Die chinesische Messaging-App WeChat als virtuelle Sprachinsel
Studien zur WeChat-Nutzung deutschsprachiger Expatriates in China
0928
2020
978-3-8233-9312-2
978-3-8233-8312-3
Gunter Narr Verlag
Michael Szurawitzki
10.2357/978-3-8233-9312-2
CC BY-SA 4.0https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/deed.de
Die Studie untersucht anhand der Messaging-Applikation WeChat, wie deutschsprachige Expatriates in China die dort sehr verbreitete App nutzen, um ihr Leben in der für sie fremden Umgebung zu organisieren und Kontakte innerhalb der Expatriate-Community zu pflegen. WeChat lässt sich als eine Art virtuelle Sprachinsel verstehen, deren spezifische Nutzung bislang noch nicht Gegenstand medienlinguistischer Forschung war. Anhand einer 2018-2019 durchgeführten Online-Umfrage geht die Untersuchung unter anderem den Fragen nach, welche Funktionen der App die Anwender nutzen, in welchen Sprachen (neben Deutsch) sie kommunizieren, ob die Kommunikation am mündlichen oder schriftlichen Standard orientiert ist und ob Sprachmischung zu beobachten ist. Die Ergebnisse liefern einen Einblick in deutsch-chinesische Sprach- und Technologiekontakte und einen wertvollen Beitrag zur interkulturellen Linguistik.
<?page no="0"?> Hallo China WeChat 你好 微信 上海 德国 Die chinesische Messaging- App WeChat als virtuelle Sprachinsel Michael Szurawitzki Studien zur WeChat-Nutzung deutschsprachiger Expatriates in China <?page no="1"?> Die chinesische Messaging-App WeChat als virtuelle Sprachinsel <?page no="3"?> Michael Szurawitzki Die chinesische Messaging-App WeChat als virtuelle Sprachinsel Studien zur WeChat-Nutzung deutschsprachiger Expatriates in China <?page no="4"?> Die Drucklegung wurde großzügig unterstützt von der Fakultät für Geisteswissenschaften der Universität Duisburg-Essen. Die frei zugängliche digitale Publikation wurde ermöglicht mit Mitteln des Open-Access-Publikationsfonds der Universität Duisburg-Essen. ORCID: https: / / orcid.org/ 0000-0002-7356-1410 DOI: https: / / doi.org/ 10.2357/ 978-3-8233-9312-2 © 2020 · Michael Szurawitzki Das Werk ist eine Open Access-Publikation. Es wird unter der Creative Commons Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen | CC BY-SA 4.0 (https: / / creativecommons.org/ licenses/ by-sa/ 4.0/ ) veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, solange Sie die/ den ursprünglichen Autor/ innen und die Quelle ordentlich nennen, einen Link zur Creative Commons-Lizenz anfügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden. Die in diesem Werk enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der am Material vermerkten Legende nichts anderes ergibt. In diesen Fällen ist für die oben genannten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen. Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de CPI books GmbH, Leck ISBN 978-3-8233-8312-3 (Print) ISBN 978-3-8233-9312-2 (ePDF) ISBN 978-3-8233-0238-4 (ePub) Umschlagabbildung: Political map of China in Asia. Autor: Robcastorres. www.shutter stock.com, 1435327082. Bearbeitung: Verlag. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. www.fsc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC ® C083411 ® www.fsc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC ® C083411 ® <?page no="5"?> 9 1. 11 2. 19 2.1. 20 2.2. 23 2.3. 27 2.4. 33 2.5. 35 2.6. 38 3. 47 3.1. 48 3.1.1. 48 3.1.2. 51 3.1.3. 52 3.1.4. 53 3.2. 53 3.2.1. 54 3.2.2. 54 3.2.3. 55 3.2.4. 55 3.3. 56 3.4. 57 3.5. 57 3.6. 58 3.7. 59 3.8. 60 Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einführung und Forschungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Deutschsprachiges Engagement in China historisch . . . . . . . . . . . . . . . . Christliche Mission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Koloniale Bestrebungen des Deutschen Reiches in China . . . . Zwischenkriegszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die deutschen Beziehungen zur VR China ab 1949 bis in die 1970er Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Öffnungspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs: Deutsche Sprache und Germanistik in China . . . . . . . Zur deutschsprachigen Expat-Community in China heute . . . . . . . . . . . . Diplomatische Vertretungen der deutschsprachigen Länder . Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Luxemburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wirtschaftsvertretungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Deutsche Außenhandelskammern . . . . . . . . . . . . . . . . . EU Chamber of Commerce . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . German Centre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . SwissCham . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Deutsche Schulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Deutschsprachige Gemeinden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Goethe-Institute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die deutschlandbezogenen Institute der Tongji-Universität . . Die China-Aktivitäten des DAAD (Fokus: DAAD-Lektorate) . Akademische Prüfstelle (APS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . <?page no="6"?> 3.9. 61 3.9.1. 61 3.9.2. 62 3.9.3. 62 3.9.4. 63 3.10. 64 3.10.1. 64 3.10.2. 64 3.10.3. 65 3.10.4. 66 3.10.5. 66 4. 69 4.1. 69 4.2. 75 5. 79 6. 93 6.1. 93 6.2. 99 6.3. 99 6.4. 101 6.5. 102 7. 103 7.1. 103 7.2 111 7.2.1. 111 7.2.2. 111 7.2.3. 113 7.3 114 7.3.1. 115 Politische Stiftungen in China . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konrad-Adenauer-Stiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Friedrich-Ebert-Stiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hanns-Seidel-Stiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Heinrich-Böll-Stiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weitere Organisationen/ Anlaufstellen u.Ä. . . . . . . . . . . . . . . . Hamburg House . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verbindungsbüros von Universitäten aus deutschsprachigen Ländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Büros von Fußballklubs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Deutschlandbezogene Infrastruktur . . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige Aktivitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Forschungsstand zu WeChat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . WeChat allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Forschungsstand zur Messengerkommunikation und WeChat WeChat als Kommunikationstool . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Methode: Online-Umfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorbereitung und Umfragedesign . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pretests . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Modifikation und Genese der Online-Umfrage (Desktop- und Smartphone-Versionen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erhebungszeitraum und Verbreitung des Umfragelinks . . . . . Datensicherung, Auswertung und Bereitstellung für zukünftige Forschungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Empirischer Teil: Resultate der Untersuchung der Kommunikation deutschsprachiger Expatriates in China über WeChat . . . . . . . . . . . . . . . Metadaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontakt mit WeChat und anderen Messengern . . . . . . . . . . . . Bekanntheit von WeChat vor Einreise nach China . . . . Erstkontakt mit WeChat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nutzung anderer Messaging-Dienste . . . . . . . . . . . . . . . Häufigkeit der WeChat-Nutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Nutzung von WeChat . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Inhalt <?page no="7"?> 7.3.2. 116 7.3.3. 117 7.4. 118 7.5. 118 7.5.1. 118 7.5.2. 119 7.5.3. 121 7.5.4. 125 7.5.5. 126 7.5.6. 133 7.5.7. 134 7.5.8. 136 7.5.9. 138 7.5.10. 140 7.5.11. 144 7.5.12. 145 7.5.13. 146 7.6 147 7.6.1. 147 7.6.2. 149 7.6.3. 153 7.7. 154 7.7.1. 155 7.7.2. 156 7.7.3. 157 7.7.4. 158 7.8. 160 7.8.1. 160 7.8.2. 161 7.9. 163 7.10. 165 7.10.1. 165 Berufliche Nutzung von WeChat . . . . . . . . . . . . . . . . . . Private Nutzung von WeChat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung der Abschnitte 7.1.-7.3. . . . . . . . . . . . . . . . . Nutzung der Features von WeChat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gruppenchats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Momente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sprachnachrichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fotos/ Selfies/ Videos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Telefonie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Videotelefonie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Standortfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rote Pakete (Hongbao) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Finanzfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontaktkarten senden/ empfangen . . . . . . . . . . . . . . . . . Personensuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung der WeChat-Featurenutzung durch die deutschsprachigen Expatriates in China . . . . . . . . . Genutzte Sprachen und Sprachmischung . . . . . . . . . . . . . . . . . Hauptsächlich genutzte Chatsprachen . . . . . . . . . . . . . . Sprachmischung innerhalb von Chats und Gruppenchats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sprache(n) der Sprachnachrichten . . . . . . . . . . . . . . . . . Sprachrichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sprachrichtigkeit im Deutschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sprachrichtigkeit im Chinesischen . . . . . . . . . . . . . . . . . Sprachrichtigkeit im Englischen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sprachrichtigkeit in anderen Sprachen . . . . . . . . . . . . . Deutsch und Chinesisch im Austausch mit der jeweils anderen Kultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verwendung des Deutschen mit Chinesinnen und Chinesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verwendung des Chinesischen mit SprecherInnen des Deutschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übersetzungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Internetsprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Internet-typische Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Inhalt <?page no="8"?> 7.10.2. 167 7.10.3. 170 7.11. 171 7.12. 173 7.12.1. 173 7.12.2. 175 7.13.3. 176 8. 179 9. 185 187 203 211 231 Emojis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sticker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündlichkeit und Schriftlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kommentare zur Nutzung von WeChat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kommentare zu Problemen bei der Nutzung von WeChat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weitere eventuelle Features für WeChat . . . . . . . . . . . . Sonstige Kommentare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Forschungsdatenmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang 1: Fragebogen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang 2: Tabellarische Auswertungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Inhalt <?page no="9"?> Vorwort Ich hätte mir vor meinem Engagement in China und auch nach einiger Zeit dort nicht vorstellen können, tief in die Forschung zu einem Messenger wie WeChat einzutauchen. Dieses Projekt hat mir sehr viel Freude bereitet und meine linguistische Perspektive erweitern können. Ich danke allen, die mich beim Verfassen dieses Buches unterstützt haben. Speziell möchte ich allen in China ansässigen Deutschsprachigen bzw. China-Alumni danken, die zwischen November 2018 und April 2019 an der Online-Erhebung zur Nutzung von WeChat teilgenommen haben. Ohne ihre Bereitschaft, Auskunft zu erteilen, hätte der vorliegende Band nicht entstehen können. Ebenso danke ich denjenigen, die den Link zur Online-Erhebung ge‐ eignet weitergeleitet und so einer größeren Anzahl potenzieller InformantInnen zur Kenntnis gebracht haben. Aus dem Bereich der KollegInnen möchte ich speziell Christa Dürscheid und Thomas Zimmer erwähnen, die mir teils sehr wichtige Hinweise gegeben haben. Christian Moskob hat eine erste Version der Online-Umfrage hilfreich kommentiert, dafür habe ich zu danken. Der Universitätsbibliothek der Univer‐ sität Duisburg-Essen danke ich für eine Förderung der Open Access-Publikation durch einen großzügigen finanziellen Zuschuss. Die Drucklegung des Bandes wurde durch einen Zuschuss der Fakultät für Geisteswissenschaften der Uni‐ versität Duisburg-Essen gefördert, auch dafür möchte ich meinen herzlichen Dank aussprechen. Der größte Dank jedoch gilt meiner Frau, die mich so unterstützt wie niemand sonst. Ihr ist der vorliegende Band gewidmet. Essen, im August 2020 Michael Szurawitzki <?page no="11"?> 1. Einführung und Forschungsfragen Plewnia/ Riehl (2018) leiten das Handbuch der deutschen Sprachminderheiten in Übersee wie folgt ein: Minderheitengruppen, die die deutschen Dialekte oder regionale Varietäten des Deut‐ schen sprechen, sind ein weltweites Phänomen. Tatsächlich finden sich sogenannte „Sprachinseln“, d. h. Minderheiten, die in Isolation vom geschlossenen deutschen Sprachraum leben, auf allen Kontinenten. Sie unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht voneinander, u. a. durch ihre Siedlungsgeschichte, ihr Alter, die Kontaktsituation, zugrundeliegende Varietäten und Typus der Kontaktsprachen. In diesem Sinne ist die Erforschung und Dokumentation sowie der Vergleich unterschiedlicher Konstel‐ lationen und unterschiedlicher Stadien des Kontakts ein zentrales Thema der Kon‐ taktlinguistik, der Soziolinguistik, der Dialektologie und vieler weiterer Disziplinen. (Plewnia/ Riehl 2018: 7) Im genannten Handbuch ist ein Land ausgespart, das mindestens historisch gesehen auch hätte betrachtet werden können, nämlich China. In der Zeit des Kolonialismus sowie während der Verfolgung jüdischer Minderheiten durch die Nationalsozialisten gab es Hotspots wie Qingdao (Tsingtau) oder Shanghai (vgl. u. a. Szurawitzki 2017a), wo das Deutsche zeitweise eine sehr wichtige Rolle spielte und „Sprachinseln“ im o. g. Sinne existierten. Die historischen Entwicklungen haben dazu geführt, dass diese Zentren der Verwendung des Deutschen nicht mehr in der ursprünglichen Form existieren, da es keine deutsche Kolonie an Chinas Nordostküste und auch keine Ansiedlung deutsch‐ sprachiger, v. a. jüdischer Flüchtlinge in Shanghai mehr gibt. Obwohl wir also an der Oberfläche kaum noch etwas vorfinden, das wir aktuell im Sinne von Plewnia/ Riehl als „Sprachinsel“ beschreiben könnten (zum historischen Shanghai vgl. Szurawitzki i.V.), so finden wir uns mit Blick auf Zehntausende Deutschsprachige in China heute, die v. a. für deutsche Firmen arbeiten, mit einer Situation bzw. einem Ort konfrontiert, den wir hier in Teilen analog zu einer Sprachinsel auffassen: Dieser Ort ist nicht physisch, sondern virtuell vorhanden. Es handelt sich um eine Smartphone-Applikation, die nahezu jedem Menschen in China geläufig ist und fast nur dort benutzt wird (die Metapher der „Insel“ passt zu dem von außen und innen abgeschirmten Internet in China) - sie trägt den Namen WeChat. Im Kontext deutschsprachiger Expatriates fasse ich sie hier als ,virtuelle Sprachinsel‘ auf, als Blase, Sammelbecken und Scharnier für in China befindliche oder gewesene Deutschsprachige, die sich spezifisch <?page no="12"?> auf das Reich der Mitte hin perspektiviert vernetzen bzw. kommunizieren wollen. Einerseits bietet die Applikation die Möglichkeit, in der einschlägigen Community unter sich zu kommunizieren, andererseits fungiert sie auch als zentrale Schnittstelle zum chinesischsprachigen und chinesischen Alltag in Beruf und Freizeit. Für alle denkbaren kommunikativen Konstellationen und noch viel mehr kommt WeChat zum Einsatz, unter Chinesen wie unter in China ansässigen AusländerInnen. Unabhängig vom physischen Aufenthaltsort in China bildet die Applikation gewissermaßen den kommunikativen Kitt der Expatriate-Community. Wie genau diese App aber diese Funktion erfüllt, ist bisher noch nicht Gegenstand medienlinguistischer Forschung gewesen. Im vorliegenden Band wird daher die Nutzung der Messaging-App WeChat durch deutschsprachige, in China gegenwärtig oder in jüngster Vergangenheit ansässige Expatriates untersucht. Die chinesische Messaging-Applikation We‐ Chat (chin. 微信 , Pinyin-Umschrift Wēixìn, ,winzige Nachricht‘) der Firma Tencent (chin. 腾讯 , Pinyin Téngxùn), eingeführt 2011 (Zhou/ Hentschel/ Kumar 2017: 3), eine „all-in-one mobile application“ (Zhou/ Hentschel/ Kumar 2017: 3), beherrscht im Reich der Mitte unangefochten den Markt. In Europa ist sie weder einer breiteren Bevölkerung noch den meisten LinguistInnen bekannt bzw. vertraut. Für über eine Milliarde NutzerInnen bietet die Applikation komplexe Anwendungsmöglichkeiten: Sie vereint die Funktionalitäten von WhatsApp, Facebook, Twitter und vielen weiteren Applikationen unter einem Dach und kann fast schon als das chinesische mobile Internet angesehen werden, da über integrierte sog. Mikro-Apps, von denen es Hunderttausende gibt, prak‐ tisch alle Dinge des virtuellen Lebens innerhalb von WeChat erledigt werden können (Garton Ash 2016: 64, 72). So viele Dienste, die in einer einzigen App zusammenlaufen, dürfte es nirgends anders im Internet, so wie wir es heute kennen und nutzen, geben. Viele in China ansässige Deutschsprachige nutzen in ihrer ,Heimat auf Zeit‘ wie selbstverständlich WeChat, das ihnen aufgrund seiner breiten Eigenschaften - auch durch eine vorhandene deutschsprachige Benutzeroberfläche -, eine optimale Plattform bietet, um in China, dem Vorrei‐ terland der Digitalisierung im 21. Jahrhundert, anzukommen und zu agieren. Bei den in China tätigen deutschsprachigen Journalisten erfährt WeChat bereits signifikante Aufmerksamkeit: Zand (2016) kommt zu folgender Einschät‐ zung: „Die Universal-App WeChat hat den Alltag von 800 Millionen Menschen revolutioniert. […] Tausende Unternehmen bieten über WeChat ihre Dienste an und werden über die App bezahlt. Selbst die Behörden nutzen sie - von der Müllabfuhr bis zur Kommunistischen Partei.“ Wurzel (2017) thematisiert einen Streit zwischen WeChat und Apple. Frank Sieren, langjähriger Zeit- und Handelsblatt-Korrespondent in Peking, schreibt, dass die App „technologisch 12 1. Einführung und Forschungsfragen <?page no="13"?> viel besser ist als Whatsapp und gerade dabei ist, die Welt zu erobern“ (Sieren 2018: 77). Ähnlich sieht dies Hirn: „Der Lehrling hat seinen Lehrmeister überholt. WeChat ist besser als Whatsapp …“ (Hirn 2018: 169); „es hat viel mehr Funktionen“ (Hirn 2018: 184). Er geht in seinen Ausführungen noch weiter und sieht WeChat mittelfristig als so einflussreich an, eine traditionell etablierte chinesische Kulturtechnik wie das Überreichen von Visitenkarten herauszufordern: Zwei von drei Chinesen, also knapp eine Milliarde, nutzen bereits WeChat. Jeder User von WeChat erhält einen QR-Code. Das ist eine quadratische Matrix, die selbst aus vielen kleinen schwarzen und weißen Quadraten besteht. Dieser Code ist quasi die WeChat-ID, die immer öfter die Visitenkarte ersetzt. Gehörte es in China lange zum Begrüßungsritual, beidhändig die Kärtchen auszutauschen, so scannt man nun - fast eine Kulturrevolution - häufig gegenseitig die QR-Codes mit den Smartphones. (Hirn 2018: 185) Abgesehen davon, dass Hirns historisch anders besetzter Begriff der „Kulturre‐ volution“ unpassend gewählt ist, so kann man ihm zumindest folgen, als dass das Sich-Verbinden mittels QR-Code in Zeiten von WeChat immer häufiger wird. Ob als Einheimischer oder als Gast in China - man kann sich der App praktisch nicht entziehen, will man am Alltag der durchdigitalisierten Gesellschaft im Reich der Mitte auf Augenhöhe partizipieren. Während die westlichen Industrienationen und viele andere Länder der Erde in Facebook die führende Applikation im Bereich der sozialen Medien sehen, so ist dies in China anders, da Facebook über Internetrestriktionen gesperrt ist und bis auf Weiteres nicht offiziell legal benutzt werden darf. Im Umkehrschluss gilt Sierens Annahme: „Dass die chinesischen Wettbewerber wie WeChat die Welt erobern, ist wahrscheinlicher, als dass Facebook in China zugelassen wird.“ (Sieren 2018: 99) Restriktionen und Kontrolle (vgl. auch Kirchner 2018) spielen bei der Beschäftigung mit WeChat im Speziellen wie der Internetnutzung in China im Allgemeinen eine große Rolle, auch bei den deutschen China-Beobachtern wie Kai Strittmatter von der Süddeutschen Zeitung: „Die größten chinesischen Social-Media-Kanäle Weibo, Wechat und Baidu Tieba wurden schon mehrfach für kurze Zeit unter Aufsicht gestellt.“ (Strittmatter 2018: 76-77) Chen/ Mao/ Qiu kommen zu einer ähnlichen Einschätzung: „We see WeChat […] as ‚semi-private‘ because the platform is still under the watchful eyes of Chinese internet censors, who may intervene any time they want.“ (Chen/ Mao/ Qiu 2018: 100) Nun ist darüber hinaus anzunehmen, dass WeChat, ähnlich wie weite Teile des Internets außerhalb von China, unter dauerhafter Aufsicht steht. Diese 13 1. Einführung und Forschungsfragen <?page no="14"?> Problematik soll und kann hier nicht im Zentrum stehen, jedoch möchte ich noch ein Zitat von Strittmatter anführen, das auf Überwachung hinweist: Die Zensur gibt sich auf Wechat duldsamer, aber das Gefühl relativer Sicherheit, das viele Nutzer dort haben, trügt: Die Pekinger, die im Künstlerviertel Songzhuang verhaftet wurden, weil sie an einer Dichterlesung zur Unterstützung der Hongkonger Demonstranten teilnehmen wollten, hatten sich zuvor über Wechat verabredet. Die Staatssicherheit liest mit. (Strittmatter 2018: 91) Überwachung gehört heutzutage zum weltweiten Alltag; in China sind die Re‐ aktionen darauf im Vergleich eher gleichgültig. Eigene Publikationen müssten sich ausführlicher diesem Thema widmen. Ich schließe diesen Bereich daher hier ab und wende mich wieder WeChat im engeren Sinne zu. Der Applikation wird für die Gegenwart, aber auch mit Blick auf zukünftige Ereignisse, ein großes Potenzial zugeschrieben, womöglich eine zentrale Rolle zu spielen: „If future events take place that fundamentally change China, then there is still a fair chance they may occur on the super-sticky platform of WeChat.“ (Chen/ Mao/ Qiu 2018: 101) Darüber hinaus wächst der Einfluss der App und ihrer verschiedenen funktionalen Möglichkeiten dahingehend, dass Aspekte aus WeChat mittlerweile auch in anderen Apps aus Asien Eingang finden: „WeChat’s model has already gone beyond China. Its all-inclusive design approach already has regional and global imitators“ (Chen/ Mao/ Qiu 2018: 109; wie etwa Zalo in Vietnam oder YakChat in Indien; vgl. ebd., 110). Dieser Trend geht aber inzwischen noch weiter und erfasst auch die westlichen Messaging-Apps: Outside Asia, we see other developments that went parallel with or were triggered by what was going on within WeChat. WhatsApp introduced voice message in 2013. Apple opened its App Store to designers who sell animated stickers into iMessage (Apple, 2016). Facebook introduced peer-to-peer money transfer on its Messenger platform (Perez, 2017), a move toward enriching services associated with messaging - until then, a distinctive feature of WeChat. Super-sticky design, in this sense, is no longer a Chinese-only characteristic of one idiosyncratic platform. It has become a trend affecting the Western world, too. (Chen/ Mao/ Qiu 2018: 110) Die westliche Welt kommt mindestens über die in China beheimateten Expat‐ riates mit WeChat in Kontakt. An dieser Stelle lässt sich mit Blick auf das nachfolgende Zitat von Chen/ Mao/ Qiu (2018) fragen, ob nicht speziell diese Gruppen von Expatriates die geeigneten Zielgruppen darstellen, anhand derer sich eine Nutzung von WeChat durch Nicht-ChinesInnen geeignet untersuchen ließe: 14 1. Einführung und Forschungsfragen <?page no="15"?> [T]he content and uses of WeChat stay decisively Chinese. By now, WeChat’s overseas reach is largely confined to the Chinese diaspora. Although its WeChat Pay, in particular, has expanded to countries like Japan, the platform’s overall attraction and usage to non-Chinese speakers awaits further evidence. (Chen/ Mao/ Qiu 2018: 112) Es steht völlig außer Frage, ob WeChat auch durch Nicht-ChinesInnen benutzt wird; wer in China am (digitalen) Leben teilhaben möchte, die/ der kommt an dieser Applikation nicht vorbei. Vielmehr stellt sich aus dem Gesagten heraus die Aufgabe, die Kommunikationspraktiken zu untersuchen, mittels derer die Verwendung von WeChat durch Expatriates geschieht. Dies führt für unseren Kontext der über 30.000 Deutschsprachigen, die in China arbeiten, zu den folgenden sich ergebenden Forschungsfragen, die mit der vorliegenden Studie beantwortet werden sollen: • Wie sind die Gewohnheiten der Nutzung von WeChat durch die deutsch‐ sprachige Expatriate-Community in China? • Welche Applikationen werden in Konkurrenz zu WeChat genutzt? • Welche kommunikativen Features, die WeChat bietet, werden wie häufig benutzt? • In welchen Sprachen außer Deutsch (v. a. Chinesisch und Englisch, aber auch weitere) wird WeChat zur Kommunikation in Chats, Sprachnach‐ richten usw. gebraucht? • Gibt es Sprachmischungsphänomene, und wenn ja, wie sind diese be‐ schaffen? • Werden die gebotenen Möglichkeiten zur automatisierten Übersetzung von Texten innerhalb von WeChat genutzt? • Wird auf Sprachrichtigkeit geachtet? • Werden Elemente der Internetsprache, wie typische Abkürzungen, aber auch Emojis und Sticker, gebraucht, und welche Funktionen lassen sich dem Gebrauch von Emojis und Stickern zuschreiben? • Wird mehr an Schriftlichkeit oder Mündlichkeit orientiert geschrieben? Die vorliegende Studie versteht sich als medienlinguistischer Forschungsbeitrag einerseits und als Beitrag zu einer china-orientierten, auch interkulturell ori‐ entierten Germanistik andererseits. Mit der Fokussierung auf den Messenger WeChat bekommt die Studie eine eigene, distinktive Perspektive, da eine Verbindung der deutsch-chinesischen interkulturellen Medienlinguistik so in der einschlägigen Forschung nach meiner Kenntnis noch nicht erfolgt ist. Ebenso setzt sich der hier gewählte Zugriff von den in Zhang [et al.] (2020) formulierten Positionsbestimmungen einer schwerpunktmäßig US-basierten Forschungsrichtung, den Asian German Studies, ab und sucht mehr den An‐ 15 1. Einführung und Forschungsfragen <?page no="16"?> schluss an die Diskurse in der Medienlinguistik im deutschen Sprachraum und in die entsprechend relevanten kontrastiven Auffächerungen. Aufbau der Arbeit Die vorliegende Monographie ist auf der Basis des bisher Gesagten folgender‐ maßen aufgebaut: Nach der vorliegenden Einleitung (1.) steht zur Einbettung in den historisch-diskursiven Kontext ein Kapitel zur Geschichte des deutsch‐ sprachigen Engagements in China (2.). Daran schließt sich eine kompakte Bestandsaufnahme des deutschsprachigen Engagements in China heute an (3.). Die Kapitel 2. und 3. können m. E. zeigen, dass historisch wie heute die Deutschsprachigen und das Deutsche in China eine relevante Rolle spielten bzw. spielen. Daraus leitet sich auch die Notwendigkeit einer Untersuchung wie der hier durchgeführten ab. Hieran anschließend wird der Forschungsstand zu WeChat in den Blick genommen (4.). Im fünften Kapitel wird WeChat mitsamt seiner Möglichkeiten als Kommunikationstool näher betrachtet. Danach fokus‐ sieren wir auf die zur Datenerhebung verwendete Methode, nämlich auf die Online-Umfrage (6.): Dieses Kapitel umfasst eigene Abschnitte zum Umfrage‐ design, zum durchgeführten mehrphasigen Pretest, den daraus erwachsenden Modifikationen und der finalen Genese der Online-Umfrageerhebung mit ihren Desktop- und Smartphoneversionen. Der letzte behandelte Punkt innerhalb dieses Kapitels thematisiert den Erhebungszeitraum und die Verbreitung des Umfragelinks. Danach folgt der empirische Teil der Studie (7.), in dem die Ergebnisse einer Online-Erhebung, die zwischen November 2018 und April 2019 durchgeführt wurde, zur Nutzung von WeChat durch deutschsprachige Expatriates in China sowie Alumni in ihrer virtuellen Sprachinsel dargestellt werden. In diesem Zusammenhang werden mit Blick auf die Forschungsfragen dabei die folgenden Bereiche betrachtet: Die erhobenen Metadaten zu den NutzerInnen, der Kon‐ takt zu WeChat und die parallele Nutzung anderer Messaging-Applikationen, die Häufigkeit der WeChat-Nutzung, die Nutzung der einzelnen Features der WeChat-App, die innerhalb der WeChat-Kommunikation genutzten Sprachen und Sprachmischungsphänomene, Aspekte der Sprachrichtigkeit, Deutsch und Chinesisch im Austausch mit der jeweils anderen Kultur, die Übersetzungsfunk‐ tion von WeChat, die Verwendung von Internetsprache, das Spannungsfeld von Mündlichkeit und Schriftlichkeit sowie abschließend freiwillige Kommentare zur Nutzung von WeChat. An die empirische Auswertung schließt sich eine Zusammenfassung mit Ausblick an (8.), die die Studie perspektiviert und verortet. Danach wird in einem gesonderten Abschnitt zum Forschungsdatenmanagement angegeben, wo und 16 1. Einführung und Forschungsfragen <?page no="17"?> wie die erhobenen Daten für weitere potenzielle Analysen öffentlich zugänglich elektronisch archiviert sind (9.). Am Ende stehen zwei Anhänge: Zunächst ist der genutzte Fragebogen abgedruckt, danach steht ein Anhang, in dem alle Auswertungen, die im Kapitel 7. vorgenommen wurden und dort als Grafiken dargestellt sind, in tabellarischer Form gegeben werden. 17 1. Einführung und Forschungsfragen <?page no="19"?> 1 Für eine aktuelle Darstellung der Geschichte Chinas vgl. Vogelsang ( 3 2013). 2. Deutschsprachiges Engagement in China historisch Die vorliegende Darstellung der historischen Entwicklung des deutschen Engage‐ ments in China 1 unternimmt erst gar nicht den Versuch, vollumfänglich nachzu‐ zeichnen, wie sich Deutschland und China kulturell und politisch annäherten. Dennoch wird versucht - gestützt auf geeignete sinologische Literatur (für eine Entwicklung der Sinologie in den westlichen Staaten vgl. Franke 1974), zumeist aus dem deutschsprachigen Raum -, einen Einblick zu vermitteln, der zeigt, dass es bereits jahrhundertelang Kontakt zwischen Deutschsprachigen und Chinesen auf chinesischem Boden gibt und es dabei sehr unterschiedliche Phasen gegeben hat. Der Hintergrund eines solchen Vorgehens ist, aufzuzeigen, dass einerseits viel Kon‐ takt bestand/ besteht, andererseits eine aus moderner Sicht als vielleicht ,gleichbe‐ rechtigt‘ zu bezeichnende Kommunikation trotz des existierenden Austausches eher selten war/ ist. Heute in China sesshaften Deutschsprachigen mag überhaupt nicht (mehr) bewusst sein, dass sie nicht eine erste Generation in der Fremde darstellen, obwohl man in der Beobachtung der deutschsprachigen Expatriate-Gruppierungen im Reich der Mitte manchmal den Eindruck gewinnen kann, als fühlten sich diese trotz der Möglichkeiten, die moderne Medien - Messenger wie WeChat eingeschlossen - zur Information auch vorab bieten, als ,Pioniere‘ und erste Gäste in einer Kultur, die der heimischen so völlig fremd ist. Obwohl WeChat ein chinesischer Messenger ist, kann er, so paradox es klingt, durch die Kommunikation, die einer ,Blase‘ von Expatriates durch ihn ermöglicht wird, dazu beitragen, dass China mit seiner vielfältigen und alten Kultur für die auch digital unter sich Agierenden weitestgehend fremd bleibt. Man kann den sich ohne Zweifel mani‐ festierenden Fremdheitseindruck in der heutigen Zeit vielleicht nachvollziehen, es dürfte jedoch schwerfallen, zu rekonstruieren, wie die Protagonisten während der ersten Kontakte zwischen dem deutschsprachigen Kulturraum und China sich gefühlt haben müssen. Ausgehend von der Darstellung im China Handbuch (Franke/ Staiger 1974) werden folgende Schritte in chronologischer Reihenfolge in den Blick genommen: Zunächst steht ein Abschnitt zur christlichen Mission (2.1.), nach dem die politischen Beziehungen, speziell die kolonialen Bestrebungen des Deutschen Reiches in China, im Fokus sind (2.2.). Hiernach wird die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen betrachtet (2.3.), in der sich Deutschland und China als ,Benachteiligte‘ nahestanden. Die NS-Zeit und der Zweite Weltkrieg forcieren einen Niedergang <?page no="20"?> 2 Ich danke meinem Kollegen Thomas Zimmer für wichtige einschlägige Literaturhinweise. 3 Zur Spätphase vgl. Dabringhaus ( 2 2009: 66). 4 Auch hier findet sich weitere relevante Grundlagenliteratur am Ende der Ausführungen angegeben. in den Beziehungen der beiden Länder, der sich nach der deutschen Teilung und der internationalen Isolation Chinas fortsetzt (2.4.). Ab den späten 1970er Jahren markiert die Öffnungspolitik (2.5.) einen prinzipiell bis heute anhaltenden Aufschwung und eine nachhaltige Wiederaufnahme der Relationen. Die zu WeChat befragten deutschsprachigen Expatriates sind auch aufgrund der Entwicklungen in China seit dieser Zeit. Zur Öffnungspolitik gesellt sich eine parallel beginnende Stärkung der deutschen Sprache und Germanistik in China, auf die in einem das Kapitel beschließenden Exkurs eingegangen wird (2.6.). 2 2.1. Christliche Mission Den Beginn der kulturellen Kontakte zwischen dem deutschsprachigen Raum und China markierte die über Jahrhunderte aktive 3 christliche Mission (für einen Gesamtüberblick und weiterführende Literatur vgl. Kramers 1974), die schon kurz nach 1300 nachweisbar ist. Hierbei war das angestrebte Kommuni‐ kationsziel natürlich eine Bekehrung einer möglichst großen Anzahl Chinesen zum christlichen Glauben. Ich stütze mich in meiner Darstellung auf den Handbuchartikel von Grimm/ Bauer (1974 4 ), die Folgendes feststellen: Der erste in China nachweisbare deutsche Missionar, ein Franziskanermönch na‐ mens „Bruder Arnold“ aus der kölnischen Provinz, predigte 1303 im heutigen Peking. Nur wenig später wurde erstmalig auch der Name Deutschlands notiert: als A-lu-mang-ni-a auf der etwa 1330 erschienenen Weltkarte des Li Tse-min. (Grimm/ Bauer 1974: Sp. 250; Hervorhebungen i. O.) Die Franziskanermönche hatten die später mit pax mongolica bezeichnete Stabilisierung im Inneren des Mongolischen Reiches als Gelegenheit genutzt, um ihren Wirkungskreis weiter nach Osten auszudehnen. Den Franziskanern folgten nach einem signifikanten zeitlichen Abstand schließlich im Laufe des 16. Jahrhunderts missionierende Jesuiten. Diese prägten in Person u. a. ihres bekanntesten Vertreters, Matteo Ricci (von Collani 2012: 39-56), auf lange Zeit den Wissensstand, den man im Reich der Mitte zu Deutschland hatte: [Collani brachte] 1584 eine mit Anmerkungen versehene Weltkarte in chinesisch [sic] heraus[], die auch auf Deutschland (Ju-erh-ma-ni-ya) Bezug nahm. Die dort 20 2. Deutschsprachiges Engagement in China historisch <?page no="21"?> 5 Spätmittelalter: Jandesek (1992), Teil IV, 190-221; Frühe Neuzeit: Jandesek (1992), Teile V-VI, 222-342. 6 Eine Büste von Leibniz ziert heute die Eingangshalle des Chinesisch-Deutschen Hauses ( 中德大楼 ) an der Tongji-Universität in Shanghai. Mungello (2013: 108-109) stützt die bei Grimm/ Bauer (1974) vorgebrachte Sichtweise: „Leibniz stands out as a monumental European figure whose understanding of Chinese culture was remarkably sophisticated for his age. […] Leibniz feared that Europe would be at a disadvantage to China if the exchange of missionaries between the two countries were not reciprocal. He advocated that Christian missionaries to China who taught revealed religion to the Chinese should be counterbalanced by missionaries from China who would teach Europeans the practice of natural religion.“ (Vgl. auch von Collani 2012: 100-104) 7 Die meisten Belege bei bibliographischen Recherchen nennen 1697 als Erscheinungsjahr. Dies zeigt auch ein Scan der Titelseite: http: / / dokumente.leibnizcentral.de/ index.php? id =83 [18.03.2020]. Die vollständige bibliographische Angabe lautet Novissima Sinica. His‐ sowie in dem ebenfalls von Patres auf kaiserlichen Befehl verfaßten Erläuterungswerk Chih-fang wai-chi (1623) niedergelegten, aufs Anekdotische beschränkten Notizen bildeten, immer wieder abgedruckt und in andere Schriften übernommen, bis ins 19. Jh. hinein für China die Hauptquelle der Deutschlandkenntnis. (Grimm/ Bauer 1974: Sp. 250; Hervorhebungen i. O.) Die Vermittlung einer klaren Vorstellung von Deutschland war jedoch für geraume Zeit, einerseits aufgrund der changierenden Bezeichnungen im Chine‐ sischen (vgl. oben; heute wird Deutschland im Chin. 德国 déguó genannt), an‐ dererseits aufgrund der französischen bzw. italienischen Herkunft der meisten Patres, schwierig. Ausnahmen gab es aber auch: Ein gelehrter deutscher Jesuitenpater, Johann Adam Schall von Bell, stieg […] im Gründungsjahr der Mandschu-Dynastie (1644) immerhin zum Direktor des astrono‐ mischen Kalenderamtes auf, in dem auch später noch wiederholt deutsche Patres wirkten. (Grimm/ Bauer 1974: Sp. 250) Hierbei wissen wir einerseits gesichert über das Wirken Deutschsprachiger in China, andererseits können wir nicht rekonstruierend einschätzen, wie sie tatsächlich (mit den Chinesen? ) kommunizierten. Die Berichte der Jesuiten lösten im Europa des späten 17. und des 18. Jahrhunderts später eine China‐ begeisterung aus (zur Geschichte der Chinarezeption vgl. von Collani 2012, Kap. IX, 145-161, vgl. für eine detaillierte Aufstellung der deutschsprachigen Drucke der Chinareisenden im Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit Jandesek 1992 5 ), die aber vor allem Frankreich erfasste. Im Vergleich war in Deutschland die Stimmung verhaltener bzw. ambivalenter: Als Fürsprecher für einen engeren Kontakt zwischen der europäischen und der chinesischen Kultur trat Leibniz 6 auf (Novissima Sinica, 1691 7 ), der die praktische 21 2.1. Christliche Mission <?page no="22"?> toriam Nostri Temporis Illustratura. Gottfried Wilhelm Leibniz 1697. GWLB-NLB Han‐ nover: Leibn. 200. Philosophie in dem seiner Ansicht nach vollendet geordneten Reich der Mitte besser verwirklicht glaubte und den Wunsch aussprach, daß lieber von dort Missionare nach dem Westen geschickt werden sollten. Viel skeptischer war dagegen Goethe, der das Chinesische vorwiegend als eine „Kuriosität“ gewertet wissen wollte, sich aber dennoch in einigen Werken (vor allem in den Chinesisch-deutschen Jahres- und Tageszeiten) von Übersetzungen aus dem Chinesischen anregen ließ. (Grimm/ Bauer 1974: Sp. 250; Hervorhebungen i. O.) Leibniz dürfte trotz seines Einflusses mit seiner Meinung eher wenige Unter‐ stützer gefunden haben, so dass die Vorstellung einer dem Westen überlegenen chinesischen Kultur so kaum weiter verbreitet worden sein kann. Kulturelle Gleichberechtigung wurde nicht angestrebt, ein kommunikativer Austausch auf Augenhöhe sollte noch Jahrhunderte lang nicht stattfinden; zu stark wirkten die Positionen aus den Heimatländern der Missionare. Auf einen Dialog mit den Chinesen wurde nicht gesetzt. Die Jesuiten zogen sich nach dem sog. Ritenstreit Mitte des 18. Jahrhunderts, in dem man sich über die Art und Weise, wie christliche Mission in Asien generell zu betreiben sei (vgl. Huonder 1921, Minamiki 1985, Mungello 1985), entzweit hatte, aus China zurück. Ihren Platz nahmen während des 19. Jahrhun‐ derts, das in der deutschsprachigen Sinologie v. a. die Chinesische Grammatik (1881) von Georg v. d. Gabelentz sah (Franke 1974: Sp. 1232), Andere ein: [So] kamen im 19. Jh. andere katholische Missionen (so z. B. seit 1881 die Steyler Patres, darunter viele Deutsche) und vor allem auch protestantische Missionare nach China, unter denen die deutschen (u. a. die „Berliner Mission“ und die „Baseler Mission“) gegenüber den angelsächsischen freilich eine untergeordnete Rolle spielten. Einer der frühesten war der erst im Dienst der „Niederländischen Missionsgesellschaft“, dann als freier Missionar tätige Karl Friedrich August Gützlaff, der in China („Papa Kuo“) wie in Deutschland zu einer etwas zwiespältigen Berühmtheit gelangte, 1833 eine chinesische Zeitschrift über europäische Themen, die auch eine Beschreibung Preußens enthielt, und ca. 1844/ 45 eine chinesische Weltbeschreibung (Wan-kuo ti-li ch’üan t’u chi) herausgab, die eine Schilderung Deutschlands mit einschloß. Wie alle anderen Missionen wurden jedoch auch die deutschen allmählich immer mehr in die Kolonialinteressen ihres Heimatlandes verstrickt: Die Tötung zweier Steyler Patres (1897) gab Deutschland den Vorwand für die Besetzung des Kiaochow (Chiao-chou)-Gebietes, die am 6. März 1898 durch einen „Pachtvertrag“ legalisiert wurde. (Grimm/ Bauer 1974: Sp. 250-251; Hervorhebungen i. O.) 22 2. Deutschsprachiges Engagement in China historisch <?page no="23"?> Die oben beschriebene eurozentrische Kommunikations- und Aktionsperspek‐ tive der Missionare wurde in anderer, analoger Form vom Kolonialismus abgelöst. Der Abschluss des oben zitierten Passus bietet eine für unseren Kontext geeignete Überleitung: Im Folgenden betrachten wir die kolonialen Bestrebungen des Deutschen Reiches in China. 2.2. Koloniale Bestrebungen des Deutschen Reiches in China Die deutsch-chinesischen Beziehungen im politischen Sinn des Begriffs beginnen kaum vor der Mitte des 19. Jh. Die preußische Ostasienexpedition (wörtl. Expedition nach China, Japan und Siam) unter Graf Friedrich zu Eulenburg 1860-1862 wird in der Regel mit diesem Beginn ineinsgesetzt. Sie handelte im Namen des Norddeutschen Bundes (Zollvereins), und ihr Leiter schloß mit dem chinesischen Kaiserreich am 2. Sept. 1861 einen Freundschafts- und Handelsvertrag. (Grimm/ Bauer 1974: Sp. 245) Seit den 1850er Jahren waren Deutsche entlang der chinesischen Küste im Rahmen einer auf Expansion ausgerichteten Handels- und Schifffahrtspolitik aktiv, es gab an verschiedenen Hafenstandorten hanseatische Konsuln. Diese Aktivitäten hatten nach dem Nankinger Vertrag von 1842 zur Beendigung der Opiumkriege und der sukzessiven Ermöglichung eines freieren Handels in den chinesischen Küstenstädten begonnen (vgl. Wood 1996), der primär den Briten zu Profit und Kontrolle in der Region verhelfen sollte (sie annektierten v. a. Hongkong). Deutschland folgte dem britischen Beispiel: „Aufbruch, Beginn und Ausbau der Beziehungen erfolgten bis in die 1880er Jahre durchaus im Fahrwasser der englischen Vormacht, politisch und auch ökonomisch war die deutsche Rolle in China eine sekundäre.“ (Grimm/ Bauer 1974: Sp. 245) Alles, was den wirtschaftlichen Interessen dienen konnte, wurde umgesetzt, diesen Zielen war jedwede Kommunikation untergeordnet. Ein Austausch mit den Chinesen blieb auf das Notwendigste beschränkt. China begriff Preußen als eine der kleineren involvierten Mächte und verhielt sich ihm gegenüber einerseits entsprechend zurückhaltend und bewusst verzögernd: Auf der anderen Seite bedeutete der erfolgreiche Abschluß eines Vertrages mit China für das aufstrebende Preußen eine willkommene Stärkung seiner Position in Europa. (Grimm/ Bauer 1974: Sp. 245) Der Sieg gegen Frankreich 1870/ 71 stärkte Preußens Position in Europa und auch im imperialistischen Machtgefüge, in dem Frankreich neben den Briten Deutschland voraus gewesen war, nachhaltig. Diese neue exponierte Rolle fiel zeitlich zusammen mit dem Wunsch des spätkaiserlichen China, eine moderne 23 2.2. Koloniale Bestrebungen des Deutschen Reiches in China <?page no="24"?> 8 Vgl. Chin (2001). Armee aufzubauen; dieser „sollte fortan auch mit Hilfe deutscher Waffen und Militärexperten“ (Grimm/ Bauer 1974: Sp. 246) realisiert werden. An dieser Stelle nimmt China eine aktivere Rolle in der bis hierhin zumeist von den Deutschsprachigen diktierten Kommunikation ein: Der in Tianjin residierende Kanzler Li Hongzhang (1823-1901), der 1896 als Kaiser‐ licher Bevollmächtigter gemeinsam mit seinem deutschen Berater Gustav Detring (1842-1913) Russland, Europa und Amerika besuchte, war eher deutschfreundlich ein‐ gestellt und sah in Deutschland in Bezug auf Waffentechnik, militärische Organisation und Schulung von Soldaten ein Vorbild für China. Er sah darin wohl auch die Chance, durch eine Balance innerhalb des Landes, die westlichen Mächte gegeneinander auszuspielen. Gustav Detring fungierte zwischen 1877 und 1905 als chinesischer Seezolldirektor in Tianjin und hatte als Berater Li Hongzhangs dessen pro-deutsche Einstellung sicher mit beeinflusst. Mit Hilfe des früheren Generalgouverneurs von Zhili und späteren Kanzlers Li Hongzhang war es Deutschland gelungen, seine wirtschaftlichen Beziehungen zu China zu verbessern, denn - so die Auffassung des Historikers Ding Jianhong - Li war nicht nur ein Bewunderer Bismarcks, er war ebenso überzeugt von der Überlegenheit deutscher Waffentechnik. Abgesehen davon hegte er auch die Hoffnung, die in China vertretenen westlichen Mächte in gegenseitigen Rivalitäten zu binden und damit China einen Vorteil zu verschaffen. Die Waffengeschäfte deutscher Unternehmen, an ihrer Spitze die Firma Krupp, hatten Mitte der 90er Jahre des 19. Jahrhunderts einen Höhepunkt erreicht. Um diese Zeit war China der größte ausländische Abnehmer deutscher Rüstungsgüter geworden. (Schmitt-Englert 2012: 39) Nach Grimm/ Bauer (1974) prägte die daraufhin eingegangene Handelskoopera‐ tion zur Realisierung politischer Ziele in beide Richtungen (hier wird sukzessive erstmals eine eher auf Augenhöhe geführte Kommunikation wichtiger) das Bild des jeweils anderen Landes wohl nachhaltiger als vielerlei kultureller Austausch: Es gehört zu den ungern wahrgenommenen Tatsachen in den deutsch-chinesischen Beziehungen, daß Waffengeschäfte und Militärexpertisen in Verbindung mit Fleiß, technischem Können und Ordnungsliebe das Bild des Deutschen in China mehr geprägt haben als kulturelle Errungenschaften. Auch umgekehrt muss festgehalten werden, daß es die autoritären Züge der chinesischen politischen Kultur gewesen sind, die das deutsche Bewußtsein von China mehr als solche revolutionärer Art bestimmt haben, und zwar seit der Taiping-Revolution 8 [1851-1864; MSZ] bis 1949. (Grimm/ Bauer 1974: Sp. 246) 24 2. Deutschsprachiges Engagement in China historisch <?page no="25"?> 9 Hiermit sind Ausländer gemeint. Der Begriff lǎowài (chin. 老外 , ,alter Fremder‘) ist nahezu jedem Ausländer, der sich länger in China aufhält, geläufig. In jedem Fall zeigte sich eine schnell ansteigende geschäftliche Aktivität von Deutschen in China: Schon bald nach der Niederschlagung des Taiping-Aufstandes bewirkte die Öffnung des Suez-Kanals 1869 einen gewaltigen Schub im deutschen Chinahandel. 1877 waren bereits 41 deutsche Firmen in China vertreten, von denen sich 17 in Shanghai nieder‐ gelassen hatten. Entsprechend war die Zahl der Deutschen auf 414 angewachsen. Eine andere Quelle geht gar von 45 deutschen Unternehmen im Jahr 1876 mit 326 Deutschen aus, über die Hälfte davon (26 Niederlassungen und etwa 200 Deutsche) in Shanghai. Damit stand Deutschland an dritter Stelle hinter England (226 Firmen, 1611 Engländer) und Amerika (45 Firmen, 536 Amerikaner), aber vor Frankreich (10 Firmen, 298 Franzosen). In den Folgejahren überstieg die Anzahl der deutschen Niederlassungen sogar die Zahl der amerikanischen. Aus einer Statistik des Jahres 1897 geht hervor, dass Deutschland mit seiner wirtschaftlichen Präsenz von 104 Firmen und 950 Personen an zweiter Stelle hinter Großbritannien (374 Firmen, 4929 Personen) und vor den USA (32 Firmen, 1564 Personen) und Frankreich (29 Firmen, 50 Personen) angesiedelt war. (Schmitt-Englert 2012: 37) Mit der längerfristigen Ansiedlung deutscher Arbeitskräfte an Standorten wie Shanghai, über deren Kommunikation untereinander (auch mit Blick auf die Interaktion mit den Chinesen) wir heute kaum etwas wissen, da zu wenig Zeug‐ nisse erhalten sind, ging zwangsläufig auch mehr Kommunikation zwischen Deutschen und Chinesen einher, auch wenn sich diese oft auf den Bereich des täglichen Bedarfes an Gütern beschränkt haben dürfte (Schmitt-Englert 2012, Kap. 1.2., beschreibt das Shanghaier Pidgin der dort ansässigen Ausländer). Den deutschen imperialistischen Vertretern wird ähnlich wie ihren britischen und französischen Pendants „herrisches Auftreten und de[r] Gebrauch von Machtworten“ (Grimm/ Bauer 1974: Sp. 247) attestiert. Hernig (2016) geht in seiner Einschätzung weiter: Die Truppen des deutschen Kaisers benahmen sich in China so schlecht wie alle anderen ausländischen Militärs. Tausende von chinesischen Aufständischen starben durch deutsche Gewehre bei der Niederschlagung des Boxeraufstands von 1900, der sich gegen die christlichen Missionare und die Ausbeutung Chinas durch die laowai 9 richtete, unzählige Zivilisten mussten bluten. In seiner berüchtigten „Hunnenrede“ hatte der deutsche Kaiser Wilhelm II. gegen die chinesischen „Untermenschen“ gewütet: Die sollten es nicht wagen, einen Deutschen auch nur „scheel“ anzusehen. (Hernig 2016: 105; Hervorhebung i. O.) 25 2.2. Koloniale Bestrebungen des Deutschen Reiches in China <?page no="26"?