosionsstromdichten zu Beginn der Auslagerung im Laborklima (90 d) und zu Ende des Untersuchungszeitraums in Abhängigkeit von der applizierten Beschichtung und den Klimata Bild 6 zeigt die Messergebnisse der Korrosionsstromdichten jeweils zu Beginn der Auslagerung im Laborklima (90 d) und zu Ende des Untersuchungszeitraums für sämtliche untersuchten Parameter (Betonzusammensetzungen, Chloridgehalte). Bei den Korrosionsströmen der beschichteten Probekörper nach rd. zwölfmonatiger Trockenlagerung sticht die Bedeutung des Chloridge- 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 119 Instandsetzung von chloridbelasteten Bauteilen durch Applikation einer Beschichtung - Verfahren 8.3 - ein verheißungsvolles Instandsetzungsverfahren? halts der Betone ins Auge: Bei Chloridgehalten von 1 M.-%/ z sind unabhängig von der Beschichtungsart Korrosionsstromdichten von max. 0,5 µA/ cm² festzustellen (nach [AND04], vgl. Tabelle 1, von geringer Bedeutung für die Lebensdauer der Bewehrung). Überwiegend liegen die Korrosionsstromdichten im Bereich der Passivstromdichte. Dagegen verweilen bei Chloridgehalten von 2 M.-%/ z die Korrosionsstromdichten der Probekörper mit diffusionssperrender Beschichtung/ Dichtungsschicht nach zwölfmonatiger Trockenlagerung teils deutlich über 1 µA/ cm² (nach [AND04] von großer Bedeutung für die Lebensdauer). Interessanterweise verbleiben bei CEM III-Betonen mit hohen Chloridgehalten (2 M.-%/ z) die Korrosionsstromdichten der Probekörper mit der diffusionsoffenen OS 4 Beschichtung im Untersuchungszeitraum mit rd. 1 µA/ cm² weit oberhalb der Passivstromdichte. Bild 7: Doppellogarithmische Darstellung der zum Ende der Auslagerung gemessenen spezifischen Elektrolytwiderstände und der Korrosionsstromdichten mit Vergleichswerten und Auswertung aus [RAU09], [BRE04] und [HOR17] Korreliert man nun die gemessenen Elektrolytwiderstände mit den Korrosionsstromdichten (alle Prüfkörper mit 2 M.-% Cl - / z) jeweils zum Ende des Untersuchungszeitraums, ergibt sich die in Bild 7 gezeigte Abhängigkeit. Die eigenen Ergebnisse wurden um die Ergebnisse aus [RAU09], [BRE04] und [HOR17]ergänzt. Oberhalb der von [BRE04] festgestellten Korrosionsstrom-Widerstands-Relation ist von einer Steuerung der Korrosionskinetik durch den Elektrolyten auszugehen, während bei Wertepaaren unterhalb der Beziehung eine anodische Steuerung vorliegt. Die Ergebnisse bei hohen Wassergehalten zeigen, dass die Streuungen zwar erheblich sind, aber die Werte um die von [BRE04] angegebene Korrelation streuen. Bei hohen Widerständen über 1.000 Ωm (verbunden mit geringen Wassergehalten) wird bei den meisten untersuchten Prüfkörpern eine anodische Steuerung dominant: Die Wertepaare liegen deutlich unterhalb der Brem‘schen Korrelation. Am Beispiel der Prüfkörper CEM III, w/ z = 0,6 zeigt sich aber auch, dass eine Bewertung der Korrosionskinetik über die Bestimmung des Elektrolytwiderstands nicht zielführend ist. So zeigten Prüfkörper mit einer OS 4 Beschichtung bei einem Elektrolytwiderstand von 2,1 kΩm eine Stromdichte von 5,1 µA/ cm² und damit ein aktives Verhalten, während Prüfkörper ohne Beschichtung bei einem Elektrolytwiderstand von 2,3 kΩm eine Stromdichte von 0,07 µA/ cm² unterhalb der Passivstromdichte aufwiesen. Somit sollte beachtet werden, dass der Nachweis eines Erfolgs des Instandsetzungsverfahrens 8.3 nicht maßgeblich über die Bestimmung des spezifischen Elektrolytwiderstandes erfolgt, sondern über die Messung der Korrosionsstromdichte. 7. Bewertung der Anwendungsgrenzen Erforderliche Umgebungsbedingungen am Bauteil: Das Instandsetzungsverfahren W-Cl setzt voraus, dass der Beton des Bauteils über die Zeit austrocknen kann. Deshalb muss sichergestellt werden, dass Wasser weder durch die beschichteten Oberflächen noch auf einem anderen Weg in das Bauteil eindringen kann. Insofern entfallen üblicherweise Bauteile, die in Kontakt mit Grundwasser oder feuchtem Baugrund stehen, wie WU-Bodenplatten oder WU-Tiefgaragen-Außenwände. Inwieweit auch der Anfall von Kondenswasser im Bauteilinneren durch z. B. Abkühlung des Bauteils im Winter ein Austrocknen auf unschädliche Wassergehalte verhindert, ist derzeit noch nicht geklärt. Bauteile, die den Anforderungen an die technische Austrockenbarkeit entsprechen können, sind z. B. beschichtete Zwischendecken oder aufgehende Innenbauteile. Für ein Austrocknen von feuchtem, chloridhaltigem Beton (Chloridgehalte - 1 M.-%/ z an der Bewehrung) ist eine möglichst geringe relative Luftfeuchte der Umgebungsluft erforderlich. Aus [BRE04] und den eigenen Untersuchungen kann abgeleitet werden, dass bei mittleren rel. Luftfeuchten über 65 % der Anstieg des Elektrolytwiderstands nicht ausreicht, die Korrosionsgeschwindigkeit auf praktisch vernachlässigbare Werte zu senken. Chloridgehalt am Stahl: In [TRIH20] wird empfohlen, ab einem Chloridgehalt von 1,5 M.-%/ z an der Bewehrung das Verfahren 8.3 nicht mehr anzuwenden. Dieser Anhaltswert konnte insoweit bestätigt werden, dass bei Chloridgehalten von 1 M.-%/ z unabhängig von der Beschichtung Korrosionsstromdichten ermittelt wurden, die hinsichtlich der Lebensdauer von geringer Bedeutung sind. Dagegen lagen die Korrosionsstromdichten bei Chloridgehalten von 2 M.-%/ z in Bereichen, die für die Lebensdauer des Bauteils kritisch sind. Insofern ist ab einem Chloridgehalt von über 1 M.-%/ z auf Höhe der Bewehrung mit einem erhöhten Risiko zu rechnen, mit der Konsequenz, dass die Anwendung des Instandsetzungsverfahren 8.3 vermutlich nicht erfolgreich ist. Bei 2 M.-% Cl-/ z konnte im Labor ein Erfolg an den meisten Prüfkörpern nicht nachgewiesen werden. 120 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Instandsetzung von chloridbelasteten Bauteilen durch Applikation einer Beschichtung - Verfahren 8.3 - ein verheißungsvolles Instandsetzungsverfahren? Art der Beschichtung: Die Beschichtung verlangsamt das Austrocknen von ursprünglich feuchtem Beton über die beschichtete Oberfläche. Damit verlängert sich der Zeitraum, in dem aktive Korrosion weitgehend ungebremst weiter abläuft. Insofern sollte bei aktiver Korrosion der Bewehrung bei feuchtem Ausgangsbeton ein möglichst diffusionsoffenes Beschichtungssystem appliziert werden. Befahrbare und vor allem rissüberbrückende Beschichtungssysteme verhindern ein Austrocknen durch die Beschichtung in hohem Maße. Aus den dargestellten Erkenntnissen lässt sich folgender in Bild 8 dargestellter Entscheidungsbaum für die Anwendung des Instandsetzungsverfahrens 8.3 bei bereits depassivierter Bewehrung abbilden. Bild 8: Entscheidungsbaum für die Anwendung des Instandsetzungsverfahrens 8.3 Sowohl die DAfStb-Richtlinie „Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen“ [RLSIB01] wie auch die Technische Regel „Instandhaltung von Betonbauwerken“ des Deutschen Instituts für Bautechnik (DIBt) [TRIH20] schreiben vor, dass der Erfolg der Instandsetzungsmaßnahme auf den Korrosionsfortschritt durch Monitoring nachzuweisen ist. Die im Rahmen des Forschungsvorhabens durchgeführten Untersuchungen deuten darauf hin, dass dabei maßgeblich die Bestimmung der Korrosionsstromdichte zielführend ist. Nur damit kann gesichert eine anodische Steuerung der Korrosionsprozesse nachgewiesen werden. Hinweise zur Planung und Ausführung des Korrosionsmonitorings sind in [MAY19] oder [MAY18] zu finden. Durch die Bestimmung der spezifischen Elektrolytwiderstände kann die Austrocknung des Betons nachgewiesen werden. Allerdings bedarf es neben der Austrocknung des Betons zusätzlich einer anodischen Steuerung der Korrosionsprozesse („Einschlafen der Lochnarbe“), um die Korrosionsströme auf unkritische Größen reduzieren zu können. Die Messung der freien Korrosionspotentiale ist ungeeignet, um Rückschlüsse auf die Korrosionsströme ziehen zu können. Dank Die Autoren bedanken sich bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für die Förderung des Forschungsvorhabens „Anwendungsgrenzen des Instandsetzungsprinzips W-Cl“, das in Zusammenarbeit der Technischen Universität Kaiserslautern, Fachgebiet Werkstoffe im Bauwesen und der Hochschule München, Institut für Material- und Bauforschung durchgeführt wurde. Literatur [TRIH20] DIBt. 2020. Technische Regel Instandhaltung von Betonbauwerken (TR Instandhaltung) - Teil 1 und Teil 2, Berlin : Beuth. [RLSIB01]DAfStb. 2001. Richtlinie - Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen. Berlin : Beuth. [BEC20] Becker F, Dauberschmidt C. 2020. Investigation on the effectiveness of the repair method 8.3 ‚‘Corrosion protection by increasing the electrical resistivity‘‘ in chloride-containing concrete Part 3: The influence on corrosion of chloride-contaminated concretes under protective coatings. Materials and Corrosion. Volume 71, Issue 5, S. 716-725 [DAU21] Dauberschmidt, C.; Breit, W.; Becker, F.; Celebi, A. 2021. Instandsetzung von chloridbelasteten Bauteilen durch Applikation einer Beschichtung - Untersuchungen zu den Anwendungsgrenzen der Verfahren 7.7 und 8.3. In: Beton- und Stahlbetonbau 116 (2021), Nr. 4, S. 248 - 261 [RAU92] Michael Raupach. 1992. Zur chloridinduzierten Makroelementkorrosion von Stahl in Beton. Schriftenreihe des Deutschen Ausschusses für Stahlbeton, Heft 433, Dissertation. Berlin. Beuth. [AND04] Carmen Andrade, Maria Cruz Alonso. 2004. Test methods for on-site corrosion rate measurement of steel reinforcement in concrete by means of the polarization resistance Method, Materials and structures. Volume 37, Issue 9, S. 623-643 [BRE04] Martin Brem. 2004. Numerische Modellierung der Korrosion in Stahlbetonbauten. Dissertation. Eidgenössische Technische Hochschule Zürich. [HOR17] Karla Hornbostel et. al. 2017. Limitations of the use of concrete bulk resistivity as an indicator for the rate of chloride-induced macrocell corrosion. Cement & Concrete Composites, Volume 39, S. 60-72. [RAU09] Michael Raupach, Michael Bruns, Jörg Harnisch. 2009. Instandsetzungsprinzip W-Cl 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 121 Instandsetzung von chloridbelasteten Bauteilen durch Applikation einer Beschichtung - Verfahren 8.3 - ein verheißungsvolles Instandsetzungsverfahren? nach RL-SIB für die An-wendung bei chloridcontaminierten Parkdecks: Untersuchungen zur Höhe des Chloridgehalts der im Beton verbleiben darf. Abschlussbericht F 889. RWTH Aachen. [RAU17] Michael Raupach. 2017. Prinzip W bei Chloridangriff. Beton, Volume 67, Issue 10, S. 380-383. [KOS17] Marc Kosalla, Michael Raupach. 2017. Korrosion der Bewehrung im Bereich von Trennrissen nach kurzzeitiger Chlorideinwirkung. 2. Jahrestagung und 55. Forschungskolloquium des DAfStb Düsseldorf, 26. November - 27.November. [SCH99] Peter Schießl, Michael Raupach. 1999. Zerstörungsfreie permanente Überwachung der Korrosionsgefahr für die Bewehrung von Stahlbetonbauwerken - Sensorsysteme für den direkten und nachträglichen Einbau. Bauwerksdiagnose - Praktische Anwendungen zerstörungsfreier Prüfungen, München, 21. Januar - 22. Januar. [MAY19] Till F. Mayer et. al. 2019. Das Instandsetzungsprinzip W-Cl. Bautechnik, Volume 97, Issue 1, S. 2-10. [MAY18] Till F. Mayer, et.al. 2018. Korrosionsmonitoring von Stahlbetonbauwerken. Beton- und Stahlbetonbau, Vo-lume 113, Issue 9, S. 632- 639. Kathodischer Korrosionsschutz 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 125 Der Kathodische Korrosionsschutz im Wandel der Zeit und Regelwerke CAB|ONE: Ein intelligentes und leistungsfähiges Überwachungs- und Monitoringsystem Gregor Gerhard 1. Grundlagen TR-Instandhaltung (TR-IH) 2. Ist-Zustandserfassung 3. Instandsetzungsverfahren 7.2„Ersatz von chloridhaltigem oder carbonatisiertemBeton zum Erhalt oder der Wiederherstellung der Passivität Alt: R-CL 4. Instandsetzungsverfahren 8.3 „Beschichtung zur Erhöhung des elektrischen Widerstandes“ Alt: W-CL 5. Instandsetzungsverfahren 10.1„Kathodischer Schutz“ Alt: K 6. CAB|ONE ein intelligentes, innovatives KKS- und Monitoringsystem 1. Grundlagen TR-Instandhaltung 1.1 Neue Bezeichnungen für Instandsetzungsmörtelund-Beton • Betonersatz mit bekannter Zusammensetzung - Beton nach DIN EN 206-1 und DIN1045-2 (ggf. als Trockenbeton), - Spritzbeton nach DIN EN 14487 und DIN 18551, - Betonersatzaus Spritzmörtel mit Anforderungen nach DIN EN 14487 in Verbindung mit DIN 18551, - Betonersatz aus Vergussbeton nach Vergussbetonrichtlinie des DAfStb (Ausgabe Juli 2019) und gemäß DAfStb-RLSIB (Ausgabe Oktober 2001, inkl. der Berichtigung 1 und 3 • Betonersatz mit unbekannter Zusammensetzung 126 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Der Kathodische Korrosionsschutz im Wandel der Zeit und Regelwerke - CAB|ONE - Betonersatz im Handauftrag/ Betonierverfahren (RM und RC) und dieser Technischen Regel nach Teil 2, Tabelle C.2 - Betonersatz im Spritzverfahren (SRM und SRC)und dieser Technischen Regel nach Teil 2, Tabelle C.3 - Polymermörtel(PRM)undPolymerbetone(PRC)im- HandauftragunddieserTechnischenRegelnachTabelleTeil2C.4 • RC (Repair Concrete): Beton als Betonersatz im Handauftrag/ Betonierverfahren mit oder ohne Kunststoffmodifizierung • RM (Repair Mortar): Mörtel als Betonersatz im Handauftrag/ Betonierverfahren mit oder ohne Kunststoffmodifizierung • PRC/ PRM (Polymer Repair Beton/ Mörtel): „Mischungen von reaktiven Polymerbindemitteln und abgestuften Gesteinskörnungen, die durcheine chemische Reaktion, z.B.Polymerisation, Polyaddition oder Polykondensation verfestigen“(DINEN1504-1) • SRC/ SRM (Sprayable Repair Beton/ Mörtel): Spritzbarer Beton als Betonersatz mit oder ohne Kunststoffmodifizierung • Spritzbeton: Spritzbeton ist Beton nach DIN EN 14487-1 in Verbindung mit DIN 18551 mit Gesteinskörnung fürBetonmit einem Größtkorndurchmesser >4 mm,der in einer geschlossenen Schlauch-oder- RohrleitungzurEinbaustellebefördertunddortdurch- Spritzenaufgetragenundverdichtetwird. • Spritzmörtel: Zementmörtel (werksgemischte Trockenmischung) mit Gesteinskörnung für Beton ≤4mm, der wie Spritzbeton nach DINEN14487-1 inVerbindung mit DIN18551 hergestellt, überwacht und verarbeitet wird. 1.2 InstandsetzungsprinzipienTR-IH Prinzip Geregelte Verfahren, die auf denPrinzipien beruhen Anwendbarkeit Anforderungen an die Produkte/ Systeme bei Anwendung des Verfahrens 1 2 3 4 1. Schutz gegen das Eindringen von Stoffen 1.1 Hydrophobierung 1) - Beachtung der Anforderungen nach Tabelle 12 - OS 1(OSA) gemäß Teil2, Anhang A, Tabelle A.3 1.3 Beschichtung 2) - OS 2 (OSB) 3) gemäß Teil 2, Anhang A,Tabelle A.4, - OS 4(OSC) gemäß Teil 2, Anhang A, Tabelle A.5, - OS 5a (OSDII), OS5b (OS DI) gemäß Teil 2, Anhang A,Tabelle A.6, - OS 8 gemäß Teil 2, Anhang A, Tabelle A.7, - OS 11a (OS F a), OS 11 b (OSF b) gemäß Teil 2, Anhang A,Tabelle A.8, - OS 14 gemäß Teil 2, Anhang A, Tabelle A.9 1.4 Lokale Abdeckung von Rissen (Bandagen) - OS 11a (OS F a), OS 11 b (OSF b) gemäß Teil 2,Anhang A,Tabelle A.8, - OS 14 gemäß Teil 2, Anhang A, Tabelle A.9 1.5 Füllen von Rissen oder Hohlräumen 4), 5) - Beachtung der Anforderungen nach Tabellen 13 und 14 - F-I (P), F-V (P) gemäß Teil 2, Anhang B, Tabelle B.1, - F-I (H), F-V(H) gemäß Teil 2, Anhang B, Tabelle B.2, - D-I (P) gemäß Teil 2, Anhang B, Tabelle B.3 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 127 Der Kathodische Korrosionsschutz im Wandel der Zeit und Regelwerke - CAB|ONE 2. Regulierung des Wasserhaushaltes des Betons 2.1Hydrophobierung1) -Beachtung der Anforderungen nach Tabelle 12 - OS1 (OSA) gemäß Teil 2, Tabelle A.3 2.3 Beschichtung 7), 8) - OS 2 (OSB) 3),6) gemäß Teil 2, Anhang A,Tabelle A.4, - OS 4 (OSC) gemäß Teil 2, Anhang A, Tabelle A.5, - OS 5a (OSDII), OS5b (OS DI) gemäß Teil 2, Anhang A, Tabelle A.6, - OS 8 gemäß Teil 2, Anhang A, Tabelle A.7, - OS 11a (OS F a), OS 11 b (OSF b) gemäß Teil 2, Anhang A, Tabelle A.8, - OS 14 gemäß Teil 2, Anhang A, Tabelle A.9 2.6 Füllen von Rissen oder Hohlräumen 9) - Beachtung der Anforderungen nach Tabellen 13 und 14 - F-I (P) gemäß Teil 2, Anhang B, TabelleB.1, - F-I (H) gemäß Teil 2, Anhang B, Tabelle B.2, - D-I (P) gemäß Teil 2, Anhang B, Tabelle B.3 3. Reprofilierung oder Querschnitts-ergänzung 3.1 Kleinflächiger Handauftrag - Beachtung der Anforderungen nach Tabelle 15 - RM, RC gemäß Teil 2, Anhang C, Tabelle C.2, - PRM, PRC 10) gemäß Teil 2, Anhang C,Tabelle C.4 3.2 Betonieren oder Vergießen - Beton nach DINEN 206-1 und- DIN1045-2 (ggf. als Trockenbeton) - Vergussbeton/ -mörtel nach Vergussbetonrichtlinie des DAfStbund gemäß- DAfStb-RLSIB, Berichtigung 3 - RM, RC gemäß Teil 2, Anhang C, Tabelle C.2, - PRM, PRC 11) gemäß Teil 2, Anhang C, Tabelle C.4 3.3 Spritzauftrag - Spritzbeton nach DINEN14487/ DIN18551 - Spritzmörtel mit Anforderungen nach DINEN14487/ DIN18551 - SRM, SRC gemäß Teil 2, Anhang C, Tabelle C.3 3.4 Auswechseln von Bauteilen - Nach DIN EN 1992-1-1 128 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Der Kathodische Korrosionsschutz im Wandel der Zeit und Regelwerke - CAB|ONE 4. Verstärkung des Betontragwerks 12) 4.1 Zufügenund Auswechseln von eingebetteten Bewehrungsstäben - Beachtung der Anforderungen nach Tabelle 15 - Beton nach DIN EN 206-1 und DIN 1045-2 (ggf. als Trockenbeton) - RM, RC gemäß Teil 2, Anhang C, Tabelle C.2, - Spritzbeton nach DIN EN 14487 und DIN 18551, - SRM, SRC gemäß Teil 2, Anhang C, Tabelle C.3 4.3 Verstärkung durch geklebte Bewehrung - Beachtung der DAfStb-Richtlinie „Verstärken von Betonbauteilen mit geklebter Bewehrung“ 4.4 Querschnittsergänzung durch Mörtel oder Beton - Beachtung der Anforderungen nach Tabelle 15 - Beton nach DIN EN 206-1 und DIN 1045-2 (ggf. alsTrockenbeton) - RM, RC gemäß Teil 2, Anhang C, Tabelle C.2, - Spritzbeton nach DIN EN 14487 und- DIN 18551, - SRM, SRC gemäß Teil 2, Anhang C, Tabelle C.3 4.5 Füllen von Rissen 13) oder Hohlräumen 5), 14) - Beachtung der Anforderungen nach Tabellen 13 und 14 - F-I (P), F-V (P) gemäß Teil 2, Anhang B, Tabelle B.1, - F-I (H), F-V (H) gemäß Teil 2, Anhang B,Tabelle B.2 5. Erhöhung des physikalische Widerstandes 5.1 Beschichtung 15) - Beachtung der Anforderungen nach Tabelle 12 - OS 8 gemäß Teil 2 Anhang A, Tabelle A.7, - OS 14 gemäß Teil 2 Anhang A, Tabelle A.9 5.3 Mörtel- oder Betonauftrag 16) - Beachtung der Anforderungen nach Tabelle 15 - Es sind die Verfahren 3.1, 3.2 oder 3.3 anwendbar - Beton nach DIN EN 206-1 und DIN 1045-2 (ggf. als Trockenbeton) - RM, RC gemäß Teil 2, Anhang C, Tabelle C.2, - Spritzbeton nach DIN EN14487 und DIN 1855117) - SRM, SRC gemäß Teil 2, Anhang C, Tabelle C.31 7) 6. Erhöhung des Widerstands gegen chemischen Angriff 6.1 Beschichtung 18) - Beachtung der Anforderungen nach Tabelle 12 - OS 4 (OSC)gemäß Teil 2, Anhang A, Tabelle A.5, - OS 5a (OSDII), OS5b (OSDI) gemäß Teil 2, Anhang A,Tabelle A.6, - OS 8 gemäß Teil 2, Anhang A, Tabelle A.7, - OS 11a (OS F a), OS 11 b (OS F b) gemäß Teil 2,Anhang A,Tabelle A.8, - OS 14 gemäß Teil 2, Anhang A, Tabelle A.9 6.3 Mörtel- oder Betonauftrag 19) - Anwendung unter Beachtung der Anforderungen nach Tabelle 15 - Es sind die Verfahren 3.2 oder 3.3 anwendbar - Beton nach DIN EN 206-1 und DIN 1045-2 (ggf. als Trockenbeton) - RM, RC gemäß Teil 2, Anhang C, Tabelle C.2, - Spritzbeton nach DIN EN 14487 und DIN 18551 - SRM, SRC gemäß Teil 2, Anhang C, Tabelle C.3 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 129 Der Kathodische Korrosionsschutz im Wandel der Zeit und Regelwerke - CAB|ONE 7. Erhalt oder Wiederherstellung der Passivität 7.1 Erhöhung bzw.Teilersatz der Betondeckung mit zusätzlichem Mörtel oder Beton - Anwendung unter Beachtung der Anforderungen nach Tabelle 15 - Es sind die Verfahren 3.1, 3.2 oder 3.3 anwendbar - Beton nach DIN EN 206-1 und DIN 1045-2 (ggf. als Trockenbeton) - Vergussbeton/ -mörtel nachVergussbetonrichtlinie des DAfStbund gemäß- DAfStb-RLSIB, Berichtigung 3 - RM, RC gemäß Teil 2, Anhang C, Tabelle C.2, - Spritzbeton nach DINEN 14487 und DIN 18551, - SRM, SRC gemäß Teil 2, Anhang C, TabelleC.3 7.2 Ersatz von chloridhaltigem oder carbonatisiertem Beton - Beton nach DIN EN 206-1 und DIN 1045-2 (ggf. als Trockenbeton) - Vergussbeton/ -mörtel nach Vergussbetonrichtlinie des DAfStbund gemäß- DAfStb-RLSIB, Berichtigung 3 - RM, RC gemäß Teil 2, Anhang C, Tabelle C.2, - Spritzbeton nach DIN EN 14487und- DIN 18551 - SRM, SRC gemäß Teil 2, Anhang C, Tabelle C.3 7.4 Realkalisierung von carbonatisiertem Beton durch Diffusion - Beton nach DIN EN 206-1 und DIN 1045-2 (ggf. als Trockenbeton) - Vergussbeton/ -mörtel nach Vergussbetonrichtlinie des DAfStbund gemäß- DAfStb-RLSIB, Berichtigung 3 - RM, RC gemäß Teil 2, Anhang C, Tabelle C.2, - Spritzbeton nach DIN EN 14487 und DIN 18551, - SRM, SRC gemäß Teil 2, Anhang C, Tabelle C.3 7.6 Füllen von Rissen oder Hohlräumen 1),2) - Beachtung der Anforderungen nach Tabellen 13 und 14 - F-I (P), F-V (P) gemäß Teil 2, Anhang B, Tabelle B.1, - F-I (H), F-V (H) gemäß Teil 2, Anhang B, Tabelle B.2, - D-I (P) gemäß Teil 2, Anhang B, Tabelle B.3 7.7 Beschichtung 1) - Beachtung der Anforderungen nach Tabelle 12 - OS 2 (OS B) 3) gemäß Teil 2, Anhang A, Tabelle A.4 - OS 4 (OS C) gemäß Teil 2, Anhang A, Tabelle A.5, - OS 5a (OS DII), OS 5b (OS DI) gemäß Teil 2, Anhang A,Tabelle A.6 - OS 8 gemäß Teil 2, Anhang A, Tabelle A.7 - OS 11a (OS F a), OS 11 b (OS F b) gemäß Teil 2, Anhang A, Tabelle A.8 - OS 14 gemäß Teil 2, Anhang A, Tabelle A.9 7.8 Lokale Abdeckung von Rissen (Bandagen) 1) - OS 11a (OS F a), OS 11 b (OS F b) gemäß Teil 2, Anhang A, Tabelle A.8, - OS 14 gemäß Teil 2, Anhang A, TabelleA.9 130 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Der Kathodische Korrosionsschutz im Wandel der Zeit und Regelwerke - CAB|ONE 8. Erhöhung deselektrischenWiderstandes 8.1 Hydrophobierung 4) - Beachtung der Anforderungen nach Tabelle1 2 - OS 1 (OS A) 5) gemäß Teil 2, Tabelle A.3 8.3 Beschichtung 6) - OS 2 (OS B) 3) gemäß Teil 2, Anhang A, Tabelle A.4 - OS 4 (OS C) gemäß Teil 2, Anhang A, Tabelle A.5 - OS 5a (OS DII), OS 5b (OSDI) gemäß Teil 2, Anhang A, Tabelle A.6, - OS 8 gemäß Teil 2, AnhangA, Tabelle A.7 - OS 11a (OS Fa), OS 11b (OS Fb) gemäß Teil 2, Anhang A, Tabelle A.8 - OS 14 gemäß Teil 2, Anhang A, Tabelle A.9 10. Kathodischer- Schutz 10.1 Anlegeneines elektrischen Potenzials 7) - Anwendung unter Beachtung der Anforderungen nach Tabelle 15 - RM, RC gemäß Teil 2, Anhang C, Tabelle C.2 - SRM, SRC gemäß Teil 2, Anhang C, Tabelle C.3 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 131 Der Kathodische Korrosionsschutz im Wandel der Zeit und Regelwerke - CAB|ONE 2. Ist-Zustandserfassung Erforderliche Untersuchungen: • Visuelle Prüfung • Aktenstudium (Bewehrungspläne, Statik, Gründung, Fertigteile, Grundwasser usw.) • Potenzialfeldmessung • Betondeckungsmessung, erhöhte Anforderung bei Instandsetzungsverfahren 10.1, KKS • Karbonatisierung • Chloridgehalte • Öffnungsstellen zur Kontrolle des Korrosionsgrades • Durchleitende Verbindung (nur bei Instandsetzungsverfahren 10.1, KKS) • Betonwiderstandsmessung (erhöhter Aufwand bei- Instandsetzungsverfahren 8.3, W-CL) • Beurteilung der Standsicherheit (bei 8.3 und 10.1); auch bei Bauzuständen (hier besonders bei Instandsetzungsverfahren 7.2, R-CL) 3. Instandsetzungsverfahren 7.2 „Ersatz von chloridhaltigem oder carbonatisiertem Beton zum Erhalt oder der Wiederherstellung der Passivität“ 132 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Der Kathodische Korrosionsschutz im Wandel der Zeit und Regelwerke - CAB|ONE (5) Der Altbeton mit Chloridgehalten oberhalb der kritischen, korrosionsauslösenden Werte ist vollständig zu entfernen (siehe Abbildung 7). Bei großen Chlorideindringtiefen muss der Beton bis mindestens 30 mm hinter die Bewehrung entfernt werden (siehe Abbildung 8). In diesem Fall darf der Chloridgehalt im verbleibenden Altbeton 1,5 M-%, bezogen auf den Zementgehalt, nicht überschreiten. Höhere, verbleibende Chloridgehalte im Altbeton sind nur bei entsprechenden Nachweisen zulässig. ANMERKUNG: Schwankungen der Chlorideindringtiefen können durch Sicherheitszuschläge berücksichtigt werden. (9) Mit folgendem Betonersatz kann man das Instandsetzungsziel vereinfacht erreichen: - Beton nach DIN EN 206-1 in Verbindung mit DIN 1045-2 (ggf. Lieferung als Trockenbeton) - Spritzbeton nach DIN EN 14487 in Verbindung mit DIN 18551, - Vergussbeton nach DAfStb-Richtlinie Dabei sind die Betondeckungen für eine Nutzungsdauer von 50 Jahren deskriptiv auf Basis der relevanten Expositionsklassen XC, XS und XD unter Einhaltung der Anforderungen an die Mindestbetondeckung nach DIN EN 1992-1-1/ NA sowie der Anforderung an den Baustoff und Bauausführung in den entsprechenden Normen festzulegen. (11)Polymermörtel (PRM) oder Polymerbeton (PRC) sind für dieses Verfahren nicht anwendbar, da die Annahmen in Abbildung 6 nur für zementgebundenen Betonersatz gelten. (12)Ergänzend kann die Bewehrung in besonderen Fällen in all jenen Bereichen, die während der Restnutzungsdauer depassiviert werden können, vor Korrosion durch eine zusätzliche mineralische Beschichtung der Bewehrung geschützt werden. 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 133 Der Kathodische Korrosionsschutz im Wandel der Zeit und Regelwerke - CAB|ONE 134 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Der Kathodische Korrosionsschutz im Wandel der Zeit und Regelwerke - CAB|ONE 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 135 Der Kathodische Korrosionsschutz im Wandel der Zeit und Regelwerke - CAB|ONE 4. Instandsetzungsverfahren 8.3 „Beschichtung zur Erhöhung des elektrischen Widerstandes“ 136 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Der Kathodische Korrosionsschutz im Wandel der Zeit und Regelwerke - CAB|ONE (8) Es ist zu beachten, dass durch Tränkung im Allgemeinen nur oberflächennahe Rissbereichegefüllt werden können. Der ursprüngliche Verbund des ungerissenen Querschnitts wird dahernur teilweisewiederhergestellt, wasbeider Beurteilung des RisikoseinererneutenRissbildung zu berücksichtigen ist. Aus gleichem Grunde stellt die Tränkung bereits beigeringenRissbreitenänderungenimRegelfallkeinegeeigneteMaßnahmezumFüllendar. (9) Sofern erforderlich, sind die Rutschhemmung oder die Rauheit von befahrenen Flächen beiOS 8, OS 11 oder OS 14 nachzuweisen (Prüfverfahren siehe Tabelle 1, Zeile 2.13 und 2.14).DerSKPlegthierfürAnforderungenfest. (10)Bei befahrbaren Flächen können Ausgleichsschichten gemäß Teil 2 dieser TechnischenRegel(sieheA.5) unterdemOberflächenschutzsystemaufgetragenwerden. 5. Instandsetzungsverfahren 10.1 „Kathodischer Schutz“ 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 137 Der Kathodische Korrosionsschutz im Wandel der Zeit und Regelwerke - CAB|ONE 138 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Der Kathodische Korrosionsschutz im Wandel der Zeit und Regelwerke - CAB|ONE 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 139 Der Kathodische Korrosionsschutz im Wandel der Zeit und Regelwerke - CAB|ONE 140 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Der Kathodische Korrosionsschutz im Wandel der Zeit und Regelwerke - CAB|ONE 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 141 Der Kathodische Korrosionsschutz im Wandel der Zeit und Regelwerke - CAB|ONE 142 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Der Kathodische Korrosionsschutz im Wandel der Zeit und Regelwerke - CAB|ONE 5.1 Zusammenfassung und Vergleich der Instandsetzungsverfahren 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 143 Der Kathodische Korrosionsschutz im Wandel der Zeit und Regelwerke - CAB|ONE 6. CAB|ONE ein intelligentes, innovatives KKS- und Monitoringsystem LeistungsmerkmaleCAB|ONE • Vollkommene Neu- und Eigenentwicklung (individuelle Anpassungen möglich). • Alle Anodenanschlüsse sind völlig unabhängig voneinander Mess- und Steuerbar. • Mehrfachknoten für Referenz- und Anodenanschlüsse, unabhängig von Schutzzonen möglich. • Damit ist eine vollkommene und lückenlose Überwachung gewährleistet. • Ein-Kabel-Lösung. Schnelle Installation und optisch hochwertig. Auch bei sehr schwierigen Einbausituationen sehr leicht möglich. • Drehwiderstände, Schutzstromführende Kabel und Sense-Leitungen, kabelpritschen und große Kabelkanäle entfallen. • Als Steuerungselement (Hauptsteuerungskasten) ist nur noch ein sehr kleiner ca. 50x50x15 cm³ kleiner Steuerungskasten erforderlich, egal wie groß die Anlage ist. Keine Wärmebelastung. • Fernüberwachung ist lückenlos möglich, Vielzahl von Alarmwächter individuell einstellbar. Damit ist eine jährliche Begehung eigentlich unnötig, wenn die Anlage fehlerfrei läuft. 144 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Der Kathodische Korrosionsschutz im Wandel der Zeit und Regelwerke - CAB|ONE 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 145 KKS im Grenzbereich von Sonderkonstruktionen - Instandsetzung mit KKS im Grenzbereich Detlef Koch Koch GmbH, Kreuztal Björn Neuberger Koch GmbH, Kreuztal Zusammenfassung Hohe Schädigungsgrade, zunehmendes LKW-Gewicht, steigendes Verkehrsaufkommen und klimatische Einflüsse sind nur einige Parameter, die Bedarf für ideenreiche Instandsetzungskonzepte für Parkbauten schaffen. Immer häufiger spielen dabei auch schnelle Instandsetzungen mit geringen Aufbauhöhen, kurzen Ausfallzeiten und facettenreichen Individuallösungen eine Rolle. Kathodischer Korrosionsschutz (KKS) hat sich insbesondere in der Instandsetzung von Stahlbetonbauteilen, welche Korrosionsschäden infolge Chlorideintrag aufweisen, bewährt. Komplexe Sonderkonstruktionen benötigen dabei KKS-Systeme, welche v. a. auf die individuellen Systemschwächen der jeweiligen Bauweise abgestimmt sind. Zu solchen Konstruktionen gehören z.B. Stahlverbundbauwerke, Kassettendecken oder Doppelhelixstrukturen. Komplexe Schadensbilder durch die Korrelation von Korrosion mit gleichzeitiger mechanischer Überlastung benötigen entsprechende Individuallösungen. Mit dem Einsatz von Carbonbeton als Anodensystem für den KKS kann einerseits mit der Carbonbewehrung eine Flächenanode mit großer Oberfläche eingesetzt werden und andererseits ein Ersatz oder eine Ergänzung von Stahlbewehrung erfolgen. Durch diesen sogenannten KKS-Carbonbeton werden häufig nur geringe Eingriffe in die Bauwerkssubstanz erforderlich und lassen somit Instandsetzungen im Grenzbereich von Sonderkonstruktionen zu. 1. Korrosion Bewehrungsstähle werden durch dünne Oxidschichten vor zunehmender Korrosion geschützt. Ein solcher Korrosionsschutz bildet sich auf der Oberfläche des Stahls bei einer hohen Alkalität des Porenwassers. Der pH-Wert beträgt dabei etwa >12,6. Ist der Beton ausreichend diffusionsfähig, beispielsweise durch Risse oder Poren, können Schadstoffe immer weiter in den Beton eindringen und in Richtung Stahl diffundieren. Diese Umstände können zunehmend zu Korrosion der Stahlbewehrung führen. Zu den relevantesten Schadstoffen gehören Chlorid(Cl-)-haltige Elektrolytlösungen, welche beispielsweise in Tausalzen vorhanden sind, sowie zunehmende Kohlendioxid(CO 2 )-Belastungen des Betons. Der kritische Chloridgehalt wird häufig mit 0,4-0,5 [M.- %] bezogen auf den Zementgehalt angenommen, was sich allerdings nachweislich nicht pauschalisieren lässt. Dies liegt hauptsächlich daran, dass Korrosionsgeschwindigkeit und -rate auf Grund von vielen weiteren Bedingungen abweichende Chloridbelastungen kritischer aber, auch unkritischer erscheinen lassen können. Die eingedrungenen Chloride können die Passivschicht der Bewehrung lokal am Eindringort zerstören und zu Korrosion führen. Dabei entstehen verschieden polarisierte Elemente, und es kommt zu einer Makroelementbildung. Ein depassivierter Bereich des Stahls wirkt dabei als Lokalanode und der passivierte Umgebungsbereich als Kathode. Unterschiedlich stark ausgeprägte Stromdichten und Potentiale führen zu lokal stark schwankenden und ausgeprägten Korrosionsprozessen. [1] Neben der chloridinduzierten Korrosion gilt die Karbonatisierung als eine der häufigsten Korrosionsursachen, welche meist durch mangelhafte Bauausführungen und zu geringe Betondeckungen verursacht wird. Erfolgt eine Depassivierung infolge Karbonatisierung, ist eine erhöhte Eisenauflösung die Folge. Der pH-Wert des Betons sinkt dabei deutlich ab (bis auf einen pH-Wert von ca. 9), wodurch kein alkalisches Milieu mehr gegeben ist. Das Calciumoxid des Betonporenwassers reagiert mit dem Kohlendioxid der Atmosphäre zu Calciumcarbonat. Im nächsten Schritt findet eine Entkalkung statt, welche den pH-Wert senkt und einen Abtrag erleichtert. [5] Eine gängige Instandsetzungsmethode zum Schutz voranschreitender Korrosion stellt der kathodische Korrosionsschutz da. 146 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 KKS im Grenzbereich von Sonderkonstruktionen - Instandsetzung mit KKS im Grenzbereich 2. Kathodischer Korrosionsschutz Das Prinzip des Kathodischen Korrosionsschutzes besteht darin, durch Einleitung eines Gleichstromes den Korrosionsvorgang von unlegierten oder niedriglegierten Stählen (z.B. Betonstahl) in einem ausgedehnten Elektrolyten (Böden, Meerwasser, bei Anwendung in Stahlbeton: Beton) elektrisch zu beeinflussen. [1] Dieser Gleichstrom (Schutzstrom) bewirkt eine Verschiebung des elektrochemischen Potentials des zu schützenden Metalls in negative Richtung, wodurch die Metalloberfläche kathodisch polarisiert wird und schädigende Korrosion unterbunden wird. Zur Aufprägung eines Schutzstroms bei einem Fremdstrom-Anodensystem muss zunächst eine dauerhafte und korrosionsresistente Anode (z.B. aus Mischmetalloxid-beschichtetem Titan oder Carbon) an den Beton angekoppelt und an den Pluspol eines als Spannungsquelle dienenden Gleichrichters angebracht werden. Der Minuspol der Gleichspannung wird an den zu schützen-den Stahl (bei Stahlbeton an die Bewehrung) angeschlossen. [1] Nach Einschalten der Gleichspannung wird der zu schützende Stahl kathodisch polarisiert und bei geeigneter Schutzstromauslegung die Korrosion auf ein zu vernachlässigendes Maß reduziert. 2.1 Anodensysteme im KKS • Titanbandanode • Titanstabanode (Diskretanode) • Leitfähige Beschichtung • Kohlenstoffanoden (z.B. Carbonbeton) 3. Carbonbeton Obwohl Stahl ein bewährtes und das am häufigsten verwendete Bewehrungsmaterial für Mörtel/ Beton ist, stellen sich Carbonbewehrungen aufgrund ihrer Korrosionsunempfindlichkeit gegenüber Säure und Alkalien als eine vielversprechende Alternative dar. Mechanisch hebt sich Carbon insbesondere durch seine sehr hohe Zugfestigkeit (bis zu 3500 N/ mm²) bei gleichzeitig geringem Gewicht (in etwa viermal leichter als Stahl) von den direkten Konkurrenten wie Stahl, Glasfaser oder Basalt ab. Zusätzlich weist Carbon eine gute elektrische Leitfähigkeit auf und eignet sich somit als Anodenmaterial für den KKS. [2] Endlosfasern aus Carbon, auch Filamente genannt, bilden die Grundstruktur von Carbonbewehrungen. Typische Filamentdurchmesser liegen bei ca. 7 µm. Um die nachfolgende textile Verarbeitung der Filamente zu ermöglichen wird eine sog. Schlichte auf Polymerbasis mit einer Dicke von ca. 100 nm aufgetragen. Danach können bis zu 50.000 Einzelfilamente zu Garnen gebündelt werden, wobei typische Garndurchmesser etwa zwischen 0,6 und 2,5 mm groß sind. Aus den Garnen werden über Textilmaschinen gitterförmige ebene (2D) oder dreidimensionale textile Strukturen gewoben. Dabei wird axial zwischen Kett- (längs) und Schussrichtung (quer) und unterschieden. Typische Maschenweiten liegen zwischen 8 und 38 mm und können recht-eckig oder quadratisch variiert werden. Die spezifischen Gewichte der entstehenden getränkten Gitterstrukturen liegen dabei typischerweise zwischen 150 und 650 g/ m², wobei Flächenquerschnitte von 34-142 mm²/ m erzielt werden. Zusätzlich zu den gitterförmigen Bewehrungsstrukturen werden aus den Garnen, in Kombination mit einer Polymermatrix, profilierte Stabbewehrungen im Pultrusionsverfahren hergestellt. Typische Außendurchmesser liegen zwischen 4 und 12 mm. Anders als bei Carbonstäben, die bereits nach der Her-stellung formstabil sind, werden Gitter, auch textile Bewehrungen genannt, in einem weiteren Verarbei-tungsschritt mit einem Polymer (meist Epoxidharze, Polyurethane, Polymethylmethacrylat oder auf Styrol-Basis) getränkt, um diese für den Transport und den Einbau zu schützen, die Zugfestigkeit der Bewehrung zu erhöhen und den Verbund zum Mörtel bzw. Beton zu verbessern. Dabei wird die textile Carbonbewehrung mittels speziellen Umlenkrollen durch Behälter mit den Tränkungsmaterialien geführt. Durch das anschließen-de Abstreifen auf Rollen unter Druck finden dabei eine zusätzliche Verdichtung sowie ein Entfernen über-schüssiger Tränkungsmaterialien statt. Im Anschluss erfolgt die Trocknung und Aushärtung. [3] Während eine Tränkung der textilen Bewehrung den inneren Verbund erhöht, kann der äußere Verbund zwischen textiler Carbonbewehrung und Mörtel-/ Betonmatrix deutlich verbessert werden, wenn zusätzlich eine Oberflächenmodifikation z. B. mittels nach-träglicher Beschichtung und Besandung des getränkten Textils erfolgt. Diese Oberflächenmodifikation (Beschichtung bzw. Coating genannt) erhöht die Rauheit der Textilien und somit die Verbundwirkung, welche sich günstig auf die Rissanzahl bzw. Rissabstände und Rissbreiten auswirkt. Die gängigsten Einbettmaterialien sind reinzementgebundene Mörtel und Feinbetone. Dabei können alle Formen der Verarbeitbarkeit des Materials durch die speziellen Applikationsverfahren ausgeführt werden. Besonders wichtig ist, das Größtkorn mit der verwendeten Maschenweite des Geleges abzustimmen. So werden beispielsweise häufig bei geringen Maschenweiten maximal zulässige Größtkörner von rund 4 mm angegeben. 3.1 KKS-Carbonbeton Aufgrund der Tatsache, dass sich Carbonbewehrungen als elektrische Leiter eignen, werden diese zunehmend häufiger für KKS Anwendungen eingesetzt. Das Carbonbetonsystem wird dabei nach Bild 1 aufgebaut und direkt auf die vorbereiteten Betonoberflächen aufgebracht. Dabei wird eine speziell modifizierte textile Carbonbewehrung (Gelege oder Gewebe) in einem geeigneten Mör- 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 147 KKS im Grenzbereich von Sonderkonstruktionen - Instandsetzung mit KKS im Grenzbereich tel eingebettet. Dieser Mörtel besitzt im Idealfall einen geringen elektrischen Eigenwiderstand, niedrige Übergangswiderstände zum Carbon, sowie zum Untergrundbeton, um eine leichtere Polarisation zu ermöglichen. [4] Abbildung 1: Aufbau des KKS-Carbonbetons Die mechanischen Eigenschaften (E-Modul, Druck- und Biegezugfestigkeiten etc.) sowie (falls erforderlich) Oberflächenschutzsysteme sind dabei auf den speziellen Anwendungsfall angepasst. Der kathodische Korrosionsschutz wird hierbei hergestellt, indem die Bewehrung des Stahlbetons an den Minuspol einer Gleichstromquelle angeschlossen wird, bei gleichzeitiger anodischer Schaltung der textilen Carbonbewehrung. Eine Stromeinspeisung erfolgt da-bei über MMO-beschichtete Titanbänder (als Primäranode), siehe Abbildung 1 und 2. [4] Nachfolgend ist ein schematischer Aufbau eines typischen linearen KKS-Carbonbetons eines Rissbereichs im Parkhaus dargestellt. Abbildung 2: Anschlussdetail KKS Carbonbeton 4. Beispiele für KKS im Grenzbereich Nachfolgend werden eigene Beispiele und Bilder für KKS im Grenzbereich dargestellt. Einige Randinformationen zu den Objekten sind den Auflistungen und Bildunterschriften zu entnehmen. Objekt 1: Multiple Risse durch späten Zwang einer Tiefgarage in Siegen • Baujahr 2006, 3200 m² • ausgebildet als weiße Wanne mit starrem OS • multiple Risse (v. a. > 0,5 mm) • späte Zwänge • vielfache vergebliche Vorsanierungen Abbildung 3: Ausschnitt der Risskartierung Abbildung 4: Linearer KKS-Carbonbeton in den Rissbereichen einer Tiefgarage zur lokalen Verstärkung und Kathodischem Schutz 148 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 KKS im Grenzbereich von Sonderkonstruktionen - Instandsetzung mit KKS im Grenzbereich Objekt 2: Stahlverbund-Parkhaus in Siegen • Baujahr 1991, 21.000 m² • Stahlverbundbauweise • massive Schäden in Fugen und Rissbereichen • hohe Chloridwerte Abbildung 5: Typische Felder der Additivdecken Abbildung 6: Besonders bedarfsgerechter KKS einer Stahlskelettverbundkonstruktion mit einzelnen Schutzbereichen Objekt 3: Kassettendecke einer Tiefgarage in München • Baujahr 1967, 780 m² • Kassettendecke • 8 cm Deckenstärke • aktive Korrosion • multiple Risse • hohlliegender Estrich Abbildung 7: KKS Planung einer Kassettendecke eines Parkhauses mittels verschiedener Anodentypen Abbildung 8: Unterseite der Deckenkonstruktion Objekt 4: Stützensanierung mit geringem Zeitfenster in einer Verzinkerei in Freudenberg • Baujahr 1969 • Stahlbetonstützen, Spannbetonbinder • Mangelhafte Oberflächenschutzsysteme • aktive Korrosion • hohe Chloridwerte durch Salzsäurebecken • keine Sperrzeiten möglich 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 149 KKS im Grenzbereich von Sonderkonstruktionen - Instandsetzung mit KKS im Grenzbereich Abbildung 9: KKS + Carbonbeton von Stützen einer Verzinkerei Abbildung 10: Instandsetzung bei laufendem Betrieb Objekt 5: KKS mit AKR-Problematik an einem Tiefwasseranleger in Wilhelmshaven • Stahl- und Spannbetonkonstruktionen • Meerwasserbeaufschlagung • Komplexes Schadensbild aus chloridinduzierter Korrosion und AKR • Vielzahl an Rissen und Hohllagen • bereits starke Bewehrungsschäden Abbildung 11: Landungsbrücke in Wilhelmshaven Abbildung 12: Umfangreicher KKS einer Landungsbrücke der Nordsee Objekt 6: KKS bei hohen Bewehrungsgraden in einem Parkhaus in Bielefeld • Baujahr 1965, 19.000 m² • Stahlbetonbauweise (größtenteils Ortbeton) • geringe Durchfahrtshöhe (1,80 m) • hohe Frequentierung (Innenstadt), durchgehend geöffnet • hoher Bewehrungsgrad • Pilzdecken mit mangelhafter Sicherheit gegen Durchstanzen • massive Korrosionsschäden 150 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 KKS im Grenzbereich von Sonderkonstruktionen - Instandsetzung mit KKS im Grenzbereich Abbildung 13: Beispiel des hohen Bewehrungsgrads eines durch Höchstdruckwasserstrahlen freigelegten Bereiches Abbildung 14: Kombination verschiedener Anodensysteme in einem Parkhaus Objekt 7: Komplexe Doppelhelixstruktur eines Parkhauses in Kassel • Baujahr 1957, 350 Stellplätze • komplexe Doppelhelixbauweise • Stellplätze 5-6 % geneigt • hohe Frequentierung (Innenstadt) • mangelhafte Vorsanierungen • undichte Kreuzfugen über alle Ebenen • massive Korrosionsschäden • Vielzahl an Trennrissen Abbildung 15: Darstellen von zwei sich kreuzenden Ebenen der Doppelhelixstruktur Abbildung 16: Beispiel einer Kreuzfuge im Zentrum der Doppelhelix des Parkhauses Objekt 8: Stahlbetonskelettbauweise einer Tiefgarage Stuttgart • Baujahr 1971, 12.600 m² • Stahlbetonskelettbauweise (Anselmentkonstruktion) • Hohllagen unter der Beschichtung • hohe Chloridwerte • fortgeschrittene Carbonatisierung • Vielzahl an Rissen • mangelhafte Betondeckung 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 151 KKS im Grenzbereich von Sonderkonstruktionen - Instandsetzung mit KKS im Grenzbereich Abbildung 17: Foto der Anselmentkonstruktion Abbildung 18: Auszug der Originalpläne mit typischer Querschnittsänderungen der Deckenplatten Abbildung 19: Hohllage und Bewehrungskorrosion am Stützensockel Literaturverzeichnis [1] W. Beckmann und W. Schwenk, Handbuch des Kathodischen Korrosionsschutz, 1999. [2] D. Koch und B. Neuberger, Der Zukunftspreis in Parbauten, Esslingen: Tagungsband Parkbauten, TAE, 2017. [3] C. Kulas, Zum Tragverhalten getränkter textiler Bewehrungselemente für Betonbauteile, RWTH Aachen: Dissertation, 2013. [4] A. Asgharzadeh, M.Raupach, D.Koch und M. Mahjoori, Kathodischer Korrosionsschutz für Parkbauten mit carbontextilbewehrtem Spezialmörtel, 2016. [5] B. Neuberger, „Ein Beitrag zur Untersuchung von Einflussfaktoren auf die elektrische Leitfähigkeit von Betonen und Mörteln in kathodischen Korrosionsschutzsystemen,“ Universität Siegen, Siegen, 2018. Instandsetzung 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 155 Instandsetzung einer Großgarage im olympischen Dorf München von 1972 - Wie eine Betoninstandsetzung zur Generalinstandsetzung wurde Dipl.-Ing. (FH) Robert Plückthun bti Betontechnologische Ing.-Gesellschaft mbH, München Zusammenfassung Bisher war es in der Praxis Gang und Gäbe, dass bei Betoninstandsetzungen die anderen Gewerke wie z.B. Brandschutz, Elektro, Entwässerung und Lüftung nicht beachtet wurden, da ein Planungsbüro allein gewöhnlich nicht alle Bereiche abdeckt oder der Bauherr „nur“ den Beton instand setzen lassen wollte. Garageninstandsetzungen haben sich in Bayern durch die Klarstellung in den ergänzenden Hinweisen des bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr nun stark verändert. Je nach Sachbearbeiter der Stadt oder der Gemeinde schwanken die Anforderungen an die einzureichenden Unterlagen. Die Baueingabe für die Instandsetzung der Zentrumsgarage, Helene-Mayer-Ring 4-19, des Olympiadorfes in München deckte durch die Überprüfung des Brandschutzes u.a. einen Sanierungsstau auf, der die Sanierung aller Installationen der Garage hervorrief und die Kosten einer reinen Betoninstandsetzung im Vergleich zu einer Generalinstandsetzung verdoppelte. 1. Die Garage Zu den Olympischen Sommerspielen 1972 wurde auf dem Gelände des früheren Flugplatzes „Oberwiesenfeld“ das olympische Dorf errichtet. In überwiegend Stahlbeton-Fertigteil-Bauweise wurden verschiedenste Gebäude errichtet, die oberirdisch mit Fuß- und Radwegen verbunden wurden. Autos sollten in diesem „Dorf“ unsichtbar bleiben, weshalb die Fahrstraßen und Parkgaragen unter den Fuß- und Radwegen erbaut wurden. Nach den olympischen Spielen wurde das olympische Dorf in einzelne Wohnungseigentümergemeinschaften (WEGs) untergliedert. Das Gelände des Olympiaparks steht seit 1998 unter Denkmalschutz und ist derzeit im Aufnahmeprozess zum UNESCO Weltkulturerbe. Die Zentrumsgarage des Helene-Mayer-Rings ist mit ihren gemäß den Plänen 1.013 Stellplätzen auf 4 verschiedene WEGs mit jeweils unterschiedlicher Hausverwaltung aufgeteilt. Sie besteht aus 4 versetzt übereinander liegenden Ebenen mit insgesamt ca. 30.000 m² Grundfläche. 2. Betoninstandsetzung Das Ingenieurbüro BTI wurde Ende 2016 beauftragt Betonuntersuchungen durchzuführen, die die Grundlage für ein Instandsetzungskonzept liefern sollten. Nach der Erstellung des Konzeptes inklusive Kostenschätzung und Kostenvarianten wurden die Ergebnisse auf allen vier Eigentümerversammlungen präsentiert und besprochen. Die verschiedenen Eigentümerversammlungen machten es notwendig einen „gleichlautenden“ WEG-Beschluss zu fassen, damit die Instandsetzung überhaupt beginnen konnte. Die WEGs beauftragten BTI schließlich 2018 mit der Ausschreibung der Betoninstandsetzung. Die Kosten der beauftragten Variante der Betoninstandsetzung wurden auf ca. 10,3 Mio. € brutto geschätzt. Der preisgünstigste Anbieter lag nach der Vergabeverhandlung bei 9,4 Mio. € brutto und wurde im Laufe des Jahres 2019 mit der Betoninstandsetzung in 3 Bauabschnitten beauftragt. Die Garageninstandsetzung wurde in 3 Bauabschnitte (2020 - 2022) übereinander aufgeteilt, damit die statisch notwendigen Abstützungen über alle Geschosse durchgestützt werden können. Dies hatte weiterhin den Vorteil, dass die mehr als 1.000 Stellplätze nicht auf einmal gesperrt werden mussten, die finanzielle Belastung der Eigentümer auf mehrere Jahre verteilt wird und im Winter die Parkplätze wieder genutzt werden können. 