eBooks

Schriftordnungen im Wandel

Gebrauchs- und Aufbewahrungspraktiken von klösterlichem Schriftgut in Königsfelden (1300-1600)

0727
2020
978-3-7398-8060-0
978-3-7398-3060-5
UVK Verlag 
Tobias Hodel
10.2357/9783739880600
CC BY-SA 4.0https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/deed.de

Klöster gelten als wichtige Produzenten und Konsumenten von Schrift im Mittelalter. Im Kloster Königsfelden, 1309 durch die Habsburger gegründet, war der Schriftgebrauch von Beginn an zentral: sei es für den geistlichen Betrieb der beiden Konvente der Klarissen und Franziskaner, für die Verwaltung der zahlreichen Güter, oder aber zur Demonstration von Ordnungsmacht, wie sie die Stifterin Agnes von Ungarn durch Schriftstücke vornahm. Aufgrund der sich wandelnden Einflüsse von außen veränderte sich das schriftliche Ordnungssystem im Kloster: Mithilfe von Abschriftensammlungen und durch Dorsualnotizen rückten Dokumente in neuen Kontext und wurden zu Vermittlern von Rechtsansprüchen. Im Zuge der Reformation und der Auflösung des Klosters verfolgte Bern schließlich mit der erstmaligen Zusammenführung des Bestandes eine Neuordnung des Schriftguts, um sich als Nachfolger Habsburgs historisch zu legitimieren. Auf der Grundlage von mehr als 1'000 Dokumenten und der Anwendung digitaler Methoden analysiert die Studie, wie sich Schriftordnungen in der Institution Königsfelden über 300 Jahre hinweg wandelten: Ordnungsstrukturen folgten dabei nicht zwangsläufig einer Logik der Optimierung, vielmehr wurden sie überformt und den jeweiligen aktuellen Gegebenheiten angepasst.

<?page no="1"?> Spätmittelalterstudien herausgegeben von Gadi Algazi (Tel Aviv) · David Collins (Washington) · Christian Hesse (Bern) Nikolas Jaspert (Heidelberg) · Hermann Kamp (Paderborn) Martin Kintzinger (Münster) · Pierre Monnet (Frankfurt a.M. / Paris) Joseph Morsel (Paris) · Eva Schlotheuber (Düsseldorf ) Hans-Joachim Schmidt (Fribourg) · Gabriela Signori (Konstanz) Birgit Studt (Freiburg i. Br.) · Simon Teuscher (Zürich) Band 7 <?page no="2"?> Tobias Hodel Schriftordnungen im Wandel Produktions-, Gebrauchs- und Aufbewahrungspraktiken von klösterlichem Schriftgut in Königsfelden (1300-1600) UVK Verlagsgesellschaft · Konstanz <?page no="3"?> Publiziert mit Unterstützung des Schweizer Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.d-nb.de abrufbar. Tobias Hodel ORCID: 0000-0002-2071-6407 Walter Benjamin Kolleg Universität Bern 3012 Bern, Schweiz DOI: https: / / doi.org/ 10.2357/ 9783739880600 © Tobias Hodel · 2020 Das Werk ist eine Open Access-Publikation. Es wird unter der Creative Commons Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen | CC BY-SA 4.0 (https: / / creativecommons.org/ licenses/ by-sa/ 4.0/ ) veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, solange Sie die/ den ursprünglichen Autor/ innen und die Quelle ordentlich nennen, einen Link zur Creative Commons-Lizenz anfügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden. Die in diesem Werk enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der am Material vermerkten Legende nichts anderes ergibt. In diesen Fällen ist für die oben genannten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen. UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz 2020 Schützenstr. 24 · D-78462 Konstanz Tel. 07531-9053-0 www.uvk.de Einbandgestaltung: Susanne Fuellhaas, Konstanz Einbandmotiv: Kopialbuch I des Klosters Königsfelden. © Aarau, Staatsarchiv Aargau, AA/ 0428 Lektorat: Daniel Rost, Neckargemünd ISSN 1437-6083 ISBN 978-3-7398-8060-0 (ePDF) ISBN 978-3-7398-3060-5 (Print) <?page no="4"?> Selbst in dem, was die Archivierung ermöglicht und bedingt, werden wir niemals etwas anderes finden als das, was der Destruktion aussetzt und wahrlich mit Destruktion bedroht, indem es a priori das Vergessen und das Archiviolithische in das Herz des Monumentes einführt. (Jacques Derrida, Dem Archiv verschrieben: Eine Freudsche Impression, Berlin 1997, S. 26, Hervorhebung durch Derrida.) <?page no="6"?> Vorwort Als ich 2008 an der Universität Zürich ein Seminar unter dem Titel «Die Habsburger im Spätmittelalter» belegte, sollte dies eine kurze Exkursion in die Schweizergeschichte aus neuer Perspektive werden. Mehr als zehn Jahre später beschäftige ich mich unter leicht anderen Vorzeichen noch immer mit der Epoche und der Adelsfamilie. In gewisser Weise bedeutet das vorliegende Buch den Abschluss des Seminars, das mich fast wie die Habsburger aus dem historischen Aargau - zu dem auch weite Teile des heutigen Kantons Luzern gehören - nach Österreich, durch ganz Europa und sogar in die «Neue Welt» führte. Bereits 2008 übernahm Simon Teuscher die Reiseleitung und er begleitete nicht nur die Entwicklung dieser Seiten mit Um- und Nachsicht, sondern er ermöglichte mir Ausflüge in unterschiedliche (Fach-)Richtungen, ohne das Ziel aus den Augen zu verlieren. Mein erster und größter Dank gebührt ihm. Eine Reise ohne Begleitung wäre weder von Dauer noch von großem Interesse. Nanina Egli und Claudia Moddelmog, Nathalie Büsser und Rainer Hugener waren wichtige Ansprechpartner*innen, die Konzepte hinterfragt und halbgare Kapitel mit Witz und Esprit erduldet haben. Die Fertigstellung der Kapitel, kompetent-kritische Diskussionen und schöne Abendessen entstanden aus der DissDisGru-Kooperative. Danke José Cáceres Mardones, Christian Di Giusto, Nikolas Hächler, Julia Heinemann, Petra Hornung, Eva Seemann, Janett Schröder und Gianna Weber. Tauchgänge in die Untiefen der Semantik und Linguistik mit HISEM wurden geführt durch Marcel Müllerburg, Ludolf Kuchenbuch und Nicolas Perreaux, Isabelle Schürch und Juliane Schiel. Die Studie basiert auf intensiven und ausgiebigen Archivreisen: Jeannette Rauschert und Andrea Völlmin sowie das gesamte Team des Staatsarchivs Aargau waren dabei mehr als nur Begleiter*innen, ihre Unterstützung war umsichtig, hilfreich und aufmunternd. Im Staatsarchiv Bern durfte ich auf Barbara Studer Immenhauser und Vinzenz Bartlome zählen und in Zürich stand Christian Sieber immer für einen Austausch bereit. Auch den Kolleginnen und Kollegen in Colmar sowie in Innsbruck sei gedankt. In den USA durfte ich auf die Betreuung von Brigitte Bedos-Rezak und Adam Kosto zählen, die mir eine neue (Wissenschafts-)Welt eröffneten und mein Verständnis vom Verhältnis zwischen Theorie und Praxis komplett umkrempelten. Gabriela Signori danke ich für die Aufnahme in die Reihe der Spätmittelalterstudien. Birgit Studt und Josef Morsel haben mit ihren Gutachten auf Um- und Abwege in den Gedankengängen aufmerksam gemacht. Nadja Schorno sowie Daniel Rost lektorierten die Zeilen umsichtig. Lesende und ich sind den vier dafür sehr verbunden. Ich danke dem Universitätsverlag Konstanz, insbesondere Uta C. Preimesser für die Betreuung bei der Umformung in ein Buch. 7 <?page no="7"?> Zu weiten Teilen finanziert wurde die Reise - mehrmals im wörtlichen Sinn - durch den SNF in ganz unterschiedlichen Phasen des Projekts und mit verschiedenen Fördermitteln. Ein großer Dank geht dafür nach Bern. Eine Reise ohne Heimkehr wäre keine Reise. Melanie Birrer war während der ganzen Reise meine beste Freundin und liebste Partnerin. Nur dank ihr blieb das Ziel im Fokus und die Aufmerksamkeit auf den wirklich wichtigen Dingen. Sie hielt die Karte und verhalf uns zur Orientierung. Mit unseren Söhnen Andrin und Joris dürfen wir jeden Tag erleben, wie Geschichten neu verhandelt werden. Ihnen drei ist dieses Buch gewidmet. 8 <?page no="8"?> Inhalt 1 Einleitung - Ansätze und Fragen 13 1.1 Schrift und Geschichtswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . 14 1.2 Aufbau und Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 1.3 Königsfelden, zwei Klöster - eine Institution . . . . . . . . . . . 27 1.4 Abgrenzungen, Definitionen und Materialien . . . . . . . . . . 34 2 Produzieren: Schriftproduzenten und Schriftproduktion 39 2.1 Agnes von Ungarn in Königsfelden . . . . . . . . . . . . . . . . 59 2.2 Äbtissin und Hofmeister lenken das Kloster im 15. Jahrhundert . . 81 2.3 Die Reformation: Die Übernahme der Herrschaft durch Bern . . 97 2.4 Produktion von Schriftgut von und für die Institution Königsfelden - Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 3 Annotieren: Die Rückseite der Dokumente 109 3.1 Die Rückseite der Urkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 3.2 Dorsualschichten zur Bündelung von Dokumenten . . . . . . . 123 3.3 Registratur, Ökonomisierung und Herrschaft . . . . . . . . . . 151 3.4 Rollen von Dorsualnotizen in Königsfelden - Fazit . . . . . . . . 167 4 Abschreiben: Ordnen durch Kopieren 171 4.1 Das erste Kopialbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 4.2 Einzelblattkopien: Copies figurées . . . . . . . . . . . . . . . . 190 4.3 Ein Kopialbuch und Dorsualnotizen für die Franziskaner . . . . 195 4.4 Bodenzins- und Rechnungshefte im 15. Jahrhundert . . . . . . . 204 4.5 Kopieren und Herrschen im 15. und 16. Jahrhundert . . . . . . . 212 4.6 Kopieren und Kopialbücher - Fazit . . . . . . . . . . . . . . . 226 5 Aufbewahren: Verwalten und Behalten 229 5.1 Habsburgisches Aufbewahren in den Vorlanden im 14. Jahrhundert 235 5.2 Rückvermerke, Urkundenverzeichnis und Archivladen . . . . . . 238 5.3 Abtransport von Dokumenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 5.4 Ein Archiv in Bern (1570) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 5.5 Der Weg zum herrschaftlichen Archiv - Fazit . . . . . . . . . . . 261 6 Schluss 265 7 Quellen- und Literaturverzeichnis 275 Abbildungsverzeichnis 315 Tabellenverzeichnis 317 9 <?page no="10"?> Abkürzungen AD HR Archives Départementales Haute-Rhin (Colmar) BBB Burger Bibliothek Bern DH Digital Humanities ENC École nationale des chartes fol. folio GLAK Generallandesarchiv Karlsruhe HHStA Haus-, Hof- und Staatsarchiv (Wien) HLS Historisches Lexikon der Schweiz HS Helvetia Sacra KB Kopialbuch LexMA Lexikon des Mittelalters MGH Monumenta Germaniae Historica POS Part of speech StAAG Staatsarchiv Aargau StABE Staatsarchiv Bern StALU Staatsarchiv Luzern StAZH Staatsarchiv Zürich STTS Stuttgart-Tübingen-Tagset TLA Tiroler Landesarchiv (Innsbruck) 11 <?page no="12"?> 1 Einleitung - Ansätze und Fragen Im dreizehnten und letzten Buch seiner «Confessiones» beschreibt Augustinus von Hippo (354-430), wie Gott die Welt schuf und in welche Ordnung Form und Materie gesetzt wurden. Er argumentiert, dass Gott ein System im Sinn hatte, welches er seinen Schöpfungen gab: Steine wollen zu Boden fallen, Feuer sollen gegen oben brennen, Wasser unter Öl sinken. Er endet mit dem Satz: Minus ordinata inquieta sunt: ordinantur et quiescunt. 1 Die Ordnung ist Selbstzweck und göttlich. In Anlehnung an ein solches Verständnis thematisiert diese Arbeit das Schaffen von Ordnung. Allein die Tatsache, dass gewisse Dokumente aufbewahrt wurden, während andere verloren gingen, demonstriert Um-, Neu- und Unordnungen zu unterschiedlichen Zeiten sowie das Vorherrschen unterschiedlicher Ordnungspräferenzen. Religiösen Orden war die Herstellung von Ordnung in den Namen geschrieben. Sie waren gegründet worden, um in sozialen Einheiten Ordnung zu schaffen und einen «geordneten» Weg ins Jenseits zu eröffnen - ein Grund, weshalb diese Arbeit eine religiöse Institution ins Zentrum der Aufmerksamkeit stellt. 2 Produktion, Umgang und Aufbewahrung von Schrift wurden und werden häufig mit Modernisierungsnarrativen verknüpft. Im Fall der europäischen Geschichte werden gar Verbindungen zwischen dem Aufstieg Europas und gleichzeitigen Rationalisierungsvorgängen mittels Schrift hergestellt. Die Annahme, die sich hinter diesem Narrativ verbirgt, will in der Form und der Verfeinerung von Aufschreibe- und Verschriftlichungspraktiken Rationalisierungsschübe sehen. Denkt man aus Perspektive mittelalterlicher Vordenker, etwa Augustinus, muss jedoch gar nicht eine Verbesserung oder Beschleunigung Ziel von Ordnungsschaffen sein, sondern der Versuch, Ordnung an sich zu schaffen. Jede Form von Schriftschaffen folgt impliziten und expliziten Ordnungen, angefangen bei der Anordnung auf dem Material (mise en page) über das Verhältnis zwischen Pergament und Siegel oder Stücken untereinander bis zu ganzen Bestands- und Archivordnungen. Der Begriff «Ordnung» ist in der vorliegenden Arbeit denn auch im weitesten Sinn gedacht. Dabei geht es nicht um die Beschreibung einer Entwicklung zu einer wohlgeformten Verwaltung, sondern darum, die Logik von Schriftordnungen zu verschiedenen Zeiten nachzuvollziehen. Dadurch, so die Idee, wird es möglich, Strategien des Schrifteinsatzes zu ergründen und Ordnungsformen zu identifizieren. Beschreibungen von Defiziten sind nicht Teil davon. Um nicht normative Aussagen zu überhöhen, müssen die Ordnungen aus ihren angewandten Praktiken konstruiert wer- 1 Aurelius Augustinus, Confessiones: Bekenntnisse, hrsg. von K URT F LASCH , Stuttgart 2011, S. 13, IX.10: : Was nicht geordnet ist, bleibt unruhig; sobald es geordnet ist, wird es ruhig werden. 2 Siehe dazu G ERT M ELVILLE , Zur Funktion der Schriftlichkeit im institutionellen Gefüge mittelalterlicher Orden, in: Frühmittelalterliche Studien 25 (1991), S. 391-417, DOI : 10.1515/ 9783110242232.391. 13 <?page no="13"?> den. Damit einher gehen Fragen nach Herstellungs- und Gebrauchsumständen von Schriftstücken, die als Artefakte verstanden werden. Aus den Erkenntnissen können Rückschlüsse gezogen werden, weshalb Stücke existieren, aber auch weshalb sie in unterschiedlichen materiellen Ausformungen hergestellt wurden. Fragen zur Schriftkultur, zum «Schrifthandeln» im 14. und 15. Jahrhundert interessieren besonders, da die aufgefundenen Praktiken und Vorstellungen einerseits diversen Administrationspraktiken ähneln, die sich noch 500 Jahre später beobachten lassen. Andererseits widerspricht die aufgefundene Logik den Vorstellungen einer «rationalen», «modernen» Verwaltung vollkommen. Die Untersuchungen zu Königsfelden, einer Institution, die über hunderte von Jahre Schriftstücke produzierte, nutzte und aufbewahrte, versprechen daher Einblicke in unterschiedliche Schriftordnungen, die Aufschlüsse über den Einsatz von Dokumenten geben. Um zu Schlüssen über Schriftordnungen zu gelangen, bedarf es der Beschäftigung mit eigentlich einfachen Fragen, die dennoch rasch einen hohen Grad an Komplexität annehmen: Wer schrieb wann, was und weshalb? Wer brauchte Schrift und zu welchem Zweck? Genau diese Fragen stehen im Zentrum und bilden den analytischen Rahmen der vorliegenden Untersuchung. Gleichzeitig wird mit Blick auf die Materialität gefragt: Wo wurde etwas verschriftlicht, weshalb in dieser Form? Dies führt zu einer weiteren Dimension: Weshalb wurde das Artefakt aufbewahrt, in welchem Kontext stand und steht das Stück? Dank der Identifikation solcher Wissens- und Umgangsformen lassen sich gesellschaftliche Gegebenheiten und soziale Abhängigkeiten besser aufspüren und verfeinert analysieren. Die Untersuchung der Dokumente aus Königsfelden gibt denn auch Einblicke in die Abhängigkeiten zwischen den Konventen, aber auch zum Verhältnis Königsfeldens zu den Herzogen von Habsburg, nahen Landstädten und ab 1400 zur Stadt Bern. 1.1 Schrift und Geschichtswissenschaft Da die Geschichtswissenschaft auf schriftliche Quellen fixiert ist, gehören die aufgeworfenen Fragen zum zentralen Repertoire des Wissenschaftsbetriebs und werden normalerweise in Einleitungen und Quellenbeschrieben ausgeführt, jedoch selten in aller Konsequenz durchgedacht. Erst durch ethnologisch und anthropologisch geprägte Arbeiten in den 1980er-Jahren wurde eine Masse an Forschungen ausgelöst, und die Schriftlichkeit vormoderner Kulturen rückte in den Fokus. 3 Die Forschungen zur Schriftlichkeit, die aus dem englischsprachigen Raum und mit Clanchy rasch in französischen, deutschen und anderen europäischen Forschungskontexten Fuß fassten, sind seitdem nur noch sehr schwer zu überblicken. 4 Gemein ist der ge- 3 Als zentraler Auslöser können die Forschungen von J ACK G OODY und I AN W ATT , The Consequences of Literacy, in: Comparative Studies in Society and History. An International Quarterly 5 (1963), S. 304-345 (siehe auch J ACK G OODY , Die Logik der Schrift und die Organisation von Gesellschaft, Frankfurt am Main 1990 und J ACK G OODY , The Power of the Written Tradition, Washington 2000) identifiziert werden. 4 Siehe M ICHAEL T. C LANCHY , From Memory to Written Record. England, 1066-1307, Oxford 1993; für den deutschsprachigen Raum zeichnen insbesondere K ELLER , K UCHENBUCH , S ABLONIER und T EUSCHER für die Ausbreitung verantwortlich (siehe H AGEN K ELLER , Vom «heiligen Buch» zur «Buchführung». Lebensfunktionen der Schrift im Mittelalter, in: 14 <?page no="14"?> samten Stoßrichtung ihr Bezug auf den linguistic turn und die Erkenntnis, dass Ausdrucksentscheidungen - Sprache - nicht ein Abbild (historischer) Gegebenheiten vermitteln, sondern eng an der Konstruktion von Wirklichkeiten mitarbeiten. Forschungen zur Verschriftlichung im Mittelalter basieren auf einigen Grundpfeilern, die wohl ohne Ausnahme mit der Reflexion des Medienwandels zu Massenmedien (insbesondere Radio und Fernsehen) verbunden werden können und eng mit dem Namen McLuhan in Verbindung stehen. 5 Die Frage kam auf, weshalb Schrift produziert wurde. Schreiben konnte einerseits als Vorbereitung zum Lesen verstanden werden, 6 andererseits als Möglichkeit, Informationen (durch Schreiben) aufzunehmen. 7 Die schwer zu überblickende Forschung lässt sich in drei Strömungen kategorisieren, die gleichzeitig nationalen Forschungstraditionen (Deutschland/ Schweiz/ Österreich, Frankreich, England/ USA) entsprechen. Zuerst gilt es einen Blick auf die im deutschsprachigen Raum verbreitete Forschung zur pragmatischen Schriftlichkeit zu werfen. Im Zentrum standen dabei Fragen nach der Produktion von Schriftstücken und dem Umgang damit. Als Neuerung wandte sich die Forschung nicht mehr nur Urkunden und chronikalischen Schriftzeugnissen zu, die bereits seit dem 19. Jahrhundert ausführlich diskutiert werden, sondern auch Wirtschaftsquellen sowie anderen Zeugnissen, die häufig scheinbar normativen Charakter aufweisen. Die Forschung wurde geprägt durch die Erkenntnis, dass der Schriftgebrauchs zentral Frühmittelalterliche Studien 26 (1992), S. 1-31, L UDOLF K UCHENBUCH , Die Achtung vor dem alten Buch und die Furcht vor dem neuen: Cesarius von Milendonk erstellt 1222 eine Abschrift des Prümer Urbars von 893, in: Historische Anthropologie 3 (1995), S. 175-202, URL : http: / / www.digizeitschriften.de/ main/ dms/ img/ ? PPN=PPN597796971.0015 und als Aufsatzsammlung L UDOLF K UCHENBUCH , Die dreidimensionale Werk-Sprache von Theophilus presbyter: ‹Arbeits›-semantische Untersuchungen am Traktat De diversis artibus. Arbeit in der Wahrnehmung des Mittelalters, in: Reflexive Mediävistik: Textus, Opus, Feudalismus, Frankfurt am Main, Bern 2012, S. 341-401, R OGER S ABLONIER , Schriftlichkeit, Adelsbesitz und adliges Handeln im 13. Jahrhundert, in: Nobilitas. Funktion und Repräsentation des Adels in Alteuropa, hrsg. von O TTO G ERHARD O EXLE , Göttingen 1997, S. 67-100, R OGER S ABLONIER , Verschriftlichung und Herrschaftspraxis. Urbariales Schriftgut im spätmittelalterlichen Gebrauch., in: Pragmatische Dimensionen mittelalterlicher Schriftkultur. Akten des internationalen Kolloquiums 26.-29. Mai 1999, hrsg. von C HRISTEL M EIER , München 2002, S. 91-120, S IMON T EUSCHER , Kompilation und Mündlichkeit: Herrschaftskultur und Gebrauch von Weistümern im Raum Zürich, 14.-15. Jahrhundert, in: Historische Zeitschrift 273 (2001), S. 289-333, S IMON T EUSCHER , Erzähltes Recht: Lokale Herrschaft, Verschriftlichung und Traditionsbildung im Spätmittelalter, Frankfurt am Main 2007, S IMON T EUSCHER , Document Collections, Mobilized Regulations, and the Making of Customary Law at the End of the Middle Ages, in: Archival Science 10.3 (2010), S. 211-229, DOI : 10.1007/ s10502-010-9127-9). 5 Als Analogie angewandt auf die Druckerpresse, siehe M ARSHALL M C L UHAN , The Gutenberg Galaxy: The Making of Typographic Man, Toronto 1962 und E LIZABETH L. E ISENSTEIN , The Printing Press as an Agent of Change: Communications and Cultural Transformations in Early-Modern Europe, Cambridge 1979; siehe auch zur Medientheorie M ARSHALL M C L UHAN und Q UENTIN F IORE , The Medium is the Massage, New York 1967. 6 M ALCOLM B ECKWITH P ARKES , The Influence of the Concepts of Ordinatio and Compilatio on the Development of the Book, in: Medieval Learning and Literature. Essays Presented to Richard William Hunt, hrsg. von J ONATHAN J. G. A LEXANDER und M ARGARET G IBSON , 1976, S. 115-141. 7 A RMANDO P ETRUCCI , Lire au Moyen Âge, in: Mélanges de l’Ecole française de Rome. Moyen-Age, Temps modernes 96.2 (1984), S. 603-616, URL : http: / / www.persee.fr/ web/ revues/ home/ prescript/ article/ mefr.1984_num_96_2_2770. 15 <?page no="15"?> mit dem Christentum als Buchreligion zusammenhängt. Bis ins 12. Jahrhundert ließ sich eine Sakralisierung von Schrift, insbesondere bezüglich Urkunden, feststellen. 8 In zeitlicher Nähe entwickelten sich ab dem 13. Jahrhundert neue Sorten von Schriftgut. Sowohl Abrechnungsschriftlichkeit als auch geschichtskulturelle Erzeugnisse können mit dem zum Gedenken geschaffenen Schriftgut in Verbindung gebracht werden; in einigen Fällen entstammen sie gar direkt aus diesem Schriftgut. 9 Die Forschungsrichtung erkannte ebenso, dass Herrschaft durch Schriftstücke beansprucht, aber auch ausgeübt oder gefestigt werden konnte. 10 Zentral war dabei die Erkenntnis, dass der Einsatz von Schrift, je nach Intention des Schreibenden, nicht ohne Weiteres als «Überrest» oder «Tradition» verstanden werden kann. 11 Vielmehr wurde eine Beurteilung der Dokumente als Artefakte ihrer Zeit gefordert, sodass aufbewahrte Dokumente zu verschiedenen Zeiten zu unterschiedlichen Aussagen herangezogen werden konnten. 12 Daraus abgeleitet werden unterschiedliche Zustände von Dokumenten in Momenten der Produktion, des Gebrauchs und der Aufbewahrung (als making, using und keeping nach Clanchy beschrieben). 13 Aus der Art und Weise des Umgangs mit den Schriftstücken und als Schriftstücke, kann nicht nur eine Möglichkeit zur Festschreibung von Ordnung zugeschrieben, sondern auch eine eigenwirksame Performanz attestiert werden. 14 Fragen zur Aufbewahrung und Überlieferung von Dokumenten, die vorher selten im Zentrum standen, erwachsen nicht zuletzt aus diesem Forschungskontext. 15 Zur selben Zeit wurden im englischsprachigen Raum vor demselben kulturgeschichtlichen Hintergrund Überlegungen und Forschungen zur Schriftkultur der Vormoderne ins Zentrum gerückt. In diesem zweiten Forschungszweig, der stärker von Fragen nach Performanz und Identität durch Dokumente und Dokumentenproduktion geprägt wurde, gelangten erst in den letzten Jahren die Schriftstücke selbst in den Fokus, nachdem zuvor die damit ausgedrückten und symbolisierten 8 Siehe K ELLER , Buchführung. Zur Vermengung von Schrift mit religiösen Praktiken siehe A RNOLD A NGENENDT , Cartam offerre super altare. Zur Liturgisierung von Rechtsvorgängen, in: Frühmittelalterliche Studien 36 (2002), S. 133-158, zusammenfassend als Magie bezeichnet in A NDREA S TIELDORF , Die Magie der Urkunde, in: Archiv für Diplomatik. Schriftgeschichte, Siegel- und Wappenkunde 55 (2009), S. 1-32. G OODY stellte die Vermengung zwischen Schrift und Kanonisierung fest, siehe dazu P IERRE C HASTANG , La ville, le gouvernement et l’écrit à Montpellier (XII en -XIV e siècle): Essai d’histoire sociale, Paris 2013, S. 32. 9 R AINER H UGENER , Buchführung für die Ewigkeit: Totengedenken, Verschriftlichung und Traditionsbildung im Spätmittelalter, Zürich 2013. 10 Siehe dazu vor allem S ABLONIER , Verschriftlichung und K UCHENBUCH , Achtung. 11 Gegen die Meinung von A HASVER VON B RANDT , Werkzeug des Historikers: Eine Einführung in die historischen Hilfswissenschaften, 15. Aufl., Kohlhammer-Urban-Taschenbücher 33, Stuttgart 1998, S. 56 und S. 61. 12 Eingeführt in T HOMAS H ILDBRAND , Herrschaft, Schrift und Gedächtnis: Das Kloster Allerheiligen und sein Umgang mit Wissen in Wirtschaft, Recht und Archiv (11.-16. Jahrhundert), Zürich 1996, S. 19-91. 13 Die Analyse der drei Einheiten kann bei C LANCHY nicht ausformuliert gefunden, sondern höchstens implizit erahnt werden. 14 Siehe als letzte grosse Publikation C HRISTOPH D ARTMANN , T HOMAS S CHARFF und C HRIS - TOPH F RIEDRICH W EBER , Hrsg., Zwischen Pragmatik und Performanz: Dimensionen mittelalterlicher Schriftkultur, Utrecht Studies in Medieval Literacy 18, Turnhout 2011. 15 Siehe dazu die «Vorgeschichte» des Archivs in M ARKUS F RIEDRICH , Die Geburt des Archivs: Eine Wissensgeschichte, München 2013, S. 31-47. 16 <?page no="16"?> Rituale oder der verhandelte Besitz im Zentrum standen. 16 In der Diskussion um die Schriftstücke und im Zuge des material turn rückten diese Forschungen die Materialität der Stücke nicht nur ins Zentrum, sondern behandelten den Text teilweise gar nur noch marginal. 17 Die Infragestellung der Rolle des Textes steht vor dem Hintergrund der Erkenntnis, dass bei einem hohen Anteil einer mehr oder weniger illiteraten Bevölkerung andere Vorzüge in den Dokumenten gesucht werden müssen, als dass der Text alleine für das starke Aufkommen von Schrift(-stücken) in der Zeit vom 10. bis zum späten 13. Jahrhundert verantwortlich gemacht werden kann. 18 Gleichzeitig befasste sich auch diese Forschungsrichtung mit performativen Akten, wobei die Formung der Erinnerung durch die Produktion von Schriftstücken als zentrales Element hervorgehoben wurde. 19 Auf eine weit längere Tradition beruft sich der dritte Forschungszweig, die französische Forschung, in der auch die Anfänge der Diplomatik (Mabillon) zu verorten sind. Der Fokus dieser Richtung liegt in der Institutionalisierung von Schrift und damit auch im Eruieren vom Verhältnis zwischen Schrift und Institutionen. 20 Das französische Königtum stellt einen Angelpunkt dar, auch wenn dies meist nur implizit geäußert wird. 21 Text und inhaltliche Ausformungen standen in dieser Tradition im Zuge des linguistic turn häufig ebenso an zentraler Stelle mit dem Ziel, Diskurse in der Quellensprache zu identifizieren, wobei gerade von Seiten französischer Forschender Kritik am vermeintlich unvermittelten Zugang zu Texten und dem Textbegriff selbst geäußert wurde. 22 Daher soll, so die berechtigte Forderung, 16 Als frühes Beispiele siehe B ARBARA H. R OSENWEIN , To be the neighbor of Saint Peter: The social meaning of Cluny’s property, 909-1049, Ithaca 1989, später P HILIPPE B UC , The Dangers of Ritual: Between Early Medieval Texts and Social Scientific Theory, Princeton 2001; gleichzeitig wurden Überlegungen zum Verhältnis zur Schrift angestellt, insbesondere in: R OSAMOND M C K ITTERICK , The Carolingians and the Written Word, Cambridge 1989 und J ANET L OUGHLAND N ELSON , Literacy in Carolingian Government, in: The Uses of Literacy in Early Mediaeval Europe, hrsg. von R OSAMOND M C K ITTERICK , Cambridge 1990, S. 258-296. 17 Insbesondere B RIGITTE B EDOS -R EZAK , When Ego Was Imago: Signs of Identity in the Middle Ages, Leiden und Boston 2011, S. 22f. betont, dass die Texte auf den Dokumenten zwar nicht unwichtig waren, jedoch für die Interpretation durch die Zeitgenossen nur teilweise von Bedeutung. Die Materialität wurde früh, aber nur mit beschränkter Rezeption in der deutschsprachigen Schriftlichkeitsforschung thematisiert, siehe M ARITA B LATTMANN , Über die <Materialität> von Rechtstexten, in: Frühmittelalterliche Studien 28 (1994), S. 333-354, K ERSTIN S EIDEL , Vorzeigen und nachschlagen: Zur Medialität und Materialität mittelalterlicher Rechtsbücher, in: Frühmittelalterliche Studien 42 (2008), S. 306-328 und ebd. 18 B EDOS -R EZAK , Imago, S. 23. Die Form der Literalität lässt sich nicht ohne Weiteres mit den Gegebenheiten des 20./ 21. Jahrhunderts vergleichen. 19 Insbesondere in G EOFFREY K OZIOL , The Politics of Memory and Identity in Carolingian Royal Diplomas: The West Frankish Kingdom (840-987), Utrecht Studies in Medieval Literacy 19, Turnhout 2012, S. 39f. 20 Der Ort der Vermittlung dieses Wissens an der ENC zeugt selbst von hoher Institutionalisierung. 21 Siehe beispielsweise O LIVIER G UYOTJEANNIN , Écrire en chancellerie, in: Auctor et auctoritas, hrsg. von M ICHEL Z IMMERMANN , Mémoires et Documents de l’École des Chartes 59, Paris 2001, S. 19-35, aber auch das Einführungswerk O LIVIER G UYOTJEANNIN , L AURENT M ORELLE und M ICHEL P ARISSE , Hrsg., Les cartulaires: Actes de la table ronde organisée par l’Ecole nationale des chartes 1991 (Paris, 5-7 décembre 1991), Mémoires et documents de l’école des chartes 39, Paris 1993. 22 Als Kritik am Text/ textus Begriff: A LAIN G UERREAU , Textus chez les auteurs latins du 12e siècle, in: Textus im Mittelalter: Komponenten und Situationen des Wortgebrauchs im 17 <?page no="17"?> beim Umgang mit Schrift immer die Historizität von Wortbedeutungen beachtet werden, die als stark wandelbar identifiziert wurden und kulturelle sowie soziale Zustände widerspiegeln und (re)produzieren. Die Rolle der Überlieferung und der adäquate Umgang mit ihr sind eine zentrale Denkfigur, die in den letzten Jahren vermehrt thematisiert wird. 23 Daher ist einerseits die Form der Überlieferung zu bedenken, andererseits aber auch die Überlieferung an sich, die das Resultat eines Auswahlprozesses ist und herrschende Machtverhältnisse spiegelt. Es sind insbesondere solche Reflexionen, die zu einem bedachteren Umgang mit schriftlichen Dokumenten für historische Auswertungen führten und gleichzeitig auch die Überlieferung in den Blick rückten. 24 Als Konsequenz aus diesen Überlegungen wird nicht nur ein rigider Umgang mit der Frage der Aussagekraft von Dokumenten gefordert, sondern auch auf Einflüsse hingewiesen, die die Stücke auf nachfolgende Dokumente haben konnten. Zwischen den drei Forschungsperspektiven - deren Grenzen in den letzten Jahren insbesondere dank den französischen Arbeiten, die die deutschsprachigen Forschungen zur pragmatischen Schriftlichkeit reflektierten, 25 im Auflösen begriffen sind - stehen Arbeiten von holländischen und anderen Forschenden, die sich ohne nationale Forschungstradition positionieren. 26 Der Fokus auf pragmatische Formen der Schrift führte sowohl zu einem tiefergehenden Verständnis von Schrift als auch zu einer Fülle an neuen Problemen, die durch Vergleiche von geografischen, zeitlichen und formalen Differenzen entstanden. Eine weitere Dimension, die in den oben angesprochenen Forschungsrichtungen erst spät in die Debatte eingebracht wurde, beschäftigt sich mit der Bildung von schriftsemantischen Feld, hrsg. von U TA K LEINE und L UDOLF K UCHENBUCH , Göttingen 2006, S. 149-178. Siehe allgemein A LAIN G UERREAU , L’avenir d’un passé incertain: Quelle histoire du Moyen Âge au XXI e siècle? , Paris 2001. 23 Siehe E TIENNE A NHEIM und P IERRE C HASTANG , Les pratiques de l’écrit dans les sociétés médiévales: (VI e -XIII e siècle), in: Médiévales 56 (2009), S. 5-10, URL : http: / / medievales. revues.org/ 5524 und P IERRE C HASTANG , L’archéologie du texte médiéval: Autour de travaux récents sur l’écrit au Moyen Âge, in: Annales HSS 63.2 (2008), S. 245-269. Besonders originell und sinnvoll ist die Form als Historisierung des Archivs in einer erweiterten Einleitung in C HASTANG , Ville, S. 61-89, nach der Einleitung folgt eine Annäherung ans Archiv, um die Reflexion nicht bei der Produktion abbrechen zu lassen sondern auch Überlieferungsbedingungen und -umstände zu thematisieren; zum Text im Archiv siehe auch J OSEPH M ORSEL , Du texte aux archives: le problème de la source, in: Le Moyen Âge vu d’ailleurs, hrsg. von E. M AGNANI , Bd. hors series 2, Bullétin du centre d’études médiévales d’Auxerre | BUCEMA, 2008, S. 2-22, URL : http: / / cem.revues.org/ document4132.html. 24 Siehe für das Schriftschaffen einer Stadt J EANNETTE R AUSCHERT , Herrschaft und Schrift: Strategien der Inszenierung und Funktionalisierung von Texten in Luzern und Bern am Ende des Mittelalters, Berlin 2006. 25 Siehe als Versuch der Vereinigung der Ansätze C HASTANG , Ville, S. 26-50. 26 Als frühe wichtige Figur gilt M OSTERT . Sein Versuch, die Literatur zu sammeln und zu überblicken: M ARCO M OSTERT , A Bibliography of Works on Medieval Communication, Turnhout 2012. Siehe auch I VAN H LAVÁ ˇ CEK , The Use of Charters and Other Documents in Pˇremyslide Bohemia, in: Charters and the Use of the Written Word in Medieval Society, hrsg. von K ARL H EIDECKER , Turnhout 2000, S. 133-144, URL : http: / / www.brepolsonline. net/ doi/ 10.1484/ M.USML-EB.3.4304, K ARL H EIDECKER , Hrsg., Charters and the Use of the Written Word in Medieval Society, Turnhout 2000, URL : http: / / www.brepolsonline.net/ doi/ book/ 10.1484/ M.USML-EB.6.09070802050003050007070102 und D ORDE B UBALO , Pragmatic Literacy in Medieval Serbia, Utrecht Studies in Medieval Literacy 29, Turnhout 2014. 18 <?page no="18"?> Überlieferung, der Aufbewahrung und insbesondere der Archivierung von Schriftstücken. Forschungen zum Funktionieren von Archiven konnten in den letzten zwei Jahrzehnten eine Vielzahl von stillen und versteckten Narrativen (beispielsweise zur Staatswerdung oder zur Konstruktion von ethnischen Minderheiten) identifizieren und dekonstruieren. 27 Außerdem sind Archive aufgrund sozial konstruierter Praktiken entstanden, die sich durch die Strukturen der Aufbewahrung und anhand von Ordnungskategorien entdecken lassen. 28 Neben den Formen der Schriftproduktion und des Schriftgebrauchs nimmt diese Perspektive eine wichtige Stellung in der vorliegenden Arbeit ein. Aufbewahrung und Formung eines Archivs bedeuten eine Ausübung von Macht, die bislang zu stark auf Bestände und Archive bezogen wurde, die im 20. Jahrhundert entstanden sind. Bereits die Bildung von Aufbewahrung ist aber eine Form der Machtausübung, die auch im Kontext des 14. und 15. Jahrhunderts identifiziert werden kann und analysiert werden muss. 29 Den Archiven muss jedoch gleichzeitig ein Eigensinn zugeschrieben werden, der sich nie ganz kontrollieren lässt. Das Archiv wird zur blackbox, weshalb bei Archivaren und in den Archiven (im weitesten Sinn «archivierende Institutionen») eine beständige Furcht vor dem Aufbewahrten und dem darin Enthaltenen aufkam, die teilweise noch immer spürbar ist. 30 Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die Stärken der drei Forschungsrichtungen zu vereinen und mit Fragen zur Überlieferung zu verbinden. Einerseits sollen also herrschaftliche und performative Aspekte von Schrift ausgelotet werden. Andererseits soll die Sakralität gegen Institutionalisierungen von Schrift abgewogen werden. Dabei sollen drittens Fragen nach Überlieferung und Überlieferungsformen als Anhaltspunkte für soziale Gefüge und Einflussmöglichkeiten präsent bleiben. Leitend für die Untersuchung sind zwei Ansätze, die durch das Zusammenspiel der beschriebenen Forschungsrichtungen zustande kommen. Prägnant formuliert von Morsel: Erstens sollen «nicht die Wörter selbst [. . . ], auch nicht die Dokumente [. . . ] Forschungsobjekt sein, sondern die ihnen innewohnende und sie gleichzeitig übergreifende, sie strukturierende und sinnstiftende Sprache und ihre paroleerzeugenden Verwirklichungsregeln - dies jedoch nicht um ihrer selbst, sondern um 27 Nach E RIC K ETELAAR , Tacit Narratives: The Meanings of Archives, in: Archival Science 1.2 (2001), S. 131-141, DOI : 10.1007/ BF02435644. 28 Siehe E LIZABETH Y AKEL , Archival Representation, in: Archival Science 3.1 (2003), S. 1-25, DOI : 10.1007/ BF02438926, S. 2: Archival Representation as a fluid, evolving, and socially constructed practice. 29 Siehe einführend: A NNIKA W ELLMANN , Theorie der Archive - Archive der Macht. Aktuelle Tendenzen der Archivgeschichte, in: Neue Politische Literatur 3 (2012), S. 385-401, DOI : 10.3726/ 91490_385. Zur Entwicklung der Disziplin siehe: H ERMANN R UMSCHÖTTEL , The Development of Archival Science as a Scholarly Discipline, in: Archival Science 1.2 (2001), S. 143-155, DOI : 10.1007/ BF02435645. Zu Macht und Archiv: E RIC K ETELAAR , Archival Temples, Archival Prisons: Modes of Power and Protection, in: Archival Science 2.3 (2002), S. 221-238, DOI : 10.1007/ BF02435623. Zur Analyse vormoderner Archive in diesem Kontext siehe R ANDOLPH C. H EAD , Abbildungen von Herrschaft: Archivgut, Archivordnungen und die Repräsentation politischen Wissens in der frühneuzeitlichen Schweiz, in: Republikanische Tugend, hrsg. von M ICHAEL B ÖHLER , Genève 2000, S. 113-127. 30 Siehe M ARKUS F RIEDRICH , Introduction: New Perspectives for the History of Archives, in: Praktiken der Frühen Neuzeit: Akteure - Handlungen - Artefakte, hrsg. von A RNDT B REN - DECKE , Frühneuzeit-Impulse 3, Köln 2015 (mit kurzer Einordnung des Forschungsfeldes). Dieser Furcht sind teilweise auch übertrieben strenge Zugangsbeschränkungen zuzuschreiben. 19 <?page no="19"?> des Zugangs zur mittelalterlichen Gesellschaft willen». 31 Zweitens hat «jede Anwendung eines Mediums eine eigene performative Wirkung», 32 die bei der Entschlüsselung der vermittelten Botschaften mitgedacht werden muss. Entsprechend ist die Botschaft (die message) selbst nicht ein durchsichtiges Gefäß, sondern Teil der vermittelten Einsichten. Das Dokument steht zwar nicht als Dokument im Zentrum des Erkenntnisinteresses, muss jedoch aus mehreren Perspektiven untersucht werden, um überhaupt zu den gesuchten Schlüssen zu gelangen. Einerseits müssen textuelle Ausdrücke betrachtet werden, andererseits soll das Schriftstück als materieller Gegenstand auf seine Wirkungen hin abgeklopft werden. Beide Ansätze sollen dabei über unterschiedliche Zeitschichten verfolgt werden. Methodisch bedeutet dies, die Praktiken des «Dokumentierens» 33 und der Verschriftlichung, des Gebrauchs und der Aufbewahrung von Schrift zu untersuchen. Ein Ansatz, der etwa zur Identifikation unterschiedlicher Schriftkulturen, nicht zeitlich oder geografisch, sondern bezüglich sozialer Schichten, erfolgreich umgesetzt wurde. 34 Die Annäherung an sprachliche Phänomene ohne linguistisches Erkenntnisinteresse rückt Praktiken in den Vordergrund, die sowohl über das Verschriftlichen als auch über den Umgang mit den Stücken Aufschluss geben. 35 So kann beobachtet werden, wer wann und wozu Schrift brauchte. Zwar gibt es bekannte Muster des Gebrauchs, im Einzelfall bedarf es aber der (erneuten) Produktion von Schrift, um den Gebrauch zu beobachten. Dorsualnotizen auf der Rückseite von Dokumenten sind in dieser Hinsicht exzellente Untersuchungsgegenstände. Das bedeutet, dass weder nach den Ideen hinter der Herstellung von Dokumenten gesucht wird, noch dass die Intentionen von Schreibenden oder Schriftnutzenden rekonstruiert werden. 36 In dieser Arbeit wird also nach den Praktiken des Schreibens in einer und für eine klösterliche Institution gesucht, wobei die Frage, was wie schriftlich festgehalten wurde, leitend ist. 37 Daraus soll eine Kultur des Schriftgebrauchs, des Schrifthandelns, abgeleitet werden, die sich in ihrer Praktik durch ihre Wiederholung diskur- 31 J OSEPH M ORSEL , Brief und schrift: Überlegungen zu den sozialen Grundlagen schriftlichen Austauschs im Spätmittelalter am Beispiel Frankens, in: Textus im Mittelalter, hrsg. von L UDOLF K UCHENBUCH und U TA K LEINE , Göttingen 2006, S. 285-323, S. 287. 32 Ebd., S. 303. 33 Nach B EDOS -R EZAK , Imago, S. 9-11, wo ein Wandel der Forschung vom Dokument zu den Praktiken des Dokumentierens gefordert wird. 34 T EUSCHER , Document. 35 Die Analyse von Praktiken ist eine aktuell in der Kulturgeschichte viel diskutierte und angewandte Herangehensweise. Durch die Analyse von Praktiken lässt sich auf «Kultur» schließen, ohne dass dieser Begriff überstrapaziert wird. Siehe dazu G ADI A LGAZI , Kulturkult und die Rekonstruktion von Handlungsrepertoires, in: L’homme: Zeitschrift für feministische Geschichtswissenschaft 11.1 (2000), S. 105-119, DOI : 10.7767/ lhomme.2000.11.1.105. Zur Diskussion sogenannt praxeologischer Analysen siehe A NDREAS R ECKWITZ , Grundelemente einer Theorie sozialer Praktiken. Eine sozialtheoretische Perspektive, in: Zeitschrift für Soziologie 32.4 (2003), S. 282-301, URL : http: / / www.zfs-online.org/ index.php/ zfs/ article/ viewFile/ 1137/ 674. Eine «Übersetzung» und Anwendung der Praxeologie für die historische Forschung wird versucht in L UCAS H AASIS und C ONSTANTIN R IESKE , Hrsg., Historische Praxeologie. Dimensionen vergangenen Handelns, Paderborn 2015. 36 Das vorliegende Projekt sieht sich denn auch außerhalb ideengeschichtlicher Annäherungen an Schrift. 37 In den Worten von A LGAZI , Kulturkult, S. 113f.: how to do what. 20 <?page no="20"?> siv kanonisiert und zur festen Ordnung ausbildet. 38 Die überlieferten Materialien und Dokumente, die «Quellen», fungieren dabei nicht als transparente Medien, die genutzt werden, um Aussagen über «dahinterstehende» Geschehnisse und Abläufe zu rekonstruieren, sondern sie stehen selbst im Zentrum des Interesses. Die Tatsache, dass die Dokumente produziert, gebraucht und aufbewahrt wurden, ist ein wichtiges Anzeichen für die zugedachte und wortwörtlich zugeschriebene Wichtigkeit der Stücke. Dahinter stehen nicht nur Ausleseprozesse, sondern mehr noch Anstrengungen, 39 die wiederholt unternommen werden mussten, um die Stücke zu erhalten oder wenigstens, um sie nicht auszusondern und zu vernichten. Praxis materialisiert sich in Schrift und kann dadurch nachvollzogen werden. Das Ergründen der Materialisierung oder der Materialität von Schriftzeugnissen setzt eine Beschäftigung mit den Techniken der Produktion, den Vorgängen bei der Anlage und der Weiterverbreitung voraus, wozu auch medientheoretische Überlegungen berücksichtigt werden, da die materialisierten Praktiken Übertragungen vornehmen sollten. Die vorliegende Arbeit will dabei nicht nur einen neuen Blick auf die Artefakte selbst werfen, sondern dahinterliegenden Überlegungen und Ästhetiken besser verstehen. 40 Einfache Sender-Empfänger-Vorstellungen reichen dazu nicht aus. Viel fruchtbarer ist ein Fokus auf die Dokumente als Medien, als Vermittelnde, als dazwischen stehende Entitäten, die sich je nach Perspektive und Zeit anpassen oder durch Nutzende angepasst werden. Die Medialität der Schriftstücke in ihrer Materialisierung muss aus zwei Richtungen gedacht werden: einerseits als für die Geschichtswissenschaft nutzbare Dokumente mit Aussagepotential, andererseits als materialisierte Formen, die selbst in einer Tradition und historischen Tiefe zu betrachten sind. 41 In der Forschung zur Frühen Neuzeit entstand die Tendenz, solche aus Praktiken gewonnenen Erkenntnisse mit Diskussionen und Diskursen der gelehrten Sphäre zu verknüpfen. Denkhorizonte, vielleicht auch Denkstile, die in vergangenen Zeiten vorherrschten, wurden als Resultate greifbar. Insbesondere für Fragen der Informa- 38 Nach dem Ansatz zur Analyse von Kopien und Kopialbüchern in B EDOS -R EZAK , Imago, S. 54: medieval scribes and their supervisors demonstrated that their goal was less to reproduce artifacts of the acts themselves than to maintain a process of textualization which would assure these acts’ ongoing canonization as discursive practices. 39 Diesen passenden Begriff verdanke ich Nanina Egli. 40 Zu Materialität siehe M ONIKA D OMMANN , Die Lust an Überresten und Überlieferungsmedien: Materielle Kulturen und Historiografien der Schweiz seit 1850, in: Traverse 19.1 (2012), S. 261-272. Zur Diskussion von Materialität im Zeitalter des Digitalen siehe J AN K EUPP , Wo liegt der Mehrwert des Materiellen? Gedanken zur Epistemologie des archivalischen Originals, Mittelalter. Interdisziplinäre Forschung und Rezeptionsgeschichte, 4. Juni 2015, URL : https: / / mittelalter.hypotheses.org/ 6204. Zur Wirkung des Aussehens in der Diplomatik siehe P ETER R ÜCK , Hrsg., Graphische Symbole in mittelalterlichen Urkunden: Beiträge zur diplomatischen Semiotik, Historische Hilfswissenschaften 3, Sigmaringen 1996. 41 Nach J AN -F RIEDRICH M ISSFELDER , Endlich Klartext. Medientheorie und Geschichte, in: Theorie in der Geschichtswissenschaft. Einblicke in die Praxis des historischen Forschens, Bd. 7, Eigene und fremde Welten. Repräsentationen sozialer Ordnung im Vergleich, Frankfurt am Main, New York 2008, S. 181-198, S. 183f. (gleichzeitig einführend in das Verhältnis von Medientheorie und Geschichtswissenschaft). M ISSFELDER s Anspruch, eine Geschichte zu schreiben, die die Medien als Dinge ernst nimmt, die historische Wirklichkeiten konstituieren, versucht diese Arbeit nachzukommen, siehe ebd., S. 185. Als Vorbild für eine umsichtige Identifikation und Deutung materialisierter Praktiken dienen Forschungen zur Entwicklung der Universitäten in England und Deutschland: W ILLIAM C LARK , Academic Charisma and the Origins of the Research University, Chicago 2006. 21 <?page no="21"?> tionsgewinnung, der Wissensgenerierung, aber auch der Aufbewahrung ließ sich mit diesem Ansatz zeigen, dass die Anhäufung von Informationen oft dazu diente, den Lebensunterhalt der anlegenden Protagonisten zu sichern. Gleichzeitig kann aber auch nachgewiesen werden, dass die angewandten Praktiken Eigendynamiken entwickelten, die häufig zur Verstärkung derselben führten. 42 Die in diesen Arbeiten zutage tretenden Ergebnisse machen deutlich, dass die Frage nach der (langfristigen) Aufbewahrung von Dokumenten mitgedacht werden muss und so produktive Einsichten zum Funktionieren von Verwaltung erlaubt - auch wenn für eine Vielzahl von Dokumenten der Grund der Aufbewahrung nicht erschlossen, sondern höchstens darüber spekuliert werden kann. Ein Ziel der Arbeit ist denn auch die Anregung zur Historisierung von Archiven und ihren Beständen. Das Aufbewahren schriftlicher Dokumente ist nicht selbstverständlich, selbst wenn Verschriftlichung oft den Versuch der Konservierung von Abmachungen, Vereinbarungen oder Ansprüchen darstellt. Die zukünftige Aufbewahrung ist somit eine Intention der Anlage von Schriftstücken, wenn sie auch alles andere als garantiert ist. Gleichzeitig führt die Verschriftlichung zur Festschreibung des momentanen Zustands. 43 Die Möglichkeit der Anpassung an sich wandelnde soziale, kulturelle oder politische Gegebenheiten besteht in Schriftform im Gegensatz zu mündlicher Überlieferung nur sehr beschränkt, wobei sich diese Arbeit bemüht, Wandel in der Perspektive aufzuzeigen. Genau an diesem Punkt wird der wiederholte Wille zur Aufbewahrung zentral: die bewusste Entscheidung, ein Dokument zu behalten, gleichzeitig aber auch zu reaktivieren und gegebenenfalls umzudeuten. Ein Gang durchs Archiv ist denn auch nichts anderes als eine Besichtigung von Gewinnern der Überlieferungslotterie. Dabei ist nicht sicher, ob es sich wirklich um ein Glückspiel handelt und, falls ja, welche Stücke zum Zeitpunkt ihrer Produktion, aber auch danach die besten Karten hatten. Denn Archivalien sind nicht nur einmal bedroht, aus der Überlieferung ausgeschlossen zu werden. Bei jeder Umordnung droht eine Neubeurteilung, die für die Stücke verheerende existenzielle Folgen haben kann. Eine Analyse der archivalischen Gewinner kann deshalb nicht auf das Produktionsdatum fixiert werden, denn die Gewissheit der Produktion und der Wichtigkeit eines Artefakts in einem Moment schließt nicht aus, dass Tage, Monate oder Jahre später ganz andere Kategorien und Aspekte wichtig werden bei der Entscheidung, Dokumente zu behalten oder zu kassieren. Der Begriff «Archiv» ist nicht nur hinsichtlich der Praxis der geordneten Aufbewahrung zentral für die vorliegende Untersuchung, sondern auch metaphorisch. In seiner Archäologie des Wissens erklärt Foucault das Archiv als das Sagbare. 44 42 Zu Information und Wissen: A RNDT B RENDECKE , M ARKUS F RIEDRICH und S USANNE F RIEDRICH , Information als Kategorie historischer Forschung. Heuristik, Etymologie und Abgrenzung vom Wissensbegriff, in: Information in der Frühen Neuzeit: Status, Bestände, Strategien, hrsg. von A RNDT B RENDECKE , M ARKUS F RIEDRICH und S USANNE F RIED - RICH , Berlin 2008, S. 11-44 und zum Nutzen der Information für die Sammelnden: A RNDT B RENDECKE , Informing the Council. Central Institutions and Local Knowledge in the Spanish Empire, in: Empowering interactions. Political cultures and the emergence of the state in Europe, 1300-1900, hrsg. von W ILLEM P IETER B LOCKMANS , A NDRÉ H OLENSTEIN und J ON M ATHIEU , Hants 2009, S. 235-253; auf Archive bezogen siehe F RIEDRICH , Geburt. 43 Siehe G OODY und W ATT , Consequences. 44 Hier und im Folgenden nach M ICHEL F OUCAULT , Archäologie des Wissens, 16. Aufl., Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft 356, Frankfurt am Main 2013. Als mehr oder minder 22 <?page no="22"?> Nur mittels überlieferter Ausdrücke, Aussagen zu Dingen und zu Ereignissen, wird es überhaupt möglich, Aussagen an sich zu machen. Im Archiv und mit ihm zu arbeiten bedeutet also immer, bereits beschrittenen Wegen des Sehens, Verstehens und Wissens zu folgen. Somit sind immer auch Formen der Macht präsent, die es zu identifizieren gilt. 45 Aus dieser Perspektive bilden nicht nur Sammlungen von Dokumenten Archive, sondern jedes Stück selbst wird zum Archiv. Einen Schritt weiter als Foucault, für den der Begriff des Archivs vorwiegend eine Metapher bleibt, betritt Jacques Derrida das Archivgebäude. 46 Neben den Örtlichkeiten des Archivs stellt er die Struktur, die Ordnung desselben ins Zentrum, welches den «archivierbare[n] Sinn» 47 mitbestimmt. Eine zentrale Voraussetzung für die Bildung des Archivs ist für den französischen Philosophen die Festigkeit des Orts. Die «verbindliche Ansiedlung» 48 und die Dauer führen für ihn zur Institutionalisierung und lassen den Ort zum Schauplatz werden. 49 Kurz gefasst, versteht Derrida alles für die Zukunft Gedachte und Gespeicherte als Archiv, womit die bei der Psychoanalyse notierten Gedanken ebenso gemeint sein können wie das gebundene Buch. 50 Das Archiv ist demnach ein anfälliger Akteur, da Begehren und Verlangen die Zukunft formen wollen. 51 Mit Foucault und Derrida werden somit sprachlicher Ausdruck, aber auch Orte der Aufbewahrung, materiell und metaphorisch gedacht, als zwei zentrale Momente der Analyse identifiziert. Während ersteres ein zentraler Anspruch der Poststrukturalisten ist, geht letzteres einen Schritt weiter und schlägt den Bogen zur Analyse materieller Ausformungen. Beides zusammen gedacht mündet in ausgesprochen produktiven Reflexionen zum Arbeiten (der Historiker) im Archiv, die den «figurativen Status des Archivs» 52 betonen und dabei die negative Konnotation des Archivs (mal d’archiv) abzulegen vermögen. 53 Die metaphorischen Vorstellungen von Aufbewahrung und Archivierung spiegelten in den vergangenen Jahren durch praktischer Ansatz zum Verständnis des Archivs kann A RLETTE F ARGE , Der Geschmack des Archivs, Göttingen 2011 verstanden werden. 45 Siehe C AROLYN S TEEDMAN , Dust: The Archive and Cultural History, Encounters, New Brunswick 2002, S. 2. Der Machtbegriff bei Foucault ist zum einen ständig wechselnd, zum anderen jedoch nicht auf einzelne Körperschaften oder Institutionen beschränkt, sondern Teil der Handlungen und Vorstellungen aller. Siehe zur Mikrophysik der Macht als Beispiel auf die Strafe angewendet: F OUCAULT , Archäologie, S. 166-170. 46 Jedoch dient der Begriff auch bei ihm vorwiegend als Metapher, was durch die Verwendung des französischen Begriffs «Archiv» im Singular - wie bereits von F OUCAULT geprägt - sichtbar wird. Im modernen Französisch wird nur der Plural verwendet. J ACQUES D ERRIDA , Dem Archiv verschrieben: Eine Freudsche Impression, Berlin 1997; französische Ausgabe: J ACQUES D ERRIDA , Mal d’archive: Une impression freudienne, Incises, Paris 1995. Derridas Anwendung des Archivbegriffs erstreckt sich viel weiter als nur bis zum Archiv und Archivgebäude: Schriftwerke - insbesondere Freuds «Unbehagen in der Kultur» und die Psychoanalyse als solche - werden für ihn zu Archiven. 47 D ERRIDA , Archiv, S. 38. 48 Ebd., S. 11. 49 Ebd., S. 11f. 50 Ebd., S. 42, 47 und 56. Die Psychoanalyse ist demnach ein Archiv, das die privatesten, mitunter geheimsten Dokumente enthält. 51 Ebd., S. 56. 52 Nach Ann Laura Stoler: The figurative status of the archive, zitiert nach S TEEDMAN , Dust, S. 4. 53 Nach dem französischen Titel des Werks D ERRIDA , Archive. 23 <?page no="23"?> die kulturwissenschaftlichen Forschungen zu Erinnerung und Indentität in die Geschichtswissenschaft zurück. 54 Die vorliegende Arbeit lehnt sich stark an Vorgänger an, die ähnliche Fragestellungen an zwei wichtige Klöster in der Ostschweiz stellten. 55 Im Unterschied zu den Arbeiten von Hildbrand und Kuratli-Hüeblin wurde versucht, die Stücke als Abbildung von unterschiedlichen Institutionen und Teilinstitutionen zu verstehen. Während in Hildbrands Arbeit zu Allerheiligen (vor allem der Einleitung) die Kommunikationspraktiken betont wurden, wird hier versucht, die Materialität der Stücke im Vordergrund zu belassen. Von Kuratli-Hüeblins Arbeit zu Pfäfers wurden vorwiegend der Umgang mit Kopialbüchern (Chartularen) und Fragen nach Überlieferungsverlusten übernommen. Die an die Dokumente gestellten Fragen sind jedoch dieselben geblieben. Noch immer ist nicht abschließend geklärt, was mit Urkunden erreicht werden konnte, wie Schriftstücke die Produktion und die Rezeption späterer Schrift prägten. Aus diesem Grund wird in den einzelnen Kapiteln jeweils chronologisch vorgegangen und versucht, Abhängigkeitsverhältnisse aufzuzeigen. 1.2 Aufbau und Methoden Damit ist der Analyse eine Spannweite gegeben, die in ihrer Gänze zu berücksichtigen jedoch schwierig ist. Zu viele Dokumente, zu viele sprachliche und nicht-sprachliche Zeichen müssen verortet und erklärt werden. Um der Menge an Daten Herr zu werden, werden Methoden der Digital Humanities (DH) eingesetzt, die die Schriftstücke oder auch nur Teile daraus als Daten verstehen und Visualisierungen und Quantifizierungen leisten, die Annäherungen an die gesamte überlieferte Menge an Dokumenten ermöglichen. Unter Digital Humanities wird kein eng definiertes Forschungsfeld verstanden, sondern einerseits ein Set an Methoden, das genutzt werden kann, um Datenmengen auszuwerten. Andererseits ist damit auch die Digitalisierung und digitale Verfügbarmachung von Dokumenten und Daten gemeint, die in den Bereich der Geisteswissenschaften fallen. Überdies gehört die Reflexion und die Vermittlung digitaler Repräsentanz zu dem im Wachsen begriffenen Feld. Eine abschließende Definition der DH ist entsprechend nicht möglich. 56 54 In der Geschichtswissenschaft wurde die Metapher des Archivs durch andere Begriffe, beispielsweise das «kollektive Gedächtnis», konkurrenziert. Zum «lebendigen Archiv» siehe G ADI A LGAZI , Ein gelehrter Blick ins lebendige Archiv: Umgangsweisen mit der Vergangenheit im fünfzehnten Jahrhundert, in: Historische Zeitschrift 266 (1998), S. 317-357. Die Erinnerungsleistung der Abgebenden relativierend: S IMON T EUSCHER , Der Herr bei seinen Bauern. Herrschaftsdarstellung in Kundschaften aus dem Berner Oberland 1300-1430, in: Tradition und Erinnerung, hrsg. von W ERNER R ÖSENER , Göttingen 2003, S. 195-218. Die Archivmetapher wird ebenfalls bemüht in: N ATALIE Z EMON D AVIS , Fiction in the Archives: Pardon Tales and Their Tellers in Sixteenth-Century France, Stanford und Calif 1987. 55 Siehe für den Raum v. a. H ILDBRAND , Herrschaft und J AKOB K URATLI -H ÜEBLIN , Archiv und Fälscherwerkstatt. Das Kloster Pfäfers und sein Umgang mit Schriftgut. 10. bis 18. Jahrhundert, Studia Fabariensia. Beiträge zur Pfäferser Klostergeschichte 4, 2010. 56 Als gelungener Versuch, der jedoch bezüglich der Reflexion und Vermittlung blinde Flecken aufweist, siehe M ICHAEL P IOTROWSKI , Digital Humanities Defined, NLP for Historical Texts, 8. Dez. 2013, URL : http: / / nlphist.hypotheses.org/ 114. Die Definition umfasst ein engeres 24 <?page no="24"?> Digitale geisteswissenschaftliche Daten sind, mit Ausnahme weniger sogenannter digital born-Daten, bereits Repräsentationen von Dokumenten oder Artefakten, die erzeugt wurden, um digitale Methoden anzuwenden oder um einer großen Zahl an Forschenden einen Zugriff auf die Daten zu ermöglichen. Der Umgang mit Daten, unabhängig davon, ob selbsterzeugt oder weiterbenutzt, erfordert daher eine Quellenkritik, die auch den Akt der Digitalisierung mitberücksichtigt. Da es sich bei den Daten um Repräsentationen handelt, führt ihre Herstellung zum Verlust von Informationen, allein schon weil die Herstellung perfekter Abbilder weder sinnvoll noch möglich ist. Der Vorteil des Arbeitens mit digitalen Daten ist, dass sie unterschiedlichste Auswertungen erlauben und die Daten selbst zur Manipuliermasse werden, mit der gespielt werden kann. 57 Im Zuge der Auswertung muss jedoch einerseits plausibilisiert werden, dass die Daten insofern den Kategorien der Artefakte entsprechen, in welchen sie aufbereitet und ausgewertet wurden. Andererseits sind die vorgenommenen Auswertungsmethoden dahingehend zu prüfen, ob aus den gewonnene Visualisierungen und Quantifizierungen Schlüsse gezogen werden, die sinnvoll und erklärbar sind. Da insbesondere Quantifizierungen (etwa das sogenannte distant reading) 58 fundamental von den bearbeiteten Quellenmengen abhängen, sind heuristische Einschränkungen und Erweiterungen Teil der Überlegungen, die zur Reflexion digitaler Methodik gehören. Die gewonnenen Auswertungen ähneln naturwissenschaftlichen Auswertungsformen. Daher müssen für das Feld der Digital Humanities auch die von der Wissenschaftsforschung und -geschichte vorgebrachten Bedenken bezüglich Auswertung und Interpretation von Quantifizierungen und Visualisierungen ernst genommen werden. 59 Gleichzeitig gilt es nach Wegen zu suchen, wie geisteswissenschaftliche Resultate mit eigenen Auswertungs- und Visualisierungsformen umgesetzt werden können. 60 Die Gefahren solcher digitaler Auswertungen in den Geisteswissenschaften wurden ebenso oft betont, wie die Vorteile herausgearbeitet. 61 und ein weiteres Feld. Eng definiert sind DH: The application of quantitative, computerbased methods for humanities research, weniger eng: the application of computer-based tools in humanities research. Zweiteres meint auch die Anwendung von nicht quantitativen Methoden, etwa die Erarbeitung von digitalen Editionen. P IOTROWSKI hat in der Zwischenzeit seine Definition überarbeitet und die Modellierung ins Zentrum gesetzt. Siehe M ICHAEL P IOTROWSKI , Digital Humanities: An Explication, in: INF-DH 2018 - Workshopband, hrsg. von M ANUEL B URGHARD und C LAUDIA M ÜLLER -B IRN , Berlin 2018, URL : https: / / doi.org/ 10.18420/ infdh2018-07. 57 Methodisch lassen sich die Umgangsformen mit Ansätzen der bricolage vergleichen, nach C LAUDE L ÉVI -S TRAUSS , Das wilde Denken, Frankfurt am Main 1968. 58 F RANCO M ORETTI , Distant Reading, London 2013. 59 H ANS -J ÖRG R HEINBERGER , Wie werden aus Spuren Daten, und wie verhalten sich Daten zu Fakten, in: Nach Feierabend 3 (2007), S. 117-125. 60 J OHANNA D RUCKER , Humanities Approaches to Graphical Display, in: Digital Humanities Quarterly 5.1 (2011), URL : http: / / www.digitalhumanities.org/ dhq/ vol/ 5/ 1/ 000091/ 000091.html und M IRIAM P OSNER , What’s Next: The Radical, Unrealized Potential of Digital Humanities, Miriam Posner’s Blog, 27. Juli 2015, URL : http: / / miriamposner.com/ blog/ whatsnext-theradical-unrealized-potential-of-digital-humanities/ . 61 Einen Überblick über die Meinungsäußerungen auf beiden Seiten zu geben, ist ausgesprochen schwierig. Prägnant-kritisch: V ALENTIN G ROEBNER , Mit Dante und Diderot nach Digitalien. Wie viel will die Wissensgeschichte von sich selber wissen? , in: Merkur. Deutsche Zeitschrift 25 <?page no="25"?> Die vorliegende Arbeit nutzt an mehreren Stellen (insbesondere in Kapitel 2 und 3) digitale Auswertungsmöglichkeiten, die jedoch nicht als eine einzelne Methode verstanden, sondern jeweils gezielt genutzt und aus diesem Grund an den betreffenden Stellen eingeführt werden. Die Vorgehensweise ist gleichzeitig als Statement zu verstehen, dass digitale Auswertungen in ihrer Gänze nicht einen neuen Wissenschaftszweig bilden, sondern analog zu anderen Methoden verstanden und eingesetzt werden müssen. Entsprechend kann auch nicht von den Digital Humanities als eigenem Fach gesprochen werden, sondern höchstens von einem Feld, das sich in Teilen mit geisteswissenschaftlichen, aber auch informatischen und naturwissenschaftlichen Fächern überschneidet. Analog zu dieser Vorgehensweise werden auch die einzelnen Forschungsbereiche, etwa zur Chartularisierung oder zum Archiv, die im Laufe der folgenden Seiten thematisiert werden, nicht in der Einleitung, sondern jeweils auf den ersten Seiten des jeweiligen Kapitels abgehandelt. 62 Nach einer Erklärung, weshalb Königsfelden ein ideales Forschungsobjekt für die skizzierten Fragen ist, und einigen einführenden Definitionen beschäftigt sich das folgende Kapitel mit der Produktion von Schriftstücken und den daraus abgeleiteten Bedeutungen für die Institution Königsfelden. Bildlich gesprochen beschäftigt sich dieser Teil mit der Vorderseite der Dokumente (Kapitel 2). Das nächste Kapitel wendet, in der selben Metapher gesprochen, das Blatt und beschäftigt sich mit der Rückseite. So können Aufschlüsse zum Verständnis von Schrift Jahre und Jahrzehnte nach der Produktion der Stücke präsentiert werden (Kapitel 3). Dadurch kommen Umgangsformen in den Blick, die ebenfalls in Schriftform festgehalten wurden. Spätere Gruppierungen und Gebrauchsmöglichkeiten der Artefakte werden herausgearbeitet. Kapitel 4 analysiert vor demselben Hintergrund Abschriften von Einzelblattausfertigungen sowie deren Ordnungen innerhalb von Abschriftenwerken. Einerseits hatten die Abschriftenwerke in Königsfelden eine besondere Wichtigkeit, andererseits sind sie auch bezüglich Schriftordnungen aussagekräftig. Das 5. Kapitel rekonstruiert schließlich Ordnungsbemühungen, die in Schriftstücken oder Sammlungen zu finden sind. So kann die Bündelung von Stücken im 14. und 15. sowie die Entstehung eines Archivs im 16. Jahrhundert nachverfolgt werden. Der spezifische Fokus ermöglicht es eine zentrale, jedoch häufig vernachlässigte Frage im Umgang mit Schriftdokumenten zu thematisieren: Wie Schrift überhaupt die Zeit überdauert und welche Formen der Ordnung von Dokumenten genutzt wurden. Diese Überlegungen begründen den Aufbau der Arbeit, der die Herangehensweise an das Material widerspiegelt. In einem ersten Schritt werden die Dokumente für europäisches Denken 69.1 (2015), S. 65-71. Zu den Chancen und Ideen siehe A NONYM , A Digital Humanities Manifesto. The Digital Humanities Manifesto 2.0, 2009, URL : http: / / manifesto.humanities.ucla.edu/ 2009/ 05/ 29/ the-digital-humanities-manifesto-20/ . Kritisch zum Feld der Digital Humanities: D ANIEL A LLINGTON , S ARAH B ROUILLETTE und D AVID G OLUMBIA , Neoliberal Tools (and Archives): A Political History of Digital Humanities, Los Angeles Review of Books, 2016, URL : https: / / lareviewofbooks.org/ article/ neoliberal-toolsarchivespoliticalhistorydigitalhumanities/ . Als Skizze zur kontrollierten Anwendung digitaler Möglichkeiten: T OBIAS H ODEL , Das kleine Digitale. Ein Plädoyer für Kleinkorpora und gegen Großprojekte wie Googles Ngram-Viewer, in: Nach Feierabend 9 (2013), S. 103- 119, DOI : http: / / dx.doi.org/ 10.5167/ uzh-82205. 62 Davon ausgenommen ist Kapitel 2, welches durch die Beschäftigung mit der Produktion der Dokumente bereits ausführlich eingeführt wurde. 26 <?page no="26"?> als Ausfertigungen, als Urkunden, untersucht. Durch die Analyse von Text und Materialität soll Verbindendes und Trennendes zwischen einzelnen Dokumenten und Dokumentengruppen eruiert werden. Die einzelnen Kapitel bewegen sich jeweils auf der gleichen Zeitachse und beschreiben aus der Perspektive des je eigenen Erkenntnisinteresses dieselben historischen Ereignisse und Personen. Daher ergeben sich zwar Redundanzen in der Erzählung, jedoch auch unterschiedliche Perspektiven auf Ereignisse, Personen und Wandel. Die Sicht auf die Formen des Umgangs mit Schrift erlaubt Schlüsse zu den Vorstellungen, wie Schrift zu unterschiedlichen Zeiten wirkte, aber auch, wie Schrift tatsächlich gebraucht wurde. Norm und Praxis werden so zusammengebracht. Die Aufbereitung der Dokumente als digitale Daten erfolgte nicht mit dem Anspruch, eine möglichst breite Repräsentation des Artefakts zu erstellen, wie dies etwa in digitalen Editionen anvisiert ist, sondern es werden nur Teilaspekte der Dokumente als Daten verstanden. Dazu gehören etwa die Personen, die in den Einzelblattausfertigungen von Königsfelden erscheinen, sowie die Verbindung zu den Personen, die in denselben Dokumenten auftauchen. Die auf den Rückseiten der Einzelblattausfertigungen verschriftlichten Dorsualnotizen wurden ebenso als Datensätze aufbereitet, die so nach paläographischen Gesichtspunkten sortiert werden konnten. 63 Die erzeugten Daten bilden entsprechend ganz bewusst nur winzige Teile der analysierten Dokumente ab und können nur für sehr beschränkte Fragestellungen ausgewertet werden. 1.3 Königsfelden, zwei Klöster - eine Institution Die Konzentration auf eine Institution erlaubt zum einen das tiefe Eindringen in die überlieferten Bestände, zum anderen die Arbeit auf zwei Achsen, sowohl diachron als auch synchron: Dokumente können in Bezug auf ihre Produktion kontextualisiert, gleichzeitig aber auch in Vergleich zu früher und später angwandten Techniken sowie den Entwicklungen gestellt werden. Jede der noch vorhandenen Urkunden, jedes Buch oder Heft ist selbst ein Ausdruck mehrerer Praktiken, die entweder zur Produktion, zur Um- oder Überformung oder aber zur Aufbewahrung des Artefakts führten. Jedes Einzelblattdokument wurde nicht nur zur Zeit seiner Produktion beschrieben, sondern zu einem oder mehreren späteren Zeitpunkten danach erneut in die Hand genommen und mit Notizen beschriftet. Solche Notizen zeugen vom Umgang mit den Stücken und demonstrieren, dass die Dokumente nicht nur einmal produziert, sondern immer wieder gebraucht wurden. Daneben finden sich Abschriften und Verweise auf Dokumente in Kopial- und anderen Büchern, die das wiederholte (bisweilen wortwörtliche) Aufgreifen von Schriftstücken belegen. Die Dokumentenfülle hilft, zu beschreiben und zu entdecken, was für Produzenten wichtig war, wie Dinge und Themen betrachtet und, daraus abgeleitet, wie Dokumente gebraucht wurden. Da die materiellen Ausprägungen noch existieren, wird zudem offensichtlich, dass ein Ar- 63 Ein größeres Unterfangen, die Dokumente in Datenbankform zu repräsentieren und mit Personen und Orten zu verknüpfen, wurde nicht zu Ende geführt, da Aufwand und Ertrag sich nicht aufwogen. Auswertungen zu den Kopialbüchern und -heften entstammen dieser Datenbank. 27 <?page no="27"?> tefakt wiederholt als aufbewahrungswürdig eingestuft wurde, was wiederum Hinweise auf Aufbewahrungspraktiken gibt. Dadurch entsteht das Problem, dass die Art und Weise der materiellen Überlieferung selbst zum Thema werden muss. Die Unterscheidung zwischen der Überlieferung als Text im Gegensatz zum materiellen Überbleibsel muss folglich mitbedacht werden. Dies zieht die Frage nach sich, was überhaupt einen Text ausmacht. Einen Ansatz dafür liefert die Editionsforschung, die sich in ihrer Arbeit fortwährend auch zur Selbstvergewisserung mit dieser Frage auseinandersetzen muss und mehrere Sichtweisen auf Texte identifiziert hat: als sprachliches Gebilde, als Idee, als Dokument, als strukturierte Ausdrucksform, als medial fixierte Äußerung und als visuelles Phänomen. 64 Klöster gelten als wichtige Produzenten und Konsumenten von Schrift, insbesondere ab dem Übergang zwischen Antike und Mittelalter. 65 Dies hat zu einem wichtigen Teil mit der Verknüpfung von Schrift mit der christlichen Religion zu tun. Gleichzeitig zählen Klöster zu den langlebigsten Institutionen in Europa und im Nahen Osten. Die Verbreitung und die lange Existenz führten zu einer höheren Überlieferungschance der dort aufbewahrten Artefakte im Vergleich zum adligen Umfeld, wo Aufenthaltsorte, Interessen und Einflussbereiche weit weniger stabil waren. 66 Klöster gelten nicht nur als Orte des (Ab-)Schreibens, sondern gleichzeitig auch als Stätten der Reflexion zum Schriftschaffen, insbesondere vor der Verbreitung von Universitäten, was sich an der Kommentierungen der Werke wichtiger Scholastiker oder antiker Autoritäten aufzeigen lässt. Insofern stellte die klösterliche Aufbewahrung auch eine wichtige Form der Organisation von Wissen dar. 67 Gerade für den Umgang mit Dokumenten aus dem 14. und 15. Jahrhundert führen Überlegungen über die Natur des Textes zu Vorstellungen alternativer Schriftordnungen, die etwa die Gebundenheit von Text an materielle Träger identifizieren. 68 Da Produktion und Verbreitung von Schrift im christlichen Mittelalter eng mit Priestern und anderen klerikalen Personen verknüpft ist, erlaubt der Einbezug klerikaler Institutionen immer auch einen Blick auf die wichtigsten Schriftproduzenten und -konsumenten, auch wenn neuere Arbeiten den häufigen Umgang Weltlicher mit Schriftstücken betonen. 69 Es waren oft Kirchen, in welchen Menschen in Berührung mit Schriftzeichen in Berührung kamen. Die Wände waren voller Dar- 64 P ATRICK S AHLE , Digitale Editionsformen. Zum Umgang mit der Überlieferung unter den Bedingungen des Medienwandels. Teil 3: Textbegriffe und Recodierung., Bd. 3, 3 Bde., Schriften des IDE 9, Norderstedt 2013, URL : http: / / kups.ub.uni-koeln.de/ 5352/ , S. 1-60. 65 Hier und im Folgenden nach I AN F. M C N EELY und L ISA W OLVERTON , Reinventing Knowledge. From Alexandria to the Internet, New York 2009, S. 39-75. 66 Das Argument wird ausgeführt in A RNOLD E SCH , Überlieferungs-Chance und Überlieferungs- Zufall als methodisches Problem des Historikers, in: Historische Zeitschrift 240 (1985), S. 529- 570, S. 535-538. 67 Siehe M C N EELY und W OLVERTON , Knowledge. 68 I VAN I LLICH , Im Weinberg des Textes: Als das Schriftbild der Moderne entstand. Ein Kommentar zu Hugos «Didascalicon», übers. von I LVA E RIKSSON -K UCHENBUCH , Luchterhand- Essay 5, Frankfurt am Main 1991. 69 Siehe vor allem den Sammelband: W ARREN C URTIS B ROWN u. a., Hrsg., Documentary Culture and the Laity in the Early Middle Ages, Cambridge 2013 sowie A DAM J. K OSTO , Laymen, Clerics, and Documentary Practices in the Early Middle Ages: The Example of Catalonia, in: Speculum 80 (2005), S. 44-74, URL : http: / / www.jstor.org/ stable/ 20463163. 28 <?page no="28"?> stellungen, auf denen Bücher oder Schriftstücke abgebildet waren, 70 und auf dem Altar lagen, auch wenn keine Messe stattfand, Bücher. Schließlich wird die Erlösung vom irdischen Dasein und der Eingang ins Paradies im Buch der Bücher, der Bibel, versprochen. Die Metapher geht gar so weit, dass das Johannesevangelium mit dem Wort beginnt und Gott mit dem Wort gleichsetzt. 71 Anhand der Institution Königsfelden soll diesen Schriftverständnissen nachgespürt werden, insbesondere wie Schriftstücke miteinander korrespondierten, sich widersprachen und neu- und umgeordnet wurden. Dabei entstanden neue Verständnisse, Kodierungen und Einsatzformen sich verändernder Schriftordnungen. Aus den Erkenntnissen lassen sich schließlich politische und soziale Gegebenheiten ableiten. Der Begriff «Institution» wird auf diesen Seiten bewusst gewählt, da unter Königsfelden mehr verstanden werden kann, als zwei Konvente beziehungsweise ein (Doppel-) Kloster. Dank des Begriffs ist es möglich, die Interessen aller am Ort versammelten Akteure in den Blick zu nehmen, wobei teilweise eine Differenzierung, etwa zwischen den Konventen, aber auch zwischen Agnes von Ungarn und anderen Akteuren, möglich wird. Der Perspektivenwechsel von der Gesamtinstitution zu den Akteuren erlaubt denn auch Aufschlüsse, in welchen Fällen die Produktion oder Nutzung von Schrift im Interesse aller war und in welchen einzelne Protagonisten die Initiative ergriffen. Mit dem Begriff wird auch die Kontinuität angezeigt, die über die Auflösung der Konvente hinausgeht und die als «Hofmeisterei» bezeichnete Landvogtei mit einschließt. Womöglich hätte der Begriff «Institution» dem frühneuzeitlichen Berner Stadtstaat besonders gut gefallen, da sich die Administratoren bemühten, eine Verbindung zu den früheren Konventen, insbesondere aber auch zu den habsburgischen Stiftern herzustellen. Forschungstradition zu Königsfelden Die aufgeworfenen Fragen lassen sich mit den erwähnten Methoden an fast jede Institution gewinnbringend stellen, die Schrift produzierte und aufbewahrte. Die vorliegende Arbeit konzentriert sich auf das Doppelkloster Königsfelden, das 1309 von einer Königin am Ort der Ermordung ihres Mannes gestiftet wurde. Die Konvente befanden sich neben der Stadt Brugg in Windisch, wo sich Jahrhunderte früher Vindonissa, ein römisches Heerlager, ausbreitete. Nach der Ermordung Albrechts I. durch Johann von Schwaben erfolgte die Stiftung Königsfeldens innerhalb kürzester Zeit. Bereits 1330 gehörten weite Gebiete des heutigen Aargaus sowie Besitz- und Herrschaftsrechte in Waldshut und im Elsass zum Klarissenkonvent Königsfelden. Die neben den Schwestern angesiedelten Franziskaner waren bis um 1400 vorwiegend für die Seelsorge der Klarissen und die Ausübung der Erinnerungspraktiken zuständig, ab dem 15. Jahrhundert wirkten sie selbst als Landverwalter. Ein Einschnitt brachte nicht nur die Schlacht von Sempach 1386, als die habsburgische Macht in den Vorlanden herausgefordert wurde, sondern insbesondere die Eroberung von 1415, als weite Teile des Königsfelder Einflussgebietes durch Bern, Zürich und Luzern eingenommen wurden. Mit der Reformation und der Auflösung der 70 F RANZ H. B ÄUML , Scribe et Impera: Literacy in Medieval Germany, in: Francia 24.1 (1997), S. 123-132. 71 Johannes I,1: In principio erat Verbum, et Verbum erat apud Deum, et Deus erat Verbum. 29 <?page no="29"?> Bezeichnung Signatur Produziert Zusatz Kopialbuch I AA/ 0428, Kopialbuch I (1336) 1336/ 37 Kopial- und Jahrzeitenzinsbuch der Franziskaner AA/ 0428a, Kopial- und Jahrzeitenzinsbuch des Franziskanerkonvents Königsfelden (1417) 1417 Kopialbuch II AA/ 0429, Kopialbuch II (1497) 1480 Mehrere Hefte, später zusammengebunden (siehe auch S. 218). Kopialbuch III AA/ 0430, Kopialbuch III, Bd. 1 (1530)- AA/ 0435, Kopialbuch III, Bd. 5 (Register 2), (1530) 1530 5 Bände (2 identische Register) Regestenband des Klosters AA/ 0437, Regestenband der Urkunden des Klosters und Oberamts Königsfelden (1573) 1570 1 Band in Aarau, 1 Band im StABE Tabelle 1.1: Aufstellung der in Königsfelden bis 1600 angelegten Kopialbücher und -hefte. Konvente in den 1530er-Jahren durch Bern endet die Geschichte der Franziskaner und Klarissen in Königsfelden. Die Verwalter aus Bern, die danach in Königsfelden präsent waren, suggerierten auch danach eine Kontinuität der Institution. Aus Königsfelden werden für die Zeit bis Ende des 16. Jahrhunderts heute im Staatsarchiv des Kantons Aargau 1’100 Urkunden und Akten aufbewahrt. Im Archives Départementales Haute-Rhin (Colmar) liegen weitere 35 Dokumente, die für Königsfelden hergestellt wurden. 6 Stücke (teilweise nur kopial überliefert) befinden sich heute im Staatsarchiv Bern, sie wurden im Gegensatz zu den anderen Dokumenten nicht in den Aargau zurückgeführt. Etwa 50 Dokumente, die heute im Staatsarchiv Aargau in andern Beständen (vorwiegend Gnadental und Wildegg) lagern und in einigen Stadtarchiven des Kantons (Brugg, Baden und Lenzburg und Bremgarten), weisen enge Bezüge zum Kloster auf. 72 Daneben wurden vier Kopialbuchreihen und ein Regestenband bis zum Ende des 16. Jahrhunderts in Königsfelden angelegt. Diese Schriftreihen bilden zusammen mit den Einzelblattdokumenten die Quellengrundlage für die vorliegende Untersuchung. Die Beschäftigung mit dem historischen Erbe Königsfeldens begann bereits in der Frühen Neuzeit und dann intensiv im 19. Jahrhundert, als die Beziehung zwischen Habsburg und der Eidgenossenschaft in den Fokus kam. 73 Mit der Etablierung der Geschichte als wissenschaftliche Disziplin erfolgten mehrfach Neu- und Umdeutungen bezüglich der Stellung Königsfeldens als habsburgisches Kloster. Ins- 72 Siehe zu den Einzelblattdokumenten das Quellenverzeichnis, S. 287 mit Aufzählung aller zitierten Urkunden. 73 Hier und im Folgenden nach N ANINA E GLI , Geschichtsort und Psychiatrie 1804-2008, in: Königsfelden. Königsmord, Kloster, Klinik, hrsg. von S IMON T EUSCHER und C LAUDIA M ODDELMOG , Baden 2012, S. 216-253. Besonders früh: Königsfeldener Chronik (Chronicon Koenigsfeldense), in: Crypta San Blasiana nova, hrsg. von M ARTIN G ERBERT , St. Blasien 1785, S. 86-119. 30 <?page no="30"?> besondere die Figur der Agnes von Ungarn wurde genutzt, um konfessionelle und andere weltanschauliche Standpunkte zu vertreten. 74 Vorwiegend habsburgfreundliche Historiker des 19. Jahrhunderts versuchten in der Folge, die Arbeit mit Königsfelden als herrschaftlichem Kloster zu fördern. 75 Mit Anbruch des 20. Jahrhunderts rückte das Kloster aus dem Blick der Forschung, und Fragen der Herrschaft und Herrschaftsausübung im Gebiet der heutigen Schweiz wurden vermehrt mit Bezug auf die Eidgenossenschaft und später Städte thematisiert, während der Blick auf die Herzoge an Relevanz verlor. 76 Königsfelden blieb zwar in der regionalen Geschichte präsent, der Fokus wurde jedoch auf die einmaligen Glasfenster in der Klosterkirche gerückt. Im Gegensatz zu den kunsthistorisch wichtigen Erzeugnissen waren die Erinnerung und mehr noch die Erforschung einer wichtigen Institution, die aufs Engste mit dem «Erzfeind Habsburg» verbunden war, problematisch. Zwischen 1900 und 2000 beschäftigte sich aus diesem Grund nur eine Handvoll Forschender mit der Geschichte und den Protagonisten Königsfeldens, einheitliche Forschungsrichtungen oder Erkenntnisinteressen lassen sich nicht aufzeigen. 77 Aus den Forschenden sticht Boner heraus, der sich während seiner Zeit als Staatsarchivar des Kantons 74 E GLI , Geschichtsort, S. 226-229. 75 Insbesondere die Publikation von Editionen und Quellensammlungen sollte weitere Arbeiten beflügeln: H ERMANN L IEBENAU und T HEODOR L IEBENAU , Urkundliche Nachweise zu der Lebensgeschichte der verwittw. Königin Agnes von Ungarn, in: Argovia. Jahresschrift der Historischen Gesellschaft des Kantons Aargau 5 (1866), S. 1-192, DOI : 10.5169/ seals-3537, H ERMANN L IEBENAU , Hundert Urkunden zu der Geschichte der Königin Agnes, Wittwe von Ungarn: 1288 - 1364, Regensburg 1869, URL : http: / / www.mdz-nbn-resolving.de/ urn/ resolver.pl? urn=urn: nbn: de: bvb: 12-bsb11001029-2, T HEODOR L IEBENAU , Sammlung von Aktenstücken zur Geschichte des Sempacherkrieges, in: Archiv für Schweizerische Geschichte 171 (1871), S. 3-258 und T HEODOR L IEBENAU , Königsfelder Chronik zur Geschichte Kaiser Friedrichs III., in: Jahrbuch der k.k. heraldischen Gesellschaft «Adler» 11 (1884). 76 Eine Ausnahme bildet die Rechtsquellenedition zu Königsfelden durch M ERZ , die jedoch vorwiegend die Herrschaftsrechte in den Vordergrund rückte und frühe habsburgische sowie spätere Berner Rechtssetzungsunternehmen unabhängig von Königsfelden zu denken versuchte: W ALTHER M ERZ , Hrsg., Die Rechtsquellen des Kantons Aargau. Teil 2: Die Rechte der Landschaft, Band 2, Die Oberämter Königsfelden, Biberstein und Kastelen, Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, Aarau 1926, URL : https: / / www.ssrq-sds-fds.ch/ online/ AG_ II_2/ index.html. 77 In chronologischer Reihenfolge; eingeschlossen sind auch Überblickswerke zu Königsfelden: S AMUEL K OPRIO , Die Hofmeister zu Königsfelden, in: Brugger Neujahrsblätter 13 (1902), S. 20-41, E RNST G IRSBERGER , Die Gesellschaftsabzeichen der Sempacher Ritter zu Königsfelden, in: Archives héraldiques suisses = Schweizerisches Archiv für Heraldik = Archivio araldico Svizzero 43 (1927), S. 104-108, A LFRED L ÜTHI , Wirtschafts- und Verfassungsgeschichte des Klosters Königsfelden. Ein Beitrag zur Geschichte des Habsburgerstaates in den Vorlanden, Zürich 1947, H EKTOR A MMANN , Das Kloster Königsfelden, 2. Aufl., Aarau 1953, E MIL M AURER , Das Kloster Königsfelden, Die Kunstdenkmäler des Kantons Aargau 3, Basel 1954, O TTO H OMBURGER und C HRISTOPH S TEIGER , Zwei illuminierte Avignoneser Ablaßbriefe in Bern, in: Zeitschrift für Schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte 17 (1957), S. 134-158, H ANSPETER D ANUSER , Göllheim und Königsfelden: Ein Beitrag zur Geschichte König Albrechts I., Zürich 1974, O TTO R OMBACH , Königsfelden. Memento eines Königsmordes, in: Damals. Zeitschrift für geschichtliches Wissen 9.12 (1977), S. 1137- 1154, M ARCEL B ECK , Königsfelden: Geschichte, Bauten, Glasgemälde, Kunstschätze, Olten 1983, A STRID B ALDINGER , Agnes von Ungarn und das Kloster Königsfelden. Klostergründung und habsburgische Herrschaft in den Vorlanden im 14. Jahrhundert. Unveröffentliche Lizentiatsarbeit der Universität Zürich, 1999. 31 <?page no="31"?> Aargau intensiv mit dem Kloster, Agnes von Ungarn und Königsfeldens Besitzungen auseinandersetzte. 78 Neuere Forschungsarbeiten zu Königsfelden und den Habsburgern beruhen auf Versuchen, die Geschichte der Schweiz im Spätmittelalter zu denken, ohne dabei die Entwicklung der Eidgenossenschaft ins Zentrum zu rücken. Die Wurzeln wichtiger Adelsgeschlechter, insbesondere der Habsburger im Aargau oder der Savoyer am Genfersee, finden sich auf dem Gebiet der heutigen Schweiz. Sie waren zentrale Akteure in der Geschichte des Gebiets. Resultate dieser neuerlichen Beschäftigung sind einerseits Qualifikationsarbeiten, die unterschiedliche Facetten Königsfeldens beleuchten, 79 andererseits aber auch eine Werk, das den Ort über die Zeit in den Fokus stellt und die unterschiedlichen Menschen vor Ort thematisiert. 80 Die neuen Ansätze zu Königsfelden wurden von einer umfassenden kunstgeschichtlichen Aufarbeitung unterstützt, die die Klosterkirche, aber auch die erhaltenen und zerstörten Gebäude der Konvente erschloss. 81 Die vorliegende Arbeit soll denn auch ein Versuch sein, aufzuzeigen, wie sich ein Kloster mit engen Bezügen zum aufstrebenden Adelshaus Habsburg bis ins 16. Jahrhundert als wichtige Institution halten konnte. Königsfelden wurde erst im 14. Jahrhundert, also bereits gegen Ende des Mittelalters und nach der Ausbreitung von Schrift im Gebiet, gestiftet und ausgestattet. Eingerichtet wurde Königsfelden von Königin Elisabeth von Görz-Tirol; da jedoch Ordenshäuser der Franziskaner nicht gestiftet werden konnten, erfolgte die Einsetzung durch den Papst. Die Ansiedlung der Klarissen geschah ebenfalls auf Elisabeths Initiative, so dass insgesamt von einer Stiftung gesprochen werden kann. Innerhalb weniger Jahrzehnte erreichte Königsfelden mit Hilfe der Herzoge von Österreich aus dem Haus Habsburg mehr Besitz und Rechte als die Mehrheit der nahegelegenen Klöster, die vorwiegend über verstreuten Besitz und Abgabepflichtige verfügten. Dies geschah in einer Zeit, als die meisten Städte der Umgebung Einfluss auf 78 Siehe G EORG B ONER , Le rayonnement en Alsace de deux abbayes suisses: Königsfelden et Einsiedeln: I. - Der elsässische Besitz des Klosters Königsfelden, in: L’Alsace et la Suisse à travers les siècles, hrsg. von L UCIEN F EBVRE , Straßburg, Paris 1952, S. 113-128, G EORG B ONER , Die Gründung des Klosters Königsfelden, in: Zeitschrift für schweizerische Kirchengeschichte 47 (1953), S. 1-24, 81-112, 181-209, G EORG B ONER , Barfüßerkloster Königsfelden, in: Helvetia Sacra. Abteilung V, Band 1: Der Franziskusorden. Die Franziskaner, die Klarissen und die regulierten Franziskaner-Terziarinnen in der Schweiz, hrsg. von B RIGIT - TE D EGLER -S PENGLER , Bern 1978, S. 206-209, ebd., G EORG B ONER , Die Gründung des Klosters Königsfelden, in: Argovia. Jahresschrift der Historischen Gesellschaft des Kantons Aargau (1979), S. 11-44, DOI : 10.5169/ seals-73921, URL : http: / / dx.doi.org/ 10.5169/ seals- 73921. B ONER versuchte auch eine Edition der Königsfelder Dokumente zu initiieren; nur dank seinen Vorarbeiten war die Abfassung der vorliegenden Arbeit möglich. 79 Siehe S IMON T EUSCHER , Bekannte, Klienten, Verwandte: Soziabilität und Politik in der Stadt Bern um 1500, Köln 1998 und C LAUDIA M ODDELMOG , Königliche Stiftungen des Mittelalters im historischen Wandel: Quedlinburg und Speyer, Königsfelden, Wiener Neustadt und Andernach, Berlin 2012. 80 S IMON T EUSCHER und C LAUDIA M ODDELMOG , Hrsg., Königsfelden: Königsmord, Kloster, Klinik, Baden 2012. 81 B RIGITTE K URMANN -S CHWARZ , Die mittelalterlichen Glasmalereien der ehemaligen Klosterkirche Königsfelden, Corpus vitrearum medii aevi. Schweiz 2, Bern 2008. 32 <?page no="32"?> den eigenen Stadtbezirk nehmen konnten, jedoch so gut wie keine Herrschaft über größere ländliche Bereiche ausübten. 82 Das von den Habsburgern und davor von den Kyburgern kontrollierte Gebiet des Aargaus wies bereits gegen Ende des 13. Jahrhunderts Administrationsbemühungen mit vielfältigem Schriftschaffen auf, die heute noch in Teilen fassbar sind. Aufgrund des bereits weiten Einsatzes von Schrift und durch den hohen Schrifteinsatz bei der Gründung der Institution wird es erst möglich, zeitlich vergleichend zu arbeiten und nachzuvollziehen, wann Anpassungen im Umgang mit Schrift vorgenommen wurden. Dank der relativ späten Gründung des Klosters besteht überdies der Vorteil, dass keine Vorzeit konstruiert werden musste, für die nur disparate und widersprüchliche Dokumente überliefert wurden. Für keine Institution existiert eine vollständige Überlieferung - auch für Königsfelden nicht -, sondern es wurden zu unterschiedlichen Zeiten bewusst Dokumente als überlieferungswürdig ausgewählt. Trotz dieser Auswahl fällt auch auf, wie viele Dokumente - insbesondere Urkunden - für das 14. und 15. Jahrhundert aus Königsfelden aufbewahrt wurden. Ältere und nicht minder wichtige aargauische Klöster wie Muri oder Wettingen weisen keine so dichte Überlieferung für die Zeit auf. 83 Auch im Raum der heutigen Schweiz gelten Klöster als Vorzeigeinstitutionen für die Aufbewahrung von Schriftstücken, 84 wobei Königsfelden aufgrund der Stellung zwischen Habsburg und klösterlicher Institution nicht nur Einblicke in das Funktionieren klerikaler Institutionen gibt. In Königsfelden wurde Schrift gezielt eingesetzt: nicht nur unter Rückgriff auf ein monastisches Repertoire, sondern auch durch die gezielte Nutzung von Formen des adligen Schriftgebrauchs, die herrschaftliche und repräsentative Zwecke verfolgten. Durch den aus der Perspektive der Verwaltung relativ reibungslosen Übergang vom Kloster zur laikalen Verwaltung als Vogtei (wobei in Königsfelden von «Hofmeisterei» gesprochen wird) 85 lässt sich aus nächster Nähe beobachten, wie sich Verwaltungspraktiken änderten und Schriftstücke neue Einordnungen und Umdeutungen erfuhren. Der Unterschied zwischen dem Umgang mit klösterlichem und weltlichem Schriftgut, das die Administration betraf, ist deshalb jedoch auch nur bedingt eruierbar. Liturgische und para-liturgische Handschriften wurden für Königsfelden nur sehr verstreut überliefert; sie sind als Bestand/ Bibliothek nicht mehr rekonstruierbar. 86 In den Archivalien, die Königsfelden zugerechnet werden, finden sich zwar 82 Siehe etwa zur Territorialisierung mit Fokus auf Bern: B ARBARA S TUDER I MMENHAUSER , Verwaltung zwischen Innovation und Tradition: Die Stadt Bern und ihr Untertanengebiet 1250-1550, Ostfildern 2006, S. 199-236. 83 Nichtsdestotrotz sind weiterführende Untersuchungen für die genannte Zeit für beide Institutionen wichtige Desiderata. 84 Siehe bereits B RUNO M EYER , Das habsburgische Archiv in Baden, in: Zeitschrift für Schweizerische Geschichte 23 (1943), S. 169-200, insbesondere wird ein Bezug zum päpstlichen Archiv gemacht (ebd., S. 180). 85 Siehe unten S. 97 und einführend J EANNETTE R AUSCHERT , Landvogteisitz und Erinnerungsort: Königfelden im 16. bis 18. Jahrhundert, in: Königsfelden. Königsmord, Kloster, Klinik, hrsg. von S IMON T EUSCHER und C LAUDIA M ODDELMOG , Baden 2012, S. 170-215. 86 Als «para-liturgisches Schriftgut» werden Stücke beschrieben, die zwar eine starke Verbindung zur klerikalen Lebensführung und -ausübung aufweisen, jedoch nicht strikt nur für 33 <?page no="33"?> noch diverse Überreste und Spuren dieses Schriftguts, ein Überblick über die Stücke, die der (oder den) Bibliothek(en) der beiden Ordenshäuser zugerechnet werden können, 87 ist aber nicht möglich. 88 Aus diesem Grund können auch nur bedingt, Aussagen zur gegenseitigen Beeinflussung der Schriftstücke über die große typologische Barriere hinaus gewagt werden. Kurz gefasst, eröffnet Königsfelden die Chance, eine Institution zu untersuchen, die durch die Gründung im 14. Jahrhundert und die umfassende Ausstattung relativ rasch eine Verwaltung aufbauen musste. Basierend auf vorhandenem Know-How sollte eine Verwaltung installiert werden, wobei nicht auf Stifter oder Gönner aus längst vergangenen Vorzeiten Rücksicht genommen werden musste. Die Um- oder Überformung von überkommenen Dokumenten war daher nicht notwendig. Bereits die erste Annäherung an Königsfelden zeigt, dass es kein einfaches Unterfangen ist, zu definieren, was überhaupt als Königsfelden verstanden wird. Zum einen sind es natürlich die beiden Konvente, Klarissen und Franziskaner, die dort angesiedelt wurden. Zum anderen war es der Ort, den sich Agnes von Ungarn zum Lebensmittelpunkt machte und wo sie ihren Hof einrichtete. Aufgrund der zahlreichen Ländereien und Besitzungen war Königsfelden jedoch auch ein Verwaltungs- und Wirtschaftszentrum, an welchem große Gütermengen umgeschlagen wurden. Es ist ein Ort, wo Alte und Arme der Region auf Almosen hoffen durften. Und es ist ab der Reformation eine Landvogtei Berns. Um all diesen Funktionen gerecht zu werden, erscheint es sinnvoll, von der «Institution Königsfelden» zu sprechen, sodass eine Annäherung überhaupt möglich wird, wobei natürlich möglichst genau argumentiert werden soll, wer oder was in den unterschiedlichen Momenten als «Königsfelden» verstanden wird. Insgesamt bleibt die Definition von Königsfelden damit bewusst offen. Bereits im Untersuchungszeitraum wurde Königsfelden mehrfach umgedeutet und mit dem Namen und seinen Konnotationen gespielt. 1.4 Abgrenzungen, Definitionen und Materialien Obwohl in der Forschung selten betont, finden sich in Königsfelden zwei Konvente. Die Bezeichnung «Doppelkloster» ist jedoch nur bedingt tragfähig, da auch von zwei unabhängigen Konventen ausgegangen werden kann. 89 Da ordensrechtliche Vorgänge nicht im Zentrum stehen, wird in dieser Arbeit von «zwei Konventen» oder dem «Doppelkloster» gesprochen. Die angesiedelten Franziskaner (auch als liturgische Handlungen gedacht waren. Jahrzeitbücher sind wichtige Vertreter dieser Gattung, aber auch Manuskripte für den Gebrauch durch Ordensleute können dazu gerechnet werden, vgl. beispielhaft R UTH W IEDERKEHR , Das Hermetschwiler Gebetbuch: Studien zu deutschsprachiger Gebetbuchliteratur der Nord- und Zentralschweiz im Spätmittelalter. Mit einer Edition, 2013, S. 160. 87 Siehe dazu aus ordensgeschichtlicher Perspektive M ARTINA W EHRLI -J OHNS , Von der Stiftung zum Alltag: Klösterliches Leben bis zur Reformation, in: Königsfelden. Königsmord, Kloster, Klinik, hrsg. von S IMON T EUSCHER und C LAUDIA M ODDELMOG , Baden 2012, S. 48-89, S. 77. 88 Zur problematischen Trennung zwischen «Literatur» und anderen Schriftgattungen siehe: C HRISTIAN K IENING , Zwischen Körper und Schrift: Texte vor dem Zeitalter der Literatur, Frankfurt, Main 2003, S. 7-34. 89 Siehe dazu W EHRLI -J OHNS , Leben, S. 50f. 34 <?page no="34"?> «Barfüßer» bezeichnet) und Klarissen unterstanden der oberdeutschen Ordensprovinz der Franziskaner und wurden auch wiederholt visitiert. 90 Dennoch konnten sich beide Konvente eine gewisse Unabhängigkeit vom Orden sichern, da die Ausstattung über Stiftungen aus habsburgischer Hand und vor allem durch Agnes von Ungarn gesichert wurde. Der Begriff «Habsburg» ist in mehrerer Hinsicht problematisch. Einerseits wird damit eine «Familie» impliziert, die über mehrere Generationen eine gemeinsame Identität aufweist. Andererseits änderte sich die Selbstbezeichnung der Herzoge ungefähr zum Zeitpunkt der Gründung Königsfeldens. Aus den Grafen von Habsburg wurden die Herzoge von Österreich. Die Nennung folgte dem höchsten Amt, das ausgeübt wurde, der Grafentitel wurde nur noch in ausführlicheren Titulaturen genannt. Dennoch fällt auf, dass die «Nebenlinie», die modern als «Habsburg- Laufenburg» bezeichnet wird, sich ab Mitte des 14. Jahrhunderts als «von Habsburg» bezeichnete, obwohl die Grafenwürde offiziell bei der «Hauptlinie» geblieben war. Um dennoch einen Zugriff auf den Personenverband zu haben, der von König Albrecht I. abstammt, wird neben dem Titel eines Herzogs von Österreich der übliche Begriff Habsburg weiterverwendet. In diesem Zusammenhang muss betont werden, dass die angeheirateten Frauen sowie weiblichen Nachkommen teilweise ihre Geburtstitel und -bezeichnungen beibehielten, teilweise aber auch anpassten, wie etwa Agnes von Ungarn. Der Raum, in dem sich die Vorgänge vorwiegend abspielten, wird als «Aargau» betitelt, damit können jedoch zwei unterschiedliche Regionen gemeint sein: einerseits der historische Aargau, also das Gebiet zwischen Reuss und dem Berner Oberland, andererseits das Gebiet des heutigen Kantons, das sich nur zum Teil mit dem historischen Aargau überschneidet. Grundsätzlich darf der historische Aargau nicht als homogenes Gebiet verstanden werden. 91 Die Grafschaft Baden und alle Gebiete östlich der Reuss und nördlich des Juras (insbesondere das Fricktal) werden nicht zum historischen Aargau gerechnet. Da Königsfelden im Grenzgebiet zwischen dem historischen Aargau und der Grafschaft Baden liegt und in allen Teilen des heutigen Kantons Besitzungen hatte, ist es sinnvoll, wo nicht anders ausgeführt, den Begriff «Aargau» im modernen Sinn zu brauchen. Um präzise zu sein, soll jedoch möglichst spezifisch und falls angebracht in historischer Begrifflichkeit auf die Orte und Regionen eingegangen werden. Der Aargau wird aus habsburgisch-österreichischer Perspektive zu den Vorlanden gerechnet, 92 also zu jenem Herrschaftsbereich, der westlich des Arlbergs lag und 90 Ebd., S. 56-58, siehe auch B ONER , HS: Barfüßerkloster und ebd. 91 Der Name «Aargau» wird auf die karolingische Gaubildung zurückgeführt. Siehe W ERNER M EYER , Aargau 2 - Herrschaft, Politik und Verfassung vom Hochmittelalter bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, in: Historisches Lexikon der Schweiz, 16. Juli 2015, URL : http : / / www.hlsdhsdss.ch/ textes/ d/ D7392.php. Als Abbild der älteren Forschung siehe: M AX W ERDER , Die Gerichtsverfassung des aargauischen Eigenamtes bis zum Jahre 1798, in: Argovia. Jahresschrift der Historischen Gesellschaft des Kantons Aargau 54 (1942), DOI : 10.5169/ seals-54550, S. 17f. 92 Später kam der Begriff Vorderösterreich auf. Siehe V OLKER H IMMELEIN , Hrsg., Vorderösterreich - nur die Schwanzfeder des Kaiseradlers? Die Habsburger im deutschen Südwesten, Ulm 1999 und darin C HRISTIAN L ACKNER , Die Verwaltung der Vorlande im späteren Mittelalter, in: Vorderösterreich - nur die Schwanzfeder des Kaiseradlers? Die Habsburger im deutschen 35 <?page no="35"?> im Laufe des 14. Jahrhunderts etwas aus dem Fokus der Herzoge von Österreich verschwand. Weitaus problematischer als Fragen zum Raum und zur Bezeichnung von Personengruppen ist die Definition von Konzepten, insbesondere dem der Herrschaft, das in der Disziplin umstritten und seit Jahrzehnten Streitpunkt ist. 93 Herrschaft soll im Folgenden nicht ausschließlich rechtlich verstanden, sondern auch anhand von Praktiken identifiziert werden. Herrschaft wird daher in Anlehnung an Hildbrand (und somit indirekt Max Weber) als institutionalisierte Form eines Anspruchs auf «fremdes Tun» verstanden, die inszeniert, durchgesetzt und tradiert wird. 94 Um herrschaftliches Wirken zu identifizieren, wird wie bereits beschrieben nach Praktiken gesucht, die jedoch nicht als Ausdruck sozialer Schichtzugehörigkeit gelesen werden, sondern auf einzelne Akteure fokussieren sollen. 95 Bezüglich Quellentypologien, Schriftgattungen und Schrifttypen wurden über Jahre hinweg ähnlich ausufernde Diskussionen geführt. Die frühe Schriftlichkeitsforschung thematisierte Probleme klassischer Quellentypologien, insbesondere der Trennung von Tradition und Überrest. Vornehmlich Urkunden wurde in diesen Diskussionen ein direkterer Zugriff auf vergangene Zeiten attestiert, da die Schriftform nicht durch Erzählung geformt und nicht für zukünftige Rezipienten gedacht gewesen sei. Der so erhaltene Eindruck vom Quellentyp «Urkunde» erhob diesen zum neutralen Zeitzeugnis, der unmittelbar ausgewertet werden kann. Ein solcher Zugriff funktioniert jedoch schlecht, da gerade Urkunden den Zweck hatten, für die Zukunft zu wirken. Urkunden folgten weiter einem Formular, wodurch zwar der Eindruck von neutralen Objekten entsteht. Die Ausfertigung der Stücke war jedoch so stark durch performative Vorgänge aufgeladen, dass textuelle Elemente teilweise unwichtig, teilweise stark überformt wurden. Weiter standen Urkunden im Verständnis des 14. und 15. Jahrhunderts nicht für sich, sondern waren in Kontexte, etwa von Zeugen und Urkundeninhabern, eingebettet, die über die Aussagekraft mitentschieden. Diese Gründe machen es schwierig, von exakten Gattungs- und Typendefinitionen auszugehen. Entsprechend sollen in dieser Arbeit sowohl materielle Ausformungen als auch inhaltliche Aspekte ausgeführt und abgewogen werden. Die Konstruktion neuer Typologien ist dabei nicht das Ziel. Ausdrücke wie «Einzelblattausfertigung» oder «Buch» sollen so als möglichst neutrale Entitäten Vorkommen ausdrücken, ohne Vorannahmen zu implizieren. Der Begriff «Urkunde» wird dennoch gebraucht - hierbei sind einzig die ausgefertigten Stücke gemeint und nicht Abschriften. 96 Ein zentraler Ansatz ist die Analyse von Schreibpraktiken. Dafür wird der Begriff «verschriftlichen» verwendet, womit nicht nur das Schreiben (verschriften) gemeint ist, sondern auch die Komposition des Textes und die bewusste Auswahl des Schriftträgers. Südwesten, hrsg. von V OLKER H IMMELEIN , unter Mitarb. von I RMGARD C HRISTA B ECKER , Ulm 1999, S. 61-71. 93 Zur Diskussion siehe H ILDBRAND , Herrschaft, S. 64-76. 94 Nach ebd., S. 66. 95 Siehe T EUSCHER , Recht, S. 23. 96 Eine Definition von Urkunde findet sich unten S. 43. 36 <?page no="36"?> Auf den folgenden Seiten sollen die Artefakte im Zentrum stehen, die aus dem 14., 15. und 16. Jahrhundert überliefert wurden und in irgendeiner Form noch greifbar sind. 97 Eine Rekonstruktion zerstörter oder verlorener Dokumente ist weder möglich noch angestrebt, da dadurch höchstens Vorstellungen reproduziert, aber nicht Bestände analysiert würden. Das bedeutet gleichzeitig aber auch, dass möglichst alle Dokumente und Überlieferungsformen berücksichtigt werden sollen. Die Frage nach der Form der Überlieferung muss in diesem Geflecht ebenso mitgedacht werden wie der Blickwinkel auf ein Artefakt über die Zeit. Der Begriff «Bestand» steht denn auch im Hintergrund der Überlegungen, auch wenn es ein modernistischer Zugriff wäre, mit diesem Blick auf die Dokumente (als einzelne und als Geflecht) zurückzugreifen. Obwohl Bettelorden nicht für die übermäßige Produktion und eine herausragende Technik in der Aufbewahrung von Schriftdokumenten bekannt sind, 98 so ist für die Brüder und Schwestern Schrift dennoch zentral, angefangen bei der Nutzung und Anfertigung von Bibelabschriften über liturgische Handschriften bis hin zu Verwaltungsschriftgut, insbesondere Jahrzeitenbücher. 99 Für die Franziskaner und Klarissen Königsfeldens fehlen diese Schriftstücke allesamt, von einigen Fragmenten und Abschriften abgesehen. 100 Somit fehlen beide Bibliotheken, die aufgrund des Reichtums Königsfelden alles andere als vernachlässigbar gewesen sein müssen. Ohne Anspruch auf Parallelität kann angemerkt werden, dass für eine ähnliche Stiftung der Klarissen, dem von Isabella, der Schwester Louis IX., nahe Paris gegründeten Konvents Longchamp, eine sehr reich ausgestattete Bibliothek belegt ist. 101 Auch sogenannt «pragmatisches Schriftgut» ging wohl verloren oder wurde bewusst im Zuge der Auflösung der Konvente zerstört, so etwa Abrechnungsschriftgut und Urbare, auf die vereinzelt in anderen Dokumenten verwiesen wird. Auch Missiven wurden erst ab Beginn des 16. Jahrhunderts aufbewahrt, aber bereits zuvor müssen solche Schriftstücke existiert haben, damit zwischen Waldshut und Seon, zwischen Balgau und Baden die Kommunikation mit Königsfelden aufrecht erhalten werden konnte. Bei all diesen verlorenen Schriftgütern wurde zu unterschiedlichen Zeitpunkten gegen eine Aufbewahrung entschieden. Die übrig gebliebenen Stücke wurden zu 97 S ABLONIER , Verschriftlichung, siehe dazu auch H ILDBRAND , Herrschaft, S. 47-63 und E SCH , Überlieferungs-Chance. 98 Aufschlussreich sind diesbezüglich Recherchen in IRHT, Le base de données cartulR de la section diplomatique de l’IRHT, 2003, URL : http: / / www.cn-telma.fr/ cartulR/ , wo vor 1500 bei den Franziskanern so gut wie keine Chartulare gefunden werden können. 99 Gemäß R OEST und M OORMAN mussten Stiftungsaufstellungen aufbewahrt und beim Wechsel der Äbtissin kontrolliert werden, siehe B ERT R OEST , Order and Disorder: The Poor Clares Between Foundation and Reform, The Medieval Franciscans 8, Leiden und Boston 2013, S. 231 und J OHN M OORMAN , A History of the Franciscan Order: From its Origins to the Year 1517, Oxford 1968, S. 409. 100 Zu den Fragmenten, die nach der Auflösung der Konvente in der Hofmeisterei genutzt wurden, siehe W EHRLI -J OHNS , Leben, S. 82-85. Zu den Jahrzeitenbüchern siehe die Übersicht in H UGENER , Buchführung, S. 341f. 101 Dazu R OEST : Consequently, the Longchamp monastery had one of the larger library collections among the female monasteries of the late medieval period. Even compared with many male monasteries, the number of books in the library of Longchamp was not insignificant. (R OEST , Clares, S. 292). 37 <?page no="37"?> denselben Zeitpunkten hingegen als aufbewahrungswürdig eingestuft. Dadurch erhalten die aufbewahrten Stücke ein Aussagepotential, das es zu ergründen gilt. Als Abgrenzung zu früheren Arbeiten soll an dieser Stelle betont werden, dass es auf den folgenden Seiten weder um die Ausbreitung von Schrift oder Schriftlichkeit noch um Abgrenzung beziehungsweise Aushandlungsprozesse zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit geht. Solche Ansätze machen auf Königsfelden bezogen keinen Sinn, da einerseits der geographische Untersuchungsraum zu klein ist und andererseits die Fokussierung auf Schriftquellen die Aussagekraft zu stark einschränkt. 102 102 Zitate in Fremdsprachen und aus Quellen werden kursiv gesetzt. Auslassungen sind mit [. . . ] und sic mit [! ] markiert. Wenn nicht anders angegeben, wurden die URLs am 01. Januar 2020 letztmals abgerufen. 38 <?page no="38"?> 2 Produzieren: Schriftproduzenten und Schriftproduktion In diesem Kapitel wird die Produktion von Schrift in und für Königsfelden in den Fokus genommen. Dabei werden zentrale Funktionen und Einsatzmöglichkeiten von Schriftschaffen gestreift, etwa die Frage, wie Urkunden eingesetzt wurden, wie Besitz mittels Schrift verhandelt wurde, welche Personen überhaupt in Kontakt mit Schrift kamen oder welche Aussagen zu ihrem Schriftverständnis denkbar sind. Mit dem Fokus auf Königsfelden können Abhängigkeiten und Wandel von Schriftgutproduzierenden über die Zeit und vor unterschiedlichen politischen Gegebenheiten nachvollzogen werden. Dadurch lässt sich eine Vielzahl von bereits aufgeworfenen Forschungsthesen bestätigen und differenzieren, ein Teil der rechtsgeschichtlichen Ausführungen für den Raum nördlich der Alpen jedoch auch in Zweifel ziehen und im Allgemeinen skizzieren, wie die Bedeutung von Schriftstücken und Schrittypen angepasst wurde und eng mit sozialen Gegebenheiten verknüpft war. Der Blick auf Schriftkulturen, auf das Handeln mit Schrift erlaubt also diverse tiefgreifende Aussagen über Vorstellungen und Abhängigkeiten von Akteuren, unabhängig ob es sich um Menschen, Institutionen oder (Schrift-)Dinge handelt. Die folgenden Seiten zeigen deutlich Korrelationen zwischen Schriftproduktion und politischen, aber auch wirtschaftlichen Gegebenheiten. Jedoch bleibt manchmal unklar, ob der Wandel durch die Schriftstücke ausgelöst wurde oder sich in den Stücken manifestiert. Das Kapitel ist zentral, um aufzuzeigen, welche Ereignisse und Probleme Königsfeldens durch die Produktion von Schrift wie angegangen wurden. Alle ins Zentrum gerückten Personen - angefangen bei Elisabeth von Görz-Tirol und Agnes von Ungarn über Johann Bischof von Brixen und Elisabeth von Leiningen bis zu den Hofmeistern Niklaus Fricker, Hans Bürer und Benedikt von Mattstetten - nahmen signifikant und ganz bewusst Einfluss auf die Institution Königsfelden. Im Folgenden soll zuerst anhand der noch vorhandenen Dokumente und ihrem Herstellungszeitpunkt aufgezeigt werden, weshalb die Personen und die Zeiten ihrer Einflussnahme relevant für die Schriftgutproduktion waren. Danach werden in chronologischer Reihung folgende Themenbereiche abgehandelt: Die Zeit der Stiftung; die Ordnungen der Agnes von Ungarn; die bernische Eroberung und Elisabeth von Leiningen; Hofmeister Niklaus Fricker; Hofmeister Bürer und die Auflösung der Konvente; sowie die neue Berner Herrschaft. Schriftproduktion während 300 Jahren Die Annäherung an die Schriftproduktion Königsfeldens erfolgt auf digitalem Weg. Einerseits werden die Herstellungszeitpunkte von Dokumenten quantifiziert, andererseits die Vernetzung zwischen Personen und Dokumenten visualisiert. Der Blick auf die Herstellungszeiträume (nach Jahren geordnet) eröffnet für Königsfelden ein 39 <?page no="39"?> unerwartetes Profil. Im Gegensatz zu Schriftproduktionsprofilen anderer Institutionen, etwa städtischer Archive, verläuft die Produktion in und für Königsfelden nicht stetig ansteigend. 1 Dies widerspricht Annahmen der Forschung zur Schriftproduktion, bestätigt jedoch neuere Arbeiten. In diesen wird die These vertreten, dass klerikale Organisationen kurz nach der Gründung oder Stiftung mit einer Vielzahl von Gütern und dadurch auch Dokumenten bedacht werden, danach jedoch weniger Schrift für die Institution produziert wurde. 2 Entsprechend sind für Königsfelden klare Spitzen erkennbar, die die Produktionszeiträume der aufbewahrten Schriftgüter, insbesondere mit Blick auf die vereinfachte Darstellung nach Jahrzehnten, in fünf Abschnitte teilen lassen: 1309-1370; 3 1390-1430; 4 1450-1470; 1515-1540; 1560-1580. Bei der Erhebung dieser Daten wurden die Datierungen übernommen, die im Dokument selbst angegeben sind, wobei nur die Dokumente ausgewertet wurden, die heute noch als Einzelblattausfertigung aufbewahrt werden. 5 Somit fällt in dieser Quantifizierung die gesamte Dokumentenüberlieferung zum Opfer, die nur noch kopial vorhanden ist. Auch wird nicht darauf geachtet, inwiefern Dokumente als spätere “Nachherstellungen” qualifiziert werden könnten. Die pragmatische Entscheidung bei der Quantifizierung rührt daher, dass es praktisch unmöglich ist zu eruieren, inwiefern die nur kopial überlieferten Dokumente tatsächlich als ausgestellte Urkunden vorlagen. Die ersten beiden Zeitabschnitte sind stark geprägt durch Herzoge und Hochadlige, zum einen durch die Herzoge von Österreich und ihre Ehefrauen, zum anderen durch Agnes von Ungarn, welche 1318 ihren Hof nach Königsfelden verlegte und dort bis zu ihrem Tod residierte. Ihr Tod und wahrscheinlich auch die Auseinandersetzungen zwischen Albrecht III. und Leopold III. nach dem Tod Rudolfs IV. führt zu einer erhöhten Dokumentenproduktion. Nach dem Rückgang der Schriftproduktion bis zur Zeit der Schlacht von Sempach (1386) folgte ein erneuter Aufschwung, der in zwei Spitzen mündet. Die eine lässt sich um 1420 ausmachen, zur Zeit der Äbtissin Elisabeth von Leiningen, als Bern den unteren Aargau eroberte und zu beherrschen begann. Der zweite, noch ausgeprägtere peak kann für die Zeit zwischen 1455 und 1465 festgestellt werden - jener Zeitraum als Niklaus Fricker als Hofmeister agierte. Ab den 1470er Jahren lässt sich ein starker Rückgang der Urkundenproduktion für Königsfelden nachweisen, der mit der Produktion einer eigenen Kopialbuchrei- 1 Leider fehlen größere quantifizierende Arbeiten zu diesem Themenkomplex, Probebohrungen in unterschiedlichen Urkundenbeständen (unter anderem im Staatsarchiv Zürich) weisen jedoch klar in diese Richtung. 2 N ICOLAS P ERREAUX , L’écriture du monde (I). Les chartes et les édifices comme vecteurs de la dynamique sociale dans l’Europe médiévale (viie-milieu du xive siècle), in: Bulletin du centre d’études médiévales d’Auxerre | BUCEMA 19.2 (2015), DOI : 10.4000/ cem.14264. 3 Der Abschnitt lässt sich in drei Phasen teilen: Erstens die Zeit der Gründungsphase bis 1330; die Ausbauphase bis 1355; und schließlich ein Abschwellen der Tätigkeit bis 1370. 4 Eigentlich handelt es sich hierbei um zwei Phasen: erstens die Zeit nach der Schlacht von Sempach bis ca. 1408, und zweitens die Zeit nach der Eroberung des Aargaus bis 1430. 5 Es wurden auch Dokumente aufgenommen, die heute nicht im Staatsarchiv Aargau aufbewahrt werden, sondern im Archives Départementales Haut-Rhin (AD HR in Colmar) und im Staatsarchiv Bern. Voraussetzung war die klare Zuschreibung und wahrscheinliche Aufbewahrung, zumindest während einer kurzen Zeit, in der Institution Königsfelden. 40 <?page no="40"?> Abbildung 2.1: Visualisierung der Dokumentenproduktion für Königsfelden nach Jahreszahl der Ausstellung. 41 <?page no="41"?> he um 1480 korreliert. Anstelle der Produktion neuer, fand die Vervielfältigung alter Dokumente statt, die neugebündelt wurden. 6 Bis 1530, der Zeit der Reformation und der Auflösung der Konvente, erhöhte sich die Produktion nochmals und brach kurz danach fast vollständig ein. Einzelblattdokumente waren nicht mehr gefragt oder wurden nicht mehr langfristig aufbewahrt. Ein kleines Zeichen erhöhter Produktion findet sich nochmals um 1570, als in Bern die Dokumente geordnet wurden. 7 Offensichtlich führte die Neuordnung zur parallelen Neuanlage von Dokumenten. Obwohl die Aussagekraft der Quantifizierung von Herstellungsdaten begrenzt ist, lassen sich Tendenzen ablesen und es wird vor allem offensichtlich, dass die Königsfelder Überlieferung nicht in den allgemeinen Trend einer stärker werdenden Schriftlichkeit eingeordnet werden kann, sondern zu unterschiedlichen Zeiten von verschiedenen Personen zur erhöhten Produktion von Dokumenten angeregt wurde. Der Rückgang der Produktion von Einzelblattdokumenten und die zeitgleiche Anlage einer Kopialbuchreihe um 1480 zeigen deutlich, dass die Quantifizierung auf Stückbasis problematisch ist. Würde die Anzahl der beschriebenen Blätter gemessen, könnte für die Visualisierung der Zeit vor 1500 ein Ausschlag gegen oben verzeichnet werden und kein Rückgang. Gleiches gilt für die Zeit um 1540, als die Dokumentenproduktion innert kürzester Zeit zurückging, gleichzeitig jedoch eine Vielzahl von Dokumenten in einem Abschriftenunternehmen neu verschriftlicht wurden, folglich also erst nach 1540 der Niedergang der Schriftproduktion einsetzte. Und auch diesbezüglich muss man Vorbehalte anbringen, da mit der Herrschaftsübernahme von Bern in Königsfelden, die Produktion neuer Schriftstücke erstarkte, insbesondere die Rechnungslegung wurde intensiviert und Aktensowie Missivenbücher angelegt. Die Visualisierung widerspiegelt folglich nicht nur die tatsächliche Schriftproduktion, sondern auch eine Ordnungslogik, die teilweise erst viel später erstellt wurde und sich noch heute in der Struktur der Archive findet. 8 Die Auswertung des Urkundenbestandes schließt jedoch nicht nur Dokumente ein, die nach enger Definition als Urkunden verstanden werden, sondern auch Stücke, die als Akten und Wirtschaftsquellen bezeichnet werden können. Insofern wird versucht, eine möglichst breite Quellenbasis zu untersuchen, wobei das entscheidende Kriterium die Ausfertigung als Einzelblattdokument ist. Für den Untersuchungszeitraum zwischen 1300 und 1600 lassen sich Phasen identifizieren, deren genaue Betrachtung sich lohnt. Entsprechend orientiert sich dieses Kapitel an diesen eruierten Phasen und fokussiert auf das Verhältnis zwischen den agierenden Personen und den Schriftstücken. Die quantitative Auswertung liefert dabei keine Interpretation der Dokumente sondern höchstens Anhaltspunkte, wo die Untersuchung besonders genau und vertieft erfolgen muss, um zu zentralen Aussagen zu gelangen. 6 Zur Kopialbuchreihe siehe unten ab S. 212. 7 Siehe dazu unten ab S. 254. 8 Siehe unten ab S. 229. 42 <?page no="42"?> Urkunden: Verbindung von Personen Neben der Quantifizierung lassen sich die Einzelblätter auch dahingehend analysieren, welche Menschen sie mit dem Medium der Schrift verknüpfen. Dies setzt jedoch einige Überlegungen zum Verständnis von Urkunden im Spätmittelalter voraus: Was macht eine Urkunde aus, beziehungsweise welche Spezifika werden ihr zugeschrieben? Ohne die Diplomatik der vergangenen 350 Jahre im Detail zu rekapitulieren, lässt sich ein Wandel in der Forschung bezüglich der Aussagekraft von Urkunden feststellen. Während bis Mitte des vergangenen Jahrhunderts (und in einigen Forschungsströmungen darüber hinaus) Urkunden vorwiegend auf ihre dispositiven Aussagen als rechtliche Instrumente reduziert wurden, betonen neuere Forschungen die Potenz der Schriftdokumente, Handlungen zu verkörpern. Das bedingt jedoch, dass die Schriftstücke nicht als transparente Vermittler von rechtlichen Tatbeständen verstanden werden, sondern die Produktion, insbesondere die rituelle Ausstellung des Dokuments, als wichtiger Teil einer Handlung, eines Aktes gesehen wird. 9 Das daraus entstandene Stück, die ausgefertigte Urkunde, blieb als Materialisierung des Akts langfristig bestehen. Erst die Zerstörung oder die langfristige Nicht-Beachtung führt zu einer Auflösung des Akts. Daher lassen sich Urkunden nicht allein als Versicherung eines Rechtsakts verstehen. Vielmehr verbindet die ausgefertigte Urkunde - langfristig - die darin auftauchenden Personen, insbesondere die Siegelnden, aber auch Zeugen und andere Akteure. Koziol beschreibt in seinem Werk «The Politics of Memory and Identity in Carolingian Royal Diplomas» den Einsatz königlicher Urkunden im 9. und 10. Jahrhundert, wobei er feststellt, dass die Diplome nicht allein Performanz (wieder-)herstellten, sondern diese auch benötigten und damit zum zentralen Dreh- und Angelpunkt der Selbstvergewisserung von Eliten (potentes) wurden. 10 Königliche Urkunden waren also nicht in erster Linie zur Schaffung von Rechtstatsachen gedacht: [t]hey were performances of the nature of authority, that is, representations of the legitimacy of royal authority as a principle of earthly government. At the same time, they were performatives through which a particular king’s authority was recognised as legitimate by a particular petitioner at a particular time. Conversely, they were performatives through which a given petitioner’s standing at court or his office as bishop, abbot, count, or margrave was recognised and publicised as legitimate. 11 9 Zur Performanz von Schriftstücken insbesondere Urkunden gibt es eine Vielzahl von Forschungen, siehe die Sammelbände: J ÜRGEN M ARTSCHUKAT und S TEFFEN P ATZOLD , Hrsg., Geschichtswissenschaft und «performative turn», Köln 2003 und D ARTMANN , S CHARFF und W EBER , Pragmatik, einführend darin: C HRISTOPH D ARTMANN , Zur Einführung: Dimensionen mittelalterlicher Schriftkultur zwischen Pragmatik und Performanz, in: Zwischen Pragmatik und Performanz: Dimensionen mittelalterlicher Schriftkultur, hrsg. von C HRIS - TOPH D ARTMANN , T HOMAS S CHARFF und C HRISTOPH F RIEDRICH W EBER , Turnhout 2011, S. 1-24; mit Aspekten des magischen in Verbindung gebracht in S TIELDORF , Magie, dazu auch A NGENENDT , Cartam. 10 K OZIOL , Politics, S. 60: Diplomas therefore were imagined as requiring performances and reconstituting them. 11 Ebd., S. 60f. 43 <?page no="43"?