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Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis
expert verlag Tübingen
2021
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Herausgegeben von Manfred Breitbach 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis Fachtagung über Planung, Bau, Instandhaltung, Instandsetzung und Betrieb von Trinkwasserbehältern Tagungshandbuch 2021 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis 14. und 15. September 2021 Technische Akademie Esslingen Herausgegeben von Prof. Dr.-Ing. Manfred Breitbach 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis Fachtagung über Planung, Bau, Instandhaltung, Instandsetzung und Betrieb von Trinkwasserbehältern Tagungshandbuch 2021 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das vorliegende Werk wurde mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Weder Verlag noch Autoren oder Herausgeber übernehmen deshalb eine Haftung für die Fehlerfreiheit, Aktualität und Vollständigkeit des Werkes und seiner elektronischen Bestandteile. © 2021. Alle Rechte vorbehalten. expert verlag GmbH Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen E-Mail: info@verlag.expert Internet: www.expertverlag.de Printed in Germany ISBN 978-3-8169-3538-4 (Print) ISBN 978-3-8169-8538-9 (ePDF) Technische Akademie Esslingen e. V. An der Akademie 5 · D-73760 Ostfildern E-Mail: bauwesen@tae.de Internet: www.tae.de 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Vorwort Traditionell wird das Kolloquium „Trinkwasserspeicherung in der Praxis“ alle 2 Jahre ausgerichtet. Die erste Veranstaltung fand im März 2010 unter dem Titel „Betonbauwerke in der Trinkwasserspeicherung“ an der TAE Esslingen statt. Aufgrund der Pandemieereignisse konnte das 10-jährige Veranstaltungsjubiläum leider nicht im Jahr 2020 stattfinden. Dennoch sind wir stolz, dass das Kolloquium der Trinkwasserspeicherung mittlerweile aufgrund der regen Teilnehmerzahlen und der vielen Referentinnen und Referenten zu einer Traditionsveranstaltung geworden ist. Ein wesentlicher Aspekt ist neben der Wissensvermittlung der Kontakt und Erfahrungsaustausch mit den Teilnehmern, Referenten und Ausstellern. Zeitgleich feiert der Mitveranstalter des Kolloquiums, die Fachvereinigung S.I.T.W. Schutz und Instandsetzung von Trinkwasserbehältern e.V. ihr 25-jähriges Jubiläum. Auch hier zeigt sich, dass sich bereits über viele Jahre Experten aus Planung, Fachunternehmen und Wissenschaft mit dem Ziel, ihr gebündeltes Fachwissen allen Beteiligten in der Wasserversorgung zugänglich zu machen und in der Regelsetzung zu verankern, zusammengefunden haben. Dieses 6. Kolloquium steht aber auch unter dem Zeichen der intensiven Regelwerksbearbeitung, die in den zurückliegenden beiden Jahren erfolgte. Hierzu werden in den Plenar- und Praxisbeiträgen wichtige Hinweise zu den aktuellen Neuerungen gegeben. Die Hygiene stellt unsere Gesellschaft grundsätzlich vor große Herausforderungen, das gilt insbesondere für den Gesundheits- und Lebensmittelbereich. Trinkwasser ist bekanntermaßen das wichtigste Lebensmittel für den Menschen. Hierzu gibt es vielfältige Hygienekonzepte, die im Einzelfall abgestufte Maßnahmen erfordern; Hygieneaspekte müssen bei der gesamten Wertschöpfungs- und Prozesskette von den Ausgangsstoffen, der Zusammensetzung, der Verarbeitung und der Werkstoffveränderungen durch das Trinkwasser beachtet werden. Für die Werkstoffe im Kontakt mit dem Trinkwasser erfolgen diese Nachweise durch die Bewertungsgrundlagen und Leitlinien des Umweltbundesamts (UBA). Übergeordnetes Ziel des Hygienekonzeptes für den Neubau und die Instandsetzung von Trinkwasserbehältern ist es, Beeinträchtigungen der Trinkwasserqualität oder Infektionen so zu vermeiden, dass die Trinkwasserspeicherung als Ausgangspunkt trinkwasserhygienischer Probleme bei der Trinkwasserverteilung möglichst ausgeschlossen werden kann, damit eine schnelle und gezielte Ursachenforschung möglich wird. Das Kolloquium „Trinkwasserspeicherung in der Praxis“ richtet sich daher an alle Beteiligten, die mit dem Umgang des Trinkwassers in der Planung, dem Bau, dem Betrieb und der Instandhaltung befasst sind. Parallel zu der Vortragsveranstaltung findet eine Fachausstellung statt. Die Vorträge des Kolloquiums befassen sich traditionell mit den Themen Trinkwasser- und Werkstoffhygiene, Hinweise zum aktuellen Stand des Regelwerks sowie der zu erwartenden Neuerungen sowie mit der praktischen Umsetzung bei konkreten Anwendungsbeispielen. Das vorliegende Tagungshandbuch enthält die vorab eingereichten Beiträge zu den Vorträgen. Weitere Informationen unter: www.tae.de/ go/ trinkwasser Esslingen, im September 2021 Prof. Dr.-Ing. Manfred Breitbach 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 7 Inhaltsverzeichnis 0.0 Plenarvorträge 0.1 Handlungsfeld Europäische Gesetzgebung und Regelwerk 13 Peter Frenz 0.2 Grundsätzliche Anforderungen für Neubau und Instandsetzung von Trinkwasserbehältern 33 Prof. Dr.-Ing. Manfred Breitbach 0.3 Praxisleitfaden zur Umsetzung des Hygienekonzeptes für Trinkwasserspeicheranlagen * Martin Hobl 0.4 Einfluss kalklösender Kohlensäure auf das Langzeitverhalten von zementgebundenen Beschichtungen in trinkwassertechnischen Anlagen 45 Wolfram Kämpfer, Michael Berndt, Hilaria Schuler 1.0 Instandsetzung 1.1 Planung und Ausführung der Sanierung eines vorgespannten Kuppelbehälters - „Beckum 5.000 m³“ 55 Dipl.-Ing. Martin Hobl, Dipl.-Ing. Jan Rassek 1.2 Realkalisierungsvermögen und Beständigkeit von mineralischen Beschichtungen 65 Dr.-Ing. Melanie Merkel, Univ.-Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Breit 2.0 Planung 2.1 Planerische Anforderungen zum Qualitätssicherungs-, Hygienesowie Reinigungs- und Desinfektionskonzept im Neubaubereich 79 Dipl.-Ing. Sascha Leck 2.2 Planung, Aufgaben und Prüfung von Ebenheit, Schiefwinkligkeit und Schichtdicken bei der Instandsetzung * Peter Sudermann 2.3 Tragwerksplanung Ruhrwasserwerk Echthausen 87 Wolfgang Naumann 2.4 Bauzustandsanalyse - notwendig auch bei Auskleidung 93 Erwin von der Forst 2.5 Auskleidungen im Trinkwasserbereich mit Epoxidharzsystemen 107 Dr. Ludger Boonk 2.6 Life-cycle engineering - Neue technische Ansätze zur Reduktion der Lebenszykluskosten 113 Tobias Bürkle, Prof. Dr. Andreas Gerdes 8 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 3.0 Neubau 3.1 Bemessung des Speicherinhaltes unter Berücksichtigung von Ausfallszenarien und Spitzenabgaben in Zeiten des Klimawandels 123 Paul Eckert, Michael Hiller 3.2 Neubau eines Systembehälters unter besonders schwierigen Rahmenbedingungen 127 Werner Pfahler 3.3 Neubau Trinkwasserbehälter (Praxisbeispiele )- Betonfertigteile * Karin Stahl, K. Neubau 4.0 Systembehälter 4.1 Praxis der betontechnologischen Umsetzung beim Neubau des zentralen Trinkwasserbehälters in Stuttgart 133 Hans Baumer 4.2 Edelstahlbehälter und Edelstahlauskleidungen in der Trinkwasserspeicherung - Praxishinweise aus der Sicht des Planers 143 Dipl.- Ing. (FH) Andreas Ohmann 4.3 Systembehälter aus Edelstahl 151 Manfred Brugger 5.0 Lösungen außerhalb des Regelwerks 5.1 Alternativen für Außenabdichtungen und Sonderlösungen 161 Dipl.-Ing. Jan Rassek 5.2 Textilbewehrte Mörtel- und Betonschichten mit mineralisch getränkter Bewehrung - Möglichkeiten und Perspektiven 171 Martin Lenting, Jeanette Orlowsky 5.3 Textilbeton - von der Innovation in die Praxis 179 Dr.-Ing. Till Büttner 6.0 Kunststoffauskleidung 6.1 Kraftschlüssige Rissinjektionen bei wasserführenden Rissen 197 Dipl.-Ing. (FH) Benjamin Reims 6.2 Sanierung eines Trinkwasserbehälters mittels PE-Auskleidung 201 Peter Brehl 6.3 Erfahrung und Qualitätssicherungsverfahren: Epoxidharzbeschichtungen für den Trinkwasserbereich sicher verarbeiten 207 Dr. Ludger Boonk 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 9 7.0 Betonbau 7.1 Nachhaltigkeit zementgebundener Werkstoffe 213 Dipl.-Ing. Martin Bolesta 7.2 Optimierte Betonoberflächeneigenschaften unter Verwendung von Schalungsbahnen: Einflüsse, Lösungsansätze und Projektbeispiele 219 Daniel Mittermeyer M.Eng. 7.3 Instandsetzung mit besonderen Herausforderungen am Beispiel des Wasserwerks Schierstein 225 Dipl.-Ing. Helmut Richter, Dr.-Ing. Melanie Merkel, Univ.-Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Breit Anhang Programmausschuss 237 Autorenverzeichnis 239 ** Manuskript lag bei Redaktionsschluss nicht vor. Plenarvorträge 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 13 Handlungsfeld Europäische Gesetzgebung und Regelwerk Peter Frenz DVGW-Hauptgeschäftsstelle, Bonn 2 Übersicht ▪ DVGW Regelwerk ▪ Rechtlicher Rahmen national, europäische und international ▪ Einfluss europäischer Rechtsprechung auf das DVGW Regelwerk ▪ Warum Qualität so wichtig ist! 14 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Handlungsfeld Europäische Gesetzgebung und Regelwerk 3 Regelsetzungsprozess im DVGW DVGW Technisches Komitee (TK), bestehend aus Experten aus allen interessierten Kreisen im Gas- und Wasserfach erarbeitet eine erste Version „Gelbdruck“ innerhalb von 3 Monaten kann die Fachöffentlichkeit Einsprüche an den DVGW einreichen die Einsprüche werden vom TK gehört, der Gelbdruck überarbeitet der DVGW-Vorstand erteilt die Freigabe „Weißdruck“ Überarbeitung, wenn notwendig; die gleiche Prozedur Regelsetzungsprozess DVGW die Ein erarbeitet edur 4 Aktuelles Regelwerk Wasserspeicherung ▪ DVGW W 300-1 Planung und Bau ▪ DVGW W 300-2 Betrieb und Instandhaltung ▪ DVGW W 300-3 Instandsetzung und Verbesserung ▪ DVGW W 300-4 Werkstoffe und Auskleidungssysteme - Qualitätskontrolle ▪ DVGW W 300-5 Bewertung der Verwendbarkeit von Auskleidungs- und Beschichtungssystemen (Entwurf) ▪ DVGW W 300-6 Systembehälter ▪ DVGW W 300-7 Praktische Hinweise Reinigung und Desinfektion ▪ DVGW W 300-8 Hygienekonzept 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 15 Handlungsfeld Europäische Gesetzgebung und Regelwerk 5 Aktuelles Regelwerk Wasserspeicherung ▪ DVGW W 316 Qualifikationsanforderungen an Fachunternehmen ▪ DVGW W 347 Hygiene zementgebundenen Werkstoffe ▪ DVGW W 398 Praxisleitfaden Hygiene Ortbeton ▪ DVGW W 270 Organische Werkstoffe - Mikrobielles Wachstum Europäische Norm DIN EN 1508 6 DVGW - Eingebunden in internationale Regelsetzung Reg ng DVGW NA W NAA NAR D FNK NMP NAT G NHR S FNF W FES FAK AU FNN E NAG US NAO rg NAO … DVGW über DIN TC 92 TC 155 TC 164 TC 69 TC 164 TC 74 TC 133 TC 203 TC 203 TC 155 TC 219 TC 319 TC 164 TC 391 ECIS S TC 110 EC S TC 218 TC 133 SSC C- CG SSC BT WG 192 … DVGW über DIN TC 92 TC 155 TC 164 TC 69 TC 164 TC 74 TC 133 TC 203 TC 203 TC 155 TC 219 TC 319 TC 164 TC 391 ECIS S TC 110 EC S TC 218 TC 133 SSC C- CG SSC BT WG 192 … DIN CEN ISO DVGW NAG DIN CEN ISO DVGW 16 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Handlungsfeld Europäische Gesetzgebung und Regelwerk Zusammenspiel von Gesetzgebung, Technischer Selbstverwaltung und betrieblicher Praxis 7 Einflüsse aus Europa auf die Regelsetzung/ Normung? EuGH Warenverkehrsfreiheit Verhältnismäßigkeit ja EU- Kommission Binnenmarkt Harmonisierung ja 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 17 Handlungsfeld Europäische Gesetzgebung und Regelwerk 9 Gesetzte und Verordnungen Überblick Europäisch: ▪ Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) ▪ Trinkwasserrichtlinie (DWD) ▪ Bauproduktenverordnung (CPR) ▪ Vergaberichtlinie National: ▪ Wasserhaushaltsgesetz WHG, Verordnung zum Schutz der Oberflächengewässer (OGewV), Grundwasserverordnung (GrwV) ▪ Trinkwasserverordnung TrinkwV ▪ Bauordnung BauO, Landesbauordnungen, Musterverwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen MVV TB ▪ VOB CE-Kennzeichnung , bauaufsichtliche Zulassung CE-Kennzeichnung, hEN (Bauprodukte) freier Warenverkehr, Leistungserklärung MVV TB Musterbauordnung, DIBt (Bauprodukte) Verwendbarkeitsnachweis § 17 TrinkwV (UBA) (Materialien und Werkstoffe) Verwendbarkeitsnachweis nach TrinkwV? Nein! BauPVO (CPR), Bauordnung, Trinkwasserverordnung 18 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Handlungsfeld Europäische Gesetzgebung und Regelwerk 11 Revision der EG-Trinkwasserrichtlinie #1 Proposal of the EU Commission #2 1st reading of the EU Parliament #3 1st reading of the Council of the EU  #4 2nd reading of the EU Parliament       ✓   EU Commission opinion  #5 2nd reading of the Council of the EU   ✓  #6 Trialogue 12 Revision der EG-Trinkwasserrichtlinie ▪ Trilog-Verhandlungen erfolgreich beendet ▪ 18. Februar 2020 Abstimmung im Umweltausschuss des EP ▪ März 2020 Bestätigung des Rates ▪ Juni 2020 2. Lesung im Plenum des EP ▪ Mitte Juli 2020 Inkrafttreten ▪ Mitte 2022/ 23 Umsetzung national (2 Jahre) • Qualitätsparameter an WHO-Empfehlungen orientieren • Hygienische Anforderungen an Materialien in Kontakt mit Trinkwasser festlegen • Informationspflichten auf Trinkwasserqualität ausrichten • Überwachungshäufigkeiten, Regelung bei Abweichungen und Indikatorparameter beibehalten Risikobasierter Ansatz verankert 12 ▪ Mitte 2022/ 23 Umsetzung national (2 Jahre) an WHO-E -Empfehlungen 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 19 Handlungsfeld Europäische Gesetzgebung und Regelwerk 1. Materialien in Kontakt mit Trinkwasser, neue Artikel 10a, europäische Positivlisten ECHA, 4MS 2. Abweichungen (Artikel 12 a), maximal 3 Jahre, zeitliche begrenzte Ausnahmen 3. Wasserverluste (Artikel 4), ILI (infrastructural leakage index), WVU > 10 000 m³/ d bzw. > 50 000 Personen 4. Blei (Anhang I, Teil B), 5 µg/ L Übergangsfrist 15 Jahre, bis dahin 10 µg/ L 5. Endokrine Disruptoren (Anhang I, Teil B Chemische Parameter und Artikel 11 Monitoring, „Watchlist“), Bisphenol A von 2,5 µg/ L, Watchlist: Nonylphenol, Beta-Östradiol 6. PFAS (Anhang I, Teil B Chemische Parameter), Gesamt-PFAS (0,50 µg/ L), 0,10 µg/ L für die Summe der in Anhang III, Teil B, Punkt 3 gelisteten 20 Einzelsubstanzen 7. Def. Richtwerte durch MS für nicht-relevante Metaboliten von Pflanzenschutzmitteln (Anhang I, Teil B Chemische Parameter), Fortfahren GOW-Konzept des UBA 8. Mikroplastik (Artikel 11 Monitoring), Methodik zur Bestimmung ( 3 Jahre), Perspektive Mikroplastik in die „Watchlist“ 9. Übergangsregelungen (Artikel 22a) 13 Revision der EG-Trinkwasserrichtlinie w. > Trinkwasserverordnung • § 4: Trinkwasser muss so beschaffen sein, dass durch seinen Genuss oder Gebrauch eine Schädigung der menschlichen Gesundheit insbesondere durch Krankheitserreger nicht zu besorgen ist. Es muss rein und genusstauglich sein. Diese Anforderung gilt als erfüllt, wenn … bei der Wassergewinnung, der Wasseraufbereitung und der Wasserverteilung mindestens die allgemein anerkannten Regeln der Technik eingehalten werden … • § 17: Anlagen für die Gewinnung, Aufbereitung oder Verteilung von Trinkwasser sind mindestens nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik zu planen, zu bauen und zu betreiben. • § 24: Straftaten • § 25: Ordnungswidrigkeiten − entgegen § 17 Absatz 1 eine Anlage nicht richtig plant, nicht richtig baut oder nicht richtig betreibt, − entgegen § 17 Absatz 2 Satz 2 nicht sicherstellt, dass nur Werkstoffe oder Materialien nach § 17 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 oder Nummer 3 verwendet werden 14 20 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Handlungsfeld Europäische Gesetzgebung und Regelwerk 15 Bauordnung, MVV TB Erdüberdeckte Rohrleitungen fallen nicht unter den Anwendungsbereich des Bauordnung! § 1 Dieses Gesetz gilt nicht für … ▪ Leitungen, die der öffentlichen Versorgung mit Wasser, Gas, Elektrizität, Wärme, der öffentlichen Abwasserentsorgung oder der Telekommunikation dienen, ▪ Rohrleitungen, die dem Ferntransport von Stoffen dienen … Die Bauprodukte jedoch sehr wohl! Und damit unter die Musterverwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen MVV TB! DVGW Geschäftsordnung GW 100 Abschnitt 3.2.1 Arbeitsblätter: • beschreiben den Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen und Betriebsweisen, der nach herrschender Auffassung führender repräsentativer Fachleute als technisch notwendig, geeignet und angemessen angesehen wird und der sich in der Praxis bewährt hat. „a. a. R. d. T.„ „Stand der Technik“ 16 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 21 Handlungsfeld Europäische Gesetzgebung und Regelwerk Haftungsrechtliche Relevanz DVGW-Regelwerk ➢ Energiewirtschaftsgesetz, Trinkwasserverordnung und das Wasserhaushaltsgesetz verweisen auf die allgemein anerkannten Regeln der Technik. Der Gesetzgeber billigt seit Jahrzehnten dem DVGW-Regelwerk diese technische Schlüsselfunktion zu. ➢ Der Gesetzgeber räumt dem DVGW-Regelwerk den Status von allgemein anerkannten Regeln der Technik ein. ➢ Das DVGW-Regelwerk entspricht der Eigenverantwortung, die der Gesetzgeber der Versorgungswirtschaft zugewiesen hat. ➢ Mit der Erfüllung gilt die sog. Vermutungswirkung. ➢ Bei Beachtung der DVGW-Regeln wird damit den gesetzlichen Anforderungen entsprochen. ➢ Das DVGW-Regelwerk bietet somit Handlungs- und Rechtssicherheit. 17 Einflüsse aus Europa auf die Regelsetzung/ Normung? 18 EuGH Warenverkehrsfreiheit Verhältnismäßigkeit ja EU- Kommission Binnenmarkt Harmonisierung ja 22 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Handlungsfeld Europäische Gesetzgebung und Regelwerk 19 Mandatierte Europäische Norm - hEN ▪ Europäische Norm, die im Rahmen der Neuen Konzeption erarbeitet und angewendet wird. Sie wird im Rahmen eines Mandats, das von der Europäischen Kommission erteilt wird, erarbeitet. ▪ Erarbeitung wie eine „normale“ EN ▪ Keine gesonderte Kennzeichnung, außer Hinweis im Vorwort ▪ Ein zusätzlicher informativer Anhang, der einen Bezug zur entsprechenden EU-Richtlinie enthält, muss erarbeitet und Bestandteil der Norm werden ▪ Mandatierte Normen müssen im EG-Amtsblatt mit Nummer und Titel angekündigt werden 20 Ziele der EU im Bereich Produktnormung ▪ Freier Warenverkehr und Handel ▪ Einheitliche „Anforderungen“ an Produkte odukte Harmonisierte Norm Bauproduktenverordnung Druckgeräterichtlinie Druckbehälterrichtlinie Maschinenrichtlinie 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 23 Handlungsfeld Europäische Gesetzgebung und Regelwerk • Festlegung der wesentlichen Merkmale • Prüfmethode der wesentlichen Merkmale • Ergebnis der Prüfung der wesentlichen technischen Merkmale wird durch die Leistungserklärung gemäß Anhang ZA benannt • Festlegung von Pass/ Fail-Kriterien, Klassen und Grenzwerten • Bewertung der Prüfergebnisse der wesentlichen Merkmale 21 Harmonisierte Normung Gegenstand von hENs Nicht Gegenstand von hEns Nationales Schutzniveau 22 Nationales Schutzniveau (z. B. Trinkwasserverordnung, Bauordnungsrecht MBO) Bauwerksanforderungen Schutzniveau in MS wird über Anforderungen an das Bauwerk festgelegt! 24 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Handlungsfeld Europäische Gesetzgebung und Regelwerk 23 Anforderungen an Anlagen nach Bauordnung § 3 Allgemeine Anforderungen Anlagen sind so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere Leben, Gesundheit und die natürlichen Lebensgrundlagen, nicht gefährdet werden; dabei sind die Grundanforderungen an Bauwerke gemäß Anhang I der Verordnung (EU) Nr. 305/ 2011 (CPR) zu berücksichtigen. Dies gilt auch für die Beseitigung von Anlagen und bei der Änderung ihrer Nutzung. CPR Anhang I: GRUNDANFORDERUNGEN AN BAUWERKE: ▪ Festigkeit und Standsicherheit ▪ Brandschutz ▪ Hygiene, Gesundheit und Umweltschutz ▪ Sicherheit und Barrierefreiheit bei Nutzung ▪ Schallschutz ▪ Energieeinsparung und Wärmeschutz ▪ Nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen 24 Bewertung der Verwendbarkeit nach Bauordnung § 16b/ c Schutzniveau in MS wird über Anforderungen an das Bauwerk/ Bauart festgelegt! 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 25 Handlungsfeld Europäische Gesetzgebung und Regelwerk 25 Bewertung der Verwendbarkeit nach Bauordnung § 16b/ c ▪ Kann ein bestimmtes Bauprodukt in einem Bauwerk eingebaut werden? ▪ Ist es in einem Bauwerk oder nach Bauart verwendbar? ▪ Werden mit dem Einbau die Bauwerksanforderungen erreicht? ➢ Abgleich von Merkmalen eines Bauproduktes (Druckfestigkeit, Migrationsverhalten, Abmessungen, Legierungszusammensetzung, mikrobielles Wachstum etc.) mit den Bauwerksanforderungen 26 Bauprodukte, die keines Verwendbarkeitsnachweises bedürfen MVV TB Teil D: Bauprodukte, die keines Verwendbarkeitsnachweises bedürfen (Anforderungen nach § 3 MBO1) „Eine Verwendbarkeit der Bauprodukte i.S.d. § 16b MBO1 muss damit materiell zwar vorliegen, jedoch ist diese nach Bauordnungsrecht nicht nachzuweisen. Hierunter fallen insbesondere Bauprodukte, die durch andere Zertifizierungs- und Zulassungssysteme abgedeckt werden (z. B. DVGW und VDE).“ 26 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Handlungsfeld Europäische Gesetzgebung und Regelwerk 27 Bauprodukte, die keines Verwendbarkeitsnachweises bedürfen MVV TB Teil D: Beispiele für Produkte ▪ Absperrarmaturen in Anlagen zur Wasserver- und -entsorgung ▪ Absperranlagen in Anlagen zur Gasversorgung ▪ Strömungswächter ▪ Sicherheitseinrichtungen der Gas-Installation ▪ Sicherheits-Gasschlauchleitungen für den Anschluss von Haushalts- Gasgeräten ▪ Mehrschichtverbundrohre für die Gas-Inneninstallation ▪ Flüssiggasdruckregelgeräte ▪ Trinkwassererwärmer und Speicher ▪ Wärmeübertragungsanlagen ▪ Schächte für Brunnen und Sickeranlagen ▪ … 28 Europäische Rechtsprechung ➢ EuGH-Urteil Frabo 2012 DVGW = De facto-Vorschriften ➢ EuGH-Urteil 2014 DIBt Bauregeliste = keine zusätzlichen Merkmale an Produkte mit CE-Kennzeichnung (geregelter Bereich) 1. Novellierung des Bauordnungsrechts (Musterbauordnung MBO) 2. Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB) DIN-DVGW-Vereinbarung Gemeinschaftsfachbereich Trinkwasser 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 27 Handlungsfeld Europäische Gesetzgebung und Regelwerk 29 Rolle des DVGW Regelwerkes Trinkwasserspeicherung Wesentliches Merkmal Prüfmethode Leistungserklärung: Prüfwerte Bewertung Verwendbarkeit Mikrobielles Wachstum DIN EN … Wert a W 270, DIN 50930-6, Metallliste, Positivlisten, UBA Bewertungsgrundlagen, §17 TrinkwV, Funktionalregelwerk mit Bauwerksanforderungen, Verordnungen, Baurecht … Schwermetallmigration DIN EN … DIN 5930-6 Wert b Migration elluierbarer Stoffe UBA Wert c Technisches Merkmal… Prüfung (Test Rig) Ergebnis … a W a W a W Nationales Schutzniveau … 30 Rolle des DVGW-Regelwerkes Trinkwasserspeicherung DVGW-Bewertung der Verwendung für Produkte, Werkstoffe und Bauteile in Bauwerken für Anwender, Planer, Bauherren 28 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Handlungsfeld Europäische Gesetzgebung und Regelwerk 31 ➢ Techn. Merkmal 1 ➢ Techn. Merkmal 2 ➢ Techn. Merkmal 3 ➢ Techn. Merkmal 4 ➢ Techn. Merkmal 5 Rolle des DVGW-Regelwerkes Trinkwasserspeicherung § 17 TrinkwV z. B. DIN EN XYZ z. B. DIN ABC Regelwerk W 300-5 Verwendbarkeit W 300-1 … -8 ✓ ✓ ✓ ➢ Ausgangsstoffe ➢ Mikrobiologie ➢ Migration 5 32 ➢ Für den Anwender wird ersichtlich, welche wesentlichen Merkmale eines verwendeten Bauproduktes für die Bewertung der Gebrauchstauglich bzw. Verwendbarkeit im Sinne der Bauordnung und der Trinkwasserverordnung für das Bauwerk bzw. die Bauart maßgeblich sind. ➢ Es eröffnet die Möglichkeit der eigenständigen Bewertung der Verwendbarkeit von Produkten ➢ Bestellhilfe für die Leistungsbeschreibung in der Ausschreibung Rolle des DVGW-Regelwerkes Trinkwasserspeicherung 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 29 Handlungsfeld Europäische Gesetzgebung und Regelwerk 33 DVGW W 300-5 34 Warum Qualität so wichtig ist! W 316 Prüfung, Audit Formale Voraussetzungen Personelle Qualifikation Schulung 30 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Handlungsfeld Europäische Gesetzgebung und Regelwerk 35 Warum Qualität so wichtig ist! NB; ITW; O: CC/ PCC Neubau, Instandsetzung Beton/ Tragwerk, Instandsetzung Oberfläche mittels zementgebundener Werkstoffe: Kombination Sparte A e Abkürzung Systembehälter SB Neubau, Neubausystembehälter NB Instandsetzung Beton-/ Tragwerk ITW Instandsetzung Oberfläche O Werkstoffsysteme Abkürzung Zementgeb. Werkstoffe CC/ PCC Polymerbeschichtungen PB PE/ PP-Platten KDP PE/ PP-Dichtungsbahnen KDB Nichtrostender Stahl NI Glasfaserkunststoffe GFK 36 ▪ Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit gemäß VOB ▪ Präqualifikation (Fachliche Leistungsfähigkeit) ▪ Berücksichtigung der Belange des Wasserfaches/ Trinkwasserverordnung (Hygiene) ▪ Geringerer Aufwand beim Auswahlverfahren ▪ Marketing Qualifizierung, aber wer? Fachunternehmen: ▪ Baufirmen und ▪ Planungsbüros 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 31 Handlungsfeld Europäische Gesetzgebung und Regelwerk 37 Qualifizierung, aber wie? Versorgungsunternehmen beschreiben und fordern beipsielsweise im Teilnehmerwettbewerb die Qualifikation, welche nach W 316 benötigt wird: „Für die Instandsetzungsmaßnahme muss der Anbieter eine Qualifikation nach DVGW-Arbeitsblatt W 316 ITW; O: CC/ PCC aufweisen. Der Nachweis kann über die Vorlage eines entsprechenden Zertifikates einer akkreditierten Zertifizierungsstelle oder in gleichwertiger Art erfolgen.“ 38 Qualifizierung, aber wie? ✓ Mit der Vorlage eine Zertifikates W 316 ITW; O: CC/ PCC ist der Nachweis auf eine einfache, unkomplizierte Art und Weise erbracht!  Für den Fall, dass keine gültige Zertifizierung mit einer entsprechenden vorliegt, muss die „gleichwertige Art“ des Nachweises beschrieben/ vorgegeben werden. Die in W 316 aufgeführten einzelnen Anforderungen müssen alle für sich separat durch Einzelnachweise nachgewiesen werden: ➢ Formale Voraussetzungen ➢ Personelle Qualifikation für Fachkräfte und Fachaufsichten ➢ Besichtigung einer vergleichbaren Baustelle und des Betriebshofes ➢ Fachgespräche und Nachweis der Fachkenntnisse mit z. B. erweiterten Bietergesprächen und Prüfung durch unabhängige Experten ➢ Hoher Aufwand bei der Bauüberwachung/ Qualitätskontrolle Hoher Aufwand Unsicherheit 32 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Handlungsfeld Europäische Gesetzgebung und Regelwerk Mit Sicherheit Qualität! Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! www.wasser-impuls.de Dipl.-Ing. Peter Frenz Leiter Wasserversorgungssysteme Tel.: +49 228 9188-654 Mobil: +49 172 7852-452 E-Mail: frenz@dvgw.de 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 33 Grundsätzliche Anforderungen für Neubau und Instandsetzung von Trinkwasserbehältern Prof. Dr.-Ing. Manfred Breitbach Hochschule Koblenz Lehrgebiet Werkstoffe des Bauwesens, Betontechnologie, Betoninstandsetzung Amtliche Prüfstelle für nichtmetallische Bau- und Werkstoffe Konrad-Zuse-Straße1 D-56075 Koblenz ZUSAMMENFASSUNG Die grundsätzlichen Anforderungen für Neubau und Instandsetzung von Trinkwasserbehältern sind in der Regelwerksreihe W 300-ff dargestellt. Mit einer Instandsetzung soll nicht der Altzustand wiederhergestellt werden, sondern ein Zustand, der die Anforderungen an einen Neubau gemäß W 300-1 berücksichtigt, den Mindest-Sollzustand so sicherstellt, dass während der geplanten Restnutzungsdauer die mit ausreichender statistischer Zuverlässigkeit festgelegten Abnutzungsgrenzen unter Berücksichtigung der planmäßigen zeitabhängigen Werkstoffveränderungen nicht unterschritten werden sowie eine Verbesserung der trinkwasserberührten Oberflächen erzeugt wird. Daher werden in diesem Beitrag die wesentlichen Kriterien für den Soll-Zustand erläutert. Bei der Instandhaltung müssen diese Kriterien bzw. deren zeitliche Veränderungen/ Beeinträchtigungen ständig erfasst und dokumentiert werden. Im Falle einer Instandsetzung ist eine umfassende planerische Auseinandersetzung erforderlich. Es muss dann versucht werden, die Soll-Zustände für einen Neubau so weit wie technisch möglich zu erreichen. 1. EINFÜHRUNG Die Regelwerksreihe W 300-1 bis W 300-8 reflektiert den Lebenszyklus eines Trinkwasserbehälters von z. B. der Festlegung der richtigen topografischen Lage, der Einbindung in das Versorgungsnetz oder des Speichervolumens, dem Betrieb, die Instandhaltung sowie die Instandsetzung bis hin zum Rückbau (Abb. 1). Die grundsätzlichen Anforderungen für den Neubau und die Instandsetzung von Trinkwasserbehältern müssen immer in diesem komplexen Kontext beachtet werden. Für den Neubau von Trinkwasserbehältern oder die Errichtung von System- und Fertigteilbehältern legen W 300-1 bzw. W 300-6 den Soll-Zustand fest. Hinsichtlich der Hygieneanforderungen an das Trinkwasser und die Werkstoffe bestehen kaum Freiheitsgrade, da hier gesetzlichen Vorschriften zu beachten sind (vgl. z. B. IfSG Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen; TrinkwV Trinkwasserverordnung). Für die Instandhaltung eines Trinkwasserbehälters sind diese Kriterien beim Betrieb gemäß W 300-2 zu beachten. Für die Instandsetzung nach W 300-3 muss ebenfalls der Soll-Zustand, wie er in W 300-1 beschrieben wird, grundsätzlich beachtet werden. Wenn in Bestimmten Fällen die vollständige Umsetzung des vorgegebenen Soll-Zustands bei älteren Behältern nur eingeschränkt möglich ist, erfordert dies eine eingehende planerische Leistung. Abweichungen sind zu begründen, Alternativen sind zu betrachten und es muss eine Risikobewertung insbesondere hinsichtlich der hygienischen Beeinflussungen und der Dauerhaftigkeit erfolgen. Planung, Bau und Instandhaltung von Trinkwasserbehältern erfordern besondere Fachkenntnisse. Neben den hygienischen und werkstofftechnischen Erfahrungen müssen Fachplaner nach W 316 über vertiefte Kenntnisse zum Neubau (inkl. Teilneubau und Systembehälter) und zu der Instandsetzung mit den verschiedenen in W 300-3 beschriebenen Prinzipien und Werkstoffen ausgestattet sein. Auch die Fachunternehmen müssen neben ihren speziellen Spartenkenntnissen über grundsätzliche Erfahrungen zum Neubau und zur Instandsetzung verfügen. Die erforderlichen Nachweise dieser Fähigkeiten werden in W 316 für Fachplaner und Fachunternehmen umfassend beschrieben. Grundsätzliche Anforderungen für Neubau und Instandsetzung von Trinkwasserbehältern 34 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Abb. 1: Übersicht über die Zusammenhänge im Regelwerk zum Lebenszyklus eines Trinkwasserbehälters 2. ABGLEICH ZWISCHEN SOLL-ZUSTAND UND IST-ZUSTAND Im Rahmen des Betriebs eines Trinkwasserbehälters muss ein regelmäßiger Abgleich zwischen dem Soll- und dem Ist-Zustand erfolgen (Abb. 2). In diesem Zusammenhang muss darauf hingewiesen, dass sich - Bau- und Bauhilfsstoffe im ständigen Kontakt mit dem Trinkwasser planmäßig über die Nutzungsdauer verändern können, - trinkwasserberührte Oberflächen und Auskleidungen grundsätzlich als eine Opferschicht darstellen, - Regelwerke und technischen Entwicklungen in einem dynamischen Prozess befinden und auch durch z. B. europäische Regelwerke beeinflusst werden, - Anforderungen / Grenzwerte an z. B. Kontaminationen im Untergrund und an die Trinkwasserqualität ändern können. Abb. 2: Soll-Ist-Vergleich bei der Instandhaltung (DIN 31 051 / 06/ ) Der Betreiber muss hierzu geeignete Maßnahmenkataloge für den individuellen Anwendungsfall entwickeln (z. B. Beurteilungskriterien, Fragenkataloge, …) und Behälterbegehungen chronologisch dokumentieren, damit mögliche Veränderungen vor dem Eintreten eines kritischen Zustands erkannt werden (vgl. Abb. 3). Diese Unterlagen dienen als Grundlage für eine Bauzustandsanalyse und Instandsetzungsplanung nach W 300-3. Das Personal sollte so geschult/ unterwiesen sein, dass die Maßnahmen während des Betriebs sachgerecht umgesetzt werden können. Wesentlich sind dann Festlegungen von Kriterien, ab wann eine betriebliche Instandhaltung nach W 300- 2 in den Zustand der technischen Instandsetzung nach W 300-3 übergeführt werden muss. Dann sind Sonderfachleute für z. B. die Bauzustandsanalyse und eine Instandsetzungsplanung einzuschalten. Abb. 3: Instandsetzungszyklus und Lebensdauer / 24/ ) Alle Werkstoffe im ständigen Kontakt mit Trinkwasser unterliegen einer hydrolytischen Wechselwirkung, die die Werkstoffeigenschaften im Laufe des Betriebes planmäßig Grundsätzliche Anforderungen für Neubau und Instandsetzung von Trinkwasserbehältern 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 35 reduzieren. Die Oberflächen bzw. die Auskleidungen der Wasserkammern stellen damit immer eine Opferschicht dar. Die Schadensprozesse beschränken sich nicht auf die trinkwasserberührten Oberflächen, sondern wirken auch auf die dahinter befindliche Betonrandzone ein (Abb. 4). Abb. 4: Schädigungsprozesse an der trinkwasserberührten Oberfläche bei zementgebundenen Werkstoffen Solche Prozesse werden im Regelwerk mit den Begriffen “Hydrolyse, Auslaugung, Alkalität“ beschrieben, diese Vorgänge reduzieren planmäßig im Laufe der Zeit die Beständigkeit gegen das Trinkwasser. Hierbei erfolgt zunächst ein Substanzverlust an der Oberfläche und später eine Abnutzung der Werkstoffeigenschaften (Verringerung der Alkalität und der Festigkeit, Erhöhung der Porosität). Aufgabe des Betreibers einer solchen Anlage ist es, die Werkstoffveränderungen durch Inspektionen regelmäßig zu beobachten und den Zeitpunkt der Sanierung rechtzeitig festzulegen, so dass eine Schädigung des Tragwerkes durch z. B. Korrosion der Bewehrung nicht eintreten kann. Die Technische Regel TR-Instandhaltung [01] beschreibt die zu berücksichtigenden Zusammenhänge und die erforderlichen Festlegung einer Restnutzungsdauer nach der Instandsetzung. Abb. 3 verdeutlicht dieErfordernis von Inspektionen (Bauzustandsanalyse) zur Feststellung des Ist-Zustands und der vorhandenen Restnutzungsdauer. Diese sollten nicht erst unmittelbar vor der geplanten Instandsetzung erfolgen, sondern in bestimmten zeitlichen Abständen zuvor, um Prognosen ableiten zu können. Durch den Planer müssen die Abnutzungsgrenze (Mindest-Soll-Zustand), der richtige Zeitpunkt für eine Instandsetzung und in Abstimmung mit dem Bauherrn die weitere planmäßige Restnutzungsdauer festgelegt werden. 3. HERSTELLUNG DES SOLL-ZUSTANDS In Deutschland werden derzeit schätzungsweise 10.000 Wasserspeicher in der Trinkwasserversorgung betrieben, hinzu kommt eine Vielzahl von Behältern für industrielle oder landwirtschaftliche Anwendungen. Hierbei handelt es sich überwiegend um erdüberdeckte Konstruktionen aus Beton, die zur Sicherstellung der Trinkwasserhygiene und der Dauerhaftigkeit der Konstruktion mit einer Auskleidung versehen werden müssen. Für andere Konstruktionen kann das Regelwerk sinngemäß angewendet werden. Die Geschichte der Trinkwasserspeicherung ist fast 150 Jahre alt, sodass ein sehr breites Spektrum an Bauweisen und Baustoffen vorliegt. Diese Vielfalt begründet eine umfassende Regelung von verschiedenen Auskleidungsvarianten und erfordert ein umfassendes Wissen über die Baustoffe, Baukonstruktionen sowie die chemisch-physikalischen Zusammenhänge und die Hygieneanforderungen. Aufgrund ihrer Bedeutung im Versorgungsnetz und ihrer häufig exponierten geodätischen Lage werden viele Trinkwasserbehälter von ihrer Erbauung an ohne Unterbrechung betrieben, sodass sich die Altersstruktur solcher Bauwerke unter der stark vereinfachten Annahme einer stetigen Entwicklung der Netze abschätzen lässt. Danach entsprechen etwa 60 % der Konstruktionen nicht den Anforderungen des heutigen Regelwerks, und bei den restlichen 40 % sind noch weitere Einschränkungen notwendig. Die wesentlichen Planungsgrundsätze für die Instandsetzung älterer bzw. nicht regelwerkskonformer Anlagen formuliert DVGW W 300-3. Es wird deutlich auf die komplexen Fragestellungen und insbesondere die systematische Vorgehensweise bei der Beantwortung der wesentlichen Fragestellungen hingewiesen (vgl. Abb. 5). Mit einer Instandsetzung soll nicht der Altzustand wiederhergestellt werden, sondern ein Zustand, der / 15/ : 1. die Anforderungen an einen Neubau gemäß W 300-1 berücksichtigt, 2. den Mindest-Sollzustand so sicherstellt, dass während der geplanten Restnutzungsdauer, die mit ausreichender statistischer Zuverlässigkeit festgelegten Abnutzungsgrenzen unter Berücksichtigung der planmäßigen zeitabhängigen Werkstoffveränderungen nicht unterschritten werden, 3. eine Verbesserung der trinkwasserberührten Oberflächen erzeugt. 4. VERBESSERUNG DES SOLL-ZUSTANDS 4.1 Grundsätze DIN 31 051 / 06/ definiert die Instandhaltung als Oberbegriff für die Maßnahmen Wartung, Inspektion, Instandsetzung und Verbesserung (Abb. 6). Bei Trinkwasserbehältern muss hierbei zwischen • der Dauerhaftigkeit der Konstruktion • der Beständigkeit und der hygienischen Eigenschaften der Oberfläche Grundsätzliche Anforderungen für Neubau und Instandsetzung von Trinkwasserbehältern 36 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 unterschieden werden (Abb. 7). Zu der Dauerhaftigkeit und den hygienischen Eigenschaften der trinkwasserberührten Oberflächen finden sich in der Regelwerksreihe DVGW W 300-ff vielfältige Hinweise sowohl für den Neubau als auch für die Instandsetzung. Werkstoffe im ständigen Kontakt mit dem Trinkwasser unterliegen einem permanenten chemischen Angriff. Dies betrifft zunächst alle Werkstoffe, jedoch mit unterschiedlicher Intensität (vgl. z. B. UBA Bewertungsgrundlagen). Abb. 5: Hinweis auf die komplexen Fragestellungen bei der Instandsetzung (W 300-3) Abb. 6: Unterteilung der Instandhaltung nach DIN 31 051 / 06/ Abb. 7: Begriffe zur Instandsetzung des Tragwerks und Verbesserung der Oberfläche nach DVGW W 316 / 21/ Ziel der Verbesserung / Ertüchtigung der Oberfläche ist es, die (vgl. Abb. 3 und Abb. 8): - Zeit bis zum Erreichen der Abnutzungsgrenze - planmäßigen Instandsetzungsintervalle deutlich zu verlängern. Abb. 8: Verlängerung der Instandsetzungsintervalle durch Ertüchtigung / Verbesserung 4.2 4.2 Verbesserung beim Neubau 4.2.1 Konstruktion Der überwiegende Anteil an Behälterneubauten erfolgt mit Konstruktionen aus Stahlbeton (siehe W 300-1). Daneben kommen auch System- und Fertigteilbehälter (siehe W 300-6) zur Anwendung. Stahlbeton- und Spannbetonbehälter sind für die Üblichen Anwendungen durch Festlegungen zu den Expositionsklassen DIN EN 206, DIN 1045-2 sowie in DIN EN 1992-3 geregelt. Die Sicherstellung einer ausreichenden Auslaugungs- und Hydrolysebeständigkeit kann aufgrund von Forschungsergebnissen und langjährigen Erfahrungen mit den üblichen Festlegungen nicht erreicht werden. Daher wird eine eigene Expositionsklasse für Trinkwasserbehälter X TWB in W 300-4 festgelegt (Abb. 9). Grundsätzliche Anforderungen für Neubau und Instandsetzung von Trinkwasserbehältern 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 37 Maßgeblich werden hierzu der Wasser/ Zement-Wert, der Mehlkorngehalt und die Konsistenz begrenzt und eine Mindestdruckfestigkeitsklasse gefordert. Abb. 9: Festlegungen zur Verbesserung der Hydrolysebeständigkeit des Betons durch die Expositionsklasse X TWB gemäß W 300-4 / 16/ Neben den Anforderungen an den Beton werden an die Konstruktion weiter grundsätzliche Anforderungen gestellt (vgl. Abb. 10). Die Wasserkammer muss der DAfStb-Richtlinie „Wasserundurchlässige Bauwerke aus Beton“ genügen, muss über eine statische Bewehrung zur Rissbreitenbeschränkung verfügen, soll möglichst fugenfrei sein und muss mit innenliegenden Fugenblechen / Fugenbändern insbesondere am Sohl-Wandanschluss ausgestattet sein. Die Wasserkammer muss von innen und von außen dicht sein. Abb.10: Grundsätzliche Anforderungen an die Konstruktion gemäß W 300-1 und W 300-3 / 13/ / 15/ 4.2.2 Oberfläche Hinsichtlich der Oberfläche des Betons erfolgen weitere Festlegungen. Die Oberflächen sollten möglichst porenarm hergestellt werden. Zur Verbesserung der Hydrolysebeständigkeit der Betonrandzone wird eine saugende Schalungsbahn empfohlen, die während des Erstarrens im oberflächennahen Bereich zu einer Verminderung des Wasser-Zement-Werts führt (Abb. 11). Damit werden die Kapillarporen reduziert und die Festigkeit erhöht. Abb.11: Festlegungen zur Verbesserung der Oberfläche des Betons beim Neubau gemäß W 300-1 4.3 Verbesserung durch Instandsetzung 4.3.1 Konstruktion Ältere Behälterkonstruktionen entsprechen sehr häufig aufgrund ihrer betontechnologischen Zusammensetzung nicht den Anforderungen an einen wasserundurchlässigen Beton (WU-Beton). Das liegt daran, dass bis etwa Anfang der 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts Betone ohne die Anwendung von Fleißmitteln und Betonverflüssigern hergestellt worden sind. Aufgrund des hohen w/ z-Werts weisen sie einen hohen Zementleimgehalt auf. Diese Betone sind sehr sandreich und stark wassersaugend. Abb. 12 zeigt beispielhaft Bohrkerne aus Trinkwasserbehältern. Der linke Bohrkern stammt aus einer Konstruktion, die nicht der WU-Richtlinie entspricht. Aufgrund der hohen Porosität befinden sich bis zu 80 Liter/ m 2 Wasser im Porensystem, während sich beim Bohrkern rechts, der der WU-Richtlinie entspricht, nur etwa 30 Liter Wasser/ m 2 befinden. Abb.12: Bohrkeren aus Trinkwasserbehältern (Beispiele) links: sandreicher wassersaugender Beton rechts: dichter kapillarporenarmer Beton Grundsätzliche Anforderungen für Neubau und Instandsetzung von Trinkwasserbehältern 38 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Alte Behälter können nicht z. B. durch nachträgliche Injektionen so abgedichtet werden, dass ein wasserundurchlässiges Bauwerk entsteht. Beschichtungen und Auskleidungen dürfen nicht allein zur Abdichtung herangezogen werden. Insbesondere bei Auskleidungen ohne Verbund (Folien, Platten, Edelstahl) kann sich im Spalt zwischen der Konstruktion und der Auskleidung ein korrosives und/ oder mikrobielles Milieu bilden. Auskleidungen und Beschichtungen sind als nicht so dicht zu betrachten, dass eine Migration zum Trinkwasser ausgeschlossen werden kann. Unter statistischen Gesichtspunkten kann nicht sichergestellt werden, dass eine fehlstellenfreie Auskleidung und Fugenausbildung hergestellt werden kann. In bestimmten Fällen kann es notwendig sein, eine bewehrte Innenschale auszubilden, um die geforderte Rissbreitenbeschränkung nachträglich herzustellen. Aufgrund der besonders zusammengesetzten Spritzmörtel für Behälterauskleidungen können Betonschalen mit deutlich höherer Dichtigkeit gegenüber dem geforderten Ortbeton nach der WU-Bauweise bzw. X TWB nach W 300-4 erzeugt werden. Damit sind mit geeigneten Nachweisen auch geringere Dicken für die Innenschale möglich (Abb. 13). Neben der Stahlbetonkonstruktion müssen auch die notwendigen Fugenausbildungen und die bauphysikalischen Randbedingungen betrachtet werden. Abb. 14 liefert einige Hinweise, an welchen typischen Bereichen eine Untersuchung bzw. Verbesserung erforderlich wird. Bei den Fugen muss unterschieden werden zwischen: - Gebäudefugen / Trennfugen mit Fugenweitenänderungen, - Betonierfugen mit möglichen Undichtigkeiten, - Schüttlagen aufgrund unsachgemäßer Betonage und/ oder Verdichtung mit möglichen Undichtigkeiten. Wenn kein Fugenblech/ -band bei der Erstellung Wasserkammer verwendet wurde, so muss eine gleichwertige Lösung herbeigeführt werden. Hierzu eignen sich z. B. innenliegende Fugenbänder. Abb.13: Beispiel für eine Innenschale mit Rissbreitenbeschränkung und Dichtefunktion in Anlehnung an die WU-Richtlinie in einem Trinkwasserbehälter Abb.14: Beispiele für erforderliche Bereiche für die Fugenausbildungen und bauphysikalische Problemstellungen Bewegungsfugen sollten nicht ohne eine genauere Feststellung der möglichen Fugenweitenänderungen starr überbrückt werden. Sind solche Bewegungen zu erwarten, muss eine planerische Lösung zur Rissbreitenbeschränkung herbeigeführt werden. Es ist auch eine Risikoabschätzung zu technischen und hygienischen Fragestellungen bei der Entstehung von Rissen in der Fugenüberbrückung erforderlich. 4.3.2 Oberfläche und Betonrandzone 4.3.2.1 Werkstoffveränderungen im Kontakt mit dem Trinkwasser Trinkwasser stellt immer einen chemischen Angriff auf die Werkstoffe dar. Diese zeitabhängigen Werkstoffveränderungen müssen hinsichtlich der Gefahr von hygienischen Risiken beachtet werden und sind eine wesentliche Grundlage für die Werkstoffauswahl. Veränderungen an den Werkstoffoberflächen stellen meistens einen langsamen und schleichenden Prozess dar. In Abb. 15 wird zwischen 3 Schädigungsphasen differenziert: • Einleitungsphase (zwischen 10 a bis 20 a) • Schädigungsphase (zwischen 20 a bis 30 a) • Zerstörungsphase (zwischen 30 a bis 50 a) Die zeitlichen Angaben stellen grobe Erfahrungswerte für unbedenkliches Trinkwasserqualitäten und Betriebsbedingungen dar. Bei aggressiven oder weichen Wässern sowie häufiger Fluktuation (z. B. > 2 Wasserwechsel/ d) können in der Praxis deutlich kürzere Zeitintervalle beobachtet werden. Diese Zusammenhänge müssen ebenfalls bei der Werkstoffauswahl beachtet werden. Für zementgebundenen Werkstoffe empfiehlt sich häufig eine Erhöhung der Randzone als Opferschicht. Grundsätzliche Anforderungen für Neubau und Instandsetzung von Trinkwasserbehältern 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 39 Abb.15: Zeitabhängige Schädigungsphasen an den trinkwasserberührten Oberflächen Die zeitabhängigen Veränderungen betreffen alle Werkstoffe, allerdings durch unterschiedliche Mechanismen. Hierbei stehen die hygienischen Beeinflussungen im Vordergrund: - Aufweichungen: Veränderungen der Festigkeits- und Dichtigkeitsstrukturen an den Oberflächen - Versprödung / Alterung: Veränderung der elastischen Eigenschaften - Porosierung: Veränderungen der Porenstruktur an den Oberflächen - Perforierung: Veränderungen der Dichtigkeit zum Betonuntergrund - Migration: Transport von z. B. Schwermetallen oder Moleküle zum Trinkwasser - Aufzehrung: Abbau von Bestandteilen des Werkstoffs - Exkavation: Freilegung von Bestandteilen des Werkstoffs und damit Verfügbarmachung für chemische oder biologische Abbaumechanismen Werkstoffe und Materialien, die für die Neuerrichtung oder Instandhaltung von Anlagen für die Gewinnung, Aufbereitung oder Verteilung von Trinkwasser verwendet werden und Kontakt mit Trinkwasser haben, dürfen nach § 17 Absatz 2 Satz 1 der TrinkwV nicht - den nach der TrinkwV vorgesehenen Schutz der menschlichen Gesundheit unmittelbar oder mittelbar mindern, - den Geruch oder den Geschmack des Wassers nachteilig verändern oder - Stoffe in Mengen ins Trinkwasser abgeben, die größer sind als dies bei Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik unvermeidbar ist. 4.3.2.2 Metalle Art und Geschwindigkeit der Entstehung von Korrosionsprodukten sowie die Abgaberate von Metallen ist u. a. abhängig von dem Werkstoff, der Trinkwasserbeschaffenheit und den Betriebsbedingungen. Die die Korrosion beeinflussenden Faktoren sind in EN 12 502-1 beschrieben. Die UBA Bewertungsgrundlage für metallene Werkstoffe im Kontakt mit Trinkwasser konkretisiert nach § 17 Absatz 3 TrinkwV für metallene Werkstoffe die hygienischen Anforderungen. Die Prüfung erfolgt z. B. nach DIN EN 15 664 durch alternierender Perioden von Durchströmung und Stagnation in einem Prüfstand, der damit die Nutzungsbedingungen einer Trinkwasser-Installation simuliert. 4.3.2.3 Polymere Werkstoffe Produkte oder Bauteile aus organischen Materialien sind hinsichtlich des Stoffübergangs in das Trinkwasser zu bewerten. Hierzu ist in der Regel eine Migrationsprüfung notwendig, die auch mögliche Reaktions- und Abbauprodukte erfasst. Produkte oder Bauteile aus organischen Materialien werden auf Grundlage der eingesetzten Ausgangsstoffe bewertet, die zu ihrer Herstellung verwendet werden. Das Umweltbundesamt (UBA) bewertet die Ausgangsstoffe nach den Prinzipien der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (European Food Safety Authority - EFSA), die für Lebensmittelkontaktmaterialien gelten. Die Bewertung umfasst den möglichen Stoffübergang und die toxikologischen Eigenschaften des zu bewertenden Ausgangsstoffes, dessen mögliche Verunreinigungen sowie der Reaktions- und Abbauprodukte. Die bewerteten Ausgangsstoffe sind in materialspezifischen Positivlisten in den Anlagen dieser Bewertungsgrundlage aufgeführt. Außerdem ist das Migrationswasser auf eine Beeinträchtigung des Geruchs und der Optik zu bewerten. Zusätzlich sind die Produkte oder Bauteile hinsichtlich der Förderung des mikrobiellen Wachstums zu beurteilen. Der Prüf- und Beurteilungsaufwand zur Feststellung der trinkwasserhygienischen Eignung ist risikobasiert. Entscheidend für den Aufwand ist die Verwendung der Materialien für einzelne Produkte und Bauteile und das damit verbundene Risiko einer Beeinträchtigung der Trinkwasserbeschaffenheit. Die UBA Bewertungsgrundlage für Kunststoffe und andere organische Materialien im Kontakt mit Trinkwasser (KTW-BWGL) fordert daher, dass Produkte oder Bauteile aus organischen Materialien produktbzw. bauteilspezifisch bewertet werden, da der Produktionsprozess (insbesondere Extrusion, Spritzgießen und Vernetzung) einen großen Einfluss auf die trinkwasserhygienischen Eigenschaften des Endproduktes haben kann. Neben diesen grundsätzlichen Nachweisen für polymere Werkstoffe müssen aber auch die besonderen Anwendungen im Trinkwasserbehälter betrachtet werden. Kunststoffe könne sich - im zementgebundenen Werkstoff (Beton/ Beschichtung) als Betonzusatzmittel oder -zusatzstoff, - im Verbund mit dem zementgebundenen Werkstoff (Polymerbeschichtungen, Injektions- und Abdichtungsstoffe), Grundsätzliche Anforderungen für Neubau und Instandsetzung von Trinkwasserbehältern 40 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 - ohne Verbund im Kontakt mit dem zementgebundenen Werkstoff (Folien, Platten) befinden. Aufgrund der Alkalität, der Transportvorgänge und dem Feuchtezustand das Untergrundbetons können hierdurch verschiedene Wechselreaktionen ausgelöst werden. Verseifung Verseifung ist in DAfStb-Richtlinie “Schutz und Instandsetzung von Betonbauteile Teil 1: Allgemeine Regelungen und Planungsgrundsätze“ definiert als (Zitat): “Durch Laugen, Säuren oder Enzyme bewirkte Spaltung eines Polymers“ Verseifung von Kunststoffen kann an Beschichtungen, Dichtungsstoffen/ -bändern sowie an Kunststoffbestandteilen zementgebundener Stoffe stattfinden. - Bei der Verseifung werden Esterverbindungen chemisch gespalten, es entstehen Alkohol-Moleküle sowie Carboxylat-Anionen. - Damit diese Reaktion abläuft, muss eine Base hinzutreten. Bei hochalkalischen zementgebundenen Werkstoffen handelt es sich um eine alkalische Spaltung. Die Alkalität für diese Reaktion tritt aus dem im Wasser der Zementphase gelösten Calciumhydroxid hinzu. - Bei der Zersetzung entstehen z. B. Methanol oder Butanol. - Die Verseifung greift unter Anwesenheit von Aminosäuren (aus z. B. Biofilmen oder Verkeimungen) auch den Zementstein an und zersetzt im Laufe der Zeit die zementsteinfestigkeitsgebenden Calcium-Silicat- Hydrat-Phasen (CSH). - Durch die Verseifung werden Polymerketten gespalten und damit bioverfügbar. Dadurch verlassen die Materialien letztendlich den Anwendungsbereich des W 270 / W 347 bzw. die diesbezüglichen Nachweise des Materialherstellers. - Die zeitabhängige Spaltung der Kunststoffe durch Verseifung erklärt u. a. die häufig festzustellende zeitabhängige Abnahme von Beschichtungen (Aufzehrung) und Zunahme hygienischer Probleme. Abb.16: Beispiel für die Verseifung eines Fliesenklebers Osmose Unter Osmose wird allgemein ein einseitig gerichteter Transport von Molekülen oder Ionen durch eine selektiv- oder semipermeable Trennwand (-schicht) verstanden. Häufig wird Osmose beschrieben als die spontane Passage von Wasser oder eines anderen Lösungsmittels durch eine semipermeable Membran, die für das Lösungsmittel, jedoch nicht die darin gelösten Stoffe durchlässig ist. Abb.17: Beispiel für flüssigkeitsgefüllte Blasen durch Osmose an einer Polymerbeschichtung Grundsätzliche Anforderungen für Neubau und Instandsetzung von Trinkwasserbehältern 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 41 Der osmotische Druck ist derjenige Druck, der durch die in einem Lösungsmittel gelösten Moleküle auf der höherkonzentrierten Seite verursacht wird und den Fluss des Lösungsmittel (in der Regel Wasser) durch eine semipermeable Membran antreibt. Das Lösungsmittel strömt von der Seite mit geringerer Teilchenkonzentration durch die genannte Membran zur Seite mit dem höheren osmotischen Druck, also zur höheren Teilchenkonzentration. Für die Teilchen selbst ist die Membran nicht passierbar. Der osmotische Druck hängt von den Konzentrationsverhältnissen der beiden Lösungen auf der jeweiligen Seite der Membran ab. Der osmotische Druck ist auf der Seite mit der höheren Konzentration gelöster Stoffe größer. In der Baupraxis wird die Blasenbildung an diffusionshemmenden Beschichtungen mit Osmos in Verbindung gebracht. Den zuvor beschriebenen naturwissenschaftlichen Randbedingungen widersprechen jedoch nachfolgende Aspekte: - die Konzentration an gelösten Stoffen ist auf der Beschichtungsoberfläche gering, häufig liegt auch keine Beanspruchung vor. - Die Blasenbildung tritt häufig erst zeitversetzt nach Monaten und Jahren ein, obwohl die Adhäsions- und Kohäsionsfestigkeit der Beschichtungssysteme sehr hoch ist bzw. nicht abgebaut worden ist. Daher wird der Vorgang mit der Modellvorstellung zur sogenannten Zwischenlagenosmose beschrieben, wo der osmotische Druck von der Rückseite der Beschichtung zwischen der eigentlichen dichten Deckbeschichtung, einer Zwischenlage (z. B. Kratzspachtelung, Imprägnierung, Putzschicht, …) und dem Konstruktionsbeton aufgebaut wird. In der Zwischenschicht können sich niedermolekulare Bestandteile aus z. B. - Schalölresten, Altbeschichtungen, - nicht vollständig polymerisierte Kunststoffe, - Lösemittelreste, - unvollständig polymerisierten Kunststoffen infolge des Chromatographie-Effekts (Hierbei werden durch poröse Baustoffe Bestandteile unterschiedlich schnell transportiert und das stöchiometrische Mischungsverhältnisse wird verschoben). In der Flüssigkeit infolge einer rückwärtigen Durchfeuchtung erfolgt eine Aufkonzentration. Unter den Randbedingungen werden Molekülketten der Kunststoffe in der Zwischenschicht und auch an der Rückseite der Beschichtung gespalten und längerfristig bioverfügbar. Hierdurch erklärt sich die zeitabhängige Zunahme von Blasen und Blasenwachstum (Größe, Volumen). Am Ende platzen die Blasen auf und setzen die Blasenflüssigkeit frei. Daher stellen flüssigkeitsgefüllte Blasen immer ein Risiko für eine Keimvermehrung dar. Durch Verseifung hervorgerufene Spaltung von Polymeren geht meist mit einem aromatischen Geruch der Blasenflüssigkeit einher. 4.3.2.4 Zementgebundene Werkstoffe Der Vorgang der Auslaugung/ Hydrolyse durch die kalklösende Kohlensäure beschreibt ein (wenngleich wesentlicher) Teilprozess der Auslaugung zementgebundener Werkstoffe, erklärt aber nicht alle Mechanismen. Viele Phänomene sind trotz Forschungsarbeiten noch nicht abschließend geklärt. Abb.18: Beispiel für die Versprödung von Folien im Spalt ohne Verbund; Belassen der polymeren Altbeschichtung Im Einzelfall sind phänomenologische Beobachtungen sinnvoll (Beobachtungen am Altbeton oder an Altbeschichtungen). Unter Hydrolyse versteht man allgemein die chemische Zersetzung eines Stoffs unter Wassereinwirkung. Insbesondere im Zusammenhang mit zementgebundenen Baustoffen im ständigen Kontakt mit Trinkwasser wird diese Definition auf die Mechanismen des Angriffs mit kalklösender Kohlensäure oder bei weichen Wässern beschränkt. Hierbei wird davon ausgegangen, dass das Dargebot an zementsteinangreifender Lösung ständig in einem Überangebot anwesend ist und dass das Lösungspotential durch die Rektion nicht vermindert wird. Die Hydrolyse ist ein mehrparametriger chemischer Prozess, bei dem Transportvorgänge und chemische Reaktionen ablaufen; sie wird ferner durch physikalische Prozesse infolge hydraulischer Druckschwankungen und Abrasion in der Randzone überlagert. Daher müssen neben den Werten der Wasseranalyse immer die vorgefundenen Schadensausprägungen im Behälter (hier ausgelaugte Betonoberflächen) berücksichtigt werden. Die Wasserzusammensetzung kann über den Jahreszyklus variieren, so dass unabhängig von der Bewertung einzelner Wasseranalysen bei der Beurteilung eines Auskleidungssystems verschiedene Parameter beachtet werden sollten. Bei zementgebundenen Werkstoffen schreitet der Schadensprozess von der Bauteiloberfläche her fort (vgl. Abb. 4). Erste Anzeichen können durch Aufweichungen der Zementhaut beobachtet werden. Hier ist allerdings bei der Beurteilung Vorsicht geboten, da zementgebundene Grundsätzliche Anforderungen für Neubau und Instandsetzung von Trinkwasserbehältern 42 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Werkstoffe im nassen Zustand eine geringere Festigkeit aufweisen. Durch Einlagerung von Wasser können die Oberflächen auch ohne chemische Schädigungen pastöse Eigenschaften aufweisen (Abb. 19). Abb.19: Beispiel für pastöse zementgebundene Oberflächen Nach dem Regelwerk müssen die Oberflächen glatt, eben und fest sein, damit sich keine Sedimente oder Biofilme einlagern können, die dann nicht oder nur mit hohem Aufwand und Beschädigung der Oberfläche beseitigt werden können. Durch die Auslaugung gehen Alkalien in Lösung, der pH-Wert fällt ab und es geht eine räumlich dicht gefolgte Zersetzung des Zementsteins einher (Abb. 20) / 25/ . Abb.20: Alkalitätsabfall an der Betonrandzone (Dissertation Merkel / 25/ ) - Kunststoffe sind bioverfügbar und dürfen im Kontakt mit dem Trinkwasser nur sehr eingeschränkt und begrenz verwendet werden. Es gilt daher auf der Grundlage der Trinkwasserverordnung das Minimierungsgebot. Das Umweltbundesamt (UBA) begrenzt den Kunststoffgehalt in zementgebundenen Werkstoffen auf 25 M.-% bezogen auf den Zementgehalt. Da Zement eine Rohdichte von rd. 3,0 g/ dm 3 und Kunststoffe eine Rohdichte von rd. 1,1 g/ dm 3 besitzen, kann der Volumenanteil bei elastifizierten Systemen bis zu 50 Vol.-% betragen. - Die zementgebundenen Werkstoffe werden nach W 300-4 nach dem Kunststoffgehalt in 4 Typen unterschieden (Abb. 21): Typ 1: ohne Betonzusatzmittel und ohne kunststoffhaltige Zusätze Typ 2: mit Betonzusatzmittel nach DIN EN 934-2 bis max. 5 %/ z (Zementäquivalent) und ohne kunststoffhaltige Zusätze Typ 3: ggf. mit Betonzusatzmittel nach DIN EN 934-2 und mit kunststoffhaltigen Zusätzen bis insgesamt max. 10 %/ z (Zementäquivalent) Typ 4: ggf. mit Betonzusatzmittel nach DIN EN 934-2 und mit kunststoffhaltigen Zusätzen mit insgesamt bis max. 25 %/ z (Zementäquivalent) Abb.21: zulässiger maximaler Kunststoffgehalt in [g/ m2] je m 2 Beschichtungsfläche für eine Schichtdicke von 15 mm Bei kunststoffhaltigen Werkstoffen kann die Auslaugung zu einer Exkavation führen. Mit zunehmendem Abbau des Calciumhydroxids nimmt die Alkalität ab und bioverfügbare Kunststoffe können im Kontakt mit dem Trinkwasser zu einem mikrobiellen Wachstum beitragen (Abb. 22). Rissüberbrückende Beschichtungen, wie sie die bauchemische Industrie für die allgemeine Betoninstandsetzung zur Verfügung stellt, können im Trinkwasserbehälter nicht eingesetzt werden, da hierzu nur bestimmte Kunststoffe und sehr hohe Kunststoffgehalte benötigt werden (W 300-4 - Typ 4). Grundsätzliche Anforderungen für Neubau und Instandsetzung von Trinkwasserbehältern 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 43 5. VERBESSERUNG DER BEHÄLTER-AUSTAT- TUNG Neben den in Abschnitt 4 beschriebenen Zusammenhänge für die Beschichtung oder Auskleidung der Wasserkammer müssen auch die erforderlichen Bauteile für den Betrieb der Wasserkammer und des Wasserwerks betrachte werden. W 300-1 / 13/ liefert hierzu eine übersichtlich gegliederte Abhandlung zu den einzelnen Bauteilen. Im Rahmen dieses Beitrages daher nur auf die Systematik zur Beurteilung hingewiesen (Abb.23). Abb.22: Beispiel für ein mikrobielles Wachstum auf kunststoffmodifizier Beschichtung oben: makroskopischer Befund unten: mikroskopische Betrachtung Abb.23: Übersicht über die in W 300-1 Festgelegten Soll-Zustände zur Behälterausstattung 6. ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK Die Grundsätzliche Anforderungen für Neubau und Instandsetzung von Trinkwasserbehältern sind in der Regelwerksreihe W 300-ff dargestellt. Mit einer Instandsetzung soll nicht der Altzustand wiederhergestellt werden, sondern ein Zustand, der die Anforderungen an einen Neubau gemäß W 300-1 berücksichtigt, den Mindest-Sollzustand so sicherstellt, dass während der geplanten Restnutzungsdauer die mit ausreichender statistischer Zuverlässigkeit festgelegten Abnutzungsgrenzen unter Berücksichtigung der planmäßigen zeitabhängigen Werkstoffveränderungen nicht unterschritten werden sowie eine Verbesserung der trinkwasserberührten Oberflächen erzeugt. Daher werden in diesem Beitrag die wesentlichen Kriterien für den Soll-Zustand erläutert. Bei der Instandhaltung müssen diese Kriterien bzw. deren zeitliche Veränderungen/ Beeinträchtigungen ständig erfasst und dokumentiert werden. Im Falle einer Instandsetzung ist eine umfassende planerische Auseinandersetzung erforderlich. Es muss dann versucht werden, die Soll-Zustände für einen Neubau so weit wie technisch möglich zu erreichen. LITERATURVERZEICHNIS [01] DAfStb WU-Richtlinie Wasserundurchlässige Bauwerke aus Beton; Deutscher Ausschuss für Stahlbeton DAfStb im DIN [02] Zement-Merkblatt Wasserundurchlässige Betonbauwerke; Bauberatung Zement H 10 [03] DIN EN 1992-1-1EC 2 Bemessung und Konstruktion von Stahlbeton und Spannbeton; Allgemeine Bemessungsregeln und Regeln für den Hochbau [04] DIN EN 1992-1-3 EC 2 Bemessung und Konstruktion von Stahlbeton und Spannbeton; Silos und Behälterbauwerke aus Beton [05] DIN 1045 Tragwerke aus Beton, Stahlbeton und Spannbeton Teil 2: Beton - Festlegung, Eigenschaften, Herstellung und Konformität - Anwendungsregeln zu DIN EN 206-1 Teil 3: Bauausführung [06] DIN 31 051 Grundlagen der Instandhaltung [07] DIN EN 13 306 Begriffe der Instandhaltung [08] DIN EN 1508 Wasserversorgung - Anforderungen an Systeme und Bestandteile der Wasserspeicherung [09] DVGW W 270 Vermehrung von Mikroorganismen auf Werkstoffen für den Trinkwasserbereich - Prüfung und Bewertung [10] DVGW W 347 Hygienische Anforderungen an zementgebundene Werkstoffe im Trinkwasserbereich - Prüfung und Bewertung [11] DVGW W 398 Praxishinweise zur hygienischen Eignung von Ortbeton und vor Ort hergestellten zementgebundenen Werkstoffen zur Trinkwasserspeicherung [12] TrinkwV Trinkwasserverordnung, Verordnung über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch [13] DVGW W 300-1 Trinkwasserbehälter: Planung und Bau [14] DVGW W 300-2 Trinkwasserbehälter: Betrieb und Instandhaltung [15] DVGW W 300-3 Trinkwasserbehälter: Instandsetzung und Verbesserung [16] DVGW W 300-4 Trinkwasserbehälter: Werkstoffe, Auskleidungs- und Beschichtungssysteme - Grundsätze und Qualitätssicherung auf der Baustelle [17] DVGW W 300-5 Trinkwasserbehälter: Auskleidungs- und Beschichtungssysteme - Anforderungen und Prüfung [18] DVGW W 300-6 Trinkwasserbehälter: Planung, Bau, Betrieb und Instandhaltung von System- und Fertigteilbehältern [19] DVGW W 300-7 Trinkwasserbehälter: Praxishinweise Reinigungs- und Desinfektionskonzept [20] DVGW W 300-8 Trinkwasserbehälter: Praxishinweise Hygienekonzept; Neubau und Instandsetzung [21] DVGW W 316 Qualifikationsanforderungen an Fachunternehmen für Planung, Bau, Instandsetzung und Verbesserung von Trinkwasserbehältern [22] DIN 2000 Zentrale Trinkwasserversorgung - Leitsätze für Anforderungen an Trinkwasser, Planung, Bau, Betrieb und Instandhaltung von Versorgungsanlagen -Technische Regel des DVGW [23] DIBt MVV TB Deutsches Institut für Bautechnik (DIBt) Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen [24] DIBt TR Instandhaltung Deutsches Institut für Bautechnik (DIBt) Instandhaltung von Betonbauwerken (TR Instandhaltung) Teil 1: Anwendungsbereich und Planung der Instandhaltung Teil 2: Merkmale von Produkten oder Systemen für die Instandsetzung und Regelungen für deren Verwendung [25] Merkel, M.: Realkalisierungspotenzial von zementgebundenen Werkstoffen im Trinkwasserbereich : Dissertation an der Technischen Universität Kaiserslautern, Fachbereich Bauingenieurwesen (2021) 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 45 Einfluss kalklösender Kohlensäure auf das Langzeitverhalten von zementgebundenen Beschichtungen in trinkwassertechnischen Anlagen Wolfram Kämpfer Materialforschungs- und -prüfantalt an der Bauhaus-Universität Weimar (MFPA) Coudraystraße 9 D-99423 Weimar Michael Berndt Materialforschungs- und -prüfantalt an der Bauhaus-Universität Weimar (MFPA) Coudraystraße 9 D-99423 Weimar Hilaria Schuler Bauhaus-Universität Weimar Coudraystraße 11 D-99423 Weimar Zusammenfassung Im Allgemeinen kann davon ausgegangen werden, dass Wässer in trinkwassertechnischen Anlagen nach DIN 4030-1 als nicht betonangreifend gelten. Bei kalkarmen, calcitlösenden oder weichen Rohwässern, bei Änderungen im Kalk- Kohlensäue-Gleichgewicht (KKG) in speziellen Behandlungsstufen der Trinkwasseraufbereitung aber auch bei „kritischen“ Mischwässern in der Trinkwasserspeicherung kann es zu einer hydrolytischen Auslaugung und Entfestigung von mineralische Beschichtungen kommen. Unter fortschreitender Auslaugung/ hydrolytischer Korrosion wird hierbei verstanden, dass Portlandit kontinuierlich aus dem Zementstein gelöst wird und es im weiteren Verlauf zu einer Decalcinierung der festigkeitsbildenden CSH-Phasen kommt. Parallel dazu laufen verschiedene Austauschreaktionen zwischen Wasserinhaltsstoffen und Zementsteinphasen ab, in deren Folge leicht lösliche Reaktionsprodukte herausgelöst werden. Typische Schadensbilder hierfür sind fortschreitende Erweichungen, eine erhöhte offene Porosität, Materialabtrag in Form von Absandungen und eine deutliche Zunahme der Oberflächenrauigkeit. Die Anforderungen an mineralische Beschichtungen nach DVGW W 300-4: 2014 bezüglich der Hydrolysebeständigkeit wurden für den Anwendungsbereich der Trinkwasserbehälter mit einer neuen Expositionsklasse X TWB deskriptiv geregelt. Dem Konzept der Betonnormen DIN 1045-2 und DIN EN 206-1 folgend, sind im DVGW W 300-4 für die Expositionsklasse X TWB entsprechende Grenzwerte für die Zusammensetzung und die Festmörtelkennwerte festgelegt, die im Regelfall eine ausreichende Gebrauchstauglichkeit entsprechend der zu erwartenden chemisch-korrosiven Beanspruchungen über den geplanten Nutzungszeitraum sichern. Für die Materialkennwerte sind Prüfverfahren festgelegt, mit denen die Leistungsmerkmale nachzuweisen sind. Der relevante Materialkennwert zur Charakterisierung des Auslaugwiderstandes wird in der Gesamt- und Kapillarporosität gesehen. Mineralische Beschichtungen mit einer Gesamtporosität von kleiner als 10 Vol.-% gelten als ausreichend dicht und langfristig widerstandsfähig gegenüber Auslaugprozessen. Die Einteilung des chemischen Angriffsgrades entsprechend DIN 4030 ist in trinkwassertechnischen Anlagen nur bedingt möglich, da die in dieser Norm aufgeführten Grenzwerte für die Expositionsklasse XA streng genommen nur für stagnierende/ stehende Wässer gelten. In trinkwassertechnischen Anlagen sind jedoch in der Regel große Durchsatzmengen mit erhöhten Strömungsgeschwindigkeiten vorhanden. Daher reichen die zur Beschreibung von Schädigungsprozessen, von Transport- und Diffusions-/ Abtrags-Prozessen vorliegenden Prüf- und Nachweiskonzepte insbesondere bei „kritischen Wässern“ nicht aus. Die Auslaugung durch weiche Wässer, der Angriff durch kalklösende Kohlensäure und die hydrolytische Korrosion stellen die drei wesentlichen Formen des chemischen Angriffs in trinkwassertechnischen Anlagen dar. Ein einheitliches Prüf- und Nachweisverfahren der Hydrolysebeständigkeit von mineralischen Beschichtungen existiert derzeit nicht. Im Rahmen eines Industrieprojektes wurde eine Versuchsanlage zur Bestimmung des Widerstandes von mineralischen Beschichtungen gegenüber kalklösender Kohlensäure entwickelt. Zielstellung war der Ermittlung von Schä- Einfluss kalklösender Kohlensäure auf das Langzeitverhalten von zementgebundenen Beschichtungen in trinkwassertechnischen Anlagen 46 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 digungsverläufen bei unterschiedlichen Materialparametern und Angriffsszenarien in Zeitraffer-Untersuchungen sowie die Approximation der Ergebnisse auf lange Beanspruchungszeiträume. 