3. Baueingabe gem. BayBO / Prüfung Brandschutz Mit Schreiben vom 24.07.2017 hat das bayerische Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr unter Punkt 6 Ergänzende Hinweise erstmals das Thema Verfahrens- 156 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Instandsetzung einer Großgarage im olympischen Dorf München von 1972 - Wie eine Betoninstandsetzung zur Generalinstandsetzung wurde freiheit der Instandhaltungsarbeiten (Punkt 6.1) angesprochen: „Wir weisen darauf hin, dass Instandhaltungsarbeiten nur dann verfahrensfrei i.S.d. Art. 57 Abs. 6 BayBO sind, wenn keine Maßnahmen durchgeführt wer-den, mit denen vorübergehend oder dauerhaft erheblich in tragende und aussteifende Bauteile eingegriffen wird.“ (Zitat) Damit der 1. Bauabschnitt im März 2020 beginnen konnte, wurde die mittlerweile notwendige Baueingabe eingereicht. Hierbei wurden folgende Unterlagen an die Behörden verschickt: • Machbarkeitsstudie Brandschutz • Baueingabepläne • statische Berechnung Lastabtragung • Amtlicher Lageplan • Nachbarschaftsinformation (durch das Bauamt) Bei der Überprüfung des Brandschutzes wurden eklatante Mängel festgestellt, wie z.B.: • Brandmeldeanlage nicht vorhanden • CO 2 Anlage ist defekt • diverse Nutzungsänderungen, z.B. Nutzung als Werkstatt, Nutzung als Lagerraum • Beleuchtung teilweise nicht vorhanden oder defekt • Sicherheitsbeleuchtung defekt und teilweise gar nicht mehr vorhanden • Flucht- und Rettungswegkennzeichnung ist defekt • Brandschutztüren und -tore defekt Der im Volksmund weit verbreitete „Bestandsschutz“ kommt nur zum Tragen, wenn ein „materieller Bestandsschutz“ vorgelegen hätte. Prinzipiell besteht ein materieller Bestandsschutz, wenn: • bauliche Genehmigung unabhängig von den geltenden brandschutztechnischen Anforderungen nachweislich und vollständig vorliegt • zum Zeitpunkt der Erstellung die bei Errichtung geltenden brandschutztechnischen Anforderungen und die brandschutztechnischen Auflagen der Baugenehmigung vollumfänglich erfüllt waren • die Nutzung der baulichen Anlage seit der letzten gültigen Baugenehmigung nicht geändert oder angepasst wurde. • die Anlage baulich nicht verändert wurde Der Bestand war jedoch verändert, da diverse Änderungen an sicherheitstechnische Anlagen und baulichen Vorgaben stattgefunden haben. Eine Wiederherstellung war ebenfalls nicht möglich, da Teile nicht in Ihren Urzustand zurück „gebaut“ werden können. Es befanden sich z.B. Lüftungsrohre auf dem Nachbargrundstück, die entfernt werden mussten (keine Grunddienstbarkeiten vorhanden). Daher lag in diesem Fall kein Bestandsschutz vor! Aus diesem Grund musste das Brandschutzkonzept für die Garage neu entwickelt werden. 4. zusätzliche Gewerke (“Generalinstandsetzung”) Im Zuge der Neuplanung kann auch die vorhandene Lüftungsanlage nicht weiterverwendet werden. Für eine Heißentrauchung im Brandfall ist diese nicht geeignet. Fünf zusätzliche Entrauchungsbauwerke wurden nur für die Entlüftung erstellt. Komplett neue Lüftungsrohre sind geplant mit Brandschutzklappen zwischen den Brandabschnitten, die eine Ausbreitung des Rauches innerhalb der gesamten Tiefgarage im Brandfall verhindern. Im Bereich der Entwässerung werden die gesamten Leitungen der Garage ausgetauscht und neue brandschutzgeschottete Abläufe mit Begleitheizung eingesetzt. Die neue Entwässerung wurde nach Schmutz- und Regenwasser getrennt. Die Grundleitungen wurden mit Hilfe von Inlinern saniert und Revisionsschächte eingebaut. In den vorhandenen Sickerschächten wurden die Kiespackungen ausgetauscht und mit neuen druckwasserdichten Deckeln versehen. Die meisten vorhandenen Gullideckel konnten wegen Korrosion des Deckels nicht mehr geöffnet werden. Die Schachtdeckel der Schmutzwasserleitungen müssen ebenfalls ausgetauscht werden. Die bestehende Ölabscheideranlage wurde ausgebaut. Die Beleuchtung und Sicherheitsbeleuchtung werden komplett neu verlegt. Der vorhandene Trafo wurde ausgetauscht. Eine neue Niederspannungshauptverteilung (NSHV) wurde geplant und wird noch eingebaut. Die vorhandene zentrale Müllabsauganlage des olympischen Dorfes ist verstopft und kann nicht mehr in Betrieb genommen werden. Daher mussten Müllrohrleitungen, die die angrenzenden Häuser entsorgt haben, ausgebaut werden. Die Hauptleitung im Boden der Garage bleibt vorhanden. Dessen Demontage wird vom zentralen Dienstleister des Olympiadorfes gemeinschaftlich betreut und für ein späteres Bauvorhaben geplant. Im Bereich des Brandschutzes werden die Brandschutztüren und -toren ausgetauscht. Eine Brandmeldeanlage wird installiert und mit einem Fehlermelderegister versehen. Die Fluchtwege wurden komplett neu geplant. Aufgrund der baulichen Gegebenheiten konnte der Stand der Technik nicht überall eingehalten werden. Abweichungen vom Stand der Technik waren notwendig. • Die Überprüfung der statischen Berechnung verneinte eine zusätzliche Belastung durch einen Gefälleestrich bzw. Asphaltbelag mit Gefälle. Somit wird das vorhandene Gefälle unverändert bleiben! (teilweise 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 157 Instandsetzung einer Großgarage im olympischen Dorf München von 1972 - Wie eine Betoninstandsetzung zur Generalinstandsetzung wurde 0%! ). Das anfallende Wasser wird nach der Instandsetzung in Pfützen stehen bleiben. • Auf Wunsch der WEGs wurde abweichend von der Instandsetzungsrichtline des DAfStB auf den Zwischendecken eine vollflächige vliesarmierte PMMA- Abdichtung anstatt einer OS11-Beschichtung aufgebracht, da diese eine höhere Rissüberbrückung, höhere Dauerhaftigkeit und geringere Wartungsintervalle aufweist. • Die Bodenplatte sollte gemäß den Richtlinien beschichtet werden. Da diese kein WU-Bauteil (statisch nicht tragend) ist, wurde einvernehmlich festgelegt nur die Sockelbereiche der statisch tragenden Bauteile zu beschichten. • Vereinzelt wurden Fluchtweglängen (> 30 m) überschritten, da die Fluchtwege im Bestand vereinzelt durch Stellplätze versperrt werden. Ein Entfall (=Enteignung) des Stellplatzes ist nicht möglich. • Die Soll-Fluchtwegbreiten werden teilweise im Bestand unterschritten (nur 80 cm), weil die Fluchtwege von angrenzenden Bauteilen oder Stellplätzen eingeschränkt werden • Die Abtrennungen zwischen Rauch- und Brandabschnitten werden in Absprache mit dem PrüfSV Brandschutz vereinfacht unter Berücksichtigung der Einhaltung der Schutzziele durch F30-Türen ausgebildet. Im Normalfall werden F90-Türen gefordert. • Es wurde eine Freigabe der Münchner Stadtentwässerung für geringe „Überschwemmungsgefahr“ in der Tiefgaragenebene erwirkt. Hierbei wird eine Überschwemmung von einigen cm toleriert. Daher mussten keine zusätzlichen Sickerschächte in der Tiefgaragenebene installiert werden. Brandschutztechnische Abweichungen sind von Objekt zu Objekt anders und können nur im Rahmen der Grundlagenermittlung sowie der Prüfung des Bestandes und in Anpassung möglicher wirtschaftlicher Kompensationen festgelegt werden, d.h. brandschutztechnische Abweichungen sind objektabhängig und können nicht verallgemeinert werden. 5. Kosten und Fertigstellung Die Zahlen sind teilweise geschätzt und/ oder gerundet. In den oben genannten Zahlen sind Ingenieurhonorare enthalten. Sie erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Zum derzeitigen Stand liegen folgende Kosten vor: Betoninstandsetzung 8.986.732 € Brandschutz 799.900 € Elektro 1.163.909 € Entwässerung 2.636.700 € Lüftung 2.235.000 € Spindeltreppen & Überdachungen 142.000 € Müllrohre 61.000 € Projektkoordination 270.000 € Baueingabe, Statik, PrüfSV Statik, PüfSV Brandschutz, SiGeKo 200.000 € Gesamt, netto 16.495.241 € MwSt., 19% 3.134.096 € Gesamt, Brutto 19.629.337 € Wie man erkennen kann hat sich die Instandsetzungssumme gegenüber der reinen Betoninstandsetzung verdoppelt. Aktueller Stand (Okt. 2021): Die Betoninstandsetzung BA I und II ist fertiggestellt. Der Beginn der Betoninstandsetzung des BA III ist für Februar 2022 geplant. Die ursprünglichen Kosten für die Betoninstandsetzung werden trotz Verschiebungen und notwendiger Hilfe der anderen Gewerke eingehalten. Die Tiefgaragenebene (BA I und BA II) ist derzeit (noch) gesperrt aufgrund fehlender Sicherheitseinrichtungen. Diese können erst nach Auftragserteilung von allen 4 WEGs ausgeführt werden. Ausführung der Nebengewerke für alle Ebenen ist zusammen mit der Betoninstandsetzung in 2022 geplant. Die Gesamtfertigstellung und damit -freigabe ist für Ende 2022 geplant. 6. Fazit: Diese Instandsetzung zeigt einmal mehr klar und deutlich, dass in der Praxis mit “kleineren” Sanierungen zu lange gewartet wird bis die Schäden immer größer werden. Teilweise müssen Wartungen durchgeführt werden (siehe Elektroinstallationen, Kontrolle Brandschutztüren und -tore etc.), werden aber trotzdem nicht veranlasst. Zukünftig regelmäßige Wartungen der Handwerksfirmen und Kontrollgänge durch Fachplaner sind zu empfehlen, damit große Instandsetzungen gar nicht erst entstehen. 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 159 Besondere Herausforderungen bei der Sanierung von Additiv-Decken Parkbauten Heiner Stahl Massenberg GmbH, Essen Julian Heyer Massenberg GmbH, Essen Zusammenfassung Bereits seit 20 Jahren sind Additiv-Decken ein wesentlicher Bestandteil im Portfolio der Entwurfsverfassung zum Bau von Parkflächen. Die filigrane Konstruktion ermöglicht eine kostengünstige und zudem schnelle Umsetzung der geplanten Projekte. Parkbauten in vorgenannter Bauweise bestehen aus einer leichten Stahlkonstruktion mit den Achsmaßen von 5,00 m x 16,00 m. In die Stahlverbundträger werden Stahlblech-Deckenelemente eingelegt, bewehrt und mit einer mindestens 8 cm starken Stahlbetondecke versehen. Im Anschluss erhalten die Betonplatten eine Beschichtung. Die Konstruktion kann nach Zulassung als Einfeld-, sowie als Durchlaufsystem ausgeführt werden. Bei der Planung besonders zu beachten ist der Punkt „Rissbreitenbeschränkung“, denn eintretendes chloridhaltiges Wasser löst erhebliche Beschädigungen der Bewehrung und der Stahlbleche aus. Weitere, für die erfolgreiche Umsetzung einer solchen Sanierungsmaßnahme, wichtige Meilensteine werden im Folgenden am Beispiel von durchgeführten Projekten erläutert. 1. Zielsetzung und Erwartungen Abbildung 1: Schädigung Unteransicht der Bleche Abbildung 2: Fertigstellung der Sanierung und Abdichtung Parkfläche und Rinnenanschluss Die bereits korrodierten Bleche erfüllen die statischen Anforderungen nicht mehr, sodass ein Austausch erforderlich wird. Die gesamte Konstruktion benötigt einen Oberflächenschutz zur Gewährleistung einer dauerhaften Nutzung des Bauwerks. 2. Schwachstellen der Konstruktion Die Schädigung der Bewehrung und Stahlblechkonstruktion ist sehr stark von den Umgebungsbedingungen abhängig. So sind überdachte Konstruktionen weitaus weniger von Rissbildung und daraus resultierender Schädigung betroffen. Frei bewitterte Parkdecks sind durch den Lastfall „Temperatur“ weitaus stärker beansprucht. Messungen im Rahmen von Beschichtungsarbeiten haben eine Temperaturdifferenz von über 30K ergeben (Betonoberfläche im Tagesverlauf). Bei der Sanierungsplanung sollten folgende spezifische Punkte bewertet werden: - Fehlende Gebäudedehnfugen - Entwässerungsrinnen ohne Abdichtung - Hochpunkte, aufgrund der Auflagerverdrehung (Rissgefährdet) - Durchdringungen, Stützenfußpunkte (Zwangsspannungen) - Außen- und Innenecken Stahlbetontreppenaufgang o.ä. (Zwangsspannungen) - Knotenpunktausbildung (Biegeweich/ Biegesteif) 160 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Besondere Herausforderungen bei der Sanierung von Additiv-Decken Parkbauten Ein stark frequentiertes Bauwerk erfordert einen hohen Anspruch an Wartung, Pflege und Instandhaltung. Insbesondere die Schutzfunktion der Oberflächenbeschichtung ist nur bei regelmäßiger Wartung und einhergehender Instandsetzung gesichert. 3. Zustandserfassung und Bewertung Durch ein Risskataster und den Abgleich mit der blechunterseitigen Schädigung lässt sich zuverlässig der erforderliche Blechaustausch bestimmen. Es ist davon auszugehen, dass bei geringen Korrosionsspuren an der Blechunterseite bereits erhebliche Schäden an der Blechoberseite festzustellen sind. Besonders in Bereichen von Rissen in Beton und Beschichtung lassen sich Schäden infolge von Taumittel-eintrag beobachten. Abbildung 3: Schadstellen in Oberflächenschutz Die Taumittelbelastung der Risse lässt sich durch eine Bohrmehlentnahme und anschließende Untersuchung bestimmen. Abbildung 4: Schaden an Blechoberseite im Rissbereich 4. Sanierungsablauf Gemäß Sanierungskonzept werden vor Ort die schadhaften Bleche markiert. Dies können Einzelflächen oder aneinanderhängende, großflächige Bereiche sein. Nachdem die vorhandene Altbeschichtung abgeschoben ist, werden die Außenkanten der Bleche mittels Bohrung an die Betonoberseite übertragen. Die Bohrungen werden mittels Trennschnitt verbunden und somit eine geradlinige Abbruchkante definiert. Der Rückbau des Betons und Ausbau des schadhaften Additiv-Blechs erfolgt unter vollständigem Erhalt der Bestandsbewehrung. Bei größeren Abbruchflächen kann die Bauzeit durch den Rückbau inklusive Bestandsbewehrung beschleunigt werden. Hierbei wird lediglich die erforderliche Anschlussbewehrung umlaufend erhalten. Im Anschluss an den Rückbau werden alle angrenzenden Stahlträger und Additiv-Bleche feststoffgestrahlt und mit einem Korrosionsschutzsystem versehen. In den folgenden Arbeitsschritten wird die Bestandsbewehrung entrostet, geordnet und nach statischen Anforderungen ergänzt. Dies wird durch Zulagebewehrung, nachträgliche Bewehrungsanschlüsse oder dem Schweißen von Bewehrungsstäben sichergestellt. Größte Sorgfalt ist beim Ausrichten der Bewehrungslagen erforderlich. Die Einhaltung der Betondeckung zur Blechoberseite ist eine der besonderen Herausforderungen für eine gelungene Sanierung. Die Betonage erfolgt im Regelfall ohne Unterstützung des Bauzustandes. Die Rohbauphase wird mit der Betonage und anschließender Nachbehandlung abgeschlossen. Die Oberfläche wird, in Abhängigkeit der Größe, manuell oder maschinell geglättet. Auf chemische Nachbehandlungsmittel sollte, aufgrund der Verträglichkeit mit dem Grundierharz, verzichtet werden. Die Untergrundvorbereitung und die Applikation des Oberflächenschutzsystems stellen den letzten Arbeitsschritt dar, bevor die sanierten Flächen wieder in Betrieb genommen werden können. Abbildung 5: Teilsanierung der Additiv-Bleche 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 161 Besondere Herausforderungen bei der Sanierung von Additiv-Decken Parkbauten 5. Rissbildung und Oberflächenschutz In Abbildung 6 sind die Einzelbleche und Lage der Verbundträger (Auflagerbereich) schematisch zu erkennen. Die Risse ohne geradlinige Orientierung werden durch Kunststoffabstandhalter und die Querschnittsschwächung der 8 cm Betonplatte erzeugt. Die Rissbildung ist unter anderem vom Tragsystem und der Wahl der Bewehrung (Grund- und Zulagebewehrung) abhängig. Die Entscheidung zwischen Einfeld- und Durchlaufsystem und der damit verbundenen Bewehrungszulage im Auflagerbereich bildet sich in der Rissbildung und Rissbreite über dem Verbundträger ab. Ein weiterer Parameter ist die Ausführung der tragenden Stahlkonstruktion. Wenn diese sehr schlank ausgeführt wird, können spürbare Verformungen und Schwingungen die Folge sein. Die zu messenden Rissbreiten können sehr stark variieren. Maßgebend ist hierbei der Lastfall Temperatur. An Praxisprojekten hat sich die Ausführung einer OS10 in Verbindung mit großflächig aufgebrachten Riss-bandagen über den Stützenköpfen bewehrt. Weitere Rissbandagen sind in Bereichen der Stützenfüße aufzubringen und zur Abdichtung an den Stützen hochzuführen. Die Abdichtung der Detailpunkte stellt einen wesentlichen Teil der Sanierungsmaßnahme dar. Hierbei besonders zu planen sind folgende Details: Anschluss an Rinnen, Punktförmige Entwässerungsabläufe, frei Deckenränder sowie Dehnfugen. Abbildung 6: Rissbildung Topdeck 6. Fazit und Ausblick Der Sanierungsbedarf von Additiv-Decken Parkbauten steigt stetig an, da die ehemals aufgebrachten Oberflächenschutzsysteme ihre vorgesehene Nutzungsdauer erreicht oder sogar überschritten haben. Kleine Korrosionsspuren an der Unteransicht decken oftmals gravierende und standsicherheitsrelevante Schäden am Parkbau auf. Der Austausch beschädigter Blechelemente ist für lokale, als auch großflächige Schädigungen eine wirtschaftliche Lösung, da so die Dauerhaftigkeit und die Standsicherheit wieder hergestellt werden kann. Neue Oberflächenschutzsysteme mit, an die jeweiligen Anforderungen angepassten Rissüberbrückungsklassen, bieten einen hohen Schutz der Additiv-Decken Konstruktion. Durch jährliche Wartung und Instandhaltung kann sichergestellt werden, dass der Sanierungserfolg über viele Jahre anhält. Dabei werden Schwachstellen und mechanisch hoch beanspruchte Bereiche auf Schädigungen begutachtet und ggf. kurzfristig mit geringem Aufwand überarbeitet. Literatur DAfStB - Richtlinie TR-Instandhaltung Dokumentation Massenberg GmbH, J. Heyer 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 163 Instandsetzung von Parkbauten im Wandel der anerkannten Regeln der Technik aus Sicht eines ausführenden Unternehmens Dr.-Ing. Till Büttner, Helge-Leander Leitz Mackay Massenberg GmbH, Essen Zusammenfassung Parkbauten sind seit rd. 120 Jahren fester Bestandteil unserer städtischen Infrastruktur. Seit der Eröffnung des ersten Parkhauses 1901 in der Londoner Denman Street No. 6 hat sich viel in Bezug auf Bautechnik und die Anforderungen der Nutzer und Betreiber entwickelt. In Verbindung mit dem in den 60iger und 70iger Jahren deutlich gestiegene Individualverkehr sind die Themen Umnutzung, Instandsetzung und Lebensdauermanagement von Parkbauten seit über drei Jahrzehnten wichtige Aufgaben zum Erhalt der Verkehrsinfrastruktur und dem Werterhalt von Gebäuden. Sowohl das technische Wissen zur Instandsetzung von Parkbauten, die technologische Veränderung von Materialien sowie die Veränderung von technischen Regeln haben dazu geführt, dass sich auch die Ausführung einer Instandsetzungsmaßnahme über die Zeit gewandelt hat. Insbesondere die Einführung der Technischen Regel „Instandhaltung von Betonbauwerken“ zeigt dies aktuell sehr deutlich. Sowohl die Auswahl von geeigneten Instandsetzungsmaterialien als auch die Instandsetzungsverfahren wurden im Zuge der Erstellung der TR Instandhaltung an den aktuellen Stand des Wissens bzw. geltende europäische Normen, wie die EN 1504, angepasst. Aber auch die Veröffentlichung des GEIG (Gebäude-Elektro-Mobilitätsinfrastrukturgesetz) wird einen Einfluss auf die Instandsetzung von bestehenden Parkbauten haben. Ferner haben sich in den letzten Jahren die in der Instandsetzung verwendeten Materialien, wie Oberflächenschutzsysteme oder KKS-B Anoden, verändert sowie weiterentwickelt, so dass allen am Bau Beteiligten auch neue Möglichkeiten für die Instandsetzung von Parkbauten zur Verfügung stehen. Hier sind exemplarisch sogenannte Polyurea-Oberflächenschutzsysteme sowie Carbon-Anoden-Systeme für den Einsatz bei KKS-B genannt. Ferner kann auch BIM im Rahmen einer Bestandsaufnahme von Bauwerken mittels Laserscanning und dem baubegleitenden Einsatz von digitalen Aufnahmeverfahren zur Schadstellenaufnahme die Instandsetzungsarbeiten unterstützen. Die Veröffentlichung stellt ausgewählte Veränderungen der Instandsetzung von Parkbauten vor dem Hintergrund der Veränderungen von technischen Regeln, von Materialien sowie den Möglichkeiten der Digitalisierung dar. 1. Einleitung Sowohl die technologischen als auch normativen Entwicklungen der letzten 20 Jahre im Bereich der Instandsetzung von Stahlbetonbauteilen haben für alle am Bau Beteiligten umfangreiche Änderungen zur Folge. Die vorliegende Veröffentlichung stellt zunächst die aktuellen Entwicklungen im Bereich der Regelwerke vor und beleuchtet danach technologische Veränderungen in Baustoffen und Bauverfahren bis hin zur Digitalisierung - BIM (Building Information Modelling) - in der Instandsetzung. Dabei werden gezielte Schwerpunkte auf einzelne Themen, wie z.B. Polyurea und Carbonbeton gesetzt. 2. Normen und Regelwerke Die Instandsetzung von Stahlbetonbauwerken ist in unterschiedlichen Normen sowie Regelwerken geregelt. Das zentrale Regelwerk für die Instandsetzung von Betonbauwerken war über drei Jahrzehnte die „Richtlinie Schutz- und Instandsetzung“ (RL-SIB) des DAfStb, die unter Nr. A 1.2.3.2 der MVV-TB („Musterverwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen) bis Ende 2020 als maßgebliches Regelwerk für den „Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen“ aufgeführt war - siehe MVV-TB 2019, online verfügbar beim DIBt. Infolge der Erarbeitung der europäischen Normenreihe EN 1504 und der darin enthaltenen harmonisierten Produktnormen sowie der technologischen Veränderungen in der Instandsetzung war eine Anpassung dieses Regelwerks erforderlich. Die erforderlichen Veränderungen wurden nicht im Rahmen einer Überarbeitung in die RL SIB eingepflegt, sondern seitens des DIBt wurde die „TR Instandhaltung“ / TR-I20/ erarbeitet, die die RL SIB Teile 1 und 2 ergänzt bzw. ersetzt - siehe hierzu auch die „Hinweise zur technischen Regel (DIBt) „Instandsetzung von Betonbauwerken (Mai 2020)“ / DIBt21a/ . 164 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Instandsetzung von Parkbauten im Wandel der anerkannten Regeln der Technik aus Sicht eines ausführenden Unternehmens Teil 3 der RL SIB „Anforderung an die Betriebe und Überwachung der Ausführung“ wurde nicht verändert oder ergänzt. Teil 4 „Prüfverfahren“ der RL SIB wird aufgrund der an EN 1504 angegliederten europäischen Prüfnormen nicht mehr benötigt. Aufgrund des Zusammenwirkens der unterschiedlichen Regelwerke ist seitens des DAfStb eine „Arbeitshilfe“ als verwobenes Dokument aus den zuvor genannten Dokumenten geplant. Die „TR Instandhaltung“ des DIBt, wurde zu Beginn des Jahres 2021 mit Abschluss des europäischen Notifizierungsverfahrens und Zustimmung in den Gremien der Bauministerkonferenz eingeführt und in die MVV-TB 2020/ 1 aufgenommen / DIBT21/ . Die Einführung der länderspezifischen VV-TBs ist in den Bundesländern unterschiedlich geregelt, so dass eine neu eingeführte MVV-TB nicht zwingend unmittelbar bundesweit Anwendung findet. Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Beitrags (Oktober 2021) ist die MVV TB 2020/ 1 und damit auch die TR Instandhaltung als Ergänzung zur RL SIB wie folgt in insgesamt 11 Bundesländern umgesetzt worden - siehe dazu u.a. „Stand der Umsetzung der MVV-TB in den Ländern“ des DIBt (online verfügbar unter https: / / www.dibt. de/ fileadmin/ dibt-website/ Dokumente/ Referat/ P5/ Technische_Bestimmungen/ Stand_Umsetzung_MVVTB.pdf). Tabelle 1: Stand der Umsetzung der MVV TB in den Ländern und Angabe des für den Schutz und die Instandsetzung von Betonbauteilen gemäß der länderspezifischen VV-TB relevanten Regelwerks - Stand Oktober 2021 - in Anlehnung an DIBt Land MVV TB Regelwerk für „Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen“ (s. 1.2.3.1 MVV-TB) RL SIB RL SIB & TR-I Baden- Württemberg 2017/ 1 x Bayern 2020/ 1 x Berlin 2019/ 1 x Brandenburg 2020/ 1 x Bremen 2020/ 1 x Hamburg 2020/ 1 x Hessen 2017/ 1 x Mecklenburg- Vorpommern 2020/ 1 x Niedersachsen 2020/ 1 x Nordrhein- Westfalen 2020/ 1 x Rheinland-Pfalz 2020/ 1 x Saarland 2020/ 1 x Sachsen 2019/ 1 x Sachsen-Anhalt 2020/ 1 x Schleswig-Holstein 2020/ 1 x Thüringen 2019/ 1 x Aufgrund des aus der aktuellen Regelwerkssituation resultierende „Spannungsfeld zwischen bauordnungsrechtlichen und bauaufsichtlichen Vorgaben (§ 3(1), § 16c MBO sowie Kapitel D3 der MMV TB)“ kommt es zu einer Verunsicherung der am Bau Beteiligten. Zur besseren Einordnung der Situation wurde von den Verbänden - BÜV, BGIB, BVPI, DBV, GÜB, GUEP, HDB, VBI und ZDB - ein gemeinsames Positionspapier zum Thema Betoninstandsetzung veröffentlicht / BÜV21/ . Im Rahmen des Positionspapiers wird der Ausblick formuliert, dass „die beteiligten Verbände sich für eine praxistaugliche Regelwerkssituation in der Betoninstandsetzung einsetzen, bestehend aus harmonisierten europäischen Produktnormen, die sämtliche für die Erfüllung des deutschen Sicherheitsniveaus erforderlichen Merkmale und Leistungen enthalten, sowie aus praxisgerechten Richtlinien und Regeln für die Planung und Bauausführung. (…) Um die praktische Umsetzung der gegenwärtigen Regelwerkssituation kurzfristig zu erleichtern, befürworten die beteiligten Verbände ausdrücklich die Beauftragung und Zugänglichmachung von DIBt-Gutachten durch die Hersteller von Instandsetzungsprodukten (…).“ / BÜV21/ Neben der Berücksichtigung von harmonisierten europäischen Produktnormen für die Instandsetzungsprodukte - kunststoffmodifizierte Mörtel, Oberflächenschutzsysteme und Rissfüllstoffe - erfolgte im Rahmen der Erstellung der TR Instandhaltung auch eine Übernahme der Logik der Normenreihe EN 1504 hinsichtlich der Instandsetzung von Stahlbetonbauwerken sowie eine Integration der Wartung in die Instandsetzung eines Bauwerks. Die Vorgehensweise bei der Planung und Ausführung einer Instandsetzung eines Bauwerks nach der TR Instandhaltung ist in dem nachfolgenden Bild dargestellt. Die Vorgehensweise basiert auf der Vorgehensweise nach EN 1504, die u.a. umfangreich in / Rau14/ beschrieben ist. Bild 1: Vorgehensweise bei der Planung und Ausführung einer Instandsetzungsmaßnahme nach TR Instandhaltung / TR-I20/ 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 165 Instandsetzung von Parkbauten im Wandel der anerkannten Regeln der Technik aus Sicht eines ausführenden Unternehmens Zur Sicherstellung der geplanten Restnutzungsdauer, im Nachgang einer nachhaltigen und werterhaltenden Instandsetzungsmaßnahme, ist ein auf das Bauwerk abgestimmte Wartungskonzept unerlässlich und gehört nach den geltenden Regelwerken zwingend zur Instandsetzungsmaßnahme dazu. Die Verbindung von Wartung und Instandsetzung zur Instandhaltung eines Bauwerks nach der TR Instandhaltung ist in dem nachfolgenden Bild dargestellt. Daraus wird deutlich, dass die „Inspektion/ Wartung“ ein elementarer Bestandteil eines Instandhaltungskonzepts sowie -plans ist und damit wie die Instandsetzung eines Bauwerks oder Bauteilen zur Instandhaltung über die gesamte Nutzungsdauer eines Bauwerks durchzuführen ist. Gemäß TR Instandhaltung handelt es sich bei der Wartung eines Bauwerks um „Maßnahmen zur Verzögerung des Abbaus des vorhandenen Abnutzungsvorrates“ (DIN 31051: 2019-06). Wartungsarbeiten dienen lediglich der Aufrechterhaltung der Funktionalität eines Bauteils und beinhalten keine Instandsetzungs- oder Verbesserungsmaßnahmen.“ Die Erstellung eines umfassenden Instandhaltungskonzepts mit Angaben zur Wartung und Inspektionen wird gemäß der technischen Regel vom sachkundigen Planer erstellt. Da auch Wartungsintervalle in Abhängigkeit der Randbedingungen, wie u.a. Exposition, Nutzung und Bauwerkstyp, definiert werden müssen, enthält die TR Instandhaltung bewusst keine vordefinierten Wartungsintervalle. Bild 2: Darstellung des Konzepts der Instandhaltung nach TR Instandhaltung / TR-I20/ Aufbauend auf Teil 9 der EN 1504 wurden die Verfahren für die Instandsetzung von Stahlbetonbauwerken in der TR Instandsetzung gegenüber der RL SIB verändert. Es erfolgt eine klare Trennung zwischen Prinzipien und Verfahren, die bei Schäden des Betons sowie Prinzipien und Verfahren, die bei Korrosion der Bewehrung für eine Instandsetzung als einzelne Verfahren oder Kombination aus unterschiedlichen Verfahren zum Einsatz kommen können. Die nachfolgende Tabelle zeigt die grundlegenden Prinzipien nach TR Instandhaltung. Die Unterscheidung nach Prinzipien und Verfahren bedeutet, dass seitens des sachkundigen Planers in Abhängigkeit des Bauwerkszustands und des zu definierenden Instandsetzungsziel zunächst ein Prinzip oder eine Kombination von Prinzipien, die das Erreichen des Instandsetzungsziels ermöglichen, ausgewählt werden. Aufbauend auf den ausgewählten Prinzipien erfolgt dann die Auswahl von zugeordneten Verfahren zur Realisierung des Prinzips. Diese Vorgehensweise entspricht ebenfalls der EN 1504 Normenreihe. Dabei ist allerdings zu beachten, dass nicht alle in EN 1504-9 definierten Verfahren in der TR Instandhaltung berücksichtigt wurden. Auch wurden teilweise etablierte Instandsetzungsverfahren gegenüber EN 1504-9 ergänzt, so dass in der TR Instandhaltung 28 Verfahren von ursprünglich 43 Verfahren enthalten sind. Tabelle 2: Prinzipien für die Instandsetzung von Schäden am Beton sowie Bewehrungskorrosion / TR-I20/ Schadensursache Prinzipien Schäden am Beton Schutz gegen das Eindringen von Stoffen Regulierung des Wasserhaushalts des Betons Reprofilierung oder Querschnittsergänzung Verstärken des Betontragwerks Erhöhung des physikalischen Widerstands Erhöhung des Widerstands gegen chemischen Angriff Bewehrungskorrosion Erhalt oder Wiederherstellung der Passivität Erhöhung des elektrischen Widerstands 10. Kathodischer Schutz Ferner wurden im Rahmen der TR Instandhaltung Altbetonklassen, wie bereits in der Instandsetzung von Wasserbauwerken bekannt, sowie Expositionsklassen mit für die Instandsetzung relevanten Expositionen definiert. Die Einführung von Altbetonklassen ermöglicht eine Abstimmung der Instandsetzungsmörtel auf den Untergrund, die Einführung von Expositionsklassen ermöglicht die Auswahl eines auf den jeweiligen Anwendungsfall geeigneten Materials. Die Abhängigkeit zwischen geeigneten Produkten und Systemen in Abhängigkeit der 166 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Instandsetzung von Parkbauten im Wandel der anerkannten Regeln der Technik aus Sicht eines ausführenden Unternehmens gewählten Instandsetzungsverfahren ist in den Tabellen 5 und 6 der TR Instandhaltung dargestellt. Neben den Entwicklungen in den Regelwerken der Betoninstandsetzung wirkt sich z.B. auch das GEIG - Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetz - welches mit Wirkung zum 25.03.2021 in Kraft getreten ist, auf die Ausführung von Instandsetzungsarbeiten bei Parkhäusern und Tiefgaragen aus. Durch das GEIG erfolgt innerhalb Deutschlands die einheitliche Umsetzung der EU-Gebäuderichtlinie. Bei Neubauten oder Instandhaltungssowie Instandsetzungsarbeiten an Wohngebäuden, bei denen mehr als fünf Stellplätze vorhanden oder geplant sind, sieht das GEIG vor, dass künftig jeder Stellplatz mit Schutzrohren für Elektrokabel ausgestattet werden muss. Für neue Gebäude, die nicht zu Wohnzwecken genutzt werden, gilt die Pflicht ab mehr als sechs Stellplätzen. Ab dieser Anzahl muss mindestens jeder dritte Stellplatz mit Leitungsinfrastruktur ausgestattet und zusätzlich ein Ladepunkt errichtet werden. Zudem muss bei bestehenden Nichtwohngebäuden mit mehr als 20 Stellplätzen ab dem 1.1.2025 ein Ladepunkt errichtet werden. Ferner müssen im Zuge weiterer Instandhaltungs- oder Instandsetzungsmaßnahme bautechnische Belange durch einen Fachplaner geprüft, untersucht und berücksichtigt werden. Das nachfolgende Bild zeigt schematisch das Zusammenspiel zwischen den unterschiedlichen Regelwerken sowie dem Fachplaner und der Ausführung bei der Instandsetzung von Parkbauten. Bild 3: Zusammenspiel der unterschiedlichen Regelwerke bei der Instandsetzung von Parkbauten 3. Entwicklungen in der Instandsetzung 3.1 Oberflächenschutzsysteme Im Laufe der vergangenen Jahre stand die auch Entwicklung bei Oberflächenschutzsystemen nicht still. Es wurden Systeme entwickelt, die hochverschleißfeste Eigenschaften sowie rissüberückende Eigenschaften in sich verbinden. Das bietet für den Bauherr und das Lifcyclemanagement signifikante Vorteile im dauerhaften und nachhaltigen Schutz gegenüber schädigenden Medien, z.B. durch Taumitteleintrag in den Wintermonaten. Bei den befahrbaren OS-Systemen gibt es drei grundsätzlich unterschiedliche Systeme, die alle nach der aktuell gültigen TR Instandhaltung von Betonbauwerken geprüft werden und damit je nach Anforderung des Bauwerks als Oberflächenschutz eingesetzt werden können. OS 8 Systeme besitzen hervorragende verschleißfeste Eigenschaften. In der Regel werden die Werkstoffe zweilagig oder dreilagig appliziert. Die Verarbeitung in zwei Arbeitsgängen bietet eine Zeitersparnis, was für den Bauherrn kürzere Stellplatzsperrzeiten bedeutet. Da ein OS 8 System keinerlei rissüberbrückende Eigenschaft besitzt, kann es zu Rissbildungen in der Oberfläche kommen. Diese Rissbildung geht zu Lasten der Oberflächenästhetik und dem Schutz des Betons. Hier sind lokal angeordnete Rissbandagen eine Möglichkeit lokal ein OS 8 System rissüberbrückend auszuführen. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass die Lage der sich bewegenden Risse vor Ausführung der Rissbandagen bekannt sein muss, da sonst die Rissbandagen nicht ihre planmäßige Funktion übernehmen können. OS 11 a/ b Systeme besitzen gute rissüberbrückenden sowie verschleißfeste Eigenschaften. Die Applikation erfolgt je nach System mit bis zu vier Arbeitsgängen, im händischen Verfahren. In hochfrequentierten Parkbauten kommen OS 11 Systeme häufig an Ihre Leistungsgrenze und diese können bei mangelnder Wartung in Ihrer Schutzfunktion beeinträchtigt werden. Die neu in der TR Instandhaltung von Betonbauwerken eingeführten OS 14 Systeme kombinieren die rissüberbrückenden Eigenschaften eines OS 10 Systems (welches „nur“ eine Abdichtung nach ZTV-ING ohne eine im System geprüfte Verschleißschicht darstellt) mit hoch verschleißfesten Eigenschaften. Die in den vergangenen Jahren häufig eingesetzten OS 10 Systeme mit einer zusätzlichen polymeren Verschleißschicht werden durch die OS 14 Systeme durch ein im System vollumfänglich geprüftes System nach TR Instandhaltung ersetzt. In Abhängigkeit von der Bindemittelbasis werden die Systeme teils händisch oder maschinell sowie mit und ohne Vlies verarbeitet. Zur Reduktion von Stellplatzsperrzeiten werden schnellreaktive Bindemittel oder Systeme im Overspray-Verfahren eingesetzt. Ein Beispiel dafür sind Oberflächenschutzsysteme auf Basis von Polyurea, die sowohl händisch als auch mittels Spritzapplikation verarbeitet werden können, wie auf den nachfolgenden Bildern dargestellt ist. 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 167 Instandsetzung von Parkbauten im Wandel der anerkannten Regeln der Technik aus Sicht eines ausführenden Unternehmens Bild 4: Applikation eines OS-Systems auf Polyurea- Basis - händische Verarbeitung / Bildquelle: viacor GmbH/ Bild 5: Applikation eines OS-Systems auf Polyurea- Basis -Verarbeitung mittels Spritzapplikation / Bildquelle: viacor GmbH/ Bild 6: Tiefgarageneinfahrt mit fertig appliziertem Oberflächenschutz auf Polyurea-Basis / Bildquelle: viacor GmbH/ Bild 7: Schematische Darstellung der Anwendung der Oberflächenschutzsysteme 1 bis 14 nach TR Instandhaltung Einsatz von nicht-metallischen Bewehrungen 168 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Instandsetzung von Parkbauten im Wandel der anerkannten Regeln der Technik aus Sicht eines ausführenden Unternehmens Betonbauteile können auf unterschiedliche Arten bewehrt werden. Bei Stahlbeton wird üblicherweise die Bewehrung als Stab- oder Mattenstahl eingebaut. Eine weitere Möglichkeit ein Betonbauteil zu bewehren ist die Verwendung von Stahl- oder Kunststoff-Kurzfasern, die der Betonmischung während der Herstellung zugegeben werden und über den gesamten Querschnitt verteilt sind. Infolge der Zugabe von Kurzfasern kann die Zugfestigkeit des gesamten Bauteils gegenüber einem unbewehrten Betonbauteil erhöht werden. Alternativ werden auch Bewehrungen aus Glas- oder Carbonfasern als Kurzfaserbewehrung oder als Stabbewehrungen aus Faserverbundwerkstoffen (FRP) für Betonanwendungen verwendet. Zunehmend finden technische Textilien in Form von Matten (siehe Bild 8) aus Glas- oder Carbonfasern im Bauwesen Anwendung. Während unter dem Begriff Textilbeton eine mattenartige Bewehrung aus Endlosfasern zu verstehen ist, spezifiziert der Begriff Carbonbeton diesen Begriff weiter und gilt für Betone, die mit Bewehrungen aus Kohlenstofffasern hergestellt wurden. Letztere schließt stabförmige Bewehrungen, die ebenfalls in Beton eingebettet werden mit ein. Carbonbeton ist daher weder ein Oberbegriff noch eine Untergruppe von Textilbeton. Vielmehr haben beide Verbundwerkstoffe mattenartige Bewehrungen aus Carbonfasern als gemeinsamen Schnittbereich (siehe Bild 9). Die Kombination von textilen Carbonbewehrungen und Beton wird als Textilbeton mit Carbonfaser Textilien bezeichnet Bild 8: Schematische Darstellung der unterschiedlichen Möglichkeiten mit textilen Bewehrungen Beton zu bewehren - links: Kurzfaserbewehrungen; Mitte: einzelne diskrete Rovings / Bewehrungsstäbe; rechts: Bewehrungstextil / Büt12/ Bild 9: Schematische Darstellung der Begriffe Textilbeton, Carbonbeton, Textilbeton mit Carbonfaser-Textilien und ihrer Schnittstellen / Mor20/ Die Anwendung von Textilbeton erfolgt nicht nur im Neubau - siehe hierzu u.a. / Büt21b/ und / Mor20/ , sondern auch in der Instandsetzung, wie z.B. bei der Instandsetzung von Parkbauten oder Infrastrukturbauwerken. Die Dauerhaftigkeit von befahrenen Bauwerken wird maßgeblich von unterläufigen Abdichtungen und OS- Systemen sowie schadhaften Fugen- oder Übergangsprofilen und dem damit verbundenen Eintrag von Chloriden in die Konstruktion negativ beeinflusst / Nau10/ . Daher kann auch bei Parkbauten eine Instandsetzung mit Textilbzw. Carbonbeton erfolgen. Aufgrund der hohen elektrischen Leitfähigkeit können auch, je nach konstruktiven Randbedingungen, KKS-Systeme mit Carbonanoden ausgeführt werden. Die nachfolgenden Bilder zeigt die Ausführung eines KKS-Systems mit Carbonanoden in einem Parkhaus. Die Herausforderungen bei der Anwendung von Carbonanoden ist u.a. die elektrische Kontaktierung des Textils, die umfangreiches technologisches Wissen erfordert, da anders als Titan Carbon nicht mittels Schweißen verbunden werden kann. Ferner müssen bei der Regelung von KKS-Systemen die Materialeigenschaften des Carbons insofern berücksichtigt werden, dass die eingesetzten Stromdichten nicht zu einer Überlastung des Systems führen. Die Vorteile von Carbon als Anodenmaterial ist allerdings, dass es eine 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 169 Instandsetzung von Parkbauten im Wandel der anerkannten Regeln der Technik aus Sicht eines ausführenden Unternehmens sehr hohe Zugtragfähigkeit besitzt, die multifunktionale Lösungen, wie im nachfolgenden Kapitel dargestellt, ermöglichen. Bild 10: Carbonanode für KKS-System im Lieferzustand (aufgerollt) / Quelle: Koch GmbH/ Bild 11: Carbonanode für KKS-System vor dem Einbau des KKS-Mörtels / Quelle: Koch GmbH/ Auch bei Infrastrukturbauwerken kommt es zu einer deutlichen Beeinflussung der Dauerhaftigkeit infolge der Exposition mit chloridbelastetem (Tau-)Wasser. Trotz der regelmäßig alle drei bzw. sechs Jahre stattfindenden Bauwerksprüfungen kann die Korrosion der Bewehrung oft erst erkannt werden, wenn bereits ein erhebliches Schädigungsausmaß vorliegt, da die Bauwerksprüfungen nur die sichtbaren Flächen untersuchen können. Ein vollflächiges Monitoring hinsichtlich der Dichtigkeit der Abdichtung von Infrastrukturbauwerken ist aktuell nicht üblich und am Markt nicht verfügbar. Sofern ein Monitoring ausgeführt wird, sind es lokal messende Sensoren, die einen begrenzten Messradius aufweisen. Tritt außerhalb dieses Radius eine Undichtigkeit auf, kann diese nicht detektiert werden / Rau13/ . Das System SMART-DECK bietet erstmals am Markt eine vollflächige Monitoringlösung, die um zwei weitere Funktionalitäten erweitert wird, so dass das Gesamtsystem die folgenden Funktionalitäten aufweist / Büt20/ : • vollflächiges Echtzeit-Feuchtemonitoring ermöglicht ein frühzeitiges Erkennen von Undichtigkeiten, • abschnittsweise steuerbaren, präventiven kathodischen Korrosionsschutz (pKKS), der mittels Fremdstrom die Depassivierung der Bewehrung verzögert, sofern Chloride in den Beton infolge von Undichtigkeiten eindringen, sowie • Erhöhung der Tragfähigkeit in Querrichtung (bei Bestandsbauwerken). Das System SMART-DECK wurde für Brückenbauwerke entwickelt, ein Einsatz bei Parkbauten ist aber grundsätzlich auch möglich. wobei das System immer als System unter einer Abdichtung und nicht als direkt befahrenes System entwickelt wurde. Alle drei Funktionalitäten werden mit Hilfe einer textilen Carbonbewehrung in Kombination mit einem Hochleistungsmörtel realisiert. Die textilbewehrte Schicht wird auf der Oberseite der Brückenfahrbahnplatte oder der Betondecke und damit unterhalb der Abdichtung appliziert. Die Bewehrung wird so angeordnet, dass das Bauwerk in einzelne Felder unterteilt wird und damit zum einen abschnittsweise der Zustand der Abdichtung überwacht und zum anderen der pKKS, sofern erforderlich, ebenfalls abschnittsweise aktiviert werden kann (Bild 12). Bild 12: Übersicht der Funktionalität von SMART- DECK und den Zustand der Abdichtung; grün: intakte Abdichtung, gelb: signifikanter Widerstandsabfall; rot: Grenzwert Widerstand unterschritten, Undichtigkeiten vorhanden und pKKS erforderlich / ibac/ In Abhängigkeit der bei einem individuellen Bauwerk erforderlichen Maßnahmen, ist SMART-DECK modular aufgebaut, wie in dem nachfolgenden Bild dargestellt. Die maximale Ausbaustufe des Systems ist die Kombination aller drei Funktionalitäten, die anderen Möglichkeiten stellen sinnvolle Kombinationen oder Einzelanwendungen einer der möglichen Funktionalitäten dar. 170 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Instandsetzung von Parkbauten im Wandel der anerkannten Regeln der Technik aus Sicht eines ausführenden Unternehmens Bild 13: Übersicht über die modularen Funktionalitäten von SMART-DECK / ibac/ Der grundsätzliche Aufbau des Systems SMART-DECK ist für alle Anwendungsfälle - Instandsetzung oder Neubau - identisch (vgl. Detail A; Bild 12): • 35 mm Hochleistungsmörtel mit • 2 Lagen Carbonbewehrung mit elektrischen Anschlüssen für Monitoring und pKKS, die nach außen geführt werden. Das System SMART-DECK wurde im Rahmen eines Verbundforschungsprogramms innerhalb der Förderlinie HighTechMatBau des BMBF erarbeitet. Innerhalb des Forschungsverbundes waren sowohl Partner aus der Forschung - das ibac sowie dem IMB der RWTH Aachen University - als auch Partner aus der Wirtschaft vertreten. Die beteiligten Unternehmen waren die Eurovia Beton GmbH NL Bauwerksinstandsetzung, Solidian GmbH, Massenberg GmbH, instakorr GmbH sowie die StoCretec GmbH. Ferner war die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt), die das System aus Sicht des späteren Nutzers beurteilt, beteiligt. Im Rahmen des Verbundforschungsvorhaben wurde das Gesamtsystem erarbeitet und anhand von zwei unterschiedlich großen Demonstratoren die Leistungsfähigkeit des Systems gezeigt. Der erste Demonstrator wurde unter kontrollierten Randbedingungen auf einer speziell für das Projekt hergestellten Bodenplatte auf dem Gelände der BASt realisiert / Büt20/ . Die Fläche auf der SMART-DECK eingebaut wurde, betrug ca. 80 m². Anhand der zur Mitte der Projektlaufzeit gewonnenen Erkenntnisse wurde die Erarbeitung des Systems hinsichtlich der sich aus den Baustellenbedingungen ergebenden Anforderungen weiter von den Forschungspartnern betrieben, um am Ende des Projekts den sog. Großdemonstrator zu realisieren. Der Großdemonstrator diente der abschließenden Verifikation aller erarbeiteten Komponenten und sollte damit auch bei einem realen Bauvorhaben unter realistischen Bedingungen ausgeführt werden. Die Herstellung des Großdemonstrators erfolgte im Rahmen eines realen Bauvorhabens einer nicht am Projekt beteiligen ARGE, wie in / Büt20/ ausführlich dargestellt. Der Großdemonstrator wurde in zwei Bauabschnitten mit einer Gesamtgröße von rd. 180 m² ausgeführt. Die Fertigstellung erfolgte 2019 und wird die kommenden Jahre seitens der Forschungspartner überwacht, um Erkenntnisse hinsichtlich der Dauerhaftigkeit des Systems SMART-DECK zu erlangen. Die nachfolgenden Bilder zeigen die fertig verlegte textile Bewehrung des zweiten Bauabschnitts vor dem anschließenden Mörteleinbau sowie den fertig eingebauten Mörtel des ersten Bauabschnitts. Bild 14: Vollständig verlegte textile Bewehrung des 2. Bauabschnitts / Büt20/ Bild 15: Fertiggestellter erster Bauabschnitt / Büt20/ Das Forschungsvorhaben hat gezeigt, dass SMART- DECK unter Baustellenbedingungen realisiert werden kann. Ferner konnte festgestellt werden, dass mittels SMART-DECK eine signifikante Steigerung der Biege- und Querkrafttragfähigkeit der Brückenfahrbahnplatte erreicht werden kann. Zudem werden die Durchbiegungen bei Belastung verringert und es stellt sich ein feineres Rissbild ein. Die damit einhergehende Reduzierung der Rissbreiten beeinflusst das Tragwerk in Hinblick auf das mögliche Eindringen von tausalzhaltigem Wasser in positiver Weise. Weiterhin konnte im Zuge der Arbeiten gezeigt werden, dass die Grundlage für das Feuchte-Monitoring, die vollflächige Widerstandsmessung am Kleindemonstrator inklusive der Datenübertragung via Internet erfolgreich umgesetzt werden konnten / Büt20/ , / Dri20/ . 