Der Theatermonolog in den Schauspielen von Hans Sachs und die Literarisierung des Fastnachtspiels
1210
2018
978-3-7720-5665-9
978-3-7720-8665-6
A. Francke Verlag
Karolin Freund
10.2357/9783772056659
CC BY-SA 4.0https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/deed.de
Hans Sachs gilt als der produktivste deutschsprachige Dichter des 16. Jahrhunderts. In seinen 85 Fastnachtspielen integriert er das Selbstgespräch einer Bühnenfigur, den Theatermonolog, ca. 350 Mal. Diese literarische Technik fehlt im älteren Bestand der Nürnberger Fastnachtspielüberlieferung indes gänzlich. Der Band geht der Frage nach den literarhistorischen Voraussetzungen und der kulturhistorischen Bedeutung des Theatermonologs nach. Die Analyse ausgewählter Fastnachtspiele wird u.a. von Untersuchungen der Aufführungsbedingungen in Nürnberg und des Autorschaftskonzepts von Hans Sachs umrahmt.
<?page no="1"?> Basler Studien zur deutschen Sprache und Literatur Herausgegeben von Heike Behrens, Nicola Gess, Alexander Honold, Martin Luginbühl und Ralf Simon Band 100 <?page no="3"?> Karolin Freund Der Theatermonolog in den Schauspielen von Hans Sachs und die Literarisierung des Fastnachtspiels <?page no="4"?> Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek. Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar Publiziert mit Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung. DOI: https: / / doi.org/ 10.2357/ 9783772056659 © 2018 · Karolin Freund Das Werk ist eine Open Access-Publikation. Es wird unter der Creative Commons Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen | CC BY-SA 4.0 (https: / / creativecommons.org/ licenses/ by-sa/ 4.0/ ) veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, solange Sie die/ den ursprünglichen Autor/ innen und die Quelle ordentlich nennen, einen Link zur Creative Commons-Lizenz anfügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden. Die in diesem Werk enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der am Material vermerkten Legende nichts anderes ergibt. In diesen Fällen ist für die oben genannten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen. Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de CPI books GmbH, Leck ISSN 0067-4508 ISBN 978-3-7720-5665-6 (Print) ISBN 978-3-7720-5665-9 (ePDF) ISBN 978-3-7720-0091-1 (ePub) www.fsc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC ® C083411 ® <?page no="5"?> 5 Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Herbstsemester 2014 / 15 als Dissertationsschrift an der Universität Basel angenommen. Sie ist im Rahmen des SNF -Projektes „Der Theatermonolog und die Literarisierung des Fastnachtspiels bei Hans Sachs“ entstanden. Für die Drucklegung wurde sie gekürzt und geringfügig überarbeitet. Der Schweizerische Nationalfonds hat das Projekt und die Drucklegung finanziell gefördert. Guter Gewohnheit folgend soll an dieser Stelle der Erstbetreuer die gebührende Anerkennung finden. Mein langjähriger Förderer und Doktorvater Gert Hübner wird die Arbeit indes nicht mehr in gebundener Form in den Händen halten können. Doch ohne seine ausdauernde Unterstützung wäre die Arbeit nicht zustande gekommen. Gert Hübner hat sowohl mein Studium als auch die Promotionsphase wie kein anderer geprägt. Er ließ keinen Zweifel daran, in welche Richtung das Projekt gehen sollte, gewährte mir jedoch die nötigen Freiheiten und - das scheint mir aus heutiger Sicht das Wichtigste - schenkte mir stets sein Vertrauen. Das Korreferat hat umstandslos und ohne zu zögern Cora Dietl übernommen. Für das unkomplizierte und keinesfalls selbstverständliche Vorgehen möchte ich ihr herzlichst danken. Zu Dank verpflichtet bin ich auch den Herausgebern der Basler Studien zur deutschen Sprache und Literatur , die den Band in ihre Reihe aufgenommen haben. Katharina Weber, Sophia Gröschke, Gunter Heiß und Germain Keogh danke ich für die mühsame Arbeit des Korrekturlesens, Michael Schaffhauser für die vielen kritischen Nachfragen und anregenden Diskussionen über das Projekt. Der plötzliche Tod meines Doktorvaters hat mich gelehrt, dass die Menschen, die mich täglich begleiten, für ein erfülltes Leben wichtiger sind als die Länge der Publikationsliste. In diesem Sinne gilt mein letzter Dank meinen Freunden und meiner Familie, insbesondere Vinzenz mit meinen Kindern Marlene, Jonathan und Karl. Jena, im November 2018 K. F. <?page no="7"?> 7 Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Teil A: Grundlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1.1 Vorgehen und Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 1.2 Forschungsstand zum Monolog und zur Dramentechnik von Hans Sachs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 2 Monolog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 2.1 Typologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 2.2 Monologanalyse in G 57 Die alt verschlagen Kuplerin mit dem Thumbherrn im Vergleich zur vorreformatorischen Fastnachtspiel-Vorlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Teil B: Poetologiehistorische Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 1 Gattungsverständnis in der humanistischen Gelehrtenkultur . . . . . . . . 71 1.1 Komödie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 1.2 Tragödie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 2 Gattungsverständnis von Hans Sachs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 3 Tragedis und Comedis der Jahre 1527-1536 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 3.1 Nichtadaptierte Monologformen: Überbrückungsmonolog und Affektdarstellung in Lucretia und Virginia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 3.2 Expositionsmonolog, Simultanmonolog, Auftrittsmonolog und Fremdcharakterisierung im Pluto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 3.3 Zutrittsmonolog, Abgangsmonolog, Enthüllung, Selbstcharakterisierung, Zeitsprung, Ortswechsel und Komik im Henno . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 3.4 Auftritt-Abgangs-Monolog im Judicium Paridis und Hester . . . . . 108 3.5 Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 4 Tragedis und Comedis 1545-1549 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 4.1 Dekameron . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 4.2 Komik im Monechmo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 5 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 <?page no="8"?> 8 Inhaltsverzeichnis Teil C: Einzelanalysen ausgewählter Fastnachtspiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 1 Exemplarisches Erzählen in G 23 Der jung Kauffman Nicola mit seiner Sophia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 2 Figurenkonzeption in G 22 Der farendt Schuler im Paradeiß . . . . . . . . . 