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Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis
expert verlag Tübingen
2023
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Herausgegeben von Manfred Breitbach 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis Fachtagung über Planung, Bau, Instandhaltung, Instandsetzung und Betrieb von Trinkwasserbehältern Tagungshandbuch 2023 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis 21. und 22. März 2023 Technische Akademie Esslingen Herausgegeben von Prof. Dr.-Ing. Manfred Breitbach 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis Fachtagung über Planung, Bau, Instandhaltung, Instandsetzung und Betrieb von Trinkwasserbehältern Tagungshandbuch 2023 Partner: Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das vorliegende Werk wurde mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Weder Verlag noch Autoren oder Herausgeber übernehmen deshalb eine Haftung für die Fehlerfreiheit, Aktualität und Vollständigkeit des Werkes und seiner elektronischen Bestandteile. © 2023. Alle Rechte vorbehalten. expert verlag Ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen E-Mail: info@verlag.expert Internet: www.expertverlag.de Printed in Germany ISBN 978-3-8169-3558-2 (Print) ISBN 978-3-8169-8558-7 (ePDF) Technische Akademie Esslingen e. V. An der Akademie 5 · D-73760 Ostfildern E-Mail: bauwesen@tae.de Internet: www.tae.de 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Vorwort In diesem Jahr wird das Kolloquium „Trinkwasserspeicherung - Planung, Bau, Instandhaltung, Instandsetzung und Betrieb von Trinkwasserbehältern“ zum siebten Mal durchgeführt. Im März 2010 erfolgte das 1. Kolloquium, damals unter dem Titel „Betonbauwerke in der Trinkwasserspeicherung“. Damit blickt diese Traditionsveranstaltung auf 13 Jahre mit erfolgreichem Wissens- und Erfahrungsaustausch zwischen Wissenschaft, Regelsetzung und Experten aus Planung, Herstellern und Fachunternehmen in diesem speziellen Fachsegment der Wasserversorgung zurück. Das Kolloquium richtet sich an alle Beteiligten, die mit dem Umgang des Trinkwassers in der Planung, dem Bau, dem Betrieb und der Instandhaltung befasst sind. Parallel zu der Vortragsveranstaltung findet eine Fachausstellung statt. Die Veranstaltung wird auch in diesem Jahr von Vertretern des DVGW - Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e. V., der Fachvereinigung S.I.T.W. - Schutz und Instandsetzung von Trinkwasserbehältern e. V., der figawa - Bundesvereinigung der Firmen im Gas- und Wasserfach e. V. sowie der Universitäten und Hochschulen tatkräftig unterstützt. Aus diesen Reihen kommen die diesjährigen Beiträge, die wie immer vom Programmausschuss nach ihrer besonderen Aktualität für das Fach ausgewählt und zusammengestellt worden sind. Insbesondere kommen die Praxisbeiträge unmittelbar aus den Reihen der Fachplaner und Fachunternehmen der S.I.T.W. bzw. deren Kontaktpartnern. Das 7. Kolloquium steht aber auch unter dem Zeichen der intensiven Regelwerksbearbeitung, die in den zurückliegenden Jahren erfolgte. Aktuell befinden sich mehrere Regelwerke bereits im Gelbdruck. Hierzu werden in den Plenar- und Praxisbeiträgen wichtige Hinweise zu den aktuellen Neuerungen gegeben. Die Hygiene stellt unsere Gesellschaft grundsätzlich vor große Herausforderungen, das gilt insbesondere für den Gesundheits- und Lebensmittelbereich. Trinkwasser ist bekanntermaßen das wichtigste Lebensmittel für den Menschen. Hierzu gibt es vielfältige Hygienekonzepte, die im Einzelfall abgestufte Maßnahmen erfordern. Auch hierzu wird die S.I.T.W. über den kürzlich veröffentlichten „Praxisleitfaden für ein Hygienemanagement im Bereich der Trinkwasserspeicherung“ berichten. Mit den ersten Überlegungen und Vorbereitungen der Veranstaltung hatten wir bereits im Jahr 2008 begonnen. Nach 15 Jahren trete ich nun mit diesem 7. Kolloquium von dieser Bühne ab. Den Staffelstab haben wir an den geschätzten Kollegen Prof. Dr. Wolfgang Breit weitergereicht, der bereits in den vergangenen Kolloquien mitgewirkt hat und diese Veranstaltung auch in den kommenden Jahren erfolgreich leiten wird. Ich wünsche ihm hierzu eine geschickte Hand und erfolgreiches Gelingen. Esslingen, im März 2023 Prof. Dr.-Ing. Manfred Breitbach 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 7 Inhaltsverzeichnis 0.0 Plenarvorträge 0.1 Aktuelles aus internationaler und nationaler Regelwerksarbeit 13 Sascha Kochendörfer, M. Sc. 0.2 Vorstellung des „Praxisleitfaden für ein Hygienemanagement im Bereich der Trinkwasserspeicherung“ des S.I.T.W. im Kontext zum „Merkblatt DVGW W 300-8 (M)“ 15 Dipl.-Ing. Martin Hobl 0.3 Praktische Aspekte zur Festlegung des Sollzustandes für Trinkwasserbehälter gemäß neuem „Arbeitsblatt DVGW W 300-1“ 27 Dipl.-Ing. Helmut Richter 0.4 Überarbeitung der Instandsetzungsverfahren und -prinzipien: Was ändert sich künftig im „Arbeitsblatt DVGW W 300-3“? 35 Prof. Dr.-Ing. Melanie Merkel, Univ.-Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Breit 1.0 Bauausführung mit besonderen Herausforderungen 1.1 Hygienische Probleme in Trinkwassernetzen und deren Ursachen 45 Dr. Beate Kilb 1.2 Trinkwasserstollen - Sanierung eines 1,9 km langen Wasserspeichers 49 Dipl.-Ing. Thilo Bach 1.3 Nachhaltige Instandsetzung eines nachträglich geklinkerten Hochbehälters mit mechanischen, hygienischen und logistischen Herausforderungen 73 Dominik Flint, M. Sc. 2.0 Werkstoffe — Edelstahl 2.1 Trinkwasserbehälter aus Edelstahl - „neu erDacht“ 79 Matthias Kuck 2.2 Paradigmenwechsel in der Trinkwasserspeicherung? 87 Dipl.-Ing. (FH) Günter Geffert, Dipl.-Ing. (FH) Tobias Kostenzer 8 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 3.0 Schadensmechanismen 3.1 Materialkorrosion, Auslaugkinetik und Alterung von zementgebundenen Beschichtungen unter Beanspruchungsbedingungen der Expositionsklasse X TWB 97 Dr.-Ing. Wolfram Kämpfer, Michael Berndt 3.2 Bewertung der Hydrolysebeständigkeit mineralischer Beschichtungen in Kontakt mit Trinkwasser - Entwicklung eines Prüfverfahrens zur Prognose der Dauerhaftigkeit 105 Anja Tusch, M. Eng., Clarissa Glawe, M. Sc., Univ.-Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Breit, Univ.-Prof. Dr.-Ing. Michael Raupach 4.0 Planung und Abrechnung 4.1 Planerische Anforderungen für den Neubau von Trinkwasserspeicheranlagen aus Ortbeton unter Berücksichtigung des Qualitätssicherungsplans 119 Dipl.-Ing. Sascha Leck 4.2 Instandsetzung von Trinkwasseranlagen 123 Dipl.-Ing. Jan Rassek 5.0 Schulungskonzepte und Fachunternehmens-Zertifizierung 5.1 Der Weg zu einer Fachunternehmens-Zertifizierung nach „Arbeitsblatt DVGW W 316“ 133 Thomas Lipinski, Jan Feldhaus 5.2 Schulungskonzepte auf dem Prüfstand 135 Carina Janich 6.0 Bauzustandsanalyse 6.1 Portfolioanalyse 141 Dipl.-Ing. Laura Ruhwald, Sandra Gernand, M. Eng. 6.2 Bauzustandsanalyse von verfahrenstechnischen Filtern in Anlehnung an „Arbeitsblatt DVGW W300-3“ 145 Dipl.-Ing. Kai Schütz 6.3 Behälterbuch: Dreh- und Angelpunkt zur Planung des Trinkwasserspeicher- Managements gemäß dem Arbeitsblatt „DVGW W300-2“ 151 Peter Sudermann, M. Eng., Dipl.-Ing. (TH) Thomas Becker 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 9 7.0 Werkstoffe — Dauerhaftigkeit 7.1 Leitbild: Alkalische Bewehrungsüberdeckung, Betonrandzonenqualität ohne Realkalisierungseffekte und Betonüberdeckung 161 Dr. Ludger Boonk 7.2 Mineralische Instandsetzung von Trinkwasserbehältern - Worauf ist bei der Produktauswahl zu achten? 167 Dipl.-Ing. Martin Bolesta 8.0 Werkstoffe — spezielle Anwendungen 8.1 Neue Perspektiven für Wasserwerke durch Tanks und Großfilter aus Edelstahl 175 Dipl.-Ing. (FH) Manfred Brugger 8.2 Desinfektion und Reinigung von Behältern und Anlagen unter Berücksichtigung von „Merkblatt DVGW W 300-7“ 179 Günter Mösslein, Dr.-Ing. Hans-Joachim Greunig 9.0 Anhang 9.1 Programmausschuss 185 9.2 Autorenverzeichnis 187 Plenarvorträge 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 13 Aktuelles aus internationaler und nationaler Regelwerksarbeit Sascha Kochendörfer, M. Sc. DVGW e.V., Bonn Zusammenfassung Im internationalen, sowie nationalen Kontext erhält das Thema Trinkwasserspeicher in den letzten zwei Jahren wieder verstärkte Aufmerksamkeit durch die Überarbeitung bzw. Aktualisierung unterschiedlicher Regelwerksprojekte. International ist hier die DIN EN 1508 „Wasserversorgung - Anforderungen an Systeme und Bestandteile der Wasserspeicherung“, die nach 25 Jahren nun aktualisiert wird, zu erwähnen. Auf nationaler Ebene wurden die Arbeitsblätter W 300-1 (Planung und Bau) und W 300-3 (Instandsetzung und Verbesserung) im Dezember 2022 in den Gelbdruck gegeben. Einspruchsfrist ist bei beiden Blättern der 31.03.2023. Die Arbeitsblätter W 300-2 (Betrieb und Instandhaltung) und W 300-4 (Werkstoffe, Auskleidungs- und Beschichtungssysteme) finden sich derzeit in der Überarbeitung. Ebenso wird die DVGW-Information W Nr. 113 „Praktische Hinweise zur Umsetzung von Qualitätsanforderungen durch DVGW W 316 (A) Zertifizierung“ erarbeitet und es wird begonnen den Überarbeitungsbedarf des Arbeitsblattes W 316 „Qualifikationsanforderungen an Fachunternehmen“ festzustellen. 1. Einführung Mit der Entwicklung seiner technischen Regeln ermöglicht der DVGW die technische Selbstverwaltung der Gas- und Wasserwirtschaft in Deutschland. Hierdurch gewährleistet er eine sichere Gas- und Wasserversorgung nach international höchsten Standards. Der im Jahr 1859 gegründete Verein hat rund 14.000 Mitglieder. Das Thema der Trinkwasserspeicher ist seit mindestens 1959 in den Regelwerken des DVGW verankert und hat sich bis heute ständig weiterentwickelt. Durch die Aufteilung der W 300 in eine 8-teilige Regelwerksreihe im Jahr 2014 konnte der Komplexität der unterschiedlichen Phasen im Lebenszyklus eines Trinkwasserspeichers und anderer wichtiger Belange, wie z. B. der Hygiene und Auskleidungsmaterialien, ausreichend Rechnung getragen werden. 2. Neuerungen aus der Regelwerksarbeit 2.1 Überarbeitung der EN 1508 Der DVGW beteiligt sich auf europäischer Ebene bei der Überarbeitung der der DIN EN 1508 „Wasserversorgung - Anforderungen an Systeme und Bestandteile der Wasserspeicherung“. Nach 25 Jahren wird dieses Regelwerk aktualisiert und auf den neusten Stand gebracht. Die deutsche Delegation, die an der Überarbeitung mitwirkt, achtet hierbei darauf, dass keine Widersprüche zum deutschen Regelwerk entstehen. Zusätzlich werden Teile und Definitionen vom deutschen ins internationale Regelwerk überführt werden. 2.2 Überarbeitung der W 300-1 und W 300-3 Auf nationaler Ebene wurden die Arbeitsblätter W-300--1 und W 300-3 erarbeitet, die sich derzeit noch im Gelbdruckverfahren befinden. In der W 300-1 wurden die Kapitel zur lufttechnischen Ausrüstung und der Anforderungen an die Betonoberfläche deutlich erweitert. Unteranderem neu im Regelwerk: • DIN EN 1822 „Schwebstofffilter (EPA, HEPA und ULPA)“ ersetzt DIN EN 779 „Partikel-Luftfilter für die allgemeine Raumlufttechnik“ • Jalousien mit Siebeinrichtung gegen Eindringen von Insekten, Kleintieren und Blättern • mittlere Staubbelastung der Luft mit ca. 20 µg/ m³ • Festlegung der Filterklasse mit Partikelgröße und prozentualem Abscheidegrad • Stärkerer Fokus auf Beschaffenheit von Beton-Oberflächen • stärkere Hervorhebung, der zwingend hygienischen Eignung der Schalung und Schalthaut, sowie der Hilfskonstruktionen • Auswirkung von wasserabführenden/ -saugenden Schalungsbahnen auf Betonfestigkeit • Auswirkung von falscher Konsistenz, zu schneller Betoniergeschwindigkeit und falscher w/ z eq auf Dränwirkung • Hinweis, dass die Wasserüberschussmenge bereits in der Planung berücksichtigt werden muss In der W 300-3 wurde ein eigenes Überkapitel für Riss- und Hohlraumbehandlung von Beton anhand Erkenntnisse aus dem neuen TR-Instandhaltung erarbeitet. Zusätzlich wurden neue Erkenntnisse zum Thema der Realkalisierung bzw. Wiederherstellung des alkalischen Milieus in Betonbereichen aufgenommen. Unteranderem neu im Regelwerk: • Die Zielsetzung der Realkalisierung der Betonrandzone als Instandsetzungsprinzip wird nicht weiterverfolgt. • Die realkalisierende Wirkung, wie sie im DVGW- Arbeitsblatt W 300-5: 2020 beschrieben wird, spiegelt nicht den aktuellen Stand der Forschung wider. Hinweis: Realkalisierung ist noch Stand der Technik aber nicht Stand der Forschung. Ab Veröffentlichung von DVGW W 300-3 ist die Realkalisierung nicht mehr Stand der Technik 14 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Aktuelles aus internationaler und nationaler Regelwerksarbeit • einzuhaltenden Randbedingungen bzw. Anwendungsgrenzen zur Sicherstellung einer ausreichenden Verbundwirkung (Standsicherheit) und eines ausreichenden Korrosionsschutzes des Bewehrungsstahls (Erhalt oder Wiederherstellung der Passivität) und einer ausreichenden dichten Betonrandzone (Bewertung, ob eine geschädigte Betonrandzone vorliegt) 2.3 Überarbeitung der W 300-2 und W 300-4 Derzeit befinden sich die beiden Arbeitsblätter W 300-2 und W 300-4 in der Überarbeitung und werden voraussichtlich im Laufe des Jahres 2023 im Gelbdruck veröffentlicht. In der W 300-2 wurde stärker auf die Vorbeugung von Tauwasser- und Schimmelbildung eingegangen aber auch auf die Materialverträglichkeit von Reinigungsmitteln. Unteranderem neu im Regelwerk: • Hinweis, dass beim Betrieb eines Trinkwasserbehälters das Merkblatt DVGW W 300-8 „Praxishinweise Hygienekonzept“ Anwendung finden sollte • um Tauwasser- und Schimmelbildung vorzubeugen, sollte die Luftfeuchtigkeit in wassertechnischen Anlagen nicht dauerhaft höher als 75% sein • für die intervallorientierte Instandhaltung werden die Anforderungen bzw. Inhalte der großen bzw. kleinen Inspektion aufgezählt In der W 300-4 wurde das Thema der spritzrauen Decken als eigenes Kapitel aufgenommen. Die Anforderungen an zementgebundene Mörtel wurden detaillierter erörtert. Ebenso Betonersatz und Beschichtungen. Unter anderem neu im Regelwerk: • bei der Anwendung von Betonersatzsystemen oder Beschichtungen mit bekannter Zusammensetzung Verweis auf Nachbehandlungszeiten der DIN 1045-2 • Erweiterung der Anforderungen an den Abdichtungsuntergrund um Verweise auf DVGW W 300-3 zwecks Betondeckung und alkalisches Milieu 2.4 Erarbeitung der DVGW-Information W Nr. 113 Innerhalb eines Projektkreises, dessen Mitglieder aus Vertretern von Fachplanungsunternehmen, Wasserversorgern und einer Anwältin des Vergaberechts bestehen wird die DVGW-Information W Nr. 113 „Praktische Hinweise zur Umsetzung Qualitätsanforderungen durch DVGW W 316 (A) Zertifizierung“ erarbeitet. Ziel der Information ist eine Hilfestellung für Auftraggeber zur Vergaberechts-konformen Ausschreibung und eine Beschreibung des Zertifizierungsablaufs zu liefern. Des Weiteren soll damit auch eine branchenweite Stärkung der DVGW-Zertifizierung nach DVGW W 316 erfolgen. Die Veröffentlichung wird sich ebenso darauf konzentrieren Vorteile einer Zertifizierung für Auftraggeber, wie Auftragnehmer zu verdeutlichen. 2.5 Vorfeldanalyse für Überarbeitungsbedarf der W-316 Um den Überarbeitungsbedarf des DVGW W 316 Arbeitsblatts zu ermitteln wurde eine Arbeitsgruppe gegründet. Das Arbeitsblatt wird auf Praxistauglichkeit untersucht und darauf, inwiefern jüngste Entscheidungen bzw. Rechtsprechungen auf europäischer Ebene Einfluss auf verschiedene Aspekte der Zertifizierung haben. Wird ein Überarbeitungsbedarf ermittelt, wird die Überarbeitung im Jahr 2023 gestartet. 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 15 Vorstellung des „Praxisleitfaden für ein Hygienemanagement im Bereich der Trinkwasserspeicherung“ des S.I.T.W. im Kontext zum „Merkblatt DVGW W 300-8 (M)“ Dipl.-Ing. Martin Hobl GUV Gesellschaft für Geohydraulik, Umweltberatung, Verfahrens- und Ingenieurtechnik mbH, Lohfelden Zusammenfassung Trinkwasser ist - gemäß Trinkwasserverordnung TrinkwV 2001 (2016/ 2018) - zu jederzeit in hygienisch einwandfreier Qualität bereitzustellen. Der Begriff „Hygiene“ im Sinne dieses Grundsatzes umfasst dabei alle Bestrebungen und Maßnahmen, die darauf abzielen, negative Qualitätsveränderungen des Trinkwassers zu vermeiden bzw. zu verhindern. Im Oktober 2016 veröffentlichte der DVGW - Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches e.V. das Technische Merkblatt DVGW W 300-8 (M) unter dem Titel „Trinkwasserbehälter; Praxishinweise Hygienekonzept: Neubau und Instandsetzung“. Dieses Merkblatt gibt grobe Rahmenbedingungen für die Gestaltung von Hygienekonzepten sowohl für Neubaumaßnahmen als auch für sämtliche Instandsetzungsmaßnahmen von Trinkwasserbehältern vor. Die in vorgenanntem Merkblatt zusammengestellten Vorgaben, die analog auch für den Betrieb von Trinkwasserbehältern herangezogen werden können, sind nicht präzisiert und lassen daher einen großen Interpretationsspielraum zu. Konkret definierte Handlungshinweise zur sachgerechten Umsetzung sind auch üblicherweise nicht Gegenstand von Regelwerken. Veranlasst durch unterschiedlichste Auffassungen bzgl. der Umsetzung der Vorgaben des Merkblattes in die Praxis gründete die S.I.T.W. Fachvereinigung - Schutz und Instandsetzung von Trinkwasserbehältern e.V. die Arbeitsgruppe „Hygienekonzept“ mit der Maßgabe, einen Praxisleitfaden zu entwickeln, der die Vorgaben des Regelwerkes konkretisiert. Die Zusammensetzung der Arbeitsgruppe wurde dabei mit jeweils drei Vertretern von gem. DVGW W 316 zertifizierten Planungsbüros bzw. Ausführungsbetrieben so gewählt, dass die Intentionen aller verantwortlichen Projektbeteiligten gleichermaßen Berücksichtigung fand. Der „Praxisleitfaden für ein Hygienemanagement im Bereich der Trinkwasserspeicherung“ soll zukünftig dabei helfen, die in der Baupraxis bis dato aufgetretenen Unklarheiten bei der - Planung (u. a. bei der Auswahl von Materialien und Verfahren), - Ausschreibung (u. a. bei der Abgrenzung von Nebenleistungen und „Besonderen Leistungen“ gem. VOB/ C), - Ausführung (u. a. bei der Umsetzung der Maßnahmenpakete/ Hygienevorschriften in den unterschiedlichen Hygienezonen) sowie bei der - Zuordnung der Weisungsbefugnisse / Verantwortlichkeiten beim Thema „Hygienekonzept“ auf der Baustelle (u. a. wer stellt den Hygienekoordinator) weitestgehend zu vermeiden. Der Praxisleitfaden wurde 2022 (1. Auflage / Vulkan-Verlag GmbH) durch die S.I.T.W. Fachvereinigung - Schutz und Instandsetzung von Trinkwasserbehältern e.V. unter dem Titel „Hygienekonzept der Trinkwasserspeicherung - Praxisleitfaden“ herausgegeben. 1. Hygienekonzept nach DVGW-Merkblatt W 300-8 - Rechtlicher Hintergrund“ Das Hygienekonzept gem. DVGW-Merkblatt W 300-8 resultiert im Ursprung auf den Vorgaben des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) und den darin enthaltenen rechtlichen Vorgaben. Zudem ist die Trinkwasserverordnung TrinkwV 2001 (2016/ 2021) zu beachten. Übergeordnet regelt die Verordnung (EG) Nr. 852/ 2004 des Europäischen Parlaments und des Rates der Europäischen Union vom 29.04.2004 die Lebensmittelhygiene: Diese Verordnung mit der Zielsetzung, Leben und Gesundheit des Menschen zu schützen, legt Grundsätze und Definitionen für das Lebensmittelrecht fest. Diese Verordnung basiert wiederum auf der Verordnung (EG) Nr. 178/ 2002 und der Richtlinie 93/ 42/ EWG des Rates vom 14.06.1993 über Lebensmittelhygiene. Mittels vorgenannter Verordnungen soll letztlich eine hohe Sicherheit von Lebensmitteln und damit ein hohes Verbraucherschutzniveau sichergestellt werden. Zur Sicherstellung der Schutzniveaus wurden bereits in der Verordnung (EG) Nr. 852/ 2004 Grundsätze zur Gefahrenanalyse und Überwachung von kritischen Kontrollpunkten aufgeführt. Hierfür wurden im Lebensmittelbereich die sogenannten HACCP-Grundsätze eingeführt: Das HACCP-Konzept (Hazard Analysis Critical Control Point-Konzept) bedeutet übersetzt nichts anderes als „Ri- 16 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Vorst. d. „Praxisleitfaden für ein Hygienemanag. im Bereich der Trinkwasserspeicherung“ des S.I.T.W. im Kontext zum „Merkblatt DVGW W 300-8 (M)“ siko-Analyse kritischer Kontroll-Punkte“ und stellt einen systematischen Ansatz dar, um letztendlich unbedenkliche Lebensmittel zu gewährleisten. Die Aufgabe des HACCP-Konzeptes ist es, mögliche Gefahren, die in Folge der Verarbeitungsprozesse von Lebensmitteln entstehen oder von fertigen Produkten ausgehen können, zu detektieren, die daraus folgenden Risiken abzuschätzen, um dann schlussendlich die entsprechenden Maßnahmen zur Minimierung/ Ausschaltung dieser Risikofaktoren ergreifen zu können. Ziel des HACCP-Konzeptes ist somit, zu analysieren, welche möglichen Risiken vorliegen und was getan werden muss, um diese Risiken zu vermeiden. Die Aufstellung und die Umsetzung eines HACCP-Konzept besteht im Wesentlichen aus sieben Schritten: 1. Verfahren und Produkt definieren (Gefahrenanalyse) 2. Risikofaktoren ermitteln 3. Risikoträchtige Prozessabschnitte bestimmen 4. Monitoring (Risikoträchtige Prozessabschnitte unter Kontrolle bringen) 5. Überwachung und Korrektur 6. System zur Verifizierung des Konzeptes erarbeiten (Fehlerkorrektur) 7. Verfahren und Produkt definieren (Gefahrenanalyse) Die Unternehmen (hier: Lebensmittelunternehmer) müssen zur Sicherstellung der Hygiene spezifische Anforderungen aufstellen und umsetzen. Damit soll sichergestellt werden, dass - neben den amtlichen Kontrollen - auch in der Produktion und Verarbeitung hygieneschutztechnische Maßnahmen ergriffen werden, um Gefahren zu vermeiden bzw. zu minimieren. Für den Trinkwasserbereich stellt das Hygienekonzept nach DVGW-Merkblatt W 300-8 somit einen analogen Baustein dar, auf den das HACCP-Konzept durchaus übertragbar ist. Im Infektionsschutzgesetz (IfSG) § 42, Abs. 1 Tätigkeits- und Beschäftigungsverbote bzw. § 43, Absätze 2,3 und 5 werden Verpflichtungen aufgeführt: Hierbei muss sich jeder Mitarbeiter, der regelmäßig Tätigkeiten zum Herstellen, Behandeln und Inverkehrbringen von Lebensmittel ausführt bzw. mit diesen Lebensmitteln in Berührung kommt, einer Belehrung unterziehen, in der auf die Tätigkeits- und Beschäftigungsverbote bei Erkrankungen hingewiesen wird. Die Unterweisung erfolgt in der Regel durch die zuständigen Gesundheitsämter. Nachschulungen hierzu sind verpflichtend und durch den Arbeitgeber auszuführen bzw. zu organisieren. 2. Praxisleitfaden für ein Hygienemanagement im Kontext zum DVGW-Merkblatt W 300-8 Das Thema „Hygiene“ stellt unsere Gesellschaft grundsätzlich vor große Herausforderungen, dies gilt insbesondere für den Gesundheits- und Lebensmittelbereich. Trinkwasser ist bekanntermaßen das wichtigste Lebensmittel für den Menschen. Das DVGW-Merkblatt W 300-8 gibt grobe Vorgaben für die Umsetzung sowohl für Neubaumaßnahmen (in Ergänzung zum DVGW-Arbeitsblatt W 300-1) als auch für sämtliche Instandsetzungsmaßnahmen (in Ergänzung zu den DVGW-Arbeitsblättern W 300-2, -3, -6) von Wasserspeicheranlagen vor. Im Kontext dazu enthält der „Praxisleitfaden für ein Hygienemanagement im Bereich der Trinkwasserspeicherung“ konkret definierte Handlungshinweise zur sachgerechten Umsetzung der Vorgaben des vorgenannten Merkblattes. Wasserversorgungsanlagen sind stets so zu bauen und zu betreiben, dass das Trinkwasser den Anforderungen entspricht, die nach Trinkwasserverordnung TrinkwV 2001 (2016/ 2021) und Infektionsschutzgesetz IfSG (2001/ 2022) festgelegt werden. Der Grundsatz dabei ist, Trinkwasser zu jedem Zeitpunkt in hygienisch einwandfreier Qualität bereitzustellen: Negative Qualitätsveränderungen des Trinkwassers können sich in Form von physikalischen, chemischen und / oder mikrobiologische Veränderungen des Trinkwassers äußern und unter anderem durch Veränderungen im Betriebsablauf einer Wasserversorgungsanlage entstehen. Um das Ziel zu erreichen, Trinkwasser zu jederzeit in hygienisch einwandfreier Qualität bereitzustellen, sind während des Baus und Betriebes einer Wasserversorgungsanlage mindestens die allgemein anerkannten Regeln der Technik, zu denen insbesondere auch Vorschriften zur Hygiene zählen, einzuhalten. Die Erstellung der sog. Hygienekonzepte erfolgt dabei auf Basis der DVGW-Arbeitsblätter W-300-1 bis 5 und 8 sowie auf Basis des Infektionsschutzgesetzes. Übergeordnete Ziele des Hygienekonzeptes der Trinkwasserspeicherung sind • die Vermeidung von Beeinträchtigungen der Trinkwasserqualität durch Einsatz hygienisch geeigneter/ zugelassener Materialien, • die Vermeidung von Infektionen/ Verkeimungen durch Aufklärung und Unterweisung (nach §42/ 43 Infektionsschutzgesetz) sowie • die Vermeidung von Verunreinigungen durch klare Anweisungen und vorbeugende Maßnahmen. Die Trinkwasserspeicheranlage soll als Ausgangspunkt trinkwasserhygienischer Probleme ausgeschlossen werden können. Hygienekonzepte unterscheiden dabei ausdrücklich nicht zwischen • den Anforderungen während eines planmäßigen Betriebes der Anlage bzw. den Anforderungen während außerplanmäßiger Arbeiten (z. B. Instandsetzungsarbeiten) sowie • dem Neubau bzw. der Instandsetzung einer Anlage. Hygieneaspekte müssen bei der gesamten Wertschöpfungs- und Prozesskette, beginnend bei • den Ausgangsstoffen, • der Zusammensetzung, • der Verarbeitung bis hin zu • den Werkstoffveränderungen durch das Trinkwasser, • beachtet werden. Die Konzepte • sind unabhängig vom Auskleidungssystem des Behälters oder auch der Behälterbauweise (Ortbetonbehäl- 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 17 Vorst. d. „Praxisleitfaden für ein Hygienemanag. im Bereich der Trinkwasserspeicherung“ des S.I.T.W. im Kontext zum „Merkblatt DVGW W 300-8 (M)“ ter, Systembehälter etc.) anzuwenden und verfolgen des Weiteren folgende Grundsätze: • Die materialspezifischen Hygienenachweise für alle Materialien gemäß DVGW W 270 (A), DVGW W 347 (A), DVGW W 398 (M) sowie die Bewertungsgrundlagen und Leitlinen des Umweltbundesamtes sind zu beachten. • Die Durchführung einer Reinigung und Desinfektion ersetzt kein Hygienekonzept auf der Baustelle. • Eine Differenzierung zwischen wasserberührten Oberflächen und dahinter angeordneter Konstruktion ist nicht möglich, da keine Oberfläche - mit Ausnahme von nichtrostendem Stahl - als diffusionsdicht angesehen werden kann. Fazit: Auch die unterhalb der wasserberührten Oberfläche eingesetzten Baustoffe/ Bauhilfsstoffe müssen für den Einsatz im Trinkwasserbereich geeignet sein. Hygienekonzepte verfolgen den Grundgedanken, alle denkbaren Gefährdungspotentiale, die sich negativ auf die Trinkwasserhygiene und damit auf die Trinkwasserqualität auswirken könnten, zu vermeiden. Die Grundlagen zur Vermeidung hygienischer Mängel werden bereits während der Errichtung bzw. Instandsetzung von Trinkwasserbehältern geschaffen. So können hygienische Mängel infolge eines unzureichenden Hygienekonzeptes (z. B. durch Verwendung ungeeigneter Baustoffe, Kontaminationen in Auskleidungen etc.) oftmals durch nachfolgende Reinigung/ Desinfektion nicht mehr beseitigt werden. Sämtliche Maßnahmen zur Sicherung der Trinkwasserhygiene sind daher bereits im Rahmen der Planung aufzustellen, während der Errichtung/ Instandsetzung fortzuschreiben und sollten anschließend während des Betriebes der Anlagen berücksichtigt werden. Das Hygienekonzept beinhaltet im Einzelnen Angaben/ Maßnahmen bzgl. • organisatorischer Punkte (Angaben zum Hygienekoordinator, Maßnahmenkatalog, Ausweisung von Hygienezonen, Hygieneplan, Hygieneablaufplan, Notfallpläne etc.), • trinkwasserhygienisch geeigneter Bau- und Bauhilfsstoffe (Überwachung auf Übereinstimmung mit dem LV), • der Ordnung und Sauberkeit auf der Baustelle im Hinblick auf Werkzeuge/ Arbeitsmittel, • dem Schutz angrenzender Betriebsanlagen, • der Regelungen zum Verzehr von Nahrungs- und Genussmitteln, • der Lagerung von Bau-, Bauhilfsstoffen und Produkten mit späterem Trinkwasserkontakt, • der Vermeidung von Verunreinigungen des „Betonierraumes“, • dem Schutz von bereits hergestellten Betonflächen sowie • dem Schutz der bereits hergestellten Auskleidungsflächen vor Verunreinigung / Beschädigung. 2.1 Aufbau des Praxisleitfadens im Kontext zum DVGW-Merkblatt W 300-8 (M) Der Praxisleitfaden ist so aufgebaut, dass die jeweiligen Erläuterungen und praktischen Handlungshinweise den jeweiligen Passagen des DVGW-Merkblattes- W- 300- 8-(2016) direkt gegenübergestellt sind. 18 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Vorst. d. „Praxisleitfaden für ein Hygienemanag. im Bereich der Trinkwasserspeicherung“ des S.I.T.W. im Kontext zum „Merkblatt DVGW W 300-8 (M)“ 2.2 Anforderungen an das Personal 2.2.1 Hygienekoordinator als zentrale Person des Hygienekonzeptes Der Bauherr ist grundsätzlich verantwortlich für das Thema „Hygiene“. So benennt und beauftragt der Bauherr auch mit dem Hygienekoordinator die zentrale Person des Hygienekonzeptes: Ein Hygienekoordinator muss dabei gem. DVGW-Merkblattes-W-300-8-(2016) zwingend mindestens eine der folgenden Qualifikationen nachweisen: Erfüllung der Anforderungen gem. DVGW-Arbeitsblatt W 316 (2018) an • Fachaufsichten und / oder • Fachplaner Gemäß S.I.T.W.-Arbeitsgruppe „Hygiene“ sollte ein Hygienekoordinator • durch den Bauherren benannt und beauftragt werden, • nicht durch ein ausführendes Unternehmen gestellt werden und • grundsätzlich ein Fachplaner gem. DVGW-Arbeitsblatt W 316 (2018) sein. Grundsätzlich ist die Stellung eines Hygienekoordinators eine „Besondere Leistung“, die vergütet werden muss. Der Hygienekoordinator agiert in direkter Abstimmung mit dem Gesundheitsamt/ dem SiGeKo und ist für das Thema „Hygienekonzept“ weisungsbefugt gegenüber allen Projektbeteiligten (vgl. nachfolgende Abbildung). Ergänzend sollte jeder Projektbeteiligte (Bauherr, Fremdfirmen des Bauherrn, Planer, Fachplaner, Ausführende Unternehmen etc.) einen Hygienebeauftragten benennen, der als direkter Ansprechpartner des Hygienekoordinators fungiert und dessen Anordnungen/ Hinweise umsetzt. Der Hygienekoordinator ist zuständig für • die Erstellung des Hygienekonzeptes auf Basis des Bauzeitenplans, • die Erstellung der wesentlichen Unterlagen (Maßnahmenkatalog, Unterweisungsformulare für Unterweisung/ Schulung, Hygieneplan und Hygieneablaufplan, Überwachungsberichte zur Einhaltung des Hygienekonzeptes, Notfallpläne etc.), • die Erstellung von Vorgaben zur Umsetzung von Hygienestandards (Planung) / VOB-konformes LV; • die Einholung von hygienerelevanten Nachweisen und ggf. Gefährdungsabschätzungen etc., • die Unterweisung der jeweiligen Hygienebeauftragten / relevanten Mitarbeiter vor Aufnahme der Bautätigkeiten, • die Anweisung der Hygienebeauftragten der jeweiligen Projektbeteiligten, • die Überwachung der Umsetzung / Einhaltung des Hygienekonzeptes sowie des Hygieneplans auf der Baustelle • die regelmäßige Dokumentation der Überwachungsergebnisse mit Anweisungen zur Beseitigung von Hygienemängeln. 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 19 Vorst. d. „Praxisleitfaden für ein Hygienemanag. im Bereich der Trinkwasserspeicherung“ des S.I.T.W. im Kontext zum „Merkblatt DVGW W 300-8 (M)“ Die Aufgaben der Hygienebeauftragten bestehen in • der Durchführung und Dokumentation von vorbeugenden Untersuchungen (Gefahr- und Risikoanalyse), • der Einführung / Weiterentwicklung des jeweiligen Hygienemanagement-Systems in der jeweiligen Organisation, • der Überwachung und ggf. Modifizierung des Hygienemanagement-Systems, • der Koordination der Erstellung / Überwachung / Lenkung des Hygienemanagement-Handbuchs, • der Festlegung von Methoden und „Grenzwerten“ zur Beherrschung von kritischen Kontrollpunkten, • der Planung / Initiierung / Koordination und Evaluation von internen Hygienemanagement-Projekten einschl. übergreifender Arbeitsgruppen sowie • der Sammlung / Auswertung von Informationen / Daten im Rahmen des Hygiene-Controllings. Um das Hygienekonzept auch im Rahmen des praktischen Betriebsablaufs eines Wasserversorgungsunternehmens umzusetzen, muss der Hygienekoordinator in Anlehnung an das DVGW Merkblatt-W-300-8- folgende Aufgaben erfüllen: - Ausweisung der Hygienezonen in den verschiedenen Anlagentypen und Standorten des Wasserversorgungsunternehmens. - Durchführung von Schulungen und Unterweisungen über die Hygiene im Betrieb. - Sensibilisierung des Personals für mögliche Gefahrenherde. - Durchführung von Unterweisungen für beauftragte Fremdfirmen, die im Betrieb tätig werden. - Überprüfung der Listen zur Schulung und Unterweisung sowie der Anwesenheit des Personals. - Überwachung der Einhaltung der Hygiene während des Betriebes anhand von Anlagenbegehungen. Die Überwachungstätigkeit ist anhand von Hygieneberichten zu dokumentieren. Die Hygieneberichte sollten den aktuellen Stand der Hygiene im Betrieb widerspiegeln und auf ggf. vorhandene Problemstellungen hinweisen. Sie sind dem verantwortlichen Personal des Betreibers (technischer Betriebsleiter etc.) vorzulegen. - Koordinieren von hygienerelevanten Prozessen (Wasserkammerreinigung, Wartungsarbeiten, etc.) in Zusammenarbeit mit dem ausführenden Personal. - Erstellung erforderlicher zusätzlicher Unterlagen / Überarbeitung und Aktualisierung bestehender Unterlagen wie Maßnahmenkataloge etc. 2.2.2 Anforderungen an das Baustellenbzw. Betriebspersonal Grundsätzlich sollte das Personal, das Inspektions-, Wartungs- und Instandhaltungsmaßnahmen innerhalb von Wasserversorgungsanlagen wahrnimmt, den Nachweis erbringen, dass kein Tätigkeits- und Beschäftigungsverbot gemäß §-42 Infektionsschutzgesetz (IfSG) vorliegt. Dies ist gemäß §- 43- IfSG durch eine gültige Bescheinigung des Gesundheitsamtes, die bei Tätigkeitsbeginn nicht älter als drei Monate sein darf, nachzuweisen. Des Weiteren hat der Betreiber von Wasserversorgungsanlagen sein Personal gemäß §-43, Abs. 4-IfSG nach deren Tätigkeitsbeginn in einem regelmäßigen Turnus von zwei Jahren über das Tätigkeits- und Beschäftigungsverbot nach §-42-IfSG und ihre Verpflichtung gemäß §-43, Abs. 2-IfSG zur Mitteilung von Hinderungsgründen zu belehren. Die Teilnahme des Personals an der Belehrung ist schriftlich zu dokumentieren. Personal, das von beauftragten Fremdfirmen zum Einsatz innerhalb von Wasserversorgungsanlagen eingesetzt wird, hat dieselben Anforderungen zu erfüllen. Dem Personal ist für Arbeiten innerhalb der Hygienezone-A-(siehe Kapitel-1), die unter anderem die Wasserkammern von Trinkwasserbehältern einschließt, gesonderte Arbeitskleidung zur Verfügung zu stellen. Diese Arbeitskleidung, die mindestens Schutzanzüge mit Kapuze, Gummistiefeln, Überschuhen, Handschuhen, Kopf bedeckung und ggf. Mund- und Nasenschutz beinhaltet, ist getrennt von der täglichen Arbeitskleidung an einem sauberen Ort zu lagern. Das Personal hat in regelmäßigen Abständen den Zustand dieser Arbeitskleidung zu kontrollieren. Der Betreiber hat zu diesem Zweck das Personal im Umgang mit dieser Schutzkleidung zu unterweisen. Weiterhin hat er dafür Sorge zu tragen, dass defekte oder verschmutzte Schutzkleidung ausgetauscht oder gereinigt wird. Für Arbeiten (Reinigung, Wartung, Instandhaltung sowie Instandsetzung) innerhalb von Wasserversorgungsanlagen ist ausschließlich ausgebildetes und qualifiziertes Personal einzusetzen. Die erforderliche Ausbildung richtet sich nach den Vorgaben des DVGW-Arbeitsblattes W-1000-(2014). Das Personal ist hinsichtlich der Hygienevorschriften zu unterweisen. Beim Einsatz von Fremdfirmen sind auch diese vor Beginn der Arbeiten bezüglich Einhaltung der Hygiene zu unterweisen. Es dürfen ausschließlich Personen eingesetzt werden, bei denen eine Unbedenklichkeitsbescheinigung des Gesundheitsamtes vorliegt. 2.3 Anforderungen an die bau- und anlagentechnische Ausrüstung Um die Hygiene für den Anlagenbetrieb sicherzustellen, sollte bei Inspektions-, Wartungs- und Instandhaltungsmaßnahmen ein hoher Stellenwert auf die hygienische Eignung eingesetzter Arbeits- und Betriebsmittel, Baustoffe und Bauhilfsstoffe sowie Austausch- und Verschleißteile gelegt werden. Bei der Auswahl von Materialien für Wartungs- und Instandsetzungszwecke sind daher die Hygienenachweise gemäß nachfolgender Merkblätter / Leitlinien zu berücksichtigen: - DVGW-Arbeitsblatt W-270- - DVGW-Arbeitsblatt-W-347- - DVGW-Merkblatt-W-398- - Bewertungsgrundlagen und Leitlinien des Umweltbundesamtes - Liste der Aufbereitungsstoffe und Desinfektionsverfahren des Umweltbundesamtes gemäß § 11 der Trinkwasserverordnung Werkzeuge und Geräte, die für den Betrieb vorgehalten werden, sollten regelmäßig gereinigt werden, so dass 20 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Vorst. d. „Praxisleitfaden für ein Hygienemanag. im Bereich der Trinkwasserspeicherung“ des S.I.T.W. im Kontext zum „Merkblatt DVGW W 300-8 (M)“ sich diese jederzeit in einem hygienisch einwandfreien Zustand befinden. Bei Werkzeugen, die zum Einsatz innerhalb der Hygienezone-A-(siehe Kapitel-3.4.1) - zum Beispiel für die Reinigung der Wasserkammern von Trinkwasserbehältern - vorgesehen sind, sollte eine getrennte Lagerung in separaten Lagern / “Hygienecontainern“ vorgesehen werden. So kann vermieden werden, dass die Werkzeuge während der Lagerung durch andere Werkzeuge verunreinigt werden. Grundsätzlich sind alle Werkzeuge und Geräte, Kabel, Schläuche, Behältnisse für Materialien o.ä. vor dem Einbringen in die Hygienezone-A zu desinfizieren. Die Verwendung von Öl, Hydrauliköl, Fetten, Schalölen, Trennmitteln und Maschinen mit Verbrennungsmotor sollte in sämtlichen Hygienezonen vermieden werden. Sofern Aggregate verwendet werden, für deren Betrieb wassergefährdende Stoffe erforderlich sind, müssen diese in Auffangwannen aufgestellt werden. Bei der Lagerung von Austausch- und Verschleißteilen ist auf größtmögliche Sauberkeit zu achten. Rohrleitungen, Formteile und Armaturen sollten nicht unter freiem Himmel und getrennt von Werkzeugen oder sonstigen Geräten gelagert werden. Zudem sind diese vor Verunreinigungen zu schützen (z. B. durch Abdecken, Schutzfolie, etc.) und so zu lagern, dass die Rohrinnenwände bzw. die medienberührenden Flächen sauber gehalten werden. Rohre sind daher mit entsprechenden Verschlusskappen an den Enden zu versehen. Austausch- und Verschleißteile sind grundsätzlich vor dem Einbau zu reinigen und zu desinfizieren. Für die Reinigung und Desinfektion von Wasserversorgungsanlagen sind die Anforderungen gemäß den DVGW Arbeitsblättern W-290 (2005) und W-291-(2000) zu beachten. Desinfektionsmittel sind nach ihrem Anwendungsbereich sowie der vorliegenden Verunreinigung auszuwählen. 2.4 Anforderungen an die Umsetzung einer Instandsetzungs-/ Neubaumaßnahme 2.4.1 Hygienezonen - Definition / Erweiterung Da in verschiedenen Anlagenbereichen unterschiedliche Anforderungen an die Hygiene zu stellen sind, soll die Ausweisung von Hygienezonen dem Personal von ausführenden Firmen während der Durchführung einer Instandsetzungsbzw. Neumaßnahme bzw. dem Personal von Wasserversorgungsanlagen dazu dienen, die äußerst sensiblen Zonen abgrenzen und die zugehörigen Hygienevorschriften in die Praxis umsetzen zu können. Hierbei werden in Anlehnung an das DVGW-Merkblatt W-300-8 Bereiche mit unterschiedlichem Schutzbedürfnis im Hinblick auf die Maßnahmen zur Gewährleistung der Hygiene unterschieden. Für die Kontrolle der Einhaltung der Hygienezonen ist der Hygienekoordinator zuständig. Während das DVWG-Merkblatt W 300-8 nur zwischen den Hygienezonen A bis D unterscheidet, sieht die S.I.T.W.-Arbeitsgruppe „Hygiene“ ergänzend die Hygienezone E vor (vgl. nachfolgende Abbildung): 2.4.2 Hygieneplan und Maßnahmenkataloge / Maßnahmenpakete Ein Hygieneplan ist ein Lageplan der Wasserspeicheranlage mit einer exakten Einteilung des gesamten Gebietes in die unterschiedlichen Hygienezonen. Jeder Hygienezone sind dann gemäß DVWG-Merkblatt W 300-8 wiederum unterschiedliche Maßnahmenkataloge zuzuordnen (vgl. nachfolgende Abbildung). 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 21 Vorst. d. „Praxisleitfaden für ein Hygienemanag. im Bereich der Trinkwasserspeicherung“ des S.I.T.W. im Kontext zum „Merkblatt DVGW W 300-8 (M)“ In vorgenannten Maßnahmenkatalogen werden die Hygienevorschriften für die aufgeführten Hygienezonen definiert. Hierbei wird unterschieden zwischen dem allgemeinen Maßnahmenkatalog, der für alle Hygienezonen und somit grundsätzlich für alle Wasserversorgungsanlagen gilt, und den Maßnahmenkatalogen für die einzelnen Hygienezonen der Wasserversorgungsanlagen im Einzelnen. Die Maßnahmenkataloge sollten in jeder Wasserversorgungsanlage gut sichtbar für das Personal ausgehängt werden. Weiterhin sollte der Hygienekoordinator das Personal anhand der Maßnahmenkataloge unterweisen. Da jedoch die praktische Umsetzung bestimmter Hygienevorschriften - gerade im Bereich der Hygienezone A - während der Rückbau- und Austragsarbeiten praktisch nicht umsetzbar sind, sollten gemäß S.I.T.W.-Arbeitsgruppe „Hygiene“ die in den einzelnen Hygienezonen erforderlichen Hygienemaßnahmen - in Abhängigkeit vom Baufortschritt - in Form von Maßnahmenpaketen definiert werden (vgl. nachfolgende Abbildung). Für die drei Maßnahmenpakete (Max. Anforderungspaket, Erweitertes Basispaket, Basispaket) je Hygienezone (A bis E) sind dann sind die entsprechenden Maßnahmenkataloge zu definieren (vgl. nachfolgende Abbildung): Die meisten konkret definierten Handlungshinweise der S.I.T.W.-Arbeitsgruppe „Hygiene“ zur sachgerechten Umsetzung der Vorgaben des DVGW-Merkblattes W 300-8 in die Praxis beziehen sich auf das Kapitel 7 - Maßnahmenkatalog. Die nachfolgende Abbildung zeigt einen Auszug der Gegenüberstellung Praxisleitfaden-DVGW-Merkblatt W 300-8 / Kapitel 7. 22 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Vorst. d. „Praxisleitfaden für ein Hygienemanag. im Bereich der Trinkwasserspeicherung“ des S.I.T.W. im Kontext zum „Merkblatt DVGW W 300-8 (M)“ Um die Hygieneanforderungen während des Anlagenbetriebes umsetzen zu können, können ebenfalls Hygienepläne als Hilfsmittel herangezogen werden. Hierbei wird das Ziel verfolgt, dass sich die Wasserversorgungsanlage grundsätzlich jederzeit in einem sauberen und hygienisch einwandfreien Zustand befindet. Neben den normalen begehbaren Anlagenteilen zählen hierzu auch die Anlagenbereiche zur Wasserfassung und Zwischenspeicherung von Wasser, die nur teilweise begehbar bzw. einsehbar sind. 2.4.3 Hygieneablaufplan und Maßnahmenkataloge/ Maßnahmenpakete Der Hygieneablaufplan ist i. d. R. in den Baustellenablaufplan integriert und zeigt somit auf, welche Maßnahmenpakete in jeder Hygienezone in welchem Zeitraum vorzuhalten bzw. umzusetzen sind. Die beiden nachfolgenden Abbildungen zeigen Hygieneablaufpläne am Beispiel einer Sanierungsmaßnahme bzw. am Beispiel einer Neubaumaßnahme auf. 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 23 Vorst. d. „Praxisleitfaden für ein Hygienemanag. im Bereich der Trinkwasserspeicherung“ des S.I.T.W. im Kontext zum „Merkblatt DVGW W 300-8 (M)“ 24 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Vorst. d. „Praxisleitfaden für ein Hygienemanag. im Bereich der Trinkwasserspeicherung“ des S.I.T.W. im Kontext zum „Merkblatt DVGW W 300-8 (M)“ 2.4.4 Unterweisung Vor Beginn der Baumaßnahme sind alle projektbeteiligten Personen vom Hygienekoordinator in die Hygienevorschriften einzuweisen. Die Teilnahme an der Unterweisung ist verpflichtend und muss von jedem Teilnehmer mit Unterschrift bestätigt werden (vgl. nachfolgende Abbildung: Darstellung eines Unterweisungsprotokolls). Zu den projektbeteiligten Personen gehören dabei - neben den Vertretern des Auftraggebers bzw. Bauherrn, des Planungsbüros sowie der ausführenden Fachfirmen - des Weiteren Mitarbeiter von Fremdfirmen, Subunternehmern, Serviceunternehmen (Entsorgung etc.) und öffentlicher Behörden (Bauaufsichtsbehörde etc.) sowie der SiGeKo. 2.5 Abgrenzung von „Nebenleistungen“ und „Besonderen Leistungen“ Bei den Leistungen zur Planung, Umsetzung und Überwachung eines Hygienekonzeptes handelt es sich nicht grundsätzlich um Nebenleistungen gemäß VOB/ C (Allgemeine Technische Vertragsbedingungen für Bauleistungen (ATV) - Allgemeine Regelungen für Bauarbeiten jeder Art (DIN 18299), sondern ggf. um vergütungspflichtige „Besondere Leistungen“. Eine exakte Abgrenzung zwischen Nebenleistungen und „Besonderen Leistungen“ gem. VOB/ C ist notwendig, da „Besondere Leistungen“ zum Hygieneschutz exakt definiert und als gesonderte Position ausgeschrieben werden müssen. Resultierend aus vorgenanntem Punkt ist dem Praxisleitfaden als Anhang A eine beispielhafte Auflistung von vergütungspflichtigen („Besonderen“) Leistungen beigefügt (vgl. nachfolgende Abbildung: Auszug aus Anhang A / „Hygienekonzept der Trinkwasserspeicherung - Praxisleitfaden“). 2.6 Notfallpläne Für Wasserversorgungsanlagen sollten - für den Fall des Auftretens und der Feststellung einer Verunreinigung innerhalb einer Wasserversorgungsanlage oder dem Versorgungsnetz - sogenannte Notfallpläne vom Betreiber vorgehalten werden. Grundsätzlich sollten Wasserversorgungsunternehmen gemäß den Vorgaben nach §-16,-Abs.-5 der Trinkwasserverordnung-(TrinkwV) seit dem 01. April 2003 über einen sogenannten Maßnahmeplan verfügen. In diesem Maßnahmeplan sollten folgende Hinweise dokumentiert werden: 1. Hinweise, wie in den Fällen, in denen nach §-9-Absatz-3-Satz-2 die Wasserversorgung sofort zu unterbrechen ist, die Umstellung auf eine andere Wasserversorgung zu erfolgen hat. 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 25 Vorst. d. „Praxisleitfaden für ein Hygienemanag. im Bereich der Trinkwasserspeicherung“ des S.I.T.W. im Kontext zum „Merkblatt DVGW W 300-8 (M)“ 2. Hinweise, welche Stellen im Falle einer festgestellten Abweichung zu informieren sind und wer zur Übermittlung dieser Information verpflichtet ist. Der Maßnahmeplan sollte auf die örtlichen Gegebenheiten der Wasserversorgung abgestimmt und vom zuständigen Gesundheitsamt genehmigt sein. Notfallpläne sind lediglich als eine Ergänzung des Maßnahmeplans zu sehen und sollten die in diesen enthaltenen Vorgaben und Maßgaben berücksichtigen. Zudem sollten Notfällpläne auf den jeweiligen Anlagentyp abgestellt sein und örtliche Einschränkungen berücksichtigen. Grundsätzlich sollte der Betreiber von Wasserversorgungsanlagen über eine Gefährdungsanalyse gemäß DIN-EN-15975-2-für jede seiner Anlagen verfügen, um beim Eintreten von Ereignissen eine Abschätzung über mögliche Auswirkungen auf das Grundwasser bzw. Trinkwasser vornehmen zu können. Auf Grundlage dieser Gefährdungsanalysen sind vom zuständigen Hygienekoordinator anlagenspezifische Notfallpläne/ -konzepte aufzustellen. Das Personal sollte durch den Hygienekoordinator dahingehend unterwiesen werden, dass beim Eintreten eines „Notfalls“ entsprechende Handlungsanweisungen existieren: Der Ablauf der einzelnen Schritte und die ggf. zu ergreifenden Maßnahmen müssen allen Beteiligten unbedingt bekannt sind. Grundsätzlich sollten folgende allgemeine Anforderungen im Rahmen von Notfallplänen Berücksichtigung finden: - Alle Ereignisse, die eine Beeinträchtigung der Trinkwasserqualität zur Folge haben können, sowie alle bereits festgestellten Verunreinigungen sind umgehend dem zuständigen Gesundheitsamt zu melden. - Bei auftretenden Verunreinigungen in Wasserversorgungsanlagen bzw. dem Versorgungsnetz sollte die Aufrechterhaltung der leitungsgebundenen Wasserversorgung angestrebt werden. Hierzu sind betriebliche Sofortmaßnahmen zu ergreifen. - Für den Fall, dass eine akute Gefahr für die Wasserversorgung zu erwarten ist, sollte durch den Betreiber festgelegt werden, welche Stellen zusätzlich informiert werden müssen. Hierzu gehören beispielsweise die zuständige Umwelt- und Ordnungsbehörde, Polizei-, Feuerwehr- und Rettungsleitstellen, Katastrophenschutzorganisationen (z. B. die Bundesanstalt Technisches Hilfswerk) sowie Betreuungs- und Sanitätsorganisationen. - Nach §-9,-Abs.-3-TrinkwV ist eine sofortige Unterbrechung der Wasserversorgung in betroffenen Leitungsnetzen oder Netzteilen vorzunehmen, wenn das Wasser mit Krankheitserregern nach §-5-TrinkwV „in Konzentrationen verunreinigt ist, die eine akute Schädigung der menschlichen Gesundheit erwarten lassen“ und keine Möglichkeit besteht, das Wasser gemäß §-5, Abs.-5-TrinkwV ausreichend zu desinfizieren oder eine schädliche Belastung für die menschliche Gesundheit durch chemische Stoffe besteht. Da eine großräumige Außerbetriebnahme der Wasserversorgung nur bei den zuvor aufgeführten Ausnahmenfällen in Frage kommt, sind im Falle einer Verunreinigung in Anlagen oder dem Verteilungsnetz gemäß DVGW- Hinweis- W- 1020- folgende betriebliche Sofortmaßnahmen möglich: - Spülung betroffener Rohrnetzabschnitte, - Eingrenzung des gefährdeten Versorgungsbereiches durch Abtrennung / Abschiebern, - kurzfristige Versorgung aus Wasserspeichern, - Optimierung der bestehenden Wasseraufbereitung im Hinblick auf eine gezielte Beseitigung von Verunreinigungen bzw. Grenzwertüberschreitungen, - Erweiterung der bestehenden Wasseraufbereitung (z. B. durch Zugabe von Pulveraktivkohle oder Inbetriebnahme einer Desinfektion), - „provisorische“ Wasseraufbereitung / Desinfektion, - verstärkte, ggf. zusätzliche Desinfektionsmaßnahmen im Netz, - „Verbot“ der Wassernutzung für bestimmte Verwendungszwecke, z. B. als Lebensmittel, - Rückgriff auf nicht kontaminierte unternehmenseigene Vorkommen, d. h. Außerbetriebnahme von beeinträchtigten Wassergewinnungsanlagen, - Rückgriff auf Fremdwasservorkommen benachbarter Wasserversorgungsunternehmen, sofern eine Verbundversorgung möglich ist, - Maßnahmen, um das Trinkwasser als Lebensmittel ungenießbar zu machen (hohe Chlorzugabe), - Empfehlungen und Informationen für die Verbraucher zum Umgang mit kontaminiertem Wasser. 2.7 Checkliste Hygienekonzept Um die Aufstellung/ Umsetzung eines Hygienekonzeptes für die Trinkwasserspeicherung in der Praxis „anwendbar“ zu gestalten, wurde dem Praxisleitfaden des S.I.T.W. als Anhang D eine „Checkliste Hygienekonzept“ beigefügt. Diese Checkliste enthält die wesentlichen Anforderungen zur Aufstellung eines Konzeptes. Die Checkliste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und muss von jedem Anwender für jede Maßnahme neu überprüft und ggf. modifiziert/ erweitert werden. Quellenverzeichnis (jeweils in der gültigen Fassung) [1] Trinkwasserverordnung - TrinkwV [2] Infektionsschutzgesetz - IfSG- [3] Verordnung (EG) Nr. 852/ 2004 des Europäischen Parlaments und des Rates der Europäischen Union vom 29.04.2004 [4] DVGW-W-300-8-(M): Trinkwasserbehälter; Teil-8: Praxishinweise Hygienekonzept: Neubau und Instandsetzung [5] Hygienekonzept der Trinkwasserspeicherung - Praxisleitfaden S.I.T.W. [6] DVGW-W-300-1 (A): Trinkwasserbehälter; Teil-1: Planung und Bau. [7] DVGW-W-300-2-(A): Trinkwasserbehälter; Teil-2: Betrieb und Instandhaltung. [8] DVGW-W-300-3-(A): Trinkwasserbehälter; Teil-3: Instandsetzung und Verbesserung. 26 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Vorst. d. „Praxisleitfaden für ein Hygienemanag. im Bereich der Trinkwasserspeicherung“ des S.I.T.W. im Kontext zum „Merkblatt DVGW W 300-8 (M)“ [9] DVGW-W-300-4-(A): Trinkwasserbehälter; Teil-4: Werkstoffe, Auskleidung und Beschichtungssysteme - Grundsätze und Qualitätssicherung auf der Baustelle. [10] DVGW-W-300-5-(A): Trinkwasserbehälter; Teil-5: Bewertung der Verwendbarkeit von Bauprodukten für Auskleidungs- und Beschichtungssysteme [11] DVGW-W-300-6-(M): Trinkwasserbehälter; Teil-6: Planung, Bau, Betrieb und Instandhaltung von System- und Fertigteilbehältern. [12] DVGW-W-300-7-(M): Trinkwasserbehälter; Teil-7: Praxishinweise Reinigungs- und Desinfektionskonzept. [13] DVGW- W- 316- (A): Qualifikationsanforderungen an Fachunternehmen für Planung, Bau, Instandsetzung und Verbesserung von Trinkwasserbehältern; Fachinhalte. [14] DVGW- W- 347- (A): Hygienische Anforderungen an zementgebundene Werkstoffe im Trinkwasserbereich - Prüfung und Bewertung. [15] DVGW W 398- (M): Praxishinweise zur hygienischen Eignung von Ortbeton und vor Ort hergestellten zementgebundenen Werkstoffen zur Trinkwasserspeicherung. [16] DVGW-W-1000-(A): Anforderungen an die Qualifikation und die Organisation von Trinkwasserversorgern. [17] DVGW W 290 (A): Trinkwasserdesinfektion - Einsatz- und Anforderungskriterien. [18] DVGW W 291 (A): Reinigung und Desinfektion von Wasserverteilungsanlagen. [19] DVGW- W- 127- (A: Quellwassergewinnungsanlagen-- Planung, Bau, Betrieb, Sanierung und Rückbau. [20] DVGW W 101- (A): Richtlinien für Trinkwasserschutzgebiete; Teil 1: Schutzgebiete für Grundwasser. [21] DVGW W 1020 (H): Empfehlungen und Hinweise für den Fall von Grenzwertüberschreitungen und anderen Abweichungen von Anforderungen der Trinkwasserverordnung. [22] DIN EN 15975-2: Sicherheit der Trinkwasserversorgung - Leitlinien für das Risiko- und Krisenmanagement - Teil 2: Risikomanagement. [23] Liste der Aufbereitungsstoffe und Desinfektionsverfahren gemäß § 11 Trinkwasserverordnung: Umweltbundesamt: Bekanntmachung der Liste der Aufbereitungsstoffe und Desinfektionsverfahren gemäß § 11 der Trinkwasserverordnung. [24] Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen-(AwSV): Bundesregierung: Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen-(AwSV). [25] DVGW-W- 400-1 (A): Technische Regeln Wasserverteilungsanlagen (TRWV); Teil 1: Planung 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 27 Praktische Aspekte zur Festlegung des Sollzustandes für Trinkwasserbehälter gemäß neuem „Arbeitsblatt DVGW W 300-1“ Dipl.-Ing. Helmut Richter Hessenwasser GmbH & Co. KG, Groß-Gerau Zusammenfassung Im Jahr 2014 erschien beim DVGW mit der W 300 Reihe ein vollständig überarbeitetes Regelwerk für Wasserbehälter, welches inzwischen 8 Teile umfasst. Seit Sommer 2020 wurden und werden die Teile 1 und 3 (aktuell im Gelbdruck vorliegend) und zwischenzeitlich auch in die Teile 2 und 4 überarbeitet. Die Anpassung des Teils 5 wurde im bereits im Jahr 2020 abgeschlossen. Die Teile 6 bis 8 bleiben zunächst in ihrer aktuellen Form erhalten. Die Überarbeitung hat im Wesentlichen die Lebenszyklusbetrachtung sowie die Integration neuester Forschungsergebnisse und Normung sowie praktischer Erfahrungen bei gleichzeitig engerer Verzahnung und klarer inhaltlicher Abgrenzung der einzelnen Teile zum Ziel. Die Bezeichnung der einzelnen Teile, deren Hauptinhalte sowie die Zusammenhänge und die Anwendbarkeit über den Lebenszyklus von Wasserbehältern sind in der nachfolgenden Grafik (Abb. 1) aufgezeigt. Das Arbeitsblatt DVGW W 300-1; Trinkwasserbehälter; Teil 1: Planung und Bau (Entwurf November 2022) beinhaltet im wesentlichen Ergänzungen im Anwendungsbereich, bei der technischen Ausrüstung sowie bei der Tragwerksplanung und der Bauausführung. Der Abschnitt ,Rückbau‘ wurde neu eingefügt. Es wird definiert, dass die beschriebenen Anforderungen an den Sollzustand nicht nur für den Neubau, sondern auch für die Betriebsphase und die Instandsetzung/ Verbesserung gelten. Im Detail werden u. a. zusätzliche Möglichkeiten der Gestaltung des Überlaufs eröffnet und Hinweise für die lufttechnische Ausstattung ergänzt. Ganz neu ist das Thema ,Beleuchtung‘. Es wird insgesamt ein stärkerer Fokus auf die Erzielung möglichst glatter, ebener und porenarmer wasserberührter Betonoberflächen gelegt. Im Zusammenspiel mit den anderen überarbeiteten und beibehaltenen Teilen des W 300 entsteht ein noch übersichtlicheres und klareres, an aktuelle Erkenntnisse angepasstes Regelwerk für Wasserbehälter in der Trinkwasserversorgung. Abb. 1: Anwendung des DVGW-Regelwerks der Reihe W 300 über den Lebenszyklus von Wasserbehältern in der Trinkwasserversorgung 28 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Praktische Aspekte zur Festlegung des Sollzustandes für Trinkwasserbehälter gemäß neuem „Arbeitsblatt DVGW W 300-1“ 1. Einführung Der Schutz und Erhalt der Trinkwasserbeschaffenheit in Wasserbehältern erfordern eine hohe Qualität der verwendeten Bauteile und Systeme und stellen hohe Anforderungen an den Betrieb und die Instandhaltung. Diese Anforderungen und die entsprechenden technischen Regeln zu deren Erfüllung wurden im Jahr 2014 neu formuliert. Es erschien beim DVGW mit dem W 300 ein vollständig überarbeitetes Regelwerk für Wasserbehälter in 5 Teilen, welches im Jahr 2016 auf 8 Dokumente erweitert wurde. Die enthaltenen Regelungen dienen als Grundlage für Planung, Bau, Betrieb, Instandhaltung, Instandsetzung und Verbesserung von Wasserbehältern in der Trinkwasserversorgung. Zudem werden technische und hygienische Anforderungen an Stoffe, Stoff-systeme und Ausführungsverfahren festgelegt. Das Regelwerk wird seit Sommer 2020 in wesentlichen Strecken vom Projektkreis „W 300“ im Technischen Komitee „Wasserspeicherung“ überarbeitet. Ziele dieser Überarbeitung sind: • Integration neuester Forschungsergebnisse • Integration neuester Normung • Integration praktischer Erfahrungen • Anpassung/ Korrektur von Begriffen • Engere Verzahnung und klarere Abgrenzung der überabeiteten Teile 1-4 • Berücksichtigung der Inhalte der neu hinzugekommenen Teile 6-8 mit Herausnahme von gleichen Inhalten • Erhöhung der Anwenderfreundlichkeit und Übersichtlichkeit Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf die Technische Regel - Arbeitsblatt DVGW W 300-1 (A) Trinkwasserbehälter; Teil 1: Planung und Bau, derzeit vorliegend im Entwurf vom November 2022. 2. Wesentliche Inhalte der Überarbeitung 2.1 Allgemeines Im Folgenden werden die wichtigsten Änderungen und Ergänzungen im Entwurf des neuen Arbeitsblattes anhand der Gliederung der Hauptkapitel in der Abfolge beschrieben. Hierbei sind Originalzitate in doppelte Anführungszeichen („“) eingebettet. 2.2 Vorwort / Anwendungsbereich Im Vorwort aller überarbeiteten Teile wird ausdrücklich erwähnt, dass die Regelungen sinngemäß auch auf behälterähnliche Objekte angewendet werden können. Somit wird klargestellt, dass die Inhalte z. B. auch für verfahrenstechnische Komponenten mit wasserberührten Oberflächen wie Betonfilter oder Sammel-, Sedimentations-, Reaktions- und Mischbecken gelten. Der Anwendungsbereich wird auf Teilneubauten wie z. B. beim nachtäglichen Einbau einer neuen Bodenplatte und auch auf Bestandsanlagen erweitert. Die Anforderungen des W300-1 sollen als Grundlage für die Bewertung des regelkonformen Zustandes einer Bestandsanlage herangezogen werden. Das W300-1 wird somit als Maßstab für den Sollzustand eines Wasserbehälters im Betrieb (siehe W300-2) sowie für die Instandsetzung und Verbesserung (siehe W300-3) definiert. 