> Obwohl mehrere hundert Jahre zwischen den untersuchten Stücken in Königsfelden und den Urkunden im Reich der Karolinger liegen, hatte sich weder in der Form, wie Urkunden ausgestellt wurden, noch in der Sprache - abgesehen vom Übergang von Latein zu Deutsch - viel geändert. Vielleicht kann zusätzlich noch von einer weiteren Streuung von Schrift über neue soziale Schichten ausgegangen werden, die Vorstellung der Ausstellung von Schriftstücken trägt dennoch zur Zeit der Stiftung Königsfeldens ähnliche Züge. Entsprechend wird an dieser Stelle die Aussage von Koziol als Hypothese zum Verständnis von Urkunden in Königsfelden im 14. Jahrhundert aufgestellt. Daher besteht die Möglichkeit, Personen und Dokumente in einem Netzwerk zu verstehen und zu visualisieren. Die Visualisierung von Netzwerken gehört zu den etablierten Arbeitsmitteln der Digital Humanities und bringt neben diversen Vorteilen auch einige Probleme mit sich, die es zu beachten gilt. 12 So stammen die meisten Auswertungsmechanismen, etwa centrality oder auch modularity, aus der Informatik und lassen sich nur unter Vorbehalten für geisteswissenschaftliche Auswertungen nutzen, da sie etwa im Fall der centrality dafür gedacht waren, zentrale - und damit neuralgische - Stellen von Computernetzwerken zu identifizieren. Anders die Produktion von Urkunden, bei welchen nicht zwangsläufig alle wichtigen («zentralen») Personen genannt und damit verknüpft werden müssen. Im Umgang mit Personen und Schriftstücken gibt es zwei mögliche Vorgehensweisen, die beide unterschiedliche Ergebnisse erzielen. Zum einen kann ein sogenannt «bi-modales» Netzwerk erstellt werden, das sowohl die Personen als auch die Dokumente als Einheiten sichtbar werden lässt. Die Verknüpfung muss in dem Fall immer von einer Person zu einer Urkunde erfolgen. Die andere Vorgehensweise lässt die Dokumente unsichtbar werden, indem angenommen wird, dass Personen, die in einem Schriftstück genannt werden, eine Verbindung zueinander aufweisen. Das Resultat ist in dem Fall ein «uni-modales» Netzwerk, das Personen miteinander verknüpft. 13 Die Datengrundlage für die hier vorliegenden Auswertungen bildet ein Register des Bestandes und der kopialen Überlieferung, das handschriftlich vom früheren Staatsarchivar des Kantons Aargau, Georg Boner erstellt wurde. 14 Er dokumentierte das Vorkommen von Personen und Geschlechtern in den Schriftstücken. Sicherlich ist eine Netzwerkvisualisierung nicht im Sinne Boners, entsprechend wird die Visualisierung leicht verzerrt, da Personen, die nicht individuell identifiziert werden konnten, unter ihrem «Geschlechtsnamen» geführt werden. Gewisse Geschlechter, die somit gleichbehandelt werden wie Einzelpersonen, erhalten ein (zu) hohes Gewicht. 12 Hier und im folgenden nach: S COTT W EINGART , Demystifying Networks, Parts I & II, in: Journal of Digital Humanities 1.1 (2011), URL : http : / / journalofdigitalhumanities . org / 1 - 1/ demystifyingnetworksbyscottweingart/ , siehe einführend: M ARTEN D ÜRING , From Hermeneutics to Data to Networks: Data Extraction and Network Visualization of Historical Sources, in: Programming Historian (18. Feb. 2015), URL : http: / / programminghistorian.org/ lessons/ creating-network-diagrams-from-historical-sources. 13 Die Visualisierungen wurden online publiziert, siehe doi.org/ 10.5281/ zenodo.3360661, das uni-modale Netzwerk trägt den Namen «netzwerk_kf-unimodal.png». 14 StAAG UR/ 17, neben dem Register wurden auch Vorarbeiten (Karteikärtchen etc.) aufbewahrt. 44 <?page no="44"?> Das uni-modale Netzwerk verortet wenig überraschend Agnes von Ungarn im Zentrum. Daneben spielen ihre Brüder, insbesondere Albrecht II. und Leopold I., zentrale Rollen. Sie gelten durch ihre Stiftungen als wichtige Förderer in der frühen Phase der Konvente. Darauf folgen bereits die Wohlen, Hallwil und Rinach, die als Familien ab der Gründung langfristig in Königsfelden präsent waren, ebenso wie die Effinger und die Segesser, die mit leicht weniger Verbindungen noch immer an sehr zentraler Stelle stehen. Die Chronologie wird bedingt in der Darstellung gespiegelt, grundsätzlich ist eine Tendenz von rechts (früh) zu links (spät) feststellbar. Die Möglichkeit, an die eigenen Vorfahren anzuknüpfen, zeigt sich im Netzwerk etwa bei Leopold III. Er bestätigte und vidimierte gezielt Dokumente seines Vaters (Albrecht II.) und seines Onkels (Leopold I.) mit eigenen Dokumenten. Aus diesem Grund findet er sich in der Nähe der beiden und mit einer Vielzahl von Verbindungen zu ihnen. Damit eröffnet sich ein großer Vorteil dieser Netzwerkvisualisierung: Sie demonstriert nicht nur die Verbindung von gleichzeitig Agierenden, sondern auch solche Verbindungen, die durch spätere Generationen gesucht wurden. Die Äbtissin Elisabeth von Leiningen und der Hofmeister Niklaus Fricker stehen zwar in indirekter Verbindung zu Agnes, bilden jedoch Zentren ihrer eigenen Netzwerke. Schließlich lassen sich auch noch Gruppen identifizieren, die je eigene Zwecke verfolgten, wie die Knechte, die sich in Verbrüderungslisten eintragen ließen, oder die Schwestern, die um 1520 aus dem Klarissenkonvent austraten und mit entsprechenden Quittungen bedacht wurden. 15 Die Rolle der «Familien» wie der Mülinen, Wohlen, Hallwil, Rinach und Segesser ist zwar leicht überhöht, dennoch zeigt sich, dass über diese Linien eine Kontinuität entstand und ein jahrelang genutztes Netzwerk zwischen den Konventen, v. a. den Klarissen, und den Familien gebildet wurde. Der Blick auf das bi-modale Netzwerk bringt als zusätzliche Dimension die einzelnen Dokumente in den Fokus, was zu einer Vervielfachung der angezeigten Punkte und einer verminderten Übersichtlichkeit führt. Das Zentrum bildet auch in dieser Visualisierung Agnes von Ungarn, die aufgrund der Vielzahl an Verbindungen die Verknüpfungen dominiert. 16 Um einen neuen Zugriff auf das Netzwerk zu erhalten, ist es möglich, nach mathematischen Maßgaben das Netzwerk aufzuteilen, das dazu verwendete Maß nennt sich «modularity». Die Modularität kann nach standardisierten Vorgaben berechnet und visualisiert werden. 17 Auf das Personennetzwerk Königsfeldens angewendet, bedeutet dies, dass nach Personen gesucht wird, die zu Gruppen gefasst werden 15 Die Abbildungen der Netzwerke finden sich als Bilddateien auf Zenodo: doi.org/ 10.5281/ zenodo.3360661. Die Knechte, die sich in Verbrüderungslisten eintragen ließen, finden sich oben in der Mitte, die um 1520 aus dem Klarissenkonvent ausgetrettenen Schwestern unten links in der Datei netzwerk_kf-unimodal.png. 16 Die Visualisierung wurde mit Palladio hergestellt. Die Visualisierungen wurden online publiziert, siehe doi.org/ 10.5281/ zenodo.3360661, das bi-modale Netzwerk trägt den Namen «ScreenShot-bimodal-pers-urk-network.png». Die verwendeten Daten wurden ebenfalls online publiziert: doi.org/ 10.5281/ zenodo.49804. 17 Hier wird eine Möglichkeit eingesetzt, die in GEPHI bereits implementiert wurde. Siehe zum Algorithmus: V INCENT D. B LONDEL u. a., Fast Unfolding of Communities in Large Networks, in: Journal of Statistical Mechanics: Theory and Experiment 10 (2008), DOI : 10.1088/ 1742-5468/ 2008/ 10/ P10008, arXiv: 0803.0476, URL : http: / / arxiv.org/ abs/ 0803.0476. 45 <?page no="45"?> können, da die Personen der Gruppe mehr Verbindungen untereinander aufweisen, im Vergleich zu einem regelmäßig aufgebauten Netzwerk. Es wird also nach Personencluster gesucht, die vom gesamten Netzwerk abgesondert werden können. Für Königsfelden lassen sich so elf Cluster errechnen. Zwei der Cluster sind mit weniger als fünf Personen ausgesprochen klein, vier Cluster beinhalten mehr als fünfzig Personen. 18 Agnes von Ungarn findet sich in diesem Geflecht an Gruppen in einem äußerst exklusiven Kreis (hellblau), der so gut wie ausschließlich aus Herzogen und Klerikern besteht und nur 14% aller im Netzwerk präsenten Personen umfasst. 19 Die größte Gruppe (violett, 18%) zeigt Niklaus Fricker im Zentrum und Elisabeth von Leiningen an der Peripherie. 20 Die Segmentierung des Netzwerks ist für diese Gruppe insofern aufschlussreich, da auch Personen so besser fassbar werden, deren Namen zwar nicht denselben Klang haben, wie etwa Agnes oder Niklaus Fricker, nichtsdestotrotz in solchen Sub-Netzwerken wichtige Stellungen einnahmen. So lässt sich etwa Ulrich Ambühl in der Nähe Frickers verorten. Er war nach Fricker Hofmeister und führte einige der Schriftreihen weiter. In der Forschung zu Königsfelden tauchte er bislang jedoch nicht auf. Der Teil des Netzwerks beinhaltet auch Schultheissen von Brugg (Konrad Arnolt, genannt Buggli) und Baden (Heinrich Hünenberg) sowie die Effinger. Die Familie Mülinen ist der zentrale Agent eines eigenen Sub-Netzwerkes (orange, 9%) zu welchem auch Herzog Sigismund gehört. 21 Die Landvögte Hermann von Landenberg und Johann von Lupfen bilden zusammen mit den Hallwil und Lenzburg sowie weiteren lokal ansässigen Familien (Rued und Rupperswil) das zweitgrößte Netz (grün, 16%). Wahrscheinlich eine Verbindung aufgrund fehlender Anbindung zu anderen Teilen führte zur Bildung von zwei Sub- Netzen (türkis, 7% und rosa 7%), die auch aufgrund ihrer Distanz innerhalb des Netzwerks nur wenig Kohäsion haben. Aufschlussreich ist die Identifikation eines «Kleriker-Netzwerkes» (grau, 6%), welches neben Bischöfen (Konstanz) und Pfarrern (Waldshut) auch den Berner Hofmeister Samuel Tillmann in Königsfelden umfasst. 22 Die austretenden Schwestern bilden nicht überraschend ein eigenes Netzwerk, zu dem auch Johann Jakob Haller, ein Hofschreiber in Königsfelden gehört. Häufig wird der Berechnung von segmentierten Netzwerken vorgeworfen, dass kleine Untergruppen nicht identifiziert werden. Dieser Vorwurf kann auch bei der vorliegenden Berechnung gelten, da teilweise Akteure zu Sub-Netzen geschlagen werden, die inhaltlich nur wenig Sinn zusammen ergeben und wohl außerhalb der Gruppen stehen müssten bzw. eigene Kleinstgruppen bilden würden. 23 Zu GEPHI siehe M ARTIN G RANDJEAN , GEPHI - Introduction to Network Analysis and Visualization, 14. Okt. 2015, URL : http: / / www.martingrandjean.ch/ gephi-introduction/ . 18 Alle Visualisierungen der Cluster und den Modularity-Report (produziert mit GEPHI) finden sich online: doi.org/ 10.5281/ zenodo.3360661. Die Parameter der Modularity sind im PDF publiziert: modularity-and-networks.pdf. 19 Die Visualisierung ist online (siehe Fußnote 18), Modularity_sub-net-blau.png. 20 Die Visualisierung ist online (siehe Fußnote 18), Modularity_sub-net-violett.png. 21 Die Visualisierung ist online (siehe Fußnote 18), Modularity_sub-net-orange.png. 22 Die Visualisierung ist online (siehe Fußnote 18), Modularity_sub-net-grau.png. 23 B ENJAMIN H. G OOD , Y VES -A LEXANDRE de M ONTJOYE und A ARON C LAUSET , The Performance of Modularity Maximization in Practical Contexts, in: Physical Review E 81.4 (15. Apr. 2010), DOI : 10.1103/ PhysRevE.81.046106, arXiv: 0910.0165, URL : http: / / arxiv.org/ abs/ 0910.0165. 46 <?page no="46"?> Um zu den gemäß Netzwerkvisualisierung zentralen Dokumenten zu gelangen, reicht es nicht, die Stücke mit den meisten Verbindungen heranzuziehen, da die Aussage daraus nur besagt, welches Stück am meisten Personen nennt. Daher ergibt es Sinn, die Stücke in der Nähe der «zentralen» Protagonisten heranzuziehen. Dadurch lässt sich eine Kategorie von Stücken herausarbeiten, die es intensiv zu beachten gilt, nämlich die Ordnungen, die in engem Zusammenhang mit Agnes stehen, gleichzeitig aber auch die Herzoge mit Agnes beziehungsweise dem Frauenkonvent verbinden. In dem Geflecht nimmt die Stiftungsurkunde von Elisabeth eine relativ marginale Rolle ein. 24 Dies steht jedoch nicht zuletzt im Zusammenhang mit den wenigen Dokumenten, die mit Elisabeth in Verbindung gebracht werden können. Das uni-modale Netzwerk zeigt Verbindungen zwischen Personen mit mehr und entsprechend engerer Bindung, wenn dieselben Personen in mehreren Dokumenten parallel auftauchen. Die bi-modale Auswertung, fokussiert demgegenüber auf die Verbindung zwischen Personen und Dokumenten. Eine Person kann in dieser Form nur mit Dokumenten verbunden sein, entsprechend ist der Erkenntnishorizont anders gelagert. Um zu sinnvollen Aussagen zur centrality von Personen zu gelangen, kann nur die Auswertung als uni-modales Netzwerk herangezogen werden. Die Verknüpfung von Personen über Dokumente erlaubt im Gegensatz dazu die Identifikation von Dokumentenclustern, die zwischen Personen stehen und erhöhte Beachtung verlangen. Die quantitativen Herangehensweisen zeigen, wie komplex sich die Dokumentenproduktion entwickelte. Die Erzählung eines starken Schubs zu Beginn der Stiftung lässt sich damit zwar stützen, ebenso die zentrale Funktion, die Agnes von Ungarn zugeschrieben wird. Jedoch zeigt sich ebenso deutlich, wie abhängig die Dokumentenproduktion auch noch im 15. Jahrhundert von einzelnen Personen war. Ein Anstieg der Schriftproduktion bis um 1500 lässt sich anhand der ausgewerteten Stücke nicht nachweisen. Vielmehr stehen einzelne peaks im Zusammenhang mit Ereignissen, die zu einem größeren Wandel innerhalb und außerhalb der Konvente geführt haben. Diese Auswertungen berufen sich zwar auf die Produktion von Dokumenten, gleichzeitig müssen aber auch die Verluste von Dokumenten mitberücksichtigt werden. Die produzierten Kurven und Graphen dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie nur das visualisieren, was überliefert wurde. 25 Die quantitativen Auswertungen legen einen Aufbau des Kapitels nahe, der die Korrelation zwischen zentralen Personen und peaks der Dokumentenproduktion berücksichtigt. Entsprechend werden folgende Teile differenzierter und intensiv beleuchtet: bis ca. 1335 Stiftungstätigkeit der Herzoge 1318-1370 Agnes von Ungarn (Präsenz und Nachlass) 1390-1430 Elisabeth von Leiningen und die Eroberung durch Bern 24 U.17/ 0020a, 29. Sep. 1311. 25 Siehe unten ab S. 229. 47 <?page no="47"?> Abbildung 2.2: Visualisierung der Dokumentenproduktion für Königsfelden nach Jahrzehnten. Korreliert mit Ergebnissen der Netzwerkanalyse. 48 <?page no="48"?> 1445-1475 Hofmeister Fricker und Bürer 1515-1540 Reformation und Auflösung der Konvente 1560-1580 Neuordnung des Archivs in Bern 26 Quantitative Verhältnisse der Dokumente im 14. Jahrhundert Bevor die Ausstellung von Dokumenten im Detail analysiert werden, sind einige wenige Vorüberlegungen zu treffen, die die quantitativ erhobenen Aussagen relativieren. Danach ist es sinnvoll. den Blick gezielt auf Schriftstücke und Schriftreihen zu werfen, die entweder durch ihre Häufigkeit oder durch andere Merkmale herausragen. Um Aussagen über die Urkundenproduktionstätigkeit des Klosters und für das Kloster nachzugehen, bedarf es des Ausschlusses von Dokumenten, die bei Käufen zusätzlich zum neu hergestellten Stück an das Kloster übergeben wurden. Von den total 252 Stücken, die zwischen 1318 und 1364 nach Königsfelden kamen und dort als ausgefertigte Urkunden blieben, wurden 14 vor 1318 produziert. Bei diesen Urkunden handelt es sich mehrheitlich um Dokumente, die die Vergabung von Gütern oder Rechten durch die Herzoge an Dritte bezeugen sowie um eine Erlaubnis zur Weiterverpfändung. 27 Daneben wurden drei Kaufurkunden 28 und zwei Belehnungen zwischen Drittparteien aufbewahrt. 29 Die Stücke machen zwei Dinge deutlich, zum einen das relativ häufige Ausstellen von Schriftstücken der Herzoge für Personen in den Vorlanden, zum anderen der anscheinend geläufige Umgang mit Schriftstücken, um Veränderungen von Herrschaftsverhältnissen festzuhalten. Ob eine vollständige Durchdringung von schriftlicher Besitzverwaltung vorherrschte, ist dennoch infrage zu stellen und nicht durch die Untersuchung eines einzelnen Klosters zu beantworten. 30 Die Ausstellungsorte dieser Urkunden sind wenig überraschend die zentralen Herrschaftsorte der habsburgischen Herzoge (die Ausnahme bildet Zürich): Baden (6), Säckingen (2), Brugg, Diessenhofen, Waldshut. 31 Ein wiederholtes Mal bestätigt sich, dass die Schriftproduktion im Aargau des 14. Jahrhunderts maßgeblich - jedoch nicht einzig - von der habsburgischen Herrschaft propagiert wurde und in Städten unter habsburgischem Einfluss übernommen wurde. 32 26 In diesem Kapitel nur am Rande thematisiert, ausgeführt in Kapitel 5. 27 U.17/ 0009, 25. Apr. 1310, U.17/ 0010, 1. Mai 1310, U.17/ 0014, 12. Okt. 1310, U.17/ 0015, 19. Okt. 1310, U.17/ 0039, 1. Jan. 1315, U.17/ 0042, 31. Mai 1315, U.17/ 0052, 27. Okt. 1315, U.17/ 0058, 30. März 1317, Weiterverpfändung: U.17/ 0013, 9. Sep. 1310. 28 U.17/ 0002, 24. März 1311, U.17/ 0007A, 7. Dez. 1308 und U.17/ 0007B, 7. Dez. 1308. 29 U.17/ 0006, 13. Nov. 1307 und U.17/ 0012, 16. Juli 1310. 30 Zur langwierigen Durchsetzung unterschiedlicher Modi von Schrift als Herrschaftsmedium siehe exemplarisch G REGOR E GLOFF , Herr in Münster. Die Herrschaft des Kollegiatstifts St. Michael in Beromünster in der luzernischen Landvogtei Michelsamt am Ende des Mittelalters und in der frühen Neuzeit (1420-1700), Basel 2003. 31 Die Kaufurkunde zwischen Drittparteien StAAG U.17/ 0007A und StAAG U.17/ 0007B nennen keinen Ausstellungsort. 32 Zur Entwicklung der «habsburgischen Städte» im Verhältnis zu Habsburg und Verwaltung im 14. Jahrhundert siehe M ARTINA S TERCKEN , Städte der Herrschaft: Kleinstadtgenese im habsburgischen Herrschaftsraum des 13. und 14. Jahrhunderts, Köln 2006, insbesondere S. 76-81. 49 <?page no="49"?> Von den verbleibenden 233 Dokumenten weisen 22 keinen Bezug zu Königsfelden auf, sie wurden zwar im Zeitraum produziert, jedoch nicht für Königsfelden, sondern für andere Personen und Institutionen. Die Weitergabe dieser Stücke an Königsfelden hängt mit späteren Käufen der in den Stücken vorkommenden Rechte oder Güter zusammen, der sogenannten «Archivfolge». Wenig mehr als 14% der Urkunden, die im Zeitraum von 1300 bis 1364 im Kloster aufbewahrt wurden, stehen demnach nicht in direktem Produktionszusammenhang mit Königsfelden. Die für Königsfelden produzierten Stücke waren vielfach Kaufdokumente, mit welchen Königsfelden und/ oder Agnes von Ungarn für das Kloster Besitz oder Besitzrechte erwarb (120 Dokumente). 33 Deutlich seltener (in 23 Dokumenten) bestätigte die Herrschaft - vorwiegend die Herzoge, selten ihre Ehefrauen - Rechte des Klosters. In einem ähnlichen Zusammenhang stehen elf Dokumente mit Freiheitenbestätigungen für das Kloster. Sie wurden ebenfalls durch Herzoge von Österreich ausgestellt, vorwiegend nach dem Übergang des Herzogstitels an mündig gewordene Söhne, oder aber im Rahmen eines Besuchs durch die Herzöge in den Vorlanden. 34 Die teilweise gleichzeitige Bestätigung der Freiheiten für das Kloster, etwa durch Albrecht II. und Friedrich II., kann dabei als Auseinandersetzung oder aber als Mittel der Konsensbildung zwischen Onkel und Neffe gedeutet werden. Der Onkel, mit Sitz in Wien und als oberster des Hauses, versuchte den Einfluss des Neffen in den Vorlanden niedrig zu halten. Versteht man das Vorgehen als Kontrolle über die Vorgänge im Herzogtum und den beherrschten Gebieten, passt dies zu der von ihm eingesetzten, jedoch nicht durchgesetzten Albertinischen Hausordnung. Ihm gegenüber stand der junge Friedrich, 35 der durch eigene Hand eine Notiz am Ende der Urkunde anbrachte und anscheinend erste Schritte in der Herrschaft über Besitz unternahm. 36 33 Zur umfangreichen Produktion im Umfeld der Agnes müssen auch noch die Ordnungen gezählt werden, die noch eingehender besprochen werden. 34 1324: (U.17/ 0082, 16. Apr. 1324, U.17/ 0084, 23. Aug. 1324), Brugg, Wien: Mündigkeit der jüngeren Söhne Albrechts (Albrecht [in Brugg und in Wien], Heinrich und Otto), während Friedrich in Gefangenschaft sass. 1330: (U.17/ 0105, 23. Feb. 1330, U.17/ 0107, 23. Feb. 1330), beide Brugg: Nach dem Tod Friedrich des Schönen, bestätigt Otto und nimmt das Kloster in seinen Schutz (mit Bezug auf Friedrich in ebd.), 1344: (U.17/ 0201A, 20. Feb. 1344, U.17/ 0203, 31. März 1344), Wien, Brugg (U.17/ 0201B, 20. Feb. 1344 ist eine spätere Abschrift von um 1395 durch Engelhard von Weinsberg, Vogt im Aargau) Albrecht II. in Wien und Friedrich II. in Brugg (der Sohn von Otto, Friedrich II. wuchs auf der Lenzburg oder gar im Kloster Königsfelden auf und wurde durch Agnes von Ungarn und Johans von Hallwil erzogen). Spuren von Friedrich II. finden sich auf der Lenzburg noch einige, das grosse Ritterhaus wurde aufgrund seiner Präsenz erbaut. Ein Fenster erinnert dabei an Königsfelden. Siehe P ETER F REY , Die Ergebnisse der baugeschichtlichen Untersuchung, in: Lenzburger Neujahrsblätter 56 (1985), S. 15-20. 35 Friedrich II. (Sohn Herzog Ottos) war wohl bewusst aus dem Einflussbereich des Vaters in Kärnten entfernt worden. Sein Onkel, Albrecht II., setzte sich nach dem Tod Ottos gegen dessen Schwiegervater, Johann von Böhmen (einen Luxemburger), durch und übernahm die Herrschaft Kärntens. Mit ein Einfluss könnte die Auseinandersetzung zwischen dem Papst und Ludwig dem Bayern gehabt haben, in welchem Albrecht bis zum Schluss auf der Seite des Kaisers blieb. 36 Weitere Freiheitenbestätigungen: 1354 (U.17/ 0257, 6. Nov. 1354), Brugg: Albrecht II., 1358/ 60 (U.17/ 0280, 24. Apr. 1358, U.17/ 0306, 31. Dez. 1360), Rheinfelden, Wien: zweimal 50 <?page no="50"?> Neben den besprochenen Dokumenten bleiben noch ungefähr 20% der Stücke (ca. 40), die als Einzelstücke identifiziert werden müssen und von Dritten für das Kloster stammen oder von Klerikern ausgestellt wurden. So bleiben auch noch Vergabungen übrig, wozu auch Inkorporationen gerechnet werden (10 Dokumente) und Schenkungen von Dritten an das Kloster (8 Dokumente). Weiter finden sich Schlichtungsurkunden zwischen Königsfelden und Dritten (4 Dokumente). 37 Daneben existieren vier Stiftungsurkunden und fünf Tauschurkunden sowie ein Vidimus. Ebenfalls genannt werden müssen noch die wenigen Urbarrödel. Summierend machen somit die Stücke der Agnes, die nicht von denjenigen des Konvents zu trennen sind 50% der ausgestellten und aufbewahrten Dokumente aus. Die Herzoge und ihre Ehefrauen sind zwar ebenfalls erwähnenswert aus quantitativer Sicht, sie wirkten jedoch viel situativer. Wenig Einfluss kann von Seiten Dritter konstatiert werden, worunter auch die Stücke aus kirchlicher Hand gezählt werden. Dennoch waren die wenigen päpstlichen Stücke natürlich wichtig. Die Stiftung Königsfeldens Noch bevor das Heer von Friedrich und Leopold 1310 durch das Land zog um den Mord am Vater zu rächen, war es möglich, mittels Schriftstücken den Grundstein für die beiden Stifte zu legen, die König Albrecht durch gutes Andenken den Weg ins Paradies weisen sollten. Königsfelden und seine Geschichte im 14. Jahrhundert war bereits Teil detaillierter Untersuchungen, weshalb hier allein die Dokumentenproduktion in den Fokus genommen werden kann. 38 Bereits für das Jahr nach dem Mord an Albrecht wurde ein Schriftstück für das zu gründende Kloster verfasst. Jedoch beginnt die Überlieferung des Klosters nicht mit einer Stiftungsurkunde, sondern mit dem Mandat an lokale Beamtete und Untergebene. Leopold stellte ein Dokuments aus, das einen Befehl an seine Vögte (advocatis) enthält, das nötige Land bereitzustellen. Der Name des Ortes war noch nicht definiert, sondern wurde nur als de novo ubi constructi bezeichnet. 39 Durch die Urkunden griff der Herzog in herrschaftliche Belange ein, was auch im zweiten Dokument beibehalten wurden. Mittels diesem wurde ein Hof, genannt «Rheinfelder-Hof» (heute Balgau im Elsass, FR) den Klarissen in Königsfelden geschenkt. Beide Dokumente wurden in Latein verfasst, danach stellten die Herzoge ihre Dokumente nur noch in deutscher Spra- Rudolf IV. (nach Heirat, definitiver Übernahme der Herzogswürde, Herstellung Privilegium maius), 1364 (U.17/ 0330, 19. Juli 1364), Enns: Nach dem Tod Agnes’. 37 Beim ersten geht es um das Erbe der Zwillikon U.17/ 0125, 25. Mai 1332, beim zweiten, um eine Urkunde der Rubiswil um Entfelden (U.17/ 0138, 3. März 1334), drittens um eine Matte in Entfelden, die auch von Wernher Schultheiss von Aarau beansprucht wurde (U.17/ 0192, 27. Juni 1341), und schliesslich die Auseinandersetzung mit den Kienfeld um Erlinsbach (U.17/ 0241, 21. Nov. 1351). 38 Einführend zur Gründungszeit Königsfeldens siehe B ONER , Gründung, M ODDELMOG , Stiftungen, S. 111-118, W EHRLI -J OHNS , Leben, S. 50-61, A NGELICA H ILSEBEIN , Das Kloster als Residenz: Leben und Wirken der Königin Agnes von Ungarn in Königsfelden, in: Wissenschaft und Weisheit 72 (2009), S. 179-250. Ähnlich der hier vorgebrachten Ansätze wurden bereits Überlegungen zum Umgang mit Schrift angestellt in: T OBIAS H ODEL , Das Kloster in der Region: Herrschaft, Verwaltung und Handeln mit Schrift, in: Königsfelden. Königsmord, Kloster, Klinik, hrsg. von S IMON T EUSCHER und C LAUDIA M ODDELMOG , Baden 2012, S. 90-127, S. 93-102. 39 U.17/ 0007a, 10. Okt. 1309. 51 <?page no="51"?> che aus. Die Wichtigkeit des zweiten Dokuments, ausgestellt durch Elisabeth, liegt nicht zuletzt in der erstmaligen Nennung des Namens des neuen Klosters: Campus Regi[us], das Feld des Königs. Mit dem Namen Königsfelden markierten die Stiftenden, wem das Kloster seine Aufmerksamkeit zu schenken hatte und aus welchem Grund die Konventualen an genau dem Ort versammelt waren. Dennoch ist dieses erste Stiftungsdokument von Ungereimtheiten geprägt. Zum einen existiert das Stück von 1309 nur noch in kopialer Überlieferung. Einzig im ersten Kopialbuch liegt es abgeschrieben vor. 40 Zum anderen beschreibt das Dokument einen Konvent, der 1309 in Windisch noch gar nicht existierte. Entsprechend ist die Aussage nos religionis personis abatisse et conventui sanctimonialium ordinis sancte clare monasterii campi regii [. . . ] in spiritualibus floridum et in temporalibus opulentum fieri cupimus [. . . ] (das «wir» meint Königin Elisabeth) aus der Luft gegriffen. 41 Falls ein entsprechendes Dokument als Ausfertigung existierte, so erfolgte die Ausstellung desselben wohl in der Stadtkirche von Brugg am Tag des Heiligen Nikolaus. 42 Damit sollte der versammelten Kirchgemeinde signalisiert werden, dass Land zur Etablierung einer zukünftigen Institution erworben worden war, die unter dem speziellen Schutz der Herrschaft stand. Obwohl die Urkunde eigentlich ein wirtschaftliches Fundament schaffen sollte, war der Hintergrund wiederum die Demonstration der Herrschaft, die nun jedoch auch für die neue Institution wirken sollte. Weshalb fehlt das gemäß Urkundenformel durch Elisabeth gesiegelte Stück und wurde nicht überliefert? Zwei Erklärungen sind denkbar: Zum einen gehörte der Rheinfelder-Hof im Balgau zu einem Konglomerat von Besitzungen im Elsass, die zur Zeit der Auflösung des Klosters durch Bern verkauft wurden. 43 Daher wäre es denkbar, dass die Urkunde nach Colmar zum Käufer abtransportiert wurde. Im Archiv Départementales Haut-Rhin in Colmar ist die Urkunde jedoch auch nicht auffindbar, im Gegensatz zu einer Reihe anderer Dokumente. Die Möglichkeit bleibt, dass das Stück in den verschiedenen Wirren und Bewegungen der Schriftstücke verloren ging. Wahrscheinlicher ist wohl die zweite Erklärung: Kurz nach 1309 wurde durch Elisabeth eine zweite Stiftungsurkunde ausgestellt, wodurch die erste Urkunde obsolet wurde. Die zweite Urkunde ist in Vernakular verfasst und Elisabeth trägt, auch im Namen ihrer Söhne, dem Klarissenkonvent die Äcker in Windisch, den Kirchensatz von Staufen und den Hof im Balgau an. Das Stück fällt durch das große, angehängte Thronsiegel der vormaligen Königin auf. Ihre Söhne, die im Text zwar auch als Stifter auftreten, siegelten nicht. Mit der Ausstellung der Urkunde am 29. September 1311 inszenierte sich Elisabeth erneut als Stifterin und Ausstatterin des Klarissenkonvents. Dank dem Kirchensatz von Staufen und den Äckern in Windisch sowie vielleicht auch den Abgaben aus dem Balgau dürfte das Überleben der Konventualen bereits gesichert gewesen sein. In der Folge wurde die zweite Stiftungsurkunde besonders inszeniert und als erstes Stück ins erste Kopialbuch Königs- 40 In den späteren Kopialbüchern findet sich das Dokument nicht mehr abgeschrieben. Zum Kopialbuch insgesamt siehe unten S. 174. 41 AA/ 0428, Kopialbuch I (1336), fol. 18v. 42 Der Heilige Nikolaus wird am 6.12. gefeiert, er ist der Stadtpatron von Brugg und ein zentraler Heiliger Habsburgs. 43 Siehe unten ab S. 103. 52 <?page no="52"?> feldens abgeschrieben. 44 Noch in der Zeit der Berner Herrschaft besaß die zweite Stiftungsurkunde ein erhöhtes Ansehen. Es wurde erst im frühen 20. Jahrhundert wieder aus Bern in den Aargau zurückgebracht, im Gegensatz zur Mehrzahl der Dokumente, die zwar auch in Bern gelagert wurden, jedoch von dort bereits im frühen 19. Jahrhundert nach Aarau transportiert wurden. 45 Die symbolische Aufladung des Ausstellungsdatums der zweiten Urkunde mit dem Feiertag des Seelenwägers Michael erhöht die Aussagekraft des Stücks weiter. Aufgrund des höheren Prestiges der Urkunde von 1311 war die Aufbewahrung der «ersten» Stiftungsurkunde nicht mehr nötig. Frühe Stiftungsgüter: Herrschaftsverstärkung durch Herrschaftsverzicht Die Stiftung von Klöstern und Konventen ist in der Forschung als Mittel zur sogenannten «Neutralisierung von Gütern» erklärt worden. 46 Zur Lösung von Auseinandersetzungen zwischen Adligen um Güter (etwa aus Erbe und Nachlässen) bekam keiner der Kontrahenten den Besitz, sondern er wurde als Stiftungsgut einer religiösen Gemeinschaft vermacht, verbunden mit dem Auftrag des Gedenkens an die Stiftenden. Beide Parteien verzichteten somit auf ihren Anspruch, wurden jedoch in die Gebete der gegründeten Gemeinschaften aufgenommen und blieben dennoch mit dem Besitz verbunden. Auch in Bezug auf Königsfelden wurde der Verdacht einer Neutralisierung von Besitz vorgebracht, 47 handelt es sich doch teilweise um Besitz, der von Agnes, der Mutter des Königsmörders, beansprucht worden sein könnte. 48 Trotz solcher Indizien finden sich keine Anzeichen dafür, dass Besitz schnellstmöglich aus Zirkulationsvorgängen entfernt werden sollte. Auch gibt es keine Anfechtungen von Seiten Dritter, die Anrechte auf Besitz geltend machten. 49 Ebenso ist in den Jahrzehnten nach der Gründung eine stärker werdende Vermischung von herzoglichen Pfändern mit Stiftungen (von denselben Herzogen und Herzoginnen) sowie Dotationsgut des Klarissenkonvents zu beobachten, sodass teilweise nur noch mit größter Mühe die einzelnen Besitzformen unterschieden werden können. 44 Zum Kopialbuch siehe unten S. 174. 45 Die Austauschaktion erfolgte erst 1930, als eine Vielzahl von Stücken aus dem Staatsarchiv Bern dem Staatsarchiv in Aarau übergeben wurden. Siehe dazu unten S. 260. 46 Für den Raum der heutigen Ostschweiz siehe E RWIN E UGSTER , Adlige Territorialpolitik in der Ostschweiz: Kirchliche Stiftungen im Spannungsfeld früher landesherrlicher Verdrängungspolitik, Zürich 1991, S. 171-176, insbesondere S. 172f. 47 Die gesamte Arbeit von B ALDINGER ist darauf ausgerichtet, Spuren von «Neutralisierung» in Königsfelden festzstzustellen. Nachweise werden jedoch keine erbracht. Siehe B ALDINGER , Agnes. 48 Die genauen Besitzungen, die Agnes, der Ehefrau Rudolfs, als Widerlage zugesprochen wurden, sind nicht bekannt. Ein Rödel mit Urbareinnahmen, ausgestellt im Namen Agnes’, nennt jedoch die Namen von Adligen, die mit den Königsmördern in Verbindung gebracht werden können. Siehe etwa zu den Tegerfeld: T OBIAS H ODEL , Mord: Ein toter König und unzählige Geschichten, in: Königsfelden. Königsmord, Kloster, Klinik, hrsg. von S IMON T EUSCHER und C LAUDIA M ODDELMOG , Baden 2012, S. 10-47, S. 25f. 49 Wiederum ist nicht auszuschließen, dass Johann, der Königsmörder, solche Ansprüche hätte geltend machen können, nach der Mordtat ist er aber nur noch in chronikalen Quellen fassbar und auch dort höchst widersprüchlich. Siehe ebd., S. 13-17. 53 <?page no="53"?> Mehr als von Neutralisierung muss von einer erhöhten Herrschaftsdurchdringung die Rede sein. Fragmentierter Besitz konnte in einer Institution gebündelt werden und blieb mit Habsburg, insbesondere mit König Albrecht I., verbunden. Fast schon parallel zu dieser stärker werdenden Durchdringung stehen die Rödel, die später als Habsburger Urbar zusammengefasst wurden. Sie zeigen, dass zu Beginn des 14. Jahrhunderts versucht wurde, Güter zu ordnen, aber auch, diese mit den Königen Albrecht und Rudolf in Verbindung zu bringen. Sicherlich handelte es sich nicht um einen orchestrierten Vorgang mit dem Ziel, alle Güter im Besitz «Habsburgs» zu verzeichnen. Vielmehr sind es viele, unterschiedlich lange Stücke, die auf Ansprüche und Auseinandersetzungen vor Ort deuten und wohl nicht zuletzt im Andenken an die Könige Albrecht und Rudolf geschaffen wurden. 50 Die Stiftung der zwei Konvente in Königsfelden hatte daher wohl zum Ziel, eng mit der Herrschaft Habsburg verwobene Besitzungen zu bündeln. Falls tatsächlich Besitzungen in den Klarissenkonvent eingebracht wurden, die umstritten waren, geschah dies, ohne dass Spuren entstanden. In dem Sinne wäre es eine höchst erfolgreiche Form der Neutralisierung. Rasch vermochte Elisabeth die Franziskaner permanent vor Ort anzusiedeln, die Klarissen anzuziehen und beide Konvente reich auszustatten. Auch nach der Stiftung wurde das Tempo beibehalten, um innert kürzester Zeit Güter für die reiche Ausstattung der Klarissen bereitzustellen. Das Unterfangen wurde durch die Vorarbeiten von Agnes von Ungarn erleichtert, die schon früher geplant hatte, in Gnadental einen Klarissenkonvent zu stiften. Päpstliche Erlaubnisse lagen bereits vor und Königsfelden konnte dank der bestehenden Bestätigung als Umwidmung der Gnadentaler Erlaubnisse gestiftet werden. 51 Wie aktiv Agnes bei der eigentlichen Stiftung war, lässt sich nicht mehr eruieren. Ihr Name taucht, im Gegensatz zum dem ihrer Mutter, nirgends auf und in den Vorlanden hielt sie sich höchstwahrscheinlich auch noch nicht auf. Urkunden in der frühen Zeit des Klosters (1309-1317) Ein Mittel zur Erforschung der Produktion und Nutzung von Schrift in Königsfelden ist der Versuch, Zusammenhänge und Ordnungen innerhalb von Dokumenten und zwischen diesen herzustellen. Während dies bei Abschriftensammlungen naheliegt, insbesondere bei Kopialbüchern, ist es für Urkunden noch wenig erprobt. Weniger der Text steht dabei im Vordergrund, sondern die Analyse einzelner Elemente der Dokumente, etwa an welchen Orten die Urkunden ausgestellt wurden; oder aber wer die involvierten Personenkreise und Institutionen waren; um welche Art von Akte es sich handelte. Auf diese Weise zeigen sich Muster, die Aussagen darüber zulassen, was oder wer in bestimmten Momenten für den Konvent entscheidend - im aktiven und passiven Sinne - war. Um zu einer solchen Analyse zu kommen, ist vorgängig zu bestimmen, welche Dokumente zu welchen Zeiten überhaupt eine Rolle spielten oder gespielt haben könnten. Was befand sich in Königsfelden? Was wurde im Kloster aufbewahrt? 52 50 Nach M ARIANNE B ÄRTSCHI , Das Habsburger Urbar: Vom Urbar-Rodel zum Traditionscodex, Zürich 2008, S. 271. 51 Zu den Stiftungsvorgängen aus Ordensperspektive siehe W EHRLI -J OHNS , Leben, S. 51. 52 Wichtige Vorarbeiten zu den Auswertungen wurden von Staatsarchivar Georg Boner während seiner langjährigen Arbeit für das Staatsarchiv Aargau gefertigt. Nur dank ihm war es möglich, 54 <?page no="54"?> Für den Zeitpunkt des Einzugs der Klarissen und Franziskaner im Jahr 1312 darf man sich keine fertig gebaute Klosteranlage vorstellen. Kirche und Klausuren standen allenfalls in Form von Holzgebäuden. Es ist denn auch schwierig zu beurteilen, wo sich die Schwestern und die Brüder genau aufhielten und in welchem Verhältnis sie zu einander standen. Aufgrund der Angabe, dass während der ersten Jahre sechs Brüder vor Ort waren, kann immerhin von einem geregelten Abhalten der Messen ausgegangen werden. Dank dem Beizug von erfahrenen Schwestern aus Söfligen war auch auf Seiten der Klarissen ein Leben gemäß den Vorschriften des Ordens garantiert. 53 Auf Basis der überlieferten Urkunden zeigt sich, dass aus der Zeit bis Sommer 1317 verhältnismäßig wenig Schriftstücke erhalten geblieben sind, die unabhängig von Elisabeth und ihren Söhnen für den Konvent ausgestellt wurden. Es handelt sich dabei um 30 Stücke, wovon zwei Stücke doppelt ausgefertigt wurden. Die Urkunden lassen sich in drei Kategorien einteilen: erstens in Zusprachen und Bestätigungen von Besitz beziehungsweise Kirchensätzen durch die Söhne Albrechts (wobei insbesondere Leopold und Friedrich als handelnde Personen genannt werden) oder durch Elisabeth (insgesamt 9 Urkunden); 54 zweitens in Dokumente, die Landtausch bezeugen, der nötig wurde, um Land in Windisch zu erhalten, um darauf die Gebäude des Klosters zu errichten (3 Stück); 55 drittens in Urkunden, die den Kauf von Land beziehungsweise Renten durch die Äbtissin des Klarissenkonvents anzeigen oder bestätigen (14 Stück). 56 Eine weitere Urkunde vergab Land zur Bewirtdie Fülle an Informationen und Daten zusammenzutragen. Seine Auswertungen mündeten nur zu kleinem Teil in Aufsätze (B ONER , Alsace; B ONER , Gründung; G EORG B ONER , Königin Agnes von Ungarn, in: Brugger Neujahrsblätter 74 (1964), S. 3-30; G EORG B ONER , Die politische Wirksamkeit der Königin Agnes von Ungarn, in: Brugger Neujahrsblätter 75 (1965), S. 3-17; G EORG B ONER , Die Königsfelder Klosterordnungen der Königin Agnes von Ungarn, in: Schaffhauser Beiträge zur vaterländischen Geschichte 48 (1971), S. 59-89; G EORG B O - NER , Die Erschliessung ausländischer Archivalien zur aargauischen Geschichte, in: Argovia. Jahresschrift der Historischen Gesellschaft des Kantons Aargau 84 (1972), S. 96-117, DOI : 10.5169/ seals-71635, URL : http: / / dx.doi.org/ 10.5169/ seals-71635; B ONER , HS: Barfüßerkloster; G EORG B ONER , Klarissenkloster Königsfelden, in: Der Franziskusorden, hrsg. von B RIGITTE D EGLER -S PENGLER , Helvetia Sacra. Abteilung V, Band 1: Der Franziskusorden. Die Franziskaner, die Klarissen und die regulierten Franziskaner-Terziarinnen in der Schweiz, Bern 1978, S. 561-576; B ONER , Gründung und gesammelt: G EORG B ONER , Gesammelte Beiträge zur aargauischen Geschichte, in: Argovia. Jahresschrift der Historischen Gesellschaft des Kantons Aargau 91 (1979), S. 5-463, DOI : 10.5169/ seals- 73921), weiter finden sich Manuskripte von seiner Hand im Bestand des Archivs. 53 Siehe einführend C LAUDIA M ODDELMOG , Die Klarissen von Königsfelden und ihre Verwandten: Beziehung und Besitz, in: Königsfelden. Königsmord, Kloster, Klinik, hrsg. von S IMON T EUSCHER und C LAUDIA M ODDELMOG , Baden 2012, S. 128-169, S. 137-139 und W EHRLI -J OHNS , Leben, S. 53-55. Obwohl das Kloster Söflingen insbesondere aufgrund seiner Filiation für viele süddeutsche Klarissenkonvente von Bedeutung war, gibt es nur wenig einschlägige Arbeiten zu den Schwestern, am ausführlichsten K ARL S USO F RANK , Das Klarissenkloster Söflingen: Ein Beitrag zur franzikanischen Ordensgeschichte Süddeutschlands und zur Ulmer Kirchengeschichte, Forschungen zur Geschichte der Stadt Ulm 20, Ulm und Suttgart 1980. 54 StAAG U.17/ 0007a, StAAG U.17/ 0020a, U.17/ 0022, 27. Jan. 1312, U.17/ 0023A, 10. Aug. 1312 und U.17/ 0023B, 10. Aug. 1312, U.17/ 0036, 10. Aug. 1314, U.17/ 0055A, 11. Dez. 1315 und U.17/ 0055B, 11. Dez. 1315, U.17/ 0056, 13. März 1316. 55 U.17/ 0018, 17. März 1311, U.17/ 0021, 18. Jan. 1312, U.17/ 0024, 11. Nov. 1312. 56 U.17/ 0026, 19. Nov. 1312 (nennt Elisabeth als Bittstellerin für den Verkauf), U.17/ 0028, 24. Jan. 1313, U.17/ 0029, 5. Feb. 1313, U.17/ 0030, 9. März 1313, U.17/ 0032, 6. Feb. 1314, 55 <?page no="55"?> schaftung an einen Bauern. 57 Ebenfalls aufbewahrt wurden Bestätigungen von klerikalen Würdenträgern: eine Papsturkunde aus Avignon, die der Bitte Elisabeths nachkam und die Gründung des Franziskanerkonvents anordnete, 58 sowie zwei Inkorporationsurkunden des Kirchensatzes von Staufen in den Besitz Königsfeldens durch den Bischof von Konstanz mit dem Einverständnis des Domkapitels. 59 Jegliche Zuwendungen kamen bis 1317 von Leopold und Friedrich beziehungsweise deren Mutter und gingen an den Klarissenkonvent. Es gibt keine Anzeichen, dass eintretende Frauen Besitz ins Kloster einbrachten oder Jahrzeitstiftungen für Personen angelegt wurden. Der Unterhalt des Franziskanerkonvents erfolgte mittels Spenden durch die Klarissen, womit wohl das Armutsgebot umgangen und zugleich die gute Versorgung der Brüder gesichert werden sollte. Diese mussten nicht als Bettler durchs Land ziehen und auf Almosen hoffen. Beide Konvente konnten somit dem Gedenken an König Albrecht nachgehen. Dabei fällt auf, dass es der Äbtissin und ihren Vertrauten - namentlich taucht der Dekan, Walther von Windisch, in den Dokumenten ausgesprochen häufig auf - bereits vor 1317 möglich war, eine Reihe von Besitztümern zu erwerben, die wohl aus den Einnahmen der gestifteten Güter oder dem von Elisabeth bereitgestellten «fahrenden Gut» stammen mussten. 60 Die Ausstattung einzig durch Elisabeth und die Zuwendungen ihrer Söhne lässt zwei Interpretationen zu: Entweder wurden bis 1317 wirklich alle Ressourcen durch Elisabeth und ihre Söhne bereitgestellt oder aber es wurden nur korrespondierende Stücke langfristig aufbewahrt. Zieht man jedoch auch die Kopialüberlieferung in Betracht, die knapp zwanzig Jahre später mit dem ersten Kopialbuch einsetzt, so wäre die erste Interpretation zu favorisieren. Im ersten Kopialbuch sind zwar undatierte Einträge vorhanden, doch betrifft der erste dieser Einträge Agnes von Ungarn beziehungsweise eine Begünstigung durch diese. Für die frühe Zeit der Konvente liegen keine Einträge vor, die auf Zuwendungen von anderer als der habsburgischen Seite schließen lassen würden. Allerdings ist es denkbar, dass das Kopialbuch als Filter fungierte und 1336 - mit der Abschrift - entschieden wurde, was langfristig in Königsfelden aufbewahrt werden sollte. Kurze Jahrzeiteneinträge im Kopialbuch I sprechen gegen diese Lesart, schließen Verluste und Vorgänge der Destruktion jedoch nicht aus. 61 Gleichzeitig mit den eigens für die Konvente ausgestellten Urkunden müssen bis 1317 mindestens sechs weitere, teils ältere Dokumente nach Königsfelden gelangt sein, die Besitz betreffen, bevor dieser an Königsfelden kam. Die Übergabe der Dokumente wurde als Teil der Besitzübergabe angesehen, im Fachjargon wird dabei U.17/ 0034, 29. März 1314, U.17/ 0035, 27. Juli 1314, U.17/ 0037, 13. Sep. 1314, U.17/ 0038, 14. Sep. 1314, U.17/ 0044, 24. Juni 1315, U.17/ 0045, 24. Juni 1315, U.17/ 0050, 10. Aug. 1315, U.17/ 0053, 3. Nov. 1315 (zwar eine Urkunde Friedrichs, da es sich dabei jedoch um ein Geschäft handelt, bei welchem Friedrich als Verkäufer gegenüber dem Kloster auftrat, in diese Kategorie eingeteilt), U.17/ 0054, 25. Nov. 1315. 57 U.17/ 0031, 16. Okt. 1313. 58 Dabei handelt es sich kirchenrechtlich gesehen um den entscheidenden Akt, der die Ansiedlung der Franziskaner überhaupt möglich machte. 59 U.17/ 0011a, 18. Juni 1310, U.17/ 0041, 14. Apr. 1315, U.17/ 0046, 17. Juni 1315. 60 Die Erwerbstaktik muss wohl als offensiv beschrieben werden, obwohl entsprechende Einschätzungen nur sehr schwer und unter größten Vorbehalten möglich sind. 61 Siehe zum Kopialbuch unten ab S. 174. 56 <?page no="56"?> von «Archivfolge» gesprochen. 62 Mit der Übergabe dieser Dokumente, so die Logik, konnten daraus keine Ansprüche mehr an den neuen Besitzer abgeleitet werden, da die Dokumente nun in den Händen der neuen Besitzer waren. Teilweise finden sich mehrere Urkunden, die vorgängige Transaktionen des Besitzes nachvollziehbar machen. Mit dem Besitz gelangte somit in gewisser Weise auch die schriftliche (Vor-)Geschichte der erworbenen Güter und Rechte in die Hände des Käufers. 63 Damit wurde für die Besitzer der Dokumente ihr aktueller Besitz zum einzigen, der eine Geschichte hatte. Verluste und Verkäufe konnten durch spätere Generationen nicht mehr aus dem selbst aufbewahrten Schriftgut erklärt werden, von Kopialbüchern einmal abgesehen. Damit ergibt sich ein Bild von äußerst mobilem Schriftgut, das häufig weitergegeben wurde. Eine Aufbewahrung für andere Zwecke als den der rechtlichen Sicherung, etwa eine Historisierung des Besitzes, war nicht vorgesehen. 64 Auffällig an den älteren, übergebenen Dokumenten ist, dass die Aussteller häufig herzoglich waren. Da für viele Käufe keine Vorgängerurkunden im Bestand des Klosters zu finden sind, lässt sich daraus schließen, dass wohl etliche Dokumente weggeworfen wurden, die aufgrund der involvierten Namen nicht mehr als wichtig erachtet wurden. Ein erstes Mal wird deutlich, wie die Überlieferung gefiltert wurde und nur ausgewählte Stücke tatsächlich langfristig die Zeit überdauerten. Urkunden galten als rechtssichernd und für die Ewigkeit hergestellte Dokumente, die eine Form der Sakralisierung erfuhren und gar Eingang in liturgische Vorgänge fanden. 65 Obwohl den Urkunden eine Form der schriftlichen Beweisführung nicht abgesprochen werden kann, so zeigt sich dennoch im Umgang mit und in der Vergabe von Dokumenten, dass Einschränkungen in Kauf genommen wurden und daher die Rechtssicherung nur ein bedingtes Ziel der Urkundenausstellung war: In den meisten Fällen findet sich nur beim Käufer eine Urkunde, jegliche Argumentation mit Schriftstücken erfolgte also aus dem Vorhandensein von Dokumenten. Als einziges Gegenargument wurde die Zeugenaussage akzeptiert. Dem Schriftstück wurde bei der Gegenüberstellung jedoch nicht der Vorzug gegeben. Auch die Aufbewahrung spricht gegen die Zielgerichtetheit der Urkunde, da diese wenig syste- 62 Siehe A RMIN D IRMEIER , 11. Archive und Kanzleiorganisation, in: Kanzleisprachenforschung, Ein internationales Handbuch, hrsg. von J ÖRG M EIER , A RNE Z IEGLER und A LBRECHT G REULE , Berlin, Boston 2012, S. 131-148, DOI : 10.1515/ 9783110261882, S. 132. Folgende frühe Stücke stehen in keinem Zusammenhang zu Königsfelden: U.17/ 0003, 16. Okt. 1292, U.17/ 0040, 9. Jan. 1315, U.17/ 0043, 23. Juni 1315, U.17/ 0049, 25. Juli 1315. 63 Diese Praktik ist gut belegt, siehe H ARRY B RESSLAU , Handbuch der Urkundenlehre für Deutschland und Italien, Leipzig 1889, S. 181, kurzgefasst siehe auch A XEL J ÜRGEN B EH - NE , Geschichte aufbewahren - Zur Theorie der Archivgeschichte und zur mittelalterlichen Archivpraxis in Deutschland und Italien, in: Mabillons Spur. Zweiundzwanzig Miszellen aus dem Fachgebiet für Historische Hilfswissenschaften der Philipps-Universität Marburg zum 80. Geburtstag von Walter Heinmeyer, hrsg. von P ETER R ÜCK , Marburg an der Lahn 1992, S. 277-297, S. 279f. 64 Auf namensgebende Besitzungen wie etwa Burgen wirft dies ein anderes Licht, da entweder der Name der Burg angepasst werden musste oder der Besitzer einer Burg den Namen wechselte. Nach J OSEPH M ORSEL , L’ aristocratie médiévale: La domination sociale en Occident (V e -XV e siècle), Paris 2004. 65 Nach A NGENENDT , Cartam. 57 <?page no="57"?> matisiert erfolgte und die Weitergabe (die Beweglichkeit) der Dokumente selbstverständlich erschien. 66 Die frühe Zeit des Klosters endete mit Agnes von Ungarn und ihrer Ankunft in Königsfelden zwischen 1316 und Sommer oder Herbst 1317. In den darauffolgenden fast 50 Jahren rückte sie in den Fokus der Institution Königsfelden. Nachdem sie mit der Leiche ihrer Mutter in Königsfelden angekommen war, wurde die Gedenkleistung der Konvente neu auch auf Königin Elisabeth gelenkt. Agnes beeinflusste beziehungsweise dominierte alle Belange des Klosters so stark, dass das ungarische Doppelkreuz bald als Symbol für Königsfelden stehen sollte. 67 Aber nicht nur für Königsfelden war Agnes eine zentrale Figur, in der Folge stand die gesamte Region unter ihrem Einfluss. Agnes in Ungarn Agnes war die zweitälteste Tochter von König Albrecht und Königin Elisabeth, geboren um 1281, Jahre bevor der Vater den Thron bestieg. 68 Um 1296 wurde sie mit Andreas III., König von Ungarn, verheiratet, zog jedoch erst 1298 nach Ungarn. 69 Die Ehevereinbarung zwischen Agnes und Andreas gilt als Quelle für ihren späteren Reichtum: 40’000 Mark Silber sollte die Mitgift betragen; die Widerlegung bestand aus der Herrschaft über Schloss, Stadt und Grafschaft Bratislava (Pressburg) während ihrer Lebenszeit. 70 Die Ehe mit dem sechzehn Jahre älteren Mann war, vertraut man chronikalen Zeugnissen, unglücklich. 71 Nach dem Tod ihres Gemahls am 14. Januar 1301 wurde Agnes in Buda gefangen gesetzt, durch Hermann von Landenberg befreit und nach Wien geleitet. Offensichtlich konnten die beiden auf ihrer Flucht eine große Menge an Schmuckstücken und Geld aus Ungarn herausschaffen, was ihr bis über ihr Lebensende hinaus den Ruf einbrachte, eine der reichsten Frauen ihrer Zeit gewesen zu sein. 72 Ihre Mittel sollte sie größtenteils für Königsfelden und andere klerikale Institutionen im habsburgischen Einflussgebiet einsetzen. 66 Dies lässt sich insbesondere anhand von Dorsualnotizen zeigen, siehe unten ab S. 124. 67 Belegen lässt sich dies mit Zeichnungen auf Umschlagblättern von administrativem Schriftgut, jedoch auch mit Abbildungen der Gebäude, etwa durch Kauw von 1669, als Königsfelden längst als bernische Hofmeisterei genutzt wurden (das Gemälde Kauws ist im bernisch Historischen Museum [BHM] mit der Inventarnummer 26104 verzeichnet). Totenfahnen mit dem ungarischen Doppelkreuz, aus Königsfelden stammend, befinden sich ebenfalls dort, siehe BHM Inventarnummern 124, 125, 129. Innerhalb der Klarissenklausur fanden sich ebenfalls Glasfenster mit dem Kreuz, siehe K URMANN -S CHWARZ , Glasmalereien, S. 31-34. 68 Einführend zu Agnes von Ungarn: M ARTINA W EHRLI -J OHNS , Agnes von Ungarn, in: Historisches Lexikon der Schweiz, 2001, URL : http: / / www.hls-dhs-dss.ch/ textes/ d/ D12465.php und A LFRED N EVSIMAL , Königin Agnes von Ungarn: Leben und Stellung in der habsburgischen Politik ihrer Zeit, Wien 1951, S. 16f. Die Darstellung von Nevsimal gilt bereits seit längerem methodisch und inhaltlich überholt, dennoch muss für die Lebensbeschreibung von Agnes auf ihn zurückgegriffen werden, da eine überzeugende Darstellung ihrer Person bislang ein Desiderat geblieben ist. 69 Zu Andreas siehe ebd., S. 26-35, zur Heirat ebd., S. 38-46, anscheinend zog sich die Zeit bis zur Vermählung so lange hin, da die Ehevereinbarungen umstritten waren. 70 Vgl. ebd., S. 44. 71 Bei ebd., S. 52-54 zusammengetragen. 72 Ebd., S. 60-62. 58 <?page no="58"?> Die Rolle von Agnes in dieser Zeit zu deuten und einzuordnen, ist nicht ganz einfach, da sie zum einen nach dem Tod ihres Mannes wohl um ihr Leben fürchtete, zum anderen aber Geld und Besitz - der ihr gemäß Ehevereinbarung zustand - außer Landes schaffen konnte und schließlich ihre Stieftochter Elisabeth aus Ungarn nach Wien holte. Vor allem Letzteres lässt Agnes als politisch vorausschauende und aktive oder wenigstens gut beratene Frau erscheinen, denn Elisabeth war mit Wenzel III. (1289-1306) verlobt, dem einzigen Sohn von Wenzel II. (1271-1305). Wenzel III. galt als aussichtsreicher Kandidat für die Nachfolge von Andreas, zusätzlich legitimiert durch die Aussicht auf eine Heirat mit Elisabeth, der Tochter von Andreas aus erster Ehe. Der verwaiste Thron wurde jedoch nicht nur vom Přemysliden umworben, sondern auch von Karl Robert von Anjou, der durch den Papst unterstützt wurde. Aber auch Agnes’ Vater, Albrecht, meldete Ansprüche auf die ungarische Krone an. Da Wenzel Elisabeth nicht ehelichen konnte, verlor er einen wichtigen Teil seines Ansprüche auf den Thron. 73 Nichtsdestotrotz ist es keineswegs ausgeschlossen, dass Elisabeth aus ganz anderen Gründen Ungarn verließ. Betrachtet man das Zusammenspiel mit dem Verhalten von Agnes in diplomatischen und innerklösterlichen Angelegenheiten, bleibt jedoch die Vermutung plausibel, dass Agnes in solchen Situationen ein Bewusstsein und ein Gespür für politisch kluge Aktionen bewies. 74 2.1 Agnes von Ungarn in Königsfelden Das genaue Datum der Ankunft von Agnes in Königsfelden ist unbekannt. Die Reise stellte eine letzte Demonstration der königlichen Macht der verstorbenen Mutter dar, die vom neuen Zentrum (Wien) durch die Gebiete ihres Vaters (Tirol) in die Stammlande ihres Mannes zur letzten Ruhe gelangte. Agnes erreichte also als Tochter ihrer königlichen Mutter Königsfelden, diese Rolle änderte sie jedoch kurz darauf und sie inszenierte sich als Königin von Ungarn. Bereits die erste durch Agnes für Königsfelden ausgestellte Urkunde änderte die Gedenkpraxis fundamental. Bislang waren die Konvente auf das Gedenken an Elisabeth, Albrecht und deren «Vordern» 75 verpflichtet worden. Der Besitz, den Agnes von ihren Brüdern, den Herzogen, als Pfand löste, sollte jedoch dem Gedenken an Andreas, ihrem Ehemann, zugutekommen. In Baden wurde beurkundet, dass sie Pfänder von Leopold und ihren anderen Brüdern gelöst habe, die, wenn sie vor ihrem Tod nicht zurückerstattet werden, zur Jahrzeitabhaltung ihres bereits verstorbenen Mannes Andreas verwendet werden sollten. Beim für die Pfänder bezahlten Betrag handelte es sich um ziemlich genau 100 Mark; dies stellt ein erstes, kleines Anzeichen für die finanzielle Potenz von Agnes dar. 73 Ebd., S. 67. Inwiefern es angedacht war, Elisabeth mit einem Sohn Albrechts zu verheiraten, ist schwierig zu beantworten, da eine Heirat wohl aufgrund der «Verwandtschaft» mit Agnes, ihrer (Stief-)Mutter als problematisch, wenn nicht geradezu als inzestuös angesehen werden konnte. 74 Heikel bleibt die Beurteilung, da im Kloster Töss eine Feindschaft zwischen Elisabeth und Agnes stilisiert wurde. P ETER N IEDERHÄUSER , Vom Schwesternhaus zur Fabrikhalle - eine kurze Geschichte des Frauenklosters Töss, in: Bilderwelt des Spätmittelalters. Die Wandmalereien im Kloster Töss, hrsg. von S ILVIA V OLKART , Zürich 2011, S. 465-502, S. 15. 75 Im Stiftungsbrief (StAAG U.17/ 0020a) der Elisabeth steht etwa: unseres lieben herren und wirten chuonk Albrehtes und aller unser vorderen selen ze hilfe. 59 <?page no="59"?> Noch einen viel tieferen Eindruck muss die zweite, von Agnes gleich doppelt ausgestellte Urkunde in Königsfelden gemacht haben: Im März 1318 übernahm sie die Nachfolge Elisabeths und stellte ihren Einfluss in Form einer Urkunde dar. Bereits mit den ersten Zeilen wird nachvollziehbar, dass Agnes mit einem Konzept nach Königsfelden gekommen war und von Anfang an recht genau wusste, wie sie mit den Konventen und den Konventualen umgehen wollte, wer miteinbezogen werden musste und wie sie sich ihren Einfluss sichern konnte. Umfang und Reichweite der Urkunde sind beeindruckend. Stellt man etwa den Text der Stiftungsurkunde von Elisabeth daneben, wird ersichtlich, dass Agnes weit mehr und weit tiefer in das Verhältnis der beiden Konvente eingreifen wollte. Die doppelte Ausstellung der Urkunde durch denselben Schreiber ließ zwei Stücke entstehen, die aufgefaltet bereits aus großer Distanz sichtbar waren und allein schon durch die Erscheinung beeindruckten. 76 Auch die inhaltliche Analyse, losgelöst von den diplomatischen Formeln betrachtet, lässt das durchdachte System von Agnes erahnen: Bereits im ersten Absatz, ohne weitere Anlehnung an irgendwelche Autoritäten als sich selbst, definiert sich Agnes als maßgebende Person für das Kloster, die das Recht hatte, direkten Einfluss zu nehmen: Wir Agnes [. . . ] ordenun und setzen ze dem lob des almehtigen gottes, und ze einem ewigen friede, den Minren bruodern und den Swestren Sant Clare ordens, die uf unserre stift sint ze Küngesvelt, oder her nach chünftig sint also mit einander ze belibende und ze wonende, und unsere stift gemeinschaft mit einander ze haltende in aller der wis als es hie nach gescriben ist. 77 Erst im zweiten Absatz wird mit Elisabeth die eigentliche Stifterin genannt und mit Ehrentitel angesprochen. Dass franziskanische Klöster de jure nicht gestiftet werden konnten, wurde im Schriftstück aktiv ausgeblendet. Stattdessen wurde Elisabeth eine Definitionsmacht zugeschrieben, die sie selbst niemals beansprucht hatte. Dabei wird dieselbe Formulierung gebraucht, die im oberen Absatz für die Gültigkeit der gesamten Urkunde verwendet wurde und dort Agnes oblag. Im ersten Absatz: Wir Agnes [. . . ] setzen [. . . ]; im zweiten Absatz: Wan unser libü vrowe und muoter Kueneginne Elysabeth selig [. . . ] gesetzt hat [. . . ]. Ausdrücklich wird damit auf den schriftlichen Ausdruck Bezug genommen und Autorität durch Schrift bestätigt. Bereits einen Abschnitt später zeigt sich, dass die von Elisabeth fixierten Abgaben an die Franziskaner offensichtlich nicht genügten. Im Gegenteil, der Guardian musste um Erhöhung der Abgaben bitten. Während also zu Beginn des Dokuments noch die Autorität Elisabeths bestätigt wurde, folgte wenige Zeilen später eine Umgehung ihrer Autorität. Die dargelegten Einzelheiten und Eventualitäten (Auszahlung in Korn und Handhabung bei Ernteausfall) zeugen von einer umsichtigen, wenn nicht gar pedantischen Ausformulierung. Der Name Elisabeth wird nur im zweiten Abschnitt erwähnt, danach finden die Bezeichnungen «Edeldame» und «Mutter» Anwendung. Agnes überhöhte also die Autorität Elisabeths, um die eigenen Ansprüche zu legitimieren. Sie war in Königsfelden, um als Tochter, aber auch 76 Siehe dazu auch die Abbildungen S. 61 und S. 62. 77 U.17/ 0061/ 02, 10. März 1318. Hervorhebung durch den Autor TH. 60 <?page no="60"?> Abbildung 2.3: U.17/ 0061/ 01, 10. März 1318, Urkunde von Agnes von Ungarn, ausgestellt für die Franziskaner. 61 <?page no="61"?> Abbildung 2.4: U.17/ 0061/ 02, 10. März 1318, Urkunde von Agnes von Ungarn ausgestellt für die Klarissen. 62 <?page no="62"?> als Königin zu handeln. Sie wollte eigenständig Einfluss nehmen und ihrer Mutter im Rang nichts nachstehen. Nach der Erhöhung der Ausstattung der Brüder, ging Agnes dazu über genaustens zu definieren, welche Gaben und Spenden welchem Teil des Klosters zukommen sollten. Dabei fällt eine Aussage besonders auf: von swelicher lay sache si sigent die da koment [. . . ] du sidintuoch und gulter, und dekelachen und tischlachen, [. . . ] ze der kirchen werdint geopfert, von fürstinne die zuo dem gottezhus koment, oder siden gewat, oder ander cleinot, die [. . . ] dem gotteshus komet, dez sülent sich die vrowen allez under winden, ez were denne so vil, daz die ain anders da mit schüfint, die ez dar gebent oder bringent. 78 Explizit wird von Fürstinnen gesprochen, die dem Kloster wertvolle Dinge darbringen. Alle diese sollten dem Frauenkonvent zukommen, sofern die Spenderinnen diese Gaben nicht zum Erwerb anderer Güter bestimmten. In relativ klarer Sprache wird die Situation von Agnes und ihrer Schwestern beschrieben, die mit einer Vielzahl von Wertsachen in Königsfelden ankamen. Den Klarissen, insbesondere der Äbtissin, wurde so aufgezeigt: Dies könnte alles dem Kloster gehören. Denn der Satz endet mit einer Einschränkung, dass die Stifterin Anordnungen treffen darf. Wollten die Klarissen also vom Reichtum profitieren, sollten sie sich entsprechend verhalten. Bei der Urkunde handelt es sich um normatives Schriftgut, dessen Umsetzung nicht nachvollzogen werden kann; der Moment der Urkundenausstellung, nur wenige Monate nach dem Eintreffen von Agnes in den Vorlanden und ihrem Einzug in ein Haus neben dem Kloster, spricht für eine zentrale, gegenseitige Vereinbarung. Auch beteiligte sich die Äbtissin, Guta von Bachenstein, an der Ausstellung der Urkunde. Sie siegelte neben dem Provinzialminister Heinrich von Tahlheim. Abschließend zu betonen ist die Symbolik des Ausstellungsorts. Straßburg war das Zentrum der Franziskanerprovinz. Damit signalisiert der Ort das Einverständnis des Ordens. Dabei blieben die Brüder in Königsfelden von den Vorgängen ausgeschlossen. Zwar hatte der Guardian sein Problem vorbringen können, als Handelnde werden er und seine Mitbrüder jedoch im Kontext des Schriftstücks nicht angesehen. Die entstandene Handfeste, wie sie später genannt wurde, war ein Zusammenspiel zwischen den Ordensoberen, der Äbtissin, die für den gesamten Klarissenkonvent agierte, und Agnes von Ungarn. Dass beide Konvente schließlich eine Ausfertigung des Stücks bekamen, zeigt, wie bewusst Agnes die materielle Ausfertigung von Dokumenten einsetzte, um ihren ausgehandelten Anordnungen, aber auch ihrer Position Gewicht zu verleihen. 78 U.17/ 0061/ 01, 10. März 1318, Übersetzung durch den Autor TH: «und auch alles Seidentuch und Gülten- und Deckenlaken und Tischlaken oder in welcher Gestalt sie auch seien, die mit Leichen oder ohne Leichen zu der Kirche geopfert werden, von Fürstinnen, welche zum Gotteshaus kommen, oder Seidengewand oder andere Kleinode, die man in dieser Meinung zum Gotteshaus bringe und gibt, dass man es zum Dienst an Gotte nutze, und egal welche Dinge dadurch zum Gotteshaus kommen, diese sollen die Frauen bekommen, es wäre denn, dass die anderes damit (zu tun) verlangt, welche es dargibt oder bringt.» 63 <?page no="63"?> Ordnungen einer Königin Mit ihrem ersten ordnenden Dokument demonstrierte Agnes ihren Einfluss und ihre Macht. Das Stück von 1318 sollte nicht ihr letzter normativer Eingriff im Kloster Königsfelden bleiben - im Gegenteil, bis zu ihrem Tod tat sich die ehemalige Königin nicht nur häufig mit der Ausstellung von Kaufurkunden für den Klarissenkonvent hervor, sie verknüpfte ihre Schenkungen und Vergabungen geschickt mit Anordnungen, die ein Netz an Verweisen zwischen Schriftstücken erzeugten. Im Folgenden werden normative Anordnungen, die nicht nur auf präsente, sondern auch zukünftige Ereignisse abzielten, als Ordnungsdokumente verstanden. Alle zu diesem Cluster geschlagenen Dokumente enthalten eine oder mehrere Anordnungen an die Klostergemeinschaften beziehungsweise deren Amtsträgerinnen; sie sollten langfristig - in den meisten Fällen für die Ewigkeit - gültig sowie regelbeziehungsweise statutenhaft sein. 79 Insgesamt finden sich so für die Zeit von Agnes in Königsfelden 30 Dokumente (inklusive Doppelausfertigungen und nur kopial überlieferte Stücke). Die Mehrheit (23) scheint direkt von Agnes oder ihrem Umfeld zu kommen. Bei fünf handelt es sich um Ordnungen, die aus dem Klarissenkonvent kamen und zwei stammen von außerhalb. Im Gegensatz zu herkömmlichen Ordensregeln, die bei den Klarissen in unterschiedlichen Formen und Ausprägungen gefunden werden können, betreffen die Ordnungen in Königsfelden Eingriffe in die direkten Lebensumstände der Franziskaner und mehr noch der Klarissen. Nicht der Provinzialminister, sondern der Generalminister der Franziskaner, der berühmte Bruder Michael von Cesena, war es, der bei der Ankunft von Agnes in Königsfelden und auf ihre Bitte hin in einem formlosen Schreiben bestätigte, dass der Klarissenkonvent für den Lebensunterhalt der Franziskaner aufkommen sollte und die Kirche gemeinsam genutzt werden durfte. Aus Sicht des Ordens stellte er somit die erste Ordnung aus und bestätigte implizit die Anordnungen von Agnes vorgängig. 80 Die Bestätigung war an den Provinzialminister (Bruder Heinrich von Thalheim) gerichtet, der zwei Monate später seinerseits eine Bestätigung ausstellte und wohl beide Bestätigungen dem Kloster zukommen ließ. 81 Die beiden Ordnungen waren die Grundlage für die Ausstellung der großen Handfeste von 1318, die einen Tag nach dem Schreiben Heinrich von Thalheims ebenfalls in Straßburg ausgestellt wurde. Zusammen bilden die drei Stücke ein Ensemble. Die Ordnungen machen einen kleinen Teil der Urkunden aus und es gibt keine Anzeichen, dass sie schon damals als Einheit angesehen wurden. Im frühesten Kopialbuch, dem sogenannten «Kopialbuch I», 82 wurden sie nicht miteinander in Beziehung gesetzt. Wie die Aufstellung unten offensichtlich macht, wurden einige 79 Die hier verwendete Definition ist weit entfernt von auch in Klöstern der Minderorden üblichen Statuten beziehungsweise Ordensregeln oder Consuetudines. Vgl. auch G ERT M ELVILLE , Regeln - Consuetudines-Texte - Statuten: Positionen für eine Typologie des normativen Schrifttums religiöser Gemeinschaften im Mittelalter, in: Regulae - consuetudines - statuta. Studi sulle fonti normative degli ordini religiosi nei secoli centrali del medioevo; atti del I e del II seminario internazionale di studio del Centro Italo-Tedesco di Storia Comparata degli Ordini Religiosi (Bari/ Noci/ Lecce, 26-27 ottobre 2002/ Castiglione delle Stiviere, 23-24 maggio 2003), hrsg. von C RISTINA A NDENNA , Münster 2005, S. 5-38. 80 U.17/ 0059a, 7. Jan. 1318, ausgestellt in Avignon. 81 U.17/ 0059b, 9. März 1318, Straßburg, datiert auf den 9. März 1318. 82 StAAG AA/ 0428. 64 <?page no="64"?> der Ordnungen nicht als Urkunden überliefert, sondern als Kopie im ersten Kopialbuch. Der Grund für die Zerstörung der Urkunden scheint die Anfertigung neuer Ordnungen gewesen zu sein, die die älteren Stücke inhaltlich ersetzten. Dies bedeutet gleichzeitig auch, dass die Aufbewahrung (zumindest bis zum Tod von Agnes) nicht zuletzt einer inhaltlichen Logik folgte, die konkurrenzierende Anordnungen verhindern sollte. 83 Gleichzeitig bedeutet es aber auch, dass die Stücke in eine enge Beziehung gesetzt wurden, ansonsten wäre das Ersetzen nicht denkbar. Der Ordnungswille ist der entscheidende Punkt im gesamten Cluster. Aufgrund der unterschiedlichen Aussteller und des relativ engen Zeitraumes wird es möglich, kleine Verschiebungen, Nuancierungen in der Sprache, aber auch den Wandel bei der Herstellung der Dokumente und Umgang mit diesen zu beobachten. Versuchsweise kann man diese Verschiebungen auf soziale Konstellationen im Doppelkloster Königsfelden anwenden. Ebenfalls aufgrund der gewählten Einschränkungen bleibt es möglich, die materiellen Voraussetzungen im Auge zu behalten, die sich durch die unterschiedlichen Überlieferungsformen und unterschiedlichen Praktiken, etwa bei den Siegeln, als wichtig herausstellen. Die Ordnung der Äbtissin Vier Jahre nach der ersten Ordnung von Agnes stellte zum ersten und einzigen Mal die Äbtissin, Guta von Bachenstein, eine Ordnung aus, die detailliert festlegte, wie die Jahrestage von Königin Elisabeth und König Albrecht begangen werden sollten. Ein wichtiger Aspekt stellt die Nennung der Güter dar, die für die Finanzierung der Feiern zur Verfügung standen. 84 In den Kaufurkunden der genannten Güter kommt Agnes von Ungarn nicht vor. Die Urkunde könnte daher den Zweck gehabt haben, zu demonstrieren, dass den wichtigsten Feierlichkeiten nachgekommen werden konnte, ohne dass die Mittel von Agnes benötigt wurden. Die Urkunde ist wohl nicht das Resultat einer Auseinandersetzung zwischen Agnes und dem Konvent. Sie zeigt jedoch, dass die Klarissen einerseits selbst dem Stiftungszweck unabhängig von Agnes nachkommen konnten, andererseits aber auch, dass die Äbtissin genaue Vorstellungen vom Ablauf des Totengedenkens für Albrecht und Elisabeth hatte. Guta von Bachenstein hatte den Habit der Klarissen nicht in Königsfelden empfangen, sie war mit anderen Schwestern aus Söflingen in den Aargau gekommen und kannte das Konventsleben ohne Beeinflussung durch eine Königin. Erst im September 1329 wurde wieder eine Ordnung verschriftlicht. 85 Das nur kopial überlieferte Stück beschäftigt sich mit der Begehung der Jahrzeiten von Elisabeth, König Albrecht und Agnes’ Geschwistern, insbesondere wenn sie in Königsfel- 83 Wie sich in Bezug zum ersten Kopialbuch zeigen wird, bestand keine solche Taktik innerhalb des Kopialbuchs. Siehe dazu auch T OBIAS H ODEL , Königsfelden Abbey and Its First Cartulary: Dealing with Charters in the 14th Century, in: Ruling the Script: Formal Aspects of Medieval Written Communication, hrsg. von D OMINIQUE S TUTZMANN , G EORG V OGELER und S ÉBASTIEN B ARRET , Utrecht Studies in Medieval Literacy 35, Turnhout 2016. 84 Zum einen das sog. «Veringer-Gut»: StAAG U.17/ 0035, ausgestellt in Feldkirch; zum anderen der Zehnt von Schafisheim: StAAG U.17/ 0044, ausgestellt in Brugg. Bei der Aufzählung verwechselt die Äbtissin die Verkäufer, beziehungsweise identifiziert sie falsch. Den Truchsessen von Habsburg ordnet sie das Veringer-Gut zu, obwohl diese den Zehnt (und Weiteres) verkaufen, und ein Kienberg findet sich weder beim Gut noch beim Zehnt. 85 StAAG AA/ 0428, fol. 122rv, ausgestellt in Königsfelden, datiert auf den 29. September 1329. 65 <?page no="65"?> den bislang noch keine eigene Jahrzeit gehabt hatten. Es wird einzig die Einsetzung einer Jahrzeitmeisterin vorgeschrieben, die vor Äbtissin und Konvent Rechnung ablegen musste. Gemäß Urkundentext wurde das Stück von Agnes, der Äbtissin und dem Konvent gesiegelt. Mit der Einsetzung einer Jahrzeitmeisterin wurde eine Verantwortliche für die Jahrzeitfeier benannt. Noch immer wurde das Amt der Äbtissin durch eine Schwester aus Söflingen, Benigna von Bachenstein, besetzt. Ab dem Jahr 1330 ist eine starke Zunahme der Ausstellung von Ordnungen durch Agnes von Ungarn zu beobachten. Zwischen 1330 und 1361 (drei Jahre vor ihrem Tod) stellte die ehemalige Königin siebzehn Urkunden aus, die ordnenden Charakter aufweisen (inklusive nur kopial überlieferte Urkunden). Zwei Ziele können in dieser Ordnungswelle beobachtet werden: zum einen die immer feinere Organisation der Hierarchie innerhalb des Klarissenkonvents, zum anderen die feine Verknüpfung von erworbenen Gütern mit memorialen und anderen Praktiken. Chronologie der Ordnungen 1329* Ordnung von Agnes von Ungarns betreffend Jahrzeiten ihrer Eltern, ihrer Geschwister und deren Ehegatten. 86 Weiter wird eine Jahrzeitmeisterin eingesetzt. 87 Siegel gemäß Corroboratio: Agnes, Äbtissin. 1330, Januar* Ordnung von Agnes von Ungarn betreffend Nahrung, Kleidung sowie Jahrzeiten. 88 Einführung von Ämtern (Kellerin, Siechmeisterin, Werkmeisterin). Siegel gemäß Corroboartio: Agnes, Äbtissin. 1330, Februar Ordnung von Agnes von Ungarn betreffend Besitz, der von ihr gestiftet worden sei. 89 Siegel (in Reihenfolge): Agnes, Äbtissin, Konvent. 1334, Juni Ordnung von Agnes betreffend einer Jahrzeit für Udelhild, der Frau Rudolfs von Hallwil. 90 Siegel (in Reihenfolge): Agnes, Äbtissin, Konvent. 86 Nur kopial überliefert: StAAG AA/ 0428, fol. 122rv. Längere Auslassung am Ende der zweiten Seite, jedoch keine Radierung. Siehe auch M ODDELMOG , Stiftungen, S. 28-31, W EHRLI - J OHNS , Leben, S. 66. Es wurden nur die Geschwister und deren Ehegatten bedacht, für die noch keine Stiftung bestand. 87 Die Jahrzeitmeisterin ist für die Abhaltung und Rechnungslegung der Jahrzeiten verantwortlich ist. Daneben wird festgelegt, wie eine Jahrzeit mindestens abzulaufen hat: 12 Kerzen, Fisch als Mahlzeit, 1 Schilling Geldabgabe an jede Schwester, dafür die Verpflichtung eine Seelmesse und eine Vigilie abzuhalten, sowie das Sprechen einer Vigilie, eines Placebos und hundert Pater Noster sowie gleichvielen Ave Maria durch jede der Schwestern. Die schriftliche Rechnungslegung findet sich trotzdem erst mehr als hundert Jahre später überliefert. 88 Nur kopial überliefert: StAAG AA/ 0428, fol. 27r-28v. Siehe auch M ODDELMOG , Stiftungen, S. 129-135, W EHRLI -J OHNS , Leben, S. 66, B ONER , Klosterordnungen, S. 83. 89 U.17/ 0103, 2. Feb. 1330. Edition: L IEBENAU und L IEBENAU , Lebensgeschichte, S. 47-50, siehe auch M ODDELMOG , Stiftungen, S. 131-135, W EHRLI -J OHNS , Leben, S. 66. Eine der genannten Stiftungen ist ihrem Bruder, Albrecht, zuzuordnen, eine andere wird in der Kaufurkunde nicht als Stiftung, sondern als Kauf des Klosters ausgewiesen. 90 U.17/ 0143, 4. Juli 1334. Die Jahrzeit wurde finanziert durch umstrittene Güter, die von Egidius von Rubiswil erworben wurden. 66 <?page no="66"?> 1335, Juli* Ordnung von Agnes von Ungarn betreffend Jahrzeiten, die durch Besitz und Rechte, die um 1330 erworben worden waren, finanziert wurden. 91 Siegel gemäß Corroboartio: Agnes, Äbtissin, Konvent. 1335, August Ordnung von Agnes von Ungarn ähnlich derjenigen vom Juli 1335. 92 Siegel (in Reihenfolge): Agnes, Äbtissin, Konvent. 1339 Ordnung von Agnes von Ungarn, dass nun 42 Klarissen in Königsfelden aufgenommen werden durften. Weiter wurde geregelt was mit Besitz und Rechten (erworben nach 1335) hinsichtlich Jahrzeiten von Brüdern und Schwestern von Agnes zu geschehen hatte. 93 Siegel (in Reihenfolge): Agnes, Äbtissin, Konvent. 1340, Juni Ordnung von Agnes von Ungarn betreffend Jahrzeiten von Brüdern, die in der Ordnung von 1339 nicht genannt wurden. 94 Siegel (in Reihenfolge): Agnes, Äbtissin, Konvent. 1340, Juli Ordnung von Agnes von Ungarn ähnlich derjenigen von 1340, Juni; Jahrzeit der Elisabeth von Lothringen. 95 Stark beschädigte Siegel (in Reihenfolge): Agnes, Äbtissin, Konvent. 1348 Ordnung von Agnes von Ungarn ähnlich derjenigen von 1340, Juli. 96 Siegel (in Reihenfolge): Äbtissin, Konvent. Siegel (in Reihenfolge): Agnes, Äbtissin, Konvent. 1354 Ordnung von Agnes von Ungarn, gemäß welcher die Klarissen den Franziskanern eine bestimmte Menge an Wein für liturgsiche Zwecke geben mussten. 97 Siegel (in Reihenfolge): Agnes, Äbtissin. In der Corroboratio wird nur Agnes genannt. 1356 Ordnung von Agnes von Ungarn, dass die Äbtissin und der Konvent der Klarissen den Franziskanern einen Geldbetrag von einem Fahr (Freudenau) abgeben mussten. 98 Siegel abgefallen, gemäß Corroboratio nur Agnes. 91 Nur kopial überliefert: StAAG AA/ 0428, fol. 121v/ 122r. Insbesondere wurde der Umgang mit Besitz geregelt, der nicht in der Ordnung vom Februar 1330 genannt worden war. 92 U.17/ 0152, 15. Aug. 1335. Siehe auch M ODDELMOG , Stiftungen, S. 138 und 142. Möglicherweise ersetzte diese Ordnung jene vom Januar 1330, die nur kopial überliefert wurde. Die Ordnung wurde in den 1350er Jahren neu ausgestellt und als Nachtrag ins Kopialbuch I (StAAG AA/ 0428, fol. 107v-110v) eingefügt. Ausführlich und mit Edition: B ONER , Klosterordnungen. Die erste Version mit Zustimmungserklärung und Siegel des Provinzialministers Bruder Rudolf blieb in StAAG AA/ 0428, fol. 28v-30v verewigt. 93 U.17/ 0179, 16. Okt. 1339. Siehe auch M ODDELMOG , Stiftungen, S. 150f. Zuvor waren nur 40 Klarissen im Konvent erlaubt. 94 U.17/ 0185a, 24. Juni 1340. Ordnung von 1339: U.17/ 0182, 3. Jan. 1340. Steht im Zusammenhang mit Besitz in Suhr und Gränichen, der Anfang 1340 durch Albrecht an das Kloster vergeben wurde. 95 U.17/ 0187a, 4. Juli 1340. 96 U.17/ 0223, 31. Okt. 1348. 97 U.17/ 0254a, 28. Mai 1354. 98 U.17/ 0266a, 8. Jan. 1356. Siehe auch M ODDELMOG , Stiftungen, S. 149. Das Fahr wurde ein Jahr vorher zu einem Viertel erworben. Siehe U.17/ 0263, 7. Okt. 1355. 67 <?page no="67"?> 1357 Ordnung von Agnes von Ungarn betreffend Fischen von einem Besitz in Lunkhofen, der im Jahr zuvor erworben wurde. 99 Siegel: Agnes. 1358, Mai 26 (1) Ordnung von Agnes von Ungarn, die fünf Pfründe (im Konvent) betrifft. 100 Siegel (in Reihenfolge): Agnes, Rudolf (Provinzialminister). 1358, Mai 26 (2)* Ordnung von Agnes von Ungarn betreffend den Dienstjungfrauen (nur zwei erlaubt). 101 Siegel gemäß Corroboartio: Agnes, Rudolf (Provinzialminister). 1359, Juli 22 (1) Ordnung von Agnes von Ungarn, dass die Erträge aus einem bestimmten Gut für kranke Franziskaner verwendet werden mussten. 102 Siegel (in Reihenfolge): (Abgefallenes Siegel, wahrscheinlich Agnes, in der Corroboratio jedoch nicht genannt), Rudolf (Provinzialminister), Peter (Kustos). 1359, Juli 22 (2) Ordnung von Agnes von Ungarn, dass die Einkünfte von einem Hof (in Sarmenstorf), 103 den sie den Klarissen im selben Jahr gekauft hat, den Franziskanern als Seelgerät zukommen sollen. Abgefallenes Siegel, wahrscheinlich Agnes, in der Corroboratio genannt. 1360 Ordnung von Agnes von Ungarn, dass die Klarissen den Franziskanern eine bestimmte Menge Wein von zwei bestimmten Sorten jährlich abzugeben hatten. 104 Siegel (in Reihenfolge): Agnes. 1361 Ordnung von Agnes von Ungarn, dass ihr Haus unmittelbar nach ihrem Tod abgerissen werden sollte. 105 Siegel (in Reihenfolge): Agnes, Äbtissin. * Mit Stern markierte Ordnungen, wurden nur kopial überliefert. Alle bis 1335 ausgestellten Ordnungen wurden ins erste Kopialbuch aufgenommen. 106 Neben den Ordnungen von Agnes finden sich zwei Dokumente, die als Ordnungen für den Franziskanerkonvent ausgestellt wurden: 99 U.17/ 0273, 17. Jan. 1357. Zur zuvor erworbenen Fischenz siehe: U.17/ 0272, 10. Sep. 1356, evtl. im Zusammenhang mit U.17/ 0268, 17. Mai 1356. Die Fische durften nicht verkauft werden und mussten im Advent oder in der Fastenzeit den Klarissen «über den Tisch gegeben werden». 100 U.17/ 0281, 26. Mai 1358. Siehe auch M ODDELMOG , Stiftungen, S. 157f. und H ODEL , Region, S. 104f. 101 Nur kopial überliefert, AA/ 0429, Kopialbuch II (1497), fol. 45v/ 46r. 102 U.17/ 0288, 22. Juli 1359. Siehe auch M ODDELMOG , Stiftungen, S. 158, ich bin mir im Gegensatz zu Moddelmog nicht sicher, ob es sich bei der Urkunde um eine Besitztransaktion handelt. Vgl. auch W EHRLI -J OHNS , Leben, S. 79. Das betreffende Gut gehörte ursprünglich den Klarissen. 103 U.17/ 0289, 22. Juli 1359. Beim Hof handelt es sich wahrscheinlich um den mit folgender Urkunde erworbenen: U.17/ 0284, 1359, in dieser Urkunde ist von einem Kernenzins die Rede 104 U.17/ 0303, 7. Sep. 1360. Die Anordnung wird in einer anderen Urkunde von Äbtissin und Konvent bestätigt: U.17/ 0304, 24. Sep. 1360. Evtl. handelt es sich um unterschiedliche Qualitäten von Wein: weisser Elsässer und weisser Landwein. 105 U.17/ 0306a, 20. Feb. 1361. Drei Jahre später starb Agnes im Alter von 83 Jahren. Die Klarissen hielten sich nicht an die Anweisung und holten bei den Herzogen die Erlaubnis ein das Haus behalten zu dürfen: M ODDELMOG , Stiftungen, S. 160f. W EHRLI -J OHNS , Leben, S. 63. 106 Zum StAAG AA/ 0428 siehe unten S. 174. 68 <?page no="68"?> 1332 Gottesdienstordnung, insbesondere die Nutzung des Kirchenraums der beiden Konvente betreffend. 107 Siegel (in Reihenfolge): Rudolf (Provinzial der Alamanie superiore), Peters (Kustos), Agnes, Klarissenkonvent, Franziskanerkonvent[! ]. Insgesamt unterscheidet sich die Ordnung stark von früher und später ausgestellten Ordnungen. Sie könnte im Zuge einer Visitation und vielleicht auf Druck der franziskanischen Ordensoberen entstanden sein. 1338 Ordnung vom Provinzialprior, Bruder Johannes, die Ordensbekleidung der Franziskaner betreffend. 108 Abgefallenes Siegel, das gemäß Corroboratio vom Provinzialprior stammte. Die Klarissen und Agnes werden nicht erwähnt. Die Zuweisung der Ordnung von 1332 (U.17/ 0126, 18. Okt. 1332) ist unklar, da Agnes von Ungarn das Dokument siegelte, namentlich genannt wird und anscheinend ein Interesse an der Ausstellung hatte. Aufgrund des Formulars, insbesondere der Intitulatio, ist jedoch zu vermuten, dass Agnes nicht aktiv an der Formulierung beteiligt war. Anstelle der sonst üblichen Intitulatio «Wir Agnes [. . . ]» beginnt die Urkunde mit «In Gottes Namen Amen». Die corroboratio (Nennung der Siegelnden) ist in Latein, was in Urkunden von Agnes ansonsten nicht vorkommt. Der Zeitpunkt der vermehrten Ausstellung von Ordnungen nach 1329 ist nicht zufällig. Zum einen wurde der Kirchenbau in den 1330er Jahren vollendet und die Kirche zum zweiten Mal geweiht. Zum anderen wurde um 1330 eine neue Klarisse zur Äbtissin von Königsfelden gewählt: eine Frau, von der wir nicht mehr wissen, als dass ihr Name Agnes war. Sie scheint nicht aus Söflingen zu stammen, jedenfalls gibt es, im Gegensatz zu den früheren Äbtissinnen, keine Anhaltspunkte, die für eine Frau aus dem Söflinger Konvent sprechen würden. Vielleicht hatte Königin Agnes Ende der 1320er Jahre ihren Einfluss geltend gemacht und die Führung des Klosters quasi übernommen. Die Dichte der Ordnungen allein reicht nicht, um ein Bild des Konvents (und damit beider Konvente) zu zeichnen, der in Abhängigkeit von Agnes stand. Erst ein Blick in die einzelnen Regularien, aber auch auf den Umgang mit den Dokumenten zeigt, wie stark Agnes ihren Einfluss mittels Schriftstücken über mehrere Stufen festigte. Dieses Vorgehen steht im Gegensatz zu Elisabeth, die den Klarissen keine konkreten Vorgaben gemacht hatte, sondern die Gaben mit der Hoffnung auf Erwiderung verbunden hatte. Agnes dagegen institutionalisierte Kontrollen über die Klarissen und verfolgte wohl ein Modell klarer Anweisungen. Beide strebten sie nach der Verwirklichung eines klösterlichen Ideals, das jedoch nicht deckungsgleich war. In der Differenz scheinen zwei Selbstverständnisse durch, die Agnes als Königin und kinderlose Witwe in einer Position zeigen, in der sie sich mehr Autorität zuschreiben durfte. 107 U.17/ 0126, 18. Okt. 1332. Siehe auch M ODDELMOG , Stiftungen, S. 135. Obwohl Agnes von Ungarn an der Ausstellung mitbeteiligt war (ihr Siegel hängt), scheinen die Franziskaner Hauptakteure gewesen zu sein: Sie werden jeweils als erste genannt. 108 U.17/ 0173a, 9. März 1338. 69 <?page no="69"?> Siegelpraxis in Ordnungen Bereits bei der Handfeste von 1318 kann aufgezeigt werden, dass die Siegelnden bewusst ausgewählt wurden. Äbtissin und Konvent bürgten im Doppel für die Einhaltung der Vorschriften, während der Provinzialminister im Namen des Franziskanerordens und in der Funktion als Verantwortlicher über die Klarissen (im Sinne der cura monialium) sein Einverständnis gab. Der Franziskanerkonvent, der direkt von den erhöhten Abgaben abhängig war, hatte seinerseits keinen Einfluss. Weder der Guardian noch der Konvent sollten als Siegelnde auftreten. In späteren Ordnungen verzichtete Agnes mit einer Ausnahme auf die Präsenz und somit das Siegel des Ordens, und auch der Franziskanerkonvent durfte die Stücke nicht selbst siegeln. 109 Auch wurde nur noch in einem Fall eine Bestätigung einer Ordnung beim Orden eingeholt. 110 Der Franziskanerorden verschwand aus dem Fokus der Ordnungen. Daher blieben nach 1330 nur die Siegel von Agnes, des Konvents und der Äbtissin, zumindest bis 1356. Ab 1356 zerfällt die Einheitlichkeit der Siegelpraxis. Einige der Ordnungen wurden nur noch von Agnes gesiegelt, 111 ein Dokument von Agnes und der Äbtissin, 112 eines vom Guardian und dem Provinzialminister und schließlich ein undatiertes (auf um 1350 geschätztes Stück) nur vom Konvent und der Äbtissin. 113 Gründe für die Uneinheitlichkeit, die im Vergleich zu früheren Ordnungen auffällig ist, finden sich keine. 114 Die Zahl der Siegelnden verengte sich nach 1318, um dann nach 1355 wieder breiter und unregelmäßiger zu werden. sollen und wollen Eine Möglichkeit, feine Unterschiede zwischen den einzelnen Ordnungen zu erkennen, bietet der Fokus auf Worte, Sinnkonstrukte (wie Satzteile) und deren Gebrauch innerhalb der Urkunden. Im Folgenden soll dieser Aspekt ins Zentrum gerückt werden und mit den jeweiligen Adressatinnen verknüpft werden. Die Vorgehensweise orientiert sich an Analysemethoden, die Sinngebungen und Zuschreibungen durch und für Worte hinterfragen. Der Ansatz wird bereits seit geraumer Zeit propagiert und für ausgewählte Texte des Früh- und Hochmittelalters kann auf entsprechende Arbeiten zurückgegriffen werden. 115 Ausgangspunkt des Ansatzes bildet der Versuch, unter Reduzierung eigener Wertungen und (Vor-)Urteile Texte auf ihre Aus- 109 In der ersten Version trat der Provinzialminister Bruder Rudolf als Siegelnder auf, nur kopial überliefert: StAAG AA/ 0428, fol. 30v. (Das Dokument erstreckt sich von fol. 28v-30v). 110 Die eingeholte Bestätigung durch Bruder Rudolf vom 10. Februar 1330 wurde wahrscheinlich zum Zeitpunkt der Neuherstellung der Ordnung zerstört und deshalb nur als Kopie im ersten Kopialbuch überliefert. Ebd., fol. 30v-31r. 111 U.17/ 0301, 20. Aug. 1360, StAAG U.17/ 0303, U.17/ 0316a, 14. Apr. 1363. 112 StAAG U.17/ 0306a. 113 Stück des Provinzialministers: StAAG U.17/ 0288; Stück von 1350: U.17/ 0060, 1350. 114 Aufschlüsse können unter Umständen Spekulationen zum Umgang mit den Ordnungen in den 1350er Jahren im Zusammenhang mit Nachherstellungen liefern. Zum Umgang mit den materiellen Stücken und dem mehrfach vorkommenden Zerstören und Neuherstellen von Ordnungen siehe unten S. 78. 115 Siehe G UERREAU , Avenir, S. 191-238, J OSEPH M ORSEL , Traces ? Quelles traces ? Réflexions pour une histoire non passéiste, in: Revue historique 4.680 (2010), S. 813-868 sowie K UCHENBUCH , Werk-Sprache, S. 341-401. Als Versuch einer Einordnung der Methode in digitale Arbeitsprozesse der Geisteswissenschaften ist H ODEL , Kleinkorpora zu verstehen. 70 <?page no="70"?> sagezusammenhänge zurückzuführen, immer mit dem Ziel, aufgrund von Unregelmäßigkeiten, übermäßigen Häufungen oder anderen Indikatoren Aufschlüsse zu sozialen Gegebenheiten oder verdrängten Auseinandersetzungen zu erhalten. 116 In der vorliegenden Analyse, die alle Ordnungen miteinbezieht, fungiert die Ordnung der Guta (von 1322) als Test und Abgrenzungsdokument, da hinter der Ausstellung dieser Ordnung nicht die Ordnungsideen der Agnes im Zentrum standen. 117 Eine Durchsicht der Ordnungen mit Fokus auf verbale Konfigurationen zeigt, dass der Ausdruck wir wellent bei den Ordnungen von Agnes dominant ist. Der Ausdruck wir wellent oder so wellen wir kommt ab der ersten Ordnung Agnes’ (1318) vor und bleibt bis zur letzten (1361) eine häufige Wortkombination. Allein in der ersten Urkunde von 1318 erscheint «Wollen» sieben Mal. 118 Im Gegensatz dazu steht die Jahrzeitordnung der Äbtissin Guta von 1322. 119 Wir sullen, schreibt die Äbtissin und meint dabei explizit sich selbst. Sobald der gesamte Konvent angesprochen wird, weitet sie die Formel zu wir und alle die swestern aus (insgesamt 5 Vorkommen). Wenn man die Unterscheidung zwischen wellen und sullen auf die weiteren Ordnungen ausdehnt, bekräftigt sich der Eindruck, dass nicht nur inhaltlich, sondern auch formal eine große Nähe zwischen den gewählten Formulierungen in den durch Agnes ausgestellten Ordnungen besteht. Einige Überlegungen zur Bedeutung der beiden Worte lassen die Analyse tiefer gehen. Bei sullen steht «schuldig sein» («sollen») im Vordergrund, dem eine passive Bedeutung beiwohnt, auch wenn es, wie im Fall der Urkunde der Guta, aktiv benutzt wird. 120 Dem «sollen» ist eine Dringlichkeit inhärent, da im Falle des Nichtbefolgens die erteilte Aufgabe nicht erfüllt wurde. Wellen (mhd. «wollen») dagegen betont den Willen der aussprechenden Person. 121 Der oder die Wollende muss jedoch auch eine entsprechende Autorität (Macht) innehaben, sodass überhaupt die Chance besteht, dass ihr Wollen ausgeführt wird. 122 Obwohl die Äbtissin, zumindest nach der benediktinisch geprägten Urbanregel der Klarissen, gewisse Kompetenzen innehatte, 123 so scheint der Gebrauch der wir wellent-Konstruktion für Guta 1322 nicht möglich. 116 Im Gegensatz zu diesem Teil wird in den Kapiteln zu den Dorsualnotizen (siehe unten ab S. 109, einführend zur Analyse der Notizen unten S. 122) versucht, die Anwendung auszuweiten, beziehungsweise umzukehren und aus dem Wortschatz der Notizen zu Erkenntnissen zu gelangen. 117 Siehe auch M ODDELMOG , Stiftungen, S. 124f. wo ebenfalls auf die unterschiedliche Art und Ausformulierung der Ordnungen eingegangen wird. 118 Siehe zur Urkunde die Abbildung oben, S. 59. 119 Siehe oben S. 65. 120 M ATTHIAS L EXER und K URT G ÄRTNER , Hrsg., Mittelhochdeutsches Handwörterbuch, Nachdr. der Ausg. Leipzig, 1872-1878 / mit einer Einl. von Kurt Gärtner, Bd. 2, 2 Bde., Stuttgart 1992, Bd. 2, Sp. 1053-1055. 121 Ebd., Bd. 3, Sp. 753-755 (wëllen bis wëllent). 122 Damit wird die Vorgehensweise nahe der Weber’schen Machtdefinition verortet. Siehe M AX W EBER , Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der Socialökonomik, Tübingen 1922, Kapitel 1, § 16. 123 Die wichtigste Grundlage der Ausübung von Autorität kommt im Fall der Äbtissin im Zusammenspiel mit den wöchentlichen Kapitelsitzungen zustande. Einordnend für den gesamten Klarissenorden: R OEST , Clares, S. 260f. 71 <?page no="71"?> Im Dokument von 1329 wird zwar weiterhin das Wollen von Agnes ausgedrückt (drei Vorkommen), leicht wichtiger ist daneben jedoch in der Ordnung das Sollen (fünf Vorkommen). 124 Die Verwendung der beiden Begriffe erfolgt bewusst: Überall, wo direkt Forderungen für Jahrzeitleistungen durch Agnes formuliert werden, kommt «wollen» zum Einsatz. Überaus pragmatisch gedeutet, könnte man sagen, da Agnes bezahlte, durfte sie nun diese Regeln aufstellen. Anordnungen, die im Gegensatz dazu an das neugeschaffene Jahrzeitenamt gehen, werden mit «sollen» deutlich gemacht. Der Eingriff in den klösterlichen Alltag erfolgt demnach hier nicht über Willensäußerung, sondern über die Schuldigkeit gegenüber dem Kloster und seinen Stiftenden. Damit wird wiederum Agnes ins Zentrum gerückt, jedoch in der Rolle einer Außenstehenden und Fortsetzerin der Stiftung Elisabeths. Auch in den darauffolgend ausgestellten Ordnungen bleibt der Willen von Agnes zentral. Beide Ausdrücke bleiben in Gebrauch, und die in der Ordnung von 1329 beobachtete Form bleibt ebenfalls erhalten; insbesondere lässt sich dies in der ausführlichen Ordnung von 1335 beobachten. 125 Die Urkunde kann als zentrales Stück des Ordnungsschaffens von Agnes gelten. Nach dem Festlegen des eigenen Eingriffs mit der Handfeste von 1318 und dem verstärkten Einfluss in der Jahrzeitordnung von 1329 stellt das Dokument von 1335 eine Vielzahl von Aufgaben und Pflichten zusammen. Das Stück richtet sich an den gesamten Konvent und legt an erster Stelle fest, wie viele Schwestern überhaupt dem Konvent beitreten dürfen. Nach dem Bezug auf ihre Mutter Elisabeth und die Erinnerung an die Memorialleistungen für ihre Eltern und Geschwister werden systematisch Amtsfrauen angesprochen und Aufgabenbereiche definiert. Durch die Einsetzung von Ratsschwestern, einer Art Rat von Ältesten, wird gar ein System zur Überwachung der Äbtissin, aber auch von Schwestern mit Ämtern und Amtsaufgaben eingesetzt. 126 Auch wie Streit ausgetragen werden sollte, regelt die Ordnung: Während Streitigkeiten im Konvent herrschten oder die Ordnung nicht eingehalten wurde, sollen weder Äbtissin noch Ratsschwestern Wein erhalten. Wein, als Teil der Kommunion, ist in der christlichen Welt stark metaphorisch aufgeladen (Blut Jesu) und war ein Faktor, um die Parteien zum raschen Einlenken zu bewegen. Genaustens wird in der Ordnung auch festgelegt, wie Güter und Kleider verteilt oder im Falle von Krankheiten Extraportionen an Fleisch zugesprochen wurden. Ausführende sollten vorwiegend die Äbtissin, aber auch die Werkmeisterin, die Kellnerin oder die Siechmeisterin sein. Die Übermittlung der Vorschriften erfolgte meistens in direkter Ansprache an die Äbtissin oder andere Amtsinhaberinnen. Im Dokument folgt nun das «soll» im Falle von mehrfachen Anordnungen, nachdem «wollen» schon verwendet wurde, wohl um rhetorisch nicht zu repetitiv zu argumentieren. 127 Die Funktion und die Unterscheidung zwi- 124 StAAG AA/ 0428, fol. 122rv. 125 StAAG U.17/ 0152, die Urkunde ist zwar datiert auf den 15. August 1335, jedoch handelt es sich dabei um eine Nachherstellung, die noch eingehender zu analysieren ist. Siehe unten S. 78. Dank dem ersten Kopialbuch ist es dennoch möglich, nachzuvollziehen, was vermutlich im Dokument von 1335 stand, siehe StAAG AA/ 0428, fol. 28v-30v. 126 U.17/ 0428, 24. Dez. 1393, fol. 28v: Aber von was sachen es die eptissin anders underwegen liessi, so wellen wir, das es die ratswesteren besseren in acht tagen und alle die wile und si es nút gebessert hant, so wellen wir, das die eptissin und di ratswesteren bi rehter gehorsami an win sin als lang, untz das die ampt vesechen werdent nach únser ordenung und meinung. 127 Etwa in Form von Si sol ouch. 72 <?page no="72"?> schen «sollen» und «wollen» wird aufgrund der umfangreichen Anordnungen aufgeweicht und beide Begriffe sind praktisch bedeutungsgleich. Dennoch bleibt das aktive «wollen» am Anfang der Sätze bestehen, etwa wenn eine neue Amtshalterin angesprochen wird. Diese semantische Anpassung bedeutet im Umkehrschluss jedoch auch, dass die vorher eingehaltene Unterscheidung zwischen dem «wollen» in (angebrachten) Fällen im Zusammenhang mit erworbenen Memorialleistungen und dem «sollen» als Aufgabe der Mitglieder des Konvents überschrieben wurde. Unabhängig vom betroffenen Bereich, der beeinflusst werden sollte, nahm sich Agnes das Recht und behielt ihren Befehlston konstant bei. In keinem der Fälle war sie eine passive Außenstehende. Das Konventskapitel als Institution der Diskussion und Entscheidungsfindung in umstrittenen Fällen wird mit keinem Satz erwähnt, obwohl sich Ordnungen der Klarissen üblicherweise an benediktinischen Vorbildern orientierten. In benediktinischen Klöstern wurden aktuelle Probleme durch zentrale Konventskapitel fast demokratisch (unter Berücksichtigung von Amt und Seniorität) diskutiert und entschieden. 128 Agnes favorisierte dagegen andere Kontrollmechanismen; insbesondere die Ordnungen nahmen eine wichtige Rolle ein, da sie festlegten, was getan werden durfte und aus welchen Quellen die Mittel für die Ausgaben stammen sollten. Die Ansprache aller Ämter erfolgt in der Quelle direkt und ohne Begründung, mit welcher Autorität die Verordnung geschieht. Die vorsichtige Sprache der Handfeste von 1318, die sich der Annahme von Besitz und wertvollen Schmuckstücken umschreibend, ja tastend, näherte, steht in komplettem Gegensatz zu den klaren und direkten Forderungen der Ordnung von 1335, mit welchen Agnes auf jegliche Lebensbereiche der Klarissen Einfluss nahm. Essen im Konvent Eine ausgesprochen aufschlussreiche Einflussnahme von Agnes in der Ordnung von 1335 besteht in ihren Vorschriften zum Essen und Weinkonsum. So schreibt sie etwa fest, dass die Kellnerin und die Siechmeisterin Fleisch bekommen sollten. Bei der Siechmeisterin scheint dies für die Versorgung der kranken Klarissen verständlich, um eine schnelle Erholung durch hohe Proteinzufuhr zu gewährleisten. Für das Amt der Kellnerin lässt sich jedoch keine simple Erklärung finden. Fleisch war im Klosterhaushalt des 13. Jahrhunderts noch so gut wie inexistent, erst gegen Ende des 14. und im 15. Jahrhundert nahm die Häufigkeit oder zumindest die belegten Fälle zu. 129 Das Verschreiben von Fleisch stellt somit 1335 noch das Anordnen ungewöhnlicher, wenn auch nicht unbeliebter Ernährungsgewohnheiten dar. Ähnlich ungewöhnlich ist die Nennung von Reis, Feigen und Mandeln in der Ordnung: alles Lebensmittel, die zwar in Europa, besonders in Südeuropa, bekannt waren, jedoch mehrheitlich aus der heutigen Türkei eingeführt werden mussten. 130 128 Siehe R OEST , Clares, S. 106f. und M OORMAN , Order, S. 407f. 129 Die Fastenregeln der Klarissen, knapp dargestellt in: R OEST , Clares, S. 258f. 130 Der Anbau von Reis im heutigen Italien wurde in größerem Ausmaß nicht vor dem 15. Jahrhundert betrieben; er galt daher als Luxusnahrungsmittel, siehe H ENRY C LIFFORD D ARBY , The Face of Europe on the Eve of the Great Discoveries, in: The new Cambridge Modern History, hrsg. von G. R. P OTTER , Cambridge 1957, S. 20-49, URL : http: / / dx.doi.org/ 10.1017/ 73 <?page no="73"?> Die Ordnung von Agnes unterlief damit systematisch das Essens-, aber auch das Armutsgebot der Klarissen. Und den Klarissen musste auch klar gewesen sein, wem sie diese exquisiten Speisen zu verdanken hatten, denn die Ausstellung der Ordnung als Urkunde stellte keinen einmaligen Akt dar: Im Eschatokoll der Urkunde, direkt vor der Ankündigung des Siegels der Äbtissin Agnes, wurde vermerkt, dass alles das vor geschribenn ist, und das diser brief an allen stukken behalten werde und kein ding underwegen belib von fergessenheit, weshalb der Text alle drei Monate laut im Konvent vorgelesen werden sollte. Die Ausstellerin und Gönnerin des Klosters forderte eine repetitiv ausgeübte Performanz ihres Schriftstücks. Trotz einmaliger Ausstellung des Dokuments wurde der wiederholte Gebrauch als vorzeigbares Artefakt, aber auch als vorgelesener Text gefordert. Der Wille der Königin dürfte somit wiederholt zum Leben erweckt worden sein und die Urkunde - insbesondere aber auch die damit verbundenen Handlungen - zu einem Monument der Erinnerung und des Einflusses von Agnes gemacht haben. Die Hierarchie des Konventes hatte eine Spitze, an der nicht die Äbtissin stand. Agnes schuf Urkunden, die nicht zuletzt durch ihren Umfang und ihre materielle Größe beeindrucken und ihre eigene Person ins Zentrum des Lebens der Klarissen von Königsfelden stellen sollten. Die Rolle der Franziskaner in dieser frühen Zeit der Stiftung scheint marginal, bezieht man sich zumindest auf die überlieferten Dokumente. Weder durften sie aktiv am Reichtum der Klarissen partizipieren, noch hatten sie etwas mit der Verwaltung der Güter zu tun. Sie waren von den festgelegten jährlichen Almosen abhängig und auf die Verrichtung ihrer spirituellen Aufgaben konzentriert. Diese scheinbar marginale Stellung hängt nicht zuletzt mit der Überlieferung zusammen, denn wie die Erlaubnis von Bruder Johannes von 1344 zeigt, waren die Brüder in der Lage, Bücher für ihre eigene Bibliothek anzuschaffen. 131 Ihre Situation war folglich nicht prekär, auf herrschaftliche Belange und Wirtschaften bezogen, waren ihr Einfluss und ihre Macht jedoch gering. Ein Netzwerk zwischen Besitzakkumulation und Ordnungen Die Zunahme der Ordnungen nach 1330 hat nicht alleine mit der höheren Anzahl an Vorschriften durch Agnes zu tun, ebenso entscheidend war ein Muster, das ab den 1330er Jahren beobachtet werden kann und bis in die 1350er Jahre intensiviert wurde: Ordnungen wurden ausgestellt, um kurz zuvor erworbene Güter mit Gedenkleistungen oder bestimmten Zahlungen zu verknüpfen. Meistens innerhalb eines Jahres folgte auf die Erwerbsurkunde ein zweites Dokument, das genauestens festlegte, wer mit dem neuerworbenen Einkommen was zu tun hatte. CHOL9780521045414.005, S. 32. Mandeln und Feigen müssen wohl aus dem Orient in den Aargau gelangt sein. Mandeln wurden gemäß archäologischen Befunden mehrheitlich ohne Schale transportiert und waren bereits im 14. Jahrhundert vielerorts bekannt, siehe A NNE S CHULZ , Essen und Trinken im Mittelalter (1000-1300): Literarische, kunsthistorische und archäologische Quellen, Reallexikon der Germanischen Altertumskunde. Ergänzungsband 74, New York 2011, S. 419f. Feigen waren schon im Hochmittelalter in Europa zum Süßen von Speisen beliebt, sie dürften zwar rar, jedoch nicht unerschwinglich teuer gewesen sein, siehe ebd., S. 399, 418, 463. 131 U.17/ 0205a, 20. Aug. 1344. 74 <?page no="74"?> Die erste derartige Ordnung stammt bereits aus dem Jahr 1330 und betrifft den Umgang mit Gütern in Entfelden, Wenslingen, Gränichen, Retterswil, Muheim, Hendschikon, Zwillikon, Hilfikon, Villmergen, Egliswil, Schliengen, Ellenwiler, Sigoltzheim, Gebwiler und Konsheim (die letzten fünf liegen im Elsass). 132 Das Dokument nennt jeweils die Institution oder die Person, von der das Gut erworben wurde und verknüpft den erworbenen Besitz mit bestimmten Aufgaben. So sollten etwa Güter, die vom Kloster Interlaken übernommen wurden (betrifft Güter und Abgaben in Muhen, Gränichen, Hendschiken, Retterswil) 133 und gemäß Kaufurkunde durch Agnes an das Kloster kamen, gebündelt mit weiteren Erwerbungen (in Husen sowie ein Gut in Zwillikon) eingesetzt werden, um die Anschaffung von Reis, Mandeln und Feigen zu ermöglichen. Zusätzlich zur Herkunft der Güter und Abgaben wird jeweils angegeben, wie teuer die Anschaffung war und wie hoch die erwarteten Einnahmen sein sollten. Die Rechnung war jedoch häufig falsch: Regelmäßig wurden die Anschaffungskosten in der Ordnung zu hoch angesetzt: Dem Kloster Interlaken wurden nicht 104 Mark Silber bezahlt (vier und hundert march silbers), sondern 100. Der Kaufbetrag (52 Mark Silber) für das von Wernher von Wohlen gekaufte Gut findet sich in keiner Urkunde. Das Gut in Zwillikon von einem gewissen Zwillikon wurde für 120 Pfund Pfennige erworben, 134 die Umrechnung auf 52 Mark Silber erscheint ebenfalls ausgesprochen optimistisch. 135 Wobei auch die erwarteten Einnahmen nicht antizipiert werden konnten, findet sich doch in den Kaufurkunden häufig nicht die Angabe eines Totals an Abgaben, wie dies die angegebenen Beträge in den Ordnungen erwarten lassen würden, sondern eine Aufstellung von einzelnen Gütern und Rechten, meist mit Angabe zu den aktuell Bebauenden. Schließlich zeigt sich ein weiteres Problem in der durch Agnes ausgestellten Urkunde: Die Erwerbung durch die ehemalige Königin ist in mehreren Fällen unsicher. Für den Besitz in Husen (von Wernher von Wohlen) gibt es keine Kaufurkunde, einzig eine Umwandlung des Gutes von einem Lehen zum Besitz des Klosters. 136 Die Umwandlung stellt natürlich indirekt eine Bestätigung der Übertragung des Lehens von Wernher von Wohlen dar, eine Kaufurkunde von Wernher findet sich jedoch nicht. In der Umwandlungsurkunde Albrechts II. vermerkte der Herzog, dass Äbtissin und Konvent das Gut erwarben. Das Gut, beziehungsweise der durch die Umwandlung aus der Lehenschaft entstehende Gewinn, sollte gemäß Urkunde Albrechts ausdrücklich für Gedenkleistungen und für die Mehrung der Gottesdienste gebraucht werden, insbesondere für sein eigenes Seelenheil, das seiner Brüder und das seiner Vorderen. Der Name Agnes von Ungarn kommt im Stück nicht vor. Den- 132 StAAG U.17/ 0103. Beim Stück handelt es sich um eines der zentralen für den Nachvollzug der Nachherstellung, siehe unten S. 78. 133 Die Kaufurkunde liegt im StABE, Fach Interlaken; Vergabe des Lehens durch das Stiftskapitel von Beromünster (Propst Jakob von Rinach): U.17/ 0098, 11. Jan. 1329. 134 Deshalb steht im Dokument wohl keine Angabe zum Verkäufer, beziehungsweise wurden Käufer und Gut zusammengezogen. 135 Die Umrechnung zwischen Pfund Pfennig und Mark wird häufig mit 1: 3 angegeben, demzufolge hätten 156 Pfund Pfennig ausgegeben werden müssen. 136 U.17/ 0092, 10. Mai 1327, ausgestellt in Ensisheim. 75 <?page no="75"?> noch ist in der Ordnung von 1330 vermerkt daz guot das wir [gemeint ist Agnes] 137 kouften umb den erbern ritter Wernher von Wolen. 138 Das im selben Dokument genannte Gut von Zwillikon scheint als Erwerbung des Klosters nicht ganz unumstritten gewesen zu sein, nur so lässt sich erklären, weshalb 1332 ein gewisser Peter Tuchscherrer in Bremgarten öffentlich beurkundete, dass er keine Ansprüche mehr an das Gut gegenüber Königin Agnes, der Äbtissin und dem Kloster stellen würde. Und auch bei weiteren Gütern finden sich ähnliche Sachverhalte: Gut und Kirchensatz in Entfelden wurden im Dokument zum ersten Mal erwähnt. Eine entsprechende Kaufurkunde vom Kloster Disentis (du wir kouften umb die geistlichen herren den Abt und das capitel von Disentis) existiert nicht. Das Gut in Entfelden war wohl Teil einer Auseinandersetzung mit den Herren von Rupperswil (Rubiswil), die erst ab 1333 entspannt und schließlich gelöst wurde. Die Durchsicht der Stücke, die mit der Ordnung von 1330 verknüpft sind, erlaubt zwei Interpretationsrichtungen. Zum einen handelt es sich bei einigen Gütern um Besitz, der nicht mit Sicherheit Königsfelden zugeschrieben werden konnte und deshalb in Ordnungen, die als Urkunden ausgefertigt wurden, mit dem Kloster verknüpft werden musste. Die Ordnung stellte folglich Legitimationsschriftgut dar. Zum anderen rückte Agnes mit der Ausstellung der Urkunde als Ordnung sich selbst in den Mittelpunkt des Gedenkens und verknüpfte ihren Namen mit Besitz, der an sich nichts mit ihr zu tun hatte. Obwohl Agnes für ihre eigene Jahrzeit, die ebenfalls in der Urkunde von 1330 geregelt wurde, ähnlich wie für ihren Ehemann Andreas, nur einen durchschnittlichen Aufwand betreiben ließ, kann das Dokument als Mittel der Sicherung ihres langfristigen Gedenkens gewertet werden, das über die Begehung ihres individuellen Jahrtags hinaus ging. Denn den Schwestern in Königsfelden musste klar gewesen sein, wem sie Reis, Mandeln und Feigen in Advent und Fastenzeit zu verdanken hatten. In der Ordnung von 1330 werden mehr als zehn Besitzungen und Rechte genannt und mit Ämtern, Jahrzeitleistungen und besonderen Erwerbungen verbunden. Dies sind ein Fünftel der ungefähr 50 Besitzungen und Rechte, die das Kloster um 1330 besessen haben dürfte. Agnes von Ungarn versuchte ein System zu etablieren, das ihre eigene Person mit einer Vielzahl von Besitzungen und Abgaben verknüpfte. Der semantische Befund deckt sich folglich mit Agnes’ Verknüpfung von Besitz und Ordnungen. Die Serialisierung des Systems: Ordnungen ab 1340 Das Verknüpfungssystem, das in der Urkunde von 1330 so ausgeprägt festgestellt werden kann, wurde auch danach fortgeführt. 1339 wurden Besitz und Rechte, die nach 1335 akkumuliert wurden, zu Jahrzeiten der Geschwister von Agnes in Bezug gesetzt. 139 Ein Jahr später folgte bereits die nächste Ordnung, die Besitzungen in Suhr und Gränichen, gerade erst durch Albrecht an das Kloster gekommen, 140 so- 137 Der Bezug zu Agnes lässt sich aus der Intitulatio erschließen. 138 StAAG U.17/ 0103r. In der Abschrift im ersten Kopialbuch wurde das «wir» erst nachträglich über der Linie eingefügt - ob ein Fehler des Schreibers oder Absicht, bleibt unbeantwortet: StAAG AA/ 0428, fol. 26r, linke Spalte, sechste Zeile von unten gezählt. 139 StAAG U.17/ 0185a. 140 StAAG U.17/ 0182. 76 <?page no="76"?> wie Oberentfelden, erworben durch Agnes, der Jahrzeitbegehung des Bruders, König Friedrich, und der Geschwister ohne eigene Jahrzeit im Kloster Königsfelden zuordnete. Obwohl Albrecht in seiner Urkunde vom Januar bereits deutlich seinen Wunsch für den Einsatz der vergabten Mittel klar gemacht hatte, wollte Agnes selbst detailliertere Anweisungen aufsetzen. Mit der den Ordnungen typischen Gewissenhaftigkeit wurde im Juni desselben Jahres durch Agnes festgelegt, wie viele Messen für Friedrich zu singen waren und was die Aufgabe der Klarissen war. Wiederum agierte Agnes als Vermittlerin zwischen ihren Geschwistern und dem Kloster. 141 Am System der Verknüpfung von Gut mit Amt oder Jahrzeit mittels Ordnungen änderte sich in den folgenden Jahren, bis zum Tod von Agnes, nur noch wenig. Ebenfalls 1340 wurde gleichzeitig zur Stiftung von Elisabeth von Lothringen durch Agnes eine Urkunde ausgestellt, die die Stiftung mit einem Hof widerlegte (Elisabeth scheint Bargeld für ihre Stiftung eingesetzt zu haben). Die Anlage einer «gut ausgestatteten» Jahrzeit scheint nur über Agnes von Ungarn als Vermittlerin möglich gewesen zu sein, wurden doch beide Urkunden am selben Tag (4. Juni 1340) in Königsfelden ausgestellt. 142 Ähnlich wurde in den Ordnungen von 1348, 1356 und 1357 vorgegangen. 143 In allen drei Ordnungen ordnete Agnes den Ertrag aus neuerworbenem Besitz einem bestimmten Verwendungszweck zu, etwa einer Jahrzeit (1348), zum Unterhalt zweier Brüder (1356) oder für Fische, die aus einer neuerworbenen Fischenz stammten und ausdrücklich nicht verkauft werden durften (1357). Die Ordnungen wurden erstellt, obwohl für die Erwerbungen Urkunden bestanden. 144 Der bereits bei den luxuriösen Esswaren festgestellte Bezug zwischen der Gönnerin und «ihren» Klarissen wurde mit der Zuteilung der Fische gar noch erweitert und das Essen direkt aus dem Besitz von Agnes den Schwestern zugewiesen. Obwohl die Urkunden als Stiftungen oder Stiftungsanordnungen im weitesten Sinn verstanden werden können, ist eine begriffliche Distanz sinnvoll: einerseits weil Vorgänge des Alltags abgehandelt wurden, die nicht aus Stiftungen beziehungsweise Stiftungsgut bezahlt wurden, andererseits weil einige der Ordnungen auf Stiftungsurkunden aufbauen und somit eine elaboriertere Form der Verknüpfung zwischen Stiftung, Stiftungszweck und Stiftungsumsetzung durchsetzten. Die Berücksichtigung aller Dokumente lässt erst klar werden, wie eng verknüpft Besitzerwerb und Zuschreibung für Abgaben oder Erwerbungen waren. Die Ordnungsdichte ist für den Klarissenorden untypisch und erinnert vielmehr an Stiftskirchen, 145 im Zusam- 141 Agnes agierte auch mehrfach im Streitfall als Vermittlerin und vor allem Schiedsrichterin zwischen eidgenössischen Orten und den Herzogen von Habsburg, siehe B ARBARA S TÜSSI - L AUTERBURG , Agnes von Österreich, Johann II. von Bubenberg und die Friedensvermittlung von Königsfelden nach dem Laupenkrieg, in: Berner Zeitschrift für Geschichte und Heimatkunde 74.2 (2012), S. 11-28. Ihre Rolle als neutrale Schiedsrichterin zeigt, dass sie nicht direkt dem habsburgischen Umfeld zugerechnet wurde. 142 U.17/ 0187, 4. Juli 1340 (Elisabeth von Lothringen), StAAG U.17/ 0187a (Agnes von Ungarn). 143 StAAG U.17/ 0223: Verknüpfung der Jahrzeiten der Söhne Ottos (Friedrich und Leopold) mit neuerworbenen Gütern; StAAG U.17/ 0266a: Geldbetrag an die Franziskaner; StAAG U.17/ 0273. 144 StAAG U.17/ 0223 bezieht sich auf U.17/ 0218, 17. März 1348; StAAG U.17/ 0266a bezieht sich auf StAAG U.17/ 0263; StAAG U.17/ 0273 bezieht sich wahrscheinlich auf StAAG U.17/ 0268. 145 Ähnliche Stiftungsformen finden sich vor allem in den frühen Klarissengründungen im Raum Frankreichs und Englands, diese Häuser sind häufig auch mit Adelshäusern verknüpft, siehe R OEST , Clares, S. 60-62. 77 <?page no="77"?> menhang mit dem franziskanischen Orden sind die Ordnungen gar in keinem anderen Konvent des Bettelsordens zu finden. Über die Einhaltung der vorgeschriebenen Inhalte, legt nur eine einzige Ordnung Rechenschaft ab: 1361 stellte die mittlerweile knapp achtzigjährige Agnes eine letzte Ordnung aus. 146 Sie wollte, dass ihr Haus nach ihrem Tod abgerissen werde. Nach ihrem Ableben (1364) hatte ihr Wort jedoch keine Wirkung mehr, denn die Klarissen fragten bereits wenige Monate nach dem Tod bei den Herzogen an, ob das Haus der Agnes nicht weiter genutzt werden könne. Die Bitte der Klarissen wurde durch Albrecht und Leopold genehmigt. 147 Nachherstellung und Zerstörung: Der Umgang mit Ordnungsurkunden Aufgrund einer Radierung im ersten Kopialbuch lässt sich aufzeigen, dass Agnes die Ordnungen zwar für alle Ewigkeit formuliert hatte, jedoch bereits einige Jahre nach der Abfassung wieder Anpassungen vornahm. 148 Die Radierung im Kopialbuch ließ eine Stelle verschwinden, 149 die Agnes die Möglichkeit gab, zwei Pfründen zu besetzen. In der ausgefertigten Urkunde, 150 finden sich jedoch keine Zeichen einer Radierung. Aber nicht nur die radierten Teile fehlen in der Ausfertigung, sondern auch einige Zeilen mehr, die im Kopialbuch noch abgeschrieben wurden. Folglich kann die ausgefertigte Urkunde nicht aus dem Jahr 1330 stammen, sondern muss nachträglich produziert worden sein. Der Vergleich von Initialen auf diversen von Agnes ausgestellten Urkunden durch Boner ergab eine ungefähre Datierung um 1350 für die Urkunde, die in der Datumszeilte das Jahr 1330 nennt. 151 Die Argumentation dafür ist schlüssig und seiner Annahme, dass um 1355 mehrere Urkunden neu ausgestellt wurden, beizupflichten. Die Urkunde von 1330 ist in dieser Hinsicht nicht die einzige Ordnung: ein Stück von 1335 findet sich gar doppelt im ersten Kopialbuch abgeschrieben. Die 1335 erstmals ausgestellte Urkunde wurde von dem Kopialbuchschreiber ins Buch übernommen, von welchem die Mehrheit der Abschriften stammt. Die nachproduzierte Urkunde, die wahrscheinlich um 1355 hergestellt wurde, jedoch die Datierung von 1335 trägt, wurde von späterer Hand ins Buch eingetragen. 152 Agnes passte folglich ihre Ordnungen um 1355 an, jedoch lässt sich dies nur in den beschriebenen zwei Fällen mit Sicherheit nachvollziehen. Für Ordnungen, die nach 1336, also nach der Herstellung des ersten Kopialbuchs entstanden, finden sich keine entsprechenden Hinweise. Die Nachherstellung der Ordnungen, einer Dokumentenform, die für Agnes zentral war, zeigt, dass die Schriftstücke im 14. Jahrhundert aktuellen Gegebenheiten entsprechen mussten. War der Inhalt nicht mehr deckungsgleich mit der Art 146 StAAG U.17/ 0306a, ausgestellt in Königsfelden. 147 U.17/ 0332a, 25. Jan. 1366, ausgestellt in Wien. 148 Im Folgenden wie bereits in H ODEL , Cartulary ausgeführt. Zum Kopialbuch siehe unten ab S. 174. 149 StAAG AA/ 0428, fol. 26v-27r. 150 StAAG U.17/ 0103. 151 Siehe B ONER , Klosterordnungen. 152 Die Kopie des Stücks von 1335 findet sich im Kopialbuch I (StAAG AA/ 0428, fol. 28v-30v), die Nachproduktion liegt als Urkunde ausgefertigt (StAAG U.17/ 0125) und abgeschrieben im Kopialbuch I (StAAG AA/ 0428, fol. 107v-110v) vor. 78 <?page no="78"?> und Weise, wie die Dinge sein sollten, bestand jedoch die Möglichkeit, die Schriftstücke zu erneuern. Dabei blieben Ausstellungsort, Datum und wenn möglich auch die siegelnden Personen dieselben wie im ursprünglich ausgestellten Stück. Das bedeutet gleichzeitig, dass Urkunden nicht als Zeugnisse einer nicht mehr relevanten Vergangenheit verstanden wurden, sondern die Vergangenheit in den überlieferten Schriftstücken den aktuellen Vorstellungen zu entsprechen hatten. 153 Dadurch wird einerseits aufgezeigt, dass Urkunden langfristig rechtlich relevant blieben, andererseits aber auch, dass ein Schriftstück zwar gültig und korrekt ausgestellt sein konnte, jedoch die im Dokument genannten Angaben zu Ort und Stelle der Ausstellung nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmen mussten. Einzelblattdokumente wurden entsprechend bewusst aufbewahrt und zeigen ein Bild, wie es die aufbewahrende Institution vermittelt sehen wollte. 154 Im Gegensatz dazu steht die Überlieferung von Büchern, insbesondere Kopialbüchern, die nicht aufgrund der Summe der darin abgeschriebenen Stücke aufbewahrt wurden, sondern da sie als Artefakte einen eigenen Wert hatten - auch wenn die darin enthaltenen Dokumente der Erzählung der Urkunden widersprach. 155 Aufgrund der diversen Nachproduktionen, war wohl auch die Siegelpraxis ab den 1350er Jahren nicht mehr so einheitlich. Die drei Siegel von Agnes, Äbtissin und Konvent mussten nicht mehr an den Ordnungen hängen. Da ältere Dokumente neu hergestellt und gleichzeitig weitere Ordnungen erstellt wurden, entstand eine Unsicherheit, wie Ordnungen legitimiert werden sollten. Damit lässt sich insbesondere begründen, weshalb eine spätere Ordnung nur noch durch Agnes gesiegelt und mittels separater Urkunde durch Konvent und Äbtissin bestätigt wurde. 156 Obwohl die Ordnungen gemäß Agnes potentiell für die Ewigkeit gedacht waren, war die Königin dennoch um Aktualisierungen bemüht. Und wie sich bereits in ihren früheren Ordnungen zeigte, war sie sich sehr wohl bewusst, welche Folgen ihr Gebrauch von Schrift nach sich zog. Die Neu- und Nachproduktionen von Ordnungen in den 1350er Jahren zeugen von intensivem Überdenken der geschaffenen Strukturen. Bei Bedarf konnte gar korrigierend eingegriffen werden. Dokumentenproduktion nach Agnes Nach dem Ableben von Agnes folgte eine Zeit der erhöhten Dokumentenproduktion. Die Klarissen mussten sich ihre Rechte und Privilegien durch die Herzoge bestätigen lassen. Dies war jedoch heikel, da kurz nach Agnes auch Rudolf IV. (1365) verstarb und seine jüngeren Brüder Albrecht III. und Leopold III. um Macht und 153 Diese Erkenntnis erinnert einerseits an Vorstellungen nicht-literater Gesellschaften, wie sie durch G OODY beschrieben werden, in welchen Erzählungen über Vergangenheiten jeweils aktuellen Gegebenheiten angepasst werden; andererseits wirft dies einen Blick auf Vorstellungen von Zeitlichkeit, die die Vergangenheit immer in Zusammenhang mit zukünftigen Ereignissen, insbesondere der Apokalypse, zu bringen versuchten. 154 Dieser Punkt wurde bereits mehrfach betont, siehe etwa E SCH , Überlieferungs-Chance, S. 535- 538. 155 Davon ausgehend siehe die Ausführungen zum ersten Kopialbuch, unten S. 174. 156 Ordnung von Agnes: StAAG U.17/ 0303; Bestätigung durch Konvent und Äbtissin: StAAG U.17/ 0304. 79 <?page no="79"?> Einfluss in den habsburgischen Gebieten kämpften. Eine Spaltung der Herrschafts- und Einflussbereiche war das Resultat. 157 Neben den Bestätigungen der Freiheiten und Privilegien erhielten die Klarissen von den Herzogen auch die Bewilligung, die Hofstatt von Agnes zu behalten. Da dadurch ausdrücklich dem Befehl der größten Gönnerin widersprochen wurde, lohnt ein Blick auf die damit in Verbindung stehenden Dokumente. 