175 3 Ort und Zeit in G 51 Der Ewlenspiegel mit den blinden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 4 Komik in G 40 Der Parteckensack . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 Teil D: Kulturhistorische Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 1 Aufführungsform und Monolog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 1.1 Die Bühnenform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 1.2 Meistersinger und Theater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 1.3 Simultanbühne und sukzessive Verwandlungsbühne . . . . . . . . . . . . 246 1.4 Lese- oder Aufführungstext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 1.5 Die Bühne des Fastnachtspiels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 1.6 Einzelanalysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 2 Rezipient und Autor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 2.1 Mehrfachbearbeitung des Stoffes das Kälberbrüten . . . . . . . . . . . . . . 263 2.2 Mediale Vermittlungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 Schluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 Anhang: Auflistung aller Monologe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 <?page no="9"?> 9 Teil A: Grundlegung <?page no="11"?> 11 1 Einleitung Hans Sachs galt bei seinem Tod 1576 als der bekannteste deutschsprachige Dichter. In der Gegenwart blüht das Interesse an seinem Werk regelmäßig zu seinen großen Jahrestagen auf, zuletzt im Jahr 1994. Die Beiträge des Pirckheimer-Jahrbuchs Hans Sachs im Schnittpunkt von Antike und Neuzeit geben einen aktuellen Überblick, wie der humanistische Einfluss auf die Dichtung von Sachs eingeschätzt wird: stoffliche Anleihen aus der antiken und humanistischen Literatur sind eindeutig, jedoch stellen die inhaltlichen und formalen Unterschiede zwischen der humanistischen Dichtung und der von Sachs eine unüberwindbare Grenze dar. 1 Probleme, die sich aus dieser strikten Grenze für das humanistische Sachs- Bild ergeben, hat Dieter Wuttke angesprochen. Seine Ausführungen von einem gemeinsamen „Wertekanon“ 2 bilden die Grundlage, nach der auch der Einfluss der humanistischen Gelehrtenkultur auf die Gattung Fastnachtspiel untersucht wird. Trotz der im Pirckheimer-Jahrbuch beschriebenen Grenze, sind die Adaptionen vom Humanistendrama auf die Tragedis und Comedis, wie sie zuletzt Barbara Sasse für die Veränderungen der textuellen Struktur in den Dramen von 1527-1536 nachgewiesen hat, 3 Forschungsgegenstand. Das Fastnachtspiel wird von diesem Adaptions-Prozess jedoch ausgenommen. 4 Stattdessen werden, auch in neueren Arbeiten, die Fastnachtspiele von Sachs in Kontinuität mit dem vorreformatorischen Fastnachtspiel gesehen, eine Sichtweise, die zuletzt Martin Przybilski anbot: Sachs bedient sich des gleichen Figurenrepertoires und der gleichen rhetorischen Mittel wie seine Vorgänger - insbesondere wiederum wie Folz - und er schöpft auch ganz ähnliche literarische und außerliterarische Wissensarchive aus wie sie schon in den älteren Spielen, auch hier vor allem von Folz, genutzt worden waren. Letztlich ist auch seine Intention nicht allzu weit von derjenigen der früheren Autoren entfernt, dient doch eine ganze Reihe folzscher wie sachsscher Spiele sowohl dem subversiven 1 Insbesondere in den Beiträgen von Holzberg und Bernstein. Auch Könneker 1971, S. 5, hat sich auf die stoffliche Abhängigkeit beschränkt. 2 Wuttke 1996, S. 603. Ähnlich argumentiert auch Kipf 2015. 3 Vgl. Sasse 2005. 4 Bezeichnenderweise lässt sich kein Beitrag zum Fastnachtspiel im Pirckheimer-Jahrbuch finden. <?page no="12"?> 12 1 Einleitung Verlachen tatsächlicher oder angemaßter Herrschaftsmacht und Herrschaftswissens als auch der Präsentation divergenter Bestände gelehrter Tradition […]. 5 Diese Arbeit geht grundlegend einer entgegengesetzten Annahme nach. Danach knüpfte Sachs 1517, als er sein erstes Fastnachtspiel 6 verfasste, zwar an eine lebendige Nürnberger Tradition an. Nachdem im Zuge der Reformation die Fastenzeit 1525 faktisch abgeschafft wurde, verlor das Fastnachtspiel aber seine daran gebundene Funktion. Damit endete eine Tradition, die vor allem im Hinblick auf die frühe Verschriftlichung im deutschsprachigen Raum ihres gleichen sucht. Aus vorreformatorischer Zeit sind 130 Fastnachtspiele erhalten, wovon 109 aus Nürnberg stammen. 7 Sachs dichtete seine Fastnachtspiele allerdings mehrheitlich erst in den 1550er Jahren. Als er in der ab 1558 erschienenen Folio- Ausgabe seiner Werke das Fastnachtspiel als ‚nützlich‘ und ‚kurtzweilig‘ charakterisiert, 8 gibt er eine Zuordnung, mit der er das Fastnachtspiel explizit als eigene schwankhafte Dramengattung herausstellt. Das von Sachs maßgeblich eingebrachte gattungskonstituierende Merkmal soll in dieser Arbeit mit dem Begriff ‚Literarisierung‘ beschrieben und analytisch greifbar gemacht werden. Anhand einer Zusammenfassung von Eckehard Catholy zur Entwicklung des Fastnachtspiels lässt sich einerseits zeigen, wie der Begriff ‚Literarisierung‘ zu verstehen ist, und andererseits, worin der wesentliche Unterschied zu Catholy und Przybilski liegt: Wenn sich ein neuer Typus, wie er für die künftige Entwicklung des Dramas schlechthin charakteristisch werden sollte, gerade im Fastnachtspiel herausgebildet hat, so liegt es daran, daß Sachs im Handlungsspiel des 15. Jahrhunderts jene Ansätze fand, die ihm erlaubten, in Richtung auf ein geschlossenes Drama weiterzugehen. 9 Unter Literarisierung ist ein Entwicklungsprozess des Fastnachtspiels zum Literaturdrama zu verstehen, der mit Hans Rosenplüt und Hans Folz begann, als sie „literarisch Geformtes“ 10 in eine rituelle Spielform einbrachten, und der von Sachs unter Einfluss von Literaturtraditionen weiterentwickelt wurde. Im Unterschied zu Catholy wird in dieser Arbeit hingegen gattungspoetologisch die Entwicklung des Fastnachtspiels unter dem Einfluss der humanistischen Gelehrtenkultur herausgearbeitet, die für die Präsentation von Inhalt und Struktur erst das Formenrepertoire bereitstellte, mit dem Sachs das Fastnachtspiel zur 5 Przybilski 2013, S. 226. 6 Die Chronologie sowie die Zitierung der Fastnachtspiele richtet sich nach Goetze 1880-1884. Vgl. Lier 1889, S. 42, zur Frage nach dem ersten Fastnachtspiel. 7 Vgl. Simon 2003, S. 3. 8 Vgl. Bernstein 1993, S. 92. 9 Catholy 1968, S. 65. 10 Spriewald 1990, S. 66. <?page no="13"?