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 171 Instandsetzung von Parkbauten im Wandel der anerkannten Regeln der Technik aus Sicht eines ausführenden Unternehmens 3.2 Digitalisierung in der Instandsetzung Neben der Entwicklung von neuen Materialien sowie Verfahren zur Instandsetzung von Bauwerken gewinnt die Digitalisierung der Instandsetzung auch immer mehr Bedeutung. Die Digitalisierung im Bauwesen wird häufig mit dem übergeordneten Begriff „BIM“ (Buildung Information Modelling) bezeichnet. BIM bietet viele Vorteile im Vergleich zur bisherigen Arbeitsweise mit unterschiedlichen Plänen, die „nur“ händisch übereinander gelegt werden können. Für die Digitalisierung von Instandsetzungs- und Instandhaltungsverfahren von befahrenen Bestandsbauwerken, wurde im Zuge eines Forschungsvorhabens die baupraktische Ersterfassung von Parkbauten sowie eine bildhafte Erfassung von Betonschäden mit gleichzeitigem Ortsbezug untersucht und entwickelt. Das Forschungsvorhaben wurde gemeinsam von dem Geodätischen Institut der RWTH und Massenberg sowie dem Institut für Baustoffforschung, der Koch GmbH und der Fa. Zensor bearbeitet / Blu21/ . Eine der im Rahmen des Forschungsvorhabens bearbeitete Fragestellung war die bauteilscharfe und ortsaufgelöste Erfassung von Betonschadstellen mit einem mobilen Endgerät, welches wirtschaftlich auch von einem ausführenden Unternehmen eingesetzt werden kann. Allgemein lässt sich als Ergebnis aus dem Forschungsvorhaben und den durchgeführten Untersuchungen festhalten, dass der Einsatz von BIM im Rahmen der Instandsetzung von Bauwerken sowohl bei der Erstaufnahme von Bauwerken als auch bei der Bauausführung umfangreiche Möglichkeiten bietet die bisher aufwändigen und fehleranfälligen analogen Schritte zu vereinfachen, bei gleichzeitiger Steigerung der Genauigkeit. Die Aufnahme von Schadstellen mit mobilen Endgeräten, wie Smartphones, bietet im Rahmen der Bauausführung ein hohes Potential genau und wirtschaftlich zu arbeiten. Moderne Smartphones stellen bereits alle notwendige Hardware zur Verfügung, speziell die zunehmend höher auflösenden Kameras eignen sich für eine bildhafte Schadenserfassung. Im Vergleich zu beispielsweise Trolleybasierten Systemen, können auch unebene Oberflächen, wie in der Bearbeitung befindliche Bodenflächen oder Stufen, begangen und Schäden an Boden-, Wand- und Deckenoberflächen erfasst werden. Herausforderungen liegen jedoch in der mobilen Prozessierung der Bilddaten und der rechenintensiven Pose-Tracking-Prozesse / Blu21/ . Im vorliegenden Projekt wird eine Natural-Feature- Tracking-Lösung in Form eines visuellen SLAM (V- SLAM)-Verfahrens verwendet. SLAM nutzt Lokalisierungsinformationen, um eine lokale Karte der Umgebung zu erzeugen. Diese wird wiederum zur Lokalisierung verwendet. Ein Bestandteil von SLAM ist die Visuelle Odometrie (VO) in Kombination mit georeferenzierten Markern im Bauwerk. Ein in typisches Anwendungsgebiet der VO ist die Realisierung von autonom navigierenden Robotern. Bekannte Beispiele sind die NASA- Rover Spirit und Opportunity / NAS20/ . Das genaue Vorgehen ist wie folgt: Im ersten Schritt werden markante Merkmale in den Kamerabildern detektiert, digital beschrieben und abgespeichert (Abb. 16). Dies wird als Merkmalsdetektion (Feature Detection) und Merkmalsbeschreibung (Feature Description) bezeichnet. Anhand eines kontinuierlichen Merkmalvergleichs ist es möglich in Echtzeit Schadstellen aufzunehmen und die Position unabhängig von externen Signalen, wie GPS oder Mobilfunkempfang, zu bestimmen und mit den Schadstellen abzuspeichern / Blu21/ . Bild 16: Detektierte Bildmerkmale (Features) - Beispiel aus der Erfassung des Feldtests / Blu21/ Die nachfolgenden Bilder zeigen die Ergebnisse eines Feldtests an einem Parkhaus. Im Rahmen des Feldtests wurde zunächst das Bestandsbauwerk mit unterschiedlichen Laserscan-Systemen erfasst und die Ergebnisse hinsichtlich Genauigkeit und Erfassungszeit miteinander verglichen / Blu21/ . Dabei hat sich gezeigt, dass transportable Laserscanner die erforderliche Erfassungszeit gegenüber stationären Laserscannern um den Faktor 9 bis 10 reduzieren können bei keinem für die gestellte Fragestellungen signifikanten Verlust der Genauigkeit. Basierend auf dem Laserscan wurde das im nachfolgenden Bild dargestellte BIM-Modell entwickelt. Bild 17: BIM-Modell des im Feldtest untersuchten Parkhauses Die Erfassung von Betonschadstellen erfolgte dann basierend auf den zuvor beschriebenen Entwicklungsarbeiten mittels Smartphone. Das nachfolgende Bild zeigt 172 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Instandsetzung von Parkbauten im Wandel der anerkannten Regeln der Technik aus Sicht eines ausführenden Unternehmens exemplarisch ausgewählte Schadstellen, die in Lage und Größe mittels Smartphone erfasst wurden - siehe Bild 18. Bild 19 zeigt einen Auszug aus den Informationen zu einer exemplarisch ausgewählten Schadstelle mit u.a. der Größe der Schadstelle, hier rd. 440 cm². Bild 18: Auszug aus dem BIM-Modell des im Feldtest untersuchten Parkhauses - hier Hervorhebung der Schadstellen Bild 19: Mittels Smartphone aufgenommene Schadstelle mit Größe der Schadstelle hinterlegt im BIM-Modell Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Erfassung von Betonschadstellen mit einem mobilen Endgerät, wie Smartphone, eine wirtschaftliche und nach kurzer Eingewöhnung des Benutzers vergleichsweise einfach zu handhabende Aufgabenstellung ist. Die Anwendung der entwickelten Verfahren wird von Massenberg im Rahmen von kommenden Projekten weiter vorangetrieben, so dass die beschriebenen Vorteile Anwendung finden / Blu21/ . Aktuelle Forschung zum Thema BIM in der Instandsetzung von Bauwerken befassen sich u.a. mit der Integration von Diagnosedaten als BIM-Elemente in BIM-Modelle, d.h. die Integration von ortsaufgelösten Messdaten, so dass diese Daten allen am Bau Beteiligten gleichermaßen vorliegen / Büt22/ , / Mor22/ . 4. Zusammenfassung und Ausblick Im Rahmen der vorliegenden Veröffentlichung haben die Autoren ausgewählte Innovationen und Neuerungen bei der Instandsetzung von Parkbauten in den letzten 20 Jahren beleuchtet. Dabei wurde sowohl die Entwicklung relevanten Normen als auch von eingesetzten Materialien und Digitalisierungsverfahren beschrieben. Die wesentlichen Aspekte der vorliegenden Veröffentlichung sind: • Einführung der TR Instandhaltung und damit Ergänzung der bestehenden RL SIB, • Einführung des Oberflächenschutzsystems OS 14 mit Einführung der TR Instandhaltung, • Anwendung von Carbon-Anodensystemen für KKS sowie multifuktionale Systeme, wie SMART-DECK, • Einsatz von Building Information Modelling in der Instandsetzung von Stahlbetonbauteilen für die georeferenzierte Erfassung von Schadstellen. Alle hier gezeigten Innovationen sind aus Sicht der Autoren eine wertvolle Weiterentwicklung des Bestehenden, wobei bei allen Innovationen der Faktor Mensch in Form der handelnden Personen nicht außer Acht gelassen werden sollte. Nur wenn alle handelnden Personen sich auf Innovationen einlassen und danach ausschreiben, ausführen und Bauwerke warten kann der Mehrwert von Innovationen auch realisiert werden. Literaturverzeichnis / Blu21/ Blut, C.; Büttner, T.; Becker, R.; Wollenberg, R.; Özcan, B.; Stahl, H.; Blankenbach, J.: DigiPark - Digitalisierung in der Bauwerksinstandsetzung; 7. Kolloquium Erhaltung von Bauwerken; TAE Esslingen; 2021. / Büt12/ Büttner, T.: Zur Dauerhaftigkeit polymergetränkter AR-Glasbewehrungen in Textilbeton, RWTH Aachen University, Dissertation, 2012 / Büt20/ Büttner, T.: SMART-DECK: Vom Konzept zum Demonstrator, Bautechnik 97 (2020), H.1, S. 48-56, https: / / doi.org/ 10.1002/ bate.201900090 / Büt21/ Büttner, T.: Textilbeton - von der Innovation in die Praxis; 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis; TAE Esslingen; 2021 / Büt22/ Büttner, T.; Morgenstern, H.: DigiPark - BIMbasierte Schadenserfassung und Instandhaltungsplanung am Beispiel eines Parkbaus aus Stahlbeton; Fachkongress Konstruktiver Ingenieurbau, 2022 / BÜV22/ BÜV et al.; Gemeinsames Positionspapier der Verbände zum Thema Betoninstandsetzung, 2021 - online verfügbar unter: https: / / new. bauueberwachungsverein.de/ / DIBT21/ DIBt; Einführung der TR Instandhaltung -https: / / www.dibt.de/ de/ aktuelles/ meldungen/ 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 173 Instandsetzung von Parkbauten im Wandel der anerkannten Regeln der Technik aus Sicht eines ausführenden Unternehmens nachricht-detail/ meldung/ technische-regel-instandhaltung-von-betonbauwerken-neu-ab-januar-2021, online, Zugriff 10.2021 / DIBt21a/ DIBt; Hinweise zur Technischen Regel (DIBt) „Instandhaltung von Betonbauwerken (Mai 2020)“ - online verfügbar / Dri20/ Driessen-Ohlenforst, C.: SMART-DECK: Multifunctional carbon-reinforced concrete interlayer for bridges, Materials and Corrosion, 2020 / Mor20/ Morales Cruz, M.: Crack-distributing carbon textile reinforced concrete protective layers, Dissertation RWTH Aachen University Dezember 2020, online verfügbar / Mor22/ Morgenstern, H.; Raupach, M.: Digitalisierung in der Bauwerkserhaltung. beton 71 (2021) H. 12. / NAS20/ NASA, „Mars Exploration Rovers Overview,“ 2020, online, https: / / mars.nasa.gov/ mer/ mission/ overview/ , Zugriff 11.2020 / Nau10/ Naumann, J.: Brücken und Schwerverkehr - Eine Bestandsaufnahme. In: Bauingenieur 85 (2010), Heft 1, S. 1-9 / Rau13/ Raupach, M.; Gulikers, J.; Reichling, K.: Condition Survey with Embedded Sensors Regarding Reinforcement Corrosion: Bauwerksüberwachung mit eingebetteten Sensoren hinsichtlich der Korrosion von Stahl in Beton. In: Materials and Corrosion 64 (2013), Nr. 2, S. 141-146 ISSN 1521-4176 / Rau14/ M. Raupach und T. Büttner, Concrete Repair to EN 1504: Diagnosis, Design, Principles and Practice, 1. Edition Hrsg., CRC Press, 2014. / TR-I20/ Technische Regel Instandhaltung von Betonbauwerke; DIBt, online verfügbar 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 175 Schäden an Parkdeckbeschichtungen und abgedichteten Parkdächern - geeignete Systeme - Instandsetzungsvorschläge Dipl.-Ing. Hamed El Diwany El Diwany Himstedt - Architekten & Ingenieure für Dach- und Abdichtungstechnik - Fritschestrasse 26 - 10585 Berlin Tel.: 030/ 32 70 12 68 - E-Mail: eldiwany@eldiwany.de - www.eldiwany.de Zusammenfassung Schäden an Parkdeckbeschichtungen schützen die konstruktive Betondecke nicht mehr. Tausalze führen zu ständigem Chlorideintrag in die Konstruktion. Das hat im Extremfall die Unbenutzbarkeit eines Parkdecks zur Folge, auch wegen Einsturzgefahr. Beschichtungsanschlüsse an aufgehende Bauteile, Stützen, Gullys, Dehnfugen etc. sind häufig mangelhaft gelöst. Sie verursachen und verstärken die Schäden an der Konstruktion zusätzlich. Wasser tritt unkontrolliert in Gebäude und Tiefgaragen, tropft auf Regale, in Kassen, beschädigt Ware, verursacht Lackschäden auf Autos und belästigt Kunden. Zu den Wasserschäden kommen teils erhebliche Gebäudeschäden. Die folgenden Beispiele zeigen einige typische Schadensquellen und deren Auswirkungen auf die Gebäudekonstruktion. Hauptursache sind fast immer mangelhafte Detailausbildungen. Das betrifft sowohl die Planung als auch die Ausführung. Mangelhaft ausgebildete Dehnfugen sind besonders schadensträchtig. 1. Beispiel Nr. 1 - OS11a kein Haftverbund Es gibt grob gesagt zwei Arten von Parkdeckbeschichtungen bei OS11a-Systemen: - sie funktionieren über Jahre relativ schadlos - die Schäden treten schon nach Fertigstellung ein Die Untersuchung mehrerer freibewitterter und überdachten Parkebenen von Parkdecks und Parkpaletten zeigen immer das gleiche Schadensbild. Über die Fläche verteilte grossflächige Ablösungen der Beschichtung. Teilweise mussten Teile des Parkdecks für die Nutzung gesperrt werden. Mangelhafte Detailausbildungen führen zu gravierenden Schäden unterhalb der Parkebenen und gefährden die tragende Konstruktion. Bild 1: Abplatzungen, Ablösungen einer OS11a beschichtung - kein Haftverbund mit dem Untergrund Häufige Ursachen für Ablösungen: • Die Lufttemperatur, Luftfeuchte und Bauteiltemperatur ist vor Beginn jedes Tagesabschnittes zu messen. Der Abstand zwischen Bauteiltemperatur und Taupunkttemperatur von mindestens 3 K ist einzuhalten, um Kondenswasserbildung auf der Oberfläche zu vermeiden. • Das wird häufig nicht beachtet, weil enge Terminpläne einzuhalten sind. Man nimmt es nicht so genau. • Temperaturunterschiede der Bauteile bedingt durch Verschattungen sind zu beachten. 176 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Schäden an Parkdeckbeschichtungen und abgedichteten Parkdächern - geeignete Systeme - Instandsetzungsvorschläge • Die Entwicklung der Temperaturen für den Zeitraum der Ausführung und Erhärtung ist zu beachten. Haftverbund EP-Grundierungen zur Beschichtung • Durch Überschreitung von Karenzzeiten findet kein Anlösen und auch kein Haftverbund mehr statt bei EP-Harzen. • Das bezieht sich auf Grundierschichten wie auf Harzdeckschichten. • Des Weiteren sind Epoxidharze nach Erstellung in einem bestimmten Zeitfenster zu überarbeiten. Dieses Zeitfenster verringert sich massiv bei Temperaturwechseln. Beispielsweise +30°C mit Sonneneinstrahlung 20 bis 30 Minuten Weiterverarbeitungszeit, bei +10°C 70 bis 90 Minuten Weiterverarbeitungszeit. • Desgleichen Überarbeitungszeit bei +30°C 6 bis 8 Stunden, maximal 12 Stunden; bei +10°C 24 bis 36 Stunden, maximal 48 Stunden. • Hieraus ist zu erkennen, dass die Verarbeitung mit EP-Harzen einer extremen Sorgfalt bedarf. Ansonsten lösen sich Schichten untereinander ab. Es stellt sich kein Verbund mit PU-Harzen ein. Das Produktdatenblatt eines namhaften Herstellers weist explizit darauf hin: „Achtung: wird die Wartezeit zwischen Grundierung und Beschichtung überschritten, kann es zu einer verminderten Zwischenhaftung kommen.“ Die Nichtbeachtung aller o.g. Grundsätze sind die Ursache für die meisten Schäden an Beschichtungen. Unzureichende Untergrundvorbereitung Die Einschätzung des Betonuntergrundes ist ein wichtiges Kriterium für die Funktion des Schichtaufbaues. Es hört sich einfach an, jedoch ist Beton nicht gleich Beton! Ein entscheidendes Kriterium für eine dauerhafte Funktion einer aufgetragenen Beschichtung ist die Feuchtigkeit in der Betondecke. Besonders kritisch: Additiv-Decken Besonders kritisch ist die Sanierung von Additiv-Decken. Der Beton ist zwischen Beschichtung und Additiv-Decke eingeschlossen. Eine völlige Austrocknung des gesamten Querschnitts ist praktisch nicht möglich. Entweder es dauert sehr lange wobei der Beton vor weiteren Niederschlägen zu schützen ist, oder es sind Sonderlösungen notwendig. Diese sind auf den Einzelfall abzustimmen. Die erfordelichen Sonderlösungen entsprechen jedoch eventuell nicht in allen Teilen dem Wortlaut aktueller DIN-Normen und Richtlinien. Solche handwerklich sicheren Lösungen werden von spezialisierten Betrieben angeboten. Dafür übernehmen sie dann auch die Gewährleistung für die Funktion der Beschichtung. Sonderlösung für Additiv-Decken: Als Grundierung lässt sich ein sogenannter Wasser-EP verwenden. Diese Grundierungen sind für feuchte Flächen geeignet. Die Grundierung darf nicht zu sparsam aufgetragen werden. Es ist zwei Mal ein Wasser-EP aufzubringen. Damit lässt sich eine wirksame Sperre erreichen, so dass keine Feuchtigkeit mehr aus dem Untergrund in die neue Beschichtung eindringen kann. Der erste Auftrag erfolgt ohne Abstreuung, nach ca. 11 bis 12 Stunden erfolgt der zweite Auftrag mit Abstreuung. Je nach Hersteller weichen die Verarbeitungsvorschriften ab und sind zu beachten. Durch eine ordnungsgemäße gleichmäßige ausreichende Abstreuung mit abgestimmter Körnung und Entfernung des überschüssigen Sandes wird die Adhäsion zwischen Grundierung und nachfolgenden Schichten signifikant erhöht. Bei Rautiefen größer 1 mm ist eine Kratzspachtelung erforderlich. Der weitere Aufbau für OS11a ist die elastische Oberflächenschutzschicht mit einer Mindestschichtdicke von 1,5 mm. Darauf folgt die verschleißfeste hwo (hauptsächlich wirksame Oberflächen- Schutzschicht) mit einer Mindestschichtdicke von 3 mm. Diese Schicht ist mit Quarzsand abzustreuen. Darauf folgt die Deckversiegelung. Bild 2: mangelhafte Untergrundvorbereitung und nicht regelkonforme Verarbeitung der Beschichtung. Es wird keine Haftung auf dem Untergrund erzielt. 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 177 Schäden an Parkdeckbeschichtungen und abgedichteten Parkdächern - geeignete Systeme - Instandsetzungsvorschläge Bild 3: kein Haftverbund mit dem Untergrund, Wird die Wartezeit zwischen Grundierung und Beschichtung überschritten, kommt es zu einer verminderten oder gar keiner Haftung zwischen den Schichten! Bild 4: die einzelnen Schichten haben keinen Haftverbund. Zusätzlich zur Wartezeit zwischen Grundierung und Beschichtung sind Lufttemperatur, Luftfeuchte und Bauteiltemperatur zu berücksichtigen. Bild 5: weiteres Beispiel einer OS11a-Beschichtung, die sich grossflächig vom Untergrund löst. Ein Haftverbund mit dem Untergrund war nicht gegeben. Bild 6: Detail aus Bild 5, kein Haftverbund zum Untergrund, unzureichende Untergrundvorbehandlung Abweichungen zu OS11a - Sondermaßnahmen Besonders für eine Sanierung auf kritischen Untergründen wie Additiv-Decken empfehlen sich folgende Maßnahmen: • Zur Erhöhung der Sicherheit und Dichtigkeit des Beschichtungssystems ist die Einlage eines Polyestergittervlies zu empfehlen. • Nach der Grundierung erfolgt der Auftrag einer Abdichtung, je nach Hersteller des Systems, mit einer Einlage eines Polyestergittervlieses. • Weitere Verstärkung • Die Ausführung einer doppelten Gewebearmierung. Damit wird verhindert, • dass bei geringem Dampfdruck gleich wieder eine Blase entsteht. • Als weitere Lagen erfolgt die Beschichtung, Einstreuung mit Quarzsand und eine 2 malige Versiegelung. Es empfiehlt sich, während der Planungsphase für eine Sanierung bereits mit einem spezialisierten Unternehmen Kontakt aufzunehmen, um objektspezifische Lösungen zu suchen. Damit beugt man späteren erneuten Schäden vor. Alle Sonderlösungen sind sorgfältig abzuwägen und mit dem Auftraggeber zu besprechen. 178 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Schäden an Parkdeckbeschichtungen und abgedichteten Parkdächern - geeignete Systeme - Instandsetzungsvorschläge Bild 7: ungeeignete Rohrdurchführung ohne Abdichtung, An den Randwinkeln ist keine Abdichtung. Wasser kann kapillar hinterlaufen Bild 8: dauernde Leckagen, chloridhaltiges Wasser zerstört die Konstruktion, hier eine Additiv-Decke Bild 9: Detail aus Bild 8, starke Korrosion an der Rohrdurchführung Bild 10: Korossionsschäden an Additiv-Decken sind besonders gefährlich, weil die Standfestigkeit beeinträchtigt wird Detailausbildung: Die Detailausbildung ist häufig eine handwerkliche Schlechtleistung. Auch fehlen dann die planerischen Vorgaben. Eindeutige technische Unterlagen und Vorgaben der Materialhersteller unterscheiden sich erheblich. Details der OS11a Hersteller sind häufig recht dürftig Details der PMMA-Hersteller sind deutlich besser. Obwohl auch von den Systemherstellern Angaben zu notwendigen Abdichtungsanschlüssen vorhanden sind, gibt es immer die gleichen Fehler: • Keine ausreichenden Randaufkantungen für einen Abdichtungsanschluss • Wenn vorhanden, wird ein Abdichtungsanschluss oft nicht ausgeführt! • Kein Beschichtungsflansch von mind. 50 mm Breite an Dehnfugen, Rinnen etc. Das führt zu schweren Schäden an der Konstruktion. Das dokumentieren die exemplarisch aufgeführten Bilder verschiedener Parkdecks. 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 179 Schäden an Parkdeckbeschichtungen und abgedichteten Parkdächern - geeignete Systeme - Instandsetzungsvorschläge Bild 11: kein Gefälle, keine Randausbildung, Wasser dringt in die Konstruktion, die Beschichtung hat keine schützende Wirkung für das Gebäude. Bild 12: ungeeignete Rinne, Anschlüsse der Beschichtung benötigen einen Klebeflansch von mindestens 50 mm Breite Bild 13: Abriss der stumpf gestossenen OS11a Beschichtung an einen Stahl-Randwinkel. Die Aufkantung ist viel zu niedrig für einen Abdichtungs-anschluss, der hier notwendig ist. Je nach Gefälleausbildung sind 100 mm - 150 mm Aufkantungshöhe notwendig. Bild 14: Unterseite im Gebäude aus Bild 13, dauerhafte Undichtigkeiten durch fehlenden Abdichtungsanschluss auf der Parkebene Bild 15: auch eine Stütz benötigt einen Abdichtungsanschluss, die Versiegelung genügt nicht. 180 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Schäden an Parkdeckbeschichtungen und abgedichteten Parkdächern - geeignete Systeme - Instandsetzungsvorschläge Beispiele - Dehnfugen für Beschichtungen: Detail Nr. 1: Dehnfugenausbildung für nachträglichen Einbau mit Beschichtungsflansch - System Mapotrix o.glw. Die Ziffern im Einzelnen: 1 PCC Mörtelausgleich 2 FZEA 14/ 40 M12 50 e = 300 3 Beschichtungsflansch 50/ 8 mm 4 Mapotrix-Profil Typ VS 25, o.glw. 5 Mapotrix Dichtungsprofil, o.glw. 6 Beschichtung Zu diesen Fugenprofilen gibt es auch Formteile für Ecken, Anschlüsse und Aufkantungen sowie Sonderprofile nach Aufmass. Damit lassen sich auch Dehnfugen beschichteter Parkdecks sicher ausbilden! Detail Nr. 2: Dehnfugenübergang mit Beschichtungsflansch und Entwässerungsrinne sowie Los-/ Festflanschübergang zur abgedichteten Rampe mit Asphaltbelag. Objektbezogene Lösung nach örtlichem Aufmass. 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 181 Schäden an Parkdeckbeschichtungen und abgedichteten Parkdächern - geeignete Systeme - Instandsetzungsvorschläge Solche Details sind objektbezogen zu planen. Auch für einen bereits fertiggestellten Rohbau oder eine Sanierung lassen sich dauerhaft funktionierende Lösungen entwickeln. Es gibt einige spezialisierte Hersteller, die Dehnfugen, Rinnen, Durchdringungen mit den benötigten Klebe- und Beschichtungsflanschen herstellen. Ebenso mit Los-/ Festflanschkonstruktionen, wo es notwendig ist. Wartung Eine Wartung und Pflege ist grundsätzlich einmal jährlich notwendig. Das wird auch im DVB-Merkblatt „Parkhäuser und Tiefgaragen“ empfohlen. Ein Wartungsplan sollte mit der Ausführungsplanung vorgelegt werden. Je nach eingesetztem Beschichtungssystem ist ein erweitertes Wartungs- und Instandhaltungskonzept aufzustellen und zu vereinbaren. Im Detail kann das erst nach erfolgter Planung erfolgen. Es können sich durchaus auch zweimal jährlich Wartungen ergeben. Durch die hohe Nutzerfrequenz des Parkdecks schleppen die Fahrzeuge auch im Winter Sand und Feinanteile auf das Parkdeck. Im Rahmen einer Wartung weisen die ausführenden Firmen den Nutzer darauf hin, was ihnen aufgefallen ist und was zu unterlassen wäre. Weiterhin erhält der Nutzer Hinweise zu eventuellen Schäden oder sich abzeichnenden Schäden. Kleinere Schäden werden im Zuge der Wartung abgearbeitet. Das verlängert die Funktion der Beschichtung erheblich Leider ist die Wartung für etliche Betreiber ein ungeliebtes Thema. Es wir entweder gar nicht gewartet oder völlig unzureichend und mit dafür ungeeignetem Personal. Welche Beschichtung? EP-PUR - PMMA? Die Materialqualitäten der einzelnen Hersteller sind bei beiden Systemen hoch. Sie haben sich bewährt, sind geprüft und für den jeweiligen Einsatzzweck geeignet. Die gravierenden Unterschiede liegen in der Verarbeitung, Haltbarkeit und Preis. PUR-Systeme PUR-Systeme für OS11a benötigen besonders auf Freidecks eine wirklich exakte Einhaltung der Verarbeitungsvorschriften der einzelnen Hersteller. Besonders die Einhaltung der Karenzzeiten zwischen den Schichten ist extrem wichtig. Dies ist bei den hier vorherrschenden Klimabedingungen oft kaum möglich. Hier helfen nur zusätzliche Schutzmassnahme wie Zelte oder ähnliche Überdachungen. Parkdeckbeschichtungen erfolgen oft vor Eröffnung eines Centers, Marktes etc. Die Jahreszeit für die Arbeiten ist nicht immer ideal. Trotzdem wird unter Zeitdruck fertiggestellt. Das führt zu den Ergebnissen, die in den o.g. Beispielen dargestellt sind. Bei Streitigkeiten fehlen dazu noch die Bautagesberichte des ausführenden Betriebes, oder werden zurückgehalten. Daraus sollen sie alle relevanten Parameter während der Verarbeitung ergeben. Auf eine solche Dokumentation sollte jeder Planer, Bauleiter, Bauherr bestehen - wöchentlich. Das kann im Streitfall sehr hilfreich sein. Die Betreuung oder Eigenkontrolle seitens der Hersteller ist häufig völlig unzureichend. Hier sollte der Auftraggeber bzw. Bauherr Unterstützung und Betreuung fordern. Wird vertraglich festgestellt, dass der Hersteller die Leistungen mit überprüft und die einwandfreie Verarbeitung bescheinigt, erfolgt auch eine regelmässige Kontrolle. Die Hersteller sind dazu durchaus bereit, man muss es jedoch fordern. Weigert sich ein Hersteller, ist das System zu wechseln. OS11a-Systeme auf PUR Basis sind relativ preiswert und werden daher gerne eingesetzt. Die Verarbeitung eines Chemieproduktes auf PUR Basis auf der Baustelle ist dafür extrem anspruchsvoll. PMMA-Systeme PMMA-Systeme haben eine Zulassung nach ETAG 005 und sind für eine Bauwerksabdichtung zugelassen. Die Basis sind Methyl-Acrylat-Harze. PMMA-Systeme haben grundsätzlich eine abdichtende Funktion und schützen damit das Bauwerk. Detailvorgaben für Anschlüsse, Dehnfugen, T-Träger, Gullys etc. sind umfangreich vorhanden. Im Gegensatz zu PUR-Systemen sind PMMA-Systeme wesentlich verarbeitungsfreundlicher. Die verarbeitungsvorschriften der einzelnen Hersteller sind zu beachten. Auch die Verarbeitungszeiträume je nach Temperaturen. Es ist möglich nach kurzer Wartezeit, die nächste Lage aufzubringen. • Verarbeitung möglich bis -5 °C • gute Vliestränkung auch bei tiefen Temperaturen • unabhängig von der relativen Luftfeuchte (außer Taupunkt) • keine langen Wartezeiten zwischen den einzelnen PMMA-Schichten; d. h.: Flächen können von der Grundierung bis zur Versiegelung innerhalb von Stunden fertiggestellt werden, je nach Grösse. Das ist besonders bei Rampen von entscheidender Bedeutung. • Objektbezogene Einstellungen (z.B. Viskosität o.ä.) für stark geneigte Rampen möglich • Bedingt durch die abdichtende Funktion und gleichzeitige Verschleissfestigkeit wird eine sichere Rissüberbrückung erreicht. Parkplatzmarkierungen, Richtungspfeile und Symbole sind aus dem gleichen Material wie die Nutzschicht. Sie werden integriert. Damit sind sie verschleissfest, werden nicht abgefahren wie Farbmarkierungen und bilden so eine ebene Fahrbahn- und Parkplatzfläche. 182 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Schäden an Parkdeckbeschichtungen und abgedichteten Parkdächern - geeignete Systeme - Instandsetzungsvorschläge Die Körnung ist in der Nutzschicht integriert, sie fährt sich nicht ab oder wäscht sich aus. Ist die Nutzschicht nach Jahren abgefahren, lässt sie sich auf die bestehende Abdichtungslage neu aufbringen. PMMA vernetzt sich auch nach Jahren. Ein entscheidender Vorteil gegenüber PUR Beschichtungen. PMMA-Systeme sind teurer als PUR-Systeme. Dafür sind sie wesentlich haltbarer, verschleissfester und substanzerhaltend zu sanieren. Die Herstellung ist viel weniger störanfällig als bei PUR- Systemen. Ergebnis Verarbeiter, die Systeme zuvieler Hersteller verwenden sind nicht zu empfehlen. Die Konzentration auf das Wesentliche und dafür top ist hier die sichere Wahl. Aus langjähriger Erfahrung in der Untersuchung von Parkdeckbeschichtungen halte ich PUR-Beschichtungen die unter Zeitdruck erfolgen und nicht vom Hersteller begleitet werden, für sehr riskant. Sie funktionieren nur, wenn Planer, Verarbeiter, Hersteller und Auftraggeber offen und fair zusammenarbeiten. Bei kritischen Witterungs-bedingungen sind Schutzmassnahmen zwingend oder die Arbeiten einzustellen. PMMA-Systeme sind zwar etwas teurer, jedoch erfüllen sie auch die Funktion einer Abdichtung, sind sicherer in der Herstellung und wesentlich verschleissfester. Sie sind nach Jahren der Nutzung und substanzerhaltend zu sanieren. Ein weiterer Pluspunkt ist die Betreuung durch die Hersteller. Sie arbeiten überwiegend nur mit ausgewählten und gut geschulten Verarbeitern. Sie kümmern sich um die Projekte. Ich habe damit die besten Erfahrungen gemacht. Auch das Risiko für den Planer sinkt erheblich. Der Auftraggeber hat einen sehr deutlichen Mehrwert. Merke: Wasser ist dünn und flüssig, es dringt überall ein Bild 16: Sanierung einer Parkebene mit PMMA-System, Fahrbahnmarkierung und Richtungspfeile sind aus dem gleichen Material und höhengleich in der Nutzschicht integriert. Sie sind verschleissfest. Normen, Richtlinien und Literatur [5] DAfStb - Richtlinie, Schutz und Instandhaltung von Betonbauteilen, Teile 1 - 4, Ausgabe Oktober 2001 [6] Robert Engelfried: Schäden an polymeren Beschichtungen - Serie Schadensfreies Bauen, Band 26, Fraunhofer IRB Verlag [7] Hamed El Diwany: Schäden an wärmegedämmten Parkdächern und deren Auswirkungen auf die Substanz des Gebäudes - Beton- und Stahlbetonbau Spezial 2005, Verlag Ernst & Sohn 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 183 Tiefgarage Friedrichplatz - Instandsetzung des documenta- Parkhaus bei laufendem Betrieb Henning von Daake, Michael Glorius, Carsten Bücking, Jens Wortberg Instandsetzungsarbeiten an Parkbauten in zentrumsnaher Lage stellen neben der fachgerechten Bauwerksanalyse, Planung und Ausführung meist erhöhte logistische Anforderungen an alle Beteiligten. Parkraum in innerstädtischen Bereichen ist knapp und teuer. Zugang, Platzverhältnisse sowie die angrenzende Bebauung und Nutzung (Geschäfte, Wohnen etc.) erfordern oftmals kurze Bauzeiten, geringe Lärm- und Schmutzbelastung der Nachbarschaft und/ oder generell die Instandsetzung bei laufendem Betrieb. Der vorliegende Beitrag stellt die Instandsetzung der im Zentrum Kassels gelegenen „Tiefgarage Friedrichsplatz“ vor. Neben der Nutzung als zentrumsnaher Parkraum wird die Tiefgarage schwerpunktmäßig für Besucher der documenta- Halle, des Museum Fridericianum und des Staatstheaters genutzt. Bei der in den Jahren 1991/ 92 in zwei Bauabschnitten errichteten Tiefgarage handelt es sich um einen zweigeschossigen Bau mit planmäßiger Vorspannung der Deckenkonstruktion. Besonderheit hierbei ist, dass die Konstruktion in der ursprünglichen Planungsphase unter Dauerlast durch die Parknutzung im Zustand I, also ungerissen, bemessen wurde. Bei einer planmäßigen Bauwerksprüfung wurden zunächst Risse in den Deckenbereichen festgestellt. Durch die anschließende Bauwerksanalyse wurden ein umfangsreiches Rissbild mit größeren Rissbreiten und Trennrissen sowie chloridinduzierter Bewehrungskorrosion bestätigt. Besondere Anforderungen an das Instandsetzungskonzept waren der Erhalt der planmäßigen Vorspannung sowie die Ausführung der Instandsetzungsarbeiten bei weiterlaufendem Betrieb der Tiefgarage. Aufgrund dieser Voraussetzungen wurden die Ausführung der Instandsetzungsarbeiten mit Vergussbeton entsprechend der Vergussbetonrichtlinie des DAfStb ausgeführt. Neben der Bauwerksinstandsetzung wird in dem Beitrag weiterhin auf die Möglichkeiten, Besonderheiten und Vorteile beim Einsatz von Vergussbetonen in der Instandsetzung eingegangen. Carsten Bücking Otto Scheuerer Bautenschutz GmbH Hafenstrasse 67, 34125 Kassel Dipl.-Ing. (FH) Jens Wortberg PAGEL ® Spezial-Beton GmbH & Co. KG Wolfsbankring 9, 45355 Essen Dr.-Ing. Henning von Daake PAGEL ® Spezial-Beton GmbH & Co. KG Wolfsbankring 9, 45355 Essen vondaake@pagel.de Dipl.-Ing. Michael Glorius EFG Beratende Ingenieure GmbH Ederweg 4-6, 34277 Fuldabrück Der Beitrag wurde in der Ausgabe 12/ 2021 der Zeitschrift Beton- und Stahlbetonbau veröffentlicht und kann hier abgerufen werden: 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 185 Betonschonende Sanierung von Parkbauten-Beschichtungen Dipl.-Ing. Werner Noebel Konzept Vertrieb Husqvarna Deutschland GmbH Thorsten Fienz Gebietsverkaufsleiter Süd Husqvarna Deutschland GmbH Zusammenfassung Mit Schältechnik kann man alte, geschädigte OS8- oder OS11-Beschichtungen in Parkbauten betonschonend abtragen und erhält gleichzeitig eine optimal vorbereitete Oberfläche für eine neue Beschichtung. Zwei Untersuchungen bestätigen in Verfahrensvergleichen, dass durch Schälen sehr gute Oberflächenzugfestigkeitswerte und die besten Scherfestigkeitswerte für eine neue Beschichtung erreicht werden. Beim Schälen werden keine Mikrorisse in der Betonoberfläche erzeugt, die ursächlich für die schlechten Oberflächenzugfestigkeitswerte anderer Verfahren sind. Die Rautiefe der geschälten Oberfläche liegt weit unter 1,5 mm, so dass im Gegensatz zu anderen Verfahren keine zusätzliche Kratzspachtelung erforderlich ist. Durch die Einsparung der Kratzspachtelung ist die Schältechnik, insgesamt gerechnet, auch das kommerziell günstigste Vorbereitungsverfahren. 1. Betonschonende Untergrundvorbereitung mit Schäl-Technik Bild 1: OS 8 Tiefgaragensanierung RIEM Arcaden München Ein Hauptkriterium in Parkbauten ist es zu verhindern, dass eingetragenes salziges Tauwasser im Winter über die Schwindrisse die Bewehrung im Beton schädigt. In diesen und anderen Fällen kommt man nicht umhin den Betonboden mit Kunststoff zu beschichten, mit dem Nachteil, dass ca. alle 10-15 Jahre die alten Beschichtungen saniert werden müssen. Bei der Sanierung von Parkbauten muss dabei in der Regel zuerst die alte Beschichtung entfernt werden. Bild 2: Zeigt, was man befürchtet Es gibt hierzu bekannte Verfahren wie z. B. Fräsen, mit Vorteilen aber auch mit gravierenden Nachteilen. Bei der Einführung von neuen Verfahren werden in der Regel Fragen zu Oberflächenzug- und Scherfestigkeitswerten sowie zur Betonschädigung in Form von Mikrorissen gestellt. Institutsuntersuchungen: Um diese Fragen objektiv zu beantworten hat in 2012 die damalige HTC Floor Systems GmbH, seit März 2017 Husqvarna Deutschland GmbH - Construction Division, die Amtliche Materialprüfanstalt für das Bauwesen (AMPA) damit beauftragt, diese Fragen in Form eines 186 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Betonschonende Sanierung von Parkbauten-Beschichtungen Institut Prüfberichts [1], im Rahmen eines Verfahrensvergleichs unabhängig zu untersuchen. Im September 2012 wurden von der AMPA in Kassel Vergleichsuntersuchungen [1] zwischen Schleiftechnik bzw. Schältechnik, Kugelstrahlen, Fräsen und Höchstdruckwasserstrahl (HDW) auf einer 8 x 6 Meter großen Musterfläche durchgeführt. Bild 3: Aufteilung der AMPA Musterfläche [1] Bild 4: Beschichtete Musterfläche AMPA Kassel [1] Im Sommer 2014 wurde die Hochschule München - Labor für Baustoffe von der damaligen HTC GmbH, mittlerweile Husqvarna GmbH, damit beauftragt, auf weiteren Testflächen die nachfolgend beschriebenen Untergrundvorbereitung-Verfahren nochmals unabhängig zu untersuchen. Alle Verfahren wurden auf einer neu hergestellten Aufbetontestfläche sowie auf zwei Bestandtestflächen angewendet. Ziel der Arbeit war es, mit Hilfe von Versuchsreihen herauszufinden, welche Verfahren sich für die Untergrundvorbereitung von Betonflächen am besten eignen, die anschließend beschichtet werden sollen. Dabei wurden die ermittelten Kennwerte und Festigkeiten miteinander verglichen und auf eventuelle Zusammenhänge geprüft. [2] Bild 5: Übersichtsplan Testflächen Hochschule München [2] 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 187 Betonschonende Sanierung von Parkbauten-Beschichtungen 2. Verfahrensvergleich 2.1 Kugelstrahlen OS8- und OS11-Parkhaus-Beschichtungen lassen sich in der Regel mit Kugelstrahlen nicht abtragen. [1] Bild 6: Versuchergebnis, nur Kugelstrahlen Kugelstrahlen wird zumeist lediglich als nachträglicher und notwendiger Arbeitsgang zu Fräsen und HDW eingesetzt. 2.2 Feinfräsen „Fein“-Fräsen bedeutet, dass man eine etwas kleinere und leichtere Straßenfräse einsetzt. Bild 7: Kleine Straßenfräse Die Straßenfräse wird dann mit einer sogenannten „Fein“-Fräswalze bestückt, die ca. dreimal mehr und kleinere Meißel hat als eine Standard-Straßenbauwalze. Bild 8: „Fein“-Fräswalze Selbst 10 mm starke Beschichtungen lassen sich mit einer Fräsewalze mühelos abtragen, allerdings mit dem ungewollt hohen Abtrag der Betondecke von bis zu ca. 1 cm. Die Oberflächenzugfestigkeitswerte des Betons liegen danach regelmäßig unterhalb des nach ZTV-ING [3] für eine neue Beschichtung vorgeschriebenen Werts von mindestens 1,5 N/ mm². Bild 9: „Fein“-Fräsen Der Begriff „Fein“-Fräsen verharmlost das Verfahren, es ist vielmehr ein Meißeln mit vertikalem Krafteintrag. Der Beton wird laut dem AMPA-Prüfbericht [1] mit bis zu 2 cm tiefen Mikrorissen im Beton geschädigt, die wiederum ursächlich für die schlechten Oberflächenzugfestigkeitswerte sind. Seit einer früheren AMPA Untersuchung gibt es in den Hessen Mobil internen Regelungen/ Ergänzungen folgende Vorgabe: „Aufgrund mehrfach aufgetretener Schäden im Rahmen von Bauwerksinstandsetzungen ist großflächiges Fräsen der Betonoberfläche als Oberflächenvorbereitung nicht mehr anzuwenden.“ [4] Fräsen ist zudem: • sehr laut und erzeugt einen hohen Festkörperschall im gesamten Gebäudekomplex inkl. der Geschäfts- und Wohn-Ebenen. 188 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Betonschonende Sanierung von Parkbauten-Beschichtungen • eine staubige Angelegenheit, da es ohne Staubabsaugung erfolgt. • nacharbeitsintensiv, da ein Kugelstrahlgang und eine zusätzliche Kratzspachtelung erforderlich sind. Der zusätzliche Kugelstrahlgang ist zwingend erforderlich, um einen Großteil der durch das Meißeln gelockerten Betonoberfläche abzutragen. Bild 10: Kugelstrahlen nach „Fein“-Fräsen Die Rautiefe einer gefrästen Oberfläche liegt über 1,5 mm, so dass nach ZTV-ING [3] eine zusätzliche material- und arbeitszeitaufwendige Kratzspachtelung erforderlich ist. Bild 11: Kratzspachtelung nach „Fein“-Fräsen Laut einem Betonsachverständigem „schädigt Fräsen aber nicht nur den Beton, sondern führt auch oft zu organisatorischem Ärger auf den Baustellen. Dazu gehören zum Beispiel Nachtragsforderungen für „verfestigend“ wirkende Grundierungen, mit denen der durch das Fräsen geschädigte Beton wieder ertüchtigt werden muss. Auch die beim Fräsen entstehenden Rautiefen und deren Ausgleich sind häufig Gegenstand unangenehmer Diskussionen.“ [5] 2.3 Lammellenfräsen (auch Klopffräsen oder Schlaglamellenfräsen genannt) Eine Lamellenfräse kann in der Regel eine Beschichtung alleine nicht abtragen, es ist ein vorheriges Flammstrahlen erforderlich um die Altbeschichtung vorzuschädigen. Das Lamellenfräsen erfolgt in der Regel ohne Staubabsaugung. Bild 12: Lamellenfräsen Es ist ein zusätzlicher Kugelstrahlgang erforderlich, der durch das Klopfen gelockertes Gefüge von der Betonoberfläche abträgt. Bild 13: Lamellenwalzen einer Lamellenfräse Die beim Lamellenfräsen entstehenden Längsriefen müssen abschließend noch kratzgespachtelt werden, da ansonsten nicht gewährleistet ist, dass später eine ebene, beschichtete Fahrbahn entsteht. Vor dem Lamellenfräsen ist zur Vorbereitung ein zusätzliches Flammstrahlen erforderlich um die Beschichtung vorzuschädigen. 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 189 Betonschonende Sanierung von Parkbauten-Beschichtungen Bild 14: Vorbereitendes Flammstrahlen Dieses Verfahren wurde von der AMPA nicht weiter untersucht, weil wir aufgrund der Anzahl und der Art der erforderlichen Arbeitsgänge (Flammstrahlen, Lamellenfräsen, Kugelstrahlen und Kratzspachteln) zu große wirtschaftliche Nachteile sahen. 2.4 Höchstdruckwasserstrahlen (HDW) Bild 15: Höchstdruckpumpe - 2.500 Bar Höchstdruckwasserstrahlen (HDW - 2.500 bar) ist ein relativteuresVerfahrenmiteinergeringenFlächenleistung. HDW Handlanze ist zudem durch den hohen Rückstoß und die erforderliche Schutzkleidung eine gefährliche Schwerstarbeit bei der sich die Arbeiter alle 20 Minuten abwechseln. Bild 16: HDW Handlanze HDW erzeugt ein Menge Schlamm aus Beschichtungs- Material und Beton sowie Schmutzwasser, welches aufgefangen und gefiltert sowie aufwendig aufbereitet (pH neutralisiert) werden muss, bevor es ins Abwasser oder einen Fluss geleitet werden darf. Die Rautiefe einer entschichteten HDW-Oberfläche weit liegt über 1,5 mm, so dass nach ZTV-ING [3] eine zusätzliche material- und arbeitszeitaufwendige Kratzspachtelung erforderlich ist. Bild 17: HDW Oberfläche Entgegen der Ansicht vieler Experten ergaben die Untersuchungen durch die AMPA [1], dass die kraterartige Oberflächenstruktur, hervorgerufen durch den Einsatz von HDW-Handlanzen, nicht zu einer hohen Scherfestigkeit führt, sondern eine durch Schälen plus Kugelstrahlen vorbereitete Fläche die besten Scherfestigkeitswerte ergibt. 190 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Betonschonende Sanierung von Parkbauten-Beschichtungen Bild 18: AMPA - Universität Kassel Amtliche Materialprüfanstalt für das Bauwesen Scherfestigkeitsvergleich Testaufbau [6] Bild 19: Hochschule München - Labor für Baustoffe Scherfestigkeitsvergleich Testaufbau [7] Eine zweite Untersuchung im Sommer 2014 an der Hochschule München - Labor für Baustoffe bestätigte, dass eine durch Schälen plus Kugelstrahlen vorbereitete Fläche 1,7 bzw. 1,8 mal höhere Scherfestigkeitswerte ergibt als Fräsen bzw. HDW plus Kugelstrahlen. [2] 2.5 Schälen (Schleiftechnik) Beschichtungen lassen sich durch Schleifmaschinen mit Planetenantrieb und speziellen Diamant-Schäl-Werkzeugen sehr gut abtragen. Bild 20: Schleifmaschine mit Planetenantrieb Ein Planetenantrieb besteht aus einem rotierenden Schleifkopf und vier gegenläufig rotierenden Schleifscheiben. Diese Technik erzeugt beim Schälen eine absolut ebene Oberfläche. Bild 21: Schälen Die Flächenleistung liegt bei einer Schleifmaschine mit ca. 1 Meter Arbeitsdurchmesser bei ca. 20-60 m²/ h und ist abhängig von der Härte und der Dicke der Beschichtung sowie der Ebenheit des Betonbodens. 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 191 Betonschonende Sanierung von Parkbauten-Beschichtungen Die dem AMPA Prüfbericht [1] zugrunde liegende Untersuchung kommt bei einer Wirtschaftlichkeitsuntersuchung zu dem Ergebnis, dass Schälen unter Berücksichtigung der Gesamt-Kosten und der Gesamt-Flächenleistung das wirtschaftlichste Verfahren ist. [8] Der Abtrag der Beschichtung erfolgt mit eigens dafür entwickelten polykristallinen (PKD) Diamant-Schäl- Werkzeugen. Bild 22: (PKD) Diamant Schälwerkzeug Von allen Untergrundvorbereitungsverfahren hat Schälen die höchste Oberflächenzugfestigkeit und die höchste Haftzugfestigkeit. [2] Der AMPA Prüfbericht [1] bestätigt, dass das Schälen im Gegensatz zum Fein-Fräsen keine Betonschäden in Form von Mikrorissen im Gefüge verursacht. Die sehr guten Oberflächenzugfestigkeitswerte nach dem Schälen lassen sich sowohl nach dem AMPA Prüfbericht [1] als auch die Untersuchung der Hochschule München [2] durch einen zusätzlichen Kugelstrahlgang nicht weiter verbessern. Aufgrund der Ergebnisse der beiden Scherfestigkeits- Untersuchungen [1] [2] empfehlen wir aber, vor der Grundierung einen zusätzlichen Kugelstrahlgang durchzuführen, um eine maximale Scherfestigkeit zu gewährleisten. Bild 23: Geschälte Oberfläche Die Rautiefe der geschälten Oberfläche liegt weit unter 1,5 mm, so dass nach ZTV-ING [3] keine zusätzliche, kostspielige und zeitaufwendige Kratzspachtelung erforderlich ist. 3. Parkbauten-Sanierung In Betonbauwerken wie Parkhäusern, Tiefgaragen oder auf Parkdecks hat sich Schälen als Verfahren zum Entfernen von Altbeschichtungen bereits etabliert. Bild 24: Parkhaussanierung [9] Die geschälte Oberfläche ist ohne eine zusätzliche Kratzspachtelung bereit für eine neue Beschichtung. 192 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Betonschonende Sanierung von Parkbauten-Beschichtungen Bild 25: Geschälte Oberfläche [9] Die gesamte geschälte Betonoberfläche ist absolut eben und ohne Spurrillen von den Überlappungen der einzelnen Abtragungsspuren wie bei anderer Untergrund-Vorbereitungsverfahren. Die geschälte Betonoberfläche wäre damit ohne eine zusätzliche Kratzspachtelung auch für eine 1,5 mm Dünnbeschichtung geeignet. Bild 26: Geschälte, ebene Gesamtoberfläche [9] Bei sehr großen Parkflächen sind zu Erreichung einer entsprechenden Flächenleistung in der Regel 2 bis 3 Schleifmaschinen gleichzeitig im Einsatz. Bild 27: Zwei Schleifmaschinen auf Parkdeck [9] 4. Projekt Kurzberichte 4.1 Düsseldorf Airport - VIP-Parkhaus Ende Juni 2014 fand die Eröffnung des ersten automatischen VIP-Parkhauses am Düsseldorfer Airport statt. Die automatische Parkanlage ist eine technische Weltneuheit und besteht aus drei Parkrobotern sowie sechs Übergabeboxen. Bild 28: Düsseldorf Airport - VIP-Parkhaus 3 [10] Im Zuge des Einbaus der automatischen Parkanlage wurde der über die Jahre unansehnlich gewordene Gussasphaltboden des Parkhauses 3 im kompletten Kundenbereich in nur 2 Wochen geschliffen und imprägniert. 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 193 Betonschonende Sanierung von Parkbauten-Beschichtungen Bild 29: Düsseldorf Airport - VIP-Parkhaus 3 vor der Sanierung Das Ergebnis ist ein kundengerechter und zugleich strapazierfähiger sowie pflegeleichter Gussasphalt-Boden. Deutlich geringere Sanierungs-zeiten und -kosten sowie die längere Lebensdauer waren ausschlaggeben für die Entscheidung für eine Sanierung mit Schleiftechnik anstatt einer Spezialbeschichtung auf Gussasphalt. Bild 30: Parkroboter in Übergabebox Nr. 05 [10] 4.2 Parkhaus Hanse-Viertel Hamburg Bild 31: Parkhaus Hanse-Viertel Hamburg Im September 2014 wurde im Hamburger Hanse-Viertel, einem gemischten Geschäfts-, Büro- und Wohngebiet, in den Nächten, die alte geschädigte OS8 Beschichtung der über 440 Parkhausstellplätze saniert. Folgende Kriterien sprachen für eine Sanierung mit Schleiftechnik anstatt zu Fräsen: • Die Schältechnik war erheblich leiser als Fräsen und erzeugte im gesamten Gebäudekomplex einen wesentlich geringeren Festkörperschall, der die Nachtruhe der Anwohner nicht beeinträchtigte. • Durch die direkte Staubabsaugung an der Schleifmaschine mit einem leistungsstarken Sauger war der Abtrag der Altbeschichtung nahezu staubfrei. • Die Schältechnik ist im Vergleich zur sogenannten Fein-Frästechnik ein betonschonenderes Verfahren ohne Mikrorisse zu erzeugen und erzielt im Endergebnis bessere Oberflächenzugsowie beste Scherfestigkeitswerte. • Durch die Einsparung der Kratzspachtelung ist die Schältechnik, insgesamt gerechnet, auch das kommerziell günstigste Vorbereitungsverfahren. Die geschälte Betonoberfläche wurde lediglich noch kugelgestrahlt und dann direkt grundiert. 194 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Betonschonende Sanierung von Parkbauten-Beschichtungen 4.3 Parkdeck Möbelhaus in Bielefeld Bild 32: Parkdeck schwedisches Möbelhaus in Bielefeld Im Mai 2015 wurde auf dem Parkdeck eines schwedischen Möbelhauses in Bielefeld, in einem gemischten Wohn- und Gewerbegebiet, tagsüber, die alte geschädigte OS11 Beschichtung des Parkdecks saniert. Das ca. 8.000 Quadratmeter große Parkdeck hat eine „weiche“ Stahlverbund Trapezdecke mit nur ca. 10 cm Betonstärke und einer Eigenfrequenz von nur ca. 3-4 Hertz. Bild 33: Stahlverbund Trapezdecke von unten Hauptkriterien für die Untergrundvorbereitung mit Schältechnik, anstatt zu Fräsen waren: • Dass die „weiche“ Stahlverbund Trapezdecke (3-4 Hertz) nicht in Eigenschwingungen versetzt wurde. • Die Gewährleistung eines möglichst geringen Betonabtrags der dünnen Stahlverbund Trapezdecke. • Dass der nach TA-Lärm vorgegebenen Umgebungs- Schalldruckwerte für ein gemischtes Wohn- und Gewerbegebiet von tagsüber 60 dB eingehalten wird. • Durch die direkte Staubabsaugung an der Schleifmaschine mit einem leistungsstarken Sauger war der Abtrag der Altbeschichtung nahezu staubfrei. • Die Schältechnik ist im Vergleich zur sogenannte Fein-Frästechnik ein betonschonenderes Verfahren ohne Mikrorisse zu erzeugen und erzielt im Endergebnis bessere Oberflächenzugsowie beste Scherfestigkeitswerte. • Durch die Einsparung der Kratzspachtelung ist die Schältechnik, insgesamt gerechnet, auch das kommerziell günstigste Vorbereitungsverfahren. Die geschälte Betonoberfläche wurde lediglich noch kugelgestrahlt und dann direkt grundiert. 