> Dies zeigt weiter eine denkbar große Ungleichheit der kommunikativen Vor‐ aussetzungen zwischen Deutschsprachigen und Chinesen im Reich der Mitte bis dahin. Eine zu allem entschlossene Handlungsweise der deutschen Koloni‐ almacht hatte sich schon nach den Ereignissen manifestiert, die mit der oben erwähnten Ermordung zweier Steyler Missionare ihren Anfang nahmen. Mühlhahn (2007) beschreibt kompakt die Entwicklungen zur Einrichtung der deutschen Kolonie „Kiautschou“ im Nordosten Chinas mit dem Zentrum Qingdao und ihre Geschichte: Am 1. November 1897 ermordeten Mitglieder einer antichristlichen Kampfgruppe in der nordchinesischen Provinz Shandong zwei deutsche Missionare. Dies diente der deutschen Regierung als Vorwand, das damalige Dorf Qingdao an der Jiaozhou-Bucht von deutschen Marineeinheiten am 14. November 1897 besetzen zu lassen. Nach längeren Verhandlungen erfolgte am 6. März 1898 die Unterzeichnung eines Vertrages mit China, in dem das Gebiet um die Bucht (von den Deutschen „Gouvernement Kiautschou“ genannt) auf 99 Jahre an Deutschland verpachtet wurde und dem Deutschen Reich Rechte zur Errichtung zweier Eisenbahnlinien und zur Anlage von Bergwerken in Shandong zugesichert wurden. Doch statt 99 Jahre währte die deutsche Kolonialzeit nur 17 Jahre. Kurz nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges in Europa stellte Japan im August 1914 dem Deutschen Reich ein Ultimatum, Kiautschou bedingungslos zu räumen. Nach Kämpfen im September und Oktober kapitulierte die Kolonie am 7. November 1914. (Mühlhahn 2007: 43) In der Rückschau werden die Lebensbedingungen in Kiautschou in einer durch geographische, rechtliche und auch kulturelle Segregation geprägten Ordnung - weiter ohne eine auf gegenseitigem Austausch basierende Kommunikation (hierzu wissen wir ingesamt viel zu wenig Gesichertes, anders als für andere Orte; vgl. Schmitt-Englert 2012) - von Mühlhahn folgendermaßen rekonstruiert: [D]er chinesischen Bevölkerung war es verboten, innerhalb des europäischen Teiles von Qingdao zu wohnen. Für die chinesische Bevölkerung galt außerdem eine völlig andere Rechtsordnung, die sich hinsichtlich der Strafformen (zum Beispiel Prügel‐ strafe) überwiegend an dem traditionellen chinesischen Recht orientierte. Für die europäische Bevölkerung galt hingegen das ,moderne‘ Recht des Deutschen Reiches. Im Ergebnis wurden für ein und dasselbe Delikt gegen einen Chinesen ein anderes Strafmaß und andere Strafformen verhängt als gegen einen Deutschen. Neben dem Aufbau einer umfassenden Verwaltung kam es in Qingdao also zur konsequenten bü‐ rokratischen Umsetzung und Normalisierung einer Rassenideologie. Dem Zweck der auf dem Verordnungswege durchgesetzten und kontrollierten Absonderung dienten vielfältige, sorgsam durchdachte Entscheidungen und Aktionen der Verwaltung, wie die genannte strikte Trennung der chinesischen und deutschen Wohngebiete 26 2. Deutschsprachiges Engagement in China historisch <?page no="27"?> und die unterschiedlichen Gesetze für Deutsche und Chinesen. Die Rassentrennung wurde erst in den letzten Jahren der Kolonie ab 1910 gelockert. Die Verwaltung kam damit wachsender Kritik der chinesischen Bevölkerung an der Rassentrennung nach. (Mühlhahn 2007: 44-45) Kulturell setzten die Deutschen laut Mühlhahn darauf, die chinesische Kultur über die Vermittlung deutscher Kultur an die Chinesen zu verändern. In einer gemeinsamen Anstrengung von Behörden, Kirchen und privaten Trägern (Mühlhahn 2007: 45) sollte ab 1905 Kiautschou nicht mehr bloß ein Außen‐ posten des deutschen Handels sein, sondern vielmehr eine Art deutsches Kul‐ turzentrum in China: „Die vom Deutschen Reich in Kiautschou systematische betriebene Kulturpolitik sollte neben Diplomatie und Außenwirtschaftspolitik die dritte Säule in den Beziehungen zu China werden.“ (Mühlhahn 2007: 45) Insgesamt stießen diese kommunikativen Bestrebungen bei der chinesischen Bevölkerung während der Kolonialzeit auf eine ambivalente Reaktion: Es gab einerseits Positionen, die die Haltung der Kolonialherren rigoros ablehnten, und andererseits nutzten Menschen die sich ihnen bietenden Chancen, ihre eigene Lebenssituation durch die Interaktion mit den Deutschen zu verbessern. Hierbei sind sowohl Menschen vom Lande zu erwähnen, die sich angesichts ihrer Armut neue Möglichkeiten versprachen, wie auch einige Kaufleute, die von der Situation profitierten (vgl. Mühlhahn 2007: 46). Grimm/ Bauer (1974: Sp. 247) halten fest, dass die Deutschen als Kolonial‐ herren bei den Chinesen insgesamt als - wenn man dies so sagen kann - beliebter gegolten hatten als die größeren Kolonialnationen: „Deutsche galten in China in der Regel als umgängliche Leute. Sie waren weniger typische Kolonialherren als etwa Engländer und Franzosen. […] Deutsche wurden von den Chinesen oft weit freundlicher behandelt als von ihren ehemaligen europäi‐ schen Partnern […]“. Insgesamt war aber, wie oben bereits vorweggenommen, die Kolonialzeit auch für das Deutsche Reich nicht von nachhaltigem Erfolg gekrönt. Dennoch bestanden natürlich auch nach der Kapitulation Kiautschous weiterhin deutsch-chinesische Beziehungen, die sich aber weniger auf gemein‐ same kulturelle Werte und Austausch, sondern vielmehr auf ein pragmatisches wirtschaftliches Miteinander gründeten. 2.3. Zwischenkriegszeit Durch die geopolitische Lage, die sich im Laufe des Ersten Weltkrieges und nach seinem Ende ergab, entstand für das Spannungsfeld zwischen China 27 2.3. Zwischenkriegszeit <?page no="28"?> und Deutschland eine besondere, eine gegenseitige Annäherung begünstigende Situation: Die Einnahme Kiaochows durch Japan nach zehnwöchiger Belagerung am 7. Nov. 1914 und die nach einer anfänglichen Neutralitätserklärung vom 6. Aug. 1914 auf Drängen der USA am 14. Aug. 1917 erfolgte Kriegserklärung Chinas an Deutschland legten zunächst zwar alle deutschen Kultureinrichtungen lahm (die von Missionen betriebenen allerdings nur mit Einschränkungen), erwiesen sich aber in der Folge als eine fast vorteilhafte Niederlage: Das Nachrücken Japans in die Positionen der ehemaligen deutschen Kolonialmacht, das durch den am 28. Juni 1919 von China endgültig abgelehnten Versailler Vertrag von den Westmächten sanktioniert wurde, brachte China und Deutschland als gemeinsame Verlierer nicht nur politisch und wirtschaftlich, sondern auch kulturell näher. Der offiziellen Erklärung der Beendigung des Kriegszustandes zwischen den beiden Ländern durch Präsident Wilson (Sept. 1919) folgte am 20. Mai 1921 das deutsch-chinesische Abkommen, das als erster Ver‐ trag mit einer europäischen Macht auf den Grundsätzen der völligen Gleichstellung beruhte. (Grimm/ Bauer 1974: Sp. 252) In Chinas Augen wurde Deutschland so in einer Art Umkehrung der kolonialen Geschichte zu einem Modellfall, wie die Beziehungen zu westlichen Nationen in der Zukunft ausgestaltet werden könnten. Hier bestanden Chancen auch zu mehr interkulturellem Austausch mit den in China präsenten Deutschen. Deutschland verfolgte dennoch eigene wirtschaftliche Ziele und wollte weiter in China Handel treiben können: Die Vertreter der deutschen Chinawirtschaft wollten […] nichts von größeren Kom‐ promissen, Zugeständnissen und Rücksichtnahmen in China wissen. Keinesfalls sollten die „legitimen Ansprüche“ - z. B. auf ein Niederlassungsrecht - aufgegeben werden, wie es der Ostasiatische Verein in einer Stellungnahme zu einer Denkschrift der Deutsch-Chinesischen Verbandes über „Friedensziele in China“ formulierte […]. (Ratenhof 1987: 283) Schmitt-Englert (2012) illustriert in ihrer Studie, die auf in der Zeit zwischen 1920 und 1950 in China lebende Deutsche fokussiert, dass es verschiedene Zentren gab, an denen Deutsche angesiedelt waren. Hierbei geht sie jeweils ausführlich auf Shanghai, Tianjin und Beijing ein und inkludiert auch Aspekte zum Alltagsleben. Allerdings gibt es in ihrer Studie keine explizite Kommunika‐ tion mit den Chinesen thematisierende so benannte Abschnitte. Aus Umfangs‐ gründen kann in der vorliegenden Studie nicht näher auf die Lebensumstände der deutschen Population in diesen Städten während dieser Zeit eingegangen werden. Szurawitzki (i.V.) betrachtet am Beispiel der Shanghaier Publikation 28 2. Deutschsprachiges Engagement in China historisch <?page no="29"?> 10 http: / / search.cjh.org/ primo-explore/ search? vid=lbi&lang=en_US [04.05.2020]. Gelbe Post zu Zeiten jüdischer Immigration auf der Flucht vor den Nationalsozia‐ listen Werbekommunikation für und durch Flüchtlinge, deren Identitäten sich teils auch in der Werbung spiegeln. Insgesamt stellen diachrone linguistische Studien zur Kommunikation v. a. in der Shanghaier Diaspora ein übergreifendes Desiderat in der Forschung dar. Hierzu ließen sich geeignet u. a. die digitalen Archive des Leo Baeck Institutes 10 nutzen, die v. a. für Shanghai Tausende Digitalisate enthalten. Zurück zu den größeren wirtschaftlich-politischen Linien der Zeit: Mit Blick auf spätere Geschäftstätigkeit hatten deutsche Handelskreise Japan signalisiert, keine Ansprüche auf die Kolonialgebiete um Qingdao zu erheben, um später vielleicht in den Genuss von wirtschaftlichen Vorteilen zu gelangen (Ratenhof 1987: 283). Diese Vorstellungen sollten sich zunächst aber in der Praxis nicht umsetzen lassen, die Geschäfte liefen nicht vergleichbar gut wie vor dem Krieg (Ratenhof 1987: 284-286). Erst gegen Mitte der 1920er Jahre konnten in den Ausfuhren nach China, aber auch nach Japan, die besten Vorkriegsjahre über‐ troffen werden (Ratenhof 1987: 291). Dennoch achtete die deutsche Wirtschaft darauf, dass auch kulturelle und auf Kommunikation setzende Projekte forciert wurden, hierbei vor allem der Wiederaufbau der 1907 in Shanghai mit deutschen Mitteln eingerichteten Tongji-Universität (Ratenhof 1987: 296; vgl. hierzu auch 2.6. unten). Ein zentrales Interesse zur Anknüpfung an alte wirtschaftliche Erfolge sollte der Rüstungsindustrie (vgl. oben) zukommen: Über die Wiederaufnahme rüstungswirtschaftlicher Beziehungen und guter Verbin‐ dungen zum chinesischen Militär in China [sic] hoffte sie [die deutsche Chinawirt‐ schaft; MSZ], die Geschäftsgrundlage langfristig stabilisieren zu können. Die Industrie blickte hierbei bereits seit Anfang der 20er Jahre vor allem nach Südchina. Die Kuomintang-Gegenregierung in Canton schien die beste Aussicht zu bieten, China zu einigen und die Modernisierung auch zum Vorteil der deutschen Wirtschaft fortzuführen […]. (Ratenhof 1987: 299) Politisch erwies sich die Umsetzung von Geschäften mit Rüstungsgütern mit der Kuomintang aber als schwierig, einerseits aus den Regelungen des Ver‐ sailler Vertrags, andererseits aus politischen Vorbehalten heraus (vgl. Ratenhof 1987: 306). Es wurde zunächst der Handel mit relevanten Ersatzteilen wieder angeschoben, insgesamt konnte aber nicht an die Situation der 1870er Jahre angeknüpft werden: Die Hoffnungen der deutschen Industrie, wieder stärker ins chinesische Rüstungsge‐ schäft einzudringen, konnten trotz der „laissez-faire“-Haltung der Reichsregierung 29 2.3. Zwischenkriegszeit <?page no="30"?> gegenüber deutschen Beratern und Technikern in China […] nur teilweise erfüllt werden. Obwohl die Chinesen deutsches Rüstungsmaterial äußerst schätzten, blieb die Situation der Rüstungswirtschaft auf dem chinesischen Markt in noch weit größerem Maße […] unbefriedigend. (Ratenhof 1987: 310) Als schwierig zeigte sich neben traditionell (selbst heute noch) schwer zu füh‐ renden Verhandlungen auch die innenpolitische Lage in China. Wollte Deutsch‐ land die Militärmachthaber im Norden stützen oder eher die kommunistische Gegenregierung im Süden, die offen wohlwollend Deutschland gegenüberstand (Ratenhof 1987: 315)? Die wirtschaftlichen Interessen der Konzerne lagen hier mit den Vorstellungen des Auswärtigen Amtes über Kreuz. Insofern entstand eine Situation, in der der Handel mit dem Norden wie dem Süden - mit Fokus auf dem Norden - quasi durch das AA geduldet wurde, das Ministerium jedoch die Kaufleute darauf eindrücklich hinwies, dass von Seiten der Reichsregierung bei Konflikten keine Unterstützung für sie zu erwarten sei (Ratenhof 1987: 313, 323). Wirtschaftliches Engagement in China wurde weiterhin geduldet, aber ohne eine größere offene politische Agenda oder Einflussnahme (Ratenhof 1987: 324): Die Neutralitätspolitik der Reichsregierung in China, die sich Ende 1926 bewusst als eigenständiger Weg zwischen den Bürgerkriegsparteien und zwischen den Mächten verstand, suchte zwar weiterhin die Nähe zum Westen, wollte sich aber keinesfalls in den russisch-angelsächsischen Konflikt in China einmischen oder sich von irgend‐ einer Macht in eine chinafeindliche Position drängen lassen. (Ratenhof 1987: 337) Neben deutschen Importen nach China gelang es ab Mitte der 1920er Jahre auch chinesischen Firmen, mit ihren Erzeugnissen in das Exportgeschäft Richtung Deutschland einzusteigen (Ratenhof 1987: 339-340). Hier erweitert sich die Sphäre des Handelsaustausches und somit der Notwendigkeit von mehr Kom‐ munikation, bei der die Chinesen als gleichberechtigte Geschäftspartner ange‐ sehen werden. Insgesamt zeigte sich die deutsche Wirtschaft nicht zufrieden mit dem Ende in China der 1920er Jahre erreichten Geschäftsvolumen, das weit hinter den Großmächten zurückblieb (Ratenhof 1987: 342-344). Die - für die Deutschen sehr lukrativen - Waffengeschäfte waren für den Norden wie für den Süden Chinas ein Zankapfel, der sowohl das diplomatische Korps in Peking wie die Reichsregierung von beiden Seiten unter Druck setzte (Ratenhof 1987: 343). Offiziell war der politische Kurs mehr in Richtung Japan ausgerichtet, zu China sollte eine Neutralität des diplomatischen Austausches gewahrt bleiben. Die deutsche Wirtschaft jedoch strebte eine stärkere Unterstützung der Kuomintang im Süden Chinas an (Ratenhof 1987: 348). Diese von der Industrie forcierte Linie zur Aufrüstung fand bei den eher an internationalen Lösungen interessierten Diplomaten naturgemäß weniger Anklang (Ratenhof 1998: 353-355). Bevor wir 30 2. Deutschsprachiges Engagement in China historisch <?page no="31"?> weiter auf die politisch-wirtschaftlichen Entwicklungen blicken, richten wir im Folgenden den Fokus auf die sich parallel vollziehenden Schritte kulturellen Austausches zwischen Deutschland und China. Seit den Studentenprotesten gegen den Versailler Vertrag in der sog. Bewe‐ gung des 4. Mai im Jahre 1919 war eine „erhöhte kulturelle Weltoffenheit“ (Grimm/ Bauer 1974: Sp. 252) in China zu spüren, die sich positiv auf die Rezeption der deutschen Kultur auswirkte. Dies betraf u. a. die Werke von Marx und Engels, die bis heute Pflichtlektüre für alle Studierenden an Universitäten sind, Schopenhauer, Kant, Nietzsche, Goethe, den Gebrüdern Grimm, Schiller, Heine und Anderen (ebd.). Grimm/ Bauer (1974: Sp. 253) konstatieren, dass diese „neuen geistigen Beziehungen“ nach Deutschland zurückwirkten, dessen Sino‐ logie mittlerweile von den Kategorien der Soziologie und Ethnologie beeinflusst war, nachweislich ein Verdienst von August Conrady (Franke 1974: Sp. 1233): Mit China befaßte kulturelle Vereinigungen bestanden in Deutschland z.T. schon seit vor dem Weltkrieg, so namentlich die „Deutsche Gesellschaft für Natur- und Völker‐ kunde Ostasiens“, die „Gesellschaft für Ostasiatische Kunst“, der „Ostasiatische Verein Hamburg-Bremen“ und der 1914 aus dem Kulturausschuß der „Deutsch-Asiatischen Gesellschaft“ hervorgegangene „Verband für den Fernen Osten“, von denen die beiden letzten allerdings in erster Linie wirtschaftliche Interessen vertraten. Sie wurden aber nach dem Weltkrieg durch eine Reihe weiterer Institutionen verstärkt. Besondere Erwähnung verdient in diesem Zusammenhang das 1925 eröffnete China-Institut an der Universität Frankfurt/ Main. Sein Gründer und erster Direktor, Richard Wilhelm, der 1899 als evangelischer Missionar nach China gegangen war, hatte mit seinen Schriften und Übersetzungen aus dem Chinesischen eine große Wirkung auf das deutsche Publikum, die auch heute noch spürbar ist. (Grimm/ Bauer 1974: Sp. 253) Diese Einschätzung kann heute noch als valide angesehen werden, wie man der Literatur zum Schaffen Richard Wilhelms, das hier aus Umfangsgründen nicht ausführlich gewürdigt werden kann, entnehmen kann. Eine seiner bis heute erhältlichen Übersetzungen ist diejenige des Buchs der Wandlungen (z. B. Wilhelm 2005); für eine ausführliche Nachzeichnung von Wilhelms letztem Lebensjahrzehnt 1920-1930 vgl. Zimmer (2008). Weitere sinologische Zentren bildeten sich in Hamburg (Otto Franke war seit 1909 der Inhaber der ersten planmäßigen China-Professur in Deutschland), Berlin und Leipzig (Franke 1974: Sp. 1233). Nach 1933 erlitt die Sinologie in Deutschland durch die Auswanderung bedeutender Forscher „einen schweren Rückschlag“ (Franke 1974: Sp. 1234). Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten „gerieten die deutsch-chi‐ nesischen Beziehungen zwangsläufig in eine schwierige Situation, selbst wenn zunächst noch das ,Deutschland-Institut‘ in Peking gegründet werden konnte“ 31 2.3. Zwischenkriegszeit <?page no="32"?> 11 Quelle: Wissenschaft weltoffen (DAAD/ DZHW): http: / / www.wissenschaftweltoffen.de [04.05.2020]. (Grimm/ Bauer 1974: Sp. 253). Weiter erschienen u. a. in Shanghai, Peking und Tianjin deutschsprachige Zeitschriften (eine Übersicht ist aus geschichtswis‐ senschaftlicher wie linguistischer Sicht Desiderat), auch Deutschunterricht gab es in China. Seit 1933 existierte in Shanghai aufgrund v. a. jüdischer Emigration eine große deutschsprachige Kolonie (vgl. Szurawitzki 2017a: 3-6). Parallel gab es in Deutschland weiter viele chinesische Studierende: Nachdem zwischen 1919 und 1933 insgesamt 265 Chinesen in Deutschland promoviert hatten […], lagen sie [1939 und 1940] gar an der Spitze aller ausländischen Promo‐ vierten. (Grimm/ Bauer 1974: Sp. 254) Diese sich damals schon zeigende Tendenz gilt heute auch wieder, indem die chinesischen Studierenden mit 36.915 (2018) die größte ausländische Gruppe von in Deutschland immatrikulierten AusländerInnen darstellen 11 . Mit dem Hereinbrechen des Zweiten Weltkrieges brachen sukzessive alle kulturellen Beziehungen ab. Deutschland hatte in China seinen „eigenen wirtschaftlichen und politischen Spielraum“ (Ratenhof 1987: 539) signifikant erweitern können, auch wenn man von den westlichen Großmächten insgesamt politisch abhängig gewesen war und öfter aufgrund der eigenen Interessen - wie Waffengeschäften - Ärger mit ihnen heraufbeschwor. Eine gewollte militärische Modernisierung der verschiedenen Machthaber in China (Ratenhof 1987: 540) begünstigte die Auftragslage der deutschen Firmen. Zwischen 1933 und 1938 beteiligte sich Deutschland so aktiv an der „Wehrhaftmachung des Staates“ (Ratenhof 1987: 542). Die deutsche Außenpolitik ließ insgesamt die innenpolitischen Anliegen Chinas außen vor und setzte auf Weltmachtstreben und einen nationalen Revi‐ sionismus (Ratenhof 1987: 541). Das Militär übernahm auch in der Außenpolitik in Richtung China die Führung (Ratenhof 1987: 544). China sei potenziell ein auszubeutender Rohstofflieferant, nicht viel mehr (ebd.). An dieser Stelle kommen (wieder) koloniale Denkmuster, auch mit Blick auf die Kommunika‐ tion, zum Tragen. 32 2. Deutschsprachiges Engagement in China historisch <?page no="33"?> 2.4. Die deutschen Beziehungen zur VR China ab 1949 bis in die 1970er Jahre Am Vorabend des Zweiten Weltkrieges hatte sich die Situation in den deutschchinesischen Beziehungen besonders aufgrund einer Position zwischen den beiden ostasiatischen Großmächten China und Japan problematisch dargestellt: Nach dem gescheiterten Vermittlungsversuch zwischen China und Japan 1937, der in der engen wirtschaftlichen Verbindung zu China einerseits und der wachsenden politischen Annhäherung an Japan andererseits seinen Grund gehabt hatte, beein‐ trächtigte die kriegsbedingte Spaltung Chinas in die Chungking-Regierung und die mit der japanischen Besatzungsmacht kollaborierende Nanking-Regierung unter Wang Ching-wei zunehmend auch die Kulturbeziehungen, entscheidend schließlich durch die Anerkennung der Nanking-Regierung durch Deutschland (1. Juli 1941), der die Kriegserklärung der Chungking-Regierung (8. Dez. 1941) unmittelbar folgte. (Grimm/ Bauer 1974: Sp. 254) Politisch war Nazi-Deutschland mit Japan verbunden, insofern spielte China nur eine eher strategische Rolle in den Überlegungen der NS-Diktatur. Hier kam es bisweilen aber zu abwegigen Hoffnungen, Deutschland könne sich dauerhaft an ein China kontrollierendes Japan gewissermaßen ,anhängen‘ und so ohne viel eigenes Zutun profitieren (Ratenhof 1987: 546). Dazu kam, dass China lange bestrebt war, freundschaftliche Bande zu Deutschland aufrechtzuerhalten: Hingegen versuchten die Chinesen trotz Drängens der Alliierten, so lange wie möglich freundschaftliche Verbindungen zu ihrem Modernisierungsvorbild Deutschland zu halten - ein Verhalten, das die vergangene deutsche Chinapolitik mit ihren tatsäch‐ lichen Absichten gar nicht verdient hatte. (Ratenhof 1987: 546) Aus Umfangs- und Relevanzgründen betrachten wir hier explizit nicht die Ge‐ schehnisse während des Zweiten Weltkrieges, sondern setzen mit der Gründung der Volksrepublik China am 1. Oktober 1949 und der deutschen Teilung im selben Jahr an. Aufgrund der Nähe der politischen Systeme kam der DDR zunächst eine besondere Rolle zu. Sie setzte aus verständlichen Gründen der ideologischen Nähe viel früher als die Bundesrepublik Deutschland auf Kom‐ munikation mit der VR China: Bis Mitte der 1960er Jahre waren die deutsch-chinesischen Beziehungen vor allem von der DDR ausgestaltet worden, die bereits im Oktober 1949 mit der neuen kommunistischen Regierung in Peking Botschafter ausgetauscht hatte. Nach einem Freundschafts- und Kulturabkommen (25. Dezember 1955) konnte sich Ostberlin in den 50er Jahren hinter der Sowjetunion zum zweitgrößten Handelspartner der Volks‐ 33 2.4. Die deutschen Beziehungen zur VR China ab 1949 bis in die 1970er Jahre <?page no="34"?> republik China entwickeln. Der Studentenaustausch nahm größere Dimensionen an. Selbst als die Sowjetunion sich längst von Peking abgewandt hatte, blieben die guten Kontakte zunächst weiter bestehen. Erst ab 1963 gerieten die Beziehungen in eine ernste Krise, von der letztlich dann das Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zur Volksrepublik China profitierte. (Ratenhof 1987: 554) Die Bundesrepublik Deutschland war außenpolitisch um einen neutralen Kurs gegenüber der VR China und Taiwan bemüht (ebd.) und hatte gleichzeitig enge Beziehungen zu den USA. Die Volksrepublik China stellte wirtschaftlich einen weit attraktiveren Markt als Taiwan dar; insofern verwundert es nicht, dass die deutsche Wirtschaft trotz der politischen Andersartigkeit des Systems weiter mehr Interesse an China zeigte und am „privilegierten Partner“ (Ratenhof 1987: 555) weiter festhielt. Dies geschah jedoch nicht ohne Schwierigkeiten, da internationale Handelsbeschränkungen existierten und der Warenverkehr und Bankgeschäfte nicht ohne die Hilfe internationaler Partner realisiert werden konnten (ebd.). Hierbei gab es Anfang der 1950er Jahre sogar (nicht verwirklichte) Bestrebungen von Handelskooperationen, in die Bonn wie Ostberlin involviert hätten sein sollen. Mit der Lockerung amerikanischer Embargopolitik Mitte der 1950er Jahre konnte dann der Handel zwischen der BRD und der VR China intensiviert werden. Bis 1960 waren signifikante Steigerungen der Han‐ delsvolumina in beide Richtungen, Import und Export, zu verzeichnen (Ratenhof 1987: 555-556). Dennoch kam es vorerst zu keiner diplomatischen Anerkennung Pekings durch Bonn (Ratenhof 1987: 556). Durch den Botschafteraustausch zwischen Frankreich und der VR China kam nochmals Bewegung in diese Angelegenheit, jedoch waren der BRD mit Rücksicht auf den Partner USA hier die Hände gebunden, auch wenn vielleicht hier bereits der Wunsch nach mehr Austausch schon existiert hatte, aber noch nicht offen kommuniziert werden konnte bzw. durfte (ebd.). Ungeachtet der Wirren der ,Kulturrevolution‘ in China, der Blockbildung im Kalten Krieg und einer damit einhergehenden Verkomplizierung der internatio‐ nalen Konstellationen konnte die deutsche Wirtschaft 1967 den Gesamthandel mit China auf über 1 Milliarde D-Mark anheben (Ratenhof 1987: 557). Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges musste sich im Bereich der kultu‐ rellen Beziehungen die Sinologie in Deutschland konsolidieren: Die Sinologie in Deutschland hat nur langsam die Verluste aufholen können, die ihr durch den Krieg personell und materiell entstanden waren. Die Zeitschriften Sinica, Ostasiatische Zeitschrift und Mitteilungen des Seminars für orientalische Sprachen bestehen seit Anfang der 40er Jahre nicht mehr; die international führende Asia Major mußte 1935 ihr Erscheinen einstellen und wird seit 1948 in London weitergeführt. 34 2. Deutschsprachiges Engagement in China historisch <?page no="35"?> 12 Für eine Übersicht der diplomatischen Beziehungen der VR China in der Zeit der Öffnungspolitik vgl. Schaeff (1998: 132). Als Fachzeitschrift für die gesamte Ostasienwissenschaft erscheint seit 1954 Oriens Extremus, seit 1951 die Nachrichten der Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Asiens. Durch Kriegsereignisse gingen die Seminarbibliotheken von Berlin, Leipzig, Göttingen und Frankfurt verloren; die reichen chinesischen Bestände der Preußischen Staatsbibliothek verteilten sich nach 1945 auf mehrere Besatzungszonen. Sinologische Lehrstühle gab es 1945 nur in Hamburg, Berlin und Leipzig. Zu ihnen trat 1946 die schon lange geplant gewesene Professur in München. (Franke 1974: Sp. 1234) Seit 1960 forcierte die Politik auf Empfehlung des Wissenschaftsrates eine we‐ sentliche Ausweitung der akademischen Sinologie (Franke 1974: Sp. 1234-1235). Mit Blick auf die später wieder intensivierten Wirtschafts- und Kulturbezie‐ hungen (vgl. 2.5. und 2.6. unten) stellte sich diese Weichenstellung aus heutiger Sicht günstig dar und bereitete den Boden für den heute sehr regen Austausch zwischen Deutschland und China. Eine politische Annäherung von Deutschland und China begann in den 1970er Jahren unter der Ägide der sozial-liberalen Koalition in Bonn: Weit intensiver, als es jemals zuvor eine Regierung in Bonn getan hatte, widmete sich schließlich die SPD/ FDP-Koalitionsregierung China, wenn auch zunächst äußerst behutsam und ohne größere Erfolge: Bonn wollte unter allen Umständen eine Gefähr‐ dung seiner neuen Ostpolitik vermeiden - Moskau besaß absolute Priorität -, und Peking warb weiterhin um Ostberlin. […] Erst im Zuge der amerikanisch-chinesischen Entspannung kam es dann zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Bonn und Peking (10. Oktober 1972). 12 Ein offizielles Handelsabkommen folgte wenig später (5. Juli 1973), ergänzt durch eine Vereinbarung über Zivilluftfahrt und Seeverkehr (Oktober 1975). Als besonders vorteilhaft erwies es sich dabei für die Bundesregierung, daß Bonn Taiwan nicht anerkannt hatte und lediglich kulturelle und wirtschaftliche Kontakte dorthin unterhielt […]. (Ratenhof 1987: 557) Taiwan war bis dahin ein vom Volumen her viel größerer Wirtschaftspartner der BRD gewesen als die VR China. Durch die neuen Vereinbarungen änderte sich dies jedoch sehr schnell zugunsten Chinas. (Ratenhof 1987: 557-558) 2.5. Öffnungspolitik Im vorliegenden Abschnitt folgen wir der Darstellung der deutsch-chinesischen Beziehungen bei Huang (2019; Kap. 3.1.2.). Deutsche Politiker, beginnend mit 35 2.5. Öffnungspolitik <?page no="36"?> 13 Zur wirtschaftlichen Entwicklung des Außenhandels im Detail vgl. Schaeff (1998: 140). Franz Josef Strauß (CSU) 1975, begannen China zu besuchen und schlugen somit ein neues Kapitel der Annäherung auf. Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) wurde im Oktober 1975 von Mao Zedong in Peking empfangen (Huang 2019: 39). Im Dezember 1978 verkündete China die offizielle Reform- und Öffnungspolitik; „[d]anach fanden regelmäßige hochrangige Staatsbesuche zwischen Bonn und Peking“ (ebd.) statt. Diese dienten einer Annäherung beider Seiten, allmählich adjustierte die Volksrepublik China gewisse Aspekte ihres politischen Systems: Nach dem Tod von Mao Zedong 1976 regierte sein Nachfolger Deng Xiaoping China, der die politische Priorität auf die wirtschaftliche Entwicklung des Landes setzte. Ohne ideologische Scheuklappen sprach Deng aus: „Egal, ob eine Katze schwarz oder weiß ist, Hauptsache, sie fängt Mäuse“ (Der Spiegel, 1997, S. 156). Zum Zeichen der Kurswende der chinesischen Regierung unter der Führung von Deng Xiaoping wurde die kapita‐ listische Marktwirtschaft anstelle der sozialistischen Planwirtschaft eingeführt. Die Ideologisierung der chinesischen Außenpolitik wurde allmählich durch eine Ökonomi‐ sierung abgelöst. Die seit 1978 bestehende Reform- und Öffnungspolitik Chinas hat die bilaterale wirtschaftliche Zusammenarbeit angestoßen, die zu einer Markterschließung nach internationalem Standard führte. Ein Jahr darauf riefen beide Regierungen durch ein Abkommen zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit einen gemeinsamen Ausschuss für wirtschaftliche Kooperation auf ministerieller Ebene ins Leben (Hederer, 2015). Von 1979 bis 1989 vervierfachte sich das Volumen des bilateralen Außenhandels von 2,7 auf 10,4 Mrd. DM (Runge, 2003, S. 68). (Huang 2019: 39) Die Bundesrepublik Deutschland und China unterzeichneten sukzessive weitere Abkommen, so zur Kooperation im Bereich der Technologie (1982) sowie im Finanzwesen (1985) (Huang 2019: 39). 13 Seit 1982 hatte die BRD in diesen beiden Bereichen Entwicklungshilfe geleistet, die sich nachhaltig positiv auswirkte (Huang 2019: 39-40). „Seit der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen nach den 1980er-Jahren [sic] hat die bilaterale wirtschaftliche Zusammenarbeit an Gewicht gewonnen, welche auch heute noch den wichtigsten Aspekt im Verhältnis der Bundesrepublik und der VR China darstellt.“ (Huang 2019: 40) Dahingegen wurde weniger Kooperation im Bereich der Kultur angestoßen: Im Vergleich zu den diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen waren die bilateralen kulturellen Beziehungen nicht sehr auffällig. Im Oktober 1978 unter‐ zeichneten beide Seiten ein Abkommen über die wissenschaftlich-technologische Zusammenarbeit. Im kulturellen Bereich wurde ein Kooperationsabkommen über den kulturellen Austausch zwischen den beiden Staaten im Jahr 1979 abgeschlossen. Im Juni 1988 vereinbarten die deutsche und die chinesische Regierung die Einrichtung 36 2. Deutschsprachiges Engagement in China historisch <?page no="37"?> einer Zweigstelle des Goethe-Instituts in China (Bundesgesetzblatt im Jahrgang 1988), welches damals die einzige ausländische Kultureinrichtung in China war. (Huang 2019: 40) Politisch beschäftigte Mitte der 1980er Jahre die Tibet-Frage, die durch die neu gegründete grüne Partei im deutschen Bundestag thematisiert wurde, die deut‐ sche Politik und erschwerte punktuell die deutsch-chinesischen Beziehungen. Seit der Niederschlagung der chinesischen Studentenbewegung 1989 sind die Menschenrechte dauerhaft Teil der deutschen Chinapolitik (Huang 2019: 41) und geben immer wieder Anlass zu Störungen der diplomatischen ansonsten zumeist guten Beziehungen. Wie weiter oben (2.4.) erwähnt, hatte es bereits seit 1949 diplomatische Beziehungen zwischen der DDR und der VR China gegeben. Diese wurden nachhaltig durch den Bruch der VR China mit der Sowjetunion verschlechtert (von 1960 bis 1979; Huang 2019: 41). Die Konstellation hatte jedoch keine Auswirkungen auf die diplomatischen Kontakte Westdeutschlands nach China (ebd.). Huang (2019: 41-42) zieht folgendes Fazit der Entwicklungen: Ein entscheidendes Motiv für die Aufnahme der diplomatischen Beziehungen mit der VR China waren zum einen die wirtschaftlichen Interessen. […] Durch die Aufnahme der bilateralen diplomatischen Beziehungen konnte China als ständiges Mitglied im UNO-Sicherheitsrat zumindest den geplanten Beitritt der beiden deutschen Staaten nicht blockieren (Leutner, 1995, S. 141). […] Im Vergleich zu der Bundesrepublik konnte die VR China mehr von der Normalisierung der bilateralen Beziehungen profi‐ tieren. Was die Motive und Interessen der chinesischen außenpolitischen Ausrichtung nach Westen angeht, hatten China und der Westen eine gemeinsame Bedrohung vonseiten der Sowjetunion. Aufgrund der Spannung mit Moskau betrachtete China die Sowjetunion als einen gemeinsamen Gegner mit dem Westen. Weil die Bundes‐ republik unter militärisch-strategischen Aspekten als NATO-Frontstaat die größte Armee in Westeuropa hatte, galt sie für China als ein strategischer Partner. Im Grunde genommen wurde China vom Westen offensichtlich als ein strategisches Gegengewicht gegenüber der Sowjetunion gezielt aufgewertet (Heilmann, 2002, S. 1). Außerdem hoffte die chinesische Regierung auf die Unterstützung der Bundesrepublik bei der Modernisierung Chinas. Aus militärisch-strategischen und wirtschaftlichen Interessen näherten sich die beiden aneinander an. […] Gegensätzlich zu anderen westlichen Staaten hat die Bundesrepublik auf eine Anerkennung Taiwans verzichtet und die Volksrepublik China als ausdrücklich einzige legale Regierung Chinas aner‐ kannt. Die Zurückhaltung in der Taiwan-Frage der zwei deutschen Regierungen [sic] und die Unterstützung der Wiedervereinigung Deutschlands aus der VR China 37 2.5. Öffnungspolitik <?page no="38"?> trugen dazu bei, die deutsch-chinesischen Beziehungen nach der Wiedervereinigung ohne historische Belastung im Allgemeinen weiter zu entwickeln. Obwohl die VR China jeweils mit der Bundesrepublik und der DDR diplomatische Beziehungen aufnahm, sprach sie sich gegen eine dauerhafte Teilung der deutschen Nationen aus. […] Die Bundesrepublik und China befanden sich während des Ost-West-Konflikts auf unterschiedlichen Polen. Das offensive Demokratieverständnis des Westens und die ungelösten Legitimationsprobleme des politischen Systems in China sorgten immer wieder für Spannungen zwischen Deutschland und China (Maull, 2014, S. 852). Dies hatte zur Folge, dass sich die sino-sowjetischen Beziehungen auch auf die bundesdeutsche Chinapolitik auswirkten. Mit anderen Worten war die Chinapolitik der Bundesrepublik stark von den Gegebenheiten des Ost-West-Konflikts geprägt. (Huang 2019: 41-42) Huang (2019) betrachtet sukzessive die Entwicklungen der deutsch-chinesi‐ schen Beziehungen im Lichte der Chinapolitik der Bundesregierung bis in die neueste Zeit: Er trennt dabei nach Kanzlerschaften, d. h. Kohl (Huang 2019, Kap. 4: 53-91), Schröder (Huang 2019, Kap. 5: 93-139) sowie Merkel (Huang 2019, Kap. 6: 141-233). Eine genauere Nachzeichnung dieser Linien ist im Kontext der vorliegenden Studie aus Umfangsgründen nicht möglich; Interessierte seien daher auf die genannte Literatur verwiesen. Abschließend für das vorliegende Kapitel werfen wir einen Blick auf die Entwicklung der Germanistik und der Beschäftigung mit der deutschen Sprache in China. 2.6. Exkurs: Deutsche Sprache und Germanistik in China Die Geschichte von Deutsch als Fremdsprache in China reicht bis in das Jahr 1871 zurück. Mit dem Ziel, Dolmetscher für den diplomatischen Dienst auszubilden, wurde Deutsch in den Fächerkanon der im Jahre 1862 gegründeten kaiserlichen Pekinger Fremdsprachenhochschule (Tongwenguan) integriert. Dort lehrte man die deutsche Sprache [..] eng verknüpft mit anwendungsorientierten Fächern aus den Bereichen Mathematik, Naturwissenschaften, Jura und Ökonomie. (Hernig 2010: 1637) Auf der Agenda der Kolonialmächte, die im 19. Jahrhundert in China aktiv wurden, stand neben der Übernahme von Gebieten auch eine Modernisierung orientiert „an den westlichen Industriemächten“ (Reinbothe 2007d: 13): „Von zentraler Bedeutung bei diesen Modernisierungsplänen war, dass Chinesen das überlegene Wissen des Westens sich aneigneten und die westlichen Sprachen erlernten, die den Zugang zu diesem Wissen eröffnen konnten.“ (Reinbothe 38 2. Deutschsprachiges Engagement in China historisch <?page no="39"?> 2007d: 13; vgl. auch Reinbothe 1992, v. a. 19-55) Zu diesen Sprachen gehörte natürlich auch das Deutsche, das nach dem Sieg Deutschlands gegen Frankreich 1871 stärker in den Blick der Chinesen geriet (für eine Geschichte der Germa‐ nistik in China vgl. Hernig 2000): [D]ie deutsche Sprache gewann in China erst an Gewicht, als nach dem Sieg über Frankreich 1871 Deutschland von Chinesen als starke Militärmacht geschätzt wurde, deren Techniken man sich zunutze machen wollte. […] Für die Waffengeschäfte, militärischen Projekte und Schulen brauchte man ebenfalls chinesische Dolmetscher, die Deutsch konnten. Deshalb wurden an den Militärschulen in begrenztem Umfang Deutschkurse abgehalten. […] Von einem deutschsprachigen Fachunterricht war man […] noch meilenweit entfernt. (Reinbothe 2007d: 15-16) Im Rahmen der Reformen, denen China im ausgehenden 19. Jahrhundert und zu Beginn des 20. Jahrhunderts unterworfen war, kam v. a. eine gewichtige Weichenstellung hinzu, die die Entwicklung einer verbesserten Position des Deutschen wie aller anderen westlichen Fremdsprachen begünstigte: Eine entscheidende Wende trat jedoch erst ein, als 1905 die traditionellen staatlichen Beamtenprüfungen abgeschafft wurden, die ganz auf der konfuzianischen Bildung aufgebaut waren und das chinesische Bildungssystem bis dahin beherrscht hatten. […] Erst dadurch, dass man das Studium der europäischen Wissenschaft und Sprachen in das staatliche Prüfungssystem integrierte, wurden diese erheblich aufgewertet und der Weg für die Heranbildung einer chinesischen Elite freigemacht, die ihre Ausbildung an modernen Schulen und Hochschulen in China und im Ausland erworben hatte. […] Jedenfalls wurde Anfang des 20. Jahrhunderts in China ein Netz moderner Schulen (Elementar- und Mittelschulen) und Hochschulen aufgebaut, an deren Spitze die 1898 gegründete zentrale Universität Peking (Beida) stand. Nachdem ihr 1903 die alte Fremdsprachenschule Tongwen Guan angegliedert worden war, hatte sie bald acht Abteilungen: Chinesische Klassik, Politik und Recht, Literatur und Sprachen (Chinesisch, Englisch, Französisch, Russisch, Deutsch, Japanisch), Na‐ turwissenschaften, Medizin, Landwirtschaft, Technik und Industrie sowie Handel[.] (Reinbothe 2007d: 18; vgl. Reinbothe 1992: 42-45) Die oben erwähnten Beamtenprüfungen leben in anderer Form heute noch in den sog. Gaokao-Abschlussprüfungen (chin. 高考 , gāo kǎo, vergleichbar dem deutschen Abitur) fort. Für das Deutsche bedeutete die im vorhergehenden Zitat beschriebene Situation eine Chance, nachhaltig im Reich der Mitte Fuß zu fassen: Das bedeutsamste Feld deutscher Kulturarbeit in China war das Bildungswesen. Man wollte den hohen Stand deutscher Wissenschaft und Technik den Chinesen vor Augen 39 2.6. Exkurs: Deutsche Sprache und Germanistik in China <?page no="40"?> führen und ihnen zeigen, wie vorteilhaft es für den Erwerb einer modernen Bildung war, die deutsche Sprache zu erlernen. So versuchten deutsche Diplomaten darauf hinzuwirken, dass an den neuen chinesischen Schulen und Hochschulen Deutsch unterrichtet wurde. (Reinbothe 2007d: 22) Allerdings mussten sie - damals wie heute - mit der Situation klarkommen, dass das Englische weiter verbreitet war und zumeist als erste Fremdsprache unterrichtet wurde. Mit dieser Konstellation wollte man sich jedoch nicht abfinden, und so gab es mehrfach Vorstöße, dass das aus deutscher diplomatischer Sicht bestehende Übergewicht an Lehrkräften für das Englische durch entsprechende Einstel‐ lungen deutscher Lehrender ausgeglichen werden solle (Reinbothe 2007d: 22; Reinbothe 1992: 124). Ab 1903 (August Conrady) gab es die ersten deutschen Dozenten an chinesischen Hochschulen (Reinbothe 2007d: 22-23). Dies waren aber letztlich vergleichsweise wenige Personen; zur weiteren Stärkung der deutschen Sprache in China trug bei, dass allmählich deutsche Lehrkräfte an die an verschiedenen Standorten in China im Aufbau befindlichen deutschen Auslandsschulen (vgl. oben) entsendet werden konnten. Außerdem gab es von chinesischer staatlicher Seite Interesse am deutschen Bildungssystem: Im Jahr 1906 entsandte die chinesische Regierung eine Studienkommission, die Staatseinrichtungen westlicher Länder studieren sollte. Als die chinesische Studien‐ kommission im März 1906 nach Deutschland kam, wurde sie auch im preußischen Kultusministerium in Berlin empfangen, um über deutsche Bildungsmaßnahmen in China zu verhandeln. Man vereinbarte, dass in China zunächst in einer oder zwei Städten - als Beispiele wurden Shanghai und Nanking genannt - Schulen errichtet werden sollten, an denen Chinesen die deutsche Sprache erlernen konnten, um sich auf ein Studium in Deutschland vorzubereiten. […] Damit war […] auch von chinesischer Seite der Weg freigegeben für die Gründung deutscher Schulen für Chinesen in China. (Reinbothe 2007d: 23) Die deutsche Politik hatte jedoch etwas Anderes im Sinne, als es mit den Chinesen vereinbart worden war: Es sollte kein Sprachunterricht für Chinesen mit Ziel Deutschland gesichert (und damit den Chinesen durch kommunikative Kompetenz mehr Mobilität ermöglicht) werden, sondern vielmehr - so war es in einem Gutachten des Wissenschaftlers Alfred Forke für das Auswärtige Amt 1903 bereits empfohlen worden - „in China eine deutsche Hochschule aufgebaut werden, an der deutsche Lehrer Chinesen deutschsprachigen Fachunterricht erteilten.“ (Reinbothe 2007d: 24) Damit sollte 1907 die Geburtsstunde des Vor‐ läufers der heutigen Tongji-Universität schlagen, der Deutschen Medizin- und Ingenieursschule in Shanghai (vgl. Li 2007). Die Tongji-Universität hat heute 40 2. Deutschsprachiges Engagement in China historisch <?page no="41"?> eine der wichtigsten Brückenfunktionen überhaupt beim wissenschaftlichen Austausch zwischen China und Deutschland inne; an dieser Stelle kann man gewiss von nachhaltigen Entwicklungen sprechen (vgl. auch 3.6. unten zur heutigen Situation). Damit für die deutschsprachige Hochschule entsprechend kompetente Spre‐ cherInnen des Deutschen bereitstanden, „wollte man außerdem in China deutsche Sprach- und Vorbereitungsschulen nach Art der chinesischen Mittel‐ schulen einrichten“ (Reinbothe 2007d: 24). Moderne Grund- und Mittelschulen sollten parallel auch von einigen deutschsprachigen Missionaren forciert werden (Reinbothe 2007b: 27). Dabei sollten diese Schulen unter deutscher Regie betrieben werden, unter Anpassung an die chinesischen Bedingungen, aber ohne „Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Sprachen und Bildungstraditi‐ onen“ (Reinbothe 2007d: 24). Prinzipiell ist hier eine Kommunikation nur in eine Richtung vorgesehen, von den Deutschsprachigen an die Chinesen, ganz unabhängig von der Rezeption und einer denkbaren Rückkopplung. An dieser Stelle wird eine (post)koloniale Einstellung fassbar, von der auch heute noch unter in China lebenden Deutschsprachigen gerne Gebrauch gemacht wird - ein Leben in einer kulturell völlig fremden, andersartigen Umgebung zu führen, ohne sich für die Möglichkeiten dieser zu öffnen. Ein gemeinsamer Nenner bestand aber darin, dass Deutsche wie Chinesen aus monarchisch gesprägten Kulturen stammten und entsprechend „radikalen und demokratischen Ideen“ (ebd.) skeptisch gegenüberstanden. Mit der Perspektive auf WeChat heute lässt sich potenziell aber eine Art Umkehrung konstatieren, da die Applikation (als digital-kulturelle ,Errungenschaft‘) von den Deutschsprachigen dankend und bisweilen unkritisch (vgl. auch die Kommentare in Kap. 7.12. und die Perspektivierung im Ausblick Kap. 8. unten), aber mindestens aufgrund ihrer hohen Usability angenommen wird. Von der Forcierung der deutschen Sprache in China wünschte man sich wirtschaftliche Vorteile: So hoffte man, die Sprach- und Fachausbildung junger Chinesen an deutschen Schulen könnte dafür sorgen, den Absatz deutscher Industrieprodukte auf dem chinesischen Markt erheblich zu steigern. Denn man erwartete, dass die deutschsprechenden und deutsch ausgebildeten Chinesen später in hohe Staatsstellungen gelangten, wo sie für die Entwicklung der Geschäftsbeziehungen nützliche Dienste leisten konnten. Deshalb beteiligte sich auch die deutsche Industrie in großzügiger Weise an der Gründung und Ausstattung der deutschen Schulen in China. (Reinbothe 2007d: 24-25) Die Einflussnahme durch die deutschen Schulen wurde in einer Schrift des Aus‐ wärtigen Amts von 1914 mit dem Schlagwort „Propagandaschulen“ (Reinbothe 41 2.6. Exkurs: Deutsche Sprache und Germanistik in China <?page no="42"?> 2007d: 25) versehen. Die Modernisierung Chinas nach westlicher, deutscher Façon sowie die Sicherung des Absatzes von Industrieprodukten gingen mittels der als ,Medium‘ fungierenden deutschen Sprache Hand in Hand. Neben Missionsschulen gab es auch in Fertigungsbetrieben in geringem Umfang u. U. Deutschunterricht. In diesem Zusammenhang erwähnt Reinbothe (2007b: 28-29) die Lehrlingsschule der Werft in Qingdao, in der es nachweislich mehr als 600 Lehrlinge gab, die diese Art Ausbildung durchliefen (Reinbothe 2007b: 29, Schlunk 1914). In deutscher Sprache konnten SchülerInnen in China im Wesentlichen dort ausgebildet werden, wo Deutsche mit finanziellen Mitteln zum Aufbau von Schulen beigetragen hatten - so neben Qingdao „in Shanghai, Hankou (heute ein Teil von Wuhan), Tianjin, Jinan und Peking“ (Reinbothe 2007b: 29), mit vom Auswärtigen Amt entsandten Lehrkräften (Schmidt 1928). Diese Schulen sollten insgesamt aber nur deutschen Kindern vorbehalten bleiben, ein interkultureller Austausch oder gar die Aufnahme chinesischer Kinder oder von Kindern aus deutsch-chinesischen Ehen war nicht vorgesehen (Reinbothe 2007b: 29). Für Chinesen waren gesonderte Schulen mit Ausbildung in deutscher Sprache geplant. Diese wurden nach 1900 ins Leben gerufen, im allgemeinen „deutsch-chinesische Schulen“ oder Sprachschulen genannt, 1907 in Shanghai, in Hankou in der Provinz Hubei und Tianjin in der Provinz Hebei, 1909 in Kanton und in Chengdu in der Provinz Sichuan, 1910 in Jinan in der Provinz Shandong. Eine von einem deutschen Unteroffizier 1905 in Peking eröffnete deutsche Schule für Chinesen musste ihren Schulbetrieb nach wenigen Jahren allerdings wieder einstellen. (Reinbothe 2007b: 30) Das Curriculum entsprach weitgehend dem deutscher Schulen der Zeit (Rein‐ bothe 2007b: 31); größere Abweichungen zu heutigen Curricula gibt es m. E. nicht. Der Unterschied zu Schulen in Deutschland bestand jedoch darin, dass es auch chinesische Lehrer gab, die den Unterricht in chinesischer Sprache und Kultur forcierten. Dies sollte „gebildeten Kreisen […] erleichtern, ihre Kinder in diese Schulen zu schicken“ (Reinbothe 2007b: 31, Schmidt 1928). Die deutschen und chinesischen Lehrer agierten jedoch ohne Zusammenarbeit nebeneinander, insgesamt zeigte sich das Problem, dass die Stoffmenge (vielleicht auch aufgrund fehlender Absprachen) kaum zu bewältigen war (Reinbothe 2007b: 31). Eine geeignete Kommunikation und Abstimmung unter den deutsch- und chinesisch‐ sprachigen LehrerInnen über Menge und Inhalte des Lernstoffs hätten solche Probleme verhindern können. Ein Austausch war offenbar aber weder von der einen noch von der anderen Seite erwünscht. Die ursprünglich auf vier Jahre angelegte Ausbildung wurde daher um ein Jahr verlängert, ohne dass dies jedoch 42 2. Deutschsprachiges Engagement in China historisch <?page no="43"?> eine signifikante Verbesserung brachte (Melchers 1928: 239, nach Reinbothe 2007b: 31). Dennoch erfüllten die deutschen Schulen den Nutzen, SchülerInnen für die höheren Fachschulen in Shanghai (Ingenieurwissenschaften und Medizin, die spätere Tongji-Universität; vgl. auch Reinbothe 2007b: 33-36 zur Deutschen Medizinschule für Chinesen in Shanghai sowie Reinbothe 2007b: 37-39 zur Deutschen Ingenieurschule in Shanghai) und in „Qingdao, wo deutsche Lehrer Medizin, Technik, Staats- und Rechtswissenschaft sowie Land- und Forstwirt‐ schaft in deutscher Sprache lehrten“ (Reinbothe 2007b: 32; vgl. zur Hochschule Qingdao auch ausführlicher Reinbothe 2007a: 47-52), auszubilden. Dabei ging es perspektivisch (natürlich) um die Wahrung „politische[r] und wirtschaftliche[r] Interessen“ (Reinbothe 2007b: 33), aber die Schulen sollten auch „[r]ichtige und klare Vorstellungen von Deutschland“ (Reinbothe 1992: 260; vgl. ebd. 260-273) vermitteln. Nach dem Ersten Weltkrieg agierten nach einem durch den Versailler Vertrag 1919 bedingten Intermezzo die o. g. deutschen Realschulen für deutsche Kinder ab 1921 weiter, ergänzt um die Standorte Changsha, Shenyang (Mukden), Harbin und Nanking (Reinbothe 2007c: 68). Die Schulen für chinesische Kinder, die auf Deutsch unterrichtet wurden, mussten zumeist geschlossen werden, ebenso wie die Hochschule in Qingdao (Reinbothe 2007c: 69). Die deutschen Missi‐ onsschulen blieben weiter in Betrieb, allerdings mit eingeschränktem Deutsch‐ unterricht (Reinbothe 2007c: 69). Die Tongji-Universität wurde weitergeführt (Reinbothe 2007c: 70, Li 2007). Reinbothe (2007c) erwähnt noch die Gründung der Deutschabteilung der Universität Peking (Beida) (Reinbothe 2007c: 71-73; vgl. Wang 2007 zur Fremdsprachenuniversität Peking), die Verwendung des Deutschen an der Medizinischen Fakultät der Sun Yatsen-Universität in Kanton (Reinbothe 2007c: 73-75) sowie das 1933 in Peking gegründete Deutschland-In‐ stitut (Reinbothe 2007c: 75-79). Die chinesische Germanistik vor 1949 war lt. Hernig (2010: 1637) eng mit der o. g. Bewegung des 4. Mai von 1919 verbunden, die eine Offenheit hin zu einer mehr westlichen Orientierung und Modernisierung potenziell möglich erscheinen ließ. Konkret zeigt sich dies am Beispiel des 1922 eingerichteten Germanistik-Studiengangs an der Universität Peking: Nach einem zweijährigen Sprachenpropädeutikum bildeten deutsche Klassiker, zum Beispiel Goethe, Lessing aber auch Theodor Storm [sic] sowie mediävistische Inhalte (Gotisch, Althochdeutsch) die Hauptinhalte des damaligen, vier weitere Studienjahre umfassenden Germanistikstudiums. (Hernig 2010: 1637) 43 2.6. Exkurs: Deutsche Sprache und Germanistik in China <?page no="44"?