2.3 Grundlagenermittlung Hier wurden Ergänzungen für das Nutzvolumen beim Ausgleich von längeren Zeiträumen (z. B. dynamisches Behältervolumen) vorgenommen und Hinweise zur Bewertung der Versorgungssicherheit zugefügt. 2.4 Vorplanung Das Kapitel Vorplanung wurde komplett überarbeitet. Die Beschreibungen wurden ergänzt und systematisch in den folgenden Unterkapiteln zusammengestellt: • Behälterbauart Behälteranordnung • Behälterfunktion • Behälterbauformen • Behälterbauweise • Behälterbauarten • Generelle Anforderungen • Materialauswahl (wasserberührte Bauteile) Die Vorplanung wird mit entsprechenden Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen vervollständigt und endet mit der Entscheidungsfindung für eine Variante. 2.5 Planung Bezüglich der Geometrie der Wasserkammer sind u. a. in Bezug auf Stagnation Anregungen zur Behälterbewirtschaftung aufgenommen worden. Bei der Auswahl hygienisch geeigneter Werkstoffe wird darauf hingewiesen, dass die beschriebenen Anforderungen sinngemäß auch auf die nicht-trinkwasserberührten Flächen wie Behälterdecken, Einstiegsbereiche, Be- und Entlüftungskanäle sowie weitere Einbauten oberhalb der Wasserfläche übertragen werden müssen, da diese indirekt über Kondenswasser und/ oder Luftzirkulation mit dem Trinkwasser in Berührung kommen können. Für Fenster und Türen zur Wasserkammer sind Regelungen zur hygienische Eignung, bauphysikalischen Auslegung und Dichtigkeit neu aufgenommen worden. Im Bereich technische Ausrüstung finden sich viele Neuregelungen und Erweiterungen. So soll die Löschwasserreserve (sofern erforderlich) über die Wasserstandsregelung vorgenommen werden und nicht mehr über die umständliche Nutzung eines Schieber-/ Rohrsystems. Für die Gestaltung des Überlaufs sind weitere Möglichkei- 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 29 Praktische Aspekte zur Festlegung des Sollzustandes für Trinkwasserbehälter gemäß neuem „Arbeitsblatt DVGW W 300-1“ ten mit Anforderungen für den Einsatz von Berstscheiben und Systemen mit Siphon ergänzt worden. Der Bereich lufttechnische Ausstattung ist mit vielen Hinweisen und Anforderungen erweitert, wie z. B. für Luftbelastung und entsprechende Auswahl von Luftfiltern nach der aktuellen DIN EN, Dimensionierung der Komponenten inkl. der Sicherheitsventile und Auswahl von Materialien. Für die Luftentfeuchtung im Bedienungshaus werden in Punkto Luftfeuchtigkeit, Aggregateeinsatz und Luftumwälzung Anregungen aufgeführt, die die unerwünschten Auswirkungen von Tauwasserbildung minimieren sollen. Im ganz neu aufgenommenen Kapitel „Beleuchtung“ werden Anforderungen an • Leuchtdichte bzw. Lichtstärke • Widerstandsfähigkeit gegen die dauernd sehr hohe Luftfeuchtigkeit bzw. die Wassersäule und ggf. gegen Belastungen durch Chlor etc. im Wasser und in der Luft • Hygienische Eignung der Werkstoffe • Konformität mit den VDE Regeln für feuchte oder nasse Umgebung • berufsgenossenschaftlichen Vorschriften • Durchführung von Wartungsarbeiten formuliert. Im Rahmen der Planung soll aufgrund der genannten Anforderungen großer Wert auf die Berücksichtigung der Beleuchtungssituation gelegt werden. Es wird dafür plädiert, die notwendigen Leuchten außerhalb der Wasserkammer anzuordnen, mit dem Vorteil, dass die Anforderungen an die Hygiene und an die Widerstandsfähigkeit nicht erfüllt werden müssen und die leichte und sichere Zugänglichkeit der Leuchten in der Regel gegeben ist. Für den Fall, dass die planende Stelle nach gründlicher Prüfung die dauerhafte Installation von Leuchten innerhalb der Wasserkammer als unumgänglich betrachtet, werden viele Anregungen und Hinweise aufgeführt, wie dann die Einhaltung der Anforderungen gelingen kann. Stichpunkte sind hier u. a. Anordnung von Leuchten oberhalb von Überläufen oder von Zugangspodesten, kurze Kabelwege und/ oder Kabelzuführung von außen, Kabelverlegung auf Edelstahlpritschen und ausreichende Redundanz für den Wartungsfall. Vorgeschlagen wird auch, zum besseren Ausleuchten der Wasserkammer für Reinigungsarbeiten, temporär zusätzliche mobile Leuchten einzusetzen. Es wird empfohlen in schwierigen, unübersichtlichen Behältergeometrien (z. B. mit Mäandern) und auch als Notbeleuchtung, mobile LED-Leuchten mit Akku-Stromversorgung und Schutzkleinspannung zu nutzen. Abb. 2: Leuchte im Bedienungshaus im Bereich der Überwachungsfenster (li.) und für Reinigung temporär zusätzliche mobile Leuchte an einem Geländer (re.) 30 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Praktische Aspekte zur Festlegung des Sollzustandes für Trinkwasserbehälter gemäß neuem „Arbeitsblatt DVGW W 300-1“ Die Ausführungen zum Hygienekonzept sind konsolidiert, da die Detailregelungen im DVGW W 300-8 (M) enthalten sind. Wichtig ist, dass das Hygienekonzept sowohl Anforderungen zur Vermeidung von nicht sachgerechten Kontakten mit den Oberflächen als auch zur Verwendung sämtlicher Bau- und Bauhilfsstoffen umfasst. Ziel der durchzuführenden Maßnahmen ist, die Trinkwasserhygiene und Trinkwasserqualität nicht zu beeinträchtigen. Die durch die ausführenden Unternehmen zu erbringenden Leistungen müssen gesondert durch den Fachplaner festgelegt, im Leistungsverzeichnis beschrieben und beauftragt werden. 2.6 Tragwerksplanung und konstruktive Anforderungen „Wasserbehälter müssen so geplant werden, dass sie von innen und außen wasserundurchlässig und standsicher sind“. Um diese Hauptanforderung umzusetzen wurden die Inhalte im Abschnitt der Tragwerksplanung komplett überarbeitet. Es wird insgesamt ein stärkerer Fokus auf die Beschaffenheit der Beton-Oberflächen gelegt und der zu berücksichtigende Wert für die rechnerische Rissbreite wurde angepasst. Um dem maßgebenden Schadensmechanismus im Trinkwasserbehälter aus zementgebundenen Werkstoffen der Hydrolyse zu widerstehen, wurde 2014 die Expositionsklasse XTWB eingeführt. Sämtliche charakteristischen Merkmale für XTWB sind im Arbeitsblatt DVGW W 300-4 definiert. Dort ist der äquivalente Wasserzementwert (w/ z eq ) auf < 0,5 begrenzt und zwischenzeitlich durch das DVGW-Forschungsvorhaben ‚Hydrolysebeständigkeit‘ als plausibel begründet. Zur Gewährleistung der Gebrauchstauglichkeit (u. a. Dichtheit) und der Dauerhaftigkeit (insbes. Korrosionsschutz) von Betonbauteilen muss die Breite von Rissen begrenzt werden. Für die Beurteilung von Rissen ist es notwendig, eine Differenzierung zwischen der rechnerischen Rissbreite w k und der Rissweite an der Bauteiloberfläche vorzunehmen. „Die rechnerischere Rissbreite w k ist als mittlere Breite im Wirkungsbereich der rissverteilenden Bewehrung zu verstehen. Bei der Beurteilung der Rissbreite wird zunächst aus praktischen Gründen von der Rissweite an der Bauteiloberfläche ausgegangen. Die Rissweite an der Bauteiloberfläche kann von der rechnerischen Rissbreite w k abweichen.“ Die beiden Werte sind in Abbildung 3 dargestellt. Um durch Eigen- und Zwangsspannung hervorgerufene Trennrisse weitestgehend zu vermeiden, ist im derzeit noch gültigen DVGW W 300-1 (A): 2014-10 die rechnerische Rissbreite auf w k ≤ 0,10 mm begrenzt. Aufgrund das daraus resultierenden Bewehrungsgrades und der an schwierigen Stellen kaum umsetzbaren Bewehrungsführung wurde dieser Wert im vorliegenden Entwurf des Arbeitsblatts auf w k ≤ 0,15 mm erhöht. Positive Erfahrungen aus der Praxis begründen diese Anpassung als zielführend. Abb. 3: Querschnittsdarstellung der Rissbreite w k und der Rissweite an der Bauteiloberfläche Damit in der Praxis möglichst feste und porenarme Beton-Oberflächen erzielt werden, hat sich der Einsatz von wasserabführenden/ -saugenden Schalungsbahnen aus Kunststoffvlies eingebürgert. Hierbei werden aufgrund von Unzulänglichkeiten in der Verarbeitung und Ausführung jedoch teilweise nicht die gewünschten Ergebnisse erzielt. Daher sind im Entwurf des Arbeitsblatts umfangreiche Hinweise und Anforderungen zu diesem Komplex neu aufgenommen worden. Dies betrifft u. a. die Sachverhalte Hygiene, Anordnung und Verarbeitung der Schalungsbahnen, notwendige Bauhilfsstoffe, Einsatzhäufigkeit, Frischbetonkonsistenz, Wasserzementwert, Betoniergeschwindigkeit und Abführung des Dränwassers. Neben der Porosität spielt auch die Ebenheit der Innenflächen eine große Rolle für die hygienische Eignung, die einfache Reinigung/ Desinfektion und die Instandsetzbarkeit. „Hierzu müssen u. a. an die Ebenheit und Maßhaltigkeit der Schalhaut zusätzliche besondere Anforderungen gestellt werden. Die erhöhte Maßhaltigkeit und die Ebenheit von Innenflächen der Wasserkammern dienen sowohl der künftigen planmäßigen Instandsetzung nach der Nutzungsdauer als auch bei einer eventuell erforderlichen Instandsetzung/ Teilinstandsetzung des Neubaus als Mängelbeseitigung. Damit kann sichergestellt werden, dass der Unebenheitsausgleich und somit die Kosten für die Instandsetzung minimiert werden.“ Die erhöhten Anforderungen an die die Ebenheit der Betonfläche, an die Porigkeit, an die Textur, an die Farbtongleichmäßigkeit, an die Arbeitsfugen und Schalungsstöße sowie an die Schalhautklasse sind gesondert vertraglich zu vereinbaren. „In der Leistungsbeschreibung sollte z. B. folgendes ausdrücklich verlangt werden: • gleichmäßige, porenarme Oberfläche, die mit Hilfe einer wasserabführenden/ -saugenden Schalungsbahn aus Kunststoffvlies herzustellen ist, ggf. einschließlich der neuen Belegung für jede Schalfläche 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 31 Praktische Aspekte zur Festlegung des Sollzustandes für Trinkwasserbehälter gemäß neuem „Arbeitsblatt DVGW W 300-1“ • Abdichtung von Boden/ Wand-Anschlüssen, Fugen zwischen Schalungselementen und Schalungsanker so, dass an der Betonoberfläche ein glatter Schalungsabdruck mit geschlossener Zementhaut ohne Haufwerksporigkeit entsteht.“ Zur Feststellung der tatsächlich ,gebauten‘ Ebenheit und Porigkeit werden handhabbare Prüf- und Bewertungsverfahren empfohlen. Konsequenzen aus Abweichungen des ‚Ist‘ vom ‚Soll‘ sollten ebenfalls schon in der Leistungsbeschreibung festgelegt sein. Für den Bereich der inneren Oberflächen von Behälterdecken wurde die Thematik Kondenswasser und Maßnahmen zur Minimierung dessen schädlicher Auswirkungen ergänzt. 2.7 Bauausführung Zunächst erfolgt eine Beschreibung der auf einer Behälterbaustelle beteiligten ,Parteien‘ und deren Aufgaben und Qualifikationen: • Bauleitung der ausführenden Unternehmen • Auftraggeber (Bauherr) mit Bauoberleitung und/ oder örtlicher Bauüberwachung • Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinator (Si- GeKo), welcher durch den Bauherrn bestellt wird • Hygienekoordinator gemäß DVGW W 300-8 (M), ebenfalls durch den Bauherrn zu bestimmen. Zur Rückverfolgbarkeit und Qualitätssicherung wird die erforderliche Dokumentation benannt und im neuen Kapitel ,Bauen in Schutzgebieten‘ wird auf die Anforderungen in Wasser- und Naturschutzgebieten eingegangen. Details zur Ausführung von Wasserbehältern aus Beton sind nun in einem Kapitel systematisch zusammengestellt. In Ergänzung zu den Ausführungen unter ‚Tragwerksplanung und konstruktive Anforderungen‘ werden hier zusätzliche Empfehlungen und Anforderungen aufgeführt. Es geht um die Bereiche • Gerüste, Schalungen, Schalungsbau, Trennmittel, Ausrüsten und Ausschalen • Bewehrung • Frischbetoneigenschaften • Bauausführung des Betonierens Beispielsweise sind neue Details zur Auswahl der Schalung und zum Umgang mit Schalungsfugen, Ankern und Ankerlöchern, Einbauten, Wanddurchführungen etc. beschrieben. Auch der Ausschalvorgang wird beleuchtet. Zur Abdichtung der Schalung an Unstetigkeitsstellen werden feste Materialien empfohlen. „Eine sorgfältige Abdichtung ist Voraussetzung dafür, dass überall ebene, völlig geschlossene Betonoberflächen entstehen können. Andernfalls sind die Entstehung von Kiesnestern oder Bindemittelverarmungen an der Oberfläche nicht ausgeschlossen.“ Die neu beschriebenen Anforderungen an den Frischbeton umfassen die Expositionsklassen, die trinkwasserhygienischen Eigenschaften gemäß DVGW W 347 (A) und DVGW W 398 (M) sowie die technischen Punkte gemäß DVGW W 300-4 (A). „Grundsätzlich wird empfohlen, die Betonzusammensetzung und Verarbeitung frühzeitig mit mehrmonatigem Vorlauf mit allen Beteiligten (Bauherr, Fachplaner, Statiker, bauausführe Firma, Betonlieferant) durch betontechnologische Beratung abzustimmen (siehe auch DVGW W 398 (M)).“ Die Erstellung von objektspezifischen Probebauteilen wird empfohlen. Abb. 4: Begutachtung eines frisch ausgeschalten Teilstücks einer Behälterwand, Schutz und Nachbehandlung der Bodenplatte Im Unterschied zur konstruktiven Rissbreitenbeschränkung aus der Planung ist auch die betontechnologische Rissbreitenbeschränkung zu berücksichtigen. Auf folgende Punkte wird daher neu eingegangen: • „Betonzusatzmittel: Art und Menge sind aus hygienischen Gründen eingeschränkt. Grundsätzlich gilt ein Minimierungsgebot für kunststoffhaltige Betonzusatzmittel. Für Betonzusatzmittel dürfen gemäß DVGW W 347 (A) nur Fließmittel, Betonverflüssiger oder Verzögerer verwendet werden. Eine Kombination dieser Stoffe oder Kombinationsprodukte sind nicht zulässig. Die zulässige Zugabemenge von 5 M.-% des Zementgehalts kann durch den Hersteller bei dem Hygienenachweis eingeschränkt sein. • Konsistenz: Konsistenz F3 gemäß XTWB muss bei der Frischbetontemperatur und für die Verarbeitungsdauer berücksichtigt werden, da eine Nachdosierung von Fließmitteln auf der Baustelle i. d. R. nicht zulässig ist. • Mehlkorngehalt: Empfohlener Mehlkorngehalt gemäß XTWB ≤ 400 kg/ m3 verbessert die Eigenschaften des Betons. Dabei sind rheologische Einflüsse (Bluten, Sedimentieren, Pumpfähigkeit) zu beachten. • Frischbetontemperatur: Ausführungszeitraum bei extrem hohen oder niedrigen Temperaturen wirkt sich ungünstig aus. • Hydratationswärmeentwicklung: Wahl der Zementart und des Zementgehalts sowie die Ausgangstemperatur des Betons (des Frischbetons) wirken sich ggf. ungünstig aus. • Schwindverhalten: Zu hoher Zementleimgehalt wirkt sich ungünstig auf das Schwindverhalten und die Gefahr der Rissbildung aus.“ Damit beim letzten Schritt zur Erzielung der besonders hohen Anforderungen an die Betonoberfläche, dem Be- 32 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Praktische Aspekte zur Festlegung des Sollzustandes für Trinkwasserbehälter gemäß neuem „Arbeitsblatt DVGW W 300-1“ toniervorgang selbst, die vorab angelegte Sorgfalt fortgeführt wird, sind auch hier weitere Details aufgenommen worden: • Für das Vorbereiten des Betonierens u. a. mit Festlegung der relevanten Randbedingungen für den Transport und die Förderung auf der Baustelle (Ausgangsstoffe, Eignungsnachweise, Lieferzeiten und -mengen, Pumpen, Schläuche, …). Betonierverzögerungen oder -unterbrechungen sollen z. B. durch das Vorhalten redundanter Geräte zu vermieden werden. Bereits betonierte Anschlussflanken von Arbeitsfugen sind vorzubehandeln und sämtliche Arbeitsfugen und horizontale Schalungsflächen sind sehr sorgfältig zu reinigen. • Für den Transport u. a. mit Hinweisen auf kürzest mögliche Verarbeitung innerhalb des allgemeinen Zeitrahmens von 90 Minuten, da die Verweildauer des Frischbetons in der Mischtrommel u. a. die rheologischen Eigenschaften, die Frischbetontemperatur und die spätere benötigte Verdichtungsintensität beeinflusst. Die Verkehrsströme der Zulieferwege, die Anzahl der Transportfahrzeuge und der Betonierzeitpunkt sollten daher im Vorfeld entsprechend abgestimmt werden. • Zum Thema Einbringen und Verdichten wird erläutert, dass sich die Frischbetoneigenschaften vor und nach dem Pumpen aufgrund des Pumpvorganges unterscheiden können. Die erforderliche Qualitätssicherung benötigt somit an verschiedenen Orten einen Arbeitsraum (vor und nach der Betonförderung). Die Personen der Qualitätssicherung müssen mit den Besonderheiten der Hygiene vertraut sein und darauf achten, dass die entsprechenden Maßnahmen umgesetzt werden (z. B. Reinigung der Geräte zur Vermeidung von Kontaminationen mit Schalöl). • Zur Nachbehandlung und zum Schutz sind wegen der hohen Anforderungen die Nachbehandlungszeiten der DIN 1045-3 zu verlängern. Chemische Nachbehandlungsmittel dürfen nicht verwendet werden. Für die Fertigung und Verarbeitung von Betonfertigteilen werden ergänzende Hinweise gegeben und auf das DVGW-Merkblatt W 300-6 (System- und Fertigteilbehältern) in Bezug auf Detailregelungen verwiesen. 2.8 Kontrollen, Prüfung und Erst-Inbetriebnahme Hier wurde der Umgang mit in der Praxis häufig vorkommender, nicht vollumfänglich bestandener Wasserdichtheitsprüfung ergänzt: „Eventuell auftretende Durchfeuchtungen am Bauwerk und im Bereich von Fugen sind durch den Aufraggeber hinsichtlich langfristiger Wasserverluste, Wasserzutritte und möglicher Spätfolgen für das Bauwerk zu beurteilen. Im Vorfeld (z. B. in den Ausschreibungsunterlagen, bzw. Vertragsverhandlungen) sollte festgelegt werden, wie mit auftretenden Durchfeuchtungen umzugehen ist. Für alle Entwurfsgrundsätze sind planmäßig (bei der Ausführungsplanung und der Ausschreibung) Dichtmaßnahmen für unerwartet entstandene Trennrisse bzw. für Trennrisse, deren Breite über dem entwurfsmäßig festgelegten Wert liegt, vorzusehen (z. B. Rissbehandlung nach DVGW W 300-3 (A)). Falls aufgrund der Durchfeuchtungen eine Instandsetzungsmaßnahme (Rissverpressung o. Ä.) erforderlich wird, ist DVGW W 300-3 (A) zu beachten.“ Abb. 5: Wasserdichtheitsprüfung mit Auftreten von Durchfeuchtungen 2.9 Dokumentation In diesem Abschnitt wird angeregt, die aufgeführten Unterlagen systematisch in einem ,Behälterbuch‘ zusammenzustellen. Dieses kann dann als Ausgangsbasis für die Ergänzung durch Aufzeichnungen in der Betriebsphase gemäß DVGW W 300-2 (A) und bei Zustandsanalysen sowie bei Instandsetzungen dienen. Es wurde hierbei nicht festgelegt auf welche Weise die Zusammenstellung erfolgen sollte. 2.10 Rückbau Da das Thema Rückbau aufgrund verschiedenster Randbedingungen immer stärker in den Fokus rückt und es auch zum vollständigen Lebenszyklus einer Wasserbehälteranlage gehört, wurde dieses Kapitel neu hinzugefügt. Es sind u. a. folgende Hinweise enthalten: • Abgabe einer Rückbau-Verpflichtungserklärung für Vorhaben der Wasserversorgung im Außenbereich gemäß BauGB. Die Sicherstellung der Einhaltung soll durch die Baugenehmigungsbehörde erfolgen. Daraus folgt, dass der spätere Rückbau generell in der Planung einer Anlage berücksichtigt werden muss. Dies betrifft zum einen die Auswahl der Werkstoffe und der Bauweise und zum anderen die Gestaltung und die Platzverhältnisse der Außenanlagen. • Berücksichtigung von gesetzlichen Vorgaben, wie z. B. Baurecht, ggf. Denkmalschutzrecht, Gefahrstoff- und Abfallrecht inkl. entsprechender Genehmigungen. • Der Eigentümer des abzubrechenden Gebäudes ist auch Eigentümer des Abfalls und der Gefahrstoffe und somit für die ordnungsgemäße Entsorgung verantwortlich. • Minimierungsgebot: Zur Vorbereitung des Rückbaus müssen schadstoffhaltige Bau- und Anlagenteile gemäß den gefahrstoffrechtlichen und abfallrechtlichen Anforderungen ausgebaut, separiert und gesondert entsorgt werden. 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 33 Praktische Aspekte zur Festlegung des Sollzustandes für Trinkwasserbehälter gemäß neuem „Arbeitsblatt DVGW W 300-1“ • Informationspflicht des Auftraggebers/ Bauherrn gegenüber dem Auftragnehmer über das Vorhandensein von Gefahrstoffen. Der Ablauf eines ordnungsgemäß durchgeführten Rückbaus wird skizziert und enthält folgende Schritte: • Bestandsaufnahme des bestehenden Gebäudes (Erstellung Schadstoffkataster), • Aufstellung eines Abbruchkonzepts • Selektiver Rückbau mit • Entkernung des Gebäudes (Rückführung in den Rohbau) und • Abbruch der Rohbaukonstruktion, • Entsorgung der angefallenen Materialien, • Berücksichtigung des Baugrunds/ Bodens. Es wird schließlich aufgezeigt, dass die abzubrechenden baulichen und technischen Anlagen vor Beginn der Rückbaumaßnahme sowohl aus versicherungsrechtlichen als auch aus Gründen der Arbeitssicherheit bauseits freigeschaltet und vom Netz getrennt werden müssen (medienfreie Übergabe an den Rückbau-Auftragnehmer). Literatur [1a] DVGW W 300-1 (A) Trinkwasserbehälter; Teil 1: Planung und Bau, ENTWURF, NOVEMBER 2022 [1b] DVGW W 300-1 (A): 2014-10 Trinkwasserbehälter - Teil 1: Planung und Bau [2] DVGW W 300-2 (A): 2014-10 Trinkwasserbehälter - Teil 2: Betrieb und Instandhaltung [3] DVGW W 300-3 (A): 2014-10 Trinkwasserbehälter - Teil 3: Instandsetzung und Verbesserung [4] DVGW W 300-4 (A): 2014-10 Trinkwasserbehälter - Teil 4: Werkstoffe, Auskleidungs- und Beschichtungssysteme - Grundsätze und Qualitätssicherung auf der Baustelle [5] DVGW W 300-5 (A): 2020-08 Trinkwasserbehälter - Teil 5: Bewertung der Verwendbarkeit von Bauprodukten für Auskleidungs- und Beschichtungssysteme [6] DVGW W 300-6 (M): 2016-09 Trinkwasserbehälter - Planung, Bau, Betrieb und Instandhaltung von System- und Fertigteilbehältern [7] DVGW W 300-7 (M): 2016-09 Trinkwasserbehälter - Teil 7: Praxishinweise Reinigungs- und Desinfektionskonzept [8] DVGW W 300-8 (M): 2016-10 Trinkwasserbehälter - Praxishinweise Hygienekonzept: Neubau und Instandsetzung 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 35 Überarbeitung der Instandsetzungsverfahren und -prinzipien: Was ändert sich künftig im „Arbeitsblatt DVGW W 300-3“? Prof. Dr.-Ing. Melanie Merkel bsm² Breit ∙ Schuler ∙ Merkel Beratende Ingenieure PartGmbB, Kaiserslautern Univ.-Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Breit Rheinland-Pfälzische Technische Universität Kaiserslautern (RPTU), Fachgebiet Werkstoffe im Bauwesen, Kaiserslautern bsm² Breit ∙ Schuler ∙ Merkel Beratende Ingenieure PartGmbB, Kaiserslautern Zusammenfassung Eine Überarbeitung des DVGW-Arbeitsblattes W 300-3 wurde durch neue Erkenntnisse aus Forschungsvorhaben, die durch den Deutschen Verein des Gas- und Wasserfachs e. V. (DVGW) finanziert wurden, und der Aktualisierung bzw. Veröffentlichung verschiedener Regelwerke und Leitlinien notwendig. So soll u. a. die Zielsetzung der Realkalisierung der Betonrandzone als Instandsetzungsprinzip im überarbeitenden DVGW-Arbeitsblatt W 300-3 nicht weiterverfolgt werden. Zusätzlich sind die Neuerungen zur Planung von Instandsetzungsmaßnahmen nach der Technischen Regel Instandhaltung von Betonbauwerken (TR Instandhaltung) des Deutschen Instituts für Bautechnik (DIBt) in die Überarbeitung mit eingeflossen. Daraus resultieren u. a. neue Instandsetzungsprinzipien und Verfahren zum Schutz oder zur Instandsetzung von Trinkwasserbehältern, insbesondere den Trinkwasser berührten Oberflächen. Hierbei wird unterschieden, ob eine Verbesserung der Oberfläche, ein Erhalt oder eine Wiederherstellung der Passivität der Bewehrung als Instandsetzungsziel notwendig ist. Signifikante Veränderungen ergeben sich auch in den Vorgaben und Hilfestellungen zur Bauzustandsanalyse von Trinkwasserbehältern. Wie in der TR Instandhaltung beschrieben, sind zukünftig instandzusetzende Betonbauteile aufgrund ihrer zum Zeitpunkt der Instandsetzung vorhandenen Eigenschaften im Hinblick auf die anzuwendenden Instandsetzungsverfahren in Altbetonklassen einzuordnen. In einem neuen normativen Anhang werden beispielhafte Kriterien und Methoden der Ist-Zustandserfassung inklusive detaillierte Auswertungsgrundsätze beschrieben. Den Anwendern wird somit eine Bewertungsgrundlage an die Hand gegeben, welche Kenngrößen aus betontechnologischer Sicht zur Bewertung des Ist-Zustands von Wasserkammern relevant und welche Kennwerte zur Bewertung des Instandsetzungsbedarfs zu berücksichtigen sind. 1. Problemstellungen aus dem aktuellen DVGW- Arbeitsblatt W 300-3: 2014-10 Die Anforderungen an Neubau-, Instandsetzungs- und Instandhaltungsmaßnahmen von Trinkwasserbehältern werden im DVGW-Arbeitsblatt W 300, Teil 1 bis Teil 8 [1]-[8] geregelt. Damit die hohen technischen und hygienischen Anforderungen an das Bauwerk erfüllt werden können, sind in Teil 3 [3] des Regelwerks sogenannte Auskleidungsprinzipien für die Instandsetzung, u. a. mit mineralischen Beschichtungen, definiert. Neben der Sicherstellung der Standsicherheit bzw. des Verbundes der Bewehrung muss auch die Sicherstellung des Korrosionsschutzes der Bewehrung gewährleistet werden. Bei der Festlegung des Auskleidungsprinzips wird insbesondere in Bezug auf den Korrosionsschutz unterschieden, ob der vorhandene Beton für die Sicherstellung des Korrosionsschutzes der Bewehrung ausreicht oder ob eine Auskleidung bzw. eine Beschichtung für die Sicherstellung des Korrosionsschutzes benötigt wird. Zementgebundene Beschichtungen werden hierbei nach ihrer Fähigkeit, einen ausgelaugten oder carbonatisierten Beton zu realkalisieren, unterschieden. Die sogenannten Auskleidungsprinzipien unterteilen sich dabei in A1 und A2 wie folgt: • A1: Mit Realkalisierungsdepot bei erforderlicher Realkalisierung der ausgelaugten bzw. carbonatisierten Betonrandzone • A2: Ohne Realkalisierungsdepot bei ausreichender alkalischer Betondeckung d a ohne erforderliche Realkalisierung der ausgelaugten bzw. carbonatisierten Betonrandzone Die Zugrundelegung der Realkalisierung (A1) basiert auf den Erkenntnissen der Instandsetzungsrichtlinie des Deutschen Ausschusses für Stahlbeton [9]. Analog zum carbonatisierten Beton im Hochbau wurde die Möglichkeit der Realkalisierung bei ausgelaugten Betonuntergründen abgeleitet. Für den Anwendungsfall A1 erfolgt die Realkalisierung der Betonrandzone zwischen dem vorbehandelten Untergrund und dem Bewehrungsstahl. Die Ermittlung der Alkalitätsgrenze d a stellt dabei sicher, dass eine ausreichende Realkalisierung des vorhandenen Betons gewährleistet ist. Bei Anwendungsfall A2 ist eine Realkalisierung nicht erforderlich ist. Dementsprechend muss in Abhängigkeit von der Auslaugungsbzw. der Carbonatisierungstiefe geprüft werden, inwieweit die noch vorhandene Restalkalität für den Korrosionsschutz der Bewehrung ausreicht. Bei Auskleidungsprinzip A2 darf daher konsequenter- 36 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Überarbeitung der Instandsetzungsverfahren und -prinzipien: Was ändert sich künftig im „Arbeitsblatt DVGW W 300-3“? weise die mineralische Beschichtung auch nicht auf die Betondeckung angerechnet werden. Auf Basis der vorgenannten Randbedingungen wurden die Begrifflichkeiten „Alkalitätsgrenze“ und „Realkalisierungsdepot“ mit Veröffentlichung von Teil 3 im Jahr 2014 regulativ neu eingeführt. Diese Begrifflichkeiten und die damit verbundenen technischen Randbedingungen stellen daher eine wichtige Rolle bei der Wahl des Auskleidungsprinzips dar. Während die Alkalitätsgrenze als Umschlagpunkt eines Tests mittels Phenolphthaleinlösung messbar und somit definiert werden kann als Grenze zwischen hoher und niedriger Alkalität des Betons, kann das Realkalisierungsdepot technisch nicht ausreichend genau spezifiziert werden. Entsprechend der Begriffsdefinition nach DVGW-Arbeitsblatt W 300 wird das Realkalisierungsdepot als „Fähigkeit eines Werkstoffes“ beschrieben, die „über einen Zeitraum die Alkalität eines darunter liegenden Werkstoffes maßgeblich erhöht“. Grundsätzliche Voraussetzungen, Anwendungsgrenzen oder die Beschreibung der technischen Grundsätze werden aufgrund fehlender Nachweisverfahren im Regelwerk nicht weiter erläutert. Aus vorgenanntem Grund ist eine Konkretisierung der Begrifflichkeit des Realkalisierungsdepots und den damit nachzuweisenden Anforderungen im Rahmen der Überarbeitung des Regelwerks erforderlich. Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass sich unter Bezug auf die neueren Forschungsergebnisse [10-18] eine Reihe von anwendungsorientierten Fragen und Unstimmigkeiten bezüglich der in 2014 eingeführten Regelungen ergeben. Hierauf wird im Folgenden detaillierter eingegangen. Zwischen Auslaugung und Carbonatisierung der Betonrandzone wird im DVGW-Arbeitsblatt W 300-3 [3] grundsätzlich nicht unterschieden, da zwar das Schädigungsergebnis vergleichbar ist, der Schadensmechanismus aber grundsätzlich anders zu bewerten ist. Ebenso wird nicht hinreichend erläutert, wie mit einer geschädigten oder beeinträchtigten Betonrandzone umgegangen werden soll, wenn eine Auslaugung der Betonrandzone stattgefunden hat. Für den Anwender sollten klare Vorgaben für die Instandsetzung definiert werden, damit keine zusätzlichen Nachweise wie bspw. die Überprüfung einer „ausreichenden Realkalisierung des vorhandenen Betons“ erbracht werden müssen. In Abb. 1 und Abb. 2 sind die Auskleidungsprinzipen A1 und A2 nach DVGW-Arbeitsblatt W 300-3: 2014-10 [3] dargestellt. Alle Anmerkungen und offenen Fragestellungen sind in Abb. 1 und Abb. 2 aufgenommen und nachfolgend aufgelistet: 1. Aus Abb. 1 und Abb. 2 geht nicht hervor, wie der Ist- Zustand vor der Instandsetzung zu bewerten ist und der Soll-Zustand nach der Instandsetzung auszusehen hat. Zudem fehlt eine vereinfachte Darstellung der Auswahl von Instandsetzungsvarianten als Ablaufschema. Dieser Sachverhalt sollte vergleichbar zur TR Instandhaltung [19] angepasst werden, um zum einen die Verständlichkeit für die Anwender zu fördern und zum anderen regelwerkübergreifend zu einer einheitlichen Sprachregelung zu kommen. 2. Bauteilbezogene Schadensmechanismen (Hydrolyse, Auslaugung und Carbonatisierung) werden pauschalisiert und nicht differenziert bewertet. Aus den Anwendungsgrenzen geht nicht hervor, dass beispielsweise eine Carbonatisierung der Bauteilrandzone im wassergesättigten Bereich nicht möglich ist und somit auch nicht betrachtet werden muss. Ebenso wird nicht unterschieden, wie mit einer geschädigten Betonrandzone umgegangen werden muss. Beispielhaft sei hier die die Zementsteinzerstörung durch einen Auslaugungsprozess genannt. Eine geschädigte Betonrandzone muss vor dem Auftrag einer zementgebundenen Beschichtung vollständig abgetragen werden und führt zwangsläufig damit zu anderen Eigenschaften des instandzusetzenden Untergrunds. 3. In Anlehnung an das DBV-Merkblatt „Betondeckung und Bewehrung“ [20] sollte die Mindestbetondeckung c min als 5 %-Quantil definiert werden. 4. Das in DVGW-Arbeitsblatt W 300-3 [3] definierte Realkalisierungsdepot und die Alkalitätsgrenze d a sind bei Auskleidungsprinzip A1 nicht ausreichend präzise beschrieben. 5. Eine Begrenzung der zugelassenen Zemente in Bezug auf ein ausreichendes Realkalisierungsdepot ist bisher nicht erfolgt. Es ist zu prüfen, welche Zemente hierzu geeignet sind. 6. Aus Abb. 1 und Abb. 2 geht nicht hervor, wo genau die Mindestschichtdicke der zementgebundenen Beschichtung definiert wird. Eine Präzisierung der Darstellung ist erforderlich. 7. Bei Auskleidungsprinzip A2 sollte entweder die Alkalitätsgrenze d a als 5 %-Quantil ermittelt oder der Prüfumfang zur Ermittlung von d a genauer beschrieben werden. Eine statistische Aussagekraft (5-%-Quantil) kann nur über eine ausreichende Anzahl von Messergebnissen erreicht werden. 8. Bei Auskleidungsprinzip A2 ist ein d a,nom in der Praxis nicht umsetzbar. Zum Schutz der Bewehrung ist zu prüfen, ob in Bezug auf die Lebensdauer des Bauwerks d a,min erhöht werden sollte. 9. Bei Auskleidungsprinzip A2 geht aus den Anwendungsgrenzen zur Alkalitätsgrenze d a nicht hervor, wie mit einer Unter- oder Überschreitung der Prüfergebnisse umgegangen werden muss. Aus diesem Grund sollten die Auskleidungsprinzipien erweitert werden. 10. Grundsätzlich geht aus den Anwendungsgrenzen der Auskleidungsprinzipien nicht hervor, wie die Instandsetzung einer Betonrandzone aussehen soll, in der der Bewehrungsstahl im bereits carbonatisierten oder ausgelaugten Bereich liegt. 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 37 Überarbeitung der Instandsetzungsverfahren und -prinzipien: Was ändert sich künftig im „Arbeitsblatt DVGW W 300-3“? Abb. 1: Auskleidungsprinzip A1, Anwendungsgrenzen zementgebundener Beschichtungen mit Realkalisierungsdepot bei erforderlicher Realkalisierung der ausgelaugten bzw. carbonatisierten Betonrandzone (DVGW-Arbeitsblatt W 300-3, Bild 3 [3]) mit Anmerkungen zur Anwendung Abb. 2: Auskleidungsprinzip A2, Anwendungsgrenzen zementgebundener Beschichtungen ohne Realkalisierungsdepot (DVGW-Arbeitsblatt W 300-3, Bild 4 [3]) mit Anmerkungen zur Anwendung 2. Erkenntnisse zum Realkalisierungsvermögen von mineralischen Beschichtungen Im Rahmen eines vom Deutschen Verein des Gas- und Wasserfaches e. V. (DVGW) geförderten Forschungsvorhabens (W201835) [13] wurde an der Technischen Universität Kaiserslautern in Kooperation mit der RWTH Aachen University das Realkalisierungsvermögen von ausgelaugten und carbonatisierten Betonuntergründen untersucht. In diesem Zusammenhang wurde auch der Widerstand von mineralischen Beschichtungen gegenüber Auslaugungsprozessen bewertet. Insbesondere wurden das Realkalisierungspotenzial von mineralischen Beschichtungen und deren Beständigkeit experimentell untersucht, ausgewertet und hinsichtlich der Verwertung in der Praxis bewertet. Als praxisrelevantes Ergebnis konnte abgeleitet werden, dass der Realkalisierungsprozess in zwei Bereiche unterteilt werden muss. Dazu gehören die sogenannte Kontaktrealkalisierung und die diffusionsgesteuerte Realkalisierung. Unter der Kontaktrealkalisierung ist die Anfangsrealkalisierung der Betonrandzone zu verstehen, deren Tiefenwirkung und Dauer von unterschiedlichen Einflussfaktoren abhängig ist. Die Alkalien werden während der Applikation und Erhärtung mittels Konvektion quasi „huckepack“ in den Beton transportiert. Die Kontaktrealkalisierung folgt daher nicht dem üblichen Wurzel- Zeit-Gesetz für diffusionsgesteuerte Transportprozesse. Ausschließlich während der Kontaktrealkalisierung findet eine pH-Wert Erhöhung in der realkalisierten Zone von > 10 statt. Diese Phase der Realkalisierung umfasst im Wesentlichen die ersten Stunden bis ca. 24 Stunden der Hydratation. Während der diffusionsgesteuerten Realkalisierung kann ein alkalisches Milieu mit einem pH-Wert > 10 nicht mehr gebildet werden. Aus den Indikatorversuchen war abzuleiten, dass der pH-Wert der realkalisierten Betonrandzone nahe des Phenolphthaleinumschlagpunktes von pH- Wert ~8 liegen muss. Der neu gebildete Alkalienpuffer erreicht somit nicht den pH-Wert eines intakten alkalischen Zementsteingefüges (pH-Wert >12), wie es vor dem Prozess der Carbonatisierung vorliegt. Eine relative Luftfeuchte von < 95 % r. F. führt zu keiner signifikanten Erhöhung des Realkalisierungsfortschritts. Der Alkalientransport in den Altbeton wird stark verlangsamt bzw. unterbunden. Aufgrund von Alkalienbindung sowie -umverteilung und Interaktion zwischen Lösung und Beton kann es zu einer Erniedrigung des pH-Wertes unterhalb des Phenolpthalienumschlagpunktes auch im zuvor realkalisierten Bereich kommen. Aus den erzielten Ergebnissen im Rahmen des DVGW- Forschungsvorhabens ergibt sich ein nur begrenztes Anwendungsgebiet für die Realkalisierung in einem Trinkwasserbehälter [13]. Sollte eine Auslaugung der Betonrandzone unterhalb des Wasserstands erfolgen, so geht mit der Lösung der Alkalien auch eine zeitlich und räumlich dicht gefolgte Zersetzung des Zementsteins einher. Eine tiefreichende pH-Wert Erniedrigung ohne ein Absanden der Betonoberfläche und Herauslösen des Zementsteins ist nicht zu erwarten. Aus diesem Grund ist eine klassische Realkalisierung, wie sie im Hochbau Stand der Technik ist, nicht zielführend. Eine durch die Zementsteinzerstörung geschädigte Betonoberfläche stellt keinen tragfähigen Untergrund für die Applikation eines Instandsetzungsmörtels dar. Im Rahmen einer Untergrundvorbereitung wird die geschädigte und ausgelaugte Betonrandzone abgetragen. Anforderungen an den zu beschichtenden Untergrund ergeben sich daher nicht mehr aus dem zuvor geschädigten Bereich, so wie es bei carbonatisierten Untergründen der Fall ist bzw. sein kann. Oberhalb des maximalen Wasserstands herrscht eine hohe relative Luftfeuchte. Die Kondensatbildung, insbesondere an den Deckenflächen, führt i. d. R. zu einer Auslaugung der Betonrandzone, die bei guter Betonqualität nur wenige Millimeter umfassen wird. Der im Rahmen einer Instandsetzung nach Prinzip A1 neu ge- 38 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Überarbeitung der Instandsetzungsverfahren und -prinzipien: Was ändert sich künftig im „Arbeitsblatt DVGW W 300-3“? bildete Alkalitätspuffer ist wesentlich geringer als die eines intakten, alkalischen Betons. Inwieweit eine stabile, langfristige Repassivierung des Bewehrungsstahls in diesem Bereich entstehen kann, ist fraglich. Der mineralische Mörtel würde in diesem Fall nicht für eine Realkalisierung appliziert werden, sondern ausschließlich als Schutzschicht fungieren. Die baupraktische Relevanz für eine Realkalisierung von wenigen Millimetern ist nicht gegeben. Sollte in gut belüfteten Bereichen der Wasserkammer (Bereich über dem maximalen Wasserstand und nahe der Belüftungseinrichtung) eine Carbonatisierung der Betonrandzone entstehen (vgl. Abb. 3), besteht im Umkehrschluss kein ausreichendes Feuchteangebot für eine Realkalisierung, da eine Realkalisierung erst ab einer relativen Luftfeuchte von ≥ 95 % r. F. zu erwarten ist. In diesem Zuge sind auch die Möglichkeiten der Realkalisierung im Hochbau zu hinterfragen, da dort i.-d.-R. deutlich geringere relative Luftfeuchten vorherrschen. Abb. 3: Einfluss der relativen Luftfeuchtigkeit auf die Carbonatisierungs- und Korrosionsgeschwindigkeit (Eigenkorrosion) (schematisch) aus [21] nach [22, 23] 3. Überarbeitung der Auskleidungsprinzipien im neuen DVGW-Arbeitsblatt W 300-3 3.1 Allgemeines Mit dem überarbeitetem DVGW-Arbeitsblatt W-300 Teil 3 soll dem Anwender ein Ablaufschema an die Hand gegeben werden, mit dem er aus den Erkenntnissen der Zustandserfassung anhand von insgesamt drei Unterscheidungskriterien den Instandsetzungsbedarf abschätzen kann. Über das anwendungsfreundliche Ablaufschema soll eine vereinfachte, aber zielsichere Auswahl von Instandsetzungsprinzipien und -verfahren ermöglicht werden. Im zukünftigen Regelwerk sollen keine „Auskleidungsprinzipien“ mehr definiert, sondern Instandsetzungsprinzipien beschrieben werden. Diese Änderung resultiert aus der Zielsetzung, dass nicht nur eine oberflächennahe „Auskleidung“ vorgesehen wird, sondern dem Anwender auch Möglichkeiten einer Instandsetzung, analog zu den Regelungen in der TR Instandhaltung [19], bei einer vorliegenden Bewehrungskorrosion aufgezeigt werden. Folgende Unterscheidungskriterien werden im neuen DVGW-Arbeitsblatt W 300-3 zugrunde gelegt und sollen in der Planung berücksichtigt werden: • Mindestbetondec kung (c min ): Bei einer Betondeckung c min ≥ 25 mm besteht i. d. R. kein Instandsetzungsbedarf. Sollte eine lokal geschädigte Betonrandzonen festgestellt werden, gelten die unten aufgeführten Randbedingungen zu „geschädigte Betonrandzone (d s )“. Die Situation sollte im Rahmen von Inspektionen im Auge behalten werden. Liegt eine Betondeckung c min < 25 mm vor, ist grundsätzlich ein Instandsetzungsbedarf zu prüfen. • Alkalitätsgrenze (d a ): Zur Sicherstellung des Korrosionsschutzes der Bewehrung ist ein ausreichendes alkalisches Milieu um die Bewehrung von d a ≥ 10 mm erforderlich. Wird die Alkalitätsgrenze unterschritten (d a < 10 mm), ist der Beton i. d. R. mit einem alkalischen Betonersatz (Nachweis der Verwendbarkeit erforderlich) zu ersetzen (Prinzip A1.1 bis A1.3). Sollte ein Beton ausreichender Festigkeit vorliegen, kann bei organischen Beschichtungen gemäß DVGW- Arbeitsblatt W 300-5 [5] d a auf 5 mm (5 %-Quantilwert) abgemindert werden. • Geschädigte Betonrandzone (d s ): Sollte eine geschädigte Betonrandzone (Alkalitätsabfall, Zementsteinauflösung durch z. B. Auslaugung / hydrolytische Korrosion / Carbonatisierung, qualitativ unzureichende Beton- und Mörtelrandzone (Fehlstellen, Kiesnester, Porositäten etc.)), vorliegen, besteht i. d. R. ein Instandsetzungsbedarf. Für die Auswahl der verschiedenen Instandsetzungsverfahren soll die Alkalitätsgrenze d a als Entscheidungshilfe herangezogen werden (vgl. Abb. 4). Die verfahrensabhängige Mindestbetondeckung ist dabei zu berücksichtigen. Abb. 4: Instandsetzungsbedarf und Auswahl der Instandsetzungsprinzipien in Abhängigkeit von d a Die Abkürzung A für zementgebundene Systeme und B für organische/ polymere Systeme sowie C für Auskleidungen mit bspw. Dichtungsbahnen, Plattensystemen und 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 39 Überarbeitung der Instandsetzungsverfahren und -prinzipien: Was ändert sich künftig im „Arbeitsblatt DVGW W 300-3“? nichtrostendem Stahl wurden entsprechend dem DVGW- Arbeitsblatt W 300-3: 2014-10 beibehalten. Aus dem bekannten Auskleidungsprinzip A1 wurden die Verfahren A1.1 bis A1.3 entwickelt. Die Abkürzung „A1“ hat sich für hochalkalische, auf die Betondeckung anrechenbare Beschichtungen und Instandsetzungsmörtel am Markt etabliert, sodass eine Änderung der Bezeichnung nicht sinnvoll erschien. Im Folgenden werden die zukünftigen Änderungen der Verfahren A2 sowie A1.1 bis A1.3 beschrieben, da sich hierbei notwendige Änderungen ergeben haben. Auf die Verfahren B und C wird in diesem Beitrag nicht weiter eingegangen, da diesbezüglich keine grundsätzlichen Änderungen eingeführt wurden. 3.2 Prinzip „Verbesserung der Oberfläche“ - Verfahren A2 Bei dem Verfahren A2 soll eine zementgebundene Beschichtung auf den vorbehandelten Untergrund zur Verbesserung der Betonoberfläche appliziert werden (vgl. Abb. 5). Die Anwendung des Verfahrens gilt für eine Alkalitätsgrenze von d a ≥ 10 mm. Die bestehende Alkalitätsgrenze ist zur Sicherstellung des Korrosionsschutzes ausreichend. Die vorhandene Mindestbetondeckung vor Beschichtung beträgt c min ≥ 20 mm und c min ≥ d Stahl . Sollte eine geschädigte Betonrandzone vorliegen, ist der geschädigte Bereich lokal abzutragen und zu ersetzen. Für nicht direkt Trinkwasser berührte Oberflächen, die eine Carbonatisierung mit ausreichend tragfähigem Untergrund aufweisen, obliegt es dem Fachplaner oder einer sachkundigen Person zu prüfen, inwieweit die geschädigte Betonrandzone verbleiben kann. Durch direkten Trinkwasserkontakt ausgelaugte Bereiche sind grundsätzlich abzutragen. Es können zementgebundenen Werkstoffe des Typs 1 bis 4 nach DVGW-Arbeitsblatt W 300-5 [5] verwendet werden. Für den zementgebundenen Werkstoff nach Verfahren A2 können folgende Zementarten verwendet werden: • CEM I • CEM II A/ S, CEM II B/ S, CEM II A/ LL • CEM III A, CEM III B • CAC Abb. 5: Verfahren A2, zementgebundene Werkstoffe bei d a,min ≥ 10 mm 3.3 Prinzip „Erhalt der Passivität und Verbesserung der Oberfläche“ - Verfahren A1.1 Bei dem Verfahren A.1.1 soll die geschädigte Betonrandzone abgetragen und ersetzt werden (vgl. Abb. 6). Der Betonersatz kann über die gesamte Tiefe des Abtrags oder in Kombination mit anderen Verfahren (bspw. A2, B oder C) erfolgen. Die Anwendung des Verfahrens gilt für eine Alkalitätsgrenze von 10 mm > d a,min ≥ 5 mm. Ziel ist es, die Betondeckung zu erhöhen, die Oberflächenbeschaffenheit zu verbessern und den Erhalt des Korrosionsschutzes sicherzustellen. Die Mindestbetondeckung beträgt c min ≥ 20 mm und c min ≥ d Stahl . Sollte eine geschädigte Betonrandzone vorliegen, ist der geschädigte Bereich abzutragen und zu ersetzen. Wenn eine Carbonatisierung mit ausreichend tragfähigem Untergrund vorliegt, obliegt es dem Fachplaner oder einer sachkundigen Person zu prüfen, inwieweit die geschädigte Betonrandzone verbleiben kann. Es können die zementgebundenen Werkstoffe des Typs 1 und 2 nach DVGW-Arbeitsblatt W 300-5 [5] verwendet werden. Für Betonersatz nach Verfahren A1.1 können folgende Zementarten verwendet werden: • CEM I • CEM II A/ S, CEM II B/ S, CEM II A/ LL • CEM III A, CEM III B 40 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Überarbeitung der Instandsetzungsverfahren und -prinzipien: Was ändert sich künftig im „Arbeitsblatt DVGW W 300-3“? Abb. 6: Verfahren A1.1, Betonersatz bei 10 mm > d a,min ≥ 5 mm 3.4 Prinzip „Wiederherstellung und Erhalt der Passivität und Verbesserung der Oberfläche“ - Verfahren A1.2 Bei diesem Verfahren soll wie bei Verfahren A1.1 die geschädigte Betonrandzone abgetragen und ersetzt werden (vgl. Abb. 7). Der Betonersatz kann über die gesamte Tiefe des Abtrags oder in Kombination mit anderen Verfahren (bspw. A2, B oder C) erfolgen. Der Unterschied zum Verfahren A1.1 liegt darin, dass unabhängig davon, ob eine Carbonatisierung oder eine Auslaugung der Betonrandzone stattgefunden hat, die geschädigte Betonrandzone abgetragen werden sollte, damit ein neuer Alkalitätspuffer vor der Bewehrung aufgebaut werden kann. Die Anwendung des Verfahrens gilt für eine Alkalitätsgrenze von 5 mm > d a > 0 mm. Der bestehende Alkalitätspuffer reicht zur Sicherstellung des Korrosionsschutzes für die weitere Restnutzungsdauer nicht aus. Das Hauptziel des Verfahrens liegt daher darin, den Alkalitätspuffer entsprechend zu erhöhen. Eine Bewehrungskorrosion liegt nicht vor. Die Mindestbetondeckung beträgt c min ≥ 20 mm und c min ≥ d Stahl . Unabhängig davon, ob eine Carbonatisierung oder eine Auslaugung der Betonrandzone stattgefunden hat, sollte die geschädigte Betonrandzone abgetragen werden, damit ein neuer Alkalitätspuffer vor der Bewehrung aufgebaut werden kann. Sollte lokal eine Bewehrungskorrosion vorliegen, können diese partiellen Bereiche gemäß Verfahren A1.3 instandgesetzt werden. Für die Auswahl der Zemente und des Typs sollen die gleichen Einschränkungen gelten wie bei Verfahren A1.1. Abb. 7: Verfahren A1.2, Betonersatz bei 5 mm > d a,min > 0 mm 3.5 Prinzip „Wiederherstellung der Passivität und Verbesserung der Oberfläche“ - Verfahren A1.3 Bei dem Verfahren A.1.3 soll die geschädigte Betonrandzone i. d. R. bis hinter die Bewehrung abgetragen und ersetzt werden (vgl. Abb. 8). Der Betonersatz kann über die gesamte Tiefe des Abtrags oder in Kombination mit anderen Verfahren (bspw. A2, B oder C) erfolgen. Die Anwendung des Verfahrens gilt für eine Alkalitätsgrenze von d a ≤ 0 mm. Der bestehende Alkalitätspuffer reicht zur Sicherstellung des Korrosionsschutzes nicht aus und ist entsprechend zu erhöhen. I. d. R. liegt eine Bewehrungskorrosion aufgrund einer zerstörten Passivschicht vor. Die Mindestbetondeckung beträgt c min ≥ 20 mm und c min ≥ d Stahl . Das Prinzip A1.3 ist als lokale Instandsetzung zu sehen, bei der z. B. zu geringe Betondeckungen in Verbindung mit einer Auslaugung bzw. Carbonatisierung zur Bewehrungskorrosion geführt haben. Sollte eine flächige Korrosion auftreten, sollte eine Bewertung durch Personen mit besonderer Sachkunde erfolgen. Bei der Instandsetzungsplanung sollte berücksichtigt werden, ob eine Wiederherstellung der Mindestbetondeckung c min und eine statische Anrechenbarkeit des Mörtels erforderlich ist (Nachweis der Verwendbarkeit unter Berücksichtigung von ggf. standsicherheitsrelevanten Aspekten). Für die Auswahl der Zemente und des Typs sollen die gleichen Einschränkungen gelten wie bei Verfahren A1.1. 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 41 Überarbeitung der Instandsetzungsverfahren und -prinzipien: Was ändert sich künftig im „Arbeitsblatt DVGW W 300-3“? Abb. 8: Verfahren A1.3, Betonersatz bei d a,min ≤ 0 mm 4. Zusammenfassung Im zukünftigen DVGW-Arbeitsblatt W 300-3 werden sich signifikante Änderungen in Bezug auf die Auskleidungsprinzipien bei der Instandsetzung von Trinkwasserbehältern ergeben. Geplant ist, dass die „Auskleidungsprinzipien“ durch „Instandsetzungsprinzipien“ ersetzt werden, da nicht nur Prinzipien für die Instandsetzung der Oberfläche, sondern auch Prinzipien für die Instandsetzung bei unzureichendem Alkalitätspuffer oder bereits vorhandener Bewehrungskorrosion beschrieben werden. Die Prinzipien sollen zukünftig wie folgt unterteilt werden: • Verbesserung der Oberfläche • Erhalt der Passivität und Verbesserung der Oberfläche • Wiederherstellung und Erhalt der Passivität und Verbesserung der Oberfläche Bei der Wiederherstellung der Passivität der Bewehrung ist zusätzlich zu unterscheiden, ob eine Bewehrungskorrosion stattgefunden hat oder nicht. Sowohl Schäden am Beton als auch an der Bewehrung werden berücksichtigt. Folgende Randbedingungen sollen bei der Instandsetzung somit behandelt bzw. abgedeckt werden: • Ausreichende Verbundwirkung des Bewehrungsstahls (Standsicherheit) • Ausreichender Korrosionsschutz des Bewehrungsstahls (Erhalt und Wiederherstellung der Passivität) • Ausreichend dichte Betonrandzone (Bewertung, ob eine geschädigte Betonrandzone vorliegt) Die vorgenannten Prinzipien können mit verschiedenen Verfahren umgesetzt werden. Dazu zählen die Verfahren A2, A1.1, A1.2 und A1.3, welche die zementgebundenen Systeme berücksichtigen. Unter B werden weiterhin die organischen bzw. polymeren im Verbund zum Untergrund befindlichen Systeme definiert. Das Verfahren C steht wie bisher auch schon für Dichtungsbahnen, Plattensysteme oder nichtrostenden Stahl ohne Verbund zum Untergrund. Die Prinzipien, Verfahren und Anwendungsgrenzen sind in Tabelle 1 dargestellt. Tabelle 1: Übersicht der Instandsetzungsprinzipien und Verfahren inkl. Anwendungsgrenzen Prinzip Voraussetzungen Verfahren Anwendungsgrenzen Alkalitätsgrenze d a [mm] Betondeckung c min [mm] Verbesserung der Oberfläche ausreichende Betondeckung ausreichender Alkalitätspuffer geschädigte Betonrandzone 1) A2 ≥ 10 ≥ 20 B ≥ 5 ≥ 10 und ≥ d Stahl C ≥ 15 ≥ 30 Erhalt der Passivität und Verbesserung der Oberfläche keine ausreichende Betondeckung ausreichender Alkalitätspuffer geschädigte Betonrandzone 1) A1.1 ≥ 5 ≥ 20 A1.1+A2 ≥ 20 (A1.1+) B ≥ 10 und ≥ d Stahl A1.1+C ≥ 30 Wiederherstellung und Erhalt der Passivität und Verbesserung der Oberfläche keine ausreichende Betondeckung kein ausreichender Alkalitätspuffer geschädigte Betonrandzone 1) A1.2 > 0 ≥ 20 A1.2+A2 ≥ 20 A1.2+B ≥ 10 und ≥ d Stahl A1.2+C ≥ 30 Wiederherstellung der Passivität und Verbesserung der Oberfläche keine ausreichende Betondeckung kein ausreichender Alkalitätspuffer Bewehrungskorrosion möglich geschädigte Betonrandzone 1) A1.3 ≤ 0 ≥ 20 A1.3+A2 ≥ 20 A1.3+B ≥ 10 und ≥ d Stahl A1.3+C ≥ 30 1) Alkalitätsabfall und/ oder visuelle Auffälligkeiten der Oberfläche 42 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Überarbeitung der Instandsetzungsverfahren und -prinzipien: Was ändert sich künftig im „Arbeitsblatt DVGW W 300-3“? Literatur [1] DVGW W 300-1: 2014-10 Trinkwasserbehälter - Teil 1: Planung und Bau [2] DVGW W 300-2: 2014-10 Trinkwasserbehälter - Teil 2: Betrieb und Instandhaltung [3] DVGW W 300-3: 2014-10 Trinkwasserbehälter - Teil 3: Instandsetzung und Verbesserung [4] DVGW W 300-4: 2014-10 Trinkwasserbehälter - Teil 4: Werkstoffe, Auskleidungs- und Beschichtungssysteme - Grundsätze und Qualitätssicherung auf der Baustelle [5] DVGW W 300-5: 2020-08 Trinkwasserbehälter - Teil 5: Bewertung der Verwendbarkeit von Bauprodukten für Auskleidungs- und Beschichtungssysteme [6] DVGW W 300-6: 2016-09 Trinkwasserbehälter - Planung, Bau, Betrieb und Instandhaltung von System- und Fertigteilbehältern [7] DVGW W 300-7: 2016-09 Trinkwasserbehälter - Teil 7: Praxishinweise Reinigungs- und Desinfektionskonzept [8] DVGW W 300-8: 2016-10 Trinkwasserbehälter - Praxishinweise Hygienekonzept: Neubau und Instandsetzung [9] DAfStb-Richtlinie - Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen (Instandsetzungs-Richtlinie) - Teil 1: Allgemeine Regelungen und Planungsgrundsätze; Teil 2: Bauprodukte und Anwendung; Teil 3: Anforderungen an die Betriebe und Überwachung der Ausführung; Teil 4: Prüfverfahren, Ausgabe Oktober 2001 [10] Schulte Holthausen, R.; Merkel, M.; Raupach, M.; Breit, W.: Auslaugung und Realkalisierung von mineralischen Beschichtungen in Trinkwasserbehältern, in: energie | wasser-praxis 67 (2016), Nr. 12, S. 90-94 [11] Breit, W.; Merkel, M.: Dauerhaftigkeit von Trinkwasserbehälterbeschichtungen - Realkalisierungspotential auf dem Prüfstand, in: 5. Kolloquium - Betonbauwerke in der Trinkwasserspeicherung, Tagungshandbuch 2018, S. 41-47 [12] Merkel, M.; Breit, W.; Schulte Holthausen, R.; Raupach, M.: Realkalisierungspotenzial von Trinkwasserbehälterbeschichtungen, in: Beton- und Stahlbetonbau 114 (2019), Heft 12, S. 919-928 [13] Breit, W.; Merkel, M.; Raupach, M.; Schulte Holthausen, R.: Korrosionsschutz durch mineralische Beschichtungen unter Berücksichtigung der Anforderungen aus dem neuen DVGW-Arbeitsblatt W 300: 2014, Abschlussbericht DVGW-Förderkennzeichen W-5-01-14 und W 201835, DVGW Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e. V. (Hrsg.), März 2020 [14] Schulte Holthausen, R.; Raupach, M.; Merkel, M.; Breit, W.: Auslaugungswiderstand von Betonoberflächen in Trinkwasserbehältern, in: Bautechnik 97 (2020), Nr. 6, S. 367-452 [15] Schulte Holthausen, R.; Raupach, M.; Merkel, M.; Breit, W.: Zerstörungsfreie Bestimmung der Auslaugung von Beton mittels einseitiger Wasserstoff- Kernspinresonanz, in: Bautechnik 97 (2020), Nr. 10, S. 679-748 [16] Merkel, M.: Realkalisierungspotenzial von zementgebundenen Werkstoffen im Trinkwasserbereich, Dissertation, Technische Universität Kaiserslautern, 2021 [17] Merkel, M.; Breit, W.: Realkalisierungsvermögen und Beständigkeit von mineralischen Beschichtungen, in: Tagungsband zum 6. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis am 14. und 15. September 2021, S. 65-78 [18] Merkel, M.; Breit, W.: Mineralische Beschichtungen auf dem Prüfstand - Beständigkeit und Realkalisierungspotenzial von Instandsetzungsmörteln im Trinkwasserbereich, in: Bauforschung - Wissenschaft zur Anwendung, Festschrift zum 60. Geburtstag von Michael Raupach, ibac 2022, ISBN 978-3-95886-426-9, S. 102-129 [19] Deutsches Institut für Bautechnik (DIBt), Technische Regel - Instandhaltung von Betonbauwerken (TR Instandhaltung), 2020-05 [20] Deutscher Beton- und Bautechnik Verein E.V., DBV-Merkblatt Betondeckung und Bewehrung: 2015-12 Betondeckung und Bewehrung - Sicherung der Betondeckung beim Entwerfen, Herstellen und Einbauen der Bewehrung sowie des Betons nach Eurocode 2 [21] Hunkeler, F.; von Greve-Dierfeld, S.: Karbonatisierung von Beton und Korrosionsgeschwindigkeit der Bewehrung im karbonatisierten Beton, Foschungsprojekt AGB 2013/ 005 auf Antrag der Arbeitsgruppe Brückenforschung (AGB), Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation UVEK, April 2019 [22] Hunkeler, F.: Grundlagen der Korrosion und der Potentialmessung bei Stahlbetonbauwerken, Eidg. Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement, Bundesamt für Strassen, FA 86/ 90, Bericht VSS Nr. 510, Mai 1994 [23] Hunkeler, F.: Einfluss der Betonqualität auf den Chlorid- und Karbonatisierungswiderstand, Veranstaltung TFB 974761/ 62 „Dauerhafte Betonbauwerke - unser Ziel“, 18.02.1998 und 13.05.1998 Bauausführung mit besonderen Herausforderungen 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 45 Hygienische Probleme in Trinkwassernetzen und deren Ursachen Fallbeispiele und Erkenntnisse Dr. Beate Kilb IWW Rheinisch Westfälisches Institut für Wasser Beratungs- und Entwicklungsgesellschaft mbH, Mülheim a. d. Ruhr Zusammenfassung Mikrobiologische Kontaminationen des Trinkwassers sind in Deutschland Einzelfälle. In der Regel werden sie dadurch verursacht, dass die Regeln der Technik nicht eingehalten werden. Bei mikrobiologischen Kontaminationen im Trinkwasserverteilungsnetz sind die Maßnahmen zunächst mit dem zuständigen Gesundheitsamt abzustimmen. Für die Ursachenforschung ist es hilfreich, zunächst auf eine Desinfektion des Trinkwassers zu verzichten. Um die Kontaminationsquelle zu finden, sind gezielte Probenahmen an verschiedenen Stellen des Verteilungsnetzes erforderlich. Dabei kann es sinnvoll sein, das Probenvolumen von 100 ml auf z. B. 1 Liter zu erhöhen und die hygienisch relevanten Bakterien zu identifizieren. In dem nachfolgenden Beitrag sind einige Fallbeispiele aus der Praxis beschrieben, bei denen das Trinkwasser mit coliformen Bakterien, Escherichia coli, Enterokokken und Pseudomonas aeruginosa kontaminiert war. 1. Einleitung Trinkwasser ist nicht steril und stellt einen nährstoffarmen Lebensraum für eine Vielzahl von Mikroorganismen dar, wie z. B. Bakterien, Pilze und auch Protozoen. Nur ein geringer Teil der Mikroorganismen schwimmt frei in der Wasserphase herum. Der größte Teil der Mikroorgansimen besiedelt die Oberflächen des Trinkwasserverteilungsnetzes in Form sogenannter Biofilme. Biofilme sind auf Grenzflächen vorkommende Ansammlungen von Mikroorganismen. Sie bilden sich überwiegend in wässrigen Systemen, entweder auf der Wasseroberfläche oder auf einer Grenzfläche zu einer festen Phase. Grundsätzlich können alle Grenzflächen von Biofilmen bewachsen werden: zwischen Gas- und Flüssigphasen (z.-B. auf Gewässeroberflächen), Flüssig- und Festphasen (z.-B. auf der Innenoberfläche von Rohrleitungen) oder auch zwischen verschiedenen Flüssigphasen (z.-B. Öltröpfchen im Wasser). Der Biofilm besteht zu 95% aus Wasser. Von den Mikroorganismen werden extrazelluläre polymere Substanzen (EPS) ausgeschieden (95% der Trockenmasse eines Biofilms), die in Verbindung mit Wasser eine schleimartige Matrix bilden. Organische und anorganische Partikel sowie gelöste Substanzen sind in der Matrix eingebettet. Bestandteile der EPS sind u. a. Polysaccharide, Proteine, Lipide und Nuklein-säuren. Biofilme werden auch von höheren Organismen, z. B. Protozoen besiedelt, die sich von den Bakterien ernähren. Die Entstehung und das Wachstum von Biofilmen wird von verschiedenen Faktoren beeinflusst, wie z. B. vom Nährstoffangebot, der Beschaffenheit der Oberfläche und der Fließgeschwindigkeit des Wassers. Biofilme können örtlich begrenzt und sehr dünn sein, aber auch großflächig und sehr mächtig auftreten. Die Ausprägung des Biofilms ist stets ein Abbild des dynamischen Gleichgewichts zwischen der Konzentration an verwertbaren Wasserinhaltsstoffen und des Abweide-vorgangs durch höhere Organismen, z. B. Amöben [1]. In Leitungssystemen werden häufig Amöben der Gattung Arcella sp., Centropyxis sp., Difflugia sp. und Euglypha sp. beobachtet [2]. Sind Biofilme sehr dünn ausgeprägt, werden sie in der Regel optisch nicht wahrgenommen. Sind sie stärker ausgeprägt, so können sie auf der Oberfläche optisch wahrgenommen werden. Die Bildung von Biofilmen auf Wasseroberflächen, die als sog. Schwimmschicht bezeichnet werden, können z. B. durch einen erhöhten Nährstoffeintrag verursacht werden. Eine mangelnde Durchmischung und Stagnation des Wassers begünstigt die Biofilmbildung [1]. 