> 1.1 Vorgehen und Thesen 13 schwankhaften Dramengattung wandeln konnte. Demzufolge ist dieser innovative Transfer poetologischer Techniken durch Sachs vor dem Hintergrund eines grundlegend gewandelten Verständnisses von Fastnacht und Fastnachtspiel zu sehen, der wesentliche Gründe dafür liefert, dass es keine kontinuierliche Entwicklungslinie vom vorreformatorischen Fastnachtspiel zu Sachs gab, wie sie Catholy und Przybilski sehen. Die Bedeutung der humanistischen Gelehrtenkultur für die Literarisierung des Fastnachtspiels ergibt sich aus den markanten strukturellen und inhaltlichen Veränderungen im Vergleich zu den Fastnachtspielen, die bis 1549 entstanden. Im Zeitraum 1527-1549 widmete sich Sachs weniger dem Fastnachtspiel, sondern hauptsächlich der Dichtung seiner Tragedis und Comedis, die vor allem auf neulateinischen und antiken Vorlagen und dem Dekameron beruhen. Daraus folgt die Annahme, dass Sachs nicht nur stoffliche, sondern auch formale Anleihen aus der humanistischen Gelehrtenkultur im direkten Übertragungsprozess in seine Tragedis und Comedis übernahm und weiterführend selbstständig ohne Bindung an die Vorlage in das Fastnachtspiel integrierte. Die Erarbeitung einer historischen Tiefendimension, die die tatsächliche produktionspoetische Kompetenz plausibel nachzeichnet, setzt die Beschränkung auf ein Einzelphänomen voraus. Hierfür eignet sich der Theatermonolog in besonderer Weise, weil das monologische Selbstgespräch einer Bühnenfigur in großer Zahl und Vielfalt in den Werken von Sachs vorzufinden ist - im älteren Bestand der Nürnberger Fastnachtspielüberlieferung fehlt diese literarische Technik dagegen ganz; hier gibt es nur Ansprachen ans Publikum, vor allem in Prologen und Epilogen. 11 Unter allen Literarisierungsphänomenen ist das Selbstgespräch als ausgesprochen ‚künstliche‘ Technik der Innenweltdarstellung auf der Bühne das markanteste, das sich in den erhaltenen 85 Fastnachtspielen von Sachs 347 Mal nachweisen lässt. 1.1 Vorgehen und Thesen Teil A dieser Arbeit entfaltet im Anschluss an definitorische Fragen eine phänomenologische Beschreibung dieser Monologe, indem eine Typologie bereitgestellt wird, die aus allen Fundstellen monologischer Figurenreden in den Fastnachtspielen erarbeitet wurde. Sie kategorisiert die handlungsbezogenen und strukturell-gliedernden Funktionen, die im Anschluss in einer exemplarischen 11 Als Ausnahme könnte die Rede Neidharts in K 53 S. 411 v. 32 - S. 412 v. 14 angesehen werden. <?page no="14"?> 14 1 Einleitung Vergleichsanalyse des Fastnachtspiels G 57 Die alt verschlagen Kuplerin mit dem Thumbherrn mit seiner vorreformatorischen Fastnachtspiel-Vorlage dargestellt werden. Die exemplarische Beschränkung auf den Monolog ermöglicht die Berücksichtigung weiterer literarhistorischer Horizonte und ihrer Traditionszusammenhänge, wie sie die Untersuchung der Tragedis und Comedis aus den Jahren 1527-1549 und ihrer Vorlagen in Teil B dieser Arbeit liefert. Aufschlussreich ist hier der Vergleich des jeweiligen Spieltextes mit seiner unmittelbaren Textvorlage indes nur in Relation zur postulierten Entwicklung der poetologischen Kompetenz, verstanden als einem sowohl rezeptiven als auch produktiven Aneignungsprozess. Entsprechend wird dafür die in den Fastnachtspielen verwendete Monologtechnik auf ihre mögliche Grundlegung in den Comedis und Tragedis hin befragt. Als Untersuchungsfolie dient die aus den Fastnachtspielen abgeleitete Monolog-Typologie. Den für die Fastnachtspiele maßgeblichen Aneignungsprozess in den Jahren vor 1550 zu sehen, gründet darin, dass Sachs 1544 den Monolog im Fastnachtspiel zum ersten Mal verwendete und bis 1549 nur weitere sechs Male einsetzte, danach hingegen extensiv. Teil B der Arbeit begründet die These: Hans Sachs hat die verschiedenen Monologfunktionen aus den neulateinischen und antiken Vorlagen und aus dem Dekameron in die Tragedis und Comedis der Jahre 1527-1549 transferiert und für sich soweit adaptiert, dass er sie selbstständig im Fastnachtspiel, hier nun auch ohne Monologvorlagen, einsetzen konnte. Unter dem Aspekt der Verfahrensweisen verdankt sich die Literarisierung des Fastnachtspiels deshalb poetologiehistorisch den Angeboten der humanistischen Gelehrtenkultur. Teil C dieser Arbeit wendet sich der exemplarischen Analyse der Monologfunktionen in Fastnachtspielen zu, davon haben drei Fastnachtspiele eine epische Vorlage - Johannes Paulis Schimpf und Ernst , Ulenspiegel und das Dekameron - und eines keine Vorlage. Die Differenzierung zwischen schwankhaft-unterhaltsamer Handlung ( delectatio ) und expliziter Moralisierung ( utilitas ) kann in diesem Zusammenhang durch poetologisch genauere Analysen abgelöst werden, so dass jeweils an einem Fastnachtspiel exemplarisches Erzählen, die Figurenkonzeption, die Vermittlung von Zeit und Ort und die Erzeugung von Komik nachgezeichnet wird. Teil C liegt die These zugrunde: Weil die Texte ihre Vorlagen eher aus der volkssprachlichen Literaturtradition beziehen oder, im Unterschied zu den Comedis und Tragedis, gar keine unmittelbare Textvorlagen haben, wird die poetologische Dimension nun gewissermaßen von der stofflichen Bindung an die Rezeption antiker und neulateinischer Dramen abgelöst. Sachs setzt die poetologischen Kompetenzen für die Monologtechnik im Fastnachtspiel weitgehend <?page no="15"?> 1.1 Vorgehen und Thesen 15 selbstständig ein, um schwankhafte Handlungskonstruktionen mit lehrhaftem Gehalt zu vermitteln. Damit wird ein Prozess greifbar, bei dem die über die Textvorlagen der Comedis und Tragedis vermittelte humanistische Formkultur und die reformatorisch geprägte Wissensvermittlung auf durchaus eigenständige Weise zu funktionaler Konvergenz gebracht werden. Das Jahr 1550 markiert eine Grenze, die eine Erweiterung des poetologiehistorischen Anteils der Untersuchung um einen kulturhistorischen erfordert. Von diesem Zeitpunkt an ist es Sachs und seiner vom ihm geleiteten Spieltruppe möglich, seine dramatischen Werke auf einer festen Bühne aufzuführen. Von der Rekonstruktion der Bühne und Spielorte abgesehen, stellt sich damit die Frage, wie sich in der Anlage der Fastnachtspiele Form und Funktion des Monologs zu einer vom Zuschauerraum abgegrenzten Bühnenform verhalten. Die These für den ersten kulturhistorischen Untersuchungsabschnitt D (1) lautet: Der in der Comedi- und Tragedi-Produktion vollzogene Aneignungsprozess der poetologischen Techniken findet in der festen Bühnenform die notwendige Grenze zum Publikum, um mittels Sukzession und Konzentration eine geschlossene Handlungskonstruktion mit fiktiver Spielrealität aufführbar zu machen. Der Monolog sichert das Verständnis der Rezipienten für den Fortgang der Handlung. Der zweite kulturhistorische Abschnitt greift die zwischen Autor und Rezipienten wechselseitig vermittelten Konventionen und Codes auf. Das Fastnachtspiel wird in eine vergleichende Untersuchung einbezogen, mit der die Mehrfachbearbeitungen desselben Stoffes - das Kälberbrüten - analysiert werden: Als Meisterlied, Spruchgedicht und Fastnachtspiel. Gefragt wird, in welcher Weise Sachs unterschiedliche mediale Vermittlungsformen und Rezipientengruppen bediente und welche Funktionen dem literalisierten Fastnachtspiel dabei zukommen. Die These für Untersuchungsabschnitt D (2) lautet: Die Literarisierung des Fastnachtspiels gewinnt ihre kulturelle Bedeutung zusätzlich zur Vermittlung von Stoffen aus der gelehrten Bildungstradition an ein bildungsferneres Publikum aus der Einübung davon abgelöster, auf Stoffe einfacherer volkssprachlicher Gattungen projizierter literarischer Verfahrensweisen. Neben die Übereinstimmungen in den tugendethischen Konzeptionen mit der humanistischen Gelehrtenkultur tritt die produktive Rezeption literarischer Verfahrensweisen, mit der der poetologisch kompetente Autor auch die Rezeptionskompetenz seines Publikums schult. <?page no="16"?