4.4 Tiefgarage RIEM Arcaden in München Bild 34: Tiefgarage RIEM Arcaden in München In 2014-2016 wurde in den RIEM Arcaden in München, einem Einkaufzentrum mit 128 Shops, tagsüber während des laufenden Kundenverkehrs, die alte geschädigte OS8 Beschichtung der insgesamt 2.700 Tiefgaragenstellplätze in der untersten Ebene in drei Teilabschnitten saniert. Hauptkriterien für die Untergrundvorbereitung mit Schältechnik, anstatt zu Fräsen waren: • Obwohl die Tiefgarage für die Absaugung von Auto- Dieselabgasen ausgelegt ist, wurden die durch den Einsatz einer Dieselfräse im ersten Sanierungs-Abschnitt entstandenen für Arbeiter und Kunden in den Augen brennenden Dieselabgase vermieden. • Die Schältechnik war erheblich leiser als Fein-Fräsen und erzeugte einen wesentlich geringeren Festkörperschall im gesamten Arkadenkomplex, der den laufenden Verkauf nicht beeinträchtigte. • Das Staubproblem beim Fein-Fräsen im ersten Abschnitt konnte man nur durch eine permanente Befeuchtung des Abtrags und der Erzeugung von Schlamm halbwegs in den Griff bekommen. 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 195 Betonschonende Sanierung von Parkbauten-Beschichtungen • Durch die direkte Staubabsaugung an den Schleifmaschinen mit leistungsstarken Saugern ist der Abtrag der Altbeschichtung im Gegensatz dazu nahezu staubfrei. • Die durch den ungewollt hohen Abtrag beim Fein- Fräsen entstandenen großen Mengen an Sondermüll (Schlamm), welcher kostspielig entsorgt werden mussten, wurden erheblich reduziert. • Die Schältechnik ist im Vergleich zur sogenannten Fein-Frästechnik ein betonschonenderes Verfahren ohne Mikrorisse zu erzeugen und erzielt im Endergebnis bessere Oberflächenzugsowie beste Scherfestigkeitswerte. • Durch die Einsparung der Kratzspachtelung ist die Schältechnik, insgesamt gerechnet, auch das kommerziell günstigste Vorbereitungsverfahren. Die geschälte Betonoberfläche wurde lediglich noch kugelgestrahlt und dann direkt grundiert. Als letzter Schritt wurde eine farblich abgestimmte Deckversiegelung aufgebracht. Bild 35: Auftrag der Deckversiegelung Durch den Abtrag der alten OS8 Beschichtung wurden alle wasserführenden Risse in der Bodenplatte offengelegt, die dann mit einem Spezial-Verfahren verpresst und abschließend bandagiert wurden. Bild 36: Rissverpressung vor abschließender Bandagierung Bild 37: RIEM Arcaden sanierte Beschichtung 4.5 Marktgarage Siegburg Nachdem wir im Sommer 2019 auf einem Parkplatz in der Marktgarage in Siegburg eine Musterfläche mit unserer Schältechnik angelegt hatten, Bild 38: Musterfläche Marktgarage Siegburg wurde im Frühjahr 2020, unter Corona Bedingungen, in der Tiefgarage des sogenannten Herrengartens, einem 196 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Betonschonende Sanierung von Parkbauten-Beschichtungen gemischten Geschäfts- und Wohngebiet in Siegburg tagsüber während des laufenden Betriebs die alte geschädigte OS13 Beschichtung der Ebene -1 saniert. Bild 39: Einfahrt Marktgarage Siegburg Folgende Kriterien sprachen für die Sanierung mit Schältechnik anstatt zu Fräsen: • Die Schältechnik war erheblich leiser als Fräsen und erzeugte im gesamten Gebäudekomplex einen wesentlich geringeren Festkörperschall, der die Ruhe der Geschäftskunden und Anwohner nicht beeinträchtigte. Bild 40: Markgarage unterhalb des „Herrengarten“ • Obwohl die Tiefgarage für die Absaugung von Auto- Dieselabgasen ausgelegt ist, wurden die durch den Einsatz einer Dieselfräse entstandenen für Arbeiter und Park-Kunden in den Augen brennenden Dieselabgase vermieden. • Durch die direkte Staubabsaugung an den Schleifmaschinen mit leistungsstarken Sauger war der Abtrag der Altbeschichtung nahezu staubfrei. • Die Schältechnik ist im Vergleich zur Fein-Frästechnik ein betonschonenderes Verfahren ohne Mikrorisse zu erzeugen und erzielt im Endergebnis bessere Oberflächenzugsowie beste Scherfestigkeitswerte. Bild 41: Detailfoto geschälte Betonoberfläche • Durch die Einsparung der Kratzspachtelung ist die Schältechnik, insgesamt gerechnet, auch das kommerziell günstigste Vorbereitungsverfahren. Bild 42: Schältechnik Markgarage Siegburg Um die Fehlzeit für der Parkebene -1 zu minimieren waren für den Abtrag der alten Beschichtung zwei Schleifteams gleichzeitig im Einsatz. Bild 43: Schältechnik Markgarage Siegburg 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 197 Betonschonende Sanierung von Parkbauten-Beschichtungen Die geschälte Betonoberfläche wurde lediglich noch kugelgestrahlt und dann direkt grundiert. Bild 44: Beschichtete „Musterfläche“ Marktgarage Literaturverzeichnis [1] AMPA - Universität Kassel - Amtliche Materialprüfanstalt für das Bauwesen - Prüfbericht Nr. 122141-10, 2012 [2] Hochschule München - Fakultät 02 - Bauingenieurwesen - Labor für Baustoffe - Bereich Instandsetzung - Untersuchung der Eignung verschiedener mechanischer Verfahren für die Untergrundvorbereitung von Beton - Okt. 2014 [3] Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für Ingenieurbauten - ZTV-ING [4] Handbuch Hessen Mobil, Straßen- und Verkehrsmanagement, 2.4.2 Brücken- und Ingenieurbau, Tunnelbau, Seite 45 [5] Zitat Dr. Joachim Käppler, Bausachverständiger, Wiesbaden, Mai 2014 [6] Fotos: AMPA - Universität Kassel - Amtliche Materialprüfanstalt für das Bauwesen [7] Fotos: Hochschule München - Labor für Baustoffe [8] Universität Kassel - Fachgebiet Werkstoffe des Bauwesens - Fachbereich 14 - Bau- und Umweltingenieurwesen - Untersuchung der Auswirkungen von mechanischen Bearbeitungsverfahren von Betonoberflächen auf das Betongefüge - Kapitel 7 - Wirtschaftliche Betrachtung der Verfahren - Seite 114, 2012 [9] Fotos: Friedrich OFT GmbH & Co.KG [10] Foto: Fotografie Andreas Wiese, Düsseldorf Brandschutz 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 201 Brandschutz-Prophylaxe in Parkhäusern Erkenntnisse und Erfahrungen aus einer Gemeinschafts-Einsatzübung am Flughafen München mit simuliertem E-Auto-Fahrzeugbrand in einer Parkhaus-Tiefgarage Dipl.-Ing. Dierk Bauer Geschäftsbereich Real Estate Resort: Asset Management Verkehrsbauwerke und Flächen Flughafen München GmbH, München Dipl.-Ing. (FH) Klaus Haberl Geschäftsbereich Real Estate Resort: Asset Management Verkehrsbauwerke und Flächen Flughafen München GmbH, München Zusammenfassung Aktuelle Brandschutzauflagen reichen nicht aus, um Schäden bei einem Fahrzeugbrand in einer Großgarage gering zu halten. Mit dem Thema befasst sich seit 2019 ein Arbeitskreis am Flughafen München. Durch eine realitätsnahe interdisziplinäre Einsatzübung, bei der sowohl Feuerwehr, Rettungsdienste, Polizei, Bergeunternehmen, als auch unser technischer Betrieb teilnehmen, wollen wir Erkenntnisse gewinnen, welche Maßnahmen zielgerichtet vorbeugend, proaktiv aber auch reaktiv geeignet sind, um das Schadenspotential, verursacht durch einen Brand in einer Tiefgarage, zumindest erheblich zu reduzieren. Die Lösch-, Rettungs- und Unterstützungskräfte sollen unter realitätsnahen Bedingungen, einen solchen Notfall-Einsatz möglichst realistisch üben, um Erfahrungen und Erkenntnisse für den Ernstfall zu sammeln. Zum Glück ist dieser bisher am Flughafen München noch nicht eingetreten. Speziell die steigende Anzahl an Elektrobzw. Hybridfahrzeugen soll in diesem Zusammenhang besondere Berücksichtigung finden, da diese teilweise sehr spezielle Anforderungen an die Lösch- und Einsatzkräfte stellen. 1. Einführung Der Flughafen München besteht am Standort seit 1992, als er in einer spektakulären Nachtaktion von München Riem ins Erdinger Moos umgezogen wurde. Für den Brandschutz ist unsere flughafeneigene Berufsfeuerwehr zuständig. Am Standort waren zur Hochphase 2019 rund 35.000 Beschäftigte tätig, die bis zu knapp 50 Mio. Passagiere abgefertigt haben. Allein in der zentralen Zone zwischen den Terminals 1 und 2 stehen rund 23.000 PKW-Stellplätze in diversen Parkhäusern zur Verfügung. Bis 2020 ist unsere Immobilienverwaltung davon ausgegangen, dass wir mit unserer Berufsfeuerwehr, den zuständigen Behörden, unseren technischen Fachabteilungen, die für den technischen Betrieb zuständig sind, und in Abstimmung mit unseren Versicherungsunternehmen in Bezug auf den Brandschutz sehr sicher aufgestellt sind. Wir haben den Trend der rasch ansteigenden Anzahl von Elektrofahrzeugen und hin zur Elektromobilität erkannt. Uns wurde zwar durch unsere Versicherer, unsere Genehmigungs- und Kontrollbehörden und unsere Feuerwehr versichert, dass wir alle gesetzlichen Anforderungen erfüllen, auch entsprechend gut abgesichert sind und weiterhin kein Handlungsbedarf bestünde. Aber damit wollten und konnten wir uns nicht zufriedengeben und werden im weiteren Verlauf die Gründe dafür erläutern. Nicht nur aktuelle Ereignisse, wie der Parkhausbrand am Flughafen in Münster (14.10.2019) und Starvanger (08.01.2020) führten dazu, dass wir uns eingehend und intensiv mit diesem Thema befasst haben. Dabei sind wir auf Sachverhalte gestoßen, die uns zum Umbzw. Neudenken bewogen haben. Nicht zuletzt die offensichtlichen Defizite beim Zusammenwirken unterschiedlicher Einsatz-und Hilfskräfte 202 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Brandschutz-Prophylaxe in Parkhäusern (Polizei, Bundeswehr, THW, freiwillige Unterstützer usw.) beim Hochwasser in Ahrweiler haben uns darin bestärkt, für unseren Flughafen vor dem Eintreten eines Schadensereignisses die Abläufe eines Löscheinsatzes in Form einer Gemeinschaftsübung zu durchlaufen. Es gilt Optimierungspotentiale zu identifizieren, die Prozesse für den Einsatzfall im Anschluss noch zu verbessern, sowie verhältnismäßige Vorbeugende Maßnahmen zu empfehlen und umzusetzen. Nicht alles was nach Elektroproblematik aussieht, bewahrheitet sich auch als solche. Gerüchte kursieren, Halb-und Falschwissen ist weit verbreitet. Voreilig werden beispielsweise von Medien Schlüsse gezogen und Ursachen für Brände veröffentlicht, die sich dann nicht halten lassen und nachträglich korrigiert werden müssen. Es werden bewusst fake-news verbreitet, um zu beeinflussen und Stimmung zu machen. • Artikel in der Süddeutschen Zeitung [1] Parkhausverbot für E- und Hybrid-Autos • Artikel im Münchner Merkur [2] Tiefgarage in Aschheim • Artikel von Focus online [3] Brand im Parkhaus Stavanger-Airport • Artikel in den Westfälischen Nachrichten [4] Brand im Parkhaus Flughafen Münster/ Osnabrück Die Zunahme der elektrobetriebenen Fahrzeuge führt jedoch auch eindeutig zu neuen Aufgabenstellungen. 2. Gesetzliche Anforderungen und Absicherung Auf spezielle Nachfrage bei unserer Feuerwehr und unserer Versicherung, wurde bestätigt, dass kein Handlungsbedarf besteht und wir bestens vorbeugen und optimal abgesichert seien. Es besteht bislang keine gesetzliche Anforderung Garagen für E-Fahrzeuge zu sperren oder speziell für deren Nutzung ausbzw. nachzurüsten. Hier lautet meine ausdrückliche Empfehlung, sowohl die gesetzlichen Anforderungen als auch die Versicherungsbedingungen, sorgfältig zu überprüfen und zu hinterfragen. Für den Flughafen München haben sich dabei drei wesentliche Schadensrisiken identifizieren lassen: 1. Begrenzte Höhe der schadensfallbezogenen Versicherungsleistung 2. Hohe Eigenbeteiligung im Schadensfall 3. Zeitlich begrenzter Ersatzleistungsumfang für Erlösausfälle und Kollateralschäden aus einem Brandereignis 3. Neue Herausforderungen durch Elektromobilität Nicht zuletzt Meldungen über Selbstentzündung und Akkubrände bei Handys, aber auch bei Automobilen (Tesla), tragen dazu bei, dass in der breiten Bevölkerung und vereinzelt auch bei Parkhausbetreibern (z.B. Stadt Bamberg), Bedenken bezüglich der Sicherheit von Lithium-Ionen-Akku, die in Kfz verbaut werden, bestehen. Wir haben dieses ungute Gefühl aufgegriffen und uns intensiver mit der Thematik befasst. Fakten: Generell ist die Zunahme zu noch mehr elektrobetriebenen Geräten und Fahrzeugen sowohl im privaten als auch im geschäftlichen Umfeld zu beobachten. Unsere Mobilität geht in Richtung Elektrofahrräder, Elektroroller und im Straßenverkehr sind immer mehr E-Kennzeichen an Hybrid- oder reinen Elektro-Fahrzeugen zu beobachten. Die Nachfrage nach Ladestationen und Lademöglichkeiten steigt ständig und wird seitens unserer Politik durch spezielle Programme wie Förderungen von Elektrofahrzeugen, Job-E-Fahrrädern, Wall-Boxen und vieles mehr gezielt forciert. Statistisch ist derzeit keine erhöhte Brandgefahr bei Automobilen mit Li-Ionen-Akku gegenüber Autos mit Verbrennungsmotoren erkennbar. Dies kann sich aber mit zunehmendem Alter der E-Kfz bzw. der verbauten Hochvolt-Akkus noch ändern. Bild 1: Lithium-Ionen-Akku; Volkswagen [5] Bild 2: Feuerwehr Glinde [6] Kfz in Abkühlcontainer/ “Löschcontainer“ 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 203 Brandschutz-Prophylaxe in Parkhäusern Bild 3: Schutzsystem für Elektrofahrzeuge Quelle: Fa. Stöbich [7] Lithium-Ionen-Akkus sind in der Regel in einem stabilen, weitgehend wasserdichten Gehäuse eingebaut, welches geschützt in die Fahrzeugstruktur integriert ist (z. B. im Unterboden). Deshalb kann aufgebrachtes Löschwasser den Brandherd bei einem Brand innerhalb eines mechanisch nur unwesentlich beschädigten Lithium-Ionen-Akkus nicht erreichen. Auch eine externe Kühlung ist kaum wirksam, da die Zellen zum Außengehäuse thermisch isoliert sind. Versuche und bisherige Einsatzerfahrungen der Feuerwehren haben gezeigt, dass sich hierdurch die Löschdauer und der Löschmittelbedarf erheblich erhöhen. Sechsbis zehntausend Liter Wasserbedarf bei einem E-Kfz-Brand werden hier als Schätzgröße genannt. Nicht jede in einem Fahrzeug verbaute (Hochvolt-)Batterie ist ein Lithium-Ionen-Akku. Andere Technologien (z. B. Nickel-Metallhydrid, NiMH) sind beispielsweise in vielen Hybridfahrzeugen eingebaut. Sie sind weniger reaktionsfreudig und auch weniger dynamisch im Brandverhalten, somit weniger brandgefährlich. Eine Abfrage über das Fahrzeugkennzeichen bei der Leitstelle, oder einschlägigen Internetseiten der Hersteller zum Fahrzeugtyp, kann eine hilfreiche Rückmeldung über die verwendete Antriebsart bringen und ermöglicht die Zuordnung eines passenden Rettungsdatenblattes, falls vorhanden. Das Fahrzeugkennzeichen bzw. genauer Typ muss/ sollte deshalb nach Möglichkeit bereits im Verlauf des Notrufs abgefragt werden. Auch ist die anrufende Person zu befragen, ob sie weitere Informationen zur Fahrzeugart und ggf. Ladezustand des Akkus geben kann. Auch Fahrzeuge ohne E-Kennzeichen können über einen Hybrid- oder Elektroantrieb verfügen und mit Hochvoltbatterien ausgestattet sein. [8] 3.1 Temperaturverhalten Die optimale Betriebstemperatur von Lithium-Batterien liegt im Bereich 20°C bis 40° C. Mit steigender Temperatur reagieren Lithium-Batterien mit massivem Druckaufbau in der Zelle, Austritt brennbarer / Ex-Gase (z.B. Wasserstoff) und brandtypischem weißem Rauch. Es kommt zum Zellenbrand, bis hin zum sich selbst verstärkenden explosionsartigen Abbrennen der Batterie (Thermal Runaway) mit u.U. starker Funkenflugbildung. • 70°C: Selbsterhitzung der Graphit-Anode und des Elektrolyten. Tiefsiedende Bestandteile im Elektrolyten beginnen ab 80°C zu verdampfen und führen zum Druckaufbau, der die Zelle bersten lassen kann. • 130°C: Separator aus PE, PP oder PE/ PP verschließt die Poren (Shut-down). Der Separator schmilzt, zusätzliche Erwärmung aufgrund von Kurzschluss. Autokatalytischer Anstieg der Temperatur. • 250°C: Kathodenmaterial reagiert exotherm mit dem Elektrolyten (Zersetzung). Druckanstieg in der Zelle durch Verdampfung und Zersetzungsgase. Aufblähen des Zellengehäuses und evtl. Öffnung (austretende Zersetzungsgase sind zündfähig). Einige Kathodenmaterialien zerfallen bereits bei Temperaturen unter 200°C spontan und geben in einer exothermen Reaktion Wärme und Sauerstoff ab, wodurch es zum Thermal Runaway kommen kann. • 600°C: Kathodenmaterialien zersetzen sich und ändern ihre Kristallstruktur. Freisetzung von Sauerstoff. Zellenbrand innerhalb kurzer Zeit. Thermal Runaway. • 660°C: Schmelzen des Aluminium-Stromableiters (Kathode). Freisetzung von Graphit mit möglicher Gefährdung durch Staubexplosion. Weiterer Anstieg der Temperaturen, bei denen die Aluminiumfolie der positiven Elektrode zu brennen beginnt (Metallbrand). 3.2 Thermal Runaway (Thermisches Durchgehen) Das thermische Durchgehen ist eine sich selbst verstärkende, exotherme chemische Reaktion, wobei sehr schnell sehr hohe Temperaturen erreicht werden können, die selbst chemisch eingelagertes Lithium zur Zündung bringen kann (Metallbrand). 3.3 Inhaltsstoffe und Zersetzungsprodukte im Brandfall Wird das Gehäuse mechanisch beschädigt, oder kommt es infolge eines Brandereignisses zu einer thermischen Belastung, können unterschiedliche ätzende, giftige und kanzerogene Stoffe, aber auch brennbare Inhaltsstoffe (staubförmig, gasförmig oder in flüssiger Form) austreten. Bei Kontakt mit Wasser kann es unter Umständen zur Bildung von explosionsfähigem Wasserstoffgasgemisch kommen. Schwermetalle: Da häufig Metalloxide in den Batterien verbaut werden (Cobalt, Nickel, Mangan), sind im Brandfall staubförmige Reaktionsprodukte oder Rückstände dieser z.T. gesundheitsschädlichen (Cobalt) oder 204 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Brandschutz-Prophylaxe in Parkhäusern giftige (Nickel) Stoffe in der Asche und im Brandrauch zu erwarten, die sich dann auch im umgebenden Bauwerk und auf der Schutzkleidung sowie Geräten der Einsatzkräfte niederschlagen. Brennbare Komponenten: Die in Lithium- Batterien eingesetzten Materialien bzw. einzelne Batteriekomponenten sind zum Teil brennbar und leicht entzündbar. Allein im Hinblick auf die brandschutztechnischen Parameter, wie Flammpunkt, Zündtemperatur, Explosionsgrenzen und Heizwerte weisen die eingesetzten Elektrolytmaterialien auf eine hohe Brandlast hin. Die Elektrolytflüssigkeit besteht zumeist aus einer Mischung von brennbaren organischen Lösungsmitteln und einem Salz. Die in Lithium- Batterien verwendeten organischen Lösungsmittel sind in der Regel leicht entzündlich und können mit Luft explosive Gemische bilden. Es können im Brandfall unspezifisch gasförmige Stoffe freigesetzt werden, die als giftige Fracht im Brandrauch ein erhebliches Risiko für Personen und Umwelt darstellen. Durch Reaktion mit Wasser (z.B. Löschwasser) kann sich Flusssäure (Fluor-Wasserstoff = HF) bilden (ätzende und Reizwirkung auf Schleimhäute und Haut, Gefahr schwerer Augen- und Lungenschädigung, Störungen von Stoffwechsel, Herz-Kreislauf- und Nervensystem, Schädigung der Knochen). Flusssäure ist ein starkes Kontaktgift, dessen Gefährlichkeit besonders kritisch einzustufen ist, weil es sofort von der Haut resorbiert wird. Dadurch sind Verätzungen tieferer Gewebeschichten und sogar der Knochen möglich, ohne dass die Haut äußerlich sichtbar verletzt ist. Nach Bränden, bei denen Lithium-Batterien involviert sind, finden sich hohe HF-Konzentrationen im Brandrauch und folglich auch starke HF-Kontaminationen auf nahen Gebäudeteilen und Anlagen (auch wenn diese nicht direkt vom Brandgeschehen betroffen sind). Besondere Personengefährdung trotz Rauchmelder: Bei versagenden lithiumhaltigen Batterien, ohne parallelem Brandereignis am Kfz, also vor dem akuten Vollbrandstadium, als auch bei der Brandentstehung, werden giftige Stoffe freigesetzt die schwerer als Luft sind (z.B. Elektrolyt- und Lösemitteldämpfe, Chlorwasserstoff aus PVC-Leitungen, Kohlendioxid), oder Brandrauch- und Zersetzungskomponenten. Die schweren Bestandteile können sich im Bodennähe sammeln und werden von optischen Rauchmeldern, welche üblicherweise an der Decke montiert sind, nicht bzw. sehr spät detektiert. Die Brandalarmierung erfolgt daher in solch einem Fall sehr spät. 3.4 Elektrische Gefahren Bei einem verunglückten Elektrofahrzeug ist für die Rettungskräfte häufig unklar, wo die Kfz-Elektrik ausgeschaltet wird oder wo die Hochvolt-Kabel verlaufen. Da Hochvolt-Energiespeicher wie kleine Kraftwerke zu verstehen sind und sich nicht einfach durch einen Notausschalter abstellen lassen, stellt die hohe Spannung sowohl für Wartungspersonal und insbesondere aber für Rettungskräfte eine besondere Gefahr dar. Jedoch nicht beim Löschen mit Wasser im Sprühstrahl und Einhaltung der üblichen Sicherheitsabstände für das Löschen von Elektro-Anlagen! Optimal ist ein Löschen mit Wasser, zur Kühlung der Akkus, und parallel dazu noch die Verwendung von Löschschaum, wie ihn die Feuerwehr einsetzt, da dieser besser in Ritzen und Spalten am Kfz eindringt und so besser von oben an den Akku gelangen kann. Elektrischer Strom: Für die Anwendung in Elektrofahrzeugen müssen Batteriesysteme kurzzeitig hohe Ströme in der Größenordnung von mehreren Hundert Ampere liefern. Die Gefahr durch den elektrischen Strom besteht in der Bildung von Lichtbögen (z.B. bei Leitungsunterbrechung durch Unfall oder beim Einsatz von Rettungsscheren der Feuerwehr) und in der Überlastung, bzw. in Kurzschlüssen. Hierbei kann es bei einem Kurzschluss im HV-System bei heutigen Lithium-Ionen- Batterien innerhalb weniger Millisekunden Ströme von 6.000 A und mehr aufbauen (Hinweis: Bereits Stromstärken von 50 mA sind lebensgefährlich). 3.5 Ursachen für Batteriebrände Gefährlichen Situationen resultieren aus fehlerhafter Handhabung und unsachgemäßem Umgang. Als Folge von mechanischen Beschädigungen (z.B. durch Schlag, Sturz, Quetschen, etc.), elektrischen Fehlern (z.B. durch Kurzschluss, Tiefentladung, Überladung, Umpolung, Durchtrennung von HV-Kabel etc.), oder thermischen Einwirkungen (z.B. durch innere Überhitzen, sekundäre Wärmestrahlung von außen, Fahrzeugbrand etc.). Dann kann es zum Austreten des Elektrolyten, zu Überdruckreaktionen mit Abblasen gasförmiger Reaktionsprodukte z.B. Wasserstoff, zu Feuererscheinungen, oder zu einer Explosion kommen. Sekundäre thermische Belastung: Bei thermischer Belastung von außen (z.B. durch Wärmestrahlung im Brandfall) kann es bei Lithium-Batterien zum Schmelzen einzelner Batteriekomponenten (z.B. Separatoren) und damit zu einem Kurzschluss mit nachfolgender Kettenreaktion kommen, was einen Batteriebrand auslösen kann. Innerer Kurzschluss durch Zellfehler, mechanische Beschädigungen (bei der Herstellung oder durch einen Unfall), aber auch Alterungsprozesse in der Zelle selbst: Eine der Hauptursachen für interne Kurzschlüsse sind Fehler bei der Herstellung von Lithium- Zellen. Werden im Herstellungsprozess metallische Partikel oder sonstige leitfähige Verunreinigungen zwischen Separator und Batterieelektrode eingeschlossen, kann es im späteren Betrieb zu einer lokalen Beschädigung der Separatorfolie und damit zu einem internen Kurzschluss kommen. Durch den sog. „Laufmascheneffekt“ können sich zunächst mikroskopisch kleine Separatorschäden im Laufe von Tagen oder Wochen zu weitläufigen Rissen 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 205 Brandschutz-Prophylaxe in Parkhäusern im Folienmaterial ausweiten, wodurch sich die zunächst unbedeutende (weil lokal begrenzt) kurzschlussbedingte Temperaturerhöhung dann quasi exponentiell zu einem Durchgehen der Zelle entwickeln kann. Insofern bleiben innere Kurzschlüsse im praktischen Alltagsgebrauch zumeist unbemerkt und führen erst nach längerem Gebrauch zu plötzlich auftretenden Brandereignissen. Überladung: Eine Zelle oder Batterie wird mit höherem Strom geladen als vom Hersteller spezifiziert. Dabei kann es zu einer Verdampfung der Elektrolytflüssigkeit und Schädigung der kristallinen Schichtstruktur kommen, was in Verbindung mit einer stark exothermen Reaktion zum Freisetzen von elementarem Sauerstoff führt. Außerdem kann es zu einer Ablagerung von metallischem Lithium an der Anode kommen. Das Kathodenmaterial wird zum oxidierenden Element und verliert seine Stabilität. Bei diesem exothermen Vorgang kann es aufgrund einer starken lokalen Temperaturerhöhung zu einem Brand und unter bestimmten Umständen auch zu einer explosionsartigen Entlastungsreaktion kommen. Tiefentladung der Zelle: Bei Tiefentladung wird die Entladeschlussspannung unterschritten, wobei sich die Elektrolytflüssigkeit irreversibel zersetzt. Wird solch eine tiefentladene Lithium-Ionen-Zelle geladen, kann die zugeführte Energiemenge durch das Fehlen von Elektrolytflüssigkeit nicht mehr in Form von chemischer Energie gespeichert werden, sondern wird in Wärme umgesetzt. Defekt im Kühlkreislauf: Erfolgt die interne Kühlung der Batterie mit einem Glykol/ Wasser-Gemisch, besteht bei einem Defekt des Kühlkreislaufes die Gefahr, dass aufgrund der Kapillarwirkung Kühlmittel zwischen den Zellen aufsteigt, was auch noch nach mehreren Tagen zu internen Kurzschlüssen und zum thermischen Selbstentzünden der Batterie führen kann. 3.6 Erste Hilfe vor-Ort: Feuerwehreinsatzkräfte und Rettungsorganisationen Feuerwehreinsatzkräfte müssen sich im Brandfall zum einen gegen das Brandereignis selbst und im Fall von lithiumhaltigen Batterien gegen chemische Substanzen (C-Einsatz) schützen. Bei der Personenrettung aus und der Bergung von verunfallten Elektro- und Hybridfahrzeugen sind die Einsatzkräfte der Feuerwehr aufgrund der hohen Spannungen besonderen Gefahren ausgesetzt. Von großer Bedeutung sind daher die besonderen Anforderungen an die persönliche Schutzausrüstung, Geräte und Werkzeuge der Einsatzkräfte, als auch Informationen und Kenntnisse über die Bauart des betroffenen Kfzs. Daher ist stets umluftunabhängiger Atemschutz (Druckluftatmer) zu tragen. Die übliche Feuerwehr-Schutzkleidung nach DINB EN 469 bietet neben einem Wärmeschutz zudem auch einen gewissen Säureschutz um eine Kontamination der Haut zu verhindern. Zur Aufnahme von Leckagen sind konventionelle Bindemittel (z.B. Ölbindemittel) zu verwenden. 3.7 Löschmittel Für den abwehrenden Brandschutz werden bei Lithium-Batterie-Bränden als Löschmittel neben dem konventionellen Löschmittel Wasser, unter anderem auch Metallbrandpulver, sauerstoffverdrängende Löschmittel, oder Tensid-Gemische / Schaumlöschmittel von verschiedenen Herstellern empfohlen. Wasser: Bei Brandereignissen mit Lithium-Batterien werden wegen des enormen Energieinhalts extreme Wärmemengen freigesetzt. Unter Berücksichtigung der hohen Brandlast von Lithium-Batterien und der damit im Brandfall freiwerdenden thermischen Energie liefert das hohe Wärmebindungsvermögen von Wasser einen wirksamen Beitrag zur Brandbekämpfung. Insofern kommt bei einem Feuerwehreinsatz grundsätzlich das klassische Löschmittel Wasser zum Einsatz. Oft auch in Form und Kombination von Löschschaum, da dieser speziell bei Kfz mit Hochvolt-Akku und Verbrennungsmotor mit Treibstofftank (Hybridantrieb) mehr Sicherheit für die Einsatzkräfte bietet. Bei solchen Hybridfahrzeugen summieren sich die Brandgefahren und Brandlasten aus Akku und entzündlichem Treibstoff. Eine angepasste Brandbekämpfung ist hier also zwingend erforderlich. Der möglichst frühzeitige Einsatz von Wasser und Verwendung großer Mengen bewirkt insbesondere durch den Kühleffekt eine deutlich verlangsamte Reaktion und eine langsamere Brandentwicklung am Akku. Demgegenüber verbreitet aber ggf. das Wasser den hochentzündlichen Treibsoff aus einem u.U. undichten Treibstofftank im Umfeld oder dem ggf. am Einsatzort vorhandenen Entwässerungssystem. Es besteht die Gefahr eines „Flammenmeers“. Eine situationsbedingte Risikoeinschätzung, Risikoabwägung und schnelle angepasste Maßnahmeneinleitung beim Löscheinsatz durch den Einsatzleiter der Feuerwehr ist hier entscheidend. Leider fallen so auch große Mengen an u.U. kontaminiertem Löschwasser an, die soweit möglich aufgefangen und fachgerecht entsorgt werden müssen. Außerdem werden mit dem Löschwasser giftige Rauchgase niedergeschlagen. Das Löschen mit Wasser bewirkt zudem, dass alle geschädigten Zellen, deren Gehäuse offen sind, endgültig durch den Kontakt mit Wasser langsam entladen werden. Bei Lithium-Batterie-Bränden ist mit einem deutlich größeren Löschwasserbedarf als zur Bekämpfung konventioneller Fahrzeugbrände zu rechnen. Schätzungen und Praxiserfahren belaufen sich hierbei auf durchschnittlich sechs bis achttausend Liter Wasser zur ersten Brandbekämpfung (Ausstattung gängiger Feuerwehrauto lediglich 1.500-2.000 Liter) bei einem E-Kfz-Brand. Zuzüglich der Wassermenge zur anschl. Kühlung der Zellen bis zur vollständigen Entladung und Abkühlung. Experten schätzen hierfür 48 bis 72 Std., je nach Ladezustand, Ladekapazität und Schädigung der Batterie. Die Entstehung von Wasserstoff kann unter Umständen mit der Umgebungsluft zündfähige Gemische bilden und schlagartig abbrennen. Wasserstoff/ Luft-Mischungen 206 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Brandschutz-Prophylaxe in Parkhäusern sind in einem sehr weiten Mischungsverhältnis zündfähig (4 bis 77 Vol. % H, in Luft und benötigen eine sehr niedrige Zündenergie, so dass bereits geringe elektrostatische Entladungen als Zündquelle ausreichen. Besonders in engen, geschlossenen, schlecht belüfteten Räumen besteht akute Explosionsgefahr. Metallbrandpulver / Sand: Diese Löschmittel bewirken keinerlei Kühleffekt, so dass im Brandfall die freiwerdende thermische Energie nicht wirksam bekämpft werden kann. Weiterhin besteht die Gefahr von Verpuffungsreaktionen. Angesichts der enormen thermischen Energie, die bei Bränden von Lithium-Batterien zu erwarten ist, beschränkt sich der Einsatz von Sand oder Metallbrandpulver lediglich auf kleinere Entstehungsbrände und Batterien, z.B. Handy oder E-Bike. Für größere Schadenszenarien ist Sand oder Metallbrandpulver als Löschmittel nicht geeignet. Das gilt auch für ABC- Löschpulver. Sauerstoffverdrängende Löschmittel: Der Einsatz von gasförmigen, sauerstoffverdrängenden Löschmitteln (z.B. CO 2 -Löschgas) unterdrückt zwar den Brand, allerdings erzeugen sie keinen ausreichenden und wirksamen Kühleffekt. Insofern ist der Einsatz von Löschgasen aus brandschutztechnischer Sicht nicht zweckmäßig. Löschmittel-Additive: Löschmittelzusätze können den Wärmeübergang an das Löschmittel erhöhen, daher kann der Einsatz geeigneter Additive helfen den Wasserbedarf zu reduzieren und den Löscherfolg zu beschleunigen. Deren Umweltunverträglichkeit ist dabei zu beachten. Untersuchungen mit speziellen Additiven haben teils gute Löscherfolge ergeben, konventionelle Mehrbereichsschaummittel weisen jedoch vergleichbare Ergebnisse auf und haben weitere Vorteile. Siehe dazu vorher. 3.8 Ergänzende Hinweise • Elektro- und Hybridfahrzeug können sich jederzeit „unbemerkt“ geräuschlos bewegen und sind daher gegen Wegrollen zu sichern. • Beschädigte Batteriezellen neigen zu einer späteren Selbstentzündung (auch nach erfolgreichem Löschangriff). Daher dürfen gelöschte Elektro- oder Hybridfahrzeug nach einem Löscheinsatz nicht unbeaufsichtigt oder in geschlossenen Hallen abgestellt werden. Speziell ausgestattete und zugelassene „Quarantäneflächen“ sind hierfür erforderlich. • Beschädigte Hochvolt-Batterien bzw. Teile davon gelten als Gefahrgut und dürfen daher nur von Fachkundigen verladen, auf offenen Fahrzeugen transportiert und im Freien gelagert werden. • Batterien, z.B. aus einem Unfallfahrzeug, auch wenn sie augenscheinlich keine Schäden aufweisen, müssen umgehend sach-und fachgerecht gelagert, transportiert und entsorgt werden. 3.9 Anlagentechnische Sicherheitssysteme Batteriebrände unter allgemein üblicher (konventioneller) Löschtechnik (z. B. Sprinkleranlagen) haben gezeigt, dass eine wirksame und schnelle Bekämpfung nicht möglich ist. Die Gefahr der erneuten Entzündung stellt daher an den anlagentechnischen und vorbeugenden baulichen Brandschutz spezielle Anforderungen. Grundsätzlich brennt ein Elektroauto nicht heißer als ein herkömmliches Kfz. Plastik verursacht dabei die meiste Hitze und die meisten Schadstoffe. Bei einem brennenden Elektroauto entsteht kein größerer Schaden am Gebäude als beim Brand eines Kfz mit Verbrennungsmotor. Das wichtigste ist auch hier, dass die Feuerwehr möglichst schnell am Einsatzort aktiv wird und u.U. bereits in der Entstehungsphase eines Batteriebrandes aktiv werden kann. Ein herkömmliches Auto kann schnell gelöscht werden. Ein Elektroauto muss jedoch mit viel mehr Wasser gekühlt werden. Problematisch ist die Gefahr einer Wiederentzündung über einen längeren Zeitraum (Tage). Deshalb muss das havarierte E-Fahrzeug so schnell wie möglich aus der Garage heraustransportiert werden, was sich bei der meist eingeschränkten Geschosshöhe und Fahrgassenbreite oft sehr schwierig gestaltet. Das Fahrzeug muss umgehend beispielsweise in einen wassergefüllten Kühlcontainer gelagert werden. [9 und 10] 4. Risikomanagement, Risikobewertung Die Erkenntnis, dass die Erfüllung gesetzlicher Anforderungen und die Absicherung durch Versicherungen eben nicht alle Risiken auf null reduzieren sowie Kollateral- und Folgeschäden abdecken können, haben uns veranlasst die verbliebenen Risiken zu bewerten und in unser Risikomanagement aufzunehmen. Wir erwarten uns dadurch einen schnellen zielgerichteten Wissenstransfer bis in die Entscheidungsebene des Unternehmens. Die Risiken werden identifiziert und die Voraussetzungen für schnelles Handeln und entsprechende Mittelbereitstellung geschaffen. Es erfolgte eine Gegenüberstellung von potentiellen Schäden, der anzunehmenden Eintrittswahrscheinlichkeiten und der zu erwartenden Kosten beispielsweise für geeignete vorbeugende Maßnahmen, Schulungen, Bereitstellung und Vorhaltung von Ressourcen (Personal, Material, Gerät, Flächen). 5. Maßnahmen 5.1 Analyse des Istzustandes: • Gebäude Speziell für unsere Parkhausbauten haben wir Gebäudesteckbriefe erstellt, in denen alle wesentlichen technischen Gebäudedaten und Installationen zu finden sind. Die Park- 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 207 Brandschutz-Prophylaxe in Parkhäusern bauten sind heute schon mit einer Vielzahl an Gebäude- und Anlagen-Sensoren ausgestattet, deren Daten und Fehlermeldungen wiederum in der Gebäudeleitzentrale (ZLT) zusammenlaufen. Darüber hinaus wurden standardisierte Gefährdungsbeurteilungen für die Arbeitsplätze und die Gebäude erstellt und kommuniziert. • verantwortliche Akteure Die grundsätzliche Verantwortung für die Gebäude liegt zu aller Erst beim Eigentümer (Bereich Real Estate mit den jeweiligen Asset Managern). Wie üblich wurden vom Eigentümer (Asset Management Real Estate) diverse Betreiberpflichten an den technischen Betrieb delegiert. Für Brandschutzaufgaben wiederum ist am Flughafen der Bereich Konzernsicherheit mit unserer Berufsfeuerwehr verantwortlich. Diese organisiert regelmäßig Begehungen, In-Augenscheinnahmen und Überprüfungen durch Sachkundige, Sachverständige und Prüforganisationen, dokumentieren diese und überprüfen die Mangelabarbeitung. 5.2 Vergleich/ Austausch/ Benchmarking Es gibt verschiedene Möglichkeiten an Vergleichswerte zu kommen, den fachlichen Austausch zu suchen und daraus Kennzahlen zu entwickeln, die ein Benchmarking ermöglichen. • Arbeitskreis Netzwerkprojekt SENSE BAY („SEN- SE BAY - Sichere Energiespeicher Bayern“) elektrochemische Energiespeicher (EU EFRE) unter Führung des Instituts CARISSMA der FH-Ingolstadt (CARISSMA steht für Center of Automotive Research on Integrated Safety Systems and Measurement Area) • Austausch der Feuerwehren im Rahmen von Schulungen, Weiterbildungsveranstaltungen und überregionalen Fachveranstaltungen zu Feuerwehrthemen • Gespräche mit Versicherungen (z. B. dem gdv) • Austausch mit anderen Flughäfen 5.3 Identifikation von Ansatzmöglichkeiten Aus der Vielzahl von Daten und Informationsquellen, die genutzt werden können, gilt es die wesentlichen Erkenntnisse herauszufiltern, bzw. die richtigen Fragen zu stellen: Gebäudetechnik: • Was gibt es bereits im Bestand z.B. an Brandmeldeanalgentechnik (BMA) oder baulichen Brandschutz? • Was gibt es an technischen Möglichkeiten der Branderkennung/ Brandfrüherkennung? • Welche technischen Neuentwicklungen gibt es beim Brandschutz/ der Brand und Rauchdetektion? • Welche Materialien sind noch langlebiger und ggf. feuerbeständiger als die bereits verbauten? • Welche Trends gibt es in Bezug auf Brandschutz? • Was lässt sich nachrüsten? • Was empfiehlt sich im Neubau und bei der Erstinstallation? • Welche Komponenten lassen sich im Hinblick auf Brandschutz und Detektion verbessern? • Welche Prozesse und Maßnahmen im Brandfall lassen sich verbessern bzw. vernetzen? Vorhandene Schutzeinrichtungen: • Feuerlöscheinrichtungen - Sprinkler (siehe auch bei Detektion) - Feuerlöschanschlüsse und Hydranten - Wandfeuerlöscher (Pulver, Wasser, CO2) - Lösch-Leitungssysteme und -Netze mit entsprechenden Sensoren - Kennzeichnung und Informationen - Rettungswegpläne Aushang von Notrufnummer und Ansprechpartnern (unter Berücksichtigung der Datenschutz-Grundverordnung DSGVO); Siehe auch menschliche Detektion • Einsatzpläne: - für Feuerwehr - für Rettungskräfte - für technischen Unterstützungskräfte - für die Gewerke der TGA (allen voran Sanitär, ELT, Brandschutz) - für den Umweltschutz/ Gewässerschutz/ Luft/ Arbeitsschutz - Krisenstab mit Befugnissen und Vernetzung (Alarmplan/ Alarmierungsplan für Sachverständige und Labore) Detektion: - Technisch - Rauchmelder/ Ansaugrauchmelder - Temperatursensoren, linienförmige Wärmemelder, Temperatursensorkabel, Vernetzung mit Diagnose-Software - IR-Wärmebildkameras mit Branderkennungssoftware - Wärmedetektoren und Sensoren mit Alarm - Ampulle am Sprinklerkopf löst durch platzen den Löschvorgang aus, kombiniert mit Druckabfallsensoren in der Sprinklerleitung löst dies gleichzeitig einen Brandalarm bei der Feuerwehr und ZLT aus. 208 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Brandschutz-Prophylaxe in Parkhäusern Bild 4: Internetportal LEIFIphysik [11] • Humanoid - Intern: Schulung und Information von Mitarbeitern zur Sensibilisierung und Schulung des richtigen Verhaltens, brandvorbeugend und im Brandfall - Extern: Wie versetze ich Kunden in die Lage zügig die richtigen Meldewege zu finden? Fest installierte und gekennzeichnete Telefone, Mobiltelefone (WLAN bzw. Netzverbindung erforderlich) Notrufnummern, Parkleitzentrale, Erkennbarkeit von Flughafenmitarbeitern; Notsignalschalter - Kontrolle durch Bestreifung oder Brandwachen 6. Die Idee einer Interdisziplinären Brandschutzübung (da die Brandschutzübung am 20. Oktober 2021 angesetzt wurde, lagen zum Zeitpunkt der Skripterstellung noch keine Ergebnisse vor; diese werden daher beim Vortrag im Februar 2022 erläutert) 6.1 Was wollen wir üben? Szenario: Meldung über die Notrufnummer 112, dass in einer Tiefgarage (P8) in der Zentralen Zone des Flughafens ein Auto brennt. Meldung: aufgrund von Wahrscheinlichkeiten, habe wir uns entschieden, dass die Meldung während der normalen Betriebszeiten durch eine: n Passagier: in erfolgt. Aufgrund der besonderen Anforderungen, muss die Feuerwehr beim Erstangriff erkunden ob es sich dabei um einen Wagen mit einem Verbrennungsmotor, oder ein Auto mit großem Li-Ion-Akku handelt, und die Info an die Einsatzzentrale und Einsatzleiter melden. Szenario: Es handelt sich um ein Kfz mit Elektroantrieb (großem Akku) wie bei Hybrid- oder E-Fahrzeugen üblich. Alle dann erforderlichen weiteren Schritte und Maßnahmen sind durch die Einsatzleitung zu ergreifen. 6.2 Weitere Fragestellungen zum Thema Brand in Großgarage: Wie schnell kann ein solcher Brand erkannt werden, wenn kein Mensch ihn meldet, z.B. nachts? Woher weiß die Person die einen Brand feststellt, wie sie sich verhalten soll? Wie schnell kann üblicherweise die Meldung bei der Brandmeldezentrale auflaufen? Sind Meldeumwege denkbar, die die Reaktionszeit der Feuerwehr verkürzen? 6.3 Was erwarten wir von dieser Übung? Erkenntnisse über Detektionszeit Wie kann die Meldezeit und Reaktionszeit verkürzt werden? Welche Einsatzabläufe und -prozesse werden durchlaufen? Wie lange dauern diese? Wie können diese noch verbessert werden? 6.4 Beteiligte: Real Estate Asset Management Verkehrsbauwerke und Flächen, Berufsfeuerwehr Flughafen München, diverse Abteilungen der FMG (Technischer Betrieb, Unternehmenskommunikation, Konzernsicherheit…), Rettungsdienste, Polizei, Rundfunk, Medien 6.5 Vorgehensweise: • Vorbereitung - Begleitung: Wo werden welche Daten erfasst und wie weiterverarbeitet? Dafür werden an den identifizierten Knotenpunkten/ Schalt- und Schnittstellen Beobachter: innen eingesetzt - Kriterien/ Ablaufplan/ Drehbuch/ Auswertekriterien/ Beobachter: innen/ Dokumentation • Nachbereitung: - Auswertung der Ergebnisse - Bewertung - Erarbeitung von Empfehlungen Bild 5: Tauchbad für einen E-Smart. Bild: Feuerwehr [12] 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 209 Brandschutz-Prophylaxe in Parkhäusern Bild 6: LiBaRescue zur Bergung von Hybrid- und Elektrofahrzeugen (Foto Gelkoh) [13] 7. Direkte Maßnahmenableitung/ -identifikation Allein schon dadurch, dass wir im Unternehmen aufgezeigt haben, dass noch nicht alle Möglichkeiten der Schadensminimierung ausgeschöpft sind, und wir auch unsere vorbeugenden technischen Sicherungsmechanismen des Brandschutzes auf den Prüfstand gestellt haben, wurde Bewusstsein geschaffen. Je mehr man in die Aufgabenstellung der Verbesserung des Brandschutzes eintaucht, desto mehr Möglichkeiten, Technologien, neue Ansprechpartner (Hersteller, Behörden, Flughäfen, Parkhausbetreiber, Versicherungen u.v.m.), aber auch weiterführende Fragen tun sich auf. Wir werden uns dafür einsetzen, dass auch nach der Gemeinschafts-Einsatzübung und der Realisierung diverser empfohlener Folgemaßnahmen, der Arbeitskreis zur Verbesserung des „vorbeugenden Brandschutzes“ weiterhin aktiv an dem Thema weiterarbeiten kann. Zu den operativen Erkenntnissen, die wir uns aus der Brandschutzübung erwarten, gibt es ein ganzes Aufgabenpaket, das es in Zukunft abzuarbeiten gilt: • Recherche: technische Möglichkeiten • Prüfung der möglichen Nachrüstbarkeit in die Bestandsinfrastruktur inklusive Kosten und Lebensdauer • Ausrüstung geplanter und künftiger Neubauprojekte • Organisatorische Maßnahmen, wie z. B. Reaktionszeiten und Meldeketten hinterfragen und verkürzen. • Anordnung von Ladeinfrastruktur • Ausrüstung von Ladeinfrastruktur • Online-Verkehrsführung • Verkehrsleitsystem on Campus und im Parkhaus … und besonders wichtig: Folgemaßnahmen/ Wiederholungsübungen, um nicht Gefahr zu laufen durch Vergessen und Nachlässigkeit erst durch ein eintretendes Schadensereignis auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt zu werden. 8. Prophylaxe Prophylaxe ist bekanntermaßen besser als Schadensregulierung, das betrifft: • Kosten • Image • Sicherheit • Vertrauen • Kundenbindung Quellen [1] Süddeutsche Zeitung; Brand in Kulmbach [04.03.2017] [2] Münchner Merkur; Schlagzeile: Brennendes Auto in Tiefgarage löst Großeinsatz der Feuerwehr in Aschheim aus [23.08.2021] [3] Focus online Parkhaus-Inferno in Norwegen: Brand zerstört hunderte Autos, Gebäude stürzt teilweise ein [08.01.2020] [4] Westfälische Nachrichten; Defektes Steuerungsgerät verursachte das Feuer [27.05.2020] [5] Volkswagen; Lithium-Ionen-Akku [6] Feuerwehr Glinde/ hfr [7] Bild: Schutzsystem für Elektrofahrzeuge Quelle: Fa. Stöbich [8] DGUV Fachbereich Feuerwehren Hilfeleistungen Brandschutz¸ Besonderheiten bei Bränden von Lithium-Ionen-Akkus in Elektrofahrzeugen FBFHB-024 Stand: 28.07.2020; [9] Buser, M.; Mähliß, J.: Lithium-Batterien - Brandgefahren und Sicherheitsrisiken. 2016 [10] Buser, M.; https: / / www.brand-feuer.de/ index. php? title=Lithium_Batterien [11] Internetportal LEIFIphysik Ernst Leitner Ulrich Finckh [12] Schwäbisches Tagblatt: Elektro-Smart brennt und brennt und brennt. URL: https: / / www.tagblatt. de/ Nachrichten/ Elektro-Smart-brennt-und-brenntund-brennt-354849.html [20.12.2017) [13] Gelkoh GmbH LiBa®Rescue (www.gelkoh.de) Besonders. Sicher. securiton.de E-Mobilität brandgefährlich? Personen- und Einrichtungsschutz für Ladeinfrastruktur und Elektro-Parkräume durch Brandfrühesterkennung. 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 211 Brandschutzlösungen statt Einfahrtsverbote für Elektrofahrzeuge in Park- und Tiefgaragen - Einsatz von Branddetektions- und Brandbekämpfungssystemen zur Vorbeugung von Personen- und Sachschäden Matthias Bohnert Securiton Deutschland Business Developer & Assistenz der Vertriebsleitung Verantwortlich für den Geschäftsbereich E-Mobility Zusammenfassung Das nachfolgende Sicherheitskonzept untersucht die Gefahren und Risiken, die mit dem Aufbau von Ladeinfrastruktur und dem Parken von Elektroautos in Gebäuden einhergehen. Ladesäulen- und Parkhausbetreiber sollten im Rahmen der Betreiberverantwortung den sicheren Betrieb der elektrotechnischen Anlagen gewährleisten und müssen sich somit mit einem Einrichtungsschutz auseinandersetzen. Die Hypothese, dass ein Brand von Elektroautos nicht gefährlicher ist als bei einem PKW mit Verbrennungsmotor, wird aufgrund der Kriterien Brandverhalten/ -entwicklung, Schadstoffaustritte und Temperatur falsifiziert. Eine Aussage über die Brandhäufigkeit kann zum derzeitigen Zeitpunkt nicht gegeben werden. Der Einrichtungsschutz besteht aus Komponenten der Sonderbrandmeldetechnik, die einen Brand in den betrachteten Schutzszenarien detektieren, einer Abschaltung des Ladestroms und dem entsprechenden Alarmmeldekonzept. In Prävention investiertes Kapital zur Vermeidung von Personen- und Sachschäden amortisiert sich in kürzester Zeit. Es ist immer wirtschaftlicher, Maßnahmen zur Verhinderung von Schadensereignissen zutreffen, als später die Schäden beseitigen zu müssen. Ganz abgesehen von nicht heilbaren psychologischen Schäden bei betroffenen Personen. 1. Einleitung Die kommenden Jahre sind für die Entwicklung der Elektromobilität entscheidend. Fast alle der großen Autohersteller kündigen neue Modelle an, die mehr Komfort, größere Reichweiten und höhere Geschwindigkeiten versprechen. Um den Traum der emissionslosen Fortbewegung zu erfüllen, ist ein massiver Aufbau der Ladinfrastruktur (nachfolgend LIS) vor allem in urbanen halböffentlichen und öffentlichen Bereichen erforderlich [1]. Was auf der einen Seite der Umwelt zugutekommt, birgt auf der anderen Seite aber bisher kaum bekannte Gefahren, was auch Vorfälle in der jüngsten Vergangenheit gezeigt haben, wie z. B. der Großbrand in einem Depot für Elektrobusse in Stuttgart. 