2. Anforderungen der Trinkwasserverordnung und das technische Regelwerk In der Trinkwasserverordnung [3] wird gefordert, dass keine Krankheitserreger, die durch Wasser übertragen werden können, in Konzentrationen enthalten sein dürfen, die eine Schädigung der menschlichen Gesundheit besorgen lassen. Weiterhin muss das Trinkwasser bis zur Zapfstelle des Verbrauchers genusstauglich und rein sein. Dies ist im Allgemeinen dadurch gewährleistet, dass die Grenzwerte der Trinkwasserverordnung für mikrobiologische, chemische und radiologische Parameter eingehalten werden müssen. Weiterhin wird in § 17 der Trinkwasserverordnung gefordert, dass mindestens die allgemein anerkannten Regeln der Technik bei der Wassergewinnung, Wasserauf bereitung und Wasserverteilung eingehalten werden. Dies gilt auch bei Planung, Bau und Betrieb von Anlagen sowie auch bei der Analytik von Trinkwasserproben und der Durchführung der Probenahme. 46 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Hygienische Probleme in Trinkwassernetzen und deren Ursachen Das technische Regelwerk, welches u. a. aus Normen, DVGW-Arbeitsblättern, VDI-Richtlinien sowie Empfehlungen des Umweltbundesamtes besteht, ist sehr komplex und erfordert entsprechende Kenntnisse bei verantwortlichen Personen. 3. Ursachen mikrobieller Kontaminationen des Trinkwassers Mikrobiologische Kontaminationen des Trinkwassers sind in Deutschland Einzelfälle. In der Regel werden sie dadurch verursacht, dass die Regeln der Technik nicht eingehalten werden. Die häufigsten Ursachen für mikrobiologische Kontaminationen des Trinkwassers sind im Folgenden aufgeführt: • Eintrag von Mikroorganismen und Nährstoff-einträge im Zuge von Baumaßnahmen • Der Einbau ungeeigneter Werkstoffe und Materialien (z. B. Schmierstoffe, Fette, Gleitmittel) • Unzulässige Verbindungen zu Nicht-Trink-wasseranlagen • Extremwetterlagen (z. B. trockene und heiße Sommer, Starkregenereignisse) • Nicht durchgeführte Reinigungs-, Wartungs-, und Instandsetzungsmaßnahmen an Anlagenkomponenten • Ungeeignete Betriebsweise, Stagnation • Einsatz von unqualifiziertem Personal • Kontaminierte, nass-geprüfte Bauteile, wie z. B. Pumpen, Wasserzähler, u. a. • Einträge von Invertebraten (z. B. Insekten, Schnecken) 4. Allgemeine Vorgehensweisen bei einer mikrobiellen Kontamination des Trinkwassers Bei mikrobiologischen Kontaminationen im Trinkwasserverteilungsnetz sind die Maßnahmen zunächst mit dem zuständigen Gesundheitsamt abzustimmen. Für die Ursachenforschung ist es hilfreich, zunächst auf eine Desinfektion des Trinkwassers zu verzichten. Dies bedarf der Abstimmung mit dem zuständigen Gesundheitsamt. Zur Ursachenforschung kann es sinnvoll sein, das Probenvolumen von 100 ml auf z. B. 1 Liter zu erhöhen. Dies ist dann sinnvoll, wenn hygienisch relevante Bakterien in sehr geringer Anzahl im Trinkwasser nachgewiesen werden. Durch die Entnahme größerer Probenvolumina wird die Nachweisempfindlichkeit erhöht. Da sich hygienisch relevante Bakterien in Biofilmen auf Oberflächen im Verteilungsnetz ansiedeln und vermehren können, sollte auf Komponenten, welche die Biofilmbildung begünstigen ein besonderes Augenmerk gelegt werden. Dazu gehören z. B. Absperrarmaturen und Hydranten, die u. a. Schmier- und Gleitmittel enthalten. Diese Substanzen können die Ansiedlung und Vermehrung hygienisch relevanter Bakterien fördern. 5. Fallbeispiele aus der Praxis 5.1 Fallbeispiel 1: Coliforme Bakterien im Verteilungsnetz Im Jahr 2016 traten bei einem Wasserversorger coliforme Bakterien, E. coli und Enterokokken sowohl in Trinkwasserproben im Verteilungsnetz als auch in Trinkwasserproben in mehreren öffentlichen Gebäuden auf. Durch die gezielte Entnahme von Trinkwasserproben im gesamten Verteilungsnetz konnte die Ursache innerhalb von 24 h ermittelt werden. Die Ursache war eine defekte Rohwasserleitung und ein defekter Rohrbelüfter an einer Rohwasserleitung. Um die mikrobiologische Trinkwasserbeschaffenheit wiederherzustellen, wurde zunächst eine Desinfektion am Wasserwerksausgang in Betrieb genommen. Anschließend erfolgte der Austausch der defekten Leitungen und Rohrbelüfter sowie die Durchführung von Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen. 5.2 Fallbeispiel 2: Nachweis von coliformen Bakterien im Trinkwasser verursacht durch den Eintrag von Insekten ins Trinkwasserverteilungssystem Bei einem Wasserversorger traten in mehreren Trinkwasserproben im Verteilungsnetz coliforme Bakterien in einer Anzahl von 1 bis 10 MPN/ 100 ml auf. Zur Ermittlung der Ursachen wurden umfangreiche Probenahmen im gesamten Verteilungsnetz durchgeführt. Es wurde ein Probenvolumen von 1 Liter eingesetzt. Weiterhin erfolgte eine Identifizierung der coliformen Bakterien. Die coliformen Bakterien wurden als Enterobacter amnigenus identifiziert. Enterobacter amnigenus ist medizinisch bedeutungslos. Aus diesem Grund wurde nach Rücksprache mit dem Gesundheitsamt auf eine Desinfektion des Trinkwassers zunächst verzichtet. Durch die gezielten Probenahmen konnte als Kontaminationsquelle ein Wasserturm ausfindig gemacht werden. Dieser Wasserturm hatte einen Sendemast. Für das Antennenkabel befand sich in der Außenwand des Wasserturms eine Kernbohrung. Durch diese Kernbohrung gelangten Insekten in den Wasserturm und somit in das Trinkwasser. Diese waren der Grund für den Nachweis der coliformen Bakterien im Trinkwasser. Das Loch in der Außenwand des Wasserturms wurde darauf hin geschlossen. Der Behälter wurde gereinigt und desinfiziert, im Rohrnetz wurden Spülmaßnahmen durchgeführt. Auf diese Art und Weise konnte die mikrobiologische Trinkwasserqualität gemäß Trinkwasserverordnung wiederhergestellt werden. 5.3 Fallbeispiel 3: Nachweis von coliformen Bakterien im Trinkwasser nach Baumaßnahmen Bei einem Wasserversorger traten nach Baumaßnahmen an einer Transportleitung (DN 500; Länge: 4 km) coliforme Bakterien in einer Anzahl zwischen 1 MPN/ 100 ml bis 10 MPN/ 100 ml auf. Zahlreiche Spül- und Desinfektionsmaßnahmen führten nicht zum Erfolg. Um die Ursache für den Eintrag der coliforme Bakterien zu finden, wurden neben gezielten Probenahmen eingebaute Absperrarmaturen begutachtet. Bei der Begutachtung der Absperrarmaturen fiel auf, dass diese großen Mengen an Schmiermitteln auf den Oberflächen enthielten. Abstriche von den Schmiermitteln und die mikrobiologische Untersuchung der Abstrichproben zeigten, dass sich coliforme Bakterien dort angesiedelt hatten. Eine Identifizierung der coliformen Bakterien zeigte, dass es sich um 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 47 Hygienische Probleme in Trinkwassernetzen und deren Ursachen die gleichen Bakterienarten handelte, die in den Trinkwasserproben nachgewiesen wurden. Nach einer Reinigung und Desinfektion der Absperrarmaturen vor Ort und einer Spülung des Leitungssystems konnte die mikrobiologische Trinkwasserbeschaffenheit wiederhergestellt werden. Abb. 1: Schmiermittel auf einer Absperrarmatur 5.4 Fallbeispiel 4: Nachweis von Pseudomonas aeruginosa im Trinkwasser Im Juni 2017 traten in dem Versorgungsgebiet eines Wasserversorgers nach Baumaßnahmen in einem Neubaugebiet wiederholt Kontaminationen des Trinkwassers mit Pseudomonas aeruginosa auf. Trotz durchgeführter Spül- und Desinfektionsmaßnahmen war das Bakterium in einer Anzahl zwischen 1 KBE/ 100 ml und 12 KBE/ 100 ml nachweisbar. Zur Ermittlung der Ursachen für die Kontamination wurden in dem Gebiet drei Absperrschieber ausgebaut. Sowohl die Oberflächen der Schieberkeile als auch die verwendeten Schmiermittel wurden auf P. aeruginosa untersucht. Zum Vergleich wurde ein neuer Absperrschieber aus dem Lager des Wasserversorgers untersucht. Auf den Absperrarmaturen aus dem Verteilungsnetz und in den meisten Abstrichproben der Schmiermittel war P. aeruginosa nachweisbar. In den Abstrichproben der Schmiermittel und auf der Oberfläche des neuen Schieberkeils war P. aeruginosa nicht nachweisbar. Auch in diesem Fall wurden die Oberflächen der Schieberkeile vor Ort mechanisch gereinigt und desinfiziert sowie die Schmiermittel entfernt. Die Armaturen wurden wieder eingebaut. Die mikrobiologische Trinkwasserbeschaffenheit gemäß Trinkwasserverordnung konnte wiederhergestellt werden. 5.5 Fallbeispiel 5: Schwimmschicht auf der Wasseroberfläche eines Trinkwasserspeichers Auf der Wasseroberfläche eines Trinkwasserspeichers zeigte sich ein milchig, trüber Belag. Dieser Belag bzw. diese Schwimmschicht wurde mittels einer Filtermatte aufgefangen und mikroskopisch untersucht. Bei der Schwimmschicht handelt es sich ebenfalls um einen Biofilm. Neben Bakterien und Pilzen wurde in diesem Fall auch die Schalenamöbe der Gattung Euglypha gefunden, die sich dort massenhaft vermehrt hatte. Die Ursachen für die Schwimmschichtbildung sind in der Regel Nährstoffeinträge, z. B. nach Baumaßnahmen im Behälter. Weitere Ursachen können u. a. Defekte bei der Behälterbelüftung darstellen und eine dadurch bedingte vermehrte Bildung von Kondenswasser. Eine verstärkte Kondenswasserbildung an der Behälterdecke in Kombination mit längeren Verweilzeiten des Kondenswassers kann die Vermehrung von Mikroorganismen auf der Oberfläche der Behälterdecke fördern. Abtropfendes Kondenswasser von der Behälterdecke auf die Wasseroberfläche kann die mikrobiologische Trinkwasserbeschaffenheit beeinträchtigen. Dünne Schwimmschichten können über den Behälterüberlauf entfernt werden. In vielen Fällen wird eine Reinigung und Desinfektion des Behälters durchgeführt. Abb. 2: Schwimmschicht auf der Wasseroberfläche eines Trinkwasserspeichers 48 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Hygienische Probleme in Trinkwassernetzen und deren Ursachen Abb. 3: SEM-Aufnahme einer Schwimmschicht mit der Schalenamöbe Euglypha Literatur [1] Nezami, M. (2010): Schwimmschicht in Behältern. GWF-Wasser/ Abwasser 151 (5), 458-460. [2] Rathsack, U. (2012): Unerwünschte Bewohner- Wasserasseln und andere Makroorganismen in Trinkwasserversorgungsnetzen. IKZ 7 (11), 8-12. [3] Verordnung zur Neuordnung trinkwasserrechtlicher Vorschriften vom 3. Januar 2018 (4. Änderungsverordnung zur TrinkwV). Bundesgesetzblatt, Teil I, 2018-01 (2): S. 99-114. 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 49 Trinkwasserstollen - Sanierung eines 1,9 km langen Wasserspeichers Dipl.-Ing. Thilo Bach Bauschutz GmbH & Co. KG, Asperg Sanierung eines TTrriin nkkwwaasssseerrssttool llleenns s Dipl. Ing. Thilo Bach Bauschutz GmbH & Co. KG Niederlassung Asperg Neckarstraße 2, 71679 Asperg zentrale.asperg@bauschutz.de (07141) 268 - 0 1 GGlliieeddeerruunngg • Vorstellung Objekt • Baujahr, Bauweise, Geometrie • Konzeption der Sanierung • Hygiene- & Sanierungskonzept; Musterflächen • Abwicklungsplanung • Baustelleneinrichtung • Strom, Wasser, Abwasser, Klimatisierung, Druckluft • Transport • Strom, Wasser, Strahlschutt, Beschichtungmaterial • Umsetzung der Vorplanung Neckarstraße 2, 71679 Asperg zentrale.asperg@bauschutz.de (07141) 268 - 0 2 50 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Trinkwasserstollen - Sanierung eines 1,9 km langen Wasserspeichers TTrriinnkkw waasssseerrssttoolllleenn - Vorstellung Einlaufbauwerk Auslaufbauwerk Neckarstraße 2, 71679 Asperg zentrale.asperg@bauschutz.de (07141) 268 - 0 4 TTrriinnkkw waasssseerrssttoolllleenn - Vorstellung • Der Trinkwasserstollen ist ein historisches und immer noch zur Speicherung betriebenes zentrales Bauwerk der Trinkwasserversorgung • Die Erbauung erfolgte im Zeitraum von 1913 bis 1917 • Der Stollen verbindet auf einer Länge 1.870 m das östlich gelegene Einlaufbauwerk mit dem westlich gelegenen Auslaufbauwerk Neckarstraße 2, 71679 Asperg zentrale.asperg@bauschutz.de (07141) 268 - 0 3 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 51 Trinkwasserstollen - Sanierung eines 1,9 km langen Wasserspeichers TTrriinnkkwwaasssseerrssttoolllleenn - Vorstellung • Nach dem bergmännischen Vortrieb wurde eine ca. 40 cm starke Innenschale aus „Spritzbeton“ eingebaut • Auf diese Oberfläche wurde ein ca. 2 cm starker Zementputz aufgebracht • Darauf folgte eine ca. 2-5 mm starke Feinspachtel-Dichtungsschlämme Neckarstraße 2, 71679 Asperg zentrale.asperg@bauschutz.de (07141) 268 - 0 6 TTrriinnkkwwaasssseerrssttoolllleenn - Vorstellung • Bergmännisch ausgebrochenes Profil • Die Höhendifferenz zwischen Einlauf und Auslauf beträgt lediglich 37 cm was einem „Gefälle“ von 0,2 Promille entspricht. Neckarstraße 2, 71679 Asperg zentrale.asperg@bauschutz.de (07141) 268 - 0 5 52 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Trinkwasserstollen - Sanierung eines 1,9 km langen Wasserspeichers TTrriinnkkw waasssseerrssttoolllleenn - Vorstellung • Der Stollen ist durch die Mittelwand in zwei Kammern getrennt und ist mit einem gemeinsamen Zugang in den Bauwerken verbunden. • In der Stollenkammer I wurde die Sanierung in der Vergangenheit mit einer Rohrleitung realisiert • Die Stollenkammer II soll konventionell mit einer mineralischen Beschichtung ausgekleidet und weiterhin als Freispiegel-Stollen betrieben werden Neckarstraße 2, 71679 Asperg zentrale.asperg@bauschutz.de (07141) 268 - 0 9 TTrriinnkkw waasssseerrssttoolllleenn - Vorstellung • Nach dem bergmännischen Vortrieb wurde eine ca. 40 cm starke Innenschale aus „Spritzbeton“ eingebaut • Auf diese Oberfläche wurde ein ca. 2 cm starker Zementputz aufgebracht • Darauf folgte eine ca. 2-5 mm starke Feinspachtel-Dichtungsschlämme Neckarstraße 2, 71679 Asperg zentrale.asperg@bauschutz.de (07141) 268 - 0 7 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 53 Trinkwasserstollen - Sanierung eines 1,9 km langen Wasserspeichers TTrriinnkkwwaasssseerrssttoolllleenn - Vorstellung Neckarstraße 2, 71679 Asperg zentrale.asperg@bauschutz.de (07141) 268 - 0 10 TTrriinnkkwwaasssseerrssttoolllleenn - Vorstellung Neckarstraße 2, 71679 Asperg zentrale.asperg@bauschutz.de (07141) 268 - 0 11 54 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Trinkwasserstollen - Sanierung eines 1,9 km langen Wasserspeichers TTrriinnkkw waasssseerrssttoolllleenn - Konzept Musterflächen • Im Vorfeld wurden Musterflächen angelegt um Erkenntnisse über die Art der Untergrundvorbereitung, Verarbeitung und Haftung des Beschichtungsmaterials auf dem Untergrund der Wand- und Bodenflächen zu erhalten Neckarstraße 2, 71679 Asperg zentrale.asperg@bauschutz.de (07141) 268 - 0 13 TTrriinnkkw waasssseerrssttoolllleenn Räumliche Trennung zwischen Stollen / Wasserkammern Neckarstraße 2, 71679 Asperg zentrale.asperg@bauschutz.de (07141) 268 - 0 12 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 55 Trinkwasserstollen - Sanierung eines 1,9 km langen Wasserspeichers TTrriinnkkwwaasssseerrssttoolllleenn - Konzept Bauabschnittsplanung - 9 BAs Neckarstraße 2, 71679 Asperg zentrale.asperg@bauschutz.de (07141) 268 - 0 15 TTrriinnkkwwaasssseerrssttoolllleenn - Konzept Neckarstraße 2, 71679 Asperg zentrale.asperg@bauschutz.de (07141) 268 - 0 14 56 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Trinkwasserstollen - Sanierung eines 1,9 km langen Wasserspeichers TTrriinnkkw waasssseerrssttoolllleenn - Konzept Hygiene • Hygienezone I (direkter Schutzbereich) • Arbeitsbereiche in der Stollenkammer • Hygienezone II (erweiterter Schutzbereich) • Zugangsbereich zur Stollenkammer (Schleusenbereich) • Zugang zur Wasserkammer (Hygienezone I) • Hygienezone III (Betriebsgebäude) • Gesamtes Betriebsgebäude außerhalb der Hygienezonen I & II • Hygienezone IV (Betriebsgelände) • Das gesamte Betriebsgelände des ZV LW einschl. Baustelleneinrichtungsflächen Neckarstraße 2, 71679 Asperg zentrale.asperg@bauschutz.de (07141) 268 - 0 17 TTrriinnkkw waasssseerrssttoolllleenn - Konzept Bauabschnittsplanung - Unterteilung der einzelnen BAs Neckarstraße 2, 71679 Asperg zentrale.asperg@bauschutz.de (07141) 268 - 0 16 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 57 Trinkwasserstollen - Sanierung eines 1,9 km langen Wasserspeichers TTrriinnkkwwaasssseerrssttoolllleenn - Konzept Hygienekonzept - Hygienezone IV (Betriebsgelände) Neckarstraße 2, 71679 Asperg zentrale.asperg@bauschutz.de (07141) 268 - 0 19 TTrriinnkkwwaasssseerrssttoolllleenn - Konzept Hygienekonzept Neckarstraße 2, 71679 Asperg zentrale.asperg@bauschutz.de (07141) 268 - 0 18 58 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Trinkwasserstollen - Sanierung eines 1,9 km langen Wasserspeichers OOsstte errbbuucchhssttoolll leenn - Konzept Hygienekonzept - Hygienezone II (Bereich zum Wechseln der Kleidung) Neckarstraße 2, 71679 Asperg zentrale.asperg@bauschutz.de (07141) 268 - 0 21 OOTTrriinnkkwwaas ssseerrssttoolllleenn - Konzept Hygienekonzept - Hygienezone III (Betriebsgebäude) Neckarstraße 2, 71679 Asperg zentrale.asperg@bauschutz.de (07141) 268 - 0 20 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 59 Trinkwasserstollen - Sanierung eines 1,9 km langen Wasserspeichers TTrriinnkkwwaasssseerrssttoolllleenn - Konzept Hygienekonzept - Hygienezone I (Direkter Zugang Stollenkammer) Neckarstraße 2, 71679 Asperg zentrale.asperg@bauschutz.de (07141) 268 - 0 22 TTrriinnkkwwaasssseerrssttoolllleenn - Abwicklungsplanung Strom: • Bedarfsermittlung • Anforderung Leistung / Absicherung • Leitungsquerschnitt • Leitungslängen / Spannungsabfall • Unterverteilung • Schutz der Leitungen Neckarstraße 2, 71679 Asperg zentrale.asperg@bauschutz.de (07141) 268 - 0 23 60 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Trinkwasserstollen - Sanierung eines 1,9 km langen Wasserspeichers TTrriinnkkw waasssseerrssttoolllleenn - Abwicklungsplanung Wasser/ Abwasser: • Anforderung Menge in m³ • Durchflussquerschnitt • Druckverlust, Druckerhöhung • Verteilung innerhalb • Abwasserleitung • Schutz der Schläuche Neckarstraße 2, 71679 Asperg zentrale.asperg@bauschutz.de (07141) 268 - 0 25 TTrriinnkkw waasssseerrssttoolllleenn - Umsetzung Strom: Neckarstraße 2, 71679 Asperg zentrale.asperg@bauschutz.de (07141) 268 - 0 24 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 61 Trinkwasserstollen - Sanierung eines 1,9 km langen Wasserspeichers TTrriinnkkwwaasssseerrssttoolllleenn - Abwicklungsplanung Druckluft: • Anforderung Menge in m³ • Durchflussquerschnitt • Verteilung innerhalb • Schutz der Schläuche Neckarstraße 2, 71679 Asperg zentrale.asperg@bauschutz.de (07141) 268 - 0 27 TTrriinnkkwwaasssseerrssttoolllleenn - Umsetzung Wasser/ Abwasser: Neckarstraße 2, 71679 Asperg zentrale.asperg@bauschutz.de (07141) 268 - 0 26 62 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Trinkwasserstollen - Sanierung eines 1,9 km langen Wasserspeichers TTrriinnkkw waasssseerrssttoolllleenn - Abwicklungsplanung Klimatisierung: • Vermeidung von Zugluft, dennoch kontinuierlicher Luftaustausch • Zirkulation • Luftfeuchtigkeit • Abtransport der Abluft Neckarstraße 2, 71679 Asperg zentrale.asperg@bauschutz.de (07141) 268 - 0 29 TTrriinnkkw waasssseerrssttoolllleenn - Umsetzung Neckarstraße 2, 71679 Asperg zentrale.asperg@bauschutz.de (07141) 268 - 0 28 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 63 Trinkwasserstollen - Sanierung eines 1,9 km langen Wasserspeichers TTrriinnkkwwaasssseerrssttoolllleenn - Umsetzung Klimatisierung: • Im Stollen Neckarstraße 2, 71679 Asperg zentrale.asperg@bauschutz.de (07141) 268 - 0 31 TTrriinnkkwwaasssseerrssttoolllleenn - Umsetzug Klimatisierung: Neckarstraße 2, 71679 Asperg zentrale.asperg@bauschutz.de (07141) 268 - 0 30 64 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Trinkwasserstollen - Sanierung eines 1,9 km langen Wasserspeichers TTrriinnkkw waasssseerrssttoolllleenn - Abwicklungsplanung Transport ins Bauwerk • Einbringöffnung herstellen Neckarstraße 2, 71679 Asperg zentrale.asperg@bauschutz.de (07141) 268 - 0 33 TTrriinnkkw waasssseerrssttoolllleenn - Abwicklungsplanung Transport ins Bauwerk • Materialmenge in das Stollenbauwerk: • 1.000 lfm Kabel = 5.000 kg • 120 to Strahlmittel • 425 to Beschichtungsmaterial Wände • 390 to Beschichtungsmaterial Boden • 2.000 lfm Wasserschlauch • 1.000 lfm Druckluftschläuche • Strahlausrüstung • Spritzausrüstung • Abtransport • 150 to Strahlschutt • 25 to Rückprall • viele, viele m³ Wasser durch Waschen und Gerätereinigung Neckarstraße 2, 71679 Asperg zentrale.asperg@bauschutz.de (07141) 268 - 0 32 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 65 Trinkwasserstollen - Sanierung eines 1,9 km langen Wasserspeichers TTrriinnkkwwaasssseerrssttoolllleenn - Abwicklungsplanung Transport ins Bauwerk • Kranaufstellung Neckarstraße 2, 71679 Asperg zentrale.asperg@bauschutz.de (07141) 268 - 0 35 TTrriinnkkwwaasssseerrssttoolllleenn - Abwicklungsplanung Transport ins Bauwerk • Einbringöffnung herstellen Neckarstraße 2, 71679 Asperg zentrale.asperg@bauschutz.de (07141) 268 - 0 34 66 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Trinkwasserstollen - Sanierung eines 1,9 km langen Wasserspeichers TTrriinnkkw waasssseerrssttoolllleenn - Umsetzung Transport ins Bauwerk • Kranaufstellung Neckarstraße 2, 71679 Asperg zentrale.asperg@bauschutz.de (07141) 268 - 0 37 TTrriinnkkw waasssseerrssttoolllleenn - Umsetzung Transport ins Bauwerk • Einbringöffnung herstellen Neckarstraße 2, 71679 Asperg zentrale.asperg@bauschutz.de (07141) 268 - 0 36 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 67 Trinkwasserstollen - Sanierung eines 1,9 km langen Wasserspeichers TTrriinnkkwwaasssseerrssttoolllleenn - Umsetzung Transport im Bauwerk • Im Stollen Neckarstraße 2, 71679 Asperg zentrale.asperg@bauschutz.de (07141) 268 - 0 39 TTrriinnkkwwaasssseerrssttoolllleenn - Ausführungsplanung Transport im Bauwerk • Im Stollen Neckarstraße 2, 71679 Asperg zentrale.asperg@bauschutz.de (07141) 268 - 0 38 68 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Trinkwasserstollen - Sanierung eines 1,9 km langen Wasserspeichers TTrriinnkkw waasssseerrssttoolllleenn - Umsetzung Risse - wasserführend, feucht / trocken Variante 1: Neckarstraße 2, 71679 Asperg zentrale.asperg@bauschutz.de (07141) 268 - 0 41 TTrriinnkkw waasssseerrssttoolllleenn - Umsetzung Beschichtung Bestand • Wandflächen: vorliegend eine hochfeste dünne Dichtungsschicht auf einem grobkörnigeren Putz = sollte bestmöglich erhalten bleiben Also FESTSTOFFSTRAHLEN Neckarstraße 2, 71679 Asperg zentrale.asperg@bauschutz.de (07141) 268 - 0 40 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 69 Trinkwasserstollen - Sanierung eines 1,9 km langen Wasserspeichers TTrriinnkkwwaasssseerrssttoolllleenn - Umsetzung Untergrundvorbereitung - Feststoffstrahlen Neckarstraße 2, 71679 Asperg zentrale.asperg@bauschutz.de (07141) 268 - 0 43 OOsst teerrbbuucchhssttoolllleenn - Umsetzung Risse - wasserführend, feucht / trocken Variante 2: Neckarstraße 2, 71679 Asperg zentrale.asperg@bauschutz.de (07141) 268 - 0 42 70 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Trinkwasserstollen - Sanierung eines 1,9 km langen Wasserspeichers TTrriinnkkw waasssseerrssttoolllleenn - Umsetzung Arbeitsablauf - Hohlkehle Neckarstraße 2, 71679 Asperg zentrale.asperg@bauschutz.de (07141) 268 - 0 45 TTrriinnkkw waasssseerrssttoolllleenn - Umsetzung Einbau Wandbeschichtung Neckarstraße 2, 71679 Asperg zentrale.asperg@bauschutz.de (07141) 268 - 0 44 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 71 Trinkwasserstollen - Sanierung eines 1,9 km langen Wasserspeichers TTrriinnkkwwaasssseerrssttoolllleenn VIELEN DANK für Ihre Aufmerksamkeit! Dipl. Ing. Thilo Bach Bauschutz GmbH & Co. KG Niederlassung Asperg Mobil: +49 173 3486561 Mail: bach.thilo@bauschutz.de Neckarstraße 2, 71679 Asperg zentrale.asperg@bauschutz.de (07141) 268 - 0 47 TTrriinnkkwwaasssseerrssttoolllleenn - Umsetzung Arbeitsablauf - Hohlkehle Neckarstraße 2, 71679 Asperg zentrale.asperg@bauschutz.de (07141) 268 - 0 46 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 73 Nachhaltige Instandsetzung eines nachträglich geklinkerten Hochbehälters mit mechanischen, hygienischen und logistischen Herausforderungen Dominik Flint, M. Sc. Flint Bautenschutz GmbH, Detmold Zusammenfassung Trinkwasserbehälter sind wichtige Bestandteile kommunaler Wasserversorgungssysteme, die eine Versorgung mit qualitativ hochwertigem Trinkwasser zuverlässig sicherstellen müssen. Der Genuss oder der Gebrauch von Trinkwasser darf die menschliche Gesundheit nicht gefährden. An Trinkwasserbehälter werden daher besondere Anforderungen bereits in der Planungs- und Bauphase, aber auch während ihres Betriebs und hinsichtlich der Instandhaltung gestellt. In der W 300 Teil 1-8 werden sämtliche Neubau- und Instandsetzungsmaßnahmen geregelt. Trinkwasserbehälter/ Hochbehälter, die instandgesetzt werden, unterliegen neben den statischen Anforderungen auch speziellen Anforderungen an die Konstruktion, an die Dichtigkeit und an die Hygiene. Für eine erfolgreiche Instandsetzung ist eine gute Planung und das Instandsetzen durch geeignetes Fachpersonal zwingend erforderlich. 1. Ausgangssituation Die Entscheidung einen Behälter aus dem Bestand zu sanieren ist vielen Faktoren unterworfen. Allgemein gilt für die Sanierung eines Hochbehälters, dass ein Bestandsbehälter so zu sanieren ist, dass er die aktuellen regelkonformen Anforderungen an einen Neubau erfüllt. Dies gilt für die konstruktive Instandsetzung wie für den Anlagenbereich, z. B. die Be- und Entlüftungsanlage für die Wasserkammern. Der Behälter aus unserem Praxisbeispiel aus dem Baujahr 1965 dient als Zwischenlage-Behälter für einen weiteren Behälter. Das Fassungsvolumen beträgt 1.000 m³. Aufgrund von stark Calcit lösendem Wasser wird am Hauptbehälter eine neue Entsäuerungsanlage benötigt. Um eine Versorgungssicherheit aufrechtzuerhalten, soll in dem Zuge unser Praxis-Beispiel instandgesetzt werden. Abb. 1 Ansicht Wasserkammer 2. Geografische Lage des Hochbehälters Abb. 2 Behälter Gelände Die Zuwegung zum Hochbehälter führt über einen ca. 2 km langen Waldweg, die Steigung beträgt im Mittel ca. 15 °. Der Transport von Materialien erfolgt hier über Radlader. 3. Wasserkammer Das Fassungsvolumen des Behälters teilt sich auf zwei Wasserkammern auf mit jeweils 500 m³. Abb. 3 Ansicht Wasserkammer Vorher 74 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Nachhaltige Instandsetzung eines nachträglich geklinkerten Hochbehälters mit mechanischen, hygienischen und logistischen Herausforderungen 4. Bauzustandsanalyse Im Zuge der Bauzustandsanalyse zeigte sich ein besonderer Wandaufbau. Ein hygienischer Nachweis für die verbauten Baustoffe konnte nicht erbracht werden. Die entnommenen Bohrkerne wurden in ein zugelassenes Labor geschickt. Abb. 4 Entnahme Bohrkern Abb. 5 Auf bau Bestand 5. Schadensbild Der gesamte Behälter zeigte sich in einem sehr schlechten Zustand. Der Bereich des Sohle-/ Wandanschlusses wies Undichtigkeiten auf. 6. Untergrundvorbereitung Die Untergrundvorbereitungen erfolgten im Wesentlichen durch Stemmen. Der gesamte Abraum des Wandauf baus belief sich auf 180 Tonnen Bauschutt und 2 Tonnen Bitumen. Im Nachgang wurden die Bestandsflächen durch HDW-Strahlen vorbereitet. Abb.6 Abbruch des Klinkers Abb. 7 Abbruch des Bitumens Im Nachgang wurden die Bestandsflächen durch HDW- Strahlen vorbereitet. Hier haben sich viele Kiesnester oder Schüttansätze ergeben. Eine ausreichende Betonüberdeckung war nicht gegeben. Abb. 8 Untergrund nach dem HDW-Strahlen 7. Hygienekonzept Nach dem Abschluss der Untergrundvorbereitung wurde das Hygienekonzept in Betrieb genommen. Das Gelände wurde in vier Hygienebereiche aufgeteilt und baulich getrennt. Abb. 9 Eingang Hygienebereich B 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 75 Nachhaltige Instandsetzung eines nachträglich geklinkerten Hochbehälters mit mechanischen, hygienischen und logistischen Herausforderungen Abb. 10 Ansicht Hygienebereiche A-D 8. Beschichtungsarbeiten/ Teilneubau Für die Innensanierung des Hochbehälters kam ein mit Edelfasern verstärkter Spritzbeton zum Einsatz, der eine vollflächige Bewehrung erspart. Der originale Beton wies bei Weitem nicht die nötige Haftzugfestigkeit für mineralische Beschichtungen auf. Abb. 11 Detailansicht Nachher Abb. 12 während der Beschichtungsarbeiten Abb. 13 Wasserkammer kurz vor der Inbetriebnahme 9. Fazit Der Betreiber ließ einen historischen Trinkwasserbehälter mit den Anforderungen eines Neubaus instand setzen. Mehr als 30 Jahre wird die neue Oberfläche halten dank des Materials mit wenigstens 25 mm Schichtstärke. Abb. 14 Fertigstellung der Wasserkammer Werkstoffe - Edelstahl 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 79 Trinkwasserbehälter aus Edelstahl - „neu erDacht“ Praxisbeispiele, Dachvarianten sowie Planung und Bau Matthias Kuck LIPP GmbH, Tannhausen Zusammenfassung In diesem Fachbeitrag wird die Entstehung von Edelstahl-Systembehältern und deren Varianten beschrieben. Anschließend erfolgt eine kurze Abhandlung über die Ausstattung einer Behälteranlage. Da die hygienischen Anforderungen gewachsen sind, wird die Reinigung durch einen Zielstrahlreiniger näher beschrieben. Weiter wird auf die Qualitätssicherung eingegangen, die bei geschweißten Edelstahlbehältern den Schwerpunkt in der Schweißnahtkontrolle hat. Weiterhin werden wichtige Informationen für Planung und Voraussetzung gegeben, damit die Umsetzung in Bau und Nutzung gut gelingt. Nachhaltigkeit durch ressourceneffiziente Bauweise sollte nicht nur ein Lippenbekenntnis sein, daher wird hier vertieft auf eine neue Dachgeneration eingegangen, die enormes Potenzial bietet. 1. Einführung Systembehälter aus Edelstahl sind im Vergleich zur herkömmlichen Bauart aus Beton noch relativ jung, doch hat sich im Laufe der letzten 20 Jahre bei den Edelstahlbehältern einiges getan. Das Endlosbandverfahren ermöglicht eine nahezu vollautomatische Produktion, die sehr hohe Fertigungsqualitäten ermöglicht. Vor allem die Qualität der Schweißnähte kann auf hohem Niveau realisiert werden. Aus technischen Gründen lassen sich ausschließlich rotationssymmetrische Behälterformen realisieren. Die Behälterform kommt allerdings der Durchmischung zugute, da der schräggestellte Einlauf das Wasser in Rotation bringt. Aufgrund der positiven Entwicklung von Edelstahl-Systembehältern, rücken auch Großbehälter über 2000 m³ in den Fokus. Da bei Behälterdurchmessern von über 20 m ein klassisches Kegeldach statisch an die Grenzen kommt, sind neue Ideen gefragt. Erste Konzepte in Flachdachbauweise sind am Markt realisiert. Unter Kapitel 4.2 wird das neue Verfahren beschrieben. 2. Entstehung und Bau der Edelstahlbehälter Aufgrund der Fertigungsmethode und statisch optimierter Materialausnutzung, sind alle Edelstahl Systembehälter in zylindrischer Form gestaltet. Die in den 60er Jahren entwickelten Wickelfalzrohre waren die Vorlage für das später entwickelte vertikale Endlosbandverfahren der Systembehälter. Aufgrund der Hygieneanforderungen im deutschsprachigen Raum, wurde das Doppelfalzsystem für Trinkwasseranwendungen verworfen und durch ein geschweißtes System ersetzt. Heute werden Behälterdurchmesser von wenigen Metern bis über 30 m und Wanddicken von unter 3 mm bis 6 mm realisiert. In der nachfolgenden Grafik wird der Entstehungs-prozess der Behälterwand sichtbar. Vom Stahlcoil ausgehend, wird das Edelstahlband entlang des Montageringes im Kreis geführt und schraubenförmig in die Höhe gedreht. An den Bandrändern werden die Fügestellen beidseitig verschweißt. Je nach Hersteller werden teilweise umlaufende Verstärkungsrippen an geformt, die dem Mantel zusätzliche Formstabilität geben. Die Behältermaschine besteht aus dem Coilmagazin, Profiliermaschine (herstellerabhängig), Schweiß- und Antriebsmaschine und dem Montagering. Abb. 1 Skizze Endlosbandverfahren In den nachfolgenden Unterkapiteln werden die Stadien des Behälterbaus beschrieben. 2.1 Erste Schritte Die Baustelle wird eingerichtet. Der Werkzeugcontainer wird nahe der Montageöffnung abgeladen. Aggregate und Sozialcontainer kommen hinzu. 80 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Trinkwasserbehälter aus Edelstahl - „neu erDacht“ Abb. 2 Baustelle einrichten Abb. 3 Halle mit Montageöffnung 2.2 Unterkonstruktion Damit das Trinkwasser beim Entleeren restlos ablaufen kann, muss der Behälterboden ein Gefälle von 1-2 % aufweisen. Wenn nicht schon die Bodenplatte ein Gefälle aufweist, wird mit Gefälleschienen das nötige Gefälle erzeugt. Abb. 4 Bau der Unterkonstruktion Die Unterkonstruktion wird mit Estrich verfüllt, dieser kann anschließend an den Gefälleschienen eben abgezogen werden. Abb. 5 eingebrachter Estrich Nach Trocknung der Estrichfelder wird der Edelstahlboden mit der Unterkonstruktion verschweißt. Hierbei muss der Boden verzugsfrei eingeschweißt werden, damit beim Entleeren kein Wasser stehen bleibt. Abb. 6 Boden glatt eingeschweißt 2.3 Dachkonstruktion Kegeldächer werden teilweise schon vor der Mantelmontage in Position gebracht. Auf nachfolgendem Bild ist die Montage eines klassischen Kegeldachs in Sparrenbauweise dargestellt. Abb. 7 Montage Kegeldach Alternativ werden bei großen Behälterdurchmessern auch begehbare Flachdachvarianten realisiert. Diese werden bereits im Werk vorgefertigt und auf den Behälterrand aufgelegt. Nähere Beschreibung dazu unter Kapitel 4.2. 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 81 Trinkwasserbehälter aus Edelstahl - „neu erDacht“ Abb. 8 Montage Membrandach 2.4 Aufbau Behältermaschine Entsprechend der Behältergröße werden Rahmen-elemente zum Montagering montiert und ausgerichtet. Danach wird die Maschine um weitere Baugruppen ergänzt. Schweißmaschine Montagering Behältermantel Coilmagazin Abb. 9 Auf bau Montagering (Ansicht von oben) 2.5 Behältermantel Nach Montage der Behältermaschine beginnt der Hauptakt des Behälterdrehens. Hierbei ist die ständige Überprüfung der Behältergeometrie maßgeblich. Abb. 10 Behälter wird gedreht Nach Erreichen der Behälterhöhe wird der Behälter eben geschnitten und mit dem Behälterboden beidseitig verschweißt. Im nachfolgendem Bild (Abb. 11) ist bereits das fertige Ergebnis sichtbar. Abschließend werden Einbauteile wie beispielweise Mannloch, Domdeckel, Stutzen und Schaugläser eingeschweißt. Abb. 11 Behältermantel 2.6 Qualitätskontrolle Um die Hauptfunktion eines dichten Trinkwasser-behälters zu erreichen, müssen bei automatisierten Schweißungen 100 % aller relevanten Schweißparameter überwacht und aufgezeichnet werde. Siehe DVGW Merkblatt W 300-6 [1] Im Einzelnen sind folgende Schweißparameter sinnvoll: 1. Lage der Schweißnaht (innen und außen) 2. Spannung [V] 3. Stromstärke [A] 4. Gasmenge [l/ min] 5. Drahtvorschub [m/ min] 6. Uhrzeit [h/ min/ sec] 7. Weg [m] Werden Schweißparameter nicht dokumentiert, sind Stichproben für eine nachgelagerte Durchstrahlprüfung (z. B. Röntgenprüfung) angeraten, um eine gute Schweißqualität sicher zu stellen. 3. Zubehör (Kurzübersicht) Bei Systembehältern gibt es eine Vielzahl an Zubehör, daher kann das Thema hier nur kurz angerissen werden. Bei den Reinigungsanlagen gibt es geschlossene Anlagen, die sich bereits in der Lebensmittelindustrie bewährt haben. Da die sogenannten Zielstrahlreiniger noch wenig bekannt sind, werden diese im nachfolgenden Kapitel 3.2 näher beschrieben. 82 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Trinkwasserbehälter aus Edelstahl - „neu erDacht“ 3.1 Grundausstattung Abb. 12 Zubehör 3.2 Zielstrahlreiniger 360° Zielstrahlreiniger sind in der Mitte des Behälterdachs installiert und reinigen gleichzeitig Dach, Mantel und Boden. Der Reinigungsstrahl beschreibt aufgrund unterschiedlicher Rotationsachsen ein spiralförmiges Reinigungsmuster und hat nach 20 - 30 Minuten den Reinigungsprozess abgeschlossen. Abb. 13 Zielstrahlreiniger 360° (Bild Scanjet [2]) Abb. 14 Innenansicht mit Zielstrahlreiniger Abb. 15 360° Reinigungssimulation bei 30 % 4. Dachsysteme 4.1 Kegeldach Systembehälter haben für gewöhnlich ein klassisches Kegeldach. Wie bei Gebäuden auch, tragen sogenannte Sparren das Dach, um auftretenden Kräfte aufzunehmen. Die Dachhaut bzw. das Dachblech hat hier keine tragende Funktion, sondern muss „nur“ die Funktion „Abdecken“ erfüllen. Abb. 16 Kegeldachansicht Bei großen Behälterdurchmessern, wirken naturgemäß sehr hohe statische Belastungen, vor allem auf die Dachsparren selbst. Entsprechend wird die Sparrenanzahl erhöht, die Sparrenquerschnitte vergrößert und insbesondere deren tragende Höhe, größer dimensioniert. Dadurch wird das Gewicht des freitragenden Kegeldachs nochmals erhöht. 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 83 Trinkwasserbehälter aus Edelstahl - „neu erDacht“ Abb. 17 Kegeldach mit Sparren Für Behälterdurchmesser bis ca. 15 m eignen sich Kegeldächer, da die Statik noch in einem gesunden Verhältnis zum Materialverbrauch steht. Die Vor-montage kann im Werk oder auf der Baustelle erfolgen. Edelstähle können aber sehr hohe Zugkräfte aufnehmen und diese Eigenschaft bleibt bei den Kegeldächern ungenutzt, da die Beanspruchung hier auf Biegung ausgelegt ist. Abb. 18 Dacharten: Flach- und Kegeldach 4.2 Membranflachdach „neu erDacht“ Bei größeren Behälterdurchmessern hat ein Membrandach Vorteile. Diese sind leicht begehbar, da sie in Flachbauweise errichtet sind. Auch bei sehr großen Behältern ist keine zentrale Stütze im Behälter vorgesehen. Diese Dächer werden in der Regel werksgefertigt auf die Baustelle angeliefert. Damit kann die Bauzeit vor Ort reduziert werden. Durch ein umlaufendes Geländer ist die Begehbarkeit auch ohne weitere Schutzausrüstung möglich. Ein Membranflachdach bietet die Möglichkeit einer komplett anderen Kräfteverteilung. Die Dachhaut wird beim Membrandach über den Behälterrand gespannt und verschweißt. Der Stahl ist dadurch ausschließlich auf Zug beansprucht. Bekanntermaßen haben Stähle bei den Zugkräften sehr gute Materialeigenschaften. Statt der Verwendung von zahlreichen Dachsparren, wird beim Membrandach ausschließlich der Behälterrand verstärkt, um entstehende Zugkräfte aufnehmen zu können. Dabei bietet diese Dachkonstruktion noch genügend Reserven, um weitere Dachlasten, wie Wartungsplattformen oder Laufstege, aufnehmen zu können. Die Begehbarkeit ist auch für mehrere Personen möglich. In Summe ergeben sich folgende Vorteile: • Materialeinsparung • Kosteneinsparung • Verbesserung der CO2 Bilanz • Verkürzte Montagezeit • Sichere Begehbarkeit • Keine Mittelstütze • Niedrigere Bauhöhe Abb. 19 Vorfertigung der Membran im Werk Abb. 20 Zugang Behälterdach Abb. 21 Membrandach mit Geländer 5. Planerische Hinweise Einige Grundregeln sind bei der Planung von Systembehältern zu beachten, um die Vor-Ort-Montage zu ermöglichen. 5.1 Versorgung auf der Baustelle • Energie: Strom 63 A, alternativ Stromaggregat • Wasser: ½ Zoll 50 L/ Min • Zufahrt: Lkw 40 to mit Wendemöglichkeit • Montageöffnung 5 m x 5 m 5.2 Montageöffnung Eine 5 m x 5 m Montageöffnung, idealerweise mittig auf der Längsseite des Gebäudes, ist für das Einbringen von Material und Maschinen eine grundlegende Voraussetzung. Vorzugsweise sollte die Halle auch über diese Öffnung von außen befahrbar sein. Ein einfaches temporä- 84 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Trinkwasserbehälter aus Edelstahl - „neu erDacht“ res Schiebetor schützt vor unbefugtem Zugang und stellt ein zugfreies Schweißen sicher. Abb. 22 Montageöffnung mit Schiebetor 5.3 Platzbedarf im Gebäude Der Platzbedarf zwischen Edelstahlbehälter und Gebäude ist mit 1,5 m ausreichend bemessen. Sollte der Abstand kleiner dimensioniert werden, so ist eine Abstimmung mit der ausführenden Behälterbaufirma erforderlich. Ein Abstand unter 1 m ist technisch nicht mehr möglich. Abb. 23 Abstand zur Hallenwand Zwischen Behälterdach und Gebäudedach ist ein Mindestabstand von 1,4 m einzuhalten. Das Endlosbandverfahren erfordert prinzipbedingt ein Überdrehen beim Bau des Behälters. Abb. 24 Mindestabstand zum Hallendach 6. Projektbeispiele 6.1 Behälteranlage mit Kegeldach, 2 x 2000 m³ Bei den Stadtwerken Weiden i. d. Oberpfalz wurde eine Behälteranlage mit zwei Behältern von je 2000 m³ realisiert. Mit einem Durchmesser von 17 m und einer Höhe von ca. 10 m zählen diese Behälter zu den größten Systembehältern. Eine Herausforderung für den Behälterbau ist der vertiefte Einbau im Untergeschoß. Die Bodenplatte befindet sich ca. 3 m unterhalb der Montageöffnung. Material und Maschinen mussten jeweils mit Kran und Hebezeugen eingebracht werden. Abb. 25 LIPP Behältermaschine im Einsatz Abb. 26 Behälter komplett montiert 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 85 Trinkwasserbehälter aus Edelstahl - „neu erDacht“ Abb. 27 Kegeldach mit Dachgeländer Die Dachfläche ist vom Podest aus begehbar. Ein umlaufendes Dachgeländer schützt die Wartungspersonen vor Herabstürzen vom schrägen Kegeldach. 6.2 Behälteranlage mit Membrandach 1 x 5000 m³ In Marburg wurde der bisher größte Trinkwasserspeicher im Endlosbandverfahren mit 5000 m³ Inhalt gebaut. Mit einem Durchmesser von über 25 m hat dieser Speicher eine Dimension, die seither nur in Beton verbaut wurde. Abb. 28 Großbehälter im Bau Auf eine Kegeldachlösung wurde aus statischen Gründen verzichtet, da schon das Gesamtgewicht der Sparren über 10 Tonnen betragen hätte. Realisiert wurde dies Projekt mit der Membranflachdachlösung die ohne Sparrentechnik auskommt. Die Edelstahl-Membrane hat eine Dicke von 1,5 mm und überspannt die komplette Dachfläche. Umlaufend ist die Membrane mit dem verstärkten Behälterrand verschweißt. Abb. 29 Auflegen des Membrandachs Aufgrund der Materialeigenschaft des Edelstahls, ist eine Begehung des Membrandachs von bis zu 15 Personen möglich. Statt einem umlaufenden Geländer wurde beidseitig ein Teilgeländer am Aufstieg montiert. Die Wartungsperson klinkt sich in ein Seil ein, welches zu einem mittig angeordnetem Sekuranten führt. Abb. 30 Aufstieg zum Membrandach Die Technologie der modernen Systembehälter sind ein Beispiel für ressourceneffizienten Behälterbau. Aussteifungsrippen am Behältermantel sorgen trotz Reduzierung der Manteldicke, für höhere Formstabilität. Das Membranflachdach ist im Bau zwar komplex, sorgt jedoch für eine sichere Begehbarkeit bei Halbierung des Materialverbrauchs. Abb. 31 Trinkwasserbehälter mit 5000 m³ im Betrieb Vorteile können sich durch die niedrige Bauhöhe des Membrandachs auch für das Gebäude ergeben. Durch die Flachdachbauweise kann die Raumhöhe optimal ausgenutzt oder das Gebäude niedriger geplant werden. Literatur [1] DVGW Merkblatt W 300-6 „Trinkwasserbehälter; Planung, Bau Betrieb und Instandhaltung von System- und Fertigteilbehältern [2] Bild Zielstrahlreiniger (Scanjet Bio 25) Alle anderen Bilder, Grafiken und Textangaben stammen aus Sammlungen und Dokumenten der LIPP GmbH 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 87 Paradigmenwechsel in der Trinkwasserspeicherung? Edelstahlsystembehälter mit Volumina größer 10.000 m³ Dipl.-Ing. (FH) Günter Geffert Stadtwerke Ulm / Neu-Ulm Netze GmbH Dipl.-Ing. (FH) Tobias Kostenzer Weber-Ingenieure GmbH, Augsburg Zusammenfassung Insbesondere Infrastrukturmaßnahmen müssen langlebig, verlässlich und effizient hinsichtlich des Ressourceneinsatzes geplant und realisiert werden. Hierzu ist im Bauvariantenvergleich eine reine Investitionskostenbetrachtung zur Entscheidungsfindung nicht ausreichend. Im vorliegenden Beitrag wird der Entscheidungsweg der Stadtwerke Ulm Energie (SWU) zu einem Edelstahlsystembehälter mit einem Nutzvolumen von 12.000 m³ dargestellt. Zudem werden Besonderheiten bei Planung und Bau der Systembehälter in dieser Dimension, sowie die Bilanzierung des Ressourceneinsatzes im Vergleich zu einem Stahlbetonbehälter beschrieben. 1. Einführung Die SWU Energie betreibt in Ulm und Neu-Ulm insgesamt zwölf Trinkwasserbehälter. Bereits im Jahr 2009 sind alle Behälter in einer umfassenden Zustandsanalyse bewertet und eine Zukunftsstrategie Trinkwasserversorgung erarbeitet worden. Im Rahmen dessen sind bereits zwei Trinkwasserbehälter instandgesetzt, sowie einer im Jahr 2012 ersatzweise neu gebaut worden. Bereits im Jahr 2011 ist die Sanierung des zentralen Schalt- und Durchlauf behälters am Standort Kuhberg in Betracht gezogen worden, welcher zu den größten und wichtigsten Anlagen im Versorgungsgebiet der SWU zählt. Ausgangslage am Behälterstandort Kuhberg sind zwei Behälter mit je zwei Kammern aus den Jahren 1905 und 1936. Das Gesamtspeichervolumen (Nennvolumen) liegt bei ca. 12.000 m³, welches jedoch durch die ungünstige Gestaltung und Höhenlage der Entnahmeleitungen und der Grundfläche auf ein effektiv deutlich geringeres Nutzvolumen von ca. 9.000 m³ reduziert ist. 2. Planungsablauf - Entscheidungsweg Auf Grundlage der Zustandsanalyse der bestehenden Behälter am Kuhberg, sowie bisherigen Erfahrungen aus Neubau und Instandsetzung, ist entschieden worden, einen Ersatzneubau umzusetzen. Um die grundsätzlich unterschiedlichen Systemvarianten bewerten zu können, ist ein Ingenieurwettbewerb ausgeschrieben worden. Planungsvorgabe war eine Anlage mit insgesamt 12.000-m³ Nutzvolumen auf dem Baufeld des bestehenden Trinkwasserbehälters Ost (Baujahr 1936) mit mindestens zwei Wasserkammern, sowie hohen städtebaulichen Anforderungen an die ggf. notwendige Fassadenbzw. Außenraumgestaltung. Zum Wettbewerb haben sich insgesamt fünf im Trinkwasserbereich qualifizierte Ingenieurbüros beworben. Es sind Planungskonzepte von erdüberdeckten Stahlbetonbehältern, Systembehältern aus Fertigteilelementen bis zu Edelstahlsystembehältern eingereicht worden. Die Entscheidung ist nach umfangreicher Prüfung und Wertung (vgl. Entscheidungsmatrix Tab. 1), auf die innovativste Variante eines Edelstahlsystembehälters (vgl. Abb. 1) in federführender Planung des Ulmer Ingenieurbüros Wassermüller gefallen. Ein wesentlicher Entscheidungsgrund, stellte neben der Langlebigkeit, die künftigen Aufwendungen für den Unterhalt des Hochbehälters möglichst niedrig zu halten, dar. Hierbei hat vor allem die Möglichkeit einer automatisierten Reinigungseinrichtung überzeugt. Abb. 1: HB Kuhberg - Planungsvariante Edelstahlsystembehälter, 3 Stk. je 4.000 m³ 88 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Paradigmenwechsel in der Trinkwasserspeicherung? Tab. 1: Qualitative Entscheidungsmatrix Behältersystem Bewertungsparameter Ortbetonbehälter VA-Systembehälter Langlebigkeit der trinkwasserberührten Oberflächen negativ Positiv Chlorangriff Unterhalt (Reinigung, Desinfektionsmittel neutral positiv Ressourceneffizienz neutral positiv Hygiene Bau kritisch positiv Hygiene Betrieb neutral positiv Kontrolle der Dichtigkeit negativ positiv Innovationsleistung neutral positiv Investitionskosten positiv negativ Betriebsfunktionalität „3 statt 2 Kammern“ neutral neutral (a) Reinigungsaufwand 2 x 6000 m³ zu 3 x 4000 m³ ca. 2 x 5 d max. 3 x 1 d (a) bisherige Erfahrungswerte 2.1 Vorbereitende Maßnahmen Erste Planungen haben bereits 2012/ 2013 in der Anlage und dem Versorgungsnetz begonnen. Vor dem Abriss des Bestandsgebäudes und der Freimachung des Baufelds, sind die vorhandenen Leitungen für eine Umlegung betrachtet worden. 2.2 Herausforderungen Netzanbindung Der Ausgangszustand besteht, wie bereits erwähnt, aus zwei Behältern mit je zwei Wasserkammern und komplexer Anbindung mit zwei Befüll- und Entnahmeleitungen, sowie zwei Stadtleitungen. Weiterhin erfolgt eine Anbindung an das benachbarte Pumpwerk mit zwei Förderleitungen zu höher gelegenen Trinkwasserbehältern. Die detaillierte Systembetrachtung hat zu dem Ergebnis geführt, dass beide Förderleitungen in das Speichersystem integriert werden sollen, um zukünftig direkt aus dem Wassergewinnungsgebiet Donautal in die höher gelegenen Speichervolumen zu fördern (ohne Zwischenschritt Pumpwerk und somit mit höherer Pumpeneffizienz). Weiterhin ist schon innerhalb dieses Planungsschrittes der Bauablauf mit dem angrenzenden Wohngebiet betrachtet worden. Das Wohngebiet war nur über eine zwischen Hochbehälter und Pumpwerk gelegene Straße zu erreichen. Die Einschränkungen der Anwohner sollten bei der gesamten Baumaßnahme auf ein Minimum reduziert werden. Allein die Vorbereitungsarbeiten im Netz haben zwei Jahre in Anspruch genommen, wodurch die ersten Vorbereitungsarbeiten bereits 2014 und 2015 begonnen haben. 2.3 Anlagenlayout Grundlage der im Bereich eines Speicherbehälters aufwendigeren Verfahrenstechnik, ist das R+I-Schema, welches durch die SWU ausgearbeitet worden ist. Die hydraulischen Einrichtungen müssen die Zulauf-, Ablauf-, Überlaufunktion von drei separaten Wasserkammern gewährleisten. Weiterhin ist die Druckminderung während der Befüllung aus den höher gelegen Druckzonen über ein Ringkolbenventil und die direkte Förderung in die höheren Speichervolumina zu realisieren. Die Aufstellung der Rohrleitungstechnik und der Armaturen erfolgt auf mehreren Ebenen, welche durch Gitterrostbühnen und zwei Treppentürmen bedienungs- und wartungsfreundlich erreichbar sind. Eine weitere Sonderentwicklung sind die siphonierten Überlaufkästen mit einer Kapazität von jeweils bis zu 2.000 m³/ h. Nach Vorauslegung über empirische Formeln, ist das Model durch eine strömungstechnische Simulation überprüft und optimiert worden (siehe Abb.-2). Die Vorbemessung konnte hierbei bestätigt werden [1]. Das System entspricht den aktuellen Empfehlungen des DVGW Regelwerks W 300 mit physischer Rohrtrennung, Wasserstandüberwachung und automatisierter Nachspeisung zur Ausführung eines Wasserwechsels im Siphon [2]. Abb. 2: HB Kuhberg - Ergebnis der strömungstechnischen Simulation am siphonierten Überlaufkasten 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 89 Paradigmenwechsel in der Trinkwasserspeicherung? 2.4 Baukonstruktion, Tragwerk und Fassadengestaltung Um die Profilquerschnitte des Stahltragwerkes zu minimieren, werden drei zentrale Edelstahlstützen durch die Edelstahlspeicherbehälter geführt und fest mit dem Gebäude, sowie der Tankanlage verbunden. Oberhalb der Speicherbehälter erfolgt der Materialwechsel auf feuerverzinkten Stahl mit Flanschanbindung an das Dachtragwerk. Die zentralen Behälterstützen verändern den Fertigungsablauf und erfordern die Prototypenentwicklung einer neuen Reinigungs-einrichtung. Die Fassadengestaltung des neuen Hochbehälters ist mit der Stadt Ulm auf eine Ausführung in Cortenstahl als vorgehängte Schale mit dahinterliegender mineralischer Dämmung, integriert in Stahlkassetten, abgestimmt worden. Eine sehr hochwertige und ansehnliche Ausführung, wie nachfolgende Abbildung 3 zeigt. Abb. 3: HB Kuhberg - Abbildung der hinterlüfteten Corten-Fassade, Fläche ca. 2.000 m², Aufdach PV-Anlage 135 kW 2.5 Herausforderung Edelstahl in Kontakt mit Chlordioxid An einem über die SWU im Rahmen einer Betriebsführung betriebenen Edelstahlsystembehälter sind zehn Jahre nach Inbetriebsetzung oxidative Verfärbungen und teilweise korrosive Prozesse festgestellt worden. Diese Prozesse treten in der Wasserwechselzone und im Luftraum der Behälteranlage auf (vgl. Abb. 4). Nach detaillierter Ursachenforschung in Zusammenarbeit mit der Herstellerfirma (Fa. Hydro-Elektrik, Ravensburg) und Unterstützung durch ein werkstofftechnologisches Labor (Ionys AG, Karlsruhe) ist eine Aufkonzentration von Chlorgas aus der Desinfektion des Trinkwassers im Chlordioxidverfahren vermutet worden. Verstärkt durch den geringen Wasseraustausch der Behälteranlage konzentriert sich die Gasphase im Luftraum auf. Das Chlordioxid dissoziiert im Kondensatfilm auf der Behälterwandung und führt zu oberflächigen Korrosionserscheinungen. Im Bereich der Lüftungsöffnungen zur Filteranlage, d. h.. in Bereichen mit Luftwechsel ist der Effekt nahezu nicht detektiert worden. Auf Grundlage dieser Beobachtung ist ein Konzept zur Vermeidung der Korrosionserscheinung innerhalb der neuen Edelstahlbehälter am Kuhberg entwickelt worden. Dabei wird die Luft oberhalb der Wasserwechselzone nicht nur über die passive Filteranlage ausgetauscht, sondern auch durch Zwangsbelüftung mit einem radial-Ventilator. Das Lüftungskonzept wird an einem der drei Speicherbehälter ausgeführt, entsprechende Anschlüsse sind an den weiteren Tankanlagen vorgerüstet. Über eine aufwendige Chlorgasmessung in Kombination mit Temperatur- und Feuchtemessung wird die zwangsbelüftete Anlage mit der Anlage über reine passive Lüftung durch Wasserwechsel verglichen. Über einen Probenahmeflansch können Materialproben unterschiedlicher Edelstahlgüten eingebracht und werkstofftechnologisch untersucht werden, um eine ausführliche Datengrundlage für zukünftige Projekte zu erhalten. Abb. 4: Korrosionserscheinungen an Edelstahlsystembehälter unter Einwirkung von Chlordioxid 3. Bauablauf Nachfolgend ist der wesentliche Bauablauf zur Errichtung der Speicheranlage (Edelstahl-systembauweise) am Standort Kuhberg dargestellt 3.1 Rückbau Bestandsanlage Der bestehende Baukörper aus Stahlbeton (gering bewehrt, glatte Bewehrungseisen) ist an der Außenhülle mit einem bituminösen Anstrich ausgeführt, welcher vor dem Abbruch vom Betongrundkörper abgefräst und separiert worden ist. Die Innenbeschichtung ist gemäß Voruntersuchungen als unproblematisch eingestuft worden (vgl. Abb. 5). Nach erneuter Analyse an Bruchstücken ist ein mehrlagiger Schichtauf bau festgestellt worden, welcher zur Klassifizierung DK 0 des Mischhaufwerks geführt hat (im Bereich der Bodenplatte konnte der Schichtaufbau durch Fräsen separiert werden, Parameter mit Grenzwertüberschreitung sind extrahierbare organisch gebundene Halogene (EOX), Messwert 110-mg/ kg, Grenzwert Z2 10 mg/ kg). Die planerische Vorgabe, den Betonbruch als Dränschicht zur Stabilisierung der Sohle einzusetzen, war auf dieser Grundlage nicht umsetzbar. Jedoch ist zertifiziertes Recyclingmaterial angeliefert und eingebaut worden. 90 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Paradigmenwechsel in der Trinkwasserspeicherung? Abb. 5: Rückbau Behälter Baujahr 1936, innenliegende Altbeschichtung 3.2 Betonbauarbeiten Grundkonstruktion zur Aufstellung der Edelstahlsystembehälter ist eine WU-Wanne mit einer dreiecksförmigen Geometrie mit Außenmaßen 65 m x 50 m. Das notwendige Sohlgefälle der Speicherbehälter ist direkt in der Bodenplatte durch entsprechende Staffelung der Bewehrung erzeugt worden. Zur Erhöhung der Oberflächenhärte ist vor dem mechanischen Glätten der Sohloberfläche eine Zement-/ Sandmischung eingestreut. In nachfolgender Abbildung 6 ist eine Bauphase der Erstellung des Bewehrungskörpers der Bodenplatte und bereits fertig gestellte Elemente dargestellt. Die Wannenkonstruktion wird fast vollständig umlaufend erdangeschüttet, ein kleinerer Bereich zum Straßenkörper erhält eine WDVS-Dämmung. Abb. 6: Betonbauarbeiten, Bauabschnitt 03 Bewehrung Bodenplatte Ostseite 3.3 Stahlbau, Fassade und Dachabdichtung Auf die Wannenkonstruktion ist eine Stahl-Skelett-Konstruktion aus feuerverzinkten Stahlelementen mit Profilen HEA 200 bis 550 aufgebaut, welche in den Randbereichen bombiert ausgeführt ist (siehe Abb. 7). Die bereits beschriebenen Edelstahlstützten werden in das Tragwerk integriert (siehe Abb. 8). Die Außenhülle wird aus beschichteten Stahlkassetten mit innenliegender mineralischer Dämmung ausgeführt, welche mit einer hinterlüfteten Cortenstahl-Fassade abgeschlossen wird. Die Dachhaut wird durch Trapezbleche geschlossen und mit mineralischer Gefälledämmung, sowie zweilagig ausgeführter Bitumendachbahn abgedichtet. Mit diesem klassischen Dachabdichtungskonzept werden Vorteile bei der späteren Entsorgung im Vergleich zum normativen Vorschlag gemäß DVGW-Regelwerk W-300-1 mit geklebter Foamglas-Dämmung und erdangeschütteter Ausführung im Bereich der Ortbetonbehälter gesehen. Hier ist die Separation der Materialien nur mit hohem Aufwand möglich. Abb. 7: Stahltragwerk, bombierter Bereich 3.4 Edelstahlsystembehälter und Technische Ausrüstung Zentrales Element der Speicheranlage sind die drei Edelstahltankbehälter (ø 24,8 m; zylindrische Mantelhöhe 8,8 m; Wandstärke 3/ 4/ 3 mm; Masse je Behälter ca. 40-to). Zur Minimierung der Auswirkung der Chlordioxidexposition wird im Luftbereich der hoch dotierte Werkstoff-Nr. 1.4462 (Super Duplex, X2CrNiMoN22-5-3) ausgeführt. Zur Optimierung der Investitionskosten wird der wasserberührte Bereich mit dem Werkstoff-Nr. 1.4162-(Duplex-X2CrMnNiN22-5-2) ausgeführt. Die zentrale Mittelstütze macht die Neuentwicklung der Reinigungseinrichtung und ein angepasstes Fertigungskonzept notwendig. Abb. 8: Edelstahlsystembehälter - Innenansicht mit zentraler Mittelstütze 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 91 Paradigmenwechsel in der Trinkwasserspeicherung? 3.5 Auswirkungen Corona und Ukraine-Krieg auf den Projektablauf Die Beeinträchtigung durch die Krisen der Jahre 2020 bis heute hielten sich im Bauablauf in beherrschbaren Grenzen. Das Edelstahlmaterial der Speicheranlage ist vor Kriegsbeginn bestellt worden, womit es zu keiner gravierenden Materialpreissteigerung gekommen ist. Bei den Fachfirmen sind keine enormen Krankheitsausfälle zu verzeichnen gewesen, dennoch konnten bestimmte Teilbereiche nicht rechtzeitig bestellt werden. Weiterhin sind die Fachfirmen in Teilbereichen bei den gravierenden Materialpreis-Steigerungen durch Preisanpassungen unterstützt worden. Auf Grundlage der sehr guten Zusammenarbeit aller Projektbeteiligten kann der Rahmenzeitplan, mit derzeit zweimonatigem Puffer, gehalten werden. 