1. Angriff durch kalklösende Kohlensäure und Auslaugung durch weiche Wässer Grundsätzliche Angriffsszenarien in wassertechnischen Anlagen stellen nachfolgende Beanspruchungen dar: • Kohlendioxidhaltige Wässer (i.d.R. Grundwässer) • Mineralstoffarme Wässer (i.d.R. Oberflächenwässer) • Weiche Wässer ≤ 5 °dH • Chlorid- und sulfathaltige Wässer (TWA) • Kritische Mischwässer mit SI <-1,5 • Mineralsaure Wässer bei pH ≤ 6,5 (TWA) • Wässer außerhalb des KKG. Der Angriff durch kalklösender Kohlensäure ist damit nur eine Form der Angriffsszenarien in wassertechnischen Anlagen. Löst sich CO 2 in Wasser, reagieren ca. 0,7 % mit den Wassermolekülen zu Kohlensäure H 2 CO 3 . Diese Kohlensäure dissoziiert in zwei Stufen unter Bildung sowohl von Hydrogencarbonat (HCO 3 - ) als auch von Carbonat (CO 3 2- ). Die Kohlensäure kann in verschiedenen Formen auftreten. Bild 1: Erscheinungsformen der Kohlensäure in wässrigen Lösungen [Schuler; 2019] Durch kalklösende Kohlensäure werden aus dem Zementstein karbonatische Bestandteile gelöst. Hierbei spielt der Angriffsgrad, bestimmt durch das Verhältnis der Kohlensäurespezies CO 2(aq) , HCO 3 - und CO 3 2- eine entscheidende Rolle. Ist keine freie, überschüssige Kohlensäure vorhanden, befindet sich das Wasser im Kalk- Kohlesäure-Gleichgewicht (KKG). Bei Änderungen der Temperatur, des Drucks und/ oder des pH-Wertes verschiebt sich dieses Gleichgewicht. Bei pH-Werten > 10 liegt überwiegend CO 3 2- vor, bei pH-Werten < 6 überwiegt in Wasser gelöstes CO 2 . Bei pH-Werten um 8,2 liegt die Kohlensäure ausschließlich als HCO 3 - vor. Im Bild 2 ist die Verteilung der Kohlensäurespezies in Abhängigkeit vom pH-Wert dargestellt. Darüber hinaus zeigt die Grafik die pH-Wert-abhängige Entwicklung des Sättigungsindex bezüglich Calcit, modelliert am Beispiel eines harten Wassers. Ausschlaggebend für das Reaktionsverhalten bezüglich kalklösender Kohlensäure ist der Sättigungindex (SI) des Wassers bezüglich Calcit. Der Mechanismus des Angriffs kalklösender Kohlensäure kann am Beispiel eines kalklösenden Wassers (SI<0) veranschaulicht werden. Bild 2: Wassereigenschaften in Bezug auf des Kalk- Kohlensäure-Gleichgewicht (KKG) [Schuler; 2019] Auf der wasserberührten Bauteiloberfläche mischt sich dieses Wasser mit der hoch alkalischen Porenlösung des Zementsteins. Durch die pH-Wert-Erhöhung verschiebt sich das Gleichgewicht in Richtung des CO 3 2- . Die Folge ist eine Abnahme des pH-Werts der Porenlösung unter fortschreitender Aufzehrung von Portlandit. Bild 3: Anteile der Kohlensäurespezies an der Gesamtkohlensäure in Abhängigkeit vom pH-Wert sowie der Sättigungsindex für Calcit, berechnet für ein hartes Wasser [Schwotzer; 2008] Bei weiterer Einwirkung (SI<0) auf die neutralisierte Randzone der mineralischen Beschichtung erfolgt ein Angriff auf alle Zementsteinphasen. Die Zersetzung des Zementsteins, die in der Randzone begonnen hat, kann in größere Tiefe voranschreiten. Als Reaktionsprodukt bleibt ein amorphes Silikat-Gel auf der Oberfläche zurück, welches die Korrosionsgeschwindigkeit im weiteren Verlauf reduziert. [Schwotzer; 2008] Einfluss kalklösender Kohlensäure auf das Langzeitverhalten von zementgebundenen Beschichtungen in trinkwassertechnischen Anlagen 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 47 Eine vereinfachte Bewertung der Betonaggressivität eines Wassers kann aus den beiden in der Trinkwasseranalyse ermittelten Kennwerten pH-Wert und Carbonathärte erfolgen. Da die hydrolytische Auslaugung noch von weiteren Faktoren bestimmt wird, ist hierbei ein Übergangsbereich zwischen aggressiven/ nichtaggressiven Wässern zu berücksichtigen. Bild 4: Bewertung der Betonaggressivität eines Wassers aus dem pH-Wert und der Carbonathärte [Peters; 2008] Eine weitere Form der hydrolytischen Auslaugung stellt der Austrag von Bestandteilen der Porenlösung des Zementsteins durch weiche Wässer (≤ 5 °dH) dar. Infolge der geringen Ionenstärke stellt sich hierbei ein Konzentrationsgefälle zwischen Wasser und Feststoff ein. Die Diffusion der gelösten Ionen führt zu einer Lösung von Ionen aus den Festphasen des Zementsteins. Durch die Ca-Auslaugung kommt es zu einer kontinuierlichen Verringerung des Ca/ Si-Verhältnis, einer Veränderung der chemischen Zusammensetzung der Festphasen und zu einer deutlichen Vergrößerung des Porenraumes. [Schwotzer; 2008] 2. Grenzwerte für kalklösende Kohlensäure In den Betonnormen DIN 1045-2 und DIN EN 206-1 wird der Angriffsgrad kalklösender Grundwässer entsprechend DIN 4030 in Abhängigkeit von der Konzentration in die Expositionsklassen XA1 bis XA3 eingeteilt (schwacher bis starker chemischer Angriff). So erfordert beispielsweise ein Wasser mit einem Gehalt kalklösender Kohlensäure von 25 mg/ l ein Beton der Zusammensetzung entsprechend Expositionsklasse XA1. Dieser Beton würde dementsprechend eine Festigkeitsklasse ≥ C30/ 37 und einen w/ z-Wert ≤ 0,6 erfordern. Bild 5: Angriffsgrade und Grenzwerte für betonangreifende Stoffe nach DIN 1045-2/ DIN EN 206-1 in Verbindung mit DIN 4030 In der Praxis hat sich jedoch gezeigt, dass diese für Betone geltenden Angriffsgrade und Grenzwerte nicht unmittelbar auf mineralische Beschichtungen und den Anwendungsfall trinkwassertechnischer Anlagen angewandt werden können. So sind Schadensfälle bekannt, bei denen mineralische Beschichtungen gemäß DVGW W 300-4 bzw. DVGW W 300- 5 nach relativ kurzer Betriebsdauer markante Schadensbilder auf den wasserberührten Bauteiloberflächen aufwiesen. Bild 6: Beispiel für die hydrolytische Auslaugung einer mineralischen Beschichtung im Wandbereich eines Hochbehälters nach 12jähriger Betriebsdauer Bild 7: Beispiel für die hydrolytische Auslaugung einer mineralischen Beschichtung im Wandbereich eines Filterbeckens einer TWA nach 38jähriger Betriebsdauer Einfluss kalklösender Kohlensäure auf das Langzeitverhalten von zementgebundenen Beschichtungen in trinkwassertechnischen Anlagen 48 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Bild 8: Beispiel für die hydrolytische Auslaugung einer mineralischen Beschichtung im Wandbereich einer Ozonreaktionskammer einer TWA nach 3jähriger Betriebsdauer Bild 9: Beispiel für die hydrolytische Auslaugung in Verbindung mit einem mikrobiellen Befall einer mineralischen Beschichtung im Wandbereich eines Hochbehälters nach 8jähriger Betriebsdauer 3. Performance-orientierte Simulation der hydrolytischen Auslaugung durch kalklösende Kohlensäure Bei den Prüf- und Bewertungsgrundsätzen für mineralische Beschichtungen unter chemischem Angriff ist grundsätzlich zwischen einer deskriptiven Herangehensweise unter Zugrundelegung von normativen Anforderungen für die Expositionsklasse X TWB nach DVGW W 300-4 und einer performance-orientierten Herangehensweise zu unterscheiden. Die performance-orientierte Simulation wird immer dann erforderlich sein, wenn die Beanspruchungen außerhalb des DVGW-Regelwerkes liegen. Zielstellung von performance-orientierten Simulationen ist die Nachstellung von Echtzeitabläufen unter Zeitrafferbedingungen bei Beachtung von realen Schädigungsmechanismen. Eine Verschärfung der Einwirkungsseite darf hierbei keinesfalls zu einem grundsätzlich anderen Schadensmechanismus führen. Im Rahmen von Industrieaufträgen wurde hierzu eine Versuchseinrichtung entwickelt, mit der die Wechselwirkungen zwischen mineralischen Beschichtungen und kalklösenden Wässern bei unterschiedlichen Expositionen untersucht werden können. Zielstellung hierbei ist es, Abschätzungen hinsichtlich der Langzeitbeständigkeit von mineralischen Beschichtungen zu treffen. Ausgangspunkt für das Prüfkonzept waren die Untersuchungen von Grube, Locher und Sprung aus den 1970er und 1980er Jahren, mit denen die Betonkorrosion von Bohrpfählen in stark CO 2 -haltigen Böden simuliert wurden. Die Versuchseinrichtung wird hierbei mit einem geschlossenen Wasserkreislauf betrieben, wobei die Einstellung der Prüflösung im Bereich der Vorkonditionierung und die Einlagerung der Prüfprismen in einem separaten Prüfraum erfolgt. Die beiden Bereiche sind durch einen kontinuierlichen Wasseraustausch miteinander verbunden. Die Versuchseinrichtung ist nach außen thermisch isoliert. Bild 10: Prüfeinrichtung für die Bestimmung der Schädigungstiefe bei Angriff aus kalklösender Kohlensäure [Locher; 1975] Im Bereich der Vorkonditionierung ist eine in sich geschlossene Referenzlagerung von Prismen integriert. Das erforderliche Volumen an Prüflösung ergibt sich aus dem jeweiligen Prüfkörpervolumen. Die Einlagerungstemperatur als die relevante Einstellgröße der Löslichkeit von CO 2 ist entsprechend der geforderten Exposition festzulegen. Für die Temperierung werden ein Durchlaufkühler und eine Kühlspirale eingesetzt. Bild 11: Vergleich von Grenzwerten für die Expositionsklassen bei Grund- und Trinkwasser mit den Prüfbedingungen der Einlagerung in der Versuchseinrichtung Die Einstellung der CO 2 -Konzentration und der Kalklösekapazität erfolgt über den pH-Wert und die Tempe- Einfluss kalklösender Kohlensäure auf das Langzeitverhalten von zementgebundenen Beschichtungen in trinkwassertechnischen Anlagen 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 49 ratur. Der erforderliche pH-Wert wird in Abhängigkeit von der einzustellenden CO 2 -Konzentration berechnet und muss bei in Abhängigkeit von der Temperatur festgelegt werden. Die pH-Werterfassung erfolgt mittels pH-Elektrode im Bereich der Einlagerung, sowie in einer pH-Wertkontrolleinheit mit integrierter Ansteuerung für die CO 2 - Dosierung, die wiederum eine konstante CO 2 -Konzentration und Kalklösekapazität über den gesamten Prüfzeitraum sichert. Die CO 2 -Zufuhr erfolgt über eine Gasleitung, die in einen CO 2 -Diffusionsreaktor/ Flipper mündet, so das CO 2 -Blasen im Bereich der Vorkonditionierung sichtbar nach oben aufsteigen. Ein Wasserwechsel erfolgt mindestens wöchentlich. In Abhängigkeit vom Ergebnis der Bestimmung der Calcitlösekapazität ist ein ggf. kürzerer Wasserwechsel vorzusehen. Ein kontinuierlicher Wasseraustausch wird dadurch gewährleistet, dass Wasser aus der Vorkonditionierung kontinuierlich in den Prüfbereich gepumpt wird. Ein Schlauch zwischen den beiden Kammern (kommunizierende Gefäße) nivelliert den Wasserstand beider Gefäße aus. Eine schematische Darstellung der eingesetzten Prüfeinrichtung zeigt das nachfolgende Bild. Bild 12: Versuchsaufbau für die Simulation der hydrolytischen Auslaugung von mineralischen Beschichtungen bei Angriff kalklösender Kohlensäure Die Mörtelprismen lagern über 6 Monate in den Becken (offenes System/ Durchlaufverfahren), in welche temperiertes Wasser mit einem kalklösenden Kohlensäuregehalt von 50 mg/ l bis maximal 110 mg/ l Wasser eingeleitet wird. Der Anteil an gelösten CO 2 von 110 mg/ l Wasser entspricht bei einem pH-Wert von 6,6 einer Kalklösekapazität von 250 mg/ l CaCO 3 . Als Wasserumlauf wird 5,0 l/ h je Lagerbecken angesetzt, was einem Durchsatz von täglich vier Wasserwechseln entspricht. An den Prüfkörpern werden nachfolgende Kennwertebestimmung/ Parameter ermittelt. Bild 13: Prüfablauf und relevante Kennwerte für den Nachweis der Beständigkeit von zementgebundenen Beschichtungen gegenüber kalklösender Kohlensäure Um zu gewährleisten, dass die zugeführte Menge an CO 2 dem Soll-Wert abhängig von pH-Wert und Temperatur entspricht, ist es erforderlich, die pH-Sonde regelmäßig zu kalibrieren. Die Kalibrierung erfolgt wöchentlich mit Hilfe einer auf die Einlagerungstemperatur temperierten Kalibrierlösung. Die Calcitlösekapazität wird mit Hilfe eines Schnelltests unter Verwendung von Calciumcarbonat-Pulver und Salzsäure überprüft, um abzuschätzen, wann das Wasser im Behälter gesättigt ist und ein Wasserwechsel erforderlich wird. Zur Abschätzung der Langzeitbeständigkeit von mineralischen Instandsetzungsmörteln werden nachfolgende relevante Parameter und Kennwerte • Masseänderung • Volumenänderung (3D-Digitalisierung/ Geometrievermessung)) • Augenscheinliche Veränderungen (Absanden, Verfärbung, Kantenabstumpfung, Erweichungen) • Biegezug-/ Druckfestigkeit • Dynamischer E-Modul • Schädigungstiefe (Indikatortest an Bruchflächen/ Stereo-Auflichtmikroskopie an Anschliffen) nach dem im Bild 13 dargestellten Ablauf erfasst und ausgewertet. Visuell sichtbare Veränderungen bei den Zeitrafferuntersuchungen beginnen in der Regel durch das Lösen der Zementschlämme in der äußeren Randzone, danach beginnen örtlich begrenzte Absandungen, die im weiteren Verlauf abschnittsweise und dann großflächig erfolgen sowie parallel dazu der Materialabtrag in den Kantenbereichen mit sich deutlich ausbildenden Kantenabrundungen. Je nach Materialzusammensetzung ist der Schädigungsverlauf an markanten Verfärbungen an der Oberfläche der Prüfkörper sichtbar. Mit der 3D-Digitalisierung (3D-Scan) der Prüfkörper ist es möglich, kleinste Abtragungen an den Oberflächen hochortsauflösend zu quantifizieren. Zum Einsatz kommt hierbei ein 3D-Scanner ATOS Core 200, der mit einer Stereokamera ausgestattet ist und in Kombination mit einem Weißlicht-LED-Projektor die Objektgeometrien in allen drei Dimensionen erfassen. Durch fest fixierte Messpunkte auf der Prüfkörperoberfläche kann das Einfluss kalklösender Kohlensäure auf das Langzeitverhalten von zementgebundenen Beschichtungen in trinkwassertechnischen Anlagen 50 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Messsystem eine Wiedererkennung der Positionierung vornehmen und so die 3D-Messungen nach unterschiedlichen Einlagerungszeiten wiederholen. Das Messsystem arbeitet mit einer Auflösegenauigkeit von ± 0,05 mm. Bild 14: Vergleich der Volumina eines Prüfkörpers (Instandsetzungsmörtel) nach 0 Tagen Einlagerung und nach 178 Tagen Einlagerung in kalklösender Kohlensäure bei 250 mg CO 2 / l Bild 15: Vergleich der Volumina eines Referenzprüfkörpers (Mörtelprisma nach DIN EN 196-1) nach 0 Tagen Einlagerung und nach 178 Tagen Einlagerung in kalklösender Kohlensäure bei 250 mg CO 2 / l Der Nachweis der Schädigungstiefe erfolgt an den Bruchflächen im Prismenquerschnitt der Stirnflächen mittels Stereo-Auflichtmikroskop STEMI 2000. Die Bruchflächen werden vor den Untersuchungen mittels Triphenylmethan-Farbstoff besprüht. Es bilden sich scharfe Kanten zwischen ungeschädigtem/ geschädigtem Mörtelgefüge aus. Die Nachweise zu den 3D-Volumenänderungen mittels Weißlicht-Scanner sowie zur Schädigungstiefe mittels Stereo-Auflichtmikroskopie erfolgen jeweils am Prüfmörtel und zur Validierung/ Vergleichmessung an einem Referenzmörtel nach DIN EN 196-1. Bild 16: Bestimmung der Schädigungstiefe an einer Bruchfläche eines Instandsetzungsmörtels nach 178 Tagen Einlagerung in kalklösender Kohlensäure bei 250 mg CO 2 / l Bild 17: Bestimmung der Schädigungstiefe an einer Bruchfläche des Referenzmörtels nach DIN EN 196-1 nach 178 Tagen Einlagerung in kalklösender Kohlensäure bei 250 mg CO 2 / l 4. Bewertung der Beständigkeit von Instandsetzungsmörteln gegenüber kalklösender Kohlensäure Wasserberührte Bauteiloberflächen in trinkwassertechnischen Anlagen unterliegen in den Roh- und Reinwasserbereichen sowie in den einzelnen Verfahrensstufen der Trinkwasseraufbereitung unterschiedlichen chemisch-abrasiven Beanspruchungen. In allen Bereichen kommt es zu unterschiedlich schnell ablaufenden hydrolytischen Auslaugungen. Die Geschwindigkeit der Schädigung der Bauteiloberflächen hängt stark von der Zusammensetzung des Wassers (Gehalt an Erdalkalien/ Mineralstoffgehalt und dem Anteil an freier überschüssiger Kohlensäure), den Strömungsverhältnissen und dem Feststoffanteil ab. Relevante Bereiche, in denen es zu einer erhöhten Beanspruchung durch kalklösende Kohlesäure kommen kann, sind die Gewinnung/ Verteilung von Rohwasser, verschiedene Verfahrensstufen in der Trinkwasseraufbereitung sowie die Speicherung/ Verteilung von „kritischen“ Mischwässern im Reinwasserbereich. Zusätzliche chemische Beanspruchungen auf mineralische Beschichtungen gehen von Kondensaten (demineralisierte Wässer) in der Trinkwasserspeicherung aus. Einfluss kalklösender Kohlensäure auf das Langzeitverhalten von zementgebundenen Beschichtungen in trinkwassertechnischen Anlagen 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 51 Kohlensäure kann chemisch im Wasser in unterschiedlichen Formen vorliegen. Für den chemischen Angriff auf wasserberührte Bauteiloberflächen ist der Gehalt an freier, überschüssiger Kohlensäure entscheidend. Dieser Anteil unterliegt entsprechend der regionalen und geologischen Herkunft sowie den jeweiligen Betriebsbedingungen (Temperatur- und Druckverhältnisse) entsprechenden Schwankungen. Ist das Wasser nicht im Kalk-Kohlensäure-Gleichgewicht (KKG) und ist der pH- Wert kleiner als der Gleichgewichts-pH-Wert liegt mehr freie Kohlensäure vor als zugehörige Kohlensäure. Diese freie, überschüssige Kohlensäure führt zu einer beschleunigten hydrolytischen Auslaugung der wasserberührten Bauteiloberflächen. Die technologischen Maßnahmen für die Expositionsklasse X TWB und die deskriptiven Vorgaben nach DVGW W 300-4 und DVGW W 300-5 haben dazu geführt, dass mineralische Beschichtungen bei den in der Trinkwasserspeicherung auftretenden Bedingungen im Allgemeinen eine ausreichende Gebrauchstauglichkeit über den geplanten Nutzungszeitraum aufweisen. Die hydrolytische Auslaugung durch mineralstoffarme oder kohlendioxidhaltige Wässer stellt verglichen mit einem Säureangriff in abwassertechnischen Anlagen einen vergleichsweise schwachen chemischen Angriff dar. Die hydrolytische Auslaugung auf wasserberührten Bauteiloberflächen verläuft analog zum chemischen Angriff in drei Reaktionsphasen ab, einem zunächst linearen, reaktionskontrollierten Prozess, danach einem weitgehend diffusionskontrollierten, nichtlinearen Prozess mit Ausbildung einer Diffusionsbarriere und schließlich einem linearen, diffusionskontrollierten Prozess. Die Geschwindigkeit der Auslaugung wird insbesondere durch die Strömungsgeschwindigkeit und die abrasive Beanspruchung auf der Bauteiloberfläche bestimmt. Bei „kritischen“ Wässern kann dieser Auslaug- und Abtragprozess über lange Zeiträume jedoch zu tiefergehenden Schädigungen der mineralischen Beschichtungen führen. Bei Vorliegen entsprechender Expositionen sollte daher die Gebrauchstauglichkeit eines Instandsetzungsmörtels mittels performance-orientierter Prüf- und Bewertungsverfahren nachgewiesen werden. Die beschriebene Versuchsanlage zum Nachweis der Langzeitbeständigkeit bietet die Möglichkeit, Echtzeitabläufe in Zeitrafferuntersuchungen nachzustellen. Im Ergebnis können Nutzungsdauern unter verschiedenen Belastungssituationen auch für Langzeitbeanspruchungen approximiert werden. 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Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 55 Planung und Ausführung der Sanierung eines vorgespannten Kuppelbehälters - „Beckum 5.000 m³“ Dipl.-Ing. Martin Hobl GUV GmbH, Lohfelden/ Kassel / Rottweil Dipl.-Ing. Jan Rassek w+s bau-instandsetzung gmbh, Fuldabrück Zusammenfassung Die Sanierung des Trinkwasserbehälters „Beckum - 5.000m³“ beinhaltete einige besondere Herausforderungen an Planung und Ausführung. So musste unter anderem die nicht mehr regelkonforme Zugangssituation zur Wasserkammer aufwändig erneuert und optimiert werden. Hierfür waren im Vorfeld umfangreiche, zeit- und arbeitsintensive Rückbauarbeiten durchzuführen, die aufgrund der schwierigen örtlichen Gegebenheiten (u.a. fehlende Bestandsstatik, Schadstoffbelastung der vorhandenen Konstruktion) detailliert geplant, ausgeführt und überwacht werden mussten. Die Zuwegung und Beschickung der Wasserkammer erfolgte zum Großteil mittels Krans durch die beim Abbruch des vorhandenen Doms entstandene Öffnung in der Kuppeldecke des Behälters. Im Inneren der Wasserkammer wurde eine neue, aufwändige Podest- und Treppenanlage geplant, über die der Lastabtrag der neuen Zugangsgebäude auf dem Behälter mit Einzelfundamenten in den Baugrund geleitet wird. Diese können über eine neu errichtete zentrale Zugangssituation mit Außentreppe begangen werden, über die zudem der 10.000m³ große Nachbarbehälter zugänglich ist. Abb. 1: Grundriss Wasserkammer mit Vorplanungsdetails (GUV GmbH) 1. Veranlassung/ Aufgabenstellung Die WVB Wasserversorgung Beckum GmbH betreibt am nördlichen Stadtrand von Beckum den einkammerigen Trinkwasserbehälter „Beckum 5.000 m³“, der als freistehender Rundbehälter errichtet und dessen Rundkammer - zur Vermeidung von Stagnationsbereichen innerhalb des Speicherraums - seinerzeit mit einer spiralförmig verlaufenden Leitwand aus Beton-Fertigteilen ausgestattet wurde (siehe Abb. 1). Das hervorstechende Charakteristikum dieses Trinkwasserbehälters war der ehemalige Zugang zur Wasserkammer: Vor der Sanierung des Behälters erfolgte dieser über eine an der Außenwand montierte, senkrechte Leiter, die über eine Steganlage zum zentral oberhalb der Wasserkammer liegenden Einstiegsdom führte. Innerhalb des Einstiegsdoms befand sich über der spiralförmig verlaufenden Leitwand eine Steganlage mit einer weiteren senkrecht montierten Leiteranlage, die den Zutritt in die Wasserkammer ermöglichte. Abb. 2: Zugang zur Wasserkammer über Leiterkonstruktion Planung und Ausführung der Sanierung eines vorgespannten Kuppelbehälters - „Beckum 5.000 m³“ 56 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Im Dezember 2015 wurde der Trinkwasserbehälter „Beckum 5.000 m³“ durch die GUV GmbH einer betontechnologischen Untersuchung unterzogen, die der Ausarbeitung einer Bauzustandsanalyse diente. Bei der Untersuchung wurden zum einen alters- und nutzungsbedingte Schädigungen am vorhandenen Oberflächenanstrich der Betonbauteile detektiert. Zum anderen entsprach die Ausrüstung der Trinkwasserbehälteranlage im Hinblick auf diverse Faktoren (Be- und Entlüftung, Wanddurchführungen, PCBbzw. BTEXbelasteter Oberflächenanstrich etc.) nicht mehr den anerkannten Regeln der Technik, sodass Handlungsbedarf detektiert wurde. Als weiteres Ergebnis der Bauzustandsanalyse wurde zudem aufgezeigt, dass der Zugang zur Wasserkammer, d.h. die Podest- und Treppenanlagen (innen sowie außen) und der Einstiegsdom oberhalb der Wasserkammer, nicht mehr den anerkannten Regeln der Technik entsprach und insbesondere im Hinblick auf Sicherheits- und Gesundheitsschutzaspekte optimiert werden sollte. Aufgrund der vorgenannten Gegebenheiten wurde die GUV GmbH im Mai 2018 mit der ingenieurtechnischen Planung und bauleitenden Begleitung der Sanierung des Trinkwasserbehälters „Beckum 5000 m³“ seitens der WBV Wasserversorgung Beckum GmbH beauftragt. Die Beauftragung umfasste dabei nachfolgend aufgeführte Ingenieurleistungen: - Ingenieurleistungen gem. § 43 HOAI - Leistungsbild „Ingenieurbauwerke“ - Grundleistungen der Leistungsphasen 1-9 - „Besondere Leistungen“ → örtliche Bauüberwachung - Ingenieurleistungen gem. § 51 HOAI - Leistungsbild „Tragwerksplanung“ - Grundleistungen der Leistungsphasen 1-6 Da die Ursprungsstatik des Bestandes/ der Kuppeldecke nicht mehr vorlag, mussten für die vorgesehene Optimierung der Podest-/ Treppenanlagen zwei vorgezogene Berechnungen der Kuppeldecke durchgeführt werden: - „Besondere Leistungen“ → Berechnung des Bestandszustands vor Sanierung - „Besondere Leistungen“ → Berechnung des geplanten „Optimierungszustands“ mit Lastabtragung der neuen Podest-/ Treppenanlagen über die Kuppeldecke bzw. direkt über den Baugrund - Sonstige Ingenieurleistungen - Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordination (SiGeKo) auf Basis der „Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz auf Baustellen“ (Baustellenverordnung - BaustellV / vom 10.06.1998, Inkrafttreten der letzten Änderung am 31.12.2018) sowie auf Basis der „Regeln zum Arbeitsschutz auf Baustellen“ (RAB) - Erstellung und Umsetzung eines Hygienekonzeptes gem. DVGW-Merkblatt W 300-8 - Erstellung und Umsetzung eines Qualitätssicherungsplanes unter Berücksichtigung der DVGW- Arbeitsblätter W 300-4 und W 300-5 2. Sanierungskonzept Das Konzept zur Sanierung des Trinkwasserbehälters „Beckum 5.000 m³“ umfasste die nachfolgenden Arbeitsblöcke: - Rückbauarbeiten - Betonsanierung Wasserkammer - Optimierung des Behälterzugangs - Neubau eines Vorraums (Hygieneschleuse) vor der Wasserkammer - Erneuerung der Podest- und Treppenanlage (innen) - Erneuerung der Podest- und Treppenanlage (außen) - Erneuerung der technischen Ausrüstung - Erneuerung der Rohrleitungsinstallation - Installation einer Be- und Entlüftungsanlage - Elektrotechnische Installation 2.1 Rückbauarbeiten Im Vorfeld der eigentlichen Sanierungsmaßnahmen waren bei diesem Projekt umfangreiche Rückbauarbeiten durchzuführen, die - vornehmlich bedingt durch die Zugangssituation zur Wasserkammer - äußerst aufwändig und zeitintensiv waren. In einem ersten Schritt wurde ein (Teil-)Abbruch der Domhaube durchgeführt: Das Dach der Domhaube wurde rückgebaut; die Stahlbetonstützen und die ausgefächerten Wände (Klinkersteine) wurden während der Abbruch- und Betonsanierungsarbeiten zunächst noch als Schutzeinhausung genutzt und nach Arbeitsende mit Folie abgedichtet. Planung und Ausführung der Sanierung eines vorgespannten Kuppelbehälters - „Beckum 5.000 m³“ 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 57 Abb. 3: Teilabbruch Domhaube Zunächst erfolgte der Abbruch bzw. Rückbau des Betontreppenturms einschl. der Laufstege sowie aller technischen Einrichtungen, wie z.B. Geländern, rohrleitungstechnischen Installationen etc. Dann erfolgte der Abbruch und Rückbau der spiralförmig angeordneten Leitwand einschl. deren Fußauflager. Dafür wurden die 1 m breiten sowie ca. 6 m hohen Einzelelemente der Leitwand zunächst oberhalb der Fußauflager abgetrennt und aus der Wasserkammer ausgebracht. Abb. 4: Abbruch Leitwände Der Abbruch des Betontreppenturmes und der Leitwände erfolgte ausschließlich mit elektrobetriebenen Geräten und Maschinen, um Schadstoffemissionen innerhalb der Wasserkammer zu vermeiden. Zudem mussten hygienische Aspekte bereits beim Abbruch entsprechend berücksichtigt werden. So wurde beispielsweise unter die „Dämmreifen“ auf Abb. 4 eine DVGW-zugelassene PE- Platte gelegt. Alle Maschinen etc. mussten mittels Krans durch die Öffnung in der Decke in den Behälter heruntergelassen werden. Für den Austrag des Bauschuttes wurden Container eingesetzt, die ebenfalls mit Hilfe des Kranes über die Deckenöffnung in das Behälterinnere heruntergelassen wurden. Erst nach Beendigung sämtlicher Abbruch- und Betonsanierungsarbeiten innerhalb der Wasserkammer wurden - in einem zweiten Schritt die Stahlbetonstützen und die ausgefächerten Wände der ehemaligen Domhaube zurückgebaut. Auch die bestehende Treppenanlage im Außenbereich, die sowohl zu dem 5.000 m³- Behälter, als auch zu einem daneben angeordneten 10.000 m³-Behälter führte, wurde erst nach Abschluss der Be-tonsanierungsarbeiten innerhalb der Wasserkammer rückgebaut. Die Verankerungsstellen von der Treppenanlage an der Fassade wurden anschließend wieder fachgerecht hergestellt. 2.2 Betonsanierung der Wasserkammer Vor der Applikation eines neuen Oberflächenschutzsystems waren zunächst die nachfolgend beschriebenen vorbereitenden Arbeiten durchzuführen. 2.2.1 Vorbereitende Arbeiten Im ersten Arbeitsschritt erfolgte der vollständige Abtrag des im Rahmen der Bauzustandsanalyse - im Bereich der Außenwand / Decke detektierten Chlorkautschuk- Anstrichs (Stärke = ca. 0,2 mm) durch Feststoff-Strahlen der Bauteile. Der Austrag des Strahlguts erfolgte gemäß Vorgabe des Entsorgers. Da der Oberflächenschutzanstrich hohe BTEX- und PCB- Belastungen aufwies, mussten bei der Ausführung der vorgenannten Arbeiten die Bestimmungen der Gefahrstoffverordnung und der Unfallverhütungsvorschrift „Allgemeine Vorschriften“ in Verbindung mit den Richtlinien für „Arbeiten in kontaminierten Bereichen“ (DGUV-Regel 101-004, ehem. BGR 128) beachtet werden. Diese Bestimmungen/ Richtlinien sehen neben der Anmeldung der Arbeiten bei der zuständigen Berufsgenossenschaft des Weiteren die Bestellung eines Sicherheitskoordinators (Zulassung als SiGeKo gem. BGR 128) vor, der u.a. für die Unterweisung der auf der Baustelle Beschäftigten in einer spezifisch ausgelegten Betriebsanweisung gemäß § 20 GefStoffV/ TRGS 555 zuständig ist. Die Arbeiten zum Abtrag, Austrag bzw. zur Entsorgung des Chlorkautschuk-Anstrichs wurden unter Berücksichtigung folgender Arbeitssicherheitsmaßnahmen durchgeführt: - Herstellung und Unterhaltung geeigneter Staubschutzeinrichtungen zur sicheren Vermeidung einer Schadstoffverfrachtung in nicht belastete Bereiche - Einrichtung und Einhaltung technischer Sicherheitsmaßnahmen (Mehrkammer- Personenschleuse, Raumbe-/ -entlüftung, arbeitstägliche Staubbehandlung, etc.) zur sicheren Vermeidung einer Schadstoffverfrachtung in nicht belastete Bereiche - Einrichtung und Einhaltung hygienischer und arbeitstechnischer Sicherheitsmaßnahmen (persönliche Schutzausrüstung: Vollschutz, Atemschutz etc.) - Arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen für die im Rahmen der Sanierungsmaßnahme Beschäftigten Planung und Ausführung der Sanierung eines vorgespannten Kuppelbehälters - „Beckum 5.000 m³“ 58 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Die Arbeitssicherheitsmaßnahmen wurden innerhalb des gesamten Zeitraums aufrechterhalten, der für den staubintensiven Abtrag der Altmaterialien, den Austrag des Bauschutts und die Einlagerung in entsprechende Container zum Abtransport der kontaminierten Materialien benötigt wurde. Erst nach vollständiger Entfernung aller stauberzeugenden Rückstände des belasteten Anstrichs wurden die weiteren Arbeiten zur Vorbereitung und Beschichtung der Betonbauteile aufgenommen. Da es sich bei den PCB-belasteten Materialien im hier betrachteten Fall des Trinkwasserbehälters „Beckum 5.000 m³“ um sog. Primärquellen handelt, erfolgte die Zuordnung des Abbruchmaterials zum Abfallschlüssel 54111, wonach eine Einlagerung innerhalb einer Untertagedeponie oder die thermische Behandlung als Entsorgungswege vorzusehen war. Nach Abtrag des Chlorkautschuk-Anstrichs wurden sämtliche Betonoberflächen zur Freilegung des tragenden Korngerüstes bis zu einer Rautiefe im Mittel von ca. 3 mm gestrahlt (Feststoff-Strahlverfahren). Die Vorbereitung der Betonoberflächen in der beschriebenen Weise ermöglichte, dass unterhalb der Chlorkautschuk- Beschichtung nicht erkennbare Bauwerksschäden, wie beispielsweise Risse und Fehlstellen in den Betonbauteilen, lokalisiert und mittels Injektions- und Abdichtungsmaßnahmen beseitigt werden konnten. Gleichzeitig wurde mit den Strahlarbeiten eine Egalisierung von vorhandenen Schalversätzen und eine Vorbereitung noch vorhandener Fehlstellen (Schalungslöcher, Kiesnester, etc.) für die anschließende Reprofilierung vorgenommen. Rückstände ehemals eingesetzter Schalungshülsen wurden nach Freilegung der Betonoberflächen zunächst ausgestemmt. Freiliegende Bewehrungen wurden blankgestrahlt und mittels Zementschlämme konserviert. Anschließend wurde die Bodenplatte zur Freilegung des tragenden Korngerüstes bzw. zur Aufrauhung der Oberfläche ebenfalls mittels Feststoffstrahlverfahren bearbeitet. 2.2.2 Beschichtung der vorbereiteten Betonflächen Für die Beschichtung der Wasserkammerflächen war das Instandsetzungsprinzip A - Zementgebundene Beschichtungen gem. DVGW Arbeitsblatt W 300-3 einzusetzen. Das Instandsetzungsprinzip A - Zementgebundene Beschichtungen unterscheidet sich dabei in zwei Anwendungsfälle: • A1: Zementgebundene Beschichtung mit Realkalsierungsdepot bei erforderlicher Realkalisierung der ausgelaugten bzw. karbonatisierten Betonrandzone • A2: Zementgebundene Beschichtung ohne Realkalisierungsdepot bei ausreichender alkalischen Betondeckung ohne erforderliche Realkalisierung der ausgelaugten bzw. karbonatisierten Betonrandzone Im Rahmen der betontechnologischen Untersuchung von Dezember 2015 waren bereits Karbonatisierungserscheinungen im Bereich der Betonrandzone im Deckenbereich bzw. das Auftreten hydrolytischer Vorgänge im Wand- und Bodenbereich detektiert worden. Somit war eine Realkalisierung der Decken-, Wand- und Bodenoberflächen zur Sicherstellung des Korrosionsschutzes der eingebauten Bewehrung erforderlich. Aufgrund dessen wurde für die Beschichtung der vorbereiteten Wasserkammerflächen der Anwendungsfall A1 gewählt. Hierbei erfolgt die Realkalisierung der Betonrandzone zwischen dem vorbehandelten Untergrund und dem Bewehrungsstahl. Die Zielsetzung bei diesem Anwendungsfall ist, gem. DVGW Arbeitsblatt W 300-3, mit der neu aufzubringenden mineralischen Beschichtung eine Betonüberdeckung über dem Bewehrungsstahl von mindestens 20 mm zu schaffen. Für die Außenwände wurde eine Schichtstärke von ca. 15 mm gewählt. Zur Erfüllung der hygienischen Anforderungen wurde die Oberfläche geglättet. Am Boden erfolgte die Ausführung der Neubeschichtung ebenfalls geglättet in einer Schichtstärke von ca. 30 mm. Fehlstellen und Vertiefungen wurden vorab mittels mineralischem Mörtel egalisiert. Ein Gefälle zum Sumpf war gegeben, sodass kein Einbau einer zusätzlichen Gefällebodenplatte erforderlich wurde. An der Wasserkammerdecke wurden im Anschluss an die Strahlarbeiten zum Abtrag des Deckenanstrichs und der Betonoberfläche noch die deutlich erkennbaren Schadstellen an den Bewehrungseisen blankgestrahlt und mittels mineralischem Mörtel konserviert. Wegen der weit ausladenden, kuppel-förmigen Deckenausführung wurde die Oberfläche der aufzutragenden Neubeschichtung spritzrau ausgeführt. Die geringe Deckenbetonstärke erlaubte nach tragwerksplanerischen Vorgaben eine zusätzliche Flächenlast an der Kuppel von max. 25 kg/ m². Somit konnte eine Schichtstärke von 10-15 mm appliziert werden. 2.3 Optimierung des Behälterzugangs Ein wesentlicher Bestandteil des Sanierungskonzeptes war die Modifizierung der Zugangssituation zum Behälter. Dafür erfolgte eine komplette Neukonzipierung der Podest- und Treppenanlagen als Zugang in die Wasserkammer gem. den aktuellen Normen und Vorschriften, da die ehemalige Einstiegssituation hinsichtlich Bedienbarkeit und Arbeitssicherheit verbessert werden musste. Da die Ursprungsstatik des Bestandes/ der Kuppeldecke nicht mehr vorlag, mussten für die vorgesehene Optimierung der Treppen-/ Podestanlagen zwei vorgezogene Berechnungen der Kuppeldecke durchgeführt werden: Neben der Berechnung des „Bestandszustands vor Sanierung“ wurde eine Berechnung des geplanten „Optimierungszustands“ mit Lastabtragung der neuen Treppen-/ Podestanlagen durchgeführt. Die Berechnung des geplanten „Optimierungszustands“ ergab, dass die Lastabtragung des neuen Vorraums und der neuen Treppen- und Podestanlage nicht über die Kuppeldecke erfolgen darf. Vielmehr erfolgt die Lastabtragung des Vorraums über die neuen Treppen- Planung und Ausführung der Sanierung eines vorgespannten Kuppelbehälters - „Beckum 5.000 m³“ 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 59 und Podestanlagen (innen und außen), deren Lastabtragung wiederum direkt über den Baugrund erfolgt. 2.3.1 Neubau eines Vorraums (Hygieneschleuse) vor der Wasserkammer Zur Verbesserung der Zugänglichkeit der Wasserkammer wurde der Neubau des Behälterzuganges auf dem Dach der Wasserkammer vorgesehen. Dafür wurden über der bereits bestehenden Öffnung in der Kuppeldecke eine runde Domhaube und ein vorgesetztes rechteckiges Gebäude geplant. Zum Schutz des Trinkwasserbehälters vor unbefugtem Zutritt wurde die Hygieneschleuse durch die Anordnung einer einbruchshemmenden Edelstahltür mit der Widerstandsklasse RC4 gesichert. Die Wasserkammer des Trinkwasserbehälters „Beckum 5.000 m³“ ist nunmehr nach Errichtung des neuen Gebäudes über einem Vorraum (Hygieneschleuse) begehbar. In diesem Vorraum wurden sowohl elektrotechnische Einbauten sowie eine Möglichkeit zur Reinigung und Desinfektion von Schuhwerk und zum Wechseln von Kleidung vorgesehen. Der eigentliche Einstiegsbereich zur Wasserkammer ist durch eine Tür von der Hygieneschleuse abgetrennt. Der Zugang in die Wasserkammer wurde in Form einer spritzwasserdichten Edelstahltür mit Fensterausschnitt von der Hygieneschleuse in den Einstiegsdom vorgesehen. Abb. 5: Vorgesetzte Hygieneschleuse auf dem Dach des Wasserbehälters Die neue Domhaube wurde analog zur ehemaligen Ausführung aus Stahlbetonstützen und einer Mauerwerksausfachung aufgebaut. Die Wand- und Deckenflächen im Inneren der Domhaube wurden mit einer trinkwassergeeigneten Beschichtung versehen. Der Vorraum (Hygieneschleuse) wurde in Stahlständerbauweise errichtet. Die Gebäudehülle wurde mit zweischaligen, wärmegedämmten Trapezblechelementen als wind- und insektendichte sowie zur Vermeidung von Tauwasserbildung wärmegedämmte Konstruktion ausgebildet. Abb. 6: Neue Domhaube mit Treppenkonstruktion Die statische Berechnung des geplanten „Optimierungszustands“ ergab, dass die Lastabtragung des neuen Vorraums nicht über die Kuppeldecke erfolgen darf. Vielmehr erfolgt die Lastabtragung des Vorraums über die neuen Podest- und Treppenanlagen (innen und außen), deren Lastabtragung wiederum direkt über den Baugrund erfolgt. 2.3.2 Erneuerung der Podest- und Treppenanlage (innen) Das Sanierungskonzept umfasste ebenfalls die Erneuerung der Podest- und Treppenkonstruktion im Inneren der Wasserkammer. Für die Verankerung wurden Fundamente in der Bodenplatte errichtet, die mit Bohrungen versehen wurden, die nur sehr geringe Toleranzen aufweisen durften, damit die vorgefertigte Treppenkonstruktion exakt befestigt werden konnte. Zunächst wurde im Einstiegsdom ein Podest montiert, von dem aus man über drei weitere Zwischenpodeste, die jeweils über Treppenanlagen erreichbar sind, bis auf das Sohlniveau der Wasserkammer gelangt. Damit wurde der Zugang in die Wasserkammer im Hinblick auf die Parameter „Bedienbarkeit“ bzw. „Arbeitssicherheit“ optimal umgestaltet. Die gesamte Podest- und Treppenanlage wurde als korrosionsfreie Edelstahlkonstruktion (Werkstoff-Nr. 1.4571, matte Oberflächenbeschaffenheit) aus hohlraumfreien Profilen hergestellt, um insbesondere die Hygieneanforderungen im Trinkwasserbereich einzuhalten und dem Trinkwasser keine Stagnationsbereiche zu bieten. Planung und Ausführung der Sanierung eines vorgespannten Kuppelbehälters - „Beckum 5.000 m³“ 60 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Abb. 7: Podest- und Treppenanlage (innen) 2.3.3 Erneuerung der Podest- und Treppenanlage (außen) Des Weiteren war die Zugangsmöglichkeit zum Gebäude zu optimieren, da dieses vor der Sanierung lediglich durch eine an der Außenwand des Behälters senkrecht montierte Leiter erfolgte. So wurde eine zentrale Zugangskonstruktion errichtet, von der aus man sowohl zum 5.000 m³-Behälter als auch zum 10.000 m³-Behälter gelangen kann. Der Fußpunkt der Treppenkonstruktion befindet sich am 10.000 m³-Behälter; der 5.000 m3-Behälter ist nunmehr über eine Podest- und Treppenanlage aus verzinktem Stahl erreichbar. Im Zugangsbereich der Treppenanlage am Fußpunkt der Treppenkonstruktion wurde ein abschließbares Tor vorgesehen. Die Lastabtragung der neuen Podest- und Treppenanlagen (außen) erfolgt direkt über Einzelfundamente in den Baugrund. Auch hier war eine exakte Ausführung der Bohrungen in den Fundamenten unabdingbar, um eine optimale Befestigung der Treppenanlage zu ermöglichen. 2.4 Erneuerung der technischen Ausrüstung Die erneuerte technische Ausrüstung des Trinkwasserbehälters „Beckum 5.000 m³“ lässt sich in die Bereiche - Rohrleitungsinstallation - Be- und Entlüftungsanlage sowie - Elektrotechnische Installation unterteilen. 2.4.1 Erneuerung der Rohrleitungsinstallation Aufgrund des Behälteraufbaus konnte die Anordnung der für den Betrieb der Anlage notwendigen Zulauf-, Entnahme-, Überlauf- und Entleerungsleitungen sowie der notwendigen Armaturen nur in der Wasserkammer erfolgen. Das eigentliche Bedienungshaus der beiden 5.000 m³bzw. 10.000 m³-Behälter ist von den Wasserkammern abgesetzt. Die neue Rohrleitungsinstallation wurde komplett im Werkstoff Edelstahl 1.4571 mit einer matten Oberfläche ausgeführt. Mit dem ausgewählten Werkstoff kann ein dauerhafter Korrosionsschutz und somit ein den technischen und hygienischen Ansprüchen an die Trinkwasserversorgung entsprechender hoher Qualitätsstandard garantiert werden. Die Dimensionierung der Zulauf- und Entnahmeleitungen wurde analog zum Bestand vorgenommen. Die Behälterbefüllung erfolgt nunmehr über eine Unterwassereinspeisung. Im Laufe der Instandsetzungsmaßnahme wurde deutlich, dass die Wanddurchführungen der Zulauf- und Entnahmeleitungen ebenfalls erneuert werden mussten. Da es sich bei dem Wasserbehälter „Beckum - 5,000m³“ um eine Spannbetonkonstruktion handelt, wäre ein Überbohren der vorhandenen Mauerdurchführungen ein riskantes Vorhaben gewesen. So wurden im Vorfeld die vorhandenen Spannglieder detektiert um eine Beschädigung auszuschließen. Da sich im direkten Umfeld eine Spannlitze befand, wurde entschieden, die Mauerdurchführungen mittels HDW freizustrahlen. Der daraus entstandene Durchbruch konnte zeitweise als weitere Zugangsmöglichkeit zum Behälter genutzt werden. Die Freilegung der Leitungen im erdberührten Außenbereich erfolgte bauseits. Abb. 8: Freigelegtes Spannglied im Bereich der ehemaligen Mauerdurchführung Die Entleerungsleitung des Behälters endet frei in einem Schachtbauwerk. Im Rahmen der Maßnahme erfolgte der Einbau einer Rückschlagbzw. Froschklappe am Ende der Entleerungsleitung im Schachtbauwerk. Planung und Ausführung der Sanierung eines vorgespannten Kuppelbehälters - „Beckum 5.000 m³“ 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 61 2.4.2 Installation einer Be- und Entlüftungsanlage Be- und Entlüftungsöffnungen in den Wasserkammern sind erforderlich, um den sich durch verändernde Wasserspiegellagen (Behälterhub) erzwungenen Luftaustausch selbsttätig zu ermöglichen. Die Be- und Entlüftungsöffnungen dürfen gem. DVGW W 300 nicht direkt über der freien Wasserfläche liegen und sollen so angeordnet sein, dass ein Eindringen von Insekten, Blättern, Pollen oder Flüssigkeiten in das Behälterinnere verhindert wird. Die hierzu erforderlichen Einrichtungen (Siebe, Filter, Gitter, Jalousien) müssen kontrollierbar sein. Bei der Bemessung des Lüftungsquerschnittes ist der abfließende Volumenstrom im Rohrbruchfall bzw. die Obergrenze der Luftgeschwindigkeit in den Lüftungsöffnungen (max. 7,0 - 10,00 m/ s) maßgebend. Zur notwendigen Be- und Entlüftung der Wasserkammer wurde der Einbau einer natürlichen Be- und Entlüftungsanlage mit abgestuftem Luftfiltersystem im Vorraum des Bedienungshauses vorgesehen. Die Dimensionierung der Be- und Entlüftung erfolgte unter dem Ansatz einer max. Entnahmemenge von 1000 m³/ h. Für die Hygieneschleuse wurde die Abführung von Wärme und Kälte über Ventilatoren vorgesehen. Elektrotechnische Installation Die Planung der elektrotechnischen Installationen (Stromversorgung und EMSR-Technik) erfolgten bis auf die Planung und Anordnung von Steckdosen und Beleuchtung in der Wasserkammer bzw. in der Hygieneschleuse bauseits durch die Wasserversorgung Beckum GmbH. 3. Inbetriebnahme Im Zuge der Ausführungsplanung wurde ein Reinigungs- und Desinfektionskonzept erstellt, welches detailliert den Ablauf und die Durchführung der Reinigungs- und Desinfektionsarbeiten aufzeigte. Nach einer erfolgreichen Dichtheitsprobe der Wasserkammer sowie einer Druckprobe, Reinigung, Spülung, Desinfektion der neu verlegten Leitungen erfolgte nach Vorlage eines negativen Befundes der mikrobiologischen Untersuchung im September 2020 die Inbetriebnahme des Trinkwasserbehälters „Beckum 5.000 m³“. 4. Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordination (SiGeKo) Die Planung der Ausführung sowie die Ausführung der Sanierungsmaßnahme erfolgten in enger Abstimmung mit einem Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinator (SiGeKo) gemäß § 3 der Baustellenverordnung. Alle Leistungen zur Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordination (SiGeKo) wurden auf Basis der „Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz auf Baustellen“ (Baustellenverordnung - BaustellV / vom 10.06.1998, Inkrafttreten der letzten Änderung am 31.12.2018) sowie auf Basis der „Regeln zum Arbeitsschutz auf Baustellen“ (RAB) geplant bzw. umgesetzt. 5. Erstellung und Umsetzung eines Hygienekonzeptes Gemäß Neufassung der technischen Regeln - DVGW- Arbeitsblatt W 300 - 1 / Oktober 2014 sowie insbesondere DVGW-Merkblatt W 300-8 / Oktober 2016 war die Erstellung und Umsetzung eines Hygienekonzeptes im Rahmen der Sanierungsmaßnahme erforderlich. Inhaltlich deckte dieses Konzept die trinkwasserhygienischen Anforderungen und Maßnahmen für Arbeiten in Trinkwasserbehältern ab. Neben Unterweisungen des auf der Baustelle eingesetzten Personals in das Konzept umfasste das Hygienekonzept diverse Aufgabenstellungen, wie beispielsweise - die Überwachung der trinkwasserhygienischen Eignung der eingesetzten Werkstoffe und Bauhilfsstoffe, - die Überwachung/ Sicherstellung von Ordnung und Sauberkeit auf der Baustelle, insbesondere der Werkzeuge und Arbeitsmittel, - den Schutz der angrenzenden Betriebsanlagen durch hydraulische und lüftungstechnische Trennung der in Betrieb befindlichen Wasserkammern, - die Überwachung/ Sicherstellung der Regeln zum Verzehr von Nahrungs- und Genussmitteln, - die Definition/ Überwachung der Lagerungsbedingungen von Baustoffen, Bauhilfsstoffen und Produkten, welche später in Kontakt mit Trinkwasser stehen sowie - die Definition/ Überwachung der Schutzmaßnahmen der hergestellten Oberflächen, welche in Kontakt mit Trinkwasser stehen, gegen Verunreinigung und Beschädigung etc. 6. Erstellung und Umsetzung eines Qualitätssicherungsplanes Der Qualitätssicherungsplan, der aus den Anforderungen an die Planung gemäß DVGW-Arbeitsblatt W 300-1 / Oktober 2014 und des Hygienekonzeptes gemäß DVGW- Merkblatt W 300-8 / Oktober 2016 resultiert, wurde bereits im Rahmen der Planung aufgestellt und anschließend im Rahmen der Bauausführung fortgeschrieben. Der Qualitätssicherheitsplan war dabei wie folgt aufgegliedert: - Qualitätssicherungsplan „Werkstoffe und Bauhilfsstoffe“ Die Aufstellung des Qualitätssicherungsplans „Werkstoffe und Bauhilfsstoffe“ erfolgte in der Planungsphase unter Berücksichtigung der DVGW-Arbeitsblätter W 300-4 und W 300-5. Dieser Qualitätssicherungsplan wurde im Rahmen der Bauausführung dem ausführenden Unternehmen vorgegeben und kontinuierlich fortgeschrieben. - Qualitätssicherungsplan „Kontrolle der Bauausführung“ Planung und Ausführung der Sanierung eines vorgespannten Kuppelbehälters - „Beckum 5.000 m³“ 62 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Mittels des Qualitätssicherungsplans „Kontrolle der Bauausführung“ wurde die Einhaltung der im Rahmen des Qualitätssicherungsplans „Werkstoffe und Bauhilfsstoffe“ während der Planung festgelegten Anforderungen überprüft. 7. Fazit Für eine erfolgreiche Umsetzung einer solch komplexen Sanierungsmaßnahme ist die Auswahl geeigneter Fachplaner und Fachunternehmen unabdingbar. Bei der Sanierung des Trinkwasserbehälters „Beckum- 5.000m³“ wurde nicht nur bei den Instandsetzungs- und Beschichtungsarbeiten, sondern auch bereits bei den schwierigen Abbrucharbeiten großer Wert auf hygienische Gesichtspunkte gelegt. Besonderes Augenmerk verlangten die sehr aufwändigen und außergewöhnlichen Schlosserarbeiten. Der größte eingebaute Edelstahl 1.457- Träger war ein HEA 400. Es bedurfte besonderer Detaillösungen für die schwierigen Anschlüsse der Stahlbetonkonstruktion mit auskragender Edelstahltreppe und statischer Aufgabe zur Aufnahme der Hygieneschleuse. So konnte der alte nicht mehr den anerkannten Regeln der Technik entsprechende Zugang besonders im Hinblick auf Sicherheits- und Gesundheitsschutz optimiert werden. Quellen: [1] Vorgenannte Leistungen wurden auf Basis der anerkannten Regeln der Technik abgewickelt. Hierzu zählen die nachfolgend aufgelisteten Verordnungen, Gesetze, Regelwerke, Normen und Leitlinien in ihren jeweils aktuellen Fassungen: [2] Trinkwasserverordnung - TrinkwV 2001 (2016): Bundesministerium für Gesundheit: Ver-ordnung über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch (Trinkwasserverordnung - TrinkwV 2001), Bundesanzeiger Verlag, Fassung 2016. [3] Infektionsschutzgesetz - IfSG (2010 in der Fassung von 2017): Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz: Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG). juris GmbH, 2017. [4] Verordnung (EG) Nr. 852/ 2004 des Europäischen Parlaments und des Rates der Europäischen Union vom 29.04.2004 [5] DIN 2000 (2017): DIN Deutsches Institut für Normung e.V.: Zentrale Trinkwasserversorgung - Leitsätze und Anforderungen an Trinkwasser, Planung, Bau, Betrieb und Instandhaltung der Versorgungsanlagen, DIN Deutsches Institut für Normung e.V., Berlin, 2017. [6] DIN EN 15975-2 (2013): Normenausschuss Wasserwesen (NAW) im DIN: Deutsche Norm. Sicherheit der Trinkwasserversorgung - Leitlinien für das Risiko- und Krisenmanagement - Teil 2: Risikomanagement. Deutsche Fassung EN 15975-2. DIN Deutsches Institut für Normung e.V., Berlin, 2013. [7] DIN EN 16421 (2014): Normenausschuss Wasserwesen (NAW) im DIN: Deutsche Norm. Einfluss von Materialien auf Wasser für den menschlichen Gebrauch - Vermehrung von Mikroorganismen. Deutsche Fassung EN 16421. DIN Deutsches Institut für Normung e.V., Berlin, 2014. [8] DIN 50930-6 (2013): Normenausschuss Materialprüfung (NMP) im DIN: Deutsche Norm. Korrosion der Metalle - Korrosion metallener Werkstoffe im Innern von Rohrleitungen, Behältern und Apparaten bei Korrosionsbelastung durch Wässer - Teil 6: Bewertungsverfahren und Anforderungen hinsichtlich der hygienischen Eignung in Kontakt mit Trinkwasser. DIN Deutsches Institut für Normung e.V., Berlin, 2013. [9] DVGW W 270 (2007): Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e.V.: Technische Regel - Arbeitsblatt DVGW W 270 (A). Vermehrung von Mikroorganismen auf Werkstoffen für den Trinkwasserbereich - Prüfung und Bewertung; Beachtung der KTW-Regelungen zur Prüfung von Kunst-stoffen im Trinkwasserbereich. Wirtschafts- und Verlagsgesellschaft Gas und Wasser mbH, Bonn, 2007. [10] DVGW W 291 (2000): Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e.V.: Technische Regel - Arbeitsblatt DVGW W 291 (A). Reinigung und Desinfektion von Wasserverteilungsanlagen. Wirtschafts- und Verlagsgesellschaft Gas und Wasser mbH, Bonn, 2000. [11] DVGW W 300-1 (2014): Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e.V.: Technische Regel - Arbeitsblatt DVGW W 300-1 (A). Trinkwasserbehälter; Teil 1: Planung und Bau. Wirtschafts- und Verlagsgesellschaft Gas und Wasser mbH, Bonn, 2014. [12] DVGW W 300-2 (2014): Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e.V.: Technische Regel - Arbeitsblatt DVGW W 300-2 (A). Trinkwasserbehälter; Teil 2: Betrieb und Instandhaltung. Wirtschafts- und Verlagsgesellschaft Gas und Wasser mbH, Bonn, 2014. [13] DVGW W 300-3 (2014): Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e.V.: Technische Regel - Arbeitsblatt DVGW W 300-3 (A). Trinkwasserbehälter; Teil 3: Instandsetzung und Verbesserung. Wirtschafts- und Verlagsgesellschaft Gas und Wasser mbH, Bonn, 2014. [14] DVGW W 300-4 (2014): Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e.V.: Technische Regel - Arbeitsblatt DVGW W 300-4 (A). Trinkwasserbehälter; Teil 4: Werkstoffe, Auskleidung und Be-schichtungssysteme - Grundsätze und Qualitätssicherung auf der Baustelle. Wirtschafts- und Verlags-gesellschaft Gas und Wasser mbH, Bonn, 2014. Planung und Ausführung der Sanierung eines vorgespannten Kuppelbehälters - „Beckum 5.000 m³“ 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 63 [15] DVGW W 300-5 (2020): Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e.V.: Technische Regel - Arbeitsblatt DVGW W 300-5 (A). Trinkwasserbehälter; Teil 5: Bewertung der Verwendbarkeit von Bauprodukten für Auskleidungs- und Beschichtungssysteme. Wirtschafts- und Verlagsgesellschaft Gas und Wasser mbH, Bonn, 2020. [16] DVGW W 300-6 (2016): Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e.V.: Technischer Hinweis - Merkblatt DVGW W 300-6 (M). Trinkwasserbehälter; Teil 6: Planung, Bau, Betrieb und Instandhaltung von System- und Fertigteilbehältern. Wirtschafts- und Verlagsgesellschaft Gas und Wasser mbH, Bonn, 2016. [17] DVGW W 300-7 (2016): Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e.V.: Technischer Hinweis - Merkblatt DVGW W 300-7 (M). Trinkwasserbehälter; Teil 7: Praxishinweise Reinigungs- und Desinfektionskonzept. Wirtschafts- und Verlagsgesellschaft Gas und Wasser mbH, Bonn, 2016. [18] DVGW W 300-8 (2016): Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e.V.: Technischer Hinweis - Merkblatt DVGW W 300-8 (M). Trinkwasserbehälter; Praxishinweise Hygienekonzept: Neubau und Instandsetzung. Wirtschafts- und Verlagsgesellschaft Gas und Wasser mbH, Bonn, 2016. [19] DVGW W 316 (2018): Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e.V.: Technische Regel - Arbeitsblatt DVGW W 316-(A). Qualifikationsanforderungen an Fachunternehmen für Planung, Bau, Instandsetzung und Verbesserung von Trinkwasserbehältern; Fachinhalte. Wirtschafts- und Verlagsgesellschaft Gas und Wasser mbH, Bonn, 2018. [20] DVGW W 347 (2018): Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e.V.: Technische Regel - Arbeitsblatt DVGW W 347 (A). Hygienische Anforderungen an zementgebundene Werkstoffe im Trinkwasserbereich - Prüfung und Bewertung. Wirtschafts- und Verlagsgesellschaft Gas und Wasser mbH, Bonn, 2006. [21] DVGW W 398 (2013): Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e.V.: Technischer Hinweis - Merkblatt DVGW W 398 (M). Praxishinweise zur hygienischen Eignung von Ortbeton und vor Ort hergestellten zementgebundenen Werkstoffen zur Trinkwasserspeicherung. Wirtschafts- und Verlagsgesellschaft Gas und Wasser mbH, Bonn, 2013. [22] DVGW W 541 (2004): Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e.V.: Technische Regel - Arbeitsblatt DVGW W 541 (A). Rohre aus nichtrostenden Stählen für die Gas- und Trinkwasser-Installation. Wirtschafts- und Verlagsgesellschaft Gas und Wasser mbH, Bonn, 2004. [23] Beschichtungsleitlinie: Umweltbundesamt - UBA 2016: Leitlinie zur hygienischen Beurteilung von organischen Beschichtungen im Kontakt mit Trinkwasser. Bundesgesundheitsblatt. (Beschichtungsleitlinie gültig bis 20.03.2021.) [24] KTW-Leitlinie: Umweltbundesamt - UBA 2016: Leitlinie zur hygienischen Beurteilung von organischen Materialien im Kontakt mit Trinkwasser. Bundesgesundheitsblatt. (KTW-Leitlinie gültig bis 20.03.2021.) [25] Schmierstoffleitlinie: Umweltbundesamt - UBA 2016: Leitlinie zur hygienischen Beurteilung von Schmierstoffen im Kontakt mit Trinkwasser. Bundesgesundheitsblatt. (Schmierstoffleitlinie gültig bis 20.03.2021.) [26] Übergangsregelung KTW-BWGL: Umweltbundesamt - UBA 2020: Übergang von UBA-Leitlinien zur Bewertungsgrundlage für Kunststoffe und andere organische Materialien im Kontakt mit Trinkwasser. Bundesgesundheitsblatt. [27] Elastomerleitlinie: Umweltbundesamt - UBA 2016 / 2020 um eine weitere, seit 12/ 2019 bewertete Substanz ergänzt: Leitlinie zur hygienischen Beurteilung von Elastomeren im Kontakt mit Trinkwasser. Bundesgesundheitsblatt. [28] TPE-Übergangsempfehlung: Umweltbundesamt - UBA 2019: Empfehlung zur vorläufigen trinkwasserhygienischen Beurteilung von Produkten aus Thermoplastischen Elastomeren im Kontakt mit Trinkwasser. Bundesgesundheitsblatt. [29] DAfStB-Richtlinie (2017): Wasserundurchlässige Bauwerke aus Beton - WU-Richtlinie. Beuth Verlag, Fassung 2017. [30] DAfStB-Richtlinie (2001): Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen. Beuth Verlag, Fassung 2001. [31] Merkl, Gerhard (2018): Trinkwasserbehälter - Planung, Bau, Betrieb, Schutz und Instandsetzung. Eigendruck im Selbstverlag, 3. Auflage, 2018. [132] Bauer, A., Fritsch, P. und weitere Autoren (2019): Mutschmann / Stimmelmayr - Taschenbuch der Wasserversorgung. Springer Vieweg Verlag, 17. Auflage, 2019. 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 65 Realkalisierungsvermögen und Beständigkeit von mineralischen Beschichtungen Dr.-Ing. Melanie Merkel bsm² Breit ∙ Schuler ∙ Merkel Beratende Ingenieure PartGmbB, Kaiserslautern Univ.-Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Breit Technische Universität Kaiserslautern bsm² Breit ∙ Schuler ∙ Merkel Beratende Ingenieure PartGmbB, Kaiserslautern Zusammenfassung Die realkalisierende Wirkung von mineralischen Mörteln ist aus der Instandsetzung von carbonatisierten Betonen im Hochbau bekannt. Die Anwendungsgrenzen beziehen sich dabei entsprechend der DAfStb-Richtlinie „Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen“ [1] auf die Verwendung eines Portlandzement basierten Instandsetzungsmaterials (CEM I) sowie darauf, dass die mittlere Carbonatisierungstiefe um nicht mehr als 20 mm hinter die Bewehrung vorgedrungen ist. Bei der Instandsetzung von Trinkwasserbehältern sind zudem besondere Randbedingungen sowohl aus hygienischer als auch technischer Sicht zu beachten. Nach DVGW-Arbeitsblatt W 300-3 [2] werden zementgebundene Beschichtungen nach ihrer Fähigkeit einen ausgelaugten oder carbonatisierten Beton zu realkalisieren unterschieden. Die Interaktion zwischen dem Alkalitätsdepot des Instandsetzungsmörtels bei gleichzeitiger Auslaugungsbelastung, die Fähigkeit des Untergrundbetons Alkalien aufzunehmen sowie der Einfluss der Umgebungsbedingungen auf die Realkalisierung sind bisher nicht ausreichend bekannt. In einem vom Deutschen Verein des Gas- und Wasserfaches e. V. (DVGW) geförderten Forschungsvorhaben (W201835) wurden die vorgenannten Fragestellungen systematisch untersucht und ermöglichen als Ergebnis der Untersuchungen eine detailliertere Beschreibung der Realkalisierung [2]. 1. Allgemeines Im Rahmen eines vom Deutschen Verein des Gas- und Wasserfaches e. V. (DVGW) geförderten Forschungsvorhabens (W201835) wurde an der Technischen Universität Kaiserslautern in Kooperation mit der RWTH Aachen University das Realkalisierungsvermögen von ausgelaugten und carbonatisierten Betonuntergründen untersucht. In diesem Zusammenhang wurde auch der Widerstand von mineralischen Beschichtungen gegenüber Auslaugungsprozessen bewertet. In zwei Forschungsschwerpunkten wurden das Realkalisierungspotenzial von mineralischen Beschichtungen und deren Beständigkeit experimentell untersucht, ausgewertet und hinsichtlich der Verwertung in der Praxis bewertet. Die Untersuchungsmethodik konzentrierte sich dabei nach einer grundlegenden Charakterisierungsphase von marktgängigen Instandsetzungsmörteln, die sich an den Anforderungen des DVGW-Arbeitsblattes W 300-5 [3] messen mussten, auf die Alkalienabgabe bzw. Auslaugung von Bestandteilen in Kontakt mit demineralisiertem Wasser und die dadurch erzeugten materialtechnischen Veränderungen. Nach Abschluss der Versuche zur Alkalienabgabe folgte die Betrachtung des Realkalisierungspotenzials von ausgewählten Mörteln an ausgelaugten und carbonatisierten Betonen sowie die Bewertung der Beständigkeit der Realkalisierung. 2. Versuche und Ergebnisse zum Auslaugungswiderstand 2.1 Auswahl und Charakterisierung der Mörtel Für die Untersuchungen wurden insgesamt zehn verschiedene marktgängige Mörtel in Abstimmung mit der Deutschen Bauchemie e.V. (DBC), Frankfurt ausgewählt. Die ausgewählten Mörtel entsprechen den Vorgaben des DVGW-Arbeitsblattes W 300-5 [3] und den hygienischen Anforderungen nach DVGW-Arbeitsblatt W 347 [4] und W 270 [5]. Zur Abschätzung der Materialeigenschaften und späteren Unterscheidung des Auslaugungswiderstandes wurden die Mörtel neben ihren mechanischen Kenngrößen im Wesentlichen auf ihre Porositätsstruktur hin untersucht. Die wichtigsten Ergebnisse sind in Tabelle 1 zusammenfassend dargestellt. Da bei der Instandsetzung von Trinkwasserbehältern die Oberfläche des Mörtels in unterschiedlichen Varianten bearbeitet wird, wurden bei den Untersuchungen u. a. Realkalisierungsvermögen und Beständigkeit von mineralischen Beschichtungen 66 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 geglättete (O) und geschnittene (G) Oberfl ächen unterschieden. Tabelle 1: Übersicht und Eigenschaften der untersuchten Instandsetzungsmörtel Bez. Zement-art Typ gemäß W 300-5 Anwendung Porosität 90 d [Vol.-%] M1 CEM III Typ 1 Bodenmörtel 6,9 M2 CEM I Typ 2 Nassspritzmörtel 6,1 M3 CEM I Typ 1 Nassspritzmörtel 7,0 M4 CEM I Typ 1 Nassspritzmörtel 5,2 M5 k.A. Typ 1 Nassspritzmörtel 2,8 M6 CEM I Typ 1 Nassspritzmörtel 5,5 M7 CEM II/ A-LL Typ 1 Trockenspritzmörtel 6,3 M8 CEM I Typ 1 Nassspritzmörtel 4,5 M9 CEM I Typ 3 Nassspritzmörtel 18,1 M10 CEM Typ 4 mineralische Dichtungsschlämme 7,4 k.A.: keine Angabe Typ 1: ohne Betonzusatzmittel und ohne kunststoffhaltige Zusätze Typ 2: mit Betonzusatzmittel nach DIN EN 934-2 [6] bis max. 5 %/ z und ohne kunststoffhaltige Zusätze Typ 3: ggf. mit Betonzusatzmittel nach DIN EN 934-2 und mit kunststoffhaltigen Zusätzen bis insgesamt max. 10 %/ z Typ 4: ggf. mit Betonzusatzmittel nach DIN EN 934-2 und mit kunststoffhaltigen Zusätzen mit insgesamt mehr als 10 %/ z bis max. 25 %/ z 2.2 Prüfbedingungen In einer eigens entwickelten Auslaugungsanlage (vgl. [7] und [8]) wurden die Instandsetzungsmaterialien über einen Prüfzeitraum von sechs Monaten unter kontrollierten Versuchsbedingungen ausgelaugt. Die zeitliche Änderung der Alkalienabgabe, die Verschiebung des Alkalitätsprofi ls in Abhängigkeit von den wichtigsten Werkstoffparametern konnten dabei gezielt untersucht werden. Während der Auslaugung wurden die freigesetzten, für die Realkalisierung des Untergrundbetons zur Verfügung stehenden Alkalien über die Zeit anhand der Veränderung der Leitfähigkeit gemessen. Die Erfassung der Veränderung des Alkalitätsprofi ls über die Probenkörpertiefe erfolgte zerstörend mit Hilfe der Phenolphthaleinprüfung, wie sie auch für die Ermittlung der Carbonatisierungstiefe verwendet wird (DIN EN 14630 [9]). Beide Messungen, insbesondere in Kombination, geben wichtige Informationen zum Ablauf und der Geschwindigkeit des Alkalientransports aus dem untersuchten Instandsetzungsmörtel. Zur Bestimmung der Veränderungen in der Gefügezusammensetzung wurden Kernspinresonanzmessungen (NMR), Rasterelektronenmikroskopieuntersuchungen (REM) und energiedispersive Röntgen-Mikroanalytische Scans (EDX) durchgeführt. Die Porositätsveränderungen wurden anhand der Quecksilberdruckporosimetrie nach DIN 66133 [10] überprüft (DIN 66133 wurde zurückgezogen und 2019 durch DIN ISO 15901-1 [11] ersetzt). 2.3 Ergebnisse der Untersuchungsreihen 2.3.1Veränderung des optischen Erscheinungsbildes Die sechsmonatige Lagerung in demineralisiertem Wasser führte zu optisch feststellbaren Veränderungen des Erscheinungsbildes an der Oberfl äche. Durch die Belastung mit demineralisiertem Wasser zersetzte sich die Zementsteinmatrix bis hin zum vollständigen Freiliegen der Gesteinskörnung. Die sukzessiven Aufl ösungsprozesse beginnen dabei ab dem Zeitpunkt der Einlagerung. Zunächst konnten farbliche Veränderungen der Oberfl äche beobachtet werden. Die anfänglich zementgraue Oberfl äche zeigte nach wenigen Wochen fl ächige, gelbliche bzw. bräunliche Farbveränderungen. Danach folgte die vollständige Aufl ösung des Zementsteins bis die Gesteinskörnung erst in Teilbereichen und im weiteren zeitlichen Verlauf z. T. vollfl ächig freigelegt wurde. Die bräunlich, gelblichen Farbveränderungen waren nach sechs Monaten Auslaugung gut zu erkennen (vgl. Bild 1, links). Nicht bei allen untersuchten mineralischen Beschichtungen zeigte sich die zuvor beschriebene Veränderung des Zementsteins. Eine sukzessive Zerstörung der Zementsteinmatrix war bei Mörtel M5 (keine Angabe zum Bindemittel, Typ 1 nach DVGW-Arbeitsblatt W 300-5) nicht ersichtlich. Auch nach sechs Monaten Auslaugung konnten augenscheinlich keine Veränderungen der Oberfl äche beobachtet werden (vgl. Bild 1, rechts). Bei den Mörteln M9 (CEM I, Typ 3) und M10 (CEM I, Typ 4) war eine bräunlich, gelbliche Veränderung des Zementsteins zwar festzustellen, ein Zementsteinabtrag, verbunden mit dem Freilegen von Gesteinskörnung, fand jedoch nicht statt. Bild 1: Veränderung des optischen Erscheinungsbildes Realkalisierungsvermögen und Beständigkeit von mineralischen Beschichtungen 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 67 nach sechsmonatiger Auslaugungsbelastung, links: Mörtel M3 (Typ 1, CEM I, geschnittene Oberfläche (G)), rechts: Mörtel M5 (Typ 1, keine Angabe zum Bindemittel, Oberfläche geglättet (O)) 2.3.2 Verschiebung der Alkalitätsgrenze Bei der Betrachtung der mittleren Auslaugungstiefe nach sechs Monaten (vgl. Bild 2) wies der Mörtel M10-O (CEM I, Typ 4, geglättet (O)) die geringste Auslaugungstiefe mit 0,06 mm auf. Bei Mörtel M9-O (CEM I, Typ 3, geglättet (O)) lag eine mittlere Auslaugungstiefe von 0,18 mm nach sechs Monaten vor. Anhand der Messwerte der Zementsteinzerstörung und Auslaugungstiefe ist abzuleiten, dass durch die Zugabe von Kunststoffzusätzen erwartungsgemäß ein positiver Einfluss auf den Widerstand gegen die Auslaugungsbelastung ausgeübt werden kann. Zwar konnte in diesen Fällen auch eine oberflächliche Veränderung des Zementsteingefüges visuell erfasst werden, eine tiefgehende Zementsteinzerstörung lag jedoch nicht vor. Ein Vergleich zwischen Typ 1 und Typ 2 Mörteln ergab, dass der Mörtel M3-O (CEM I, Typ 1, geglättet (O)) mit 0,47 mm die geringsten Auslaugungstiefen nach sechs Monaten aufwies. Bei der Betrachtung unter dem Auflichtmikroskop konnten im oberflächennahen Bereich freiliegende, faserartige Strukturen detektiert werden, die anhand der energiedispersiven Röntgenspektroskopie (EDX) als Kunststofffasern identifiziert wurden. Entsprechend den Vorgaben des Materialherstellers ist der Mörtel nach DVGW-Arbeitsblatt W 300-5 als Typ 1 einzuordnen, der mit Fasern modifiziert ist. Vergleichsweise hohe Auslaugungstiefen von > 1,0 mm im Mittel sind bei den Mörteln M1-G (CEM III, Typ 1, geschnitten (G)) und M7-G (CEM II/ A-LL, Typ 1, geschnitten (G)) aufgetreten. Bei dem Mörtel M1-G war ein ausgeprägter Porenraum im Bruchquerschnitt des oberflächennahen Randbereichs ersichtlich. Somit konnte eine partielle Auslaugung im Bereich der Porenräume stattfinden. Der Mörtel M1 wurde händisch verarbeitet. Bei Mörtel M7-G fand eine tiefer gehende Zerstörung des Zementsteins statt. Ein vollständiges Herauslösen der Zementsteinmatrix im oberflächennahen Bereich mit freiliegender Gesteinskörnung konnte für diesen Mörteltyp festgestellt werden. Wie bereits beschrieben, wurde bei Mörtel M5 (Typ 1, keine Angabe zum Bindemittel) kein Abtrag des Zementsteins festgestellt. Dennoch wurde nach sechsmonatiger Auslaugung eine Verschiebung der Alkalitätsgrenze festgestellt. Aus dem Versuchsergebnis lässt sich ableiten, dass auch ohne optische Veränderung eine Auslaugung in Form einer Alkalienabgabe bei diesem Mörtel möglich ist. Der untersuchte Variationsparameter der Oberflächenbearbeitung geglättete (O) und geschnittene (G) Oberfläche ergab, dass ein Glätten nicht nur eine zementreiche, ebene und dichte Oberfläche ergibt, sondern aufgrund der Bearbeitung einen höheren Widerstand gegenüber den Auslaugungsprozessen bietet. Die Oberflächenbearbeitung stellt somit einen wichtigen Einflussbzw. Ausführungsparameter gegenüber hydrolytischen Veränderungen dar. Bild 2: Darstellung der mittleren Auslaugungstiefe und Zementsteinauflösung nach zwei, vier und sechs Monaten Versuchsdauer in der Auslaugungsanlage (O: geglättet, G: geschnitten, U: Unterseite Probe) 2.3.3 Veränderung der Porosiät Im Rahmen der Charakterisierungsphase wurden die Porosität und die Porenradienverteilung der Mörtel zum Zeitpunkt > 28 d und > 90 d bestimmt. Der > 90 d-Wert wird bei der Bewertung als Bezugswert angesetzt. Nach einer Auslaugungsdauer von sechs Monaten wurden mit Hilfe der Quecksilberdruckporosimetrie nach DIN 66133 (DIN 66133 wurde zurückgezogen und 2019 durch DIN ISO 15901-1 ersetzt) die Porenkennwerte bestimmt und mit den Referenzwerten verglichen (vgl. Bild 3). Der Mörtel M5 (keine Angabe zum Bindemittel, Typ 1) wies die größte Veränderung in Bezug auf die Porositätszunahme auf. Hierbei ist zu beachten, dass kein Abtrag aufgrund der Belastung mit demineralisiertem Wasser entstanden war. Alle anderen Mörteloberflächen wiesen Auflösungserscheinungen und einen Abtrag der Zementsteinmatrix auf. Mögliche Porositätsveränderungen in dem bereits abgetragenen Bereich können somit für diese Mörtel nicht in die Bewertung mit aufgenommen werden. In Bezug auf die Porositätsveränderung konnte bei Mörtel M9 (CEM I, Typ 3) ein auffälliges Verhalten festgestellt werden. Anstatt der erwarteten Porositätserhöhung trat bei beiden Oberflächenvariationen (geglättet (O) und geschnitten (G)) eine zum Teil deutliche Reduktion der Porosität auf. Da der Mörtel einen deutlich höheren Polymeranteil aufweist, kann die Wasserlagerung eine Nachhydratation oder eine chemische Wechselwirkung (z. B. Quellen) zur Folge haben. Ein deutlicher Abtrag des Zementsteins bzw. eine Zementsteinzerstörung infolge der Auslaugung ist bei allen drei M9-Mörtelvariationen nicht festzustellen. Bei allen anderen Mörteln ist eine Porositätsveränderung von ≤ 1,5 Vol.-% zu verzeichnen. Realkalisierungsvermögen und Beständigkeit von mineralischen Beschichtungen 68 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Bild 3: Veränderung der Porosität nach sechsmonatiger Auslaugung in demineralisiertem Wasser (O: geglättet, G: geschnitten, U: Unterseite Probe) 2.3.4 Alkalienabgabe und Veränderungen des Alkalitätsdepots Anhand der Messerergebnisse der kontinuierlich aufgezeichneten Leitfähigkeit konnte eine Beschreibung der Alkalienabgabe aus den untersuchten Mörteln erfolgen. Insbesondere zu Beginn der Einlagerung in „kalkarmem Wasser“ kam es zu einem vergleichsweise schnellen Anstieg der Leitfähigkeit, folglich auch zu einer erhöhten Freisetzung von Alkalien. Geglättete Oberfl ächen (O) weisen aufgrund des höheren Zementanteils an der Oberfl äche eine größere Verfügbarkeit von Alkalien auf und führen zu einem schnelleren Anstieg der Leitfähigkeit des Eluats als bei geschnitten Proben (G), bei denen die zementleimreiche Randschicht entfernt wurde und somit die übliche Zusammensetzung des Mörtels darstellt. In Abhängigkeit von der Zeit zeigte sich, dass die Summe der maximalen Leitfähigkeit pro Wasserwechselzyklus bei einer geglätteten Oberfl äche höher ist als bei einer geschnittenen (vgl. Bild 4, Mörtel M3, CEM I, Typ 1, geglättet (O), geschnitten (G)). Eine weiterführende Differenzierung zwischen Typ 1 und Typ 2 ist anhand der Ergebnisverläufe nicht möglich (CEM I, Typ 1: M3, M4, CEM I, Typ 2: M6). Der Typ 3 Mörtel (CEM I, Typ 3: M9) wies zunächst ein vergleichbares Alkalienabgabeverhalten in den ersten 50 Tagen der Versuchsführung auf. Anschließend war nicht wie bei den Typ 1 und Typ 2 Mörteln ein weiterhin linearer Messwerteverlauf zu beobachten, sondern die kumulierten Verläufe fl achten mit zunehmender Versuchsdauer deutlich ab. Bei dem Typ 4 Mörtel (CEM I, Typ 4: M10) war in den ersten 20 Tagen ein vergleichbares Alkalienabgabeverhalten zu beobachten. Anschließend war eine deutliche Abfl achung des Messwerteverlaufs ersichtlich. Nach 80 Tagen war die weitere Alkalienabgabe ins Eluat vernachlässigbar klein. Auch die Zementart beeinfl usst den Alkalientransport erwartungsgemäß maßgeblich. Ein Hochofenzement (CEM III) weist einen geringeren Alkalienpuffer auf als ein Portlandzement (CEM I). Die Summe der maximalen Leitfähigkeiten pro Wasserwechselzyklus ist bei dem CEM III-Mörtel (Typ 1, M1) somit geringer als bei einem CEM I-Mörtel. Der Mörtel M5 (keine Angabe zum Bindemittel, Typ 1) wies eine deutlich geringere Alkalienabgabe über den gesamten Prüfzeitraum auf. Bild 4: Erhöhung der Leitfähigkeit in demineralisiertem Wasser in Abhängigkeit von der Auslaugungsdauer und vom Material 2.4 Schlussfolgerungen zur Auslaugung mineralischer Beschichtungen Die Alkalienabgabe und damit verbundene Auslaugung der alkalischen Bestandteile des Porengefüges sowie der Zementsteinphasen von mineralischen Werkstoffen folgt bei einem ungestörten Lösungsprozess einem dreigeteilten Mechanismus (vgl. Bild 5). Im ersten Stadium werden die oberfl ächennahen alkalischen Anteile (u. a. Calcium-, Natrium-, Kalium- und Hydroxidionen) aus dem Porensystem der Zementsteinmatrix gelöst. Dabei fi ndet zunächst vergleichbar zum Säureangriff [12] ein reaktionskontrollierter Prozess statt. Nach Boos [13] stabilisiert sich der pH-Wert der Porenlösung von ca. 12,5 solange wie Calciumhydroxid in der Zementsteinmatrix verfügbar ist. Erst nach vollständigem Herauslösen des Calciumhydroxids fi ndet eine pH-Wert Absenkung statt und die Zementsteinphasen beginnen zu zerfallen [14]. Die Freisetzung und das Lösung der Alkalien können anhand der Veränderung der Leitfähigkeit beschrieben werden. Anfänglich wirkt als dominierende Einfl ussgröße der „wash-off-Effekt“, der einen erhöhten Lösungsprozess direkt in der Kontaktzone zwischen Werkstoff und Wasser bewirkt. Der Mechanismus ist in den ersten Tagen des Versuchsablaufs am größten. Danach nimmt die Alkalienverfügbarkeit an der Oberfl äche ab. Unterschiede im Ergebnisverlauf ergeben sich z. B. durch die Zementart. Das Alkaliendepot eines CEM I, CEM II/ A-LL und CEM III Zements ist in den ersten Tagen der Alkalienabgabe vergleichbar. M5 (keine Angaben zum Bindemittel) weist hingegen bereits in den ersten Tagen der Alkalienabgabe einen niedrigeren Alkalienpuffer Realkalisierungsvermögen und Beständigkeit von mineralischen Beschichtungen 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 69 auf. Eine Ableitung bzw. ein Zusammenhang dieses Verhaltens zum z. B. C/ S-Verhältnis, Gesamtcalciumgehalt oder zur Porosität des Instandsetzungsmörtels konnte aus den Versuchsergebnissen nicht abgeleitet werden. Nachdem die löslichen Anteile in das Eluat abgegeben wurden, beginnen die Zementsteinphasen zu zerfallen. Im zweiten Stadium geht das Calcium der Zementsteinphasen in Lösung und es verbleiben lediglich amorphe und wasserhaltige Hydroxidgele (Silizium-, Aluminium- und Eisenhydroxidgele) auf der Werkstoffoberfl äche. Das Zementsteingefüge wird in diesem Stadium poröser und ein braun-gelblich verändertes Zementsteingefüge erscheint auf der Werkstoffoberfl äche. Die durch die Auslaugung angegriffene Oberfl äche wirkte bei allen Mörteln unter Betrachtung des Rasterelektronenmikroskops porös und aufgelöst. Eine Grenze zwischen der aufgelösten und intakten Gefügestruktur konnte messtechnisch nicht erfasst werden. Der Übergang wirkte fl ießend. In der Oberfl ächenrandzone waren keine Portlanditkristalle im Porenraum oder im Phasengrenzbereich zwischen Gesteinskörnung und Zementstein nachweisbar. Der Abbau bzw. die Zerstörung der Zementsteinphasen führte dazu, dass schwerlösliche, amorphe und wasserhaltige Hydroxidgele gebildet und so die Anteile an Al 2 O 3 , Fe 2 O 3 und SiO 2 im Vergleich zu CaO erhöht wurden. In diesem Stadium ist ein diffusionskontrollierter Transportmechanismus maßgebend. Die Eigenschaften und die Gefügestruktur des Zementsteins spiegeln sich im Widerstand gegenüber der Auslaugungsbelastung wider. Zusätzlich beeinfl ussen die Durchlässigkeit (Permeabilität), die Porosität, die Gewundenheit der Poren (Tortuosität) sowie der Gesamtalkalienpuffer die Lösung der Alkalien maßgeblich. Bezüglich des Alkalienpuffers zeigten die Untersuchungen vergleichbare Ergebnisse für die eingesetzten CEM I und CEM II/ A-LL Zemente. Im Gegensatz dazu konnte für den verwendeten CEM III Zement erwartungsgemäß nur ein geringerer Gesamtalkalienpuffer ermittelt werden. Der Mörtel M5 (Bindemittel nicht bekannt) zeigte in den Versuchen die geringste Alkalienverfügbarkeit, wobei zu beachten ist, dass eine geringe Kapillar- und Gesamtporosität vorliegt. Im letzten Stadium wird die Zementsteinmatrix vollständig aufgelöst, sodass die Gesteinskörnung oberfl ächennah freiliegt. Aus den Versuchsergebnissen geht hervor, dass bestimmte Zemente eine auslaugbare (pH-Wert Erniedrigung infolge der Alkalienabgabe) und trotzdem weiterhin stabile Zementsteinmatrix aufweisen. Gegenüber einem lösenden Angriff an der Oberfl äche können Typ 3-Mörtel oder Typ 4-Mörtel ohne Absandungserscheinungen länger bestehen. Bei der Verwendung von Kunststofffasern ist zu beachten, dass diese gegenüber den zuvor beschriebenen Prozessen korrosionsbeständig sind. Somit verbleiben freiliegende Kunststofffasern so lange an der Oberfl äche bis sie aus der Zementsteinmatrix vollständig herausgelöst werden. Die Abgrenzung zwischen dem zweiten und dritten Stadium (Beginn bis zur vollständigen Zersetzung des Zementsteins) folgt zeitlich dicht aufeinander. Nur geringe Übergangsbereiche konnten zwischen intakter Gefügestruktur, Aufl ösung des Zementsteins bis hin zum vollständigen Abtrag, ausgemacht werden. Eine vorauslaufende tiefgehende Auslaugung des Zementsteins und damit verbundene pH-Wert-Erniedrigung besteht nicht. Zum Teil ist direkt nach dem abgetragenen Zementstein ein pH-Wert oberhalb des Phenolphthaleinumschlagpunktes festzustellen. Weitere Ergebnisse sind in [15] dargestellt. Bild 5: oben: dreistufi ger Auslaugungsmechanismus in demineralisiertem Wasser, unten: Prozessverlauf aus [12] In Bezug auf die Realkalisierung mineralischer Werkstoffe ist zu beachten, dass eine Aufl ösung der Zementsteinphasen im Kontaktbereich zwischen Altbeton und Instandsetzungsmörtel nicht zu erwarten ist. Eine Auslaugung bis hin zur vollständigen Zerstörung der Zemensteinmatrix ist für trinkwasserzugelassene Mörtel ausschließlich in oberfl ächennahen Bereichen zu erwarten. Nicht nur eine dichte Gefügestruktur ist in Bezug auf den Auslaugungswiderstand wichtig, sondern auch ein ausgeprägter Porenraum (Verdichtungsporen, Luftporen) können zu einer partiellen, tiefergehenden Auslaugung führen. In Bezug auf das Realkalisierungspotenzial können sich daher lokale Fehlstellen negativ auswirken. 