2. Grundlagen zum Sicherheitskonzept Dieses Sicherheitskonzept untersucht zwei Schutzszenarien und richtet sich an die Zielgruppe der Ladestationsbetreiber, -hersteller sowie Parkhausbetreiber. Das Sicherheitskonzept zielt zudem auf die halbprivaten, halböffentlichen und öffentlichen Standorte für Ladeinfrastruktur ab. • Schutzszenario 01: Ladeinfrastruktur • Schutzszenario 02: E-Parkräume Gemäß DIN 14675-1 wird das Sicherheitskonzept der Kategorie 4 „Einrichtungsschutz“ zugeordnet. Diese Schutzkategorie kann spezielle Funktionen, Ausrüstungen oder Bereiche mit hohem Risiko schützen [5]. Die Ladeinfrastruktur sowie die E-Parkräume stellen einen solchen Risikobereich dar. Gemäß Mustergaragenverordnung (nachfolgend M-GarVO) kommen vor allem für geschlossene Mittel- und Großgaragen Brandmeldeanlagen zum Einsatz [6]. Diese Verordnung wird derzeit aktualisiert, aber auch in der neuesten Entwurfsfassung stellen Ladestationen und Elektroautos keine veränderten Anforderungen an Brandabschnitte, Brandschutztüren, Sprinkleranlagen oder Feuerlöscher [7]. Ladesäulen dienen der Abgabe von elektrischer Energie an Elektromobile und sind als Energieanlagen i. S. d. §3 Nr. 15 EnWG zu qualifizieren. Der Ladestationsbetreiber muss im Rahmen der Betreiberverantwortung gewährleisten, dass von der elektrotechnischen Anlagekein Elektro- oder Brandunfall verursacht wird. Beidem Ladesäulenbetreiber kommen für die Haftung gegenüber seinen Kunden (dem Eigentümer des Parkhauses) in dem 212 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Brandschutzlösungen statt Einfahrtsverbote für Elektrofahrzeuge in Park- und Tiefgaragen die Ladesäulen stehen, sowie gegenüber unbeteiligten Dritten zwei Haftungsgrundlagen in Be-tracht: • die vertragliche oder vertragsähnliche Haftung und • die Haftung aufgrund von Verkehrssicherungspflichten [8]. Der Betreiber muss regelmäßige Prüfungen und Gefährdungsbeurteilungen i.d.R. durch eine zertifizierte Elektrofirma durchführen lassen [9]. 2.1 Schutzszenario 01: Ladeinfrastruktur Derzeit sind ca. 25.800 (Stand Q4/ 2021) Ladestationen für Elektroautos in Deutschland in Betrieb. Ladestationsarten, Anschlussleistungen und Anzahl der Ladepunkte können sich hierbei unterscheiden. Da an einer Ladesäule ein sehr hoher Energieumsatz pro Zeit ermöglicht wird (bei der Ladebetriebsart 4 bis zu 200A/ 1000V), ist hier eine latente Gefahrenquelle vorhanden. Abbildung 1: Schaden Ladestation [10]. Durch eine fehlerhafte Handhabung von Verlängerungskabeln, Kabeltrommeln, Mehrfachsteckdosen sowie einer Quetschung oder Abscherung von Ladekabeln kann einen Defekt beim Ladevorgang auftreten [11, 12]. In der Ladestation können durch eine Alterung der elektronischen Komponenten (bei jahrelangem Betrieb) sowie schwierigen Umgebungsbedingungen (Feuchtigkeit, extreme Temperaturen etc.) Brände durch einen Kurzschluss hervorgerufen werden [13, 14]. Ein weiteres Risiko besteht in der Sachbeschädigung der Ladestationen durch manuelles Einwirken von Elektroauto oder eines Vandalen. Beispielsweise kann durch einen Zigarettenstummel in der Ladesäule eine Brand-entwicklung hervorgerufen werden. Ein Risiko der Überladung eines Autos durch die Ladestation ist dagegen schwer vorstellbar, da hier ein Defekt in der Kommunikationsschnittstelle sowie der Klimatisierung der Batterie vorliegen müsste. Das Risiko ist vorhanden, aber gering [15]. Die Ladesäulen je nach Hersteller differenzieren sich in den technischen Ausstattungen, haben aber keine VdSzertifizierte Sensorik zur Branddetektion und -meldung integriert. Ein Temperatursensor, der eine Kühlung der Säule initiiert, stellt keine Lösung des vorbeugenden Brandschutzes dar. 2.2 Schutzszenario 02: Elektro-Parkräume Da im Durchschnitt ein PKW 95% der Zeit (23h/ Tag) parkt, liegt ein signifikantes Risikopotenzial eines Zwischenfalls bei den Elektro-Parkräumen. Es wird explizit von „Räumen“ gesprochen, da somit die Dreidimensionalität des Schutzszenarios verdeutlicht wird. Um die Risiken eines Elektroautos zu erläutern, wird nachfolgend ein Vergleich zu den Kriterien Brandhäufigkeit, Brandentwicklung/ -verhalten, Temperatur, Zündquellen, Schadstoffe und Möglichkeiten der Detektion und Bekämpfung mit einem PKW-Verbrenner gezogen. Brandhäufigkeit: In Deutschland brennen jährlich ca. 15.000 PKWs. Davon sind 20-30% auf politische motivierte Anschläge zurückzuführen. Ein Großteil der Brände ist auf technische Defekte, wie Motorbrände und heiß gelaufene Räder zurückzuführen. Aufgrund der geringeren Verbreitung von vollelektrischen Fahrzeugen und der noch schwachen Datenlage lässt sich derzeit keine Rückschlüsse über die Brandhäufigkeit von Elektroautos ziehen [16,17]. Brandentwicklung/ -verhalten: In diesem Kriterium sind wesentliche Unterschiede zwischen einem PKW mit Verbrennungsmotor und einem Elektroauto zu erkennen. Ein Gros der Brände von Verbrenner-Fahrzeugen entsteht im Bereich des Motors. Bei einer geschlossenen Fahrgastzelle dauert ein Flammenübergriff zwischen zehn und zwanzig Minuten. Grundsätzlich gibt es beim Verbrenner, anders als in Spielfilmen gezeigt wird, keine Explosion! Es handelt sich um eine moderate Flammenausbreitung und es dauert mehrere Minuten bis zu einem Vollbrand. Schäden an einer Batteriezelle oder an der Struktur des Zellinneren führen zu einer Überdruckbildung und einer Überhitzung. Dieser Vorgang zeichnet sich durch thermische (Stichflammen) und akustische (Zischen, leichtes Knallen) Effekte aus. Zeitgleich erfolgt eine Deflagration, die mit einer starken Ausgasung und Rauchbildung startet. Die Ausbreitung dieser Defla- 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 213 Brandschutzlösungen statt Einfahrtsverbote für Elektrofahrzeuge in Park- und Tiefgaragen gration auf weitere Batteriemodule wird als „Thermal Runaway“ bezeichnet. Dieser ganze Vorgang dauert unter 30 Sekunden. Ein weiteres Merkmal des Brandverhaltens eines Elektroautos liegt in dem ständigen Neuentfachen des Brandes aufgrund der Wiederentzündbarkeit der Batterie [18,19,20]. Abbildung 2: Brand E-Auto in China [21]. Brandtemperatur: Um einen Vergleich der Brandtemperatur bei Elektroautos und Verbrennern bewerten zu können, müssen beide Brandszenarien mit den gleichen Rahmenbedingungen stattfinden. Dies ist in der Forschung noch nicht durchgeführt worden. Jedoch lässt sich aus vergangenen Brandversuchen ableiten, dass die Brandtemperatur eines Elektroautos in der Vollbrandphase ca. 100-250°C heißer ist als von einem Verbrenner. Dies könnte Auswirkungen auf die Bausubstanz und somit der Statik eines Gebäudes haben. Auslöser/ Zündquellen: Auslöser für Brände bei Verbrenner sind Verkehrsunfälle, ausgelaufener Kraftstoff, Bremsen, schadhafte Autoreifen, elektrische Kurzschlüsse sowie Brandstiftungen. 80-90% der Brände beginnen im Bereich des Motors. Bei einem Elektroauto können Defekte im Kühlkreislauf, elektrische Kurzschlüsse sowie Brandstiftungen zu Bränden führen. Zudem wird ein Zersetzungsprozess in der Batterie ab einer Temperatur von 70°C gestartet. Der Hauptunterschied ist neben dem elektrifizierten Antriebsstrang die Energiespeicherung. Während bei einem Fahrzeug mit Verbrennungsmotor die Energie zumeist in Form flüssiger, fossiler Treibstoffe (z.B. Benzin, Diesel) gespeichert wird, stammt sie bei einem Elektrofahrzeug aus elektrochemischen, wieder aufladbaren Batterien, die aus hochreaktiven und brennbaren Bestandteilen sind [18,20,22]. Schadstoffaustritt: Besonderheit beim Verbrenner sind austretende Benzoldämpfe, die beim Einatmen giftig sind und akute und chronische Krankheiten verursachen können. Elektroautos stoßen dabei weitaus mehr Schadstoffe aus. Es ist zu beachten, dass aufgrund des Fluors, welcher in den Elektrolyten der Li-Batterie vorhanden ist, toxischer Fluorwasserstoff ausgesetzt wird. In Verbindung mit Wasser kann sich die sogenannte Flusssäure bilden. Bei einem Brand der Li-Batterie wird der IDLH- Wert (Maximalwert der Konzentration in der Luft) von mehreren Gasen um ein Vielfaches übertroffen. Die Lithium-Konzentration wird um das 600-fache, Kobalt um das 55-fache und Mangan um das Zweifache überstiegen. Besonders kritisch muss die Geschwindigkeit der Schadstofffrei-gabe gesehen werden. In der Zeitspanne, in der sich Flüchtende in Sicherheit bringen, können diese bereits Schäden aufgrund der hohen Schwermetallkonzentration davontragen [20]. Die Maßnahmen zur Branddetektion und -bekämpfung werden in der nachfolgenden Handlungsempfehlung zum Einrichtungsschutz aufgezeigt. 3. Handlungsempfehlung zum Einrichtungsschutz für Ladeinfrastruktur und Elektro-Parkräume Im Fokus der Handlungsempfehlung liegt aufgrund der vorausgegangenen Risikobetrachtung der Brandschutz. Ziel ist es, den Brand in der Ladestation oder eines E- Autos so früh wie möglich zu detektieren und mit dieser Detektion weitere Prozesse auszulösen. Für eine Branddetektion werden Brandmeldegeräte eingesetzt, die Komponenten einer Brandmeldeanlage sind. Diese Melder dienen der Branderkennung und können bei Detektion eines Feuers einen Alarm auslösen. Dieser Alarm wir dann an die Brandmeldezentrale geleitet, die wiederum an die Feuerwehr aufgeschaltet werden kann. Neben diesen automatischen Brandmeldern können auch nichtautomatische Brandmelder, z.B. Handfeuermelder, eingesetzt werden. Grundsätzlich können die Brandmelder in zwei Kategorien unterteilt werden: die bekannten punktförmigen Brandmelder, die in diversen Varianten verfügbar sind, sowie die Sonderbrandmelder. Zur letzten Kategorie zählen unter anderem Ansaugrauchmelder und lineare Wärmemelder. Je nach Anwendung und Umgebungsbedingung werden geeignete Brandmelder ausgewählt, um einen Brand schnell detektieren zu können, ohne dabei Täuschungsalarme auszulösen [6,23]. In der Abbildung 3 wird eine Darstellung der Empfindlichkeitsstufen von Brandmeldern aufgeführt. Es ist zu erkennen, dass ein Ansaugrauchmelder bereits bei einer geringen Rauchkonzentration (in der Pyrolysephase) detektieren kann. Ein Ansaugrauchmelder kann bis um das 70-fache sensibler konfiguriert werden als ein konventioneller Punktmelder. Wärmemelder sind zu empfehlen, sobald schmutzige, feuchte und temperatur-schwankende Rahmenbedingungen vorliegen. 214 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Brandschutzlösungen statt Einfahrtsverbote für Elektrofahrzeuge in Park- und Tiefgaragen Abbildung 3: Empfindlichkeit von Brandmeldern Brandfrühestdetektion für einen vorbeugenden Brandschutz Frühzeitige Branddetektion rettet Leben und Sachwerte, deshalb wird der Einsatz von Sonderbrandmelde-technik für die Ladesäulen- und Elektro-Parkräume empfohlen. In urbanen, unterirdischen Infrastrukturen (z.B. Tiefgaragen) erschweren die Umgebungsbedingungen (Feuchtigkeit, Abgase, extreme Temperaturen) eine zuverlässige Branddetektion mit konventionellen Punktmeldern. Abbildung 4: Ansicht eines linearen Wärmemelders [23]. Mit linearen Wärmemeldern kann gerade in Parkhäusern, die mit hohen Verschmutzungsgrade aufgrund der Abgase rechnen müssen, Fehlalarmraten und Wartungskosten gesenkt werden. In der Ladestation können Ansaugrauchmelder eingesetzt werden, die bereits bei einem Brand in der Pyrolysephase eine sofortige Abschaltung der Stromzufuhr initiieren. Der Alarm kann an die Leistelle des Kunden oder der Feuerwehr über-tragen werden. Es ist zu empfehlen, dass Parkflächen, welche noch nicht überwacht werden, dringendst mit Sonderbrandmeldetechnik ausgestattet werden sollten, um ein flächendeckendes Brandschutzkonzept zu ermöglichen. Auch offene Parkhäuser sollten einen Einrichtungsschutz für Ladeinfrastruktur und E-Parkraumflächen realisieren. Zunächst gilt es zu prüfen, ob das Objekt für die neue Herausforderung noch ausreichend geschützt ist. Ist die verbaute normenkonforme Brandmeldeanlage überhaupt noch technisch in der Lage, die neuen Gefahren der E-Mobilität abzuwenden? Sind die bisher verbauten linienförmigen Wärmemelder bei Anwendungen mit Ladesäulen noch das richtige Schutzkonzept, oder ist es evtl. besser auf Ansaugrauchmelder umzurüsten, die in der Lage sind, einen Entstehungsbrand zu detektieren? Organisatorische Maßnahmen unterstützen den Brandschutz und die Brandbekämpfung Der Einrichtungsschutz für Ladeinfrastruktur und Elektrofahrzeuge könnte als „eigener“ Brandabschnitt definiert werden. Zudem sollten keine leichtentzündlichen Materialien in der Nähe der Ladeinfrastruktur gelagert werden. Videodetektionssysteme unterstützen bei Ermittlungen im Schadensfall, da ja gerade im Zivilrecht die Beweislastumkehr gilt. Ladesäulen sind auf Erdgeschossebene zu errichten, damit im Brandfall das Fahrzeug zeitnah aus dem Gebäude entfernt werden kann. Sprinkler-Anlage und Rauchgasabsaugung 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 215 Brandschutzlösungen statt Einfahrtsverbote für Elektrofahrzeuge in Park- und Tiefgaragen sind neben einer Brandmeldeanlage ein Muss. Mit der Rauchabsaugung erfolgt eine Reduzierung der Schadstoffkonzentration und mit der Sprinkler-Anlage kann das Fahrzeug schnell mit dem geeigneten Löschmittel Wasser gelöscht werden. Zudem sollten zur Prävention Feuerlöscher in der Nähe der Ladeinfrastruktur platziert werden. 4. Kritische Diskussion und Fazit In zahlreichen Studien wurde nachgewiesen, dass in Prävention investiertes Kapital zur Verhinderung von Personen- und Sachschäden sich in kürzester Zeit amortisiert. Es ist immer wirtschaftlicher, Maßnahmen zu treffen, die das Eintreten von Schadensereignissen verhindern, als später die Schäden beseitigen zu müssen. Ganz abgesehen von nicht heilbaren psychologischen Schäden bei Personen, die Opfer einer Gewalttat oder Zeuge eines dramatischen Unfalls wurden. Die M-GarVO sollte sich den sich ändernden Gegebenheiten anpassen und vor allem die Brandrisiken der Lithium-Ionen-Akkus in Elektrofahrzeugen sollten in der Neufassung der Verordnung Berücksichtigung finden. Im Zivilrechtsprozess gilt stets die Beweislastumkehr. Allein durch diese Haftungsthematik, sollte der Betreiber der Ladestationen und der Parkhäuser vorbeugende Maßnahmen ergreifen. Über Securiton Deutschland Securiton Deutschland mit Hauptsitz in Achern ist ein Unternehmen der Securitas Gruppe Schweiz. Mit über 40 Jahren Erfahrung in der Sonderbrandmeldetechnik ist Securiton Deutschland der innovative Anwendungsspezialist für Brandfrühesterkennung bei extremen Umgebungen und im gesamten Bereich der E-Mobilität. Zum Portfolio gehören auch elektronische Sicherheitslösungen für den Objekt- und Perimeterschutz, wie intelligente Videosicherheitssysteme mit Videobildanalysen, Gefahren- und Zutrittsmanagement. Weitere Informationen Securiton Deutschland Alarm- und Sicherheitssysteme Hauptsitz: Von-Drais-Straße 33, 77855 Achern, DE Tel: +49 7841 6223-0, Fax: +49 7841 6223-9010 E-Mail: info@securiton.de, Internet: www.securiton.de Literaturverzeichnis [1] NEP. 2019. „Ziele Elektromobilität“. Nationale Plattform Elektromobilität (blog). 2019. http: / / nati onale-plattform-elektromobilitaet.de/ hintergrund/ die-ziele/ #tabs. [5] DIN. 2018. DIN 14675-1: 2018-04 - Brandmeldeanlagen - Teil 1: Aufbau und Betrieb. https: / / www. beuth.de/ de/ norm/ din-14675-1/ 284606449. [6] BauNetz. 2019. „Garagen | Brandschutz | Sonderbauten | Baunetz_Wissen“. Baunetz Wissen. 2019. https: / / www.baunetzwissen.de/ brandschutz/ fach wissen/ sonderbauten/ garagen-3152261. [7] Frese, T. 2017. „Tiefgaragen: Brandschutz bei Elektroautos & Ladestationen“. 2017. / / www.feuer trutz.de/ tiefgaragen-anpassung-an-alternativepkw-antriebe/ 150/ 57046/ . [8] KPMG, 2018. Haftung bei Ladesäulen. Interview. [9] Hägele, F, und D Bein. 2017. PROZESSLEIT- FA-DEN ZUR RECHTSSICHEREN ERRICH- TUNG UND ORGANISATIONVON AC-/ DC-INFRASTRUKTUR. Herausgegeben von Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI). 2. Aufl. Berlin. https: / / docplayer. org/ 57317934-Prozessleitfaden-zur-rechtssiche ren-errichtung-und-organisation-von-ac-dc-infra struktur.html. 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Tesla brennt in Ratingen ab: Hat der Elektro-Star unsichere Akkus verbaut? [WWW Document]. FOCUS Online. URL https: / / www.focus.de/ auto/ elektroauto/ thermal-runawayim-elektroauto-tesla-kennt-die-brandgefahr-seinerakkus-seit-10-jahren_id_10620636.html (accessed 8.12.19). [22] Feuerwehr Großenrode, 2019. Brände an Verkehrsmitteln [WWW Document]. URL https: / / www. feuerwehr-grossenrode.de/ index.php/ info-s/ ausbil dung/ 152-braende-an-verkehrsmitteln (accessed 8.12.19). [23] Securiton. 2018. „Brandschutz“. 2. September 2018. https: / / www.securiton.de/ de/ produkte/ brand schutz.html. [25] Spiegel, 2019. Post zieht Hunderte StreetScooter zeitweise aus dem Verkehr https: / / www. spie-gel.de/ auto/ aktuell/ deutsche-post-zieht-460-streetscooternach-braenden-aus-dem-verkehr-a-1258844.html. (accessed 21.02.2019). [26] Nöth, Ansgar. 2018. „Hoher Sachschaden: Brand eines Hochleistungsakkus in Karlstein“. BR24. 6. 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[31] Polizei, Offenburg. 2015. „Brand gemeldet - Vermutlich beim Laden von Batterien durch Kurzschluss der Ladestation zu Brand gekommen“. Brand gemeldet - Vermutlich beim Laden von Batterien durch Kurzschluss der Ladestation zu Brand gekommen (blog). 2015. https: / / www.regiotrends. de/ de/ polizeiberichte/ index.news.291406.brandgemeldet---vermutlich-beim-laden-von-batteriendurch-kurzschluss-der-ladestation-zu-brand-ge kommen.html. 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 217 Die neue Garagenverordnung - aktueller Stand der Änderungen. Elektromobilität und Parkbauten - erhöhtes (Genehmigungs-)Risiko? Dipl.-Ing. (FH) Simon Bertsch Prüfsachverständiger für Brandschutz, Nürnberg Zusammenfassung Die brandschutzfachlichen Belange von Parkbauten erleben aktuell auf zwei Themengebieten eine gestiegene Aufmerksamkeit. Zum einen wird in breiter Öffentlichkeit die Nutzbarkeit von Parkbauten für batterieelektrisch betriebene Fahrzeuge diskutiert - und mitunter auch in Zweifel gezogen. Zum anderen wird, eher im Kreis der Fachwelt, die anstehende Änderung der Garagenverordnung diskutiert. Beiden Themengebieten gemein ist, dass sie zukünftig gewisse Auswirkungen auf die Planung und den Betrieb von Parkbauten haben werden. Aus diesem Grund wird nachfolgend der aktuelle Stand aus der Sicht des Brandschutzes erläutert und eingeordnet. 1. Die neue GaStVO Am 09.11.2020 veröffentlichte die Fachkommision Bauaufsicht der Bauministerkonferenz (ArgeBau) ihre Anhörung zur Änderung der Muster-Garagen- und Stellplatzverordnung (M-GarStVO) [1]. Der Weg bis zur Einführung der Musterverordnung in den einzelnen Bundesländern wird noch ein weiter sein, dennoch sollten Planende sich bereits heute mit den sich ergebenden Änderungen befassen, denn diese sind - insbesondere was den Brandschutz betrifft - durchaus relevant. Vor Allem die geplante Änderung von Anforderungen an das Tragwerk und des Nachweises von Rettungswegen kann einen großen Einfluss auf den Entwurf von Parkbauten haben. Ohne Kenntnis dieser grundsätzlichen brandschutztechnischen Anforderungen ist es nicht möglich, ein Garagengebäude genehmigungsfähig zu planen. 1.1 Rechtliche Stellung Die von der Bauministerkonferenz veröffentlichte Musterverordnung hat für sich genommen keine rechtliche Außenwirkung. Sie dient den einzelnen Bauministerien der Länder als Grundlage zur Einführung einer eigenen Garagen- und Stellplatzverordnung. Viele Bundesländer führen nach einer bestimmten Übergangszeit die Musterverordnungen ohne Änderungen ein, einzelne Länder führen sie nach dem Einpflegen von Änderungen ein oder verzichten gänzlich auf die Einführung des Musters. Aktuell (Stand 11/ 2021) sind in allen Bundesländern Garagenverordnungen oder Garagen- und Stellplatzverordnungen eingeführt, die mehr oder weniger stark von der derzeit gültigen Musterfassung abweichen. In Abweichung von der aktuellen M-GaVO 2008 sind z. B. in Bayern für geschlossene Großgaragen in jedem Fall Brandmeldeanlagen gefordert [2], in Baden-Württemberg und vielen weiteren Bundesländern sind für unterirdische Geschosse von Großgaragen Löschwasseranlagen vorgeschrieben [3] und in Hessen sowie anderen Bundesländern werden Sicherheitsschleusen zwischen Garagen und Aufzugsvorräumen auch dann gefordert, wenn diese Aufzüge in feuerbeständigen Schächten liegen [4]. Es zeigt sich also: Sobald die neue M-GarStVO durch die ArgeBau veröffentlicht sein wird, gilt es die Umsetzung in den einzelnen Bundesländern genau zu beobachten. 1.2 Änderungen gegenüber der aktuellen Musterverordnung Trotz - oder gerade wegen - der zu erwartenden Anpassungen der Musterverordnung mit Einführung in den einzelnen Ländern lohnt sich bereits jetzt ein Blick auf die Änderungen gegenüber der bisherigen Muster-Garagenverordnung. Nachfolgend werden die für den Brandschutz relevanten Änderungen und deren Hintergründe näher erläutert: Titel Bereits der Titel der Verordnung soll eine Änderung erfahren: Statt einer Muster-Garagenverordnung wird die Verordnung nach dem Willen der Regelsetzer zukünftig als Muster-Garagen- und Stellplatzverordnung tituliert, 218 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Die neue Garagenverordnung - aktueller Stand der Änderungen. Elektromobilität und Parkbauten - erhöhtes (Genehmigungs-)Risiko? um klarzustellen, dass der Anwendungsbereich auch Kraftfahrzeugabstellflächen außerhalb von Garagen umfasst. § 1 Anwendungsbereich Neu aufgenommen wird ein eigener Paragraph, der den Anwendungsbereich der M-GarStVO absteckt. Dies folgt der generellen Gliederung von Verordnungen. Um in der Vergangenheit aufgetretene Fragestellungen zur bauordnungsrechtlichen Einstufung von Feuerwehrgerätehäusern und ähnlichen Gebäuden klarzustellen, wird die Angabe mit aufgenommen, dass Gebäude und Gebäudeteile die dem Brand- und Katastrophenschutz dienen, nicht in den Anwendungsbereich der M-GarSt- VO fallen. Die nachfolgenden Paragraphen werden durch das Einfügen des neuen § 1 neu nummeriert. § 2 Begriffe und allgemeine Anforderungen Nach dem vorliegenden Entwurf der M-GarStVO wird klargestellt, dass die Regelungen des Absatzes 1 zu offenen Garagen zukünftig ausschließlich für Mittel- und Großgaragen gelten. Die Definition offener Kleingargagen ist weiterhin abschließend in Absatz 2 geregelt. Damit wird nochmals klargestellt, dass Kleingaragen lediglich insgesamt ins Freie führende Öffnungen von einem Drittel der Gesamtfläche der Umfassungswände aufweisen müssen - diese jedoch nicht sich gegenüberliegend angeordnet sein müssen. In Absatz 7 wird neu geregelt, dass die Nutzfläche einer Garage auch Abstellplätze für Fahrräder, Fahrradanhänger und elektrisch betriebene Fahrzeuge, die keine Kraftfahrzeuge sind, umfasst. Damit wird zum ersten Mal deutlich gemacht, dass Fahrradabstellflächen funktionell einer Garagen zugehörig sein können. § 3 Zu- und Abfahrten Die Regelungen bzgl. Zu- und Abfahrten erfahren lediglich einzelne redaktionelle Änderungen. Außerdem wird konkretisiert, dass die zunächst erforderliche Länge einer Zu- oder Abfahrt von 3 m zwischen einer Garage und der öffentlichen Verkehrsfläche kürzer gehalten werden darf, wenn wegen der Sicht auf die öffentliche Verkehrsfläche aus Gründen der Verkehrssicherheit keine Bedenken bestehen. § 4 Rampen Die bisherigen Regelungen zu Rampen werden prinzipiell übernommen. Lediglich in Absatz 2 soll zukünftig eine exakte Angabe der maximal zulässigen Neigung von Rampenstücken, die zwischen der öffentlichen Verkehrsfläche und Rampenstücken mit mehr als 10 % Neigung aufgenommen werden. Diese zulässige Neigung wird 5 % betragen. § 5 Einstellplätze und Fahrgassen Der zukünftige § 5 regelt, dass Einstellplätze auf kraftbetriebenen, geneigten Hebebühnen in allgemein zugänglichen Garagen nicht zulässig sind. Diese Regelung ist vor dem Hintergrund zu verstehen, dass solche Anlagen nur einem festen Benutzerkreis nach umfangreicher Einweisung vorbehalten sein sollen. § 7 Wände, Decken, Dächer Zunächst wird im Entwurf der M-GarStVO der Hinweis mit aufgenommen, dass Öffnungen in Decken für Rampen zulässig sind, soweit sich aus Gründen der Brandabschnittsbildung keine weiterführenden Anforderungen ergeben. Für die Planung zukünftiger Bauvorhaben von großer Relevanz dürfte der vorgesehene Entfall der Erleichterung für oberirdische offene Garagen sein: Nach der bisherigen M-GaVO dürfen solche Garagen mit einem Tragwerk ohne klassifizierten Feuerwiderstand gebaut werden. Hintergrund dieser Regelung war bisher die Annahme, dass die freigesetzte Wärmeenergie eines Brandes aufgrund der großfächigen Öffnungen rasch ins Freie abgeleitet wird und daher das Tragwerk nicht so stark beeinträchtigt wird, dass es im Brandfall seine Tragfähigkeit verliert. Heutige Fahrzeuggenerationen weisen jedoch eine ca. um das 3-fache erhöhte Brandlast auf. Daher soll zukünftig auch für oberirdische Geschosse offener Garagen die Mindestanforderung „feuerhemmend und nichtbrennbar“ gelten, also ein klassifizierter Feuerwiderstand von 30 Minuten. Weitere Änderungen betreffen die Anforderungen an Bekleidungen und Dämmschichten an Wänden und unter Decken und Dächern. Wurden Wandbekleidungen und -dämmungen bisher nicht reglementiert, sollen hierfür fortan die gleichen Baustoffanforderungen wir an Bekleidungen und Dämmschichten unter Decken und Dächern gelten: Für diese Bauteile sind nichtbrennbare Baustoffe erforderlich. § 8 Außenwände Zukünftig werden nicht mehr die eigentlichen Außenwände, sondern insbesondere deren Oberflächen und Bekleidungen reglementiert werden. Für diese Bauteile sind an Mitte- und Großgaragen zukünftig nichtbrennbare Baustoffe vorgesehen. Dies ermöglicht prinzipiell auch Außenwände aus brennbaren Baustoffen, die allseitig nichtbrennbar verwahrt werden. § 9 Trennwände, sonstige Innenwände, Tore und Einbauten Der Regelungsbereich des § 9 wird um Einbauten erweitert und vor allem um die Anforderung ergänzt, dass Einbauten wie mechanische Parksysteme die Löscharbeiten, die Lüftung und die Rauch- und Wärmeableitung nicht behindern dürfen. Als weitere klarstellende Regelung wird neu aufgenommen, dass auch „fremde“ Leitungsanlagen durch Garagen führen dürfen. Ausgenommen hiervon sind 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 219 Die neue Garagenverordnung - aktueller Stand der Änderungen. Elektromobilität und Parkbauten - erhöhtes (Genehmigungs-)Risiko? Hoch- und Mittelspannungsleistungen sowie Gasversorgungsleitungen. § 10 Gebäudeabschlusswände Im § 10 wird die bisherige Anforderung „feuerbeständig“ wird in „hochfeuerhemmend mit zusätzlicher mechanischer Beanspruchung“ abgemindert. Dies entspricht den Anforderungen an die Gebäudeklasse 4 nach Musterbauordnung. § 11 Wände und Decken von Kleingaragen Hier werden neben einigen redaktionellen Änderungen auch neue Festlegungen zur Verbindung von Kleingaragen zu anderen Kleingaragen und nicht zur Kleingarage gehörenden Räumen aufgenommen. Öffnungen in solchen Trennwänden müssen feuerhemmend, dicht- und selbstschließend ausgebildet werden. § 12 Brandabschnitte Das bisherige System der Unterteilung von Garagen in Rauchabschnitte soll zugunsten von Brandabschnitten aufgegeben werden. Die Größe der bisherigen Rauchabschnitte wird für Brandabschnitte übernommen, die zukünftig durch Brandwände zu unterteilen sind. Türen und Tore in diesen Brandwänden müssen dann mit feuerbeständigen bzw. bei Vorhandensein einer selbsttätigen Feuerlöschanlage feuerhemmenden Abschlüssen versehen werden. Die Neuregelung folgt der Erkenntnis einer deutlich gestiegenen Brandlast heutiger Fahrzeuggenerationen und soll der Brandausbreitung vorbeugen sowie wirksame Löscharbeiten ermöglichen. § 13 Verbindungen zu Garagen und zwischen Garagengeschossen Im Entwurf zur M-GarStVO werden in § 13 die Anforderungen an Türen von Sicherheitsschleusen präzisiert. Insbesondere wird klargestellt, dass der Abstand der Türen innerhalb einer Sicherheitsschleuse mindestens 3 m betragen muss, damit die Personenrettung mit einer Trage durch die Sicherheitsschleuse möglich ist, ohne dass beide Türen gleichzeitig geöffnet sein müssen. § 14 Rettungswege Weitreichende Änderungen erfährt der § 14, in dem die Rettungswege von Garagen geregelt werden. Jedes Geschoss muss in jedem Brandabschnitt zwei voneinander unabhängige Rettungswege aufweisen, von denen jedoch einer durch einen benachbarten Brandabschnitt geführt werden darf. Die bisherige Bemessung der Rettungsweglänge sah einen Zirkelschlag von 30 m bis zum Treppenraum vor. Diese in Luftlinie gemessene Entfernung zum Treppenraum führte über Stellplätze und Fahrgassen hinweg, jedoch nicht durch Bauteile hindurch. Zukünftig soll die zulässige Entfernung des nächst gelegenen Treppenraums nicht mehr in Luftlinie sondern in Lauflinie bemessen werden. Eine Führung des Rettungsweges über Einstellplätze hinweg wird im vorliegenden Entwurf ausgeschlossen. Diese Regelungen führen dazu, dass der Nachweis von Rettungswegen sich grundsätzlich verändern wird. Nach Auswertung verschiedener früherer Planungen des Verfassers werden sich für weitgehend symmetrische Parkbauten keine wesentlichen Änderungen ergeben. Für Parkbauten mit komplexen Geometrien wie Tiefgaragen unter Wohnanlagen oder Verkaufsstätten jedoch wird unter den avisierten Neuregelungen die Nachweisführung des Rettungsweges deutlich verschärft. § 15 Beleuchtung, Sicherheitsbeleuchtung, Gebäudefunkanlagen Neben Neuregelungen zur Allgemeinbeleuchtung ohne brandschutztechnischen Auswirkungen sollen nach dem Entwurfsstand auch geänderte Regeln für die Ausstattung von Rettungswegen mit beleuchteten Kennzeichen aufgenommen werden. Bisherige Regelungen, die lediglich eine Beleuchtung vorsahen, werden damit ergänzt. Ebenfalls wird die erforderliche Betriebsdauer der Sicherheitsbeleuchtung präzisiert, die mit 30 Minuten angegeben wird. Neu aufgenommen wird darüber hinaus eine Festlegung zum Erfordernis einer Gebäudefunkanlage. Diese wird in Großgaragen erforderlich, die entweder mehr als 4 m unter oder mehr als 22 m über der Geländeoberfläche liegen, wenn die Funkkommunikation der Feuerwehr durch bauliche Anlagen gestört wird. § 17 Feuerlöschanlagen, Rauch- und Wärmeabzug Zur Unterstützung der Feuerwehr aus einsatztaktischen Gründen sollen Mittel- und Großgaragen, die entweder mehr als 4 m unter oder mehr als 22 m über der Geländeoberfläche liegen, zukünftig in unmittelbarer Nähe für jeden notwendigen Treppenraum mit trockenen Löschwasserleitungen ausgestattet werden. Darüber hinaus werden Anforderungen für die Rauchableitung aus geschlossenen Großgaragen formuliert: Demnach sind ins Freie führende Öffnungen mit 0,1 m² je Einstellplatz vorzusehen, die im Decken- oder oberen Wanddrittel liegen sollen. Alternativ sind mechanische Rauch- und Wärmeabzugsanlagen vorzusehen. Die vorstehenden Regelungen sind bereits heute in vielen Garagenverordnungen in dieser oder ähnlicher Form enthalten. Sie dienen der Ermöglichung wirksamer Löscharbeiten durch eine ausreichende Löschwasserbereitstellung und Schaffung von auskömmlichen Sichtbedingungen im Brandraum. § 18 Brandmeldeanlagen Brandmeldeanlagen mit automatischen und nichtautomatischen Brandmeldern sollen zukünftig in geschlossenen Garagen mit einer Grundfläche von mehr als 2.500 m² verpflichtend vorgesehen werden. Da der Brand in einer geschlossenen Garage eine erhebliche Herausforderung 220 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Die neue Garagenverordnung - aktueller Stand der Änderungen. Elektromobilität und Parkbauten - erhöhtes (Genehmigungs-)Risiko? für die Einsatzkräfte der Feuerwehr darstellt, soll mit einer schnellen Branddetektion die Aufnahme der Löschmaßnahmen in einem frühen Brandstadium ermöglicht werden. Weiter wird in der Entwurfsfassung ausgeführt, dass bei Vorhandensein einer automatischen Feuerlöschanlage keine zusätzlichen automatischen Brandmelder erforderlich sind. Diese Festlegung geht bereits aus den normativen Vorgaben für Brandmeldeanlagen hervor und dient entsprechend vorwiegend zur Klarstellung. § 19 Betriebsvorschriften für Garagen Klarstellend wird in die Regelungen zu Betriebsvorschriften für Garagen aufgenommen, dass bestimmtes brennbares Fahrzeugzubehör in geringem Umfang außerhalb von Fahrzeugen aufbewahrt werden darf, wenn die Nutzbarkeit des Einstellplatzes nicht beeinträchtigt wird. Die Regelung zielt insbesondere auf einen Satz Reifen, Dachboxen, Kindersitze u.ä. ab. Ebenfalls neu aufgenommen wird die Regelungen, dass außer Kraftfahrzeugen auch Fahrräder, Fahrradanhänger und sonstige elektrisch betriebene Fahrzeuge abgestellt werden dürfen, wenn dies außerhalb der Rettungswege und Verkehrsflächen erfolgt. § 20 Bauvorlagen, Feuerwehrpläne Neu aufgenommen wird das Erfordernis, den Bedarf von Feuerwehrplänen für Mittel- und Großgaragen im Rahmen der Erstellung der Bauvorlagen mit der Brandschutzdienststelle abzustimmen und diese entsprechend der Vorgaben der Brandschutzdienststelle anzufertigen. 1.3 Fazit Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der vorliegende Entwurf zur M-GarStVO Neuregelungen insbesondere im Bereich der Brandschutzanforderungen an die Bauteile einer Garage und an ihre Rettungswege vorsieht. Die im Entwurf vorgesehenen Neuregelungen basieren hauptsächlich auf der Erkenntnis gestiegener Brandlasten moderner Fahrzeuggenerationen, die sich unabhängig von der Antriebsart vor Allem aufgrund des gestiegenen Anteils an Kunststoffen und der Fahrzeugelektronik ergibt. Für den Entwurf zukünftiger Bauvorhaben dürften insbesondere die gestiegenen Anforderungen an die Feuerwiderstandsfähigkeit der tragenden Bauteile offener oberirdischer Großgaragen, die Unterteilung in Brandabschnitte und der geänderte Nachweis der Rettungswege relevant werden. Keine gesonderte Behandlung finden die zukünftig wohl häufiger werdende Ausstattung von Garagen mit Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge sowie die generelle Nutzung von Parkbauten mit solchen Fahrzeugen. Dies ist insofern konsequent, dass die bisherigen Fassungen der Garagenverordnung keinen Unterschied in der Antriebsart der die Parkbauten nutzenden Fahrzeuge machen und die Regelungen für Garagen auch bei einer Nutzung durch Elektro- und Hybridfahrzeuge ein ausreichendes Sicherheitsniveau schaffen. Es bleibt abzuwarten, welche der vorstehend beschriebenen Änderungen Eingang in die Endfassung der M- GarStVO finden werden und wie die einzelnen Bundesländer sich bzgl. deren Umsetzung positionieren. 2. Elektromobilität und Parkbauten - erhöhtes (Genehmigungs-)Risiko? Im Februar des Jahres 2021 ereignete sich in Kulmbach bemerkenswertes: Der Brand eines Fahrzeuges (wohlgemerkt eines solchen mit Verbrennungsmotor) in einer städtischen Tiefgarage hatte einige Monate zuvor einen erheblichen Schaden verursacht, der auch die tragende Stahlbetonstruktur des Gebäudes betraf. Die Sanierungskosten beliefen sich auf ca. 200.000 € und dauerten 5 Monate. Als Reaktion erfolgte in besagtem Februar die Sperrung einer Tiefgarage und eines Parkhauses für Elektro- und Hybridfahrzeuge durch die Stadtverantwortlichen. Begründet wurde dies vor Allem mit Bedenken wegen des Brandschutzes: Insbesondere wurde ins Feld geführt, dass brennende Akkus in Fahrzeugen nicht gelöscht werden könnten und ein entsprechender Fahrzeugbrand sich daher über mehrere Tage hinziehen könne. Auch sei die Deckenhöhe in Tiefgaragen zu niedrig, um brennende Fahrzeuge mit schwerem Gerät aus der Garage zu bergen. Bei einem folglich über mehrere Tage im Parkgebäude brennenden Fahrzeug sei mit enormen Schäden für die Statik des betroffenen Gebäudes zu rechnen. Bereits einige Wochen zuvor im Januar 2021 wurde ein Parkhaus in der Altstadt von Leonberg für Elektrofahrzeuge gesperrt. Auch hier wurden Bedenken wegen des Brandschutzes als Begründung genannt. Dies sind zwei Beispiele unter vielen, die verdeutlichen dass batterieelektrisch betriebene Fahrzeuge von verschiedenen Stellen aus brandschutzfachlicher Sicht durchaus kritisch betrachtet werden. In der täglichen Arbeit als Brandschutzsachverständiger wird der Verfasser ebenfalls regelmäßig mit Bedenken der Genehmigungsbehörden konfrontiert, wenn es darum geht die Einhaltung der bauordnungsrechtlichen Anforderungen im Rahmen von Brandschutzkonzepten für Tiefgaragen und sonstige Parkbauten nachzuweisen. Mit dem Verweis auf die Möglichkeit der Einfahrt oder des Ladens von Elektro- oder Hybridfahrzeugen in Garagen werden nicht selten höhere Anforderungen an den Brandschutz gestellt als es in den geltenden Regelungen eigentlich der vorgesehen ist - sei es die Herstellung von Hydrantenanlagen oder die Ausweisung von speziellen Parkflächen für solche Fahrzeuge in der Nähe der Zufahrtsrampen. Dies führt zu der grundsätzlichen Frage: Sind Elektro- und Hybridfahrzeuge als gefährlicher einzustufen als 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 221 Die neue Garagenverordnung - aktueller Stand der Änderungen. Elektromobilität und Parkbauten - erhöhtes (Genehmigungs-)Risiko? konventionell betriebene Fahrzeuge? Worin liegen die Herausforderungen und wie ist mit diesen umzugehen? (Feuer)Gefährlichkeit von Elektrofahrzeugen Aktuelle Statistiken belegen, dass Elektrofahrzeuge nicht häufiger in Brand geraten als konventionell betriebene Fahrzeuge. Vielmehr ist aktuell die Zahl der Fahrzeugbrände pro zurückgelegtem Kilometer bei E-Autos deutlich geringer als bei Verbrennern. Dies hängt sicherlich auch damit zusammen, dass die elektrisch betriebene Fahrzeugflotte im Durchschnitt wesentlich jünger ist als der Durchschnitt der konventionell betriebenen Fahrzeuge, allerdings zeigt sich ausdrücklich keine erhöhte Brandentstehungsgefahr. Bei der Beurteilung der Brandgefahren sollte jedoch der geplante Ausbau der Ladeinfrastruktur im Bereich von Stellplätzen innerhalb von Gebäuden im Blick behalten werden. Denn während des Ladevorgangs ist eine Batterie elektrochemisch in einem „aktiven“ Zustand und die Entstehung eines Brandes ist trotz der Überwachung und Steuerung durch sicherheitstechnische Komponenten der Ladestation prinzipiell möglich. Im Brandfall ist die Wärmefreisetzungsrate batterieelektrisch betriebener Fahrzeuge ebenfalls nicht wesentlich höher als bei konventionellem Antrieb und die Gesamtbrandlast beider Fahrzeugtypen ist miteinander vergleichbar [5]. Wichtiger scheint bei der Bewertung von batterieelektrischen Fahrzeugen die Fragestellung zu sein, wie im Schadensfall ein Brand konkret abläuft. Wesentlich für die brandschutzfachliche Bewertung von Brandszenarien für E-Autos sind insbesondere drei Faktoren: • Das Ablöschen einer in Brand geratenen Fahrzeugbatterie erfordert einen deutlich höheren Löschmitteleinsatz [6]. • Abgelöschte Batterien können sich infolge von strukturellen Schäden in den Batteriezellen jederzeit wieder entzünden • Bei dem Brand einer Antriebsbatterie werden im Vergleich zu konventionell betriebenen Fahrzeugen unter Umständen höhere Mengen an gefährlichen Stoffen, insbesondere Fluorwasserstoff, freigesetzt [5] Nimmt man diese zwischenzeitlich bekannten Rahmenbedingen etwas genauer unter die Lupe, ergibt sich folgendes Bild: Löschwasserbedarf Das Ablösche eines konventionell betriebenen Fahrzeugs benötigt in der Regel 500 - 1.000 Liter Löschwasser. Da ein brennendes Fahrzeug eine relativ keine Brandfläche darstellt und ein Ablöschen sehr zielgerichtet erfolgen kann, geht der Löschangriff also mit einer geringen Löschwassermenge einher, die meist mit dem auf dem Feuerwehrfahrzeug mitgeführten Löschwasser bewältigt werden kann. In Brand geratene Antriebsbatterien von Elektrofahrzeugen erfordern einen immens höheren Löschwassereinsatz, da dieses zum weitergehenden Kühlen des Akkus erforderlich wird. Da die Antriebsbatterie oft tief im Fahrzeuginneren eingebaut ist, lässt sich das Löschmittel nicht zielgerichtet einsetzen, was die Effizienz des eingesetzten Mittels weiter schmälert. Erfahrungen zeigen, dass häufig mindestens 10.000 Liter Löschwasser in einem solchen Einsatz erforderlich werden, also ein um das 10bis 20-fache vergrößerter Löschwassereinsatz erforderlich wird [7]. Ist dieser unbestritten deutlich höhere Löschwasserbedarf ein generelles Problem dar? Diese Frage kann in den meisten Fällen mit einem klaren „nein“ beantwortet werden. Das in erschlossenen Baugebieten mindestens vorhandene Löschwasserdargebot beträgt 48 m³/ h, meist sogar das 2- oder 4-fache dieser Menge [8]. Die in den Brandschutzbzw. Feuerwehrgesetzen der einzelnen Bundesländer festgeschriebene Löschwassermenge sorgt also dafür, dass Löschmittel auch für eine wirksame Brandbekämpfung von E-Fahrzeugbränden ausreichend vorhanden sind. Selbstverständlich stellt der gesteigerte Löschwasserbedarf eine gegenüber konventionellen Fahrzeugbränden erhöhte Arbeitsbelastung für die Einsatzkräfte dar. Diese ist aber noch deutlich geringer als z. B. bei einem Wohnungsbrand und liegt daher ebenfalls weit im zulässigen und zumutbaren Bereich. Wiederentzünden Ein Batteriebrand wird durch das Phänomen des sog. thermal runaway, des thermischen Durchgehens, geprägt. Dieser Mechanismus zeichnet sich durch eine Überhitzung der Batterie aufgrund von chemischen Reaktionen im Inneren einer Batteriezelle aus. Die entstehende Temperatur führt schnell zu einem Bersten der benachbarten Zellen, durch die immer weitere leicht entzündliche Gase freigesetzt werden was zu einem Fortschreiten des Batteriebrandes führt. Ohne eingreifende Maßnahmen von Außen ist dieser Prozess nicht zu stoppen und wird im Schadensfall jeweils das gesamte Batteriemodul erfassen. Eine Unterbrechung dieser Kettenreaktion ist nur durch eine Abführung der entstehenden Wärmeenergie möglich. Eine Kühlung der gesamten Batteriezelle z. B. durch (Lösch)Wasser ist hierbei der geeignete Weg. Da bereits lokale Temperaturen von 80 - 100°C zu dem oben beschriebenen thermal runaway führen könne, besteht auch nach Ablöschen des eigentlichen Brandes die Gefahr eines Wiederentzündens. Dieser Gefahr lässt sich nur durch eine permanente Kühlung der schadhaften Batterie bis zum vollständigen Abklingen der Reaktionen begegnen. Häufig werden daher entsprechende Fahrzeuge nach der erfolgten Brandbekämpfung aus der baulichen Anlage verbracht und in einem Wasserbecken verwahrt. 222 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Die neue Garagenverordnung - aktueller Stand der Änderungen. Elektromobilität und Parkbauten - erhöhtes (Genehmigungs-)Risiko? Schadstofffreisetzung Untersuchungen haben gezeigt, dass bei Batteriebränden je nach Zellchemie und Rahmenbedingungen des Brandes erhöhte Konzentrationen von Schadstoffen freigesetzt werden können, die sich in ihrer Stoffzusammensetzung von jener bei Bränden konventioneller Fahrzeuge deutlich unterscheiden. Insbesondere eine erhöhte Freisetzung von Fluorwasserstoff ist hier zu nennen, da dieser gasförmige Giftstoff durch die Haut aufgenommen werden kann und damit ein erhöhtes Gefahrenpotential für die Einsatzkräfte mit sich bringt. Mit Einhaltung der z. B. in den Feuerwehrdienstvorschriften beschriebenen bereits geltenden Festlegungen zum Eigenschutz wird diesen Gefahren bereits heute in auskömmlichem Maße Rechnung getragen. Fazit Wie oben bereits beschrieben stellt die Nutzung von Parkbauten mit Elektrofahrzeugen keine Sondernutzung dar, sondern ist im Rahmen der allgemeinen Festlegungen zum Brandschutz für Parkbauten bereits berücksichtigt. Eine nennenswert erhöhte Beanspruchung der Tragstruktur von Parkbauten ist im Brandfall von Elektrofahrzeugen nicht zu erwarten. Auch der sich für solche Fahrzeuge erhöht darstellende Löschwasserbedarf liegt innerhalb eines Rahmens, der mit den bereits bestehenden Infrastruktur in auskömmlicher Weise bewältigt werden kann. Insofern stellen elektrisch betriebene Fahrzeuge aus Sicht des Verfassers aktuell keinen Anlass dar, die brandschutztechnischen Anforderungen für Garagen und sonstige Parkbauten signifikant zu verändern oder zu erhöhen. Eine regelkonforme Ausführung und zuverlässige Wartung der Ladeinfrastruktur innerhalb von Parkbauten ist hierbei jedoch unerlässlich und sollte ggf. durch wiederkehrende Prüfungen von Sachverständigen begleitet werden. Die Ausstattung von Garagen mit Schnellladesäulen, also einer Ladeleistung ab 22 kW ist aufgrund der damit einhergehenden Batteriebelastung als kritisch zu sehen. [1] Anhörung zur Änderung Muster-Garagen- und Stellplatzverordnung der Bauministerkonferenz vom 09.11.2020 [2] Garagen- und Stellplatzverordnung (GaStellV) vom 30. November 1993 (GVBl. S. 910, BayRS 2132-1-4-B), letzte Änderung durch § 3 der Verordnung vom 7. August 2018 (GVBl. S. 694) [3] Verordnung des Wirtschaftsministeriums über Garagen und Stellplätze (Garagenverordnung - GaVO) Änderung 2020 (GBl. S. 1182, 1191) [4] Verordnung über den Bau und Betrieb von Garagen und Stellplätzen (Garagenverordnung - GaV) Änderung 2012 (GVBI. S. 622) [5] Toxic Gases from Fire in Electric Vehicles, RISE Report 2020: 90 [6] https: / / www.empa.ch/ de/ web/ s604/ brandversuchelektroauto [7] https: / / www.hna.de/ lokales/ kreis-kassel/ mehrloeschwasser-bei-akkubrand-90072270.html [8] DVGW-Arbeitsblatt W405, Deutsche Vereinigung des Gas- und Wasserfaches e. V. Technisch-wissenschaftlicher Verein 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 223 Entscheidungshilfen für brandgeschützte Parkbauten mit individuell konfigurierbaren Verbund-System-Lösungen Dipl.-Ing. (FH) Sascha Schaaf Peikko Deutschland GmbH, Waldeck Zusammenfassung Der Verbundbau eröffnet uns neue Möglichkeiten für zukünftige Anforderungen. Wir erleben in der heutigen Zeit eine Fokussierung auf die Themen der Nachhaltigkeit und der Sicherheit. Dabei sind zwei Schlagwörter häufig wiederzufinden, einmal das CO2-Äquivalent und einmal der Brandschutz. Betrachtet man beide Themen etwas intensiver so stellt man fest das sich die Maßnahmen, die zum Erreichen der Ziele notwendig sind, durchaus gegenseitig ausschließen können. So ist es heute anerkannt das man zum nachhaltigen Bauen möglichst auf Baustoffe verzichten sollte, die in ihrer Herstellung und Verarbeitung große Mengen an Energie benötigen. Dazu gehören beispielweise Beton und Stahl. Nachwachsende Materialien wie das Holz sollen bevorzugt eingesetzt werden. Betrachtet man im Gegenzug das Brandverhalten der Materialien so stellt man fest das gerade Beton und Stahl als „nichtbrennbar“ eingestuft werden, Holz hingegen bauaufsichtlich kritisch gesehen wird. Es wird also Kompromisse geben müssen, um beide Anforderungen erreichen zu können. Dabei kann der Verbundbau entscheidende Vorteile bieten! 