> 16 1 Einleitung Ausgehend von einer Typologisierung der Monologfunktionen wird somit in dieser Untersuchung anhand der Aneignung und der Anwendung des Monologs als wesentliches Signum der Literarisierung des Fastnachtspiels ein Prozess rekonstruiert, der Teil einer literalen Strategie und damit auch eines Autorschaftsbildes wird, bei dem der Autor neben der Stoffvermittlung auch eine Formvermittlung im Sinn hat. Dokumentiert wird eine sicher nicht hochkomplexe, aber doch als solche identifizierbare verfahrenstechnische Humanismusrezeption durch Sachs, mit der er sich in der Spannungssituation eines ‚hypoliteralen‘ Publikums zwischen Oralität und Literalität auch als ‚medialer Übersetzer‘ gelehrter Literaturtraditionen in die Theatralität zeigt. Die phänomenologische Bestimmung des produktionspoetologischen Prozesses basiert auf der jeweiligen Textgestalt der Fastnachtspiele und macht den Aneigungsprozess einer Literaturtradition anhand des Einzelphänomens ‚Theatermonolog‘ greifbar. Die Analyse poetischer Techniken in Fastnachtspielen ist in älteren quellengeschichtlichen Untersuchungen, die alle drei Dramentypen in den Blick nehmen, und der bisherigen jüngeren Forschung, die sich auf die Dramentechnik in den Comedis und Tragedis einschließlich ihrer historischen Voraussetzungen fokussiert, ein Forschungsdesiderat geblieben, wenngleich es anschlussfähige Grundlagen gibt. 1.2 Forschungsstand zum Monolog und zur Dramentechnik von Hans Sachs Von der frühen Sachs-Forschung 12 des beginnenden 20. Jahrhunderts sind die Arbeiten von Eugen Geiger Hans Sachs als Dichter in seinen Fastnachtspielen im Verhältnis zu seinen Quellen betrachtet (1904), Erwin Roessler The soliloquy in German drama (1905) und Helene Fernau Der Monolog bei Hans Sachs (1922) zu besprechen. Leonhard Lier hebt zwar die Unterschiede innerhalb der dramatischen Gattungen hervor, führt aber nicht weiter aus, weshalb Sachs im Fastnachtspiel „dem Begriffe des Dramas näher“ gekommen ist, „als in seinen anderen dramatischen Werken.“ 13 Geigers Untersuchung nimmt sich zum Ziel, die Leistung von Sachs als Dramatiker darzulegen. Dafür vergleicht er die Fastnachtspiele, welche er als die 12 Eine Auseinandersetzung zur Forschung des 19. und frühen 20. Jahrhunderts findet sich bei Stuplich 1998, S. 11-15. Neueste Forschung konnte in dieser Arbeit nur bis 2015 berücksichtigt werden. 13 Lier 1889, S. 41. Vgl. auch Geiger 1904, S. 12. <?page no="17"?> 1.2 Forschungsstand zum Monolog und zur Dramentechnik von Hans Sachs 17 „dramatisch vorzüglichsten Produkte“ 14 sieht, mit deren Quellen. In ihnen habe Sachs das Wesen des Dramas erkannt, weil er Gefühle erst auf der Bühne entstehen lasse. Die Darstellung der Reflexe und des Wollens seien für das Drama ebenso entscheidend wie die Motivation, nach der Katastrophe zu einem schnellen Ende zu finden, bewusste Spannungserzeugung und die Darstellung der Figuren als Charaktere. 15 Einschränkend sei das Fehlen von theoretischen Kunstregeln der Dramatik, weshalb Geiger schlussfolgert, Sachs habe von keinem „wichtigeren Gesetz eine bewußte Ahnung“ 16 gehabt, so dass eine Dramentechnik nur in Anfängen zu finden sei. Die Funktion des Monologs sieht Geiger in der Ausarbeitung von Reflexen und Motivationen, weil es Sachs wichtig gewesen sei, „den Charakter der wichtigeren Personen wenigstens in Umrissen bekannt zu geben, und zwar am liebsten in einem Monologe.“ 17 Erwin Roessler behandelt in seiner Untersuchung zur Entwicklung des Monologs im deutschen Drama 18 alle drei dramatischen Gattungen. Sein Hauptaugenmerk liegt auf dem Expositionsmonolog, dessen einfachste Form bei Sachs und seinen Zeitgenossen zu finden sei, denen er eine unreife Technik unterstellt. 19 Der Monolog finde immer dann Verwendung, wenn Unklarheiten beseitigt werden müssten. Damit antworte der Autor auf mögliche Fragen, bevor sie entstehen könnten. Zusätzlich ersetze der Monolog die nicht vorhandene Szenerie und helfe dadurch dem Verständnis der Rezipienten. 20 Im Gegensatz zu den Vorgenannten hat einzig Helene Fernau dem Monolog bei Hans Sachs in den Tragedis, Comedis und Fastnachtspielen eine komplette Untersuchung gewidmet. Ihre Arbeit bildet den Grundstein für weitere Auseinandersetzungen auf der figurenbezogenen Ebene. Für sie unterscheiden sich die Monologe der Fastnachtspiele und der Tragedis und Comedis voneinander wegen der Handlungssphäre, der Ausdehnung der Handlung, dem Grundcharakter der Fabel und der äußeren Struktur der Stücke. 21 14 Geiger 1904, S. VI. 15 Vgl. Geiger 1904, besonders S. 36 ff., 79, 83, 291. 16 Geiger 1904, S. 213. 17 Geiger 1904, S. 335. 18 Zu Sachs vgl. Roessler 1915, S. 26-31. 19 Vgl. Roessler 1915, S. 12. 20 Vgl. Roessler 1915, S. 30. 21 Vgl. Fernau 1922, S. 6. Die Unterschiede in der Handlungssphäre sieht Fernau darin, dass das Fastnachtspiel bäuerlich / bürgerlich und das Schauspiel fürstlich / biblisch ist; die Ausdehnung der Handlung ist im Fastnachtspiel kurz und im Schauspiel lang; der Grundcharakter der Fabel ist im Fastnachtspiel derb / komisch und im Schauspiel tragisch / ernst; die Struktur der Stücke zeichnet sich im Fastnachtspiel durch Szeneneinteilung und im Schauspiel durch Akteinteilung aus. <?page no="18"?> 18 1 Einleitung Ihr grundsätzlicher Ansatz, den Monolog nach Funktionen zu ordnen, wird auch in der vorliegenden Arbeit - allerdings mit Änderungen - übernommen. Fernau unterscheidet technisch bedingte und auf die Handlung bezogene Monologe. Für die Handlung nennt sie acht Typen: Anfangsmonolog, Schlussmonolog, Selbsteinführungsmonolog, Berichtmonolog, Offenbarungsmonolog, Reflexionsmonolog, Affektmonolog und Entschlussmonolog. 