3. Versuche und Ergebnisse zum Realkalisierungsvermögen 3.1 Auswahl und Charakterisierung der Mörtel und Betone Die Instandsetzungsmörtel M1, M4, M6, M5, M9 und M10 wurden für die weiteren Untersuchungen zum Realkalisierungsvermögen (vgl. Tabelle 1) ausgewählt. Realkalisierungsvermögen und Beständigkeit von mineralischen Beschichtungen 70 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Als Untergrundbetone wurden die in Tabelle 2 aufgelisteten Betonzusammensetzungen verwendet. Der Beton B1 soll einen Altbeton simulieren und mit einem w/ z- Wert von 0,8 weist dieser das größte Kapillarporenvolumen und folglich den größten Transportraum auf. Bei den Untersuchungen wird der Beton B1 zur Ableitung der grundlegenden Realkalisierungsprozesse verwendet. Bei dem Beton B2 wurden verschiedene Zementarten variiert, um einen möglichen Einfluss der Zementart abschätzen zu können. Beton B3 ist entsprechend seiner Zusammensetzung in Expositionsklasse X TWB nach DVGW- Arbeitsblatt W 300-1 [3] einzuordnen und erfüllt somit die grundlegenden Anforderungen des Regelwerks. Weitere Informationen zu den verwendeten Werkstoffen sind in [15] dargestellt. Tabelle 2: Übersicht der verwendeten Betonzusammen -setzungen Bez. Zementart w/ z- Wert Zementgehalt [kg/ m³] B1 CEM I 32,5 R 0,8 240 B2_I CEM I 32,5 R 0,7 260 B2_II CEM II/ A-LL 32,5 R 0,7 260 B2_III CEM III/ A 32,5 R 0,7 260 B3 CEM I 32,5 R 0,5 320 3.2 Herstellung und Lagerung Die Untergrundbetone wurden an der Forschungsstelle Kaiserslautern als Balken mit den Maßen 40 x 150 x 600 mm³ hergestellt, nach zwei Tagen ausgeschalt und bis zur Herstellung der Verbundprobekörper unter zwei unterschiedlichen Bedingungen für die Dauer eines Jahres gelagert: - Lagerung A: 5 Tage feucht (20 ± 2) °C, danach in demineralisiertem Wasser (20 ± 2) °C mit wöchentlichem Wasserwechsel - Lagerung C: 5 Tage feucht (20 ± 2) °C, danach bei 1 %iger CO 2 -Konzentration in einer Klimakammer bei (20 ± 2) °C und (50 ± 5) % r.F. (relativer Luftfeuchte) Zwei verschiedene Schädigungsprozesse wurden für den Verlust bzw. Abfall der Alkalität erwartet. Der Schädigungsprozess infolge Auslaugung wird als Lagerung A gekennzeichnet, die den Anwendungsfall eines Altbetons in einem Trinkwasserbehälter simulieren sollte. Die Lagerung C steht für den Schädigungsprozess infolge Carbonatisierung des Altbetons, die für den Untersuchungsschwerpunkt zur Ableitung der Realkalisierungsprozesse dienen sollte, da in der Projektlaufzeit nur eine begrenzte Auslaugung in die Tiefe zu erwarten war. Vor der Mörtelapplikation wurde die Beschichtungsoberseite der Untergrundbetone mittels Druckluftstrahlen mit festem Strahlmittel vorbereitet, damit zum einen minderfeste Bestandteile der Oberfläche entfernt und zum anderen durch eine ausreichende Rauigkeit ein guter Haftverbund zwischen Untergrund und Instandsetzungsmörtel gewährleistet werden konnte. Der Untergrund wurde vor dem Mörtelauftrag ausreichend mit Wasser vorgenässt, damit zum Zeitpunkt des Aufbringens der Beton „mattfeucht“ war. Um den Einfluss zwischen händisch verarbeitetem und gespritztem Mörtel zu untersuchen, wurde der Mörtel M6 sowohl händisch als auch vom Hersteller gespritzt hergestellt. Die Mörtel M1, M4, M5, M9 und M10 wurden ausschließlich händisch unter Verwendung einer systemabhängigen Haftbrücke verwendet (gleiches Grundmaterial jedoch ohne Größtkorn). Alle Mörtel mit Ausnahme der mineralischen Dichtungsschlämme M10 wurden in einer Dicke von ca. 20 mm aufgebracht und an der Oberfläche geglättet. Die Verbundprobekörper wurden unter feuchten Tüchern ein bis drei Tage je nach Versuchsreihe nachbehandelt, im Anschluss ausgeschalt, in Prismen mit den Maßen 40 mm x 150 mm x H (Breite x Länge x Höhe: ergibt sich aus der Applikation der Beschichtung (20 mm) und der Höhe des Untergrundbetons) geschnitten und unter Laborbedingungen bei (20 ± 2) °C und (60 ± 5) % r.F. gelagert. Danach erfolgte die Lagerung unter den unten aufgeführten Umgebungsbedingungen. Die zwischengeschaltete Laborlagerung war notwendig, um das Versiegeln der Seitenflächen und der Unterseite mit Epoxidharz zu ermöglichen. Ein ausschließlich einseitiger Kontakt mit dem umgebenden Medium, wie es auch bei Trinkwasserbehältern der Fall ist, sollte hierdurch für die weiteren Untersuchungen gewährleistet werden. Insgesamt wurden fünf verschiedene Versuchsschwerpunkte unterschieden, um die Einflussfaktoren auf die Geschwindigkeit und die dabei stattfindenden grundlegenden Prozesse der Realkalisierung untersuchen zu können. - Umgebungsbedingungen (Leitungswasser, 60 % r.F., 80 % r.F. und 100 % r.F.) - Nachbehandlungszeit (ein bis drei Tage) - Vorschädigung des Untergrundbetons (carbonatisiert und ausgelaugt) - Betonzusammensetzung des Untergrundbetons (siehe Tabelle 2) - Applikation verschiedener Instandsetzungsmörtel 3.3 Ergebnisse der durchgeführten Untersuchungen 3.3.1 Allgemeines Das grundliegende Prinzip der Realkalisierung von carbonatisiertem Beton durch den Auftrag eines alkalischen Mörtels beruht auf dem Transport von Alkalien. Infolge des starken Konzentrationsunterschieds von mindestens zwei Zehnerpotenzen im pH Wert zwischen dem carbonatisierten Beton (pH < 10) und der aufgebrachten Mörtelschicht (pH > 12) kommt es zu Transportvorgängen gelöster Alkalien [16]. Der Transport vornehmlich der Realkalisierungsvermögen und Beständigkeit von mineralischen Beschichtungen 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 71 Calcium-Ionen, sowie von Natrium- und Kalium-Ionen bewirken eine Erhöhung der Alkalität [17], [18]. Ein ausreichender Feuchtegehalt ist jedoch Voraussetzung für den Alkalientransport. Grundsätzlich sind nach [19] gelöste Alkalihydroxide ursächlich für die hohe Alkalität der Porenlösung mineralischer Werkstoffe. Aufgrund des Überschusses an abspaltbarem Calciumoxid in den stark basischen Hydratationsprodukten des Zementes (Calciumhydroxid, Calciumsilikathydrat) besitzt der Zementstein einen viel größeren Vorrat an Alkalität. Erst nach Verbrauch des alkalischen Puffers kann der pH-Wert der Porenlösung auf unter 12 absinken. Geprüft wurde die Realkalisierung des Betons und der tiefenabhängige Realkalisierungsfortschritt mit Hilfe der Phenolphthaleinprüfung nach DIN EN 14630, wie in Bild 6 dargestellt. Dazu wurde der Mörtel an der Oberfl äche mittels Säge eingeschnitten und im Anschluss gebrochen. Nicht alle Proben waren vollständig über den gesamten Querschnitt carbonatisiert, sodass z. T. noch eine Restalkalität im Betonuntergrund vorhanden war. Bild 6: Prinzipskizze der Realkalisierung Die Geschwindigkeit der Realkalisierung hängt von einer Reihe von Einfl ussfaktoren ab, die im Folgenden anhand der Versuchsergebnisse diskutiert werden. 3.3.2 Einfl uss der Feuchtigkeit In Bild 7 und Bild 8 sind die Messergebnisse der Versuchsreihe dargestellt, in der die Lagerung variiert wurde (Lagerung in Leitungswasser, 60 % r. F., 80 % r. F. und 100 % r. F.). Der zu beschichtende Betonuntergrund war in dieser Versuchsreihe vollständig carbonatisiert (zuvor über die Phenolphthaleinprüfung ermittelt). Die Nachbehandlungszeit der Verbundprobekörper betrug einen Tag und die Einlagerung in die vorgenannten Umgebungsbedingungen fand im Alter von drei Tagen statt. Verwendet wurde der Beton B1 in Kombination mit den Mörteln M1, M4, M5 und M6. Zur Veranschaulichung der Messwerteverläufe wurden Regressionslinien hinterlegt. Zunächst wird auf die erzielten Ergebnisse der Lagerung in Leitungswasser eingegangen. Die Realkalisierungstiefe nimmt in Abhängigkeit von der Lagerungszeit bei allen Mörteln zu (Bild 7, links). Bei allen Mörteln war ein vergleichbarer Messwerteverlauf ersichtlich. Eine Unterscheidung ergibt sich durch die bestehende Anfangsrealkalisierung (erste Messung der Realkalisierungstiefe vor Lagerung bei unterschiedlichen Umgebungsbedingungen, dargestellt als gefüllte Marker). Bei 100 % r. F. fand eine Zunahme der Realkalisierungstiefe in Abhängigkeit von der Zeit bei allen Mörteln statt. Bei den Mörteln M1 und M4 war die gemessene, maximale Realkalisierungstiefe nach einer Versuchsdauer von > 50 Tagen geringer als die Realkalisierungstiefe der Proben in Leitungswasser bei gleicher Versuchsdauer. Bei Mörtel M5 konnte kein messbarer Unterschied zwischen der Lagerung in Leitungswasser und bei 100 % r. F. beobachtet werden. Bei 60 % r. F. und 80 % r. F. stehen die anfängliche Feuchtigkeit aus dem Vornässen, die Mörtelfeuchtigkeit (Applikation und Nachbehandlung) und die Luftfeuchtigkeit zur Verfügung. An dem Messwerteverlauf zeigte sich, dass nach der anfänglichen Kontaktrealkalisierung kein nennenswerter Realkalisierungsfortschritt zu verzeichnen ist (Bild 8). Die Anfangsrealkalisierung der Betonrandzone resultiert aus der Applikation und Nachbehandlung und wird im Folgenden als „Kontaktrealkalisierung“ bezeichnet. Bei 80 % r. F. blieb die Realkalisierungstiefe anschließend konstant. Bei 60 % r. F. war sogar mit zunehmender Prüfzeit ein Rückgang der Realkalisierungstiefe zu verzeichnen. Bild 7: Mittlerer Realkalisierungsfortschritt in Abhängigkeit von den Lagerungsbedingungen, Beton B1, links: Lagerung in Leitungswasser, rechts: Lagerung bei 100 % r. F. Bild 8: Mittlerer Realkalisierungsfortschritt in Abhängigkeit von den Lagerungsbedingungen, Beton B1, links: Lagerung bei 80 % r. F., rechts: Lagerung bei 60 % r. F. Realkalisierungsvermögen und Beständigkeit von mineralischen Beschichtungen 72 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Der Zusammenhang zwischen hoher Luftfeuchtigkeit und großen Realkalisierungstiefen lässt sich anhand der Sorptionsisotherme erklären. Diese verläuft bei hygroskopisch porösen Baustoffen S-förmig und nimmt erst ab Luftfeuchtigkeiten von über 95 % r. F. stark zu [20]. Somit kann bei hohen Luftfeuchtigkeiten zunehmend die Kapillarleitung als primärer Transportprozess ablaufen und dementsprechend werden Alkalien aus dem Mörtel zusammen mit der Feuchtigkeit in den Beton transportiert. Außerdem kommt es bei hohen Luftfeuchtigkeiten zur Entstehung eines Sorbatfi lms an den Porenoberfl ächen des Gefüges. Da dieser proportional zur relativen Luftfeuchtigkeit ansteigt, werden mit zunehmender Luftfeuchtigkeit auch mehr Alkalien mittransportiert. Darüber hinaus nimmt die Mobilität der Wassermoleküle mit anwachsendem Sorbatfi lm kontinuierlich zu [21]. Demzufolge ist dieser Transportprozess in den wassergesättigten Poren bei den in Leitungswasser und in 100 % r. F. gelagerten Probekörpern der Vorherrschende. Ein Alkalientransport infolge einer Permeation kann in Leitungswasser weitgehend ausgeschlossen werden, da der Transportprozess ausschließlich in oberfl ächennahen Bereichen stattfi ndet. Aufgrund der Dichte und Schichtstärke des Mörtels kann der Einfl uss an der Verbundfuge zum Betonuntergrund ebenfalls als vernachlässigbar eingestuft werden. Bei geringen relativen Luftfeuchtigkeiten fi ndet ausschließlich eine Dampfdiffusion (im Bereich der Kapillarkondensation) statt. Ein nennenswerter Alkalientransport hingegen ist nur in der fl üssigen Phase zu erwarten. Bei geringen relativen Luftfeuchtigkeiten erreicht der Sorbatfi lm nicht die nötige Schichtdicke für eine ausreichende Mobilität der Calcium- und Hydroxidionen. Zudem nimmt der Feuchtegradient bei sinkender relativer Luftfeuchte ab, weshalb die Geschwindigkeit des Wasserdampftransports im Allgemeinen abnimmt. Durch die Vorlagerung der Betonuntergründe bei 1 %iger CO 2 -Konzentration in der Klimakammer und bei (50 ± 5) % relativer Luftfeuchtigkeit, zu Erzielung von carbonatisierten Betonquerschnitten, tritt als zusätzlicher Effekt durch das Vornässen und die Mörtelapplikation ein kapillares Saugen auf. Grundsätzlich nimmt die kapillare Saugfähigkeit des Zementsteins mit steigendem Feuchtigkeitsgehalt stark ab und erreicht nahe an 100 % r. F. vernachlässigbar kleine Werte. Kapillar saugen können grundsätzlich nur leere Poren. Feine Poren füllen sich bei einer relativen Luftfeuchtigkeit von 50 % bereits durch Kapillarkondensation [22]. Auch die zuvor in demineralisiertem Wasser gelagerten, ausgelaugten Betonuntergründe weisen eine kapillare Saugfähigkeit des Zementsteins auf, da der Untergrund vor Beginn des Mörtelauftrags unter Laborbedingungen oberfl ächlich abtrocknen konnte. Bei der Instandsetzung eines Trinkwasserbehälters ist je nach vorherrschenden Feuchtebedingungen und bestehender Austrocknungsdauer des Untergrunds ein kapillares Saugen des Untergrunds möglich bzw. abgeschwächt möglich. 3.3.3 Einfl uss des Untergrunds (Wasserzementwert und Zementart) In Bild 9 sind die Messergebnisse der Versuchsreihe dargestellt, in der carbonatisierte Betonuntergründe unterschiedlicher Zusammensetzungen untersucht wurden. Die Lagerung fand für alle Verbundprobekörper in Leitungswasser statt. Die Nachbehandlungszeit der Verbundprobekörper dieser Messreihen betrug drei Tage, die Einlagerung fand im Alter von 14 Tagen statt. Verwendet wurden die Betone B1, B2 und B3 in Kombination mit den Mörteln M4 und M6. Zur Veranschaulichung der Messwerteverläufe sind Regressionskurven hinterlegt. Der Beton B1 weist den höchsten w/ z-Wert auf und verfügt über die größte Kapillarporosität. Der Beton B3 wurde mit dem niedrigsten w/ z-Wert hergestellt. Demzufolge weist er die kleinste Kapillarporosität auf und es ist grundsätzlich von einem kleineren Transportraum für mögliche Realkalisierungsprozesse auszugehen. Entsprechend zeigten die Messergebnisse, dass der Beton B1 erwartungsgemäß den größten Realkalisierungsfortschritt (in mm) aufweist und mit Verringerung des w/ z- Wertes des Untergrundbetons auch die tiefenabhängige Realkalisierung abnimmt. Aufgrund der geringen Carbonatisierungstiefen bei Beton B3 war eine vollständige Realkalisierung bereits nach wenigen Wochen erreicht (2 mm bis 3 mm). Bild 9: Mittlerer Realkalisierungsfortschritt in Abhängigkeit vom Betonuntergrund, links: Mörtel M6, rechts: Mörtel M4 Entsprechend dem zugrundeliegenden Schädigungsmechanismus muss zusätzlich unterschieden werden, wie sich der Porenraum verändert. Bei einer Auslaugung wird die Porosität und somit auch der Transportraum erweitert. Dementsprechend ist davon auszugehen, dass ein zuvor ausgelaugter Untergrund im Hinblick auf den Transportraum ein höheres Realkalisierungspotenzial aufweist. Zu beachten ist, dass bei einer Instandsetzung bereits durch die Untergrundvorbereitung der aufgeweichte, ausgelaugte Bereich ggf. abgetragen wird. Die Untersuchungen zeigten, dass auch bei den ausgelaugten Betonuntergründen eine Realkalisierung möglich ist. Da jedoch eine Auslaugungstiefe von nur ca. 2 mm Realkalisierungsvermögen und Beständigkeit von mineralischen Beschichtungen 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 73 erreicht wurde, war der Untergrund bereits zum ersten Prüfzeitpunkt (vier Tage nach Herstellung) aufgrund der Kontaktrealkalisierung vollständig realkalisiert. Eine tiefgehende Auslaugung war innerhalb des angesetzten Versuchszeitraums nicht realisierbar (vgl. [23]). Schadensfälle, die eine tiefgehende Auslaugung über die Betonrandzone hinaus aufweisen, sind nicht bekannt. Die Zementart übt ebenfalls einen Einfl uss auf das Realkalisierungspotenzial auf. Ein CEM III-Zement zeigte deutlich geringere Realkalisierungstiefen als ein CEM I-Zement. Ein CEM I-Zement führt zu einem höheren zeitabhängigen Realkalisierungsfortschritt als ein CEM II/ A-LL-Zement. 3.3.4 Einfl uss des Instandsetzungsmörtels Der Einfl uss des Instandsetzungsmörtels bei carbonatisierten Betonuntergründen (Beton B1) ist in Bild 10 anhand von drei Versuchsreihen dargestellt. Die Lagerung fand für alle Versuchsreihen in Leitungswasser statt. Die Nachbehandlungszeit der Verbundprobekörper der Versuchsreihen 1 und 5 betrug drei Tage, die Einlagerung in Leitungswasser fand im Alter von 14 Tagen statt. Bei der Versuchsreihe 2 wurden nach einer Nachbehandlungszeit von vier Tagen die Verbundprobekörper im Alter von zehn Tagen in Leitungswasser eingelagert. Mörtel M10 (Typ 4, vgl. Bild 10 unten) zeigte in den Versuchsreihen die geringste Anfangsrealkalisierung und den geringsten Realkalisierungsfortschritt. Bei Mörtel M9 (Typ 3) ist im Gegensatz zu Mörtel M10 eine höhere Anfangsrealkalisierung festzustellen, die jedoch geringer ausfällt als bei den Mörteln M4 (Typ 1) und M6 (Typ 2). Der weitere Funktionsverlauf des Mörtels M9 über den ersten Messwert hinaus ist vergleichbar mit denen der Mörtel M4 und M6. Bei Betrachtung der Typ 1 und Typ 2 Mörtel ist bei Mörtel M5 der Realkalisierungsfortschritt vergleichsweise gering (vgl. Bild 10, rechts). Bei den Mörteln M1, M4 und M6 ist in den ersten 50 Tagen ein vergleichbarer Verlauf der Messergebnisse zu beobachten. In der Versuchsreihe 2 zeigte der Mörtel M4 eine zum Zeitpunkt der Einlagerung in Leitungswasser tiefere Realkalisierungsfront. Verarbeitungsbedingte Einfl üsse können hierbei eine Rolle spielen. Der zeitabhängige Messwerteverlauf ist bei den untersuchten drei Mörteln (M1, M4, M6) vergleichbar. Die Unterschiede der Messreihen und damit auch die Ergebnisse ergeben sich durch die Länge der Nachbehandlung und Zeitpunkt der Einlagerung, Bild 10: Mittlerer Realkalisierungsfortschritt in Abhängigkeit vom untersuchten Instandsetzungsmörtel, Untergrundbeton B1 bei unterschiedlichen Versuchsreihen Unter Berücksichtigung der möglichen Alkalienabgabe der Mörtel ist zu beachten, dass im Allgemeinen die Porenlösung im Zementstein einen Sättigungswert von etwa 20 mmol/ L beibehält, solange ein C/ S-Verhältnis von > 1,5 besteht und damit freies Portlandit vorhanden ist [24]. Eine Verringerung der Alkalität unterhalb des Phenolphthaleinumschlagpunktes ist unter Abwesenheit von Calciumcarbonat erst unterhalb von einem C/ S-Verhältnis von ~ 1 zu erwarten. Da der Alkalientransport innerhalb des Porenraums stattfi ndet und freies Portlandit in den carbonatisierten oder ausgelaugten Untergrund eindringt, fi ndet ein vergleichbarer Realkalisierungsfortschritt unabhängig vom verwendeten Zement statt, solange im Mörtel ein C/ S-Verhältnis > 1,5 besteht. Bindemittel, die einen geringen Anteil an Calciumhydroxid (kleines C/ S-Verhältnis) aufweisen, zeigen dagegen einen vergleichsweise geringen Realkalisierungsfortschritt auch bei für die Realkalisierung optimalen Feuchtebedingungen. Verarbeitungsbedingt können entgegen der Werte aus der Grundcharakterisierung (vgl. Tabelle 1) veränderte Porositäten vorliegen. Hohlstellen oder Fehlstellen, die bei der Applikation auftreten, können eine Realkalisierung beeinträchtigen (vgl. Bild 11, links). Eine unzureichende Untergrundvorbereitung, die erst durch das Brechen des Probekörpers festgestellt werden konnte, vermindert erwartungsgemäß nicht nur den Haftverbund zwischen Mörtel und Beton, sondern beeinträchtigt auch das Realkalisierungspotenzial. Die durchgeführten Untersuchun- Realkalisierungsvermögen und Beständigkeit von mineralischen Beschichtungen 74 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 gen zeigten, dass eine Realkalisierung nur bei direktem Kontakt mit dem alkalischen Instandsetzungsmörtel möglich ist. Einen Einfl uss der Applikationsart (händisch verarbeiteter oder gespritzter Mörtel) auf das Realkalisierungsverhalten konnte nicht festgestellt werden. Bild 11: Links: am Rand liegende Fehlstelle zwischen Instandsetzungsmörtel und Betonuntergrund, rechts: Trennfuge zwischen Instandsetzungsmörtel und Betonuntergrund 3.3.5 Beständigkeit der Realkalisierung Anhand zusätzlicher Untersuchungen wurde die Beständigkeit der Realkalisierung bei Reduzierung des Feuchteangebots geprüft. Verbundprobekörper aus dem Beton B1 (carbonatisiert) und den Mörteln M1, M4 und M6 wurden zunächst für 35 Tage in Leitungswasser und unter 100 % r. F. gelagert. Danach erfolgte die Lagerung unter reduzierten Feuchtebedingungen bei 60 % r. F. für 112 Tage. Wie in Bild 12 dargestellt, liegt bei der Lagerung in Leitungswasser eine Realkalisierungstiefe von ca. 6 mm und bei 100 % r. F. zwischen 2,0 mm und 3,5 mm nach 35 Tagen vor. Aufgrund des anschließenden verringerten Feuchteangebots ist ein stetiger Rückgang der zuvor festgestellten Realkalisierungstiefe zu beobachten. Nach 112 Tagen ist visuell mittels Phenolphthaleinprüfung keine Realkalisierung mehr im Altbeton nachzuweisen. Unter dem Aufl ichtmikroskop ist ausschließlich in direktem Kontakt mit dem Mörtel eine Realkalisierung ersichtlich, die im Mittel 0,2 mm beträgt. Eine Abhängigkeit von der Mörtelzusammensetzung hinsichtlich des Rückgangs der Realkalisierung konnte anhand der Messergebnisse nicht festgestellt werden. Aus welchem Grund die Realkalisierung aufgrund der Lagerung nicht mehr nachweisbar ist, muss in nachfolgenden Untersuchungen noch geklärt werden. Möglicherweise führt ein geringer Alkalienpuffer der Realkalisierungsfront an den freigelegten Bruchstellen zu einer sofortigen Carbonatisierung. Bild 12: Mittlere Realkalisierungstiefe bei Reduzierung des Feuchteangebots, links: Rückgang der Realkalisierung nach 35 Tagen Lagerung in Leitungswasser und anschließend unter 60 % r. F., rechts: Rückgang der Realkalisierung nach 35 Tagen Lagerung unter 100 % r. F. und anschließend unter 60 % r. F. 3.3.6 Überprüfung der Alkalität Zur Abschätzung der vorliegenden Alkalität des Untergrundbetons wurden an ausgewählten Verbundprobekörpern Prüfungen mit unterschiedlichen Indikatoren durchgeführt. Die in Bild 13 dargestellte Probe B2 CEM II M4 wies vor Beginn der Realkalisierungsversuche eine Carbonatisierungstiefe von ca. 15 mm im Mittel auf. Nach 70 Tagen Wasserlagerung kann mittels Phenolphthaleinprüfung eine vollständige Realkalisierung dieses Bereiches festgestellt werden. Die Prüfung mit Thymolphthalein zeigt, dass der pH-Wert der „realkalisierten“ Front kleiner ist als der Umschlagpunkt des Indikators (pH-Wert 10 [25]). Erst in einer Tiefe von ca. 15 mm ist ein Farbumschlag zu beobachten (Restalkalität des Betons). Kresolpurpur ist im realkalisierten Bereich vollständig umgeschlagen und Bromthymolblau zeigt einen hellblauen Farbumschlag, was auf einen pH-Wert nahe des Umschlagpunktes von Phenolphthalein und Bromthymolblau bei ca. pH-Wert 8 schließen lässt (vgl. Bild 13, Bild 14). Realkalisierungsvermögen und Beständigkeit von mineralischen Beschichtungen 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 75 Bild 13: Prüfung der Realkalisierungstiefe anhand unterschiedlicher Indikatoren, Beton B2 CEM II K und Mörtel M4 nach 70 Tagen Wasserlagerung Bild 14: Umschlagbereiche der verwendeten Indikatoren 3.4 Schlussfolgerungen zur Beschreibung des Realkalisierungsvermögens Aufgrund des Konzentrationsgefälles zwischen hochalkalischem Instandsetzungsmörtel und ausgelaugtem bzw. carbonatisiertem Beton fi ndet ein Transport von gelösten Calcium- und Hydroxid-Ionen in Richtung der geringeren Konzentration statt. Der Transport der Alkalien bewirkt eine Erhöhung der Alkalität. Für die Bewertung der zugrundeliegenden Realkalisierungsprozesse ist die Realkalisierung bei Applikation (Kontaktrealkalisierung) und die diffusionsgesteuerte Realkalisierung zu unterscheiden. Unter der Kontaktrealkalisierung ist die Anfangsrealkalisierung der Betonrandzone zu verstehen, die insbesondere durch die anfängliche Feuchtigkeit aus dem Vornässen, der Mörtelfeuchtigkeit (Applikation und Nachbehandlung) beeinfl usst wird. Die tatsächlichen Umgebungsbedingungen, wie beispielsweise die Luftfeuchtigkeit, spielen in diesem Stadium eine untergeordnete Rolle. Die Dauer ist abhängig von der Erhärtungsgeschwindigkeit des Mörtels sowie vom Zeitpunkt und der Art der Nachbehandlung. Maßgebend für die Tiefe der Kontaktrealkalisierung ist die Alkalität des Frischmörtels und die Erhärtungsgeschwindigkeit. Nach der Hydratation des mineralischen Werkstoffs stellt sich eine Ausgleichsfeuchte des Mörtels in Abhängigkeit von der relativen Luftfeuchtigkeit ein. Der maßgebende Einfl uss während der diffusionsgesteuerten Realkalisierung ist das Feuchteangebot. Erst die Entstehung eines Sorbatfi lms an der Porenoberfl äche ermöglicht einen Alkalientransport und dementsprechend kann eine nennenswerte tiefenabhängige Realkalisierung erst ab etwa 95 % relativer Luftfeuchtigkeit ablaufen. Eine kleinere relative Luftfeuchtigkeit führt zu keiner signifi kanten Erhöhung des Realkalisierungsfortschrittes. Nach der Hydratation des Mörtels ist bei zu geringen Luftfeuchtigkeiten zum Teil mit einem Rückgang der anfänglichen Kontaktrealkalisierung zu rechnen. Der Verlauf der Realkalisierung bei einer relativen Luftfeuchtigkeit > 95 % entspricht einer Wurzel-Zeit- Funktion (vgl. Bild 15). Bei kleineren relativen Luftfeuchtigkeiten kann kein effektives Fortschreiten der Realkalisierung in die Tiefe festgestellt werden. Bild 15: Ableitung des Wurzel-Zeit Gesetzes für Beton B1 und B2 bei Anwendung verschiedener Mörtelsysteme und Zementarten Die zur Verfügung stehende Feuchtigkeit ist nicht nur für einen tiefenabhängigen Alkalientransport relevant, sondern auch für die Beständigkeit des realkalisierten Bereiches. Die Untersuchungsergebnisse zeigten, dass bei Reduzierung des Feuchteangebots auf 60 % relative Luftfeuchtigkeit nach wenigen Wochen ein fast vollständiger Rückgang der Realkalisierung, welcher mittels Phenolphthalein als Indikator geprüft wurde, zu verzeichnen ist. Dank Die Autoren danken dem Deutschen Verein des Gas- und Wasserfaches e.V. (DVGW) für die Förderung und Un- Realkalisierungsvermögen und Beständigkeit von mineralischen Beschichtungen 76 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 terstützung des Forschungsprojektes (W5-01-14) sowie den Mitgliedern des Projektbegleitenden Ausschusses für die wertvollen Hinweise und anregenden Diskussionen. Literatur [1] DAfStB-Richtlinie: 2001-10 Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen (Instandsetzungs- Richtlinie) - Teil 1: Allgemeine Regelungen und Planungsgrundsätze; Teil 2: Bauprodukte und Anwendung; Teil 3: Anforderungen an die Betriebe und Überwachung der Ausführung; Teil 4: Prüfverfahren [2] Breit, W.; Merkel, M.; Raupach, M.; Schulte Holthausen, R.: Korrosionsschutz durch mineralische Beschichtungen unter Berücksichtigung der Anforderungen aus dem neuen DVGW-Arbeitsblatt W 300: 2014, Abschlussbericht, DVGW Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e. V. (2020) [3] DVGW-Arbeitsblatt W 300: 2014-10 Trinkwasserbehälter; Teil 1: Planung und Bau; Teil 2: Betrieb und Instandhaltung; Teil 3: Instandsetzung und Verbesserung; Teil 4: Werkstoffe, Auskleidungs- und Beschichtungssysteme, Grundsätze und Qualitätssicherung auf der Baustelle; Teil 5: Werkstoffe, Auskleidungs- und Beschichtungssysteme, Anforderungen und Prüfung [4] DVGW-Arbeitsblatt W 347: 2006-05 Hygienische Anforderungen an zementgebundene Werkstoffe im Trinkwasserbereich - Prüfung und Bewertung [5] DVGW-Arbeitsblatt W 270: 2007-11 Vermehrung von Mikroorganismen auf Werkstoffen für den Trinkwasserbereich - Prüfung und Bewertung [6] DIN EN 934-2: 2012-08 Zusatzmittel für Beton, Mörtel und Einpressmörtel - Teil 2: Betonzusatzmittel - Definitionen, Anforderungen, Konformität, Kennzeichnung und Beschriftung [7] Schulte Holthausen, R.; Merkel, M.; Raupach, M.; Breit, W.: Auslaugung und Realkalisierung von mineralischen Beschichtungen in Trinkwasserbehältern. 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Kolloquium Betonbauwerke in der Trinkwasserspeicherung, S. 41-47, 2018 [9] DIN EN 14630: 2007-01 Produkte und Systeme für den Schutz und die Instandsetzung von Betontragwerken - Prüfverfahren - Bestimmung der Karbonatisierungstiefe im Festbeton mit der Phenolphthalein-Prüfung [10] DIN 66133: 1993-06 Bestimmung der Porenvolumenverteilung der spezifischen Oberfläche von Feststoffen durch Quecksilberintrusion [11] DIN ISO 15901-1: 2019-03 Bewertung der Porengrößenverteilung und Porosität von Feststoffen mittels Quecksilberporosimetrie und Gasadsorption - Teil 1: Quecksilberporosimetrie [12] Gerlach, J.: Ein performance-basiertes Konzept zur Dauerhaftigkeitsbemessung chemisch beanspruchter Betonbauteile, Dissertation, Leibniz Universität Hannover, 2017 [13] Boos, P.: Herstellung dauerhafter zementgebundener Oberflächen im Trinkwasserbereich - Korrosionsanalyse und technische Grundanforderungen, Dissertation, Universität Münster, 2002, In: Schriftenreihe der Zementindustrie Heft 64/ 2003 [14] Adenot, F.; Buil, M.: Modelling of the corrosion of the cement paste be deionized water, In: Cement and Concrete Research 22 (1992), S. 489-496 [15] Merkel, M.: Realkalisierungspotenzial von zementgebundenen Werkstoffen im Trinkwasserbereich, Dissertation, Kaiserslautern, 2021 [16] Haardt, P.; Hilsdorf, H.K.: Realkalisierung karbonatisierter Betonrandzonen durch großflächigen Auftrag zementgebundener Reparaturschichten. 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Sascha Leck GUV - Gesellschaft für Geohydraulik, Umweltberatung, Verfahrens- und Ingenieurtechnik mbH, Lohfelden, Minden, Rottweil Zusammenfassung Trinkwasser ist gemäß TrinkwV zu jeder Zeit in hygienisch einwandfreier Qualität bereitzustellen. Der Begriff Hygiene im Sinne dieses Grundsatzes umfasst alle Bestrebungen und Maßnahmen, die darauf abzielen, negative Qualitätsveränderungen des Trinkwassers zu vermeiden bzw. zu verhindern. Für den Neubau und die Instandsetzung von Trinkwasserbehältern sind dementsprechende Qualitätssicherungs-, Hygienesowie Reinigungs- und Desinfektionskonzepte zu entwickeln, welche planungs- und baubegleitend umgesetzt werden müssen. Der nachfolgende Bericht versucht in Anlehnung an das gültige Regelwerk einen Überblick der Einordnung der notwendigen Konzepte in den Planungs- und Bauüberwachungsprozess beim Neubau von Trinkwasserspeicheranlagen zu geben. 1. Grundsätze bei Planung und Bau von Trinkwasserbehälteranlagen In Anlehnung an das aktuelle Regelwerk DVGW W 300-1 bis 8 lassen sich die nachfolgenden Grundsätze bei Planung und Bau von Trinkwasserspeicheranlagen formulieren: 1. Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik / hierzu gehören auch und insbesondere die Vorschriften zur Hygiene. 2. Hygienekonzepte sind spezifisch für die zugelassenen Behälterbauweisen (Ortbetonbehälter, Systembehälter etc.) aufzustellen und anzuwenden. 3. Die materialspezifischen Eignungsnachweise der eingesetzten Werkstoffe (Bau- und Bauhilfsstoffe) sind in Bezug auf die Bewertungsgrundlagen zu beachten. 4. Es erfolgt keine Differenzierung zwischen wasserberührten Oberflächen und “dahinter” bzw. “darunter” angeordneten Konstruktionen. 5. Die Durchführung einer Reinigung und Desinfektion ersetzt kein Hygienekonzept auf der Baustelle. 1.1 Normen, Richtlinien und Regelwerke Die nachfolgenden Normen, Richtlinien und Regelwerke dienen als Grundlage für Planung und Bau von Trinkwasserspeicheranlagen und geben zudem die technischen und hygienischen Anforderungen sowie Bewertungsgrundlagen an die Bau-, Bauhilfs- und Werkstoffe vor: DIN 206: 2017-01 - Beton - Festlegung, Eigenschaften, Herstellung und Konformität DIN 1045-2: 2008-08 - Tragwerke aus Beton, Stahlbeton und Spannbeton - Teil 2: Beton - Festlegung, Eigenschaften, Herstellung und Konformität - Anwendungsregeln zu DIN EN 206-1 DIN EN 13670: 2011-03 - Ausführung von Tragwerken aus Beton; Deutsche Fassung EN 13670: 2009 DIN EN 1991-1-1: 2010-12 - Eurocode 1: Einwirkungen auf Tragwerke - Teil 1-1: Allgemeine Einwirkungen auf Tragwerke - Wichten, Eigengewicht und Nutzlasten im Hochbau DIN EN 1991-1-1/ NA/ A1: 2015-05 - Nationaler Anhang - National festgelegte Parameter - Eurocode 1: Einwirkungen auf Tragwerke - Teil 1-1: Allgemeine Einwirkungen auf Tragwerke - Wichten, Eigengewicht und Nutzlasten im Hochbau DIN EN 1992-1-1: 2011-01 - Eurocode 2: Bemessung und Konstruktion von Stahlbeton- und Spannbetontragwerken - Teil 1-1: Allgemeine Bemessungsregeln und Regeln für den Hochbau DIN EN 1992-1-1/ NA/ A1: 2015-12 - Nationaler Anhang - National festgelegte Parameter - Eurocode 2: Bemessung und Konstruktion von Stahlbeton- und Spannbetontragwerken - Teil 1-1: Allgemeine Bemessungsregeln und Regeln für den Hochbau DIN EN 1992-3: 2011-01 - Eurocode 2: Bemessung und Konstruktion von Stahlbeton- und Spannbetontragwerken - Teil 3: Silos und Behälterbauwerke aus Beton Planerische Anforderungen zum Qualitätssicherungs-, Hygienesowie Reinigungs- und Desinfektionskonzept im Neubaubereich 80 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 DVGW W 270 (A): 2007-11 - Vermehrung von Mikroorganismen auf Werkstoffen für den Trinkwasserbereich - Prüfung und Bewertung; Beachtung der KTW-Regelungen zur Prüfung von Kunststoffen im Trinkwasserbereich DVGW W 291 (A): 2000-03 - Reinigung und Desinfektion von Wasserversorgungsanlagen DVGW W 300-1 (A): 2014-10, Trinkwasserbehälter - Teil 1: Planung und Bau DVGW W 300-2 (A): 2014-10, Trinkwasserbehälter - Teil 2: Betrieb und Instandhaltung DVGW W 300-3 (A): 2014-10, Trinkwasserbehälter - Teil 3: Instandsetzung und Verbesserung DVGW W 300-4 (A): 2014-10, Trinkwasserbehälter - Teil 4: Werkstoffe, Auskleidungs- und Beschichtungssysteme - Grundsätze und Qualitätssicherung auf der Baustelle DVGW W 300-5 (A): 2020-08, Trinkwasserbehälter - Teil 5: Bewertung der Verwendbarkeit von Bauprodukten für Auskleidungs- und Beschichtungssysteme DVGW W 300-6 (M): 2016-09, Trinkwasserbehälter - Teil 6: Planung, Bau, Betrieb und Instandhaltung von System- und Fertigteilbehältern DVGW W 300-7 (M): 2016-09, Trinkwasserbehälter - Teil 7: Praxishinweise Reinigungs- und Desinfektionskonzept DVGW W 300-8 (M): 2016-10, Trinkwasserbehälter - Teil 8: Praxishinweise Hygienekonzept: Neubau und Instandsetzung DVGW W 316 (A): 2018-04, Qualifikationsanforderungen an Fachunternehmen für Planung, Bau, Instandsetzung und Verbesserung von Trinkwasserbehältern; Fachinhalte DVGW W 347 (A): 2006-05 - Hygienische Anforderungen an zementgebundene Werkstoffe im Trinkwasserbereich; Prüfung und Bewertung DVGW W 398 (M): 2013-01 - Praxishinweise zur hygienischen Eignung von Ortbeton und vor Ort hergestellten zementgebundenen Werkstoffen zur Trinkwasserspeicherung Bewertungsgrundlage für Kunststoffe und andere organische Materialien im Kontakt mit Trinkwasser (KTW- BWGL) - Allgemeiner Teil und Anlagen der Bewertungsgrundlage für Kunststoffe und andere organische Materialien im Kontakt mit Trinkwasser (KTW-BWGL) - Polymerspezifischer Teil, 2021 Leitlinie zur hygienischen Beurteilung von Elastomeren im Kontakt mit Trinkwasser (Elastomerleitlinie) und Elastomerleitlinie: Verlängerte Übergangsregelung für den Teil 2 der Positivliste der Ausgangsstoffe, 2016 Aktualisierte Positivlist zur Herstellung von Elastomeren im Kontakt mit Trinkwasser, 2020 Leitlinie zur mathematischen Abschätzung der Migration von Einzelstoffen aus organischen Materialien in das Trinkwasser (Modellierungsleitlinie), 2008 Übergangsempfehlung zur vorläufigen trinkwasserhygienischen Beurteilung von Produkten aus Thermoplastischen Elastomeren im Kontakt mit Trinkwasser (TPE- Übergangsempfehlung), 2019 Beurteilung von Stoffen mit bestimmter technologischer Funktion und geringen Einsatzmengen bei der Rezepturüberprüfung nach den Leitlinien des Umweltbundesamtes zur hygienischen Beurteilung von organischen Materialien im Kontakt mit Trinkwasser (Geringfügigkeits-Leitlinie), 2011 Bewertungsgrundlage für metallene Werkstoffe im Kontakt mit Trinkwasser (Metall-Bewertungsgrundlage), 2021 1.2 Reinigungs- und Desinfektionskonzept nach DVGW W 300-7 (M) und Hygienekonzept nach DVGW W 300-8 (M) Für den Neubau von Trinkwasserspeicheranlagen ergibt sich aus den Vorgaben der Regelwerke DVGW W 3007 und W 300-8, wie in Abbildung 1 dargestellt, grundsätzlich das Erfordernis der Erarbeitung von entsprechenden Konzepten zur Reinigung und Desinfektion sowie zur Hygiene, welche durch die Aufstellung - eines Reinigungs- und Desinfektionsplanes, - eines Qualitätssicherungsplanes und - eines Hygienezonenplanes projektspezifisch konkretisiert werden. Abbildung 1: Schema Hygienekonzept 2. Hygienekonzept nach DVGW W 300-8 (M) 2.1 Hygienekonzept - Rechtlicher Hintergrund Das Hygienekonzept kann als rechtlich verbindlich eingestuft werden, da die gesetzlichen Grundlagen mit der TrinkwV 2001 (2016/ 2018/ 2020) und dem Infektionsschutzgesetz IfSG (2021) sowie den Verordnungen (EG) Nr. 852/ 2004 (HACCP-Konzept) des Europäischen Parlaments und des Rates der Europäischen Union vom 29.04.2004 mehr als deutlich gegeben sind. →HACCP-Konzept (Hazard Analysis Critical Control Point - Konzept) → Risikoanalyse kritischer Kontrollpunkte in der Lebensmittelhygiene →Analogie HACCP zu Hygienekonzept nach DVGW W 300-8 Planerische Anforderungen zum Qualitätssicherungs-, Hygienesowie Reinigungs- und Desinfektionskonzept im Neubaubereich 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 81 2.2 Hygienekonzept - Einordnung der Ingenieurleistung in die Leistungsphasen der HOAI Das Hygienekonzept muss bereits im Rahmen der Planung aufgestellt werden und planungswie baubegleitend fortgeschrieben werden. Somit stellt das Konzept eine Leistung dar, die in allen Leistungsphasen der HOAI ihren Ansatz und ihre Berechtigung findet und als „besondere Leistung“ zur Erstellung einer fachgerechten Planung einer Trinkwasserspeicheranlage auszuarbeiten ist. Abbildung 2: Projektphasen Hygienekonzept 2.3 Hygienekonzept - Planerische und bauüberwachungstechnische Aufgaben und Inhalte Die planerischen und bauüberwachungstechnischen Aufgaben lassen sich anhand der Inhalte des Hygienekonzeptes für den Neubau einer Trinkwasserspeicheranlage wie folgt zusammenfassen: • Stellung eines fachlich geeigneten Hygienekoordinators (fachliche Anforderungen des Hygienekoordinators gem. DVGW-Merkblatt W300-8) während der Planung und der Ausführung des Neubaus • Aufstellung eines Hygienekonzeptes für die Planung, den Bau und den Betrieb der Anlage zur Vermeidung hygienischer Mängel sowie die Erstellung eines Maßnahmenkataloges zur Sicherstellung der Trinkwasserhygiene • Aufstellung bzw. Festlegung von Hygienezonen und von Maßnahmen, die in den jeweiligen Hygienezonen erlaubt bzw. nicht erlaubt sind • Aufstellung von organisatorischen Maßnahmen (Anforderungen an das Personal) sowie technischen Anforderungen an die bau-, anlagen- und elektrotechnische Ausrüstung zur Vermeidung von hygienischen Gefährdungen während des Baues und des späteren Betriebes • Definition und Dokumentation von Maßnahmen zur Sicherstellung von Ordnung und Sauberkeit bzw. Regelungen zum Verzehr von Nahrungs- und Genussmitteln auf der Baustelle und für den späteren Betrieb der Anlage • Definition, Bewertung, Beurteilung und Dokumentation von Maßnahmen zur Einhaltung der Trinkwasserhygiene für den Einsatz der für den Neubau erforderlichen Materialien, Maschinen und Werkzeugen • Unterweisung der am Bau beteiligten Unternehmen und Mitarbeiter in das Hygienekonzept unter besonderer Berücksichtigung des Infektionsschutzgesetzes; Dokumentation der Unterweisung • Regelmäßige Überprüfung der Anforderung und Umsetzung des Hygienekonzeptes auf der Baustelle und Dokumentation der Überprüfungsergebnisse mit Anweisung an die ausführenden Unternehmen sowie die fachlich Beteiligten • Übertragung der aufgestellten Maßnahmenkataloge in das Leistungsverzeichnis und Erstellung von VOB-konformen Leistungspositionen für die Umsetzung des Hygienekonzeptes für den Neubau des Trinkwasserspeicherbehälters In den nachfolgenden Kapiteln werden die vorgenannten Inhalte des Hygienekonzeptes exemplarisch anhand • des Qualitätssicherungsplanes, • des Hygienezonenplanes und • der Einweisung in das Infektionsschutzgesetz weiter beschrieben und konkretisiert. 2.4 Qualitätssicherungsplan Die Aufstellung eines Qualitätssicherungsplanes resultiert aus den Anforderungen gem. DVGW W 3001 und des Hygienekonzeptes gem. DVGW W 3008. Der Qualitätssicherungsplan ist bereits im Rahmen der Planung aufzustellen und in der Bauausführung fortzuschreiben. Der Qualitätssicherungsplan sollte sich hierbei wie folgt aufgliedern: • Qualitätssicherungsplan „Werkstoffe und Bauhilfsstoffe“ • Qualitätssicherungsplan „Kontrolle der Bauausführung“ Inhaltlich wird der Qualitätssicherungsplan hierbei durch das gewählte Bauverfahren / die gewählte Bauweise (zugelassene Bauweisen gem. DVGW W 3001 und -6) bestimmt. Die Aufstellung des Qualitätssicherungsplanes „Werkstoffe und Bauhilfsstoffe“ in der Planungsphase dient der Sicherstellung der hygienischen und technischen Eignung von Werkstoffen und Bauhilfsstoffen und muss die nachfolgenden Punkte enthalten: • Festlegung der Bauweise (Ortbetonbehälter, Systembehälter etc.) • Festlegung der Werkstoffe unter Berücksichtigung von DVGW W 3004 und W 3005 • Festlegung der Bauhilfsstoffe nach DVGW W 3004 und W 3005 • Prüfung der hygienischen und technischen Eignung der Werkstoffe, Bauhilfsstoffe, Bauverfahren unter Einholung von Prüfzeugnissen, Eignungen, Nachweisen und Risikoanalysen unter besonderer Berücksichtigung des DVGW-Regelwerks wie z.B. DVGW W 270, W 347, W 628 etc., der DIN- und DIN EN-/ DIN EN ISO-Normen, der Bewertungsgrundlage und Leitlinien zur hygienischen Beurteilungen des Umweltbundesamtes (u.a. Elastomerleitlinie, KTW- BWGL), DVS-Richtlinie, DAfStb-Richtlinie sowie der Bauproduktenverordnung (EU-BauPVO) Planerische Anforderungen zum Qualitätssicherungs-, Hygienesowie Reinigungs- und Desinfektionskonzept im Neubaubereich 82 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Die im Rahmen der Planung festgelegten und auf hygienische sowie technische Eignung geprüften Werkstoffe und Bauhilfsstoffe sind als VOB-konforme Leistungspositionen in das Leistungsverzeichnis zu übernehmen. Der Qualitätssicherungsplan ist im Rahmen der Bauausführung den ausführenden Unternehmen vorzugeben und kontinuierlich fortzuschreiben. Des Weiteren ist ein Qualitätssicherungsplan „Kontrolle der Bauausführung“ zu führen, in dem die Einhaltung der im Rahmen des Qualitätssicherungsplanes „Werkstoffe und Bauhilfsstoffe“ während der Planung festgelegten Anforderungen überprüft wird. Hierbei sind folgende Leistungen zu erbringen: • Kontrolle, Überwachung und Konformitätsprüfung der festgelegten Werkstoffe und Bauhilfsstoffe in der Bauausführung • Prüfung Betonsortenverzeichnis gemäß DVGW W 398; Nachweis der Konformität der hygienischen Eignung von Betonen mit den geforderten Eigenschaften / gestellten Anforderungen durch „Einzelprüfung der Gesamtrezeptur“ oder „Prüfung der Einzelnachweise der Ausgangsstoffe“ • Einholung und Bewertung von Typprüfungsunterlagen, Unterlagen der WPK (werkseigene Produktionskontrollen) • Einholung und Bewertung der Unterlagen zur Erstinspektion der Herstellerwerke und der werkseigenen Produktionskontrollen • Einholung und Bewertung der Überwachungsprotokolle der werkeigenen Produktionskontrollen • Überprüfung und Bewertung der Ergebnisse der Proben nach Prüfplan • Überprüfung und Bewertung der Stichprobenprüfung im Werk der Herstellung • Kontrolle und Überwachung der geforderten Oberflächeneigenschaften von Ortbeton und Betonfertigteilen sowie anderen Werkstoffen • Kontrolle und Überwachung von Gerüsten und Schalungen • Kontrolle und Überwachung des Bewehrens • Kontrolle und Überwachung der Ausführung der Arbeitsfugen und Betonierabschnitte • Kontrolle und Überwachung des Betonierens • Kontrolle und Überwachung der Frisch- und Festbetoneigenschaften • Kontrolle und Überwachung des fachgerechten Betoneinbaues • Kontrolle und Überwachung des hygienischen Zustandes von technischen Einrichtungen, wie z.B. Verdichtungsgeräten, Flügelglättern, Betonfahrzeugen etc. • Kontrolle und Überwachung der fachgerechten Nachbehandlung • Kontrolle und Überwachung der Umsetzung des Hygienekonzeptes • Kontrolle und Überwachung der Dichtheitsprüfung • Kontrolle und Überwachung der Umsetzung des Reinigungs- und Desinfektionskonzeptes Der Qualitätssicherungsplan ist während der gesamten Planung und Ausführung fortzuschreiben und nach Abschluss der Maßnahme in die Abschlussdokumentation zu übernehmen. 2.5 Hygienezonenplan In verschiedenen Anlagenbzw. Baustellenbereichen sind unterschiedliche Anforderungen an die Hygiene zu stellen. Die Abgrenzung von Hygienezonen dient hierbei der Umsetzung der zugehörigen Hygienevorschriften in die Praxis. Die Kontrolle der Einhaltung der Hygienevorschriften obliegt dem Hygienekoordinator. Grundsätzlich werden die nachfolgend aufgelisteten Hygienezonen unterschieden: Abbildung 3: Unterteilung Hygienezonen und allgemeine Vorschriften Die Hygienezonen sind auf der Baustelle und innerhalb der Anlage eindeutig zu kennzeichnen. Für die einzelnen Hygienezonen werden die Hygienevorschriften in speziellen Maßnahmenkatalogen zusammengefasst: Planerische Anforderungen zum Qualitätssicherungs-, Hygienesowie Reinigungs- und Desinfektionskonzept im Neubaubereich 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 83 Abbildung 4: Maßnahmenkatalog Hygienezone A Abbildung 5: Maßnahmenkatalog Hygienezone B Abbildung 6: Maßnahmenkatalog Hygienezone C Abbildung 7: Maßnahmenkatalog Hygienezone D Des Weiteren wird ein Hygienezonenlageplan auf der Baustelle ausgehängt: Planerische Anforderungen zum Qualitätssicherungs-, Hygienesowie Reinigungs- und Desinfektionskonzept im Neubaubereich 84 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Abbildung 8: Hygienezonenlageplan 2.6 Einweisung in das Infektionsschutzgesetz Im Rahmen der Umsetzung des Hygienekonzeptes erfolgt die mündliche und schriftliche Belehrung aller am Bauprozess beteiligten Personen (Bauherr, ausführendes Unternehmen, Nachunternehmer, Fachplaner etc.) über die in § 42 Abs. 1 Infektionsschutzgesetz genannten Tätigkeitsverbote und Verpflichtungen gemäß § 43 Abs. 2, 4 und 5 Infektionsschutzgesetz. Die Belehrung ist durch die Teilnehmer schriftlich zu bestätigen. Den Teilnehmern wird eine Bescheinigung über die Belehrung ausgestellt. Der Hygieneschutzkoordinator sowie der Hygieneschutzbeauftragte des ausführenden Unternehmens haben die Umsetzung des Hygienekonzeptes und die Einhaltung der o.g. Tätigkeitsverbote und Verpflichtungen gem. Infektionsschutzgesetz sicherzustellen. In den ausgewiesenen Hygieneschutzzonen dürfen nur entsprechend eingewiesene und belehrte Personen tätig sein. Auf der Baustelle ist eine Liste der eingewiesenen und belehrten Personen auszuhängen. Die Liste ist ständig zu aktualisieren und fortzuführen. 3. Reinigungs- und Desinfektionskonzept nach DVGW W 300-7 (M) 3.1 Reinigungs- und Desinfektionskonzept - Inhalte Das hier beschriebene Reinigungs- und Desinfektionskonzept gilt exemplarisch für Trinkwasserspeicheranlagen einschl. der angeschlossenen Rohrleitungen und Einbauteile und legt den Desinfektions- und Reinigungsplan fest. Die Zielsetzungen der Reinigung und der Desinfektion sind: • die Herstellung eines einwandfreien mikrobiellen Zustands der Trinkwasserspeicheranlagen und der angeschlossenen Rohrleitungen sowie der Einbauteile • die Entfernung von losen Bestandteilen an Oberflächen (Stäube, Zementschleier nach Instandsetzungen etc.) • die Entfernung von im späteren Betrieb mobilisierbaren Ablagerungen • die Entfernung von Eisen-, Mangan-, bzw. Kalkablagerungen • ggf. die Entfernung von organischen Verunreinigungen (Schimmel, Algenbewuchs, etc.) Der Einsatz von chemischen Reinigungsmitteln ist strengstens untersagt, da diese zu einer Schädigung des Untergrundes führen können. Es ist lediglich eine mechanische Reinigung mit Hilfe von Trinkwasser erlaubt. Es wird grundsätzlich unterschieden zwischen der Reinigung / Desinfektion - nach Instandsetzungen, Neubauten, Wiederinbetriebnahmen und - im Normalbetrieb nach festgelegten Zyklen des Betreibers. Daneben können außerplanmäßige Ereignisse (bspw. mikrobielle Auffälligkeiten) eine Reinigung ggf. in Verbindung mit einer Desinfektion erforderlich machen. Grundsätzlich ist vor jeder Desinfektion eine getrennte Reinigung durchzuführen. Für Reinigungsarbeiten sind nur geeignete Fachkräfte des Betreibers oder qualifizierte Unternehmen einzusetzen. Es ist sicherzustellen, dass die Verwendung unsauberer Arbeits- und Reinigungsgeräte und verschmutzter Arbeitskleidung unterbleibt (siehe auch Hygienekonzept). Über die Reinigung / Desinfektion ist eine Dokumentation mit Angabe der Prozessabläufe (Außerbetriebnahme, Reinigung, ggf. Instandsetzungen, ggf. Desinfektion, Inbetriebnahme) mit Datum und Arbeitsverantwortlichen, ggf. Art des Desinfektionsmittels, ggf. Desinfektionsmittelkonzentration und den Ergebnissen der Mikrobiologie zu erstellen. Die Reinigung und Desinfektion erfolgt grundsätzlich nach Abschluss der Instandsetzungsmaßnahme bzw. der Neubaumaßnahme. Planerische Anforderungen zum Qualitätssicherungs-, Hygienesowie Reinigungs- und Desinfektionskonzept im Neubaubereich 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 85 Weitere Reinigungszyklen werden gemäß DVGW Arbeitsblätter W-300-1/ 2 sowie W 300-7 auf Basis der bestehenden Betriebserfahrung des Betreibers festgesetzt. Grundsätzlich sollten Reinigungs- und Inspektionszyklen von max. 2 Jahren eingehalten werden. Nach Durchführung aller Beton-, Montage- und Installationsarbeiten müssen die Leitungen und die Behälterkammern in einem einwandfreien Zustand übergeben werden, d.h. die angeschlossenen Wasserversorgungsleitungen und Trinkwasserspeicheranlagen müssen bakteriologisch einwandfrei sein. Dies wird durch die Reinigung und Desinfektion gewährleistet. Das Desinfektionsmittel hat der Auftragnehmer zu stellen. Dafür ist vorab ein Beständigkeitsnachweis der vorhandenen wasserberührten Oberfläche bei dem jeweiligen Materiallieferant (Mörtel, PE, EP-Harz, Edelstahl) einzufordern. Sind die Anlagen nach einmaliger Desinfektion gemäß amtlicher Feststellung nicht einwandfrei, so geht jede weitere Desinfektion einschl. Wasserfüllung zu Lasten des Auftragnehmers. Die Entkeimung hat gemäß den geltenden Vorschriften (DVGW, DIN) zu erfolgen. Zur Entkeimung muss eine Rohrleitung mit Wasser gefüllt werden; die erforderliche Menge an wirksamem Desinfektionsmittel je m³ ist zuzugeben. Bei Trinkwasserspeicheranlagen ist eine Reinigung mit Trinkwasser sowie eine Sprühdesinfektion oder eine Standdesinfektion auszuführen. Auch hierbei ist die erforderliche Menge an wirksamem Desinfektionsmittel je m² oder m³ zuzugeben. Um die Einbauteile (Pumpen, Armaturen, Rohrformstücke, etc.) zu reinigen, reicht in der Regel der Spüleffekt durch Trinkwasser bei der Inbetriebnahme aus. Sie können aber auch im Zuge der Rohrleitungsspülung und -desinfektion mit gereinigt und desinfiziert werden. Nach der Entkeimung sind die Leitungen bzw. die Speicherbehälter mit frischem Trinkwasser zu spülen, bis kein Desinfektionsmittel mehr nachweisbar ist. Die Desinfektionsarbeiten sind von einem geeigneten Fachmann (z.B. Fachkraft nach DVGW W 316) zu überwachen, wobei die beauftragten Mitarbeiter auf die Gefährlichkeit des Desinfektionsmittels hingewiesen werden müssen. Insbesondere ist darauf zu achten, dass kein chlorhaltiges oder verunreinigtes Wasser in vorhandene Leitungen gelangen kann (Steckscheiben setzen). Die Wasserproben zur bakteriologischen Untersuchung sind an drei hintereinander folgenden Tagen nach der Reinigung und Desinfektion zu entnehmen. Die Anzahl der Probenahmestellen wird gemeinsam mit dem Auftraggeber festgelegt. Die Probenahme und Analytik sowie die Festlegung des unabhängigen akkreditierten Institutes erfolgt in Abstimmung mit dem Auftraggeber. Außerdem sind nur zertifizierte bzw. qualifizierte Probenehmer für die Probenahme zugelassen. Über die Probenahme ist ein Probenahmeprotokoll zu erstellen, aus dem die Vorgehensweise der Probenahme, die eingesetzten Probenahmegefäße, die Probenahmetechnik sowie der Probentransport hervorgehen. Das Protokoll ist nach Eingang der Probe im Untersuchungslabor dem Auftraggeber unaufgefordert zu übersenden. Gem. DVGW Arbeitsblatt W 291 darf bei der Desinfektion von Trinkwasserbehältern die maximale Konzentration an Wasserstoffperoxid 15 g/ l Wasser betragen. Es wird somit empfohlen, eine max. 1,5 %-ige Wasserstoffperoxid (H 2 O 2 )-Lösung zu verwenden. Bei der Verwendung von chlorhaltigem Desinfektionsmittel ist analog zur W 291 zu verfahren. Des Weiteren sollte vorgeschrieben werden, dass das Desinfektionsmittel frei von Silberionen, Alkoholen und Aldehyden sein muss. Ein einwandfreier Befund liegt vor, wenn nachfolgende Werte eingehalten werden: • Koloniezahl in 1 ml bei 22° C : < 20 • (in Abweichung zur TrinkwV) • Koloniezahl in 1 ml bei 36° C : < 20 • (in Abweichung zur TrinkwV) • Coliforme Bakterien in 100 ml : 0 • E-coli in 100 ml : 0 • Desinfektionsmittel in 1 mg/ ml : n.n. • Enterokokken in 100 ml : 0 • Pseudomonas aeruginosa in 100 m : 0 • (Koloniebildende Einheit bei 36°C) • Clostridien in 100 ml: : 0 (Koloniebildende Einheit bei 44°C) Bei einem einwandfreien Befund können die Leitungen bzw. die Trinkwasserspeicheranlagen nach vorheriger Genehmigung durch das zuständige Gesundheitsamt in Betrieb genommen werden. Das mit Desinfektionsmittel versehene Wasser ist zu neutralisieren und schadlos für den Betreiber abzuführen. Eine Einleitung in die Vorflut ist nicht statthaft. Bei Einleitung in die Kanalisation ist die vorherige Zustimmung des Kanalbetreibers einzuholen. Über die Entkeimung ist eine Niederschrift anzufertigen. Diese hat folgende Angaben zu enthalten: • Bezeichnung der Leitung / Behälter: DN, Gesamtlänge, Volumen, Wasserinhalt • Spülung: Datum, Dauer, Spülwasserverbrauch • Desinfektion: Entkeimung, Art der Zugabe, Beginn und Ende der Füllung • Reinspülung: Datum, Dauer, Spülwasserverbrauch • Bakteriologische Untersuchung: Probeentnahme, Name der bakteriologischen Untersuchungsanstalt, Name des zertifizierten / qualifizierten Probenehmers, Entnahmestellen, Befund, Beurteilung Bei positiven Befunden von E.Coli / coliformen Keimen / Enterokokken / Clostridien und Pseudomonas aeruginosa ist die Trinkwasserspeicheranlage bzw. die Rohrleitung sofort außer Betrieb zu nehmen und eine weitere Reinigung / Desinfektion durchzuführen. Planerische Anforderungen zum Qualitätssicherungs-, Hygienesowie Reinigungs- und Desinfektionskonzept im Neubaubereich 86 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Bei jeder Sanierungs- und Neubaumaßnahme ist durch das ausführende Unternehmen ein individuelles Reinigungs- und Desinfektionsablaufschema zu erstellen, dass speziell auf den jeweiligen Sanierungsfall bzw. die jeweilige Neubaumaßnahme abgestimmt sein muss. Hierbei sind die Vorgaben des vorliegenden Reinigungs- und Desinfektionskonzeptes zu berücksichtigen. Des Weiteren sind die Vorgaben der DVGW Arbeits- und Merkblätter W 300 ff sowie W 291 zu beachten bzw. einzubeziehen. Dabei sind mindestens folgende Angaben zu machen: • Datum der Reinigung und Desinfektion • Eingesetzte Mittel mit Angabe des Herstellers, der Produktspezifikation, der Konzentration und der Sicherheitsdatenblätter • Zu behandelnde Bauteile, wie z.B. Boden, Wände, Decken etc. mit Angabe des Werkstoffes, der Einwirkdauer, Anwendungsfreigabe des Materialherstellers, Art und Dauer der Nachbehandlung und ggf. Beobachtungen im Rahmen der Ausführung • Zu behandelnde Einbauten, wie z.B. Rohrleitungen, Stahlbauten, Luftfilteranlagen etc. mit Angabe des Werkstoffes, der Einwirkdauer, Anwendungsfreigabe des Materialherstellers, Art und Dauer der Nachbehandlung und ggf. Beobachtungen im Rahmen der Ausführung. 4. Schlussbetrachtung Die Umsetzung der für den Neubau von Trinkwasserspeicheranlagen geltenden Qualitäts- und Hygienevorschriften verlangt auf planerischer Seite eine hohe Fachkunde und Aufmerksamkeit im gesamten Planungs- und Bauüberwachungsprozess. Hierbei muss ein umfangreiches Normen- und Regelwerk beachtet werden, welches sich stetig weiterentwickelt. Um diesen Anforderungen gerecht werden zu können, sind projektspezifische Qualitätssicherungs-, Hygienesowie Reinigungs- und Desinfektionskonzepte zu entwickeln, welche planungs- und baubegleitend umgesetzt und fortgeschrieben werden müssen und somit einen elementaren Baustein zur erfolgreichen Projektabwicklung darstellen. 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 87 Tragwerksplanung Ruhrwasserwerk Echthausen Wolfgang Naumann 1. Allgemeine Vorbemerkungen Ziel des Vortrages ist, die Probleme der Tragwerksplanungen anhand der Besonderheiten der Wassergewinnungsanlage mit Druckbehältern in Echthausen aufzuzeigen. Der Schwerpunkt wird auf der Erarbeitung der Grundlagen der statischen Nachweise liegen. Zu untersuchen war im Vorfeld der statischen Berechnung, ob die zum Zeitpunkt der Planung der Wassergewinnungsanlage gültigen Richtlinien ausreichen die ‚‘Allgemein anerkannten Regeln der Technik‘‘ zu erfüllen. Die Zusammenstellung zeigt, die Vielfalt von Richtlinien, die sich auf Flüsssigkeitsbehälter beziehen. (Anlage 1) Anlage 1 _3H1D4_2.3 Naumann_s0006.pdf; s1; (209.93 x 296.93 mm); 09.Aug 2021 11: 45: 40; PDF-CMYK für Prinergy; L.N. Schaffrath DruckMedien Zum Bauwerk selbst: Das Wasserwerk Echthausen in Westfalen besteht seit 1942 und arbeitet mit uferfiltriertem Grundwasser aus der Ruhr. Seit 2001 sind die ‚‘Wasserwerke Westfalen GmbH‘‘ Betreiber der Anlage. Die ‚‘Wasserwerke Westfalen GmbH‘‘ ist eineTochtergesellschaft der ‚‘Dortmunder Energie und Wasserversorgungs GmbH‘‘ und der ‚‘Gelsenwasser AG ‚‘. Das verlängerte Wasserrecht für Echthausen im Jahre 2011 erlaubte die Vergrösserung der Aufbereitung und Förderung von Tinkwassermengen. ( 2 Mio m³/ Jahr). So begann bereits im Jahr 2010 die Planungen für die Erweiterung der Wasserbereitungsanlage. Die Planung sah vor, ein System zu wählen, bei dem das Wasser mit Druck aus Pumpen durch die einzelnen Aufbereitungsstufen gefördert wird. In der Anlage2 ist die Aufbereitung des Wassers schematisch dargestellt. Die Erweiterung der Anlage ist im Bild rot umkreist. Jede Stufe erfordert ein spezielles Bauwerk, die kompakt im Entwurf des Bauherrn in einer Halle untergebracht werden sollten. Anlage 2 _3H1D9_2.3 Naumann_s0007.pdf; s1; (209.93 x 296.93 mm); 09.Aug 2021 11: 45: 37; PDF-CMYK für Prinergy; L.N. Schaffrath DruckMedien 88 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Tragwerksplanung Ruhrwasserwerk Echthausen In der Anlage 3 ist der Weg des Wassers im Querschnitt der Bauwerke dargestellt. Um in die Tragwerksplanung d.h. in die Nachweise der Grenzzustände der Standsicherheit (GZT) und die Grenzzustände der Gebrauchstauglichkeit (GZG) einsteigen zu können, war zu klären welche Einwirkungen (Lasten,Eigenspannungszustände,Verformungen) Sicherheitsfaktoren und Kombinationsbeiwerte Expeditionsklassen in diesen speziellen Bauwerken zu berücksichtigen sind. Anlage 3 _3H1DA_2.3 Naumann_s0008.pdf; s1; (209.93 x 296.93 mm); 09.Aug 2021 11: 45: 52; PDF-CMYK für Prinergy; L.N. Schaffrath DruckMedien 2. Die Einwirkungen Alle Einwirkungen aus Eigenlasten und Verkehr sind in DIN EN 1991-1 bis 4 u. 6 geregelt. Die Einwirkungen aus den Wasserlasten mußten mit dem Auftraggeber abgeklärt werden. Die Wasserdrücke in den einzelnen Bauwerken setzen sich aus zwei Teilen zusammen, dem hydrostatischen Wasserdruck und den durch Pumpen erzeugten Wasserdruck. Der hydrostatische Wasserdruck ergibt sich aus der Höhe des Wasserspiegels. Der Druck aus den Pumpen, der erforderlich ist, das Wasser durch die Anlage zu transportieren, wurde für verschiedene Betriebszustände vom Nutzer der Anlage ermittelt. Dabei wurden die Druckverluste durch Reibungen und Höhendifferenzen berücksichtigt. Der von den Pumpen erzeugte Wasserdruck wirkt wie ein Eigenspannungszustand. Er steht in jedem Behälter rundum im Gleichgewicht. Die Anlage 4 gibt die Ergebnisse der Berechnungen der Hydrauliker wieder. Die Überdruckventile sollten urspünglich auf 3,5 bar ausgelegt werden. Das entspräche vergleichsweise einer Wasserhöhe von 35 m und läge weit außerhalb der Richtlinien zur Erreichung der Dichtigkeit. Auffällig in den Druckermittlungen des Bauherrn ist der Zuschlag von 50 % zum maximalen Innendruck sowohl für den hydrostatischen als auch den Pumpendruck. Diese Erhöhung soll die Unsicherheiten der Berechnung der Pumpendrücke abdecken. Die Werte sind als die charakteristischen Einwirkungen in die Nachweise einzuführen, also noch ohne Sicherheitsfaktoren. Anlage 4 _3H1DE_2.3 Naumann_s0009.pdf; s1; (209.93 x 296.93 mm); 09.Aug 2021 11: 45: 51; PDF-CMYK für Prinergy; L.N. Schaffrath DruckMedien Als weitere Einwirkungen sind die in W300 Abschnitt 6.4.2.2 festgelegten Zwangsbeanspruchungen aus wechselnder Temperatur zu berücksichtigen. Für innenliegende Behälter sind das: ∆ TM = +5K/ -5K für Momente erzeugende Temperaturen ∆ TN= +10K/ -10K für Normalkraft erzeugende Temperaturen Die DIN EN 1991-1-5 ‚‘Allgemeine Einwirkungen Temperatureinwirkungen‘‘ findet man für den Sonderfall der Flüssigkeitsbehälter keine Angaben. Die Werte der Einwirkungen aus den Eigenlasten der Kornaktivkohle, der hydroanthrazit Körnung, des Filtersandes für die Adsorber und Schnellfilter ohne und mit Auftrieb unter Berücksichtigung des Winkels der inneren Reibung für die Ermittlung des Ruhedruckes entsprechen den Erfahrungen des Nutzers. Eine weitere Einwirkung war entsprechend des Gutachtens des Baugrundsachverständigen zu berücksichtigen. Der höchste Ruhrwasserstand ist auf Geländehöhe der 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 89 Tragwerksplanung Ruhrwasserwerk Echthausen Anlage zu erwarten. Dementsprechend steht das gesamte Untergeschoss unter Auftrieb. 3. Ermittelung der Sicherheitsfaktoren für die Nachweise GZT und GZG Für die Einwirkungen aus Eigenlasten und Verkehr sind die Sicherheitsfaktoren nach dem Arbeitsblatt W300 Abschnitt 6.2 ‚‘Tragwerksplanung‘‘ mit Hinweis auf die allgemein gültigen Normen und Vorschriften einzuhalten. In den einschlägigen Normen wird unterschieden zwischen Teilsicherheitsfaktoren für die Materialeigenschaften und für die Einwirkungen. Die Teilsicherheitsbeiwerte für die Materialeigenschaften sind in den Materialnormen festgelegt. z.B für Stahlbeton in DIN EN 1992-1-1. Die Teilsicherheitswerte für die Einwirkungen und Kombinationswerte sind im Allgemeinen in der DIN EN 1990/ NA Tabelle NA.A.1.2(A) und NA.A.1.2(B) geregelt. Aus diesem Regelwerk sind die Besonderheiten für die Sicherheitsfaktoren aus hydrostatischem und Pumpen- Druck und den Temperaturdifferenzen nicht abzuleiten. Auch die W300 legt für Wasserdrücke Sicherheitsfaktoren nicht fest. In DIN EN 1992-3 ‚‘Silos und Behälterbauwerke aus Beton‘‘ werden gemäß Abschnit 1.1.2 die Gültigkeit dieser Norm für Druckbehälter ausgeschlossen. Sicherheiten für den hydrostatischen Druck sind in dieser Norm unter Abschnitt B3 mit gF = 1,2 für den Betrieb als Vorschlag (informativ) genannt. Dieser Wert kann als ausreichend für die Nachweise GZT angesehen werden, da die Wasserstandshöhe in den Behältern sich nicht verändert und die Sicherheit für die Innendrücke bereits sehr hoch angesetzt wurde,was auch den hydrostatischen Druck mit einschloß. Die Kombinationsfaktoren werden für die Beanspruchung aus den Wasserlasten zu g0, g1 und g2 = 1 gesetzt, da alle möglichen Zwischenwasserstände, geleerte oder gefüllte Behälter nicht ausgeschlossen werden kann. Für das Sicherheitsniveau der Lastfälle aus Temperatureinwirkungen gilt DIN EN 1992-1-1/ NA - NCI zu 2.3.1.3(4). Danach darf für die Temperaturlastfälle im GZT der Sicherheitsfaktor g QT = 1 angesetzt werden, wenn beim Nachweis der Schnittkräfte mit den Steifigkeiten der ungerissenen Querschnitte gerechnet wird. Die Temperaturlastfälle sind Eigenspannungszustände. Bei fortschreitender Belastung bauen diese sich durch die Steifigkeitsverluste ab bis zu Werten gegen Null. 4. Dauerhaftigkeit und Wasserdichtigkeit der Behälter (GZG) Um die Dauerhaftigkeit und Wasserdichte der Behälter zu gewährleisten, gibt es verschiedene Möglichkeiten, die während der Planungsphase hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit und Ausführbarkeit erörtert wurden. Das sind ohne auf Einzelheiten einzugehen: 1. Ozonreaktoren in Stahl aus nichtrostendem oder normalem Baustahl 2. Auskleidung der Behälter mit Stahlfolien. Die Geometrie der Behälter ist dafür zu 3. kompliziert und die Verkleidung zu aufwändig. 4. Innenanstrich oder alkalische Innenbeschichtung 5. Ausführung in Spannbeton 6. Stahlbeton mit Rissebeschränkung und Selbstheilung von Rissen. Die Entscheidung fiel auf die Ausführung in Stahlbeton mit zu erwartenden Trenn- und Biegerissen mit beschränkter Rißweite und einer zusätzlichen mineralischen risseüberbrückenden Beschichtung (z.B. Kerasal) Es war zu prüfen, ob bei dieser Entscheidung die Erfordernisse der einschlägigen Richtlnien in allen Belangen erfüllt werden können. Nach der W300 sind für Wasserbehälter die Beanspruchungsklasse 1 und die Nutzungsklasse A zugrunde zu legen. Die Anforderungen der Beanspruchungs- und Nutzungsklassen sind in der DAfStb-Richtlinie ‚‘Wasserundurchlässige Bauwerke aus Beton‘‘ (WU-Richtlinie) definiert. Da bei Behältern unter zusätzlichem Innendruck unvermeidlich Risse infolge der Spannungen aus Zug und Biegung aus den Lastfällen ‚‘Wasserdrücke‘‘ und ‚‘Eigenspannungszuständen‘‘ auftreten, können nur die Bedingungen der Nutzungsklasse B erfüllt werden. Danach sind Feuchtstellen an der Oberfläche der Stahlbetonbehälter zulässig. Das ist nach W300 sinngemäß gegeben, wenn nach Abschnitt 6.4.3.2 die Rissweiten wk = 0,1 bis 0,15 begrenzt werden und die Druckzonenhöhe mindestens 50 mm beträgt. Diese Druckzonenhöhe kann unter den gegebenen Umständen nicht flächendeckend eingehalten werden. Der rißüberbrückende Innenputz soll diese Abweichung von der Richtlinie ersetzen, wenn die Selbstheilung der Risse nicht vollständig eintritt. Ähnliche und weitere Anforderungen kann man sinngemäß aus der DIN 1992-3 herleiten. Dort werden in Tabelle 7.105 Undurchlässigkeitsklassen beschrieben. Hier entspricht die Dichtigkeitsklasse 1 der Nutzungsklasse B. Danach sind Feuchtigkeitsdurchtritte akzeptabel. Nach Angabe des Nutzers greift das ozonhaltige Wasser den Beton nur schwach an und ist demzufolge gegen chemischen Angriff in die Expetitionsklasse XA1 einzuordnen. Da der ph-Wert i.M. bei 7,49 weit über dem Mindestwert von 4,5 und der kalklösende Kohlenstoffgehalt mit 8,5 mg/ l deutlich unter 40 mg/ l liegen, kann nach DIN EN 1992-3/ NA Tabelle NA1 Selbstheilung der Risse angenommen werden. Ähnliche Grenzwerte sind der ‚‘WU-Richtlinie ‚‘ Tabelle 2 zu entnehmen. Als maßgebender Mechanismus für diesen Prozess ist die Bildung von Kalziumkarbonat und weitere Hydratation des Zementsteines. Dieser Vorgang erfordert Zeit und setzt andauerndes Durchströmen der Risse voraus. In Anlage 5 ist der Wasserdurchtritt während der Erstbelastung aufgenommen, in Anlage 6 90 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Tragwerksplanung Ruhrwasserwerk Echthausen nach Aufbringen des Innenputzes und teilweiser Verpressung der undichten Stellen. Die punktförmigen Wasseraustritte sind auf schlechte Verdichtung des Betons zurückzuführen. Der Anlage 7 zeigt das Rißbild an der Giebelseite. Anlage 5 _3H1CZ_2.3 Naumann_s0010.pdf; s1; (296.93 x 209.93 mm); 09.Aug 2021 11: 45: 28; PDF-CMYK für Prinergy; L.N. Schaffrath DruckMedien Anlage 6 _3H1D5_2.3 Naumann_s0011.pdf; s1; (296.93 x 209.93 mm); 09.Aug 2021 11: 45: 31; PDF-CMYK für Prinergy; L.N. Schaffrath DruckMedien Anlage 7 _3H1D6_2.3 Naumann_s0012.pdf; s1; (296.93 x 209.93 mm); 09.Aug 2021 11: 45: 56; PDF-CMYK für Prinergy; L.N. Schaffrath DruckMedien Dort wird die Risseverteilung nicht durch grössere Aussparungen beeinflußt. Die inneren Schotten wurden nachträglich eingebaut und über Schraubanschlüsse in das statische System angebunden. Zwischen Bodenplatte und der in grösserem Zeitabstand betonierten Wandscheibe traten die erwarteten Risse aus Schwinden des Betons auf. Die Rissweiten überschritten nicht die kalkulierten Rissweiten. Der Schrägriss entspricht der Theorie. In den USA wurden die Mechanismen der Selbstheilung eingehend erforscht und Betonzusätze entwickelt, die die Selbstheilung des Betons herbeiführen. Diese Betonzusätze werden in Kanada und USA erfolgreich eingesetzt. Eines der Mittel ist in Deutschland bauaufsichtlich zugelassen. Eine weitere interessante Entwicklung die Selbstheilung herbeizuführen wird zur Zeit von Prof. Hendrik Jonkers an der Delfter TU erforscht. Das Team entdeckte Mikroorganismen, die Kalziumkarbonat erzeugen, die Risse bis 0,8 mm schließen sollen. Die Bakterien sind nicht krankheitserregend. Das Mittel wird in den Niederlanden bereits angewendet. In Deutschland ist beabsichtigt eine bauaufsichtliche Zulassung zu erwerben. 5. Statisches System Ausschlaggebend für die Wahl des statischen Systems war die Empfehlung des Baugrundsachverständigen als Gründungskonstruktion eine Plattengründung zu wählen. Das Reinwasserbecken, das unter der Wassergewinnungsanlage angeordnet wurde, erfordert ohnehin eine dichte Bodenplatte. Wir haben ein 3-D-Modell moduliert, das sich über alle Bauteile erstreckt. Anlage 8 zeigt das Gesamtsystem und Anlage 9 und 10 die innere Struktur der Behälter nach Ausschaltung verschiedener Layer. Anlage 8 _3H1D7_2.3 Naumann_s0013.pdf; s1; (296.93 x 209.93 mm); 09.Aug 2021 11: 45: 45; PDF-CMYK für Prinergy; L.N. Schaffrath DruckMedien 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 91 Tragwerksplanung Ruhrwasserwerk Echthausen Anlage 9 _3H1DC_2.3 Naumann_s0014.pdf; s1; (296.93 x 209.93 mm); 09.Aug 2021 11: 45: 33; PDF-CMYK für Prinergy; L.N. Schaffrath DruckMedien Anlage 10 _3H1DD_2.3 Naumann_s0015.pdf; s1; (296.93 x 209.93 mm); 09.Aug 2021 11: 45: 45; PDF-CMYK für Prinergy; L.N. Schaffrath DruckMedien In Anlage 11 ist die Innenausstattung der Adsorptions- und Filterbehälter dargestellt. Die Scheiben haben wir aus FEM-Elementen zu komplexen Tragwerken figuriert. Die Gründungsplatte wurde nach dem Bettungszifferverfahren elastisch gelagert. Nach Angabe des Baugrundsachverständigen sollte bei diesem Verfahren mit einer Bettungsziffer von 10 MN/ m³ gerechnet werden. Anlage 11 _3H1DH_2.3 Naumann_s0016.pdf; s1; (296.93 x 209.93 mm); 09.Aug 2021 11: 45: 41; PDF-CMYK für Prinergy; L.N. Schaffrath DruckMedien Die hohen exzentrischen Lasten der Ozonreaktoren erforderten zunächst an der gegenüber liegenden Seite der Bodenplatte einige Zugpfähle. Durch Aufstockung des Werkstattgebäudes konnte auf diese Pfähle kostensparend verzichtet werden. Die Bemessung der Scheiben, Betonstützen und Unterzüge ist im System enthalten. An den Verbindungskanten waren allerdings Zusatzuntersuchungen erforderlich, da durch den Innendruck die sogenannten Rahmenecken umgekehrt beansprucht werden wie üblich. Für die Bemessung an den Schnittstellen der Platten haben wir mit den Schnittkräften aus den x-y Ebenen des Hauptsystemes Untersysteme in den Ebenen x-z bzw. y-z gebildet. Die Ergebnisse sind in den Bildern (Anlagen 12, 13, 14, 15) dargestellt. Anlage 12 _3H1DG_2.3 Naumann_s0017.pdf; s1; (296.93 x 209.93 mm); 09.Aug 2021 11: 45: 47; PDF-CMYK für Prinergy; L.N. Schaffrath DruckMedien Anlage 13 _3H1DI_2.3 Naumann_s0018.pdf; s1; (296.93 x 209.93 mm); 09.Aug 2021 11: 45: 55; PDF-CMYK für Prinergy; L.N. Schaffrath DruckMedien Anlage 14 _3H1D2_2.3 Naumann_s0019.pdf; s1; (296.93 x 209.93 mm); 09.Aug 2021 11: 45: 34; PDF-CMYK für Prinergy; L.N. Schaffrath DruckMedien 92 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Tragwerksplanung Ruhrwasserwerk Echthausen Anlage 15 _3H1D1_2.3 Naumann_s0020.pdf; s1; (296.93 x 209.93 mm); 09.Aug 2021 11: 45: 48; PDF-CMYK für Prinergy; L.N. Schaffrath DruckMedien Sie zeigen den Trajektorenverlauf, die Kräfte im horizontalen Bemessungsschnitt 1,0 m über der Bodenplatte an. An den Stellen sehr hoher Schubspannung haben wir die Bügel durch Schubdübelleisten ersetzt. Dadurch werden beim Betonieren die Verdichtungsmaßnahmen weniger behindert. Da die Dübelleisten von oben bzw. seitlich eingeführt werden, vereinfacht sich gegenüber von Bügelbewehrungen die Verlegearbeiten des Bauunternehmers. (Anlage 16) Noch ein paar Zahlen, die bei Sonderbauwerken von Interesse sind: Es wurden insgesamt 1070 t Stahl und 6175 m³ Beton C 30/ 37 eingebaut, das sind 173 kg Betonstahl BSt. 500/ m³ Beton Anlage 16 _3H1DF_2.3 Naumann_s0021.pdf; s1; (296.93 x 209.93 mm); 09.Aug 2021 11: 45: 31; PDF-CMYK für Prinergy; L.N. Schaffrath DruckMedien 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 93 Bauzustandsanalyse - notwendig auch bei Auskleidung Erwin von der Forst Öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger Zusammenfassung Wenn es bei zementösen Systemen mittlerweile zum Instandsetzungskonzept gehört, dass vor deren Ausführung eine Bestandsaufnahme in Form einer Bauzustandsanalyse erstellt wird, so ist dies bei einer Auskleidung meist noch nicht so. Dieser Vortrag geht der Frage nach, ob eine Bauzustandsanalyse vor der Ausführung einer Auskleidung sinnvoll und notwendig ist. von der Forst Gutachterbüro Firmensitz in Pfarrweisach -> nach DVGW W 316 zertifiziertes Fachunternehmen -> bisher über 2.500 Trinkwasserbauwerke saniert -> Verarbeitung aller gängigen Beschichtungssysteme + Von der Forst GmbH 94 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Bauzustandsanalyse - notwendig auch bei Auskleidung von der Forst Gutachterbüro GGl liieeddeerruunngg 1. Physikalische Betrachtung der Auskleidungssysteme 2. Anforderungen laut Regelwerk W 300-3 3. Erfahrung aus der Praxis mit Beispielen 4. Zusammenfassung und Ergebnis von der Forst Gutachterbüro 11.. PPh hy yssi ik kaalli is scchhe e BBeettrraac chht tuunngg dde err AAu ussk klle eiid duunnggsss syys stte emmee Seit dem Jahr 2014 sind nun auch Auskleidungen im Regelwerk DVGW W 300/ Teil 4 als mögliche Systeme aufgenommen. Auskleidungen bringen augenscheinlich eine Trennung zwischen Untergrund und wasserberührenden Innenflächen mit sich; diese werden auch Inliner genannt. Häufig finden Inliner bei Rohrsanierungen Anwendung. Auskleidungen von Trinkwasserspeicherbauwerken sind nichts anderes als Inliner, welche Beton, Fliesen, Mauerwerk oder Metall vom Untergrund wasserdicht abtrennen. Von der Sache her richtig, und die Praxis zeigt, dass diese Auskleidungssysteme funktionieren. 