4. Ressourceneinsatz - Vergleich Stahlbetonbehälter vs. Edelstahlsystembehälter (cradle-to-cradle- Ansatz) Am Beispiel des Trinkwasserspeicherbehälters Kuhberg soll anhand von Ressourcenbilanzierungen über den Lebenszyklus gezeigt werden, welche Bauart (Stahlbetonbauweise vs. Systembehälter Edelstahl), die geringere Auswirkung auf den Ressourcenverbrauch und die Emissionen darstellt. 4.1 Datengrundlage Grundlage zur Beurteilung des Ressourceneinsatzes von Bauwerken und Umweltproduktdeklarationen bildet die DIN EN 15804: 2012+A2: 2019+AC: 2021. Es soll sichergestellt werden, dass mit Hilfe dieser Norm alle Umweltproduktdeklarationen (EPD, en: environmental product declarations) für Bauprodukte, Bauleistungen und Bauprozesse in einheitlicher Weise abgeleitet, verifiziert und dargestellt werden. Laut DIN EN 15804 werden „die EPD-Informationen in Informationsmodulen ausgedrückt, die eine einfache Organisation und Darstellung von Datenpaketen über den Lebenszyklus eines Produktes zulassen. Dieser Ansatz setzt voraus, dass die unterlegten Daten konsistent, reproduzierbar und vergleichbar sein sollten. Die EPD wird so dargestellt, dass eine Addition der Daten möglich wird“ [3]. Die Betrachtung erfolgt am Beispiel Hochbehälter Kuhberg durch Gegenüberstellung einer in Stahlbetonbauweise hergestellten Speicheranlagen (Variante V 1 Stahlbetonbauweise, runde Geometrie, zwei Speicherkammern á 6.000 m³ mit zwischenliegender Trennwand, teilangeschüttet mit Fassaden-/ Dachkonstruktion aus Stahlelementen) zu einer Anlage in Edelstahlsystembauweise (Variante V 2 gemäß Beschreibung unter Punkt 3). Als Vergleichsparameter zur Beurteilung der Ressourceneffizienz beider Varianten sind die Parameter Total erneuerbare Primärenergie Input [MJ], Total nicht-erneuerbare Primärenergie Input [MJ], Globales Erwärmungspotential - total [kg CO 2 äquivalent], sowie das Wasser-Entzugspotential [m³ world equivalent] herangezogen worden. Die Datensätze der Werkstoffe und Bauteile werden der Datenbank ÖKOBAUDAT [4] entnommen und bilanziert. 4.2 Systemgrenzen Die Datensätze der Ökobaudat [4] zielen auf eine Bilanzierung von Bauprodukten ab. Aus diesem Grunde sind teilweise Werte für das Recycling bzw. die stoffliche Verwertung von Baustoffen lückenhaft bilanziert. Weiterhin ist meist der Ansatz Cradel-to-Gate (von der Wiege zum Werkausgang) bilanziert, d. h. die wesentlichen Zwischenschritte der Montage/ Herstellung auf der Baustelle, sowie der Rückbau inkl. stofflicher Verwertung muss anlagenbezogen bestimmt werden. In der vorliegenden Bilanz sind folgende Annahmen getroffen worden: • Herstellungsprozesse auf der Baustelle wurden hauptsächlich über den gemessenen Stromverbrauch berücksichtigt • baustellenbezogene Transporte von Material und Fachpersonal wurde vernachlässigt • Recyclingprozesse wurden bei den massen-mäßig relevanten Baustoffen angesetzt • Rückbau des bestehenden Trinkwasser-behälters aus Stahlbeton wurde in beiden Varianten nicht berücksichtigt Die Absolutwerte der nachfolgenden Bilanzen können somit weiter detailliert werden und liegen am realen Projekt höher als berechnet. Die gewählte Genauigkeitsstufe ist ausreichend, um den Vergleich zwischen den beiden Varianten abzubilden. 4.3 Energiebedarf elektrische Energie Durch die SWU wird über die Trafostation im zur Baustelle benachbarten Pumpwerk elektrische Energie mit einer maximalen Leistung von ca. 150 kW zur Verfügung gestellt, hierbei wird der Stromverbrauch von Beginn der Bauarbeiten gezählt. Während der Rohbauarbeiten liegt der Monatsverbrauch der Baustelle bei ca. 1000 kWh/ Monat, welcher sich in Zeiten mit Heizbedarf (Baucontainer, Sanitärcontainer) verdoppelt. Ab Beginn der Fertigung der Behälteranlage steigt der Verbrauch auf ca. 5.000 bis 7.000 kWh/ Monat (Schweißenergie, Lüftungsanlage), in der Heizperiode auf bis zu 13.000 kWh/ Monat (vgl. Abb. 9). In dieser Bilanzierung ist der Dieselkraftstoffverbrauch zu Heizzwecken noch nicht berücksichtigt. Bis zur Fertigstellung der Anlage wird der Gesamtstromverbrauch mit 123.000 kWh prognostiziert. Wird die Variante V 1 bilanziert, errechnet sich ein geringerer Strombedarf, welcher sich in der Heizperiode ebenfalls ca. verdoppelt. Weiterhin liegt der Primärenergieeinsatz im Vergleich zu V2 deutlich geringer, da die Aufwendungen für die Schweißarbeiten und Klimatisierung des Baufeldes entfallen (vgl. Tab. 2). 92 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Paradigmenwechsel in der Trinkwasserspeicherung? Tab. 2: Bilanzierung Primärenergieeinsatz (regenerativ/ fossil und Globales Erwärmungs-potential Baustoffe Menge [kWh] PERT [GJ] PENRT [GJ] GWP-total [kg CO 2 eq.] V 1 Strom für Baustellenbetrieb Stahlbetonb. 47.500 255 288 21.855 V 2 Strom für Baustellenbetrieb Edelstahlsystemb. 122.350 657 742 56.293 Abb. 9: zeitlicher Verlauf Stromverbrauch Variante V 1 Stahlbetonbehälter und V 2 Edelstahlbehälter 4.4 Bilanz V 1 Stahlbetonbehälter In nachfolgender Aufstellung sind die wesentlichen Werkstoffe unter den genannten Einschränkungen bilanziert und auszugweise dargestellt (siehe Abb. 10). Weiterhin ist die Gesamtsumme der Parameters GWP in kg CO 2 eq. dargestellt (siehe Tab. 3). Es konnte kein valider Datensatz zum Betonrecycling recherchiert werden. Dieser Baustoff ist in den Bilanzen beider Systeme ohne stoffliche Verwertung gerechnet. Tab. 3: Bilanzierung Globales Erwärmungs-potential Variante V 1 (Auszug inkl. Gesamtsumme) Baustoffe Menge Einheit GWP-total [kg CO 2 eq.] Transportbeton C30/ 37 3.124 m³ 978.391 Bewehrungsstahl (Cradel-to-Cradel) 374.928 kg 141.655 Edelstahlblech (Cradel-to-Cradel) 35.188 kg 27.197 Instandsetzung (Zementgebunden, Materialeinsatz) 134 m³ 46.844 Gesamt-∑ - - 1.484.074 Abb. 10: V1 Ausschnitt GWP-Bilanz maßgeblicher Werkstoffe 4.5 Bilanz V 2 Edelstahlbehälter Die Bilanzierung der Variante V 2 zeigt durch Substitution von Stahlbetonteilen eine positivere Gesamtbilanz (vgl. Tab. 4). Die für ca. 2/ 3 der Gebäudehülle eingesetzten, gut separierbaren Stahlwerkstoffe (siehe Abb. 11) (Stahlprofile, Fassadenauf bau mit Stahlkassetten und vorgehängten Cortenplatten) und die nahezu komplett stoffliche verwertbare Edelstahlspeicheranlage verbessern die Gesamtressourceneffizienz. Tab. 4: Bilanzierung Globales Erwärmungspotential Variante V 2 (Auszug inkl. Gesamtsumme) Baustoffe Menge Einheit GWP-total [kg CO 2 eq.] Transportbeton C20/ 25 2.008 m³ 513.537 Bewehrungsstahl (Cradel-to-Cradel) 183.500 kg 69.330 Stahlprofil (Cradel-to-Cradel) 199.064 kg 66.398 Edelstahlblech (Cradel-to-Cradel) 162.631 kg 125.697 ∑ - - 1.109.569 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 93 Paradigmenwechsel in der Trinkwasserspeicherung? Abb. 11: V1 Ausschnitt GWP-Bilanz maßgeblicher Werkstoffe 5. Schlussbemerkung Die SWU ist überzeugt, dass durch die Systementscheidung „12.000 m³ Speichervolumen in Edelstahlsystembauweise“, der richtige Weg zur Errichtung einer langlebigen Infrastrukturanlage eingeschlagen worden ist. Mit der Umsetzung dieses Projektes kann gezeigt werden, dass durch Einsatz innovativer Verfahren, auch größere Speichervolumen in Edelstahlsystembauweise errichtet werden können. Die Verwendung von gut separierbaren Baustoffen mit hoher Recyclingquote und betrieblichen Optimierungs-möglichkeiten können zu einem Paradigmenwechsel gegenüber der klassischen Stahlbetonbauweise führen. Die zentrale Speicheranlage wird rechtzeitig zur Jubiläumsfeier „150 Jahre Trinkwasser Ulm“ in Betrieb gehen. Literatur [1] Priv.-Doz. Dipl.-Ing. Dr. techn. Roman Gabl, Strömungssimulation eines Überlaufkastens, Technischer Bericht CON-22-HYD 003, CADFEM Austria GmbH, Oktober 2022 [2] DVGW Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e.V. Technisch-wissenschaftlicher Verein: Technische Regel - Arbeitsblatt DVGW W- 300-1 (A) bis W 300-8 (A), Oktober 2014 [3] DIN-Normenausschuss Bauwesen (NABau): DIN EN 15804 Nachhaltigkeit von Bauwerken - Umweltproduktdeklarationen - Grundregeln für die Produktkategorie Bauprodukte; Deutsche Fassung EN 15804: 2012+A2: 2019+AC: 2021, 72. Erg.-Lief./ Juni-2022 [4] Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung undBauwesen: ÖkobaudatInformationsportalNachhaltiges Bauen, https: / / www.oekobaudat.de/ no_ cache/ datenbank/ suche/ daten/ db2.html#bereich2 (Stand 31.01.2023) Schadensmechanismen 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 97 Materialkorrosion, Auslaugkinetik und Alterung von zementgebundenen Beschichtungen unter Beanspruchungsbedingungen der Expositionsklasse X TWB Dr.-Ing. Wolfram Kämpfer Materialforschungs- und -prüfanstalt an der Bauhaus-Universität Weimar (MFPA) Michael Berndt Materialforschungs- und -prüfanstalt an der Bauhaus-Universität Weimar (MFPA) Zusammenfassung Um eine ausreichende Beständigkeit und Dauerhaftigkeit sicher zu stellen, müssen mineralische Beschichtungen in Anlagen der Trinkwasserspeicherung ausreichend widerstandsfähig gegenüber chemischen und physikalischen Einflüssen sein. Die möglichen Einwirkungen werden in den Arbeitsblättern DVGW W 300 beschrieben. Daraus ergeben sich grundlegende Anforderungen an die Zusammensetzung, die mechanischen Eigenschaften, die Verbundfestigkeiten, die Betondeckung, die Mindestschichtdicken, die Oberflächenbeschaffenheit und die Dichtigkeit der mineralischen Beschichtungen. Die entsprechenden Nachweise sind im Rahmen von Erstprüfungen durch den Materialhersteller sowie durch Kontrollprüfungen im Rahmen der Eigenüberwachung durch die ausführende Firma zu erbringen. Die Sicherstellung der Dauerhaftigkeit von zementgebundenen Beschichtungen erfolgt derzeit ausschließlich deskriptiv auf der Basis des gültigen Vorschriftenwerkes DVGW W 300. Dieses deskriptiv-basierte Nachweiskonzept stößt jedoch an Grenzen, wenn durch den Einsatz neuer Bindemittel, insbesondere von neuartigen Kompositzementen mit mehreren Hauptbestandteilen der normativ abgesicherte Erfahrungsbereich verlassen wird. Für die Dauerhaftigkeitsbemessung chemisch-abrasiv beanspruchter Betonbauteile wurden in den letzten Jahren eine Reihe performance-basierter Konzepte entwickelt, mit denen unter Berücksichtigung praxisbezogen ablaufender Schädigungsprozesse und der zu erwartenden Einwirkungen eine quantitative Dauerhaftigkeitsbemessung ermöglicht wird. Unter bestimmten Betriebsbedingungen kann bei weichen und mineralstoffarmen Wässern, bei weitgehend salzfreien, mineralsauren oder kohlensäurehaltigen Wässern, bei kritischen Mischwässern, und Wässern außerhalb des Kalk-Kohlensäure-Gleichgewichtes (KKG) die Dauerhaftigkeit von mineralischen Beschichtungen in trinkwassertechnischen Anlagen stark beeinträchtigt werden. Dabei führen Diffusions-, Hydrolyse- und Auslaugprozesse zu einem raschen Abbau von Alkalihydroxid, gefolgt von der Zersetzung von Portlandit und Abbau des Alkalitätsdepots, mittelfristig zur Hydrolyse/ Zersetzung von Aluminathydraten und Ettringit und langfristig zu einer weitgehenden Entfestigung der Mörtelstruktur infolge Decalcinierung und Hydrolyse der CSH-Phasen. Damit verbunden ist in der Regel eine sukzessive Aufweichung/ Entfestigung der oberflächennahen Randschichten. Der Verlauf dieser Auslaugkinetik lässt sich mit einem Diffusions-Abtragungs-Modell beschreiben und entspricht weitergehend einem zunächst diffusionskontrollierten Prozess mit √t-Verlauf und nachfolgend bei gleichbleibender Deckschicht ohne relevanten abrasiven Materialabtrag einem linearen Verlauf. Mit Erreichen dieses weitegehend linearen Schädigungsverlaufes ist eine rechnerische Abschätzung der verbleibenden Restnutzungsdauer möglich. Vorgestellt wird ein Modell zur performance-basierten Dauerhaftigkeitsbemessung zur Bestimmung von zeitveränderlichen Schädigungstiefen für unterschiedliche Angriffsszenarien. 1. Performance-basierte Bemessungskonzepte für die Dauerhaftigkeitsbemessung zementgebundener Beschichtungen in trinkwassertechnischen Anlagen In trinkwassertechnischen Anlagen kann es sowohl auf der Rohwasserseite als auch im Prozess der Trinkwasserauf bereitung sowie auf der Reinwasserseite zu einem chemisch-abrasiven Angriff auf mineralische Beschichtungen kommen. Die Sicherstellung der Dauerhaftigkeit exponierter Bauteiloberflächen erfolgt derzeit nach den gültigen Vorschriften der Arbeitsblätter DVGW W 300. Auf der Basis von Erfahrungswerten und standardisierten Angriffsbedingungen werden für praxiserprobte mineralische Beschichtungen Mindestanforderungen an die Zusammensetzung, an die Herstellung, den Einbau und die Nachbehandlung der Beschichtungen gestellt. Entsprechend der Anforderungen an mineralische Beschichtungen für die Expositionsklasse X TWB gemäß Arbeitsblatt DVGW W 300-4 (A) ist der Nachweis der Gebrauchstauglichkeit entsprechend vorgegebener Identitäts- und Leistungsanforderungen sowohl in der Erstprüfung durch den Materialhersteller als auch im Rahmen der Eigenüberwachung (Kontrollprüfungen) durch das ausführende Instandsetzungsunternehmen zu führen (Mindestschichtdicke, Druck-/ Biegefestigkeit, Haftzugfestigkeit, Dichtigkeit). 98 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Materialkorrosion, Auslaugkinetik u. Alterung v. zementgebundenen Beschichtungen unter Beanspruchungsbedingungen d. Expositionsklasse X TWB Bild 1: Angriffsgrade und Grenzwerte für betonangreifende Stoffe nach DIN 1045-2/ DIN EN 206-1 in Verbindung mit DIN 4030 Dieses Konzept stößt jedoch dann an seine Grenzen, wenn durch den Einsatz neuer Instandsetzungsmaterialien und Instandsetzungsverfahren der derzeit gesicherte Erfahrungsbereich verlassen wird oder die in den trinkwassertechnischen Anlagen vorherrschenden Umgebungsbedingungen von den standardisierten Angriffs- und Randbedingungen abweichen. [Gerlach.; 2017] Als Beispiele hierfür gelten die in der Zementindustrie derzeit ablaufenden Transformationsprozesse, die zur Entwicklung stark klinkerreduzierter Bindemittel als Mehrkomponentensysteme sowie alternativer mineralischer Bindemittel zwingen. Dadurch wird sich mittelfristig die Breite der angebotenen Kompositzemente mit stark anwendungsfokussierten Eigenschaften deutlich erhöhen. Aus materialtechnischer Sicht kann von einem gesicherten Erfahrungsbereich für die Expositionsklasse X TWB ausgegangen werden. Verschiedene Beispiele zeigen jedoch, dass die chemisch-abrasiven Angriffsbedingungen von mineralsauren, kalklösenden, chlorid- und sulfathaltigen Wässern, kritischen Mischwässern und/ oder weichen Wässern in trinkwassertechnischen Anlagen außerhalb des Erfahrungsbereiches für die Expositionsklasse X TWB liegen können. Für die Anwendung von zementgebundenen Instandsetzungsmörteln außerhalb des für die Expositionsklasse X TWB geltenden Erfahrungsbereiches sind normativ geforderte zusätzliche Schutzmaßnahmen erforderlich. Verschiedene Anwendungsbeispiele haben gezeigt, dass auch bei erhöhten chemisch-abrasiven Expositionen eine ausreichende Gebrauchtauglichkeit zementgebundener Instandsetzungsmörtel vorliegen kann. Diese Anwendungsmöglichkeiten werden durch die deskriptiven Regelungen nach DVGW W 300 nicht berücksichtigt. Bild 2: Prüf- und Bewertungsverfahren für Mörtel/ Betone bei chemischem Angriff Um die Dauerhaftigkeit von zementgebundenen Instandsetzungsmörteln unter chemisch-abrasiven Angriffsszenarien nachzuweisen, sind performance-basierte Konzepte zur Dauerhaftigkeitsbemessung erforderlich. Diese Konzepte sollen die Möglichkeit schaffen, den materialtechnischen Fortschritt im Bereich der durch Hydrolyse/ Auslaugung beanspruchten Bauteiloberflächen in der Praxis besser nutzbar zu machen. 2. Chemischer Angriff auf zementgebundene Beschichtungen in trinkwassertechnischen Anlagen Unter einem chemischen Angriff auf zementgebundene Beschichtungen ist die Wechselwirkung zwischen dem Beschichtungsmörtel und dem umgebenden Medium zu verstehen. Wenn auch die Vielzahl der ablaufenden chemischen und physikalischen Prozesse hierbei sehr vielschichtig und komplex ist, lassen sich zwei unterschiedliche Wechselwirkungen zwischen angreifendem Medium und der Zementsteinmatrix unterscheiden. Bei der hydrolytischen Korrosion/ Auslaugung laufen folgende grundlegende Schadensmechanismen zeitlich gestaffelt ab. Zunächst wird Portlandit (Ca(OH) 2 ) kontinuierlich aus der Zementsteinmatrix gelöst. Damit verbunden ist eine Absenkung des Alkalitätsdepots, was langfristig auch zu einer Decalcinierung der festigkeitsbildenden CSH-Phasen führt. [Schwotzer; 2008] 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 99 Materialkorrosion, Auslaugkinetik u. Alterung v. zementgebundenen Beschichtungen unter Beanspruchungsbedingungen d. Expositionsklasse X TWB Bild 3: Chemische Schädigungsprozesse bei hydrolytischer Auslaugung von Zementstein durch mineralsaure Wässer Eine auslaugende Wirkung weisen insbesondere weiche Wässer, wie Regen- und Schmelzwässer und mineralstoffarme Wässer, wie Kondensate auf. Die Korrosion durch Austauschreaktion zwischen Angriffsmedium und Zementstein beruht auf der chemischen Umwandlung einzelner Zementsteinphasen. Die entstehenden Reaktionsprodukte werden in Abhängigkeit von Ihrer Löslichkeit herausgelöst. Diese Form des chemischen Angriffs kommt insbesondere bei mineralsauren Wässern, wie der kalklösenden Kohlensäure in Betracht. 3. Auslaugung durch weiche Wässer Die Gesamthärte des Wassers wird durch die Summe der Gehalte an Erdalkali-Ionen beschrieben und in °dH angegeben. Sehr weiche Wässer, auch als salzarme oder als demineralisierte Wässer bezeichnet, weisen einen Härtegrad zwischen 0 °dH und 4 °dH auf. Im Kontakt mit weichem Wasser kommt es auf Grund des Konzentrationsgefälles gegenüber der Porenlösung im Zementstein zur Diffusion der im Porenwasser gelösten Ionen und damit zur Auslaugung der Feststoffphasen in der unmittelbaren Kontaktzone. Durch die Diffusion von Calciumionen wird Portlandit permanent ausgelaugt, was zu einer deutlichen Abnahme des Ca/ Si-Verhältnis im oberflächennahen Randbereich des Zementsteins führt. Zurück bleibt ein SiO 2 -Gel, welches zwar als Schutzbarriere für die weitere Auslaugung dient aber keinen Beitrag mehr zur mechanischen Stabilität des Zementsteins leistet. [Schwotzer; 2008] Das Ca/ Si-Verhältnis und somit die Stabilität der festigkeitsbildenden CSH-Phasen stehen in einem unmittelbaren funktionellen Zusammenhang mit der Ca-Konzentration, dem Absenken des Alkalitätsdepots sowie der Vergrößerung des Porenraumes. Die Geschwindigkeit der Auslaugung von mineralischen Beschichtungen durch Lösungs-, Transport- und Diffusionsprozesse kann durch die im Bild 4 dargestellten drei Phasen beschrieben werden. Bild 4: Korrosionsstadien der Auslaugung bei lösendem chemischen Angriff durch weiche, kalklösende und mineralsaure Wässer [Gerlach; 2017] Unter Berücksichtigung des Lösungsverhaltens der Zementsteinphasen kann die Kinetik des Auslaugverhaltens bei einer hydrolytischen Korrosion zementgebundener Beschichtungen beschrieben werden. Die Initialphase des Auslaugprozesses wird zunächst durch das oberflächennahe Portlandit (Ca(OH) 2 ) bestimmt. Dieser Prozess läuft als weitgehend lineare Funktion reaktionskontrolliert ab. Es erfolgt der Auf bau einer Schutzschicht aus SiO 2 -Gel. [Gerlach.; 2017] Im weiteren Verlauf der hydrolytischen Korrosion gehen die CASH- und später die CSH-Phasen des Zementsteins in Lösung. Es bildet sich eine SiO2-reiche Schicht an der Grenzfläche zwischen Zementsteinmatrix und dem Auslaugmedium, die einen diffusionskontrollierten Auslaugprozess als √t-Funktion hervorruft. Zu Beginn der Phase 2 ist das Voranschreiten der Korrosionsfront deutlich größer als der lösende Abtrag der SiO 2 -reichen Schicht. In Phase 3 gleichen sich die Geschwindigkeiten des Korrosionsfortschrittes und des Materialabtrages an, die sich ausbildende Schutzschicht bleibt konstant und der Prozess der hydrolytischen Korrosion läuft mit konstanter Geschwindigkeit (diffusionskontrollierter Prozess mit linearem Fortschreiten der Schädigungstiefe). Es kommt zu einer kontinuierlichen Verringerung des Ca/ Si-Verhältnis. Die Dauer der einzelnen Reaktionsstadien werden maßgeblich von der Konzentration des Angriffsmediums, der Löslichkeit der sich bildenden Schutzschicht und von der Zusammensetzung des zementgebundenen Beschichtungsmörtels bestimmt. Grundsätzlich ist jedoch zu beachten, dass die Kinetik des Korrosionsprozesses von weiteren Faktoren abhängig ist. Einen wesentlichen Einfluss üben abrasive Randbedingungen, Temperaturverhältnisse und auch strömungsmechanische Faktoren (dynamische, offene Systeme) aus. [Gerlach.; 2017] 4. Chemischer Angriff durch kalklösende Kohlensäure Im Kontakt mit kohlesäurehaltigen Wässern können aus zementgebundenen Beschichtungsmörteln carbonatische Bestandteile herausgelöst werden. Die Aggressivität derartiger Wässer hängt von den gelösten Alkalien und Erdalkalien, den gelösten Salzen von den Kohlen- 100 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Materialkorrosion, Auslaugkinetik u. Alterung v. zementgebundenen Beschichtungen unter Beanspruchungsbedingungen d. Expositionsklasse X TWB säurespezies CO 2(aq) , HCO 3- und CO 3 2, die sich in einem chemischen Gleichgewicht befinden, ab. Die Löslichkeit von CO 2 ist stark temperaturabhängig. Bild 5: Temperaturabhängigkeit der Löslichkeit von CO 2 in reinem Wasser bei unterschiedlichen CO 2 -Partialdrücken [Schwotzer; 2008] Bild 6: Anteile der Kohlensäurespezies an der Gesamtkohlensäure in Abhängigkeit vom pH-Wert und dem Sättigungsindex für Calcit [Schwotzer; 2008] Die jeweiligen Anteile der Kohlensäurespezies CO 2(aq) , HCO 3- und CO 3 2 in wässrigen Lösungen werden im Wesentlichen vom pH-Wert der Lösung bestimmt. Bei pH- Werten > 10 liegen überwiegend Carbonationen CO 3 2vor, bei pH-Werten < 6 überwiegend in Wasser gelöstes CO 2 und bei einem pH-Wert von 8,2 liegt ausschließlich Hydrogencarbonat HCO 3- vor. Das Wasserbefindet sich hierbei im sogenannten Kalk-Kohlesäure-Gleichgewicht. Das Bild 5 zeigt die Verteilung der Kohlensäurespezies in Abhängigkeit vom pH-Wert. Löst sich CO 2 in Wasser, reagieren ca. 0,7 % mit den Wassermolekülen zu Kohlensäure H 2 CO 3 . Diese Kohlensäure dissoziiert in zwei Stufen unter Bildung sowohl von Hydrogencarbonat (HCO 3- ) als auch von Carbonat (CO 3 2- ). Die Kohlensäure kann in verschiedenen Formen auftreten. [Schuler; 2019] Bild 7: Erscheinungsformen der Kohlensäure in wässrigen Lösungen [Schuler; 2019] Ausschlaggebend für das Reaktionsverhalten bezüglich kalklösender Kohlensäure ist der Sättigungindex (SI) des Wassers bezüglich Calcit. Der Mechanismus des Angriffs kalklösender Kohlensäure kann am Beispiel eines kalklösenden Wassers (SI<0) veranschaulicht werden. Bild 8: Wassereigenschaften in Bezug auf das Kalk- Kohlensäure-Gleichgewicht (KKG) [Schuler; 2019] Auf der wasserberührten Bauteiloberfläche mischt sich dieses Wasser mit der hoch alkalischen Porenlösung des Zementsteins. Durch die pH-Wert-Erhöhung verschiebt sich das Gleichgewicht in Richtung des CO 3 2- . Die Folge ist eine Abnahme des pH-Werts der Porenlösung unter fortschreitender Aufzehrung von Portlandit. Bei weiterer Einwirkung (SI<0) auf die neutralisierte Randzone der mineralischen Beschichtung erfolgt ein Angriff auf alle Zementsteinphasen. Die Zersetzung, die in der Randzone begonnen hat, kann in größere Tiefe voranschreiten. Als Reaktionsprodukt bleibt ein amorphes Silikat-Gel auf der Oberfläche zurück, welches die Korrosionsgeschwindigkeit im weiteren Verlauf reduziert. [Schwotzer; 2008] Eine vereinfachte Bewertung der Betonaggressivität eines Wassers kann aus den beiden in der Trinkwasseranalyse ermittelten Kennwerten pH-Wert und Carbonathärte erfolgen. Da die hydrolytische Auslaugung noch von weiteren Faktoren bestimmt wird, ist hierbei ein Übergangsbereich zwischen aggressiven/ nichtaggressiven Wässern zu berücksichtigen. 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 101 Materialkorrosion, Auslaugkinetik u. Alterung v. zementgebundenen Beschichtungen unter Beanspruchungsbedingungen d. Expositionsklasse X TWB Bild 9: Bewertung der Betonaggressivität eines Wassers aus dem pH-Wert und der Carbonathärte [Peters; 2008] 5. Hydrolytische Korrosion und Auslaugung Die hydrolytische Korrosion tritt dort auf, wo sich zementgebundene Beschichtungen in ständigem Kontakt mit Wasser befinden. Das äußere Erscheinungsbild unterscheidet sich zu den beschriebenen chemischen Angriffsszenarien dadurch, dass es sich hierbei zumeist um bereichsweise auftretende Materialzersetzungen auf den wasserberührten Bauteiloberflächen handelt. Das im Kontakt mit der zementgebundenen Beschichtung stehende Wasser steht im Kalk-Kohlensäure-Gleichgewicht (KKG) und weist einen neutralen pH-Wert auf. Auch hierbei werden, wie bei dem beschriebenen Angriff durch weiche Wässer und kalklösende Kohlensäure zunächst Alkalihydroxide neutralisiert und im weiteren Verlauf Portlandit (Ca(OH 2 )) aus dem Zementstein ausgelaugt. Die damit verbundene Absenkung des Alkalitätsdepots führt zum schrittweisen Abbau festigkeitsbildender CASH- und CSH-Phasen. Eine hydrolytische Korrosion kann durch den anteilmäßigen Zuwachs an Calcit (CaCO 3 ) und an der Veränderung des Ca/ Si-Verhältnis im Tiefenprofil analytisch nachgewiesen werden. Die hydrolytische Korrosion tritt insbesondere dort auf, wo eine unzureichende Dichtigkeit des Zementmörtels (Widerstandsseite) die Diffusions-, Lösungs- und Transportvorgänge des anstehenden Wassers in der oberflächennahen Randzone weitgehend begünstigt (Angriffsseite). 6. Performance-basiertes Konzept zur Dauerhaftigkeitsbemessung von zementgebundenen Beschichtungen bei Auslaugung durch kalklösende Kohlensäure Im Gegensatz zu deskriptiv-erfahrungsbasierten Konzepten zur Dauerhaftigkeitsbemessung beruhen performance-basierte Konzepte sowohl auf laborwie auch auf modellbasierten Ansätzen. Für die Art der Nachweisführung ist bei laborbasierten Ansätzen ein leistungsbezogenes Entwurfsverfahren anzuwenden. Wichtig dabei ist, dass in den entsprechenden Zeitrafferprüfungen die tatsächlichen, in der Praxis auftretenden Verhältnisse wiedergegeben werden. Zielstellung von performance-basierten Zeitraffersimulationen ist die Nachstellung von Echtzeitabläufen bei Beachtung von realen Schädigungsmechanismen. Eine Verschärfung der Einwirkungsseite darf hierbei keinesfalls zu einem grundsätzlich anderen Schadensmechanismus führen. Bild 10: Schematische Darstellung der Schädigungszonen in der oberflächennahen Randzone zementgebundener Beschichtungen bei chemischem Angriff durch kalklösende Kohlensäure Im Rahmen von Industrieaufträgen wurde eine Versuchseinrichtung entwickelt, mit der performance-basierte Zeitrafferuntersuchungen durchgeführt werden können. Zielstellung hierbei ist es, Aussagen zur Nutzungsdauer für neuartige Baustoffzusammensetzungen und für unterschiedlichen Expositionen zu treffen. Bild 11: Einlagerungsbedingungen für die performance-basierten Laborversuche im Vergleich zu den Grenzwerten für Grund- und Trinkwasser Die Einstellung der CO 2 -Konzentration und der Kalklösekapazität erfolgt über den pH-Wert und die Temperatur. Der erforderliche pH-Wert wird in Abhängigkeit von der einzustellenden CO 2 -Konzentration und der Temperatur berechnet. Die pH-Werterfassung wird mittels pH-Elektrode sowie in einer pH-Wertkontrolleinheit mit integrierter Ansteuerung für die CO 2 -Dosierung ausgeführt, die wiederum eine konstante CO 2 -Konzentration und Kalklösekapazität über den gesamten Prüfzeitraum sichert. Die CO 2 -Zufuhr erfolgt über eine Gasleitung, die in einen CO 2 -Diffusionsreaktor/ Flipper mündet, so das CO 2 -Blasen im Bereich der Vorkonditionierung sichtbar nach oben aufsteigen. Ein Wasserwechsel erfolgt mindestens wöchentlich. In Abhängigkeit vom Ergebnis der Bestim- 102 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Materialkorrosion, Auslaugkinetik u. Alterung v. zementgebundenen Beschichtungen unter Beanspruchungsbedingungen d. Expositionsklasse X TWB mung der Calcitlösekapazität ist ein ggf. kürzerer Wasserwechsel vorzusehen. Ein kontinuierlicher Wasseraustausch wird dadurch gewährleistet, dass Wasser aus der Vorkonditionierung kontinuierlich in den Prüf bereich gepumpt wird. Ein Schlauch zwischen den beiden Kammern (kommunizierende Gefäße) nivelliert den Wasserstand beider Gefäße aus. Eine schematische Darstellung der eingesetzten Prüfeinrichtung zeigt das nachfolgende Bild. Bild 12: Versuchsauf bau für die Simulation der hydrolytischen Auslaugung von mineralischen Beschichtungen bei Angriff kalklösender Kohlensäure Die Mörtelprismen lagern über 6 Monate in den Becken (offenes System/ Durchlaufverfahren), in welche temperiertes Wasser mit einem kalklösenden Kohlensäuregehalt von 50 mg/ l bis maximal 110 mg/ l Wasser eingeleitet wird. Der Anteil an gelösten CO 2 von 110 mg/ l Wasser entspricht bei einem pH-Wert von 6,6 einer Kalklösekapazität von 250 mg/ l CaCO 3 . Als Wasserumlauf wird 5,0 l/ h je Lagerbecken angesetzt, was einem Durchsatz von täglich vier Wasserwechseln entspricht. Um zu gewährleisten, dass die zugeführte Menge an CO 2 dem Soll-Wert abhängig von pH-Wert und Temperatur entspricht, ist es erforderlich, die pH-Sonde regelmäßig zu kalibrieren. Die Kalibrierung erfolgt wöchentlich mit Hilfe einer auf die Einlagerungstemperatur temperierten Kalibrierlösung. Die Calcitlösekapazität wird mit Hilfe eines Schnelltests unter Verwendung von Calciumcarbonat-Pulver und Salzsäure überprüft, um abzuschätzen, wann das Wasser im Behälter gesättigt ist und ein Wasserwechsel erforderlich wird. Zur Abschätzung der Langzeitbeständigkeit von mineralischen Instandsetzungsmörteln werden nachfolgende relevante Parameter und Kennwerte erfasst und ausgewertet: • Masseänderung • Volumenänderung (Geometrieerfassung mittels hochauflösendem 3-D-Laserscanner) • Augenscheinliche Veränderungen (Absanden, Verfärbung, Kantenabstumpfung, Erweichungen) • Biegezug-/ Druckfestigkeit • Dynamischer E-Modul • Schädigungstiefe (Indikatortest an Bruchflächen/ Stereo-Auflichtmikroskopie an Anschliffen) Visuell sichtbare Veränderungen bei den performancebasierten Zeitrafferuntersuchungen beginnen durch das Lösen der Zementschlämme in der äußeren Randzone, danach kommt es zu örtlich begrenzte Absandungen, die im weiteren Verlauf abschnittsweise und dann großflächig erfolgen sowie parallel dazu zum Materialabtrag in den Kantenbereichen mit sich deutlich ausbildenden Kantenabrundungen. Je nach Materialzusammensetzung ist der Schädigungsverlauf an markanten Verfärbungen an der Oberfläche der Prüfkörper sichtbar. Bild 13: Vergleich der Volumina eines Prüfkörpers (zementgebundener Instandsetzungsmörtel nach DVGW W 300-4) nach 28 Tagen, 91 Tagen und 206 Tagen Einlagerung in kalklösender Kohlensäure bei 250 mg CO 2 / l Mit der Geometrieerfassung durch einen hochauflösenden 3-D-Laserscanner ist es möglich, ortsauflösend kleinste Volumenänderungen und Abtragungen zu quantifizieren. Durch fest fixierte Messpunkte auf der Prüfkörperoberfläche kann das Messsystem eine Wiedererkennung der Positionierung vornehmen und so die 3-D-Messungen nach unterschiedlichen Einlagerungszeiten wiederholen. Das Messsystem arbeitet mit einer Auflösegenauigkeit von ± 0,05 mm. Der Nachweis der Schädigungstiefe erfolgt an den Bruchflächen im Prismenquerschnitt der Stirnflächen mittels Stereo-Auflichtmikroskop STEMI 2000. Die 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 103 Materialkorrosion, Auslaugkinetik u. Alterung v. zementgebundenen Beschichtungen unter Beanspruchungsbedingungen d. Expositionsklasse X TWB Bruchflächen werden vor den Untersuchungen mittels Triphenylmethan-Farbstoff besprüht. Es bilden sich scharfe Kanten zwischen ungeschädigtem/ geschädigtem Mörtelgefüge aus. Die Nachweise zu den 3-D-Volumenänderungen mittels 3-D-Laserscanner sowie zur Schädigungstiefe mittels Stereo-Auflichtmikroskopie erfolgen jeweils am Prüfmörtel und zur Validierung/ Vergleichmessung an einem Referenzmörtel nach DIN EN 196-1. 7. Bewertung der Beständigkeit von Instandsetzungsmörteln gegenüber lösendem Angriff Wasserberührte, zementgebundene Mörteloberflächen im Roh- und Reinwasserbereich sowie in einzelnen Verfahrensstufen der Trinkwasserauf bereitung (TWA) unterliegen unterschiedlichen chemisch-abrasiven Beanspruchungen. Die Geschwindigkeit der Schädigung von Oberflächen zementgebundener Beschichtungen hängt stark von der Zusammensetzung des Wassers (Gehalt an Erdalkalien/ Mineralstoffgehalt, Anteil an freier überschüssiger Kohlensäure, Anteil an betonschädigenden Salzen) sowie von den strömungsmechanischen Bedingungen (statische/ dynamische Strömung, laminare/ turbulente Strömung, Feststoffanteil) ab. Relevante Bereiche, in denen es zu einer erhöhten Beanspruchung durch kalklösende Kohlesäure kommen kann, sind die Gewinnung/ Verteilung von Rohwasser, verschiedene Verfahrensstufen in der Trinkwasseraufbereitung sowie die Speicherung/ Verteilung von „kritischen“ Mischwässern im Reinwasserbereich. Weitere chemische Beanspruchungen auf mineralische Beschichtungen gehen von Kondensaten (demineralisierte Wässer) in der Trinkwasserspeicherung aus. Kohlensäure kann chemisch im Wasser in unterschiedlichen Formen vorliegen. Für den chemischen Angriff auf wasserberührte Bauteiloberflächen ist der Gehalt an freier, überschüssiger Kohlensäure entscheidend. Dieser Anteil unterliegt entsprechend der regionalen und geologischen Herkunft sowie den jeweiligen Betriebsbedingungen (Temperatur- und Druckverhältnisse) entsprechenden Schwankungen. Ist das Wasser nicht im Kalk-Kohlensäure-Gleichgewicht (KKG) und ist der pH-Wert kleiner als der Gleichgewichts-pH-Wert, liegt mehr freie Kohlensäure vor als zugehörige Kohlensäure. Diese freie, überschüssige Kohlensäure führt zu einer beschleunigten Auslaugung/ Korrosion der wasserberührten, zementgebundenen Mörteloberflächen. Die deskriptiv-basierten Vorgaben für die Expositionsklasse X TWB nach DVGW W 300 haben dazu geführt, dass mineralische Beschichtungen bei den in der Trinkwasserspeicherung auftretenden Bedingungen im Allgemeinen eine ausreichende Gebrauchstauglichkeit über den geplanten Nutzungszeitraum von 50 Jahren aufweisen. Die Auslaugung/ Korrosion durch mineralstoffarme, kohlendioxidhaltige oder mineralsaure Wässer stellt verglichen mit einem Säureangriff in abwassertechnischen Anlagen einen vergleichsweise schwachen chemischen Angriff dar. Die Auslaugung von zementgebundenen Beschichtungen bei Angriff von weichen, kalklösenden oder mineralsauren Wässern verläuft in den drei, bereits genannten Reaktionsphasen ab, einem zunächst linearen, reaktionskontrollierten Prozess, gefolgt von einem weitgehend diffusionskontrollierten, nichtlinearen Reaktionsablauf mit Ausbildung einer Diffusionsbarriere (SiO2-Gel) und schließlich einem linearen, diffusionskontrollierten Prozess. Die Geschwindigkeit der Auslaugung wird durch die strömungsmechanischen Bedingungen und die mechanische Abrasion wesentlich bestimmt. Wird die sich ausbildende kieselsäurereiche Schutzbarriere nicht abrasiv beansprucht, bleibt die Deckschicht konstant. Der Korrosionsprozess läuft diffusionskontrolliert, der zeitabhängige Schädigungsverlauf kann durch eine Wurzelfunktion abgeschätzt werden. Bild 14: Wirkung abrasiver Beanspruchungen auf die zeitabhängige Abtragstiefe bei lösendem chemischen Angriff [Grube; 1987] Völlig anders verhält es sich jedoch unter abrasiven Bedingungen, wenn die Deckschicht kontinuierlich abgetragen wird. Die Schädigung nimmt linear zu. Eine weitere wesentliche Kenngröße ist die Häufigkeit der abrasiven Beanspruchung, je kürzer die Zeitabstände, desto größer wird die zeitabhängige Materialschädigung. Bei „kritischen“ Wässern kann dieser Auslaug- und Abtragprozess über lange Zeiträume jedoch zu tiefergehenden Schädigungen der mineralischen Beschichtungen führen. Bei Vorliegen entsprechender Expositionen sollte daher die Gebrauchstauglichkeit eines zementgebundenen Instandsetzungsmörtels mittels performance-basierten Bemessungsverfahren nachgewiesen werden. 104 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Materialkorrosion, Auslaugkinetik u. Alterung v. zementgebundenen Beschichtungen unter Beanspruchungsbedingungen d. Expositionsklasse X TWB Bild 15: Schädigungstiefe im oberflächennahen Randbereich eines zementgebundenen Instandsetzungsmörtels nach DVGW W 300-4 bei Einlagerung in verdünnter Kohlensäure mit einem Anteil an gelöstem CO 2 von 50 mg/ l und 250 mg/ l Die Versuchsanlage zum Nachweis der Gebrauchstauglichkeit (Dauerhaftigkeit) zum zementgebundenen Instandsetzungsmörteln nach DVGW W 300-4 gegenüber weichen, kalklösenden oder mineralsauren Wässern bietet die Möglichkeit, Echtzeitabläufe in Zeitrafferuntersuchungen unter standardisierten Prüf bedingungen nachzustellen. Performance-basierte Prüf- und Bewertungskonzepte ermöglichen die Feststellung eines ausreichenden Widerstandes einer Mörtelzusammensetzung sowohl gegenüber Regelanforderungen als auch bei spezifischen Anwendungsfällen zum Nachweis eines praxisspezifischen Auslaugwiderstandes. Im Ergebnis können Nutzungsdauern unter verschiedenen praxisbezogenen Belastungssituationen für Langzeitbeanspruchungen berechnet werden. Literatur [DBV; 2014] DBV-Merkblatt „Chemischer Angriff auf Betonbauwerke - Bewertung des Angriffsgrades und geeignete Schutzprinzipien“, Deutscher Beton- und Bautechnik-Verein e.V., Berlin Fassung Juli 2014 [DBV; 2017] DBV-Merkblatt „Chemischer Angriff auf Betonbauwerke - Empfehlungen zur Prüfung und Bewertung“, Deutscher Beton- und Bautechnik-Verein e.V., Berlin, Fassung Mai 2017 [Gerlach.; 2017] Gerlach, J. Ein performance-basiertes Konzept zur Dauerhaftigkeitsbemessung chemisch beanspruchter Betonbauteile, Dissertation 2017, Universität Hannover, 190 Seiten [Gerdes; 2003] Gerdes, A., Wittmann, F.H.: Langzeitverhalten von zementgebundenen Beschichtungen in Trinkwasserbehältern, 6 th International Conference on Material Science and restoration - MSR VI 2003, pp. 1 - 14 [Grube; 1987] Grube, H., Rechenberg, W.: Betonabtrag durch chemisch angreifende saure Wässer, beton 37, 1987, Heft 11, pp. 446 - 451 und Heft 12, pp. 495 - 498 [Grube; 1989] Grube, H., Rechenberg, W.: Durability of concrete structures in acid water, Cement and Concerte Research, Vol. 19(1989) No. 5, pp. 763 - 792 [Kämpfer; 2014] Kämpfer, W. Ganassi, C.; Monitoring an zementären Beschichtungen mit hohem Hüttensandgehalt, 3. Kolloquium Betonbauwerke in der Trinkwasserspeicherung, TAE 2014, Tagungsbuch, pp. 153 - 162 [Kämpfer; 2017] Kämpfer, W., Berndt, M.: Zementgebundene Hochleistungsmörtel als anwendungsspezifische Schutzmaßnahme bei stark chemischem Angriff, 5. Kolloquium „Erhaltung von Bauwerken“, Technische Akademie Esslingen 2017 [Kämpfer; 2021] Kämpfer, W., Berndt, M., Schuler, H.: Einfluss kalklösender Kohlensäure auf das Langzeitverhalten von zementgebundenen Beschichtungen in trinkwassertechnischen Anlagen, 6. Kolloquium „Trinkwasserspeicherung in der Praxis“, Technische Akademie Esslingen 2021, pp. 45 - 53 [Locher; 1975] Locher, F.W.; Sprung, S.: Die Beständigkeit von Beton gegenüber kalklösender Kohlensäure, beton 25, 1975, Heft 7 [Schuler; 2019] Schuler, H.: Beständigkeit von Instandsetzungsmörteln gegenüber kritischen Wässern mit erhöhtem Anteil an kalklösender Kohlensäure am Beispiel trinkwassertechnischer Anlagen, Abschlussarbeit Bachelor of Engineering, HTWK Leipzig, 2019 [Schwotzer; 2008] Schwotzer, M.: Zur Wechselwirkung zementgebundener Werkstoffe mit Wässern unterschiedlicher Zusammensetzung am Beispiel von Trinkwasserbehälterbeschichtungen, Dissertation Universität Karlsruhe (TH), 2008 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 105 Bewertung der Hydrolysebeständigkeit mineralischer Beschichtungen in Kontakt mit Trinkwasser - Entwicklung eines Prüfverfahrens zur Prognose der Dauerhaftigkeit Anja Tusch, M. Eng. Rheinland-Pfälzische Technische Universität Kaiserslautern - Landau (RPTU) Clarissa Glawe, M. Sc. Institut für Baustoffforschung der RWTH Aachen University (ibac) Univ.-Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Breit Rheinland-Pfälzische Technische Universität Kaiserslautern - Landau (RPTU) Univ.-Prof. Dr.-Ing. Michael Raupach Institut für Baustoffforschung der RWTH Aachen University (ibac) Zusammenfassung Trinkwasserberührte, mineralische Werkstoffe zeigen in der Praxis immer wieder mal Schädigungen im oberflächennahen Bereich. Ursache hierfür ist zumeist ein lösender Angriff an der Beton- oder Mörteloberfläche, der durch das Konzentrationsgefälle zwischen hochalkalischer Porenlösung und neutralem Trinkwasser entsteht und vor allem in kalkarmen Wässern durch eine verminderte, schützende Calciumcarbonatschichtbildung begünstigt wird. Zur Charakterisierung der Hydrolysebeständigkeit von Instandsetzungsmörteln in Kontakt mit Trinkwasser wurden nach dem DVGW-Arbeitsblatt W 300: 2014 zwar Einflussfaktoren definiert, jedoch konnten die Schädigungsmechanismen noch nicht auf die Abschätzung der Beständigkeit der Instandsetzungsmörtel in der Trinkwasserspeicherung übertragen werden. In einem vom DVGW geförderten Forschungsvorhaben wird eine Prüfgrundlage erarbeitet, die eine Prognose der Dauerhaftigkeit von Instandsetzungsmörteln im Trinkwasserbereich im Hinblick auf einen praxisnahen Nutzungszeitraum auf Grundlage eines beschleunigten Prüfverfahrens zulässt. Erste Ergebnisse bieten bereits eine Bewertungsgrundlage für eine Einschätzung der Eignung von verschiedenen Prüf- und Untersuchungsmethoden zur geplanten Dauerhaftigkeitsabschätzung. Innerhalb der Untersuchungen finden neben klassischen Methoden, wie der optischen Beurteilung und der Messung des Masseverlustes während der Auslaugung, ebenfalls neuartige Verfahren, wie die Computertomografie oder die einseitige Wasserstoffkernspinresonanz Anwendung. 1. Einführung In der Trinkwasserspeicherung werden üblicherweise mineralische Werkstoffe für die Kontaktbereiche mit Trinkwasser verwendet, da Trinkwasser im Allgemeinen als nicht betonangreifend einzustufen ist und jahrelange positive Erfahrungen mit zementgebundenen Werkstoffen vorliegen [1]. Trotzdem werden in Trinkwasserbehältern immer wieder Schäden an den trinkwasserberührten mineralischen Oberflächen festgestellt. Hierzu zählten z. B. Schäden, die sich in den 90er Jahren dadurch auszeichneten, dass sich lokal kreisförmige, teilweise braun verfärbte Erweichungen im Werkstoff bildeten [2; 3; 4; 5]. Untersuchungen von Boos [5; 6] zeigten, dass dies mit einem geringen Hydrolysewiderstand aufgrund eines erhöhten Wasserzementwertes bei der Herstellung und einer damit einhergehenden erhöhten Porosität zusammenhängt. Ein weiteres Merkmal kann eine deutliche Abnahme des Calciumhydroxidgehalts in der Beschichtung sein, während der Calciumcarbonatgehalt zunimmt [4]. Grund hierfür ist ein lösender Angriff, der nicht nur durch aggressive Medien wie Säure, sondern beispielsweise auch durch sehr weiche Wässer ausgelöst werden kann. Aufgrund des Konzentrationsgefälles zwischen Trinkwasser und der hochalkalischen Porenlösung des mineralischen Werkstoffs kommt es zu einer Auslaugung [7]. In dem Bestreben das Konzentrationsgefälle auszugleichen, diffundieren Ionen aus der Porenlösung des mineralischen Werkstoffs in das umgebende Trinkwasser, was dazu führt, dass weitere Ionen aus dem Werkstoff in Lösung gehen. Bei der hydrolytischen Korrosion von mineralischen Werkstoffen werden in erster Linie Calciumionen aus dem Zementstein gelöst [7; 8]. Diese Auslaugung würde mit der Zeit zum Verlust der Festigkeit führen. Im Normalfall bildet sich jedoch durch die Reaktion von Calciumionen aus der Porenlösung mit den im Wasser enthaltenen Carbonationen eine schützende Schicht aus Calciumcarbonat. Diese schwerlösliche Schicht verhindert bzw. verlangsamt den Auslaugungsprozess maßgeblich, so dass dauerhaft keine Schäden am Werkstoff zu erwarten sind [6]. Lediglich sehr weiche Wässer, bei denen die Bildung der schützenden Calciumcarbonatschicht gehemmt wird, oder beispielsweise Mischwässer, die zeit- 106 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Bewertung der Hydrolysebeständigkeit mineralischer Beschichtungen in Kontakt mit Trinkwasser weise kalklösende Kohlensäure enthalten können, können zu einer hydrolytischen Korrosion führen, die mit oberflächigen Schäden verbunden sein kann. Eine weitere Art des lösenden Angriffs stellt der Angriff durch Säure bzw. sauer reagierende Lösungen dar. Hier kommt es vor allem zu Reaktionen zwischen den Werkstoffphasen und den in der Lösung enthaltenen Ionen. Dabei können Reaktionsprodukte entstehen, die besser oder schlechter löslich sind und so die Geschwindigkeit des Zersetzungsprozesses unterschiedlich beeinflussen. Insgesamt zeigt sich die Lösung des Zementsteins als ein komplexer Vorgang, bei dem verschiedene Reaktionen neben- und nacheinander ablaufen [8]. Aus kinetischer Sicht lassen sich nach Gerlach [8] drei Stadien beim lösenden Angriff unterscheiden. Wie in Abb. 1 dargestellt, verläuft das Stadium 1 reaktionskontrolliert. Die stattfindenden Lösungsvorgänge bestimmen die Korrosionsgeschwindigkeit, bevor im Stadium 2 dann der Diffusionsprozess zum geschwindigkeitsbestimmenden Prozess wird. Dies kommt dadurch zustande, dass sich eine wachsende Deckschicht bildet und sich die Reaktionsfront ins Innere der Probe verlagert. Stadium 3 wird ebenfalls durch einen diffusionsgesteuerten Prozess dominiert. Während im Stadium 2 jedoch die Diffusionsschicht angewachsen ist, bleibt sie im Stadium 3 konstant, da die Deckschicht in etwa genauso schnell abgetragen wird, wie die Reaktionsfront weiter fortschreitet [8]. Abb. 1; Korrosionsstadien beim lösenden Angriff nach Gerlach (Darstellung nicht maßstabsgetreu) [8] Wie beständig ein Werkstoff gegenüber einem lösenden Angriff ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab, die sich gegenseitig beeinflussen können. So haben nicht nur die Werkstoffeigenschaften einen Einfluss, sondern auch die Umgebungsbedingungen. Zur Bestimmung des Widerstandes gegen den Angriff durch Säuren wurden in den zurückliegenden Jahren verschiedene Prüfverfahren entwickelt, wie beispielsweise von Gerlach [8] oder Breit [9]. Eine Zusammenstellung verschiedener Verfahren findet sich z. B. in [10]. Ein standardisiertes Prüfverfahren, mit dem sich die Beständigkeit eines mineralischen Werkstoffs gegenüber hydrolytischer Korrosion zuverlässig bestimmen lässt, gibt es jedoch bisher nicht. Im hier dargestellten DVGW-geförderten Forschungsprojekt „TWB-Check“, das am Fachgebiet Werkstoffe im Bauwesen der RPTU und dem Institut für Bauforschung der RWTH Aachen durchgeführt wird, soll ein Verfahren entwickelt werden, mit dem die Hydrolysebeständigkeit von mineralischen Beschichtungen bestimmt und im besten Fall auf die durchschnittliche Betriebsdauer eines Trinkwasserspeichers von ca. 50 Jahren prognostiziert werden kann. Das Verfahren soll dabei in möglichst kurzer Zeit (< 28 Tage) aussagekräftige Werte liefern. Dazu muss eine Prüflösung bzw. eine Kombination aus verschiedenen Prüflösungen gefunden werden, die einen realitätsnahen Angriff simulieren und einen deutlich beschleunigten, aber trotzdem vergleichbaren Angriff zur Situation im Trinkwasserbehälter bewirkt, um eine Prognose der Schädigungen innerhalb des Nutzungszeitraums zu ermöglichen. In ersten Versuchen wurde deshalb zunächst das Materialverhalten zweier Mörtel in unterschiedlichen Prüfmedien untersucht. Die Ergebnisse sind im Folgenden dargestellt. 2. Materialien und Methoden 2.1 Proben In den ersten orientierenden Versuchsreihen wurden zwei verschiedene Mörtelzusammensetzungen bezüglich der Beständigkeit gegenüber hydrolytischer Korrosion untersucht. Wesentlicher Unterschied bei den beiden Mörteln war der Wasserzementwert (w/ z-Wert). Mörtel 1 wies einen w/ z-Wert von 0,50 und Mörtel 2 einen w/ z-Wert von 0,63 auf. Als Bindemittel wurde in beiden Fällen ein Portlandzement (CEM I 42,5 R) verwendet. Mit den Mörteln wurden prismatische Proben (40 x 40 x 160 mm) hergestellt, die für die geplanten Untersuchungen angepasst werden mussten. Es wurden 1-cm dicke PVC-Platten als Referenzmessflächen an den Stirnseiten der Prismen ergänzt (vgl. Abb. 2). Dazu wurden die beiden Platten mithilfe einer Gewindestange aus Edelstahl verbunden und im Mörtel eingebettet, so dass sie fest verankert wurden. Nach der Herstellung wurden die Mörtelprismen mindestens 28 Tage bis zur Massenkonstanz unter Wasser 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 107 Bewertung der Hydrolysebeständigkeit mineralischer Beschichtungen in Kontakt mit Trinkwasser gelagert, bevor sie mit den Prüfmedien in Kontakt gebracht wurden. Durch die Vorlagerung wurde im Hinblick auf die Erfassung der Massenänderung ein Referenzzustand erreicht, auf den sich im Folgenden bezogen werden konnte. Abb. 2: Exemplarische Darstellung der verwendeten Mörtelprismen (CEM I, w/ z-Wert = 0,5). Da die Proben überwiegend eine ungleichmäßige Oberflächenbeschaffenheit der Luftseite infolge der Herstellung zeigten, wurde für die prüfseitenbezogenen Untersuchungen die Schalungsseite B als Prüfseite festgelegt (Abb. 2). 2.2 Versuchsablauf Die Untersuchungen wurden an den beiden Forschungsstellen Kaiserslautern und Aachen durchgeführt. An beiden Standorten wurde eine speziell angefertigte Versuchsanlage verwendet, in der die Proben in ihrem jeweiligen Prüfmedium gelagert wurden, während das Prüfmedium ständig bewegt wird. Weiterhin sind Zu- und Abläufe der Anlage zum Teil automatisiert, so dass zu festgelegten Zeitpunkten ein vollautomatischer Wechsel des Prüfmediums stattfinden konnte. Im Versuch wurden insgesamt sieben verschiedene Lösungen als Prüfmedien mit unterschiedlichen Zusammensetzungen und pH-Werten verwendet. Eine Auflistung der verwendeten Prüfmedien findet sich in Tab. 1. Am Forschungsstandort Kaiserslautern wurden saure Lösungen untersucht während am Standort Aachen Leitungswasser in Trinkwasserqualität als Prüfmedium diente. Demineralisiertes Wasser wurde von beiden Forschungsstellen als Prüfmedium zur Referenzmessung und gegenseitigem Abgleich verwendet. Die beiden Medien, demineralisiertes Wasser und Leitungswasser, konnten in der vollautomatisierten Anlage zu- und abgeführt werden, so dass ein regelmäßiger Wechsel der vollständigen Lösung alle 24 Stunden möglich war. Bei den Prüfmedien 3 bis 7 konnte aufgrund der Aggressivität der Lösungen der vollautomatische Betrieb der Anlage nicht genutzt werden. Diese wurden jeweils alle 7 bis 14 Tage manuell ausgetauscht. Dabei wurde nach dem sogenannten pH-stat-Verfahren vorgegangen, bei dem der pH-Wert der verwendeten Lösung möglichst konstant gehalten wird. Um dies zu ermöglichen, wurden Pufferlösungen verwendet, die auf den entsprechenden pH-Wert eingestellt wurden. Zu festgelegten Zeitpunkten wurden die Proben aus der Lösung genommen, abgespült und gebürstet und im Folgenden mit verschiedenen Prüfverfahren untersucht und die optischen Veränderungen mittels Fotografie dokumentiert. Als Prüfverfahren wurden die einseitige magnetische Wasserstoff-Kernspinresonanz ( 1 H-NMR), die Computertomografie (µ-CT) und eine Massenbestimmung durchgeführt. Zusätzlich wurden Proben des verwendeten Leitungswassers und des demineralisierten Wassers mittels optischer Emissionsspektrometrie mit induktiv gekoppeltem Plasma (ICP-OES) untersucht. Tab. 1: Übersicht der verwendeten Prüflösungen Nr. Prüfmedium pH-Wert 1 Demineralisiertes Wasser 7,0 2 Leitungswasser (Trinkwasserqualität) 8,4 3 KH 2 PO 4 / Na 2 HPO 4 6,0 4 Natriumcitrat/ NaOH 5,5 5 Essigsäure 1) / Natriumacetat 5,0 6 Essigsäure 2) / Natriumacetat 4,5 7 HCl/ Natriumcitrat 4,0 1) c-=-0,015-mol/ l 2) c-=-0,03-mol/ l 3. Ergebnisse 3.1 Fotografie Um oberflächliche Veränderungen in Abhängigkeit von der Prüfdauer zu dokumentieren, wurden die Proben im 7TageRhythmus fotografiert. Um vergleichbare Ergebnisse zu erzielen, wurden die Proben vor dem Fotografieren jeweils für eine festgelegte Dauer von 15 Minuten an der Luft getrocknet, um die Veränderungen der Probenoberfläche erkennbar zu machen. Damit wurde der Trocknungszeitraum so kurz wie möglich gewählt, sodass die Proben bis zur erneuten Einlagerung in den Versuchsstand möglichst feucht blieben. Da es sich beim Angriff durch saure Lösungen und Wasser um eine Reaktion handelt, die an der Grenzfläche von 108 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Bewertung der Hydrolysebeständigkeit mineralischer Beschichtungen in Kontakt mit Trinkwasser Werkstoff und umgebendem Medium erfolgt, sind schon nach kurzer Zeit oberflächliche Veränderungen an den Proben zu erkennen. Insbesondere bei den Proben, die in den Pufferlösungen gelagert wurden, zeigten sich deutliche Veränderungen, die sich mit steigender Prüfdauer noch deutlicher ausprägten. In Abb. 3 ist die zeitabhängige optische Entwicklung von Proben abgebildet, die in demineralisiertem Wasser und in einem Essigsäure/ Natriumacetat-Puffer mit pH-Wert 5,0 gelagert wurden. Im Fall der säuregelagerten Probe zeigt sich bereits nach sieben Tagen eine sichtbare Schädigung, die sich in einer bräunlichen Färbung der Oberfläche niederschlägt. Die zuvor glatte Mörteloberfläche wirkt deutlich angegriffen und erste Gesteinskörnungen sowie Poren werden sichtbar. Im weiteren Verlauf der Prüfung ist ein Abtrag des Zementsteins zu erkennen, der in der Freilegung der Gesteinskörnung resultiert, bis diese schließlich ausbricht. Die Proben zur Auslaugung in demineralisiertem Wasser lassen anhand der fotografischen Dokumentation einen deutlich langsameren Angriff erkennen. Trotzdem sind auch hier bereits nach einer Prüfdauer von sieben Tagen erste optische Veränderungen sichtbar. Nach Ende der Prüfdauer von 28 Tagen sind vor allem im Randbereich Alterationen der Prüffläche zu erkennen. Zu Ausbrüchen von ganzen Gesteinskörnern kommt es bei der Auslaugung in demineralisiertem Wasser innerhalb eines Prüfzeitraums von 28 Tagen jedoch nicht. Abb. 4 zeigt eine Gegenüberstellung der Proben in Abhängigkeit vom verwendeten Prüfmedium nach einer Prüfdauer von 28-Tagen. Auffällig ist vor allem die Probe, welche in Phosphatpufferlösung gelagert wurde (pH 6). Trotz des im Vergleich zum demineralisierten Wasser niedrigeren pH-Werts, ist kein Mörtelabtrag zu erkennen. Vielmehr zeigt sich die Probenoberfläche mit heller erscheinenden Ablagerungen an der Probenoberfläche. Die Ablagerungen zeigten sich bereits innerhalb der ersten Tage und veränderten sich mit steigender Prüfdauer nur noch geringfügig. Ob es sich bei den Ablagerungen um Ausblühungen handelt oder um Reaktionsprodukte der Probenoberfläche und den Komponenten der Pufferlösung, gilt es noch zu untersuchen. Es wird vermutet, dass es sich bei den Ablagerungen um schwerlösliche Calciumphosphate handelt, welche eine schützende Deckschicht auf der Probenoberfläche bilden und so den weiteren Angriff der Oberfläche hemmen (vergleichbar der Calciumcarbonatschichtbildung auf zementgebundenen Werkstoffen in Kontakt mit Trinkwasser). Alle weiteren Proben zeigen deutliche Schädigungen infolge der Auslaugung bzw. der hydrolytischen Korrosion in sauren Prüfmedien. Diese zeigen sich in Form von freigelegter Gesteinskörnung und einer zunehmend porösen Struktur, die dem Abtrag der oberen Mörtelschicht zuzuschreiben ist. Zusätzlich haben sich auf den Proben, welche in Salzsäure (HCl) bei einem pH-Wert von 4 gelagert wurden, weiße Ablagerungen gebildet. Abb. 3: Optische Veränderung zweier Proben in demineralisiertem Wasser und Essigsäure-/ -Natriumacetat---Puffer über einen Prüfzeitraum von 28 Tagen Abb. 4: Optische Veränderungen der Prüffläche in Abhängigkeit vom pH-Wert des Prüfmediums nach einer Prüfdauer von 28 Tagen. 