158 Der Abrissbefehl wurde im Franziskanerkonvent aufbewahrt. Die Klarissen wandten sich also nicht nur gegen Agnes, sondern implizit auch gegen die Franziskaner, die offenbar einige schriftliche Teile des Erbes von Agnes aufbewahrten und somit verwalteten. Da die Klarissen sich explizit die Hofstatt von den Herzogen schenken ließen, bedeutet dies gleichzeitig, dass sie von Agnes’ Befehl wussten und ihn missachteten. Der Befehl zum Abriss war also bekannt und von Rudolf IV. explizit bestätigt worden. Wahrscheinlich nutzten die Klarissen nur die Gunst der Stunde, da die beiden Herzoge Albrecht und Leopold um die Vorherrschaft im Herzogtum kämpften, um eine für sie günstige Bestätigung gegen den Willen der früheren Gönnerin, Agnes, zu bekommen. Der Blick auf die Ausstellenden der Stücke zeigt Königsfelden als zwei Konvente, die von hoher Stelle unterstützt wurden, neben Dokumenten aus königlichen und päpstlichen Kanzleien machen insbesondere die Stücke, die von den Herzogen kamen, einen wichtigen Teil aus. Agnes von Ungarn war dabei die zentrale Instanz, die erstens selbst für die Ausstellung einer Vielzahl von Dokumenten sorgte, zweitens als Vermittlerin zu den Herzogen von Habsburg, ihren Frauen und anderen Notablen agierte und drittens die Kontrolle über die überlieferten Dokumente behielt. Ohne sie ist der Aufstieg Königsfeldens im 14. Jahrhundert unvorstellbar. Die vorangehenden Seiten haben gezeigt, dass sich bis um 1380 nicht von dem Schrifteinsatz in Königsfelden (oder gar dem Raum Oberrhein) sprechen lässt. Vielmehr wurde deutlich, wie vielfältig und teilweise auch widersprüchlich mit Schriftstücken umgegangen wurde. Die Fokussierung auf Urkunden als zentrale Schriftstücke ist nicht nur der zugeschriebenen Wichtigkeit in der Forschung und der vermeintlichen Aussagekraft geschuldet, sondern insbesondere auch den fehlenden anderen Schriftgutträgern. Vielleicht waren solche in Königsfelden vorhanden, überliefert wurden sie jedoch nicht. Auch wenn so gut wie sicher ist, dass zumindest temporär weitere Schriftträger vorhanden waren, so wurde offensichtlich dahingehend entschieden, dass mit Ausnahme von zwei Rödeln nur gesiegelte Einzelblattdokumente aufbewahrenswürdig waren. Schrift wurde, kurz zusammengefasst, zwar in den unterschiedlichen Zeitpunkten eingesetzt und galt als alltägliche Praxis. Dennoch kann nicht von einem Schrifteinsatz gesprochen werden, der die Abbildung von Verwaltungs- oder Rechtsvorgängen zum Ziel hatte; vielmehr stand einerseits die Ausstellung, die Produktion der Artefakte im Zentrum, andererseits zeugte die langfristige Aufbewahrung von der Verbindung und der Rechtmäßigkeit eines status quo. Die Formen der Überlieferung von Urkunden blieben während des Zeitraums ähnlich und bis auf wenige Ausnahmen (etwa die Einigung von Agnes von Böhmen mit Albrecht I.) behielten 157 Eine weitere Folge der Spaltung war das Kopieren diverser Bestätigungen und Rechte, die im Kapitel zu den Kopien eingehender beleuchtet werden muss. Siehe unten ab S. 190. 158 Erlaubnis die Hofstatt zu behalten: StAAG U.17/ 0306a. 80 <?page no="80"?> die Stücke ihren Status als gesiegelte Dokumente, die als Einzelblätter die Zeit überdauerten. 2.2 Äbtissin und Hofmeister lenken das Kloster im 15. Jahrhundert Die Jahrzehnte um 1400 waren aufgrund von zwei Ereignissen für das Kloster Königsfelden von großer Bedeutung: Erstens verlor Leopold III. bei der Schlacht von Sempach, 1386, sein Leben. Gleichzeitig gingen der habsburgischen Herrschaft diverse Rechte und der Einfluss in Teilen des historischen Aargaus verloren. Auslöser für die Auseinandersetzung, die letztlich Leopold das Leben kostete, war die Eingliederung von Gebieten im Entlebuch und im Luzerner Hinterland in den Herrschaftsbereich der Stadt Luzern. Der Schlacht gingen außerdem Streitigkeiten zwischen habsburgischen und Luzerner Vögten um Herrschaftsrechte in Grenzgebieten voraus, die zu gegenseitigen Überfällen führten. Über die Schlacht selbst ist wenig bekannt, einzig die Niederlage der habsburgischen Truppen und der damit verbundene Tod von Herzog Leopold III. auf dem Schlachtfeld wurden zeitnah überliefert. 159 Zweitens kann Ende des 14. Jahrhunderts das Ausgreifen der umliegenden Städte Bern, Zürich und Luzern konstatiert werden, das 1415 in der Eroberung des Aargaus mündete. Damit entstand für die habsburgischen Herrschaftsgebiete sowie für die mit Habsburg verbündeten Herren und Städte eine Drucksituation, die sowohl innerhalb der klösterlichen Mauern als auch bei den verstreut lebenden Untertanen spürbar war. Die Eroberung von 1415 stellte einen Abschluss der kriegerischen Auseinandersetzungen dar, die in Sempach begonnen hatte. 160 In weiten Teilen des heutigen Aargaus wurde die Macht der Herzoge Österreichs dadurch faktisch beendet, auch wenn der Anspruch auf einen Großteil dieser Gebiete noch fast siebzig Jahre lang aufrecht erhalten wurde. 161 Beide Ereignisse, die Schlacht von Sempach und die Eroberung von 1415, bedeuteten an sich keine Verluste von Rechten oder Herrschaften für Königsfelden. Aufgrund der Beerdigung Leopolds III. und seiner Gefolgsleute in Königsfelden, die auf dem Schlachtfeld in Sempach gefallen waren, erfolgte jedoch ein Wandel in der Gedenkpraxis. Durch diese Entwicklung wurde langfristig die politische Bedeutung des Klosters sichergestellt und auch in neue Bahnen gelenkt. Zu den gefallenen herzoglichen Gefolgsleuten gehörten Personen aus dem nahen Umland. Unter ihren 159 Die umfassendste und wichtigste Studie zur Schlacht von Sempach mitsamt ihrer Vorgeschichte bildet noch immer: G UY P. M ARCHAL , Sempach 1386: Von den Anfängen des Territorialstaates Luzern. Beiträge zur Frühgeschichte des Kantons Luzern, unter Mitarb. von W ALTRAUD H ÖRSCH , Basel, Frankfurt am Main 1986. 160 Unter anderem die Appenzellerkriege gehören zu diesen Auseinandersetzungen, siehe B RUNO M EIER , Ein Königshaus aus der Schweiz: Die Habsburger, der Aargau und die Eidgenossenschaft im Mittelalter, 2. Aufl., Baden 2008, S. 156-160. 161 Zusammengefasst in S USANNA B URGHARTZ , Vom offenen Bündnissystem zur selbstbewussten Eidgenossenschaft. Das 14. und 15. Jahrhundert, in: Die Geschichte der Schweiz, hrsg. von G EORG K REIS und S ILVIA A RLETTAZ , Basel 2014, S. 155 und D OMINIK S AUERLÄNDER , 2.2 Der Aargau wird eidgenössisch (1415), in: Historisches Lexikon der Schweiz, 2014, URL : http: / / www.hls-dhs-dss.ch/ textes/ d/ D7392.php. Einführend zur Eroberung aus «schweizergeschichtlicher Perspektive»: T HOMAS M AISSEN , Geschichte der Schweiz, 2. Aufl., Baden 2010, S. 44-46. 81 <?page no="81"?> Nachfahren orientierten sich einige nach 1415 Richtung Bern und vermochten sich im neuen Zentrum zu etablieren, so etwa Angehörige der Familie Hallwil oder Mülinen. Auf diesem Weg entstand eine Lobby für das Kloster in der neuen Berner Oberschicht. Die Eliten des Aargaus blieben nach Sempach und der Eroberung Berns mehrheitlich konstant. Obwohl Fälle von Verdrängung zu beobachten sind und sich einige bewusst oppositionell an die «alten Herren» hielten, so gilt für die Mehrheit der Oberschicht, dass sie sich an die neuen Gegebenheiten anpassten, auch wenn es da und dort wohl Personen gab, die mehr oder weniger geheim auf die Rückkehr Habsburgs hofften oder gar damit rechneten. 162 Urkundenproduktion zu Beginn des 15. Jahrhunderts Eben diese Eliten waren es, die Anfang des Jahrhunderts an der Produktion von Dokumenten für Königsfelden beteiligt waren. Neben der Äbtissin, Elisabeth von Leiningen, die die Geschicke des Klosters ab Ende des 14. Jahrhunderts lenkte, lassen sich vorwiegend die Hallwil, die Rinach, aber auch die Wohlen sowie Bürgerliche, wie etwa Ulrich Klingelfuss, als wichtige Akteure beobachten. 163 Gleichzeitig trat mit Friedrich IV. zum letzten Mal ein Herzog Österreichs in und um Königsfelden als zentrale Herrschaftsinstanz auf. Königsfelden und umliegenden Lehensnehmern und Pfandinhabern bestätigte er die Rechte, bevor er nach 1415 nur noch sehr sporadisch in den Vorlanden anzutreffen war. 164 Nach Friedrich IV. wurden Bestätigungen von Privilegien vorwiegend aus der Ferne erteilt. Neben dem Handeln dieser Akteure, das noch den Gepflogenheiten des 14. Jahrhunderts entsprach, zeichnet sich ein langsamer Wandel ab, der zur vermehrten Produktion von Schriftstücken aus Gerichtsprozessen führte und kleinere Auseinandersetzungen in schriftlicher Form festhielt. Über solche Urteile hinaus begannen 162 Zu den Handlungsoptionen des Adels als «Habsburgischer Adel» siehe P ETER N IEDERHÄU - SER , Adel und Habsburg - habsburgischer Adel? Karrieremöglichkeiten und Abhängigkeiten im späten Mittelalter, in: Die Habsburger zwischen Aare und Bodensee, hrsg. von P ETER N IEDERHÄUSER , Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich 77, Zürich 2010, S. 151-178, zur Situation um 1400: ebd., S. 160-166. Grundsätzlich bestand nach 1415 die Möglichkeit entweder den alten oder den neuen Herren ergeben zu sein. Dies wird anhand konkreter Fälle aufgezeigt in P ETER N IEDERHÄUSER , Verdrängung, Mobilität oder Beharrung? Adel im 15. Jahrhundert zwischen dem Aargau und Tirol, in: Argovia. Jahresschrift der Historischen Gesellschaft des Kantons Aargau 120 (2008), S. 18-32, DOI : 10.5169/ seals-11; siehe auch: R OLAND G ERBER , Herrschaftswechsel mit Misstönen: Der Übergang der Herrschaft Aarburg von Habsburg an Bern zwischen 1415 und 1458, in: Argovia. Jahresschrift der Historischen Gesellschaft des Kantons Aargau 120 (2008), S. 131-155, DOI : 10.5169/ seals-15; und B ETTINA L EEMANN L ÜPOLD , Hin- und hergerissen zwischen Habsburg und Bern? Die Herren von Hallwyl, das Jahr 1415 und seine Folgen, in: Argovia. Jahresschrift der Historischen Gesellschaft des Kantons Aargau 120 (2008), S. 33-54, DOI : 10 . 5169 / seals - 12. 163 Zu den Hallwil: U.17/ 0456, 23. Juli 1403, U.17/ 0535, 25. Mai 1421, U.17/ 0579, 9. Mai 1433, U.17/ 0591, 4. März 1437; Rinach: StAAG U.17/ 0456, U.17/ 0499, 11. Feb. 1416, U.17/ 0501, 14. Feb. 1416, U.17/ 0539, 15. Mai 1422, StAAG U.17/ 0591; Wohlen: U.17/ 0448, 1420, U.17/ 0527, 1. Feb. 1420, U.17/ 0557, 30. Nov. 1427, U.17/ 0569, 14. Nov. 1430; Klingelfuss: U.17/ 0530, 10. Dez. 1420, U.17/ 0546, 4. Aug. 1424. 164 Siehe U.17/ 0474, 8. Aug. 1406, U.17/ 0488, 26. Juli 1411, U.17/ 0489, 21. Mai 1412, U.17/ 0490, 23. Mai 1412, U.17/ 0491, 24. Mai 1412. 82 <?page no="82"?> auch die aargauischen Landstädte mit einer vermehrten Produktion von Schriftstücken, um selbst in den Prozess der Rechtssprechung einzugreifen oder aber eigene Ansprüche anzumelden. Und auch Bern und seine Repräsentanten, in Person von Landvögten oder Schultheissen, werden in den Stücken fassbar. Den neuen Schriftformen und Schriftproduzenten zum Trotz änderte sich für Königsfelden und seinem Umgang mit Besitzungen offensichtlich wenig. Die Zeit um 1415 und insbesondere die Eroberung des heutigen Aargaus durch Truppen aus Bern, Zürich und Luzern wurde zwar bereits oft in der politikhistorischen Literatur thematisiert, 165 eine Darstellung aus der Perspektive der Eroberten fehlt jedoch noch immer. So ist die Situation der aargauischen Klöster nach der erwähnten Eroberung größtenteils noch unbeleuchtet. Nur wenige Schlaglichter zeugen vom Einfluss der neuen Herren: Anscheinend wurde Wettingen von den eidgenössischen Städten intensiv kontrolliert, wohl aufgrund der Lage in der Grafschaft Baden, einer gemeinen Herrschaft nahe der Stadt Zürich. Auch im Kloster Muri wurden die eroberten Herrschaftsrechte durch die Eidgenossen umgehend wahrgenommen. Königsfelden musste indes keine Rechte abtreten. 166 Die nachsichtige Behandlung Königsfeldens und seiner Besitzungen liegt in drei Faktoren begründet. Zum einen gehörten das Kloster und seine wichtigsten Herrschaftsgebiete zu dem Teil der Eroberungen, der von Bern allein erobert wurde und nicht (wie etwa Muri oder Wettingen) durch mehrere Städte. Durch die großen Gebietserweiterungen, die Bern mittels des Eroberungszugs erlangte, entstanden neue, administrative Aufgaben, die zu Reorganisationen führten. Amtleute mussten vor Ort eingesetzt werden und die eroberten Städte, mitsamt ihren Eliten, in das bestehende Herrschaftssystem integriert werden. 167 Der zweite Faktor, der dazu führte, dass Königsfelden nicht von den Kriegswirren betroffen war, findet sich im Hofmeister, Henmann von Mülinen, der 1415 in Königsfelden amtete. Seit 1407 war er Burger der Stadt Bern und sicherlich bekannt mit den bernischen Heerführern. Noch kurz vor der Eroberung, Anfang Mai 1415 165 Mit Beschreibung der Begründung für den Eroberungszug: H EIDI S CHULER -A LDER , Reichsprivilegien und Reichsdienste der eidgenössischen Orte unter König Sigmund, 1410-1437, Geist und Werk der Zeiten 69, Bern 1985; aus der Perspektive des Dokumentengebrauchs, siehe P ETER B RUN , Schrift und politisches Handeln: Eine «zugeschriebene» Geschichte des Aargaus 1415-1425, Zürich 2006 und zusammenfassend P ETER B RUN , «Die von Ergoew duchte gar verdrossent, werent sy mitt pappir erschössen», in: Argovia. Jahresschrift der Historischen Gesellschaft des Kantons Aargau 118 (2006), DOI : 10.5169/ seals-19712, URL : http: / / dx.doi.org/ 10.5169/ seals-19712. Aus habsburgischer Perspektive: M EIER , Königshaus, S. 161-172. 166 Für Wettingen siehe P ETER H OEGGER , Das ehemalige Zisterzienserkloster Mariastella in Wettingen, Die Kunstdenkmäler des Kantons Aargau. Der Bezirk Baden 3, Basel 1998, S. 7 und A NTON K OTTMANN und M ARKUS H ÄMMERLE , Die Zisterzienserabtei Wettingen. Geschichte des Klosters Wettingen und der Abtei Wettingen-Mehrerau, Wettingen 1996, S. 53f. Zu Muri siehe B RUNO M EIER , Das Kloster Muri: Geschichte und Gegenwart der Benediktinerabtei, Baden 2011, S. 22, neuere Forschungen deuten auf einen weniger starken Eingriff nach der Eroberung (vielen Dank für die Mitteilung durch Bettina Schöller), siehe auch D UNJA P FISTER , Herrschaftswechsel und Krisenmanagement: Das Kloster Muri zur Zeit der Eroberung des habsburgischen Aargaus 1415, Baden 2015. Für Königsfelden ist die Situation nur ungenügend beschrieben in H ODEL , Region, S. 115 und S. 118f. 167 Zur Situation der Eliten im Aargau nach der Eroberung siehe oben S. 82, insbesondere Anm. 162. 83 <?page no="83"?> urkundete er für den Klarissenkonvent. 168 Die Präsenz eines angesehenen Berners in Königsfelden wirkte sich sicherlich positiv auf die Stellung des Klosters aus. Inwiefern es sich bei der Berufung des Hofmeisters um eine Strategie des Klarissenkonvents handelte, wird nicht zu beantworten sein, da aufgrund fehlender Instruktionen oder Raitbriefe, wie für Landvögte überliefert, allgemein wenig über die Art und Weise der Hofmeisterbestellung ausgesagt werden kann. 169 Der dritte Faktor schließlich waren die Beziehungen des Klosters mit mehreren habsburgischen Herzogen: Nicht nur der in Acht und Bann gelegte Friedrich IV. war den Klarissen und Franziskanern zugetan, auch sein Bruder Ernst hatte für Königsfelden 1408 eine Freiheitsbestätigung ausgestellt. 170 Obwohl der dritte Faktor wohl nur als schwacher Hinderungsgrund gesehen werden kann, so reichte es offensichtlich in der Summe, dass Königsfelden weder in die Kriegswirren einbezogen wurde, noch Herrschaftsrechte abgeben musste. 171 Reaktionen auf den Eroberungszug von 1415 finden sich denn auch nur bedingt in den aufbewahrten Schriftstücken. 172 Eine Änderung fand zu der Zeit offensichtlich bei den Franziskanern statt. Die Anlage neuer Dorsualschichten und eines Kopialbuchs zeugen von einem gesteigerten Selbstbewusstsein der Minderbrüder in Königsfelden. Es wurden jedoch nicht neue Einzelblattdokumente geschaffen, sondern Stücke abgeschrieben oder mit neuen Notizen versehen. 173 Das Kopialbuch der Franziskaner zeigt, dass die in Königsfelden genutzte Form der Verschriftlichung angepasst übernommen wurden. Schrift und Zeugen: Franziskaner gegen Klarissen? Ein Grund für die geringe Anzahl an Dokumenten, die durch die Minderbrüder bis zum Beginn des 15. Jahrhunderts aufbewahrt werden konnte, ist sicherlich die Tatsache, dass die Franziskaner erst nach dem Tod von Agnes von Ungarn Besitz annehmen durften. Die Besitzlosigkeit ist gleichzeitig ein wichtiger Grund, weshalb nur wenig über das Wirken der Brüder in Königsfelden vor 1400 bekannt ist. 174 Die Rolle der Schrift im Franziskanerkonvent konnte bislang entsprechend nur ganz am Rande behandelt werden. Obwohl einige Stücke den Barfüßern zugeschrie- 168 In der Urkunde wird erklärt, dass das Kloster Güter im Dinghof Elfingen innehabe, die brach lägen und mannen uff den guetern manglotend, U.17/ 0497, 8. Mai 1415. Ob der Mangel mit den Appenzellerkriegen zusammenhing oder ob es sich um eine allgemeine Feststellung handelt, kann aufgrund der überlieferten Dokumente nicht beantwortet werden. 169 Zu Hofmeistern siehe unten S. 91. Siehe auch S TUDER I MMENHAUSER , Verwaltung, S. 411- 418. 170 U.17/ 0480, 1. Apr. 1408. 171 Als demonstrativen Auftritt der bernischen Herrschaft kann die Vergabe von Landbesitz um Brugg gewertet werden, das an die Söhne von Hans Kriech ging. Die Dokumente wurden zwar in Königsfelden aufbewahrt, bei dem Besitz handelte es sich jedoch um Lehen, das als der Herrschaft Nidau zugehörig definiert wurde. Es waren also Rechte, die unabhängig von Königsfelden vergeben wurden. Siehe U.17/ 0509, 2. März 1417. 172 Eine Ausnahme könnte eine Papstbulle darstellen, die nicht überliefert wurde: Im Kopialbuch von 1500 findet sich die Abschrift einer Urkunde Martins V. von 1418, in der er den Propst von St. Verena mit der Rückführung entfremdeter Güter beauftragte. Um welchen Besitz es sich handelt, wird nicht ausgeführt. Weshalb das Stück verloren ging, ist ebenfalls nicht zu ermitteln. StAAG AA/ 0429, fol. 18v-19r. 173 Siehe dazu unten S. 195. 174 W EHRLI -J OHNS , Leben, S. 79-81 und S. 86. 84 <?page no="84"?> ben werden können, waren die Franziskaner wohl nur sehr begrenzt an der Produktion von Schriftstücken beteiligt. Das hängt weniger mit fehlenden Kompetenzen zusammen, 175 sondern damit, dass sie nicht mit der Verwaltung von Besitz betraut waren. Die Fragmente der Jahrzeitenlisten zeugen davon, dass sie mit Schrift umzugehen wussten. Zu Beginn des Jahrhunderts deuten jedoch eine Serie von Dokumenten und die Anlage sowohl einer eigenen Notizschicht auf Dokumentenrückseiten als auch eines eigenen Kopialbuchs auf ein erwachtes Interesse an Einzelblattdokumenten und deren Ordnung. 176 Eine Erklärung für die Ordnung der Dokumente im franziskanischen Konvent liegt wohl in der Konkurrenz zwischen den beiden Konventen, die vereinzelt in den Dokumenten durchschimmert. Ein Fall von um 1400, der nicht zuletzt für den generellen Umgang mit Dokumenten aussagekräftig ist, betrifft die Auseinandersetzung der Franziskaner mit Peter Amman, einem Bürger Badens, der Zinsen für einen Hof in Siggingen (in Untersiggenthal) abgeben sollte. 177 Beim Prozess vor dem Landvogt, Johann von Lupfen, argumentiert Ammann nicht gegen den vom Guardian vorgelegten obgeschriben brief. 178 Beim «gesiegelten Brief» handelt es sich um eine Urkunde Herzog Albrechts II., der den Hof zur Finanzierung von Gedenkleistungen an ihn und seine Schwester, Elisabeth von Lothringen, gestiftet hatte. 179 Die in diesem Dokument vermerkte Abgabenhöhe wird im Urteilsspruch übernommen und wurde wohl tatsächlich bei der Gerichtsverhandlung vorgelegt. Peter Amman war dies anscheinend bewusst, weswegen er und sein (ungenannter) Fürsprecher eine andere Taktik verfolgten. Die Partei argumentierte stattdessen, dass dem Vater des Vorgängers auf dem Sigginger Hof die Abgaben durch die Klarissen erlassen worden waren. 180 Interessant ist des Weiteren die Entscheidung des Gerichts: Zwar wurde dem klagenden Guardian grundsätzlich recht gegeben und die Zinsen wurden als geschuldet erklärt. Dennoch blieb Peter Amman die Möglichkeit, weiter dagegen vorzugehen, indem er entweder ein Schriftstück vorlegen könne, das beweist, dass die jährlichen Zinsen nicht mehr geschuldet seien, oder aber könne er auch siben erbern unusprochen mannen vorbringen, die bezeugen, dass die frowen Ruodi Meiger seligen dem alten sinen erben und nachkomen die gnad und den ablasse getan habn mit der herren willen nach der massen als vorgeß[chriben] stat. 181 Für beide Varianten wurde ihm eine Frist bis zum 2. Februar eingeräumt (also etwas mehr als vierzig Tage). An- 175 Die Franziskaner waren sicherlich in der Lage, selbst Schriftstücke herzustellen, wie die in Königsfelden auffindbaren Fragmente nahelegen: ebd., S. 82-85. 176 Zum Kopialbuch und der Dorsualnotizschicht siehe S. 195 und S. 201. 177 Ein weiterer Fall, der bereits von L ÜTHI behandelt wurde, ereignete sich um 1422 und handelt von Auseinandersetzungen um Zinsen. Der Konflikt mündete in eine Jahrzeitstiftung für Eggbrecht Brümsi, einen Kirchherr in Möhntal. Siehe L ÜTHI , Königsfelden, S. 195f. 178 U.17/ 0447, 18. Dez. 1400: dawider antwurte der vorgenante Peter Amman och mit sinem fürsprechen also was der obgeschribn brief den der Guardian gezöigt hette wiste dawider wolte er nicht reden, aber sich hette vor langen ziten gefüget daz die frowen von Küngesveld dem egen[an]ten Rüdin Meiger seligen dem alten wilend Rüdiger Meygers säligen vatter durch siner manigvaltigen dienst will ein sunder gnad und ablas getan hetten. 179 U.17/ 0166, 16. Okt. 1337. 180 StAAG U.17/ 0447, siehe auch Fußnote 178. 181 Beide Zitate aus ebd. 85 <?page no="85"?> sonsten, so die Feststellung, bleibe das vorgelegte Dokument gültig und die Zinsen geschuldet. Es sind vor allem zwei Punkte, die diesen Fall von Dokumentengebrauch wichtig machen: zum einen die formulierte Gleichwertigkeit von schriftlichem Dokument und Zeugenaussage von sieben Männern. Obwohl schriftliche Vermerke zu Besitzwechsel und teilweise auch Besitzverwaltung in den Gegenden des Aargaus bereits seit hundert Jahren etabliert waren, wurde die Verlässlichkeit von Menschen gleichwertig beziehungsweise sogar leicht höher eingeschätzt. Dies entspricht älteren Resultaten der Rechtsgeschichte, die die Beweiskraft der Zeugen über jene von Briefen stellten. 182 Zum anderen fällt die Bezugnahme Ammans auf die Klarissen auf. Obwohl ihm das Dokument Albrechts offensichtlich bekannt oder zumindest gleichgültig war, bezog er sich dennoch auf eine Zinsbefreiung durch die Klarissen. Albrechts Stiftungsanordnungen im Dokument von 1337 sind jedoch eindeutig und dienten der Schaffung einer Priesterpfründe (der Priester musste insbesondere lesen und singen können). 183 Die Abgaben waren also nicht an die Klarissen, sondern an die oder gar an einen speziellen Minderbruder zu richten. Dennoch ist der Appell an die Kontrolle der Klarissen naheliegend, da diese den größten Teil der Einnahmen und Besitzungen innehatten. Um 1400 hatten sie, erst temporär, später langfristig, das gesamte Eigenamt inne. Amman scheint die beiden Konvente gegeneinander ausgespielt zu haben, um selbst keine oder geringere Abgaben abliefern zu müssen. Weder die Äbtissin noch einer ihrer Verwalter erschien an der Verhandlung, obwohl die Präsenz von Hofmeistern oder Pflegern an Gerichtsprozessen zu der Zeit der Normallfall war. Dies zeugt von einer mindestens formalen Trennung zwischen den Angelegenheiten der Franziskaner und der Klarissen. 184 Entsprechend musste im Konflikt klar sein, welcher Teil Königsfeldens involviert war, was Ammann im vorliegenden Falls ausnutzen wollte. Die Parallelität von Zeugenaussagen und schriftlichem Dokument spricht nebst der nur partiellen Durchdringung der Rechtsprozesse mit Schriftlichkeit dafür, dass Abgaben und Abgabenhöhen immer verhandelbar blieben. Dem zu Gericht sitzenden Landvogt muss diese Verhandelbarkeit bewusst gewesen sein. Insbesondere im Fall von Missernten waren Nachlässe üblich. 182 Siehe allgemein M ATHIAS S CHMOECKEL , Dokumentalität: der Urkundenbeweis als heimliche «regina probationum» im Gemeinen Recht, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte: Kanonistische Abteilung 96 (2010), S. 186-225 und nach J EAN -P HILIPPE L ÉVY , La hiérarchie des preuves dans le droit savant du moyen-âge depuis la Renaissance du Droit Romain jusqu’à la fin du XIVe siècle, Annales de l’Université de Lyon. Série 3. Droit fasc. 5, Paris 1939. Dazu im Widerspruch ist Y VES M AUSEN , Veritatis adiutor: la procédure du témoignage dans le droit savant et la pratique française (XII e -XIV e siècles), 2006, wo ein ausgeglicheneres Verhältnis postuliert wird. Aus historischer Perspektive siehe den Sammelband T HELMA S. F ENSTER und D ANIEL L ORD S MAIL , Hrsg., Fama. The Politics of Talk and Reputation in Medieval Europe, Ithaca, NY 2003. 183 Siehe StAAG U.17/ 0166: der lest und singe künne minre bruoder ordens. 184 Die Unterscheidung zwischen Hofmeister und Pfleger ist nicht einfach und wahrscheinlich kann um 1400 noch nicht von einer ausdifferenzierten Verwaltungsstruktur ausgegangen werden, sodass beide Ämter nicht trennscharf unterschieden werden können. Beispiele für Hofmeister vor Gericht: U.17/ 0400, 17. Jan. 1382, U.17/ 0452, 15. Jan. 1403, StAAG U.17/ 0530, U.17/ 0560, 9. Juli 1428. Zu Hofmeister siehe unten ab S. 91. 86 <?page no="86"?> Ob es sich hierbei gar um das Aufeinanderprallen von unterschiedlichen Arten des Dokumentenverständnisses handelt, wie bereits für andere Stücke (etwa Weistümer) postuliert, 185 ist eher zu verneinen, da der Urkundentext vom Angeklagten nie in Frage gestellt wurde. Auch bestritt dieser nicht, dass das Dokument falsch interpretiert wurde. Im Gegenteil, handelt es sich mehr um eine Erweiterung des Verhandlungsspielraums, der weiter ging, als dass es die Buchstaben auf dem Pergament vermuten lassen würden. 186 Der Aufbewahrungsort der Urkunde Albrechts II. ist schwer festzulegen. Nach dem Inhalt zu schließen, ist von einer Aufbewahrung im Franziskanerkonvent auszugehen. Eine Dorsualschicht des frühen 15. Jahrhunderts spricht tendenziell jedoch eher für den Klarissenkonvent. 187 Mit Sicherheit lag dagegen der Urteilsspruch von 1400 bei den Franziskanern, welcher von jener Hand auf der Rückseite beschriftet wurde, die im Kopialbuch der Brüder zu finden ist. 188 Dennoch zeigt sich, dass auch das vorgenannte Dokument von 1337 aufgefunden werden konnte und für den Prozess verfügbar war. Um die Ordnung der Schriften des Konvents kann es demnach nicht so schlecht bestellt gewesen sein. 189 Die diversen durch die Franziskaner produzierten Schriftstücke zeigen nicht nur auf ein erhöhtes Interesse an den Verwaltungsschriftstücken, sondern auch darauf, dass der Konvent zumindest zukünftig selbst seine Schriftstücke nutzen und verwalten wollte. Die verlorene Urkunde Sigmunds Nach der Eroberung des Aargaus bemühten sich nicht nur die eroberten Städte möglichst schnell ihre Freiheiten bestätigt zu bekommen. 190 Auch Klöster gelangten mit dem Ansinnen an den König, ihre althergebrachten Privilegien versichern zu lassen. Im Gegensatz zu den Städten wartete Königsfelden jedoch länger ab (oder aber wurde länger hingehalten). Erst im Februar 1417, knapp 18 Monate nach der Eroberung, bestätigte König Sigmund dem Kloster seine Rechte. Sigmund berief sich bei der Bestätigung auf sein königliches Recht, nach dem er für das Wohl seiner Untertanen, insbesondere der Kirchen und Klöster, zustän- 185 Als Dichotomie formuliert in T EUSCHER , Document. T EUSCHER demonstriert, dass im Spätmittelalter nicht ein Wandel vom mündlichen zum schriftlichen, sondern vom Dokumentengebrauch im Kontext des sozialen Gefüges zum Gebrauch als Text stattfand, siehe ebd., S. 225f. 186 Entsprechend der beschriebenen Praxis wurde an der Schwelle zum 15. Jahrhundert durch Königsfelden (und auch anderswo) begonnen, Kundschaften aufzunehmen. Siehe etwa: U.17/ 0841, 15. Okt. 1397; in Kopialbücher aufgenommen, datiert auf 23. Mai 1402: AA/ 0446, fol. 106v-107r (KB Waldshut), Kundschaftsaufnahme von Friedrich Hatinger und Hensli Swerin betreffend Roggenzins in Waldshut; datiert auf 1401: AA/ 0430, fol. 268r (KB III), Kundschaftsaussage Hans Zimbermann betreffend die Eichkornzelg, Altenburg. Zu Weistümern und Kundschaften in Königsfelden (mit kurzem Forschungsabriss) siehe unten S. 207. Die frühen Weistümer werden in dieser Arbeit nicht weiter behandelt. 187 Eine Notiz scheint zur Schicht von 1408 zu gehören. Siehe unten S. 146. 188 Zur Schicht und zum Kopialbuch siehe unten S. 195. 189 Falls die Franziskaner die Urkunde aufbewahrten, ist dies aufgrund der verhältnismässig wenigen Dokumente nicht verwunderlich. Andererseits ist der Punkt nur sehr beschränkt tragfähig, da wie angesprochen von hohen Verlustraten in der Dokumentensammlung des franziskanischen Konvents ausgegangen werden muss. 190 Zu den aargauischen Kleinstädten, siehe B RUN , Schrift, S. 53-96. 87 <?page no="87"?> dig sei. 191 In der Urkunde für Königsfelden werden sowohl die Klarissen als auch die Franziskaner angesprochen und ihnen alle Privilegien und Freiheiten bestätigt, die sie von jeglichen Personen innehatten. Sigmund vermied dabei Anspielungen auf habsburgische Persönlichkeiten. Offensichtlich wurde auch keine Urkunde zur Vorlage genommen, die bereits in Königsfelden existierte; dennoch finden sich beachtenswerte Parallelen. Wichtig aus Überlieferungsperspektive ist, dass das Stück nicht als Einzelblattdokument vorhanden ist, sondern nur als Kopie im Kopialbuch von 1480 (KB II) in Königsfelden die Zeit überdauerte. Beim Stück handelt es sich um die einzige Bestätigung von weltlichen Herrschern, die nur kopial überliefert wurde. Im Gegensatz dazu steht eine Unzahl von habsburgischen Schriftstücken aus dem 14. und 15. Jahrhundert, die mit Siegel und auf Pergament, also als Einzelblattdokumente, aufbewahrt wurden. Aus habsburgischer Perspektive ist die Figur König Sigmunds interessant. Bis zu seiner Wahl 1410/ 11 und teilweise auch darüber hinaus galt neben Sigmund auch der Habsburger Friedrich IV. als Anwärter auf den Thron. Im Reich und vielleicht auch innerhalb der eigenen Familie war Friedrich jedoch kein valabler Kandidat, weshalb Sigmund vorgezogen wurde. 192 Was nach der Wahl blieb, war eine Konkurrenzsituation zwischen Friedrich und Sigmund. Verstärkt wurde diese durch die Verbindung Friedrichs mit Venedig, während Sigmund als Unterstützer Genuas wirkte. Die Flucht von Papst Johannes aus Konstanz unter Mithilfe Friedrichs könnte dementsprechend das Resultat einer bewusst geschürten Panikmache sein, die auch gegen Friedrich gerichtet war und seinen Einfluss einzudämmen suchte. Ist es vor dem Hintergrund der Ausrichtung Königsfeldens auf Habsburg möglich, dass König Sigmunds Dokument nur solange im Kloster aufbewahrt wurde, bis es nicht mehr benötigt wurde? Eine Abschrift von 1480 passt nur bedingt zu dieser Interpretation, denn bereits 1441, noch bevor König Friedrich III. Königsfelden 1442 im Rahmen seiner Krönungsreise besuchte, 193 bestätigte er ausführlich die Rechte und Privilegien Königsfeldens. Wahrscheinlicher ist daher, dass das Dokument erst im Zuge der Auflösung der Konvente durch Bern zerstört wurde. 194 Friedrich III. und die Bestätigung der Freiheiten Mehr als hundert Jahre nachdem Albrecht bei Windisch erschlagen worden war und sein Sohn Friedrich (der Schöne) auf den Thron verzichtet hatte, errang mit Friedrich V. (in der Herzogszählung) wieder ein Mann aus dem Haus Habsburg die Krone des Reiches. Als König und Kaiser ist er als Friedrich III. bekannt, weshalb diese Bezeichnung verwendet wird. Die Wertung seines Königtums ist ähnlich umstritten wie das Herzogtum seines Onkels Friedrich IV. Die ältere Forschung nannte ihn 191 StAAG AA/ 0429, fol. 72r-73r. 192 Einzig ein Städteverband im direkten Umfeld Friedrichs unterstützte seine Kandidatur als König, siehe W ILHELM B AUM , Die Habsburger in den Vorlanden 1386 -1486: Krise und Höhepunkt der habsburgischen Machtstellung in Schwaben am Ausgang des Mittelalters, Wien 1993, S. 109f. Bezüglich der Situation in den Vorlanden siehe T OBIAS H ODEL , Die Beschwerdeschriften von 1411: Pragmatisches Schriftgut in den habsburgischen Vorlanden. Unveröffentlichte Lizentiatsarbeit der Universität Zürich, Zürich, 2010, S. 15f. 193 Zur Krönungsreise und dessen Rezeption siehe unten ab S. 97 und H ODEL , Mord, S. 46. 194 Siehe dazu unten, S. 252. 88 <?page no="88"?> einen Zauderer oder gar «Erzschlafmütze», 195 später wurde ihm unterstellt, dass seine Macht nur in der Ausstellung von Papieren bestand. 196 Bei aller Kritik an seiner Person gilt es zu betonen, dass nach Friedrich die Königswürde für fast 500 Jahre im Haus Habsburg verblieb. Bereits im zweiten Jahr seiner Herrschaft (1441) gelangten die Klarissen aus Königsfelden an den König. Worauf er dem von seinen Vorfahren gestifteten und ausgestatteten Kloster alle Rechte und Privilegien bestätigte. Er tat dies jedoch nicht wie seine Vorfahren einzig mittels einer kurzen Urkunde, wie es in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts üblich geworden war. 197 Er ließ ein Vidimus einer Urkunde von 1321 anfertigen und zusätzlich erweitern. 198 Bei der Urkunde von 1321 handelt es sich um die zweite Ausstellung der Zusprache von Privilegien (unter anderem den Kirchensatz Staufen und den Rheinfelderhof in Balgau) durch die Söhne Albrechts I, die 1314 bereits erstmalig erfolgt war. 199 Das einzig neue an der Urkunde von 1321 im Vergleich zur ersten Zusprache der Kirchensätze (von 1314) ist die Bezeichnung Friedrichs (des Schönen) als von Gotes gnaden römscher kûnig allezit ein merer dez riches. 200 Genau dieselbe Titulierung verwendete mehr als hundert Jahre später Friedrich III. 201 Gezielt hatte der König oder die Klarissen eine Urkunde zur Bestätigung gewählt, die von einem (indirekten) Vorfahren stammte, der denselben Namen und Titel trug. Die vidimierten Rechte und Besitzungen waren zwar alle noch immer unter Kontrolle Königsfeldens, jedoch waren in der Zwischenzeit viele weitere dazu gekommen und die Zahl der Franziskaner entsprach schon lange nicht mehr der in der Urkunde von 1321 festgesetzten sechs, sondern war durch Pfründenstiftung auf zwölf erweitert worden. Wohl nicht zuletzt aus diesem Grund wurde das Schriftstück von 1441 um einige Passagen ergänzt, die ausdrücklich alle Privilegien und Rechte einschlossen, die das Kloster jemals besessen habe. Angemahnt wird dabei zudem, dass auch Privilegien und Privilegienbestätigungen weiterhin Gültigkeit hätten, die Königsfelden von andern fursten und herren redlich erworben habe. 202 Überhaupt scheint es, dass die Freiheiten des Klosters bekannt waren, findet sich doch im Vidimus Friedrichs eine Strafandrohung, die erstmals 1360 in einer Freiheitenbestätigung Rudolfs IV. im Königsfelder Schriftgut auftauchte: Als Strafe für Vergehen gegen das Kloster wurde darin eine Busse von 50 Gulden angesetzt, die 195 Nach G ABRIELE A NNAS , Kaiser Friedrich III. und das Reich: Der Tag zu Wiener Neustadt im Frühjahr 1455, in: König und Kanzlist, Kaiser und Papst: Friedrich III. und Enea Silvio Piccolomini in Wiener Neustadt, hrsg. von P AUL -J OACHIM H EINIG , M ARTIN W AGENDOR - FER und F RANZ F UCHS , Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters 32, Wien 2013, S. 121-150, S. 421. 196 P AUL -J OACHIM H EINIG , Kaiser Friedrich III. (1440-1493): Hof, Regierung und Politik, Köln 1997. 197 Siehe etwa StAAG U.17/ 0084; StAAG U.17/ 0107. 198 Bei der vidimierten Urkunde handelt es sich um U.17/ 0070, 15. Jan. 1321. 199 StAAG U.17/ 0036. 200 StAAG U.17/ 0070, erste Zeile. 201 Analog dazu lehnte sich schon ein anderer Friedrich (Sohn Herzog Ottos) 1344 an seinen königlichen Vorfahren und Vetter an, indem er Teile der Freiheitenbestätigung übernahm und eine eigene Bestätigung daraus anfertigte. Siehe StAAG U.17/ 0203. 202 U.17/ 0614, 7. Aug. 1441, Zeile 27. Zum Verhältnis zwischen Friedrich III. und Königsfelden siehe auch W EHRLI -J OHNS , Leben, S. 86f. 89 <?page no="89"?> zur Hälfte der Kasse des Fürsten und zur Hälfte dem Kloster zukommen sollte. 203 Sowohl Sigmund (Freiheitsbestätigung von 1417) als auch Friedrich III. hatten die Strafandrohung übernommen. Insgesamt zeigt sich, dass ganz bewusst ausgewählt wurde, welche Inhalte aus früheren Bestätigungen übernommen wurden. Dem Prozess der Ausfertigung der Urkunden muss also eine Sichtung der älteren Dokumente vorausgegangen sein, wobei unklar bleibt, ob Empfänger (Königsfelden) oder Aussteller (Herzoge, König) dafür verantwortlich waren. 204 Niklaus Fricker: Ein Hofmeister in Königsfelden Noch während der Amtszeit der Äbtissin Elisabeth von Leiningen tauchte im nahen Brugg Niklaus Fricker auf. Innert kürzester Zeit machte Fricker in der Region Karriere: die Verwaltung Bruggs und Königsfeldens, aber auch die urkundliche Überlieferung zeigen deutliche Spuren Frickers. Seine Arbeit und Umtriebigkeit muss von hoher Qualität gewesen sein und ihm ein hohes Ansehen eingebracht haben. Dadurch wurde die bernische Obrigkeit auf ihn aufmerksam. 1458 wurde er ins Zentrum des Stadtstaats berufen, wo er und vor allem sein Sohn nicht nur Karriere machten, sondern die Verwaltung auf neue Pfeiler stellten. Das Wirken von Vater und Sohn Fricker in Bern ist gut dokumentiert und begründete die bernische Stadtverwaltung, wie sie bis 1798 weitgehend Bestand hatte. 205 Niklaus blieb jeweils nur für kurze Zeit, dafür wiederholt, in Bern, obwohl er in den Rat gewählt wurde. Dazwischen und danach hielt er sich in Brugg und damit im Umfeld Königsfeldens auf. Fricker wurde wohl in Basel ausgebildet, er nutzte seine Ausbildung, um in den Dienst von Brugg, Königsfelden und später Bern zu treten. Bis 1448 war er als Schulmeister und Stadtschreiber in Brugg tätig. Danach wurde er Schultheiss und später Hofmeister in Königsfelden. Ob und wie sich die beiden Ämter parallel ausüben ließen, kann nicht beantwortet werden; die ältere Forschung geht von einer strikten Trennung aus, was jedoch insbesondere für Übergangszeiten nicht mit Sicherheit nachgewiesen werden kann. 206 Ab 1458 war er ein erstes Mal als Stadtschreiber in Bern, kehrte aber bereits 1460 nach Brugg zurück und übernahm erneut das Schultheissenamt. Zwischen 1465 und 1470 war er ein zweites Mal als Stadtschreiber in Bern tätig und krempelte mit seinem Sohn, Thüring, die gesamte Verwaltung um. Mehrfach gehörte Fricker zu den Tagsatzungsgesandtschaften der Stadt. 207 Die Beurteilung seiner Rolle für die bernische Verwaltung fällt zwar positiv aus, doch 203 StAAG U.17/ 0306. 204 Ausgestellt wurde das Dokument durch die Kanzlei Friedrichs III., da sich ein Vermerk seiner Kanzlei auf der Plica der Urkunde findet. Es wird ein Conradus in der Kanzlei vermerkt. 205 S TUDER I MMENHAUSER , Verwaltung, S. 84-92 und U RS M ARTIN Z AHND , Die Bildungsverhältnisse in den bernischen Ratsgeschlechtern im ausgehenden Mittelalter. Verbreitung, Charakter und Funktion der Bildung in der politischen Führungsschicht einer spätmittelalterlichen Stadt, Bern 1979, S. 197f. 206 Siehe M AX B ANHOLZER , Geschichte der Stadt Brugg im 15. und 16. Jahrhundert: Gestalt und Wandlung einer schweizerischen Kleinstadt, in: Argovia. Jahresschrift der Historischen Gesellschaft des Kantons Aargau 73 (1961), S. 5-320, DOI : 10 . 5169 / seals - 66064, URL : http: / / dx.doi.org/ 10.5169/ seals- 66064, S. 76. Außer bei Fricker zeigt sich die Doppelung jedoch nirgends. 207 So in den Jahren 1460, 1464 und 1470. Nach: Z AHND , Bildungsverhältnisse, S. 198. 90 <?page no="90"?> blieb der Vater stets im Schatten des Sohnes, Thüring, dem - wohl nicht ganz zu Recht - ungleich größere Innovationskraft zugeschrieben wird. 208 Niklaus kehrte 1470 nach Brugg zurück, wo er mehrere Stiftungen in der Stadtkirche einrichtete und knapp zwanzig Jahre später verstarb. 209 Seine Karriere machte Niklaus nicht nur zum Schultheissen Bruggs und Stadtschreiber Berns, sondern ließ ihn auch auf die Belange des reich begüterten Klosters Königsfelden Einfluss nehmen. Im Gegensatz zu seiner Zeit in Bern ist über das Wirken Niklaus Frickers in Königsfelden wenig bekannt. Insbesondere die administrativen Verfahren und Techniken, die ihm zugeschrieben werden, zeugen aber von Innovationen. Damit lässt sich zeigen, wie in der Mitte des 15. Jahrhunderts das Kloster seine Administration verfeinern musste, um vor dem Hintergrund des stärker werdenden Einflusses Berns und den Ressourcenkämpfen vor Ort wirtschaftlich eigenständig und erfolgreich zu bleiben. Fricker als reinen Verwaltungsbeamten zu sehen, greift dabei jedoch viel zu kurz. Er wurde in Basel ungefährt zur Zeit des Konzils (1431-1449) ausgebildet und hätte wohl das Rüstzeug zum Kleriker mitgebracht. Gleichzeitig verstand er sich als Notar mit eigenem Zeichen, was in der Region des Oberrheins eher ungewöhnlich war. Das Selbstverständnis des vielseitigen und umtriebigen Mannes ging weit über eine Tätigkeit als Beamteter hinaus. Wie die Klarissen war er auch in das geistliche Leben der Konvente involviert und Teil der sogenannten «Mariengesellschaft» (auch «Muttergottesbruderschaft» genannt), einer Königsfelder Verbrüderungsbewegung ab 1471. 210 Der Einfluss Frickers lässt sich auch an seinem Einsatz als Amtmann für andere Herren nachweisen. Er betätigte sich nicht nur für Königsfelden, sondern auch für die Herren von Baldegg nördlich der Aare in der Herrschaft Schenkenberg. Fricker gehört, wenn auch viel weniger beachtet als Agnes von Ungarn oder Elisabeth von Leiningen, zu den Personen, die Königsfelden bis zur Reformation zu großer Unabhängigkeit verhalfen. Die regelmäßige und gut lesbare Hand Frickers findet sich vorwiegend auf Dokumenten aus der Zeit zwischen 1450 und 1480. 211 Zum Zeitpunkt seiner Einsetzung stand Königsfelden einer unsicheren Zukunft gegenüber, weshalb die Berufung eines erfahrenen Schultheissen zum Hofmeister durchaus Sinn ergab. Hofmeister: Rolle und Wandel eines Begriffs Niklaus Fricker wird als «Hofmeister» des Klarissenkonvents Königsfelden bezeichnet. Der Begriff ist jedoch im klösterlichen Umfeld wenig verbreitet, weshalb ein kurzer Exkurs zur Klärung notwendig ist. 212 208 Siehe S TUDER I MMENHAUSER , Verwaltung, S. 84f. mit Lebensskizze Frickers. Bern folgte in der Berufung Frickers der Tradition Luzerns, wonach im 14. und beginnenden 15. Jahrhundert regelmäßig Schreiber aus dem habsburgischen Raum berufen wurden. Siehe K ONRAD W ANNER , Schreiber, Chronisten und Frühhumanisten in der Luzerner Stadtkanzlei des 15. Jahrhunderts, in: Jahrbuch der Historischen Gesellschaft Luzern 18 (2000), S. 2-44, insbesondere S. 4f. 209 Siehe B ANHOLZER , Geschichte, S. 76. 210 Siehe W EHRLI -J OHNS , Leben, S. 88 und B ANHOLZER , Geschichte, S. 180. 211 Zur Hand Frickers siehe die Beschreibung in Fußnote 226. 212 Siehe auch für den ganzen Abschnitt H ODEL , Region, S. 116f. 91 <?page no="91"?> Üblicherweise wurden Klöster von Schaffnern oder sogenannten «Pflegern» verwaltet. 213 Diese Personen befanden sich häufig in einem Untertanenverhältnis zu den Herren und Damen im Kloster. Die Bezeichnung «Hofmeister» fand dagegen stärker im herrschaftlich-höfischen Kontext Verwendung und war für Vertraute von Herzogen oder (seltener) Grafen vorgesehen. Die Vertrauten selbst wurden häufig aus dem Ritteradel rekrutiert. Wie bis weit in die Frühe Neuzeit üblich, war die Bezeichnung am Hof nur bedingt mit der Übernahme eines fixierten Amtes gleichzusetzen, häufig wurden mehrere Titel geführt und Abgrenzungen individuell hergestellt. 214 Daher ist es gut möglich, dass es sich beim Begriff «Hofmeister» um die Übernahme eines Titels aus dem habsburgischen Milieu handelt. Der Titel lässt sich ein erstes Mal im Umfeld von Agnes nachweisen. 215 Wie eine frühe Stiftungsurkunde von 1314 verdeutlicht, war das Amt zu diesem Zeitpunkt noch nicht geplant. 216 Dort ist noch die Rede von phlaeger, die die Niedere Gerichtsbarkeit für das Kloster ausüben sollten. 217 Die Rolle des Schaffners passt in ein System, das einen Gerichtsvogt (advocatus) als Angestellten der Klosters vorsah, während die Verteidigung der Rechte (defensio) von Adligen ausgeübt wurde. 218 Ein solches System war in Königsfelden zwar angedacht, wie etwa die Urkunde von 1314 zeigt. Spätestens ab den 1360er Jahren wurde es jedoch unterlaufen, wohl nicht zuletzt aufgrund der Präsenz von Agnes von Ungarn. Erst mit Fricker wurde dem Amt eine stärkere Kontur gegeben, auch wenn er parallel als Schultheissen in Brugg und Schreiber in Schenkenberg amtete. Als Hofmeister machte er in jeder Situation deutlich, im Dienst der Klarissen zu stehen und selbst keine Befehlsgewalt über die Konvente zu haben. Und unabhängig von den ausstellenden Institutionen in den Dokumenten fällt auf, dass Fricker stets die Per- 213 Die Begriffe «Schaffner» und «Pfleger» finden sich daher in Königsfelden, sie waren jedoch vorwiegend für wirtschaftliche Belange, meist nur für kleinere Höfe oder Teile der Klosterherrschaft zuständig. Die Hofmeister dagegen vertraten das Kloster in wichtigen Angelegenheiten nach außen. Häufig waren sie nicht adlig. Die Nähe zu klerikalen Würdenträgern, insbesondere Johann von Brixen, und den Herzogen von Habsburg ermöglichten den Klarissen auch nach dem Tod von Agnes noch eine große Eigenständigkeit und damit die Berufung von selbstgewählten Hofmeistern. Zu Beginn des 15. Jahrhunderts verwischte der Begriff des Hofmeisters. So wurde Achatz von Esel zwar «Hofmeister» genannt, übernahm jedoch faktisch die Aufgabe eines Schaffners in Waldshut - anders im Fall des Ulman Gernas, der ähnliche Kompetenzen in Waldshut hatte, jedoch immer «Schaffner» genannt wurde. 214 Die Rolle Frickers als Hofmeisters sollte diesbezüglich keine Ausnahme darstellen. Siehe einführend A NJA K IRCHER -K ANNEMANN , Diener an deutschen Höfen, Hof und Ordnung, 18. Jan. 2015, URL : http: / / hofordnung.hypotheses.org/ 46. 215 U.17/ 0260, 18. Juli 1355, U.17/ 0276, 22. Feb. 1357, U.17/ 0282, 12. Sep. 1358, U.17/ 0286, 5. März 1359, U.17/ 0295, 6. Dez. 1359, U.17/ 0310, 13. Dez. 1361, U.17/ 0327, 30. Mai 1364. Die Nachweise beziehen sich alle auf dieselbe Person, Walther der Hofmeister, unter Umständen entstammt der Titel aus der Benennung dieses Amtmanns. 216 StAAG U.17/ 0036. 217 Siehe die Edition M ERZ , SSRQ AG II/ 2, S. 10: Ez sol auoch auf des vorgenanten chlosters guet dehain rihter gwalt noh gerihte haben, und swaz sache auch dem selben guetauf erstent, di sullen des chlosters phlegaer hoeren und rihten an alein di sache, di an den toet get, di sol der lantrihter. 218 Für die Cluniazienser in Romainmôtier beschrieben in E RNST T REMP , Feudale Gebärden im Spätmittelalter, in: Fälschungen im Mittelalter: internationaler Kongreß der Monumenta Germaniae Historica, München, 16.-19. September 1986., hrsg. von M ONUMENTA G ERMANIAE H ISTORICA , Bd. 3, 1988, S. 675-710, S. 677. 92 <?page no="92"?> sonalpronomen auf Königsfelden ausrichtete. 219 Seine Beziehung zu Königsfelden personalisierte er in der Schriftform selbst. Bis zu Beginn des 16. Jahrhunderts lässt sich weiterhin kein Einfluss von Seiten Berns auf die Hofmeister feststellen. Erst als die Auflösung des Klarissenkonvents konkreter wurde und ein von den Klarissen berufener Hofmeister freiwillig das Amt niederlegte, ergriff Bern seine Chance und entsandte einen eigenen Hofmeister, der in der Folge die Franziskaner und vorwiegend die Klarissen kontrollierte. Wirklich wichtig wurde der Titel erst nach Auflösung des Klosters. Die Nomenklatur wurde beibehalten für den höchsten Vertreter Berns im Lande, eine Position, die in anderen Herrschaften als «Landvogt» bezeichnet wurde. In der Liste der Hofmeister, die erst nach der Auflösung konsequent nachverfolgt werden kann, lassen sich ab Ende des 16. Jahrhunderts die herrschenden Geschlechter des Stadtstaates identifizieren. 220 Sie zeigten ihre Macht und Wirkung, indem sie ihre Wappen in den umliegenden Kirchen anbrachten oder sich im Kloster beerdigen und Grabsteine anfertigen ließen. 221 Für das 15. Jahrhundert bleibt zu konstatieren, dass der Begriff «Hofmeister» wenig gefestigt und nur bedingt umrissen war. Fricker nutzte denn auch als erster und während längerer Zeit den Titel «Alt-Hofmeister», um im Dienst des Klosters, aber auch für sich selbst weiter zu wirken. Die Administration Frickers Die Arbeit Frickers ist geradezu typisch für einen Administrator des Spätmittelalters. 222 Er stammte zwar nicht aus der Oberschicht, wie dies für Administratoren zu Beginn des Hochmittelalters noch üblich war, jedoch war seine Familie begütert genug, um ihm eine Ausbildung an einer Stiftsschule zu ermöglichen. Seine Tätigkeiten als Schreiber und Administrator sind denn auch nicht zu trennen. Fricker nutzte seinen Einfluss, den er als omnipräsenter Schreiber erhielt, um für sich und die Seinen aktiv zu werden und gleichzeitig die Administration zu stärken. Fricker entstammte wohl einer Schreiberfamilie, die bereits seit mehreren Generationen in und um Brugg ansässig war und zu welcher neben Schreibern auch (zumindest dem Namen nach) Personen zählten, die Gewerbe trieben oder Bauern waren und vom Aufstieg Niklaus Frickers profitierten. Niklaus Fricker wird mit Johann Fricker in Verbindung gebracht, der als Stadtschreiber Luzerns amtete (1360-1378) und 1384 in Brugg verstarb. 223 Teilweise wird gar über eine Verbindung Frickers zum 219 So ist in einer Kaufurkunde eines Teils des Fahrs und der Fischenz in Stilli, das die Äbtissin Agnes (Gräfin von Sulz) an die Klarissen verkaufte, von minen gnedigen Frowen die Rede, wenn der Konvent in Königsfelden gemeint war, U.17/ 0732, 21. Mai 1465. Die Urkunde wurde im Namen Hans Waebers ausgestellt, der für die Äbtissin von Säckingen amtete. 220 Zu den Hofmeistern ab dem 16. Jahrhundert siehe R AUSCHERT , Landvogteisitz, S. 178-180. Eine Liste der Hofmeister findet sich in: K OPRIO , Hofmeister, eine überarbeitete Version durch Jeannette Rauscher (StAAG) ist in Vorbereitung. 221 Siehe beispielsweise die Kanzel der Kirche in Staufen: M ICHAEL S TETTLER , Die Kunstdenkmäler des Kantons Aargau. Band 2: Die Bezirke Lenzburg und Brugg, Die Kunstdenkmäler der Schweiz 29, Bern 1953, S. 224, Fußnote 4. 222 Zur Registratur und der Entwicklung der Kanzleien in Städten siehe D IRMEIER , Archive, S. 139-142. 223 Hier und in den folgenden Abschnitt nach Z AHND , Bildungsverhältnisse, S. 197f. Zu Johann Fricker in Luzern siehe auch: W ANNER , Schreiber, S. 4. Dem älteren Fricker wurde mit einer 93 <?page no="93"?> berühmten Schreiber Burkhard von Frick (alternativ geschrieben als von Vrick) spekuliert. Dieser soll zum einen für die Anlage des Habsburgischen Urbars verantwortlich gewesen sein, zum andern auch als Schreiber von Agnes von Ungarn gedient haben. 225 Die Hand Frickers ist ausgesprochen regelmäßig und weist einige typische Merkmale auf. Sie findet sich im Bestand Königsfelden auf mehr als fünfzig Dokumenten. Auch in Bern und in Brugg hinterließ Fricker etliche Schriftstücke. Seine Umtriebigkeit und vor allem seine Schaffenskraft ist selten für einen Schreiber des 15. Jahrhunderts. 226 Von den knapp 140 Dokumenten, die zwischen 1451 und 1474 für Königsfelden überliefert wurden, stammen um die sechzig (mehr als 40%) von Fricker. 227 Die Zeitspanne ergibt sich aus dem ersten Stück, ausgefertigt 1451, das von ihm überliefert wurde und einer Urkunde von 1474. 228 Dabei war Fricker nicht immer ausschließlich für das Kloster tätig. Bei diversen Dokumenten ist denn auch unklar, ob sie seiner Arbeit für die Stadt Brugg zugeschrieben werden können, oder jener für Königsfelden. Auch nach seiner Rückkehr aus Bern war er wieder im Auftrag des Schultheissen für Brugg tätig. Häufig finden sich unter den von Fricker verfassten Urkunden Stücke, die auf Wunsch Königsfeldens verfasst wurden. 229 Aber nicht immer ist ein Bezug zu den Konventen in Königsfelden fassbar. So nahm er Mannlehensübertragungen in Schinznach-Bad vor, die nichts mit der Herrschaft Königsfelden zu tun hatten und dennoch in der Insti- Jahrzeit in Königsfelden gedacht und mehrere Güter im Kopial- und Jahrzeitenzinsbuch der Franziskaner wurden ihm zugeschrieben. Siehe AA/ 0428a, Kopial- und Jahrzeitenzinsbuch des Franziskanerkonvents Königsfelden (1417), S. 13-15 (Jahrzeit) und S. 17f. (Kaufbrief). Keines der Dokumente ist im Original überliefert. Im Kaufbrief wird erwähnt, dass der Vater von Johann Fricker aus Schinznach stammte und den Namen Hans Fricker trug. 224 Datiert sind beide Dokumente auf 1378, dem Jahr der Rückkehr des vormaligen Stadtschreibers aus Luzern ins Eigenamt. 225 F RANZISKA H ÄLG -S TEFFEN , Habsburgisches Urbar, in: Historisches Lexikon der Schweiz, 10. Okt. 2007, URL : http : / / www. hls dhs dss . ch / textes / d / D8954 . php. Entsprechende Nachweise zu einem Frick finden sich zwar, ungesichert ist jedoch, ob es sich bei den Nennungen um ein- und dieselbe Person handelte. Falls mehrere Personen mit dem Namen vermischt werden, wäre nach den Beziehungen zu einander zu fragen. Noch unsicherer sind mögliche Verbindungen zwischen von Frick und Fricker, liegen doch fünfzig Jahre zwischen Burkhard und Johann. Denkbar ist eine Verbindung sicherlich, da Schreiber häufig ihre Söhne zu Schreibern ausbildeten. Marginal angedeutet in: K ERSTIN E LSTNER , 10. Schreiber und Kanzlisten, in: Kanzleisprachenforschung, Ein internationales Handbuch, hrsg. von J ÖRG M EIER , A RNE Z IEGLER und A LBRECHT G REULE , Berlin, Boston 2012, S. 119-130, DOI : 10.1515/ 9783110261882. 226 Als paläographisches Merkmal ist neben der Regelmäßigkeit, die enge Schrift zu nennen, die eine Stiftsschule nahelegt. Sein großes «i», mit schrägem Aufstrich, macht ihn unterscheidbar von ähnlichen Händen. Die Hauptarbeit der eindeutigen Identifikation Frickers hat Marius Gehrig übernommen, dessen Einsatz an dieser Stelle herzlich verdankt sei. 227 Eine Übersicht über die von ihm verfassten Dokumente findet sich zukünftig online: www. koenigsfelden.uzh.ch (digitale Edition Königsfelden). 228 Beim ersten Dokument handelt es sich um eine Angelegenheit zwischen dem Kloster und Leuten in Altenburg um Hofrechte (U.17/ 0648, 1. Juli 1451); involviert war auch ein Heini Fricker. Das letzte Dokument ist die Schlichtung einer Auseinandersetzung zwischen dem Guardian der Barfüßer und Hansen Wülfer (U.17/ 0769, 9. Feb. 1474), in der Fricker, Altstattschriber ze Bern, als Schiedsmann auftrat. 229 Unvollständig: U.17/ 0737, 7. Feb. 1466, U.17/ 0761, 31. Juli 1471 und StAAG U.17/ 0769. 94 <?page no="94"?> tution aufbewahrt wurden. 230 Gründe dafür lassen sich höchstens erschließen, vielleicht war die Aufbewahrung in der Stadt Brugg geplant und wurde vergessen, oder aber Bern kannte bis in die 1460er Jahre die Situation nur ungenügend und Königsfelden konnte gewisse Herrschaftsrechte mit Erfolg beanspruchen. Offensichtlich wird einzig die Nähe zwischen Brugg und Königsfelden in der Aufbewahrung von Dokumenten. Nicht nur inhaltlich zeigt sich bei den Frickerschen Dokumenten eine bemerkenswerte Spannweite, es eröffnet sich auch eine Vielzahl an Möglichkeiten, die augenscheinlich einem Schreiber offenstanden. Fricker bediente sich nicht nur fixer Urkundenformeln, sondern stellte gezielt das Urkundenformat um, etwa indem er die Datumszeile an den Anfang des Dokuments setzte. 231 Aber auch der Typ der Urkunde wurde, falls nötig, variiert, etwa indem ein Chirograph angelegt wurde. 232 Ebenso verfasste Fricker mehrere Urkunden, die nicht gesiegelt wurden, dafür jedoch sein Notarszeichen enthielten. Im Gegensatz zu den meisten Schreibern der Region war Fricker bischöflicher und königlicher Notar, mittels seines Zeichens beglaubigte er Abschriften und andere Dokumente - das Notarszeichen: eine Lilie, die über seinem eingerahmten Namen gezeichnet wurde, 233 Im Schatten Frickers machte ein anderer Hofmeister ebenfalls Karriere. Bereits die Auswertung der Netzwerke verortete Ulrich Ambühl nahe Fricker und attestierte ihm eine hohe Zentralität im Netzwerk des Hofmeisters. In den Dokumenten findet sich sein Name jedoch selten an wichtiger Stelle. Bei der Anlage des Zinsbuchs wird er wie Fricker auf der Titelseite genannt, dagegen produzierte er nicht in solchem Ausmaß Schriftstücke, wurde aber nichtsdestotrotz häufig in diesen als Zeuge oder Hofmeister genannt. Er amtete, wie zuvor Achatz von Esel und Ulman Gernas zeitweise in Waldshut, was zeigt, dass der Aufstieg in Königsfelden häufig über die Verwaltung der Geschäfte in Waldshut erfolgte. Fricker war der zentrale Administrator Königsfeldens im 15. Jahrhundert. Er war ein ausgezeichnet ausgebildeter Schreiber, der versiert die unterschiedlichen Schriftformen nutzte und auch sprachlich gut ausgebildet war. Er kann in Verwaltungs- 230 Mannlehensübertragung Fluman: U.17/ 0743, 1. Juni 1467; Mannlehensübertragung Luthernau: U.17/ 0744, 1. Juni 1467. 231 Siehe StAAG U.17/ 0737. 232 U.17/ 0709, 24. Juni 1459. Im Chirograph wird die Natur des Stücks selbst beschrieben: mit urkund dieser beyalzedel zwen von von[! ] wort ze Wort gleichtuend umeinander geschnitten und geben. 233 Im Bestand der Königsfelder Urkunden findet sich abgesehen vom Zeichen Frickers nur noch eine weitere Urkunde mit Notarszeichen. Das Zeichen wird in P ETER -J OHANNES S CHULER , Südwestdeutsche Notarszeichen. Mit einer Einleitung über die Geschichte des deutschen Notarszeichens, Sigmaringen 1976, 59, Tafel 28, Abbildung 161 nachgewiesen, jedoch aufgrund einer Urkunde aus dem Stadtarchiv Lenzburg fälschlicherweise auf 1401 datiert. Siehe Abbildung 2.5. Zu Notarszeichen siehe einführend A LFRED G AWLIK , Notarius, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 6, München und Zürich 1993, Sp. 1271-1272 und für den Raum des Oberrheins: S CHULER , Notarszeichen. Notarszeichen fanden nördlich der Alpen nur sporadisch Verwendung und sind vor dem 15. Jahrhundert insbesondere in ländlichen Gebieten selten fassbar. Dennoch finden sich erste Notare mit eigenen Zeichen bereits im späten 13. Jahrhundert. Viel früher, bereits ab dem 12. Jahrhundert, fanden die Zeichen (nach dem Verschwinden der Signums-Zeichen) in Urkunden in Italien, Frankreich und Spanien Verwendung. 95 <?page no="95"?> Abbildung 2.5: Notarszeichen von Niklaus Fricker, Ausschnitt aus: U.17/ 0669a, 11. Feb. 1454 r, datiert auf 11. Februar 1454. angelegenheiten als experimentierfreudig und innovativ beschrieben werden. Seine Orientierung ging über seine Heimatstadt Brugg hinaus sowohl Richtung habsburgische Herrschaften, aber auch nach Bern. Er nutzte jeweils passende Formen der Schrift, was wohl mit seiner guten Ausbildung in Basel, zur Zeit des Konzils, zusammenhängt. Von Königsfelden wurde er wohl ebenso bewusst ausgelesen wie danach von Bern. Anhand von Niklaus Fricker läßt sich aufzeigen, dass Innovationsschübe Mitte des 15. Jahrhunderts nicht mehr von Klöstern aus gingen, sondern durch gut ausgebildete Schreiber dorthin befördert wurden. Diese begannen in der näheren und weiteren Umgebung zu studieren und somit wurden neue Ideen in die Städte, die neuen Zentren der Herrschaft, aber auch in die Klöster getragen. In weiten Teilen des südlichen Reichs verbreitete sich im Laufe des 15. Jahrhunderts die Schriftlichkeit verstärkt. Neue Schriftguttypen wurden angelegt und allgemein bedienten sich mittlerweilen weite Bevölkerungsschichten der Schrift. 234 Königsfelden stellte in diesem Ausgreifen keine Ausnahme dar, kann aber schwerlich als Innovationsherd gelten. Der Einfluss des Klosters als klerikale Institution spiegelte sich in abnehmendem Maße in den schriftlichen Dokumenten. Dass mit Niklaus Fricker ein lokal Ansässiger umfassend in die Verwaltung Einfluss nehmen konnte, demonstriert, dass die nahen Städte zu Impulsgebern in administrativen Angelegenheiten wurden. Klöster hatten ihren Höhepunkt als Innovationszentren überschritten und waren durch die Universitäten abgelöst worden, 235 obwohl sie noch immer zu qualitativ hochwertigen Produkten fähig waren. Die mobilen Schreiber spielten dabei eine zentrale Rolle, da sie immer noch eng in Kontakt mit dem geistlichen Milieu verblieben und häufig dort ausgebildet wurden. Sie übernahmen danach relativ pragmatisch Schreibaufgaben in Städten oder für Klöster, damit wirkten sie als Innovationsmultiplikatoren, da sie zwischen den 234 H ANS P ATZE , Neue Typen des Geschäftsschriftgutes im 14. Jahrhundert, in: Der deutsche Territorialstaat im 14. Jahrhundert, hrsg. von H ANS P ATZE , Vorträge und Forschungen / Konstanzer Arbeitskreis für mittelalterliche Geschichte 13/ 14, Sigmaringen 1970, S. 9-64. 235 Das Narrativ wird konsequent formuliert in M C N EELY und W OLVERTON , Knowledge, S. 79- 117. 96 <?page no="96"?> unterschiedlichen Sphären und den verschiedenen Formen des Herrschens hin und her wechselten. 2.3 Die Reformation: Die Übernahme der Herrschaft durch Bern Um 1480, also in unmittelbarer zeitlicher Nähe zur Beschwörung der «Ewigen Richtung» durch die Eidgenossen und Sigismund dem Münzreichen, wurde in Königsfelden eine Handschrift angelegt, die durch ihre hochwertigen Illuminationen hervorsticht. Das Buch enthält neben anderen Texten die sogenannte «Österreichische Chronik von den 95 Herrschaften», das Werk eines anonymen Autors, der zu Ehren von Albrecht IV. zu dessen Lebzeiten eine Genealogie mit diversen fingierten Passagen und Wappen verfasste. 236 Das als «Ewige Richtung» bekannte Abkommen wurde zwischen Erzherzog Sigismund und den eidgenössichen Städten und Orten eingegangen. Es führte dazu, dass der Besitzstand von Seiten der Eidgenossen und Habsburg akzeptiert wurde. Insbesondere eroberte habsburgische Gebiete, wie etwa das Eigenamt, gehörten nun unbestritten Bern. 237 Die Aussage der Abschrift der «95 Herrschaften» wurde durch eine Abschrift der Krönungsreise Kaiser Friedrichs III. im selben Dokument verstärkt. 238 Dadurch wurde nicht nur das österreichische Herzogtum auf die Herrschaft der biblischen Figur Noah zurückgeführt und mit dem Haus Habsburg verknüpft, 239 sondern auch der Herrschaftsanspruch eines Kaisers festgehalten, der auch noch in den 1480er Jahren die Eroberung des Aargaus durch Bern und andere eidgenössische Städte ablehnte. Der Bezug zu Friedrich passte umso mehr, da sich dieser vehement gegen das Abkommen zwischen seinem Cousin und der Eidgenossenschaft stemmte und die «Ewige Richtung» gerne rückgängig gemacht hätte. Die Abschrift, die den Namen des Franziskaner Clemens Speckers im Kolophon trägt, verdeutlicht, dass in Königsfelden qualitativ hochwertige Schriftprodukte hergestellt werden konnten. Sie gehört zu den prachtvollsten, die heute noch den Konventen in Königsfelden zugeschrieben werden. Diverse Seiten wurden illustriert und aufwändig koloriert. Die Wertigkeit des Kodex und die konfessionelle Neutralität konnten dafür verantwortlich gemacht werden, dass das Stück nicht zerstört, sondern im Zuge der Auflösung des Klosters nach Bern verbracht wurde und dort in der Burgerbibliothek bis heute aufbewahrt wird. 240 Der Kodex belegt, dass sich die Institution oder wenigstens einzelne ihrer Angehörigen als habsburgisch verstanden; 236 Zum Werk siehe Chronik von den 95 Herrschaften, Österreichische, in: Repertorium «Geschichtsquellen des deutschen Mittelalters», Bd. 7, 2012, S. 196, URL : http : / / www . geschichtsquellen.de/ repOpus_01146.html. Das Werk liegt in einer Edition aus dem frühen 20. Jahrhundert vor, siehe J OSEPH S EEMÜLLER , Hrsg., Österreichische Chronik von den 95 Herrschaften, MGH Dt. Chroniken 6, Hannover 1909, URL : http: / / www.mgh.de/ dmgh/ resolving/ MGH.Chron._6. 237 C LAUDIUS S IEBER -L EHMANN , Ewige Richtung, in: Historisches Lexikon der Schweiz, 21. Dez. 2011, URL : http: / / www.hls-dhs-dss.ch/ textes/ d/ D8886.php. 238 Die Krönungsreise findet sich auf Blatt 120-127. Zur Handschriftenbeschreibung siehe S EE - MÜLLER , MGH Dt. Chron. 6, S. XXXVI-XXXVIII. Ob die zweite in Bern überlieferte Abschrift auch aus Königsfelden stammt, ist schwierig zu sagen. 239 Zu der Chronik siehe auch H ODEL , Mord, S. 46f. 240 BBB Cod. A 45. 97 <?page no="97"?> gleichzeitig bleibt unsicher, inwiefern diese Haltung nach außen getragen wurde. Das Gefühl, in Königsfelden eine habsburgische Stiftung im eigenen Herrschaftsgebiet zu haben, lässt sich auch für Bern zeigen, das in einer Missive Habsburg als seinen Erzfeind und Königsfelden als dessen Stift bezeichnete. 241 Das Buch deutet zwar auf eine Zunahme des Berner Einflusses. Dennoch vermochte Bern nicht auf die Klausuren zuzugreifen und die verbliebene Unabhängigkeit war offensichtlich noch groß genug, um einen Codex anzulegen, der sich gegen die beherrschende Stadt richtete. Die Bestätigung der Privilegien und Freiheiten durch Bern von 1480 zeichnet ein ähnliches Bild, das Bern zwar als wältlich Castvögt zeigt, der gleichzeitig jedoch alle Rechte der Konvente bestätigte und keine Ansprüche oder Vorbehalte anmeldete. 242 Auch nach der Bestätigung der Freiheiten und Privilegien durch Bern bemühten sich die Schwestern in Königsfelden beim Kaiser, dem wichtigsten Habsburger, um eine Anerkennung ihrer Freiheiten und Privilegien, was die mehrfache Orientierung des Konvents, einerseits nach Bern, gleichzeitig aber auch zum Reich und zu Habsburg, unterstreicht. Maximilian stellte den Klarissen 1498 eine großformatige Urkunde aus, die einen Großteil ihrer Privilegien bestätigte. 243 Die Institution Königsfelden rüstete sich für stürmische Zeiten. Von Bern wurde sicherlich weniger Einfluss auf die Konvente genommen, als dies für andere Institutionen, wie etwa Interlaken, nachweisbar ist. 244 Dort war Bern gewillt, nicht nur kaiserliche Dokumente zu missachten, sondern auch mit Gewalt gegen die Chorherren vorzugehen. Die Figur des Niklaus Fricker zeigt dennoch, dass gegenüber der Verwaltungstätigkeit von Königsfelden großer Respekt bestand, der sogar zu einem Personaltransfer von Königsfelden nach Bern führte. Dass der Einfluss Berns nach der Amtszeit Frickers erheblich gesteigert wurde, lässt sich nicht durch Schriftstücke belegen. Fricker wurde wohl auch nicht nach Bern geholt, um das Kloster und vor allem dessen Besitzungen enger zu kontrollieren. Die «Ewige Richtung», die ab 1474 ausgehandelt wurde, führte auch in Königsfelden dazu, dass die Hoffnungen auf eine habsburgische Rückkehr begraben werden mussten. Neue Problemfelder - Anstieg der Urkundenproduktion Bereits für das 15. Jahrhundert konnte festgestellt werden, dass die Gruppe der Ausstellenden nicht mehr mit jener des 14. Jahrhunderts verglichen werden kann. Ab Beginn des 16. Jahrhunderts verstärkt sich diese Tendenz, wobei neu die eidgenössischen Städte eine zentrale Rolle einnehmen. Die aargauischen Landstädte Brugg und Baden blieben zwar als Ausstellungsorte wichtig, jedoch geschah die Produktion der Dokumente nun vermehrt auf Ansinnen Zürichs und vor allem Berns. Die in den Dokumenten angesprochenen Probleme waren viel feingliedriger als noch 150 Jahre früher. Einzelne Rechte und Abgabehöhen wurden genaustens definiert - 241 Siehe M ODDELMOG , Stiftungen, S. 194. 242 U.17/ 0787a, 24. Apr. 1480. 243 U.17/ 0845, 9. Juli 1498. 244 Siehe zu Interlaken: H ERMANN R ENNEFAHRT , Bern und das Kloster Interlaken: Eine Auseinandersetzung zwischen Staat und Kirche in den Jahren 1473-1475, in: Berner Zeitschrift für Geschichte und Heimatkunde 20 (1958), S. 151-185, DOI : 10.5169/ seals-243616. 98 <?page no="98"?> Themen, die für das 14. Jahrhundert nicht aus dieser Nähe betrachtet werden konnten und wohl auch nicht so im Zentrum standen. Nach einem Einbruch der Dokumentenproduktion um 1480, kann um die Jahrhundertwende wieder eine Produktionszunahme beobachtet werden. Vielfach wurden nun kleinere Probleme ausgehandelt, häufig mit dem Ziel lokale Angelegenheit zu ordnen, die nicht nur den Berner Herrschaftsbereich betrafen, sondern insbesondere das Grenzgebiet zwischen Bern und den Gemeinen Herrschaften (einerseits die Herrschaftsrechte in den Freien Ämtern, andererseits die der Grafschaft Baden). Obwohl der Dokumententyp «Urkunde» vorherrschend blieb, wurden aus dem anbrechenden 16. Jahrhundert vermehrt urbarartige Aufzeichnungen und ähnliches Schriftgut überliefert. Dieser Befund soll nicht davon ablenken, dass trotzdem noch immer von herzoglicher und auch von päpstlicher Seite Schriftstücke für die Institution erhalten werden konnten. 245 Diese wurden im Verhältnis zu vorher jedoch seltener. Königsfelden wurde in den Dokumenten vorwiegend durch seine Hofmeister vertreten, wobei auffällt, dass der Guardian des Franziskanerklosters vermehrt als Entscheidungsträger Einfluss nehmen konnte. Dennoch blieb die Institution in gutem Einvernehmen mit den Eliten in Bern, man kann gar von einem elitären Konvent sprechen, dessen Besitzungen nicht angetastet werden durften. Die Zunahme der Schriftproduktion endete ausgesprochen abrupt mit der Reformation und dem Austritt der Schwestern aus dem Konvent. Innerhalb eines Jahrzehnts brach danach die Dokumentenproduktion fast vollständig ein und wurde nur in den 1570er Jahren nochmals leicht gesteigert. Die quantitativen Verhältnisse des 15. oder gar des 14. Jahrhunderts wurden nie mehr auch nur annähernd erreicht. Bürer, der letzte Hofmeister der Klarissen Als eine der wichtigsten Figuren in Königsfelden im anbrechenden 16. Jahrhundert stellt sich Hans Bürer heraus, der wie Niklaus Fricker vor ihm als Stadtschreiber Bruggs amtete und seit 1504 im Rat der Stadt saß. Als Hofmeister Königsfeldens war er von 1512 bis ungefähr 1524 tätig, einer Zeit, in der bereits Auflösungstendenzen im Klarissenkonvent greifbar wurden, was letztlich ein Grund für die Demission Bürers als Hofmeister war. Als Sohn des Tuchscherers und Besitzer des Hauses zum Salmen gehörte Bürer zur Oberschicht der Stadt. Ihm werden auch literarische Texte zugeschrieben. 246 Bürer war der letzte Brugger Bürger, der in den Rang eines Hofmeisters aufstieg. Seine Berufung weist darauf, dass die Position des Hofmeisters noch immer durch das Kloster selbst besetzt werden durfte. Nach ihm folgten nur noch Berner als Hofmeister. Die Verknüpfung zwischen Brugg und Königsfelden blieb in der Folge auch bestehen, da jedoch die zentrale Machtposition, der Hofmeister, nun durch Bern bestimmt wurde, war das Verhältnis zwischen den beiden lokalen Machtzentren, Kloster und Brugg, nicht mehr so eng. Die Klarissen verdanken insbesondere Bürer, dass sie in intensiven Kontakt mit den Ideen der Reformation kamen. Bürers Sohn, Albert, studierte in Basel, besuch- 245 Siehe bspw. die Papsturkunde: U.17/ 0880a, 4. Jan. 1512. 246 Zu Hans Bürer siehe B ANHOLZER , Geschichte, S. 156f. 99 <?page no="99"?> te 1520 Zwingli und reiste 1522 nach Wittenberg, wo er Melanchthon hörte und von wo aus er über seine Begeisterung für Luther schrieb. Die reformatorischen Vorstellungen wurden folglich über die Bürer in Brugg und Königsfelden verbreitet. Bereits 1523 wehrten sich die Klarissen in Königsfelden gegen eine Visitation durch den Franziskanerorden und einige auch gegen ihren Stand als Klosterschwestern. In der Folge trat Katharina von Waldburg aus und heiratete. 247 Aufgrund der Zusammensetzung des Konvents stellten sich die Austrittsbegehren als ausgesprochen problematisch heraus: Seit dem Ende des 15. Jahrhunderts lässt sich nachweisen, dass in Königsfelden einige Frauen aus der Oberschicht, nicht zuletzt aus Bern, versorgt wurden, 248 die jeweils eine größere Ausstattung in den Konvent eingebracht hatten. Ihr Ansinnen, austreten zu dürfen, führte in Bern in eine Krise, da die führenden Geschlechter fürchteten, ihre (abgeschobenen) Töchter und Schwestern nun weiter versorgen zu müssen und gar Eheausstattungen fällig werden konnten, die mehr Mittel verschlangen als die Ausstattung in einem bereits reichen Konvent. 249 Die Auflösung des Klarissenkonvents nahm seinen Gang. Bürer entzog sich den anbahnenden Auseinandersetzungen und den drohenden Konsequenzen durch einen Eingriff Berns bereits frühzeitig: Zwischen 1522 und Frühjahr 1524 war er von seinem Posten zurückgetreten. Auf ihn folgte im April 1524 Benedikt Mattstetter, der aus Bern nach Königsfelden geschickt wurde. 250 Erstmals lässt sich ein direkter Einfluss Berns auf den Hofmeisterposten nachweisen. 251 Da die austretenden Schwestern eingebrachten Besitz wieder aus dem Konvent entfernen konnten, drohten Teile der Besitzungen und Rechte aus der Herrschaft Königsfelden herauszubrechen. Aus diesem Grund kontrollierte Bern fortan die Besitzungen und die Schriftstücke, die Auskünfte über Besitz gaben, rigide. Der Stadtstaat verbot den Klarissen den Zugriff auf die Schatzkammer und mandatierte den Schultheissen von Brugg zusammen mit dem Hofmeister zum Verwalter der Schätze in Königsfelden. Bereits zuvor hatte wohl Bürer selbst begonnen, Aufnahmen zu machen, die Aussagen über Zinsleistungen erlaubten. Der Zinsrodel aus dem frühen 16. Jahrhundert ist jedoch nicht aufgrund seines Inhalts bemerkenswert, sondern aufgrund einer Zeichnung auf der Rückseite. 252 Eine Akelei findet sich dort, die an Zeichnungen in der sogenannten «Schatzkammer» des Männerkonvents erinnert. 253 Obwohl sie nicht mit Sicherheit Bürer zugeordnet werden kann, könnte dadurch der Produktionsort des Rödels abgeleitet werden. Vielleicht wurde zu der Zeit der Raum nicht nur von den Franziskanern genutzt, sondern tatsächlich als Schatzkammer. Unabhängig von der Lokalisierung dürfte die Schatzkammer während der Austrittswelle 247 B ANHOLZER , Geschichte, S. 190f. Zu Albert Bürer und Luther siehe auch W ILLY B RÄND - LI , Albert Bürer über Luther und die Wittenberger Verhältnisse Anno 1521 und 1522, in: Zwingliana 9.3 (1950), S. 176-179. 248 C LAUDIA M ODDELMOG , Klarissen von Königsfelden, in: Königsfelden. Königsmord, Kloster, Klinik, hrsg. von S IMON T EUSCHER und C LAUDIA M ODDELMOG , Baden 2012, S. 257-263. 249 Siehe dazu T EUSCHER , Bekannte, S. 149-152. 250 R UDOLF S TECK und G USTAV T OBLER , Hrsg., Aktensammlung zur Geschichte der Berner Reformation 1521-1532, Bern 1923, Nr. 377, S. 98. Wahl per 1. April. 251 Evtl. wurde aus diesem Grund eine Abordnung von Bern nach Königsfelden geschickt, angekündigt am 15. April in: ebd., Nr. 389, S. 113. 252 Siehe U.17/ 0849, 29. Sep. 1500. 253 Der Hinweis stammt von Nanina Egli, vielen Dank dafür. 100 <?page no="100"?> öfter besucht worden sein, mit dem Ziel zu kontrollieren, ob noch alles zum Rechten stand. 254 Für eine Vielzahl von Dokumenten mit liturgischem oder para-liturgischem Hintergrund bedeutete die Auflösung des Klosters das Ende oder zumindest die partielle Zerstörung. Die Bücher und Hefte, die heute der Bibliothek zugeordnet würden, überlebten die Folgen der Reformation nicht oder wurden von den austretenden Brüdern und Schwestern oder den neuen Verwaltern entfernt, und könnten heute nur noch schwerlich den Konventen zugeordnet werden: anders das Schriftgut, das als «administrativ» eingestuft wurde und für das Weiterbestehen einer Verwaltung als wichtig galt. Es verwundert daher nicht, dass diese Dokumente in der Zeit der Klosteraufhebung und danach intensiv bearbeitet wurden. Knapp hundert Jahre nach der Eroberung von 1415, noch bevor sich das reformatorische Gedankengut vollständig durchgesetzt hatte, begann Bern seine Herrschaft in Königsfeldens durchzusetzen. Gleichzeitig wurde versucht die Klarissen zu kontrollieren und Teile der Besitzungen des Klosters wurden Dritten zum Kauf angeboten. Alle Vorgänge mündeten in eine Vielzahl von Missiven und weiteren Formen von Schriftgut. 255 Austretende Schwestern Im August 1523 wandte sich Bern an den Provinzial des Franziskanersordens, um Austritte zu verhindern, beziehungsweise zur Visitation des Frauenkonvents aufzurufen. 256 Gleichzeitig erfolgte der Aufruf an die Äbtissin, sich auf den Stiftungszweck zu besinnen, insbesondere gegen das Beharren auf üwer gotzhuss offen und unbeschlossen wellend haben. Darnach mag sich ein jede wüssen zuo halten. 257 Den ussgeluffne nunn wurde zirka zur selben Zeit verboten, mit den im Konvent verbliebenen Frauen Kontakt zu haben. 258 Ab dem 18. September wurde den Klarissen von Bern die Möglichkeit geboten auszutreten, wobei der Rat die Meinung vertrat, dass si beliben wie von alter har und nach ordens bruch und regel. 259 In der Konsequenz begann der Rat darüber nachzudenken, wie die Besitzungen des Konvents in bernische Kontrolle überführt werden könnten und forderte die Äbtissin auf, die Namen der Väter, mütter, nächsten gesippten fründ der Schwestern zu übermitteln, damit wir dannathin dieselben beschriben, und mit inen mö- 254 Ein Hofmeister in den Gebäuden der Franziskaner ist jedoch zur Zeit, als beide Konvente noch bestanden, sehr schwer vorstellbar. Üblicherweise standen die Hofmeister im Auftragsverhältnis mit den Klarissen und vertraten nur diese vor Gericht. Auch eignet sich der Raum überhaupt nicht als Skriptorium, da er zu eng und nur sehr schlecht beleuchtet war. 255 Zum Verhältnis zwischen Bern und Königsfelden siehe M AX B AUMANN , Geschichte von Windisch: Vom Mittelalter bis zur Neuzeit, Windisch 1983, S. 72-75. 256 Siehe S TECK und T OBLER , Aktensammlung, Nr. 284, S. 74. Datiert auf den 7. August 1523. Bereits im März 1525 wollte Bern den Eingriff von außen verhindern und wies den Guardian in Königsfelden an, nur noch Berner Visitationen zuzulassen, siehe ebd., Nr. 673, S. 219. 257 Beide Zitate nach ebd., Nr. 285, S. 74f. Die Äbtissin antwortete am 5. September: ebd., Nr. 289, S. 75f., worauf eine tagsatzung angesagt wurde. 258 Ebd., Nr. 672, S. 219. 259 Ebd., Nr. 294, S. 77. Zur Situation der austretenden Klarissen siehe: S ABINE K UHN , . . . dem wortt unnd geheiss gottes ungemäss . . . Die Frauen im Kloster Königsfelden der Reformationszeit 1523-1528. Unveröffentlichte Lizentiatsarbeit der Universität Bern, Bern, 2004, S. 63-76. 101 <?page no="101"?> gen handlen. 260 Die Kommunikation sollte über den Rat laufen, zum einen, um die Kontrolle über die Klarissen zu behalten, zum anderen aber auch um Schreiben wie dasjenige von Wilhelm Truchsess (Bruder der Äbtissin) zu verhindern, der sich sehr abfällig über das Ansinnen seiner Schwester äußerte, die ebenfalls aus dem Konvent austreten wollte. 261 Grundsätzlich stand es den Schwestern nun von Seiten Berns frei, über ihren Aufenthaltsort zu bestimmen. 262 Offiziell wurde das Kloster Anfang Mai 1524 geöffnet und gleichzeitig die Verheiratung Berner Chorherren verkündet. Somit hatte sich die Reformation in Bern durchgesetzt. 263 Neben der Kontrolle der Kommunikation versuchte der Rat die Übersicht über Besitztümer und die Ansprüche von Seiten der Schwestern bezüglich eingebrachter Güter zu behalten. Im Beisein des Schultheissen von Brugg und des Vogts von Schenkenberg durften die Frauen Kleider und Kleinode behalten. 264 Am 20. Mai erfolgte durch einen Boten in Königsfelden die Verkündigung mit Vorgaben, wie die eingebrachten Güter zurückbezahlt werden sollten. 265 Die Schwestern bedankten sich für die Mitteilung des Entscheids und forderten gleichzeitig die gerechte Verteilung der Güter. 266 Die Austretenden mussten in der Folge Quittungen ausstellen, die die ausbezahlten Gelder und Renten vermerkten und im Schreiben auf jegliche weiteren Ansprüche verzichten. 267 Jede dieser Quittungen wurde langfristig in Bern aufbewahrt und später zusammen mit dem gesamten Bestand nach Aarau ins Staatsarchiv gebracht, obwohl es sich ausdrücklich um von und für die Berner Verwaltung ausgestelltes Schriftgut handelte. 268 260 Alle Zitate nach S TECK und T OBLER , Aktensammlung, Nr. 310f., S. 80. Das Problem der Schwestern ohne fründen wurde bereits frühzeitig (im April 1524) diskutiert: ebd., Nr. 394, S. 114f. 261 Ebd., Nr. 303, S. 78f. 262 Ein kurzes Schreiben vom 20.11.1523 macht das sehr deutlich: M. h. lassen inen die frye wal nach, das eine, so nit gern im kloster ist, mit gunst, wüssen und willen m. h. und der selben fruden hinuss mogen gan, wie dann das im missifenbuoch stat., siehe ebd., Nr. 322, S. 84. Ausführlicher ebd., Nr. 323, S. 84. 263 Siehe das Stück vom 8.5.1524: ebd., Nr. 407, S. 123. 264 Nach dem Mandat vom 3.6.: ebd., Nr. 423, S. 128. 265 Ebd., Nr. 414, S. 126. 266 Ebd., Nr. 418, S. 127. 267 Zum Formular der Quittungen siehe: ebd., Nr. 427, S. 130f. 268 Zum Austritt der Margaret von Wattenwyl: ebd., Nr. 698, S. 225. Weitere Austrittsquittungen: Katrin von Diessbach geborene von Bonstetten: U.17/ 0927a, 1. Feb. 1525; Künigolde von Graffeneck: U.17/ 0927b, 11. Mai 1525; Elisabeth Brüllerin: U.17/ 0927e, 15. Mai 1525; Catarina von Wattenwyl: U.17/ 0927g, 11. Aug. 1525; Barbara von Bonstetten: U.17/ 0927i, 9. Sep. 1525; Elisabeth von Landenberg: U.17/ 0927l, 18. Nov. 1525; Annely von Landenberg: U.17/ 0928b, 6. Feb. 1526; Regula von Schauenstein: U.17/ 0929a, 14. Apr. 1526; Margreta Rüfflin: U.17/ 0929b, 14. Apr. 1526; Margreta von Graffeneck: U.17/ 0930a, 25. Juli 1526; Anna von Landenberg: U.17/ 0934a, 18. Dez. 1526; Elisabeth von Landenberg: U.17/ 0934b, 18. Dez. 1526; Helena Rindsmülinen: U.17/ 0935a, 5. Jan. 1527; Magr. von Schenkenberg: U.17/ 0935b, 20. Juli 1527; Ermelinda Lütscherin: U.17/ 0935d, 23. Juli 1527; Dorothea Jägerin: U.17/ 0936c, 25. Sep. 1527; Katharina Truchsässin (von Waldburg), Äbtissin: U.17/ 0936d, 1. März 1528; Waldburga Truchsässin (von Waldburg): U.17/ 0937a, 12. März 1528; Beatrice von Landenberg: U.17/ 0937c, 31. März 1528; Anna Sägesserin (Verzicht): U.17/ 0938a, 19. Dez. 1528; Margaret Lyssin von Feldkirch: U.17/ 0938b, 1. Juni 1529; Magdalena Lütscherin: U.17/ 0938c, 8. Aug. 1529; Sägesser? : U.17/ 0941a, 16. Mai 1533. 102 <?page no="102"?> Mit den ausgestellten Austrittsurkunden bekam Bern Schriftstücke in die Hand, die den finanziellen Schaden nachwiesen, der durch die Austritte entstanden war. Passend für die Interessen Berns konnte dieser Schaden durch die faktische Übernahme des gesamten Klosterbesitzes wiedergutgemacht werden. Der Austritt der Klarissen bot dem Rat einen Vorwand, Königsfelden nach eigenem Gutdünken zu verwalten und die Herrschaft zu übernehmen. Mit dem Austritt der Äbtissin wurde das Kloster mittels Kaufvertrag offiziell in den Besitz Berns übernommen. Die darin verbliebenen Pfründner und die Aufnahme alter Priester in den ehemaligen Konventsgebäuden legitimierten gleichzeitig die weitere Nutzung der Herrschaft durch den Stadtstaat. 269 Die Partizipation von Bern an den Einnahmen Königsfeldens wird noch klarer, zieht man die diversen Mahnungen in Betracht, den Zins weiterhin an Königsfelden abzuliefern. 270 Die nicht mehr erfolgte Ausrichtung von Pfründen, lässt auf eine problematische Situation für diverse Pfarrer schließen. 271 Gleichzeitige Befreiungen vom Zoll deuten weiter auf eine Maximierung der Einnahmen in Königsfelden. 272 In der Folge wurde Königsfelden wie eine gewöhnliche Vogtei behandelt, und wie für solche üblich, verlangten die Stadt und ihre Repräsentanten eine Huldigung. So musste am 14. Mai 1527 geschworen werden: Üwer gnaden gehorsamen allzit, ein ganzes ampt im Eigen. 273 Aus dem Gehorsam wurde bald darauf auch die Pflicht zur Rechnungslegung: Soll ein hoffmeyster zuo Küngsfälden wie ander amptlüt rechnung ze gäben beschriben werden. 274 Die Möglichkeit, selbst zu siegeln, wurde in der Folge ebenfalls eingeschränkt. 275 Der Verkauf der Elsässer Besitzungen Aufgrund der großen Distanz und somit schwierigen Ausübung von Herrschaft und weniger aus wirtschaftlichen Problemen beschloss Bern 1527 die Königsfelder Besitzungen im Elsass zu verkaufen. 276 Der Hofmeister war nun ein Abgesandter des Stadtstaats und es wurde eine neue Arrondierung des Besitzes durchgeführt, die zum Verkauf von langjährigem Besitz führte. Alle Güter und Rechte, die im heutigen Elsass liegen, wurden einer Käufergruppe, bestehend aus dem Konvent St. Peter und der Stadt Colmar, zugeschlagen. 277 Da der Verkauf an eine Gruppe und nicht eine einzelne Institution erfolgte, lässt sich ableiten, dass es für Bern nicht ganz einfach war, einen Abnehmer für die Besit- 269 Zur Versorgung zweier alter Priester siehe: S TECK und T OBLER , Aktensammlung, Nr. 594, S. 186. 270 Unvollständig: ebd., Nr. 697, S. 225, Nr. 771, S. 246, Nr. 1080, S. 362, Nr. 1267, S. 453. 271 Ebd., Nr. 730, S. 235f. 272 Ebd., Nr. 725, S. 234f. 273 Ebd., Nr. 1205, S. 426. 274 Ebd., Nr. 1226, S. 438. 275 Ebd., Nr. 1406, S. 541. 276 Vermerkt im Deutschspruchbuch in Bern, CC. 466, 467, siehe dazu ebd., Nr. 1082, S. 363. 277 Der Verkauf lässt sich am besten anhand der Kaufurkunde nachvollziehen, die im Archives Départementales du Haut-Rhin (Colmar) aufbewahrt wird: Archives Départementales Haute-Rhin (Colmar) ( AD HR) D IV 8 / 3G 32 (gesiegeltes Heft mit alter Nummerierung 23). Alle Ausführungen zum Kauf beruhen darauf. 103 <?page no="103"?> zungen zu finden. Aufschlussreich für das Selbstbild Berns ist die Bezeichnung der Stadt, welche sie zum Verkauf berechtigt: Wir Schultheis unndt Rhat der stat bern bekennen offentlich undt thund kundt menntklichens mit dem brief das wir als Castvogt Schirm- und Oberherren der wirdigenn ammvertigen frawen eptissin und convents des koncklichen stiefft Küngsfelden somder mit der selden zinst wuosen auch und unser und bemelter stifft Petereni nütz und frumen wilten verkaufft habenn Bern erklärte sich im Schreiben zum Kastvogt, eine Rolle, die zuvor in Königsfelden nur einmal, und zwar durch Bern beansprucht worden war. Die Herzoge von Österreich hatten sich jeweils selbst höchstens als Stifter beziehungsweise die Konvente als ihren Stift bezeichnet. Einen Kastvogt hatte das Kloster faktisch nie, auch handelte es sich bei den durch das Kloster berufenen Pflegern und Hofmeistern nicht um Adlige, die eine ähnliche Funktion hätten übernehmen können. 1480 hatte Bern in einer Bestätigung aller Freiheiten und Privilegien zwar diesen Titel gebraucht, 278 jedoch gibt es keine Indizien, die für eine aktive Ausübung der Kastvogtei im 15. Jahrhundert sprechen würden. Zur Zeit der Reformation und dem stärker werdenden Einfluss Berns sah die Situation nun anders aus und beide Konvente hatten mit dem neuen (bernischen) Hofmeister ihren Vorgesetzten quasi vor der Tür. Entsprechend vermittelte Bern den Eindruck, dass Königsfelden als gesamte Institution in der Berner Herrschaft aufgegangen war. Jegliche Hoheitsrechte wurden durch Bern übernommen, Königsfelden war zu einem Teil Berns geworden. Die Entscheidung zum Verkauf der Elsässer Besitzungen macht deutlich, dass diese Güter von untergeordnetem Stellenwert waren. Gleiches weist auch die frühere Verwaltung der Elsässer Besitzungen auf, die wohl nur in Ausnahmefällen aus Königsfelden gesteuert wurde. Obwohl im Bodenzinsurbar von 1432 der Besitz im Elsass noch verzeichnet wurde, wird deutlich, dass die regelmäßigere Rechnungsführung zwar zeitlich parallel zu derjenigen in Königsfelden angelegt wurde, jedoch jeweils andere Personen maßgeblichen Einfluss hatten. Auch die Kopialbuchreihe, die in Königsfelden um 1480 entstand, wurde im Elsass zwar in einer eigenen Urbarreihe gespiegelt, jedoch ist der Zusammenhang zwischen den beiden Schriftreihen vorwiegend bedingt durch die zeitlich nahe Anlage, während das Anlageschema nicht zu vergleichen ist. 279 Für das Elsass muss demnach eine eigene Verwaltung konstatiert werden, die von einem Schaffner vor Ort geführt wurde und eigene Dynamiken entwickelte. Im Vergleich zu den weit umfangreicheren Besitzungen, die im Aargau lagen, war die Verwaltung wohl auch einfacher zu bestellen. Über die Höhe der tatsächlichen Abgaben oder mögliche Ausfälle derselben schweigen die Quellen. Auch die Frage nach den Kontaktformen zwischen Königsfelden und den Besitzungen im Elsass kann aufgrund fehlender Stücke nicht beantwortet werden. 280 278 Siehe StAAG U.17/ 0787a, siehe auch oben S. 98. 279 AD HR 3G St Pierre 32 (unnummeriert). 280 Ein ausführlicher Missivenbestand ist für Königsfelden erst ab dem 16. Jahrhundert aufbewahrt worden. Siehe AA/ 0677, Missiven, Band 1 (1525-1670), AA/ 0678, Missiven, Band 2 (1671- 1754) und AA/ 0679, Missiven, Band 3 (1755-1806). 104 <?page no="104"?> Der Grund für den Verkauf dürfte für Bern nicht zuletzt in den hohen Kosten für die ökonomische Nutzung gelegen haben. Allein für den Verkauf wurden hohe Reitkosten geltend gemacht, die in einem eigenen Heft festgehalten wurden und einen Teil des Kaufertrags in der Höhe von 2200 Gulden ausmachten. 281 Obwohl die Stücke mit Bezug zu Königsfelden heute in Colmar im Bestand der Abtei St. Peter liegen, blieben sie auch nach dem Verkauf mobil und wurden nach der Französischen Revolution nach Straßburg und aufgrund von Neuorganisationen der Gebiete und Départements wieder zurück nach Colmar gebracht. Die Stücke waren aus diesem Grund weit mehr Unwägbarkeiten ausgesetzt und Verluste sind in höherem Ausmaß zu erwarten. Gleichzeitig ist anzunehmen, dass auch in Bern Verwaltungsschriftgut aussortiert wurde, das die Besitzungen im Elsass betraf. Die Mehrheit der überlieferten Stücke finden sich in den «unnützen Papieren»; welche Stücke und wieviele zerstört wurden, ist nicht feststellbar. Der Verkauf der Elsässer Besitzungen und der Abtransport der Urkunden demonstrierten, dass schwer zugängliche und abgelegene Besitzungen im Rahmen einer Ökonomisierung der Verwaltung verkauft wurden. Gleichzeitig behielt Bern rentable Güter und Rechte mit einfach einzuziehenden Abgaben, unabhängig davon, ob der neue Glauben angenommen wurde, und unabhängig davon, ob auch Habsburg im Gebiet noch Rechte geltend machte. Am besten nachvollziehbar ist dies anhand von Waldshut. Diverse Teile der Stadt - insbesondere Kirchensätze und Besitzungen in und um die Stadt - gehörten der vormaligen Königsfelder Herrschaft. Bereits seit Ende des 15. Jahrhunderts, wie das eigens für Waldshut angelegte Kopialbuch belegt, versuchte Waldshut die Herrschaft Königsfeldens zu minimieren. Königsfelden und später auch Bern wehrten sich jedoch vehement gegen die Ablösung. Erst 1684 willigte Bern einem Verkauf der Güter an das Kloster St. Blasien ein. 282 Während knapp 160 Jahren behielt Bern auf diese Weise großen Einfluss außerhalb seines eigentlichen Herrschaftsgebiets, in einer Stadt, die katholisch und habsburgisch war. Auch nach der Auflösung des Konvents und dem Übergang der Herrschaft an Bern blieb die Produktion von Schriftgut ein wichtiges Mittel, um Herrschaft auszuüben und gleichzeitig zu demonstrieren. Die Zeit der Ausstellung von Urkunden war indes vorbei, auch wenn das Siegel als Markierung eines Legitimationszeichens erhalten blieb, so wanderte es von den Einzelblattdokumenten zu Urbarbüchern und Heften, wo hängende Siegel noch weiter Verwendung fanden. 283 Wie die Visualisierung zu Beginn des Kapitels bereits gezeigt hat, ging die Zahl der für Königsfelden produzierten Einzelblattdokumente mit der Auflösung der Konvente stark zurück. Für Bern war das ehemalige Kloster ein symbolisch hochgradig aufgeladener Herrschaftsbereich, der fortan aber nicht mehr mittels Urkunden verwaltet wurde. 281 U.17/ 0928, 1525. Obwohl als Heft angelegt, erfolgte die Aufbewahrung im Urkundenbestand Königsfelden. 282 R AUSCHERT , Landvogteisitz, S. 175-177. 283 Die Mehrheit der Urbarbücher ab 1600 existieren noch mit hängendem Siegel, beispielsweise für Windisch siehe AA/ 0673, Urbar der Bodenzinsen der Pfarrei Windisch (11. November 1680). 105 <?page no="105"?> 2.4 Produktion von Schriftgut von und für die Institution Königsfelden - Fazit Nicht nur der Umgang mit den Elsässer Urkunden, sondern auch der Blick auf andere im Kapitel behandelte Dokumente und Dokumentengruppen zeigt, wie mobil Dokumente waren. Das Königsfelder Schriftgut wurde mehrere Male sowohl in seiner Gesamtheit als auch in Teilen transportiert und neu geordnet. Derselbe Befund gilt für Stücke, die aufgrund der Ausstellung in keinem Bezug zu Königsfelden standen und erst aufgrund der Übernahme von Herrschaftsrechten an die Konvente fielen. Einige dieser Dokumenten wurden auch in der Netzwerkvisualisierung zu Beginn des Kapitels ohne Verknüpfung mit anderen Stücken am Rand der Abbildung sichtbar. Alle Protagonisten in Königsfelden stellen sich bei näherer Analyse als konsequente Dokumentenproduzenten heraus. Der zeitgenössischen Schriftlogik wurde durch die Verantwortlichen der Dokumentenproduktion nicht widersprochen. Das führte im Querschnitt zu einer unglaublichen Fülle an Dokumentenarten und Formen des Schrifteinsatzes, wobei die Einzelblattausfertigung der häufigste Schriftguttyp blieb. Während Agnes die Stücke zur Ordnung ihrer Konvente und zur Selbstrepräsentation erstellte, bildete Fricker mittels Schriftgut eine eigene Registratur ab, die auch kleine Geschäfte systematisch festhielt. Kein Katalysator von Schriftproduktion war der Herrschaftswechsel von 1415 - dies im Gegensatz zum Moment der Aufhebung des Klosters, als die Klarissen austraten und Bern selbst begann, großen Einfluss zu nehmen: Die Umwandlung zur Hofmeisterei im Sinne einer Landvogtei führte zur ausführlichen Produktion von Schrift. Quantifizierung und Netzwerkvisualisierung stellen sich als gewinnbringend heraus, da enge Verknüpfungen nicht nur bestätigt, sondern mittels qualitativer Befunde gar noch verstärkt werden. Alleine aus den Zeitpunkten der erhöhten Schriftproduktion lässt sich dennoch keine Interpretation ableiten, erst aus dem Zusammenspiel mit den Netzwerken und mit Blick auf die produzierten Dokumente ist es möglich, Aussagen zum Umgang mit den Dokumenten und ihren Herstellungsgründen zu machen. Zentrale Erkenntnis ist die Adaption der Schrift von herrschaftlichen auf lokale Problemgemenge. Während bis kurz nach dem Tod von Agnes von Ungarn der Großteil der Dokumente Herzoge und andere wichtige Akteure des Reichs involvierte, finden sich danach und vor allem im 15. Jahrhundert vorwiegend Landstädte und regionale Eliten in den Schriftstücken, wobei die Zeit um 1415 eine kurzfristige Ausnahme bildet. Im 16. Jahrhundert sind es schließlich die Stadt Bern, ihre Verwalter sowie Bürger aus den umliegenden Städten, die in den Stücken häufig zu finden sind und lokale Rechte, aber auch die Herrschaft über die Hofmeisterei mit Schrift festigten. Genauso wichtig sind die unterschiedlichen Verständnisse vom Gebrauch der Einzelblattdokumente, die während den beschriebenen Phasen identifiziert werden können. Agnes erschrieb sich mittels Urkunden ein Netz an Vorschriften und Ordnungen, das das Kloster nach innen regulierte und gegen außen vor Zugriffen absi- 106 <?page no="106"?> cherte. 284 Sie stellte sich dabei ins Zentrum der Konvente und agierte als Vermittlerin zwischen Königsfelden und den Herzogen. Fricker demgegenüber konnte aufgrund seiner Position nicht in das Innere der Konvente eingreifen, produzierte jedoch eine stringente Verwaltung, die die Grundlage für eine kontrollierte Nutzung der Rechte und Besitzungen schuf. Ohne die Frage der Typologien der Schriftstücke umfassend aufgreifen zu wollen, wird anhand der Herstellung der Sammelhandschrift mit den «95 Herrschaften» klar, dass es besonderer Stücke bedurfte, um sich gegen die neuen Herren zu wehren. Nicht Einzelblattdokumente und somit auch nicht der Weg über die Gerichte wurde beschritten, um sich mit der Herstellung der «95 Herrschaften» ein letztes Mal gegen die «Ewige Richtung» und Bern als neuen Herren zur Wehr zu setzen. Zur Zeit der Reformation und der Auflösung des Klosters ließ Bern Schriftstücke produzieren, um sich selbst die Herrschaft über den Besitz zu sichern. Diese Urkunden nutzten die Schriftform, um Herrschaftsrechte zu behaupten. Sie wurden zur Grundlage der Herrschaft, wobei wirtschaftliche Faktoren - geschuldete und eingetriebene Geldbeträge - wichtige Argumente bildeten. Die «pragmatischen» Einzelblattdokumente, Urkunden und auch Akten stellten während der gesamten Zeit des Bestehens des Klosters ein Mittel dar, um Praktiken zu verschriftlichen und diese somit als legitime Handlungen zu charakterisieren. Nach der Auflösung der Konvente und der Herrschaftsübernahme verschwanden sie fast vollständig aus dem Schriftrepertoire. 284 Analog zu den Erkenntnissen in C LANCHY , Memory und zeitlich im 14. Jahrhundert verortet in H ILDBRAND , Herrschaft, S. 191. 107 <?page no="108"?> 3 Annotieren: Die Rückseite der Dokumente Spätere Gebrauchsumstände sowie Aufbewahrungsbedingungen und -situationen erlauben Aufschlüsse, wie die Dokumente über die Zeit verstanden und weshalb sie überliefert wurden. 1 Die Analyse des Gebrauchs von Artefakten ist indes problematisch, da nur selten Spuren zu erkennen sind, die einen Nachvollzug des Umgangs oder gar des Verständnisses ermöglichen. In Königsfelden ergibt sich der vorteilhafte Fall, dass auf allen Einzelblattausfertigungen Spuren hinterlassen wurden, die Momente des Gebrauchs nachvollziehbar machen und nicht mit dem Moment der Produktion zusammenfallen. Mittels der Analyse von Dorsualnotizen, meist kurzen Anmerkungen oder teilweise auch nur einzelnen Zeichen, wird es möglich, Momente zu identifizieren, an welchen die Stücke neu beschriftet, umgeordnet und somit in irgendeiner Form «gebraucht» wurden. Das vorliegende Kapitel führt in die Dorsualnotizen ein, die auf den Dokumenten der Institution Königsfelden zu finden sind, es zeigt Möglichkeiten der Auswertung und des Vergleichs und stellt Verknüpfungen mit anderen Schriftstücken der Zeit her. Somit bieten die folgenden Seiten eine Weiterführung der Geschichte der Schriftproduktion und -rezeption des Klosters, wechseln jedoch die Perspektive und zeigen aus der Sicht der Verwaltenden und Aufbewahrenden, wie mit Schriftstücken im Südwesten des Reichs umgegangen wurde. Gleichzeitig finden sich in zwei der überlieferten Kopialbücher kurze einleitende Beschreibungen und ein Inhaltsverzeichnis, die ebenfalls Einblicke in das Verständnis von Schriftgut geben. Somit lässt sich auch abschätzen, inwiefern die unterschiedliche Materialität der Überlieferung (ausgefertigte Urkunde beziehungsweise Abschrift in Codex oder Heft) auf die Inhalte und den Umgang mit Schrift wirkten. Die Weiterverarbeitung, die Annotation, gehört zwar zum Dokument selbst, gibt jedoch Aufschlüsse, die unabhängig von der Produktion erfasst werden müssen und aus diesem Grund auch häufig ignoriert oder wortwörtlich marginalisiert wurden. 2 Man spricht im Zusammenhang von diesen angebrachten kurzen Texten oder Buchstaben von «Paratexten», oder genauer gesagt von «Peritexten», da eine materielle Verbindung mit den Texten, der Frontseite, besteht. 3 Die unterschiedlichen Perspektiven, die durch die Analyse der Rückseiten ermöglicht werden, lassen sich anhand der Notizen zur Vergabe des Kirchensatzes von Staufen im Jahr 1312 ergründen, die im Namen aller Söhne Albrechts I. erfolgte. Auf der 1 T HOMAS H ILDBRAND , Der Tanz um die Schrift. Zur Grundlegung einer Typologie des Umgangs mit Schrift, in: Wirtschaft und Herrschaft. Beiträge zur ländlichen Gesellschaft in der östlichen Schweiz (1200-1800), hrsg. von T HOMAS M EIER und R OGER S ABLONIER , Zürich 1999, S. 439-460. 2 Marginalien gehören typischerweise zu solchen nachzeitigen Produktionen. 3 Die Differenzierung stammt von G ÉRARD G ENETTE , Paratexte, übers. von D IETER H ORNIG , Frankfurt am Main 1989, S. 11-13. G ENETTE unterscheidet bei Paratexten zwischen Peri- und Epitexten, die letzteren stellen im Gegensatz zu erstem eine Verbindung mit Texten her, die materiell nicht an den Paratext gebunden sind. 109 <?page no="109"?> Ausfertigung für den Klarissenkonvent, 4 der für Königsfelden doppelt ausgestellten Urkunde, finden sich gleich mehrere Dorsualnotizen. Da das Stück ebenfalls ins erste Kopialbuch eingetragen wurde, ist ein Vergleich mit dem Eintrag im Inhaltsverzeichnis und der Rubrizierung vor der Abschrift möglich. Dorsualschicht von 1320: pro Ecclesia Staufen 5 Dorsualschicht von 1340: über dü kilchen ze Sthofen 6 Eintrag Inhaltsverzeichnis Kopialbuch 1: Daz closter het zwen brief über die kilchen ze Stoufen mit den ingesigel der edeln und hochgeborn fürsten küng Friderichz und Hertzog Lüpoltz von Oesterich vij 7 Rubrizierung vor der Kopie in Kopialbuch 1: Diz ist der brief den wir haben von der herschaft über die kilchen ze Stoufen 8 Dorsualschicht von 1417: über Stouffen der iij 9 Dorsualschicht von 1480: iii 10 Dorsualschicht von 1538: Verwilligung und übergebung des Kilchensatz zuo Stouffen hertzog Friderichs und Lüpolts 11 Dorsualangebrachte Sigle von 1570: H K 17 12 Während die früheste Dorsualnotiz in kürzester Form beschreibt, für was die Urkunde steht (den Kirchensatz Staufen), scheint die zeitlich spätere Dorsualnotiz von 1340 eine Kopie, beziehungsweise eine sprachliche Übertragung der ersten Notiz zu sein. Die Rubrizierung vor der Kopie im Kopialbuch steht durch die Betonung des betroffenen Rechts- und Herrschaftsbereichs (kilchen ze Stoufen) in dieser Tradition, stellt jedoch das materielle Vorhandensein (den brief [en]) und die Verantwortlichen der Vergabung (die herschaft) in den Fokus. Der Eintrag im Inhaltsverzeichnis dagegen bietet die ausführlichste Variante, die Rezipient (daz closter), Aussteller (hochgeborn [...] Friderichz und Hertzog Lüpoltz von Oesterich), Objekt (über die kilchen ze Stoufen), materielle Form (zwen brief ) und die Legitimationszeichen (mit den ingesigel) nennt. Die Notiz von 1417 führt als erste eine Zählung auf dem Dokument ein, 1480 wird die Urkunde schließlich nur noch mit einer Zahl beschrieben. Bereits fünfzig Jahre später wird wieder eine ausführliche Beschreibung angebracht. Ende des 16. Jahrhunderts macht eine Sigle deutlich, dass die Urkunde eine unter vielen ist, die systematisch eingeordnet wurde. 4 StAAG U.17/ 0023B. 5 Zur Schicht siehe unten S. 124. 6 Zur Schicht siehe unten S. 128. 7 StAAG AA/ 0428, fol. 1r. 8 Ebd., fol. 13v. 9 Zur Schicht von 1417 siehe unten S. 147. 10 Zur Schicht von 1480 siehe unten S. 156. 11 Zur Schicht von 1538 siehe unten S. 162. 12 Die Siglen werden erst im Zusammenhang mit der Bildung eines Archivs thematisiert, siehe unten S. 254. 110 <?page no="110"?> Abbildung 3.1: Die Dorsualnotizen auf dem Dokument U.17/ 0023B, 10. Aug. 1312, markiert und mit Jahreszahl der Anbringung der Dorsualnotiz versehen. 111 <?page no="111"?> Im ersten Kopialbuch wurde an zwei Stellen bewusst, wie die Analyse der Beschriftungen zeigen wird, unterschiedliche Schwerpunkte in der Beschreibung gesetzt. Die verschiedenen Arten der Beschreibung zeigen auch, dass das Kopialbuch nicht auf der Dorsualnotiz aufbaute, sondern das Dokument selbst verarbeitet wurde. Auch in den späteren Dorsualnotizen wurde das Stück umgedeutet, und sei es nur in Form einer Nummerierung oder Verortung in ein Siglensystem eingeordnet. Ein Blick auf dasjenige Dokument, 13 das wohl durch die Franziskaner aufbewahrt wurde, eröffnet, dass die Mehrheit der eben beschriebenen Dorsualnotizen, die sich auf dem Dokument der Klarissen finden, fehlten. Es zeichnen sich zwei getrennte Aufbewahrungssysteme ab. Bereits die Durchsicht eines einzigen Dokuments und dessen Dorsualnotizen und zwei beschreibenden Einträgen zeigt deutlich das Potential des Vergleichs. Obwohl dasselbe Schriftstück betrachtet wurde, führten unterschiedliche Zeitpunkte der Betrachtung und Beschriftung zum Anbringen unterschiedlicher Ordnungssysteme. Es wurden somit auch unterschiedliche Aussagen zum Dokument gemacht. Auf den folgenden Seiten wird aufgezeigt, wie die unterschiedlichen Dorsualnotizen und Kommentare zu den Stücken verstanden werden können, und welches Aussagepotential dabei hinsichtlich des Gebrauchs- und der Aufbewahrung von Schriftstücken im Spätmittelalter eröffnet wird. Konkret wird der verwendete Wortschatz analysiert, um unterschiedliche Schwerpunkte sichtbar zu machen. Gleichzeitig wird auch die Umsetzung, das materielle Anbringen auf den Dokumenten, zum Untersuchungsgegenstand. Dabei wird eine eigene Analysemethode demonstriert und für die unterschiedlichen Schichten Königsfeldens angewendet. Ziel der Ausführungen ist es, deutlich zu machen, dass die Ordnung durch Dorsualnotizen einerseits problemorientiert war, andererseits Abhängigkeiten zwischen einzelnen Schichten entstanden, die darauf schließen lassen, dass die Dokumente erst gegen Ende des 15. Jahrhunderts und vorwiegend im 16. Jahrhundert inhaltlich neuen Kontexten zugeordnet wurden. Der Begriff «Schicht» wird verwendet, um eine Bündelung aller Dokumente vorzunehmen, die von derselben Hand beschriftet wurden. Die neu angebrachte Dorsualnotiz bildet also eine neue Bedeutungsschicht, die über ein Dokument gelegt wurde. Das Bild der Schicht ist insofern passend, da ähnlich wie bei Erdschichten Überlagerungen identifiziert werden können, gewisse Schichten aufeinander folgen und sich gegenseitig beeinflussen. Im Fall der Erdschichten geschieht dies durch das Ausüben von Druck und das Über- und Unterschieben von Gestein. Textschichten wirken anders aufeinander, etwa indem Typik übernommen oder ältere Schichten erweitert wurden durch neuere. Es gibt gar die Möglichkeit, dass eine Schicht nur noch in kleinen Resten übrig bleibt, da spätere Schichten mit physischer Kraft auf die älteren einwirkten. So finden sich etwa Zeichen von Rasuren, die vorgenommen wurden, um frühere Schichten zu entfernen und spätere anzubringen. Dieses Kapitel arbeitet sich entsprechend analog einer Grabung durch die Schichten und sucht nach Mustern, die darüber Aufschluss geben, wie eine Schicht auf die nächste folgte und welche Intentionen und Ideen hinter der Anlage von Schichten lagen. 13 StAAG U.17/ 0023A. 112 <?page no="112"?> Im Gegensatz zu geologischen Schichten griffen die Schreibenden gezielt auf frühere Schichten zu und kombinierten oder ignorierten diese. Es entstanden gar kleine ästhetische Dorsualmosaike. Wie bei Derrida das Archiv aus «übereinander eingedrückten und ineinander gewickelten archivarischen Lagen und Schichten» 14 besteht, beziehungsweise durch diese in Verwahrung genommen wird, können die Erscheinung und die Verknüpfung von Dorsualnotizen beschrieben werden. Die Notizen werden - als Sammlung - zu einem Kleinstarchiv auf der Rückseite der Dokumente. Das Lesen und die Auswertung werden demnach (ebenfalls im Sinne von Derrida) zu einer «geologischen oder archäologischen Ausgrabung». 15 Ein Hauptproblem der Analyse von Dorsualnotizen betrifft die Datierung der Schichten. Wann sich eine Schreiberin oder ein Schreiber eine Gruppe von Dokumenten vornahm und neu ordnete, lässt sich nicht aus Protokollen oder anderen Dokumenten ableiten, da keine derartigen Dokumente angelegt oder überliefert wurden. Es bleibt nur die Möglichkeit der Bündelung aller Stücke, die von derselben Hand verfasst wurden, um zu eruieren wann das jüngste Dokument verfasst wurde. Dadurch wird eine postquam-Datierung möglich. Mittels Vergleich der Hände kann weiter versucht werden, Aussagen über Reihenfolgen zu treffen, also zu bestimmen, welche Schichten älter oder jünger sind. Weder die Datierung noch die Zuordnung zu Schreibern nach paläographischen Merkmalen ist jedoch als sicher zu betrachten, sondern eine Annäherung, als Hilfsmittel zur Analyse. Die Identifikation und Beschreibung der Handschriften stehen somit nicht im Zentrum, sondern bleiben ein Mittel zum Zweck bezüglich der Frage: Wer wann welche Dokumentenrückseite weshalb beschrieb. Das Kapitel verortet in einem ersten Schritt kurz die Stellung der Rückseite der Urkunde in der Forschung, wobei festgestellt werden muss, dass die umfangreiche Literatur zur Diplomatik nur sehr selten auf die Dorsualnotizen verweist. Danach werden frühe Dorsualnotizen untersucht und in Bezug zu anderen Markierungen in Kopialbüchern gesetzt. Die Sicht auf Schichten aus der Zeit um 1415 erlaubt Auskünfte über das Funktionieren alter Dokumente in Zeiten des Umbruchs. Schließlich ändert sich bis 1500 der Fokus der Rückseite erneut. Nach dem Abtransport der Stücke aus Königsfelden nach Bern wird es möglich, die Argumentation für den Übergang der Herrschaft zu erschließen. Insgesamt zeigt sich, dass sowohl der Umgang mit den einzelnen Stücken, aber auch die Formung zu einem «Bestand», anhand der Rückseite nachvollzogen werden können. Als Erweiterung des Einstiegs erfolgt zunächst jedoch der Versuch einer Typologisierung von Dorsualnotizen und Möglichkeiten ihrer Auswertung. 3.1 Die Rückseite der Urkunde Dorsualnotizen sind kurze, meist aus wenigen Buchstaben, Worten oder Zeichen bestehende Notizen auf Rückseiten von Urkunden. Verknüpft werden die Angaben mit Vorgängen in Registraturen oder Archiven. Systematische Untersuchungen zu Formen und Vorstellungen dieser Notizen, die nicht zum «eigentlichen» Inhalt gezählt werden, gibt es nur wenige und diese sind vorwiegend auf früh- und hochmit- 14 D ERRIDA , Archiv, S. 45f. 15 Ebd., S. 46. 113 <?page no="113"?> telalterliche Institutionen fokussiert. 16 Dorsualnotizen standen und stehen auch in der weitläufigen (Einführungs-)Literatur zur Diplomatik nicht im Zentrum. Im Gegensatz zur Ausfertigung von Urkunden, die innert kurzer Frist erfolgen konnte, geschah das Anbringen von Dorsualnotizen über einen viel längeren Zeitraum. Die Art und Weise, wie die Notizen verfasst wurden, hingen dabei von diversen wechselhaften, materiellen (Beschreibstoff, Format) und ideellen (Vorstellungen, Notwendigkeiten) Vorgaben ab. Die Vorstellung(en) und die Einordnung(en) des Dokuments wurden durch die Rückseite teilweise stärker beeinflusst, als durch den Text auf der Frontseite. Aufeinanderprallende Traditionen und Innovationen werden in Dorsualnotizen stärker in ihrer Zeitlichkeit betont, als dies andere diplomatische Analysen vermögen. Entsprechend lassen sich aus den Dorsualnotizen soziale Ansprüche und Wirklichkeiten zu Zeiten herauslesen, die lange nach der Produktion der Dokumente herrschten, aber mit dem Verständnis der Dokumente in Zusammenhang standen. Im Falle der Schriftstücke von Königsfelden zeigte sich, dass mehr als fünfzehn Hände über einen Zeitraum von 200 Jahren mehr oder weniger häufig auf den Dokumenten ihre Spuren hinterließen. Jedoch finden sich auf keinem Dokument alle Hände vereint, was davon zeugt, dass Präsenz und Absenz von Schreiberhänden bewusste und unbewusste Entscheidungen und Auswahlen widerspiegeln, die Aufschlüsse über die Verhältnisse in der Institution und ihrem Umfeld versprechen. Die Häufung der Dorsualnotizen folgte offensichtlich einer Nachfrage nach Einordnung von Stücken, wobei geklärt werden muss, ob ein schnellerer Zugriff anvisiert wurde, oder die Dokumente beschriftet wurden, um sich eine Übersicht zu verschaffen. Durch das Anbringen von Dorsualnotizen wurde ein Dokument neu situiert und die Bedeutung erweitert. Die Sichtweise oder die Interpretation eines Kommentators wurde aufgenommen. Die Chance für die Forschung besteht daher darin, dass die Reduktion eine Möglichkeit bietet, die Perspektive zu erkennen, die im Moment der Herstellung der Notiz vordringlich und daher auch «wichtig», sprich wert war zu verschriften. Die gesamte Arbeit versucht unterschiedliche Modi des Dokumentengebrauchs darzulegen, ein Ansinnen, das in neueren Arbeiten vielfach verlangt, aber jeweils nur sehr beschränkt umgesetzt werden konnte. Dank Dorsualnotizen lassen sich Blicke auf Interpretationsmomente werfen. Und auch wenn Dorsualnotizen gerne mit Aufbewahrungspraktiken in Verbindung gebracht werden, wie auch der Blick in die Literatur zeigt, so wird auf den folgenden Seiten nachvollziehbar, wie viel sich mittels Dorsualnotizen über den Umgang mit Dokumenten zu unterschiedlichen Zeitpunkten aussagen lässt. Zentrale Forschungsfragen zu «Manuskriptkulturen», insbesondere zum Schrifthandeln innerhalb derselben, lassen sich demnach ganz 16 Siehe für St. Gallen P AUL S TAERKLE , Die Rückvermerke der rätischen Urkunden, in: Freiburger Geschichtsblätter 52 (1963), S. 1-13 und P AUL S TAERKLE , Die Rückvermerke der ältern St. Galler Urkunden, Mitteilungen zur vaterländischen Geschichte 45, St. Gallen 1966. Ähnlich wie hier angewandt mit Fokus auf Cluny: S ÉBASTIEN B ARRET , La mémoire et l’écrit: L’abbaye de Cluny et ses archives (X e -XVIII e siècle), Vita regularis. Ordnungen und Deutungen religiosen Lebens im Mittelalter 19, Münster 2004. Im Moment unternehmen E RHART und Z ELLER Forschungen zu Dorsualnotizen im Zusammenhang mit der Abtei St. Gallen im Früh- und Hochmittelalter. 114 <?page no="114"?> durch die Betrachtung der Rückseite angehen. 17 Schließlich liefert der Blick auf die Menge der Notizen in Verbindung mit den zur Beschreibung gebrauchten Worten Möglichkeiten der quantitativen Auswertung, mit welchen Perspektiven von Dorsualnotizen auch vergleichend deutlich gemacht werden können. Dorsualnotizen in der Diplomatik Urkundendefinitionen stellen fast ausschließlich inhaltliche, also textuelle Funktionen ins Zentrum des Urkundenseins. 18 Materiell ausgerichtete Definitionen bringen bestenfalls das Siegel als Legitimationszeichen sowie die Plica (Faltung am unteren Ende der Urkunde zur Verstärkung des Siegels) ins Spiel. Neuere Definitionen betonen die Diversität der Stücke und Fragen, ob überhaupt von «Urkunden» gesprochen werden soll. 19 Die Einblättrigkeit des Dokuments, ein ausgesprochen häufiges und visuell auffälliges Merkmal, wird jedoch selten betont. Entsprechend wird auch nicht festgestellt, dass die Stücke als Folge ihrer Einblättrigkeit eine Rückseite haben, die ein Teil des Objekts ist und wie bei einer Buchseite für das Beschreiben genutzt werden könnte. Im Falle von «Urkunden» wurde dies jedoch so gut wie nie getan, um den «Urkundentext» zu verschriften. Im Gegenteil wird in den meisten Fällen die Seite derart gewählt oder beschnitten, dass der Urkundentext die gesamte Frontseite bedeckt. Mittels Plica wird der Eindruck gar noch verstärkt, da die Faltung häufig so angebracht wurde, dass am Ende des Textes die Falte endet. Ein Teil der Rückseite wird somit auf die Frontseite gepresst, jedoch ebenfalls so gut wie nie beschrieben. Einführungen und Werke zur Diplomatik machen auf die auf der Rückseite angebrachten Notizen aufmerksam, eine intensive Beschäftigung mit dem ausgesprochen häufig vorkommenden Phänomen fehlt dennoch, wie ein kurzer chronologischer Überblick der Einführungs- und Forschungsliteratur demonstriert. Das sechsbändige Urwerk der Diplomatik von Mabillon liefert zwar eine erste Beschreibung und Klassifizierung von Urkunden, daneben ist es aber vorwiegend eine Sammlung von Stücken aus französischen Archiven. Beschreibungen der Rück- 17 Forschungen wie von M ORSEL für einen weiten Korpus zu Franken angestellt oder von B EDOS -R EZAK zu Kopialbücher oder Chirographen vorgeschlagen, B EDOS -R EZAK , Imago, S. 37-50 (in Aufsatzform: B RIGITTE B EDOS -R EZAK , Towards an Archaeology of the Medieval Charter: Textual Production and Reproduction in Northern France, in: Charters, Cartularies, and Archives, hrsg. von A DAM J. K OSTO und A NDERS W INROTH , Toronto 2002, S. 43-60, B RIGITTE B EDOS -R EZAK , Cutting Edge: The Economy of Mediality in Twelfth-Century Chirographic Writing, in: Das Mittelalter 15.2 (2010), S. 134-161), wird sich auf diesem Weg angenähert. 18 Dieser Ansatz wurde mehrfach bemängelt, besonders treffend in B EDOS -R EZAK , Imago, S. 9-13. 19 Seit einigen Jahren stehen Urkundendefinitionen unter ständigem Beschuss, da so gut wie jede Beschreibung durch das Vorbringen von davon abweichenden Exemplaren negiert werden kann. Zentral für die vorliegende Arbeit ist die Unterscheidung zwischen gebundenem, mehrblättrigem Schriftgut und Einzelseiten, die Legitimationsmerkmale enthalten können. Dass damit «Akten» und «Urkunden» in einen Topf geworfen werden, wird an dieser Stelle in Kauf genommen. Wie sich herausstellen wird, wurde in Königsfelden nur selten unterschieden. Eine ausführliche, angemessene «Urkundendefinition» («Urkunden- und Urkundensprachauslegung» wäre treffender) findet sich bei K OZIOL , Politics, S. 32-42. Konsensorientierter zeigt sich die Darstellung der Urkunde (und der Diplomatik) bei M ICHAEL B RAUER , Quellen des Mittelalters, UTB 3894, Paderborn 2013, S. 21-44. 115 <?page no="115"?> Abbildung 3.2: Beispiel der Beschriftung von Rückseiten durch die päpstliche Kanzlei. Ausschnitt U.17/ 0064, 8. Juli 1319. Heinrich von Hünenberg ist eine legendäre Figur der Schweizer Geschichtsschreibung, der die Talbewohner von Schwyz vor dem drohenden Überfall durch Leopold den Herzog von Österreich vor der Schlacht am Morgarten 1315 mittels Pfeil gewarnt haben soll. Siehe auch Rainer Hugener, Der Pfeil des Hünenbergers. Möglichkeiten und Grenzen einer Objektgeschichte, in: Traverse. Zeitschrift für Geschichte 2 (2015), S. 178. seite oder Einordnungen von Dorsualnotizen existieren nicht. 20 Eines der ersten im deutschsprachigen Raum geschaffenen Überblickswerke wurde 1818 von Schoenemann verfasst. Die Idee hinter dem Werk lag in der «richtigen» Auslegung und Verwendung von Urkunden mit dem Ziel, rechtliche Ansprüche geltend zu machen, die nach der Restauration von 1815 teilweise wieder rechtsgültig geworden waren. Wichtiger als der historisch-historisierende Umgang mit den Stücken war demnach für den Autor ein Zugang, der juristische Klarheiten schuf. Archiv und Archivierungspraktiken gehörten nicht zu den behandelten Gebieten. 21 Dorsualnotizen werden nicht thematisiert. Als erster und für lange Zeit einziger widmete Sickel in seiner Urkundenlehre der karolingischen Urkunden dem Phänomen der Dorsualnotizen ein eigenes Kapitel, in welchem er den Nutzen der Untersuchung vermerkte und anhand eines Beispiels die Verluste von Urkunden nachvollziehbar macht. Der Abschnitt schließt mit dem Rat, die Notizen bei «der Herausgabe von Urkunden mitzutheilen». 