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 95 Bauzustandsanalyse - notwendig auch bei Auskleidung von der Forst Gutachterbüro Blick in eine ausgekleidete Trinkwasserkammer mit FPO-Dichtungsbahnen von der Forst Gutachterbüro Durch diese Auskleidungen, welche als Systeme „ohne festen Verbund zum Untergrund“ zu sehen sind, wie es im Arbeitsblatt DVGW W 300-3 (A), Ausgabe Oktober 2014, S. 18 heißt, wird oberflächlich der Untergrund, meist Beton, nur noch in seiner statischen Funktion betrachtet. Doch steht der Beton auch nach dem Einbau des Inliners in Kontakt mit dem Wasser. Möglich wird dies durch 1. den Dampfdiffusionsdurchgang 2. die Kondensation auf der Rückseite der Auskleidungssyteme 3. Undichtigkeiten am Bauwerk 96 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Bauzustandsanalyse - notwendig auch bei Auskleidung von der Forst Gutachterbüro 22.. AAnnffoorrdde erruunngg llaau utt RReeggeellwweerrkk WW 33000 0--33 Das Regelwerk nennt u.a.: (siehe Arbeitsblatt DVGW W 300-3 (A), Ausgabe Oktober 2014, S. 18ff): - Im Untergrund können Schalölreste, Altbeschichtungsreste, Lösemittelreste oder Abbauprodukte von Beschichtungen zu finden sein. - Im Untergrund können Kontaminationen von PCB oder PAK aus undichten, gerissenen Betonzonen wie z. Bsp. von Schwarzabdichtungen von außen eingetragen worden sein. - Auch können biologisch abbaubare Bestandteile aus Fugenmaterialien oder Injektionen Konzentrationen aufbauen, von der möglich einhergehenden Aufkeimung mal ganz abgesehen. Dies mache ich später an einem Praxisbeispiel deutlich. von der Forst Gutachterbüro Daraus folgert das Regelwerk DVGW-W 300: „ Aus diesen Gründen müssen die instand zu setzenden Oberflächen vor dem Aufbringen einer Auskleidung durch Beseitigung (z. B. ausreichender Betonabtrag) prinzipiell frei sein von Kontaminationen, welche die Trinkwasserqualität negativ beeinflussen können. Lassen sich die Kontaminationen nicht vollständig entfernen, muss das Instandsetzungskonzept sicherstellen, dass die verbleibenden Kontaminationen nicht zu einer negativen Beeinflussung der Trinkwassers führen können. Durch einen Sachverständigen (Gutachterlösung) ist diesbezüglich die Eignung des gewählten Instandsetzungskonzeptes zu überprüfen und ggf. ein in den Betriebsablauf zu integrierendes Monitoring festzulegen.“ (aus: Arbeitsblatt DVGW W 300-3 (A), Ausgabe Oktober 2014, S. 18) 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 97 Bauzustandsanalyse - notwendig auch bei Auskleidung von der Forst Gutachterbüro Des Weiteren wird sehr oft übersehen, dass bei einer Auskleidung ohne festen Verbund zum Untergrund die Betondeckung höhere Anforderungen hat, im Vergleich zu zementösen Systemen mit festem Verbund zum Untergrund. Das leuchtet ein, denn die ‘‘Inspektionsmöglichkeit“, so heißt es im Regelwerk DVGW-W 300, ist eingeschränkt, weil die Konstruktion durch die Auskleidung verdeckt wird. von der Forst Gutachterbüro TTaabbe ellllee AA TTaabbe el lllee BB QQuueellllee: : AArrbbeeiittssbbllaatttt DDVVGGWW WW 330000--33 ((AA" AAuussggaabbee OOkkttoobbeerr 22001144" SS.. 2288ff.. 98 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Bauzustandsanalyse - notwendig auch bei Auskleidung von der Forst Gutachterbüro Welche Kontaminationen können im Trinkwasserspeicher vorkommen? Untergrund Altbestand Kontamination Gefährdung Beton, Putz, Stahl Lösemittel ° Chlorkohlewasserstoff ° PCB ° Weichmacher ° Lösemittel krebserregend Beton, Putz, Stahl Zyklokautschuk ° Lösemittel ° PCB ° Weichmacher ° Asbest krebsgefährdend Beton, Putz, Stahl Epoxidharze ° Armine ° Bisphenol A ° Isocyanate krebserregend Beton, Putz, Stahl Bitumen, Teer ° Chlorkohlewasserstoff °Asbest ° Lösemittel krebsgefährdend Beton, Stahl, Bewehrung, Fläche Rost ° Wassertrübung ° Standsicherheit Schädigung der Baustatik Beton, Fläche Organik, Holzeinschlüsse ° Holzeinschlüsse °Holzschalung aus Pressholz ° Bio-Verfügbarkeit ° TOC krebserregend Beton, Putz, Rohrleitung Fugen, Dichtungen ° Biowachstum Aufkeimung von der Forst Gutachterbüro 3. Erfahrungen aus der Praxis mit Beispielen 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 99 Bauzustandsanalyse - notwendig auch bei Auskleidung von der Forst Gutachterbüro von der Forst Gutachterbüro 100 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Bauzustandsanalyse - notwendig auch bei Auskleidung von der Forst Gutachterbüro von der Forst Gutachterbüro 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 101 Bauzustandsanalyse - notwendig auch bei Auskleidung von der Forst Gutachterbüro Außenansicht von der Forst Gutachterbüro 102 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Bauzustandsanalyse - notwendig auch bei Auskleidung von der Forst Gutachterbüro von der Forst Gutachterbüro Gutachterlösung nach W 300 Teil 4 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 103 Bauzustandsanalyse - notwendig auch bei Auskleidung von der Forst Gutachterbüro BBeettoonnddeec ckkuunngg bbeeii AAuussk klle eiid duunngg von der Forst Gutachterbüro 104 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Bauzustandsanalyse - notwendig auch bei Auskleidung von der Forst Gutachterbüro Es muss auch mal eine Schürfstelle geöffnet werden, niemand hat Röntgenaugen! von der Forst Gutachterbüro 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 105 Bauzustandsanalyse - notwendig auch bei Auskleidung von der Forst Gutachterbüro Und zuletzt ein Beispiel, das zeigt, dass selbst Edelstahl schnell an eine Belastungsgrenze kommt. Komplett durchkorrodiertes Edelstahlrohr Im vorliegenden Fall war es ein Vorspeicherbecken in einer gedeckelten Kläranlage. Hier ist durch Schwefelwasserstoff sogar das Edelstahlrohr in der Grenzschicht nach bereits 6 Jahren wegkorrodiert. von der Forst Gutachterbüro 44. . ZZu us saammmmeennffa assssu unng g uunndd EEr rg geebbnniis s Wenn es bei zementösen Systemen mittlerweile zum Instandsetzungskonzept gehört, dass vor Ausführung eine Bestandsaufnahme in Form einer Bauzustandsanalyse erstellt wird, so ist dies leider bei einer Auskleidung meist noch nicht so. Die wissenschaftliche Aufarbeitung sowie die Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass eine Bauzustandsanalyse vor einer Auskleidungsmaßnahme eine sinnvolle Ergänzung sein kann. 106 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Bauzustandsanalyse - notwendig auch bei Auskleidung von der Forst Gutachterbüro VViie elleenn DDaannkk ffü ürr IIh hrree AAuuf fm meerrkks saammkke eiit t! ! SSeei ittee 3311 von der Forst Gutachterbüro 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 107 Auskleidungen im Trinkwasserbereich mit Epoxidharzsystemen Dr. Ludger Boonk Vorrink Stahlu. Betonschutz GmbH & Co. KGz48599 Gronauz Zusammenfassung Seit Jahrzehnten werden Stahl- und Betonoberflächen im Trinkwasserbereich mit Epoxidharzen beschichtet und sind seit 2014 im W 300 [W 300] als Auskleidungsvariante beschrieben. Gleichwohl halten sich im Markt tradierte Vorstellungen von mineralischen Auskleidungen, die eine unvoreingenommene Auseinandersetzung mit den Einsatzmöglichkeiten und technischen Potential von polymeren Beschichtungssystemen erschweren. Die Systemaufbauten müssen neben den umfangreichen und detaillierten physiologischen und hygienischen Anforderungen der Bewertungsgrundlage des UBA, den Korrosionsschutz der Bewehrung und generell die Eignung für den Trinkwasserbereich gewährleisten. Über diese Anforderungen hinaus bieten Epoxidharzbeschichtungen attraktive Materialeigenschaften, mit denen sich weitergehende technische Herausforderungen lösen lassen. Obwohl im W 300 die Auskleidungen eher für den Sanierungsfall gedacht sind, kann es finanziell und technisch durchaus lohnend sein eine Beschichtung von vornherein als integralen Bestandteil eines stimmigen Gesamtkonzeptes bei der Planung nicht nur von Sanierungssondern auch von Neubauobjekten vorzusehen. 1. System Vollverbund Auskleidung Die Epoxidharzbeschichtungen gehören wie die zementgebundenen Beschichtungen zu den Verbundauskleidungen, die aufgrund ihres vollflächigen Verbundes zum Untergrund keinerlei Möglichkeit zu Hinterläufigkeiten bieten und sich dadurch systematisch von anderen Auskleidungsvarianten wie Folien, Kunststoffplatten und Edelstahlauskleidungen unterscheiden. Wie die zementgebundenen Materialien benötigen sie eine Oberflächenzugfestigkeit des Untergrundes von 1,5 N/ mm². Um geschlossene Oberflächen zu erzielen muss der Untergrund dicht sein. Das wird in der Regel durch Porenverschlussschichten vor dem Aufbringen der Deckbeschichtung erreicht, die auch Untergrundunebenheiten egalisieren. Wie auch bei anderen Auskleidungssystemen müssen bei statischen Mängeln die zur Erzielung der Standsicherheit notwendigen Maßnahmen vorab mit bauaufsichtlich zugelassenen Materialien durchgeführt werden. 1.1 Systemaufbau Polymerbeschichtungen Bei der Vorbereitung des Untergrundes wird nicht ausreichend tragfähiges Oberflächenmaterial entfernt. Dazu reicht in vielen Fällen ein „anstrahlen“ des Untergrundes. Der Untergrund muss i. d. R. trocken sein (Untergrundfeuchte < 4%) und der Taupunkt sicher unterschritten sein. Technisch schwierig zu definierende und permanent zu kontrollierende Zustände beispielsweise ob der Untergrund zu feucht oder nicht feucht genug oder die Nachbehandlung ausreichend ist, spielen keine Rolle. Es müssen nach aktuellem Regelwerk die Mindestanforderung an den Abstand der Alkalitätsgrenze zur Bewehrung (d a, 5% nach DBV Merkblatt) und die statisch notwendige (Betonüberdeckung C min = 10 mm oder ds) mit vergleichsweise niedrigen Werten eingehalten werden. Je nach Qualität des Untergrundes und Lage der Bewehrung kommt es zu einer strukturierten Oberfläche in der auch Ausbrüche, verursacht durch z.B. korrodierende Bewehrung, angetroffen werden können. Sind diese Ausbrüche nicht von statischer Relevanz, können sie mit Systemkomponenten ohne bauaufsichtliche Zulassung in Stand gesetzt werden. Der Beschichtungsaufbau führt ohne Reprofilierungsmaßnahmen zu durchgängigen Beschichtungsstärken von etwa 2-3 mm [Abb. 1-2], die man als massive Vollverbundplatte auffassen kann. Der Systemaufbau gliedert sich in folgende Phasen: - Grundierung und Verfestigung des Untergrundes (falls notwendig, bei schwachen und ungleichmäßigen Untergründen) - Reprofilieren von Ausbrüchen durch Primern und Mörtelauftrag - Verschluss von Poren und Egalisieren des Untergrundes i. d. R. durch 2 Spachtelschichten auf Epoxidharzbasis [Abb. 2] oder durch eine zementgebundene Auskleidungen im Trinkwasserbereich mit Epoxidharzsystemen 108 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Schicht ggf. mit anschließenden Maßnahmen zum Porenverschluss - Anbringen der Deckbeschichtung 1.2 Anbringen der Deckbeschichtung Die Deckbeschichtung kann abhängig vom zu beschichtenden Bauteil mit unterschiedlichen Materialien und auf unterschiedliche Weisen angebracht werden. Da die Materialien i. d. R. lösemittelfrei und für höhere Schichtstärken ausgelegt sind, wird neben den manuellen Verfahren wie spachteln und streichen/ rollen häufig das Heißspritzverfahren verwendet, in dem unter hohen Drücken das Material maschinell gemischt und bei erhöhten Temperaturen gespritzt wird. Die Schichtstärken können in einem Arbeitsgang 1 - 2 mm bei diesem Verfahren betragen. Das ist deutlich mehr, als für einen geschlossenen Film, der für die Schutzwirkung notwendig ist, gefordert wird. Die erforderlichen Mindestschichtstärken liegen je nach Material in der Größenordnung 300 bis 500 µm. Manche Materialien können im Airlessverfahren bei hohen Drücken unter Verwendung von Wärmetauschern gespritzt werden, wobei die in einem Arbeitsgang zu erzielenden Schichtstärken normalerweise geringer ausfallen. Im Bodenbereich werden oftmals selbstverlaufende Materialeinstellungen verwendet, die im Spachtelverfahren aufgetragen werden. Eine preislich günstigere Variante für kleinere Objekte ist das Auftragen der 2. Spachtelschicht direkt als porenverschließende Deckbeschichtung. Voraussetzung ist eine ausreichende Untergrundqualität. Das optische Ergebnis bleibt üblicherweise hinter dem der gespritzten Flächen zurück. 2. Funktionen der Auskleidung Bei den folgenden Betrachtungen wird von Bauzuständen ausgegangen, bei denen keine statische Beeinträchtigung vorliegt oder die statischen Anforderungen mit entsprechend zugelassenen Systemen wieder hergestellt wurden. Daher wird der Aspekt der statischen Ertüchtigung nicht berücksichtigt. 2.1 Korrosionsschutz der Bewehrung Um die dauerhafte Standsicherheit des Bauwerks zu gewährleisten, muss die Bewehrung gegen Korrosion geschützt werden. Bei Stahlbeton wird durch die Betonüberdeckung des Stahles mit alkalischem Beton in ausreichender Qualität gewährleistet, dass sich der Stahl im alkalischen Milieu befindet, in dem er nicht korrodiert. Durch physikalisch-chemische Vorgänge wie Carbonatisierung und Hydrolyse kann die Alkalität und Festigkeit des Betons in der Randzone verloren gehen. Schreiten diese Prozesse so weit fort, dass sie den Stahl erreichen oder ist die Deckung von vornherein zu niedrig, beginnt der Stahl zu korrodieren. In der Folge kommt es zu Abplatzungen der Betonmatrix. Finden diese Vorgänge in statisch relevanten Bereichen und Umfang statt ist die Standsicherheit des Bauteils gefährdet. Auch ohne tiefgreifende Schädigungsprozesse der Betonrandzone kann die Oberfläche zu betrieblichen und hygienischen Problemen führen. 2.1.1 Korrosionsschutz der Bewehrung durch alkalische zementgebundene Auskleidungen Bei zementgebundenen Auskleidungen unterscheidet man seit langem zwischen Auskleidungen mit Realkalisierungspotential (A1 W 300) und Auskleidungen ohne Realkalisierungspotential (A2 W 300) wobei die Unterscheidung diffus ist. Während man bei den A 1 Materialien in ausreichender Schichtstärke (10 - 20 mm) davon ausging, dass es zu einer aktiven Realkalisierung der carbonatisierten Zone kommt, setzte man bei den A 2 Materialien diese Eigenschaften nicht voraus. Neuere Untersuchungen zeigen, dass die Realkalisierung der nicht alkalischen Bereiche des Untergrundbetons von unterschiedlichen Einflussgrößen wie Feuchtigkeitsangebot, Struktur von Untergrund und Sanierungsmörtel, Verarbeitungseinflüssen, Zeit u.a. Faktoren abhängen, die sich teilweise auch gegenseitig beeinflussen können [Breit/ Raupach]. Zum Redaktionsschluss ist die Verarbeitung der Ergebnisse in der Überarbeitung des W 300 nicht abgeschlossen. Unabhängig vom Maß der wirksamen Realkalisierung bis in den Bereich des Bewehrungsstahles, das unter den unterschiedlichen Bedingungen in der Praxis nicht einfach voraus zu sagen ist, beruht die Schutzwirkung mineralischer Beschichtungen auf deren Qualität (Porosität, Auslaugungsbeständigkeit u.a. sowie den hydrolytischen Einflüssen und der Schichtdicke). Infolgedessen werden unterschiedliche Auskleidungsprinzipien für zementgebundene Systeme formuliert, die vom Erhalt der carbonatisierten / ausgelaugten Zone und deren Realkalisierung bis zu deren vollständigem Ersatz reichen. 2.1.2 Korrosionsschutz der Bewehrung durch Polymerbeschichtungen Die Schutzwirkung von Polymerbeschichtungen folgt dem einfachen Prinzip des hermetischen, diffusionsdichten Abschlusses der Betonrandzone von allen äußeren Einflüssen. Der Zustand der Betonrandzone wird gewissermaßen konserviert. Da der Beton wasserseitig diffusionsdicht abgeschlossen wird, stellt sich unterhalb der Beschichtung eine Ausgleichsfeuchte ein, die von der Restfeuchtigkeit des Untergrundbetons abhängt. Bei den Untersuchungen zur realkalisierenden Wirkung aufgebrachter zementgebundener Auskleidungssysteme wurden die Voraussetzungen für die diffusionsgesteuerte Realkalisierung (Feuchtigkeit, Porosität, Kapillarität u.a.) identifiziert [Breit/ Raupach u. a]. Sollten sich ausreichende Bedingungen für den Ionentransport in der beschichteten Betonrandzone einstellen, wird die Realkalisierung auch aus dem alkalischen Untergrund stattfinden da sie vom Konzentrationsgefälle abhängt. Der Vorteil ist dann, dass die Realkalisierung aus dem Untergrundbeton in räumlicher Nähe der Bewehrung zur Beschichtung Auskleidungen im Trinkwasserbereich mit Epoxidharzsystemen 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 109 hin erfolgt und das Reservoir an alkalischem Material groß ist. Strukturen wie höhere Porosität und Kapillarität, welche den Ionentransport befördern und in Betonen minderer Qualität vorhanden sind, führen nicht zu negativen Effekten wie Auslaugung, die ebenfalls durch diese Strukturen gefördert würden, weil der Beton wasserseitig durch die Beschichtung gegen diese Transportprozesse abgesperrt ist. Trinkwassergeeignete Oberfläche. Die Oberfläche von Polymerbeschichtungen ist gegenüber den unterschiedlichsten Wasserqualitäten und den im Trinkwasserbereich auftretenden mechanischen Einflüssen innert. Die hydrolytischen Wechselwirkungen führen nicht zu einer Reduzierung der Materialeigenschaften (Verschleiß) der zur Reduzierung der Lebensdauer oder zu Oberflächenveränderungen führen würde. Die Oberfläche ist sehr glatt und die Matrix ist nicht porös, weist keine Kapillarität auf und ist damit nicht saugfähig. Diese Eigenschaften bedingen eine hervorragende Reinigungsfähigkeit. Inhomogene, poröse Untergründe weisen bei der Verwendung von Reinigungsmitteln ein Verkeimungspotential auf [TZW]. Aufgrund der Materialstruktur sind Beschichtungen für diese Mechanismen nicht anfällig. Die sehr detaillierten Untersuchungen nach der UBA Bewertungsgrundlage für Kunststoffe und andere organische Materialien im Kontakt mit Trinkwasser (KTW-BWGL) stellen die Trinkwassereignung über die Beschränkung der einsetzbaren Grundstoffe (Polymerspezifischer Teil), die Grundanforderungen, die rezepturspezifischen Migrationsanforderung sowie die mikrobiologische Eignung (W 270) sicher. 3. Zusatznutzen über die Anforderungen des W 300 hinaus Im W 300 werden Grundanforderungen an die Materialien und Einsatzgrenzen für die Anwendung festgelegt. Darüber hinaus haben die Beschichtungssysteme Eigenschaften, die in der Praxis relevant sind und zusätzliche Entscheidungskriterien im spezifischen Anwendungsfall liefern können. 3.1 Vorteile des nahtlosen „Flüssigkunststoffes“ Die Epoxidharzbeschichtungen befinden sich bei Ihrer Applikation in einem flüssigen Zustand. Sie sind deshalb problemlos auf alle Untergrundformen, die manuell oder maschinell zu erreichen sind, aufzubringen. Nach ihrer Aushärtung handelt es sich um dreidimensional vernetzte, duromere Kunststoffe die nahtlos, ohne Schweißnähte oder Befestigungspunkte den Untergrund gegen alle Einflüsse abschirmen [Abb. 4]. Übergänge zu anderen gebräuchlichen Materialien wie Edelstahl und Stahl stellen kein Problem dar. 3.2 Absperrende Wirkung diffusionsdichter Beschichtungen Als diffusionsdichtes System können Polymerbeschichtungen dazu beitragen die Kosten in den Sanierungsfällen niedrig zu halten, wenn die restlose Entfernung nicht trinkwasserkompatibler Stoffe vom Untergrund technisch und finanziell einen unverhältnismäßigen Aufwand bedeuten. Durch den hermetischen Abschluss der Oberfläche werden auch unerwünschte Substanzen sicher vom Trinkwasser ferngehalten. Das wurde am Beispiel von PCB mittels experimenteller Ermittlung spezifischer Migrationsparameter (Diffusions- und Verteilungskoeffizienten) und anschließender Modellierung der zu erwartenden Migration sicher nachgewiesen [Abb. 5]. Dabei steigen die berechneten Konzentrationen nach ca. 30 Jahren an, liegen aber im nicht messbaren Bereich [pg/ m³]. Sie würden bis zu einem diffusionskontrollierten Maximalwert auf sehr niedrigem Niveau steigen, bevor sie wieder absinken würden. Diese Eigenschaft wird in Zukunft zunehmend interessant, da es die Möglichkeit eröffnet die knapper werdenden Ressourcen Sand und Kies durch Recycling Rohstoffe zu ergänzen, ohne dass negative Auswirkungen auf die Trinkwasserqualität befürchtet werden müssen. Genauso wirksam ist die absperrende Eigenschaft in umgekehrter Richtung und begründet die Schutzwirkung für den Beton. Um diese Möglichkeiten ausschöpfen zu können, ist die technische Betrachtung als Gesamtkonzept notwendig und müsste der momentane Ansatz einer durchgängig trinkwassergeeigneten Materialqualität weiter geöffnet werden. 3.3 Abdichtende Wirkung Gemäß dem Arbeitsblatt DVGW W 300 haben Auskleidungen nicht die Funktion den Behälter abzudichten, sondern das Bauwerk an sich muss konstruktiv dicht sein. Ist der Bestand nun aber nicht dicht, benötigt man technische Lösungen, um die erforderliche Dichtheit zu erreichen. Flächige Undichtigkeiten, Undichtigkeiten unbekannter Herkunft, nicht dynamische Risse, undichte Einbauteile und Durchführungen sind aufgrund des flüssigen bis pastösen Einbauzustandes, der sehr guten Haftung auf vielen Materialien und der materialimmanenten Dichtigkeit der Beschichtungen in dünnen Schichten mit dieser Materialklasse technisch sauber zu lösen. Ggf. sind kraftschlüssige / abdichtende Injektionen von Rissen vorab notwendig. Auch für den Fall undichter Bewegungsfugen bieten Beschichtungen einen guten Haftuntergrund für unterschiedliche Fugenlösungen und andererseits einen Schutz der Fugenrandbereiche gegen Durchfeuchtung bis zur Fuge. Manche Fugenbänder lassen sich direkt mit dem Beschichtungsmaterial dauerhaft auf dem Untergrund verkleben. 3.4 Standardbauweise Es ist gängige Meinung, dass Beton als Baustoff für den Behälterbau das Mittel der Wahl ist und die Vorgaben der Trinkwasserverordnung betonaggressive Wässer ausschließen. In der Praxis [Abb. 6] gibt es jedoch durchaus Einflüsse auf das Bindemittel des Betons, die zu Schäden führen. Diese Einflüsse wirken in vergleichbarer Weise auf zementgebundene Auskleidungen, wobei es materialabhängig zu unterschied- Auskleidungen im Trinkwasserbereich mit Epoxidharzsystemen 110 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 lich starken Auswirkungen kommen kann. Infolgedessen ist in der Praxis die Lebensdauer begrenzt (Opferschicht) [EWP]. Die vielfältigen Einfl ussparameter auf die Qualität zementgebundener Materialien im Trinkwasserbereich sind in Forschungsprojekten beschrieben [Gerdes]. Es ist auch aus Gewährleistungsüberlegungen nach wie vor sinnvoll, die Wasserqualität als Kriterium für die Festlegung der benötigten Oberfl ächeneigenschaften heran zu ziehen. Ungeachtet dessen ist der praktische Aufwand, einen Betonbehälter konform den Anforderungen aus dem W 300 zu bauen, sehr hoch. Dabei sind die hygienische Qualität der Zuschlagstoffe, der Transport der Zuschlagstoffe, die Qualität des Zementes und des Zugabewassers, die Einhaltung der Verarbeitungs- und Nachbehandlungsregeln sowie Hygieneregeln u. a. während der gesamten Bauphase zu beachten. Einen Teil der Risiken, die sich in der Praxis aufgrund der erhöhten Anforderungen im Vergleich zu üblichen Baustellen über die Bauzeit für die trinkwasserberührte Oberfl äche ergeben, können durch eine Beschichtung am Ende der Bauzeit aufgrund der genannten Materialeigenschaften von Polymerbeschichtungen abgefangen werden. Eine Beschichtung von vornherein als integralen Bestandteil des Gesamtkonzeptes zu sehen, kann technisch und fi nanziell sehr sinnvoll sein. 3.5 Spannungen und Gewicht Eine günstige Eigenschaft der Epoxidharze ist, dass der Reaktionsschrumpf ganz überwiegend noch in der Gelphase der Härtung auftritt. Durch den vergleichsweise niedrigen E-Modul des Bindemittels und die niedrigen Einzel- und Gesamtschichtstärken werden die auf den Untergrund wirkenden Spannungen minimiert. Durch das Eindringen der fl üssigen Phase (Systemgrundierung) in die Betonrandzone kann diese verfestigt werden, was in Grenzfällen zu einer Erhöhung der Haftzugfestigkeit führen kann und damit zu höherer Sicherheit bei schwachen und inhomogenen Untergründen. Ein weiterer Aspekt der geringen Schichtdicke ist das niedrige Gewicht, dass sich vor allem bei fi ligranen Deckenkonstruktionen bestehender Behälter positiv bemerkbar machen kann, da der Beschichtungsaufbau mit 2 - 4 kg/ m² in der Regel die Statik nicht über Gebühr belastet. 3.6 Aushärtezeit und Nachbehandlung Epoxidharze erhärten durch eine chemische Reaktion. Die benötigte Durchhärtezeit ist nur von der Temperatur abhängig. Eine Nachbehandlung wie bei zementgebundenen Materialien, die gegen Wasserverlust geschützt werden müssen, ist nicht notwendig, da dem Reaktionsgemisch durch die Umgebungsbedingungen keine Bestandteile entzogen werden. Nach der üblichen Durchhärtezeit von 7 Tagen bei 20 °C sind die Oberfl ächen auch chemisch voll belastbar und einer Inbetriebnahme steht nach der Reinigung und Desinfektion nichts entgegen. Eine eingeschränkte mechanische Belastbarkeit ist üblicherweise schon nach einem Tag, bei schnellen Systemen auch etwas früher gegeben. Durch Erhöhung der Aushärtetemperaturen lassen sich die Aushärtezeiten deutlich verkürzen. Hier kann man in etwa von einen Faktor 2 pro 10 °C ausgehen, was vor allem bei Reparaturarbeiten sehr vorteilhaft ist. Literaturverzeichnis [1] W 300: Technische Regel Arbeitsblatt W 300, Oktober 2014 [2] Breit/ Raupach: Korrosionsschutz durch mineralische Beschichtungen unter Berücksichtigung der Anforde-rungen aus dem neuen DVGW-Arbeitsblatt W 300: 2014 Abschlussbericht, März 2020 DVGW-Förderkennzeichen W 201835 DVGW-Förderkennzeichen W-5-01-14 Deutsche Bauchemie W. Breit, M. Merkel, M. Raupach, R. Schulte Holthausen [3] TZW: DVGW Forschungsprojekt W6/ 02/ 04, Auswir-kungen des Reinigungsverfahrens bei beschichteten Behältern auf die mikrobiologische Beschaffenheit des gespeicherten Wassers, Abschlussbericht 20.12.2007, Kap. 4.3.1, S. 30 J. Klinger, A. Korth [4] Gerdes: Abschlussbericht, Präventiver Oberfl ächenschutz von Trinkwasserbehäl-tern und mikrobiologische Bewertung von zementge-bundenen Beschichtungen A. Gerdes, P. Bischoff, M. Schowtzer, J. Heinrichs, I. Schäufele Hochschule Karlsruhe Technik und Wirtschaft [5] EWP: EWP 11/ 20 Instandstezung des Hochbehälters Försterberg der Stadtwerke Duisburg, Thomas Oertel, Manfred Breit-bach, Sebastian Hof Abb. 1: Systemaufbau Gestrahlter Untergrund, Egalisierung und Porenverschluss, Deckbeschichtung Auskleidungen im Trinkwasserbereich mit Epoxidharzsystemen 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 111 Abb. 2: Porenverschluss Oben: Porenfrei nach vorangegangener Spachtelung Unten: Porig und uneben ohne vorangegangene Spachtelung Abb. 3: Korrosionschutzaufbau Quelle: Institut für Bauforschung Aachen Prof. Raupach Abb. 4: Nahtlos ausgekleideter Behälter Abb. 5: Modellierung der Diffusion von PCB durch eine Epoxidharzbeschichtung Quelle: Untersuchungsbericht FABES Forschungs-GmbH Abb. 6: Aufgeweichte Betonoberfl äche nach 10 Jahren Trinkwasserbelastung. Die Oberfl äche wurde mittels Schalungsdrainagebahn hergestellt. Oberhalb der Wasserstandslinie ist der Beton völlig in Ordnung. 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 113 Life-cycle engineering - Neue technische Ansätze zur Reduktion der Lebenszykluskosten Grundlagen: Zementgebundene Beschichtungen in Trinkwasserbehältern Tobias Bürkle IONYS AG, Karlsruhe Prof. Dr. Andreas Gerdes KIT Innovation Hub - Prävention im Bauwesen, Karlsruhe Zusammenfassung Eine Vielzahl an wissenschaftlich begleiteten praktischen Anwendungsbeispielen haben gezeigt, dass bei einer Ganzheitlichen Betrachtung des Lebenszyklus eines Trinkwasserbehälters aber auch durch eine Portfoliobzw. Strukturanalyse einer gesamten Wasserversorgung die Lebenszykluskosten eines Bauwerks bzw. die Unterhaltskosten der Wasserversorgung signifikant reduziert werden können. Hierbei stellen die werkstofftechnologischen Anforderungen und Fragestellungen einer der maßgebenden Einflussfaktoren dar, der in die Gesamtbetrachtung einbezogen werden muss. Die Werkstoffauswahl, die Qualitätskontrolle der Eigenschaften sowie das Monitoring bzw. die Zustandsanalyse über den Lebenszyklus sind hierbei grundlegende Parameter, die ein liefe-cycle-engineering ermöglichen. 1. Historischer Überblick Die Menschheit kann auf ein Jahrtausend lange Baugeschichte zurückblicken, die sich bis heute auch an realen Bauwerken, wie die Pyramiden von Gizeh, belegen lässt. Die Erbauer wollten durch dieses Bauwerk nicht nur die Bedeutung ihres Herrschers, sondern als Sakralbau die Ewigkeit symbolisieren. Die Dauerhaftigkeit des Bauwerkes hatte in diesem Zusammenhang somit auch eine religiöse Bedeutung. Neben sakralen Gebäuden stand bei der Vielzahl der Bauwerke die Versorgung der Menschen mit Dingen, die für das tägliche Überleben notwendig sind, im Vordergrund. Das gilt insbesondere für die Wasserversorgung, da ohne Wasser Leben nicht möglich ist. Römische Wasserspeicher oder auch von den Puniern erstellte Zisternen, wie man sie auf der Insel Pantelleria findet, sind Zeugnis für die hochentwickelte Ingenieurkunst und dem bereits vorhandenen Wissen über das Werkstoffverhalten [1]. Viele dieser Behälter sind heute noch in Gebrauch und trotz der Nutzungsdauer von ca. 2000 Jahren waren Instandsetzungen bisher nicht nötig. Aber es finden sich auf Pantelleria auch Beispiele für die Entwicklung verschiedener Technologien, wie die Abbildung 1, b) zeigt. Im Laufe der Zeit wurde die ursprüngliche punische Auskleidung (D) mit einer weiteren punischen Auskleidung (E) überarbeitet. Die dazu verwendeten Bindemittel sind eine Mischung aus Kalk und Puzzolanen. Deutlich erkennbar sind die Farbunterschiede, die auf den Einsatz unterschiedlicher Puzzolane wie Ziegelmehl (rot) oder Vulkanasche (grau) zurückzuführen sind [1]. Nach der gewaltsamen Übernahme der Insel in das Römische Reich wurde die Zisterne erneut mit einer mineralischen Beschichtung ausgekleidet. Optisch erkennbar ist der Unterschied in der Zusammensetzung des dazu verwendeten „römischen“ Mörtels. Als Puzzolan wurde diesmal fein gemahlenes Ziegelmehl verwendet, als gröbere Gesteinskörnung u.a. gebrochener Ziegelsplitt. Im Gegensatz zu den von den Puniern verwendeten Vulkanaschen, die auf der Insel in großer Menge vorhanden sind, mussten das Ziegelmehl bzw. der Ziegelsplitt über den Seeweg von Sizilien über eine Distanz von ca. 180 km auf die Insel Pantelleria transportiert werden. Es stellt sich hier also die Frage, ob die Römer von den technischen Vorteilen ihres Puzzolans so überzeugt waren, dass sie die hohen Transportkosten in Kauf nahmen oder ob sie einfach keine Kenntnisse über die Wirkung der Vulkanaschen als Puzzolan hatten. Antike 114 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Life-cycle engineering - Neue technische Ansätze zur Reduktion der Lebenszykluskosten Quellen deuten darauf hin, dass letzteres der Grund für das Vorgehen der Römer waren [1]. Später übernahmen die Römer die „punische Technologie“, wo Vulkanaschen zur Verfügung standen. In anderen Teilen des römischen Reiches, wie in der Schweiz, kamen auch weiterhin Bindemittel auf Basis von Ziegelmehl zum Einsatz [2]. Die römischen Technologien, etwas abgewandelt und mit anderen Rohstoffen, wurden bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts in vergleichbarer Weise eingesetzt. So wird in dem 1899 erst-malig veröffentlichten Buch von Büsing und Schumann eine Rezeptur empfohlen, die von den Autoren als besonders geeignet für die Auskleidung von Trinkwasserbehältern bezeichnet wird [3]. In dieser Rezeptur wird neben Portlandzement auch die Verwendung von Vulkanaschen angeraten. Darüber hinaus wird für die Ausführung vorgegeben, die Beschichtung zweilagig auszuführen. Praktisch wird dazu zunächst eine 2-3 cm dicke Putzschicht aufgetragen, auf die nachfolgend das trockne Bindemittel aufgestreut wird. Nach dem Anziehen wird diese Schicht geglättet, was so zu einer sehr glatten und leicht zu reinigenden Oberfläche führt. Auch diese Behälter sind heute, teilweise mit einem Alter von mehr als 100 Jahren, noch häufig unverzichtbarer Bestandteil der modernen Wasserversorgung. Abbildung 1: Zisterne auf der Insel Pantelleria; a) in Felsen geschlagene Zisterne mit einer Mörtelauskleidung; b) Aufbau einer Zisternenauskleidung D=altpunisch, E=neupunisch, B=römisch 2. Anforderungen an zementgebundene Beschichtungen Die bereits in der Antike geltenden Anforderungen für Trinkwasserspeicher sind auch für die Erstellung bzw. Instandsetzung in der heutigen Zeit noch gültig. • Hygienische Lagerung des Wassers • Ausbessern von Schwachstellen in der Konstruktion • Verschleißschicht gegen chemische und mechanische Einwirkungen • Reinigungsfreundlichkeit der Auskleidung • Optik Und auch mineralische Beschichtungen sind bis heute besonders gut für die Auskleidung von Trinkwasserbehältern geeignet. Sowohl durch ihre Alkalität als auch durch die Nichtverwendung organischer Additive bieten diese Werkstoffsysteme Mikroorganismen keine Voraussetzungen für ein Wachstum. Durch ihre Festmörteleigenschaften schützen die Beschichtungen die da-runterliegende Konstruktion vor mechanischen Beanspruchungen (z.B. Abrasion) oder chemischen Angriffen durch das Wasser (z.B. weiches Wasser, kalklösende Kohlensäure). Die üblicherweise sehr glatten Werkstoffoberflächen reduzieren die Bildung von Ablagerungen, welche eine Biofilmbildung auf den Werkstoffoberflächen begünstigen können. Mit schonenden Reinigungstechniken, d.h. durch Verzicht auf saure Reiniger, lassen sich diese leicht entfernen. Nicht zuletzt spielt in der Anwendung häufig auch die Optik der Innenauskleidungen eine Rolle, da durch den Betreiber dafür besondere Ansprüche formuliert werden. Aber auch aus technischen Gründen ist eine hohe Oberflächenqualität anzustreben, da Fehlstellen oder korrodierende Bereiche so frühzeitiger zu erkennen sind. In jüngerer Vergangenheit spielt die Dauerhaftigkeit dieser Beschichtungen eine zunehmend wichtigere Rolle, da viele Betreiber die Lebenszykluskosten stärker in den Vordergrund stellen. Das führt direkt zu erhöhten Anforderungen an die Beschichtungssysteme, Planung und Aus-führung. Aber auch Beanspruchungen durch den permanenten Kontakt mit dem gespeicherten Wasser sind zu berücksichtigen. Ausgewählte chemisch-physikalische Prozesse, welche die Lebensdauer einer Beschichtung negativ beeinflussen, werden daher in den nachfolgenden Kapiteln näher beschrieben. 3. Schadensmechanismen - Theorie und Praxis Bereits seit den Anfängen der Beton- und Mörteltechnologie ist es bekannt, dass aggressive Wässer nach relativ kurzer Zeit zementgebundene Werkstoffe angreifen und zerstören können [2]. So berichtet O. Graf ausführlich in [4] über die Auswirkungen chemischer und physikalischer Angriffe und welche geeigneten Gegenmaßnahmen zur Verfügung stehen. Ist das Werk auch im Jahre 1930 veröffentlicht worden, so sind einige der Ansätze und Verfahren heute, wenn auch in modifizierter Form, noch Stand der Technik und müssen bei der Planung, beim Bau und beim Betrieb von Trinkwasserbehältern berücksichtigt werden, was auch die entsprechenden Vorgaben im Regelwerk abbilden. Zu den für den Trinkwasserbereich besonders relevanten Schadensmechanismen gehören: • Wirkung von kalklösender Kohlensäure, weiches Wasser und Kondensat • Sulfatangriff • hydrolitische Korrosion 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 115 Life-cycle engineering - Neue technische Ansätze zur Reduktion der Lebenszykluskosten Je nach Quelle oder Wasseraufbereitung kann sich das Wasser in seiner Zusammensetzung und damit in der Aggressivität gegenüber zementgebundenen Werkstoffen stark unterscheiden. Beschreiben lässt sich diese Zusammensetzung mithilfe des Kalk-Kohlensäure- Gleichgewichts, auf dessen Grundlagen hier aber nicht eingegangen werden kann. Für Details wird daher auf die Fachliteratur verwiesen [5-7]. Die Wirkung kalklösender Kohlensäure auf einem Beton ist in der Abbildung 2a erkennbar. Als Folge des ständigen Kontaktes des Werkstoffes mit diesem aggressiven Wasser ist der oberflächennah vorhandene Zementstein aufgelöst worden, die säureunlösliche Gesteinskörnung, meistens Quarz, bleibt unverändert zurück. Die Folge ist das vergleichsweise grobporige Erscheinungsbild. Darüber hinaus sinkt der pH-Wert auf Werte im Bereich von 8-9 ab, was dann eine Ansiedlung von Mikroorganismen möglich macht. Langfristig kann dieser Schadensprozess selbst bei qualitativ hochwertigen Betonen zu Abtragsraten von mehreren Zentimetern führen. In einigen Regionen, wie in Graubünden, ist aufgrund der geologischen Verhältnisse das Wasser besonders weich. Ähnlich wie bei einem kalklösenden Angriff werden auch hier zunächst die leicht wasserlöslichen Bestandteile des Zementsteins, wie Calciumhydroxid, aus der Matrix herausgelöst. Im weiteren Verlauf findet der chemische Abbau des CSH-Gels statt, welches mit ca. 80 % den Hauptanteil am Zementstein stellt. Dieser 2. Schritt im Schadensmechanismus führt zu einem vollständigen Abbau des Betons bzw. der zementgebundenen Beschichtung. Je nach Nutzungsbedingungen (z.B. Strömungsrate, mittlere Verweildauer) kann dies bereits nach wenigen Monaten bis Jahren im Behälter zu erheblichen Schäden führen. Es ist deshalb gerade in diesem Fall zu prüfen, ob nicht ein polymeres Beschichtungssystem geeigneter ist. Ein bisher eher unterschätztes Schadensrisiko geht von der Einwirkung von Kondensat auf frisch applizierte bzw. sehr junge Beschichtungen aus. Während der Ausführung der Beschichtungsarbeiten steigt die relative Luftfeuchtigkeit inner-halb der Wasserkammer stark an. Dies ergibt sich schon allein durch die eingesetzten Methoden zur Untergrundvorbehandlung (z.B. Höchstdruckwasserstrahlen) oder zur Verarbeitung der Beschichtungssysteme (Nass- oder Trockenspritzverfahren. Aber auch bei der Verwendung von Wasserverdampfern für die Nachbehandlung frischer Beschichtungsoberflächen erhöht sich die relative Luftfeuchtigkeit rasch und erreicht Werte knapp unterhalb 100 %. Ist in diesem Fall die Oberflächentemperatur der Wände, des Bodens oder der Decke nur geringfügig niedriger - dafür genügen fallweise bereits wenige Zehntel Grad - findet die Kondensation an den frischen Werkstoffoberflächen statt. Aufgrund der Zusammensetzung des Kondensats - es sind keine Salze im Wasser gelöst, dafür aber größere Mengen an Kohlendioxid (CO2) - werden die wasserlöslichen Beschichtungsbestandteile sehr schnell und lokal an der Grenzfläche zwischen Wassertropfen und Werkstoffoberfläche herausgelöst. Dies schädigt irreversibel die Beschichtung und ermöglicht nachfolgende Schädigungsprozesse. 116 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Life-cycle engineering - Neue technische Ansätze zur Reduktion der Lebenszykluskosten Abbildung 2: Typische Schadensbilder für verschiedene Schadensmechanismen; von oben nach unten: a) Kalklösende Kohlensäure b) Kondensat c) Hydrolytische Korrosion d) Treibender Angriff durch Sulfate Ein erhöhtes Risiko für das Bauwerk ergibt sich aber auch, wenn während der Nutzung als Folge einer unzureichenden Behälterbelüftung Kondensat auf den Deckenflächen entsteht. Die dann ebenfalls ablaufenden Auslaugprozesse senken den pH-Wert auf ca. 8-9 ab. Die Folge ist eine erleichterte Ansiedlung von hochspezialisierten Mikroorganismen (z.B. alkalophile und kryophile Pilze, Bakterien). Über einen längeren Zeitraum sind bei einer geringen Bewehrungsüberdeckung auch Korrosionsprozesse, verbunden mit einem Abplatzen des Überdeckungsbetons zu erwarten. Ein bereits seit mehr als 100 Jahren bekannter Schadensmechanismus basiert auf der Einwirkung von in Wasser gelösten Sulfat-Verbindungen auf zementgebundene Werkstoffe. Bei erhöhten Sulfatkonzentration (> 200 mg/ l) wächst mit steigendem Sulfatgehalt das Schädigungsrisiko und -umfang [8]. In diese Gruppe der klassischen Angriffsmechanismen gehört noch der Sulfatangriff (Abb. 2d). Praktisch reagieren Sulfate mit Bestandteilen des Zementsteins die auch als aluminathaltige Hydratphasen bezeichnet werden. Dabei entsteht Ettringit, ein voluminöses, treibend wirken-des Mineral, welches sich in den Poren des Werkstoffes in Form von Nadeln einlagert und damit zunächst eine Gefügeverdichtung bewirkt. Das drückt sich sogar in einer Festigkeitssteigerung aus. Sind aber die Expansionsräume (Poren, Risse, Übergangszone Gesteinskörnung-Zementstein) mit diesem Reaktionsprodukt gefüllt, führt der mit der weiteren Ettringitbildung verbundene Kristallisationsdruck zu einer Schädigung, die sich in Rissbildung und Abplatzungen ausdrückt. Ein Blick auf die ständig durchgeführten Analysen am gespeicherten Wasser hilft hier vor dem Neubau oder der Instandsetzung das Risiko zu bewerten. Die bisher beschriebenen chemisch-physikalischen Schadensmechanismen sind seit vielen Jahrzehnten bekannt und waren während dieser Zeit, nicht zuletzt auch durch die damit verbundenen hohen volkswirtschaftlichen Belastungen, immer wieder Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen. Regelwerke zur Schadensvermeidung wurden auf Basis dieser Resultate erarbeitet und erfolgreich in der Praxis eingesetzt. In den neunziger Jahren wurden aber vermehrt Schadensbilder in Trinkwasserbehältern vorgefunden, die sich durch die im Weiteren kurz beschriebenen Charakteristika von den bereits beschriebenen Schadensmechanismen unterschieden. Erscheinungsbild Auftreten von Flecken mit einem Durchmesser von bis zu ca. 5 cm, die häufig, deren Oberflächen meistens gelb bis braun verfärbt sind. In einigen Fällen sind sie senkrecht, waagrecht oder orthogonal angeordnet, in anderen Fällen mehr oder minder statistisch verteilt. Mechanische Eigenschaften In den Flecken ist das Material aufgeweicht und kann mechanisch leicht entfernt werden. Chemische Zusammensetzung Die chemische Analyse zeigt eine vollständige Umwandlung des bei der Zementhydratation gebildeten Calciumhydroxids in Calciumcarbonat sowie einen vollständigen Abbau des Zementsteins unter Bildung von weiterem Calciumcarbonat, amorphen Siliziumdioxid und Eisenbzw. Aluminiumhydroxid. Kinetik der Schadensreaktion Besonders auffällig ist die hohe Geschwindigkeit, mit der dieser Schaden voranschreitet. In einigen Fällen war bereits wenige Monate nach der Applikation der Schaden so weit vorangeschritten, dass das in Abbildung 2c dargestellte Schadensbild erkennbar war. Zum damaligen Zeitpunkt konnte mit dem bekannten Wissenstand dieser Schadenstyp nicht erklärt werden, auch die Wissenschaft hatte keine Antwort. Die Folgen in der Praxis waren daher auch gravierend. Versorgungsunternehmen stellten Investitionen zurück, Produkthersteller standen vor hohen Haftungsansprüchen, Planer waren verunsichert hinsichtlich der von ihnen zu erstellenden Ausschreibungen und die Bauunternehmen sahen sich mit einer existenzbedrohenden Auftragsflaute konfrontiert. Dieser hohe „Leidensdruck“ führte zur Initiierung zahlreicher Forschungsprojekte, die neben der Aufklärung des Schadensprozesses auch zu den Grundlagen einer Vermeidungsstrategie führten [8-10]. So wurden von Produktherstellern neue Beschichtungssysteme entwickelt, deren Werkstoffeigenschaften heute deutlich besser sind als die vom Regelwerk geforderten technischen Kenn-größen [11]. Auch bei der Planung und Umsetzung werden heute die erarbeiteten wissenschaftlichen Erkenntnisse durch die gezielte Auswahl der Unternehmer, eine strenge Eigenüberwachung bei Aus- 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 117 Life-cycle engineering - Neue technische Ansätze zur Reduktion der Lebenszykluskosten führung, Qualifizierung der Handwerker und durch stringente Qualitäts-kontrollen durch den Planer während und nach den Arbeiten berücksichtigt. In der Praxis wurde durch diese modifizierte, auf wissenschaftlichen Grundlagen basierende Vorgehensweise nicht nur das Auftreten dieses Schadenstyps drastisch reduziert, sondern insgesamt die Dauerhaftigkeit der in der Wasserspeicherung verwendeten zementgebundenen Werkstoffe deutlich verbessert. Es kann an dieser Stelle daher festgestellt werden, dass die Einbeziehung der Wissenschaft nicht nur die Ursachen aufgeklärt wurde, sondern auch wichtige Beiträge zur Schadensvermeidung geliefert wurden. 4. Zustandsanalyse bei Bestandsbauwerken Vor einer Zustandsanalyse ist eine Vorplanung zur Festlegung der notwendigen Parameter und geeigneter Verfahren zu deren Bestimmung durchzuführen. Dabei ist zwischen Untersuchungen vor Ort und Laboranalysen zu unterscheiden. Die folgende Aufstellung zeigt eine Auswahl dieser Methoden, die sich bei der Zustandsanalyse von Trinkwasserbehältern vor Ort bewährt haben: • visuelle Erfassung von Fehl- und Ausbruchstellen und die Bewertung des Zustandes der Einbauten als Basis für die Auswahl der Probenentnahmestellen • Bestimmung der Oberflächenfestigkeit mittels Schmidt-Hammer zur Identifizierung von Stellen niedriger Festigkeit („aufgeweichte“ Stellen) • Bestimmung der Bewehrungsüberdeckung zur Identifikation korrosionsgefährdeter Bereiche • Ermittlung der Haftzugfestigkeit mittels Abreißversuch zur Charakterisierung der Tragfähigkeit des Untergrundes • Bohrkernentnahme (Ø = 50 - 70 mm) vor Ort für die Laboranalyse. Wichtig ist das sachgemäße Verschließen der Bohrlöcher mit einem für Trinkwasserbehälter zugelassenem Spezialmörtel Mit den Laboruntersuchungen soll der Zustand der Beschichtung bzw. der Betonkonstruktion als Grundlage für die Instandsetzungsplanung quantitativ erfasst werden. Der Anspruch an diese Methoden ist demnach deutlich höher. Folgende Methoden haben sich als besonders geeignet erwiesen, sind aber in der Baupraxis noch nicht so bekannt. Bestimmung der Carbonatisierungstiefe an der Decke Vor allem bei den nicht ständig mit Wasser in Kontakt stehenden Bauteilen, wie der Decke, besteht ein erhöhtes Risiko für eine Bewehrungskorrosion als Folge einer Carbonatisierung der Werkstoffrandzone. Zur Bestimmung der Carbonatisierungstiefe werden Bohrkerne entnommen, diese längs gespalten und durch Ansprühen der Bruchfläche mit dem Flüssigindikator Phenolphtalein der carbonatisierte (farblos) und alkalische Beton (violett gefärbt) identifiziert. Nach Ausmessen der Carbonatisierungstiefe und dem Vergleich mit den Werten für die vor Ort ermittelte Bewehrungsüberdeckung lässt sich das Korrosionsrisiko direkt bewerten. Bestimmung des chemischen Abbaus der Beschichtung Werkstoffschädigende Reaktionen sind in der Regel mit einer Veränderung der chemischen Zusammensetzung der Werkstoffrandzone verbunden, die je nach Fortschritt bzw. Umfang sich auf die ersten Millimeter beschränkt, durchaus aber bereits mehr als einen Zentimeter tief in den Werkstoff reichen kann. Für die Ermittlung des Schädigungsgrads wird mit Hilfe einer modifizierten Metallfräse die Randzone in Millimeterschritten abgefräst und für jeden Schritt das dabei entstandene Pulver aufgefangen. Mit Hilfe der Thermogravimetrie wird in diesen Proben der Gehalt an Calciumhydroxid und Calciumcarbonat mit hoher Genauigkeit ermittelt. Aus den Ergebnissen mit hoher lokaler Auflösung lässt sich nicht nur die Schädigungstiefe direkt ermitteln, sondern auch die Art des chemischen Angriffs. Ist beispielsweise in diesen Proben der Calciumhydroxidgehalt im Vergleich zu den ungeschädigten Bereichen deutlich niedriger, der Calciumcarbonatgehalt aber nahezu konstant, kann von einer Auslaugung der Beschichtung ausgegangen werden. Sind beide Größen niedriger als bei den Vergleichsproben liegt ein Angriff durch kalklösende Kohlensäure vor. Charakteristisch für die hydrolitische Korrosion ist eine Abnahme des Calciumhydroxidgehalts bei gleichzeitiger Zunahme des Calciumcarbonat-gehaltes. Bei der Instandsetzungsplanung wird mit diesen Auslaugprofilen die Abtragtiefe präzis festgelegt, was sich unter anderem positiv auf die Instandsetzungskosten auswirkt. Untersuchungen zum Werkstoffgefüge der Beschichtung In der Praxis wird immer wieder festgestellt, dass die Lebensdauer von Beschichtungen sich deutlich von Behälter zu Behälter, sogar im Bereich einer Wasserversorgung, unter-scheidet. Die Gründe dafür finden sich meistens im Gefüge der Werkstoffrandzone, dass zum großen Teil durch die Verarbeitung des Beschichtungsmaterials bestimmt wird. Für die Charakterisierung des Porengefüges werden die relevanten Größen, Gesamtporosität und Porengrößenverteilung mithilfe der Quecksilberdruckporosimetrie ermittelt. Je nach Bedarf kann diese Untersuchung durch lichtmikroskopische Untersuchungen ergänzt werden. Ein Vergleich der so bestimmten Werte mit den Resultaten für die Auslaugtiefe und der Zusammensetzung des Wassers lässt detaillierte Schlüsse über die tatsächliche Beanspruchung der zementgebundenen Beschichtung bzw. des Konstruktionsbetons zu. Dies ist eine wichtige Voraussetzung, um in der Ausschreibung ein Anforderungskatalog für die Beschichtung festzulegen. Was es wiederum für den Betreiber bzw. den Planer deutlich einfacher macht, ein dauerhaftes, aber auch wirtschaftliche Beschichtung auszuwählen. In einigen Fällen sind diese Untersuchungen aber nicht ausreichend. Findet man beispielswiese in den Trinkwasserbehältern bereits Biofilme, so können diese mit mik- 118 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Life-cycle engineering - Neue technische Ansätze zur Reduktion der Lebenszykluskosten ro- und molekularbiologischen Methoden charakterisiert werden. In Verbindung mit chemischen Analysen der befallenen Substrate können damit Rückschlüsse über die Ursachen gezogen werden. Je nach der Zusammensetzung des Wassers, z.B. hohe Sulfatgehalte, oder bei einem polymeren Anstrich auf Basis Chlorkautschuk ist es notwendig, weitere chemische Analysen durchzuführen, um zusätzliche Risiken zu identifizieren oder die Entsorgung dieser Beschichtungen vorzubereiten. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen sind in einem Bericht festzuhalten, der neben der Be-schreibung der Ausgangssituation, der der eingesetzten Methoden auch die Resultate der Messungen umfasst. Der Bericht wird mit den Schlussfolgerungen aus den Ergebnissen abgeschlossen. Zusammenfassend ist also festzustellen, dass eine Zustandsanalyse des Bestandsbauwerks für eine technisch und wirtschaftlich erfolgreiche Instandsetzung unverzichtbar ist. 5. Planung, Ausführung und Qualitätskontrolle Die nächsten Schritte bei der Erstellung eines neuen Trinkwasserbehälters oder der Instandsetzung eines Reservoirs bestehen aus den Abschnitten Planung, Ausführung und Qualitätskontrolle. Diese Punkte können im Rahmen dieses Beitrags nicht in der notwendigen Detailtiefe behandelt werden, was aber in einem weiteren Beitrag geschehen soll. Untergrundvorbehandlung Die Aspekte mit einem direkten Einfluss auf die Funktionsfähigkeit und die Dauerhaftigkeit der Beschichtung haben sollen hier aber trotzdem erwähnt und diskutiert werden. Ganz allgemein gilt, dass unabhängig davon, ob ein mineralisches oder polymeres Beschichtungssystem zum Einsatz kommt, ist ein ausreichender Verbund zwischen der Beschichtung und dem Untergrund. Das entsprechende Regelwerk gibt hierzu die Vorgaben bezüglich der Durchführung der Messungen und des zu fordernden Wertes für die Haftzugfestigkeit, üblicherweise mit ≥ 1.5 N/ mm2 [11, 12]. Der Grundgedanke, der sich dahinter verbirgt, ist physikalischer Natur, wonach bei zunehmen-der Kontaktfläche auch der Verbund besser ist. Deshalb wird sowohl beim Neubau als auch bei einer Instandsetzung üblicherweise der Untergrund durch Feststoffstrahlen bzw. Höchstdruckwasserstrahlen vorbereitet. Ziel dieser technischen Maßnahme ist es, den Untergrund mechanisch aufzurauen, um so die Kontaktfläche zur zementgebundenen Beschichtung im Vergleich zu einer glatten Betonfläche deutlich zu erhöhen. Die Qualität dieser Betone variieren in der Praxis in einem größeren Bereich, was nicht selten zu ausgeprägten Differenzen in den von mehr als einem Zentimeter in der Rautiefen führt. In diesem Fall müssen diese Unterschiede durch Verwendung von geeigneten Mörteln wieder egalisiert werden. Ansonsten übertragen sich diese Rautiefenschwankungen auf das nachfolgend zu applizierende Beschichtungssysteme. Mit den Schwankungen in der Schicht-dicke ist ein erhöhtes Risiko verbunden, dass durch ein lokal unterschiedlich verlaufenes Austrocknen und dem damit verbundenen Schwinden hohe mechanische Spannungen entstehen, die zur Rissbildung und/ oder Untergrundablösungen führen. Deshalb ist es von besonderer Wichtigkeit, dass der Planer bereits in der Ausschreibung eine angemessene Rautiefe und deren Überprüfung nach der Untergrundvorbehandlung festlegt. Erst nach der Abnahme der Rautiefe sollten die Arbeiten fortgeführt werden. Qualitätskontrolle Die Investitionen für eine Schichtung in einem neuen Behälter oder auch bei einer Instandsetzung sind vergleichsweise sehr hoch. Finanzielle Aufwendungen dafür von mehreren 100.000 € bis zu mehr als 1 Million € sind nicht selten. Umso überraschender ist es, dass nach Abschluss der Arbeiten oft aus Kostengründen auf eine Qualitätskontrolle verzichtet wird, obwohl der finanzielle Aufwand dafür ein 5-stelligen Betrag in der Regel nicht überschreitet. Für die Planung der Qualitätskontrolle können wir wieder auf die Methoden, die für die Zustandsanalyse eingesetzt wurden, zurückgreifen. Eine klassische Qualitätskontrolle umfasst daher die folgenden Einzelpositionen: • Messung der Haftzugfestigkeit an der Beschichtung im Trinkwasserbehälter • Entnahme von Bohrkernen (üblicher Durchmesser 50 mm) • Bestimmung der Schichtdicken der Beschichtung an den Bohrkernen im Labor • Bestimmung der Gesamtporosität und der Porengrößenverteilung mit dem Quecksilberdruckporosimeter • Bestimmung des Calciumcarbonat - und Calciumhydroxid-Gehaltes mit der Thermogravimetrie Mit den Ergebnissen dieser Qualitätskontrolle können zu einem die im Werkvertrag fixierten Messwerte (z.B. Schichtdicke) überprüft werden. Darüber hinaus lassen sich für die neue Be-schichtung mit diesen Ergebnissen Abschätzungen hinsichtlich der zu erwartenden Lebensdauer machen. So kann man bei einer Wiederholung der Analysen zum Calciumcarbonat/ Calciumhydroxid-Gehalt, beispielsweise bei der Gewährleistungsabnahme nach 5 Jahren, ein bereits stattgefundener Beschichtungsabbau quantitativ erfasst werden. 6. Schlussfolgerungen Aus den hier gemachten Ausführungen lassen sich die folgenden Schlussfolgerungen ziehen: 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 119 Life-cycle engineering - Neue technische Ansätze zur Reduktion der Lebenszykluskosten • Bereits seit der Antike gibt es eine stetige Entwicklung in den Bauweisen und bei den verwendeten Werkstoffen, die aber auch heute aufgrund neuer Herausforderung, wie den Megatrends Klimawandel und Ressourcenverknappung, weitergeführt werden müssen. • Nutzungsbedingt sind Trinkwasserbehälter Umwelteinwirkungen ausgesetzt, die zur Schädigung der verwendeten Werkstoffe führen kann, verbunden mit einem Verlust der Gebrauchstauglichkeit. Die Aufklärung der zugrundeliegenden Schadensmechanismen unter Einsatz moderner analytischer Verfahren ist eine wichtige Voraussetzung für eine nachfolgende Instandsetzung. • Für eine qualifizierte Zustandsanalyse eines Trinkwasserbehälters sind im Vorfeld die Ziele dieser Untersuchungen festzulegen und davon ausgehend die geeigneten Methoden vor Ort oder im Labor auszuwählen. Bei geeignetem Vorgehen kann mit diesen Daten nicht nur die Art des Schädigungsprozesses und der Umfang der Schäden ermittelt, sondern auch eine qualifizierte Prognose über den zukünftigen Schadensverlauf formuliert werden. • Führt man diese Zustandsanalyse für alle Trinkwasserbehälter einer Wasserversorgung durch, kann eine Portfolioanalyse durchgeführt werden. Auf Basis dieser Betrachtungen lässt sich dann ein qualifizierter Investitionsplan für einen Zeitraum von 10-15 Jahren aufstellen, was heute eine zwingende Voraussetzung für eine strategische Planung ist. • Für den Erfolg einer Maßnahme ist die Sicherstellung einer ausreichenden Untergrundvor-behandlung und die Durchführung einer abschließenden Qualitätskontrolle entscheidend. Ein Verzicht darauf, beispielsweise aus finanziellen Gründen, setzt diesen Erfolg leichtfertig aufs Spiel. Literatur [1] Th. Schäfer, F. Schön, A. Gerdes und J. Heinrichs (Hrsg.), Tagungsband Pantelleria, Antike und moderne Wasserspeicherung, Tübinger Archäologische Forschungen Band 12, Verlag Marie Leidorf, Rahden/ Westf., 2014 [2] Daniel Castella (Hrsg.): Vor den Toren der Stadt Aventicum: zehn Jahre Archäologie auf der Autobahntrasse bei Avenches. Avenches: [Association Pro Aventico], (Documents du Musée Romain d‘Avenches Bd. 5), 1998 [3] F.W. Büsing und C. Schumann, Der Portland-Cement und seine Anwendungen im Bau-wesen. verfasst im Auftrag des Vereins Deutscher Portland- Cement-Fabrikanten. 3. vollst. umgearbeitete und verm. Auflage, Kommissions-Verlag der „Deutschen Bauzeitung“, Berlin,1905 [4] O. Graf, Schutz der Bauwerke gegen chemische und physikalische Angriffe, Verlag von Wilhelm Ernst & Sohn, Berlin, 1930 [5] S. Wilhelm, Wasseraufbereitung: Chemie und chemische Verfahrenstechnik, Springer-Verlag, Berlin und Heidelberg, 2008 [6] Walter Koelle, Wasseranalysen richtig beurteilt, Wiley VCH Verlag GmbH, 4. Auflage, 2017 [7] W. Wiedenmannott, Industrielle Wasseraufbereitung, Wiley VCH Verlag GmbH, 1. Auflage, 2016 [8] M. Schwotzer, Zur Wechselwirkung zementgebundener Werkstoffe mit Wässern unter-schiedlicher Zusammensetzung am Beispiel von Trinkwasserbehälterbeschichtungen, Univ. Karlsruhe, Diss., 2008 [9] O.Wenzel, M. Schwotzer, E. Müller, V.S.K Chakravadhanula, T. Scherer and A. Gerdes, Investigating the pore structure of the calcium silicate hydrate phase, Charact. 133,133-137, 2017 [10] M. Schwotzer, J. Heinrichs, M. ul Islam, V. Perugini and A. Gerdes, Durability of cement-based materials in drinking water storage - Towards an integral performance assessment, in: I. B. Pecur (ed.), Proceedings of the 1st International Conference on Construction Materials for Sustainable Future (CoMS 2017), 78-81, Zadar, Croatia, 19 - 21 April 2017 [11] Technische Regel - Arbeitsblatt DVGW W 300- 4: 2014 Werkstoffe, Auskleidungs- und Beschichtungssysteme - Grundsätze und Qualitätssicherung auf der Baustelle [12] DIN EN ISO 4624: 2016-08, Beschichtungsstoffe - Abreißversuch zur Bestimmung der Haftfestigkeit (ISO 4624: 2016); Neubau 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 123 Bemessung des Speicherinhaltes unter Berücksichtigung von Ausfallszenarien und Spitzenabgaben in Zeiten des Klimawandels Paul Eckert Stadtwerke Düsseldorf AG, Düsseldorf Michael Hiller hydrograv GmbH, Dresden Zusammenfassung Aufgrund des notwendigen Rückbaus eines über 100 Jahre alten Trinkwasserspeicherbehälters war es notwendig einen neuen Behälter mit einem für den zukünftigen Bedarf angemessenen Volumen zu planen. Maßgebend für das ermittelte nutzbare Speichervolumen war der Wasserbedarf an Spitzentagen, eine geplante zweitägige Revision des größten Wasserwerks sowie ein Großrohrbruch. Aus den vorliegenden Betriebsdaten wurden Modellkurven des Tagesganges erstellt, welche für die Simulation der unterschiedlichen Szenarien herangezogen wurden. Der neue Speicherbehälter wird ein nutzbares Speichervolumen von 7.500 m³ sowie ein Gesamtvolumen von 12.000 m³ besitzen. Das nutzbare Speichervolumen der gesamten Behältergruppe wird gegenüber der heutigen Situation auf 75.000 m³ reduziert wird. Auch bei den Rekordwasserabgaben von 220.000 m³/ Tag Sommer 2019 erwies sich die gewählte Dimensionierung als ausreichend. Basierend auf einem numerischen Strömungsmodell wurde eine rechteckige Geometrie des Behälters mit einer senkrechten Eindüsung gewählt, so dass die mittlere Verweilzeit des Wassers 36 Stunden beträgt. 1. Einführung Aktuell betreiben die Stadtwerke Düsseldorf AG (SWD) eine Trinkwasserspeicheranlage mit insgesamt drei Hochbehältern. Basierend auf einer Bauzustandsanalyse wurde die Notwendigkeit erkannt, den Behälter 3 aus dem Jahre 1912 zu erneuern. Im Rahmen der Grundlagenplanung wurde zunächst das notwendige Speichervolumen des neu zu bauenden Hochbehälters ermittelt. Hierbei war gemäß der W 300-1 [1] der Speicherbedarf zur Abdeckung von Stundenspitzen maßgeblich sowie eine Risikobetrachtung von Ausfallszenarien im Versorgungsgebiet. Im Zuge der Entwurfsplanung wurden unterschiedliche Behältergeometrien mittels eines numerischen Strömungsmodells betrachtet. Darüber hinaus wurde das Strömungsmodell auch dazu genutzt eine optimale Eindüsung während der Befüllphase zu ermitteln. 2. Struktur der Trinkwasserversorgung der Stadtwerke Düsseldorf AG Die SWD versorgen aktuell die Städte Düsseldorf, Neuss, Mettmann und Erkrath mit rund 55 Mio. m³ Trinkwasser im Jahr. Seit Beginn der zentralen Trinkwasserversorgung basierend auf Rheinuferfiltrat im Jahr 1870 war der Betrieb eines Trink-wasserspeichers zentrales Element zur Abdeckung von Verbrauchsspitzen sowie zur Stabilisierung des Versorgungsdruckes im Versorgungsgebiet. Im Zuge des Anstiegs des Wasserbedarfs wurde über die Jahre mit dem Bau von insgesamt vier weiteren Behältern die nutzbare Speicherkapazität auf 82.000 m³ erhöht. Die Hochbehälteranlage “Auf der Hardt” befindet sich rund 60 m höher als das Düsseldorfer Stadtgebiet und wirkt somit überwiegend als Gegenbehälter (Abb. 1). Für die höher gelegenen Düsseldorfer Stadtteile sowie für die Städte Mettmann und Erkrath fungiert die Anlage als Durchlaufbehälter. Abbildung 1: Versorgungsgebiet der SWD Bemessung des Speicherinhaltes unter Berücksichtigung von Ausfallszenarien und Spitzenabgaben in Zeiten des Klimawandels 124 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 3. Dimensionierung des neuen Speicherbehälters Da basierend auf einer Bauzustandsanalyse der 1912 errichtete Behälter 3 nicht mehr saniert werden konnte, entschieden sich die SWD für einen Neubau an gleicher Stelle. Die W 300-1 fordert zur Bestimmung des Nutzvolumens die angestrebte Versorgungssicherheit und Betriebsreserven zu betrachten. Richtigerweise wird mittlerweile so ein Systemverständnis unter Einbeziehung von Risikobetrachtungen eingefordert anstelle eines vorgegebenen Verhältnisses zwischen Wasserbedarf und Speichervolumen. Die tägliche Spitzenabgabe erreichte in den letzten Jahren an den außergewöhnlich heißen Sommertagen Werte über 200.000 m³/ Tag (Abb.2). Abbildung 2: Tägliche Spitzenabgabe Um an Tagen mit Spitzenabgaben über 200.000 m³/ Tag die stündlichen Spitzenabgaben in den Morgen- und Abendstunden abzusichern, ist im Laufe des Tages ein Abfl uss aus der Hochbehälteranlage von bis zu 25.000 m³ notwendig. Für die Ermittlung des nutzbaren Speichervolumens wurde weiterhin eine Betriebsreserve von 12.000 m³ angesetzt, die einen ungeplanten, zeitlich begrenzten Ausfall eines Wasserwerkes oder einen Großrohrbruch kompensiert. Final wurde auch die geplante, zweitägige Revision des größten Wasserwerks bei gleichzeitigem Volllastbetrieb der anderen beiden Wasserwerke betrachtet. Hierzu wurde basierend auf dem bekannten stündlichen Wasserbedarf der Behältergang mit unterschiedlichen Behältervolumen simuliert (Abb. 3). Aus dieser Simulationsrechnung wurde ermittelt, dass der neu zu bauende Behälter ein nutzbares Speichervolumen von 7.500 m³ aufweisen muss, um einen solchen Ausfall zu überbrücken. Zusammen mit den bestehenden beiden Behältern stehen dann rund 45.000 m³ zur Verfügung. Dieses Speichervolumen wird sich zukünftig dann auf drei Behälter aufteilen. Die vorhandenen Behälter 4 und 5 bestehen jeweils aus zwei Kammern. Der neue Behälter 6 wird mit nur noch einer Kammer errichtet, da dann mit insgesamt fünf Kammern eine ausreichende Unterteilung der gesamten Anlage für notwendige Außerbetriebnahmen zur Begehung und Reinigung vorliegt. Abbildung 3: Simulation der Behälterganglinie 4. Modellierung der Behälterdurchströmung Nach der Festlegung des notwendigen Speichervolumens wurde im Zuge der Entwurfsplanung untersucht, ob der Behälter in einer rechteckigen oder runden Bauweise ausgeführt werden soll. Mittels eines numerischen Strömungsmodells wurden jeweils für beide Geometrien die Strömungsbahnen und aufgeprägten Geschwindigkeiten simuliert. Ziel war es, zu erkennen inwieweit der Behälter während der Befüll- und Entleerungsphase optimal durchströmt wird, so dass keine Bereiche mit hohen Aufenthaltszeiten entstehen. Die numerische Simulation wurde mit der Software AN- SYS CFX durchgeführt [2]. Die Geometrie des Behälters, der ein Gesamtvolumen von 12.000 m³ aufweist, wurde für beide Varianten in dem Berechnungsgitter dreidimensional abgebildet. Die Anordnung der geplanten Betonstützen wurde hierbei berücksichtigt. Durch die getreue Abbildung der Tagesganglinie und dem sich ständig ändernden Wasserspiegel, müssen Strömungsberechnungen transient durchgeführt werden. Zur Berücksichtigung der Wasserspiegeländerung wird das zur Simulation nötige Berechnungsgitter zu jedem Zeitpunkt kontinuierlich angepasst. Die wesentlichen Randbedingungen für die Simulation sind die Zu- und Abfl ussmengen sowie der Anfangswasserspiegel. Für beide Behälterformen wurde während einer Befüll- und Entleerungsperiode eine gute Durchmischung nachgewiesen. Es wurde jeweils eine senkrechte Eindüsung angenommen, die zu einer Ausprägung von zwei Strömungswalzen führte. Diese blieben auch während der folgenden Entleerung in Ihrer Grundstruktur erhalten. Da in dem zur Verfügung stehenden Baufeld sich der rechteckige Behälter besser einpasst, wurde diese Behälterform im Rahmen der Ausführungsplanung weiter verfolgt. In einer folgenden Modellrechnung wurde für die rechteckige Bauform die Auswirkung der Einströmungsrichtung untersucht. Basierend auf früheren Studien an Trinkwasserbehältern ist eine Einströmgeschwindigkeit von ca. 1 m/ s anzustreben [3]. Eine ungehinderte Ein- Bemessung des Speicherinhaltes unter Berücksichtigung von Ausfallszenarien und Spitzenabgaben in Zeiten des Klimawandels 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 125 strömung mit diesem Energieeintrag wurde im 45 Grad sowie 90 Grad Winkel zur Behälterwand simuliert. Abbildung 4 zeigt die Strömungsstruktur für die senkrechte Eindüsung während der Befüllphase. Es entstehen zwei ähnlich große Wirbel mit geringeren Geschwindigkeiten in Ihren Zentren. Diese Bereiche werden in der Entleerungsphase in Richtung des Auslaufs bewegt, so dass diese spätestens in der folgenden Befüllung von der Dynamik der Walze erfasst werden. Abbildung 4: Stromlinien und Fließgeschwindigkeit bei einer senkrechten Eindüsung Bei schräger Zuströmung ergibt sich ein großer Wirbel, der einen Großteil der Grundfläche einnimmt. Links vom Zuflussstrahl, der durch den großen Wirbel zusätzlich umgelenkt wird, bildet sich in der Ecke ein kleinerer Wirbel (Abb. 5). Grundsätzlich ergab auch diese Anordnung einen guten Wasseraustausch. Allerdings ist der Anteil von Bereichen mit geringer Bewegung während der Füllphase hier etwas ausgeprägter. Abbildung 5: Stromlinien und Fließgeschwindigkeit bei einer schrägen Eindüsung Aus diesem Grund kommt die senkrechte Eindüsung zur Ausführung. Die mittlere Verweilzeit des Wassers beträgt bei der Berücksichtigung des häufigsten Wasserbedarfs im Düsseldorfer Versorgungsgebiet und der hieraus resultierenden Behälterganglinie 36 Stunden in dem neu zu bauenden Behälter. Zur Bestimmung des Wasseralters wurde neben der numerischen Modellierung auch verschiedene analytische Berechnungen durchgeführt [2]. 5. Literaturverzeichnis [1] DVW W 300-1 “Trinkwasserbehälter - Planung und Bau” [2] Untersuchungen des geplanten Trinkwasserspeichers Düsseldorf-Gerresheim mit CFD-Simulation; hydrograv GmbH, Dresden. - Interner Bericht an die Stadtwerke Düsseldorf AG, Juli 2020 [3] Schuber,J und Maier, D. (1976) Untersuchungen über denWasseraustausch in Trinkwasserbehältern, gwfwasser/ abwasser 117(7). 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 127 Neubau eines Systembehälters unter besonders schwierigen Rahmenbedingungen Werner Pfahler Netze BW Wasser GmbH Stuttgart Zusammenfassung Nach mehr als 100 Jahren Betriebszeit steht der Neubau / Sanierung des Trinkwasserbehälters „Hohe Halde“ in Stuttgart Rohracker an. Auf Grundlage der Zustandsanalyse fiel die Wahl unter Berücksichtigung des Istzustandes und der Rahmenbedingungen auf einen Neubau. Nach Untersuchung möglicher Standorte war ein freistehender „Edelstahlbehälter“ vorgesehen. Im Zuge des Genehmigungsverfahrens stellte sich dies jedoch als sehr schwierig dar, so dass schlussendlich ein erdverlegter Röhrenbehälter, bestehend aus drei Röhren zur Ausführung kommt. 1. Istzustand Der bestehende Trinkwasserbehälter Baujahr 1909 hat nur eine Wasserkammer und entspricht nicht mehr dem Stand der Technik Das Speichervolumen mit 240m³ ist deutlich zu klein. Die Anlage hat topografisch bedingt, keine Zufahrt und ist nur durch einenFußweg zu erreichen. Im Normalbetrieb und bei Störungen ist eine schnelle Reaktion vor Ort nicht möglich. Zudem liegt die Anlage am Ende der langgestreckten Zone, was sich ungünstig im Normalbetrieb und bei Störungen auswirkt. Lageplan bestehender Trinkwasserbehälter “Hohe Halde” in schwierig zugänglichem Gelände 1.1 Zustandsanlyse Bereits im Jahre 2010 wurde als Grundlage für die weitere Planung eine detailierte Zustandsanlyse durchgeführt. Die Wände bestehen aus Stampfbeton, die Decke aus Stahlbeton. Der Rohrkeller ist sehr beengt, die Hydraulik entspricht nicht mehr dem Stand der Technik. Eine Sanierung bzw. Erweiterung ist nach eingehender Prüfung nicht wirtschaftlich. 2. Variantenuntersuchung Als erster Schritt bei der Entscheidung für eine Variante bzw. bei der Neubauplanung, sei auf die Wichtigkeit des Betriebskonzeptes bzw. Anlagenmanagementes hingewiesen. Hier werden die Weichen für eine wirtschaftliche und nachhaltige Lösung gestellt, bzw. fallen Entscheidungen für evtl. Fehlinvestitionen. Bezüglich eines Neubaues wurden bedingt durch die sehr steile Topographie 6 mögliche Varianten als Standort ermittelt. Unter Abwägung der Punkte Versorgungssicherheit, Anfahrbarkeit, Realisierbarkeit, Wirtschaftlichkeit, Notversorgung während der Bauzeit, Berücksichtigung Bestand sowie Schutzgebiete und Biotope fiel die Wahl schlussendlich auf Variante 5. Neubau eines Systembehälters unter besonders schwierigen Rahmenbedingungen 128 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Bewertungsmatrix der untersuchten Varianten Mit dieser Variante können auch Defi zite der Hochzone Rohracker behoben warden. Lageplan der untersuchten Varianten Da sämtliche Standorte im Landschaftsschutzgebiet liegen wurde eine Eingriffs- und Ausgleichsuntersuchung sowie eine faunistische und artenschutzrechtliche Untersuchung durchgeführt. 3. Neubau (Variante 5) Auf Grundlage des Betriebskonzeptes wurde das erforderliche Volumen für die Variante 5 auf Grundlage des DVGW Arbeitsblattes W 300-1 mit 500 m³ ermittelt. Maßgeblich war hierbei die Vorhaltung der Feuerlöschmenge. 