> Eine längere Zeit zum Verwurzeln der Germanistik in der chinesischen akade‐ mischen Welt blieb dieser jedoch vorerst nicht vergönnt. Unter der Regimere‐ gierung der Guomindang von Tschiang Kai-Shek verschwand sie bereits in den 1930er Jahren wieder (Hernig 2010: 1637). Ganz ohne Nachhaltigkeit war die Germanistik aber nicht geblieben: Aus dieser Zeit blieb vor allem Schriftliches: Literaturlexika und Literaturgeschichten […], Übersetzungen und interpretatorische Auseinandersetzungen mit Faust, Werther, Wallenstein, Immensee und den Heine-Gedichten. (Hernig 2010: 1637) Unterricht in Deutsch als Fremdsprache wurde in der Zeit nach dem Ver‐ schwinden der institutionellen Germanistik zum Überlebensanker für viele KollegInnen. Insgesamt kann aus heutiger Sicht in China ein Verschmelzen von Germanistik und Deutsch als Fremdsprache konstatiert werden, speziell nach der Gründung der Volksrepublik China 1949 (Hernig 2010: 1638). Es kam zu einer engeren Zusammenarbeit mit der DDR und somit auch zu einem in dieser Hinsicht gesteigerten Interesse am Ausbau einer Germanistik an den Universitäten: An der Fremdsprachenhochschule Peking (1949), der heutigen Fremdsprachen-Uni‐ versität, der Universität Nanjing (1947 bzw. 1952), der Universität Peking (1952) und der Fremdsprachenhochschule und jetzigen Fremdsprachen-Universität Shanghai (1956) wurden die ersten Germanistik-Abteilungen eingerichtet. Konferenzen zur Übersetzungsarbeit (1951) und zur literarischen Übersetzung förderten die Überset‐ zungstätigkeit als Schwerpunkt der jungen volksrepublikanischen Germanistik. In Zusammenarbeit mit der DDR wurde sozialistische deutsche Literatur wie zum Beispiel Werke von Anna Seghers, Berthold Brecht, dem jungen Stefan Heym oder Friedrich Wolfs Dramen übersetzt […]. (Hernig 2010: 1638) Diese Fokussierung galt aber nur bis zur Kulturrevolution, während der der Germanistikbetrieb ab 1966 wieder einmal zum Erliegen kam (Hernig 2010: 1638). Erst ab der Aufnahme der Reform- und Öffnungspolitik Ende der 1970er Jahre und einer Annäherung auch an die Bundesrepublik Deutschland wuchs auch erneut das Interesse an einer universitären Germanistik in China, die auch über Kooperationen mit deutschen Universitätsgermanistiken ab diesem Zeitpunkt begann zu wachsen. Hernig (2010: 1639) nennt die Zahl von 46 Hochschulen und Universitäten, an denen Germanistik zu Beginn des 21. Jahrhunderts gelehrt wurde. Diese Zahl hat sich in der Zwischenzeit mehr als verdoppelt; so nennt Szurawitzki (2015: 65) 102 Hochschulen und Universitäten mit germanistischer Lehre und Forschung. Diese Tendenz hat sich noch weiter fortgesetzt; über 44 2. Deutschsprachiges Engagement in China historisch <?page no="45"?> die weiter sehr guten wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und China sowie über die Einführung von Deutsch als wählbare Fremdsprache in der Mittelschule, die auch von der deutschen Bundesregierung im Rahmen des Projekts Schulen - Partner der Zukunft mit angeschoben wurde (Hernig 2010: 1641) befindet man sich in China in einem immer noch anhaltenden Boom der Germanistik, der in der Ausrichtung des Germanistik-Weltkongresses (IVG-Kongress) 2015 an der Tongji-Universität seinen vorläufigen Höhepunkt fand (vgl. Szurawitzki 2017b sowie Szurawitzki 2020a) und mittelfristig vermut‐ lich noch anhalten wird (Szurawitzki 2019c). 45 2.6. Exkurs: Deutsche Sprache und Germanistik in China <?page no="47"?> 3. Zur deutschsprachigen Expat-Community in China heute Im vorliegenden Kapitel wird (Stand: Mai 2020) anhand einer Aufstellung relevanter Organisationen und Entitäten dokumentiert, welche Rolle Deutsch in offiziellen Kontexten in China heute spielt, wo dort somit direkte Kommu‐ nikation bzw. Austausch mit Deutschsprachigen (v. a. institutionell) möglich ist und auf welchen organisationalen Grundpfeilern die deutschsprachige Ex‐ patriate-Community im Reich der Mitte aufgebaut ist. Die Aufstellung hat den Anspruch, zu illustrieren, dass zahlreiche Anlaufstellen existieren, auf die die Deutschsprachigen und am Deutschen und den relevanten Kulturen der deutschsprachigen Länder Interessierten zurückgreifen können. Wo bekannt, wird explizit auf die vorhandenen offiziellen bzw. bekannten WeChat-Kanäle dieser Institutionen eingegangen. Dass teils keine solchen Kanäle genannt werden, bedeutet nicht, dass sie nicht existieren. Im Gegenteil kann davon ausgegangen werden, dass informell sehr wohl häufig Verteiler in WeChat genutzt werden, um Interessierte mit Informationen zu versorgen. An dieser Stelle sei betont, dass WeChat speziell im gegebenen Kontext deutschsprachiger Anlaufstellen, aber auch darüber hinaus, die Grenzen zwischen geschäftlicher und privater Kommunikation, mitunter verwischt. Ist man über die Applikation miteinander vernetzt, so können geschäftliche Interaktionen erledigt werden, gleichzeitig nimmt man aber auch - nolens volens - die privaten Postings jedes Kontakts wahr. Insofern ist geschäftliche Kommunikation in China über WeChat gleichsam oft auch mindestens implizit private Kommunikation. Die gewählte Reihenfolge enthält keine Hierarchie, sondern ergibt sich aus den in der Vorbereitung des Schreibprozesses geleisteten Recherchen. Wo immer möglich, werden Online-Quellen möglichst aktuellen Datums angegeben. Es mag RezipientInnen geben, die potenziell andere/ weitere Player etc. genannt hätten. In Szurawitzki (2017a: 7-11) gebe ich eine kurze shanghaifokussierte Zusammenschau. Hernig (2016: 189-192) erwähnt das gegenwärtige Shanghai als „Stadt der Deutschen“ (Hernig 2016: 189). Die vorliegende Aufstellung greift deutlich weiter aus. Aufgrund von relevanzbedingten Fokussierungen und aus Umfangsgründen - es wird potenziell Kürze und Prägnanz in der Darstellung angestrebt - können hier nur die nachfolgend angeführten Bereiche/ Organisationen genannt werden: Zunächst wird ein Überblick über die diplomatischen Vertretungen der deutschsprachigen Länder und ihre Organisationsstruktur in China gegeben <?page no="48"?> (3.1.). Danach stehen die Organisationen im Fokus, die die (v. a. auch) deutsche Wirtschaft und ihre in China vertretenen Unternehmen repräsentieren (3.2.) (zu einer Einschätzung der relevanten Rolle des Deutschen in deutschspra‐ chigen Unternehmen in China vgl. Wang 2007). Dazu gehören im Kontext des vorliegenden Bandes die Außenhandelskammern (3.2.1.), die EU Chamber of Commerce (3.2.2.) sowie die German Centres (3.2.3.). Daran anschließend werden die in China aktiven Deutschen Schulen (3.3) und Deutschen Gemeinden (3.4.) betrachtet. Den Aktivitäten der chinesischen Goethe-Institute ist der darauf folgende Abschnitt gewidmet (3.5.). Auf die deutschlandbezogenen in‐ stitutionellen Entitäten der Tongji-Universität gehe ich danach ein (3.6.). Somit wird ein anderer Fokus gesetzt als bei den Ausführungen zur Tongji-Universität im Rahmen von Kapitel 2. oben. Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) bietet in China diverse Aktivitäten an (3.7.); u. a. handelt es sich dabei um die Bereitstellung sogenannter DAAD-Lektorate, also der Entsendung von (meist recht) jungen Lehrkräften, die vor Ort Germanistik-Institute mit mutter‐ sprachlicher Lehrkompetenz in der gesamten Breite des Faches stützen sollen. Auch im Rahmen der akademischen Austauschtätigkeit sind die Akademischen Prüfstellen in Beijing und Shanghai zu sehen, denen ebenfalls ein gesonderter Abschnitt gewidmet ist (3.8.). Deutsche politische Stiftungen sind in China aktiv und unterhalten eigene Büros, daher betrachten wir sie entsprechend (3.9.). Abschließend für das vorliegende Kapitel werden weitere deutschsprachige Or‐ ganisationen und Entitäten in China betrachtet (3.10.), ohne dass jedoch - auch aufgrund der Dynamik Chinas - ein Anspruch auf Vollständigkeit angestrebt wird. 3.1. Diplomatische Vertretungen der deutschsprachigen Länder Die im vorliegenden Abschnitt niedergelegten Betrachtungen beginnen mit der Bundesrepublik Deutschland, danach folgen Österreich, die Schweiz sowie Lu‐ xemburg. Sie stützen sich auf die online (April 2020) erhältlichen Informationen, die die diplomatischen Vertretungen der o. g. Länder über ihre Internetauftritte bereitstellen. 3.1.1. Deutschland Die deutschen diplomatischen Vertretungen in der Volksrepublik China unter‐ halten einen gemeinsamen Internetauftritt (Deutsche Vertretungen in China 48 3. Zur deutschsprachigen Expat-Community in China heute <?page no="49"?> 14 Mit Ausnahme des Kulturreferats, das ich wegen des Blockzitats an das Ende der vorliegenden Aufzählung gestellt habe [MSZ]. 2020), von dem aus man zu den Seiten der einzelnen Vertretungen navigieren kann. Die deutsche Botschaft in China befindet sich in der Hauptstadt Peking (Deutsche Botschaft Peking 2020). Ihr Konsularbezirk umfasst Peking, Tianjin, Hebei, Henan, Hubei, Qinghai, Gansu, Xinjiang, Tibet, die Innere Mongolei, Ningxia, Shaanxi, Shanxi, Hunan, Jiangxi und Shandong. Zum Zeitpunkt der Recherche war Dr. Clemens von Goetze Botschafter und somit höchster Ver‐ treter der Bundesrepublik Deutschland in China. Mit 240 MitarbeiterInnen ist die Pekinger Botschaft eine der größten Vertretungen der BRD weltweit (vgl. Die Leitung der Botschaft und die einzelnen Abteilungen 2020). Botschafter Goetze wurde 2020 vom Gesandten Johannes Regenbrecht vertreten. Die Botschaft nutzt einen Social-Media-Kanal über Sina Weibo, das chinesische Pendant zu Twitter (zugänglich über die Startseite der Botschaft). Ein offizieller WeChat-Kanal wird nicht erwähnt. In der Selbstdarstellung der Botschaft wird von den tätigen Abteilungen zuerst die politische Abteilung genannt, die als „wichtiges Bindeglied zwischen beiden Regierungen“ (ebd.) eingestuft wird. Die Abteilung Presse- und Öffent‐ lichkeitsarbeit kümmert sich darum, im Pressereferat deutsche und chinesische Medien konstant zu informieren; „[e]s organisiert Pressetermine deutscher Po‐ litiker und Delegationen, betreut deutsche Korrespondenten und wertet chine‐ sische Medien aus.“ (ebd.) Den zweiten Teil bildet das sog. Deutschlandzentrum, dessen Aufgaben so beschrieben werden: „Das Deutschlandzentrum richtet sich an die chinesische Öffentlichkeit und informiert mittels Webseite, sozialen Medien, Veranstaltungen und Vorträgen über Nachrichten, Hintergründe und aktuelle Entwicklungen aus und über Deutschland.“ (ebd.) Hierbei wird explizit auch ein WeChat-Kanal des Deutschlandzentrums erwähnt, über den die rele‐ vanten Informationen laufen, zu dem jedoch im Gegensatz zum offiziellen Sina Weibo-Account kein Link angegeben ist. Weitere Abteilungen umfassen - in der Reihenfolge der Nennung auf dem Webauftritt 14 - die Wirtschaftsabteilung, den in Peking stationierten Militärat‐ taché, der die Beziehungen zum Bundesministerium der Verteidigung aufrecht‐ erhält, die Rechts- und Konsularabteilung sowie das Kulturreferat, das den Kultur- und Bildungsaustausch zwischen Deutschland und China fördern soll: Das Kulturreferat arbeitet eng mit deutschen Kulturmittlern und auch mit chinesi‐ schen Institutionen zusammen. Neben den offiziellen chinesischen Stellen sind das insbesondere das Goethe-Institut, der Deutsche Akademische Austauschdienst, die 49 3.1. Diplomatische Vertretungen der deutschsprachigen Länder <?page no="50"?> 15 Online: https: / / china.diplo.de/ cn-de/ vertretungen/ gk-kanton/ -/ 2234498 [05.05.2020]. Zentralstelle für Auslandsschulwesen, das Deutsche Archäologische Institut und das Buchinformationszentrum Peking (Auslandsbüro der Frankfurter Buchmesse). (ebd.) Neben der Botschaft unterhält die Bundesrepublik Deutschland an den fol‐ genden Standorten Generalkonsulate in der VR China: Shanghai, Hongkong, Kanton, Chengdu sowie Shenyang (Deutsche Vertretungen in China 2020). Das Generalkonsulat Shanghai deckt dabei den Konsularbezirk Shanghai, Anhui, Jiangsu und Zhejiang ab (Deutsches Generalkonsulat Shanghai 2020). Die Arbeitsbereiche umfassen laut der eingesehenen Eigendarstellung in der Reihenfolge der Nennung ein politisches, ein Wirtschafts-, ein Kulturreferat, ein Referat für Presse und Öffentlichkeitsarbeit, ein Wissenschaftsreferat, ein Rechts- und Konsularreferat sowie ein Verwaltungsreferat (vgl. Die einzelnen Arbeitsbereiche 2020). Während meiner Zeit in Shanghai 2014-2017 existierte ein offizieller WeChat-Kanal des Generalkonsulats mit Informationen für Inter‐ essierte, der offenbar aber mittlerweile eingestellt ist (Mai 2020). Nach den beiden größten diplomatischen Vertretungen ist das Generalkon‐ sulat der BRD in Hongkong zu nennen (German Consulate General Hongkong 2020). Die Hongkonger Vertretung bietet eine übliche Palette an konsulari‐ schen Dienstleistungen an, auf eine gesonderte Beschreibung der Organisati‐ onsstruktur wird auf der Internetseite verzichtet. Ein WeChat-Kanal existiert nicht, da in Hongkong bevorzugt per WhatsApp kommuniziert wird. Dies teilte mir ein Mitarbeiter des dortigen Konsulats per E-Mail (März 2019) mit. Das Generalkonsulat in Kanton gibt eine zusammenhängende Beschreibung seiner Aufgaben (vgl. Das Generalkonsulat Kanton 2020). Sein Konsularbezirk umfasst die Provinzen Guangdong, Fujian, Hainan und Guangxi. Es unterhält einen eigenen offiziellen WeChat-Kanal 15 . Aus der Eigendarstellung, die die o. g. Aufgaben der anderen angeführten Vertretungen prinzipiell spiegelt, sei mit Blick auf die vorliegende Studie folgender Passus zur medialen Arbeit zitiert: Unsere Presse- und Öffentlichkeitsarbeit dreht sich um den Kontakt zu den zahl‐ reichen einheimischen Medien und Journalisten und zielt darauf, das bereits gute Deutschlandbild in Südchina zu stärken. Das Generalkonsulat betreibt einen eigenen „Wechat“ Kanal [sic] mit Veranstaltungstipps, Informationen und lesenswerten Nach‐ richten mit Bezug zu Deutschland und Südchina[.] (Die einzelnen Arbeitsbereiche [Kanton] 2020) Als nächste Vertretung betrachten wir das Generalkonsulat der BRD in Chengdu (vgl. Deutsches Generalkonsulat Chengdu 2020). Sein Konsularbezirk umfasst die Provinzen Sichuan, Guizhou, Yunnan und Chongqing. Es gibt keine geson‐ 50 3. Zur deutschsprachigen Expat-Community in China heute <?page no="51"?> 16 Vgl. https: / / www.bmeia.gv.at/ kf-peking/ social-media/ [05.05.2020]. 17 Diese Aufstellung wurde bewusst mit aufgenommen, um die für ein kleines Land wie Österreich bemerkenswert hohe Anzahl an offiziellen Partnerschaften auf mehreren Ebenen zu illustrieren. Für Deutschland wurde dies aufgrund der viel höheren Anzahl solcher Verbindungen aus Umfangsgründen gar nicht erst angestrebt. derte publizierte Organisationsstruktur im Netz, ähnlich wie beim Generalkon‐ sulat der BRD in Shenyang (Deutsches Generalkonsulat Shenyang 2020). Auf Taiwan, mit dem die Bundesrepublik Deutschland keine offiziellen diplomatischen Beziehungen unterhält, existiert das Deutsche Institut Taipei als Auslandsvertretung, das aber nicht den offiziellen Status einer Botschaft innehat (Deutsches Institut Taipei 2020). 3.1.2. Österreich Österreich hat wie Deutschland eine Botschaft als erste diplomatische Vertre‐ tung in Chinas Hauptstadt Peking (Österreichische Botschaft Peking 2020). Auch diese Vertretung publiziert auf ihrem Webauftritt zahlreiche Bereiche, in denen sie mit der VR China kooperiert und Beziehungen unterhält. So hat das Österreichische Kulturforum gleich drei Social-Media-Kanäle, neben WeChat noch Sina Weibo sowie Baofeng 16 . Explizit genannt werden dabei weitere österreichische Stellen (Österreichische Stellen 2020), neben der Ver‐ waltungsabteilung der Botschaft Peking noch die Generalkonsulate in Chengdu, Guangzhou, Hongkong und Shanghai (ebd.). Das Generalkonsulat in Shanghai unterhält unter dem Namen AustriainSH einen eigenen WeChat-Kanal. Neben Politik, Landwirtschaft und Umwelt, Wirtschaft, Kultur, Wissenschaft und Technologie, Gesellschaften und Vereinigungen wie u. a. der Austrian Chinese Business Association, Aktivitäten, Besuchen und Verträgen (ebd.) werden auch Partnerschaften und Freundschaftsverträge genannt. Es bestehen die nachfolgend genannten offiziellen Kooperationen, über die die engen österrei‐ chisch-chinesischen Beziehungen und die potenziell sehr aktive interkulturelle Kommunikation auf verschiedenen Ebenen deutlich werden 17 : 1. Bundesländer / Provinzen • Steiermark - Guizhou 1987 • Kärnten - Guangxi 1987 • Oberösterreich - Shandong 1996 • Tirol - Henan 1999 • Burgenland - Hunan 2000 • Salzburg - Hainan 2000 51 3.1. Diplomatische Vertretungen der deutschsprachigen Länder <?page no="52"?> 18 [05.05.2020]. • Niederösterreich - Zhejiang 2001 • Salzburg - Heilongjiang 2012 • Oberösterreich - Sichuan 2019 2. Städte • Linz - Chengdu (Sichuan) 1983 • Leoben - Xuzhou ( Jiangsu) 1994 • Wels - Binzhou (Shandong) 1998 • Hollabrunn - Jinhua (Zhejiang) 2000 • Klagenfurt - Nanning (Guangxi) 2001 • Krems - Shaoxing (Zhejiang) 2002 • Wals-Siezenheim - Jinzhong (Shanxi) 2003 • Braunau - Qingdao (Shandong) 2004 • Salzburg - Shanghai 2004 • Wiener Neustadt - Ningbo (Zhejiang) 2009 • Wiener Neustadt - Harbin (Heilongjiang) 2009 • Wien - Chengdu (Sichuan) 2016 (Kooperationsabkommen) 3. Wiener Gemeindebezirke • Simmering - Chaoyang (Peking) 2002 • Donaustadt - Luwan (Shanghai) 2002 • Innere Stadt - Shapingba (Chongqing) 2002 • Liesing - Fangshan (Peking) 2002 • Alsergrund - Dongcheng (Peking) 2004 • Mariahilf - Nankai (Tianjin) 2004 (Partnerschaften & Freundschaftsverträge 2020; Zählung und Hervorhebungen i. O.) Darüber hinaus hat Österreich eine eigene, separat auf der Botschaftswebsite publizierte Agenda für die Beziehungen mit der Mongolei (Österreich - Mon‐ golei 2020), analog gegliedert wie die Präsentation der Beziehungen zur VR China. 3.1.3. Schweiz Die Schweizerische Eidgenossenschaft unterhält neben der Botschaft in Peking (Embassy of Switzerland in China 2020; Social Media: WeChat, Weibo, Toutiao 18 ) 52 3. Zur deutschsprachigen Expat-Community in China heute <?page no="53"?> 19 Eigener WeChat-Kanal unter folgendem Link: https: / / www.eda.admin.ch/ countries/ c hina/ en/ home/ representations/ embassy-in-beijing/ consulate-general-guangzhou.html [05.05.2020]. 20 Eigener WeChat-Kanal unter folgendem Link: https: / / www.eda.admin.ch/ countries/ china / de/ home/ vertretungen/ generalkonsulat-shanghai.html/ content/ contacts/ de/ EDAVis/ S/ 77 [05.05.2020]. 21 Kein WeChat, dafür Sina Weibo sowie Toutiao. 22 Online: https: / / pekin.mae.lu/ en/ News/ Why-LFF-WeChat-official-account [05.05.2020]. noch vier weitere diplomatische Vertretungen in China, nämlich Generalkon‐ sulate in Guangzhou 19 , Hongkong, Shanghai 20 sowie Chengdu 21 (ebd., Reihen‐ folge der Nennung übernommen). Die Schweiz hat seit 1950 diplomatische Beziehungen zur Volksrepublik China; die gemeinsamen Interessen und Koope‐ rationen mit Fokus auf dem Dialog, d. h. dem kommunikativen Austausch, beschreibt sie auf ihrer Website (Bilateral Relations Switzerland-China 2020) so: „The two countries conduct dialogue on a wide variety of areas, including the environment, development cooperation, human rights, migration, education, science and finance.“ Detaillierte Darstellungen zu den einzelnen angeführten Aspekten finden sich ebendort; aus Umfangsgründen kann hier nicht weiter auf diese Aspekte eingegangen werden. Ebenso finden sich auf der zuletzt genannten Website Links zu Einzeldarstellungen der bilateralen Beziehungen der Schweiz zu Macao, Taiwan und Tibet (ebd.). Hierin setzt sich die Schweiz von den anderen deutschsprachigen Ländern und ihren diplomatischen Vertre‐ tungen ab. 3.1.4. Luxemburg Das Großherzogtum Luxemburg unterhält zwei diplomatische Standorte in der Volksrepublik China: Zum einen ist dies die Botschaft in der Hauptstadt Peking (Botschaft Luxemburg 2020), zum anderen gibt es in Shanghai ein Generalkonsulat (GK Luxemburg 2020). Luxembourg for Finance unterhält einen offiziellen WeChat-Kanal mit Informationen zu Investitionsmöglichkeiten in Luxemburg 22 . 3.2. Wirtschaftsvertretungen Die im vorliegenden Abschnitt betrachteten Wirtschaftsvertretungen mit Deutschlandbezug und Verbindungen zu den deutschsprachigen Ländern um‐ fassen die deutschen Außenhandelskammern (AHKs; 3.2.1.), die EU Chamber of 53 3.2. Wirtschaftsvertretungen <?page no="54"?> 23 Österreichs Hauptorganisation für die wirtschaftliche Kooperation mit China, die Austrian Chinese Business Association, hat ihren Sitz in Wien: https: / / www.acba.at [17.05.2020], in Festlandchina gibt es kein Büro. In Hongkong fungiert die Austrian Chamber of Commerce als Bindeglied dorthin: http: / / www.austrocham.com [17.05.2020]. 24 Online: https: / / china.ahk.de/ services/ digital-communication/ advertise-on-wechat [05.05.2020]. 25 WeChat-Kanal: https: / / www.europeanchamber.com.cn/ en/ european-chamber-back ground [05.05.2020; Icon rechts oben]. Commerce in China (3.2.2.), die Organisation German Centre (3.2.3.) sowie die Schweizer SwissCham (3.2.4.). 23 3.2.1. Deutsche Außenhandelskammern Die deutschen Außenhandelskammern haben in China Büros in Nordchina (Peking, Tianjin, Shenyang; AHK Nordchina 2020), Süd- und Südwestchina (Guangzhou, Shenzhen, Chengdu; AHK Südchina 2020), Ostchina (Shanghai, Taicang, Qingdao, Hangzhou; AHK Ostchina 2020) sowie Hongkong (AHK Hongkong 2020). Sie verstehen sich als Dienstleister für deutsche Firmen im Reich der Mitte (AHK China 2020). In den Bereichen Markteinstieg und Entwicklung, Recht und Investment, HR Services, Visumsservice, Bauen, En‐ ergie und Umwelt sowie Digital und Communication Services unterstützen sie Unternehmen. Es existiert ein gemeinsamer WeChat-Kanal, auf dem auch Werbung gemacht werden darf 24 . 3.2.2. EU Chamber of Commerce Die im Jahr 2000 gegründete EU Chamber of Commerce in China 25 vertritt wirt‐ schaftliche Interessen der EU-Mitgliedsstaaten in der VR China (dies schließt natürlich die deutschsprachigen EU-Länder mit ein). Laut ihrer Organisations‐ struktur ist sie in verschiedenen Teilen von China präsent, so in Peking, Nanjing, Shanghai, Shenyang, Südchina (Guangzhou, Shenzhen), Südwestchina (Chengdu, Chongqing) sowie Tianjin (EU Chamber Chapters 2020). In ihrem Mission Statement formuliert sie die folgenden Säulen ihrer Arbeit: • Ensure greater market access and a level playing field for European Companies in China • Improve market conditions for all businesses in China • Facilitate networking among members and stakeholders 54 3. Zur deutschsprachigen Expat-Community in China heute <?page no="55"?> 26 WeChat-Kanal: https: / / www.germancentre.cn/ de/ [05.05.2020]. 27 WeChat-Kanal: https: / / www.germancentreshanghai.com/ en/ social-media/ [05.05.2020]. 28 WeChat-Kanal: https: / / www.germancentretaicang.com/ mieteruebersicht/ [05.05.2020]. • Bring specific information relevant to its members on doing business in China • Update its members on economic trends and legislation in China (Chamber Background 2020) Die Relevanz für und die enge Beziehung zu den deutschsprachigen Ländern erschließt sich, schaut man auf die personelle Besetzung der einzelnen Reprä‐ sentanzen (Chapters) sowie die Präsidentschaft der EU Chamber of Commerce in China. Mit dem Deutschen Jörg Wuttke (BASF) (President’s Statement 2020) und zahlreichen Deutschsprachigen in Führungspositionen der einzelnen Chap‐ ters (Local Board Members 2020) ist sie eine gewichtige Interessenvertretung auch der Wirtschaft der deutschsprachigen Länder in der VR China. 3.2.3. German Centre Die German Centres for Industry and Trade bilden ein weltweites Netzwerk für Unternehmensgründen und Firmenansiedlungen im Ausland. Sie möchten laut Selbstdarstellung (online) dabei unterstützen, auf herausfordernden Märkten erfolgreich zu agieren. Die bereitgestellten Unterstützungen reichen von der Bereitstellung von Büroräumen für deutschsprachige Firmen (Synergieef‐ fekte in house eingeschlossen), Konferenzorganisation, Beratungsangeboten zu Markteinstieg und Firmengründung, Schnittstellenfunktion zur jeweiligen lokalen deutschen Community bis hin zu explizitem Erfahrungsaustausch usw.: „German Centres sind Austauschplattformen und organisieren Informations‐ veranstaltungen, Netzwerktreffen und arbeiten eng mit Experten, Institutionen und Wirtschaftsverbänden zusammen.“ (German Centre 2020) Hauptträger der German Centres sind die Bayerische Landesbank sowie die Landesbank Baden-Württemberg. In China gibt es drei Standorte: Peking 26 (German Centre Beijing 2020), Shanghai 27 (German Centre Shanghai 2020) und Taicang 28 (German Centre Taicang 2020). Die weiteren Standorte weltweit sind Me‐ xiko-Stadt, Moskau und Singapur. 3.2.4. SwissCham Die Schweizer Außenhandelskammer SwissCham (SwissCham 2020) unterhält Büros in Beijing, Shanghai, Guangzhou (alle mit eigenen WeChat-Kanälen; vgl. 55 3.2. Wirtschaftsvertretungen <?page no="56"?> 29 Online: https: / / ds-shanghai.de [30.04.2020]. 30 Online: https: / / www.gsis.edu.hk/ de/ [30.04.2020]. 31 Online: http: / / www.dis-changchun.com [30.04.2020]. ebd. für die QR-Codes), Hongkong sowie Chongqing und vertritt offiziell die okönomischen Interessen eidgenössischer Firmen im Reich der Mitte. 3.3. Deutsche Schulen In China existieren permanent einige deutsche Schulen, teils sind dies wirkliche Deutsche Auslandschulen, teils gibt es deutschsprachige Bereiche an ansonsten internationalen Schulen. Für den Unterricht in deutscher Sprache liegen in der asiatischen Region die Lehrpläne des Bundeslandes Thüringen zugrunde. Im Um‐ feld der Deutschen Botschaft Peking muss zunächst die 1978 gegründete Deutsche Botschaftsschule Peking (Deutsche Schule Peking 2020) genannt werden, an der gut ca. 700 SchülerInnen unterrichtet werden (dies umfasst die gesamte Schulge‐ meinde vom Kindergarten bis zum Abiturjahrgang (Deutsche Botschaftsschule Peking 2020)). In Shanghai gibt es mit der seit den 1990er Jahren operierenden und immer weiter gewachsenen Deutschen Schule Shanghai, an der an den Standorten Hongqiao und Yangpu insgesamt ca. 1250 SchülerInnen unterrichtet werden, eine noch größere deutsche Bildungsanstalt, die ebenfalls das komplette Spektrum vom Kindergarten bis zum Abitur abdeckt (Deutsche Schule Shanghai 2020 29 ) und der Notwendigkeit und dem Bedarf Rechnung trägt, die Kinder zahlreicher VertreterInnen der in Shanghai schwerpunktmäßig angesiedelten deutschen und deutschsprachigen Wirtschaft zu versorgen. Neben den beiden genannten Deutschen Schulen existiert in Hongkong die Deutsch-Schweizerische Internationale Schule (German-Swiss International School Hongkong 2020 30 ). An der 1969 gegründeten Schule koexistieren eine deutsche sowie eine britische Sektion. In der deutschen Sektion kann ent‐ sprechend auf Deutsch nach einem deutschen Lehrplan gelernt werden. Die insgesamt gut 1300 SchülerInnen sind wie in den vergleichbaren Institutionen in Peking und Shanghai auf die gesamte Breite vom Kindergarten bis zur Sekundarstufe verteilt. In Changchun, ca. 800 Kilometer nordöstlich von Beijing, gibt es die dortige Deutsche Internationale Schule 31 , die aufgrund des dort befindlichen VW-Werks und einem ähnlichen Bedarf für deutschsprachige Schulbildung wie z. B. in Shanghai (s. o.) 1997 ins Leben gerufen wurde (Deutsche Internationale Schule Changchun 2020). Mit ca. 55 SchülerInnen ist diese Schule bedeutend kleiner als die bis hierhin angeführten Institutionen und bietet einen Unterricht in 56 3. Zur deutschsprachigen Expat-Community in China heute <?page no="57"?> 32 Ich danke Michael Bauer für nützliche Hinweise zu den deutschsprachigen Gemeinden. deutscher Sprache für die Klassen 1-10 an (Deutsche Internationale Schule Changchun 2020). Abschließend ist für diesen Bereich noch die Deutsche Abteilung der Singa‐ pore International School in Suzhou zu nennen. Hier wird für SchülerInnen der Klassen 1-4 mit deutscher Muttersprache Unterricht angeboten, um ihre nahtlose spätere Wiedereingliederung in das deutschsprachige Schulsystem der Heimatländer bzw. die Qualifikation für eine Fortführung der Schullaufbahn in Richtung des International Baccalaureate (IB) zu ermöglichen (Elementary German Curriculum 2020). 3.4. Deutschsprachige Gemeinden In China existieren an mehreren Standorten deutsch(sprachig)e christliche Gemeinden. In Peking gibt es unter dem Dach eines gemeinsamen Internetauft‐ rittes (Deutsche Gemeinden Peking 2020) die Katholische St. Joseph Freinade‐ metz Gemeinde deutscher Sprache (KGDS) sowie die Evangelische Gemeinde deutscher Sprache (EGDS). Diese beiden von der Organisation her autarken Ge‐ meinden veranstalten ihre Gottesdienste in den Räumlichkeiten der Deutschen Botschaft Peking. In Hongkong existieren parallel ebenfalls eine evangelische und eine katholische Gemeinde deutscher Sprache (Kirche Hongkong 2020). In Shanghai gibt es eine Deutschsprachige Christliche Gemeinde (DCGS Shanghai 2020), in der sowohl evangelische wie auch katholische Gottesdienste zelebriert werden. Die Gemeinde organisiert ihre Aktivitäten über eine WeChat-Gruppe, der (Stand Mai 2020) über 300 Mitglieder angehören. Es werden darüber hinaus über die DCGS punktuell Gottesdienste (vorwiegend katholisch) an den Außenstellen Shenyang, Changchun und Suzhou angeboten. Auf Taiwan gibt es keine evangelischen deutschsprachigen Aktivitäten, dort existiert aber die Katholische Deutschsprachige Gemeinde St. Martin in Taipei. 32 3.5. Goethe-Institute Es existieren in China insgesamt vier Außenstellen des Goethe-Instituts, des weltweit tätigen Kulturinstitutes der Bundesrepublik Deutschland (Goethe-In‐ stitut China 2020). Die Standorte sind Peking (Goethe-Institut Peking 2020), Shanghai (als Teil der Abteilung Kultur und Bildung des Generalkonsulates 57 3.4. Deutschsprachige Gemeinden <?page no="58"?> 33 Online: https: / / www.goethe.de/ ins/ cn/ de/ som.html [05.05.2020]. Shanghai; Goethe-Institut Shanghai 2020), Taipei (Taiwan) (Goethe-Institut Taipei 2020) und Hongkong. Hierzu sei kurz gesagt, dass in Bezug auf Taiwans Zugehörigkeit zur VR China verschiedene Positionen existieren: Die Bundes‐ republik Deutschland hat Taiwan nicht als eigenständigen Staat diplomatisch anerkannt (vgl. Kap. 2 oben), so wie sich Taiwan selbst aber versteht. Die BRD folgt somit der offiziellen Lesart der VR China, wonach Taiwan Teil ihrer selbst ist (,Ein Land, zwei Systeme‘). Auf diese Frage kann und soll hier aber nicht weiter eingegangen werden. Die Goethe-Institute haben in China folgende Kooperationspartner: Die Goethe-Sprachlernzentren in She‐ nyang, Tianjin, Qingdao, Nanjing, Shanghai, Wuhan, Xi’an, Chongqing und Guangzhou (Goethe-Sprachlernzentren 2020) sowie die Informations- und Lern‐ zentren in Chongqing, Nanjing, Peking, Xi’an und Wuhan sowie den Deutschen Informationsbibliotheken Guangzhou und Shanghai (Goethe-Kooperationen 2020). Das Goethe-Institut China unterhält zwei WeChat-Kanäle, nämlich den chinaweiten zentralen Infokanal sowie einen Kanal des Magazins Sprache 33 . 3.6. Die deutschlandbezogenen Institute der Tongji-Universität Die deutschlandbezogenen Institute der Tongji-Universität besitzen ein ge‐ meinsames Dach, die sog. Chinesisch-Deutsche Hochschule (CDH) (Chine‐ sisch-Deutsche Hochschule 2016). Diese wird von einem Lenkungsausschuss gesteuert, an dem Deutschland (über das Auswärtige Amt, mit einem Stell‐ vertreter der Leitung) und China (mit der Leitung) gemeinsam mitarbeiten. Unter dem Dach der CDH sind die folgenden Institute vereint: Die Chine‐ sisch-Deutsche Hochschule für Angewandte Wissenschaften (CDHAW), an der mit dem Ziel Bachelor studiert werden kann, das Chinesisch-Deutsche Zentrum für Berufsbildung (CDIBB), das Masterstudierende ausbildet, sowie das Chine‐ sisch-Deutsche Hochschulkolleg (CDHK), an dem ebenfalls Masterstudierende ihre Abschlüsse erwerben können (vgl. Organigramm, Chinesisch-Deutsche Hochschule 2016: 6). Dazu kommen die Deutsche Fakultät (Germanistik-Abtei‐ lung), das Deutschkolleg (Sprachlernzentrum) sowie weitere Einrichtungen der Tongji mit Deutschlandbezug (im Organigramm gesondert erwähnt werden das Deutschland-Forschungszentrum, das Chinesisch-Deutsche Institut für In‐ ternationales Wirtschaftsrecht, die Deutsche Bibliothek (vgl. Szurawitzki 2020a: 77-80) sowie weitere Einrichtungen, strategische Partnerschaften, thematische 58 3. Zur deutschsprachigen Expat-Community in China heute <?page no="59"?> 34 https: / / www2.daad.de/ medien/ web_daad_peking_asb_2018.pdf [04.05.2020]. Netzwerke und chinesisch-deutsche Kooperationsprojekte (Chinesisch-Deut‐ sche Hochschule 2016: 6). Innerhalb der einzelnen angeführten Institutionen sowie in Richtung von Synergien der Institutionen untereinander wird über We‐ Chat über die häufigen Aktivitäten mit Deutschlandbezug informiert, die meist (mit oder ohne Registrierung) allen Interessierten inkl. Gästen offenstehen. Davon konnte ich während meiner Zeit an der Tongji häufig profitieren. 3.7. Die China-Aktivitäten des DAAD (Fokus: DAAD-Lektorate) Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) ist in China in vielfältiger Weise präsent und aktiv. Eine Gesamtübersicht dieser Aktivitäten kann hier aus Umfangsgründen nicht gegeben werden; einen Überblick verschafft der Web-Auftritt (DAAD China 2020). Auch der DAAD unterhält zwei offizielle, häufig mit Inhalten bespielte WeChat-Kanäle, um interessierte ChinesInnen zu erreichen. Seit 2015 ist der DAAD hier aktiv, seit mindestens 2018 existieren ein Kanal für Studierende mit über 50.000 Followern und ein Kanal mit Infor‐ mationen für Postgraduierte und wissenschaftlichen Nachwuchs mit über 8000 Followern 34 . Wir greifen einen nach unserer Einschätzung für den deutsch-chinesischen Kulturkontakt sehr relevanten Tätigkeitsbereich des DAAD hier heraus: Eine der wichtigsten nachhaltigen Einrichtungen sind die sog. DAAD-Lektorate an germanistischen Instituten chinesischer Universitäten. Sie dienen der Förde‐ rung germanistischer Lehre und Forschung an dafür ausgewählten bereits aus‐ gewiesenen Instituten. Die (zumeist jungen) deutschen Lehrkräfte durchlaufen ein aufwändiges Auswahlverfahren und verbringen dann in der Regel zwischen drei und fünf Jahren in China (die DAAD-Lektorate existieren weltweit, wir betrachten aber aus Relevanzgründen die besondere Situation in China). Die Lektoren haben folgendes auf der Webseite der China-Repräsentanz des DAAD beschriebenes Tätigkeitsprofil: Die Aufgaben der Lektoren liegen im fachwissenschaftlichen Unterricht, schwer‐ punktmäßig im Hauptstudium und in der Master-Ausbildung sowie bei der Sprachaus‐ bildung. Sie können mit der Durchführung von Semester- und Studienabschluss-Prü‐ fungen und der Betreuung von Abschlussarbeiten betraut werden. Beratend wirken sie im Kollegium und der Abteilungsleitung im fachwissenschaftlichen wie me‐ thodisch-didaktischen Bereich; sie werden auch bei Fragen der Curriculumgestal‐ 59 3.7. Die China-Aktivitäten des DAAD (Fokus: DAAD-Lektorate) <?page no="60"?> tung konsultiert. Bei Studienberatungen informieren sie über den Studienstandort Deutschland und erteilen Studierenden, die in Deutschland weiterstudieren wollen, persönlichen individuellen Rat. […] Weiterhin stellen Lektoren Verbindungen zum DAAD und seinen Förderprogrammen, anderen Organisationen und deutschen Hoch‐ schulen her. (DAAD-Lektoren 2020) Sie sind also bei geeigneter Durchführung ihrer Tätigkeiten KulturmittlerInnen an Schlüsselstellen und können - wo relevant - auch besonderes germanisti‐ sches Talent erkennen und fördern. Zu einer solchen Förderung gehören zentral auch besonders ausgeprägte Fähigkeiten der Vermittlung interkultureller Kom‐ munikationskompetenz. DAAD-Lektorate existieren derzeit (April 2020) an folgenden Standorten in China (alphabetische Reihenfolge der Nennung wie auf der Webseite): Chongqing, Dalian, Guangzhou, Hangzhou, Nanjing, Peking, Qingdao, Shanghai, Taipei, Tianjin, Wuhan, Xi’an sowie Xiamen (DAAD-Lek‐ toren 2020). Zu weiteren Aktivitäten des DAAD in China sind die Ortslektoren- und SprachassistentInnen-Programme, die Organisation von Fortbildungen für HochschullehrerInnen, Germanistische Institutspartnerschaften von chinesi‐ schen mit deutschen Instituten sowie die Bereitstellung der dhoch3-Plattform für digitales Deutschlernen zu nennen. 3.8. Akademische Prüfstelle (APS) Die Akademische Prüfstelle (APS) China wurde im Jahre 2001 mit Sitz in Peking gegründet. Sie wird vom Kulturreferat der Deutschen Botschaft Peking in Verbindung mit dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) und dem Shanghaier Generalkonsulat der BRD betrieben. Zu den Zielen der APS liest man auf ihrer Website Folgendes: Grundsätzliches Ziel der APS ist es, chinesischen Studienbewerbern den Weg für ein Studium in Deutschland möglichst einfach und transparent zu gestalten, indem formale Überprüfung und auch das Visumverfahren unter einem Dach in einem einheitlichen und unkomplizierten Verfahren angeboten werden. (APS Über uns 2020) Hier geht es somit um offizielle Behördenkommunikation zwischen den Län‐ dern, die dazu dient, den gegenseitigen Austausch zu unterstützen. Das Antrags‐ verfahren funktioniert wie folgt: Die APS ist für chinesische Studienbewerber das Tor zum Studium in Deutschland. Nach erfolgreicher Prüfung der Dokumente eines Bewerbers […] erteilt sie ein Zerti‐ 60 3. Zur deutschsprachigen Expat-Community in China heute <?page no="61"?> fikat, das von den deutschen Hochschulen als eine Zulassungsvoraussetzung verlangt wird. Dieses Zertifikat bescheinigt, dass die eingereichten Dokumente der chinesi‐ schen Bewerber echt sind und dass sie in China ausreichende Studienleistungen erbracht haben, um sich an einer deutschen Hochschule zu bewerben. […] Seit Anfang 2005 arbeitet die APS mit Österreich und seit Ende 2006 mit Belgien zusammen. Wer sich für einen Studienplatz in einem dieser beiden Länder bewerben möchte, muss ebenfalls seine Dokumente von der APS überprüfen lassen und wird in der Regel zu einem Interview eingeladen. […] Studienbewerber für Deutschland können nach Erhalt des APS-Zertifikats und der Zulassung an einer deutschen Hochschule ihre Visumsanträge bei der APS einreichen. Wer sich für ein Studium in Österreich oder Belgien bewerben will, muss das Visum direkt bei der jeweiligen Botschaft beantragen. (APS Über uns 2020) 3.9. Politische Stiftungen in China Im vorliegenden Abschnitt wird auf das Wirken deutscher politischer Stif‐ tungen in China fokussiert. Zunächst blicken wir dabei auf die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung (3.9.1.), wonach die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stif‐ tung (3.9.2.) betrachtet wird. Es schließen sich Ausführungen zur CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung an (3.9.3.), wonach als letztes die Heinrich-Böll-Stiftung, die der Partei BÜNDNIS 90/ Die Grünen nahesteht, und ihre Aktivitäten im Fokus sind (3.9.4.). Alle genannten Stiftungen kämpfen in China seit Jahren mit Restriktionen für Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs). 3.9.1. Konrad-Adenauer-Stiftung Die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS), die der Partei Christlich Demokratische Union (CDU) nahesteht, unterhält ein China-Büro, das physisch in Peking verortet ist, aber die Standorte Peking und Shanghai mit abdeckt. Ursprünglich hatten zwei separate Büros existiert. Auf ihrer chinabezogenen Webseite nennt die KAS folgende Schwerpunktbereiche für ihre Aktivitäten: Oberstes Ziel des Länderprogramms China ist die Stärkung der deutsch-chinesischen Verständigung und Partnerschaft sowie die Förderung des bilateralen Austausches zwischen China und Deutschland in den Bereichen Wissenschaft, Wirtschaft, Tech‐ nologie und Soziologie. Darüber hinaus will die Stiftung zum nachhaltigen Erfolg des chinesischen Reformprozesses beitragen und die zunehmende Integration Chinas in das Netz der internationalen Beziehungen vorantreiben. (KAS China 2020) 61 3.9. Politische Stiftungen in China <?page no="62"?> In diesem Zusammenhang erwähnenswert ist auch die von der KAS betriebene Forschung zur sog. Belt and Road Initiative, die auf Deutsch als die ,Neue Seidenstraße‘ bekannt ist. Zwischenzeitlich nutzte die KAS in China zwischen 2015 und 2018 eine semi-offizielle Informationsdistribution per WeChat über die persönlichen Accounts der Leitung der China-Büros. Mittlerweile findet dies aber nicht mehr statt. 3.9.2. Friedrich-Ebert-Stiftung Die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) unterhält zwei China-Büros, und zwar in Peking und Shanghai. Ihre Arbeit ist aus den Anstrengungen der SPD im Rahmen der chinesischen Reform- und Öffnungspolitik seit den späten 1970er Jahren hervorgegangen, die in einen fortwährenden Dialog zwischen der SPD und der Kommunistischen Partei Chinas gemündet ist. Ihr Aufgaben‐ feld umschreibt die FES im Rahmen einer Selbstpräsentation auf der eigenen China-Webseite so (bemerkenswert ist, dass keine deutsche Version vorliegt, sondern die Seite nur auf Englisch und Chinesisch existiert): FES China works with ACFTU-affiliated trade unions, universities and think tanks on a variety of topics in the four areas of Society and Politics, Sustainable Growth Model, Social Justice and Trade Unions as well as Regional and International Affairs. […] The overarching objectives of the work of FES in China are - in close coordination with its Chinese partners - to strengthen mutual understanding and trust, to constructively support China in its policy of reform and opening-up, to exchange experiences on the respective development path in order to learn from each other, and finally, to identify answers, in open dialogue, on how to tackle the most important development challenges for China and Germany in the 21st century. (FES China 2020) 3.9.3. Hanns-Seidel-Stiftung Die Hanns-Seidel-Stiftung (HSS) steht der bayerischen CSU nahe. Sie ist eine in China sehr aktive deutsche Stiftung. Dies zeigt sich schon über die Anzahl der ständigen Repräsentanzen im Reich der Mitte: Neben den großen Metro‐ polen Peking und Shanghai ist die HSS auch in Hangzhou (Provinz Zhejiang), Qingzhou (Provinz Shandong) sowie Jiuquan (Provinz Gansu) tätig (HSS Büros 2020). Der Schwerpunkt der Aktivitäten liegt auf einer Partnerschaft mit dem Bildungsministerium der VR China und entsprechend auf dem Bildungssektor, zu dem ergänzend noch Politik und Gesellschaft sowie die ländliche Entwick‐ lung zu zählen sind: 62 3. Zur deutschsprachigen Expat-Community in China heute <?page no="63"?> Politik und Gesellschaft: Durch politischen Dialog und akademischen Diskurs fördert die Hanns-Seidel-Stif‐ tung den Austausch zwischen beiden Ländern und begleitet den chinesischen Reform‐ prozess und institutionellen Wandel in Richtung Partizipation, gute Regierungsfüh‐ rung und Rechtsstaatlichkeit. Bildung: Mit der Entwicklung bedarfsgerechter Bildungsgänge und der Förderung einer hö‐ heren Berufsbildung sowie der Fortbildung von Berufsschullehrern und Ausbildern trägt die Hanns-Seidel-Stiftung dazu bei, den Stellenwert der Berufsbildung zu erhöhen. Gemeinsam mit der Lehrer- und Schulleiterfortbildung für den allgemeinbil‐ denden Bereich leistet man damit einen Beitrag zur Bildungs- und Teilhabegerechtig‐ keit. Hierbei dient der Bildungstransfer in strukturschwache Regionen als Instrument zum Abbau des regionalen Gefälles. Ländliche Entwicklung: Durch die Erarbeitung von Konzepten und Modellprojekten zur Entwicklung ländli‐ cher Räume zeigt die Hanns-Seidel-Stiftung Wege auf zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitssituation der ländlichen Bevölkerung, unter Berücksichtigung der Öko‐ logie und Beteiligung der Bürger. (HSS China 2020; Hervorhebungen i. O.) 3.9.4. Heinrich-Böll-Stiftung Die Heinrich-Böll-Stiftung steht der Partei Bündnis 90/ Die Grünen nahe und unterhält ein Büro in Peking. Wie auf der grünen Agenda, so steht auch bei der Heinrich-Böll-Stiftung das Klima im Fokus der Aktivitäten: In China arbeitet die Heinrich-Böll-Stiftung zu den Wechselwirkungen von chinesi‐ schen und globalen Entwicklungen. In diesem Rahmen fördert das Büro die Projekt‐ arbeit von chinesischen Partner/ innen in den Schwerpunktbereichen Ökologie/ Nach‐ haltigkeit und globalen Wandlungsprozessen. […] Das Büro leistet einen Beitrag dafür nachhaltige Antworten auf Herausforderungen in den Bereichen Klimawandel und Ressourcenabbau zu finden [sic] und einen Diskurs zu ermöglichen, der verschiedene und diverse gesellschaftliche Stimmen mit einbezieht. Neben der Kooperation mit Behörden und Forschungseinrichtungen kooperiert die Stiftung verstärkt mit zivil‐ gesellschaftlichen Organisationen, um diese in nationale und globale Debatten zu Nachhaltigkeit und Klimaschutz einzubinden. […] Das Spektrum der Arbeit reicht von wissenschaftlichen Konferenzen zu Entwicklungsparadigmen bis zur Unterstützung von konkreten Projekten zur Vermeidung von Plastikkonsum. Durch Studien und Vernetzung von Akteur/ innen fördert das Büro zudem den Kompetenzaufbau und Dialog zu Chinas weltweiten Infrastrukturinitiativen, damit 63 3.9. Politische Stiftungen in China <?page no="64"?> diese möglichst verantwortungsvoll, nachhaltig und sozial erfolgen. […] Das China Büro beteiligt sich zudem durch eigene Analysen und Dialogbeiträge an deutschen Debatten zu Chinas globalem Engagement und gesellschaftlicher Entwicklung. (Hein‐ rich-Böll-Stiftung 2020) 3.10. Weitere Organisationen/ Anlaufstellen u.Ä. Im Rahmen des vorliegenden Abschnittes wird exemplarisch kurz über weitere Organisationen/ Anlaufstellen informiert, die in China existieren und den kultu‐ rellen Kontakt/ Austausch mit den deutschsprachigen Ländern fördern können und sollen. Das erste solcher Beispiele ist das sog. Hamburg House (3.10.1.), wonach auf Verbindungsbüros von Universitäten aus deutschsprachigen Län‐ dern (3.10.2.), danach auf chinesische Büros von deutschen Fußballklubs (3.10.3.) und schließlich auf weitere deutschsprachige und deutschlandbezogene Infra‐ struktur (3.10.4.) eingegangen wird. Diese Auswahl erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. 3.10.1. Hamburg House Die Freie und Hansestadt Hamburg ist seit 1986 als Hafenstadt Partnerstadt der‐ jenigen Stadt mit dem größten Handelshafen in China und weltweit: Shanghai. Auf dem Gelände der Weltausstellung Expo 2010 in Shanghai steht heute das Hamburg House, in dem die ständige Vertretung Hamburgs als Liaison Office der Hansestadt arbeitet (Hamburg Liaison Office Shanghai 2020). 3.10.2. Verbindungsbüros von Universitäten aus deutschsprachigen Ländern Auf der Internetseite der deutschen Hochschulrektorenkonferenz findet sich eine Übersicht über die Repräsentanzen deutscher Universitäten in China (Auslandsrepräsentanzen deutscher Hochschulen in China 2020). Aus dieser geht hervor, dass folgende Universitäten zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Abschnitts (April 2020) Büros in China unterhalten (alphabetische Reihenfolge): • RWTH Aachen: Peking • Universität Bayreuth: Shanghai • Freie Universität Berlin: Peking • Technische Universität Darmstadt: Shanghai 64 3. Zur deutschsprachigen Expat-Community in China heute <?page no="65"?> 35 Online: https: / / www.swissnexchina.org/ en/ media/ social-media/ [05.05.2020]. 36 Online: https: / / fcbayern.com/ de/ news/ social-media [05.05.2020]. • Georg-August-Universität Göttingen: Nanjing • Friedrich-Schiller-Universität Jena: Peking • Karlsruher Institut für Technologie (KIT): Suzhou • Universität zu Köln und China-NRW Alliance: Peking • TU München: Peking • Universität Siegen: Peking Auch andere deutschsprachige Länder unterhalten universitäre Kooperationen mit China in Form ständiger Repräsentanzen. So unterhält die Technische Universität Graz/ Österreich seit 2016 ein Büro an der Tongji-Universität (Ver‐ bindungen mit China 2020). Der OeAD ist mit einem zentralen Büro am Austrian Center der Fudan-Universität in Shanghai vertreten, um den akademischen Austausch zwischen Österreich und China zu unterstützen (OeAD-Kooperati‐ onsbüro Shanghai 2020). Die Schweizerische Eidgenossenschaft organisiert mit der eigens dafür tätigen Mittlerorganisation swissnex China, deren Büro sich in Shanghai befindet (swissnex China 2020), zentral für alle Universitäten den aka‐ demischen Austausch mit der VR China. Swissnex unterhält Social-Media-Ac‐ counts auf WeChat und Sina Weibo. 35 3.10.3. Büros von Fußballklubs Der deutsche Fußball spielt weltweit bei Fans eine wichtige Rolle, Topspiele werden zumeist in über 200 Ländern auf dem Globus verfolgt, so auch in China. In Bezug auf Merchandising ist der chinesische Markt für deutsche Klubs sehr attraktiv. Daher eröffnen einige Vereine eigene Repräsentanzen in China, um dort noch besser Fuß zu fassen. Der FC Bayern München, der einen WeChat-Kanal für seine chinesischen Fans unterhält 36 , eröffnete 2017 in Shanghai sein China-Büro (FC Bayern eröffnet China-Büro in Shanghai 2020), an der Tongji-Universität hat der Verein ein „FC Bayern München-Stipendium“ zur Förderung des gesellschaftlichen Dialogs zwischen Deutschland und China (Rummenigge besucht Tongji Universität 2020) eingerichtet. Neben Bayern München unterhalten auch die Ligakonkurrenten „Borussia Dortmund, der FC Schalke 04, Borussia Mönchengladbach, Bayer 04 Leverkusen, Eintracht Frankfurt [, der VfL Wolfsburg] und der VfB Stuttgart“ (Expansion der Fuß‐ ball-Bundesligisten nach China 2020) an verschiedenen Standorten Büros. Borussia Dortmund unterhält eine chinesischsprachige Website und hat wie 65 3.10. Weitere Organisationen/ Anlaufstellen u.Ä. <?page no="66"?> 37 Online: https: / / www.bvb.de/ eng/ News/ Overview/ BVB-launches-Chinese-Website [05.05.2020]. 38 Online: https: / / www.bundesliga.com/ en/ news/ Bundesliga/ agmdsp-bundesliga-no-1in-chinas-digital-media-434415.jsp [05.05.2020]. der FC Bayern einen WeChat-Kanal 37 . Aus Umfangsgründen kann hier nicht im Einzelnen auf alle Vereine eingegangen werden. Die Bundesliga informiert über eigene Kanäle auf WeChat und Sina Weibo über das sportliche Geschehen 38 . 3.10.4. Deutschlandbezogene Infrastruktur Mit deutschlandbezogener Infrastruktur ist begrifflich vereinfacht gemeint, dass viele kommerzielle infrastrukturelle Angebote mit Bezug zum gesamten deutschsprachigen Raum in China existieren. Kurz illustriert bedeutet das - auf ganz unterschiedliche Standorte in China erweiterbar - mit Bezug zu meinem eigenen Erfahrungshintergrund in Shanghai zwischen 2014 und 2017, dass z. B. Brauereien wie Paulaner und Hofbräu eigene Restaurants und Ausschank‐ betriebe unterhalten. Es existiert an verschiedenen Stellen die Möglichkeit, deutsche oder österreichische Backwaren zu kaufen oder sich liefern zu lassen, ebenso existieren Schweizer Restaurants und Metzger. Verschiedene Fach- und Zahnärzte aus dem deutschsprachigen Raum bieten ihre Dienste an. Im frei empfangbaren Fernsehen (CCTV 5) werden zahlreiche Spiele der Fußball-Bun‐ desliga, oft zu attraktiven Sendezeiten (wegen der Zeitverschiebung nahezu zur Prime Time am Samstagabend), gezeigt. Viele chinesische Supermärkte, nicht nur solche, die sich auf die Bedürfnisse von Expatriates eingestellt haben, führen verschiedenste aus den deutschsprachigen Heimatländern bekannte Produkte, v. a. aber Lebens- und Genußmittel, von Fleisch über verschiedene alkoholische Getränke bis hin zu Süßigkeiten. Es würde im vorliegenden Kontext zu weit führen, für alle genannten Entitäten die (offiziellen oder eher informellen) We‐ Chat-Kanäle anzugeben; ein Großteil der Anbieter unterhält solche offiziellen Accounts. 