22 Im Gegensatz dazu beschäftigten sich andere Mitarbeiter der Monumenta Germaniae Historica (MGH), die ebenfalls Einführungen zur Diplomatik und allgemein zur 20 J EAN M ABILLON , De re diplomatica, Paris 1681. Digitalisat der Staatsbibliothek zu Berlin (Auflage von 1709): x0b.de/ mabillon/ image_open.php? no=724&idx=12. 21 K ARL T RAUGOTT G OTTLOB S CHOENEMANN , Versuch eines vollständigen Systems der allgemeinen besonders älteren Diplomatik: Als Handbuch für Archivare und den Geschäftsgebrauch, Leipzig 1818. 22 T HEODOR VON S ICKEL , Acta regum et imperatorum Karolinorum digesta et enarrata: Die Urkunden der Karolinger. Erster Theil: Urkundenlehre, Wien 1867, S. 354f. 116 <?page no="116"?> Schriftkultur des Mittelalters schufen, nicht mit den Notizen. Als wichtiger Protagonist sollte sich Wattenbach herausstellen. 23 Das Ziel seines Werks war es, einen Überblick zu vermitteln. Diplomatik stellt darin eines der wichtigen Kapitel dar, die Beschreibung ergibt jedoch wenig aus technischer Perspektive. Dennoch orientierten sich spätere Forscher (etwa Leist) am Aufbau des Werks. Das Phänomen «Dorsualnotiz» taucht bei ihm nur als Fußnote im Zusammenhang mit physischen Ordnungen im Archiv auf. 24 In der Urkundenlehre von Ficker spielt weder die Rückseite noch das Archiv eine Rolle. 25 Obwohl alle möglichen Aspekte der Urkundenherstellung beschrieben sind und vorwiegend die Frage nach der Authentizität der Urkunde behandelt wird, 26 beschäftigt sich der einflussreiche Rechtshistoriker nicht mit Dorsualnotizen und ähnlichen Teilen der Dokumente sowie des Schriftwesens. Zeitlich parallel zur Trennung in öffentliche und private Urkunden durch die mit der MGH verbundenen deutschen Forscher wird die Rückseite ignoriert. Das Handbuch von Bresslau gehört bis ins 21. Jahrhundert zu den einflussreichsten Einführungen in die Diplomatik. 27 Im Gegensatz zu seinen Vorgängern beschäftigt er sich verhältnismäßig ausführlich mit Schrift auf den Rückseiten der Dokumente. Dorsualnotizen sind für ihn jedoch einzig Konzepte für Notariatsurkunden, die seit dem 10. Jahrhundert in Italien auf Rückseiten von Urkunden angebracht wurden. Parallel zum Aufkommen von Imbreviaturen in Notariatsbüchern verschwanden in der Mitte des 12. Jahrhunderts die Anfertigung solcher Konzepte wieder. 28 Rückseiten von Urkunden wurden demnach offensichtlich nicht per se als «unbeschreibar» angesehen. 29 Im Gegenteil konnte die Rückseite vor der Beschriftung der Frontseite durch den Schreiber genutzt werden, um Notizen auf den Stücken 23 W ATTENBACH gehörte zeitweilig zum Monumenten-Projekt, amtete als Archivar von Bresslau und wurde zum Professor in Heidelberg, später Berlin berufen. Kurz nach Lebzeiten erschienener biographischer Eintrag: C ARL R ODENBERG , Wattenbach, Ernst Christian Wilhelm, in: Allgemeine Deutsche Biographie, 1898, S. 439-443, URL : http: / / www.deutschebiographie.de/ pnd117151386.html? anchor=adb. 24 Siehe W ILHELM W ATTENBACH , Das Schriftwesen im Mittelalter, 3. Aufl., Leipzig 1896, S. 629, zu seiner Vorstellung vom Archiv im Mittelalter siehe ebd. 25 Weder in Band 1 noch Band 2 von J ULIUS F ICKER , Beiträge zur Urkundenlehre, Bd. 1, 2 Bde., Innsbruck 1877. Die Registratur wird im Gegensatz zum Registrator ebenfalls nicht genannt im Index. 26 Etwa in den Teilen zur Kanzlei: Ebd., Bd. 2: S. 27, 128, 188, 207. 27 B RESSLAU , Handbuch. B RESSLAU war wie W ATTENBACH für die MGH tätig, obwohl er bei Waitz promovierte, bezeichnete er Droysen als seinen wichtigsten Lehrer. Einführend siehe Gottfried Opitz, Breßlau, Harry, in: Neue Deutsche Biographie 2, 1955, S. 600-601, url: http: / / www.deutschebiographie.de/ pnd116487380.html. Die langfristige Wirkung des Einführungswerks wird noch in der Würdigung des Lebenswerks von Rück betont: Valentin Groebner, In memoriam Peter Rück, 6.9.1934-9.9.2004, in: Traverse. Zeitschrift für Geschichte 12.1 (2005), S. 156-158, doi: http: / / dx.doi.org/ 10.5169/ seals-27766. 28 Siehe B RESSLAU , Handbuch, S. 742f. Zum Notariatswesen in Italien bis 1300 siehe A NDREAS M EYER , Felix et inclitus notarius: Studien zum italienischen Notariat vom 7. bis zum 13. Jahrhundert, Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom 92, Tübingen 2000 (hier S. 3f.). Ausführlicher behandelt einzig noch K ERN Imbreviaturen, der berühmte Mediävist widmete sich im Rahmen seiner Dissertation den Konzepten: F RITZ K ERN , Dorsualkonzept und Imbreviatur. Zur Geschichte der Notariatsurkunde in Italien, Stuttgart 1906. 29 Auch in Briefen wurde die Rückseite genutzt, um die Adresse anzubringen. 117 <?page no="117"?> anzubringen: etwa den Inhalt kurz zu notieren, der später den Urkundentext bilden sollte. Spuren für das Ausführen derartiger Praktiken in Königsfelden selbst finden sich jedoch keine. Einzig Urkunden aus der päpstlichen Kanzlei, die vorwiegend aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts und somit aus Avignon stammen, zeugen von Vorgängen, die im spätmittelalterlichen Aargau nicht zu finden sind: Mit großen Schwüngen wurden Namen wichtiger Würdenträger auf der Rückseite angebracht, teilweise sogar Personen genannt, die auf der Frontseite selbst nicht vorkommen. 30 Bei den genannten Personen handelt es sich wohl meist um Prokuratoren am Hof des Papstes, die die Ausfertigung der Urkunde erwirkten, wobei ihre Rolle nicht abschließend geklärt ist. 31 Das große R ist dabei im Zusammenhang mit franziskanischen Prokuratoren häufig nachzuweisen. 32 Im Werk von Leist, kurz nach demjenigen von Bresslau erschienen, werden zehn Zeilen für die Notizen aufgewendet: Zur Aufbewahrung endlich wurden Pergamentwie Papierurkunden in der Regel zu einem kleineren Umfang zusammengefaltet, und in diesem Falle erscheint die freie Rückseite, die bei der Zusammenfaltung nach außen gekehrt ist, zunächst mit Registraturnotizen, als Nummer und nähere Bezeichnung des Lagerortes der Urkunde, Eintragung derselben in einem Kopialbuch, Taxen, Schlagwörtern bezüglich des Inhaltes u. dergl. versehen. 33 Die «Urkundenlehre. 1. Teil» von Erben, Schmitz-Kallenberg und Redlich beschäftigt sich ausführlich mit den notwendigen und möglichen Schritten der Ausfertigung von Urkunden. 34 Darin nicht eingeschlossen ist alles, was mit dem Dokument nach dem Verlassen der Hand des «Verfassers» geschah. Das Anbringen von Notizen wird folglich ausdrücklich nicht zum Urkundenwesen (an sich) gezählt. Dorsualnotizen werden als Phänomen des Archivs (das im Werk nicht thematisiert wird) angesehen. Auch in der französischsprachigen Forschungsliteratur, die praktische Aspekte, insbesondere die Erstellung von Editionen, wohl aufgrund der Ausbildungslehrgänge an der École nationale des chartes (ENC) stärker betonte, werden Dorsualnotizen 30 Siehe vor allem die päpstlichen Urkunden: StAAG U.17/ 0011a, U.17/ 0062, 25. Jan. 1319, U.17/ 0064, 8. Juli 1319 (abgebildet) und U.17/ 0130a, 2. Okt. 1333. 31 Siehe als Beispiel die Abbildung 3.2. 32 Siehe für eine Auflistung an Kürzel franziskanischer Prokuratoren, jedoch ohne Übereinstimmung mit den Königsfelder Dokumenten G IOVANNI P AOLINI , Documenti pontifici dall’Archivio della Curia Generalizia dei Frati Minori conventuali presso la basilica dei ss. apostoli (1235-1411), in: Le chiavi della memoria, hrsg. von A SSOCIAZIONE degli EX - ALLIEVI , Vatikan 1984, S. 411-440. 33 F RIEDRICH L EIST , Urkundenlehre: Katechismus der Diplomatik, Paläographie, Chronologie und Sphragistik, 2. Aufl., Webers illustrierte Katechismen 106, Leipzig 1893, S. 61f. L EIST beruft sich bei seiner Urkundenlehre auf W ATTENBACH und übernimmt neben großen Teilen des Aufbaus auch Zitate, etwa jenes aus der Summa Conradi de Mure von 1275 zu forma carte et scriptura, ebd., S. 60, W ATTENBACH , Schriftwesen, S. 188f. Ebenfalls aus W ATTENBACH (praktisch wörtlich) übernommen wurde die Art und Weise wie Siegel verpackt wurden, etwa ebd., S. 629: «Die Siegel [. . . ] Fettigkeit entzieht und sie häufig ganz zu Grunde richtet.» 34 W ILHELM E RBEN , L UDWIG A LFONS H UBERT S CHMITZ -K ALLENBERG und O SWALD R EDLICH , Urkundenlehre. 1. Teil, München, Berlin 1907. 118 <?page no="118"?> nicht oder nur sehr bedingt thematisiert. 35 Am ehesten interessieren noch Vermerke von Schreibern, die nur unpräzis eingeordnet werden können und teilweise bei der Abfassung auf der Rückseite landeten. Giry betont, dass die Analyse vorwiegend in Gruppen solcher Notizen zu erfolgen hat und nur so ein Verständnis von den Abläufen gewonnen werden kann, ein Ansatz der auch in diesem Kapitel verfolgt wird. 36 Weiterführendes zu Form und Phänomen findet sich auch in der französischen Forschung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht. Als Spezialfall im Umgang mit Dorsualnotizen gilt die Arbeit mit päpstlichen Bullen, die häufig Expeditionsvermerke tragen, die den Namen des Prokurators nennen. Diese «Spezialnotiz» wird seit längerer Zeit, insbesondere als Teil des Ausfertigungsprozesses untersucht, im Vergleich zur beschriebenen Literatur zu Königs- und Privaturkunden (die Trennung beruht vorwiegend auf der deutschsprachigen Forschungstradition). 37 In der Arbeit von Fichtenau geht es an sich weniger um die Schaffung eines Grundlagenwerks der Diplomatik, als um eine Darstellung der Entwicklung des Urkundenwesens auf dem Gebiet des heutigen Österreichs, der Konturierung einer sogenannten «Urkundenlandschaft». Er beruft sich dennoch auf wichtige Vorgänger (nicht zuletzt Bresslau) und referiert somit seine Vorstellungen vom Urkundenwesen. 38 Dorsualnotizen («Rückvermerke») werden insgesamt drei Mal genannt, jedoch nicht separiert behandelt. 39 Zum einen stellt Fichtenau eine Anlage von Dorsualnotizen im Zuge der Ausfertigung der Urkunden fest, zum anderen findet er keine Erklärung für das sporadische Anbringen der Notizen, auch wenn er vom Vorhandensein eines Archivs überzeugt war. 40 Zur Kanzlei stellt er für Österreich fest, dass «etwas, das im weitesten Sinne als ‹Kanzlei›bezeichnet werden kann, [. . . ] es anscheinend erst im letzten Jahrzehnt des 12. Jahrhunderts bei den Grafen von Tirol gegeben [hat].» 41 Die Rolle der Dorsualnotizen im Einführungswerk von Guyotjeannin, das nicht zuletzt als Hilfsmittel für die Erstellung von wissenschaftlichen Editionen gedacht ist, fällt nicht üppiger aus als bei seinen Vorgängern. Auch wenn die mentions dorsales häufiger genannt werden (etwa im Zusammenhang mit Archivinventa- 35 Siehe A RTHUR G IRY , Manuel de diplomatique, Paris 1925. 36 Ebd., S. 621. 37 Siehe etwa P ETER H ERDE , Beiträge zum päpstlichen Kanzlei- und Urkundenwesen im dreizehnten Jahrhundert, Münchener historische Studien. Abteilung Geschichtliche Hilfswissenschaften 1, Kallmünz/ Opf 1961 mit eigener Sammlung von Expeditionsvermerken, Ebd., S. 222f. 38 H EINRICH F ICHTENAU , Das Urkundenwesen in Österreich vom 8. bis zum frühen 13. Jahrhundert, Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 23, Wien, Köln und Graz 1971. Bereits in einem früheren Werk beschäftigte sich F ICHTENAU mit dem Schriftwesen, jedoch eher in Anlehnung an W ATTENBACH mit dem Phänomen der Schrift insgesamt, Dorsualnotizen spielen darin überhaupt keine Rolle: H EINRICH F ICHTENAU , Mensch und Schrift im Mittelalter, Veröffentlichungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 5, Wien 1946. 39 Etwa zu den rhätischen Urkunden: Die Rückvermerke der ersten Schicht stammen bei allen Stücken, also auch dem von 807 usw., von dem Schreiber des Urkundentextes. Es handelt sich offenbar um eine Routineangelegenheit, die nichts über eine gemeinsame Archivierung oder deren Ort aussagt. F ICHTENAU , Urkundenwesen, S. 45. 40 Ebd., S. 45. 41 Ebd., S. 172. 119 <?page no="119"?> ren), 42 finden sich dennoch keine klaren Definitionen und Beweggründe zur Anlage und Anbringung. 43 Insgesamt führt die Durchsicht der einführenden Literatur zu einem bedingt weiterführenden Resultat. Dorsualnotizen werden zwar beachtet und im Bereich der Aufbewahrungspraktiken verortet, jedoch fehlen tiefergehende Angaben oder gar Typologisierungen, die den Umgang mit den Notizen erleichtern würden. Was sind Dorsualnotizen? Die meist kurzen und häufig schwierig zu entziffernden Wörter, Phrasen aber auch Zeichen können zu unterschiedlichen Zeiten angebracht worden sein: sei es vor oder direkt bei der Abfassung der Urkunde oder aber erst Jahre oder gar Jahrhunderte danach. In Beziehung gesetzt werden Dorsualnotizen häufig auch mit der Anlage von Kopialbüchern und der Neuordnung von Archiven. Dennoch gibt es nur für ausgewählte Bestände - Cluny, St. Gallen und in Ansätzen auch Fulda - Auswertungen zur Anbringung von Dorsualnotizen, die als systematisch bezeichnet werden können. Diese beziehen sich meistens auf Notizen auf früh- und hochmittelalterlichen Dokumenten. Die bereits etwas älteren Arbeiten von Staerkle, aber auch Stengel und Semmelmann arbeiten methodologisch gesehen stark implizit und mit einer überaus überschaubaren Quellenbasis. 44 Die Definition von Dorsualnotizen zeigt, wie die Notizen in den 1960er Jahren analysiert wurden: Dorsualnotizen sind kurzgefaßte Vermerke auf der Rückseite der Urkunde, die ihren Inhalt bestimmen und der Orientierung des Archivars oder Benützer dienen. [. . . ] Ihre Elemente sind die Bezeichnung der Urkunde als solcher des Inhalts, der tradierenden Persons und des tradierten Ortes. Nicht daß diese Bestimmungen von Anfang an miteinander vereinigt gewesen wären, es läßt sich im Gegenteil in ihrer Zusammensetzung eine Entwicklung nachweisen. 45 Das Resultat der St. Galler Untersuchung, auch wenn die räthischen Dokumente miteinbezogen werden, ist gemischt. Zum einen wird eine Systematisierung (mit Errichtung von Kapitelsordnungen) im späten 9. Jahrhundert festgestellt, 46 jedoch ein ebenso rascher Niedergang «des Archivwesens im 10. Jh.», 47 ein «Abflauen der Re- 42 O LIVIER G UYOTJEANNIN , Les méthodes de travail des archivistes du roi de France (XIII e début XVI e siècle), in: Archiv für Diplomatik. Schriftgeschichte, Siegel- und Wappenkunde 42 (1996), S. 295-373, S. 296. 43 Ebenso werden die Begriffe mentions dorsales und mentions archivistiques gebraucht, ohne dass klar wird, ob der Gebrauch synonym ist oder nicht, siehe ebd., S. 182. 44 In S TAERKLE , Rückvermerke Räthien wird ein Korpus von 31 Urkunden behandelt. In S TAERKLE , Rückvermerke St. Gallen finden sich immerhin fast 1000 Dorsualnotizen aus dem 9. und 10. Jahrhundert. In E DMUND E. S TENGEL und O SKAR S EMMELMANN , Fuldensia IV. Untersuchung zur Frühgeschichte des Fuldaer Klosterarchivs, in: Archiv für Diplomatik. Schriftgeschichte, Siegel- und Wappenkunde 4 (1958), S. 120-182 wird zwar statistisch und systematisch vorgegangen, jedoch werden nur etwas weniger als 200 Dokumente behandelt. Das vermittelte Bild darf dennoch als stimmig bezeichnet werden. 45 S TAERKLE , Rückvermerke St. Gallen, S. 32. 46 Ebd., S. 58-63. 47 Ebd., S. 58. 120 <?page no="120"?> gistratur», 48 wie andernorts diagnostiziert. Eine abschließende Meinung über den Aufbau (und eventuellen Verfall) von Transmissionsbemühungen seitens des Klosters St. Gallen lässt sich aus den Arbeiten von Staerkle nicht bilden, insbesondere wenn man den postulierten Unterschieden zwischen den St. Galler und den räthischen Dokumenten vertraut. Die ersteren sollen demnach Vermerke der Aufbewahrenden sein, die zweiten Ausgangsvermerke. 49 Knapp fünfzig Jahre später standen Cluny und dort vorgefundene Strategien der Dokumentenaufbewahrung im Zentrum, wiederum leisteten die Dorsualnotizen weniger als erwartet. 50 Barret stellte bereits in der Einleitung konsterniert fest: Il avait été initialement envisagé de faire porter une très grande parte des efforts sur les mentions dorsales des actes, grâce au nombre importante d’originaux conservés et à la riche tradition des copies de Lambert de Barive. Ce projet a été fortement réduit dans son ampleur, même s’il n’a pas été abandonné. En effet, il est vite apparu que la tâche aurait été d’une importance que n’eussent pas forcément justifiée les résultats obtenus. La complexité et, pour tout dire, l’irrégularité de ces mentions, surtout pour les périodes anciennes, ont fait penser qu’il valait sans doute mieux ne pas investir trop dans un terrain qui apparaît particulièrement mouvant. Les mentions dorsales des actes seront bien évidemment est partie importante du présent travail, mais n’en constitueront pas, comme cela avait été un temps envisagé, l’une des épines dorsales. 51 Entsprechend marginal werden Dorsualnotizen in der Arbeit behandelt, auch wenn immer nach Verbindungen zwischen den Notizen auf den Dokumenten, anderem Schriftgut und der Bildung von Archiven gesucht wird. 52 Der (chronologische) Aufbau des vorliegenden Kapitels ist denn neben vielen anderen Entscheidungen der Vorarbeit an Cluny durch Barret geschuldet. Die Rolle der Dorsualnotizen bleibt jedoch auch im Fall Clunys auf das oder die Archive und die Aufbewahrungshandlung beschränkt. Das Potential der Zeichen auf der Rückseite geht aber viel weiter als bis zur Frage nach der Archivorganisation, aus diesem Grund sind die Notizen auch so wechselhaft (mouvant bei Barret): So lässt sich ungefähr feststellen, zu welchen Zeiten schriftliche Dokumente in die Hand genommen wurden. Syntaktische und inhaltliche Vergleiche des Aufbaus der Notizen machen Aussagen über die Nutzung der Stücke möglich, beziehungsweise verdeutlichen, welche Aspekte dabei in den Vordergrund gerückt wurden. Eine Verbindung zwischen dem Urkundentext der Vor- 48 S TAERKLE , Rückvermerke Räthien, S. 11 49 Ebd., S. 11f. 50 B ARRET , Vita. 51 Ebd., S. 33. 52 Besonders aufschlussreich in P ETER E RHART , Dem Gedächtnis auf der Spur: Das frühmittelalterliche Archiv des Klosters St. Gallen, in: Mensch und Schrift im frühen Mittelalter, hrsg. von G UGLIELMO C AVALLO und P ETER E RHART , St. Gallen 2006, S. 59-65, der die Verbindung zwischen Dorsualnotiz des «archivarius maior» mit einer Liste (einem Archiv) von Mönchsnamen im Professbuch des Klosters St. Gallen (angelegt um 800) nachweisen kann, siehe ebd., S. 62f. 121 <?page no="121"?> derseite und einer Interpretation des materiellen Stücks wird damit möglich und dies gar mit Blick auf unterschiedliche Zeiten. Die Ausführungen zu den Untersuchungen der Dorsualnotizen zeigen eine große Vielfalt und wenig Einheitlichkeit - etwas das sich auch in den Dorsualschichten von Königsfelden zeigt - wobei es nur sehr bedingt möglich ist unterschiedliche Formen von Dorsualschichten zu identifizieren. Die häufigste Form sind kurze Aussagen, Sätze, die eine bestimmte Perspektive einnehmen. Im 15. und 16. Jahrhundert finden sich selten längere Ausführungen auf den Rückseiten. Erst ab Ende des 15. Jahrhunderts können schließlich Siglensysteme identifiziert werden. Dorsualschichten analysieren Da die unterschiedlichen Dorsualnotizschichten nur schwer nach Formen geordnet werden können, werden sie im Folgenden chronolgisch abgearbeitet, angefangen bei der ältesten Schicht von 1321. Gefragt wird nach Aussagen und wichtigen Worten sowie Wortfeldern. Aber auch Anschlüsse an ältere Schichten werden analysiert und die Positionen von Schichten auf den Pergamentstücken verglichen, nicht zuletzt um herauszufinden, wie mit den Rückseiten und den Dokumenten als materielle Stücke zu gewissen Zeiten umgegangen wurde, etwa welche Form der Lagerung bevorzugt wurde. Die Analyse der Auswahl der beschriebenen Urkunden pro Schicht stellt ein wichtiges Instrument dar, um sichtbar zu machen, welche Dokumente zu einem bestimmten Zeitpunkt herangezogen werden konnten. Nicht beschriebene Stücke geben Aufschluss darüber, wo eine Eintragung nicht gewollt oder nicht möglich war. Die graphischen Ausführungen einzelner oder unterschiedlicher Schichten deuten schließlich auf verschiedene, jedoch sehr bewusste Umgänge mit den Dokumenten hin. Die in den Schichten identifizierten Worte sind linguistisch gesehen sogenannte types, da es sich um nicht eindeutig identifizierte Ketten von Buchstaben handelt, die in einem Text vorkommen (können). 53 Grundsätzlich ist damit noch nichts über den semantischen Sinn eines Worts oder die grammatikalische Stellung ausgesagt. 54 Aus der Analyse der Auszählungen und Listen erwächst keine feste Interpretation, es geht jedoch darum, Hinweise und Indizien zu finden, die sich durch Häufungen ergeben. Dadurch soll dieses Kapitel eine kritische Annäherung an die quantitativ arbeitenden Textwissenschaften darstellen, die zum Feld der Digital Humanities gerechnet werden können. Mittels Auswertungen einzelner Schichten können Fragen 53 Nach J OHN M. K IRK , Word Frequency Use or Misuse? , in: What’s in a Word-list. Investigating Word Frequency and Keyword Extraction, hrsg. von D AWN A RCHER , Digital Research in the Arts and Humanities 3, Farnham 2009, S. 17-33, S. 18: Statistical words are words or any string of characters bounded by space which can be counted by a computer. No other distinction is made. Such words are regarded as word «types». Siehe zur Thematik auch: A RCHER Dawn., Does Frequency Really Matter? , in: What’s in a Word-List? : Investigating Word Frequency and Keyword Extraction, hrsg. von D AWN A RCHER , Digital Research in the Arts and Humanities 3, Farnham 2009, S. 1-16. 54 Die linguistische Auszeichnung der Notizen als ein Korpora ist jedoch nicht möglich, insbesondere da aufgrund der unterschiedlichen Herstellungszeiten und des Variantenreichtums der Rechtschreibung zum jetzigen Zeitpunkt keine verlässlichen Automatisierungen möglich sind. Tests anhand einzelner Schichten haben zu keinen belastbaren Erkenntnissen geführt. 122 <?page no="122"?> Abbildung 3.3: Wortwolke der Schicht von 1321. nach Verlusten gestellt und aus der Durchsicht von Nummerierungen eruiert werden. Weiter sind stellenweise Zeitprofile sinnvoll, die aufzeigen, welche Dokumente im Fokus von dorsalen Beschriftungsaktionen lagen. 55 Das Nicht-Vorhandensein von Dorsualnotizen erlaubt schließlich weitere Aufschlüsse zu implizitem Wissen, das so selbstverständlich war, dass es nicht verschriftlicht werden musste. Diese Argumentation ex negativo, insbesondere im Vergleich zu früheren und späteren Häufigkeitsverteilungen, führt zu Erkenntnissen bezüglich Wortfeldern, die darauf deuten, was entweder selbstverständlich oder gar nicht denkbar war. Beide Polen werden in den ausgezählten Wortfeldern fehlen. Es ist daher eine Aufgabe zu unterscheiden, ob ein Begriff oder eine Gruppe an Begriffen aus Selbstverständlichkeit nicht genannt wird oder weil etwas undenkbar war. 3.2 Dorsualschichten zur Bündelung von Dokumenten Die erste und älteste identifizierbare Schicht stammt aus der Zeit um 1321 und war eine Kleinserie. Sie wurde nur auf wenigen Dokumenten angebracht. Das Kloster war knapp zehn Jahre zuvor gegründet worden und bereits verhältnismäßig gut ausgestattet. Agnes von Ungarn war seit drei Jahren anwesend und hatte wichtige Dokumente ausgestellt. Um die Worte einer Schicht auf einen Blick zu erfassen, werden als Visualisierung sogenannte «Wortwolken» erstellt, die Interpretationsansätze anregen sollen. Wortwolken gehören seit einiger Zeit zum Inventar der Digital Humanities und werden häufig genutzt, um Texte, Themen oder ganze Bücher zu visualisieren. Mittels unterschiedlicher Größendarstellung einzelner Worte werden Betonungen vorgenommen. Word clouds sind mehrschichtige Deutungsangebote, die vieles vereinen, ohne sich zu sehr auf eine Interpretation festzulegen, und entsprechend vorsichtig in der Analyse eingesetzt werden sollten. Bei den Wolken handelt es sich also um das Resultat einer Auszählung von Worthäufigkeiten. Im Falle der Dorsualnotizen scheint diese Darstellung sinnvoll, da damit sichtbar und vergleichbar wird, welche Worte mehrfach genutzt wurden. In den frühen - ausgesprochen kleinen - Schichten, wie in der ersten Schicht, führt dies zu 55 Um den Lesefluss nicht zu stark zu behindern, wurden nicht immer alle Methoden für jede Schicht durchexerziert. Wenn Resultate etwa in überhaupt keine Richtung deuten oder als banale Wiederholung angesehen werden müssen, wurde darauf verzichtet, die Resultate zu referieren. Zukünftig werden die Dorsualnotizen im Rahmen des «Editionsprojekts Königsfelden» aufbereitet und zugänglich gemacht, siehe dazu ab Herbst 2020: https: / / www.hist.uzh. ch/ de/ fachbereiche/ mittelalter/ lehrstuehle/ teuscher/ forschung/ projekte/ koenigsfelden.html. 123 <?page no="123"?> nur bedingt aufschlussreichen Bildern, da sehr selten mehrfache Nennungen zu verzeichnen sind. 56 Bei der Verwendung von Wortwolken geht es darum, Eindrücke aufzubrechen, die beim linearen Lesen entstehen. Gerade im Fall der kurzen Notizen auf der Rückseite ist ein nicht linearer Zugang nötig, da ein Lesen über die einzelne Notiz hinaus gar nicht möglich ist. Eine Reihenfolge des Lesens innerhalb der Schicht war nie vorgesehen. Zwecks Vereinfachung wurden die Wortwolken ohne Sonderzeichen, wie etwa Umlauten, hergestellt. Die erste Dorsualschicht: 1321 Nur auf neun Urkunden, einem Sechstel der 54 Dokumente, die bis heute überliefert wurden und zum Zeitpunkt der Anfertigung der Schicht bereits höchstwahrscheinlich in Königsfelden waren, wurde bereits so früh eine Notiz angebracht. Neben dem dominanten pro, das in jeder der beschriebenen Dorsualnotizen vorkommt, fallen die Ortsnamen beziehungsweise die Personennamen (Staufen, Veringen, Wolon) auf, welche die Struktur der kurzen Notizen erkenntlich machen. Die Auswahl der beschriebenen Stücke ist aus mehreren Gründen erstaunlich, etwa weil auf beiden Exemplaren einer doppelt ausgestellten Urkunde Notizen angebracht wurden - 57 also auf einem Dokument, das für den Klarissen- und den Franziskanerkonvent ausgestellt worden war und spätestens um 1400 separiert aufbewahrt wurde. 58 Das heißt, dass die Person, die die Dokumente beschrieb, Zugriff auf die Dokumentensammlungen beider Institutionen haben musste, wenn diese denn überhaupt schon getrennt waren. Für eine Trennung, ohne einen exakten Zeitpunkt festlegen zu können, sprechen die nachfolgenden Dorsualschichten bis 1497, die jeweils höchstens auf einer der für beide Konvente ausgestellten Urkunden präsent waren. Die durch die Hand beschriebenen Dokumente lassen sich größtenteils in einen gemeinsamen Kontext bringen, handelt es sich doch um Dokumente der habsburgischen Herrschaft, die für die Konvente ausgestellt wurden. 59 Auch die Bestätigung 56 Für die Herstellung solcher clouds sind weitaus ausgeklügeltere Mechanismen denkbar, als die hier verwendete Visualisierung. In ihrem literaturwissenschaftlichen Versuch einer nicht linearen Lesung viktorianischer Novellen benutzt S TEGER Wortwolken gezielt um zu demonstrieren, welche Worte häufig, beziehungsweise selten genutzt werden in Kapiteln mit «sentimentaler», beziehungsweise «unsentimentaler» Ausrichtung. Siehe S ARA S TEGER , Patterns of Sentimentality in Victorian Novels, in: Digital Studies / Le Champ Numérique 3.2 (2013), URL : http: / / www.digitalstudies.org/ ojs/ index.php/ digital_studies/ article/ view/ 238/ 294. Der Artikel ist eine wichtige Auseinandersetzung mit der Visualisierungsform «Wortwolke», auf welcher hier aufgebaut wird. Zentral ist der Vergleich zwischen der erwarteten Häufigkeit von Worten im Verhältnis zu einem Referenzkorpus und ihrer tatsächlichen Häufigkeit. Die Größe der Darstellung des Wortes hängt dabei vom errechneten Verhältnis ab. Kritisch zu word clouds siehe J ACOB H ARRIS , Word Clouds Considered Harmful, Nieman Journalism Lab, 13. Okt. 2011, URL : http: / / www.niemanlab.org/ 2011/ 10/ word-clouds-considered-harmful/ . An gewissen Stellen, etwa im Teil zu den Rubrizierungen des Kopialbuchs, ist es angebracht nach Wortarten zu sortieren, dort wird auf die Bildung einer Wolke zugunsten einer Liste verzichtet. Siehe unten S. 140. 57 StAAG U.17/ 0023A und StAAG U.17/ 0023B. 58 Siehe unten S. 198. 59 So wurde ein Dokument Leopolds von 1309, das die Vergabung von Zinsen an das neue Kloster regelt (StAAG U.17/ 0007a), die Stiftungsurkunde Elisabeths von 1311 (StAAG U.17/ 0020a), 124 <?page no="124"?> der Herzöge für die Lösung eines Pfandes durch Agnes von Ungarn 60 sowie drei Kaufurkunden des Klosters passen in diesen Kontext der zentralen Dokumente kurz nach der Stiftung. 61 Dagegen sind die Beschriftungen einer Verzichtserklärung der Sophie von Lichtenberg gegenüber einer Schwester auf ein Gut 62 sowie der Vergabung von Gütern an Ritter Wernher von Wohlen für geschuldete Solddienste nur schlecht einzuordnen und zu erklären. 63 Vielleicht wurde versucht eine Verbindung zwischen Besitz und vorhandenen Urkunden herzustellen, was jedoch nur im Fall des Gutes Veringen aufgeht, 64 wo die Beschriftung auf den Namen des Gutes deutet. Beim zweiten Stück (des von Wolon pfant) 65 wird eine Vielzahl von Pfändern durch den Herzog abgetreten, was wohl der Grund für eine Beschriftung mit Namen ist. Diese Dorsualnotiz macht auch klar, dass sie nicht bei der Ausfertigung hergestellt und die Schicht nicht durch die herzogliche Registratur erstellt wurde, was aufgrund der häufigen Bezüge zu Herzog Leopold denkbar gewesen wäre. Die Notiz mit dem Eintrag Pfand des Wohlen wäre im Moment der Ausfertigung sinnlos gewesen, da die Urkunde vom Schreiber des Herzogs für den Wohlen ausgefertigt wurde. Die Dorsualnotiz muss daher angefertigt worden sein, als sie nicht mehr im Besitz des Wohlen war, beziehungsweise als sie als Pfand des Wohlen ausgelöst wurde. Entsprechend ist naheliegend, dass sie in Königsfelden angebracht wurde. Interessant ist auch der Blick auf Urkunden, die nicht von der Hand beschrieben wurden, darunter fällt etwa die doppelt ausgestellte Urkunde der Agnes von Ungarn von 1318, 66 die ihre detaillierten Anordnungen enthält. Neun Kaufurkunden, eine Bestätigung des Kirchensatzes von Windisch 67 und eine Inkorporationsurkunde des Bischofs von Straßburg 68 hätten zwar in die Schicht aufgenommen werden können, was jedoch nicht geschah. Aufgrund der wenigen, beschriebenen Dokumente, lässt sich nicht sagen, ob ein Zugriff auf die Stücke bestand oder sie an einem anderen Ort aufbewahrt wurden und deshalb keine Beschriftung angebracht wurde. die Bestätigung der Freiheiten und des Kirchensatzes von Staufen durch die Herzoge Friedrich und Leopold 1312 und 1315 von der Hand beschrieben (StAAG U.17/ 0023A und StAAG U.17/ 0023B). 60 U.17/ 0065, 11. Nov. 1319. 61 StAAG U.17/ 0035, U.17/ 0073, 10. Feb. 1321, ADHR 3G St. Pierre 32 D IV 9 (nach Bonerscher Zählung: 0073e) datiert auf den 14. Dezember 1321. 62 Das Gut wird Veringen genannt und liegt in Altenburg: U.17/ 0027, 5. Jan. 1313, der Besitz gelangte mit dem Dokument StAAG U.17/ 0035, 1314, an Königsfelden. 63 StAAG U.17/ 0052. Wann das Dokument an das Kloster gelangte, ist ungeklärt, möglicherweise mit der in derselben Schicht ebenfalls beschrifteten Urkunde 0065, mittels welcher Agnes Güter in Lupfig erwarb. 64 Pro bonus de Veringen, StAAG U.17/ 0027v. 65 StAAG U.17/ 0052v. 66 StAAG U.17/ 0061/ 01 und StAAG U.17/ 0061/ 02, siehe oben S. 59. 67 StAAG U.17/ 0056. 68 U.17/ 0066, 16. Nov. 1319. 125 <?page no="125"?> Abbildung 3.4: Drei Beispiele der Schicht von 1321. Aus AD HR 3G, 32 D IV 9 (0073e), U.17/ 0020a, 29. Sep. 1311, U.17/ 0023A, 10. Aug. 1312. Klare Struktur - unklare Herstellung Der Aufbau der Beschriftung ist durchwegs simpel und enthält neben dem einleitenden pro eine Angabe zum im Dokument verhandelten Besitz und/ oder zum Ort: wie etwa in pro ecclesia Staufen. 69 Die Bedeutung der Präposition pro ist nur bedingt zu ergründen, vor allem da die Übersetzung mit über in späteren Schichten zusätzlich zur Verwirrung beiträgt. Gemäß dem Wörterbuch von Niermeyer kommt nur die Bedeutung «für» in Frage, die einen kausalen Zusammenhang zwischen dem genannten Gut und der Urkunde herstellt. 70 Demzufolge würde das Dokument zwischen Gut und Besitzer mediatisieren, im Gegensatz zum später verwendeten über, das signalisiert, dass auf der Frontseite Informationen zum Gut weitergegeben werden. 71 Ob die Differenz zwischen pro und über einen Wandel im Verständnis bedeutet oder beide Begriffe im 14. Jahrhundert dasselbe bedeuteten, bleibt unentschieden, da nur wenige Fälle mit der Übertragung identifiziert werden können. Obwohl die Wahl der lateinischen Sprache nicht überrascht, so war diese nach 1310 im Gebiet der habsburgischen Herrschaft sowie im gesamten Gebiet der heutigen Deutschschweiz mehrheitlich nicht mehr üblich. Im Gegensatz dazu stehen 69 StAAG U.17/ 0023A und StAAG U.17/ 0023B. 70 Siehe J AN F REDERIK N IERMEYER , C O V AN DER K IEFT und J OHANNES W. J. B URGERS , Mediae Latinitatis lexicon minus = Lexique latin médiéval = Medieval Latin dictionary = Mittellateinisches Wörterbuch, Leiden 2004, URL : http: / / linguaeterna.com/ medlat/ , S. 853. 71 Zur Übersetzung von pro als über siehe unten S. 143. 126 <?page no="126"?> die Gepflogenheiten der klerikalen Würdenträger, die noch bis weit ins 15. Jahrhundert mit Klöstern und untereinander auf Latein verkehrten. Die Übernahme von Gepflogenheiten aus anderen Verwaltungen, insbesondere anderen Klöstern, kann nicht ausgeschlossen werden. Die naheliegende Erklärung für die gewählte Sprache ist dennoch das Wirken eines franziskanischen Bruders, der sich mit den Stücken beschäftigte. Da sowohl Dokumente aus dem späteren Bestand der Klarissen und dem der Franziskaner beschriftet wurden, würde dies zur Folge haben, dass entweder die Stücke noch vereint irgendwo aufbewahrt worden waren oder der Betreffende Zugang zu beiden Aufbewahrungsorten hatte. Das Erstere erscheint mir naheliegend, bedeutet aber, dass unklar bleibt, wo die Dokumente nach den ersten Jahren der Klostergründung aufbewahrt wurden. Da zu dem Zeitpunkt die Bautätigkeiten noch nicht abgeschlossen waren und der Chor wie wohl auch die meisten Gebäude der Konventualen sich erst im Bau befanden, ist eine gemeinsame Aufbewahrung denkbar. Es handelte sich demnach um eine erste provisorische Aufbewahrung, die bereits wenige Jahrzehnte später angepasst wurde. 72 Da zu spezifischen Dorsualnotationspraktiken der Franziskaner im 14. Jahrhundert keine Forschung existiert, lassen sich auch aus dieser Richtung keine Anhaltspunkte heranziehen. Der Hintergrund der frühesten Dorsualnotizen bleibt ebenso im Dunkeln: die Kleinserie deutet zwar auf den Versuch einer Ordnung der Dokumente bereits zehn Jahre nach der Stiftung des Konvents hin, ein System ist jedoch nicht erkenntlich. Auffällig bleibt die Verbindung zu Herzog Leopold, welche die Mehrzahl der Stücke aufweist. Er war es, der in den Vorlanden als Regent auftrat. Daher wurden Dokumente mit Bezug auf ihn vielleicht wichtiger, allein um zu demonstrieren, wie eng der Kontakt zu ihm war. Gegen diese Hypothese sprechen jedoch drei Dokumente, mit welchen der Herzog nicht in Beziehung gesetzt werden kann. 73 Auch über einen Abbruch der Beschriftung kann spekuliert und ein größeres Unterfangen impliziert werden. Die Zeit vor 1321 ist, wie im vorangegangenen Kapitel aufgezeigt, 74 geprägt durch den Einzug von Königin Agnes in Königsfelden. Ihre Tätigkeit und ihr Einfluss sind anhand einer Urkunde von 1319 fassbar, die in die Schicht aufgenommen wurde. 75 Ob Administratoren innerhalb der Konvente für die Schicht verantwortlich waren, Agnes durch eigene Schreiber die Schicht anfertigen ließ oder durch ein eigenes System der Aufbewahrung die Bemühungen torpedierte, kann aufgrund der dünnen Quellenlage weder belegt noch verworfen werden. Mit Sicherheit lässt sich sagen, dass im Verhältnis zu den überlieferten Dokumenten nur wenige Schriftstücke beschriftet wurden und die beschrifteten Stücke nicht in einen klaren Zusammenhang gestellt werden können. Dieses Fazit muss für die Schichten des 14. und frühen 15. Jahrhunderts häufig gezogen werden; ebenso ist unbekannt, wer die Schichten anbrachte. 72 Siehe dazu insbesondere die zwei folgenden Schichten, unten S. 128f. 73 StAAG U.17/ 0027, StAAG U.17/ 0035, StAAG U.17/ 0073. 74 Siehe oben S. 59. 75 StAAG U.17/ 0065. 127 <?page no="127"?> Abbildung 3.5: Drei Beispiele der Schicht von 1343. Aus U.17/ 0045, 24. Juni 1315, U.17/ 0159, 6. Mai 1337, U.17/ 0169, 11. Nov. 1337. Dorsualschichten von 1340 und 1370 In den folgenden Jahrzehnten zwischen 1340 und 1370 lassen sich zwei Schichten finden, die beide wie die früheste lateinische Schicht funktionieren, jedoch auf Deutsch verfasst wurden. Die ältere Schicht von 1340 (letzte beschriebene Urkunde im Juni 1343) bringt kurze Aussagen nach dem Schema: Über Sulz; über zwo mark geltes ze Husen; über Egidien guot von Rubiswile. Von der kürzesten Form (über + Ort) zu längeren Notizen (über den hof ze Rüti der kouft wart um Rüdiger den Schenken) finden sich unterschiedliche Aussagen. Die spätere Schicht, ein letztes Mal auf einem Dokument von 1369 angebracht, umfasst knapp 80 Urkunden. Fünf Jahre nach dem Tod Agnes’ von Ungarn wurden sie von der selben Hand beschrieben. Dass es sich bei beiden Schichten um sehr frühe handeln muss, zeigt sich nicht zuletzt an den fehlenden Anschlüssen vor den Notizen. In keinem Fall nimmt ein Eintrag Bezug zu einer früheren Dorsualnotiz oder schließt an eine solche an, was davon zeugt, dass die Rückseiten zu dem Zeitpunkt noch fast gänzlich unbeschriftet waren. Der Aufbau und die daraus folgenden Aussagen, wie sich die einzelnen Notizen zusammensetzen, gelten für beide Schichten analog. Die drei inhaltlichen Kategorien (Ort, Besitz, Person) sind dominant. Inhaltlich gibt es jedoch zur späteren Schicht Differenzen, da Seon, Sulz und Dogern häufig vorkommen (im Gegensatz zu Windisch und Baden später). Auch taucht der Begriff des «Zehnten» auf, was 128 <?page no="128"?> den Einbezug von Herrschaftsrechten nahelegt, die zum Einzug von Zehnten nötig waren. Von den knapp 40 mit der Dorsualschicht von 1340 beschrifteten Urkunden, wurde ein Fünftel auch um 1370 beschrieben. Alle acht Dokumente stehen in Beziehung mit habsburgischen Vergabungen oder Verkäufen, beziehungsweise in einem Fall mit einem Verkaufsverbot für wertvolle Schmuckstücke, die von der Herrschaft an das Kloster gekommen waren. Neben den Bestätigungen durch die Herrschaft und Kaufurkunden, die in der Schicht vorwiegend beschriftet wurden, finden sich auch Bestätigungen Dritter sowie Tauschurkunden. Die Ordnungen der Agnes von Ungarn wurden ebensowenig in dieser wie in der späteren Schicht beschriftet. Im Gegensatz zur frühesten Schicht wurden Doppelausstellungen nur auf einem Exemplar beschriftet. Daher scheint es wahrscheinlich, dass Franziskaner und Klarissen ihre Dokumente nicht mehr an demselben Ort aufbewahrten, sondern unterschiedliche Orte der Lagerung definiert hatten. Beide Schichten wurden auf Schriftstücken angebracht, die im Klarissenkonvent zu finden waren. Wobei sich die Frage stellt, ob Agnes von Ungarn selbst ebenfalls eigene Dokumente separierte und in ihren eigenen Gebäuden aufbewahrte. Wurden demnach nur Dokumente durchgeschaut, die nicht in der Hand der Agnes waren? Hatten demzufolge die Klarissen keinen Zugriff auf solche Dokumente? Der Vergleich zwischen der 1340er und 1370er Schicht scheint darauf hinzudeuten, denn beide handeln häufig ähnliche Problemgemenge ab (etwa die Mühlen von Zofingen oder den Gutshof in Erlinsbach), die 1370er Schicht konnte jedoch eine größere Menge an Dokumenten miteinbeziehen als die frühere. Die Fragen, wann und weshalb die Dokumente der Agnes doch in die Sammlung des Klosters kamen, müssen natürlich noch gestellt werden. Es finden sich jedoch keine Anzeichen über den Zeitpunkt oder den Anlass (abgesehen vom Tod der Förderin). Auch spätere Dorsualschichten erlauben keine Aufschlüsse über die Vorgänge. Einzig die Feststellung ist möglich, dass 1370 die Rückseiten von Dokumenten beschrieben werden konnten, die dreißig Jahre zuvor noch nicht mit einer Notiz versehen wurden. Der Name der Agnes von Ungarn fehlt in dieser und den darauffolgenden Schichten. Insgesamt fällt auf, wie selten Personen in den Dorsualnotizen genannt werden. Der Bruder von Agnes, Albrecht II., der bereits viel früher als seine Schwester verstarb, wird einmal in einer Schicht genannt. 76 Daneben finden sich einzig noch die Namen von Königin Elisabeth, König Albrecht, 77 Graf Rudolf von Habsburg(- Laufenburg) 78 und Guta von Oettenbach. Da jede Person jedoch jeweils nur einmal genannt wird, kann davon ausgegangen werden, dass keine der Personen explizit im Fokus der Schichten stand. Im Gegensatz dazu stehen die häufigen Nennungen 76 U.17/ 0165, 16. Okt. 1337. Albrecht II. verstarb 1357. 77 Beide in der Urkunde der Äbtissin Guta, die bereits beschreiben wurde, siehe oben S. 64. 78 Die habsburgische «Seitenlinie» wird in der Forschungsliteratur als «Habsburg-Laufenburg» bezeichnet. Betrachtet man die Selbstbezeichnung sprechen die Grafen und ihre Frauen von sich selbst als von Habsburg, eine Bezeichnung, die die Herzoge und Herzöginnen von Österreich nicht mehr als primären Titel führten. 129 <?page no="129"?> Abbildung 3.6: Wortwolke der Schicht von 1370. in den Inhaltsverzeichnissen und Einleitungssätzen des ersten Kopialbuchs und in Dorsualschichten, die um 1415 angelegt wurden. 79 Struktur der frühen Schichten Die textuelle Struktur der Notizen ist simpel und einheitlich. Drei Varianten existieren: • Über [Ort] • Über [Besitz] 80 ze [Ort] • Über/ min [Person im Genitiv] [Ort]/ jarzit Der Fokus ist relativ klar: es wird aufgezeigt, welcher Besitz in der Urkunde verhandelt wird, wobei die Angaben keineswegs vollständig sein mussten, im Normalfall (zwei Ausnahmen bestätigen die Regel) 81 wurde nur eine Ortschaft bzw. eine Person genannt. Bei der Nennung der Person kann davon ausgegangen werden, dass der Name als Stellvertreter für ein (bekanntes) Gut stand, das offensichtlich auch noch Jahre nach der ursprünglichen Ausstellung der Urkunde verstanden wurde, der Name des früheren Besitzers also zum Toponym wurde. 82 Die häufigsten Ausdrücke sind entsprechend der Struktur: über, ze, von, der, die, des, den. Wobei über mit Abstand am häufigsten (79 Mal) vorkommt. Die restlichen Pronomina treten zwischen vierzehn und 26 Mal auf. 83 Problembasierte Notizen Bei den Stücken handelt es sich nicht nur um Dokumente, die für das Kloster ausgefertigt wurden, sondern auch um solche, die dem Kloster erst nach der Produktion und im Zusammenhang mit dem Kauf oder der Vergabung von Besitz zukamen. Es 79 Siehe unten ab S. 140 und S. 147. 80 Als «Besitz» kann hof, müli, ecker, march gelts, maten, zechenden, guoter, var, fruegen messe, pfant verstanden werden; ebenfalls dieser Kategorie wird bestetgung zugeschlagen, obwohl nur bedingt passend. 81 U.17/ 0120, 14. Juni 1331, StAAG U.17/ 0165. 82 U.17/ 0213, 9. Aug. 1346 nennt noch mehr als 20 Jahre nach der Ausstellung den früheren Besitzer: Bazlinen guot. 83 Vier Stücke (StAAG U.17/ 0022, StAAG U.17/ 0064, U.17/ 0077, 23. Aug. 1322, U.17/ 0104, 2. Feb. 1330) scheinen durch die Schicht zweifach beschriftet worden zu sein, weshalb eine leichte Verzerrung anzunehmen ist. 130 <?page no="130"?> wurden auch nicht alle Urkunden beschriftet, die zu dieser Zeit in Königsfelden waren, da etliche keine Spuren dieser Schichten aufweisen. Der Ausdruck brief, der in anderen Kontexten als Synonym für Urkunde bereits ausführlich problematisiert wurde, 84 ist in der Schicht relativ häufig. «Brief» ist ein Endonym, das in der Urkundensprache oftmals gefunden werden kann. Aufgrund der Selbstbezeichnung fokussiert der Begriff auf das materielle Stück und stellt die materielle Ausfertigung ins Zentrum. 85 Wobei der «Brief» mit einer Ausnahme immer in Verbindung mit einer Zahl vorkommt, die zum Ausdruck bringt, das wievielte Dokument sich mit der in der Dorsual genannten Beschreibung beschäftigt. Die Zählung ist insofern problematisch, da meistens erst ab dem dritten Vorkommen einer Ortschaft eine Nummer angebracht wurde. Entsprechend ist es nur schwer möglich, allfällige Verluste abzuschätzen. 86 Während auf den ersten Blick bezüglich der durchgesehenen Urkunden keine Regelmäßigkeiten festgestellt werden können, so liefert die Häufigkeit der Nennung einzelner Orte, etwa von «Windisch» (10 Mal) einen wichtigen Anhaltspunkt. Wobei der Ort praktisch durchgängig für den Kirchensatz steht, um den es in den beschriebenen Dokumenten geht. Die Umstände, bis Königsfelden den Kirchensatz von Windisch tatsächlich nutzen konnte, sind bereits gut beleuchtet und ein Vorzeigebeispiel für die Problematik von Urkundenausstellungen. Zwar beschreibt eine herzogliche Urkunde die Besitzübertragung des Kirchensatzes 1312, die tatsächliche Übernahme aller Rechte stellte sich dagegen um einiges komplizierter heraus, wie Bihrer eingehend aufgezeigt hat. 87 Handelt es sich also um das Resultat einer Suche nach Belegen für umstrittenen Besitz? Die gehäuft vorkommenden Orte Zofingen und Erlinsbach sprechen dafür: Zofingen tritt 6 Mal in Erscheinung, wobei jeweils explizit die Mühlen erwähnt werden. Daneben können zusätzlich noch zwei Nennungen von Mühlen andernorts gezählt werden. Bereits 1357 trugen der Klarissenkonvent und Königin Agnes einen Streit mit der Stadt Zofingen aus. Dabei ging es um das Wasser für die Mühlen, die im Besitz des Klosters waren. Das Urteil - gefällt durch den Landvogt Johann von Büttikon, der offensichtlich miteinbezogen werden musste, da die Schiedsleute zu keiner Einigung kamen - fiel ausgesprochen ausgleichend aus, indem beiden Parteien das Recht zugesprochen wurde, die Wigger (Fluss) für eigene Zwecke, vorwiegend Mühlenbetrieb und Bewässerung von Äckern, zu nutzen. 88 Es ist aufgrund des ausgewogenen Urteils gut möglich, dass bereits wenige Jahre später wieder Streit zwischen den Parteien ausbrach, auch weil Agnes nicht mehr als Förderin für das Kloster Einfluss nehmen konnte. 84 M ORSEL , Brief. 85 Die häufigste Kombination in der Urkundensprache ist: mit urkund dis briefs. 86 So wird etwa zu Windisch nur der dritte Brief (der iij brief ) gezählt, während andere nur als über Windisch beschrieben werden. 87 A NDREAS B IHRER , Zwischen Wien und Königsfelden: Die Kirchenpolitik der Habsburger in den Vorderen Landen im 14. Jahrhundert, in: Habsburger Herrschaft vor Ort - weltweit (1300-1600), hrsg. von J EANNETTE R AUSCHERT , S IMON T EUSCHER und T HOMAS Z OTZ , Ostfildern 2013, S. 109-135. 88 U.17/ 0277A, 14. Aug. 1357 und U.17/ 0277B, 14. Aug. 1357. Beide Exemplare der Urkunde lagen in Königsfelden, weshalb ist ungeklärt. 131 <?page no="131"?> Die Ortschaft Erlinsbach wird 4 Mal genannt: Der Hof von Erlinsbach war gerade erst, um 1351, von Einsiedeln erworben worden. Aufgrund der Nähe zur Stadt Aarau und stärker noch zum Einflussbereich der Herren von Küngstein, blieben die Rechte am Hof umstritten. 89 Die gehäuft auftretenden Ortsnamen stehen in allen Fällen in Zusammenhang mit Auseinandersetzungen zwischen Königsfelden und anderen Parteien. Die Dorsualschicht wurde daher gebraucht, um eine Übersicht über die Dokumente zu haben, die in Streitfällen gebraucht werden sollten. Eine einzelne Schicht bildete also mehrere Urkundendossiers, die aus einzelnen Problemfällen bestanden. Nicht beschriftete Urkunden Die Suche nach thematisch nahen Urkunden, die das Kloster zum Zeitpunkt der Niederschrift der Dorsualschicht bereits besessen haben musste, jedoch keine Spuren der Schicht enthalten, erweist sich als aufschlussreich: So wurden etwa im Zusammenhang mit den Mühlen von Zofingen zwei Bestätigungen von Herzog Albrecht nicht beschriftet. 90 Auch wurden insgesamt zwölf Dokumente, die unter anderem als Bestätigungen für den Besitz des Windischer Kirchspiels gelten können, nicht von der Hand beschriftet. 91 Über die Gründe lässt sich nur spekulieren. Auffällig ist, dass zu beiden Auseinandersetzungen wichtige Dokumente in der Schicht fehlen, die Königin Agnes als Akteurin involvierten - 92 im Fall von Windisch etwa eine Ordnung und eine Abmachung zwischen ihr und Niklaus von Frauenfeld, dem früheren Pfarrer und Hauptkontrahenten um den Kirchensatz. 93 Da die Anlage von Dorsualschichten während eines längeren Zeitraumes erfolgen konnte und vielleicht bereits vor dem Tod der Agnes mit der Schicht von 1370 begonnen wurde, lässt sich erklären, dass auf gewisse Dokumente zu Lebzeiten von Agnes noch kein Zugriff bestand. Die Datierung aller Schichten erweist sich vor dem Hintergrund solcher Überlegungen als durchwegs schwierig und unsicher. Die Tatsache, dass gewisse Stücke, die im Fokus waren, nicht beschriftet wurden, ist ein starkes Indiz für eine nicht zentralisierte Aufbewahrung. 94 Die Frage nach den Schreibenden drängt sich aber gerade in der hier analysierten Schicht auf. Denn es bleibt unklar, ob einzelne Schichten in Zusammenhang mit 89 Die Dokumente der Auseinandersetzung wurden im Rechtsquellenband der Oberämter Königsfelden, Biberstein, Kasteln editert: M ERZ , SSRQ AG II/ 2, S. 147-156, Nr. 77 und 78. Zwischen dem Streit der Kienberg und der Auseinandersetzung der Rubiswil mit Königsfelden, das zum Abtausch von Gütern mit dem Kloster und dem Wegzug der Kleinadligen endete, gibt es gewisse Parallelen. 90 U.17/ 0175, 16. Okt. 1338 und U.17/ 0188, 4. Okt. 1340. 91 StAAG U.17/ 0020a, StAAG U.17/ 0024, U.17/ 0025, 19. Nov. 1312, StAAG U.17/ 0026, StAAG U.17/ 0055B, StAAG U.17/ 0107, U.17/ 0139, 17. März 1334, U.17/ 0141, 1. Juli 1334, U.17/ 0149, 2. Feb. 1335, U.17/ 0150, 2. Feb. 1335, StAAG U.17/ 0152, U.17/ 0205, 25. Mai 1344. 92 Eine interessante Ausnahme bildet die erste Ordnung von Agnes, die für beide Konvente ausgestellt wurde und offensichtlich um 1370 im Klarissenkonvent aufzufinden war. 93 StAAG U.17/ 0149 und StAAG U.17/ 0152. 94 Folgende Dokumente betreffen Windisch und wurden nicht beschriftet: StAAG U.17/ 0020a, StAAG U.17/ 0024, StAAG U.17/ 0025, StAAG U.17/ 0026, StAAG U.17/ 0055A, StAAG U.17/ 0055B, StAAG U.17/ 0107, StAAG U.17/ 0139 (Papstbulle), StAAG U.17/ 0141, StAAG U.17/ 0149, StAAG U.17/ 0150, StAAG U.17/ 0152, StAAG U.17/ 0205. 132 <?page no="132"?> der eigenen Verwaltung der Agnes und ihrem Verwaltungsstab angebracht wurden und dort auch ihre Aufbewahrung fanden oder ob die Klarissen Zugriff auf die Dokumente hatten und selbst Neu- und Umordnungen vornehmen konnten. 95 Auch für spätere Schriften können Schreiber nur in Einzelfällen identifiziert werden, und wenn dies möglich ist, handelt es sich durchwegs um Männer. 96 Zwar kann nicht zuletzt bei der Beschriftung von franziskanischen Dokumenten in Latein von einem Mann ausgegangen werden, 97 jedoch lassen sich keine Rückschlüsse auf die Schichten des Klarissenkonvents dadurch ableiten. Bereits seit ihrem Einzug waren die Klarissen für die Verwaltung der Güter verantwortlich und brauchten dazu einen männlichen Mitarbeiterstab, der die Bewirtschaftung der umliegenden Güter tätigte. Gleichzeitig wurden Personen beauftragt, Abgaben einzuziehen, da die Klarissen die Klausur eigentlich nicht verlassen durften. 98 Ob es sich bei den Beauftragten immer um Männer handelte, ist dennoch nicht bewiesen, bekannt sind im gesamten 14. Jahrhundert jedoch ausschließlich männliche Beauftragte des Klosters, wie auch die späteren Hofmeister nur männlich waren. 99 Dementsprechend ist es denkbar, dass dieselben oder andere Männer auch an der Verwaltung der Dokumente beteiligt waren und daher für das Anbringen von Dorsualnotizen verantwortlich gemacht werden können. Dessen ungeachtet kann davon ausgegangen werden, dass die meisten der Schwestern lesen und schreiben konnten, gehörte doch eine Schreibschule zur Grundausstattung von Klarissenkonventen. 100 Zunächst müssen an dieser Stelle kurz die Örtlichkeiten der Aufbewahrung reflektiert werden. Es ist nicht mit Sicherheit festzustellen, wann welche Dokumente wo lagen. Mittels Dorsualnotizen können aber Annäherungen versucht werden. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Aufbewahrung in mehreren über die Zeit wechselnde Räumlichkeiten erfolgt sein könnte. Die Annahme umgeht eine teleologisch-modernistische Erklärungsfalle, die ein Archiv annimmt, welches so nie existierte. 101 Forschungen zu Archiv- und Aufbewahrungspraktiken thematisieren in Bezug auf Überlieferungsverluste vorwiegend die Frage der Aufbewahrenden, wobei für das Früh- und Hochmittelalter die wohl nicht haltbare Hypothese besteht, 95 Dass Agnes eine eigene Verwaltung beschäftigte, ist eigentlich unumstritten. Einige der Personen aus diesem Umkreis sind auch namentlich bekannt. Obwohl heute nicht mehr von einem ominösen Burkhard von Frick im Gefolge der Agnes ausgegangen wird, der für das erste Kopialbuch sowie das Habsburger Urbar verantwortlich gemacht werden kann, findet sich der Namen 1353 als Schreiber der Königin, siehe H ERMANN L IEBENAU , Lebensgeschichte der Königin Agnes von Ungarn, der letzten Habsburgerin des erlauchten Stammhauses aus dem Aargaue, Regensburg 1868, S. 534, Nr. 289f. Wahrscheinlich ist eine Folge von verwandten Schreibern mit dem Namen Fricker, oder gar eine Schreiberdynastie, die im Umfeld der Habsburger und insbesondere der Agnes tätig waren. 96 Siehe beispielsweise zu Niklaus Fricker unten S. 151. 97 Siehe unten S. 198. 98 Sicherlich ist die Strenge der Klausur kritisch zu hinterfragen. Grundsätzlich ist es aber nicht denkbar, dass sich die Schwestern regelmäßig außerhalb der eigenen Klostermauern aufhielten. 99 In Kürze abgehandelt in H ODEL , Region, S. 116f. 100 Ob die im Einband von Kopialbuch Ia gefundenen Fragmente von Frauenhand sind, muss bezweifelt werden, da das Buch eindeutig dem Franziskanerkonvent zugeordnet werden kann. Zu den Fragmenten siehe W EHRLI -J OHNS , Leben, S. 82-85, zum Kopialbuch Ia, unten S. 195. 101 Zum Archiv und dem Archivraum im Verhältnis zu den Dorsualnotizen siehe unten ab S. 238. 133 <?page no="133"?> dass Frauenkonvente generell weniger interessiert und fähig waren, Dokumente aufzubewahren. 102 Die wechselnden Aufbewahrungsräume lassen sich etwa an der Handfeste von Agnes nachzeichnen, die doppelt ausgefertigt in Königsfelden aufbewahrt wurde. 103 Die Art und Weise der Beschriftung der Handfeste (Über den bruoder almuosen und unser) 104 deutet weiter auf einen Grund für die Anlage der Schicht. Die Beschreibung ist zwar treffend, tatsächlich stellte die Regelung des Umgangs mit Almosen einen wichtigen Teil in der minutiösen Beschreibung des Dokuments dar, in der Urkunde wurde jedoch noch viel mehr geregelt und festgelegt: so etwa, dass die Ausstattung der Minderbrüder erheblich verbessert werden solle, oder ausformuliert, wie Gäste bewirtet werden müssen. Die Dorsualnotiz stellte demnach eine Verengung des «gesamten» Inhalts des Dokuments dar, was darauf hindeutet, dass das Stück von den Franziskanern gelesen wurde, um mögliche Missstände und den Umgang mit Almosen abschließend zu klären. 105 Ähnlich uneinheitlich ist der Fall von Windisch, in welchem auf einem Stück relativ ausführlich die Problemlage diskutiert wird (über den lütpriester pfruond ze Windisch), 106 während die restlichen Stücke nur den Ortsnamen kombiniert mit über nennen. 107 Nur bedingt als Dorsualnotizen kann eine Reihe von kurzen Notizen identifiziert werden, die sich auf Einzelblattabschriften finden. Bei den Stücken handelt es sich um Kopien, sogenannte Copies figurées, früher ausgefertigter Urkunden, vorwiegend Privilegien und Freiheitenbestätigungen der Herzoge, weshalb die Stücke im Kontext des Kopierens im nachfolgenden Kapitel behandelt werden müssen. 108 Die Dorsualnotizen werden der Vollständigkeit halber hier erwähnt, da das Anbringen 102 Die Hypothese stammt aus M ICHEL P ARISSE , Die Frauenstifte und Frauenklöster in Sachsen vom 10. bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts, in: Die Salier und das Reich, hrsg. von O DILO E NGELS u. a., Bd. 2, Sigmaringen 1991, S. 465-502, kritisiert und widerlegt in K ATRINETTE B ODARWÉ , Gender and the Archive: The Preservation of Charters in Early Medieval Women’s Communities, in: Saints, Scholars, and Politicians. Gender as a Tool in Medieval Studies: Festschrift in Honour of Anneke Mulder-Bakker on the Occasion of her Sixty-Fifth Birthday, hrsg. von M ATHILDE VAN D IJK , R ENÉE N IP und A NNEKE B. M ULDER -B AKKER , Medieval Church Studies 15, Turnhout 2005, S. 111-132, S. 122. 103 StAAG U.17/ 0061/ 01 und StAAG U.17/ 0061/ 02. 104 Aus dem Stück das im Schwesternkonvent aufbewahrt wurde: Ebd. V. 105 Nicht nur zur Austragung von Konflikten zwischen den Konventen könnten die Dorsualnotizen eingesetzt worden sein, auch zur Regelung von Einnahmen, etwa durch das Jahrzeitamt, ist es denkbar, dass einzelne Notizen angebracht wurden. Gleichzeitig ist es unwahrscheinlich, dass die Herstellung der Schicht durch das Amt angeregt wurde. Sechs der Dokumente beschäftigen sich tatsächlich mit Jahrzeiten und eine Dorsualnotiz schafft gar erst eine Verbindung zu einer Jahrzeit (über des schultheissen von Baden jargzit), siehe U.17/ 0177, 2. Sep. 1339. Andere handeln zwar von Jahrzeiten, weisen dies jedoch in der Dorsualschicht nicht aus, siehe U.17/ 0197, 5. Jan. 1343v: über des Bressers guot. Dadurch wird deutlich, dass einige Bezüge hergestellt wurden, jedoch der Bezug zum Jahrzeitamt nicht als Hauptgrund für die Schicht angesehen werden kann. Ob das Amt zum Zeitpunkt der Niederschrift der Urkunden über eine eigene Aufbewahrung verfügte, wird durch die Schicht ebensowenig geklärt. Fehlende Verweise in der Schicht sprechen dagegen, dass die Stücke für die Beschriftung und Durchsicht aus dem Bestand entfernt und später wieder eingefügt wurden. 106 StAAG U.17/ 0066. 107 Zu finden auf StAAG U.17/ 0064, StAAG U.17/ 0130a, U.17/ 0140, 27. Juni 1334, StAAG U.17/ 0149. 108 Siehe unten ab S. 190. 134 <?page no="134"?> einer Notiz auf der Rückseite direkt nach der Herstellung einer Urkunde demonstriert, dass während des gesamten 14. Jahrhunderts ein relativ flexibler Umgang mit Dorsualnotizen denkbar blieb. Da die Ausfertigungen der Kopien durch den Bischof von Brixen erfolgten, lässt sich eine Verbindung zum italienischen Notariatssystem herstellen, das bis ins 13. Jahrhundert noch dorsal angebrachte Ausfertigungsvermerke kannte. Beim Bischof handelt es sich um Johann Schultheiss von Ribi, der aus der Region stammte und sicherlich die vor Ort herrschenden Gepflogenheiten kannte. Doch keine spätere Schicht orientierte sich an der Systematik Ribis und die Beschriftung der Rückseite im Ausfertigungsprozess lässt sich für Königsfelden nicht mehr nachweisen. Die Schicht nach 1386 Die letzte Schicht, die sich mit gewisser Sicherheit noch dem 14. Jahrhundert zuordnen lässt, stammt aus der Zeit nach 1390 und teilt viele Gemeinsamkeiten mit ihren Vorgängerschichten. Zeitlich liegt die Anlage der Schicht nach 1386 und damit nach der Schlacht von Sempach. Die Schlacht war für das Kloster Königsfelden aus mehreren Gründen wichtig und wohl auch wegweisend für das kommende 15. Jahrhundert. Zum einen verlor das Kloster mit Leopold III. auf dem Schlachtfeld einen Herzog, der in den Vorlanden nach der Trennung der albertinischen und der leopoldinischen Linie präsent war und die Herrschaftsrechte häufig wahrnahm. 109 Auch für Königsfelden stellte er nach dem Tod seines Bruders Rudolf IV. zehn Urkunden (teilweise zusammen mit seinem Bruder Albrecht III.) aus, bestätigte wichtige Rechte, machte Vergabungen aufgrund von Pfandschaften, die gegenüber Agnes bestanden, und schenkte den Klarissen das Haus, welches Agnes bewohnte und zum Abriss vorgesehen hatte. 110 Sein Tod und die Überführung seiner Leiche nach Königsfelden bedeutete gleichzeitig, dass - neben König Albrecht, Elisabeth und Agnes - Herzog Leopold eine zentrale Figur der Erinnerungspraktiken wurde. 111 Ihm und weiteren Persönlichkeiten der habsburgischen Vorlande, die ebenfalls in Sempach ihr Leben ließen, wurde fortan in Königsfelden gedacht. Damit blieb das Kloster nach Sempach und auch nach dem Übergang der Herrschaft von Habsburg an Bern, nach der Eroberung von 109 Leopold III. agierte bis zu seinem Tod aktiv in den Vorlanden: M ARCHAL , Sempach, S. 49-59. 110 U.17/ 0332, 21. Jan. 1366 (Freiheitenbestätigung), StAAG U.17/ 0332a (Schenkung des Wohnhauses der Agnes), U.17/ 0334, 23. März 1366 (Vergabung eines Geldzins zur Begleichung einer Schuld gegenüber Agnes von Ungarn), U.17/ 0341, 4. Okt. 1367 (Freiheitenbestätigung), U.17/ 0350, 23. Juni 1369 (Schenkung), U.17/ 0352, 14. Feb. 1370 (Vergabung), U.17/ 0354, 1. Sep. 1370 (Schenkung gegen Schulderlass), U.17/ 0369, 17. Mai 1374 (Erlaubnis zur Ablösung einer Pfandschaft), U.17/ 0380, 20. Apr. 1379 (Erlaubnis zur Besetzung und Entsetzung der Priesterpfründen), U.17/ 0399, 3. Jan. 1382 (Zustimmung zu einer Vergabung durch eine Nonne). 111 Siehe M ODDELMOG , Stiftungen, S. 177-189, und für die Entwicklung der Erinnerungsleistungen auf dem Ort des Schlachtfeld, sowie zu einzelnen Pfarreien: R AINER H UGENER , Umstrittenes Gedächtnis: Habsburgisches und eidgenössisches Totengedenken nach der Schlacht bei Sempach, in: Die Habsburger zwischen Aare und Bodensee, hrsg. von P ETER N IEDER - HÄUSER , Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich 77, Zürich 2010, S. 223- 238. 135 <?page no="135"?> 1415, ein Ort des habsburgischen Gedenkens. Das Kloster demonstrierte dadurch indirekt den Anspruch der Herzoge auf Gebiete im heutigen Aargau. 112 Eine weitere Konsequenz der Schlacht war die Angst vor erneuten Übergriffen durch Luzerner oder andere Truppen, die bereits vor Sempach habsburgische Gebiete, unter anderem das Kloster Muri, geschädigt hatten. 113 All diese Folgen der Schlacht von Sempach spiegeln sich weder direkt noch indirekt in der Schicht wider. Formell und hinsichtlich der verwendeten Begriffe ist die Schicht denn auch nicht von den Vorgängerschichten zu unterscheiden. Diese Erkenntnis steht im Widerspruch zum Umgang mit den späteren Vorgängen von 1415, die in den Dorsualschichten durch neue Begriffe nachvollzogen werden können. 114 Die in Vernakular gehaltenen Notizen von 1390 betonen den jeweils wichtigsten Ort, der im Stück verhandelt wird. Personen werden vorwiegend genannt, um eine Beziehung zum Gut herzustellen, welches das Dokument betrifft. Ebenfalls wie in früheren Schichten häuft sich die Nennung einiger Orte, weshalb eine Wichtigkeit zum Zeitpunkt der Anlage naheliegend ist. Dottikon (4 Vorkommen), Elfingen (4) und Hendschiken (4) stechen leicht heraus. Im Vergleich zur Zahl der 46 angebrachten Notizen, erreichen die Nennungen jedoch keine kritische Masse und es könnte sich auch um zufällige Häufungen handeln. In klar überdurchschnittlicher Zahl trifft man dagegen auf den Begriff brief und seine Abkürzung b (12). Der Ausdruck ist Teil einer in dieser und der vorhergehenden Schicht von 1370 einsetzenden Zählung, die die Dokumente entsprechend den Orten durchnummeriert. Besonders an der Nummerierung ist, dass diese in den Schichten jeweils erst beim dritten Dokument mit der Zählung beginnt, anscheinend wurden die vorhergehenden Dokumente ohne Markierung «stumm» mitgezählt. In der Schicht von 1390 ist das an der Nennung Elfingens zu sehen, das zwar auf drei Dokumenten vermerkt wird, eine Zählung ist jedoch nicht zu finden. 115 Dokumentenverluste Fragen nach Überlieferung und Aufbewahrung können in vielen Fällen nur von den noch vorhandenen Dokumenten ausgehen. Rückschlüsse auf Schriftgut, das einst vorhanden war, jedoch weggeworfen oder zerstört wurde, sind nur mit größter Vorsicht zu ziehen. Da die Kopialbücher selbst mit Intentionen hergestellt wurden, teilweise Neuschaffungen enthalten und stark geformte Überlieferungsbilder konstruiert wurden, ist im Umgang mit Kopialbüchern zwecks Eruierung von Dokumentenverlusten große Vorsicht angebracht. 116 Rekonstruktionen, die aufzuzeigen versuchen, wie hoch die Zahl der Verluste an Schriftstücken gewesen sein muss, sind bis auf wenige neuere Ausnahmen kritisch zu hinterfragen. 117 112 Zusammenfassend siehe H ODEL , Mord, S. 44-46 und H ODEL , Region, S. 118f. 113 Siehe H ODEL , Beschwerdeschriften, S. 30 nach L IEBENAU , Aktenstücken, S. 150f. 114 Siehe insbesondere unten ab S. 146. 115 StAAG U.17/ 0014, StAAG U.17/ 0015, U.17/ 0075, 9. Aug. 1322, U.17/ 0379, 28. Feb. 1371, U.17/ 0394, 6. Mai 1381. 116 Nähere Ausführungen und ein Literaturüberlick zum Thema Kopialbücher und Chartularisierung finden sich unten im folgenden Kapitel, ab S. 174. 117 Als neuerer Ansatz mit realistischen Zahlen, siehe S TEFAN S ONDEREGGER , Verluste, Zahlen statt Spekulationen: Drei Fälle von quantifizierbaren Urkundenverlusten in der Sanktgaller Überlieferung des Spätmittelalters, in: Archiv für Diplomatik. Schriftgeschichte, Siegel- und 136 <?page no="136"?> Die Zählung in den Dorsualnotizen der Dokumente erlaubt jedoch einen Blick auf mögliche Verluste, der stichhaltiger ist, da davon ausgegangen werden kann, dass bei der Anlage der Schicht nur Dokumente gezählt wurden, die tatsächlich vorhanden waren. Insbesondere da sich in den Kopialbüchern keine Anzeichen finden, die darauf hindeuten, dass die Zählung auch hier Anwendung fand und vorhandene Kopien als selbstständige Stücke mitgezählt wurden. Als Beispiel kann ein Kaufdokument von 1321 gelten, das heute in Colmar liegt und mit der Notiz versehen wurde: über Ellenwilr und Behein ii. 118 Es ist das einzige Dokument mit dieser Aufschrift, ein Dokument muss demnach zusätzlich vorhanden gewesen sein, das sich ebenfalls mit den beiden Orten beschäftigt. Die in der Schicht häufig vorkommende Notiz über Elfingen ist ebenfalls erst ab dem dritten Dokument nummeriert. Die zwei unnumerierten Dokumente wurden jedoch ursprünglich nicht für Königsfelden ausgestellt, sondern waren Pfandschaften für Ritter, die aufgrund von Schulden Herzog Leopolds vergeben wurden. 119 Die beiden betreffen Elfingen auch nicht gleichermaßen: Das erste handelt von Geldern aus dem Zehnt, das zweite von Teilen des Hofs Effingen, der zwar herrschaftlich zu Elfingen gehörte, jedoch nicht im Ort selbst lag. Das in der Chronologie an dritter Stelle stehende Dokument ist der Loskauf der beiden vorgenannten Pfänder durch Agnes von Ungarn. 120 Dieses Dokument trägt, chronologisch korrekt, die Bemerkung: der iij brief. Die Nummerierung könnte also korrekt sein und es sind keine Dokumente verloren gegangen. Als problematischer Ausnahmefall bezüglich der Nummerierung findet sich bei den Dokumenten des Lindhofs eine Notiz, die das Dokument als erstes ausweist 121 , sowie ein zweites Dokument mit der Aufschrift: der iij brief. 122 Mittels beiden Dokumenten kaufte die Äbtissin den sogenannten «Lindhof» in Windisch von unterschiedlichen Parteien. Ein Dokument, das in der Zwischenzeit (nicht einmal zwei Monate lagen zwischen den Ausstellungen der beiden Urkunden) ausgestellt wurde, ist weder kopial noch sonst überliefert. Insgesamt lassen sich aus der Schicht fünfzehn Dokumente errechnen, die durch den Schreibenden der Dorsualschicht zusätzlich hätten beschrieben werden müssen, damit die Zählung aufgeht. Da 1390 nur auf wenig mehr als vierzig Dokumenten Dorsualnotizen angebracht wurden, das Unternehmen also nicht zum Ziel hatte, möglichst alle vorhandenen Dokumente zu beschriften, lässt sich aus der Zahl der verlorenen Dokumente nicht definitiv ableiten, wie viele insgesamt zusätzlich noch vorhanden gewesen sein mussten. Rechnet man die Zahlen hoch, kommt man bei 348 vorhandenen Dokumenten, auf einen Verlust von 111 Stücken. 123 Auch wenn die Wappenkunde 59 (2013), S. 433-452. Für das zwölfte und 13. Jahrhundert (in Italien) siehe auch die Auswertungen in M EYER , Notariat, S. 265-282, der Überlieferungsverluste von über 90% für ausgefertigte Urkunden nachweist. 118 AD HR 3G 32 D IV 9, datiert auf den 14. Dezember 1321. Es ist möglich, dass es sich bei der römischen Zahl um eine 5, also «v» handelt, die engverbundene «ii» mit großer Ähnlichkeit findet sich jedoch mehrfach in der Schicht. 119 StAAG U.17/ 0014, StAAG U.17/ 0015. 120 StAAG U.17/ 0075. 121 StAAG U.17/ 0044. 122 StAAG U.17/ 0050. 123 Die Rechnung stellt sich folgendermaßen zusammen: Von den 348 Dokumenten, die vor 1390 bereits in Königsfelden waren, wurden 46 von der Dorsualhand beschrieben, dies 137 <?page no="137"?> Abbildung 3.7: Ausschnitt aus U.17/ 0220, 29. Juli 1348v, Dorsualschicht von 1390: über Wieswil Johanns / Heinrich von Seengen der ji brief. Abbildung 3.8: Ausschnitt aus U.17/ 0221, 29. Juli 1348v, Dorsualschicht von 1390: Grave Johanns / Ruodolf / Gotfried von Habspurg der ij brief. Zahlen nur bedingt verlässlich sind, so deuten sie doch an, dass die Verluste wohl nicht unermesslich, gleichzeitig aber auch nicht unerheblich waren. Anschlüsse und die zweite Dimension Mit der Schicht von 1390 wurde auch ein weiteres Mittel zur Strukturierung der Information in Dorsualnotizen eingeführt. Mit Strichen wurden Verbindungen zwischen Personen hergestellt, um Wiederholungen zu reduzieren. Neben der Waagerechten wurde nun auch die Senkrechte zur Beschreibung der Rückseite genutzt. 124 Zwei Mal, 125 beide Male im Zusammenhang mit der Nennung von Edelleuten (den Herren von Seengen und den Grafen von Habsburg[-Laufenburg]), wurden - fast wie in einer Netzwerkvisualisierung - Geschwister verbunden. 126 Neben der neuen Ausgestaltung wurde mit der Schicht von 1390 auch erstmals begonnen, Anschlüsse an ältere Schichten herzustellen. Indem an früher Niedergeentspricht 13,3%. Da jedoch anstelle der 46 mindestens 61 durch die Hand beschrieben worden sein müssen und vorausgesetzt, dass das Verhältnis zwischen den von der Schicht beschriebenen und unbeschriebenen Dokumenten als stabil angesehen werden kann, müssten um 1390 459 Dokumente in Königsfelden gelagert worden sein. 111 Dokumente wären demnach verschwunden. Das Problem der Berechnung ist, dass nicht berücksichtigt wurde, welche Dokumente im Franziskanerkonvent gelagert wurden und daher nicht zum Verhältnis hinzugerechnet werden dürfen, da der oder die Schreibende wohl keinen Zugriff darauf hatte. 124 Siehe Abbildung 3.7. und Abbildung 3.8. 125 U.17/ 0220, 29. Juli 1348 und U.17/ 0221, 29. Juli 1348, beide Dokumente wurden mit demselben Datum ausgestellt (29. Juli 1348). 126 Zu den Seengen siehe F ELIX M ÜLLER , Seengen, von, in: Historisches Lexikon der Schweiz, 21. Nov. 2011, URL : http: / / www.hls-dhs-dss.ch/ textes/ d/ D20111.php. 138 <?page no="138"?> Abbildung 3.9: Ausschnitt aus U.17/ 0132, 12. Okt. 1333v, Dorsualschicht von 1340: über Egidien guot von Rubiswil, Dorsualschicht von 1390: wie es gefertige wart, der ij brief. schriebenes weitere Notizen angebracht wurden, 127 ergänzten sich die beiden Dorsualschichten nun und eine Kopie der gesamten Schicht wurde vermieden. 128 Die Verschränkung der beiden Schichten zeigt zwei Punkte deutlich auf: Zum einen scheint sich die Logik beziehungsweise das Verständnis, was auf der Rückseite zu verschriftlichen ist, in der Zeit zwischen 1340 und 1390 nicht fundamental geändert zu haben. Zum anderen ist die Position der Dorsualnotizen auf dem Pergament mehrheitlich konstant geblieben. Daraus lässt sich ableiten, dass die Faltung oder Rollung und somit das Format der Einzelblattausfertigungen Bestand hatte. Die Aufbewahrung der Stücke dürfte sich entsprechend auch nicht verändert haben. Trotzdem bleibt die Frage, weshalb es fast sechzig Jahre nach der Ausfertigung der Urkunde und fünfzig Jahre nach der Anbringung der ersten Dorsualnotiz nötig wurde, die Ergänzung anzubringen. Beim Stück handelt es sich um einen Verzicht auf Pfänder, die das Ehepaar Egidius von Rubiswil und Margareta von Stoffeln von den Herzogen hatten, und der im Abtausch von Gütern mündete. Da die Angelegenheit auch nach Ausfertigung der Urkunde noch nicht ausgestanden war und die Herren von Rubiswil scheinbar gewaltsam gegen das Kloster vorgingen, erklärt sich das Anbringen der Notiz im Jahr 1340. In den 1390er Jahren dürfte die Menge an Pergament, die der Konflikt hervorgebracht hatte, dagegen eher zur Verwirrung geführt haben, weswegen eine Erweiterung zur Dorsualnotiz angebracht wurde: wie es gefertige wart, der ij brief. Mit der Notiz wurde markiert, welche Urkunden für Königsfelden langfristig am wichtigsten waren und sie nannten die Personen, die im Zuge des Gütertausches und der Produktion diverser Urkunden in den Herrschaftsbereich des Klosters kamen. Ein vergleichender Ansatz: Inhaltsverzeichnis und Einleitungssätze des ersten Kopialbuchs Neben Dorsualnotizen können auch Kopialbücher genutzt werden, um nachzuvollziehen, wie und nach welchen Kriterien mit Dokumenten umgegangen wurde und welche Systematisierungslogik vorherrschte. Auf die Probleme, die die Analyse der eigens zu ganz bestimmten Zwecken produzierten Kopialbücher mit sich bringt, 127 Siehe U.17/ 0132, 12. Okt. 1333v und Abbildung 3.9. 128 Zum Aspekt des Kopierens ganzer Dorsualnotizen siehe unten S. 143. 139 <?page no="139"?> wird in der Diskussion des Forschungsstandes im nächsten Kapitel eingegangen. 129 Daneben geben zwei ähnliche Teile des Werks Aufschlüsse über das Verständnis der darin kopierten Dokumente: Zum einen das Inhaltsverzeichnis, zum anderen die Einführung jeder Urkundenabschrift durch wenige Worte, selten ganze Sätze. Sowohl das Inhaltsverzeichnis als auch die Einleitungssätze ähneln der in den Dorsualnotizen angewandten Logik und entsprechend ist es sinnvoll, sie mit einem vergleichbaren Analyseapparat zu beschreiben, einzuordnen und zu vergleichen. Die Absetzung des zweiten Teils der abgeschriebenen Urkunden erfolgte mittels Rubrizierung, sodass für Lesende klar war, welcher Teil die Abschrift der Urkunde enthielt und welcher Teil einen einführenden Kommentar darstellte. Jede Abschrift wird durch eine Rubrizierung eingeleitet und benennt wichtige Aspekte der Abschrift. Die Länge der Rubrizierungen variiert stark, denn zwischen 3 bis 105 Wörtern können hervorgehoben sein. Mit durchschnittlich 17 Wörtern werden die Dokumente relativ kurz eingeführt. 130 Im Gegensatz zu den Dorsualschichten, die vor und bis zu 35 Jahre nach dem Kopialbuch angelegt wurden, fällt auf, dass die Materialität der Stücke stärker betont wird. Der Begriff brief wird als zweithäufigstes Wort (und mit Abstand als häufigstes Nomen) verwendet. 131 Die beiden nächsthäufigsten Nomen (guot und closter) werden viermal weniger oft verwendet. 132 Sie zeigen ebenso, wie die nach Häufigkeit folgenden hof, hertzog, stifterin, fürstin zeigen, dass auch die Rubrizierungen Verbindungen zwischen dem Kloster (nicht den Konventen) und der Herrschaft Habsburg knüpften und verdeutlichten. Dies ist ein Aspekt, der sich bei den frühen Dorsualschichten so nicht oder nur höchst bedingt feststellen lässt. Die auf die Schriftstücke geschriebenen Worte nennen dort in den wenigsten Fällen systematisch die für die Vergabungen verantwortlichen Personen, im Gegenteil, es stehen Ortsnamen oder Namen von Gütern im Vordergrund. Bezüge zu den Herzogen und den Königinnen Agnes und Elisabeth finden sich dagegen auch in der Auswahl der beschriebenen Schriftstücke. Handelt es sich doch bei fast allen der Stücke, die von frühen Schichten beschrieben wurden um die Vergabung oder Bestätigung von Freiheiten, Gütern oder Ähnlichem durch die Herzoge oder Agnes. Beide, Kopialbuch-Rubrizierung und Dorsualschichten, behandeln dieselben Dokumente, betonen jedoch unterschiedliche Aspekte. Die Rubrizierung benennt die handelnden Personen, meist die Herzoge oder andere Würdenträger in Verbindung mit Namen von Besitzungen. Es wird also eine Verbindung zwischen Herrschaft und Besitz hergestellt. Währenddessen fokussieren die Dorsualnotizen auf den Namen der Besitzungen und wenige andere Faktoren. 129 Siehe ab S. 174, insbesondere die Fußnote 10. Das Teilkapitel liefert eine Einordnung des Aufbaus des Buchs mit Vermutungen zum Herstellungshintergrund. 130 Der Median von 14 Worten bestätigt den mittels Durchschnitt erhobenen Wert als zuverlässig. 131 170-faches Vorkommen. Bei der Auszählung wurde die für e-codices (https: / / ecodices.unifr.ch/ en/ description/ saa/ 0428, letztmals abgerufen am 30. März 2020) angefertigte Transkription der Rubrizierungen verwendet. 132 46-faches Vorkommen von guot und 42-faches Vorkommen von closter. 140 <?page no="140"?> Wortart Wort Häufigkeit Nomen & Namen brief 170 guot 46 closter 42 hof 22 hertzog 20 stifterin 20 fürstin 20 rome 15 ungern 14 fürsten 13 agnes 12 herren 12 kilchen 12 künig 12 Verben ist 52 kouft 29 het/ hat 20/ 16 wart 20 sint 12 sol 12 geben 12 Pronomen von 191 der 168 und 162 úber 109 ze 102 das 99 dem 71 die 69 den 65 des 62 dü 55 dis 47 als 45 unser 27 ein 23 Adjektiv edeln 28 hochgebornen 23 hoch 17 liebü 12 Tabelle 3.2: Aufstellung der häufigsten Wörter in Rubrizierungen im ersten Kopialbuch (AA/ 0428) nach Wortarten geordnet. 141 <?page no="141"?> Inhaltsverzeichnis: Die Perspektive des Materials Die Rubrizierungen, die im Kopialbuch den Stücken vorangestellt sind, zeugen vom Umgang mit den Dokumenten und deren Verständnis. Auf den ersten Seiten des Buches findet sich ein Inhaltsverzeichnis, das eine Übersicht über die einzelnen Stücke gibt und in der Analyse des Kopialbuchs noch eingehender behandelt wird. 133 Obwohl es Ähnlichkeiten beim Inhaltsverzeichnis und den Rubrizierungen gibt und im Sinne von Arbeitsersparnis zweimal der gleiche Inhalt hätte verschriftlicht werden können, wurden beide Teile mit unterschiedlichen Inhalten erstellt. Das Inhaltsverzeichnis des Kopialbuchs ist in Form eines Dokumentenverzeichnisses gehalten und soll gemäß der kurzen Einleitung genau ein solches darstellen: Hie sint genemet die brief, die das closter ze Küngsvelt haben sol und die abschrift der brief sol man suochen nach ordenung als su gezeichnet sint. 134 Im Unterschied zu den Rubrizierungen werden in den Einträgen im Inhaltsverzeichnis die Siegel betont. Wiederum steht also eine Form von materieller Ausprägung im Zentrum. Hergestellt wird demnach eine Verbindung zu den einzelnen Personen, die als Siegelnde vermerkt werden. Das Inhaltsverzeichnis enthält somit eine Aufzählung der wichtigen Figuren im Umfeld Königsfeldens, angefangen bei Königin Elisabeth, über Agnes, zu den Herzogen, aber auch Päpsten und Bischöfen. Im Gegensatz dazu stehen die Rubrizierungen, die den Fokus auf die «Herrschaft» als Gruppe richten und weniger Einzelpersonen hervorheben. Das Siegel als Verkörperung der Person taucht denn auch überaus häufig im Inhaltsverzeichnis auf (173 Mal) 135 nur knapp hinter brief (194 Mal, häufigstes Nomen). Das Inhaltsverzeichnis vermittelt dadurch zwischen dem Kloster und seinen Dokumenten. Gleichzeitig verbindet der Teil des Buches das Kloster mit seinen Gönnern und Stiftern. Die häufigsten Worte überhaupt sind von, das aus der Herkunftsangabe stammt, und mit, welches das materielle Stück (brief ) mit dem Siegelnden verbindet. Synthetisiert kann ein Normsatz des Inhaltsverzeichnisses gebildet werden, dieser müsste etwa folgende Struktur aufweisen: Ein/ Der brief mit dem ingesigel des TITEL/ NAME úber die/ des/ den GUT/ BESITZ. Ansonsten unterscheidet sich das Inhaltsverzeichnis bezogen auf Nomen (inklusive Namen) nicht stark von den in den Rubrizierungen gefundenen Frequenzen. Gleiche oder ähnliche Worte werden benutzt. 136 Die hertzog[e] finden sich etwas häufiger, ein weiteres Indiz für die Betonung der Verbindung zwischen Stifter und Kloster. Insgesamt zeigt sich ein zu den Dorsualnotizen vergleichbares Vokabular, das damit als Grundvokabular zur Beschreibung von Dokumenten verstanden werden kann. Anpassungen, etwa die Betonung der «Herrschaft» als Gruppe in den Rubrizierungen und im Inhaltsverzeichnis des Kopialbuchs zeigen die individuellen Betonungen eines Stücks. Für die Untersuchung kann diese Feststellung insbesondere im Vergleich zum Vokabular für spätere Schichten nutzbar gemacht werden. 137 Für 133 Siehe unten S. 174. 134 StAAG AA/ 0428, fol. 1r. 135 Die Begriffe insigel und ingesigel werden verwendet. 136 Gut folgt etwa an dritter Stelle (in den Rubrizierungen an zweiter), closter an fünfter Stelle, in den Rubrizierungen an dritter. 137 Siehe unten ab S. 147. 142 <?page no="142"?> die frühen Dorsualschichten bis um 1400 bedeutet dies, dass der Fokus auf die Stücke derselbe geblieben war und vorwiegend die Dossiersbildung für das Anbringen von Dorsualnotizen verantwortlich gemacht werden kann. Das erste Kopialbuch verfolgte dagegen einen ganz anderen Zweck und nutzte dazu zwar dasselbe Vokabular, jedoch mit anderen Häufigkeiten. 138 Kopie und Übertragung innerhalb früher Dorsualschichten Ein wichtiger Aspekt ist, dass und wie jüngere durch ältere Schichten beeinflusst wurden. Wie bereits angedeutet, fallen einige der Schichten auf, da sie teilweise identische und wie frühere Dorsualschichten kopienhafte Angaben zum Text auf der Vorderseite machen. Zumindest in einem Fall drängt sich der Verdacht auf, dass die ältere Dorsualnotiz abgeschrieben wurde. Ein Vergleich der 1320er mit der 1340er Schicht wurde bereits angestellt und brachte aufgrund des nur zweifachen Vorkommens keine belastbaren Erkenntnisse. Ähnliche Resultate bringt der Vergleich zwischen der 1320er und der 1370er Schicht. Die zwei Dokumente mit Beschriftungen durch beide Hände sind widersprüchlich: Während das eine Dokument keine Ähnlichkeiten aufweist, 139 kann die zweite Notiz als Übertragung der früheren Dorsualschicht angesehen werden. 140 Leider sind die zwei Dokumente, die beide Schichten aufweisen, zu wenige, um einen tragfähigen Vergleich anzustellen. Vielversprechender ist der Vergleich der Schichten von 1340 und 1370, für welche in der Anlage und den Wortverwendungen große Ähnlichkeiten nachgewiesen werden konnten. 141 Die acht Dokumente, die beide Schichten aufweisen, zeigen jeweils von beiden Händen denselben Text. In wenigen Fällen (interessanterweise jeweils im Zusammenhang mit Mühlen) wurde ein Artikel ergänzt oder wurden Ortsnamen leicht anders geschrieben. 142 Dennoch: Im Grunde handelt es sich bei der jüngeren Schicht jeweils um eine Kopie der älteren Dorsualnotiz. Auch wenn, wie bereits weiter oben festgestellt wurde, 143 ähnliche Intentionen hinter der Herstellung der beiden Schichten zu stehen scheinen und es nicht überrascht, Überschneidungen anzutreffen, ist es dennoch interessant, dass derselbe Text mehrfach angebracht worden ist. Und da es sich bei der zweiten Schicht durchwegs um Kopien der älteren Schicht handelt, kann von bewusster Anlage der zweiten Schicht ausgegangen werden. Vielleicht wurden die Urkundentexte gar nicht mehr konsultiert, bevor die Notiz angebracht wurde. Dies demonstriert, dass das erneute Anbringen der Notiz, auch wenn inhaltlich nichts gewonnen wurde, für den Schreiber der Schicht zentral war. Aus dem Grund müssen die Positionen der Schichten auf dem Pergament in Betracht gezogen werden, da es möglich ist, dass innerhalb der dreißig dazwischen liegenden Jahre eine Änderung der Aufbewahrung, etwa der Faltung der Dokumente, stattfand und die 138 Siehe zum Kopialbuch I unten S. 174. 139 StAAG U.17/ 0027. 140 StAAG U.17/ 0073. 141 Siehe zu den Schichten oben S. 128 und S. 130. 142 Kopie: U.17/ 0080, 12. März 1324, StAAG U.17/ 0092, U.17/ 0102, 29. Sep. 1329, U.17/ 0114, 29. Okt. 1330, U.17/ 0183, 3. Feb. 1340; leichte Anpassungen, Ergänzung von Artikel bzw. Anpassung der Wortschreibweise: U.17/ 0090, 30. Juni 1326, U.17/ 0106, 23. Feb. 1330, U.17/ 0167, 16. Okt. 1337. 143 Siehe oben S. 134. 143 <?page no="143"?> Abbildung 3.10: U.17/ 0102, 29. Sep. 1329v, Dorsualschicht von 1340 (Rand) und 1370 (Mitte) identisch im Text. Die Abbildung wurde durch den Autor mit Markierungen versehen und beschnitten. ältere Schicht in der neuen Aufbewahrungsform nicht mehr gelesen werden konnte. Handhabung von Pergament Das Thema der materiellen Aufbewahrung von Einzelblattdokumenten mit Siegeln wurde bislang nur marginal behandelt. Wiederum finden sich im Umkreis der St. Galler Überlieferung einige Anhaltspunkte. Gemäß Untersuchungen von Staerkle) wird dort die Faltung von Urkunden bereits im 9. und 10. Jahrhundert als Normalfall angesehen. 144 Die Betrachtung der frühen Königsfelder Dorsualschichten legt einen anderen Schluss nahe. Die 1340er Schicht findet sich ausnahmslos am Rand des Pergaments, wobei es offensichtlich keine Rolle spielte, ob die Notiz links, rechts oder unten angebracht wurde. Ausgerichtet sind die Notizen gegen den Rand. Die Erklärung für eine solche Beschriftung leistet die Aufbewahrungsform: Korrekt gerollt kommen die Notizen gegen außen zum Liegen und lassen sich gut lesen. Das Siegel wurde wahrscheinlich nicht mit eingerollt, sondern blieb außerhalb sichtbar. Dass Siegel möglicherweise als (Mit-)Identifikatoren verstanden wurden, konnte bereits im Zusammenhang mit dem Inhaltsverzeichnis des Kopialbuchs vermerkt werden. Auch wenn dasselbe Siegel (insbesondere von Herzogen) häufiger auftauchte, bestand die Möglichkeit in verhältnismäßig kurzer Zeit gesuchte Dokumente zu finden und vielleicht auch entsprechend zu ordnen. Doch bereits dreißig Jahre später scheint die Aufbewahrungsform nicht mehr passend gewesen zu sein. Die Stücke wurden nun gefaltet und die Notizen mussten neu und zentraler angebracht werden, sodass die Dorsualschicht sichtbar blieb, auch wenn das Stück in gefaltetem Zustand betrachtet wurde. Ein Grund für die Faltung könnte der Schutz der Siegel gewesen sein, die in das Pergament gefaltet werden 144 Siehe S TAERKLE , Rückvermerke St. Gallen, S. 74. 144 <?page no="144"?> konnten (andere Formen des Siegelschutzes finden sich bis ins späte 15. Jahrhundert nicht). 145 Noch heute wird eine Mehrzahl der Urkunden, wenn nicht im Restaurierungsprozess plangelegt, gefaltet aufbewahrt. Es ist jedoch undenkbar, dass jede dieser Faltungen aus der Mitte des 14. Jahrhunderts stammt. Zu häufig führt eine Notiz durch die Faltung, was das Anbringen der Schrift grundsätzlich obsolet machen würde, da die Lesbarkeit im gefalteten Zustand nicht gewährleistet war. Zumindest diejenigen Stücke, die mit der 1340er Schicht versehen wurden, waren jedoch um 1370 gefaltet. Die Analyse der Faltung gibt zum einen Aufschluss über die Handhabung der Dokumente und die Art der Aufbewahrung, weiter könnte sie Rückschlüsse über konkrete Aufbewahrungsorte, also Schränke, Kisten oder Laden erlauben. Das Inventar der ehemaligen Konvente ist längst verloren und eine mysteriöse Agnes-Kiste, die heute auf der Lenzburg ausgestellt wird, soll zwar gemäß Liebenau zur Aufbewahrung von Schriftstücken genutzt worden sein, 146 Beweise oder Anhaltspunkte dafür gibt es jedoch keine. Die Truhe allein kann mit Sicherheit nicht ausreichend gewesen sein, um alle Dokumente Königsfeldens aufzubewahren. Die Faltung der Urkunde und damit verbunden die Anpassung der Aufbewahrung macht noch einen letzten Punkt offensichtlich: Obwohl wahrscheinlich alle Dokumente im Verlauf des des 14. Jahrhunderts neu gefaltet wurden, schien es nicht nötig, alle Stücke zu beschriften. Die bereits 1340 beschrifteten Stücke wurden neu mit einer Dorsualnotiz versehen. Abgesehen von Problemen des Zugriffs, war es wohl nicht das Ziel, alle Stücke mit Notizen zu versehen, eine durchorchestrierte Organisation zeigt sich in den Schichten des 14. Jahrhunderts nicht im Ansatz. Von einem strukturierteren Unterfangen kann dagegen bei der Anlage der franziskanischen Dorsualnotizen gesprochen werden, die kurz nach dem Jahrhundertwechsel im Zusammenhang mit der Erstellung des ersten franziskanischen Kopialbuchs (Kopialbuch Ia) angebracht wurden. Das verwendete Vokabular, jedoch in Latein, und die damit gemachten Aussagen sind vergleichbar mit den früheren Dorsualschichten. Es ist daher sinnvoll hinsichtlich der Behandlung des Kopialbuchs im nächsten Kapitel näher auf das Verhältnis zwischen den Dorsualien und den Kopien einzugehen. 147 Das System der Beschriftung der Rückseite darf somit auch bei den Franziskanern konstatiert werden. Gleichzeitig zeigt sich aber ein Unterschied, da die angebrachten Notizen auch zur Einleitung im franziskanischen Kopialbuch nachgewiesen werden können. Ebenfalls muss vermerkt werden, dass eine weit kleinere Anzahl von Dorsualschichten auf den franziskanischen Stücken angebracht wurde. 145 Hüllen aus Leder sind ein oft gebrauchtes Mittel um Siegel zu schützen und haltbar zu machen (obwohl häufig das Gegenteil passiert, da das Leder dem Siegel Feuchtigkeit entzieht). Entsprechende Spuren finden sich in Königsfelden jedoch keine. Ende des 15. und vor allem im 16. Jahrhundert tauchen (teilweise formschön gedeichselte) Holzhüllen auf, die den Wachs vor Abrieb und anderem Verfall schützen sollten. Siehe W ATTENBACH , Schriftwesen, S. 629. 146 Siehe H ERMANN L IEBENAU , Die Truhe im Kloster Königsfelden, in: Anzeiger für Schweizerische Alterthumskunde 2.2 (1872), S. 432-434, DOI : http: / / dx.doi.org/ 10.5169/ seals-154770. 147 Zu den Dorsualnotizen und dem Kopialbuch der Franziskaner siehe unten ab S. 198. 145 <?page no="145"?> Dorsualnotizen und Herrschaftswechsel In den Jahren 1408 und 1417, in einer bis dahin nie vorgekommenen zeitlichen Nähe, wurden zwei neue Dorsualschichten angelegt und insgesamt etwas weniger als 200 Dokumente beschriftet. Vierzehn dieser Stücke enthalten gar beide Schichten. 148 Die Struktur der beiden Schichten ist ausgesprochen ähnlich, beide beschäftigen sich mit Dokumenten, die im Klarissenkonvent aufbewahrt wurden, wie die Beschriftung auf einer Urkunde von 1330 ableiten lässt: uber unser ordens vriheit xv. 149 Ein Grund für die große Zahl an neu angebrachten Dorsualnotizen kann in den politischen Umwälzungen gefunden werden. Bevor jedoch die ereignisgeschichtliche Komponente mit der Sprache der Dorsualnotizen zusammengebracht wird, bedarf es einiger einleitender Ausführungen zu den Schichten. Im Gegensatz zu den Schichten vor 1400 zeigt sich eine größere Diversität in Aufbau und Struktur. Mit ein Grund dafür ist, dass die neuen Schichten an ältere Dorsualnotizen anschlossen und so bereits verschriftlichte Teile mit neuen Aussagen kombinierten. Auf den meisten der älteren Dokumente war bis zum Zeitpunkt der Anbringung der 1408er Schicht bereits einmal oder sogar öfter geschrieben worden. Je nach Faltung der Urkunde wurden die bereits vorhandenen Schichten weiterverwendet und ergänzt. Trotzdem kann nicht von einer Normalisierung der Beschreibung oder gar systematischen Beschriftung gesprochen werden. Es herrschte weiterhin eine Heterogenität vor, die erst Mitte und wirklich systematisch erst Ende des Jahrhunderts durch Beschreibungssystematiken der Rückseiten abgelöst wurden. Regelmäßigkeiten der Beschriftung, die etwa abhängig von Vorgängerschichten waren, sind ebenso wenig zu finden, wie die Beschriftung von Schriftstücken, die explizit für Königsfelden (als Konvente oder Institution) ausgestellt worden waren. Wie in den Vorgängerschichten des Klarissenkonvents stehen einzelne lokale Problemstellungen im Zentrum. So lassen sich ähnliche Problemgemenge finden, wie bereits weiter oben zu Erlinsbach und den Mühlen von Zofingen beschrieben, die als Motive für die Anlage der Schichten zu identifizieren sind. 150 Waldshut, ein Problemfall In der auf 1417 datierten Schicht kommt überaus häufig der Ortsname Waldshut vor. Dies lässt sich mit Streitigkeiten zu Beginn des Jahrhunderts im Zusammenhang mit einer Erbschaft begründen, die Ulrich Gernas und seine Ehefrau von Hans Meigenberg und dessen Ehefrau sowie deren Schwester beanspruchten. 151 Gernas stammte aus Bremgarten und war lange für das Kloster tätig, unter anderem als Schaffner in Waldshut. Neben der Auseinandersetzung um Güter und Abgaben in Waldshut lehnte sich vierzehn Jahre später zudem Hofmeister Achatz Esel gegen Königsfelden auf und verlangte seinerseits einen Anteil an der Quart des Zehnts der niederen 148 Es handelt sich um die folgenden Stücke: U.17/ 0091, 23. Aug. 1326, StAAG U.17/ 0105, U.17/ 0119, 1. Dez. 1330, U.17/ 0323, 26. Sep. 1363, U.17/ 0343, 27. März 1368, U.17/ 0362, 27. Dez. 1370, U.17/ 0374, 6. Mai 1377, U.17/ 0383, 7. Nov. 1379, U.17/ 0402, 9. Feb. 1385, U.17/ 0425, 29. Juli 1393, U.17/ 0461, 25. Juli 1404, U.17/ 0479, 28. März 1408, U.17/ 0308B, 29. Juni 1361, U.17/ 0436A, 8. Jan. 1397. 149 U.17/ 0130d, 4. Okt. 1333. Hervorhebung durch TH. 150 Zu Erlinsbach und Zofingen siehe oben S. 131. 151 U.17/ 0460, 11. Apr. 1404. 146 <?page no="146"?> Abbildung 3.11: Wortwolke der Schicht von 1410. Abbildung 3.12: Wortwolke der Schicht von 1417/ 18. Kirche zu Waldshut. 152 Erst ein Spruch von Schultheiss und Rat der Stadt Waldshut entschied die Sache, zu Ungunsten von Esel. 153 Noch im selben Jahr kaufte die Äbtissin dennoch die Quart von Otto, Bischof von Konstanz, und löste somit die scheinbar doch existierende Pfandschaft von Achatz Esel. 154 Der Zeitpunkt der Auseinandersetzung und Ablösung der Pfandschaft, verbunden mit dem relativ gewichtigen Betrag von 1300 Pfund, lässt vermuten, dass die Schicht zumindest teilweise zum Zweck der Ordnung der Angelegenheiten um Waldshut geschaffen wurde. Die zeitliche Nähe der eruierten Datierung der Dorsualnotizschicht zur gerichtlichen Auseinandersetzung von 1417 zeigt, dass das System der Datierung mindestens im Fall dieser Schicht durchaus funktioniert. Herzog und friheit : Neue Begriffe Inhaltlich zeigen sich im Unterschied zu den Schichten vor 1400 zwei neue dominierende Begriffe, die eine Verknüpfung zwischen den politischen Ereignissen und den Dorsualschichten aufzeigen. Die Häufigkeitsverteilung und auch die daraus erstellten word clouds zeigen für die Schichten nach 1400 das Hervortreten von zwei Schlüsselwörtern, die bis dahin nur eine untergeordnete Rolle spielten. Der Titel des Herzogs und der Begriff friheit werden in diesen Schichten zentral und zu den wichtigsten Nomina (in absoluten Zahlen gesehen). In allen vorhergehenden Schichten lag die Betonung weder auf Titeln noch auf Privilegien, sondern auf den Namen, welche Teile der Schichten zu Dossiers zusammenfassten. Der Begriff «Herzog» ist der gebräuchliche Titel für die habsburgischen Personen mit Herrschaftsbefugnis und taucht immer in Kombination mit dem Namen des jeweiligen Herzogs auf. Friheit ist dagegen schwieriger zu definieren. Am nächs- 152 U.17/ 0512, 11. Juni 1418. 153 Die Quart wurde Wessenberg und Ulrich Heinricus Mur zugesprochen. Siehe ebd. 154 U.17/ 0516, 24. Nov. 1418. 147 <?page no="147"?> ten kommt die Umschreibung als Privileg, das als «Freiheitsrecht», beziehungsweise als «Bestätigung von Freiheitsrechten», aufgefasst wurde. 155 Der Zeitpunkt der Verwendung in den beiden Schichten deutet auf zwei Entwicklungen hin, zum einen die Anpassung an die politische (regionale) Lage, zum anderen die Betonung der männlichen Herrschaftslinie über die Herzoge von Österreich. Durch das Vorkommen der Begriffe bereits kurz vor 1415 lässt sich zeigen, dass es nicht darum ging, die aktuellen herrschaftlichen Verhältnisse zu spiegeln, sondern Argumente zu schaffen, um gegen allfällige Eingriffe rechtliche Argumente bereitzuhalten. Solche Eingriffe waren bereits vor 1415 denkbar. Mit der Eroberung von 1415 und insbesondere mit dem faktischen Kauf der Landesherrschaft durch die eidgenössischen Städte von König Sigmund im Jahr 1418, änderten sich die Machtverhältnisse im heutigen Aargau innert kurzer Zeit. 156 Bereits zuvor kann jedoch im Zusammenhang mit der Schlacht von Sempach, der vorangehenden Annektierung von Gebieten durch die Stadt Luzern und dem Ausgreifen der Stadt Bern in den Oberaargau vom Abbröckeln der habsburgischen Herrschaft gesprochen werden. 157 Bereits etwas mehr als fünfzig Jahre waren die Vorlande nur noch sporadisch in der Aufmerksamkeit der habsburgischen Herzoge, auch wenn sie häufiger dort anzutreffen waren, als allgemein vermutet wird. 158 Auch innerhalb der habsburgischen Herrschaft finden sich Auseinandersetzungen zwischen Herzogen, Städten und wichtigen Amtleuten, wie den Landvögten. 159 Unabhängig davon, ob man die Zeit nun als Krisenzeit in den Vorlanden bezeichnen will oder nicht, 160 zeigt sich eine Situation, die insbesondere für klösterliche Gemeinschaften, die über größere Regionen durch herzogliche Gnaden gebieten konnten, nicht unbedenk- 155 Bei Freiheitsrechten geht es um klar definierte Rechte (und Pflichten), die durch die Herrschaft vergeben werden konnten (und demnach implizit - jedenfalls im Verständnis der Herrschenden - zu einer früheren Zeit in der Hand der Herrschaft lagen). Zu Herrschaft siehe oben in der Einleitung, S. 36. 156 Bern bezahlte 1418 für die Städte im Aargau 5000 rheinische Gulden an König Sigmund um diese als Pfand zu erhalten. Quittung in Bern: StABE C I a, F. Freiheiten (datiert auf den 4. Mai 1418). 157 Die alte Schweizer Historiographie zelebrierte die Eroberung genüsslich und betonte, «dass sich die österreichischen Untertanen im Aargau des eidgenössischen Ansturms nur sehr flau erwehrten», siehe P ETER D ÜRRENMATT , Schweizer Geschichte, Bd. 1, 2 Bde., Zürich 1976, S. 159. 158 Das häufige Auftauchen der Herzoge in den Vorlanden und in der Nähe zeigt sich am deutlichsten durch ihr Itinerar, siehe C HRISTIAN S IEBER , «On the Move»: Das Itinerar der Herzöge Leopold IV. und Friedrich IV. von Österreich von der Schlacht bei Sempach (1386) bis zur Aussöhnung mit König Sigmund (1418), in: Die Habsburger zwischen Aare und Bodensee, hrsg. von P ETER N IEDERHÄUSER , Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich 77, Zürich 2010, S. 77-93. 159 Am deutlichsten anhand des Prozesses zwischen Herzog Friedrich IV. und Hermann von Sulz aufzuzeigen, siehe P ETER N IEDERHÄUSER , Herzog Friedrich von Österreich, seine Landvögte und die Appenzellerkriege: «im, sinen landen und lûten gar ungütlich getan», in: Die Appenzellerkriege - Eine Krisenzeit am Bodensee? , hrsg. von P ETER N IEDERHÄUSER und A LOIS N IEDERSTÄTTER , Forschungen zur Geschichte Vorarlbergs 7, Konstanz 2006, S. 33-52 und H ODEL , Beschwerdeschriften. 160 Nach M ARTINA S TERCKEN , Krisenbewusstsein und Krisenmanagement zu Beginn des 15. Jahrhunderts: Quellen zur Kommunikation im Herrschaftsverhältnis, in: Die Appenzellerkriege - eine Krisenzeit am Bodensee? , hrsg. von P ETER N IEDERHÄUSER und A LOIS N IEDERSTÄTTER , Bd. 7, Forschungen zur Geschichte Vorarlbergs, Konstanz 2006, S. 19-31. 148 <?page no="148"?> lich war. Die Städte, aber auch Adlige des Umlands, versuchten ihren Einfluss auszubauen und sich Rechte zu sichern. 161 Die Markierung der «wichtigen» Dokumente als Privilegien oder friheiten war demnach eine Reaktion auf diese Gefahren, denn der Anspruch, abgeleitet aus herzoglichen Privilegien, galt noch immer mehr und besaß vor dem Hintergrund der Macht des Hauses Habsburg höhere Legitimationskraft als Kaufdokumente, ausgestellt durch längst verstorbene Kleinadlige. Dennoch ist für die Zeit um 1415, wie bereits im vorangegangenen Kapitel kurz angesprochen, in Königsfelden nicht nachzuweisen, dass Dokumente eingesetzt wurden, um gegen die neuen Herren aus Bern vorzugehen. Es ist möglich, dass Bern, nach der Eroberung und dem Ausstellen von Kapitulationsbriefen durch die Städte der Region, vor dem Kloster und seinen Besitzungen größeren Respekt hatte. 162 Auch Marchengänge (Umgänge um Rechtsbezirke zu eruieren) und Klärungen der Rechtsverhältnisse, wie sie in anderen Teilen der eroberten Gebiete durchgeführt wurden, sind keine nachzuweisen. 163 Erst die Bestätigung der Freiheiten des Klosters durch König Sigmund 1417 lässt erahnen, dass für Königsfelden die Verhältnisse nicht mehr dieselben waren. 164 Da auch die Schicht von 1417 die Bezeichnung friheit nutzte, war die Angelegenheit der Besitzstandwahrung trotz königlichem Privileg noch nicht vollständig abgeschlossen. 165 Die Betonung der Verbindung zum Haus Habsburg und die Kennzeichnung der Stücke als Freiheitsbriefe der Herrschaft blieben wichtig. Die Herzoge oder auch Agnes wurden bereits in früheren Dorsualschichten genannt, als zentral stellten sie sich jedoch nicht heraus. Erst nach 1400 wurde die Kombination aus Titel und Name eines Herzogs zu einer Möglichkeit, um Stücke als zentral zur Verteidigung der eigenen Ansprüche zu markieren. Agnes dagegen wurde in der Schicht von 1408 nur einmal und in der Schicht von 1417 gar nicht erwähnt. 166 Obwohl sich Agnes von Ungarn als zentrale Stifterin Königsfeldens betätigte, findet sich ihr Name in Dorsualnotizen bis Ende des 15. Jahrhunderts nur sehr selten. Erst im Zusammenhang mit der Auflösung der Konvente wurde ihr Name auf den Notizen wichtig. 167 161 Als Exempel können die Herren von Hallwil gelten, siehe L EEMANN L ÜPOLD , Hallwyl. Dass dies dabei nicht vor dem Hintergrund einer Staatsbildung im modernen Sinn geschah, ist selbstredend und ein Narrativ der Geschichtswissenschaft des vergangenen Jahrhunderts. 162 Zum Schrifthandeln in der Zeit um 1415, ohne jedoch auf die Situation der Klöster einzugehen, siehe B RUN , Schrift. 163 Siehe etwa die Vorgänge in der Grafschaft Lenzburg: W ALTHER M ERZ , Hrsg., Die Rechtsquellen des Kantons Aargau. Teil 2: Rechte der Landschaft, Band 1, Amt Arburg und Grafschaft Lenzburg, Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, Aarau 1923, URL : https: / / www.ssrqsds-fds.ch/ online/ AG_II_1/ index.html, S. 19f. 164 Zum Privileg König Sigmunds und seiner Überlieferung siehe oben S. 87, die Freiheitenbestätigung ist nur kopial überliefert in StAAG AA/ 0429, fol. 72r-73, gemäß Abschrift datiert auf den 17. Februar 1417. 165 Die Schicht wurde frühestens am 24. Februar 1417 fertiggestellt. 166 Auf der Rückseite von U.17/ 0312a, 13. Apr. 1362 steht: diz ist der brief ist als unß gnediger frouw selig von ungern nach ir tod ir guot ze Oeste[rich] hat geheiß[en] dur got got[! ] teilen viij. Datiert ist die Urkundenausstellung auf den 13. April 1362. 167 Siehe unten ab S. 162. 149 <?page no="149"?> Der Befund des Aufkommens der Begriffe friheit und einer Obrigkeit (die Herzoge) auf der Rückseite ist aufschlussreich, da beide Kategorien zwar nicht häufig auf Rückseiten, jedoch in Rubrizierungen des ersten Kopialbuchs erscheinen. So ist hertzog das fünfthäufigste Nomen der Rubrizierungen im Kopialbuch, mit derselben Häufigkeit wie stifterin und fürstin. 168 Die spezifische Fokussierung auf den männlichen Teil der Herrschaft (die hertzoge) muss daher im frühen 15. Jahrhundert verortet werden, wahrscheinlich nicht zuletzt vor dem Hintergrund der habsburgischen Machtkonzentration (insbesondere in Bezug auf die Vorlande) in der Hand eines Herzogs, Friedrich IV. Ein Gegengewicht hätte die Frau von Leopold IV., Katharina von Burgund, setzen können, die auf ihrem Wittum im Elsass, nahe dem Einflussgebiet ihrer Eltern, sass und - ähnlich wie Jahre zuvor Agnes - regierte. Sie erscheint aber zu der Zeit isoliert und auf den nahen aargauischen Raum keinerlei Einfluss ausgeübt zu haben. Friheit findet sich im Gegensatz dazu seltener im ersten Kopialbuch, dennoch ist es auch da bereits präsent, jedoch im Inhaltsverzeichnis und nicht in den Rubrizierungen. Die Bezeichnung von Privilegien als friheiten in den Dorsualnotizen folgt eng dieser Tradition und ist keine Neuschaffung. Das Vokabular wurde nicht neu gebildet, sondern war bereits Teil des Sprachgebrauchs. Der für das beginnende 15. Jahrhundert festgestellte neue Fokus auf den Typus «Privileg» mit expliziter Nennung desselben, muss folglich als Zeichen für eine neue Ausrichtung der Konvente, insbesondere des Frauenkonvents, gewertet werden, womit eigene Vorrechte demonstriert und versichert werden konnten. 169 Bereits vor 1415 finden sich ein erhöhtes Vorkommen des Begriffs, da wohl mit geeigneten Dokumenten versucht wurde, die Aufmerksamkeit eines Herzogs von Habsburg auf Königsfelden zu lenken. 1411 hielt sich Herzog Friedrich IV. in den Vorlanden auf, stand in Kontakt mit Königsfelden und übergab dem Frauenkonvent die Kontrolle über das Eigenamt. 170 In der Urkunde bezog sich Friedrich einzig auf die Jahrzeitleistungen für seinen toten Vater, dessen Leichnam nach der Schlacht von Sempach 1386 nach Königsfelden überführt wurde. Es ist also möglich, dass die Sammlung der habsburgischen Privilegien ein Versuch war, der Beziehung zwischen Königsfelden und den Herzogen von Österreich, insbesondere Friedrich IV., eine zeitliche Tiefe zu verleihen, die über die getöteten Ritter und den gefallenen Vater hinaus wies. Für die Entwicklung Königsfeldens spielte die Grablege Leopolds III. und der in Sempach gefallenen Ritter eine entscheidende Rolle. Damit erneuerte und sichert sich das Kloster Verbindungen zu den Herzogen von Österreich und wurde gleichzeitig fortan mit einer Reihe von lokalen Geschlechtern assoziiert, die ebenfalls in Sempach fielen. Da sich einige dieser Adligen um 1415 Richtung Bern orientierten, erhielt das Kloster nun auch von Geschlechtern aus Bern Rückendeckung. Es war somit auch nach der Eroberung des Aargaus eine eigenständige Entwicklung, größtenteils unabhängig von Bern, möglich. 168 Siehe Tabelle 3.2. 169 Parallelen finden sich nach dem Eroberungszug von 1415 in den Handlungen der eroberten Städte. Die aargauischen Städte ließen ihre Privilegien abschreiben und erweiterten diese gleichzeitig systematisch. Siehe B RUN , Schrift. 170 StAAG U.17/ 0488, ausgestellt in Freiburg im Breisgau. 150 <?page no="150"?> In einem ähnlichen Kontext kann die zur selben Zeit abgeschriebene Acta Murensia gesehen werden, die eine Verbindung zwischen den Herzogen und dem Benediktinerkonvent im Freiamt herstellen sollte. 171 Sowohl in Muri als auch in Königsfelden wurden Schriftstücke aktiv eingesetzt, um zu demonstrieren, dass tiefergehende Beziehungen zu den Herzogen von Habsburg bestanden und über längere Zeit gepflegt wurden. Nach 1415 dürften die Dorsualnotizen benutzt worden sein, um im Falle von Ansprüchen von Seiten der neuen Herren (Bern) oder konkurrierenden Herren (bernische Landvögte, die auf den umliegenden Gebieten eingesetzt wurden) die Privilegien vorzuweisen, die von der Herrschaft (den hertzogen) ausgestellt worden waren. Dass es sich dabei nicht um die einzige Taktik handelte, lässt sich in den zusätzlich erlangten Freiheitsbriefen zeigen, die bereits thematisiert wurden. 172 Das Fazit zu den Dorsualnotizen im 14. und frühen 15. Jahrhundert ist bezüglich der gefundenen Organisationsmuster ernüchternd. Neben der Ordnung von Kleinbeständen und dem Vorhandensein kleiner Dossiers, muss von einem häufigen Wechsel der Dokumentenzusammenstellungen sowie vielleicht auch der Aufbewahrungsorte ausgegangen werden. Die Bildung und Umbildung von kleinen Dossiers macht deutlich, wie wichtig alte Schriftstücke im täglichen Beanspruchen von Rechten und Besitz waren und wie häufig diese konsultiert, neugeordnet und wieder weggelegt wurden. Die Häufung von Ortsangaben und später Herrschaftstiteln macht weiter deutlich, wie bewusst der Umgang mit Schriftstücken war und wie oft Formungen und Überformungen des Verständnisses und der Einsatzmöglichkeiten von Dokumenten stattfanden. 3.3 Registratur, Ökonomisierung und Herrschaft Die Schicht von 1417 sollte für einige Jahre die letzte sein. Erst in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts wurden vom Hofmeister Niklaus Fricker wieder Dokumente in größerem Umfang dorsual beschrieben. Hofmeister Fricker lässt sich nicht nur als Schreiber einer Vielzahl von Dokumenten und Schriftstücken nachweisen, er war nach dem Tod der Äbtissin Elisabeth von Leiningen eine wichtige Figur für die Klarissen und kann selbst als Verfasser von Dorsualnotizen identifiziert werden. Wahrscheinlich ist es gar erst durch die Analyse der von ihm angebrachten Dorsualnotizen möglich, zu verstehen, wie sein Umgang mit Schriftstücken in Königsfelden funktionierte. Auf der Rückseite von 96 Stücken findet sich seine Hand. Bis zu dem Zeitpunkt war er damit der fleißigste Dorsualnotizschreiber. Eine vollständige Durchsicht der Stücke und die Anlage einer systematischen Ordnung waren für ihn jedoch wie für seine Vorgänger nicht das Ziel. Eine Betrachtung der Verteilung der beschrifteten Stücke macht deutlich, dass der Fokus auf Dokumenten lag, die in der Zeit seiner Hofmeisterei oder kurz davor zu verorten sind. 173 171 Zur Acta Murensia siehe die Edition mit historischer Situierung: C HARLOTTE B RETSCHER - G ISIGER und C HRISTIAN S IEBER , Acta Murensia. Die Akten des Klosters Muri mit der Genealogie der frühen Habsburger, hrsg. von S TAATSARCHIV DES K ANTONS A ARGAU (A ARAU ), Basel 2012. Auf die Rolle des Schriftstücks im anbrechenden 15. Jahrhundert hat mich freundlicherweise Bettina Schöller (Universität Zürich) aufmerksam gemacht. 172 Siehe oben S. 88. 173 Siehe Abbildung 3.13. 151 <?page no="151"?> Abbildung 3.13: Häufigkeitsverteilung der Schicht von 1470, des Niklaus Fricker, in Zehnjahresblöcken. Die Häufigkeitsverteilung, die Länge der einzelnen Notizen und das Verschwinden von Nummerierungen zeigen, dass es Fricker im Gegensatz zu seinen Vorgängern nicht darum ging, die Dokumente zu bündeln und thematisch beziehungsweise örtlich zu vereinen. Vielmehr war er am Zugriff auf die Einzelstücke interessiert. Die Dorsualnotiz wurde hergestellt, um eine laufende Registratur zu führen. Die (langfristige) Aufbewahrung sollte damit weder sichernoch hergestellt werden. Dabei war er insbesondere während seiner Zeit als Hofmeister daran interessiert, auch die Mehrzahl der von ihm ausgestellten Dokumente zu registrieren. Nach seinem Weggang aus Königsfelden nimmt die Anzahl der von ihm selbst produzierten und dorsual beschriebenen Dokumente stark ab, auch wenn seine Hand noch auf einigen Dokumenten gefunden werden kann. Nach 1471 beschrieb er schließlich gar keine Dokumente mehr und sein seine Registratur wurde in Königsfelden nicht weiter verfolgt. Mit dem Abgleich seines Werdegangs muss von mindestens zwei Zeitpunkten ausgegangen werden, an welchen Fricker die Dokumente in Königsfelden bearbeitete: Zum einen die Zeit bis 1457, als er als Hofmeister für die Klarissen tätig war, zum anderen um 1470/ 71, als er nach seinem Aufenthalt in Bern wieder nach Brugg zurückkehrte und für Königsfelden als Althofmeister auftrat. 1470 übernahm Frickers Sohn, Thüring, die Kanzlei in Bern und Niklaus ließ sich, bis zu seinem Tod, wieder in Brugg nieder. Die zweite Datierung ergibt sich auch aus einer Notiz auf einem Stück von 1467, die Fricker eigenhändig auf der Rückseite anbrachte. 174 174 U.17/ 0741, 9. Feb. 1467: zewissent das Hans Buocher von Ottenbach der müller die müli ze Talheim gelegen zu siner handen gebracht hat umb der zins und mallen gedingen als die Peter 152 <?page no="152"?> Abbildung 3.14: Wortwolke der Dorsualnotizen Niklaus Frickers, Notizen bis 1471. Ausdifferenzierung des Schriftgutverständnisses Orts- oder Weilernamen spielen in den Dorsualnotizen Niklaus Frickers eine weit kleinere Rolle als in den vorhergehenden Dorsualnotizschichten. Ziel der Markierungen war die Schaffung eines schnellen Überblicks über den Inhalt der Urkunde. Der Begriff inhalt tritt denn auch verhältnismäßig häufig (14 Vorkommen) und im Gegensatz zu früheren Schichten erstmals auf. Ebenfalls zum ersten Mal nimmt damit die Dorsualnotiz selber Bezug auf ihre Funktion. Neuerungen finden sich auch in den Bezeichnungen der Schriftstücke: während bis in die 1420er Jahre brief als Begriff für jegliche mittels Dorsualnotiz beschriftete Schriftguttypen verwendet wurde, führte Fricker Unterscheidungen zwischen den inhaltlich divergierenden Typen ein. Eine Ausdifferenzierung des Begriffs kann gleichzeitig in anderen Teilen des Reichs nachgewiesen werden. 175 Brief blieb zwar bei Fricker mit 59 Vorkommen das am weitaus häufigsten gebrauchte Nomen, 176 neu wurden jedoch auch typologisierende Bezeichnungen gebraucht. 177 Fricker unterschied gezielt zwischen den Funktionen der einzelnen Stücke und brachte seine Deutung auf der Rückseite an, um sich selbst und wohl auch möglichen Nachfolgern die Arbeit mit den Stücken zu erleichtern. Die Formulierungen der Dorsualnotizen sind häufig länger und entsprechen den Formulierungen in den Urkunden. Die Dorsualnotiz beginnt hier also als Ersatz des rechtlichen Inhalts der Urkunde zu wirken und sollte der Lektüre der recto-Seite dienen. Entsprechend verengt wurde auch der Einsatzrahmen eines Dokuments, eine Urkunde sollte und Leder von Oberflachs nach inhalt dis briefs da har hat gehept und Heini und Hensli Spetni hand sich ouch darumb verbunden gen dem jarzitampt ze Königsfelden und des pflegern für den obgenant Buocher und sins erben umb alt zins und schuld alt und nüw recht unterscheiden bürgen und darüber also haft und gnuog zesnid dem jarzitampt und des pflegern in allen worten und gedingen als si sich des von des genempten Peter Leders wegen un für in und sin erben verbunden haben und sollent und wellent ouch derselbe burgschaft gnuog tuon und die in allweg halten glicherwise als ob der obgenante Hans Buocher an Peter Jeders statt in disem brief geschriben stund und sol ouch in die und all ander wise also betan und gehalten werden aller stucken halb und in allen worten und gedingen die diser brief bewist und inhalt alles luter an alle fürwort inzug und geverd inkraft und urkund diser geschrift durch mich Nicklausen Fricker nach der obgen[anten] bürgen beger und uff ir vergicht disen sach geschribeit uff Sanct Verenen tag nach Cristi geburt vierzechenhundertsibenzig undein jar. Ortsangaben wurden durch den Autor, TH, normalisiert. 175 Siehe M ORSEL , Brief, S. 290-301 und zu Briefen (als schrift) die Dissertation von Isabelle Schürch. 176 Dazu gerechnet werden Schreibungen mit einem oder zwei «f», sowie Flexionen. 177 Siehe auch die Tabelle 3.3. 153 <?page no="153"?> Begriff Häufigkeit Kommentar lechenbrief 9 spruchbrief 6 vidimus 6 urkund 5 Der Begriff meint nicht das materielle Stück, sondern den Ausdruck der Gültigkeit durch das Dokument, bspw.: in kraft und urkunde dieser geschrift, siehe U.17/ 0741, 9. Feb. 1467. gedingen 4 spruchbrief 4 instrument 3 bestätung 3 kouffbrieff 3 geschrift 2 Wird schrift dazu gerechnet, sind es 3 Vorkommen. abschrift 1 bergungbrief 1 cedel 1 Damit ist nicht das Stück gemeint, auf das es notiert wurde, sondern ein Zettel, der nicht vorgelegt werden konnte. fryheitsbrief 1 Wird fryheiten dazu gerechnet, 2 Vorkommen. handgeschrift 1 losbrieff 1 satzbrieff 1 vertungbrief 1 widerbrieff 1 Tabelle 3.3: Schriftguttypen und Häufigkeiten in den Dorsualnotizen Niklaus Frickers. 154 <?page no="154"?> konnte nur noch für sehr spezifische Vorgänge und Nachweise hervorgenommen werden. Die von Fricker eingeführte Typologie und die ausführlichen Beschreibungen wurden auch noch knapp hundert Jahre später als zutreffend taxiert, weshalb zum Zeitpunkt der Auflösung der Konvente häufig nur noch stat recht zu seinen Dorsualnotizen hinzugefügt wurde. Voraussetzung dazu war, dass die Notizen zentral in der Faltung angebracht wurden. Scheinbar war dies für Fricker, im Gegensatz zur späteren Schicht, von untergeordnetem Interesse. Fricker ging anders mit den Urkunden um und öffnete die recto-Seite der Urkunde wohl immer - anders die Schreiber der Schicht von 1528, damals wurde nur noch auf den Teil der Urkunde geschrieben, der nach oben gefaltet worden war und in den Archivladen gegen oben zu Liegen kamen. 178 Ordnungssinn des Niklaus Fricker Auch wenn die ausführlichen Notizen für eine intensive Beschäftigung mit den Dokumenten sprechen und die Beschreibungen stärker inhaltszentriert waren als frühere Dorsualien, so stand für Fricker nicht die Aufbewahrung als «Bestand» im Zentrum. Die Materialität der einzelnen Stücke rückte zwar (langsam) in den Hintergrund, demnach war Fricker nicht daran gelegen, die Dokumente zentralisiert und schneller auffindbar zu machen. Aber weder wurde in seinem Umfeld ein Kopialbuch angelegt, noch deuten die Dorsualnotizen auf eine stärker systematisierte Aufbewahrung. Auslöser für die Produktion von Dorsualnotizen waren noch immer konkrete Streitfälle, die jedoch in ihrer gesamten Argumentation und dem Ablauf des Verfahrens auf der Rückseite eines Stücks festgehalten werden konnten. Das Stück wurde inklusive seiner Stellung im Prozess beschrieben, wie etwa an folgender Dorsualnotiz nachzuvollziehen ist: Uff Santt Johanstag ewangeliste anno domini incepte liiij hand min herren von Wettingen namlich min hern der apt im brieff benempt her Chas prior her Arnold Groskeller her Niclaus Ortolf Schaffner Zürich und der Schaffner von Basel mir Niclaus Fricker Altenhoffmeister und Cunrat Widmer pfründer zu Königsfelden uff das wir inen den brieff von Ludwig Zechender umb die sibenhundert gulden wisend den inen min frowen mit bezaligen der sibenhundert guldin nach inhalt dis briefs heruß gebracht geben habent. mitt disem brieff geben zwen brieff namlich ein ist latin und wist umb xxv stuck gelts ze Lupfig und Birr wie graff Rudolff von Habsburg und frow Gerdrut sin gemachel die den herrn von Wettingen ze kouffen geben haben etc. der ander wist ein wechsel so min frowen von Königsfelden mitt den herrn von Wettingen umb ein gut ze Birr gelegen und ein anders daselbs getan habent nach des brieffs inhalt und des ersten brieffs anvang statt also Rudolffus comes de habsburg de kiburg etc. sin ufgang namlich 178 Aufgrund der Länge der Notizen ist es nicht möglich einen Normalsatz oder etwas Ähnliches zu bestimmen. Zu partikular und unterschiedlich sind die Notizen, als dass ein «System» ausgemacht werden könnte. Weiter fällt auf, dass Abgabehöhen relativ oft betont wurden. 