3.1 Edelstahlbehälter Bedingt durch die Lage und Form des noch zu erwerbenden Grundstückes, sowie die direkt angrenzende Bebauung fi el die Art der Ausführung auf zwei freistehende Edelstahlbehälter mit je 250 m³. Vor allem die sehr enge Zuwegung, die kurze Bauzeit sowie die geringe Erdmassenbewegungen waren letztendlich die maßgeblichen Kriterien für diese Art der Bauweise. Die beiden Edelstahlbehälter wären durch ein freistehendes Gebäude mit entsprechendem Objektschutz umhaust worden. Lageplan Edelstahlbehälter Im Zuge des Genehmigungsverfahrens waren die Einwände der Anwohner und des Bezirksbeirates so groß, das nach mehreren Abstimmungsterminen schlussendlich diese Art des Neubaues verworfen werden musste. Unter anderem war die befrüchtete Verschattung ein Thema. Hierzu wurde extra ein Verschattungsmodell erstellt. Modell Verschattung Edelstahlbehälter 3.2 Röhrenbehälter Ein konventionell erstellter Stahlbetonbehälter scheidet wegen der sehr engen Zufahrt aus. Klar war, dass es ein Systembehälter auf Grundlage des DVGW Merkblattes W 300-6 (System- und Fertigteilbehälter) werden wird. Nach Abwägung der möglichen Ausführungen fi el die Wahl auf einen Röhrenbehälter. Für die Umsetzung mussten zwei weitere Grundstücke erworben warden. Nach mehreren schwierigen Verhandlungen konnten diese beiden angrenzenden Grundstücke erworben werden. Um das erforderliche Speichervolumen von 500 m³ zu bekommen, müssen drei Röhren mit jeweils unterschiedlichen Inhalten erstellt werden. Neubau eines Systembehälters unter besonders schwierigen Rahmenbedingungen 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 129 Lageplan Röhrenbehälter mit drei Röhren Die Röhren aus PE sind dabei erdangedeckt und mit mechanischem Schutz versehen. Bei den Röhren handelt es sich um ein zweischaliges System. Der Zwischenraum ist durch Überbzw. Unterdruck online “Lecküberwacht”. Somit können eventuelle Undichtigkeiten sofort erkannt werden. Bei dieser Bauweise sind natürlich größere Erdmassenbewegungen erforderlich als bei den ursprünglich geplanten Edelstahlbehältern. Es musste auch eine größere Menge an Erdmassen (Verdrängung) abgefahren werden. Die Schwierigkeit bei dem Röhrenbehälter besteht darin, die 3,50 m im Durchmesser grossen Röhren über die engen Wege an den Verlegeort zu bekommen. Um dies auch bei der Ausführung sicherzustellen, wurden im Zuge der Ausschreibung und Vergabe mehrere vor Ort Begehungen durchgeführt. 4. Leitungsbau / Hydraulik Zulauf zum Trinkwasserbehälter bleibt die bestehende Zuleitung der Hochzone Rohracker. Der Vordruck wird durch eine Turbine abgespannt und der damit erzeugte überschüssige Strom ins Netz eingespeist. Das bestehende Reduzierventil für die Hochzone (derzeit noch in einem Schacht untergebracht) wird in den Rohkeller des Neubaues integriert. Die Entnhameleitung DN 200 wurde bereits im Herbst 2019 im Spülbohrverfahren im Steilhang errichtet. Um eine Verkeimung dieser Leitung zu vermeiden, wird diese Leitung provisorisch, parallel zur bestehenden Hochzonenversorgung eingebunden. Nach Fertigstellung des Neubaues wird diese Entnahmeleitung auf die Niederzone Rohracker umgestellt. Die dazu erforderlichen Armaturen wurden bereits verbaut. Entnahmeleitung (bereits ausgeführt) Nach Inbetriebnahme des Neubaues wird der alte Trinkwasserbehälter außer Betrieb genommen. Die Zuleitung dient nach Einbau einer Druckreduzierung als Ersatzversorgung. 5. Bau Mit derm Bau des Röhrenbehälters wurde im Herbst 2020 begonnen. Die Fertigstellung ist bis Ende 2021 vorgesehen. Spatenstich im Oktober 2020 unter Einhaltung der Corona - Hygienevorschriften Systembehälter 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 133 Praxis der betontechnologischen Umsetzung beim Neubau des zentralen Trinkwasserbehälters in Stuttgart Hans Baumer Netze-BW Wasser GmbH Zusammenfassung Beton, ein Jahrtausend alter Baustoff, von den Römern schon erfolgreich eingesetzt, und von der heutigen Wissenschaft/ Industrie erfolgreich weiterentwickelt fordert trotz aller Erkenntnisse, alle Baubeteiligte immer wieder heraus. Höchste betontechnologische Ansprüche werden an den Neubau eines Trinkwasserbehälters in klassischer WU-Bauweise gestellt. Um das Ziel, einen rissfreien wasserdichten Trinkwasserspeicher herzustellen, sind alle Spezialisten, wie Objektplaner, Tragwerksplaner, Betontechnologe, Geologe, und letztendlich eine erfahrene Ausführungsfirma gefordert. In meinem Bericht möchte ich anhand des BV Neubau HB Kanonenweg Beispiele aufzeigen wie die technischen Anforderungen in die Praxis umgesetzt wurden. 1. Stuttgarter Wasserversorgung Die Trinkwasserversorgung von Stuttgart ist komplex und aufwändig. Grund dafür ist die besondere Topgraphie der Stadt, mit den Stadtteilen, die sich um das Zentrum auf den angrenzenden Hügeln ausdehnen. Das System muss dadurch Höhenunterschiede von über 300 Metern bewältigen. Das Stadtgebiet Stuttgart ist in 68 Druckzonen aufgeteilt, denn nur so können die natürlichen Höhenunterschiede ausgeglichen werden. Innerhalb dieser Druckzonen befinden sich insgesamt 43 Hochbehälter. Von dort fließt das Trinkwasser durch rund 2.500 Kilometer Leitung und passiert 17.000 Streckenarmaturen, bis es den Kunden über die Hausanschlüsse mit rund 104.000 eingebauten Wasserzählern erreicht. 1.1 Neubau des Trinkwasserbehälters Kanonenweg im Zentrum von Stuttgart Der Trinkwasserbehälter „Kanonenweg“, oberhalb des Urachplatzes gelegen, ist der wichtigste Knotenpunkt der anspruchsvollen Trinkwasserversorgung von Stuttgart. Er wurde mit einem Gesamtspeichervolumen von 10.000 Kubikmetern im Jahr 1881 (Kammern 1 und 2) gebaut und im Jahre 1925 (Kammer 3) auf 20.300 Kubikmeter erweitert. Nach knapp 140 Jahren Betriebszeit war das Ende der Lebensdauer der Anlage erreicht. Ende 2018 wurde der neue Hochbehälter nach knapp drei Jahren Bauzeit in Betrieb genommen. Auf Grundlage des Betriebskonzeptes wurde das Volumen des Neubaus unter Berücksichtigung des prognostizierten Wasserbedarfs auf 7.500 Kubikmeter festgelegt. Der Verbau der Baugrube wurde mit rund 100 doppelt rückverankerten, überschnittenen Stahlbetonbohrpfählen mit einem Durchmesser von 90 Zentimetern und Trägerbohlwänden hergestellt. Für den Aushub bis zur Gründungssohle und den in Teilbereichen erforderlichen Bodenverbesserungen, wurden ca. 26.000 Kubikmeter Erdmasse abgefahren, und 7.000 m³ zum Teil zwischengelagert. Für das neue Bauwerk wurden etwa 750 Tonnen Betonstabstahl und 3.100 Kubikmeter Beton verbaut. Die Decken sind spritzrau, die Wände und Stützen wurden geglättet und mit einer mineralischen Dickbeschichtung ausgeführt Die Bodenbeschichtung wurde im Estrichverfahren eingebaut und flügelgeglättet. Der Trinkwasserbehälter ist erdangedeckt, an den zum Teil sehr steilen Böschungen wurde ergänzend Stabilisierungsmaßnahmen durch Geogitter notwendig. Auf dem gesamten Gelände wurden als Ausgleichsmaßnahme 45 Bäume gepflanzt und ca. 20.000 Bodendecker als zusätzlichen Erosionsschutz erforderlich. Der Kostenrahmen von 10,5 Millionen Euro konnte trotz sehr schwieriger Umstände eingehalten werden. 1.2 Grundlagen Bedarfsplanung / Leistungsbeschreibung Die Planung und Ausführung von WU-Konstruktionen, insbesondere bei Trinkwasserbehältern, stellt den Bauherrn mit seinen Baubeteiligten immer wieder vor besondere technische Herausforderungen. Praxis der betontechnologischen Umsetzung beim Neubau des zentralen Trinkwasserbehälters in Stuttgart 134 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Die gestellten Anforderungen an Beton für den Trinkwasserbereich sind komplex und werden auch in Zukunft nicht einfacher. Auf Grund der Umwelt- und Emissionsauflagen für die Zementindustrie werden zunehmend Betone mit Zusatzstoffen angeboten, die zwar alle physikalischen Anforderungen hervorragend erfüllen, aber ein besonderes Augenmerk auf die hygienischen Grenzwerte erfordern. Dadurch ist es nur zu empfehlen, dass vom Projektstart an, vom AG, Objektplaner in Zusammenarbeit mit den Fachplanern (Tragwerksplaner, Betontechnologen) das Thema Beton berücksichtigt wird. Um unnötige Diskussionen, Besprechungen, Sonderlösungen zu vermeiden, sollten in der Ausschreibung die Anforderungen an den Beton klar und eindeutig definiert sein, um den AN mit seinem Betonlieferanten eine kalkulierbare Grundlage der Arbeitsabläufe während der Ausführung zu geben. Abbildung 1: Oberfläche mit Schalungsbahn Abbildung 2: Oberfläche mineralisch beschichtet Abbildung 3: Oberfläche Sichtbeton Die Verantwortung, eine geeignete Betonrezeptur zu liefern, die alle physikalischen und hygienischen Anforderungen erfüllt, liegt beim AN. Es ist aber zu empfehlen, in der Planungsphase mit den in Frage kommenden Betonlieferanten aus der Region, Kontakt aufzunehmen und sämtliche Anforderungen an die Betonrezeptur abzufragen. Beton nach besonderen Eigenschaften, die im Sortenverzeichnis des Betonlieferanten meist standardmäßig nicht gelistet sind, werden dementsprechend nach Anforderung hergestellt. Dies ist im Voraus für den AN allerdings schlecht kalkulierbar. Je nach Jahreszeit sind die Anforderungen an die Frischbetoneigenschaften, Temperatur, Wärmeentwicklung und Nachbehandlungszeit zu beachten, um die Gefahr einer Rissbildung zu reduzieren. Der AG stellt seine Anforderung an die Oberflächenbeschaffenheit. Sollen die Wände mit Schalungsbahnen ausgeführt, mineralisch beschichtet oder durch eine klassische Sichtbetonoberfläche hergestellt werden. Bei allen Risiken insbesondere bei den hygienischen Anforderungen an trinkwasserberührten Betonoberflächen ist meiner Meinung nach eine nach DVGW W-347 geprüfte mineralische Beschichtung nach wie vor eine sichere Ausführungsvariante, das im Rückblick auch für unser Bauvorhaben die richtige Entscheidung war. Beim Herstellen der Betonwände vor allem bei Sichtbeton ist immer ein Augenmerk auf die Schalhaut zu richten. Saugende oder nicht saugende Schalhaut, Praxis der betontechnologischen Umsetzung beim Neubau des zentralen Trinkwasserbehälters in Stuttgart 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 135 Abbildung 4: Schalhaut. Bsp. System. Westag Trennmittel sind dabei möglichst zu vermeiden. Auch ist zu berücksichtigen, für wieviel Betoniertakte die Schalhaut eingesetzt werden kann, um die gewünschte Oberflächenqualität zu erreichen. Im Regelfall werden meist nichtsaugende Schalungen mit einer Phenolharzbeschichtung eingesetzt, dabei sollte darauf geachtet werden das eine DVGW Zulassung nach W-270 vorliegt. Bei der Betonzusammensetzung sind allerdings auch die Blut- und Sedimentationseigenschaften des Betons nach DBV-Merkblatt Besondere Verfahren zu berücksichtigen. Eine erhöhte Blutwasserabsonderung des Betons kann, insbesondere bei nicht saugender Schalhaut, und dementsprechende Bauteilhöhen neben einer Schlierenbildung auch zu Bereichen mit absandender Oberfläche führen, die sich durch das Aufsteigen des Blutwassers an der Schalungshaut bilden. Eine besondere Herausforderung an die WU-Bauteile stellt immer wieder unter all den technischen und konstruktiven Randbedingungen, die hygienische und physikalische Anforderung des Betons an den Betonlieferant. Unter Berücksichtigung der Rissbreitenbeschränkung, Oberflächenanforderung, und Betonierbarkeit der Bauteile sind die hygienischen Anforderungen in der Abbildung 5: Lagerfläche Schalung Betonrezeptur zu berücksichtigen. Diese Anforderungen sind in der Leistungsbeschreibung durch folgende Mindestangaben genau zu definieren. • Betoneigenschaften nach DIN EN 206-1 und DIN 1045-2 mit besonderen Eigenschaften als WU Beton nach DAfStb- Richtlinie. • Festigkeitsklasse C30/ 37 • Mindestzementgehalt kg/ m³, 320, bei Anrechnung von Zusatzstoffen 270 • Mehlkorngehalt kg/ m³, < 400 • Expositionsklasse einschl. Ergänzende Expo X TWB nach DVGW Arbeitsblatt W-300-4 / W-398, W-347, W-270 • Zemente nach DIN EN 197-1 beschränkt auf CEM I, CEM II, CEM III und DIN 1164-10 unter Begrenzung der Schwermetalle laut Positivliste • Gesteinskörnung nach DIN 12620, es sind die ergänzenden Hinweise auf leichtgewichtige organische Bestandteile unter Einhaltung des Kaliumpermanganat- Index zu berücksichtigen • Zugabewasser nach DIN EN 1008, es ist Trinkwasser zu verwenden • Zusatzmittel nach DIN EN 934-2, das den Wirkungsgruppen Betonverflüssiger, Fließmittel oder Verzögerer zugeordnet ist. Kombinationsprodukte dürfen nicht verwendet werden. Einschränkungen ergeben sich aus dem DVGW Arbeitsblatt W-347 • Zusatzstoffe nach DIN EN 450-1, DIN EN 13263-1 • Für die verwendete Produkte sind die notwendigen Nachweise vorzulegen: Leistungserklärung des Herstellers nach Bauprodukteverordnung, nach DVGW Arbeitsblatt W-347 und DVGW Arbeitsblatt W-270 bei organischen Bestandteilen Abbildung 6: Lieferschein Betonwerk Sehr gute Erfahrung wurden mit der Ausführung von Schalungsbindeelemente für druckwasserdichte Spannstellendurchführungen gemacht. Die Ausführung wird als Komplettelement für verschiedene Wandstärken mit einer zweifach aufgeschweißten Wassersperrplatte min. Praxis der betontechnologischen Umsetzung beim Neubau des zentralen Trinkwasserbehälters in Stuttgart 136 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 25/ 25 cm ausgeschrieben. Das Verschließen der Konenvertiefung erfolgt durch einen Trinkwasserzugelassenem Zementmörtel. Abbildung 7: Ansicht Spannstellen Abbildung 8: Bsp. Schalungsbindeelement Abbildung 9: Faserzement Abstandhalter Betondeckung Gemäß DVGW Arbeitsblatt W 300-4 ist grundsätzlich eine min. Betondeckung cmin = 25 mm (cnom = 40 mm) einzuhalten. Dies wird zum Beispiel durch Abstandhalter aus Faserzement mit Trinkwasserzulassung erreicht. Nachbehandlung Gemäß DVGW Arbeitsblatt W 300-4 gelten die dreifachen Werte der DIN EN 13670 und DIN 1045-3, mindestens aber 14 Tage. Die betonierten Bauteile sind mind. 14 Tage in der Schalung zu belassen, danach 14 Tage Nachbehandlung mit Jutegewebe bzw. Folie. Zu vermeiden sind Luftzüge und Kamineffekte, die zu einem Austrocknen des Betons führen. 1.3 Planerische Aspekte die gemeinsam durch den Fachplaner, Betontechnologe, Tragwerksplaner festzulegen sind Die Anforderungen an das Bauwerk sind in der Bedarfsplanung, durch den Planer festzulegen. Sämtliche Kriterien wie z.B. Beanspruchungsklasse, Bauteilabmessungen, Arbeitsfugen, Fugenabdichtungen, Planung von Einbauteilen, Durchdringungen, Betonierabschnitte, sind zu berücksichtigen. Für die Herstellung einer möglichst rissfreien, wasserundurchlässigen Betonkonstruktion ist die max. Rissbreite festzulegen, in unserem Fall < 0,10 mm. Ziel muss es sein, den zentrischen Zwang und die dadurch entstehende Risse so gering zu halten, dass keine wasserführenden Trennrisse entstehen, und im gleichen Zuge während des Neubaus eine Betonsanierung durchgeführt werden muss. Zwang entsteht durch Verformungen an dem Bauteil, durch zu rasches Abkühlen des jungen Betons durch Schwindprozesse, durch Reibung, abfließende Hydrationswärme (Frühschwinden) oder durch jahreszeitlich bedingte Temperaturunterschiede (Spätschwinden). Eine in anderen Bauvorhaben durchaus positiv und wirtschaftlich interessante Alternative ist, die Vergabe Praxis der betontechnologischen Umsetzung beim Neubau des zentralen Trinkwasserbehälters in Stuttgart 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 137 der Betontechnologie an spezialisierte Ing.- Büros für Weiße Wannen zu vergeben, die in Zusammenarbeit mit dem Tragwerksplaner z.B. den Bewehrungsgrad z.B. auf eine Rissbreitenbeschränkung von 0,15 mm reduzieren, unter Voraussetzung einen wasserdichten Trinkwasserbehälter zu gewährleisten. Auch hier muss das Ko- Kriterium für eine erfolgreiche Abnahme sein, eine bestandene Dichtigkeitsüberprüfung gemäß Vorgabe DVGW Arbeitsblatt W-300- 1. Abbildung 10: Bewehrungsgrad bei einer Rissbreite von 0,15mm Abbildung 11: Bewehrungsgrad bei einer Rissbreite von 0,10mm Arbeitsfugen An den Wandfugen, z.B. Abschalelement mit Fugenblech aus konstruktiv verstärktem Streckmetall mit Fugenblech 2 mm stark und 300 mm breit, beidseitiger Streckgitterüberstand als Abschalung in Stärke der Bewehrung. Einbau als verlorene Schalung zwischen den Bewehrungslagen. Am Wandanschluss der Bodenplatte wurde ein Stahlfugenblech (B= 0,75mm / L= 2.000mm / H= 150mm) mit entsprechender Zulasung das beidseitig mineralisch beschichtet ist, eingebaut. Generell ist darauf zu achten, dass die Anschlussfugen nach dem Betonieren frei von Verschmutzungen durch Betonspritzer und Betonschlempe sind. Verunreinigungen müssen im frischen Zustand gereinigt und entfernt werden. Des Weiteren sind die Anschlussfugen der Bodenplatte/ Wandschalung dicht herzustellen, dass keine Zementschlemme herauslaufen kann. Abbildung 12: Arbeitsfuge Wandabschnitt Abbildung 13: Arbeitsfugen Bodenplatte/ Wand Praxis der betontechnologischen Umsetzung beim Neubau des zentralen Trinkwasserbehälters in Stuttgart 138 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Abbildung 14: Dicht hergestellte Schalung Aufstellfläche Bei erhöhtem Bewehrungsgrad, sind Rüttelgassen durch den Tragwerksplaner festzulegen. Abbildung 15: Rüttelgasse in der Wandfläche Abbildung 16: Rüttelgasse Wandeck Durch den Tragwerksplaner werden die Betonierabschnitte festgelegt. Abbildung 17: Bsp. Skizze Betonierabschnitte 1.4 Qualitätssicherung Betonierkonzept Ziel des Betonierkonzeptes ist die fach- und normgerechte Herstellung der Trinkwasserbehälterkammern und des Rohrkellers. Es werden die Anforderungen und Maßnahmen dargelegt, welche zur Erfüllung dieses Zieles notwendig sind. Folgende Mindestanforderungen sollte ein Betonierkonzept enthalten: • Angaben generell zur Betontechnologie • Angaben zum Sortenverzeichnis, welche Betone zum Einsatz kommen • Freigabe der Betonrezeptur anhand der Erstprüfung durch den Tragwerksplaner/ Betontechnologen • Betonlieferant unter Berücksichtigung der Fahrzeiten/ Entladezeiten ggf. Ersatzlieferwerk bei Großbetonagen oder Ausfall • Bei Betongüte ab C30/ 37 ist eine Überwachung gemäß ÜK 2 nach DIN 1045 erforderlich • Angabe des Baustofflabors für die Eigenüberwachung • Angabe des Baustofflabors für die Fremdüberwachung Betonförderung Die Förderung des Betons erfolgte bei Bodenplatten und Decken mit einer Betonpumpe. Betonagen der Wände wurden vorrangig mittels Kübel durchgeführt. Betoneinbau • Angaben Konsistenz z.B. F3 • Angabe Zielausbreitmaß gemäß den Vorgaben der DIN 1045-2 und DIN EN 206-1. z.B. 42 bis 48 cm • Angabe Verdichtung des Betons z. B. mit Innenrüttlern/ Außenrüttler. Die Bodenplatten und Decken werden außerdem mit einer Motorkartätsche abgezogen. Praxis der betontechnologischen Umsetzung beim Neubau des zentralen Trinkwasserbehälters in Stuttgart 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 139 Bei der Bodenplatte der Trinkwasserbehälter erfolgt eine Oberflächenvergütung mittels Flügelglätten • Angabe Schüttlagen: Diese sollten mit einer Höhe von 50 cm eingebracht werden und sind durch Eintauchen der Innenrüttler in schon verdichtete Lagen miteinander zu vernadeln Frisch- und Festbetonprüfungen, Probenahmen und Lagerung Die Frischbetonprüfungen wie Ausbreitmaß und Betontemperatur werden durch eine fachlich geeignete Person durchgeführt. Die Festbetonprüfungen (Würfeldruckfestigkeit und WU-Prüfung) erfolgen durch den Eigenüberwacher (siehe Punkt Betontechnologie). Jeder Betongang soll im Vorfeld an die fremdüberwachende Stelle gemeldet werden. Die Würfelanzahl richtet sich nach den Vorgaben der DIN 1045. Die Würfel werden bis zur Abholung durch die Prüfstelle in einer Klimakiste gelagert und die Ergebnisse der Prüfungen werden im Betontagebuch bzw. der ÜK II Akte hinterlegt. Nach Abschluss der Betonarbeiten wird durch den Fremdüberwacher ein Abschlussbericht erstellt. Schalung • Welches Schalungssystem für Wände eingesetzt wird • Angabe des Schalungsdruckes in KN/ m². Daraus resultiert unter dem Erstarrungsende der gewählten Betonsorte die Betoniergeschwindigkeit von X m/ Stunde. In Wandtakten mit Gelenkecken ist ein geringerer Schalungsdruck zu berücksichtigen • Angabe über das Schalungssystem der Decke Bewehrung und Einbauteile • Bewehrungsabnahme durch den Tragwerksplaner. Über die Abnahme wird ein Protokoll erstellt • Produktangaben über Fugenblech von Bodenplatten, Bodenplatte/ Wände, Wände/ Wände • Angaben über das Herstellen von Wandöffnungen bzw. Rohrdurchführungen, Schalungskästen oder Streckmetallabstellungen Ausschal- und Nachbehandlungsfristen Zur Verhinderung von Bauteilschäden infolge zu frühen Ausschalens, sind Ausschalfristen einzuhalten. Die Ausschalfristen werden auf Basis der aktuellen Umgebungsbedingungen gemäß Merkblatt „Betonschalungen und Ausschalfristen“ festgelegt. Die Wände sollen jedoch unabhängig davon 10 bis 14 Tage in der Schalung belassen werden. Die Nachbehandlung soll die Festigkeit und Dauerhaftigkeit des Betons insbesondere der Randzone sicherstellen. Zugabewasser darf nicht rasch verdunsten, um das Frühschwinden zu reduzieren. Hier soll das Zementmerkblatt B8 4.2014 als Grundlage für die Dauer der Nachbehandlung fungieren. Die Dauer richtet sich im Wesentlichen nach den Umgebungsbedingungen und der Erhärtungsgeschwindigkeit des Betons. Als Nachbehandlung sind für die Bodenplatten und Deckenplatten das Abdecken mit Folie oder Jutematten vorgesehen. Diese müssen lagegesichert sein. Für die Wände sind das Belassen in der Schalung und das Verkleiden mit Folie geplant. Bei Foliennachbehandlung darf kein „Kaminzug“ entstehen. Nachbehandlungsmittel sind aufgrund Ihrer Nichttauglichkeit für Trinkwasser vom Einsatz ausgeschlossen. Die Nachbehandlung wird in der ÜK II Akte dokumentiert. Einbauteile Bsp. Drucktüre Abbildung 18: Drucktüre Innenseite mit umlaufenden Dichtflansch und zus. eingelegten Verpressschlauch Abbildung 19: Fußteil mit Entlüftungsbohrungen Thermische Betrachtung In der Vergangenheit wurde die Erfahrung gemacht, dass bei Einbauteilen > NW 300, insbesondere bei V4A, eine größere Rissgefahr besteht. Auf Empfehlung erfahrener Betontechnologen wurden erstmalig alle Rohrformstücke vor dem Betonieren gedämmt und der Hydrationsverlauf thermisch überwacht. Es sind im Vorfeld Praxis der betontechnologischen Umsetzung beim Neubau des zentralen Trinkwasserbehälters in Stuttgart 140 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 rechnerisch die maximalen zu erwartenden Bauteilkerntemperaturen aufzuzeigen. Dies ist technisch mit einer relativ hohen Prognosegenauigkeit sehr gut möglich. Grundlage der Berechnungen sind dabei auch Messungen der hydratationsbedingten Wärmeentwicklungen. Dabei ist die zum Einsatz vorgesehene Betonzusammensetzung unter Berücksichtigung tragwerksplanerischer Vorgaben (insbesondere Rissbreitenbegrenzung) und der hydratationssteuernden Eigenschaften (insbesondere Bindemittelarten und -mengen) aufzuzeigen. Mit Festlegung von Frischbetontemperaturen unmittelbar vor dem Einbau sind die bei Umsetzung zu erwartenden Umgebungsbedingungen (Lufttemperatur, Windeinflüsse, Sonneneinstrahlung) auf der Grundlage zugänglicher Wetterprognosen abzuschätzen, einzubinden und aufzuzeigen. Die Berechnungen sind für die einzelnen Bauteile (z.B. Bodenplatte und Wände) durchzuführen. Die maximalen Temperaturdifferenzen im Bauteil zwischen dem Kern und von Außenflächen, auch bezüglich des jeweiligen Untergrundes, sind zu beschreiben, rechnerisch abzuschätzen und aufzuzeigen. Ab Temperaturdifferenzen von i.A. 20 Kelvin und größer steigt die Rissgefahr deutlich an. Die Berechnungen sind für eine zu definierende Zeitspanne durchzuführen. Deren Länge ist abhängig von den zu erwartenden Temperaturentwicklungen und kann auch bis zu mehreren Tagen betragen. Werden dabei Temperaturdifferenzen von größer 18 Kelvin errechnet, sind entsprechende Maßnahmen zur Verringerung dieser Temperaturdifferenzen aufzuzeigen. Dazu gehören Maßnahmen der Nachbehandlung, Belassen in Schalung, Auflegen von Wärmedämmmatten und Dämmen von Einbauteilen. Abbildung 20: Dämmung Einbauteile Abbildung 21: Risiko für Rissbildung z.B. Entnahmeleitung Abbildung 22: Protokoll Hydrationsverlauf, Wärmeentwicklung Besichtigung der Betonmischanlage. Abbildung 23: Beladestelle LKW-Betonmischer Praxis der betontechnologischen Umsetzung beim Neubau des zentralen Trinkwasserbehälters in Stuttgart 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 141 Abbildung 24: Entladestelle Zuschlagstoffe Abbildung 25: Beton Mischanlage 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 143 Edelstahlbehälter und Edelstahlauskleidungen in der Trinkwasserspeicherung - Praxishinweise aus der Sicht des Planers Dipl.- Ing. (FH) Andreas Ohmann UNGER ingenieure, Ingenieurgesellschaft mbH, Darmstadt, Deutschland Zusammenfassung Die Verwendung von Edelstahl in der Ausführung von Trinkwasserbehältern stellt eine von mehreren Möglichkeiten dar, einen Behälterneubau oder eine Behältersanierung durchzuführen. Je nachdem wie sich die örtlichen Verhältnisse darstellen, bietet Edelstahl aufgrund seiner positiven Eigenschaften eine sehr gute Alternative zu den bislang überwiegend angewandten Werkstoffen. Edelstahl hat sich als Werkstoff im Rohrleitungsbau lange bewährt und beeinflusst das Wasser nicht durch Geruch, Geschmack, chemische / bakteriologische Eigenschaften, oder durch mögliche Materialauslaugungen in das Trinkwasser. Behälter oder Auskleidungen aus Edelstahl, richtig verarbeitet und behandelt, haben eine sehr hohe Lebensdauer von mindestens 50 Jahren. Dieser Artikel befasst sich mit Praxishinweisen aus der Sicht des Planers zur Planung und Ausführung der Edelstahlbauweise für den Neubau, wie auch in der Behältersanierung. Anhand von jeweils einem Ausführungsbeispiel aus der Praxis werden zu beachtende Aspekte aufgezeigt. 1. Grundlagen zur Planung und Ausführung - DVGW Regelwerk Alle Grundsätze zur Planung und Ausführung von Trinkwasserbehältern in Edelstahlbauweise sowie für die Sanierung von Trinkwasserbehältern mit einer Edelstahlauskleidung sind in den DVGW Arbeitsblättern W 300 in den Teilen 1-8 beinhaltet. Nachfolgend sind auszugsweise einige Regelwerksschwerpunkte aufgeführt. 1.1 Neubau von Trinkwasserbehältern in Edelstahlbehälterbauweise Das DVGW Arbeitsblatt W 300 -Teil 1: Planung und Bau, ist die Grundlage für Planung, Bau, Betrieb, Instandhaltung und Verbesserung von TW Behältern. Es definiert die Edelstahlbehälter als „Systembehälter“, welche unter anderem aus nichtrostenden Stählen hergestellt werden. Im DVGW Arbeitsblatt W 300 - Teil 4: Werkstoffe, Auskleidungs- und Beschichtungssysteme - Grundsätze und Qualitätssicherung auf der Baustelle werden Hinweise gegeben zur hygienischen Eignung des Materials. Im neuen DVGW Arbeitsblatt W 300-5: Bewertung der Verwendbarkeit von Bauprodukten für Auskleidungs- und Beschichtungssysteme, vom August 2020 sind jetzt die nichtrostenden Stähle in Tabelle 8 aufgenommen worden. Mit dem DVGW Merkblatt W 300 -Teil 6: Trinkwasserbehälter- Planung, Bau Betrieb und Instandhaltung von System- und Fertigteilbehältern wird dieser Bauweise seit dem Vorliegen des Merkblattes im Jahr 2016 im Detail Rechnung getragen. Hier finden sich umfangreiche Hinweise zur gestalterischen Ausführung, Tragwerksplanung und konstruktiven Anforderungen, Innenraumklima, Materialien und zur Reinigung, Desinfektion und Dichtheitsprüfung. 1.2 Sanierung von Trinkwasserbehältern Das DVGW Arbeitsblatt W 300 - Teil 3 Instandsetzung und Verbesserung gibt unter anderem die Auskleidungsprinzipien für diffusionsdichte Formteile (Auskleidungen) ohne Verbund zum Untergrund vor. Für die Edelstahlauskleidung von Behältern ist hierbei das Prinzip „C“ bzw. „C+A1“ oder „C+A2“ je nach Untergrundbeschaffenheit zwingend zu beachten. Im DVGW Arbeitsblatt W 300 Teil 4 werden Hinweise zur hygienischen Eignung des Materials gegeben. Weiterhin sind hier u.a. zahlreiche Hinweise zu Einflussgrößen, konstruktiven Vorgaben, Oberflächenbehandlung/ -nachbehandlung, Reinigung und Desinfektion, und Qualifikationsanforderungen gegeben. Edelstahlbehälter und Edelstahlauskleidungen in der Trinkwasserspeicherung - Praxishinweise aus der Sicht des Planers 144 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 2. Vor- und Nachteile eines Edelstahlbehälters beim Neubau eines Behälters aus der Sicht des Planers Die Bauweise zur Planung von Edelstahlbehältern wird oftmals vom Versorger als Planungsaufgabe gestellt. Meist sind die Gründe hierfür: • Forderung nach hohem Hygienestandart • Forderung hoher Lebensdauer • Vermeidung von Verkeimungen bei längeren Verweilzeiten • Schlechte Erfahrungen mit mineralischen oder Kunststoffoberflächen • Eignung für betonangreifende Wässer Vorteile aus Sicht des Planers: • Punkte wie vor beschrieben • Kosteneinsparung bei Felsuntergründen durch nur geringe Einbindetiefe • Kosteneinsparungen bei Aushub und Entsorgung von Bodenmaterial • geringere Betroffenheit bei nahen Grundwasserständen • geringerer Platzbedarf als beim erdüberdeckten Betonbauwerk • gering mögliche Verbesserung der Druckhöhe durch aufgestellte Tankbauweise mit deutlich höheren Wasserstandshöhen gegenüber der Betonbauweisen • deutlich geringere Lärmbelastung und Baustellenbewegungen bei Baustellenlage in empfindlichen Wohngebieten durch die Gebäudekonstruktion in Fertigteilbauweise (z. Bsp. Holzrahmenbau) und den anschließenden innenliegenden Tankbau • optimale Feststellung der Dichtigkeit des Behälters. Fehler/ Undichtigkeiten werden direkt sichtbar • Bei Wahl eines innenliegenden automatischen Hochdruckreinigungssystems, muss der Behälter nicht mehr händisch gereinigt bzw. begangen werden. Nachteile: • Die Ausführungsarten der VA-Tankerstellung sind herstellerbedingt unterschiedlich und technisch nicht immer direkt vergleichbar • Nur wenige Fachfirmen für den Tankbau im Trinkwasserbereich auf dem Markt vorhanden • Sofern Wettbewerb gefordert sorgfältige und neutrale Ausschreibung damit verschiedene Anbieter mit der von Ihnen entwickelten oder durchgeführten Ausführungsart gleichwertig anbieten können. • Abhängigkeit von Rohstoffpreisen des Edelstahls führt zu konjunkturabhängigen Preisen • Ausführungszeiten benötigen eine längere Vorlaufplanung, um die Fachfirmen in den Projektzeitplan zu integrieren (hohe Auslastung der spezialisierten Firmen). • Insgesamt zu Beginn höhere Investitionskosten, welche sich aber langfristig, die Lebensdauer betreffend, wieder relativieren. 3. Vor- und Nachteile einer Edelstahlauskleidung bei der Sanierung eines Behälters aus der Sicht des Planers Die Sanierung von Trinkwasserbehältern mittels Edelstahlauskleidung ist eine auf dem Markt weniger eingesetzte Bauweise. Meist wird sie aufgrund der in der Regel höheren Investitionskosten und der ungenügenden Bausubstanz des Altbehälters aus wirtschaftlichen Gründen nicht eingesetzt. Dabei hat diese Art der Behälterauskleidung auch Ihre Vorzüge und Anwendungsmöglichkeiten. Zunächst aber ist es für diesen Anwendungsfall unbedingt erforderlich eine umfassende Bauzustandsanalyse zu erstellen, um den Bauwerkszustand umfänglich zu erfassen. Kommt dann das Instandsetzungskonzept zu dem Ergebnis, dass eine Edelstahlauskleidung wirtschaftlich und dauerhaft eingesetzt werden kann, hat dies einige Vorteile. • hoher Hygienestandard • hohe Lebensdauer • Vermeidung von Verkeimungen und Pilzbildung • Schnelle und in der Regel unproblematische Inbetriebnahme • sehr gut geeignet für betonangreifende Wässer • Einsparpotential bei Untergrundvorbereitung, wenn die Bedingungen gemäß Instandsetzungsprinzip „C“ erfüllt sind (Mindestbetondeckung) • Dadurch deutlich geringere Entsorgungskosten • Überbrückung von Rissen • Überbrückung von Fugen welche nur aufwendig hygienisch einwandfrei saniert werden können. • Teilweise Gewährleistungen über 4 Jahre hinaus möglich. Nachteile: • Nur wenige Fachfirmen im Trinkwasserbereich auf dem Markt vorhanden, daher Ausführung meist als Nachunternehmer klassischer DVGW W316 zertifizierter Firmen sinnvoll • Mit Schadstoffen belastete Untergründe müssen trotzdem vorbehandelt werden. Alle Schadstoffe müssen zuerst entfernt werden (z.B. PCB-haltige Anstriche) • Bei Erfordernis einer Untergrundvorbehandlung mit Erhöhung der Bewehrungsüberdeckung meist nicht mehr wirtschaftlich. • Oberflächen hinter der Auskleidung sind ohne Bauteilöffnung nicht mehr einsehbar • Sehr hohe fachliche Eignung und Erfahrung beim Schweißen der Edelstahlbleche erforderlich. Edelstahlbehälter und Edelstahlauskleidungen in der Trinkwasserspeicherung - Praxishinweise aus der Sicht des Planers 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 145 4. Praxisbeispiel Erweiterung einer TW-Behälteranlage mit einem Edelstahltankbehälter 4.1 Objektbeschreibung Bei der ausgeführten Anlage handelt es sich um eine Erweiterung einer Hochbehälteranlage. Bereits vorhanden waren 2 nebeneinander angeordnete TWB mit 500 m³ und 1.000 m³ Nutzinhalt. Der Bedarf von weiteren 1.400 m³ wurde mit einem VA- Behälter in einem kombinierten Beton-/ Holzrahmenbauwerk realisiert. Der Durchmesser der Wasserkammer beträgt 20,60 m und die Mantelhöhe 4,40 m. Die Tankhöhe beträgt insgesamt ca. 5,60 m. Die Edelstahlbauweise wurde vom Betreiber gewünscht und in der Planung der Massivbauweise wirtschaftlich gegenübergestellt. Die Ausführung erfolgte seitlich neben den bestehenden Behältern. Der Neubau wurde an die Rohrinstallation der best. Behälter parallel mit eingebunden. Nach Aushub und Betonbau des in die Erde eingebunden Bauwerksteils (steile Hanglage) erfolgte der obere Teil in Holzrahmenbauweise mit Holzfassade und Metalldach aus Sandwichelementen. Über eine Montageöffnung in der Wand / Decke wurden die Edelstahlbauteile und Rohbleche eingebracht. Anschließend wurde vom Tankbau zuerst die Sohlfläche erstellt. Danach wurde die Tankdeckelkonstruktion aufgebaut zum Schluss die Tankwandung in vollautomatischer Weise (System Hydro-Elektrik GmbH) hergestellt. Als VA- Material wurde der Duplexstahl 1.4162 verwendet. Die Wandstärken betrugen am Dach und Boden 3 mm, und im Wandbereich 4 mm. Abbildung 1: Bauwerksschnitt Abbildung 2: Grundriss Abbildung 3: Ansicht der Erweiterung Edelstahlbehälter und Edelstahlauskleidungen in der Trinkwasserspeicherung - Praxishinweise aus der Sicht des Planers 146 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Abbildung 4: Rohrinstallation 4.2 Praxishinweise zum Neubau eines TW-Behälters in Edelstahlbauweise Planung: Es bedarf einer sorgfältigen Fachplanung und detaillierten Kostenberechnung, um eine wirtschaftliche Lösung zu entwickeln. Dies sollte nur durch erfahrene Fachplaner erfolgen (z. Bsp. Ausbildung entsprechend DVGW W 316). Es sollten nicht nur die Investitionskosten, sondern auch die Lebenszykluskosten betrachtet werden, da die Aufwendungen für Wartung, Reinigung, Betrieb und Instandhaltung für den gesamten Lebenszyklus des Bauwerkes einen deutlichen Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit haben. Topografie: Auch bei starker Hanglage ist eine Ausführung als VA Behälter möglich. Die Bauweise ist fast uneingeschränkt anwendbar. Je flacher geneigt das Gelände ist, umso günstiger werden der Erdbau und die Baukonstruktion der Gebäudehülle. Der Standort des Behälters ist bezüglich seiner Anfahrbarkeit mit Schwerlastfahrzeugen zu prüfen. Insbesondere die Dachbinder bei der Holzbauweise benötigen besondere Zufahrtsbedingungen. Optik: Die Behälter stehen meist exponiert sichtbar. Mit Hilfe der architektonischen Fassaden- und Dachgestaltung kann das Aussehen des Hallenbauwerkes dem Umfeld angepasst werden. Dies erfolgt entweder über Holzfassaden (Feldscheunencharakter) oder über Stahlbaubzw. Betonfertigteilkonstruktionen (Industriebau, Wasserwerksbereich). Bauweise: Bodenplatte und Kellersockel erfolgen in der Regel in Stahlbetonbauweise, der aufbauende Hochbau in Holzständerbauweise, Stahlbau oder Betonfertigteilbau. Bei der Edelstahltankherstellung gibt es mittlerweile unterschiedliche Herstellungsvarianten. Die Tankbauweise erfolgt entweder vollautomatisch durch ein computergesteuertes Schweiß- und Montageverfahren. Alternativ werden die Tanks auch teilautomatisch bzw. von Hand geschweißt erstellt. Hierbei werden die einzelnen Blechringabschnitte durch Aufhängung an den Dachbindern oder über Kranwagen realisiert. Ein besonderes Augenmerk ist hierbei auf die Schweißnähte sowie die Eignung der Schweißfachkräfte zu richten. Die Baukonstruktion ist möglichst luftdicht und Kleintier- / Insektendicht zu erstellen. Materialwahl: Bei Wasserverteilanlagen und bei Wasserspeichern kommen in der Regel V4A -Stähle (z.Bsp.1.4571) zur Ausführung. Seit einigen Jahren werden auch Duplexstähle (1.4062 / 1.4162), bei hohen Beanspruchungen der Super-Duplexstahl 1.4462, im Trinkwasserbereich eingesetzt. [2] Das neue Regelwerk W 300 Teil 5 nennt hierzu einige geeignete Werkstoffbezeichnungen. Tabelle 1aus: DVGW Regelwerk W300 / 5 [1]. Die Bezeichnung Edelstahl rostfrei ist eigentlich „expressis verbis“ nicht zutreffend, da die Korrosionsbeständigkeit von der Legierungszusammensetzung des Stahls abhängig ist [3]. Die Korrosionsbeständigkeit von Edelstahl rostfrei kann beeinträchtigt werden durch den Einfluss von Fremdeisenpartikel in Form von Flugrost oder Stäuben aus Schneide, Schleif- und Schweißarbeiten an Teilen aus unlegiertem Stahl [3]. Daher ist bei Einsatz von Edelstählen gerade in Bezug auf Berührung mit Gabelstaplern, Stahlketten von Flaschenzügen oder Flexen von Kabelpritschen etc. höchste Vorsicht und Überwachung geboten. Weiterhin muss der Edelstahl auch korrosionsbeständig gegen chloridfreie Reinigungs- und Desinfektionsmittel sein. Gebäudeklima: Der Hallenbau erfolgt im freiliegenden Bereich mit einer entsprechenden Wärmedämmung. Der Einbau von mit Hygrostaten gesteuerten Luftentfeuchtern ist hierbei Standard. Edelstahlbehälter und Edelstahlauskleidungen in der Trinkwasserspeicherung - Praxishinweise aus der Sicht des Planers 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 147 Ausschreibung: Die Maßnahmen können entweder schlüsselfertig oder nach einzelnen Losen ausgeschrieben werden. Beide Varianten sind gängig und haben ihre Vor- und Nachteile. Während für die Rohbauarbeiten öffentliche Ausschreibungen durchgeführt werden können, ist der Bieterkreis für die Ausführung der Edelstahltrinkwasserbehälter sehr begrenzt. Hier empfiehlt es sich nach Möglichkeit eine Beschränkte Ausschreibung zu wählen und den Bieterkreis bzw. die Nachunternehmer im Vorfeld genau zu analysieren. Beim schlüsselfertigen Bau sind beim Generalunternehmer die Ausführungsfirmen für den Behälterbau vor Vergabe abzufragen und auf Fachkenntnisse und Referenzen zu prüfen. Aufgrund des hohen Strombedarfs beim Schweißen sind eventuell Stromaggregate vorzusehen. Blitzschutz: Aufgrund der meist exponierten Lage der Behälteranlagen, der Ausführung mit Metalldächern und Metallbehälter besteht ein erhöhtes Blitzschlagrisiko, welchem durch eine entsprechende fachgerechte Blitzschutz- und Erdungsplanung entgegengewirkt werden muss. Bauausführung: Für die Bauausführung ist bereits in der Planung ein Rahmenterminplan zu erstellen, in welchem die Verfügbarkeit der Metallbaufirmen zum Behälterbau berücksichtigt sein sollte. Eine kurzfristige Ausführung ist meist nicht möglich. Weiterhin gilt auch für diese Bauweise, dass für die Ausführung ein Hygienekonzept zu erstellen ist, auch wenn dies bei dieser Bauweise deutlich weniger Aufwand bedarf als in der Massivbauweise. Auf eine sorgfältige Abdichtung im Holzrahmenbau ist zu achten, damit keine Kleintiere bzw. Insekten Zugang finden. Im Bauzustand ist die Luftfeuchte zu beachten, damit die Holzkonstruktion nicht durch Schimmel befallen wird (z. Bsp. nach Estricheinbau etc.). Zur Reinigung und Desinfektion sollten bei Bedarf nur geeignete chloridfreie Reiniger bzw. Desinfektionsmittel genutzt werden. Diese sind mit dem Hersteller des VA- Tanks abzustimmen und von diesem freizugeben. In der Regel reicht bei Edelstahloberflächen die Reinigung mit Wasser und Hochdruckgeräten. 5. Praxisbeispiel Sanierung eines TW-Behälters mittels Edelstahlauskleidung 5.1 Objektbeschreibung In dem nachfolgend beschriebenen Praxisbeispiel wollte der Versorger aufgrund der Entfernung des Behälters zum Wasserwerk und der Funktion als Gegenbehälter mit nur geringen Wasseraustausch, ein hygienisch einwandfreies Material mit hoher Lebensdauer. Bei dem Behälter eines Zweckverbandes handelt es sich um einen Stahlbetonbrillenbehälter mit einem Nutzvolumen von 2 x 1.000 m³ Inhalt. Die Wasserkammern waren mit einem Zementmörtel und einer Chlorkautschuk-Beschichtung versehen. Die Bauzustandsanalyse des sachkundigen Planers hat gezeigt, dass die Bewehrungsüberdeckung die im Regelwerk geforderten 30 mm an Wänden und Boden sicher eingehalten hat. Eine Schadstoffbelastung (PCB) war nicht vorhanden. Die Haftzugswerte des bestehenden Mörtelsystems sowie des gefliesten Bodenbelages waren ebenfalls ausreichend. Es lag im Anstrich partielle Blasenbildung bzw. einzelne Ablösungen vor. Die Decke war mineralisch zu beschichten, um die Bewehrungsüberdeckung zu erhöhen. Das Instandsetzungskonzept konnte somit dem Wunsch des Versorgers folgen und eine Edelstahlauskleidung der Wände und Sohlflächen ohne aufwändige Untergrundbehandlung planen. Zur Ausführung kam ein V4A Edelstahlblech mit 1,5 mm Blechstärke. Die Ausführung der beiden Wasserkammern erfolgte nacheinander unter Einhaltung eines Hygienekonzeptes. Ablauf der Sanierung: Es erfolgte zunächst entsprechend des Instandsetzungskonzeptes die Untergrundvorbehandlung der Deckenfläche und die Schadstellenbeseitigung. Nach setzen der neuen Edelstahlwanddurchführungen erfolgte die Auskleidung der Wände und der Bodenfläche mit den VA Blechtafeln. Zu Schluss wurde die Beschichtung der Decke mit einem dickschichtigen mineralischen Spritzmörtelsystem aufgebracht. Abbildung 5: Einbringen der Blechtafeln Edelstahlbehälter und Edelstahlauskleidungen in der Trinkwasserspeicherung - Praxishinweise aus der Sicht des Planers 148 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Abbildung 6: Verschweißen des Boden-/ Wand Anschlusses Abbildung 7: Schweißnahtprüfung im Farbeindringverfahren (rot/ weiß) Abbildung 8: Entnahmesumpf Abbildung 9: Einbau eines Treppenabstieges 5.2 Praxishinweise zur Sanierung eines TW-Behälters mit einer Auskleidung aus Edelstahlblechen Planung: Auch bei Sanierung mit Edelstahlblechauskleidungen sind fundierte Kenntnisse bei der Planung von TW-Behältern erforderlich. Großer Wert muss auf eine umfassende Bauzustandsanalytik gelegt werden. Hierbei sind insbesondere möglichst ganzflächige Messungen zur Bewehrungsüberdeckung notwendig, um die sichere Einhaltung der Mindestdeckung zu gewährleisten. Weiterhin sind Schadstofffreiheit und Korrosionsfreiheit am Untergrund Voraussetzung. Besonderes Augenmerk ist auf alte Rohr- oder Leiterbefestigungen und einzelne Bewehrungskorrosionspunkte zu richten. Diese sind ausreichend tief auszustemmen, abzuschneiden und wieder zu verschließen. Alte Rohrdurchführungen sind, sofern nicht aus Edelstahl, komplett auszubauen und durch Edelstahlrohrdurchführungen zu ersetzen. Auf eine ausreichend große Einbringöffnung für die Bleche ist zu achten, da die Blechgröße die Menge der Schweißnähte bestimmt und damit auch die Kosten/ m² beeinflusst. Zur Anbringung der Wand- und Bodenverkleidung sind individuelle Ausführungsdetails zu erstellen. Bauweise: Es erfolgte zuerst die Untergrundvorbereitung an der Decke, die Beseitigung von kleinen Schadstellen, sowie die Erneuerung der Rohrdurchführungen. Anschließend wurden zuerst die Wand- und Bodenflächen verkleidet. Hierbei werden die Bleche lagenweise überlappend verlegt, gedübelt, und im WIG Schweißverfahren geschweißt. Darauffolgend wurden die Flächen geschützt und die Decke gemäß Instandsetzungsplanung mineralisch beschichtet. Hierbei wurde der Übergang Decke/ Wand mit eingeputzt und somit dicht verschlossen. Zum Abschluss erfolgte der Einbau der Rohrinstallation sowie einer Edelstahleinstiegs- Edelstahlbehälter und Edelstahlauskleidungen in der Trinkwasserspeicherung - Praxishinweise aus der Sicht des Planers 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 149 treppe, welche über ein kleines Podest angebunden wurde, um die Kopffreiheit zu gewährleisten (siehe Abbildung 9). Materialwahl: Die Deckenbeschichtung erfolgte mit einem rein mineralischen Spritzmörtel mit entsprechender DVGW Zulassung. Für die Behälterauskleidung wurde als Werkstoff der austenitische Edelstahl V4A, Werkst. Nr. 1.4404 gewählt. Die Blechstärke wurde mit 1,5 mm gewählt. Ausführungsdetails: Nachfolgend sind einige schematischen Details zur Ausführung dargestellt. Detail 1: Fensteranschluss, Detail 2: Anschluss Wand / Boden + Wand/ Ecke Detail 3: Anschluss Wand / Decke Detail 4: Rohrdurchführung Ausschreibung: Die Maßnahme wurde vom Auftraggeber als Preisanfrageverfahren beschränkt ausgeschrieben. Im Bieterkreis wurden nur Firmen mit DVGW-Zertifizierung aufgenommen. Die Ausführung der Edelstahlarbeiten erfolgte durch einen Nachunternehmer, welcher sich auf diese Leistung spezialisiert und entsprechende Referenzen vorzuweisen hatte. Bauausführung: Die Bauausführung erfolgte unter Berücksichtigung eines Hygienekonzeptes. Eine Wasserkammer musste dabei immer in Betrieb bleiben. Über ein Qualitätssicherungskonzept wurden die Baustoffe und Leistungen überwacht. Zur Erreichung der Projektziele Termin- und Budgethaltigkeit, bei Einhaltung der sehr hohen Qualitätsziele und Anforderungen im Trinkwasserbereich, ist eine projektabhängige Intensität der Bauüberwachung erforderlich. Nur eine ausreichend häufige und qualifizierte Bauüberwachung führt am Ende zum Erfolg. 6. Fazit Die Edelstahlbehälterbauweise sowie die Sanierung von TW Behältern mit Edelstahlblechauskleidungen stellen eine attraktive Variante zum Standard dar. Sie können im Einzelfall langfristig sogar die wirtschaftlichere Variante sein. Dies ist jedoch durch den sachkundigen Planer im Detail zu untersuchen, wobei die geplante Lebensdauer hier eine große Rolle spielt. Maßgeblich in der Entscheidung ist auch das Sicherheitsbedürfnis des Versorgers, die erforderliche Anordnung am Bauort, die Untergrundverhältnisse bzw. der bauliche Zustand des Bestandes. LITERATURVERZEICHNIS [1] DVGW Arbeitsblätter/ Merkblätter W300 Teile 1-8 [2] Technische Information Edelstahl Rostfrei; Hydro Elektrik GmbH [3] Trinkwasserbehälter; G. Merkel - 3. Auflage 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 151 Systembehälter aus Edelstahl Manfred Brugger, HydroGroup/ Hydro-Elektrik GmbH, 88214 Ravensburg Zusammenfassung Trinkwasserbehälter aus Edelstahl (nach DVGW W 300-6 als Systembehälter [1] beschrieben) setzen sich mehr und mehr im Bereich der Trinkwasserspeicherung durch. Neben der hohen Qualität in der Ausführung durch den Werkstoff Edelstahl schätzen Kunden vor allem die hohe zu erwartende Lebensdauer der Objekte. Der Bericht beschreibt den derzeitigen Stand der Technik zum Bau von Trinkwasserbehältern aus Edelstahl und gibt Hinweise zu den konstruktiven Anforderungen, die bei Planung, Bau und Betrieb solcher Anlagen zwingend zu berücksichtigen sind. Neben eingehausten freistehenden Behältern werden auch Sonderformen und Rohrbehälter aus Edelstahl beschrieben. 1. Trinkwasserbehälter aus Edelstahl Seit dem Jahr 2000 werden in Deutschland Trinkwasserbehälter aus Edelstahl errichtet. Eine regelmäßig durchzu-führende Sanierung der Wasserkammern mit hohen Folgekosten gibt es bei diesem System nicht. Aus diesem Grunde ist dieses System nicht nur für den Neubau interessant, sondern kann auch bei anstehenden Sanierungen als mögliche Lösungsvariante mit untersucht werden. Das nebenstehende Bild zeigt den Einbau eines Edelstahlbehälters mit 3000 m³ Inhalt in eine bestehende Wasserkammer aus Beton (linker Behälter). In einem an den Bestand angebauten Gebäudeteil wurden zunächst zwei Behälter mit je 1500 m³ Volumen angebaut und in Betrieb genommen. Danach erfolgte die Öffnung und der Bau des 3000 m³ fassenden Behälters in den Bestand. Die Anlage verfügt nun über ein Gesamtvolumen von 6000 m³. Behälteranlagen aus nichtrostendem Stahl bestehen aus einem oder mehreren freistehenden, runden Wasserbehältern, die in einem einfachen, wärmegedämmten Gebäude mit abgesetztem Rohrkeller oder Installationsraum aufgestellt sind. Die Gebäudekonstruktionen können als Holzbauhalle, Industriehalle oder als Massivbau errichtet werden. Die Abbildung zeigt den prinzipiellen Aufbau einer Behälteranlage mit zwei Wasserkammern - umgangssprachlich auch oft als Scheunenbehälter bezeichnet. Die Hauptarmaturen, Rohrleitungen, Pumpen, Kontroll- und Überwachungseinrichtungen sowie auch Wasseraufbereitungsanlagen können neben den Behältern leicht zugänglich im Gebäude oder in einem angebauten Gebäudetrakt integriert werden. Durch die Verwendung von hochwertigen Edelstählen mit keimabweisenden inerten Edelstahloberfl ächen für die hermetisch geschlossenen Speicherbehälter, spezielle Einlauf- und Vermischungssysteme sowie kontrollierter Be- und Entlüftung über Filtersysteme, kommt es während der Wasserspeicherung zu keiner nachteiligen Beeinfl ussung der Trinkwasserqualität. Die Anlagen zeichnen sich aus durch ein gutes Kosten-/ Nutzenverhältnis, bedingt durch eine hohe Wirtschaftlichkeit, hohe Lebensdauer sowie geringe Kosten für Betrieb und Wartung. Die Bauzeit und der Ressourceneinsatz sind bei diesem System geringer als bei konventioneller Bauweise, eben- 152 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Systembehälter aus Edelstahl so kann mit dem Baustoff Holz beim Hallenbau auf nachwachsende Werkstoffe gesetzt werden. 1.1 GESTALTERISCHE ANFORDERUNGEN Die Vielzahl möglicher Varianten im Bereich der Behälterstandorte macht es unmöglich, eine standardisierte Gebäudehülle für alle Einsatzfälle zu beschreiben. Durch entsprechende Wahl von Bauwerksformen, Fassaden- und Dachmaterialien, Variation der Höhe oder des Durchmessers, Anzahl der Behälter sowie der Gestaltung der Außenanlagen lassen sich die Bauwerke gut in die Landschaft integrieren. Grundsätzlich bestehen die Bauwerke aus einem Unterbau aus Beton und einem Oberbau z. B. als • Gebäude in Holzständerbauweise mit Holzverkleidung oder Putzträgerplatten • Industriehallenkonstruktion mit gedämmten Paneelen • Halle aus Betonfertigteilen (Sandwichplatten) • Mauerwerk mit Außenputz Bei der Ausführung der Bauwerke ist neben der richtigen statischen Bemessung (Standsicherheitsnachweis für Behälter, Berücksichtigung Erdbebenzone und Schneelasten) insbesondere auf eine winddichte und insektendichte Konstruktion zu achten. Die Betonwände des Unterbaues sind im frostgefährdeten Bereich außen gedämmt auszuführen. Im einfachsten Fall wird der Unterbau als eine ebene Betonplatte ausgeführt, ansonsten als Betonwanne. Das entsprechende Gefälle von mind. 1,0% in Richtung Entnahme wird im Idealfall bereits bei der Betonplatte berücksichtigt um nachträgliche Estricharbeiten zu vermeiden. Mittels Flügelglätter kann zudem eine sehr hochwertige Oberfläche als Basis für Beschichtungen oder Fliesenbeläge hergestellt werden. Auf die richtige Anordnung der Wanddurchführungen sowie den fachgerechten Einbau des Banderders für Blitzschutz und Potentialausgleich ist zu achten. Die Gebäudewände und die Dachkonstruktionen müssen wärmegedämmt ausgeführt werden, je nach Ausführung mit u-Werten zwischen 0,25 und 0,5 W/ m²*K. Bei der Materialwahl und dem Aufbau der Wände ist darauf zu achten, dass es zu keiner Tauwasserbildung in oder auf den Wänden kommen kann. Exkurs Fußböden in Wasserwerken Fußböden in Wasserwerken müssen grundsätzlich so beschaffen sein, dass Sie den Anforderungen der Arbeitsstättenverordnung [2] entsprechen. Hier heißt es unter Punkt 1.5 (1): Die Oberflächen der Fußböden, Wände und Decken der Räume müssen so gestaltet sein, dass sie den Erfordernissen des sicheren Betreibens entsprechen sowie leicht und sicher zu reinigen sind. Und unter 1.5 (2): Die Fußböden der Räume dürfen keine Unebenheiten, Löcher, Stolperstellen oder gefährlichen Schrägen aufweisen. Sie müssen gegen Verrutschen gesichert, tragfähig, trittsicher und rutschhemmend sein. Das Wort rutschhemmend wird in diesem Zusammenhang oft falsch interpretiert. Anforderungen an Fußbodenbeläge in Arbeitsräumen und Arbeitsbereichen mit erhöhter Rutschgefahr werden in der DGUV Regel 108-003 [3] ausführlich beschrieben. Diese Regel beschränkt sich ausführlich auf solche Arbeitsräume, deren Fußböden nutzungsbedingt mit gleitfördernden Stoffen in Kontakt kommen (Im Anhang 1 zu dieser Regel sind die betreffenden Arbeitsräume detailliert aufgeführt.). Ferner ist unter 1.2 genau beschrieben, dass diese DGUV Regel keine Anwendung auf Fußböden in Arbeitsräumen, etc. findet, die trocken genutzt werden und wo die Gefahr des Ausrutschens auf Grund gleitfördernder Stoffe nicht besteht. Dennoch wird in Ausschreibungen teilweise für die Oberflächenbeläge in Wasserwerken eine bestimmte Rutschhemmung nach Bewertungsgruppe R11 oder 12 oder sogar R13 gefordert. Eine solche Forderung steht konträr zur DGUV Regel 108-003, da einerseits nicht begründbar und andererseits die unter Punkt 5.1 beschriebenen Maßnahmen zu Reinigung und Pflege nicht beachtet wurden. So erfordern Bodenbeläge mit hoher Rutschhemmung einen hohen Reinigungsaufwand, welcher in der Regel nur mit Reinigungsmaschinen und Absaugen der Reinigungsflüssigkeit durchgeführt werden kann. Auch verhindern rutschhemmende Beläge das Ablaufen des Wassers erheblich. Näheres wird in der Regel detailliert beschrieben. Fazit: Raue Bodenbeläge mit hoher Rutschhemmung (größer als R9) in Wasserwerken oder Trinkwasserbehältern sind: - weder nach UVV bzw. ArbeitsstättenVO gefordert - nicht leicht zu reinigen - damit hygienisch bedenklich - - und damit zwingend zu vermeiden! 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 153 Systembehälter aus Edelstahl 1.2 AUFBAU HOLZGEBÄUDE Bei Holzständerbauweise können die Wände innen mit z. B. OSB-Platten verkleidet werden, die zugleich auch die innere Dampfsperre bilden und zur statisch erforderlichen Querversteifung des Gebäudes beitragen. Die Dämmung der Wände besteht aus einer bis zu 160 mm dicken Schicht (z. B. aus Mineralwolle). Die Außenhaut zur Dämmung bildet eine winddichte, diffussionsoffene Folie mit einer aufgesetzten hinterlüfteten Boden-Deckelschalung (vertikal) oder Stülpschalung (horizontal). Ideal sind hier naturbelassene, harzreiche heimische Hölzer wie Lärche oder Douglasie in sägerauer Qualität nach DIN 18334 [4]. Holzgebäude müssen so gebaut werden, dass keine Staunässe im unteren Wandbereich entstehen kann. Grundsätzlich müssen die Gebäude deshalb mit einem befestigten Umgang versehen und entsprechend entwässert werden. Alternativ zur Holzverkleidung können die Gebäude - insbesondere in Stadtrandlage oder Wohngebieten mit Putzträgerplatten verkleidet werden und mit einem geeigneten Putz ideal in die bestehende Bebauung integriert werden (siehe Bild rechts). Dachablaufwasser ist gesammelt abzuleiten und vorzugsweise zu versickern. Bei Paneldächern sind entsprechende stirnseitige Einlaufbleche anzuordnen. Schneefanggitter schützen die Dachrinnensysteme und schützen zugleich zuverlässig vor herabstürzenden Schneelasten. 1.3 OBJEKTSCHUTZ Türen sind an einem Objekt unvermeidbar. Laut kriminalpolizeilicher Beratung sind ausschließlich Türen und Fenster ein Angriffsziel von Einbrechern. Ziel des passiven Objektschutzes ist es deshalb (z. B. durch einbruchhemmende Türen), das Eindringen durch diese Öffnungen so zu erschweren, zu verzögern bzw. im besten Fall zu verhindern, bis entsprechende Einsatzkräfte vor Ort sind. Hierzu ist aber ein aktiver Objektschutz (z. B. mittels Türkontakten und aktiver Innenraumüberwachung) unumgänglich! Sich nur auf den passiven Objektschutz zu verlassen ist fragwürdig, denn mit einem heute überall erhältlichen Akkubohrer kann durch jede Betondecke oder Behälterwand in Minuten ein direkter Zugang zur Wasserkammer hergestellt werden! Aktiver Objektschutz bedeutet Einbau einer Alarmanlage mit Türkontakten und aktiver Innenraumüberwachung mittels Infrarot-Bewegungsmeldern, akustischer Alarmierung sowie Aufschaltung auf Sicherheitsdienst oder Polizei. Es ist empfehlenswert, die Objektschutzanlage mit einer Notfallalarmfunktion für den Personenschutz zu kombinieren. 1.4 AUFBAU INDUSTRIEHALLE Bei Industriehallen sind unterschiedlichste Konstruktionen üblich. Als Tragsysteme kommen Betonfertigelemente, Stahlträger (Stahlskelettbau) oder die Kombination beider Systeme zum Einsatz. Als Dach- und Fassadenelemente werden hochgedämmte Sandwichpaneelen verbaut. Die Vielzahl der Konstruktionen erlaubt keine allgemeine Systembeschreibung. Die obigen formulierten grundsätzlichen Anforderungen gelten sinngemäß auch für Industriehallenkonstruktionen, Stahlbetonkonstruktionen oder Mauerwerksaufbau. 1.5 INNENRAUMKLIMA Wasser gehört zu den Stoffen mit den höchsten Wärmekapazitäten. Auf Grund der enormen Wärmemenge, die im Wasser gespeichert ist, sowie der Wärmedämmung der Gebäude ergibt sich eine von der Außentemperatur unabhängige, konstante Raumtemperatur im Betriebsraum. Damit kann sich auch kein Tauwasser an den Behälterwandungen, der Installation sowie den Gebäudeoberflächen bilden. Infolge des stabilen Raumklimas und der konstanten Temperatur der Raumluft, welche immer etwa der Wassertemperatur entspricht, kommt es kaum zur Beanspruchung der Baustoffe, was die Lebensdauer der Behälteranlage deutlich erhöht. 154 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Systembehälter aus Edelstahl Der Betriebsraum außerhalb der Wasserbehälter sollte zur Bewahrung des konstanten Raumklimas nicht separat belüftet werden. Der durch den natürlichen Luftwechsel erzielbare Luftaustausch ist ausreichend. Aufgrund der geschlossenen und winddichten Bauwerke sind Massnahmen zur kontrollierten Luftentfeuchtung vorzusehen. Bewährt haben sich z. B. Kondensations- Luftentfeuchter im Umluftbetrieb, die durch einen Hygrostaten oder externe Taupunktfühler montiert an den kältesten Rohrleitungsoberflächen gesteuert werden. Als Maximalwert für die Luftfeuchtigkeit gilt ein Orientierungswert von 75% rel. Feuchte. 1.6 AUFBAU BEHÄLTERANLAGE Behälteranlagen aus nichtrostendem Stahl dürfen nur von ausreichend qualifiziertem Personal geplant, gebaut und betrieben werden. Behälter bis zu 150 m³ Volumen können werkseitig gefertigt und angeliefert werden, größere Behälter werden vor Ort nach Fertigstellung der Gebäude gefertigt. Tankbauwerke sind Bauwerke im Rahmen der Bauregelliste. Folgende Normen sind zu beachten: • DIN EN 1090 T2 (EXC2) (Stahlbau im bauaufsichtlichen Bereich) [5] • DIN EN 1993-4-2 (Dimensionierung und Konstruktion) [6] Die Behälter aus nichtrostendem Stahl sind mit dem Gebäude fest zu verankern. Dies kann durch eine geeignete geschweißte und mit dem Beton verschraubte Unterkonstruktion oder einen mit dem Beton verschraubten und geklebten Behälterboden realisiert werden. Der Behälterboden ist mit einem Gefälle von mind. 0,5 bis 1 % zur Entnahmetasse bzw. zum Ablaufsumpf auszuführen, um eine vollständige Restentleerung nach Reinigungsvorgängen zu erreichen. Der Grundablass erfolgt über den tiefsten Punkt am Entnahmetopf. Durch den Einbau einer belüfteten Zulaufschleife im Zusammenwirken mit einem tangentialen Einlauf kann eine hervorragende Wasservermischung erreicht und Schichtenbildung vermieden werden. Gleichzeitig werden durch das Einlaufsystem störende Ausgasungen minimiert und die Wasseroberfläche optisch klar gehalten. Jeder Wasserbehälter muss über ein eigenes, separates Lüftungssystem verfügen. So wird im Falle von Wartungs- und Reinigungsarbeiten an einem Behälter sichergestellt, dass es zu keinen nachteiligen Beeinflussungen kommen kann. Jede Lüftungsleitung muss direkt nach außen geführt werden. Außen sind Fliegengitter anzubringen. Ferner sind die Lüftungsleitungen gegen Schnee und Vereisung zu schützen, gegebenenfalls durch Frostschutzmassnahmen wie Wärmekabel, etc. Ferner sind in die Lüftungsleitungen mindestens einstufige, auswechselbare Feinstaubfilter einzubauen. Die Lüftungssysteme sind so an die Behälter anzuschließen, dass gegebenenfalls innen auftretendes Tauwasser in den Überlauf geleitet wird und nicht in die Behälter gelangen kann. Aktive Belüftungssysteme, welche Außenluft über Filtersysteme ansaugen und die Behälter stets unter einem geringen Überdruck im mbar-Bereich halten, sind mehr und mehr im Kommen. Zur Absicherung der Behälter gegen unzulässigen Überdruck bzw. Unterdruck sind geeignete Sicherungsmaßnahmen zu treffen. Im Normalfall reicht ein siphonierter Überlauf aus. Bei hoch liegenden Wasserbehältern, großen Entnahmebzw. Füllleitungen und Entnahme mittels Pumpen, sowie großen Speichervolumen sind spezielle Sicherheitsventile an den Wasserbehältern und gegebenenfalls an den Bauwerken vorzusehen. Der Überlauf ist so zu gestalten, dass die maximal mögliche Zulaufwassermenge schadlos abgeleitet werden kann. Die Überlaufleitungen sind mit Airstopp-Ventilen oder Siphon auszustatten. Es müssen Möglichkeiten geschaffen werden, dass das im Siphon stehende Wasser regelmäßig erneuert bzw. ausgetauscht werden kann. Ein automatisierter Austausch ist dem manuellen Austausch vorzuziehen. Die Überlaufleitung ist in einen Schacht zu führen, in dem eine Trennung mittels Luftstrecke von 300 mm gewährleistet ist. Eine Lufttrennung ist auch bei direktem Außenanschluss unabdingbar. Zur optischen Kontrolle müssen die Wasserbehälter über Schaugläser und eine künstliche Beleuchtung verfügen. Die Beleuchtung erfolgt idealerweise durch einen oder mehrere in das Kegeldach eingebaute Strahler, die so bemessen sein müssen, dass eine gute Ausleuchtung des vollständig gefüllten Wasserbehälters möglich ist. Im Kegeldach ist ferner ein verschließbarer Domdeckel zur Kontrolle der Wasseroberfläche vorzusehen. Für Wartungs- und Inspektionsgänge in das Behälterinnere ist ein druckdichtes Mannloch oder eine Drucktüre im unteren Behälterbereich einzubauen. Alle Treppen, Geländer und Podeste sind unter Einhaltung der gültigen Unfallverhütungsvorschriften auszuführen. 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 155 Systembehälter aus Edelstahl 1.7 NICHTROSTENDE STÄHLE Metallene Werkstoffe in Kontakt mit Trinkwasser haben die Anforderungen der DIN 50930-6 zu erfüllen. Dies bedeutet, dass die eingesetzten metallenen Werkstoffe nach DIN EN 15664-1 geprüft und nach DIN 50930-6 für den allgemeinen Einsatz im Trinkwasser als geeignet bewertet sein müssen. Ferner muss die vom Umweltbundesamt herausgegebene Bewertungsgrundlage für metallene Werkstoffe im Kontakt mit Trinkwasser beachtet werden. Edelstähle im Passivzustand sind in der Positivliste aufgeführt und dürfen damit eingesetzt werden. [7] Nichtrostende Stähle sind Legierungsstähle mit einem Chromgehalt von mindestens 10,5 % und einem Kohlenstoffgehalt kleiner 1,2 % Zusammensetzung und Festigkeit wichtiger Edelstähle [8]In Verbindung mit Sauerstoff bildet sich auf der Werkstoffoberfläche eine durchgehende, dichte und chemisch widerstandsfähige Chromoxidschicht (Passivschicht) aus, welche gegen viele Medien beständig ist. Molybdän neigt wie Chrom zur Passivität und verstärkt damit die Passivschicht. Die Korrosionsbeständigkeit der Edelstähle resultiert einzig aus der Bildung dieser Oxidschichten an der Oberfläche des Stahls. Ein hoher Chromanteil ist hierzu unerlässlich. Die Korrosionsbeständigkeit als das wichtigste Kriterium nichtrostender Stähle ist keine Werkstoffeigenschaft, sondern ergibt sich aus der von der Oberfläche des Werkstoffs ausgehenden Wechselwirkung mit dem jeweils umgebenden Medium. Der Beständigkeit gegen Lochfrass und Spaltkorrosion in chloridhaltigen Wässern kommt bei nichtrostenden Stählen eine zentrale Bedeutung zu. Diese Beständigkeit wird im Wesentlichen durch den Chromgehalt bestimmt und kann durch die sogenannte PRE-Zahl vergleichbar dargestellt werden: (Pitting Resistance Equivalent) PRE = % Cr + 3,3% Mo + 16% N (auch PREN-Zahl). Je höher diese Zahl ist, desto höher ist die Beständigkeit des jeweiligen Stahls gegen Lochfrass und Spaltkorrosion. Die Grafik zeigt die PREN-Zahlen einiger üblicher Edelstähle im Vergleich [8]. Es dürfen nur bauaufsichtlich zugelassene nichtrostende Stähle verwendet werden. Ferner ist vom verarbeitenden Betrieb die Herstellerqualifikation für Stahlkonstruktionen im bauaufsichtlichen Bereich nach DIN EN 1090 T2 vorzulegen ebenso wie die erforderlichen Schweißnachweise. Eine ausreichende Güte der Schweissnähte kann durch Überwachen der Schweißarbeiten mittels zerstörungsfreier Durchstrahlungsprüfung oder Ultraschallprüfung der Baustellenschweißnähte (je nach Konstruktion ist eine stichprobenartige Prüfung ausreichend) sichergestellt werden. 1.8 CHEMISCHE NACHBEHANDLUNG DER SCHWEISSNÄHTE Neben einer fachgerechten Verarbeitung des Edelstahls spielt die Nachbearbeitung für die Ausbildung der Passivschicht eine entscheidende Rolle. Durch Beizen werden Oberflächenveränderungen und Oxidschichten abgelöst. Als Beizmittel werden zähflüssige Beizpasten benutzt. Diese basieren meist auf Salpetersäure und Flusssäure. Das Auftragen erfolgt durch Sprühen oder mit säurefesten Pinseln. Die erforderlichen Beizzeiten sind entsprechend der vorhandenen Temperatur festzulegen. Tiefere Temperaturen erhöhen die erforderlichen Einwirkzeiten. Frost während des Beizvorganges ist zwingend zu vermeiden. Nach dem Beizen muss die Paste in mehreren Spülgängen gründlich und rückstandsfrei abgespült werden. Beizmittelreste auf Edelstahloberflächen können zu Farbveränderungen oder Korrosion führen. Die Passivierung erfolgt im Allgemeinen durch Oxidation mit Luftsauerstoff. Alle Spülwässer sind aufzufangen und gemäß den gesetzlichen Vorschriften aufzubereiten und zu entsorgen. Vor der Inbetriebnahme ist die komplette Behälteranlage gründlich zu reinigen. Im Rahmen dieser Bauendreinigung sind alle inneren und äusseren Tank- und Bauwerksoberflächen gründlich und sauber zu reinigen. Die Trinkwasserbehälter müssen außen mit geeigneten Reinigern nass komplett abgewaschen werden, Innenflächen sind zusätzlich zu desinfizieren. 156 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Systembehälter aus Edelstahl 1.9 REINIGUNG UND DESINFEKTION Für die betriebsbedingte intervallmäßige Reinigung der Behälteranlage wird der Einsatz eines integrierten Reinigungssystems für die vollflächige Innenreinigung empfohlen. Mit dem System können die Behälter mittels Hochdruck halbautomatisch gereinigt und bei Bedarf desinfiziert werden. Im Normalbetrieb ist die Reinigungseinrichtung im Behälter oberhalb des Wasserspiegels fixiert. Die Schlauchdurchführung wird durch eine federbelastete Dichtscheibe abgedichtet. In den meisten Fällen erfolgt die Reinigung mit kaltem Trinkwasser, bei Bedarf können chemische Reinigungsmittel zudosiert werden. Ein Betreten der Behälter ist dazu im Normalfall nicht erforderlich. Zur Desinfektion wird Wasserstoffperoxid empfohlen. Alle Innenflächen des Behälters und die zugehörigen Rohrleitungen müssen gründlich desinfiziert werden. Eine separate Dichtheitsprüfung ist nur bei werksgefertigten Behältern erforderlich. Bei baustellengefertigten Behältern kann die Dichtheitsprüfung im Rahmen der Erstbefüllung erfolgen. Für Kontrolle und Betrieb einer Trinkwasserspeicheranlage sind unabhängig von der Tageszeit stets gute Lichtverhältnisse erforderlich. Aus diesem Grunde ist grundsätzlich eine elektrische Beleuchtung zu installieren. Für die Gebäudebeleuchtung werden (aufgrund der tiefen Raumtemperaturen) Wand- und Deckenleuchten mit energiesparenden, schnellstartenden Leuchtstoffröhren, LED-Röhren oder COB-Hochleistungsstrahler mit LED-Technik empfohlen. Für die Entnahme von Wasserproben sind in jeder Zulauf- und Entnahmeleitung sowie an jedem Behälterauslauf abflammbare Probeentnahmeventile anzuordnen. 1.10 ROHRBEHÄLTER AUS EDELSTAHL Stehende Einzelbehälter werden mit Volumina bis zu 5000 m³ realisiert, in Kombination sind somit mehrkammerige Trinkwasserspeicher mit bis zu 15.000 oder 20.000 m³ Gesamtvolumen realisierbar. Liegende Rohrbehälter als auch stehende Wassertürme komplett aus Edelstahl decken Volumenbereiche bis ca. 150 m³ Inhalt pro Behälter ab. In Kombination bzw. Parallelschaltung sind damit Volumen bis zu 450 m³ realisierbar. Bei liegenden Behältern kann der Bedienungsraum direkt in den Rohrbehälter integriert werden, wie das nachfolgende Bild zeigt. Das Beispiel zeigt einen Quellsammelschacht mit drei Quellzuläufen, integrierter Messtechnik und Verwurfschaltung sowie drehzahlgeregeltem Förderpumpwerk für 45 m³/ h. Rohrbehälter aus Edelstahl können individuell an die verschiedenen Bedürfnisse angepasst werden. Als Werkstoffe kommen grundsätzlich nur höherwertige Werkstoffe wie Duplexstähle in Frage. 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 157 Systembehälter aus Edelstahl Neben Bedienungskammern aus Edelstahl sind auch Betonfertigschächte oder Bauten aus Ortbeton für die Bedienkammern möglich. Eine elegante Variante stellt der Wasserturm aus Edelstahl dar. Hier wird die Bedienkammer direkt unter der Wasserkammer angeordnet. Literaturangaben: [1] Merkblatt DVGW W 300-6 (M): Trinkwasserbehälter; Planung, Bau, Betrieb und Instandhaltung von System- und Fertigteilbehältern [2] Verordnung über Arbeitsstätten (Arbeitsstättenverordnung - ArbStättV) [2] [DGUV Regel 108-003: Fußböden in Arbeitsräumen und Arbeitsbereichen mit Rutschgefahr [2] DIN 18334: Zimmer- und Holzbauarbeiten [2] DIN EN 1090 T2 (EXC2) (Stahlbau im bauaufsichtlichen Bereich) [2] DIN EN 1993-4-2 (Dimensionierung und Konstruktion) [2] Bewertungsgrundlage für metallene Werkstoffe im Kontakt mit Trinkwasser, Umweltbundesamt [2] Technische Information Edelstahl Rostfrei (www. hydrogroup.de) Lösungen außerhalb des Regelwerks 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 161 Alternativen für Außenabdichtungen und Sonderlösungen Dipl.-Ing. Jan Rassek w + s bau-instandsetzung gmbh, Fuldabrück Zusammenfassung Wird bei der Instandsetzung eines Trinkwasserbehälters eine neue Außenabdichtung vorgesehen, so sind die auf dem Markt befindlichen Produkte und Systeme je nach Bauart des Behälters (z.B. freistehend, erdangedeckt oder -überdeckt) auf Anwendbarkeit zu prüfen, wofür die geltenden Regelwerke die Anforderungen für den jeweiligen Anwendungsfall definieren. Welche Kriterien zu erfüllen sind und welche Produkte und Ausführungsmöglichkeiten es gibt, wird in diesem Artikel näher erläutert. Als Sonderlösungen werden in diesem Rahmen die Abdichtung und Dämmung eines Kuppelbehälters mit Foamglas® sowie die Außenabdichtung eines Behälters mit einer Kunststoffabdichtungsbahn mit Bentonitschicht - Dual Seal® der Vandex Isoliermittel Gesellschaft mbH vorgestellt. 1. Grundlagen Derzeit wird das Thema „Außenabdichtung“ in den aktuellen Regelwerken für Planung, Bau und Instandsetzung von Trinkwasserbehältern noch nicht ausführlich beschrieben. Im Arbeitsblatt W 300 des Deutschen Vereins für Gas- und Wasserwirtschaft e.V. (DVGW) existiert z.B. lediglich eine beispielhafte Skizze für einen möglichen Deckenaufbau einer Behälterkammer. Im Rahmen der turnusmäßigen Überarbeitung der Arbeitsblätter DVGW - W 300 soll künftig die Außenabdichtung ausführlicher behandelt werden. Dabei ist die Außenabdichtung eines Trinkwasserbehälters von großer Bedeutung und somit ebenso ausreichend zu betrachten wie die Auskleidung von innen. Zum einen ist sie verantwortlich für die Verhinderung des Eintretens von Wasser von außen und leistet somit einen wichtigen Bestandteil für die Hygiene und den Schutz des Trinkwassers. Eine undichte Behälterkonstruktion wird nicht allein durch eine Innensanierung dicht, sondern immer nur in Kombination mit einer Außenabdichtung. Zum anderen stellt eine Außenabdichtung auch einen Schutz des Bauwerks bzw. der Konstruktion dar. Ein weiterer wichtiger Punkt bei der Betrachtung ist die Bauphysik, wenn z.B. die Außenabdichtung auch die Funktion der Dämmung erhält. 2. Anforderungen an Außenabdichtungen Trinkwasserbehälter werden überwiegend als erdangedeckte Konstruktionen gebaut. Durch die Erdüberdeckung werden die Konstruktion und das Trinkwasser vor jahreszeitlichen Temperaturschwankungen geschützt. Die Wasserkammerdecke hat die Aufgabe das Trinkwasser vor Verschmutzung durch von außen eindringendem Wasser zu bewahren. Eine Überprüfung der Dichtigkeit an der Deckenkonstruktion bei bestehenden Behältern wäre aufgrund der Erdaufschüttung schwer durchzuführen. Eine Prüfung diesbezüglich ist in den Regelwerken nur ansatzweise geregelt. So ist ein Nachweis der Wasserdichtheit einer Wasserkammerdecke nach [7] erbracht, wenn z.B. nach kontinuierlicher Beregnung oder Flutung an der Unterseite der Decke innerhalb eines Prüfzeitraums keine Durchfeuchtungen erkennbar sind. Aufgrund dessen wird auf einer Behälterdecke mit Erdanschüttung in den meisten Fällen eine Außenabdichtung gegen Feuchtigkeit vorgesehen. Diese sieht eine fachgerechte Ausführung eines Aufbaus von Abdichtungs-, Gleit-, Schutz- und Dränschicht meist in Kombination mit einer Wärmedämmschicht vor [11]. Dachabdichtungen können folgenden Beanspruchungen unterliegen [vgl. 15]: • Feuchte • d.h. Niederschläge, vorübergehend stehendes Wasser, Baufeuchte, zu erwartende Nutzungsfeuchte • mechanische Beanspruchungen • d.h. Formänderung der Tragkonstruktion und der Stoffe des Dachaufbaus, • Nagetiere • thermische Beanspruchungen • z.B. durch zu erwartende Oberflächentemperaturen (-20 C° bis +80C°) • Wurzelwachstum • Einwirkung von UV-Strahlung und Ozon (bei nicht erdangedeckten Konstruktionen) • chemische Beanspruchung • biologische Beanspruchung • z.B. Mikroorganismen, Algen Alternativen für Außenabdichtungen und Sonderlösungen 162 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Wird das Bauwerk im Zuge der Außenabdichtung gedämmt, sind auch von den zugehörigen Materialien Anforderungen diesbezüglich zu erfüllen. 