3.10.5. Sonstige Aktivitäten Es existieren innerhalb der verschiedenen Expatriate-Communities zahllose informelle Aktivitäten, die teils im offenen Internet sichtbar, teils ab von einer digitalen Öffentlichkeit über Messenger-Kontakte, schwerpunktmäßig über WeChat, organisiert werden. Diese hier auch nur ansatzweise abzubilden, ist schier unmöglich und wird nicht ansatzweise angestrebt. Bei der Rezeption des vorliegenden Kapitels ist zu bedenken, dass es tagtäglich in China viel 66 3. Zur deutschsprachigen Expat-Community in China heute <?page no="67"?> mehr Aktivitäten rund um das Deutsche und die Kultur der deutschsprachigen Länder gibt, als man über Internetsuchen herausfinden kann. Insofern ist die hier gegebene Zusammenstellung nur ein auf die hauptsächlichen offizi‐ ellen diplomatischen, wirtschaftlichen, kulturellen und sonstigen Entitäten beschränkt. Denjenigen RezipientInnen, die keine weitergehenden Kenntnisse deutsch(sprachig)er Aktivitäten in China besitzen, sei dies mit auf den Weg gegeben. 67 3.10. Weitere Organisationen/ Anlaufstellen u.Ä. <?page no="69"?> 39 Englische Übersetzung seines urspünglich chinesischsprachigen Buches, deswegen hier bei 2014 eingeordnet. 4. Forschungsstand zu WeChat Die Basis der vorliegenden Zusammenschau der Literatur findet sich in Szura‐ witzki (2020b). Für die vorliegende Publikation ist diese signifikant erweitert und aktualisiert worden. Zunächst steht ein Abschnitt zu WeChat allgemein (4.1.), bevor auf den Forschungsstand zu Messengerkommunikation und/ mittels WeChat referiert wird (4.2.). 4.1. WeChat allgemein „[D]ie absolute Killer-App“ (Agten/ König 2018: 185) oder „Super-App“ (Gatti/ Richter 2019: 23; vgl. auch 24-30) WeChat greift in sehr viele Lebensbereiche aus: „Im Westen ist […] keine App wie WeChat so rundum ins Leben integriert“ (Agten/ König 2018: 186). Vgl. zur Geschichte von WeChat Wu (2016) sowie Chen/ Mao/ Qiu (2018, Kap.1, 19-45). Zur neueren Entwicklung von WeChat vgl. China Academy of Information and Communications Technology (2014, 2017), Tu (2016), Harwit (2017) sowie China Tech Insights (2017). Zum allgemeinen Forschungsstand mit Blick auf WeChat vgl. Montag/ Becker/ Gan (2018), zu Vergleichen unterschiedlicher Applikationen Sun (2020) und für einen aktuellen Überblick der gesellschaftlichen Relevanz mobiler Kommunikation Ling et al. (2020), darin speziell zu WeChat den Beitrag von Cui/ Li (2020). WeChats Omnipräsenz im chinesischen (Alltags-)Leben führt dazu, dass es innerhalb der Forschung zu ganz unterschiedlichen Disziplinen Thema wird oder mit anderen Themen verknüpft ist. Die hier gebotene Zusammenschau der Literatur nimmt sich entsprechend thematisch heterogen aus. Die Ordnung ist primär chronologisch, es ist die Bestrebung, so möglich, parallel eine thematische Linie mit zu integrieren. Die Studie von Kuang (2018) [2014] 39 befasst sich mit sozialen Medien in China und widmet WeChat einen eigenen Abschnitt (7.3.: 189-199) im Kapitel zu Mobile Phone Media. Kuang (2018 [2014]: 190) nennt Vorteile, die WeChat gegenüber anderen Kommunikationsmedien besitze: „WeChat is changing the way of interpersonal communication quietly and has incomparable advantages over the other media. It is free of charge and, relative to short messaging, its <?page no="70"?> voice and video dissemination functions make both information disseminators and receivers more direct and real, and highly reachable“. Kuang (2018 [2014]: 190-191) bewertet die kommunikative Effizienz von WeChat als hoch und die Applikation insgesamt als sehr positiv; zu einer ähnlichen Einschätzung kommen Yao/ Wu (2016: 393), die schreiben: „WeChat is the tool through which users could fulfill or accomplish their goals.“ Trotz der Vielfalt der gebotenen kommunikativen Möglichkeiten kommt er zu einer aus meiner Sicht zweifel‐ haften Einschätzung, welches das zentrale Feature sei: „The main function of WeChat is making voice calls, which are kind of like phone calls.“ (Kuang 2018 [2014]: 191) Diese eher trivial anmutende Feststellung ist nicht empirisch belegt und legt gleichzeitig nahe, dass aus der Fülle der Kommunikationsmöglichkeiten die de facto traditionellste die wichtigste sei. Dies widerspricht nicht nur dem Zeitgeist, sondern auch meinen Beobachtungen im Feld in China. Für unsere Studie wird diese These im Lichte der erhobenen Daten zu überprüfen sein (vgl. Kap. 7.5.6. unten). Chen/ Mao/ Qiu (2018: 50) sehen WeChat mit Bezug auf Lakoff/ Johnson (2003) als „three metaphors - walkie-talkie, bazaar and wallet“ - und mehr: „WeChat has become increasingly a communication tool for work.“ (Chen/ Mao/ Qiu 2018: 57) Brühl (2020) schreibt: In China gibt es Wechat, auch eine Art Mega-App, in die so ziemlich alles integriert ist - vor allem ein funktionierendes Bezahlsystem. Eine Plattform, die alle anderen Plattformen ersetzt: Es wäre nur konsequent nach der Machtkonzentration im Silicon Valley. Geschafft hat es bislang nur Wechat. […] Kleine Messenger wie Threema aus der Schweiz garantieren zwar den Schutz der Privatsphäre, sind aber zu klein für jene Netzwerkeffekte, die soziale Medien so attraktiv machen („Es sind ja schon alle anderen dort! “). Die gibt es nur auf Instagram oder Wechat. (Brühl 2020: 49) Huo et al. (2015) schreiben zu der Verwendung von WeChat bei öffentlicher Dokumentation von Kulturerbe, Wang/ Gu (2016) verzahnen ideologische und technische Aspekte der Applikation. Olschewski (2015) untersucht WeChat in Deutschland aus wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive. Li et al. (2016) untersuchen die Nutzung von WeChat bei der Verbreitung von Informationen zu Malariaerkrankungen bei chinesischen Expatriates im afrikanischen Niger. Xu et al. (2016) studieren den Einfluss von WeChat auf die Schlafqualität von Studierenden. Li (2016) weist auf WeChat als zu nutzenden Kanal beim Erreichen chinesischer Sportfans durch internationale Sportorganisationen hin. Statista (2017) bietet umfangreiches Zahlenmaterial. Zhou et al. (2018) untersuchen Abstimmungen auf WeChat. Yao/ Wu (2016: 387) stellen die steil ansteigenden Nutzerzahlen von WeChat, v. a. im Vergleich zu Facebook, das innerhalb von 56 Monaten 100 Mio. Nut‐ 70 4. Forschungsstand zu WeChat <?page no="71"?> zerInnen hatte, und WhatsApp, das 30 Monate brauchte, um diese Zahl zu erreichen, fest: „[W]hen it comes to WeChat, it took only 15 months to reach 100 million users“. Nan/ Qian (2016: 83) stellen zum zentralen Einfluss von WeChat fest: „The sheer size of mobile social media users of […] WeChat in the hundreds of millions in China has attracted increasing attention among scholars who want to research Chinese public opinion“. Chan et al. (2016: 199) bestätigen dies, ebenso wie van Cayzeele (2017) und Qiu (2018). Wen et al. (2016) untersuchen die Rolle von WeChat beim Einsatz in der Konsumwirtschaft. Pang et al. (2016) streichen heraus, dass WeChat, wie einige andere Applikationen auch, vor allem für den mobilen Einsatz angelegt ist: For instance, WeChat, Whatsapp, and Line are micro-messaging applications that have features of instant messaging, but are now more elaborate with social networking features such as the ability to build and connect to one’s social networks, post and view newsfeeds from the social network, and make new connections via others. (Pang et al. 2016: 146) Zhang et al. (2017) forschen zum Einsatz von WeChat bei der Akquise von Informationen zur Gesundheit. Zhao/ Wei (2017) legen eine Analyse zum aka‐ demischen Impact von WeChat vor. Hierbei geht es um die Verbreitung von Forschungsresultaten, zu der WeChat beitragen kann. Xue et al. (2017) untersu‐ chen das Flirtverhalten mittels ortsbasierter Kontaktaufnahme durch WeChat. Ai et al. (2017) erforschen die Möglichkeit der Verbreitung von öffentlicher Meinung via WeChat. Feng et al. (2017) studieren die Nutzung von WeChat als Rückkopplungskanal für postoperative Kommunikation nach einer Behandlung der Nase. Schrader (2017: 57-58) nimmt kurz Bezug auf WeChat. Er schreibt: „Mit diesem Dienst organisieren Chinesen immer größere Teile ihres Alltags.“ Diese Beobachtung lässt sich aufgrund der häufigen Nutzung der Applikation m. E. auch auf die in China ansässigen Deutschsprachigen übertragen. Schrader (2017: 57) führt weiter aus: „WeChat vereint Commerce, Payment, Social, Mobile Local und über Application Programming Interfaces (APIs) unzählige andere Dienste in einer mobilen App.“ Die besondere Stärke der Applikation beschreibt er wie folgt: WeChat ist ein Transformationales Produkt par excellence. Je nach Blickwinkel ist es eine mächtige Plattform, das Frontend für beliebige Dienstleistungen oder die Serviceschicht für eine Vielzahl von Produkten. […] Als Frontend für Dienstleistungen setzt es sich, ähnlich wie Google und Facebook, an die Schnittstelle zwischen Anbieter und Nutzer - und konkurriert somit um die Kundenbeziehung. Noch einen Schritt weiter geht WeChat, indem es zur Serviceschicht für Produkte wird - die damit 71 4.1. WeChat allgemein <?page no="72"?> letztlich austauschbar werden. Wer beispielsweise ein Taxi braucht, kann dieses sofort in WeChat bestellen. Mobilitätsdienste wie mytaxi oder Uber werden von WeChat quasi aufgesogen und obsolet gemacht. Die Messenger-Plattform strebt danach, alle denkbaren mobilen Use Cases direkt zu integrieren. (Schrader 2017: 58) Diese Position passt zu der von Tang/ Huang/ Liu (2017), die die stark ansteigende Popularität von WeChat auf dem chinesischen Festland seit 2014 konstatieren (Negro 2017: 193 nennt 2013 das Jahr von WeChat und beschreibt den Aufstieg der App; ebd., 194-197; vgl. auch An/ Harvey 2016: 303) und gleichzeitig - wohl aus der Sicht der chinesischen Führung perspektiviert - auf Probleme hinweisen (dies tut Kuang 2018 [2014]: 193-194 ebenso): WeChat characterized by convenience and rapidity enables individuals to fully unleash their energy and show their presence by such means as releasing original writings, forwarding messages and writing comments, which have strengthened emotional ties within their respective circles of friends. Nevertheless, the unleashing of individuals‘ energy in these ways, plus uncontrolled information dissemination, also has caused new problems. Some internet users preach historical nihilism, some spread rumors that may threaten social stability, and others take advantage of friends‘ trust to spread fradulent information. (Tang/ Huang/ Liu 2017: 9) Hier mahnen die offiziellen Stellen eine Art Verlust von staatlicher Kontrolle und/ oder Deutungshoheit an, die das zweischneidige Potenzial von WeChat - Kontrollierbarkeit einerseits, jedoch kann andererseits nicht immer alles kontrolliert werden - aus Sicht der chinesischen Regierung deutlich werden lässt. Tang/ Huang/ Liu (2017: 11 ff.) verbinden WeChat rhetorisch mit Bestre‐ bungen nach ,Reformen‘, hier wohl eher Euphemismus für ,Kontrolle‘ und ,Pro‐ paganda‘. Gleichzeitig zeigen sie, dass die Regierung bestrebt ist, mittels We‐ Chat über die Behörden für die BürgerInnen stetig erreichbar zu sein (Tang/ Huang/ Liu 2017: 15-16). Kuang (2017: 43) kommt im selben Sammelband in seiner quantitativen Studie zu dem Schluss, dass WeChat gegenüber Sina Weibo (für einen Vergleich s. Negro 2017: 202-205; Yao/ Wu 2016: 390, Tab. 1, stellen tra‐ ditionelle Medien, Weibo und WeChat einander gegenüber) eine glaubwürdigere Informationsquelle darstelle, gerade was die Medienberichterstattung anbeträfe. Gleichzeitig (Kuang 2017: 43-44) weist er auch auf inhärente Sicherheitsrisiken wie fehlende Privatsphäre und Missbrauch hin. Yu/ Zhao/ Tong (2017: 68, Tab. 4.1.) bieten eine Übersicht der wesentlichen technischen Upgrades und funk‐ tionalen Erweiterungen. Sie nennen die Zahl von bereits 40924 offiziellen Regierungs-Accounts (Yu/ Zhao/ Tong 2017: 72). Neben den Möglichkeiten der Interaktion heben sie hervor, dass „the opportunities for public discourse on WeChat would increase“ (Yu/ Zhao/ Tong 2017: 78). Negro (2017: 193) begründet 72 4. Forschungsstand zu WeChat <?page no="73"?> WeChats Popularität auch technisch: „Weixin’s popularity is based on the fact that it can be used on most of the mobile platforms worldwide, such as Android, iPhone, Black Berry, Windows Phone and Sysmbian [sic]“. Zhu (2018) stellt mit Perspektive auf Innovationskraft fest (vgl. Zhu 2018: 33-52), dass WeChat rapide Erfolg gehabt hat: […] WeChat carried out targeted innovation and rapid iteration, growing from an average messaging app to an omnipotent platform serving basic needs of everyday life. As a phenomenal product generating profound social and economic effects, WeChat has nurtured the largest ecology in the mobile Internet. (Zhu 2018: 33) Und er geht noch weiter: „WeChat has become an integral part of Chinese people’s daily life“ (Zhu 2018: 34; vgl. auch Chen/ Mao/ Qiu 2018: 2: „WeChat is now inseparable from its users’ everyday habits“). Auch im globalen Kon‐ text sei WeChat, das als „instant audio messaging application - a cell phone walkie-talkie“ (Chen/ Mao/ Qiu 2018: 3) begonnen habe, einer der zentralen Player: „WeChat (overseas version), America’s WhatsApp, and Japan’s Line are recognized as the three giants in the field of mobile instant messaging.“ (Zhu 2018: 43) Ein übersichtsartiger Vergleich der drei genannten Applikationen findet sich in Zhu (2018: 44, Tab. 2). Chen/ Mao/ Qiu (2018: 3) betonen die auch funktional-pragmatische Ähnlichkeit von WeChat und WhatsApp: „[S]imilar to WhatsApp, WeChat is mostly used for small groups and private communication among friends, family members and work-related contacts“. Daran anschließend stellen sie fest, dass WeChat im Business-Bereich in China bereits der E-Mail den Rang abgelaufen habe: „In business communication, WeChat has a much higher penetration rate (90 %) than email (less than 30 %) in China“ (Chen/ Mao/ Qiu 2018: 4); und nicht nur in diesem Segment: „WeChat has grown into a mega-plat‐ form that has no equivalent elsewhere in the world“ (ebd.). Für viele Chinesen könne man praktisch die Konzepte ,Internet‘ und ,WeChat‘ synonym setzen: „To many Chinese today, for example, senior citizens, using mobile internet means little more than WeChat“ (Chen/ Mao/ Qiu 2018: 5). Hernig (2016) hält zur Rolle von WeChat fest: Richtig ist, dass das Chat-Potenzial der Chinesen, die in Kürze [2016] mehr als 700 Mil‐ lionen Smartphones von etwas über 2 Milliarden weltweit in Händen halten werden, gewaltig ist, und richtig ist auch, dass viele dieser Abermillionen Dauer-Chatter und Nonstop-User der erfolgreichsten chinesischen Plattform WeChat (weixin), einer Mischung aus What’s App [sic] und Facebook, auch ihre Sorgen, Ängste, und Kritiken untereinander teilen. Doch ist die quantitativ gewaltige Masse des sozialen Datenverkehrs via Smartphone erstens nicht politischer, sondern vielmehr privater und konsumorientierter Natur und zweitens oft so minimalistischer Art, dass hinter‐ 73 4.1. WeChat allgemein <?page no="74"?> gründige Kommunikation hier meist nicht zu finden ist. Chinas ultrabeschleunigte Gesellschaft scheint eher die Fähigkeit zu differenzierter Kommunikation durch starke Nutzung von „Online-Medien“ zu verlieren als qualitativ hinzuzugewinnen. […] Immerhin muss als Entwicklung anerkannt werden, dass Taxifahrer und andere Menschen in Dienstleistungsberufen, die nie zuvor eine Stimme in China hatten, sich diese nun mit Hilfe sozialer Plattformen wie We Chat [sic] oder anderen verschaffen können. Darin liegt in der Tat viel Potenzial. (Hernig 2016: 100-101) Ahlheim et al. (2018) untersuchen WeChats Rolle bei der Einschätzung touris‐ tischer Präferenzen für ökologische Verbesserungen in China. Chen/ Cheung (2018) forschen zu der Wahrnehmung und dem Schutz von Privatsphäre in sozialen Medien in China und legen eine Fallstudie zu WeChat vor. Guo et al. (2018) untersuchen das Portal Run4Love, eine WeChat-basierte Initiative zur Verbesserung der psychischen Situation von HIV-Patienten. Häring (2018; v. a. Kap. 4) fokussiert auf WeChats Bezahlfunktion (vgl. auch Hartmann/ Maennig Stock 2018: 36). Jiang/ Li (2018) untersuchen den Einsatz von WeChat in einem australischen Chinesisch als Fremdsprache-Lernkontext. Li/ Jung/ Park (2018) erforschen den Einfluss von WeChat bei der Kontaktpflege im Alumni-Kontext. Liu/ Perry/ Gadzinski (2018) legen Erkenntnisse zu WeChats Rolle bei der digi‐ talen Vermarktung von Luxusmode in China vor. Montag et al. (2018) bieten erste Befunde zur WeChat-Sucht. Zhou et al. (2018) untersuchen Abstimmungs‐ prozesse auf WeChat, während Zhu et al. (2018) WeChat und seinen Einfluss bei einer Kampagne gegen fette, essbare Ölpräparate erforschen. Qin (2018) untersucht die zentrale Rolle von WeChat für chinesische Immigranten in Belgien. Liu (2019: 144-149) weist darauf hin, dass WeChat auch in Kontexten chine‐ sischer Proteste benutzt wird. DeLisle/ Goldstein/ Yang 2016: 3 schreiben WeChat eine Art Kontrollfunktion zu: „WeChat circles have become especially important means for citizens to weigh in on controversial legal cases, the regime’s handling of foreign policy, misbehavior by officials, and many other social and political questions“. Eine solche politische Frage ist die von Zhang (2016) behandelte zur Rolle von WeChat innerhalb kultureller Darstellungen von Nordkorea. Zhang (2016: 202, 208, 221) betont die WeChat von der chinesischen Regierung zuerkannte wichtige Rolle als Verbreitungsmedium politisch relevanter Infor‐ mationen. 74 4. Forschungsstand zu WeChat <?page no="75"?> 4.2. Forschungsstand zur Messengerkommunikation und WeChat Bei den hier referierten Beiträgen gehe ich zeitlich bis kurz vor die Einführung von WeChat zurück und nehme nur solche Texte mit auf, die heute noch eine einschlägige Relevanz aufweisen. Die umfassendste einschlägige medienlingu‐ istische Bibliographie bietet Marx (2019). Es sei vorab erwähnt, dass sich in den potenziell WeChat-affinen Kapiteln bei Marx aber kein einziger Eintrag zu der chinesischen Applikation findet. Mit diesen Kapiteln meine ich folgende: 5.4. Chat und Instant Messaging (Marx 2019: 62-66, Einträge 425-468), 5.5. SMS und Messenger (Marx 2019: 66-70, Einträge 469-519) sowie teils 5.6. Social Media: Facebook & Co. (Marx 2019: 70-77, Einträge 520-599). Der erste in unserem Kontext zu nennende Artikel ist Beißwenger (2008), der auf die Eigenheiten von Chat-Kommunikation im Gegensatz zu face-to-face-Kommunikation verweist und somit unsere spezifische Rezeption von (auch WeChat-)Chat-Kommunikation anmahnt. Dresner/ Herring (2010) arbeiten zur non-verbalen Dimension der CMC (Computer-Mediated Commu‐ nication), zu der die für uns relevanten Emojis zu zählen sind (vgl. v. a. Dürscheid/ Siever 2017, Beißwenger/ Pappert 2019a,b, 2020). In vielen Teilen der Welt ist WhatsApp die meistgenutzte Messaging-Applikation: In Ablösung von der SMS liegen gleich mehrere vergleichende Studien vor, v. a. Dürscheid/ Frick (2014), König (2015) sowie Wyss/ Hug (2016). Interessant ist hierbei, dass es keine direkten analogen Vergleiche zwischen SMS- und WeChat-Kommunika‐ tion gibt. Kontrastive deutsch-chinesische Studien zu SMS-Kommunikation liegen mit Günthner/ Kriese (2012) und Günthner/ Zhu (2015) vor. Wu/ Trautsch (2016) arbeiten kontrastiv deutsch-chinesisch zur Kommunikation mittels Emo‐ ticons, während Szurawitzki (2016) am Beispiel typisch finnischer Emojis Überlegungen zur Kulturspezifik von Emojis vorlegt. Pappert (2017) untersucht den Emoji-Gebrauch innerhalb von WhatsApp-Kommunikation. Ge/ Herring (2018) fokussieren auf Emojis, wie sie bei der Kommunikation mit Sina Weibo (chin. 新浪微博 , Pinyin Xīnlàng Wēibó) gebraucht werden. Fischer (2014: 492) stellt eine Ähnlichkeit von WeChat zu Whatsapp fest. Liu (2018) hat die erste deutschsprachige Monographie zu WeChat vorgelegt, allerdings nicht mit linguistischem Blick, sondern er konzentriert sich auf WeChat als Tool für das Social Media Marketing. Vgl. auch Zhu (2018: 33), der schreibt: „WeChat is unlocking the potential of its official account platform in marketing and e-commerce“; zu WeChat im Werbekontext vgl. außerdem Yao/ Wu (2016). Che/ Ip (2018: 1) stellen fest, WeChat sei „mainly for close friends and private contacts“; dies sieht Creemers (2016: 103) mit Blick auf kontroverse 75 4.2. Forschungsstand zur Messengerkommunikation und WeChat <?page no="76"?> Kommunikation als praktisch an: „Wary of the openness of the microblog medium, many users have migrated to WeChat, which is primarily designed to facilitate communication among small private groups“. Auch Svensson (2016: 70) beschreibt WeChat als „more private networking site“. Ob WeChat nur einen solchen eingeschränkten Horizont umfasst, darf bezweifelt werden. Andererseits sei die Fokussierung auf die eigenen Kontakte in der Applikation im Werbekontext ein Problem, da Werbung im Internet meist nicht für die Prä‐ sentation auf WeChat designt sei (Yao/ Wu 2016: 401). Dem steht (s. o.) im Zuge des Erfolges der Applikation entgegen, dass gerade die chinesischen staatlichen Behörden WeChat zur Interaktion mit den BürgerInnen nutzen. Che/ Ip (2018: 35-41) skizzieren den Aufstieg von WeChat zur führenden Messaging-App in China. Dies geschieht schrittweise anhand der für unsere Zwecke weniger zentralen Versionsupdates (Che/ Ip 2018: 39, z. B. Tab. 1.9). Relevanter ist der einige Seiten weiter gebotene funktionale Vergleich zwischen WhatsApp und WeChat (für einen Vergleich von WeChat mit QQ vgl. Kuang 2018 [2014]: 195-199): WhatsApp’s simplistic design remains focused on core IM functions whilst WeChat, despite possessing similar features during its initial release, has evolved into an expanded ecosphere for a vast range of services such as finding locals, WeChat Pay and taxi ordering. IM apps that are similar to WhatsApp in terms of simplicity and comparable functionalities have since been eliminated in the Chinese market due to the lack of expansion and innovative features. Thus, WhatsApp’s poor performance in China is due in large part to its inability to provide distinct and improved elements relative to its competitors in the region. (Che/ Ip 2018: 41) Die letzte zitierte Passage ist mittlerweile überholt, da WhatsApp seit ca. Sep‐ tember 2017 in China blockiert ist und nur unter Verwendung eines VPN-Pro‐ gramms benutzt werden kann. Che/ Ip (2018: 41) stellen fest, dass der chinesische Social Networking-Markt zwischen drei großen Plattformen aufgeteilt ist; dies seien neben WeChat noch QQ (vgl. zur Abgrenzung von QQ und WeChat Che/ Ip 2018: 79-85) und Weibo (funktional ähnlich zu Twitter; Che/ Ip 2018: 85-87 in der Abgrenzung zu WeChat). Seit 2016, so zeigt es Tab. 1.10 in Che/ Ip (2018: 42), nimmt WeChat die führende Position ein. Erste linguistische Perspektiven auf WeChat eröffnen Günthner (2018), Sandel et al. (2019) und Szurawitzki (2019a, b) sowie Gus (Gu i.V.) Disser‐ tationsprojekt. Szurawitzki (2018) hat die Entwicklung hin zu immer mehr Digitalisierung in Bürokratie und organisationaler Schriftlichkeit im Fokus, wenn er schreibt: „[I]n China […] werden die Grenzen der digitalen Durchdrin‐ gung des Alltags in privater wie öffentlicher, meist mobiler, Kommunikation 76 4. Forschungsstand zu WeChat <?page no="77"?> ständig verschoben (v. a. über das multifunktionale soziale Netzwerk WeChat)“ (Szurawitzki 2018: 139-140). Insgesamt liegen daher zu WeChat noch sehr wenige schwerpunktmäßig linguistisch orientierte Veröffentlichungen vor, wenn‐ gleich m. E. aus der Einführung zu diesem Artikel sowie Zusammenschau der Forschung deutlich wird, dass es sich hierbei um eine relevante Applikation handelt, die in der Zukunft potenziell mehr Aufmerksamkeit von KollegInnen bekommen wird. Dies untermauert den hier gewählten Zugriff. 77 4.2. Forschungsstand zur Messengerkommunikation und WeChat <?page no="79"?> 40 Das vorliegende Kapitel basiert auf einer Artikelpublikation in der Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik (LiLi), Heft 4/ 2019 (Szurawitzki 2019b). Es ist für die Verwendung innerhalb dieser Monographie umgearbeitet und v. a. durch mehr Literatur ergänzt worden. 5. WeChat als Kommunikationstool 40 Die in der Einführung getroffene Aussage zu WeChat als integralem Teil des täglichen Lebens in China ist bemerkenswert, da WeChat erst 2011 von der Firma Tencent in China auf den Markt gebracht wurde (Zhou/ Hentschel/ Kumar 2017: 3). Im März 2016 hatte der Dienst bereits 762 Millionen mindestens einmal pro Monat aktive UserInnen (Zhou/ Hentschel/ Kumar 2017: 3), Ankenbrand (2018) nennt knapp eine Milliarde UserInnen. Zunächst war WeChat als eher ,einfa‐ cher‘ Messengerdienst konzipiert worden, über den Textsowie Sprachmittei‐ lungen versendet werden konnten und der Konkurrenzprodukten wie Feixin oder QQ Mobile stark ähnelte (Zhou/ Hentschel/ Kumar 2017: 3). WeChat wurde jedoch über eine Vielzahl von Features (vgl. unten) stetig erweitert und als Art „all-in-one mobile application“ (Zhou/ Hentschel/ Kumar 2017: 3), die einen Großteil der mobil nutzbaren und gebrauchten populären Dienste unmittelbar oder mittelbar innerhalb einer einzigen Applikation anbietet, schnell für eine große Masse von UserInnen nicht nur populär, sondern de facto unverzichtbar. „WeChat is more conducive to information diffusion than former social media because of its unique functions and information flow mechanism, it combines mobile phone, social media and Internet in one platform“ (Yao/ Wu 2016: 388; vgl. auch Wu/ Jakubowicz/ Cao 2013). Diese Kombination müsse genauer erforscht werden: „Its combination deserves deeper consideration and study.“ (Yao/ Wu 2016: 389) Dieser Aufforderung trägt die vorliegende Studie Rechnung. Zand (2016) schreibt: „Die Universal-App WeChat hat den Alltag von 800 Millionen Menschen revolutioniert.“ Wurzel (2017) kommt zu einer ähnlichen Einschätzung: „Die Allzweck-App des Konzerns Tencent hat sich zu einem De-Facto-Betriebssystem fürs iPhone entwickelt“. Was kann WeChat konkret? Bei Zhou/ Hentschel/ Kumar (2017) findet sich eine nur eher kurze funktionale Beschreibung, ebenso in Che/ Ip (2018: 47-49), weshalb in der Folge hier eine ausführlichere Darstellung erfolgt. Dies dient auch dazu, um aufzuzeigen, welch umfassenden Anspruch WeChat mittlerweile verfolgt und innehat. Meiner Darstellung wird allerdings eine praktische Über‐ sicht der 2016 in WeChat enthaltenen Funktionen aus Che/ Ip (2018) vorange‐ stellt: <?page no="80"?> 50 Social Networks in China Fig. 2.2 Interface structure of WeChat user interface (as in 2016). does not exist in WhatsApp, whilst it can be difficult to locate in the equivalent Facebook app where to do so, users need to go through several step which may not inherently be obvious: More → See More. . . → Apps → Games. Another example is the direct entry to the Scan QR Code function in the main page, as shown in Fig. 2.2—a frequently used feature that Abb. 1: Funktionen von WeChat (Che/ Ip 2018: 50, Abb. 2.2.) 80 5. WeChat als Kommunikationstool <?page no="81"?> 41 WeChat kann in einer Vielzahl Sprachen bedient werden: Dazu gehören neben dem Deutschen u. a. die drei großen Varietäten des Chinesischen (Mandarin, Kantonesisch, Taiwanesisch), Englisch, Spanisch, Koreanisch, Japanisch, Italienisch, Russisch, Portu‐ giesisch, Polnisch, Türkisch, Vietnamesisch und Arabisch (vgl. Einstellungen innerhalb der App). 42 Die Screenshots in diesem Abschnitt sind jeweils am 02.06.2017 erstellt worden. Schaut man auf das allgemeine Interface, das man beim Öffnen der App sieht, so kann man nicht unmittelbar erkennen, dass sich vielfältige Möglichkeiten zur Interaktion bieten 41 : Abb. 2: Das allgemeine Interface von WeChat Am unteren Bildrand der Abbildung 2 42 sind vier Hauptbedienelemente zu sehen. Die hier hauptsächlich interessante kommunikative Interaktion wird über den Bereich ,Chats‘ ganz links abgewickelt (ausführliche Betrachtungen unten). Der Bereich ,Kontakte‘ dient zur Verwaltung individueller Kontakte, die man suchen 81 5. WeChat als Kommunikationstool <?page no="82"?> oder mit denen man sich über individuelle QR-Codes (vgl. Che/ Ip 2018: 53-54) verbinden kann (Negro 2017: 193-194 nennt noch die bemerkenswerte Möglichkeit zur Verknüpfung mit einem Facebook-Account, trotz der Tatsache, dass Facebook in China geblockt ist), sowie von Abonnements eigens für WeChat eingerichteter Newsfeeds, d. h. offiziellen Accounts (vgl. nachstehende Abbildungen; Che/ Ip 2018: 64-65 unterscheiden drei Typen offizieller Accounts, den subscription account zum Abonnieren von Informationen, den service account für Dienstleistungen und den enterprise account zur intraorganisationalen Kommunikation, der praktisch ein Firmen-Intranet ersetzen kann), zur Einrichtung von Gruppenchats und zur Mar‐ kierung von Kontakten über sog. thematische ,Tags‘, über die sich die markierten Kontakte suchen und verwalten lassen. Diese sind aber nur entfernt ähnlich zu den v. a. von Twitter bekannten Hashtags, denn sie dienen nicht zur Markierung nach außen, sondern zur Bildung von Personengruppen, denen man bestimmte Posts schicken möchte, um nicht immer von Hand auswählen zu müssen. Abb. 3: Bereich ,Kontakte‘ - Startseite 82 5. WeChat als Kommunikationstool <?page no="83"?> Abb. 4: Offizielle Konten (Newsfeeds) Der dritte Hauptbereich nennt sich ,Entdecken‘ und weist funktional folgende Elemente auf (vgl. Abb. 5): Neben dem hier zu findenden bereits erwähnten QR-Code-Interface, das zum Hinzufügen von Kontakten genutzt wird, kann über die Funktion ,Schütteln‘ nach Personen gesucht werden, die zeitgleich das Smartphone schütteln und so ihre Bereitschaft zur Interaktion signalisieren (vgl. Che/ Ip 2018: 55). Ebenso können über diesen Bereich Musiksowie TV-In‐ halte abgerufen werden. Personen in der Nähe (unter Angabe der ungefähren geographischen Entfernung) werden ebenso sichtbar gemacht (wenn sie ihre Zustimmung dazu gegeben haben). Auf den Bereich der aufrufbaren Spiele gehen wir hier aus Relevanzgründen nicht ein (hierzu vgl. etwa Che/ Ip 2018: 105 bzw. 107-108). 83 5. WeChat als Kommunikationstool <?page no="84"?> Abb. 5: ,Entdecken‘ Den wichtigsten Teil machen hier die sog. ,Momente‘ aus (vgl. Che/ Ip 2018: 56-58), die im Prinzip den Statusupdates gleichen, so wie sie in der westlichen Welt von Facebook her bekannt sind: 84 5. WeChat als Kommunikationstool <?page no="85"?> Abb. 6: ,Momente‘ In der Abbildung 6 ist - analog wie bei Facebook - die Strukturierung des oberen Teils der Seite mit Profil- und Titelbild erkennbar, bevor man die letzten Beiträge der eigenen Kontakte darunter sieht. Man kann im ,Momente‘-Bereich nur mit den eigenen Kontakten interagieren: „User privacy is an extremely important component in WeChat. All users must have mutual friend status in order for them to see each other’s contributions.“ (Che/ Ip 2018: 45) Hierbei ist anzumerken, dass im Unterschied zu Facebook keine ausschließlich textbasierten Postings möglich scheinen, sondern es so aussieht, dass vom Interface her immer eine multimodale Mitteilung kommuniziert werden muss. Hierbei können Fotos, kurze Videos und/ oder Links eingebunden und der Standort genannt werden. Es existiert jedoch eine gut verborgene Funktion, nur textbasierte Mitteilungen zu posten: Dazu muss das Kamerasymbol rechts oben länger angeklickt werden, und ein Fenster ,Text‘ öffnet sich. Offensichtlich kennen viele UserInnen diese Funktion aber nicht, da insgesamt kaum reine Textmitteilungen in WeChat gepostet werden (dies leitet sich 85 5. WeChat als Kommunikationstool <?page no="86"?> 43 Die Relevanz einer solchen Erhebung hielte sich u. E. in Grenzen, da WeChat - dies wird bereits bei ersten Erprobungen der Funktionalität des Interface klar - nicht auf rein textbasierte Kommunikation setzt, sondern Multimodalität mit Fokus auf dem Bild mit ergänzendem Text als eine Art Grundbedingung angenommen wird - warum sonst wäre der Eingabebutton für Postings ein Kamera-Ikon (vgl. Abb. 6 rechts oben)? aus unserem ethnographischen Wissen um Postings in WeChat ab; eine gesonderte quantitative Erhebung wurde hierzu nicht durchgeführt 43 ). Diese Beiträge können über den Bereich ,Mich‘ (vgl. etwa Abb. 4 rechts unten) hinzugefügt werden, wenn man die Funktion ,Meine Beiträge‘ wählt (vgl. die nachfolgende Abbildung 7): Abb. 7: ,Mich‘ Auf die Benutzung dieser Funktion gehen wir unten ein. Es wurde mehrfach erwähnt, dass WeChat eine App sei, die praktisch ,alles in einem‘ könne. 86 5. WeChat als Kommunikationstool <?page no="87"?> 44 Aus Datenschutzgründen hier nicht gesondert dargestellt. Analog funktioniert auch die noch populärere Bezahlapplikation Alipay (Zhifubao; chin. 支付宝 , Pinyin Zhīfùbǎo). Dies ist, nimmt man den im folgenden Abschnitt behandelten Bereich der Chat-Kommunikation aus, v. a. mit dem in Abb. 7 zu sehenden Link ,Brieftasche‘ verknüpft (WeChat Wallet; vgl. Chen/ Mao/ Qiu 2018: 66-68), unter dem sich zahlreiche ,Apps in der App’ finden. Diese können zu verschiedensten Zwecken genutzt werden (nicht auf alle kann hier aus Umfangsgründen eingegangen werden): Neben Funktionen wie dem Aufladen des eigenen Prepaidhandys bietet WeChat weitreichende Bezahlfunktionen. So kann man virtuell Guthaben akkumulieren oder auf den eigenen Account laden, um an der Ladenkasse mittels eines QR-Codes 44 zu bezahlen. Weiter sind Verknüpfungen zu Sub-Apps, sog. Miniprogrammen, enthalten (Ankenbrand 2018 nennt die Zahl von 580.000 solcher Programme), um z. B. Strom-, Wasserusw. -rechnungen zu begleichen. Abb. 8: Mikro-Apps 87 5. WeChat als Kommunikationstool <?page no="88"?> Dies sind Dienste, die das mobile Onlinebanking oder das aufgrund der ausge‐ prägten Bürokratie sehr zeitaufwändige Bezahlen in einer Bankfiliale praktisch ersetzen und daher sehr populär sind. Taxis können mittels einer Version der populären App Didi Chuxing (chin. 滴滴出行 , Pinyin Dīdī Chūxíng; Uber ist derzeit in China nicht benutzbar) bestellt werden, ebenso können z. B. Mietfahrräder der Firma Mobike angemietet werden. Zug- und Flugtickets können direkt aus der App gebucht, Kinokarten können erworben werden etc. Es existiert ein Link zu einer Plattform der App Dazhong Dianping (chin. 大众 点评 , Pinyin Dàzhōng Diǎn Píng), über die neben zahlreichen Informationen und Buchungen zu Unterhaltungsangeboten auch online Essen bestellt werden kann. Innerhalb dieser App sind auch Kundenbewertungen möglich und andere Userkommentare zugänglich. Wie aus diesen kurzen Ausführungen ersichtlich wird, sind über WeChat, fokussiert man vorerst auf China, praktisch alle Bereiche des Lebens virtuell zugänglich. Im Folgenden betrachten wir die Möglichkeiten der Nutzung der in We‐ Chat enthaltenen Chat-Funktionen. Es wird die eigentliche Chat-Oberfläche innerhalb von WeChat vorgestellt. Hierzu werden wie oben auch Screenshots benutzt, da davon ausgegangen werden kann, dass nicht jede RezipientIn der vorliegenden Studie mit der App vertraut ist. Begibt man sich in den Chat-Bereich von WeChat, so sieht die Oberfläche zur Eingabe wie folgt aus: 88 5. WeChat als Kommunikationstool <?page no="89"?> 45 “Stickers are picture stills or video gifs that are 100 % collectable, meaning you can only save them to your ‘bank’ of stickers if and only if someone else sends them to you first.” (Cadence Translate 2016) [16.1.2018]. 46 Potenziell kann jede/ r UserIn sich ein individuelles, nahezu beliebig erweiterbares Repertoire an Emojis zusammenstellen. Abb. 9: Chat-Oberfläche in WeChat Wie aus Abb. 9 hervorgeht, unterscheidet sich die Oberfläche zur Eingabe von Text nicht sehr von anderen Messengerdiensten, etwa WhatsApp, auch Gruppenchats (vgl. Che/ Ip 2018: 62) sind ebenso möglich. Die Eingabe von Emojis/ Stickern 45 , die in China vergleichbar populär sind wie Handyklingeltöne in Europa zu Beginn der 2000er Jahre 46 , erfolgt über eine eigene Schaltfläche rechts neben dem Textfeld. Die verfügbaren Emojis/ Aufkleber sind bei Zhou/ Hentschel/ Kumar (2017: 3, Abb.1 und 2) zum Teil dokumentiert. Es gibt tech‐ nisch die Möglichkeit, die ständig wachsende im Internet genutzte Palette von 89 5. WeChat als Kommunikationstool <?page no="90"?> Emojis zu erweitern, teils auch über In-App-Käufe. Eine genaue Kartierung der verfügbaren/ potenziell nutzbaren Emojis würde an dieser Stelle den Rahmen sprengen, deswegen sehen wir davon ab (vgl. Gu i.V. für genauere Einschät‐ zungen). Sprachmitteilungen (vgl. Che/ Ip 2018: 60-61) können, wie ebenfalls aus Abb. 9 ersehen werden kann, ebenso wie in WhatsApp (vgl. hierzu König/ Hector 2017) versendet werden. Die nachfolgende Abbildung zeigt eine erweiterte Palette von Funktionen, die unten diskutiert werden und teils noch nicht aus anderen Messengersystemen bekannt sind: Abb. 10: Erweiterte Chatfunktionen in WeChat Am unteren Bildrand sind die in den Chat einzubindenden Elemente sichtbar (aufgezählt von links oben nach rechts unten): Zunächst ist die Funktion ,Bilder‘ zu erkennen, mit der bereits im Fotospeicher des Smartphones abgespeicherte Fotos als Mitteilungen versendet werden können (diese Bilder können vor dem 90 5. WeChat als Kommunikationstool <?page no="91"?> Versenden mit einer eigenen separaten Beschriftung versehen werden). Ein direkter Zugriff auf die eingebaute Kamera ist mittels ,Kamera‘ möglich. Die Videoanruffunktion ist aus WhatsApp ebenfalls schon bekannt. Eine Sprachan‐ ruffunktion gibt es auch; diese ist im Vergleich etwas umständlicher über die Kontakte aufzurufen (hier nicht gesondert gezeigt), aber insgesamt populär, da sonst kostenpflichtige Telefonanrufe ersetzt werden (vgl. auch die empirischen Resultate in Kapitel 7.). Über das häufig vorhandene frei zugängliche WLAN an öffentlichen Orten in China können problemlos solche Anrufe getätigt werden. Seinen Standort kann man als eigene Mitteilung posten, ebenso wie (über der Emoji-Schaltfläche als Piktogramm sichtbar) eine kurze Zeit vorher aufgenom‐ mene Screenshots aus dem Smartphone, wenn man unmittelbar nach Aufnahme des Screenshots in den Chatbereich von WeChat wechselt (diese Funktion ist oft praktisch, wenn im Alltag z. B. Ausschnitte von Landkarten, Navigationen etc. aus anderen Apps dringend verschickt werden müssen). Mit ,Red Packet‘ ist hier ein digitales Geldgeschenk gemeint, das man einer Einzelperson mit einer definierten Geldsumme zwischen CNY 0.01-200 zusenden kann. Solche ,Red Packets‘ können auch mit kleineren zufällig gene‐ rierten Summen innerhalb von Gruppenchats versendet werden (vgl. zu den Red Packets Park 2016, Ji 2017, Chen/ Mao/ Qiu 2018: 63-65 sowie Gatti/ Richter 2019: 25-27). Der Name leitet sich von dem chinesischen Ausdruck hóngbāo ( 红包 ) ab, der wörtlich ,roter Umschlag‘ bedeutet und v. a. in der ,realen Welt‘, nicht bloß virtuell, verschenkt wird. Diese Art des Geld-Schenkens ist in China überaus populär, z. B. zum Frühlingsfest, dem wichtigsten Fest im Jahr, das vom Stellenwert etwa dem christlichen Weihnachtsfest entspricht. Neben hóngbāo sind auch Direktüberweisungen möglich, die an andere WeChat-Mitglieder getätigt werden können. Diese Geldtransfers kommen i. d. R. innerhalb von Sekunden an und werden entweder über ein virtuelles Konto, das bereits in der App enthalten ist, oder über die mit dem WeChat-Konto verlinkte Bankkarte der UserIn abgewickelt. Falls man nicht direkt über WeChat mit der ZahlungsempfängerIn verbunden ist, so gelingt sehr schnell eine Verbindung über die in China omnipräsenten QR-Codes (so funktioniert auch das Bezahlen im Laden; man scannt einen QR-Code ab, tippt die Summe, wenn sie nicht schon voreingestellt ist, in das Smartphone ein, bestätigt, und die Zahlung ist meist in unter fünf Sekunden getätigt). Bei dem in China bekannt sehr bürokratieba‐ sierten Bankwesen, in dem am Schalter getätigte Überweisungen bisweilen 30 Minuten pro Überweisung (! ) dauern können [persönliche Erfahrung; MSZ], hat speziell dieses Feature für Furore gesorgt, nicht nur bei Expatriates, die nicht auf Chinesisch in der Bank zu interagieren vermögen. Kontaktkarten 91 5. WeChat als Kommunikationstool <?page no="92"?> (eigene und fremde) wie gelikte Favoritenlinks können ebenso als eigenständige Mitteilungen im Chat versendet werden. Eine weitere Besonderheit ist, dass UserInnen von WeChat nur einen ein‐ zigen Account verwenden können, der explizit an eine Mobilfunknummer angebunden ist. Will man mehrere Accounts steuern, muss dies entsprechend über mehrere Nummern geschehen. Hierzu muss ergänzt werden, dass man sich in China beim Kauf einer SIM-Karte registrieren lassen muss: […] WeChat is the only notable platform that does not permit the use of multiple accounts. Each WeChat account must bind to a unique mobile number, and […] one consequence of this is that WeChat is becoming a direct substitute for mobile phone services as well as negating the need for an explicit real-name user policy. This validity of this process [sic] is made possible since the majority of Chinese mobile SIM cards can only be purchased with proof of a Chinese citizen ID card. Thus, each WeChat user is, by default, already in possession of each user’s identity. (Che/ Ip 2018: 120-121) Nachdem bis hierhin die hauptsächlichen Funktionen von WeChat erläutert worden sind, blicken wir im folgenden Kapitel auf die für die vorliegende Studie gewählte methodische Herangehensweise. 92 5. WeChat als Kommunikationstool <?page no="93"?> 6. Methode: Online-Umfrage Bei der Wahl der Methode gab es zunächst zwei Alternativen, nämlich eine klassische Umfrage mittels vorzubereitender physischer Fragebögen vs. eine Online-Umfrage. Letztlich wurde die Online-Umfrage gewählt, aber die tradi‐ tionelle Alternative mit Fragebögen schien lange durchführbar. Diese hätte den Vorteil gehabt, dass man im Rahmen der Umfrage offline hätte agieren können, um nicht eventuell eine Kontrolle/ Überwachung durch chinesische Behörden auf den Plan zu rufen. Es hatten sich in der Anbahnungsphase der Umfrage bereits einige HelferInnen bereit erklärt, die Fragebögen am Rande ge‐ eigneter deutschsprachiger Expatriate-Veranstaltungen (Gottesdienste, Treffen der Handelskammer etc.) zu verteilen und ausgefüllt wieder einzusammeln. Al‐ lerdings stellte sich früh in der Anbahnung die Frage, ob viele Expatriates ohne gesonderte Bewerbung die Umfrage ausgefüllt und somit einen geeignet großen Rücklauf generiert hätten. Diese Skepsis ließ mich von der Papiervariante Abstand nehmen. Im Rahmen des Pretests einer Papierversion (vgl. 6.2. unten) hatte zudem ein Tester große Zweifel an der Umsetzbarkeit geäußert, da die Beantwortung eines Fragebogens von mehreren Seiten Länge InformantInnen potenziell abschrecke. 6.1. Vorbereitung und Umfragedesign Vorbereitung Zunächst waren die Fragebögen, zu deren Inhalt ich im vorliegenden Abschnitt komme, für eine Umfrage auf Papier konzipiert und inhaltlich ausgearbeitet worden (Spätsommer 2018). Aus den oben angeführten Gründen musste nun die Überlegung in Richtung eines Online-Fragebogens gehen. Die nächste Überarbeitung erfolgte somit in eine PDF-Version mit anklick- und ausfüllbaren aktiven Elementen (Herbst 2018). Zu dieser gab es mehrere kritische Stimmen, die v. a. die tatsächliche Verwendbarkeit in Frage stellten: Würde man wirklich ein viele Seiten langes PDF-Dokument am (Smartphone-)Bildschirm ausfüllen? Bei den diskutierten Vorbehalten gegen Papier- und PDF-Versionen ging der Fokus somit in Richtung einer Online-Umfrage, die mit möglichst wenig fi‐ nanziellem Mehraufwand realisiert werden sollte. Bei Recherchen innerhalb meiner Organisation, der Universität Duisburg-Essen, stieß ich auf die Soft‐ ware SoSciSurvey, die primär für Umfrageprojekte in den Sozialwissenschaften <?page no="94"?> 47 In diesem Zusammenhang danke ich Agnieszka Bitner für den Hinweis auf entspre‐ chende Projekte. konzipiert ist, in meinem weiteren Umfeld bereits für verschiedene Projekte verwendet worden und somit einigen potenziellen InformantInnen bekannt war (www.soscisurvey.de) 47 . Bei der näheren Prüfung der Software stellte sich die web-basierte Schnittstelle sowohl als professionell genug wie auch relativ leicht bedienbar heraus. Darüber hinaus wurde eine Überprüfung meines Umfragethemas durchgeführt, auch mit Blick auf die spätere Verwendung der Daten und die Publikation der Ergebnisse. Hierbei stellte sich heraus, dass ich die Software ohne Mehrkosten würde verwenden dürfen, zumal die Universität Duisburg-Essen Lizenznehmer von SoSciSurvey ist. Damit war gesichert, dass somit die anbahnenden Vorbereitungen für das Umfrageprojekt zur Nutzung von WeChat durch deutschsprachige Expatriates in China abgeschlossen waren und die finale Umsetzung und Einrichtung der online zu stellenden Umfrage beginnen konnte. Diese wird nachfolgend erläutert. Umfragedesign Die Umfrage hat folgende Gliederung (vgl. auch die Screenshots in Anhang 1): 1. Metadaten 2. Kontakt mit WeChat und anderen Messengern 3. Häufigkeit der WeChat-Nutzung 4. Nutzung der Features von WeChat 5. Genutzte Sprachen und Sprachmischung 6. Sprachrichtigkeit 7. Deutsch und Chinesisch im Austausch mit der jeweils anderen Kultur 8. Übersetzungsfunktion 9. Internetsprache 10. Mündlichkeit und Schriftlichkeit 11. Kommentare zur Nutzung von WeChat Die verschiedenen abgefragten Daten werden nun näher vorgestellt. Hierbei wird die Reihenfolge aus der Gliederung beibehalten. Metadaten Es werden von den InformantInnen Metadaten erhoben. Hierbei wird das Geschlecht (weiblich/ männlich) erfragt, danach das Alter (jünger als 15 Jahre, 15-19, 20-24, 25-29, 30-34, 35-39, 40-44, 45-49, 50-54, 55-59, 60-64 Jahre, 65 Jahre oder älter). Die Alterskategorien sind von der Software vorgegeben. Die dritte 94 6. Methode: Online-Umfrage <?page no="95"?> Frage betrifft Sprachkenntnisse und lautet: „Sprechen Sie noch andere Sprachen auf Muttersprachenniveau außer Deutsch“? Die vorgegebenen Alternativen zur Beantwortung lauten „Nein“, „Chinesisch“ sowie (ausfüllbar über Texteingabe) „Andere. Welche? “ Daran anschließend wird abgefragt, seit wann die InformantInnen in China waren/ leben, und zwar anhand der Alternativen „vor 2015“, „2015“, „2016“, „2017“, „2018“ sowie „2019“. Die darauf folgende Frage betrifft den Wirkungsort der InformatInnen und bietet die folgenden Antwortoptionen: „Beijing“, „Shanghai“, „Hongkong“ sowie „Anderer Ort. Welcher? “ (ausfüllbar über Texteingabe). Die letzte Frage innerhalb der Erhebung der Metadaten dreht sich um den beruflichen Status der InformantInnen im Reich der Mitte: „Wie war/ ist Ihr beruflicher Status in China? “ Hierbei konnte zwischen den folgenden Möglichkeiten ausgewählt werden: „Angestellter“, „Selbstständig“, „SchülerIn der Deutschen Schulen“, „StudentIn“, „Begleitperson“ sowie „Sonstiger Status“. Alle Fragen zur Erhebung der Metadaten haben gemein, dass jeweils nur eine Antwortalternative ausgewählt werden kann. Auch in die Textfelder (wo vorhanden) sollte idealerweise genau eine Antwortoption eingetragen werden. Kontakt mit WeChat und anderen Messengern Nach den Metadaten wird in der Umfrage auf WeChat und andere verwen‐ dete Messagingsysteme eingegangen. Zuerst steht die mit „ja“ oder „nein“ zu beantwortende Frage: „Kannten Sie WeChat, bevor Sie nach China kamen? “ Darauf wird abgefragt, wie die InformantInnen auf WeChat aufmerksam wurden (hierbei sind Mehrfachnennungen erlaubt). Die gebotenen Antwortoptionen lauten „Internet“, „Presse/ Radio/ TV“, „Freunde/ Bekannte“, „KollegInnen“ sowie „Andere Quelle. Welche? “ (ausfüllbar über Texteingabe). Es folgt die Frage, ob noch andere Messaging-Dienste genutzt werden (mit „ja“ oder „nein“ zu beantworten); die hier möglichen Antwortoptionen nach Beantwortung der vorhergehenden Frage mit „ja“ (ansonsten gelangt man über einen Klick zum nächsten Bereich; vgl. unten) lauten „WhatsApp“, „Facebook Messenger“, „Telegram“, „Viber“, sowie „Anderer Messenger. Welcher? “ (ausfüllbar über Texteingabe). Auch hierbei sind Mehrfachnennungen erlaubt. Häufigkeit der WeChat-Nutzung Im hier behandelten Bereich wird die Häufigkeit der WeChat-Nutzung der InformantInnen mittels Selbsteinschätzung abgefragt. Es wird nach drei Nut‐ zungsbereichen separat gefragt, und zwar sind dies „allgemein“, „beruflich“ sowie „privat“. Hierbei können die InformantInnen jeweils zwischen fünf 95 6.1. Vorbereitung und Umfragedesign <?page no="96"?> Antwortoptionen wählen (genau eine muss ausgewählt werden): „nie“, „selten“, „gelegentlich“, „häufig“ und „sehr häufig“. Nutzung der Features von WeChat Der nächste Bereich ist der umfangreichste der gesamten Umfrage. Es geht hierbei um die Nutzung der unterschiedlichen Features, die WeChat bereitstellt. Wie im vorhergehenden Bereich können die InformantInnen jeweils zwischen fünf Antwortoptionen wählen (genau eine muss ausgewählt werden): „nie“, „selten“, „gelegentlich“, „häufig“ und „sehr häufig“. Die abgefragte Nutzung der Features hat folgende Reihenfolge: • Chats • Gruppenchats • Momente (verfassen) • Momente (lesen) • Momente (liken/ kommentieren) • Sprachnachrichten • Fotos machen • Selfies machen • Fotos senden • Selfies senden • Videos machen • Videos senden • Telefonieren • Videotelefonie • Standort • Echtzeit-Standort • Rote Pakete senden (Hongbao) • Rote Pakete empfangen (Hongbao) • Geld überweisen • Überweisungen erhalten • Bezahlfunktion (WeChat Pay) • Kontaktkarten senden/ empfangen • Personensuche Genutzte Sprachen und Sprachmischung Nach den Angaben zur Nutzung der verschiedenen Features von WeChat folgen Fragen zu den in den (Gruppen-)Chats verwendeten Sprachen. Die erste Frage lautet: „Welche Sprache nutzen Sie hauptsächlich im (Gruppen-)Chat? “ Die vordefinierten Antwortmöglichkeiten lauten „Deutsch“, „Chinesisch (Man‐ 96 6. Methode: Online-Umfrage <?page no="97"?