22 Die technisch bedingten lassen sich auf drei Typen eingrenzen: Eckmonolog, Brückenmonolog und Verknüpfungsmonolog. Mit Blick auf handlungsbezogene Monologe bemerkt Fernau richtig, dass sich die wenigsten auf eine Funktion reduzieren ließen, so etwa der Berichtmonolog, der „immer in eine Reflexion über die eigene Lage, einen Affekt oder einen Entschluss“ 23 übergehe. Der letzte Teil von Fernaus Untersuchung widmet sich der Frage, ob Sachs den Monolog aus anderen dramatischen Vorlagen entlehnt haben könnte. Zur Beantwortung bezieht sie sich sodann allein auf die Tragedis und Comedis der Jahre 1527-1531 und kommt zu dem Ergebnis, dass Sachs, abgesehen vom Eckmonolog, den sie auf Reuchlin zurückführt, bei allen anderen Monologtypen in Gestaltung und Anwendung selbstständig gewesen sei. 24 Nur mit Einschränkungen sieht Fernau den Monolog als Teil einer Dramentechnik. Für sie ist das Vorhandensein der technisch bedingten Monologe ein Zeugnis der „noch unentwickelten Dramentechnik“ 25 . Zwar vermag sie, wie schon Geiger und Roessler, damit verschiedene Funktionen der Monologe herauszuarbeiten, nicht aber diese in eine literarische Tradition zu stellen, obwohl sie, im Gegensatz zu früheren Untersuchungen, den Bezug zu Reuchlin erkennt. Eckehard Catholy widmet sich in drei Arbeiten der Entwicklung der Gattung Fastnachtspiel. Die Besonderheit der Fastnachtspiele von Hans Sachs sei ihre „geschlossene dramatische Struktur“ 26 , die sie in die Nähe des Lustspiels rückten. Allerdings habe Sachs auch hier keine „klare Vorstellung vom Wesen des Dramas“ 27 gewonnen. Es existiere kein „übergeordnetes Abstractum ‚Drama‘“. 28 Weil Catholy eine bruchlose Entwicklung vom vorreformatorischen Fastnachtspiel zu dem von Sachs erkennen will, verortet er es eher beim Schwank und 22 Zu den verschiedenen Monologtypen vgl. Teil A, Kapitel 2.1. 23 Fernau 1922, S. 13. 24 Vgl. Fernau 1922, S. 67. 25 Fernau 1922, S. 57. Auch die Berichtmonologe werden von ihr als Notbehelfe aufgrund mangelnder Technik angesehen. 26 Catholy 1966, S. 3. Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist seine Arbeit von 1961. 27 Catholy 1966, S. 51. In gleicher Weise argumentiert Lier 1889, S. 41. 28 Catholy 1966, S. 53. <?page no="19"?> 1.2 Forschungsstand zum Monolog und zur Dramentechnik von Hans Sachs 19 Dialog als bei den Tragedis und Comedis. Die Fastnachtspiele und Schwänke stünden mehr in der mittelalterlichen, die Comedis und Tragedis hingegen in der humanistisch-gelehrten Tradition. 29 Zum Monolog meint Catholy, dass die Eingangsrede, die im vorreformatorischen Fastnachtspiel vom Praecursor gesprochen wurde, bei Sachs „zu einem echten Monolog innerhalb der Handlung [wird], der außerdem oft eine dramaturgische Funktion hat: Exposition, Spannungserregung etc.“ 30 Die Beziehung zwischen Publikum und Schauspielern sei nicht so eng verwoben wie im 15. Jahrhundert; im Gegenteil: Die Monologe innerhalb der Handlung bewirkten ein Trennung von Publikum und Spiel, womit Sachs versucht habe, die Realitätsfiktion zu festigen. 31 Könneker schließt sich weitgehend Catholy an. 32 Neu in ihrer Arbeit ist die Unterteilung der Fastnachtspiele in drei Gruppen: 1. Spiele mit betont lehrhaftem Charakter, 2. Spiele mit realistischem zumeist schwankhaftem Inhalt und 3. Gestaltung von Szenen aus dem alltäglichen Leben. 33 Dabei folgt sie nicht Catholys Abgrenzung zu den Comedis und Tragedis, sondern hebt vielmehr deren Gemeinsamkeiten hervor. Die Fastnachtspiele der zweiten Gruppe wiesen „formal und aufbautechnisch ähnliche Charakteristika wie die Sachsschen Komödien und Tragödien“ 34 auf und die der dritten Gruppe wiesen eine „vollkommene Gestaltung des dramatischen Spiels“ 35 auf, weil sich Sachs hier auf eine einzige Situation beschränke und so die Einheit von Zeit und Ort wahre, womit er eine Geschlossenheit der Darstellung erreiche. Zur Dramentechnik äußert sich Könneker nur in Bezug auf die Tragedis und Comedis. Ihre Entwicklung teilt sie in drei Epochen auf, wobei sie für die zweite Epoche, die sie von 1545-1556 ansetzt, eine vollständige Ausbildung seiner „eigentümliche[n] dramatische[n] Technik“ 36 feststellt. Erst nachfolgende Arbeiten untersuchen die Dramentechnik, gehen hierbei aber nicht auf das Fastnachtspiel ein. Eine Ausnahme ist hier die Untersuchung von Ingeborg Glier, die den Stellenwert der Fastnachtspiele nur im „Verband der an- 29 Catholy 1966, S. 53. Wuttke 2006, S. 456, zufolge sind die Fastnachtspiele von Sachs dramatischer angelegt als die des 15. Jahrhunderts, weil Sachs viele Anregungen für seine Spiele aus der mittelalterlichen Versnovellistik nahm. Aus dieser Gattung soll sich „der Sinn, für das, was wir heute ‚Dramatik‘ nennen“, entwickelt haben. 30 Catholy 1966, S. 54. 31 Vgl. Catholy 1966, S. 55 f. 32 Könneker 1971. 33 Vgl. Könneker 1971, S. 63 ff. 34 Könneker 1971, S. 65. 35 Könneker 1971, S. 66. 36 Könneker 1971, S. 52. <?page no="20"?> 20 1 Einleitung deren Spieltypen“ 37 beurteilt. Nach Glier könne Sachs für alle drei Dramengattungen eine „eigenständige Poetik“ 38 für sich reklamieren. Er gehe konsequenter als seine Zeitgenossen und nachvollziehbar mit den Bezeichnungen Fastnachtspiel, Tragedi und Comedi um, weil sie auf einer „Reihe von normativen Zielvorstellungen“ 39 gründeten. Das Fastnachtspiel sei hiervon am stärksten geprägt, während die Comedi in Richtung Tragedi und Fastnachtspiel am durchlässigsten sei. 40 Die Funktion der dramatischen Werke sei letztlich „Gebrauchskunst“ 41 . Florentina Dietrich-Bader weist in ihrer Arbeit zur dramatischen Bauform vom 16. Jahrhundert bis zur Frühaufklärung an Sachs und Wickram die ‚nichtaristotelische‘ Dramatik des 16. Jahrhunderts mit dem hohen Grad an Tendenzdichtung nach. 42 Dafür bezieht sie sich auf Spieltexte und Brechts Schriften zum epischen Theater, dem der Begriff ‚nicht-aristotelische Dramatik‘ zuzuschreiben ist. Wenn Niklas Holzberg dazu bemerkt, „daß die Verfasserin mit ihrer vordergründigen Analogie zwischen Brecht und der Dramatik des 16. Jahrhunderts deutlich Gefahr läuft, unter umgekehrten Vorzeichen denselben Fehler zu begehen wie die ältere Forschung, nämlich die Dramen einer vergangenen Epoche am Theatergeschmack der eigenen Zeit zu messen“, 43 so ist dem nur zuzustimmen. Die dramatische Technik von Sachs analysiert Dietrich-Bader anhand von punktuell ausgewählten Schauspielsequenzen. Ob sie dabei die Fastnachtspiele mit einbezieht, ist unklar, weil sie sie nicht explizit von anderen Formen abgrenzt. 44 Vorherrschend für die Dramentechnik, so Dietrich-Bader, sei die „Nutzanwendung für das tägliche Leben“, an der sowohl die Ansprachen an die Rezipienten in Prolog und Epilog als auch die Auswahl des Stoffes und seiner Handlung ausgerichtet seien. 