3. Vorgaben aus Normen/ Regelwerken Für die fachgerechte Ausführung der Außenabdichtung und ggfs. Dämmung eines Trinkwasserbehälters sind u.a. folgende Regelwerke und Normen zu beachten und hinsichtlich der Anwendbarkeit zu überprüfen: • DIN 18533: 2017-07: Abdichtung von erdberührten Bauteilen • DVGW-W 300-1(A): 2014-10 Trinkwasserbehälter; Teil 1: Planung und Bau • DVGW-W 300-3(A): 2014-10 Trinkwasserbehälter; Teil 3: Instandsetzung und Verbesserung • DAfStb Richtlinie Wasserundurchlässige Bauwerke aus Beton (WU-Richtlinie): 2017-12 Die DIN 18533 beschäftigt sich als Norm der Reihe DIN 18531 bis DIN 18535 mit der Abdichtung von erdberührten Bauteilen. Sie ersetzt seit Juli 2017 die bis dahin geltende DIN 18195 für Bauwerksabdichtungen. Die DIN 18533 gilt nicht für wasserundurchlässige Bauteile, etwa Trinkwasserbauwerke aus WU-Beton. Die Auswahl der Abdichtungsbauart richtet sich entsprechend Teil 1 der Norm nach fünf Kriterien: • Wassereinwirkungsklasse W1 - W4 • Rissklasse R1-E - R4-E • Rissüberbrückungsklasse RÜ1-E - RÜ4-E • Raumnutzungsklasse RN1-E - RN3-E • Kriterien für die Zuverlässigkeit. Teil 2 regelt die Abdichtung mit bahnenförmigen Stoffen (Bitumen-, Polymerbitumenbahnen, Kunststoffbahnen, Elastomerbahnen). Teil 3 legt die Anforderungen an Abdichtungen mit flüssig zu verarbeitenden Abdichtungsstoffen fest (kunststoffmodifizierte Bitumendickbeschichtungen, Gussasphaltestrich, Asphaltmastix, mineralische Dichtungsschlämmen). Neben den allgemeinen Regelwerken für den Betonbau legt die DAfStb “WU-Richtlinie“ detaillierte Anforderungen an Planung und Ausführung von wasserundurchlässigen Bauwerken aus Beton (weiße Wannen) fest. Bei Anlagen der Trinkwasserversorgung sind dies insbesondere Neubauten von Trinkwasserbehältern [5]. Das Arbeitsblatt W 300-1 des DVGW „Trinkwasserbehälter, Teil 1: Planung und Bau“ macht wenige detaillierte Angaben bezüglich der Außenabdichtung und Wärmedämmung. In Anhang B findet man die nachfolgende Skizze eines beispielhaften Aufbaus einer abgedichteten Deckenkonstruktion einer erdüberdeckten Behälterkammer: Abb. 1: Beispiel Deckenaufbau Behälterkammer nach DVGW Arbeitsblatt W 300-1 [7] Es trifft zudem folgende, allgemeine Aussagen: • Wasserbehälter müssen so geplant sein, dass sie wasserdicht sind. • Gespeichertes Wasser darf keine unzulässige und vor allem negative Veränderung durch Erwärmung oder Abkühlung erfahren. Falls nötig sind Maßnahmen zur Wärmedämmung zu treffen. Diese sind den örtlichen Bedingungen anzupassen, um die Tauwasserbildung so gering wie möglich zu halten. • Eine Erdüberdeckung von max. 1,0m Höhe erleichtert die Einbindung in die Landschaft und verringert die Instandhaltungskosten. • Die Erdauflast kann verringert werden, wenn künstliche Dämmmaterialien verwendet werden. Eine Kombination aus Dämmstoffen und Erdüberdeckung kann Vorteile bringen. • Anforderung an Dämmmaterialien: keine Wasseraufnahmefähigkeit, ausreichende Druckfestigkeit • Die Dichtigkeit der Konstruktion von außen muss durch eine wasserundurchlässige Bauweise und/ oder durch äußere Bauwerksabdichtungen langfristig sichergestellt werden. • Dauerhaft dicht können Konstruktionen ohne Bewegungsfugen hergestellt werden. • Erdberührte Flächen sind z.B. durch Filterwände oder Dränmatten vor Schädigung zu schützen. • Die Behälterdecke ist mit einer Abdichtung gegen Oberflächenwasser zu versehen und mit einer Schutzschicht gegen mechanische Zerstörung abzudecken. Alternativen für Außenabdichtungen und Sonderlösungen 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 163 • Behälterdecken sind mit einem Gefälle von mind. 2% nach außen herzustellen. Dies bedeutet grundsätzlich, dass die Konstruktion eines Trinkwasserbehälters gemäß WU-Richtlinie hergestellt und zusätzlich dessen Behälterdecke gemäß DIN 18533 (bzw. ggfs. DIN 18531) abgedichtet werden muss. Teil 3 des DVGW Arbeitsblattes W 300 „Trinkwasserbehälter - Instandsetzung und Verbesserung“ be-schränkt sich in Bezug auf eine „Abdichtung“ lediglich auf eine Instandsetzung von innen bzw. auf die Behandlung von Fugen. 4. Werkstoffe Gemäß DIN 18533-1: 2017-07 Tabelle 7 - Abdichtungsbauarten erdüberschütteter Decken bei W3-E- kommen für die Außenabdichtung erdüberschütteter Trinkwasserbehälter folgende Materialien in Frage: - Bitumen- und Polymerbitumenbahnen - Kunststoff- und Elastomerbahnen - Kunststoffmodifizierte Bitumendickbeschichtungen (PMBC) - Flüssigkunststoffe (FLK) - Asphaltmastix in Verbindung mit Gussasphalt (für befahrbare Flächen) - Polymerbitumenschweißbahn in Verbindung mit Gussasphalt (für befahrbare Flächen) 4.1 Bahnenförmige Abdichtungsstoffe Bitumen- und Polymerbitumenbahnen Diese bestehen i. d. R. aus Trägereinlagen und beidseitigen Bitumendeckschichten. Trägereinlagen armieren die Bitumenschichten, bestimmen das mechanische Verhalten der Bahn und das Verhalten bei der Verarbeitung in Abhängigkeit von der Verarbeitungstechnik, dem Untergrund und der Temperatur. Deckschichten bestehen aus Bitumen oder Polymerbitumen, bestimmen die Wasserdichtheit, das Witterungs- und Temperaturverhalten sowie die Alterungsbeständigkeit. Zudem wird die Flexibilität, die Verarbeitbarkeit und das Langzeitverhalten der Polymerbitumen- und Bitumenbahnen von der Deckschicht bestimmt. [6] Für die Anwendungsbauart erdüberschütteter Decken bei W3-E gibt in der DIN 18533 folgende Tabelle Auskunft: Tabelle 1: Abdichtungsbauarten für Polymerbitumen- und Bitumenbahnen bei erdüberschütteten Decken nach W3-E aus [18] Die Abdichtungsschicht ist je nach Untergrund und Art der ersten Abdichtungslage vollflächig verklebt oder punktweise verklebt herzustellen. Auf den Schutz der aufgekanteten Abdichtungsränder ist besonders zu achten. [18] Kunststoff- und Elastomerbahnen Anders als bitumenhaltige Abdichtungen erzeugen Kunststoffabdichtungen ihre wassersperrende Wirkung nicht durch Verschmelzung mehrerer Schichten untereinander, sondern durch die wassersperrende Wirkung des Bahnenquerschnittes selbst. Deshalb muss bei ihrer Ausführung noch stärker auf sichere und sorgfältige Naht- und Anschlussverbindungen geachtet werden, welche vom jeweiligen Kunststofftyp abhängig ist. Angeboten werden zahlreiche verschiedene Kunststoffabdichtungsbahnen mit unterschiedlichen Eigenschaften: Je nach Anforderung gibt es bitumenverträgliche, dämmstoffneutrale, diffusionsfähige, hoch chemisch beständige oder säurefeste Abdichtungen für die unterschiedlichsten Aufgaben in Neubau und Sanierung. Als Trägereinlage für Kunststoffdichtungsbahnen finden unterschiedliche Materialien Verwendung, am häufigsten werden Glas- und Kunststoffvliese oder Gittergelege eingesetzt. Zu den Eigenschaften der Kunststoffe zählen hohe Zugfestigkeit, hohe Bruchdehnung, geringe Steifigkeit, hohe Zähigkeit, hohe Beständigkeit gegen viele aggressive Stoffe sowie leichte Verarbeitbarkeit. [1] Kunststoff- und Elastomerbahnen werden einlagig verlegt. Sie können bei folgenden Kriterien angewendet werden: RÜ4-E, bis R4-E, RN1-E bis RN3-E. Alternativen für Außenabdichtungen und Sonderlösungen 164 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Für die Anwendungsbauart erdüberschütteter Decken bei W3-E gilt folgende Abdichtungsart: Tabelle 2: Abdichtungsbauarten für Kunststoff- und Elastomerbahnen bei erdüberschütteten Decken nach W3-E aus [18] 4.2 Flüssig zu verarbeitende Abdichtungsstoffe Kunststoffmodifizierte Bitumendickbeschichtung (PMBC ehem. KMB) Polymermodifizierte Bitumendickbeschichtungen (PMBC) gemäß DIN 18533-3, Abs. 9 sind pastöse, spachtel- oder spritzfähige Massen auf Basis von polymermodifizierten Bitumenemulsionen. Es wird unterschieden in einkomponentige und zweikomponentige polymermodifizierte Bitumendickbeschichtungen. [2] PMBC sind in mindestens zwei Aufträgen, je nach Wassereinwirkungsklasse unter Verwendung einer Verstärkungseinlage, aufzubringen. Eine Abdichtungsschicht aus PMBC kann Rissneubildung oder Rissbreitenänderung vorhandener Risse im Untergrund bis Rissklasse R3-E überbrücken. Die Abdichtungsschicht muss einen vollflächigen Verbund mit dem Untergrund aufweisen. Aus der PMBC-Richtlinie der Deutschen Bauchemie geht folgende Abbildung für die Anordnung der Abdichtung bei Wassereinwirkungsklasse W3-E hervor: Abb. 2: Anordnung der Abdichtung bei Wassereinwirkungsklasse W3-E [2] Flüssigkunststoffe Flüssigkunststoffe (FLK) für die Abdichtung nach DIN 18533-3 bestehen aus ein- oder mehrkomponentigen synthetischen Harzen auf Basis von PMMA, PUR oder UP mit organischen Zusätzen, mit oder ohne mineralische Füllstoffe. Sie gehören zur Gruppe der Reaktionsharze. Die Aushärtung erfolgt durch chemische Reaktion. FLK müssen mit einer Einlage verarbeitet werden. Eine Abdichtungsschicht aus FLK kann eine Rissneubildung oder Rissbreitenänderung der Rissklasse R3-E überbrücken. Die Abdichtungsschicht muss einen vollflächigen Verbund mit dem Untergrund aufweisen. [19] 5. Sonderlösungen in der Praxis 5.1 Außenabdichtung / -dämmung eines Kuppelbehälters mit FOAMGLAS® Der Hersteller FOAMGLAS® bietet für Behälterdecken viele Abdichtungsvarianten bei ebenen Deckenflächen an. Als Sonderlösung wird im Folgenden die Abdichtung und Dämmung eines Kuppelbehälters vorgestellt. Definition Schaumglas/ FOAMGLAS® Schaumglas ist ein aufgeschäumter, geschlossenzelliger Dämmstoff aus silikatischem Glas. Das Ausgangsmate- Alternativen für Außenabdichtungen und Sonderlösungen 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 165 rial für die Herstellung von Schaumglas ist üblicherweise Quarzsand, der mit Spezialzusätzen (Calciumcarbonat, Feldspat, Eisenoxyd etc.) zu Glas geschmolzen wird. Dieses wird abgekühlt, zerkleinert und zu Pulver gemahlen. Diesem Pulver wird Kohlenstoff in feinst verteilter Form zugemischt. Beim Erhitzen in Öfen über 1000°C oxidiert der Kohlenstoff unter Bildung von Gasblasen, die den Aufschäumprozess auslösen. [13] Eigenschaften Für den Neubau und die Instandsetzung von Trinkwasserbehältern ist FOAMGLAS® laut Herstellerangaben besonders geeignet, da es • keine Feuchtigkeit aufnimmt, • seinen Dämmwert über die Lebensdauer des Gebäudes beibehält, • stauchungsfrei und druckfest ist, • resistent gegen den Befall von Nagetieren und Mikroorganismen ist, • widerstandsfähig gegen das Eindringen von Wurzeln und Humussäuren ist, • durch eine effektive Wärmedämmung eine Tauwasserbildung vermindert bzw. verhindert und somit das Bauwerk vor Bauschäden, Korrosion, Pilzbefall und letztendlich vor Verkeimung schützen kann. Verarbeitung Bei der praktischen Anwendung von Schaumglas beim Bau und der Instandsetzung eines Trinkwasserbehälters sind einige Details zu beachten, damit die Ausführung fachgerecht und dauerhaft erfolgen kann. Auf die Verarbeitung wird im Rahmen der Vorstellung des Beispiels näher eingegangen. In der Regel wird FOAMGLAS® für ebene Deckenflächen verwendet. Für diverse spezielle Bauwerksgeometrien hat FOAM- GLAS® jedoch Sonderprofile im Programm, z.B.: • Radiussegmente für Behälter und Lagertanks • Behälterkopf-Segmente • Sphärisch geformte Segmente für Kugelbehälter bis DN 20m [9] Abb. 3: Sphärisch geformte Segmente für Kugelbehälter aus [9] Beispiel 1: TWB 2 im WW II Maudach-Oggersheim Es handelt sich um einen Trinkwasserbehälter mit Kuppeldach, welches mit FOAMGLAS® gedämmt und abgedichtet werden sollte. Für die Bestellung der ursprünglich vorgesehenen, vorgefertigten FOAMGLAS®-Elemente wurde zunächst ein komplettes 3D-Aufmaß der Kuppel des Behälters (32m Durchmesser) durchgeführt. Hierbei wurde festgestellt, dass die Kuppel keine gleichmäßige, definierte Form besitzt, da er seinerzeit händisch geschalt und hergestellt wurde. Abb. 4: Kuppeldecke Behälter (Foto w+s) Abb. 5: Ausschnitt Ausführungspläne [14] Die Hauptschwierigkeit in der Ausführung bestand darin das durchweg ungleiche Steigungsmaß mit FOAM- GLAS®-Platten auszugleichen. Das Standardmaß der FOAMGLAS®-Platten liegt bei 600 x 450 mm und war damit zu groß. Um eine passgenaue Montage sicherzustellen mussten die Platten kleiner geschnitten werden. Alternativen für Außenabdichtungen und Sonderlösungen 166 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Abb. 6: Ausführungsplan Detail Abdichtung im Bereich Kuppeldach [14] Aufbau und Montage 1. Der Untergrund ist zu reinigen. Auf die trockene Betonoberfläche ist ein bituminöser Voranstrich mittels Rolle oder Sprühgerät aufzutragen. 2. Daraufhin sind die zugeschnittenen Schaumglasplatten vollflächig mit gefüllten und versetzten Fugen im Gießverfahren mit Heißbitumen zu verlegen. Hierzu sind die Platten jeweils mit einer kurzen und einer langen Seite in ausgegossenes Heißbitumen einzutauchen und dann an bereits verlegte Platten anzudrücken. 3. Verarbeitungstemperatur des Heißbitumens: ca. 180°C. Die Fugenbreite zwischen den Dämmelementen sollte dabei nicht mehr als 5mm betragen. 4. Herstellung einer Schubsicherung mittels Krallenplatten um das Verschieben/ Verziehen der Bitumenbahn zu verhindern. Abb. 7: Schubsicherung Behälterwand (Foto w+s) Abb. 8: Skizze Dachbahnenbefestigung mit Krallenplatte in FOAMGLAS®-Platten [4] 5. Es folgt die Abdichtungsebene. Die erste Bitumenbahn mit Glas ist mit Heißbitumen im Gießverfahren mit den Schaumglasplatten zu verkleben. Die Überlappung der Stöße sollte min. 100mm betragen. Im oberen Bereich der Bitumenbahn ist diese an die Krallenplatte mechanisch zu befestigen. Alternativen für Außenabdichtungen und Sonderlösungen 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 167 Abb. 9: Ausführung Verlegung Schaumglasplatten und Bitumenbahn (Foto w+s) Abb. 10 6. Die Bitumenbahn ist zu reinigen und vom Sand zu befreien. Auf die trockene Oberfläche ist eine herstellerbezogene Grundierung mittels Rolle oder Sprühgerät aufzutragen. Abb. 11: Hergestellte erste Abdichtungsebene (Foto w+s) 7. Die darauffolgende EPDM-Abdichtung, bestehend aus einer nahtverschweißbaren elastomeren Dichtungsbahn auf Basis EPDM mit Glasgelegeeinlage und selbstklebender Unterschicht mit Trennfolie, ist vollflächig mit der Unterlagsbahn zu verkleben. Die Nähte sind vorzugsweise mit einem Nahtschweißautomaten zu verschweißen. Abb. 12: Fertige Abdichtung (Foto w+s) 8. Es wird empfohlen die Dichtigkeit der Oberfläche mit einen High Voltage-Sensor LeakDetection (HV- SLD), einer Optisch-Mechanischen-Prüfung zu überprüfen. Hierbei können fehlerhafte Nähte oder Beschädigungen der obersten Dachbahnen festgestellt werden. 9. Auf ebenen Flächen kann zur Verminderung der Oberflächentemperatur eine Kiesschüttung sinnvoll sein. Im Bereich der Wände stellten sich andere Anforderungen und dementsprechend auch ein anderer Aufbau der Dämmung/ Abdichtung mittels FOAMGLAS. Auf diese wird in diesem Rahmen nicht weiter eingegangen. 5.2 Außenabdichtung mit einer Kunststoffabdichtungsbahn, Typ BA mit Bentonitschicht Die im folgenden zweiten Beispiel für eine erfolgreiche Sonderlösung verwendete Kunststoffabdichtungsbahn Dual Seal® der Vandex Isoliermittel Gesellschaft mbH aus Schwarzenbek entspricht in einigen Punkten nicht der zuvor beschriebenen, gültigen DIN 18533. Dennoch hat sich diese Art der Ausführung in vielen Projekten bereits bewährt und stellte mit Hilfe des bauaufsichtlich zugelassenen Prüfzeugnisses eine sinnvolle Sonderlösung dar. Definition des Systems/ Eigenschaften: Gemäß Zulassung handelt es sich bei dem verwendeten Produkt um eine 0,4 mm dicke PE HD-Folie, welche einseitig mit einer etwa 3 mm dicken Schicht aus granuliertem Natriumbentonit versehen ist. Das Bentonit ist in ein Vlies eingearbeitet. Zwei unterschiedliche, 10 cm breite Alternativen für Außenabdichtungen und Sonderlösungen 168 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Klebebänder dienen der temporären Lagesicherung sowie der dauerhaften Sicherung der Überlappungen. Aus diesem System wird eine geschlossene, außenliegende Flächenabdichtung erzielt, die das Bauwerk wasserseitig, wannenförmig gegen eindringende Feuchtigkeit schützt. Die vorhandene Bentonitschicht quellt bei Kontakt mit neutraler, alkalischer, betonangreifender Flüssigkeit auf und zieht sich bei Trocknung gleichmäßig wieder zusammen. Dieses Verhalten stellt eine zusätzliche Reserve des Abdichtungssystems dar. [12] Anmerkung: Die Zulassung des Produktes ist 3 Jahre nach Projektende zum 17.12.2020 abgelaufen und wurde aufgrund der momentan unklaren Lage in Bezug auf die Vorgehensweise mit Allgemein bauaufsichtlich zugelassenen Prüfzeugnissen (AbPs) noch nicht wieder verlängert. Die Kunststoffabdichtungsbahn weicht gegenüber der in DIN 18533-2 genannten bahnenförmigen Abdichtungsstoffen in folgenden Punkten ab: • Aufbau (der Aufbau des genannten Systems sieht eine Schicht aus granuliertem Natriumbentonit vor) • Dicke (die polymere Dichtungsschicht beträgt mit 0,4 mm deutlich weniger als die in der Norm vorgesehene Schicht von 1,5 mm) Verarbeitung nach Zulassung [12]: 1. Der Untergrund muss fest und ausreichend tragfähig sowie frei von losen Bestandteilen sein. Hohlräume, Fehlstellen, Risse mit Abmessungen > 2 mm sind vor dem Anbringen der Kunststoffabdichtungsbahn ebenflächig zu verschließen. Kanten sind auf 10 mm/ 45° zu fasen. Grate und Vorsprünge > 6 mm sind zu entfernen. Stehendes Wasser, Eis und Schnee müssen von der Unterlage entfernt werden. 2. Die Bahnen sind so zu verlegen, dass die Kunststoffmembran erdseitig angeordnet und die Bentonitbeschichtung am Bauwerk anliegt. 3. An Längs- und Quernähten müssen die Bahnen mind. 10 cm überlappen. Die Überlappungen sind mit dem zugehörigen Klebeband zu fixieren. Der Untergrund ist vorher von Schmutz und Staub zu reinigen. Bei unter 15° C Temperatur ist das Klebeband mit Heißluft vorzuwärmen. Die Bahnen sind bei mind. 15° C zu lagern. 4. Die Bahnen müssen mit einer vollständig anliegenden, dafür geeigneten Schutzlage vor mechanischer Beschädigung beim Anschütten des Erdreiches geschützt werden. 5. Zur Aktivierung des nötigen Quelldrucks ist ein ausreichendes Widerlager (bei horizontalen Flächenabdichtungen eine Auflast von mind. 140 kg/ m²) erforderlich. Beispiel 2: Sanierung Wasserbehälter 1, Druckerhöhungsanlage Haßloch Auch bei diesem Trinkwasserbehälter handelt es sich um eine Konstruktion mit Kuppeldecke. In diesem Fall besitzt die Kuppel eine steilere Neigung. Abb. 13: Ausführungsplan Schnitt Wasserbehälter [10] Abb. 14: Freilegung Behälterdecke [Foto IG Hof] Abb. 15: Vorbereiteter Untergrund [Foto IG Hof] Da es sich ebenfalls um eine unregelmäßige Ausbildung der Kugelfläche handelte, war eine Anpassung der Ausführung notwendig: Die im vorigen Abschnitt beschriebenen Kunststoffabdichtungsbahnen mit Bentonitschicht mussten diagonal eingeschnitten werden, um der Geometrie der Kuppel gerecht zu werden. Alternativen für Außenabdichtungen und Sonderlösungen 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 169 Abb. 16: Diagonal zugeschnittene Kunststoffabdichtungsbahnen [Foto IG Hof] Als besonders schwierig stellte sich heraus, dass die Kunststoffbahnen bei Regen bzw. Feuchtigkeit in Kombination mit dem vorhandenen Gefälle sehr glatt waren und zusätzliche Schutzmaßnahmen z.B. in Form von Bautenschutzmatten als sichere Laufwege notwendig wurden. Auch die Nahtverklebung mit dem systemzugehörigen, speziellen Klebeband kann durch extreme Witterung empfindlich werden und muss in jedem Fall fachgerecht ausgeführt werden. Um die bei horizontalen Flächenabdichtungen für die Aktivierung des Quelldrucks notwendige Auflast herzustellen, war in diesem Fall das Aufbringen eines Schutzestrichs vorgesehen. Aufgrund der starken Neigung des Kuppeldachs war die Verlegung des Zementestrichs jedoch mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. 6. Fazit Gerade bei älteren, komplexen, instandsetzungsbedürftigen Bauwerken ist eine Sonderlösung meist das Mittel der Wahl. Standardisierte Systeme reichen bei solchen Bauwerken oftmals an ihre Grenzen. Mögliche Sonderlösungen sind zu vergleichen und genauestens technisch und wirtschaftlich abzuwägen. Zunächst vermeintlich wirtschaftliche Vorteile können sich langfristig als nachteilig herausstellen. So ist u. a. immer zu bedenken, dass eine durchgeführte Außenabdichtung und ggfs. -dämmung immer Auswirkungen auf die Behälterinnensanierung hat. Empfehlenswert ist es bei Bestandsbehältern die Außensanierung vor einer Instandsetzung von Innen durchzuführen. So kann z. B. vermieden werden, dass erst nachträglich Schäden an der Neubeschichtung sichtbar werden, die durch eine ggfs. erfolgte Überlastung bei den späteren Erdarbeiten hervorgerufen wurden. Literatur-/ Quellenverzeichnis [1] Baunetz Wissen: Arten und Eigenschaften von Kunststoffbahnen unter: https: / / www.baunetzwissen.de/ flachdach/ fachwissen/ kunststoffbahnen/ arten-und-eigenschaften-von-kunststoffbahnen-1305867 [abgerufen am 12.07.2021] [2] Deutsche Bauchemie (Hrgs.): Richtlinie für die Planung und Ausführung von Abdichtungen mit polymermodifizierten Bitumendickbeschichtungen (PMBC), Frankfurt 2018 [3] Deutsche FOAMGLAS® GmbH: Herstellung unter http: / / de.foamglas.com/ de/ waermedaemmung/ prproduk/ foamglas_das_produkt/ herstellung/ [abgerufen am 12.07.2021] [4] Deutsche FOAMGLAS® GmbH: Ausführungsbeispiel Dachbahnenbefestigung mit Krallenplatte in FOAMGLAS®-Platten, Stand 2017 [5] Deutscher Ausschuss für Stahlbeton: DAfStb Richtlinie Wasserundurchlässige Bauwerke aus Beton (WU-Richtlinie): 2017-12 [6] Die Bitumenbahn GmbH: Polymerbitumenbahnen unter: https: / / www.derdichtebau.de/ bitumenbahnen-das-material.1201.htm [abgerufen am 12.07.2021] [7] DVGW, DIN (Hrsg.): DVGW-W 300-1(A): 2014- 10 Trinkwasserbehälter; Teil 1: Planung und Bau [8] 2014-10 Trinkwasserbehälter; Teil 3: Instandsetzung und Verbesserung [9] FOAMGLAS Pittsburg Corning Europe NV: FOAMGLAS® Dämmung; Maßfertige Produkte, Tessenderlo, Stand 2020 [10] Ingenieurbüro IG Hof, Ausschreibungsunterlagen, Sanierung des Wasserbehälters der Druckerhöhungsanlage Haßloch (DEHASS), Herborn 2016 [11] Merkl, G.: Trinkwasserbehälter: Planung, Bau, Betrieb, Schutz und Instandsetzung, Verlag Gerhard Merkl, 2011 [12] MFPA Leipzig GmbH: Allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis P-SAC 02/ 5.1/ 14-430 Kunststoffbahn Dual Seal LG Membrane 15 mil, Stand 2015 [13] Nierobis, L.: Schaumglas (CG) unter www.waermedaemmstoffe.com [abgerufen am 12.07.2021] [14] Unger Ingenieure Ingenieurgesellschaft mbH: Ausschreibungsunterlagen Sanierung des TWB 2 im WW II Maudach-Oggersheim, Darmstadt 2019 [15] Zentralverband des deutschen Dachdeckerhandwerks-Fachverband Dach- Wand- und Abdichtungstechnik e.V. (Hrsg.): Deutsches Dachdeckerhandwerk - Regeln für Abdichtungen, mit Flachdachrichtlinie, Verlagsgesellschaft Rudolf Müller GmbH & Co KG, Köln 2020 Alternativen für Außenabdichtungen und Sonderlösungen 170 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Normenverzeichnis [16] DIN 18531-1: 2017: 07 Abdichtung von Dächern sowie von Balkonen, Loggien und Laubengängen Teil 1: Nicht genutzte und genutzte Dächer - Anforderungen, Planungs- und Ausführungsgrund-sätze [17] DIN 18533-1: 2017-07 Abdichtung von erdberührten Bauteilen- Teil 1: Anforderungen, Planungs- und Ausführungsgrundsätze [18] DIN 18533-2: 2017-07 Abdichtung von erdberührten Bauteilen - Teil 2: Abdichtung mit bahnenförmigen Abdichtungsstoffen [19] DIN 18533-3: 2017-07 Abdichtung von erdberührten Bauteilen- Teil 3: Abdichtung mit flüssig zu verarbeitenden Abdichtungsstoffen [20] DIN EN 13167: 2015-04: Wärmedämmstoffe für Gebäude - Werkmäßig hergestellte Produkte aus Schaumglas (CG) - Spezifikation 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 171 Textilbewehrte Mörtel- und Betonschichten mit mineralisch getränkter Bewehrung - Möglichkeiten und Perspektiven Martin Lenting Fachhochschule Münster, Labor Bauphysik, Münster, Deutschland Jeanette Orlowsky TU Dortmund, Lehrstuhl Werkstoffe des Bauwesens, Dortmund, Deutschland Zusammenfassung Der Verbundwerkstoff Textilbeton findet im 21. Jahrhundert zunehmend Anwendungen im Bauwesen. Erste Systeme mit Carbontextilien wurden durch Forschungs- und Praxisprojekte am Markt etabliert. Über Zulassungen im Einzelfall (ZiE) enstehen erste Richtlinien zur Bemessung und Verwendung. Die stetige Weiterentwicklung von Textilbeton steht aber weiter im Fokus der Forschung. Ein Bereich mit viel Entwicklungspotential sind mineralische Tränkungsmaterialien für die technischen Textilien. Bisher werden fast ausschließlich polymergetränkte Textilien verwendet. Neben dem Eintrag von Polymeren in den Textilbeton geht häufig ein Tragfähigkeitsverlust durch Temperatureinwirkung ab 80 °C einher. Diese Veröffentlichung zeigt auf, dass mineralische Tränkungsmaterialen im Bereich der Bauwerksinstandsetzung mit Textilbeton gegenüber polymergetränkten Textilien stärken aufweisen. Unter anderem ermöglichen Textilbetonsysteme mit mineralischer Tränkung von Carbonrovings ein sehr feines Rissbild mit geringen Rissbreiten, welche auch unter Druckwasserbeanspruchung zu einer Rissheilung führen. Damit eignen sich Textilbetone mit mineralisch getränkten Carbonfasern beispielsweise für die Instandsetzung von gerissenen sowie beschädigten Trinkwasserspeichern aus Stahlbeton. 1. Einleitung Textilbetone haben in den vergangenen 20 Jahren eine enorme Entwicklung erlebt. Die Einsatzgebiete reichen von Fassadenelementen, über Verkehrsflächenverstärkungen und Instandsetzungssystemen bis hin zu ersten Fußgängerbrücken, die aus Textilbeton errichtet wurden. Insbesondere im Bereich der Bauwerkssanierung werden Textilbeton-Systeme eingesetzt, um gerissene sowie geschädigte Betonoberflächen zu reparieren. Beispiele sind das Forschungsprojekt am Stauwerk Horkheim [1] oder die Dachsanierung am Marien-Dom in Neviges [2]. Viele weitere Projekte sind in der Umsetzung oder können in naher Zukunft erwartet werden. Parallel laufen zahlreiche Forschungsprojekte zur Weiterentwicklung von Textilbetonen oder auch zur Charakterisierung und Normierung. Am meisten verbreitet sind bisher Systeme aus Mörtel oder Feinbeton mit getränkten Carbongelegen (Epoxidharz-, Styrolbutadien- oder Acrylattränkungen). Diese Tränkungsmaterialien weisen unterschiedliche Eigenschaften auf, die entsprechend ihrer Einsatzgebiete erforderlich sind. Alle gängigen Textilgelege haben jedoch eine Gemeinsamkeit, die Tränkungen sind polymerbasiert. Daher ist die Einsatzmöglichkeit z.B. im Bereich der Sanierung von Trinkwasserspeichern zu hinterfragen. Auch ist die geringe Temperaturbeständigkeit eine Schwäche der Textil-Tränkungen. Es müssen alternative Tränkungsmaterialien erforscht werden. An der Technischen Universität Dortmund wird am Lehrstuhl Werkstoffe des Bauwesens ein solches alternatives Tränkungssystem untersucht. Kieselsäureester (KSE) wird als mineralisches Tränkungsmaterial in Kombination mit Carbon-Endlosfasern verwendet. Das anorganische Tränkungsmaterial erhöht den äußeren Verbund zwischen Bewehrung und Beton, wodurch ein fein verteiltes Rissbild entsteht. Eine solche Textilbetonschicht weist gute Eigenschaften für ein Sanierungssystem von Trinkwasserspeicher auf, da keine zusätzlichen gegebenenfalls löslichen polymeren Materialien eingebracht werden und die Rissverteilung eine wasserdichte Sanierung von gerissenen Stahlbeton-Bauwerken ermöglicht. Im Rahmen dieser Veröffentlichung wird die Vorgehensweise der bei Herstellung des Textilbetonsystems erläutert. Es werden Ergebnisse aus Zugversuchen hinsichtlich der Rissbreiten vorgestellt und das Potential der Rissheilung gerissener Textilbetonproben unter Einfluss verschieden hoher Wasserdrücke aufgezeigt. Textilbewehrte Mörtel- und Betonschichten mit mineralisch getränkter Bewehrung - Möglichkeiten und Perspektiven 172 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 2. Einaxiale Zugversuche 2.1 Untersuchungsgegenstand Untersucht wurden rechteckige Textilbetonplattenstreifen mittels einaxialen Zugversuchen. Die Komponenten aus denen die Proben bestehen sind Pagel TF10 Feinbeton, Carbonendlosfasern (Roving) Sigrafil C T50-4- 4/ 255-E100 und mineralische Tränkung auf Kieselsäureester-Basis (KSE). Mineralische Tränkung Die mineralischen Tränkungsmaterialen sind silikatische Lösungen auf Kieselsäureester-Basis. Die verwendeten Produkte mit den Handelsnamen KSE 100, KSE 300 und KSE 500E bestehen hauptsächlich aus Quarzsand, welcher mittels Alkoholgruppen in einem chemischen Prozess verflüssigt wird. Bei einer Reaktion von Kieselsäureester mit Wasser entsteht Siliciumdioxid (SiO 2 ), auch als Kieselgel bezeichnet, als Nebenprodukt entweicht Ethanol. Durch Tränkung der Carbonendlosfasern mit KSE bildet das Siliciumdioxid die Oberflächenbeschichtung der Carbonfasern. Durch eine Änderung der Stoffgemische oder durch Zugabe von Lösemitteln kann eine Variation der Gelabscheidungsrate erreicht werden, welche die Größe und Anzahl der Kieselsäureester-Moleküle bestimmt. Daraus ergibt sich eine unterschiedliche feine Oberflächenstruktur und Steifigkeit der Carbonrovings. Probekörper Die Textilbeton-Probekörper sind mit der Feinbetonmischung Pagel TF10 hergestellt worden. Dieser Feinbeton ist speziell für die Anwendung von Textilbetoninstandsetzungssystemen entwickelt worden. Eine hohe Wasserundurchlässigkeit sowie Spritzfähigkeit zeichnen den Feinbeton aus [3]. Mit einem Größtkorn von einem Millimeter eignet sich die Fertigmischung sehr gut für kleinformatige Probekörper. Die Abmessungen der Probekörper der Versuchsreihen weisen eine Länge von 800 mm, ein Breite von 70 mm und eine Schichtdicke von 15 mm auf. Bewehrt sind die Probekörper mit acht Carbonrovings aufgeteilt auf zwei Lagen. Die Rovings liegen gleichmäßig verteilt 14 mm auseinander, der Abstand der beiden Bewehrungslagen beträgt fünf Millimeter, sodass auch eine Betondeckung von fünf Millimetern gegeben ist. Die Carbonendlosfasern SIGRAFIL ® C T50-4.4/ 255-E100 weisen eine Faserfeinheit von 3450 tex auf. Daraus ergeben sich 1,92 mm²/ Strang sowie 15,36 mm²/ Probekörper. Das ergibt einen Bewehrungsgrad von circa 1,5 % bei einer Betonquerschnittsfläche von 1050 mm². Herstellung Die Textiltränkung wurde in einem Drei-Walzen-Foulard vorgenommen. Die Carbonendlosfasern sind nach der Tränkung auf einem Rahmen aufgespannt und luftumspült gelagert worden. Die unbehandelten flachen Carbonendlosfasern wurden nach der Tränkung keiner Formgebung unterzogen. Der Querschnitt lässt sich als ungeregelt mit ovaler Ausprägung bezeichnen. Die Lagerung erfolgte bei 20 °C und einer relativen Luftfeuchtigkeit von 50 % (± 5 %) für mindestens vier Wochen. Die Textilbeton-Probekörper wurden stehend in einer Kunststoffschalung hergestellt. Ein Schalungssatz umfasst vier Probekörper mit jeweils acht getränkten Rovings. Die Lagesicherheit der Rovings wurde über Distanzstücke im Schalungsrahmen sowie Zugfedern sichergestellt. Die Zugfedern wirkten lediglich lagesichernd, ohne eine signifikante Vorspannung zu erzeugen. Die betonierten Probekörper wurden 20 Stunden gegen Austrocknen geschützt, anschließend bis zum 7. Tag im Wasserbad gelagert und bis zur Prüfung nach 28 Tagen bei 20 °C und 65 % relativer Luftfeuchtigkeit luftumspült gelagert. Detaillierte Angaben zur Herstellung der Probekörper und den verwendeten Materialien sind [4] zu entnehmen. 2.2 Versuchsaufbau und Durchführung Der einaxiale Zugversuch oder auch Dehnkörperversuch nach [5] wurde in der Universalprüfmaschine inspekt 100 kN der Fa. Hegewald & Peschke entsprechend der Empfehlungen von [6] durchgeführt. Die Probekörperhalterung erfolgte an den Enden durch Klemmung über eine Länge von 250 mm zwischen zwei profilierten Stahlplatten mit Furniersperrholz als Zwischenlage. Die Klemmvorrichtung wurde in Kugelgelenkköpfe eingehängt, um eine einaxiale Zugbeanspruchung zu gewährleisten. Die Prüfung erfolgte weggesteuert mit einer Prüfgeschwindigkeit von 1 mm/ min. Der gesamte Prüfkörper wurde zuvor mit 200 N Vorlast zentriert. Bild 1 zeigt eine schematische Darstellung des Prüfkörpers. Textilbewehrte Mörtel- und Betonschichten mit mineralisch getränkter Bewehrung - Möglichkeiten und Perspektiven 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 173 Bild 1: Schematische Darstellung der Probekörperhalterung Mit dem photogrammetrischen Messsystem ARAMIS ® 12 M der Fa. GOM wurden Längenänderungen und Rissbildung kontinuierlich erfasst. Mittels Bildkorrelation können durch ein aufgesprühtes stochastisches MusterVerschiebungen am Probekörper erfasst werden. Aus den Verschiebungen lassen sich z.B. Längenänderungen ableiten. Die Probekörper wurden in einem Bereich der freien Weglänge von 300 mm betrachtet. Über den zentralen 200 mm langen Bereich der Probekörper wurde die Dehnung e ermittelt. Die Dehnung e ergibt sich aus dem Quotienten der Längenänderung D l und der Ausgangslänge l 0 . Mit der rechnerischen Textilzugspannung s in N/ mm², welche sich aus der Zugkraft in Bezug auf die textile Querschnittsfläche ergibt, wird das Spannungs- Dehnungsverhältnis angegeben. Die Bewertung der Rissanzahl, Rissbereiten und Rissabstände erfolgt über die gesamte freie Weglänge. 2.3 Auswertung der Spannungs-Dehnungslinie und Rissbildung Zunächst wurde eine Versuchsreihe mit drei unterschiedlichen Kieselsäureester-Tränkungen durchgeführt. Es wurden jeweils vier Probekörper geprüft. Bild 2 zeigt die Ergebnisse in Form von Spannungs-Dehnungslinien. Es ist ersichtlich, dass die Probeköper mit KSE 100 Textiltränkung die gleichmäßigsten Ergebnisse aufweisen und im Vergleich mit etwa 1150 N/ mm² das höchste Versagensniveau erreichen (Bild 2 links). Bei allen Proben lag ein Mischversagen von Kernfaserauszug und Riss der äußeren Filamente vor [6]. Die KSE 100 Proben zeigen das charakteristische Verhalten von Textilbeton im Zugversuch [5, 7]. Die Zustände I, IIa und IIb sind als lineare Bereiche erkennbar, wenngleich es eine Überlagerung von Zustand IIa und IIb gibt, da eine fortlaufende diffuse Rissbildung stattfindet. Bild 2: Spannungs-Dehnungslinien von Kieselsäureester-Tränkungen (links: KSE 100, mittig: KSE 300, rechts: KSE 500E) Neben der höheren rechnerischen Textilzugspannung der KSE 100 Proben weist auch das Rissbild mit vielen Einzelrissen sowie geringen Rissbreiten und Rissabständen das beste Ergebnis auf. Zurückzuführen ist dies auf einen höheren inneren Textilverbund wie auch äußeren Verbund der Textilien zum Beton. Die geringere Gelabscheidungsrate der KSE 100 Tränkung erzeugt eine feine und gleichmäßige silikatische Oberfläche auf den Carbonrovings. Zusätzlich weisen die mit KSE 100 getränkten Rovings einen Querschnitt mit größerer Kontaktfläche zum Beton auf, als die Rovings die mit KSE 300 und 500E getränkt wurden. Die Kombination aus feiner Oberfläche und größerer Verbundfläche zum Beton beeinflusst den äußeren Verbund positiv, sodass sehr feine Rissbilder in Kombination mit einer adäquaten rechnerischen Textilzugspannung für den Gebrauchszustand erreicht werden konnten. Bild 3 zeigt die mit ARAMIS © aufgenommenen Rissbilder der Versuchsreihe. Textilbewehrte Mörtel- und Betonschichten mit mineralisch getränkter Bewehrung - Möglichkeiten und Perspektiven 174 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Bild 3: Repräsentative Rissbilder des Textilbetons zu unterschiedlichen Kieselsäureester Tränkungen Die weiteren Versuchsreihen wurden mit dem Tränkungsmaterial KSE 100 durchgeführt. Dabei wurde zunächst die Auswirkung der Lagerung der Textilbetonprobekörper mit KSE 100 getränkten Carbonfasern untersucht. Zwei Probekörperreihen mit jeweils acht Probekörpern wurden zum einen nach der Herstellung und Ausschalung 26 Tage im Wasserbad gelagert und 24 h vor der Prüfung bei 20 °C und 65 % relativer Luftfeuchte getrocknet (WTB-KS1W). Zum anderen wurden acht Probekörper nach sechs Tagen Lagerung im Wasserbad bis zu Prüfung bei 20 °C und 65 % relativer Luftfeuchtigkeit luftumspült gelagert (WTB-KS1C). Die Ergebnisse aus dem Zugversuch der WTB-KS1C- Proben deckten sich im Rahmen der Messgenauigkeit mit den Ergebnissen der vier KSE 100 Proben aus der ersten Versuchsreihe. Der Vergleich der Spannungs-Dehnungsbeziehung zeigte bei den wassergelagerten Probekörpern WTB-KS1W einen etwas weniger abgeflachtes Plateau im Zustand IIa sowie im Mittel ein etwas früher eintretendes Versagen bei einer rechnerischen Textilzugspannung von 984 N/ mm² (± 58 N/ mm²). Der Rissbildungsprozess der WTB-KS1W-Proben weist etwas geringere Lastabfälle auf sowie einer größeren Überlagerung der Zustände IIa und IIb. Dies führte zu geringeren Rissbreiten der Einzelrisse. Die Bilder 4 und 5 zeigen Rissbreiten repräsentativer Risse und deren Streubereich zu den Proben WTB-KS1W und WTB-KS1C. Die Risse der Proben WTB-KS1C weisen bei einer rechnerischen Textilspannung von 800 N/ mm² eine mittlere Rissbreite von w cr,mean = 0,068 mm (± 0,033 mm) auf. Die Risse der wassergelagerten Proben WTB-KS1W weisen an dieser Stelle (800 N/ mm²) lediglich eine mittlere Rissbreite von w cr,mean = 0,051 mm (± 0,022 mm) auf. Beim Versagenszeitpunkt der Proben WTB-KS1C (1154 N/ mm² ± 128 N/ mm²) weisen diese eine mittlere Rissbreite von Bild 4 und 5: Rissbreiten-Spannungsdiagramm von WTB-KS1C w cr,mean = 0,101 mm (± 0,051 mm) auf. Die Proben WTB-KS1W weisen an dieser Stelle (984 N/ mm² ± 58 N/ mm²) lediglich eine mittlere Rissbreite von w cr,mean = 0,060 mm (± 0,041 mm) auf. Eine detailliertere Beschreibung der Ergebnisse zu den Untersuchungen sind in [4] aufgeführt. Textilbewehrte Mörtel- und Betonschichten mit mineralisch getränkter Bewehrung - Möglichkeiten und Perspektiven 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 175 3. Untersuchungen zur Rissheilung von filigranen Textilbetonprobekörpern unter Einfluss verschieden hoher Wasserdrücke 3.1 Versuchsaufbau und Durchführung Die Versuche zur Rissheilung wurden an den Probekörpern, die zuvor im einaxialen Zugversuch geprüft wurden, durchgeführt. Dazu wurden aus den geprüften Probekörpern 70 bzw. 100 mm lange Exemplare herausgesägt. Die Sägeschnitte wurden so angeordnet, dass ein oder mehrere Risse durch die Proben verlaufen. Bild 6 zeigt einen entsprechenden Probekörper. Die Probekörper wurden einseitig mit Wasser beaufschlagt, um das Rissheilungspotential der im Zugversuch entstandenen Risse optisch zu analysieren. In ersten Vorversuchen wurden die Probekörper in Anlehnung an die Untersuchung zum Wasseraufnahmekoeffizient nach DIN 15148 [8] im Wasserbad gelagert, sodass die Unterseite dauerhaft im Kontakt mit Wasser steht. Die Kanten der Probekörper wurden dazu mit Paraffin-Wachs versiegelt. Die Risse sind dadurch einem drucklosen Kontakt mit Wasser ausgesetzt. Bild 7 zeigt schematisch den Versuchsaufbau. Es wurden Probekörper mit Rissen ≤ 0,1 mm sowie Rissen ≥ 0,1 mm untersucht. In einem weiteren Schritt wurde die Rissheilung mit unterschiedlichen Wasserdrücken untersucht. Dazu wurde ein spezieller Prüfaufbau konzipiert (Bild 8). Die 70 mm langen Probekörper wurden vertikal zwischen abgedichtete PE-Rohre geklemmt, sodass einseitig Wasser aufgebracht werden kann. Die geschlossene Seite der PE-Rohre ist an ein Schlauchsystem mit Wasserspeicher angeschlossen, welchem ein Druckluftsystem vorgeschaltet ist. Auf der anderen Seite des Probekörpers ist das PE-Rohr offen, sodass durchdringendes Wasser abfließen kann. Mittels einstellbarem Manometer ist stufenlos ein Druck von 0 bis 2,5 bar möglich. Die Versuche wurden in den Druckstufen 0,1 bar, 0,5 bar und 1,0 bar durchgeführt. Die Druckstufen simulieren Wassersäulen von 1 m, 5 m und 10 m. Bild 6: Probekörper für Rissheilungsuntersuchung aus Zugver-suchsproben (Abmessung 70 x 70 mm) Bild 7: Schematische Darstellung Versuchsaufbau Rissheilung (drucklos) in Anlehnung an Wasseraufnahmekoeffizient (nicht maßstäb-lich) Untersucht wurden Probekörper mit mikroskopisch messbaren Rissbreiten im Bereich von 0,025 mm < w cr < 0,200 mm. Die Rissbreite wurde über die gesamte Länge des Risses an mehreren Stellen erfasst. Entsprechend dieser Messwerte wurden drei Risskategorien bestimmt: • Kategorie 1: w cr < 0,05 mm • Kategorie 2: 0,05 mm > w cr < 0,10 mm Textilbewehrte Mörtel- und Betonschichten mit mineralisch getränkter Bewehrung - Möglichkeiten und Perspektiven 176 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Bild 8: Versuchsaufbau Rissheilung mit Druckwasser • Kategorie 3: w cr > 0,10 mm Es wurde zu jeder Druckstufe eine Versuchsreihe mit vier Probekörpern der jeweiligen Risskategorien durchgeführt. 3.2 Auswertung der Rissheilung Bei den Vorversuchen mit drucklos anstehendem Wasser auf der Unterseite der Probekörper konnte festgestellt werden, dass die Proben mit Rissbreiten w cr ≤ 0,10 mm einige Stunden bis hin zu zwei Tagen benötigen, bis auf der Oberseite ein vollständig durchnässtes Rissbild zu erkennen ist. Die Rissheilung, ersichtlich durch ein fortlaufendes Abtrocknen der Oberfl äche, stellte sich zügig nach der Durchfeuchtung ein. Nach vier Tagen war eine Abnahme des Wasserdurchschlags zu erkennen. Diese Beobachtung setzte sich über acht und zwölf Tage fort, bis nach 24 Tagen eine nahezu vollständige Rissheilung erreicht wurde. Bild 9 zeigt die Entwicklung der Rissheilung einer Probe mit Rissbreiten w cr ≤ 0,10 mm. Bild 9: Entwicklung der Rissheilung von Rissen w cr < 0,10 mm Bild 10: Entwicklung der Rissheilung von Rissen w cr > 0,10 mm Bei den Proben mit Rissbreiten w cr > 0,10 mm ist der Wasserdurchschlag bereits nach einer Stunde erfolgt, eine Rissheilung fand nur partiell statt. Auch nach 24 Tagen sind die durchnässten Risse noch deutlich zu erkennen, nur in Teilbereichen sind Trocknungen und Ablagerungen aus dem Rissheilungsprozess zu erkennen. Bild 10 zeigt die Entwicklung der Rissheilung einer Probe mit Rissbreiten w cr > 0,10 mm. Bei den Untersuchungen zum Einfl uss des Wasserdrucks auf die Rissheilung zeigte sich, dass die Proben schon bei 0,1 bar bereits nach 30 bis 60 Minuten durchnässten. Mit steigendem Druck verkürzte sich die Zeit des vollständigen Wasserdurchschlags weiter, sodass bei 1,0 bar Wasserdruck der Wasserdurchschlag unmittelbar nach Versuchsbeginn erreicht wurde. Eine Rissheilung erfolgte bei der Druckstufe 0,1 bar bei allen Probekörpern. Risse mit Rissbreiten w cr < 0,05 mm trockneten bereits wenige Stunden nach Versuchsbeginn wieder aus. Nach weniger als 24 Stunden waren alle Risse der ersten und zweiten Kategorie trocken. Lediglich bei einem Probekörper, der in Teilbereichen Rissbreiten von w cr = 0,18 mm aufweist, Textilbewehrte Mörtel- und Betonschichten mit mineralisch getränkter Bewehrung - Möglichkeiten und Perspektiven 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 177 Literatur Bild 11: Probekörper für Rissheilungsuntersuchung aus Zugver-suchsproben (Rissbreite zwischen 0,05 und 0,1 mm bei 0,5 bar Wasserdruck) stellte sich auch nach 14 Tagen keine Austrocknung ein. Bei der Druckstufe 0,5 bar fand bei den Proben mit Rissbreiten w cr < 0,05 mm eine Rissheilung innerhalb weniger Stunden statt. Risse im Bereich von 0,05 mm < w cr < 0,10 mm trockneten in Teilen innerhalb von 48 Stunden ab. Risse der dritten Kategorie (w cr > 0,01 mm) trockneten nur in Teilbereichen ab, sodass nach Ende der Versuchslaufzeit von 14 Tagen einige Probenbereiche trocken waren, einzelne Proben aber noch gänzlich durchnässt. Bild 11 zeigt exemplarisch die Entwicklung der Rissheilung eines Probekörpers der zweiten Risskategorie bei 0,5 bar Wasserdruck. Bei der Druckstufe 1,0 bar trockneten die meisten Proben der ersten Kategorie im Zeitraum von 96 Stunden wieder ab. Probekörper mit Rissbreiten der zweiten Kategorie trockneten über den Versuchszeitraum von 14 Tagen in Teilen ab. Einige Bereiche, in denen die Rissbreiten im Bereich von 0,10 mm liegen, waren noch nicht ausgeheilt. Proben der Kategorie 3 konnten nicht geprüft werden, da der Wasserdurchtritt zu stark war, es herrschte ein kontinuierlicher Wasserfluss. Bei der Betrachtung der Probekörper unter dem Mikroskop ist die Rissheilung an der Betonoberfläche zu erkennen. Bild 12 zeigt die Vergrößerung von drei Rissbereichen. In Bild 12 a) ist ein Rissbereich dargestellt, der keiner weiteren Nachbehandlung unterzogen wurde. Die Rissufer sind deutlich als scharfe Kanten zu erkennen. Der freie Rissbereich (w cr ~ 0,05 mm) ist nur mit wenigen Artefakten aus dem Rissbildungsprozess versehen. In Bild 12 b) ist ein Rissbereich (w cr ~ 0,05 mm) dargestellt, der bei einer Druckwasserbehandlung von 0,5 bar ausheilen konnte. Es ist eine Rissschließung durch Ablagerungen, bestehend aus Betonpartikeln infolge der Rissbildung, Wasserinhaltsstoffen sowie Calciumcarbonat-Kristallen (CaCO 3 ), zu erkennen [9]. Bild 12 c) zeigt einen Rissbereich mit einer Rissbreite im Bereich von 0,10 mm nach einer 14 tägigen Druckwasserbehandlung bei 0,5 bar. Es ist zu erkennen, dass Teile des Risses angefangen sind auszuheilen, eine Rissschließung konnte jedoch nicht erreicht werden. Die Untersuchung zur Rissheilung unter Einfluss verschiedener Wasserdrücke zeigte, dass auch mit einem steigenden Wasserdruck eine Rissheilung in filigranen Textilbetonprobekörpern möglich ist. Rissbreiten bis 0,10 mm konnten ausheilen. 4. Zusammenfassung und Ausblick Diese Veröffentlichung zeigt, dass Textilbeton-Systeme mit mineralisch getränkten Carbonfasern auf Basis von Kieselsäureester eine Alternative zu herkömmlichen Systemen bieten. Die Ergebnisse der Zugversuche zeigten, dass eine Zugtragfähigkeit für den Gebrauchsbereich einer Instandsetzung zur Rissüberbrückung von Stahlbetonbauwerken erreicht werden kann. Dazu werden eine Vielzahl von Einzelrissen mit sehr geringen Rissbreiten Textilbewehrte Mörtel- und Betonschichten mit mineralisch getränkter Bewehrung - Möglichkeiten und Perspektiven 178 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Bild 12: Mikroskopie von a) offenem Rissbereich, b) vollständiger Rissheilung und c) teilweiser Rissheilung unterhalb von 0,10 mm erreicht, wodurch ein wasserdichtes System geschaffen werden kann. Die Versuche zur Rissheilung haben gezeigt, dass die filigranen Probekörper auch bei höheren Wasserdrücken innerhalb kurzer Zeit ausheilen können. An den entstandenen sehr feinen Rissbreiten konnten Rissheilungsprozesse mit bis zu 1,0 bar Wasserdruck nachgewiesen werden. Textilbetone mit mineralischen Tränkungsmaterialien bieten damit ein großes Potential bei der Instandsetzung von Stahlbetonbauwerken, beispielhaft sind Trinkwasserbauwerke zu nennen. Das untersuchte Textilbetonsystems bietet ein „quasi dichtes“ Instandsetzungssystem ohne den Einsatz von Polymeren als Textil- Tränkung. An der Technischen Universität Dortmund werden die Dauerhaftigkeit des Systems sowie die Verbesserung des Zugtragverhaltens weiter untersucht. Literatur [1] Orlowsky, J.; Raupach, M.; Westendarp, A.; Öztürk, T.: Textilbewehrte Spritzmörtel zur Instandsetzung von Wasserbauwerken. Beton 61 (2011), Nr. 12, S. 486-490 [2] Jacobs R.; Bock C.: Ein Zeltdach mit Textilbeton. Deutsches Ingenieurblatt, 2020, Nr. 7. [3] Lieboldt, M.: Feinbetonmatrix für Textilbeton: Anforderungen-baupraktische Adaption-Eigenschaften. Beton-und Stahlbetonbau, 2015, 110. Jg., Nr. 1, S. 22-28. [4] Lenting, M.; Orlowsky, J.: Einaxiale Zugversuche an textilbewehrten Betonen mit anorganisch getränkten Carbonfasern. Beton-und Stahlbetonbau, 2020, 115. Jg., Nr. 7, S. 495-503. [5] Jesse, F.: Tragverhalten von Filamentgarnen in zementgebundener Matrix. TU Dresden, Dissertation, 2004. [6] Schütze, E.; Bielak, J.; Scheerer, S.; Hegger, J.; Curbach, M.: Einaxialer Zugversuch für Carbonbeton mit textiler Bewehrung. Beton- und Stahlbetonbau 113 (2018), Heft 1, S. 33-47. [7] Lorenz, E.; Schütze, E.; Schladitz, F.; Curbach, M.: Textilbeton - Grundlegende Untersuchungen im Überblick. Beton- und Stahlbetonbau 108, (2013), Heft 10, S. 711-722. [8] Deutsches Institut für Normung e.V.: DIN ES ISO 15148: Wärme- und feuchtetechnisches Verhalten von Baustoffen und Bauprodukten - Bestimmung des Wasseraufnahmekoeffizienten bei teilweisem Eintauchen. Ausgabe 2018-12. Beuth- Verlag, Berlin [9] Meichsner H.; Röhling, S.: Die Selbstdichtung (Selbstheilung) von Trennrissen ein Risiko in der WU-Richtlinie. Der Bausachverständige 5/ 2015, S. 9-13. 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 179 Textilbeton - von der Innovation in die Praxis Dr.-Ing. Till Büttner Massenberg GmbH, Essen Zusammenfassung Bei der Verwendung von Beton als Konstruktionswerkstoff ist insbesondere bei zug- und biegebelasteten Bauteilen, aufgrund der im Vergleich zur Druckfestigkeit geringen Zugfestigkeit, eine Bewehrung des Bauteils erforderlich. Traditionell werden Betonbauteile mit Stahl bewehrt. Textilbeton repräsentiert einen innovativen und neuartigen Werkstoff, bei dem technische Textilien oft aus alkali-resistenten Glas oder Kohlenstofffaser als diskrete Bewehrung zum Einsatz kommen. Textilbeton ermöglicht die Ausführung von schlanken Bauwerken oder Konstruktionen, die sich durch eine vergleichsweise hohe Dauerhaftigkeit auszeichnen. Der Werkstoff Textilbeton wurde im Rahmen von zwei Sonderforschungsbereichen (SFB 532 und 528) an der RWTH Aachen University sowie der TU Dresden sowie zahlreichen Folgeprojekten umfangreich in den letzten 20 Jahren wissenschaftlich untersucht und von dort aus in die Praxis transferiert. Die mittlerweile realisierten Anwendungen, die sich aus Zustimmungen im Einzelfall oder den über 10 vorhandene allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassungen bzw. allgemeinen Bauartgenehmigungen des Werkstoffs Textilbeton zusammensetzen, sind vielfältig und in unterschiedlichen Bereichen des Bauwesens, wie dem Hochbau, dem Ingenieurbau und der Instandsetzung zu fi nden. Die vorliegende Veröffentlichung stellt das Potential des Werkstoffes dar und zeigt ausgewählte Anwendungen des Werkstoffs Textilbeton. 1. Einleitung Betonbauteile können auf unterschiedliche Arten bewehrt werden. Bei Stahlbeton wird üblicherweise die Bewehrung als Stab- oder Mattenstahl eingebaut. Eine weitere Möglichkeit ein Betonbauteil zu bewehren ist die Verwendung von Stahl- oder Kunststoff-Kurzfasern, die der Betonmischung während der Herstellung zugegeben werden und über den gesamten Querschnitt verteilt sind. Infolge der Zugabe von Kurzfasern kann die Zugfestigkeit des gesamten Bauteils gegenüber einem unbewehrten Betonbauteil erhöht werden. Alternativ werden auch Bewehrungen aus Glas- oder Carbonfasern als Kurzfaserbewehrung oder als Stabbewehrungen aus Faserverbundwerkstoffen (FRP) für Betonanwendungen verwendet. Zunehmend fi nden technische Textilien in Form von Matten (siehe Bild 1a) aus Glas- oder Carbonfasern im Bauwesen Anwendung. Während unter dem Begriff Textilbeton eine mattenartige Bewehrung aus Endlosfasern zu verstehen ist, spezifi ziert der Begriff Carbonbeton diesen Begriff weiter und gilt für Betone, die mit Bewehrungen aus Kohlenstofffasern hergestellt wurden. Letztere schließt stabförmige Bewehrungen, die ebenfalls in Beton eingebettet werden mit ein. Carbonbeton ist daher weder ein Oberbegriff noch eine Untergruppe von Textilbeton. Vielmehr haben beide Verbundwerkstoffe mattenartige Bewehrungen aus Carbonfasern als gemeinsamen Schnittbereich (siehe Bild 1b). Die Kombination von textilen Carbonbewehrungen und Beton wird als Textilbeton mit Carbonfaser Textilien bezeichnet. Bild 1a: Schematische Darstellung der unterschiedlichen Möglichkeiten mit textilen Bewehrungen Beton zu bewehren - links: Kurzfaserbewehrungen; Mitte: einzelne diskrete Rovings / Bewehrungsstäbe; rechts: Bewehrungstextil / Büt12/ Bild 1b: Schematische Darstellung der Begriffe Textilbeton, Carbonbeton, Textilbeton mit Carbonfaser-Textilien und ihrer Schnittstellen / Mor20/ Textilbeton - von der Innovation in die Praxis 180 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 2. Materialien für Textilbeton 2.1 textile Bewehrungen Die kleinste Einheit einer textilen Bewehrungsstruktur ist ein Filament mit einem Durchmesser (bei Glas) von ca. 5 bis 30 μm. Die Herstellung dieser Filamente erfolgt mittels Düsenziehverfahren mit Abziehgeschwindigkeiten (bei Glas) zwischen 25 und 150 m/ s. Unmittelbar nach dem Ausziehen werden die Filamente zu Rovings zusammengefasst und aufgespult. Vor dem Aufspulen der Fasern wird auf den Roving eine Schlichte aufgetragen. Üblicherweise werden zwischen 0,5 und 2,5 M.-% Schlichte auf den Roving appliziert / Zor03/ . Infolge des Schlichteauftrags werden die einzelnen Filamente eines Rovings miteinander verklebt und vor weiteren Beschädigungen geschützt. Ferner erlaubt die Zusammensetzung der Schlichte eine Anpassung an unterschiedliche Anwendungsgebiete. Die Schlichte ist i.d.R. eine Dispersion auf Basis von Acrylaten, Styrol-Butadien oder Siloxanen / But09/ . Polyacrylnitril (PAN) ist der dominierende Rohstoff (auch: Precursor) für die Herstellung von Carbonfasern. Die Herstellung dieser Fasern ist ein thermischer Prozess, der aus drei aufeinanderfolgenden Stufen besteht, die als Stabilisierung (auch: Oxidation), Karbonisierung (auch: Pyrolyse) und Nachbehandlung bezeichnet werden. In Abhängigkeit von der Endbehandlungstemperatur wird in Fasertypen unterschieden, welche Unterschiede in der Zugfestigkeit und Elastizitätsmodul aufweisen. Im Bauwesen haben sich High Tenacity (HT)-Fasern aufgrund der vergleichsweise geringeren Kosten mit ausreichender Duktilität durchgesetzt / Jes10/ . Um die nachfolgende textile Verarbeitung der Filamente zu ermöglichen, werden auch 1 - 2 M.-% Schlichte i.d.R. auf Basis von Epoxidharzen, Polyurethanen, Polyesterharzen oder Polyamiden im Anschluss an die Nachbehandlung aufgetragen. Für die Herstellung von textilen Carbonbewehrungen für die Bauindustrie werden Rovings aus mehr als 24K (meist 50K) Filamenten mit einem Durchmesser von ca. 7 μm verwendet / Che16/ . Die charakteristische Kenngröße für einen Roving ist die Feinheit, auch Titer genannt, der das Gewicht pro Längeneinheit angibt (siehe auch ISO 1889: „Feinheit (eines Garnes) ist die längenbezogene Masse des Garnes, mit oder ohne Schlichte bzw. Präparation“). Die Einheit des Titers ist tex, dies entspricht dem Gewicht in Gramm pro Kilometer Länge. Typische Glasrovings weisen einen Titer zwischen 320 und 2400 tex auf. Ein 2400 tex AR-Glas Roving besteht aus ca. 1600 Einzelfilamenten - siehe Bild 3. Bei Carbonrovings liegt der Titer typischerweise zwischen 800 und 3200 tex. Bild 2: Oben: 2400 tex AR-Glas Roving; unten: biaxiales Gelege („Textil“), bestehend aus 2400 tex AR-Glas Rovings mit einer Maschenweite von 7,2 mm / Büt12/ Bei der industriellen Fertigung werden als Bewehrung üblicherweise biaxiale Textilien mit rechteckigen oder quadratischen Maschenweiten bis zu 38 mm analog zu einer Mattenstahlbewehrung verwendet. Im Fertigteilbereich z. B. zur Herstellung von Fassadenplatten werden auch dreidimensionalen textilen Strukturen, bestehend aus i.d.R. zwei Lagen biaxialen Textilien welche mittels Polfäden auf Abstandgehalten werden, eingesetzt. Die Abbindung der Textilen, d.h. die Verbindung der Rovings untereinander, erfolgt mit einem sog. Wirkfaden, der in Abhängigkeit der Anforderungen aus der Tragfähigkeit, der Betonierbarkeit sowie der Verschiebesteifigkeit um die einzelnen Rovings während der Herstellung des Textils gewebt wird. Die dabei in Produktionsrichtung der Maschine verarbeiteten Filamentbündel werden als Kettrovings bezeichnet und die quer zu diesen als Schussrovings genannt. Das in Bild 2 dargestellte Textil ist mit einer sogenannten Fransebindung abgebunden, die den Roving bei der Textilherstellung kompaktiert und ein Textil mit hoher Verschiebefestigkeit sowie geringem Wirkfadenanteil in den einzelnen Maschen erzeugt / Vos08/ . Die sog. Tränkung von textilen Bewehrungen mit reaktiven Polymeren, wie Epoxidharzen (EP) oder Dispersionen auf Acrylat- oder Styrol-Butadien-Basis hat zum Ziel sowohl die Handhabbarkeit der Bewehrungen während des Einbauprozesses als auch die Tragfähigkeit der Bewehrungen infolge des Verklebens aller Rovings miteinander im Vergleich zu Textilbeton - von der Innovation in die Praxis 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 181 ungetränkten Bewehrungen wesentlich zu optimieren. Im Gegensatz zu einem ungetränkten Rovingquerschnitt, bei dem im Wesentlichen nur die äußeren Filamente am Lastabtrag in einem Verbundbauteil beteiligt werden, werden infolge der Tränkung möglichst viele Filamente am Lastabtrag beteiligt. Diese Aktivierung des gesamten Bewehrungsquerschnittes führt zu einer deutlichen Steigerung der Tragfähigkeit. Diese Tragfähigkeitssteigerung wird neben der Tränkungsqualität und Tränkungsgehalt im Wesentlichen von der Steifigkeit des Tränkungspolymers beeinflusst. So weisen mit Styrol-Butadien getränkte textile Bewehrungen nur eine minimale Traglaststeigerung auf, wobei infolge einer Tränkung mit reaktiven Systemen sowie mit Acrylat nahezu die rechnerische Rovingzugfestigkeit erreicht werden kann. Aufgrund der hohen Traglaststeigerung, und die besseren Verbundeigenschaften die eine Tränkung der Bewehrung mit EP ermöglichen (siehe Bild 4) rücken bei den aktuellen Anwendungen schwerpunktmäßig EP-getränkte Bewehrungen immer mehr in den Vordergrund. Neben der Steigerung der Tragfähigkeit hat die Tränkung mittels (z.B.) EP bei AR-Gläsern einen weiteren Vorteil. Trotz der Verwendung von modifizierten Gläsern, sog. AR- Gläsern, als Bewehrungsstruktur für Textilbeton weist AR- Glas über die Bauteilnutzungsdauer einen zeitabhängigen Festigkeitsverlust, d.h. eine Reduktion der Zugfestigkeit, auf. Diese Reduktion der Zugfestigkeit kann im Rahmen üblicher Bauteilnutzungsdauern von 50 Jahren bei ungetränkten AR-Glas Bewehrungen bis zu 40 % betragen. Maßgebend für die Reduktion der Zugfestigkeit von AR- Glas Bewehrungen ist ein nukleophiler Angriff der alkalischen Betonporenlösung auf das Glasnetzwerk / Büt12/ . Infolge der Tränkung der AR-Glas Bewehrung mit Epoxidharzen kann dieser Festigkeitsverlust deutlich reduziert werden. Im Rahmen der Untersuchungen des Autors hat sich gezeigt, dass in Abhängigkeit des verwendeten Polymers, der Geometrie der Bewehrung sowie der Exposition die bei epoxidharzgetränkten AR-Glas Bewehrungen Festigkeitsverluste nach 50 Jahren zwischen 10 und 33 % zu erwarten sind / Büt12/ . Bei der Verwendung von Carbon als Bewehrungsmaterial ist kein Festigkeitsverlust infolge der Alkalität des Betons feststellbar. Die Tränkung führt auch hier zu einer signifikanten Tragfähigkeitssteigerung verglichen mit ungetränkten Carbon-Textilien. Während eine Tränkung den inneren Verbund zwischen den Filamenten maßgeblich erhöht, wird eine Verbesserung des äußeren Verbunds zwischen textiler Bewehrung und Betonmatrix infolge einer Modifikation der Textiloberfläche erzielt. Heutzutage werden im industriellen Maßstab oberflächenmodifizierten Textilien von der Fa. solidian unter der Materialbezeichnungs solidian AN- TICRACK angeboten. Dabei wird das bereits EP getränkte Textil (siehe Bild 3 oben) in einem zusätzlichen Schritt mit EP beschichtet und mit Quarzsand anschließend abgestreut (siehe Bild 3 unten). Dies führt zu einer messbaren Erhöhung der Rauheit des Textils welche sich positiv auf das Verbundverhaltes des Textilbetons auswirkt. Dadurch wird die Rissbildung begünstigt und die mittleren Rissbreiten um 33 % bis zu 50 % reduziert, während die maximalen Rissbreiten um bis zu 50 % reduziert werden (im Vergleich zu den nur mit EP-getränkten textilen Bewehrungen / Mor19, Mor20/ ). Diese Bewehrungen eignen sich besonders für die Instandsetzung von Bauwerksoberflächen. Bild 3: oben: epoxidharz-getränkte textile Carbonbewehrung; unten: oberflächenmodifizierte textile Carbonbewehrung - beide Bilder / ibac/ Bild 4 gibt einen Gesamtüberblick über das Tragverhalten von Textilbeton mit Carbontextilien mit unterschiedlichen Tränkungsmaterialien der Bewehrung unter Zugbeanspruchung. Die Spannungs-Dehnungslinien der Textilbetonschichten mit getränkten textilen Bewehrungen sind grundsätzlich sehr ähnlich. Drei sehr charakteristische Bereiche können dabei in Übereinstimmung mit / Jes05/ - Bereich bis Erstrissbildung; Rissbildungsphase; Lastübernahme der Bewehrung bis zum Bruch festgestellt werden. Die polymergetränkten Bewehrungen zeigen eine deutliche Steigerung der Bruchlast (mind. um den Faktor 1,6) im Vergleich zu ungetränkten Bewehrungen. Ferner zeigt sich, dass mittels einer Oberflächenmodifikation die Zugfestigkeit um weitere 15 % gesteigert werden kann / Mor20/ . Auch zeigt sich bei den hier dargestellten Diagrammen, dass bei vergleichsweise weichen Tränkungsmaterialen, wie SBR, die geringere Steifigkeit der Bewehrung sich erwartungsgemäß auch in der Spannungs-Dehnungslinie des Verbundwerkstoffes zeigt. Textilbeton - von der Innovation in die Praxis 182 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Der Vergleich zwischen Rissbreite und Textilspannung zeigt, dass bei der mit Epoxidharz getränkten Bewehrung die Rissbreiten (mittleren Rissbreiten w m und maximale Rissbreiten w max. ) bei gleichem Spannungsniveau deutlich geringer sind als die bei den mit SBR oder Acrylat getränkten Bewehrungen. Die Rissanzahl bzw. Rissabstand und somit Rissbreiten werden nochmals mit einer Oberflächenmodifikation reduziert. Die maximale Rissanzahl in den Textilbetonschichten entspricht der Maschenweite des Textils senkrecht zur Zugbelastungsrichtung und wird durch den Verbund zwischen Bewehrung und Betonstark beeinflusst / Mor20/ . Dies wird in / Mor20/ als „ideale Rissverteilung“ genannt und wurde bisher nur bei der oberflächenmodifizierten Bewehrung identifiziert. In vergleichende Verbunduntersuchungen der Textilbetonschicht wurde eine Erhöhung um mindestens 35 % der Haftzugfestigkeit der oberflächenmodifizierten textilen Bewehrung gezeigt. Bild 4: Einfluss der Tränkungsmaterialien von textilen Carbonbewehrungen auf das Zugbelastungsverhalten von Textilbeton. oben: Textilspannungs-Dehnungs-Kurven (Weggeregelt), unten: Rissbreiten-Textilspannungskurven / Mor20/ Die Auswahl des Bewehrungsgrundmaterials - AR-Glas oder Carbon - sowie des Tränkungsmaterials erfolgt üblicherweise anwendungsbezogen und auf die Anforderungen des jeweiligen Projektes abgestimmt. Je nach statischer Anforderung der herzustellenden Bauteile kann auch eine Kombination der vorgestellten Bewehrungsarten zum Einsatz kommen. 2.2 FRP-Bewehrungen Neben polymergetränkten textilen Bewehrungen werden auch sog. FRP-Bewehrungen (Fiber reinforced polymers) als Bewehrungsmaterial verwendet. Diese Bewehrungsstäbe haben typische Außendurchmesser zwischen 4 und 32 mm und je nach Anwendungsgebiet können die profilierten faserverstärkte Bewehrungsstäbe auch zu Bewehrungsmatten kombiniert werden und fertig konfektioniert auf die Baustelle geliefert werden, wie in der nachfolgenden Abbildung dargestellt ist. Bild 5: oben: faserverstärkter Bewehrungsstab für Betonbauteile (hier: „ComBAR®“ Bewehrungsstab) / Büt12/ ; unten: Faserverstärkte Bewehrungen (aus AR- Glas) zu Bewehrungsmatte konfektioniert (Bild: solidian) Textilbeton - von der Innovation in die Praxis 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 183 Bei nichtmetallischen Bewehrungen für Betonbauteile, die üblichen Stahlbewehrungen nachempfunden sind, handelt es sich i.d.R. um polymermodifizierte unidirektional bewehrte FRP, die entweder auf Basis von Glas (GFRP) oder Kohlenstofffaser (CFRP) i.d.R. im Pultrusionsverfahren hergestellt werden. Vereinzelt werden auch Basaltfasern als Grundmaterial verwendet. Wird Glas als Fasergrundmaterial verwendet, wird aufgrund des vergleichsweise geringen Preises i.d.R. E-Glas anstatt von AR-Glas verwendet. Als Polymere werden je nach Anwendung Polyester-, Vinylester- oder EP-Harze gewählt. EP- und Vinylesterharze weisen, aufgrund der hohen chemischen Widerstandsfähigkeit sowie der mechanischen Eigenschaften, den höchsten Marktanteil bei FRP-Bewehrungen auf. Gegenüber Stahlbewehrungen zeigen FRP-Bewehrungen die folgenden Vorteile in der Anwendung / Mar08/ : • keine Korrosion des Materials im herkömmlichen Sinne, d.h. infolge Karbonatisierung und Chlorideindringen kommt es zu keiner Veränderung der Tragfähigkeit von GFRP/ CFRP-Bewehrungen, • geringes Eigengewicht bei gleichzeitig hoher Steifigkeit, • einfache Herstellung von anwendungsspezifischen Bewehrungsgeometrien möglich, • Kosteneinsparung beim Transport der Bewehrung infolge geringem Eigengewicht. FRP-Bewehrungen werden insbesondere in England und den USA häufig als Bewehrungen für Brückenüberbauten und -pfeilern, Autobahn-Leitwänden oder nachträgliche Querschnittsergänzungen eingesetzt / Mar08/ . In Deutschland werden GFRP-Bewehrungen u.a. unter dem Handelsnamen „ComBAR®“ (abZ / aBG des DIBt Z.1.6-238 für einen Nenndurchmesser zwischen 8 und 32 mm) oder von der Fa. solidian unter dem Handelsnamen „solidian REBAR“ vertrieben. Anwendungsgebiete dieser Bewehrungsstäbe in Deutschland sind weitgefächert und kommen im Ingenieur-, Brücken oder Tunnelbau zum Einsatz. Möglich ist z.B. die Anordnung als Zugzonenbewehrung bei Parkhäusern (alternativ zu Edelstahlbewehrungen) oder die Verwendung als Anschlussbewehrung bei nachträglichen Querschnittsergänzungen. Die Herstellverfahren variieren zwischen den Herstellern ebenso wie die ausgebildete Rippengeometrie der Stäbe. Die Fasergehalte liegen zwischen rd. 54 und rd. 88 % mit Bruchspannungen zwischen 1000-1400 N/ mm² bei GFRP-Stäben und bis zu rd. 2900 N/ mm² bei CFRP-Stäben bezogen auf den Kerndurchmesser. Die E-Moduli betragen für GFRP-Stäbe ca. 60.000 N/ mm² und für CFRP-Stäbe zwischen 114.000 und 167.000 N/ mm² / Jüt08/ , / Spi07/ , / Solidian/ . Die wesentlichen Unterschiede zwischen faserverstärkten nicht-metallischen Bewehrungen und den bei textilbewehrten Bauteilen üblicherweise ausschließlich verwendeten polymergetränkten Bewehrungen sind die Herstellung sowie die Erscheinungsform. Wie in Bild 2 zu erkennen ist, wird bei polymergetränkten textilen Bewehrungen die Erscheinungsform des aus Rovings hergestellten biaxialen Textils infolge der Tränkung nur minimal verändert, da während der Herstellung nur die zur vollständigen Durchdringung erforderliche Menge Harz in den Querschnitt eingebracht und keine Rippengeometrie o. ä. erzeugt wird. Auf die Erzeugung einer an herkömmliche Stahlbewehrungen angelehnte Rippengeometrie, wie bei FRP-Bewehrungen, wird bewusst verzichtet. Aufgrund der deutlich geringeren Abmessungen der textilen Bewehrungen sind auch im Vergleich zu Bauteilen, die mit FRP-Bewehrungen bewehrt sind, dünnere Querschnitte möglich. 2.3 Mörtel und Betone für Textilbeton Bei textilbewehrten Betonbauteilen werden, aufgrund der Maschenweite der textilen Bewehrungen und der erforderlichen Bewehrungsgrade i.d.R. kleiner als 2 %, Mischungen mit einem Größtkorn von 1 bis 8 mm verwendet, sodass sowohl Mörtel als auch Betone als Matrix verwendet werden. Bei Mischungen mit einem Größtkorn von 4 mm handelt es sich gemäß DIN EN 206-1 / X5/ noch um Mörtel und nicht um Betone. Da die Festigkeiten der bei textilbewehrten Bauteile verwendeten Beton- oder Mörtelmischungen, unabhängig von dem verwendeten Größtkorn, i.d.R. in der Größenordnung höhersowie hochfester Betone liegen, hat sich die Bezeichnung „Feinbeton“ im Bereich des Textilbetons etabliert und es erfolgt keine Unterscheidung der Bindemittelmatrix nach Größtkorn. Es empfiehlt sich, dass die lichte Maschenweite der textilen Bewehrung mindestens dem Dreifachen des Größtkorndurchmessers der verwendeten Mischung entspricht, um eine ausreichende Durchdringung der textilen Bewehrung bei der Herstellung zu erzielen. Für die Herstellung von Textilbeton-Komponenten steht eine Vielzahl verschiedener Methoden zur Verfügung, darunter Gießen, Laminieren, Spritzen, Pultrusion, Extrusion, und neuerdings auch 3D-Druck. Als Herstellverfahren von textilbewehrten Betonbauteilen werden am häufigsten die folgenden Verfahren eingesetzt: • Laminierverfahren, d.h. das lagenweise Herstellen der Bauteile ggf. in einer Schalung, • Gießverfahren, d.h. Herstellen der Bauteile in einer vorbereiteten Schalung und in die Schalung vor der Betonage eingebauter Bewehrung, • Spritzverfahren, d.h. Applikation von Spritzbeton oder Spritzmörtel auf den vorbereiteten Untergrund. Hierbei sollte die Bewehrung lagenweise eingebettet werden. Bei vormontierten Bewehrungen kann es zu Spritzschatten und daraus resultierenden Verbundstörungen kommen. Textilbeton - von der Innovation in die Praxis 184 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Sofern eine unbekannte Kombination aus textiler Bewehrung und Beton- oder Mörtelmischung hergestellt werden soll, kann es sinnvoll sein Herstellversuche durchzuführen und anhand von Schnittproben die Einbindung der Bewehrung in die Mörtelmatrix zu beurteilen. 