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 109 Bewertung der Hydrolysebeständigkeit mineralischer Beschichtungen in Kontakt mit Trinkwasser 3.2 Bestimmung des Massenverlustes Innerhalb des Prüfzeitraums wurde im 2bzw. 3-Tages-Rhythmus eine Massenbestimmung durchgeführt. Um gelöste Partikel von der Massenbestimmung auszuschließen, wurden die Proben zunächst mit Wasser abgespült und anschließend abgebürstet. Um anwenderbedingte Abweichung innerhalb der Massebestimmung zu vermeiden, wurde eine Vorrichtung zum Abbürsten der Proben verwendet. Im Anschluss an das Abbürsten wurden die Proben nochmals abgespült und oberflächlich getrocknet, bevor die Wägung erfolgte. Abb. 5: Massenabtrag bei Proben mit einem w/ z von 0,5 als Funktion von der Zeit in den verschiedenen Prüfmedien. Abb. 6: Abtragsraten in Abhängigkeit von der Zeit für Proben mit einem w/ z-Wert von 0,5 in verschiedenen Prüfmedien. Abb. 7: Abtragsraten nach 28 Tagen in Abhängigkeit vom pH-Wert bei einem w/ z = 0,5 Die in Abb. 5 dargestellten Ergebnisse zeigen einen annähernd linearen Massenabtrag, wobei die Proben mit sehr geringem Abtrag erwartungsgemäß deutlich höhere Schwankungen erkennen lassen. Anhand der Massenabtragsrate als Funktion von der Zeit kann der lineare Abtrag in Form einer nach sieben Tagen annähernd konstanten Abtragsrate bestätigt werden (vgl. Abb. 6). Anhand der ermittelten Abtragsraten kann innerhalb eines Prüfzeitraums noch kein klarer funktionaler Zusammenhang zwischen der Schädigung und dem pH- Wert des Prüfmediums festgestellt werden (vgl. Abb. 7). So liegt die mittlere Massenabtragsrate für die in Citronensäure (pH-=-5,5) gelagerten Proben zwischen den Abtragsraten der in Essigsäure (pH-=-5,0; 4,5) gelagerten Proben. Es liegt die Vermutung nahe, dass die begleitenden Säureanionen der Prüfmedien eine entscheidende Rolle hinsichtlich des Schädigungsmechanismuses spielen. Sie können Reaktionen mit den Bestandteilen des Werkstoffes eingehen, wodurch der Abtrag aufgrund gut löslicher Reaktionsprodukte beschleunigt wird, oder aber es zu Ablagerungen der Reaktionsprodukte auf der Probenoberfläche kommen kann. Ähnliches wurde bei der Probe, welche in einer Phosphatpufferlösung untersucht wurde, beobachtet. Diese weist innerhalb der ersten sieben Tage des Prüfzeitraums eine Massenzunahme auf. Es wird der aus der Fotografie erhaltene Eindruck bestätigt, dass es zu Ablagerungen auf der Probenoberfläche kommt, wodurch eine weitere Schädigung der Probe verhindert wird. 110 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Bewertung der Hydrolysebeständigkeit mineralischer Beschichtungen in Kontakt mit Trinkwasser 3.3 Einseitige Wasserstoffkernspinresonanz (single-sided 1 H NMR) Mithilfe der single-sided 1 H NMR wurden die Proben, welche in demineralisiertem Wasser und in Leitungswasser beansprucht wurden, im 7-Tage-Rhythmus gemessen. Die zerstörungsfreie Methode bietet die Möglichkeit neben der tiefenaufgelösten Feuchtebestimmung ebenfalls Informationen über das Porengefüge zu liefern [11]. Das Messprinzip basiert auf der Wechselwirkung der Wasserstoffatomkerne mit einem induzierten Magnetfeld im untersuchten Messvolumen. Es kommt zur Anregung der Atomkerne, deren Achse sich entlang des äußeren Magnetfeldes ausrichtet, um nach Abschalten des Magnetfeldes wieder in den Ausgangszustand zurückzukehren. Die dafür benötigte Dauer wird als Relaxationszeit (T2) bezeichnet und kann hinsichtlich der chemischen Umgebung der Atomkerne interpretiert werden. Zur Ableitung des Porengefüges aus den gemessenen Relaxationszeiten werden diese in vier T2 Domänen unterteilt, die nach dem Porenmodell nach Jennings [12] vier verschiedenen Porenarten zugeordnet werden können, welche zusammengefasst die Gesamtporosität (FNMR) ergeben. Dabei unterscheidet man, der Größe nach aufsteigend, zwischen Interlayer-, Gel-, Interhydrat- und Kapillarporen. Basierend auf fortlaufenden Messungen einer Probe kann anhand der Signalintensität der verschiedenen Relaxationszeiten auf die Alteration des Gefüges infolge der Auslaugung geschlossen werden. Im vorliegenden Projekt wurden die Messungen mithilfe einer mobilen einseitigen 1 H NMR (NMR MOUSE) der Firma Magritek durchgeführt (Abb. 8). Diese ermöglichte Messungen bis zu einer Tiefe von 5 mm. Mithilfe der NMR Ergebnisse soll eine Korrelation mit weiteren Untersuchungsmethoden wie der optischen Beurteilung und der Massenbestimmung erfolgen, um die Möglichkeit der Ableitung von dauerhaftigkeitsmindernden Gefügeschädigungen anhand der optischen Erscheinung sowie des Masseverlusts zu erarbeiten. Abb. 8: Schematische Darstellung der PM5 NMR MOUSE (oben, [13]) und des Messprinzips zur tiefengestaffelten Porositätsmessung (unten, [11]). In Abb. 9 sind die Ergebnisse der durchgeführten NMR Messungen dargestellt. Sie zeigen, dass innerhalb des Prüfzeitraums von 28 Tagen, sowohl im demineralisierten, als auch im Leitungswasser kein Abtrag erzielt werden konnte. Die Proben beider Auslaugungsmedien weisen jedoch im oberflächennahen Bereich eine Änderung der mittels 1 H NMR bestimmten Porosität auf, die eine Zunahme der größeren Poren bis zu einer Tiefe von 0,6 mm zeigt. Im Fall des demineralisierten Wassers mit einem niedrigeren pH-Wert als Leitungswasser kann bis zu einer Tiefe von 1,4 mm ein Angriff der C-S-H Phasen gemessen werden. Daraus ableitend zeigen die Proben beider Auslaugungsmedien eine Zunahme der Gesamtporosität bis zu einer Tiefe von 0,5 mm. 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 111 Bewertung der Hydrolysebeständigkeit mineralischer Beschichtungen in Kontakt mit Trinkwasser Abb. 9: Ergebnisse der 1 H NMR Messungen an CEM I Mörtelproben vor (links) und nach (rechts) der Auslaugung in demineralisiertem Wasser und Leitungswasser für 28 Tage 3.4 ICP-OES Zur Untersuchung der ausgelaugten Bestandteile der Mörtel, wurden die Prüfmedien (demineralisiertes Wasser, Leitungswasser) über den gesamten Prüfzeitraum durch die Entnahme von Eluaten beprobt. Diese wurden in Zentrifugenröhrchen gekühlt gelagert. Vor der Analyse mittels ICP-OES wurden die Proben mithilfe von Schwefelsäure angesäuert, um ein Ausfällen der gelösten Bestandteile während der Messung zu vermeiden. Abb. 10 zeigt exemplarisch die aus der Eluatzusammensetzung berechnete, flächenbezogene Auslaugung über den gesamten Prüfzeitraum. Dabei zeigt sich Calcium als primär auslaugender Bestandteil, welcher innerhalb eines Prüfzeitraums von 21 Tagen eine lineare Auslaugung erkennen lässt. Nach 21 Tagen zeigt Calcium, sowie Kalium und Silizium eine Abnahme der flächenbezogenen Auslaugung. Diese Abnahme nach 21 Tagen kann als eine beginnende Ausprägung einer Reaktionsschicht interpretiert werden, wodurch die Auslaugung weiterer Bestandteile gehemmt wird. Ein Vergleich mit den Ergebnissen der 1 H NMR bestätigt diesen Ansatz, da sich auch hier kein Abtrag, jedoch eine sich ändernde Struktur im oberflächennahen Bereich der Proben gezeigt hat. Abb. 10: Ergebnisse der ICP-OES Untersuchung der Eluatproben von in demineralisiertem Wasser ausgelaugten Proben in Abhängigkeit von der Zeit. Die Ergebnisse der ICP-OES korrelieren mit den Annahmen des Modells nach Gerlach [8]. Hier ist die anfangs lineare Schädigung (Stadium 1) vor allem durch die Lösung der Calciumionen des Mörtels charakterisiert. Die- 112 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Bewertung der Hydrolysebeständigkeit mineralischer Beschichtungen in Kontakt mit Trinkwasser ser lineare, konzentrationsgesteuerte Schädigungsmechanismus ist gefolgt von einer dem Wurzel-Zeit-Gesetz folgenden Schädigungsphase, die von einer geringeren Auslaugung an Calciumionen geprägt wird. 3.5 Computertomografie Die Proben wurden vor und während des Prüfzeitraums nach 7, 14 und 21 Tagen sowie nach Abschluss der Prüfung mittels Computertomografie untersucht. Die Scans wurden mit einem CT-alpha-240 (Procon X-Ray) durchgeführt. Das Gerät verfügt über eine Mikrofokus-Reflexionsröntgenröhre mit einer Maximalleistung von 350-Watt und einer maximalen Anregungsspannung von 240- kV. Als Detektor dient ein 16-bit Flachbilddetektor mit 2.144-x-1.760-Pixeln und einer Pixelkantenlänge von 127-µm. Die Proben wurden in zwei Abschnitten gescannt, um den gesamten Probekörper darstellen zu können. Die Scanbedingungen finden sich in Tab. 2. Um Änderungen der Position der Proben zwischen den Scans zu vermeiden, wurde eine speziell angefertigte Probenhalterung verwendet. Im Anschluss wurden die erhaltenen Daten rekonstruiert und mithilfe des Programms Mavi weiterverarbeitet (vgl. Abb. 12). Tab. 2: Scanbedingungen Anregungsspannung 120 kV Strom 300 µA Belichtungsdauer 0,2 s Averages 4 Binning 1x1 9 fps Voxelgröße 50 µm Filter 2,5-mm Aluminium Die erhaltenen Daten bilden gut die stattfindenden Veränderungen an den Proben ab. Nach Zusammenfügen der beiden Einzelscans lässt sich das Volumen der Proben und die mit dem Massenabtrag verbundene Änderung bestimmen. In Abb. 11 ist der Massenabtrag im Verhältnis zum Volumenabtrag dargestellt. Für die Proben, die in sauren Prüfmedien gelagert waren, ergibt sich ein annähernd linearer Zusammenhang, vergleichbar den Ergebnissen zur Ermittlung des Massenabtrags. Das bestätigt einen konstanten Materialabtrag an der Oberfläche. Der Phosphatpuffer nimmt auch hier eine Sonderstellung ein, da das Volumen nicht absondern zunimmt, was mit der gemessenen Gewichtszunahme korreliert. Bei den in demineralisiertem Wasser gelagerten Proben ist zwar eine Volumenabnahme zu erkennen, allerdings zeigt sich hier kein linearer Zusammenhang zwischen Massenabtrag und Volumenabtrag. Vielmehr ist der Massenabtrag größer als der Volumenabtrag, was wiederum die Annahme untermauert, dass sich die Reaktionsfront nach Innen bewegt und außen eine poröse Schicht zurückbleibt. Die Daten bestätigen die zuvor schon durch die Massenbestimmung erhaltenen Ergebnisse. Die strukturellen Veränderungen der durch die sauren Lösungen stark angegriffenen Proben werden gut wiedergegeben. Die Proben, welche optisch nur geringe Veränderungen erkennen lassen, weisen in den CT-Scans strukturelle Veränderungen im Randbereich auf. Allerdings erwiesen sich in diesen Fällen die gewählten Scanparameter als nicht ausreichend, um die Veränderungen im Randbereich geeignet aufzulösen. Abb. 11: Massenverlust der Proben im Verhältnis zum gemessenen Volumenverlust in Abhängigkeit vom Prüfmedium für Proben mit einem w/ z-Wert von 0,5 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 113 Bewertung der Hydrolysebeständigkeit mineralischer Beschichtungen in Kontakt mit Trinkwasser Abb. 12: Schematischer Ablauf der Verarbeitung der CT-Daten 4. Berechnungsansatz zur Lebensdauerprognose Ziel des Forschungsprojektes ist es, ein beschleunigtes Verfahren zur Bestimmung der Beständigkeit mineralischer Werkstoffe in Kontakt mit Trinkwasser zu entwickeln, welches eine Lebensdauerprognose für den Einsatz des jeweiligen Materials unter den besonderen Bedingungen der Trinkwasserspeicherung erlaubt. Da keine verlässlichen Langzeitdaten vorhanden sind, wurde zunächst auf Grundlage der bisher erhaltenen Daten ein erster Ansatz entwickelt und auf Plausibilität geprüft. Durch Verwendung von Prüfmedien im sauren pH-Bereich konnte ein beschleunigter Angriff der untersuchten Proben erzeugt werden. Dabei zeigte sich eine klare Abhängigkeit des Schädigungsgrades vom pH-Wert des Prüfmediums. Für das jeweilige Prüfmedium konnte ein zeitabhängiger, linearer Abtrag ermittelt werden. Die Gegenüberstellung der Schädigungen in Abhängigkeit vom pH-Wert aller untersuchten Prüfmedien ließen jedoch noch keinen klaren funktionalen Zusammenhang feststellen. Es konnte innerhalb des gewählten Prüfzeitraums von 28- Tagen eine pH-Wert-übergreifende konstante Massenabtragrate ermittelt werden, die auf eine linear verlaufende Schädigung hinweist. In Kombination mit einer sich ändernden Porenstruktur im oberflächennahen Bereich kann auf die Ausbildung einer Reaktionsschicht geschlossen werden. Im Hinblick auf die Einordnung der vorliegenden Schädigung in das Schädigungsmodell nach Gerlach [8] bildet das Prüfverfahren den Übergang aus dem reaktionskontrollierten Stadium 1 in das diffusionskontrollierte Stadium 2 ab (vgl. Abb. 13). Zur Prognose eines realistischen Schädigungsverlaufs bedarf es jedoch der Abbildung aller im Schädigungsmodell vorliegenden Stadien. Würde ein ausschließlich linearer Abtrag zu Grunde gelegt werden, wie es das Modell im reaktionskontrollierten Stadium 1 vorgibt, würden vergleichbar den mit demineralisiertem Wasser untersuchten Proben ausgebildete Oberflächen bereits nach einer Betriebsdauer von rund 20 Jahren deutlich geschädigt sein. Da dies nicht mit den zu erwartenden Langzeitergebnissen übereinstimmt, wird davon ausgegangen, dass die Schädigung durch sowohl demineralisiertes als auch Leitungswasser keinem durchgehend linearen Schädigungsmechanismus folgt. Hierbei kann auch der Abtrag von zementleimreichen oberflächennahen Schichten zu Beginn des Schädigungsprozesses zu fehlerhaften Einschätzungen bezüglich der Abtragsraten der davon abweichenden Kernbereiche führen. Die Korrelation des Massenabtrags mit den Ergebnissen der Porositätsentwicklung zeigt, dass es zwar zu einem Masseverlust kommt, dieser jedoch nicht mit einem Schichtabtrag einhergeht. Dies lässt auf die Ausbildung 114 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Bewertung der Hydrolysebeständigkeit mineralischer Beschichtungen in Kontakt mit Trinkwasser einer Reaktionsschicht schließen, welche im Stadium 2 des Schädigungsmodells zu einem dem Wurzel-Zeit-Gesetz entsprechenden, diffusionsgesteuertem reaktionsverlauf führt. Um genauere Lebensdauerprognosen abgeben zu können, muss auch dieses Reaktionsstadium in der zu entwickelnden Prüfung abgebildet werden. Dazu ist es wichtig in den weiteren Untersuchungen zu ermitteln, wann der Übergang von einem zum anderen Stadium stattfindet. Abb. 13: Simulierter Massenabtrag von mineralischen Oberflächen von Trinkwasserbehältern und Einordnung der Schädigungsmechanismen in das Schädigungsmodell nach Gerlach [8]. 5. Schlussfolgerung und Ausblick Ziel des Projekts ist die Entwicklung eines Prüfverfahrens zur Bestimmung der Beständigkeit mineralischer Werkstoffe gegenüber hydrolytischem Angriff insbesondere unter den Randbedingungen der Trinkwasserspeicherung. In einer ersten Versuchsreihe wurde der Massenabtrag von Mörteln in Prüfmedien mit unterschiedlichen pH-Werten untersucht, um einen funktionalen Zusammenhang der Schädigungsmechanismen in 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 115 Bewertung der Hydrolysebeständigkeit mineralischer Beschichtungen in Kontakt mit Trinkwasser Abhängigkeit von der Aggressivität der Prüfmedien zu überprüfen. Für den betrachteten Untersuchungszeitraum zeigten die Proben in allen Medien einen annähernd linearen Massenabtrag. Allerdings sind die Massenverluste in demineralisiertem Wasser sehr gering und in Leitungswasser erwartungsgemäß nahezu nicht nachweisbar. Dies erschwert einen Vergleich der Daten. Trotzdem wurde ein erster Ansatz zur Prognose der Beständigkeit erstellt. Die auf Grundlage der ermittelten Massenabtragsraten berechneten Werte decken sich im betrachteten Zeitraum mit den experimentell ermittelten Werten. Allerdings fehlen bisher Langzeitdaten, um den Ansatz auch für größere Zeiträume zu überprüfen. Das vorliegende Prüfverfahren ermöglicht die Abbildung der Schädigungsprozesse, die nach dem Schädigungsmodell nach Gerlach [8] innerhalb einer reaktionskontrollierten bis zum Übergang zur diffusionskontrollierten Schädigung, stattfinden. Bei einer Prognose ist daher zu beachten, dass ein ausschließlich linearer Abtrag, wie es die bisher gewonnenen Daten suggerieren, in einem frühzeitigen, vollständigen praxisfremden Abtrag der Probe resultieren würde. Das bisherige Prüfverfahren gilt es entsprechend zu optimieren, so dass Schädigungen über einen linearen Bereich hinaus abgebildet werden können. Der hydrolytische Angriff bewirkt vor allem die Auslaugung von Calciumionen, wodurch es zur Ausprägung einer Reaktionsfront kommt, welche in Richtung Probenkern wandert. Daraus ableitend bildet sich zwischen der Probenoberfläche und der Reaktionsfront eine Reaktionsschicht mit veränderter Struktur, was zu einer Hemmung des zuvor linearen Schädigungsprozesses führt. Bei Lagerung in sauren Medien ist zu beachten, dass hier zusätzliche Reaktionspartner in Form von Anionen zur Verfügung stehen. Diese können den Schädigungsverlauf beschleunigen oder verlangsamen. Zur Analyse der Veränderungen der untersuchten Proben wurden verschiedene Messverfahren angewandt. Die Massenbestimmung ist ein Einfaches und unter Beachtung eines immer gleichen Prüfablaufs, ein meist ausreichend genaues Verfahren, um die Beständigkeit eines mineralischen Werkstoffs zu bestimmen. Bei geringeren Massenabtragsraten bietet die Fotografie eine gute Möglichkeit, um die Veränderungen darzustellen. Als ergänzende Untersuchungen wurde unter anderem die Computertomografie eingesetzt. Dieses zerstörungsfreie Verfahren hat den Vorteil, dass auch das Probeninnere in die Betrachtung und Bewertung hinzugezogen werden kann. Allerdings hat sich gezeigt, dass die bisher gewählten Messparameter nicht hinreichend geeignet sind, um sehr kleine Veränderung hoch genug aufzulösen. Hier besteht noch Anpassungsbedarf. Im fortlaufenden Projekt soll das entwickelte Verfahren auf weitere mineralische Werkstoffe angewendet werden, um die Prüfparameter zu optimieren, so dass alle Schädigungsprozesse mithilfe des beschleunigten Prüfverfahrens erfasst werden können. Danksagung Die Autoren danken dem Deutschen Verein des Gas- und Wasserfaches e.V. (DVGW) für die Förderung und Unterstützung des Forschungsprojektes sowie den Mitgliedern des projetbegleitenden Ausschusses für die wertvollen Hinweise und anregenden Diskussionen. Literatur [1] DVGW-Arbeitsblatt W 347: 2006-05 Hygienische Anforderungen an zementgebundene Werkstoffe im Trinkwasserbereich - Prüfung und Bewertung, , [2] Schwotzer, M. (2008): Zur Wechselwirkung zementgebundener Werkstoffe mit Wässern unterschiedlicher Zusammensetzung am Beispiel von Trinkwasserbehälterbeschichtungen. Dissertation. Universität Fredericiana zu Karlsruhe (TH), Karlsruhe. Fakultät für Bauingenieur-, Geo- und Umweltwissenschaften. [3] Brueckner, R.; Atkins, C. P.; Lambert, P. (2015): Schäden an Wasserbehältern aus Beton nach EN 206. Beton- und Stahlbetonbau 110 (2015), S. 50- 57. DOI: 10.1002/ best.201500504. [4] Gerdes, A.; Wittmann, F. H. (2003): Langzeitverhalten von zementgebundenen Beschichtungen in Trinkwasserbehältern. 6th International Conference on Materials Science and Restoration - MSR VI, Aedificatio Publishers, 1-14 (2003) [5] Boos, P. (2003): Herstellung dauerhafter zementgebundener Oberflächen im Trinkwasserbereich - Korrosionsanalyse und technische Grundanforderungen. Zugl.: Münster, Univ., Dissertation, 2002. Düsseldorf: Verlag Bau und Technik (Schriftenreihe der Zementindustrie, Heft 64). [6] Boos, P.; Breit, W. (2010): Hydrolysebeständigkeit und Dauerhaftigkeitsprognosen für zementgebundene Auskleidungen in Trinkwasserbehältern. Tagungsband 1. Kolloquium Betonbauwerke in der Trinkwasserspeicherung. S. 39-45, Esslingen [7] Merkel, M. (2021): Realkalisierungspotenzial von zementgebundenen Werkstoffen im Trinkwasserbereich. Dissertation. Technische Universität Kaiserslautern, Kaiserslautern. Fachbereich Bauingenieurwesen. [8] Gerlach, J. (2017): Ein performance-basiertes Konzept zur Dauerhaftigkeitsbemessung chemisch beanspruchter Betonbauteile. Dissertation. Leibniz Universität Hannover, Hannover. Institut für Baustoffe [9] Breit, W. (2003): Verbesserung des Säurewiderstands von Beton. Beton + Fertigteil Jahrbuch 2003, S. 246-255 [10] Siebert, B. (Hg.) (2017): Chemischer Angriff auf Beton - Prüfverfahren zur Bewertung des Säurewiderstands von Beton. Deutscher Beton- und Bautechnik-Verein. Fassung Mai 2017. Berlin: 116 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Bewertung der Hydrolysebeständigkeit mineralischer Beschichtungen in Kontakt mit Trinkwasser Deutscher Beton- und Bautechnik-Verein e.V (Bau- Kompetenz im Dialog, 41) [11] Schulte Holthausen, R.; Merkel, M.; Breit, W.; Raupach, M. (2022): Monitoring the microstructural deterioration of concrete exposed to leaching in purified water. In: Civil Engineering Design 4 (2002), Nr. 4, S. 99-109. DOI: 10.1002/ cend.202100051. [12] Jennings, H.M. (2008): Refinements to colloid model of C-S-H in cement: CM-II. Cement and Concrete Research 38 (2008), Nr. 3, S. 275-289. DOI: 10.1016/ j.cemconres.2007.10.006. [13] Schulte Holthausen, R. (2019): Bestimmung der Porenstruktur von Beton mittels einseitiger Wasserstoff-Kernspinresonanz Relaxometrie. Dissertation. RWTH Aachen University Planung und Abrechnung 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 119 Planerische Anforderungen für den Neubau von Trinkwasserspeicheranlagen aus Ortbeton unter Berücksichtigung des Qualitätssicherungsplans Dipl.-Ing. Sascha Leck GUV - Gesellschaft für Geohydraulik, Umweltberatung, Verfahrens- und Ingenieurtechnik mbH, Lohfelden, Minden, Rottweil Zusammenfassung Trinkwasser ist gemäß TrinkwV zu jeder Zeit in hygienisch einwandfreier Qualität bereitzustellen. Der Begriff Hygiene im Sinne dieses Grundsatzes umfasst alle Bestrebungen und Maßnahmen, die darauf abzielen, negative Qualitätsveränderungen des Trinkwassers zu vermeiden bzw. zu verhindern. Für den Neubau und die Instandsetzung von Trinkwasserbehältern sind entsprechende Qualitätssicherungspläne für Werkstoffe und Bauhilfsstoffe sowie die Bauausführung zu entwickeln, welche planungs- und baubegleitend umgesetzt werden müssen. Der nachfolgende Bericht versucht in Anlehnung an das gültige Regelwerk einen Überblick über die planerischen Anforderungen für den Neubau von Trinkwasserspeicheranlagen aus Ortbeton unter Berücksichtigung des Qualitätssicherungsplans zu geben. 1. Grundsätze bei Planung und Bau von Trinkwasserspeicheranlagen In Anlehnung an das aktuelle Regelwerk DVGW W-300- 1 bis 8 lassen sich die nachfolgenden Grundsätze bei der Planung und dem Bau von Trinkwasserspeicheranlagen formulieren: 1. Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik 2. Qualitätssicherungspläne sind spezifisch für die zugelassenen Behälterbauweisen (Ortbetonbehälter, Systembehälter etc.) aufzustellen und anzuwenden 3. Es erfolgt keine Differenzierung zwischen wasserberührten Oberflächen und “dahinter” bzw. “darunter” angeordneten Konstruktionen 4. Die Durchführung einer Reinigung und Desinfektion ersetzt nicht die Anwendung der Vorgaben des Qualitätssicherungsplans auf der Baustelle 2. Normen, Richtlinien und Regelwerke Die nachfolgenden Normen, Richtlinien und Regelwerke dienen als Grundlage für Planung und Bau von Trinkwasserspeicheranlagen und geben zudem die technischen und hygienischen Anforderungen sowie Bewertungsgrundlagen für die Aufstellung des Qualitätssicherungsplans vor: • DIN 206: 2017-01 - Beton - Festlegung, Eigenschaften, Herstellung und Konformität • DIN 1045-2: 2008-08 - Tragwerke aus Beton, Stahlbeton und Spannbeton - Teil 2: Beton - Festlegung, Eigenschaften, Herstellung und Konformität - Anwendungsregeln zu DIN EN 206-1 • DIN EN 13670: 2011-03 - Ausführung von Tragwerken aus Beton; Deutsche Fassung EN-13670: 2009 • DIN EN 1991-1-1: 2010-12 - Eurocode 1: Einwirkungen auf Tragwerke - Teil 1-1: Allgemeine Einwirkungen auf Tragwerke - Wichten, Eigengewicht und Nutzlasten im Hochbau • DIN EN 1991-1-1/ NA/ A1: 2015-05 - Nationaler Anhang - National festgelegte Parameter - Eurocode 1: Einwirkungen auf Tragwerke - Teil 1-1: Allgemeine Einwirkungen auf Tragwerke - Wichten, Eigengewicht und Nutzlasten im Hochbau • DIN EN 1992-1-1: 2011-01 - Eurocode 2: Bemessung und Konstruktion von Stahlbeton- und Spannbetontragwerken - Teil 1-1: Allgemeine Bemessungsregeln und Regeln für den Hochbau • DIN EN 1992-1-1/ NA/ A1: 2015-12 - Nationaler Anhang - National festgelegte Parameter - Eurocode 2: Bemessung und Konstruktion von Stahlbeton- und Spannbetontragwerken - Teil 1-1: Allgemeine Bemessungsregeln und Regeln für den Hochbau • DIN EN 1992-3: 2011-01 - Eurocode 2: Bemessung und Konstruktion von Stahlbeton- und Spannbetontragwerken - Teil 3: Silos und Behälterbauwerke aus Beton • Trinkwasserverordnung TrinkwV (2018) • Infektionsschutzgesetz - IfSG (2017) • DVGW W 263 (A) Dezember 2022 - Hygiene in der Wasserversorgung bis zur Übergabestelle an die Trinkwasser-Installation • DVGW W 270 (A): 2007-11 - Vermehrung von Mikroorganismen auf Werkstoffen für den Trinkwasserbereich - Prüfung und Bewertung; Beachtung der Bewertungsgrundlage für Kunststoffe und andere organische Materialien im Kontakt mit Trinkwasser (KTW-BWGL) • DVGW W 291 (A): 2000-03 - Reinigung und Desinfektion von Wasserversorgungsanlagen • DVGW W 300-1 (A): 2014-10, Trinkwasserbehälter - Teil 1: Planung und Bau • DVGW W 300-2 (A): 2014-10, Trinkwasserbehälter - Teil 2: Betrieb und Instandhaltung 120 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Planerische Anforderungen für den Neubau von Trinkwasserspeicheranlagen aus Ortbeton unter Berücksichtigung des Qualitätssicherungsplans • DVGW W 300-3 (A): 2014-10, Trinkwasserbehälter - Teil 3: Instandsetzung und Verbesserung • DVGW W 300-4 (A): 2014-10, Trinkwasserbehälter - Teil 4: Werkstoffe, Auskleidungs- und Beschichtungssysteme - Grundsätze und Qualitätssicherung auf der Baustelle • DVGW W 300-5 (A): 2020-08, Trinkwasserbehälter - Teil 5: Bewertung der Verwendbarkeit von Bauprodukten für Auskleidungs- und Beschichtungssysteme • DVGW W 300-6 (M): 2016-09, Trinkwasserbehälter - Teil 6: Planung, Bau, Betrieb und Instandhaltung von System- und Fertigteilbehältern • DVGW W 300-7 (M): 2016-09, Trinkwasserbehälter - Teil 7: Praxishinweise Reinigungs- und Desinfektionskonzept • DVGW W 300-8 (M): 2016-10, Trinkwasserbehälter - Teil 8: Praxishinweise Hygienekonzept: Neubau und Instandsetzung • DVGW W 316 (A): 2018-04, Qualifikationsanforderungen an Fachunternehmen für Planung, Bau, Instandsetzung und Verbesserung von Trinkwasserbehältern; Fachinhalte • DVGW W 347 (A): 2006-05 - Hygienische Anforderungen an zementgebundene Werkstoffe im Trinkwasserbereich; Prüfung und Bewertung • DVGW W 398 (M): 2013-01 - Praxishinweise zur hygienischen Eignung von Ortbeton und vor Ort hergestellten zementgebundenen Werkstoffen zur Trinkwasserspeicherung • DAfStb-Richtlinie, Wasserundurchlässige Bauwerke aus Beton (WU-Richtlinie), 2017 • DBV-Merkblatt „Betonschalungen und Ausschalfristen“ • Bewertungsgrundlage für Kunststoffe und andere organische Materialien im Kontakt mit Trinkwasser (KTW-BWGL) - Allgemeiner Teil • Anlagen der Bewertungsgrundlage für Kunststoffe und andere organische Materialien im Kontakt mit Trinkwasser (KTW-BWGL) - Polymerspezifischer Teil, 2021 • Leitlinie zur hygienischen Beurteilung von Elastomeren im Kontakt mit Trinkwasser (Elastomerleitlinie) • Elastomerleitlinie: Verlängerte Übergangsregelung für den Teil 2 der Positivliste der Ausgangsstoffe, 2016 • Aktualisierte Positivliste zur Herstellung von Elastomeren im Kontakt mit Trinkwasser, 2020 • Leitlinie zur mathematischen Abschätzung der Migration von Einzelstoffen aus organischen Materialien in das Trinkwasser (Modellierungsleitlinie), 2008 • Übergangsempfehlung zur vorläufigen trinkwasserhygienischen Beurteilung von Produkten aus Thermoplastischen Elastomeren im Kontakt mit Trinkwasser (TPE-Übergangsempfehlung), 2019 • Beurteilung von Stoffen mit bestimmter technologischer Funktion und geringen Einsatzmengen bei der Rezepturüberprüfung nach den Leitlinien des Umweltbundesamtes zur hygienischen Beurteilung von organischen Materialien im Kontakt mit Trink-wasser (Geringfügigkeits-Leitlinie), 2011 • Bewertungsgrundlage für metallene Werkstoffe im Kontakt mit Trinkwasser (Metall-Bewertungsgrundlage), 2021 3. Qualitätssicherungsplan Für den Neubau von T rinkwasserspeicheranlagen ergibt sich aus den Vorgaben des Technischen Regelwerkes / Arbeitsblätter DVGW W 316 (A), W 300-4 bzw. W 300-5 und den darin beschriebenen „Qualitätssicherungen“ und „Qualitätsanforderungen an Fachunternehmen für Planung, Bau, Instandsetzung und Verbesserung von Trinkwasserbehältern“, grundsätzlich das Erfordernis zur Aufstellung eines Qualitätssicherungsplans. Inhaltlich wird der Qualitätssicherungsplan hierbei durch das gewählte Bauverfahren / die gewählte Bauweise (zugelassene Bauweisen gem. DVGW W 3001 und -6) bestimmt. Im Rahmen der vorliegenden Ausarbeitung wird die Aufstellung des Qualitätssicherungsplans für die Bauweise des Ortbetonbehälters betrachtet. Der Qualitätssicherungsplan sollte unter Beachtung der Vorgaben des Hygienekonzeptes grundsätzlich die geeigneten Werkstoffe und Bauhilfsstoffe vorgeben und die Bauausführung sowie die im Rahmen der Bauausführung durchzuführenden Qualitätssicherungsmaßnahmen, Konformitätsprüfungen sowie Nachweise und Kontrollen definieren. Hierzu sollten durch den Fachplaner / Qualitätssicherungskoordinator die nachfolgenden Leistungen im Rahmen der Planung der Trinkwasserspeicheranlage in Ortbetonbauweise erbracht werden: • Festlegung der Beanspruchungs- und Nutzungsklasse sowie des Entwurfsgrundsatzes nach WU-Richtlinie • Festlegung der Werkstoffe unter Berücksichtigung von DVGW W 3004 und W 3005 • Festlegung der Bauhilfsstoffe nach DVGW W-3004 und W-3005 • Prüfung der hygienischen und technischen Eignung der Werkstoffe, Bauhilfsstoffe, Bauverfahren unter Einholung von Prüfzeugnissen, Eignungen, Nachweisen und Risikoanalysen sowie besonderer Berücksichtigung des DVGW-Regelwerks, wie z. B. DVGW W 270, W 347, W 398 etc., der DIN- und DIN EN-/ DIN EN ISO-Normen, der Bewertungsgrundlage und Leitlinien zur hygienischen Beurteilung des Umweltbundesamtes (u. a. Elastomerleitlinie, KTW-BWGL), DAfStb-Richtlinie sowie der Bauproduktenverordnung (EU-BauPVO) • Vorgaben zur Kontrolle, Überwachung und Konformitätsprüfung der festgelegten Werkstoffe und Bauhilfsstoffe in der Bauausführung • Vorgabe der Betonierabschnitte • Vorgabe zur Ausführung von Arbeitsfugen und Schwindgassen • Vorgabe der einzuhaltenden Ausschal- und Nachbehandlungsfristen einschl. Nachweiskonzept 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 121 Planerische Anforderungen für den Neubau von Trinkwasserspeicheranlagen aus Ortbeton unter Berücksichtigung des Qualitätssicherungsplans • Vorgabe des Nachweiskonzeptes zur Einhaltung der Ausschal- und Nachbehandlungsfristen sowie der fachgerechten Nachbehandlung • Vorgabe / Definition der geplanten Oberflächeneigenschaften von Ortbeton und Betonfertigteilen sowie anderen Werkstoffen • Vorgabe und Festlegung der Betonsorte / Betonsorten nach Eigenschaften • Vorgaben zur Nachweisführung des Betonsortenverzeichnisses gemäß DVGW W 398; Nachweis der Konformität der hygienischen Eignung von Betonen mit den geforderten Eigenschaften / gestellten Anforderungen durch „Einzelprüfung der Gesamtrezeptur“ oder „Prüfung der Einzelnachweise der Ausgangsstoffe“ • Übernahme der Vorgaben des Qualitätssicherungsplans in die Leistungsbeschreibung Die Vorgaben des Qualitätssicherungsplans sind für die Bauausführung durch das ausführende Unternehmen zu beachten. Hierzu sollten der in der Planung aufgestellte Qualitätssicherungsplan dem ausführenden Unternehmen als verbindliche Ausführungsplanung vorgeben werden. Der Qualitätssicherungsplan ist durch einen Qualitätssicherungsbeauftragten des ausführenden Unternehmens in Abstimmung mit dem Qualitätssicherungskoordinator (Bauüberwachung) im Rahmen der Bauausführung fortzuschreiben. Durch das ausführende Unternehmen bzw. den Qualitätssicherungsbeauftragten sind in diesem Zusammenhang die nachfolgenden Leistungen zu erbringen: • Vorlage Betonsortenverzeichnis einschl. Nachweis der Erstprüfung und der Konformität der hygienischen Eignung der Betonsorten mit den geforderten Eigenschaften / gestellten Anforderungen durch „Einzelprüfung der Gesamtrezeptur“ oder „Prüfung der Einzelnachweise der Ausgangsstoffe“ gem. DVGW W 398 • Vorlage einer schriftlichen Erklärung des Betonlieferanten zur Bestätigung der hygienischen Eignung des gelieferten Werkstoffs und der ausschließlichen Verwendung von Zugabewasser in Trinkwasserqualität • Vorlage der Nachweise und Unterlagen zu den werkseigenen Produktionskontrollen sowie zur Qualitätssicherung der Herstellerwerke • Aufstellung Betonierplanung unter Beachtung der planerischen Festlegung der Betonierabschnitte • Aufstellung Arbeitsfugenplan und Schwindgassen • Aufstellung Nachweiskonzept zur Gewährleistung der Ausschal- und Nachbehandlungsfristen • Kontrolle und Überwachung der Konformität der angelieferten Werkstoffe und Bauhilfsstoffe mit den geforderten Eigenschaften • Kontrolle und Überwachung der Konformität der geforderten Oberflächeneigenschaften von Ortbeton und Betonfertigteilen sowie anderen Werkstoffen • Kontrolle und Überwachung von Gerüsten und Schalungen • Kontrolle und Überwachung des Bewehrens • Kontrolle und Überwachung der Ausführung der Arbeitsfugen und Betonierabschnitte • Kontrolle und Überwachung des Betonierens • Kontrolle und Überwachung der Frisch- und Festbetoneigenschaften / ÜK 2 / Eigen- und Fremdüberwachung • Kontrolle und Überwachung der „hygienischen“ Frisch- und Festbetoneigenschaften / Rückstellproben nach DVGW W 398 • Kontrolle und Überwachung des fachgerechten Betoneinbaus • Kontrolle und Überwachung des hygienischen Zustandes von technischen Einrichtungen, wie z. B. Verdichtungsgeräten, Flügelglättern, Betonfahrzeugen etc. • Kontrolle und Überwachung der Einhaltung der Ausschal- und Nachbehandlungsfristen sowie der fachgerechten Nachbehandlung einschl. Umsetzung des Nachweiskonzeptes • Kontrolle und Überwachung der Dichtheitsprüfung • Kontrolle und Überwachung der Umsetzung der Vorgaben des Hygienekonzeptes • Kontrolle und Überwachung der Umsetzung der Vorgaben des Reinigungs- und Desinfektionskonzeptes • Abschlussdokumentation Der Qualitätssicherungsplan ist im Rahmen der Planung aufzustellen, während der Ausführung fortzuschreiben und nach Abschluss der Maßnahme in die Abschlussdokumentation zu übernehmen. Die Dokumentation der nachweislichen Erfüllung der Vorgaben des Qualitätssicherungsplanes sollte eine abnahmerelevante Leistung darstellen. 4. Einordnung der Leistungen zum Qualitätssicherungsplan in die Leistungsbilder der HOAI und der VOB/ C (ATV) Die notwendigen Planungsleistungen zur Aufstellung des Qualitätssicherungsplans sind nicht Bestandteil des Leistungsbilds Ingenieurbauwerke (HOAI 2021). Dementsprechend handelt es sich um vergütungspflichtige „Besondere Leistungen“, die entsprechend in den Ausschreibungen von Ingenieurleistungen zur Planung von Trinkwasserspeicheranlagen angefragt und bei der Beauftragung der Leistungen berücksichtigt werden sollten. Bei den aus den Vorgaben des Qualitätssicherungsplan resultierenden Leistungen des ausführenden Unternehmens handelt es sich um keine Nebenleistungen gemäß VOB/ C (ATV), sondern um vergütungspflichtige „Besondere Leistungen“, die im Rahmen der Ausschreibung der Bauleistung in die Technischen Vertragsbedingungen und die Leistungsbeschreibung mit aufgenommen werden sollten. 5. Regelung der Zuständigkeiten Auf planerischer Seite bzw. auf Seiten der Bauüberwachung sollte in Analogie zur Position des gem. DVGW W 300-8 geforderten „Hygienekoordinators“ für die Quali- 122 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Planerische Anforderungen für den Neubau von Trinkwasserspeicheranlagen aus Ortbeton unter Berücksichtigung des Qualitätssicherungsplans tätssicherung ein entsprechend fachlich geeigneter „Qualitätssicherungskoordinator“ benannt werden. Im Idealfall wird die Funktion des Hygienekoordinators und Qualitätssicherungskoordinators in Personalunion ausgeführt, da ohnehin eine unmittelbare fachliche und inhaltliche Verbindung besteht. Der Qualitätssicherungskoordinator sollte, in Analogie zum Hygienekoordinator, als „Qualifikation die Anforderungen an Fachaufsichten des entsprechenden Tätigkeitsfeldes oder die Anforderungen an Fachplaner nach DVGW-Arbeitsblatt W 316 erfüllen.“ [1] Auf Seiten der ausführenden Unternehmen sollte ein entsprechend qualifizierter Qualitätssicherungsbeauftragter benannt werden. Sofern die ausführenden Unternehmen nicht über eine Zertifizierung gem. DVGW W 316 verfügen, muss ein entsprechend zertifiziertes Fachunternehmen mit den notwendigen Leistungen zur Qualitätssicherung beauftragt werden. Der Nachweis der Zertifizierung gem. DVGW W 316 bzw. die verbindliche Benennung einer entsprechend zertifizierten Fachaufsicht (Qualitätssicherungsbeauftragter) hat bereits mit der Angebotsabgabe schriftlich zu erfolgen. 6. Theorie und Praxis Trotz mehrjährigen Vorliegens eines entsprechenden Regelwerkes, welches für den Bereich der Trinkwasserversorgung den Status der allgemein anerkannten Regeln der Technik repräsentiert, hat sich die verbindliche Aufstellung eines Qualitätssicherungsplans für den Neubau von Trinkwasserspeicheranlagen noch nicht vollends etabliert. Gründe hierfür liegen sicherlich in der Ermangelung konkreter Vorgaben zu dessen Inhalten sowie der nach wie vor geringen Anzahl an qualifizierten Fachunternehmen zu dessen Aufstellung und Umsetzung. Hinzu kommt, dass die Forderung nach trinkwassergeeigneten Bau- und Bauhilfsstoffen bzw. deren Nachweis über entsprechende Eignungszertifikate durch die Bauwirtschaft nur bedingt bzw. eingeschränkt erfüllt wird. Dennoch lässt sich das hier vorgestellte System zur Qualitätssicherung erfolgreich anwenden. Grundsatz ist, dass bereits in der Planung die Weichen für eine regelwerkskonforme Umsetzung des Neubaus von Trinkwasserspeicheranlagen gestellt werden müssen. Hierzu muss der Planende über eine entsprechende Fachkunde verfügen. Nach Beauftragung eines fachlich geeigneten Unternehmens sollten die Abstimmungen zwischen Qualitätssicherungskoordinator und Qualitätssicherungsbeauftragten zeitnah in Angriff genommen werden, da die notwendige Nachweisführung erfahrungsgemäß einen nicht unbedeutenden Zeitraum in Anspruch nimmt und einen bauablaufrelevanten Parameter darstellt. So erfolgt der Nachweis der technischen und hygienischen Eignung des Betons gem. Vorgaben des DVGW W 398 in der Praxis fast ausschließlich über den Nachweis der Einzelstoffe. Grundsätzlich sollte bereits im Rahmen der Planung nach geeigneten Betonlieferanten im Umkreis der Maßnahme recherchiert werden. Die Prüfung der Betonrezepturen und deren Eignungsfeststellung sind langwierig und mit hohem Aufwand verbunden. Zudem müssen auch die Nachweise zur Unbedenklichkeit der Zuschlagsstoffe durch den Kaliumpermanganat-Index- Test erbracht werden. Hierzu müssen die Proben in einem Baustofflabor überprüft werden. Bei Werkstoffen und Bauhilfsstoffen, die über keine Eignungszertifikate zum Einsatz im Trinkwasserbereich verfügen, muss auf die Risikobewertung / -analyse zurückgegriffen werden. Dies gilt insbesondere für die Wahl einer geeigneten Betonschalung sowie für die Festlegung der im Zusammenhang mit der Schalung einzusetzenden Bauhilfsstoffe, wie z. B. Materialien zur temporären Abdichtung der Schalung im Bereich der Arbeitsfugenabstellungen. Insbesondere die Risikobewertung / -analyse erfordert eine hohe Fachkunde und nimmt i.d.R. einen nicht unbedeutenden Zeitraum und Aufwand ein. Es bleibt zu beachten, dass die Aufstellung des Qualitätssicherungsplanes projektspezifisch erfolgen muss und dass sich die Ergebnisse und Erkenntnisse nicht ohne Weiteres von einer auf die nächste Maßnahme verallgemeinern lassen. 7. Schlussbetrachtung Die Umsetzung der für den Neubau von Trinkwasserspeicheranlagen geltenden Qualitätsvorschriften verlangt auf planerischer Seite eine hohe Fachkunde und Aufmerksamkeit im gesamten Planungs- und Bauüberwachungsprozess. Hierbei muss ein umfangreiches Normen- und Regelwerk beachtet werden, welches sich stetig weiterentwickelt. Um diesen Anforderungen gerecht werden zu können, sind projektspezifische Qualitätssicherungspläne zu entwickeln, welche planungs- und baubegleitend umgesetzt und fortgeschrieben werden müssen und somit einen elementaren Baustein zur erfolgreichen Projektabwicklung darstellen. Literatur [1] DVGW W 300-8 (M): 2016-10, Trinkwasserbehälter - Teil 8: Praxishinweise Hygienekonzept: Neubau und Instandsetzung. 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 123 Instandsetzung von Trinkwasseranlagen Abrechnung nach VOB/ C DIN 18349 ff. Dipl.-Ing. Jan Rassek w+s bau-instandsetzung gmbh, Fuldabrück Zusammenfassung Die Abrechnung von Instandsetzungsmaßnahmen an Trinkwasseranlagen birgt einige Besonderheiten und Schwierigkeiten, die in diesem Artikel näher erläutert und anhand von Beispielen verdeutlicht werden. Hierfür werden zunächst die abrechnungsbeinflussenden Parameter wie Angebotsbearbeitung, Kalkulation, Bauvertrag und die Grundlagen der Abrechnung nach VOB/ B beschrieben. Die Verdeutlichung der Unterschiede zwischen Nebenleistungen und Besonderen Leistungen jeder Allgemeinen Technischen Vertragsbedingung für Bauleistungen (ATV) markiert den Einstieg in das Thema der Abrechnung nach VOB/ C, in dem vor allem auf die Besonderheiten bei der Ermittlung der Maße und Mengen nach ATV DIN 18349 eingegangen wird. 1. Grundlagen der baubetriebswirtschaftlichen Auftragsabwicklung 1.1 Angebotsbearbeitung und Kalkulation Grundsätzlich erfolgt die Kalkulation von Instandsetzungsmaßnahmen nach folgenden drei Stadien: 1. Angebots- und Zuschlagskalkulation 2. Arbeitskalkulation und Betriebsabrechnung 3. Nach- und Nachtragskalkulation Die Angebotskalkulation dient zunächst der Ermittlung der voraussichtlichen Selbstkosten des Unternehmens von Bauleistungen. Aufgrund der Marktlage wird aus dem Selbstkostenpreis der Angebotspreis entwickelt und die Einheitspreise für einzelne Teilleistungen errechnet. Für die Angebotskalkulation werden der Kalkulationsmittellohn und die Einzelkosten der Teilleistungen ermittelt. Diese bestehen aus Lohnkosten, Gerätekosten, Fremdleistungskosten und Sonstigen Kosten. Dazu kommen die Gemeinkosten der Baustelle, zusammengesetzt aus zeitabhängigen Kosten wie Kosten für die Vorhaltung von Geräten und einmalige Kosten wie z. B. die Baustelleneinrichtung. Daraus ergeben sich die Angebotssumme inkl. der Zuschlagssätze und letztlich die Einheitspreise. Die Arbeitskalkulation sollte einen Vergleich der in der Betriebsabrechnung ermittelten Ist-Kosten mit den Plan- Kosten der Bauauftragsrechnung ermöglichen und die Soll-Kosten möglichst realitätsnah wiedergeben. Dies ermöglicht z. B. ein rechtzeitiges Einschreiten bei Fehlentwicklungen. Die Ergebnissituation der Baustelle kann jederzeit analysiert werden, was eine Hochrechnung auf das Baustellenende ermöglicht. Die Arbeits-kalkulation ist Ausgangspunkt für die spätere Kostenkontrolle. Mit der Nachkalkulation werden nachträglich die Kosten einer teilweise oder voll erbrachten Leistung ermittelt. Soll- und Ist-Kosten werden gegenübergestellt, einzelne Kostenarten werden kontrolliert, Mengenansätze und tatsächlicher Verbrauch werden verglichen. Dies erlaubt u. a. die Bildung von Aufwands- und Leistungsansätzen für die nächste Vorkalkulation. Die Nachkalkulation beschränkt sich i.d.R. auf ausgewählte Kostenarten oder Arbeitsabschnitte. 1.2 Vergütung von Bauverträgen Neben dem bei der Instandsetzung von Trinkwasseranlagen in den meisten Fällen zustande kommenden Einheitspreisvertrag, kann eine Maßnahme in Ausnahmefällen auch über einen Pauschalvertrag, einen Stundenlohnvertrag oder einen Selbstkostenerstattungsvertrag abwickelt werden. Die nachfolgende Tabelle gibt einen Überblick über Grundlagen und Risiken der einzelnen Verträge. Tab. 1: Vier mögliche Vertragstypen für die Vergütung von Bauverträgen 124 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Instandsetzung von Trinkwasseranlagen Für die Besonderheiten der Abrechnung ist i.d.R. nur der Einheitspreisvertrag relevant. 1.3 Grundlagen der Abrechnung nach VOB/ B Kommt für die Maßnahme ein Einheitspreisvertrag zustande, so gibt die VOB/ B die Grundlagen für die Vertragsbedingungen der Ausführung von Bauleistungen vor. Für die Abrechnung der Leistungen sind vor allem folgende Paragrafen von Bedeutung: §1 Art und Umfang der Leistung §2 Vergütung §14 Abrechnung §15 Stundenlohnarbeiten §16 Zahlung In §1 ist z. B. bei Widersprüchen im Vertrag eindeutig geregelt, in welcher Reihenfolge die einzelnen Bestandteile der Ausschreibung nacheinander gelten. §2 und §14 regeln, dass das Aufmaß die Basis der Vergütung darstellt und zu einem prüf baren Aufmaß alle erforderlichen Berechnungen, Zeichnungen und Belege beizufügen sind. Zudem sollte das Aufmaß, wenn möglich von AN und AG gemeinsam vorgenommen werden. Für unvorhergesehene Arbeiten, die im Stundenlohn abgerechnet werden, gibt § 15 Aufschluss über die weitere Vorgehensweise. Letztlich regelt §16 alle Rahmenbedingungen, Fristen und Fälligkeiten für Zahlungen von Abschlägen und die Schlussrechnung. Mit diesen Grundlagen kann das Aufmaß erfasst und die Leistung abgerechnet werden. Alle notwendigen Informationen hierzu geben die Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen (ATV) zu jeder Art von Arbeiten vor. 2. VOB/ C - Allgemeine Technische Vertragsbedingungen für Bauleistungen Der Inhalt aller Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen (ATV) / DIN Normen ist grundsätzlich nach demselben Schema aufgebaut. Zunächst werden sämtliche normativen Verweise aufgelistet. Darauf hin folgt folgender Auf bau: 0 Hinweise für das Aufstellen der Leistungsbeschreibung 1 Geltungsbereich 2 Stoffe, Bauteile 3 Ausführung 4 Nebenleistungen, Besondere Leistungen 5 Abrechnung Besondere Beachtung ist hier zunächst der Nr. 1 „Geltungsbereich“ zu schenken. Hier ist eindeutig geregelt, für welche Arbeiten die jeweilige ATV gilt und für welche Arbeiten sie nicht gilt. Dabei kann es gerade bei der Instandsetzung von Trinkwasserbehältern zu Missverständnissen kommen: Vergleicht man zum Beispiel die ATV DIN 18314 und die ATV DIN 18349, so ist bereits im Geltungsbereich erklärt, dass die ATV DIN 18314 „Spritzbetonarbeiten“ für das Herstellen und Verarbeiten von bewehrten und unbewehrten Betonen und Mörteln jeder Art, die im Spritzverfahren aufgetragen und dabei verdichtet werden, gilt. Die ATV DIN 18349 „Betonerhaltungs-arbeiten“ hingegen gilt für Arbeiten zur Erhaltung und Instandsetzung sowie Verstärkung von Bauwerken und Bauteilen aus bewehrtem oder unbewehrtem Beton, Spritzbeton/ mörtel sowie für das Auf bringen zugehöriger Oberflächenschutzsysteme. Die Bezeichnungen ähneln sich stark und es kommt häufig zu Unklarheiten welche Norm für welche Arbeiten zugrunde gelegt werden kann. Für den Fall der Instandsetzung von Trinkwasseranlagen gilt in der Regel für alle Instandsetzungsarbeiten die ATV DIN 18349. Laut Geltungsbereich gilt sie eindeutig nicht für das Herstellen von Bauteilen aus bewehrtem und unbewehrtem Beton im Spritzverfahren. 2.1 Nebenleistungen und Besondere Leistungen In jeder ATV ist unter Punkt 4 „Nebenleistungen, Besondere Leistungen“ eindeutig aufgelistet und beschrieben, welche Leistungen als Nebenleistungen zählen und somit mit dem Einheitspreis der Position bereits abgegolten sind und für welche Leistungen als Besondere Leistungen eigene Ordnungszahlen vorgesehen werden müssen. Für die Instandsetzung von Trinkwasseranlagen sind vor allem folgende Normen wesentlich (Auszug): DIN 18299 - Allgemeine Regelungen für Bauarbeiten jeder Art DIN 18314 - Spritzbetonarbeiten DIN 18331 - Betonarbeiten DIN 18336 - Abdichtungsarbeiten DIN 18349 - Betonerhaltungsarbeiten DIN 18363 - Maleru. Lackierarbeiten/ Beschichtungen DIN 18451 - Gerüstarbeiten DIN 18459 - Abbruch- und Rückbauarbeiten Vor allem in Hinblick auf das Thema Hygiene sind verschiedene Punkte genauer zu betrachten. So sind in der ATV DIN 18299 „Allgemeine Regelungen für Bauarbeiten jeder Art“ verschiedene Punkte, die bereits die Baustelleneinrichtung betreffen, als Besondere Leistung auszuschreiben und somit vergütungspflichtig. Hier kann zum Beispiel der besondere Schutz einer weiteren in Betrieb befindlichen Wasserkammer genannt werden oder das Einrichten, Vorhalten und Betreiben von Hygieneschutzzonen. Wird bei Betonarbeiten gemäß ATV DIN 18331 Sichtbetonqualität der fertigen Oberfläche gefordert, so ist dies auch eine vergütungspflichtige Leistung. Auch das Thema „Überwachung durch das ausführende Unternehmen“ (Eigenüberwachung) steckt nur zu einem gewissen Teil in den Nebenleistungen (Bsp. ATV DIN 18349, Punkt 4.1.7) und ist teilweise gesondert auszuschreiben. Die Eigenüberwachung gemäß Instandset- 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 125 Instandsetzung von Trinkwasseranlagen zungsrichtlinie Teil 3 Anhang A ist zum Beispiel eine Nebenleistung. Hier sind die Standardprüfungen zum Betonuntergrund, gelieferten Stoffen, verarbeitungs-fertigen Stoffen, zum Verarbeiten, zu ausgehärteten Stoffen und zur technischen Einrichtung inbegriffen. Sobald weitere Prüfungen, z. B. gemäß Arbeitsblatt DVGW W-300 oder TR-Instandhaltung gefordert werden, so sind diese als besondere Leistung zu deklarieren. Als Beispiele können hier die Messung der Rautiefe, die Überprüfung der Gesamtporosität oder die Messung der Rohdichte des Festbetons genannt werden. Die ATV DIN 18349 definiert unter Punkt 4 „Besondere Leistungen“ z. B. für das Einrichten von Hygieneschleusen (gemäß 4.2.2 bzw. 4.2.20), das Auf-, Um- oder Abbauen von Gerüsten auf einem Gefälleboden im Trinkwasserbehälter, der eine Differenz von > 40cm hat (gemäß 4.2.6) oder die Herstellung von poren- und lunkerfreien Oberflächen. Weitere wichtige Besondere Leistungen der ATV DIN 18349 für den Bereich der Instandsetzung von Trinkwasseranlagen sind - 4.2.9 Besondere Maßnahmen zum Feststellen des Zustands der Vorfluter: - Kamerabefahrung der Grundentleerung - 4.2.11 Anfertigen von Schadensdokumentationen: - Feststellung des Schadensumfangs - 4.2.20 Besondere Schutzmaßnahmen gegen schädigende Einflüsse, z. B. aus chemischer Beanspruchung, Fremderschütterung: - bei parallellaufender Außenabdichtung - 4.2.21 Reinigungsarbeiten, soweit sie über die Leistungen nach ATV DIN 18299, Abschnitt 4.1.11, hinausgehen, z. B. Fensterputzen, Reinigen von Leichtmetallfassaden oder Einbauten: - Vorkammer- und Rohrleitungsreinigung sowie Desinfektion der Wasserkammern - 4.2.22 Überwachung durch eine anerkannte Überwachungsstelle, soweit vom Auftraggeber veranlasst: - Die Überwachung (Fremdüberwachung) durch eine anerkannte Überwachungsstelle (nicht DVGW) ist gemäß Instandsetzungsrichtlinie und TR-Instandhaltung gesetzlich vorgeschrieben. 3. Abrechnung von Instandsetzungsmaßnahmen an Trinkwasseranlagen nach VOB/ C In der Abrechnung unter Punkt 5 der ATV DIN 18299 „Allgemeine Regelungen für Bauarbeiten jeder Art“ ist u. a. festgelegt, dass „die Leistung aus Zeichnungen zu ermitteln ist, soweit die ausgeführte Leistung diesen Zeichnungen entspricht. Sind solche Zeichnungen nicht vorhanden, ist die Leistung aufzumessen.“ Nachfolgend wird erklärt, wie genau aufzumessen ist und welche Regeln zur Ermittlung der Leistung anzuwenden sind. 3.1 Aufmaß Im Bereich der Betoninstandsetzung erfolgt die Abrechnung weitgehend nach Flächen- und Längen- (Auf)maß. Die notwendigen Feststellungen sind möglichst von AN und AG gemeinsam durchzuführen. Der AN hat hierfür den AG zur Teilnahme am Aufmaß aufzufordern und einen Termin vorzuschlagen. Hierbei sollte der AN darauf hinweisen, dass das Aufmaß bei Nichtteilnahme des AG trotzdem vorgenommen wird. Nimmt der AG tatsächlich nicht am Aufmaßtermin teil, so ergibt sich eine Umkehr der Beweislast. Der AG ist nun in der Pflicht bei einem zweifelhaften Aufmaß zu beweisen, dass es falsch ist. Zusätzlich zur ATV DIN 18299, Abschnitt 5, legt Punkt 5.1.1 der ATV DIN 18349 eindeutig fest, dass der „Ermittlung der Leistung - gleichgültig, ob sie nach Zeichnung oder Aufmaß erfolgt - die Maße der behandelten (also die bearbeitete Fläche, z. B. nach der Untergrundvorbereitung oder nach der Applikation von Betonersatzsystemen) Fläche zugrunde gelegt wird.“ Für die Ermittlung der Leistung sind vereinfachende Regeln, wie Übermessungsregeln und Einzelregelungen anzuwenden. Die Abrechnung von Instandsetzungsmaßnahmen im Trinkwasserbereich bedarf in einigen Fällen einer weitergehenden Erläuterung. So kann unter Punkt 5.2 jeder ATV nachgelesen werden, wie bestimmte Maße und Mengen ermittelt werden müssen. Im nachfolgenden Kapitel werden unter Zuhilfenahme aktueller Kommentare, Rechtsprechungen und bewährter Standardwerke zur einfachen und sicheren Abrechnung die wesentlichen Punkte beim Aufmaß und bei der Abrechnung von Instandsetzungsmaßnahmen im Trinkwasserbereich anhand von Bildern und Skizzen verdeutlicht. 3.2 Erläuterungen zur Abrechnung nach VOB/ C ATV DIN 18349 3.2.1 Allgemeines In der Praxis können Flächenmaße bei einem Bauvorhaben je nach Bearbeitungsstand sehr unterschiedlich sein. Oftmals existiert bereits ein Unterschied zwischen der Zeichnung und dem tatsächlichen Aufmaß vor Ort am Bauwerk. Hier sei besonders auf die verschiedenen Stadien der Instandsetzung hingewiesen (siehe auch Abb. 1): - Aufmaß nach Schadenskartierung, Vorreinigung - (Flächengröße A) - Aufmaß nach der Untergrundvorbereitung (Flächengröße X) - Aufmaß nach Applikation des Spritzbetons oder bei schichtweise ausgeschriebenem Beschichtungsaufbau (Flächengröße Y) - Aufmaß nach Applikation der mineralischen Beschichtung, Reinigung, Nachbehandlung (Flächengröße Z) Dies kann beispielweise an einem runden Trinkwasserbehälter bedeutende Mengenunterschiede ausmachen. Bei einer Innensanierung oder bei der Bearbeitung des Innenrings wird die bearbeitete Fläche (rot) nach der Untergrundvorbereitung mit jedem weiteren Bearbeitungsschritt kleiner, wie die nachfolgende Abbildung veranschaulichen soll: 126 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Instandsetzung von Trinkwasseranlagen Abb.1: Verschiedene Flächengrößen am Beispiel der Innensanierung eines runden Trinkwasserbehälters Bei einer Außensanierung oder bei der Bearbeitung des Außenrings dagegen wird die Bearbeitungsfläche nach der Untergrundvorbereitung mit jedem Bearbeitungsschritt größer. Grundsätzlich gilt für die Ermittlung der Leistung, dass die Maße der behandelten Fläche in ihrer fertigen Oberfläche abzurechnen sind - egal ob eben oder gekrümmt. 3.2.2 Mengenermittlung Für die Ermittlung der Maße und Mengen werden in Absatz 5.2 der ATV DIN 18349 verschiedene Regelungen zur Abrechnung getroffen. Nachfolgend werden einige Punkte näher erläutert: 5.2.1 Die Wandhöhen überwölbter Räume werden bis zum Gewölbeanschnitt (h1), die Wandhöhe der Schildwände (Stirnwände) bis zu 2/ 3 des Gewölbestichs (h2) gerechnet. Abb. 2: Überwölbte Wasserkammer (Tonnengewölbe) 5.2.2 Bei der Flächenermittlung von gewölbten Decken (Tonnengewölbe) mit einer Stichhöhe unter 1/ 6 der Spannweite wird die Fläche des überdeckten Raumes gerechnet. Gewölbe mit größerer Stichhöhe werden nach der Fläche der abgewickelten Untersicht abgerechnet. Abb. 3: Gewölbte Tonnendecke mit geringer Stichhöhe Bemerkung: Hier handelt es sich um die Ermittlung der Deckenfläche eines Tonnengewölbes. Die „VOB im Bild“ [4] kann eine Möglichkeit zur rechnerischen Hilfestellung darstellen. Sie formuliert das Aufmaß von gewölbten Tonnendecken folgendermaßen: Abgewickelte Untersicht bei H> 1/ 6B: A abgewickelte Untersicht = B·1/ 2·3,14·L Überdeckte Fläche bei H< 1/ 6B: A überdeckte Fläche = B·L Sie ist aber keine rechtlich bindende Vorschrift. Sollte die Gewölbeabwicklung nicht ohne weiteres rechnerisch ermittelbar sein, so kann die Abwicklung gemäß ATV DIN 18299 Pkt. 5.1.1 auch händisch aufgemessen werden. Bei der Ermittlung von Deckenflächen eines Kuppelgewölbes (siehe nachfolgendes Foto) mit definiertem Radius, die einen Kugelabschnitt beschreiben, lässt sich die Oberfläche nach [1] über folgende Formel errechnen: Mantelfläche M= 2·π·r·h (h=Stichhöhe, r= Radius Kugel) Abb. 4: Flach gewölbte Deckenuntersicht 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 127 Instandsetzung von Trinkwasseranlagen In der Praxis kommen jedoch bei Kuppeldecken im Bereich von Trinkwasseranlagen nur sehr selten definierte Kugelabschnitte vor. Somit gestaltet sich die Berechnung der Oberfläche viel schwieriger. Auch hier kann auf die Möglichkeit des händischen Aufmaßes nach VOB (ATV DIN 18299, Punkt 5.1.1) verwiesen werden. 5.2.3 Binden Stützen in Unterzüge oder Balken ein, werden die Unterzüge und Balken durchgemessen, wenn sie breiter als die Stützen sind. Die Stützen werden in diesem Fall bis Unterseite Unterzug oder Balken gerechnet. Diese Regelung gilt nur, wenn der Unterzug breiter ist als die Stütze. Ist die Stütze gleich breit oder breiter als der Unterzug oder Balken, so sind gesonderte Festlegungen in der Ausschreibung zu treffen. Abb. 5: Stütze mit Kapitel und Deckenerhöhung Wie ungemein schwierig dieser Ansatz meist in der Realität anzuwenden ist, zeigt Abb. 5. Die Stützen enden im Kopf bereich in einem Kapitel, das wiederum in einen verstärkten Deckenbereich eingebunden ist. Für die Berechnung sind vom Planer gesonderte Angaben notwendig. Anfang und Ende der Stütze sind klar zu definieren. 5.2.4 Bei ungleichmäßiger Dicke von Ausbrüchen und Schichten wird die größte Bearbeitungstiefe durch Profilvergleich vor und nach der Ausführung ermittelt. Abb. 6: Maßgebende Bearbeitungstiefe a bei Ausbrüchen und Schichten aus [4] Abb. 7: Messung der größten Bearbeitungstiefe einer Schadstelle Bei der Instandsetzung von Schadstellen zeigt sich die größte Bearbeitungstiefe manchmal erst im Laufe der Bearbeitung. Im Zuge diverser Unstimmigkeiten bei der Messung der größten Bearbeitungstiefe und deren unplanmäßiger Anwendung als „flächiger Abtrag“ des Ausbruchs und einhergehender hoher Mehrkosten, ist geplant, in der Neufassung der ATV DIN 18349 eine bessere Anwendbarkeit dieser Vorgabe darzustellen. So soll ggfs. bei Schadstellen bis 1m² Fläche von der größten Bearbeitungstiefe gemäß 5.2.4 in Kombination mit der Abrechnungseinheit 0.5.3 [2] getrennt nach Größe in Stück ausgegangen werden. Bei Schadstellen > 1m² soll von einer mittleren Bearbeitungstiefe in Kombination mit der Abrechnungseinheit 0.5.1 [2] als Flächenmaßabrechnung zur Anwendung kommen. Es ist ratsam vergütungsabhängige Grenzwerte für die Tiefe des Ausbruchs in der Ausschreibung anzugeben. Die Tiefe der Ausbrüche ist möglichst gemeinsam mit dem Auftraggeber zu überprüfen und festzulegen. 5.2.5 Unmittelbar zusammenhängende verschiedenartige Aussparungen, z. B. Öffnung mit angrenzender Nische, werden getrennt gerechnet. Abb. 8: Öffnung mit innenliegender Rohrleitung 128 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Instandsetzung von Trinkwasseranlagen Einzelabrechnungen bis 2,5m² Fläche können übermessen werden (vgl. 3.2.3 ATV DIN 18349). Wenn es sich beispielsweise um nebeneinanderliegende Rohrleitungen DN 1000 handelt, deren Bearbeitungsumfeld 2,5m² überschreitet, so kann diese Fläche trotzdem übermessen werden, da die Fläche jeder einzelnen Rohrleitung darunter liegt. 5.2.6 Treppenwangen werden in ihrer größten Breite gerechnet. Abb. 9: Skizze zur Berechnung der Fläche einer Treppenwange nach [4] Die größte Breite einer Treppenwange ist bestimmt durch den senkrechten Abstand der Oberkante und der Unterkante an der breitesten Stelle Abb. 10: Abrechnung der Beschichtung von Treppenwangen 5.2.7 Reprofilierungen von Kanten werden in der Abwicklung gesondert gerechnet. Abb. 11: Instandsetzung einer Schadstelle an einer Stütze Die Abrechnung der Ausbrüche erfolgt nach Flächenmaß über das kleinste umschriebene Rechteck und über die größte Bearbeitungstiefe bei ungleichmäßiger Dicke des Ausbruchs (vergleiche hier Kommentar zu 5.2.4), wenn die Größe der Schadstelle 1m² überschreitet. Bis 1m² Fläche erfolgt die Abrechnung aufgeteilt nach Größen in Stück. Für das Beispiel in Abb. 11 bedeutet dies (Größe >1m²): (a+b + ggf. c+d) * h Die Profilierung der Kante h ist zusätzlich zu rechnen. Ist die Kantenlänge ≥ 1m wird nach Längenmaß abgerechnet, kleiner 1m in Stück. 