155 <?page no="155"?> das datum actumque ddedit in opido Brugg anno domino mcc lxx vij kal febr indict xiiij des andern briefs andvang wist also wie Margret von Wäthingen eptissin der usgang gebn ist am nächsten fritag vor pfingsten do man zalt von cristi gepurt tusent vierhundert und acht jar und retter ouch daruff si hetten nach wisten inzemal dhein alten brieff mer funden, ist aber dheinen mer über die güter nidisen kouff begriffen, wöltet si nach inhalt diß brieffs heruß gebn. Und sölt ouch darüber nach inhalt diß briefs bestan und sunder bi dem rackel und die alten brieff wisent etc. Undsi solter umb möhen ouch dem um inallweg disem brieff erberlich und redlich nachkomen als billich were des uns bemügt und es dabi bliben liessen etc. Zaalten si ouch daruff was im denoch bim kouff usstünd etc. Niklaus Fricker 179 Die Dorsualnotiz wird somit zur Zusammenfassung und Teil der verhandelten Abläufe bei der Ausfertigung der Urkunde, beziehungsweise kurz danach in der Registratur. Das Dokument wird so zur Kippfigur zwischen «modernem» und «mittelalterlichem» Urkundenverständnis: zwar versinnbildlicht es noch, als Medium eines Aushandlungsprozesses, den materialisierten Ausgleich, gleichzeitig ist es aber, durch den Textinhalt, ein Beweis für geleistete Zahlungen. Analog zur Entwicklung im von Fricker mitinitiierten Zinsbuch wurden die Dokumente ab dem 15. Jahrhundert umgenutzt und auch für Abrechnungszwecke eingesetzt. 180 Die Notizen sind eine zentrale Figur der Registratur, und helfen die Abläufe zu verstehen. Es sind also Prozessnotizen, die an die ausgestellte Urkunde gebunden blieben. Boden und Abgaben auf der Rückseite Die soeben beschriebene Entwicklung verstärkte sich zum Ende des 15. Jahrhunderts und machte sich auf der Rückseite bemerkbar. Gleichzeitig zur Anlage der ersten großen Kopialbuchreihe um 1480 wurden durchgesehene Dokumente in Königsfelden markiert und die von Fricker angeregte Umnutzung der Urkunden konsequent weitergeführt. Es entstand eine Schicht in einer Auszeichnungsschrift, die Einzelblattdokumente mit Kopien im Kopialbuch verband und somit ein Aufbewahrungssystem widerspiegelte. 181 Die in Form einer Textura gehaltene Schrift schuf einen engen Bezug zu geographischen und wirtschaftlichen Angaben. Obwohl die Anlage des Kopialbuchs, das Anbringen von Siglen auf wichtigen Dokumenten und die urbarartige Dorsualschicht als ein Unternehmen verstanden werden müssen, wird an dieser Stelle nur auf die neue Dorsualschicht vor 1480 fokussiert, die deutlich zeigt, unter welchen Vorzeichen die Einzelblattdokumente gelesen wurden. Eine Bemerkung zum Gesamtunternehmen ist dennoch notwendig: Die Dokumente wurden Ende des Jahrhunderts nicht komplett umgeordnet, da nicht alle Stücke mit einer Sigle versehen wurden. Ziemlich strikt wurde zwischen Typen 179 Dorsualnotiz des Niklaus Fricker auf U.17/ 0667, 16. Nov. 1453v. Die Ortsnamen wurden normalisiert und in modernes Deutsch übertragen. 180 AA/ 0465, Zehntrödel (1451). 181 Zur Kopialbuchreihe siehe unten S. 212, die Ordnung der Dokumente wird unten ab S. 243 behandelt. 156 <?page no="156"?> unterschieden: Dokumente, die in die Kopialbuchreihe eingetragen wurden erhielten mehrheitlich eine Sigle, die übrigen Stücke wurden durch stark schematisierte Dorsualnotizen beschriftet. Die Anlage der Dorsualnotizen und der Kopialhefte muss vor dem Hintergrund des zunehmenden Einflusses Berns verstanden werden, der bereits im vorangehenden Kapitel im Zusammenhang mit der Anlage der «95 Herrschaften» angesprochen wurde und unten im Teil zum zweiten Kopialbuch weiter ausgeführt wird. 182 Die Verweise und die ausführlichen Dorsualnotizen wurden auf einer Mehrzahl der Stücke angebracht, die in Königsfelden aufbewahrt wurden. Erstmals ging es also bei der Beschriftung darum, eine Mehrheit der Dokumente zu markieren. Wobei immer noch eine Trennung zwischen den Stücken im Klarissen- und Franziskanerkonvent festgestellt werden kann. 183 Die neuen Dorsualnotizen unterscheiden sich von den vorgängigen Schichten, indem die Strukturierung klar festgelegt und vor allem konsequent durchgehalten wurde, Ausnahmen wie in den früheren Schichten sind keine mehr zu identifizieren: Auf eine Ortsbezeichnung folgt entweder (a) eine Nummer oder (b) eine Abgabenhöhe, selten (c) eine Angabe zum Besitz. Teilweise wurden (a), (b) oder (c) auch kombiniert. 184 Die Sprache der Schicht ist völlig auf Abgaben und Abgabehöhen eingestellt, der Begriff umb (im Sinne von «in der Höhe von») dominiert und gehört mit den Zahlzeichen j, ij und iij sowie der Abgabeeinheit kernen zu den fünf meistgebrauchten Begriffen. Mütt, stuck und gelts finden sich neben diversen Ortschaften und Pronomina in den zwanzig häufigsten Begriffen. 185 Die Aussage der Schicht ist an sich simpel, aber höchst funktional: Über die Notiz auf der Rückseite war es möglich, die Höhe der geschuldeten Abgaben oder die Rechte in einer Ortschaft aufzuspüren und Abgabehöhen ausfindig zu machen. Die Dorsualnotiz konnte also analog zu einem Urbar genutzt werden, um Ansprüche auf Abgaben einzufordern. Eine solche Nutzung war jedoch eher unpraktisch, da die diversen Rechte, die in unterschiedlichen Einzelblattdokumenten notiert waren, einzeln hätten hervorgesucht werden müssen. Ein Grund für die Anlage der Schicht könnte die Durchsicht der Stücke gewesen sein, die ohnehin durchgeführt werden musste, um diejenigen Stücke auszusortieren, die im Rahmen der Kopialbuchreihe abgeschrieben wurden. Denkbar ist auch, dass ein Urbarbuch angelegt wurde oder zumindest hätte angelegt werden sollen, welches alle Ansprüche verschriftlichte. Als Vergleich: Um 1500 wurden in der Kartause Thorberg zwei dicke Urbarbände angelegt, die in der gleichen Textura verschriftlicht wurden und in der gleichen Weise erstellt worden sein könnten. 186 Im Gegensatz zu früheren Schichten fällt die urbarartige Dorsualschicht durch ihre geringe Anzahl von Anschlüssen an andere Schichten auf. Ziel war einerseits das Erschließen wirtschaftlicher Abgaben und andererseits auch die Beschriftung 182 Siehe oben zu den 95 Herrschaften (ab S. 97) und im Kapitel zu den Kopialbüchern ab S. 219. 183 Die Aussage beruht auf den (wenigen) Dokumenten, die mit Sicherheit (im Zusammenhang mit dem Kopialbuch Ia) den Franziskanern zugeschrieben werden können. Siehe die Auflistung S. 199. 184 Siehe die Abbildung 3.15. 185 Siehe auch die Darstellung der Häufigkeiten in der Schicht als Wordcloud visualisiert: Abbildung 3.16. 186 StABE C II a, Urbarien Burgdorf 31/ 32 Urbar des Gotteshauses Thorberg (1500), 2 Bände. 157 <?page no="157"?> Abbildung 3.15: Drei Beispiele der Schicht von 1480. Aus U.17/ 0657, 28. Sep. 1452 (Beispiel zu a), U.17/ 0632, 24. Feb. 1447 (Beispiel zu b), U.17/ 0675, 25. Juni 1454 (Beispiel zu c). Abbildung 3.16: Wordcloud der Schicht von 1480. 158 <?page no="158"?> der Rückseite an sich. Es wurde also demonstriert, dass die Bestände durchgesehen wurden und eine einheitliche Schematisierung oder gar Typologisierung vorgenommen wurde. Der Inhalt der einzelnen Stücke selbst entsprach jedoch vielfach nicht der vorgesehen Schematisierung, sodass die Namen mehrerer Orte angebracht werden mussten, um den Inhalt irgendwie fassbar zu machen. 187 Die kurzen Notizen machten einen Zugriff auf die wirtschaftlichen Inhalte möglich, die immer mehr ins Zentrum rückten. Hier zeigt sich somit auch ein Wandel im Umgang mit der Rückseite. Während Dorsualschichten zuvor jeweils individuell der Frontseite der Urkunde angepasst wurden, macht das Unternehmen von 1480 fassbar, dass die Dokumente nun als größere Gruppen oder gar Bestände - um eine archivalische Terminologie zu bemühen - verstanden wurden. Obwohl unklar ist, inwiefern sich die Aufbewahrung änderte, zeigt die neue Anschauung deutlich, dass Einzelblattdokumente als Gesamtheit beziehungsweise in Gruppen nun als zentraler Teil zur Behauptung von Rechtsansprüchen angesehen wurden. Bei den wirtschaftlichen Angaben könnte es sich, um einen Wissenstransfer aus Rechnungsbüchern handeln, die kurz zuvor in Königsfelden auftauchten. Die Schematisierung der Rechnungsbücher nach Art des Zinses wurde hingegen nicht übernommen. Doch auch nach dem großangelegten Unternehmen wurden einzelne Dossiers weiterhin angelegt. Etwa kurz nach 1500, als die Briefe zu Siggingen mit Li[tt]era AA und einer Nummer versehen wurden. 188 Folglich kann die Ordnung der 1480er Jahre nicht als abschließend bezeichnet werden, sondern eher als Indiz, dass die Stücke einer Ordnung bedurften und auch nach der Zeit Niklaus Frickers noch nicht strikt geordnet waren. Die 180 Stücke, die um 1480 mit der Textura beschriftet wurden und Aussagen über Orte und Abgabehöhen erlauben, zeigen, im zeitlichen Längsschnitt betrachtet, die Welle der Erwerbungen Königsfeldens, wobei deutlich wird, dass auch um 1450 wieder vermehrt Besitz zum Kloster gekommen war. 189 Auffällig ist auch, das einige Stücke beschriftet wurden, die Rechtssprüche enthielten, die dem Kloster Besitzungen versicherten. Bei den Erwerbungen handelt es sich vorwiegend um Besitz von Pfründner, der so an das Kloster vergabt und dem Jahrzeitamt zugeschlagen wurde. Der Umfang der Erwerbungen war denn auch, gemessen an den ausgelegten Beträgen, nicht zu vergleichen mit denjenigen im 14. Jahrhundert. Die Schicht lässt zudem Rückschlüsse über Verluste von Dokumenten zu, auch wenn hier ein hoher Unsicherheitsfaktor besteht. Aufgrund der Nummerierung der Erwerbungen ist es möglich, zu eruieren, wie viele Nummern fehlen. Anhand des am häufigsten genannten Orts, Gebenstorf, lässt sich die Problematik aufzeigen. Die Nummerierung geht bis Gebenstorf XXX (30), davon sind 21 nummerierte vorhanden sowie 3 nicht nummerierte, somit ergibt sich eine Fehlanzahl von 6 Dokumenten (oder 20%). Bei einem Blick auf weitere Stücke pendelt sich die Verlustrate zwi- 187 Siehe auch die Abbildung 3.17. 188 Die Schicht ist relativ klein und wurde auf folgenden Stücken angebracht: StAAG U.17/ 0009, StAAG U.17/ 0166, U.17/ 0185, 23. Apr. 1340, StAAG U.17/ 0187, U.17/ 0339, 28. März 1367, U.17/ 0859, 13. Dez. 1502, U.17/ 0862, 27. Juni 1503. 189 Birr, Lupfig, Scherz: StAAG U.17/ 0667 (vom Kloster Wettingen); Elfingen: U.17/ 0671, 19. Feb. 1454; Gränichen: U.17/ 0682, 20. März 1455; Rüfenach: U.17/ 0674, 13. Mai 1454; Schinznach-Bad: U.17/ 0691, 20. Sep. 1456; Windisch: U.17/ 0651, 25. Mai 1452, U.17/ 0657, 28. Sep. 1452, U.17/ 0660, 11. März 1453. 159 <?page no="159"?> Abbildung 3.17: Beispiel der Schicht von 1480 mit mehreren aufgelisteten Orten. 160 <?page no="160"?> Abbildung 3.18: Häufigkeitsverteilung der Dorsualschicht von 1480 (ohne Verweise), auf Jahrzehnte gerundet. schen 10% (Windisch) und 30% (Schinznach) bei den Orten mit mehreren Beschriftungen ein; Orte mit wenig beschrifteten Stücken kommen zusammen auf 31 fehlende Dokumente bei 93 Stücken. Diese Angabe ist jedoch mit Vorsicht zu analysieren, da für eine Vielzahl von Orten nur jeweils die Nummer 1 überliefert wurde. Zusätzlich existieren Orte, die ohne Nummer genannt werden. 190 Zwei wichtige Unwägbarkeiten bleiben: Erstens, inwiefern Orte gezählt werden müssen, die als Teil einer Gruppe auf einer Rückseite vermerkt wurden, ist nicht zu eruieren. 191 Zweitens bleibt die Bestimmung der letzten Nummer ein Problem. Angenommen wird hier, dass jeweils das letzte Vorkommen der Nummer überliefert wurde. Die Belastbarkeit der Zahlen bleibt folglich klein. Insgesamt lässt sich aber im Vergleich zu früheren Schichten konstatieren, dass zwar immer noch von Verlusten ausgegangen werden muss, diese jedoch überschaubar sind. 192 190 Bei den Ortschaften mit kleineren Mengen an beschrifteten Dokumenten schwankt die Verlustzahl in Prozenten stark. Aus diesem Grund werden die absoluten Zahlen angegeben im Format: Fehlzahl (beschriftete Gesamtzahl). Birr: 2 (7); Gränichen: 1 (8); Oberburg 1 (4); Remigen 1 (4); Suhr 0 (3); Aarau 6 (8); Baden 2 (4); Oberflachs 0 (4); Wohlenschwil 0 (2); Auenstein 1 (1); Hallwil 1 (1); Thalheim 0 (2); Villigen 1 (3); Waldshut 0 (1); Hendschikon 1 (3); Lenzburg 0 (2); Muhen 0 (1); Scherz 1 (6); Rupperswil 1 (3); Oberentfelden 1 (3); Villmergen 3 (4); Habsburg 0 (1); Lostorf 0 (1); Altenburg 0 (1); Bözen 2 (3); Sarmenstorf 0 (1); Husen 0 (1); Regensberg 0 (1); Alenried (unbekannt, evtl. aus Besitz im Elsass) 5 (7); Erlinsbach 0 (1); Adelsberg (auf dem Bözberg) 4 (5); Bettwil 0 (1); Möhntal 0 (1); Büblikon 0 (1); Rüfenach 0 (1); Entfelden 0 (1); Ohne Nummerierung: Elfingen (6), Othmarsingen (3); Kulm/ Staffelbach (2); Egliswil (1); Dottikon (1); Kölliken (1); Schafisheim (1); Staufen (1); Dogern. 191 Bei der Eruierung der Fehlzahlen wurden sie jeweils in Betracht gezogen, falls sie mit Nummer aufgeführt wurden. 192 Im Laufe des 16. Jahrhunderts tendierten die Verluste nochmals stärker gegen null, wie im Kapitel zur Aufbewahrung gezeigt werden wird. Siehe unten ab S. 229. 161 <?page no="161"?> Bedeutet dies, dass die Verwaltung auf ökonomische Effizienz setzte? Nicht unbedingt, es zeigt jedoch, dass Dokumente bewusst als «überlieferungswürdig» eingeschätzt und danach auch effizient aufbewahrt wurden, während die Aufbewahrung zuvor zwar mit ein Ziel war, jedoch nicht das vordringlichste. Die bereits im Zusammenhang mit Fricker festgestellte Tendenz zur Fokussierung auf ökonomische Inhalte der Einzelblätter verstärkte sich. Dennoch blieb die Verschriftlichung von Abgabehöhen auf den Rückseiten nur ein Teil des Gesamtunternehmens, das die Dokumente des Klosters ordnete und abschrieb. Dorsualregesten nach dem Abtransport Dem großen Unternehmen von 1480 folgten für vierzig Jahre nur kleinere Erweiterungen, die nicht in demselben Umfang versuchten eine Um- oder Neuordnung vorzunehmen. Erst mit dem Abtransport der Stücke aus Königsfelden, im Zuge der Auflösung der Konvente, wurde ein Prozess in Gang gesetzt, der das Schriftgut Königsfeldens nachhaltig umgestalten sollte. Auch die Dorsualnotizen von 1480, sogar wenn man die Siglen mit den Verweisen miteinrechnet, betrafen bei weitem nicht die Gesamtheit der Dokumente, die in Königsfelden aufbewahrt wurden. Erst mit dem Abtransport der wertvollen Sachen und aller Dokumente aus Königsfelden nach Lenzburg und später nach Bern wurde eine Durchsicht der Dokumente durchgeführt, die in Regesten auf den Rückseiten mündete. Auf über 900 Stücken wurde regestartig eine Inhaltsangabe des betreffenden Dokuments wiedergegeben. Obwohl es nicht möglich ist, exakt zu bestimmen, wie viele Dokumente aus Königsfelden abtransportiert worden waren, so ist es sehr wahrscheinlich, dass mehr als 75% der Dokumente aus dem Frauenkonvent von dieser Hand beschriftet wurden. Dennoch fällt auf, dass Stücke nicht beschriftet wurden, die mit Sicherheit im Klarissenkonvent aufbewahrt wurden und teilweise von großer Wichtigkeit waren, wie etwa Stiftungen und Stiftungsbestimmungen der Agnes von Ungarn. 193 Obwohl die Zahl der nicht beschrifteten Stücke sehr hoch erscheint, 193 Folgende frühe Stücke wurden nicht beschriftet: StAAG U.17/ 0006, U.17/ 0011, 1. Mai 1310, StAAG U.17/ 0011a, StAAG U.17/ 0014, U.17/ 0016, 27. Okt. 1310, StAAG U.17/ 0029, StAAG U.17/ 0040, StAAG U.17/ 0042, StAAG U.17/ 0058, StAAG U.17/ 0059a,StAAG U.17/ 0059b, StAAG U.17/ 0066, U.17/ 0074c, 3. März 1322, StAAG U.17/ 0084, U.17/ 0087, 3. Feb. 1325, StAAG U.17/ 0091, U.17/ 0112, 8. Juni 1330, U.17/ 0113, 24. Juni 1330, U.17/ 0130, 24. Sep. 1333, StAAG U.17/ 0166, StAAG U.17/ 0173a, StAAG U.17/ 0179, U.17/ 0180, 3. Nov. 1339, StAAG U.17/ 0187, StAAG U.17/ 0187a, StAAG U.17/ 0205a, U.17/ 0222, 29. Juli 1348, U.17/ 0224, 25. Jan. 1349, U.17/ 0226, 26. Aug. 1349, U.17/ 0228, 26. Aug. 1349, U.17/ 0229, 24. Sep. 1349, U.17/ 0232, 4. Feb. 1350, U.17/ 0233, 31. März 1350, U.17/ 0234, 12. Nov. 1350, U.17/ 0253, 18. März 1354, U.17/ 0261, 26. Sep. 1355, U.17/ 0262, 5. Okt. 1355, StAAG U.17/ 0263, StAAG U.17/ 0266a, U.17/ 0274, 4. Feb. 1357, U.17/ 0275, 17. Feb. 1357, U.17/ 0279, 10. Sep. 1358, U.17/ 0287, 13. März 1359, StAAG U.17/ 0288, U.17/ 0298, 16. März 1360, StAAG U.17/ 0306a, U.17/ 0307, 28. März 1361, StAAG U.17/ 0316a, U.17/ 0320, 20. Juli 1363, U.17/ 0324, 13. Sep. 1363, StAAG U.17/ 0327, U.17/ 0328, 3. Juni 1364, U.17/ 0338, 11. Feb. 1367, U.17/ 0340, 2. Juni 1367, U.17/ 0351, 18. Jan. 1370, U.17/ 0353, 14. März 1370, U.17/ 0364, 24. Juni 1372, U.17/ 0371, 15. Mai 1375, StAAG U.17/ 0383, U.17/ 0384, 8. Nov. 1379, U.17/ 0391, 27. Nov. 1380, U.17/ 0403, 24. Feb. 1385, U.17/ 0404, 6. Juni 1385, U.17/ 0407, 15. März 1387, U.17/ 0416, 3. Feb. 1391, U.17/ 0417, 3. März 1391, U.17/ 0421, 30. Dez. 1391, U.17/ 0437a, 1. Juli 1398, U.17/ 0443, 18. Juni 1400, U.17/ 0467, 2. Mai 1405, U.17/ 0470, 23. Nov. 1405, U.17/ 0473, 2. Juni 1406, U.17/ 0481, 13. Mai 1408, StAAG 162 <?page no="162"?> so steht doch außer Zweifel, dass darauf abgezielt wurde, möglichst viele, wenn nicht gar alle Dokumente durchzusehen und zu beschriften. Aus den fehlenden Stücken kann geschlossen werden, dass noch um 1528 kein Ort existierte, der für die Aufbewahrung aller Stücke gemeinsam genutzt wurde. Und damit ist nicht nur die Trennung der Aufbewahrung zwischen Franziskanern und Klarissen gemeint, sondern auch innerhalb des Frauenkonvents. Einige der Stücke können mit Sicherheit dem Frauenkonvent zugeordnet werden und wurden U.17/ 0497, StAAG U.17/ 0499, StAAG U.17/ 0501, U.17/ 0503, 13. Apr. 1416, U.17/ 0504, 30. Juni 1416, U.17/ 0505, 14. Juli 1416, StAAG U.17/ 0509, U.17/ 0511, 15. Mai 1418, StAAG U.17/ 0512, U.17/ 0515, 3. Nov. 1418, StAAG U.17/ 0516, U.17/ 0517, 16. Jan. 1419, U.17/ 0525, 26. Juni 1419, U.17/ 0529, 25. Nov. 1420, StAAG U.17/ 0530, U.17/ 0531, 31. Dez. 1419, U.17/ 0534, 22. Mai 1421, U.17/ 0540, 12. Jan. 1423, U.17/ 0544, 14. Feb. 1424, U.17/ 0546a, 12. Juni 1425, U.17/ 0547, 11. Nov. 1425, U.17/ 0554, 22. Feb. 1427, StAAG U.17/ 0557, StAAG U.17/ 0560, U.17/ 0564, 9. Mai 1429, U.17/ 0566, 24. Juni 1429, U.17/ 0567, 24. Juni 1429, StAAG U.17/ 0569, U.17/ 0570, 29. Nov. 1430, U.17/ 0571, 6. Dez. 1430, U.17/ 0573, 1. Apr. 1431, U.17/ 0574, 7. Mai 1431, U.17/ 0575, 26. Mai 1431, U.17/ 0576, 20. Feb. 1432, U.17/ 0577, 28. Jan. 1433, U.17/ 0581A, 24. Juni 1433, U.17/ 0581B, 24. Juni 1433, U.17/ 0597, 25. Okt. 1437, U.17/ 0598, 26. Okt. 1437, U.17/ 0607, 1. Feb. 1439, U.17/ 0609, 21. Feb. 1439, U.17/ 0610, 7. Juli 1439, U.17/ 0612A, 26. Dez. 1439, U.17/ 0619, 8. Nov. 1442, U.17/ 0625, 26. Juli 1443, U.17/ 0634, 11. Nov. 1447, U.17/ 0636, 4. Dez. 1447, U.17/ 0638, 14. Okt. 1448, U.17/ 0645, 20. Apr. 1450, U.17/ 0647b, 9. Mai 1451, U.17/ 0649c, 11. März 1452, U.17/ 0650, 15. Apr. 1452, U.17/ 0655, 6. Juni 1452, U.17/ 0656, 7. Sep. 1452, U.17/ 0659, 21. Feb. 1453, U.17/ 0665, 15. Okt. 1453, U.17/ 0668, 17. Nov. 1453, StAAG U.17/ 0674, U.17/ 0679, 19. Nov. 1454, U.17/ 0681, 20. März 1455, U.17/ 0684, 30. Juni 1455, U.17/ 0693, 6. Dez. 1456, U.17/ 0701a, 3. Nov. 1458, U.17/ 0701b, 3. Nov. 1458, U.17/ 0712, 23. Juni 1460, U.17/ 0715, 27. Mai 1461, U.17/ 0716, 2. Juni 1461, U.17/ 0717, 11. Nov. 1461, U.17/ 0719, 28. März 1462, U.17/ 0722, 12. Dez. 1462, U.17/ 0729, 26. Sep. 1464, U.17/ 0731, 18. Mai 1465, U.17/ 0733, 16. Sep. 1465, U.17/ 0734, 14. Okt. 1465, U.17/ 0740, 13. Nov. 1466, StAAG U.17/ 0743, StAAG U.17/ 0744, U.17/ 0746, 5. Dez. 1468, U.17/ 0747, 6. Dez. 1469, U.17/ 0748a, 7. Dez. 1469, U.17/ 0749, 7. Juni 1470, U.17/ 0751, 1. Sep. 1470, U.17/ 0752, 1. Sep. 1470, U.17/ 0753, 1. Sep. 1470, U.17/ 0755, 7. Nov. 1470, U.17/ 0756, 30. Nov. 1470, U.17/ 0765, 22. Apr. 1473, U.17/ 0766, 14. Mai 1473, StAAG U.17/ 0769, U.17/ 0786, 26. Mai 1479, U.17/ 0787, 3. März 1480, U.17/ 0788, 16. Jan. 1481, U.17/ 0789, 22. Sep. 1481, U.17/ 0791e, 22. Okt. 1481, U.17/ 0793, 24. Nov. 1481, U.17/ 0794, 14. März 1482, U.17/ 0795, 2. Mai 1482, U.17/ 0797, 1. Sep. 1482, U.17/ 0797a, 18. Nov. 1482, U.17/ 0798, 23. Apr. 1483, U.17/ 0800, 21. Sep. 1483, U.17/ 0801, 10. Nov. 1483, U.17/ 0805, 21. Apr. 1484, U.17/ 0806, 28. Sep. 1481, U.17/ 0809, 18. Juni 1486, U.17/ 0812, 6. Nov. 1487, U.17/ 0813, 1. Mai 1487, U.17/ 0825, 27. Aug. 1493, U.17/ 0826, 11. Okt. 1494, U.17/ 0829, 26. März 1495, U.17/ 0832, 19. Apr. 1496, U.17/ 0834, 28. Juni 1496, U.17/ 0837A, 10. Mai 1497, U.17/ 0838A, 10. Mai 1497, U.17/ 0839, 24. Mai 1497, U.17/ 0842, U.17/ 0846, 17. Juni 1499, U.17/ 0850, 1505, U.17/ 0853A, 1525, U.17/ 0856, 20. Dez. 1501, U.17/ 0857, 8. Aug. 1502, U.17/ 0858, 25. Okt. 1502, U.17/ 0860, 14. Jan. 1503, U.17/ 0861, 22. Jan. 1503, U.17/ 0866, 16. Sep. 1505, U.17/ 0873, 29. Juni 1509, U.17/ 0875, 13. Juni 1510, U.17/ 0876a, 21. Nov. 1511, U.17/ 0877, 26. Nov. 1511, U.17/ 0878, 26. Nov. 1511, U.17/ 0879, 26. Nov. 1511, U.17/ 0882, 11. Aug. 1512, U.17/ 0883, 30. Nov. 1512, U.17/ 0887A, 27. Mai 1513, U.17/ 0894, 14. Dez. 1514, U.17/ 0895, 23. Mai 1515, U.17/ 0896, 23. Mai 1515, U.17/ 0899, 30. Nov. 1515, U.17/ 0900, 30. Nov. 1515, U.17/ 0903, 12. Mai 1516, U.17/ 0904, 3. Aug. 1516, U.17/ 0906, 2. Sep. 1517, U.17/ 0908, 21. März 1518, U.17/ 0909a, 18. Juli 1518,U.17/ 0910, 5. Nov. 1518, U.17/ 0913, 24. Aug. 1520, U.17/ 0915, 15. Nov. 1521, U.17/ 0916, 24. Jan. 1522, U.17/ 0917, 19. Aug. 1522, U.17/ 0918, 30. Okt. 1522, U.17/ 0924a, 11. Juni 1524, U.17/ 0924c, 15. Juni 1524, U.17/ 0924g, 22. Juni 1524, U.17/ 0924h, 23. Juni 1524, U.17/ 0924i, 23. Juni 1524, U.17/ 0924k, 23. Juni 1524,U.17/ 0926, 10. Nov. 1524, U.17/ 0927c, 13. Mai 1525, U.17/ 0927d, 15. Mai 1525, U.17/ 0927f, 4. Aug. 1525, StAAG U.17/ 0927g, U.17/ 0927k, 18. Nov. 1525, StAAG U.17/ 0927l, U.17/ 0930, 11. Juni 1526, U.17/ 0931, 10. Aug. 1526, U.17/ 0933, 11. Nov. 1526, U.17/ 0934, 18. Dez. 1526, U.17/ 0937, 3. März 1528, U.17/ 0938, 1. Aug. 1528. 163 <?page no="163"?> dennoch nicht aufgenommen. Häufig handelt es sich dabei um Stücke, die mit Besitz in Siggingen und Erlinsbach zusammenhängen. Ein System, etwa die Auslagerung gewisser Bestände und die Aufbewahrung in den Höfen vor Ort, lässt sich jedoch ebenfalls nicht mit Sicherheit festmachen. Die Art und Weise der Anlage der Dorsualnotizen kann als äußerst pragmatisch bezeichnet werden. Zum einen legte der Schreiber keinen Wert auf eine repräsentative Schrift, Schnelligkeit und Effizienz waren geboten. Zum anderen wurde mit bereits bestehenden Dorsualnotizen gearbeitet, in diversen Fällen reichte ein einfaches stat recht oder es ist also, um die älteren Dorsualnotizen als korrekt zu taxieren. Gerne wurde auch der Vermerk unnütz angebracht, in einem Fall ein Dokument gar als unnütz pfaffen instrument bezeichnet, wobei sich an diesem Beispiel zeigt, dass der Unterschreiber entweder nicht wusste wie das Notariatsinstrumenten funktionierte oder es schlichtweg ignorieren wollte, da aus der Urkunde Abgabeforderungen durch das Bistum Basel ableitbar waren. 194 Die Beschreibung als unnütz ist typisch für das frühneuzeitliche Archivwesen und sagt nicht zwangsläufig etwas über vorgesehene Zerstörungen aus, sondern bedeutet zunächst, dass im Moment kein Verwendungszweck für das entsprechende Dokument vorgesehen war. 195 Das Wort unnütz ist gleichzeitig Teil des Ausdrucks eines Unbehagens gegenüber Archiven, da große Teile der Bestände nicht überschaubar waren und Potential für Überraschungen boten. 196 Abgesehen von den kurzen Taxierungen wurden bei der Mehrheit der Stücke relativ ausführliche Beschreibungen angebracht, die deutlich zeigen, dass sich der Blickwinkel geänderte hatte. Die frowen 197 erscheinen sehr häufig, ebenso wie der Name der Institution Königsfelden. Es wird deutlich, dass nicht mehr innerhalb der Konvente auf die Stücke geschrieben wurde, sondern durch einen Außenstehenden. Das ist auch örtlich zu verstehen, da die Dokumente bereits abtransportiert worden waren. Der Akt der Durchsicht wurde also analog zur Anlage der Kopialbuchreihe 1540 durchgeführt, um die Rechtslage in den bernischen Herrschaften zu klären. Es war eine Sicht von außen, oder genauer von oben, die auf die «Rechtstitel» geworfen wurde. Und dennoch blieben die frouwen präsent, da sie immer wieder genannt wurden. Auch nach der Auflösung konnte die Institution nicht einfach in einen Verwaltungsbezirk überführt werden, sondern wurde als Versorgungsanlage (weiter- )genutzt. 198 Entsprechend wurden auch weiterhin Pfründner aufgenommen, was nicht zuletzt auch im Interesse der nahen Städte war, die so finanziell entlastet wurden. 199 194 StAAG U.17/ 0671. Beim Stück geht es um Abgaben an die Diözese Basel für Besitz in Elfingen. Da der Besitz westlich der Aare ins Bistum Basel gehörte, Königsfelden selbst jedoch zu Konstanz gehörte, zeigen sich häufig Unklarheiten, wie mit der Befreiung der bischöflichen Quart, ausgestellt durch den Bischof von Konstanz, umgegangen werden sollte. 195 Siehe dazu F RIEDRICH , Geburt, S. 103. V ISMANN erklärte daher die Institutionen (Archive) zu Verwahranstalten. Nach ebd., S. 103. 196 Ebd., S. 102-107. 197 Auch in der Variante als frouwen und im Singular frow. 198 Die Kontinuität der Versorgung von Pfründner ist umstritten. Siehe R AUSCHERT , Landvogteisitz, S. 172f. 199 Auch wurden alte Priester in Königsfelden versorgt, siehe S TECK und T OBLER , Aktensammlung, Nr. 594, S. 186. 164 <?page no="164"?> Abbildung 3.19: Wortwolke zur Dorsualschicht von 1528/ 40. Neben den Klarissen von Königsfelden findet sich häufig die Namensnennung der Herzoge von Österreich. Damit offenbart sich, dass der Rückbezug auf das Haus Habsburg gesucht und betont wurde. Und auch Agnes von Ungarn, die in den Dorsualnotizen häufig genannt wird, war - gemäß dieser Darstellung - eine Habsburgerin, obwohl Agnes von Ungarn in ihren Dokumenten nicht für die Herzoge agiert hatten. 200 Im 16. Jahrhundert wurde es nötig Agnes «habsburgisch» zu machen, um den gesamten Klosterbesitz, der in vielen Teilen von ihr abhing, mit dem nun überaus mächtigen Haus zu verbinden. Nur durch eine solche Verbindung war es denkbar, dass sich Bern als Nachfolger Habsburgs inszenieren konnte, als Nachfolger einer Landesherrschaft, die es in der Durchdringung nie gegeben hatte und gerade im Kloster Königsfelden im 14. Jahrhundert eine Institution kannte, die zwischen Habsburg und lokalen Herren agierte. Im Vergleich dazu erscheinen die Namen anderer Verkäufer oder Wohltäter sehr selten. Auch in der gleichzeitig entstandenen Kopialbuchreihe zeigt sich eine zentrale Intention Berns: Habsburg - und zwar als diffus bleibende Herrschaft - sollte als Herrschaft dargestellt werden, die durch die Stadt Bern abgelöst wurde. Der hier vorliegende Befund bedarf noch mehr Kontextualisierung und Vertiefung. 201 Die Dorsualschicht legte großen Wert auf gewählte Ausdrücke bezüglich der in den Dokumenten beschriebenen Art der Transaktion. Wie schon bei den Dorsualnotizen Frickers beobachtet, ist von unterschiedlichen brief[en]und die Rede, die ausgefertigt wurden. Es finden sich vorwiegend kouffbrief, aber auch lechenbrief, quittung, bestättigung und etliches mehr. Die bereits Mitte des 15. Jahrhunderts gemachte Differenzierung wurde weitergeführt. Mit der Angabe der Abgabenhöhe, wie bereits aus der Schicht von 1480 bekannt, bildet die Dorsualschicht so eine Vermischung von Angaben aus bereits vorhandenen Dorsualschichten - eine Vermengung, die auch physisch geschah, in dem etwa Angaben aus der 1480er Schicht ergänzt oder mit stat recht markiert wurden. Neben Habsburg sollte durch die Dorsualnotizen die Position des ehemaligen Klarissenklosters hervorgehoben werden, während die Franziskaner in der Schicht 200 Auch nach intensiver Beschäftigung mit ihren Strategien zum Umgang mit Schrift, bleibt unklar, wie ihre Kompetenzen tatsächlich aussahen, wo sie sich an ihre Verwandten anlehnte und deren Machtbefugnisse für sich reklamierte. Ausführlich wird ein Aspekt ihres Umgangs mit Schrift im Zusammenhang mit Ordnungen oben, ab S. 64 referiert. 201 Siehe dazu unten ab S. 224. 165 <?page no="165"?> Abbildung 3.20: Drei Beispiele der Schicht von 1528/ 40: U.17/ 0787, 3. März 1480, U.17/ 0026, 19. Nov. 1312, U.17/ 0088, 31. Mai 1325. 166 <?page no="166"?> keine Erwähnung finden. Königsfelden sollte als Frauenkloster in Erinnerung bleiben und nicht als Doppelkloster mit Franziskanern, deren Klostergebäude dem Papst gehörten. Bern hatte dafür gesorgt, dass die austretenden Frauen Verzichtserklärungen auf jegliche Ansprüche am Klosterbesitz ausgestellt hatten und die Stadt Bern somit als legitimer Nachfolger auftreten konnte. Alle Schriftstücke, ebenso wie die Dorsualnotizen, die in dem Zusammenhang um 1540 produziert wurden, hatten folglich nur das Ziel die Herrschaft über den ehemaligen Klosterbesitz als Gesamtes zu legitimieren. Die Dokumente aus dem franziskanischen Teil wurden denn auch viel weniger häufig markiert und vielleicht auch an einem anderen Ort aufbewahrt. Wie bereits bei allen früheren Dorsualschichten festgestellt, lässt sich in den Stücken nur sehr bedingt ein schematisierter Aufbau identifizieren. Ausgenommen davon ist der Auftakt des Satzes, der überdurchschnittlich häufig mit dem Wort wist einsetzt. Ebenfalls häufig wird mit der Angabe der Art des Dokuments begonnen. Die Aufnahme der Angaben erfolgte ähnlich wie bei Fricker mit Interesse an Details des Frontseitentexts, wobei spatiale Angaben und Abgabehöhen so gut wie immer aufgenommen wurden. Als Fazit lässt sich entsprechend aufzeigen, dass die Schicht von einem Verwaltungsexperten erstellt wurde, der genaue Vorstellungen hatte von der Art der Dokumente, die er vor sich hatte, und der wusste, für welche Zwecke seine Angaben auf der Rückseite genutzt werden konnten. Gleichzeitig war er jedoch nicht darauf aus, die Stücke nach einem Schema zu beschriften. Anhand der Dorsualnotizen, die auf den Austrittsdokumenten der Schwestern in Bern angebracht wurden, lässt sich erweiternd zeigen, dass auch dort die Aussagen ähnlich strukturiert wurden, jedoch von einem anderen Administrator. Die systematische Durchsicht wurde also nicht nur von einzelnen Personen auf das Material in Königsfelden angewandt, sondern in Bern für unterschiedliche Teile der Aufbewahrung durchgeführt. 202 3.4 Rollen von Dorsualnotizen in Königsfelden - Fazit Die intensive Beschäftigung mit den Königsfelder Dorsualnotizen bringt eine Vielfalt an Einsatzmöglichkeiten und Gebrauchsintentionen zum Vorschein, die deutlich zeigen, wie wichtig die Analyse dieser kurzen Aussagen ist, um zu erkennen, wie Schriftstücke zu unterschiedlichen Zeiten verstanden wurden. Gleichzeitig erweisen sich die Resultate als widerspenstig und bedingt aussagekräftig, was sicherlich auch mit fehlenden Bezugspunkten zusammenhängt, die zukünftig in Form weiterer Untersuchungen geschaffen werden müssen. Das Kapitel demonstrierte, wie eine Überlieferung systematisch auf das Funktionieren der Notizen untersucht werden kann, abschließende Befunde sind aber nicht möglich, aber vorläufige. Die frühen Dorsualnotizschichten zeugen von der Durchsicht der Dokumente mit dem Ziel bestimmte Problemlagen durch Einsatz von Dokumenten zu lösen. Dabei ging es nicht um die Erstellung von größeren Ordnungen, und es existiert kein Zusammenhang mit frühen Kopialbüchern. Aber auch noch im 14. Jahrhundert lässt sich feststellen, wie fluide der Umgang mit Beschriftungen auf der Rückseite 202 Siehe auf den Rückseiten folgender Austrittsquittungen (unvollständige Auflistung): StAAG U.17/ 0937c, StAAG U.17/ 0938b, StAAG U.17/ 0938c. 167 <?page no="167"?> war. Obwohl grundsätzlich selten beschrieben, wurden auf bestimmten Einzelblattkopien Notizen angebracht, die Aussagen zur Anfertigung der Kopien machten. Dass diese Bündelung von Notizenschichten auf bestimmte Problemgemenge abzielte, wird anhand des neueingesetzten Vokabulars von 1409 und 1417 deutlich, als die habsburgische Herrschaft in den Vorlanden unter Druck geriet und nach 1417 im Gebiet des heutigen Aargaus durch Bern beendet wurde. Der Abgleich mit dem Vokabular des ersten Kopialbuchs zeigt, dass beide Ausdrücke, hertzog und friheit, schon im 14. Jahrhundert zur Beschreibung von Dokumenten genutzt wurden. Auf Dorsualnotizen wurden sie aber erst in der Zeit des Herrschaftswechsels zentral. Die Verschiebung des Vokabulars bleibt eines der wenigen Signale, die in den Königsfelder Dorsualnotizen eine Herrschaftslandschaft im Wandel andeuten. Im Zuge der Anfertigung eines Kopialbuchs zu Beginn des 15. Jahrhunderts begannen auch die Franziskaner mit der Dorsualbeschriftung der Dokumente, die in ihrem Konvent aufbewahrt wurden. Im Männerkonvent wurden die Notizen jedoch weiterhin spärlicher eingesetzt als bei den Klarissen. Eine Generation später, ab 1450, nutzte Niklaus Fricker die Rückseiten, um einen Nachvollzug der Registratur zu ermöglichen und die Schriftstücke gemäß ihrem Status in Auseinandersetzungen einzuordnen. Dadurch wird deutlich, wie stark Fricker aus der Perspektive einer stringenten Verwaltung dachte. Gleichzeitig schwenkte der Fokus auf eine stärkere Abrechnungsschriftlichkeit, die sich im ökonomisch gefärbten Vokabular ausdrückt. Die Fokussierung auf die Einnahmen verstärkte sich zum Ende des 15. Jahrhunderts, wobei erstmals ein Zugriff auf eine Mehrzahl von Dokumenten durch eine Dorsualschicht festgestellt werden kann, die nicht mehr nur neu angefertigte Stücke oder die in einem Problemfall nötigen Stücke umfasste. Eine große Gruppe von Dokumenten wurde mit Angaben zur Abgabenhöhen versehen. Ergänzend wurden auf Stücken, die in eine Reihe von Kopialheften abgeschrieben wurden, Vermerke angebracht, die eine Verbindung zwischen den Einzelblattausfertigungen und den Abschriften herstellten. Dadurch entstanden sowohl spatiale Einheiten als auch die Möglichkeit die Dokumente zielgerichtet zu finden. Erst beim Abtransport der Dokumente aus Königsfelden um 1530 wurde eine Durchsicht der Stücke durchgeführt, die in einer eigenen Schicht mündete. Die Notizen demonstrieren, den Versuch Berns sich als Nachfolger Habsburgs in Königsfelden zu etablieren. Die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von Dorsualnotizen sind nicht zuletzt verantwortlich für die anscheinenden Unzugänglichkeit der kurzen Vermerke auf der Rückseite. Dank der Identifikation der Schreibpraktiken auf den Rückseiten lassen sich Aussageziele und Reichweiten bestimmen, die durchaus im Moment der Anlage Sinn machten, jedoch bis Mitte des 15. Jahrhunderts nichts mit einem vereinfachten Zugriff auf die Dokumente zu tun hatte. Der methodische Hilfsgriff der Auszählung von Worthäufigkeiten und Visualisierungen mit word clouds wird nützlich, um erste Eindrücke zu erhalten, die zur Eruierung von Aussagen von Schichten verhelfen. Nur dadurch ist eine Hypothesenbildung überhaupt möglich. Hilfswissenschaftliche Annäherungen, etwa durch Paläographie, verfolgen dabei keinen Selbstzweck, sondern sind integraler Bestandteil zur Eruierung von Gebrauchs- und Produktionsbedingungen. 168 <?page no="168"?> Auch im Fall von Königsfelden gibt es nicht einen Typ Dorsualnotiz, der sich durchsetzte. Obwohl eine überdurchschnittlich hohe Anzahl an Schichten identifiziert werden kann, so läuft die Analyse in fragmentiert wirkenden Schichten, die wenig miteinander zu tun hatten. Dies kann jedoch als Ausdruck eines sich im Wandel befindenden Schriftverständnisses verstanden werden, das die unterschiedlichen Einsatzmöglichkeiten desselben Schriftstücks durch die Analyse der Rückseite offenlegt. 169 <?page no="170"?> 4 Abschreiben: Ordnen durch Kopieren Dieses Kapitel lenkt den Blick auf Kopien, eine Verarbeitungsform, die in eigene Schriftstücke mündete und nicht, wie im Fall der Dorsualnotizen Dokumente anreicherte. Nicht mehr ein Paratext steht im Fokus, sondern ein Paralleltext. Anlagen von Kopien in Form von Kopialbüchern gehören in der Forschung zur Schriftkultur des Mittelalters seit langem zu den ausführlich untersuchten Schrifttypen. In die Kategorie des Abschreibens gehört auch das Anfertigen von Abschriften auf Einzelblätter und in Stücke, die ökonomische Abgabeprozesse verschriftlichten. Insbesondere Urbare und Zinsbücher, die einen Bezug zu früheren Texten aufweisen oder zumindest einen solchen behaupten, enthalten teilweise Abschriften. Im Gegensatz zu den Kopialpraktiken wurden Zinsbücher selten mit Überlegungen zum Schrifthandeln und zu Praktiken der Erhebung von Ansprüchen in Verbindung gebracht. 1 Technische Praktiken werden im Folgenden zwar beurteilt, stehen jedoch nicht im Fokus, vielmehr sollen der Umgang mit Verwaltungswissen und die Intentionen des Schrifthandelns durch Protagonistinnen und Protagonisten aufgezeigt werden. Von den aus dem ehemaligen Doppelkloster überlieferten Büchern und Heften werden mit den drei Kategorien, Kopie, Bodenzinsurbar und Rechnung, alle Schriftstückformen aus der Zeit zwischen 1300 und 1520 abgedeckt. Dieses Kapitel behandelt somit alle Schriftstückarten, die aus der Institution Königsfelden bis zur Auflösung der Konvente an gebundenen Heften und Büchern überliefert wurden. Obwohl keine einfachen Interdependenzen zwischen den Schriftguttypen festgestellt werden, ermöglichen der Vergleich und die Gegenüberstellung Erkenntnisse, die produktive Aussagen zum Verständnis der schriftlichen Administration machen. 2 Das vorliegende Kapitel zeigt, dass Praktiken des Abrechnens und Kopierens Gemeinsamkeiten teilen und in gewissen Situationen zusammengedacht werden müssen, um verständlich zu machen, wie sich der Umgang mit Schrift veränderte. Damit rücken zwei Dokumentengattungen, Kopialbücher und Abrechnungsschriftgut, in den Fokus, die nach ihrem Herstellungszweck befragt werden müssen und für die unterschiedliche Formen des Umgangs festgestellt werden können. 3 Aufgrund der chronologischen Anordnung lassen sich Wechselwirkungen beschrieben, die unterschiedliche Notwendigkeiten und Ansprüche demonstrieren. 4 Hauptsächlich wird materiellen Ausformungen, Formaten und Strukturen inner- 1 Fast ausschließlich im Umfeld der Zürcher Schriftlichkeitsforschungen wurden solche Überlegungen angestellt. Siehe einführend S ABLONIER , Verschriftlichung und als Fallbeispiel: P ETER E RNI , Güterverwaltung und Schriftlichkeit des Klosters St. Katharinental in Basadingen. Bemerkungen zur kontextbezogenen Interpretation spätmittelalterlicher Urbarien., in: Wirtschaft und Herrschaft. Beiträge zur ländlichen Gesellschaft in der östlichen Schweiz (1200-1800), hrsg. von R OGER S ABLONIER und T HOMAS M EIER , Zürich 1999, S. 343-370. 2 Dabei geht es nicht um die Herstellung von Typisierungen, wie etwa vorgeschlagen in: P ATZE , Typen. 3 Eine Übersicht über die Kopialbücher und -hefte findet sich in der Tabelle 1.1. 4 Wie bereits aufgezeigt in H ILDBRAND , Herrschaft, S. 286-330. 171 <?page no="171"?> halb der Hefte und Bücher, aber auch verwendeten Schriftfarben Beachtung geschenkt. Einführend wird mit einem Abriss über die Praktiken des Kopierens und der entsprechenden Forschung gestartet. 5 Der Akt des Kopierens und die Anlage von Kopialschriftgut In einer Gesellschaft, die Dokumente handschriftlich produziert, ist das Abschreiben, das Kopieren von Texten, eine wichtige Form der Verbreitung, aber auch der Sicherung von Text und damit von Wissen. 6 Mönche waren bereits im Frühmittelalter mit Abschriften der Heiligen Schrift, Viten und Legenden beschäftigt. Das Abschreiben als kontemplative Tätigkeit war Teil eines guten, Gott zugewandten Lebens. Spätestens im 9. Jahrhundert wurde in Klöstern bereits damit begonnen, analog zum religiösen Schriftgut, Urkunden abzuschreiben. 7 Die Ziele der Kopisten (und wahrscheinlich auch Kopistinnen) bei der Anlage und Aufbewahrung von Kopien sind nicht ganz einfach zu eruieren und änderten sich über die Zeit häufig. Dieses Kapitel verfolgt aus diesem Grund die unterschiedlichen Formen der Kopien in Königsfelden, vorwiegend Kopialbücher und Einzelblattabschriften, über die Zeit der Existenz des Klosters hinaus, wobei mediale Ausprägungen von Kopien in den Blick genommen werden: Von den nachzeichnenden Copies figurées über leichte Anpassungen der Orthografie bis zu freien Interpretationen der abgeschriebenen Schrift finden sich vielfältige Ausformungen. In Königsfelden wurden bis kurz nach der Klosterauflösung vier Kopialbücher angelegt, die alle einem anderen Zweck dienten und dementsprechend unterschiedlich gefertigt wurden und verschiedene Wirkungen zeitigten. Aber auch Einzelblätter mit Abschriften wurden angelegt, sodass die Form der Abschrift Aufschlüsse zu deren intendierten Einsätzen erlaubt. Unter Kopialbüchern versteht man Schriftstücke, in welche vorwiegend Urkunden kopiert wurden. 8 Im Raum des Oberrheins wurden sie bis Ende des 14. Jahrhunderts mehrheitlich in Klöstern angelegt. Erst im 15. und stärker noch im 16. Jahrhundert wurde das Medium in den Schreibstuben der Städte eingeführt und erfuhr in der Folge eine geradezu rasante Verbreitung. 9 Die Diskussion um Aufkommen und Verbreitung von Kopialbüchern in Europa kann an dieser Stelle nicht geführt werden, grundsätzlich hatte sich die Chartularisierung als monastische Praktik im 14. Jahrhundert bereits durchgesetzt. Das heißt, in der näheren und weiteren Umgebung Königsfeldens finden sich aus den meisten Klöstern ähnliche Bücher und Hefte, die Abschriften enthalten. 5 Ein kurzer Abriss der Forschungsdiskussion zur Rechnungsschriftlichkeit findet sich unten S. 206. 6 Zum Verhältnis von Schrift und Wissen siehe den Überblick in der Einleitung, ab S. 14. 7 A LFRED G AWLIK , Kartular, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 5, München und Zürich 1991, Sp. 1026-1027. 8 Siehe als Kurzeinführung und Definition: R AOUL C HARLES VAN C AENEGEM , Kurze Quellenkunde des westeuropäischen Mittelalters: Eine typologische, historische und bibliographische Einführung, unter Mitarb. von F RANÇOIS L OUIS G ANSHOF , Göttingen 1962, S. 71-74. 9 Als Beispiel eines auf städtischen Impuls hergestelltes Kopialbuch kann die Kopialbuch III-Reihe gelten, die in der Mitte des 16. Jahrhunderts angelegt wurde. Siehe unten ab S. 220. 172 <?page no="172"?> Die Mittelalterforschung rückte Kopialbücher gegen Ende der 1980er Jahre in den Fokus, als erkannt wurde, dass die Bücher aktiv gestaltet wurden und weitaus mehr enthielten als nur mehr oder weniger korrekte Abschriften von Urkunden und anderen Dokumenten. 10 So diente das Anlegen einer Abschrift nicht allein der Sicherung der Bestände, etwa um im Falle einer Katastrophe auf Kopien zurückgreifen zu können. Kopialbücher sind vielmehr durchkomponierte Stücke, die bewusst Ordnungsmuster verfolgten sowie bildeten und, zumindest teilweise, weniger als Siche- 10 In Frankreich wurde bereits zu Beginn des letzten Jahrhunderts ein monumentales Verzeichnis angelegt: H ENRI S TEIN , Bibliographie générale des cartulaires français ou relatifs à l’histoire de France, Manuels de bibliographie historique 4, Paris 1907 (heute digital weitergeführt: IRHT, cartulR). Ein Verzeichnis von Kopialbüchern in England steht am Anfang der erneuten Beschäftigung mit dem Schriftguttyp: G ODFREY R UPERT C ARLESS D AVIS , Medieval Cartularies of Great Britain: A Short Catalogue, London 1958, davon ausgehend entstanden die Überlegungen von D AVID W ALKER , The Organization of Material in Medieval Cartularies, in: The Study of Medieval Records. Essays in Honour of Kathleen Major, hrsg. von K ATHLEEN M AJOR und D ONALD A UBERON B ULLOUGH , Oxford 1971, S. 132-150 und indirekt J EAN -P HILIPPE G ENET , Cartulaire, registres et histoire: L’exemple anglais, in: Le Métier d’historien au Moyen Age. Études sur l’historiographie médiévale, hrsg. von B ERNARD G UENÉE , Publications de la Sorbonne. Série Etudes 13, Paris 1977, S. 95-138, zugespitzt und mit Fokus auf die Umstände der Produktion aus den Strukturen der Stücke bei P ATRICK J. G EARY , Phantoms of Remembrance: Memory and Oblivion at the End of the First Millennium, Princeton 1994, URL : http: / / hdl.handle.net/ 2027/ heb.01604, S. 81-114. Die Sammelbände G UYOTJEANNIN , M ORELLE und P ARISSE , Cartulaires und A DAM J. K OSTO und A NDERS W INROTH , Hrsg., Charters, Cartularies, and Archives: The Preservation and Transmission of Documents in the Medieval West, Toronto 2002 sowie die Arbeiten von L AURENT M ORELLE , The Metamorphosis of Three Monastic Charter Collections in the Eleventh Century (Saint-Amand, Saint-Riquier, Montier-en-Der), in: Charters and the Use of the Written Word in Medieval Society, hrsg. von K ARL H EIDECKER , Turnhout 2000, S. 171-204, URL : http: / / www.brepolsonline.net/ doi/ 10.1484/ M.USML- EB.3.4306 führten zu einem Boom der Auseinandersetzung mit Kopialbüchern, dabei blieb jedoch P IERRE C HASTANG , Lire, ecrire, transcrire: Le travail des redacteurs de cartulaires en Bas-Languedoc, XI e -XIII e siecles, CTHS histoire 2, Paris 2001 die einzige tiefgreifende Untersuchung, die mehrere Bücher einer Region vergleichend analysierte. Zu den Kopialbüchern eines einzelnen Klosters arbeitet M ICHAEL S PENCE , Cartularies of Fountains Abbey: Archival Systems and Practices, in: Citeaux. Comentarii cisterciensis. Zeitschrift für zisterziensische Geschichte 61.2 (2010), S. 185-206. Regional orientierte (etwa D ANIEL L E B LÉVEC , Les cartulaires méridionaux: actes du colloque, Paris 2006) und typologische (zu Kopialbüchern im munizipalen Umfeld, K OUKY F IANU , Le Petit cartulaire d’Orléans est-il un cartulaire municipal? , in: Memini. Travaux et documents 12 (2008), S. 85-113, URL : http: / / memini.revues.org/ 153; S EBASTIEN D ROLET , Le cartulaire Livre blanc d’Abbeville: Quelques remarques, in: Memini. Travaux et documents 12 (2008), S. 115-132, URL : http: / / memini.revues.org/ 236; S EBASTIEN H AMEL , Le cartulaire Livre rouge de la ville de Saint-Quentin, in: Memini. Travaux et documents 12 (2008), S. 133-148, URL : http: / / memini.revues .org/ 294; L YNN G AUDREAULT , Écrit pragmatique, écrit symbolique: Le premier registre de délibérations communales de Brignoles (1387-1391), in: Memini. Travaux et documents 12 (2008), S. 149-190, URL : http : / / memini.revues.org/ 144; C AROLINE B OURLET , Cartulaires municipaux du nord de la France: Quelques éléments pour une typologie, in: Memini. Travaux et documents 12 (2008), S. 23-41, URL : http: / / memini.revues.org/ 89) Aufsatzsammlungen sind mehrere zu finden. Weiterführende Forschungseinordnungen und Herangehensweisen an Kopialbücher finden sich bei P IERRE C HASTANG , Cartulaires, cartularisation et scripturalité médiévale: la structuration d’un nouveau champ de recherche, in: Cahiers de civilisation médiévale 49 (2006), S. 21-32, URL : http: / / www.persee.fr/ web/ revues/ home/ prescript/ article/ ccmed.2006_num_49_193_2928 und P AUL B ERTRAND , C AROLINE B OURLET und X AVIER H ÉLARY , Vers une typologie des cartulaires médiévaux, in: Les cartulaires méridionaux, hrsg. von D ANIEL L E B LÉVEC , Études et rencontres de l’École des Chartes 19, Paris 2006, S. 7-20, S. 16-20. 173 <?page no="173"?> rung der Dokumente, denn als (Selbst-)Repräsentation der herstellenden Institution zu verstehen sind - 11 eine Beobachtung, die nicht nur für das Früh- und Hochmittelalter Geltung hat, sondern mindestens bis Ende des 15. Jahrhunderts nachgewiesen werden kann. 12 Als Konsequenz ist ein Augenmerk auf die Reihenfolge und den Umgang mit den Stücken in den Kopialwerken angebracht und höchst aufschlussreich. 4.1 Das erste Kopialbuch Das erste Kopialbuch Königsfeldens verdeutlicht auf mehreren Ebenen die Repräsentativität von Kopialbüchern. 13 Verfasst auf hochwertigem Pergament mit nur wenigen Unreinheiten und selten kleinen Löchern, verlangt das Buch neben seinem Umfang Wertschätzung. Da das Stück mehrfach restauriert und neu gebunden wurde, lässt sich nicht mehr eruieren, welcher Eindruck ursprünglich durch die Ansicht auf den Deckel vermittelt wurde. Der Aufbau, die eigenwillige Anordnung der einzelnen Urkunden, die rubrizierten Einleitungssätze sowie das Inhaltsverzeichnis strukturieren das Werk und beeinflussen den Blick auf Königsfelden, insbesondere auf die herrschenden Machtverhältnisse in und zwischen den Konventen. Angelegt wurde das Buch 1335 oder 1336. Die letzte Urkunde, die von der Anlagehand stammt, datiert auf den 20. September 1335. 14 Da das Buch jedoch nicht chronologisch angelegt wurde, muss von der Produktion nach Ausfertigung dieser Urkunde ausgegangen werden. Dokumente aus dem Jahr 1336 wurden keine in das Kopialbuch eingetragen, wobei in diesem Jahr auch nur ein Dokument neu zum Kloster kam. 15 Die Herstellungszeit auf Winter 1335 bis Ende 1336 zu legen, dürfte demnach realistisch sein und dem Schreibenden genügend Zeit gegeben haben, die Urkunden zu ordnen und entsprechend einzutragen. Die Seiten des Buches weisen durchgehend zwei Spalten auf, die vorgezeichnet wurden und für die sorgfältige Erarbeitung des Buchs sprechen. Die Anlagehand - oder die Anlagehände, die Unterscheidung ist unsicher - schrieb in einer gotischen Minuskel. 16 In den Nachträgen, auf die später noch eingegangen wird, 17 finden sich noch mindestens vier weitere Hände. 11 Früh bereits erkannt durch M ICHAEL G ERVERS , The Medieval Cartulary Tradition and the Survival of Archival Material as Reflected in the English Hospitaller Cartulary of 1442, in: Mediaeval Studies 37 (1975), S. 504-514. 12 Völlig vernachlässigt wird die Kopialbuchforschung für den Zeitraum ab dem 15. Jahrhundert, obwohl die quantitative Dichte nochmals erheblich steigt und bis zum 18. Jahrhundert unglaublich ausführliche Kopialbuchreihen angelegt wurden. Als bemerkenswertes Beispiel soll hier auf das sechzehnbändige Corpus Diplomaticus Novum im Staatsarchiv Zürich verwiesen werden: StAZH B I 260-275, angelegt um 1710. 13 StAAG AA/ 0428. Als hochaufgelöstes Digitalisat über e-codices zugänglich: DOI: 10.5076/ ecodices-saa-0428. Einführend zum Kopialbuch I siehe M ODDELMOG , Stiftungen, S. 143-147, H ODEL , Region, S. 106-108 und H ODEL , Cartulary (im Druck). 14 Das Stück betrifft Güter in Dogern und kam wohl mit dem Verkauf von Besitz nach St. Blasien. Heute liegt die Urkunde im GLAK. 15 U.17/ 0153, 12. Juli 1336. Beim Stück handelt es sich um eine Verkaufsurkunde dreier Weingärten des unidentifizierten Klosters Celle an Königsfelden. Das Stück wurde in kein Kopialbuch übernommen, was sehr ungewöhnlich ist. 16 Die Beschreibung auf e-codices spricht von einer Hand, der Befund ist jedoch uneindeutig. 17 Siehe unten S. 184. 174 <?page no="174"?> Inhaltsverzeichnis: Verhältnis zwischen Abschrift und Urkunde Das Kopialbuch beginnt mit einem Inhaltsverzeichnis, das auf den ersten Seiten die Dokumente (brief ) nennt, die das closter ze Küngsvelt haben sol und die abschrift der brief sol man suochen nach ordenung als su gezeichnet sint. 18 Zum einen wird also betont, dass die Schriftstücke im Besitz des Klosters sein sollten, wovon in den meisten Fällen ausgegangen werden kann, da sie noch heute im Bestand zu finden sind. Zum anderen wird ein Verweissystem etabliert, das innerhalb des Kopialbuchs zum Auffinden der Stücke gebraucht werden kann. Die Einträge im Inhaltsverzeichnis beschäftigen sich jedoch nur am Rande mit dem textuellen Inhalt. Den längeren Teil der Beschreibung machen die Nennung der Akteure und die Bemerkung, dass diese die Stücke siegelten, aus. Um was es im Dokument geht, wird nur mit wenigen Worten angegeben - zwei Beispiele: (1) Der brief über des Kulnbergs acker under comendurs ingesigel von Honrein; (2) Das closter het ouch zwen gelich brief über den hof ze Rinvelden mit den ingesigeln der hochgebornen fürsten kunig Fridrichs und hertzog Lüpoltz von Oesterich. 19 Die Materialität und die Nennung der Siegelnden werden in den Vordergrund gerückt, während der Inhalt des Stücks an dieser Stelle nicht im Zentrum steht. Trotzdem verweist der Eintrag nur innerhalb des Kopialbuchs, eine Verbindung mit dem ausgefertigten Stück wird nicht hergestellt. Verweise, wo oder wie etwa die Einzelblatt-Dokumente zu finden wären, fehlen. Das Inhaltsverzeichnis des Kopialbuchs wird somit zum Urkundenregister, jedoch ohne Verbindung zum Aufbewahrungsort der ausgefertigten Stücke. Durch die Nennung der Siegelnden beziehungsweise dem Vorhandensein des Siegels wird jedoch eine alternative Möglichkeit des Auffindens von Schriftstücken möglich gemacht: Die Durchsicht der Siegel könnte zum Stück führen, dies würde jedoch bedingen, dass das Siegel einzelner Personen bekannt, gut ersichtlich in den Aufbewahrungsräumen aufzufinden und zumindest in der Mehrheit noch gut leserlich war (oder aber die suchende Person sehr geübt im Lesen der Siegel). Und auch in dem Fall hätten mehrere Dokumente überflogen werden müssen, um zum gesuchten Stück zu gelangen, sind doch diverse Siegel mehrfach vorhanden. Das Verweissystem innerhalb des Buchs funktioniert, im Gegensatz zur fehlenden Verbindung zwischen ausgefertigter Urkunde und Kopie, von einigen Fehlern abgesehen, gut. 20 Eine römische Zahl nach dem Eintrag im Inhaltsverzeichnis deutet auf das abgeschriebene Stück im Buch und kann analog zu modernen Inhaltsverzeichnissen mit etwas Blättern gefunden werden. Hand als auch Tinte stimmen mit dem restlichen Inhaltsverzeichnis überein, entsprechend ist eine gleichzeitige Anlage der Nummerierung während der Abschrift denkbar. Da jedoch einige Nummern fehlen und in wenigen Fällen die Spalte (trotz vorgezeichneten Spalten und Zeilen) überschrieben wurde, ist es wahrscheinlicher, dass die Nummerierung erst angebracht wurde, nachdem die Stücke eingetragen waren. In den einzelnen Abschriften finden sich denn auch die römischen Nummerierungen außerhalb der Spalte, 18 StAAG AA/ 0428, fol. 1r. 19 Ebd., fol. 1rv. 20 So wurde etwa bei der Abschrift das 23. mit dem 25. Stück verwechselt, der Fehler jedoch mit rubrizierten Verweisen wieder korrigiert. Gleichzeitig wurde auch die Rubrizierung von 23 mit 24 vertauscht. Siehe ebd., fol. 19r. und 20. 175 <?page no="175"?> Abbildung 4.1: Ausschnitt aus AA/ 0428, Kopialbuch I (1336), fol. 1v. Eintrag im Inhaltsverzeichnis zu einer Verkaufsurkunde des Abtes des Klosters Paris an Elisabeth, datiert auf den 21. Juli 1307, die Urkunde wurde nur im Kopialbuch überliefert. Abbildung 4.2: Ausschnitt aus AA/ 0428, Kopialbuch I (1336), fol. 19r. Verweisnummer, rubrizierte Einleitung und Beginn der Abschrift. mit einer zumeist leicht anders gefärbten Tinte. Ob es die Unaufmerksamkeit des Schreibers war, die ihn zwang, ab und zu die Spalte zu überschreiben, oder ob die Nummerierung angedacht war - gewisse Nummerierungen kommen auf eigens dafür freigelassenen Zeilen zum Stehen -, bleibt unklar. Jedenfalls gilt es eine sporadische Unachtsamkeit zu konstatieren. Das Inhaltsverzeichnis wurde folglich nicht mit der höchsten Aufmerksamkeit mit Nummern versehen. Der Gebrauch des Inhaltsverzeichnisses über die Nummern stand entsprechend nicht im Zentrum der Anlage des Buches. Das Inhaltsverzeichnis ist viergeteilt und beschreibt - vermeintlich mit nur minimer Hierarchie - Besitz, Pfänder und Güter für Jahrzeiten sowie deren Verhältnis zu Königsfelden. Angefangen beim Eigenbesitz des Klosters über Pfänder, die Königsfelden von der «Herrschaft» innehatte, bis hin zu Gütern für die Begehung der Jahrzeiten der «Herrschaft» und Gütern, um Jahrzeiten von Außenstehenden zu begehen. 21 Obwohl die Teile gleichwertig zu sein scheinen, zeigt sich ein starkes Ungleichgewicht zu Gunsten des ersten Teils, der im Einleitungssatz des Inhaltsverzeichnisses jedoch nicht mit der «Herrschaft» verbunden wird. 22 Die weiteren drei Teile sind alle sehr kurz und verweisen nur auf wenige Dokumente. Insbesondere der vierte und letzte Teil (Hie vahent an die brief über gueter zu dem closter gevallen sint von andren lüten denne von der herrschaft) umfasst nur fünf Einträge. Möglicherweise stellt der Teil jedoch den intendierten Beginn einer Offensive der Geldein- 21 StAAG AA/ 0428, fol. 1r-7v. 22 Der Satz wurde bereits oben zitiert: hie sint genemet die brief die das closter ze Küngsvelt haben sol und die abschrift der brief sol man suochen nach ordenung als su gezeichnet sint. Ebd., fol. 1r. 176 <?page no="176"?> werbung dar, unabhängig von der «Herrschaft», denn nach den Eintragungen zu diesem Teil folgen mehrere leere Folio-Seiten im Inhaltsverzeichnis, die mit Verweisen auf Spender hätten gefüllt werden können. Insbesondere bezüglich späterer Überlegungen zum Zugriff auf Dokumente ist interessant, dass die Person, die das Kopialbuch anlegte, Zugriff auf die Dokumente beider Konvente hatte. Natürlich ist es denkbar, dass um 1335 noch alle Urkunden gemeinsam gelagert wurden. Dreißig Jahre später, so lässt sich aus Dorsualnotizen schließen, 23 wurden einige Dokumente wahrscheinlich noch im Umfeld des Hofs der Agnes gelagert und nicht zusammen mit den Urkunden der Klarissen aufbewahrt. Siebzig Jahre später war die gemeinsame Lagerung von Dokumenten der Franziskaner und der Klarissen mit Sicherheit nicht mehr der Fall, da die Franziskaner selbst für ihre Schriftstücke sorgten. 24 Aus diesem Grund ist anzunehmen, dass auch 1335 die Stücke nicht alle beeinander lagen, sondern zusammengesucht werden mussten, um das Kopialbuch zu produzieren. Die Anlage des Buchs ist darum als Unternehmen des gesamten Klosters, der Institution Königsfelden, anzusehen - wahrscheinlich unter der Führung von Agnes von Ungarn. Der Aufbau des ersten Kopialbuchs Auf den ersten Blick suggeriert das Inhaltsverzeichnis einen Aufbau in folgender Reihung: Besitz, Pfand, Memorialleistung Herrschaft, Memorialleistung und Rest. Es steckt jedoch mehr hinter der Reihenfolge der Stücke. Denn wie die später hinzugefügten Rubrizierungen nahelegen, 25 folgte der Aufbau nicht einem Vorhaben, das das Auffinden von Stücken erleichtern sollte. Das Inhaltsverzeichnis stellt sich denn auch sowohl im Vergleich zum Umfang als auch bezüglich der Wichtigkeit der einzelnen Teile als täuschend heraus. Achtzig Prozent der kopierten Urkunden beschäftigen sich mit Gütern im Besitz des Klosters, die Pfänder der Herrschaft machen - ebenso wie die Jahrzeitstiftungen, die ebenfalls Güter im Kloster betrafen - nur einen äusserst kleinen Teil aus. Wahrscheinlich bestand gar die Tendenz, Dokumente nicht als Jahrzeitstiftungen erscheinen zu lassen und im ersten Teil zu verorten. 26 Das Kopialbuch beginnt mit der Stiftungsurkunde Elisabeths von 1311, wobei im Inhaltsverzeichnis nur Elisabeth genannt ist, im Einleitungssatz zur Urkunde jedoch auch die Söhne der Königin, die im Dokument zwar eine prominente Rolle spielen, jedoch nicht siegeln. Gefolgt wird die Stiftung von Dokumenten, die die Grundstücke betreffen, die für die Errichtung der Gebäude erworben werden mussten. Auf diese Urkunden folgt die Zusprache von Staufen durch die Herzoge, bestätigt durch eine päpstliche Bulle, sowie Urkunden des Bischofs von Konstanz und dessen Kapitel. 27 23 Siehe oben S. 128. 24 Siehe unten S. 198. 25 Mehr dazu unten, S. 184. 26 Siehe etwa Besitz in Husen, der gemäß Albrecht II. dem Kloster für sein eigenes Seelenheil, dem seiner Brüder und seiner Vordern dem Kloster von Lehen zu Besitz umgewandelt wurde: StAAG U.17/ 0103. 27 Kirchensätze und die Aufsicht darüber lagen in der Hand des Bischofs und eine Vergabung des Kirchensatzes durch seinen Inhaber war zwar in der Regel legal, musste jedoch durch den Bischof bestätigt werden. 177 <?page no="177"?> Die Abfolge der ersten Abschriften lautet schematisiert ausgedrückt: Stiftung durch Elisabeth, Erwerbung von Grund und Boden in Windisch, Vergabung des Kirchensatzes von Staufen und schließlich die Bestätigung der Vergabung durch den Papst. Die Vorgehensweise ist ungewöhnlich, da Papsturkunden in Kopialbüchern von Klöstern häufig an erster Stelle stehen, der Aufbau also auf die Kirchenhierarchie ausgerichtet wurde. Dies ist im ersten Kopialbuch Königsfeldens nicht der Fall, im Gegenteil: Als erstes wird Elisabeth genannt. Ein Blick auf die Einleitung zur Papsturkunde verdeutlicht die Absicht hinter der Reihenfolge noch stärker: Dis sint die brief die die edeln und hochgebornen fürsten und furstenne und unser gnedig stifter und stifterin dem closter gewunnen habent von unserm heiligen vater dem Bapste und von dem Bischof und von dem capitel ze Costenz [. . . ]. 28 Obwohl die aufgeführten Dokumente, logischerweise, den klerikalen Würdenträgern zugeschrieben wurden, sollte ebenso klar sein, wem die Ausstellung verdankt wurde, nämlich den Fürstinnen und Fürsten, den Stifterinnen und Stiftern: Elisabeth und ihren Söhnen. Die anhand von Staufen skizzierte Abfolge wiederholt sich daraufhin mit leichten Abwandlungen: Kaufbriefe wurden zuerst abgeschrieben, darauf folgen Bestätigungen, auch wenn sie von wichtigen Klerikern stammen. Ebenfalls abgeschrieben wurden Dokumente, die von Verkäufen des erworbenen Besitzes zeugen, bevor dieser überhaupt durch Königsfelden erworben wurde. Die Gütergeschichte, die sich aus den überlieferten Dokumenten erzählen lässt, wurde damit auch ins Kopialbuch übernommen. Häufig findet sich im Einleitungssatz auch eine Verknüpfung mit Elisabeth, insbesondere wenn sie im Dokument als Käuferin auftritt. 29 Teilweise wird sie aber auch als Geldgeberin für die Anschaffung genannt, wohl um zu erklären, weshalb ihr Name in der Abschrift fehlt: [Besitz der] kouft wirdent mit dem silber, daz dü edel und hoch geborn furstin künig Elzbeth von Rome unser gendigü stifterin dem chloster gap an ir tode. 30 Auch das Muster des nachgeordneten Papstes wird wiederholt: Auf die Bestätigung aller Freiheiten durch die Herzoge Albrecht und Otto 31 folgt eine Bestätigung des Schutzes durch den Papst, gefolgt von Privilegien auf Zehntbefreiung sowie weiteren päpstlichen Schreiben. 32 Die unausgesprochene Botschaft, dass allen Interventionen die Stifterin und ihre Söhne vorausgingen, wurde damit wiederholt. Die Chronologie spielte indess keine Rolle, die Dokumente wurden nach den Stiftern der Kirchenhierarchie entsprechend geordnet. Beibehalten wurde gleichzeitig in etwa die Reihenfolge der Dokumente nach dem Zeitpunkt der frühesten Erwerbung, was jedoch mehr mit der Figur der Stifterin zu tun hat, als mit dem Versuch eine Erwerbsgeschichte zu erzählen. 33 Auf Folio 23 recto wird der Name der Agnes von Ungarn zum ersten Mal in einem Einleitungssatz erwähnt. Obwohl bereits mehrfach innerhalb der Abschriften erschienen, rückt die neben dem Konvent wohnhafte Frau erst nach einem Fünftel der beschriebenen Seiten in den Fokus. In der ersten Nennung in einem Einleitungs- 28 StAAG AA/ 0428, fol. 14r. 29 Ebd., fol. 18r. Küngin Elzbeten brief über den hof ze Rinvelden. 30 Ebd., fol. 16r. 31 Ebd., fol. 20r. 32 Ebd., fol. 21r-23r. 33 Insbesondere ererbte Dokumente aus früheren Besitztransaktionen wurden jeweils am Ende der damit gebildeten Dossiers zu Besitzungen angehängt. 178 <?page no="178"?> satz wird sie dabei als Tochter Albrechts und Elisabeths vorgestellt. Gleichzeitig wird beschrieben, wie die Mutter zum Zeitpunkt ihres Todes Agnes das Kloster empfahl. Die ehemalige Königin von Ungarn wurde somit zur Nachfolgerin Elisabeths, die selbst das Kloster besorget [. . . ] geischlich und liplich an allen sachen als ein getrüw muoter ir eigenem kint. 34 Die an der Stelle abgeschriebene Handfeste von 1318 passt denn auch bestens zur (Selbst-)Verortung der Agnes als Nachfolgerin Elisabeths. 35 Trotz der Einführung bleibt Agnes in den folgenden Dokumenten - zumindest in den Einleitungssätzen - etwas im Hintergrund, sie ist zwar die ordnende Hand, wie bereits aus der Perspektive der überlieferten Ordnungen ausgeführt, 36 bleibt jedoch dem Auftrag ihrer Mutter verhaftet. Erst einige Seiten später wird Agnes selbst als Förderin dargestellt. 37 Ein chronikaler Einschub: Die Festschreibung einer Hierarchie Der bislang beschriebene Aufbau beschäftigt sich noch immer mit dem im Inhaltsverzeichnis als Besitz des Klosters bezeichneten ersten Teil. Innerhalb dieses Teils bringt erst ein Einschub auf Folio 52 recto einen Unterbruch. Auf etwas mehr als einer Seite werden in verknappter Form die Stiftung und der Aufbau des Klosters Königsfelden nachvollzogen. Die zentrale Figur bleibt dabei Königin Elisabeth, die als hertze liebü vrowe und genedig und getuwü[! ] muoter und stifterin bezeichnet wird. 38 Neben dem Mord, der als Auslöser für die Stiftung beschrieben wird, ist es wiederholt Elisabeth, die sich für «ihr» Kloster einsetzte und sich in allen Belangen um die Ausstattung bemühte. Noch die letzten Atemzüge vor ihrem Tod verbringt sie im Gebet, indem sie Gott darlegt, lieber ihr Kloster als ihre Kinder mit Geld und Gütern ausstatten zu wollen. 39 Darauf scheidet sie aus der Welt in einem heiligen guoten ende - ein drastischer Gegensatz zum Ende ihres Gemahls. 40 Der kurze Einschub schließt mit der Beschreibung des Ortes ihres Grabmals in der Kirche des Klosters. Die Chronik ist nicht nur aufgrund ihres Inhalts von den übrigen Urkundenkopien abgehoben. Auch die Seitengestaltung ist ungewohnt, jede Linie des Einschubs und somit die gesamte Seite wurde mit roter Tinte unterstrichen. Obwohl dies an an- 34 StAAG AA/ 0428, fol. 23rv: Hie vahet an diu ordenung der brief die dü edel und hoch geborn furstin küngin Agnes von Ungern unserü herz liebü und gnedigü vrouwe und stifterin dem closter geben hat dü ein thochter was des edel und hoch gebornen fürsten künig Albrecht von Rome und der edlen und hoch gebornen fürstin küngin Elsbeth von Rome unser stifterin dü ir ouch das closter emphal an ir tode das sie es vollebrechti das si ouch getan hat mit gantzer muoterlicher trüwe und du sas vor dem closter untz an ir tot und besorget es geischlich und liplich an allen sachen als ein getrüw muoter ir eigenem kint. 35 Zur Ankunft Agnes’ und der Handfeste siehe oben ab S. 59. 36 Siehe oben ab S. 64. 37 Etwa StAAG AA/ 0428, fol. 34r. Diz ist dü abschrift der brief als dü edel und hoch geborn fürstin kunig Agnes von Ungern unser herze liebü vrowe und stifterin die kylchen ze Windisch dem closter lidiget von herr Nicolaus von Vrowenvelt der kilherre ze Windisch was und dar nach bischof wart ze Costentz. 38 Ebd., fol. 52r. 39 Ebd., fol. 52v. do sprach si herre du weist wol und nim dich ze eine gezüge daz mir lieber were daz ich minü closter hetti verricht nach dinem lobe unn nach minem willen denne daz ich ellü minü kint hetti gesetzetin recht wirdekeit dirre welt. 40 Ebd., fol. 52v. 179 <?page no="179"?> deren Stellen, jedoch in weit kleinerem Umfang, ebenfalls vorgenommen wurde, ist die Länge und die Präzision bemerkenswert. Da der Teil zwar unterliniert, jedoch nicht rubriziert wurde, kann er als eigenständiger Text und nicht als Kommentierung oder Einleitung angesehen werden und somit vielleicht gar als ur-kunde der guten Taten Elisabeths. 41 Die Stellung des Todesdatums und des Ortes des Grabmals am Ende des Einschubs lässt vermuten, dass das Buch am Jahrtag im Konvent oder gar der Kirche zum Einsatz kam und Teil der durchgeführten Handlungen zum Andenken an Elisabeth war. Entsprechende Anweisungen gibt es jedoch keine. Die ersten Zeilen des Einschubs eröffnen weitere Hinweise zum Aufbau des Buches, in diesen wird deutlich gemacht, dass vorgeschriben guoter ellü gemeinlich und ietzlichz sunderlich wurden koft mit dem silber daz [. . . ] Elizbeth [. . . ] gab bi ir leben und an ir tode. 42 Elisabeth muss gemäß Darstellung des Kopialbuchs als eigentlich Verantwortliche für die Anschaffung aller genannten Güter angesehen werden. Dass dies im Gegensatz zu einigen Einleitungssätzen steht, die Agnes als Käuferin ausweisen - was Agnes laut Urkunden auch tatsächlich war - rückt die Rubrizierung in den Hintergrund. Die Chronik (nach ca. einem Drittel der Einträge des Teils «von der Herrschaft») zeigt, wie stark das gesamte Kopialbuch durchkomponiert ist. Nicht nur wurde mit der Abfolge der abgeschriebenen Dokumente eine eigene Hierarchie festgelegt und letztere durch die Einleitungssätze noch verstärkt, auch wurde Elisabeth durch den Einschub zur Stifterin großer Teile des Besitzes gemacht. Köonigsfelden und das Kopialbuch wird durch chronikalen Teil zum Sonderfall. In anderen Klarissenklöstern der Zeit kamen Chroniken erst im 15. Jahrhundert auf. 43 Die Anlage von Chroniken gehörte im 14. Jahrhundert noch nicht zum üblichen Schriftgut und zeigt, dass das Kopialbuch wohl nicht aus dem Milieu der Klarissen hergeleitet werden kann. Entsprechend können andere Einflüsse, etwa die habsburgische Verwaltung, vermutet werden. 44 Letztlich stellt die Chronik im Kopialbuch auch einen Übergang dar, denn nach Folio 52 verso und dem Einschub wird deutlich gemacht, dass ab hier Stücke abgeschrieben werden, die Königin Agnes aus eigenen Mitteln kaufte. 45 Obwohl auf die Ankündigung die Vergabung eines Zehnts durch die Herzoge Albrecht und Otto folgt, so wird dennoch Agnes in einigen der nachfolgenden Einleitungen zur zentralen Figur als Käuferin für das Kloster. Damit werden in der Entwicklung Königsfeldens zwei Phasen fassbar, zum einen die Stiftung durch Elisabeth nach der Ermordung des Ehemannes, zum anderen die reiche Ausstattung durch Agnes, ohne jedoch genaue Angaben zur zeitlichen Verortung zu machen. Die reich ausgestattete Institution wird somit zum Werk der beiden Frauen, die von den Herzogen (den Söhnen und Brüdern der beiden) und diversen kirchlichen Würdenträgern unterstützt wurden. Hierarchisch standen dabei die beiden Frauen auf der obersten Stufe, gefolgt von den Herzogen, und erst danach folgten Päpste, Bischöfe und Äbte. 41 Zum Begriff urkunde siehe unten die tabellarische Aufstellung zu Niklaus Fricker, S. 154. 42 StAAG AA/ 0428, fol. 52r. 43 Zusammenfassend R OEST , Clares, S. 326f. gemäß R OEST waren Chroniken aus Klarissenklöstern aus literaturwissenschaftlicher Warte tendenziell von minderwertiger Qualität. 44 Im Umfeld Albrecht III. wurde 1394 die Chronik der «95 Herrschaften» angelegt, die später auch in Königsfelden abgeschrieben und bereits weiter oben behandelt wurde, siehe S. 97. 45 StAAG AA/ 0428, fol. 52v. 180 <?page no="180"?> Es ist wohl nicht zuletzt dem Kopialbuch geschuldet, dass im Zusammenhang mit Königsfelden seit dem 14. Jahrhundert immer von der Stiftung durch Königin Elisabeth gesprochen wird. In frühen Urkunden finden sich deutliche Anzeichen, die vom Engagement der Söhne Albrechts zeugen und auch das Verständnis widerspiegeln, dass das Kloster durch die Söhne gestiftet wurde: Bereits 1309 stellte Leopold für das Kloster eine Urkunde aus, um der neuen Institution die Zinsen auf Ländereien zu sichern, auf welchen die Gebäude errichtet werden sollten. Ausdrücklich ist in dem Dokument von monasterii nostri die Rede. 46 Dennoch ist zu betonen, wie sehr sich sowohl Elisabeth als auch ihre Tochter Agnes für Königsfelden einsetzten und dadurch ein Florieren der Konvente überhaupt möglich machten. So abgetrennt von ihren Söhnen respektive von ihren Brüdern, wie die Darstellung im Kopialbuch nahelegt, war der Stiftungsprozess Königsfeldens jedoch mit Sicherheit nicht. Pfänder der Herrschaft Inhaltlich gehört der Teil zu den Pfändern der Herrschaft, der explizit Agnes zugeschrieben wird, 47 zu den wichtigsten und vor allem brisantesten des Kopialbuchs. Das Mittel der Verpfändung ersetzte im Laufe des 14. Jahrhunderts mengenmäßig Lehensvergaben, zumindest im Gebiet der habsburgischen Herrschaften. 48 Für die Herrschaft bestand der Vorteil der Vergabe von Pfandschaften darin, dass schnell Bargeld erworben oder Dienste abgegolten werden konnten. Je nach Art der Pfandschaft wurde diese durch die damit zusammenhängenden Einnahmen (aus Zöllen, Umsatzsteuern oder Ähnlichem) beglichen, sodass nach einigen Jahren das Pfand wieder an die Herzoge zurückfiel. Im Gegensatz zum Lehen waren Pfänder mobiler und konnten jederzeit wieder durch die Herrschaft ausgelöst werden. In der Folge führte dies zum einen zu einer Vergabe von kleinen und kleinsten Lehen an (sesshafte) Bauern, 49 zum anderen zur Vergabe von Pfändern an die Oberschicht. Diese war daran interessiert, ihre Pfänder aufzubessern - etwa im Falle einer verpfändeten Burg - und diesen Betrag auf das Pfand zu schlagen. 50 Die Möglichkeit der Herrschaft, derartige Pfänder zukünftig auszulösen, schwand entsprechend, da eine Aus- 46 StAAG U.17/ 0007a. 47 Das Inhaltsverzeichnis beschreibt den Teil mit: Hie vahent an die brief über dü gueter die dü edel und hochgeborn fürstin küngin Agnes von Ungern verpfent hat von der herschaft, StAAG AA/ 0428, fol. 5v. 48 Nach M ARCHAL , Sempach, S. 59-98 und C HRISTIAN L ACKNER , Archivordnung im 14. Jahrhundert: Zur Geschichte des habsburgischen Hausarchivs in Baden im Aargau, in: Handschriften, Historiographie und Recht, hrsg. von G USTAV P FEIFER und W INFRIED S TELZER , Wien 2002, S. 255-268. 49 Entsprechend handelt es sich bei den Lehen vorwiegend um Land und andere Immobilien, siehe M ARCHAL , Sempach, S. 68f. 50 Aus der Perspektive des Herzogs bzw. des Königs, siehe: C HRISTIAN L ACKNER , Zwischen herrschaftlicher Gestaltung und regionaler Anpassung. Pfandschaften, Amterkauf und Formen der Kapitalisierung in der Verwaltung der spätmittelalterlichen habsburgischen Länder Österreich und Steiermark, in: Habsburger Herrschaft vor Ort - weltweit (1300-1600), hrsg. von J EANNETTE R AUSCHERT , S IMON T EUSCHER und T HOMAS Z OTZ , Ostfildern, 2013, S. 35-48, ganzer Artikel, jedoch besonders S. 39f. 181 <?page no="181"?> lösung schlicht zu teuer wurde. Die Pfandnehmer durften sich demnach als de-facto Besitzer der Pfandschaften fühlen. 51 Im Falle Königsfeldens stellte die Erwerbung der Pfänder, vorwiegend ausgeführt durch Königin Agnes, ein Mittel dar, um innert kurzer Zeit zu Besitz in der Umgebung zu kommen. Obwohl die Herzoge auch im Falle des Klosters die Möglichkeit hatten, die Pfänder zurückzukaufen, so dürfte die Präsenz von Agnes den Loskauf eingeschränkt haben. Gleichzeitig war Agnes darauf bedacht, in den Verpfändungsurkunden Klauseln anzubringen, die einen Rückkauf nur zu ihren Lebzeiten erlaubte. Wörtlich wurde in den Urkunden, die das Pfand lösten und durch Agnes erworben wurden, festgelegt, dass falls unser liebü swester sturbe ê wir von ir daz vorgeschriben guot loesten so han wir ir erloubt daz daz alles mit einander sol vallen an das closter gen Chüngsveld. 52 Die Eintragung der Pfandschaftsurkunden im Kopialbuch, wenn auch als eigene Rubrik, stellte damit sicher, dass im Falle des Todes der Gönnerin die Herzoge nicht mehr an die Pfandschaften herankommen würden und diese in den Besitz des Klosters übergingen. Damit untergrub Agnes eigentlich die Idee des Pfandschaftswesens und sicherte dem Kloster langfristig den Besitz; zwar blieb das Gut immer noch im landesherrschaftlichen Verbund, jedoch außerhalb der Möglichkeit einer Pfandauslösung. Diese Vergabungen an die «tote Hand» stellten sich als permanenter heraus, als von Seiten der Herzoge bei der Vergabe wohl angenommen, ist doch von keinem der eingetragenen Fälle mit Sicherheit bekannt, dass sie wieder ausgelöst wurden. Damit lässt sich begründen, weshalb nur sehr wenige Pfandschaften zu Agnes’ Lebzeiten ans Kloster kamen und dort verblieben. Entsprechend kurz ist der Teil im Kopialbuch. Auffälligerweise befindet sich just an der Stelle im Buch ein Bindungsfehler, der die komplette Überlieferung von drei Urkunden verhindert. Es ist gut möglich, dass an der Stelle Einträge zu Pfandschaften, auf Druck der Herrschaft, aus dem Kopialbuch entfernt werden mussten, sodass später keine Ansprüche durch das Kloster gestellt werden konnten. Eine der Urkunden ist nicht identifizierbar, vielleicht weil sie zurückgelöst wurde und keine weiteren schriftlichen Dokumente beim Kloster verblieben. Bei den zwei anderen Dokumenten handelte es sich wohl um Stücke von 1310 und 1326. 53 Obwohl im Kopialbuch ein eigener Teil durch die Pfandschaften bestritten wurde und diese somit als eigene Kategorie anerkannt waren, so stellen sie doch nur einen kleinen, unwichtigen Teil des gesamten Klosterbesitzes dar, der im Kopialbuch verschriftlicht wurde. 51 Nach M ARCHAL , Sempach, S. 88-92. M ARCHAL erklärt gar das erhöhte Verpfändungswesen der Herzoge als Begründung für die Einbürgerungsbewegung einiger habsburgischer Herrschaften in Luzern vor der Schlacht von Sempach, ebd., S. 92-98. 52 StAAG U.17/ 0065. 53 Beim Stück von 1310 (Von erst ein brief über die mülinen ze Zovingen mit des edeln und hochgebornen fürsten hertzog Lüpoltz insigel, j) handelt es sich wohl um StAAG U.17/ 0013; das Stück von 1326 ist wohl U.17/ 0089, 29. Juni 1326 (ein brief mit der edeln und hoch gebornen fürsten insigel hertzog Lüpoltz vrowen über die mülinen ze Zovingen, iij); das letzte Stück wird im Inhaltsverzeichnis (StAAG AA/ 0428, fol. 5v.) wie folgt bezeichnet: Ein brief mit des edeln und hochgebornen fürsten hertzog Otten ingesigel über die mülinen ze Zovingen. 182 <?page no="182"?> Jahrzeiten der Herrschaft und anderer Personen Einen ähnlich marginalen Umfang wie die Pfandschaften stellen die sogenannten «Jahrzeiten der Herrschaft» dar, womit jedoch nicht, wie zu denken wäre, nur die Herrschaften um «Habsburg» gemeint sind, sondern eher ein weit gefasster Personenkreis von Leuten, die «von hoher Geburt» waren. 54 So werden Frauen der Familien von Montfort und Lichtenberg neben den Herzogen und ihren Gattinnen als Stiftende vermerkt. 55 Eine unerwartete Heterogenität der Vorstellung von «Herrschaft» zeigt sich, die in den vorangehenden Teilen noch sehr homogen (auf «Habsburg» bezogen) erschien. Bei genauer Betrachtung erweisen sich die Kopien jedoch als Weiterführung des Systems von Agnes zur Ordnung der Güter, denn wie die Ordnungen Erwerbungen bündeln und in einem Erinnerungssystem versammeln, so vereint der Teil des Kopialbuchs Erwerbungsurkunden und führt sie im Verbund einem Stiftungszweck zu, etwa einer Jahrzeit für einen Herzog. Dabei wird aber nur Personen des «habsburgischen Personenverbandes» gedacht. Der zwölf Blätter umfassende Teil wurde nicht mehr so sorgfältig erarbeitet wie der Hauptteil für die beiden Königinnen. Worte wurden häufiger ausgelassen und wurden erst später eingefügt oder ganze Dokumente wurden nicht abgeschrieben, weshalb die Nummerierung nicht mehr aufgeht. Insgesamt entsteht der Eindruck, dass im Vergleich zu den Seiten zuvor schneller gearbeitet werden musste. Im letzten Teil des Kopialbuchs, abgesehen von einigen wenigen Nachträgen, wurde das System der Jahrzeiteintragung weitergeführt, jedoch sind alle Dokumente einbezogen, die Jahrzeiten anderer Personen betrafen (du die lüte dem Closter geben hein daz man ir iarzit da mit began sol). 56 Wie bereits für die Jahrzeiten der Herrschaft festgestellt, basiert die Reihenfolge auf dem Datum der Stiftung. Keine Rolle spielte offensichtlich der Tag im Kirchenjahr, der als Jahrtag vorgesehen war. Das Kopialbuch konnte damit nicht direkt als Anniversar genutzt werden. Auch finden sich keine Beschreibungen, welcher Tag mit welchen Mitteln gefeiert und abgehalten werden sollte. Das ist nicht überraschend, da für Königsfelden Fragmente und andere Formen der Verschriftlichung bekannt sind, die wohl aus Nekrologen und Jahrzeitbüchern stammen. 57 Die einzelnen Einträge werden in diesem Teil immer kürzer. Während die erste Urkunde noch in ganzer Länge abgeschrieben wurde, begnügte man sich ab dem zweiten Eintrag bereits mit dem Vermerk über die Art der gestifteten Güter und dem Verwendungszweck. Offensichtlich standen die Einzelblattdokumente und das Abschreiben derselben, falls solche überhaupt existiert haben, im Vergleich zu den vorangehenden Teilen nicht mehr im Fokus. Dennoch finden sich in diesem Teil Spuren, die auf einen Gebrauch hindeuten. Einige der Einträge wurden etwa nachträglich gestrichen, wohl weil das gestiftete Gut keine Abgaben mehr abwarf oder nicht mehr zum Kloster gehörte. 54 Hie sint bezeichent alle die brief die da hoerent über die gueter von den man began sol der herschaft jartzit, ebd., fol. 6v. 55 Ebd., fol. 6v. 56 Ebd., fol. 123r. 57 Siehe H UGENER , Buchführung, S. 68 und Auflistung der Jahrzeitenbücher S. 341f. und M ODDELMOG , Stiftungen, S. 141f. 183 <?page no="183"?> Urbarartige Nachträge im Kopialbuch An die verschriftlichten Einträge zu den Jahrzeiten wurden von jüngerer Hand Einträge angefügt, die sich ebenfalls auf Jahrzeiten beziehen. Ob es sich dabei jedoch wirklich um Stiftungen handelt, die nachgetragen wurden, muss stark angezweifelt werden. Zum einen wurden die Nachträge nicht im Inhaltsverzeichnis vermerkt, zum anderen unterscheidet sich die Struktur von jener der vorangehenden Einträgen. Zwar vermeldet der erste Nachtrag, 58 dass aus dem gestifteten Geld der Anna Zigerlinen ein Hof gekauft wurde. Auch wird definiert, was die Klarissen bekommen sollen. Dennoch handelt es sich bei den meisten Punkten um urbaratige Aufzählungen, die bebauende Personen benennen. In dieselbe Richtung deutet der zweite Eintrag zu einem Gut in Dottikon, das von Dietschi Hegling und Heinrich von Huntzliswile bebaut wurde. Für das Gut findet sich keine Kauf- oder Stiftungsurkunde, auch wird im Eintrag der Jahrzeit erst nach der Nennung der Bebauenden vermeldet, durch wen (Dyerrichs[! ] von Lenzburg) und für wen (ihn und seine Hausfrau) eine Stiftung erfolgte. Beide Einträge deuten nicht darauf hin, dass eine Jahrzeit eingetragen wurde, die das Kloster erhalten hatte und daher ins Kopialbuch eingetragen werden musste. Vielmehr wurden bewusst die Wirkung und auch die Autorität des Buches genutzt, um Ansprüche anzumelden und vielleicht auch gegenüber Dritten zu verteidigen. Beim Eintrag zu Dottikon scheint es sich um eine Auseinandersetzung mit dem Kloster Muri zu handeln, das in der Nähe von Dottikon liegt und lange Zeit dort Rechte ausübte. Anstelle einer Kaufurkunde existiert jedoch nur ein Weistum, das die Ansprüche des Klosters Königsfelden auf Besitzungen in Muri deutlich macht. 59 Insgesamt deuten die Herstellung eines Weistums und die urbarartige Eintragung im Kopialbuch auf Schwierigkeiten bei der Rechtsdurchsetzung und auch auf die möglicherweise widerrechtliche Aneignung des Gutes durch Königsfelden hin. Für die beiden Nachträge des Kopialbuchs lässt sich feststellen, dass sie wohl nicht zur Aktualisierung der Jahrzeiten oder den damit verbundenen Handlungen genutzt wurden, im Gegenteil wurde das Gedenkwesen vorgeschoben, während dahinter Auseinandersetzungen vermutet werden können. Nicht nur am Ende des Werks finden sich Nachträge. Der Aufbau des Kopialbuchs ist, wie bereits oben beschrieben, nicht frei von Wertungen und vermittelten Hierarchien. Aus diesem Grund wurde der Aufbau offensichtlich bereits kurze Zeit nach der Produktion unklar. Ein Schreiber empfand es als nötig, zusätzliche Informationen anzubringen, beziehungsweise das Inhaltsverzeichnis neu zu gruppieren. Mit roter Tinte wurde in einer Hand des 14. Jahrhunderts vermerkt: Incipit Stouffen. 60 Der Besitz des Klosters in Staufen, insbesondere der Kirchensatz, war wie bereits angesprochen umstritten. Die Markierung von Einträgen, die die Besitzübertragung belegen, waren im Falle von Auseinandersetzungen ein probates Mittel, um entsprechende Schriftstücke schnell bei der Hand zu haben. Am Ende der zweiten Spalte folgt der zweite Eintrag, Rinfelten, unter welchem der symbolisch wichtige 58 StAAG AA/ 0428, fol. 123v-124r. 59 Siehe auch H ODEL , Region, S. 114. Zur Anspruchshaltung in Weistümern und der Produktion von mündlich anmutendem Recht durch schriftliche Rechtssetzung siehe T EUSCHER , Kompilation und T EUSCHER , Recht, S. 206-255. 60 StAAG AA/ 0428, fol. 1r. 184 <?page no="184"?> Hof Rheinfelden im Balgau von Königin Elisabeth an den neugegründeten Konvent vergeben wurde. Dass es sich um spätere Einträge handelt, lässt sich einerseits aus der Hand erschließen, die im Gegensatz zur Hand des Inhaltsverzeichnisses größere Buchstaben schrieb. Andererseits wird dieser Eindruck bestätigt durch die Positionierung der Rubrizierung, meist am Ende von Einträgen des Inhaltsverzeichnisses, manchmal über die Spalte hinaus und teilweise oberhalb des Zeilenbeginns einer Seite angebracht. Mit der Rubrizierung sollte offensichtlich auch nicht jede Sammlung von Besitz markiert werden. Das Vorhaben wäre ohnehin zum Scheitern verurteilt gewesen, da die Gruppierung der Dokumente nicht einer geographischen Logik folgte. Vermutlich lag genau in dieser schwer verständlichen Anordnung der Dokumente die Motivation für das Anbringen der späteren Rubrizierung: Der Aufbau, die Ordnung des Kopialbuchs war unverständlich geworden. Elisabeth, Agnes und die Vollendung der Stiftung nach 1330 Das Kopialbuch wurde nicht lange nach der Stiftung des Klosters Königsfelden verfasst. Nicht zuletzt aus diesem Grund kann die Produktion des Buches als Anomalie beschrieben werden. 61 Der Zeitpunkt der Produktion, 1335/ 36, war jedoch alles andere als zufällig. Dank der Geldmittel von Elisabeth und vor allem von Agnes wurden die Gebäude in Königsfelden innert kürzester Zeit geplant und erstellt. 62 Dennoch dauerte es mehr als zehn Jahre, bis das Kirchenschiff geweiht werden konnte, und nochmals zehn Jahre, bis der Chor vollendet wurde. 63 Ab 1330 kann folglich davon ausgegangen werden, dass das Kloster in seiner geplanten Form stand. 64 Ebenfalls um 1330 startete Königin Agnes, wie bereits angesprochen, mit der intensiven Produktion ihrer Ordnungen - 65 zu einem Zeitpunkt, als sie sich ihres Ein- 61 Argumentation und Schlüsse dieses Unterkapitels folgen in weiten Teilen meinem Aufsatz zum Kopialbuch I, H ODEL , Cartulary (im Druck). 62 Es handelt sich bei den Gebäuden um zwei größere Konventshäuser, eine Klosterkirche und Verwaltungsgebäude. Ein Plan der Klostergebäude wurde rekonstruiert durch: K URMANN - S CHWARZ , Glasmalereien, S. 44. 63 Gebäude von Mendikanten wurden meistens innert kürzerer Zeit errichtet als etwa Kathedralen. Jedoch muss die Kontingenz des Bauens im Mittelalter hervorgehoben werden, im Gegensatz zur Vorstellung einer Planung und raschen Vollendung. Vgl. B RUNO K LEIN , Bauen bildet - Aspekte der gesellschaftlichen Rolle von Bauprozessen mittelalterlicher Großbaustellen, in: Kirche als Baustelle, hrsg. von K ATJA S CHRÖCK , B RUNO K LEIN und S TEFAN B ÜRGER , Köln 2012, S. 11-22, S. 18-22. 64 W EHRLI -J OHNS , Leben, S. 61f. K URMANN -S CHWARZ , Glasmalereien, S. 57-59, B ONER , Gründung, S. 91-93. 65 Siehe oben ab S. 64. Bis 1329 hatte Agnes zwei Dokumente mit Ordnungen ausgestellt (StAAG U.17/ 0061/ 01 [doppelt überliefert: StAAG U.17/ 0061/ 02] und eine nur kopial überliefert im Kopialbuch: StAAG AA/ 0428, fol. 122rv.). Zwischen 1330 und 1361 (Agnes starb 1364) stellte die frühere Königin achtzehn Ordnungen aus: StAAG U.17/ 0103, StAAG U.17/ 0126, StAAG U.17/ 0152, StAAG U.17/ 0179, StAAG U.17/ 0185a, StAAG U.17/ 0187a, StAAG U.17/ 0223, StAAG U.17/ 0254a, StAAG U.17/ 0266a, StAAG U.17/ 0273, StAAG U.17/ 0281, StAAG U.17/ 0288, StAAG U.17/ 0289, StAAG U.17/ 0303, StAAG U.17/ 0306a; zwei nur kopial im ersten Kopialbuch überliefert StAAG AA/ 0428, fol. 27r-28v, 121v-122r; eine Urkunde nur im zweiten Kopialbuch (um 1500 erstellt) überliefert: StAAG AA/ 0429, fol. 45v-46r. 185 <?page no="185"?> flusses auf beide Konvente sicher sein konnte. 66 Die Anordnung der Urkunden im Kopialbuch und die zentrale Stellung der beiden Königinnen sind Ausdruck dieses Einflusses. Bezüglich der Besitzübernahme war um 1335 ein großer Teil dessen, was jemals zu Königsfelden gerechnet werden konnte, bereits in der Hand des Klosters. Umstrittener Besitz, wie der Kirchensatz von Windisch, der dem Kloster 1312 von den Herzogen geschenkt worden war, 67 wurde seit 1334 nicht mehr von Niklaus von Frauenfeld beansprucht. 68 Bereits einige Jahre zuvor hatte Königsfelden päpstliche Aufmerksamkeit und die Ausstellung eines Ablassbriefes erlangt, in welchem vierzig Tage Ablass versprochen wurde, falls für Elisabeth und ihre Söhne, die in Königsfelden begraben waren, oder für Agnes gebetet wurde. 69 Neben dem Ablassbrief finden sich weitere päpstliche Bullen im Besitz des Klosters, wohl nicht zuletzt dank Agnes. 70 Sie hatte nicht nur zum Papst in Avignon, sondern auch zu franziskanischen Ministerialen in der Region, wie Heinrich von Thalheim oder Michael von Cesena, gute Beziehungen. 71 Das Kloster war also nicht nur gut ausgestattet, sondern auch innerhalb der kirchlichen Welt bestens vernetzt. Da 1330 oder kurz zuvor zudem eine Reihe von Agnes’ Geschwistern verstarb und eine dynastische Nachfolge im Haus Habsburg unklar war, 72 kann die Anlage des Kopialbuchs als Versuch Agnes’ verstanden werden ihr Werk zu sichern. Nur zwei ihrer sieben Brüder und eine von drei Schwestern waren noch am Leben, als das Buch erstellt wurde, und nur ihr Bruder Otto hatte zu dem Zeitpunkt zwei Kinder, beide waren jünger als zehn Jahre. 73 Obwohl es keine Textzeugen gibt, die dies belegen, so scheint es dennoch, als ob Agnes das vollständig ausgestattete Kloster im vorliegenden Status festigen wollte. Wenn auch die Königskrone verloren war und die Nachfolge im Herzogtum unsicher, das Kloster Königsfelden war und sollte dank des Kopialbuchs auf ewig mit einem König und zwei Königinnen verbunden bleiben. 66 Bezüglich der Rolle Elisabeths kann gar argumentiert werden, dass sie bereits 1312 große gesundheitliche Probleme hatte und gar nicht so aktiv sein konnte, wie beschrieben. Ich habe nicht zuletzt aus diesem Grund darüber spekuliert, dass die Stiftungsurkunde von 1311 eine spätere Reproduktion sein könnte, um sie zur alleinigen Stifterin des Klosters zu erheben. H ODEL , Region, S. 101f. 67 StAAG U.17/ 0022. 68 Niklaus von Frauenfeld war Pfarrer von Windisch und wurde 1334 zum Bischof von Konstanz geweiht, siehe B IHRER , Wien. 69 Der Brief wird in der Burgerbibliothek Bern aufbewahrt: BBB, Cod. 814. Siehe auch: W EHRLI - J OHNS , Leben, S. 65. 70 StAAG U.17/ 0130a, StAAG U.17/ 0130d, StAAG U.17/ 0139. Nur kopial überliefert: StAAG AA/ 0428, fol. 14r. datiert auf den 2. Oktober 1333, 21r. datiert auf den 20. Januar 1333, 22rv. datiert auf den 3. Oktober 1333, 22v-23r. datiert auf den 5. April 1329, 23r. datiert auf den 15. Oktober 1327. 71 Siehe W EHRLI -J OHNS , Leben, S. 53-58. 72 Anna starb 1328, Rudolf bereits 1307, Friedrich der Schöne (Gegenkönig) 1330, Leopold 1326, Katharina 1323, Heinrich 1327 und Meinrad 1301. 73 Neben Agnes (1280-1364): Elisabeth (1285-1352), verheiratet mit Friedrich IV., Herzog von Lothringen, Albrecht II. (1298-1358), verheiratet mit Johanna von Pfirt, Otto (1301-1339), verheiratet mit Elisabeth von Niederbayern. 186 <?page no="186"?> Im Alter von fünfzig Jahren könnte Agnes das Werk, sowohl das Kopialbuch als auch das vollständig ausgestaltete Kloster, als Teil ihres Vermächtnisses verstanden haben. Es ist denn auch kein Zufall, dass Agnes zur selben Zeit (1337) eine Urkunde ausstellte, in welchem sie den Umgang mit ihrem Erbe regelte. Königsfelden wurde darin jedoch nicht thematisiert. 74 Das Kopialbuch kann somit als der Teil ihres Erbes angesehen werden, das Königsfelden betraf. Die Urkunde dagegen stellte die Aufteilung der verbleibenden Gelder an andere religiöse Institutionen sicher. Das Kopialbuch wurde nicht allein zu administrativen Zwecken produziert, etwa um die kopierten Dokumente für die Zukunft aufzubewahren, wie dies für andere Kopialbücher beschrieben wurde. 75 Vielmehr sollte das Königsfelder Exemplar zeigen, wem gegenüber das Kloster verpflichtet war und welche Regeln und Vorschriften befolgt werden mussten. 76 Das Kopialbuch stellte den Schlussstein des Klosters dar, nicht nur indem es als letztes Stück die Stiftung, sondern auch die Bildung des klösterlichen Besitzportfolios vollendete. Und auch wenn der Einfluss der Herzoge langsam schwinden sollte, so stellte das Buch sicher, dass immer eine Verbindung zwischen Königsfelden und den Nachfahren König Albrechts, der «Herrschaft», vorhanden bleiben sollte. Vielleicht materialisierte das Stück gar den Prozess der Formung des Klosters und stand als Verbindung zwischen Königsfelden, Elisabeth, Agnes und Albrecht. Das Kopialbuch war demnach mehr als ein Memorialstück oder ein Akt der Kontrolle: Es war die Verkörperung der Stiftung Königsfeldens und ein «lieu de dialogue» zwischen existierender und festgeschriebener Ordnung. 77 Elisabeth und Agnes blieben als Stifterinnen präsent und die gesamte Stiftung wurde durch das Buch abgebildet und gar verkörpert. Aufbewahrung des Kopialbuchs Wer Zugriff auf das Buch hatte, ob die Klarissen, die darin ihren Besitz widerspiegelt sahen, oder die Franziskaner, deren Ansprüche auf Almosen durch die Schwestern festgehalten wurden, lässt sich nicht nachweisen. Obwohl Agnes von Ungarn zu Lebzeiten eine Vielzahl von Ordnungen ausstellte und in ziemlich jeden Lebensbereich der Klarissen eingriff, der Aufbewahrungsort des Buches wird nicht erwähnt, wie auch die Existenz des Kopialbuchs nicht durch die als Urkunden ausgefertigten Stücke erklärt wird. Auch ansonsten legte sie nichts über den Umgang mit Dokumenten schriftlich fest. Vielleicht war die Aufbewahrungssituation dieses zentralen Stücks gar noch elaborierter und beide Konvente hatten - zu unterschiedlichen Zei- 74 Siehe M ODDELMOG , Stiftungen, S. 161, die Urkunde befindet sich in Wien (HHStA UR FUK Nr. 101, datiert auf den 20. Juni 1337). 1359 wurde eine zweite Fassung ausgestellt, gleichzeitig zum Anbringen von Neuerungen im Kopialbuch, siehe unten S. 184. 75 Siehe P ATRICK J. G EARY , Entre gestion et gesta, in: Les cartulaires, hrsg. von O LIVIER G UYOTJEANNIN , Paris 1993, S. 13-26, S. 24, derselbe Artikel betont auch die Wichtigkeit memorialer Aspekte. 76 Wer das intendierte Publikum war, falls so eine Vorstellung überhaupt existierte, ist nicht zu identifizieren. Möglicherweise waren die Klarissen die Adressaten und das Buch wurde bei Gedenkgottesdiensten gebraucht oder beim Besuch von Gästen ausgestellt. Anzeichen finden sich keine, die mit Sicherheit in die eine oder andere Richtung deuten. 77 Nach G AUDREAULT , Écrit: ce registre mua ainsi en un ‘lieu de dialogue’, un creuset où purent se mêler et se fondre l’ordre existant et l’ordre voulu. 187 <?page no="187"?> ten - die Möglichkeit, das Buch zu konsultieren. Dies hätte ein System der gegenseitigen Kontrolle etabliert, das keinem Konvent die Oberhand zugesprochen würde und beiden Gemeinschaften Argumenten für eigene Ansprüche an die Hand gegeben hätte. Vorstellbar wäre etwa die Aufbewahrung in der Sakristei, damit hätten die Klarissen die grundsätzliche Kontrolle, wobei dennoch die Möglichkeit bestehen würde, dass die Franziskaner darauf Zugriff hätten, da sie dort ein- und ausgehen konnten. 78 Wenig Aufschlussreiches lässt sich aus den im Kopialbuch I abgeschriebenen Stücken zum Aufbewahrungsort ableiten. Nur zwei Dokumente (beide von 1318) wurden mit Sicherheit im Konvent der Franziskaner aufbewahrt. Beim einen handelt es sich um die Handfeste der Königin Agnes, die bereits ausführlich beschrieben wurde und doppelt in Königsfelden nachgewiesen werden kann. 79 Die zweite Urkunde ist die Bestätigung des Provinzialministers, Heinrich von Thalheim, den drei Bitten der Königin Agnes entsprochen zu haben, die durch den Generalminister, Michael von Cesena, an ihn herangetragen wurden. Das Dokument steht in engem Bezug zur Handfeste von 1318 und stellt eine Sanktionierung durch den franziskanischen Orden dar. Da Agnes mit Sicherheit Zugriff auf beide Dokumente hatte, ist es wenig verwunderlich, dass diese im Kopialbuch eingetragen wurden. Aufgrund der willentlichen Radierung einer Pergamentseite ist nachvollziehbar, wie Kopie und ausgefertigte Urkunde zur Zeit der Agnes zusammen funktionierten. Auf Folioseite 26 (r und v) wurden auf einigen Zeilen die Tinte vom Pergament gekratzt. 80 Ein längerer Abschnitt der Kopie fehlt somit im Kopialbuch. Aber auch auf der ausgefertigten Urkunde, die noch existiert, fehlen die Zeilen! 81 Dadurch wird offenbar, dass sowohl das Kopialbuch verändert (radiert), als auch die Ausfertigung angepasst (neu ausgestellt) wurde. Der Befund erlaubt wichtige Rückschlüsse zur Aufbewahrung der unterschiedlichen Schriftformen. Bereits im letzten Jahrhundert ist Boner auf diese Merkwürdigkeit aufmerksam geworden. Er fand eine Erklärung, die sowohl überzeugt, als auch viel über den Umgang mit Schriftstücken erkennen lässt. 82 Aufgrund der Initialen datierte er die Urkundenausfertigung in die fünfziger Jahre des 14. Jahrhunderts, mehr als zehn Jahre nach der Anlage des Kopialbuchs. Da das Stück in das Kopialbuch eingetragen wur- 78 Die Benutzung der Gebäude war zwar geregelt, dennoch bestehen Unklarheiten, wer, wann, wo sein durfte. Dies führte in der Forschung zu Spekulationen über den gemeinsamen, alternierenden Gebrauch von Teilen der Gebäulichkeiten durch Franziskaner und Klarissen. Siehe C AROLA J ÄGGI , Eastern Choir or Western Gallery? The Problem of the Place of the Nuns’ Choir in Königsfelden and Other Early Mendicant Nunneries, in: Gesta 40.1 (2001), S. 79-93, dagegen argumentierend und plausibler: B RIGITTE K URMANN -S CHWARZ , «. . . ein vrowen chloster sande Chlaren orden und ein chloster der minneren Bru(e)der orden»: Die beiden Konvente in Königsfelden und ihre gemeinsame Nutzung der Kirche, in: Glas, Malerei, Forschung. Internationale Studien zu Ehren von Rüdiger Becksmann, hrsg. von H ARTMUT S CHOLZ und R ÜDIGER B ECKSMANN , Berlin 2004, S. 151-163. 79 Siehe oben S. 59, bei den Stücken handelt es sich um StAAG U.17/ 0061/ 01 und StAAG U.17/ 0061/ 02. Das mit A markierte Stück wurde gemäß Dorsualschicht vom frühen 15. Jahrhundert an im Konvent der Franziskaner aufbewahrt, siehe unten S. 198. 80 Im folgenden werden nur die Resultate eines Aufsatzes wiedergegeben, ausführlich wird die Löschung abgehandelt in: H ODEL , Cartulary. 81 Siehe StAAG U.17/ 0103. 82 Siehe B ONER , Klosterordnungen. 188 <?page no="188"?> de, ist davon auszugehen, dass bereits 1330 (auf das Jahr wird die Urkunde datiert) 83 eine Urkundenausfertigung existierte. Somit lässt sich erschließen, dass spätestens in den fünfziger Jahren eine Pergamenturkunde von Agnes zerstört und neu erstellt wurde. Gleichzeitig mussten auch im Kopialbuch Anpassungen vorgenommen werden, die radierten Zeilen sind das Resultat der Aktion. Der gelöschte Text kann mit Hilfe digitaler Filter wieder schwach lesbar gemacht werden. 84 Im Zentrum der Löschung stehen Pfründen, die direkt von Agnes besetzt werden konnten. Da in der neu ausgefertigten Urkunde nicht nur diese Stellen fehlen, sondern auch ein Satz zur Versorgung von zwei Dienerinnen der Agnes, 85 wird klar, dass die Löschung im Kopialbuch sehr bewusst durchgeführt wurde und nur Teile umfasste, die unbedingt verschwinden sollten. Die beiden Dienerinnen waren 1350 bereits verstorben und ihre Versorgung musste daher nicht mehr mittels ausgefertigter Urkunde verschriftlicht werden. Dennoch wurde der Satz im Kontext des Kopialbuchs nicht als störend empfunden und wurde nicht radiert. Wahrscheinlich fürchtete Agnes um 1350, dass ihre Position nach ihrem Ableben durch ein Mitglied aus dem Haus Habsburg übernommen werden könnte, inklusive der Rechte, die sie für sich selbst bezüglich der Konvente in Anspruch genommen hatte. Anscheinend wollte sie dies unbedingt verhindern, denn nur so ist zu erklären, dass die Stelle über die Pfründe derart radikal aus den unterschiedlichen Schriftstücken entfernt werden musste. Die verschiedenen Formen der schriftlichen Überlieferung folgten, wie dieser Fall zeigt, offensichtlich je einer eigenen Logik. Und beide Schrifttypen, ausgefertigte Urkunde und als Kopie inseriertes Stück mussten nicht deckungsgleich sein. Sie dienten unterschiedlichen Zwecken, wurden vielleicht gar an unterschiedlichen Orten aufbewahrt und bildeten zusammen kein durchkomponiertes System. Der Hauptzweck des Kopialbuchs lag weniger in der Anfertigung von Kopien, um Texte der Urkunden für die Nachwelt sicherzustellen. Vielmehr ging es um die Verkörperung der Beziehungen zwischen dem Kloster und den beiden Stifterinnen, Elisabeth und Agnes. Aufgrund der Organisation der Urkunden in den einzelnen Lagen wird deutlich, dass die Reihenfolge bewusst komponiert wurde, um von der Stiftungstätigkeit der beiden Königinnen zu erzählen. Das Buch wird damit zum Monument, das den Gründungs- und Stiftungsakt vollendete und die Macht der Stifterinnen zum Ausdruck bringt. 86 Daneben lässt das Werk erahnen, wie stark Agnes den Stiftungsprozess geformt hatte und nun durch dieses Buch ihre Vorstellungen langfristig wirken lassen wollte. Analog zu ihrem Vorgehen bei der Ausstellung von ordnenden Urkunden agierte sie mit großem Selbstbewusstsein und einem ausgeprägten Bewusstsein für die langfristige Wirkung von Schriftstücken. 83 Es handelt sich um: StAAG U.17/ 0103. 84 Der lesbar gemachte Text und einige Bilder des Verfahrens sind abgebildet in: H ODEL , Cartulary. 85 Folgender Satz fehlt in der Urkunde und wurde nur kopial in StAAG AA/ 0428, fol. 27r. überliefert: Doch so wellen wir vor allen dingen daz unser dri jungfrowen Adelheit Agnes und Chungel die wile si lebent verriht werden und besorget und ouch vollfueret gentzlich und volleklich in aller der wise als wir es vor males an unsern brifen verschriben haben. 86 Ähnlich wie für ein Kopialbuch in Katalonien festgestellt in A DAM J. K OSTO , The Liber Feodorum Maior of the Counts of Barcelona: The Cartulary as an Expression of Power, in: Journal of Medieval History 27 (2001), S. 1-22, URL : http: / / www.academia.edu/ 1244120. 189 <?page no="189"?> Es ist sicherlich nicht zuletzt der Anlage des ersten Kopialbuchs geschuldet, dass in den darauffolgenden knapp 200 Jahren mehrere teilweise mehrbändige Kopialwerke angelegt wurden. Auch so einfache Ausstattungen, wie das Anbringen von Einleitungssätzen, teilweise ebenfalls rubriziert, finden sich in späteren Werken wieder. Das Kopieren und Anfertigen von Kopialbüchern - beides Tätigkeiten, die ansonsten weder bei den Franziskanern noch bei den Klarissen ausgesprochen häufig anzutreffen sind - kann somit in Königsfelden eng mit Agnes von Ungarn verknüpft werden, wobei das geschaffene Buch weit über ihre Zeit hinaus wirkte. 4.2 Einzelblattkopien: Copies figurées Dreißig Jahre nach der Produktion des ersten Kopialbuchs taucht eine Gruppe von Kopien von Einzelblattdokumenten auf. Bei den Stücken handelt es sich jedoch nicht um die übliche Form von Abschriften. Es wurden also nicht Vidimusse oder Transsumpte ausgefertigt, sondern Kopien, die nicht nur den Wortlaut der Vorlagen exakt wiedergaben, sondern auch die Schrift imitierten. Solche Copies figurées sind einmalig im Kloster Königsfelden und fanden bislang auch in der deutschsprachigen Forschung nur wenig Beachtung. Die sechs Urkundenabschriften wurden 1370 hergestellt. 87 Bei allen Dokumenten handelt es sich um Kopien von Freiheitsbestätigungen der Herzoge von Österreich. Bis zu dem Zeitpunkt war in Königsfelden nur in einem Fall ein Vidimus ausgefertigt worden. Das Kopieren von Einzelblattdokumenten auf Einzelblattdokumente war also nicht etabliert. Bei Vidimussen handelt es sich um Abschriften, die durch einen Einleitungssatz beglaubigt wurden, der besagt, dass das abgeschriebene Stück von einer Person mit hohem Ansehen gesehen und für glaubwürdig befunden wurde. 88 Die Anfertigung von legitimierenden Kopien ist ein häufig anzutreffendes Phänomen nördlich der Alpen. Vidimusse und ähnliche Ausfertigungen sind sowohl für den Ausstellenden, als auch den Empfänger von Vorteil. Der Aussteller konnte sich in eine Tradition von angesehenen Personen stellen, seine eigene Macht demonstrieren und Institutionen, die ihm selbst wichtig und nützlich erschienen, gezielt stützen. Aber auch für die empfangende Institution waren die Kopien wichtig, um sich bereits erhaltener Privilegien noch Jahre später, etwa nach dem Tod eines Gönners, sicher zu sein. So beeilte sich etwa die Äbtissin nach dem Tod der Agnes von Ungarn eine Bestätigung aller Privilegien von Rudolf IV. (dem Ältesten des Hauses Habsburg) zu erhalten. 89 Bei der Gruppe von 1370 handelt es sich jedoch gerade nicht um Vidimusse (oder Transsumpte) der kopierten Dokumente. Die Abschrift beginnt ohne Einleitung durch die abschreibende und damit verifizierende Partei. Im Gegenteil wird in den 87 Es handelt sich um folgende Stücke: U.17/ 0354a, 27. Dez. 1370, U.17/ 0359, 27. Dez. 1370, U.17/ 0360A, 27. Dez. 1370, U.17/ 0361, 27. Dez. 1370, StAAG U.17/ 0362, U.17/ 0363, 27. Dez. 1370. 88 Zu Vidimussen siehe J OACHIM S PIEGEL , Vidimus, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 8, München und Zürich 1980, Sp. 1636-1637. Zu Praktiken der Vidimierung siehe oben S. 88. 89 StAAG U.17/ 0330. Die Ausstellung der Urkunde fand in Enns nahe Linz statt. Die zeitliche Nähe zum Tod von Agnes bei gleichzeitiger Distanz zum Ort deutet auf ein rasches Handeln seitens des Klarissenkonvents. 190 <?page no="190"?> Kopien darauf verzichtet, Andeutungen zu machen, dass es sich bei den Dokumenten um Kopien handelt. Erst der Blick auf die Siegel und die Rückseite macht offensichtlich, dass die Stücke Abschriften sind. Der Vergleich zwischen den ursprünglichen Dokumenten und ihren Kopien zeigt nur extrem kleine Abweichungen in der Diktion, so dass von einem Abschriftenvorgang ausgegangen werden muss, der sich akribisch an die Vorlage hielt. 90 Teilweise wurden auch Abschlusszeichen abkopiert. 91 Ebenso wurde auf die Kopie des Schriftbilds Wert gelegt. 92 Registraturvermerke auf der Frontseite wurden dagegen weniger beachtet und nicht übernommen. 93 Und das für die Kopien verwendete Pergament war von vergleichsweise minderwertiger Qualität. 94 Auf allen Urkunden, die noch als Ausfertigungen existieren, finden sich die Siegel der selben zwei Personen: zum einen Graf Rudolf IV. von Nidau, zum anderen Johann Bischof von Brixen, Ribi Schultheiss von Lenzburg. Ebenso wurde auf der Rückseite identische Dorsualnotizen angebracht, die nichts über den Inhalt der Stücke aussagen. Die Dorsualnotizen ermöglichen jedoch Einblicke in den Produktionsprozess der Dokumente. Datum per copiam sub sigillis reverendi patris et domini, domini Johannis Brixinensis episcopi illustrum principum dominorum ducum Austrie cancellarii et spectabilis domini Ruodolfi comitis de Nidow eo[r]um principum advocati provincialis et capitanei per Aergowiam et Thurgowiam generalis. Qui in castro Lentzburg - vicesima septima die mensis decembris de anno domini millesimo ccc septuagesimo primo - simul constituti huius copie instrumentum ver[ificat]um in pergamento vero et sigillo persto viderunt et perlegerunt integrum et illesum 95 Die Dorsualnotiz rückt den Kopiervorgang in die Nähe einer Vidimierung. Die Formulierung «wir haben gesehen» (vidimus) wird vermieden und stattdessen von copiam gesprochen. Dadurch wird auf notariell beglaubigte Kopien angespielt, die in den norditalienischen Städten zum System der notariellen Verschriftlichung von Rechtsvorgängen gehören und dort eine häufige Form des Kopierens waren. Der Bischof kannte sowohl das norditalienische Notariatswesen als auch das System der 90 Insbesondere StAAG U.17/ 0354a zeigt unerwartet viele Parallelen. In StAAG U.17/ 0360 wurde gar der Zeilenumbruch in der Subskriptionszeile des Herzogs, Rudolf IV., übernommen. Die Ausnahme diesbezüglich bildet StAAG U.17/ 0362. 91 Etwa StAAG U.17/ 0354a und StAAG U.17/ 0361. 92 Siehe dazu auch die Abbildungen zu den Copies figurées online: www.koenigsfelden.uzh.ch. 93 Siehe insbesondere StAAG U.17/ 0354a. 94 Nicht beachtet in diesem Vergleich wurde StAAG U.17/ 0359, für das die Vorlage nicht überliefert wurde und nur eine spätere Abschrift (erstellt um 1500) im Kopialbuch II gefunden werden kann: StAAG AA/ 0429, fol. 12r-13v. 95 Übersetzung: «Gegeben als Kopie unter den Siegeln des ehrwürdigen Vaters, Herrn Herrn Johann, Bischof von Brixen, der erhabenen Fürsten (und) Herren Herzöge von Österreich, des Kanzlers und achtbaren Herrn Rudolf, Graf von Nidau, Provinzvogt und Hauptmann (Landeshauptmeister) dieser Fürsten im ganzen Aargau und Thurgau. Welche, beide auf der Burg Lenzburg anwesend, am 27. Tag des Monats Dezember im Jahre des Herrn 1371 diese verifizierte Urkundenkopie auf Pergament und mit dem [persto? ] Siegel vollständig und unverletzt gesehen und durchgelesen haben.» 191 <?page no="191"?> Abbildung 4.3: Die Notiz auf den Urkundenabschriften von 1370, hier auf dem Dokument U.17/ 0363, 27. Dez. 1370. Urkundenausfertigung nördlich der Alpen. Das Resultat, die Kopie, ist eine Vermischung des italienischen (römischen) Systems mit dem lokal traditionelleren Kopiervorgang als Vidimus. 96 Die Präsenz einer bekannten und angesehenen Person, wenn möglich einem Nachfolger des Dokumentausstellers war erforderlich, um ein Vidimus herzustellen. Dies erfüllte er als Bischof und zusammen mit dem Landvogt, als dem Vertreter der Herrschaft in den Vorlanden. Als Kanzler (ducem Austrie cancellarii) war Johann als Notar der Herzoge tätig und somit auch berechtigt, notariell beglaubigte Abschriften herzustellen. Die Dorsualnotiz kann daher einerseits als Vidimus-Formel verstanden werden, andererseits aber auch als Notariatsinstrument, wenngleich sie nördlich der Alpen gefertigt wurde, außerhalb der Notariatskultur. Durch seine Person als Kanzler der Herzoge und Bischof war es ihm möglich, die Anforderungen beider Systeme zu verkörpern, insbesondere wenn er zusammen mit dem Landvogt handelte. Mit der Dorsualnotiz wurden die unterschiedlichen Autoritäten zur Kopie dargelegt. Das Übergreifen der Kultur der Notariatsurkunden beobachtet auch Fichtenau für das (Süd-)Tirol, insbesondere Bozen und Brixen. Der Bischof von Brixen durfte bereits im 13. Jahrhundert zwei Notare bestimmen, die für ihn und andere zahlende Kundschaft ihrem Handwerk nachgehen konnten. 97 Die von Johann eingeführte Form der Dorsualnotiz und die Abschriftenform wurden in Königsfelden und anscheinend auch sonst in den Vorlanden nirgends übernommen. Die Vorgehensweise demonstriert jedoch die Möglichkeiten, die in Bezug auf die Abschriften und den Gebrauch der Rückseite bestanden. Im Gegensatz zu den durch sie ausgestellten Dokumenten, vermerkten Bischof und Landvogt nichts auf den abgeschriebenen Stücken. Interessanterweise erstellten die beiden keine Kopien von Dokumenten, die das Siegel von Agnes trugen. Die kopierten Freiheiten entsprechen den wichtigsten, die Königsfelden von den habsburgischen Herzogen erhalten hatte. Vor allem das Kloster war an der erneuten Ausstellung von herzoglichen Dokumenten interessiert. Dass sich gleichzeitig die beiden Ausstellen- 96 Vidimierungen waren in Norditalien ungebräuchlich. 97 Siehe F ICHTENAU , Urkundenwesen, S. 173f. 192 <?page no="192"?> den als wichtige Akteure in den Vorlanden präsentierten, ist selbstredend und wird nicht zuletzt die Position des Landvogts gestärkt haben, der erst ab Ende des 14. Jahrhunderts in der Vorlande wichtig wurde. 98 Die Stücke stellten ein Versprechen des Landvogts dar, das Kloster nicht im Namen der Herzoge anzugreifen. Die Vorlande um 1370 - Bischof und Landvogt Der Produktionszeitpunkt der Kopien von 1370 erscheint war nicht zufällig. Die Ausstellung hängt mit dem Tod von Agnes von Ungarn (1364) und von Rudolf IV. (1365) zusammen. Beide waren, wenn auch auf unterschiedliche Weise und zu verschiedenen Zeiten, für die Konvente in Königsfelden von großer Wichtigkeit. Während die Rolle von Agnes unbestritten ist, amtierte Rudolf IV. zum Zeitpunkt von Agnes’ Tod als Herzog, bestätigte eine Reihe von Freiheiten für das Kloster und war bezüglich der eigenen Machtausübung äußerst ambitiös. 99 Mit seinem Tod verschwand daher nicht nur ein wichtiger Gönner Königsfeldens, sondern auch der regierende Herzog des Hauses Habsburg. Seine beiden Brüder, Albrecht III. und Leopold III., waren zum Todeszeitpunkt erst fünfzehn oder sechzehn beziehungsweise vierzehn Jahre alt. Beide waren nicht bereit, wie von Rudolf vorgesehen, gemeinsam den Besitz zu regieren, 100 sodass 1373 die Herrschaft aufgeteilt und 1379 mit dem Neuberger Teilungsvertrag legitimiert wurde. Um 1370 stellte sich die Situation noch um einiges angespannter dar und Albrecht sowie Leopold beschäftigten sich mehrheitlich mit der Sicherung der eigenen Herrschaft und nur bedingt mit den Vorlanden, die im vorhergehenden halben Jahrhundert zur Peripherie der rasant gewachsenen Herrschaft geworden waren. 101 Zeichen der Präsenz beider Herzoge in den Vorlanden während dieser Zeit finden sich nur für Leopold. Offene Auseinandersetzungen zwischen ihnen waren zu befürchten, in welchen habsburgische Besitzungen im Zentrum stehen würden. 102 98 Zur Tätigkeit der Landvögte (und zu Problemen der Herzoge mit diesen) in den Vorlanden am Ende des 14. und zu Beginn des 15. Jahrhunderts siehe R OLF K ÖHN , Der Landvogt in den spätmittelalterlichen Vorlanden: Kreatur des Herzogs und Tyrann der Untertanen, in: Die Habsburger im deutschen Südwesten: Neue Forschungen zur Geschichte Vorderösterreichs, hrsg. von F RANZ Q UARTHAL und F AIX G ERHARD , Stuttgart 2000, S. 153-198 und P IROSKA R ÉKA M ATHÉ , «Österreich contra Sulz 1412»: Verwaltung und Politik im Aargau unter Landvogt Graf Hermann von Sulz und der Streit um das Laufenburger Erbe, in: Argovia. Jahresschrift der Historischen Gesellschaft des Kantons Aargau 99 (1987), S. 5-39, DOI : 10.5169/ seals-5500. 99 Einführend siehe K ARL F RIEDRICH K RIEGER , Die Habsburger im Mittelalter: Von Rudolf I. bis Friedrich III., 2. Aufl., Stuttgart 2004, S. 131-137, mit weiteren Literaturverweisen A LOIS N IEDERSTÄTTER , Princeps Suevie et Alsacie: Herzog Rudolf IV. von Österreich und die habsburgischen Vorlande, in: Die Habsburger zwischen Aare und Bodensee, hrsg. von P ETER N IEDERHÄUSER , Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich 77, Zürich 2010, S. 125-136. 100 Zur sogenannten «rudolfinischen Hausordnung» siehe K RIEGER , Habsburger, S. 146, G ÜNTHER H ÖDL , Habsburg und Österreich, 1273-1493: Gestalten und Gestalt des österreichischen Spätmittelalters, Wien, Köln 1988, S. 127f. und W ILHELM B AUM , Rudolf IV. der Stifter: Seine Welt und seine Zeit, Graz 1996, S. 309-312. 101 Siehe K RIEGER , Habsburger, S. 147-150. 102 1369 war Leopold III. in den Vorlanden präsent und bestätigte mehreren Städten und Stiften ihre Privilegien beziehungsweise erweiterte ihre Rechte, siehe etwa W ALTHER M ERZ , Hrsg., Die Rechtsquellen des Kantons Aargau. Teil 1: Stadtrechte, Band 7, Das Stadtrecht von 193 <?page no="193"?> Da das Kloster Königsfelden aufgrund des Wirkens von Agnes und den Verbindungen zu ihren Geschwistern und ihren Neffen so stark in Pfandschaften, Lehen und anderen Gütern mit Bezug zur habsburgischen Herrschaft verstrickt war, musste bei den Auseinandersetzungen befürchtet werden, dass Besitzungen Königsfeldens von den Herzogen wieder beansprucht würden. Um 1370 war wohl niemand mehr in der Lage genau zu bestimmen, welche Gebiete wie zu den Konventen gekommen und welche Ansprüche der Herrschaften noch gültig waren. Trotz einer Vielzahl von Bestätigungen und Besitzurkunden drohten dem Kloster Verluste. Genau zum richtigen Zeitpunkt sollten der Bischof von Brixen und Graf Rudolf von Nidau in der Nähe des Klosters erscheinen. Bischof Johann hatte bis zu dem Zeitpunkt bereits eine rasante Kirchenkarriere hinter sich. 103 Durch seinen Onkel (Bischof Ulrich von Chur) gefördert und mit engen Beziehungen zu den Herzogen Albrecht II. und Rudolf IV., wurde er Propst von Churwalden, Pfarrer von Blatzheim, Pfarrer von St. Dizier, 1359 Bischof von Gurk und schließlich Bischof von Brixen (1364). Zeitlebens war Johann als Kanzler und Priester tätig, wobei die Forschung zu seiner Person vorwiegend Ersteres in den Vordergrund rückte. Die Produktion des Privilegium Maius und die Mitarbeit bei der Stiftung der Universität Wien werden dabei als seine wichtigsten Taten angesehen. 