45 Vor dem Hintergrund, dass der Stoff „nur Veranschaulichung für die Moraltheorie der Autoren“ 46 sei, müssen auch ihre Ausführungen zur Gliederung der Spielhandlung gesehen werden. Dietrich- Baders richtige Feststellungen, dass im Drama von Sachs und Wickram die Fi- 37 Glier 1971, S. 236. 38 Glier 1971, S. 236. 39 Glier 1971, S. 236. 40 Vgl. Glier 1971, S. 237. 41 Glier 1971, S. 241. 42 Vgl. Dietrich-Bader 1972, S. 15-20. 43 Holzberg 1979, S. 111. Zur weiteren kritischen Auseinandersetzung mit Dietrich-Bader vgl. Holzberg 1979, S. 122 ff. und Stuplich 1998, S. 15 f. 44 Vgl. Dietrich-Bader 1972, S. 35 Fn. 24, in der sie Tragedis, Comedis und Fastnachtspiele zusammenfasst. 45 Dietrich-Bader 1972, S. 42: „Der grosse Motivkreis, der den Dramatikern des 16. Jahrhunderts durch die Edition antiker Autoren neu eröffnet ist, wird nicht so sehr als Erweiterung des Problemkreises empfunden und ausgenützt, denn als dramatische Variationen zu einem von der bürgerlichen Ideologie scharf begrenzten Moralkodex verwendet.“ 46 Dietrich-Bader 1972, S. 48. <?page no="21"?> 1.2 Forschungsstand zum Monolog und zur Dramentechnik von Hans Sachs 21 guren es sind, die große Teile der Handlung erzählen, kulminieren jedoch in der Brechtschen Auslegung, dass „durch das Ausschalten visueller Hilfsmittel einer Lähmung der Ratio entgegengearbeitet wird, [was] die besten Voraussetzungen dafür [sind], dass sich der rationale Charakter auf die gesamte Ausgestaltung des stofflichen Vorwurfs ausdehnen kann.“ 47 Damit liegt Dietrich-Baders Arbeit ein Fehlschluss zugrunde, der es nahezu unmöglich macht, ihre durchaus richtigen Ansätze zur Gliederung der Handlung 48 und zum lehrhaften Gehalt der Dichtung weiterführend zu verwenden. Allein die Dramentechnik sich zum Untersuchungsgegenstand nehmend, bewerten die Arbeiten von Helmut Krause und Dorothea Klein den Zusammenhang von Lehre und Technik entgegengesetzt. Während nach Krause die Technik zum Verständnis der abschließenden Lehre beitrage, sieht Klein die Lehre losgelöst von der Dramenhandlung. Nach Krause ist für Sachs das Theater ein Medium der Gesellschaftslehre. Der hierfür erforderlichen rationalen Bewusstseinshaltung entspreche eine rationale Dramaturgie. 49 Im Zentrum aller dramaturgischen Überlegungen stehe der Zuschauer, auf den alle dramentechnischen Überlegungen verwiesen; 50 so auch der Monolog, der eine „Zusammenfassung vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Geschehens“ 51 sei. Mit der Einfügung der Lehre in den Monolog und damit in die Handlung werde „der Zuschauer durch die Zusammenfassung des vorangegangenen Spielgeschehens zu einer kritischen Reflexion desselben angehalten“, soll aber auch „durch den so gewonnen Kausalzusammenhang und 47 Dietrich-Bader 1972, S. 100 f. 48 Relevant erscheint vor allem die Unterscheidung von Sachs’ Prinzipien der Akteinteilung. Dabei führt Dietrich-Bader drei Unterschiede im Aktprinzip auf: 1. Jede Episode ist ein Akt, wonach sich die Aktzahl erweitern oder verkleinern lassen kann. 2. Eine Mischform „zwischen kausaler und nicht-kausaler Verbindung, wo das Gesetz von Ursache und Wirkung über kürzere oder längere Strecken das Spielgeschehen bestimmt, daneben aber wiederholt Partien ein- oder angefügt sind, auch wenn keine zwingende Notwendigkeit dazu besteht.“ Dietrich-Bader 1972, S. 65. 3. Die Akte werden so eingeteilt, dass das, was nicht auf der Bühne darstellbar ist, in die Aktpause fällt. Vgl. Dietrich-Bader 1972, S. 68 ff. 49 Vgl. Krause 1979, S. 170. Diese ‚einsichtige Dramaturgie‘ zeigt sich im Handlungsaufbau „anfang, mittel und endt“, welcher gleichbedeutend mit der Darstellung von Ursache, Wirkung und Folge menschlicher Verhaltensweisen sei. Vgl. Krause 1979, S. 135. Mit dieser Ansicht knüpft Krause an die 1929 erschienene Arbeit von Hugo Beck an. Für Beck wird im Drama des 16. Jahrhunderts überhaupt kein Versuch unternommen, eine Kausalverknüpfung anzustreben, was jedoch die Voraussetzung für die innere Einheit des Dramas sei. Es finde eher eine Koordination verschiedener Einzelszenen statt. Dennoch vermittelten die Stücke den Eindruck einer gewissen Einheit. Vgl. Beck 1929, S. 75 f. 50 Vgl. Krause 1979, S. 153. 51 Krause 1979, S. 143. <?page no="22"?> 22 1 Einleitung die Andeutung kommenden Handlungsgeschehens zu einer distanzierten Beurteilung der folgenden Darstellung veranlasst werden.“ 52 Klein zufolge orientiert sich die dramatische Technik von Sachs formal am Humanistendrama. „Prolog und Argument, Botenbericht und Monolog als Möglichkeit von Standortbestimmung, die Aufteilung des dramatischen Gesamtgeschehens auf dargestellte und szenisch ausgesparte Handlungsteile, das Nacheinander von Schauplätzen und Aktgrenzen“ seien jene dramaturgischen Mittel, die Sachs verwende und „mit denen die Humanisten bei ihren theatralischen Versuchen operierten.“ 53 Die formale Trennung von einem erzählenden und einem deutenden Teil sei, so Klein, die eigentliche Dramentechnik. Diese Zweiteilung finde sich sowohl in den Meisterliedern, Spruchgedichten und Fabeln als auch in den Fastnachtspielen, Comedis und Tragedis. Delectare und prodesse verteilten sich auf Hauptteil und Epilog, wobei die Freude dem Spielgeschehen und die Lehre dem Epilog zugerechnet werde. 54 Anhand der von Klein vorgenommenen Analyse werden zwei Bearbeitungstechniken sichtbar: 55 Handelt es sich um eine längere Prosavorlage, kürze Sachs die Handlung auf die wichtigsten Momente der Erzählung zusammen, so dass das Drama „eine versifizierte Paraphrase in groben und gröbsten Zügen“ 56 ist. Handelt es sich bei der Vorlage jedoch um eine kurze Passage, zum Beispiel aus der Bibel, dann diene diese als „Kern, um den sich ausschmückende, erläuternde oder verdeutlichende Passagen anlagern.“ 57 Dabei werden einfache Feststellungen oder Andeutungen aus der Vorlage zu langen Monologen, die Gefühle und Gedanken der Figuren zeigen. In beiden Vorlagen-Typen gehe es darum, die Vorlagen „genau nachzuerzählen und gleichzeitig den Gegebenheiten des Dramas, seiner Ökonomie, Rechnung zu tragen.“ 58 Gegen die Arbeiten von Krause und Klein hat Brigitte Stuplich eingewendet, dass nicht die Dramentechnik insgesamt, sondern nur ein Aspekt betrachtet werde. 59 Dagegen sei es ihr Anspruch, für „das Drama konstituierende Merkmale zu untersuchen“ und „Sachsens eigenständige Dramentechnik herauszuar- 52 Krause 1979, S. 145. Zu Krause vgl. Stuplich 1998, S. 16 ff., und Holzberg 1979, S. 111 ff. 53 Klein 1988, S. 116. 54 Vgl. Klein 1988, bspw. S. 139. Die Problematik des Ansatzes von Klein zeigt Holzberg 1992. 55 Es handelt sich um Melusine (KG XII, S. 526-564), Tristan (KG XII, S. 142-186) und Thamar (KG X, S. 342-364). 56 Klein 1988, S. 60. 57 Klein 1988, S. 74. 58 Klein 1988, S. 91. 59 Vgl. Stuplich 1998, S. 18. <?page no="23"?