1. Motivation 1.1 Umweltauswirkungen Wir sind in einer Zeit angekommen, die uns zum Nachdenken bewegen muss. Die Berichte über Naturkatastrophen, Überschwemmungen, extreme Hitzeperioden, Trockenheit und Dürre reißen nicht ab und werden es auch in absehbarer Zeit nicht tun. Die Auswirkungen auf unsere Böden und deren Wassergehalt sind dramatisch. Abbildung 1: Dürre (Quelle: Helmholtz Zentrum für Umweltforschung UFZ) Die Folgen des Klimawandels sind aber nicht nur auf Trockenperioden und deren Effekte beschränkt. Auch Starkregen mit enormen Wassermengen werden uns zukünftig noch stärker beeinflussen als heute. Abbildung 2: Klimawandel (Quelle: Umweltbundesamt, Adelphi, PRC, Furac) 224 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Entscheidungshilfen für brandgeschützte Parkbauten mit individuell konfigurierbaren Verbund-System-Lösungen 1.2 Die Folgen für unsere Umwelt Es ist schwierig zu übersehen, dass Baumbestände, die über 100 Jahre hinweg das Erscheinungsbild unserer Wälder geprägt haben, plötzlich unter dem Einfluss der Trockenheit absterben oder stark geschädigt sind. Riesige karge Flächen haben sich durch das Absterben ganzer Waldgebiete ergeben. Abbildung 3: Totholz durch Dürre (Quelle: dpa) Abbildung 4: ausgetrocknete Flussbetten (Quelle: dpa) Neben den Auswirkungen extremer Trockenheit und Dürre werden wir auf der anderen Seite immer häufiger von Starkregen und ausgeprägten Gewittern betroffen. Sich daraus ergebende Überschwemmungen sind nicht nur eine unmittelbare Gefährdung für Leib und Leben, sondern zerstören ganze Existenzen. Die Schadensregulierung nimmt vorher nicht gekannte Summen ein und belastet damit den Geldbeutel jedes Einzelnen. Abbildung 5: Überschwemmungen (Quelle: dpa) 1.3 CO2-Äquivalent Das CO2-Äquivalent beschreibt die Auswirkungen unterschiedlicher Treibhausgase auf die globale Erderwärmung. Neben dem wichtigsten vom Menschen verursachten Treibhausgas Kohlendioxid (CO2) gibt es weitere Treibhausgase wie Methan und diverse Kältemittel. Abbildung 6: Treibhauspotenziale (Quelle: Zukunft Umweltwärme) Neben dem Treibhauspotenzial (CO2-Äquivalent) ist es allerdings sehr wichtig die verwendeten Anteile der Materialien in die richtige Relation zu setzen. Nimmt man beispielsweise den Beton, der medial als Klimakiller beschrieben wird, so stellt man bei neutraler Betrachtung fest, dass er nur zu ca. 10% seines Gesamtvolumens aus Zement, der gebrannt werden muss und dabei große Energiemengen benötigt, besteht. Ein Vergleich an einem ähnlichen Bauteil wird Aufschluss darüber geben, wie wichtig die Betrachtung der richtigen Anteile ist. In der folgenden Tabelle wurde eine Stütze mit gleicher Belastung und Knicklänge, gefertigt aus verschiedenen Baumaterialien, untersucht. Abbildung 7: Energieverbrauch und CO2-Äqv. bei der Materialherstellung (Quelle: Zentrum Ressourceneffizienz 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 225 Entscheidungshilfen für brandgeschützte Parkbauten mit individuell konfigurierbaren Verbund-System-Lösungen Es ist zu erkennen das die Stahlbetonstütze ein etwa 3-4fach niedrigeres CO2-Äqv. als die reine Stahlstütze aufweist. Allerdings bedingt es die Seriosität des Vergleiches zu erwähnen, dass die Stahlstütze nur etwa die halben Querschnittsabmessungen des Stahlbetonquerschnittes benötigt. 1.4 Brandschutzanforderungen Mit Fassung vom 04. September 2020 wurde der Entwurf der „Musterverordnung über den Bau und Betrieb von Garagen und Stellplätzen (M-GarStVO)“ veröffentlicht. Darin werden die Brandschutzanforderungen für offene oberirdische Parkdecks neu definiert. In der Synopse zu den Änderungen heißt es dazu: „Die Erleichterungen im bisherigen Absatz 2 unter Ziffer 2 für offene Mittel- und Großgaragen entfallen aufgrund 3-fach höheren Brandlast der heutigen Fahrzeuggenerationen. Die Mindestöffnungsflächen der offenen Garagen haben im Brandfall nicht den Effekt erzielt, den man sich von der Hitzeabstrahlung erhofft hat, d.h., die Anforderung feuerhemmend besteht auch für offene Mittel- und Großgaragen.“ Die bauaufsichtliche Anforderung „feuerhemmend“ ist zusätzlich zu der aktuellen Anforderung „nichtbrennbar“ aus der Muster-Garagenverordnung (M-GarVO), zuletzt geändert am 30.05.2008, aufgenommen worden. Ausgedrückt in einer Feuerwiderstandsklasse bedeutet dies eine Anforderung von 30 Minuten Feuerwiderstandsdauer entsprechend R30 nach DIN EN 13501-2. Sollte diese neue Anforderung bauaufsichtlich eingeführt werden, so wird es sehr schwierig reine Stahlkonstruktionen für oberirdische, offene Parkbauten, wirtschaftlich und weniger klimaschädlich umzusetzen! 1.5 Gebäudezertifizierungen Gebäude werden in zunehmender Anzahl zertifiziert. Dabei spielt die Nachhaltigkeit der verwendeten Materialien eine entscheidende Rolle. Die wichtigsten Label dabei sind: • Deutsches DGNB für private Bauherren • BNB für öffentliche Bundesbauten • LEED und BREEAM für internationale Zertifizierungen Um die notwendigen Eingangswerte für die Berechnungen bereitzustellen, gibt es diverse Plattformen, die eine Datenbasis für übliche Materialien zu Verfügung stellen. Hier zu nennen ist die Internetseite www.oekobaudat.de vom Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat. Weitergehende Informationen zu herstellerspezifischen Produkten werden über sogenannte „EPDs - Environmental Product Declaration’s“ bereitgestellt. Die EPDs werden durch die Hersteller in Auftrag gegeben und durch entsprechend zertifizierte Institutionen erarbeitet. Die Rechenwerte für diverse Umweltauswirkungen gleichen dem Schema der „Ökobaudat“. Abbildung 8: EPD Peikko DELTABEAM® Green (Quelle: Peikko) Als eines der wichtigsten Bewertungskriterien sei hier das CO2-Äquivalent genannt. 2. Verbundbau 2.1 Begriffserklärung Beim Verbundbau werden verschiedene Bauteile aus wechselnden Materialien mittels Verbundmitteln kraftschlüssig miteinander verbunden. Neben dem bereits etablierten Stahl-Beton-Verbundbau trifft man heute auch immer mehr auf den Holz-Beton-Verbundbau. Eine neuere Sonderform bezeichnet den Hybridbau, bei dem der Stahl-Beton-Verbundbau mit dem Holz-Beton-Verbundbau kombiniert wird. 226 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Entscheidungshilfen für brandgeschützte Parkbauten mit individuell konfigurierbaren Verbund-System-Lösungen Abbildung 9: Holz-Beton-Verbund in Kombination mit Stahl-Beton-Verbund (Quelle: Peikko) 2.2 Parkdecks heute Aufgrund der aktuell noch gültigen Muster-Garagenverordnung (M-GarVO), zuletzt geändert am 30.05.2008, ist es möglich oberirdische und offene Parkdecks aus nichtbrennbaren Materialien zu erstellen. In der Praxis kommen hier in der Regel offene Stahlprofile für Stahl- und Stahl-Verbund-Träger sowie Stützen zum Einsatz. Die Querschnitte liegen dabei außerhalb von vor Brandeinwirkungen schützenden Betonquerschnitten, da es keine weiterführenden Brandschutzanforderungen gibt. Erst ab einer Höhe der Einstellplätze von mehr als 22 m sind die Konstruktionen feuerbeständig auszuführen, was einer Feuerwiderstandsdauer von 90 Minuten bzw. der Feuerwiderstandsklasse R90 entspricht. Abbildung 10: konventionelle Systembauweise (Quelle: Bittermann GmbH - Parkdeck Ebene 1 -ARCHI VIVA Architekten) Für die überwiegende Bauweise mit offenen Stahlprofilen liefert die Konstruktion keinen ausreichenden Schutz vor der Brandeinwirkung. Hier müssen zugelassene Brandschutzbeschichtungen oder entsprechende Verkleidungen gemäß DIN 4102-4: 2016-05 eingesetzt werden. Der Tragwiderstand wird bei klassischen Verbundträgern durch das Stahlprofil und dem oben aufgebauten Betonspiegel hergestellt. Durch die Verbindungsmittel, in der Regel Kopfbolzendübel, kann die benötigte Menge an Stahl, infolge der Verbundtragwirkung, deutlich reduziert werden. Bei den Stahlstützen hingegen wird die gesamte Tragfähigkeit über den Stahlquerschnitt bereitgestellt, es beteiligen sich keine weiteren Komponenten. 2.3 Vorteile des Verbundbaus Da der Stahl einen großen Anteil zum CO2-Äquivalent beiträgt (vgl. Abb. 7) wäre ein teilweiser Austausch gegen ein deutlich weniger klimaschädliches Material, wie den Beton, durch viele Vorteile geprägt. Im Einzelnen sind dabei zu nennen: • Reduktion des CO2-Äquivalents Beton ist ein weniger klimaschädliches Material als Stahl. • Ressourcenschonung Der vorzugsweise Einsatz nur eines Baustoffes führt zwangsläufig zu einer Materialverknappung. Das kann durch den Austausch eines großen Anteils deutlich verzögert werden. • Wirtschaftlichkeit Beton erzielt bei entsprechend verfügbaren Querschnitten größere Tragfähigkeiten im Verhältnis zu seinen Kosten. Es sind aber nicht nur die Vorteile im Hinblick auf die Umweltauswirkungen zu nennen. Ebenfalls von großer Bedeutung sind die Vorteile im Hinblick auf die Tragfähigkeiten. Betrachtet man beispielsweise eine Stahlrohrstütze aus S235 mit einem Durchmesser von 323,9 mm und einer Wandungsstärke von 8 mm, bei einer Knicklänge von 3,0 m, so kann die Tragfähigkeit durch das Verfüllen mit Beton C50/ 60 um mehr als das 3-fache gesteigert werden. Der Preis der Stütze steigt jedoch nur um etwa 10% bis 15% infolge des einzubauenden Betons. Zusätzlich wird das CO2-Äquivalent nur moderat gesteigert, da der Beton wesentlich geringere Äquivalente als ein Stahlquerschnitt aufweist, der ebenfalls eine 3-fache Tragfähigkeit zu Verfügung stellen könnte. Baustahl S355 Gewicht Stahlprofil: 153 kg/ m 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 227 Entscheidungshilfen für brandgeschützte Parkbauten mit individuell konfigurierbaren Verbund-System-Lösungen Baustahl S355 Gewicht Stahlprofil: 270 kg/ m Abbildung 11: Querschnittsvergleich (Quelle: Peikko) Bei den in Abbildung 11 dargestellten Querschnitten handelt es sich um statisch notwendige Profile für einen klassischen Parkdeckträger, der eine Spannweite von 16,5 m aufweist und im Abstand von 5,0m angeordnet wird. Als Decke wurde mit einer Stahlbetonvariante einer Bauhöhe h= 18cm gearbeitet. Die Nutzlast beträgt 3,5 kN/ m². Alle Flächenlasten wurden mit entsprechenden Durchlauffaktoren erhöht. Es wurde eine Überhöhung von etwa 4-5 cm gewählt. Die Abdichtung soll mit einem Oberflächenschutzsystem erfolgen. Der spezielle trapezförmige Verbundträger „DELTABE- AM® D50-400“ der Firma Peikko weist bei gleichen statischen Anforderungen ein um 43% kleineres Eigengewicht als der ohne Verbund angesetzte Stahlträger HEM500 aus S355 auf! 2.4 Funktionsweise und Anwendung Häufig stoßen gute Ideen in der Praxis auf berechtigte Widerstände, da sie in der Realität nicht oder nur schwierig und mit negativen Auswirkungen auf andere Bereiche umsetzbar sind. Nicht so beim Verbundbau. Die Kombination von Stahl und Beton kennen wir seit Jahrzehnten. Wir wenden sie schadensfrei im Stahlbetonbau an. Dabei mussten wir lernen, auf verschiedene Besonderheiten, wie z.B. eine ausreichende Betonüberdeckung für die Dauerhaftigkeit, zu achten. Die Kombination aus Stahl und Beton ist bereits in den Regelwerken erfasst. Hier sei die DIN EN 1994-1-1 und DIN EN 1994-1-2 sowie Bauartgenehmigungen wie die Z-26.2-49 der Firma Peikko genannt. Der klassische Verbundbau, mit dem auch heute die Mehrzahl der Parkdecks erstellt werden, bedient sich als Verbindungsmitteln oben aufgesetzter Kopfbolzen, die in einen Betonspiegel (Stahlbeton- oder Profilblechverbunddecke) eingreifen. Durch die schubfeste Verbindung zwischen dem Stahlprofil und dem Betonquerschnitt wird der Verbundquerschnitt hergestellt. Die Vorteile liegen im Wesentlichen im Bereich der größeren Tragfähigkeiten und Biegesteifigkeiten im Vergleich zum reinen Stahlprofil. Somit ist es möglich Spannweiten von 16,5 m (zwei Stellplätze a 5,0m Tiefe und eine Fahrgasse von 6,5m Breite) bei einer Konstruktionshöhe von etwa 70cm herzustellen. Ein wesentlicher Nachteil ergibt sich jedoch durch die ungeschützte Lage des Stahlprofils im Hinblick auf eine mögliche Brandeinwirkung. Bei offenen Stahlprofilen als reine Stahlstützen verstärkt sich der Nachteil zusätzlich, da anstatt einer 3-seitigen Beflammung eine 4-seitige Brandeinwirkung möglich ist. Abbildung 12: klassischer Verbundquerschnitt (Quelle: Wikipedia - Verbundbau) Eine Weiterentwicklung des Verbundbaus, speziell für besonders hohe Biegeschlankheiten entwickelt, wird von der Firma Peikko angeboten. Abbildung 13: trapezförmiger Verbundquerschnitt (Quelle: Peikko DELTABEAM®) Bei diesem System wird der Träger (DELTABEAM®) in die Höhenlage des Deckenquerschnitts verschoben. Je nach Spannweitenverhältnissen und Deckensystemen kann damit eine deckengleiche oder eine teilintegrierte Bauweise erreicht werden. In Ergänzung zu dem speziellen trapezförmigen Verbundträger bietet der Hersteller sogenannte Peikko Verbundstützen an. Diese Stützen bestehen aus einem Stahlmantel mit einem Stahlbetonkern. Aus dieser Weiterentwicklung des Verbundbaus ergeben sich folgende Vorteile: 228 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Entscheidungshilfen für brandgeschützte Parkbauten mit individuell konfigurierbaren Verbund-System-Lösungen 1. Brandschutzanforderungen bis R120 können ohne weitere Maßnahmen, wie Beschichtungen oder Verkleidungen, wirtschaftlich erfüllt werden. 2. Konstruktionshöhen können bis zur Deckengleichheit reduziert werden. 3. Ebene Deckenuntersichten erlauben reduzierte Bauhöhen und großflächige Installations- und Belichtungsmöglichkeiten. Der Verbundträger verfügt über eine Allgemeine Bauartgenehmigung (Z-26.2-49): Abbildung 14: Deckblatt zu Z-26.2-49 (Quelle: Peikko) 2.5 Brandschutz Heutige Anforderungen an den Brandschutz sehen vor, dass Gebäude einen Feuerwiderstand über eine gewisse Branddauer einhalten. Die rechnerisch anzunehmende Branddauer richtet sich dabei nach der Gebäudenutzung sowie den Gebäudeklassen gemäß den jeweiligen Landesbauordnungen. Die Grundlage für die Bemessungsansätze bildet die sogenannte Einheitstemperaturzeitkurve ETK (Normbrandbeanspruchung). Die Brandbemessung des trapezförmigen Verbundträgers kann keiner aktuell verfügbaren Norm entnommen werden. Hierzu wurden im Rahmen einer Bauartgenehmigung komplexe Finite-Elemente-Berechnungen herangezogen, die die Bemessung im Brandfall analog der Allgemeinen Bauartgenehmigung Z-26.2-49 ermöglichen. Dabei werden werkseitig in den Verbundquerschnitt eingelegte Sekundärbewehrungen für die Nachweise im Brandfall herangezogen. Diese Bewehrung weist aufgrund der Einbindung in den umgebenden Beton deutlich geringere Temperaturen als der direkt beflammte Untergurt auf. Abbildung 15: Isothermen bei Brandbeanspruchung (Quelle: Peikko) Über den Ansatz der reduzierten Werkstoffkennwerte nach EN 1994-1-2 kann das innere Kräftegleichgewicht hergestellt und die notwendigen Spannungssowie Verformungsnachweise geführt werden (vgl. Abbildung 16 und 17). Abbildung 16: Reduktionsfaktoren für Baustahl im Brandfall (Quelle: EN 1994-1-2, Beuth) Abbildung 17: Brandreduzierter Querschnitt zur Ermittlung der positiven Momententragfähigkeit - beispielhaft (Quelle: Z-26.2-49, Peikko) 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 229 Entscheidungshilfen für brandgeschützte Parkbauten mit individuell konfigurierbaren Verbund-System-Lösungen An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass reaktive Brandschutzbeschichtungen auf Stahlbauteilen keinen dauerhaften Brandschutz darstellen (vgl. Technische Mitteilung 09b / 002 der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik e.V.). Der komplette Wortlaut wird in Abbildung 18 wiedergegeben. Abbildung 18: Technische Mitteilung 09b / 002 (Quelle: Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik e.V.) 2.6 „Grüner“ Stahl - DELTABEAM® Green Neueste Entwicklungen machen es möglich, dass der Verbundträger aus über 97% recyceltem Stahl hergestellt werden kann. Dadurch werden die Klimaauswirkungen und das globale Erwärmungspotential weiter und signifikant reduziert. Im Vergleich zu einem aus normalem Baustahl hergestellten trapezförmigen Verbundträger fallen nur etwa 50% der CO2-Emissionen an. 3. Entscheidungshilfen 3.1 Peikko Parking Entscheidungen zu treffen und dafür die richtigen Einflussfaktoren zu kennen ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Wichtig ist es dabei die Vor- und Nachteile eines Systems gegeneinander abzuwägen. Dabei ist es denkbar das je nach Standort und Nutzung verschiedene Eigenschaften verschiedene Gewichtungen erhalten müssen, um den Erfolg des Vorhabens zu sichern. Die Firma Peikko hat mit der Broschüre „Peikko Parking“ eine Hilfe für die Entscheidungsfindung herausgebracht. Dabei wird konsequent auf den Einsatz von Verbundbauteilen gesetzt, um heutige und zukünftige Anforderungen an den Brandschutz sicher zu erfüllen. Durch den Austausch von Stahlanteilen gegen Beton kann die CO2- Bilanz deutlich verbessert werden. Der aus heutiger Sicht sehr seltene Einsatz von Holz für die Tragkonstruktion eines Parkdecks wird ebenfalls beleuchtet. Aufgrund der Brandschutzanforderung „nichtbrennbar“ erscheint es zunächst einmal schwierig dieses Material zu verwenden. Auf der anderen Seite wird der Einsatz von Holz immer mehr gefordert, was zu einer Veränderung der Bauordnungen führen wird. Technische Bemessungsansätze (z.B. über die Abbrandrate) liegen bereits vor und können angewendet werden. Die ersten Parkdecks aus Holz wurden bereits realisiert. 230 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Entscheidungshilfen für brandgeschützte Parkbauten mit individuell konfigurierbaren Verbund-System-Lösungen Abbildung 19: Deckenkonstruktion Parkdeck aus Holz (Quelle: Parken aktuell, Jahrgang 32, März 2021, Ausgabe 120) In der Broschüre „Peikko Parking“ werden insgesamt fünf Varianten an einem ausgewählten Referenzparkdeck verglichen. • DELTABEAM® + Holz-Beton-Verbunddecke • DELTABEAM® + Elementplattendecke, vorgespannt • DELTABEAM® + Elementplattendecke • DELTABEAM® + Spannbetonhohlplattendecke • DELTABEAM® + TT-Plattendecke Abbildung 20: Darstellung der Deckenvarianten (Quelle: Peikko Parking) Die Kombination der einzelnen Deckensysteme in Verbindung mit den Haupttraggliedern des Verbundbaus werden bewertet und Auswirkungen im Hinblick auf die folgenden Kriterien aufgezeigt: Abbildung 21: Bewertungskriterien (Quelle: Peikko Parking) Das gewählte Referenzparkdeck für die Ermittlung der Massen hat bei der Variante mit einer Holz-Beton-Verbunddecke folgendes Erscheinungsbild. Abbildung 22: Referenzparkdeck (Quelle: Peikko Parking) Die Bewertung erfolgt mit einem Ampelsystem. 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 231 Entscheidungshilfen für brandgeschützte Parkbauten mit individuell konfigurierbaren Verbund-System-Lösungen Abbildung 23: Bewertung mittels Ampelsystem (Quelle: Peikko Parking) Zusätzlich werden Balkendiagramme für den Vergleich der einzelnen Varianten genutzt. Abbildung 24: Bewertung mittels Balkendiagrammen (Quelle: Peikko Parking) 4. Zusammenfassung Die Bauindustrie hat einen deutlichen Einfluss auf den Klimawandel. Deshalb ist es an der Zeit über alternative Bauverfahren und Konstruktionen nachzudenken. Der Verbundbau kann dazu einen Beitrag leisten, da bezogen auf die Tragfähigkeit die CO2 Äquivalente von Beton deutlich günstiger sind als die von Stahl. Dabei hat der Verbundbau im Hinblick auf den Brandschutz entscheidende Vorteile gegenüber dem reinen Stahlbau. Durch den Neuentwurf der „Muster-Garagen- und Stellplatzverordnung M-GarStVO“ vom 04. September 2020 kann die Anforderung R30 verpflichtend für jedes offene Parkdeck werden. Eine Beschichtung oder Verkleidung ist aus heutiger Sicht zum Erreichen dieser Anforderung nicht zielführend. Um es Investoren, Planern und Entwicklern sowie Bauherren leichter zu machen verschiedene Kombinationen von Deckentragwerken in Verbindung mit einer innovativen Verbundkonstruktion miteinander zu vergleichen, hat die Firma Peikko eine Broschüre herausgebracht, die verschiedene Entscheidungskriterien auswertet. 232 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Entscheidungshilfen für brandgeschützte Parkbauten mit individuell konfigurierbaren Verbund-System-Lösungen 5. Ausblick Brandschutz ist eines der höchsten Schutzziele im Bauwesen. Dabei können keine Kompromisse gemacht werden. Aktuelle Entwicklungen in der „Muster-Garagen- und Stellplatzverordnung M-GarStVO“ vom 04. September 2020 tragen der Wichtigkeit des Brandschutzes für Parkdecks entsprechend Rechnung. Neue Bauweisen, die zu einer besseren CO2-Bilanz beitragen, wie der Holz-Beton-Verbundbau, müssen in den entsprechenden Bauordnungen gleichgestellt werden. Hierzu gibt es bereits entsprechende Fortschritte. Die zum Bauen unerlässlichen Materialien wie Stahl und Beton müssen in ihren Herstellungsprozessen angepasst werden. Dazu zählt im Wesentlichen die energieintensiven Prozesse durch den Einsatz von Strom aus erneuerbaren Energien (Sonne, Wind, Wasserkraft, etc.) weiter zu ermöglichen und alte Prozesse zu optimieren, um weniger Energie einsetzen zu müssen. Beim Einsatz von Stahl und Beton müssen recycelte Materialien Verwendung finden. Beton kann zu einem großen Teil wiederverwertet werden (Ersatz für Gesteinskörnungen und Zementstein). Der Baustahl kann zu einem hohen, fast 100%-igen Anteil aus Stahlschrott hergestellt werden. Hierzu sei der mögliche Einsatz des schon heute marktreifen Peikko DELTABEAM® Green genannt. Literaturangaben [1] Synopse M-GarStVO [2] DIN EN 1994-1-1 2010-12, Beuth [3] DIN EN 1994-1-2 2010-12, Beuth [4] Allgemeine Bauartgenehmigung Z-26.2-49 DELTABEAM® Verbundträger, 2020-10 Peikko Group Oy, DIBt [5] DIN EN 1995-1-1 2010-12, Beuth [6] DIN EN 1995-1-2 2010-12, Beuth [7] EPD DELTABEAM® Green 29.04.2020, Building Information Foundation, Helsinki [8] Parken aktuell Jahrgang 32, März 2021, Ausgabe 120 [9] Von Monobaustoffen zu symbiotischen Materialkombinationen KI - Konstruktiver Ingenieurbau, Heft 05/ 2020 Sascha Schaaf Dipl.-Ing. (FH) [10] Peikko Parking Oberflächenschutzsysteme 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 235 Polyurea, ein Werkstoff der Zukunft? Polyurea am Beispiel Parkhausinstandsetzung Marcus Kopp Leiter Technik Construction Systems D/ A/ CH Master Builders Solutions, Oldenburg Wir kennen die gängigen Oberflächenschutzsysteme gemäß der DAfStb-Richtlinie „Schutz und Instandsetzen von Betonbauteilen“ [1]. Die Oberflächenschutzsysteme sind für verschiedene Anwendungsbereiche ausgelegt. Dafür wurden in der besagten Richtlinie Anforderungen und Eigenschaften der Systeme definiert. Leider gibt es keine reglementierte Unterscheidung der Nutzungseigenschaften bzw. Frequentierung von Parkbauten, sondern lediglich Empfehlungen bzw. Ableitungen von Fachleuten aus den letzten Jahrzehnten. Öffentliche Bauten in Innenstädten sind weit höher befahren als das in einer Eigentümerwohnanlage am Stadtrand der Fall ist. Ableitend aus sehr guten Erfahrungen im Bereich Gewässerschutz erprobten wir in Objektversuchen den Einsatz einer direkt befahrenen Abdichtungsmembran, die im Heißspritzverfahren appliziert wird: Polyurea. Es werden seit vielen Jahren OS 11 a/ b, OS 10 sowie OS 8 Systeme auf Basis Polyurethan, PMMA, Epoxidharz usw. mit dem Ziel verbaut, die Dauerhaftigkeit von befahrenen Parkdecks sicherzustellen. Das wichtigste Ziel: Fernhalten von Chloriden von der Bewehrung. Auch die Belastungen der Bauwerke sind unterschiedlich, eine Tiefgarage mit relativ konstanten Temperaturen gegenüber einem Freideck, komplett der Witterung ausgesetzt. Chlorideintrag durch Tausalze im Winter sind immer ein Thema. Parkbauten sind stark beanspruchte Bauwerke, die gewartet werden müssen, um dem Substanzerhalt und der Dauerhaftigkeit sowie der Standsicherheit über den gesamten Nutzungszeitraum zu dienen. Eine wesentliche Ursache für Stahlkorrosion in Parkbauten ist das Eindringen von Chloriden in den Beton. In Parkbauten wird kein Salz gestreut, es gelangt allerdings über die Schleppnässe durch Fahrzeuge in die Bauten hinein. Durch Risse bahnt sich das Salz einen Weg zum Stahl und schwächt diesen. Die Bewehrungskorrosion setzt ein. Risse entstehen durch verschiedene Ursachen. Mechanische Belastungen durch die Befahrung gehören hier genauso wie Einwirkungen durch Temperaturwechsel genannt. Um einen Widerstand gegen den Einfluss von Frost-Taumittel-Einwirkungen zu erzielen, sind Maßnahmen erforderlich. Oberflächenschutz-systeme sind dafür ein weit verbreiteter Lösungs-ansatz. Auch ist seit einigen Jahren zu beobachten wie immer größere Fahrzeuge, SUVs sind hier gemeint, am Gesamtverkehrs-aufkommen immer mehr Anteile gewinnen. Diese haben mehr Gewicht, größere Reifen und damit mehr Kontaktfläche auf die Böden und durch die Servolenkungen erzeugen sie punktuelle Bewegungen bei Rangierereien, was die Beläge häufig mit Abnutzung honorieren. Abb. 1: Anforderungen Verschleiß Alle die genannten Systeme erfüllen die Prüfanforderungen hinsichtlich Rissüberbrückung und Verschleißfestigkeit, leider nicht zusammen, sondern jedes System hat seine besonderen Eigenschaften: OS 8 z. B. speziell die Verschleißfestigkeit für Rampen und Kurven-bereiche, OS 11 a die Rissüberbrückungs-fähigkeit auf freibewitterten Parkdecks. Die oftmals in der Sanierung benötigte knapp bemessene dynamische Rissüberbrückung brachte uns schon vor einiger Zeit zu der Überlegung, mit einem anderen Bindemittelsystem neue Wege zu gehen: Polyurea. Auch die Verschleißfestigkeit elastischer OS-Systeme hat Ihre Grenzen. Ableitend aus den sehr guten Erfahrungen im Bereich Gewässerschutz wagten wir 2013 die ersten Versuche in Parkbauten mit einer zweikompo-nentigen Abdichtungsmembran. Diese ist hochreaktiv und wird mit einer speziellen 2K-Heißspritzanlage im Mischungsverhältnis 1: 1 nach Volumen von Fachfirmen appliziert. 236 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Polyurea, ein Werkstoff der Zukunft? Abb. 2: Auftrag der Abdichtung Chemisch gesehen handelt es sich um ein Elastomer, welches durch Polyaddition von Aminen und Isocyanaten zu einem Polyurea wird. Mit einer angepassten Grundierung sind eine Vielzahl von Untergründen beschichtbar. Es entstehen keine Nähte oder Stöße, da es monolithisch und vollflächig haftend sowie auch in der Senkrechten (angrenzende Bauteile wie Stützen etc.) problemlos appliziert werden kann. Abb. 3: Stützen, Boden/ Wand durchgehend Es wird in Einem durchgespritzt. Das Produkt weist eine hohe Chemikalienbeständigkeit auf, was es zur idealen Abdichtung in Bereichen macht, in denen Rissüberbrückung, mechanische Robustheit und Widerstandsfähigkeit gegenüber diversen Chemikalien als gleichzeitige Anforderung bestehen (Zugelassen vom DIBt als Abdichtung für Beton in LAU-Anlagen für wassergefährdende Stoffe [2]). Ebenfalls kann das Material in Temperaturbereichen von -20 - 130° C trocken eingesetzt werden. Zudem ist es hydrolysestabil, da dieses Produkt nicht Estersondern 100% polyetherbasierend ist, das bedeutet: Verseifungsbeständigkeit. Bei Rissbewegungen, bei denen unweigerlich die EP- Grundierung reist, ist die Abdichtung hinsichtlich der im Beton aufsteigenden Feuchtigkeit und den darin gelösten Substanzen in der Lage, das chemisch auszuhalten, ohne zu versagen. Hinsichtlich der Thematik drückendes Wasser (Tiefparkdecks mit Druckwasserbeanspruchung) wurden an der Hochschule München, Fakultät Bauingenieurwesen, Prüfungen angestellt. Die Beschichtung wurde dafür über einen Zeitraum von 120 Tagen mit einem rückseitig anstehenden Wasserdruck von 100 kPa untersucht. In der Praxis entspricht dies etwa dem vollen Wasserdruck an der Oberseite einer dreigeschossigen Tiefgaragen-bodenplatte im Grundwasser stehend (voller Wasserdruck an der Beschichtung). Im Rahmen der Untersuchung konnte an dem System MasterSeal Traffic 2219 bis zu einem Prüfdruck von 150 kPa (15 m Wassersäule) und einer Rissbreiten bis 0,5 mm über den Untersuchungszeitraum von 200 Tagen keine Ablöseerscheinungen in Form von Blasenbildung oder Hohllagen festgestellt werden. Abb. 4: Druckwasserbalken Abb. 5: Druckwasserbalken Da diese Prüfungen und Versuche positiv verlaufen sind, entschieden wir uns für weitergehende Prüfungen. Angefangen mit einer OS 10 Prüfung, die in ihren Anforderungen eine höhere dynamische Rissüberbrückung gegenüber einer OS 11 a/ b fordert. Hierzu wurde 2 Systeme geprüft: MasterSeal Traffic 2219 und MasterSeal Traffic 2239. Bei letzterem System besteht die Besonderheit darin, dass die abschließende Schicht aus dem glei- 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 237 Polyurea, ein Werkstoff der Zukunft? chen Material als sogenanntes Overspray appliziert wird. Es entsteht eine inerte Matrix der Abdichtung mit einer rutschhemmenden Schicht, die fest mit der Abdichtung verbunden ist. Neben der Anforderung der dynamischen Rissüberbrückung bei OS 10 mit 0,5 mm bei -20° wollten wir wissen, welche Reserven in dem Materialaufbau stecken. Dazu haben wir einmal statische sowie dynamische Rissüberbrückungs-prüfungen bei -20° bis zum möglichen Maximum initiiert. Das Ergebnis ließ uns Recht behalten in unserer Annahme ob der elastischen Eigenschaften: Es wurden statisch je nach System Werte zwischen 10 mm (2219) und 50 mm (2239) sowie dynamisch 2 mm (2219) und 3,5 mm (2239) erzielt. Daraus ergibt sich eine vielfach höhere Sicherheit bei Rissgefahr gegenüber den herkömmlichen OS 11 Systemen, um das Eindringen von chad-stoffangreifenden Flüssigkeiten in den Beton zu verhindern. Abb. 6: Statische Rissüberbrückung Ebenfalls ist der Verschleiß der elastischen Beschichtungen ein großes Thema. Hier wurde mit dem Parking Abrasion Test geprüft. Die Versuchsanordnung basiert auf dem Forschungs-bericht der Uni Kaiserslautern [3]. Beim Parking Abrasion Test wird eine mechanisch-abrasive Beanspruchung mit einem sich um seine Vertikalachse drehenden PKW-Reifen simuliert. Das Prüfverfahren wurde in umfangreichen Ring-versuchen getestet und erlaubt eine Klassifizierung von Verschleißeigenschaften. Die Verschleißbe-anspruchung mit dem Parking Abrasion Test erfolgte bis 15.000 Prüfzyklen unter einer Achslast von 400 kg. Bis zum Ende der Prüfung mit 15.000 Prüfzyklen wurde die Deckversiegelung lediglich punktuell beschädigt bzw. einzelne Quarzsandkörner brachen kleinflächig zusammenhängend aus. Die Beschichtung ist somit gemäß PAT-Verfahren in die Verschleißklasse VK-2 mit einer geringen Abnutzung einzuordnen. Das Overspray-System (2239) wurde weiteren 15.000 Zyklen, also insgesamt 30.000 Zyklen, unterzogen, die auch keine weiteren Veränderungen brachten, auch dann ist die Klasse VK-2 erreicht. Dies hat zur Folge, dass wir von einem mechanisch widerstandsfähigen Oberflächenschutzsystem sprechen können, was sonst nur starren Belägen wie einer OS 8 zuzuordnen wäre. Abb. 7: Oberfläche Overspray nach 30000 Umdrehungen Abb. 8: Streugut im Winter Die hochreaktive Polyurea-Abdichtung ist nach nur 5-7 Sekunden fest, nach kürzester Zeit ausgehärtet, begeh- und überarbeitbar. Diese kurzen Zeitfenster machen Sanierungen auch unabhängiger von der Witterung. Stillstandszeiten in der Parkanlage können damit sehr kurzgehalten werden, so dass durch derartige Störungen im Betrieb verursachte Einnahmeausfälle gering gehalten werden können. 238 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Polyurea, ein Werkstoff der Zukunft? Abb. 9: Ablauf der Applikation Ein weiteres Polyurea-Produkt wurde speziell für den Einsatz im Bereich Bandagen geprüft: Eine händisch verarbeitbare Abdichtung - MasterSeal M 860. Es wurden am Beschichtungssystem Prüfungen hinsichtlich Fähigkeit zur Rissüberbrückung und Verschleißwiderstand durchgeführt. Hierbei wurden erhöhte Parameter hinsichtlich maximaler Rissbreite und dynamischer Rissbreitenänderung im Vergleich zur höchsten Klasse 4.2 gemäß DIN EN 1062-7 [4] gewählt. Während der kontinuierlichen Rissaufweitung bei -20 °C konnten bis zu einer Rissweite von 10,5 mm optisch keine Beschädigungen in Form von Rissen, Löchern oder Ähnlichem in der Abdichtungsschicht aus MasterSeal M 860 festgestellt werden. Fazit: Die als Abdichtung fungierende Schicht aus MasterSeal M 860 hat in der dynamischen Prüfung zur Fähigkeit der Rissüberbrückung ihre Funktion unter den gegebenen Prüfbedingungen mehr als erfüllt. Abb. 10: Rissüberbrückung der Bandage Zu der Frage in der Überschrift: „Polyurea, ein Werkstoff der Zukunft? “ Zieht man alle Prüfungen zusammen, erhält man eine hoch rissüberbrückende, chemikalienbeständige und verschleißfeste befahrbare Parkhausbeschichtung, die das Bauwerk auf lange Zeit schützt. Die Systemmerkmale übersteigen technisch die einer Standard Beschichtung nach OS 11 bei Weitem. Wir sind deshalb der Meinung: Polyurea ist in der Tat ein Werkstoff der Zukunft und kann einiges besser als seine Systembegleiter im Parkhaus und auch länger. Das heißt: langlebige Systeme zur Werterhaltung und Kostenminimierung in der Instandhaltung. Wir sind absolut davon überzeugt, dass Polyurea ein Werkstoff der Zukunft ist. Wir erhalten eine neue Generation von Beschichtungsstoffen, die lange erprobt sind und ihre Leistungsfähigkeit bereits unter Beweis gestellt haben. Das spiegelt auch die Tatsache wieder der bisher über 150.000 m² ausgeführten Flächen in ganz Deutschland. Literatur [1] Richtlinie des DAfStb, Ausgabe Oktober 2001. [2] DIBt, Berlin Zulassung Nr.: Z -59.12-414 [3] Nachweis der Verschleißbeständigkeit von Parkhausbeschichtungssystemen unter realitäts-nahen Prüfbedingungen ISBN 978-3-8167-9469-1 Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Breit TU Kaiserslautern [4] DIN EN 1062-7 Beschichtungsstoffe und Beschichtungssysteme für mineralische Substrate und Beton im Außenbereich. Teil 7: Bestimmung der rissüberbrückenden Eigenschaften +49 6431 98160 | info@chemicon.de | www.chemicon.de Der Verkehr rollt und rollt - Parkbauten sind im Dauerbetrieb. Auf lange Sicht bringen Tausalze, mechanische Beanspruchung und der Zahn der Zeit Parkbauten aus Beton an ihre Grenzen. Mit unseren Instandsetzungsleistungen und einem ansprechenden Oberflächenschutz bleiben Parkhäuser und Tiefgaragen eine sichere Anlaufstelle für die städtische Mobilität. Chemicon ist Ihr Partner für die fachgerechte und effiziente Instandsetzung und Instandhaltung von Parkbauten. Unsere erfahrenen Mitarbeiter beheben mit innovativen Arbeitsverfahren vorhandene Schäden zeit- und kosteneffizient falls erforderlich mit ausgeklügelten Bauabläufen auch unter laufendem Betrieb. 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 239 Renaissance der Spritzabdichtung Dipl.-Ing. Christoph Helf Chemicon GmbH, Limburg, Deutschland Zusammenfassung Mit der sogenannten „Spritzabdichtung“ wird üblicher Weise das Aufbringen einer Abdichtungsschicht aus Flüssigkunststoff im 2-Komponenten-Heißspritzverfahren bezeichnet. Dieses Verfahren wurde in Deutschland Anfang der 80er Jahre entwickelt und wurde unter anderem als Regelbauweise für die Abdichtung von Brückenbauwerken unter Gussasphalt etabliert (ZTV-Bel Teil 3). Später wurden - aufbauend auf den Erfahrungen und den Prüfkriterien im Bereich der Brückenabdichtung - diese Abdichtungssysteme zunehmend auch in anderen Bereichen, insbesondere im Bereich von Parkflächen als sogenannte OS10-Systeme mit kunstharzgebundenen Verschleißschichten und Deckversiegelungen eingesetzt. Nachfolgend werden die Besonderheiten der 2-Komponenten-Spritztechnik sowie aktuelle Entwicklungen wie zum Beispiel der Einsatz von Systemen mit Dichtungsschicht aus Polyurea oder die Kombination von hoch-rissüberbrückenden und -verschleißfesten Dichtungs- und Deckschichten mit leitfähigen Beschichtungen als KKS-System (kathodischer Korrosionsschutz) aufgezeigt. 1. Rückblick Das Verfahren der Spritzapplikation von Flüssigkunststoffen mit 2-Komponenten-Heißspritzanlagen wurde in Deutschland Anfang der 80er Jahre entwickelt und unter anderem als Regelbauweise für die Abdichtung von Brückenbauwerken im Bereich des Bundesverkehrsministers sowie des Berliner Senats etabliert (ZTV-Bel Teil 3 [1]). Es wurden hierfür Abdichtungssysteme bestehend aus Epoxidharzgrundierung und -Egalisierschichten, Dichtungsschichten aus Polyurethan und Verbindungsschichten zum nachfolgenden Gussasphalt konzipiert. Später wurden - aufbauend auf den Erfahrungen und den Prüfkriterien im Bereich der Brückenabdichtung - diese Abdichtungssysteme zunehmend auch in anderen Bereichen, insbesondere im Bereich von Parkflächen als sogenannte OS10-Systeme mit kunstharzgebundenen Verschleißschichten und Deckversiegelungen eingesetzt. Abb. 1: Auftrag Spritzabdichtung auf einer Brücken- Fahrbahntafel in den 90er Jahren Abb. 2: Detailausbildung im Spritzverfahren 240 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Renaissance der Spritzabdichtung 2. 2-Komponenten-Spritztechnik Bei dem 2-Komponenten-Spritzverfahren werden die Materialkomponenten getrennt in den Liefergebinden (Fässern, IBCs) oder Vorratstanks vorgehalten, dort von der Spritzanlagen über Pumpen entnommen und getrennt über ein Schlauchpaket bis zur Spritzdüse gefördert, in der Spritzdüse durchmischt und unmittelbar aufgesprüht. Abb. 3: Funktionsweise 2-Komponenten-Spritzanlage Bei der Spritzanlagentechnik gibt es verschiedene Merkmale, die Einfluss auf die Qualität der applizierten Dichtungsschicht haben. Die besser ausgestatteten Spritzanlagen verfügen über ein einstellbares Mischungsverhältnis und eine Durchflussüberwachung sowie -Steuerung der einzelnen Komponenten. Die einfachen Anlagen besitzen lediglich ein starres Mischungsverhältnis (meist 1: 1 Volumen-Teile) ohne Durchflussüberwachung. Auch bei den Misch-Sprühköpfen gibt es verschiedene Bauarten, zum Beispiel mit und ohne Sprühluftunterstützung beim Materialaustrag (sog. Airless-Verfahren). Abb. 4: 2-Komponenten-Spritzanlage (einfache Ausführung) im Baustelleneinsatz Für den Einsatz unter baupraktischen Bedingungen können solche Mehrkomponenten-Heißspritzanlagen auch relativ kompakt auf 2-Achsen-Anhängern aufgebaut werden. Somit können diese Anlagen nahe an die Einbaustelle, zum Beispiel in Parkhäusern, platziert werden (siehe Abbildung 5). Abb. 5: Mehrkomponenten-Heißspritzanlage auf 2-Achs-Anhänger Abb. 6: Computersteuerung einer Spritzanlage mit grafischer Bedienoberfläche Eine neue Entwicklung im Bereich der Applikation von Oberflächenschutzsystemen stellt die 3-Komponenten- Spritztechnik dar. Bei diesem Verfahren kann der Düsenführer die Farbe der aufgespritzten Dichtungsschicht in der Praxis während dem Spritzvorgang „auf Knopfdruck“ durch die Zudosierung einer weiteren Komponente ohne Zeitverzögerung oder Arbeitsunterbrechung ändern. Hierdurch ist ein Auftrag der Dichtungsschicht im Wechselfarbton, also in mehreren dünnen Lagen mit verschiedenen Farben möglich. In Abbildung 7 ist die Funktionsweise einer 3-Komponenten-Spritzanlage schematisch dargestellt. 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 241 Renaissance der Spritzabdichtung Abb. 7: Funktionsweise 3-Komponenten-heißspritzanlage Abb. 8: Spritzapplikation im Wechselfarbtonverfahren Abb. 9: Einsatz der Wechselfarbtontechnik bei der Abdichtung einer Tiefgaragendecke mit aufwendigen Detaillausbildungen Abb. 10: Schnittbild durch ein Oberflächenschutzsystem in Wechselfarbtontechnik 3. Rissüberbrückende Oberflächenschutzsysteme Rissüberbrückende Oberflächenschutzsysteme für befahrene Flächen müssen vielfältige Anforderungen erfüllen: Zum einen sollen sie eine möglichst hohe Rissüberbrückung aufweisen, müssen also entsprechend dehnfähig und elastisch beschaffen sein, zum anderen sollen sie eine sehr hohe Verschleißfestigkeit sowie Witterungsbeständigkeit aufweisen, und all dies über einen möglichst langen Zeitraum. Bei rissüberbrückenden Oberflächenschutzsystemen für befahrene Flächen hatte der Planer gemäß der bisher gültigen Instandsetzungs-Richtlinie des DAfStb [3] die Auswahl zwischen Systemen des Typs OS 11a und OS 11b sowie den wesentlich leistungsfähigeren Systemen des Typs OS 10. Ursprünglich wurden die Systemaufbauten und Prüfvorschriften der OS 10-Systeme von 242 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Renaissance der Spritzabdichtung den Brückenabdichtungen nach ZTV-Bel T3 abgeleitet [1]. Im Laufe der Zeit kamen neben den Deckschichten aus Gussasphalt auch vermehrt verschiedene Arten von kunstharzgebundenen Deckschichten zum Einsatz. Kennzeichnend für die OS 10-Systeme sind eine hohe Verschleißfestigkeit, eine hohe Rissüberbrückung der Klasse IV T+V (oder höher), sowie eine sehr gute Witterungsbeständigkeit. Hierdurch sind die OS 10-Systeme besonders für den dauerhaften Einsatz auf stark rissgefährdeten, ggf. freibewitterten Park-decks geeignet. Dem gegenüber wird bei den OS 11-Systemen nur eine geringere Rissüberbrückung der Klasse II T+V gefordert. Die jeweiligen Systemaufbauten und geforderten Merkmale der OS 11- und OS 10-Systeme sind in der Tabelle 5.1. der Instandsetzungs-Richtlinie, Teil 2 aufgeführt. Die Prüfbedingungen für die unterschiedlichen Rissüberbrückungsklassen findet man für die Klasse II T+V in Tabelle 15 der Instandsetzungsrichtlinie Teil 4, für die Klasse IV T+V in der TL-BEL-B Teil 3, Tabelle 1, Blatt 6; Zeile 1.2 [1], bzw. in der TL-Bel-B Teil 3, Abschnitt 3.2.11 [2]. (siehe Tabelle 1). Tabelle 1: Prüfbedingungen für Rissüberbrückungsklasse IV T+V nach TP-Bel- T3 Prüfbedingungen für Rissüberbrückungsklasse IV T+V nach TP-Bel- T3 T p - 20 °C W T,O 0,4 mm W T,U 0,1 mm R W,T 1.000 DW T 0,3 mm f 0,03 Hz D W V ± 0,05 mm R W,V 100.000 F 5 Hz W STAT 1 mm In der Anfang 2021 neu eingeführten TR Instandhaltung [4], [5] wurde das bisherige System OS 10 durch ein neues System mit der Bezeichnung OS 14 ersetzt. Die Systemaufbauten und geforderten Merkmale sind in der Tabelle 12 der TR Instandhaltung, Teil 1 aufgelistet. Die zugehörigen Klassen und Prüfbedingungen der Rissüberbrückungsfähigkeit sind nun in Tabelle A.10 des neuen Regelwerkes zusammengefasst. Die neuen Prüfbedingungen wurden gegenüber den bisherigen etwas modifiziert und die Klassen mit einer neuen Bezeichnung versehen. So mussten OS 11-Systeme nach der Instandsetzungsrichtlinie bei der Rissüberbrückungsprüfung gemäß Klasse II T+V bisher 100.000 Lastwechsel mit einer Frequenz von 5 Hz überstehen, nach der neuen TR Instandhaltung werden in der neuen Prüfklasse B3.2 nur noch 20.000 Lastwechsel mit einer Frequenz von 1 Hz geprüft. Bei der für die neuen OS 14-Systeme geforderten Prüfklasse B4.2 wurde die obere Rissaufweitung im Gegensatz zu der bisherigen Anforderung für OS 10-Systeme gemäß TP-Bel- T3 mit W T,O = 0,40 mm auf w O = 0,50 mm erhöht. Allerdings wurde die Anzahl der Risswechsel von n = 100.000 / 5 Hz für OS 10-Systeme auf n = 20.000 / 1 Hz für OS 14-Systeme reduziert. Durch die Reduzierung der Risswechsel mit gleichzeitiger Verlangsamung der Wechsel-Frequenz wurden die Anforderungen an die Rissüberbrückungsfähigkeit bzw. Ermüdungsresistenz deutlich herabgesetzt. Zudem wurde bei der Prüfung der OS 10-Systeme nach Abschluss der dynamischen Prüfung noch eine „statische“ Rissaufweitung auf 1 mm geprüft. Weitere Regelungen zu dem Einsatz von Oberflächenschutzsystemen auf befahrbaren Verkehrsflächen sind in der Norm DIN 18532 Teil 6 - Abdichtung mit flüssig zu verarbeitenden Abdichtungsstoffen [7] zu finden. Diese Norm ist Teil der 2017 neu erschienenen Normenreihe zur Abdichtung von Bauwerken. In der zugehörigen DIN 18532 Teil 1 [6] sind zunächst Anforderungen sowie Planungs- und Ausführungsgrund-sätze für die Abdichtung von befahrenen Verkehrsflächen aus Beton definiert. In Abschnitt 5.3.2. der DIN 18532-1 sind verschiedene Nutzungsklassen beschrieben, die sich anhand der zu erwartenden Belastung wie z.B. Nutzung durch Fußgänger, PKW und LKW mit leichten, mittleren und schweren Gesamtgewichten, Neigung, Bewitterung usw. unterscheiden. In Abschnitt 8 der DIN 18532-1 sind die verschiedenen, grundsätzlich möglichen Abdichtungsbauweisen dargestellt. Die Ausführung mit Oberflächenschutzsystemen entspricht der Bauweise 1b, bei der sich die Abdichtungsschicht und -Nutzschicht direkt auf dem Konstruktionsbeton befindet. In Tabelle 2 der DIN 18532 Teil 6 sind die verschiedenen, in Frage kommenden Oberflächenschutzsysteme (Beschichtungen) den verschiedenen Nutzungsklassen und Verkehrsflächen zugeordnet. Hier sind mit Bezug auf die Regelungen der RL SIB (= Instandsetzungsrichtlinie des DAfStb) bei der Bauweise 1b die Systeme OS 8, OS 10 und OS 11a/ b aufgeführt. Die in den vorgenannten Regelwerken und Prüfvorschriften vorgegebenen Leistungsmerkmale werden von einer Reihe von Oberflächenschutzsystemen mit unterschiedlichen Bindemitteln und Systemaufbauten erfüllt. Leider ist festzustellen, dass über diese Anforderungskataloge und Prüfbedingungen die Beanspruchungen in der Praxis nur bedingt abgebildet werden können, sodass sich die verschiedenen Systeme hinsichtlich Funktion und Dauerhaftigkeit im praktischen Einsatz deutlich unterscheiden. Natürlich spiegelt sich die unterschiedliche Leistungsfähigkeit, die unter anderem auf der Wahl der Bindemittel und dem Systemaufbau mit entsprechenden Materialverbrauchsmengen beruht, meist auch im Preis des Oberflächenschutzsystems wider. 