104 Obgleich ab 1364 südlich der Alpen mit einem Bistum betraut, war Ribi auch danach häufig in den Vorlanden zugegen und wurde um 1370 wohl für diesen Herrschaftsteil mit Vollmachten ausgestattet, die zuvor und danach durch die Herzoge nicht mehr vergeben wurden. Obwohl nichts über die Ausbildung Johanns bekannt ist, darf davon ausgegangen werden, dass er zumindest für kurze Zeit an italienischen Universitäten studierte (1347 wird er zum ersten Mal Magister genannt). 105 Ein an- Rheinfelden, Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, Aarau 1917, URL : https: / / www.ssrqsds-fds.ch/ online/ AG_I_7/ index.html, S. 38; W ALTHER M ERZ , Hrsg., Die Rechtsquellen des Kantons Aargau. Teil 1: Stadtrechte, 5. Band, Die Stadtrechte von Zofingen, Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, Aarau 1914, URL : https : / / www. ssrqsds fds . ch / online / AG_I_5/ index.html (Bischof Ribi an der Ausfertigung beteiligt); W ALTHER M ERZ , Hrsg., Die Rechtsquellen des Kantons Aargau. Teil 1: Stadtrechte, 4. Band, Die Stadtrechte von Bremgarten und Lenzburg, Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, Aarau 1909, URL : https: / / www.ssrq-sds-fds.ch/ online/ AG_I_4/ index.html, S. 208 (Landvogt Rudolf von Nidau an der Ausstellung beteiligt); ebd., S. 208f. F ERDINAND E LSENER , Hrsg., Die Rechtsquellen des Kantons St. Gallen. Teil 2, Rechte der Landschaft, Band 1, Landschaft Gaster mit Wesen, Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, Aarau 1951, URL : https: / / www.ssrq-sds-fds.ch/ online/ SG_III_1/ index.html, S. 403f. 103 Ausführlich zur Geschichte der Familie Ribi und insbesondere Johann siehe T HEODOR L IEBENAU , Bischof Johann von Gurk, Brixen und Cur und die Familie Schultheiss von Lenzburg, in: Argovia. Jahresschrift der Historischen Gesellschaft des Kantons Aargau 8 (1874), S. 141-317, DOI : 10.5169/ seals-21230, zu Johann ab S. 173. Hier und im Folgenden nach V ERONIKA F ELLER -V EST , Ribi [Schultheiss von Lenzburg], Johann, in: Historisches Lexikon der Schweiz, 2010, URL : http : / / www. hls dhs dss . ch / textes / d / D28642 . php, M EIER , Königshaus, S. 120, 130f. L IEBENAU , Schultheiss, S. 173-224 und J EANIN S IMONE G LARNER , «Dz wir sin phant sigent»: Familie Ribi Schultheiss von Lenzburg: Legitimation von Herrschaft zwischen Habsburg und Bern. Unveröffentlichte Lizentiatsarbeit der Universität Zürich, Zürich, Apr. 2010, S. 29-31. 104 Zum Privilegium Maius siehe M EIER , Königshaus, S. 130-132 und P ETER M ORAW , Das «Privilegium maius» und die Reichsverfassung, in: Fälschungen im Mittelalter: Internationaler Kongreß der Monumenta Germaniae Historica München, 16.-19. September 1986, hrsg. von M ONUMENTA G ERMANIAE H ISTORICA , Bd. 3, 5 Bde., Hannover 1988, S. 201-224. 105 L IEBENAU , Schultheiss, S. 177. 194 <?page no="194"?> deres Profil hatte der Landvogt, Rudolf IV. von Nidau: Er war als Heerführer an mehreren Schlachten beteiligt und neben habsburgischen Interessen vertrat er auch stark seine eigenen. Begütert im Grenzland zwischen Bern, Solothurn, Basel und Habsburg, vermochte er seine Position mittelfristig zu sichern und an seinen Neffen, Rudolf von Kyburg, den (scheinbaren) Erben seiner Wahl weiterzugeben. 106 Der Bischof als gelehrter und administrationserfahrener Mann und der kriegserfahrene Landvogt bildeten ein schlagkräftiges Duo. Die Einzelblattkopie fand keinen Eingang in das Schriftrepertoire der Institution Königsfelden, obwohl natürlich vereinzelt, insbesondere bei der Bestätigung von Freiheiten und Privilegien, Vidimusse und Transsumpte angelegt wurden. Die Anlage von Büchern mit eingefügten Kopien wurde jedoch bereits im zweiten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts wieder aufgenommen. Diesmal war jedoch nicht mehr Agnes von Ungarn maßgeblich an der Herstellung beteiligt, sondern die Minderbrüder. 4.3 Ein Kopialbuch und Dorsualnotizen für die Franziskaner Die große Mehrheit der aus dem 14. Jahrhundert überlieferten Schriftstücke Königsfeldens weist einen mehr oder weniger engen Bezug zum Klarissenkonvent auf. Die Rolle der Franziskaner war aus Sicht des produzierten Schriftguts eher marginal. Mit Beginn des 15. Jahrhunderts und der Herstellung eines eigenen Kopialbuchs können die Franziskaner zum ersten Mal in größerem Umfang als Schriftproduzenten nachgewiesen werden. Das Heft besitzt bei weitem nicht dieselbe Ausstrahlung wie das erste Kopialbuch, dennoch demonstriert es, dass und wie die Franziskaner innerhalb der Institution Königsfelden mit gestärktem Selbstbewusstsein auftraten und nicht zuletzt gegenüber den Klarissen eigene Ansprüche anmeldeten. Mit diesem Werk wurde gleichzeitig zum ersten Mal in der Geschichte des Konvents eine Sammlung von Dokumenten angelegt, um die Papiere und Pergamente der Franziskaner in Königsfelden zu strukturieren. Die Rolle der Dokumente in der Verwaltung der Franziskaner muss daher an dieser Stelle erstmals intensiver beleuchtet werden. Die neuen Verhältnisse werden nicht nur durch die Anlage eines Kopialbuchs ausgedrückt, auch eine kleine Schicht an Dorsualnotizen, die im Kapitel zu den Dorsualnotizen nur ganz am Rande angesprochen wurden, zeigt, dass die Minderbrüder ihre Aufbewahrung ordneten und ihr Konvent als eigenständiger Akteur handelte. Diese regelrechte Emanzipationsbewegung der Franziskaner könnte auf Konflikte mit den Klarissen hinweisen, die bereits kurz im Zusammenhang mit dem Umgang mit Zeugen und Schriftstücken vor Gericht angesprochen wurden. 107 Das Kopial- und Jahrzeitenzinsbuch von 1416 Der erste Eindruck dieses zweiten Kopialbuchs macht diverse Unterschiede zum Vorgängerschriftstück deutlich. Das Werk wurde auf dem zu Beginn des 15. Jahrhunderts aufkommenden Papier geschrieben und nicht mehr auf teurem Pergament. 106 Zu Rudolf IV. von Nidau, siehe P ETER N IEDERHÄUSER , Nidau, Rudolf IV. von, in: Historisches Lexikon der Schweiz, 2011, URL : http: / / www.hls-dhs-dss.ch/ textes/ d/ D29244.php. 107 Siehe oben ab S. 84. 195 <?page no="195"?> Abbildung 4.4: Einblick ins Kopialbuch Ia, AA/ 0428a, Kopial- und Jahrzeitenzinsbuch des Franziskanerkonvents Königsfelden (1417), S. 27. 196 <?page no="196"?> Obwohl die Qualität des Beschreibstoffes angemessen war, so ist damit doch eine andere Aussagekraft verbunden. Zwar von geübter Hand verschriftlicht, erfolgte die Erarbeitung mit einer geringeren Sorgfalt. Bereits die Anordnung der Abschriften erforderte weniger Vorbereitung, denn anstelle von zwei Spalten wurde nur noch eine angelegt. Weder Anlageintention noch Ausstrahlung des Stücks sind daher vergleichbar mit dem ersten Kopialbuch. Ein Gegenüberstellen der beiden Stücke war nicht beabsichtigt. Selbst der Prozess der Verschriftung ging weniger sorgfältig vonstatten, so wurde etwa ein Stück gleich zweimal hintereinander abgeschrieben. 108 Beim Heft der Franziskaner handelt es sich nicht um ein reines Kopialbuch. Neben Abschriften von Urkunden wurden auch Zinsen für Jahrzeitleistungen eingetragen. Die Beschreibung als «Mischhandschrift» ist entsprechend zutreffend, wobei die Kopien zahlenmäßig überwiegen. Wichtiger als die Beschreibung als Kopialbuch sind die Komposition des Buchs und der Hintergrund der Herstellung, der auch auf die Gebrauchsumstände schließen lässt. Aus ökonomischer Perspektive waren die eingetragenen Jahrzeitstiftungen zwar für die Franziskaner wichtiger und dennoch stellen die Kopien mit 57 Einträgen die quantitative Mehrheit. 109 17 Urkunden wurden nicht als Ausfertigung überliefert, von diesen sind 14 nur einmal als Kopie (nämlich im vorliegenden KB Ia) überliefert. Drei wurden zusätzlich als Kopie oder in Regestenform in der dritten Kopialbuchreihe (um 1530) oder im Regestenbuch (um 1570) vermerkt. 110 Obwohl mit einer Überlieferungsquote von 70% unwesentlich mehr überliefert wurde als im ersten Kopialbuch (Verlustquote von 41%), sagt die Zahl wenig über die Aufbewahrung durch die Franziskaner aus. Denn bei den abgeschriebenen Stücken handelt es sich nicht ausschließlich um jene Stücke, die von den Franziskanern aufbewahrt wurden, sondern auch um solche, die die Klarissen besaßen und den Franziskanern zum Kopieren zur Verfügung stellten. 111 Im Zuge der Anlage des Kopialbuchs konnten offensichtlich auch Dokumente der Klarissen abgeschrieben werden. Allgemein setzte sich in Königsfelden die Praxis durch, für die Anfertigung von Kopialbüchern einen Zugang zu allen Dokumenten beider Konvente zu gewähren - wahrscheinlich um die Zusammengehörigkeit der beiden Konvente durch die Abschrift von Privilegien und Bestätigungen zu betonen, sicherlich aber auch, da im ersten Kopialbuch eine Vielzahl von Dokumenten aus beiden Konventen abgeschrieben werden durfte. 112 Das Kopialbuch lässt sich auf kurz nach 1416 datieren: Das erste eingetragene Dokument stammt von 1416 und die weiteren von der ersten Hand eingetragenen Do- 108 Stücknummer 24 und 25 sind identisch. StAAG AA/ 0428a, fol. 46-47 und fol. 47-48. 109 Das doppelt abgeschriebene Stück wurde zweimal gezählt. 110 AA/ 0430, Kopialbuch III, Bd. 1 (1530), fol. 408r.; AA/ 0432, Kopialbuch III, Bd. 3 (1530), fol. 426r. Zur Kopialbuchreihe siehe unten ab S. 220 und zum Regestenbuch im Kapitel zu den Aufbewahrungspraktiken ab S. 254. 111 Die Überlieferungsrate wird für spätmittelalterliche Kopialbücher selten berechnet. Im Vergleich zu einem wenig später entstandenen Kopialbuch des Spitals St. Gallen stellt sich die Überlieferung als vergleichbar dar. S ONDEREGGER ermittelt eine Überlieferungsquote von 69% für ein Kopialbuch von 1430, siehe S ONDEREGGER , Zahlen, S. 440f. 112 Der freie Zugang zu Dokumenten während der 1330er Jahre, wohl durch das Umfeld der Agnes von Ungarn, überrascht nur bedingt, war es doch die Königin selbst, die sich für die Ausstattung der Franziskaner verantwortlich fühlte und diese als ihre Nachlassverwalter einsetzte. 197 <?page no="197"?> kumente aus der Zeit zuvor. Spätere Dokumente wurden bis 1423, jedoch von anderer Hand eingetragen. Vor dem Nachtrag fand zwar ein Lagenwechsel statt, da auf dieser jedoch auch noch Stücke von der ersten Hand nachgewiesen werden können, lässt sich ausschließen, dass das Heft um 1423 um Papierlagen erweitert worden ist. 113 Die Nachträge waren nichts anderes als ein Ausnutzen der leer gelassenen Seiten. Denn auf die Nachträge folgten Einträge zu Zinsenden und Jahrzeiten, die wieder von der ersten Hand verschriftlicht wurden. Gleichzeitig zum Kopialbuch wurden mehrere Stücke auf der Rückseite markiert. Die Dorsualnotizen entsprechen dabei den Einleitungssätzen im Kopialbuch und funktionieren nach dem Schema «littera de [Besitz/ Ortsangabe] in [Ort]». Die Zahl jener Stücke, die mit Sicherheit dieser Schicht zugeordnet werden können, ist mit zehn verhältnismäßig klein. Nimmt man an, dass die Verluste zu unterschiedlichen Zeiten erfolgten, lässt sich erklären, weshalb gewisse Stücke noch in spätere Kopialbücher übernommen wurden, während andere nicht beachtet wurden oder, genauer gesagt, nicht mehr abgeschrieben werden konnten. Denkbar ist auch, dass einige der Dokumente nach der Übertragung in die Kopialbücher zerstört worden sind, da das Buch ab dem Zeitpunkt der Produktion als maßgebend angesehen wurde. Derartige Praktiken waren im Hochmittelalter häufig und sind für zahlreiche Klöster nachzuweisen. 114 Für Königsfelden lässt sich nichts Entsprechendes zeigen, da die Mehrheit der Einzelblattdokumente trotz Eintragungen in die Königsfelder Kopialbücher (und auch in andere Kopialbücher aus der Zeit) bis heute in Urkundenform überlebt hat. Kopialbücher ersetzten in Königsfelden die Urkunden nicht, sondern wurden parallel zu diesen erstellt und aufbewahrt. Dabei stellt sich die Frage, ob die Aufbewahrung am selben Ort geschah oder unterschiedliche Standorte in den Konventen dafür ausgewählt wurden. Die Nennung der Äbtissin (abbatissa) in der Schicht zeigt, dass die Stücke eine Verbindung zwischen den beiden Konventen in Königsfelden demonstrieren und dass die Empfänger (im Fall der genannten Urkunden die Franziskaner) die Aufbewahrung der Stücke übernahmen. Bezüglich mittelalterlichen Urkundenausstellungspraktiken wird davon ausgegangen, dass die Stücke jeweils im Doppel ausgefertigt wurden, wobei Empfänger und Aussteller ein Exemplar erhielten. Da mit einer Ausnahme jeweils nur ein Exemplar in Königsfelden nachzuweisen ist, auch wenn die Stücke von den Klarissen für die Franziskaner oder umgekehrt ausgestellt wurden, so liegt nahe, dass die betreffenden Schriftstücke nur einmal angefertigt wurden und nicht zwecks Wissenserhalt durch den anderen Konvent doppelt produziert wurden. 115 113 Der Lagenwechsel findet in StAAG AA/ 0428a auf S. 92 (moderne Paginierung) statt, die zweite Hand drängt die Buchstaben enger zusammen und der Zeilenabstand ist praktisch nicht mehr sichtbar. 114 Siehe E RHART , Archiv, S. 65 und G EARY , Remembrance, S. 81-114, für Hoch- und frühes Spätmittelalter (insbesondere für den französischsprachigen Raum) siehe auch die Sammelbände G UYOTJEANNIN , M ORELLE und P ARISSE , Cartulaires und K OSTO und W INROTH , Charters, sowie den Forschungsüberblick oben S. 173. 115 Siehe G UYOTJEANNIN , M ORELLE und P ARISSE , Cartulaires, S. 233-237. Alternativ wäre die Eintragung in ein Register denkbar, was in Königsfelden nicht nachgewiesen werden kann. Nur in wenigen Fällen ist festzustellen, dass eine Urkunde mehrfach ausgestellt wurden. 198 <?page no="198"?> Die Auswertung des franziskanischen Kopialbuchs im Verhältnis zu den ausgefertigten Urkunden zeigt, dass auf den Ausfertigungen keine früheren Dorsualnotizen zu finden sind, das heißt, die Stücke wurden wohl bereits relativ früh im franziskanischen Konvent aufbewahrt und auch zur Zeit der Agnes von Ungarn gab es keine Aufbewahrung in der Institution Königsfelden, die alle Dokumente umfasste. 116 Die Franziskaner waren demnach wohl von Anfang an, jedoch sicher ab Beginn des 15. Jahrhunderts, für ihre Dokumente selbst verantwortlich. Eine kurze Übersicht der Stücke, die von der franziskanischen Hand dorsual beschriftet wurden, zeigt weiter, dass diese vorwiegend Anliegen der Minderbrüder betrafen. U.17/ 0059b, 9. März 1318 Der franziskanischen Provinzialminister (Bruder Heinrich von Thalheim) bestätigt, dass Michael von Cesena (Generalminister) der Bitte Agnes von Ungarns zur Regulierung der Konvente entsprochen hat. U.17/ 0061/ 01, 10. März 1318 Ordnung der Agnes von Ungarn (Exemplar der Barfüßer). U.17/ 0254a, 28. Mai 1354 Agnes von Ungarn bestimmt, dass die Äbtissin den Minderbrüdern jährlich eine festgelegte Menge Wein als Opferwein zur Verfügung stellen muss. U.17/ 0304, 24. Sep. 1360 Verpflichtung der Äbtissin und des Klarissenkonvents jährlich dem Franziskanerkonvent ein Fuder Wein (weißen Elsässer) zur Verfügung zu stellen. U.17/ 0306a, 20. Feb. 1361 Anordnung der Agnes, nach ihrem Tod ihr Haus abzureißen. U.17/ 0316, 23. Dez. 1362 Anordnung der Agnes, dass Kleinode zwar benutzt, jedoch nicht verkauft werden dürfen. Die Überwachung obliegt dem Provinzialminister der Franziskaner. U.17/ 0338, 11. Feb. 1367 Heini Dübelbeis von Thalheim verkauft eine Mühle an die Äbtissin und das Kloster. U.17/ 0382, 30. Mai 1379 Gerichtsurteil auf dem Bözberg zu Gunsten Königsfeldens, um versessene Zinsen in Iberg. U.17/ 0447, 18. Dez. 1400 Auseinandersetzung zwischen den Franziskanern und Peter Ammann vor dem Landvogt (Johann von Lupfen) um ein Jahrzeitgut. Ammann behauptet, dass ihm die Abgabe durch die Klarissen erlassen worden sei. Der Landvogt entscheidet zu Gunsten der Franziskaner. U.17/ 0454, 25. Mai 1403 Lehensausstellung (Revers) einer Hube für Hans Bollinger (von Birmenstorf) in Birmenstorf durch die Franziskaner. 116 Zusammenfassend zum Thema der Aufbewahrung bis ins frühe 15. Jahrhundert, siehe unten ab S. 238. 199 <?page no="199"?> Aus der Perspektive der Dokumentenaufbewahrung scheint diese Schicht die erste Unternehmung der Franziskaner zu sein, die eigenen Schriftstücke zu ordnen. Da jedoch nur verhältnismäßig wenige Papiere beschriftet wurden, stellt sich die Frage, ob es sich dabei lediglich um eine Bündelung von zeitweise benötigten Dokumenten oder gleich um den gesamten Schriftbestand handelt. Beide Annahmen sind nur bedingt zu stützen, sind doch die in den Urkunden angesprochenen Themen sehr disparat. Da auf mehreren Dokumenten ein inhaltlicher Bezug zum Franziskanerkonvent gefunden werden kann, liegt der Verdacht nahe, dass es sich bei den genannten Dokumenten um alle handelt, die von den Brüdern überliefert wurden. Folglich hatten die Klarissen auf die späten Anordnungen der Agnes nur bedingt Zugriff. Da jedoch nicht unbedingt strenge Klausurbedingungen herrschten und die Kopialbücher jeweils Dokumente aus dem anderen Konvent enthalten, kann davon ausgegangen werden, dass die Klarissen die Anordnungen kannten. 117 Sowohl der beurkundete Befehl der Agnes, dass ihre Wohnstätte nach ihrem Tod abgerißen werden sollte, wurde durch die Franziskaner aufbewahrt, als auch ein kurz vor dem Tod der Wohltäterin schriftlich ausgestelltes Gebot, das den Verkauf der Kleinode untersagte. Agnes vertraute den Franziskanern die Verwahrung der Preziosen an und machte sie und nicht die Klarissen zu den Verwaltern ihres Nachlasses. Die Dorsualschicht der Franziskaner, die die Ausfertigungen mit dem Kopialbuch und dem Franziskanerkonvent verbindet, ist aus einem weiteren Grund bemerkenswert: Es wurden nur Dokumente in die Schicht aufgenommen, die durch oder für Königsfelden ausgestellt wurden. Schriftstücke, die im Zuge von Gütererwerbungen an die Konvente gelangten und ohne Bezug zum Kloster produziert worden sind, und solche, die im Zuge der Archivfolge nach Königsfelden kamen, wurden nicht mit Dorsualnotizen beschriftet. Die Schicht von 1400 liefert für Königsfelden und konkret für den Franziskanerkonvent folglich zum ersten Mal Dokumente, die für die Franziskaner produziert und wohl als (kleine) Gruppe durch diese auch aufbewahrt wurden. Die Schicht ordnete die franziskanischen Stücke durch das Anbringen kurzer und weniger Informationen zum Inhalt der Urkunde, weiter wurden teilweise wichtige Protagonisten oder Orte genannt. Für die wenigen Stücke der Franziskaner war eine elaborierteres System zum Auffinden gar nicht nötig. Mit Hilfe des Kopialbuchs konnten alle Dokumente, die für den Franziskanerkonvent relevant waren, auch wenn sie im Klarissenkonvent aufbewahrt wurden, zugänglich gemacht werden. Mittels Abgleich des Einleitungssatzes und der Dorsualnotiz konnte eine Verbindung zwischen ausgefertigter Urkunde und dem Kopialbuch hergestellt werden. Somit kann im Kleinen von einer gut funktionierenden Aufbewahrung gesprochen werden. Ein Aspekt verdient am Rande Erwähnung: Mehr als die Hälfte der Stücke, die mit der Schicht beschriftet wurden, sollten nicht zur selben Zeit, wie die anderen Dokumente nach Bern transportiert werden, sondern später. Sie blieben auch länger, nämlich bis ins 20. Jahrhundert dort. Offensichtlich wurden sie nicht mit den anderen Königsfelder Stücken zusammen gelagert. Dies ist zu erkennen an der feh- 117 Friedrich IV. bemängelte dies in einer Urkunde vom 01. Juli 1398 (StAAG U.17/ 0437a). Siehe auch M ODDELMOG , Stiftungen, S. 180. 200 <?page no="200"?> lenden Archivsigle aus dem späten 16. Jahrhundert. 118 Im Vergleich mit den Stücken aus dem Klarissenkonvent ist dies außergewöhnlich, da die große Mehrheit bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts nach Aarau gebracht wurde. Es ist denkbar, dass der frühere Abtransport nach Bern die Überlieferungschance der Dokumente erhöhte, wurde doch eine Vielzahl von Dokumenten nur kopial überliefert. Eine Trennung der Aufbewahrungsorte über die Auflösung der Konvente hinaus muss folglich konstatiert werden. Die Überlieferungsverluste scheinen im Franziskanerkonvent daher um einiges höher gewesen zu sein als bei den Klarissen. 119 Die Herstellung des Kopialbuchs sicherte die eigenen (franziskanischen) Ansprüche gegenüber denjenigen der Klarissen. Obwohl zu Beginn des 15. Jahrhunderts ein Großteil der Besitzrechte bei den Klarissen lag und von diesen auch aktiv genutzt werden konnte, war die Rolle der Franziskaner dennoch gestärkt. Sie erhielten eigene Besitzungen und Rechte, vorwiegend für die Ausübung von Jahrzeiten. Ihr Anteil an den regelmäßigen Einkünften war ihnen Dank der Urkunden von Agnes versichert worden. Das Kopialbuch demonstriert und reproduziert diese Ansprüche und zeigt, dass sich die Franziskaner in Königsfelden dessen bewusst waren und sie durchzusetzen beabsichtigten. Denkt man an die beschriebene Auseinandersetzung mit Peter Amman zurück, 120 so wurden die eigenen Rechte gezielt verteidigt, ganz unabhängig von den Klarissen. Die lose Anlehnung an die Gestaltung und die Form des ersten Buchs (Kopialbuch I) beweist weiter, dass dieses in beiden Konventen bekannt und anscheinend mit Autorität ausgestattet war. Im Jahr 1418, also praktisch gleichzeitig zur Anlage des Kopialbuchs, traten die Brüder zudem als Urkundende auf, was dafür spricht, dass diese nun als - zumindest rechtlich - eigenständig angesehen wurden. 121 Weitere dreizehn Jahre später, 1431, bekamen die Franziskaner gar ein eigenes Siegel. 122 Zwei Jahre später erhielten sie darüber hinaus gar einen eigenen Jahrzeitmeister, der wohl analog zur Jahrzeitmeisterin der Klarissen agieren sollte. 123 Insgesamt zeigt sich ab Beginn des 15. Jahrhunderts eine Emanzipationsbewegung der Franziskaner in Königsfelden. Der Verlust eines Kopialbuchs Die Geschichte des Kopial- und Jahrzeitenzinsbuchs ist ein Beispiel dafür, welche (Irr-)Wege Bücher einschlagen können. Gleichzeitig zeigt der lohnenswerte Exkurs, wie mobil Schriftstücke waren. Im Jahr 1960 erhielt das Staatsarchiv Aargau aus Sarnen nach längeren Verhandlungen mit dem dortigen Benediktinerpriorat der Abtei Muri-Gries (bei Bozen, IT) ein Buch aus dem ehemaligen Franziskanerkonvent Kö- 118 Zu den Archivsiglen siehe unten S. 254. Bei einigen Stücken wurde die Archivsigle später, wahrscheinlich im 18. Jahrhundert angebracht. 119 Ein weiterer Grund ist wohl auch das Fehlen von größerem Grundbesitz bis Anfang oder Mitte des 15. Jahrhunderts. 120 Siehe oben S. 84. 121 Inwiefern das Papier von 1418 als Urkunde angesehen werden kann, ist umstritten. Obwohl das Stück eine Urkundenformel trägt, fehlen Siegel oder ähnliche Rekognitionszeichen. Siehe U.17/ 0514, 14. Sep. 1418. 122 K UHN , Frauen, S. 16. 123 Siehe L ÜTHI , Königsfelden, S. 195f. 201 <?page no="201"?> nigsfelden. 124 Wie das Stück aus Königsfelden nach Muri (Kt. AG, CH) gelangt war, lässt sich nicht rekonstruieren. Innerhalb des Hefts gibt es keine Nachträge, die auf Muri hindeuten oder mit benediktinischem Besitz in Verbindung gebracht werden könnten. Danach gelangte das Heft zusammen mit anderen Stücken aus dem Besitz der Benediktiner in Muri im Zuge der Flucht der Mönche Mitte des 19. Jahrhunderts zuerst aus dem Freiamt nach Sarnen (Kt. OW, CH) und von dort nach Muri-Gries im Südtirol. 125 Es ist insbesondere dem früheren Aargauer Staatsarchivar Georg Boner zu verdanken, dass das franziskanische Kopial- und Jahrzeitenbuch wieder in den Aargau zurückgebracht wurde und in den Bestand eingebettet werden konnte, der durch Dorsualnotizen auf das Buch verweist. 126 Bereits 1952 stand Boner mit dem damaligen Archivar von Muri-Gries, Pater Adelhelm Rast, in einem Briefwechsel. Nach einer nicht überlieferten Kontaktaufnahme durch Boner, antwortete Rast mit einem zweiseitigen Schreiben, das eine Beschreibung des Kopialbuchs enthielt. Bei Rast handelte es sich um einen interessierten und hilfswissenschaftlich versierten Pater. So ist beispielsweise ein durchgepaustes Wasserzeichen an den Brief geklebt, das sich im Papier des Kopialbuchs findet. 127 In seiner Antwort drei Tage später bedankt sich Boner ausführlich für die Beschreibung und ersucht um eine Überführung des Buchs in den Aargau: «Natürlich wäre mir sehr gedient damit, wenn die Handschrift bei Gelegenheit in die Schweiz gebracht werden könnte.» 128 Sowohl für Rast in Bozen als auch für Boner im Aargau schien ein Transport des jahrhundertealten Kulturguts über Landesgrenzen problemlos möglich. In seinem Schreiben sprach Rast von der Möglichkeit eines Transports, auch wenn «solche Sachen gut zu verstauen [seien] über die Grenze.» 129 Beide, Rast und Boner, waren sich also bewusst, dass ein solcher Transport ohne diplomatischen Austausch illegal war. Umgesetzt wurde das Unterfangen schließlich erst acht Jahre später und im Zuge des Kulturgütertausches mit dem Priorat Sarnen. 130 Wie sich herausstellen sollte, 124 Die Herausgabe erfolgte nach einem politisch höchst umstrittenen und langwierigen Tauschgeschäft, das vorwiegend Bestände der Bibliothek und des Archivs des Klosters Muri umfasste. Siehe A NNINA S ANDMEIER -W ALT , Austausch, Wiedergutmachung oder doktrinäre Forderung? Der Kulturgütertausch zwischen dem Kanton Aargau und dem Kloster Muri-Gries von 1947-1960, in: Unsere Heimat 78 (2011), S. 117-164, URL : http: / / www.geschichte.klostermuri.ch/ images/ publikationen/ sandmeier_kulturguetertausch.pdf. 125 Zur Klosterauflösung siehe M EIER , Muri, S. 112-122 und R UPERT A MSCHWAND , Abt Adalbert Regli und die Aufhebung des Klosters Muri, Beilage zum Jahresbericht des Kollegium Sarnen, Sarnen 1956. 126 Die Rolle Boners im Kulturgütertausch wurde noch nicht eingehend untersucht. Als Gutachter in seiner Position als Staatsarchivar, gleichzeitig als Kirchenhistoriker mit großem Interesse an Königsfelden und als Katholik nahm er eine zentrale Stellung zwischen den Parteien ein. 127 Schreiben Rast an Boner, vom 23. März 1952. StAAG NL.A/ 0015 (Nachlass Boner), 0008, Mappe «Klosterbibliotheken». Der Brief macht deutlich, dass sich Boner und Rast persönlich kannten und sich wohl freundschaftlich gesinnt waren, führt Rast doch einiges zu seiner eigenen Situation, dem Wetter und weiterem aus. 128 Abzug des Schreibens von Boner an Rast, vom 26. März 1952. StAAG NL.A/ 0015 (Nachlass Boner), 0008, Mappe «Klosterbibliotheken». 129 Schreiben Rast an Boner, vom 23. März 1952. StAAG NL.A/ 0015 (Nachlass Boner), 0008, Mappe «Klosterbibliotheken». 130 Boner gab selbst eine Stellungnahme zum Tausch ab, zweifelte jedoch an, ob die Bestände in Sarnen genutzt würden. Gutachten Boner «Zur Frage einer eventuellen Herausgabe der ehe- 202 <?page no="202"?> war nicht die Landesgrenze das größte Hindernis, sondern die divergierende Auffassung der beiden involvierten Institutionen (das Kloster Muri-Gries und sein Priorat in Sarnen sowie der Kanton Aargau), wie genau mit den Kulturgütern verfahren werden sollte. Das Buch aus Königsfelden stellte nur einen kleinen, unumstrittenen Teil dar, viel problematischer waren die Verhandlungen, wie mit den ehemaligen Schriftgütern aus dem aufgelösten Kloster Muri umgegangen werden sollte. 131 Die Mönche forderten eine öffentliche Entschuldigung des Kantons für die Zwangsaufhebung hundert Jahre zuvor. Zentral für den Kontext dieses Kapitels ist die Feststellung, dass das Heft mit franziskanischem Produktions- und Aufbewahrungshintergrund nach der Auflösung des Klosters Königsfelden offenbar nach Muri gebracht wurde. Von Franziskanern, die sich nach der Auflösung der Konvente in Königsfelden dem benediktinischen Orden angeschlossen hätten, ist nichts bekannt. Bezüglich der Überlieferung von Dokumenten aus dem Minderbrüderkonvent muss folglich konstatiert werden, dass wohl vieles verloren ging, wenn nicht einmal ein solch konstitutives Buch wie das Kopialbuch vor Ort aufbewahrt worden ist. Entsprechend ist die franziskanische Überlieferung von weit höheren Dokumentenverlusten betroffen als die der Klarissen. Während des Bestehens der Konvente muss von einer getrennten Aufbewahrung der Bestände ausgegangen werden. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden die Stücke in einem Bestand vereint - eine Tatsache, die bis heute durch fortlaufende Nummerierung und Einordnung im selben Bestand verdeckt ist, jedoch immer mitgedacht werden muss, wenn von der Gesamtheit des Bestandes ausgegangen wird. Der Abtransport des Kopialbuchs nach Muri eröffnet auch eine Perspektive auf die «Klosterlandschaft Aargau». Zukünftige Forschung sollte auf mögliche Verbindungen zwischen den Schriften in den unterschiedlichen Klöstern des historischen Aargaus achten, unabhängig von der Ordenszugehörigkeit. Neben Wettingen und Muri gehören auch Hermetschwil, St. Urban und die nur kurze Zeit existierenden Drittordenshäuser und Spitäler in den Städten des Umlands, insbesondere in Baden und Aarau, dazu. Es ist gut möglich, dass weitere Stücke in mehreren Konventen benutzt oder zumindest aufbewahrt wurden. Auf die Überlieferung der franziskanischen Schriftgüter wurde im Unterschied zu den Schriftdokumenten des Klarissenkonvents zur Zeit der Klosteraufhebung um 1530 weniger Sorgfalt gelegt, wohl weil der Großteil der franziskanischen Güter und Rechte an Jahrzeitleistungen geknüpft war, die nach der Aufhebung des Klosters nicht mehr geleistet wurden. Aufgrund der hohen Fehlzahl von Dokumenten in Einzelblattausfertigung muss denn auch von einer relativ hohen Verlustrate ausgegangen werden. Eine systematische Zerstörung der franziskanischen Dokumente ist zusätzlich wahrscheinlich, da die Gebäude von Franziskanerkonventen dem Papst gehörten, insofern lag es im Interesse Berns möglichst alle franziskanischen Spuren vergessen zu machen. Vielleicht stellte die Nichtbeachtung des franziskanimaligen Klosterbibliothek von Muri an die Benediktiner von Muri-Gries in Sarnen, undatiert, wohl 1954. StAAG NL.A/ 0015 (Nachlass Boner), 0008, Mappe «Klosterbibliotheken». 131 Dennoch ist zu überlegen, inwiefern das Kopialbuch für Boner von Bedeutung war. Aufgrund seiner diversen Arbeiten zu Königsfelder und dessen Überlieferung, ist davon auszugehen, dass er selbst ein großes Interesse am Kloster hatte und sich nicht zuletzt aus diesem Grund für den Austausch einsetzte. 203 <?page no="203"?> schen Schriftguts einen bewussten Versuch Berns dar, sich die Güter einzuverleiben, ohne sich dabei mit den Jahrzeitleistungen auseinandersetzen zu müssen. Die Güter der Franziskaner könnten also wie jeder andere Teil des Klosterbesitzes behandelt worden sein. Auffällig bleibt in der Nachverfolgung des Weges eines äußerlich relativ unansehlichen und wohl nicht mehr gebrauchten Schriftstücks, dass dieses trotz allem die Zeit überdauerte. Die Vernichtung von Schriftstücken ist ein häufig vorgebrachtes Argument, wenn es um die Erklärung von Überlieferungslücken und fehlenden Dokumenten geht. Betrachtet man nur diesen einen Fall, erscheint die Zerstörung von Schriftstücken jedoch kein simpler Vorgang, der ohne Weiteres erfolgte. Aus der Perspektive der Aufbewahrung fällt bei der Geschichte des Hefts ebenso auf, dass ein Kopialbuch unabhängig vom institutionellen Kontext über mehrere hundert Jahre aufbewahrt werden konnte, ohne dass dieses den aktuell Aufbewahrenden von (offensichtlichem) Nutzen war. Rückschlüsse, welche Aufbewahrung nur in enger Beziehung zwischen Gebrauch und Notwendigkeit der einzelnen Dokumente sehen, können somit, zumindest für diesen Einzelfall, negiert werden. 4.4 Bodenzins- und Rechnungshefte im 15. Jahrhundert Mit der Äbtissin Elisabeth von Leiningen kam Ende des 14. Jahrhunderts nicht nur eine nahe Verwandte von Herzog Friedrich IV. in Königsfelden an die Macht, sondern auch die erste wichtige, weibliche Führungsperson, seit dem Tod von Agnes von Ungarn. Über sie ist weit weniger bekannt als über Agnes, jedoch hinterließ auch sie Schriftgut, das für Königsfelden prägenden Charakter bekommen sollte. Bereits um 1411 wird sie als Äbtissin Königsfeldens genannt. 132 Sie sollte sich als eine der einflussreichsten Persönlichkeiten der Konvente herausstellen, da sie als Tante in Kontakt mit Herzog Friedrich IV. und seiner Frau stand. 133 Sie war Äbtissin als Königsfelden das Eigenamt, ein geographisch kleinräumiges, symbolisch jedoch wichtiges Gebiet, als Herrschaft erhielt. 134 Elisabeth trat wahrscheinlich bereits vor 1386 dem Konvent bei (Leopold III. soll ihr selbst ein Leibgedinge zugewiesen haben). 135 Zwischen 1412 und 1414 scheint sie kurzfristig nicht mehr als Äbtissin geamtet zu haben. 136 Gründe für den kurzfristigen Rücktritt aus dem Amt finden sich keine. Da Elisabeth bereits 1415 wieder im Amt nachgewiesen werden kann, hat der Rückzug wohl nichts mit der Eroberung des Aargaus und ihren Verbindungen mit den Herzogen von Österreich zu tun. 137 132 Einen Nachweis dazu findet sich in B ONER , HS: Barfüßerkloster, S. 572. 133 Siehe dazu auch M ODDELMOG , Stiftungen, S. 186. 134 Gemäß sich im 14. und 15. Jahrhundert entwickelnden Narrativen lagen die «ursprünglichen» Besitzungen der habsburgischen Dynastie in diesem Gebiet. Die Habsburg - als Stammburg - markiert das Zentrum desselben. 135 Siehe M ODDELMOG , Klarissen, S. 156. 136 In der Zeit wird Margareta von Grünenberg in Urkunden als Äbtissin tituliert: U.17/ 0492, 14. Okt. 1412; U.17/ 0494, 28. Juli 1413; U.17/ 0496, 22. Juni 1414, siehe auch B ONER , HS: Barfüßerkloster, S. 573. 137 1415 wandte sie sich wieder als Äbtissin an Anna von Braunschweig, die Frau von Friedrich IV.: TLA, Fridericiana 15/ 2. 204 <?page no="204"?> Durch ihre lange Amtszeit, gemäß Urkunden bis 1455, 138 war sie prägend für das Kloster. Es ist nicht vermessen, ihre Verwandtschaft zum Haus Habsburg als einen Grund für die guten Beziehungen mit den Herzogen und mit Kaiser Friedrich III. anzunehmen. Wie die Vidimus-Praktiken Friedrichs zeigten, 139 nutzte sie gekonnt die frühen Dokumente des Konvents, um die Gunst des Kaisers zu erwirken. Sie ließ ein erstes Bodenzinsurbar anlegen, das eine simple Struktur aufweist, jedoch die Verwaltung des gesamten Klosters auf ein neues Fundament stellte: Nach Orten gegliedert, beginnend im Eigenamt (mit Windisch, Oberburg und Brugg als erste Orte), bewegt sich die Aufnahme langsam erst südlich, dann wieder Richtung Norden und springt schließlich über die Aare (enent der Aren) ins Fricktal und weiter über Waldshut ins Elsass. Von 1432 datiert der letzte Eintrag im Heft. Bezüge zur Rechnungslegung finden sich keine, vielmehr ging es um die Ordnung der verwalteten Güter. Dieser Teil fokussiert einerseits auf die erste überlieferte Verwaltungsquelle, die die Abgaben an die Konvente umfassend in Urbarform nachvollziehbar macht, 140 andererseits werden aber auch die daraufhin angelegten Rechnungshefte des Niklaus Fricker angesprochen, der zwischen 1450 und 1457 die Wirtschaftsleistungen verschriftlichte. Durch den Fokus auf die Abschriften bleibt jedoch das Bodenzinsurbar zentraler Dreh- und Angelpunkt. Die Analyse der neuen Schriftguttypen soll Aufschlüsse zum Umgang mit Schrift während der Zeit von Elisabeth von Leiningen erlauben. Gleichzeitig kann aufgezeigt werden, an welchen Stellen die Konvente und ihre Wirtschaftsführung auf Probleme stießen. Untersuchungen zu spätmittelalterlichen Urbaraufnahmen, aber auch Rechnungen und Rechnungsbüchern, waren für die Erforschung der habsburgischen Herrschaft und Verwaltung bereits seit dem Ende des 19. Jahrhunderts von großer Wichtigkeit, liegt doch mit dem «habsburgischen Urbar» ein Überlieferungsschatz in den Archiven der Schweiz und des nahen Auslands, der einmalig im deutschsprachigen Raum ist. Aus den Urbaraufnahmen, die später als ein großes Unternehmen gedeutet wurden, lässt sich um 1300 keine durchorganisierte Administration im Gebiet des heutigen Aargaus erkennen. 141 Erschwerend kommt hinzu, dass die Abschriften aus dem habsburgischen Urbar für einige eidgenössische Städte eine zentrale Funktion hatten, da demonstriert werden konnte, dass die Herrschaft von Habsburg an die neuen Herren übergegangen war. 142 Mit den Forschungen zu Schriftkultur und Schriftlichkeit gegen Ende des letzten Jahrhunderts konnte demonstriert werden, dass es sich insbesondere bei Urbaraufnahmen um normatives Schriftgut handelt, das wenig mit den abgebenden Perso- 138 In U.17/ 0611, 21. Feb. 1440, wird sie ein letztes Mal genannt. 139 Siehe oben ab S. 88. 140 Einleitend zu Urbaren und deren problematische Rolle als Wirtschaftsschriftgut siehe S ABLO - NIER , Verschriftlichung. 141 Siehe die Edition des Urbars (insbesondere das Vorwort): R UDOLF M AAG , Hrsg., Das Habsburger Urbar. Band 2,1: Pfand- und Revokationsrödel zu König Albrechts Urbar, frühere und spätere Urbaraufnahmen und Lehensverzeichnisse der Laufenburger Linie, Bd. 2.1, 2 Bde., Quellen zur Schweizer-Geschichte 15, Basel 1894 und den Versuch, die Urbaraufnahmen aufzudröseln und in ihren einzelnen Stücken zu kontextualisieren: B ÄRTSCHI , Urbar. 142 Ebd., S. 110-120. Analog dazu lässt sich die Anfertigung von Abschriften aller Königsfelder Dokumente nach der Auflösung der Konvente um 1538 deuten. Siehe dazu unten ab S. 220. 205 <?page no="205"?> nen zu tun hat, sondern vielmehr Herrschaftsansprüche anmeldete und die personalisierte Administration zu kontrollieren versuchte. 143 Die Anlage eines Bodenzinsurbars in Königsfelden Die Aufnahme von urbarartigen Abrechnungen um 1430, verbunden mit der Anlage des Heftes zeigt eine ähnliche Entwicklung im Konvent der Frauen wie bei den Franziskanern wenige Jahre zuvor bei der Anlage ihres Kopialbuchs. Denn auch das Heft knüpft, wenn auch sehr lose und auch nur annäherungsweise in der visuellen Anlage, am ersten Kopialbuch an. Die Einleitung der Aufstellungen, hier genauer die geographische Verortung (handelt es sich doch durchwegs um Identifikationen der lokalen Gegebenheiten), wurde wie im Kopialbuch mit roter Tinte angefertigt. Ebenfalls wurden die Einträge der ersten Hand jeweils mit roten Zierstrichen versehen. Spätere Nachträge im Heft hielten sich nicht an diese Vorgabe, da das Buch bereits zum Arbeitsmittel geworden war. Bei der Anlage selbst stand dagegen offensichtlich nicht nur ein pragmatischer Zweck im Zentrum. Dennoch zeigt sich, dass im Gegensatz zum früheren Kopialbuch diverse Aspekte einfacher umgesetzt wurden. Papier wurde verwendet und nicht Pergament. Anstelle von zwei Spalten mit aufwändigem Zeilenumbruch genügte eine Spalte. Entsprechend wurden auch nicht mehr einzelne Zeilen, sondern nur noch ganze Textblöcke mit speziellem Werkzeug vorgezeichnet. In der bis heute wichtigen Archiverschließung durch Walter Merz wurde das Stück als «Zinsbuch I» verzeichnet und in eine Reihe mit später produzierten Stücken gestellt, die der Verwaltungssphäre zugeschrieben werden können und klassischerweise vorwiegend auf ihre ökonomischen und vielleicht noch prosopographischen Aussagen hin untersucht wurden. 144 Da wirtschaftsgeschichtliche Fragestellungen für die vorliegende Arbeit nicht zentral sind, ist es nicht möglich, aus dem Heft für dieses Themenspektrum fundierte und belastbare Aussagen zu ziehen, jedoch lassen sich Aussagen zum Stand der Verwaltung und zu Vorgängen in derselben nachvollziehen, indem das Stück in seiner Materialität betrachtet wird. Die Datierung auf 1432 erschließt sich aus dem Eintrag zu Altenburg (fol. 1v). Da es sich jedoch unter Umständen um einen Nachtrag handelt, war die Anlage des Hefts dann bereits abgeschlossen. 145 Die Herstellungszeit fällt sicherlich mit der langen Amtszeit der Äbtissin Elisabeth von Leiningen zusammen, da mehrfach Bezüge 143 Siehe stark relativierend bezüglich Aussagekraft von Urbaren für Wirtschaftsleistungen: S ABLONIER , Verschriftlichung. Für eine tiefgreifende Analyse der Geschichte der Rezeption und Re-produktion von Urbaren siehe E GLOFF , Herr. 144 W ALTHER M ERZ , Repertorium des Aargauischen Staatsarchivs. Teil 1: Der bernische Aargau und die Grafschaft Baden, Bd. 1, 2 Bde., Aarau 1935, S. 26, siehe auch D ANIELA S AXER und M ONIKA B URRI , Quellen zur Königsfelder Klosterwirtschaft des 15. und 16. Jahrhunderts, in: Argovia. Jahresschrift der Historischen Gesellschaft des Kantons Aargau 108 (1996), S. 243-272, DOI : 10.5169/ seals-13505, S. 256-261. 145 AA/ 0464, Bodenzinsurbar (1432), fol. 1r. Im Inhaltsverzeichnis bzw. im register fehlt ein Eintrag zu Altenburg. Der Begriff register ist die Selbstbezeichnung auf der Seite: Tabula huius register. 206 <?page no="206"?> zu ihrer Person gemacht werden, 146 die Datierung des Bodenzinsrödels auf zwischen 1416 und 1432 erhärtet sich somit. Die Erarbeitung der einzelnen Einträge geschah sehr sorgfältig in einer Kursive, durchsetzt mit Rubrizierungen. Sicherlich ging der Produktion des Zinsbuchs eine Erarbeitungsphase und die Zusammenstellung von Vorschriften voraus, da das Schriftstück nicht ad-hoc, also etwa vor Ort bei Abgabezeremonien, produziert worden sein konnte. Bis auf ganz wenige Ausnahmen wurden in der ersten Arbeitsphase alle Seiten von einer Hand beschrieben, die als geübt bezeichnet werden kann. Der Hauptteil des Buchs besteht aus urbarartigen Aufnahmen, die es kurz vorzustellen gilt. Die einzelnen Punkte, jeweils mit Item eingeleitet, benennen eine Person, die von einem Gut (selten aufgrund eines Rechts) eine bestimmte Abgabe leisten soll: Item aber sol Ruedi Wehter ierl[ich] 7 1/ 2 viertel roggen 14 viertel haber 1/ 2 swin gilt ein gantzes 9 Pfund 4 Schilling 1 herbst huon 1/ 2 vasnaht huon und 15 eyger von dem guot dz Uelli Wernher und der Buman vor mals ietweder halbes hette. 147 Die Mehrheit der Seiten des Buches besteht aus Aufstellungen wie dem Eintrag oben. Das System wurde (von Nachträgen hier abgesehen) durchgehalten und für alle Besitzungen, die der Klarissenkonvent sein Eigen nannte, durchgeführt. Über die Art der Erhebung finden sich keine Angaben. Narrative Elemente fehlen fast vollständig, abgesehen von einigen Verweisen in der Aufnahme, wenn es um Twing und Bann geht, sowie in der die Verschriftlichung von Weistümern, jeweils am Ende von geographischen Einheiten. 148 Bei der Ausgestaltung der Einträge fällt auf, dass häufig mehrere Personen Güter und insbesondere Matten bearbeiteten, wobei darauf geachtet wurde, dass eine Gesamtabgabenhöhe definiert und damit nicht aufgeteilt wurde, wer genau in welcher Höhe Zins oder Pacht leisten musste. Das Bodenzinsurbar konnte soweit nur mittelbar zur Kontrolle von Abgaben verwendet werden und war zum Zeitpunkt der Erarbeitung sicherlich nicht nur dafür genutzt worden. Es ist jedoch gut möglich, dass später mit Hilfe des Stücks eine Kontrolle der Abgaben durchgeführt wurde, vermerkten doch spätere Hände, dass neue Pächter Güter bearbeiteten - wie etwa auf fol. 2r. der Nachtrag zum Eintrag der capellerin beschreibt: hät nun die alt Schnelmanin. 149 Weistumsaufnahmen im Bodenzinsurbar Neben den Urbaren wurden auch Weistümer im Buch verschriftlicht. Im Gegensatz zu den Aufnahmen der Abgaben finden sich jedoch nicht zu allen Teilen des Königsfelder Besitzes Rechtsaufnahmen. Nur zu einigen Höfen wurden Weistümer abgeschrieben. Dabei handelt es sich durchwegs um Besitzungen, für die ähnliche Stücke 146 So bekommt sie etwa mit 10 Pfund mehr als die Hälfte der im Eigenamt zu leistenden Steuern. Ebd., fol. 1. 147 Ebd., fol. 2r. (zweiter Eintrag). 148 Siehe etwa zu Ellenwihr ab fol. 126r. Die Behandlung der Weistümer erfolgt im nächsten Abschnitt. 149 StAAG AA/ 0464, fol. 2r. die Nachtragehand ist von Niklaus Fricker. 207 <?page no="207"?> bereits bestanden und nur - leicht modifiziert - abgeschrieben werden konnten. Erlinsbach (Rechtung/ Weistum auf fol. 90r-92v) wurde von Einsiedeln erworben, bereits früher wurden in Erlinsbach Weistumsaufnahmen durchgeführt, so wird Königsfelden wohl auch in den Besitz der Aufnahmen gekommen sein. 150 Dottikon (Rechte/ Weistum auf fol. 94r-95v) erhielt Königsfelden von Muri, wobei keine Kaufurkunde überliefert ist, die den Erwerb bestätigt. Einzig aus der Mitte des 14. Jahrhunderts stammt ein Rödel mit dem Weistumstext, der knapp hundert Jahre später in das Zinsbuch übernommen wurde. 151 Anders gestaltet es sich bei den Höfen Elfingen und Birmenstorf, für diese wurden zwar Weistümer verschriftlicht, Vorlagen der Weistümer sind jedoch keine bekannt. Elfingen stammt aus dem Besitz des Klosters Murbach (Leodegar wird noch im Weistum genannt), die Weistumstradition erklärt sich demnach vor diesem Hintergrund. 152 Bei Birmenstorf ist der Fall schließlich am unklarsten, die Abfassungszeit wird auf Ende des 14. Jahrhunderts geschätzt, die genauen Umstände der Produktion können jedoch nicht nachvollzogen werden. Spekulative, jedoch plausible Interpretationen datieren die Produktion auf die Zeit direkt nach der Schlacht von Sempach. 153 Vielleicht steht die Verschriftlichung im Zusammenhang mit dem Neubau des Kirchenchores von 1440. Bezogen auf den Teil der Weistümer lässt sich somit mehrheitlich zeigen, dass keine neuen Aufnahmen durchgeführt, sondern alte Dokumente neu verschriftlicht wurden. Im Gegensatz zu anderen Fällen wurde jedoch nicht der Versuch unternommen, aufgrund narrativer Strukturen eine Aufnahme vor Ort nachzuahmen. 154 Herstellungshintergründe des Heftes Das erste Bodenzinsbuch macht denn auch nur in der Gesamtschau Sinn. Als Einzelteile betrachtet, kann nicht erklärt werden, weshalb Aufnahmen der Zinsenden und Weistümer neben einander gestellt wurden. Insgesamt ist das Buch jedoch eine Darstellung des Königsfelder Besitzes, die Vollständigkeit suggeriert. Wie Jahrzehnte zuvor das Kopialbuch die Verbindung zwischen den Stifterinnen und dem Klos- 150 Siehe zur ersten Erlinsbacher Offnung M ERZ , SSRQ AG II/ 2, S. 144-147. Obwohl einige Anpassungen, nicht zuletzt in den Formulierungen vorgenommen wurden, so ist die inhaltliche Abfolge doch aus dem Stück von 1331 übernommen, überliefert in Einsiedeln, Pergamentband fol. 47r-48r. Nachdem Einsiedeln den Hof an Königsfelden verkauft hatte, musste der Instanzenzug angepasst werden. Er führte nicht mehr zum Hof in Stäfa (ZH), sondern zum Hofmeister in Königsfelden. 1528 führte dies zu Unklarheiten, da offensichtlich noch immer Schriftstücke im Umlauf waren, die Abschriften der ersten Offnung enthielten, die auf Stäfa verwies. In der Abschrift im Zinsbuch war die Stelle jedoch längst angepasst worden. Siehe auch unten ab S. 253 und ebd., S. 144. 151 Das Rödel wurde in den Urkundenbestand Königsfeldens aufgenommen: U.17/ 0235, datiert auf um 1351. Siehe dazu H ODEL , Region, S. 112f. 152 Zu den Murbacher Weistümern siehe M ERZ , SSRQ AG II/ 1, Nr. 284, S. 655. 153 Im Umfeld des Verkaufs scheint die Produktion nur wenig Sinn zu machen (U.17/ 0322, 14. Aug. 1363, ausgestellt durch Rudolf IV.); R UDOLF geht von einer Auseinandersetzung nach der Schlacht von Sempach zwischen dem Kloster und den Dorfobrigkeit aus, siehe M AX R UDOLF , Geschichte der Gemeinde Birmenstorf, Aarau 1983, S. 53f. 154 Dies lässt sich für Weistümer, die zur selben Zeit in der Nähe erstellt wurden, beobachten. T EUSCHER spricht von «Oralisierung und Archaisierung» von Dokumenten, die in Fluntern, Albisrieden und anderen Dörfern um Zürich im 15. Jahrhundert zu Weistümern «umgearbeitet» wurden. Siehe T EUSCHER , Recht, S. 234-239. 208 <?page no="208"?> ter verkörperte, versinnbildlicht das Buch die Besitzungen des Klosters: und zwar nicht nur als rasch veraltende Momentaufnahme, einem der Hauptprobleme von Bodenzinsaufnahmen, sondern mit einer «historischen» Tiefe. Denn für die Besitztümer wurden Formen der historischen Traditionen übernommen: Besitz mit bereits bestehender, schriftlicher Weistumstradition wurde in Form von Weistümern eingetragen; Urbare jedoch wurden für alle Besitzungen angelegt. 155 Alle Besitzungen und Rechte wurden gemäß bereits vorhandener Tradition verschriftlicht. Eine Konstruktion der Rechtstraditionen kann nicht festgestellt werden. Der Herstellungshintergrund deutet auf einen Gebrauch des Urbars zur Herstellung von Herrschaftsrealitäten. Ansprüche gegenüber Abgebenden waren damit jedoch keine möglich, da nur summierte Abgaben aufgenommen wurden. Das vorliegende Bodenzinsurbar demonstriert daher eine Anspruchshaltung gegenüber den Abgebenden, die sich nicht in den Details der Abgaben verlieren wollte. 156 Somit wurde den einziehenden Personen freie Hand gelassen, wie der Einzug zu erfolgen hatte, einzig die gesamte Abgabehöhe war festgeschrieben. 157 Zeitlich und örtlich nahe ist in Lenzburg für die Zeit um 1430 die Ordnung von Rechtsverhältnissen zwischen Berner und Luzerner Herrschaften zu beobachten. 158 Dabei handelt es sich im Gegensatz zu den Schriftstücken aus Königsfelden um sogenannte «Marchenbeschreibungen» in Schiedssprüchen und nicht um die Auflistung von Abgabepflichtigen. Das Ziel könnte dennoch ein ähnliches gewesen sein, wobei das Kloster eine Rechtswirklichkeit durch die Verschriftlichung von befolgten Praktiken schaffen wollte, während sich die Schiedssprüche an normativen Vorgaben (Beschreibungen der Marchen) orientierten. Zentral dabei ist der große Umfang des Hefts, der geographisch gesehen jeden Teil mit Königsfelder Besitzungen nennt und das Stück zum Argument von durchgesetzter Herrschaft für den Klarissenkonvent machte. Ein weiterer Hintergrund der Herstellung kann sicherlich der Kontrolle von Beauftragten zugeschrieben werden, die dank festgeschriebener Abgabehöhen ermöglicht wurden. Insgesamt entstand ein Werk, das gegen außen als Schutz vor Entfremdung gebraucht werden konnte, aber auch gegen innen Veruntreuung verhinderte. Das Ersteres mit Sicherheit ein Problem war, lässt sich im Schreiben an das Konzil von Basel belegen. Von diesem wurde das Kloster St. Peter in Basel beauftragt, dem Kloster Königsfelden zu seinen Rechten zu verhelfen. 159 Das Bodenzinsurbar wurde nach der Anlage weitergenutzt und mittels Nachträgen mehrfach aktualisiert. Auch wenn die Nachträge nicht dem eigentlichen Zweck der Anlage entsprachen, so brachte das Schriftstück spätere Hofmeister dazu, ak- 155 Das ist auch relativ naheliegend, da es seit den Aufnahmen für die Urbare des sogenannten «Habsburger Urbars» um 1300 für alle Gebiete eine solche «Tradition» gab. 156 Siehe zur Urbaren S ABLONIER , Schriftlichkeit, S. 95-98 und S ABLONIER , Verschriftlichung. 157 Die Vorgehensweise im Buch scheint kongruent mit derjenigen des zweiten «Zinsbuches» zu sein, das ab 1450 angelegt wurde und tatsächlich erzielte Abgaben, jedoch aus Versteigerungen, nachweist. Auch dort stehen die Abgebenden nicht im Zentrum, jedoch die Höhe der Abgabe, und indirekt wohl auch die für den Einzug verantwortliche Person. Allgemein zum Verhältnis zwischen Kanzleien und der Abrechnung siehe D IRMEIER , Archive. 158 M ERZ , SSRQ AG II/ 1, S. 19f. Schiedsspruch zwischen den Grafschaften Aarburg, Lenzburg und Willisau, datiert auf den 24. August 1420, ebd., S. 182f. Schiedsspruch zwischen der Grafschaft Lenzburg und dem Michelsamt, datiert auf den 29. Januar 1442. 159 Siehe das Antwortschreiben des Konzils: U.17/ 0592, 12. Juni 1437. 209 <?page no="209"?> tiv mit ihm zu agieren. Aus dem Heft, das einmalig den Besitz darlegte, wurde ein Darstellungsmittel von wechselnden Abgabepflichtigen und abweichenden Abgabehöhen. Vereinzelt findet sich im Heft die Hand von Hans Bürer, dem Königsfelder Hofmeister aus Brugg, der im 16. Jahrhundert mitverantwortlich für das Vordringen der Reformation nach Königsfelden war. 160 Offensichtlich wurde das Bodenzinsurbar länger genutzt als später angelegte, ähnliche Schriftstücke wie etwa das zweite Zinsbuch. 161 Analog zu den Spuren der Nutzung durch Bürer zeigen Streichungen mit roter Tinte, dass nicht nur Ergänzungen, sondern auch Verkäufe von Besitz im Buch nachvollzogen wurden. Auch Niklaus Fricker, der Verantwortliche für das zweite Zinsbuch, aktualisierte mehrere Einträge. 162 Spätere Verwaltungspraktiken, die Einnahmenkontrollen vorsahen, wurden entsprechend auf das Stück übertragen und in diesem angewendet. Außer den Streichungen, die immer sehr sorgfältig erfolgten, wurde das Dokument nicht beschädigt. Mit Ausnahme weniger Rödel gibt es für Königsfelden keine früheren Dokumente, die wirtschaftliche Transaktionen oder den Einzug von Abgaben durch das Kloster oder seine Verwalter nachvollziehbar machen. Die lange Dauer des Gebrauchs spricht zudem für den Einfluss des Werks auf spätere Hofmeister und wohl auch auf die Anlage späterer Schriftstücke. Die Kopien von Fricker Während der Amtszeit Niklaus Frickers als Hofmeister Königsfeldens ist nicht nur eine Konzentration auf die Produktion von neuen Schriftstücken festzustellen, Fricker legte auch selbst Kopien von Einzelblättern an. In seiner Amtszeit und auch während seiner späteren Präsenz im Umfeld Königsfeldens wurde jedoch kein größeres Abschriftenwerk neu hergestellt. Der Fokus lag auf der Ordnung der Registratur, die sich in der Anlage neuer Dorsualnotizen ausdrückte, und in der Anlage von neuartigem Verwaltungsschriftgut. 163 Dass er daneben eine Vielzahl von Urkunden ausfertigte, hängt mit seiner mehrfachen Involvierung in die lokalen Angelegenheiten, etwa als Notar, früherer Schultheiss und späterer Stadtschreiber Berns, zusammen. Kopien wurden von Fricker selten angelegt, und höchstens, um den identischen Text sowohl in Bern als auch in Königsfelden präsent zu haben. Kopien als Möglichkeit der Repräsentation von (früherer) Größe, wie das Kopialbuch I oder wie etwa um 1370 als Copies figurée um den Schwestern ein Instrument zur Verteidigung gegen habsburgische Ansprüche an die Hand zu geben, gehörte offensichtlich nicht in seine Vorstellungswelt oder aber die bestehenden Kopialbücher erschienen ihm ausreichend. Zwei seiner drei Kopien wurden 1454 hergestellt, 164 bei beiden Vorlagen handelt es sich um Stücke aus den herzoglichen Kanzleien. Während man das eine herzogli- 160 Zu Bürer siehe oben ab S. 99 und H ODEL , Region, S. 123f. Von Bürer sind auch die Nachträge ab fol. 180v. bis 184r. 161 StAAG AA/ 0465. 162 Siehe etwa fol. 2r., 2v., 5v., 8v., 31v., 32r., 33r. (Ergänzung eines ganzen Eintrags), 33v. Zu Fricker siehe oben S. 90. 163 Siehe zu den Dorsualnotizen oben ab S. 151. 164 Es handelt sich um die Stücke U.17/ 0668a, 2. Feb. 1454 und U.17/ 0669a, 11. Feb. 1454. 210 <?page no="210"?> che Stück in Königsfelden aufbewahrte, 165 wurde das später hergestellte Stück wahrscheinlich nach Bern transportiert und nur die Notariatsurkunde Frickers in Königsfelden zurück gelassen. 166 Aufgrund des Abtransports aller Dokumente nach Bern im Zuge der Auflösung und dem Rücktransport im 19. Jahrhundert in den Aargau sowie der Austauschaktion zwischen Aarau und Bern im 20. Jahrhundert, 167 ist heute nur noch durch die Interpretation von Indizien auf der Rückseite nachzuvollziehen, welche Stücke bereits im 15. Jahrhundert in Königsfelden aufbewahrt und welche später zum Bestand geschlagen wurden. Bei der Herstellung der Vidimusse zeigt sich ein erstes Mal der Kontakt von Fricker nach Bern. Man kann davon ausgehen, dass es im Interesse von Bern war, das herzogliche Dokument mit Siegel in der eigenen städtischen Registratur zu haben und nicht im nur schwer zu kontrollierenden Kloster Königsfelden. Möglicherweise war es Fricker selbst, der nach Ankunft der Urkunde aus Freiburg und darauffolgender Abschrift das Dokument - vielleicht als Erweis seiner Gunst - nach Bern spedierte. Mit dem Stück wurde der Kirchensatz von Elfingen an Königsfelden vergeben, was für Bern eigentlich unproblematisch war. Königsfelden war nördlich der Aare und auch auf dem Bözberg bereits begütert. Dennoch stellte die Ausstellung mit ihrer summarischen Bestätigung aller Privilegien einen Anspruch auf die ehemals habsburgischen Gebiete dar, den es zu beobachten galt. Dieselbe Auffälligkeit zeigen zwei der Kopien Frickers: Je eine Dorsualnotiz, die bereits bei der Ausstellung durch den Kanzlisten angebracht wurde, kopierte Fricker ebenfalls. Als einer der wenigen zeigte er ein Interesse für die Rückseite der Stücke. 168 Doch die Bemühungen Frickers leiteten keinen umfassenden Wandel ein, der beispielsweise Kopialbücher in Königsfelden gänzlich in den Hintergrund gedrängt hätte, denn bereits einige Jahre nach seinem Abgang wurden wieder Hefte mit Abschriften erstellt. Auch setzte sich die Form der Einzelblattkopie, etwa um wichtige Vorgänge doppelt verschriftlicht zu haben, nicht durch. Anders kann der Einfluss Frickers in Bezug auf die Anlage von Rechnungsbüchern beurteilt werden. Wohl beeinflusst durch das Bodenzinsurbar, das einige Jahre vor seiner Amtszeit in Königsfelden angelegt wurde, findet sich bei ihm selbst ein Dokument, das zwischen 1450 und 1456 geführt wurde und die Versteigerungen von großem, kleinem und Gersten-Zehnt festhält. Das Heft, als zweites Zinsbuch im Archivverzeichnis von Merz verzeichnet, verhandelt im Gegensatz zum ersten von 1432 mehr als Ansprüche, die auf Besitz erho- 165 StAAG U.17/ 0668a. 166 StAAG U.17/ 0669a. Es ist anzunehmen, dass eine Verwechslung bei der Beschriftung vorgekommen ist: 0669 (eigentlich die Notariatsurkunde) verblieb in Königsfelden, während 0669a (eigentlich die Urkunde mit dem herzoglichen Siegel) nach Bern gebracht wurde. Der Befund ist nicht eindeutig, da die im 16. Jahrhundert angebrachte Sigle, ebenso wie das Regest aus der Zeit der Auflösung der Konvente auf dem Stück angebracht wurden, häufig fehlen diese beiden Dorsualnotizen auf Stücken, die vor 1528 nach Bern gebracht wurden. 167 Zum Dokumententausch zwischen Bern und Aarau siehe StAAG A/ 0093/ 01, gleichzeitig versuchte Staatsarchivar Amman auch noch die verbleibenden Akten aus Königsfelden nach Aarau zu holen, siehe StAAG A/ 0093/ 04. 168 Dies zeigt sich auch in seinen bereits besprochenen Dorsualnotizen, siehe oben ab S. 151. 211 <?page no="211"?> ben wurden. 169 Die einzelnen Hefte, die jedes Jahr neu angelegt wurden, band man zu einem späteren Zeitpunkt zu einem Stück. Der Umschlag um die einzelnen Hefte wurde entsprechend frühestens um 1457/ 58 gelegt. Die Verdunkelung der jeweils äußersten Blätter der Jahreshefte zeugt davon, dass diese während einer gewissen Zeit einzeln benutzt worden waren. Das Heft gibt nicht nur Auskunft zu Daten von Versteigerungen und eingebrachten Preisen. Auch Auseinandersetzungen zwischen dem Klarissenkonvent und einem gewissen Brecking vor dem Vogt in Lenzburg werden erwähnt. Die Aufzeichnungen wurden also zur Verschriftlichung von Problemen genutzt. Damit schließt auch dieses Zinsbuch an die früheren Kopialbücher an, die mehr oder weniger verdeckt von Auseinandersetzungen berichten. 170 Kopien und Abschriften finden sich keine in den Heften. Mit der Verwaltung Frickers und wohl auch Hofmeister Ambühls, der zusammen mit oder kurz nach Fricker wirkte, kam es also zur Trennung zwischen der Verschriftlichung von Abgaben beziehungsweise Abgabenpflichtigen und dem Abschreiben von Rechtsgrundsätzen, wie sie noch im Bodenzinsurbar zu finden sind. Ab dem Zeitpunkt kann daher auch auf eine eigene Abrechnungsschriftlichkeit in Königsfelden, insbesondere im Umfeld der Hofmeisterei, spekuliert werden. Dennoch wurden entsprechende Hefte erst wieder Ende des 15. und Anfang des 16. Jahrhunderts überliefert. 4.5 Kopieren und Herrschen im 15. und 16. Jahrhundert Um 1480 wurde ein größeres Kopialunternehmen begonnen, das erstmals die Ordnung einer Vielzahl der aufbewahrten Dokumente in den Fokus nahm. 171 Ein großzügiges Format auf dickem Papier zeugt davon, dass nach dem ersten Kopialbuch aus dem 14. Jahrhundert wiederum Stücke geschaffen werden sollten, die nicht nur als Arbeitskopien gelten konnten. Die großen Initialen in Textura, teilweise rubriziert und heute aufgrund von Tintenfraß sich langsam zersetzend, sowie die großzügigen Abstände zeugen von hohen Kosten und wenig Eile bei der Anlage. Im Gegensatz zum Kopialbuch von Agnes und dem Heft der Franziskaner wurde Ende des 15. Jahrhunderts jedoch nicht mehr ein Buch oder Heft angelegt, das eine Gesamt- 169 Die fehlende Unterscheidung zwischen dem Bodenzinsurbar von 1432 und dem Abrechnungsrödel von 1451 liegt in der Person von M ERZ begründet, der als Rechtshistoriker kein größeres Interesse an Wirtschaftsquellen hatte. Weiter erschien ihm wohl die Einebnung der Unterschiede für die Archivtektonik von Vorteil. Eine ausführliche Beschreibung des Stücks findet sich in: S AXER und B URRI , Klosterwirtschaft, S. 246-249. Zum Heft aus wirtschaftlicher Perspektive und als pointierter Versuch hypothetisch durchgedacht siehe T OBIAS H ODEL , Das Königsfelder Korn und Spanischbrötli: Ein kleiner Beitrag zu Grundherrschaft im 15. Jahrhundert: Gehversuche im Marxismus, in: Das Kuchenbuch: Umwege vom süssen Schriftwissen zur inkorporierten Kochkunst. Festliche Gabe für Ludolf Kuchenbuch anlässlich seines 75. Geburtstages, Zürich und Berlin 2014, S. 45-52. 170 Im Kopialbuch I betrifft dies den urbarartigen Nachtrag zu Dottikon, siehe oben S. 184, im KB Ia die Streitigkeiten um Abgaben und Fragen zum Gewohnheitsrecht. 171 Entsprechend wird das Unternehmen von 1480 auch im Kapitel 5.2 behandelt, das sich mit Aufbewahrungsstrategien beschäftigt. 212 <?page no="212"?> heit verkörpern sollte, sondern mehrere Hefte, die unterschiedliche geographischthematische Teile der Herrschaft Königsfelden abdeckten. 172 Die Anlage von Kopialheften um 1480 Die spatiale Einteilung der Hefte zeigt einen fundamentalen Wandel, der wohl nicht zuletzt aufgrund der Anlage der Zinsbücher und Bodenzinsurbare in der Mitte des Jahrhunderts eingeleitet wurde. Die Kopialhefte folgen aus diesem Grund auch einer neuen Logik und waren nicht mehr als Verkörperung der Einheit zwischen Stifterinnen und Kloster zu verstehen (wie KB I) und zeigten auch nicht die Emanzipation eines Ordens (wie KB Ia), sondern waren eine Umsetzung der wirtschaftlichen Handlungen und der Herrschaftssicherung über weite Teile des Aargaus in Form von Abschriften. Für einen Verwalter wie Fricker scheint die Anlage von Kopien höchstens auf Einzelblättern zwecks Information der Zentrale in Bern wichtig gewesen zu sein, ansonsten hätte er zumindest Ausschnitte der reichen Schriftguttradition Königsfeldens selbst nochmals festgehalten, denn zweifelsohne wird ihm das erste Kopialbuch bekannt gewesen sein. Mit der «Ewigen Richtung» und dem damit verbundenen Verzicht Sigismunds auf seine ehemaligen Besitzungen im Gebiet der heutigen Schweiz änderte sich für die beiden Konvente in Königsfelden die Situation zwar nicht grundlegend, jedoch war eine Option unrealistisch geworden: die Rückkehr des Klosters in den Herrschaftsbereich Habsburgs. 173 Entsprechend musste sich das Kloster darauf einstellen, in Zukunft ohne die Hilfe Habsburgs zu bestehen, auch wenn bei Kaiser Maximilian noch um 1500 Bestätigungen der Rechte eingeholt wurden. 174 Eine Reaktion, um sich gegen Ansprüche zu wehren, war wohl die Herstellung einer neuen Ordnung in den Archivalien, die in den Konventen aufbewahrt wurden. Die Kopialbücher bilden nämlich eine geographische Einteilung der Archivalien ab, analog zum gleichzeitig auf den Einzelblattdokumenten angebrachten System der Siglen. 175 Das System funktioniert jedoch nur für jeweils einzelne geographische Teile und widerspiegelt nicht eine Gesamtordnung. Entsprechend ist anzunehmen, dass die Stücke in Kisten oder Schränken bereits geordnet aufbewahrt wurden. Teil der Strategie, um sich gegen Ansprüche von außen zur Wehr zu setzen, war die Anlage von Kopialheften, die zum einen zur Erschließung der geographischen Teile genutzt werden konnten, zum anderen ein Arbeitsmittel darstellten, in welchem Argumente und Zitate gefunden wurden, die den eigenen Anspruch festhielten. Die Hefte waren ebenso geeignet, um bei Gerichtsprozessen vorgelegt zu werden. Die Titelblätter der Hefte folgen alle demselben Stil und betonen die geographischen Einheiten beziehungsweise die Freiheitsrechte, die durch sie verkörpert wur- 172 Wie gleich zu zeigen sein wird, besteht auch das als «Kopialbuch II» (StAAG AA/ 0429) identifizierte Stück aus mehreren Heften, die erst nachträglich zu einem Stück verbunden wurden. 173 Bereits weiter oben (siehe ab S. 97) wurde ausformuliert, dass die Anlage einer Abschrift der «95 Herrschaften» in diesem Zusammenhang verstanden werden muss. 174 StAAG U.17/ 0812. 175 Mehr zu dieser erstmals fassbaren Archivorganisation siehe unten ab S. 243. 213 <?page no="213"?> Abbildung 4.5: Titelseite Kopialbuch II, AA/ 0429, Kopialbuch II (1497). den. 176 Versteht man das erste Kopialbuch Königsfeldens als stilbildend, war es nur logisch, in dieser Drucksituation auf ein bewährtes Medium zurückzugreifen. Bislang war es nach innen als auch nach außen immer erfolgreich eingesetzt worden. Die moderne Bezeichnung des Stücks mit der Signatur AA/ 0429 als Kopialbuch II ist aus Anlageperspektive nicht korrekt, denn das Stück wurde erst später zu einem großen Heft verbunden. 177 Die Anlage von einzelnen, unterschiedlichen Heften muss als Ausgangspunkt angesehen werden. Das zeigt sich insbesondere an den unterschiedlichen Lagen, auf welchen die Teile abgeschrieben wurden. Einige der Heftanfänge sind denn auch verfärbt und signalisieren, dass sie zunächst als Einband dienten und erst später ein Heft daraus gebunden wurde. Schließlich deuten die angebrachten Siglen darauf, dass die Hefte nicht als große Sammlung angedacht waren: Obwohl es keine Überschneidungen gibt, also dieselbe Sigle nicht doppelt angebracht wurde (mit Ausnahme von Dokumenten, die doppelt vorhanden waren), so bezeichnen die Buchstaben nicht einzelne Orte oder Einheiten, sondern beginnen in jedem Heft von vorne. Auch wurde das Siglensystem nicht konsequent für alle geographischen Einheiten umgesetzt. 178 176 Siehe die Abbildungen der Blätter: 4.5, 4.6 und 4.7. 177 Die Zahl II stammt aus der Zeit, als das Kopialbuch der Franziskaner nach Auflösung der Konvente verschwunden war. 178 Was das für die Aufbewahrungssituation am Ende des 15. Jahrhunderts bedeutet, wird unten ab S. 243 ausgeführt. 214 <?page no="214"?> Abbildung 4.6: Titelseite Kopialbuch Waldshut, AA/ 0446, Kopialbuch der Waldshuter Urkunden (1480). Auch das mehrfache Abschreiben einiger weniger Urkunden in den Heften demonstriert, dass jedes Heft für sich verstanden werden muss. 179 Die Hefte bildeten demnach Sammlungen, die eingesetzt werden konnten, um Ansprüche auf Rechte für spezifische Orte oder Herrschaften anzumelden. Der Aufbau des ersten Teils des Kopialbuchs, eingeleitet mit Abschriften der bullen so in gemein wisen es sijen fryheiten des ordens des gotshus unnd anders so in gemeind dient etc., versammelt denn auch päpstliche Bullen und herzögliche Freiheitsbestätigungen sowie nur wenige Kaufurkunden. Der Schwerpunkt auf die herzöglichen Privilegien und nicht etwa auf die Ordnungen von Agnes zeigt, wie sich spätestens nach 1415 der Fokus gewandelt hatte und nicht mehr eine habsburgische Tradition in den Vordergrund gerückt wurde, sondern die Herzoge im Zentrum standen. 180 Die anderen Hefte, angelegt nach Herrschaftsteilen und mehrheitlich chronologisch, 181 geben daher Einblicke in Entwicklung der Güter innerhalb der Verwal- 179 Vorwiegend handelt es sich dabei um Bestätigungen des Schutzes sowie der Privilegien durch die Herzoge: StAAG U.17/ 0070 in StAAG AA/ 0429, fol. 2r-3r. und fol. 73v-75v. StAAG U.17/ 0105 in StAAG AA/ 0429, fol. 4r-5r und fol. 36r-37r; StAAG U.17/ 0257 in StAAG AA/ 0429, fol. 5v-6r und fol. 41v-42r. Ebenfalls doppelt abgeschrieben wurde ein Stück, das heute nicht mehr als Einzelblattdokument überliefert ist (Rückzug der Udelhild von Burgistein/ Hallwil von ihren Gütern): Ebd., fol. 98rv und fol. 193r-194r. Hier nicht aufgelistet sind die Stücke die zweimal hintereinander abgeschrieben wurden, was jeweils wahrscheinlich als Versehen des Schreibers zu betrachten ist. 180 Siehe die Parallele in der Anlage von Dorsualnotizen um 1415, S. 147. 181 Siehe dazu auch die Tabelle zu den Heften bevor sie teilweise verbunden wurden S. 218. 215 <?page no="215"?> Abbildung 4.7: Die Titelseite des Kopialbuchs von Erlinsbach wurde entfernt. Die abgebildete Seite zeigt, dass dieselbe Hand das Heft verfasste wie die anderen Kopialhefte: AA/ 0448, Kopialbuch des Meierhofes in Erlinsbach (1480). 216 <?page no="216"?> tungsteile. Die Suche nach Belegen für den Erwerb von Rechten oder Besitz war aufgrund dieses Aufbaus verhältnismäßig einfach. Marginalien (häufig Manicula) an den Seitenrändern sowie Unterstreichungen im Abschriftentext zeigen, dass zu gewissen Zeitpunkten die Kopialhefte zu genau diesem Zweck genutzt wurden. Leere Seiten am Ende der Teile sprechen dafür, dass Nachträge und Ergänzungen geplant waren und die Hefte weiterhin aktiv benutzt werden konnten. Etwa im Kopialbuch zu Waldshut wurde die Möglichkeit ab fol. 122r auch genutzt und der bernische Unterschreiber ergänzte bis 1527 einige Urkunden und Urkundenabschriften Berns, die das damals problematische Verhältnis zu Waldshut betrafen. 182 Die Stücke wurden von Hans Roßenstil, einem Unterschreiber, der auch an der Abfassung der Kopialbuchreihe von 1530 beteiligt war, inseriert und entsprechend ausgewiesen. 183 Wie bereits für frühere Kopialwerke festgestellt, hat die Herstellung der Kopialhefte um 1480 nichts mit intendierten Zerstörungen von Urkunden zu tun. Im Gegenteil wurde eine Vielzahl von Stücken in die Kopialhefte abgeschrieben, die um 1480 nicht mehr mit Sicherheit im Besitz der Konvente vermutet werden können. Als wichtigstes Stück, das nur im Rahmen der Hefte überliefert wurde, ist die Freiheitsbestätigung durch König Sigmund von 1417 zu nennen, die bereits kurz angesprochen wurde. 184 Aber auch andere Stücke lassen sich nur in den Kopialheften des späten 15. Jahrhunderts nachweisen. Insbesondere wurden mehrere päpstliche Bullen inseriert, die nicht als Ausfertigungen überliefert wurden und vorwiegend Bestätigungen für die Inkorporation von Kirchensätzen enthielten. 185 Da genau an dieser Stelle im Kopialheft die Eintragung der Siglen endet, 186 ist es schwierig nachzuvollziehen, ob die inserierten Urkunden überhaupt als Ausfertigungen existiert haben. Es sind jedoch nicht alle Einzelblattausfertigungen verloren, entsprechend wird es noch schwieriger abschätzbar, ob die Stücke überhaupt als Ausfertigungen vorlagen, oder ob es sich um eine Übernahme aus kopialer Überlieferung handelt. Ein Problem der Analyse liegt in der Abschriftenpraxis der dritten Kopialbuchreihe, die im Zuge der Auflösung, um 1528 hergestellt wurde. In der Reihe wurde kein großer Wert auf die Abschriften von päpstlichen Stücken gelegt, da wohl die Anlage dieser Reihe die Übernahme der weltlichen Herrschaft durch den Stadtstaat Bern im Fokus hatte. 187 Entsprechend ist es gut möglich, dass zur Zeit der Anlage der dritten Kopialbuchreihe die päpstlichen Urkunden zum Teil aussortiert und vernichtet wurden. Da die Herrschaftsübernahme in die Zeit der Reformation in Bern fällt, ließe sich das antipäpstliche Vorgehen gut erklären. Damit bleibt dennoch unklar, weshalb einige der Stücke weiterhin aufbewahrt wurden und bis heute als Aus- 182 AA/ 0446, Kopialbuch der Waldshuter Urkunden (1480). 183 Die Auseinandersetzungen um Abgaben zwischen Bern und Waldshut, unter anderem auch Dogern betreffend, sind gut dokumentiert, siehe: S TECK und T OBLER , Aktensammlung, Nr. 365, 371, 372, 373, 402, 523, 582, 652, 659, 802. 184 Siehe oben S. 87. 185 StAAG AA/ 0429, fol. 18r-28r (nach der Nummerierung von Boner 354e, 354b, 510a). 186 Ebd., fol. 18r. 187 Nur einige wenige päpstliche Bullen wurden in die Kopialreihe abgeschrieben, beispielsweise StAAG U.17/ 0130a (in StAAG AA/ 0430, fol 165v-167r). 217 <?page no="217"?> Bezeichnung Signatur Folio (angegeben, wenn Teil von AA/ 0429, Kopialbuch II (1497)) Siglen Abschriften der Bullen so in gemein wisen es sien fryheiten des ordens des gotshus unnd anders so ingemeind dient etc. AA/ 0429, Kopialbuch II (1497) 3 Vorlageblätter- 85v aII-pII Wohlenschwil, Mellingen (inkl. Birmenstorf), mit Register AA/ 0429, Kopialbuch II (1497) 86r-127v keine Abschriften in gemeinde (nicht als eigenes Heft vorgesehen, sondern Teil von Wohlenschwil und Mellingen) AA/ 0429, Kopialbuch II (1497) 128r-152v keine Staufen AA/ 0429, Kopialbuch II (1497), mit Register und Erläuterung der Siglen 153r-Schluss a-iii Waldshut, mit Unterteilung in geographische und rechtlich unterschiedliche Teile AA/ 0446, Kopialbuch der Waldshuter Urkunden (1480) keine Birmenstorf, mit Register und Verweis auf Seite AA/ 0447, Abschriften betreffend die Güter und Rechte in Birmenstorf (1480) a-q (mit einem Literavermerk zum ersten Stück) Erlinsbach AA/ 0448, Kopialbuch des Meierhofes in Erlinsbach (1480) keine Tabelle 4.1: Aufstellung der in Königsfelden um 1480 angelegten Kopialhefte. 218 <?page no="218"?> fertigungen existieren. 188 Insgesamt ergibt sich somit die Folgerung, dass die Stücke wohl nicht nachproduziert wurden und tatsächlich als Ausfertigungen in Königsfelden vorlagen. Absicherung gegen Bern als Grund für die Anlage Die Kopialhefte werden erst mit Blick auf die Situation um 1480 in bernischen Herrschaften verständlich. Nach der Eroberung von 1415 lassen sich nur wenig Einflüsse aus Bern verzeichnen. Selbst nach dem Abgang und der Rückkehr Niklaus Frickers lassen sich keine größeren bernischen Versuche, Macht im Kloster zu gewinnen, feststellen. Nach 1474 änderte sich jedoch die Situation. Mit der «Ewigen Richtung» wurden die Machtverhältnisse im Einflussgebiet des Klosters definitiv auf Seiten Berns festgesetzt. Habsburgische Ansprüche waren in den kommenden Jahren nicht zu erwarten. Auch dürfte das habsburgische Interesse nicht zu groß gewesen sein, wurden doch die wichtigen Wasserwege, insbesondere der Rhein, weitgehend noch kontrolliert, und das sich zu unglaublichen Dimensionen ausbreitende Reich verlangte an anderen Orten nach König und Erzherzog. 189 Zur selben Zeit sah die Situation für das Kloster Interlaken ganz anders aus. Bern erhöhte seinen Einfluss merklich und stellte das Chorherrenstift unter seine direkte Befehlshoheit. 190 Im Jahr 1473 wurde das Stift aufgefordert, seine Urkunden in Bern vorzulegen, um Ansprüche aus Unterseen abzuwehren. Nachdem der Propst dies mehrfach abgelehnt hatte, wurde er gefangen gesetzt und nach Bern gebracht. Die Auseinandersetzung eskalierte nicht zuletzt aufgrund kaiserlicher Hilfe, denn Friedrich bestätigte dem Propst seine Unabhängigkeit von weltlichen Gerichten. 191 Die Gegenseite (Bern) bemühte daraufhin den päpstlichen Gesandten und Bischofsverweser Burkart Stör (Propst zu Amsoldingen). Nach weiteren Auseinandersetzungen, die unter anderem zur Inbrandsetzung des Klosters durch Mönche führte, vermochte Bern die Sache vor dem Papst zu regeln. Als Konsequenz führte Bern künftig ein strenges Regime über das Kloster. Ob das Abschriftenunternehmen von 1480 vor dem Hintergrund der Berner Intervention in Interlaken angelegt wurde, ist nicht abschließend zu beurteilen. Sicherlich kann jedoch festgehalten werden, dass mit der «Ewigen Richtung» und dem nun forscheren Vorgehen von Seiten Berns damit gerechnet werden musste, dass klösterliche Rechte und Privilegien nicht mehr ohne Weiteres akzeptiert wurden und auch kaiserliche Privilegien alleine nicht ausreichend waren. Die Bedingung von Bern, dass in Interlaken Urkunden vorgelegt werden mussten, könnte in Königsfelden dazu geführt haben, die Hefte präventiv anzulegen. Daraus lässt sich zwar die Versammlung der wichtigsten Privilegien und Bestätigungen folgern, jedoch nicht zwangsläufig eine geographische Einteilung der übrigen Herrschaftstitel. Diese begründen sich vielmehr durch die angrenzenden Herr- 188 Folgende Bullen sind in StAAG AA/ 0429 inseriert und existieren noch heute: StAAG U.17/ 0062, StAAG U.17/ 0130a, U.17/ 0581a, 1. Juli 1434 (Urkunde des Konzils von Basel, bis ins 20. Jahrhundert aufbewahrt in Bern). 189 Zur «Ewigen Richtung» und den Konsequenzen für Königsfelden siehe oben ab S. 97. 190 Hier und im Folgenden nach R ENNEFAHRT , Interlaken, hier S. 155f. 191 Die Bestätigung Friedrichs erfolgte doppelt und basierte auf einer früheren Bestätigung, die dem Kapitel die freie Vogtwahl zusicherte. Siehe ebd., S. 158. 219 <?page no="219"?> schaften, die zwar ebenfalls bernisch (oder gemeineidgenössisch) waren, jedoch viel stärker unter der Kontrolle von Landvögten aus der Stadt Bern standen. Daher war eine wohlgeordnete Sammlung von Urkunden essentiell, um im Streitfall gegen die mit der Berner Obrigkeit bestens vernetzten Vögte vorzugehen. Das erklärt auch, weshalb vorwiegend Einheiten als Hefte verschriftlicht wurden, die als problematisch galten oder an den Rändern der Königsfelder Einflussbereiche lagen. Dazu gehörte sicherlich Erlinsbach, das direkt neben der Stadt Aarau liegt, an Solothurner Herrschaftsgebiete angrenzte und später auch teilweise Solothurn zugeschlagen wurde. 192 Auch die Anlage eines Hefts zu Waldshut lässt sich so erklären: Die Stadt blieb unter habsburgischem Einfluss, wichtige Rechte jedoch, wie etwa die Kirchensätze beider Stadtkirchen gehörten Königsfelden. Birmenstorf schließlich liegt östlich der Reuss und wurde nach der Eroberung von 1415 gemeineidgenössisch regiert. Der Kirchensatz und weitere Höfe sowie Rechte blieben jedoch in der Hand Königsfeldens. Staufen und die umliegenden Gebiete überschnitten sich in weiten Teilen mit der Stadt und Grafschaft Lenzburg, die bereits Mitte des 15. Jahrhunderts fest in der Hand der Berner Verwalter lag und in der Zeit zu einer Landvogtei umgewandelt wurde. Im Fall von Staufen finden sich auch Auseinandersetzungen mit Lenzburg, das sich um 1420 das Recht auf eine eigene Priesterpfründe in der Stadtkirche sichern konnte. Lenzburg verblieb aber auch danach noch im Kirchspiel Staufen. Dies entsprach jedoch bereits Ende des 14. Jahrhunderts nicht mehr den politischen Realitäten, da Staufen zum unwichtigen Dorf neben dem Herrschaftszentrum Lenzburg geworden war. 193 Erst 1514 erfolgte schließlich die Erhebung der Lenzburger Stadtkirche zur Pfarrkirche. 194 Die Bindung der einzelnen Hefte zu einem Kopialbuch geschah aufgrund der Anlagelogik erst einige Jahre nach deren Produktion. Es ist von einer Bindung zur Zeit der Auflösung der Konvente auszugehen, da der lederne Einband um 1528 beschrieben wurde. Zur gleichen Zeit wurde auch ein alphabetisches Register zum Kopialheft produziert, das den Fokus auf die Privilegien und Freiheitenbestätigungen der Herrschaft legt und nur einen Teil des neu entstandenen Buchs abdeckt. 195 Register und Frontseite wurden beide durch Eberhard von Rümlang beschriftet, einem der Verantwortlichen für die Anlage der Kopialbuchreihe von 1530 (Kopialbuch III) und wahrscheinlich auch für die Dorsualnotizen aus derselben Zeit. Die Übernahme der Herrschaft - Anlage einer Kopialbuchreihe Insgesamt zeigt sich somit, dass mit der Auflösung der Konvente und dem Abtransport der Stücke nach Lenzburg und Bern eine intensive Beschäftigung mit dem Schriftgut einherging. In Kleinarbeit müssen sich mehrere Verwaltungsbeamte über Monate oder gar Jahre durch die Schriftstücke der sich in Auflösung befindenden Konvente gearbeitet haben. 196 Was blieb, sind neben einer Vielzahl von Dorsualno- 192 Dies manifestiert sich noch heute in der Gemeindeteilung. 193 Zu Staufen als Kirchspiel siehe auch H ODEL , Region, S. 96f. 194 Siehe M ERZ , SSRQ AG I/ 4, S. 254-258 (U.17/ 0892A, 28. Aug. 1514, mit bischöflicher Bestätigung). 195 Das Register trägt die selbe Signatur wie das Kopialbuch: StAAG AA/ 0429. 196 Zu den Schreibern der Urbare und wahrscheinlich auch der Kopialbücher in Königsfelden siehe R UDOLF J. R AMSEYER , Berner Personennamen aus dem 16. Jahrhundert: Eine aus 220 <?page no="220"?> tizen auf Einzelblattdokumenten Markierungen in älteren Kopialbüchern und eine Reihe an Kopialbüchern, die die Übernahme der Herrschaft durch Bern symbolisierte. 197 Die Anlage der größten Kopialbuchreihe erfolgte erst einige Zeit nach der Auflösung der Konvente, dennoch ist es sinnvoll, bezüglich des Umgangs mit Dokumenten, an dieser Stelle auf die Reihe einzugehen. Die Abschriften durch Eberhard von Rümlang wurden wohl bereits in Bern erstellt, wo die Akten, Urkunden und die meisten Bücher aus Königsfelden hingebracht worden waren. 198 Im Stil der Berner Herrschaft angelegt, wurden Blätter mit dem Wasserzeichen des Berner Bärs verwendet. Fein gearbeitete Holzdeckel schließen noch heute die hochwertigen Codices, die auf mehreren hundert Seiten für Abschriften oder die Verschriftlichung von Urbaren großzügig Platz boten. Eberhard von Rümlang entstammt dem Geschlecht der Rümlang, das Habsburgischer Ministerialadel war und bis Ende des 15. Jahrhunderts in Baden Herrschaftsrechte wahrnahm. 199 Spätestens in der zweiten Hälfte der 1540er Jahre wurde Eberhard Schulmeister in Bern. 200 In einer Missive, die in einen der zwei Registerbände eingeklebt wurde, wird er auch als solcher angesprochen. 201 Bevor sich Rümlang an die Abschrift der Dokumente aus Königsfelden machte, legte er 1533 ein Urbar für die Herrschaft Grasburg und 1539 das Lenzburger Urbarbuch an, das auch Kopien zentraler Stücke enthielt. 202 Bei Rümlang handelte es sich also um einen erfahrenen Mann der Administration, einen zeitweiligen Seckelschreiber Berns, der über eine lange Zeit für den Stadtstaat tätig war. Die Anlage der Abschriften von Königsfelden um 1540 erfolgte systematisch und analog dem Muster innerhalb der gesamten bernischen Verwaltung. Jedoch sticht Königsfelden hervor, da hier nicht nur die Urbare neu aufgenommen wurden, sondern gleichzeitig die Kopialbuchreihe (Kopialbuch III) angelegt wurde. 203 Neben der Sicherung der Rechtsansprüche durch die Verschriftlichung von Urbaren wur- Urbaren gewonnene Sammlung im Staatsarchiv Bern, in: Berner Zeitschrift für Geschichte und Heimatkunde 57.3 (1995). 197 Angelegt zur Zeit der Auflösung der Konvente, bereits behandelt oben ab S. 162. 198 Zum Transport der Dokumente, siehe unten ab S. 247. 199 E. B ANGERTER , Rümlang, in: Historisch-biographisches Lexikon der Schweiz, hrsg. von H EINRICH T ÜRLER und H. T RIBOLET , Bd. 5, Neuchâtel 1929, S. 742. 200 1546 wird er im Eid der Schulmeister namentlich genannt: H ERMANN R ENNEFAHRT , Hrsg., Die Rechtsquellen des Kantons Bern. Teil 1: Stadtrechte, 12. Band: Das Stadtrecht von Bern XII, Bildungswesen, Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, Aarau 1979, URL : https: / / www.ssrq-sds-fds.ch/ online/ BE_I_12/ index.html, S. 2f. 201 Die Missive wurde eingebunden in den Band, wohl um an eine noch offene Schuld zu erinnern: AA/ 0434, Kopialbuch III, Bd. 5 (Register 1), (1530). 202 AA/ 0761, Schlossurbar der Grafschaft Lenzburg, auf Befehl des Landvogts Sulpitius Haller verfasst von Eberhart von Rümlang, Seckelschreiber zu Bern. Inhalt: Vogtliste. Erzählung wie der Aargau an Bern kam; Rechtsverhältnisse der Stadt Lenzburg und des Schlosses, Lösung der verpfändeten Rechte und Güter von den Schultheiss; Niederlenz, Rupperswil, Dintikon, Othmarsingen, Ammerswil, Gränichen, Staufen, Suhr, Aabach, Steuer unter dem Sarbaum, Hornussen, Ober- und Unter-Kulm, Birr im Eigenamt, Gontenschwil, Brunegg, Möriken, Kölliken, Steuer zu Muhen, Reinach, Safenwil, Landmarch zwischen Bern und Solothurn, einzelne Nachträge bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts (um 9. Mai 1539). Das Buch liegt nicht als ein Stück ediert vor, sondern wurde durch M ERZ nach Orten aufgeteilt vorwiegend im Rechtsquellenband M ERZ , SSRQ AG II/ 1 auszugsweise ediert. Eine Edition zum Teil der Stadt Lenzburg findet sich im Anhang von G LARNER , Ribi. 203 In Königsfelden entstanden so folgende Bände: Zu den Freien Ämtern (AA/ 0528, Bodenzinsurbar für die Freien Ämter [Der nüw urber jn ämptern] (1529)), zu den Kirchspielen 221 <?page no="221"?> den also auch alle vorhandenen Dokumente erneut abgeschrieben. 204 Die gewaltige Windisch und Staufen (zwei Bände AA/ 0529, Zehnt- und Zinsverzeichnis des Klosters Königsfelden [Harnach sind geschriben die zechenden so verlichen sind im kilchspell windisch stuoffen und sunst allenthalben, im 1529 jar under herrn dem hoffmeister georg schöne] (1529) und AA/ 0530, Urbar, Zehnt- und Zinsverzeichnis für das Kirchspiel Windisch, die Ämter Eigen, Lenzburg und die Grafschaft Baden [Urbar und Zinsbuoch der Raent und Güllt ouch der Zächenden so so ein Hoff Kungsvaelldenn järlichenn ingenamen hatt, angefangenn under mir Hanns Ruodollff von Graffenried derzit Hoffmeister Anno 1532] (1532)), Schloss und Hof Hilfikon (AA/ 0531, Bereinigung des Urbars das Schloss und den Hof Hilfikon betreffend (1534)), Baden (AA/ 0532, Urbar die Stadt Baden, die Grafschaft Baden, Zofingen und Basel betreffend (1535-1537), (1535)), Brugg mit Amt Schenkenberg (zwei Bände: AA/ 0533, Urbar die Stadt Brugg, das Amt Schenkenberg und Vorderösterreich betreffend [Nüw Urber der Statt Brugg in der Herrschaft Schenkenberg], Bd. 1 (1536) und AA/ 0534, Urbar die Stadt Brugg, das Amt Schenkenberg und Vorderösterreich betreffend, Bd. 2 (1536), hier geographisch gedacht, das Amt Schenkenberg gehörte nur teilweise zum Klosterbesitz), Zofingen, Aarburg und Oftringen (AA/ 0536, Urbar Zofingen, Aarburg und Oftringen betreffend (17. Mai 1537) und AA/ 0537, Urbar Zofingen, Aarburg und Oftringen betreffend (1537)). 204 Zum großangelegten Vorgang der Urbaraufnahme siehe StABE (ohne Anspruch auf Vollständigkeit und mit herzlichem Dank an Vinzenz Bartlome, Staatsarchiv Bern, für die Auskünfte), nach Ämter geordnet, alle Stücke stammen aus C II a: Urbarien Aarberg 56, Haus Detligen (1531); Urbarien Aarberg 1 (1532); Urbarien Aarwangen 23, Haus Thunstetten (1530); Urbarien Amt Bern I 13, Interlakenhaus in Bern (1542); Urbarien Amt Bern I 36, Ober-Ostermundigen (1537); Urbarien Bern I 44 Bodenzins-Urbar des St. Johannsenhauses (Reinschrift) (1531); Urbarien Bern I 64 Urbar des Hauses Fraubrunnen über Boden- und Pfennigzinse, die später dem St. Johannsenhaus zugelegt wurden (1531); Urbarien Bern II 11 Urbar der Stiftreben zu Oberhofen, Hilterfingen und Spiez, nebst Verzeichnis einiger Pfennigzinse (1530); Urbarien Bern II 12 Urbar der bisherigen Stiftsschaffnereien Thun und Niedersimmental (1530); Urbarien Bern II 13 Urbar der Einkünfte des Stifts, sowie ihrer sonstiger Rechtsame an Gerichten und Hölzern (1531); Urbarien Bern II 14 «Vergriff und Inhalt jährlichen Inkommens an Zins und Zechenden des Buws der Lütkilchen zu Bern» (1533); Urbarien Bern II 15 Urbar des Stifts, namentlich betreffend Oberbalm und die dortige Gegend (1543); Urbarien Bern II 33 Pfennigzins-Urbar des Stifts (1532-1543); Urbarien Bern III 1 Urbar der Zinsen und Zehnten, dem Haus Köniz zugehörig (1529); Urbarien Bern III 2 Köniz, Bodenzins- und Zehnturbar (1554); Urbarien Bern IV 1 Mushafen-Bodenzinsurbar Tom. I-II plus weitere Rödel (1535); Urbarien Bern IV 21 Urbar der ablösigen Pfennigzinse des Mushafens (1534); Urbarien Biel 5 Zinsrodel, was ein Schaffner von St. Johannsen zu Biel beziehen soll, betrifft Biel, Bözingen, Plentsch, Leubringen, Romont, Ilfi (1539); Urbarien Biel 8 Urbar der dem Gotteshaus Bellelay zuständigen Schupposen, Zinsen, Zehnten und Bodenzinsen um Biel gelegen (1553); Urbarien Büren 17 Urbar von Boden- und Pfennigzinsen, sowie von Zehnten des Hauses Oberbüren (ca. 1532); Urbarien Büren 18/ 1 Zinsrodel der Stiftschaffnerei Rüti b. B (1523) - Zusammenhang unsicher; Urbarien Büren 24 St. Johannsen-Urbar, die Gegend von Büren betreffend (1400 (ca.)-1530 (ca.)); Urbarien Büren 26 St. Johannsen-Heischrodel, die Gegend von Büren betreffend (1535 (ca.)); Urbarien Burgdorf 1 Urbar des Schlosses Burgdorf (1526); Urbarien Burgdorf 29 Rodel der Thorbergzinse zu Thun, betrifft die Gegend zwischen Münsingen und Thun (1531); Urbarien Burgdorf 30 Urbar der Schaffnerei des Thorberghauses zu Thun (1532); Urbarien Burgdorf 33 Thorberg, Zins-, Zehnt- und Bodenzinsurbar Tom. I-II (1530); Urbarien Burgdorf 36 Thorberg-Urbar, Gegend von Krauchthal (1546 (ca.)); Urbarien Burgdorf 37 Thorberg-Urbar, Gegend von Koppigen (1546 (ca.)); Urbarien Burgdorf 65 Urbar der Fraubrunnen-Schaffnerei zu Burgdorf (1531); Urbarien Burgdorf 66 Urbar der Trub-Schaffnerei zu Burgdorf (1531); Urbarien Erlach 4 Bodenzinsurbar der Herrschaft Erlach (1535-); Urbarien Erlach 5 Urbar des Schlosses Erlach (1530); Urbarien Erlach 6 Urbar der zinsbaren Lehengüter zu Ins, vom Kloster Erlach (St. Johannsen) herrührend (1533); Urbarien Erlach 7 Urbar der zinsbaren Güter zu Siselen, Täuffelen, Epsach, Hermrigen, Bühl und Mörigen, vom Kloster Erlach (St. Johannsen) (1533); Urbarien Erlach 8 Schlafrodel, gezogen aus den fünf Urbarbüchern, dem Kloster Erlach gehörig (1538); Urbarien Erlach 73 Einkünfteverzeichnis des Konvents zu St. Johannsen (1528); Urbarien Erlach 74 Einkünfte- und Ausgabenverzeichnis des Abts zu 222 <?page no="222"?> St. Johannsen (1528); Urbarien Erlach 75 Urbar der zinsbaren Lehengüter des Klosters St. Johannsen zu Müntschemier, Treiten, Brüttelen, Finsterhennen (1533); Urbarien Erlach 76 St. Johannsen Bodenzinsurbar in den Herrschaften Biel, Büren, und Erguel (1539); Urbarien Fraubrunnen 3 Fraubrunnen, Dominium-, Waldungen-, Bodenzins- und Zehnturbar (1531); Urbarien Fraubrunnen 4 Fraubrunnen, Urbar, die Gegend von Bern nach Thun und weiter aufwärts betreffend (1531); Urbarien Fraubrunnen 53 Münchenbuchsee, Bodenzins- und Zehnturbar (1532); Urbarien Fraubrunnen 109/ 1 Landshut, Zinsbuch der Herrschaft (1532); Urbarien Frutigen 1 Frutigen, Dominium und Bodenzinsurbar 2 Bände (1538); Urbarien Interlaken 1 Interlaken, Bodenzinsurbar (1535); Urbarien Konolfingen 6 Urbar über Zehnten der von Erlach in der Kirchhöre Grosshöchstetten (von der ehemaligen Kaplanei herrührend) (1544-1545); Urbarien Konolfingen 7/ 1 Urbar eines Lehengutes zu Reutenen (Rütinen) bei Zäziwil (1553); Urbarien Laupen 4 Zinsbuch der Herrschaft Laupen (1529); Urbarien Laupen 5 Band 1532-1542; Urbarien Laupen 5/ 1 Band 1532- ca. 1601; Urbarien Neuveville 4 Urbar über die Lehengüter, Frucht- und Weinzinse des Kloster St. Johannsen in Landeron, Lignières, Engers, St. Blaise (1522-1524); Urbarien Neuveville 5 Rodel über Lämmerzehnten etc. in Prêles, Lamboing, Diesse und Nods (1520-1543); Urbarien Neuveville 8 Rodel über Zinse, herrührend von St. Johannsen, in Neuenstadt, Landeron und auf dem Tessenberg (1530 (ca.)); Urbarien Neuveville 9 Rodel über Zinse, herrührend von St. Johannsen, in Neuenstadt, Landeron und auf dem Tessenberg (1530 (ca.)); Urbarien Neuveville 10 Rodel über Lämmerzehnten auf dem Tessenberg (1544-1550); Urbarien Neuveville 11 Urbar des Hauses St. Johannsen über Zinse in Prêles, Lamboing (Macolin), Nods, Diesse und Lignières (1528-1833); Urbarien Neuveville 12 Urbar über Bodenzinse des Hauses St. Johannsen in Lignières (1533); Urbarien Neuveville 13 Zinsrodel des Hauses St. Johannsen (Frucht- Kapaunen-, Geld- und Wachszinse) betr. Landeron, Cressier, Engers, Voëns (1545); Urbarien Neuveville 19 Tessenberg-Urbar (1524); Urbarien Nidau 1 Zinsrodel der Grafschaft Nidau (1521); Urbarien Nidau 2 Urbar der Grafschaft Nidau (1538-1551); Urbarien Nidau 3 Rodel über die Einkünfte des Vogtes von Nidau (1538); Urbarien Nidau 4 Nidau, Bodenzins-Urbar (1551); Urbarien Nidau 110 Urbar über Bodenzinse zu Sutz und Lattrigen, dem Kloster Bellelay gehörig (1550); Urbarien Nidau 117 Urbar und Rechnungsbuch betr. Herrschaften Nidau und Tessenberg (1458-1478); Urbarien Nidau 118 Urbar über Zinsen, die Reinhard von Wattenwyl zu Jens, Studen, Worben, Safnern, Lattrigen, Brügg, Kappelen, Hermrigen (1529-1551); Urbarien Schwarzenburg 3 Grasburg- (Schwarzenburg-) Urbar (1533 (ca.)); Urbarien Schwarzenburg 4 Rodel über die Ausgaben und Einnahmen der Herrschaft Grasburg (1534); Urbarien Schwarzenburg 28 Band 1533-1542; Urbarien Schwarzenburg 29 Band 1554; Urbarien Seftigen 3 Urbar für Augustin von Luternau über Einkünfte in der Herrschaft Belp, sowie in Wabern, Bern, Biglenthal, Bözingen (1530); Urbarien Seftigen 9 Urbar des Hauses Rüeggisberg, Band I-II (1533 (ca.)-1542); Urbarien Signau 1 Urbar über die jährlichen Zinsen und Gülten, Schloss und Haus Signau (1530); Urbarien Signau 2 Konzept über die jährlichen Zinsen und Gülten, Schloss und Haus Signau (1530); Urbarien Signau 3 Urbar betr. Zinse, Gülten, Zehnten mit allem andern Recht, Anhang, Herrlichkeit, Nutzen und Zugehör der Herrschaft Signau (1547); Urbarien Niedersimmental 1 Urbar des Schlosses Wimmis (1543); Urbarien Obersimmental 6 Zinsbuch für das ganze Land Obersimmental (1548); Urbarien Obersimmental 7 Urbar über Zehnten, Mühlen- und Bergzinsen, Pfennigzinsen etc. im Obersimmental (1548); Urbarien Thun 3 Urbar der Herrschaft Thun (1531); Urbarien Thun 19 Urbar über Bodenzinse des Interlakenhauses zu Thun (1530 (ca.)); Urbarien Thun 24 Reb-Urbar von Thun, Steffisburg, Thun Oberhofen, Amsoldingen, Gunten und Aeschlen (1530 (ca.)); Urbarien Thun 26 Urbar über verliehene Güter oder Erbschaft Scharnachthal zu Oberhofen, Hilterfingen etc. (Alpen) (1542); Urbarien Thun 26/ 1a Urbar über Herrschaft-Pfennig- und Weinzinse (1542); Urbarien Thun 26/ 1b Zinsrodel der Gemeinde Hilterfingen (1523) - unsichere Verbindung; Urbarien Thun 32/ 2 Urbar des Stifts von Bern über ihre Zehnten und Halbreben zu Hilterfingen und Oberhofen (1546); Urbarien Trachselwald 1 Urbar die dem Haus und Schloss Trachselwald zugehörigen Bodenzinse und Zehnten (1531-1553); Urbarien Trachselwald 11/ 3 Rodel über die Einkünfte des Hauses Erlach (St. Johannsen) in und um Huttwil (1514-1529); Urbarien Trachselwald 11/ 4 Rodel über Zinse des Hauses St. Peter im Schwarzwald (Herzogenbuchsee) zu Huttwil (1529); Urbarien Trachselwald 11/ 6 Urbar-Konzept betr. Güter in Huttwil, Madiswil, Ursenbach und Ruswil (1532); Urbarien Trachselwald 15 Bodenzins- und Zehnturbar des Hauses Rüegsau in der Herrschaft Brandis (1547); Urbarien Trachselwald 16 Bodenzinsurbar 223 <?page no="223"?> Neuordnung, die zur Beschriftung tausender Papierseiten führte, hatte in den 1530er und 1540er Jahren ihren Höhepunkt. Obwohl an dieser Stelle nicht näher quantifizierend ausgewertet, zeugt die schiere Masse von einem zentral gesteuerten, teuren Unternehmen. Dabei standen nicht nur geistliche Institutionen im Fokus, die aufgrund der Reformation aufgelöst wurden und zukünftig den Herren in Bern zinspflichtig wurden, sondern auch weltliche Herrschaften. Ausgangspunkt des Unternehmens waren die Besitzungen in der Westschweiz. Das Interesse Berns an Habsburg Die Frage stellt sich, weshalb neben den Urbarbüchern eine umfassende Kopialreihe angelegt wurde. Der Registerband gibt eine mögliche Erklärung: Nachfolgend an das Register wurden im Kopialbuch alle als wichtig empfundenen Erwerbungen, Privilegien- und Freiheitenbestätigungen eingefügt: angefangen beim Kauf des Bodens, auf dem die Konvente errichtet wurden, über eine Vielzahl von Bestätigungen der Herzoge von Habsburg bis schließlich zur Freiheitenbestätigung durch den Stadtstaat Bern Ende des 15. Jahrhunderts. Konkret wurde also eine Genealogie vorgelegt, die zeigt, dass es sich bei der Institution Königsfelden um ein Kloster handelte, das direkt von den Herzogen von Habsburg abhing. Die Abhängigkeit Königsfeldens wechselte anschließend in Richtung Bern - ein genauer Zeitpunkt dafür ist nicht zu eruieren. 205 Im Buch wurde Bern als Nachfolger Habsburgs inszeniert und legitimiert. Allein aufgrund der Reihenfolge der Privilegien wurde also ein Übergang der Landesherrschaft nachvollzogen, der sich mehrere Jahrzehnte hinzog. Dies ist nicht unverständlich, da auch nach der Ausfertigung der «Ewigen Richtung», wie durch die Kopialbuchreihe um 1480 nachvollziehbar, in Königsfelden ein Streben nach Selbstbestimmung erkennbar blieb. Die Übernahme der Landesherrschaft bedeutete jedoch im eigentlichen Sinn noch nicht die Übernahme des Klosterbesitzes. Und genau hier liegt der Grund für die Anlage der Abschriften im Registerband. Durch die Herstellung einer engen Verknüpfung zwischen Königsfelden und Habsburg, bei gleichzeitigem Übergang der Herrschaft von Habsburg auf Bern, vermochte das Buch zu der Herrschaft und des Schlosses Brandis (1526); Urbarien Trachselwald 25 Urbar über alle dem Haus Sumiswald zugehörigen Zinsen und Zehnten (1530); Urbarien Trachselwald 26 Urbar über die dem Schloss und Haus Sumiswald gehörigen Bodenzinse und Zehnten (1539); Urbar der Grafschaft Wangen, herrührend von der Propstei (1529-1580); Urbarien Wangen 13 Herzogenbuchsee-Urbar betr. die Boden-, Pfennig- und Korngülten, die Korn- und Heuzehnten der Propstei (1533); Urbarien Wangen 17 Urbar über die dem Schloss Wangen zuständigen Zinsen, Renten, Gülten, Korn- und Heuzehnten zu Rohrbach (1531); Urbarien Varia 1 Landshut (? ) (1530 (ca.)); Urbarien Luzern 1a Erneuerung des Einkommens des Hauses Erlach zu Wilisau und Geiss von den dortigen zins- und fallpflichtigen Gütern (1532); Urbarien Neuchâtel 1 Urbar betr. die dem Hause St. Johannsen zustehenden Getreide-Bodenzinse zu Mostier (=Môtier), Flurier (=Fleurier) (1553). 205 Im alten Schlossurbar von Lenzburg von 1539, ebenfalls von Eberhart von Rümlang angelegt, wird die Übernahme der Herrschaft auf 1415 datiert, wobei die Rolle Sigmunds zu Gunsten Berns angepasst wird. Nichts wird davon berichtet, dass sich Sigmund nach der Unterwerfung Friedrich IV. für eine Rückgabe der Besitzungen einsetzte. Für Königsfelden kann der Zeitpunkt nicht herangezogen werden, da das Kloster nicht erobert wurde. Da Klöster unter königlichem Schutz standen, hätte Bern somit Sigmund verstimmt. Sigmund bestätigte 1417 alle Rechte und Privilegien, siehe oben S. 87. 224 <?page no="224"?> demonstrieren, wie die Herrschaft über Königsfelden und damit den gesamten Königsfelder Besitz wechselte. Wie bereits anhand der Austrittsquittungen der Klarissen gezeigt wurde, 206 war dies nur eine der Taktiken, um den Besitz Königsfeldens zu beanspruchen. Die Wichtigkeit des Werks bestätigt allein schon die Tatsache, dass es nicht nur einfach, sondern gleich doppelt produziert wurde. Wahrscheinlich diente ein Exemplar der Zentrale in Bern und das zweite dem Verwalter in Königsfelden. 207 Ebenfalls in die Zeit der Anlage der Kopialbuchreihe fallen habsburgische Ansprüche, die die Jahrzeitleistungen aus dem Kloster zurückfordern, da die Konvente nicht mehr Habsburg gedenken würden. Das Unterfangen wurde von Bern strikt und erfolgreich abgelehnt. Die Kopialbuchreihe stellte somit mehr dar als die Sicherung der Rechte und die Zurverfügungstellung in Königsfelden, nachdem die Urkunden und Akten abtransportiert worden waren. Natürlich könnte dies ein Faktor in der Anlage der Reihe gewesen sein. Im Kern bildeten die Bände jedoch den Abschluss der Herrschaftsübernahme: Die Institution Königsfelden wurde Teil des bernischen Stadtstaats. Die faktisch bereits bestehende Herrschaft wurde durch die umfangreichen Bücher nochmals und definitiv bestätigt. Die Abschriftenreihe hatte es entsprechend nicht nötig, einzelne Stücke zu konstruieren. So wurden keine Abschriften angelegt, die nur als Abschriften vorhanden waren. Die Konstruktion lag im Aufbau der gesamten Reihe und nicht in der Rekonstruktion einzelner Stücke. Es ist gut möglich, dass der Zeitpunkt genutzt wurde, um systematisch Bestände aus dem Franziskanerkonvent zu zerstören. Insbesondere die Gebäude, aber auch geldwertes Eigentum von Franziskanerkonventen gehörten formell dem Papst, insofern lag es im Interesse Berns, möglichst alle franziskanischen Spuren vergessen zu machen. 208 Insgesamt fällt auf, dass Stücke mit franziskanischem Bezug tendenziell nicht ins Kopialbuch aufgenommen wurden, es sei denn, im Klarissenkonvent wurde ebenfalls eine Ausfertigung aufbewahrt. 209 Bereits kurze Zeit nach der Anlage scheint das vielbändige Werk seinen Zweck erfüllt zu haben und es wurde nicht mehr gebraucht. Die Seiten wurden nur noch selten gewendet, Anmerkungen und Verweise finden sich so gut wie keine innerhalb der Abschriften. Schon Ende des 16. Jahrhunderts war ein Urkundenregister angelegt worden, das ebenfalls als Kopie nach Königsfelden gebracht wurde und einen Überblick über die Stücke des ehemaligen Klosters verschaffte. 210 Die Übernahme der Herrschaft war - dank Kopialbuchreihe - erfolgreich umgesetzt worden, und die Seiten konnten in der Folge unberührt die Zeit überdauern. 206 Siehe oben S. 102. 207 Welches Stück für Bern bzw. für Königsfelden bestimmt war, lässt sich nicht mehr eruieren. Beide Stücke werden heute in Aarau aufbewahrt: StAAG AA/ 0434 und AA/ 0435, Kopialbuch III, Bd. 5 (Register 2), (1530). 208 Zu franziskanischem Besitz siehe B ERNHARD N EIDIGER , Armutsbegriff und Wirtschaftsverhalten der Franziskaner im 15. Jahrhundert, in: Erwerbspolitik und Wirtschaftsweise mittelalterlicher Orden und Klöster, hrsg. von K ASPAR E LM , Berlin 1992, S. 207-230. 209 Die Aussage ist sehr beschränkt tragfähig, da nur die Stücke überprüft werden können, die mit der franziskanischen Dorsualnotiz beschriftet wurden. Siehe dazu oben S. 198. 210 Beim Register handelt es sich um AA/ 0437, Regestenband der Urkunden des Klosters und Oberamts Königsfelden (1573), siehe dazu unten ab S. 254. 225 <?page no="225"?> 4.6 Kopieren und Kopialbücher - Fazit Kopialbücher spielten für Königsfelden bereits kurz nach der Stiftung und bis nach der Auflösung eine zentrale Rolle als Schrifttyp. Die Funktion der Stücke änderte sich jedoch so stark, dass die Einordnung als «Kopialbuch» nur bis zu einem gewissen Punkt Auskünfte zu Gebrauchs- und Herstellungsintentionen erlaubt. Obwohl die Bücher und Hefte alle Abschriften enthalten und als Sicherungsmechanismus vor Dokumentenverlusten angesehen werden können, ergibt die Aufschlüsselung der Umsetzung und Anlage der Stücke starke Differenzen in Bezug auf intendierte Einsätze oder Gebrauchszusammenhänge. Das erste Kopialbuch, angelegt um 1335, wurde durch die Präsenz von Agnes von Ungarn geprägt und manifestierte die Verbindung zwischen Stifterinnen und Konventen. Das Kopialbuch der Franziskaner, produziert um 1417, steht im Kontext der Emanzipation der Franziskaner von den Klarissen. Die Reihe an Heften von 1480 zeugen von einer geographischen Aufschlüsselung der Besitzungen, die innerhalb der bernischen Landesherrschaft verteidigt werden mussten. Die gebundene Kopialbuchreihe von 1538 schließlich demonstriert den Übergang der Herrschaft an Bern, der mit dem Abtransport der Stücke in die Verwaltungszentrale nach Bern verbunden war. Die Vielzahl der Kopialbücher und -hefte, sicherlich aufgrund der großen Autorität des ersten Kopialbuchs angelegt, wurde damit zum distinkten Merkmal Königsfeldens. 211 Die beschriebene Reihung demonstriert zwar die konstante Wichtigkeit von Kopialbüchern oder -heften innerhalb der Institution Königsfelden, jedoch wurde die Funktion ständig angepasst und umgedeutet. Diese Umdeutungen lassen sich teilweise anhand der in der Zwischenzeit entstandenen Zinsbücher erklären. Die Repräsentationsfunktion des ersten Kopialbuchs wurde im Bodenzinsurbar von 1432 dahingehend angepasst, als die Besitzungen nun geographisch systematisiert in einem Heft wiedergegeben wurden, wobei Abgaben eine zentrale Rolle spielten. Das Zinsbuch von 1451 demgegenüber ist zwar eine Weiterentwicklung der Abgabenkontrollmechanismen des Bodenzinsurbars, jedoch ohne die repräsentative Funktion zu übernehmen. Dies führte zu einem erneuten Bedarf an Repräsentation, dem durch die ebenfalls geographisch geordneten Kopialhefte von 1480 entsprochen wurde. Die Analyse von Kopialbüchern und -heftreihen ist indes nur sinnvoll, wenn die äußeren Umstände mitberücksichtigt werden. Während Agnes aus einer Position der Stärke agieren konnte, waren das Kopialbuch der Franziskaner und wohl auch der Bodenzinsrödel der Elisabeth von Leiningen in Drucksituationen nach der Übernahme der Herrschaft durch Bern (1415) entstanden. Gleiches gilt für die Kopialbuchhefte von 1480, die analog zur gleichzeitig entstandenen Abschrift der «95 Herrschaften» 212 ein Verständnis als eigenständige, habsburgisch geprägte Institution wiedergaben. Wahrscheinlich aufgrund der vielen Kopialbüchern in Königsfelden sah sich Bern zum Zeitpunkt der Auflösung der Konvente und Umwandlung in eine Landvogtei gezwungen, den Schrifttyp selbst zu nutzen und eine eigene Reihe 211 Insbesondere der Fall des Franziskaner-Kopialbuchs ist aufschlussreich, da für franziskanische Klöster bis 1500 nur ausgesprochen wenige Kopialbücher nachzuweisen sind. Die Recherchen dazu beruhen auf Abfragen in IRHT, cartulR (Website: www.cn-telma.fr/ cartulR/ index/ ). 212 Beschrieben oben S. 97. 226 <?page no="226"?> zu verschriftlichen. In Anlehnung an Goodys und Watts consequences of literacy kann mit Blick auf die hohe Dichte an Kopialüberlieferung von einer consequence of typology gesprochen werden. 213 Die Einzelblattkopien, die ihre Vorgängerstücke bis auf die Zeichen (Copies figurées) aus der Zeit von 1370 nachahmten, sind in dem Zusammenhang ein Versuch, die hohe Anerkennung des Kopialbuchs auf andere (Einzelblatt-)Stücke auszuweiten. Kopialbücher als Aufbewahrungsträger von Urkunden oder anderen Schriftstücken spielten eine untergeordnete Rolle. Vielmehr agierten die Bücher und Hefte als Ausdruck und Demonstration von Macht- und Traditionsbewusstsein. Allgemein spielten Fragen der systematisierenden Aufbewahrung bis spät ins 15. Jahrhundert keine Rolle. Erst ab 1480 und mit der Anlage der geographischen Kopialhefte kann eine solche Intention festgemacht werden. Die Logik der Aufbewahrung von Dokumenten wurde lange Zeit durch andere Faktoren als Kopialbücher geprägt. 213 G OODY und W ATT , Consequences. 227 <?page no="228"?> 5 Aufbewahren: Verwalten und Behalten Die heute noch vorhandenen Artefakte wurden offensichtlich während langer Zeit aufbewahrt. Dies legt den problematischen Schluss nahe, dass eine kontinuierliche Aufbewahrung in stabilen Institutionen erfolgte. Archive werden darum gerne als langlebige Entitäten verstanden und ihre Existenz wird über Jahrhunderte vorausgesetzt. 1 Auch wenn neuere Untersuchungen zu zentralen Archiven und Archivbeständen deren langfristige aktive Nutzung anzweifeln und teilweise das Dasein als Institution dekonstruierten, 2 bleibt die Vorstellung bestehen, dass eine Vielzahl der überlieferten Dokumente mit dem Ziel der langfristigen Verfügbarmachung durch einschlägige Mittel (Archivräume, Laden, Truhen etc.) aufbewahrt und geordnet wurde. Die Aufarbeitung der in Königsfelden aufbewahrten Dokumente eröffnet die Chance, diese Vorstellung kritisch zu hinterfragen. Insbesondere die in Königsfelden vertretenen Akteure eröffnen unterschiedliche Blickwinkel auf Fragen der Aufbewahrung und den Umgang mit Schriftstücken. In Königsfelden finden wir zum einen die beiden Ordenskonvente, der Franziskaner und Klarissen, die sich mit der Herausforderung konfrontiert sahen, Schriftstücke zu bewahren; zum anderen aber auch einen habsburgischen Hofstaat, der zumindest bis zum Ableben der früheren Königin Agnes von Ungarn selbst Schriftstücke aufbewahrte und eigene Vorstellungen davon hatte, wie mit Schrift umgegangen werden sollte. Im Zuge der Reformation und der Auflösung der Konvente machte zudem die Stadt Bern Ansprüche auf Herrschaft und auch auf die schriftlichen Dokumente geltend. Die letztlich überlieferten Stücke bilden somit nicht eine Sammlung von Dokumenten ab, die einmalig als überlieferungswürdig bewertet wurden, sondern sind vielmehr das Resultat mehrfacher Auswahl, die sich vor dem Hintergrund unterschiedlichster Ansprüche und Vorstellungen bewähren musste. Die örtlichen Verschiebungen der Dokumente, die heute größtenteils in Aarau liegen, zeugen von einer hohen Mobilität der Schriftstücke. 3 Dieses Kapitel soll denn auch nicht die Etablierung eines Archivs verdeutlichen, sondern aufzeigen, welche Formen der Aufbewahrung innerhalb von 300 Jahren praktiziert und wie die Dokumente gruppiert wurden. Aufbewahrungsbedingun- 1 Siehe etwa den Eintrag im Lexikon des Mittelalters zu «Archiv»: K ATHARINA C OLBERG , Archiv, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 1, München und Zürich 1980, Sp. 907-911. Zu Archiven im Mittelalter siehe auch C AENEGEM , Quellenkunde, S. 134-143. 2 Siehe zum Trésor des Chartes in Paris: Y ANN P OTIN , Archives en sacristie. Le trésor est-il un bâtiment d’archives? Le cas du «Trésor des chartes» des rois de France (XIII e -XIX e siècle), in: Livraisons d’histoire de l’architecture 10 (2005), S. 65-85 und O LIVIER G UYOTJEANNIN und Y ANN P OTIN , La Fabrique de la Perpétuité: Le Trésor des Chartes et les Archives du Royaume (XIII e -XIX e Siècle), in: Revue de synthèse 125.1 (2004), S. 15-44, URL : http : / / dx . doi . org / 10 . 1007 / BF02963691. Zur Kritik an der Forschungssituation siehe auch R AUSCHERT , Herrschaft, S. 89-98, insbesondere S. 91. 3 Die Dokumente sind hauptsächlich im Bestand StAAG U.17 versammelt. 229 <?page no="229"?> gen und -praktiken gerieten in den letzten Jahren vermehrt in den Fokus der Forschung, 4 nicht zuletzt bedingt durch die problematische Archivierung digitaler Datenbestände. Für mittelalterliche Dokumente wurden Überlieferung und Überlieferungsbedingungen zwar seit dem 19. Jahrhundert durch diverse Forschungsansätze bedacht, dabei ging es aber vor allem um den Nachvollzug von Verlusten. Im Zentrum der Forschung stand die Überlieferung jedoch selten. Entsprechend ergibt das Zusammentragen an Schlüssen und Erkenntnissen zur Aufbewahrung bis zum 15. Jahrhundert mehr Stückwerk als Gesamtbild. Noch immer wird in der Mediävistik der Aufsatz von Esch, zu «Überlieferungszufall und Überlieferungs-Chance» als Autorität angesehen, die Einblicke in die Problematik der Überlieferung und Aufbewahrung gibt. Neben dem Zufall als wichtigem Faktor in der Bildung von Überlieferung wird aufgrund der langen Existenz das Überwiegen klerikaler Überlieferungen betont, die das Mittelalter kirchlicher mache, als es gewesen sei, sowie die Einflüsse von Naturkatastrophen bildlich nachgezeichnet. Die bewusste Zerstörung von Dokumenten zwecks Umdeutung vergangener Ereignisse und Zustände wird von Esch nicht in Betracht gezogen. 5 Weder Esch noch spätere Arbeiten fokussieren auf einzelne Bestände. In Einleitungen zu Editionen wird die Bildung von Beständen meist nur stiefmütterlich behandelt, während die Institutionengeschichte in den Vordergrund gerückt und somit mehr oder minder indirekt mit der Bestandesgeschichte vermengt wird. Die Arbeit mit den Kopialbüchern im letzten Kapitel führt vor Augen, dass es bei der Anlage dieser Bücher und Hefte nie um die Abbildung eines gesamten Bestandes ging. Es wurde vielmehr versucht, Dokumente in spezifischer Weise zu gruppieren, um so einzelne Aspekte zu betonen - etwa eine enge Verbindung der Konvente zu den Stifterinnen oder Rechte der Franziskaner. Aus diesem Grund versteht das vorliegende Kapitel die Kopialbücher nicht als Vorform der Archivierung und nähert sich den Königsfelder Dokumenten von anderer Seite. Es wird aufgezeigt, welche konkreten Ordnungsmuster identifiziert werden können, um so an die unterschiedlichen Modi von Aufbewahrung zu gelangen, die ihrerseits Aufschlüsse zum Verständnis von und zum Umgang mit Schrift geben. Dem Zufall, den Esch so hervorhob, ist mit dieser Vorgehensweise nur schwer beizukommen. Zwar kann aufgezeigt werden, dass in Königsfelden ein Archiv im engen Sinn erst sehr spät entstand. Gleichzeitig wird deutlich, dass Formen systematisierender Aufbewahrung existierten, wenngleich diese auch wechselhaft waren und nie zum Ziel hatten, alle Dokumente eines Konvents oder gar der gesamten Institution zu bündeln. Beides zeigt, wie selektiv Stücke aufbewahrt und zerstört wurden. Die Analyse der Dorsualnotizen ergab einige Befunde, die Indizien für Formen der Aufbewahrung im 15. Jahrhundert liefern. Schließlich wird es für das 16. Jahr- 4 Als Wissensgeschichte aufbereitet, die im Mittelalter einsetzt und auf die Frühe Neuzeit fokussiert: F RIEDRICH , Geburt. 5 Siehe E SCH , Überlieferungs-Chance. Im Gegensatz dazu etwa P ATRICK J. G EARY , Medieval Archivists as Authors: Social Memory and Archival Memory, in: Archives, Documentation, and Institutions of Social Memory. Essays from the Sawyer Seminar, hrsg. von F RANCIS X. B LOUIN und W ILLIAM G. R OSENBERG , Ann Arbor 2006, S. 106-113, wobei dieser mehr auf den Einfluss der Aufbewahrenden auf die Werke fokussiert und weniger auf die Bildung einer Überlieferung, siehe auch G EARY , Remembrance, S. 81-114. 230 <?page no="230"?> hundert möglich, nachzuzeichnen, wie ein System zur langfristigen Aufbewahrung, ein Archiv, gebildet wurde. Die unterschiedlichen Formen der Aufbewahrung und Ordnung führten nicht unausweichlich zu einem geordneten Archiv. Im Gegenteil können die Formen als Typen der Ordnung identifiziert werden, welche es lohnt näher zu betrachten. Die Notiz auf der Rückseite machte durch die Bündelung und die dadurch entstandene Ordnung Zugriffe möglich (S. 238). Das Registrieren von Dokumentengruppen zeigt eine Praxis der externen Verschriftlichung (S. 239) und die Verbindung von Abschrift und späterem Regest eine Aufbewahrung in Form eines Archivs (S. 243). Aus heutiger Sicht sind Archive zweifach zu definieren: zum einen in einer engen Fassung als eine Institution mit dem Zweck, langfristig für die Überlieferung von «Archivalien» zu sorgen, zum anderen in einem äußerst weiten, metaphorischen Sinn, wonach jegliche Form der Überlieferungsbündelung als «Archiv» bezeichnet werden kann. 6 Anstatt hier einen Abriss der Geschichte des Archivs zu geben, 7 erlaube ich mir nur eine Überlegung, die zur Schärfung des Archiv-Begriffs genutzt werden soll. Nach Eckart können nur Archivalien, die erstens aus der Verwaltung stammen und zweitens der Historie zugewandt sind, ein Archiv bilden. 8 Auf dieser Grundlage wird auf den folgenden Seiten nur von einem Archiv ausgegangen, falls erstens eine Ordnung in den Dokumenten herrschte, die das Auffinden gezielt unterstützte und zweitens die Aufbewahrung auf Langfristigkeit abzielte. 9 Einen systematischen Ansatz zur Ausbreitung des Archivwesens im Mittelalter für den Raum der Schweiz liefert Rück, der für eine geographische Ausdehnung der systematischen Aufbewahrungspraxis im 13. und 14. Jahrhundert argumentiert, die von Savoyen ausging. 10 Bis um 1400, so seine Einschätzung, etablierten sich in 6 Siehe systematischer: D IETMAR S CHENK , «Aufheben, was nicht vergessen werden darf»: Archive vom alten Europa bis zur digitalen Welt, Stuttgart 2013, S. 42-52. Ein kurzer Abriss der Geschichte des Archivs leistet: A XEL J ÜRGEN B EHNE , Archivierung und Schriftgut, in: Schrift und Schriftlichkeit. Ein interdisziplinäres Handbuch internationaler Forschung, hrsg. von J ÜRGEN B AURMANN und H ARTMUT G ÜNTHER , Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft 10, Berlin 1996, URL : http: / / dx.doi.org/ 10.1515/ 9783110111293.1.2.146. Die Geschichte des Archivs wurde lange Zeit vor allem aus Perspektive der Archivare erörtert, siehe etwa bereits L EOPOLDO S ANDRI , La Storia Degli Archivi, in: Archivum. Révue Internationale des Archives 18 (1968), S. 101-113. 7 Dazu sei auf W ELLMANN , Archive und wiederum auf S CHENK , Aufheben, S. 53-78 und F RIEDRICH , Geburt verwiesen. 8 Siehe F RANZ G. E CKART , Einführung in die Archivkunde, Darmstadt 1977 und darauf aufbauend: S CHENK , Aufheben. 9 Aufgrund dieser starken Beschränkung werden auf den folgenden Seiten, die in den letzten Jahren ausführlich erörterten metaphorischen Formen von Archiven weggelassen. D ERRIDA und F OUCAULT gehörten zu den Protagonisten, die das Verständnis geprägt haben. Wobei ihre Einsichten leitend sind für die hier vorgebrachten Argumente. Die Einschränkung führt dazu, dass die Mehrheit der Aufbewahrungsformen, die in Königsfelden gefunden werden können, nicht in diese enge Definition passt und entsprechend der Begriff «Archiv» sehr zurückhaltend gebraucht wird. Gleichzeitig wird jedoch die Gefahr akut, anderen Formen der Aufbewahrung eine Defizienz zuzuschreiben, was überhaupt nicht im Sinn dieser Seiten ist. Mehr noch bieten die anderen Formen produktive Einsichten, wie Schriftstücke im 14. und 15. Jahrhundert verstanden wurden. 10 P ETER R ÜCK , Zur Diskussion der Archivgeschichte: Die Anfänge des Archivwesens in der Schweiz (800-1400), in: Fachgebiet Historische Hilfswissenschaften. Ausgewählte Aufsätze 231 <?page no="231"?> den deutschsprachigen Städten der Eidgenossenschaft erste Formen der systematischen Aufbewahrung. Obwohl auch Detailstudien zu Luzern und Bern zu ähnlichen Schlüssen kommen und ab 1400 auch eine institutionalisierte Verwaltung fassbar wird, muss eingeschränkt werden, dass über die konkreten Arbeitspraktiken der Verwalter nur Schlaglichter Auskunft geben und die Aufbewahrung in den Städten erst später konkreter greifbar wird. 11 Schon zwei Jahrhunderte früher hatten die italienischen Stadtstaaten begonnen, Archive einzurichten, die offiziell auch für die Öffentlichkeit zugänglich sein sollten. 