3. Ausgewählte Anwendungsbeispiele 3.1 Hoch- und Ingenieurbau Textilbeton fi ndet im Hochbau aktuell als dünnwandige Fassadenplatte für hochwertige Sichtbetonfassaden, die u.a. von der Fa. Hering Bau Bau GmbH & Co. KG unter dem Namen „betoshell®“ in unterschiedlichen Abmessungen vertrieben werden. Für die betoshell®-Elemente liegen unterschiedliche bauaufsichtliche Zulassungen vor, z.B. die betoShell®NEO30. Die abZ Z-10.3-723 ermöglicht die Herstellung von Fassadenelementen bis zu einer Maximalgröße von 3,3 m², wobei die Elemente bis zu einer Größe von 3,6 x 2,4 m² bei einer Stärke von 30 mm hergestellt werden können, hier ist dann allerdings eine ZiE erforderlich. Die Grundlagenforschung zu textilbewehrten Fassenplatten erfolgte im Rahmen eines Industrieforschungsvorhabens zusammen mit der Fa. Hering Bau sowie dem Institut für Baustoffforschung (ibac) und dem Institut für Massivbau (IMB) der RWTH Aachen University, bei dem eine großformatige Fassadenplatte mit einer maximalen Größe von 12,5 m² bei einer wirksamen Spiegeldicke von 30 mm entwickelt wurde. Die Fassadenplatte weist zwei rückseitige Verstärkungsrippen auf, die die Befestigung der Fassadenelemente an vier Auflagerpunkten ermöglichen und so auf ein aufwändiges Agraffen-System verzichtet werden kann / Heg09/ . Die Befestigung der Elemente erfolgt stattdessen mit handelsüblichen Fassadenankern direkt in der Unterkonstruktion. Bild 6: Großformatige Fassadenplatte aus textilbewehrtem Beton (2008 - IMB der RWTH Aachen University); Gesamtansicht der Versuchshalle / Büt12/ Eine weitere Möglichkeit des Einsatzes von Textilbeton ist die Erstellung von Sandwichelementen, bei denen die Deckschicht oder beide Schichten aus Textilbeton bestehen. Der Vorteil ist hier, wie bei den großformatigen Fassadenplatten, eine deutliche Gewichtsreduktion der Elemente, was zu geringen Transportkosten sowie Kosten bei der Verankerung der Elemente führt. Ferner können so, bei gleichbleibenden Außenabmessungen, die Gebäudeinnenräume größer ausgeführt werden. Die nachfolgenden zwei Bilder zeigen den Vergleich eines konventionellen sowie eines textilbewehrten Sandwichelementes. Für textilbewehrte Sandwichelemente liegt bei der Fa. solidian eine abZ vor (Z.71.3-39). Bild 7: Vergleich eines konventionellen (oben) und eines textilbewehrten (unten) Sandwichelementes / solidian/ Der Einsatz des Werkstoffes Textilbeton beschränkt sich allerdings nicht nur auf die Herstellung von Fassadenelementen, sondern Textilbeton kann auch bei Ingenieurbauwerken angewendet werden. Ein Beispiel für die Anwendung von Textilbeton bei einem typischen Ingenieurbauwerk ist die im Jahr 2010 realisierte textilbewehrte Fußgängerbrücke in Albstadt-Lautlingen, die in ihrer Schlankheit und geringen Aufbauhöhe bisher einzigartig ist. Der Überbau der rund 100 m langen, in der Aufsicht mit einem Radius von 112,50 m gekrümmten, Brücke besteht aus insgesamt sechs einzelnen siebenstegigen Plattenbalkensegmenten mit einer Breite von 3,20 m und einer Höhe von 43, 5 cm. Die Stützweiten der Elemente betragen 12,90 sowie 16,10 m in den beiden Endfeldern und 17,20 m in Textilbeton - von der Innovation in die Praxis 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 185 den Mittelfeldern. In Längsrichtung ist die Brücke mittels konventioneller Spannlitzen vorgespannt, die Robustheitssowie die Querbewehrung bestehen aus einem mit EP getränkten AR-Glas Textil. Der Beton wurde auch hier als Sichtbeton konzipiert und weist ein Größtkorn von 5 mm auf / Heg10a/ , / Heg11a/ , / Heg11b/ . Die nachfolgenden Bilder zeigen die Brücke nach der Fertigstellung. Bild 8: Textilbewehrte Fußgängerbrücke in Albstadt- Lautlingen; oben: Ansicht der Brücke von dem Fußgängerweg aus; unten: Nachtaufnahme der Brücke / Heg11a/ , / Heg11b/ Insbesondere bei der Herstellung von Fertigteilen haben textile Bewehrungen gegenüber konventioneller Stahlbewehrung einen Vorteil infolge des geringen Eigengewichts der Bewehrungskörbe. Wie die nachfolgenden Bilder einer im Jahr 2015 in Ebingen erbauten weiteren Brücke aus Textilbeton zeigen, wurde seitens der Fa. solidian eine Modulbrücke entwickelt, bei der sowohl der gesamte Bewehrungskorb als auch die Brücke selbst mit vergleichsweise kleinen Hebenzeugen versetzt werden kann. Die Brücke ist vollständig aus Textilbeton erbaut und weist eine Spannweite von rd. 15,50 m bei einer Breite von rd. 3,00 m auf. Die Verkehrslast wurde im Rahmen der Bemessung mit 4,7 kN/ m² angesetzt. Ferner wurde die Last eines einzelnen Schneeräumfahrzeuges mit einem Eigengewicht von 5,4 to berücksichtigt. Bild 9: Textilbewehrte Fußgängerbrücke in Ebingen; oben: Bewehrungskorb aus nicht-metallischer Bewehrung; unten: fertiggestellte Brücke / solidian/ 3.2 Instandsetzung von Bauwerken 3.2.1 Instandsetzung von Ingenieurbauwerken Die Anwendung von Textilbeton erfolgt nicht nur im Neubau, sondern auch in der Instandsetzung, wie z.B. bei der Instandsetzung von Infrastrukturbauwerken. Die Dauerhaftigkeit von Infrastrukturbauwerken wird maßgeblich von unterläufigen Abdichtungen sowie schadhaften Fugen- oder Übergangsprofilen und dem damit verbundenen Eintrag von Chloriden in die Konstruktion negativ beeinflusst / Nau10/ . Trotz der regelmäßig alle drei bzw. sechs Jahre stattfindenden Bauwerksprüfungen kann die Korrosion der Bewehrung oft erst erkannt werden, wenn bereits ein erhebliches Schädigungsausmaß vorliegt, da die Bauwerksprüfungen nur die sichtbaren Flächen untersuchen können. Ein vollflächiges Monitoring hinsichtlich der Dichtigkeit der Abdichtung von Infrastrukturbauwerken ist aktuell nicht üblich und am Markt nicht verfügbar. Sofern ein Monitoring ausgeführt wird, sind es lokal messende Sensoren, die einen begrenzten Messradius aufweisen. Tritt außerhalb dieses Radius eine Undichtigkeit auf, kann diese nicht detektiert werden / Rau13/ . Das System SMART-DECK bietet erstmals am Markt eine vollflächige Monitoringlösung, die um zwei weitere Funktionalitäten erweitert wird, so dass das Gesamtsystem die folgenden Funktionalitäten aufweist / Büt20/ : Textilbeton - von der Innovation in die Praxis 186 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 • vollfl ächiges Echtzeit-Feuchtemonitoring ermöglicht ein frühzeitiges Erkennen von Undichtigkeiten, • abschnittsweise steuerbaren, präventiven kathodischen Korrosionsschutz (pKKS), der mittels Fremdstrom die Depassivierung der Bewehrung verzögert, sofern Chloride in den Beton infolge von Undichtigkeiten eindringen, sowie • Erhöhung der Tragfähigkeit in Querrichtung (bei Bestandsbrücken). Alle drei Funktionalitäten werden mit Hilfe einer textilen Carbonbewehrung in Kombination mit einem Hochleistungsmörtel realisiert. Die textilbewehrte Schicht wird auf der Oberseite der Brückenfahrbahnplatte zwischen Bestandsüberbau sowie Brückenbelag und damit unterhalb der Abdichtung appliziert. Die Bewehrung wird so angeordnet, dass der Brückenüberbau in einzelne Felder unterteilt wird und damit zum einen abschnittsweise der Zustand der Abdichtung überwacht und zum anderen der pKKS, sofern erforderlich, ebenfalls abschnittsweise aktiviert werden kann (Bild 10). Bild 10: Übersicht der Funktionalität von SMART-DECK und den Zustand der Abdichtung; grün: intakte Abdichtung, gelb: signifi kanter Widerstandsabfall; rot: Grenzwert Widerstand unterschritten, Undichtigkeiten vorhanden und pKKS erforderlich / ibac/ In Abhängigkeit der bei einem individuellen Bauwerk erforderlichen Maßnahmen, ist SMART-DECK modular aufgebaut, wie in dem nachfolgenden Bild dargestellt. Die maximale Ausbaustufe des Systems ist die Kombination aller drei Funktionalitäten, die anderen Möglichkeiten stellen sinnvolle Kombinationen oder Einzelanwendungen einer der möglichen Funktionalitäten dar. Bild 11: Übersicht über die modularen Funktionalitäten von SMART-DECK / ibac/ Der grundsätzliche Aufbau des Systems SMART-DECK ist für alle Anwendungsfälle - Instandsetzung oder Neubau - identisch (vgl. Detail A; Bild 10): • 35 mm Hochleistungsmörtel mit • 2 Lagen Carbonbewehrung mit elektrischen Anschlüssen für Monitoring und pKKS, die nach außen geführt werden. Das System SMART-DECK wurde im Rahmen eines Verbundforschungsprogramms innerhalb der Förderlinie HighTechMatBau des BMBF erarbeitet. Innerhalb des Forschungsverbundes waren sowohl Partner aus der Forschung - das ibac sowie dem IMB der RWTH Aachen University - als auch Partner aus der Wirtschaft vertreten. Die beteiligten Unternehmen waren die Eurovia Beton GmbH NL Bauwerksinstandsetzung, Solidian GmbH, Massenberg GmbH, instakorr GmbH sowie die StoCretec GmbH. Ferner war die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt), die das System aus Sicht des späteren Nutzers beurteilt, beteiligt. Im Rahmen des Verbundforschungsvorhaben wurde das Gesamtsystem erarbeitet und anhand von zwei unterschiedlich großen Demonstratoren die Leistungsfähigkeit des Systems gezeigt. Der erste Demonstrator wurde unter kontrollierten Randbedingungen auf einer speziell für das Projekt hergestellten Bodenplatte auf dem Gelände der BASt realisiert / Büt20/ . Die Fläche auf der SMART-DECK eingebaut wurde, betrug ca. 80 m². Anhand der zur Mitte der Projektlaufzeit gewonnenen Erkenntnisse wurde die Erarbeitung des Systems hinsichtlich der sich aus den Baustellenbedingungen ergebenden Anforderungen weiter von den Forschungspartnern betrieben, um am Ende des Projekts den sog. Großdemonstrator zu realisieren. Der Großdemonstrator diente der abschließenden Verifi kation aller erarbeiteten Komponenten und sollte damit auch bei einem realen Bauvorhaben unter realistischen Bedingungen ausgeführt werden. Die Herstellung des Großdemonstrators erfolgte im Rahmen eines realen Bauvorhabens einer nicht am Projekt beteiligen ARGE, wie in / Büt20/ ausführlich dargestellt. Der Großdemonstrator wurde in zwei Bauabschnitten mit einer Gesamtgröße von rd. 180 m² ausgeführt. Die Fertigstellung erfolgte 2019 und wird die kommenden Jahre seitens der Textilbeton - von der Innovation in die Praxis 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 187 Forschungspartner überwacht, um Erkenntnisse hinsichtlich der Dauerhaftigkeit des Systems SMART-DECK zu erlangen. Die nachfolgenden Bilder zeigen die fertig verlegte textile Bewehrung des zweiten Bauabschnitts vor dem anschließenden Mörteleinbau sowie den fertig eingebauten Mörtel des ersten Bauabschnitts. Bild 12: Vollständig verlegte textile Bewehrung des 2. Bauabschnitts / Büt20/ Bild 13: Fertiggestellter erster Bauabschnitt / Büt20/ Das Forschungsvorhaben hat gezeigt, dass SMART- DECK unter Baustellenbedingungen realisiert werden kann. Ferner konnte festgestellt werden, dass mittels SMART-DECK eine signifikante Steigerung der Biege- und Querkrafttragfähigkeit der Brückenfahrbahnplatte erreicht werden kann. Zudem werden die Durchbiegungen bei Belastung verringert und es stellt sich ein feineres Rissbild ein. Die damit einhergehende Reduzierung der Rissbreiten beeinflusst das Tragwerk in Hinblick auf das mögliche Eindringen von tausalzhaltigem Wasser in positiver Weise. Weiterhin konnte im Zuge der Arbeiten gezeigt werden, dass die Grundlage für das Feuchte-Monitoring, die vollflächige Widerstandsmessung am Kleindemonstrator inklusive der Datenübertragung via Internet erfolgreich umgesetzt werden konnten / Büt20/ , / Dri20/ . 3.2.2 Instandsetzung von historischen Gebäuden Auch bei der Instandsetzung von historischen Bauwerken kann Textilbeton verwendet werden. Im Rahmen von Forschungsarbeiten wurde am ibac das sogenannte DUR- TEX-Konzept entwickelt Die Verknüpfung der Eigenschaften der Schutzschicht „dauerhaft, wasserundurchlässig und rissüberbrückend“ sowie des verwendeten Werkstoffes „Textilbeton“ führt zu der Abkürzung und der im Folgenden verwendeten Bezeichnung DURTEX (u.a. / Büt13a/ ). Anders als bei Stahlbetonbauwerken ist für die Rissbehandlung bei Natursteinbauwerken praktisch immer eine gewisse Elastizität der rissverteilenden und -überbrückenden Schicht erforderlich, die eine Rissöffnung und damit eine geringe Verformung des Bauwerkes zulässt. Dadurch kann vermieden werden, dass kritische, zusätzliche Spannungen in das Mauerwerk eingeleitet werden. So ist ein „Verklammern“ der Rissufer grundsätzlich als kritisch zu bewerten, denn bei diesem Verfahren besteht die Gefahr, dass infolge der punktuellen Belastung das Mauerwerk versagt. Sofern eine Veränderung des Erscheinungsbildes erlaubt ist, ist die Applikation einer flächigen, bewehrten und mörtelbasierten Schutzschicht ebenfalls eine Möglichkeit, Risse in Natursteinmauerwerk abzudichten und gleichzeitig die Rissufer dehnfähig und dauerhaft miteinander zu verbinden. Das grundlegende Konzept von DURTEX ist, dass instandzusetzende Risse mit einer Schicht aus Textilbeton so verschlossen werden, dass die Bewegung des Risses in viele feine Risse, die einzeln eine deutlich geringere Rissbreite als der Riss des Untergrundes aufweisen, „umgewandelt“ bzw. verteilt wird. Das grundlegende Konzept ist in dem nachfolgenden Bild dargestellt. Die DURTEX Schicht besteht aus dem Enthaftungsmaterial, einer Mörtelmatrix sowie textiler Bewehrung. Bild 14: Schematischer Aufbau der textilbewehrten Schutzschicht aus „DURTEX“ mit schematischer Darstellung der Rissbreiten sowie der Rissanzahl in der textilbewehrten Schutzschicht und dem Untergrund - Enthaftungsstreifen hier überhöht dargestellt / Büt13a/ Damit allerdings die Duktilität der Schutzschicht ausgenutzt werden kann, muss entlang der Rissflanken ein sogenannter Enthaftungsstreifen vorgesehen werden. Mit diesem Enthaftungsstreifen wird eine freie Dehnlänge der Schutzschicht realisiert, d.h. in diesem Bereich hat die Schutzschicht im Idealfall keinen bzw. einen geschwächten Verbund zum Untergrund und ist wesentliche für die Funktionalität der Rissbandage - siehe Bild 14 Im Rahmen der Forschungsarbeiten zu DURTEX wurden am ibac umfangreiche Forschungsarbeiten durchgeführt Textilbeton - von der Innovation in die Praxis 188 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 - siehe u.a. / Büt13a/ . Im Zuge der Forschungsarbeiten wurde das Konzept auch am Aachener Dom erprobt, wie in den nachfolgenden Abschnitten dargestellt. Am Aachener Dom wurden insgesamt drei Bandage aus DURTEX angewendet, um einen im Bauwerk vorhandenen Riss so zu stabilisieren, dass die auftretenden Rissbewegungen reduziert werden. Die Schutzschicht übernimmt keine direkt abdichtende Funktion, da sich diese unterhalb des vorhandenen Daches befindet und nur im Falle einer Undichtigkeit der Dacheindeckung einen Schutz darstellen soll. Auch ist die Schutzschicht nicht der unmittelbaren Witterung ausgesetzt. Das Instandsetzungskonzept wurde im Rahmen eines Forschungsvorhabens, welches von der DBU gefördert wurde entwickelt und im Jahr 2010 das erste Mal im NW- Joch umgesetzt. Sechs Jahre später wurden zwei weitere Bandagen auf der gegenüberliegenden Seite (SSW- und S-Joch) des Sechszehnecks des Aachener Doms aufgebracht. Die textilbewehrte Schutzschicht wurde auf einen Natursteinuntergrund im Bereich des Daches des Sechzehnecks appliziert, da auf der innenliegenden Seite des Daches vorhandene Mosaike durch weitere Schäden infolge von zu großen Rissbewegungen vermieden werden sollen. Im Rahmen der Umsetzung wurde als Mörtel kein kommerziell verfügbarer Mörtel oder SPCC verwendet, sondern es wurde ein bereits am Aachener Dom verwendeter Mörtel modifiziert. Die Grundlage für die Modifikation stellt ein Vergussmörtel, der für den Steinersatz speziell für das am Aachener Dom vorhandene Mauerwerk entwickelt wurde, dar / Eng99/ . Die Zusammensetzung wurde sowohl in Hinblick auf die Konsistenz als auch das Größtkorn des Mörtels verändert, das Bindemittel wurde allerdings beibehalten. Das Größtkorn des für die Bandage aus DURTEX verwendeten Mörtels beträgt 0,6 mm. Als Bewehrung wurde, aufgrund der erforderlichen Systemsteifigkeit, ein epoxidharz-getränktes 2D- Carbontextil mit einer Maschenweite von 7 mm sowie in 0°- und 90°-Richtung 1600 tex Rovings, verwendet. Die Bandage wurde in einer Schichtdicke von 30 mm ausgeführt und mit zwei Lagen Carbontextil bewehrt. Für das SSW- und das S-Joch wurde im Vergleich zum NW-Joch eine ähnliche Bewehrung jedoch oberflächenmodifiziert, um besseren Verbundeigenschaften zum Mörtel zu erreichen, benutzt / Mor17a/ . Vor der Applikation der Bandage musste der Untergrund gereinigt und egalisiert werden, so dass ein, an die zu realisierenden Schichtdicken angepasstes Größtkorn von 4 mm verwendet wurde / Rau10/ , / Büt11/ . Um einen ausreichenden Verbund zwischen der Egalisierungschicht und der Bandage zu erzielen, wurde die Oberfläche der Egalisierungsschicht mittels Zahnkelle aufgeraut. Der farblich abgesetzte Mörtelstreifen unmittelbar oberhalb des Risses dient zum einen der Einstellung der o.g. freien Dehnlänge („Enthaftung“) und zum anderen der Kennzeichnung des Rissverlaufs. Bild 15: oben: Ansicht des Risses im Bereich des NW- Joch- Aufnahme von der Außenseite des Gewölbes; unten: Einbau des Estrichs zur Egalisierung des Untergrundes / Büt13a/ Sowohl die Egalisierung des Untergrundes als auch der lagenweise Aufbau erfolgte vor Ort händisch. Nach der Egalisierung des Untergrundes wurde der applizierte Mörtel für 18 Tage feucht nachbehandelt und anschließend erfolgte an einem Tag die Applikation. Die einzelnen Mörtellagen wurden mit der Kelle appliziert und frisch-in-frisch die Bewehrung nach jeweils ca. 10 mm Mörtellage eingelegt. Der lagenweise Aufbau ist in dem nachfolgenden Bild dargestellt. Zur besseren Visualisierung der einzelnen Lagen wurde die obere Bewehrungslage nicht bis zum Ende des Segmentes durchgeführt. Die Begrenzung der Segmente war durch die Dachkonstruktion vorgegeben. Textilbeton - von der Innovation in die Praxis 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 189 Bild 16: oben: Einbau der unteren Lage der textilen Bewehrung - der Zuschnitt der Bewehrung erfolgte vor Ort; rechts: Darstellung des lagenweisen Aufbaus unten Bandage aus DURTEX - obere Bewehrungslage nicht bis zum Segmentende durchgeführt / Büt13a/ 3.2.3 Instandsetzung von Wasserbauwerken Die Anwendungsmöglichkeiten von Textilbeton beschränken sich nicht nur auf die Instandsetzung von Ingenieurbauwerken und historischen Gebäuden, sondern auch Wasserbauwerke können mittels Textilbeton instandgesetzt werden. Im Rahmen eines Forschungsvorhabens, welches von der Bundesanstalt für Wasserbau (BAW) gefördert wurde, wurde die Umsetzung des DURTEX-Konzeptes für die Anwendungen im Wasserbau untersucht. Die Pilotanwendung war die Instandsetzung eines Wehrpfeilers des Wehrs Horkheim. Das Wehr besteht aus Stahlbeton und weist zahlreiche Risse mit Rissbreiten zwischen 0,1 und 3,0 mm sowie offene Arbeitsfugen auf. Im Rahmen einer Probeinstandsetzung eines Wehrpfeilers sollte die generelle Machbarkeit der Instandsetzung von Wasserbauwerken mit textilbewehrten Schutzschichten zur Abdichtung der Risse sowie einem zusätzlichen Oberfl ächenschutz untersucht werden. Die Instandsetzung wurde mit einem kommerziell verfügbaren SPCC für sogenannte S-A3 (aktuell: SRC-A3) Altbetone (gemäß ZTV-W LB 219) und unterschiedlich getränkten Carbontextilien ausgeführt. Es wurden sowohl EP-getränkte als auch Styrol-Butadien getränkte Textilien verwendet. Auch bei dieser Anwendung wurden 2D-Textilien eingebaut. Die Applikation des SPCC‘s erfolgte im Trockenspritzverfahren. Die zweilagig textilbewehrte Schutzschicht wurde auch hier lagenweise aufgebaut und weist eine Gesamtschichtdicke von ca. 35 mm auf / Orl10/ . Der Enthaftungsbereich wurde bei der vorliegenden Anwendung mittels selbstklebender Kunststofffolie, die beidseitig der instandzusetzenden Risse auf den Untergrund nach der Untergrundvorbereitung appliziert wurde, realisiert. Die Altbetonoberfl äche wurde mit Hochdruckwasserstrahlen entsprechend der ZTV-W LB 219 vorbereitet. Die nachfolgenden Abbildungen zeigen die ebenfalls lagenweise Applikation der textilbewehrten Schutzschicht auf den Wehrpfeiler. Textilbeton - von der Innovation in die Praxis 190 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Bild 17: vorherig Seite: Ausgangssituation am instandzusetzenden Wehrpfeiler; oben: erste Bewehrungslage vor der Applikation der zweiten SPCC-Schicht; unten: Applikation des SPCC‘s im Trockenspritzverfahren / Büt13b/ . Bild 18: Ansicht des Wehrs Horkheim nach der Instandsetzung; Detailaufnahmen des Pfeilersockels (Probeflächen mit Monitoring) / Büt13b/ Entscheidend für eine Beurteilung der Wirksamkeit der DURTEX ist die Kenntnis der Verformungen, die während der Nutzung auftreten. Um diese beurteilen zu können wurden sowohl interne Dehnungsmessstreifen, (DMS), Wegaufnehmer als auch Temperaturfühler eingebaut. Die maximal gemessene Rissbreiteänderung des Betonuntergrunds betrug 0,28 mm / Mor14/ . Die textile Schutzschicht war jedoch in der Lage, die vorhandenen Bewegungen im Untergrund so fein (Rissbreiten w ≤ 0,1 mm) in der Schutzschicht zu verteilen, dass keine oberflächigen Risse erkennbar waren / Mor14/ . Um die Instandsetzung mittels des DURTEX-Konzeptes auch als geregeltes Instandsetzungsverfahren einsetzen zu können, wurde seitens der BAW in Zusammenarbeit mit dem ibac das BAW Merkblatt „Flächige Instandsetzung von Wasserbauwerken mit Textilbewehrten Mörtel- und Betonschichten (MITEX) erarbeitet, wobei sich zunächst auf das Belastungsszenario „1a“ ohne rückseitigen und vorderseitigen Wasserdruck mit Rissbreitenänderungen von bis zu 0,4 mm konzentriert wurde. Ferner wird bei dem Belastungsszenario 1a der Verbund zwischen den Schichten ausschließlich über Adhäsion hergestellt. Das Merkblatt MITEX, welches von der BAW 2019 eingeführt wurde, ermöglicht dem Planer die Auswahl eines Verfahrens für die dauerhafte Instandsetzung von gerissenen, nieder- und normalfesten Untergründen mit Rissbreitenänderungen von 0,4 mm / Mor17/ . Der Anwendungsbereich ist dabei nicht wasserbauspezifisch, sondern umfasst alle freibewitterten Außenbauteile / Rah19/ . Diese Übertragbarkeit auf andere Bauwerke wurden bereits bei der Sanierung des Mariendomdaches in Neviges / Rem18/ und die Instandsetzung einer infolge Zwang gerissenen WU-Bodenplatte am Flughafen München / Büc19/ erfolgreich umgesetzt. Neben der Nachweis der Verwendbarkeit der Einzelkomponente am Enthaftungsmaterial, Instandsetzungsmörtel oder -beton und textile Carbonbewehrung erfolgt der Nachweis der Verwendbarkeit des Instandsetzungssys- Textilbeton - von der Innovation in die Praxis 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 191 tems am Verbundkörper (bestehend aus dem Grundkörper und DURTEX Schicht) nach dem MITEX Merkblatt. Letzterer besteht aus vier aufeinanderfolgenden Prüfungen: Applizierbarkeit, Haftzugfestigkeit, Rissverteilung und Haftzugfestigkeit nach Prüfung der Rissverteilung. Entscheidend für den Wassertransport und somit für die Dauerhaftigkeit sind die maximale Rissbreiten der Trennrisse oder der durchgehenden Risse in der DUR- TEX Schicht. Die Überprüfung der Funktionalität erfolgt im Rissverteilungsversuch in Anlehnung an die Rissüberbrückungsprüfung von OS-Systemen. Die Entwicklung einzelner Risse in der Schutzschicht während des Rissverteilungsversuchs wird aus der Last- Rissöffnungskurve (z.B. W A,r) der Proben abgeleitet und mittels 3D Video-Vermessungssystem mit DIC-Analyse Software dargestellt und ausgewertet (s. Bild 19). Die einzelnen Rissbreiten während der Rissöffnung sind in Bild 19 oben links dargestellt. Das charakteristische Last-Verformungsverhalten der Verbundkörper unter einaxialer Zugspannung entspricht den bisherigen Erkenntnissen aus Abschnitt 2.1. Die leichten Kraftabfälle in der Kraft-Rissöffnung (WA,r)-Kurve (blau gestrichelte Linien) entsprechen der Rissbildung, sichtbar als relativ steiler Anstieg der einzelnen Rissbreiten-WA,r-Kurven in der DURTEX-Schicht. Insgesamt können 10 durchgehende Risse, die innerhalb des Messbereichs von ca. 224 mm durch die DURTEX-Schicht verlaufen (s. Bild 19 rechts), festgestellt werden. Die Risse entstehen mit Rissabständen, die dem Einzelabstand der Roving-Achse von 21 mm entsprechen. Das Beispiel in Bild 19 zeigt, dass für die gewählte Materialkombination bei einer Rissöffnung von 0,68 mm alle Einzelrissbreiten unter 0,1 mm (w m = 0,046 mm, w max . = 0,088 mm, w 0.95 = 0,077 mm) liegen. Dies zeigt. dass die Kombination der Textilbetonschicht mit einem Enthaftungsmaterial eine „ideale Rissverteilung“ ermöglicht, d.h. eine Verteilung der Rissöffnung mit Rissbreiten < 0,1 mm in der DURTEX Schicht. Die Breite des Enthaftungsmaterials ist in Abhängigkeit von der Maschenweite des Textils senkrecht zur Zugbelastungsrichtung und der zu erwartenden Rissöffnung zu wählen, jedoch so schmal wie möglich, um ein Versagen des Verbundes zwischen Untergrundbeton und DURTEX Schicht zu verhindern. / Mor20/ Bild 19: links: Analyse der Rissverteilungsfähigkeit, exemplarisch an Grundkörper: A2, Enthaftungsmaterial: Klebeband 200 mm, textile Carbonbewehrung: Q85/ 85- CCE-21 besandet, Instandsetzungsbeton: SRC-A2. Oben: Einzelrissbreiten-WA,r-Kurven, unten: Kraft- WA,r-Kurve. Rechts: Visualisierung der einzelnen Risse innerhalb des Messbereichs (Seitenansicht) / Mor20/ In Untersuchungen an Verbundkörpern wurde beobachtet, dass gerissene DURTEX-Schichten mit w max. = 0,116 mm, unter zyklischer Zugschwellenbelastung (anfänglich Δw op = 0,6 mm) mit kombinierter Poren- und Risswasserdruck von 0,5 bar (5 m Wasserdruck) sich selbst nach wenigen Tagen ausheilen können, was zu Wasserdichtigkeit führt. Desweiteren werden die Rissbreiten (wm und w max.) nach beschleunigter Alterung (Gewitterregen-Wechselbeanspruchung und Frost-Tau-Belastung) nicht negativ beeinfl usst. Zudem wird die Haftzugfestigkeit zwischen Bewehrung und Instandsetzungsmörtel oder -Beton nach den verschiedenen untersuchten Belastungen (Rissöffnung, zyklische Rissöffnung, Poren- und Risswasserdruck, Frost-Tau-Wechsel und Gewitterregen) im Vergleich zu den Referenzwerten nicht reduziert. 4. Zusammenfassung Der Werkstoff „Textilbeton“ bezeichnet Beton, der mit technischen Textilien bewehrt wird und somit im Gegensatz zu konventionell mit Stahl bewehrten Bauteilen im Vergleich dünne und hochtragfähige Bauteile realisiert werden können. Die Anwendung des Werkstoffs Textilbeton ist vielfältig und wurde für unterschiedliche Anwendungen im Rahmen der vorliegenden Veröffentlichung vorgestellt. Allen Anwendungen gemein ist, dass sowohl die hohe Tragfähigkeit als auch die Dünnwandigkeit des Werkstoffs gezielt eingesetzt wird, um entweder den Werkstoff im Neubau oder in der Instandsetzung einzusetzen. Die Grundlagen für die Anwendung des Werkstoffes Textilbeton wurden über rund 20 Jahre im Wesentlichen an der RWTH Aachen University sowie der TU Dresden gelegt. Beide Universitäten begleiten viele der aktuellen Anwendungen im Rahmen der bauaufsichtlich erforderlichen Pro- Textilbeton - von der Innovation in die Praxis 192 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 zesse und entwickeln den Werkstoff weiter, um noch weitere Anwendungsfelder für Textilbeton zu eröffnen und somit den Werkstoff in Zukunft noch breiter anwenden zu können. Danksagung Der Autor bedankt sich bei Frau C. Morales Cruz (Institut für Baustoffforschung der RWTH Aachen University, Arbeitsgruppe Erhaltung und Instandsetzung) für die Unterstützung bei der Erstellung des vorliegenden Beitrags sowie der Zurverfügungstellung von ausgewählten Bildern und Ergebnissen. Literatur / Büc19/ Bücker, M.; Widmann, D.: Instandsetzung einer infolge Zwang gerissenen WU-Bodenplatte mit textiler Carbonbewehrung. In Beton 03/ 2019, S. 78-83 / Büt11/ Büttner, T.; Raupach, M. ; Maintz, H.: Innovative und denkmalgerechte Verstärkung des Aachener Doms mit einer flexiblen, textilbewehrten Rissbandage : Retrofitting AACHEN Cathedral with an Innovative Flexible Textile Reinforced Mortar Bandage. 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Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 197 Kraftschlüssige Rissinjektionen bei wasserführenden Rissen Dipl.-Ing. (FH) Benjamin Reims WEBAC Chemie GmbH, Barsbüttel bei Hamburg, Deutschland Zusammenfassung Beton und Betonbauteile sind optimal für eine Druckbeanspruchung ausgelegt. Sie nehmen jedoch nur geringe Zug- oder Biegespannungen auf, die neben dem Schwinden und mechanischen Belastungen (Verkehrslasten) die häufigsten Ursachen für Risserscheinungen und Undichtigkeiten darstellen. Auch Baugrundsetzungen führen lang- oder auch kurzfristig zu Gefügestörungen und somit auch zu Rissen. Besonders bei feuchtebelasteten Bauwerken ist dieser Umstand zu berücksichtigen. Die Gebrauchsfähigkeit/ Standsicherheit kann dadurch erheblich eingeschränkt und die geplante Nutzungsdauer verkürzt werden. Voraussetzung für ein umfassendes bauwerksbezogenes Instandsetzungskonzept ist eine Riss- und Bauzustandsanalyse, in der sämtliche Merkmale und Ursachen der Rissbildung genau erfasst und dokumentiert werden. Besonders wichtig bei feuchtebelasteten Bauwerken ist das Messen der tatsächlichen Rissbreitenänderungen zur Erstellung eines zielorientierten Instandsetzungskonzeptes. Davon abhängig sind das Injektionsverfahren sowie die Materialauswahl. 1. Bauzustandsanalyse Vor Beginn sämtlicher Instandsetzungsbzw. Instandhaltungsmaßnahmen steht eine umfangreiche Bauzustandsanalyse. Ohne diese ersten Schritte können die durchzuführenden Maßnahmen und eingesetzten Produkte nur „abgeschätzt“ werden. Eine zielführende Instandsetzung ist so häufig nur dem Zufall überlassen. Die Instandsetzungsmaßnahmen sowie die hierfür einzusetzenden Füllgüter werden in Abstimmung mit der Analyse der Rissmerkmale wie Rissart, -ursache, -geometrie, -breite, -breitenänderung, Feuchtezustand und Verschmutzung ausgewählt. Zur Bestimmung der Rissbreite können z.B. Risslehren oder Risslupen verwendet werden. Für langfristige und exaktere Messwerte muss eine deutlich aufwendigere Technik wie z.B. Wegaufnehmer oder Sensortechnik (Rissmonitoring) angewendet werden. 2. Rissarten Wichtig ist die Differenzierung der Rissarten. Unterschieden wird gewöhnlich in „Oberflächennahe Risse“ sowie in „Trennrisse“. Die Verfahren zur Rissfüllung weichen hier zum Teil erheblich voneinander ab. Häufig kann man so ohne weiteres gar nicht feststellen, ob die Risse durch das Bauteil durchgehen. Feuchtigkeit oder sogar fließendes Wasser könnten ein Indikator dafür sein, bei jedoch trockenen Rissen sieht das anders aus. Dann bleibt häufig nur noch die Möglichkeit Bohrkerne zu entnehmen, um diese Informationen zu bekommen. Bild 1: Bohrkernentnahme für Bauzustandsanalyse 3. Rissbreite/ Risstiefe Die Rissbreite ist der Abstand der Rissufer, gemessen auf der Bauteiloberfläche, senkrecht zum Rissverlauf. Da längere Risse unterschiedliche Breiten aufweisen sollten mehrere Messungen in wesentlichen Bereichen stattfinden. Es sind bei jeder Messung Datum, Uhrzeit, Wetterlage und Bauteiltemperatur zu dokumentieren. Die Genauigkeit der Messung liegt meist bei 0,1mm. Kraftschlüssige Rissinjektionen bei wasserführenden Rissen 198 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Bild 2: Messen der Rissbreite 4. Rissbreitenänderungen Für die Auswahl des geeigneten Füllmaterials und dem damit verbundenen Erfolg der Injektionsmaßnahme ist vor allem die Rissbreitenänderung von Bedeutung. Bauteilbewegungen während der Erhärtungsphase des Füllmaterials oder nach der Aushärtung können zu weiteren Schäden bzw. Undichtigkeiten führen. Dies ist wichtig bei kraftschlüssigen Injektionen besonders bei standsicherheitsrelevanten Bauteilen. Rissbreitenänderungen können kurzzeitig, täglich oder auch langfristig auftreten. Je nach Jahreszeit oder Belastung z.B. durch Verkehr treten die Bewegungen völlig unterschiedlich auf. Es kann sogar zu Überlagerungen kommen. Bild 3: Bauteilbewegungen Wie in Bild 3 dargestellt gehen Risse nicht nur „auf und zu“, sie erfahren z.B. durch Setzungen oder Belastungen auch Höhenunterschiede bzw. -versätze. Bei z.B. dynamisch belasteten Bauteilen auch häufig und ich sehr kurzen Zeitabständen. Dabei könnte eine vorhandene Verdämmung abplatzen und zum Austritt des Injektionsmaterials führen. Ein möglichst hoher Füllgrad wäre somit nicht mehr zu gewährleisten. Die Bestimmung der tatsächlichen Rissbewegungen ist für die Materialauswahl von hoher Wichtigkeit. Starr aushärtende Füllgüter werden nur dann verwendet, wenn die Rissursache (Entstehung) beseitigt und sichergestellt ist, dass die Füllung keiner zu starken Bauteilbewegung ausgesetzt ist. Bei sich weiterhin bewegenden Rissen müssen Füllgüter mit dehnbaren (elastischen) Eigenschaften eingesetzt werden. 5. Feuchtezustände Für die richtige Füllgutauswahl muss festgestellt werden, ob die Risse trocken, feucht oder wasserführend sind. Wasser und Feuchtigkeit können bei nicht speziell feuchtigkeitsverträglichen Produkten zu unkontrollierten Reaktionsergebnissen führen. Bild 4: Feuchte Risse an Betonstütze 6. Instandsetzungsziele Nach der Feststellung des Ist-Zustandes werden die Instandsetzungsziele festgelegt. Die Ergebnisse der Bauzustandsanalyse liefern dem Planer wichtige Informationen zu den Instandsetzungsmöglichkeiten und der entsprechenden Materialauswahl. Aus der Erfahrung heraus werden die Instandsetzungsziele auf Grundlage der DAfStb-Richtlinie (Instandsetzungs-Richtlinie), die auf den Entwürfen zur ZTV-ING (Teil 3; Abschnitt 5) beruht, geplant und festgelegt. Dort sind die Anwendungsziele in Abhängigkeit von den Feuchtezuständen beschrieben. Aus der Tabelle heraus können die konkreten Füllgüter (Materialbasis) ausgewählt werden. Diese theoretischen Vorgaben lassen sich auf den Baustellen nicht immer so umsetzen, da immer wieder die örtlichen Randbedingungen in Verbindung mit dem Instandsetzungsziel einen Widerspruch ergeben. Z.B. wären Druckwasserführende Bauteile im Winter kraftschlüssig/ druckfest abzudichten - wenn überhaupt - nur bedingt und mit sehr hohem Zusatzaufwand möglich. Diese extremen Bauwerksbedingungen werden in den Regelwerken und Produktanforderungen in dieser Kombination nicht behandelt und können von Rissfüllgütern nach Instandsetzungs-Richtlinie nicht erfüllt werden. Kraftschlüssige Rissinjektionen bei wasserführenden Rissen 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 199 Zusätzliche Möglichkeiten bietet hier die europaweit gültige DIN EN 1504. Diese Norm hebt die Leistungsmerkmale der einzelnen Produkte hervor - unabhängig von ihrer Materialbasis und liefert dem Planer ein breiteres Spektrum an Einsatzmöglichkeiten und Zieldefinitionen. 7. Wasserstoppen und Durchflussreduzierung Je nach Feuchtezustand kann es erforderlich sein, zusätzliche Maßnahmen zur Reduzierung des Wasserdurchflusses zu ergreifen. In der Regel sind bei den Feuchtzuständen 1-3 (trocken, feucht, nass) keine vorangehenden Injektionen durchzuführen. Ein Ausspülen des Füllgutes wird durch die meist schnelle Reaktion verhindert. Beim Feuchtezustand 4 (fließendes Wasser) sieht das häufig anders aus. Hier ist der anstehende (Wasser)-druck so hoch, dass das Injektionsmaterial nicht im Riss verbleibt und wieder über die Oberfläche ausgespült wird. Es müssen zusätzliche Bohrungen gesetzt werden, diese werden meist tiefer in oder sogar hinter das Betonbauteil gebohrt. Der Vorteil bei diesem Verfahren ist, dass man die wasserführenden Bereiche früher trifft und den Weg für das abdichtende Material verlängert. Dadurch ist häufig ein schnelleres Abdichten möglich und die vorderen Rissbereiche bleiben frei für das Injektionsharz. Bild 5: Einsatz von SPUR Diese Wasserstoppsysteme sind schnellschäumende Polyurethanharze (SPUR). Nach dem Wasserkontakt beginnen diese Produkte innerhalb weniger Sekunden zu schäumen/ expandieren. Es sind Volumenzunahmen von bis zu 50-fach möglich. Durch die schnelle Reaktion verbunden mit dem Aufschäumen/ Ausbreitung gelingt häufig eine zuverlässige temporäre Vorinjektion. Die Schaumstruktur bzw. die vorderen schaumfrei gebliebenen Rissbereiche müssen dann sehr zügig mit dem gewählten Injektionsharz nachverpresst werden, um eine dauerhafte Abdichtung gewährleisten zu können. Denn die Schaumstruktur bei den SPUR ist offenzellig und muss im Nachgang abgedichtet werden. 8. Produkte (Dehnbare Polyurethane) Wenn keine relevanten statischen Anforderungen bestehen, sind die wasserreaktiven, dehnbaren Polyurethanharze die richtige Wahl. Durch ihr Aufschäumen nach Kontakt mit Wasser oder Feuchtigkeit bilden sie nicht nur eine dehnbare Schaumstruktur, sondern entwickeln eine hohe Klebkraft an den nassen Rissflanken. Diese schnelle Reaktion verhindert in der Praxis oft einen Materialaustritt über die Oberfläche und gewährleistet eine effektive Abdichtung der Konstruktion. Im Gegensatz zu den schnellschäumenden, wasserstoppenden Polyurethanschaumharzen ist die expandierte Schaumstruktur des Polyurethanharzes geschlossenzellig und ermöglicht so eine wasserdichte Konstruktion. Durch die entstandenen Bläschen im kompakten Material können eventuell entstehende Bewegungen des Bauteils aufgenommen werden, die abdichtende Wirkung bleibt dabei erhalten. Bild 6: Rissinjektion 9. Produkte (Druckfeste Polyurethane) Zusätzlich kann bei der abdichtenden Risssanierung auch noch die Hohlraumfüllung sowie eine Stabilisierung erzielt werden. Übliche Polyurethanharze können zwar zum Füllen von Hohlräumen verwendet werden besitzen aber keine nennenswerten verfestigenden Eigenschaften für Beton. Hier kann erfolgreich auf die neue Generation hochfester Polyurethanharze zurückgegriffen werden, die hohe Druckfestigkeiten besitzen und so auch verfestigend wirken. Ihre Haftung auf trockenem Beton ist mit der von Epoxidharzen vergleichbar; auf feuchten Untergründen sind sie üblichen Epoxidharzen überlegen. Die Wasserreaktivität dieser druckfesten PUR-Harze kann es nicht nur gut mit der Feuchtebelastung des Bauwerkes aufnehmen, sondern führt darüber hinaus zu beschleunigter Aushärtung auch bei tiefen Temperaturen (niedrige Mindestanwendungstemperatur von >1°C), wenn oberhalb des Gefrierpunkts gerade noch injiziert Kraftschlüssige Rissinjektionen bei wasserführenden Rissen 200 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 werden kann. Die Mikroschaumbildung in Kontakt mit Wasser bringt einen weiteren Vorteil: das Injektionsmaterial vernetzt schneller und macht so Verdämmarbeiten häufig überflüssi. Für die Verarbeitung dieser Produkte ist die gleiche Injektionstechnik wie bei der klassischen Rissinjektion erforderlich. Daher muss von dem zuvor gewähltem Injektionsverfahren nicht abgewichen werden. Zusätzliches Equipment wird nicht benötigt. 10. Produkte (Epoxidharze) Was bisher undenkbar für die Polyurethanharze (Druckfestigkeit) gewesen ist, kann man auf die Epoxidharze nahtlos übertragen. Bisher waren die am Markt befindlichen Produkte bei maximal restfeuchter Oberfläche/ Rissflanke einzusetzen. Hier gibt es Produkte, die nicht nur bei nassen, sondern auch bei kalten Temperaturen verwendet werden können. Somit sind die mineralischen Produkte nicht mehr die „Alleinherrscher“ bei Situationen, wo Kraftschluss unter feuchten/ nassen oder gar kühlen Bedingungen gefordert wird. Bild 7: Riss- und Arbeitsfugeninjektion in einem TW- Behälter 11. Einsatz im Trinkwasser-Bereich Für den Einsatz im Trinkwasserbereich bedarf es spezieller Untersuchungen und entsprechenden Prüfzeugnissen. Die KTW-Empfehlungen (Kunststoffe im Kontakt mit Trinkwasser) nach dem ehemaligen Bundesgesundheitsamt liegen ebenso wie die Prüfzeugnisse nach dem Umweltbundesamt (UBA-KTW) für die Produkte als Reparatursysteme vor. 12. Zusammenfassung Extreme Bedingungen auf der Baustelle, wie z.B. tiefe Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt, und extreme Feuchtezustände, besonders bei Wasserbauwerken, stellen hohe, oftmals kaum erfüllbare Anforderungen an Planung, Ausführung und Produkte von Instandsetzungsarbeiten. Mit den heute verfügbaren modernen Produkten sind Anwendungsziele über Stoffklassengrenzen hinweg möglich. So können mit unter extremen Witterungsverhältnissen aushärtenden Kunstharz-Injektionssystemen Risse nicht nur abgedichtet und geschlossen, sondern auch Hohlräume und mangelhaft verdichteter Beton zugleich verfestigt (kraftschlüssig verbunden) werden. Nach einer Bauzustandsanalyse können die Injektionsmaterialien passend für die Objektbedingungen ausgewählt werden. Dabei kann besonders die Druckfestigkeit auf die Bauteilfestigkeit abgestimmt werden. Solche Anforderungen können bereits in der Planungsphase festgelegt und mit den entsprechenden Injektionssystemen auch für so unterschiedliche mineralische Baumaterialien wie Beton oder Mauerwerke realisiert werden. Speziell bei stärker wasserbelasteten Bauwerken spielen erweiterte Möglichkeiten der Rissfüllstoffe eine wichtige Rolle. Hier erfordern außergewöhnliche Sanierungen von allen Baubeteiligten außergewöhnliche Lösungen. Mit den passenden Produkten gelingt es, auch schwierige Sanierungslösungen tatkräftig anzugehen und unsere Wasserbauwerke auch unter kritischen Bedingungen langfristig und dauerhaft zu schützen. Nach DIN EN 1504-5 ist es also kein Problem, kraftschlüssig verbindende Injektion auch bei Extrembedingungen oder feuchten und sogar nassen Rissen an Trinkwasserbehältern durch zu führen. Literaturverzeichnis [1] WEBAC Chemie GmbH; Broschüre Risssanierung [2] Instandsetzungs-Richtlinie des DAfStb [3] ZTV-ING [4] DIN EN 1504-5 [5] Objektdokumentation WEBAC Chemie GmbH 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 201 Sanierung eines Trinkwasserbehälters mittels PE-Auskleidung Peter Brehl IKS Kunststoff- und Stahlverarbeitungs GmbH, Otto-Hahn-Straße 8, D-55218 Ingelheim Zusammenfassung Im Rohrleitungsbau hat sich seit vielen Jahren der Kunststoff PE-HD ausgezeichnet bewährt. Das gleiche gilt für die Auskleidung von Trinkwasserbehältern. Die Sanierung eines Hochbehälters mit PE-HD-Platten ist durch die lange Lebensdauer von mindestens 50 Jahren und die geringen Unterhaltskosten die wirtschaftlichste Sanierungsmethode. Es gibt keine geruchliche, geschmackliche, chemische oder bakteriologische Beeinflussung des Trinkwassers. Die Oberfläche der PE-HD-Platten bieten Mikroorganismen keinen Nährboden und demzufolge keinen Lebensraum. Kunststoffplatten lassen sich einfach und schnell reinigen, insbesondere die Wechselzone stellt kein Problem mehr dar. Von außen eindringende Feuchtigkeit kann durch die PE-HD-Platten nicht mehr ins Trinkwasser gelangen. Erst eine PE-HD-Auskleidung ermöglicht überhaupt eine Dichtigkeitsprüfung der Behälterkammer auf Wasserverlust. 1. Ablauf einer Behälterauskleidung mit 12 mm starken PE-HD-Platten 1.1 Montage der PE-HD-Platten an Decke, Wand und Boden Die Montagereihenfolge sieht wie folgt aus: • Decke • Wand • Boden Bild 1: fertig ausgekleideter Trinkwasserbehälter Durch mögliche Beschädigungen der Bodenplatte durch die Rollgerüstbenutzung, wird zunächst die Decke und anschließend die Wände des Trinkwasserbehälters ausgekleidet. Die Deckenauskleidung mittels einer 12 mm starken Massivplatte erfolgt ohne ein Durchhängen der Kunststoffplatte. Eine Bodenauskleidung mit der Massivplatte gewährleistet enorme Stabilität während den regelmäßigen Reinigungsphasen, ist stoßunempflindlich gegen herunterfallendes Material und ist problemlos mit einem Gerüst belastbar, falls die Decke herkömmlich saniert wird und in der Zukunft erneuert werden muss. Die angefasten PE-HD-Platten werden mit Edelstahl- Senkkopfschrauben fest mit dem Untergrund verdübelt und anschließend überschweißt und abgearbeitet. Bild 2: fertig verdübelter Behälterboden vor der Verschweißung Sanierung eines Trinkwasserbehälters mittels PE-Auskleidung 202 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 1.2 Randabschlussleiste Für den Fall, dass die Decke des zu sanierenden Behälters nicht mit PE-HD-Platten ausgekleidet werden sollte, wird am oberen Ende der Wandverkleidung eine Randabschlussleiste angebracht. Diese besteht aus einer PE- HD-Leiste mit eingelegter EPDM-Dichtgummi. Bild 3: PE-HD-Randabschlussleiste 1.3 Verschweißung Am Plattenstoß werden beide Platten zunächst mit einer Heftnaht verbunden. Hierbei kommt das Warmgasziehschweißen gemäß DVS 2207-3 zur Anwendung Anschließend werden die PE-HD-Platten mittels Warmgasextrusionsschweißen gemäß DVS 2207-4 verschweißt und abgearbeitet. Bild 4: Plattenstoß: Heftnaht (links) und Extrusionsnaht (rechts) Bild 5: Endzustand: abgearbeitete Schweißnaht 1.4 Prüfung der Schweißbereiche auf Dichtigkeit Die Schweißstellen werden mittels Funkeninduktionsprüfung gemäß DVS 2206 auf Dichtigkeit überprüft. Die Prüfspannung hängt dabei von der Plattenstärke ab. Hierzu ist eine Gegenelektrode in Form eines elektrisch leitfähigen Materials erforderlich. Dies kann z.B. durch ein Aluminiumband oder einen Kupferdraht geschehen. Eine Undichtigkeit kann man sowohl anhand des Funkendurchschlagens sehen als auch akustisch wahrnehmen. Bild 6: PE-HD-Platte auf Fliesen verdübelt und am Plattenstoß mit elektrisch leitfähiger Folie versehen 1.5 Verstärkungsleisten PE-HD dehnt sich aus bzw. schrumpft in Abhängigkeit der Umgebungstemperatur. Im normalen Behälterbetrieb kommt es nur zu minimalen Temperaturschwankungen, so dass dies ohne jegliche Bedeutung ist. Anders verhält sich dies im Rahmen der Behälterreinigung. Durch das Entleeren des Behälters steigt die Temperatur in der Wasserkammer. Demzufolge kommt es zu einer Ausdehnung des Kunststoffes. Beim Befüllen sinkt Sanierung eines Trinkwasserbehälters mittels PE-Auskleidung 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 203 die Umgebungstemperatur wieder, so dass der Kunststoff schrumpft. Um diese Ausdehnungs- und Schrumpfungskräfte, insbesondere in größeren Behältern aufnehmen zu können, werden die Übergänge Boden/ Wand, Wand/ Wand und Wand/ Decke mit einer 20 mm starken PE-Verstärkungsleiste versehen. Bild 7: PE-HD-Verstärkungsleisten 20 mm 1.6 Pumpensumpf Der Pumpensumpf wird ebenfalls aus PE-HD-Platten hergestellt und eingesetzt. Bild 8: Pumpensumpf 1.7 Dichtheitskontrolle im Betrieb Um eine Dichtigkeit der PE-HD-Auskleidung im Behälterbetrieb permanent kontrollieren zu können, wird ein PE-HD Rohr da 32 SDR 11 vom tiefsten Punkt zwischen Behälterkammer und PE-HD-Auskleidung nach außen in die Vorkammer verlegt. Der tiefste Punkt befindet sich am Boden des neu ausgekleideten Pumpensumpfes. Neben einer Dichtheitsprüfung der Auskleidung wird über dieses Kontrollrohr auch hinter der PE-HD-Auskleidung entstehendes Schwitzwasser abgeführt. Auch von außen eindringende Feuchtigkeit findet über diese Einrichtung den Weg aus der Behälterkammer. Bild 9: PE-HD-Kontrollrohr da 32 SDR 11 mit PE-HD- Kugelhahn 1.8 Pfeiler, Unterzüge und Säulen Hier werden werkseitig die PE-HD-Platten in Kantprofile umgewandelt und nach der Montage mittels Warmgasextrusionsschweißen im Stoßbereich miteinander verschweißt. Hierdurch können die Eckbereiche sauber ausgebildet werden. Bild 10: verkleidete Pfeiler und Unterzüge 1.9 Rohrduchführungen Die Einbindung von PE-HD-Rohren in die PE-HD-Auskleidung ist auf Grund des miteinander verschweißbaren Materials kein Problem. Sollten bestehende Leistungen aus anderen Werkstoffen eingebunden werden, so ersetzt Sanierung eines Trinkwasserbehälters mittels PE-Auskleidung 204 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 man das letzte Rohrstück in der Vorkammer hinter der Flanschverbindung durch ein PE-HD-Rohr. Dieses Rohrstück wird zunächst innerhalb des Behälters mit der Auskleidung verschweißt. Anschließend wird ein PE-HD- Verstärkungsring über diese Schweißnaht gesetzt und sowohl am PE-HD-Rohr als auch an der Kunststoffplatte verschweißt. So entsteht eine belastbare und haltbare Rohrdurchführung. Bild 11: Rohrdurchführung und Rohreinbindung. 1.10 Abdeckronden Rohrdurchführungen Um den Raum zwischen Kunststoffrohr und Kernbohrung sauber abzudecken, werden Abdeckronden in den unterschiedlichsten Kunststoffen verwendet (PE-HD schwarz, PE-HD blau, PP-H grau …) Bild 12: PE-HD blau Abdeckronden auf der Entleerungs-, Entnahme- und Kontrollleitung 1.11 Einbindung von Einbauteilen Einbauteile, wie Einstiegsleitern, Einstiegshilfen, Strahler u.ä. müssen an der PE-HD-Auskleidung befestigt werden ohne diese zu zerstören und somit die Dichtigkeit zu gefährden. Dies geschieht durch Aufschweißen von PE-HD-Befestigungselementen. Diese werden zunächst auf die 12 mm PE-HD-Platte geschweißt und anschließend wird das einzubindende Element ausschließlich auf dem Befestigungselement verschraubt. Bild 13: Befestigung einer VA-Einstiegshilfe an der ausgekleideten Behälterdecke 1.12 Rohrhalterungen Rohre innerhalb der PE-HD-ausgekleideten Wasserkammer werden mittels PE-HD-Rohrhalterungen geführt. Diese Rohrhalterungen werden mit der PE-HD-Platte verschweißt. Als Rohrschelle dient ein VA-Bügel, um die Rohrleitung ggf. wieder zurückbauen zu können. Bild 14: PE-HD-Rohrhalterung mit VA-Bügel an der Zulaufleitung 1.13 Wasserkammerabtrennung Auch eine Kammertrennung in Trockenbauweise ist möglich. Sanierung eines Trinkwasserbehälters mittels PE-Auskleidung 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 205 Dies wird in kleineren Trinkwasserbehältern realisiert, in denen bisher nur eine Wasserkammer vorhanden ist und aus Gründen der Versorgungssicherheit zu dem üblichen Zweikammersystem umgebaut werden soll. Bild 15: Teilung Trinkwasserkammer 1.14 Entnahmeseiher Im Zuge der Sanierung der Trinkwasserbehälter wird auf der Entnahmeleitung ein Seiher aus PE-HD montiert. Der Seiher schützt die Entnahmeleitung vor groben Verschmutzungen. Diesen gibt es in Festflanschversion und zum Aufstecken. Damit gehört das Thema der Korrosion der Vergangenheit an. Bild 16: PE-HD-Entnahmeseiher blau zum Aufstecken 1.15 Zulaufbalken Der Wasserzulauf in die Behälterkammer kann mit einem Zulaufbalken ausgestattet werden. Hiermit wird eine gleichmäßige und permanente Bewegung an der Wasseroberfläche erzielt. Bild 17: PP-H Zulaufbalken mit PE-HD Rohrhalterungen montiert 1.16 Luftfiltereinheit Um eine optimale Versorgung der Behälterkammer mit sauberer Außenluft zu gewährleisten, ist der Einsatz einer Luftfiltereinheit erforderlich. Diese Luftfiltereinheit aus PP-H kann je nach Qualität der Umgebungsluft mit Grob,- Fein- und Schwebstofffilter ausgerüstet werden. Die Luftfiltereinheit wird an ihrem tiefsten Punkt mit einer Ablaufleitung für entstehendes Kondenswasser ausgestattet. Bild 18: PP-H Luftfiltereinheit inkl. luftdichter Einbindung durch ein PP-H-Fenster-Blindelement Da im Zuge einer Trinkwasserbehältersanierung in der Regel auch die Fenstereinheit mit erneuet wird, kann die Einbindung der Luftfiltereinheit über ein PP-H Blindelement, welches in das neue Kunststofffenster eingesetzt wird, erfolgen. Sanierung eines Trinkwasserbehälters mittels PE-Auskleidung 206 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Bild 19: neues Kunststofffensterelement mit Blindelementen und eingebundenen Luftfiltereinheiten und PP-H verkleideter Fensterbrüstung 1.17 Rohrventilator Ein Trinkwasserbehälter mit sehr geringen Entnahmemengen erzeugt nur wenig Hub an der Wasseroberfläche. Um hier dennoch für einen ausreichenden Luftmengenaustausch zu sorgen, wird eine Zwangsbelüftung mittels eines Rohrventilators erzeugt. Dieser kann mit einer Zeitschaltuhr je nach Menge des Luftaustausches gesteuert werden. So kann eine Tropfenbildung an den PE-HD-Platten vermieden werden. Bild 20: elektrisch angetriebener Rohrventilator 1.18 Überlaufschwimmerventil Damit die Wasserkammer ausschließlich über die Luftfiltereinheit Frischluft ziehen kann, muss der Behälterüberlauf verschlossen werden. Dies geschieht mit Hilfe eines PE-HD-Schwimmerventils, welches den Überlauf verschließt und nur bei Erreichen der Überlaufhöhe diesen freigibt. Diese Lösung hat gegenüber der Montage einer Rückschlagklappe mehrere Vorteile. Zum einen verringert der Überlaufschwimmer nicht den Rohrquerschnitt. Zum anderen ist die Funktion immer gewährleistet, da es nicht aus mehreren mechanischen Bauteilen besteht, welche im Laufe der Zeit Ihre Funktion aufgeben könnten. Die Funktionstüchtigkeit ist relativ einfach und sichtbar zu prüfen. Zudem verhindert das Überlaufschwimmerventil, dass sich noch Restwasser in der Überlaufleitung befindet. Bild 21: Überlaufschwimmerventil 1.19 PE-HD-Kammer im Betrieb Die ansprechende Optik eines mit PE-HD blau ausgekleideten Trinkwasserbehälters überzeugt. Bild 22: PE-HD-Auskleidung fertiggestellt und in Betrieb 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 207 Erfahrung und Qualitätssicherungsverfahren: Epoxidharzbeschichtungen für den Trinkwasserbereich sicher verarbeiten Dr. Ludger Boonk Vorrink Stahlu. Betonschutz GmbH & Co. KG 48599 Gronau Zusammenfassung Wie im Hoch-, Spezial- und Tiefbau halten Spezialkunststoffe vermehrt auch ihren Einzug in die Auskleidung von Trinkwasserbehältern. Bei Epoxidharzsystemen für den Trinkwasserbereich handelt es sich um chemisch reaktive 2-komponentige Kunststoffe, deren Einsatz von den Auskleidungsprinzipien im W 300 beschrieben wird. Die Verarbeitung dieser Systeme erfordert Erfahrung und die Beachtung allgemeiner und materialspezifischer Kriterien, um ein technisch und hygienisch einwandfreies sowie langlebiges Auskleidungsergebnis zu erzielen. Im Sinne einer umfassenden Qualitätssicherung während der Ausführung und späterer Nachvollziehbarkeit sind Entscheidungen, ihre Begründung sowie die entsprechenden Konditionen aus den Feldern Technik, Hygiene und Arbeitssicherheit während des gesamten Ausführungszeitraumes zu dokumentieren. Hier wird eine Zusammenfassung der wesentlichen Kriterien gegeben. 1. 1 Verarbeitung von Epoxidharzsystemen Epoxidharzsysteme können eine breite Variabilität der anwendungstechnischen Anforderungen und technischen Eigenschaften aufweisen. Daher ist Erfahrung im Umgang mit dieser Materialklasse und die Kenntnis der spezifischen Werkstoffe ein wesentlicher Faktor für ein zufriedenstellendes Ergebnis. Wenn es zu Fehlerbildern wie Blasenbildung kommt, handelt es sich dabei im Wesentlichen um Ausführungsmängel die Auswirkungen auf die Zwischenlagenhaftung haben. Das sind in der Regel unzureichende Haftungseigenschaften auf dem jeweiligen Untergrund, die z.B. durch mangelhafte Oberflächenzugfestigkeit, nicht ausreichend benetzbare Untergründe oder durch das Überschreiten des Überarbeitungszeitfensters sowie unzureichende Klimabedingungen hervorgerufen werden können, wobei die klimatischen Bedingungen den Überarbeitungszeitraum beeinflussen. Die Kenntnis der Materialdaten und Zusammenhänge ist daher von entscheidender Bedeutung. 1.1 Systementscheidung Beschichtungen und damit zusammenhängende Reprofilierungen und Egalisierungen haben reine Auskleidungsfunktion und können komplett auf Epoxidharzbasis erstellt werden, wenn nach Überprüfung der Unterlagen und des Zustandes keine statisch relevanten Maßnahmen erforderlich sind. Hinzu kommen die Anforderungen nach den Auskleidungsprinzipien des W 300. Hier sind im Wesentlichen die Überdeckung von mind. 10 mm oder mind. dem Bewehrungsdurchmesser zu nennen sowie eine alkalische Überdeckung der Bewehrung von d a, nom ≥10 mm, d a, min ≥ 5 mm oder d a, 5% ≥ 5 mm nach DBV Merkblatt. Sind lokal die Einsatzgrenzen für eine Auskleidung mit Epoxidharzsystemen überschritten oder der Einsatz zu kostspielig, sind Kombinationen mit zementgebundenen Materialien möglich und sinnvoll. Messmethodik und Messumfang sollten vorab mit dem Auftraggeber / Ingenieurbüro unter Berücksichtigung vorhandener Informationen festgelegt sein bzw. von diesen durchgeführt und dokumentiert werden. Ggf. sind nach den Strahlarbeiten erneut Messungen durchzuführen und zu dokumentieren. Die Systementscheidung fällt i.d.R. vor Auftragsvergabe. Daher müssen dafür frühzeitig ausreichend Informationen vorliegen. Es ist projektgebunden zu entscheiden mit welchem Aufwand und Abläufen die Zustandsanalyse durchgeführt werden soll. Generell besteht ein Problem bei der Festlegung des Umfanges im Ausschreibungsstadium. Aus haushaltstechnischen Gründen und Absicherungsaspekten werden gerne alle Eventualitäten berücksichtigt. Damit besteht die Gefahr, dass der ausgeschriebene Leistungsumfang im Verhältnis zum tatsächlichen Umfang in der Ausführung aufgebläht wird. Unter der Voraussetzung, dass eine niedrigschwellige Grunduntersuchung (Begehung, stichprobenartige Prüfungen der Oberfläche, der Betondruckfestigkeit, der alkalischen und totalen Bewehrungsüberdeckung, Unterlagenprüfung) eine Systementscheidung ermöglicht, kann die Festlegung des Umfanges der Schwerpunkt Erfahrung und Qualitätssicherungsverfahren: Epoxidharzbeschichtungen für den Trinkwasserbereich sicher verarbeiten 208 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 des Messaufwandes vor der Ausschreibung oder nach den Strahlarbeiten gelegt werden. Im ersten Fall hat man mehr Informationen, um den potentiellen Aufwand zu ermitteln, dafür kann man nach dem Strahlen die Untersuchungen gezielt und kosteneffektiv den Erfordernissen anpassen, da vorhandene Beschichtungen entfernt sind und Schäden offener zu Tage treten. Diese theoretischen Erwägungen werden in der Praxis manches mal durch Umstände, wie mögliche Außerbetriebnahmezeiträume, ausgehebelt. 2. Klärungs- / Dokumentationsbedarf Es sind im Laufe eines Projektes eine Reihe von Dingen zu klären. Es ist in der Regel nicht zielführend jeden Tag lückenlos jede Kleinigkeit zu prüfen und zu dokumentieren. Erfahrung lässt sich dadurch nicht ersetzen. Es muss sichergestellt werden, dass die Arbeiten nachweisbar unter ausreichenden Bedingungen durchgeführt werden und Entscheidungen mit systematischen Auswirkungen nachvollziehbar sind. Ein Prüfplan, in dem einschlägige Erfahrungen berücksichtigt sind, sollte zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer vereinbart werden. 2.1 Allgemeine technische Randbedingungen Vor Beginn der Arbeiten müssen technische Fragen wie die Verfügbarkeit von ausreichen Strom für Lüftung und Klimatisierung geklärt werden. Notwendigkeit und Realisierungsmöglichkeiten von Einhausungen, Schlauchführungen und Schlauchlängen sowie die Einflüsse auf die Wirksamkeit (z.B. Spritzschlauchlängen und Spritzschlauchdurchmesser unter Berücksichtigung von Außentemperaturen und benötigten Materialtemperaturen) sind zu prüfen und festzulegen. Baustelleneinrichtungspläne mit Stellflächen für Fahrzeuge, Geräte, Materiallager, Anrührplätzen usw. müssen erstellt und den Anforderungen des Auftraggebers gerecht werden. Nicht zuletzt muss die sichere Zugänglichkeit der zu bearbeitenden Flächen, die Zuwegung und die Auswirkung von Baustellenlärm und andere mögliche Beeinträchtigungen auf die Umgebung beurteilt werden. Die Ergebnisse sollten ggf. schriftlich fixiert und von den Beteiligten bestätigt werden. 2.2 Hygieneanforderungen Der Stellenwert von Hygieneregelungen in Form von Hygienekonzepten ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Eine Möglichkeit zu einem tragfähigen und durchführbaren Konzept mit einem akzeptablen Preis- / Leistungsverhältnis zu kommen, ist die Methode der Gefährdungsanalyse. Bei dieser Methode werden die lokalen Verhältnisse, die unterschiedlichen Arbeitsschritte zu verschiedenen Zeiten auf die möglichen Gefährdungen für die Hygiene der Umgebung, der Betriebsabläufe und des Auskleidungsobjektes nach Fertigstellung untersucht, aufgelistet und mit entsprechenden Maßnahmen zur Sicherstellung der Anforderungen des Auftraggebers und der allgemeinen Hygiene versehen. Werden die Resultate tabellenförmig aufgeführt kann die Tabelle auch zur Maßnahmenkontrolle und deren Dokumentation benutzt werden. Die Maßnahmen finden Eingang in die Planung der Baustelleneinrichtung wie Ort und Ausgestaltung der Stell- und Verkehrsflächen, Schleusen, sanitäre Einrichtungen, die Einhausung der Arbeitsbereiche u.a. Wesentlich ist die Berücksichtigung des Arbeitsablaufes. Es kann durchaus Sinn machen unterschiedliche Anforderungen z.B. während der Strahlarbeiten und der Beschichtungsarbeiten oder Nacharbeiten an der fertigen Deckbeschichtung zu definieren. Wichtig ist, dass alle auf der Baustelle Anwesenden über die Maßnahmen informiert sind. Das lässt sich am besten über Schulungs- / Unterweisungsmaßnahmen erreichen und dokumentieren. 2.3 Anforderungen an den Untergrund Folgende Parameter sind für eine Auskleidung mit Epoxidharzsystemen wichtig. 2.3.1 Untergrundfeuchtigkeit Der Wert der Untergrundfeuchtigkeit muss üblicherweise < 4% betragen. Ein mögliches Vorgehen sind Übersichtsmessungen mit elektronischen Messgeräten, deren Werte an kritischen Stellen durch Messungen nach der CM Methode verifiziert werden. 2.3.2 Betonüberdeckungen Der Umfang und das methodische Vorgehen bei den Messungen sollte projektabhängig mit den Beteiligten abgestimmt werden. Mindestanforderungen Betonüberdeckung: 10 mm und mindestens Stabdurchmesser, die Werte sind ggf. nach den Strahlarbeiten zu kontrollieren Alkalische Bewehrungsüberdeckung: d a, nom ≥10 mm, d a, min ≥ 5 mm oder d a, 5% ≥ 5 mm nach DBV Merkblatt 2.3.3 Untergrundzustand Hinweise auf Schäden an der Bewehrung und in der Oberfläche sind durch Rostfahnen, Abplatzungen, Risse und Absandungen in vielen Fällen visuell und mit einfachen Mitteln erkennbar. Hohllagen können durch Abklopfen oder mit dem Resonanztaster erkannt werden. Bei Unsicherheiten sind weitere Untersuchungen zu veranlassen und ggf. ein Sachverständiger hinzuzuziehen. Dies trifft insbesondere bei möglichen Auswirkungen auf die Statik zu (korrodierende Bewehrungen, Rissbil- Erfahrung und Qualitätssicherungsverfahren: Epoxidharzbeschichtungen für den Trinkwasserbereich sicher verarbeiten 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 209 dungen). Umfang" Lage und Relevanzbeurteilung sind zu dokumentieren. Bei mehrschichtigen mineralischen Untergründen sind die Prüfungen ggf. nach den Strahlarbeiten zu wiederholen, da aufgrund der Trocknungsprozesse die Spannungen im System bei unzureichender Zwischenlagenhaftung zu Ablösungseffekten führen können. Auch eine erneute visuelle Inspektion ist sinnvoll, um die Homogenität des Untergrundes zu beurteilen und ggf. lokal weitere Untersuchungen wie z.B. Oberflächenzugfestigkeiten durchzuführen sowie zu beurteilen, ob der gedachte Aufbau für den gestrahlten Untergrund passend ist. Vorhandene Kiesnester, die Ausführung der Übergänge von horizontalen zu vertikalen Bauteilen sowie Auffälligkeiten bei Fugen, Durchbrüchen und Einbauteilen sind zu erfassen. Eingebaute Rohrleitungen sind in Bezug auf Ihren Zustand und Einfluss auf die Durchführung der Arbeiten zu bewerten. Besonderes Augenmerk ist dem Zustand des Bodens zu widmen, insbesondere, wenn es sich um einen zusätzlich aufgebrachten Estrichboden handelt. Neben möglichen Hohllagen ist zu beachten, dass nicht gefügedichte Estrichböden viel Wasser enthalten können, was bei den veranschlagten Trocknungszeiten zu berücksichtigen ist. Auch vorhandenes Gefälle, Ausbildung des Sumpfes und Anordnung des Ablaufes können Punkte sein, die zu Problemen führen können. 2.3.4 Oberflächenzugfestigkeit Die Mindestwerte (Ø 1,5 N / mm², Einzelwerte 1 N / mm²) müssen vor Aufbringen der ersten Schicht erreicht sein. Zu messen sind alle Baugruppen mit einem Richtwert von 3 Messungen pro 250 m². Bei reinen Epoxidharzsystemen kann das Bindemittel der ersten Schicht als Kleber verwendet werden. Das hat den Vorteil, dass gleichzeitig die Haftung des Systems auf dem vorhandenen Untergrund geprüft wird. Benetzungsstörungen können Hinweise auf die Verwendung von Silikaten zur Abdichtung sein. In diesen Fällen ist die Haftfestigkeit des Systems auf dem Untergrund besonders sorgfältig zu testen. 2.3.5 Technische Randbedingungen vorbereitende Arbeiten Für die Durchführung der unterschiedlichen Arbeiten sind verschiedene Randbedingungen einzuhalten. Während der Strahlarbeiten spielen die klimatischen Umstände in der Regel kaum eine Rolle. Das gilt nicht, wenn gleichzeitig Stahleinbauten mitgestrahlt und beschichtet werden sollen, da der gestrahlte Stahl ohne Korrosionsschutz wieder anläuft. Je nach erreichten Klimabedingungen kann man die Stahleinbauten zum Schluss der Strahlarbeiten strahlen und / oder direkt nach dem Strahlen einen Korrosionsschutz auftragen. Die Strahlzeiten können auch zur Trocknung und Klimatisierung benutzt werden. Es hat sich bewährt während der Strahlarbeiten schon die erreichte Oberflächenqualität zu kontrollieren um bei Mängeln frühzeitig einschreiten zu können. Nach den Strahlarbeiten muss das Strahlmittel entsorgt und die Oberflächen gereinigt werden. Die Dokumentation der Strahlmittel- / Strahlwasserentsorgung umfasst die Analyse und Klassifizierung der Strahlrückstände, den Transport und Unterlagen über den Verbleib des Materials. Nach den Strahlarbeiten ist zu kontrollieren, ob der Umfang der durchzuführenden Egalisierungsarbeiten mit dem angebotenen Umfang übereinstimmt oder ggf. Zusatzpositionen zum Tragen kommen. Die Staubfreiheit der Oberflächen muss jeweils vor deren Beschichtung sichergestellt werden. Es ist zu berücksichtigen, dass u.U. zwischenzeitlich auch stauberzeugende Arbeiten (Schleifen, Einblasen von Haftgranulat u. a.) durchgeführt werden, die Oberfläche erneut verschmutzen können, was zu Haftungsminderungen führen kann. Die beschichtungsrelevanten Daten (Lufttemperatur, Luftfeuchtigkeit, Untergrundtemperatur, Taupunkt) sind bei Beschichtungsarbeiten permanent zu kontrollieren. Als Anhaltspunkt kann man 3 Messungen pro Tag nehmen, wobei man Änderungen des Außenklimas und die Auswirkung der Lüftung kritisch einbeziehen und evt. die Messzeiten / Messhäufigkeit anpassen muss. Da das Überarbeitungsfenster stark abhängig von den Klimadaten sein kann, ist die Kenntnis der Abhängikeiten und strikte Einhaltung der Randbedingungen sehr entscheidend für die Zwischenlagenhaftung. Das Überarbeitungsfenster lässt sich unbegrenzt dehnen, wenn die Zwischenlagenhaftung durch Abstreuen der Schichten und die dadurch erzeugte Oberflächenrauigkeit sichergestellt wird. Die Oberfläche muss dazu bindemittelreich genug und der Zeitpunkt der Einstreuung passend sein. Die Haftung des Einstreumaterials ist nach Aushärtung durch scharfes Abschaben zu kontrollieren. Die anderen Überarbeitungsbedingungen sind weiterhin einzuhalten. 2.4 Technische Randbedingungen Deckbeschichtung Die Einhaltung der Klimabedingungen und des Überarbeitungsfensters sind beim Aufbringen der Deckbeschichtung besonders wichtig, da eventuell notwendige Korrekturmaßnahmen optisch sichtbar bleiben. Überschreitungen der Überarbeitungsbedingungen bei Spritzarbeiten machen sich in Überlappungsbreichen durch Haftverlust bemerkbar. Es sind daher bei größeren Projekten, die nicht komplett innerhalb der Überarbeitungszeit beschichtet werden können, sinnvolle Beschichtungsabschnitte zu planen.Bis zur Erstreinigung / Befüllung sind die Aushärtebedingungen Temperatur / Zeit, die sich wiederum gegenseitig beeinflussen, einzuhalten. Bei Raumtemperatur liegen die Aushärtezeiten systemabhängig üblicherweise zw. 7 und 14 Tagen. Die Erfahrung und Qualitätssicherungsverfahren: Epoxidharzbeschichtungen für den Trinkwasserbereich sicher verarbeiten 210 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Temperaturabhängigkeit folgt im Wesentlichen der RGT Regel, die besagt, dass die Reaktionsgeschwindigkeit bei einer Temperatursteigerung von 10 °C um den Faktor 1 - 4 steigt. Die einzelnen Parameter sind mit einfachen Mitteln gut zu kontrollieren und zu dokumentieren. Die Herausforderung besteht darin, während der Auskleidungsarbeiten mit ausreichendem Hintergrundwissen sensibel für die Anforderungen, deren Einhaltung bzw. für die Auswirkungen von unzureichenden Umgebungsbedingungen zu bleiben. Messung und Dokumentation von Randbedingungen geben einen guten Eindruck von der Gesamtlage, sind aber nicht in der Lage jedes Einzelereignis abzubilden. 2.5 Arbeitssicherheit Beschichtungsarbeiten Bei Beschichtungsarbeiten tauchen prinzipiell die gleichen Gefährdungen wie bei der Ausführung anderer Arbeiten auf. Hier sind insbesondere Staub, Gefährdungen durch beengte Räume und Arbeiten auf Höhe zu erwähnen. Die spez. Gefährdungen durch das verwendete Material betreffen im Wesentlichen das Sensibilisierungspotential und ggf. stoffspezifische Gefährdungen, die den Sicherheitsdatenblättern und den Gefahrstoffkennzeichnungen zu entnehmen sind. Die spezifischen Gefährdungen sind jeweils objektbezogen zu ermitteln. Dabei sollte der Auftraggeber mit seiner spezifischen Kenntnis der Betriebsabläufe hinzugezogen werden. Im Rahmen dieser Risikoanalyse sind Maßnahmen festzulegen, die das Risiko minimieren und während der Durchführung kontrolliert werden. Dafür eignen sich tabellarische Auflistungen, die die Risiken, Maßnahmen und durchgeführte Kontrollen übersichtlich zusammenfassen. 2.6 Erstreinigung Bevor ein neu ausgekleideter Behälter in Betrieb gehen kann, ist er zu Reinigen und die einwandfreie Beschaffenheit des Wassers zu überprüfen. Die techn. Datenblätter unterschiedlicher Systeme geben dafür verschiedene Vorgehensweisen vor. Diese sind einzuhalten. Epoxidharzsysteme benötigen keine besondere Nachbehandlung. Die notwendigen Aushärtezeiten, abgestimmt auf die tatsächlich vorliegenden Temperaturen, sind zu beachten. Zu einer vollständigen Dokumentation gehören neben den Aushärtebedingungen die bei der Reinigung eingesetzten Mittel, deren eingesetzte Konzentration und eine Beschreibung des Reinigungsablaufes. Hier sollten dann auch besondere Vorkommnisse und Beobachtungen eingetragen werden. 2.7 Gesamtdokumentation Zur Gesamtdokumentation gehören demnach folgende Unterlagen: - Unterlagen zur Systementscheidung und deren Begründung - Unterlagen Strahlmittelentsorgung - Dokumentation des Untergrundzustandes nach dem Strahlen - Sicherheitsdatenblätter und technische Datenblätter der verwendeten Materialien - Dokumentation der Verarbeitungsbedingungen - Dokumentation der Erstreinigung - Ggf. Reinigungshinweise - Ggf. Hinweise zu Betriebsbedingungen (Konzentrationsangaben z.B. Desinfektionsmittel, mechanische Belastungen) - Hinweise zu Inspektions- / Wartungsintervallen - Reparaturhinweise Betonbau 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 213 Nachhaltigkeit zementgebundener Werkstoffe Dipl.-Ing. Martin Bolesta P & T Technische Mörtel GmbH & Co. KG, Neuss, Deutschland Zusammenfassung Bei lange in Betrieb befindlichen Behältern ist oftmals auch die Bausubstanz zu sanieren. Ist dieses erforderlich, kann auf zementgebundene Werkstoffe nicht verzichtet werden. Der Einsatz anderer zugelassener Systeme zum Schutz des Trinkwassers ist gemäß DVGW Arbeitsblatt W 300-3 nur in Kombination mit der Bauwerkssanierung oder aber ergänzend möglich. Bei einer nachhaltigen Sanierung ist aber nicht nur die Dauerhaftigkeit (möglichst lange Standzeit und damit Ressourcen schonend) zu berücksichtigen, sondern auch Aspekte wie Rückbau-, Recyclingfähigkeit oder Entsorgung, die hiermit verbundenen Kosten und nicht zuletzt auch die Umweltverträglichkeit. Umso mehr sollte bei jedem Sanierungsvorhaben abgewogen werden, ob der Einbau zusätzlicher Materialien wirklich Vorteile bietet, zumal auch mit zementgebundenen Werkstoffen eine langlebige Oberfläche in Trinkwasserbehältern hergestellt werden kann. 1. Nachhaltigkeit Der Begriff Nachhaltigkeit geht auf den Freiberger Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz (1645-1714) zurück. Sein Gedanke für die nachhaltige Forstwirtschaft war, dass in einem Wald nur so viele Bäume abgeholzt werden sollten, wie in absehbarere Zeit nachwachsen können. So sollte der langfristige Bestand des Waldes sichergestellt werden [1]. In der heutigen Zeit wird der Begriff Nachhaltigkeit nicht nur für die dauerhafte, regenerationsfähige Ressourcennutzung verwendet, vielmehr wird Nachhaltigkeit in vielen Bereichen gefordert: bei der Energieerzeugung, bei Bauwerken, bei Lebensmitteln, bei der Rohstoffgewinnung, bei Kleidung und selbst unsere Parlamente sprechen immer öfter von nachhaltiger Politik. Entsprechend hat das Wort Nachhaltigkeit im derzeitigen Sprachgebrauch mehrere Bedeutungen, hauptsächlich sind das - hohe Lebensdauer / Dauerhaftigkeit - wenig Auswirkung auf die Umwelt - Ressourcen schonend. Unabhängig von der Bedeutung findet nachhaltiges Handeln in der Gegenwart statt, um mögliche Auswirkungen oder Schäden in der Zukunft möglichst gering zu halten. Daher überrascht es nicht wirklich, dass als Synonym für Nachhaltigkeit der Begriff „enkelgerecht“ verwendet wird. Auch im Bereich der Instandsetzung und Verbesserung von Trinkwasserbehältern wird im DVGW Regelwerk W300-3 Dauerhaftigkeit und Nachhaltigkeit gefordert [2]. 