> darin)“ (hiermit ist die Standardvarietät gemeint, abgesetzt von verschiedenen Regiolekten wie etwa dem Shanghaier Dialekt Shanghaihua), „Englisch“, sowie „Andere (Welche? )“ (ausfüllbar über Texteingabe). Danach wird nach möglicher Sprachmischung gefragt: „Mischen Sie Spra‐ chen innerhalb eines (Gruppen-)Chats? “ Als Hilfestellung zur Antwort steht dazu folgender Erläuterungstext: „Falls Sie ,ja‘ antworten, so klicken Sie bitte dazu die jeweiligen Sprachen an bzw. ergänzen Sie. Mehrfachantworten sind möglich. Sonst genügt ,nein‘.“ Neben den entsprechenden „ja“- und „nein“-Op‐ tionen finden sich die im vorhergehenden Absatz angegebenen Antwortmög‐ lichkeiten. Mit demselben Antwortrahmen wie für eine Sprachmischung in Gruppen‐ chats operiert die dann folgende Frage: „Mischen Sie Sprachen innerhalb derselben Nachricht? “ Neben „ja“ und „nein“ stehen „Deutsch“, „Chinesisch (Mandarin)“, „Englisch“, sowie „Andere (Welche? )“ (ausfüllbar über Textein‐ gabe) als Optionen zur Wahl. Hiernach wird nach der bevorzugten Sprache, in der Sprachnachrichten in WeChat aufgenommen werden, gefragt. Analog können die InformantInnen zwischen „Deutsch“, „Chinesisch (Mandarin)“, „Englisch“, sowie „Andere (Welche? )“ (ausfüllbar über Texteingabe) wählen. Sprachrichtigkeit Im Bereich Sprachrichtigkeit werden die InformantInnen um Selbsteinschät‐ zungen gebeten, wie häufig sie in der Kommunikation mit anderen UserInnen von WeChat auf die Sprachrichtigkeit ihrer Nachrichten achten. Parallel zum Aufbau einiger bereits oben behandelter Fragen können sie jeweils zwischen fünf Antwortoptionen wählen (genau eine muss ausgewählt werden): „nie“, „selten“, „gelegentlich“, „häufig“ und „sehr häufig“. Die Sprachen, zu denen Auskunft erbeten wird, sind Deutsch, Chinesisch, Englisch und der Bereich der darüber hinausgehenden Sprachen (hier ohne nähere Spezifikation, da bereits in vorherigen Fragen behandelt). Deutsch und Chinesisch im Austausch mit der jeweils anderen Kultur Im nächsten Segment der Umfrage werden Fragen zur WeChat-Nutzung im in‐ terkulturellen Spannungsfeld Deutsch-Chinesisch gestellt. Zunächst wird danach gefragt, ob Deutsch in der Interaktion mit Chinesinnen und Chinesen genutzt wird; danach steht die umgekehrte Frage, nämlich ob Chinesisch in der Interaktion mit SprecherInnen des Deutschen benutzt wird. Im gewohnten Muster können sie jeweils zwischen fünf Antwortoptionen wählen (genau eine muss ausgewählt werden): „nie“, „selten“, „gelegentlich“, „häufig“ und „sehr häufig“. 97 6.1. Vorbereitung und Umfragedesign <?page no="98"?> Übersetzungsfunktion Die folgende Frage dreht sich darum, ob die UserInnen die Übersetzungsfunk‐ tion von WeChat (von der Objektsprache des zu übersetzenden Beitrages in die Zielsprache, d. h. in die Systemsprache von WeChat, vgl. 5. oben) anwenden, um Beiträge (besser) zu verstehen; die vorgenannten Antwortmöglichkeiten „nie“, „selten“, „gelegentlich“, „häufig“ und „sehr häufig“ stehen auch hier zur Verfügung. Internetsprache Die folgenden drei Fragen zur Nutzung von WeChat bilden einen themati‐ schen Komplex, denn sie fokussieren auf die Verwendung typischer Elemente von Internetsprache. Zunächst wird gefragt: „Benutzen Sie internet-typische Abkürzungen wie ,lol‘ (laughing out loud) o.Ä.? “ Dann stehen Fragen zur Verwendung von Emojis und Stickern. Die UserInnen können für jede Frage jeweils zwischen fünf Antwortoptionen wählen (genau eine muss ausgewählt werden): „nie“, „selten“, „gelegentlich“, „häufig“ und „sehr häufig“. Falls keine Emojis oder Sticker benutzt werden sollten, gibt es die Möglichkeit, diese Fragen zu überspringen und zum nächsten Teil der Befragung weiterzuklicken. Werden laut Angaben der UserInnen Emojis/ Sticker benutzt, so sollen sie Angaben zu den Funktionen machen, die die Emojis bzw. Sticker haben. Aus den folgenden Antwortoptionen können jeweils mehrere ausgewählt werden: „Positive Kommentare“, „Negative Kommentare“, „Ausschmückung“, „Ironie“, sowie „Andere (Welche)? “ (ausfüllbar über Texteingabe). Die Forschungen von Beißwenger/ Pappert (2019a, b, 2020) zum Handeln mit Emojis, u. a. mit einer funktionalen Klassifizierung (speziell Kap. 4.4.1. in 2019b), lagen zum Zeitpunkt der Erstellung der Umfrage noch nicht vor; sie wären sonst schon hier berück‐ sichtigt worden. Die Kontextualisierung meiner Resultate zum Emojigebrauch in WeChat kann dann aber vor der Folie dieser Studien erfolgen. Mündlichkeit und Schriftlichkeit Im Bereich Mündlichkeit und Schriftlichkeit werden die NutzerInnen um eine Selbsteinschätzung gebeten, ob sie im Chat mehr an der Schriftlichkeit oder an der Mündlichkeit orientiert mittels WeChat kommunizieren. Die Einschätzung wird (genau eine Antwort möglich) auf einer fünfstufigen Skala gegeben, deren Enden mit „Wie ich spreche“ (,1‘) bzw. mit „Wie ich schreibe“ (,5‘) bezeichnet sind. Wie auf einem Zahlenstrahl sind noch drei Zwischenstufen, die nicht näher bezeichnet sind, auswählbar, eine jeweils näher an „Wie ich spreche“ (,2‘) bzw. „Wie ich schreibe“ (,4‘) platziert, eine genau in der Mitte zwischen den Polen (,3‘). 98 6. Methode: Online-Umfrage <?page no="99"?> Kommentare zur Nutzung von WeChat Die Umfrage schließt mit drei Möglichkeiten, auf Fragen zu WeChat mittels selbst formulierter Kommentare zu antworten. Diese Kommentare sind keine Pflicht und können somit potenziell ausgelassen werden. Antworten können auf folgende Frageoptionen gegeben werden: „Sind Ihnen bei der Nutzung von WeChat Probleme aufgefallen (z. B. Datenschutz)? “; „Welche weiteren Features für WeChat wünschen Sie sich? “, sowie „Gibt es sonstige Kommentare zu WeChat? “. 6.2. Pretests Pretests wurden in verschiedener Form durchgeführt. Einige InformantInnen testeten zunächst - wie oben kurz erwähnt - den ausfüllbaren PDF-Fragebogen und sendeten diesen zurück. Technisch ergaben sich dabei keine Probleme, klei‐ nere inhaltliche Anpassungen (v. a. orthographischer Art, aber auch hinsichtlich der Verständlichkeit einzelner Fragen) wurden daraufhin vorgenommen. Diese Änderungen flossen mit in die für die Online-Verbreitung vorzubereitende Version ein. Auch im Bereich der Online-Versionen wurden mehrere Pretests durchgeführt; auf diese gehe ich im unmittelbar folgenden Abschnitt näher ein. 6.3. Modifikation und Genese der Online-Umfrage (Desktop- und Smartphone-Versionen) Nachdem die Entscheidung getroffen worden war, das Online-Befragungstool SoSciSurvey zu verwenden, musste eruiert werden, wie genau die Umarbei‐ tungen von einem papierbasierten ausfüllbaren PDF-Fragebogen hin zu einer webbasierten Online-Umfrage aussehen mussten. Die wesentliche Schwierig‐ keit bestand darin, die Fragen über das Designtool für die einzelnen Unterseiten einzupflegen und aus der Vielzahl der potenziell wählbaren Beantwortungsmodi geeignete auszuwählen. Hierbei sollte der Grundsatz gelten, die Umfrage mög‐ lichst einfach zu gestalten. Innerhalb der Software musste so vorgegangen werden, dass zunächst die notwendige Anzahl der Seiten angelegt werden musste, und sukzessive die Inhalte (d. h. die Fragen neben den Antwortoptionen) eingefügt wurden. Dabei wurde in einem ersten Schritt rein auf die inhaltliche Komponente geachtet, danach fiel der Blick auf das Layout. Zunächst war es in der Genese der Umfrage 99 6.2. Pretests <?page no="100"?> via SoSciSurvey so, dass nur mit der Desktop-Version und den Vorschauen der Form annehmenden Umfrage gearbeitet wurde. Dies führte zu einer an sich fertigen Umfrage, die für Desktop-Computer geeignet war. SoSciSurvey erkennt bei einer Teilnahme einer InformantIn an einer Umfrage automatisch, von welchem Typ Endgerät (Desktop-Computer oder Smartphone) aus teilge‐ nommen wird, und adjustiert das Layout automatisch. Hierbei ist es technisch nicht möglich, separate Desktop- und Smartphoneversionen zu erstellen und abzulegen, die unter demselben Link erreichbar wären. Verschiedene Links könnten zwar generiert werden, jedoch hätte dies womöglich nachteilige Konsequenzen hinsichtlich Verbreitung, Beantwortung und Auswertung nach sich gezogen. Meine Umfrage sollte nur über einen einzigen Link erreichbar und unabhängig vom benutzten Endgerät beantwortbar sein. Während also eine Anzahl Pretests für die Desktop-Version während der Programmierung der Umfrage zu einer fertigen und für die PC-Oberfläche/ den PC-Browser geeigneten Version geführt hatte, war diese mittels Smartphone, dies zeigten Erprobungen, nicht verwendbar. Die Probleme bei der Verwendbarkeit lagen v. a. in der Anpassung des Layouts vom Desktop hin zum weit weniger breiten Smartphonebildschirm. Dies führte an mehreren Stellen bei der Smartphoneversion dazu, dass nicht der komplette Fragetext klar erkennbar war, sondern übereinander liegend und somit praktisch unlesbar dargestellt wurde. Ähnliches galt für verschiedene anzuklickende Antwortoptionen, deren Bezeichnungen in der entsprechend direkt unter der Frage platzierten Zeile kaum zu lesen waren. Hinzu kam noch, dass verschiedene der Antwortbuttons sich überlappten, so dass die auf der Basis der Desktopautomatisch generierte Smartphoneversion nicht zur Verwendung taugte. Abhilfe konnte nach einigen weiteren Pretests und Experimenten mit verschiedenen Einstellungsparametern der Software nur darüber geschaffen werden, in der Programmieroberfläche der Desktop-Version die Textmenge so zu verknappen, dass sie bei der Generierung der Smartphoneversion auf jede einzelne Frage bezogen nicht die Breite des Smartphone-Bildschirms überschritt. Dies galt analog für die Bezeichnungen der Antwortoptionen. Vor allem im letztgenannten Fall mussten zumeist Abkürzungen eingesetzt werden (Buchstaben), die weiter oben im Anschluss an die Fragestellung jeweils gesondert erklärt wurden. Insgesamt wurden laut des technischen Protokolls von SoSciSurvey 38 Mal Änderungen an den verschiedenen Versionen des Fragebogens vorgenommen und zwischengespeichert, bevor die finale Gestalt erreicht war. 100 6. Methode: Online-Umfrage <?page no="101"?> 6.4. Erhebungszeitraum und Verbreitung des Umfragelinks Die Umfrage wurde Mitte November 2018, unmittelbar nach der Fertigstellung, online geschaltet. Die Freischaltung erfolgte über https: / / www.soscisurvey.de/ wechat2019/ am 16.11.2018. Eigentlich war geplant gewesen, erst am 01. Januar 2019 online zu gehen, aber da die Arbeiten schneller verliefen als eigentlich geplant, wurde entsprechend der Start der Umfrage vorverlegt. Mittels eines PDF-Anschreibens, das den Link zur Umfrage enthält, wandte ich mich ent‐ sprechend an meine deutschsprachigen Kontakte in China. In einem ersten Schritt verbreitete ich die Umfrage an meine relevanten WeChat-Kontakte (ca. 100) direkt über die Weiterleitung der Datei innerhalb der Applikation, bevor ich den Verteiler der Deutschsprachigen Christlichen Gemeinde Shanghai (DCGS) nutzen durfte (damals ca. 180 Mitglieder). Im Anschluss schickte ich das Anschreiben per E-Mail vom PC aus an meine deutschsprachigen Kontakte in China, von denen mir Mailadressen, aber keine WeChat-IDs vorlagen (ca. 180). Im Anschreiben (vgl. Anhang) bat ich um Weiterleitung des Umfragelinks an möglichst viele Personen aus der Zielgruppe. Innerhalb von SoSciSurvey konnte ich die Anzahl der komplett beantworteten Fragebögen nachverfolgen und während des Befragungszeitraums bis Ende April 2019 noch einige weitere Maßnahmen zur weiteren Verbreitung der Umfrage einleiten. Zum einen waren dies Erinnerungsnachrichten an meine Kontakte wie auch über den genannten Verteiler, sukzessive kontaktierte ich aber nach Recherchen zu weiteren Kon‐ takten zahlreiche Multiplikatoren aus den deutschsprachigen Ländern, die in China ihre Arbeit versehen. Dabei handelte es sich um sämtliche diplomati‐ schen Vertretungen der deutschsprachigen Länder (D, AUT, CH, LUX) und alle internationalen Schulen in China, an denen Deutsch auf dem Lehrplan steht (vgl. 3. oben; mir stand dafür ein geeignetes Verzeichnis zur Verfügung), sowie alle deutschen Außenhandelskammern in China (inkl. Personal-Mailadressen, wo öffentlich einsehbar). So konnten in einigen Wellen und über den Schnee‐ balleffekt der Weiterleitung mindestens einige hundert InformantInnen direkt erreicht werden, ohne dass der Link zur Befragung öffentlich auf einer Website im Internet auffindbar war. Nachdem aus den Beantwortungsprotokollen von SoSciSurvey erkennbar wurde, dass einige Tage lang niemand mehr auf die Umfragewebsite zugegriffen hatte, machte ich den Link über das berufliche soziale Netzwerk LinkedIn für meine damals knapp 3000 Kontakte sichtbar. Dies brachte nochmals eine weitere Anzahl beantworteter Fragebögen. Insgesamt liegen für die Auswertung 208 komplett beantwortete Fragebögen vor. 101 6.4. Erhebungszeitraum und Verbreitung des Umfragelinks <?page no="102"?> 6.5. Datensicherung, Auswertung und Bereitstellung für zukünftige Forschungen Während die Umfrage lief, wurden über die Downloadfunktion von SoSciSurvey einige Male die bis dahin erhobenen Daten gesichert, um im Falle einer Fehl‐ funktion der Software nicht komplett ohne Datenmaterial zu verbleiben. Die Software sichert standardmäßig komplette Datensätze, d. h. die letzte Seite des Fragebogens (im vorliegenden Fall die Kommentarseite zur Verwendung von WeChat) muss erreicht sein. Wie aus den Protokollen ersichtlich, gab es vielfach nicht komplett beantwortete Fragebögen. Man könnte einwenden, dass solche Daten vielleicht auch ihren Wert gehabt hätten, andererseits verbliebe dann im Unklaren, warum die Umfrage nicht komplett beantwortet wurde und somit relevante Daten von einzelnen InformantInnen fehlen (Zeitmangel, Absturz der Seite, verlorenes Interesse an der Umfrage etc.). Da solche Gründe nicht zu erschließen sind, wurde entschieden, in die Auswertung somit nur komplette Datensätze mit einfließen zu lassen. SoSciSurvey bietet die Möglichkeit, die Daten in verschiedenen Formaten zu sichern. Mit Blick auf eine spätere Verwendung auch durch andere For‐ scherInnen sicherte ich das Datenmaterial in allen zur Verfügung stehenden Formaten, nämlich als Microsoft Excel-, SPSS-, GNU R-, SQLsowie Stata-Dateien. Meine eigene Auswertung wurde vorwiegend mit den beiden erstgenannten Programmen besorgt. Für zukünftige Forschungen sollten die Daten mit Ab‐ schluss meines Forschungsprojekts nach Möglichkeit in allen genannten For‐ maten in einem geeigneten, möglichst offenen, Repositorium für Forschungs‐ daten abgelegt und so einer interessierten fachlichen Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Dies konnte im April 2020 sichergestellt werden (vgl. 9.). So soll potenziell eine weitergehende wissenschaftliche Beschäftigung mit den zur Nutzung von WeChat durch deutschsprachige Expatriates in China erhobenen Daten ermöglicht werden (vgl. Ausblick, 8.). 102 6. Methode: Online-Umfrage <?page no="103"?> 7. Empirischer Teil: Resultate der Untersuchung der Kommunikation deutschsprachiger Expatriates in China über WeChat 7.1. Metadaten Ausgewertet werden im Sinne einer optimalen quantitativen relativen Ver‐ gleichbarkeit der Resultate sowie aufgrund der Anlage der genutzten Software www.soscisurvey.de komplett beantwortete Fragebögen. Insgesamt liegen zur Auswertung 208 solcher Bögen vor. Die nachfolgend dokumentierte Auswer‐ tung der erhobenen Metadaten folgt der originären Reihenfolge der Fragen im online gestellten Fragebogen. Geschlecht Zunächst wurden Angaben zum Geschlecht der Befragten erhoben. Dabei ergab sich, dass 79 Befragte weiblichen und entsprechend 121 Befragte männlichen Geschlechts sind. Alter Die Altersverteilung der Befragten wird nachfolgend grafisch dargestellt: Grafik 1 6 5 6 10 19 28 32 38 30 20 6 5 Unter 15 15-19 20-24 25-29 30-34 35-39 40-44 45-49 50-54 55-59 60-64 65+ 1 Grafik 1: Altersverteilung der befragten NutzerInnen von WeChat <?page no="104"?> Bei der Auswertung der altersmäßigen Zusammensetzung der InformantInnen‐ gruppe zeigt sich, dass insgesamt sechs Befragte (knapp 3 %) unter 15 Jahre alt sind. Zur Altersgruppe 15-19 Jahre gehören fünf Befragte (gut 2 %), sechs Befragte (knapp 3 %) sind zwischen 20 und 24 Jahren alt. Zwischen 25 und 29 Jahren alt sind zehn Befragte (knapp 5 %), zwischen 30 und 34 Jahre 19 Personen (gut 9 % der InformantInnen). Danach folgen die quantitativ am häufigsten repräsentierten Altersgruppen: 28 der Befragten (gut 13 %) sind zwischen 35 und 39 Jahren alt, 32 Personen (gut 15 %) zwischen 40 und 44 Jahren. Die Altersgruppe 45-49 Jahre ist die größte aller Befragten und umfasst 38 Personen, umgerechnet gut 18 % der TeilnehmerInnen an der Erhebung. 30 Befragte (gut 14 %) sind zwischen 50 und 54 Jahren alt, 20 von ihnen (knapp 10 %) zwischen 55 und 59 Jahren. Jenseits von 60 Jahren nimmt die Beteiligung an der Erhebung wieder deutlich ab: Zwischen 60 und 64 Jahren sind insgesamt sechs Befragte (knapp 3 %), fünf (gut 2 %) gehören zur Altersgruppe 65+. Wie sich zeigt, sind die Altersgruppen der im Berufsleben Etablierten die größten. Dies ist bei einer Studie, die sich an in China tätige/ ansässige Expatriates richtet, so weitgehend erwartbar. Es kann weiter festgehalten werden, dass jenseits der größten Gruppen alle anderen in der Umfrage als Antwortalternativen angebotenen Alterskohorten mit je mindestens fünf Befragten repräsentiert sind. Sprachkompetenz Nach der Altersverteilung wurde nach der Sprachkompetenz der Informan‐ tInnen gefragt. Hierbei ging es um die konkrete Frage: Welche anderen Sprachen außer Deutsch sprechen Sie auf Muttersprachenniveau? Dabei ergibt sich die folgende Verteilung: 104 7. Empirischer Teil: Resultate der Untersuchung <?page no="105"?> nein (100) Chinesisch (21) Andere (87) 1 Grafik 2: Muttersprachenkompetenz außer Deutsch Von 100 Befragten, also knapp der Hälfte der InformantInnen, wird die Angabe gemacht, dass sie keine andere Sprache außer Deutsch auf Muttersprachenni‐ veau beherrschen. Chinesisch nannten 21 der InformantInnen. Hierbei kann vermutet werden, dass es sich einerseits zumeist um Chinesischstämmige handelt, die ihren Lebensmittelpunkt vor dem beruflichen Engagement in China in Deutschland hatten, entweder seit der Geburt oder der frühen Kindheit, bevor sie nach China (zurück-)kamen. Andererseits könnten dies ChinesInnen mit deutschsprachiger/ m PartnerIn sein, oder solche, die sich in einem mehrheitlich deutschsprachigen beruflichen Umfeld bewegen. Weniger dürfte es sich aber um ethnisch Deutsche handeln, die in ihrer Chinazeit eine nahezu muttersprach‐ liche Kompetenz im Chinesischen erworben haben, obwohl es vereinzelt solche Fälle gibt. An dieser Stelle ist an das eingangs dieses Bandes zu Grunde gelegte Konzept von WeChat als virtueller deutscher Sprachinsel zu erinnnern. „Sprach‐ insel“ meint hier einerseits eine physische Losgelöstheit vom geographischen ursprünglichen Sprachverbreitungsraum, andererseits gibt es mit den im selben kommunikativen Kontext (d. h. in der Applikation) verwendeten Sprachen natürlich auch Sprachkontakt mit dem Chinesischen und weiteren Sprachen. Den mehrsprachigen ChinesInnen, die auch das Deutsche auf sehr hohem Kompetenzniveau beherrschen, kommt eine besondere Rolle als kompetente MittlerInnen zwischen den Kulturen zu. 105 7.1. Metadaten <?page no="106"?> Bemerkenswert ist die relativ hohe Anzahl anderer nahezu auf L1-Niveau beherrschten Sprachen. Die Verteilung der hierbei genannten Sprachen sieht wie folgt aus (hierbei waren Mehrfachnennungen möglich): • Englisch: 80 • Französisch: 15 • Spanisch: 6 • Polnisch: 5 • Portugiesisch: 4 • Russisch, Niederländisch, Finnisch, Japanisch: je 2 • Schwedisch, Ungarisch, Vietnamesisch, Dänisch, Katalanisch, Lateinisch: je 1 Mit Ausnahme des Englischen und Französischen lässt sich bei allen anderen ge‐ nannten Sprachen außer Lateinisch (vielleicht durch einen geistlichen Würden‐ träger genannt) am ehesten auf einen Migrationshintergrund oder längeren vor‐ hergehenden Aufenthalt in den Ländern bzw. Regionen (Katalanisch) schließen, deren Sprachen genannt sind. Beim Französischen als internationaler Sprache der Diplomatie kann ggf. teils außerdem angenommen werden, dass einige Befragte zu den diplomatischen Korps der deutschsprachigen Länder in der VR China gehören. Die Nennung des Englischen durch die relativ hohe Anzahl von 80 Befragten (gut 38 % der Befragten) erklärt sich vermutlich weniger dadurch, dass tatsächlich 80 genuin Zweisprachige an der Erhebung teilgenommen haben, sondern Englisch oft die in China verwendete primäre Arbeitssprache in international tätigen und global vernetzten Unternehmen ist. Gemessen an dem oft eher rudimentären Niveau, auf dem viele Chinesen Englisch sprechen, könnte es an dieser Stelle durch eine entsprechend beeinflusste Selbsteinschät‐ zung der Befragten dazu geführt haben, nahezu muttersprachliche Kenntnisse in der englischen Sprache anzugeben (dies gilt aber vermutlich nicht bei regelmäßigem beruflichen Kontakt mit ChinesInnen, die in der anglophonen Welt ausgebildet worden und starke L2-SprecherInnen des Englischen sind). In der Praxis dürften die Englischkenntnisse der Deutschsprachigen sich eher auf einem passablen professionellen lingua franca-Niveau (Globalese) bewegen denn etwa auf einem C2-Niveau gemäß dem Europäischen Referenzrahmen für Fremdsprachen. Ergänzend kann noch angefügt werden, dass Englisch häufig die Sprache gemischter Ehen von deutschsprachigen Expatriates mit PartnerInnen aus verschiedenen anderen Ländern ist, dafür gibt es zahlreiche Beispiele in der Community, in der meine Familie und ich uns zwischen 2014-2017 bewegen durften. In der globalisierten Welt gibt es für die befragten Expatriates trotz des zu Grunde gelegten Konzeptes der virtuellen Sprachinsel 106 7. Empirischer Teil: Resultate der Untersuchung <?page no="107"?> WeChat selbstverständlich Sprachkontakt mit dem Englischen und weiteren Sprachen. Den gemeinsamen Nenner für die virtuelle Community bildet die L1 Deutsch. Zeitliche Dimension des China-Aufenthaltes Im nächsten Schritt wurde erhoben, seit wann die Befragten in China ansässig sind bzw. waren. Dabei ergibt sich die folgende Verteilung: vor 2015 2015 2016 2017 2018 2019 2 Grafik 3: Jahr des Zuzugs der Befragten nach China Es zeigt sich, dass sich mit insgesamt 136 Personen die größte Gruppe der InformantInnen (gut 65 %) bereits seit vor 2015 mehr oder weniger dauerhaft in der VR China befindet bzw. befand. Dies lässt sich im Kontext der vorliegenden Studie mithin so deuten, dass diese seit längerer Zeit mit dem Leben deutsch‐ sprachiger Expatriates in China Vertrauten am ehesten ihre eigene Verwendung des omnipräsenten Messengers WeChat transparent machen möchten sowie durch die Verbreitungskanäle der Umfrage gleichzeitig in größerer Anzahl erreicht wurden. Im Jahr 2015 kamen 22 Befragte (gut 10 %) nach China, mit 21 Befragten 2016 lässt sich hier ein nahezu identisches Niveau konstatieren. Von den 2017 nach China Gekommenen beteiligten sich sieben Personen (gut 3 %) an der Erhebung, von denjenigen, die 2018 kamen, waren es 18 Personen (knapp 107 7.1. Metadaten <?page no="108"?> 9 %), sowie zwei Befragte, die erst 2019 nach China kamen. Zwei Personen machten zum Jahr des Zuzugs nach China keinerlei Angaben. Geographische Verteilung Im nächsten Schritt waren die Befragten gebeten, ihren Lebensmittelpunkt in China anzugeben. Die geographisch-quantitative Verteilung ist mittels der nachfolgenden Grafik visualisiert (Mehrfachnennungen waren möglich, da Expatriates in China häufiger ihre Standorte wechseln): Grafik 4 Beijing: 27 Shanghai: 142 Shenzhen: 3 Guangzhou: 6 Changchun: 5 Qingdao: 10 Hongkong: 5 Ningbo: 3 Suzhou: 3 Harbin: 3 Grafik 4: Geographische Verteilung der befragten WeChat-NutzerInnen Bei der Auswertung zeigt sich, dass mit Abstand der größte Anteil der Befragten in Shanghai angesiedelt ist, nämlich 142 der insgesamt 208 Personen. Dies ergibt eine Quote von gut 68 %. Hierzu muss angemerkt werden, dass ich mich zur Distribution des Umfragelinks auf meine während meines China-Aufenthaltes zwischen 2014 und 2017 etablierten Netzwerke verlassen konnte, die aufgrund meines Standortes Shanghai entsprechend einen Fokus in diese Richtung gesetzt haben dürften. Insgesamt ist es aber dennoch nicht ungewöhnlich, dass aus dem Großraum Shanghai (hierzu können noch die oben separat genannten Suzhou und Ningbo gezählt werden, ebenso die nicht mehr in Grafik 4 inklu‐ 108 7. Empirischer Teil: Resultate der Untersuchung <?page no="109"?> dierten Orte Taicang mit zwei sowie Wuxi mit einer Nennung) die meisten TeilnehmerInnen an der Erhebung kommen, da dort die deutsche Wirtschaft mit ihrem Engagement seit der Etablierung der Shanghaier Freihandelszone (Free Trade Zone) während der Regierungszeit von Deng Xiaoping in den 1990er Jahren besonders ausgeprägt präsent ist (vgl. Hernigs ,Stadt der Deutschen‘; Hernig 2016: 189-192). Die Hauptstadt Peking ist der zweitgrößte Ort, von dem Befragte aus agieren. Dies ist entsprechend nicht weiter überraschend, wobei aufgrund der oben thematisierten Netzwerke und ihrer Rolle bei der Verteilung der Informationen zur Erhebung ggf. ein leichtes Missverhältnis entstanden sein könnte. Für die Betrachtung der Nutzung von WeChat wäre es bei der nachfolgenden Betrachtung der kleineren relevanten Expat-Orte erheblich, darauf hinzuweisen, dass dort automatisch mehr Kommunikation mit Nicht-Deutschsprachigen erfolgt, da schlicht weniger Expatriates dort leben. Mit Qingdao (der früheren deutschen Kolonie Tsingtau; vgl. Kap. 2 oben) folgt ein ,deutschland-affiner‘ Standort, danach zusammen betrachtet die Wirt‐ schaftsstandorte im südchinesischen Perlflussdelta mit Hongkong, Guangzhou und dem Technologiezentrum Shenzhen und abschließend die Industrieregion im Nordosten Chinas mit Changchun (u. a. Volkswagen-Werk) und Harbin (erste Musterstadt der deutschen Energieagentur DENA). Es wurden weiter noch Xi’an (2), Guilin, Dalian und Changsha (jeweils 1) genannt. Insgesamt kann man daher sagen, dass der industrialisierte Osten Chinas somit den geographischen Fokus der für uns relevanten Expatriate-Ansiedlungen ausmacht. Dieser Befund ließe sich aber potenziell etwas verallgemeinern, da die Teilung Chinas in den industrialisierten und weiter entwickelten Osten und den entsprechend weniger erschlossenen Westen häufiger in der Literatur beschrieben worden ist (vgl. etwa Bohnet 2002). Beruflicher Status der Befragten Mit Blick auf den beruflichen Status der Befragten ergeben sich in der Erhebung folgende Resultate: 109 7.1. Metadaten <?page no="110"?> Grafik 5 0 20 40 60 80 100 120 140 Angestellter Selbstständig SchülerIn Deutsche Schulen StudentIn Begleitperson Sonstiger Status 5 Grafik 5: Beruflicher Status der InformantInnen Es wird aus der Grafik 5 ersichtlich, dass Angestelltenverhältnisse unter den befragten WeChat-NutzerInnen dominieren. Insgesamt gaben diesen Status 132 der 208 Befragten an (gut 63 %). Selbständig tätig sind 18 Befragte, 5 sind/ waren SchülerInnen der Deutschen Schule in China, 13 studier(t)en an chinesischen Universitäten, und 22 Befragte gaben an, als Begleitpersonen mit in China zu sein. Die Antwortalternative ,Sonstiger Status‘ wählten 18 Befragte. Zusammenfassung der Metadatenauswertung - Prototypisches InformantInnenprofil Wenn man versucht, aus den oben ausgewerteten Metadaten ein prototypisches InformantInnenprofil abzuleiten, so kommt man zu folgendem Resultat: Die durchschnittliche Person, die an der Erhebung teilgenommen hat, ist • männlich, • mittleren Alters, • deutscher Muttersprachler, • spricht keine weitere Sprache auf L1-Niveau, • seit vor 2015 in China, • wohnhaft in Shanghai sowie • Angestellter. Ab dem folgenden Unterkapitel widmen wir uns dem Gebrauch von WeChat durch die Befragten. 110 7. Empirischer Teil: Resultate der Untersuchung <?page no="111"?> 7.2 Kontakt mit WeChat und anderen Messengern 7.2.1. Bekanntheit von WeChat vor Einreise nach China Zunächst wurde danach gefragt, ob der Messenger WeChat den InformantInnen vor Ankunft in China bekannt gewesen sei. Dies war für den überwiegenden Teil nicht der Fall, wie Grafik 6 zeigt: Grafik 6 6 ja nein 0 20 40 60 80 100 120 140 160 180 200 36 172 Grafik 6: Kannten Sie WeChat, bevor Sie nach China kamen? Insofern mussten 172 der 208 Befragten (knapp 83 %) WeChat erst kennenlernen und sich die Benutzung der Applikation allmählich aneignen. 7.2.2. Erstkontakt mit WeChat Die InformantInnen wurden im nächsten Schritt gefragt, wie sie letztlich auf WeChat aufmerksam (gemacht) wurden. Die Antworten verteilen sich wie folgt (Mehrfachnennungen waren möglich): 111 7.2 Kontakt mit WeChat und anderen Messengern <?page no="112"?> Grafik 7 7 0 20 40 60 80 100 120 140 160 180 200 Freunde/ Bekannte KollegInnen Internet Presse/ Radio/ TV Andere Grafik 7: Wie wurden Sie auf WeChat aufmerksam? In erster Linie machten Freunde bzw. Bekannte die Befragten auf die Existenz und womöglich den Nutzen von WeChat aufmerksam, dies geben insgesamt 176 der 208 Personen an (knapp 85 % der InformantInnen). Bei 81 Personen (knapp 39 %) wiesen teils KollegInnen auf WeChat hin. Internet (8) bzw. Presse/ Radio/ TV (6) waren in diesem Zusammenhang selten genutzte Quellen der InformantInnen. 13 Befragte gaben über die Freitexteingabe an, über andere Wege/ Personen von der Existenz der Applikation erfahren zu haben: • Familie, Ehefrau (2x), Ehemann • WhatsApp hat fast keiner • Gruppenzwang, wie Facebook und WhatsApp • Chinesische Freunde • Von China Business Reisen • Meine Agentur hat es mir empfohlen, da ich als Au-Pair ansonsten keine Kommunikation mit den chinesischen Agenturen habe • China Seminar, „Integrationsseminar“, Arbeitgeber Aus diesen genannten anderen Quellen, die sie zur Nutzung von WeChat brachten, können mit der Familie einerseits bzw. Seminaren andererseits noch zwei potenziell wesentliche und für noch mehr Expatriates relevante Orte der Information über die Applikation isoliert werden. Dass man sich innerhalb von Familien (so man denn mit Familie in China ist) gegenseitig informiert, liegt nahe. Bei Seminaren zur Vorbereitung auf einen (längeren) Aufenthalt in China steht zu erwarten, dass WeChat aufgrund seiner gesellschaftlichen Relevanz an prominenter Stelle eines jeden Seminars genannt werden müsste. 112 7. Empirischer Teil: Resultate der Untersuchung <?page no="113"?> 7.2.3. Nutzung anderer Messaging-Dienste Selbst wenn WeChat eine exponierte Stellung unter den in China verwendeten Messaging-Diensten einnimmt, so sind die TeilnehmerInnen der hier ausgewer‐ teten Erhebung in der Regel primär anders sozialisiert, was die Nutzung von Messengern anbetrifft. Dies wird bei der Beantwortung der Frage nach deren Nutzung deutlich, wie die nachfolgende Grafik 8 veranschaulicht: 8 ja (180) nein (28) Grafik 8: Nutzen Sie noch andere Messaging-Dienste außer WeChat? Der mit knapp 87 Prozent überwiegende Teil der Befragten (180 von 208) setzt auf eine Nutzung unterschiedlicher Messenger parallel zu WeChat. Dennoch ist der Anteil derjenigen InformantInnen, die ausschließlich mittels WeChat kommunizieren, mit 28 der 208 Befragten (gut 13 %) m. E. relativ hoch einzu‐ schätzen; in Kap 7.1., Grafik 2 oben hatten 21 Befragte angegeben, Chinesisch auf L1-Niveau zu sprechen. Hier sind große Überschneidungen dieser beiden Gruppen wahrscheinlich. Weiter könnte eine Erklärung darin liegen, dass WhatsApp seit Herbst 2017 in China blockiert wird und ggf. Expatriates, die nach diesem Zeitpunkt in China angekommen sind, gerne alle ihre Kommunikation über eine einzige Applikation abwickeln möchten. 113 7.2 Kontakt mit WeChat und anderen Messengern <?page no="114"?> Zurück zur parallelen Verwendung verschiedener Messenger, die im Fol‐ genden näher betrachtet wird. Hierzu sind die Angaben in der nachstehenden Grafik 9 festgehalten (Mehrfachnennungen waren möglich): Grafik 9 9 0 20 40 60 80 100 120 140 160 180 WhatsApp Facebook Messenger Telegram Viber Andere Grafik 9: Welche anderen Messagingdienste nutzen Sie parallel zu WeChat? Bei der Auswertung kann man die in der Expatriate-Sphäre wie der übrigen (westlichen) Welt exponierte Stellung von WhatsApp deutlich herauslesen. Insgesamt gaben 172 Befragte an (knapp 83 %), WhatsApp zu benutzen. Der Facebook Messenger wurde mit 62 NutzerInnen (ca. 29,8%) am zweithäufigsten genannt, gefolgt von anderen Messengern (siehe nächster Absatz) mit 26 Nennungen, Telegram mit 14 UserInnen sowie Viber mit sieben Nennungen. Bei den anderen genutzten Messengern außer den in der Erhebung vorgegebenen (Facebook Messenger, Telegram, Viber) wurden über die Freitexteingabe folgende Applikationen/ Software/ Medien ergänzend genannt: • Threema, QQ, Signal: je 4 • iMessage: 3 • Skype, LinkedIn, KaKaoTalk: je 2 • Discord, Slack, Xing, Instagram, Line, Jabber, SMS: je 1 Hierbei zeigt sich keine der ein breites Spektrum abdeckenden genannten Anwendungen als von der Häufigkeit her signifikant. 7.3 Häufigkeit der WeChat-Nutzung Im vorliegenden Abschnitt wurden die Befragten um ihre Einschätzung gebeten, wie häufig sie WeChat allgemein, beruflich und privat nutzen (7.1.1.-7.3.3.). In 114 7. Empirischer Teil: Resultate der Untersuchung <?page no="115"?> dieser Reihenfolge werden die Resultate nachfolgend betrachtet. Die zur Aus‐ wahl stehenden Antwortmöglichkeiten waren jeweils ,nie‘, ,selten‘, ,gelegent‐ lich‘, ,häufig‘ sowie ,sehr häufig‘. Für die gesamte durchgeführte Untersuchung gilt, dass die InformantInnen selber einschätzen konnten, wie sie die jeweiligen Antwortalternativen verstehen. Nach konkreten Zahlenangaben oder -berei‐ chen wurde mit Blick auf das Auswertungsverfahren, das ansonsten anders und im Vergleich aufwändiger gestaltet hätte werden müssen, nicht gefragt. Es wurde vielmehr auf relative Antwortalternativen gesetzt, um zu vermeiden, dass der ohnehin ausführlich angelegte Fragebogen nicht aufgrund zu vieler Zahlenangaben nicht komplett beantwortet wird. Außerdem wäre bei absoluten erfragten Zahlen eine höhere Streuung durch fehlerhafte Angaben wahrschein‐ lich; besser wäre in einem solchen Fall die Auswertung von gespendeten Chat- und Nutzungsdaten gewesen. Da aber solche bisher nicht in geeigneter Form vorliegen, wurde die Umfrage so wie hier vorgestellt durchgeführt. 7.3.1. Allgemeine Nutzung von WeChat Zur allgemeinen Nutzungshäufigkeit von WeChat machen die in der Erhebung Befragten Angaben, die in die nachstehende Grafik münden: Grafik 10 0 20 40 60 80 100 120 140 nie selten gelegentlich häufig sehr häufig 10 Grafik 10: Allgemeine Nutzungshäufigkeit von WeChat Aus Grafik 10 lässt sich ableiten, dass von einer allgemein sehr häufigen Nutzung von WeChat durch die Befragten auszugehen ist. 125 von ihnen gaben an, die Applikation sehr häufig zu nutzen, 48 Befragte gaben eine häufige Verwendung an. Damit nutzen gut 83 % der Befragten die Applikation mindestens häufig. Für 173 Befragte ist WeChat somit Teil ihres Expat-Alltags in China, und eine frequente Verwendung für sie selbstverständlich. 24 Befragte 115 7.3 Häufigkeit der WeChat-Nutzung <?page no="116"?> (knapp 12 %) verwenden WeChat gelegentlich, nur acht Personen (knapp 4 %) verwenden die App selten, drei Befragte (knapp 1,5%) gaben an, nie auf WeChat zurückzugreifen. 7.3.2. Berufliche Nutzung von WeChat Blickt man auf die berufliche Nutzung von WeChat durch die deutschsprachigen Expatriates in China, so ergibt sich folgendes Bild: Grafik 11 11 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 nie selten gelegentlich häufig sehr häufig Grafik 11: Berufliche Nutzungshäufigkeit von WeChat 83 Befragte von 208 (knapp 40 %) geben an, WeChat beruflich sehr häufig zu nutzen, 38 Personen (gut 18 %) benutzen die Applikation im Beruf häufig. 37 Befragte (knapp 18 %) nutzen WeChat gelegentlich beruflich, 24 (knapp 12 %) selten und 26 (12,5%) nie. Insgesamt geht hier die Tendenz zu einer sehr häufigen bzw. häufigen Nutzung, wobei signifikante Anteile der Befragten (jeweils mehr als zehn Prozent der 208 InformantInnen) mit ,gelegentlich‘, ,selten‘ oder ,nie‘ antworten. Dies mag damit zu tun haben, dass manche der Befragten (z. B. wegen Begleitung der EhepartnerInnen, oder weil sie noch zur Schule gehen, studieren oder sonstigen Tätigkeiten nachgehen) nicht berufstätig sind und deswegen mit ,nie‘ antworten. Über 20 Befragte (vgl. Grafik 5 oben, Kap. 7.1.) geben an, als Begleitung mit in China zu sein. Die hier erhobenen Zahlen sind dahingehend relevant, dass der Einsatz von WeChat in beruflichen Situationen für mehr als die Hälfte der Befragten eine digitale Routine darstellt. 116 7. Empirischer Teil: Resultate der Untersuchung <?page no="117"?> 7.3.3. Private Nutzung von WeChat Zum Abschluss der Auswertung der Häufigkeit der WeChat-Nutzung kommt die private Dimension in den Blick. Die Frage nach privater Verwendung der Applikation wird wie folgt beantwortet: Grafik 12 12 0 20 40 60 80 100 120 140 160 nie selten gelegentlich häufig sehr häufig Grafik 12: Private Nutzungshäufigkeit von WeChat Es zeigt sich hier, dass der weit überwiegende Teil der Expatriates angibt, WeChat sehr häufig (136 Nennungen; gut 65 %) oder häufig (45 Nennungen; knapp 22 %) privat zu nutzen. Insgesamt macht dies 181 der Befragten (87 %) aus. Eine gelegentliche private Nutzung geben 15 Befragte an, eine seltene private Nutzung neun Befragte. Drei Befragte geben an, WeChat nie privat zu benutzen. Dies dokumentiert die Relevanz von WeChat auch zur Gestaltung des privaten kommunikativen Alltags. An dieser Stelle hätten die deutschspra‐ chigen Expatriates eigentlich die Wahl, auf andere Apps auszuweichen, anders als vielleicht im Berufsleben, in dem WeChat von den chinesischen KollegInnen benutzt und es von den deutschsprachigen MitarbeiterInnen erwartet wird, es auch anzuwenden (oder die Verwendung der App quasi vorgeschrieben ist). Sie bleiben aber trotzdem bei WeChat, obwohl zahlreiche Alternativen zur privaten Kommunikation zur Verfügung stehen. Die Applikation fassen wir - wie eingangs gesagt - als virtuelle Sprachinsel auf. Die hier vorliegenden Resultate zur privaten Nutzung stützen diese These. Sie legen nahe, dass WeChat der zentrale virtuelle Ort ist, wo sich die deutschsprachige Community in China trifft und austauscht. Die App funktioniert ohne technische Einschränkungen wie die sog. Golden Firewall, viele Features (vgl. unten) machen das Expat-Leben potenziell leichter. Alle Kontakte im Gastland China sind auch auf WeChat zu finden. Die Vorteile bei der privaten Nutzung überwiegen nach unseren Ergebnissen. 117 7.3 Häufigkeit der WeChat-Nutzung <?page no="118"?> 7.4. Zusammenfassung der Abschnitte 7.1.-7.3. Zusammenfassend lässt sich für die bis hierhin ausgewerteten Umfragebereiche festhalten, dass die Applikation WeChat bei den befragten Expatriates vor ihrer Ankunft in China mehrheitlich unbekannt war. Vor allem Freunde und Bekannte bringen die Expats dann sukzessive in Kontakt mit der App, dies wird aber auch von KollegInnen besorgt. Von den parallel genutzten Messagingdiensten sind vor allem zwei signifikant häufig genannt, nämlich WhatsApp und der Facebook Messenger. Bei der Frage der allgemeinen Nutzung von WeChat wurde zumeist angegeben, dass die Applikation sehr häufig oder häufig benutzt wird. Beruflich hingegen ist die Nutzung vergleichsweise abgeschwächt; jeweils über zehn Prozent der Befragten gaben an, WeChat in diesem Kontext nie oder nur selten zu verwenden. Dennoch ist für gut die Hälfte der InformantInnen WeChat auch im Beruf eine alltäglich verwendete Applikation. Bei der privaten Nutzung zeigt sich eine zugunsten der häufigen/ sehr häufigen Verwendung verschobene Verteilung: Insgesamt nutzen also gut 180 der 208 InformantInnen die Applikation mindestens häufig (knapp 87 %). Insofern ist die Applikation im Alltag der deutschsprachigen Expatriates in China sehr präsent, hauptsächlich privat, jedoch auch allgemein und vergleichsweise leicht nachrangig selbst beruflich. 7.5. Nutzung der Features von WeChat Im vorliegenden Abschnitt wird anhand der Angaben der Befragten ausge‐ wertet, welche der Features von WeChat wie häufig benutzt werden. Die in der Erhebung zur Verfügung gestellten wählbaren Antwortalternativen sind die selben wie in den vorherigen Abschnitten, d. h. ,nie‘, ,selten‘, ,gele‐ gentlich‘, ,häufig‘ und ,sehr häufig‘ (vgl. auch die Bemerkungen zu Beginn von Kap. 7.3.). Die Reihenfolge der Auswertungen folgt derjenigen in der Online-Umfrage. 7.5.1. Chats Zunächst wurde untersucht, wie häufig die Befragten das Chat-Feature inner‐ halb von WeChat verwenden. Dabei ergeben sich die folgenden Resultate: 118 7. Empirischer Teil: Resultate der Untersuchung <?page no="119"?> Grafik 13 13 0 20 40 60 80 100 120 140 160 nie selten gelegentlich häufig sehr häufig Grafik 13: Nutzung des Chat-Features von WeChat Es zeigt sich, dass der Chat ein zentrales Feature innerhalb der Nutzung von WeChat durch die deutschsprachigen Expatriates ist. 135 von ihnen (knapp 65 %) geben an, Chats sehr häufig zu nutzen, häufig nutzen 53 Befragte (gut 25 %) das Chatfeature. Ca. 90 % der Befragten nutzen somit Chats mindestens häufig. Nur vergleichsweise wenige NutzerInnen benutzen Chats nur gelegentlich (11), selten (7) oder nie (2). Die Ergebnisse bestätigen die allgemeine Popularität von chatbasierten bzw. -fokussierten Messaging-Applikationen. WeChat bildet hier keine Ausnahme. Die Ähnlichkeit der hier ermittelten Ergebnisse mit der Grafik 12 (7.3.3.) zur privaten Nutzung von WeChat sind augenfällig (fast 90 % der NutzerInnen nutzen es häufig bis sehr häufig privat). Insofern lässt sich hier die interpretatorische Parallele von Chat-Nutzung gleich quasi privater Nutzung bzw. umgekehrt privater Nutzung von WeChat gleich Nutzung des Chat-Fea‐ tures sehen. Die private Nutzung wurde oben als mit zentraler Anwendungsbe‐ reich für die Verwendung der Applikation als virtuelle Sprachinsel genannt. Somit kommt den hier diskutierten Resultaten zur häufigen, parallel angelegten Verwendung des Chatfeatures besonderes Gewicht zu. Der Austausch mittels Chats ist für die deutschsprachigen Expatriates in ihrer Community zentral. 7.5.2. Gruppenchats Analysiert man den Gebrauch von Gruppenchats innerhalb von WeChat durch die deutschsprachigen NutzerInnen, so stellt sich eine etwas andere Verteilung dar als für die Chats: 119 7.5. Nutzung der Features von WeChat <?page no="120"?> Grafik 14 14 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 nie selten gelegentlich häufig sehr häufig Grafik 14: Nutzung des Gruppenchat-Features von WeChat Es sind zumeist sehr häufige (86; knapp 42 % der Befragten) oder häufige (69; gut 33 %) Verwendungen von Gruppenchats genannt (155 Befragte oder knapp 75 %). Damit gibt es im Vergleich zu Chats deutlich weniger sehr häufige NutzerInnen dieses Features. Die Tendenz zur mindestens häufigen Nutzung von Gruppenchats ist insgesamt jedoch ähnlich ausgeprägt wie für die Chats. 30 Befragte (gut 14 %) geben an, Gruppenchats gelegentlich zu verwenden, während 14 Nennungen einer seltenen Verwendung vorliegen (knapp 7 %). Lediglich neun Befragte (entspricht gut 4 %) geben an, nie Gruppenchats innerhalb von WeChat zu nutzen. Insgesamt kann dennoch festgehalten werden, dass Gruppenchats unter den deutschsprachigen Expatriates zu den populären WeChat-Features gehören. Zwar werden sie gegenüber den Chats (vgl. vorher‐ gehender Abschnitt) etwas weniger häufig verwendet, ihnen kommt jedoch mit Blick auf das Konzept der virtuellen Sprachinsel, als die wir WeChat hier verstehen, ebenfalls eine große Relevanz zu. Durch Gruppenchats finden soziale Gruppen zu den verschiedensten Themen, problemlos über die Applikation organisiert, kommunikativ zusammen. Niemand muss in der potenziell als fremdartig wahrgenommenen neuen Heimat China allein oder gar isoliert bleiben. Soziale Gruppen-Kontakte sind nur einen Klick entfernt. Gleichsam müssen diesen Gruppenchats nicht ausschließlich Personen aus der virtuellen Sprachinsel-Community angehören; somit entsteht Interaktion bzw. eine Öff‐ nung in Richtung von Personen von außerhalb. Interessant wären in diesem Zusammenhang auch quantitative Studien zur Verwendung von Gruppenchats v. a. in WhatsApp, um adäquat vergleichen zu können. Noch gibt es diese nicht, aber einschlägige Forschungen nähern sich solchen Fragestellungen bereits: König (2015) arbeitet u. a. zur Sequenzierung 120 7. Empirischer Teil: Resultate der Untersuchung <?page no="121"?> in der WhatsApp-Gruppenkommunikation, Hector (2017: 20) wirft in seinem Papier zu Sprachnachrichten auf WhatsApp relevante Fragen dazu auf. 7.5.3. Momente 7.5.3.1. Momente (verfassen) Die Verwendung der Features zu den auf Deutsch so genannten ,Momenten‘ (ähnlich der Timeline bei Facebook) stehen nun im Fokus. Zunächst blicken wir hierbei auf das Feature des Postens innerhalb des Bereichs Momente (,verfassen‘). Dazu machen die Befragten die folgenden Angaben: Grafik 15 15 0 10 20 30 40 50 60 70 80 nie selten gelegentlich häufig sehr häufig Grafik 15: Nutzung des Momente (verfassen)-Features von WeChat Aufgrund der Verteilung der Antworten betrachten wir hier die Häufigkeit nicht wie bisher absteigend, sondern analysieren aufsteigend. 67 Befragte (gut 32 %) geben an, das Momente (verfassen)-Feature nie zu nutzen. 55 von ihnen (gut 26 %) nutzen es selten, 57 gelegentlich (gut 27 %). Da alle Kontakte auf WeChat die eigenen Momente-Postings sehen können, zögert man vielleicht, auch eher oberflächlichen beruflichen Kontakten seine privaten Aktivitäten mitzuteilen (die Rezeption der ,Momente‘ Anderer ist aber potenziell interes‐ sant; vgl. folgender Abschnitt). Nur eine relativ kleine Gruppe von NutzerInnen gehört zu denjenigen, die ihre Aktivitäten über diesen Kanal aktiv kundtun: 16 Befragte (knapp 8 %) geben an, häufig Momente auf WeChat zu verfassen, 13 nennen eine sehr häufige Aktivität in diesem Bereich (gut 6 %). Insgesamt nutzen somit 29 Befragte (knapp 14 %) dieses Feature mindestens häufig. Hieraus lässt sich ableiten, dass nur wenige der befragten Expatriates die WeChat-Mo‐ mente als geeignete Plattform für eine (ggf. hohe) Social-Media-Aktivität bzw. 121 7.5. Nutzung der Features von WeChat <?page no="122"?> -Sichtbarkeit auffassen. Das Verfassen von ,Momenten‘ ist potenziell eine aktive Kommunikation mit allen Kontakten, mit denen man über WeChat vernetzt ist (tendenziell also die virtuelle Sprachinselcommunity ergänzt um berufliche Kontakte). Darüber hinausgehend (also mit Blick auf die Heimatländer bzw. eine globale unbeschränkte Sichtbarkeit) müssten eher andere Plattformen (Facebook etc.) genutzt werden. Es spielt im Zusammenhang des ,Momente‘-Verfassens keine Rolle, ob die Kommunikation privat oder beruflich ist, da man innerhalb der Applikation nicht verschiedene RezipientInnengruppen selektieren kann, an die ausge‐ wählte Postings jeweils versendet werden (ähnlich wie etwa bei Facebook). Entsprechend wurde hier auch nicht danach gefragt, in welchen/ für welche Kontexte(n) die ,Momente‘ verfasst werden. Dieses Feature erlaubt leicht die Ausdehnung der kommunikativen Sphäre auch über die eigentliche virtuelle Sprachinsel hinaus, d. h. die Sphäre reicht zumeist auch in Bereiche chinesischer RezipientInnen hinein. Dies mag erklären, warum dieses Feature vergleichs‐ weise weniger angenommen wird. Für geeignetes Zirkulieren community-rele‐ vanter Informationen reichen u. U. schon Chats und/ oder Gruppenchats aus. 7.5.3.2. Momente (lesen) Wir schreiten im Bereich der ,Momente‘ von der Produktion (Verfassen) zur Re‐ zeption (Lesen) fort. Die Befragten unserer Erhebung machen zu ihrer Aktivität beim Lesen von ,Momenten‘, d. h. Postings Anderer, die folgenden Angaben: Grafik 16 16 0 10 20 30 40 50 60 70 nie selten gelegentlich häufig sehr häufig Grafik 16: Nutzung des Momente (lesen)-Features von WeChat Die meisten Befragten (65 Personen, gut 31 %) geben an, gelegentlich die Momente anderer UserInnen zu lesen. Danach folgt eine häufige Rezeption (49 Nennungen; knapp 24 %), darauf die sehr häufige (37 Nennungen); damit lesen 122 7. Empirischer Teil: Resultate der Untersuchung <?page no="123"?> 78 Personen (über ein Drittel der Befragten) mindestens die Momente Anderer. Es schließt sich ein seltenes Momente-Lesen (34 Personen; gut 16 %) an. 23 Befragte (ca. 11 % der Befragten) geben an, sich nie die Momente-Postings an‐ derer WeChat-NutzerInnen anzuschauen. Dass vergleichsweise wenige eigene Momente verfasst werden, heißt somit offenkundig nicht, dass die rezeptive Wahrnehmung der Momente-Aktivitäten der eigenen Kontakte die Befragten unserer Studie nicht interessieren. Aus der RezipientInnensicht betrachtet ist daher nach unseren Daten die ,Bühne‘ der Momente innerhalb der von uns so verstandenen virtuellen Sprachinsel WeChat an sich ein relevanter Ort, um digital wahrgenommen zu werden. Warum gehen die Zahlen aber tendenziell hin zu einem gelegentlichen Wahrnehmen dieser Kommunikate? Je mehr Kon‐ takte man selbst auf WeChat hat, desto mehr unterschiedliche Momente rezipiert man potenziell. Die Grenzen verschwimmen zwischen öffentlicher und privater Kommunikation, bis hin zu privaten Postings der chinesischen KollegInnen (diese Inhalte sind möglicherweise außerhalb der beruflichen Sphäre völlig uninteressant), oder Bildern von Mahlzeiten, deren Foodporn-Charakter keinen sonstigen Informationsgehalt aufweist. Dies könnte einerseits zu viel Zeit kosten, andererseits ist es potenziell auch mühsam, alle Inhalte wahrzunehmen, v. a. wenn sie mehrheitlich auf Chinesisch verfasst sind (trotz der Option der Übersetzungsfunktion; vgl. Kap. 7.9.). Die hier ermittelten Zahlen scheinen nahe zu legen, dass andere Kanäle (wohl v. a. Facebook) genutzt werden, um über die Social-Media-Aktivitäten der eigenen Kontakte auf dem Laufenden zu bleiben. Durch die potenziell häufige Konfrontation mit chinesischsprachigen Inhalten kann im Zusammenhang mit dem Konzept der virtuellen Sprachinsel WeChat festgehalten werden, dass die rezeptive Wahrnehmung der ,Momente‘ ein eher nachrangiges Feature für die deutschsprachige Expatriate-Community darstellt. 