12 Auch bereits erste Findmittel wurden angelegt, eine Schriftgattung, die in Königsfelden erst im 15. Jahrhundert in einer Frühform auftauchte. 13 Die Gründe für die abweichenden Geburtsstunden der Archive liegen nicht zuletzt in den historisch unterschiedlichen Rechtskulturen nördlich und südlich der Alpen. Darüber hinaus hielt sich bei den verschiedenen «sozialen» Schichten ein unterschiedliches Verständnis von Schrift. 14 Es ist also hier wie da nicht von einheitlichen Aufbewahrungs- und Ordnungspraktiken innerhalb ganzer Regionen auszugehen, sondern mit großen Differenzen zu rechnen. Dadurch lässt sich zum einen begründen, weshalb Schriftstücke unterschiedlich genutzt wurden, gleichzeitig kann aber auch auf unterschiedliche Schriftaufbewahrungspraktiken geschlossen werden. Der Blick auf die beiden Minderorden (Franziskaner und Klarissen) zeigt denn auch, dass die Ordnung und langfristige Aufbewahrung von Schrift nicht im Zentrum der Bemühungen stand. Die Aufbewahrungspraktiken des franziskanischen Ordens, insbesondere aus der Perspektive des Generalministers, sind ein Thema, das zum 65. Geburtstag von Peter Rück, hrsg. von E RIKA E ISENLOHR und P ETER W ORM , Marburg an der Lahn 2000, S. 5-16. 11 Zu Luzern um 1400 siehe R AUSCHERT , Herrschaft, S. 78-88 und W ANNER , Schreiber, der die Monopolisierung der Schriftproduktion in der Stadt nach 1415 herausstreicht, gleichzeitig jedoch auch betont, dass der Umfang der Produktion bescheiden gewesen sein dürfte (S. 5f.). Zum Archiv in Luzern siehe A NTON G ÖSSI , Archivordnungen und Kanzleiregistraturen in Luzern bis ins 18. Jahrhundert, in: Mitteilungen der Vereinigung der Schweizerischen Archivare 27 (1976), S. 3-25. Als interessanter Befund kann ausgewiesen werden, dass die Schreiber der Stadtstaaten bis nach 1400 nicht aus den eigenen Reihen rekrutiert wurden, sondern teilweise aus dem habsburgischen Aargau (in Luzern Egloff Etterlin und Johannes Fricker, siehe W ANNER , Schreiber, S. 4 und 7) oder aus dem Süden der heutigen Bundesrepublik Deutschland (etwa in Bern siehe S TUDER I MMENHAUSER , Verwaltung, S. 68-99). In Bern wird der Aufschwung des Kanzleiwesens vorwiegend mit dem Zuzug Conrad Justingers verbunden, der Ende des 14. Jahrhunderts die Kanzlei und vor allem das Steuerwesen reformierte, siehe ebd., S. 73-76. 12 Hier und im Folgenden nach P ETRA K OCH , Kommunale Bücher in Italien und die Anfänge ihrer Archivierung, in: Der Codex im Gebrauch, hrsg. von C HRISTEL M EIER , D AGMAR H ÜPPER und H AGEN K ELLER , München 1996, S. 87-100. 13 Ebd., S. 99, zum Adelsarchiv der Gonzaga in Mantua, siehe A XEL J ÜRGEN B EHNE , Archivio di Stato di Mantova. Antichi inventari dell’Archivio Gonzaga, Pubblicazioni degli archivi di stato. Strumenti 117, Roma 1993 und A XEL J ÜRGEN B EHNE , Das Archiv der Gonzaga von Mantua im Spätmittelalter, Diss., Marburg an der Lahn, 1990. Die Situation in wichtigen Stadtstaaten nördlich der Alpen ist bereits beschrieben in E RNST P ITZ , Schrift- und Aktenwesen der städtischen Verwaltung im Spätmittelalter, Köln, Nürnberg, Lübeck, Köln 1959. 14 Siehe T EUSCHER , Document. 232 <?page no="232"?> von der Forschung praktisch ignoriert wurde. 15 Etwas besser aufgearbeitet sind einzelne Archive der Ordensprovinzen. Die für Königsfelden relevante Oberdeutsche Minoritenprovinz, hat ihr Archiv zu Beginn des 19. Jahrhunderts, zumindest in Teilen, nach Luzern verlagert; das älteste Stück stammt darin aus dem Jahr 1265. 16 Anordnungen zur Aufbewahrung finden sich keine, die wenigen überlieferten Codices beschränken sich auf Beschlüsse und Ordnungen des Generalkapitels sowie der Provinzialminister. 17 Auch mit Blick auf Konvente südlich der Alpen ergibt sich der Eindruck, dass die Aufbewahrung von Schriftstücken anderen Orden zahlenmäßig weit nachsteht. 18 Dieselben Befunde ergeben sich für das geheime Archiv im Vatikan und das Archiv der Generalminister. Im Fonds «Ordini Religiosi» des Vatikans findet sich zwar eine Abteilung, die den Franziskanern gewidmet ist, dieser umfasst jedoch vorwiegend Dokumente aus dem 16. bis 18. Jahrhundert. Da der Bestand nur jüngere Dokumente beinhaltet und zur Zeit der Napoleonischen Kriege nach Paris verbracht wurde, lässt sich daraus und auch aus dem Bestand der Generalminister keine Struktur rekonstruieren, die Rückschlüsse zu Aufbewahrungspraktiken des Ordens im Mittelalter erkennen ließe. 19 Die kurze Umschau zeigt wenig Formalisierung oder Normierung in der Aufbewahrung, geschweige denn die Archivierung der Stücke und Bestände. Dieses Er- 15 Vorhanden sind Regesten der franziskanischen Dokumente im Vatikan, die jedoch keine Aussage über die franziskanische Aufbewahrung ermöglichen: Siehe C AESAR C ENCI , Documenta Vaticana ad Franciscales spectantia ann. 1385-1492., in: Archivum Franciscanum Historicum 91.1 (1998), S. 65-131; C AESAR C ENCI , Documenta Vaticana ad franciscales spectantia ann. 1385-1492. Pars III. Documenta Vaticana ann. 1431-1447., in: Archivum Franciscanum Historicum 92.1 (1999), S. 143-198; C AESAR C ENCI , Documenta vaticana ad Franciscales spectantia ann. 1385-1492. Pars IV., in: Archivum Franciscanum Historicum 93.1 (2000), S. 217-259; C AESAR C ENCI , Documenta vaticana ad Franciscales spectantia ann. 1385-1492., in: Archivum Franciscanum Historicum 94.1 (2001), S. 85-145; C AESAR C ENCI , Supplementum ad bullarium franciscanum continens litteras romanorum pontificum annorum 1378-1484. I, 1378-1471: Pro tribus ordinibus s.p.n. francisci ulterius obtentas appendice hierarchica addita, Grottaferrata (Romae) 2002; C AESAR C ENCI , Documenta vaticana ad franciscales spectantia, ann. 1385-1492. I , 1385-1471, Editiones Archivum Franciscanum Historicum,4, Grottaferrata (Roma) 2002; C AESAR C ENCI , Fragmenta priscarum Constitutionum Praenarbonensium, in: Archivum Franciscanum Historicum 96.3 (2003), S. 289-300; C AESAR C ENCI , Documenta vaticana ad franciscales spectantia. Ann. 1385-1492. Pars IX: documenta vaticana ann. 1484-1492, in: Archivum Franciscanum Historicum 97.3 (2004), S. 301-346; C AESAR C ENCI , Documenta Vaticana ad Franciscales spectantia. Ann. 1385- 1492. Pars VIII: Documenta Vaticana ann. 1482-1484, in: Archivum Franciscanum Historicum 97.1 (2004), S. 133-157. 16 Hier und im Folgenden nach A NTON G ÖSSI , Das Staatsarchiv Luzern. Der geographische Nutzungshorizont seiner Bestände, in: Archivalische Zeitschrift 88.1 (2006), S. 217-228. 17 Die Überreste der Aufbewahrung finden sich im Staatsarchiv Luzern, KF Bücher Franziskaner, Oberdeutsche Minoritenprovinz (1206-1900). 18 Siehe für Pinerolo (im Piemont): A NDREA P IAZZA , Le vicende dell’Archivo dei fratri minori di Pinerolo., in: Bollettino storico-bibliografico subalpino 87.1 (1989), S. 235-278. Die treibende Kraft der Produktion von Schrift dürften bis im 15. Jahrhundert häufig die Visitationen gewesen sein (S. 238f.). 19 Siehe G IOVANNI O DOARDI , Conventi e archivi Francescani - richiami storici - rilievi e prospettive., in: Collectanea Franciscana 57.1 (1987), S. 33-49. Zum Bestand «Francescani» im Vatikan siehe P ACIFICO S ELLA , Inventario fondo francescani dell’archivio segreto vaticano, in: Archivum Franciscanum Historicum 94.3 (2001), S. 341-400, zum Archiv der Generalminister: P AOLINI , Documenti. 233 <?page no="233"?> gebnis lässt sich allein mit unglücklichen Überlieferungszufällen nicht erklären. Vielmehr kann bis ins beginnende 16. Jahrhundert den einzelnen Konventen höchstens ein pragmatischer Umgang für die Aufbewahrung und gerade keine Archivierung attestiert werden. 20 Der Umgang der Franziskaner in Königsfelden mit Schrift bestätigt den im Überblick gewonnenen Eindruck bezüglich Verwaltungsschriftgut und Aufbewahrungsbemühungen: Den Dokumenten wurden durch die Priester nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Es fällt jedoch gleichzeitig auf, dass die Franziskaner sehr wohl mit Schrift umgehen konnten. Die als Einbände weiterverwendeten Pergamentfragmente aus der Zeit des 14. und 15. Jahrhunderts deuten auf die Abschriften von Büchern, aber auch die Vermittlung des Schreibens im Konvent. 21 Dieser Befund wird verstärkt durch die Herstellung einer hochwertigen Abschrift der «95 Herrschaften» Ende des 15. Jahrhunderts. 22 Bezüglich der Verwaltung des Franziskanerkonvents lassen sich nur schwerlich belastbare Aussagen machen. Die Dokumente, die ihre Jahrzeiten betrafen, wurden durch sie selbst aufbewahrt. Zu Beginn des 15. Jahrhunderts wurde auch eine eigenes Kopialbuch angelegt. 23 Mengenmäßig kann jedoch nur von einer kleinen Anzahl an Dokumenten im Besitz der Franziskaner ausgegangen werden. Eine systematische Ordnung findet sich in den Dokumenten nicht, beziehungsweise lässt sich eine solche nicht mittels Spuren auf den Stücken rekonstruieren. Ein kurzer Blick auf andere klösterliche Institutionen bringt komplett andere Zustände zu Tage. Das Zisterzienserkloster Fountains Abbey kannte bereits ab dem 13. Jahrhundert eine systematisierte Aufbewahrung, die die Bezeichnung «Archiv» verdient. Vermerke auf den Stücken verweisen dabei auf ein systematisch geführtes Ablagesystem. 24 Der zentralistisch organisierte Zisterzienserorden, der bekannt ist für seine organisierten wirtschaftlichen Tätigkeiten, hielt es für weit notwendiger, die Schriftstücke, analog zu den urbar gemachten Gütern, in Ordnung zu halten. Die klare Hierarchie, basierend auf der Filiation der Konvente, erlaubte es Ordensoberen in jeglichen Archiven der Konvente innert kürzester Zeit Einblicke in die Wirtschaftsführung und weitere Aspekte des Lebens der Konventualen zu gewinnen. Die Aufbewahrung der Franziskaner und der Klarissen in Königsfelden basierte indessen kaum auf einem System des Ordens (beide Orden gelten auch nicht als große Schriftproduzenten). Die reiche Schriftproduktion und -aufbewahrung Königsfeldens kann daher nur sehr bedingt aus einer Ordensperspektive analysiert werden und muss ebenso die Situation der nahen Städte, insbesondere Baden, Bremgarten und Brugg, aber auch Vorstellungen des Aufbewahrens von Schrift bei den fürst- 20 Siehe P IAZZA , Archivo, S. 244f. 21 Zu den Fragmenten siehe W EHRLI -J OHNS , Leben, S. 82-85 (mit Abbildungen) und die Gutachten von Rudolf Gamper und Charlotte Bretscher-Gisiger, die im StAAG eingesehen werden können. 22 Siehe dazu oben S. 97. 23 Siehe oben ab S. 195. 24 Siehe S PENCE , Cartularies und ebenso C ONSTANCE B RITTAIN B OUCHARD , Monastic Cartularies: Organizing Eternity, in: Charters, Cartularies, and Archives, hrsg. von A DAM J. K OSTO und A NDERS W INROTH , Toronto 2002, S. 22-32. Allgemein zur stärkeren Ordnungstätigkeit bei den Benediktinern und Zisterziensern siehe D IRMEIER , Archive, S. 142f. 234 <?page no="234"?> lichen Stiftern als mögliche Erklärungen für die vorgefundenen Praktiken, in den Fokus nehmen. Die folgende Ausholbewegung ist nicht zuletzt dieser Einsicht geschuldet. Um Aufbewahrungspraktiken kurz zu skizzieren, blickt dieses Kapitel erst Richtung Baden, wo sich bis 1415 eine Vielzahl habsburgischer Dokumente befand, die mehr oder weniger geordnet aufbewahrt wurden. Ein Blick auf die Beschriftungen der Rückseiten erlaubt die Rekonstruktion von Bündelungspraktiken, danach wird auf ein erstes Urkundenverzeichnis fokussiert. Die Registratur des Niklaus Frickers um 1450 bildet den nächsten Punkt, der Aufschlüsse über Praktiken des Aufbewahrens nachvollziehbar macht. Am Ende des 15. Jahrhunderts werden schließlich erste Ordnungsbemühungen über größere Schriftgutgruppen feststellbar, die sich im Laufe des 16. Jahrhunderts verstärken und nach der Reformation in Bern zu einer Aufbewahrung führen, die als «Archivierung» bezeichnet werden kann. 5.1 Habsburgisches Aufbewahren in den Vorlanden im 14. Jahrhundert Die Verwaltung der habsburgischen Vorlande, und damit eingeschlossen die Aufbewahrung der Schriftstücke, ist seit Beginn der Schweizer Historiographie ein intensiv bearbeitetes Thema. Bis heute wird der Einfluss der Herzoge und ihrer Mittelsmänner auf die Schriftkultur und auf die Verwaltung im Allgemeinen kontrovers besprochen und eingeordnet, nicht zuletzt aufgrund der Befreiungsmythen, die eine strenge Unterdrückung der freiheitsliebenden Eidgenossen durch das Herrscherhaus Habsburg vertreten. Personifiziert wurde die Herrschaft durch Mittelsmänner - Vögte. 25 Als kurzes Fazit der Forschungsdiskussion abseits der Differenzen zwischen Eidgenossen und Habsburgern kann festgestellt werden, dass die Herzoge und ihre Ehefrauen auf die städtischen Eliten und den Landadel vertrauten, jedoch immer bewusst individuelle Kompetenzen festlegten und so gewissermaßen kontrolliert delegierten. Ein Problem blieb die daraus entstehende Machtanmaßung der lokalen Eliten, die teilweise streng unterbunden wurde. 26 Unterhalb dieser Ebene wird es ausgesprochen schwierig nachzuvollziehen, wie Herrschaft durchgesetzt und Abgaben eingetrieben wurden. Selten schimmern Na- 25 Zur Figur der bösen Vögte: S IMON T EUSCHER , Böse Vögte? Narrative, Normen und Praktiken der Herrschaftsdelegation im Spätmittelalter, in: Habsburger Herrschaft vor Ort - weltweit (1300-1600), hrsg. von J EANNETTE R AUSCHERT , S IMON T EUSCHER und T HOMAS Z OTZ , Ostfildern 2013, S. 89-108. Den Versuch einer Verwaltungsgenealogie unternahm bereits W ALTHER M ERZ , Aargauische Amtslisten, in: Argovia. Jahresschrift der Historischen Gesellschaft des Kantons Aargau 46 (1934), S. 245-260, DOI : 10.5169/ seals- 48912. Neuere Arbeiten zur Verwaltung der Vorlande: A LOIS N IEDERSTÄTTER , Habsburgische Herrschaftspraxis zwischen Bodensee und im ausgehenden Mittelalter, in: Habsburger Herrschaft vor Ort - weltweit (1300-1600), hrsg. von J EANNETTE R AUSCHERT , S IMON T EUSCHER und T HOMAS Z OTZ , Ostfildern 2013, S. 77-88; M ARTINA S TERCKEN , Formen herrschaftlicher Präsenz: Die Habsburger in ihren Städten im Gebiet der heutigen Schweiz, in: Habsburger Herrschaft vor Ort - weltweit (1300-1600), hrsg. von J EANNETTE R AUSCHERT , S IMON T EUSCHER und T HOMAS Z OTZ , Ostfildern 2013, S. 149-168; S TERCKEN , Städte; K ÖHN , Landvogt; L ACKNER , Verwaltung. 26 Am besten nachvollziehbar gegen den Landvogt und Grafen Hermann von Sulz, nachgezeichnet in M ATHÉ , Österreich und H ODEL , Beschwerdeschriften. 235 <?page no="235"?> men durch, Muster lassen sich zumindest für das 14. Jahrhundert nicht erschließen. Am plausibelsten bleibt die sehr allgemeine Vermutung, dass die eingesetzten Eliten eigene Leute einsetzten und diese an erlangtem Gewinn partizipieren ließen. Ob diese untere Organisationsebene noch als «habsburgisch» zu verstehen ist, darf bezweifelt werden. Die Repräsentation der habsburgischen Herrschaft erfolgte aus diesem Grund zentral über Gebäude in Städten, die von den lokalen Eliten nicht ohne Weiteres untergraben und selbst ausgestaltet werden konnten. 27 Der Stein von Baden, die hoch über der Limmatstadt aufragende Feste, muss als wichtiges symbolisches Herrschaftszeichen angesehen werden, ist aber nicht als Sitz der habsburgischen Verwaltung schlechthin zu verklären. Eine zentralisierende Funktion erfüllte der Stein wohl nie, im Gegenteil, die Ausstellung von Dokumenten durch die Herzoge in allen Städten ihres Herrschaftsbereichs zeugt von einer mobilen Herrschaftsausübung. Entsprechend wurde ein örtlich und personell stabiler Hof in den Vorlanden weder geplant noch gewünscht. 28 Obwohl eine Reihe von Urkunden und anderen Dokumenten in Baden aufbewahrt wurde, lässt sich kaum abschätzen, wie umfassend und nachhaltig die Aufbewahrung sein sollte. Offensichtlich wurden bereits Ende des 14. Jahrhunderts Versuche unternommen, in Baden Dokumente zu ordnen und eine Aufbewahrung zu ermöglichen, die den Zugriff erleichterte. Insgesamt etwa 1’500 Dokumente müssen sich bis zum anbrechenden 15. Jahrhundert in der Limmatstadt befunden haben. 29 Ein wichtiger Teil war in der Mitte des 13. Jahrhunderts im Besitz der Grafen von Kyburg gewesen und gehörte zur habsburgischen Erbmasse. 30 Wie organisiert diese und die später dazu gekommenen Stücke in der Zeit vor 1380 waren, lässt sich nicht sagen. Erst um 1384 wurde ein Verzeichnis der Dokumente angelegt. Spätestens damit entstand wohl auch die entsprechende physische Aufbewahrungsordnung, ein Ladensystem, analog zum späteren System in Königsfelden. 31 27 Nach S TERCKEN , Formen, über das gesamte 14. Jahrhundert beschrieben in: S TERCKEN , Städte. 28 Zur Mobilität der Herzoge und ihrem Auftauchen in allen wichtigen Städten siehe S IEBER , Itinierar. Wichtiges Indiz für die höchst bedingte Wichtigkeit des Steins als Herrschaftszentrum liefert die Unterbringung Friedrichs IV. in Baden durch den Untervogt Klingelfuss, die wahrscheinlich nicht in der Feste erfolgte sondern im Haus des Vogts, siehe P ETER N IEDER - HÄUSER , «Der Landvogt kam nie gen Baden». Baden ein habsburgisches Verwaltungszentrum nach 1400? , in: Badener Neujahrsblätter 78 (2003), S. 139-149, DOI : 10.5169/ seals-324761, S. 141. Die Überbetonung der Feste als Verwaltungssitz hängt wohl nicht zuletzt mit modernen Vorstellungen von Burgen als mittelalterlichen Zentren der Verwaltung zusammen - eine Vorstellung, die für das 14. Jahrhundert nicht haltbar ist. 29 Nach R UDOLF T HOMMEN , Hrsg., Die Briefe der Feste Baden, Basel 1941, S. 4. 30 Siehe R OLAND G ERBER , Erobert, entführt und makuliert: Das vorländische Archiv der Herzöge von Österreich als Herrschaftsinstrument und Kriegsbeute, in: Die Habsburger zwischen Aare und Bodensee, hrsg. von P ETER N IEDERHÄUSER , Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich 77, Zürich 2010, S. 95-122, S. 103-106. Der Aspekt ist interessant, denn im Gegensatz zu anderen Dokumenten bedeutet das, dass im Fall des «Kyburger Erbes» die Schriftstücke stabil blieben, während die Herrschaft wechselte. Wie im Fall der durch Königsfelden ererbten Dokumente gezeigt werden konnte (siehe oben S. 56) war dies grundsätzlich nicht usus, in der Praxis wurden Dokumente an die neuen Besitzer ausgehändigt. 31 Siehe ebd., S. 103-108. M EYER argumentiert schlüssig für die Anlage eines ersten Verzeichnisses um 1384, das später abgeschrieben wurde und nur noch als erweiterte Abschrift vorliegt, siehe M EYER , Archiv, S. 176-180. Allgemein ist noch immer T HOMMEN , Briefe, S. 1-30 leitend. 236 <?page no="236"?> Die Verzeichnung der Dokumente um 1384 (vor dem Tod Leopolds III.) lässt die Frage aufkommen, ob der Akt des Niederschreibens in Zusammenhang mit den andauernden Auseinandersetzungen der Herzoge, und vor allem auch der Vögte, mit der Stadt Luzern stand. Es ist denkbar, dass die Dokumente durchgesehen und geordnet wurden, um ein schriftliches Argumentatorium gegen die Verburgerungsbewegungen der Stadt Luzern in Gebieten der Herzoge bereitzustellen. 32 Die Verzeichnung aller Dokumente spricht indessen für ein Unternehmen, das nicht nur auf eine isolierte Auseinandersetzung zurückzuführen ist, sondern insgesamt einen vereinfachten Zugriff anstrebte. Denn die Niederschrift von 1384 ist nicht zwangsläufig die erste, sondern könnte eine aktualisierte Form eines früheren Registers darstellen. In vergleichbaren Herrschaftsgebieten nördlich der Alpen finden sich zeitgleich ähnliche Entwicklungen. 33 Aufgrund der heutigen Verstreuung der ehemals badischen Dokumente bleibt das in der Forschung einflussreiche Bild eines wohlgeordneten, habsburgischen Archivs zu wenig gesichert. Die Durchsicht einiger Probestücke deuten auf eine weniger tiefe Systematisierung hin, als zu erwarten wäre. 34 Als Fazit bleibt die Einsicht, dass die Aufbewahrung in den Vorlanden bereits Ende des 14. Jahrhunderts einer Logik folgte, die (später) in Städten üblich war. 35 Vorwiegend nach Pertinenz geordnet, erlaubte das System mit den alphabetisch und symbolisch gekennzeichneten Kästen verhältnismäßig raschen Zugriff auf die Dokumente. Eine Untersuchung zu den Dorsualnotizen durch Peyer belegt, dass die Rückseiten der Dokumente ähnlich den Regesten des Inventars beschriftet wurden. Eine Nummerierung wurde jedoch nicht angebracht, sodass die Verbindung zwischen Registereintrag und Dokument nicht hergestellt wurde. 36 In der Summe lässt sich der Stein in Baden nicht als zentrales Archiv, sondern besser als Registratur einer Verwaltung charkterisieren, die aufgrund des Landvogts und insbesondere seines Statthalters einen relativ festen Sitz in der Stadt hatte. Daneben blieben auch in anderen habsburgischen Gebieten diverse Dokumente an unterschiedlichen Aufbewahrungsorten verstreut. 37 Im Umgang mit den Dokumenten aus Baden zeigt sich gleichzeitig die grundlegende Bedeutung derselben als Herrschaftslegitimation. Im Gegensatz zu den Dokumenten von Königsfelden wurde in Baden nach der Eroberung von 1415 sämtliche aufgefundene Unterlagen von den Truppen nach Luzern abtransportiert und erst Jahrzehnte später, nach mühsamen Verhandlungen und nur unvollständig, den Herzogen von Österreich wieder ausgehändigt. 38 Baden fand sich plötzlich der wichtigsten «habsburgischen» Dokumente entledigt, was umgehend als großes Problem 32 Zur Zunahme siehe M ARCHAL , Sempach, S. 109-186. 33 Siehe etwa zu Brandenburg und der Anlage eines Urkundenverzeichnisses 1374: S CHENK , Aufheben, S. 65. 34 Darauf hat mich verdankenswerterweise Roland Gerber (Stadtarchiv Bern) hingewiesen, der vorbereitende Sondierungen zu einer systematischen, digitalen Zusammenführung des ehemaligen Badener Archivs durchführte, leider wurde das Projekt bis anhin nicht umgesetzt. 35 Siehe zu Bern unten S. 254. 36 Zu den Dorsualnotizen siehe H ANS C ONRAD P EYER , Das Archiv der Feste Baden: Dorsualregesten und Archivordnung im Mittelalter, Bern 1967. Fehlende Nummerierungen in der Abschrift (einzig eine Zählung der vorhandenen Stücke pro Fach wurde durchgeführt) sprechen ebenfalls gegen eine mögliche Verbindung von Dokument und Inventareintrag. 37 Siehe L ACKNER , Archivordnung. 38 Siehe G ERBER , Erobert. 237 <?page no="237"?> und Defizit empfunden wurde. 39 Die Stadt selbst gewann dank des Kriegszugs nach der Eroberung, zumindest in der ersten Zeit, an Bedeutung und vermochte ihre Privilegien nicht nur zu bestätigen, sondern zuweilen auch zu verbessern. 40 Die Situation änderte sich danach jedoch schneller als im Kloster. Obwohl gewisse Autonomien beibehalten werden konnten, wurden ab 1417 Amtleute aus Bern in die aargauischen Städte und aus den eidgenössischen Orten nach Baden geschickt, wo sie fortan als Landvögte mit hoher Kompetenz, vor allem in Bezug auf die lokale Rechtssprechung, amteten. 41 5.2 Rückvermerke, Urkundenverzeichnis und Archivladen Wie der Blick in die Aufbewahrungssituation von Dokumenten in Baden nahelegt, sind für die Analyse von Aufbewahrungspraktiken vor allem die Rückseiten von Einzelblattdokumenten aufschlussreich. Mit dieser Perspektive können die bereits ausführlich behandelten Königsfelder Dorsualnotizen neu kontextualisiert werden. Dorsualnotizen: Unterschiedliche Orte der Aufbewahrung Die Frage, inwiefern Worte und Zeichen, die auf den Rückseiten von Dokumenten angebracht wurden, Rückschlüsse bezüglich der Aufbewahrung von Schrift zulassen, hat bereits einige Resultate erbracht: Die Dorsualnotizen deuten weniger auf eine säuberlich geordnete Aufbewahrung der Stücke, sondern auf eine Vielzahl von Dossiers, die für kurze Zeit in Gebrauch waren und danach wieder umgeordnet wurden. Für das gesamte 14. und das anbrechende 15. Jahrhundert lässt sich festhalten, dass die Dokumente für einzelne Problemfälle gebündelt und zumindest während kurzer Zeitspannen gemeinsam gelagert wurden. Die Ordnungsbemühungen wurden nicht zentral gefordert oder gefördert, sondern entsprachen den kurz- und mittelfristigen Bedürfnissen, bei drohenden Gerichtsfällen oder längerfristigen Auseinandersetzungen schriftliche Argumentarien zur Hand zu haben. Eine zentrale Ordnungseinheit waren dabei Ortsnamen. Ein ebenso häufiges Phänomen sind nicht beschriftete Dokumente, woraus geschlossen werden kann, dass zu keinem Zeitpunkt vor 1450 eine umfassendere Ordnung hergestellt wurde oder werden sollte. Der Verzicht auf Dorsualnotizen zeigt des Weiteren deutlich, dass der Zugriff auf einzelne Dokumente über den rückseitigen Vermerk nicht in jedem Fall ermöglicht wurde. Während der Zeit bis zum Tod 39 1423 begab sich der Kanzler Friedrichs IV. nach Luzern, um die Rückgabe zu erwirken, siehe G ERBER , Erobert, S. 109f. 40 Siehe zu den eroberten Landstädten: B RUN , Schrift, S. 53-59. 41 Zur Festsetzung der regionalen Zuständigkeiten und der hohen Gerichtsbarkeit wurden 1419 Kundschaften aufgenommen: Siehe M ERZ , SSRQ AG II/ 1, S. 509-515, Nr. 205. An dieser Stelle muss betont werden, dass das Amt eines bernischen Landvogts nicht kongruent ist mit dem eines habsburgischen Landvogts. Bei letzterem war der geographische Einflussbereich erheblich höher, zudem amteten vorwiegend Landadlige in dieser Position für die Herzoge von Habsburg. Zu habsburgischen Landvögten siehe K ÖHN , Landvogt und R OLF K ÖHN , Die Abrechnungen der Landvögte in den österreichischen Vorlanden um 1400: Mit einer Edition des Raitregisters Friedrichs von Hattstatt für 1399-1404, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte 128 (1992), S. 117-178. Zu Berner Landvögten siehe T EUSCHER , Vögte. 238 <?page no="238"?> von Agnes von Ungarn lassen die unterschiedlichen Dorsualschichten und fehlende Überschneidungen eine eigene Aufbewahrung von Agnes, aber auch der Klarissen und Franziskaner am plausibelsten erscheinen. Alle drei «Parteien» Königsfeldens unterhielten somit mindestens einen Aufbewahrungsort. Am besten lassen sich die Aufbewahrungspraktiken der Franziskaner fassen, da zu Beginn des 15. Jahrhunderts ein Kopial- und Jahrzeitenzinsbuch angelegt wurde, das mit den Dorsualnotizen auf der Rückseite der abgeschriebenen Dokumente deckungsgleiche Einleitungssätze enthält. 42 Auf diesen Dokumenten finden sich ansonsten nur noch wenige andere Notizen, was bedeutet, dass sie im Zuge der Anlage anderer Dorsualschichten nicht berücksichtigt wurden oder werden konnten. Weiter weisen die meisten Dokumente einen engen Bezug zum Konvent oder zum Franziskanerorden auf, was inhaltlich einen Bezug zu den Franziskanern nahelegt. Beide Faktoren machen eine eigene Aufbewahrung durch die Franziskaner nicht nur sehr wahrscheinlich, sondern praktisch sicher. Aufgrund der fehlenden früheren und späteren Dorsualschichten kann von einer eigenen und selbstorganisierten Aufbewahrung der Franziskaner ab den 1330er Jahren ausgegangen werden. Die Mehrheit der Königsfelder Dokumente, darunter zentrale Stücke, wurde jedoch gerade nicht von den Franziskanern aufbewahrt, sondern gehörte dem Klarissenkonvent. Dort können spätestens ab Mitte des 15. Jahrhunderts starke Einflüsse durch die Hofmeister festgemacht werden. Personen wie Fricker prägten den Bestand nachhaltig, sowohl hinsichtlich der Produktion von Schrifstücken als auch durch die angebrachten Dorsualnotizen. Die Notizen zeigen jedoch keine langfristige Aufbewahrungsperspektive, sondern lassen wie schon im Stein von Baden das Führen einer Registratur nachvollziehen. Auf den Rückseiten wurden Zusammenfassungen angebracht, die den Zugriff auf die Dokumente erleichterten, indem sie im Prozess der Identifikation der Stücke die Lektüre der Frontseite ersetzten, jedoch finden sich keine Ordnungslogiken, die für eine Systematisierung der Aufbewahrung sprechen. Ein erstes Urkundenverzeichnis Einen unmittelbaren Zugang zur Aufbewahrungssystematik einer Institution versprechen Verzeichnisse, die angelegt wurden, um Ordnung in die Fülle an Dokumenten zu bringen. Jedoch wurde nur ein einziger Zettel überliefert. Wahrscheinlich aufgrund der regelmäßigen Neu- und Umordnung der Aufbewahrung oder aber, wie die Analyse der Rückseiten aufzeigte, da die Stücke nur in kleineren Gruppen aufbewahrt wurden, die überschaubar waren. Die Anzahl der aufbewahrten Stücke, insbesondere jene der Franziskaner, benötigte dementsprechend keine Systematisierung. Zu Beginn des 15. Jahrhunderts findet sich ein solches Blatt, das Dokumente verzeichnet und somit als Proto-Verzeichnis zu Aufbewahrungszwecken verstanden werden muss. Die Formen der Verzeichnung von Urkunden können folglich beschrieben werden, und einige wenige Rückschlüsse auf den Umgang mit Schriftstücken sind ebenso möglich. 42 Siehe oben S. 195. 239 <?page no="239"?> Das um 1400 entstandene Blatt - Verzeichnis ist eigentlich eine Übertreibung - wurde wie die übrigen überlieferten Akten auch in den Bestand der Urkunden eingeordnet. 43 Um ein rechtlich relevantes Dokument, um eine ausgefertigte Urkunde handelt es sich jedoch nicht. Im Gegenteil, es ist eine Auflistung vorhandener Schriftstücke. Da das Dokument jedoch nur einige Zentimeter lang ist und am Ende abgeschnitten oder gar abgerissen wurde, ist nicht zu erkennen, wie ausführlich die Liste war. Analog zum Inhaltsverzeichnis des ersten Kopialbuchs wurden alinea (¶) verwendet, um den Beginn eines neuen Stücks kenntlich zu machen. 44 Die Hand, von der das Inhaltsverzeichnis stammt, ähnelt stark derjenigen, die die Dorsualschicht von 1410 anbrachte. 45 Die Herstellung des Verzeichnisses kann somit im Umfeld der Anlage der Dorsualnotiz verortet werden. Der untere Teil des Dokuments enthält nicht mehr nur Kurzzussammenfassungen von Urkunden, sondern beginnt mit der Abschrift der Stiftungsurkunde Königin Elisabeths von 1311. Weitere ähnliche Stücke und auch Spuren einer Bindung fehlen. Das Format, das eher auf eine urbarartige Verschriftlichung hindeutet, spricht gegen ein Buch. Das ungefähr gleichzeitig angelegte Heft der Franziskaner ist wesentlich breiter. Alles deutet daher darauf hin, dass es sich nicht um eine Seite aus einem verlorenen oder zerstörten Codex handelt. Das Verzeichnis beinhaltet eine Zusammenstellung der Fischenzen, womit die Nutzung der Fischbestände gemeint ist, in Lunkhofen (zuo Hermanschwil) und Bremgarten. Auf eine Nummerierung (der erst, der ander) folgen die ersten Worte der genannten Urkunden. Den Grund für die Anlage in der Erstellung eines Dossiers zu vermuten, um problematische oder umstrittene Rechte gebündelt vorliegen zu haben, dem widerspricht die Verzeichnung der Stiftungsurkunde. Allenfalls entstand beim Umgang mit dem Dossier die Idee, eine grössere, umfassende Übersicht herzustellen. Der Titel vor der Abschrift der Stiftungsurkunde deutet darauf hin: Dis ist der aller erste brief der dem closter geben wart. Wenige Zeilen später reißt die Überlieferung mitten in der Urkundenabschrift im buchstäblichen Sinne ab. 46 Finden die Überlegungen zum Zweck des Verzeichnens damit ihre Grenze, bleibt doch festzuhalten, dass das Konzept eines Verzeichnisses zu Beginn des 15. Jahrhunderts bereits bekannt war. Und zugleich gibt das überlieferte Fragment einen Eindruck davon, wie wenig verfestigt die Anlage solcher Verzeichnisse waren. Die Archivladen Ab der Wende zum 15. Jahrhundert können Namen von Hofmeistern in Erfahrung gebracht werden, auch wenn nur rudimentär geklärt ist, welche Aufgaben den Män- 43 Siehe 5.1. 44 Siehe oben S. 140. 45 Die Abbildung der Dorsualschichten findet sich online (Edition Königsfelden), zur Schicht siehe oben ab S. 146. 46 Für die Verwalter Berns, die die Stücke zum Zeitpunkt des Abtransports (um 1530) durchsahen, galt das Stück - nebenbei bemerkt - nicht als Besonderheit. Das Prädikat unnütz (siehe dazu weiter unten in diesem Kapitel) wurde nicht vergeben, sondern eine inhaltliche Angabe zum Stück gemacht: Wist umb die vischentzen zuo Hermanschwyl by Lungkoffen und Bremgarten. 240 <?page no="240"?> Abbildung 5.1: Urkundenverzeichnis, erstellt um 1400. U.17/ 0448, 1420v. 241 <?page no="241"?> Abbildung 5.2: Dorsualnotiz von Niklaus Fricker auf StAAG U.17/ 0760r, das Dokument wurde 1471 hergestellt, die Dorsualnotiz wahrscheinlich im gleichen Jahrzehnt angebracht. nern von den Klarissen überantwortet wurden. Geht man nun, wie fünfzig Jahre später durch Niklaus Fricker verkörpert, 47 von einer starken Figur im Amt des Pflegers oder Hofmeisters des Kloster aus, so deutet dies darauf hin, dass ein bewusster, «organisierter» Umgang mit pragmatischen Schriftstücken vorherrschte und der Zugriff auf die Dokumente funktionierte. Eine besondere Gruppe von Dorsualnotizen gibt Hinweise zur Aufbewahrung der Stücke. Auf achtzehn Dokumenten brachte der einflussreiche Hofmeister und zeitweilige Stadtschreiber Berns eine Dorsualnotiz an, die auf eine Stadt und einen Aufbewahrungsort verweist: in Brugger lad. Die Aufbewahrung in Laden, tabulae oder hölzernen Kisten kann in unterschiedlichen Aufbewahrungsinstitutionen, neben städtischen insbesondere auch in klösterlichen, nachgewiesen werden. 48 Auf dem Gebiet der Schweiz ist eine solche Ablagekonstruktion in Einsiedeln am besten erhalten, wo bis vor wenigen Jahren die Stücke noch entsprechend aufbewahrt wurden. 49 Aus welcher Zeit die Systematik in Einsiedeln stammt, ist nicht bekannt, in der Archivordnung wird sie erst Ende des 18. Jahrhunderts erwähnt. 50 Bereits im 12. Jahrhundert existierten entsprechende Systeme in vielen Zisterzienserklöstern, unter anderem in England, wo auch eine enge Verzahnung mit Dorsualnotizen und Kopialschriftlichkeit nachgewiesen werden kann. 51 Für städtische Verwaltungen ist Köln ein bekannter Fall, wo aus dem Jahr 1415 ein Katalog zu 48 hölzernen Laden erwähnt wird, die 1’400 Urkunden enthalten haben sollen. 52 Es erstaunt daher nicht, wenn auch in Königsfelden ein solches System genutzt wurde, um die Bestände zu ordnen. Bemühte sich Fricker eine Registratur einzu- 47 Zu Fricker und den Hofmeistern siehe oben S. 90. 48 Zur Aufbewahrung in Städten siehe K OCH , Bücher, S. 99. Sie streicht heraus, dass das Archivmobiliar in italienischen Stadtstaaten mit dem Inventar wuchs. In B RESSLAU , Handbuch, S. 627-641 findet sich eine Aufzählung zur Bennenung von Aufbewahrungsformen im Mittelalter. 49 Siehe H ANS J ÖRG K UHN , Herrschen und bewahren: Kanzlei und Archiv im Kloster Einsiedeln (16.-18. Jahrhundert), 2012, URL : http: / / opac.nebis.ch/ ediss/ 20121440.pdf, S. 276f. 50 Siehe ebd., S. 277. 51 S PENCE , Cartularies, S. 192. 52 Siehe W ATTENBACH , Schriftwesen, S. 640 und B RESSLAU , Handbuch, Bd. I, S. 150. 242 <?page no="242"?> richten, um wichtige Dokumente möglichst rasch zur Hand zu haben? Es wäre dem Hofmeister durchaus zuzutrauen, eine größere Umordnung vollzogen zu haben. 53 Nicht in dieses Bild passt jedoch die Tatsache, dass auf allen von Fricker beschriebenen Dokumenten nur zwei laden erwähnt werden: Neben der Brugger war das die Elfinger lad. 54 Insgesamt wurden von Fricker nur wenige Stücke mit einer Zuordnung in eine Lade beschrieben, entsprechend muss die Frage aufgeworfen werden, ob es nur für Brugg und Elfingen Laden gab. Da Fricker selbst eine Vielzahl weiterer Dorsualnotizen anlegte, muss angenommen werden, dass er andere laden ebenfalls vermerkt hätte. Wie bereits im Fall des Verzeichnisses gilt es entsprechend zu konstatieren, dass zumindest das System der Aufbewahrung in Holzladen oder -schränken bekannt war, die fehlende Durchgängigkeit der Dorsualnotizen aber dafür spricht, dass dieses System nicht konsequent umgesetzt wurde. Die häufige Identifizierung der Zuordnung in die Brugger Lade könnte sich auch dadurch erklären, dass Fricker wohl einige der Dokumente nicht nur in Königsfelden, sondern auch in Brugg brauchte, wo er vor seiner Zeit als Hofmeister als Schulmeister und Stadtschreiber fungiert hatte. Die Lade könnte sogar benutzt worden sein, um die Stücke von Königsfelden nach Brugg zu transportieren, ein Weg von wenigen Minuten zu Fuß oder mit Pferd und Wagen. Ähnliches ist ebenso für die Stücke denkbar, die die Güter in Elfingen betrafen. Da Fricker 1453, wohl nach Königsfelder Vorlage, einen Zinsrodel für das Amt Schenkenberg anlegte, war er auf Informationen zu Abgabehöhen und Besitzverhältnissen angewiesen und könnte aus dem Grund die Dokumente mit sich geführt haben. 55 Die Ordnung des Archivs auf der Rückseite der Urkunde Erst Ende des 15. Jahrhunderts wird mit Sicherheit eine groß angelegte Umstrukturierung der Aufbewahrung fassbar, die Dokumente der Klarissen nach einer Systematik vereinte. Die gebildeten Einheiten folgten teilweise Orten, seltener Höfen und entsprachen der Fricker’schen Kategorisierung in Laden. Jedoch wurde auch inhaltlich separiert, indem Freiheitsbestätigungen und Privilegien eine eigene zentrale Einheit bildeten. Im Zuge dieser Umstrukturierung wurden die Dokumente nicht nur geordnet, sondern häufig auch nummeriert. Die bereits von Fricker markierten Dokumente 53 Zu Fricker als Hofmeister siehe oben ab S. 90, zu den Beschriftungen der Rückseiten durch Fricker siehe ab S. 151. 54 Zu Brugg auf folgenden Rückseiten zu finden: U.17/ 0212, 19. Jan. 1346, U.17/ 0296, 5. Jan. 1360, U.17/ 0305, 28. Nov. 1360, U.17/ 0593, 15. Juli 1437, U.17/ 0696, 5. Aug. 1457, U.17/ 0760, 25. Juni 1471, U.17/ 0784, 9. März 1478; zu Elfingen auf folgenden Rückseiten zu finden: StAAG U.17/ 0003, U.17/ 0085, 26. Okt. 1324, U.17/ 0207, 22. Juni 1345, U.17/ 0355, 24. Feb. 1371, U.17/ 0388, 13. Mai 1380, U.17/ 0393, 14. Feb. 1381, U.17/ 0661, 22. März 1453, U.17/ 0662, 22. März 1453, U.17/ 0680, 20. März 1455, U.17/ 0728, 26. Apr. 1464, U.17/ 0730, 11. Okt. 1464. 55 Zinsrödel Fricker für Königsfelden: StAAG AA/ 0465. Zum Heft für Schenkenberg siehe AA/ 1100, Rodel über die Zehntverleihungen der Brüder Markwart und Hans von Baldegg in den Ämtern Schenkenberg und Bözberg. Ebenso über die Abrechnungen wegen der 1455 ausstehenden Gefälle 1455—1456. Ebenso über die Zehntverleihungen in den Kirchspielen Rein und Möntal 1459—1460. Rodel der Gefälle des Ritters Arnold von Rotberg zu Bozen 15. Jahrhundert 2. Hälfte (1453-1458). 243 <?page no="243"?> Abbildung 5.3: Sigle auf U.17/ 0107, 23. Feb. 1330v, die um 1480 angebraucht wurde. Abbildung 5.4: Ausschnitt aus AA/ 0429, Kopialbuch II (1497), fol. 8v. Das Kopialbuch wurde Ende des 15. Jahrhunderts angelegt. Die Sigle findet sich am rechten Rand. wurden zwar ebenfalls in der Ordnung belassen, jedoch nicht mit Nummern versehen. Das bereits bestehende Ladensystem für Brugg und Elfingen war offensichtlich ausreichend und eine Nummerierung überflüssig. Um 1480 wurde ein Kopialbuch angelegt, das nicht nur Dokumente in ihrer Gänze als Abschriften zugänglich machte, sondern auch das Auffinden der Stücke ermöglichte. 56 Das Kopialbuch, präziser gesagt die einzelnen Kopialhefte zu spatialen Einheiten, beinhaltet kurze Siglen, die gleichzeitig als Dorsualvermerke auf den Stücken angebracht wurden. Insbesondere die Privilegien und Freiheitenbestätigungen wurden nach diesem System geordnet. Jedoch ließ sich mittels dieser Systematik nicht der gesamte Bestand an Dokumenten erfassen, da innerhalb der einzelnen Kopialhefte wiederholt die gleichen Siglen vergeben wurden. Entsprechend setzte der schnelle Zugriff auf die Stücke voraus, dass die Dokumente bereits vorgeordnet, vielleicht in einzelnen Laden, vorlagen. Auch hier lässt sich feststellen, dass nicht alle nach Orten geordneten Einheiten markiert wurden, vielleicht da einige nur wenige Stücke umfassten und entsprechend leicht zu überblicken waren. Die grundsätzliche Umordnung nach geographischen Gesichtspunkten lässt sich jedoch nachweisen, womit auch zum ersten Mal für die Dokumente der Klarissen eine Systematisierung vorgenommen wurde. Erst zu diesem Zeitpunkt, also am Ende 56 Zum Kopialbuch und seiner Funktion in der Wiedergabe von Schriftstücken, siehe oben ab S. 212. 244 <?page no="244"?> des 15. Jahrhunderts, wird es denkbar, von einer Aufbewahrungsstätte, einem Archiv auszugehen. Gleichzeitig stellt sich die Herstellung von Kopien als Katalysator für die Umordnung heraus. Die hergestellten Kopialhefte führten zur neuen Ordnung, obwohl der Typ «Kopialbuch» zuvor bereits bekannt war und keine ähnlichen Konsequenzen zur Folge hatte. Im Unterschied zum ersten Kopialbuch enthalten die Kopialhefte von 1480 kein Inhaltsverzeichnis, entsprechend gestaltete sich der Zugriff auf die Hefte anders. Konkret kann davon ausgegangen werden, dass die Kopialhefte konsultiert wurden, um einzelne Rechte nachvollziehen zu können. Dafür war ein Inhaltsverzeichnis nach dem Schema des ersten Kopialbuchs nicht adäquat. Zudem mussten die einzelnen Texte ohnehin durchgesehen werden. Die kurzen Einleitungssätze, die teilweise rubriziert wurden, reichten als Hinweis im einzelnen Stück auf die beschriebenen Vorgänge. Dass ein Inhaltsverzeichnis fehlte und da ein neuer Zugriff auf die Kopien nötig wurde, dürften die wesentlichen Gründe gewesen sein, die später einen anderen Schreiber, Eberhard von Rümlang, veranlassten ein Register (Index Alphabeticus) für das Kopialbuch anzulegen. 57 Das alphabetische Register spricht für den längerfristigen Gebrauch des Kopialbuchs und zwar als Nachschlagewerk. Gleichzeitig deutet die Herstellung eines Registers auf eine nachhaltige Umsetzung der Ordnung der Stücke nicht nur kopial, sondern auch in der Aufbewahrung der Einzelblattdokumente. Im Gegensatz dazu steht das Zusammenbinden der Kopialhefte zu einem späteren Zeitpunkt, nach der Erarbeitung des Registers und somit höchstwahrscheinlich in Bern. Damit verschwand die Ordnung der einzelnen Teile, wohl da zur selben Zeit die Einzelblattdokumente in das System der Aufbewahrung der Berner Registratur integriert wurden. 58 Die Aufbereitung der Ordnung, die durch die Kopialhefte gegeben wurde, wurde somit selbst zum Stück, das aufbewahrt werden sollte. Die Systematik, die durch die Kombination der angebrachten Siglen mit den angelegten Kopialheften umgesetzt wurde, sollte auch später weitergeführt werden. Da jedoch nach der Markierung der Stücke von 1480 und vor der Registererstellung weiterhin in kleineren Gruppen und ohne analoge Systematik Dorsualvermerke angebracht wurden, führt keine direkte Linie vom Früheren zum Späteren - und zwar weder in Bezug auf ein festes Verfahren noch hinsichtlich einer übergreifenden Ordnungspraxis. Der Litteravermerk und verpackte Dokumente Nach der Wende zum 16. Jahrhundert wurden auf zwanzig Dokumenten kurze Notizen, nach einem festen Schema angebracht: Lra (für Littera) kombiniert mit a oder aa und einer Zahl. Die so markierten Dokumente verweisen einzig auf zwei Ortschaften: Siggenthal und Gebenstorf. Beide gehörten in den Herrschaftsbereich Königsfeldens, lagen jedoch nach der Eroberung durch die Eidgenossen in den gemeinsam regierten Herrschaften östlich der Reuss. Die niedere Gerichtsbarkeit und der Einzug von bestimmten Abgaben wurden durch Bern vorgenommen, während 57 Heute unter derselben Signatur aufbewahrt wie das Kopialbuch: StAAG AA/ 0429. 58 Siehe dazu unten ab S. 254. 245 <?page no="245"?> Abbildung 5.5: Ausschnitt aus U.17/ 0187, 4. Juli 1340v. Das Dokument wurde 1340 angelegt, die litera-Sigle wohl um 1510. die hohe Gerichtsbarkeit durch die Landvögte der Gemeinen Herrschaften ausgeübt wurde. Die aus dieser Situation resultierenden, häufigen Konflikte zwischen den beiden Einflusssphären waren zweifelsohne der Hauptgrund für die Markierung der Dokumente. Die beiden Orte wurden nicht, wie erwartet werden könnte, durch die Anzahl der «a» unterschieden. Sowohl für Gebenstorf als auch für Siggenthal gibt es beide Varianten. Die Unterscheidung ist demnach nicht örtlich bestimmt, doch lassen sich auch inhaltlich oder formal keine eindeutigen Bezüge zu den markierten Dokumenten ermitteln. Erneut zeigt sich damit, dass sich auch im Jahr 1510 noch keine einheitliche Ordnungspraxis durchgesetzt hatte. Die 1510 markierten Stücke waren 1480 nicht beschrieben worden, sodass die Markierung nun ad hoc erstellt werden musste, um die nötigen Dokumente für allfällige Auseinandersetzungen mit den Vögten in den Gemeinen Herrschaften für den schnellen Zugriff zu erschließen. Aufgrund häufiger Streitigkeiten zwischen Bern und den anderen sieben Orten der Eidgenossenschaft ist es einleuchtend, dass nur diejenigen Stücke besonders gekennzeichnet wurden, die die Rechtsverhältnisse der Orte erkennen ließen. Dabei ging es nicht um die Herstellung einer neuen Ordnung über alle Stücke. Schwerer zu interpretieren sind die Verweise, die um 1530 auf zirka 50 Stücken angebracht wurden. Dabei galt folgendes Schema: «[Zahl] b [Zahl] p». Die Notizen könnten ein Zeugnis des Abtransports sein. Nimmt man an, dass die Stücke als Bündel verpackt wurden, könnte das b für brief stehen und das p für pergamenten. Es könnte also sein, dass die gemachte Notiz auf den obersten Dokumenten eines Bündels angibt, woraus sich das gesamte Bündel zusammensetzte. Die Angaben würden so nachvollziehbar machen, wieviele Dokumente (brief ) verpackt wurden und wie die materielle Zusammensetzung (davon pergamenten) aussah. Geht man nun von Bündeln à 20 Stück aus, wäre es denkbar, dass die zirka 1’000 Dokumente in 50 Bündel verpackt worden wären. Da jedoch die meisten Notizen eine tiefere Anzahl an Stücken angeben, trägt das Argument nur bedingt, beziehungsweise müssten andere Kategorien gemeint sein. Die Hand der Markierung ähnelt derjenigen des Schreibers der Dorsualregesten. Insofern würde der Anlagezeitpunkt mit dem Abtransport übereinstimmen, was für die hier vorgebrachte Erwägung spricht. 246 <?page no="246"?> Abbildung 5.6: Ausschnitt aus U.17/ 0204, 26. Apr. 1344v. Das Dokument wurde 1344 angelegt, die b/ p-Sigle wohl um 1530. 5.3 Abtransport von Dokumenten Nach 1520 änderte sich die Situation in und von Königsfelden merklich. Als immer mehr der Klarissen darauf drängten, aus dem Konvent austreten zu dürfen, sah sich Bern zum Eingreifen veranlasst. Dies hatte zwei Konsequenzen: Zum einen wurde durch den Stadtstaat ein Hofmeister eingesetzt und somit eine Position besetzt, die zuvor von den Klarissen selbst vergeben worden war. Zum anderen wurde bereits kurze Zeit nach Einsetzung des Hofmeisters Benedikt Mattstetters im Juli 1524 allen closterfrouwen der Zugang zur schatzkammer untersagt, einzig der Schultheiss von Brugg sollte noch dahin mitgenommen werden dürfen. 59 So verhinderte Bern, dass die Klarissen zu den wertvollen Gegenständen Zugang hatten, wohl um der Entfernung der Stücke zuvorzukommen. Die Franziskaner wurden nicht erwähnt, was die Annahme stützt, dass in ihrem Konvent keine wertvollen Stücke gelagert wurden. 60 Die strikte Regelung wurde bereits Ende Juli 1524 gelockert und sowohl der Äbtissin als auch der schulerin (Schulmeisterin) der Zugang unter Aufsicht gewährt. 61 Ende 1524, zu einer Zeit, als die ersten Schwestern den Konvent bereits verlassen hatten, sah sich der Rat genötigt, die verbliebenen Klarissen dahingehend zu beruhigen, dass Bern die kleinotter nit uss irem kloster nämen, dann zuo iren handen, und damit durch niemand nützit veruntruwet werde. 62 Die Klarissen fürchteten offenbar den Abtransport wertvoller Stücke. Die Angst war nicht unbegründet, gleichentags als die Botschaft nach Königsfelden gesendet wurde, nämlich am 1. Dezember, erschien Benedikt Mattstetter vor dem Rat und bat darum, die wertvollen Kleinode abtransportieren zu lassen. Er argumentierte, dass durch die Sicherung des Schatzes sowohl austretende als auch im Kloster bleibende Schwestern versorgt werden könnten und nicht Gefahr liefen, zu verarmen. 63 59 S TECK und T OBLER , Aktensammlung, Nr. 450, S. 139. Das Mandat wurde Tage später (am 23.7.) nochmals vorgebracht: ebd., Nr. 459, S. 141. 60 Daraus lässt sich folgern, dass im 16. Jahrhundert das heute als Schatzkammer bezeichnete Zimmer nicht zur Aufbewahrung von wertvollen Objekten gebraucht worden war. 61 S TECK und T OBLER , Aktensammlung, Nr. 463, S. 142. 62 Ebd., Nr. 515, S. 157. 63 Ebd., Nr. 516, S. 157f. 247 <?page no="247"?> Tatsächlich umgesetzt wurde der Plan erst am 5. Mai des nächsten Jahres, als Peter von Werd geschickt wurde, all brieff und kleinoter von Küngsfellden in das schloss gan Lentzburg zuo ferttigen, in geheimd. 64 Auch die Schriftstücke gehörten offensichtlich zu den «Wertsachen», denn nicht nur die zuvor diskutierten Kleinode, sondern auch all brieff wurden auf die Lenzburg gebracht. Weshalb gerade die Lenzburg ein besserer und vor allem sicherer Aufenthaltsort war, wird nicht ausgeführt. Die Wahl leuchtet jedoch ein, da Lenzburg nah bei Königsfelden lag und sich seit fast hundert Jahren fest in der Hand Berns befand. Das Schloss bot aufgrund seiner erhöhten Lage und der bereits im 16. Jahrhundert ausgebauten Räumlichkeiten diverse weitere Vorteile. Sowohl aus herrschaftlicher als auch logistischer Perspektive machte der Ort als (Zwischen-)Lager daher Sinn. Hier zeigt sich eine zeitlich erstaunliche Parallele zu Vorgängen im England der Tudors, wo aus anderen Gründen die Klöster aufgehoben wurden. Analog zu den Vorgängen in Königsfelden wurde auch dort den Konventualen der Zugriff auf die Wertsachen und die Dokumente entzogen. Da jedoch viel mehr Klöster enteignet wurden und die Besitzungen dennoch vor Ort regiert werden mussten, erfolgte der Abtransport nicht so konsequent. Als Folge ist es heute in England schwierig nachzuvollziehen, aus welchen Klöstern welche Bestände abtransportiert wurden und wohin sie kamen. 65 Bereits kurz nach dem Transport wurde begonnen, Verzeichnisse über die Stücke anzulegen, die nun auf der Lenzburg aufbewahrt wurden; 66 und auch die Schriftstücke wurden erneut dorsual beschrieben. Zum ersten Mal machte man regestenartige Dorsualnotizen auf der Mehrzahl der Stücke, die zuvor im Frauenkonvent aufbewahrt worden waren. 67 Die Notizen, die wohl noch auf der Lenzburg, spätestens aber in Bern angefertigt wurden, etablierten keine Archivordnung. Ihr Stil kann als pragmatisch beschrieben werden. Wahrscheinlich waren alle Stücke mit dem Ziel durchgearbeitet worden, eine Übersicht zu erhalten und über die Rückseite eine zügige Orientierung zu ermöglichen. Eine Datierung des Vorgangs ist schwierig, da die Hand im Umfeld der nun ausgreifend agierenden Berner Verwaltung öfter nachgewiesen werden kann. Der Abtransport auf die Lenzburg und später nach Bern erklärt, weshalb praktisch gleichzeitig zur Anbringung der Dorsualnotizen eine neue Kopialbuchreihe angelegt wurde. Die neue Kopialbuchserie enthielt Abschriften der meisten Stücke und überdies auch ein Register. Die Abschriften wurden ins Kloster zurückgebracht und dienten der Verwaltung im Kloster bei der Behandlung von strittigen Fällen und kleineren Auseinandersetzungen. 68 Während die offensichtlich «wichtigen» Einzel- 64 S TECK und T OBLER , Aktensammlung, Nr. 626, S. 221. Zum Abtransport siehe auch B AU - MANN , Windisch, S. 72. 65 V ANESSA H ARDING , Monastic Records and the Dissolution: A Tudor Revolution in the Archives, in: European History Quarterly 46.3 (2016), S. 480-497, DOI : 10 . 1177 / 0265691416648262. Wahrscheinlich sollten die Bestände, wie in Bern, zentral in London aufbewahrt werden. Offensichtlich konnte dies aufgrund der Menge an Dokumenten nicht umgesetzt werden (S. 487). 66 Siehe die undatierte Schreiberrechnung für die Anfertigung einer Liste der Kleinode: S TECK und T OBLER , Aktensammlung, Nr. 790, S. 253. 67 Siehe ausführlich dazu oben ab S. 162. 68 Zur Kopialbuchreihe siehe oben ab S. 220. 248 <?page no="248"?> blattdokumente in die neue Herrschaftszentrale abtransportiert wurden, stattete Bern die Institution mit Abschriften vor Ort aus - ein bezeichnender Ausdruck der gewandelten Herrschaftsverhältnisse. Es zeigt sich so auch ein deutlicher Wandel im Verständnis von Schriftstücken. Während im 14. Jahrhundert zur Zeit der Agnes von Ungarn das Kopialbuch einen eigenen hohen Wert besaß und das Selbstverständnis der Institution abbildete und formte, so wurde ein ebenfalls aus Abschriften bestehendes Werk knapp zweihundert Jahre später in erster Linie als Arbeitsinstrument bewertet, während die «Originale» am zentralen Sitz der neuen Herrschaft gesichert wurden. Die Bezeichnung «Originale» wurde von den Protagonisten nicht gebraucht; sie eignet sich aber zur Kennzeichnung der qualitativen Verschiebung zwischen Abschrift und Vorlagedokument, meistens eine «Urkunde». Das Königsfelder Kopialbuch aus dem 14. Jahrhundert war nur in einer anderen Vorstellungswelt denkbar, auch wenn die zweihundert Jahre jüngere Serie ihm im Hauptaspekt ausgesprochen ähnlich war: Noch immer wurden Abschriften von Einzelblattdokumenten angefertigt. Das jüngere Stück funktionierte nur als Ersatz der Einzeldokumente, während das erste Kopialbuch für sich eine eigene Aussage hatte. Zu den aus Königsfelden entfernten Stücken gehörten auch Stücke von geistlichem und historiographischem Charakter. Sie konnten zu Geld gemacht oder als Materialvorrat genutzt werden. Teile einer Bibel und eines großformatigen Antiphonars endeten als Umschläge von Heften, die im 16. und 17. Jahrhundert genutzt wurden. 69 Der Weg einer Handschrift mit der Chronik zu den «95 Herrschaften» in der Burgerbibliothek Bern deutet darauf, dass grundsätzlich (möglichst) alle Stücke nach Bern gebracht wurden und dort die Zeit überdauerten, sofern jemand für sie Verwendung fand. 70 Mindestens ein Teil der liturgischen Schriften war schon in Königsfelden aussortiert und als Materialvorrat gelagert worden. Die Verwendung für Umschläge im 17. Jahrhundert zeigt deutlich, dass Pergament als Material hoch geschätzt wurde und es anscheinend kein Problem darstellte, dass auf diese Weise Textfragmente mit dem «falschen» Glauben offen einsehbar überliefert wurden. Der Abtransport der Dokumente aus Königsfelden entzog diese gleichzeitig auch den eidgenössischen Landvögten im nahen Baden (zwei Stunden Fußmarsch entfernt), die in der Folge wiederholt in Auseinandersetzungen um die Herrschaftsausübung involviert waren, da einige der Königsfelder Herrschaftsgebiete (Gebenstorf, Birmenstorf und Besitzungen im Freiamt) im Einflussgebiet der eidgenössischen Orte als Gesamtheit lagen. Das Interesse der eidgenössischen Beamten am Schriftgut bezeugen Besuche von Aegidius Tschudi in Königsfelden, der als Landvogteischreiber in Baden stationiert war. Die Form sowie die Art und Weise der Aufbewahrung nach der Reformation zeigen uns zum einen folglich die Anpassungen im Verständnis der Dokumente, zum anderen aber auch die Implikationen für die Institution: Königsfelden war von ei- 69 Zu den Fragmenten siehe W EHRLI -J OHNS , Leben, S. 82-85. Das Antiphonar aus dem 14. Jahrhundert ist der Einband von: AA/ 0448, Kopialbuch des Meierhofes in Erlinsbach (1480), entstanden zwischen 1500 und 1550; beim Pergament aus der Bibel handelt es sich um den Umschlag von: AA/ 0656, Heu- und Gerstenzehntrodel (1628-1689), entstanden zwischen 1628 und 1689. 70 Zur Handschrift der Chronik der «95 Herrschaften» und anderen darin enthaltenen Werken siehe oben ab S. 97. 249 <?page no="249"?> nem wichtigen Kloster zu einem peripheren Außenposten des Stadtstaats Bern geworden. Entsandte Hofmeister lenkten die Geschicke, wurden jedoch regelmäßig von Bern aus instruiert und auch kontrolliert. Erst später sollte Königsfelden den Status einer wichtigen Vogtei erlangen und durch die wichtigsten Bürger Berns verwaltet werden. Die Berner Sichtung und Neuordnung des Königsfelder Schriftguts etablierte eine starke Trennung zwischen unterschiedlichen Arten von Dokumenten in solche, die für die Untermauerung von Rechtsansprüchen sowie für die Verwaltung von Bedeutung waren und unnütze Stücke, die zukünftig nicht mehr oder wenigstens nicht in ihrer autoritativen Funktion gebraucht wurden. Transport, Durchsicht, Aussonderung sowie Verzeichnung und neue Lagerung zeigen die Wichtigkeit «alter Dokumente», um Herrschaftsansprüche umzusetzen. Die Formung der Abschrift nach spatialen Kriterien macht gleichzeitig deutlich, wie Herrschaft gedacht wurde, nämlich als Gebiete (Herrschaften) mit dazu gehörigen Orten. Ältere Ordnungsmuster, wie etwa chronologische oder hierarchische spielten keine Rolle; die Aufbereitung der Abschriften macht eine Orientierung zum Aussagepotential der abgeschriebenen Stücke hinsichtlich der damit einhergehenden Herrschaftsausübung deutlich. Folglich ließ sich trennen, was zum Wichtigen, der inhaltlichen Aussage, gehörte und welche Teile weggelassen werden konnten. Betonungen auf materielle Merkmale, man denke etwa an die Hervorhebung der Siegel im Inhaltsverzeichnis des ersten Kopialbuchs, 71 sind nicht mehr zu finden. Insgesamt bildeten die Stücke eine geordnete Sammlung und nicht mehr kleine Gruppen, die rasch zusammengesetzt und ebenso schnell wieder aufgelöst werden konnten. Zugänglich gemacht wurde diese Sammlung durch ein alphabetisches Register im letzten Band der Reihe. Damit konnte ein Administrator diejenigen Dokumente finden, die er für seine Verwaltungszwecke brauchte. Im selben Band waren auch Privilegien und Freiheitsbestätigungen eingefügt. Im Gegensatz zu älteren Kopialbüchern wurde jedoch nicht die Stiftungsurkunde von Elisabeth an den Anfang gestellt, sondern jenes Dokument, mit welchem Herzog Leopold einst die Grundstücke erworben hatte, die für die Klosteranlage benötigt wurden. 72 So wie in der Kopialüberlieferung, die die Abschriften nach Orten reihte, das territoriale Prinzip vorbereitet wurde, setzte sich das Denken von Herrschaft als Grund und Boden auch in dieser Erzählung durch. Auf die Kaufurkunde folgen Abschriften von Freiheitenbestätigungen durch die habsburgischen Herzoge und Könige. In der letzten abgeschriebenen Urkunde ging es schließlich um die Bestätigung der klösterlichen Rechte und Privilegien durch die Stadt Bern im Jahr 1480. 73 Wiederum ist die Reihenfolge der Schlüssel zum Verständnis dieser Konzeption, da später Kaiser Maximilian nochmals eine Urkunde mit Freiheitenbestätigungen ausgestellt hatte. 74 Die Macht über das Kloster, so suggeriert das Kopialbuch, gelangte von Habsburg an Bern. Bern war in dieser Lesart also mehr der Erbe Habsburgs als die Berner Landvogtei eine Nachfolgeinstitution des Klosters. Die Kopialbuchreihe stellt 71 Siehe oben S. 175. 72 StAAG U.17/ 0007a. 73 StAAG AA/ 0434, unfoliiert, Abschrift von StAAG U.17/ 0787a. 74 StAAG U.17/ 0812. 250 <?page no="250"?> den Übergang der Herrschaft, nicht der Verwaltung, dar. Der genaue Zeitpunkt der Herrschaftsübergabe wurde wohl mit Absicht nicht genannt. Es sollte unklar bleiben, wann genau der Herrschaftswechsel stattgefunden hatte, da erst mit der «Ewigen Richtung» ein Verzicht von habsburgischer Seite erfolgt war, der aber innerhalb des Hauses Habsburg umstritten blieb. Das passte nicht in ein Selbstverständnis, in dem 1415 als Datum der Eroberung des Aargaus galt. Der Blick auf die effektive Herrschaftsausübung macht den wesentlichen Herrschaftswechsel mit der Reformation, also um 1530, plausibel. Diese unterschiedlichen Möglichkeiten einer genealogischen Konstruktion dürften erklären, warum kein Datum für die Herrschaftsübernahme genannt wurde. Die parallel zum Kopialbuch angelegten Dorsualnotizen lassen darauf schließen, dass ihr Verfasser außerhalb des Klosters stand. Der Name «Königsfelden» erscheint häufig, ebenso wie die Bezeichnung frouwen; beides wäre überflüssig, falls die Dorsualnotizen im Konvent selbst oder auch in der Institution angebracht worden wären. 75 Häufig eingeflochtene Hinweise auf administrative, ökonomische und rechtliche Vorgänge deuten zudem auf eine Neubeurteilung der Stücke, oder vielleicht auch auf Unkenntnis der Situation. Erstmals saß in Königsfelden ein bernischer Verwalter, der explizite Anordnungen aus der Zentrale erhielt, die es zu befolgen galt. Die Schriftstücke an die Äbtissin oder den Guardian aus der Zeit zwischen 1415 und 1520 waren neutraler formuliert und nicht in Befehlsform gehalten. Die Anfertigung der Kopialbuchreihe von 1530 verstärkte die bereits erwähnte Wichtigkeit «alter Dokumente», denn die Stücke selbst wurden nicht ersetzt, jedoch erneuert und reaktiviert. Die Abschrift verwies auf die in Bern lagernden Urkunden des aufgelösten Klosters, beide standen für eine neue Ordnung auf alten Grundlagen und unterwarfen die Dokumente in doppelter Weise - physisch und in einer tendenziösen Abschrift mit einem vordergründig rein administrativen Zug - dem neuen «Regime». Für Bern spielte es dabei keine Rolle, dass die Herrschaftsform sich grundsätzlich von derjenigen Habsburgs - und auch von den Eingriffen Berns im 15. Jahrhundert - unterschied. Die Weiterverwendung des Namens «Königsfelden» sowie die Beibehaltung des Titels «Hofmeister» behaupteten jedoch eine Kontinuität. Originale Schriftstücke waren für die Herstellung der Kontinuität unterdessen nicht mehr vor Ort nötig. Die letztlich unverzichtbaren Stücke wurden in der Zentrale aufbewahrt. Königsfelden war zur Außenstelle geworden. Aus der Perspektive der Materialität macht der Abtransport deutlich, dass keine Unterscheidung zwischen Papier und Pergament gemacht wurde. Es ist nicht so, dass das eine als wertvoller oder zuverlässiger angesehen wurde und das andere als Verbrauchsmaterial, das wieder vernichtet werden konnte. Obwohl gewisse Teile von Büchern, etwa erste Seiten, bewusst mit Pergament ausgestattet wurden, während darauffolgende Seiten aus Papier waren, so reichte bei den Einzelblattdokumenten offensichtlich die Existenz in Königsfelden aus, um die Stücke für Bern «aufbewahrungswürdig» werden zu lassen. 75 Siehe auch oben S. 164. 251 <?page no="251"?> Ein Schnitt in der Aufbewahrung? Der Moment des Abtransports wäre ideal gewesen, um eine Auswahl an Stücken zu treffen, die nicht länger aufbewahrt werden sollten. So ist etwa die Zerstörung unliebsamer Stücke und somit das alleinige Aufbewahren von Schriftstücken, die im Sinn der neuen Herrschaft waren, grundsätzlich denkbar. Dies kann jedoch nur in Spekulationen münden, da es vor 1528 keine Dokumentenverzeichnisse und Beschriftungssystematiken gibt, die auch nur annähernd auf Vollständigkeit abzielten und genaueren Zugriff auf den Bestand erlaubten. Auch gibt es keine Textzeugen, welche die Durchsicht der Stücke oder das Aussortieren bestimmter Schriftstücke anordneten. Dennoch wäre der Zeitpunkt ideal gewesen, da jedes Stück verpackt und damit in die Hand genommen werden musste. Da auf einer Vielzahl von Dokumenten der Vermerk unnütz angebracht wurde, der noch heute als Dorsualnotiz zu lesen ist, spricht wenig für gezielte Zerstörung. Eine Königsurkunde könnte gezielt zerstört worden sein: Die Freiheitenbestätigung König Sigmunds von 1417 ist nur kopial erhalten. Das Stück machte Königsfelden zum Akteur von königlichen Gnaden, unabhängig von Habsburg. Dies passte nicht in die Berner Erzählung, wonach die Herrschaft von Habsburg an Bern übergegangen war. Daneben wurden vorwiegend päpstliche Bullen nicht überliefert, die im Zusammenhang mit der Anlage der Kopialhefte von 1480 bereits thematisiert wurden. 76 Vor dem Hintergrund der Reformation und dem Versuch einer geordneten Übernahme der Herrschaft durch Bern könnte argumentiert werden, dass die päpstlichen Bestätigungs- und Unterstützungsschreiben nicht in ein Konzept von weltlicher Herrschaft über Besitzungen passten und entsprechend zerstört wurden. Da jedoch nicht konsequent alle Bullen zerstört wurden, ist das Argument schwerlich als gesichert zu bezeichnen. Darüber hinaus wurde die großformatige päpstliche Ablassurkunde ebenfalls abtransportiert und befindet sich - wohl dank ihrer Ausmaße und Schönheit - heute noch in der Burgerbibliothek Bern. 77 Die Ablassurkunde ist denn auch ein Stück, das zeigt, dass nicht nur «herrschaftliches Schriftgut» aus Königsfelden abtransportiert wurde. Das Vorhandensein der Handschrift der «Chronik der 95 Herrschaften» aus Königsfelden, 78 ebenfalls in der Burgerbibliothek, macht deutlich, dass auch gezielt Schriftstücke weggebracht wurden, die Herrschaftsansprüche nicht nur aus ihrem Herstellungszweck erklären. Genauso wurden offensichtlich ästhetisch ansprechende Stücke abtransportiert, wobei auch hier die Einschränkung vorgebracht werden muss, dass nur bedingt zu identifizieren ist, welche Stücke im Kloster oder dessen Nähe aufbewahrt worden waren. Als (legitimer) Nachfolger verstand sich Bern auch als Besitzer aller Schriftstücke, über die nach Belieben verfügt werden konnte. Dabei darf nicht vergessen werden, dass «Bern» nicht unhinterfragt zu einem einheitlich handelnden Akteur erklärt werden kann. Im Gegenteil muss betont werden, dass einflussreiche Berner Familien, insbesondere die Mülinen, Beziehungen zu Königsfelden aufrechterhielten, sei es durch Töchter, die dort im Klarissenkonvent lebten, sei es durch Vorfahren, die im Dienst Leopolds bei Sempach gefallen waren und an die in Königsfelden erin- 76 Siehe oben ab S. 217. 77 BBB Cod. 814. 78 Zum Stück siehe oben ab S. 97. 252 <?page no="252"?> nert wurde; oder sei es ab der Mitte des 16. Jahrhunderts durch Hofmeister aus der Familie, die wieder in Königsfelden residierten. Es erstaunt daher auch nicht, dass Stücke aus dem Konvent nicht nur nach Bern verbracht wurden, sondern teilweise durch die Mülinen beansprucht wurden und bis heute im Besitz dieser Familien verblieben sind. 79 Verlust und Kontinuität von Verwaltungswissen Der Abtransport führte für die Verwalter vor Ort zum Verlust von Know-how, wie die Verwirrungen um den sogenannten «Steffhof» zeigen. Obwohl die Durchsicht der Dokumente und die Beschriftung der Rückseiten den neuen Verwaltern eine Übersicht über die Inhalte der Stücke vermittelten, führte dies gleichzeitig zu neuen, ungeahnten Problemen, 80 denn einige der Stücke stammten von früheren Besitzern und enthielten Anweisungen, die in der Herrschaft Königsfelden keinen Sinn machten. 1528 entstand ein Problem mit dem hof ze Stêphe, der im Falle von Auseinandersetzungen, gemäß einer Offnung von 1331, Streitigkeiten im Dinghof Erlinsbach schlichten sollte. 81 Im Königsfelder Schriftgut findet sich der Hof erstmals in einer Offnung von 1331, die für das Kloster Einsiedeln angelegt worden war. Einsiedeln besaß neben dem Hof in Erlinsbach diverse Besitzungen am linken Zürichseeufer, unter anderem den Hof Stäfa. Der Hof war niemals in Königsfelder Besitz. Nach dem Verkauf des Erlinsbacher Hofs an Königsfelden 1351 musste der in der Offnung dargelegte Instanzenzug angepasst werden: Dies lässt sich etwa an der Abschrift der Offnung im Zinsbuch von 1432 erkennen, wo der Hofmeister als Schiedsinstanz für die Schlichtung von Streitigkeiten genannt wird. 82 Da die Berner Herren jedoch nicht mehr auf die klösterliche Administration vertrauten, 83 führte der Rückbezug auf das «Original-Dokument» erst zur Verwirrung und dann zur Gründung eines Steffhofs in Erlinsbach, der von da an durch Bern als relevanter Ort und als Instanz der Schlichtung angesehen wurde. 84 Der falsche Instanzenweg beschreibt exakt jene Befürchtung, die im 16. Jahrhundert, wenn auch erst knapp fünfzig Jahre nach der Erlinsbacher Verwechslung, als Problem von frühen Archivaren formuliert wurde, falls die Dokumente von Fürsten und Staaten nicht wohlgeordnet in Archiven aufbewahrt werden sollten. 85 Es waren jedoch gerade die administrativen Vorgänge, insbesondere der Abtransport und die Idee, die Dokumente in Bern zu versammeln, die zum Missverständnis führten. Die Beamten in Bern konsultierten offensichtlich auch jüngere Abschriften nicht, 79 Im sogenannten «Mülinenkabinett» der Burgerbibliothek finden sich noch Urkunden aus Königsfelden, die wohl während der Zeit in Bern aus dem Archiv abtransportiert wurden und im Privatbesitz der Familie waren, einführend zum Kabinett siehe: P ETER N IEDERHÄUSER , Die Familie von Mülinen. Eine Adelsgeschichte im Spiegel des Familienarchivs, Glanzlichter aus dem Bernischen Historischen Museum 21, Bern 2010. 80 Auf die Probleme, die durch die Archivfolge ausgelöst wurden, hat mich freundlicherweise Colette Halter-Pernet (Universität Zürich) aufmerksam gemacht. 81 SSRQ AG II/ 2, S. 144. 82 Siehe StAAG AA/ 0464, fol. 92r. 83 Wenn auch mündlicher Know-how-Transfer nicht auszuschließen ist, siehe dazu grundsätzlich S TUDER I MMENHAUSER , Verwaltung, S. 399. 84 Siehe SSRQ AG II/ 2, S. 167f., Nr. 187. 85 Siehe F RIEDRICH , Geburt, S. 98-100. 253 <?page no="253"?> die das Problem aufgeklärt hätten. Aktualisierungen wurden nicht rezipiert und die pergamentenen Urkunden in ihrer Bedeutung wichtiger eingestuft, als sie es noch waren. Der Abtransport und die Neuaufstellung der Dokumente aus Königsfelden und anderen Herrschaftsteilen wurden demnach auch zur Legitimation der Aufbewahrung und der Registratur in Bern benötigt und führten nur bedingt zu einer verbesserten Verwaltung. Der Abtransport der Dokumente aus Königsfelden und die Einsetzung neuer Verwalter durch den Stadtstaat führten also nicht nur zu einem Bruch in bezüglich der Aufbewahrung, sondern auch zu einem solchen im Feld des Verwaltungswissens. 5.4 Ein Archiv in Bern (1570) Dank des Abtransports der Dokumente lagen die rechtlichen Grundlagen nun im wahrsten Sinn des Wortes in den Händen Berns und wurden dort nicht nur neu beschrieben, sondern auch geordnet - ein erstes Archiv entstand. Dem Bruch von 1530 folgte nach 1540 eine Phase der Konsolidierung, die sich zum einen in der Umordnung von Dokumenten, zum anderen in der Anlage neuer Stücke ausdrückte. Als zentral stellte sich dabei die Einrichtung eines Spitals heraus, das als Versorgungsanstalt für die Pfründner eine Weiterführung der sozialen Einrichtungen in Königsfelden darstellte. 86 Eine Kontinuität der Unterstützung alter und «sozial schwacher» Menschen, die vorher durch das Kloster wahrgenommen wurde, konnte so hergestellt werden. Auch wenn eine Vielzahl neuer Schriftformen, insbesondere Ordnungen und Rechnungen produziert wurde, blieben die bereits bestehenden Schriftstücke weiterhin in Gebrauch, wie anhand des Steffhofs aufgezeigt wurde; dennoch finden sich erst Jahrzehnte später Spuren, die auf eine aktive Gestaltung des älteren Schriftgutbestands hindeuten. Bis um 1570 reichten die angebrachten Regesten offensichtlich aus, um die Fülle an Urkunden und Akten zu überschauen und den Hofmeistern in Königsfelden mehr oder weniger gezielt Anweisungen zu geben. Erst zu dem Zeitpunkt wurde ein Siglensystem auf den Stücken angebracht, das eine Verzeichnung und eine zielgerichtete Aufteilung der Stücke belegt. Wie die Stücke bis dahin aufbewahrt wurden, liegt im Dunkeln. Die Umordnung von 1570 wurde in Bern durchgeführt und betraf alle dort lagernden Schriftstücke. Gleichzeitig wurde eine Anweisung verfasst, die die Ordnungsprinzipien, und die zukünftige Archivierung festlegte. 87 Noch vorhanden ist ein Schrank mit den Signaturen, der genutzt wurde, um die einzelnen Stücke ordnungsgemäß zu verstauen. Der Aufbau dieser Siglen ist gut nachvollziehbar und ähnelt der Dokumentenordnung, die knapp hundert Jahre zuvor noch in Königsfelden angelegt wurde. Wie bereits 1480 betrifft die erste Kategorie - mit dem Buchstaben «A» markiert - Stiftungsbriefe und Freiheitenbestätigungen. Darauffolgend werden geographische Abgrenzungen gemacht, wobei «B» Teile des Eigenamts abdeckt, beginnend mit uff 86 Siehe R AUSCHERT , Landvogteisitz, S. 178f., 183f., 187f. 87 StABE E VII 9. 254 <?page no="254"?> Abbildung 5.7: Ausschnitt aus U.17/ 0760, 25. Juni 1471v. Das Dokument wurde 1471 angelegt, die Sigle um 1570 in Bern. Hapspurg. 88 Die Aufstellung der Rechte an der Habsburg zu Beginn des Registers kann durchaus als Wertung verstanden werden, da nicht etwa Brugg (das mit dem Buchstaben «C» folgt) oder das wichtige Kirchspiel Staufen (zusammen mit Lenzburg erst bei «H») an diese prominente Stelle gesetzt wurde. Obwohl Königsfelden Besitzungen im Eigenamt besaß, insbesondere auch Forstrechte, die bis zur Habsburg reichten, erklärt sich die Wahl der Sigle «B» für die Habsburg nicht aus diesem materiell eher zweitrangigem Komplex von Einkünften und Rechten. Mit der Betonung der Habsburg im Dokumentenregister von 1570 wurde nun vielmehr eine Verbindung zum mächtigen Herrscherhaus hergestellt, das Ende des 16. Jahrhunderts nicht mehr die gleiche Gefahr darstellte wie noch fünfzig Jahre früher, als eine habsburgische Rückeroberung noch immer denkbar war. Auch war der Bezug auf die Habsburger erst ab 1500 möglich, da der Rückbezug des Geschlechts auf den Namen und die (Stamm-)Burg erst zu dem Zeitpunkt aktiv betrieben wurde. 89 Zuvor war der Titel Herzog von Österreich zentraler, und noch bis Ende des 14. Jahrhunderts benannte sich vorwiegend die «Nebenlinie» Habsburg-Laufenburg als von Habsburg. Die Neuordnung folgte nicht nur verwaltungstechnischen Notwendigkeiten, sondern sollte ebenso die Nähe des ehemaligen Klosters zum Haus Habsburg herausstreichen. Ein wichtiger Pfeiler der Ordnung stellt ihre doppelte Umsetzung dar, da die Siglen nicht nur auf den Rückseiten der Stücke angebracht, sondern gleichzeitig auch in einem neuangelegten, knapp 250 Seiten starken Schriftstück verzeichnet wurden, das Kurzregesten der vorhandenen Stücke enthielt. Das Regest, die kurze Zusammenfassung, wurde nun nicht mehr auf dem Stück selbst angebracht, sondern in einem externen Dokument gesammelt. So wurde der Zugriff auf die Dokumente ab- 88 Die Systematik, die sowohl Typen (Freiheitsrechte) als auch geographische Einheiten, angefangen bei zentralen Lokalitäten hin zu weiter entfernten Orten, umfasst, findet sich im gesamten, um die Zeit neugeordneten und vor allem seiner Ordnung verschriftlichten Archiv in Bern. Siehe dazu die Anweisungen in StABE E VII 9. 89 Siehe P ETER K ATHOL , Alles Erdreich Ist Habsburg Untertan: Studien zu genealogischen Konzepten Maximilians I. unter besonderer Berücksichtigung der “Fürstlichen Chronik” Jakob Mennels, in: MIÖG 106.1 (1998), S. 365-376, B EATE K ELLNER und L INDA W EBERS , Genealogische Entwürfe am Hof Kaiser Maximilians I. (am Beispiel von Jakob Mennels «Fürstlicher Chronik»), in: Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik 147 (2007), S. 122-149. und B EATE K ELLNER , Genealogien, in: Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich 15,3, hrsg. von W ERNER P ARAVICINI , Residenzenforschung, Ostfildern 2007, S. 347-360. 255 <?page no="255"?> Abbildung 5.8: Ausschnitt aus AA/ 0437, Regestenband der Urkunden des Klosters und Oberamts Königsfelden (1573), unfoliiert r. Um 1570 angelegtes Register der Urkunden, mit Angabe der Siglen, die auf dem Dokument angebracht wurden. 256 <?page no="256"?> Abbildung 5.9: Ausschnitt aus U.17/ 0210, 16. Jan. 1346v. Das Dokument wurde 1346 angelegt, die Sigle um 1570 in Bern; rechts davon und unter der Sigle ist die weggekratzte Regestenschicht erkennbar. seits vom ausgestellten Stück möglich. Die Regesten waren von den Rückseiten der Stücke in einen Codex verschoben und durch Siglen mit den Einzelstücken verbunden worden. Die Ersetzung erfolgte auf einigen der Stücke gar im wahrsten Sinn des Wortes, indem, vorwiegend auf Pergament, die Regestenschicht radiert und darüber die Sigle angebracht wurde. 90 Im Wortlaut unterscheiden sich die Regesten auf den Rückseiten von den Kurzzusammenfassungen im Codex. Die bereits angebrachten Regesten wurden nicht einfach kopiert, sondern die Stücke noch einmal gründlich durchgearbeitet. Eine Kopie des in Bern erstellten Codex mit Regesten wurde nach Königsfelden geschickt. Aus diesem Grund finden sich noch heute sowohl in Bern als auch in Aarau inhaltlich identische Stücke, wobei das Berner Exemplar weniger verziert und weniger aufwendig ausgeschmückt wurde. 91 Die beschriebene Vorgehensweise wurde nicht nur in Bern selbst durchgeführt, sondern auch in anderen Institutionen, die zur Berner Herrschaft gerechnet werden. St. Peter in Colmar etwa, das zur Cluniazienserabtei Payern (Peterlingen) gehörte, klärte 1536 die Verhältnisse zu Bern und legte um 1570 ebenfalls ein Urkundenverzeichnis an. 92 Für die Dokumente in Colmar wurden jedoch keine Siglen angelegt, weder im Verzeichnis noch auf den Stücken in Colmar finden sich solche. Die Verwaltungsvorgänge sind indess gut nachzuverfolgen, da die Mehrzahl der Königsfelder Besitzungen von Bern an St. Peter in Colmar verkauft wurden. Der Besitz blieb via den Zisterzienser in Payern indirekt unter Bernischer Kontrolle, großes Interesse am Besitz in Elsass ist von Seiten Bern jedoch nicht nachzuweisen. 93 90 Siehe Abbildung 5.9. 91 In Bern wurde der Band, wohl zu einem späteren Zeitpunkt, mit Registern zu zwei anderen geistlichen Institutionen, Frienisberg und Thorberg, zusammengebunden. StABE C I b 226. In Aarau trägt der Regestenband die Signatur StAAG AA/ 0437. 92 Wahrscheinlich eine Abschrift davon wurde auch nach Bern übersandt: StABE A V 1415. Der Band gehört in die Reihe der «unnützen Papiere» (Bd. 50). 93 Zum Verkaufsgeschäft von 1527 siehe oben, ab S. 103. 257 <?page no="257"?> Überlieferungsverluste und Schreiben über das Archiv Die Regesten von 1570 ermöglichen heute mit großer Sicherheit zu eruieren, wieviele Stücke nach 1570 verschwanden und wie hoch folglich die Überlieferungsverluste angesetzt werden müssen. Von den als Regesten erfassten Stücken sind heute 60 nicht mehr auffindbzw. zuordenbar. Damit sind mehr als 94% der Dokumente als Einzelblattausfertigung überliefert. 94 Es ist gar wahrscheinlich, dass die Überlieferungsquote noch höher angesetzt werden muss, da vierzehn der vermissten Stücke in engem Bezug zu Dogern und Waldshut stehen, zwei Herrschaftsteile, die später nach St. Blasien verkauft wurden, wobei die Schriftdokumente wohl aus dem Bestand in Bern ausgesondert wurden (ohne jedoch im Regestenband Spuren zu hinterlassen). Des Weiteren fehlen sechs Stücke mit einem Bezug zu der Familie der Mülinen. Da sich einige Urkunden nachweislich noch heute im Familienfonds der Familie befinden, kann argumentiert werden, dass sich wohl alle sechs Stücke in ihrer Hand befanden. Zusammengerechnet erhöht sich somit die Überlieferungsquote auf mehr als 96%. Die hohe Überlieferungsquote zeigt, dass es bei der Zusammenstellung der Regesten weniger um eine Zusammenstellung der Rechte ging, da dazu wohl auch die Kopialüberlieferung hätte miteinbezogen werden müssen, sondern die ausgefertigten Stücke im Zentrum des Interesses lagen. Der Regestenband stellte damit ein nützliches Findmittel für die damals in Bern aufbewahrten Stücke dar. Die errechnete Quote lässt sich jedoch auch kritisieren: Nicht in der Rechnung erscheinen die Stücke, die nicht durch Regesten erfasst wurden und später verloren gingen. 95 So können etwa vier Stücke im heutigen Urkundenbestand ermittelt werden, die 1580 nicht verzeichnet wurden. 96 Zudem ist nichts über die Verluste von Stücken zu folgern, die erst nach 1570 produziert oder davor aussortiert wurden. Insgesamt wird die doppelte Verzeichnung vor Verlust der Stücke geschützt haben. Ab dem Zeitpunkt der Aufnahme war es möglich, effizient zu kontrollieren, was nicht mehr vorhanden war. Mit der Möglichkeit der Kontrolle ging ein Versprechen einher, das in der Frühen Neuzeit von Archiven ausging, nämlich die Hilfe zur Machtenfaltung und Bewahrung der sozialen Ordnung, 97 die nicht zuletzt genau zum Zeitpunkt der Anlage der Markierung durch Jakob von Rammingen in einem ersten Traktat versprochen wurde. Rammingen steht am Anfang einer Reihe von Traktaten und Abhandlungen über den Sinn und die Praktiken des Registrierens und Aufbewahrens, dem Archivieren von Schriftstücken. Obwohl für mittelalterliche Aufbewahrung gerne klösterlichen und insgesamt klerikalen Institutionen ein Vorteil eingeräumt wird, hat Rammingen keine Verbindungen ins geistliche Millieu. 98 Sein Vater war in habsburgischen Diensten, und er selbst wollte sich, nicht zuletzt mit der Anfertigung 94 795 Stücke wurden eingetragen, wovon 748 als Einzelblattausfertigung überliefert wurden. 95 Das Stück mit der Sigle K O 49 etwa fehlt, dürfte jedoch vorhanden gewesen sein, da K O 50 existiert. 96 K D 8: U.17/ 0344, 31. Mai 1368; K N 26: StAAG U.17/ 0910; K N 27: U.17/ 0955, 1. Juli 1557; K O 50: U.17/ 0848, 1500. 97 Siehe F RIEDRICH , Geburt, S. 90 und S. 98. 98 Dies wird auch durch K UHN , Herrschen, S. 251 betont, der die Bildung des Archivs in Einsiedeln rekonstruiert. 258 <?page no="258"?> dreier Traktate für Maximilian II. und andere Herren, interessant machen. Seine Schriften können denn auch als Werbung in eigener Sache angesehen werden. 99 In der Einleitung zu seinem Werk macht er selbst auf den Punkt aufmerksam, dass bislang noch kein Werk existiere, das die Frage der Registrierung, insbesondere der Renovation erörtere. 100 Mit seinem Werk «Von der Registratur, und jren Gebäuwen und Regimenten» gilt er als Begründer der «Archivtheorie». Zum selben Zeitpunkt, als in Bern intensive Bemühungen unternommen wurden, um die versammelten Dokumente der Registratur zu ordnen und einem auserlesenen Kreis zugänglich zu machen, wurde ein Werk gedruckt, das den Wert der langfristigen Ordnung und Aufbewahrung beschreibt und praktische Anweisungen gibt, wie eine solche zu erstellen ist. 101 Die Gleichzeitigkeit zwischen Entstehung des Berner Archivs und Anfertigung erster Traktate über die Führung von Archiven ist nicht zufällig. Ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts kann von einer verstärkten Aufmerksamkeit gegenüber den aufbewahrten Schriftstücken im gesamten deutschsprachigen Raum, oder allgemeiner nördlich der Alpen, ausgegangen werden. Friedrich geht gar von einer Einschreibung der Archive in die europäische Kultur aus. 102 Die Bildung eines zentralisierten Archivs in Bern steht daher wohl zum einen in Verbindung mit der Staatswerdung des Stadtstaats, der im zeitgenössischen Denken eines eigenen Archivs bedurfte. Die Staatsmaschinerie musste, zumindest der Theorie nach, einen Rückgriff auf eigene, alte Dokumente garantieren. 103 Zum anderen gilt es die Verknüpfung mit der Säkularisierung diverser Konvente im Einflussbereichs Berns zu betonen, die den Abtransport und die Zentralisierung einer Vielzahl von Dokumenten erst möglich machte. Beide Vorgänge lassen sich nicht nur im Gebiet Berns nachvollziehen, sondern auch in anderen fürstlichen und kommunalen Herrschaften, die sich dem neuen Glauben angeschlossen hatten. Aber auch im habsburgischen Innsbruck machte man sich daran die Bestände zu ordnen. 104 Der neue Glaubensgrundsatz der sola scriptura, womit der Rückbezug auf die Bibel (u. a. in Form der Neuübersetzung Luthers) gemeint war, kann in einer anderen Lesart als Signum dafür stehen, dass auch herrschaftlichen Schriften und ihrer Ordnung sowie Aufbewahrung eine neue Autorität zukam. Das Bild Gottes als erster Archivar kam allerdings erst im 18. Jahrhundert auf. 105 99 F RIEDRICH , Geburt, S. 90. 100 Siehe ebenfalls K UHN , Herrschen, S. 251f. 101 Zu Rammingen siehe: B EAT R UDOLF J ENNY , Vom Schreiber zum Ritter. Jakob von Ramingen: 1510 - nach 1582, Donaueschingen 1966. 102 F RIEDRICH , Geburt, S. 90. Zur zeitlichen und geographischen Verortung der Ausbreitung siehe ebd., S. 56-66, jedoch bleibt relativ unsicher, was mit «Archiv» überhaupt gemeint ist, die reine Aufbewahrung bzw. die Bemerkung, dass aufbewahrt wurde, reicht wohl zur Aufnahme in die Aufzählung. 103 Zu Zweck und Legitimation von Archiven siehe ebd., S. 97-107. 104 Siehe dazu R ANDOLPH C. H EAD , Configuring European Archives: Spaces, Materials and Practices in the Differentiation of Repositories from the Late Middle Ages to 1700, in: European History Quarterly 46.3 (2016), S. 498-518, DOI : 10.1177/ 0265691416648530. 105 Siehe F RIEDRICH , Geburt, S. 107-109. 259 <?page no="259"?> Von Bern nach Aarau Mehr als zweihundert Jahre später, kurz nach dem Ende der helvetischen Republik und dem Inkrafttreten der Mediation bemühte sich der nun selbstbewusster auftretende Kanton Aargau um die Herausgabe der Dokumente, die sein neues Herrschaftsgebiet betrafen. Bis Juli 1804 wurde schließlich eine Vielzahl von Dokumenten, einerseits Einzelblätter, andererseits auch Bücher und Hefte, aus Bern nach Aarau transportiert. Damit bildeten vorwiegend Dokumente aus Bern einen wichtigen Grundstock des neuen Archivs, das gemeinsam mit einer kantonalen Bibliothek errichtet wurde. 106 Im Zuge der Rückführung muss auf vielen Dokumenten eine Nummerierung angebracht worden sein, die jedoch nicht alle Stücke durchzählte, sondern offensichtlich Gruppen bildete, die sich heute nicht mehr nachvollziehen lassen. Auch dieser Transport ging kaum mit Verlusten einher, da die oben eruierten Prozentangaben ebenso für diesen gelten. Zwischen dem Ab- und dem Rücktransport von 1530 und 1804 waren nur noch wenige Stücke zum Königsfelder Bestand gekommen. Dazu zählen alle Stücke, die ein «K» in ihrer Sigle tragen. 107 Der Dokumententyp «Urkunde» hatte den Zenit seiner omnipräsenten Autorität überschritten und war im 18. und vor allem im 19. Jahrhundert juristisch nicht mehr relevant, dafür aber zu einer Größe des historischen Interesses geworden. Andere Typen, wie etwa Rechnungsschriftlichkeit, (gedruckte) Mandate und Sendschreiben waren ins Zentrum der Registraturen gerückt und bildeten nun die zentralen Reihen, die in Archiven etliche Regalmeter füllten. Der Urkundenbestand versteinerte und erfuhr nur noch wenig Zuwachs. 108 Spätestens beim Zeitpunkt der Überstellung an den Aargau wurden jedoch noch Stücke zum Bestand hinzugefügt, einerseits solche, die in Bern hergestellt wurden und für die Berner Verwaltung bestimmt waren, wie die etlichen Austrittsquittungen der Schwestern, die sich Bern zum Schutz und der Unantastbarkeit seiner Besitzungen ausstellen ließ. Andererseits wurden auch einige wenige Dokumente hinzugefügt, die Rechte bestätigten, die nichts mit dem Kloster Königsfelden zu tun hatten, ab den 1530er Jahren aber in den Herrschaftsbereich der Landvogtei Königsfelden gefallen waren. Es war daher wohl gedacht, dass der Herrschaftsbereich als Einheit weiter bestehen sollte und die dafür relevanten historischen Dokumente gemeinsam versammelt bleiben sollten. Der nun in Aarau aufbewahrte Bestand wurde in der Folge noch erweitert: einerseits mit Dokumenten, die in Bern verblieben und bei der ersten Abgabe an Aarau nicht mitgeliefert worden waren. Darunter fallen insbesondere Dokumente, die aus dem Franziskanerkonvent stammten, aber auch als wichtig taxierte Stücke, wie ei- 106 Die Übergabeprotokolle finden sich mit Angabe zur Nummer der abgegebenen drucke in Bern: StABE A 3.3.25 Aargau II (siehe auch die Unterlagen in Aargau I), die Aargauer Dokumentenbände (Kopialbücher) und Urbarien wurden per 6. März ausgeliefert, die Übergabe der Einzelblattdokumente ist im Inventarium auf den 17. Juli 1804 datiert. Im Zuge der Abgabe wurden jedoch noch nicht alle Stücke aus Bern in den Aargau gebracht, bis 1843 und darüber hinaus wurden noch sporadisch Bücher und Urkunden abgegeben (im selben Dossier im StABE aufbewahrt). 107 Zur quantitativen Verteilung der Produktion von Schriftstücken siehe vorne S. 41. 108 C HASTANG , Ville, S. 64-69 spricht von pétrification de l’archive, siehe auch G UYOTJEANNIN und P OTIN , Fabrique. 260 <?page no="260"?> nige Urkunden der Agnes von Ungarn oder der Herzoge. Gleichwohl waren keine Dokumente systematisch zurück behalten worden. 109 Im 20. Jahrhundert lag es vor allem an Staatsarchivar Hektor Ammann, dass der Bestand Königsfelden weiter wuchs. Zwischen 1929 und 1932, zu der Zeit als Merz sein Archivregister schrieb, wandte sich Ammann an Gemeinde- und Stadtarchive und sichtete Bestände, die dort nicht hineinpassen würden und im Staatsarchiv Aargau besser aufgehoben wären. 110 Auch mit Königsfelden fanden Verhandlungen statt. Klinikdirektor Kielholz lieferte denn auch eine Liste an Dokumenten aus der Zeit vor 1803, die offensichtlich vor Ort verblieben waren. 111 Anfänglich sträubte sich der Klinikdirektor gegen die Ablieferung, da die hiesigen Archivräume neu eingerichtet & erweitert wurden. Und weiter: Das Material ist also bei uns gut aufbewahrt & wird zweckmässig benutzt hauptsächlich von den hiesigen Beamten. Das Archiv in Aarau verfügt unseres Wissens nicht über vorigen Platz & wir zweifeln auch, ob die hiesigen Akten dort eher verwendet würden, als bei uns. Wir ersuchen Sie daher, Ihre Aufforderung in Wiedererwägung zu ziehen & laden Sie ein, persönlich einmal unsere Archive zu besichtigen. Offensichtlich wurde der nächsten Aufforderung vom 16. April 1930 doch noch Folge geleistet und der Empfang der Dokumente am 26. Mai 1930 durch Ammann bestätigt. Bis vor wenigen Jahrzehnten, so der Schluss, befanden sich die Archivalien, die heute dem «festen» Bestand Königsfelden zugerechnet werden, in Bewegung. Austausch und Umordnung waren demnach ein wiederkehrendes Moment im Umgang mit Schriftstücken, auch wenn die Vorstellung eines Archivs andere Deutungen nahelegt. 5.5 Der Weg zum herrschaftlichen Archiv - Fazit Das Kapitel legte unterschiedliche Formen der Aufbewahrung und der Ordnung offen. Von der Ad-hoc-Sammlung von Dossiers über Spiegelungen der Registratur zu einem versteinerten Bestand innerhalb eines Archivs in Bern, der wieder nach Königsfelden zurückgeführt wurde. Deutlich lässt sich demonstrieren, dass die Überlieferung von Dokumenten wiederholt und immer neu entschieden wurde. Die überlieferten Stücke sind denn auch die «Gewinner» unterschiedlicher Ausleseprozesse. Als Fazit bleibt die Feststellung, dass die Aufbewahrung der einzelnen Dokumente mindestens bis 1500 überaus wechselhaft funktionierte und dass außer der langfristig nachzuvollziehenden Trennung zwischen Dokumenten der Klarissen und Franziskaner keine permanenten Aufbewahrungscluster gebildet wurden. Obwohl sich verschiedene Systematisierungsformen identifizieren lassen, insbesondere ab den 1480er Jahren, so wurden diese meist rasch wieder aufgegeben oder erst gar nicht konsequent für alle Stücke angewandt. Andere Ziele, etwa die Sicherung von Positionen und Status, waren bereits erreicht, ohne dass die Unternehmen komplett hätten umgesetzt werden müssen. 109 Siehe den Bestand StAAG A/ 0093. 110 StAAG A/ 0093/ 04, u. a. handelt es sich um Schloss Böttstein in Baden, Umiken, Oberentfelden, aber auch Institutionen wie das Obergericht und die kantonale Baudirektion. 111 Darunter eine Rechnung des Klosters von 1763/ 64, ein Zehntenrodel von 1760, Bodenzinse von 1800 und 1803 sowie Gerichtssatzungen des Staates Bern von 1762. 261 <?page no="261"?> Die Aufbewahrung ohne Systematisierung und somit nicht im Sinne einer Archivierung war ein probates Mittel bis Ende des 15. Jahrhunderts; vielleicht auch, da die Stücke in ihrer Gesamtheit oder für gewisse Zeiten gar nicht interessant waren. Am fehlenden Wissen über Formen und Praktiken des Ordnens und des «Archivierens» kann es nicht gelegen haben, dieses war, wie sich an Einzelstücken wie dem frühen Verzeichnis zeigen lässt, vorhanden. Erst der Abtransport und die Versammlung unterschiedlicher Bestände in Bern führten zur Produktion eines eigentlichen Archivs. Die «Imprägnierung Europas mit Archiven» 112 erfolgte vorwiegend im Rahmen der Staatsbildung und wurde nicht durch eine klösterliche Institution außerhalb der Stadtmauern vorangetrieben. 113 Analog zur Bildung von Serialität, statistischen Grundlagen oder systematisierten Landesbeschreibungen wurden herrschaftliche Archive Katalysatoren einer Staatswerdung. 114 Die einzelnen Schriftstücke ließen sich im Archiv systematisiert als Atome, als Grundsteine einer Vergangenheit solcher Staaten einordnen, die damit eine weit längere Vergangenheit und stärkere Stabilität reklamieren konnten. Der Zugriff auf die Informationen in den Stücken war dabei weit weniger wichtig und konnte zwar vorgeschoben, jedoch häufig nicht umgesetzt werden. Der Abtransport der Dokumente aus den Konventen und das Eingreifen Berns in Königsfelden während der Reformation zeigen deutlich, dass die Vorgänge um 1415, als die habsburgische Herrschaft gemäß allgemeiner Auffassung durch Bern abgelöst wurde, nur bedingt tragfähig sind, um Aussagen über den Herrschaftsverlust in Königsfelden zu tätigen. Für die Konvente erfolgte der Herrschaftswechsel viel langwieriger und auch fließender. Erst die Wirren zur Zeit der Reformation führten zu einem starken und letztlich auch endgültigen Bruch. Der Abtransport der Wertsachen, aber auch der Schriftstücke macht diesen Bruch offensichtlich und verdeutlicht, dass die Vorstellung der Herrschaft über das aufzulösende Kloster im Wandel war. Aus einer selbständigen Institution, die ihre Besitzungen in Eigenregie verwaltete, wurde ein Verwaltungsbezirk eines mächtigen Stadtstaates. Die Dokumente wurden darauf nicht nur für die nahe eidgenössische, expandierende Verwaltung in Baden neutralisiert, sondern konnten genutzt werden, um einer neuen Herrschaft historisch legitimierende Wirkung zu verleihen - ein Vorgang, der bereits knapp hundertfünfzig Jahre zuvor mit dem Abtransport der Dokumente aus der eroberten Feste Stein in Baden beobachtet werden kann und in der Folge zu diversen Abschriften des sogenannten «Habsburgischen Urbars» führten. En passant hat sich ergeben, dass im Königsfelder Fall die häufig vorgebrachte Erklärung von Überlieferungsverlusten nicht trägt: Obwohl die Stücke mehrfach durch das heutige Mittelland transportiert wurden, so blieben sie dennoch als Bestand, jedenfalls nach 1570 mit Sicherheit, von größeren Verlusten verschont. Zentraler und wichtiger ist jedoch die Aussage, dass der Zufall, wenn auch schwierig in die Analyse miteinzubeziehen, ebenfalls nur bedingt als Katalysator von Überlieferungsverlusten angesehen werden kann; die Zahl der Neuordnungen ist, zumindest 112 Nach F RIEDRICH , Geburt, S. 281. 113 Analog dazu für den Stadtstaat Luzern ausgeführt: R AUSCHERT , Herrschaft, S. 92. 114 Siehe L ARS B EHRISCH , Alteuropa, Statistik und Moderne, in: Alteuropa - Vormoderne - Neue Zeit. Epochen und Dynamiken der europäischen Geschichte (1200-1800), hrsg. von C HRISTIAN J ASER , U TE L OTZ -H EUMANN und M ATTHIAS P OHLIG , Zeitschrift für historische Forschung, Beiheft 46, Berlin 2012, S. 203-224. 262 <?page no="262"?> für Königsfelden, so häufig, dass ein guter Überblick zu fast jeder Zeit als gegeben angesehen werden muss, entsprechend ist eher von Zerstörung als von anderen Verlusten auszugehen. Die Langfristigkeit, die allen Aufbewahrungsinstitutionen inhärent erscheint, entpuppt sich als trügerische Zuschreibung, wenn der Beweglichkeit von Papier und Pergament gezielte Aufmerksamkeit geschenkt wird. Für die Dokumente aus dem Umfeld der Institution Königsfelden gilt dies umso mehr, weil ganz unterschiedliche Ansprüche an die Schriftstücke gestellt wurden. Erst nach der Reformation und dem Abtransport der Stücke im 16. Jahrhundert sowie der damit einhergehenden Neubewertung der Dokumente als «historisch relevante» Stücke zur Begründung einer Herrschaft wurde die gesamthafte Aufbewahrung, die Archivierung zentral. Mit dem Ende der Berner Herrschaft im unteren Aargau endete das Interesse daran aber auch wieder, sodass die Stücke rasch aus dem Archiv des Stadtstaats ausgesondert und nach Aarau verbracht wurden. Insgesamt kann also von einem Versuch gesprochen werden, alle vorhandenen Dokumente 1570 in Bern und den zugehörigen Herrschaften zu ordnen und verfügbar zu machen. Die Bedingungen der Verwaltung und des historischen Interesses aus der Archivdefinition, wie am Anfang des Kapitels formuliert, waren damit ein erstes Mal für die Dokumente aus Königsfelden erfüllt. 263 <?page no="264"?> 6 Schluss Als Königin Elisabeth Königsfelden 1309 stiftete und Franziskaner sowie Klarissen nach Windisch kamen, entstand eine Institution, die sich an diverse vorherrschende Gegebenheiten anpassen musste. Der Gebrauch von Schrift war von Anfang an zentral für beide Konvente, um überhaupt die notwendigen Klostergebäude errichten zu können und, wichtiger noch, um rasch Mittel zur Deckung des Lebensbedarfs zu erhalten. Aus diesem Grund begannen Elisabeth und ihre Söhne, die Herzoge von Österreich, Urkunden auszustellen und Besitz zu transferieren. Somit existierten bereits in den ersten Tagen Königsfeldens Schriftstücke, die einerseits Besitzansprüche geltend machten, andererseits aber auch als materielle Stücke aufgehoben werden mussten, damit sie etwa im Falle von Auseinandersetzungen vorgezeigt werden konnten. Produktion, Gebrauch und Aufbewahrung von Schriftstücken waren bereits seit dem frühen 14. Jahrhundert wichtige Komponenten der Güterverwaltung, darüber hinaus aber auch essentiell, um überhaupt einen geregelten Betrieb der Messen und der Gedenkpraxis sicherzustellen. Mit dem Ziel, die Ausstattung Königsfeldens in kurzer Zeit auf ein solides Fundament zu stellen, betätigten sich die Herzoge mehrfach als Stifter für den Klarissenkonvent. Die als Einzelblatt ausgefertigte Urkunde war das Mittel der Wahl, um den Klarissen Besitz und Rechte zu übergeben. Während der ganzen Zeit, in welcher Königsfelden als Doppelkloster existierte, blieben Einzelblattausfertigungen die zentralen Schriftstücke zur Ausübung und Übertragung von Herrschaft, aber auch um Einigkeit zu demonstrieren oder Schutz zu versichern. Die Analyse des Schrifthandelns zeigt deutlich, dass die Dokumente nur im Kontext zueinander angemessen verstanden werden. Dabei ist die Trennung von Produktion, Gebrauch und Aufbewahrung von Schrift zwar analytisch hilfreich, gleichzeitig wird so aber die Sicht auf Abhängigkeiten und gegenseitige Beeinflussung verstellt. Zwei wichtige Elemente, die Aufschlüsse über die noch vorhandenen Artefakte geben, einerseits der Gebrauch und andererseits die Aufbewahrung von Schriftstücken, rücken dabei in den Hintergrund und werden nur für bestimmte Exemplare berücksichtigt. Deutlich konnte indes aufgezeigt werden, wie stark der Gebrauch von Schrift die Dokumente formte, mehr aber noch wie durch unterschiedliche Aufbewahrungsformen und -intentionen die Schriftstücke gezielt weitergegeben und zu einer Einheit gemacht wurden. Als Überwindung des Primats der Produktion ist der Blick auf die Rückseite der Urkunden lohnenswert, wo sich eine Vielzahl von Spuren identifizieren und in mühseliger Kleinarbeit auch zuordnen lassen. Es wird klar, dass etwa die Privilegien der Herzoge genau zu der Zeit genutzt wurden, als sich die Herrschaftsverhältnisse änderten. Ebenso kann aufgezeigt werden, wie die Urkunden im 14. Jahrhundert in kleinen Gruppen zu Dossiers versammelt wurden, damit sie im Fall von Auseinandersetzungen hervorgeholt werden konnten. Bestand hatten diese 265 <?page no="265"?> Ordnungen jedoch nicht, vielmehr sind die Beweglichkeit und die Auflösung dieser Gruppierungen typisch für den Umgang mit den Stücken. Der Fokus auf die Aufbewahrung legte mit der Berner Herrschaft nach der Auflösung der Konvente eine wichtige ordnende Instanz offen, die vor allem für die frühen Dokumente nur indirekt sichtbar ist. Die neuen Herren beschäftigten sich gezielt mit den diversen überlieferten Schriftstücken und nutzten sie, um ihre eigenen Herrschaftsansprüche zu legitimieren. So wurden sie zu den Nachfolgern Habsburgs und nicht bloß die Nachlassverwalter eines Doppelklosters. Diese teilweise subtile Vorgehensweise wirkte bis ins frühe 20. Jahrhundert, als Merz in seiner Edition der Rechtsquellen des Oberamtes Königsfelden die Zeit des Klosters praktisch vollständig ignorierte und versuchte, ältere, «habsburgische» Rechtskonstellationen zu konstruieren. Die Macht der Überlieferungsbildung wurde im frühen 16. Jahrhundert erkannt und bewusst genutzt. Die Identifikation der absichtlich unterdrückten Dokumente ist dennoch nur in wenigen Fällen möglich. 1 Sehr auffällig für Königsfelden ist die Neigung zur Anlage von Kopialbüchern, ausgelöst durch das große Kopialbuch der Agnes von Ungarn. Im 15. Jahrhundert wurden gar zwei Kopialbücher beziehungsweise Kopialbuchreihen angelegt. Der Fokus auf das Kopieren führte so weit, dass sich Bern außerstande sah, ohne Kopialbuch die Herrschaft in Königsfelden zu übernehmen. In allen Klöstern, die durch Bern im Zuge der Reformation säkularisiert wurden, wurden Bodenzinsurbare aufgenommen; in Königsfelden war diese Vorgehensweise offensichtlich nicht ausreichend, und es musste zusätzlich eine Abschriftensammlung angelegt werden. Der Erfolg und vielleicht auch die Ausstrahlung des Schriftstücks von 1336/ 37 hatten die Technik und mehr noch eine Praktik des Abschreibens geformt. Die materielle Ausformung der Schriftstücke blieb zwar mehrheitlich konstant: Einzelblätter (Urkunden) und Codices oder Hefte waren die bekannten Mittel. Bewusst wurde jedoch gewählt, welche Handlungsabsicht in welcher Form besser zur Geltung kam. Die «Chronik der 95 Herrschaften» gehörte selbstverständlich in einen hochwertigen Codex gebunden, und Urkunden mussten mit Siegeln versehen sein. Der Umgang mit den Materialien unterschied sich aber auch nach der Produktion - so musste etwa ein Kopialbuch nicht die Einzelblattausfertigungen abbilden, sondern wirkte in einem anderen Kontext. Neu- und nachhergestellte Urkunden wurden folglich nicht einfach aus dem Kopialbuch entfernt, sondern nur in einem brisanten Fall radiert. Bei der Suche nach verbindenden Elementen darf nicht vergessen werden, dass sich die Stücke über die Zeit auch mehr und mehr von ihren Vorgängerdokumenten zu unterscheiden begannen. Die Fertigung der Bücher und Hefte wurde einfacher und die benutzten Materialien - Papier statt Pergament - wurden auch billiger. Eine Urkunde des frühen 14. Jahrhunderts lässt sich in ihrer Materialität denn auch schlecht mit einer des 16. Jahrhunderts vergleichen. Die «Chronik der 95 Herrschaften» demonstriert dabei, dass ausgewählte Stücke auch Ende des 15. Jahrhunderts in hochwertiger Qualität produziert werden konnten. Parallel dazu hatte sich auch der Fokus der Institution gewandelt. Während bis 1370 vorwiegend Herzoge, Bischöfe und Äbte Adressaten und Ausstellende von Ur- 1 Ziemlich sicher lässt sich eine bewusste Unterdrückung der nur kopial überlieferten Urkunde von König Sigmund nachweisen, abgeschrieben in StAAG AA/ 0429, fol. 72r-73r. 266 <?page no="266"?> kunden waren, fand Königsfelden im 15. Jahrhundert nur noch sporadisch die Aufmerksamkeit der Herzoge von Österreich. Nach 1415 waren es oft lokale Adlige und wichtige Bürgergeschlechter, die in Landtransaktionen oder als Richtinstanzen für die Konvente und den Hofmeister Dokumente ausstellten. Ende des 15. und im frühen 16. Jahrhundert nahm schließlich der Einfluss Berns zu, was sich auch an der Häufigkeit der durch die Stadt ausgestellten Dokumente zeigt. Genauso wandelten sich die Faktoren, welche das Schriftgut Königsfeldens beeinflussten. Zur Zeit von Agnes war die herzogliche Kanzlei maßgebend für die ehemalige Königin von Ungarn, wahrscheinlich kopierte sie gar deren Struktur für Königsfelden. Eingriffe Mitte des 15. Jahrhunderts erfolgten dann vorwiegend durch lokale Verwaltungsbeamte, die sich auch in den nahen Städten betätigten und, wie im Fall Niklaus Frickers, an einer Stiftschule ausgebildet wurden. Nach 1530 dominierte schließlich der Einfluss Berns, das seine Spezialisten in die neuen Außenstellen, darunter das ehemalige Kloster Königsfelden, schickte. Innovationen kamen daher zu den jeweiligen Zeiten von unterschiedlichen Seiten; häufig lässt sich der Wandel dabei an einzelnen Personen festmachen. Die Dokumentengruppe «versteinerte» nach der Herrschaftsübernahme durch Bern, und nur noch selten wurden neue Einzelblattdokumente dem Bestand hinzugefügt. Die Zeit der Urkunden war in Königsfelden vorbei, und gebundenes Schriftgut, insbesondere Rechnungshefte, waren wichtig geworden. Erst mit Blick auf chronologische Zusammenhänge wird deutlich, wie eng verflochten unterschiedliche Formen von Dokumentenproduktion, -gebrauch und aufbewahrung waren. Aus diesem Grund macht eine Rekapitulation der Vorgänge in Königsfelden über knapp dreihundert Jahre Sinn. 14. Jahrhundert Die aus der frühen Zeit überlieferten Dokumente zeigen den zentralen Einfluss der Herzoge, mehr aber noch den von Elisabeth von Görz-Tirol, die als wichtigste Stifterin Königsfeldens erscheint. Damit sie in dieser Stellung blieb, wurde viel unternommen. Gezielt nahm Agnes von Ungarn diesbezüglich Einfluss. Sie hatte sich um 1318 direkt neben den Konventen niedergelassen und trat in der Folge nicht nur als wichtige Stifterin, sondern auch als Kontrollinstanz über die Dokumente in Erscheinung. Agnes war als Witwe nach Königsfelden gekommen und wirkte während fast fünfzig Jahren vor Ort. In die Zeit ihrer Anwesenheit fällt nicht nur die Fertigstellung der Konventsgebäude und des Chors mit den berühmten Glasfenstern, sie war auch für die Produktion des ersten Kopialbuchs in Königsfelden verantwortlich. Im Gegensatz zu Kopialbüchern, die zeitgleich in anderen Instituten erstellt wurden, zeichnet sich das in Königsfelden geschaffene Werk durch seine sorgfältige Erarbeitung aus. 2 Noch auffälliger ist jedoch die Anordnung der Dokumente im Abschriftenwerk, die nicht etwa die Kirchenhierarchie widerspiegelt, sondern Elisabeth und Agnes ins Zentrum rückt. Beiden Frauen wird im Buch eine maßgebliche Rolle bei der Ausstattung beider Konvente zugeschrieben. Die Konvente selbst spielen nur eine untergeordnete Rolle. Franziskaner und Klarissen werden zwar erwähnt, aber nicht inszeniert oder durch die Anordnung hervorgehoben. Die Anlage, die Ausge- 2 StAAG AA/ 0428. 267 <?page no="267"?> staltung und die Anordnung der Dokumente im Buch machen deutlich, wie Schrift in spezifischer Ordnung die Formung einer Institution herbeiführen sollte. Nicht nur über das neuangelegte Kopialbuch wirkte Agnes formend. Mindestens teilweise hatte sie die Kontrolle über die Schriftstücke, indem sie diese im eigenen Wohnbereich außerhalb der Klausur behielt. Wie Dorsualnotizen zeigen, die 1340 und um 1370 angelegt wurden, hatte sie während Jahrzehnten die Kontrolle über wichtige in Königsfelden aufbewahrte Artefakte. Dennoch war es wohl weder in ihrem, noch im Interesse der Konvente, die Schriftstücke gezielt geordnet zu markieren. Im Gegenteil beweisen die Dorsualnotizen, dass die Aufbewahrung nur bedingt aus den Rückseiten abgeleitet werden kann und die Notizen angebracht wurden, um Dossiers zu bilden, die im Falle von Auseinandersetzungen gebraucht werden konnten. Bis um 1450 blieb der Gebrauch der Rückseiten stabil. Im Gegensatz zur Beschriftung der Dokumente auf den Rückseiten sorgte Agnes für die gezielte Produktion einer Dokumentengruppe, die als Ordnungen identifiziert werden können. In diesem Dokumentenkomplex, der aus Urkunden besteht, verknüpfte Agnes eingebrachte Rechte und Besitzungen mit Jahrzeit- und anderen Leistungen innerhalb der Konvente. Dabei handelt es sich nicht einzig um Stiftungen, die gezielt eingebracht wurden, sondern mehr noch um Bündelungen von kurz zuvor gekauftem Besitz und Rechten, die mit teils speziellen Abgaben wie Wein oder Mandeln, teils mit Kleidung zusammengeführt wurden. Die Klarissen wussten folglich genau, was mit Abgaben aus bestimmten Besitzungen zu geschehen hatte. Auch in den Ordnungen, wie bereits für das erste Kopialbuch festgestellt, ging es Agnes um mehr als die Ordnung der Dinge: Gezielt setzte sie sich selbst ins Zentrum der Aufmerksamkeit, indem sie einerseits immer als Ausstellerin und somit Bestimmende der Urkunden wirkte, und andererseits, indem sie einige der Dokumente regelmäßig vorlesen ließ, die sie als Ausstellerin nannten. Sie nutzte die Schriftstücke nicht nur als Artefakte, die aufbewahrt wurden, sondern als regelmäßig performant genutzte Dinge. Trotz ihrer Ordnungsbemühungen und ihrer überlieferten Vorschriften, ist es schwierig, Agnes’ Wirkung über ihren Tod hinaus zu beurteilen. Einerseits setzte sich das ungarische Doppelkreuz als Symbol der Institution Königsfelden durch. Das Symbol war insbesondere dank dem Siegel Agnes’ - einem zentralen Teil von Urkunden - in Königsfelden präsent. Weit über die Auflösung der Konvente hinaus, bis zum Ende des Ancien Régime, blieb das Kreuz das Zeichen für die Hofmeisterei Königsfelden, die neue Verwaltungseinheit, die an die Stelle des Doppelklosters getreten war. Aus dieser Warte kann Agnes’ Wirkung fast nicht überschätzt werden. Andererseits wurde bereits kurz nach ihrem Tod auf die Einhaltung ihrer Vorschriften verzichtet. Obwohl auch Herzog Rudolf IV. Agnes’ Anordnung mitgetragen hatte, ließen sich die Klarissen von Rudolfs Nachfolgern bestätigen, dass sie gegen den Willen der Stifterin das Haus der Agnes behalten durften. Agnes’ Wille, den sie auch mit Anpassungen des Kopialbuchs durchsetzen wollte, wurde in konkreten Fällen missachtet. Als Figur blieb sie jedoch so präsent, dass es Bern bei der Herrschaftsübernahme um 1530 für nötig hielt, sie in den Dorsualnotizen zur Habsburgerin zu stilisieren. Nach dem Tod von Agnes und der schwindenden Präsenz der Herzoge von Österreich in den Vorlanden kann zwar von einem Niedergang Königsfeldens gesprochen 268 <?page no="268"?> werden; da die Ausstattung und die Besitzungen jedoch so umfangreich waren, behielten die Konvente eine wichtige Funktion in der Region. Aufgewertet wurde die Bedeutung durch einen erneuten Unglücksfall. Nach dem Tod Herzog Leopolds III. in der Schlacht von Sempach (1386) wurde seine Leiche nach Königsfelden gebracht und dort bei seinen Vorfahren zur Ruhe gelegt. Damit erneuerte sich die Beziehung zu den Herzogen, und es waren nicht mehr nur längst Verstorbene, deren in Königsfelden gedacht wurde. Da mit Leopold auch seine Mitstreiter in Königsfelden beerdigt wurden, erhielten nahe und entfernte Geschlechter einen Gedenkort, der gleichzeitig mit einem prestigeträchtigen Frauenkonvent verknüpft war. Die Mülinen oder die Rinach hatten bereits zuvor Töchter im Konvent und nun auch Väter und Söhne vor Ort beerdigt. Damit wandelte sich einerseits die Gedenkpraxis Königsfeldens, andererseits waren nun aber auch Geschlechter mit dem Ort mehrfach verbunden, die kurz danach in Bern als Burger aufgenommen wurden und künftig im Rat der Stadt mitwirkten. Königsfelden konnte aus diesem Grund auch im 15. Jahrhundert mit großer Unabhängigkeit agieren. 15. Jahrhundert Zum Zeitpunkt der Eroberung 1415 sah dies noch anders aus, da Bern den Aargau bis an die Reuss einnahm und Zürich sowie andere eidgenössische Orte sich ebenfalls am Eroberungsfeldzug beteiligten und die habsburgische Herrschaft westlich von Zürich mit Ausnahme des Fricktals beendeten. Die Wirren nach der Schlacht von Sempach und im Rahmen der Eroberung von 1415 führten in Königsfelden dazu, dass eine Vielzahl der vorhandenen Schriftstücke gezielt durchgesehen und auf den Rückseiten mit Dorsualnotizen versehen wurden. Erstmals wurden die in den Urkunden enthaltenen Herzoge und Privilegienbestätigungen auf der Rückseite als solche vermerkt. Es war nun möglich, rasch die Stücke hervorzuziehen, welche wichtige Rechtsübertragungen und Bestätigungen durch die im Reich noch immer sehr einflussreichen Herzoge von Österreich enthielten. Mithilfe der Dorsualnotizen waren also zentrale, umstrittene Rechtsansprüche leichter auffindbar. Die Notizen rückten gleichzeitig die Schriftstücke als Vermittler von Rechtsansprüchen ins Zentrum, während sie zuvor zur Ordnung von Jahrzeiten oder Besitz gedient hatten. Auch innerhalb Königsfeldens führte der äußere Herrschaftswechsel zu einem Umbruch. 1417 produzierten die Franziskaner ihr eigenes Kopial- und Jahrzeitenzinsbuch, in welchem festgehalten wurde, welche Abgaben den Minderbrüdern zustanden und zu welchen Jahrzeitleistungen sie verpflichtet waren. 3 Im Jahr 1309 wurden die Franziskaner von Elisabeth gezielt in Windisch angesiedelt, da sie mit ihrer Besitzlosigkeit und als neuer, im Wachsen begriffener Orden viel Prestige versprachen. Gleichzeitig wurde den Klarissen, denen keine so strikte Besitzlosigkeit verordnet war, der Besitz der Güter anvertraut. Die Klarissen mussten denn auch dafür sorgen, dass die Franziskaner mit allem Lebensnotwendigen versorgt waren. Knapp hundert Jahre später machten die Franziskaner mit dem Kopial- und Jahrzeitenzinsbuch deutlich, was ihnen zustand. In die gleiche Richtung deuten Gerichtsprozesse, in welchen die Franziskaner selbstbewusst gegen säumige Schuldner auftraten; die 3 StAAG AA/ 0428a. 269 <?page no="269"?> Franziskaner emanzipierten sich nicht zuletzt von den Klarissen mit Einzelblattausfertigungen, aber auch mit einem Kopialbuch. Kopien wurden nach 1415 weiter angefertigt, der Fokus bezüglich der abgeschriebenen Schriftstücke änderte sich jedoch; im Bodenzinsurbar, das im Namen der Äbtissin Elisabeth von Leiningen produziert wurde, fanden sich keine Abschriften von Urkunden, sondern von Weistümern, die zuvor als Einzelblätter existierten oder zumindest existiert haben könnten. 4 Die Praxis des Abschreibens in ein Buch oder Heft behielt also ihre Wichtigkeit und wurde Ende des 15. Jahrhunderts gar noch verstärkt. Weniger mit Abschriften und vielmehr mit der Anlage neuer Schriftstücke beschäftigte sich in der Mitte des 15. Jahrhunderts Niklaus Fricker. Er entstammte wohl einer Schreiberfamilie und war bei Amtsantritt in Königsfelden bereits in der nahen Stadt Brugg etabliert. Er produzierte in den verhältnismäßig wenigen Jahren, in denen er für Königsfelden tätig war, eine große Anzahl von Schriftstücken selbst und beschriftete diverse Stücke auf der Rückseite. Sein Ziel war es, eine Registratur in Königsfelden anzulegen, die die Verwaltung vereinfachen und verbesserte Kontrollen einführen sollte. Die habsburgisch geprägten Schriftstücke mit wenig Interesse für Details, wie etwa genaue Abgabehöhen, genügten ihm nicht. Die Anlage von Zinsheften zur Kontrolle von versteigerten Abgaben, nicht nur für Königsfelden, sondern auch für die Herrschaft Schenkenberg, hatte er aus diesem Grund veranlasst. Es war wohl sein guter Ruf, der ihm dann den Posten des Stadtschreibers in Bern verschaffte. Obgleich er nicht lange in Bern blieb, wurden die von ihm und seinem Sohn angelegten Schriftgutreihen noch während Jahrhunderten weitergeführt. Ende des 15. Jahrhunderts wurde der zuvor nur ganz am Rande wahrgenommene Druck aus Bern offenbar stärker. Bedingt durch die «Ewige Richtung» musste der Gedanke an eine Rückkehr des Aargaus in den Herrschaftsbereich der Herzoge von Österreich aufgegeben werden. Gleichzeitig zum Abschluss des Abkommens zwischen den eidgenössischen Orten und Herzog Sigismund regte sich in Königsfelden Widerstand. Im Franziskanerkonvent wurde die «Chronik der 95 Herrschaften» zusammen mit dem Krönungsumritt Friedrichs III. neu und prachtvoll illuminiert produziert. Gezielt wurde in Erinnerung gerufen, wem Königsfelden seinen Besitz verdankte. Die fast zeitgleich ausgestellte Privilegienbestätigung durch die Stadt Bern sprach indes eine andere Sprache und verortete die Institution in der Berner Herrschaft. Dass Maximilian I. kurz darauf die Privilegien des Klosters ausführlich bestätigte und Königsfelden in seinen Schutz nahm, war wohl nur von bedingtem Nutzen. Um gegen allfällige Ansprüche der neuen Herren, insbesondere der Berner Landvögte, die nun in der Umgebung saßen, gewappnet zu sein, wurde eine neue Abschriftenreihe angelegt. Diese vereinte geographisch-herrschaftliche Einheiten wie das umfangreiche Kirchspiel Staufen oder die Besitzungen in Waldshut in eigenen Heften. Das Kopialwerk enthielt nicht nur Abschriften von Einzelblattdokumenten, sondern auch - und dies zum ersten Mal in Königsfelden - Siglen, die Verbindungen zwischen Urkunden und Abschriften herstellten. Zu diesem Zeitpunkt lässt sich daher zeigen, dass die Aufbewahrung systematisiert vorliegen musste. Obwohl 4 StAAG AA/ 0464. 270 <?page no="270"?> es bereits um 1450, zu Frickers Zeit, Anzeichen gab, da Laden erwähnt wurden, 5 ist erst mit Ende des 15. Jahrhunderts klar, dass die Aufbewahrung nach geographischherrschaftlichem Schema vorliegen musste. 16. Jahrhundert In den 1510er Jahren zeichneten sich Turbulenzen für das Doppelkloster ab. Die Schwestern lasen die Schriften Luthers und Zwinglis. Immer stärker drängten sie danach auf den Austritt aus dem Konvent. In diesem Moment erhöhte der Rat in Bern seinen Einfluss merklich und schickte zum ersten Mal einen eigenen Vertreter als Hofmeister nach Königsfelden. Der drohende Austritt der Schwestern und die daraus entstehenden Unsicherheiten, wie die noch immer beträchtlichen Besitzungen Königsfeldens weiter beherrscht würden, machten das Eingreifen nötig. In der Folge wurden die Einzelblattdokumente und wahrscheinlich auch die Bücher abtransportiert und nach einer Zwischenlagerung auf der Lenzburg nach Bern gebracht. Um gleichzeitig die definitive Übernahme der Herrschaft auch auf symbolischer Ebene abzusichern, wurde erneut eine Kopialbuchreihe angelegt, die im wichtigen Registerband Abschriften der zentralen Privilegien enthielt. Als letztes Dokument - als abschließende Handlung der Herrschaftsübernahme - wurde die Privilegienbestätigung durch Bern von 1480 abgeschrieben. 