2. Nachhaltige Sanierung im Sinne von Dauerhaftigkeit Trinkwasserbehälter sind ein zentraler Bestandteil der Wasserversorgung. Aber auch bei regelmäßiger Inspektion und Wartung sowie der zuverlässigen Durchführung ggfs. erforderlicher Reparaturen steht irgendwann mal eine mehr oder weniger umfassende Sanierung an. Bevor aber die eigentliche Sanierung geplant wird, ist zunächst eine Vorbetrachtung durchzuführen, ob oder aber wie lange der zu sanierende Wasserspeicher benötigt wird. So gibt es Fälle, wo es zu gravierenden Änderungen im Versorgungsgebiet gekommen ist. Folglich kann es vorkommen, dass ein Behälter gar nicht mehr benötigt wird oder aber nur noch für wenige Jahre betrieben werden muss, weil ein größerer Neubau oder ein anderer Standort alternativlos sind. In diesen, und nur in diesen Fällen, ist es nachvollziehbar, wenn auf eine nachhaltige Sanierung im Sinne von dauerhaft verzichtet wird. Das Ziel einer hier durchgeführten Instandsetzung ist es, die Versorgung für die „kurze“ Zeit der Restnutzung sicher zu stellen. Meistens ergeben die Vorbetrachtungen, dass die Weiternutzung des Behälters zweckmäßig, wirtschaftlich sinnvoll und richtig ist. Hier kann das Ziel nur sein, durch die Sanierung die Betriebssicherheit des Trinkwasserspeichers für eine möglichst lange Zeit zu gewährleisten. In dem DVGW Arbeitsblatt W300-3 findet man hierzu nachfolgende Formulierung: Mit einer Instandsetzung soll nicht der „Altzustand“ der Behälteranlage wiederhergestellt, sondern ein Zustand geschaffen werden, der den Anforderungen nach DVGW W300-1 (Planung und Bau) entspricht [3]. Nachhaltigkeit zementgebundener Werkstoffe 214 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Deutlicher kann die Forderung nach einer nachhaltigen Sanierung im Sinne von Dauerhaftigkeit kaum beschrieben werden. Schon immer war klar, dass es im Sanierungsfall dabei nicht nur um den Schutz des Trinkwassers geht, sondern auch um den Erhalt bzw. die Ertüchtigung der Bausubstanz. Somit erklärt es sich von selbst, dass nicht nur die ggfs. schadhaften Oberflächen in der Wasserkammer sondern vielmehr die Bausubstanz bzw. das gesamte Bauwerk zur Feststellung des Istzustandes zu überprüfen sind. Was hier alles zu berücksichtigen ist, kann dem DVGW Arbeitsblatt W300-3 entnommen werden [2]. An nicht wenigen im letzten Jahrhundert errichteten Trinkwasserbehältern wird bei den Zustandsanalysen ein Sanierungsbedarf an der Bausubstanz festgestellt. Dieses liegt dabei nicht ausschließlich an einer fehlerhaften Ausführung, vielmehr ist das Regelwerk mehrfach angepasst worden und verlangt heute andere und (zu Recht) höhere Vorgaben. Typische Abweichungen sind z.B. eine zu geringe Betondeckung und/ oder auch karbonatisierte oder ausgelaugte Betonbereiche, so dass die Bewehrung nicht mehr ausreichend vor Korrosion geschützt ist. In diesen Fällen und insbesondere wenn der Konstruktionsbeton „zu geringe“ Festigkeiten aufweist und statisch ertüchtigt werden muss, ist grundsätzlich immer auch die Bausubstanz zu sanieren. Die Sanierung muss dann mit hierfür zugelassenen Materialien, wie z.B. mit Produkten mit Ü-Zeichen als Beton nach DIN EN 206 oder mit CE nach DIN EN 1504-3 (z.B. R4, für die statisch relevante Instandsetzung) erfolgen. Auch hier können wichtige Vorgaben dem DVGW Arbeitsblatt W300-3 entnommen werden. Selbstverständlich müssen diese Produkte auch hygienisch für den Bereich Trinkwasser nach DVGW W 347 zugelassen sein [2,4,5]. Insofern Sanierungsbedarf an der Bausubstanz besteht, kann für eine nachhaltige Sanierung (im Sinne von dauerhaft) auf zementgebundene Werkstoffe definitiv nicht verzichtet werden. Eine Sanierung mit Auskleidungen (z.B. Folien, Platten) oder reaktiven Kunstharzen ist nur in Kombination oder ergänzend möglich. Leider gibt es immer noch (viel zu viele) Fälle, wo die Instandsetzungsmaßnahme ausschließlich auf den Schutz des Trinkwassers ausgerichtet ist und auf die Sanierung der Bausubstanz (unwissentlich oder vielleicht auch bewusst) verzichtet wird. Das Einbringen einer Auskleidung (z.B. PE/ PP Dichtungsbahnen, PE/ PP Plattensysteme oder Edelstahlbleche) in eine schadhafte Wasserkammer ohne vorherige Betonsanierung, ist aber ganz sicher keine nachhaltige Sanierung im Sinne von dauerhaft. Hinter einer Auskleidung, quasi im Verborgenen, kann der Beton weiter karbonatisieren und die Bewehrung bei einer nicht ausreichenden Betondeckung weiter korrodieren. Im schlimmsten Fall kann es passieren, dass nach wenigen Jahren die Standsicherheit des Bauwerks nicht mehr gegeben ist und der Behälter stillgelegt werden muss. Die nachfolgende Abb. 1 zeigt ein Beispiel, wo auf die Betonsanierung verzichtet und zum Schutz des Trinkwassers eine Folienauskleidung verbaut worden ist. Als Folge der unterlassenen Betonsanierung kam es zu gravierenden Folgeschäden, unter anderem zu Durchwurzelungen - ganz sicher keine nachhaltige Lösung. Abb. 1: Duchwurzelung hinter einer Folienauskleidung als Folge einer nicht durchgeführten Bauwerkssanierung Es soll nicht verschwiegen werden, dass es auch Trinkwasserbehälter gibt, bei denen die Sanierung ausschließlich aufgrund einer geschädigten Oberfläche (wie z.B. Aufweichungen, Absandungen oder Fehlstellen mit Poren/ Lunkern) erfolgen muss. D.h. der Konstruktionsbeton erfüllt alle Anforderungen, er verfügt über eine ausreichende Qualität (Festigkeit), ist nicht (oder nur gering) karbonatisiert und die Betondeckung der Bewehrung ist ausreichend. Vorausgesetzt, dass eine ggfs. vorhandene Altbeschichtung keine schädlichen Bestandteile beinhaltet und daher aus hygienischen oder gesundheitsgefährdenden Gründen entfernt werden muss, ist in solchen Fällen grundsätzlich die Sanierung mit allen zugelassenen Sanierungsverfahren und Materialien möglich. Die Entscheidung, welches Verfahren hier ausgewählt wird, liegt letztendlich bei dem Bauherren und dem Planer. Nicht vergessen werden darf hierbei, dass es um die Speicherung unseres Lebensmittels Nummer 1 geht, und da sollte auch über nicht/ wenig einsehbare und nicht/ wenig kontrollierbare Spalten nachgedacht werden. Bioverfügbare Verunreinigungen in oder auf Altbeton / Altbeschichtungen können in Verbindung mit der im Trinkwasserbauwerken vorhandenen Feuchtigkeit (z.B. Restfeuchte im Beton) für so manche Überraschung hinter der Auskleidung verantwortlich sein, siehe Abb. 2. Nachhaltigkeit zementgebundener Werkstoffe 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 215 Abb. 2: Schimmel hinter einer geöffneten PE Auskleidung 3. Andere Aspekte der Nachhaltigkeit Der Wunsch nach einer dauerhaften Beschichtung mit möglichst großen Sanierungsintervallen hat dazu geführt, dass immer wieder innovative Sanierungsprodukte oder -methoden auf dem Trinkwassermarkt erschienen sind. Dieser Wunsch nach neuen Produkten war sicher auch eine Folge davon, dass mineralische Beschichtungen nicht immer die gewünschte Dauerhaftigkeit hatten. Dieses lag auch daran, dass vor dem Jahr 2005 (Neuerscheinung des DVGW Arbeitsblattes W300) wichtige technische Parameter, wie z.B. der Wasserzementwert oder auch die Porosität, noch nicht geregelt waren. Folglich hatten viele mineralische Beschichtungen nicht geeignete bzw. zu hohe Wasserzementwerte, zu hohe Porositäten oder beinhalteten Methylcellulose und waren demnach nicht ausreichend hydrolysebeständig. Ein erstes „innovatives“ Beschichtungsprodukt, welches nicht nur vereinzelt verarbeitet worden ist, waren die Chlorkautschukbeschichtungen. Auch wenn so mancher Wasserverband mit dieser Beschichtungsart nicht unzufrieden war oder auch noch ist, konnten die Chlorkautschukbeschichtungen die Erwartungen hinsichtlich der Dauerhaftigkeit nicht erfüllen. Nicht selten kam es zu Schäden, z.B. in Form von Blasen oder Ablösungen (siehe Abb. 3), die eine erneute Komplettsanierung z.T. schon nach 10 oder 20 Jahren erforderlich machten [6]. Abb. 3: Schadhafte Chlorkautschukbeschichtung Abgesehen davon, dass die Chlorkautschukbeschichtungen oftmals die prognostizierte Dauerhaftigkeit vermissen ließen, so ist ein Teil dieser Beschichtungen hochgradig mit PCB (polychloriertes Biphenyl) belastet und somit alles andere als „enkelgerecht“. Die Schwierigkeiten fangen hier schon bei dem Rückbau der mit PCB belasteten Beschichtung an, die nur unter strengen Auflagen und dem Tragen aufwendiger persönlicher Schutzausrüstung möglich ist. Ein weiterer Punkt ist die Entsorgung der PCB-haltigen Abfälle - es ist Sondermüll, der entsprechend der Gefahrstoffverordnung entsorgt werden muss [7]. Chlorkautschukbeschichtungen kommen zwar heutzutage nicht mehr zur Anwendung, sind aber ein gutes Beispiel, dass in einer Nachhaltigkeitsbetrachtung nicht nur die Dauerhaftigkeit eingehen sollte. Es ist daher nachvollziehbar und auch zu begrüßen, wenn bei der Planung von Neubauten aber auch von Sanierungen die Aspekte Rückbaumöglichkeit, Recycling-Fähigkeit und Entsorgung mit zunehmender Gewichtung zu berücksichtigen sind. Sicher ist dieses nicht einfach umzusetzen. Die technischen Regelwerke (z.B. Normen oder Richtlinien) gibt es überwiegend seit Jahrzehnten und wurden seit der Aufstellung ständig aktualisiert. Die hier geforderten Materialkennwerte (z.B. Druckfestigkeiten), die Verarbeitungsanweisungen aber auch Grenzwerte oder Berechnungen sind eine verlässliche Planungsgrundlage. Aber wie können Recyclingfähigkeit, Rückbau- oder Entsorgungsmöglichkeit eines Materials verlässlich beurteilt werden? Da diese Themen relativ jung sind, es ständig neue Erkenntnisse hinsichtlich der Gefährdung von Stoffen gibt, wird es sicher noch Jahre dauern, bis hier ähnlich verlässliche Regelwerke oder Bewertungsschemata existieren wie für die technische Seite. Aber irgendwann sollte damit begonnen werden. Nachhaltigkeit zementgebundener Werkstoffe 216 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Hätte man bereits in den 60‘er Jahren das heutige Wissen über PCB gehabt, wären die Chlorkautschukbeschichtungen in Trinkwasserbehältern sehr sicher nicht zum Einsatz gekommen. Aber haben wir wirklich aus diesem Fall gelernt? Es ist schon sehr interessant und zugleich irritierend, wenn auch aktuell immer noch mehrkomponentige chemische Produkte für die Sanierung von Trinkwasserkammern neu auf den Markt kommen, bei denen Ausgangskomponenten mit: „kann vermutlich Krebs erzeugen“, „kann bei längerer oder wiederholter Exposition die Organe schädigen“ oder „schädlich für Wasserorganismen“ eingestuft werden. Auch wenn Stoffe nur im Verdacht stehen, dass diese ggfs. erbgutverändernd sein können, dass sie zu gesundheitlichen Schäden wie Leberproblemen oder Herzkrankheiten führen können, sollte dieses bei der Planung mit einfließen. Denn Nachhaltigkeit bezieht sich eben nicht nur auf die Dauerhaftigkeit, die übrigens von neuen Produkten in der Praxis auch noch bewiesen werden muss. 4. Nachhaltigkeit zementgebundenerWerkstoffe Dass mit zementgebunden Produkten ein dauerhafter Betrieb von Trinkwasserbehältern möglich ist, dafür gibt es viele Beweise. Sehr beeindruckend sind dabei die zu Beginn des 20. Jahrhunderts gebauten Behälter, wo Putze von extrem hoher Qualität z.T. 100 Jahre (und länger) zuverlässig funktioniert haben und z.T. auch heute noch den Anforderungen genügen. Aber auch in den 80’er und 90’Jahren und damit noch vor der Einführung der Regelwerke DVGW W300 und auch DVGW W316 gab es dauerhafte Behältersanierungen mit zementgebundenen Produkten. Diese hatten damals schon die niedrigen Wasserzementwerte und die geringen Porositäten von unter 12%, wie sie heute gefordert werden. Auch bei diesen Sanierungen kann davon ausgegangen werden, dass die Flächen viele Jahrzehnte, sicher aber 50 Jahre halten werden, siehe Abb. 4. Werden bei Sanierungen die technischen Anforderungen nach DVGW Arbeitsblatt W300 eingehalten, ist mit zementgebundenen Beschichtungen eine nachhaltige Sanierung im Sinne von dauerhaft möglich. Aber wie sieht es mit den anderen Aspekten der Nachhaltigkeit aus. Zementgebundene Sanierungsprodukte bestehen hauptsächlich aus Gesteinskörnung und eben Zement. Je nach Modifikation werden mineralische Zusatzstoffe, wie z.B. Microsilica, hinzugegeben. Somit beinhalten diese Produkte, insofern sie dem Typ 1 (ohne Betonzusatzmittel und ohne kunststoffhaltige Zusätze) entsprechen, ausschließlich mineralisch-anorganische Ausgansstoffe. Abb. 4: Mit Kerasal sanierter Trinkwasserbehälter nach 24 Jahren Betrieb. Steht bei einem mit zementgebundenen Werkstoffen errichteten oder sanierten Bauwerk (möglichst in ferner Zukunft) eine Sanierung an, so sind daher Schwierigkeiten bei Rückbau oder Entsorgung kaum zu erwarten. Ganz im Gegenteil. Bereits heute gibt es nicht nur Ansätze und Ideen, so dass eine Entsorgung von Altbeton nicht erfolgen muss. So wird Betonabbruch bereits als Schotterersatz verbaut und die Verwendung von Recyclingbeton ist längst in Normen geregelt (z.B. DIN EN 206). Auch gibt es schon Bauwerke, die zu 95 % aus Recyclingbeton errichtet worden sind. Vorreiter sind hier die Schweiz und auch die Niederlande und Belgien, bei denen öffentliche Baumaßnahmen bereits seit 2016 zu über 10% mit R-Betonen durchgeführt werden [8,9]. Sollte dennoch eine Entsorgung erforderlich sein, muss man in Zukunft mit weiter steigenden Kosten rechnen, dieser Anstieg war bereits in den letzten Jahren deutlich zu spüren. Spätestens hier haben nachhaltige Materialien auch ökonomische Vorteile. Hierzu eine Beispielrechnung: Die Entsorgung einer Tonne Bauschutt / Beton kostet derzeit ca. 20 bis 40 Euro, für die Entsorgung einer Tonne mit PCB belasteten Materials werden (je nach Kontaminationsgrad und Bundesland) Preise zwischen 400 bis hin zu 900 Euro aufgerufen. Bei einer Sanierungsmaßnahme können sich allein die Mehrkosten für die Entsorgung problematischer Stoffe auf mehrere Zehntausend Euro summieren. Wenn es bei zementhaltigen Werkstoffen dann auch noch gelingt, sich durch den Einsatz von Recyclingmaterialien oder von Nebenprodukten aus anderen Industriezweigen auch Vorteile bei den herstellungsbedingten Emissionen zu verschaffen, dann sollte spätestens jetzt die Wahl auf diese Werkstoffe für die Sanierung von Trinkwasserbehälter fallen. Nachhaltigkeit zementgebundener Werkstoffe 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 217 So können z.B. die herstellungsbedingten CO 2 Emissionen bei der Zementproduktion um bis zu 50% und mehr gesenkt werden, wenn anstellen von Portlandzement Zementsorten verwendet werden, bei denen der Zementklinker durch andere Stoffe ersetzt wird. Hier schneidet der seit über 100 Jahre in Deutschland genormte Hochofenzement (CEM III) am besten ab. Zum einen darf bei keinem anderen Zement so viel Zementklinker substituiert werden wie beim CEM III und zum anderen muss der Ersatzstoff nicht bergmännisch abgebaut werden, wie es z.B. bei natürlichen Puzzolanen wie Trass der Fall ist. Beim CEM III wird ein Großteil des Zementklinkers durch Hüttensand ersetzt, ein Nebenprodukt der Stahlindustrie [10]. 5. Ausblick Auch wenn die ersten Mahner lange belächelt worden sind, inzwischen ist es bewiesen, dass viele derzeit stattfindende terrestrischen Veränderungen von der Menschheit zumindest mitverursacht worden sind. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund, sondern auch aus Sicht der Versorgungssicherheit, sollten Trinkwasserbehälter (und auch andere Bauwerke) möglichst nachhaltig saniert werden. Bei einer nachhaltigen Sanierung sind aber nicht nur die Dauerhaftigkeit (möglichst lange Standzeit und damit Ressourcen schonend) sondern auch Aspekte wie Rückbau, Recyclingfähigkeit oder Entsorgung, die hiermit verbundenen Kosten und nicht zuletzt auch die Umweltverträglichkeit zu berücksichtigen. Da bei lange in Betrieb befindlichen Behältern oftmals auch die Bausubstanz saniert werden muss, kann auf den Einsatz zementgebundener Mörtel mit Ü- oder CE-Zeichen derzeit in vielen Fällen nicht verzichtet werden. Der Einsatz anderer zugelassener Sanierungsverfahren ist gemäß DVGW Arbeitsblatt W 300-3 nur in Kombination mit der Bauwerkssanierung oder aber ergänzend möglich. Umso mehr sollte bei jedem Sanierungsvorhaben abgewogen werden, ob der Einbau zusätzlicher Materialien wirklich Vorteile bietet, zumal auch mit zementgebundenen Werkstoffen eine langlebige Oberfläche in Trinkwasserbehältern hergestellt werden kann. Diese Abwägung ist gewiss nicht einfach, da sich in der Planungsphase mögliche Konsequenzen in der Zukunft nicht beweisen oder quantifizieren lassen. So hat z.B. bei der Planung von Chlorkautschukbeschichtungen in den 60‘ oder 70’er Jahren auch keiner mit den hieraus entstehenden Schwierigkeiten (z.B. Einstufung als Sondermüll mit immensen Entsorgungskosten) gerechnet. Im Zuge einer „enkelgerechten“ Planung sollten aber alle Möglichkeiten genutzt werden, um die für eine Sanierung angedachten Materialien hinsichtlich Gesundheitsschutz, Umweltverträglichkeit, Rückbaumöglichkeit, Recycling-Fähigkeit und Entsorgung einzuschätzen. Nur so lassen sich mögliche Auswirkungen oder Schäden in der Zukunft möglichst gering halten. Nicht wenige sind davon derzeit davon überzeugt, das anorganisch-mineralische Werkstoffe hier besser abschneiden als die chemischen - in der Zukunft wissen wir mehr. Literatur [1] Über 300 Jahre forstliche Nachhaltigkeit; Internetseite „Wald in Deutschland“; Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft; August 2020 (https: / / www.bmel.de/ DE/ themen/ wald/ wald-indeutschland/ carlowitz-jahr.html) [2] DVGW-Arbeitsblatt W 300-3; Trinkwasserbehälter; Teil 3: Instandsetzung und Verbesserung; Wirtschafts- und Verlagsgesellschaft Gas und Wasser mbH; Bonn; Oktober 2014 [3] DVGW-Arbeitsblatt W 300-1; Trinkwasserbehälter; Teil 1: Planung und Bau; Wirtschafts- und Verlagsgesellschaft Gas und Wasser mbH; Bonn; Oktober 2014 [4] DIN EN 206; Beton - Festlegung, Eigenschaften, Herstellung und Konformität; Beuth Verlag GmbH; Januar 2017 [5] DIN EN 1504-3: Produkte und Systeme für den Schutz und die Instandsetzung von Betontragwerken; Beuth Verlag GmbH; März 2006 [6] Trinkwasserbehälter: Planung, Bau, Betrieb, Schutz und Instandsetzung; G. Merkl; Eigenverlag; 2.Auflage; 2011 [7] Verordnung zum Schutz vor Gefahrstoffen (GefStoffV); Bundesministerium Justiz und Verbraucherschutz; 26. November 2010 [8] Rückbau im Hochbau - aktuelle Praxis und Ressourcenschonung; VDI Zentrum Ressourceneffizienz GmbH; Berlin; Mai 2019 [9] Recycling-Beton in der Schweiz; Fachtagung des VDB in Straßburg 2020; Report 23; Verlag Bau + Technik GmbH; Erkrath; Juli 2020 [10] Ökologisch nachhaltige Bindemittel für die Sanierung von Trinkwasserbehältern; Dipl.-Ing. M. Bolesta; gwf; 07-08/ 2016 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 219 Optimierte Betonoberflächeneigenschaften unter Verwendung von Schalungsbahnen: Einflüsse, Lösungsansätze und Projektbeispiele Daniel Mittermeyer M.Eng. Max Frank GmbH & Co. KG, Mitterweg 1, 94339 Leiblfing, Deutschland Zusammenfassung Trinkwasser stellt zweifelsohne eines der wichtigsten Ressourcen des 21. Jahrhunderts dar. Um zukünftig eine hervorragende Trinkwasserqualität sicherzustellen ist es wichtig, Bauwerke der Trinkwasserversorgung einerseits nach den Vorschriften fachgerecht zu planen und zu erstellen, andererseits die Dauerhaftigkeit zu erhöhen. Ziel sollte es bereits in der Planungsphase dieser Bauwerke sein, die Eigenschaften bezüglich der geforderten und gewünschten Betonqualität zu spezifizieren. Neben den Verwendungsnachweisen für Trinkwassereignung der eingesetzten Bauprodukte sollten erhöhte Eigenschaften des Betons gefordert werden, wie z.B. eine hohe Druckfestigkeit, eine geringe Wassereindringtiefe, eine nahezu porenfreie und dichte Betonrandzone sowie ein erhöhter Abriebwiderstand. Optimierungen dieser Eigenschaften können unter der Verwendung von Schalungsbahnen erreicht werden. 1. Einführung Üblicherweise werden Trinkwasserbehälter als Bauwerke in Stahlbetonbauweise erstellt und mit einer Lebensdauer von 50 bis 100 Jahre konzipiert. Mit einer geringen Erhöhung der Investitionskosten können erhebliche Sanierungskosten bei Betonbauwerken eingespart werden, beziehungsweise fallen überhaupt keine Betonerhaltungskosten an. Als Beispiel dazu kann eine Untersuchung von Kläranlagen aufgeführt werden. Das Ergebnis zeigt, dass bei Verwendung der Schalungsbahn Zemdrain® keine Sanierungskosten in einem Zeitraum von 50 Jahren zu erwarten sind, während bei Betonoberflächen ohne Verwendung von Zemdrain® bereits nach 10 Jahren Schäden sichtbar sind und im weiteren Verlauf mit mindestens zwei Sanierungen zu rechnen ist. Anhand von aktuellen Prüfungen von Betonprüfkörpern des Karlsruher Institut of Technologie (KIT) werden verschiedenste maßgebende Prüfkriterien gegenübergestellt. Der Einfluss von Schalungsbahnen auf die Prüfkörper gegenüber den Prüfkörper, welche konventionell geschalt wurden ist messbar und verdeutlicht somit nachweislich deren Einfluss. Neben diesen maßgebenden Einflüssen kann anhand von projektspezifischen Lösungsansätzen und Projektbeispielen die Verwendung von Schalungsbahnen vermittelt und deren Mehrwert verdeutlicht werden. 2. Schalungsbahnen - Einflüsse und Aufgabenstellung Die Nutzungsdauer eines Stahlbetonbauwerks wird maßgeblich von der Ausführung/ Qualität der Betondeckung beeinflusst. Zu den Einflüssen zählen: • Baustellenbedingte Einflüsse (Einbringen, Verdichten, Betontrennmittel, Bewehrung) • Umwelteinflüsse (Temperaturen, Witterung) • Ausführungsdetails wie Abstandhalter, Mauerstärken und deren Verschlüsse • Beton (Transport, Betonzusammensetzung, Temperatur) • Schalung (Stoß- und Fugenausbildung, Schalungshaut) 2.1 Situation im Bereich der Betondeckung ohne Schalungsbahn Eine dauerhafte Betonrandzone stellt die Grundlage für nachhaltige Betonbauwerke dar, da diese den Einflüssen aus der Umwelt bzw. verschiedenen Medien wie z.B. Trinkwasser oder Abwasser ausgesetzt sind. Damit der Beton und die Bewehrung nicht korrodieren, soll die Betonrandzone ein möglichst dichtes Gefüge aufweisen. Bei Brücken sind als Einflüsse Sauerstoff, Kohlendioxid, Feuchtigkeit Wind, Sand und Mineralsalze zu nennen. Im Bereich der Trinkwasserversorgung, wie etwa in Trink- Optimierte Betonoberflächeneigenschaften unter Verwendung von Schalungsbahnen: Einflüsse, Lösungsansätze und Projektbeispiele 220 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 wasserbehältern ist die Betonrandzone unterschiedlichen Wasserbewegungen und Wasserstände und Wasserdruck ausgesetzt. Dieser Angriff bzw. diese Belastung an der Betonoberfläche kann bei nicht ausreichender Qualität schon nach wenigen Jahren zu sichtbaren und messbaren Schäden führen. Bild 1: Betonergebnis, links mit Schalungsbahn erstellt, rechts mit konventioneller Schalungshaut erstellt Betrachtet man die typische Einbausituation im Bereich der Betondeckung, so wird nun exemplarisch folgende Gegebenheit angenommen. Mit einer handelsüblichen Rahmenschalung wird Beton mit Festigkeitsklasse C35/ 45 und einem W/ Z-Wert von 0,45 mit einer Betondeckung von 50mm eingebracht, ausgeführt und verdichtet. Durch den Frischbetondruck und die Verdichtungsenergie wird das Überschusswasser an die Schalungshaut transportiert. Da nun die Schalung meist eine Schalungshaut mit wasserundurchlässiger oder zumindest schwach saugende Oberflächeneigenschaft aufweist, staut sich hier die eingeschlossene Luft und das Überschusswasser was zu erhöhter Lunkerbildung uns somit zu einer Verschlechterung der Betonqualität führen kann. Durch diesen Effekt ist mit einer Zunahme des W/ Z-Werts in diesen Bereichen zu rechnen und ist in folgender Systemskizze ersichtlich. Bild 2: typische Einbausituation im Bereich der Betondeckung, ohne Schalungsbahn 2.2 Schadenseinflüsse Durch verschiedene Einflüsse entstehen Schäden an Betonbauwerken. Bereits nach wenigen Jahren können diese Schäden so weit fortgeschritten sein, dass eine Sanierung oder eine Erneuerung der Betonrandzone notwendig ist. Ursächlich für diese Schäden sind ein zu hoher W/ Z-Wert an der Oberfläche, was zu Lunker- und Porenbildung führt. Durch die Verwendung von Betontrennmittel wird ein späteres Wachstum von Mikroorganismen begünstigt. Frost und mechanischer Abrieb, sowie chemischer Angriff führen zu Korrosion der Bewehrung und stellen Grundlage für Ablösungen bzw. Abplatzungen dar. Darüber hinaus führt CO 2 zur Karbonatisierung und zum Verlust der Alkalität. Optimierte Betonoberflächeneigenschaften unter Verwendung von Schalungsbahnen: Einflüsse, Lösungsansätze und Projektbeispiele 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 221 Bild 3: Schadensbild Beanspruchung durch Klärwasser Bild 4: Schadensbild Beanspruchung durch Meerwasser 2.3 Situation im Bereich der Betondeckung mit Schalungsbahn Betrachtet man die typische Einbausituation im Bereich der Betondeckung, so wird nun exemplarisch folgende Gegebenheit angenommen. Mit einer handelsüblichen Rahmenschalung wird Beton mit Festigkeitsklasse C35/ 45 und einem W/ Z-Wert von 0,45 mit einer Betondeckung von 50mm eingebracht, ausgeführt und verdichtet. Nun fungiert eine Schalungsbahn als Schalungshaut, welche während des Verdichtungsprozess eine wichtige Rolle spielt. Durch den Betondruck und die Verdichtungsenergie wird das Überschusswasser an die Schalungshaut transportiert. Folglich wird das Überschusswasser unter kontrollierten Bedingungen nach unten geleitet. Parallel dazu hat die Luft die Möglichkeit, nach oben zu entweichen. Bei diesem Prozess reichern sich Feinanteile in der Betonrandzone an und generieren ein dichtes Gefüge. Durch diesen Effekt ist mit einer Abnahme des W/ Z-Werts in diesen Bereichen nachweislich zu rechnen und ist in folgender Systemskizze ersichtlich. Grundsätzlich gilt; je niedriger der W/ Z-Wert ist, umso geringer ist die Porosität und die Kapillarität einzustufen. Bild 5: typische Einbausituation im Bereich der Betondeckung, mit Schalungsbahn 2.4 Situation im Bereich der Betondeckung mit Schalungsbahn - Anwendungsvideo als Beispiel 3. Lösungsansätze Um die Wirkungsweise von Schalungsbahnen zu verifizieren und die Eigenschaften messbar abzubilden, wurden am Karlsruher Institut für Technologie (KlT) Materialprüfungs- und Forschungsanstalt im Jahr 2018 umfangreiche Prüfungen mit der Berichtsnummer: 182011 0091 durchgeführt. Dabei wurden Vergleichsprüfungen am Beton bei Herstellung mit wasserabfüh- Optimierte Betonoberflächeneigenschaften unter Verwendung von Schalungsbahnen: Einflüsse, Lösungsansätze und Projektbeispiele 222 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 render Schalungsbahn und herkömmlicher Schalung aufgeführt. Die Untersuchungen umfassten die Herstellung von Betonprüfkörpern unterschiedlicher Abmessungen zur Bestimmung: • der Druckfestigkeit, • der Rückprallzahl, • der Oberflächenzugfestigkeit, • der Oberflächenabsorption, • des Chloridwiderstands, • der Wassereindringtiefe unter Druck, • des Frostwiderstands, • des Karbonatisierungswiderstands und • des Sulfatwiderstands Zur Durchführung der betontechnologischen Untersuchungen wurden Großprüfkörper (Betonwände) und Kleinprüfkörper der Festigkeitsklasse C35/ 45 (mit einem maximalen Wasserzementwert von 0,45 und einem minimalen Zementgehalt von 360 kg/ m3) hergestellt. Bild 6: Detailaufnahme im Labor - reduzierter W/ Z- Wert an der Betonoberfläche Bild 7: Auszug MPA Karlsruhe Prüfbericht mit der Berichtsnummer: 182011 0091 „Vergleichsprüfungen an Beton bei Herstellung mit wasserabführender Schalungsbahn Zemdrain® und herkömmlicher Schalung“, Seite 75 Bild 8: Auszug MPA Karlsruhe Prüfbericht mit der Berichtsnummer: 182011 0091 „Vergleichsprüfungen an Beton bei Herstellung mit wasserabführender Schalungsbahn Zemdrain® und herkömmlicher Schalung“, Seite 55 Optimierte Betonoberflächeneigenschaften unter Verwendung von Schalungsbahnen: Einflüsse, Lösungsansätze und Projektbeispiele 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 223 3.1 Typen von Schalungsbahnen Bei den Typen von Schalungsbahnen gilt es die unterschiedlichen Applikationsmethoden zu differenzieren. Je nach Ausführungstyp können im Allgemeinen klebende, zu tackernde oder bespannende Ausführungen verwendet werden. Für die Anwendung im Trinkwasserbehälter ist die Eignung mit Nachweisen zu belegen. Grundlage dafür sind die Prüfungen zu Vermehrung von Mikroorganismen auf Werkstoffen für den Trinkwasserbereich, Prüfung gemäß DVGW Technische Regeln, Arbeitsblatt W 270 und „Hygienische Anforderungen an zementgebundene Werkstoffe im Trinkwasserbereich“ gemäß DVGW- Arbeitsblatt W 347. Generell kann man zwischen saugenden Schalungsbahnen und kontrolliert wasserabführenden Schalungsbahnen unterscheiden. Der Vorteil von kontrolliert wasserabführenden Schalungsbahnen liegt darin, dass sie aus Polypropylen bestehen und jene, die nicht als saugendes Vlies konzipiert sind, somit auch keine Feuchtigkeit aus der Umgebung aufsaugen und damit witterungsunempfindlich sind. Bild 9: Ausführung Zemdrain® der Firma MAX FRANK, links Typ MD, rechts, Typ Classic 3.2 Empfehlungen für Vorplanung und Planung - Innenoberflächen müssen so glatt und porenfrei wie möglich konzipiert werden - Nachweis für mikrobielle Eignung: DVGW W 270 - Nachweis für hygienischen und technischen Anforderungen an Werkstoffe: DVGW W 347 - Für die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung und Variantenfindung den Mehrwert von Schalungsbahnen berücksichtigen (technische Dokumentation) - Schalungsbahn in Ausschreibung berücksichtigen (W 270, W 347, Einweisung, Musterbetonage) 3.3 Empfehlungen für konstruktive Anforderungen - keine weiteren Oberflächenbehandlung (OS-System) notwendig. - Hydrolyse vermeiden - Vorteile Schalungsbahn nutzen - Nachweise vorlegen (DVGW W 347, ggf. DVGW W 270). - Zur Herstellung einer gleichmäßigen, porenfreien Oberfläche sollte eine kontrolliert wasserabführende Schalungsbahn verwendet werden. - Probewand / Referenzbauteil erstellen 3.4 Empfehlungen für die Bauausführung - Schalungsbahn sollte faltenfrei und unverschieblich auf den Schaltafeln befestigt werden. - Erneuerung nach jedem Betonagevorgang - Herstellerangaben berücksichtigen - (ausgeschriebene) technische Einweisung durchführen 4. Projektbeispiele 4.1 Projektbeispiel Trinkwasserbehälter XY Typische Schadensbilder Im Hochbehälter Dortmund Höchsten wird die Lebensdauer von Beton mit der wasserabführenden Schalungsbahn Zemdrain® erhöht. Im Dortmunder Süden entstand ein neuer Trinkwasserbehälter mit einem Fassungsvermögen von 7.500 Kubikmeter. Aufgrund der bautechnisch als schlecht einzustufenden Bausubstanz des Bestandsbehälters war ein kompletter Neubau notwendig und mit insgesamt 4,5 Mio. Euro veranschlagt. 2013 wurde der Neubau fertiggestellt sein und die hohe Qualität und Zuverlässigkeit der Dortmunder Wasserversorgung wieder sichergestellt. Nach dem umfangreichen Baugrubenaushub wurde eine 40 cm dicke Bodenplatte betoniert. Mit der vorkonfektionierten Schalungsbahn Zemdrain® Classic wurde die Schalung in drei Spannabschnitten belegt. Bei einem Behälterumfang von 117,35 m ergab sich eine jeweilige Bahnlänge von 37,55 m. Mit dem Einsatz von Zemdrain® vermeidet man schon heute die Bauschäden von morgen. Die Lebensdauer von Beton wird nachweislich erhöht und die Instandhaltungskosten enorm reduziert. Optimierte Betonoberflächeneigenschaften unter Verwendung von Schalungsbahnen: Einflüsse, Lösungsansätze und Projektbeispiele 224 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Bild 10: Hochbehälter Dortmund Höchsten - Schalungsbahn Zemdrain® montiert Bild 11: Hochbehälter Dortmund Höchsten - Ergebnis Betonage 4.2 weitere Projektbeispiele Bild 12: weitere Projektbeispiele Literaturangabe [1] Betonergebnis, links mit Schalungsbahn erstellt, rechts mit konventioneller Schalungshaut, MAX FRANK GmbH & Co. KG [2] typische Einbausituation im Bereich der Betondeckung, ohne Schalungsbahn, MAX FRANK GmbH & Co. KG [3] Schadensbild Beanspruchung durch Klärwasser, MAX FRANK GmbH & Co. KG [4] Schadensbild Beanspruchung durch Meerwasser, MAX FRANK GmbH & Co. KG [5] typische Einbausituation im Bereich der Betondeckung, mit Schalungsbahn, MAX FRANK GmbH & Co. KG [6] Detailaufnahme im Labor - Optimierte Betonrandzone, MAX FRANK GmbH & Co. KG [7] Auszug MPA Karlsruhe Prüfbericht mit der Berichtsnummer: 182011 0091 „Vergleichsprüfungen an Beton bei Herstellung mit wasserabführender Schalungsbahn Zemdrain® und herkömmlicher Schalung“, Seite 75 [8] Auszug MPA Karlsruhe Prüfbericht mit der Berichtsnummer: 182011 0091 „Vergleichsprüfungen an Beton bei Herstellung mit wasserabführender Schalungsbahn Zemdrain® und herkömmlicher Schalung“, Seite 55 [9] Ausführung Zemdrain® der Firma MAX FRANK, links Typ MD, rechts, Typ Classic, MAX FRANK GmbH & Co. KG [10] Hochbehälter Dortmund Höchsten - Schalungsbahn Zemdrain® montiert [11] Hochbehälter Dortmund Höchsten - Ergebnis Betonage [12] weitere Projektbeispiele, MAX FRANK GmbH & Co. KG 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 225 Instandsetzung mit besonderen Herausforderungen am Beispiel des Wasserwerks Schierstein Dipl.-Ing. Helmut Richter Technik / Planung und Bau, Hessenwasser GmbH & Co. KG, Gross-Gerau Dr.-Ing. Melanie Merkel bsm² Breit ∙ Schuler ∙ Merkel Beratende Ingenieure PartGmbB, Kaiserslautern Univ.-Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Breit Technische Universität Kaiserslautern, Fachgebiet Werkstoffe im Bauwesen, bsm² Breit ∙ Schuler ∙ Merkel Beratende Ingenieure PartGmbB, Kaiserslautern Zusammenfassung Im Rahmen der Instandsetzungsarbeiten des Wasserwerks Wiesbaden-Schierstein wurden nach der Untergrundvorbereitung der Wandflächen bräunliche Verfärbungen an der Betonoberfläche festgestellt. In diesen Bereichen lag, wie im weiteren Verlauf der Maßnahme festgestellt wurde, eine fortgeschrittene Bewehrungskorrosion vor. Anhand einer Zustandsanalyse wurde abgeschätzt, welche Schadensmechanismen ursächlich für die Korrosionserscheinungen waren. Anhand der im Folgenden beschriebenen Ergebnisse der Zustandsanalyse soll die Relevanz einer dichten Betonrandzone hervorgehoben werden. Kiesnester, Fehlstellen in der Gefügematrix des Betons und Hohllagen führen zu Transportwegen für Schadstoffe und Wasser und können aufgrund der dauerhaften Wassersättigung zu einer lokalen Auslaugung dieser Bereiche und daraus resultierenden Werkstoffveränderungen führen. 1. Allgemeines 1.1 Historie Bereits im Jahr 1904 wurden die ersten Brunnen zur Grundwassergewinnung im Wasserwerk Wiesbaden- Schierstein angelegt. Zwanzig Jahre später begann die Infiltration von Rheinwasser, da das lokal verfügbare Grundwasser aus Schierstein und aus den Stollen im Taunus nicht mehr ausreichte, um Wiesbaden zu versorgen. Das geförderte Wasser wurde vor der Abgabe ins Netz über großflächige Langsamsandfilter (LSF) geführt. Seit 1961 wurde das Rheinwasser vor der Versickerung im Rheinwasseraufbereitungswerk (RAW) aufbereitet und Ende der 1970ger Jahre ging eine neue Grundwasseraufbereitungsanlage (GAA) mit dem sogenannten „Refifloc“-Filtrationsverfahren in Betrieb. Die GAA, mit zwei Straßen je drei Refifloc-Filterkammern aus Beton wurde den LSF vorgeschaltet. Bild 1: Luftaufnahme des Wasserwerkstandortes Wiesbaden-Schierstein (vorne rechts die GAA, hinten links das RAW, dazwischen im Grünland die Infiltrationsanlagen und Förderbrunnen) Aufgrund dieser, mittlerweile sehr aufwändigen Betriebsweise des Wasserwerks wurden bereits in den 1990ger Jahren erste Überlegungen zur Neukonzeption angestellt. Nach der Beteiligung der ESWE Versorgungs AG an der Hessenwasser GmbH & Co. KG im Jahre 2004 wurden die Planungen auch im Licht der gewandelten Rahmenbedingungen wieder aufgenommen und auf der Grundlage umfangreicher Untersuchungen und Variantenbetrachtungen konkretisiert. In einem ersten Schritt Instandsetzung mit besonderen Herausforderungen am Beispiel des Wasserwerks Schierstein 226 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 ersetzten ab 2012 zwei neu errichtete Horizontalfilterbrunnen die bis dahin 42 betriebenen Vertikalbrunnen. Hierdurch konnte unter anderem der Energiebedarf in der Wassergewinnung um 75 % reduziert werden. Ab 2016 wurde der Betrieb des RAW eingestellt. Durch den Wegfall der Infiltration reduzierte sich das aus dem Aquifer gewinnbare Dargebot sowie damit einhergehend die ins Netz eingespeiste Trinkwassermenge. Ebenso veränderte sich die Rohwasserqualität. Die Fehlmenge wird seitdem durch den Bezug von einem benachbarten Wasserversorger über eine neu errichtete Verbundleitung DN 500 kompensiert. Auf die Qualitätsveränderungen im Rohwasser und auf die ohnehin anstehende Modernisierungserfordernis sollte mit der Ertüchtigung und Optimierung der aufwändig zu betreibenden GAA reagiert werden. Um hier zu einer optimalen Lösung zu kommen, wurde ein Ingenieurwettbewerb ausgelobt, mit dem Ziel, ein auf die neue Situation angepasstes Aufbereitungsverfahren zu entwickeln, welches den Bestand möglichst integriert und einen kosten- und insbesondere energieoptimierten Betrieb ermöglicht. Im Ergebnis wurde einer Variante der Vorzug gegeben, die ein modernes vierstufiges Aufbereitungsverfahren mit Durchströmung im freien Gefälle innerhalb der bestehenden Gebäudekubatur vorsah. Das Herzstück des neuen Aufbereitungskonzepts sollte aus Sandfiltern (SF) zur Enteisenung/ Entmanganung und Aktivkohlefiltern (AKF) zur Adsorption von organischen Stoffen bestehen. Vor der Filtration sollte das Rohwasser aus den beiden Horizontalfilterbrunnen über Riesler geleitet und auf diese Weise mit natürlicher Luft belüftet werden. Weiterhin war vorgesehen, das Wasser nach den beiden Filtrationsstufen ebenso mit natürlicher Luft zu entsäuern und anschließend mit UV-Strahlung zu desinfizieren. Das so aufbereitete Wasser würde somit vollständig den Anforderungen der Trinkwasserverordnung und des DVGW Regelwerks entsprechen. Der Betrieb der großflächigen, alten LSF sollte nach vollständiger Inbetriebnahme der neuen Technik eingestellt werden. 1.2 Ausgangslage Die in den weiteren Planungsphasen konkretisierte Vorzugsvariante sah vor, die in der GAA bestehenden zwei Straßen je drei Aufstromfilter des Refifloc-Verfahrens zu drei SF und zwei AKF umzubauen. Ein Filter sollte als Reserve für einen späteren, dritten AKF dienen. Die sechs geschlossenen Filterkammern aus Beton haben je eine Grundfläche von je 5,00 m x 5,25 m und eine Höhe von 6,40 m. Dem energetisch optimierten, hydraulischen Konzept des neuen Verfahrens lag dabei zugrunde, dass die Filter zukünftig als überstaute Filter (Druckfilter) zu betreiben waren. Der Umbau sollte in zwei Bauabschnitten erfolgen: Zunächst war die Straße 2 zu den drei SF bei vollem Betrieb der Straße 1 umzubauen. Nachdem die drei SF dann ihre volle Aufbereitungsleistung erreicht hätten, sollte im 2. Bauabschnitt die Straße 1 zu den beiden AKF umgebaut werden. Somit konnte die erforderliche, unterbrechungsfreie Versorgung mit Trinkwasser vom Standort Wiesbaden-Schierstein aus gewährleistet werden. Da für den geplanten Umbau das Entfernen aller in die Baukonstruktion integrierten Einbauten innerhalb der Filterkammern erforderlich war, musste auch aus statischer Sicht ein detailliertes Umbaukonzept erstellt werden. Die bestehende Konstruktion musste an diversen Stellen unter Berücksichtigung angepasster Lastansätze erneut nachgewiesen werden. Insbesondere wurde mit dem statischen Konzept überprüft, ob die vorhandene Konstruktion die neue Belastung aus dem Druckfilterbetrieb zulässt. Im Ergebnis wurde festgestellt, dass die Konstruktion, diese Lasten nur mit Hilfe von Unterstützungsmaßnahmen im darunterliegenden Trinkwasserbehälter aufnehmen kann [1]. Eine weitere Herausforderung stellte die Planung der erforderlichen Wanddurchführungen dar. Um das regelwerkkonforme Fitrationsverfahren zu realisieren und die gemäß der arbeitsschutzrechtlichen Anforderungen erforderliche Zugänglichkeit sicherzustellen, mussten große Öffnungen in den Stahlbetonwänden hergestellt werden. Mit Hilfe von speziellen Konstruktionen wurden hierbei die strengen Vorgaben des Tragwerksplaners umgesetzt. Allerdings konnten die hieraus resultierenden sehr kleinen Ringspalte später nur sehr schwierig vergossen werden. Als dritte Aufgabe waren die oben offenen Filterzwischenwände der einzelnen Straße bis zur Decke zu verschließen, um den unabhängigen Betrieb der Druckfilter zu gewährleisten. Herausforderung war dabei, dass die neu erstellten Wanderhöhungen luft- und wasserdicht an die bestehenden Wände und Decken anzuschließen waren. Innerhalb der Filterkammern waren somit diverse Stahlbetonarbeiten im trinkwasserrelevanten Bereich und damit u. a. unter Berücksichtigung der DVGW-Regelwerksreihe W 300 auszuführen. Weiterhin war abzusehen, dass auch die vorhandenen Betonoberflächen innerhalb der Filterkammern nach 40 Betriebsjahren instand zu setzen waren. Diese Einschätzung wurde durch entsprechende Bauzustandsanalysen bestätigt. Die daraus resultierende Instandsetzungsplanung sah ein klassisches Vorgehen mit Untergrundvorbehandlung und Auftrag eines mineralischen Mörtels vor. Nach Planung, Ausschreibung und Vergabe der Gesamtmaßnahme begannen im Herbst 2017 die Rückbauarbeiten mit der Entfernung aller Stahlbeton-Einbauteile der Filterstraße 2. Durch drei zuvor hergestellte Wandöffnungen von knapp 1 m x 1 m, welche später mittels Drucktür den Zugang zu den Filterkammern gewährleisten, wurden die zerteilten Konstruktionen herausmanövriert. Nach vollständiger Entkernung und Herstellung neuer sowie dem Verschließen nicht mehr benötigter Öffnungen in Sohle und Wänden der Filterkammern starteten die Betoninstandsetzungsarbeiten im April 2018. Instandsetzung mit besonderen Herausforderungen am Beispiel des Wasserwerks Schierstein 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 227 Bild 2: Zerteilen der Filterzulaufrinne in transportable Einheiten 1.3 Problemstellung Nach dem Druckluftstrahlen mit festem Strahlmittel zeigten sich im Bereich der Wände bräunliche Verfärbungen an den Betonoberflächen, die auf flächige Korrosionsaktivitäten hindeuteten (vgl. Bild 3). Daraufhin wurden die auffälligen Bereiche bis zur Bewehrung freigestemmt und wie erwartet, wurde dort fortgeschrittene Bewehrungskorrosion festgestellt (vgl. Bild 4). Die Boden- und Deckenbereiche der Filterkammern zeigten keine derartigen auffälligen Veränderungen an den Oberflächen. Bild 3: Bräunliche Verfärbungen an der Betonoberfläche nach dem Strahlen, Filterkammer Bild 4: Bis zur Bewehrung geöffnete Schadstellen, Filterkammer Zunächst konnte nicht eingeschätzt werden, welcher Schadensmechanismus zu der vorliegenden Bewehrungskorrosion geführt hat und wie die Instandsetzung der betroffenen Flächen aussehen kann. Anhand von labortechnischen Untersuchungen sollten daher die Ursachen und das Ausmaß der Bewehrungskorrosion abgeschätzt werden. Darauf basierend wurden im Rahmen einer gutachterlichen Stellungnahme verschiedene Instandsetzungsmöglichkeiten aufgezeigt. 2. Ergebnisse der Untersuchungen 2.1 Inaugenscheinnahme Zum Zeitpunkt der Begehung war in den korrosionsauffälligen Flächen der Beton bereits bis zur Bewehrungslage entfernt worden. Die Gefügestruktur der Betonrandzone oberhalb der Korrosionserscheinungen konnte somit nicht mehr untersucht werden. Die freigelegten Bereiche zeigten in allen Kammern vergleichbare Korrosionserscheinungen der Bewehrung (vgl. Bilder 5 bis 7). Zum Teil ist ein flächiger Abtrag der Bewehrung erkennbar ohne tiefgehende Querschnittsverluste. Örtlich begrenzt liegt ein muldenförmiger Abtrag der Bewehrung bis hin zum vollständigen Querschnittsverlust vor (vgl. Bilder 5 und 6). Entlang des Boden/ Wand-Anschlusses der Filterkammer führt konzentriert im Fußpunkt eine muldenförmige Korrosion zu einem vollständigen Querschnittsverlust der Bewehrung (vgl. Bilder 6 und 7). In den Übergangsbereichen zwischen freiliegender und einbetonierter, korrodierter Bewehrung waren Kiesnester und Fehlstellen im Betongefüge ersichtlich. Auch in Bereichen außerhalb der Bewehrung sind punktuell Kiesnester und Fehlstellen im Beton detektiert worden. Instandsetzung mit besonderen Herausforderungen am Beispiel des Wasserwerks Schierstein 228 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Bild 5: Übersicht freigestemmte Wandbereiche, Refi ltrationskammer Bild 6: Freigelegter Wandbereich, Übergang Boden/ Wandanschluss Bild 7: Freigelegter Wandbereich, fl ächige Schadstelle In Absprache mit Hessenwasser wurden folgende Untersuchungen zur Ermittlung der Korrosionsursache vorgeschlagen: - Untersuchung der Gefügestruktur des Betons - Ermittlung des Korrosionszustands der Bewehrung - Ermittlung der Alkalitätsgrenze - Stichpunktartige Ermittlung der Chloridkonzentration im Beton 2.2 Gefügestruktur des Betons Die Betrachtung der Gefügestruktur des Betons unter dem Aufl ichtmikroskop ergab, dass sowohl an der korrodierten als auch an der intakten Bewehrung Hohlstellen vorlagen, so dass bereichsweise kein vollfl ächiger Verbund zwischen Bewehrung und Beton vorhanden ist (vgl. Bilder 8 und 9). Über die gesamte Mantelfl äche der aus dem Bauwerk entnommenen Bohrkernproben waren verteilt Poren im Betongefüge ersichtlich, wobei insbesondere an der Bewehrung Hohlstellen in Form von Kiesnestern vorgefunden wurden. Bild 8: Abwicklung der Mantelfl äche (am Bauwerk entnommene Bohrkernprobe) Bild 9: Aufl ichtmikroskopie der Gefügestruktur des Betons im Bereich der Bewehrung (am Bauwerk entnommene Bohrkernprobe) 2.3 Alkalitätsgrenze im Bereich der Bewehrung Die Auslaugtiefe kann an frischen Bruchstellen ermittelt werden. Nach dem Aufschlagen der Messstelle wird diese mit einem Indikator (Phenolphthaleinlösung) besprüht. Der Indikator schlägt ab einem pH-Wert von ca. 9 aufwärts in eine violette Färbung um. Der ausgelaugte Bereich bleibt farblos. Anhand des Farbumschlags kann die Tiefe der Auslaugfront mithilfe einer Schieblehre oder sonstigem geeigneten Messmittel, analog zur Ermittlung der Carbonatisierungstiefe, bestimmt werden. Die normgemäße Prüfung der Carbonatisierungstiefe erfolgt nach DIN EN 14630 [2] und kann hier äquivalent angewendet werden. Instandsetzung mit besonderen Herausforderungen am Beispiel des Wasserwerks Schierstein 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 229 Gemäß DVGW-Arbeitsblatt W 300-3 [3] wird die Alkalitätsgrenze als Bereich zwischen hoher und niedriger Alkalität des Betons defi niert, welche mit dem Phenolphthaleintest ermittelt wird. Bild 10 zeigt exemplarisch das Ergebnis einer Phenolphthaleinprüfung an einer Bohrkernprobe. Sowohl die Bewehrung als auch die Kontaktfl äche des umgebenden Betons wurde vorsichtig entfernt und mit dem Indikator besprüht. Es zeigte sich, dass in Bereichen der Bewehrungskorrosion ein Abfall der Alkalität unterhalb des Umschlagpunktes im Kontaktbereich des Betons vorlag. Zudem wurde festgestellt, dass Kiesnester und unzureichend in den Beton eingebettete Bewehrungsstähle im Bereich der geringen Alkalität vorlagen. Bild 10: Phenolpthaleinprüfung an der Bewehrungsunterseite sowie der Bruchfl äche 2.4 Korrosionszustand der Bewehrung Die Korrosionserscheinungen lassen darauf schließen, dass im Wesentlichen Muldenkorrosion vorliegt. In Teilbereichen wurde daneben auch Lochkorrosion festgestellt. Bei der Unterscheidung zwischen Loch- und Muldenkorrosion spielt das Verhältnis von Korrosionstiefe zu Durchmesser des korrodierten Bereiches eine entscheidende Rolle. Bei der Lochkorrosion ist die Tiefe der Korrosionsstelle größer als ihr Durchmesser und außerhalb liegt kein Flächenabtrag vor, falls passivzerstörende Stoffe, beispielsweise Chloride, einwirken [4]. Bei der Muldenkorrosion dagegen ist der Durchmesser der Mulde größer als ihre Tiefe. Außerhalb der Mulde kann ein begrenzter Flächenabtrag stattfi nden. In welcher Intensität die Korrosion stattfi ndet, hängt im Wesentlichen von den vorliegenden Potentialdifferenzen, dem Verhältnis von Kathodenzu Anodenfl äche und der Summe der Widerstände im Korrosionselement ab. Bei der Begutachtung des Bewehrungsstahls unter dem Aufl ichtmikroskop zeigte sich, dass im Bereich der Rippen örtlich begrenzt Lochkorrosion ersichtlich ist (vgl. Bild 11). Die sonst fl ächigen Korrosionserscheinungen weisen allerdings überwiegend auf Muldenkorrosion hin. Bild 11: Bauseits entnommener Bewehrungsstahl 2.5 Chloridgehalt im Bereich der korrodierten Bewehrung Eindringende Chloride führen in Stahlbetonbauteilen ab einem bestimmten Chloridgehalt im Beton zur Zerstörung der schützenden Passivoxidschicht des Bewehrungsstahls. Als Folge der Depassivierung der Bewehrung kann ein aktiver Korrosionsprozess mit den bekannten, unerwünschten Folgen der Eisenaufl ösung und der damit verbundenen Volumenvergrößerung der Korrosionsprodukte grundsätzlich beginnen. Der Grenzwert der Chloridbelastung im Beton auf Höhe der Bewehrung bei dem der Stahl depassiviert und somit der aktive Korrosionsprozess initiiert wird, wird in diesem Zusammenhang als „kritischer korrosionsauslösender Chloridgehalt“ bezeichnet [5]. Die DAfStb-Richtlinie „Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen (RiLi SIB)“ [6] enthält einen Schwellenwert für den Chloridgehalt in Höhe von 0,5 M.-%, bezogen auf den Zementgehalt. In der Richtlinie heißt es, dass „zur Beurteilung der erforderlichen Maßnahmen ein sachkundiger Planer einzuschalten ist“, wenn der Chloridgehalt in der Betondeckung bzw. im Bereich der Bewehrungslage einen Wert von 0,5 M.-%, bezogen auf die Zementmasse, überschreitet. Dieser Schwellenwert ist nicht zwingend mit einem aktiven Korrosionsprozess verbunden. Daher ist eine Bewertung des tatsächlichen Korrosionszustands bzw. der Korrosionsbedingungen durch einen sachkundigen Planer vorzunehmen. In Tabelle 1 sind die ermittelten Chloridgehalte an der Bewehrung unter Berücksichtigung des Verhältnisses von Zement zu Gesteinskörnung mit einem Faktor von gerundet 1: 7 angegeben (Annahme: Rohdichte 2.400 kg/ m³ und Zementgehalt 350 kg/ m³). Anfänglich wurden an den Bohrkernproben direkt am Bewehrungsstahl Proben entnommen. Aufgrund streuender Chloridgehalte, die nicht in Bezug zu der Größenordnung der Chloridanalysen des Wassers gebracht werden konnten, wurden zusätzliche Vergleichsmessungen durchgeführt. Instandsetzung mit besonderen Herausforderungen am Beispiel des Wasserwerks Schierstein 230 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Die Chloridgehalte der Bohrkernproben BK 1, BK 2, BK 3 und BK 3-2 liegen unterhalb des oben beschriebenen Schwellenwertes von 0,5 M.-%/ z. Nur in Verbindung mit der pH-Wert-Erniedrigung am Bewehrungsstahl und den vorgefundenen Chloridgehalten sind die erheblichen Korrosionsschäden erklärbar. Die Chloridgehalte der Bohrkernproben BK 1-2, BK 4, BK 4-2 und der Probe P 3 liegen oberhalb des Schwellenwertes von 0,5 M.-%/ z. Zu beachten ist, dass sich im Bereich von Kiesnestern und Hohlstellen das Verhältnis von Gesteinskörnung zu Zement deutlich verändern kann. So führt beispielsweise eine Verringerung der Rohdichte auf ca. 2.000 kg/ m³ und Erhöhung des Bindemittelgehalts auf 400 kg/ m³ zu einem Multiplikator von 5. Geht man davon aus, dass durch die Verdichtung des Betons direkt am Bewehrungsstahl eine bindemittelreichere Zone entsteht, so wird sich der gewählte Multiplikator von 7 für eine intakte Betonzusammensetzung ebenfalls zu einem kleineren Wert verschieben. Die für die Bewertung maßgebende Rohdichte und der Zementgehalt sind im vorliegenden Fall anhand der vorhandenen Proben nicht belegbar. Dementsprechend sollten die in Tabelle 1 ausgewiesenen Chloridgehalte, denen ein Umrechnungsfaktor von 1: 7 zugrunde liegt, mit der entsprechenden Vorsicht bewertet werden. Tabelle 1: Chloridgehalte im Bereich der Bewehrung Probe Messung Cl-Gehalt bez. auf den Zementgehalt 1) [M.-%] BK 1 - 0,35 BK 1-2 Vergleichsmessung 0,84 BK 2 Vergleichsmessung < 0,07 BK 3 - 0,28 BK 3-2 Vergleichsmessung 0,35 BK 4 - 1,40 BK 4-2 Vergleichsmessung 1,05 P 3 Vergleichsmessung 0,70 1) bezogen auf einen angenommenen Zementgehalt von 350 kg/ m³ und eine Rohdichte von 2.400 kg/ m³ 2.6 Zusammenfassung der möglichen Schadensursachen Bei der Betrachtung der möglichen Schadensursachen zeigte sich, dass eine Wechselwirkung von unterschiedlichen Faktoren zu berücksichtigen ist. Die Dauerhaftigkeit von Stahlbetonbauwerken ist insbesondere von den Eigenschaften der Betonrandzone bzw. der Betondeckung abhängig. Diese schützt die Bewehrung vor Korrosion und muss deshalb eine ausreichende Dicke und eine entsprechend der festgelegten Expositionsklasse möglichst hohe Dichtigkeit aufweisen, damit ein Transport von Schadstoffen an die Bewehrung erschwert bzw. verhindert wird. Betontechnologisch muss demnach der systembedingten Porosität des Betons durch gezielte Wahl bei der Betonzusammensetzung und ausführungstechnisch gute Verarbeitung entgegengewirkt werden. Grundsätzlich muss die Porosität des Zementsteins als auch der Porendurchmesser so klein wie möglich gehalten werden. Ein möglichst niedriger w/ z-Wert, ein ausreichend hoher Zementgehalt, eine gute Verdichtung und eine ausreichende Nachbehandlung sind dabei von besonderer Bedeutung und z. T. in den deskriptiven Konzepten der Betonherstellung hinterlegt. Im DVGW-Arbeitsblatt W 300-1 [3] werden u. a. aus den vorgenannten Gründen für die Expositionsklasse X TWB der maximale w/ z-Wert auf 0,5 begrenzt und ein minimaler Zementgehalt von 320 kg/ m 3 gefordert. Eine dichte und porenarme Oberfläche ist von besonderer Bedeutung, da hohe hygienische Anforderungen gestellt werden. Die an den Filterkammerwänden vorliegende, hohlraumreiche Gefügestruktur mit Kiesnestern entspricht nicht den Vorgaben des Regelwerks. Insbesondere an der Bewehrung waren ein fehlender vollflächiger Haftverbund sowie Kiesnester und Fehlstellen zwischen den Längsstäben zu erkennen. Ursächlich für die Entstehung von Kiesnestern im Bereich der Bewehrung können Entmischungen und/ oder unzureichendes oder falsches (Rüttelflasche in Kontakt mit der Bewehrung) Verdichten des Frischbetons sein. Die Fehlstellen im Betongefüge werden als Transportwege des Wassers genutzt, welches die alkalischen Bestandteile in diesen Bereichen löst und letztendlich im Laufe der Zeit zu einer pH-Wert-Erniedrigung führt. Damit sind die Voraussetzungen geschaffen, die schützende Passivschicht des Bewehrungsstahls lokal oder flächig zu zerstören bzw. aufzulösen. Die damit verbundene Auslaugung des Zementsteins kann somit durch das Eindringen von Wasser in das Porensystem oder in Kiesnester und Fehlstellen ausgelöst werden. Das Wasser wird dabei in das Innere des Werkstoffs transportiert und löst zunächst die Alkalihydroxide und das Calciumhydroxid aus dem Porensystem. Aufgrund der Diffusionsprozesse werden die gelösten Alkalien von dort abtransportiert. Nach vollständigem Herauslösen folgt eine pH-Wert-Absenkung und die Zementsteinphasen beginnen nacheinander zu zerfallen. Ein kontinuierlicher hydrostatischer Druckwechsel infolge von wiederholter Befüllung und Leerung der Kammern fand im vorliegenden Fall nur in sehr geringem Umfang statt und ist daher bei der Ursachenermittlung nicht zu berücksichtigen. Die Kammern wurden ausschließlich zu Reinigungszwecken entleert. Inwieweit die z. T. hohen Strömungsgeschwindigkeiten in Bezug auf die lokalen Auslaugprozesse eine Rolle spielen, konnte nicht abschließend geklärt werden. Die Bestimmung der Alkalitätsgrenze mittels Phenolphthalein als Indikator zeigte, dass in Bereichen der Bewehrungskorrosion ein Abfall der Alkalität unter- Instandsetzung mit besonderen Herausforderungen am Beispiel des Wasserwerks Schierstein 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 231 halb des Umschlagpunktes im Kontaktbereich des Betons zu verzeichnen war. Die intakte Bewehrung ohne Anzeichen von Korrosion liegt in Bereichen oberhalb des Phenolphthaleinumschlagpunktes und die Passivoxidschicht scheint dementsprechend noch intakt zu sein. Die vorgefundenen Korrosionserscheinungen und die Ausbildung der Korrosionsprodukte deuten im Wesentlichen auf eine Muldenkorrosion hin, die vermutlich infolge der pH-Wert-Erniedrigung und Zerstörung der Passivoxidschicht aufgrund der Auslaugung des Zementsteins entstanden sein kann. Zusätzlich ist in Teilbereichen der Bewehrung Lochkorrosion zu erkennen. Bei den Chloridanalysen im Bereich der Bewehrung ist zu beachten, dass die Wirksamkeit der Chloride im hohen Maße vom pH-Wert der Porenlösung im Zementstein beeinflusst wird. Im Bereich der korrodierten Bewehrung war keine ausreichende Alkalität mehr zu verzeichnen und freie Chloride in geringen Konzentrationen können bereits korrosionsaktiv sein. Der Schwellenwert von 0,5 M.-%/ z bezogen auf den Zementgehalt nach RiLi-SIB kann demnach nicht als korrosionsauslösender Chloridgehalt in Bereichen mit geringer Alkalität angesetzt werden. Die ermittelten Chloridgehalte unterhalb des Schwellenwertes sind in einem Betongefüge mit ausreichend hohem pH-Wert nicht korrosionsauslösend jedoch im vorliegenden Fall aufgrund der örtlich begrenzten geringen Alkalität deutlich korrosionsfördernd. Die ausgewiesenen Chloridgehalte mit einem Umrechnungsfaktor von 1: 7 sollten mit der entsprechenden Vorsicht bewertet werden. Ein Chloridgehalt von 1,40 M.-%/ z ist unter Zugrundelegung der zur Verfügung gestellten Wasseranalyse nicht nachvollziehbar. Zudem kann i. d. R. ein ständiger Betrieb der Kammern und eine somit vorausgesetzte dauerhafte Wassersättigung zu keiner Aufkonzentration der Chloridionen in dieser Größenordnung führen. Ungeachtet dessen liegt auch bei der Betrachtung des Chloridgehalts bezogen auf die Einwaage in Verbindung mit der pH-Wert-Erniedrigung am Bewehrungsstahl ein korrosionsfördernder Gehalt an Chloriden vor. Abschließend ist im vorliegenden Fall auch der Chloridgehalt der Ausgangsstoffe relevant. Bspw. darf der Chloridgehalt von Gesteinskörnungen einen oberen Grenzwert von 0,04 M.-% (Stahlbeton) und von Zement von 0,10 M.-% nicht überschreiten. Für Stahlbeton ist ein Gesamtchloridgehalt von 0,40 M.-% bezogen auf den Zementgehalt erlaubt. Die Kombination aus dem Chloridgehalt der Ausgangsstoffe des Betons, dem Chloridgehalt des Wassers, der hohlraumreichen Gefügestruktur und der lokalen Auslaugung können zu den vorgefundenen Korrosionserscheinungen und z. T. deutlichen Querschnittsverlusten geführt haben. Nach dem Feststoffstrahlen wurden im Bereich der Wände der Filterkammern bräunliche Verfärbungen an den Betonoberflächen festgestellt. Diese Erscheinung kann darauf zurückgeführt werden, dass sich die Korrosionsprodukte nicht ausschließlich am Be-wehrungsstahl in Form von „Rost“ bildeten, sondern aufgrund von Diffusionsprozessen, ausgelöst durch die Konzentrationsunterschiede, von der Stahloberfläche in Richtung Betonoberfläche bewegen. Die Korrosionsprodukte haben darüber hinaus in den vorhandenen Hohlräumen des Betongefüges ausreichenden Expansionsraum vorgefunden, so dass es nicht zu einer Rissbildung infolge der Volumenvergrößerung der Korrosionsprodukte gekommen ist. 3. Instandsetzungsvarianten 3.1 Allgemeines Anhand des Erscheinungsbildes der Betonoberflächen nach dem Feststoffstrahlen im Vergleich zu den daraufhin angelegten Öffnungsstellen bis zur Bewehrung zeigte sich im Rahmen der Untersuchungen, dass eine Abhängigkeit zwischen der Bewehrungskorrosion und den visuell erkennbaren Verfärbungen der Oberfläche bestand. Alle Öffnungsstellen zeigten fortgeschrittene Bewehrungskorrosion bis hin zum lokalen vollständigen Querschnittsverlust. Obwohl ein Zusammenhang zwischen visueller Veränderung und Bewehrungskorrosion bestand, konnte nicht vollständig ausgeschlossen werden, dass eine ggf. standsicherheitsrelevante, fortgeschrittene Bewehrungskorrosion in Teilbereichen vorlag oder auch Bereiche ohne ausreichende Alkalität ohne sichtbare Auffälligkeit vorhanden waren. Die vorgefundenen Kiesnester und Hohlstellen an der Bewehrung wiesen auf Entmischungen und eine unzureichende bzw. falsche Verdichtung des Frischbetons bei der Herstellung der Filterkammern hin. Es bestand keine Möglichkeit flächig und zerstörungsfrei die relevanten Bereiche der Bewehrung zu detektieren, an denen eine Auslaugung des Zementsteins und eine damit verbundene pH-Wert-Erniedrigung stattgefunden hat. Zudem liegen im Bereich der Bewehrung Chloridgehalte vor, die einzeln betrachtet zwar nicht korrosionsauslösend, aber beim Verbleib in Bereichen geringer Alkalität korrosionsfördernd sind. 3.2 Zulagebewehrung und flächige Reprofilierung Eine Möglichkeit der Instandsetzung bestand darin, eine Zulagebewehrung in die bestehende Wand zu verankern und mit Spritzbeton einzubetten. Die statisch relevante Bewehrung wäre somit nicht mehr die bestehende, sondern die neu eingebettete Zulagebewehrung. Mit dem Tragwerksplaner war abzustimmen, inwieweit die bestehende Bewehrung trotz nicht vollständig abschätzbarem Schädigungsgrad anrechenbar und wie viel Zulagebewehrung erforderlich ist. Der Zeit- und Kostenaufwand des Betonabtrags entfällt. Die Reduzierung des nutzbaren Volumens bzw. der Filterfläche war zu prüfen. Instandsetzung mit besonderen Herausforderungen am Beispiel des Wasserwerks Schierstein 232 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 3.3 Vollflächiger Abtrag Aus den bereits zuvor genannten Gründen, konnte nicht ausgeschlossen werden, dass weitere korrosionsaktive bzw. standsicherheitsrelevante Bereiche verbleiben. Um die Dauerhaftigkeit der Kammern zu gewährleisten, bestand des Weiteren die Möglichkeit, den Beton vollflächig bis auf die Bewehrung mit Höchstdruckwasserstrahlen (HDW) abzutragen und mit einem trinkwasserzugelassenen Spritzmörtelbzw. Beton zu reprofilieren. Sofern dabei die bestehende Druckzone geschwächt werden würde, müsste in Abstimmung mit dem Tragwerksplaner ein Abstützungskonzept erarbeitet werden. Dem Tragwerksplaner obliegt ebenfalls die Abschätzung einer erforderlichen Zulagebewehrung in Abhängigkeit von den vorliegenden Querschnittsverlusten. 3.4 Örtlich begrenzte Schadstelleninstandsetzung Bei einer örtlich begrenzten Schadstelleninstandsetzung sollte der Beton im Übergangsbereich zwischen Boden- und Wandanschluss bis hinter die erste Bewehrungslage vollflächig an allen Wänden abgetragen werden. Der Tragwerksplaner müsste nach dem Freilegen der Bewehrung den Restquerschnitt im Hinblick auf die Standsicherheit beurteilen und ggf. eine Zulagebewehrung vorsehen. Die bereits hergestellten Öffnungsstellen müssten soweit erweitert werden bis keine Bewehrungskorrosion mehr ersichtlich ist. Die Reprofilierung der Schadstellen könnte entweder mit einem für den Trinkwasserbereich zugelassenen Instandsetzungsmörtel nach DVGW-Arbeitsblatt W 300 [3] oder Spritzbeton gemäß DIN EN 14487 [7] und DIN 18551 [8] erfolgen. An allen Wandflächen sollte im Anschluss an die Schadstelleninstandsetzung eine zementgebundene Beschichtung aufgebracht werden, welche die Anforderungen des DVGW- Arbeitsblatts W 300 [3] erfüllt. Die Instandsetzung der ausschließlich visuell auffälligen Flächen birgt die Gefahr, dass nicht alle für die Standsicherheit relevanten Bereiche geöffnet und von einem Tragwerksplaner beurteilt werden können. Bisher nicht ersichtliche Bewehrungskorrosion mit vergleichbaren Querschnittsverlusten kann aufgrund der Vielzahl von Kiesnestern und Poren nicht ausgeschlossen werden. Zudem sind die Chloride weiterhin im Bereich der Bewehrung korrosionsaktiv. Dementsprechend wurde seitens der Sachverständigen empfohlen die Ausarbeitung des Instandsetzungskonzeptes in Anlehnung an die ersten beiden beschrieben Varianten durchzuführen. 4. Ausführung Um zum einen den Verlust an Filterfläche und zum anderen das Risiko des Standsicherheitsverlustes in den nicht untersuchten Bereichen auszuschließen, entschied sich Hessenwasser dazu, den Beton, wie oben beschrieben vollflächig bis auf die Bewehrung abzutragen, die fehlende Bewehrung zu ergänzen und mit Spritzbeton zu reprofilieren. Die notwendigen Arbeiten wurden zielgerichtet geplant, ausgeschrieben und vergeben. Die ohnehin am Ort tätige Fachfirma bekam den Zuschlag und beschäftigte sich dann ab Oktober 2018 mit der Ausführung der zusätzlichen Instandsetzungsarbeiten. Aus Standsicherheitsgründen wurden nach einem vom Tragwerksplaner ausgeklügelten System immer nur die jeweils gegenüberliegenden Betonwände einer Filterkammer komplett saniert und so sukzessive die drei Filterkammern instandgesetzt. Im ersten Schritt wurden die Wände mittels Höchstdruckwasserstrahlen (HDW) bearbeitet und um ca. 10 cm bis zur vollständigen Freilegung der ersten Bewehrungslage abgetragen. Der erforderliche Zeitaufwand für die Freilegung der Bewehrung betrug nach den ersten Erfahrungen ca. 1 Stunde pro m² Betonwandfläche. Bei ca. 340 m² zu sanierender Gesamtfläche waren für diese Arbeiten somit ca. 10 Wochen einzuplanen. Bild 12: Bewehrung nach HDW-Strahlen Danach erfolgte je Sanierungsabschnitt der Einbau der vom Tragwerksplaner ermittelten Bewehrung. Anschließend wurde der Spritzbeton wegen des guten Chloridbindevermögens wurde für diesen als Bindemittel Hochofenzement gewählt in mehreren Lagen aufgetragen. Instandsetzung mit besonderen Herausforderungen am Beispiel des Wasserwerks Schierstein 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 233 Bild 13: Ergänzte Bewehrung im Bereich des Boden- Wand-Anschlusses Bild 14: Arbeitsabschnitt einer Spritzbetonlage Nachdem eine Qualitätskontrolle die Einhaltung sämtlicher Anforderungen an die Ausführung bestätigt hatte, konnte ab April 2019 mit den geplanten Beschichtungsarbeiten fortgefahren werden. Die weiteren Umbauarbeiten des 1. Bauabschnittes beinhalteten den Einbau des Düsenbodens, der technischen Filterausrüstung und den Anschluss sämtlicher Wanddurchführungen an die neue Anlagenverrohrung. Ab Frühjahr 2020 starteten Dichtheitsprüfungen, zunächst mit Vollfüllung der Filterkammern. Es wurde schnell sichtbar, dass einige Nacharbeiten zum Erreichen einer ausreichenden Dichtheit erforderlich waren. Insbesondere um die neuen Wanddurchführungen, Einstiegsluken und -türen musste der alte Bestandsbeton durch intensives Verpressen mit trinkwassergeeignetem Epoxidharz nachverdichtet werden. Nachdem so in sehr aufwändiger Kleinarbeit zumindest die sichtbaren Wasseraustritte reduziert wurden, konnten die Filter dann auch mit dem später auftretenden Überdruck von 3 m oberhalb der Filterdecke (ca. 1 bar am Filterboden) beaufschlagt werden. Neben den vorher schon undichten Stellen zeigten sich hierbei neue problematische Bereiche. Insbesondere am Wand-Deckenübergang auf der Rohrgangseite der Filter machten sich Leckagen bemerkbar. Bild 15: Leckagen am Wand Deckenübergang unter Überdruck von 3 m Umgehend überprüfte der Tragwerksplaner diesen Bereich nochmals. Gleichzeitig wurde vor Ort eine Kontrolle mit Gipsmarken durchgeführt. Die Ergebnisse schlossen eine Bauteilbewegung unter Innendruck in diesem Bereich aus. Als Ursache für die nicht zu tolerierenden Undichtigkeiten wurden zum einen die o. g. Qualitätsmängel im verbleibenden Bestandsbeton und zum anderen, bzw. in Verbindung damit, die sehr engen, schwierig zu vergießenden Wanddurchführungen vermutet. In mehreren Runden mit allen Projektbeteiligten sowie externen Fachleuten wurden Lösungsmöglichkeiten eruiert. Bei weiteren Verpressungen bestand das Risiko einer Bauwerksschädigung. Versuche mit einem, in feuchten Poren kristallbildenden Abdichtungsmittel brachte nicht das gewünschte Ergebnis. Ein weiterer Auftrag einer abdichtenden Mörtelbeschichtung war technisch aufgrund der eingebauten Filterausrüstung nicht durchgehend möglich. So entschied sich Hessenwasser schließlich, eine für trinkwasserberührte Flächen und nach DVGW-Arbeitsblatt W 300 zugelassene, lösemittelfreie Epoxidharzbeschichtung einzusetzen. Diese ist diffusionsdicht, trägt nur gering auf und kann sowohl auf Beton als auch auf Stahl appliziert werden. Somit war es auch möglich, sämtliche Beton- Edelstahl-Übergangsbereiche der Wanddurchführungen 3-lagig im Vollverbund zu überziehen. Nach der Untergrundvorbehandlung durch Schleifen und Durchführung der Qualitätskontrolle wurden ab August 2020 zunächst zwei Spachtellagen aufgebracht. In den kritischen Bereichen wurde der Epoxidharzspachtel mit Glasfasern verstärkt. Danach erfolgte im Heißspritzverfahren die abschnittsweise Applikation der Deckschicht. Die Beschichtungsarbeiten in den drei Kammern konnten nach knapp drei Monaten abgeschlossen werden. Die folgenden, umfangreichen und lang andauernden Dichtigkeitsprüfungen mit allen zukünftig zu erwartenden Lastfällen bestätigten die in diese Maßnahme gesetzten Erwartungen. Im Januar 2021 konnte die Dichtigkeit aller drei Kammern festgestellt werden. Instandsetzung mit besonderen Herausforderungen am Beispiel des Wasserwerks Schierstein 234 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 Bild 16: Epoxidharzbeschichtung in Filterkammer 1 zum Zeitpunkt der Abnahme Aus den o. g. und weiteren, im Projektverlauf gewonnenen Erkenntnissen wurden Optimierungen für die Durchführung des 2. Bauabschnitts entwickelt. Der Baubeginn richtet sich nach der Dauer des aktuell stattfindenden Einfahrbetriebs der drei Sandfilter. Sobald diese die erforderliche Aufbereitungsleistung erbringen, kann die andere, im Refifloc-Betrieb befindliche Filterstraße für die weiteren Umbauarbeiten außer Betrieb genommen werden. 5. Fazit Für die Dauerhaftigkeit von Stahlbetonbauwerken ist eine intakte und dichte Betondeckung von besonderer Bedeutung. Am Praxisbeispiel des Wasserwerks in Schierstein zeigte sich welche zunächst unbemerkten Auswirkungen Hohlstellen und Kiesnester auf lokale Auslaugprozesse und damit verbundenen Korrosionserscheinungen der Bewehrung haben können. Bei dem Neubau von Trinkwasserbehältern ist es somit nicht nur relevant auf eine glatte und porenarme Oberfläche zu achten. Von besonderer Bedeutung ist vor allem die Betonrandzone, in der der Bewehrungsstahl eingebettet wird. Diese muss wie es die Regelwerke vorgeben ebenso qualitativ hochwertig hergestellt werden. Um die vorgenannten Anforderungen zu erfüllen ist ein schlüssiges Betonierkonzept, eine qualitativ hochwertige Bauausführung und Bauüberwachung in der Wasserversorgung erforderlich. Nur so können schadensverursachende Hohllagen, Kiesnester und Verdichtungsfehler vermieden werden. Am Beispiel des Wasserwerks Schierstein konnte gezeigt werden, dass nicht immer eine Verpressung von Undichtigkeiten zielführend ist. Die vorgefundene, mangelhafte Betonqualität führte zu einem undefinierten und teils flächigen Wasserdurchtritt. Eine vollflächige Applikation mit polymeren, diffusionsdichten Auskleidungen kann eine mögliche Alternative darstellen. Wie im vorliegenden Fall erfahren, ist beim Bauen im Bestand damit zu rechnen, dass trotz vorheriger Bauzustandsanalyse im Rahmen der Umsetzung von Instandsetzungsmaßnahmen mit unvorherzusehenden Problemen zu rechnen ist. Literatur [1] Leverenz, K.; Richter, H.: Komplexer Umbau im laufenden Wasserwerksbetrieb, gwf-Wasser | Abwasser 07_08 | 2017, Vulkan Verlag GmbH [2] DIN EN 14630: 2007-01 Produkte und Systeme für den Schutz und die Instandsetzung von Betontragwerken - Prüfverfahren - Bestimmung der Karbonatisierungstiefe im Festbeton mit der Phenolphthalein-Prüfung [3] DVGW-Arbeitsblatt W 300: 2014-10 Trinkwasserbehälter; Teil 1: Planung und Bau; Teil 2: Betrieb und Instandhaltung; Teil 3: Instandsetzung und Verbesserung; Teil 4: Werkstoffe, Auskleidungs- und Beschichtungssysteme, Grundsätze und Qualitätssicherung auf der Baustelle; Teil 5: Werkstoffe, Auskleidungs- und Beschichtungssysteme, Anforderungen und Prüfung [4] Nürnberger, U.: Korrosion und Korrosionsschutz im Bauwesen, Band 1, Bauverlag GmbH, Wiesbaden und Berlin, 1995 [5] Breit, W.: Untersuchungen zum kritischen korrosionsauslösenden Chloridgehalt für Stahl in Beton. In: Schriftenreihe Aachener Beiträge zur Bauforschung, Institut für Bauforschung der RWTH Aachen (1997), Nr. 8, Aachen, Technische Hochschule, Dissertation [6] DAfStB-Richtlinie: 2001-10 Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen (Instandsetzungs- Richtlinie) - Teil 1: Allgemeine Regelungen und Planungsgrundsätze; Teil 2: Bauprodukte und Anwendung; Teil 3: Anforderungen an die Betriebe und Überwachung der Ausführung; Teil 4: Prüfverfahren [7] DIN EN 14487-1: 2006-03 Spritzbeton - Teil 1: Begriffe, Festlegungen und Konformität [8] DIN 18551: 2014-08 Spritzbeton - Nationale Anwendungsregeln zu Reihe DIN EN 14487 und Regeln für die Bemessung von Spritzbetonkonstruktionen Anhang 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 237 Programmausschuss - Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis Der Programmausschuss für das Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis setzt sich aus anerkannten Experten aus Forschung und Entwicklung, Industrie und Praxis zusammen. Zu seinen Aufgaben gehören die Formulierung der Zielsetzung und Festlegung der Themenschwerpunkte der Fachtagung, die Begutachtung und Auswahl der eingereichten Vortragsvorschläge für das Tagungsprogramm und die fachliche Beratung des Veranstalters. Vorsitzender Prof. Dr.-Ing. Manfred Breitbach Hochschule Koblenz Mitglieder Dipl.-Ing. Berthold Bleser GfB Gesellschaft für Bauwerkssanierung und Instandsetzung mbH, Essen Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Breit Technische Universität Kaiserslautern Carina Janich Bundesvereinigung der Firmen im Gas- und Wasserfach e.V., Köln Dr. Josef Klinger DVGW - Technologiezentrum Wasser, Karlsruhe Dipl.-Ing. Werner Pfahler Netze BW Wasser GmbH, Stuttgart Dipl.-Ing. Jan Rassek w+s bau-instandsetzung gmbh, Fuldabrück Dipl.-Ing. Hendrik Rösch Harzwasserwerke GmbH, Hildesheim Peter Sudermann, M.Eng. Hochschule Koblenz Dipl.-Ing. Jens Windisch Bauschutz GmbH & Co. KG, Asperg 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 239 Autorenverzeichnis BBaumer, Hans 133 Berndt, Michael 45 Bolesta, Martin 213 Boonk, Ludger 107, 207 Brehl, Peter 201 Breit, Wolfgang 65, 225 Breitbach, Manfred 33 Brugger, Manfred 151 Bürkle, Tobias 113 Büttner, Till 179 EEckert, Paul 123 FFrez, Peter 13 GGerdes, Andreas 113 HHiller, Michael 123 Hobl, Martin 55 KKämpfer, Wolfram 45 LLeck, Sascha 79 Lenting, Martin 171 MMerkel, Melanie 65, 225 Mittermeyer, Daniel 219 NNaumann, Wolfgang 87 OOhmann, Andreas 143 Orlowsky, Jeanette 171 PPfahler, Werner 127 RRassek, Jan 55, 161 Reims, Benjamin 197 Richter, Helmut 225 SSchuler, Hilaria 45 Vvon der Forst, Erwin 93 240 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - September 2021 BAUWESEN, ENERGIEEFFIZIENZ UND UMWELT Besuchen Sie unsere Seminare, Lehrgänge und Fachtagungen. Ein Großteil unserer Seminare wird unterstützt durch das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds. Profitieren Sie von der ESF-Fachkursförderung und sichern Sie sich bis zu 70 % Zuschuss auf Ihre Teilnahmegebühr. Alle Infos zur Förderfähigkeit unter www.tae.de/ foerdermoeglichkeiten Bis zu 70 % Förderung möglich! Geotechnik Verkehrswegebau und Wasserbau Konstruktiver Ingenieurbau Bautenschutz und Bausanierung Umwelt- und Gesundheitsschutz Energiee zienz Baubetrieb und Baurecht Facility Management SEMINARE, LEHRGÄNGE, FACHTAGUNGEN Infos und Anmeldung: www.tae.de Das 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis (vormals „Betonbauwerke in der Trinkwasserspeicherung“) an der Technischen Akademie Esslingen behandelt die Themenbereiche der Regelwerke, Trinkwasserhygiene und -aufbereitung sowie Werkstoffkorrosion im Kontakt mit Trinkwasser. Die Fachtagung bietet somit eine aktuelle Plattform zur Vorstellung von Richtlinien, deren Anwendung und Umsetzung. Es werden Bauweisen (Neubau, Teilneubau, Systembehälter), Bauverfahren, Instandsetzungsprinzipien, Auskleidungsprinzipien und marktübliche Werkstoffe und Systeme präsentiert. Beim 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis werden in rund 30 Fachvorträgen die neuesten Erkenntnisse über Planung, Bau, Instandhaltung, Instandsetzung und Betrieb von Trinkwasserbehältern behandelt. Der Inhalt Stand der Technik und der Regelwerke Planungsanforderungen/ -abläufe Erneuerung, Umnutzung, Rückbau Neubau von Trinkwasserspeichern/ Materialien Hydrolyse/ Werkstoffkorrosion Stahlkorrosion und Kathodischer Korrosionsschutz zementgebundene Baustoffe polymere Auskleidungssysteme Edelstahlauskleidungen Lösungen außerhalb des Regelwerks Fugen, Risse, Durchführungen, Einbauteile Fertigteile/ Systemlösungen Qualitätssicherung Hygienekonzept Forschung und Entwicklung Das vorliegende Tagungshandbuch enthält die vorab eingereichten Beiträge zu den Vorträgen. Die Zielgruppe Das Kolloquium richtet sich an alle, die mit Planung, Bau, Betrieb oder Instandhaltung von Trinkwasserspeichern befasst sind: Wasserversorger Ämter und Behörden Städte, Gemeinden Wassermeister Materialhersteller Planungsbüros Verarbeiter Hersteller/ Verwender von technischen Ausrüstungen www.tae.de ISBN 978-3-8169-3538-4