7.5.3.3. Momente (liken/ kommentieren) Neben dem Lesen der WeChat-Momente anderer UserInnen gibt es innerhalb dieses Bereichs analog wie bei vergleichbaren Messaging-Applikationen die Möglichkeit, Postings zu liken bzw. zu kommentieren. Hier wurde innerhalb unserer Erhebung nach dem Nutzerverhalten gefragt. Die Resultate sind wie folgt dargestellt: 123 7.5. Nutzung der Features von WeChat <?page no="124"?> Grafik 17 17 0 10 20 30 40 50 60 nie selten gelegentlich häufig sehr häufig Grafik 17: Aktivität durch Liken und Kommentieren von Momenten in WeChat Liken bzw. Kommentieren sind Aktivitäten, die eine kommunikative Rückkopp‐ lung bieten. Es wird auf einzelne Kommunikate reagiert. Insofern liegt an dieser Stelle eine aktive Kommunikation mit bestimmten Kontakten vor, die in der Sphäre der Momente für gemeinsame Kontakte der KommunikantInnen sichtbar ist. 51 UserInnen (knapp 25 %) liken oder kommentieren die Momente anderer Personen in WeChat nie. Eine etwas größere Gruppe, nämlich 57 Befragte (gut 27 %), tut dies nach eigenen Angaben nur selten. 54 Befragte (knapp 26 %) liken oder kommentieren WeChat-Momente gelegentlich. Auch hier gibt es eine aktive Gruppe von UserInnen (zusammen machen sie mit 46 Personen nicht ganz ein Viertel der Befragten aus): 32 Befragte geben an, häufig zu liken oder zu kommentieren, 14 Befragte tun dies sogar sehr häufig. Hier ergibt sich ein relevanter Vergleich zum Lesen (vgl. vorhergehender Abschnitt, 7.5.3.2.): Während über ein Drittel der UserInnen häufig bis sehr häufig die ,Momente‘ Anderer liest, kommentieren gut 20 % der Befragten diese Momente aktiv. Der Unterschied hierbei liegt darin, dass ein gut 50 Prozent der InformantInnen sich nie oder höchstens selten durch Liken oder Kommentieren beteiligen, während in Relation häufiger die Momente Anderer gelesen werden. Es kann angenommen werden, dass an dieser Stelle die Möglichkeit gesehen wird, sich im Rahmen des Netzwerkes der eigenen Kontakte innerhalb der virtuellen Sprachinsel-Community besonders sichtbar zu machen. Es könnte hierbei eine Rolle spielen, dass diejenigen, die WeChat nur im beruflichen Kontext nutzen, sich auf Postings Informationen über oder Werbung für ihre Firmen beschränken und ansonsten in Hinsicht auf das Liken oder Kommentieren bewusst passiv bleiben. 124 7. Empirischer Teil: Resultate der Untersuchung <?page no="125"?> 7.5.3.4. Zusammenfassung: Momente Blickt man zusammenfassend auf produktive und rezeptive Momente-Aktivität der deutschsprachigen Expatriates in China, die WeChat nutzen, so lässt sich folgendes festhalten: Generell sind die Momente-Features weit weniger populär als die zuvor untersuchten Chats und Gruppenchats. Im Schnitt geben knapp 50 UserInnen (knapp 25 % der Befragten) an, in diesem Featurebereich der WeChat-Applikation niemals aktiv zu sein. Es kann eine ausgeprägtere Aktivität im Bereich der Rezeption (v. a. Lesen, weniger beim Liken/ Kommentieren) festgestellt werden als im Bereich des Verfassens von Momenten. Dies könnte daran liegen, dass das Bedürfnis des Sich-Mitteilens in den sozialen Medien den aus Europa oder anderen Teilen der Welt mitgebrachten kommunikativen Ge‐ wohnheiten folgend bereits über andere Applikationen und Kanäle gestillt wird. Andererseits könnten sich diejenigen Expatriates, die sich gegen eine aktive Produktion von Momenten entscheiden, angesichts ihrer vielleicht heterogen zusammengesetzten potenziellen RezipientInnen (Kontakte aus China vs. dem deutschsprachigen Umfeld; Arbeit vs. private Kontakte) eher abgehalten als ermutigt fühlen, ihre Aktivitäten zu teilen. So könnte sich eine Lehrende an einer Hochschule, deren mit ihr vernetzte Studierende ihre Postings in den ,Mo‐ menten‘ sehen könnten, angesichts der Tatsache, dass die Studierenden sonst womöglich zu viele private Informationen erhalten könnten, eher restriktiv beim Teilen verhalten (vgl. auch Kap 5., in dem die Funktionalitäten von WeChat besprochen werden). Manager könnten durch eine digitale Selbstdisziplin, in der (womöglich teure/ luxuriöse) private Aktivitäten nicht gepostet werden, dem Anstoßen bzw. Schüren von neidbedingten Konflikten mit MitarbeiterInnen aus dem Weg gehen. Eine im Vergleich kleine Gruppe lässt sich aber auch durch die o. g. Überlegungen nicht abhalten, in einem Medium wie WeChat ihre relevanten Communitys mittels Postings auf dem Laufenden zu halten. Im Bereich der ,Momente‘ ist die virtuelle Sprachinsel WeChat tendenziell offener als bei anderen Features. 7.5.4. Sprachnachrichten Der nächste untersuchte Bereich innerhalb der Nutzungserhebung zu WeChat im Gebrauch durch deutschsprachige Expatriates in China betrifft die Verwen‐ dung von Sprachnachrichten. Hierzu wurden die folgenden Resultate bezogen auf die Häufigkeit der Verwendung ermittelt: 125 7.5. Nutzung der Features von WeChat <?page no="126"?> Grafik 18 18 0 10 20 30 40 50 60 70 nie selten gelegentlich häufig sehr häufig Grafik 18: Nutzung des Sprachnachrichten-Features von WeChat Wie sich aus Grafik 18 herauslesen lässt, haben die Befragten am häufigsten angegeben, Sprachnachrichten per WeChat gelegentlich zu verschicken. Ins‐ gesamt geben dies 63 NutzerInnen an (ca. 30 %). Danach schließt sich mit den zweitmeisten Nennungen (43; gut 20 %) eine seltene Verwendung von Sprachnachrichten an. Insgesamt 73 UserInnen (ca. 35 % der InformantInnen) geben an, Sprachnachrichten häufig (38) oder sehr häufig (35) in WeChat zu nutzen - damit sind dies nur ca. ein Drittel verglichen mit Chats (Kap. 7.5.1. oben) -, während 29 Befragte (ca. 14 %) nach eigenen Angaben nie von diesem Feature Gebrauch machen. Auch wenn der Gebrauch von Sprachnachrichten im Vergleich zu z. B. Chats (über 90 % der Befragten nutzen sie mindestens häufig) somit deutlich weniger frequent ist, so kann doch festgehalten werden, dass die unter ChinesInnen sehr populären Sprachnachrichten auch in der deutschsprachigen Community Chinas akzeptiert und genutzt werden. Das Medium Sprachnachricht (zur Telefonie vgl. Kap. 7.5.6. unten) unterstützt potenziell natürlich auch die Verbundenheit der Expatriates untereinander durch das mögliche Verwenden der ihnen gemeinsamen deutschen Sprache (vgl. zur Sprache der Sprachnachrichten Kap. 7.6.3. unten) im Kontext der virtuellen Sprachinsel WeChat. 7.5.5. Fotos/ Selfies/ Videos Die Fotografie- und Videofeatures in WeChat werden hier gemeinsam be‐ trachtet. Für Selfies gibt es keine separate Funktion, die sich gesondert aufrufen lässt. Wegen der besonderen Popularität von Selfies - speziell in China, aber auch im Rest der Welt - wurden die Aktivitäten, Selfies zu machen bzw. zu versenden, mit aufgenommen. 126 7. Empirischer Teil: Resultate der Untersuchung <?page no="127"?> 7.5.5.1. Fotos machen Zunächst wird die Fotografierfunktion innerhalb von WeChat im Gebrauch durch deutschsprachige Expatriates in China analysiert. Die Befragten geben wie folgt an, diese zu benutzen: Grafik 19 19 0 10 20 30 40 50 60 70 nie selten gelegentlich häufig sehr häufig Grafik 19: Nutzung des Fotos (machen)-Features von WeChat Das Fotografieren innerhalb von WeChat ist insofern besonders, als dass hier eine sonst ohnehin im genutzten Smartphone vorhandene Funktion quasi ,ge‐ doppelt‘ vorhanden ist. Mittels der Fotografie unmittelbar innerhalb der Ap‐ plikation lassen sich Fotografien (noch) schneller in Chats oder Momente einbinden, als das über das Aufrufen über das im Telefon vorhandene Fotoalbum möglich wäre. WhatsApp besitzt ein analoges Feature. Vor diesem Hintergrund sind die Ergebnisse aus der obigen Grafik 19 einzuordnen. 59 Befragte (gut 28 %) geben an, das Fotofeature innerhalb von WeChat nie zu benutzen, 54 (ca. 26 %) nennen eine seltene Nutzung. Gelegentlich wird die Fotografie in WeChat von 47 Befragten genutzt (ca. 22,5%), 28 Personen nutzen sie häufig, 20 sehr häufig. Die Gruppe der häufigen bzw. sehr häufigen NutzerInnen (48 Personen; ca. 23 %) ist im Vergleich somit z. B. deutlich größer als etwa beim Verfassen von ,Momenten‘ (vgl. 7.5.3.1. oben, Grafik 15; 29 Personen unter den Befragten verfassen häufig oder sehr häufig ,Momente‘ auf WeChat). Dies hat ggf. mit der fehlenden Privatsphäre der für die eigenen Kontakte öffentlichen Momente zu tun, an die die Fotos (unmittelbar) versendet werden. Das Fotografieren ist in beruflichen (Gruppenfotos), gesellschaftlichen und privaten Kontexten in China wie in anderen asiatischen Ländern praktisch omnipräsent. Treffen mit wichtigen Personen und Urlaube an exotischen Orten, 127 7.5. Nutzung der Features von WeChat <?page no="128"?> 48 Vgl. Orth, Markus (2013): Ansturm der Shopping-Kaiser. DER SPIEGEL Reise, 15.03.2013. Online: https: / / www.spiegel.de/ reise/ europa/ chinesische-touristen-in-europa-a-88891 4.html [08.05.2020]. die man dokumentieren kann, gelten oft als Statussymbole. 48 Nicht nur Personen können bzw. müssen fotografiert werden, sondern auch Gegenstände und im beruflichen Kontext Dokumente. Bei Letzteren kann es um chinesische Texte gehen, die man entweder von einer anderen Applikation automatisch übersetzen lässt oder einem Kontakt mit entsprechenden Sprachkenntnissen zuschickt, um eine Zusammenfassung/ Einschätzung zum Inhalt zu erhalten. Es ist anzunehmen, dass die Fotografie-Aktivitäten über WeChat hinaus auch bei den befragten Expatriates ausgeprägter sein dürften, als die Auswertung, die sich nur auf WeChat selbst bezieht, anzeigt. Es kann angenommen werden, dass ein häufiges Fotografieren von Expatriates (auf WeChat oder z. B. einfach mit der Kamera), wenn es nicht eine explizite Nachahmung chinesischer Gewohnheiten darstellen sollte, doch zumindest aus chinesischer RezipientInnenperspektive als eine solche gelesen bzw. verstanden werden könnte. Dies gilt auch für die nachfolgend analysierte Praktik des Selfie-Machens. 7.5.5.2. Selfies machen Grafik 20 20 0 20 40 60 80 100 120 nie selten gelegentlich häufig sehr häufig Grafik 20: Selfies aufnehmen mit WeChat Es wurde bereits oben erwähnt, dass WeChat kein gesondertes Feature zum Machen von Selfies (inkl. Bearbeiten etc.) enthält. Dennoch wurden die Selfie-Aktivitäten der befragten deutschsprachigen Expatriates mit WeChat hier untersucht, da es mindestens in den großen Städten wie Shanghai, Beijing etc. ständig zum Straßenbild gehört, dass Menschen ganz verschiedenen Alters sich in Selfie-Pose, einzeln oder in Gruppen, fotografieren. Insofern scheint es 128 7. Empirischer Teil: Resultate der Untersuchung <?page no="129"?> berechtigt, zu überprüfen, inwiefern diese immer noch recht neue, aber auch schon erforschte Kulturtechnik (v. a. Reichert 2020), bei der befragten Gruppe Deutschsprachiger vielleicht auch sukzessive Akzeptanz findet. Die Erhebung ergab die folgenden Resultate: 114 Befragte (somit knapp 55 %) geben an, nie innerhalb von WeChat Selfies zu machen, 56 Befragte (knapp 27 %) tun dies nach eigenen Angaben selten. 24 Befragte machen gelegentlich WeChat-Selfies, acht Befragte tun dies häufig, sechs sehr häufig. Mit 16 Personen (knapp 8 % der Infor‐ mantInnen) ist die Gruppe der heavy users dieser Praktik vergleichsweise klein (vgl. das Verfassen der ,Momente‘, 7.5.3.1., oder das gewöhnliche Fotografieren; vorhergehender Abschnitt). Angesichts der potenziellen Neubzw. Fremdheit, die mit WeChat einerseits und dem häufigen Selfie-Machen in Asien andererseits verbunden ist, kann festgehalten werden, dass trotz der Tatsache, dass über 50 Prozent der Befragten nie solche Selfies innerhalb der Applikation (vielleicht aber darüber hinaus? ) machen, knapp die Hälfte doch auf diese Möglichkeit am ehesten selten bis potenziell häufig/ sehr häufig zurückgreift. 7.5.5.3. Fotos senden Im vorliegenden Abschnitt wird die Praxis des Versendens von Fotos (Selfies: siehe 7.5.5.4., folgender Abschnitt) innerhalb von WeChat analysiert. Dabei ist es unerheblich, ob diese Fotos innerhalb der Applikation gemacht bzw. empfangen worden sind oder aus anderen Quellen stammen. Die Befragten geben innerhalb der Erhebung zu dieser Frage Folgendes an: Grafik 21 21 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 nie selten gelegentlich häufig sehr häufig Grafik 21: Nutzung des Fotos (senden)-Features von WeChat Beim Versenden von Fotos innerhalb von WeChat zeigt sich, dass die deutsch‐ sprachigen Expatriate-UserInnen hier weit aktiver sind als beim Anfertigen von Fotos innerhalb der Applikation. Dies mag daran liegen, dass WeChat der 129 7.5. Nutzung der Features von WeChat <?page no="130"?> meistgenutzte Kommunikationskanal innerhalb der chinesischen Expatsphäre ist. Zumeist geben die Befragten an, Fotos per WeChat häufig zu versenden; insgesamt äußern sich 80 Personen (gut 38 % der Expatriates) so. Danach folgt die Angabe, gelegentlich Fotos zu versenden, und zwar von 54 UserInnen. Mit ,sehr häufig‘ antworteten 47 Befragte; dies entspricht hier einem Anteil von knapp 23 Prozent der UmfrageteilnehmerInnen. 19 InformantInnen versenden selten Fotos mit Hilfe von WeChat, acht Personen tun dies nie. Aufgrund der oben (Kap. 7.5.5.1.) diskutierten Resultate lässt sich vermuten, dass Fotos mittels WeChat zumeist eher weitergeleitet werden. Ca. 60 % der UserInnen versenden Fotos häufig bis sehr häufig; dies ist im Vergleich zur Verwendung etwa von Sprachnachrichten (ca. 35 %, vgl. Kap. 7.5.4.) ein weit größerer Prozentsatz, im Vergleich zu den von ca. 90 % der Befragten genutzten Chats jedoch deutlich weniger. Geht man davon aus, dass ca. 60 % der InformantInnen WeChat im beruflichen Kontext nutzen, so wäre aufgrund der hier ermittelten Resultate die mediale Präferenz (von häufig nach weniger häufig): Chat → Foto → Sprachnachricht. 7.5.5.4. Selfies senden Das Versenden von Selfies mittels WeChat wird hier gesondert betrachtet. Die aus der Erhebung ermittelten Resultate sind in der nachstehenden Grafik zusammengefasst: Grafik 22 22 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 nie selten gelegentlich häufig sehr häufig Grafik 22: Selfies senden mit WeChat Die in Grafik 22 dargestellte Verteilung ähnelt derjenigen in Grafik 20 oben (Kap. 7.5.5.2.) zum Anfertigen von Selfies. Dort hatten 114 Befragte (ca. 55 %) angegeben, nie Selfies aufzunehmen. Hier geben 90 Befragte an, mit WeChat nie Selfies zu versenden (gut 43 %). 66 Personen (knapp 32 %) tun dies selten, 30 130 7. Empirischer Teil: Resultate der Untersuchung <?page no="131"?> UserInnen (gut 14 %) gelegentlich. Häufige VersenderInnen von WeChat-Selfies sind nach eigenen Angaben 15 Befragte, sieben Personen schätzen sich als sehr häufige Selfie-VersenderInnen ein. Somit können 22 Befragte (ca. 11 %) zu den besonders aktiven VersenderInnen von Selfies gezählt werden. Insgesamt lässt sich in Grafik 22 eine verteilungsmäßige Parallele zum Verfassen der ,Momente‘ (vgl. 7.5.3.1. oben, Grafik 15) sehen, jedoch mit dem Unterschied, dass im Vergleich viel mehr Befragte gelegentlich Momente verfassen als Selfies senden (57 Expatriates verfassen ,Momente‘ gelegentlich; es gibt 30 Personen, die gele‐ gentlich Selfies versenden). Die Gruppen der beide genannten Features häufig bzw. sehr häufig Verwendenden sind vergleichbar klein (bei den ,Momenten‘ sind es 29 Personen, bei den versendeten Selfies 22; vgl. 7.5.3.1. oben). 7.5.5.5. Videos machen Das nächste untersuchte Feature betrifft innerhalb der WeChat-App gemachte Videos (diese können innerhalb der Momente gepostet oder in Chats versendet werden; vgl. auch 7.5.5.6 unten). Zum Anfertigen solcher Videos mit dem entsprechenden App-Feature machen die Befragten unserer Erhebung die folgenden Angaben: Grafik 23 23 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 nie selten gelegentlich häufig sehr häufig Grafik 23: Nutzung des Videos machen-Features von WeChat 87 Befragte nutzen das Videofeature in WeChat nie, um eigene Clips anzufer‐ tigen (dies entspricht knapp 42 %). 70 Personen (gut 33 %) nutzen es nach eigenen Angaben selten, während 36 UserInnen (gut 17 %) angeben, diese Funktion ge‐ legentlich anzuwenden. Elf Befragte (gut 5 %) nutzen die Videofunktion häufig, während vier InformantInnen (knapp 2 %) diese sehr häufig verwenden. Damit nutzen nur 15 UserInnen (gut 7 % der Befragten) diese Funktion mindestens häufig; beim Aufnehmen von Fotos lag die vergleichbare Angabe bei 23 %, d. h. 131 7.5. Nutzung der Features von WeChat <?page no="132"?> drei Mal so hoch. Die Verteilung ähnelt von ihrer Struktur her sehr derjenigen zum Versenden von Selfies (7.5.5.4., Grafik 22 oben). 7.5.5.6. Videos senden Auf die Frage danach, wie häufig sie Videos innerhalb von WeChat versenden, antworten die Befragten in der Erhebung wie nachfolgend dargestellt: Grafik 24 24 0 10 20 30 40 50 60 70 80 nie selten gelegentlich häufig sehr häufig Grafik 24: Videos senden mit WeChat Die meisten TeilnehmerInnen versenden laut eigener Angaben selten (69 Nen‐ nungen) bis gelegentlich (55) Videos innerhalb der WeChat-Applikation. Diese Gruppe umfasst 124 Personen (ca. 60 % der UmfrageteilnehmerInnen). 21 Befragte geben an, häufig Videoclips zu versenden. Zehn Personen versenden innerhalb von WeChat sehr häufig Videos. Insgesamt 31 Befragte (knapp 15 %) benutzen somit das Videos senden-Feature mindestens häufig. Damit ist es u. a. populärer als das Versenden von Selfies, wenn auch die Werte in der häufigen/ sehr häufigen Nutzung nicht sehr weit auseinandergehen (22 Befragte; vgl. Kap. 7.5.5.4. oben). Dies mag mit einer potenziell hohen Aktivität bei der Weiterleitung von selbst erhaltenen Videoclips und einer technisch leichten Ein-Klick-Weiterleitung innerhalb der WeChat-Applikation zu tun haben. Bei dem Vergleich mit dem Versenden von Fotos fällt auf, dass dieses gegenüber dem Versenden von Videos deutlich öfter mindestens häufig (von ca. 60 % der Befragten) genutzt wird. 7.5.5.7. Zusammenfassung Fotos/ Selfies/ Videos Die Auswertungen im Bereich Fotos/ Selfies/ Videos innerhalb der Nutzererhe‐ bung zum Gebrauch von WeChat durch deutschsprachige Expatriates in China können folgendermaßen zusammengefasst werden: Das Machen von Fotos und 132 7. Empirischer Teil: Resultate der Untersuchung <?page no="133"?> Selfies ist unterschiedlich ausgeprägt. Eine jeweils recht große Gruppe der Befragten nutzt diese Möglichkeiten nie (59 Personen (28 %) bei den Fotos, 114 (55 %) bei den Selfies; hier gehen die Zahlen bereits deutlich auseinander), zumeist sind seltene bzw. gelegentliche Foto-/ Selfieaufnahmen die Regel. In der Spitze gibt es jeweils eine Anzahl heavy users, die WeChat in diesem Bereich ex‐ tensiv benutzen: Fotos werden von ca. 25 % der Befragten häufig bis sehr häufig mit WeChat gemacht, während knapp 8 % die Applikation zum Aufnehmen von Selfies nutzen. Beim Versenden von Fotos ändert sich die Perspektive: Hier wird WeChat tendenziell häufig bis sehr häufig genutzt, und nur sehr wenige NutzerInnen geben an, dieses Feature selten oder nie anzuwenden. Beim Versenden von Selfies bietet sich ein vergleichbares Bild wie beim Aufnehmen von Fotos oder Selfies innerhalb der WeChat-Applikation: Die Tendenz geht dazu, am ehesten selten bis gelegentlich Bilder von sich selbst zu verschicken; ein großer Teil der Befragten tut dies (zumindest über WeChat) nach eigenen Angaben gar nicht. Parallel zu der Auswertung des Verwendens von Selfies kann diejenige zur Häufigkeit der Aufnahme von Videos in WeChat gesehen werden; hierbei gibt es unter den Befragten eine große Gruppe, die gar keine Videos macht, während dieses Feature meist selten bis gelegentlich zur Anwendung kommt. Im Bereich der versendeten Videos ist die Gruppe derjenigen Befragten, die das Feature nie benutzen, im Vergleich zu den ,nie‘-Antworten bei Fotos bzw. Selfies kleiner, jedoch ist ebenfalls die Tendenz, selten bzw. gelegentlich Videos zu verschicken. In allen untersuchten und hier zusammengefassten Bereichen gibt es eine Anzahl von sehr aktiven UserInnen, die potenziell die Speerspitze der Social Media-Aktiven unter den in China ansässigen deutschsprachigen Expatriates ausmachen dürften - über WeChat ganz sicher, potenziell aber auch über weitere soziale Plattformen (hierzu kann die vorliegende Studie jedoch keine gesicherten empirischen Aussagen treffen). Potenzielle weitere Studien müssten Daten zu den versendeten Inhalten erheben, die mittels WeChat über Foto- und Videofunktionen zirkuliert werden (bei Selfies wissen wir, dass die Expatriates sich jeweils selbst in Szene setzen). Damit könnte die Relevanz der Kommunikate für die/ innerhalb der virtuelle/ n Sprachinsel besser eingeschätzt werden (z. B. Sind die verschickten Videos deutschsprachig? ). 7.5.6. Telefonie Innerhalb von WeChat existiert ein Telefonie-Feature, das analog wie bei WhatsApp kostenlose Gespräche von TeilnehmerIn zu TeilnehmerIn ermöglicht. Die in der Erhebung Befragten geben wie nachstehend grafisch dargestellt an, diese Funktion zu nutzen: 133 7.5. Nutzung der Features von WeChat <?page no="134"?> Grafik 25 25 0 10 20 30 40 50 60 70 80 nie selten gelegentlich häufig sehr häufig Grafik 25: Nutzung des Telefonie-Features von WeChat Die Ergebnisse zeigen, dass insgesamt nur acht der 208 InformantInnen (unter 4 %) nie auf dieses Feature zurückgreifen. 29 Befragte (knapp 14 %) geben an, selten WeChats Telefoniefunktion zu nutzen, während 57 Personen (gut 27 %) dies gelegentlich tun. Häufige NutzerInnen von Telefonie in WeChat sind nach eigenen Angaben 72 deutschsprachige Expatriates (knapp 35 %), 42 zählen sich zu den sehr häufigen VerwenderInnen (ca. 20 %) dieser Funktion. Die Telefonie wird somit weit häufiger genutzt als Sprachnachrichten (ca. 30 % NutzerInnen mit mindestens häufiger Nutzung) und trägt in Relation zu dem Konzept der virtuellen Sprachinsel nach unseren Resultaten mehr bei, wenn wir davon ausgehen, dass vorwiegend auf Deutsch telefoniert wird. Gegenüber den Chats (mindestens häufig von ca. 90 % der Befragten benutzt) fällt die Telefonie wie die anderen untersuchten Features zurück. Das in China trotz gedrosselter Internetgeschwindigkeiten häufig an öffentli‐ chen Orten vorhandene kostenfreie und meist taugliche WLAN trägt vermutlich zu einer frequenten Verwendung des Telefonie-Features bei. Dennoch kann die Annahme einer Dominanz der Telefonierfunktion von WeChat wie bei Kuang (2018 [2014]) aber nach unseren Analysen nicht bestätigt werden. Im Vergleich zu Chats (Kap. 7.5.1.) und anderen Features (z. B. Gruppenchats, Kap. 7.5.2.) ist in der Gruppe der befragten deutschsprachigen Expatriates die Telefonie über WeChat relativ gesehen mäßig populär. 7.5.7. Videotelefonie Parallel zur Telefonie liegt auch ein Videotelefonie-Feature in WeChat vor, ebenfalls analog zu WhatsApp. Zur Nutzung von Videotelefonaten innerhalb 134 7. Empirischer Teil: Resultate der Untersuchung <?page no="135"?> der WeChat-Applikation äußern sich die Befragten in der Erhebung folgender‐ maßen: Grafik 26 26 0 10 20 30 40 50 60 70 nie selten gelegentlich häufig sehr häufig Grafik 26: Nutzung des Videotelefonie-Features von WeChat Im Grunde ergibt sich für die Videotelefonie - dies kann man aus Grafik 26 im Vergleich mit der vorherigen Grafik 25 (Kap. 7.5.6.) leicht herauslesen - eine ähnliche relative Nutzungshäufigkeit wie bei der Audiotelefoniefunktion. Der deutliche Unterschied liegt hierbei einzig in denjenigen UserInnen, die angeben, niemals Videotelefonate innerhalb von WeChat zu führen; für unsere Erhebung sind dies 29 der 208 Befragten (knapp 14 Prozent, vs. knapp vier Prozent bei der Voice-Telefonie; vgl. vorhergehender Abschnitt). 40 Personen (gut 19 %) geben eine seltene Verwendung der Videotelefonie an, gelegentliche NutzerInnen gibt es insgesamt 60 (knapp 29 %). 53 Expatriates (gut 25 %) nutzen Videotelefonate häufig, und 26 Befragte (12,5%) gehören zur Gruppe der sehr häufigen VerwenderInnen dieses WeChat-Features. Somit nutzen 79 Befragte (knapp 38 %) die Videotelefonie mindestens häufig, und die Gruppe der heavy users ist relativ gesehen viel größer als bei den meisten anderen progressiveren Features von WeChat. Im Vergleich zu den ,traditionellen‘ Voice-Telefonaten ist die Nutzung aber deutlich geringer, wenn man die absoluten wie relativen Zahlen betrachtet (vgl. Grafik 25 oben). Eine weitere Ähnlichkeit ergibt sich zu den für die Nutzung von Sprachnachrichten erhobenen Zahlen (Kap. 7.5.4., Grafik 18), die sehr ähnlich ausfallen. Um die Relevanz der Videotelefonie im virtuellen Sprachinsel-Kontext in zukünftigen Studien geeignet einschätzen zu können, müsste wie bei allen Telefonievarianten nach den präferierten Sprachen gefragt werden, in denen die Telefonate geführt werden. 135 7.5. Nutzung der Features von WeChat <?page no="136"?> 49 Vgl. https: / / www.chip.de/ news/ WhatsApp-Umstrittenes-Standort-Feature-wird-offizi ell-eingefuehrt_125503433.html [08.05.2020]. 7.5.8. Standortfunktionen WeChat bietet eine Funktion zur Standortsendung. Diese ist untergliedert in das Senden eines Standorts in Form einer digitalen ,Momentaufnahme‘ sowie das konstante Senden des sog. ,Echtzeit-Standorts‘, wenn man sich fortbewegt. Dieses Feature, das WeChat nach meiner Erfahrung als User bereits mindestens seit 2014 hat, gibt es seit Herbst 2017 auch innerhalb von WhatsApp 49 . Innerhalb der Fragen nach der Nutzung der verschiedenen Features von WeChat in der Erhebung unter den deutschsprachigen Expatriates wurde daher entsprechend erst allgemein nach der Verwendung der Funktion ,Standort senden‘ gefragt und danach der ,Echtzeit-Standort‘ gesondert in den Blick genommen. 7.5.8.1. Standort senden In unserem Kontext antworten die Befragten zur Verwendung der Funk‐ tion ,Standort senden‘ wie nachfolgend grafisch dargestellt: Grafik 27 27 0 10 20 30 40 50 60 70 nie selten gelegentlich häufig sehr häufig Grafik 27: Nutzung des Standort-Features von WeChat 55 Befragte (gut 26 %) geben an, nie auf die WeChat-Funktion ,Standort senden‘ zurückzugreifen. Selten nutzen diese Funktion insgesamt 50 Personen. Die gelegentliche Verwendung dominiert bei insgesamt 64 UserInnen (gut 30 %); dies ist in diesem Kontext die größte Gruppe. Eine häufige Verwendung von ,Standort senden‘ geben 26 Expatriates an, 13 Befragte verwenden dieses WeChat-Feature sehr häufig. Insgesamt ergibt sich im Abgleich mit den anderen analysierten Features, dass es sich bei dem Standort-Feature um ein unter den Befragten eher selten genutztes handelt, auch wenn die Gruppe der mindestens 136 7. Empirischer Teil: Resultate der Untersuchung <?page no="137"?> häufigen AnwenderInnen mit 39 der 208 Befragten (knapp 19 %) relativ zu den meisten bisher analysierten Features gesehen groß ist. In diesem Kontext sei auf eine nicht empirisch nachvollziehbare Dunkelziffer der Nutzung der Standortfunktion verwiesen, nämlich dürfte WeChat ein GPS-Tracking bei der Nutzung diverser der in Kapitel 5. oben erwähnten Micro-Apps anwenden, speziell bei z. B. dem Bestellen von Taxis oder Kurierdiensten, damit man geortet und physisch angetroffen werden kann. Implizit können solche Applikationen als durch WeChat bedient angesehen werden, und eine aktive Verwendung der Standortfunktion durch die Befragten ist in diesen Kontexten womöglich nicht aktiv mit bedacht, wobei diese Funktion aber im Hintergrund zur Anwendung kommt. 7.5.8.2. Echtzeit-Standort Nun blicken wir auf die Verwendung der Funktion zum Senden des Echt‐ zeit-Standortes mittels WeChat. Dazu machen die befragten in China ansässigen deutschsprachigen Expatriates die folgenden Angaben: Grafik 28 28 0 10 20 30 40 50 60 70 80 nie selten gelegentlich häufig sehr häufig Grafik 28: Nutzung des Echtzeit-Standort-Features von WeChat Mit 68 Personen, die nie das Echtzeit-Standort-Feature von WeChat nutzen, hält sich die größte Gruppe der Befragten (knapp 33 %) von dieser Funktion fern. 66 NutzerInnen greifen selten darauf zurück (knapp 32 %). Die gelegentliche Verwendung geben 44 UserInnen an, hier besteht also ein Unterschied zur Funktion ,Standort senden‘ (vgl. vorhergehender Abschnitt oben), bei der die gelegentliche Verwendung durch die WeChat-NutzerInnen den größten Anteil ausmachte. 21 Personen (gut 10 %) geben eine häufige Verwendung dieser Funktion an, neun Befragte (gut 4 %) nutzen den Echtzeit-Standort in WeChat sehr häufig. Mit Blick auf die Verwendung der verschiedenen Features von 137 7.5. Nutzung der Features von WeChat <?page no="138"?> WeChat durch die deutschsprachigen Expatriates kann festgestellt werden, dass der Echtzeit-Standort insgesamt zu den weniger häufig verwendeten Funktionen zu zählen ist, auch wenn insgesamt 30 Personen (gut 14 % der Befragten) diese Funktion mindestens häufig innerhalb von WeChat verwenden. Die oft privilegierten deutschsprachigen Expatriates bewegen sich in China mindestens beruflich, aber häufig auch privat, in ihnen zur Verfügung gestellten Autos mit Chauffeur. Für diesen Teil ihres Lebens in China sind sie somit eigentlich nicht darauf angewiesen, sich mittels technischer Hilfsmittel orien‐ tieren zu müssen; dies mag die relativ gesehen niedrigen Nutzungszahlen mit erklären. Zur Problematik der Verwendung auch des Echtzeit-Standortes in mit WeChat verknüpften und über die Applikation aufzurufenden Micro-Apps gilt das Gleiche wie oben (Kap. 7.5.8.1.) gesagt: Potenziell kann WeChat zur Bereitstellung gewünschter Dienste GPS-Tracking-Funktionen im Hintergrund nutzen. 7.5.9. Rote Pakete (Hongbao) Im vorliegenden Abschnitt blicken wir auf die Nutzung des sog. Hongbao (chin. 红包 , Pinyin hóngbāo)-Features, bei dem NutzerInnen innerhalb von WeChat für eine zu erstellende Gruppe von Kontakten eine Summe Geldes aus ihrem virtuellen WeChatPay-Account (vgl. unten, Kap. 7.5.10.3.) festlegen können, die unter den Mitgliedern der Gruppe, sobald sie dahingehend aktiv werden, nach dem Zufallsprinzip verteilt wird. Innerhalb der Erhebung unter den deutschsprachigen Expatriates in China wurde jeweils gesondert danach gefragt, ob solche Geldgeschenke aktiv versendet oder empfangen werden. 7.5.9.1. Rote Pakete senden Auf die Frage, ob sie mittels der Hongbao-Funktion von WeChat Geldgeschenke versenden, antworten die deutschsprachigen NutzerInnen wie folgt: 138 7. Empirischer Teil: Resultate der Untersuchung <?page no="139"?> Grafik 29 29 0 20 40 60 80 100 120 nie selten gelegentlich häufig sehr häufig Grafik 29: Nutzung des Rote Pakete (senden)-Features von WeChat Aus Grafik 29 geht zunächst hervor, dass eine große Anzahl der Befragten, insgesamt 96 von ihnen (gut 46 %), niemals Rote Pakete mittels WeChat versenden und somit diese an sich typisch chinesische Gewohnheit in ihrem digitalen Alltag nicht annehmen. 55 Personen (gut 26 %) geben an, die Roten Pakete selten aktiv zu versenden. Ein gelegentliches Verschicken von Roten Paketen nennen 36 deutschsprachige NutzerInnen von WeChat (gut 17 % der Befragten). 15 Personen (gut 7 %) nutzen das Rote Pakete Versenden-Feature häufig, sechs (knapp 3 %) sehr häufig. Auch wenn deutlich wird, dass die Roten Pakete tendenziell selten versendet werden und nach unseren Ergebnissen nicht zu den von den Befragten weithin akzeptierten Features von WeChat gehören, so ist es doch bemerkenswert, hier eine Gruppe von gut zehn Prozent (21) der Befragten vorzufinden, die dieses ,digitale Brauchtum‘ durch mindestens häufige Nutzung annimmt. Die letztgenannte Zahl deckt sich exakt mit der im Rahmen der Metadaten (Kap. 7.1.) erhobenen Anzahl der Chinesisch-Spre‐ cherInnen auf L1-Niveau. Dies kann eine naheliegende Erklärung sein: Die L1-Sprache Chinesisch bringt eine kulturelle Nähe zu typisch chinesischen kulturellen Praktiken, hier dem Versenden Roter Pakete in WeChat, mit sich. Die zurückhaltende An-/ Übernahme dieser Kulturtechnik spricht für eine in dieser Hinsicht relativ wenig aufgeschlossene virtuelle Sprachinsel-Community. 139 7.5. Nutzung der Features von WeChat <?page no="140"?> 7.5.9.2. Rote Pakete empfangen Grafik 30 30 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 nie selten gelegentlich häufig sehr häufig Grafik 30: Nutzung des Rote Pakete (empfangen)-Features von WeChat Blickt man auf das Empfangen kleiner Geldgeschenke mittels der Rote Pakete- Funktion innerhalb von WeChat, so lässt sich eine parallel angelegte Aktivität unter den deutschsprachigen InformantInnen festhalten wie beim Versenden der Hongbao-Pakete: 84 NutzerInnen nutzen diese Funktion nie (gut 40 %), 69 Personen (gut 33 %) greifen selten darauf zurück (gesamt 153 der 208 Befragten; ca. 74 %). Gelegentlich machen 35 UserInnen davon Gebrauch (knapp 17 %), Rote Pakete in WeChat zu empfangen. 14 Personen (knapp 7 %) geben an, dieses Feature häufig zu nutzen, wiederum sechs Personen (knapp 3 %) nennen eine sehr häufige Nutzung. Die Einordnung dieser Zahlen fällt analog aus wie für das Versenden Roter Pakete: Es gibt eine nur bedingte Akzeptanz dieses Features; eine kleine Gruppe von Befragten benutzt es dennoch sehr aktiv. 7.5.10. Finanzfunktionen Im vorliegenden Abschnitt werden die Auswertungen zu drei mit finanziellen Transaktionen verbundenen Features von WeChat betrachtet, nämlich das Überweisen von Geld von Account zu Account (7.5.10.1.), das respektive Emp‐ fangen von Überweisungen durch andere WeChat-Accounts (7.5.10.2.) sowie die Bezahlfunktion WeChat Pay, die mittels Scans von QR-Codes funktioniert (7.5.10.3.). Zum Verwenden der genannten Funktionen ist eigentlich primär eine Verbindung zu einem eigenen chinesischen Bankkonto notwendig, um einerseits innerhalb der Applikation auf das eigene virtuelle Konto Geld zu laden sowie direkt vom Konto aus bezahlen zu können, und um andererseits empfan‐ gene Summen ggf. auf das Konto zu überweisen. Seit 2019 existiert technisch 140 7. Empirischer Teil: Resultate der Untersuchung <?page no="141"?> 50 Vgl. https: / / www.cnbc.com/ 2019/ 11/ 06/ alipay-wechat-pay-allow-tourists-in-china-touse-foreign-cards.html [08.05.2020]. auch die Möglichkeit, eine westliche Kreditkarte mit einem WeChat-Konto zu verbinden 50 , um die o. g. Finanzfunktionen nutzen zu können. 7.5.10.1. Geld überweisen Zunächst wird die Überweisungsaktivität an andere WeChat-Konten ausge‐ wertet. Dabei ergibt sich das folgende Bild: Grafik 31 31 0 10 20 30 40 50 60 nie selten gelegentlich häufig sehr häufig Grafik 31: Nutzung des Geldüberweisungs-Features von WeChat Insgesamt lässt sich dabei erkennen, dass WeChat von den befragten Expatriates relativ häufig für Überweisungen genutzt wird. 29 Personen (knapp 14 %) geben an, diese Funktion sehr häufig zu nutzen, 53 (gut 25 %) schätzen ihre Aktivität als häufig ein. 82 UserInnen (gut 39 %) nutzen somit das Überweisungs-Feature mindestens häufig. 50 Befragte (gut 24 %) benutzen die Überweisungen in WeChat gelegentlich. Das bedeutet, dass 132 der 208 Befragten (gut 63 %) mindestens gelegentlich, aber tendenziell häufiger Überweisungen mittels WeChat tätigen. 20 Personen (knapp 10 %) greifen selten auf dieses Feature zurück, und 56 Personen nutzen die WeChat-Überweisungen nie (knapp 27 %). Potenziell lassen sich die Analyseergebnisse als tendenzielle Akzeptanz von Peer-to-peer-Überweisungen lesen, auch wenn ca. ein Viertel der Befragten nicht auf dieses Feature zurückgreift. In der Umgehung von physisch exis‐ tierenden Bankhäusern, bei denen Transaktionen sehr aufwändig bearbeitet werden und das Ausfüllen einer Überweisung bisweilen eine Stunde dauert, sowie von Online-Banking im engeren Sinne, liegen die besonderen Vorteile dieses Features der WeChat-Applikation. 141 7.5. Nutzung der Features von WeChat <?page no="142"?> 7.5.10.2. Überweisungen erhalten Im nächsten Schritt wurde das Nutzerverhalten in WeChat mit Fokus auf das Erhalten von Überweisungen untersucht. Die Resultate sind grafisch wie folgt dargestellt: Grafik 32 32 0 10 20 30 40 50 60 70 nie selten gelegentlich häufig sehr häufig Grafik 32: Nutzung des Überweisungen (erhalten)-Features von WeChat Die Auswertung zum Erhalten von Überweisungen in WeChat bietet ein ähnli‐ ches Bild wie diejenige zum aktiven Überweisen, jedoch mit dem nuancierten Unterschied, dass insgesamt etwas weniger häufig Überweisungen erhalten werden: 23 Personen (gut 11 %) erhalten nach eigenen Angaben sehr häufig Überweisungen, während 26 Befragte (12,5%) häufig solche Geldsendungen innerhalb von WeChat empfangen; insgesamt 49 Befrage (knapp 24 %) erhalten entsprechend mindestens häufig Überweisungen. 45 NutzerInnen (knapp 22 %) geben an, gelegentlich in der Applikation Geld überwiesen zu bekommen. Somit nutzen 94 Befragte (gut 45 %) mindestens gelegentlich die Möglichkeit, Überweisungen per WeChat zu erhalten. Auch wenn so weniger Personen Überweisungen erhalten als tätigen (132 Personen, gut 63 % der Befragten, überweisen mindestens gelegentlich mit der Applikation, vgl. vorhergehendes Kapitel 7.5.10.1. oben) ähneln die Zahlen in ihren Größenordnungen und Tendenzen denjenigen im vorhergehenden Abschnitt zu selbst getätigten Über‐ weisungen. Der schon angesprochene Unterschied manifestiert sich über die seltene Verwendung, hier von 32 UserInnen (gut 15 %) angegeben, sowie über die ebenfalls höhere Anzahl derjenigen NutzerInnen, die nie Überweisungen in WeChat erhalten - insgesamt geben dies 62 Personen (ca. 30 %) an. Die etwas niedrigeren Werte als beim Versenden von Überweisungen könnten potenziell auch mit Skepsis bezüglich des Datenschutzes zu erklären sein. 142 7. Empirischer Teil: Resultate der Untersuchung <?page no="143"?> 7.5.10.3. Bezahlfunktion (WeChat Pay) Zur Nutzung der Bezahlfunktion von WeChat, WeChat Pay, machen die in unserer Erhebung befragten deutschsprachigen Expatriates folgende Angaben: Grafik 33 33 0 10 20 30 40 50 60 70 80 nie selten gelegentlich häufig sehr häufig Grafik 33: Nutzung von WeChat Pay Aus der Auswertung in Grafik 33 oben geht die große Popularität des Bezahl‐ features klar hervor. Insgesamt 71 Befragte (gut 34 %) geben eine sehr häufige Nutzung dieser Funktion an. WeChat Pay erleichtert den Alltag beim Einkaufen erheblich, daher sind die hohen Nutzungsangaben erwartbar. 48 UserInnen (ca. 23 %) geben dazu an, WeChat Pay häufig anzuwenden. Damit nutzen 119 der 208 Befragten (gut 57 %) das Bezahlfeature von WeChat sehr häufig oder häufig. Wenn man sich vor Ort den Alltag v. a. in den großen Metropolen wie Shanghai oder Peking anschaut, so wird man in den Interaktionen an Kassen kaum noch die Verwendung von Bargeld sehen, da die meisten KundInnen mit dem Smartphone bezahlen: Der QR-Code des Händlers wird mit dem Handy gescannt, damit reicht es in größeren Supermärkten und Geschäften meistens, wenn die Gesamtsumme mittels Scannen der Barcodes der Artikel schon erfasst ist. Bei kleineren Händlern (z. B. GemüseverkäuferInnen) muss der QR-Code gescannt, dann der zu entrichtende Betrag von der KundIn selbst eingetippt und mittels Bezahlpasswort bestätigt werden. Bei entgegen‐ genommenen Online-Lieferungen, die erst bei Erhalt bezahlt werden, reicht ebenfalls zumeist das Scannen des QR-Codes, da die zu bezahlende Summe im Computer-System hinterlegt ist. Außer WeChat Pay gibt es noch einen weiteren sehr populären Handy-Bezahlstandard namens Alipay (chin. 支付宝 , Zhifubao, Pinyin Zhīfùbǎo). Für die hier befragten Expatriates bietet WeChat Pay an dieser Stelle die Möglichkeit einer vollwertigen Teilhabe an der digitali‐ sierten Gesellschaft in China. Im Vergleich zu Alipay ist WeChat Pay einfacher 143 7.5. Nutzung der Features von WeChat <?page no="144"?> einzurichten und bereits in WeChat integriert, das die Expats für gewöhnlich schnell nach ihrer Ankunft in China zu nutzen beginnen. Alipay hingegen muss gesondert installiert werden, erfreut sich aber mittlerweile auch zunehmender Beliebtheit bei länger in China beheimateten AusländerInnen. Hierbei ist jedoch die Registrierung mit mehr Aufwand verbunden als bei WeChat. 14 Befragte (knapp 7 %) geben an, WeChat Pay gelegentlich anzuwenden, 18 Befragte (knapp 9 %) nutzen es selten, 57 Personen nie (gut 27 %). Im übergreifenden Vergleich der Bezahlfunktionen zeigt sich, dass knapp 30 % der UserInnen keinerlei Möglichkeiten, die WeChat zum Geldtransfer bietet, nutzen. 7.5.11. Kontaktkarten senden/ empfangen In WeChat ist ein Feature zum Senden und Empfangen von Kontaktkarten inte‐ griert, das prinzipiell sehr ähnlich funktioniert wie die vergleichbare Funktion in WhatsApp. Die nachstehende Grafik visualisiert die Verwendung dieses Features durch die Befragten: Grafik 34 34 0 10 20 30 40 50 60 70 nie selten gelegentlich häufig sehr häufig Grafik 34: Nutzung des Kontaktkarten (senden/ empfangen)-Features von WeChat Man kann aus Grafik 34 ablesen, dass das Kontaktkarten senden/ empfangen- Feature von WeChat innerhalb der befragten Community weithin angenommen wird, um sich zu vernetzen. Nur 23 Personen (ca. 11 % der Befragten) geben an, diese Funktion nie in der Applikation zu nutzen. 53 Befragte (gut 25 %) verwenden dieses Feature selten, 61 gelegentlich (gut 29 %). 46 NutzerInnen (gut 22 %) nutzen es häufig, 25 Personen (ca. 12 %) sehr häufig. Gut 60 % der UserInnen nutzen das Kontaktkarten-Feature der Applikation mindestens gelegentlich (im beruflichen Kontext nutzen knapp 40 % WeChat sehr häufig, vgl. Kap. 7.3.2., Grafik 11; hier besteht potenziell ein Zusammenhang). Im Vergleich zu den 144 7. Empirischer Teil: Resultate der Untersuchung <?page no="145"?> anderen bisher analysierten Features von WeChat durch die deutschsprachigen Expatriates (vgl. oben) werden Kontaktkarten relativ gesehen häufig versendet bzw. empfangen. 7.5.12. Personensuche Als letztes zu diskutierendes Feature innerhalb der Chatoberfläche der We‐ Chat-Applikation richten wir nun den Fokus auf die sog. Personensuche. Zur Verwendung dieser Funktion machen die befragten Expatriates die folgenden Angaben: Grafik 35 35 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 nie selten gelegentlich häufig sehr häufig Grafik 35: Nutzung des Personensuche-Features von WeChat Wie man in Grafik 35 erkennen kann, ist das Feature der WeChat-Personensuche unter den Deutschsprachigen in China nicht populär. 84 Befragte (gut 40 %) nutzen es nie, 74 (gut 35 %) nur selten, 43 (gut 20 %) gelegentlich. Einzig ein kleiner Anteil (gut 3 %) der UserInnen gibt an, diese Funktion häufig (4) bzw. sehr häufig (3) zu verwenden. Potenziell bekommt man primär chinesische Suchergebnisse, insofern ist diese Funktion - sucht man nicht explizit nach chinesischen Personen - in den oft homogenen Kreisen/ Peer Groups der Expatriates in China keine, die viel Potenzial entfalten könnte. Die Vernetzung geschieht daher wohl meist auf anderen Wegen und durch eher direktere Kontaktaufnahme. Daraus lässt sich wohl ableiten, dass trotz der leichten Vernetzungsmöglichkeiten eine gewisse Skepsis zu bestehen scheint, sich ohne weitere Prüfung verbinden zu wollen. 145 7.5. Nutzung der Features von WeChat <?page no="146"?> 7.5.13. Zusammenfassung der WeChat-Featurenutzung durch die deutschsprachigen Expatriates in China Wenn man die Featurenutzung innerhalb von WeChat durch die befragten deutschsprachigen Expatriates in China zusammenfasst, so ergeben sich die folgenden Bemerkungen: Generell kann festgehalten werden, dass Chats oft sehr häufig (mindestens häufig von ca. 90 % der UserInnen), Gruppenchats in der Regel häufig verwendet werden. Telefonieren und Sprachnachrichten zu versenden spielen in der virtuellen Sprachinsel WeChat für die Befragten eine weniger ausgeprägte Rolle als das Chatten, aber die eigene L1-Sprache Deutsch kann häufig auch mündlich angewendet werden. Insgesamt lässt sich aus der Popularität dieser genannten wesentlichen verwendeten Features ablesen, dass mehr auf die Kommunikation mit ausgewählten Personen (Individuen oder klar definierten Gruppen) gesetzt wird, als die vage Menge von Kontakten über die Social-Media-Features anzuschreiben. Dies spricht für unsere Auffassung von WeChat als virtueller Sprachinsel. Die eigenen ,Momente‘ zu verfassen - ähnlich wie die Postings in Facebook -, ist weniger populär, Lesen und Liken von ,Mo‐ menten‘ anderer Kontakte hingegen findet im Vergleich häufiger statt als das eigene Einstellen von Material in diesem Bereich. Circa ein Drittel der Befragten nutzt häufig oder sehr häufig Sprachnachrichten innerhalb von WeChat. Das Fotofeature bzw. das Machen von Selfies mit WeChat wird von den Befragten im Vergleich weniger häufig genutzt; beim Versenden von Bildern werden Fotografien gegenüber Selfies favorisiert. Videos werden nur selten direkt innerhalb der Applikation aufgenommen oder versendet. Blickt man auf die verschiedenen Telefonie-Funktionen, die WeChat bietet, so ist die Voice-Telefonie die im Vergleich zur Videotelefonie häufiger verwendete. Ein etwas komplexeres Bild bietet die Verwendung der Standortfunktionen: Hier sehen wir, dass über 60 Befragte (ca. 30 %) gelegentlich ihren Standort senden, und knapp 40 Personen dies häufig oder sogar sehr häufig tun. Ca. 30 Personen nutzen die Echtzeit-Standort-Funktion häufig oder sehr häufig. Die kulturell typische Funktion des Versendens und Empfangens Roter Pakete (Hongbao; Pinyin hóngbāo) ist unter den Befragten insgesamt wenig populär (vermutlich bleiben diejenigen UserInnen, die Chinesisch auf L1-Niveau beherr‐ schen und dieser Praktik kulturell näherstehen, gewissermaßen unter sich); tendenziell werden eher Geldbeträge empfangen als an Gruppen versendet. Die Überweisungsfunktion hingegen erfreut sich großer Beliebtheit, gut 80 der 208 Befragten nutzen dieses Feature von WeChat häufig oder sehr häufig (knapp 40 %). Hierzu kann gesagt werden, dass die Expatriates bei diesem Feature eher proaktiv agieren: Es wird eher Geld aktiv versendet als empfangen. Die meistverwendete Funktion aus diesem Bereich ist WeChat Pay. Fast 120 146 7. Empirischer Teil: Resultate der Untersuchung <?page no="147"?> Befragte (knapp 60 %) geben an, die Bezahlfunktion, die die Applikation bietet, häufig oder sehr häufig zu nutzen. Das Versenden von Kontaktkarten wird von ca. 65 Befragten häufig bis sehr häufig in WeChat benutzt, während das Feature ,Personensuche‘ hingegen kaum VerwenderInnen hat. 7.6 Genutzte Sprachen und Sprachmischung Im vorliegenden Abschnitt werden Angaben der befragten deutschsprachigen Expatriates zu den bei der Verwendung der WeChat-Applikation genutzten Sprachen und zur Sprachmischung analysiert. Zunächst wird hierzu auf die hauptsächlich genutzten Chatsprachen abgehoben (7.6.1.), wonach die Sprach‐ mischung in Chats und Gruppenchats thematisiert wird (7.6.2.). Dabei wird nach der aktiven Sprachmischung innerhalb von Chats gefragt (7.6.2.1.), und welche Sprachen dabei gemischt werden (7.6.2.2.). Eine weitere Frage richtet den Blick auf mögliche Sprachmischung innerhalb derselben Chatnachricht (7.6.2.3.), ebenfalls unter Einbeziehung der verwendeten Sprachen (7.6.2.4.). Den Abschluss dieses Abschnitts bildet die Analyse der für Sprachnachrichten verwendeten Sprachen (7.6.3.). 7.6.1. Hauptsächlich genutzte Chatsprachen Die befragten deutschsprachigen Expatriates machen zur Verwendung der jeweils hauptsächlich genutzten Chatsprache innerhalb von WeChat die nach‐ folgend grafisch dargestellten Angaben: Grafik 36 36 0 20 40 60 80 100 120 140 Deutsch Chinesisch Englisch Andere Grafik 36: Hauptsächlich durch deutschsprachige Expatriates genutzte Chatsprachen in Chats und Gruppenchats innerhalb von WeChat 147 7.6 Genutzte Sprachen und Sprachmischung <?page no="148"?> 51 Vgl. https: / / www.wiwo.de/ unternehmen/ industrie/ konzernsprache-wird-englisch-con grats-volkswagen/ 14983218.html [08.05.2020]. Hierbei zeigt sich, dass Englisch mit 119 Nennungen (gut 57 % der Befragten) die dominierende Sprache darstellt. Hauptsächlich auf Deutsch chatten 64 VerwenderInnen von WeChat (knapp 30 % der Befragten), 23 Personen (ca. 11 %) nutzen vorwiegend Mandarin-Chinesisch. Zwei Personen haben die Antwortalternative ,Andere‘ gewählt, hierbei kommen jedoch keine weiteren Sprachen zur Konstellation hinzu, sondern eine pragmatische Auswahl je nach den kommunikativen Erfordernissen: Einmal wird angegeben, es gebe keine Hauptsprache, entsprechend seien Deutsch, Englisch und Chinesisch prinzipiell gleichberechtigt; im anderen Fall wurde keine Angabe zu einer Hauptsprache innerhalb der Chats gemacht, es komme auf den jeweiligen Chat an. Insgesamt kann hier eine Art globalisiertes Nebeneinander der Sprachen konstatiert werden: Zwar ist Englisch im Kontext der deutschsprachigen Expatriates in China die am häufigsten verwendete Sprache innerhalb von WeChat, allerdings weisen die Ergebnisse der Erhebung auch aus, dass dem Deutschen, ebenso wie dem Chinesischen, signifikante Rollen in der Chatkommunikation zukommen. Zur Erläuterung der Zahlen kann weiter angeführt werden, dass viele der befragten Expatriates mit WeChat im beruflichen Kontext auf Englisch kommunizieren (vgl. 7.3.2., Grafik 11). Dies ist ohnehin die lingua franca global agierender Konzerne, auch wenn sie aus den deutschsprachigen Ländern kommen, wenn nicht gar Konzernsprache, wie u. a. bei Volkswagen 51 . Die deutschsprachigen Expatriates kommunizieren insgesamt nicht ausschließlich unter sich, obwohl WeChat im Kontext des vorliegenden Bandes als virtuelle Sprachinsel verstanden wird. Sprachkontakt findet dennoch stetig statt. Mit Blick auf die private Nutzung von WeChat möchte ich eigene Beob‐ achtungen aus meiner Zeit in China 2014-17 anführen, nach denen es in der deutschsprachigen Community dieser Zeit viele Paare gab, in der ein Partner (meist der Mann) deutschsprachig war, die PartnerIn aber aus einem nicht deutschsprachigen Land (oft Drittland, nicht China) kamen. Hierbei wird Englisch oft zwangsläufig zur gemeinsamen Sprache, da es von beiden Partnern beherrscht und Deutsch dann nicht (immer) ergänzend gelernt wird (vgl. u. a. auch Grafik 41 unten, Kap. 7.6.3., zur Nutzung des Englischen in Sprachnachrichten). In der Grundschulklasse meiner Tochter an der Deutschen Schule Shanghai Pudong wurden z. B. bei 17 SchülerInnen elf verschiedene Sprachen als L1 bzw. L2 zuhause gesprochen. In der Elternschaft gab es durch diese Konstellationen nachvollziehbar Hinwendungen zum Englischen. 