5.2.8 Freilegen von Bewehrungsstahl, Ausbrüchen sowie Wiederherstellen der Oberfläche werden nach den größten Maßen gerechnet. Das Freilegen von Bewehrungsstahl ist nach Längenmaß (m) über 1m Einzellänge, getrennt nach Durchmesser bis 16mm und über 16mm abzurechnen. Freigelegter Bewehrungsstahl kleiner 1m ist nach Anzahl (Stück) auszuschreiben, getrennt nach Größe bis 0,5m und ab 0,5m bis 1,0m. 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 129 Instandsetzung von Trinkwasseranlagen Der Instandsetzungsverlauf folgt in der Regel weitgehend der Bewehrung. Hieraus ergeben sich teilweise ungünstige Umrisse für ein Flächenaufmaß. Somit sind für das Aufmaß solcher Leistungen die jeweils größten Maße zugrunde zu legen. Abb. 12: Abrechnung nach Flächenmaß, Zugrundelegung des kleinsten umschriebenen Rechtecks Abb. 13: Doppelte Abrechnung einer Schadstelle in Anlehnung an [4] Anmerkung: Im seltenen Fall, dass die Bearbeitungsbreite zum Freilegen der Bewehrung laut Ausschreibung max. 10 cm beträgt (Abb. 13 blaue Markierung), der Achsabstand der Bewehrung aber > 10 cm ist, so könnte das Freilegen von Bewehrung (in Einzellängen (≥ 1m) oder in Stück (< 1m)) und zusätzlich das Freilegen der verbleibenden Restfläche (je nach Größe in m² oder Stück, Abb. 13 rote Markierung) doppelt abgerechnet werden. Hinzu kommt nach 5.2.12 [2] noch die gesonderte Abrechnung der Vorbehandlung und des Korrosionsschutzes des Bewehrungsstahls. Daher sind vergütungsabhängige Grenzwerte für die Breite und Tiefe der Ausbrüche in der Ausschreibung festzulegen. Es ist zudem möglichst eine Unterscheidung zwischen Ausbrüchen mit und ohne Bewehrung in der Planung anzugeben. 5.2.10 Bei der Abrechnung der Schalung nach Flächenmaß ist das kleinste umschriebene Rechteck zugrunde zu legen. Abb. 14: Abrechnung der Schalung über das kleinste umschriebene Rechteck aus [4] 5.2.11 Schutzabdeckungen werden bei der Abrechnung nach Flächenmaß in ihrer Abwicklung gerechnet. Abb. 15: Beispiel einer Schutzabdeckung im Bereich einer Treppe Schutzabdeckungen und Einhausungen sind gemäß Abrechnungseinheiten nach Abschnitt 0.5 ATV DIN 18349 nach Flächenmaß oder nach Stück, getrennt nach Maßen, auszuschreiben. Wird nach Flächenmaß gerechnet, gelten die Maße der äußeren Ansichtsfläche der Schutzabdeckungen in ihrer Abwicklung. 130 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Instandsetzung von Trinkwasseranlagen 5.2.13 Liefern, Schneiden, Biegen und Einbauen von Bewehrungsstahl werden gesondert gerechnet. Maßgebend ist die errechnete Masse. Bei genormten Stählen gelten die Angaben in den DIN -Normen, bei anderen Stählen die Angaben im Profilbuch des Herstellers. Zur Bewehrung gehören auch die Unterstützungen, z. B. Stahlböcke, Abstandhalter aus Stahl sowie Spiralbewehrungen, Verspannungen, Auswechselungen, Montageeisen. 5.2.16 Mehr- oder Minderverbrauch von Füllstoffen wird gesondert gerechnet. Der angesetzte Verbrauch an Rissfüllstoffen ist getrennt nach Produkten (EP, PU, ZL, ZS) im Leistungsverzeichnis in der Grundposition anzugeben. Für den Mehr- oder Minderverbrauch sind gesonderte Positionen auszuschreiben. Der Verbrauch ist gegen Nachweis zu vergüten. Der Nachweis kann zum Beispiel über Leergebinde erfolgen. Wie der Verbrauch nachgewiesen werden soll, sollte vor Beginn der Arbeiten vereinbart werden. 3.2.3 Übermessungsregeln Die ATV DIN 18349 gibt eindeutig vor, welche Gegebenheiten vor Ort übermessen werden dürfen. Darunter fallen bei der Abrechnung nach Flächenmaß: - Fugen - Aussparungen, z. B. Öffnungen, Nischen mit Einzelgrößen ≤ 2,5m² - Unterbrechungen in der behandelten Fläche durch Bauteile, z. B. Stützen, Unterzüge, Vorlagen, mit Einzelbreite ≤ 30cm Zudem können bei der Abrechnung nach Längenmaß Unterbrechungen mit einer Einzellänge ≤ 1m übermessen werden. 4. Fazit Eine Allgemeine Technische Vertragsbedingung (ATV) kann nicht alles bis ins kleinste Detail vorgeben, stellt aber zunächst eine solide Grundlage für die meisten Abrechnungsregelungen dar. Es lohnt sich zudem immer aktuelle Kommentare und Rechtsprechungen zur ATV anzuschauen, da hier oftmals Fallbzw. Rechenbeispiele dargestellt werden und so der Aufklärung dienen. Oftmals kommt es zu Unstimmigkeiten bei der Abrechnung aufgrund einer nicht eindeutigen Leistungsbeschreibung. Häufig werden Leistungen vom Planer in einer Position zusammengefasst, die getrennt beschrieben werden müssten. Die ATV DIN 18349 wird aktuell grundlegend überarbeitet. Es wurden in diesem Zuge viele Erneuerungen und Konkretisierungen eingearbeitet, um klarere Regelungen für die Abrechnung zu schaffen. Gerade im speziellen Bereich der Instandsetzung von Trinkwasseranlagen spielen verschiedene ATVs eine wichtige Rolle. Besonders im Bereich der Überwachung durch das ausführende Unternehmen kommt es aufgrund der Vielzahl der technischen Vorgaben häufig zu Verwirrungen: Zu den grundsätzlichen Regelungen in den ATVs, in denen Nebenleistungen und Besondere Leistungen der Eigenüberwachung bereits gekennzeichnet werden, kommen die zusätzlichen Regelungen z. B. des DVGW, die in der Regel immer als Besondere Leistungen gelten. Viele Sonderregelungen aufgrund der speziellen Vorschriften des DVGW beziehen sich aber nicht auf die Abrechnung. Mit der Herausgabe des Praxishandbuchs Hygiene [3] haben SITW und figawa erstmals für den speziellen Fall der Hygiene Nebenleistungen und Besondere Leistungen detailliert benannt und damit die Abrechnung für ein gesamteinheitliches Hygienekonzept spezifiziert. Kontakt: Jan Rassek, Dipl.-Ing. Geschäftsführer w + s bau-instandsetzung gmbh Crumbacher Str. 23-25 34277 Fuldabrück Tel: + 49 561 948 78 - 0 Fax: + 49 561 948 78 - 20 jan.rassek@ws-bau.de www.ws-bau.de Literaturverzeichnis [1] Albert, Andrej (Hrsg.): Schneider- Bautabellen für Ingenieure, 25. Auflage, Reguvis Fachmedien, 2022 [2] DIN Deutsches Institut für Normung e.V. (Hrsg.): VOB Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, Beuth Verlag, Berlin 2019 - ATV DIN 18299: 2019-09 - Allgemeine Regelungen für Bauarbeiten jeder Art - ATV DIN 18349: 2019-09 - Betonerhaltungsarbeiten [3] S.I.T.W. Schutz und Instandsetzung von Trinkwasserbehältern e.V. (Hrsg.): Hygienekonzept der Trinkwasserspeicherung - Praxisleitfaden, Vulkan- Verlag GmbH, 2022 [4] Von der Damerau, Tauterat, Nolte: VOB im Bild, Hochbau- und Ausbauarbeiten, 20./ 23. Auflage, Verlagsgesellschaft Rudolf Müller GmbH & Co. KG, 2010/ 2019 Schulungskonzepte und Fachunternehmens- Zertifizierung 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 133 Der Weg zu einer Fachunternehmens-Zertifizierung nach „Arbeitsblatt DVGW W 316“ Thomas Lipinski DVGW CERT GmbH, Bonn Jan Feldhaus DVGW CERT GmbH, Bonn Zusammenfassung Im Rahmen des Zertifizierungsverfahrens werden personelle, organisatorische und gewerbliche Nachweise erhoben und zusätzlich in einer Überprüfung vor Ort festgestellt, ob ein Unternehmen gemäß dem Regelwerk W 316 arbeitet. Das Unternehmen legt somit nachweislich dar, dass es über geeignetes Fachpersonal, entsprechende technische Ausrüstung und ein betriebliches Managementsystem verfügt. Eine Zertifizierung nach W 316 bietet einem Fachunternehmen dadurch nicht nur Vorteile für die Außendarstellung, sondern kann als Werkzeug betrachtet werden, die eigenen Prozesse näher zu beleuchten und Schwachstellen in Bezug auf das Regelwerk zu erkennen und zu beseitigen. 1. Vorwort Was ist ein Fachunternehmen im Sinne einer Zertifizierung nach W 316? Ein zertifiziertes Fachunternehmen ist nachweislich personell, organisatorisch und ausrüstungstechnisch so aufgestellt, dass es in der Lage ist, die Arbeiten, wie Planung, Bau, Instandsetzung und Verbesserung von Trinkwasserbehältern gemäß den Anforderungen des Arbeitsblattes W 316 auszuführen. Für Auftraggeber stellt eine Zertifizierung einen unabhängigen Nachweis der regelkonformen Fähigkeiten des Unternehmens dar. Das Regelwerk W 316 mit seinen normativen Verweisungen, fasst die aktuell anerkannten Regeln der Technik im Bereich Trinkwasserbehälter zusammen und ist der Maßstab für die Zertifizierung. Im Rahmen des Zertifizierungsverfahrens wird überprüft, ob die Anforderungen der anerkannten Regeln der Technik eingehalten werden. Sollten bei der Überprüfung Abweichungen festgestellt werden, müssen Maßnahmen zu deren Behebung ergriffen werden. Das Ziel einer Zertifizierung ist, auf Grundlage eines transparenten und nachvollziehbaren Prüfungsverfahren durch eine unabhängige dritte Stelle, das Vertrauen der Auftraggeber zu festigen. Darüber hinaus kann es einen Wettbewerbsvorteil gegenüber nicht zertifizierten Mitbewerbern bieten. Im Folgenden soll das Zertifizierungsverfahren näher erläutert werden. 2. Zertifizierungsverfahren Vor Beginn des Zertifizierungsverfahrens, muss ein Antrag gestellt werden, welcher die grundlegenden Anforderungen zur Zertifizierung festlegt. Mit dem Antrag müssen mindestens folgende Unterlagen zur Antragsprüfung eingereicht werden. Gewerbliche Nachweise: • Eintragung ins Handelsregister • Gewerbeanmeldung • Versicherungsnachweise Organisatorische Nachweise: • Liste der Mitarbeitenden im Fachbereich inkl. Benennung einer Fachaufsicht • Liste einer Geräteausstattung • Organigramm • Selbstauskunft eines betrieblichen Managementsystems Qualifikationsnachweise: • Unternehmens-Referenzen • Referenzen der Fachaufsicht • Zeugnis/ Schulungsnachweise Fachaufsicht • Zeugnis/ Schulungsnachweise Fachpersonal Das Regelwerk W 316 gibt die Anforderungen für die Unternehmensorganisation in Form eines betrieblichen Managementsystems sowie die Anforderungen an die Qualifikation des Personals vor. Mit Einreichung des Antrags erfolgt die Antragsannahme und Vorprüfung der Unterlagen auf Vollständigkeit und Plausibilität. Wird der Antrag angenommen, erhält das Unternehmen eine Auftragsbestätigung. Erst im Anschluss daran beginnt das eigentliche Zertifizierungsverfahren. Das Zertifizierungsverfahren beginnt mit einer fachlichen Prüfung der Unterlagen. Hierbei wird überprüft, ob die Qualifikationsnachweise sowie die Referenzen des Unternehmens und die Aufstellung der Mitarbeitenden gemäß der Liste der Mitarbeitenden, die Anforderungen des Regelwerks erfüllen. Bei sachlich und fachlich korrekten Unterlagen, wird ein Termin für eine Überprüfung vor Ort vereinbart. Hierzu werden von der DVGW CERT GmbH anerkannte Experten beauftragt. Neben den bereits eingereichten Unterlagen, die einer fachlichen Prü- 134 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Der Weg zu einer Fachunternehmens-Zertifizierung nach „Arbeitsblatt DVGW W 316“ fung unterzogen wurden, werden zusätzlich vor Ort folgende Bereiche geprüft: • Besichtigung einer Baustelle • Besichtigung der Betriebsstätte • Prüfung des betrieblichen Managementsystems • Fachgespräch mit der Fachaufsicht Die prüfenden Experten verpflichten sich die Überprüfung neutral, fair und interessenunabhängig durchzuführen. Ebenso verpflichten sich die Experten nur nach den Vorgaben des Arbeitsblattes W 316 zu prüfen und objektiv und unabhängig zu bewerten. Kenntnisse, die sie bei einer Überprüfung über das Unternehmen erlangen, werden verschwiegen behandelt. Die Experten berichten schriftlich, in Form eines Prüfberichtes, an die DVGW CERT GmbH über das Ergebnis der Überprüfung vor Ort. Der Bericht schließt mit einer Empfehlung zur Zertifizierung des Unternehmens ab. Die Entscheidung zu einer Zertifizierung erfolgt dann durch den zuständigen Fachzertifizierer der DVGW CERT GmbH auf Grundlage aller vorliegenden Erkenntnisse. Wird bei einer Überprüfung festgestellt, dass die Anforderung des Regelwerks nicht erfüllt werden: • Kann das Zertifizierungsverfahren mit einem negativen Entscheid beendet werden, • Können Auflagen erteilt werden, die dem Unternehmen die Möglichkeit bieten, Maßnahmen zur Nachbesserung zu ergreifen. Diese werden in einer Nachprüfung zu einem späteren Zeitpunkt überprüft. Erst dann wird erneut entschieden. Bei einem positiven Abschluss des Verfahrens wird dem Unternehmen ein Zertifikat ausgestellt. Die Zertifizierung besitzt eine Gültigkeit von 5 Jahren, wobei eine jährliche Überwachung der Unternehmen erfolgt. Ein Zertifikat kann nach Ablauf der Gültigkeit verlängert werden, hierbei ist eine erneute Darlegung der hier beschriebenen Nachweise und das Prüfungsverfahren notwendig. Innerhalb der Laufzeit eines Zertifikats muss nach 24 - 36 Monaten nach Erteilung der Zertifizierung eine Zwischenüberprüfung vor Ort erfolgen, wobei hier die Überprüfung auf ein Referenzobjekt und die Besichtigung des Betriebshofes beschränkt wird. Soll das Zertifikat nach Ablauf der Gültigkeit von 5 Jahren weitergeführt werden, muss vor Ablauf der Frist eine erneute Zertifizierung beantragt und das bereits beschriebene Verfahren zur Zertifizierung durchgeführt werden. Abb. 1: schematische Darstellung des Zertifizierungszyklus 3. Résumé: Die Zertifizierung ist ein Zeichen dafür, dass ein Fachunternehmen einer umfangreichen und tiefgängigen Überprüfung unterzogen worden ist. Die regelmäßige Überwachung durch die Zertifizierungsstelle fordert von dem Fachunternehmen die Aufrechterhaltung des an sie gerichteten hohen Qualitätsanspruch. Das Kommitment eines solchen Qualitätsanspruchs wird von einem Fachunternehmen durch das Zertifikat dargelegt und ist somit als Qualitätssiegel zu betrachten. Auftraggeber können darauf vertrauen, dass ein Unternehmen, welches nach W 316 zertifiziert ist, personell, organisatorisch und ausrüstungstechnisch regelwerkskonform aufgestellt ist. Abb. 2: schematische Darstellung des Zertifizierungsverfahrens 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 135 Schulungskonzepte auf dem Prüfstand Carina Janich figawa Service GmbH, Köln Zusammenfassung Quo vadis W 316? Das Regelwerk und die damit einhergehenden Schulungen haben bereits eine lange, von Erfolg geprägte Geschichte hinter sich. In den Anfängen durch den SITW initiiert und durchgeführt, übertrug man die Verantwortung für die Durchführung später an die figawa. Oberstes Ziel war jedoch schon immer die Sicherstellung der fachgerechten Bauausführung mit geeigneten Materialien und somit verlässliche Qualitätsstandards für die Auftraggeber. 2018 zuletzt überarbeitet, erfährt das Regelwerk voraussichtlich im laufenden Jahr eine erneute Anpassung. Benachbarte Regelwerke und Normen ändern sich, jüngste Entscheidungen bzw. Rechtsprechungen auf europäischer Ebene nehmen Einfluss auf verschiedene Aspekte der Zertifizierung und infolge dessen muss auch das W 316 einer Überprüfung unterzogen werden. Damit einhergehend und mit dem Anspruch, den Zeichen der Zeit gerecht zu werden, wird voraussichtlich die komplette Schulungsreihe der W 316 eine Neu-Konzeptionierung erfahren. 1. Hintergrund und Historie Um die bisher vorliegenden Schulungskonzepte auf den Prüfstand stellen zu können, müssen wir uns diese erst einmal anschauen und die Hintergründe der DVGW-Regelwerks-Schulungen nach Arbeitsblatt W 316 betrachten. Das DVGW-Arbeitsblatt W 316 gibt es den Überlieferungen zufolge bereits seit 1967, eine erste Überarbeitung fand im Jahr 2004 statt. Die dazugehörigen Arbeitsblätter der W 300-Reihe gibt es in Teilen seit 2005. Ihre Vorgänger gehen jedoch sogar bis ins Jahr 1983 zurück. Die Regelwerke, Normen und Arbeitsblätter werden vom DIN DVGW Normenausschuss NA 119-07-06 AA Wasserspeicherung und seinen Projektgruppen innerhalb der Technischen Komitees stetig überarbeitet und ergänzt bzw. zusammengefasst. Im Jahr 1999 fand die erste Regelwerks-Schulung nach DVGW-Arbeitsblatt W 316 statt, in ihrer Urversion initiiert von der damaligen „ARGE SITW“. Ziel des SITW war es damals, die Eigen- und Fremdüberwachung zu verbessern und durch die Schulungen nach W 316 eine Qualifizierung der Firmen wie auch des Personals zu erreichen. In der Version des W 316 von 2004 unterschied man noch die Teile W 316-1 für Fachunternehmen und W 316-2 für Fachaufsichten und Fachpersonal. Abschluss der Fortbildung war damals der sogenannte SITW- Schein. Schon in den Anfängen im Jahr 1999 war die figawa (Bundesvereinigung der Firmen im Gas- und Wasserfach e.V.) als Partner involviert. Anfang der 2000er Jahre wurde das Schulungsgeschäft komplett an die figawa übertragen und in der Tochtergesellschaft figawa Service GmbH abgebildet. Geschult wurde seinerzeit in unregelmäßigen Abständen an wechselnden Schulungsorten. Von 2016 bis zum Pandemiebeginn im Jahr 2020 wurde in regelmäßigen Abständen an der Hochschule Koblenz unterrichtet. 2. Warum wird geschult? Warum schulen wir die Regelwerksinhalte? Die Beschreibung des W 316 besagt „Durch ein System zur Prüfung von Unternehmen zur Planung, Neubau und Instandsetzung von Trinkwasserbehältern soll erreicht werden, dass auf diesem Gebiet fachgerechte Arbeit geleistet wird.“ 1 Die Durchführung von Schulungen hat in allen Bereichen der DVGW-Regelwerke eine lange Tradition, um nach Möglichkeit die Qualität der Bauausführung sicherzustellen und zu gewährleisten, dass die Arbeiten mit geeigneten Materialien durchgeführt werden. Es gibt Regelwerke, nach denen die stetige Fort- und Weiterbildung alle 2 Jahre genauso verpflichtend für die Ausführung von Facharbeiten ist, wie die Fachunternehmens-Zertifizierung, weil Behörden ohne den entsprechenden Nachweis keine Genehmigung erteilen. So streng ist die Auslegung der W 316 nicht, jedoch findet auf Auftraggeberseite mehr und mehr Umdenken und Sensibilisierung statt. Daher wird mittlerweile sehr häufig schon bei Ausschreibungen darauf geachtet, dass der potenzielle Auftragnehmer die Zertifizierung nach W 316 mitbringt oder vergleichbare Qualifikations-nachweise liefern kann. Die Zertifizierung gilt als Nachweis der Einhaltung gewisser Qualitätsmaßstäbe. Hier ist zu beachten, dass der Besuch einer Schulung mit entsprechender Teilnahmebestätigung nicht als Zertifizierung des Unternehmens gewertet werden kann, sondern als persönliche Qualifikation des Personals als Voraussetzung für die Fachunternehmens-Zertifizierung gilt. 3. Das Pandemiejahr 2020 - Schulungskonzept erstmals auf dem Prüfstand Vor der Pandemie war es üblich, dass die Schulungen grundsätzlich in Präsenz an einer Hochschule oder in einem Bildungszentrum stattfanden. Praxisteile locker- 136 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Schulungskonzepte auf dem Prüfstand ten die Theorie auf und die Teilnehmer wurden je nach Auslastung der Veranstaltung in einzelne Gruppen entsprechend ihrer Position nach a) Fachkräften und b) Fachaufsichten und Fachplaner unterteilt. So konnte eine zielgruppen-spezifische Ansprache erfolgen. Aufgrund der aufkommenden und dann auch unglücklicherweise lange andauernden Corona-Pandemie waren Schulungen in Präsenz nicht mehr möglich, denn das bisherige Schulungskonzept durfte aufgrund von Lockdown und Veranstaltungsverboten nicht mehr durchgeführt werden. Gezwungenermaßen musste das bisherige analoge Konzept erstmals auf den Prüfstand gestellt werden. Abbildung 1: Startseite Schulungs-Plattform Abbildung 2: Ansicht Kursmodul mit Schulungsunterlagen-Download und Prüfung In Abstimmung mit dem DVGW investierte die figawa Service GmbH daher in ein Online-Schulungssystem, welches erlaubt, sowohl die Schulung online durchzuführen als auch die Prüfung je Modul digital abzunehmen. Nach anfänglicher Skepsis auf Seite der Teilnehmer hat sich dieses Durchführungs-Konzept tatsächlich bewährt. Nur so war es möglich, in der ungewissen Situation einer laufenden Pandemie ohne Vorausschau eines Endes, zu gewährleisten, dass die Mitarbeiter der Fachunternehmen weiterhin die wichtige Fortbildung besuchen konnten. Diese digitale Durchführung der Schulungsveranstaltungen fand von September 2020 bis November 2022 statt, bevor zum Jahresende 2022 beschlossen werden konnte, die Schulungen an die Hochschule Koblenz zurückkehren zu lassen. 4. Schulungen in 2023 - Schulungskonzept erneut auf dem Prüfstand Nach dem Ende der Pandemie musste der Durchführungsmodus der Veranstaltung erneut überdacht werden. Die vorhandene Möglichkeit und die recht unkomplizierte Durchführbarkeit der Veranstaltung als Online-Version weckte durchaus Begehrlichkeiten bei den Teilnehmern. Während sich die einen wünschten, endlich wieder im Präsenzunterricht in einen echten Austausch mit den Fachkollegen kommen zu können und den Lernstoff nicht via MS Office Teams vor einer Kamera aufnehmen zu müssen, sahen die anderen die großen Vorteile in Online-Veranstaltungen. Reisezeiten entfielen für den Teilnehmer und somit auch die Reisekosten für das Unternehmen. Der Teilnehmer war abends zu Hause bei der Familie oder musste den Ort seiner Baustelle nicht einmal verlassen und war somit als Ansprechpartner trotz Fortbildung vor Ort. Dennoch hat das Planungsteam entschieden, dass die Schulung der W 316 im Jahr 2023 nach langer Pandemiebedingter Pause wieder in ihren Präsenzmodus zurückkehren wird. Für die mehre Tage umfassenden Erstschulungen des Grundlagen-Moduls sowie für das Modul der zementgebundenen Werkstoffe finden die Veranstaltungen wieder wie gewohnt an der Hochschule Koblenz statt. Abb. 3 Das sogenannte Kombimodul, welches sich mit allen anderen Werkstoffen befasst, wird je nach Auslastung und Präferenz der Teilnehmer digital oder ebenfalls in Präsenz stattfinden. Die eintägigen Nachschulungen der einzelnen Module werden jedoch weiterhin in digitaler Weise durchgeführt, um den Zeit- und Kostenaufwand für die Unternehmen möglichst gering zu halten. Hier entspricht der Veranstalter klar dem Feedback der Teilnehmer und entsendenden Unternehmen, was Effizienz und Kosten angeht und wird dem Wunsch nach mehr Nachhaltigkeit gerecht. 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 137 Schulungskonzepte auf dem Prüfstand Abbildung 3: Klassenraum an der Hochschule Koblenz 5. Schulungen ab 2025: Schulungskonzept zukunftsfähig machen Aufgrund der wachsenden Anforderungen an Schulungsangebote hinsichtlich Qualität, Nachhaltigkeit und Effizienz, besteht der Bedarf, das Schulungskonzept der W 316 umfangreich zu überarbeiten. Der Wunsch nach Präsenz-Veranstaltungen ist die Erkenntnis nach fast 3 Jahren Pandemie und als Feedback durch die Teilnehmer an den Veranstalter herangetragen worden. Allerdings ist auch hier ein Umdenken nötig, um der wachsenden Digitalisierung in unserem Alltag gerecht zu werden aber auch um eine Flexibilisierung der Module zu erreichen. So ist beispielsweise geplant, die Module zu entschlacken und thematisch zu entzerren, um diese in kürzeren Einheiten präsentieren zu können. Denkbar ist, theoretische Themen als Vorbereitung auf eine deutlich praxisbezogenere Schulung digital zur Verfügung zu stellen. Vorher werden die Module natürlich auf ihre Inhalte überprüft und an die aktualisierten Regelwerke angepasst. Auch eine zielgruppenspezifischere Ausrichtung der Schulung ist nötig, um dem Fortbildungsbedarf der Fachkräfte, Fachaufsichten und Planer besser gerecht werden zu können. Derzeit befinden sich die bereits überarbeiteten Arbeitsblätter W 300-1 und W 300-3 im Gelbdruck, die Teile W 300-2 und W 300-4 befinden sich noch in Revision und werden voraussichtlich im Sommer 2023 im Gelbdruck veröffentlicht. Die Wasserinfo 113 wird ebenfalls Einfluss auf die Schulungsinhalte haben und weiterhin steht eine Öffnung und Überarbeitung des Arbeitsblattes W 316 an. Somit ist die Zeitschiene für die Neu-Konzeptionierung zumindest für den inhaltlichen Teil der Schulungen vorgegeben. Um Doppelarbeit möglichst zu vermeiden, muss mit der Anpassung der Fachinhalte auf die Verabschiedung der Regelwerke gewartet werden. In der Zwischenzeit feilt das Planungsteam jedoch an der konzeptionellen Umsetzung einer modernen Schulung nach DVGW W 316. 6. Fachunternehmens-Zertifizierung Um den Weg der Weiterbildung und Qualifizierung regelwerks-konform abzubilden, führt die W 316 in eine Fachunternehmens-Zertifizierung. Die Schulungen als solche bilden bei bestandener Prüfung einen Teil der Anforderung an das Personal des Fachunternehmens ab und dienen dem Qualifikationsnachweis im Rahmen der Fachunternehmens-Zertifizierung. Literatur [1] wvgw mbH, Josef-Wirmer-Straße 3, 53123 Bonn Bauzustandsanalyse 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 141 Portfolioanalyse Zukunftsorientiertes Planungstool für den Betrieb und die Instandhaltung von Trinkwasserbehältern Dipl.-Ing. Laura Ruhwald Weber-Ingenieure GmbH, Darmstadt Sandra Gernand, M. Eng. Weber-Ingenieure GmbH, Darmstadt Zusammenfassung Der Betrieb, die Wartung und Instandhaltung von Trinkwasserbehältern erfolgen in Deutschland in unterschiedlichsten Strukturen. Der Spielraum erstreckt sich von der kleinen Gemeinde, welche einen einzelnen Trinkwasserspeicher betreibt, bis hin zu großen Versorgern mit vielen Trinkwasseranlagen in ihrem Portfolio. Alle stehen jedoch vor ähnlichen Herausforderungen: Der Bestand ist in die Jahre gekommen und es zeigen sich erste Schädigungen. Es wurden lange keine Investitionen vorgenommen, zudem fehlt eine umfassende Dokumentation zu den einzelnen Anlagenteilen. Auch der genaue Zustand der Bauwerke ist häufig unbekannt. Hinzu kommt in vielen Fällen ein Generationswechsel in der Belegschaft. Dieser ist nicht selten mit einem enormen Verlust von Fachwissen und Erfahrungswerten verbunden. Der Instandsetzungsbedarf ist häufig bekannt und offensichtlich vorhanden, aber wo fängt man? Die Portfoliountersuchung bietet durch eine systematische Untersuchung der einzelnen Bauwerke sowie eine anschließend erstellte Prioritätenliste einen umfassenden Überblick über den Zustand der einzelnen Anlagen des Portfolios und somit ein zukunftsorientiertes Planungstool für die Instandhaltung. Dies ist insbesondere für Betreiber mehrerer Trinkwasserbehälter interessant. Auf Grundlage der Bewertungen und der Prioritätenliste kann eine vorausschauende Budgetplanung erstellt werden. 1. Einführung Die Notwendigkeit zur Durchführung von Bauzustandsanalysen für das Gesamtportfolio ergibt sich aus mehreren Faktoren. So ist nicht allen Versorgern der jeweilige Instandsetzungsumfang ihres gesamten Portfolios bekannt. Durch den meist anstehenden Generationswechsel in der Belegschaft geht zusätzlich Wissen verloren und es besteht ein dringender Handlungsbedarf bei der Erfassung des Zustandes des Hochbehälter-Portfolios. Zusätzlich ergibt sich rein aus dem Lebenszyklus eines jeden Bauwerks die Notwendigkeit den Zustand des Portfolios regelmäßig zu prüfen. Dieser Lebenszyklus eines jeden Bauwerks beginnt mit der Bauwerksentstehung. Für die Betriebs- und Nutzungsdauer wird anschließend, je nach Art der Nutzungsbedingungen, ein Zeitraum von 10 bis 30 Jahren angesetzt. Über den gesamten Zeitraum der angesetzten Nutzungsdauer ist der Bauwerkszustand in regelmäßigen Abständen festzustellen und zu dokumentieren (Monitoring). Denn bereits im jungen Alter eines Bauwerks können kleinere und auch größere Instandhaltungsmaßnahmen notwendig werden. Je nach Nutzungsart ist nach der angesetzten Nutzungsdauer eine Instandsetzung durchzuführen. Durch das zuvor in regelmäßigen Zeitabständen durchgeführte Monitoring ist es dann möglich den wirtschaftlichsten Zeitpunkt für die erforderlichen Instandsetzungsmaßnahmen zu ermitteln. Nach erfolgter Instandsetzung wird eine weitere Betriebs- und Nutzungsdauer von 10-30 Jahren angesetzt. Abbildung 1: Lebenszyklus 142 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Portfolioanalyse Auch ein verantwortungsvoller Umgang in Bezug auf die Nutzung von Ressourcen sowie die Reduzierung des CO 2 -Ausstoßes spielen eine immer wichtigere Rolle. Gerade die Herstellung von Zement ist enorm energieaufwändig und sorgt für einen erheblichen Ausstoß des klimaschädlichen Kohlenstoffdioxids. Wie in Abbildung 2 dargestellt entfallen allein 20,5 t CO 2 - Äquivalente pro Jahr auf die Zementindustrie. Abbildung 2: Emissionsdaten Zementindustrie [1] Durch eine optimal geplante Instandsetzung kann somit ressourcenschonend und gleichzeitig wirtschaftlich gearbeitet werden. Das in Abbildung 3 dargestellte Einsparpotential einer Sanierung, bezogen auf den Zementverbrauch eines Neubaus, ist somit immens. Abbildung 3: Vergleich Zementverbrauch [1] 2. Portfolioanalyse Die Basis der Portfolioanalyse bildet eine eingehende Bauwerksuntersuchung der im gesamten Portfolio vorhandenen Trinkwasserbehälter. Abhängig von der Versorgungsnetzgröße und der damit verbundenen Anzahl an Behältern kann der jeweilige Umfang der Bauzustandsanalyse variiert werden. Grundsätzlich empfiehlt sich eine vollumfängliche Bewertung eines jeden Trinkwasserbehälters. Diese beinhaltet sowohl die visuelle Aufnahme des baulichen und betrieblichen Bauwerkszustandes als auch die betontechnologische Untersuchung des Bauwerks, insbesondere der Wasserkammern. Bei kleineren Portfolios liegen der Umfang sowie die Kosten in einem monetär aber auch zeitlich realisierbaren Rahmen. Ab einer gewissen Größe des Gesamtportfolios ist die Durchführung von Bauzustandsanalysen mit betontechnologischen Untersuchungen nicht mehr zu empfehlen. In diesem Fall würden sowohl die Kosten für die Untersuchungen der Trinkwasserbehälter als auch der zeitliche Horizont für die gegebenenfalls erforderlichen Instandsetzungsmaßnahmen einen realistischen und zumutbaren Rahmen übersteigen. Gerade bei einem großen Portfolio können mehrere Jahre - bis hin zu Jahrzehnten - vergehen, bis alle Trinkwasserbehälter instandgesetzt werden können. Bei gleichzeitiger Untersuchung aller Behälter des Portfolios, bezogen auf die visuellen sowie die werkstofftechnologischen Untersuchungen, sind die Erkenntnisse der meisten Behälter veraltet, bis es zur Instandhaltung kommt. Insbesondere da die Schädigungen an der Bausubstanz während dieser „Warte-Zeit“ voranschreiten und es zu einer veränderten Ausgangsituation für die Instandsetzungsmaßnahmen kommen kann. In diesem Fall wären die betontechnologischen Untersuchungen vor dem Instandsetzungszeitpunkt für den jeweiligen Behälter erneut durchzuführen. Dies würde wiederum zu einer Verdopplung der Kosten führen und ist wirtschaftlich nicht sinnvoll. Aus diesem Grund empfiehlt es sich insbesondere bei einer großen Anzahl von Trinkwasserbehältern für eine Vorsondierung für das Portfolio durchzuführen. Hierbei werden in einem ersten Schritt alle Bauwerke in Bezug auf die baulichen und betrieblichen Anforderungen hin visuell untersucht. Der festgestellte Zustand wird dabei detailliert dokumentiert. Die werkstofftechnologischen Untersuchungen werden anschließend für eine ausgewählte Anzahl an Trinkwasserbehältern, entsprechend der visuellen Priorisierung, durchgeführt. Die Anzahl kann individuell auf die betrieblichen und finanziellen Möglichkeiten des Betreibers abgestimmt werden und sollte insbesondere die Realisierbarkeit der durchzuführenden Instandsetzungsmaßnahmen berücksichtigen. Im Anschluss an die erfolgten betontechnologischen Untersuchungen wird die vorläufige Priorisierung (aus den visuellen Überprüfungen) durch die Ergebnisse der betontechnologischen Untersuchungen ergänzt. Dadurch ergibt sich eine detaillierte Betrachtung des Instandsetzungsbedarfs in Bezug auf einen sinnvoll gewählten Zeithorizont. 2.1 Vorgehen Bauzustandsanalyse Die visuelle Aufnahme des Zustandes der Trinkwasserbehälter hinsichtlich der baulichen und betrieblichen Belange erfolgt entsprechend den Vorgaben der technischen Regel W 300 des DVGW [2]. Alle Trinkwasserbehälter werden dabei über einen vordefinierten Zeitraum und in einem zeitlich möglichst eng getakteten Intervall begangen. Der Bauzustand wird hierbei umfassend festgestellt und dokumentiert. 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 143 Portfolioanalyse Gerade bei einem großen Portfolio und dem damit verbundenen langfristigen Planungshorizont ist es wichtig auf eine detaillierte Dokumentation der Einzelbauwerke zu achten, da diese die maßgebliche Grundlage für ein Monitoring und eine folgende Instandsetzungsplanung darstellt. Nur so kann sichergestellt werden, dass der Bauzustand und bereits erfolgte Instandhaltungsmaßnahmen auch nach Jahren oder auch bei einem Personalwechsel lückenlos nachvollzogen werden können. Der anvisierte Umfang der Portfolioanalyse beinhaltet daher eine separate Bauzustandsanalyse je Behälter. 2.2 Vorgehen Bewertung Basierend auf den Anforderungen des DVGW W 300 [2] wurde eigens eine Bewertungsgrundlage entwickelt. Diese ermöglicht es potenzielle Schwachpunkte der Behälter detailliert zu erfassen und im späteren Verlauf gegenüberstellen zu können. Jeder Behälter wird dabei hinsichtlich der baulichen sowie betrieblichen Aspekte systematisch betrachtet. Hierbei erfolgt eine ganzheitliche Betrachtung aus Sicht der in Tabelle 1 genannten Aspekte. Zu diesen zählen beispielsweise die Bewertung des Behälters hinsichtlich der Standsicherheit und Gebrauchstauglichkeit, dem Objektschutz sowie der Hygiene. Tabelle 1: Betrachtungspunkte Sicherheitsrelevanz Betriebliche Belange Verkeimung Anlagenbetrieb Objektschutz Arbeitshilfen Arbeitsschutz Überwachung Verunreinigung Gebrauchstauglichkeit Standsicherheit Aber auch sicherheitsrelevante Aspekte wie der Arbeitsschutz, zum Beispiel in Form von Absturzsicherungen oder eine ausreichende Beleuchtung, werden betrachtet. Im Zuge der Bauzustandsanalyse werden daher zahlreiche Einzelbauteile, Anlagenteile, betriebliche Gesichtspunkte und Einzelabschnitte erfasst und bewertet. Wichtig ist dabei auf möglichst viele Einzelpunkte zu achten. Bei der Bewertung der Behälter hinsichtlich weniger Aspekte ist eine Differenzierung baugleicher Behälter nahezu unmöglich. Aus diesem Grund wird durch die eigens entwickelte Bewertungsgrundlage eine detailliertere Betrachtung ermöglicht. Hierdurch können auch geringfügige Unterschiede herausgearbeitet und in der Bewertung berücksichtigt werden. Damit ist es möglich auch Behälter eines ähnlichen Baujahres, ähnlicher Bauweise und ähnlichem Bauwerkszustand differenziert darzustellen und den Instandsetzungsbedarf in einem Ranking gegenüberzustellen. Nach der Dokumentation des Bauzustandes wird dieser hinsichtlich einer möglichen Gefährdung bewertet. Resultiert aus der vorgefundenen Abweichung des Istzustandes zum Sollzustand ein Mangel wird hierfür ein entsprechend definierter Mangelcode vergeben. 2.3 Vorgehen Auswertung Nachdem die festgestellten Abweichungen gemäß den Anforderungen nach dem DVGW W 300 [2] dokumentiert und mit einem Mangelcode bewertet sind werden diese in einer punktebasierten Bewertungsmatrix priorisiert. Hierfür werden die grundlegenden Informationen aus der Bauzustandsanalyse sowie der im Anschluss erfolgten Bewertung in ein Behälterdatenblatt überführt. Darunter fällt auch die Bewertung des Bauzustandes hinsichtlich der Schwere der Gefährdung und die Beurteilung, ob daraus ein Mangel resultiert. Die Grundlage für die Bewertung sowie für die finale Priorisierung stellt somit das Behälterdatenblatt dar. Der Auf bau des Datenblattes entspricht dabei der Struktur der Bauzustandsanalyse, wodurch die lückenlose Dokumentation und Nachvollziehbarkeit gegeben sind. Im Behälterdatenblatt selbst erfolgt die Bewertung sowie eine Wichtung jedes einzelnen Mangels. In einem ersten Schritt wird zunächst die Schwere der Gefährdung durch den Mangel bewertet. Dabei werden die vergebenen Mangelcodes in ein punktebasiertes Bewertungssystem überführt. Die Punkte entsprechen dabei der Gefährdung und einem vordefinierten Wirkungsfaktor. Die Punkteskala reicht von 2 bis 10 Punkten und verteilt sich wie beispielhaft nachfolgend dargestellt. Tabelle 2: Punkteskala zu den Wirkungsfaktoren Mangelbezeichnung: Wirkungsfaktor: Standsicherheit 10 Arbeitsschutz 8 Objektschutz 6 Arbeitshilfen 2 Zusätzlich wird jeder Mangel hinsichtlich seiner Schwere bewertet. Hierfür wird ein zweiter Faktor in die Berechnung aufgenommen. Die Punkte entsprechen der in Tabelle 3 dargestellten Skala. Tabelle 3: Punkteskala zur Schwere des Mangels Bezeichnung Punkte kein Mangel 0 leichter Mangel 1 vertretbarer Mangel 5 Bezogen auf das jeweilige Bauwerk ergibt sich damit eine Gesamtpunktezahl für jedes Behälterdatenblatt. Diese stellt die Grundlage für die Priorisierung dar. 144 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Portfolioanalyse Durch sich verändernde klimatische Bedingungen, die Erschließung oder den Wegfall von Wohn- und Gewerbegebieten, aber auch Umplanungen im Versorgungsnetz werden die Betreiber und Eigentümer vor zusätzliche Herausforderungen gestellt. Derartige betreiberabhängige Belange können, dank des flexiblen und variablen Bewertungsmodels, in die Kriterien für die Bewertung mit aufgenommen werden. Somit kann im Anschluss eine zukunftsweisende und wirtschaftliche Instandsetzung realisiert werden. Zusätzlich ist es dank des entwickelten Modells auch möglich auf einen akuten Instandsetzungsbedarf reagieren zu können. 2.4 Ranking Das erstellte Ranking bietet für das gesamte Portfolio an Trinkwasserbehältern eine Handlungsempfehlung, bezogen auf erforderliche Instandsetzungsmaßnahmen. Die Priorisierung der Behälter basiert dabei auf mehreren Faktoren. Zum einen besteht das Ranking aus den visuellen Feststellungen der Bauzustandsanalyse und den sich daraus ergebenden Abweichungen gegenüber den Anforderungen gemäß DVGW W°300. Hinzu kommen die weiteren Erkenntnisse aus den betontechnologischen Untersuchungen sowie die weitergehenden individuellen Faktoren und betrieblichen Belange. Durch die gewählte Struktur des Rankings sowie der Behälterdatenblätter handelt es sich hierbei nicht um ein statisches Ergebnis. Das Ziel der Portfoliountersuchung ist es eine Grundlage zu schaffen, auf deren Basis weitergehend gearbeitet werden kann. Daher ist es auch möglich im Nachgang erfolgte Instandsetzungsmaßnahmen in die Behälterdatenblätter einzupflegen und zu dokumentieren. Die Priorisierung der Trinkwasserbehälter kann damit, bezogen auf deren Instandsetzungsbedarf, immer aktuell gehalten und über Jahrzehnte weiter genutzt werden. 1. Ergebnis In vielen Fällen wird eine Instandsetzungsmaßnahme erst dann geplant und veranlasst, wenn ein akuter Handlungsbedarf besteht. Damit verbunden sind dann meist enorme Investitionskosten. Diese entsprechen häufig nahezu den Kosten eines Neubaus. Oft stellt sich die Frage, ob eine Instandsetzung des Bestandes wirtschaftlich überhaupt vertretbar ist oder ob ein Neubau nicht die bessere Alternative ist. Ziel der Portfolioanalyse ist es diese Frage gar nicht erst aufkommen zu lassen, sondern den Instandsetzungsbedarf rechtzeitig zu erkennen und die Ausführung wirtschaftlich planen sowie ausführen zu können. Das vorstehend beschriebene Vorgehen zur Analyse und Bewertung des Portfolios bietet daher langfristige Planungssicherheit. Nur so ist es möglich Veränderungen rechtzeitig zu erkennen und somit frühzeitig reagieren zu können. Die Portfolioanalyse ermöglicht eine langfristige und wirtschaftliche Budgetplanung und bietet zudem die Möglichkeit kostbare Ressourcen zu schonen. Literaturverzeichnis [1] Kompetenzzentrum Klimaschutz in energieintensiven Industrien (KEI); Eigene Darstellung gemäß wwEmissionsdaten des UBA, des Wuppertal Instituts sowie der Verbände VDZ und WV Stahl 201. [2] DVGW Arbeitsblätter/ Merkblätter W 300 Teile 1-8. 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 145 Bauzustandsanalyse von verfahrenstechnischen Filtern in Anlehnung an „Arbeitsblatt DVGW W300-3“ Dipl.-Ing. Kai Schütz Mainzer Netze GmbH Zusammenfassung Das DVGW Regelwerk gibt in der Regelwerksfamilie W 300 umfangreiche Handreichungen zum Umgang mit Stahlbetonbauwerken in der Trinkwasserspeicherung. Jedoch sind Stahlbetonbauteile nicht nur in der Trinkwasserspeicherung, sondern auch im Bereich der Auf bereitung und Verfahrenstechnik weit verbreitet. Insbesondere der planerische Teil des Regelwerks ist hierbei auf das zu bewertende Bauwerk abzustimmen. Der betontechnologische Teil lässt sich jedoch in gewissen Grenzen sehr gut anwenden. Die Mainzer Netze GmbH betreibt für die Mainzer Stadtwerke AG u. a. das Wasserwerk Eich. Nach etwas mehr als 40 Betriebsjahren stehen hier größere Instandsetzungs- und Umbauarbeiten an. In diesem Rahmen wurden auch die Aktivkohle- und Mehrschichtfilter intensiv begutachtet. Am Beispiel der Bauzustandsanalysen in einem Aktivkohlefilter sowie mehreren Mehrschichtfiltern werden Adaptionsmöglichkeiten, Herausforderungen und Besonderheiten von Bauzustandsanalysen in verfahrenstechnischen Bauteilen sowie die Einbettung in das Gesamtprojekt aus Sicht eines Betreibers und Planers dargestellt. 1. Einführung Das Arbeitsblatt DVGW W300-3 [1] „gilt für die systematische Überprüfung des Sanierungsbedarfs von Trinkwasserbehältern.“ Gerade im verfahrenstechnischen Bereich gibt es jedoch nicht nur Stahldruckkessel und anlagentechnische Apparate, sondern auch (Stahl-) Betonbauwerke verschiedener Kubatur im direkten Kontakt mit dem aufzubereitenden Rohwasser oder auch mit verfahrenstechnischen Rückständen. Klassische Beispiele sind offene Filter, Verdüsungs- oder Rieselbauwerke oder auch Absetzbecken. Auch in diesen Bauteilen kommt es zu Alterungsprozessen der eingesetzten Oberflächen. Daher kann auch für diese Bauteile insbesondere der betontechnologische Teil des o. g. Regelwerks angewandt werden. Die vollumfängliche Betrachtung nach [1] beinhaltet insbesondere auch die Berücksichtigung der planerischen Aspekte. Hier muss im Einzelfall geprüft werden, welche Teile nach [1] Kap. 7 angewandt werden können, entfallen oder ob weitere Aspekte zu ergänzen sind. Bei Integration der Maßnahme in ein größeres Gesamtprojekt, wie im vorliegenden Fall, werden sicherlich auch viele Aspekte bereits im Projektumfeld geklärt sein. 2. Bauzustandsanalyse im Aktivkohlefilter 2.1 Anlass Die Mainzer Netze GmbH betreibt im Auftrag der Mainzer Stadtwerke AG insgesamt drei Wasserwerke zur Versorgung der Landeshauptstadt Mainz und weiterer Umlandgemeinden mit Trinkwasser. Das hier betrachtete Wasserwerk Eich wurde Ende 1981 in Betrieb genommen. Im Rahmen eines größeren Projekts soll die Auf bereitungsleistung des Werks von 1.250 m³/ h auf 1.750 m³/ h erhöht werden. Neun teils rheinnahe Gewinnungsbrunnen versorgen das Werk mit Rohwasser. Dieses wird - nach dem Gedanken der Errichter - vorübergehend über eine Schnellentcarbonisierung enthärtet. Die nachfolgenden Auf bereitungsschritte stellen fünf offene Mehrschichtfilter sowie drei offene Aktivkohlefilter dar. Vorübergehend, da man davon ausgegangen ist, dass sich die Härteverhältnisse im Untergrund aufgrund der Rheinnähe derart verschieben werden, dass nach ca. 10 Jahren keine Enthärtung mehr notwendig ist. Im Rahmen des aktuellen Projekts werden zwei Uferfiltratbrunnen sowie neue Rohwasserleitungen errichtet. Durch die geringe Härte der Uferfiltratbrunnen kann danach die Schnellentcarbonisierung stillgelegt werden. Neben einer Ergänzung der Auf bereitungsleistung der Eisen-Manganfiltration soll zukünftig ein Teilstrom für Spitzenlasten über eine Umkehrosmose auf bereitet werden. Im Rahmen des Projekts sollen auch bauwerksbedingte Eigenheiten der Mehrschichtfilter beseitigt und dieser Verfahrensschritt auf den Stand der Technik gem. DVGW W213-3 [2] umgebaut werden. Der Auf bau des Filters entspricht hierbei DIN 19605 [3]. Hier ist auch bereits die Vorgabe einer glatten und möglichst porenfreien Oberfläche bei Stahlbetonfiltern festgelegt. Aktuell werden die insgesamt fünf Mehrschichtfilter mit Abmessungen von jeweils ca. 3 auf 15 m über eine sogenannte Verteilerrinne und vorgelagerte Vorkammern auf der Stirnseite beschickt. Dies ist insofern hydraulisch suboptimal, dass die größten Flächenbelastungen des Filtermaterials auf der Stirnseite und die geringsten Belastungen auf der gegenüberliegenden Seite zu finden sind. Ziel sollte eine möglichst gleichmäßige Beschickung der Filteroberfläche und die Einhaltung der Maximalmaße nach [3], insbesondere des Abstands von Filteraußenwand 146 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Bauzustandsanalyse von verfahrenstechnischen Filtern in Anlehnung an „Arbeitsblatt DVGW W300-3“ zur Spülrinne bis zu 3 m sein. Eine gleichmäßige Filterbelastung ist für die optimale Festlegung des Spülzeitpunkts von enormer Bedeutung. Abbildung 1: Schematischer Auf bau eines Schnellfilters [2] Im Zuge eines verfahrenstechnischen Umbaus käme es in jedem Fall auch zu einem Tausch des bei den meisten Filtern noch nie getauschten Filtermaterials. Aufgrund des Alters des Bauwerks und im Sinne eines vollintegrierten Ansatzes wurde entschieden in jedem Fall die Betonoberflächen mit einer Bauzustandsanalyse zu untersuchen, um zu vermeiden, dass diese wenige Jahre nach der verfahrenstechnischen Optimierung instandgesetzt werden müssen. 2.2 Planung und Untersuchungskonzept Eigentliches Ziel der Bauzustandsanalyse war die Erfassung der Mehrschichtfilter. Diese sind jedoch, wie zuvor beschrieben, dauerhaft mit Filtermaterial befüllt. Nach Sichtung verschiedener Bestandspläne sowie Bildern aus der Bauphase des Werks wurde daher entschieden in einem ersten Schritt eine Bauzustandsanalyse an einem Aktivkohlefilter durchzuführen, da diese im Rahmen des Aktivkohlewechsels entleert werden. Sofern die Ergebnisse der Bauzustandsanalyse dies zuließen, sollte das Ergebnis auf die Mehrschichtfilter extrapoliert werden. Im Falle einer Instandsetzung wäre so die Ausschreibung auf Basis der Ergebnisse der Aktivkohlefilter erfolgt und zu Beginn der Ausführung eine Bauzustandsanalyse zur Detailfestlegung durchgeführt worden. Nach Sichtung der Bestandsunterlagen wurde der Wasserwerksbetrieb eingebunden. Neben Erfahrungswerten geht es in diesem Schritt vor allem um eine Koordination der Maßnahmen und die Integration der Bauzustandsanalyse in den Arbeitsablauf des Kohletauschs. So wurde der Termin gemeinsam auf einen Mittwoch festgelegt, dann aber nach Verschiebungen bei der Anlieferung der Kohle nochmals auf einen Montag angepasst. Da sich gleichzeitig der Anlieferungstermin der Kohle verzögerte, ergab sich der Vorteil, dass zwischen der Bauzustandsanalyse und der Desinfektion des Filters am Folgetag noch ein Tag „Nachbehandlung“ bis zum Einspülen der neuen Aktivkohle und damit der Befüllung des Filters am Donnerstag zur Verfügung stand. Gemäß [1] Kap. 8.3.4 sind mind. 3 Untersuchungs-stellen je 250 m² Oberfläche vorzusehen. Darüber hinaus sind alle konstruktiven Elemente sowie Bereiche unterschiedlicher Exposition einzeln zu erfassen. Bereits frühzeitig wurde festgelegt, dass aus dem Düsenboden keine Bohrkerne entnommen werden, da die dort eingebauten Stahlbetonfertigteilplatten hochgradig bewehrt und äußerst schlank aufgebaut sind. Darüber hinaus hätten für eine Probenahme mehrere Filterdüsen entnommen werden müssen, um einen Arbeitsraum zu erhalten. Alternativ sollte hier mit rein zerstörungsfreien Methoden gearbeitet werden. Die weiteren Bauteile wurden gem. Tabelle 1 differenziert, wobei vorab eine Einteilung in die Hauptteile a) oberhalb des Düsenbodens und b) unterhalb des Düsenbodens getroffen wurde. Tab. 1: Aufteilung Expositionsflächen Aktivkohlefilter Bauteil Exposition Wand a) Unter Wasser Wand a) Wasserwechselzone Wand a) Überwasser Wand b) Unter Wasser Boden b) Unter Wasser Durch eine vorherige autorenseitige Begehung eines Düsenbodens der Mehrschichtfilter war klar, dass im Kriechgang unter dem Düsenboden die Bohrkernentnahme nur unter erheblich erschwerten Bedingungen erfolgen kann (siehe Abb. 2). Daher wurde für diesen Bereich abweichend vom Regelwerk nur je ein Bohrkern in Wand und Boden vorgesehen. Da es sich hydrochemisch weitestgehend um die gleiche Exposition wie im Unterwasserbereich handeln sollte, konnte dieser Kompromiss eingegangen werden. Abbildung 2: Kriechgang unter dem Düsenboden [eigene Aufnahme] 2.3 Ausschreibung und Vergabe Die Ausschreibung der Leistung muss den vergaberechtlichen Vorgaben genügen. Auf Basis der vorab geschätzten Kosten und im Kontext des „großen“ Gesamtpro- 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 147 Bauzustandsanalyse von verfahrenstechnischen Filtern in Anlehnung an „Arbeitsblatt DVGW W300-3“ jekts konnte die vorgestellte Maßnahme unterschwellig beschränkt ausgeschrieben werden. Dieses Verfahren bietet den großen Vorteil, dass aufgrund der Vorauswahl der Bieter durch den Planer bereits die grundsätzliche Eignung vorab geklärt ist. Bei den Bietern handelt es sich durchgängig um Gutachter, welche gleichzeitig das Leistungsspektrum der Vorortbegehung selbst mit abdecken. Gemein ist all diesen Gutachtern ein wissenschaftlicher Hintergrund mit entsprechenden baustoffanalytischen Laborkapazitäten. Im Fall einer offenen Ausschreibung sind die Eignungskriterien so zu definieren, dass ausschließlich Firmen mit nachgewiesener Eignung und Erfahrungen insbesondere im Umgang mit Trinkwasser, Bauteilen der Wasserversorgung und Hygienekonzepten z. B. nach DVGW W 300-8 [4] eine positive Eignung und damit Zulassung des Angebots erhalten können. Da es sich bei den in Frage kommenden Firmen in der Regel um Gutachter und nicht um ausführende Unternehmen handelt, ist ein Nachweis nach DVGW W 316 [5] hier meist nicht zielführend. Bei den Filtern handelt es sich um Bauteile der Trinkwasserauf bereitung mit offener Wasseroberfläche und direktem Auslauf in die Reinwasserkammern, insofern sind an die hygienische Arbeits- und Vorgehensweise höchste Anforderungen gestellt. Neben der Leistungsbeschreibung sind der Ausschreibung auch Planunterlagen und idealerweise auch Bilder der örtlichen Situation (wie bspw. Abb. 2) beizufügen. Dies ermöglicht den Bietern eine korrekte Kalkulation und erspart nachträgliche Diskussionen über Mehrkosten. Nebenangebote wurden bewusst zugelassen, um den Gutachtern auf Basis der übergebenen Unterlagen die Möglichkeit zu geben weitere zielführende Analysen und Methoden direkt mit anzubieten. Nach Prüfung der Angebote erfolgten Bietergespräche, welche zwingend zu dokumentieren sind. Hier wurde vor allem das geplante Vorgehen besprochen, aber auch die in Nebenangeboten eingereichten Methoden genauer vorgestellt. Im Anschluss wurde den Bietern die Möglichkeit zur Überarbeitung ihrer Angebote gegeben und das wirtschaftlichste Angebot wurde beauftragt. 2.4 Ausführung und Ergebnisse Im folgenden Abschnitt wird insbesondere auf die Besonderheiten und Abweichungen gegenüber einer Analyse in einem Trinkwasserspeicher eingegangen. Bei der Ausführung wurde, auch wenn es sich nur um eine Tagesbaustelle handelte, ein im Vorgriff erarbeitetes und zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber abgestimmtes Hygienekonzept [4] umgesetzt. Auch bei verfahrenstechnischen Bauteilen wurden hierbei die gleichen Standards wie in Trinkwasserbehältern angesetzt, zum Zeitpunkt der Analyse in Verbindung mit dem notwendigen Corona-Schutzkonzept. Neben neuen Einweganzügen und ausschließlich im Trinkwasserbereich eingesetzten Sicherheitsgummistiefeln wurde besonderer Wert auf das Gerüst gelegt, da dieses im direkten Kontakt mit dem Bauteil steht. Durch die Bodenlage auf dem mit Filterdüsen ausgestatteten Düsenboden war ein direktes Aufstellen nicht möglich. So sollte mit eigens angeschafften und desinfizierten Kunststoffplatten als Lastverteilung gearbeitet werden (Abb. 3). Das Gerüst selbst wurde, wie alle anderen Werkzeuge auch, vor Einbringung ebenso desinfiziert. Abbildung 3: Kunststoffplatten zur Lastverteilung [eigene Aufnahme] Da diese Platten gleichzeitig ein enormes Rutschpotenzial aufwiesen, wurde während der Bauzustandsanalyse entschieden auf den Einsatz zu verzichten und das Gerüst in die Zwischenräume zu stellen. Bei der Begehung wurde entsprechend vorsichtig gearbeitet, sodass keine einzige Filterdüse zerstört wurde. Jeder Aktivkohlefilter ist aus hydraulischen Gründen aufgeteilt in drei Segmente, sodass für jedes Segment die Bohrstelle neu eingerichtet werden musste. Die Begehbarkeit ist über eine manuell verfahrbare Brücke sichergestellt. Daher war die gesamte Analyse über ein Wasserwerker für die Bedienung der Brücke anwesend. Das Kernbohrgerät wurde - sofern von der Oberfläche her möglich - selbstansaugend gesichert (Abb. 4). Gleichzeitig wurde mit einer Absaugvorrichtung für eine Minimierung von ablaufendem Bohrwasser gesorgt. 148 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Bauzustandsanalyse von verfahrenstechnischen Filtern in Anlehnung an „Arbeitsblatt DVGW W300-3“ Abbildung 4: Selbstansaugendes Kernbohrgerät [eigene Aufnahme] Im Ergebnis der Analyse am Aktivkohlefilter war neben altersüblichen, teils herstellungsbedingten Schädigungen und Abrasionserscheinungen maßgeblich die Aussage, dass die beiden beprobten Längswände aus unterschiedlichen Betonzusammensetzungen erstellt wurden. Dies betrifft einerseits die Betonkörnung und andererseits die verwendeten Zementsorten. Augenscheinlich kam an der einen Längswand ein Hochofenzement zum Einsatz, während an der anderen Seite mit einem Portlandzement gearbeitet wurde. Abbildung 5: Bohrkern mit oberflächigen Verfärbungen [eigene Aufnahme] Weiterhin wurden an den Oberflächenbereichen der Bohrkerne Verfärbungen wie bspw. in Abb. 5 festgestellt, bei welchen mittels Auflichtmikroskopie untersucht wurde, ob es sich um eine Beschichtung oder Ablagerungen handelt. Im Ergebnis konnte festgestellt werden, dass es sich hierbei um betriebsbedingte Ablagerungen handelt. 3. Bauzustandsanalyse in den Mehrschichtfiltern Auf Basis dieser Ergebnisse war eine Extrapolation der Ergebnisse auf die Mehrschichtfilter ausgeschlossen. Es wurde beschlossen, dass für eine ordentliche Planung der verfahrenstechnischen Instandsetzung der Mehrschichtfilter eine Bauzustandsanalyse unabdingbar ist. 3.1 Planung und Untersuchungskonzept Die Bauzustandsanalysen waren so zu planen, dass einerseits der Eingriff in den Wasserwerksbetrieb minimiert und andererseits die Erkenntnisse maximal sind. Aus diesen Randbedingungen heraus wurde entschieden, von den fünf nebeneinander angeordneten offenen Filtern den ersten, den dritten und den letzten Filter zu beproben. So besteht die Möglichkeit zur Analyse aller Längswände. Gleichzeitig war die Randbedingung zu berücksichtigen, dass die Filter erst kurz vor der Bauzustandsanalyse außer Betrieb genommen werden können und unmittelbar im Nachgang zur Analyse wieder in Betrieb genommen werden mussten. Diese Randbedingung wurde auch bereits in der Ausschreibung erläutert, sodass klar war, dass für den Stopfmörtel (nach [6]) keine Gewährleistung seitens der ausführenden Firmen übernommen werden konnte. Abbildung 6: Blick in Mehrschichtfilter 1 [eigene Aufnahme] Folglich mussten alle Untersuchungen direkt auf dem feuchten Filtersand erfolgen. Auf Basis der Erkenntnisse der Analyse der Aktivkohlefilter wurde daher funktional ein alternatives Abdecksystem ausgeschrieben, um einen Kontakt zwischen Menschen, Werkzeug und Material der Bauzustandsanalyse auf der einen Seite und Filtersand auf der anderen Seite so weit wie möglich zu minimieren. Abb. 6 war daher bereits Teil der Preisanfrage, um den Bietern ein möglichst gutes Bild der Aufgabe zu geben. Bezüglich des Bereichs unterhalb des Düsenbodens war klar, dass aufgrund des mindestens teilweise wassergesättigten Filtersands mit dauerfeuchten Bedingungen zu rechnen ist. Die Entnahme von Bohrkernen wurde daher von vornherein von der Möglichkeit zur elektrisch sicheren Bohrung abhängig gemacht. Da die Mehrschichtfilter im Gegensatz zu den Aktivkohlefiltern regelmäßig gespült werden, wurde auch eine andere Belastung der Oberflächen erwartet. Daher wurde die Kernentnahme so geplant, dass im üblichen Unter- 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 149 Bauzustandsanalyse von verfahrenstechnischen Filtern in Anlehnung an „Arbeitsblatt DVGW W300-3“ wasserbereich (auch bei Spülung wasserberührte Oberflächen), im Spülbereich und im Überwasserbereich Kerne entnommen und analysiert werden. In Abstimmung mit den Gutachtern wurde dann je Filter noch eine Probe im Bereich des Betriebswasserstands entnommen, um ein vollständiges Bild zu erhalten. 