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 243 Renaissance der Spritzabdichtung Hinsichtlich Dauerhaftigkeit, Rissüberbrückungsfähigkeit und Verschleißverhalten haben sich die OS 10-Systeme über viele Jahre bewährt. Ausgehend von der Brückenabdichtung mit Flüssigkunststoffen nach ZTV-Bel-B T3 werden für die hauptwirksame Oberflächenschutzschicht (hwO) Abdichtungen auf Polyurethanharzbasis eingesetzt, die in der Regel mit 2-Komponenten-Heißspritzanlagen aufgebracht werden. Durch die Verarbeitung im Spritzverfahren können auch komplizierte Details, Anschlüsse an aufgehende Bauteile und Einbauteile usw. sehr flexibel ausgebildet werden. Auf diese rissüberbrückende Schicht werden kunstharzgebundene Verschleiß-schichten mit Polyurethanharzbindemitteln oder Epoxi-Polyurethan-Kombinationen (EP-PU) und Quarzsandeinstreuung sowie anschließender Deckversiegelung aufgebracht. Ausschlaggebend für die Dauerhaftigkeit des Systemaufbaus ist, dass hwO und Verschleißschicht hinsichtlich Festigkeit und Dehnungsverhalten gut aufeinander abgestimmt sind. Die hwO auf Polyurethanharzbasis besitzt trotz ihrer hohen Eigenfestigkeit eine hohe Reißfestigkeit und Reißdehnung von 200 - 300% und mehr. Als Maß für die Eigenfestigkeit des Materials kann zum Beispiel die Shore-Härte herangezogen werden. Diese kann auch unter Baustellenbedingungen relativ einfach mit einem kleinen Härteprüfgerät mit Messuhr bestimmt werden. Das Messprinzip funktioniert so, dass eine Messnadel mit definierter Spitze über eine Feder oder ein Gewicht in die Oberfläche des Probestücks eingedrückt wird und die Verformung bzw. Eindringtiefe auf der Messuhr angezeigt wird. Dieses Prüfverfahren wird auch als Eigenüberwachungsprüfung bei der Ausführung der Flüssigkunststoffabdichtung nach ZTV-Bel-T 3 eingesetzt. Je nach Härte des Prüfkörpers kommen verschiedene Prüfnadeln mit verschiedenen Härteskalen zur Anwendung. Für die Beurteilung von Oberflächenschutzsystemen werden in der Regel die Shore-Härten „A“ und „D“ herangezogen. In Abbildung 11 sind die Härte-Skalen im Vergleich gegenübergestellt sowie mit verschiedenen Alltagsgegenständen veranschaulicht. Zur Orientierung sind zudem die Shore-Härten üblicher Oberflächenschutzsysteme in die Skalen eingeordnet. Abb. 11: Vergleich Shore-Härte-Skalen mit Einordnung der HWO-Typen Die Systeme mit hoher Shore-Härte können wesentlich höhere Schubkräfte aus rollendem Verkehr aufnehmen und weisen einen wesentlich höheren Verschleißwiderstand als solche mit einer geringeren Shore-Härte auf. Die zugehörigen Verschleißschichten sollten zudem eine etwas höhere Shore-Härte als die hwO aufweisen, jedoch sollten diese wiederum nicht zu weit voneinander abweichen, da es ansonsten schneller zu Verbundstörungen und Rissbildungen in der Verschleißschicht kommen kann. Vor dem Hintergrund der oben beschrieben Zusammenhänge und dem Ein-fluss der Bindemittelbeschaffenheit auf die Dauerhaftigkeit der Oberflächenschutzsysteme sollten bei anspruchsvollen Anwendungen die Eigenschaften der rissüberbrückenden OS-Systeme durch die Planer und Anwender kritisch hinterfragt werden. So ist in letzter Zeit festzustellen, dass nach dem neuen Regelwerk geprüfte „OS 14-Systeme“ auf den Markt gebracht werden, die sich von den herkömmlichen OS 11-Systemen lediglich durch höhere Materialauftragsmengen unterscheiden. Durch die höheren Schichtdicken wird natürlich eine höhere Rissüberbrückungsfähigkeit erzielt, jedoch wird die Verschleißfestigkeit und Dauerhaftigkeit durch die ansonsten meist unveränderten Materialeigenschaften wie zum Beispiel relativ geringe Härtegrade nicht wesentlich verbessert. In den letzten Jahren kommen nun auch vermehrt OS 10-Systeme auf der Basis von Polyurea-Bindemitteln (PEA) zum Einsatz. Diese hochreaktiven Bindemittel können in der Regel nur mit 2-Komponenten-Heißspritzanlagen verarbeitet werden und weisen sehr gute mechanische Eigenschaften wie zum Beispiel Shore-A-Härte > 90, Reißdehnung > 500 %, Rissüberbrückung von mehreren Millimetern sowie zudem eine sehr gute Chemikalienbeständigkeit auf. Hieraus resultieren ein sehr gutes Verbundverhalten sowie eine sehr hohe Schub- und Verschleißfestigkeit, sodass diese Systeme ausgezeichnet für den Einsatz als hochwertiges Oberflächenschutzsystem für Verkehrsflächen geeignet sind. Neben den üblichen Verschleißschichten mit Quarzsandeinstreuung kann bei diesen Systemen die Verschleißschicht durch Aufspritzen einer zusätzlichen Lage, die in einem speziellen Sprühverfahren strukturiert wird, hergestellt werden. Diese Strukturschicht wird in der Praxis häufig als „Overspray“ bezeichnet. Diese Overspray-Systeme bestehen also nur aus wenigen Lagen, die bis auf die Grundierung durchgängig im Spritzverfahren aufgetragen werden. Daher sind diese bezogen auf das Preis-/ Leistungsverhältnis sehr wirtschaftlich und können auch großflächig in relativ kurzer Zeit eingebaut werden. Durch die extrem schnelle Reaktions- / Aushärtezeit der Polyurea-Systeme in Verbindung mit der kurzen Einbauzeit können die Sperrzeiten auf ein Minimum reduziert werden. Da die rissüberrückende Schicht und die Verschleißschicht homogen, sozusagen in einem „Guss“ aus dem gleichen Material mit der gleichen Härte und Elastizität hergestellt werden, ist die Gefahr von Anrissen in der Verschleißschicht bzw. von Ablösungen im Schichtaufbau aufgrund 244 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Renaissance der Spritzabdichtung unterschiedlicher Dehnverhalten der einzelnen Lagen nicht gegeben. In Abbildung 12 ist eine solche Overspray-Oberfläche zu sehen, bei der gerade im Rahmen der Eigenüberwachung die Schichtdicke der Oberflächen-schutzschicht mit einem Schichtdickenprüfgerät mit Penetrationsnadel (nach ZTV-Ing - Teil 3, Abschnitt 4, Anhang D [8]) gemessen wird. Abb. 12: OS 10 - System mit Overspray-Oberfläche - Prüfung Schichtdicke Abb. 13: Applikation Overspray-Schicht Abb. 14: Fertiggestellte Spindelrampe in einer Tiefgarage mit Overspray-Aufbau 4. Ausblick Eine der neuesten Entwicklungen im Bereich der Oberflächenschutzsysteme ist die Kombination von Hochleistungsfähigen OS 10 - Systemen mit darunterliegenden leitfähigen Beschichtungssystemen, die als Anode eines Kathodischen Korrosionsschutzsystems (KKS-System) wirken. Ein Pilotprojekt eines solchen KKS-Oberflächenschutzsystems wird zur Zeit gerade fertiggestellt. Die Vorteile dieser Bauweise liegen, vor allem in der im Vergleich zu herkömmlichen KKS-Systemen, durch den Entfall des Einbettmörtels auf geringerer Aufbauhöhe und dadurch verkürzter Ausführungsdauer. Abb. 15: Einbau KKS-Anoden in Doppelparkergruben 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 245 Renaissance der Spritzabdichtung Abb. 16: Funktionsschema KKS-Oberflächenschutzsystem Abb. 17: Einbau leitfähige KKS-Beschichtung im Airless-Spritzverfahren Abb. 18: Einbau OS 10 - Dichtungsschicht (HWO) im 3-Komponenten-Heißspritzverfahren auf leitfähige KKS-Beschichtung in einer Tiefgarage mit Doppelparkergruben Literatur [1] ZTV-Bel-B Teil 3 - Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für das Herstellen von Brückenbelägen auf Beton, Teil 3: Dichtungsschicht aus Flüssigkunststoff und TL-BEL-B Teil 3 - Technische Lieferbedingungen für Baustoffe zur Herstellung von Brückenbelägen auf Beton mit Dichtungsschicht nach ZTV-BEL-B Teil 3. Bundesministerium für Verkehr, Ausgabe1995. FGSV Verlag GmbH, Köln, FGSV-Nr.: 781/ 1/ 2. [2] BEL-B T3 - Technische Prüfvorschriften für Baustoffe zur Herstellung von Brückenbelägen auf Beton mit Dichtungsschicht nach ZTV-BEL-B Teil 3. Bundesministerium für Verkehr, Ausgabe1995. FGSV Verlag GmbH, Köln, FGSV-Nr.: 781/ 3. [3] Richtlinie Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen (Instandsetzungs-Richtlinie) Teil 1 - 4. Deutscher Ausschuss für Stahlbeton - DAfStb im DIN Deutsches Institut für Normung e. V., Berlin. 2. Berichtigung 12/ 2005. [4] Technische Regel Instandhaltung von Betonbauwerken (TR Instandhaltung), Teil 1 - Anwendungsbereich und Planung der Instandhaltung. Deutsches Institut für Bautechnik. Mai 2020. URL: https: / / www.dibt.de/ fileadmin/ dibt-web-site/ Dokumente/ Referat/ I4/ TR_Instandhaltung_Betonbauwerke_ Teil1.pdf [5] Technische Regel Instandhaltung von Betonbauwerken (TR Instandhaltung), Teil 2 - Merkmale von Produkten oder Systemen für die Instandsetzung und Regelungen für deren Verwendung. Deutsches Institut für Bautechnik. Mai 2020. URL: https: / / www.dibt.de/ fileadmin/ dibt-web-site/ Doku mente/ Referat/ I4/ TR_Instandhaltung_Betonbau werke_Teil2.pdf [6] DIN 18532 Abdichtung von befahrbaren Verkehrsflächen aus Beton - Teil 1: Anforderungen, Planungs- und Ausführungsgrundsätze. DIN Deutsches Institut für Normung, Berlin, Beuth Verlag GmbH, Berlin, Ausgabe 2017-07. [7] DIN 18532 Abdichtung von befahrbaren Verkehrsflächen aus Beton - Teil 6: Abdichtung mit flüssig zu verarbeitenden Abdichtungsstoffen. DIN Deutsches Institut für Normung, Berlin, Beuth Verlag GmbH, Berlin, Ausgabe 2017-07. [8] ZTV-ING - Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für Ingenieurbauten, Teil 3 - Massivbau, Abschnitt 4 - Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen. Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, Bundesanstalt für Straßenwesen, Bergisch Gladbach, Juli 2021. URL: https: / / www.bast.de/ BASt_2017/ DE/ Publika tionen/ Regelwerke/ Ingenieurbau/ Baudurchfueh rung/ ZTV-ING-Gesamtfassung.pdf? __blob=publi cationFile&v=16, letzter Zugriff 10/ 2021. 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 247 Entwurf einer ausgewogenen Verteilung der Erhaltungslast in gewerblichen Pachtverträgen bei OS8 mit bzw. ohne begleitender Rissbehandlung auf direkt befahrenen Parkdecks von Tiefgaragen Dr. Hubert Bauriedl Rechtsanwalt, Partner bei LUTZ | ABEL Rechtsanwalts PartG mbB, München, Deutschland 1. Situation 1.1 Abweichungen vom gesetzlichen Leitbild In Pachtverträgen zwischen Projektentwicklern bzw. Investoren und Parkhausbetreibern über innerstädtische Tiefgaragen ist es Verkehrssitte, dass durch vom Verpächter gestellte AGB von dem gesetzlichen Leitbild der §§ 581 II, 535 I 2 BGB abgewichen wird. Häufig wird eine Gestaltung gewählt, bei der sich die Erhaltungslast (Instandhaltung und Instandsetzung) des Verpächters auf „Dach und Fach“ beschränken soll, worunter der Verpächter einer Tiefgarage nur die „tragende Konstruktion“ verstanden wissen möchte. Bereits die vom Verpächter auf die Bodenplatte und die Zwischendecken aufgebrachten Beschichtungen sollen dagegen von der Erhaltungspflicht des Pächters (Inspektion, Wartung/ Schönheitsreparaturen, Instandhaltung und Instandsetzung einschließlich Erneuerung) umfasst sein. Meist fehlt jedoch eine Definition, was unter „Dach- und Fach“ in einer Tiefgarage genau zu verstehen ist, z.B. hinsichtlich „nicht-tragender Teile der Konstruktion“ oder Dehnungsfugen, wie mit Rissen und Betonabplatzungen zu verfahren ist und wer für die ca. alle 10 Jahre anstehende Erneuerung der Beschichtung aufzukommen hat. 1.2 Stahlbeton als gerissene Bauweise Stahlbeton „funktioniert“ erst wenn und weil Risse auftreten, ohne die die Bewehrung ihre lastabtragende Wirkung nicht entfalten könnte. Damit sind Risse in Stahlbetonbauteilen zunächst vor allem eine Eigenschaft der aus Stahlbetonbauteilen hergestellten Tiefgarage. Technisch geht es somit nicht um die Vermeidung von Rissen in Stahlbetonbauteilen, sondern um die Begrenzung der Rissbreiten auf ein Maß, das mit auf befahrenen Parkdecks nach den anerkannten Regeln der Technik notwendigen „zusätzlichen Maßnahmen (z. B. rissüberbrückende Beschichtung)“ [1] überbrückt werden kann. Für interessierte Kaufleute und Juristen kommt erschwerend hinzu, dass befahrene Parkdecks statisch auf Rissbreiten z. B. „kleiner oder gleich 0,2 mm“ modellhaft-vereinfachend berechnet werden. Alle Risse, die in natura größer als 0,2 mm sind, erscheinen daher als „Sachmangel“ im Rechtssinn. Den beteiligten Technikern ist jedoch zumeist bekannt, dass sich die Baustellenwirklichkeit nicht an diese rechnerische Rissweitenbegrenzung hält, sondern auch Risse größer als 0,3 mm regelmäßig vorkommen. Wer als Projektentwickler keine größeren Risse als 0,3 mm erhalten möchte, müsste somit auf „kleiner oder gleich 0,1 mm“ bemessen lassen, was jedoch zu erheblichen Mehrkosten beim Bewehrungsstahl führt, die von den Projektentwicklern üblicherweise nicht aufgewendet werden wollen. Stattdessen behilft man sich mit in Kauf genommenen konstruktionsbedingten Schwächen, die durch „begleitende Rissbehandlung“ und mindestens 2 x jährlicher „Wartung“ so ausgeglichen werden sollen, dass die nach DIN 1045 bei ordnungsgemäßer Instandhaltung zugrunde zu legende Nutzungsdauer der Stahlbetonbauteile von 50 Jahren noch erreichbar erscheint. 1.3 Beschichtungen direkt befahrener Parkdecks Beschichtungen direkt befahrener Parkdecks sind i. d. R. zugleich „zusätzliche Maßnahmen“ [2] zum Schutz der Stahlbetonbauteile gegen korrosionsauslösende Chloride, welche v. a. im Winterhalbjahr von parkenden Kfz in die Pachtsache eingetragen werden. Zusätzliche Maßnahmen sind dagegen keine Abdichtung gegen von außen in die Pachtsache anstehendes Grundwasser. Starre OS8-Beschichtungen sind im Vergleich zu rissüberbrückenden OS-11-Beschichtungen preiswerter und widerstandsfähiger gegen mechanischen Abrieb. Während OS-11 Beschichtungen in öffentlichen Parkbauten nur bei fachgerechter Instandhaltung 10 Jahre halten, können OS8- Beschichtungen auch eine Nutzungsdauer von deutlich mehr als 10 Jahren erreichen. Beide Beschichtungsarten müssen jedoch bei einer Pachtzeit inklusive Optionszeiten von über 15 Jahren mindestens einmal erneuert werden. Starre OS8-Beschichtungen scheiden als alleinige „zusätzliche Maßnahmen“ immer dann aus, wenn mit einer Rissbildung zu rechnen ist. Denn sie reißen zusammen mit dem Stahlbetonbauteil durch, das sie gegen Chlorideintrag schützen sollten und verlieren damit im Rissbereich die ihnen zugedachte Schutzfunktion. Da in der 248 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Entwurf einer ausgewogenen Verteilung der Erhaltungslast in gewerblichen Pachtverträgen bei OS8 Praxis regelmäßig mit Rissen zu rechnen ist, siehe oben, ist bei Verwendung von OS8 auf befahrenen Bodenplatten eine technisch sicher funktionierende Maßnahme zur „Behandlung“ planmäßig auftretender Risse vorzusehen. Denn ohne „begleitende Rissbehandlung“ ist eine starre Beschichtung schon bei abstrakter Betrachtung keine zweckentsprechende „zusätzliche Maßnahme“. [2] Bei einer statischen Bemessung auf Rissweiten „kleiner oder gleich 0,2 mm“ sind Rissweiten bis 0,4 mm wahrscheinlich, welche weder von einer starren OS8- Beschichtung noch von einer i. d. R. bis zu 0,3 mm rissüberbrückenden OS11-Beschichtung überbrückt werden können. Mit Überschreitung der eigenen Rissüberbrückungsfähigkeit reißt also auch eine als „zusätzliche Maßnahme“ grundsätzlich geeignete „rissüberbrückende“ OS11-Beschichtung durch, wenn sich in dem beschichteten Stahlbetonbauteil ein Riss mit größerer Rissbreite als 0,3 mm auftut. Ohne „begleitende Rissbehandlung“ wäre dann auch eine rissüberbrückende Beschichtung keine für den konkreten Anwendungsfall zweckentsprechende „zusätzliche Maßnahme“. [2] 1.4 Handhabung in der Praxis Da im Vergleich zu OS8teurere OS11-Beschicht-ungen bei Verwendung auf direkt befahrenen Bodenplatten im Grundwasser und rückwärtiger Durchfeuchtung häufig versagen, indem sie Blasen bilden, sich im Rissbereich teilweise vom Untergrund ablösen und unabhängig von der auch zu großen Rissweite schließlich durchreißen, entscheiden sich viele Projektentwickler zusammen mit den o. g. Einsparungen beim Bewehrungsstahl kompromisshaft für die preiswertere OS8 mit begleitender Rissbehandlung. 2. Rechtliche Beurteilung 2.1 Gesetzliches Leitbild Nach dem gesetzlichen Leitbild der §§ 581 II, 535 I 2 BGB ist der Verpächter allein vornahme- und kostentragungspflichtig, die Pachtsache in einem für den vertragsgemäßen Gebrauch, d. h. regelmäßig „zum Betrieb einer innerstädtischen Parkgarage“ geeigneten Zustand zu erhalten. 2.2 Abbedingung des gesetzlichen Leitbilds Dieses gesetzliche Leitbild wird in gewerblichen Pachtverhältnissen durch AGB des Verpächters regelmäßig abbedungen. Verbreitet sind sog. „Dach- und Fachklauseln“. Unter „Dach und Fach“ versteht die Rechtsprechung die Dachsubstanz und die tragenden Gebäudeteile einschließlich der tragenden Wände mit Außenfassaden. [3] Auch in der Wand verlaufende Rohrleitungen fallen unter den Begriff „Dach und Fach“, weil Verrichtungen daran der Erhaltung des Gebäudes in seinem Substanzwert dienen. [4] 2.3 onkrete Ausgestaltung in den AGB Bei der Verpachtung von Tiefgaragen bietet es sich an, den Katalog zu präzisieren, um Streitigkeiten z. B. über die Zuordnung nichttragender Stahlbetonbauteile oder Dehnungsfugen zu „Dach und Fach“ zu vermeiden. Eine Zwitterstellung nimmt dabei die „zusätzliche Maßnahme“ ein. Sie ist einerseits nach den anerkannten Regeln der Technik notwendiger Bestandteil der Konstruktion direkt befahrener Parkdecks, die die Stahlbetonbauteile schützen soll und muss alle 10 Jahre erneuert werden. Andererseits entspricht es dem Willen der Vertragsparteien, die Erhaltungslast für die Beschichtung auf den Pächter abzuwälzen. Das ist für Parkhausbetreiber eine durchaus beherrschbare Aufgabe, genauso wie die mit einer abschnittsweisen Rissbehandlung und der turnusmäßigen Erneuerung verbundenen Beeinträchtigungen des Pachtgebrauchs in verkehrsschwächeren Zeiten, wenn die Pachtsache im Übrigen den anerkannten Regeln der Technik entsprechend hergestellt ist und keine weiteren Gebrauchsbeeinträchtigungen hinzutreten. Gleichwohl bedarf es außerhalb des vorbeschriebenen Rahmens und bei anfänglichen Mängeln der Anwendung der herkömmlichen pachtvertraglichen Gewährleistungsregelungen, welche dem Pächter v. a. die Minderung eröffnen. 2.4 Unwirksame „Dach- und Fachklauseln“ AGB-unwirksam sind sog. „Dach- und Fach“-Klauseln, die dem Pächter die Erhaltungslast einschließlich der Instandhaltung und Instandsetzung von Dach und Fach am gesamten Pachtobjekt ohne betragsmäßige Beschränkung, ohne Beschränkung auf seinen Pachtgebrauch und ohne Ausschluss anfänglicher Mängel überbürden. [5] Als Argumente für die AGB-Unwirksamkeit werden dabei ein für den Pächter unüberschaubares Kostenrisiko [6] sowie eine dem Gesetz widersprechende - den Pächter unangemessenen benachteiligenden - Verlagerung des Erhaltungsrisikos angeführt. [5] AGB-wirksame Klauseln müssen die v. g. unangemessenen Benachteiligungen vermeiden und im Übrigen transparent sein. Derjenige, der die nachfolgende Klausel dem anderen Teil stellt, kann sich auf deren AGB-Unwirksamkeit nicht berufen. Literatur [1] DAfStB-Heft 525, 2. Auflage 2010, S. 19 f. = DAfStB-Heft 600, 1. Auflage 2012, S. 34 f. [2] DIN 1045-1/ 2008 Tabelle 3, Fußnote b). [3] OLG Brandenburg, Urteil vom 18.03.2009 - 3 U 71/ 08. [4] OLG Hamm, Urteil vom 27.04.1988 - 30 U 16/ 88. [5] OLG Rostock, Urteil vom 10.09.2009 - 3 U 287/ 08. [6] Schmidt-Futterer/ Eisenschmid, 15. Auflage 2021, § 535 BGB, Rn. 80. Digitalisierung im Bauwesen 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 251 BIM-zentrierte Bauwerksdiagnosen als Entscheidungshilfe bei der Instandhaltung von Parkbauten aus Stahlbeton Hendrik Morgenstern, M. Sc. Institut für Baustoffforschung der RWTH Aachen University, D-52062 Aachen, Deutschland Univ.-Prof. Dr.-Ing. Michael Raupach Institut für Baustoffforschung der RWTH Aachen University, D-52062 Aachen, Deutschland Zusammenfassung Im Zuge der Instandhaltung von Parkbauten aus Stahlbeton kommt der Erfassung des Ist-Zustandes sowie der Dokumentation der geplanten und durchgeführten Arbeiten eine zentrale Bedeutung zu. Dieser Beitrag soll beispielhaft zeigen, wie Rohdaten aus Bauwerksdiagnose und -monitoring für eine Nutzung in BIM aufbereitet und weiterverarbeitet werden können. Dabei werden sowohl die nötigen Datenschnittstellen aufgezeigt als auch Möglichkeiten der halbautomatischen, visuellen Implementierung von Untersuchungsergebnissen im BIM-Modell und deren Vorteil bei der Instandhaltungsplanung vorgestellt. Das Potenzial von mit Diagnosedaten angereicherten BIM-Modellen als Entscheidungshilfe für den Sachkundigen Planer wird anwendungsnah demonstriert. Die bisherigen Erkenntnisse der Forschungsarbeiten zeigen, dass Building Information Modeling in der Bauwerkserhaltung ein großes Potenzial für effektive Bauwerksdiagnosen und ein effizientes Lebensdauermanagement birgt. 1. Allgemeines 1.1 Digitalisierung im Bauwesen Durch den Stufenplan Digitales Planen und Bauen des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) wurde 2015 die Digitalisierung des Bauwesens offiziell ausgerufen [1]. Die Digitalisierung wird dabei nicht nur von technologischem Fortschritt, sondern auch von Begriffen wie Internet of Things (IoT), Industrie 4.0, Smart Buildings und BIM (Building Information Modeling) begleitet. Im ersten Fortschrittsbericht des Umsetzungsplans des BMVI liegt dabei der Fokus deutlich auf der Verwendung von BIM als Instrument für die Planung, Baufortschrittskontrolle und Informationsbereitstellung [2]. Die öffentliche Hand nimmt bei der Realisierung der Digitalisierung im Bauwesen eine Vorreiterrolle ein. So zeigen beispielsweise die Bundesanstalt für Wasserbau (BAW) und die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) deutliche Ambitionen und beschreiben ein großes Potenzial in der Digitalisierung, für deren effektive Umsetzung jedoch noch eine entsprechende Kollaborationsinfrastruktur geschaffen werden müsse [3, 4]. Aufgrund fehlender systemübergreifender Strukturen und vieler Insellösungen konnten sich die meisten Digitalisierungsmaßnahmen noch nicht zum Standard durchsetzen. Das Building Information Modeling jedoch wird zunehmend gefordert und angewandt, sodass dort eine weitverbreitete Implementierung in naher Zukunft absehbar ist. 1.2 Building Information Modeling (BIM) Building Information Modeling ist eine computergestützte Methode zur Ausführung, Planung und zum Betrieb von Gebäuden. In entsprechenden BIM-Softwares können sämtliche Bauteile grafisch dargestellt und mit spezifischen Informationen versehen werden. Durch einen Klick auf das jeweilige Element werden somit Informationen über den Baustoff, die Geometrie und die Ausführung abrufbar. Bei der Nutzung dieses Bauwerksmodells wird zwischen Closed-BIM- und Open-BIM-Prozessen unterschieden. Bei Closed-BIM muss für die Zusammenarbeit eine bestimmte Software genutzt werden, die für den jeweiligen Zweck optimiert wurde und in der Regel lizenzpflichtig ist. Bei Open-BIM wird ein offenes Dateiformat gewählt, das die Arbeit mit verschiedenen Programmen erlaubt, sodass alle am Bauprozess Beteiligten Zugriff auf das Modell haben können. In der Regel wird bei Open-BIM-Prozessen das IFC-Format (Industry Foundation Classes) genutzt. Dieses ist der offene Standard im Bauwesen und wird durch das Kompetenznetzwerk buildingSMART e.V. definiert. Das IFC-Format ist auf Vereinheitlichung und Normierung ausgelegt, was jedoch zulasten der Komplexität geht. 252 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 BIM-zentrierte Bauwerksdiagnosen als Entscheidungshilfe bei der Instandhaltung von Parkbauten aus Stahlbeton Jedes BIM-Element trägt gewisse Informationen, sogenannte Merkmale, welche das Bauteil definieren oder die Spezifikationen beschreiben. Beim Übertrag in das offene IFC-Format kann es jedoch zu Informationsverlust kommen, wenn die Merkmale nicht in das IFC-Muster passen. Daher wird für eine einheitliche Datenkommunikation durch das buildingSMART Data Dictionary (bsDD) eine Art Wörterbuch für die gemeinsame Sprache in der BIM-gestützten Zusammenarbeit gegeben. Da auch das bsDD jedoch nicht alle nötigen Fälle abdeckt, wird die Verwendung eines (nationalen) Merkmalservers für die einheitliche Informationsübergabe vorgeschlagen [5]. Neben diesen derzeit noch bestehenden strukturellen Herausforderungen sollte beachtet werden, dass zwischen Modellierung und Realisierung stets eine gewisse Diskrepanz herrschen wird. So versteht die BAW trotz aller Möglichkeiten BIM in erster Linie als ein Werkzeug zur Optimierung des Planungsergebnisses [6]. Als ein solches findet es bis dato primär Anwendung in Neubau und Planung. 1.3 BIM-basierte Bauwerkserhaltung Bei gründlicher Planung beschreiben BIM-Modelle den Soll-Zustand teils äußerst präzise. Der Ist-Zustand nach der Ausführung findet seinen Weg bislang jedoch nicht in das entsprechende Modell zurück. Entsprechend eignet sich das Modell primär für die Planung des Neubaus, weniger jedoch für die Planung einer später gegebenenfalls nötigen Instandsetzungsmaßnahme. Um dies zu ändern und somit den technischen Wertverlust des BIM-Modells nach der Bauphase zu vermeiden, forscht das Institut für Baustoffforschung (ibac) der RWTH Aachen University an Maßnahmen zur BIM-basierten Bauwerkserhaltung. Diese soll nach der Realisierungsphase u.a. folgende Bereiche umfassen: • Zustandserfassung • Instandsetzungsplanung • Instandsetzungsausführung • sensorbasiertes Monitoring • Dauerhaftigkeitsprognosen • Handlungsempfehlungen In dem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) geförderten ZIM-Projekt DigiPark werden die ersten Schritte hin zu einer BIM-basierten Bauwerkserhaltung erforscht. Ausgehend von diesem Projekt wurde das ebenfalls BMWi-geförderte Innovationsnetzwerk (www.bim-xd.de) gegründet, das die Vision einer vollständigen Digitalisierung von Bestandsgebäuden und deren Instandhaltung verfolgt. Das Netzwerk vereint Kompetenzen der Bauwerksdiagnose, Instandsetzungsplanung und Bauausführung sowie aus den Bereichen der Soft- und Hardwareentwicklung, sodass alle erforderlichen Entwicklungen innerhalb des Netzwerkes erarbeitet werden können. In der Bauwerkserhaltung stellen die Komplexität und Individualität von Instandsetzungen im Vergleich zum Neubau eine besondere Herausforderung dar. Es gibt ebenso wenig die Standardlösung wie es den Standardschaden gibt. Entsprechend müssen die digitalisierten Methoden besonders anpassungsfähig und auf die verschiedensten Untersuchungsgegenstände anwendbar sein. Eine wesentliche Notwendigkeit zum BIM-basierten Erhalten ist das Vorhandensein eines BIM-Modells. Da dies bei instandsetzungsbedürften Parkbauten i. d. R. nicht vorliegt, muss es nachträglich erstellt werden. Dazu werden Punktwolken verwendet. 2. Digitale Bestandserfassung 2.1 Punktwolkenerstellung Mittels moderner Laserscanner ist die präzise Erstellung von Laserscans sowie das anschließende Zusammensetzen der einzelnen Scans zu einer Punktwolke sehr anwendungsfreundlich umsetzbar. Diese Punktwolken bestehen aus einigen Millionen Distanzmessungen und enthalten somit die relativen Raumkoordinaten der gescannten Flächen bzw. Objekte. Bei entsprechender Hardware werden den einzelnen Punkten zusätzlich zu ihrer Verortung Farbinformationen hinzugefügt, sodass ein recht präzises Abbild der Realität geschaffen werden kann. In der Punktwolke können Entfernungen zwischen den einzelnen Punkten gemessen werden, sodass Distanzen, Winkel, Flächen, Volumina und theoretisch auch Krümmungen anschließend am PC bestimmt werden können. Die Genauigkeit hängt dabei im Wesentlichen vom verwendeten Laserscanner ein. Bei den Messungen des ibac wurde der Leica RTC 360 verwendet, der nach Herstellerangaben eine Genauigkeit von 1,9 / 2,9 / 5,3 mm bei einer Entfernung von 10 / 20 / 40 m aufweist. Ein möglicher Nutzen der Bemaßung über die Punktwolke ist in Abbildung 1 dargestellt, die links die herkömmliche und rechts die punktwolkenbasierte Herangehensweise bei der Vermessung einer Schadstelle zeigt. In der Punktwolke können Breite (104 mm), Höhe (121 mm), Tiefe (12,5 mm) sowie Bewehrungsstabdurchmesser (5,8 mm) abgegriffen werden. Abbildung 1: Herkömmliche (links) und punktwolkenbasierte (rechts) Vermessung einer Schadstelle 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 253 BIM-zentrierte Bauwerksdiagnosen als Entscheidungshilfe bei der Instandhaltung von Parkbauten aus Stahlbeton Um Schadstellen präzise in der Punktwolke vermessen zu können, muss diese eine gewisse Punktdichte bzw. Auflösung (x Messpunkte pro cm²) aufweisen. Ebenso ist es für die nachträgliche BIM-Modellierung von großer Bedeutung, dass die Punktwolke den Bestand möglichst vollständig abbildet. Insbesondere bei Parkbauten enthält die Baustruktur oft einige schattenwerfende Elemente, wie beispielsweise Stützen. Damit die Punktwolke für sowohl Schadstellenerfassung als auch die nachträgliche BIM-Modellierung effektiv genutzt werden kann, müssen vor der der Punktwolkenerstellung folgende Fragen beantwortet werden: • Welche Auflösung wird benötigt, um Schäden ausreichend präzise zu erfassen? • Welcher Verschattungsgrad ist akzeptabel für die BIM-Modellierung? • Welche Leistungsmerkmale muss der Laserscanner erfüllen bzw. Einstellung ist nötig? • Wie viele Scans sind durchzuführen? • Wo ist der Scanner jeweils zu positionieren? Die Antworten auf diese Fragen sind bauwerks-, projekt- und hardwarespezifisch, sodass sie nicht allgemeingültig beantwortet werden können. Eine individuelle Bewertung der Gebäudestruktur und Punktwolkenerstellung durch eine fachkundige Person würde zu zusätzlichen Kosten führen und die Hemmnisse bei der nachträglichen Digitalisierung weiter erhöhen. Dabei ist die Durchführung von Laserscans mittlerweile so benutzerfreundlich geworden, dass sie auch von ungeschultem Personal und sogar autonom agierenden Robotern umgesetzt werden kann, sofern eine entsprechende Planung vorliegt. Daher wurde am ibac ein Verfahren entwickelt, das die Planung einer Punktwolkenerstellung automatisiert. 2.2 Automatisierte Scanplanung Im Zuge der Arbeiten des oben genannten DigiPark-Projektes wurde ein Python-Skript geschrieben und im Rahmen einer Masterarbeit und einer Kooperation mit Leica Geosystems ausgebaut, das die automatisierte Scanplanung anhand von in Bitmaps transferierten 2D-Grundrissen, siehe Abbildung 2, und der Vorgabe diverser Randbedingungen bzw. Anforderungen (Hardwarespezifikationen des verwendeten Laserscanners, gewünschte Punktdichte, …) ermöglicht. Abbildung 2: 2D-Grundriss eines Parkbaus als Bitmap dargestellt (Rohbau schwarz, Luft weiß) Ein Eingangsparameter des Skriptes ist beispielsweise die Mindestüberlappung, sodass jeder Scanpunkt mindestens eine bestimmte Anzahl an bereits erfasster Punkte sieht. Auf diese Weise können die Scanner so positioniert werden, dass die Registrierung (quasi Zusammenfügung) der einzelnen Scans zu einer Punktwolke ohne manuelle Arbeitsschritte automatisch funktioniert. Dieses Vorgehen ist insbesondere relevant für die Punktwolkenerstellung mit autonomen Robotern, die ohne besondere Ausrichtung / Nivellierung des Scanners oder Korrekturen durch Bedienung eines Menschen agieren sollen. In Abbildung 3 ist ein Ergebnis einer automatisierten Scanplanung in der Software Cyclone REGISTER 360 (Leica Geosystems) dargestellt. Routenplanung und Registrierung erfolgten ohne weiteres Zutun eines Menschen. Das Ergebnis ist eine stabile, verschattungsarme Punktwolke mit quantifizierter Auflösung. Das ibac-Skript prüft entsprechend der Eingabeparameter unter Anderem, ob die geforderte Auflösung erfüllt wurde und gibt Quantilwerte für die Mindestauflösung an (beispielsweise „Mindestens 90 % der gescannten Fläche haben eine Auflösung von 10 Punkten pro cm².“). 254 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 BIM-zentrierte Bauwerksdiagnosen als Entscheidungshilfe bei der Instandhaltung von Parkbauten aus Stahlbeton Abbildung 3: Draufsicht einer Punktwolke mit Markierung von Scanpositionen und Route Derzeit werden am ibac dutzende, automatisch geplante Punktwolken von zwei Parkbauten ausgewertet, um den Einfluss verschiedener Parameterkombinationen auf die Verwertbarkeit von Punktwolken für die Bauwerkserhaltung zu untersuchen. Das Ziel dieser Forschung ist es, die für verschiedene Anforderungen nötigen Parametereinstellungen zu ermitteln und anschließend bedarfsgerechte Punktwolken über automatisierte Planungen (und autonome Roboter) erstellen zu können. Über die quantifizierende Analyse der Scanplanung wäre es auch denkbar, Qualitätsniveaus für Punktwolken zu definieren und für gewisse Nutzungen zu vereinheitlichen. Liegen qualitativ hochwertige Punktwolken vor, eröffnen diese neue Möglichkeiten der Bestandsbewertung. 2.3 Funktionalisierte Punktwolken In Abbildung 1 wurde mit der Schadstellenvermessung bereits eine Funktion von Punktwolken demonstriert, allerdings mussten die Maße in diesem Beispiel noch händisch aus der Punktwolke abgegriffen werden. Präzision und Qualitätskontrolle mögen zwar dadurch gegenüber der herkömmlichen Herangehensweise erhöht sein, jedoch ist der Aufwand möglicherweise zu hoch für die flächendeckende Anwendung. Da Bauwerke in der Regel sehr viele Elemente mit unterschiedlichen Geometrien aufweisen, ist die automatische Identifizierung von Schadstellen nicht trivial. Allerdings können Änderungen in Punktwolken relativ einfach objektiv erfasst werden. In einem untersuchten Parkbau wurde eine Schadstelle in einer Bodenplatte gefunden, die aufgrund von Bewehrungskorrosion starke Betonabplatzungen aufwies, aufgrund ihrer Orientierung lag die abgeplatzte Betondeckung jedoch noch in der Schadstellenmulde, siehe Abbildung 4. Abbildung 4: Schadstelle in einer Bodenplatte mit (links) und ohne (rechts) abgeplatztem Beton In diesem Fall wurde die Schadstelle mit einem Laserscanner zuerst vermessen, wie sie vorgefunden wurde, und anschließend noch einmal, nachdem die Betonbruchstücke entfernt wurden. Dadurch lagen nun eine Vorher- Punktwolke („Neubau“) und eine Nachher-Punktwolke („instandsetzugsbedürftiger Bestand“) vor. Die beiden Punktwolken sind abgesehen von der Schadstelle nahezu identisch, sodass ein Differenzabgleich möglich ist. In der Open-Source-Software CloudCompare wurden die beiden Punktwolken mit dem M3C2-Plugin gegenübergestellt und ausgewertet. Das Ergebnis der Differenzanalyse ist in Abbildung 5 dargestellt. In der Legende rechts in der Abbildung sind die Abweichungen in m gegeben, sodass der Tiefpunkt der Schadstelle ~2,5 cm beträgt. Abbildung 5: Ergebnis einer Differenzanalyse zweier Punktwolken (Vorher-Nachher-Vergleich) Sowohl die Koordinaten der Punktwolken als auch die die Distanzen der Differenzanalyse können als Datensatz exportiert und somit weiterverarbeitet werden. Über ein am ibac entwickeltes Python-Skript können die Differenzen geplottet und darüber hinaus auch Fläche und Volumen der Schadstelle berechnet werden, siehe Abbildung 6. In 12,14 s Rechenzeit wurden die Punkte grafisch dargestellt sowie eine Schadstellenfläche von 0,17 m² und 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 255 BIM-zentrierte Bauwerksdiagnosen als Entscheidungshilfe bei der Instandhaltung von Parkbauten aus Stahlbeton ein Fehlvolumen von 2,9 Liter berechnet. Diese Werte konnten durch manuelles Vermessen (im Rahmen der händischen Genauigkeit) validiert werden. Abbildung 6: Auswertung der Schadstellenkoordinaten in Python Nun ist insbesondere bei der erstmaligen digitalen Bestandserfassung nicht davon auszugehen, dass eine Vorher-Punktwolke zum Differenzabgleich vorliegt. In solchen Fällen kann aus der Nachher-Punktwolke jedoch ein sogenanntes Mesh (Masche/ Netz) abgeleitet und ggf. geglättet werden. In diesem Fall wurde die Punktwolke mit der Software Pointfuse in ein grobes Mesh transformiert, sodass die Schadstelle aufgrund der groß eingestellten Maschenweite geglättet wurde. Aus dem Mesh lässt sich wieder eine Punktwolke ableiten, indem die Maschenweite mit generischen Punkten aufgefüllt wird. Auf diese Weise kann quasi aus der Nachher- Punktwolke eine idealisierte, geglättete Vorher-Punktwolke erstellt werden. Mit diesen beiden Punktwolken kann wiederum eine Differenzanalyse durchgeführt werden, deren Ergebnis in Abbildung 7 dargestellt ist. Diese Methode birgt eine gewisse Unschärfe, ist verglichen mit den herkömmlichen Methoden jedoch immer noch sehr präzise. Abbildung 7: Ergebnis einer Differenzanalyse aus einer Punktwolke (Mesh-Nachher-Vergleich) Der gesamte Workflow (Import, Meshing / Glätten, Differenzanalyse, Export, Vermessung) zur Lokalisierung und Vermessung von Schadstellen kann und soll langfristig automatisiert werden. In den ersten Schritten ist dies am ibac bereits geschehen, an den übrigen wird noch weiter geforscht. Es ist ebenso geplant, die Schadstellen nicht nur zu identifizieren, sondern die aus der Punktwolke gewonnen Informationen in das BIM-Modell zu übertragen, sodass ein Modell entsteht, das keine idealisierten Bauteiloberflächen / -strukturen zeigt, sondern auch die Schadstellen beinhält. 3. Angereicherte BIM-Modelle 3.1 „BIM as built“ Ein As-built-Modell bezeichnet ein (BIM-)Modell, das dem tatsächlich ausgeführten Zustand entspricht. Bei bislang nicht digitalisierten Bestandsbauten entspricht jedes nachträgliche BIM-Modell einem As-built-Modell, siehe beispielsweise Abbildung 8. „As built“ beschränkt sich in der Regel jedoch auf geometrische Attribute und nicht auf Bauteileigenschaften. Das erstellte Modell mag größtenteils so aussehen wie in Realität (in der Regel werden Flächen idealisiert), enthält jedoch noch keine bauwerkserhaltungsrelevanten Informationen, es dient lediglich als 3D-Planunterlage für die folgenden Schritte. Das Hinzufügen von Informationen ist in den BIM-Modellen nur in einem gewissen Rahmen vorgesehen, der für die Bauwerkserhaltung derzeit nicht geeignet ist [7]. Entsprechend müssen alle Ergebnisse der Bauwerksuntersuchung jedem Element (Bauteil) einzeln hinzugefügt werden. Bei der Kartierung von dutzenden Prüfstellen, hunderten Rissen oder tausenden Werten eines Flächenscan-Rasters wäre eine manuelle Implementierung weder wirtschaftlich noch praxistauglich. Abbildung 8: Punktwolke (oben) und abgeleitetes BIM- Modell (unten) eines Parkbaus 256 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 BIM-zentrierte Bauwerksdiagnosen als Entscheidungshilfe bei der Instandhaltung von Parkbauten aus Stahlbeton Eine mögliche Lösung für die Datenimplementierung in BIM, die am ibac verfolgt wird, nutzt die Visuelle Programmierung. Mit der BIM-Software Revit (Autodesk) kann das Open-Source Plugin Dynamo genutzt werden, um Elemente im Modell zu erstellen oder mit zusätzlichen Informationen zu versehen. Auf diese Weise genügt es, die zu importierenden Informationen in einer Excel-Tabelle zur Verfügung zu stellen, und mit der Ausführung des Programmier-Skriptes werden die Daten (bspw. Untersuchungsergebnisse) dem jeweiligen Element im BIM-Modell hinzugefügt. Visuelle Programmierung ist zwar wesentlich intuitiver und einsteigerfreundlicher als die herkömmliche Arbeit mit Programmiersprachen, erfordert aber dennoch eine gewisse IT-Kompetenz. Für die praktische Anwendung genügt es allerdings, ein Skript ausführen zu können. Die Entwicklungsarbeit der jeweiligen Import-Skripte kann vollständig ausgelagert werden. Das Verorten bzw. Hinzufügen der jeweiligen Diagnoseergebnisse ist anschließend nicht schwieriger als die gewöhnliche Bedienung einer BIM-Software. Ziele der Bauwerksuntersuchung bzw. Zustandserfassung sind die Bewertung des Bauteiles und die Abschätzung der zu erwartenden Restnutzungsdauer bzw. der durchzuführenden Maßnahmen. In der statischen Bewertung von Bestandsbauwerken werden bereits zerstörungsfreie Prüfungen (zfP) und Diagnoseinformationen als Basis für vollprobabilistische Modelle genutzt [8]. Für ein strukturiertes und übersichtliches Informationsmanagement findet dort ebenfalls das Konzept des modellbasierten Prüfens unter Verwendung von BIM-Modellen Anwendung [9]. Aus den Bauwerksinformationen liegen womöglich Angaben über den verwendeten Beton oder sogar Prüfergebnisse an Referenzprüfkörpern vor. In vergleichenden Untersuchungen konnte jedoch gezeigt werden, dass in situ die bestimmten Druckfestigkeiten durchschnittlich 20 % geringer und die ermittelten Carbonatisierungsbzw. Chloridmigrationskoeffizienten 40 bis 50 % höher als jene der separat hergestellten Vergleichsprobekörper sind [10]. Als Konsequenz daraus sollte also für eine zuverlässige Bewertung des Bauteilzustandes eine umfassende Diagnose durchgeführt werden. Neben invasiven Verfahren zur Bestimmung der Druckfestigkeit gibt es auch zerstörungsfreie Prüfungen, um bspw. Betondeckung oder Korrosionsaktivität zu prüfen. Im Idealfall liefert die Bauwerksdiagnose Angaben zu folgenden Bauteileigenschaften: • Betondeckung • Bewehrungslage • Carbonatisierungstiefe • Chloridgehalt (tiefengestaffelt) • Korrosionspotenzial (flächig) • Rissbild • Schadstellen Für eine effektive BIM-basierte Zustandserfassung und -bewertung müssen die verschiedenen Diagnoseergebnisse vollständig maschinenlesbar und ortsaufgelöst in das Modell übertragen werden. Dazu müssen die Daten aus dem jeweiligen Messgerät mit der ggf. proprietären Software in ein gängiges Format wie bspw. Excel-Tabellen exportiert werden. Auf diese Weise werden die Diagnosedaten für eine kollaborative Weiterverarbeitung zur Verfügung gestellt. Anschließend erfolgt der Import wie bereits erläutert z. B. über Visuelle Programmierung in das BIM-Modell. 3.2 Praxisbeispiele für BIM-implementierte Diagnoseergebnisse Ein einfaches Beispiel für BIM-implementierte Diagnoseergebnisse ist in Abbildung 9 dargestellt. Dort wurde ein Bohrkern in einer Wand mit Informationen zu Durchmesser, Tiefe, Volumen, Carbonatisierungstiefe, Druck- und Haftzugfestigkeit hinterlegt. Abbildung 9: Implementierung eines Bohrkerns mit Diagnosedaten in einer Wand Neben der punktuellen Hinterlegung von einzelnen Messpunkten können auch aus diesen weitere Elemente abgeleitet werden. In Abbildung 10 wurden aus den einzelnen Messpunkten von Betondeckungsmessungen die Punkte der Bewehrungslage interpoliert und somit die tatsächliche Lage der Bewehrung approximiert. Abbildung 10: Interpolierte Ist-Bewehrungslage aus Betondeckungsmessungen 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 257 BIM-zentrierte Bauwerksdiagnosen als Entscheidungshilfe bei der Instandhaltung von Parkbauten aus Stahlbeton In Verbindung mit Chloridprofilen, die ebenfalls halbautomatisch implementiert werden können, lassen sich über das BIM-Modell Aussagen zum Chloridgehalt in Tiefe der Bewehrungslage treffen, siehe Abbildung 11. Abbildung 11: Interpolierte Bewehrungslage und tiefengestaffeltes Chloridprofil (M.% bezogen auf Betonmasse) in einer Bodenplatte Die Korrosionsaktivität kann als Ergebnis einer flächigen Potenzialfeldanalyse ebenso im BIM-Modell hinterlegt und visualisiert werden, siehe Abbildung 12. Bei der Implementierung wurde darauf geachtet, dass die Informationen beim Export ins IFC-Datenformat erhalten bleiben. Bei den gezeigten Beispielen wurde der kostenlose BIM-Viewer BIMvision (Datacomp) genutzt. Über das Plugin „Advanced Reports“ können die Bauteile entsprechend ihres Attributwertes eingefärbt werden. Aufbauend auf der Zustandserfassung können die Bauteile nun effizient hinsichtlich ihrer Instandsetzungsbedürftigkeit bewertet werden. Die Diagnoseergebnisse können variabel ein- und ausgeblendet werden. Es können einzelne Eigenschaften oder auch ihre Kombinationen betrachtet werden. Flächige Scans können in übereinander liegenden Lagen angezeigt werden. Die Implementierung der Diagnoseergebnisse hängt vom verwendeten Skript ab und die Möglichkeiten werden lediglich durch die jeweilige Programmiersprache bzw. das Datenformat beschränkt. Neben den unmittelbaren Messgrößen wie bspw. der Carbonatisierungstiefe können auch andere Informationen dargestellt werden wie bspw. die Restnutzungsdauer. Die Berechnung solcher sekundären Größen kann ebenfalls im Hintergrund der BIM-Umgebung durchgeführt werden. Für gängige Korrosionsmodelle wurden am ibac bereits BIM-kompatible Skripte geschrieben, die Prognosen und andere Berechnungen durchführen und somit bspw. die Versagenswahrscheinlichkeit eines Bauteiles im BIM-Modell darstellen können. Auf diese Weise können beispielsweise kritische Bereiche identifiziert werden, die anschließend mit Sensorik gezielt überwacht werden. Dadurch kann ein Korrosionsmonitoring effizient eingesetzt werden, um Zustandsdaten zu sammeln und Prognosen zu validieren. Neben der Einfärbung und gegenüberstellenden Visualisierung der Diagnoseergebnisse ist es auch möglich, Handlungsempfehlungen in Abhängigkeit der Zustände automatisiert zu generieren. Abbildung 12: Beispiel zur Visualisierung flächiger Diagnoseergebnisse (hier Potenzialfeld) in BIM 4. BIM-zentrierte Handlungsempfehlungen Wenn in einem BIM-Modell alle vorliegenden Informationen maschinenlesbar hinterlegt werden, kann dieses prinzipiell alle mathematischen Analysen und statistischen Auswertungen automatisiert durchführen. Dabei besteht die Möglichkeit, ortsspezifische Analysen durchzuführen und nur Teile der Informationen abzurufen, um bspw. nur die Chloridgehalte von Stützenfüßen zu untersuchen oder lediglich die Korrosionsaktivität in der Bodenplatte. In jedem Fall können Warnmeldungen gefährliche Über- oder Unterschreitungen ankündigen und geeignete Gegenmaßnahmen vorgeschlagen werden. Zu diesem Zweck werden in einer Masterarbeit am ibac die Randbedingungen der verschiedenen Instandsetzungsverfahren nach der Technischen Regel Instandhaltung von Betonbauwerken (TR IH) [11] über ein Dynamo- Skript in der BIM-Umgebung rechenfähig hinterlegt. Über verschiedene Eingabemasken (vgl. Abbildung 13) werden ggf. Vorgaben definiert und verschieden Arten der Auswertung gewählt, um bspw. die maßgebende Carbonatisierungstiefe als größten Einzelwert, als Mittelwert oder als 90%-Quantil zu berechnen. 258 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 BIM-zentrierte Bauwerksdiagnosen als Entscheidungshilfe bei der Instandhaltung von Parkbauten aus Stahlbeton Abbildung 13: Eingabemaske zur Wahl von Auswertemethoden und Eingangsparametern Nach dem jeweiligen Input vergleicht das Programm bauteilspezifisch die vorliegenden Widerstände (bspw. charakteristische Betondeckung) mit dem jeweiligen Einfluss und prüft, welche Verfahren nach der TR IH einsetzbar sind und welche nicht. Dabei kann das Skript auch Prognosen durchführen und somit die Zeit ermitteln, die ein Verfahren noch anwendbar ist bzw. bis eine Randbedingung der TR IH nicht mehr eingehalten wird. Die Handlungsempfehlungen sind theoretisch beliebig erweiterbar. So können bereits nötige Abtragstiefen und Ersatzschichtdicken und, bei der Vorgabe von Einheitspreisen über eine der Eingabemasken, Kostenschätzungen berechnet werden. Somit können für jedes Bauteil die geeigneten Instandsetzungsverfahren und die wirtschaftlichsten Ausführungszeitpunkte ermittelt werden. Eine Optimierung der Instandsetzung für jedes einzelne Bauteil inkl. statistischer Datenaufbereitung und zeitlicher Gegenüberstellung der verschiedenen Optionen wäre manuell kaum praktikabel umsetzbar. Die Analyse des Ist-Zustandes und die Planung der nötigen Instandsetzung kann daher über ein angereichertes BIM- Modell und die damit erstellten Handlungsempfehlung ideal unterstützt werden. Daneben erlaubt eine digitale Zustandserfassung ein nachhaltiges Datenmanagement, indem alle vorliegenden Informationen übersichtlich gebündelt und vollständig erhalten werden. 5. Schlussfolgerungen und Ausblick Das vorgestellte Konzept zur Digitalisierung der Bauwerkserhaltung baut auf den technischen Fortschritten der letzten Jahre auf und leitet eine modellzentrierte Arbeitsweise ein. Daten sollen strukturiert aufbereitet, gesammelt und vernetzt werden. Punktwolken können automatisch geplant, in ihrer Qualität quantifiziert und hinsichtlich der Bauwerkserhaltung optimiert ausgewertet werden. Mit BIM-gestützten Auswertungen werden Handlungsmöglichkeiten vorgeschlagen und Bewertungen unterstützt. Mit einem vertretbaren Aufwand wächst über die Nutzungsdauer hinweg ein BIM-Modell, das nicht nur den Soll-Zustand, sondern auch den Ist-Zustand verlässlich wiedergibt. Aus dem bisherigen Arbeitsstand können folgende Schlussfolgerungen gezogen werden: • BIM-visualisierte Diagnosen ermöglichen effiziente Analysen • Untersuchungsergebnisse bleiben maschinenlesbar erhalten und können für weitere Analysen genutzt werden (digitales Bauwerksbuch) • Datenanalyse und Handlungsempfehlungen über BIM-Modelle führen zu zeitlich und örtlich aufgelösten Zustandsbewertungen • digitalisierte Bauwerksdiagnosen ermöglichen effiziente Hightech-Instandsetzungen. • Automatisierung und Funktionalisierung erhöhen Rentabilität digitalisierter Maßnahmen Derzeit forscht das ibac an der Erweiterung der vorgestellten Methoden und der Kombination von Handlungsempfehlungen mit der Echtzeit-Analyse von Messdaten aus Monitoring-Systemen sowie an präziseren Prognoseverfahren. Parallel dazu werden, um die nachträgliche Digitalisierung von Bestandsbauwerken weiter zu vereinfachen, Möglichkeiten der robotergestützten Punktwolkenerstellung und Bauwerksdiagnose untersucht. In naher Zukunft soll das angereicherte BIM-Modell mit Augmented Reality (AR) verknüpft werden, um die Informationen zu Bauteilzuständen in situ auf die betrachtete Fläche zu projizieren. 