148 7. Empirischer Teil: Resultate der Untersuchung <?page no="149"?> 7.6.2. Sprachmischung innerhalb von Chats und Gruppenchats Im vorliegenden Abschnitt werden relevante Fragen zur Sprachmischung in‐ nerhalb von WeChat-Chats und -Gruppenchats erforscht. Hierbei handelt es sich analog zum bisher gewählten Vorgehen um Selbsteinschätzungen der Infor‐ mantInnen. Gesonderte Sprachdaten aus WeChat, die entsprechend analysiert werden könnten, liegen bis dato nämlich nicht vor. 7.6.2.1. Aktive Sprachmischung Zunächst rückt die aktive Sprachmischung in den Blick. In der Erhebung wurden die deutschsprachigen WeChat-NutzerInnen in China danach gefragt, ob sie verschiedene Sprachen innerhalb ihrer Chats mischen. Darauf antworten sie wie nachfolgend dargestellt: Grafik 37 37 ja nein 0 20 40 60 80 100 120 140 160 142 57 Grafik 37: Mischen Sie Sprachen innerhalb eines (Gruppen-)Chats? 142 der 208 Befragten, insgesamt gut 68 %, antworten mit ,ja‘, während 57 Befragte ,nein‘ angeben. Neun Personen machen keine Angabe. Anhand dieser Zahlen lässt sich erkennen, dass das Mischen von Sprachen, ohne dass es bis hierhin näher spezifiziert wird, eine sprachliche Praktik darstellt, die inner‐ halb der WeChat-Kommunikation der Befragten wie selbstverständlich Raum einnimmt und potenziell häufig zur Anwendung kommt. Sukzessive werden die zu diesen Sprachmischungen in den Chats verwendeten Sprachen näher aufgeschlüsselt. 7.6.2.2. Zur Sprachmischung verwendete Sprachen Es werden folgende Sprachen, die zur Sprachmischung innerhalb von Chats und Gruppenchats in WeChat verwendet werden, angegeben (hierbei waren in der Online-Erhebung Mehrfachnennungen möglich): 149 7.6 Genutzte Sprachen und Sprachmischung <?page no="150"?> Grafik 38 38 0 20 40 60 80 100 120 140 Deutsch Chinesisch Englisch Andere Grafik 38: Zur Sprachmischung verwendete Sprachen innerhalb eines (Gruppen-)Chats Aus Grafik 38 können wir entnehmen, dass Englisch, wie in Kapitel 7.6.1. bereits festgestellt, die populärste Sprache darstellt - nun aber ausgeweitet auf den Kontext der Chats und Gruppenchats, in denen Sprachmischungen vorliegen. 130 Befragte (62,5%) geben an, Englisch zu verwenden. Im gegebenen Setting folgt das Deutsche mit 117 Nennungen (gut 56 %), hierbei ist die Differenz zum Englischen mit 13 vergleichsweise klein. Chinesisch folgt mit 97 Nennungen (gut 46 %). Insgesamt gesehen liegt hier ein multilinguales Miteinander der drei dominierenden Sprachen Englisch, Deutsch und Chinesisch vor, die in Chats - wohl teils bewusst - gemischt werden. Dies deutet neben den Kompetenzen in den jeweiligen Sprachen darauf hin, dass gewisse Inhalte, v. a. im beruflichen Kontext, vielleicht präferiert in bestimmten Sprachen, gegenüber anderen Sprachen, ausgedrückt werden können oder ggf. sollen. Es kann vermutet werden, dass entsprechende interkulturelle Ausdrucks- und Kompetenzfragen die Spra‐ chenwahlen explizit beeinflussen. Insgesamt vier NutzerInnen geben andere Sprachen an, die in ihren Chats hinsichtlich Sprachmischungen eine relevante Rolle spielen. Je einmal werden Filipino, Ungarisch und Französisch angegeben; dies hat vermutlich mit den ethnischen Wurzeln der jeweiligen UserInnen zu tun. Eine NutzerIn gibt an, die Pinyin-Umschrift des Chinesischen zu nutzen. Hier habe ich diese besondere Verwendung (wohl im Chinesisch als Fremdsprache-Kontext zu sehen) geson‐ dert aufgeführt, da westliche Buchstabenschrift verwendet wird, um nicht die chinesische logographische Schrift nutzen zu müssen. Die Verwendung von Pinyin (übrigens eine gängige Methode, um auf dem Smartphone chinesische Schriftzeichen zu erzeugen) deutet darauf hin, dass die VerwenderIn sich nicht oft genug zutraut, die respektiven chinesischen Schriftzeichen zu erkennen, um auch sicher schreiben zu können. Gleichzeitig dürfte sie/ er aber schon 150 7. Empirischer Teil: Resultate der Untersuchung <?page no="151"?> gewisse Kompetenzen im Chinesischen, vor allem beim Sprechen, haben, da eine gewisse Ausdrucksfähigkeit über die Kompetenz in der Umschriftvariante Pinyin demonstriert wird. Ein weiterer, umgekehrter Erklärungsansatz läge darin, dass bewusst Pinyin gewählt wird, um RezipientInnen mit entsprechend geringerer Kompetenz im Chinesischen das Lesen bzw. Verstehen zu erleichtern. 7.6.2.3. Sprachmischung innerhalb derselben Nachricht Im vorliegenden Abschnitt wird dokumentiert, wie die deutschsprachigen Befragten in China bei ihrer Verwendung von WeChat ggf. innerhalb derselben Nachricht verschiedene Sprachen verwenden. Dazu machen die Expatriates die folgenden Angaben: Grafik 39 39 ja nein 0 20 40 60 80 100 120 140 85 122 Grafik 39: Mischen Sie Sprachen innerhalb derselben Nachricht? Während 122 der Befragten (knapp 59 %) verneinen, innerhalb derselben Nach‐ richt verschiedene Sprachen vermischt anzuwenden, geben 85 Personen (knapp 41 %) an, solche Sprachmischungen zu praktizieren. Daher kann insgesamt davon ausgegangen werden, dass es sich bei Sprachmischungsphänomenen innerhalb derselben Nachricht um einschlägig relevante sprachliche Praktiken handelt. Eine Person machte zu dieser Frage keine Angaben. 7.6.2.4. Zur Sprachmischung innerhalb derselben Nachricht verwendete Sprachen Diejenigen Expatriates, die bei der vorherigen Frage, ob sie innerhalb derselben Nachricht Sprachen mischen, mit ,ja‘ antworteten (7.6.2.3.), wurden gefragt, welche Sprachen sie entsprechend verwenden. Dabei ergeben sich die folgenden Resultate (Mehrfachnennungen waren möglich): 151 7.6 Genutzte Sprachen und Sprachmischung <?page no="152"?> Grafik 40 40 0 10 20 30 40 50 60 70 80 Deutsch Chinesisch Englisch Andere Grafik 40: Zur Sprachmischung innerhalb derselben Nachricht verwendete Sprachen In Grafik 40 sehen wir ein zahlenmäßig fast äquivalentes Nebeneinander von Englisch (69 Nennungen; 33 %), Deutsch (62; knapp 30 %) und Chinesisch (59; gut 28 %). Daraus können wir schließen, dass prinzipiell alle Kombinationen aus diesen drei Sprachen ungefähr gleich häufig verwendet werden, und dass es nicht die eine präferierte Sprachmischkonstellation gibt, die akzentuierter auftritt als andere. Es kann für die aktiv die Sprachen in der WeChat-Kommu‐ nikation Mischenden davon ausgegangen werden, dass sie zumeist in den drei hier diskutierten Sprachen Englisch, Deutsch und Mandarin jeweils eine vergleichsweise hohe Sprachkompetenz haben dürften und dementsprechend selbstbewusst zwischen den Sprachen hin und her wechseln können, so wie es die jeweilige kommunikative Situation erfordert. Es könnten mit Blick auf den spezifisch chinesischen Kontext gewisse Begriffe wie der oben erwähnte laowai (Ausländer), ayi (Haushälterin, eigentlich ,Tante‘) etc. zur Anwendung kommen, die gängig und in der Community geläufig sind und keiner Übersetzung be‐ dürfen. In der Sprache der Wirtschaftsmanager dominiert häufig das Englische; in das Deutsche werden zahlreiche Fachbegriffe mit eingemischt, die über den gängigen Anglizismengebrauch weit hinausgehen. Das Code-Switching ist ein weit beachtetes und beforschtes Feld innerhalb der Soziolinguistik; innerhalb der computervermittelten Kommunikation können für das Code-Switching in der Chat-Kommunikation seit Androutsopoulos/ Hinnenkamp (2001) bis zuletzt z. B. Franko (2019) zahlreiche Beiträge angeführt werden, die sich diesem Thema widmen und Verwendungspraktiken und -tendenzen aufzeigen. Für das Code-Switching innerhalb von WeChat stehen einschlägige Untersuchungen, die ein Desiderat darstellen, noch aus. Hierzu bedarf es dem Aufbau geeigneter Korpora (d. h. es müssten Chatdaten gespendet werden, vgl. auch den Ausblick, Kap. 8.). 152 7. Empirischer Teil: Resultate der Untersuchung <?page no="153"?> Außer den drei hier bereits erwähnten Sprachen gibt es noch drei Nennungen anderer Sprachen, die zur Sprachmischung genutzt werden, und zwar werden je einmal das Russische, das Ungarische sowie die Pinyin-Umschrift des Chinesen angegeben (vgl. zu Pinyin auch Kapitel 7.6.2.2. oben). 7.6.3. Sprache(n) der Sprachnachrichten Die deutschsprachigen Expatriates in China wurden im Rahmen der Erhebung ihrer Kommunikationsgewohnheiten mit WeChat dazu befragt, welche Sprache sie hauptsächlich für die Aufnahme von Sprachnachrichten verwenden. Dazu ergeben sich die nachfolgend grafisch dargestellten Ergebnisse: Grafik 41 41 0 20 40 60 80 100 120 Deutsch Chinesisch Englisch Andere Grafik 41: Welche Sprache nutzen Sie hauptsächlich für Sprachnachrichten? Wie aus Grafik 41 ersichtlich wird, kommt am häufigsten das Englische zum Einsatz, das 98 Mal genannt ist, also von fast der Hälfte der InformantInnen (gut 47 %). Dies lässt die Vermutung zu, dass Sprachnachrichten akzentuiert im beruflichen Kontext eingesetzt werden, da häufig das private Umfeld der Expatriates (auch) mehrheitlich deutschsprachig ist (es sollte aber erwähnt werden, dass es im betrachteten Umfeld auch Ehen gibt, in denen Englisch die gemeinsame Sprache ist). Ausnahmen könnten Kontakte mit anderen Expat‐ riates aus Drittländern bilden. Deutsch folgt mit 84 Nennungen (gut 40 %), somit kann hier konstatiert werden, dass gesprochenes Deutsch auch im gegebenen Kontext weiterhin wichtig ist. Zumindest ist es deutlich häufiger genutzt als das Chinesische, das 22 Personen (knapp 11 % der Befragten) als Hauptsprache ihrer Sprachnachrichten nennen. Einerseits scheint es somit so zu sein, dass das Englische eine lingua franca-Funktion bei den Sprachnachrichten v. a. in der beruflichen Sphäre der Expatriates erfüllt, aber gleichzeitig das Deutsche noch 153 7.6 Genutzte Sprachen und Sprachmischung <?page no="154"?> wichtig bleibt (vgl. Grafik 36 in Kap. 7.6.1. oben). Im Vergleich mit Chats, die zu ca. 30 % in deutscher Sprache genutzt werden, geht hier die Tendenz eher zum mündlichen Gebrauch. Vermutlich ist das Deutsche eher für private Kontexte reserviert, aber auch innerhalb der beruflichen Kommunikation mag Deutsch für Sprachnachrichten innerhalb von WeChat eine relevante Rolle spielen. Sollte dies so sein, müsste entsprechend, wenn nicht mit L1-SprecherInnen, mit im Deutschen sehr kompetenten Personen kommuniziert werden, was bedeutet, dass dies im Beruf ungefähr auf einer vergleichbaren Hierarchieebene ange‐ siedelte Personen sein müssten (mit Ausnahme komplett deutschsprachiger Entitäten wie Behörden, d. h. diplomatischen Vertretungen, oder z. B. Schulen), die entsprechend deutschsprachig sind oder ausgezeichnete Deutschkenntnisse erworben haben. Bei größeren hierarchischen Gefällen, wie sie z. B. innerhalb von Fabrikations- und Produktionsstätten vorkommen (in Führungspositionen solcher Fabriken arbeiten viele Deutschsprachige in China), ist es potenziell we‐ niger wahrscheinlich, dass das Deutsche in Sprachnachrichten zur Anwendung kommt. Raum für (auch interkulturelle) Missverständnisse gibt es in solchen Konstellationen entsprechend weniger als im Privaten. Vier Personen nennen andere Konstellationen für ihre Nutzung von Sprach‐ nachrichten: Eine von ihnen gibt an, keinerlei Sprachnachrichten zu verwenden. Eine Person stellt fest, dass sie keine Hauptsprache für Sprachnachrichten nennen kann, wohl deswegen, da Deutsch, Englisch und Chinesisch zur Anwen‐ dung kommen. Eine UserIn gibt an, Englisch und Chinesisch gleichberechtigt zu verwenden. Eine AnwenderIn nutzt Spanisch für Sprachnachrichten. 7.7. Sprachrichtigkeit Im vorliegenden Abschnitt werden die Einschätzungen der TeilnehmerInnen der Erhebung zum WeChat-Gebrauch deutschsprachiger Expatriates in China zur Sprachrichtigkeit untersucht. Ihnen wurde die Frage gestellt, ob sie auf die sprachliche Richtigkeit ihrer Kommunikate innerhalb der Applikation achten; dies geschah differenziert (in der Reihenfolge der Umfrage) für das Deutsche (7.7.1.), das Chinesische (7.7.2.), das Englische (7.7.3.) und andere weitere Sprachen (7.7.4.). 154 7. Empirischer Teil: Resultate der Untersuchung <?page no="155"?> 7.7.1. Sprachrichtigkeit im Deutschen Zunächst wurden die deutschsprachigen WeChat-NutzerInnen danach gefragt, ob sie in ihrer Kommunikation innerhalb der Applikation auf Sprachrichtigkeit im Deutschen achten. Dazu machen die Befragten wie folgt Angaben: Grafik 42 42 0 20 40 60 80 100 120 nie selten gelegentlich häufig sehr häufig Grafik 42: Sprachrichtigkeit im Deutschen Wie aus Grafik 42 ersichtlich wird, achtet der überwiegende Teil der Nutze‐ rInnen sehr darauf, im Deutschen den gängigen Normen gemäß zu kommuni‐ zieren. 110 der 208 TeilnehmerInnen (knapp 53 % der Befragten) geben an, sehr häufig auf Sprachrichtigkeit Acht zu geben. Häufig tun dies 65 der befragten Personen (gut 31 %). Somit achten gut 84 % der Befragten mindestens häufig auf die Sprachrichtigkeit ihrer deutschen WeChat-Kommunikate. 23 UserInnen (ca. 11 %) rücken die Sprachrichtigkeit im Deutschen in ihrer WeChat-Kommunika‐ tion gelegentlich in den Fokus. Selten tun dies sieben Befragte (gut 3 %), nur drei NutzerInnen (gut 1 %) geben an, nie darauf zu achten. Als L1-SprecherInnen sind die Expatriates entsprechend kompetent, sprachbewusst und zumeist formal gebildet (die meisten in China beruflichen tätigen Expatriates dürften Universi‐ tätsabsolventInnen sein), um potenziell immer darauf bedacht zu sein, in einem Medium wie WeChat sprachlich korrekt zu kommunizieren. Im beruflichen Kontext wird WeChat von ca. 60 % der Befragten mindestens häufig genutzt; dort möchte man sich akzentuiert korrekt ausdrücken. Im interkulturellen Spannungsfeld Deutsch-Chinesisch kann es (diese Einschätzung beruht auf subjektiven Erfahrungen) vorkommen, dass chinesische Kommunikationspart‐ nerInnen besonders viel Wert auf formale Ausdrucksweisen und Stilistik im Deutschen legen (Anrede, Höflichkeit etc.), insofern passt dieses Resultat zu den wahrgenommenen interkulturellen Gepflogenheiten der Kommunikation. 155 7.7. Sprachrichtigkeit <?page no="156"?> Auch wenn Tendenzen zu einer Lockerung gewisser Normen v. a. in der der WeChat vergleichbaren WhatsApp-Kommunikation festzustellen sind, v. a. hin zu einer konzeptionellen Mündlichkeit bei medialer Schriftlichkeit in Erweite‐ rung von Koch/ Oesterreicher (1986), wie u. a. Dürscheid (2016) in Feilke/ Hennig (2016) diskutiert, so scheinen diese zumindest auf der Grundlage der hier ausgewerteten Befragung noch nicht unbedingt äquivalent durchzuschlagen. Dies mag auch damit zu tun haben, dass der größte Teil der Befragten mittleren Alters ist, während die angesprochenen Tendenzen sich potenziell eher bei UserInnen aus jüngeren Altersgruppen manifestieren dürften. 7.7.2. Sprachrichtigkeit im Chinesischen Zur Sprachrichtigkeit im Chinesischen innerhalb ihrer WeChat-Kommunika‐ tion geben die deutschsprachigen Expatriates in der Erhebung die folgenden Einschätzungen ab: Grafik 43 43 0 10 20 30 40 50 60 70 80 nie selten gelegentlich häufig sehr häufig Grafik 43: Sprachrichtigkeit im Chinesischen 48 Befragte (gut 23 %) geben an, sehr häufig auf die Sprachrichtigkeit im Chinesischen Wert zu legen, 41 Personen (knapp 20 %) achten häufig darauf, im Chinesischen richtig zu kommunizieren. In Kapitel 7.1. oben hatte die Umfrage (Grafik 2) ergeben, dass 21 InformantInnen (ca. 10 % der Befragten) Chinesisch als L1 angegeben haben. Wenn man annimmt, dass alle dieser Befragten entsprechend sehr häufig auf Sprachrichtigkeit im Chinesischen Wert legen, so bleiben 27 weitere InformantInnen (knapp 13 %), die Chinesisch nicht auf L1-Niveau beherrschen, aber dennoch besonders gut in dieser Sprache kommunizieren wollen. Einige der deutschsprachigen Expatriates sind an Uni‐ versitäten ausgebildete SinologInnen, die teils langjährig in China beheimatet 156 7. Empirischer Teil: Resultate der Untersuchung <?page no="157"?> und der chinesischen Sprache entsprechend mächtig sind. Hinzu kommen noch die 41 häufig auf die Sprachrichtigkeit im Chinesischen Achtenden (knapp 20 %). Somit legen fast 90 der 208 Befragten (knapp 43 %) ein ausgeprägtes Sprachbewusstsein für das Chinesische an den Tag. Dem gegenüber steht eine Gruppe von 76 UserInnen (ca. 37 %), die angeben, nie auf Sprachrichtigkeit im Chinesischen zu achten. Die Größe dieser Gruppe kann damit zu tun haben, dass viele der so Antwortenden kein Chinesisch beherrschen, es deswegen in ihrer WeChat-Kommunikation nicht gebrauchen und entsprechend auch nicht auf Sprachrichtigkeit Wert legen. Verhältnismäßig kleine Gruppen von AnwenderInnen (je ca. 10 %) geben an, selten (21 Befragte) bzw. gelegentlich (22 Befragte) auf ihr Chinesisch im WeChat-Kontext zu achten. Von daher kann die Verteilung in Grafik 43 oben im Prinzip als Zweiteilung gelesen werden: Entweder wird ausgeprägt auf ein gutes Chinesisch geachtet, wenn WeChat genutzt wird, oder gar nicht, d. h. man beherrscht das Chinesische recht gut bis fast auf L1-Niveau oder praktisch nicht. Eine Art ,Grauzone‘ mit einer eher gleichgültigen Haltung zur Qualität des benutzten Chinesischen (selten/ gelegentlich auf Sprachrichtigkeit achten) wird durch eine relativ kleine Gruppe (ca. ein Fünftel der Befragten) repräsentiert. 7.7.3. Sprachrichtigkeit im Englischen Auch für das im Kontext von WeChat verwendete Englisch wurden die deutsch‐ sprachigen Expatriates um eine Selbsteinschätzung hinsichtlich der Sprachrich‐ tigkeit gebeten. Die Resultate sind nachfolgend grafisch dargestellt: Grafik 44 44 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 nie selten gelegentlich häufig sehr häufig Grafik 44: Sprachrichtigkeit im Englischen 157 7.7. Sprachrichtigkeit <?page no="158"?> Hier ergibt sich, wie Grafik 44 zeigt, ein analoges Bild zu den in Kapitel 7.7.1. oben diskutierten Einschätzungen zur Sprachrichtigkeit im Deutschen, auf die ausgeprägt geachtet wird. Dies wird ebenso für das Englische deutlich, wenn man die hier gegebenen Antworten auswertet: 88 der befragten Expatriates (gut 42 %) geben an, sehr häufig auf die Sprachrichtigkeit ihrer englischsprachigen WeChat-Kommunikate zu achten. ,Häufig‘ wird in diesem Zusammenhang von 79 Personen (knapp 38 %) genannt. Insgesamt 167 der 208 TeilnehmerInnen an der Erhebung (gut 80 %) achten somit verstärkt auf eine korrekte sprachliche Gestalt ihrer WeChat-Nachrichten. Hierzu kann vermutet werden, dass es häufig um berufliche Inhalte und Anweisungen gehen dürfte, die nicht missverstanden werden sollen/ dürfen. Im komplexen interkulturellen Spannungsfeld China wird auch eine ansonsten global relativ gut funktionierende lingua franca wie das Englische häufig auf die Probe gestellt. Bei der Entsendung von deutschsprachigen MitarbeiterInnen in die Welt gehen die entsendenden Firmen davon aus, dass die Englischkompetenz der Entsendeten hoch genug ist. Selbst wenn diejenigen deutschsprachigen Personen, die vermutlich KollegInnen An‐ weisungen auf Englisch per WeChat erteilen, dies sprachlich richtig anstreben und auch tun, so ist u. U. noch lange nicht garantiert, dass diese Anweisungen auch richtig verstanden werden. Um pragmatisch zumindest produzentenseitig Fehlern und Missverständnissen vorzubeugen, dürften die Expatriates häufiger große Sorgfalt darauf verwenden, sich klar auszudrücken. Außerdem herrscht potenziell Druck, besonders gute Kommunikationskompetenz in der englischen Sprache mitbringen zu müssen, da es nicht selten sein kann, dass v. a. chinesische Führungskräfte bei Kooperationspartnern oder auch in den eigenen Firmen an englischsprachigen Top-Universitäten ausgebildet sind und ein entsprechend hervorragendes Englisch sprechen. Englisch wird außerdem in internationalen Familienkonstellationen benutzt; hier dürfte es zentral darauf ankommen, klar verstanden zu werden. Damit kommt der Sprachrichtigkeit eine entsprechend akzentuierte Rolle zu. Vergleichbar wie beim Deutschen (Kap. 7.7.1. oben) umfassen die weiteren Nennungen, nämlich ,gelegentlich‘ (26), ,selten‘ (9) oder ,nie‘ (6) auf Sprachrich‐ tigkeit im auf WeChat verwendeten Englisch zu achten, relativ kleine Anzahlen von NutzerInnen. 7.7.4. Sprachrichtigkeit in anderen Sprachen Neben den drei hauptsächlich im chinesischen deutschsprachigen Expatriate‐ kontext auf WeChat verwendeten Sprachen Deutsch, Chinesisch und Englisch wurden die TeilnehmerInnen der Erhebung danach gefragt, wie sie ihre Einstel‐ 158 7. Empirischer Teil: Resultate der Untersuchung <?page no="159"?> lung hinsichtlich der Sprachrichtigkeit für weitere andere Sprachen einschätzen, wenn sie in diesen mittels WeChat kommunizieren. Dabei ergaben sich die folgenden Resultate: Grafik 45 45 0 20 40 60 80 100 120 nie selten gelegentlich häufig sehr häufig Grafik 45: Sprachrichtigkeit in anderen Sprachen Wie Grafik 45 oben zeigt, sind andere Sprachen auf die Gesamtzahl der an der Erhebung teilnehmenden NutzerInnen innerhalb der Kommunikation per WeChat nur bedingt relevant. 99 Befragte (gut 47 %) geben an, im relevanten Kontext nie auf die Sprachrichtigkeit in anderen Sprachen zu achten - sehr wahrscheinlich, da sie keine anderen Sprachen außer Deutsch, Chinesisch oder Englisch benutzen. Insofern fällt hier knapp die Hälfte der 208 Befragten aus der aktiven Rolle der SprachverwenderInnen heraus. Blickt man auf diejenigen Expatriates, die in WeChat aktiv andere Sprachen benutzen, so zeigt sich, dass von ihnen 48 sehr häufig auf Sprachrichtigkeit in den jeweiligen Sprachen Wert legen (ca. 23 %). 24 Personen (knapp 12 %) geben an, häufig in den von ihnen benutzten anderen Sprachen auf Sprachrichtigkeit zu achten. Somit achtet gut ein Drittel der Befragten auf die Sprachrichtigkeit in weiteren Sprachen auf WeChat. Die Gruppe, der die Sprachrichtigkeit in Sprachen außer Deutsch, Chinesisch oder Englisch eher gleichgültig ist, umfasst 38 Personen (gut 18 %) (25 Befragte (ca. 12 %) geben an, sich gelegentlich um die Sprachrichtigkeit zu kümmern, 13 (6,25%) tun dies nach eigener Einschätzung selten). 159 7.7. Sprachrichtigkeit <?page no="160"?> 7.8. Deutsch und Chinesisch im Austausch mit der jeweils anderen Kultur Im vorliegenden Abschnitt werden die Sprachen Deutsch und Chinesisch im Austausch mit der jeweils anderen Kultur betrachtet. Dazu wurden den InformantInnen in der Erhebung relevante Fragen gestellt. Zunächst geht es in diesem Zusammenhang um die Verwendung des Deutschen mit Chinesinnen und Chinesen (7.8.1.), danach um die Verwendung des Chinesischen mit Spre‐ cherInnen des Deutschen (7.8.2.). 7.8.1. Verwendung des Deutschen mit Chinesinnen und Chinesen Zur Frage nach der Verwendung des Deutschen mit Chinesinnen und Chinesen in der WeChat-Kommunikation äußern sich die befragten deutschsprachigen Expatriates wie nachfolgend grafisch dargestellt: Grafik 46 46 0 10 20 30 40 50 60 nie selten gelegentlich häufig sehr häufig Grafik 46: Nutzen Sie Deutsch mit Chinesinnen und Chinesen? Wie man aus Grafik 46 ableiten kann, ist das Deutsche auf WeChat in der Interaktion der befragten Expatriates mit Chinesinnen und Chinesen eine potenziell häufig genutzte Sprache. In der intensiven deutsch-chinesischen Zusammenarbeit in der Wirtschaft kommt dem Deutschen häufig eine Schlüs‐ selrolle zu, weil es potenziell - trotz aller interkulturellen Differenzen, die eine Kommunikation von vornherein schwierig machen - besser geeignet für das Verständnis der einander oft fremden Kulturen ist als das Englische. Die Deutschsprachigen können ihre L1-Sprache verwenden, und diejenigen Chine‐ sinnen und Chinesen, die gutes Deutsch sprechen und auf die die Deutschspra‐ chigen im beruflichen Alltag treffen, haben zumeist einen germanistischen wie 160 7. Empirischer Teil: Resultate der Untersuchung <?page no="161"?> wirtschaftlichen Studienhintergrund. Dies trägt zu einer potenziell gelingenden Kommunikation über kulturelle Grenzen hinweg bei, auch wenn natürlich nicht alle Unterschiede nivelliert werden können (das Deutsche wird dann vermutlich gewählt, um ganz sicherzugehen, dass die Kontakte die Kommunikate auf jeden Fall richtig verstehen). Beim Englischen, das beide Sprechergruppen als potenzielle L2-Sprache sprechen und bei dem in der Sprachbeherrschung bei einigen Deutschsprachigen wie Chinesen Möglichkeiten zur Verbesserung bestehen (trotz einer (wohl oft zu) selbstbewussten Einschätzung der L1-SprecherInnen des Deutschen zu ihrer Englischkompetenz; vgl. Metadaten, Kap. 7.1.), misslingt potenziell aufgrund der sprachlichen wie kulturellen Andersartigkeit öfter die Kommunikation. In privaten Kontexten ist die Nutzung des Deutschen im Aus‐ tausch mit dem oft weniger gebildeten und entsprechend nicht fremdsprachigen Dienstpersonal (Fahrer, Haushälterinnen etc.) eher unwahrscheinlich. 22 Befragte (knapp 11 %) geben an, sehr häufig mit Chinesinnen und Chinesen mittels WeChat Deutsch zu verwenden, 37 Personen (knapp 18 %) nutzen Deutsch innerhalb der Applikation häufig. Dies ist insgesamt ein gutes Viertel der Befragten; die anderen Antwortalternativen ,gelegentlich‘ (54 Befragte, knapp 26 %), ,selten‘ (52 Befragte, 25 %) sowie ,nie‘ (42 Befragte, gut 20 %) werden - sehr grob - angenähert von ebenfalls je ca. einem Viertel der InformantInnen gewählt. Bis auf 42 Befragte benutzen somit alle InformantInnen das Deutsche in der WeChat-Kommunikation mit Chinesinnen und Chinesen. Eine Person machte zu dieser Frage keine Angaben. Für die Auffassung von WeChat als virtueller Sprachinsel haben die obigen Ergebnisse die Relevanz, dass Deutsch in dafür affinen kommunikativen Kon‐ stellationen innerhalb der Applikation potenziell die Funktion einer die Com‐ munity öffnenden Sprache haben kann. 7.8.2. Verwendung des Chinesischen mit SprecherInnen des Deutschen Warum stellt sich die Frage, unter den in China basierten deutschsprachigen Expatriates im Rahmen einer Studie zu ihren Kommunikationsgewohnheiten auf WeChat die Verwendung des Chinesischen mit SprecherInnen des Deut‐ schen zu untersuchen? Auf den ersten Blick könnte sie als marginal relevant angesehen werden; dies vor allem aus dem pragmatischen Grund, dass es ggf. für Außenstehende wenig wahrscheinlich erscheint, dass eine Verwendung des Chinesischen mit anderen L1-SprecherInnen des Deutschen überhaupt statt‐ findet. Den Anlass, dies hier zu untersuchen, gaben Beobachtungen im Kontext von Face-to-face-Interaktionen bei sozialen Veranstaltungen wie Empfängen, 161 7.8. Deutsch und Chinesisch im Austausch mit der jeweils anderen Kultur <?page no="162"?> Netzwerktreffen o. Ä. Dabei zeigte sich, dass es im Laufe solcher Events bei der Kopräsenz von Chinesinnen und Chinesen und Deutschsprachigen je nach Gesprächsverlauf häufig zu Konstellationen kam, in denen mehrere Deutsch‐ sprachige mit mehreren L1-SprecherInnen des Chinesischen interagierten. Zumeist ist in solchen Situationen nolens volens schnell das Chinesische die dominante Sprache, und will man als Deutschsprachige/ r den Gesprächsfluss nicht unterbrechen (oder ChinesInnen die kein Deutsch sprechen, nicht aus‐ schließen), so ist es in solchen Momenten praktikabel, selbst bei der Ansprache einer L1-SprecherIn des Deutschen beim Chinesischen zu bleiben, so man dafür die notwendige Sprachkompetenz besitzt. Eine andere Konstellation ergibt sich, wenn schon länger in China behei‐ matete (womöglich mit chinesischsprachiger PartnerIn), entsprechend sino‐ phile Deutschsprachige aufeinandertreffen. Ich bin selbst Zeuge solcher Begeg‐ nungen gewesen, bei denen die InteraktantInnen jeweils ein beeindruckend fortgeschrittenes Kompetenzniveau im gesprochenen Chinesisch aufwiesen und entsprechend die Gelegenheit ergriffen, dies zu demonstrieren. Potenziell konnte so in der Imitierung von L1-SprecherInnen des Chinesischen vereinzelt sogar Situationskomik entstehen. Von daher liegt es m. E. nahe, gerade im Kontext der Verwendung von WeChat eine solche Frage zu stellen, insbesondere da man über Übersetzungsapps und die Weiterleitungsfunktionen potenziell leichter chinesisches Sprachmaterial auch an Deutschsprachige kommunizieren kann, als dies in der reinen mündli‐ chen Interaktion mit einem niedrigen Level an Sprachkompetenz möglich wäre. In der digitalen Sphäre ist die Hemmschwelle tendenziell vielleicht besonders niedrig, da man keinen großen Druck verspürt, mit Blick auf Sprachrichtigkeit und interkulturelle Pragmatik korrekt zu agieren. Aus der Erhebung ergeben sich für die hier betrachtete Frage die folgenden Resultate: 162 7. Empirischer Teil: Resultate der Untersuchung <?page no="163"?> Grafik 47 47 0 20 40 60 80 100 120 nie selten gelegentlich häufig sehr häufig Grafik 47: Nutzen Sie Chinesisch mit SprecherInnen des Deutschen? Wie man aus Grafik 47 ersehen kann, nutzt knapp die Hälfte der Befragten niemals Chinesisch mit anderen SprecherInnen des Deutschen auf WeChat. Insgesamt geben dies 103 Personen (knapp 50 % der Befragten) an. Selten kommt das Chinesische in der Interaktion mit anderen Deutschsprachigen bei 49 NutzerInnen der Applikation (knapp 24 %) zur Anwendung, gelegentlich bei 36 Personen (gut 17 %). Jeweils neun InformantInnen (je gut 4 %) geben eine häufige bzw. sehr häufige Nutzung des Chinesischen bei der WeChat-Kommunikation mit anderen Deutschsprachigen an (dies ist annähernd übereinstimmend mit der Zahl UserInnen, die Chinesisch als auf L1-Niveau beherrschen). Zwei Personen machten zu dieser Frage keine Angaben. Wie die empirische Auswertung zeigt, so ist das Chinesische auf WeChat für etwa die Hälfte der Befragten mindestens gelegentlich eine genutzte Sprache, wenn mit anderen Deutschsprachigen kommuniziert wird. Dies deutet m. E. auf die Relevanz chinesischsprachiger Inhalte auf WeChat hin, die mit einer interessierten Community ausgetauscht werden sollen. Somit existiert eine vergleichsweise breitere Dimension als eine direkte Interaktion im Chat. Hier besteht ein Bedarf zur weiteren Erforschung des gegebenen Spannungsfeldes. 7.9. Übersetzungsfunktion Die TeilnehmerInnen der Erhebung zum Gebrauch von WeChat durch deutsch‐ sprachige Expatriates wurden zu ihrer Nutzung der in der Applikation veran‐ kerten Übersetzungsfunktion befragt, die sich sowohl innerhalb von Chats als auch im Bereich der ,Momente‘ (Posting wie etwa bei Facebook) anwenden lässt. Dazu machen die InformantInnen die folgenden Angaben: 163 7.9. Übersetzungsfunktion <?page no="164"?> Grafik 48 48 0 10 20 30 40 50 60 nie selten gelegentlich häufig sehr häufig Grafik 48: Nutzen Sie die Übersetzungsfunktion, um Beiträge zu verstehen? Wie Grafik 48 zeigt, nutzt ein signifikanter Teil der deutschsprachigen Expat‐ riates, die zu ihrer WeChat-Nutzung befragt wurden, die Übersetzungsfunktion, um Beiträge zu verstehen. 51 NutzerInnen (knapp 25 %) geben an, dieses Feature sehr häufig zu verwenden, 43 von ihnen nutzen die automatisierte Übersetzung häufig. 94 der 208 Befragten, also gut 45 %, nutzen somit diese Funktion mindestens häufig. 49 InformantInnen (knapp 24 %) geben an, gelegentlich auf die Möglichkeit der Übersetzung bei der Rezeption von Beiträgen zurück‐ zugreifen. Selten von dieser Funktion Gebrauch machen 22 Befragte (knapp 11 %), während 41 Personen (knapp 20 %) nie WeChats Übersetzungsfunktion nutzen. Insgesamt kann dies bedeuten, dass sich nach den ausgewerteten Daten auch knapp 40 UserInnen mit der L1 Deutsch in WeChat ohne Nutzung der Übersetzungsfunktion zurechtfinden. Zur Erinnerung: In Kapitel 7.1. hatten 21 InformantInnen (gut 10 % der Befragten) angegeben, Chinesisch auf L1-Niveau zu sprechen (vgl. Grafik 2). Die restlichen 10 % bzw. knapp 20 Befragten beherrschen entweder Chinesisch so gut, dass sie keine Übersetzungsfunktion brauchen, oder sie benutzen diese nicht, weil sie z. B. den Bereich ,Momente‘ nie rezipieren (gut 20 Befragte, vgl. Kap. 7.5.3.2., Grafik 16) und nur in solchen Sprachen per Chat kommunizieren, die sie auch gut beherrschen. Eine andere Interpretation mit Blick auf das eingangs des Bandes eingeführte Konzept der virtuellen Sprachinsel wäre, dass gewisse Expatriates innerhalb der Applikation alles an Sprachmaterial, was in den Momenten über Deutsch oder Englisch hinausgeht, also v. a. das Chinesische, schlicht ignorieren und sich so in einer ,Blase‘ bewegen. Insgesamt kann aus den Zahlen geschlossen werden, dass ein Bedarf an Übersetzungen - wohl natürlich v. a. aus dem Chinesischen ins Deutsche - besteht, da einerseits die Sprach- und im Speziellen die Lesekompetenz vieler 164 7. Empirischer Teil: Resultate der Untersuchung <?page no="165"?> Expatriates nicht ausreicht, andererseits aber potenziell an vielen Postings inhaltliches Interesse besteht. 170 der Befragten (knapp 82 %) nutzen diese Funktion zumindest hin und wieder. 7.10. Internetsprache Im vorliegenden Kapitel sind diejenigen Resultate aus der Erhebung zur WeChat-Nutzung Deutschsprachiger in China festgehalten, die sich um die Verwendung von Internetsprache drehen. Hierbei wird zunächst nach dem Einsatz typischer Abkürzungen wie lol (laughing out loud) und Ähnlichem gefragt (7.10.1.) (zu stilistischen Merkmalen digitalen Schreibens vgl. etwa Dürscheid/ Frick 2016: 73-92). Danach liegt der Fokus auf der Verwendung von Emojis und den damit verbundenen funktionalen Intentionen, mit denen diese Bildzeichen in WeChat benutzt werden (7.10.2.). Beißwenger/ Pappert (2019a, b, 2020) wurden erst nach der Durchführung meiner Erhebung publiziert und konnten entsprechend im Umfragedesign nicht mehr berücksichtigt werden. In einem dritten Schritt wird daran anschließend auf die innerhalb der Applikation ebenfalls einsetzbaren Sticker geblickt (7.10.3.; Gu i.V. wird auf Emojis und Sticker in WeChat und WhatsApp fokussieren). Analog wie bei der Analyse der Emoji-Verwendung werden nicht nur Selbsteinschätzungen zur Frequenz der Nutzung von Stickern untersucht, sondern auch die Angaben der Expatriates zum funktionalen Hintergrund der Verwendung. 7.10.1. Internet-typische Abkürzungen Auf die Frage danach, ob sie internet-typische Abkürzungen innerhalb ihrer WeChat-Kommunikation gebrauchen, machen die deutschsprachigen Expat-In‐ formantInnen in der Erhebung die nachfolgend grafisch dargestellten Angaben: 165 7.10. Internetsprache <?page no="166"?> Grafik 49 49 0 10 20 30 40 50 60 70 80 nie selten gelegentlich häufig sehr häufig Grafik 49: Benutzen Sie internet-typische Abkürzungen wie „lol“ (laughing out loud) o.Ä.? Wie aus der Darstellung in Grafik 49 hervorgeht, gibt es eine Gruppe von etwa einem Drittel der Befragten, die nie internet-typische Abkürzungen in ihrer WeChat-Kommunikation verwenden. Insgesamt 68 NutzerInnen (gut 32 %) geben dies an. 140 der 208 InformantInnen (gut 67 %) machen aber zumindest selten von dieser Art Kommunikation Gebrauch: Eine seltene Verwendung wird von 76 NutzerInnen (knapp 37 %) angegeben. In Richtung eines häufigeren Gebrauches internet-typischer Abkürzungen nimmt die Anzahl der Nennungen jeweils ab: 39 Personen (knapp 19 %) nutzen internet-typische Abkürzungen gelegentlich, vierzehn Personen (knapp 7 %) tun dies häufig, und neun Expatriates (gut 4 %) geben eine sehr häufige Verwendung an. Besonders akzentuiert verwenden Internetsprache also 23 UserInnen (ca. 11 %). Insgesamt lässt sich so für die Befragten konstatieren, dass keine große Affinität zu gängigem Internetjargon besteht. Häufig wird WeChat im beruflichen Expatriate-Kon‐ text verwendet. In solchen Verwendungskontexten dürften internet-typische digitale Ausdrucksweisen vermutlich produzentenwie rezipientenseitig als un‐ passende sprachlich-stilistische Alternativen angesehen werden. Die Nutzung von internet-typischen Abkürzungen, die meist auf englischsprachigen (lol), bisweilen auch auf deutschsprachigen (hdgdl) Formulierungen basieren, wird durch die Andersartigkeit der Schriftzeichen im Chinesischen (hauptsächlich auf Chinesisch chatten ca. 10 % der Befragten, vgl. Grafik 36 oben, Kap. 7.6.1.) erschwert, hier müsste es entsprechendes Code-Switching speziell hin zu den verwendeten Abkürzungen geben, damit diese realisiert werden könnten (vgl. zum Code-Switching Kap. 7.6.2.). Potenziell läge in diesem Fall die Verwendung von Emojis (vgl. folgender Abschnitt, Kap. 7.10.2.) daher näher. 166 7. Empirischer Teil: Resultate der Untersuchung <?page no="167"?> Wie bereits mehrfach mit Blick auf einzelne Features von WeChat festgestellt wurde, so gibt es auch hier eine kleine Gruppe von NutzerInnen, bei der die gängigen Abkürzungen durchaus häufig zum Sprachgebrauch gehören. Es könnte sich angesichts der Altersverteilung (vgl. Metadaten in Kap. 7.1.) um die jüngeren NutzerInnen unter den Befragten handeln. 7.10.2. Emojis 7.10.2.1. Verwendung von Emojis Zur Frage nach der Verwendung von Emojis in ihrer Kommunikation über die Applikation WeChat machen die Befragten die folgenden Angaben: Grafik 50 50 0 10 20 30 40 50 60 70 nie selten gelegentlich häufig sehr häufig Grafik 50: Benutzen Sie Emojis? Wie aus Grafik 50 hervorgeht, erfreut sich die Nutzung von Emojis in der WeChat-Kommunikation der befragten deutschsprachigen Expatriates einer großen Beliebtheit, über 60 % von ihnen verwenden Emojis mindestens häufig: 62 NutzerInnen (knapp 30 % der Befragten) geben an, Emojis sehr häufig zu verwenden. 66 UserInnen (knapp 32 %) nutzen die kleinen Bildzeichen häufig, 54 gelegentlich (knapp 26 %). Die seltenen NutzerInnen von Emojis in WeChat sind mit 15 Personen (gut 7 %) in der Minderheit, elf Befragte (gut 5 %) geben an, Emojis nie in WeChat zu verwenden. Diese Resultate zeugen von einer Affinität zu digitaler Kommunikation mit Emojis, die man vermutlich eher mit im Schnitt jüngeren UserInnen der Applikation WeChat im Speziellen und 167 7.10. Internetsprache <?page no="168"?> 52 Forschungen zu den Nutzungspraktiken von Emojis durch verschiedene Altersgruppen sind mir zum Zeitpunkt der Fertigstellung des vorliegenden Bandes (Mai 2020) nicht bekannt. Beißwenger/ Pappert (2019a, b, 2020) verweisen nicht auf derartige Studien. von Messengerkommunikation im Allgemeinen verbinden würde 52 . Es kann gezeigt werden, dass Emojis auf der Basis der hier vorgelegten empirischen Resultate ein Phänomen auch jenseits der originären VerwenderInnengruppen der jüngeren digital natives darstellen. Zur Akzeptanz der Emojis durch die deutschsprachigen Expatriates dürfte außerdem beitragen, dass die digitale unmittelbare Umgebung in China von Emojis geradezu penetriert ist, sie sind dort de facto omnipräsent. Dies erleichtert und suggeriert potenziell eine Über‐ nahme auch in die eigene WeChat-Kommunikation. Noch weiß man innerhalb der interkulturellen Verwendungsforschung zu Emojis (Deutsch - X) z. B. nicht genau, ob Emojis teils als Platzhalter für Satzglieder aktiv verwendet werden und somit potenziell Teil einer möglicherweise so aufzufassenden emergenten bildzeichenbasierten lingua franca (im Sinne von Ge/ Herring 2018) sein könnten. Unsere Befunde (Grafik 37, Kap. 7.6.2.1. oben) zeigen, dass fast 70 % der Befragten Sprachen innerhalb ihrer Chats mischen. Potenziell lässt sich durch die zahlenmäßige Analogie vermuten, dass wer Sprachen in Chats mischt, auch affin dazu ist, Emojis mit aufzunehmen. Diese Annahme soll aber nicht suggerieren, dass wir oder die NutzerInnen die Emojis bereits als eigene Sprache auffassen; die von Ge/ Herring (2018) in diesem Zusammenhang für die Stützung einer solchen These genannten Punkte scheinen eher abwegig. Emojis müssten vielmehr vor dem jeweiligen kulturellen bzw. interkulturellen Hintergrund genutzt wie rezipiert werden, v. a. semantische Universalität dürfte nur bei der ikonischen Darstellung konkreter Objekte/ Personen potenziell funktionieren. Das weite Feld der Emotionen hingegen ist jeweils schon intrakulturell diffizil, interkulturell noch weit schwieriger. Von daher erscheint es an dieser Stelle zu weit ausgreifend, Emojis trotz ihrer hier nachgewiesenen empirischen Relevanz zu weitgehende Qualitäten zuzuschreiben. 7.10.2.2. Funktionen der verwendeten Emojis Welchen Funktionen dienen die verwendeten Emojis? Dies wurden die teilneh‐ menden Expatriates innerhalb der Erhebung gefragt. Dazu machen die Deutsch‐ sprachigen in China die folgenden Angaben (dabei waren Mehrfachnennungen möglich): Wertungen und Bewertungen stehen dabei klar im Fokus. 173 Mal (d. h. von gut 83 % der Befragten) wird die positive Kommentierung einer Aussage genannt, 110 Nennungen (knapp 53 %) betreffen entgegengesetzt negative Kom‐ mentierungen. Zur Markierung von Ironie in ihren Aussagen verwenden 131 Personen (knapp 63 %) Emojis in ihrer WeChat-Kommunikation. Zur sonstigen 168 7. Empirischer Teil: Resultate der Untersuchung <?page no="169"?> Ausschmückung der Chats benutzen 138 Personen die Bildzeichen. Dies kann im weitesten Sinne mit Beißwenger/ Pappert (2019b: 72) und der funktionalen Praktik des Lesbarmachens verbunden werden. Insgesamt elf Personen nennen auch andere Verwendungen für Emojis in WeChat. Dies sind (Zitate aus der Freitexteingabe): Grüßen; Situativer Humor; Empathie zeigen; Betonung; Gratulationen; Emotionen ausdrücken; Verlegenheit; Statt Worte; Zur Illustration und/ oder als Ersatz eines wört‐ lichen Kommentars; Abkürzung durch ikonisches Sinnbild; Erklärung; Antwort auf Ja-Nein-Fragen mit lächelndem Smiley für ,ja‘ Betonungen, Verwendungen von Emojis statt Worten, Illustration/ Ersatz oder Abkürzungen können wie oben ebenso der Praktik des Lesbarmachens zu‐ geordnet wedren. Verkürzungen im Sinne einer kleineren Zeichenzahl und hin zu einer Mischung verschiedener semiotischer Codes innerhalb einzelner Äußerungseinheiten innerhalb von Chats sind sicherlich nicht nur in WeChat und der hier relevanten Erhebung anzutreffen, sondern auch in anderen Me‐ dien/ auf anderen Plattformen innerhalb der Messengerkommunikation. Bei der pragmatischen Funktion ,Erklärung‘ ist wohl eine Art Dopplung der Aus‐ sage gemeint, die vielleicht schon schriftlich formuliert wurde und durch ein Emoji emphatisch visualisierend unterstrichen wird. Der Kommentar Abkür‐ zung durch ikonisches Sinnbild ist sehr verdichtet formuliert. Hierin könnte eine Dimension der Ersetzung von mittels Emojis darstellbaren, nominalen Satzgliedern in einer ansonsten schriftlichen Äußerung gemeint sein, also eine bewusste Mischform dort, wo es die Palette der Emojis entsprechend erlaubt. Die aus der Freitexteingabe erhaltenen funktionalen Erläuterungen des Grüßens, des situativen Humors, des Empathie-Zeigens, der Gratulationen, des Emo‐ tionen-Ausdrückens oder der Verlegenheit können mit Beißwenger/ Pappert zumeist mit der Praktik des Sichtbarmachens in Verbindung gebracht werden: Praktiken des Sichtbarmachens haben gemeinsam, dass mit der Emoji-Kommunika‐ tion zum Ausdruck gebracht wird, dass der oder die Verwendende die Beziehung zu seinen oder ihren Adressat*innen als wertvoll, bewahrens- und schützenswert betrachtet. (Beißwenger/ Pappert 2019b: 73) Im Bereich der Erforschung von Emojis stehen wir insgesamt noch am Anfang. Für WeChat existieren bisher keine geeigneten großen Korpora, um an Emojis zu forschen. Dies stellt ein Desiderat für zukünftige Forschungen dar. 169 7.10. Internetsprache <?page no="170"?> 7.10.3. Sticker 7.10.3.1. Verwendung von Stickern Die befragten deutschsprachigen Expatriates machen zur Verwendung von Sti‐ ckern in ihrer WeChat-Kommunikation die nachfolgend grafisch dargestellten Angaben: Grafik 51 51 0 10 20 30 40 50 60 70 nie selten gelegentlich häufig sehr häufig Grafik 51: Benutzen Sie Sticker? Wie sich aus Grafik 51 erkennen lässt, ist tendenziell eine gelegentliche bis sehr häufige Verwendung von Stickern zu erkennen. Am häufigsten wird von den Befragten eine gelegentliche Verwendung angegeben, und zwar in 61 Fällen (gut 29 %). Darauf folgt die Angabe, Sticker häufig zu nutzen; dies nennen 43 Befragte (knapp 21 %). 34 Personen (gut 16 %) geben an, Sticker in WeChat sehr häufig in ihrer Kommunikation durch die Applikation zu verwenden. Somit nutzen ca. 37 % der Befragten mindestens häufig Sticker. Selten bzw. nie werden Sticker von je 35 Expatriates (jeweils knapp 17 %) verwendet. Für das relativ neue Phänomen des ,Stickers‘ in der Messengerkommunikation überraschen m. E. die hohen Verwendungswerte. 7.10.3.2. Funktionen der verwendeten Sticker Den Befragten war eine Reihe von Antwortalternativen für die Funktion der in WeChat verwendeten Sticker vorgegeben. Mehrfachnennungen waren möglich. So antworteten 127 Personen (ca. 61 %), dass sie Sticker dazu nutzen, um positive Kommentare zu vermitteln. 121 Mal (von gut 58 % der Befragten) wird die Markierung von Ironie durch Sticker angegeben, 109 Befragte (gut 52 %) nutzen Sticker zu einer (allgemein gehaltenen) Ausschmückung ihrer sonstigen Aussagen in der Kommunikation mit der WeChat-Applikation. 76 Befragte 170 7. Empirischer Teil: Resultate der Untersuchung <?page no="171"?> (knapp 37 %) nennen negative Kommentierungen als intendierte Funktion ihrer Sticker-Verwendung. Über die Freitexteingabe ließen sich über die o. g. Alternativen hinaus weitere Funktionen der Stickerverwendung in WeChat angeben. Es wurden die nach‐ folgend zitierten genannt: Grüßen, Humor; Situativer Humor; Scherzen; Der Situation angepasste Sticker; Gratula‐ tionen; Statt Worte; Zur Illustration und/ oder als Ersatz eines wörtlichen Kommentars; Unterhaltungswert; Wenn ich nicht weiß, wie man eine Konversation starten soll; Zum Spaß; Werbung (unser Firmenlogo) Hierbei ist m. E. vor allem der Hinweis auf die komplette Substitution einer schriftlichen Äußerung durch Sticker interessant, da hier die Grenzen traditio‐ neller Schriftlichkeit neu definiert bzw. verschoben werden. Auch als Initiierung einer Konversation werden laut der Kommentare oben Sticker gebraucht. Hierbei wird leider keine weitergehende Angabe dazu gemacht, welche Sticker konkret dazu geeignet sind, eine initiierende Funktion zum Beginn einer Konversation zu übernehmen (Gesichtsausdrücke vs. Objekte etc.), und um welche Art Konversationen es sich dann handelt (Sachliche Konversationen vs. Flirts etc.). An dieser Stelle besteht in der einschlägigen Forschung nach meiner Kenntnis ein Desiderat, und dies nicht nur für WeChat, sondern für die Messengerkommunikation allgemein. 7.11. Mündlichkeit und Schriftlichkeit Die InformantInnen wurden innerhalb der Erhebung um eine Selbsteinschät‐ zung im Spannungsfeld von Mündlichkeit und Schriftlichkeit in ihrer Kommu‐ nikation mit dem WeChat-Messenger gebeten. Zu diesem Zweck wurden sie gefragt, ob sie sich im Chat eher an der Mündlichkeit orientieren, d. h. eher chatten wie sie sprechen, oder ob eine Orientierung tendenziell eher an der Schriftlichkeit erfolgt, d. h. dass sie eher chatten wie sie schreiben. Hierbei war zur Beantwortung eine Skala von 1 bis 5 angegeben, wobei ,1‘ mit ,Sprechen‘ sowie ,5‘ mit ,Schreiben‘ bezeichnet war und 2, 3 bzw. 4 entsprechende Abstu‐ fungen denotieren. Es konnten nur ganzzahlige Antworten durch Anklicken in einem Menü gegeben werden. Nachfolgend sind die Resultate dieser Befragung grafisch dargestellt: 171 7.11. Mündlichkeit und Schriftlichkeit <?page no="172"?> Grafik 52 52 0 10 20 30 40 50 60 70 1- Sprechen 2 3 4 5- Schreiben Grafik 52: Chatten Sie mehr wie Sie sprechen oder wie Sie schreiben? Aus Grafik 52 lässt sich ablesen, dass die befragten Expatriates laut ihrer Selbsteinschätzung eher dazu tendieren, am Schriftlichkeitspol orientiert zu chatten. Insgesamt nennen 60 Befragte (knapp 29 %) eine klare Orientierung an der Standard-Schriftlichkeit, indem sie auf die o. g. Frage mit dem Maximal‐ wert ,5‘ antworten. 66 Befragte (knapp 32 %) nennen die Antwort ,4‘, die eine deutliche Orientierung in Richtung einer schriftstandardnahen Ausdrucksform anzeigt. Somit sind gut 60 % der Befragten darauf bedacht, mindestens nah an einem schriftsprachlichen Ausdruck zu chatten. Eine im mathematischen Sinne neutrale Antwort (,3‘) nennen 38 Befragte (gut 18 %), die damit zum Ausdruck bringen, dass sie sowohl Elemente der Schriftlichkeit wie auch der Mündlichkeit ungefähr jeweils ausgewogen in ihrer WeChat-Kommunikation verwenden. 27 Befragte (knapp 13 %) antworten mit ,2‘ und schätzen ihre Chats als vorwiegend an einem mündlichen Sprachgebrauch orientiert ein, und insgesamt 16 Personen (knapp 8 %) nennen ihre Kommunikation vollends an der Mündlichkeit modelliert (Antwort ,1‘). Eine InformantIn machte zu dieser Frage keine Angaben. Größere Umbrüche im Sinne einer ,neuen Schriftlichkeit‘ legen zumindest die hier als Selbsteinschätzungen erhobenen Daten nicht nahe. Bringt man die hier erhobenen Einschätzungen zu Mündlichkeit und Schrift‐ lichkeit in Verbindung mit den Angaben, die die Befragten zur Sprachrichtigkeit in den benutzten Sprachen Deutsch (Grafik 42; Kap. 7.7.1.; ca. 84 % der Use‐ rInnen achten mindestens häufig auf Sprachrichtigkeit), Chinesisch (Grafik 43; Kap. 7.7.2.), Englisch (Grafik 44; Kap. 7.7.3.; ca. 80 % der UserInnen achten min‐ destens häufig auf Sprachrichtigkeit) sowie den anderen verwendeten Sprachen (Grafik 45; Kap. 7.7.4.) machen, so ergeben sich für alle genannten analysierten Sprachen/ Sprachgruppen klare Parallelen im Bereich der Korrelierung von Ori‐ entierung am Schriftlichkeitspol zusammen mit häufigem bzw. sehr häufigem 172 7. Empirischer Teil: Resultate der Untersuchung <?page no="173"?> Beachten der Sprachrichtigkeit der benutzten Sprache. Am ausgeprägtesten sind diese Parallelen für das Deutsche und das Englische, erkennbar werden sie in abgeschwächter Form aber auch für das Chinesische sowie die Gruppe der anderen Sprachen. Sprachrichtigkeit und Orientierung an schriftsprachlichen Standards gehen nach diesen Datenauswertungen Hand in Hand, neue ,gelo‐ ckerte‘ Schriftlichkeiten lassen sich in diesem Kontext nicht erkennen (vor dem Hintergrund der oben diskutierten teils frequenten Verwendungen von Emojis und Stickern überrascht dies). 