3.2 Ausführung und Ergebnisse Die Untersuchung der drei ausgewählten Filter erfolgte an drei aneinander folgenden Tagen außerhalb der Hochlastphase. Die exakte Festlegung des zu beprobenden Filters erfolgte final über das Spülprogramm der Filter. So wurde erst am ersten Tag der Ausführung aufgrund der vorherigen Spülung verbunden mit der minimalen Absenkung und dem minimalen Wasserverlust festgelegt, dass zuerst Filter 3 beprobt wird. Dieser erste Filter wurde auch vollständig entleert, sodass eine Begehung des Düsenbodens mit Entscheidung über eine Kernentnahme möglich war. Abbildung 7: Blick in den Bereich unterhalb des Düsenbodens [eigene Aufnahme] Wie zu befürchten war einerseits Restwasser vorhanden. Andererseits tropfte durchgängig Wasser des feuchten Filtersands aus den Filterdüsen (Abb. 7). Eine Bohrkernentnahme war aus Sicherheitsgründen nicht zu verantworten. Neben händischen Aufnahmen vereinzelter Risse und einer groben Fotodokumentation konnte temporär die Bewehrungslage geortet werden. Der Einsatz musste wegen eines kurzzeitigen CO2-Alarms des mitgeführten Messgeräts unterbrochen werden. Der Alarm löste grundsätzlich aus, wenn das Gerät an der Auf hängung um den Hals getragen wurde. Bei Auf hängung im Bauteil gab es keine Probleme. Bei den weiteren zu untersuchenden Filtern wurde entschieden auf eine Begehung des Bereichs unterhalb des Düsenbodens zu verzichten, da Aufwand und mögliche Erkenntnisse in keinem Verhältnis zueinanderstanden. Dies hatte den Vorteil, dass die weiteren Filter nur bis unterhalb des Filtersands abgesenkt werden mussten, aber auch den Nachteil das während der Spülung eines in Betrieb befindlichen Filters kurzzeitig der zu untersuchende Filter geräumt werden musste, da eine Klappe nicht richtig schloss und es zu Eindringen von Wasser kam. Als Lösung für die Auflagerfläche auf dem Filtersand wurden einerseits Riffelbleche eingesetzt. Andererseits wurde ein flexibles Kunststoffsystem eingesetzt, welches sich durch eine unterseitige Stegstruktur auch ein wenig in den Filtersand setzte und so eine gute Aufstellfläche für das Gerüst gewährleistete (Abb. 8). Abbildung 8: Abdeckung des Filtersands [eigene Aufnahme] Eine besondere Herausforderung waren oberflächennahe Ablagerungen. Die Filteroberflächen wurden in Abstimmung zwischen Planung, Betrieb und Gutachter im Vorgriff von außen mit einem Strahlrohr gereinigt. Jedoch waren die Ablagerungen derart hartnäckig, dass diese über die Distanz praktisch nicht zu entfernen waren. Beim dritten begutachteten Filter wurde dieser entsprechend direkt vor der Begutachtung in Abstimmung aller Beteiligten an der Oberfläche in spitzem Winkel abgespritzt. So konnte in diesem Filter (Filter 1) eine intensivere Begutachtung der Oberfläche erfolgen, als in den anderen beiden Filtern (Abb. 9). Abbildung 9: Unterschied zwischen von außen gereinigter (links) und direkt gereinigter Oberfläche (rechts) [eigene Aufnahme] Im Ergebnis liegt ein umfangreicher Ergebnisbericht mit Untersuchungen aller drei Filter und damit aller Längs- 150 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Bauzustandsanalyse von verfahrenstechnischen Filtern in Anlehnung an „Arbeitsblatt DVGW W300-3“ wände vor. Die im Bereich der Aktivkohlefilter beobachteten unterschiedlichen Zusammensetzungen sind auch im Bereich der Mehrschichtfilter wieder festgestellt worden. All dies ist vermutlich daher bedingt, dass zur Errichtung des Wasserwerks Ende der 1970er in verhältnismäßig kurzer Zeit verhältnismäßig große Mengen an Beton benötigt wurden und so Beton verschiedener Herkünfte eingesetzt wurde. Die Ergebnisse bilden den Ist-Zustand gut ab und zeigen den Handlungsbedarf im Bereich des Bauwerks auf. 4. Ausblick und Schlussbemerkung In den nächsten Schritten ist auf Basis der Bauzustandsanalysen ein Instandsetzungskonzept für die Mehrschichtfilter zu erarbeiten. Hierbei sind die verschiedenen Randbedingungen, wie Umbau im Bestand und im laufenden Betrieb, Mindestleistung des Wasserwerks aber auch die umfangreichen Ergebnisse der Bauzustandsanalyse zu berücksichtigen. Zwischen der Planung der Instandsetzung, der Planung der notwendigen Anpassungen der Verfahrenstechnik und dem Wasserwerksbetrieb muss eine extrem enge Verzahnung stattfinden, um einen möglichst reibungslosen Ablauf bei gleichzeitiger Sicherstellung einer einwandfreien Trinkwasserproduktion in den weiteren Filtern sicherzustellen. Zusammengefasst lässt sich feststellen, dass die Methoden und Werkzeuge des Arbeitsblatts DVGW W300-3 eine gute Voraussetzung auch für die Bewertung anderer Stahlbetonbauteile im direkten Kontakt mit der Trinkwasserproduktion haben. Aufgrund der speziellen Aufgabenstellung kommt es jedoch insbesondere im planerischen Bereich aber auch bei der Durchführung zu im Bereich der Trinkwasserspeicherung eher seltenen Herausforderungen, welche entsprechend zu lösen sind. Literatur [1] Arbeitsblatt W 300-3, Trinkwasserbehälter, Teil 3: Instandsetzung und Verbesserung, DVGW e.V., Bonn, 2014. [2] Arbeitsblatt W 213-3, Filtrationsverfahren zur Partikelentfernung; Teil 3: Schnellfiltration, DVGW e.V., Bonn., 2017. [3] DIN 19605 Festbettfilter zur Wasseraufbereitung - Aufbau und Bestandteile, DIN e.V., Berlin, 2016. [4] Merkblatt DVGW W 300-8, Trinkwasserbehälter; Praxishinweise Hygienekonzept: Neubau und Instandsetzung; DVGW e.V., Bonn, 2016. [5] Arbeitsblatt DVGW W 316; Qualifikationsanforderungen an Fachunternehmen für Planung, Bau, Instandsetzung und Verbesserung von Trinkwasserbehältern; Fachinhalte, DVGW e.V., Bonn, 2018. [6] Arbeitsblatt DVGW W 347; Hygienische Anforderungen an zementgebundene Werkstoffe im Trinkwasserbereich - Prüfung und Bewertung, DVGW e.V., Bonn, 2006. 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 151 Behälterbuch: Dreh- und Angelpunkt zur Planung des Trinkwasserspeicher-Managements gemäß dem Arbeitsblatt „DVGW W300-2“ Dokumentenhoheit und aufeinander aufbauende Knowhow- Fortschreibung in der Behälterbewirtschaftung - ein neues Niveau Peter Sudermann, M. Eng. Hochschule Koblenz Dipl.-Ing. (TH) Thomas Becker Becker Ingenieure GmbH, Grafschaft „Das Wasser ist das Element des selbstlosen Gegensatzes, das passive Sein-für-Anderes... Seine Determination ist das noch nicht Besondere zu sein; und damit ist es zu früh „die Mutter alles Besonderen“ genannt worden.“ (Hegel 1770 - 1831, Naturphilosophie, 2. Teil) Zusammenfassung Die Sicherung der Wasserqualität nach dem heutigen Wissensstand und somit dem Stand der Technik ist bei allem Nachfolgendem das Ziel. Die Fülle von Entscheidungen und Erkenntnissen, die im Lebenszyklus eines Trinkwasserspeichers auftauchen, haben mit dem Instrument „Behälterbuch“ nun einen Ort zur Dokumentation gefunden. Systematisch wiederkehrende Zustandserfassung unter Berücksichtigung der Hygiene sind ein längst überfälliges Werkzeug, um Aussagen über theoretische Restnutzungsdauer oder Sofortmaßnahmen treffen zu können. Strategien zur Behälterbewirtschaftung können somit eingerichtet, verfolgt oder geändert werden. Auf neue Erkenntnisse, wie hygienische Belastungen bestimmter Baustoffe oder Versagen von tragenden Bauteilen, kann dadurch gezielt, schnell und wirtschaftlich reagiert werden. Abb. 1: Anwendung des DVGW-Regelwerks der Reihe W 300 über den Lebenszyklus von Wasserbehältern in der Trinkwasserversorgung 152 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Behälterbuch: Dreh- und Angelpunkt zur Planung des Trinkwasserspeicher-Managements gemäß dem Arbeitsblatt „DVGW W300-2“ 1. Einführung Strukturen sind nur so gut, wie sich alle daran halten. Dies gilt ebenso für das Behälterbuch. Die Tatsache, dass das Thema der Hygiene im Trinkwasserbereich nach Jahrzehnten einen grundhaften Niederschlag in den Regelwerken des DVGW gefunden hat und auch in der Praxis „gelebt“ wird, kann als anerkannter Fortschritt bezeichnet werden. In den letzten Jahren wurde die Regelwerksreihe W300 1-4 stark überarbeitet und neu strukturiert. Das Regelwerk W300-2 beschreibt den Betrieb eines Trinkwasserspeichers. In Abbildung 1 ist ersichtlich, wie die Regelwerke differenziert wurden und wie diese im allgemeinen Zusammenhang stehen. Dabei wurde der gesamte Lebenszyklus eines Trinkwasserspeichers in all seine Phasen gegliedert. Ein Trinkwasserspeicher ist vom Lebenszyklus ca. 90 % in Betrieb. Die anderen 10 % teilen sich Neubau, Instandsetzung und Rückbau auf. Daher findet über die Betriebszeit ein dauerhafter Abgleich der technischen und hygienischen Randbedingungen eines Trinkwasserspeichers im Zusammenhang der Ergebnisse der geforderten Trinkwasserbeschaffenheit statt. Für diesen Abgleich ist es wichtig, den Ist-Zustand im Vergleich zum Soll-Zustand als wesentlichen Steuerungsparameter dauerhaft fortzuschreiben. Das Behälterbuch soll dabei Abhilfe schaffen. Das neu eingeführte Behälterbuch stellt eine standardisierte Mindestanforderung dar, die eine strategische Behälter-Bewirtschaftung ermöglicht und die die „Zahnräder“ aus Neubau, Betrieb, Instandsetzung bis hin zum Rückbau dauerhaft wirtschaftlich ineinandergreifen lässt. In der bald neu erscheinenden Version des W300-2 wird das Behälterbuch eingeführt und ausführlich beschrieben. Es gilt nun, diese Erkenntnisse aufzubauen und fortzuschreiben, in gewisser Hinsicht mit anderen etablierten Verfahren gleichzuziehen und wichtige Gesichtspunkte in einem Grundwerk zu verankern. 2. Asset Management und Instandhaltungsstrategien Zur Bewertung eines Trinkwasserspeichers ist es erforderlich, dass eine Bewertungsgrundlage vorhanden ist. Dabei spielt das Thema des Asset Managements eine wesentliche Rolle. Asset Management (dt. Anlagenbewirtschaftung) und die damit verbundene ganzheitliche Betrachtung der Trinkwasserinfrastruktur bilden dabei jegliche Bewertungsgrundlagen für eine (auf den Betreiber zugeschnittene) Netz- und Anlagenbewirtschaftung. Die Trinkwasserspeicher sind im Asset Management als Anlage im PDCA-Zyklus enthalten und werden daher ebenfalls im Bewertungskreislauf durch die 4 Einzelphasen „Planen-Durchführen-Bewerten-Verbessern“ (plan-do-check-act / PDCA) immer wieder neu bewertet. Dabei stellt das Thema Ganzheitlichkeit in der Unterteilung von Versorgungsnetz und Versorgungsanlage eine wesentliche Differenzierung fest. Diese Differenzierung hat zur Folge, dass ein „Netzverzeichnis“ und ein „Anlagenverzeichnis“ vorhanden sein müssen. Mit diesem Anlagenverzeichnis ist es dann möglich, (nach Bewertung der Einzelanlagen) einen „roten Handlungsfaden“ über eine Priorisierung von Planungs- und Instandhaltungsmaßnahmen festzulegen und ganzheitlich zu steuern. Die Bewertung eines Trinkwasserspeicher erfolgt (unabhängig von der Instandsetzungsstrategie) nach Neubauzustand, entsprechend W300-1. Dabei wird der Soll-Zustand eines Trinkwasserspeichers immer mit dem Ideal eines Neubaus festgelegt. Die Anforderungen des Soll-Zustandes dürfen dabei nicht gemindert werden und sind damit unabhängig vom Alter eines Trinkwasserspeichers. Die betriebliche Nutzzeit eines Behälters kann über den Lebenszyklus variieren, ist aber i.d.R. auf eine längstmögliche Betriebszeit ausgelegt. Bei Betreibern, - die ggf. nicht Eigentümer sind, - bei denen ggf. Konzessionsverträgen auslaufen, - etc… können durch das Asset Management auch abweichende Restnutzungsdauern der Anlagen festgelegt werden, mit dem Ziel der effektivsten Behälterbewirtschaftung. Als Hilfestellung für eine Strategieauswahl sind im W300-2 drei mögliche Herangehensweisen für Bewertungsstrategien aufgezählt, die auf eine einzelne Anlage (z. B. für einen Trinkwasserspeicher, Filterbecken, …) übertragbar sind: 1. Ereignisorientierte Instandhaltung oder Ausfallstrategie, d. h. Instandsetzung nur als Reaktion auf betriebsbedingte Schäden oder Fremdverschulden 2. Vorbeugende und Intervall orientierte Instandhaltung, d. h. Wartungs- und Instandsetzungsmaßnahmen in definierten Zeitabständen 3. Zustands- und risikoorientierte Instandhaltung oder Inspektionsstrategie, d. h. Instandhaltung, die sich am festgestellten IST-Zustand und an den Entwicklungstendenzen der Anlagen im Vergleich zu einem definierten Soll-Zustand orientiert Mit dem Hintergrund eines Asset Managements werden viele Teilprozesse parallel gestellt und laufen nahezu zeitgleich ab. Daher ist es erforderlich, eine gute allgemeine Übersicht über die Einzelanlagen anzufertigen / fortzuschreiben. Nur so ist es möglich, zielgerichtet und wirtschaftlich die erforderlichen Maßnahmen gegeneinander abwägen zu können. 3. Anlagenverzeichnis Das in Kapitel 2 beschriebene Anlagenverzeichnis ist eine Aufzählung der Einzelanlagen, die eine ganzheitliche Betrachtung ermöglicht. Dabei ist davon auszugehen, dass die grundlegenden Informationen zu den einzelnen Anlagen (inkl. Einzelbewertung mit Maßnahmenkatalog) vorhanden sind. Für eine Priorisierung von Maßnahmen sind für die Anlagen der Trinkwasserspeicherung mindestens folgende Informationen sinnvoll: - Name der Anlage - Funktion der Anlage 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 153 Behälterbuch: Dreh- und Angelpunkt zur Planung des Trinkwasserspeicher-Managements gemäß dem Arbeitsblatt „DVGW W300-2“ - Eigentümer / Betreiber - Anschrift / Verortung / Ortsteil - Gemarkung/ Flur/ Flurstück - Baujahr - Planunterlagen vorhanden (ja/ nein) - Art der Konstruktion (Stahlbeton/ Edelstahl/ GFK/ .) Es empfiehlt sich, diese Datenstruktur digital zu erstellen und diese laufend fortzuschreiben. Dies spiegelt sich im Allgemeinen im Asset Management wider und wird über den PDCA-Zyklus immer wieder überprüft. Zur Bewertung einer einzelnen Anlage ist es aber erforderlich, zusätzliche weiterführende (Detail-)Informationen zusammenzutragen. Dazu dient das Behälterbuch- 4. Das Behälterbuch Grundsätzlich handelt es sich dabei um ein Dokument. Eher gesagt handelt es sich um einen „lebenden Datencontainer“, dem sogar unter Umständen ein eigenes Leben eingehaucht werden kann. Dabei sollten im Wesentlichen alle wichtigen Informationen mit einer Datei abruf bar sein, um den Ist-Zustand des Behälters in wenigen Schritten ermitteln zu können. Bei der Ausgestaltung eines digitalen Behälterbuches hat es sich bewährt, dass i.d.R. eine Hauptdatei erstellt wird, an die die dazugehörigen Nebendateien angeheftet oder verlinkt werden. Das Behälterbuch enthält den Ist-Zustand mit mindestens folgenden Informationen: - Gebäudefugen (ja/ nein) - Behältervolumen (je Kammer / mit Höhenlage) - Oberflächen in m² (Wand/ Boden/ Decke) - Material mit Trinkwasserkontakt (mineralisch/ organisch/ anorganisch) - Begehungsrhythmus - Instandsetzungsmaßnahmen + Zeitpunkt - Bewertung (zeitbezogen kurz-/ mittel-/ langfristig oder anhand Bewertungsmatrix mit Begehungsnote) - Begehungsprotokolle chronologisch abrufbar Durch die regelmäßigen Begehungen ist es erforderlich, dass Veränderungen und Besonderheiten gewissenhaft dokumentiert werden. Nach der Feststellung ist es erforderlich, diese im Einzelnen aber auch in der Grundgesamtheit zu bewerten. Sofern eine Vielzahl von Einzelanlagen im Anlagenverzeichnis vorhanden ist, ist es empfehlenswert, eine Bewertungsmatrix zu generieren. Mit diesem Bewertungsinstrument kann dann das Behälterbuch mit einer Benotung des Bauwerkszustands abschließen (in Anlehnung an die Prüf berichte von turnusmäßigen Bauwerksprüfungen nach DIN 1076). Mit einer Benotung ließe sich erkennen, wie sich der Ist- Zustand im Laufe der Zeit ändert und ob Maßnahmen zur Verbesserung kurz- oder langfristig ergriffen werden sollten oder müssen. Sofern möglich kann sogar z. B. über eine SAP-Programmierung standardisierte Eintragungen von Veränderungen, Beobachtungen und auch Maßnahmen erfolgen. Somit kann die Vorgehensweise inkl. der Bewertung erleichtern/ vereinheitlicht werden. Zudem können Randbedingungen und Maßnahmen festgehalten werden, die eine automatisierte Rückmeldung über z. B. erforderliche Begehung/ Reinigungen/ Filterwechsel usw. rechnergestützt an die verantwortliche Person meldet. Die Erfahrung aus Projekten hat gezeigt, dass die konkrete Umsetzung besonders gut über eine geschickte Ordner- und Dateibenennung selbst fortschreibend und selbsterklärend entsteht. 5. Die Behälterakte Als wesentliches Grundlagendokument gelten die eingereichten Genehmigungsunterlagen inkl. des Genehmigungsbescheides. Damit werden in der Regel eine verschriftliche Beschreibung des Funktionsbauwerkes inkl. Lageplan, Grundrisse, Schnitte, Zu- und Ableitungsplan von Ab-/ Wasser, technische Ausrüstung, standsicherheitstechnische Bewertung (Statik), erf. Zusatzbauwerke (z. B. Schächte, Abfangungen), Bewehrungspläne etc. zusammengefasst und der zuständigen Behörde zur Genehmigung vorgelegt. Bei der Errichtung eines Bauwerks ist bei der Auswahl von Bau- und Bauhilfsstoffen im Vorfeld die Verwendbarkeit im Trinkwasserbereich sicherzustellen. Daher werden bereits vorher Zusatzinformationen zusammengetragen, die ebenfalls in der Grundgesamtheit der Dokumentation zusammenzutragen sind. Dabei sollten u. a. mindestens folgende Punkte ebenfalls dokumentiert werden: • Inhaltsverzeichnis als Übersicht aller Unterlagen • alle mit Genehmigungsvermerk versehenen Zeichnungen samt Verzeichnis • alle mit Prüfvermerk versehenen Standsicherheitsnachweise samt Inhaltsverzeichnis • Stahllisten einschließlich Mengenberechnungen für Stahlbeton- und Spannbetonbauwerke oder -bauteile • bei Spannbetonbauwerken mit nachträglichem Verbund, Vorspannprotokolle und Auspressprotokolle • Stücklisten einschließlich Mengen- und Beschichtungsflächenberechnungen für Bauteile oder Bauweisen • Untersuchungsergebnisse, • Gutachten (Baugrund, Baustoffe) • Vermessungsergebnisse (baubegleitende Messungen und Nullvermessung nach Fertigstellung usw.) • Allgemeine bauaufsichtliche Zulassungen, Eignungsprüfungen • Zustimmung im Einzelfall • Abnahmezeugnisse, Gütenachweise • Liste der verwendeten Baustoffe mit Angabe der Lieferanten und Hersteller • Bautagebücher • Angaben über Baugeschichte und Bauabläufe • Unterlagen über spätere Änderungen und Umbauten • Bestandsübersichtszeichnungen • Alle Bestandsunterlagen, die entsprechend dem Prüf- und Genehmigungsverfahren und der Bauausführung berichtigt sind. • Zusammenstellung der Kostenabrechnungen des Bauwerks • wesentliche Verträge, insbesondere Bau-, Gestattungsverträge und Vereinbarungen 154 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Behälterbuch: Dreh- und Angelpunkt zur Planung des Trinkwasserspeicher-Managements gemäß dem Arbeitsblatt „DVGW W300-2“ • behördliche Genehmigungen und Urkunden • Betonrezeptur • Auswahl und hygienische Nachweise der Betonausgangsstoffe, • Wasseranalysen, die zum Zeitpunkt der Planung vorlagen • Datenblätter und hygienische Nachweise von z. B. Mauerstärken, Hüllrohre der Spannanker, Schalungsbahnen, … • Hygienekonzept(e) zur Errichtung des Bauwerks • Bauablaufpläne • Pläne und Skizzen, die vom Bausoll abweichend ausgeführt wurden • Leistungsverzeichnisse der Maßnahme(n) • Ergebnis der Dichtigkeitsprüfung(en) • Abnahmeprotokoll(e) Mit der Zusammenführung dieser Einzelinformationen wird ein fundamentaler Grundbaustein für die Zustandserfassung und Bewertung (im Vergleich Soll-Zustandes und Ist-Zustandes) gelegt. Für die Instandhaltung von Trinkwasserbehältern ist grundsätzlich ein Instandhaltungskonzept und ein Instandhaltungsplan bereits bei Neubauten (sonst auch später im laufenden Betrieb) zu entwickeln (angepasst an das Asset Management). Mit Hilfe von Ergebnissen und Beobachtungen aus Wartung und Inspektion lässt sich ein Instandsetzungsbedarf feststellen. Wird im Betrieb festgestellt, dass Zustand, Größe und Funktion eines Trinkwasserbehälters nicht mehr den Bedürfnissen oder Anforderungen des Wasserversorgungsunternehmens entsprechen, muss im Zuge der Instandsetzungsplanung die Sanierung gemäß DVGW W 300-3 (A), Neubau gemäß DVGW W 300-1 (A) oder die Stilllegung des Trinkwasserbehälters in Erwägung gezogen werden. Die Risikoanalyse gibt Auskunft über das Gefährdungspotenzial und die Dringlichkeit der Instandsetzungsmaßnahmen. Die hier generierten Empfehlungen werden in das Anlagenverzeichnis übertragen und folglich eine Priorisierung der Instandsetzungsmaßnahmen festgestellt. Anhand dieser Vorlage ist es dann dauerhaft möglich, die notwendigen Mittel in den Wirtschafts- und Investitionsplänen zu verankern. Nur über diese ganzheitliche Betrachtung ist eine wirtschaftliche Instandhaltung möglich. Die wesentlichen Vorteile dieser Herangehensweise für eine Behälterbewirtschaftung sind • lückenlose Dokumentation • nahtloser Übergang von Mitarbeitergenerationen • gleiche Grundlagenbasis aller Projektbeteiligten • keine dauerhafte Datenübertragung an neue Projektpartner • i.d.R. einmalige Einrichtung der Einsichts-/ und Zugriffsstruktur • verfolgbare Bauhistorie • Sicherstellung der Daten-Vollständigkeit • schnelle Zugriffsmöglichkeit auf Unterlagen • bei auftretenden Schäden ist eine schnelle Ursachenforschung und deren Behebung möglich • Kosteneinsparungen • im Schadensfall Entlastung der Verwaltung • Bauwerksprüfungen erst möglich • Verlängerung des Lebenszyklus • Erleichterung bei der Beantragung von Fördergeldern • Planen von Maßnahmen an Bauteilen fundiert erst möglich • Bereitstellen von Haushaltsmitteln • Einsparen von Verwaltungsarbeit • Team-Gedanke durch gemeinsame und transparente Sichtweise und Handlungen (bis hin zum Wassermeister) Das Behälterbuch ist in der Regel digital und daher auch mit Suchfunktionen der OCR erkannten Pdf-Dateien leicht lesbar. Es ist die Grundlage für jegliches weitere Arbeiten und der Ablageort für aller Untersuchungen am Bauwerk in seinem Lebenszyklus. 6. Szenarien Im Folgenden werden Szenarien geschildert, die dem Leser vielleicht bekannt vorkommen. Es wird aus den Erfahrungen mit konkreten Projekten berichtet. 6.1 „Wir haben nichts.“ (Szenario 1) Die Behälter sind oft mehr als 80-100 Jahre in Betrieb. Dem entsprechenden Sachbearbeiter werden keine Unterlagen für das Bauwerk vom Vorgänger übergeben. Da der Sachbearbeiter auf Unterlagen der analogen Welt angewiesen ist, die aber sehr oft unsortiert oder aufgrund von Umzügen, Hochwasser oder Umstrukturierungen verloren gegangen sind, akzeptiert er zwangsläufig diesen Zustand. An diesem Punkt angelangt, resigniert der Sachbearbeiter und gibt sich mit dem „wir haben nichts“ zufrieden. Die Erkenntnis, dass ein Behälter ohne Genehmigungsunterlagen überhaupt betrieben wird, ist eigentlich aus der Sicht eines Planers nur schwer nachvollziehbar und riskant, da es doch diverse Methoden gibt, diesen Missstand aufzuarbeiten. Letzteres ist dabei vielen nicht bekannt. 6.2 „Wir haben das alles analog.“ (Szenario 2) Diese Aussage wird oft im gutmütigen Verlassen auf die Aussagen von nicht Verantwortlichen getroffen. Die Prüfung der Unterlagen auf Vollständigkeit bedeutet eine komplexe fachliche Prüfung. Am Beispiel der Unterlagen des Prüfingenieurs wird dies klar. Dieser verfasst im Laufe eines Projektes, je nach Fortschritt und Vorlage der Unterlagen, Prüf berichte. Je nach Bauwerk können es Berichte bis zu einer Anzahl von 15 oder mehr sein. Jeder Prüf bericht umfasst eine Liste der Anlagen. Bei den Angaben zu den Anlagen gilt es festzustellen, ob diese auch mit der entsprechenden Plannummer und Datum vorliegen. Ebenfalls wird in den Prüf berichten der vorliegende Plan der Objektplanung (Architektenplan) sowie das Bodengutachten aufgeführt. Bei den statischen Berechnungen wird stets die Anzahl der Seiten aufgeführt. Der zentrale Satz beim letzten Prüf bericht zum Abschluss eines Projektes ist die folgende Feststellung, dass die Prüfung abgeschlossen ist. Fehlt dieser Satz, hat man es mit 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 155 Behälterbuch: Dreh- und Angelpunkt zur Planung des Trinkwasserspeicher-Managements gemäß dem Arbeitsblatt „DVGW W300-2“ einer noch nicht abgeschlossenen statischen Prüfung zu tun. Alle Unterlagen sind in der Regel grün (die Farbe der Bauaufsicht) gestempelt und mit grünen Eintragungen versehen. Sogenannte gleichgestellte Pläne dienen nur der Verteilung auf der Baustelle und sind jedoch keine amtlichen Dokumente für das Behälterbuch. Die Digitalisierung bietet zur Ablage hierzu eine gute Möglichkeit, die Vollständigkeit der Unterlagen zu überprüfen oder ggfs. zu ergänzen. Das kann in der Regel kein Scandienst, sondern nur eine ingenieurtechnische Fachkraft, die beim Sortieren und Bezeichnen der Dateien oder ggfs. im Nachgang eine Prüfung auf Vollständigkeit vornimmt. 6.3 Der Weg ist das Ziel Es geht in diesem Beitrag nicht darum, Probleme ohne Lösung aufzuzeigen. Es geht darum, die Gewichtung der Dokumentation zu erkennen und eine Systematik darzustellen, wie auf Erreichtem aufgebaut werden kann. Die Ablage und Benennung von Dateien ist ein zentraler Punkt in jedem Büro und jeder Behörde. Leider fehlt es oft an Beispielen oder Vorgaben. Aus Angst vor dem Spruch; „Das haben wir noch nie so gemacht“, werden die neuen Wege nicht beschritten. Leitplanken, Regeln und Empfehlungen sind wie im Straßenverkehr das Rückgrat einer jeden Institution. Ein Behälterbuch neu anzulegen, ist ein Weg, der unausweichlich und erforderlich ist. Späte oder „erst jetzt“- Einsteiger haben sogar die Gnade des späten Einstieges. Durch die starke Fluktuation in Behörden, Ingenieurbüros und Bauwirtschaft in Kombination mit einem Fachkräftemangel von immensem Ausmaß ist das Thema Dokumentation in einem Behälterbuch sinnvoll verortet. Wertvolle vorliegende Unterlagen können bei weiteren Maßnahmen verwendet werden. 7. Neubau/ Umbau Man stelle sich den Fall vor, dass ein Bauwerk umgebaut werden muss und die geprüften Unterlagen des Bestandes nicht vorliegen. Der Prüfingenieur des An- oder Umbaus muss nach Gesetzeslage mit seiner Bescheinigung auch die Verantwortung für die alten Bestandsbauten übernehmen. Warum soll er das tun, wenn er dafür kein zusätzliches Honorar bekommt? Um diese Problematik zu umgehen, sucht der Ingenieur eine für das einzelne Bauwerk betrachtet unwirtschaftliche Lösung. Die Herangehensweise wird sich in der Regel auf die Entkopplungen des bestehenden statischen Systems beziehen. Dies stellt zwar eine für ihn gute Lösung dar, führt jedoch schlussendlich zu wesentlich höheren Baukosten. Durch den Verlust der Dokumente wird ein riesiger volkswirtschaftlicher Schaden produziert, der durch eine Digitalisierung der Unterlagen und durch fachliche Prüfung, z. B. durch ein Ingenieurbüro, vermeidbar wäre. Durch eine Prüfung auf Vollständigkeit werden aus Erfahrungen in der Praxis oftmals viele sehr wichtige und neue Erkenntnisse erlangt, die wegweisend für den weiteren Umgang mit dem Bauwerk sind. 8. Technische Verwaltung von Bauwerken Strukturierungsverfahren, wie kaufmännische Bilanzen, ein neues kommunales Finanzmanagement (NKF, Doppik in RLP) sind Instrumente aus einer komplett anderen Blickrichtung und mit einem ebenso unterschiedlichen Ziel. Es ist daher wichtig und sinnvoll, bei fehlender oder nicht vollständiger digitaler Archivierung die „technische Verwaltung“ der Bauwerke mit einzubeziehen. Damit können die Daten gepflegt, bewirtschaftet und geordnet werden. Diese Betrachtungen führen zum Kernpunkt, nämlich der Verortung der Bauwerke und der anschließenden systematischen Auflistung, um die dazugehörigen Unterlagen abschließend und vollständig verwalten zu können. 8.1 8.1 Hosting Im Bereich der Ingenieurbauwerke nach DIN 1076 hat der Bund ein umfangreiches Programmierprojekt in Auftrag gegeben, das künftig wohl alle Träume zur Archivierung und zur Dokumentation der Unterlagen erfüllen könnte. Dabei werden die Daten an einem Ort des Bauherrn verwaltet. Zum Zugriff auf die Daten muss der Bauherr diese dann nur noch freischalten. Der digitale Ablageort der Unterlagen muss dabei sicher gewählt sein und ein Kontrollmechanismus muss über die Ausgabe der Daten, z. B. an ein Ingenieurbüro oder eine Baufirma, auch die Eingabe der neuen Daten überwachen. Wenn eine Verwaltung technisch und personell nicht dazu in der Lage ist, sollte sie diese Leistung fremd vergeben. Dabei müsste es Bedingung sein, dass mit einem Handbuch und mit erläuternder Videoserie die Prozesse dokumentiert werden. Es wird im Laufe der Zeit der Tag kommen, an dem ein neuer Sachbearbeiter nach den Unterlagen zur Einarbeitung fragt. Mit Hilfe von dem Handbuch und zusätzlichen Videos ist ein weiteres Arbeiten mit „Dokumentationsfluss“ möglich. Es empfiehlt sich, parallel eine Zertifizierung nach ISO 9001 einzubeziehen, die eine festgelegte Struktur für alle Arbeitsbereiche fordert (z. B. Gefahrenanalysen, Projektarbeit, Qualitäts- und Risikomanagement, u. s. w.) 8.2 Bauwerke Es ist sehr wichtig, ein Bauwerk nach System und fachlich richtig einzuordnen. Aus der Ausschussarbeit in DIN, VDI, DVGW und DWA hat sich folgende Terminologie entwickelt, in dem man die Bezeichnung der Bauwerke wie folgt unterteilt: Bauwerke: - Punktförmige Bauwerke - Gebäude - Ingenieurbauwerke - Linienförmige Bauwerke - Entsorgungsleitungen - Versorgungsleitungen - Kommunikationsleitungen - Verkehrsanlagen - Energieversorgung - Steuerungsleitungen 156 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Behälterbuch: Dreh- und Angelpunkt zur Planung des Trinkwasserspeicher-Managements gemäß dem Arbeitsblatt „DVGW W300-2“ 8.3 Erkenntnisse nach einer Großschadenslage Die Flutkatastrophe im Ahrtal war bekanntlich eine der schlimmsten Katastrophen der Geschichte der Bundesrepublik. Alle analogen Unterlagen in Archiven, die meist in Kellerräumen lagerten, waren vom ganzen Tal plötzlich fast weg. Auch auf die digitalen Unterlagen konnte nicht sofort zugegriffen werden. Dies lag z. B. am kompletten über Wochen existierenden Stromausfall, an den Zerstörungen der Hardware oder daran, dass der entscheidende Sachbearbeiter fehlte. Durch die Zuhilfenahme von verschiedenen unterschiedlich gesteuerten Strukturen wie der Feuerwehr, der ADD (Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion = Bezirksregierung in anderen Bundesländern), dem Katastrophenschutz auf Bezirksebene, der Polizei, den Kommunen, dem Land, dem THW oder dem Bund stellte sich heraus, dass es zur Zeit an einer Vernetzung und an einem gemeinsamen Zugriff auf Grunddaten fehlt. Um schnell Zugriff auf Daten zur Gefahrenabwehr zu haben, müssten Alarm- und Katastrophenpläne vernetzt, vorhanden und aktualisiert sein. Darüber hinaus stellte sich als eine weitere Schwierigkeit heraus, was von verschiedenen Verbänden bereits bestätigt wurde, dass die Organisationseinheiten der Kommunen gerade für den Katastrophenschutz grundsätzlich zu klein sind. Es ist eine große Herausforderung für größere Schadenslagen, Strukturen zu entwickeln, die im Katastrophenfall allen Nutzern dienen können, die Arbeit weiterzuführen. Der Grundstein wäre, die Unterlagen der wichtigen Infrastruktur zugänglich zu haben. Eine Mitarbeiterin einer größeren Stadt übergab nach dem Hochwasserereignis einen Aktenordner mit der Zusammenfassung aller Ergebnisse der Kampfmittelräumung im Stadtgebiet von Bad Neuenahr-Ahrweiler. Nachdem dieser Ordner durch unser Büro digitalisiert wurde und per A4-Blatt mit QR-Code verteilt wurde, spiegelten die hohen Zugriffszahlen den hohen Nutzen für die Verantwortlichen wider. Bestandspläne von Bauwerken waren in der Katastrophe nicht verfügbar. Analoge Ausdrucke, die sicher gelagert und jährlich überarbeitet würden, könnten ein wichtiges Instrument aller Katastrophen sein. QR- Codes mit Verweis auf digitale Ablageorte der Pläne wären wunderbare Erweiterungen für alle Helfer. Im Nachgang zur Katastrophe enthält der folgende Satz eine Lehre: „Eine Vorbereitung kann man nicht nachholen.“ 8.4 8.4 Bauwerkserfassung Mit folgenden Szenen leite ich dieses Kapitel ein: 1. „Herr Becker, hier ist eine Stützwand eingestürzt und wir wussten nicht einmal, dass sie uns war.“ 2. „Herr Becker, BIM? , ich bin froh, wenn meine Kolonnen an der richtigen Stelle die Baustelle durch eine Schachtung finden.“ Unter einer Bauwerksaufnahme versteht man zum Beispiel, einen Ortstermin am Bauwerk durchgeführt zu haben. Dabei wird im Ergebnis ein Datenblatt erstellt, auf dem die Bauwerksdaten verzeichnet sind. Neben der Verortung mit GPS-Daten, der Bezeichnung des Bauwerks und der verantwortlichen Organisation sowie dem Eigentümer und den entsprechenden Ansprechpartnern entsteht ein erster sehr entscheidender Datensatz. Eine Bauwerkserfassung von 0 auf 100 mit einem plattformbasierten 3-D-Modell, allen Daten in Form von digitalen Post-Its an Untermodellen und mit Auswertungsmöglichkeiten jeglicher Art zu erreichen, ist vollkommen unrealistisch. Eine Verwaltung würde sich in der Nutzung schwertun und die Kosten für eine komplette sofortige Bauwerkserfassung überlastet jeden Haushalt. Daher hat sich eine schrittweise Vorgehensweise in der Praxis als sinnvoll erwiesen. Eine E-Mail-Anbindung eines 3-D-Modells könnte so funktionieren: Das intelligente System erkennt, dass der Wasserschieber in der Straße auszutauschen ist und eine automatische E-Mail wird dadurch zur Meldung und zur Bestellung ausgelöst. Um in die Erfassung eine Struktur hineinzubringen, kann diese in 9 Schritte unterteilt werden, die aufeinander auf bauen. In den folgenden Abschnitten werden diese Schritte grob beschrieben: 8.4.1 Ortstermin Beim Ortstermin werden Foto- und ggfs. Videoaufnahmen gemacht, die GPS-Daten werden notiert und eine Einstufung der Bauwerke hinsichtlich verschiedener Regelungskreise wird vom Fachmann erarbeitet, die die folgenden Fragestellungen berücksichtigen: - Was sind Ingenieurbauwerke nach DIN 1076? - Was sind Gebäude nach VDI 6200? Die Ergebnisse werden nach VDI 6199 zur Bauwerksinspektion gemeldet. Das Ergebnis des Ortstermins zur Bauwerksaufnahme ist ein Datenblatt im DIN- A4 Format. 8.4.2 Handskizze Die Handskizze kann vom erfahrenen Ingenieur angefertigt werden. Sie beinhaltet alle wichtigen Maße und eventuell wichtige Informationen der Umgebung. Die Daten der Vermessung können parallel als 3-D-Vermessung genommen werden. Nach dem Erstellen der Handskizze sind alle weiteren Schritte entkoppelt und die Fertigung weiterer Unterlagen erfolgt ohne Zeitdruck. Fachleute können nun auch im Notfall umgehend kommunizieren. 8.4.3 Handskizze mit verbesserter Ausarbeitung im Büro Nach dem Ortstermin und Aufmaß erfolgt eine Auswertung und Nachbereitung im Büro. Die Fotos werden in PDF-Dateien umgewandelt, zur Dokumentation beschriftet (jeweils ein Foto auf ein A4 Blatt) und eine aussagekräftige Auswahl zusammengestellt. Die bestehende Handskizze wird ggfs. ergänzt oder neu gezeichnet. Durch farbliche Markierungen werden Informationen kenntlich gemacht. 8.4.4 Bauwerksskizze Die Bauwerksskizze wird in der Regel im M.1: 100 auf einem CAD System erstellt. Hierbei ist es wichtig, dass nur die wichtigsten Maße eingetragen sind. Eine Überfrachtung mit Maßketten ist nicht von Vorteil. 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 157 Behälterbuch: Dreh- und Angelpunkt zur Planung des Trinkwasserspeicher-Managements gemäß dem Arbeitsblatt „DVGW W300-2“ Höhen, Volumen, Füllstände, Durchmesser, grundlegende Maße werden in Form einer ersten technischen Zeichnung zusammengestellt. PDF- und DWG-Dateien sind dafür praxistaugliche Standardformate, die bei einer Abnahme auch getestet werden sollten. Eine gute eindeutige Dateibezeichnung ist von immenser Bedeutung. Die Dateinamen dürfen sich nur durch die Dateienart unterscheiden. 8.4.5 Bestandsplan Der Bestandsplan kann als Ergebnis einer LIDAR-Vermessung erstellt werden. Idealerweise wäre dieser nach Abschluss des Baus erfolgt. Kontrollmessungen werden genommen. Die Statik und die Schalpläne dienen als Grundlage. Der Scan muss unter Berücksichtigung der Hygienebedingungen durchgeführt werden. Idealerweise könnte dieser bei Behälterreinigung bei bestehenden Bauwerken durchgeführt werden. 8.4.6 3-D-Model Ein 3-D-Bestandsmodel im 3-D-Pdf, Dwg oder in anderen 3-D-Formaten kann zur Überprüf barkeit von vielen Faktoren extrem hilfreich sein. Es besteht mit dieser Aufzeichnung zum Beispiel durch Übereinanderlegen der Außen- und Innenvermessung die Möglichkeit, die Stärke der Erdüberdeckung zu überprüfen. 8.4.7 IFC Modell IFC ist ein BIM-Format, das zur Zeit noch regelmäßig weiterentwickelt wird. Hier haben 3-D Körper zusätzlich eine Funktion, wie „Wand“. Hier folgen in den nächsten Jahren noch Anpassungen an die Bedürfnisse des Behälterbaus (Überlauf, Zulauf, Entleerung, ...). 8.4.8 Viewer optimiert Dalux oder andere Viewer sind heute ohne Probleme auf dem Handy nutzbar. Die Erfassung durch eine Kamera und einen Plan können vor Ort im Livebild oder am PC übereinandergelegt werden. Die Messdaten werden somit handlich und sind sofort abruf bar. 8.4.9 Plattform Plattformen haben das Ziel, Synergien zu finden und eine Leichtigkeit in die Pflege der Daten zu bringen. Homeoffice und andere neue Arbeitsweisen stellen kein Problem mehr dar, da von überall auf die gleichen Daten zugegriffen werden kann. Die Übertragung, das Downloaden und die Berechtigung zum Abruf erfolgt per „Link“. 8.4.10 Bauwerksname Als Bauwerksnamen sollten einheitliche Begriffe verwendet werden. Bewährt haben sich dafür die Begriffe der Objektlisten gemäß den Anlagen der HOAI. 8.4.11 Feuerwehr und THW Vielen ist nicht bekannt, dass das THW als Bundesbehörde in Großschadenslagen durch den Betreiber oder die Feuerwehr durch das Mittel der Amtshilfe zur Verfügung stehen würden. Dies gilt auch für Übungen. Die entsprechenden Ortsverbände freuen sich über Anfragen. Sie können aber nicht aktiv auf Betreiber zugehen, so dass sie auf eine Zuhilfenahme warten. Vereinbarungen zur Betrachtung von Noteinspeisungen und Notbrunnen sollten zur Vorbereitung vor Katastrophen getroffen werden. 8.4.12 digitale Umsetzung Es hat sich bewährt die ersten Schritte mit einem erfahrenen Kollegen durchzuführen und durch permanente Links abzugleichen. Hat der Betreiber die Kapazität und Erfahrung nicht, so kann er ein Ingenieurbüro beauftragen, welches in der Sache Erfahrung hat und hier über regelhafte Austausch E- Mail synchron das Laufwerk entsprechend füllen. 8.4.13 Kosten der Bauwerkserfassung Da eine solche Aufgabe auch von Bauherrenseite regelhaft überprüft und entgegengenommen werden muss, sollte dies per E-Mail erfolgen und kann daher nur über monatliche Kosten kalkuliert werden, die dem entsprechen als wenn man einen Bauzeichner mit Erfahrung im Behälterbau, geführt von einem Ingenieur Um das Projekt angehen zu können sollte man mit Haushaltsmitteln von 125T€ pro Jahr rechnen. Je nach Größe des Netzes und der Anzahl der Bauwerke und dem Rekonstruktionsbedarf von wichtigen Unterlagen verlängert sich die Arbeit jeweils. 8.5 Bauwerksmanagement Auf der Grundlage der Bauwerkserfassung kann nun die Bewirtschaftung oder das Bauwerksmanagement erfolgen. Dies besteht dadurch, dass Fragen und Aufgabestellungen professionell beantwortet werden können. Hier einige beispielhafte Aufgaben: 1. Entsprechen meine Behälter noch den Stand der Technik? 2. Wann muss welcher Behälter erneuert werden, um Reserven im Netz vorhalten zu können? 3. Wie muss reagiert werden, um ein Risiko oder eine Gefahr zu beseitigen, wenn z. B. eine schlechte Wasseranalyse vorliegt? 4. Verfügt man an allen Stellen des Netzes über eine ausreichende Ausfallsicherheit? 5. Können alle aussagekräftigen Unterlagen für den Fall einer Katastrophe beim THW hinterlegt werden? 9. Ausblick Die Realisierung des Behälterbuchs ist eine Aufgabe von nationaler Bedeutung und zur Versorgung unserer Bevölkerung ein elementarer Baustein, in dem Wissen von unschätzbarem Wert als Handbuch zum Bauwerk gesammelt wird. Der wirtschaftliche und technische Umgang mit unserer sensiblen Lebensgrundlage „Wasser“ steht im dauerhaften öffentlichen Interesse. Daher sind die Vereinheitlichung und Systematisierung von Planung, Durchführung und Betrieb unser Versorgungsanlagen ein elementarer Baustein für unsere generationenübergreifende Infrastruktur der Wasserversorgung. 158 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Behälterbuch: Dreh- und Angelpunkt zur Planung des Trinkwasserspeicher-Managements gemäß dem Arbeitsblatt „DVGW W300-2“ Literatur [1] DVGW W 300-1 „Trinkwasserbehälter Teil 1; Planung & Bau“ [2] DVGW W 300-2 „Trinkwasserbehälter Teil 2; Betrieb und Instandhaltung“ [3] DVGW W 300-3 „Trinkwasserbehälter Teil 3; Instandsetzung und Verbesserung“ [4] DVGW W 300-4 „Trinkwasserbehälter Teil 4; Werkstoffe, Auskleidungs- und Beschichtungssysteme „ [5] DVGW W 300-5 „Trinkwasserbehälter Teil 5; Bewertung der Verwendbarkeit von Bauprodukten für Auskleidungs- und Beschichtungssysteme“ [6] DIN 1076, „DIN 1076, „Ingenieurbauwerke im Zuge von Straßen und Wegen“ [7] VDI 6200, „Standsicherheit von Bauwerken - Regelmäßige Überprüfung“ [8] VDI 6199, Bauwerksinspektion Werkstoffe - Dauerhaftigkeit 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 161 Leitbild: Alkalische Bewehrungsüberdeckung, Betonrandzonenqualität ohne Realkalisierungseffekte und Betonüberdeckung Praktische Auswirkungen der geänderten Instandsetzungs- und Auskleidungssytematik bezüglich des Einsatzes polymerer Epoxidharzsysteme Dr. Ludger Boonk Vorrink Stahl- und Betonschutz GmbH & Co. KG, Gronau Zusammenfassung Die Realkalisierung von nicht alkalischen Betonrandzonen durch zementgebundene Auskleidungssysteme und die damit verbundene „homogene“ Erhöhung der alkalischen Betondeckung als Sanierungsprinzip wurde durch Forschungsarbeiten widerlegt. In der Folge sind zementgebundene Auskleidungen auf einer nicht alkalischen Betonrandzone im Prinzip wie Beschichtungen zu werten. Bei der Überarbeitung des Arbeitsblattes W 300 fließen diese Erkenntnisse ein und führen zusammen mit anderen Veränderungen, vor allem im W 300-3, zu Modifikationen der bisherigen Systemanforderungen. 1. Einführung Neben anderen Teilen befindet sich auch das W 300-3 (Instandsetzung und Verbesserung) gegenwärtig in der Überarbeitung. Ein wesentlicher Gesichtspunkt ist die veränderte Sicht auf das Instandsetzungsprinzip der Realkalisierung und die Qualität der Betonrandzone. Mit neueren Forschungsergebnissen ließen sich die bislang gültigen Vorstellungen einer funktionierenden Realkalisierung nicht mehr halten. Das führte zu entsprechenden Konsequenzen in der Beurteilung der Auskleidungsprinzipen und der Instandsetzungsverfahren für die Sanierung von Trinkwasserbehältern. 2. Expositionsklasse X TWB Da an Betone im Kontakt mit Trinkwasser besondere Anforderungen an die Hygiene (Migration, Mikrobiologie, Oberflächenbeschaffenheit) und die Hydrolysebeständigkeit (Auslaugung/ Hydrolyse des Betons, Absenkung der Alkalität Festigkeit) gestellt werden, wurde im DVGW-Arbeitsblatt W 300 die Expositionsklasse X TWB eingeführt. Daraus resultieren Anforderungen an die Zusammensetzung und die Verarbeitung von Auskleidungssystemen. Die von Wasserqualität und Betriebsparametern beeinflussten, zeitabhängigen Werkstoffveränderungen wie z. B. Auslaugung u. Alterung sollen zu keinem Zeitpunkt den Mindest-Sollzustand (Abnutzungsgrenze) unterschreiten. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit sich planmäßig mit der Instandhaltung auseinander zu setzen. 3. Instandhaltung Die DIN 31051 strukturiert die Instandhaltung in die vier Grundmaßnahmen. • Wartung: alle Maßnahmen zur Verzögerung des Abbaus des vorhandenen Abnutzungsvorrats zur Erhaltung des Instandhaltungsobjektes • Inspektion: alle Aktivitäten, die dazu beitragen, den aktuellen Zustand eines Instandhaltungsobjektes zu erfassen und zu beurteilen • Instandsetzung: alle Aktivitäten an einem fehlerhaften Objekt zur Wiederherstellung des definierten Soll- Zustandes • Verbesserung: alle Aktivitäten zur Steigerung der Zuverlässigkeit und der Schwachstellenbeseitigung, ohne das Objekt in seiner ursprünglichen Funktion zu ändern Abb. 1 Schematische Darstellung von Wartung, Instandsetzung und Verbesserung [1] 162 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Leitbild: Alkalische Bewehrungsüberdeckung, Betonrandzonenqualität ohne Realkalisierungseffekte und Betonüberdeckung Veränderungen und bedenkliche Zustände sowohl für die Trinkwasserqualität als auch im weiteren Verlauf für die Konstruktion finden sich zunächst in der äußeren Betonschicht, der sogenannten Betonrandzone. Die Ursachen für eine beeinträchtigte Betonrandzone, die gleichzeitig die Trinkwasserkontaktzone darstellt, können vielfältig sein. Neben den zeitabhängigen Effekten wie Auslaugung, Hydrolyse und Carbonatisierung können auch herstellungsbedingt gestörte Betongefüge (z. B. Hohllagen, Kiesnester etc.) oder hygienisch bedenkliche Belastungen (z. B. PCB oder PAC) vorliegen. Gesicherte Grenzwerte für die Widerstandsfähigkeit der Oberfläche gegenüber den Expositionen (Abnutzungsvorrat) im Zeitverlauf können nicht angegeben werden. Die Abnutzung ist von der Exposition, der Trinkwasserzusammensetzung, den Betriebsparametern und ggf. der Ausführungsqualität der vorhandenen Oberfläche abhängig. Mit der Zeit können Hydrolyse und Auslaugung zu einer Reduzierung der alkalischen Betonüberdeckung führen. Sind die Vorgänge weit genug fortgeschritten, können eingeschränkte statische Wirksamkeit und Bewehrungskorrosion die Folge sein. Eine Verlängerung der Lebensdauer kann durch Schichtdickenzuschläge erreicht werden, wobei die Oberflächenqualität in Bezug auf die Trinkwassereignung ggf. gesondert bewertet werden muss. Abb. 2 Aufgeweichte Betonoberfläche (Drainageschalung) nach 10 Jahren Belastung mit Trinkwasser Durch den Einsatz von Auskleidungssystemen, die gegenüber den Expositionen beständig sind, kann die Abnutzung weitgehend unterbunden werden und zu einer Verlängerung der Wartungs-/ Instandsetzungsintervalle und der Nutzungsdauer führen. 4. Fähigkeiten und Systematik von Auskleidungs-/ Instandsetzungssystemen Auskleidungs- und Instandsetzungssysteme müssen für den Einsatz als Trinkwasserkontaktzone geeignet sein und dürfen die Trinkwasserqualität nicht negativ beeinflussen. Die grundsätzliche Systemunterscheidung wird getroffen zwischen der Fähigkeit: • die Passivität der Bewehrung zu erhalten und die Oberfläche zu verbessern. Diese Fähigkeit weisen sowohl zementgebundene Systeme als auch die Polymerbeschichtungen und Folien-/ Plattenauskleidungen auf. und der • Wiederherstellung der Passivität und Verbesserung der Oberfläche. Bei diesen Materialien handelt es sich um Betonersatzmaterialien, die in drei Abstufungen die Funktionalitäten von reinen Erhalt der Bewehrungspassivität bis zur Wiederherstellung der Passivität und Wiederherstellung/ Erhöhung der Betondeckung aufweisen können. Zusätzlich werden die Systeme nach bauphysikalischen/ bauchemischen Eigenschaften differenziert in: • diffusionshemmende Systeme • diffusionsdichte Systeme und • Systeme mit vollflächigem Verbund zum Untergrund • Systeme ohne vollflächigen Verbund zum Untergrund Folgende Parameter sind Entscheidungskriterien ob Instandsetzungsbedarf besteht und welche Instandsetzungsprinzipien und Verfahren zur Anwendung kommen können: • die anrechenbare Betondeckung • die Lage der Alkalitätsgrenze • der Zustand der Betonrandzone (Oberflächenzustand, visuelle/ mikrobiologische Auffälligkeiten, Festigkeit, Alkalitätsabfall, Schadstoffbelastung) 5. Auskleidungsprinzipien vor Überarbeitung Grundlage für die Betrachtung der verschiedenen Auskleidungsvarianten ist die eingeführte Expositionsklasse X TWB , welche die besonderen Anforderungen an Beständigkeit (Auslaugung, Hydrolyse) und Hygiene der trinkwasserberührten Oberfläche, der Auskleidung berücksichtigt. Die bislang gültige Systematik differenzierte zwischen der Fähigkeit des Betonuntergrundes zur Sicherstellung des Korrosionsschutzes und der Fähigkeit der Auskleidungen zur Sicherstellung des Korrosionsschutzes der Bewehrung. Kriterium für einen sicheren Bewehrungsschutz ist die alkalische Umgebung der Bewehrung, die bei fehlerfreier Ausführung ursprünglich vom umgebenden Beton bereitgestellt wird. Durch Auslaugungs- und Carbonatisierungsprozesse kann die Alkalität der Betonrandzone abnehmen. Je nachdem wie weit dieser Prozess fortgeschritten, die alkalische Betondeckung und die Festigkeit der Betonrandzone reduziert ist oder Baufehler wie Fehlstellen/ Lunker vorliegen, ist der Korrosionsschutz und ggf. der Verbund der Bewehrung gefährdet. Bei den zementgebundenen Auskleidungssystemen im Vollverbund wurde unterschieden zwischen Systemen mit Realkalisierungsdepot (A1), die zur Realkalisierung der ausgelaugten bzw. carbonatisierten Betonrandzone eingesetzt werden konnten und Systemen ohne Realkalisierungsdepot (A2), die nur bei ausreichender alkalischer Betondeckung, also ohne notwendige Realkisierung als Oberflächenbeschichtung einsetzbar waren. 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 163 Leitbild: Alkalische Bewehrungsüberdeckung, Betonrandzonenqualität ohne Realkalisierungseffekte und Betonüberdeckung Abb. 3/ 4 Anwendungsgrenzen zementgebundener Beschichtungen [2] Eine Kombination mit den anderen Auskleidungsvarianten wie Beschichtung und Folienbzw. Plattenauskleidung waren möglich, wobei jeweils unterschiedliche Anwendungsgrenzen (Betonüberdeckung, alkalische Überdeckung, Schichtdicken) zu berücksichtigen sind. Der wesentliche Punkt ist, dass bei Anwendung des Verfahrens A1 zu prüfen war, ob eine ausreichende Realkalisierung des vorhandenen Betons gewährleistet ist. Für das zuvor postulierte Realkalisierungsvermögen ist eine Diffusion der entsprechenden Ionen in die nicht mehr alkalischen Bereiche notwendig, die dann wieder als alkalisch wirksame Betondeckung betrachtet wurden. Die Randbedingungen für eine solche Diffusion sind vielfältig: • Porosität des Untergrundes und des Auskleidungsmörtels • Alkalivorrat im Untergrund und im Auskleidungsmörtel • Feuchtegehalt im Mörtel und im Untergrund • Abhängigkeit des Realkalisierungseffektes von den Verarbeitungsbedingungen. Auskleidungsmörtel sind auf Auslaugungswiderstand getrimmt (u. a. geringe Porosität) was eine ungünstige Voraussetzung für die benötigten Diffusionsvorgänge darstellt. In dem Forschungsvorhaben [3] konnte gezeigt werden, dass die Realkalisierung in der Praxis nicht wie gewünscht funktioniert, was zu einer neuen Betrachtung der Auskleidungsprinzipien führte und eine „schwierig“ durchzuführende Prüfung der ausreichenden Realkalisierung des vorhandenen Betons überflüssig macht. 6. Aktuelle Sichtweise der Instandhaltung und der Auskleidungsprinzipien Im Zuge der veränderten Betrachtung wird der Fokus verstärkt auf den Zusammenhang Nutzungsdauer in Abhängigkeit von Instandsetzungszyklen gerichtet (Abb. 3+4). In Bezug auf die grundsätzlich unterschiedlichen chemischen Beständigkeiten der verschiedenen Auskleidungsvarianten können sich in Abhängigkeit von Wasserqualität und Betriebsparametern deutliche Unterschiede bei der Auswahl der Auskleidungsvarianten und der zu erwartenden Nutzungsdauer ergeben. Differenziert werden die Auskleidungsmaterialien funktionell nach der Fähigkeit statisch anrechenbar vorhandenen Beton zu ersetzen und Materialien die statisch nicht angesetzt werden können. Dabei ist es möglich, die Systeme miteinander zu kombinieren und die statischen Anforderungen, wo notwendig, durch zementgebundene Materialien abzudecken und Anforderungen an Beständigkeit und lange Nutzungsdauer über die anderen Auskleidungsvarianten zu realisieren. Dafür werden Vorgaben für die Mindestbetondeckung, der alkalischen Bewehrungsüberdeckung und der Qualität der Betonrandzone (Dichtigkeit und Dauerhaftigkeit) festgelegt. Folgende Instandsetzungsverfahren sind möglich: • A1 (A1.1, A1.2, A1.3) Betonersatz, Instandsetzungsverfahren mit zementgebundenen Werkstoffen im Vollverbund, die sich der Schichtstärke des zu ersetzenden Betons und der Abtragstiefe unterscheiden. • A2 Oberflächenvergütung/ Beschichtung Instandsetzungsverfahren im Vollverbund mit zementgebundenen Werkstoffen • B Oberflächenvergütung/ Beschichtung Instandsetzungsverfahren im Vollverbund mit organischen Beschichtungssystemen • C Instandsetzungsverfahren ohne Vollverbund mit Dichtungsbahnen, Plattensysteme und nichtrostender Stahl Nach wie vor wird einerseits zwischen diffusionsoffenen, diffusionshemmenden und diffusionsdichten sowie andererseits zwischen Systemen mit vollflächigem und ohne vollflächigen Verbund unterschieden. Darüber hinaus hat man sich von der Forderung von 1,5 N/ mm² als Mindestwert für die Oberflächenzugfestigkeit getrennt, die Altbetonklassen übernommen und mit den verschiedenen Möglichkeiten der Instandsetzungsverfahren verknüpft. 164 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Leitbild: Alkalische Bewehrungsüberdeckung, Betonrandzonenqualität ohne Realkalisierungseffekte und Betonüberdeckung Tab. 1 Hinweise zur Anwendbarkeit der Altbetonklassen [4] Altbetonklasse A4/ A5 A2/ A3 A1 Instandsetzungsverfahren nach W 300-3 Anpassung an den Untergrund Bewehrte Innenschale Ausführung nach W 300-1 Ggf. Verbund und Verankerung und/ oder erhöhte Rautiefe zur besseren Verzahnung Neubau/ Teilneubau Ausführung nach W 300-1 Restnutzungsdauer berücksichtigen auf den Untergrund abgestimmte Instandsetzungsverfahren nach W 300-3 Bei der Beurteilung der Eigenschaften der Betonrandzone ist die Verbundzone, die sich nach dem Abtrag minderwertiger Schichten ergibt, maßgeblich. Folgende Eigenschaften der Betonrandzone sind zu betrachten: • Alkalitätsabfall (mit und ohne Carbonatisierung) • Zementsteinauflösung (Auslaugung, hydrolytische Korrosion) • Unzureichende Beton-/ Mörtelrandzone (Fehlstellen, Kiesnester, Porositäten etc.) • Korrosionsschäden der Bewehrung, qualitative Unterscheidung statisch relevant/ statisch nicht relevant • Weitere Untergrundprobleme wie Risse, Betontreiben, Salze im Untergrund, Durchfeuchtungen und andere Mängel. Grundsätzlich ist der Einsatz der unterschiedlichen Instandsetzungs- und Auskleidungssysteme an die jeweiligen Anforderungen an die alkalische Betonüberdeckung und die Mindestbetondeckung gebunden und es ist festzulegen, ob auf dieser Grundlage Betonersatz notwendig ist oder nicht. Bei der Festlegung der Anforderungen wurde davon ausgegangen, dass zementgebundene Systeme keine anrechenbare Realkalisierung bewirken und in Bezug auf den Korrosionsschutz daher wie eine Beschichtung, mit den entsprechenden Konsequenzen für die Untergrundvorbehandlung, anzusetzen sind. Die Nutzungsdauer zementgebundener Oberflächenvergütung hängt von der Schichtdicke, der Qualität, der Porosität, der Auslaugungsbeständigkeit und den hydrolytischen Einflüssen ab. Im Unterschied zu den anderen Auskleidungsvarianten können bei entsprechendem Untergrundabtrag die zementgebundenen Betonersatzsysteme die alkalische Überdeckung der Bewehrung erhöhen und eine statische Ertüchtigung erreichen. Ein direkter Korrosionsschutz der Bewehrung und eine Reprofilierung ist mit dafür ausgelegten organischen Beschichtungssystemen ebenfalls möglich. Der Einsatz ist allerdings auf Stellen beschränkt, bei denen die Statik nicht beeinträchtigt ist. 7. Auswirkungen auf den Einsatz von polymeren Epoxidharzsystemen Die Einsatzgrenzen von polymeren Epoxidharz-systemen lassen sich folgendermaßen zusammen-fassen: 1. Die statisch notwendige Betondeckung ist in ausreichender Qualität vorhanden (C min ≥ 10 mm und C min ≥ d Stahl .) und die alkalische Betonüberdeckung ist größer 5 mm. In diesen Fällen können Epoxidharzsysteme zur Reprofilierung und Oberflächenvergütung ohne Einschränkungen eingesetzt werden. Eine Kombination mit zementgebundenen Betonersatzsystemen ist möglich, aber häufig weder wirtschaftlich sinnvoll noch technisch gewünscht, da man unterschiedliche Applikationsanforderungen (Feuchtigkeit, Überarbeitungsintervalle, Nachbehandlungszeiten) miteinander in Einklang bringen muss. Daher beschränkt sich die Kombination dieser Materialien in der Praxis auf Fälle, in denen vergleichsweise große Flächen mit höheren Schichtstärken aus Kostengründen mit dem günstigeren zementgebundenen Material reprofiliert werden. 2. Aus statischen Gründen (Mindestanforderung (C min ≥ 10 mm und C min ≥ d Stahl unterschritten) oder weil die alkalische Überdeckung < 5 mm beträgt, ist lokal oder flächig Betonersatz notwendig. In diesen Fällen ist eine Kombination mit bauaufsichtlich zugelassenen, trinkwassergeeigneten, zementgebundenen Systemen (A 1.2, A1.2, A1.3) notwendig. Dabei werden die unzureichenden Bereiche abgetragen und durch zementgebundene Materialien ersetzt. Für statisch nicht relevante Fehlstellen können auch andere trinkwassergeeignete Materialien für den Bewehrungsschutz und die Reprofilierung verwendet werden. Abb. 5 Schematische Darstellung Anforderungen Polymerbeschichtungen [5] 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 165 Leitbild: Alkalische Bewehrungsüberdeckung, Betonrandzonenqualität ohne Realkalisierungseffekte und Betonüberdeckung 8. Vorteile organischer Beschichtungen Die organischen Beschichtungssysteme erfordern aufgrund ihrer hermetisch abschließenden Wirkung eine vergleichsweise geringe Mindestbetondeckung und alkalische Überdeckung. Besonders deutlich wird das im Vergleich zu den Platten- und Folienauskleidungen. Die geringen Schichtdicken und der mehrschichtige Aufbau bei relativ geringem E-Modul des Bindemittels ermöglicht einen vergleichsweise spannungsarmen Aufbau. Dazu trägt auch bei, dass der Reaktionsschwund ganz überwiegend in der Gelphase stattfindet und so die Auskleidung schwächerer Untergründe begünstigt. Die hohe Beständigkeit der Oberflächen macht einen Einsatz ohne Berücksichtigung der Wasserqualitäten möglich. Weiche und saure Wässer stellen keine Probleme dar. Aus dem gleichen Grund ist eine sehr lange Nutzungsdauer ohne Instandsetzungsintervalle realisierbar. Über die hohe Diffunsionsdichte des Materials wird der Beton vor Wasserinhaltsstoffen und das Wasser vor Kontaminationen aus dem Untergrund geschützt. Aufgrund dieser Eigenschaften ist der sichere Einschluss von Schadstoffen, die technisch oder mit vertretbarem Aufwand nicht entfernt werden können, möglich. Ggf. kann das über Migrationssimulationen abgesichert werden. Zukünftig könnten diese Eigenschaften eine zusätzliche Relevanz bekommen, wenn aus Nachhaltigkeitsgründen der Einsatz von Recyclingrohstoffen auch im Trinkwasserspeicherbau erwogen werden sollte. Die üblicherweise lösemittelfreien Materialien können in verschiedenen Schichtdicken auf alle Untergrundformen im Vollverbund angebracht werden und haften nach entsprechender Vorbehandlung auf unterschiedlichsten Untergründen. Damit können übergangsfrei verschiedene Materialien wie z. B. PVC, Stahl- und Edelstahlrohre und Einbauten angeschlossen oder auch mit beschichtet werden. Übergänge zu PE-Materialien sind mit entsprechenden Übergangskomponenten realisierbar. Als Vollverbundsystem sind Hinterläufigkeiten ausgeschlossen. Das Risiko, dass die hohen Anforderungen für den Bau von Betonbehältern, die während der gesamten Bauzeit beachtet werden müssen, nicht durchgehend eingehalten werden können und dann möglicherweise zu hygienischen Beeinträchtigungen der trinkwasserberührten Oberfläche führen, wird durch eine abschließende Beschichtung eliminiert. Diese Anforderungen sind beispielsweise: • Die hygienische Qualität des verwendeten Zements, der Zuschlagstoffe und des Zugabewassers. • Die Einhaltung der Verarbeitungs- und Nachbehandlungsvorgaben. • Die Einhaltung der Hygieneregeln während der gesamten Bauzeit, um das Eindringen von schädlichen Stoffen in den porösen Baustoff zu verhindern. Die homogene, glatte und porenfreie Polymeroberfläche ist visuell gut zu kontrollieren, gut von Anhaftungen zu reinigen, zu desinfizieren und verhindert das Eindringen von Reinigungsmitteln oder anderen Stoffen in den Untergrund. 