> 1.2 Forschungsstand zum Monolog und zur Dramentechnik von Hans Sachs 23 beiten“. 60 Stuplichs dreiteilige Arbeit ist die neueste und zugleich ausführlichste Untersuchung zur Dramentechnik der Tragedis und Comedis. Im ersten Teil ordnet sie diese u. a. im Verhältnis zum Humanistendrama und Fastnachtspiel ein. Anders als die hier vertretene These, wonach Sachs mit der produktiven Rezeption des Humanistendramas seine poetologische Kompetenz erlangte, kommt Stuplich dabei zu dem Ergebnis, dass Sachs trotz einiger Adaptationen die Struktur und Technik der Vorlagen nicht übernommen, sondern mit seinen eigenen dramentechnischen Mitteln umgesetzt habe. 61 In ihren Ausführungen zum Fastnachtspiel bezieht sich Stuplich grundsätzlich auf Catholy, stellt im Gegensatz zu ihm aber fest, dass „Sachs in seinen Fastnachtspielen dramentechnische Mittel einsetzt, die wir auch in seinen Dramen finden“ und es somit eine gewisse „Durchlässigkeit der einzelnen Gattungen“ 62 gebe. Außerdem „sei ein Einfluß seitens der Dramen auf das Fastnachtspiel möglich“ 63 , weil erst in den 1550er Jahren die rege Fastnachtspielproduktion eingesetzt habe und die meisten Fastnachtspiele somit in einer Zeit entstanden seien, in der Sachs bereits Erfahrungen als Dramenautor besessen habe. Im zweiten Abschnitt behandelt Stuplich die Grundlagen der Dramentechnik. Neben der Strukturierung geht sie auf die Aufführungstechnik, die Figuren- und Handlungskonzeption und die Kommunikation, d. h. Monolog und Dialog, ein. Ihre Ausführungen zum Monolog bauen auf einer Auseinandersetzung mit der Arbeit Fernaus und dem Ansatz von Pfister, der Monologe in aktionale und nicht-aktionale unterteilt, auf. Hier, wie bei Stuplichs Unterscheidung des Monologs in die drei Ebenen szenische Struktur, Handlungsstruktur und Figurenkonzeption, folgt ihr die vorliegende Untersuchung. 64 Stuplichs grundlegende These, dass Sachs schon früh seinen eigenen technischen Stil gefunden hat, untermauert sie im dritten Abschnitt mit sechs ausführlichen Einzelanalysen, wovon Lucretia , Monechmo und Concretus in dieser Arbeit ebenfalls, allerdings mit Fokus auf den Monolog, untersucht werden. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Fastnachtspiele in den vergangenen Jahrzehnten aus dem Fokus der Forschung gerieten, weil sie sich auf die historisch innovativen Potentiale der Comedis und Tragedis konzentrierte. Die Literarisierung des Fastnachtspiels, die Catholy in groben Zügen 60 Stuplich 1998, S. 20. 61 Vgl. Stuplich 1998, S. 55-69, insbesondere die Analyse des Judicium Paridis , S. 64-69. 62 Stuplich 1998, S. 92. Bei dem untersuchten Fastnachtspiel handelt es sich um G 71 Zweyer philosophen disputation von dem ehstand, ob besser sey ledig zu bleiben oder zu heyraten ainen weisen mann . 63 Stuplich 1998, S. 94. 64 Zu den Ebenen des Monologs bei Stuplich vgl. Stuplich 1998, S. 153-173. <?page no="24"?> 24 1 Einleitung charakterisierte, einschließlich ihrer historischen Voraussetzungen bedarf nach wie vor einer Beschreibung. Die jüngeren Untersuchungen zu den Comedis und Tragedis liefern dafür eine brauchbare Grundlage, weil sie die historischen Horizonte der dramentechnischen Kompetenzen von Hans Sachs in der teils durch Übersetzungen vermittelten Rezeption antiker und neulateinischer Dramen freigelegt haben. Die untersuchungsleitende These, dass Sachs seine poetologische Kompetenz aus der humanistischen Gelehrtenkultur erlangt hat, setzt die Durchlässigkeit der Dramengattungen voraus. Weil Stuplichs Arbeit die Dramentechnik an ein Strukturierungsprinzip des Stoffes nach Handlungseinheiten bindet und so die Darstellung der Relation von Kommunikation und Figur für die Handlungsentwicklung aufzeigen kann, 65 ist sie für dieses Unterfangen eine geeignete Grundlage. 65 Vgl. Stuplich 1998, S. 20 f. <?page no="25"?> 1.2 Forschungsstand zum Monolog und zur Dramentechnik von Hans Sachs 25 2 Monolog Die Dramenforschung gebraucht den Begriff Monolog in unterschiedlichen Bedeutungen, 1 die sich aus der Abgrenzung zum Dialog erklären, weil sich bei unscharfer Definition dialogische Passagen als monologisch werten lassen. Obwohl von seinem griechischen Wortursprung her Monolog ‚Alleinrede‘ bedeutet, 2 muss ein Monolog in gewissem Sinne immer dialogisch sein, damit er überhaupt gehört werden kann. Deshalb geht mit dem Monolog im Drama immer eine ausgesprochene Künstlichkeit einher. Die von Pfister erarbeiteten Kategorien des inneren und äußeren Kommunikationssystems ermöglichen eine genaue Zuordnung für den Grad der Dialogisierung, den Monologe aufweisen können. 3 Dass ein Monolog im äußeren Kommunikationssystem einen Ansprechpartner - den Rezipienten - hat, bedeutet nicht zwingend, dass dieser direkt angesprochen wird. Eine direkte Adressierung des Publikums findet sich im vorreformatorischen Fastnachtspiel. Die ad spectatores gerichteten Reden sind appellativ und konstituieren ein Gegenüber, bei dem das reale oder ein fiktives Publikum gemeint sein kann. Kennzeichnend ist die herbeigeführte Entwicklung semantischer Kontexte, eine zumindest potenzielle Eröffnung der Relation von Rede und Gegenrede. Mit der Wendung an ein Publikum verlässt die Figur die innere Spielebene, womit die Aufgabe der für den Monolog konstitutiven Selbst-Adressierung einhergeht. 4 Dabei handelt es sich für die vorliegende Untersuchung um 1 Grundsätzlich ist Hirsh 2003, S. 18, zuzustimmen, dass es in der Entwicklung und Anwendung von Monologen seit der Antike, jeweils zeitgebunden, dominante Ausprägungsformen und Moden bzw. Vorlieben sowie strukturierende Verständnisweisen für die Codes und Konventionen gegeben hat, so dass es unumgänglich ist, ein durch moderne Sichtweisen geprägtes Vorverständnis bei der Analyse von Monologen kritisch zu hinterfragen und historische Bezüge zu beachten. 2 Asmuth 2001, Sp. 1458. 3 Vgl. Pfister 2001, S. 20 f. 4 Ob es sich bei der Wendung an das Publikum noch um einen Monolog handelt, ist in der Forschung umstritten. Pfister 2001, S. 185, sieht zwar „das situative Kriterium des Monologs erfüllt, da sich der Sprecher ja an kein Gegenüber auf der Bühne richtet, […] jedoch das innere Kommunikationssystem [verlässt] und […] in seinem ad spectatores ein episch vermittelndes Kommunikationssystem“ etabliert. Es findet demzufolge eine „Dialogisierung des Monologs“ statt. Ebenso argumentiert Winds 1920, S. 7, der eine Wendung an das Publikum als „dialogisch“ bezeichnet, sobald eine „kommunikative Tendenz des Sprechenden“ vorliegt. Für Roessler 1915, S. 21, sind Monologe, die sich direkt ans Publikum wenden, keine Monologe. Beck 1929, S. 137, sieht dagegen in allen Monologen <?page no="26"?