6. Danksagung Die Autoren danken dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) für die Förderung des Forschungsprojektes „Bri-San-T - DigiPark“ (Förderkennzeichen 16KN062138) sowie den beteiligten Projektpartnern Massenberg GmbH, Koch GmbH, Zensor SE (Belgien) und dem Geodätischen Institut der RWTH Aachen University (gia). Besonderer Dank gilt außerdem dem Ingenieurbüro Raupach Bruns Wolff GmbH und dem Betreiber des untersuchten Parkbaus für die Bereitstellung des Objektes als Reallabor sowie den beteiligten Studierenden für Ihre wertvolle Zuarbeit. Literatur [1] BMVI, Stufenplan Digitales Planen und Bauen - Einführung moderner, IT-gestützter Prozesse und Technologien bei Planung, Bau und Betrieb von Bauwerken, Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, 2015. [2] B.f.V.u.d. Infrastruktur, Umsetzung des Stufenplans Digitales Planen und Bauen - Erster Fortschrittsbericht, Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, 2017, p. 23. 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 259 BIM-zentrierte Bauwerksdiagnosen als Entscheidungshilfe bei der Instandhaltung von Parkbauten aus Stahlbeton [3] C. Heinzelmann, J. Bödefeld, Z. Duric, Digitalisierung im Verkehrswasserbau, Bautechnik 97(6) (2020) 441-445. [4] B.f. Wasserbau, Digitalisierung im Verkehrswasserbau, Digitalisierung im Verkehrswasserbau, Bundesanstalt für Wasserbau, Hannover Congress Centrum, 2018. [5] G. Fröch, W. Gächter, A. Tautschnig, G. Specht, Merkmalserver im Open-BIM-Prozess, Bautechnik 96(4) (2019) 338-347. [6] J.L. Bödefeld, Stefan, BIM - Hype, Risiken und Chancen, Neubau von Wasserbauwerken, Bundesanstalt für Wasserbau, Karlsruhe, 2019. [7] S. Kubens, J. Landis, C. Müller, R. Achenbach, BIM-basierte Instandsetzung von Stahlbetonbauwerken, beton 12 (2019) 454-459. [8] S. Küttenbaum, S. Maack, T. Braml, A. Taffe, M. Haslbeck, Bewertung von Bestandsbauwerken mit gemessenen Daten, Beton- und Stahlbetonbau 114(6) (2019) 370-382. [9] H.G. Oltmanns, H. Oltmanns, A. Dirks, BIM-Modelle und die Bearbeitung durch Prüfingenieure, Bautechnik (2019). [10] F. Jacobs, Dauerhaftigkeit von Beton im Bauteil, Beton- und Stahlbetonbau 114(6) (2019) 383-391. [11] Deutsches Institut für Bautechnik (DIBt): Technische Regel - Instandhaltung von Betonbauwerken (TR Instandhaltung) - Teil 1: Anwendungsbereich und Planung der Instandhaltung, 2020-05. 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 261 BIM in der Bauwerkserhaltung - Anwendung in der Planung und Ausführung einer KKS-Anlage Mathis Münzner, Hannes Ahlgrimm Unternehmensbereich Bauwerkserhaltung Zusammenfassung Die Digitalisierung ist im Alltag gegenwärtig die neue Arbeitsmethodik Building Information Modeling (BIM) kommt auch im Bauwesen eine immer größere Bedeutung zu. BIM bezeichnet eine kollaborative Arbeitsmethode unter Anwendung digitaler objektorientierter Bauwerksmodelle über alle Phasen des Lebenszyklus hinweg. Wesentliche Mehrwerte stellen dabei die erhöhte Planungsqualität, verbesserte Kollaboration, Kosten- und Terminsicherheit und durchgängige Dokumentation dar, welche mehr Effizienz in der Planung, Errichtung und Betrieb von Gebäuden schaffen. Im Mittelpunkt der BIM Methodik steht eine zentrale, qualitätsgesicherte Informationsverwaltung zur Organisation, Sammlung, Auswertung, Koordination, Archivierung und Bereitstellung von digitalen Daten für alle Projektbeteiligten. Insbesondere bei der Planung, Ausführung und dem Betrieb von KKS-Anlagen ist eine umfängliche Datenzusammenführung erforderlich, welche die Verwendung im Projekt unabdingbar macht. Die Arbeitsmethode ist prozessorientiert und basiert auf einer über den Projektverlauf sich entwickelnden Modellverfeinerung. Dieser Ansatz ist deckungsgleich mit dem in der Instandsetzungsplanung von Garagen etablierten stufenweise Herangehensweise. Das geometrische Informationsmodell mit seinen in der Lage verorteten Objekten dient durchgängig als zentraler Sammelpunkt aller Projektdaten. An die im Modell verfügbaren 3D Körper können beliebig viele Informationen angehängt werden, ein wesentlicher Vorteil gegenüber einer 2D CAD Zeichnung. Somit sind zu jedem Zeitpunkt die aktuellen Daten jedem Projektbeteiligten vollumfänglich verfügbar. Der vorliegende Beitrag beschreibt am Beispiel einer Parkhaus- und Tiefgaragensanierungen die Herangehensweise für die Verwendung der digitalen Planungsmethode BIM in der Planung von KKS Anlagen. Neben den inhaltlichen Anforderungen wird auf die Tiefgaragensanierungen geltenden spezifischen Rahmenbedingungen eingegangen. Bild: Informationsmodell mit KKS-Datenbasis 262 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 BIM in der Bauwerkserhaltung - Anwendung in der Planung und Ausführung einer KKS-Anlage Einführung in die BIM Methode und BIM Anwendungsfälle in der Bauwerkserhaltung Building Information Modeling bezeichnet eine Arbeitsmethodik, bei der über alle relevanten Informationen und Daten an einer Stelle konsistent erfasst, verwaltet und den Projektbeteiligten zur Verfügung gestellt werden. Die Organisation der Informationen erfolgt durch Verknüpfung der Informationsdomänen (wie z.B. Dokumente und Bestandspläne, Termine und Vorgänge, etc.) mit dem zentralen Geometrieobjekt des BIM Modells. Bild: Zentrales Informationsmanagement BIM BIM Ziele im Projekt Auf Grundlage der gemeinsamen Datenbasis und der leichten Zugänglichkeit für alle Beteiligten, ergeben sich folgende Projektziele für die Verwendung BIM: • Verbesserte Planungsqualität Vereinfachte und teilautomatisierte Erkennung von geometrischen und nichtgeometrischen Abweichungen. Überprüfung der Planung und Kostenprognose anhand von Bauteiltabellen. • Erhöhte Terminsicherheit Durch das konsistente Mengengerüst und die Verknüpfung von Modellelementen können mit dem Bauablauf konsistente Terminpläne erstellt werden. • Kostensicherheit in allen Planungsphasen Durch Verknüpfung von Kosten zu den Mengen aus den Modellen können anhand von Bauteillisten bereits in der Untersuchung der Instandsetzungsvarianten Kostenermittlungen erstellt werden. • Digitales Risikomanagement Anhand der Aufgabenverfolgung und Fortschrittskontrolle am Modell können Projektrisiken früher erkannt, analysiert, bewertet, überwacht und gesteuert werden. • Digitales Risikomanagement Klare Informationsanforderungen und Verantwortlichkeiten schaffen die Grundlage für einen bedarfsgerechten Übergang von der Bauin die Betriebs- und Nutzungsphase der Gebäude. Die Umsetzung ist für den gesamten Lebenslauf der Maßnahme vorgesehen, mit einer fortschreitenden Sammlung von Daten bis hin zur Betriebsphase und Wartung. BIM Anwendungsfälle in der Bauwerkserhaltung Für die Erreichung der oben genannten Projektziele sind aus der Vielzahl von möglichen BIM-Anwendungen (sogenannte Anwendungsfälle „AWF“) zunächst diejenigen Anwendungsfälle auszuwählen, die den größten Mehrwert versprechen. Für die Planung von KKS-Systemen ergibt sich ein besonderer Fokus auf die Anwendungsfälle in der Stufe2-Planung (AWF11-13), der Ausführung (AWF20,26) um die Voraussetzung für die Verwendung im Betrieb zu schaffen (AWF29,30). Die Anwendungsfälle werden entsprechend am konkreten Projekt und zugehörigen Anforderungen festgelegt. 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 263 BIM in der Bauwerkserhaltung - Anwendung in der Planung und Ausführung einer KKS-Anlage Bild: Anwendungsfälle einer KKS Projektierung Herausforderung Datensparsamkeit Eine Voraussetzung für die durchgängige Verwendung des BIM Modells ist es, auch unter eingeschränkten Bandbreiten für den Datenverkehr - oder ggfs. sogar Offline, mit mobilen Endgeräten arbeiten zu können. Um auch hier eine bedarfsgerechte, digitale Informationsumgebung zur Verfügung stellen zu können, ist das Modell hinsichtlich den Informationsanforderungen auf den tatsächlich benötigten Umfang zu reduzieren. Oberste Prämisse ist die Datensparsamkeit und damit wird die Diskretisierung von speicherintensiven Informationen, z.B. von Flächenscans, zu Objektattribuierungen Teil der Umsetzung. Bild: Datenreduzierung, Zonierung mit Farbcodierung Besonderheiten bei der Planung von KKS-Anlagen Im Folgenden werden die Anwendungsfälle in Bezug auf die Rahmenbedingungen von KKS Anlagen verdeutlicht. Das Verfahren des Kathodischen Korrosionsschutz beruht darauf, die Bewehrung mittels flächig oder punktuell installierter Elektroden (Anoden) kathodisch zu polarisieren und damit die anodische Eisenauflösung an der Bewehrung (Korrosion) zu unterbinden. Für die Auslegung der Schutzzonen sind Informationen zum Bauteil wie Bewehrungsgehalt, Chloridkonzentration, Störkanten und Betonüberdeckung zusammenzutragen. Eine zentrale Bestands-Datenhaltung im BIM als Planungsgrundlage stellt einen relevanten Anwendungsfall (AWF11) dar. Für die Installation der KKS-Betriebselektronik und zugehörigen Zuleitungen werden zusätzliche Einbauten erforderlich, welche hinsichtlich bestehender Leitungen, Schutz vor Beschädigung und Zugänglichkeit koordiniert werden muss (AWF13). Eine weitere Herausforderung bei der Planung von KKS Systemen für Stahlbeton stellt die Dokumentationsanforderung dar. Das Verfahren erfordert für den Einsatz in den standsicherheitsrelevanten Bereichen eine bauaufsichtliche Zulassung, da die Materialien, die für den KKS verwendet werden, nicht durch die DIN EN ISO 12696: 2012 erfasst sind. Es ist projektbezogen eine Zustimmung im Einzelfall (ZiE) bei der zuständigen Bauaufsichtsbehörde zu beantragen. Die zugehörigen Antragsunterlagen bestehen im Wesentlichen aus den Planungs- und Ausführungsunterlagen. Die Zusammenführung dieser Unterlagen kann qualitätsgesichert im Informationsmodell erfolgen (siehe AWF26). Herangehensweise für den objektorientierten Planungs- und Ausführungsprozess bei KKS-Anlagen Während der Projektbearbeitung, Planung und Ausführung hat sich die stufenweise Herangehensweise bei der BuP. Boll Bauwerkserhaltung etabliert. Es handelt sich um die im folgenden beschriebenen Abschnitte Stufe 0, Stufe 1 und Stufe2 mit zugehörigen BIM Anwendungsfälle (AWF): 264 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 BIM in der Bauwerkserhaltung - Anwendung in der Planung und Ausführung einer KKS-Anlage Stufe 0 - Bestandserfassung In der Bestandserfassung wird zunächst ein grobes Geometriemodell für die Verortung der Informationen am Objekt erstellt. Alle Informationen werden zentral am Modell verwaltet. • Erstellen Basismodell mit Geometrie. Der Geometrie wird direkt der zugrundeliegende Bestandsplan als Attribut zugeordnet. • Zuordnung und Verknüpfung von Bestandsunterlagen, Dokumente per Hyperlink an die Objekte. • Einpflegen von relevanten Informationen aus den Bestandsunterlagen direkt am Objekt. • Zuordnung der Laserscans zum geometrischen Abgleich oder zur Nachmodellierung am Objekt. • Erstbegehung Stufe 1 - Bauteiluntersuchung Im Zuge der Bauteiluntersuchung kommen eine Vielzahl von zusätzlichen Informationen hinzu. Die Einarbeitung erfolgt dem Prinzip der Modellverfeinerung. Die Informationsobjekte werden sukzessive mit den Ergebnissen der Laboruntersuchungen aufattribuiert. • Sammeln und verknüpfen von Informationen an den dazugehörigen Bauteilen und Verknüpfung dieser. • Darstellen Instandsetzungsbedarf mit Objektbezug Stufe 2 - Planung, Vergabe, Ausführung und Betrieb In den folgenden Planungs- und Ausführungsphase wird das BIM Modell hinsichtlich Geometrie, Information und Verknüpften Dokumenten fortgeschrieben. Als zentrale Informationsquelle dient das BIM Modell: • Koordination der Gewerke • Einbindung der Informationen der Fachmodelle - BTU - Planung Instandsetzung - KKS Planung - TGA • Vorbereitung Gesamtmodell zur Weiternutzung im Betrieb (Asset-Information Model „AIM“). Entsprechend dem Planungs- und Ausführungsfortschritt werden alle Informationen und Dokumente zentral am Modell verwaltet. Eine geeignete Modellstrukturierung, welche die Informationsverwaltung ermöglicht, ist bereits im BIM Basismodell und den Objekten anzulegen. Der Mehraufwand in der Modellstrukturierung wird über die dadurch ermöglichte effiziente Projektbearbeitung ausgeglichen. In der Ausführungsphase werden im Wesentlichen nur noch Informationen ergänzt. Bild: Stufenweise BIM Modellverfeinerung Implementierung des KKS-BIM Informationsmanagements in der Stufe 0 - Initialisierung und Bestandserfassung Für die Planung- und Auslegung von KKS-Systemen ist eine konsequente Fortführung der bei BuP. Boll Bauwerkserhaltung etablierten digitalen Planungsmethoden in der Instandsetzung. Maßgeblich für die erfolgreiche Umsetzung ist eine präzise Erfassung der Informationsanforderungen über den Projektverlauf bis hin in die Betriebsphase - und dies vor Modellierungsbeginn. In internen Workshops werden die relevanten Informationen für die Planung und Ausführung zusammengestellt und im BIM Abwicklungsplan (BAP) dokumentiert. In den Anlagen zum BAP sind die projektspezifischen Modellierungsanforderungen und die Modellstrukturierungen ausgearbeitet, um eine durchgängige hohe Bearbeitungsqualität bei wechselnden Bearbeitern in den verschiedenen Projektphasen sicherzustellen. Nachfolgend wird das BIM-Basismodells der Stufe 0 entsprechend aufgebaut. Bild: Einheitliche Modellierung gemäß BAP Die verwendeten Bestandsplänen und Platzhalter für die Informationsanforderungen sind in den grundlegenden Bauteilparameter bereits im Modell hinterlegt. Für die Planung von KKS Systemen werden die Art und das Ausmaß der korrosiven Einwirkung sowie der Ist- Zustand mit Ursache und Ausmaß der Korrosionsschäden in zentralen Informationsmodell erfasst. Auch Informationen über vorangegangene Instandsetzungsmaßnahmen sind auslegungsrelevant und werden in das Modell überführt. 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 265 BIM in der Bauwerkserhaltung - Anwendung in der Planung und Ausführung einer KKS-Anlage Bild: Erhebung Ist-Zustand, Verknüpfung 360° Fotos Implementierung des KKS-BIM Informationsmanagements in der Stufe 1 - Bauteiluntersuchung Mit Beginn der Stufe 1 wird das Modell nochmals qualitätsgesichert und mit den aktuellen Projektanforderungen des BAP und seinen Anwendungsfällen (AWF) abgeglichen. Bild: Qualitätssicherung des Modells mit Laserscan Die erstellte BIM Modellgeometrie stellt zunächst nur die Bestandsbauteile dar. Bei der Bauteiluntersuchung ist eine Zuordnung der Ergebnisse zum Bauteil, z.B. eines Wandabschnittes, zu ungenau. Für eine genaue Verortung werden Informationsobjekte als geometrische Hilfsobjekte im Modell an den Beprobungspunkten ergänzt. Die „Dummy-Körper“ sind mit Platzhaltern ausgestattet, um spätere Ergebnisse wie Laborauswertungen, Schutzzonenzuordnungen etc. eintragen zu können. Bild: Informationspunkte am Bauteil farbcodiert Mit Vorliegen der Beprobungsergebnisse werden diese über eine Informationsaustauschtabelle qualitätsgesichert in das zentrale BIM-Informationsmodell übertragen. Bild: Informationsaustauschtabelle Die Ergebnisse können nachfolgend abhängig vom Schädigungsgrad farblich an den Dummy-Körpern markiert werden und ermöglichen eine einfache und gleichzeitig geometrisch genaue Schadensübersicht. Ergänzend können aus dem BIM Modell zur Dokumentation Planunterlagen erzeugt werden. Hierbei werden die Datensätze an den Beprobungsstellen durch Beschriftungsfamilien, welche die Attribute auslesen, auf dem Plan ausgegeben. Die Daten werden ohne Zwischenschritte und ohne die Gefahr von Übertragungsfehlern aus dem Informationssystem als Papierfassung dokumentiert. Bild: Plan vom BIM Modell mit BTU-Ergebnis Auf dieser Basis und allen hinterlegten Parametern werden die Instandsetzungsvarianten analysiert und bewertet. Die Ergebnisvarianten werden farbcodiert am Modell und zugehöriger Planableitung den Beteiligten transparent erläutert. Das Datenvolumen wird über die Verwendung der Informationskörper für die Datenhaltung reduziert. Insbesondere für den Projektfortschritt wird konsequent das Datenvolumen geringgehalten und ermöglicht z.B. bei vor Ort-Terminen einen schnellen Abgleich, auch ohne große Internetbandbreite. 266 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 BIM in der Bauwerkserhaltung - Anwendung in der Planung und Ausführung einer KKS-Anlage Implementierung des KKS-BIM Informationsmanagements in der Stufe 2 - Planung In Stufe 2 sind planungsspezifische und in diesem Fall KKS spezifische Informationen am Modell fortzuschreiben. Für die dezidierte Planung und Auslegung sind insbesondere folgende Unterlagen und Informationen zu erheben: • Detaillierte Bewehrungspläne mit Angaben über Geometrische Oberfläche und Vermaschung mit anderen Bauteilen • Betoneigenschachten, z.B. Widerstand, Feuchtigkeit, Wasserfluss Alle Informationen werden in den vorbereiteten Informationsattributen der Modellerstellung der Stufe 0 ergänzt. Die Bewehrungsgehalte und Stahloberflächen der Bauteile werden mit den Informationsaustauschtabellen erfasst und in das Modell übertragen. Unter Berücksichtigung der Auslegungskriterien und der zuvor erfassten Informationen können die wichtigsten Parameter und Bauteile einer KKS Anlage transparent am Modell dimensioniert, verortet und festgelegt werden. Für die in der Planungsphase zu ergänzenden KKS- BIM Objekte im Modell werden neue projektspezifische Elemente (Projektfamilien) konzipiert. Hierbei werden zunächst die wichtigsten bzw. erforderlichen Attribute in einer Elementmatrix erfasst und mit den Beteiligten diese Informationsaustauschtabelle abgestimmt. Der BIM Abwicklungsplan (BAP) und die zugehörige Modellierungsrichtlinie wird um die neuen Elemente ergänzt. Bild: KKS-Objekt mit Referenzelektrode Für die Auslegung einer KKS Anlage sind folgende Parameter zu berücksichtigen, jeder Parameter wird in einer separaten Projektfamilie erfasst und die zusätzlichen Informationen hierbei ins Modell überführt: • Speisezonen/ Schutzzonen Auf Basis der Modelldaten ist eine transparente Dimensionierung mit den hinterlegten Bewehrungsgraden und Bestandsdaten möglich. Definierte Räume mit entsprechenden Attributen dienen zur Einteilung der Schutzzonen. • Anode Festlegung über Art der Anode und die notwendige Anodendichte bei der vorliegenden Schutzzone und den Bewehrungsgehalten. Die Zahl und Verteilung der Anodenanschlusspunkte können optimal gewählt werden, damit ein Spannungsabfall vermieden wird. • Kathodenanschlüsse Zahl und Verteilung der Kathodenanschlüsse richten sich nach Zahl und Größer der Speisezonen und können auf der Basis direkt im Modell platziert werden. • Gleichrichter Die Lage der als Spannungsquelle dienenden Gleichrichter werden am Modell koordiniert. • Überwachungselemente/ Referenzelektrode Referenzelektroden gehören mit zu den wichtigsten Bauteilen einer KKS Anlage. Sie liefern Aufschluss über die Funktion der Anlage. Um repräsentative Werte über die Schutzwirkung zu erhalten, sind die Elemente an der Stelle, mit erhöhter Korrosionswahrscheinlichkeit/ Potenzialen zu platzieren. Bild: Informationsmodell mit Potentialfeldmessung Am Modell hinterlegte Messungen unterstützen die Verortung. Durch die erstellten Projektfamilien können neben der Lage auch noch wichtige zusätzliche Informationen wie. Z.B. Typ, Bezeichnung, und viele weitere Produktinformationen und auch Messergebnissen hinterlegt oder verknüpft werden. Bild: Festlegung der Referenzelektrodenlage 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 267 BIM in der Bauwerkserhaltung - Anwendung in der Planung und Ausführung einer KKS-Anlage • Verteilerkasten Die zusätzlichen Einbauten der KKS Anlage stellen eine Vielzahl von Kollisionsmöglichkeiten mit der bestehenden TGA-Installation dar. Durch die 3D gestützte Planung, können Kollisionen frühzeitig erkannt und beseitigt werden. Verzögerungen durch Änderungen und Anpassungen auf der Baustelle werden vermieden. Bei der Umsetzung bei BuP.Boll Bauwerkserhaltung hat sich die Verwendung von Hybridmodellen als am effektivsten herausgestellt. Hierbei werden nicht alle Details nachmodelliert, sondern es wird durch Einblenden der Punktwolke ein visueller Abgleich auf Kollisionen durchgeführt. Dies beinhaltet unter anderem: - Verkabelung in darunterliegender Ebene: - Kontrolle der Verteilerdosen und Zuordnung - Abgleich der Leitungsführung - Kollisionsprüfung zu Einbauten der TGA - Kollisionsprüfung für Bewegungsbereiche von Brandschutztoren - Kontrolle der Mindesthöhen nach Einbau Bild: Störkantencheck der KKS-Einbauten am Modell Implementierung von KKS-BIM in der Bauausführung: Die modellbasierte Zusammenarbeit und Kollaboration in der Bauausführung gehört zu den Kernaspekten der BIM Methodik. Bei dem Schritt von der Planungsumgebung im Büro auf die Baustelle ist die verwendete gemeinsame Datenumgebung zu überprüfen. Das Common Data Environment bedeutet übersetzt „Gemeinsame Datenumgebung“. Sie wird als zentrales System zur Organisation, Sammlung, Auswertung, Koordination, Archivierung und Bereitstellung von digitalen Daten für alle Projektbeteiligten genutzt. Sie ist zudem die ausschließliche und maßgebliche Informationsquelle in BIM-Projekten (Single Source of Truth). Während in der Planungsphase insbesondere die Planerstellung und konstruierendes Arbeiten am Modell stattfinden, ist der Schwerpunkt in der Ausführung die Informationsergänzung am Modell. Im vorliegenden Projekt als Datenumgebung die Applikation Dalux Field/ Box verwendet. Bild: Aktuelle Pläne aus der CDE/ BIM-KKS Modell Mit dieser Plattform ist neben der Ablage der Dateien die Abwicklung von Projektprozessen wie Freigabe und Genehmigung von Planungsdokumenten oder Freigabeprotokollen und das Aufgabenmanagement abbildbar. Durch die in den vorangegangenen Planungsphasen erfolgten Modellstrukturierung können Informationen und Dokumente der Ausführung ergänzt werden. Messprotokolle, aber auch Freigabeprotokolle können über Checklisten erfasst, verortet und den BIM-KKS Bauteilen angehängt werden. Bild: Checkliste Haftzugsprüfung in der CDE Der Freigabeprozess wird digital und für alle Beteiligte einsehbar abgewickelt. Die geprüften Checklisten sind zum Abschluss der Arbeiten im Informationsmodell gespeichert. Für die Dokumentation wird eine Papierfassung exportiert und in der Projektakte abgelegt. Bei der Verlegung der KKS-Anodenbänder, kann es zur Abweichung kommen. Daher ist es nach Verlegen der Systemeinbauten die Ausführung mittels Laserscan aufzunehmen und mit der Planung abzugleichen. Durch die Modellfortschreibung in ein „as-built“ Stand, können Verlegefehler frühzeitig in Fehlfarben hervorgehoben und behoben werden. 268 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 BIM in der Bauwerkserhaltung - Anwendung in der Planung und Ausführung einer KKS-Anlage Bild: Abgleich Ausführung IST, SOLL, Laserscan Bei auftretenden Störungen und Fehlern während der Inbetriebnahme ist durch die in der CDE hinterlegten Daten eine schneller Fehleranalyse und Beseitigung möglich. Folgende Vorteile wurden im Projekt identifiziert: - Im Zuge der Ausführung: Transparente Kontrolle der Ausführung durch ÖBL - Kontrolle der Ausführung - Kontrolle Planung zu Ausführung mittels Laserscan - Modellfortschreibung As-Built - Fehlerbeseitigung bei Störungen - Freigabeprotokolle über digitale Checklisten - Alle Protokolle zum Bauteil am z.B. Tablet aufrufbar Mit der qualitätsgesicherten und strukturierten Dokumentation von der Planung bis zur Ausführung liegt eine optimale Zusammenstellung für das Antragsverfahren der Zustimmung im Einzelfall (ZiE) vor. Die Inbetriebnahme erfolgt reibungslos. Verwendung von KKS-BIM in der Betriebsphase: Mit Übergang in den Betrieb ist abzuwägen, ob das Planungsinformationsmodell (PIM) durch Datenreduzierung in ein performantes Betreiber/ AIM Modell überführt wird. Informationen aus der Planungsphase, wie z.B. Planungsvarianten und Abbruchbereiche, können hierbei entfernt werden. Das KKS-Informationsmodell ist auch in der Betriebsphase der qualitätsgesicherte zentrale Ablageort der Daten aus dem Betrieb. Regelmäßige Wartungsprotokolle aus der Betriebskontrolle/ Funktionskontrolle und Systemkontrolle können im Modell mittels Checklisten analog zur Planungsphase hinterlegt und den entsprechenden Bauteilen angehängt werden. Bei Störungsmeldungen und Defekten sind die Bauteile einfach zu lokalisieren und auszutauschen. Dies ermöglicht eine schnelle und effiziente Fehlerbeseitigung. Durch die flächige Verlegung der Anoden der KKS Anlage besteht bei Umbauten ein erhöhtes Risiko der Störung der Anlage durch Beschädigung der Anodenbänder. Durch die im As-Bult Modell anhand Laseraufnahme exakt erfasste Lage, kann bei nachgelagerten Arbeiten wie z.B. Änderungen oder Befestigungen im System eine kollisionsfreie Planung und Ausführung umgesetzt werden. Das BIM-KKS Informationsmanagement bietet die Option der Einbindung von Sensordaten aus dem Betrieb. Am Modell kann die Funktionalität der Schutzzonen oder der Schutzstrom über farbliche Einfärbung der Bereiche dargestellt werden. Dies erlaubt ein leichtes Erkennen von Störungen, ohne einzelne Sensordaten auswerten zu müssen. Bild: Einbindung Sensordaten im BIM-KKS Weiterhin wird die mit dem Betrieb der Anlage verbundene Überwachung/ Wartung KKS Anlage effizient zentral am Informationsmodell dokumentiert. Diese sind im Einzelnen: - Betriebskontrolle: monatlich gemäß Betriebsanleitung, Funktionskontrolle - Alle 6 Monate in den ersten zwei Jahren: Sichtprüfung, verschiedene Messungen am System - Systemkontrolle: Alle 5 Jahre, Messung aller Referenzelektroden Zusammenfassung / Ausblick Durch die Verwendung der BIM Methode in der Instandsetzung von Garagen wird, auch für die erweiterte Rahmenbedingung für KKS-Anlagen, eine qualitätsgesicherte und effiziente Projektumsetzung erreicht. 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 269 BIM in der Bauwerkserhaltung - Anwendung in der Planung und Ausführung einer KKS-Anlage Insbesondere die verbesserte Dokumentation, Kommunikation und zugehörige Aufgabenmanagement entlastet die Planer und Bauleitung und ermöglicht es sich auf die eigentlichen Themen zu konzentrieren. Mit dem erstellten BIM-Informationsmodell entsteht eine wertvolle qualitätsgesicherte Informationsquelle, die auch in die Betriebsphase weitergeführt werden kann. Die Erfahrung aus der vorgestellten KKS-BIM-Projektumsetzung hat die Vorteile bestätigt, von Beginn der Instandsetzungsmaßnahme alle Untersuchungsergebnisse und Planungs- und Bauablaufschritte in ein digitales 3D-Gebäudemodell einzuarbeiten und dies bis zum Abschluss der Arbeiten konsequent fortzuschreiben. Referenzen [1] BIM4Infra2020, Teil 6 Steckbriefe der wichtigsten Anwendungsfälle. [2] BIM4Infra2020, Teil 10 Technologien im BIM- Umfeld. [3] Masterplan BIM für Bundesbauten, 09/ 2021, Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat Bildrechte © BuP.Boll Beraten und Planen 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 271 Digitale Bestandsaufnahme mittels 3D Realitätserfassungstechnologien in der Bauwerkserhaltung am Beispiel von Parkbauten Cher Sze Tan, M.Eng. Con+ScanTech - IFSB GmbH, Barleben, Sachsen-Anhalt Sevket Ersan, M.Sc. Con+ScanTech - IFSB GmbH, Barleben, Sachsen-Anhalt Zusammenfassung Parkhäuser u. Tiefgaragen, in der Regel Stahlbetonkonstruktionen, werden alltäglich und in der ganzen Welt genutzt. Stahlbeton ist ein Verbundbaustoff der u.a. durch thermische Spannungen und dynamische Krafteinwirkungen reißt. Risse in Stahlbetonflächen lassen sich grundsätzlich nicht vermeiden, stellen aber keine Gefahr für das Bauwerk da, wenn sie rechtzeitig geschlossen werden. Andernfalls können Chloride aus Tausalz in die Risse eindringen und zur Korrosion der Bewehrung führen. In diesem Fall können umfangreiche Sanierungsmaßnahmen erforderlich werden. Sobald Sanierungsmaßnahmen erforderlich sind oder Umbauten an den Gebäuden geplant werden, werden exakte Planungsgrundlagen benötigt. Aktuell kann der Planer meistens nur auf alte und häufig nicht mehr aktuelle Baupläne zurückgreifen, die für eine fachgerechte Instandsetzungsplanung wenig geeignet sind. Da diese Planunterlagen für eine exakte Kartierung der Schadstellen zu ungenau sind, soll die digitale Bestandsaufnahme im Rahmen der Zustandsbegutachtung als eine effizientere Alternative herangezogen werden. Die digitale Bestandsaufnahme bietet mit seinem umfangreichen computergestützten Technologien wie 3D Vermessung, bildbasierte Erkennung von Rissen in Stahlbetonflächen auf Basis einer künstlichen Intelligenz, modelbasierte Mengenermittlung der Bauwerkskomponenten und virtuellen Objektbegehungen vielfältige Nutzungsmöglichkeiten im Rahmen der Bauwerkshaltung für alle Projektbeteiligen - Bauherren, Architekten, Fachplanern, Behörden und Bauunternehmen. Bei der 3D Vermessung von Parkbauten mittels Bildvermessung in Kombination mit 3D Laserscans wird eine zusammenhängende und detaillierte Bestandserfassung durchgeführt. Einer der technischen Maßnahmen ist die Erstellung einer 3D Punktwolke sowie Orthofotos vom Bestandsgebäude. Daraus werden 2D Bestandspläne, Schnitte, Ansichten und Fassadenzeichnungen abgeleitet. Die erfassten Schadstellen, wie z. B. Risse in Stahlbetonflächen, werden dann Millimeter genau in die entsprechenden Bestandspläne automatisch kartiert. Das Ziel ist die Erzeugung eines zentralen, digitalen Gebäudemodells mit Schadensinformationen, das durch die Nutzer mit weiteren Informationen angereichert werden kann und somit eine fundierte Grundlage für die Aufgaben beim Bauen im Bestand liefert u.a. die Bauwerksdiagnose, die Instandsetzungsplanung und das Bauwerksmanagement. 1. Einführung Heutzutage ist es durch den breiten Einsatz von Werkzeugen und genauen digitalen Vermessungstechniken möglich, einen angemessenen Detaillierungsgrad in Bezug auf die Gebäude zu erreichen; neue mobile Mapping- Tools bieten ein großes Potenzial, sowohl in Bezug auf die Planung und Bewertung des gesamten Wissens- und Erhaltungsprozesses jeder Art von Gebäude als auch in Bezug auf seine Verwaltung und künftige Instandhaltung. Darüber hinaus ermöglichen die BIM-Technologien die Kommunikation zwischen Daten, die aus verschiedenen Softwareprogrammen stammen, was einen größeren Informationsaustausch zwischen vielen Beteiligten ermöglicht. 2. Bauwerksmodellierung Nach der Erfassung wird ein intelligentes 3D Bestandsmodell in einer BIM oder CAD-Umgebung erstellt und mit weiteren Gebäudeinformationen ergänzt. 2.1 Von der Punktwolke zum parametrischen Modell Entsprechend der geometrischen Formen müssen aus den in die BIM/ CAD einzubettenden 3D-Rohdaten erkannt und segmentiert werden: Flächen (Ebenen, Kurven oder Extrusion), Volumen und komplexe Objekte. Diese Konvertierung könnte auf der Grundlage dieser Daten erfolgen: 272 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Digitale Bestandsaufnahme mittels 3D Realitätserfassungstechnologien in der Bauwerkserhaltung am Beispiel von Parkbauten automatische Verfahren zur Wiederherstellung des Objekts entsprechend der automatischen Oberflächenextraktion aus der Punktwolke. halbautomatische Verfahren durch Verwaltung von Querschnitten und Oberflächenextrusionen; manuelle Modellierungsoperationen von Volumen und Form von Kratzern; Für die Realisierung des parametrischen Modells wurden drei Hauptstrategien untersucht. Manuelle Modellierung von Grund auf, um die Volumina und die reale Form wiederherzustellen; halbautomatische Methode, bei der die Primitive an die Punktwolken angepasst werden, wobei der Querschnitt für die Modellierung oder die Oberflächenextrusion verwendet wird, und schließlich ein eher automatischer Ansatz, der es erlaubt, das Objekt gemäß der automatischen Oberflächenextraktion aus der Punktwolke wiederherzustellen. Abbildung 1: 3D Laserscanning eines Parkhauses (20.000 qm) Für BIM- und Bauwerkuntersuchung-Zwecke ist der automatische Ansatz nicht geeignet, da sich die Form komplexer Gebäude kaum mit einfachen Geometrien beschreiben lässt. Entsprechend dieser Annahme sind mehrere Plug-ins in der Entwicklung. Das Ziel dieser Plugins besteht in der Erstellung parametrischer Objekte aus der Verarbeitung metrischer Daten durch die Verwaltung von Punktwolken. Wenn die Parkbauten berücksichtigt werden, um die detaillierten Fassademodellierung oder die Übertragung detaillierter Markierungen am Boden auf das 3D Model durchzuführen, können neben der Punktwolke Orthofotos, die aus der Punktwolke erstellt werden können, verwendet werden. Abbildung 2: 3D Modell für digitale Bauwerkserhaltung 2.2 CAD und BIM als Planungsmethode in der digitalen Bestandsaufnahme BIM ist keine Weiterentwicklung von CAD, sondern basiert auf einer völlig anderen Herangehens-weise zur Erstellung von digitalen Planungsdaten. Die häufig verwendeten CAD-Systeme, wie AUTOCAD, imitieren das traditionelle Zeichnen von Plänen in Form von Grundrissen, Schnitten und Ansichten [1]. Diese Zeichnungen werden zweidimensional erstellt und beinhalten einfache geometrische Elemente wie Linien und Bögen sowie Beschriftungen. Im Gegensatz dazu wird in BIM nicht das händische Zeichnen von Grundrissen, Schnitten und Ansichten, sondern die Abbildung realer Weltstrukturen in Form von 3D-Modellen imitiert [1]. BIM verschiebt das traditionelle Designkonzept in Richtung der Reduzierung von Problemen, die durch die mangelnde Kommunikation zwischen Projektbeteiligten verursacht werden, die die Vorteile neuer Interoperabilitätsstandards nutzen können. Das BIM stützt sich auf ein 3D-Modell der Struktur mit zusätzlicher parametrischer Geometrie, so dass Objekte ohne Neuzeichnung modifiziert werden können. Es wird erkannt, dass BIM viel mehr als eine grobe 3D-Darstellung ist. Es handelt sich um eine objektorientierte Datenbank des Gebäudes mit einer verbesserten Koordination der Bauunterlagen, in der die Geometrie, die räumlichen Beziehungen und die Eigenschaften der Gebäudekomponenten strukturiert sind. Im Vergleich zu diesen Dimensionen ist es bemerkenswert, dass das Potenzial von BIM eher im Hinblick auf die Erstellung einer ganzheitlichen und nachhaltigen Dokumentation und in Anbetracht der Tatsache, dass diese Dokumentation eine funktionierende Infrastruktur zwischen verschiedenen Beteiligten schaffen muss, angemessen ist. 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 273 Digitale Bestandsaufnahme mittels 3D Realitätserfassungstechnologien in der Bauwerkserhaltung am Beispiel von Parkbauten 2.3 Detallierungsgrad der 3D Modelle Der unterschiedliche Anwendungskontext von Bauwerkuntersuchung erfordert auch unterschiedliche Definitionen des Detaillierungsgrads der Modelle. Level of Detail, kurz LOD, steht für einen geometrischen Detaillierungsgrad und beschreibt die Detailtreue eines Modellelements in einem digitalen Bauwerksmodell. Der Entwicklungsgrad LOD 100-500 definieren welche Anforderungen, Genauigkeiten und Inhalte das digitale Gebäudemodell erreicht und beinhaltet. Eine wichtige Definition von Detaillierungsgraden in BIM-Modellen beinhaltet die Level of Development Spezifikation [2]. Die sogenannten Level of Development (LOD) beziehen sich auf eine Disziplin und Leistungsphase und beinhalten Informationen über ein Bauteil in der jeweiligen erforderlichen Detailtiefe. Die LOD Spezifikation beinhaltet dabei keine spezifizierte Menge an Informationen, welche in einem Modell vorhanden sein müssen, sondern liefert vielmehr eine Sprache, mit dessen Hilfe diese Spezifizierungen definiert werden können. Das bedeutet, dass innerhalb einer Leistungsphase der LOD zwischen den Disziplinen unterschiedlich sein kann. [3] Die LODs sind entsprechend der Spezifikation wie folgt definiert (vgl. Abbildung 4): • LOD 100: konzeptionelle Darstellung von Volumen und Flächen. • LOD 200: generische (allgemein gültige) Darstellung von Gebäudeteilen: Wände, Decken, Treppen (z. B. Außenwand zweischalig, Fluchttreppe). • LOD 300: Darstellung mit exakten Abmessungen, Materialien und Positionierung (z. B. Wand in Beton). • LOD 400: produktspezifische Darstellung (z. B. Betonwand Typ 4-1, NPK A, 40 kg/ m³, Steinwolle 60 kg/ m³, Lambda 0.034 W/ mK). • LOD 500: As-Built-Modell (Informationsgehalt geeignet für die Bewirtschaftung) [3]. Abbildung 4: Beispiel Fertigstellungsgrad (LOD) eines Raumes und seiner Modellelemente [4] Die US-amerikanische LOD-Spezifikation kennt zusätzlich den LOD 350 (Bauausführung). Die LOD lassen sich in einen geometrischen (Level of Geometry, LOG) und einen semantischen Teil (Level of Information, LOI) gliedern [2]. Existierende Definitionen von LOD, LOG und LOI können dagegen in Bestandsprojekten in der Regel nur schwer übertragen werden, da sich die Anforderungen einer Planung im Bestand häufig stark von der einer Neuplanung unterscheiden. Daher sollen zu Beginn des 274 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 Digitale Bestandsaufnahme mittels 3D Realitätserfassungstechnologien in der Bauwerkserhaltung am Beispiel von Parkbauten Projekts mit dem Auftraggeber diese Punkte definiert werden, die den Zielen des Projekts entsprechen und im Rahmen einer Modellierung sinnvoll und wirtschaftlich sind. Bei der geometrischen Detaillierung ist dabei zwischen dem maximal zugelassenen Abstand zwischen Punktwolke und Modell und der geometrischen Abstraktion der Bauteile zu unterscheiden. Darüber hinaus sollen des Weiteren eine sinnvolle Benennung und Attribuierung der Bauteile festgelegt werden. In diesem Zusammenhang kann LOD im Bereich Bauwerkuntersuchung als 300-350 am Beispiel von Parkbauten definiert werden. Basierend auf unseren Erfahrungen und angewandten Beispielen bietet dieses LOD-Niveau ein vorhersehbares Verhältnis von Preis/ Arbeitsaufwand und Nutzen. Sie bietet genügend Details nicht nur für die Dokumentation der bestehenden Struktur, sondern auch für die Verwendung des erhaltenen Modells für weitere Untersuchungen. 3. Erweiterung 3D Modell digitale Bauwerksuntersuchung Building Information Modeling (BIM) ist eine revolutionäre Entwicklung, die die AEC-FM-Branche (Architectural, Engineering and Construction, and Facilities Management) rasch verändert hat. Vergleicht man CAD und BIM oder 2D- und 3D-Workflows, rückt das komplexe BIM-System in den Vordergrund, wenn man die darin enthaltenen Potenziale im Bereich Bauwerksuntersuchung betrachtet. Das liegt daran, dass BIM sowohl als eine Technologie als auch als ein Prozess betrachtet werden kann, der alle für den Bau einer Anlage erforderlichen Informationen in einem einzigen, virtuellen 3D- Modell einbindet. Dieses 3D-Modell kann übertragen und mit anderen Projektbeteiligten geteilt werden. BIM verbessert die Kommunikation und Zusammenarbeit der Projektteams durch die Verwendung von Industry Foundation Classes (IFC), einem neutralen Dateiformat, das die Interoperabilität zwischen Anwendungen mit unterschiedlichen Dateiformaten vom Entwurf bis zu den Betriebs- und Wartungsphasen verbessert [5]. Die von IFSB entwickelte individuelle Anwendungslösung ermöglicht die Erstellung eines BIM-Instandsetzungsmodells mit einer Schadens- und Mängelverwaltung und die Visualisierung der Gesamtergebnisdaten aus den einzelnen Sensorsystemen (Rissdetektion, Potentialfeldanalyse, Betondeckung etc.) und sonstigen Ergebnissen aus Bauwerksprüfungen in einem Multi-Layer Schadensmodell (Abbildung 5) mit Analyse- und Bewertungskomponenten. Abbildung 5: Ebenen Modell digitale Bauwerkuntersuchung Literaturangaben [1] Grabowski, R. (2010): CAD & BIM - Is There A Free Pass? upFront.reSearch. http: / / download. graphisoft.com/ ftp/ marketing/ white_papers/ GRAPHISOFT_White_Paper_CADandBIM.pdf (27.10.2020). [2] BIMForum (2016): Level of Development Specification - For Building Information Models. BIM- Forum. http: / / bimforum.org/ lod/ (27.10.2020). [3] Robert Kaden, Robert Seuß und Thomas H. Kolbe (2020): Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu CAD und GIS. Leitfaden Geodäsie und BIM. [4] Aardeplan (2014): Level of Development. Aardeplan architektur & consulting. http: / / gesamtleitung.vdf-online.ch/ post/ 4-fertigstellungsgrad-lod (27.10.2020) [5] Building Smart International (2020) https: / / technical.buildingsmart.org/ standards/ ifc/ (27.10.2020) Nicht referenzierte Bilder sind Eigentum der IFSB GmbH. Anhang 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 277 Programmausschuss Der Programmausschuss für das Kolloquium Parkbauten setzt sich aus anerkannten Experten aus Forschung und Entwicklung, Industrie und Praxis zusammen. Zu seinen Aufgaben gehören die Formulierung der Zielsetzung und Festlegung der Themenschwerpunkte der Fachtagung, die Begutachtung und Auswahl der eingereichten Vortragsvorschläge für das Tagungsprogramm und die fachliche Beratung des Veranstalters. Vorsitzende Dipl.-Ing. Susanne Gieler-Breßmer IGF Ingenieurgesellschaft für Bauwerksinstandsetzung Gieler-Breßmer & Fahrenkamp GmbH 73079 Süßen Mitglieder Bernd Beer AMP Parking Europe GmbH 76149 Karlsruhe Dennis Brettschneider StoCretec GmbH 65830 Kriftel Dipl.-Ing. (FH) Volker Buchholz Fraport AG Zentrales Infrastrukturmanagement 60547 Frankfurt Dr.-Ing. Thorsten Eichler CORR-LESS Isecke & Eichler Consulting GmbH & Co. KG 10707 Berlin Dipl.-Ing. Gregor Gerhard instakorr GmbH 64293 Darmstadt Elisabeth Herles Bundesverband Parken e. V. 50667 Köln Dipl.-Ing. Jürgen Krams Implenia Construction GmbH Technical Center - Baustofftechnik 68169 Mannheim Dr. rer. nat. Stefan Kühner Sika Deutschland GmbH 70439 Stuttgart Ansgar Matz Park-Konzepte 70569 Stuttgart Prof. Dr.-Ing. Michael Raupach ibac Institut für Bauforschung der RWTH Aachen University 52056 Aachen Dipl.-Ing. Peter Rode bga Beratungsstelle für Gussasphaltanwendung e. V. 53129 Bonn Dr.-Ing. Christian Sodeikat Ingenieurbüro Schießl ─ Gehlen ─ Sodeikat GmbH 80687 München Samuel Spaltner B+B Parkhaus GmbH & Co. KG 40479 Düsseldorf Dr.-Ing. Udo Wiens Deutscher Ausschuss für Stahlbeton im DIN Deutsches Institut für Normung e. V. 10787 Berlin 10. Kolloquium Parkbauten - Februar 2022 279 Autorenverzeichnis AAhlgrimm, Hannes 257 Art, Werner 57 BBauer, Dierk 201 Bauriedl, Hubert 243 Becker, Felix 103, 113 Bertsch, Simon 217 Blietschau, Sara 73 Bohnert, Matthias 211 Breit, Wolfgang 73 Brockmeyer, Thorsten 13 Bücking, Carsten 183 Büttner, Till 163 DDauberschmidt, Christoph 95, 103, 113 EEl Diwany, Hamed 175 Elbl, Michael 27 Ersan, Sevket 267 FFiebrich, Michael 81 Fienz, Thorsten 185 Fraundorfer, Andreas 95 GGerhard, Gregor 125 Glomb, Daniel 103 Glorius, Michael 183 Gronza, Christian 25 HHaberl, Klaus 201 Helf, Christoph 235 IIrmscher, Ilja 39, 61 JJohr, Mathias 57 KKoch, Detlef 145 Kromarck, Gerd 19 LLaber, Arnd 19 Leitz Mackay, Helge-Leander 163 Lillig, Jonas 73 MMorgenstern, Hendrik 247 Münzner, Mathis 257 NNeuberger, Björn 145 Noebel, Werner 185 PPlückthun, Robert 155 RRaupach, Michael 247 Ripa, Frederik 95 SSchaaf, Sascha 223 Schulze, Joachim 73 Sinz, Stephan 33 TTan, Cher Sze 267 Vvon Daake, Henning 183 WWiegrink, Stefan 37 Wortberg, Jens 183 Weitere Informationen und Anmeldung unter www.tae.de/ go/ bauwesen Besuchen Sie unsere Seminare, Lehrgänge und Fachtagungen. Geotechnik Verkehrswegebau und Wasserbau Konstruktiver Ingenieurbau Bautenschutz und Bausanierung Umwelt- und Gesundheitsschutz Energieeffizienz Baubetrieb und Baurecht Facility Management Ein Großteil unserer Seminare wird unterstützt durch das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds. Profitieren Sie von der ESF-Fachkursförderung und sichern Sie sich bis zu 50 % Zuschuss auf Ihre Teilnahmegebühr. Alle Infos zur Förderfähigkeit unter www.tae.de/ foerdermoeglichkeiten Bauwesen, Energieeffizienz und Umwelt Bis zu 50 % Zuschuss möglich Laut Kraftfahrt-Bundesamt waren im Januar 2021 in Deutschland 48,2 Mio. Personenkraftwagen zugelassen. Insbesondere in deutschen Großstädten ist das Parken dieser Fahrzeuge ein vorrangiges Thema der Kommunen sowie Betreiber, Investoren und Nutzer von Parkbauten. Die bestehenden Parkhäuser und Tiefgaragen reichen in Stoßzeiten häufig nicht aus. Der Neubau spielt daher bei Städten und Gemeinden, aber auch in der Privatwirtschaft eine herausragende Rolle. Gleichzeitig ist die regel- und planmäßige Instandhaltung von Parkhäusern und Tiefgaragen seit Jahren ein wichtiger Zweig der Bauwirtschaft. Zudem wandeln sich die Anforderungen der Betreiber und Nutzer. Die Digitalisierung hat Einzug in die Fachbereiche rund um das Parken gefunden. Planung, Gestaltung, Bau, Instandhaltung und Betrieb von Parkbauten müssen dem gerecht werden. Neben dem Finden eines Parkplatzes erwartet der Nutzer Annehmlichkeiten und zusätzliche Funktionen wie ticketloses Zahlen, E-Tankstellen, komfortable Parkplatzbreiten, gute Ausleuchtung, barrierefreie Zugänge, ansprechende Farbgestaltung, gute Orientierung und Sicherheit. Auf diese Ansprüche und Spannungsfelder bei Neubau, Umbau und Modernisierung von Parkbauten haben sich die Verantwortlichen der Branche mit großem Erfolg eingestellt. Parkhäuser und Tiefgaragen sind nutzungsfreundlicher, heller, sicherer und ansprechender geworden. In den nächsten Jahren sind weitere Veränderungen zu erwarten - insbesondere im Zuge der Digitalisierung. Darauf müssen sich alle im Bereich Parkhäuser und Tiefgaragen tätigen Personen einstellen. Hierzu leistet das 10. Kolloquium Parkbauten einen wesentlichen Beitrag. Der Inhalt Konstruktion Gestaltung Betrieb Digitalisierung im Bauwesen Elektromobilität Brandschutz Instandhaltung und Wartung Instandsetzung Kathodischer Korrosionsschutz Oberflächenschutzsysteme Prüfverfahren Bestandsaufnahme Fugen Gussasphalt Technische Regel Instandhaltung von Betonbauwerken Forschung und Entwicklung Rechtsfragen Das vorliegende Tagungshandbuch enthält die vorab eingereichten Beiträge zu den Vorträgen und gibt einen Überblick über neueste Erkenntnisse. Die Zielgruppe Städte und Gemeinden Bau- und Verkehrsbehörden Betreiber und Investoren von Parkbauten Facility-Management-Firmen öffentliche Einrichtungen wie Kliniken, Bahnhöfe, Flughäfen Sachkundige Planer, Bauingenieure, Architekten, Sachverständige Spezialunternehmen für Parkbauten Bauunternehmen Unternehmen für Bautenschutz, Betoninstandsetzung, Bauwerksabdichtung, Oberflächenbeschichtung Unternehmen im Bereich Bauchemie, Beton, Zement, Zusatzstoffe und Zusatzmittel Gebäudeausrüster Werkstoffwissenschaftler, Chemiker Hochschulen www.tae.de ISBN 978-3-8169-3546-9