9. Notwendige Vorarbeiten zum Aufbringen einer geschlossenen Deckbeschichtung • Herstellen eines möglichst schadstofffreien Untergrundes mit ausreichender Oberflächenzugfestigkeit. Das beinhaltet das Entfernen von Hohlstellen, Freistemmen von Bewehrungsschäden, Entfernen von schädlichen Oberflächenrückständen und minderfesten Schichten. Die üblichen Verfahren sind das Festkörper- und Hochdruckwasserstrahlen. Schleifen und Fräsen sind weitere Methoden, die im Wesentlichen im Bodenbereich oder bei speziellen Fragestellungen eingesetzt werden • Reprofilierung der Oberflächen, bei statischer Relevanz mit bauaufsichtlich zugelassenen anrechenbaren Systemen. • Porenverschluss der Oberflächen i. d. R. durch 2 Spachtelschichten, wobei bei ausreichender Oberflächenqualität die 2. Spachtelschicht die Deckbeschichtung sein kann. Eine einmalige Spachtelung reicht i. d. R. zum sicheren Porenverschluss nicht aus. Die Abdichtung des Untergrundes kann theoretisch auch durch Auf bringen zementgebundener Systeme erfolgen. Aus praktischen Gründen ist das in der Realität eher selten der Fall. Abb. 6 Mit Drainageschalung erzeugte Betonoberfläche vor (rechts) und nach dem Strahlen (links). 166 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Leitbild: Alkalische Bewehrungsüberdeckung, Betonrandzonenqualität ohne Realkalisierungseffekte und Betonüberdeckung Abb. 7 Polymerer Schichtauf bau mit 2 Spachtelschichten und einer im Heißspritzverfahren aufgebrachten Deckschicht. • Aufgrund der in weiten Bereichen einstellbaren Materialkonsistenz und Verfüllung stehen für die unterschiedlichsten Oberflächenaufgaben die passenden Materialien zur Verfügung. Die Systemeigenschaft, dass bei den 2-komponentigen Reaktionskunststoffen alle für die Aushärtung notwendigen Reaktionspartner im Gemisch vorliegen, ermöglicht schichtdickenunabhängige kurze Überarbeitungszeiträume. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass die Überarbeitungsbedingungen oder Verfahren zur Sicherstellung der Zwischenlagenhaftung einzuhalten sind. • Die Deckbeschichtung wird in der Regel im Heißspritzverfahren oder Airlessverfahren unter Benutzung von Wärmetauschern aufgetragen. Daneben gibt es bei entsprechenden Materialeinstellungen die Möglichkeit die Deckbeschichtungen durch Rollen, Streichen, Spachteln oder als selbstverlaufende Schicht im Bodenbereich aufzutragen. Die Anwendung der Roll- und Streichverfahren sind bei lösemittelfreien Materialien aufgrund der höheren Viskosität üblicherweise auf kleinere Flächen begrenzt, wobei man sich bewusst sein muss, dass es sich hier um individuelle Materialeigenschaften handelt, die zwischen verschiedenen Herstellern in gewissem Rahmen variieren können. Die Verarbeitungsbedingungen sind einzuhalten. Eine aktive Nachbehandlung ist nicht notwendig. Die Einhaltung der Mindestaushärtetemperatur und Mindestaushärtezeit sind zu gewährleisten. Abb. 8 Beschichteter Behälter mit unterschiedlichen geometrischen Formen und Anschluss an Edelstahlbauten. Literatur [1] Eigene Darstellung unter Nutzung von: Facility Services pp 343-475 Phasen und Methoden aus Sicht eines Facility Services-Anbieters https: / / link.sprin ger.com/ chapter/ 10.1007/ 978-3-642-39544-4_4 [2] Technische Regel-Arbeitsblatt DVGW W 300-3 (A), Trinkwasserbehälter; Teil 3: Instandsetzung und Verbesserung, Oktober 2014 [3] Breit, Merkel, Raupach, Schulte Holthausen Korrosionsschutz durch mineralische Beschichtungen unter Berücksichtigung der Anforderungen aus dem neuen DVGW-Arbeitsblatt W 300: 2014 Abschlussbericht, März 2020 [4] Eigene Darstellung nach: Technische Regel - Arbeitsblatt DVGW W 300-3; Trinkwasserbehälter 3: Instandsetzung und Verbesserung Entwurf, 12- 2022 [5] Eigene Darstellung unter Nutzung von: Quelle: Institut für Bauforschung Aachen Prof. Raupach 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 167 Mineralische Instandsetzung von Trinkwasserbehältern - Worauf ist bei der Produktauswahl zu achten? Dipl.-Ing. Martin Bolesta P-&-T-Technische Mörtel GmbH & Co. KG, Neuss Zusammenfassung Der stetige Wasserkontakt und die unzähligen Wasserwechsel führen zu unabwendbaren Veränderungen an den Oberflächen unserer Wasserspeicher. Und so steht die Sanierung eines Trinkwasserbehälters zwangsläufig irgendwann mal an. Insbesondere wenn der Behälter aus Beton/ Stahlbeton errichtet worden ist, bietet sich dabei die Sanierung mit einem zementgebundenem Material an. Dass die zementgebundenen Produkte nach DVGW W300 und W347 für die Anwendung im Trinkwasserbereich geeignet bzw. zugelassen sein müssen, ist bekannt. Aber auch bei den Materialien mit DVGW Nachweisen gibt es Differenzen, die für die Dauerhaftigkeit durchaus von Bedeutung sind aber bei der Planung einer Instandsetzungsmaßnahme immer noch zu selten berücksichtigt werden. Hierzu gehören unter anderem die verwendete Zementsorte, das Verarbeitungsverfahren und auch die Eignung des Materials für eine statisch relevante Sanierung. 1. Instandsetzung von Trinkwasserbehältern Trinkwasserbehälter und insbesondere die wasserberührten Oberflächen unterliegen Veränderungen, die im Laufe der Zeit Instandsetzungsmaßnahmen erforderlich machen. Hierbei ist dann zu berücksichtigen, dass es sich bei Trinkwasserbehältern, wie auch bei Tunneln, Brücken, Regenrückhaltebecken, Talsperren oder Stützbauwerken, um Ingenieurbauwerke handelt. Ein Einfaches „wir machen da mal was“ reicht allerspätestens dann nicht mehr aus, wenn die Bewehrung bereits korrodiert ist oder aber die Betondeckung nicht ausreicht und somit die Statik und damit die Standsicherheit des Bauwerks gefährdet ist, siehe Abb.1. Abb. 1: Frei liegende und korrodierte Bewehrung im oberen Wandbereich eines Trinkwasserbehälters Dementsprechend sollte bzw. muss die Instandsetzung eines Trinkwasserbauwerks sorgfältig geplant bzw. der erforderliche Instandsetzungsbedarf festgelegt werden. Dieses setzt aber voraus, dass der Istzustand des Bauwerks bekannt ist, was ggfs. eine Bauwerksuntersuchung durch eine fachkundige Person erforderlich macht. Aus der Gegenüberstellung von Ist- und Sollzustand nach DVGW W 300-1 ergibt sich der Instandsetzungsbedarf [1]. Bei nicht wenigen Trinkwasserbehältern aus den 1960‘er bis 1980‘er Jahren wird dabei festgestellt, dass nicht nur die wasserberührten Oberflächen hydrolytisch geschädigt sind und somit den Anforderungen des DVGW-300 nicht mehr entsprechen, auch ist die Bewehrung, insbesondere im Deckenbereich nicht selten korrodiert oder die Betondeckung zu gering. Hier bietet sich die Instandsetzung mit einem mineralischen Produkt nicht nur an, sondern sie ist unbedingt auch durchzuführen. Schließlich muss die Bewehrung für die angedachte Standzeit ausreichend vor Korrosion geschützt werden. Hierfür und auch für die statisch erforderliche Umhüllung der Bewehrung (mindestens Stabdurchmesser) wird Betonersatz benötigt. Immer dann, wenn nicht nur Bereiche einer hydrolytisch geschädigten Beschichtung ausgebessert werden müssen, sollte der Planer bzw. die ausschreibende Stelle konkrete Vorgaben zum verwendenden Sanierungsmaterial machen. Viel zu oft wird aber in den Leistungsverzeichnissen lapidar auf „mineralischer Mörtel mit DVGW Zulassung“ verwiesen. Aber es gibt bei mineralischen Mörteln (z. T. gravierende Unterschiede), die bei der Planung einer Instandsetzungsmaßnahme und entsprechend auch in den Ausschreibungstexten berücksichtigt werden sollten. 2. Anteil organischer Ausgangsstoffe Trinkwasser ist nicht steril, sondern beinhaltet Mineralien und auch Bakterien bzw. Keime. Dieses ist unbedenklich, solange die Keimzahl nicht stark erhöht ist oder von den Bakterien keine Gefährdung ausgeht. Das ist bei Pseudomonas aeruginosa oder Legionellen nicht der Fall. Aber auch zunächst unbedenkliche Keime können bei einer starken Vermehrung zu Schwierigkeiten in der Wasserversorgung führen. Eine Voraussetzung für ein erhöhtes Keimwachstum sind dabei organische Substanzen, quasi die Nahrung der Bakterien. 168 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Mineralische Instandsetzung von Trinkwasserbehältern - Worauf ist bei der Produktauswahl zu achten? Um ein mögliches Keimwachstum zu verhindern oder zumindest zu erschweren, sollte nach Möglichkeit auf Mörtel oder Mörtelsysteme zurückgegriffen werden, die keine oder möglichst wenig organische Substanzen und damit „Nahrung“ enthalten. Seit der Überarbeitung der DVGW W-300 Reihe im Jahr 2014 werden bei mineralischen Mörteln vier Typen unterschieden: Typ 1: ohne Betonzusatzmittel und ohne kunststoffhaltige Zusätze Typ 2: mit Betonzusatzmittel nach DIN EN 934-2 bis max. 5-%/ z (Zementäquivalent) und ohne kunststoffhaltige Zusätze Typ 3: ggf. mit Betonzusatzmittel nach DIN EN 934-2 und mit kunststoffhaltigen Zusätzen bis insgesamt max. 10-%/ z (Zementäquivalent) Typ 4: ggf. mit Betonzusatzmittel nach DIN EN 934-2 und mit kunststoffhaltigen Zusätzen mit insgesamt bis max. 25 %/ z (Zementäquivalent) Um ein mögliches Aufkeimungsrisiko möglichst gering zu halten bietet sich demnach an, in Ausschreibungen den gewünschten Typ vorzugeben, z. B. Typ 1 - ein Instandsetzungsmörtel ohne organische Ausgangsstoffe. 3. Zementsorte In Europa gibt es etwa 30 verschiedene Zementsorten [2]. Eine Voraussetzung an den Zement für die hygienische Zulassung (W347) ist dabei, dass es ein genormter Zement ist, z. B. nach DIN-EN-197. So soll unter anderem die gleichbleibende „Zusammensetzung“ sichergestellt werden. Auf weitere Voraussetzungen, wie z. B. die Eluierbarkeit von Schwermetallen, sei der Vollständigkeit halber hingewiesen [3]. 3.1 CEM I Portlandzement ist der Zement, der in Deutschland in den 1990’er Jahren noch zu etwa 75 % verwendet worden ist. Portlandzement (CEM-I) kann bei (ausreichend) niedrigen Wasserzementwerten für fast alle Expositionsszenarien verwendet werden, z. B. bei Frost (XF), mechanischer Beanspruchung (XM) oder auch bei aggressiver chemischer Umgebung (XA) [4]. Auch wurde am CEM-I eine ausreichende Hydrolysebeständigkeit nachgewiesen, so dass CEM-I als Bindemittel für mineralische Beschichtungen im Trinkwasserbereich geeignet ist [5]. Der Portlandzement hat aber nicht nur Pluspunkte. Ein gravierender Nachteil vom Portlandzement ist, dass bei dessen Produktion große Mengen CO 2 emittiert werden. Bei der Herstellung des Zementklinkers wird Kalkstein zusammen mit anderen Rohstoffen, wie z. B. Tonmineralien, bei bis zu 1450-°C gebrannt. Die CO 2 Emissionen stammen dabei überwiegend aus dem Kalkstein (CaCO 3 ), der beim Brennvorgang in Calciumoxid (CaO) und eben Kohlendioxid (CO 2 ) aufgespalten wird [6]. Überschlägig entstehen je Tonne Zementklinker ca. 500-kg CO 2 . Weiteres CO 2 wird durch die benötigte Energie emittiert, wodurch je nach verwendetem Brennstoff weitere 200 bis 300 kg CO 2 freigesetzt werden. Insgesamt werden der Zementproduktion ca. 8-% der globalen durch den Menschen verursachten CO 2 . Emissionen zugeschrieben. Und Portlandzement hat noch einen weiteren Nachteil. Bei Bauteilen, die einen ständigen Wasseraustausch erfahren, hat CEM- I keine ausreichende Beständigkeit gegen kalklösende Kohlensäure. Auch wenn das für einen Großteil der Bauwerke in der Trinkwasserversorgung irrelevant ist, so gibt es aber Regionen in Deutschland, wo das Rohwasser Calcitlösekapazitäten von über 20 und teilweise sogar über 50 mg/ l erreicht. Diese fehlende Beständigkeit gegen kalklösende Kohlensäure ist dabei kein Widerspruch zu der grundsätzlichen Eignung eines CEM I für den Expositionsbereich XA1 oder auch XA2. Für die Festlegung bzw. Einstufung der Expositionsklassen XA ist unter anderem die DIN-4030 anzuwenden, bei der die Grenzwerte der chemischen Merkmale, wie z. B. pH-Wert oder kalklösende Kohlensäure, definiert sind. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass die DIN 4030-nur bei stagnierenden Wässern anzuwenden ist. Bei Betonbauwerke, bei denen ständig Wasser mit neuem Lösungsbzw. Angriffspotential zugeleitet wird, gelten die Grenzwerte der DIN-4030 nicht. Ausgenommen sind somit auch Bauwerke im Bereich Abwasser und der Trinkwasserversorgung. [7] Bereits in den 1960erbis 1980er-Jahren erfolgten langjährige Versuche zur Beständigkeit von Betonen gegen kalklösende Kohlensäure in Abhängigkeit von der verwendeten Zementsorte. Diese Versuche mit einer Dauer von 20 Jahren wurden damals mit den drei in Deutschland bedeutendsten Zementsorten durchgeführt [8]. Das Ergebnis dieser Untersuchungen war, dass bei Betonen mit Portlandzement der höchste Oberflächenabtrag vorhanden war, siehe Abb. 2. 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 169 Mineralische Instandsetzung von Trinkwasserbehältern - Worauf ist bei der Produktauswahl zu achten? Abb. 2: Oberflächenabtrag an Probekörpern aus Portlandzement (PZ), Traßzement (TrZ) und Hochofenzement (HOZ) nach 20-jähriger Einwirkung von kalklösender Kohlesäure [8] Nicht zuletzt, weil es inzwischen viele neue Zementsorten gibt, sondern auch, weil es in Deutschland (und auch Europa) immer noch kein Prüf- und Bewertungsverfahren zur Beurteilung der Beständigkeit von Zementen bei kalklösender Kohlensäure gibt, werden aktuell an der RWTH Aachen „neue“ Versuche zum Angriff durch kalklösende Kohlensäure auf zementgebundene Baustoffe durchgeführt. Abb. 3: Masseverlust an Mörtelprismen bei Lagerung in Wasser mit 200 mg/ l kalklösender Kohlensäure [9] Obwohl diese Versuche erst seit etwa zwei Jahre laufen, ist auch hier bereits zu erkennen, dass bei Mörteln mit Portlandzement als Bindemittel (CEM I mit Wasserzementwert (WZW) von 0,45 und CEM I mit WZW von 0,5) der höchste Massenverlust vorhanden ist [9]. 3.2 CEM II Neben Rohstoff- und anderen Gründen war auch der politische Wille, die CO 2 -Emissionen der Zementindustrie zu reduzieren, der Grund für die vielen heute verfügbaren Zementsorten. Bei Portland-Kompositzementen (CEM-II) wird ein Teil des Portlandzementklinkers durch andere Ausgangsstoffe, wie z. B. Kalkstein, gebrannter Schiefer, Flugasche oder Puzzolane substituiert. In Abhängigkeit vom Anteil des Substituts (zwischen 6 und 35 % sind zulässig [2]) und in Abhängigkeit vom Substitut selber (Substitut mit hoher oder niedriger CO 2 Belastung) werden die CO 2 Emissionen gegenüber eines CEM-I entsprechend reduziert, was überschlägig ca. 100-kg CO 2 je Tonne entspricht. Dem Vorteil der günstigeren CO 2 Bilanz steht nachteilig gegenüber, dass nicht alle CEM-II Zemente auch bei niedrigen Wasserzementwerten für alle Expositionsszenarien geeignet sind. So sind z. B. CEM II Zemente mit kalkreicher Flugasche (CEM-II-W) oder auch CEM II Zemente mit einem Kalksteinanteil von >-20-% (CEM-II-/ -B L und LL) von dem Einsatz bei aggressiver chemischer Umgebung (XA), Frostangriff (XS) und teilweise anderen Expositionsklassen ausgenommen [4]. Und wenn ein Bindemittel bereits für etliche Anwendungsfälle nicht geeignet ist, weil z. B. das Zementsteingefüge nicht ausreichend dicht ist, dann sind solche Zemente in der Regel auch nicht ausreichend beständig gegen Hydrolyse. Von den vielen CEM II Zementen wurde bisher nur an CEM II/ A-S, CEM II/ B-S und 170 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Mineralische Instandsetzung von Trinkwasserbehältern - Worauf ist bei der Produktauswahl zu achten? CEM II/ A-LL eine ausreichende Hydrolysebeständigkeit nachgewiesen, so dass nur diese CEM II Zemente als Bindemittel für mineralische Beschichtungen grundsätzlich geeignet sind [5]. Hinsichtlich der Beständigkeit von CEM-II Zementen bei einem Angriff durch kalklösende Kohlensäure kann resümiert werden, dass diese einen geringeren Abtrag haben als Portlandzement. Sowohl bei den in den1960’er begonnenen Versuchen (hier kam Traßzement, d. h. ein CEM-II-P zum Einsatz) als auch bei den aktuellen Untersuchungen waren Oberflächenabtrag bzw. Massenverlust gegenüber den Proben mit Portlandzement um etwa 35 % reduziert. Vereinfacht kann festgehalten werden, dass eine Reduzierung des Calciumanteils in Betonen oder Mörteln mit einem ausreichend dichten Gefüge zu geringeren Abtragtiefen durch kalklösende Kohlensäure führt. Dieses gilt dabei nur für offene Systeme, bei denen durch den regelmäßigen Wasseraustausch jederzeit kalklösende Kohlensäure zur Verfügung steht. In geschlossenen Systemen, wo die kalklösende Kohlensäure „verbraucht“ wird, sind keine so großen Unterschiede im Oberflächenabtrag zu erwarten [9]. Daher ist auch nachvollziehbar, dass Probekörper aus CEM-II/ A-LL (beim CEM-II/ A-LL werden bis zu 20 % des Portlandzementklinkers durch Kalkstein ersetzt), einen fast identischen Abtrag durch kalklösende Kohlensäure haben wie die Probekörper aus Portlandzement. Auch wenn das Calcium beim Kalkstein in anderer mineralischer Form vorliegt, so ist der Calciumanteil bei beiden Zementen ähnlich hoch und durch die kalklösende Kohlensäure gelöst. 3.3 CEM III Im Gegensatz zu vielen „jungen“ CEM-II Zementen wird der Hochofenzement (CEM-III) schon seit über 130 Jahre verwendet; die erste nationale Norm über den Hochofenzement stammt aus 1917 [6]. Der Grundgedanke, Teile des Portlandzementes durch einen anderen Ausgangsstoff (bei Hochofenzement ist das Hüttensand) zu ersetzten, ist hier derselbe wie bei den CEM-II Zementen. Der Anlass im 19. Jahrhundert waren allerdings keine Emissionsgründe, vielmehr hatte man die latent hydraulischen Eigenschaften des Hüttensandes entdeckt und hatte in einer Zeit mit einem stark wachsenden Zementbedarf eine Rohstoffalternative zum Portlandzement [10]. Dadurch, dass beim Hochofenzement bis zu 65 % des Portlandzementklinkers beim CEM-III-A und bis zu 80-% beim CEM-III-B durch Hüttensand substituiert werden, ist der Hochofenzement eine Zementsorte mit einer günstigen CO 2 Bilanz. Überschlägig werden gegenüber einem CEM-I ca. 250-kg CO 2 je Tonne Zement eingespart [2,6]. Wie der Portlandzement ist auch der Hochofenzement bei (ausreichend) niedrigen Wasserzementwerten für fast alle Expositionsszenarien verwendbar. Dieses liegt unter anderem an den latent hydraulischen Eigenschaften des Hüttensandes, welche zu einem sehr dichten Zementsteingefüge führen. Bedingt durch dieses dichte Gefüge hat Hochofenzement eine gute Hydrolysebeständigkeit und ist daher als Bindemittel für mineralische Beschichtungen im Trinkwasserbereich bestens geeignet [4,5]. Das dichte Gefüge und der gleichzeitig sehr geringe Calciumanteil machen den Hochofenzement auch relativ beständig gegen kalklösende Kohlensäure. Sowohl bei den in den 1960’er begonnenen Versuchen als auch bei den aktuellen Untersuchungen kamen Probekörper mit Hochofenzement als Bindemittel zur Anwendung und bei beiden Versuchsreichen waren Oberflächenabtrag bzw. Massenverlust gegenüber den Proben mit Portlandzement um etwa 50 % reduziert, siehe Abb. 2 und 3. Auch wenn bei anstehenden Instandsetzungsmaßnahmen das Speicherwasser keine hohen calcitlösenden Eigenschaften hat, so ist es sicher von Vorteil, über das bevorzugte Bindemittel nachzudenken und sich die Vorals auch Nachteile der verschiedenen Zementsorten bewusst zu machen. Um eine hydrolysebeständige mineralische Beschichtung angeboten zu bekommen, bietet es sich an, die im DVGW Arbeitsblatt W300-5 aufgeführten Bewertungskriterien einzufordern bzw. im Leistungsverzeichnis zu definieren. Hierzu gehören folglich nicht nur technische Parameter wie z. B. Druckfestigkeit oder Porosität, sondern auch die zu verwendende Zementsorte. Wird bei einer Ausschreibung neben technischen Anforderungen zusätzlich Wert auf eine ökologische Instandsetzung gelegt, kann auch das in den Ausschreibungstexten eingefordert werden. 4. Statische Ertüchtigung Nicht selten ist der Auslöser, sich mit einer Instandsetzung zu beschäftigen, der Zeitpunkt, wenn die wasserberührten Oberflächen bereits deutliche Veränderungen aufweisen oder aber bereits Schäden vorhanden sind. Spätestens jetzt sollte durch entsprechende Untersuchungen abgeklärt werden, inwieweit auch das Bauwerk (und auch Anlagenteile der technischen Ausrüstung) den heutigen Anforderungen entspricht [1,11]. Hierbei ist zwingend zu berücksichtigen, dass Fehler beim Bau (z. B. „heruntergetretene“ Bewehrung im Deckenbereich) oder eine zu geringe Betondeckung (z. B., weil die damaligen Normen eine geringere Betondeckung vorgegeben haben) im Zuge einer Instandsetzungsmaßnahme zu beseitigen sind. Hierauf wird an mehreren Stellen im DVGW W-300 hingewiesen: „Mit einer Instandsetzung sollte nicht der „Altzustand“ der Behälteranlage wiederhergestellt, sondern ein Zustand geschaffen werden, der den Anforderungen an DVGW W 300-1 (A) entspricht.“ [3] In den Fällen, wo die Betondeckung nicht ausreichend ist, die Bewehrung sich im karbonatisierten oder ausgelaugten Bereich befindet oder sogar komplett frei liegt (siehe Abb. 5) reicht das Auf bringen einer neuen Beschichtung alleine nicht mehr aus. Bei Bedenken bezüglich der Tragfähigkeit der Struktur oder der Dauerhaftigkeit eines Trinkwasserbauwerks sind die Instandsetzungsprinzipien der DAfStB-Richtlinie Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen bzw. des aktuellen Nachfolgeregelwerks der TR Instandhaltung des DIBt einzuhalten. [3,12,13] 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 171 Mineralische Instandsetzung von Trinkwasserbehältern - Worauf ist bei der Produktauswahl zu achten? Abb. 5: Zum Teil korrodierte Anschlussbewehrung im Bereich Bodenplatte/ Wand Selbstverständlich muss der für „statische Ertüchtigung“ ausgewählte Betonersatz für die Anwendung im Trinkwasserbereich zugelassen sein. Hierzu gehören der hygienische Nachweis nach DVGW W 347 und eine ausreichende Hydrolysebeständigkeit nach DVGW W 300-5. Denn eine statische Ertüchtigung, bei dem der Trinkwasserbehälter dann aber z. B. wegen hygienischer Mängel nicht mehr betrieben werden kann, nützt keinem. Gleichzeitig ist aber bei der Planung einer Instandsetzungsmaßnahme auch darauf zu achten, dass mit einem nach W- 347 und W- 300 zugelassenem Produkt eine standsicherheitsrelevante Sanierung überhaupt möglich bzw. zulässig ist. Hier gibt die TR Instandhaltung klare Vorgaben an die Materialeigenschaften des Betonersatzes. [13] Für Reprofilierungsarbeiten oder den Ersatz von karbonatisiertem Beton werden in der TR Produkte gefordert, die z. B. als Beton (DIN EN 206 / DIN 1045-2) oder Spritzbeton (DIN EN 14487 / DIN 18551) zertifiziert und überwacht sind, d. h. mit einem entsprechendes Ü-Zeichen versehen sind. Auch dürfen derartige Arbeiten z. B. mit Reparaturmörteln oder Reparaturbetonen ausgeführt werden, deren Eignung aber durch entsprechende Nachweise zu belegen ist. Aktuelle Leistungsverzeichnisse zeigen allerdings, dass diese Aspekte nicht immer ausreichend berücksichtigt werden. So werden für statisch relevante Instandsetzungen zum Teil Produkte verwendet, die zwar hygienisch und hydrolytisch geeignet sind, aber nur einem „R2 Mörtel“ nach EN--1504-3 entsprechen. Für die statisch relevante Instandsetzung sind nach DIN-EN 1504-3 [14] Anforderungen der Klassen R4 oder R3 nachzuweisen. Da Instandsetzungsmörtel bei bewehrtem Beton auch die Bewehrung vor Korrosion schützen müssen, ist an diesen Produkten auch der Karbonatisierungswiderstand nachzuweisen, s. Abb. 6. Wesentliche Merkmale Leistung Druckfestigkeit Klasse R2 ≥ 15 MPa Chloridionengehalt ≤ 0,05 % Haftvermögen ≥ 1,5 MPa Karbonatisierungswiderstand - Elastizitätsmodul ≥ 20 GPa Brandverhalten Klasse A1 Gefährliche Stoffe Übereinstimmung mit 5.4 Abb. 6: Nicht geeignetes Produkt für eine statisch relevante Instandsetzung (und Korrosionsschutz), da der Mörtel „nur“ der Klasse R2 entspricht und keine Prüfung des Karbonatisierungswiderstands vorliegt 5. Fazit Das DVGW Regelwerk W-300 ist inzwischen national und auch international bekannt und findet bei Ausschreibungen Berücksichtigung. Positiv ist auch, dass in Leistungsbeschreibungen mit zunehmender Tendenz auf die Typisierung bei mineralischen Produkten geachtet wird, z. B. „Es ist ein mineralisches Instandsetzungsprodukt Typ 1 zu verwenden.“ Aber es gibt bei mineralischen Instandsetzungsprodukten/ -systemen weitere Unterschiede, auf die zu selten geachtet wird. Immer dann, wenn auch Schäden an der Bausubstanz vorliegen, z. B. frei liegende Bewehrung, reicht als Produktbeschreibung „Zulassung nach W347 und W300-5“ nicht alleine aus. Vielmehr muss das Sanierungsprodukt auch für die statisch relevante Instandsetzung, hier greift die TR Instandhaltung, geeignet sein. Auch finden in Ausschreibungen Aspekte wie CO 2 Emission, Beständigkeit gegen Wasser mit kalklösender Kohlensäure oder auch das Verarbeitungsverfahren immer noch zu wenig Beachtung. Hierzu ein Bildnis aus dem Automobilbereich. Beim Kauf eines Autos darf zu Recht erwartet werden, dass dieses eine ABE (allgemeine Betriebserlaubnis) und auch gültigen TÜV hat. Und dennoch wird die Suche nach dem passenden Gefährt weiter eingeschränkt. Mal soll es, der Umwelt zuliebe, ein Auto mit Elektromotor sein, mal wird ein Kombi mit viel Platz für die Familie benötigt und dann soll es auch mal der schicke Stadtflitzer sein Übertragen auf mineralische Bindemittel im Bereich Trinkwasser bedeutet das, dass auch hier erwartet werden darf, dass die Produkte die W347 (=-ABE) und die W300 (= TÜV) haben. Die Forderung weiterführender Anforderungen in Leistungsbeschreibungen, wie z. B. - Verwendung eines Zementes mit guter CO 2 Bilanz, - Verwendung eines Verarbeitungsverfahrens mit langen Förderweiten (um aus hygienischen Gründen bei den Instandsetzungsarbeiten keine Zwischenpumpstationen in der Wasserkammer errichten zu müssen), - Anwendung des Nassspritzverfahrens (zur Reduzierung von Rückprall und Staubentwicklung in der Wasserkammer) oder - Verwendung eines Zementes mit guter Beständigkeit gegen kalklösende Kohlensäure 172 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Mineralische Instandsetzung von Trinkwasserbehältern - Worauf ist bei der Produktauswahl zu achten? wären hilfreich und wünschenswert für die best mögliche Instandsetzung in allen Belangen. Abb. 7: Hochbehälter nach Sanierung, bei dem Vorgaben zum Mörteltyp und dem Verarbeitungsverfahren festgelegt waren Literatur [1] DVGW-Arbeitsblatt W- 300-3; Trinkwasserbehälter; Teil 3: Instandsetzung und Verbesserung; Wirtschafts- und Verlagsgesellschaft Gas und Wasser mbH; Bonn; Oktober 2014) [2] DIN EN 197-1; Zement - Zusammensetzung, Anforderungen und Konformitätskriterien von Normalzement; Beuth Verlag GmbH; November 2011 [3] DVGW- Arbeitsblatt W347; Hygienische Anforderungen an zementgebundene Werkstoffe im Trinkwasserbereich - Prüfung und Bewertung; Wirtschafts- und Verlagsgesellschaft Gas und Wasser mbH; Bonn; Mai 2006 [4] DIN EN 206; Beton - Festlegung, Eigenschaften, Herstellung und Konformität; Beuth Verlag GmbH; Januar 2017 [5] DVGW-Arbeitsblatt W-300-5; Trinkwasserbehälter; Teil 5: Bewertung der Verwendbarkeit von Bauprodukten für Auskleidungs- Beschichtungssysteme; und Instandsetzung und Verbesserung; Wirtschafts- und Verlagsgesellschaft Gas und Wasser mbH; Bonn; August 2020 [6] Ökologisch nachhaltige Bindemittel für die Sanierung von Trinkwasserbehältern; M. Bolesta; Fachzeitschrift gwf; 07-08-2016; DIV Deutscher Industrieverlag [7] DIN 4030; Beurteilung betonangreifender Wässer, Böden und Gase - Teil 1; Grundlagen und Grenzwerte; Beuth Verlag GmbH; 06 2008 : [8] Beton nach 20jähriger Einwirkung von kalklösender Kohlensäure; Locher, Rechenberg, Sprung; Fachzeitschrift Beton; 1984 [9] Dauerhaftigkeitsnachweise chemisch beanspruchter Betone: Angriff durch kalklösende Kohlensäure; Nebel, Ramler, Palm, Matschei; Fachzeitschrift Beton; Verlag: concret content UG; 06/ 2022j [10] Entstehung, Entwicklung und Strukturwandel der Portland-Zementindustrie im Raum Hannover von 1878 bis 1989; Dissertation Gerd Meier; 2001 [11] DVGW-Arbeitsblatt W-300-1; Trinkwasserbehälter; Teil 1: Planung und Bau; Wirtschafts- und Verlagsgesellschaft Gas und Wasser mbH; Bonn; Oktober 2014 [12] DAfStb- Richtlinie Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen (Rili SIB); Teile 1-4; Ausgabe Oktober 2001 [13] Technische Regel Instandhaltung von Betonbauwerken (TR Instandhaltung); Teile- 1-2; Deutsches Institut für Bautechnik; Berlin; Mai 2020 [14] DIN EN 1504-3: Produkte und Systeme für den Schutz und die Instandsetzung von Betontragwerken; Beuth Verlag GmbH; März 2006 Werkstoffe - spezielle Anwendungen 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 175 Neue Perspektiven für Wasserwerke durch Tanks und Großfilter aus Edelstahl Dipl.-Ing. (FH) Manfred Brugger Hydro-Elektrik GmbH, Ravensburg Zusammenfassung Ausgehend von einem Nischenprodukt, haben sich Trinkwasserspeicher aus Edelstahl, im Bereich der Wasserversorgung längst etabliert. Handelte es sich zunächst um eher kleinere Speicheranlagen, stellen Volumina zwischen 10.000 m³ und 15.000 m³ zwischenzeitlich kein unlösbares Problem mehr dar. So steht eine Trinkwasser-Speicheranlage mit einem Gesamtvolumen von 12.000 m³ derzeit kurz vor der Fertigstellung. Noch weitgehend unbekannt sind aber die mit Edelstahl realisierbaren Sonderkonstruktionen, wie z. B. Großfilter und Reaktionssysteme. Deren Einsatz ist nicht nur auf die Wasserversorgung beschränkt, sondern auch zum Beispiel für die 4. Reinigungsstufe im Abwasserbereich sinnvoll. Im Bericht werden die Großfilter vorgestellt und die Rahmenbedingungen und Einsatzgrenzen aufgezeigt. 1. Filtration Die Filtration ist auf dem Gebiet der Wasserauf bereitung in vielfältigster Art und Weise verbreitet. Unter Filtration werden im Allgemeinen alle Verfahren zusammengefasst, bei denen auf mechanischem Wege aus einem Gemisch von Flüssigkeit und festen oder gelösten Substanzen eine Trennung in Flüssigkeit (Filtrat) und Substanzen erfolgt. Die Auswahl der Filtrationsverfahren, oder auch die Kombination mehrerer Verfahrensschritte, wird durch die Qualität des Rohwassers, sowie durch die Anforderungen an das Reinwasser (Filtrat) bestimmt. Die minimale Größe der zurückgehaltenen Feststoffe wird über die Trenngrenze des Filters definiert. Spezialverfahren der Filtration sind die Marmorfiltration, die Biofiltration und die Aktivkohlefiltration. Als Marmorfiltration wird die Filtration über calciumcarbonathaltige Materialien (halbgebrannter Dolomit, Marmor oder Jurakalk) bezeichnet. Es findet hierbei eine Neutralisation der freien aggressiven Kohlensäure bis zum Kalk-Kohlensäure-Gleichgewicht statt. Die freie Kohlensäure löst bei der Reaktion Calciumcarbonat aus dem Filtermaterial aus. Dabei kommt es zu einer Auf härtung des Wassers. Kohlensäure greift aber auch Beton an, was zu erheblichen Schäden an Bauwerken führen kann. Die Marmorfiltration wird zur Entsäuerung oder zur gezielten Erhöhung der Wasserhärte bei sehr weichen Wässern eingesetzt. Im letzteren Fall wird Kohlensäure vor dem Filter gezielt in der gewünschten Menge in das Wasser dosiert. Bei diesem Verfahren kommt es zum Verbrauch von Entsäuerungsmaterial, welches in regelmäßigen Abständen nachgefüllt werden muss. Die Auf härtung schafft ferner die Basis für funktionierende Flockungsprozesse sowie für die Mikrokoagulation. Zusammen mit einer Dosierung von eisenhaltigen Flockungsmitteln, wird so eine gute Partikelentfernung, sowie TOC-Reduktion erreicht. Bei der Biofiltration nutzt man das Filtermaterial gezielt als Träger für die biologische Besiedlung. Die Biofiltration ist keine klassische Filtration im eigentlichen Sinne, da hierbei die Hauptaufgabe nicht in der Partikelabscheidung liegt, sondern in der Reduktion von gelösten organischen Verbindungen durch biologische Mineralisation. Als Filtermaterialien dienen Aktivkohle, Filterkohle oder mineralische Substanzen wie Bims oder gebrochener Blähton (Filtralite). Durch die Biofiltration wird insbesondere der Gehalt an biologisch verfügbarem organischem Kohlenstoff (BDOC) reduziert. Die Voraussetzung für die Biofiltration wird durch eine vorgeschaltete Ozon- Oxidationsstufe geschaffen, welche den organischen Kohlenstoff für die biologische Mineralisation verfügbar macht. Mittels Aktivkohlefiltration werden gelöste organische und anorganische Gift- und Spurenstoffe adsorptiv aus dem Wasser entfernt. Während bei der Feststofffiltration kaum Material-Verluste auftreten, muss bei der Marmorfiltration Carbonat regelmäßig nachgefüllt werden und bei der Adsorptionsfiltration Aktivkohle in regelmäßigen Abständen ausgetauscht werden. Sowohl für das automatische Nachfüllen als auch für den Kohletausch sind deshalb geeignete Einbauten konstruktiv zu berücksichtigen. Bei großen Auf bereitungsmengen sind großflächige Filteranlagen erforderlich. Diese werden konventionell oft noch durch offene Filter als Betonkonstruktionen erstellt. Alternativ hierzu bieten sich Edelstahlfilter an. Aktivkohlefilter zur Adsorption werden sowohl bei der Trinkwasserauf bereitung als auch bei der Abwasserreinigung, als vierte Reinigungsstufe im Kläranlagenablauf eingesetzt. 2. Filtrationsrichtung und Filterart Eine weitere Unterscheidung bei den Verfahren zur Filtration ergibt sich durch die Filtrationsrichtung. So wird zwischen der bekannten Abstromfiltration und der weniger bekannten Aufstromfiltration unterschieden. Die Abstromfiltration stellt den Standard in den meisten Anwendungsfällen dar. Hierbei strömt das zu filtrierende Wasser von oben nach unten durch das Filtermaterial. Durch entsprechende Schichtung und Kombination von Filtermaterialien wird eine möglichst optimale Tiefenwirkung 176 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Neue Perspektiven für Wasserwerke durch Tanks und Großfilter aus Edelstahl erreicht, was bedeutet, dass sich die abzuscheidenden Stoffe, je nach Größe, in unterschiedlichen Filterschichten ablagern bzw. vom Filtermaterial zurückgehalten werden. Durch Abstromfiltration können hervorragende Filtrationsergebnisse erreicht werden. Abstromfilter können als offene, drucklose Filter oder als geschlossene Druckfilter betrieben werden. Bei der Aufstromfiltration strömt das zu behandelnde Wasser von unten nach oben durch den Filter. Wichtig ist hierbei, dass die Filtergeschwindigkeit nicht zu hoch ist und das Filtermaterial statisch im Filter liegen bleibt. Die Aufwärtsfiltration wird bevorzugt bei der chemischen Auf härtung also der Filtration nach der Kohlensäuredosierung eingesetzt. Vorteilhaft hierbei ist, dass die zugesetzte Kohlensäure nicht vorzeitig ausgasen kann und der Filter praktisch auch nicht überlastungsbedingt dicht machen kann. Die Filterspülung erfolgt in beiden Fällen durch Wasserströmung von unten nach oben mit einer höheren Geschwindigkeit. Wichtig bei der Filterspülung ist, dass das Filtermaterial fluidisiert (schwimmt) und nicht ausgetragen wird. Luftspülungen werden in der Regel mit abgesenktem Wasserspiegel durchgeführt. 3. Filtertypen und Filtergrößen Filterbehälter bis zu ca. 4 bis 5 m im Durchmesser können zumindest in Deutschland noch mittels Schwertransport vom Herstellerwerk bis zum Einsatzort transportiert werden. Die so realisierbaren maximalen Filterflächen pro Filter sind damit limitiert. Bei einem entsprechend höheren Bedarf müssen entweder mehrere Filter parallel geschaltet werden oder die Filter vor Ort gefertigt werden. Bei der Vor-Ort-Fertigung war bis dato die Realisierung als offene Filter in Betonausführung die Regel. Beim Neubau eines Wasserwerkes in Norwegen kamen erstmals Filterbehälter aus Edelstahl mit Durchmessern von 5,7 m und 6,8 m zum Einsatz. Abbildung 1: Filterbehälter aus Edelstahl Hierbei wurden sowohl Abstromfilter sowie Aufstromfilter realisiert. Die Filter (Abb.1 und 3) werden mit dem bekannten Spezialverfahren der Ravensburger Firma Hydro-Elektrik GmbH gefertigt, mit dem bisher ausnahmslos die als HydroSystemTanks® bekannten Trinkwasser-Speicher aus Edelstahl gefertigt wurden. Die Filter sind mit druckfestem Düsenboden (Abb. 2) sowie kompletter innerer Filterverrohrung für Spülluftverteilung, Spülwasserableitung und Filtrat ausgestattet. Kegelförmige Abdeckungen über den drucklos betriebenen Filtern dienen der hermetischen Trennung. Über spezielle Filtersysteme erfolgt die Be- und Entlüftung. Das aufströmende Wasser im Entsäuerungsfilter fließt in eine Rinne über, welche über eine Rohrleitung mit dem Einlauftrichter des Biofilters verbunden ist. So gelangt das ozonisierte und mineralisierte Rohwasser in den im Abstrom betriebenen Biofilter. Die als Mehrschichtfilter geschütteten Biofilter mit Durchmesser 6,70 m und 7 m Höhe arbeiten in der Regel mit einer max. Filtergeschwindigkeit von 9 m/ h (nominal 7,5 m/ h) Abbildung 2: Düsenboden mit Stützkonstruktion Die schwerkraftgetriebenen Bio-Filter mit Sandschicht und mit Biofilterschicht sind komplett geschlossen und werden über spezielle Filtersysteme belüftet bzw. entlüftet und mittels Ablaufregulierung mit stabilem Wasserüberstand betrieben. Die erforderlichen Spülwassermengen bei Großfilteranlagen stellen in der Regel den limitierenden Faktor bei der Filtergröße dar. So kommen bei einem Filter mit 8 m Durchmesser bereits ca. 50 m² Filterfläche zusammen. Bei einer Spülwassergeschwindigkeit von 45 m/ h beträgt der erforderliche Spülwasserstrom 2250 m³/ h. Wenn diese Mengen problemlos bedient werden können, sind auch noch größere Durchmesser möglich. Zuleitung, Ableitung und Speicherung sind für die entsprechenden Anwendungsfälle ebenfalls zu beachten. Über Bedienpodeste können alle für den Betrieb erforderlichen Anlagenteile sicher erreicht werden (Abb. 1). Neben Filterbehältern spielen bei der Ozonung auch Reaktionsbehälter eine große Rolle. Die Ozonung kommt sowohl bei der Trinkwasserauf bereitung als auch der Abwasserbehandlung zum Einsatz. Nach der optimalen Ozoneinmischung ist für die Reaktion des Ozons mit den Wasserinhaltsstoffen eine gewisse Reaktionszeit einzuhalten. So kommen bei z. B. 200 l/ s und gewünschter Reaktionszeit von 10 Minuten 72 m³ als Reaktionsvolumen zusammen. Bei 15 Minuten beträgt dieses 108 m³. Reaktionsbehälter werden derzeit z. T. immer noch als Betonkonstruktionen geplant. Die Tatsache, dass bei der Ozonerzeugung aus wirtschaftlichen Gründen vermehrt Sauerstoff als Feedgas eingesetzt wird, führt auch hier zu erhöhtem Angriff des Betons und der Armierung. Edel- 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 177 Neue Perspektiven für Wasserwerke durch Tanks und Großfilter aus Edelstahl stahl, isnbesondere die austenitischen Stähle 1.4571 bzw. 1.4404, eignen sich hervorragend für Ozon-Reaktionsbehälter. Je nach Aufgabenstellung können Reaktionsbehälter als liegende oder stehende Tanks ausgeführt werden. Bei offenen Metallflächen besteht grundsätzlich die Gefahr der Tauwasserbildung. Aufgrund der komplett geschlossenen wasserführenden Systeme sowie einer entsprechenden Klimatisierung der Gebäude, wird die Tauwasserbildung auf den Edelstahlflächen vermieden, denn die Raumtemperatur in den Betriebsräumen wird sich an der Wassertemperatur ausrichten, da die großen Edelstahlflächen als Heizkörper oder Kühlkörper dienen und die Temperatur im Raum damit konstant bleibt. Abbildung 3: Fertigung Filterbehälter Die Möglichkeit, große Filterbehälter als auch Wasserbehälter aus Edelstahl mittels Spezialverfahren direkt vor Ort zu fertigen, eröffnet neue Perspektiven für Planung und Bau neuer Wasserwerke (Abb. 4). Abbildung 4: Räumliche Anordnung Neben kürzeren Bauzeiten und einer hohen erreichbaren Qualität in der Ausführung, sprechen die Lebensdauer als auch die Planungssicherheit bei den kalkulierten Baukosten für das System. 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 179 Desinfektion und Reinigung von Behältern und Anlagen unter Berücksichtigung von „Merkblatt DVGW W 300-7“ Günter Mösslein Mösslein Wassertechnik, Lohr am Main Dr.-Ing. Hans-Joachim Greunig G5 Performance Hygiene-Consulting, Neustadt am Main Zusammenfassung Die im Handel bis dato erhältlichen Reinigungsmittel für Trinkwasserbehälter sind Produkte auf Basis organischer und anorganischer Säuren oder auf Basis neutraler Stoffe wie starker Reduktionsmittel. In der Entwicklung und ersten Anwendung befinden sich Produkte ohne Gefahrgutkennzeichnung. In der Praxis ist die Notwendigkeit des Einsatzes von chemischen Reinigungsmitteln weiterhin sorgfältig unter Berücksichtigung des Behälterzustandes abzuwägen und die Reinigungsintervalle zustandsorientiert und nach den bisherigen gemachten Erfahrungen festzulegen. Ebenso abzuwägen ist der evtl. Einsatz von Desinfektionsmitteln. Untersuchungsergebnisse aus Studien vor ca. 15 Jahren [2,3] haben dazu geführt, dass das bis dahin gültige DVGW Merkblatt W 319 [4] zurückgezogen wurde. Die im Arbeitsblatt W 291 [5] aus dem Jahre 2000 erläuterten Grundlagen der Reinigung und Desinfektion (incl. entsprechende chemische Substrate) galten bis vor kurzem ebenfalls für die Anwendung in Wasserkammern von Trinkwasserbehältern. Im Jahre 2016 wurde dann das DVGW-Merkblatt W 300-7 aufgelegt, dessen zentrales Thema Praxishinweise zur Erstellung eines Reinigungs- und Desinfektionskonzeptes ist. 1. Einführung Eine wichtige Komponente bei der Inbetriebnahme von Trinkwasserbehältern ist die Erstellung eines Konzeptes zur Reinigung und Desinfektion sowie entsprechende Anforderungen an Ausbildung und Qualifikation des einzusetzenden Personals. In Ergänzung der DVGW-Arbeitsblattreihe W 300-1 bis -5 [6-10] wurde das Merkblatt W 300-7 [1] erarbeitet und 2016 veröffentlicht. Es beinhaltet u. a. die Wechselwirkung von Reinigungs- oder Desinfektionsmitteln mit Oberflächen der Behälterkammer sowie weiteren wasserberührten Bauteilen. Weiterhin wird auch die Abgrenzung von Erstinbetriebnahme zum Gefahrenübergang und der Übergabe an den Auftraggeber beschrieben. 2. Anwendungsbereich Das Merkblatt DVGW W 300-7 gilt ausschließlich für Trinkwasserbehälter und gibt praktische Hinweise zur Erstellung von Konzepten für Desinfektion und Reinigung. Es befasst sich vor allem mit den möglichen Wechselwirkungen zwischen der Reinigung und Desinfektion und dem Bauwerk bzw. den darin verbauten wasserberührten Werkstoffen. Grundlegende Ausführungen zur • Hygiene in Trinkwassersystemen • Verwendbarkeit von Desinfektionsmitteln nach Trinkwasserverordnung wie z. B. chemische Eigenschaften, Einsatzbereiche, Wirkungsweise etc. • Arbeitsgeräte für den Einsatz zur Reinigung und Desinfektion • Auswirkung der Reinigungs- und Desinfektionsmittel auf das Trinkwasser und dessen Qualität werden im DVGW Arbeitsblatt W 291 [5] beschrieben und sind nicht Gegenstand des Merkblattes W 300-7 [1]. 3. Verweise auf weitere DVGW-Normen Die folgenden zitierten Dokumente sind für die Anwendung dieses Dokuments erforderlich: • DVGW W 291 [5] • DVGW W 300-1[6] • DVGW W 300-2 [7] • DVGW W 300-3 [8] • DVGW W 300-4 [9] • DVGW W 300-5 [10] • DVGW W 300-8 [11] • DVGW W 316 [12] • DVGW W 1000 [13] 4. Leitlinien Grundsätzlich muss eine Reinigung vor einer Desinfektion erfolgen. Es ist dabei zu beachten, dass Reinigung und Desinfektion oberflächenwirksame Maßnahmen sind, die daher nur an der trinkwasserberührten Fläche der Behälterkammer - u.U. auch nur vorübergehend - wirksam sind. Nicht in allen können hygienische Mängel durch Reinigung und Desinfektion behoben werden können. Vor allem bei Verwendung ungeeigneter Baustoffe oder Kontaminationen in der Auskleidung und/ oder in der Konstruktion sind nachhaltige Reinigung und Desinfektion durch sog. „Ausbluten“ oft bioverwertbarer Inhaltsstoffe unwirksam. Die dauerhafte hygienische Eignung der trinkwasserberührten Oberflächen muss im Rahmen eines Hygienekonzeptes (geeignete Werkstoffauswahl, fachgerechte Verarbeitung und Baustellenbedingungen, siehe DVGW-Merkblatt W 300-8[11]) sichergestellt werden. Vorab ist zu prüfen, ob eine Reinigung mit chemischen 180 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 Desinfektion und Reinigung von Behältern und Anlagen unter Berücksichtigung von „Merkblatt DVGW W 300-7“ Reinigungsmitteln erforderlich ist - eine Reinigung nur mit Trinkwasser kann ausreichend sein (siehe DVGW- Arbeitsblatt W 300-2 [7]). Beide Alternativverfahrensweisen sind zu prüfen. Darüber hinaus muss zwischen Reinigung und Desinfektion bei Erst-Inbetriebnahme und während des Betriebes des Trinkwasserbehälters unterschieden werden. Daraus ergeben sich Unterschiede bezüglich: • Auswahl der Reinigungs- und Desinfektionsverfahren • Wirkweise von Reinigung und Desinfektion (Wahl der einzusetzenden Mittel, Einwirkdauer, Wechselwirkung mit Werkstoffen) • Verhältnis zwischen Auftraggeber (AG) und Auftragnehmer (AN), des Anlagenverantwortlichen des Versorgers (vertraglich festzulegen) • Gefahrenübergang zwischen AN und AG, insbesondere bei mehreren AN’s (vertraglich festzulegen) • Abgrenzung zu anderen Anlagenteilen bezüglich der Gewerke, Materialien und Schnittstelle Kammer zum Rohrkeller • Vermeidung unbeabsichtigter Aufkonzen-tration von Reinigungs- und Desinfektionsmitteln, z. B. auf der Bodenplatte beim Besprühen der Wände, Decken und Entnahmesumpf 5. Hinweise zur Erstellung eins Konzeptes für Desinfektion und Reinigung 5.1 Grundsätzliche Bemerkungen Ein Reinigungs- und Desinfektionskonzept sollte folgende Bestandteile enthalten: • Veranlassung • Festlegung des Reinigungs- und Desinfektionsziels • Erstellen eines Reinigungs- und Desinfektionsplans • Festlegung der Kriterien der Erfolgskontrolle • Aktualisierung der Dokumentation 5.2 Veranlassung Gemäß der DVGW-Arbeitsblätter W 300-1 und -3 [6,8] muss nach Neubau und Sanierung vor Inbetriebnahme eine Reinigung und Desinfektion erfolgen. Gemäß DVGW-Arbeitsblatt W 300-2 [7] erfolgt die Reinigung einer in Betrieb befindlichen Wasserkammer im Rahmen der regelmäßigen Inspektion oder planmäßigen Instandhaltung. Jedes Unternehmen legt auf der Grundlage seiner Erfahrungen Kriterien (Sediment, Bewuchs, Ablagerungen, Trinkwasserqualität etc.) für den wiederkehrenden Turnus fest, der durchaus für jeden einzelnen Behälter (Einfluss Behältergröße, Trinkwasserqualität etc.) unterschiedlich sein kann. Die Abstimmung der Reinigungszyklen sollte mit der überwachenden Behörde erfolgen. Daneben können jedoch außerplanmäßige Ereignisse eine Reinigung, ggf. in Verbindung mit einer Desinfektion, erfordern. Auffälligkeiten in der mikrobiologischen Überwachung (Probennahme Trinkwasser) der Trinkwasserkammern erfordern in der Regel mindestens eine Reinigung. Ebenso muss nach jedem Eingriff in eine Trinkwasserkammer, z. B. bei baulichen Veränderungen oder Reparaturen, gereinigt werden. Dem Betreiber obliegt es grundsätzlich, jede Maßnahme, die ein Betreten oder eine Außerbetriebnahme einer Trinkwasserkammer zur Folge hat, darauf hin zu bewerten, ob eine Reinigung und ggf. in Verbindung mit einer Desinfektion, vor der Wiederinbetriebnahme erforderlich ist. 5.3 Festlegung des Reinigungs- und Desinfektionsziels Das generelle Reinigungs- und Desinfektionsziel muss ein einwandfreier mikrobieller Zustand der Wasserkammern sein. Weitere Ziele können je nach Vor-Ort-Verhältnisse definiert werden: • Entfernen von losen Bestandteilen von den Oberflächen (Zementschleier, Stäube, Sedimente etc.) • Entfernung von Ablagerungen (Mangan, Eisen, Kalk etc.). Eisen-Manganablagerungen müssen nicht unbedingt entfernt werden, solange die Trinkwasserqualität nicht nachteilig beeinflusst wird. • Entfernung von organischen Verunreinigungen (Schimmel, Algenbewuchs etc.) Während des Betriebes des Trinkwasserbehälters muss die Intensität der Reinigung (mechanische Beanspruchung der Auskleidung) und Desinfektion (chemische Beanspruchung der Auskleidung) auf das erforderliche Minimum beschränkt werden. Bei der Erst-Inbetriebnahme (DVGW-Arbeitsblatt W 300-1[6], Instandsetzung DVGW-Arbeitsblatt W 300-3[8]) können intensivere Maßnahmen erforderlich werden. 5.4 Erstellen eines Reinigungs- und Desinfektionsplans Folgende Punkte sind maßgeblich beim Erstellen eines Reinigungs- und Desinfektionsplanes für jeden Trinkwasserbehälter individuell zu beachten und festzulegen: Vorbereitung • Gefährdungsbeurteilung, Hygieneschleuse, Materiallager, Schutz angrenzender Anlagen- und Bauteile etc. Reinigungsverfahren und Erfordernis des Einsatzes von Reinigungs- und Desinfektionsmitteln, Materialverträglichkeit, Herstellerangaben (Auskleidungen und betriebliche Einbauten) • Entsorgung der Reinigungswässer • Erfordernis des Spülens anbindender Rohrleitungen • Festlegung der Reinigungs- und Desinfektionsabfolge der jeweiligen Reinigungspositionen und Arbeitsschritte (Wand, Decke, Boden, Reinigungsabschnitte, Mindesteinwirkdauer, maximale Einwirk-dauer, Reinigungs- und Desinfektionsmittelkonzentrationen, Vermeidung von Aufkonzentrationen, Zwischenspülungen, Endspülung etc.) Außerbetriebnahme • Abschiebern und gegen Wiederinbetriebnahme sichern • Schutzmaßnahmen für in Betrieb befindliche Anlagenteile (Wasserkammern) • Entleerung (Abschlagung und, falls vorhanden, Einleitungsgenehmigungen beachten) 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 181 Desinfektion und Reinigung von Behältern und Anlagen unter Berücksichtigung von „Merkblatt DVGW W 300-7“ Begehung • Beprobung Ablagerungen, Sedimente etc. • Inspektion nach DVGW-Arbeitsblatt W 300-2 Einrichtung der erforderlichen Maßnahmen wie Hygieneschleuse, Materiallager, Schutz angrenzender Anlagen- und Bauteile, Gerüste etc. Durchführung der Reinigung und ggf. Desinfektion unter Berücksichtigung der oben genannten Vorbereitung visuelle Kontrolle als Teil der Erfolgskontrolle (s.u.) Befüllung Wasserproben als Teil der Erfolgskontrolle (s.u.) Dokumentation (s.u.) 5.5 Erfolgskontrolle Grundlage für die Erfolgskontrolle sind die im Vorfeld eindeutig festgelegten Reinigungs- und Desinfektionsziele. Eine erfolgreiche Reinigung und Desinfektion ist erfolgt, wenn die festgelegten Ziele erreicht werden. Für die Erfolgskontrolle sind folgende Punkte zu prüfen: • visuelle Kontrolle der gereinigten Flächen vor Befüllung (Zustand der Oberflächen, Abtrag an der Oberfläche, Sedimententfernung, Rückstände, Schäden etc.) • Wasserproben gemäß Probenahmeplan (zum Nachweis der Trinkwasserqualität nach TrinkwV), ggf. Wiederholungsprobe nachdem der Behälter in Betrieb ist, (Kammer, Netz, Zulauf, Ablauf). Wichtig ist hier anzumerken, dass bei Überschreitung der entsprechenden Grenzwerte die Abstimmung mit der überwachenden Behörde immer erforderlich - insbesondere wenn eine weitere Desinfektion in Planung ist. 5.6 Dokumentation Eine Dokumentation der Reinigungsarbeiten kann, sowohl beim Betrieb, als auch bei späteren Erneuerungs-, Sanierungs- oder Erweiterungsarbeiten wird empfohlen - es sollten hierbei die wesentlichen Punkte des Ablaufes der Reinigung und Desinfektion aufgeführt werden. (z. B. als Checkliste, aus Vorgabe und Nachweis oder als Datenbank). Ein Beispiel für ein Erfassungsformular wird im Rahmen des Referates vorgestellt. Sollte es im Betrieb zu negativen Ereignissen kommen, lassen sich evtl. durch Auswertung der durchgeführten Arbeiten und/ oder eingesetzten Reinigungs- und Desinfektionsmittel Rückschlüsse auf die Wirksamkeit, die Verträglichkeit ziehen. Wenn bei Inspektionen Schäden festgestellt werden und diese saniert werden müssen, lassen sich durch die Auswertung der eingesetzten Reinigungs- und Desinfektionsmittel ggf. Rückschlüsse auf die Verträglichkeit der eingesetzten Baustoffe bzw. -materialien mit diesen Mittel feststellen. Für Sanierungsarbeiten können ggf. andere Materialien zum Einsatz kommen oder der Einsatz bestimmter Produkte/ Produktgruppen für die künftige Nutzung beschränkt werden. Eine Kopie der entsprechenden Produktdatenblätter mit den maßgeblichen Daten sollte zur Dokumentation auf bewahrt werden. 6. Qualifikation des Personals Gemäß DVGW-Arbeitsblatt W 1000 [13] muss das mit den Aufgaben beauftragte Personal ausreichend ausgebildet und qualifiziert sein. Die Reinigung und Desinfektion ist mindestens durch eine unterwiesene Person unter Leitung und Aufsicht der technischen Fachkraft auszuführen. Die erforderlichen Fachkenntnisse der technischen Fachkraft beinhalten mindestens die relevanten Teile der DVGW-Regelwerke W 300. Bei der Auswahl von Dienstleistern ist gemäß DVGW- Arbeitsblatt W 1000 [13] zu verfahren. Die Sachkunde gilt als erfüllt, wenn z. B. der Nachweis der Qualifikation nach DVGW-Arbeitsblatt W 316 [12] für die Fachkraft vorliegt. Literatur [1] DVGW W 300-7 (M), Trinkwasserbehälter; Teil 7: Praxishinweise Reinigungs- und Desinfektionskonzept [2] DVGW Forschungsprojekt W6/ 02/ 04: Abschlussbericht: „Auswirkungen des Reinigungs verfahrens bei beschichteten Behältern auf die mikrobiologische Beschaff enheit des gespeicherten Wassers“, 12/ 2007. [3] Schäufele, I., Schwotzer, M. und Gerdes, A.: Einfl uss von Reinigungsmitteln auf das Werk stoff verhalten zementgebundener Beschichtungen von Trinkwasserbehältern. gwfWasser|Abwasser 149 (2008) Nr. 2, S. 124-132. [4] DVGW W 319 (A), Reinigungsmittel für Trinkwasserbehälter; Einsatz, Prüfung und Beurteilung [5] DVGW W 291 (A), Reinigung und Desinfektion von Wasserverteilungsanlagen [6] DVGW W 300-1 (A), Trinkwasserbehälter - Teil 1: Planung und Bau [7] DVGW W 300-2 (A), Trinkwasserbehälter - Teil 2: Betrieb und Instandhaltung [8] DVGW W 300-3 (A), Trinkwasserbehälter - Teil 3: Instandsetzung und Verbesserung [9] DVGW W 300-4 (A), Trinkwasserbehälter - Teil 4: Werkstoffe, Auskleidungs- und Beschichtungssysteme - Grundsätze und Qualitätssicherung auf der Baustelle [10] DVGW W 300-5 (P), Trinkwasserbehälter - Teil 5: Werkstoffe, Auskleidungs- und Beschichtungssysteme - Anforderungen und Prüfung [11] DVGW W 300-8 (M), Trinkwasserbehälter; Praxishinweise Hygienekonzept: Neubau und Instandsetzung [12] DVGW W 316 (A), Qualifikationsanforderungen an Fachunternehmen für Planung, Bau, Instandsetzung und Verbesserung von Trinkwasserbehältern [13] DVGW W 1000 (A), Anforderungen an die Qualifikation und die Organisation von Trinkwasserversorgern Anhang 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 185 Programmausschuss Der Programmausschuss für das Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis setzt sich aus anerkannten Experten aus Forschung und Entwicklung, Industrie und Praxis zusammen. Zu seinen Aufgaben gehören die Formulierung der Zielsetzung und Festlegung der Themenschwerpunkte der Fachtagung, die Begutachtung und Auswahl der eingereichten Vortragsvorschläge für das Tagungsprogramm und die fachliche Beratung des Veranstalters. Vorsitzender Prof. Dr.-Ing. Manfred Breitbach Hochschule Koblenz Mitglieder Dipl.-Ing. Berthold Bleser GfB Gesellschaft für Bauwerkssanierung und Instandsetzung mbH, Essen Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Breit Rheinland-Pfälzische Technische Universität Kaiserslautern-Landau (RPTU) Dipl.-Ing. Martin Hobl Gesellschaft für Geohydraulik, Umweltberatung, Verfahrens- und Ingenieurtechnik mbH, Lohfelden Carina Janich figawa - Bundesvereinigung der Firmen im Gas- und Wasserfach e. V. Dr. Josef Klinger DVGW - Technologiezentrum Wasser, Karlsruhe Prof. Dr.-Ing. Melanie Merkel bsm² Breit · Schuler · Merkel Beratende Ingenieure PartGmbB, Kaiserslautern Dipl.-Ing. Werner Pfahler Netze BW Wasser GmbH, Stuttgart Dipl.-Ing. Jan Rassek w+s bau-instandsetzung gmbh, Fuldabrück Dipl.-Ing. Hendrik Rösch Harzwasserwerke GmbH, Hildesheim Peter Sudermann, M. Eng. Hochschule Koblenz Dipl.-Ing. Jens Windisch Bauschutz GmbH & Co. KG, Asperg 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis - März 2023 187 Autorenverzeichnis BBach, Thilo 49 Becker, Thomas 151 Berndt, Michael 97 Bolesta, Martin 167 Boonk, Ludger 161 Breit, Wolfgang 27, 105 Brugger, Manfred 175 FFeldhaus, Jan 133 Flint, Dominik 73 GGeffert, Günter 87 Gernand, Sandra 141 Glawe, Clarissa 105 Greunig, Hans-Joachim 179 HHobl, Martin 15 JJanich, Carina 135 KKämpfer, Wolfram 97 Kilb, Beate 45 Kochendörfer, Sascha 13 Kostenzer, Tobias 87 Kuck, Matthias 79 LLeck, Sascha 119 Lipinski, Thomas 133 MMerkel, Melanie 35 Mösslein, Günter 179 RRassek, Jan 123 Raupach, Michael 105 Richter, Helmut 27 Ruhwald, Laura 141 SSchütz, Kai 145 Sudermann, Peter 151 TTusch, Anja 105 Weitere Informationen und Anmeldung unter www.tae.de/ go/ bauwesen Besuchen Sie unsere Seminare, Lehrgänge und Fachtagungen. Geotechnik Verkehrswegebau und Wasserbau Konstruktiver Ingenieurbau Bautenschutz und Bausanierung Umwelt- und Gesundheitsschutz Energieeffizienz Baubetrieb und Baurecht Facility Management Ein Großteil unserer Seminare wird unterstützt durch das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds. Profitieren Sie von der ESF-Fachkursförderung und sichern Sie sich bis zu 50 % Zuschuss auf Ihre Teilnahmegebühr. Alle Infos zur Förderfähigkeit unter www.tae.de/ foerdermoeglichkeiten Bauwesen, Energieeffizienz und Umwelt Bis zu 50 % Zuschuss möglich www.tae.de Das 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis (vormals „Betonbauwerke in der Trinkwasserspeicherung“) an der Technischen Akademie Esslingen behandelt die Themenbereiche der Regelwerke, Trinkwasserhygiene und -aufbereitung sowie Werkstoffkorrosion im Kontakt mit Trinkwasser. Die Fachtagung bietet somit eine aktuelle Plattform zur Vorstellung von Richtlinien, deren Anwendung und Umsetzung. Es werden Bauweisen (Neubau, Teilneubau, Systembehälter), Bauverfahren, Instandsetzungsprinzipien, Auskleidungsprinzipien und marktübliche Werkstoffe und Systeme präsentiert. Beim 7. Kolloquium Trinkwasserspeicherung in der Praxis werden in rund 25 Plenar- und Fachvorträgen die neuesten Erkenntnisse über Planung, Bau, Instandhaltung, Instandsetzung und Betrieb von Trinkwasserbehältern behandelt. Der Inhalt Aktuelles aus internationaler und nationaler Regelwerksarbeit Schulungskonzepte Fachunternehmens-Zertifizierung Neubau und Instandsetzung von Trinkwasserspeichern zementgebundene Baustoffe polymere Auskleidungssysteme Edelstahlauskleidungen Hydrolyse Korrosion Hygiene Desinfektion Reinigung Qualitätssicherung Die Zielgruppe Das Kolloquium richtet sich an alle, die mit Planung, Bau, Betrieb oder Instandhaltung von Trinkwasserspeichern befasst sind: Wasserversorger Ämter und Behörden Städte, Gemeinden Wassermeister Materialhersteller Planungsbüros Verarbeiter Hersteller/ Verwender von technischen Ausrüstungen Das vorliegende Tagungshandbuch enthält die vorab eingereichten Beiträge zu den Vorträgen. ISBN 978-3-8169-3558-2