6 Mit dem Abtransport ging eine rigorose Durchsicht aller Einzelblattdokumente einher, die durch einen Verwalter gelesen und regestenartig zusammengefasst wurden. Die Dorsualnotizen zeigen eine Sicht von außen, die einerseits auf Abgabehöhen fokussierte, andererseits aber auch auf die Herzoge von Österreich und Agnes von Ungarn, die als vorangegangene Herrschaften dargestellt werden. Königsfelden war demnach habsburgisches Eigentum gewesen, das von Bern geerbt wurde und nun ein eigener Teil der Herrschaft des Stadtstaats war. Im Verwaltungszentrum Bern wurden die abtransportierten Urkunden 1570 zu einem Teil des städtischen Archivs. Im Rahmen von Administrationsmaßnahmen fand dann auch eine Einordnung nach neuen Maßstäben statt: Einerseits wurde dem Provenienzprinzip gefolgt und die Mehrheit der Stücke aus Königsfelden beeinander belassen, andererseits wurde innerhalb des Bestandes nach Pertinenz geordnet, die einer räumlichen Einteilung der Königsfelder Herrschaft folgte. Der Weg der Schriftstücke endete jedoch nicht in Bern. Die Dokumente wurden im Rahmen der neuen Kantonsgründung 1803 nach Aarau gebracht und bildeten dort einen ersten, wichtigen Teil der neuen Kantonsbibliothek, die zugleich als Archiv fungierte. Trotz der hohen Beweglichkeit der Schriftstücke und den weiten zurückgelegten Wegen bleibt erstaunlich, wie wenige Einzelblattdokumente nach 1530 verloren gingen. Digitale Daten aus Dokumenten Die Umsetzung der Dokumente Königsfeldens als Daten erlaubt produktive Einsichten, wobei der Philosophie gefolgt wurde, dass ein Dokument nicht als ein Da- 5 StAAG U.17/ 0760. 6 StAAG U.17/ 0787a. 271 <?page no="271"?> tensatz abgebildet werden kann. Sondern es wurden nach Fragestellung und Frageperspektive unterschiedliche Facetten der Dokumente aufbereitet. Gemäß dem Diktum all facta is capta (und daraus abgeleitet all data is capta) wurden die Aspekte der Dokumente erfasst, die im darauffolgenden Auswertungsschritt als einerseits erkennbar und andererseits auswertbar identifiziert werden. 7 Bei der Analyse der Dorsualnotizschichten fand eine Auswertung von Texten auf der Rückseite von Dokumenten statt, die auf der Verknüpfung der Signatur mit dem Produktionszeitpunkt und paläographischen Merkmalen basierte. Dank textueller Visualisierungen war es dadurch möglich, Leseeindrücke der einzelnen Schichten zu bekommen und Auswertungsrichtungen vorzugeben. Mit einem anderen Erkenntnisziel wurde mit den in den Dokumenten vorkommenden Personen verfahren. Informationen zu den Personen wurden mit der Signatur der Stücke verknüpft. Dies ermöglichte eine visuelle Auswertung, welche wiederum eigene Interpretationsansätze lieferte. Zwischen den unterschiedlichen Datenbeständen existieren keine digitalen Verknüpfungen, sondern sie wurden separiert behandelt. Aufbauend auf den Auswertungen und vor allem auf den Visualisierungen führten erst hermeneutische Deutungen zu Erklärungen, wie etwa Agnes sich so zentral im Personennetzwerk positionieren konnte oder weshalb gewisse Begriffe erst um 1415 auf Dorsalnotizen auftauchten. Durch diese Vorgehensweise wird einerseits klar, dass digitale Arbeitsformen traditionelle geisteswissenschaftliche Deutungen höchstens ergänzen und sicherlich nicht ersetzen können. Andererseits lenken die Auswertungen den Blick auf zentrale Punkte und Häufungen, die Erklärungs- und Erkenntnishorizonte eröffnen. Dies bedingt jedoch, dass klare Vorstellungen über die Datenbasis (Heuristik) und daraus ableitbare Erkenntnisbeziehungsweise Aussagemöglichkeiten (Epistemologie) bestehen. Nur so lassen sich passgenaue Methoden und Visualisierungen finden, welche Fragen beantwortbar machen. Die hier angewandten Methoden sollen denn auch ein erster Versuch sein, die Umsetzung vormoderner Dokumente als Daten zu testen und Arbeiten anzuregen, die die für diese Studie aufbereiteten Daten weiterverwerten. 8 Der Sinn dieser Arbeit ist denn auch einen Einblick in die Art der Daten und mögliche Umgangsformen damit zu geben. Bewusst wurde auf den vorliegenden Seiten nur wenig Aufmerksamkeit auf die Rekonstruktion der wirtschaftlichen Bedingungen in Königsfelden gelegt. Dieser Aspekt würde eine vertiefte Behandlung verdienen und wäre dank vielfältigem Quellenmaterial, das ab Mitte des 15. Jahrhunderts und ab dem 16. Jahrhundert in großen Mengen vorliegt, gewinnbringend. Ebenso wurde der Zeit der Berner Herrschaft kein Platz eingeräumt. Die Hofmeisterei in Königsfelden nach der Auflösung der Konvente birgt ebenfalls einen noch zu hebenden Quellenschatz, da es sich um eine symbolisch wichtige Landvogtei handelte. Da Königsfelden in großer Distanz zu Bern liegt und das Zentrum der eidgenössichen Herrschaften, Baden, in direkter Nähe, findet sich in der Hofmeisterei aufgrund fortwährender Auseinandersetzungen zwischen Bern und den anderen eidgenössichen Orten ein interessanter Fall der Aus- 7 Nach D RUCKER , Display. 8 Entsprechend werden die gewonnen Daten nach Abschluss des Projekts auf der Plattform Zenodo.org publiziert. 272 <?page no="272"?> handlung von Herrrschaft über Untertanengebiete, der nicht abschließend geregelt werden konnte. Der Abtransport der Schriftstücke nach der Auflösung der Konvente und die teilweise verschlungenen Wege, die einzelne Hefte nahmen, zeigen, dass mittelalterliche Aufbewahrungspraxis nur bedingt in weltliche und geistliche Sphären geteilt werden kann. Vielmehr konnten die Artefakte unterschiedlichen Wegen folgen und letztlich auch bei anderen Orden oder in anderen Städten langfristig aufbewahrt werden. Für die aargauische Klosterlandschaft bedeutet dies, dass die Bestände von Bibliotheken und Archiven vermehrt nach Stücken abgesucht werden müssen, die aus anderen Kontexten stammen könnten. Antizipiert werden kann gar ein enges geistliches Netzwerk, das sich von den «alten» Stiftungen Beromünster, Muri und Wettingen, aber auch über «jüngere» Institutionen wie Königsfelden und Drittordenshäuser in den Städten erstreckte. Zwischen den Institutionen können über die Ordensgrenzen hinaus Kontakte und Austausch angenommen werden. In Königsfelden wurde ein ganz eigener Stil des Umgangs mit Schrift entwickelt. Dieser zeichnet sich durch einen gewissen Konservativismus aus, da nur bedingt versucht wurde, neue Schrifttypen einzuführen. Vielmehr wurde in Krisensituationen versucht, alte Schrifttypen erneut zu nutzen, auch wenn dazu, wie im Fall der Kopialbücher, neue Formen der Ordnung umgesetzt werden mussten. Die Zugriffs- und Aufbewahrungsformen änderten sich ab Mitte des 15. Jahrhunderts, vorwiegend im Zuge der neu geschaffenen Registratur Frickers. Zuvor lassen die Dorsualnotizen die Bildung von Dossiers nachvollziehen - eine Umgangsform, die zukünftig auch für andere Institutionen als Modus des Dokumentengebrauchs nachgeprüft werden muss. Die Analyse des Königsfelder Schriftguts zeigt Unterschiede in der Form des Gebrauchs, die sowohl auf verschiedene Vorstellungen, was mit Schrift erreicht werden kann, als auch auf zeitliche sowie institutionelle Unterschiede zurückzuführen sind. Agnes von Ungarn erstellte Urkunden, um einerseits ihre Ordnungsmacht zu demonstrieren und andererseits die Konvente nach ihren Vorstellungen zu ordnen. Fricker versuchte eine geordnete Registratur zu erstellen, die Vorgänge nachvollziehbar machen sollte und Wissen über Abläufe speicherte. Bern ordnete die Dokumente zu einem Bestand, die einen nahtlosen Übergang der Herrschaft von Habsburg an Bern suggerierte. Die in Königsfelden verwendeten Schriftordnungen verfolgten nicht zwangsläufig Verbesserungen durch Umordnung. Wie bereits von Augustinus festgestellt, kann Ordnung um der Ordnung willen erstellt werden. Agnes von Ungarn nutzte ihren Einfluss, um als ordnende Macht aufzutreten. Ihre Vorstellungen von Ordnung hatten zwar schriftlich Bestand, sie wurden jedoch durch nachfolgende Akteure in Königsfelden neu- und umgeordnet. Als Figur blieb sie zwar präsent, ihre Ordnungsstrategien wurde jedoch überformt und aktuellen Gegebenheiten angepasst. 273 <?page no="274"?> 7 Quellen- und Literaturverzeichnis 7.1 Unpublizierte Quellen aus dem Staatsarchiv Aargau AA/ 0428, Kopialbuch I (1336) (siehe S. 30, 52, 64-68, 70, 72, 76, 78, 110, 142, 174-176, 178-186, 189, 267). AA/ 0428a, Kopial- und Jahrzeitenzinsbuch des Franziskanerkonvents Königsfelden (1417) (siehe S. 30, 94, 196-198, 269). AA/ 0429, Kopialbuch II (1497) (siehe S. 30, 68, 84, 88, 149, 185, 191, 213-215, 217-220, 244, 245, 266). AA/ 0430, Kopialbuch III, Bd. 1 (1530) (siehe S. 30, 197, 217). AA/ 0432, Kopialbuch III, Bd. 3 (1530) (siehe S. 197). AA/ 0434, Kopialbuch III, Bd. 5 (Register 1), (1530) (siehe S. 221, 225, 250). AA/ 0435, Kopialbuch III, Bd. 5 (Register 2), (1530) (siehe S. 30, 225). AA/ 0437, Regestenband der Urkunden des Klosters und Oberamts Königsfelden (1573) (siehe S. 30, 225, 256, 257). AA/ 0446, Kopialbuch der Waldshuter Urkunden (1480) (siehe S. 215, 217, 218). AA/ 0447, Abschriften betreffend die Güter und Rechte in Birmenstorf (1480) (siehe S. 218). AA/ 0448, Kopialbuch des Meierhofes in Erlinsbach (1480) (siehe S. 216, 218, 249). AA/ 0464, Bodenzinsurbar (1432) (siehe S. 206, 207, 253, 270). AA/ 0465, Zehntrödel (1451) (siehe S. 156, 210, 243). AA/ 0528, Bodenzinsurbar für die Freien Ämter [Der nüw urber jn ämptern] (1529) (siehe S. 221). AA/ 0529, Zehnt- und Zinsverzeichnis des Klosters Königsfelden [Harnach sind geschriben die zechenden so verlichen sind im kilchspell windisch stuoffen und sunst allenthalben, im 1529 jar under herrn dem hoffmeister georg schöne] (1529) (siehe S. 222). AA/ 0530, Urbar, Zehnt- und Zinsverzeichnis für das Kirchspiel Windisch, die Ämter Eigen, Lenzburg und die Grafschaft Baden [Urbar und Zinsbuoch der Raent und Güllt ouch der Zächenden so so ein Hoff Kungsvaelldenn järlichenn ingenamen hatt, angefangenn under mir Hanns Ruodollff von Graffenried derzit Hoffmeister Anno 1532] (1532) (siehe S. 222). AA/ 0531, Bereinigung des Urbars das Schloss und den Hof Hilfikon betreffend (1534) (siehe S. 222). AA/ 0532, Urbar die Stadt Baden, die Grafschaft Baden, Zofingen und Basel betreffend (1535-1537), (1535) (siehe S. 222). AA/ 0533, Urbar die Stadt Brugg, das Amt Schenkenberg und Vorderösterreich betreffend [Nüw Urber der Statt Brugg in der Herrschaft Schenkenberg], Bd. 1 (1536) (siehe S. 222). AA/ 0534, Urbar die Stadt Brugg, das Amt Schenkenberg und Vorderösterreich betreffend, Bd. 2 (1536) (siehe S. 222). 275 <?page no="275"?> AA/ 0536, Urbar Zofingen, Aarburg und Oftringen betreffend (17. Mai 1537) (siehe S. 222). AA/ 0537, Urbar Zofingen, Aarburg und Oftringen betreffend (1537) (siehe S. 222). AA/ 0656, Heu- und Gerstenzehntrodel (1628-1689) (siehe S. 249). AA/ 0673, Urbar der Bodenzinsen der Pfarrei Windisch (11. November 1680) (siehe S. 105). AA/ 0677, Missiven, Band 1 (1525-1670) (siehe S. 104). AA/ 0678, Missiven, Band 2 (1671-1754) (siehe S. 104). AA/ 0679, Missiven, Band 3 (1755-1806) (siehe S. 104). AA/ 0761, Schlossurbar der Grafschaft Lenzburg, auf Befehl des Landvogts Sulpitius Haller verfasst von Eberhart von Rümlang, Seckelschreiber zu Bern. Inhalt: Vogtliste. Erzählung wie der Aargau an Bern kam; Rechtsverhältnisse der Stadt Lenzburg und des Schlosses, Lösung der verpfändeten Rechte und Güter von den Schultheiss; Niederlenz, Rupperswil, Dintikon, Othmarsingen, Ammerswil, Gränichen, Staufen, Suhr, Aabach, Steuer unter dem Sarbaum, Hornussen, Ober- und Unter-Kulm, Birr im Eigenamt, Gontenschwil, Brunegg, Möriken, Kölliken, Steuer zu Muhen, Reinach, Safenwil, Landmarch zwischen Bern und Solothurn, einzelne Nachträge bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts (um 9. Mai 1539) (siehe S. 221). AA/ 1100, Rodel über die Zehntverleihungen der Brüder Markwart und Hans von Baldegg in den Ämtern Schenkenberg und Bözberg. Ebenso über die Abrechnungen wegen der 1455 ausstehenden Gefälle 1455—1456. Ebenso über die Zehntverleihungen in den Kirchspielen Rein und Möntal 1459—1460. Rodel der Gefälle des Ritters Arnold von Rotberg zu Bozen 15. Jahrhundert 2. Hälfte (1453-1458) (siehe S. 243). U.17/ 0002, 24. März 1311 (siehe S. 49). U.17/ 0003, 16. Okt. 1292 (siehe S. 57, 243). U.17/ 0006, 13. Nov. 1307 (siehe S. 49, 162). U.17/ 0007A, 7. Dez. 1308 (siehe S. 49). U.17/ 0007a, 10. Okt. 1309 (siehe S. 51, 55, 124, 181, 250). U.17/ 0007B, 7. Dez. 1308 (siehe S. 49). U.17/ 0009, 25. Apr. 1310 (siehe S. 49, 159). U.17/ 0010, 1. Mai 1310 (siehe S. 49). U.17/ 0011, 1. Mai 1310 (siehe S. 162). U.17/ 0011a, 18. Juni 1310 (siehe S. 56, 118, 162). U.17/ 0012, 16. Juli 1310 (siehe S. 49). U.17/ 0013, 9. Sep. 1310 (siehe S. 49, 182). U.17/ 0014, 12. Okt. 1310 (siehe S. 49, 136, 137, 162). U.17/ 0015, 19. Okt. 1310 (siehe S. 49, 136, 137). U.17/ 0016, 27. Okt. 1310 (siehe S. 162). U.17/ 0018, 17. März 1311 (siehe S. 55). U.17/ 0020a, 29. Sep. 1311 (siehe S. 47, 55, 59, 124, 126, 132). U.17/ 0021, 18. Jan. 1312 (siehe S. 55). U.17/ 0022, 27. Jan. 1312 (siehe S. 55, 130, 186). U.17/ 0023A, 10. Aug. 1312 (siehe S. 55, 112, 124-126). U.17/ 0023B, 10. Aug. 1312 (siehe S. 55, 110, 111, 124-126). 276 <?page no="276"?> U.17/ 0024, 11. Nov. 1312 (siehe S. 55, 132). U.17/ 0025, 19. Nov. 1312 (siehe S. 132). U.17/ 0026, 19. Nov. 1312 (siehe S. 55, 132, 166). U.17/ 0027, 5. Jan. 1313 (siehe S. 125, 127, 143). U.17/ 0028, 24. Jan. 1313 (siehe S. 55). U.17/ 0029, 5. Feb. 1313 (siehe S. 55, 162). U.17/ 0030, 9. März 1313 (siehe S. 55). U.17/ 0031, 16. Okt. 1313 (siehe S. 56). U.17/ 0032, 6. Feb. 1314 (siehe S. 55). U.17/ 0034, 29. März 1314 (siehe S. 56). U.17/ 0035, 27. Juli 1314 (siehe S. 56, 65, 125, 127). U.17/ 0036, 10. Aug. 1314 (siehe S. 55, 89, 92). U.17/ 0037, 13. Sep. 1314 (siehe S. 56). U.17/ 0038, 14. Sep. 1314 (siehe S. 56). U.17/ 0039, 1. Jan. 1315 (siehe S. 49). U.17/ 0040, 9. Jan. 1315 (siehe S. 57, 162). U.17/ 0041, 14. Apr. 1315 (siehe S. 56). U.17/ 0042, 31. Mai 1315 (siehe S. 49, 162). U.17/ 0043, 23. Juni 1315 (siehe S. 57). U.17/ 0044, 24. Juni 1315 (siehe S. 56, 65, 137). U.17/ 0045, 24. Juni 1315 (siehe S. 56, 128). U.17/ 0046, 17. Juni 1315 (siehe S. 56). U.17/ 0049, 25. Juli 1315 (siehe S. 57). U.17/ 0050, 10. Aug. 1315 (siehe S. 56, 137). U.17/ 0052, 27. Okt. 1315 (siehe S. 49, 125). U.17/ 0053, 3. Nov. 1315 (siehe S. 56). U.17/ 0054, 25. Nov. 1315 (siehe S. 56). U.17/ 0055A, 11. Dez. 1315 (siehe S. 55, 132). U.17/ 0055B, 11. Dez. 1315 (siehe S. 55, 132). U.17/ 0056, 13. März 1316 (siehe S. 55, 125). U.17/ 0058, 30. März 1317 (siehe S. 49, 162). U.17/ 0059a, 7. Jan. 1318 (siehe S. 64, 162). U.17/ 0059b, 9. März 1318 (siehe S. 64, 162, 199). U.17/ 0060, 1350 (siehe S. 70). U.17/ 0061/ 01, 10. März 1318 (siehe S. 61, 63, 125, 134, 185, 188, 199). U.17/ 0061/ 02, 10. März 1318 (siehe S. 60, 62, 125, 134, 185, 188). U.17/ 0062, 25. Jan. 1319 (siehe S. 118, 219). U.17/ 0064, 8. Juli 1319 (siehe S. 116, 118, 130, 134). U.17/ 0065, 11. Nov. 1319 (siehe S. 125, 127, 182). U.17/ 0066, 16. Nov. 1319 (siehe S. 125, 134, 162). U.17/ 0070, 15. Jan. 1321 (siehe S. 89, 215). U.17/ 0073, 10. Feb. 1321 (siehe S. 125, 127, 143). U.17/ 0074c, 3. März 1322 (siehe S. 162). U.17/ 0075, 9. Aug. 1322 (siehe S. 136, 137). U.17/ 0077, 23. Aug. 1322 (siehe S. 130). U.17/ 0080, 12. März 1324 (siehe S. 143). 277 <?page no="277"?> U.17/ 0082, 16. Apr. 1324 (siehe S. 50). U.17/ 0084, 23. Aug. 1324 (siehe S. 50, 89, 162). U.17/ 0085, 26. Okt. 1324 (siehe S. 243). U.17/ 0087, 3. Feb. 1325 (siehe S. 162). U.17/ 0088, 31. Mai 1325 (siehe S. 166). U.17/ 0089, 29. Juni 1326 (siehe S. 182). U.17/ 0090, 30. Juni 1326 (siehe S. 143). U.17/ 0091, 23. Aug. 1326 (siehe S. 146, 162). U.17/ 0092, 10. Mai 1327 (siehe S. 75, 143). U.17/ 0098, 11. Jan. 1329 (siehe S. 75). U.17/ 0102, 29. Sep. 1329 (siehe S. 143, 144). U.17/ 0103, 2. Feb. 1330 (siehe S. 66, 75, 76, 78, 177, 185, 188, 189). U.17/ 0104, 2. Feb. 1330 (siehe S. 130). U.17/ 0105, 23. Feb. 1330 (siehe S. 50, 146, 215). U.17/ 0106, 23. Feb. 1330 (siehe S. 143). U.17/ 0107, 23. Feb. 1330 (siehe S. 50, 89, 132, 244). U.17/ 0112, 8. Juni 1330 (siehe S. 162). U.17/ 0113, 24. Juni 1330 (siehe S. 162). U.17/ 0114, 29. Okt. 1330 (siehe S. 143). U.17/ 0119, 1. Dez. 1330 (siehe S. 146). U.17/ 0120, 14. Juni 1331 (siehe S. 130). U.17/ 0125, 25. Mai 1332 (siehe S. 51, 78). U.17/ 0126, 18. Okt. 1332 (siehe S. 69, 185). U.17/ 0130, 24. Sep. 1333 (siehe S. 162). U.17/ 0130a, 2. Okt. 1333 (siehe S. 118, 134, 186, 217, 219). U.17/ 0130d, 4. Okt. 1333 (siehe S. 146, 186). U.17/ 0132, 12. Okt. 1333 (siehe S. 139). U.17/ 0138, 3. März 1334 (siehe S. 51). U.17/ 0139, 17. März 1334 (siehe S. 132, 186). U.17/ 0140, 27. Juni 1334 (siehe S. 134). U.17/ 0141, 1. Juli 1334 (siehe S. 132). U.17/ 0143, 4. Juli 1334 (siehe S. 66). U.17/ 0149, 2. Feb. 1335 (siehe S. 132, 134). U.17/ 0150, 2. Feb. 1335 (siehe S. 132). U.17/ 0152, 15. Aug. 1335 (siehe S. 67, 72, 132, 185). U.17/ 0153, 12. Juli 1336 (siehe S. 174). U.17/ 0159, 6. Mai 1337 (siehe S. 128). U.17/ 0165, 16. Okt. 1337 (siehe S. 129, 130). U.17/ 0166, 16. Okt. 1337 (siehe S. 85, 86, 159, 162). U.17/ 0167, 16. Okt. 1337 (siehe S. 143). U.17/ 0169, 11. Nov. 1337 (siehe S. 128). U.17/ 0173a, 9. März 1338 (siehe S. 69, 162). U.17/ 0175, 16. Okt. 1338 (siehe S. 132). U.17/ 0177, 2. Sep. 1339 (siehe S. 134). U.17/ 0179, 16. Okt. 1339 (siehe S. 67, 162, 185). U.17/ 0180, 3. Nov. 1339 (siehe S. 162). 278 <?page no="278"?> U.17/ 0182, 3. Jan. 1340 (siehe S. 67, 76). U.17/ 0183, 3. Feb. 1340 (siehe S. 143). U.17/ 0185, 23. Apr. 1340 (siehe S. 159). U.17/ 0185a, 24. Juni 1340 (siehe S. 67, 76, 185). U.17/ 0187, 4. Juli 1340 (siehe S. 77, 159, 162, 246). U.17/ 0187a, 4. Juli 1340 (siehe S. 67, 77, 162, 185). U.17/ 0188, 4. Okt. 1340 (siehe S. 132). U.17/ 0192, 27. Juni 1341 (siehe S. 51). U.17/ 0197, 5. Jan. 1343 (siehe S. 134). U.17/ 0201A, 20. Feb. 1344 (siehe S. 50). U.17/ 0201B, 20. Feb. 1344 (siehe S. 50). U.17/ 0203, 31. März 1344 (siehe S. 50, 89). U.17/ 0204, 26. Apr. 1344 (siehe S. 247). U.17/ 0205, 25. Mai 1344 (siehe S. 132). U.17/ 0205a, 20. Aug. 1344 (siehe S. 74, 162). U.17/ 0207, 22. Juni 1345 (siehe S. 243). U.17/ 0210, 16. Jan. 1346 (siehe S. 257). U.17/ 0212, 19. Jan. 1346 (siehe S. 243). U.17/ 0213, 9. Aug. 1346 (siehe S. 130). U.17/ 0218, 17. März 1348 (siehe S. 77). U.17/ 0220, 29. Juli 1348 (siehe S. 138). U.17/ 0221, 29. Juli 1348 (siehe S. 138). U.17/ 0222, 29. Juli 1348 (siehe S. 162). U.17/ 0223, 31. Okt. 1348 (siehe S. 67, 77, 185). U.17/ 0224, 25. Jan. 1349 (siehe S. 162). U.17/ 0226, 26. Aug. 1349 (siehe S. 162). U.17/ 0228, 26. Aug. 1349 (siehe S. 162). U.17/ 0229, 24. Sep. 1349 (siehe S. 162). U.17/ 0232, 4. Feb. 1350 (siehe S. 162). U.17/ 0233, 31. März 1350 (siehe S. 162). U.17/ 0234, 12. Nov. 1350 (siehe S. 162). U.17/ 0235 (siehe S. 208). U.17/ 0241, 21. Nov. 1351 (siehe S. 51). U.17/ 0253, 18. März 1354 (siehe S. 162). U.17/ 0254a, 28. Mai 1354 (siehe S. 67, 185, 199). U.17/ 0257, 6. Nov. 1354 (siehe S. 50, 215). U.17/ 0260, 18. Juli 1355 (siehe S. 92). U.17/ 0261, 26. Sep. 1355 (siehe S. 162). U.17/ 0262, 5. Okt. 1355 (siehe S. 162). U.17/ 0263, 7. Okt. 1355 (siehe S. 67, 77, 162). U.17/ 0266a, 8. Jan. 1356 (siehe S. 67, 77, 162, 185). U.17/ 0268, 17. Mai 1356 (siehe S. 68, 77). U.17/ 0272, 10. Sep. 1356 (siehe S. 68). U.17/ 0273, 17. Jan. 1357 (siehe S. 68, 77, 185). U.17/ 0274, 4. Feb. 1357 (siehe S. 162). U.17/ 0275, 17. Feb. 1357 (siehe S. 162). 279 <?page no="279"?> U.17/ 0276, 22. Feb. 1357 (siehe S. 92). U.17/ 0277A, 14. Aug. 1357 (siehe S. 131). U.17/ 0277B, 14. Aug. 1357 (siehe S. 131). U.17/ 0279, 10. Sep. 1358 (siehe S. 162). U.17/ 0280, 24. Apr. 1358 (siehe S. 50). U.17/ 0281, 26. Mai 1358 (siehe S. 68, 185). U.17/ 0282, 12. Sep. 1358 (siehe S. 92). U.17/ 0284, 1359 (siehe S. 68). U.17/ 0286, 5. März 1359 (siehe S. 92). U.17/ 0287, 13. März 1359 (siehe S. 162). U.17/ 0288, 22. Juli 1359 (siehe S. 68, 70, 162, 185). U.17/ 0289, 22. Juli 1359 (siehe S. 68, 185). U.17/ 0295, 6. Dez. 1359 (siehe S. 92). U.17/ 0296, 5. Jan. 1360 (siehe S. 243). U.17/ 0298, 16. März 1360 (siehe S. 162). U.17/ 0301, 20. Aug. 1360 (siehe S. 70). U.17/ 0303, 7. Sep. 1360 (siehe S. 68, 70, 79, 185). U.17/ 0304, 24. Sep. 1360 (siehe S. 68, 79, 199). U.17/ 0305, 28. Nov. 1360 (siehe S. 243). U.17/ 0306, 31. Dez. 1360 (siehe S. 50, 90). U.17/ 0306a, 20. Feb. 1361 (siehe S. 68, 70, 78, 80, 162, 185, 199). U.17/ 0307, 28. März 1361 (siehe S. 162). U.17/ 0308B, 29. Juni 1361 (siehe S. 146). U.17/ 0310, 13. Dez. 1361 (siehe S. 92). U.17/ 0312a, 13. Apr. 1362 (siehe S. 149). U.17/ 0316, 23. Dez. 1362 (siehe S. 199). U.17/ 0316a, 14. Apr. 1363 (siehe S. 70, 162). U.17/ 0320, 20. Juli 1363 (siehe S. 162). U.17/ 0322, 14. Aug. 1363 (siehe S. 208). U.17/ 0323, 26. Sep. 1363 (siehe S. 146). U.17/ 0324, 13. Sep. 1363 (siehe S. 162). U.17/ 0327, 30. Mai 1364 (siehe S. 92, 162). U.17/ 0328, 3. Juni 1364 (siehe S. 162). U.17/ 0330, 19. Juli 1364 (siehe S. 51, 190). U.17/ 0332, 21. Jan. 1366 (siehe S. 135). U.17/ 0332a, 25. Jan. 1366 (siehe S. 78, 135). U.17/ 0334, 23. März 1366 (siehe S. 135). U.17/ 0338, 11. Feb. 1367 (siehe S. 162, 199). U.17/ 0339, 28. März 1367 (siehe S. 159). U.17/ 0340, 2. Juni 1367 (siehe S. 162). U.17/ 0341, 4. Okt. 1367 (siehe S. 135). U.17/ 0343, 27. März 1368 (siehe S. 146). U.17/ 0344, 31. Mai 1368 (siehe S. 258). U.17/ 0350, 23. Juni 1369 (siehe S. 135). U.17/ 0351, 18. Jan. 1370 (siehe S. 162). U.17/ 0352, 14. Feb. 1370 (siehe S. 135). 280 <?page no="280"?> U.17/ 0353, 14. März 1370 (siehe S. 162). U.17/ 0354, 1. Sep. 1370 (siehe S. 135). U.17/ 0354a, 27. Dez. 1370 (siehe S. 190, 191). U.17/ 0355, 24. Feb. 1371 (siehe S. 243). U.17/ 0359, 27. Dez. 1370 (siehe S. 190, 191). U.17/ 0360A, 27. Dez. 1370 (siehe S. 190, 191). U.17/ 0361, 27. Dez. 1370 (siehe S. 190, 191). U.17/ 0362, 27. Dez. 1370 (siehe S. 146, 190, 191). U.17/ 0363, 27. Dez. 1370 (siehe S. 190, 192). U.17/ 0364, 24. Juni 1372 (siehe S. 162). U.17/ 0369, 17. Mai 1374 (siehe S. 135). U.17/ 0371, 15. Mai 1375 (siehe S. 162). U.17/ 0374, 6. Mai 1377 (siehe S. 146). U.17/ 0379, 28. Feb. 1371 (siehe S. 136). U.17/ 0380, 20. Apr. 1379 (siehe S. 135). U.17/ 0382, 30. Mai 1379 (siehe S. 199). U.17/ 0383, 7. Nov. 1379 (siehe S. 146, 162). U.17/ 0384, 8. Nov. 1379 (siehe S. 162). U.17/ 0388, 13. Mai 1380 (siehe S. 243). U.17/ 0391, 27. Nov. 1380 (siehe S. 162). U.17/ 0393, 14. Feb. 1381 (siehe S. 243). U.17/ 0394, 6. Mai 1381 (siehe S. 136). U.17/ 0399, 3. Jan. 1382 (siehe S. 135). U.17/ 0400, 17. Jan. 1382 (siehe S. 86). U.17/ 0402, 9. Feb. 1385 (siehe S. 146). U.17/ 0403, 24. Feb. 1385 (siehe S. 162). U.17/ 0404, 6. Juni 1385 (siehe S. 162). U.17/ 0407, 15. März 1387 (siehe S. 162). U.17/ 0416, 3. Feb. 1391 (siehe S. 162). U.17/ 0417, 3. März 1391 (siehe S. 162). U.17/ 0421, 30. Dez. 1391 (siehe S. 162). U.17/ 0425, 29. Juli 1393 (siehe S. 146). U.17/ 0428, 24. Dez. 1393 (siehe S. 72). U.17/ 0436A, 8. Jan. 1397 (siehe S. 146). U.17/ 0437a, 1. Juli 1398 (siehe S. 162, 200). U.17/ 0443, 18. Juni 1400 (siehe S. 162). U.17/ 0447, 18. Dez. 1400 (siehe S. 85, 199). U.17/ 0448, 1420 (siehe S. 82, 241). U.17/ 0452, 15. Jan. 1403 (siehe S. 86). U.17/ 0454, 25. Mai 1403 (siehe S. 199). U.17/ 0456, 23. Juli 1403 (siehe S. 82). U.17/ 0460, 11. Apr. 1404 (siehe S. 146). U.17/ 0461, 25. Juli 1404 (siehe S. 146). U.17/ 0467, 2. Mai 1405 (siehe S. 162). U.17/ 0470, 23. Nov. 1405 (siehe S. 162). U.17/ 0473, 2. Juni 1406 (siehe S. 162). 281 <?page no="281"?> U.17/ 0474, 8. Aug. 1406 (siehe S. 82). U.17/ 0479, 28. März 1408 (siehe S. 146). U.17/ 0480, 1. Apr. 1408 (siehe S. 84). U.17/ 0481, 13. Mai 1408 (siehe S. 162). U.17/ 0488, 26. Juli 1411 (siehe S. 82, 150). U.17/ 0489, 21. Mai 1412 (siehe S. 82). U.17/ 0490, 23. Mai 1412 (siehe S. 82). U.17/ 0491, 24. Mai 1412 (siehe S. 82). U.17/ 0492, 14. Okt. 1412 (siehe S. 204). U.17/ 0494, 28. Juli 1413 (siehe S. 204). U.17/ 0496, 22. Juni 1414 (siehe S. 204). U.17/ 0497, 8. Mai 1415 (siehe S. 84, 162). U.17/ 0499, 11. Feb. 1416 (siehe S. 82, 163). U.17/ 0501, 14. Feb. 1416 (siehe S. 82, 163). U.17/ 0503, 13. Apr. 1416 (siehe S. 163). U.17/ 0504, 30. Juni 1416 (siehe S. 163). U.17/ 0505, 14. Juli 1416 (siehe S. 163). U.17/ 0509, 2. März 1417 (siehe S. 84, 163). U.17/ 0511, 15. Mai 1418 (siehe S. 163). U.17/ 0512, 11. Juni 1418 (siehe S. 147, 163). U.17/ 0514, 14. Sep. 1418 (siehe S. 201). U.17/ 0515, 3. Nov. 1418 (siehe S. 163). U.17/ 0516, 24. Nov. 1418 (siehe S. 147, 163). U.17/ 0517, 16. Jan. 1419 (siehe S. 163). U.17/ 0525, 26. Juni 1419 (siehe S. 163). U.17/ 0527, 1. Feb. 1420 (siehe S. 82). U.17/ 0529, 25. Nov. 1420 (siehe S. 163). U.17/ 0530, 10. Dez. 1420 (siehe S. 82, 86, 163). U.17/ 0531, 31. Dez. 1419 (siehe S. 163). U.17/ 0534, 22. Mai 1421 (siehe S. 163). U.17/ 0535, 25. Mai 1421 (siehe S. 82). U.17/ 0539, 15. Mai 1422 (siehe S. 82). U.17/ 0540, 12. Jan. 1423 (siehe S. 163). U.17/ 0544, 14. Feb. 1424 (siehe S. 163). U.17/ 0546, 4. Aug. 1424 (siehe S. 82). U.17/ 0546a, 12. Juni 1425 (siehe S. 163). U.17/ 0547, 11. Nov. 1425 (siehe S. 163). U.17/ 0554, 22. Feb. 1427 (siehe S. 163). U.17/ 0557, 30. Nov. 1427 (siehe S. 82, 163). U.17/ 0560, 9. Juli 1428 (siehe S. 86, 163). U.17/ 0564, 9. Mai 1429 (siehe S. 163). U.17/ 0566, 24. Juni 1429 (siehe S. 163). U.17/ 0567, 24. Juni 1429 (siehe S. 163). U.17/ 0569, 14. Nov. 1430 (siehe S. 82, 163). U.17/ 0570, 29. Nov. 1430 (siehe S. 163). U.17/ 0571, 6. Dez. 1430 (siehe S. 163). 282 <?page no="282"?> U.17/ 0573, 1. Apr. 1431 (siehe S. 163). U.17/ 0574, 7. Mai 1431 (siehe S. 163). U.17/ 0575, 26. Mai 1431 (siehe S. 163). U.17/ 0576, 20. Feb. 1432 (siehe S. 163). U.17/ 0577, 28. Jan. 1433 (siehe S. 163). U.17/ 0579, 9. Mai 1433 (siehe S. 82). U.17/ 0581A, 24. Juni 1433 (siehe S. 163). U.17/ 0581a, 1. Juli 1434 (siehe S. 219). U.17/ 0581B, 24. Juni 1433 (siehe S. 163). U.17/ 0591, 4. März 1437 (siehe S. 82). U.17/ 0592, 12. Juni 1437 (siehe S. 209). U.17/ 0593, 15. Juli 1437 (siehe S. 243). U.17/ 0597, 25. Okt. 1437 (siehe S. 163). U.17/ 0598, 26. Okt. 1437 (siehe S. 163). U.17/ 0607, 1. Feb. 1439 (siehe S. 163). U.17/ 0609, 21. Feb. 1439 (siehe S. 163). U.17/ 0610, 7. Juli 1439 (siehe S. 163). U.17/ 0611, 21. Feb. 1440 (siehe S. 205). U.17/ 0612A, 26. Dez. 1439 (siehe S. 163). U.17/ 0614, 7. Aug. 1441 (siehe S. 89). U.17/ 0619, 8. Nov. 1442 (siehe S. 163). U.17/ 0625, 26. Juli 1443 (siehe S. 163). U.17/ 0632, 24. Feb. 1447 (siehe S. 158). U.17/ 0634, 11. Nov. 1447 (siehe S. 163). U.17/ 0636, 4. Dez. 1447 (siehe S. 163). U.17/ 0638, 14. Okt. 1448 (siehe S. 163). U.17/ 0645, 20. Apr. 1450 (siehe S. 163). U.17/ 0647b, 9. Mai 1451 (siehe S. 163). U.17/ 0648, 1. Juli 1451 (siehe S. 94). U.17/ 0649c, 11. März 1452 (siehe S. 163). U.17/ 0650, 15. Apr. 1452 (siehe S. 163). U.17/ 0651, 25. Mai 1452 (siehe S. 159). U.17/ 0655, 6. Juni 1452 (siehe S. 163). U.17/ 0656, 7. Sep. 1452 (siehe S. 163). U.17/ 0657, 28. Sep. 1452 (siehe S. 158, 159). U.17/ 0659, 21. Feb. 1453 (siehe S. 163). U.17/ 0660, 11. März 1453 (siehe S. 159). U.17/ 0661, 22. März 1453 (siehe S. 243). U.17/ 0662, 22. März 1453 (siehe S. 243). U.17/ 0665, 15. Okt. 1453 (siehe S. 163). U.17/ 0667, 16. Nov. 1453 (siehe S. 156, 159). U.17/ 0668, 17. Nov. 1453 (siehe S. 163). U.17/ 0668a, 2. Feb. 1454 (siehe S. 210, 211). U.17/ 0669a, 11. Feb. 1454 (siehe S. 96, 210, 211). U.17/ 0671, 19. Feb. 1454 (siehe S. 159, 164). U.17/ 0674, 13. Mai 1454 (siehe S. 159, 163). 283 <?page no="283"?> U.17/ 0675, 25. Juni 1454 (siehe S. 158). U.17/ 0679, 19. Nov. 1454 (siehe S. 163). U.17/ 0680, 20. März 1455 (siehe S. 243). U.17/ 0681, 20. März 1455 (siehe S. 163). U.17/ 0682, 20. März 1455 (siehe S. 159). U.17/ 0684, 30. Juni 1455 (siehe S. 163). U.17/ 0691, 20. Sep. 1456 (siehe S. 159). U.17/ 0693, 6. Dez. 1456 (siehe S. 163). U.17/ 0696, 5. Aug. 1457 (siehe S. 243). U.17/ 0701a, 3. Nov. 1458 (siehe S. 163). U.17/ 0701b, 3. Nov. 1458 (siehe S. 163). U.17/ 0709, 24. Juni 1459 (siehe S. 95). U.17/ 0712, 23. Juni 1460 (siehe S. 163). U.17/ 0715, 27. Mai 1461 (siehe S. 163). U.17/ 0716, 2. Juni 1461 (siehe S. 163). U.17/ 0717, 11. Nov. 1461 (siehe S. 163). U.17/ 0719, 28. März 1462 (siehe S. 163). U.17/ 0722, 12. Dez. 1462 (siehe S. 163). U.17/ 0728, 26. Apr. 1464 (siehe S. 243). U.17/ 0729, 26. Sep. 1464 (siehe S. 163). U.17/ 0730, 11. Okt. 1464 (siehe S. 243). U.17/ 0731, 18. Mai 1465 (siehe S. 163). U.17/ 0732, 21. Mai 1465 (siehe S. 93). U.17/ 0733, 16. Sep. 1465 (siehe S. 163). U.17/ 0734, 14. Okt. 1465 (siehe S. 163). U.17/ 0737, 7. Feb. 1466 (siehe S. 94, 95). U.17/ 0740, 13. Nov. 1466 (siehe S. 163). U.17/ 0741, 9. Feb. 1467 (siehe S. 152, 154). U.17/ 0743, 1. Juni 1467 (siehe S. 95, 163). U.17/ 0744, 1. Juni 1467 (siehe S. 95, 163). U.17/ 0746, 5. Dez. 1468 (siehe S. 163). U.17/ 0747, 6. Dez. 1469 (siehe S. 163). U.17/ 0748a, 7. Dez. 1469 (siehe S. 163). U.17/ 0749, 7. Juni 1470 (siehe S. 163). U.17/ 0751, 1. Sep. 1470 (siehe S. 163). U.17/ 0752, 1. Sep. 1470 (siehe S. 163). U.17/ 0753, 1. Sep. 1470 (siehe S. 163). U.17/ 0755, 7. Nov. 1470 (siehe S. 163). U.17/ 0756, 30. Nov. 1470 (siehe S. 163). U.17/ 0760, 25. Juni 1471 (siehe S. 243, 255, 271). U.17/ 0761, 31. Juli 1471 (siehe S. 94). U.17/ 0765, 22. Apr. 1473 (siehe S. 163). U.17/ 0766, 14. Mai 1473 (siehe S. 163). U.17/ 0769, 9. Feb. 1474 (siehe S. 94, 163). U.17/ 0784, 9. März 1478 (siehe S. 243). U.17/ 0786, 26. Mai 1479 (siehe S. 163). 284 <?page no="284"?> U.17/ 0787, 3. März 1480 (siehe S. 163, 166). U.17/ 0787a, 24. Apr. 1480 (siehe S. 98, 104, 250, 271). U.17/ 0788, 16. Jan. 1481 (siehe S. 163). U.17/ 0789, 22. Sep. 1481 (siehe S. 163). U.17/ 0791e, 22. Okt. 1481 (siehe S. 163). U.17/ 0793, 24. Nov. 1481 (siehe S. 163). U.17/ 0794, 14. März 1482 (siehe S. 163). U.17/ 0795, 2. Mai 1482 (siehe S. 163). U.17/ 0797, 1. Sep. 1482 (siehe S. 163). U.17/ 0797a, 18. Nov. 1482 (siehe S. 163). U.17/ 0798, 23. Apr. 1483 (siehe S. 163). U.17/ 0800, 21. Sep. 1483 (siehe S. 163). U.17/ 0801, 10. Nov. 1483 (siehe S. 163). U.17/ 0805, 21. Apr. 1484 (siehe S. 163). U.17/ 0806, 28. Sep. 1481 (siehe S. 163). U.17/ 0809, 18. Juni 1486 (siehe S. 163). U.17/ 0812, 6. Nov. 1487 (siehe S. 163, 213, 250). U.17/ 0813, 1. Mai 1487 (siehe S. 163). U.17/ 0825, 27. Aug. 1493 (siehe S. 163). U.17/ 0826, 11. Okt. 1494 (siehe S. 163). U.17/ 0829, 26. März 1495 (siehe S. 163). U.17/ 0832, 19. Apr. 1496 (siehe S. 163). U.17/ 0834, 28. Juni 1496 (siehe S. 163). U.17/ 0837A, 10. Mai 1497 (siehe S. 163). U.17/ 0838A, 10. Mai 1497 (siehe S. 163). U.17/ 0839, 24. Mai 1497 (siehe S. 163). U.17/ 0841, 15. Okt. 1397 (siehe S. 87). U.17/ 0842 (siehe S. 163). U.17/ 0845, 9. Juli 1498 (siehe S. 98). U.17/ 0846, 17. Juni 1499 (siehe S. 163). U.17/ 0848, 1500 (siehe S. 258). U.17/ 0849, 29. Sep. 1500 (siehe S. 100). U.17/ 0850, 1505 (siehe S. 163). U.17/ 0853A, 1525 (siehe S. 163). U.17/ 0856, 20. Dez. 1501 (siehe S. 163). U.17/ 0857, 8. Aug. 1502 (siehe S. 163). U.17/ 0858, 25. Okt. 1502 (siehe S. 163). U.17/ 0859, 13. Dez. 1502 (siehe S. 159). U.17/ 0860, 14. Jan. 1503 (siehe S. 163). U.17/ 0861, 22. Jan. 1503 (siehe S. 163). U.17/ 0862, 27. Juni 1503 (siehe S. 159). U.17/ 0866, 16. Sep. 1505 (siehe S. 163). U.17/ 0873, 29. Juni 1509 (siehe S. 163). U.17/ 0875, 13. Juni 1510 (siehe S. 163). U.17/ 0876a, 21. Nov. 1511 (siehe S. 163). U.17/ 0877, 26. Nov. 1511 (siehe S. 163). 285 <?page no="285"?> U.17/ 0878, 26. Nov. 1511 (siehe S. 163). U.17/ 0879, 26. Nov. 1511 (siehe S. 163). U.17/ 0880a, 4. Jan. 1512 (siehe S. 99). U.17/ 0882, 11. Aug. 1512 (siehe S. 163). U.17/ 0883, 30. Nov. 1512 (siehe S. 163). U.17/ 0887A, 27. Mai 1513 (siehe S. 163). U.17/ 0892A, 28. Aug. 1514 (siehe S. 220). U.17/ 0894, 14. Dez. 1514 (siehe S. 163). U.17/ 0895, 23. Mai 1515 (siehe S. 163). U.17/ 0896, 23. Mai 1515 (siehe S. 163). U.17/ 0899, 30. Nov. 1515 (siehe S. 163). U.17/ 0900, 30. Nov. 1515 (siehe S. 163). U.17/ 0903, 12. Mai 1516 (siehe S. 163). U.17/ 0904, 3. Aug. 1516 (siehe S. 163). U.17/ 0906, 2. Sep. 1517 (siehe S. 163). U.17/ 0908, 21. März 1518 (siehe S. 163). U.17/ 0909a, 18. Juli 1518 (siehe S. 163). U.17/ 0910, 5. Nov. 1518 (siehe S. 163, 258). U.17/ 0913, 24. Aug. 1520 (siehe S. 163). U.17/ 0915, 15. Nov. 1521 (siehe S. 163). U.17/ 0916, 24. Jan. 1522 (siehe S. 163). U.17/ 0917, 19. Aug. 1522 (siehe S. 163). U.17/ 0918, 30. Okt. 1522 (siehe S. 163). U.17/ 0924a, 11. Juni 1524 (siehe S. 163). U.17/ 0924c, 15. Juni 1524 (siehe S. 163). U.17/ 0924g, 22. Juni 1524 (siehe S. 163). U.17/ 0924h, 23. Juni 1524 (siehe S. 163). U.17/ 0924i, 23. Juni 1524 (siehe S. 163). U.17/ 0924k, 23. Juni 1524 (siehe S. 163). U.17/ 0926, 10. Nov. 1524 (siehe S. 163). U.17/ 0927a, 1. Feb. 1525 (siehe S. 102). U.17/ 0927b, 11. Mai 1525 (siehe S. 102). U.17/ 0927c, 13. Mai 1525 (siehe S. 163). U.17/ 0927d, 15. Mai 1525 (siehe S. 163). U.17/ 0927e, 15. Mai 1525 (siehe S. 102). U.17/ 0927f, 4. Aug. 1525 (siehe S. 163). U.17/ 0927g, 11. Aug. 1525 (siehe S. 102, 163). U.17/ 0927i, 9. Sep. 1525 (siehe S. 102). U.17/ 0927k, 18. Nov. 1525 (siehe S. 163). U.17/ 0927l, 18. Nov. 1525 (siehe S. 102, 163). U.17/ 0928, 1525 (siehe S. 105). U.17/ 0928b, 6. Feb. 1526 (siehe S. 102). U.17/ 0929a, 14. Apr. 1526 (siehe S. 102). U.17/ 0929b, 14. Apr. 1526 (siehe S. 102). U.17/ 0930, 11. Juni 1526 (siehe S. 163). U.17/ 0930a, 25. Juli 1526 (siehe S. 102). 286 <?page no="286"?> U.17/ 0931, 10. Aug. 1526 (siehe S. 163). U.17/ 0933, 11. Nov. 1526 (siehe S. 163). U.17/ 0934, 18. Dez. 1526 (siehe S. 163). U.17/ 0934a, 18. Dez. 1526 (siehe S. 102). U.17/ 0934b, 18. Dez. 1526 (siehe S. 102). U.17/ 0935a, 5. Jan. 1527 (siehe S. 102). U.17/ 0935b, 20. Juli 1527 (siehe S. 102). U.17/ 0935d, 23. Juli 1527 (siehe S. 102). U.17/ 0936c, 25. Sep. 1527 (siehe S. 102). U.17/ 0936d, 1. März 1528 (siehe S. 102). U.17/ 0937, 3. März 1528 (siehe S. 163). U.17/ 0937a, 12. März 1528 (siehe S. 102). U.17/ 0937c, 31. März 1528 (siehe S. 102, 167). U.17/ 0938, 1. Aug. 1528 (siehe S. 163). U.17/ 0938a, 19. Dez. 1528 (siehe S. 102). U.17/ 0938b, 1. Juni 1529 (siehe S. 102, 167). U.17/ 0938c, 8. Aug. 1529 (siehe S. 102, 167). U.17/ 0941a, 16. Mai 1533 (siehe S. 102). U.17/ 0955, 1. Juli 1557 (siehe S. 258). Weitere Bestände des Staatsarchivs, außerhalb des Alten Archivs/ Urkundenbestände A/ 0093/ 01 Akten und Korrespondenz zum Aktentausch zwischen dem Staatsarchiv Aarau und dem Staatsarchiv Bern A/ 0093/ 04 Akten und Korrespondenz zu Dokumenten, die in der Psychiatrischen Klinik Königsfelden lagerten NL.A/ 0015 Nachlass Georg Boner (0008, Mappe “Klosterbibliotheken”) UR.17 Urkundenregesten Königsfelden Unpublizierte Quellen aus anderen Archiven (Angabe zu Beständen) Archives Départementales Haute-Rhin (Colmar) 3G St Pierre 32 Urkunden- und Dokumentenbestand Burger Bibliothek Bern Cod. Codices Generallandesarchiv Karlsruhe 21 Vereinigte Breisgauer Archive (Spezialia badische Orte), Urkunden 287 <?page no="287"?> Haus-, Hof- und Staatsarchiv (Wien) UR Urkunden Staatsarchiv Bern A 3.3 Kanzleiarchiv/ Staatsarchiv (1713-2004) A V Akten der Kanzlei, darin unnütze Papiere C I a Staatliche Sammlungen/ Urkundensammlung C II a Staatliche Sammlungen/ Urbariensammlung E Hilfsmittel Staatsarchiv Luzern KF Bücher Franziskaner, Oberdeutsche Minoritenprovinz (1206-1900) Staatsarchiv Zürich B I Kopiebücher F II Urbare Tiroler Landesarchiv (Innsbruck) Fridericiana (nach Entstehungsjahren geordnet) 7.2 Publizierte Quellen Augustinus, Aurelius, Confessiones: Bekenntnisse, hrsg. von Kurt Flasch, Stuttgart 2011 (siehe S. 273). Bretscher-Gisiger, Charlotte und Sieber, Christian, Acta Murensia. Die Akten des Klosters Muri mit der Genealogie der frühen Habsburger, hrsg. von Staatsarchiv des Kantons Aargau (Aarau), Basel 2012 (siehe S. 151). Cenci, Caesar, Documenta Vaticana ad Franciscales spectantia ann. 1385-1492., in: Archivum Franciscanum Historicum 91.1 (1998), S. 65-131 (siehe S. 233). - Documenta vaticana ad Franciscales spectantia ann. 1385-1492., in: Archivum Franciscanum Historicum 94.1 (2001), S. 85-145 (siehe S. 233). - Documenta Vaticana ad franciscales spectantia ann. 1385-1492. Pars III. Documenta Vaticana ann. 1431-1447., in: Archivum Franciscanum Historicum 92.1 (1999), S. 143-198 (siehe S. 233). - Documenta vaticana ad Franciscales spectantia ann. 1385-1492. Pars IV., in: Archivum Franciscanum Historicum 93.1 (2000), S. 217-259 (siehe S. 233). - Documenta vaticana ad franciscales spectantia, ann. 1385-1492. I , 1385-1471, Editiones Archivum Franciscanum Historicum,4, Grottaferrata (Roma) 2002 (siehe S. 233). 288 <?page no="288"?> - Documenta vaticana ad franciscales spectantia. Ann. 1385-1492. Pars IX: documenta vaticana ann. 1484-1492, in: Archivum Franciscanum Historicum 97.3 (2004), S. 301-346 (siehe S. 233). - Documenta Vaticana ad Franciscales spectantia. Ann. 1385-1492. Pars VIII: Documenta Vaticana ann. 1482-1484, in: Archivum Franciscanum Historicum 97.1 (2004), S. 133-157 (siehe S. 233). - Fragmenta priscarum Constitutionum Praenarbonensium, in: Archivum Franciscanum Historicum 96.3 (2003), S. 289-300 (siehe S. 233). - Supplementum ad bullarium franciscanum continens litteras romanorum pontificum annorum 1378-1484. I, 1378-1471: Pro tribus ordinibus s.p.n. francisci ulterius obtentas appendice hierarchica addita, Grottaferrata (Romae) 2002 (siehe S. 233). Elsener, Ferdinand, Hrsg., Die Rechtsquellen des Kantons St. Gallen. Teil 2, Rechte der Landschaft, Band 1, Landschaft Gaster mit Wesen, Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, Aarau 1951, url: https: / / www.ssrq-sds-fds.ch/ online/ SG_III_1/ index.html (siehe S. 194). Königsfeldener Chronik (Chronicon Koenigsfeldense), in: Crypta San Blasiana nova, hrsg. von Martin Gerbert, St. Blasien 1785, S. 86-119 (siehe S. 30). Liebenau, Hermann, Hundert Urkunden zu der Geschichte der Königin Agnes, Wittwe von Ungarn: 1288 - 1364, Regensburg 1869, url: http: / / www.mdznbn-resolving.de/ urn/ resolver.pl? urn=urn: nbn: de: bvb: 12-bsb11001029-2 (siehe S. 31). Liebenau, Theodor, Sammlung von Aktenstücken zur Geschichte des Sempacherkrieges, in: Archiv für Schweizerische Geschichte 171 (1871), S. 3-258 (siehe S. 31, 136). Maag, Rudolf, Hrsg., Das Habsburger Urbar. Band 2,1: Pfand- und Revokationsrödel zu König Albrechts Urbar, frühere und spätere Urbaraufnahmen und Lehensverzeichnisse der Laufenburger Linie, Bd. 2.1, 2 Bde., Quellen zur Schweizer-Geschichte 15, Basel 1894 (siehe S. 205). Merz, Walther, Hrsg., Die Rechtsquellen des Kantons Aargau. Teil 1: Stadtrechte, 4. Band, Die Stadtrechte von Bremgarten und Lenzburg, Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, Aarau 1909, url: https: / / www.ssrq-sds-fds.ch/ online/ AG_I_4/ index.html (siehe S. 194, 220). - Hrsg., Die Rechtsquellen des Kantons Aargau. Teil 1: Stadtrechte, 5. Band, Die Stadtrechte von Zofingen, Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, Aarau 1914, url: https: / / www.ssrq-sds-fds.ch/ online/ AG_I_5/ index.html (siehe S. 194). - Hrsg., Die Rechtsquellen des Kantons Aargau. Teil 1: Stadtrechte, Band 7, Das Stadtrecht von Rheinfelden, Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, Aarau 1917, url: https: / / www.ssrq-sds-fds.ch/ online/ AG_I_7/ index.html (siehe S. 193). - Hrsg., Die Rechtsquellen des Kantons Aargau. Teil 2: Die Rechte der Landschaft, Band 2, Die Oberämter Königsfelden, Biberstein und Kastelen, Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, Aarau 1926, url: https: / / www.ssrq-sds-fds.ch/ online/ AG_II_2/ index.html (siehe S. 31, 92, 132, 208, 266). 289 <?page no="289"?> Merz, Walther, Hrsg., Die Rechtsquellen des Kantons Aargau. Teil 2: Rechte der Landschaft, Band 1, Amt Arburg und Grafschaft Lenzburg, Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, Aarau 1923, url: https: / / www.ssrq-sds-fds.ch/ online/ AG_II_1/ index.html (siehe S. 149, 208, 209, 221, 238). Rammingen, Jacob von, Von der Registratur, und jren Gebäuwen und Regimenten, Heidelberg 1571 (siehe S. 258, 259). Rennefahrt, Hermann, Hrsg., Die Rechtsquellen des Kantons Bern. Teil 1: Stadtrechte, 12. Band: Das Stadtrecht von Bern XII, Bildungswesen, Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, Aarau 1979, url: https: / / www.ssrq-sds-fds.ch/ online/ BE_I_12/ index.html (siehe S. 221). Seemüller, Joseph, Hrsg., Österreichische Chronik von den 95 Herrschaften, MGH Dt. Chroniken 6, Hannover 1909, url: http: / / www.mgh.de/ dmgh/ resolving/ MGH.Chron._6 (siehe S. 97). Sella, Pacifico, Inventario fondo francescani dell’archivio segreto vaticano, in: Archivum Franciscanum Historicum 94.3 (2001), S. 341-400 (siehe S. 233). Steck, Rudolf und Tobler, Gustav, Hrsg., Aktensammlung zur Geschichte der Berner Reformation 1521-1532, Bern 1923 (siehe S. 100-103, 164, 217, 247, 248). 7.3 Literaturverzeichnis Algazi, Gadi, Ein gelehrter Blick ins lebendige Archiv: Umgangsweisen mit der Vergangenheit im fünfzehnten Jahrhundert, in: Historische Zeitschrift 266 (1998), S. 317-357 (siehe S. 24). - Kulturkult und die Rekonstruktion von Handlungsrepertoires, in: L’homme: Zeitschrift für feministische Geschichtswissenschaft 11.1 (2000), S. 105-119, doi: 10.7767/ lhomme.2000.11.1.105 (siehe S. 20). Allington, Daniel, Brouillette, Sarah und Golumbia, David, Neoliberal Tools (and Archives): A Political History of Digital Humanities, Los Angeles Review of Books, 2016, url: https: / / lareviewofbooks.org/ article/ neoliberal-tools-archives-political-historydigital-humanities/ (siehe S. 26). Ammann, Hektor, Das Kloster Königsfelden, 2. Aufl., Aarau 1953 (siehe S. 31). Amschwand, Rupert, Abt Adalbert Regli und die Aufhebung des Klosters Muri, Beilage zum Jahresbericht des Kollegium Sarnen, Sarnen 1956 (siehe S. 202). Angenendt, Arnold, Cartam offerre super altare. Zur Liturgisierung von Rechtsvorgängen, in: Frühmittelalterliche Studien 36 (2002), S. 133-158 (siehe S. 16, 43, 57). Anheim, Etienne und Chastang, Pierre, Les pratiques de l’écrit dans les sociétés médiévales: (VI e -XIII e siècle), in: Médiévales 56 (2009), S. 5-10, url: http: / / medievales.revues.org/ 5524 (siehe S. 18). Annas, Gabriele, Kaiser Friedrich III. und das Reich: Der Tag zu Wiener Neustadt im Frühjahr 1455, in: König und Kanzlist, Kaiser und Papst: Friedrich III. und Enea Silvio Piccolomini in Wiener Neustadt, hrsg. von 290 <?page no="290"?> Paul-Joachim Heinig, Martin Wagendorfer und Franz Fuchs, Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters 32, Wien 2013, S. 121-150 (siehe S. 89). Anonym, A Digital Humanities Manifesto. The Digital Humanities Manifesto 2.0, 2009, url: http: / / manifesto.humanities.ucla.edu/ 2009/ 05/ 29/ the-digitalhumanities-manifesto-20/ (siehe S. 26). Archer Dawn., Does Frequency Really Matter? , in: What’s in a Word-List? : Investigating Word Frequency and Keyword Extraction, hrsg. von Dawn Archer, Digital Research in the Arts and Humanities 3, Farnham 2009, S. 1-16 (siehe S. 122). Baldinger, Astrid, Agnes von Ungarn und das Kloster Königsfelden. Klostergründung und habsburgische Herrschaft in den Vorlanden im 14. Jahrhundert. Unveröffentliche Lizentiatsarbeit der Universität Zürich, 1999 (siehe S. 31, 53). Bangerter, E., Rümlang, in: Historisch-biographisches Lexikon der Schweiz, hrsg. von Heinrich Türler und H. Tribolet, Bd. 5, Neuchâtel 1929, S. 742 (siehe S. 221). Banholzer, Max, Geschichte der Stadt Brugg im 15. und 16. Jahrhundert: Gestalt und Wandlung einer schweizerischen Kleinstadt, in: Argovia. Jahresschrift der Historischen Gesellschaft des Kantons Aargau 73 (1961), S. 5-320, doi: 10.5169/ seals-66064, url: http: / / dx.doi.org/ 10.5169/ seals-66064 (siehe S. 90, 91, 99, 100). Barret, Sébastien, La mémoire et l’écrit: L’abbaye de Cluny et ses archives (X e -XVIII e siècle), Vita regularis. Ordnungen und Deutungen religiosen Lebens im Mittelalter 19, Münster 2004 (siehe S. 114, 121). Bärtschi, Marianne, Das Habsburger Urbar: Vom Urbar-Rodel zum Traditionscodex, Zürich 2008 (siehe S. 54, 205). Baum, Wilhelm, Die Habsburger in den Vorlanden 1386 -1486: Krise und Höhepunkt der habsburgischen Machtstellung in Schwaben am Ausgang des Mittelalters, Wien 1993 (siehe S. 88). - Rudolf IV. der Stifter: Seine Welt und seine Zeit, Graz 1996 (siehe S. 193). Baumann, Max, Geschichte von Windisch: Vom Mittelalter bis zur Neuzeit, Windisch 1983 (siehe S. 101, 248). Bäuml, Franz H., Scribe et Impera: Literacy in Medieval Germany, in: Francia 24.1 (1997), S. 123-132 (siehe S. 29). Beck, Marcel, Königsfelden: Geschichte, Bauten, Glasgemälde, Kunstschätze, Olten 1983 (siehe S. 31). Bedos-Rezak, Brigitte, Cutting Edge: The Economy of Mediality in Twelfth-Century Chirographic Writing, in: Das Mittelalter 15.2 (2010), S. 134-161 (siehe S. 115). - Towards an Archaeology of the Medieval Charter: Textual Production and Reproduction in Northern France, in: Charters, Cartularies, and Archives, hrsg. von Adam J. Kosto und Anders Winroth, Toronto 2002, S. 43-60 (siehe S. 115). - When Ego Was Imago: Signs of Identity in the Middle Ages, Leiden und Boston 2011 (siehe S. 17, 20, 21, 115). 291 <?page no="291"?> Behne, Axel Jürgen, Archivierung und Schriftgut, in: Schrift und Schriftlichkeit. Ein interdisziplinäres Handbuch internationaler Forschung, hrsg. von Jürgen Baurmann und Hartmut Günther, Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft 10, Berlin 1996, url: http: / / dx.doi.org/ 10.1515/ 9783110111293.1.2.146 (siehe S. 231). - Archivio di Stato di Mantova. Antichi inventari dell’Archivio Gonzaga, Pubblicazioni degli archivi di stato. Strumenti 117, Roma 1993 (siehe S. 232). - Das Archiv der Gonzaga von Mantua im Spätmittelalter, Diss., Marburg an der Lahn, 1990 (siehe S. 232). - Geschichte aufbewahren - Zur Theorie der Archivgeschichte und zur mittelalterlichen Archivpraxis in Deutschland und Italien, in: Mabillons Spur. Zweiundzwanzig Miszellen aus dem Fachgebiet für Historische Hilfswissenschaften der Philipps-Universität Marburg zum 80. Geburtstag von Walter Heinmeyer, hrsg. von Peter Rück, Marburg an der Lahn 1992, S. 277-297 (siehe S. 57). Behrisch, Lars, Alteuropa, Statistik und Moderne, in: Alteuropa - Vormoderne - Neue Zeit. Epochen und Dynamiken der europäischen Geschichte (1200-1800), hrsg. von Christian Jaser, Ute Lotz-Heumann und Matthias Pohlig, Zeitschrift für historische Forschung, Beiheft 46, Berlin 2012, S. 203-224 (siehe S. 262). Bertrand, Paul, Bourlet, Caroline und Hélary, Xavier, Vers une typologie des cartulaires médiévaux, in: Les cartulaires méridionaux, hrsg. von Daniel Le Blévec, Études et rencontres de l’École des Chartes 19, Paris 2006, S. 7-20 (siehe S. 173). Bihrer, Andreas, Zwischen Wien und Königsfelden: Die Kirchenpolitik der Habsburger in den Vorderen Landen im 14. Jahrhundert, in: Habsburger Herrschaft vor Ort - weltweit (1300-1600), hrsg. von Jeannette Rauschert, Simon Teuscher und Thomas Zotz, Ostfildern 2013, S. 109-135 (siehe S. 131, 186). Blattmann, Marita, Über die <Materialität> von Rechtstexten, in: Frühmittelalterliche Studien 28 (1994), S. 333-354 (siehe S. 17). Blévec, Daniel Le, Les cartulaires méridionaux: actes du colloque, Paris 2006 (siehe S. 173). Blondel, Vincent D. u. a., Fast Unfolding of Communities in Large Networks, in: Journal of Statistical Mechanics: Theory and Experiment 10 (2008), doi: 10.1088/ 1742-5468/ 2008/ 10/ P10008, arXiv: 0803.0476, url: http: / / arxiv.org/ abs/ 0803.0476 (siehe S. 45). Bodarwé, Katrinette, Gender and the Archive: The Preservation of Charters in Early Medieval Women’s Communities, in: Saints, Scholars, and Politicians. Gender as a Tool in Medieval Studies: Festschrift in Honour of Anneke Mulder-Bakker on the Occasion of her Sixty-Fifth Birthday, hrsg. von Mathilde van Dijk, Renée Nip und Anneke B. Mulder-Bakker, Medieval Church Studies 15, Turnhout 2005, S. 111-132 (siehe S. 134). Boner, Georg, Barfüßerkloster Königsfelden, in: Helvetia Sacra. Abteilung V, Band 1: Der Franziskusorden. Die Franziskaner, die Klarissen und die regulierten Franziskaner-Terziarinnen in der Schweiz, hrsg. von 292 <?page no="292"?> Brigitte Degler-Spengler, Bern 1978, S. 206-209 (siehe S. 31, 32, 35, 55, 204). - Die Erschliessung ausländischer Archivalien zur aargauischen Geschichte, in: Argovia. Jahresschrift der Historischen Gesellschaft des Kantons Aargau 84 (1972), S. 96-117, doi: 10.5169/ seals-71635, url: http: / / dx.doi.org/ 10.5169/ seals-71635 (siehe S. 55). - Die Gründung des Klosters Königsfelden, in: Zeitschrift für schweizerische Kirchengeschichte 47 (1953), S. 1-24, 81-112, 181-209 (siehe S. 32, 51, 55, 185). - Die Gründung des Klosters Königsfelden, in: Argovia. Jahresschrift der Historischen Gesellschaft des Kantons Aargau (1979), S. 11-44, doi: 10.5169/ seals-73921, url: http: / / dx.doi.org/ 10.5169/ seals-73921 (siehe S. 32, 55). - Die Königsfelder Klosterordnungen der Königin Agnes von Ungarn, in: Schaffhauser Beiträge zur vaterländischen Geschichte 48 (1971), S. 59-89 (siehe S. 55, 66, 67, 78, 188). - Die politische Wirksamkeit der Königin Agnes von Ungarn, in: Brugger Neujahrsblätter 75 (1965), S. 3-17 (siehe S. 55). - Gesammelte Beiträge zur aargauischen Geschichte, in: Argovia. Jahresschrift der Historischen Gesellschaft des Kantons Aargau 91 (1979), S. 5-463, doi: 10.5169/ seals-73921 (siehe S. 55). - Klarissenkloster Königsfelden, in: Der Franziskusorden, hrsg. von Brigitte Degler-Spengler, Helvetia Sacra. Abteilung V, Band 1: Der Franziskusorden. Die Franziskaner, die Klarissen und die regulierten Franziskaner-Terziarinnen in der Schweiz, Bern 1978, S. 561-576 (siehe S. 55). - Königin Agnes von Ungarn, in: Brugger Neujahrsblätter 74 (1964), S. 3-30 (siehe S. 55). - Le rayonnement en Alsace de deux abbayes suisses: Königsfelden et Einsiedeln: I. - Der elsässische Besitz des Klosters Königsfelden, in: L’Alsace et la Suisse à travers les siècles, hrsg. von Lucien Febvre, Straßburg, Paris 1952, S. 113-128 (siehe S. 32, 55). Bouchard, Constance Brittain, Monastic Cartularies: Organizing Eternity, in: Charters, Cartularies, and Archives, hrsg. von Adam J. Kosto und Anders Winroth, Toronto 2002, S. 22-32 (siehe S. 234). Bourlet, Caroline, Cartulaires municipaux du nord de la France: Quelques éléments pour une typologie, in: Memini. Travaux et documents 12 (2008), S. 23-41, url: http: / / memini.revues.org/ 89 (siehe S. 173). Brändli, Willy, Albert Bürer über Luther und die Wittenberger Verhältnisse Anno 1521 und 1522, in: Zwingliana 9.3 (1950), S. 176-179 (siehe S. 100). Brandt, Ahasver von, Werkzeug des Historikers: Eine Einführung in die historischen Hilfswissenschaften, 15. Aufl., Kohlhammer-Urban-Taschenbücher 33, Stuttgart 1998 (siehe S. 16). Brauer, Michael, Quellen des Mittelalters, UTB 3894, Paderborn 2013 (siehe S. 115). Brendecke, Arndt, Informing the Council. Central Institutions and Local Knowledge in the Spanish Empire, in: Empowering interactions. Political cultures and the emergence of the state in Europe, 1300-1900, hrsg. von 293 <?page no="293"?> Willem Pieter Blockmans, André Holenstein und Jon Mathieu, Hants 2009, S. 235-253 (siehe S. 22). Brendecke, Arndt, Friedrich, Markus und Friedrich, Susanne, Information als Kategorie historischer Forschung. Heuristik, Etymologie und Abgrenzung vom Wissensbegriff, in: Information in der Frühen Neuzeit: Status, Bestände, Strategien, hrsg. von Arndt Brendecke, Markus Friedrich und Susanne Friedrich, Berlin 2008, S. 11-44 (siehe S. 22). Bresslau, Harry, Handbuch der Urkundenlehre für Deutschland und Italien, Leipzig 1889 (siehe S. 57, 117-119, 242). Brown, Warren Curtis u. a., Hrsg., Documentary Culture and the Laity in the Early Middle Ages, Cambridge 2013 (siehe S. 28). Brun, Peter, «Die von Ergoew duchte gar verdrossent, werent sy mitt pappir erschössen», in: Argovia. Jahresschrift der Historischen Gesellschaft des Kantons Aargau 118 (2006), doi: 10.5169/ seals-19712, url: http: / / dx.doi.org/ 10.5169/ seals-19712 (siehe S. 83). - Schrift und politisches Handeln: Eine «zugeschriebene» Geschichte des Aargaus 1415-1425, Zürich 2006 (siehe S. 83, 87, 149, 150, 238). Bubalo, Dorde, Pragmatic Literacy in Medieval Serbia, Utrecht Studies in Medieval Literacy 29, Turnhout 2014 (siehe S. 18). Buc, Philippe, The Dangers of Ritual: Between Early Medieval Texts and Social Scientific Theory, Princeton 2001 (siehe S. 17). Burghartz, Susanna, Vom offenen Bündnissystem zur selbstbewussten Eidgenossenschaft. Das 14. und 15. Jahrhundert, in: Die Geschichte der Schweiz, hrsg. von Georg Kreis und Silvia Arlettaz, Basel 2014 (siehe S. 81). Caenegem, Raoul Charles van, Kurze Quellenkunde des westeuropäischen Mittelalters: Eine typologische, historische und bibliographische Einführung, unter Mitarb. von François Louis Ganshof, Göttingen 1962 (siehe S. 172, 229). Chastang, Pierre, Cartulaires, cartularisation et scripturalité médiévale: la structuration d’un nouveau champ de recherche, in: Cahiers de civilisation médiévale 49 (2006), S. 21-32, url: http: / / www.persee.fr/ web/ revues/ home/ prescript/ article/ ccmed.2006_num_49_193_2928 (siehe S. 173). - L’archéologie du texte médiéval: Autour de travaux récents sur l’écrit au Moyen Âge, in: Annales HSS 63.2 (2008), S. 245-269 (siehe S. 18). - La ville, le gouvernement et l’écrit à Montpellier (XII en -XIV e siècle): Essai d’histoire sociale, Paris 2013 (siehe S. 16, 18, 260). - Lire, ecrire, transcrire: Le travail des redacteurs de cartulaires en Bas-Languedoc, XI e -XIII e siecles, CTHS histoire 2, Paris 2001 (siehe S. 173). Chronik von den 95 Herrschaften, Österreichische, in: Repertorium «Geschichtsquellen des deutschen Mittelalters», Bd. 7, 2012, S. 196, url: http: / / www.geschichtsquellen.de/ repOpus_01146.html (siehe S. 97). Clanchy, Michael T., From Memory to Written Record. England, 1066-1307, Oxford 1993 (siehe S. 14, 16, 107). Clark, William, Academic Charisma and the Origins of the Research University, Chicago 2006 (siehe S. 21). 294 <?page no="294"?> Colberg, Katharina, Archiv, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 1, München und Zürich 1980, Sp. 907-911 (siehe S. 229). Danuser, Hanspeter, Göllheim und Königsfelden: Ein Beitrag zur Geschichte König Albrechts I., Zürich 1974 (siehe S. 31). Darby, Henry Clifford, The Face of Europe on the Eve of the Great Discoveries, in: The new Cambridge Modern History, hrsg. von G. R. Potter, Cambridge 1957, S. 20-49, url: http: / / dx.doi.org/ 10.1017/ CHOL9780521045414.005 (siehe S. 73). Dartmann, Christoph, Zur Einführung: Dimensionen mittelalterlicher Schriftkultur zwischen Pragmatik und Performanz, in: Zwischen Pragmatik und Performanz: Dimensionen mittelalterlicher Schriftkultur, hrsg. von Christoph Dartmann, Thomas Scharff und Christoph Friedrich Weber, Turnhout 2011, S. 1-24 (siehe S. 43). Dartmann, Christoph, Scharff, Thomas und Weber, Christoph Friedrich, Hrsg., Zwischen Pragmatik und Performanz: Dimensionen mittelalterlicher Schriftkultur, Utrecht Studies in Medieval Literacy 18, Turnhout 2011 (siehe S. 16, 43). Davis, Godfrey Rupert Carless, Medieval Cartularies of Great Britain: A Short Catalogue, London 1958 (siehe S. 173). Davis, Natalie Zemon, Fiction in the Archives: Pardon Tales and Their Tellers in Sixteenth-Century France, Stanford und Calif 1987 (siehe S. 24). Derrida, Jacques, Dem Archiv verschrieben: Eine Freudsche Impression, Berlin 1997 (siehe S. 5, 23, 113, 231). - Mal d’archive: Une impression freudienne, Incises, Paris 1995 (siehe S. 23). Dirmeier, Armin, 11. Archive und Kanzleiorganisation, in: Kanzleisprachenforschung, Ein internationales Handbuch, hrsg. von Jörg Meier, Arne Ziegler und Albrecht Greule, Berlin, Boston 2012, S. 131-148, doi: 10.1515/ 9783110261882 (siehe S. 57, 93, 209, 234). Dommann, Monika, Die Lust an Überresten und Überlieferungsmedien: Materielle Kulturen und Historiografien der Schweiz seit 1850, in: Traverse 19.1 (2012), S. 261-272 (siehe S. 21). Drolet, Sebastien, Le cartulaire Livre blanc d’Abbeville: Quelques remarques, in: Memini. Travaux et documents 12 (2008), S. 115-132, url: http: / / memini.revues.org/ 236 (siehe S. 173). Drucker, Johanna, Humanities Approaches to Graphical Display, in: Digital Humanities Quarterly 5.1 (2011), url: http: / / www.digitalhumanities.org/ dhq/ vol/ 5/ 1/ 000091/ 000091.html (siehe S. 25, 272). Düring, Marten, From Hermeneutics to Data to Networks: Data Extraction and Network Visualization of Historical Sources, in: Programming Historian (18. Feb. 2015), url: http: / / programminghistorian.org/ lessons/ creatingnetwork-diagrams-from-historical-sources (siehe S. 44). Dürrenmatt, Peter, Schweizer Geschichte, Bd. 1, 2 Bde., Zürich 1976 (siehe S. 148). Eckart, Franz G., Einführung in die Archivkunde, Darmstadt 1977 (siehe S. 231). 295 <?page no="295"?> Egli, Nanina, Geschichtsort und Psychiatrie 1804-2008, in: Königsfelden. Königsmord, Kloster, Klinik, hrsg. von Simon Teuscher und Claudia Moddelmog, Baden 2012, S. 216-253 (siehe S. 30, 31). Egloff, Gregor, Herr in Münster. Die Herrschaft des Kollegiatstifts St. Michael in Beromünster in der luzernischen Landvogtei Michelsamt am Ende des Mittelalters und in der frühen Neuzeit (1420-1700), Basel 2003 (siehe S. 49, 206). Eisenstein, Elizabeth L., The Printing Press as an Agent of Change: Communications and Cultural Transformations in Early-Modern Europe, Cambridge 1979 (siehe S. 15). Elstner, Kerstin, 10. Schreiber und Kanzlisten, in: Kanzleisprachenforschung, Ein internationales Handbuch, hrsg. von Jörg Meier, Arne Ziegler und Albrecht Greule, Berlin, Boston 2012, S. 119-130, doi: 10.1515/ 9783110261882 (siehe S. 94). Erben, Wilhelm, Schmitz-Kallenberg, Ludwig Alfons Hubert und Redlich, Oswald, Urkundenlehre. 1. Teil, München, Berlin 1907 (siehe S. 118). Erhart, Peter, Dem Gedächtnis auf der Spur: Das frühmittelalterliche Archiv des Klosters St. Gallen, in: Mensch und Schrift im frühen Mittelalter, hrsg. von Guglielmo Cavallo und Peter Erhart, St. Gallen 2006, S. 59-65 (siehe S. 114, 121, 198). Erni, Peter, Güterverwaltung und Schriftlichkeit des Klosters St. Katharinental in Basadingen. Bemerkungen zur kontextbezogenen Interpretation spätmittelalterlicher Urbarien., in: Wirtschaft und Herrschaft. Beiträge zur ländlichen Gesellschaft in der östlichen Schweiz (1200-1800), hrsg. von Roger Sablonier und Thomas Meier, Zürich 1999, S. 343-370 (siehe S. 171). Esch, Arnold, Überlieferungs-Chance und Überlieferungs-Zufall als methodisches Problem des Historikers, in: Historische Zeitschrift 240 (1985), S. 529-570 (siehe S. 28, 37, 79, 230). Eugster, Erwin, Adlige Territorialpolitik in der Ostschweiz: Kirchliche Stiftungen im Spannungsfeld früher landesherrlicher Verdrängungspolitik, Zürich 1991 (siehe S. 53). Farge, Arlette, Der Geschmack des Archivs, Göttingen 2011 (siehe S. 23). Feller-Vest, Veronika, Ribi [Schultheiss von Lenzburg], Johann, in: Historisches Lexikon der Schweiz, 2010, url: http: / / www.hls-dhs-dss.ch/ textes/ d/ D28642.php (siehe S. 194). Fenster, Thelma S. und Smail, Daniel Lord, Hrsg., Fama. The Politics of Talk and Reputation in Medieval Europe, Ithaca, NY 2003 (siehe S. 86). Fianu, Kouky, Le Petit cartulaire d’Orléans est-il un cartulaire municipal? , in: Memini. Travaux et documents 12 (2008), S. 85-113, url: http: / / memini.revues.org/ 153 (siehe S. 173). Fichtenau, Heinrich, Das Urkundenwesen in Österreich vom 8. bis zum frühen 13. Jahrhundert, Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 23, Wien, Köln und Graz 1971 (siehe S. 119, 192). 296 <?page no="296"?> - Mensch und Schrift im Mittelalter, Veröffentlichungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 5, Wien 1946 (siehe S. 119). Ficker, Julius, Beiträge zur Urkundenlehre, Bd. 1, 2 Bde., Innsbruck 1877 (siehe S. 117). Foucault, Michel, Archäologie des Wissens, 16. Aufl., Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft 356, Frankfurt am Main 2013 (siehe S. 22, 23, 231). Frank, Karl Suso, Das Klarissenkloster Söflingen: Ein Beitrag zur franzikanischen Ordensgeschichte Süddeutschlands und zur Ulmer Kirchengeschichte, Forschungen zur Geschichte der Stadt Ulm 20, Ulm und Suttgart 1980 (siehe S. 55). Frey, Peter, Die Ergebnisse der baugeschichtlichen Untersuchung, in: Lenzburger Neujahrsblätter 56 (1985), S. 15-20 (siehe S. 50). Friedrich, Markus, Die Geburt des Archivs: Eine Wissensgeschichte, München 2013 (siehe S. 16, 22, 164, 230, 231, 253, 258, 259, 262). - Introduction: New Perspectives for the History of Archives, in: Praktiken der Frühen Neuzeit: Akteure - Handlungen - Artefakte, hrsg. von Arndt Brendecke, Frühneuzeit-Impulse 3, Köln 2015 (siehe S. 19). Gaudreault, Lynn, Écrit pragmatique, écrit symbolique: Le premier registre de délibérations communales de Brignoles (1387-1391), in: Memini. Travaux et documents 12 (2008), S. 149-190, url: http: / / memini.revues.org/ 144 (siehe S. 173, 187). Gawlik, Alfred, Kartular, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 5, München und Zürich 1991, Sp. 1026-1027 (siehe S. 172). - Notarius, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 6, München und Zürich 1993, Sp. 1271-1272 (siehe S. 95). Geary, Patrick J., Entre gestion et gesta, in: Les cartulaires, hrsg. von Olivier Guyotjeannin, Paris 1993, S. 13-26 (siehe S. 187). - Medieval Archivists as Authors: Social Memory and Archival Memory, in: Archives, Documentation, and Institutions of Social Memory. Essays from the Sawyer Seminar, hrsg. von Francis X. Blouin und William G. Rosenberg, Ann Arbor 2006, S. 106-113 (siehe S. 230). - Phantoms of Remembrance: Memory and Oblivion at the End of the First Millennium, Princeton 1994, url: http: / / hdl.handle.net/ 2027/ heb.01604 (siehe S. 173, 198, 230). Genet, Jean-Philippe, Cartulaire, registres et histoire: L’exemple anglais, in: Le Métier d’historien au Moyen Age. Études sur l’historiographie médiévale, hrsg. von Bernard Guenée, Publications de la Sorbonne. Série Etudes 13, Paris 1977, S. 95-138 (siehe S. 173). Genette, Gérard, Paratexte, übers. von Dieter Hornig, Frankfurt am Main 1989 (siehe S. 109). Gerber, Roland, Erobert, entführt und makuliert: Das vorländische Archiv der Herzöge von Österreich als Herrschaftsinstrument und Kriegsbeute, in: Die Habsburger zwischen Aare und Bodensee, hrsg. von Peter Niederhäuser, Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich 77, Zürich 2010, S. 95-122 (siehe S. 236-238). 297 <?page no="297"?> Gerber, Roland, Herrschaftswechsel mit Misstönen: Der Übergang der Herrschaft Aarburg von Habsburg an Bern zwischen 1415 und 1458, in: Argovia. Jahresschrift der Historischen Gesellschaft des Kantons Aargau 120 (2008), S. 131-155, doi: 10.5169/ seals-15 (siehe S. 82). Gervers, Michael, The Medieval Cartulary Tradition and the Survival of Archival Material as Reflected in the English Hospitaller Cartulary of 1442, in: Mediaeval Studies 37 (1975), S. 504-514 (siehe S. 174). Girsberger, Ernst, Die Gesellschaftsabzeichen der Sempacher Ritter zu Königsfelden, in: Archives héraldiques suisses = Schweizerisches Archiv für Heraldik = Archivio araldico Svizzero 43 (1927), S. 104-108 (siehe S. 31). Giry, Arthur, Manuel de diplomatique, Paris 1925 (siehe S. 119). Glarner, Jeanin Simone, «Dz wir sin phant sigent»: Familie Ribi Schultheiss von Lenzburg: Legitimation von Herrschaft zwischen Habsburg und Bern. Unveröffentlichte Lizentiatsarbeit der Universität Zürich, Zürich, Apr. 2010 (siehe S. 194, 221). Good, Benjamin H., Montjoye, Yves-Alexandre de und Clauset, Aaron, The Performance of Modularity Maximization in Practical Contexts, in: Physical Review E 81.4 (15. Apr. 2010), doi: 10.1103/ PhysRevE.81.046106, arXiv: 0910.0165, url: http: / / arxiv.org/ abs/ 0910.0165 (siehe S. 46). Goody, Jack, Die Logik der Schrift und die Organisation von Gesellschaft, Frankfurt am Main 1990 (siehe S. 14, 79). - The Power of the Written Tradition, Washington 2000 (siehe S. 14, 16). Goody, Jack und Watt, Ian, The Consequences of Literacy, in: Comparative Studies in Society and History. An International Quarterly 5 (1963), S. 304-345 (siehe S. 14, 22, 227). Gössi, Anton, Archivordnungen und Kanzleiregistraturen in Luzern bis ins 18. Jahrhundert, in: Mitteilungen der Vereinigung der Schweizerischen Archivare 27 (1976), S. 3-25 (siehe S. 232). - Das Staatsarchiv Luzern. Der geographische Nutzungshorizont seiner Bestände, in: Archivalische Zeitschrift 88.1 (2006), S. 217-228 (siehe S. 233). Grandjean, Martin, GEPHI - Introduction to Network Analysis and Visualization, 14. Okt. 2015, url: http: / / www.martingrandjean.ch/ gephi-introduction/ (siehe S. 46). Groebner, Valentin, In memoriam Peter Rück, 6.9.1934-9.9.2004, in: Traverse. Zeitschrift für Geschichte 12.1 (2005), S. 156-158, doi: http: / / dx.doi.org/ 10.5169/ seals-27766 (siehe S. 117). - Mit Dante und Diderot nach Digitalien. Wie viel will die Wissensgeschichte von sich selber wissen? , in: Merkur. Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken 69.1 (2015), S. 65-71 (siehe S. 25). Guerreau, Alain, L’avenir d’un passé incertain: Quelle histoire du Moyen Âge au XXI e siècle? , Paris 2001 (siehe S. 18, 70). - Textus chez les auteurs latins du 12e siècle, in: Textus im Mittelalter: Komponenten und Situationen des Wortgebrauchs im schriftsemantischen Feld, hrsg. von Uta Kleine und Ludolf Kuchenbuch, Göttingen 2006, S. 149-178 (siehe S. 17). 298 <?page no="298"?> Guyotjeannin, Olivier, Écrire en chancellerie, in: Auctor et auctoritas, hrsg. von Michel Zimmermann, Mémoires et Documents de l’École des Chartes 59, Paris 2001, S. 19-35 (siehe S. 17). - Les méthodes de travail des archivistes du roi de France (XIII e -début XVI e siècle), in: Archiv für Diplomatik. Schriftgeschichte, Siegel- und Wappenkunde 42 (1996), S. 295-373 (siehe S. 119, 120). Guyotjeannin, Olivier, Morelle, Laurent und Parisse, Michel, Hrsg., Les cartulaires: Actes de la table ronde organisée par l’Ecole nationale des chartes 1991 (Paris, 5-7 décembre 1991), Mémoires et documents de l’école des chartes 39, Paris 1993 (siehe S. 17, 173, 198). Guyotjeannin, Olivier und Potin, Yann, La Fabrique de la Perpétuité: Le Trésor des Chartes et les Archives du Royaume (XIII e -XIX e Siècle), in: Revue de synthèse 125.1 (2004), S. 15-44, url: http: / / dx.doi.org/ 10.1007/ BF02963691 (siehe S. 229, 260). Haasis, Lucas und Rieske, Constantin, Hrsg., Historische Praxeologie. Dimensionen vergangenen Handelns, Paderborn 2015 (siehe S. 20). Hälg-Steffen, Franziska, Habsburgisches Urbar, in: Historisches Lexikon der Schweiz, 10. Okt. 2007, url: http: / / www.hls-dhs-dss.ch/ textes/ d/ D8954.php (siehe S. 94). Hamel, Sebastien, Le cartulaire Livre rouge de la ville de Saint-Quentin, in: Memini. Travaux et documents 12 (2008), S. 133-148, url: http: / / memini.revues.org/ 294 (siehe S. 173). Harding, Vanessa, Monastic Records and the Dissolution: A Tudor Revolution in the Archives, in: European History Quarterly 46.3 (2016), S. 480-497, doi: 10.1177/ 0265691416648262 (siehe S. 248). Harris, Jacob, Word Clouds Considered Harmful, Nieman Journalism Lab, 13. Okt. 2011, url: http: / / www.niemanlab.org/ 2011/ 10/ word-clouds-considered-harmful/ (siehe S. 124). Head, Randolph C., Abbildungen von Herrschaft: Archivgut, Archivordnungen und die Repräsentation politischen Wissens in der frühneuzeitlichen Schweiz, in: Republikanische Tugend, hrsg. von Michael Böhler, Genève 2000, S. 113-127 (siehe S. 19). - Configuring European Archives: Spaces, Materials and Practices in the Differentiation of Repositories from the Late Middle Ages to 1700, in: European History Quarterly 46.3 (2016), S. 498-518, doi: 10.1177/ 0265691416648530 (siehe S. 259). Heidecker, Karl, Hrsg., Charters and the Use of the Written Word in Medieval Society, Turnhout 2000, url: http: / / www.brepolsonline.net/ doi/ book/ 10.1484/ M.USML- EB.6.09070802050003050007070102 (siehe S. 18). Heinig, Paul-Joachim, Kaiser Friedrich III. (1440-1493): Hof, Regierung und Politik, Köln 1997 (siehe S. 89). Herde, Peter, Beiträge zum päpstlichen Kanzlei- und Urkundenwesen im dreizehnten Jahrhundert, Münchener historische Studien. Abteilung Geschichtliche Hilfswissenschaften 1, Kallmünz/ Opf 1961 (siehe S. 119). 299 <?page no="299"?> Hildbrand, Thomas, Der Tanz um die Schrift. Zur Grundlegung einer Typologie des Umgangs mit Schrift, in: Wirtschaft und Herrschaft. Beiträge zur ländlichen Gesellschaft in der östlichen Schweiz (1200-1800), hrsg. von Thomas Meier und Roger Sablonier, Zürich 1999, S. 439-460 (siehe S. 109). - Herrschaft, Schrift und Gedächtnis: Das Kloster Allerheiligen und sein Umgang mit Wissen in Wirtschaft, Recht und Archiv (11.-16. Jahrhundert), Zürich 1996 (siehe S. 16, 24, 36, 37, 107, 171). Hilsebein, Angelica, Das Kloster als Residenz: Leben und Wirken der Königin Agnes von Ungarn in Königsfelden, in: Wissenschaft und Weisheit 72 (2009), S. 179-250 (siehe S. 51). Himmelein, Volker, Hrsg., Vorderösterreich - nur die Schwanzfeder des Kaiseradlers? Die Habsburger im deutschen Südwesten, Ulm 1999 (siehe S. 35). Hlaváček, Ivan, The Use of Charters and Other Documents in Přemyslide Bohemia, in: Charters and the Use of the Written Word in Medieval Society, hrsg. von Karl Heidecker, Turnhout 2000, S. 133-144, url: http: / / www.brepolsonline.net/ doi/ 10.1484/ M.USML-EB.3.4304 (siehe S. 18). Hodel, Tobias, Das kleine Digitale. Ein Plädoyer für Kleinkorpora und gegen Großprojekte wie Googles Ngram-Viewer, in: Nach Feierabend 9 (2013), S. 103-119, doi: http: / / dx.doi.org/ 10.5167/ uzh-82205 (siehe S. 26, 70). - Das Kloster in der Region: Herrschaft, Verwaltung und Handeln mit Schrift, in: Königsfelden. Königsmord, Kloster, Klinik, hrsg. von Simon Teuscher und Claudia Moddelmog, Baden 2012, S. 90-127 (siehe S. 51, 68, 83, 91, 133, 136, 174, 184, 186, 208, 210, 220). - Das Königsfelder Korn und Spanischbrötli: Ein kleiner Beitrag zu Grundherrschaft im 15. Jahrhundert: Gehversuche im Marxismus, in: Das Kuchenbuch: Umwege vom süssen Schriftwissen zur inkorporierten Kochkunst. Festliche Gabe für Ludolf Kuchenbuch anlässlich seines 75. Geburtstages, Zürich und Berlin 2014, S. 45-52 (siehe S. 212). - Die Beschwerdeschriften von 1411: Pragmatisches Schriftgut in den habsburgischen Vorlanden. Unveröffentlichte Lizentiatsarbeit der Universität Zürich, Zürich, 2010 (siehe S. 88, 136, 148, 235). - Königsfelden Abbey and Its First Cartulary: Dealing with Charters in the 14th Century, in: Ruling the Script: Formal Aspects of Medieval Written Communication, hrsg. von Dominique Stutzmann, Georg Vogeler und Sébastien Barret, Utrecht Studies in Medieval Literacy 35, Turnhout 2016 (siehe S. 65, 78, 174, 185, 188, 189). - Mord: Ein toter König und unzählige Geschichten, in: Königsfelden. Königsmord, Kloster, Klinik, hrsg. von Simon Teuscher und Claudia Moddelmog, Baden 2012, S. 10-47 (siehe S. 53, 88, 97, 136). Hödl, Günther, Habsburg und Österreich, 1273-1493: Gestalten und Gestalt des österreichischen Spätmittelalters, Wien, Köln 1988 (siehe S. 193). Hoegger, Peter, Das ehemalige Zisterzienserkloster Mariastella in Wettingen, Die Kunstdenkmäler des Kantons Aargau. Der Bezirk Baden 3, Basel 1998 (siehe S. 83). 300 <?page no="300"?> Homburger, Otto und Steiger, Christoph, Zwei illuminierte Avignoneser Ablaßbriefe in Bern, in: Zeitschrift für Schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte 17 (1957), S. 134-158 (siehe S. 31). Hugener, Rainer, Buchführung für die Ewigkeit: Totengedenken, Verschriftlichung und Traditionsbildung im Spätmittelalter, Zürich 2013 (siehe S. 16, 37, 183). - Der Pfeil des Hünenbergers. Möglichkeiten und Grenzen einer Objektgeschichte, in: Traverse. Zeitschrift für Geschichte 2 (2015), S. 178 (siehe S. 116). - Umstrittenes Gedächtnis: Habsburgisches und eidgenössisches Totengedenken nach der Schlacht bei Sempach, in: Die Habsburger zwischen Aare und Bodensee, hrsg. von Peter Niederhäuser, Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich 77, Zürich 2010, S. 223-238 (siehe S. 135). Illich, Ivan, Im Weinberg des Textes: Als das Schriftbild der Moderne entstand. Ein Kommentar zu Hugos «Didascalicon», übers. von Ilva Eriksson-Kuchenbuch, Luchterhand-Essay 5, Frankfurt am Main 1991 (siehe S. 28). IRHT, Le base de données cartulR de la section diplomatique de l’IRHT, 2003, url: http: / / www.cn-telma.fr/ cartulR/ (siehe S. 37, 173, 226). Jäggi, Carola, Eastern Choir or Western Gallery? The Problem of the Place of the Nuns’ Choir in Königsfelden and Other Early Mendicant Nunneries, in: Gesta 40.1 (2001), S. 79-93 (siehe S. 188). Jenny, Beat Rudolf, Vom Schreiber zum Ritter. Jakob von Ramingen: 1510 - nach 1582, Donaueschingen 1966 (siehe S. 259). Kathol, Peter, Alles Erdreich Ist Habsburg Untertan: Studien zu genealogischen Konzepten Maximilians I. unter besonderer Berücksichtigung der “Fürstlichen Chronik” Jakob Mennels, in: MIÖG 106.1 (1998), S. 365-376 (siehe S. 255). Keller, Hagen, Vom «heiligen Buch» zur «Buchführung». Lebensfunktionen der Schrift im Mittelalter, in: Frühmittelalterliche Studien 26 (1992), S. 1-31 (siehe S. 14, 16). Kellner, Beate, Genealogien, in: Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich 15,3, hrsg. von Werner Paravicini, Residenzenforschung, Ostfildern 2007, S. 347-360 (siehe S. 255). Kellner, Beate und Webers, Linda, Genealogische Entwürfe am Hof Kaiser Maximilians I. (am Beispiel von Jakob Mennels «Fürstlicher Chronik»), in: Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik 147 (2007), S. 122-149. (Siehe S. 255). Kern, Fritz, Dorsualkonzept und Imbreviatur. Zur Geschichte der Notariatsurkunde in Italien, Stuttgart 1906 (siehe S. 117). Ketelaar, Eric, Archival Temples, Archival Prisons: Modes of Power and Protection, in: Archival Science 2.3 (2002), S. 221-238, doi: 10.1007/ BF02435623 (siehe S. 19). - Tacit Narratives: The Meanings of Archives, in: Archival Science 1.2 (2001), S. 131-141, doi: 10.1007/ BF02435644 (siehe S. 19). 301 <?page no="301"?> Keupp, Jan, Wo liegt der Mehrwert des Materiellen? Gedanken zur Epistemologie des archivalischen Originals, Mittelalter. Interdisziplinäre Forschung und Rezeptionsgeschichte, 4. Juni 2015, url: https: / / mittelalter.hypotheses.org/ 6204 (siehe S. 21). Kiening, Christian, Zwischen Körper und Schrift: Texte vor dem Zeitalter der Literatur, Frankfurt, Main 2003 (siehe S. 34). Kircher-Kannemann, Anja, Diener an deutschen Höfen, Hof und Ordnung, 18. Jan. 2015, url: http: / / hofordnung.hypotheses.org/ 46 (siehe S. 92). Kirk, John M., Word Frequency Use or Misuse? , in: What’s in a Word-list. Investigating Word Frequency and Keyword Extraction, hrsg. von Dawn Archer, Digital Research in the Arts and Humanities 3, Farnham 2009, S. 17-33 (siehe S. 122). Klein, Bruno, Bauen bildet - Aspekte der gesellschaftlichen Rolle von Bauprozessen mittelalterlicher Großbaustellen, in: Kirche als Baustelle, hrsg. von Katja Schröck, Bruno Klein und Stefan Bürger, Köln 2012, S. 11-22 (siehe S. 185). Koch, Petra, Kommunale Bücher in Italien und die Anfänge ihrer Archivierung, in: Der Codex im Gebrauch, hrsg. von Christel Meier, Dagmar Hüpper und Hagen Keller, München 1996, S. 87-100 (siehe S. 232, 242). Köhn, Rolf, Der Landvogt in den spätmittelalterlichen Vorlanden: Kreatur des Herzogs und Tyrann der Untertanen, in: Die Habsburger im deutschen Südwesten: Neue Forschungen zur Geschichte Vorderösterreichs, hrsg. von Franz Quarthal und Faix Gerhard, Stuttgart 2000, S. 153-198 (siehe S. 193, 235, 238). - Die Abrechnungen der Landvögte in den österreichischen Vorlanden um 1400: Mit einer Edition des Raitregisters Friedrichs von Hattstatt für 1399-1404, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte 128 (1992), S. 117-178 (siehe S. 238). Koprio, Samuel, Die Hofmeister zu Königsfelden, in: Brugger Neujahrsblätter 13 (1902), S. 20-41 (siehe S. 31, 93). Kosto, Adam J., Laymen, Clerics, and Documentary Practices in the Early Middle Ages: The Example of Catalonia, in: Speculum 80 (2005), S. 44-74, url: http: / / www.jstor.org/ stable/ 20463163 (siehe S. 28). - The Liber Feodorum Maior of the Counts of Barcelona: The Cartulary as an Expression of Power, in: Journal of Medieval History 27 (2001), S. 1-22, url: http: / / www.academia.edu/ 1244120 (siehe S. 189). Kosto, Adam J. und Winroth, Anders, Hrsg., Charters, Cartularies, and Archives: The Preservation and Transmission of Documents in the Medieval West, Toronto 2002 (siehe S. 173, 198). Kottmann, Anton und Hämmerle, Markus, Die Zisterzienserabtei Wettingen. Geschichte des Klosters Wettingen und der Abtei Wettingen-Mehrerau, Wettingen 1996 (siehe S. 83). Koziol, Geoffrey, The Politics of Memory and Identity in Carolingian Royal Diplomas: The West Frankish Kingdom (840-987), Utrecht Studies in Medieval Literacy 19, Turnhout 2012 (siehe S. 17, 43, 44, 115). Krieger, Karl Friedrich, Die Habsburger im Mittelalter: Von Rudolf I. bis Friedrich III., 2. Aufl., Stuttgart 2004 (siehe S. 193). 302 <?page no="302"?> Kuchenbuch, Ludolf, Die Achtung vor dem alten Buch und die Furcht vor dem neuen: Cesarius von Milendonk erstellt 1222 eine Abschrift des Prümer Urbars von 893, in: Historische Anthropologie 3 (1995), S. 175-202, url: http: / / www.digizeitschriften.de/ main/ dms/ img/ ? PPN=PPN597796971.0015 (siehe S. 14-16). - Die dreidimensionale Werk-Sprache von Theophilus presbyter: ‹Arbeits›-semantische Untersuchungen am Traktat De diversis artibus. Arbeit in der Wahrnehmung des Mittelalters, in: Reflexive Mediävistik: Textus, Opus, Feudalismus, Frankfurt am Main, Bern 2012, S. 341-401 (siehe S. 15, 70). Kuhn, Hans Jörg, Herrschen und bewahren: Kanzlei und Archiv im Kloster Einsiedeln (16.-18. Jahrhundert), 2012, url: http: / / opac.nebis.ch/ ediss/ 20121440.pdf (siehe S. 242, 258, 259). Kuhn, Sabine, . . . dem wortt unnd geheiss gottes ungemäss . . . Die Frauen im Kloster Königsfelden der Reformationszeit 1523-1528. Unveröffentlichte Lizentiatsarbeit der Universität Bern, Bern, 2004 (siehe S. 101, 201). Kuratli-Hüeblin, Jakob, Archiv und Fälscherwerkstatt. Das Kloster Pfäfers und sein Umgang mit Schriftgut. 10. bis 18. Jahrhundert, Studia Fabariensia. Beiträge zur Pfäferser Klostergeschichte 4, 2010 (siehe S. 24). Kurmann-Schwarz, Brigitte, «. . . ein vrowen chloster sande Chlaren orden und ein chloster der minneren Bru(e)der orden»: Die beiden Konvente in Königsfelden und ihre gemeinsame Nutzung der Kirche, in: Glas, Malerei, Forschung. Internationale Studien zu Ehren von Rüdiger Becksmann, hrsg. von Hartmut Scholz und Rüdiger Becksmann, Berlin 2004, S. 151-163 (siehe S. 188). - Die mittelalterlichen Glasmalereien der ehemaligen Klosterkirche Königsfelden, Corpus vitrearum medii aevi. Schweiz 2, Bern 2008 (siehe S. 32, 58, 185). Lackner, Christian, Archivordnung im 14. Jahrhundert: Zur Geschichte des habsburgischen Hausarchivs in Baden im Aargau, in: Handschriften, Historiographie und Recht, hrsg. von Gustav Pfeifer und Winfried Stelzer, Wien 2002, S. 255-268 (siehe S. 181, 237). - Die Verwaltung der Vorlande im späteren Mittelalter, in: Vorderösterreich - nur die Schwanzfeder des Kaiseradlers? Die Habsburger im deutschen Südwesten, hrsg. von Volker Himmelein, unter Mitarb. von Irmgard Christa Becker, Ulm 1999, S. 61-71 (siehe S. 35, 235). - Zwischen herrschaftlicher Gestaltung und regionaler Anpassung. Pfandschaften, Amterkauf und Formen der Kapitalisierung in der Verwaltung der spätmittelalterlichen habsburgischen Länder Österreich und Steiermark, in: Habsburger Herrschaft vor Ort - weltweit (1300-1600), hrsg. von Jeannette Rauschert, Simon Teuscher und Thomas Zotz, Ostfildern, 2013, S. 35-48 (siehe S. 181). Leemann Lüpold, Bettina, Hin- und hergerissen zwischen Habsburg und Bern? Die Herren von Hallwyl, das Jahr 1415 und seine Folgen, in: Argovia. Jahresschrift der Historischen Gesellschaft des Kantons Aargau 120 (2008), S. 33-54, doi: 10.5169/ seals-12 (siehe S. 82, 149). 303 <?page no="303"?> Leist, Friedrich, Urkundenlehre: Katechismus der Diplomatik, Paläographie, Chronologie und Sphragistik, 2. Aufl., Webers illustrierte Katechismen 106, Leipzig 1893 (siehe S. 117, 118). Lévi-Strauss, Claude, Das wilde Denken, Frankfurt am Main 1968 (siehe S. 25). Lévy, Jean-Philippe, La hiérarchie des preuves dans le droit savant du moyen-âge depuis la Renaissance du Droit Romain jusqu’à la fin du XIVe siècle, Annales de l’Université de Lyon. Série 3. Droit fasc. 5, Paris 1939 (siehe S. 86). Lexer, Matthias und Gärtner, Kurt, Hrsg., Mittelhochdeutsches Handwörterbuch, Nachdr. der Ausg. Leipzig, 1872-1878 / mit einer Einl. von Kurt Gärtner, Bd. 2, 2 Bde., Stuttgart 1992 (siehe S. 71). Liebenau, Hermann, Die Truhe im Kloster Königsfelden, in: Anzeiger für Schweizerische Alterthumskunde 2.2 (1872), S. 432-434, doi: http: / / dx.doi.org/ 10.5169/ seals-154770 (siehe S. 145). - Lebensgeschichte der Königin Agnes von Ungarn, der letzten Habsburgerin des erlauchten Stammhauses aus dem Aargaue, Regensburg 1868 (siehe S. 133). Liebenau, Hermann und Liebenau, Theodor, Urkundliche Nachweise zu der Lebensgeschichte der verwittw. Königin Agnes von Ungarn, in: Argovia. Jahresschrift der Historischen Gesellschaft des Kantons Aargau 5 (1866), S. 1-192, doi: 10.5169/ seals-3537 (siehe S. 31, 66). Liebenau, Theodor, Bischof Johann von Gurk, Brixen und Cur und die Familie Schultheiss von Lenzburg, in: Argovia. Jahresschrift der Historischen Gesellschaft des Kantons Aargau 8 (1874), S. 141-317, doi: 10.5169/ seals-21230 (siehe S. 194). - Königsfelder Chronik zur Geschichte Kaiser Friedrichs III., in: Jahrbuch der k.k. heraldischen Gesellschaft «Adler» 11 (1884) (siehe S. 31). Lüthi, Alfred, Wirtschafts- und Verfassungsgeschichte des Klosters Königsfelden. Ein Beitrag zur Geschichte des Habsburgerstaates in den Vorlanden, Zürich 1947 (siehe S. 31, 85, 201). Mabillon, Jean, De re diplomatica, Paris 1681 (siehe S. 17, 115, 116). Maissen, Thomas, Geschichte der Schweiz, 2. Aufl., Baden 2010 (siehe S. 81). Marchal, Guy P., Sempach 1386: Von den Anfängen des Territorialstaates Luzern. Beiträge zur Frühgeschichte des Kantons Luzern, unter Mitarb. von Waltraud Hörsch, Basel, Frankfurt am Main 1986 (siehe S. 81, 135, 181, 182, 237). Martschukat, Jürgen und Patzold, Steffen, Hrsg., Geschichtswissenschaft und «performative turn», Köln 2003 (siehe S. 43). Mathé, Piroska Réka, «Österreich contra Sulz 1412»: Verwaltung und Politik im Aargau unter Landvogt Graf Hermann von Sulz und der Streit um das Laufenburger Erbe, in: Argovia. Jahresschrift der Historischen Gesellschaft des Kantons Aargau 99 (1987), S. 5-39, doi: 10.5169/ seals-5500 (siehe S. 193, 235). Maurer, Emil, Das Kloster Königsfelden, Die Kunstdenkmäler des Kantons Aargau 3, Basel 1954 (siehe S. 31). Mausen, Yves, Veritatis adiutor: la procédure du témoignage dans le droit savant et la pratique française (XII e -XIV e siècles), 2006 (siehe S. 86). McKitterick, Rosamond, The Carolingians and the Written Word, Cambridge 1989 (siehe S. 17). 304 <?page no="304"?> McLuhan, Marshall, The Gutenberg Galaxy: The Making of Typographic Man, Toronto 1962 (siehe S. 15). McLuhan, Marshall und Fiore, Quentin, The Medium is the Massage, New York 1967 (siehe S. 15). McNeely, Ian F. und Wolverton, Lisa, Reinventing Knowledge. From Alexandria to the Internet, New York 2009 (siehe S. 28, 96). Meier, Bruno, Das Kloster Muri: Geschichte und Gegenwart der Benediktinerabtei, Baden 2011 (siehe S. 83, 202). - Ein Königshaus aus der Schweiz: Die Habsburger, der Aargau und die Eidgenossenschaft im Mittelalter, 2. Aufl., Baden 2008 (siehe S. 81, 83, 194). Melville, Gert, Regeln - Consuetudines-Texte - Statuten: Positionen für eine Typologie des normativen Schrifttums religiöser Gemeinschaften im Mittelalter, in: Regulae - consuetudines - statuta. Studi sulle fonti normative degli ordini religiosi nei secoli centrali del medioevo; atti del I e del II seminario internazionale di studio del Centro Italo-Tedesco di Storia Comparata degli Ordini Religiosi (Bari/ Noci/ Lecce, 26-27 ottobre 2002/ Castiglione delle Stiviere, 23-24 maggio 2003), hrsg. von Cristina Andenna, Münster 2005, S. 5-38 (siehe S. 64). - Zur Funktion der Schriftlichkeit im institutionellen Gefüge mittelalterlicher Orden, in: Frühmittelalterliche Studien 25 (1991), S. 391-417, doi: 10.1515/ 9783110242232.391 (siehe S. 13). Merz, Walther, Aargauische Amtslisten, in: Argovia. Jahresschrift der Historischen Gesellschaft des Kantons Aargau 46 (1934), S. 245-260, doi: 10.5169/ seals-48912 (siehe S. 235). - Repertorium des Aargauischen Staatsarchivs. Teil 1: Der bernische Aargau und die Grafschaft Baden, Bd. 1, 2 Bde., Aarau 1935 (siehe S. 206, 211, 212, 261). Meyer, Andreas, Felix et inclitus notarius: Studien zum italienischen Notariat vom 7. bis zum 13. Jahrhundert, Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom 92, Tübingen 2000 (siehe S. 117, 137). Meyer, Bruno, Das habsburgische Archiv in Baden, in: Zeitschrift für Schweizerische Geschichte 23 (1943), S. 169-200 (siehe S. 33, 236). Meyer, Werner, Aargau 2 - Herrschaft, Politik und Verfassung vom Hochmittelalter bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, in: Historisches Lexikon der Schweiz, 16. Juli 2015, url: http: / / www.hls-dhs-dss.ch/ textes/ d/ D7392.php (siehe S. 35). Missfelder, Jan-Friedrich, Endlich Klartext. Medientheorie und Geschichte, in: Theorie in der Geschichtswissenschaft. Einblicke in die Praxis des historischen Forschens, Bd. 7, Eigene und fremde Welten. Repräsentationen sozialer Ordnung im Vergleich, Frankfurt am Main, New York 2008, S. 181-198 (siehe S. 21). Moddelmog, Claudia, Die Klarissen von Königsfelden und ihre Verwandten: Beziehung und Besitz, in: Königsfelden. Königsmord, Kloster, Klinik, hrsg. von Simon Teuscher und Claudia Moddelmog, Baden 2012, S. 128-169 (siehe S. 55, 204). 305 <?page no="305"?> Moddelmog, Claudia, Klarissen von Königsfelden, in: Königsfelden. Königsmord, Kloster, Klinik, hrsg. von Simon Teuscher und Claudia Moddelmog, Baden 2012, S. 257-263 (siehe S. 100). - Königliche Stiftungen des Mittelalters im historischen Wandel: Quedlinburg und Speyer, Königsfelden, Wiener Neustadt und Andernach, Berlin 2012 (siehe S. 32, 51, 66-69, 71, 98, 135, 174, 183, 187, 200, 204). Moorman, John, A History of the Franciscan Order: From its Origins to the Year 1517, Oxford 1968 (siehe S. 37, 73). Moraw, Peter, Das «Privilegium maius» und die Reichsverfassung, in: Fälschungen im Mittelalter: Internationaler Kongreß der Monumenta Germaniae Historica München, 16.-19. September 1986, hrsg. von Monumenta Germaniae Historica, Bd. 3, 5 Bde., Hannover 1988, S. 201-224 (siehe S. 194). Morelle, Laurent, The Metamorphosis of Three Monastic Charter Collections in the Eleventh Century (Saint-Amand, Saint-Riquier, Montier-en-Der), in: Charters and the Use of the Written Word in Medieval Society, hrsg. von Karl Heidecker, Turnhout 2000, S. 171-204, url: http: / / www.brepolsonline.net/ doi/ 10.1484/ M.USML-EB.3.4306 (siehe S. 173). Moretti, Franco, Distant Reading, London 2013 (siehe S. 25). Morsel, Joseph, Brief und schrift: Überlegungen zu den sozialen Grundlagen schriftlichen Austauschs im Spätmittelalter am Beispiel Frankens, in: Textus im Mittelalter, hrsg. von Ludolf Kuchenbuch und Uta Kleine, Göttingen 2006, S. 285-323 (siehe S. 19, 20, 115, 131, 153). - Du texte aux archives: le problème de la source, in: Le Moyen Âge vu d’ailleurs, hrsg. von E. Magnani, Bd. hors series 2, Bullétin du centre d’études médiévales d’Auxerre | BUCEMA, 2008, S. 2-22, url: http: / / cem.revues.org/ document4132.html (siehe S. 18). - L’ aristocratie médiévale: La domination sociale en Occident (V e -XV e siècle), Paris 2004 (siehe S. 57). - Traces ? Quelles traces ? Réflexions pour une histoire non passéiste, in: Revue historique 4.680 (2010), S. 813-868 (siehe S. 70). Mostert, Marco, A Bibliography of Works on Medieval Communication, Turnhout 2012 (siehe S. 18). Müller, Felix, Seengen, von, in: Historisches Lexikon der Schweiz, 21. Nov. 2011, url: http: / / www.hls-dhs-dss.ch/ textes/ d/ D20111.php (siehe S. 138). Neidiger, Bernhard, Armutsbegriff und Wirtschaftsverhalten der Franziskaner im 15. Jahrhundert, in: Erwerbspolitik und Wirtschaftsweise mittelalterlicher Orden und Klöster, hrsg. von Kaspar Elm, Berlin 1992, S. 207-230 (siehe S. 225). Nelson, Janet Loughland, Literacy in Carolingian Government, in: The Uses of Literacy in Early Mediaeval Europe, hrsg. von Rosamond McKitterick, Cambridge 1990, S. 258-296 (siehe S. 17). Nevsimal, Alfred, Königin Agnes von Ungarn: Leben und Stellung in der habsburgischen Politik ihrer Zeit, Wien 1951 (siehe S. 58, 59). 306 <?page no="306"?> Niederhäuser, Peter, «Der Landvogt kam nie gen Baden». Baden ein habsburgisches Verwaltungszentrum nach 1400? , in: Badener Neujahrsblätter 78 (2003), S. 139-149, doi: 10.5169/ seals-324761 (siehe S. 236). - Adel und Habsburg - habsburgischer Adel? Karrieremöglichkeiten und Abhängigkeiten im späten Mittelalter, in: Die Habsburger zwischen Aare und Bodensee, hrsg. von Peter Niederhäuser, Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich 77, Zürich 2010, S. 151-178 (siehe S. 82). - Die Familie von Mülinen. Eine Adelsgeschichte im Spiegel des Familienarchivs, Glanzlichter aus dem Bernischen Historischen Museum 21, Bern 2010 (siehe S. 253). - Herzog Friedrich von Österreich, seine Landvögte und die Appenzellerkriege: «im, sinen landen und lûten gar ungütlich getan», in: Die Appenzellerkriege - Eine Krisenzeit am Bodensee? , hrsg. von Peter Niederhäuser und Alois Niederstätter, Forschungen zur Geschichte Vorarlbergs 7, Konstanz 2006, S. 33-52 (siehe S. 148). - Nidau, Rudolf IV. von, in: Historisches Lexikon der Schweiz, 2011, url: http: / / www.hls-dhs-dss.ch/ textes/ d/ D29244.php (siehe S. 195). - Verdrängung, Mobilität oder Beharrung? Adel im 15. Jahrhundert zwischen dem Aargau und Tirol, in: Argovia. Jahresschrift der Historischen Gesellschaft des Kantons Aargau 120 (2008), S. 18-32, doi: 10.5169/ seals-11 (siehe S. 82). - Vom Schwesternhaus zur Fabrikhalle - eine kurze Geschichte des Frauenklosters Töss, in: Bilderwelt des Spätmittelalters. Die Wandmalereien im Kloster Töss, hrsg. von Silvia Volkart, Zürich 2011, S. 465-502 (siehe S. 59). Niederstätter, Alois, Habsburgische Herrschaftspraxis zwischen Bodensee und im ausgehenden Mittelalter, in: Habsburger Herrschaft vor Ort - weltweit (1300-1600), hrsg. von Jeannette Rauschert, Simon Teuscher und Thomas Zotz, Ostfildern 2013, S. 77-88 (siehe S. 235). - Princeps Suevie et Alsacie: Herzog Rudolf IV. von Österreich und die habsburgischen Vorlande, in: Die Habsburger zwischen Aare und Bodensee, hrsg. von Peter Niederhäuser, Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich 77, Zürich 2010, S. 125-136 (siehe S. 193). Niermeyer, Jan Frederik, Van der Kieft, Co und Burgers, Johannes W. J., Mediae Latinitatis lexicon minus = Lexique latin médiéval = Medieval Latin dictionary = Mittellateinisches Wörterbuch, Leiden 2004, url: http: / / linguaeterna.com/ medlat/ (siehe S. 126). Odoardi, Giovanni, Conventi e archivi Francescani - richiami storici - rilievi e prospettive., in: Collectanea Franciscana 57.1 (1987), S. 33-49 (siehe S. 233). Opitz, Gottfried, Breßlau, Harry, in: Neue Deutsche Biographie 2, 1955, S. 600-601, url: http: / / www.deutsche-biographie.de/ pnd116487380.html (siehe S. 117). Paolini, Giovanni, Documenti pontifici dall’Archivio della Curia Generalizia dei Frati Minori conventuali presso la basilica dei ss. apostoli (1235-1411), in: Le chiavi della memoria, hrsg. von Associazione degli ex-allievi, Vatikan 1984, S. 411-440 (siehe S. 118, 233). 307 <?page no="307"?> Parisse, Michel, Die Frauenstifte und Frauenklöster in Sachsen vom 10. bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts, in: Die Salier und das Reich, hrsg. von Odilo Engels u. a., Bd. 2, Sigmaringen 1991, S. 465-502 (siehe S. 134). Parkes, Malcolm Beckwith, The Influence of the Concepts of Ordinatio and Compilatio on the Development of the Book, in: Medieval Learning and Literature. Essays Presented to Richard William Hunt, hrsg. von Jonathan J. G. Alexander und Margaret Gibson, 1976, S. 115-141 (siehe S. 15). Patze, Hans, Neue Typen des Geschäftsschriftgutes im 14. Jahrhundert, in: Der deutsche Territorialstaat im 14. Jahrhundert, hrsg. von Hans Patze, Vorträge und Forschungen / Konstanzer Arbeitskreis für mittelalterliche Geschichte 13/ 14, Sigmaringen 1970, S. 9-64 (siehe S. 96, 171). Perreaux, Nicolas, L’écriture du monde (I). Les chartes et les édifices comme vecteurs de la dynamique sociale dans l’Europe médiévale (viie-milieu du xive siècle), in: Bulletin du centre d’études médiévales d’Auxerre | BUCEMA 19.2 (2015), doi: 10.4000/ cem.14264 (siehe S. 40). Petrucci, Armando, Lire au Moyen Âge, in: Mélanges de l’Ecole française de Rome. Moyen-Age, Temps modernes 96.2 (1984), S. 603-616, url: http: / / www.persee.fr/ web/ revues/ home/ prescript/ article/ mefr.1984_num_ 96_2_2770 (siehe S. 15). Peyer, Hans Conrad, Das Archiv der Feste Baden: Dorsualregesten und Archivordnung im Mittelalter, Bern 1967 (siehe S. 237). Pfister, Dunja, Herrschaftswechsel und Krisenmanagement: Das Kloster Muri zur Zeit der Eroberung des habsburgischen Aargaus 1415, Baden 2015 (siehe S. 83). Piazza, Andrea, Le vicende dell’Archivo dei fratri minori di Pinerolo., in: Bollettino storico-bibliografico subalpino 87.1 (1989), S. 235-278 (siehe S. 233, 234). Piotrowski, Michael, Digital Humanities Defined, NLP for Historical Texts, 8. Dez. 2013, url: http: / / nlphist.hypotheses.org/ 114 (siehe S. 24, 25). - Digital Humanities: An Explication, in: INF-DH 2018 - Workshopband, hrsg. von Manuel Burghard und Claudia Müller-Birn, Berlin 2018, url: https: / / doi.org/ 10.18420/ infdh2018-07 (siehe S. 25). Pitz, Ernst, Schrift- und Aktenwesen der städtischen Verwaltung im Spätmittelalter, Köln, Nürnberg, Lübeck, Köln 1959 (siehe S. 232). Posner, Miriam, What’s Next: The Radical, Unrealized Potential of Digital Humanities, Miriam Posner’s Blog, 27. Juli 2015, url: http: / / miriamposner.com/ blog/ whats-next-the-radical-unrealized-potentialof-digital-humanities/ (siehe S. 25). Potin, Yann, Archives en sacristie. Le trésor est-il un bâtiment d’archives? Le cas du «Trésor des chartes» des rois de France (XIII e -XIX e siècle), in: Livraisons d’histoire de l’architecture 10 (2005), S. 65-85 (siehe S. 229). Ramseyer, Rudolf J., Berner Personennamen aus dem 16. Jahrhundert: Eine aus Urbaren gewonnene Sammlung im Staatsarchiv Bern, in: Berner Zeitschrift für Geschichte und Heimatkunde 57.3 (1995) (siehe S. 220). 308 <?page no="308"?> Rauschert, Jeannette, Herrschaft und Schrift: Strategien der Inszenierung und Funktionalisierung von Texten in Luzern und Bern am Ende des Mittelalters, Berlin 2006 (siehe S. 18, 229, 232, 262). - Landvogteisitz und Erinnerungsort: Königfelden im 16. bis 18. Jahrhundert, in: Königsfelden. Königsmord, Kloster, Klinik, hrsg. von Simon Teuscher und Claudia Moddelmog, Baden 2012, S. 170-215 (siehe S. 33, 93, 105, 164, 254). Reckwitz, Andreas, Grundelemente einer Theorie sozialer Praktiken. Eine sozialtheoretische Perspektive, in: Zeitschrift für Soziologie 32.4 (2003), S. 282-301, url: http: / / www.zfs-online.org/ index.php/ zfs/ article/ viewFile/ 1137/ 674 (siehe S. 20). Rennefahrt, Hermann, Bern und das Kloster Interlaken: Eine Auseinandersetzung zwischen Staat und Kirche in den Jahren 1473-1475, in: Berner Zeitschrift für Geschichte und Heimatkunde 20 (1958), S. 151-185, doi: 10.5169/ seals-243616 (siehe S. 98, 219). Rheinberger, Hans-Jörg, Wie werden aus Spuren Daten, und wie verhalten sich Daten zu Fakten, in: Nach Feierabend 3 (2007), S. 117-125 (siehe S. 25). Rodenberg, Carl, Wattenbach, Ernst Christian Wilhelm, in: Allgemeine Deutsche Biographie, 1898, S. 439-443, url: http: / / www.deutsche-biographie.de/ pnd117151386.html? anchor=adb (siehe S. 117). Roest, Bert, Order and Disorder: The Poor Clares Between Foundation and Reform, The Medieval Franciscans 8, Leiden und Boston 2013 (siehe S. 37, 71, 73, 77, 180). Rombach, Otto, Königsfelden. Memento eines Königsmordes, in: Damals. Zeitschrift für geschichtliches Wissen 9.12 (1977), S. 1137-1154 (siehe S. 31). Rosenwein, Barbara H., To be the neighbor of Saint Peter: The social meaning of Cluny’s property, 909-1049, Ithaca 1989 (siehe S. 17). Rück, Peter, Hrsg., Graphische Symbole in mittelalterlichen Urkunden: Beiträge zur diplomatischen Semiotik, Historische Hilfswissenschaften 3, Sigmaringen 1996 (siehe S. 21). - Zur Diskussion der Archivgeschichte: Die Anfänge des Archivwesens in der Schweiz (800-1400), in: Fachgebiet Historische Hilfswissenschaften. Ausgewählte Aufsätze zum 65. Geburtstag von Peter Rück, hrsg. von Erika Eisenlohr und Peter Worm, Marburg an der Lahn 2000, S. 5-16 (siehe S. 117, 231). Rudolf, Max, Geschichte der Gemeinde Birmenstorf, Aarau 1983 (siehe S. 208). Rumschöttel, Hermann, The Development of Archival Science as a Scholarly Discipline, in: Archival Science 1.2 (2001), S. 143-155, doi: 10.1007/ BF02435645 (siehe S. 19). Sablonier, Roger, Schriftlichkeit, Adelsbesitz und adliges Handeln im 13. Jahrhundert, in: Nobilitas. Funktion und Repräsentation des Adels in Alteuropa, hrsg. von Otto Gerhard Oexle, Göttingen 1997, S. 67-100 (siehe S. 14, 15, 209). - Verschriftlichung und Herrschaftspraxis. Urbariales Schriftgut im spätmittelalterlichen Gebrauch., in: Pragmatische Dimensionen 309 <?page no="309"?> mittelalterlicher Schriftkultur. Akten des internationalen Kolloquiums 26.-29. Mai 1999, hrsg. von Christel Meier, München 2002, S. 91-120 (siehe S. 15, 16, 37, 171, 205, 206, 209). Sahle, Patrick, Digitale Editionsformen. Zum Umgang mit der Überlieferung unter den Bedingungen des Medienwandels. Teil 3: Textbegriffe und Recodierung., Bd. 3, 3 Bde., Schriften des IDE 9, Norderstedt 2013, url: http: / / kups.ub.uni-koeln.de/ 5352/ (siehe S. 28). Sandmeier-Walt, Annina, Austausch, Wiedergutmachung oder doktrinäre Forderung? Der Kulturgütertausch zwischen dem Kanton Aargau und dem Kloster Muri-Gries von 1947-1960, in: Unsere Heimat 78 (2011), S. 117-164, url: http: / / www.geschichte.klostermuri.ch/ images/ publikationen/ sandmeier_kulturguetertausch.pdf (siehe S. 202). Sandri, Leopoldo, La Storia Degli Archivi, in: Archivum. Révue Internationale des Archives 18 (1968), S. 101-113 (siehe S. 231). Sauerländer, Dominik, 2.2 Der Aargau wird eidgenössisch (1415), in: Historisches Lexikon der Schweiz, 2014, url: http: / / www.hls-dhs-dss.ch/ textes/ d/ D7392.php (siehe S. 81). Saxer, Daniela und Burri, Monika, Quellen zur Königsfelder Klosterwirtschaft des 15. und 16. Jahrhunderts, in: Argovia. Jahresschrift der Historischen Gesellschaft des Kantons Aargau 108 (1996), S. 243-272, doi: 10.5169/ seals-13505 (siehe S. 206, 212). Schenk, Dietmar, «Aufheben, was nicht vergessen werden darf»: Archive vom alten Europa bis zur digitalen Welt, Stuttgart 2013 (siehe S. 231, 237). Schmoeckel, Mathias, Dokumentalität: der Urkundenbeweis als heimliche «regina probationum» im Gemeinen Recht, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte: Kanonistische Abteilung 96 (2010), S. 186-225 (siehe S. 86). Schoenemann, Karl Traugott Gottlob, Versuch eines vollständigen Systems der allgemeinen besonders älteren Diplomatik: Als Handbuch für Archivare und den Geschäftsgebrauch, Leipzig 1818 (siehe S. 116). Schuler, Peter-Johannes, Südwestdeutsche Notarszeichen. Mit einer Einleitung über die Geschichte des deutschen Notarszeichens, Sigmaringen 1976 (siehe S. 95). Schuler-Alder, Heidi, Reichsprivilegien und Reichsdienste der eidgenössischen Orte unter König Sigmund, 1410-1437, Geist und Werk der Zeiten 69, Bern 1985 (siehe S. 83). Schulz, Anne, Essen und Trinken im Mittelalter (1000-1300): Literarische, kunsthistorische und archäologische Quellen, Reallexikon der Germanischen Altertumskunde. Ergänzungsband 74, New York 2011 (siehe S. 74). Seidel, Kerstin, Vorzeigen und nachschlagen: Zur Medialität und Materialität mittelalterlicher Rechtsbücher, in: Frühmittelalterliche Studien 42 (2008), S. 306-328 (siehe S. 17). Sickel, Theodor von, Acta regum et imperatorum Karolinorum digesta et enarrata: Die Urkunden der Karolinger. Erster Theil: Urkundenlehre, Wien 1867 (siehe S. 116). 310 <?page no="310"?> Sieber, Christian, «On the Move»: Das Itinerar der Herzöge Leopold IV. und Friedrich IV. von Österreich von der Schlacht bei Sempach (1386) bis zur Aussöhnung mit König Sigmund (1418), in: Die Habsburger zwischen Aare und Bodensee, hrsg. von Peter Niederhäuser, Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich 77, Zürich 2010, S. 77-93 (siehe S. 148, 236). Sieber-Lehmann, Claudius, Ewige Richtung, in: Historisches Lexikon der Schweiz, 21. Dez. 2011, url: http: / / www.hls-dhs-dss.ch/ textes/ d/ D8886.php (siehe S. 97). Sonderegger, Stefan, Verluste, Zahlen statt Spekulationen: Drei Fälle von quantifizierbaren Urkundenverlusten in der Sanktgaller Überlieferung des Spätmittelalters, in: Archiv für Diplomatik. Schriftgeschichte, Siegel- und Wappenkunde 59 (2013), S. 433-452 (siehe S. 136, 197). Spence, Michael, Cartularies of Fountains Abbey: Archival Systems and Practices, in: Citeaux. Comentarii cisterciensis. Zeitschrift für zisterziensische Geschichte 61.2 (2010), S. 185-206 (siehe S. 173, 234, 242). Spiegel, Joachim, Vidimus, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 8, München und Zürich 1980, Sp. 1636-1637 (siehe S. 190). Staerkle, Paul, Die Rückvermerke der ältern St. Galler Urkunden, Mitteilungen zur vaterländischen Geschichte 45, St. Gallen 1966 (siehe S. 114, 120, 121, 144). - Die Rückvermerke der rätischen Urkunden, in: Freiburger Geschichtsblätter 52 (1963), S. 1-13 (siehe S. 114, 120, 121). Steedman, Carolyn, Dust: The Archive and Cultural History, Encounters, New Brunswick 2002 (siehe S. 23). Steger, Sara, Patterns of Sentimentality in Victorian Novels, in: Digital Studies / Le Champ Numérique 3.2 (2013), url: http: / / www.digitalstudies.org/ ojs/ index.php/ digital_studies/ article/ view/ 238/ 294 (siehe S. 124). Stein, Henri, Bibliographie générale des cartulaires français ou relatifs à l’histoire de France, Manuels de bibliographie historique 4, Paris 1907 (siehe S. 173). Stengel, Edmund E. und Semmelmann, Oskar, Fuldensia IV. Untersuchung zur Frühgeschichte des Fuldaer Klosterarchivs, in: Archiv für Diplomatik. Schriftgeschichte, Siegel- und Wappenkunde 4 (1958), S. 120-182 (siehe S. 120). Stercken, Martina, Formen herrschaftlicher Präsenz: Die Habsburger in ihren Städten im Gebiet der heutigen Schweiz, in: Habsburger Herrschaft vor Ort - weltweit (1300-1600), hrsg. von Jeannette Rauschert, Simon Teuscher und Thomas Zotz, Ostfildern 2013, S. 149-168 (siehe S. 235, 236). - Krisenbewusstsein und Krisenmanagement zu Beginn des 15. Jahrhunderts: Quellen zur Kommunikation im Herrschaftsverhältnis, in: Die Appenzellerkriege - eine Krisenzeit am Bodensee? , hrsg. von Peter Niederhäuser und Alois Niederstätter, Bd. 7, Forschungen zur Geschichte Vorarlbergs, Konstanz 2006, S. 19-31 (siehe S. 148). - Städte der Herrschaft: Kleinstadtgenese im habsburgischen Herrschaftsraum des 13. und 14. Jahrhunderts, Köln 2006 (siehe S. 49, 235, 236). 311 <?page no="311"?> Stettler, Michael, Die Kunstdenkmäler des Kantons Aargau. Band 2: Die Bezirke Lenzburg und Brugg, Die Kunstdenkmäler der Schweiz 29, Bern 1953 (siehe S. 93). Stieldorf, Andrea, Die Magie der Urkunde, in: Archiv für Diplomatik. Schriftgeschichte, Siegel- und Wappenkunde 55 (2009), S. 1-32 (siehe S. 16, 43). Studer Immenhauser, Barbara, Verwaltung zwischen Innovation und Tradition: Die Stadt Bern und ihr Untertanengebiet 1250-1550, Ostfildern 2006 (siehe S. 33, 84, 90, 91, 232, 253). Stüssi-Lauterburg, Barbara, Agnes von Österreich, Johann II. von Bubenberg und die Friedensvermittlung von Königsfelden nach dem Laupenkrieg, in: Berner Zeitschrift für Geschichte und Heimatkunde 74.2 (2012), S. 11-28 (siehe S. 77). Teuscher, Simon, Bekannte, Klienten, Verwandte: Soziabilität und Politik in der Stadt Bern um 1500, Köln 1998 (siehe S. 32, 100). - Böse Vögte? Narrative, Normen und Praktiken der Herrschaftsdelegation im Spätmittelalter, in: Habsburger Herrschaft vor Ort - weltweit (1300-1600), hrsg. von Jeannette Rauschert, Simon Teuscher und Thomas Zotz, Ostfildern 2013, S. 89-108 (siehe S. 235, 238). - Der Herr bei seinen Bauern. Herrschaftsdarstellung in Kundschaften aus dem Berner Oberland 1300-1430, in: Tradition und Erinnerung, hrsg. von Werner Rösener, Göttingen 2003, S. 195-218 (siehe S. 24). - Document Collections, Mobilized Regulations, and the Making of Customary Law at the End of the Middle Ages, in: Archival Science 10.3 (2010), S. 211-229, doi: 10.1007/ s10502-010-9127-9 (siehe S. 15, 20, 87, 232). - Erzähltes Recht: Lokale Herrschaft, Verschriftlichung und Traditionsbildung im Spätmittelalter, Frankfurt am Main 2007 (siehe S. 14, 15, 36, 184, 208). - Kompilation und Mündlichkeit: Herrschaftskultur und Gebrauch von Weistümern im Raum Zürich, 14.-15. Jahrhundert, in: Historische Zeitschrift 273 (2001), S. 289-333 (siehe S. 15, 184). Teuscher, Simon und Moddelmog, Claudia, Hrsg., Königsfelden: Königsmord, Kloster, Klinik, Baden 2012 (siehe S. 32). Thommen, Rudolf, Hrsg., Die Briefe der Feste Baden, Basel 1941 (siehe S. 236). Tremp, Ernst, Feudale Gebärden im Spätmittelalter, in: Fälschungen im Mittelalter: internationaler Kongreß der Monumenta Germaniae Historica, München, 16.-19. September 1986., hrsg. von Monumenta Germaniae Historica, Bd. 3, 1988, S. 675-710 (siehe S. 92). Vismann, Cornelia, Akten: Medientechnik und Recht, Frankfurt am Main 2000 (siehe S. 164). Walker, David, The Organization of Material in Medieval Cartularies, in: The Study of Medieval Records. Essays in Honour of Kathleen Major, hrsg. von Kathleen Major und Donald Auberon Bullough, Oxford 1971, S. 132-150 (siehe S. 173). Wanner, Konrad, Schreiber, Chronisten und Frühhumanisten in der Luzerner Stadtkanzlei des 15. Jahrhunderts, in: Jahrbuch der Historischen Gesellschaft Luzern 18 (2000), S. 2-44 (siehe S. 91, 93, 232). 312 <?page no="312"?> Wattenbach, Wilhelm, Das Schriftwesen im Mittelalter, 3. Aufl., Leipzig 1896 (siehe S. 117-119, 145, 242). Weber, Max, Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der Socialökonomik, Tübingen 1922 (siehe S. 36, 71). Wehrli-Johns, Martina, Agnes von Ungarn, in: Historisches Lexikon der Schweiz, 2001, url: http: / / www.hls-dhs-dss.ch/ textes/ d/ D12465.php (siehe S. 58). - Von der Stiftung zum Alltag: Klösterliches Leben bis zur Reformation, in: Königsfelden. Königsmord, Kloster, Klinik, hrsg. von Simon Teuscher und Claudia Moddelmog, Baden 2012, S. 48-89 (siehe S. 34, 35, 37, 51, 54, 55, 66, 68, 84, 85, 89, 91, 133, 185, 186, 234, 249). Weingart, Scott, Demystifying Networks, Parts I & II, in: Journal of Digital Humanities 1.1 (2011), url: http: / / journalofdigitalhumanities.org/ 1- 1/ demystifying-networks-by-scott-weingart/ (siehe S. 44). Wellmann, Annika, Theorie der Archive - Archive der Macht. Aktuelle Tendenzen der Archivgeschichte, in: Neue Politische Literatur 3 (2012), S. 385-401, doi: 10.3726/ 91490_385 (siehe S. 19, 231). Werder, Max, Die Gerichtsverfassung des aargauischen Eigenamtes bis zum Jahre 1798, in: Argovia. Jahresschrift der Historischen Gesellschaft des Kantons Aargau 54 (1942), doi: 10.5169/ seals-54550 (siehe S. 35). Wiederkehr, Ruth, Das Hermetschwiler Gebetbuch: Studien zu deutschsprachiger Gebetbuchliteratur der Nord- und Zentralschweiz im Spätmittelalter. Mit einer Edition, 2013 (siehe S. 34). Yakel, Elizabeth, Archival Representation, in: Archival Science 3.1 (2003), S. 1-25, doi: 10.1007/ BF02438926 (siehe S. 19). Zahnd, Urs Martin, Die Bildungsverhältnisse in den bernischen Ratsgeschlechtern im ausgehenden Mittelalter. Verbreitung, Charakter und Funktion der Bildung in der politischen Führungsschicht einer spätmittelalterlichen Stadt, Bern 1979 (siehe S. 90, 93). Zeller, Bernhard, Writing Charters as a Public Activity: The Example of the Carolingian Charters of St Gall, in: Medieval legal process: Physical, spoken and written performance in the Middle Ages, hrsg. von Marco Mostert und Paul S. Barnwell, Turnhout 2011, S. 27-38 (siehe S. 114). Webseiten • www.bibelwissenschaft.de • www.cn-telma.fr/ cartulR/ (Le base de données cartulR de la section diplomatique de l’IRHT) Nachschlagewerke ADB Allgemeine Deutsche Biographie, 1875-1912. HLS Historisches Lexikon der Schweiz, Bern, 2002-2014. 313 <?page no="313"?> Lexer Mittelhochdeutsches Handwörterbuch des Matthias Lexer, herausgegeben von Kurt Gärtner, 2 Bde., Stuttgart 1992. LexMA Lexikon des Mittelalters, München und Zürich, 1980-1998. NDB Neue Deutsche Biographie, 1953-2016 (laufend). Niermeyer Niermeyer, Jan Frederik, Co Van der Kieft und Johannes W. J. Burgers: Mediae Latinitatis lexicon minus = Lexique latin médiéval = Medieval Latin dictionary = Mittellateinisches Wörterbuch, Leiden 2004, http: / / linguaeterna.com/ medlat/ . 314 <?page no="314"?> Abbildungsverzeichnis 2.1 Visualisierung der Dokumentenproduktion für Königsfelden nach Jahreszahl der Ausstellung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 2.2 Visualisierung der Dokumentenproduktion für Königsfelden nach Jahrzehnten. Korreliert mit Ergebnissen der Netzwerkanalyse. . . 48 2.3 U.17/ 0061/ 01, 10. März 1318, Urkunde von Agnes von Ungarn, ausgestellt für die Franziskaner. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 2.4 U.17/ 0061/ 02, 10. März 1318, Urkunde von Agnes von Ungarn ausgestellt für die Klarissen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 2.5 Notarszeichen von Niklaus Fricker, Ausschnitt aus: U.17/ 0669a, 11. Feb. 1454 r, datiert auf 11. Februar 1454. . . . . . . . . . . . . 96 3.1 Ausschnitt U.17/ 0023B, 10. Aug. 1312. . . . . . . . . . . . . . . 111 3.2 Ausschnitt U.17/ 0064, 8. Juli 1319. . . . . . . . . . . . . . . . . 116 3.3 Wortwolke der Schicht von 1321. . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 3.4 Drei Beispiele der Schicht von 1321. Aus AD HR 3G, 32 D IV 9 (0073e), U.17/ 0020a, 29. Sep. 1311, U.17/ 0023A, 10. Aug. 1312. . . . 126 3.5 Drei Beispiele der Schicht von 1343. Aus U.17/ 0045, 24. Juni 1315, U.17/ 0159, 6. Mai 1337, U.17/ 0169, 11. Nov. 1337. . . . . . . . . . 128 3.6 Wortwolke der Schicht von 1370. . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 3.7 Ausschnitt aus U.17/ 0220, 29. Juli 1348v, Dorsualschicht von 1390: über Wieswil Johanns / Heinrich von Seengen der ji brief. . . . . . 138 3.8 Ausschnitt aus U.17/ 0221, 29. Juli 1348v, Dorsualschicht von 1390: Grave Johanns / Ruodolf / Gotfried von Habspurg der ij brief. . . . 138 3.9 Ausschnitt aus U.17/ 0132, 12. Okt. 1333v, Dorsualschicht von 1340: über Egidien guot von Rubiswil, Dorsualschicht von 1390: wie es gefertige wart, der ij brief. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 3.10 U.17/ 0102, 29. Sep. 1329v, Dorsualschicht von 1340 (Rand) und 1370 (Mitte) identisch im Text. Die Abbildung wurde durch den Autor mit Markierungen versehen und beschnitten. . . . . . . . . . . 144 3.11 Wortwolke der Schicht von 1410. . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 3.12 Wortwolke der Schicht von 1417/ 18. . . . . . . . . . . . . . . . 147 3.13 Häufigkeitsverteilung der Schicht von 1470, des Niklaus Fricker, in Zehnjahresblöcken. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 3.14 Wortwolke der Dorsualnotizen Niklaus Frickers, Notizen bis 1471. 153 3.15 Drei Beispiele der Schicht von 1480. Aus U.17/ 0657, 28. Sep. 1452 (Beispiel zu a), U.17/ 0632, 24. Feb. 1447 (Beispiel zu b), U.17/ 0675, 25. Juni 1454 (Beispiel zu c). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 3.16 Wordcloud der Schicht von 1480. . . . . . . . . . . . . . . . . 158 3.17 Beispiel der Schicht von 1480 mit mehreren aufgelisteten Orten. . 160 315 <?page no="315"?> 3.18 Häufigkeitsverteilung der Dorsualschicht von 1480 (ohne Verweise), auf Jahrzehnte gerundet. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 3.19 Wortwolke zur Dorsualschicht von 1528/ 40. . . . . . . . . . . . 165 3.20 Drei Beispiele der Schicht von 1528/ 40: U.17/ 0787, 3. März 1480, U.17/ 0026, 19. Nov. 1312, U.17/ 0088, 31. Mai 1325. . . . . . . . . 166 4.1 Ausschnitt aus AA/ 0428, Kopialbuch I (1336), fol. 1v. Eintrag im Inhaltsverzeichnis zu einer Verkaufsurkunde des Abtes des Klosters Paris an Elisabeth, datiert auf den 21. Juli 1307, die Urkunde wurde nur im Kopialbuch überliefert. . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 4.2 Ausschnitt aus AA/ 0428, Kopialbuch I (1336), fol. 19r. Verweisnummer, rubrizierte Einleitung und Beginn der Abschrift. . . . . 176 4.3 Die Notiz auf den Urkundenabschriften von 1370, hier auf dem Dokument U.17/ 0363, 27. Dez. 1370. . . . . . . . . . . . . . . . 192 4.4 Einblick ins Kopialbuch Ia, AA/ 0428a, Kopial- und Jahrzeitenzinsbuch des Franziskanerkonvents Königsfelden (1417), S. 27. . . . . 196 4.5 Titelseite Kopialbuch II, AA/ 0429, Kopialbuch II (1497). . . . . 214 4.6 Titelseite Kopialbuch Waldshut, AA/ 0446, Kopialbuch der Waldshuter Urkunden (1480). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 4.7 Die Titelseite des Kopialbuchs von Erlinsbach wurde entfernt. Die abgebildete Seite zeigt, dass dieselbe Hand das Heft verfasste wie die anderen Kopialhefte: AA/ 0448, Kopialbuch des Meierhofes in Erlinsbach (1480). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 5.1 U.17/ 0448, 1420v. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 5.2 U.17/ 0760, 25. Juni 1471r. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 5.3 U.17/ 0107, 23. Feb. 1330v. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 5.4 AA/ 0429, Kopialbuch II (1497), fol. 8v. . . . . . . . . . . . . . 244 5.5 U.17/ 0187, 4. Juli 1340v. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 5.6 U.17/ 0204, 26. Apr. 1344v. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 5.7 U.17/ 0760, 25. Juni 1471v. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 5.8 AA/ 0437, Regestenband der Urkunden des Klosters und Oberamts Königsfelden (1573), unfoliiert r. . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 5.9 U.17/ 0210, 16. Jan. 1346v. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 316 <?page no="316"?> Tabellenverzeichnis 1.1 Aufstellung der in Königsfelden bis 1600 angelegten Kopialbücher und -hefte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 3.2 Aufstellung der häufigsten Wörter in Rubrizierungen im ersten Kopialbuch (AA/ 0428) nach Wortarten geordnet. . . . . . . . . . 141 3.3 Schriftguttypen und Häufigkeiten in den Dorsualnotizen Niklaus Frickers. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 4.1 Aufstellung der in Königsfelden um 1480 angelegten Kopialhefte. 218 317 <?page no="317"?> Spätmittelalterstudien Klöster gelten als wichtige Produzenten und Konsumenten von Schrift im Mittelalter. Im Kloster Königsfelden, 1309 durch die Habsburger gegründet, war der Schriftgebrauch von Beginn an zentral: sei es für den geistlichen Betrieb der beiden Konvente der Klarissen und Franziskaner, für die Verwaltung der zahlreichen Güter, oder aber zur Demonstration von Ordnungsmacht, wie sie die Stifterin Agnes von Ungarn durch Schriftstücke vornahm. Aufgrund der sich wandelnden Einflüsse von außen veränderte sich das schriftliche Ordnungssystem im Kloster: Mithilfe von Abschriftensammlungen und durch Dorsualnotizen rückten Dokumente in neuen Kontext und wurden zu Vermittlern von Rechtsansprüchen. Im Zuge der Reformation und der Auflösung des Klosters verfolgte Bern schließlich mit der erstmaligen Zusammenführung des Bestandes eine Neuordnung des Schriftguts, um sich als Nachfolger Habsburgs historisch zu legitimieren. Auf der Grundlage von mehr als 1’000 Dokumenten und der Anwendung digitaler Methoden analysiert die Studie, wie sich Schriftordnungen in der Institution Königsfelden über 300 Jahre hinweg wandelten: Ordnungsstrukturen folgten dabei nicht zwangsläufig einer Logik der Optimierung, vielmehr wurden sie überformt und den jeweiligen aktuellen Gegebenheiten angepasst. Tobias Hodel ist seit 2019 Professor für Digital Humanities am Walter Benjamin Kolleg der Universität Bern. 2011 bis 2019 beschäftigte er sich in unterschiedlichen Projekten an der Universität Zürich mit Königsfelden, den Klarissen und Königin Agnes von Ungarn. ISBN 978-3-7398-3060-5 www.uvk.de