7.12. Kommentare zur Nutzung von WeChat Die befragten Deutschsprachigen hatten zum Abschluss der Online-Erhebung zu ihrem Gebrauch von WeChat die Möglichkeit, freiwillig Kommentare ab‐ zugeben. Dieser Abschnitt der Umfrage konnte auf Wunsch übersprungen werden. Die erste Kommentarmaske thematisierte mögliche bei der Nutzung der Applikation auftretende oder aufgetretene Probleme (7.12.1.). In einem weiteren Schritt konnten die Befragten sich dazu äußern, welche weiteren Features ggf. zukünftig in WeChat inkludiert werden sollten oder könnten (7.12.2.). Abschlie‐ ßend gab es die Möglichkeit, weitere freie sonstige Kommentare zur Erhebung und zu WeChat abzugeben (7.12.3.). Im Folgenden werden die Erträge dieser drei Abschnitte zusammengefasst. Über die frei zugänglichen Forschungsdaten (vgl. Kap. 9.) besteht bei Interesse und Bedarf die Möglichkeit, diese Kommentare näher weiter zu betrachten. Daher gibt es in der vorliegenden Publikation keinen Bedarf dafür, die Kommentare als eigenen Anhang zu publizieren. 7.12.1. Kommentare zu Problemen bei der Nutzung von WeChat Sowohl in den deutschsprachigen Ländern wie unter Deutschsprachigen in China werden die mangelnde Sicherheit für Daten, die Praxis der Online-Zensur und viele weitere Dinge mit Blick auf Chinas digitale Sphäre - sicher oft nicht zu Unrecht - kritisch und distanziert gesehen, problematisiert und disku‐ tiert. Insofern überrascht es ein wenig, bei der Freitexteingabe ohne weitere anklickbare Antwortalternativen insgesamt von 43 UserInnen (knapp 21 % der Befragten) den Kommentar „nein“ zu erhalten. Dies kann für mehrerlei Perspektiven stehen: Einerseits werden vielleicht keinerlei Schwierigkeiten bemerkt. Andererseits ist eine Deutung denkbar, in der die NutzerInnen von WeChat sich der o. g. Problematiken voll bewusst sind, diese aber in der Praxis in China verdrängen, weil ihnen sonst vielleicht die tagtägliche digitale 173 7.12. Kommentare zur Nutzung von WeChat <?page no="174"?> 53 Vgl. CNN, Is China secretly censoring WeChat? 08.12.2016. Online: https: / / www.yout ube.com/ watch? v=FDG-HzMcriE&feature=youtu.be [29.04.2020]. Interaktion mit der Applikation eine zu große praktische oder möglicherweise auch mentale Bürde wäre. Durch das vorhergehende Ausfüllen der Umfrage zu ihren Kommunikationsgewohnheiten und -praktiken mit WeChat könnte ihnen bewusst geworden sein, was genau sie selbst mit der Applikation tun können und de facto auch tun. Insofern liegt vielleicht die hier vorgeschlagene Lesart am nächsten, das Problembewusstsein durch ihren „nein“-Kommentar aktiv zu verdrängen. Die genau gegenläufige Interpretation eines pragmatischen „nein“, die hier sicherlich ebenfalls denkbar ist, wäre ein naives Verwenden der Applikation nicht nur im Sinne einer virtuellen Sprachinsel, sondern vielmehr hin zu einer homogenen Expatriate-Blase, innerhalb der man sich maximal komfortabel aufgehoben fühlt, in der man alles anfallende Digitale bequem erledigen kann und überhaupt kein Problembewusstsein aufbaut. Vermutlich gibt es unter den Befragten VertreterInnen beider Extreme, dies neben solchen Personen, die von ihrer Einstellung eher in die eine oder andere Richtung tendieren, ohne jedoch alle Konsequenzen ihrer WeChat-Nutzung reflektiert zu Ende zu denken und zu abstrahieren; dafür ist WeChat von der Anlage her vielleicht auch zu im positiven Sinne praktisch und den Expatriate-Alltag in der Fremde erleichternd. Dass diverse NutzerInnen keine Probleme bei der Verwendung der Applika‐ tion WeChat sehen, heißt nicht, dass nicht andere von ihnen explizit kritisch mit dem kommunikativen Setting, in das sie durch die App eingebettet sind, umgehen. Datenschutz und Zensur sind Stichworte, die einige Male genannt werden. Dabei ist diese Perspektive zunächst auf die Betreiberseite gerichtet, der man nicht vertrauen könne. Während man den ggf. fehlenden Datenschutz beim Verwenden der Applikation nicht direkt on screen sehen kann, so geben Expatriates an, dass vereinzelt Einträge verschwunden seien. Ohne an dieser Stelle tiefergehend darauf eingehen zu können, decken sich diese Beobachtungen mit verschiedenen in den letzten Jahren v. a. in den englischsprachigen Medien (z. B. CNN) erschienenen TV-Beiträgen 53 . Ein prägnanter Userkommentar aus der Erhebung zeigt, wie vermutlich einige der Expatriates mit der Frage des defizitären Datenschutzes umgehen: Datenschutz gibt es meiner Ansicht nach bei Wechat nicht. Die Frage ist, ob man das als Problem empfindet. Für mich persönlich ist der Nutzen und auch die Notwendigkeit von Wechat so groß, dass es keine Alternative gibt und ich mich mit den Bedingungen (kein Datenschutz) abfinde[.] (Kommentar, Spalte CX 83 Excel) 174 7. Empirischer Teil: Resultate der Untersuchung <?page no="175"?> Mit der latenten Unsicherheit hinsichtlich Überwachung in WeChat geht poten‐ ziell auch eine Vorsicht einher, sensible Inhalte zu posten oder weiterzuleiten. In diesem Zusammenhang ließe sich auch von einer durch die Befragten teils exer‐ zierten ,Selbstzensur‘ zu sprechen, in deren Zusammenhang konsequent andere Kommunikationswege als WeChat für entsprechend schwierige Inhalte gesucht werden oder ggf. ganz von der Kommunikation solcher Mitteilungen abgesehen wird. Insgesamt kann man mit Blick auf die vorhandenen Kommentare von einer diffusen Unsicherheit und mangelndem bis gar nicht vorhandenem Vertrauen sprechen, die innerhalb der WeChat verwendenden Expatriate-Community in China vorherrscht. Neben der Datenschutzproblematik gibt es unter den Befragten außerdem Kritik an einigen technischen Aspekten von WeChat. So werden u. a. der limitierte Speicherplatz bzw. der hohe Speicherplatzbedarf der Applikation auf dem Smartphone moniert. Ein weiterer Punkt thematisiert die schwere Zugäng‐ lichkeit einiger Funktionen, da man sich als in China ansässige Person mit entsprechenden Credentials registrieren muss: Im Fall von WeChat Pay, der Bezahlfunktion etwa, kann man sich nur mit einem eigenen chinesischen Bank‐ konto und entsprechender Bankkarte registrieren. Mittlerweile funktionieren allerdings auch ausländische Kreditkarten, die zur Anmeldung genutzt werden können. Im Falle eines Verlusts des Smartphones lassen sich darüber hinaus mit dem alten Telefon getätigte Chats nicht wiederherstellen (eine Archivierungs- oder Backupfunktion wie etwa in WhatsApp existiert nicht). 7.12.2. Weitere eventuelle Features für WeChat Die befragten deutschsprachigen Expatriates durften auf Wunsch Kommen‐ tare dazu abgeben, welche weiteren Features sie sich für WeChat und eine komfortablere Verwendung wünschen. Dabei kamen verschiedene konkrete Aspekte zur Sprache: Mit Blick auf die im vorhergehenden Abschnitt disku‐ tierte Datenschutzproblematik wurde die Verschlüsselungstechnologie der sog. end-to-end-encryption genannt, die aus WhatsApp bekannt ist und die Chats schwerer mitlesbar machen soll. Es wurden außerdem explizite Schnittstellen zu Facebook und Instagram gewünscht; einerseits ist hierzu zu bemerken, dass diese beiden sozialen Netzwerke in China durch die sog. Golden Firewall technisch blockiert werden, andererseits gibt es bei einer Neuregistrierung für WeChat die Möglichkeit, diese unter Zuhilfenahme des Facebook-Kontos (! ) vorzunehmen. Dies konnte ich 2017 selbst feststellen, als ich nach dem Verlust eines Smartphones auf einem neuen Gerät WeChat einrichtete. 175 7.12. Kommentare zur Nutzung von WeChat <?page no="176"?> Schaut man auf die Chats, so wird ein Detail aus WhatsApp innerhalb von WeChat vermisst, nämlich die sich farblich verändernden Häkchen zum Status der Nachricht (zwei graue Häkchen = zugestellt, zwei blaue = gelesen; ein graues Häkchen = gesendet, aber (noch) nicht zugestellt). Dazu kommt, dass einige UserInnen gerne den Online-/ Offline-Status anderer Kontakte sehen würden - all dies bietet WeChat bis dato nicht. Sprachnachrichten sind ein populäres Feature von WeChat, auch unter den für meine Studie befragten Expatriates. Innerhalb der Kommentare wurde angeregt, die Sprachnachrichten gerne weiterleiten zu können, was bisher nicht möglich ist. Die Begrenzung einzelner Sprachnachrichten auf 60 Sekunden wird bisweilen als lästig empfunden (zum Vergleich: bei WhatsApp sind bis zu acht Stunden (! ) lange Sprachnachrichten möglich). Innerhalb eines län‐ geren Chats würden einige UserInnen gerne explizit nach Sprachnachrichten suchen können, müssen jedoch bisher ohne die Verfügbarkeit einer solchen Funktion auskommen. Ebenso wenig existiert eine wirklich leistungsstarke Übersetzungsfunktion; zwar gibt es innerhalb der ,Momente‘ die Möglichkeit, sich einzelne Posts übersetzen zu lassen, doch gerade mit der Zielsprache Deutsch (WeChat übersetzt jeweils in die eingestellte Systemsprache) ergeben sich bisweilen kryptisch-unverständliche Übersetzungen. Wohl mit Blick auf eine berufliche Nutzung gibt es den Wunsch, Gruppen-Te‐ lefonate mit mehr als neun Personen gleichzeitig abzuhalten, ebenso wie die Anregung, Gruppen-Videochats zu implementieren. Die Krise um das Corona‐ virus 2020 könnte hier womöglich eine Inkludierung solcher Erweiterungen bewirken. Es wird außerdem eine bessere Nutzbarkeit außerhalb Chinas ange‐ mahnt, ohne dass jedoch technische Details zu möglichen Problemen in diesem Zusammenhang genannt werden. 7.13.3. Sonstige Kommentare Innerhalb der die Umfrage abschließenden möglichen Kommentare wurde den Befragten die Möglichkeit gegeben, sich mittels Freitexteingabe zu bisher nicht behandelten Themen rund um WeChat zu äußern. Dabei werden verschiedene Aspekte angeführt, die hier zusammenfassend dargestellt sind. Von den Befragten wird der Kritikpunkt angeführt, dass die ständige Nutzung von WeChat, beruflich wie privat, bisweilen die Grenzen dieser beiden Be‐ reiche verschwimmen ließe. Dies ist einerseits der Omnipotenz der Applikation hinsichtlich ihrer Reichweite geschuldet, dürfte aber auch über den Kontext unserer Erhebung, also über China hinaus, ein Problem sein, das in Expatriate- und Arbeitnehmerkreisen, die sehr stark auf digitale Kommunikation mittels 176 7. Empirischer Teil: Resultate der Untersuchung <?page no="177"?> geeigneter Apps und sozialer Netzwerke setzen, existiert - ganz unabhängig davon, welche Applikation gerade genutzt wird (die sog. Work-Life-Balance ist ständig im Fokus medialer Berichterstattung). Weiter werden explizite Schnitt‐ stellen zu WhatsApp gewünscht; in diesem Zusammenhang wird eine Foto-Umbzw. Weiterleitungsfunktion vorgeschlagen, um sich direkt von einem sozialen Netzwerk zum anderen bewegen zu können und diese womöglich simultan zu bedienen (eine solche Funktion existiert z. B. für Twitter und LinkedIn). Abschließend ist aus den abgegebenen sonstigen Kommentaren noch er‐ wähnenswert, dass die WeChat-Affinität vieler chinesischer NutzerInnen aus der Perspektive deutschsprachiger Expatriates zum Teil ein gesundes Maß übersteigt und schon als suchtartig eingestuft wird. Hierzu lässt sich einwenden, dass Smartphonekomsum in industrialisierten und immer mehr digitalisierten und sich digitalisierenden Gesellschaften oftmals ein Problem darstellt, auch in den deutschsprachigen Heimatländern der befragten Expatriates. Solche Auswüchse sind sicherlich problematisch, andererseits noch nicht hinreichend erforscht. Bevor man den moralischen Zeigefinger gegenüber der WeChat-Nut‐ zung erhebt, muss man sich auch fragen, ob wir es nicht mit einem viel weiter gefassten Problem zu tun haben: Die Online-Aktivitäten steigen allgemein weltweit stetig an. Ein Fokus auf eine einzelne Applikation - auch wenn sie wie bei WeChat den Charakter einer ,Killer-App‘ besitzt - und ihre aktive bis exzessive Nutzung greift letzten Endes zu kurz. 177 7.12. Kommentare zur Nutzung von WeChat <?page no="179"?> 8. Zusammenfassung und Ausblick In der vorliegenden Studie sind die Kommunikationsgewohnheiten deutsch‐ sprachiger Expatriates in China bei der Verwendung der dominierenden chi‐ nesischen Messenger-Applikation WeChat untersucht worden. Wie eingangs festgestellt fassen wir die Applikation in unserem Kontext als virtuelle Sprach‐ insel auf. Nachfolgend werden in der Beantwortung der eingangs gestellten Forschungsfragen (vgl. 1.) die wesentlichen Resultate zusammengefasst und ein Ausblick in Richtung weiterer möglicher Forschungen formuliert. Die Auswertung der erhobenen Metadaten ergibt ein prototypisches User‐ profil, nämlich einen männlichen deutschen Muttersprachler mittleren Alters, der keine weitere Sprache auf L1-Niveau spricht, seit vor 2015 in China war, angestellt und zumeist in Shanghai wohnhaft ist. Mit WeChat, das vor der Zeit in China nicht bekannt war und parallel mit anderen Messengern (hauptsächlich WhatsApp) und beruflich wie privat (hier intensiv) genutzt wird, sind die InformantInnen meist über Freunde/ Bekannte in Kontakt gekommen. Dieser Kontakt kann im Sinne einer Aufnahme in die virtuelle Sprachinsel-Community angesehen werden, deren Mitglieder diesen Zugang aktiv ermöglichen. Wenn wir auf die genutzten Features blicken, so zeigt sich, dass Chats und Gruppenchats zu den am häufigsten verwendeten Funktionalitäten gehören. Sprachnachrichten sind ebenfalls populär. Voice-Telefonate werden etwas häu‐ figer genutzt als Videotelefonie. Das Sprechen, in welcher gewählten Form auch immer, ist somit nach dem Chatten in der digitalen Sphäre der virtuellen Sprachinsel, als die wir WeChat auffassen, ebenfalls relevant. Standortfunktionen (inkl. Echtzeit-Standort) kommen potenziell häufig zum Einsatz, aktive Geldüberweisungen und die WeChat Pay-Bezahlfunktion er‐ freuen sich hoher Beliebtheit bei den InformantInnen, ebenso wie der Austausch digitaler Kontaktkarten. Bis hierhin wird mit den digitalen Tools von WeChat aus der Community heraus in die reale, v. a. chinesischsprachige Umwelt agiert und auch aktiv der Kontakt mit Personen außerhalb der virtuellen Sprachinsel-Umgebung gesucht. Dagegen wird die Momente-Funktion, d. h. das Posting wie bei Facebook, aktiv deutlich weniger benutzt (vor der Folie des mehrheitlich chinesischspra‐ chigen kulturellen Rezeptionsumfeldes) - rezeptiv, also über das Liken und Kommentieren, wird dieser Bereich von den deutschen Expatriates in China über WeChat im Vergleich damit relativ gut angenommen. WeChats Foto- und Videoaufnahmefeatures werden von der Gruppe der Befragten kaum genutzt; <?page no="180"?> audiovisuelles Material wird mittels WeChat nicht erzeugt, sondern tendenziell eher weitergeleitet. Die (lokal-, also chinaspezifische) Personensuche wird laut Erhebung selten benutzt, die typisch chinesische Praktik des Versendens von Geldgeschenken (Rote Pakete) ähnlich zurückhaltend. In der weniger ausgeprägten Annahme dieser mehrheitlich chinesisch fokussierten bzw. in den chinesischsprachigen Kontext eingebetteten Features kann ein implizites Sich-Fokussieren auf die eigene virtuelle Sprachinsel- und kulturell tendenziell homogenere Community gesehen werden. Englisch ist mit knapp 60 % die hauptsächlich in (Gruppen-)Chats verwendete Sprache, vor Deutsch und Chinesisch. Sprachmischungsphänomene kommen mit fast 70 % relativ frequent vor, bisweilen sogar innerhalb derselben Nachricht. Englisch ist vor Deutsch die dominierende Sprache, in der Sprachnachrichten aufgenommen werden (fast jede zweite Sprachnachricht wird in englischer Sprache aufgenommen). Sprachrichtigkeit ist den Befragten v. a. im Englischen, danach im Deutschen, ein relevantes Anliegen. Das Deutsche ist für über die Hälfte der Befragten eine mindestens gelegentlich genutzte Sprache im inter‐ kulturellen Austausch mit Chinesinnen und Chinesen. Chinesisch hingegen wird mit SprecherInnen des Deutschen vergleichsweise wenig verwendet. Die Übersetzungsfunktion wird sehr häufig genutzt, um Beiträge zu verstehen (wohl zumeist für chinesischsprachige Kommunikate). Um die Nutzung von Englisch kommt die deutschsprachige WeChat-Community nicht herum, damit ein Austausch mit den chinesischen Locals sowie Expatriates aus anderen Ländern gesichert werden kann. Insofern ähnelt die hier virtuell empirisch festgestellte Sprachenkonstellation dem Miteinander verschiedener Sprachen v. a. im Shanghai der 1930er Jahre, wenn man die deutschsprachigen Zeitungen und Zeitschriften der Zeit (u. a. die Gelbe Post) zur Hand nimmt. Die Parallelen werden dahingehend deutlich, dass es damals wie heute eine deutschsprachige Community mit einem eigenen ,Geist‘ gibt, die explizit auf Deutsch kommuni‐ zieren möchte, aber den Erfordernissen der Umstände Rechnung tragen muss, dass ohne Englisch - und mit Abstrichen Chinesisch - nicht mit dem Umfeld außerhalb der Deutschsprachigen interagiert werden kann. Internet-typische Ausdrucksweisen wie lol werden nur von einer kleinen Gruppe der Befragten häufig verwendet. Emojis hingegen stoßen auf eine sehr breite Akzeptanz und sind in konstant hoher Verwendung. In Relation werden die sog. Sticker nicht so häufig benutzt wie Emojis, dennoch kann festgehalten werden, dass die Sticker weit öfter zur Anwendung kommen als z. B. die genannte ,Internetsprache‘. Für den Kontext der virtuellen Sprachinsel WeChat könnte man dies so deuten, dass das besondere chinesische Umfeld mit seiner Affinität zu Bildlichkeit schon über die Schriftzeichen eine Hinwendung 180 8. Zusammenfassung und Ausblick <?page no="181"?> zu im Vergleich u. U. ausgeprägterer Nutzung dieser Bildzeichen als in den deutschsprachigen Heimatländern vielleicht unterstützt und die NutzerInnen sich ein progressives, digitalaffines Selbstbild in der Kommunikation auch mittels Emojis und Stickern zu geben vermögen. Bei der Emoji-Verwendung zeigt sich mit Blick auf die Funktionen, dass zumeist positive Kommentare trans‐ portiert werden sollen, aber Ausschmückungen und Ironie häufiger mit dem Einsatz der kleinen Bildzeichen verbunden werden als negative Kommentare. Bei den Angaben zu den Funktionen der verwendeten Sticker kann eine ähnliche Verteilung wie bei den Emojis konstatiert werden, mit dem Unterschied, dass Sticker in Relation weniger für negative Kommentierungen genutzt werden. Im Bereich Mündlichkeit und Schriftlichkeit schätzt die Mehrheit der Befragten sich selbst so ein, eher schriftlichkeitsorientiert zu kommunizieren. Diejenigen Expatriates, die zum Abschluss der Online-Umfrage Kommentare beisteuern, heben vor allem einen Aspekt positiv heraus, nämlich die ihnen den Alltag in China erleichternde, praktische Multifunktionalität der WeChat-Ap‐ plikation. Die virtuelle Sprachinsel kann gewissermaßen als Komfortzone auf‐ gefasst werden: Wenn man so will, bietet WeChat in gewissem Sinne jeder in China ankommenden AusländerIn ein digitales Starterpaket, mit dem man sich praktisch umgehend vernetzen und agieren kann. Solche Möglichkeiten wären potenziell für jede Migrationskonstellation in‐ teressant, vielleicht ließe sich angesichts größerer Flüchtlingsbewegungen auch in Richtung Deutschland/ Europäische Union hieraus eine Chance erkennen, im Sinne von ähnlich/ vergleichbar potenten Applikationen für Ankömmlinge, deren Daten und Existenzen auf einem digitalen Wege einerseits von Ämtern etc. gut verwaltet werden könnten und die andererseits entsprechend direkte Wege zur Kommunikation mit den Behörden und darüber hinaus bieten könnten, angeboten in einer Vielzahl von relevanten Sprachen. Die große Frage bei solchen Überlegungen ist allerdings neben dem Datenschutz, wie‐ viel wirkliche Teilhabe und Integration wirklich gewünscht wird. Angesichts der zumindest in Deutschland die Integration von MigrantInnen lähmenden föderalen Bürokratie könnten geeignete Applikationen hier schnell einen Be‐ freiungsschlag initiieren. Warum solche Vorhaben nicht innerhalb von digitalen Zukunftsstrategien jetzt schon öffentlich diskutiert werden, ist m. E. nicht nachvollziehbar. Ein zweiter Aspekt, der zur Integration der Expatriates über die Verwendung von WeChat beiträgt, ist die positive Rezeption der Verwendung der Applika‐ tion durch die ChinesInnen im Umfeld der Deutschsprachigen, privat wie beruflich. Durch das aktive Verwenden von WeChat setzt man ein Zeichen, dass man sich in China - digital zumindest - wie die Einheimischen verhalten 181 8. Zusammenfassung und Ausblick <?page no="182"?> möchte. Und dies, obwohl die hier vorgelegten empirischen Auswertungen m. E. zeigen können, dass die virtuelle Community der Deutschsprachigen durch die Nutzungsgewohnheiten von WeChat einen Zusammenhalt erfährt. Dies wird vermutlich aus chinesischer Perspektive nicht so wahrgenommen. Dennoch stößt die Verwendung von WeChat in der Regel auf freundliche bis freudige Reaktionen bei den ChinesInnen, erleichtert die Kommunikation sowie die Vernetzung mit ihnen und kann, ähnlich wie die Beherrschung schon einiger weniger Worte Mandarin, eine Türöffnerfunktion in Richtung der Kultur des Gastlandes China haben. Hierin besteht - anders als bei der oben angesprochenen Flüchtlingszeitung Gelbe Post im Shanghai der 1930er Jahre - großes Potenzial, sich gleichzeitig in WeChat als virtueller Sprachinsel heimisch zu fühlen und den digitalen Anschluss an China zu finden. Angesichts solcher oft positiver Schlüsselerlebnisse für Deutschsprachige in China müsste man vielleicht gelegentlich daran denken, dass man zuhause in den deutschsprachigen Heimatländern MigrantInnen, die Halt suchen, ggf. auch vergleichbare (Glücks-)Momente bieten könnte, ganz gleich, ob in der Face-to-face-Interaktion oder darüber, dass diesen Menschen digital etwas gelingt, das ihnen in der neuen Heimat auf Zeit weiterhilft. Hier könnte eine ähnlich wie WeChat strukturierte Applikation potenziell wirklich stark sein; gleichzeitig würde man der Entstehung auch digitaler Parallelgesellschaften und -strukturen entgegenwirken. Unsere Resultate zu WeChat legen jedenfalls nahe, dass sich einerseits über das Konzept der virtuellen Sprachinsel eine Com‐ munity konstituiert, andererseits über die Vielfältigkeit der kommunikativen und sprachlichen Möglichkeiten, die die Applikation in der Verwendung und der Vernetzung mit der restlichen Welt und dem Umfeld in China bietet, gar nicht die Frage stellt, ob man sich nur bewusst zurückzieht und absondert. Punktuell ist ein Rückzug in die Sicherheit der deutschsprachigen digitalen Community vielleicht sogar willkommen, aber insgesamt spricht mehr für eine Deutung hin zu einer an die chinesische (digitale wie reale) Welt recht eng angenäherte Gruppe. Es gibt Austausch, eine reine Parallelgesellschaft und völlig unzugängliche virtuelle Sprachinsel stellt WeChat mitnichten dar. Abschließend kommen wir zu weiteren Perspektiven für die Forschung: Das über eine Online-Umfrage erhobene Datenmaterial liegt auf dem Open Access-Re‐ positorium Zenodo des CERN in Genf öffentlich in allen mit der verwendeten SoSciSurvey-Software speicherbaren Formaten vor (zum genauen Speicherort vgl. das folgende Kapitel 9.). Allen Interessierten in der Forschungscommunity steht somit die Möglichkeit der weitergehenden Beschäftigung mit den Daten offen. Speziell mit Blick auf mögliche Korrelierungen mehrerer Datenreihen steht zu erwarten, dass die erhobenen Daten noch weitere für die einschlägigen For‐ 182 8. Zusammenfassung und Ausblick <?page no="183"?> 54 Online: https: / / db.mocoda2.de/ #/ c/ home [01.05.2020]. schungsdiskurse relevante Resultate liefern können und werden. So könnten etwa verschiedene häufig verwendete Features zusammen betrachtet werden, um eine genauere soziolinguistische Bestimmung der VerwenderInnen dieser ,Top-Fea‐ tures‘ vorzunehmen. Ebenso gibt es - dies zeigen die Daten m. E. deutlich - eine Gruppe von digitalaffinen UserInnen, die WeChat ständig im Gebrauch haben. Auch diese Gruppe ließe sich innerhalb zukünftiger Arbeiten mit den zur Verfügung stehenden Daten näher bestimmen. Die Altersverteilung ließe außerdem eigene Herangehensweisen an das Datenmaterial zu: Hierbei könnten die Daten entsprechend nach Altersgruppen ausgewertet werden. Einschränkend ist an dieser Stelle aber zu sagen, dass die meisten InformantInnen mittleren Alters sind. Genderspezifisch ließe sich außerdem natürlich nach männlichen und weiblichen UserInnen und ihren Kommunikationsgewohnheiten trennen, um herauszufinden, welche Features und Kommunikationspraktiken laut der analy‐ sierten Daten ggf. mehr mit einem als dem anderen Geschlecht assoziiert werden können. Mittels der unterschiedlichen Datenformate sind aber über die Untersu‐ chungsmöglichkeiten der sehr frei, praktisch unbegrenzt miteinander korrelier‐ baren Daten natürlich weitere Fragestellungen entwickel- und bearbeitbar. Es ist wünschenswert, dass die erhobenen Daten entsprechend von einer interessierten Community angenommen werden und als Grundlage für weitere Arbeiten dienen können. Gleichzeitig ließe sich daran denken, im Sinne einer Plattform wie der Mobile Communication Database 2 (MoCoDa) 54 , die es ermöglicht, Chats für Forschungs- und Lehrzwecke bereitzustellen, eine eigene Korpus-Plattform für WeChat-Kommunikate auf Deutsch aufzubauen. Was an dieser Stelle bereits angedeutet werden kann, ist, dass die zur Verfügung stehenden Daten einerseits Ausgangspunkt für konkrete Forschungen sein, andererseits potenziell Anstoß zu neuen Studien geben könnten. Letzteres hängt zum Teil davon ab, wie die technische Entwicklung der Applikation weitergeht. Aus meiner Sicht erstaunlich hat sich in den letzten Jahren die Kern-Applikation, sowohl was das äußere Erscheinungsbild wie die Funktionalität angeht, kaum verändert. Den Bereich der Micro-Apps, der extrem dynamisch ist, nehmen wir explizit von meinen Betrachtungen aus. Dieser wäre für sich genommen Thema für zahlreiche eigene Studien; dies würde aber vom linguistischen, auf Kommunikation fokussierenden Kerngeschäft wegführen. Die Zukunft wird zeigen, welche innovativen Frage‐ stellungen sich für die (Sozio-)Linguistik und angrenzende Wissenschaften mit WeChat verbinden lassen. Seine Rolle in der Coronakrise wäre sicher interessant zu beleuchten. Insgesamt bleibt für die weiterführende Beschäftigung mit dieser Applikation festzuhalten: Es existiert viel Potenzial für weitere Forschungen. 183 8. Zusammenfassung und Ausblick <?page no="185"?> 9. Forschungsdatenmanagement Mit den im Rahmen der vorliegenden Studie erhobenen Forschungsdaten kann weiter geforscht werden. Sie liegen frei zugänglich auf dem Open Science-Re‐ positoriumsserver Zenodo des CERN (https: / / zenodo.org) vor. Das Datenset kann an folgender Stelle heruntergeladen werden: DOI: 10.5281/ zenodo.3747164 (Publikationsdatum: 10.04.2020) Das Datenset umfasst die erhobenen Daten in den Formaten Excel, GNU R, SPSS, SQL und Stata sowie eine PDF-Screenshot-Version der Umfrage. <?page no="187"?> Literaturverzeichnis Agten, Sven, König, Thomas (2018): So schafft man China. Wiesbaden: Springer. AHK Hongkong (2020): Online: https: / / hongkong.ahk.de/ chamber/ [08.04.2020]. AHK Nordchina (2020): Online: https: / / china.ahk.de/ de/ mitgliedschaft/ nordchina [08.04.2020]. AHK Ostchina (2020): Online: https: / / china.ahk.de/ de/ mitgliedschaft/ ostchina [08.04.2020]. AHK Südchina (2020): Online: https: / / china.ahk.de/ de/ mitgliedschaft/ sued-suedwest china [08.04.2020]. Ahlheim, Michael et al. 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[Bitte auswählen] 3. Sprechen Sie noch andere Sprachen auf Muttersprachenniveau außer Deutsch? Nein Chinesisch Andere. Welche? 4. Seit wann leben/ waren Sie in China? [Bitte auswählen] Welches Geschlecht haben Sie? Welches Geschlecht haben Sie? SD01 Welches Geschlecht haben Sie? SD01 Welches Geschlecht haben Sie? SD03 Sprechen Sie noch andere Sprachen Sprechen Sie noch andere Sprachen A001 Sprechen Sie noch andere Sprachen A001 Sprechen Sie noch andere Sprachen Sprechen Sie noch andere Sprachen Seit wann leben/ waren Sie in China? Seit wann leben/ waren Sie in China? A002 Seit wann leben/ waren Sie in China? A002 Seit wann leben/ waren Sie in China? A003 <?page no="204"?> 5. Wo in China leben/ lebten Sie? Beijing Shanghai Hongkong Anderer Ort. Welcher? 6. Wie war/ ist Ihr beruflicher Status in China? [Bitte auswählen] Seite 02 2 7. Kannten Sie WeChat, bevor Sie nach China kamen? ja nein 8. Wie wurden Sie auf WeChat aufmerksam? Es sind mehrere Antwortoptionen gleichzeitig auswählbar. Internet Presse/ Radio/ TV Freunde/ Bekannte KollegInnen Andere Quelle. Welche? Wie war/ ist Ihr beruflicher Status in Wie war/ ist Ihr beruflicher Status in A004 Wie war/ ist Ihr beruflicher Status in A004 Wie war/ ist Ihr beruflicher Status in Kannten Sie WeChat, bevor Sie nach Kannten Sie WeChat, bevor Sie nach A101 Kannten Sie WeChat, bevor Sie nach A101 Kannten Sie WeChat, bevor Sie nach Kannten Sie WeChat, bevor Sie nach A102 A103 204 Anhang 1: Fragebogen <?page no="205"?> 9. Nutzen Sie noch andere Messaging- Dienste? [Bitte auswählen] 10. Falls Sie die vorherige Frage mit „ja“ beantwortet haben: Welche anderen Messenger nutzen Sie noch? Sonst klicken Sie bitte unten rechts auf „weiter“. Es sind mehrere Antwortoptionen gleichzeitig auswählbar. WhatsApp Facebook Messenger Telegram Viber Anderer Messenger. Welcher? Seite 03 3 11. Wie häufig nutzen Sie WeChat? Antwortoptionen: nie, s = selten, g = gelegentlich, h = häufig, sehr häufig nie s g h sehr häufig Ich nutze WeChat allgemein Ich nutze WeChat beruflich Ich nutze WeChat privat Seite 04 Falls Sie die vorherige Frage mit „ja“ Falls Sie die vorherige Frage mit „ja“ A104 Falls Sie die vorherige Frage mit „ja“ A104 Falls Sie die vorherige Frage mit „ja“ Falls Sie die vorherige Frage mit „ja“ Wie häufig nutzen Sie WeChat? Wie häufig nutzen Sie WeChat? A201 Wie häufig nutzen Sie WeChat? A201 Wie häufig nutzen Sie WeChat? 205 Anhang 1: Fragebogen <?page no="206"?> 4 12. Ich nutze die folgenden Features von WeChat Es gibt jeweils genau eine Antwortoption (nie, s = selten, g = gelegentlich, h = häufig, s.h.= sehr häufig). nie s g h s.h. Chats Gruppenchats Momente (verfassen) Momente (lesen) Momente (Liken/ kommentieren) Sprachnachrichten Fotos machen Selfies machen Fotos senden Selfies senden Videos machen Videos senden Telefonieren Videotelefonie Standort Echtzeit-Standort Rote Pakete senden (Hongbao) Rote Pakete empfangen (Hongbao) Ich nutze die folgenden Features von Ich nutze die folgenden Features von A301 Ich nutze die folgenden Features von A301 Ich nutze die folgenden Features von Ich nutze die folgenden Features von 206 Anhang 1: Fragebogen <?page no="207"?> Geld überweisen Überweisungen erhalten Bezahlfunktion (WeChat Pay) Kontaktkarten senden/ empfangen Personensuche Seite 05 5 13. Welche Sprache nutzen Sie hauptsächlich im (Gruppen-)Chat? [Bitte auswählen] 14. Mischen Sie Sprachen innerhalb eines (Gruppen-)Chats? Falls Sie „ja“ antworten, so klicken Sie bitte dazu die jeweiligen Sprachen an bzw. ergänzen Sie. Mehrfachantworten sind möglich. Sonst genügt „nein“. ja nein Deutsch Chinesisch (Mandarin) Englisch Andere (Welche? ) A401 Mischen Sie Sprachen innerhalb Mischen Sie Sprachen innerhalb A402 Mischen Sie Sprachen innerhalb A402 Mischen Sie Sprachen innerhalb A403 207 Anhang 1: Fragebogen <?page no="208"?> 15. Mischen Sie Sprachen innerhalb der selben Nachricht? Wenn Sie „ja“ antworten, dann klicken Sie bitte die Sprachen dazu an bzw. ergänzen Sie bitte. Mehrfachantworten sind möglich. Sonst genügt „nein“. ja nein Deutsch Chinesisch (Mandarin) Englisch Andere (Welche? ) 16. Welche Sprache nutzen Sie hauptsächlich für Sprachnachrichten? [Bitte auswählen] Seite 06 6 17. Achten Sie auf Sprachrichtigkeit, wenn Sie über WeChat kommunizieren? Antwortoptionen: nie, s = selten, g = gelegentlich, h = häufig, immer nie s g h immer Im Deutschen? Im Chinesischen? Im Englischen? In anderen Sprachen? A404 Achten Sie auf Sprachrichtigkeit, Achten Sie auf Sprachrichtigkeit, A501 Achten Sie auf Sprachrichtigkeit, A501 Achten Sie auf Sprachrichtigkeit, 208 Anhang 1: Fragebogen <?page no="209"?> Seite 07 7 18. Deutsch, Chinesisch und Übersetzungsfunktion Antwortoptionen: nie, s = selten, g = gelegentlich, h = häufig, sehr häufig nie s g h sehr häufig Nutzen Sie Deutsch mit Chinesinnen und Chinesen? Nutzen Sie Chinesisch mit SprecherInnen des Deutschen? Nutzen Sie die Übersetzungsfunktion, um Beiträge zu verstehen? Seite 08 8 19. Internetsprache Antwortoptionen: nie, s = selten, g = gelegentlich, h = häufig, sehr häufig nie s g h sehr häufig Benutzen Sie internet-typische Abkürzungen wie „lol“ (laughing out loud) ö.Ä.? Benutzen Sie Emojis? Benutzen Sie Sticker? A601 A701 209 Anhang 1: Fragebogen <?page no="210"?> Wie ich spreche Wie ich schreibe 20. Falls Sie keine Emojis benutzen, überspringen Sie bitte diese Frage, indem Sie unten rechts auf „weiter“ klicken. Falls Sie Emojis benutzen, wofür benutzen Sie diese? Mehrfachantworten sind möglich. Positive Kommentare Negative Kommentare Ausschmückung Ironie Andere (Welche? ) 21. Falls Sie keine Sticker benutzen, überspringen Sie bitte diese Frage, indem Sie unten rechts auf „weiter“ klicken. Falls Sie Sticker benutzen, wofür benutzen Sie diese? Positive Kommentare Negative Kommentare Ausschmückung Ironie Andere (Welche? ) Seite 09 9 22. Chatsprache Chatten Sie mehr wie Sie sprechen oder wie Sie schreiben? Falls Sie keine Emojis benutzen, Falls Sie keine Emojis benutzen, A702 Falls Sie keine Emojis benutzen, A702 Falls Sie keine Emojis benutzen, Falls Sie keine Sticker benutzen, Falls Sie keine Sticker benutzen, A703 Falls Sie keine Sticker benutzen, A703 Falls Sie keine Sticker benutzen, A801 210 Anhang 1: Fragebogen <?page no="211"?> Anhang 2: Tabellarische Auswertungen Für diejenigen RezipientInnen, die eine andere Darstellung als die in Kap. 7. bevorzugen, sind alle empirischen Resultate als Tabellen dargestellt. Die Rei‐ henfolge ist mit dem Fragebogen sowie der Auswertung identisch. Die Num‐ merierung der Tabellen im vorliegenden Anhang weicht jedoch aus Gründen der Darstellung im Fließtext von der Nummerierung der Grafiken ab. Die Benennung der Tabellen korrespondiert mit dem in Anhang 1 abgedruckten Online-Fragebogen. Metadaten Alter Anzahl jünger als 15 Jahre 6 15-19 Jahre 5 20-24 Jahre 6 25-29 Jahre 10 30-34 Jahre 19 35-39 Jahre 28 40-44 Jahre 32 45-49 Jahre 38 50-54 Jahre 30 55-59 Jahre 20 60-64 Jahre 6 Über 65 Jahre 5 nicht beantwortet: 3 Tabelle 1: Altersstruktur der InformantInnen <?page no="212"?> Antwortoptionen Anzahl nein 100 Chinesisch 16 Andere 92 Tabelle 2: Sprachen auf Muttersprachenniveau außer Deutsch Antwortoptionen Anzahl Englisch 80 Französisch 15 Spanisch 6 Polnisch 5 Portugiesisch 4 Russisch 2 Niederländisch 2 Finnisch 2 Japanisch 2 Schwedisch 1 Ungarisch 1 Vietnamesisch 1 Dänisch 1 Katalanisch 1 Lateinisch 1 Tabelle 3: Andere Sprachen auf Muttersprachenniveau außer Deutsch 212 Anhang 2: Tabellarische Auswertungen <?page no="213"?> Antwortoptionen Anzahl vor 2015 136 2015 22 2016 21 2017 7 2018 18 2019 2 keine Angabe: 2 Tabelle 4: Seit wann leben/ waren Sie in China? Antwortoptionen Anzahl Shanghai 142 Beijing 27 Qingdao 10 Guangzhou 6 Hongkong 5 Changchun 5 Harbin 3 Suzhou 3 Ningbo 3 Shenzhen 3 Taicang 2 Xi’an 2 Wuxi 1 Guilin 1 Dalian 1 Changsha 1 Tabelle 5: Wo in China leben/ lebten Sie? (Mehrfachnennungen möglich) 213 Anhang 2: Tabellarische Auswertungen <?page no="214"?> Status Anzahl Angestellter 132 Begleitperson 22 Selbstständig 18 Sonstiger Status 18 StudentIn 13 SchülerIn der Deutschen Schulen 5 Tabelle 6: Wie war/ ist Ihr beruflicher Status in China? WeChat im Gebrauch Antwortoptionen Anzahl ja 36 nein 172 Tabelle 7: Kannten Sie WeChat, bevor Sie nach China kamen? Antwortoptionen Anzahl Freunde/ Bekannte 176 KollegInnen 81 Internet 8 Presse/ Radio/ TV 6 Andere 13 Spezifizierung „Andere“ (Freitexteingabe): vgl. Kap. 7.2.2. oben Tabelle 8: Wie wurden Sie auf WeChat aufmerksam? 214 Anhang 2: Tabellarische Auswertungen <?page no="215"?> Antwortoptionen Anzahl ja 180 nein 28 Tabelle 9: Nutzen Sie noch andere Messaging-Dienste? Antwortoptionen Anzahl WhatsApp 172 Facebook Messenger 62 Telegram 14 Viber 7 Andere 26 Spezifizierung „Andere“ (Freitexteingabe): vgl. Kap. 7.2.3. oben Tabelle 10: Genutzte andere Messagingdienste Antwortoptionen Anzahl nie 3 selten 8 manchmal 24 häufig 48 sehr häufig 125 Tabelle 11: Wie häufig nutzen Sie WeChat? (allgemein) 215 Anhang 2: Tabellarische Auswertungen <?page no="216"?> Antwortoptionen Anzahl nie 26 selten 24 manchmal 37 häufig 38 sehr häufig 83 Tabelle 12: Wie häufig nutzen Sie WeChat? (beruflich) Antwortoptionen Anzahl nie 3 selten 9 manchmal 15 häufig 45 sehr häufig 136 Tabelle 13: Wie häufig nutzen Sie WeChat? (pruvat) Feature-Nutzung in WeChat Antwortoptionen Anzahl nie 2 selten 7 manchmal 11 häufig 53 sehr häufig 135 Tabelle 14: Chats 216 Anhang 2: Tabellarische Auswertungen <?page no="217"?> Antwortoptionen Anzahl nie 9 selten 14 manchmal 30 häufig 69 sehr häufig 86 Tabelle 15: Gruppenchats Antwortoptionen Anzahl nie 67 selten 55 manchmal 57 häufig 16 sehr häufig 13 Tabelle 16: Momente (verfassen) Antwortoptionen Anzahl nie 23 selten 34 manchmal 65 häufig 49 sehr häufig 37 Tabelle 17: Momente (lesen) 217 Anhang 2: Tabellarische Auswertungen <?page no="218"?> Antwortoptionen Anzahl nie 51 selten 57 manchmal 54 häufig 32 sehr häufig 14 Tabelle 18: Momente liken/ kommentieren Antwortoptionen Anzahl nie 29 selten 43 manchmal 63 häufig 38 sehr häufig 35 Tabelle 19: Sprachnachrichten Antwortoptionen Anzahl nie 59 selten 54 manchmal 47 häufig 28 sehr häufig 20 Tabelle 20: Fotos machen 218 Anhang 2: Tabellarische Auswertungen <?page no="219"?> Antwortoptionen Anzahl nie 114 selten 56 manchmal 24 häufig 8 sehr häufig 6 Tabelle 21: Selfies machen Antwortoptionen Anzahl nie 8 selten 19 manchmal 54 häufig 80 sehr häufig 47 Tabelle 22: Fotos senden Antwortoptionen Anzahl nie 90 selten 66 manchmal 30 häufig 15 sehr häufig 7 Tabelle 23: Selfies senden 219 Anhang 2: Tabellarische Auswertungen <?page no="220"?> Antwortoptionen Anzahl nie 87 selten 70 manchmal 36 häufig 11 sehr häufig 4 Tabelle 24: Videos machen Antwortoptionen Anzahl nie 53 selten 69 manchmal 55 häufig 21 sehr häufig 10 Tabelle 25: Videos senden Antwortoptionen Anzahl nie 8 selten 29 manchmal 57 häufig 72 sehr häufig 42 Tabelle 26: Telefonieren 220 Anhang 2: Tabellarische Auswertungen <?page no="221"?> Antwortoptionen Anzahl nie 29 selten 40 manchmal 60 häufig 53 sehr häufig 26 Tabelle 27: Videotelefonie Antwortoptionen Anzahl nie 55 selten 50 manchmal 64 häufig 26 sehr häufig 13 Tabelle 28: Standort Antwortoptionen Anzahl nie 68 selten 66 manchmal 44 häufig 21 sehr häufig 9 Tabelle 29: Echtzeit-Standort 221 Anhang 2: Tabellarische Auswertungen <?page no="222"?> Antwortoptionen Anzahl nie 96 selten 55 manchmal 36 häufig 15 sehr häufig 6 Tabelle 30: Hongbao (senden) Antwortoptionen Anzahl nie 84 selten 69 manchmal 35 häufig 14 sehr häufig 6 Tabelle 31: Hongbao (empfangen) Antwortoptionen Anzahl nie 56 selten 20 manchmal 50 häufig 53 sehr häufig 29 Tabelle 32: Geld überweisen 222 Anhang 2: Tabellarische Auswertungen <?page no="223"?> Antwortoptionen Anzahl nie 62 selten 32 manchmal 45 häufig 46 sehr häufig 23 Tabelle 33: Überweisungen erhalten Antwortoptionen Anzahl nie 57 selten 18 manchmal 14 häufig 48 sehr häufig 71 Tabelle 34: WeChat Pay Antwortoptionen Anzahl nie 23 selten 53 manchmal 61 häufig 46 sehr häufig 25 Tabelle 35: Kontaktkarten senden/ empfangen 223 Anhang 2: Tabellarische Auswertungen <?page no="224"?> Antwortoptionen Anzahl nie 84 selten 74 manchmal 43 häufig 4 sehr häufig 3 Tabelle 36: Personensuche Sprachverwendung Antwortoptionen Anzahl Englisch 119 Deutsch 64 Chinesisch (Mandarin) 23 Andere 2 Spezifizierung „Andere“ (Freitexteingabe): vgl. Kap. 7.6.1. oben Tabelle 37: Hauptsächliche Sprache im (Gruppen-)Chat Antwortoptionen Anzahl ja 142 nein 57 keine Angabe: 9 Tabelle 38: Mischen Sie Sprachen innerhalb eines (Gruppen-)Chats? 224 Anhang 2: Tabellarische Auswertungen <?page no="225"?> Antwortoptionen Anzahl Englisch 130 Deutsch 117 Chinesisch (Mandarin) 97 Andere 4 Spezifizierung „Andere“ (Freitexteingabe): vgl. Kap. 7.6.2.2. oben Tabelle 39: Mischen Sie Sprachen innerhalb eines (Gruppen-)Chats? Verwendete Spra‐ chen (Mehrfachnennungen möglich) Antwortoptionen Anzahl nein 122 ja 85 keine Angabe: 1 Tabelle 40: Mischen Sie Sprachen innerhalb derselben Nachricht? Antwortoptionen Anzahl Englisch 69 Deutsch 62 Chinesisch (Mandarin) 59 Andere 3 Spezifizierung „Andere“ (Freitexteingabe): vgl. Kap. 7.6.2.4. oben Tabelle 41: Mischen Sie Sprachen innerhalb derselben Nachricht? Verwendete Sprachen (Mehrfachnennungen möglich) 225 Anhang 2: Tabellarische Auswertungen <?page no="226"?> Antwortoptionen Anzahl Englisch 98 Deutsch 84 Chinesisch (Mandarin) 22 Andere 5 Spezifizierung „Andere“ (Freitexteingabe): vgl. Kap. 7.6.3. oben Tabelle 42: Welche Sprache nutzen Sie hauptsächlich für Sprachnachrichten? Antwortoptionen Anzahl nie 3 selten 7 manchmal 23 häufig 65 sehr häufig 110 Tabelle 43: Sprachrichtigkeit im Deutschen Antwortoptionen Anzahl nie 76 selten 21 manchmal 22 häufig 41 sehr häufig 48 Tabelle 44: Sprachrichtigkeit im Chinesischen 226 Anhang 2: Tabellarische Auswertungen <?page no="227"?> Antwortoptionen Anzahl nie 6 selten 9 manchmal 26 häufig 79 sehr häufig 88 Tabelle 45: Sprachrichtigkeit im Englischen Antwortoptionen Anzahl nie 99 selten 13 manchmal 25 häufig 24 sehr häufig 47 Tabelle 46: Sprachrichtigkeit in anderen Sprachen Deutsch, Chinesisch und Übersetzungsfunktion Antwortoptionen Anzahl nie 42 selten 52 manchmal 54 häufig 37 sehr häufig 22 keine Angabe: 1 Tabelle 47: Nutzen Sie Deutsch mit Chinesinnen und Chinesen? 227 Anhang 2: Tabellarische Auswertungen <?page no="228"?> Antwortoptionen Anzahl nie 103 selten 49 manchmal 36 häufig 9 sehr häufig 9 Tabelle 48: Nutzen Sie Chinesisch mit SprecherInnen des Deutschen? Antwortoptionen Anzahl nie 41 selten 22 manchmal 49 häufig 43 sehr häufig 51 keine Angabe: 2 Tabelle 49: Nutzen Sie die Übersetzungsfunktion, um Beiträge zu verstehen? Internetsprache Antwortoptionen Anzahl nie 68 selten 76 manchmal 39 häufig 14 sehr häufig 9 Tabelle 50: Benutzen Sie internet-typische Abkürzungen wie „lol“ (laughing out loud) ö.Ä.? 228 Anhang 2: Tabellarische Auswertungen <?page no="229"?> Antwortoptionen Anzahl nie 11 selten 15 manchmal 54 häufig 66 sehr häufig 62 Funktionen vgl. Tabelle 53 unten Tabelle 51: Benutzen Sie Emojis? Antwortoptionen Anzahl nie 35 selten 35 manchmal 61 häufig 43 sehr häufig 34 Funktionen vgl. Tabelle 54 unten Tabelle 52: Benutzen Sie Sticker? Antwortoptionen Anzahl Positive Kommentare 173 Ausschmückung 138 Ironie 131 Negative Kommentare 110 Andere 12 Spezifizierung „Andere“ (Freitexteingabe): vgl. Kap. 7.10.2.2. oben Tabelle 53: Falls Sie Emojis benutzen, wofür benutzen Sie diese? (Mehrfachnennungen möglich) 229 Anhang 2: Tabellarische Auswertungen <?page no="230"?> Antwortoptionen Anzahl Positive Kommentare 127 Ironie 121 Ausschmückung 109 Negative Kommentare 76 Andere 11 Spezifizierung „Andere“ (Freitexteingabe): vgl. Kap. 7.10.3.2. oben Tabelle 54: Falls Sie Sticker benutzen, wofür benutzen Sie diese? (Mehrfachnennungen möglich) Antwortoptionen Anzahl 1- Sprechen 16 2 27 3 38 4 66 5- Schreiben 60 keine Angabe: 1 Tabelle 55: Chatten Sie mehr wie Sie sprechen oder wie Sie schreiben? 230 Anhang 2: Tabellarische Auswertungen <?page no="231"?> Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Funktionen von WeChat (Che/ Ip 2018: 50, Abb. 2.2.) . . . . . . 80 Abb. 2: Das allgemeine Interface von WeChat . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 Abb. 3: Bereich ,Kontakte‘ - Startseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 Abb. 4: Offizielle Konten (Newsfeeds) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 Abb. 5: ,Entdecken‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 Abb. 6: ,Momente‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 Abb. 7: ,Mich‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 Abb. 8: Mikro-Apps . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 Abb. 9: Chat-Oberfläche in WeChat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 Abb. 10: Erweiterte Chatfunktionen in WeChat . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 Grafik 1: Altersverteilung der befragten NutzerInnen von WeChat . . 103 Grafik 2: Muttersprachenkompetenz außer Deutsch . . . . . . . . . . . . . . 105 Grafik 3: Jahr des Zuzugs der Befragten nach China . . . . . . . . . . . . . . 107 Grafik 4: Geographische Verteilung der befragten WeChat-NutzerInnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 Grafik 5: Beruflicher Status der InformantInnen . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 Grafik 6: Kannten Sie WeChat, bevor Sie nach China kamen? . . . . . . 111 Grafik 7: Wie wurden Sie auf WeChat aufmerksam? . . . . . . . . . . . . . . 112 Grafik 8: Nutzen Sie noch andere Messaging-Dienste außer WeChat? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 Grafik 9: Welche anderen Messagingdienste nutzen Sie parallel zu WeChat? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 Grafik 10: Allgemeine Nutzungshäufigkeit von WeChat . . . . . . . . . . . . 115 Grafik 11: Berufliche Nutzungshäufigkeit von WeChat . . . . . . . . . . . . . 116 Grafik 12: Private Nutzungshäufigkeit von WeChat . . . . . . . . . . . . . . . 117 Grafik 13: Nutzung des Chat-Features von WeChat . . . . . . . . . . . . . . . . 119 Grafik 14: Nutzung des Gruppenchat-Features von WeChat . . . . . . . . . 120 Grafik 15: Nutzung des Momente (verfassen)-Features von WeChat . . 121 Grafik 16: Nutzung des Momente (lesen)-Features von WeChat . . . . . 122 Grafik 17: Aktivität durch Liken und Kommentieren von Momenten in WeChat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 Grafik 18: Nutzung des Sprachnachrichten-Features von WeChat . . . . 126 Grafik 19: Nutzung des Fotos (machen)-Features von WeChat . . . . . . . 127 Grafik 20: Selfies aufnehmen mit WeChat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 Grafik 21: Nutzung des Fotos (senden)-Features von WeChat . . . . . . . 129 <?page no="232"?> Grafik 22: Selfies senden mit WeChat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 Grafik 23: Nutzung des Videos machen-Features von WeChat . . . . . . . 131 Grafik 24: Videos senden mit WeChat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 Grafik 25: Nutzung des Telefonie-Features von WeChat . . . . . . . . . . . . 134 Grafik 26: Nutzung des Videotelefonie-Features von WeChat . . . . . . . 135 Grafik 27: Nutzung des Standort-Features von WeChat . . . . . . . . . . . . 136 Grafik 28: Nutzung des Echtzeit-Standort-Features von WeChat . . . . . 137 Grafik 29: Nutzung des Rote Pakete (senden)-Features von WeChat . . 139 Grafik 30: Nutzung des Rote Pakete (empfangen)-Features von WeChat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 Grafik 31: Nutzung des Geldüberweisungs-Features von WeChat . . . . 141 Grafik 32: Nutzung des Überweisungen (erhalten)-Features von WeChat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 Grafik 33: Nutzung von WeChat Pay . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 Grafik 34: Nutzung des Kontaktkarten (senden/ empfangen)-Features von WeChat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 Grafik 35: Nutzung des Personensuche-Features von WeChat . . . . . . . 145 Grafik 36: Hauptsächlich durch deutschsprachige Expatriates genutzte Chatsprachen in Chats und Gruppenchats innerhalb von WeChat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 Grafik 37: Mischen Sie Sprachen innerhalb eines (Gruppen-)Chats? . 149 Grafik 38: Zur Sprachmischung verwendete Sprachen innerhalb eines (Gruppen-)Chats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 Grafik 39: Mischen Sie Sprachen innerhalb derselben Nachricht? . . . . 151 Grafik 40: Zur Sprachmischung innerhalb derselben Nachricht verwendete Sprachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 Grafik 41: Welche Sprache nutzen Sie hauptsächlich für Sprachnachrichten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 Grafik 42: Sprachrichtigkeit im Deutschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 Grafik 43: Sprachrichtigkeit im Chinesischen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 Grafik 44: Sprachrichtigkeit im Englischen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 Grafik 45: Sprachrichtigkeit in anderen Sprachen . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 Grafik 46: Nutzen Sie Deutsch mit Chinesinnen und Chinesen? . . . . . 160 Grafik 47: Nutzen Sie Chinesisch mit SprecherInnen des Deutschen? 163 Grafik 48: Nutzen Sie die Übersetzungsfunktion, um Beiträge zu verstehen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 Grafik 49: Benutzen Sie internet-typische Abkürzungen wie „lol“ (laughing out loud) o.Ä.? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 Grafik 50: Benutzen Sie Emojis? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 232 Abbildungsverzeichnis <?page no="233"?> Grafik 51: Benutzen Sie Sticker? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 Grafik 52: Chatten Sie mehr wie Sie sprechen oder wie Sie schreiben? 172 233 Abbildungsverzeichnis <?page no="234"?> ISBN 978-3-8233-8312-3 Die Studie untersucht, wie deutschsprachige Expatriates in China die dort sehr verbreitete Messaging-Applikation WeChat nutzen, um ihr Leben in der für sie fremden Umgebung zu organisieren und Kontakte innerhalb der Expatriate-Community zu pflegen. WeChat lässt sich als eine Art virtuelle Sprachinsel verstehen, deren spezifische Nutzung bislang noch nicht Gegenstand medienlinguistischer Forschung war. Anhand einer 2018-2019 durchgeführten Online-Umfrage geht die Untersuchung unter anderem den Fragen nach, welche Funktionen der App die Anwender nutzen, in welchen Sprachen (neben Deutsch) sie kommunizieren, ob die Kommunikation am mündlichen oder schriftlichen Standard orientiert ist und ob Sprachmischung zu beobachten ist. Die Ergebnisse liefern einen Einblick in deutsch-chinesische Sprach- und Technologiekontakte und einen wertvollen Beitrag zur interkulturellen Linguistik.