> 26 2 Monolog ein definitorisches Ausschlusskriterium, weshalb eine weitergehende Betrachtung der ad spectatores -gerichteten Reden hier unterbleibt. 5 Das steht nicht im Widerspruch zu der Aussage, dass Monologe immer an ein Gegenüber gerichtet sind. Auch wenn Monologe nicht ohne Adressierung an ein äußeres Kommunikationssystem zu denken sind, so bleibt doch die monologisierende Figur mit ihrer Rede in der inneren Spielrealität. Der Gegensatz zwischen Dialog und Monolog innerhalb der Spielrealität lässt sich mit dem situativen und strukturellen Differenzkriterium überwinden. Das situative Kriterium kennzeichnet eine Figurenrede, die, als ein „Sprechen im Zustand des Alleinseins“, an kein Gegenüber auf der Bühne gerichtet ist und somit die „Einsamkeit des Sprechers“ 6 voraussetzt. Das strukturelle Kriterium bezieht sich auf Umfang und Geschlossenheit einer Replik, wonach sich längere Solo-Reden auch als Monolog bezeichnen lassen. 7 Die englische Terminologie bietet für diese unterschiedlichen Konzeptionen von Monolog die beiden Begriffe monologue und soliloquy 8 : monologue is distinguished from one side of a dialogue by its length and relative completeness, and from the soliloquy […] by the fact that it is addressed to someone. […] A soliloquy is spoken by one person that is alone or acts as though he were alone. It is a kind of talking to oneself, not intended to affect others. 9 Monolog als soliloquy ist das Konzept, welches der weiteren Darstellung zugrunde liegt. Ihm entspricht der Monologtyp self-addressed speech , den Hirsh eine mittelbare oder unmittelbare Hinwendung an das Publikum. Fernau 1922, S. 7, meint in Bezug auf das Fastnachtspiel, dass die Wendung an das Publikum „die primitivste Art des Monologes“ sei. 5 Als Reden ad spectatores sind neben der Wendung an die Zuschauer im Verlauf der Handlung - z. B. im Spiel G 19, vv. 38-46 - vor allem die Anfangsreden der frühen und auch einiger späterer Fastnachtspiele von Sachs zu nennen. Diese Spiele stehen in der Tradition der Fastnachtspiele des 15. Jahrhunderts und enden auch mit der traditionellen Schlussrede an das Publikum. Eine Wendung ad spectatores in Schlussreden ist eine von Sachs im gesamten Textcorpus gewählte Form, um eine Lehre oder Moral appellativ zu präsentieren. Jedoch ist auf der Grundlage der Betrachtung aller Epiloge in den Fastnachtspielen von Sachs mit Fernau festzustellen, dass der ganz überwiegende Teil keinen abgesetzten Epilog in traditioneller Form früher Fastnachtspiele aufweist, sondern ein Dialog das Stück beschließt oder zumindest die Hauptpersonen am Ende sprechen, etwa als Klage der Geprellten oder Schadenfreude des Intriganten. Vgl. zusammenfassend Fernau 1922, S. 7-11. 6 Asmuth 2001, Sp. 1458. 7 Vgl. Pfister 2001, S. 180. 8 Der Begriff soliloquy geht auf Augustinus zurück und stammt von soliloquium , einem Kompositium aus solus (allein) und logos (Rede). Ursprünglich meinten also monologue und soliloquy dasselbe: Eine Alleinrede. Vgl. Roessler 1915, S. 2. 9 Shipley 1972, S. 272 f. Vgl. Pfister 2001, S. 180. <?page no="27"?> 2 Monolog 27 wie folgt bestimmt: „The character is unaware of playgoers and speaks only to himself.“ 10 Voraussetzung für einen solchen Monolog im Drama ist die unausgesprochene Übereinkunft zwischen Rezipient und Autor, dass einerseits eine Dramenfigur laut denkt und dabei mit sich selbst spricht, andererseits solches Verhalten nicht pathologisch ist. Der Monolog ist folglich eine theatrale Konvention, deren Darstellungs- und Verständnisweisen bei Autor, Darsteller und Publikum vorausgesetzt werden müssen. 11 Die Konvention erhält ihre Berechtigung aus den zu erfüllenden Funktionen, die in narrativen Texten das vermittelnde Kommunikationssystem des Erzählers übernimmt, während das Drama auf Figuren als sprechende Subjekte rekurriert: „Daher kann der Monolog als eine Konvention betrachtet werden, die die Abwesenheit dieses vermittelnden Kommunikationssystems im Drama kompensieren soll.“ 12 10 Hirsh 2003, S. 13. Hirsh nennt darüber hinaus zwei weitere Monologtypen: 1. audienceadressed-speech , womit er die Rede ad spectatores meint und 2. interior monologue : „The words spoken by the actor do not represent words spoken by the character but rather represent words merely passing through the mind of the character.“ Hirsh 2003, S. 15. Bei letzterem soll es sich nicht um einen Monolog handeln, der dem Innenleben der Figuren im Sinne einer ‚Selbstbetrachtung‘ Ausdruck verleiht, sondern der ‚innere Monolog‘ repräsentiert einen stream of consciousness . Dieser Monologtyp ist streng von den beiden anderen abzugrenzen: Self-addressed und audience-addressed speeches kennzeichnet beide das outward behavior , der ‚innere Monolog‘ dagegen „represents purely internal experience“, Hirsh 2003, S. 14. Zum anderen ist er, so Hirsh, eine Schöpfung erst der Neuzeit. Das Ergebnis seiner historischen Untersuchungen fasst Hirsh 2003, S. 18, wie folgt zusammen: „I have not discovered any evidence that any soliloquy in any European play before the middle of the seventeenth century was designed as an interior monologue or was perceived as one by playgoers. Thus, before the middle of the seventeenth century there were only two kinds of soliloquies, audience address and self-address, both of which represented speeches by characters. The history of soliloquies until the end of the seventeenth century was a history of the alternation between these two as the dominant convention.“ 11 Vgl. Roessler 1915, S. 10. 12 Pfister 2001, S. 186. Betrachtet man nur den geschriebenen Text, so lässt sich, wenn auch nur begrenzt, der Nebentext als vermittelndes Kommunikationssystem sehen. „So klein und unbedeutend der Nebentext auch in dieser Art von Dramatik sein mag, er fungiert doch wie ein Erzählrahmen in narrativen Gattungen als ‚Manteltext‘, der den Haupttext umgibt.“ Korthals 2003, S. 112. Dazu weiterführend Tschauder 1991, S. 50-67. Für Muny 2008, S. 69 f., ist der Nebentext „genauso wie jede nichtfigurale Rede im epischen Text - auf den fiktionalen Erzähler zurückzurechnen“. Ebenfalls zum Nebentext Muny 2008, S. 12 und S. 68-74. Jahn 2001, S. 670, widmet sich, auf Chatman beziehend, dem Problem der erzählerischen Vermittlung: „Hence, functionally, the narrator is not so much the one who answers to Genette’s question ‚who speaks? ‘ or who betrays herself or himself by using the first-person pronoun but the agent who manages the exposition, who decides what is to be told (especially, from what point of view, and in what sequence), and what is to be left out.“ <?page no="28"?> 28 2 Monolog Als vorgängige Konvention des Dramas ist der Monolog Teil der Codes im äußeren, sekundären Kommunikationssystem, die die Kommunikation zwischen Autor und Rezipient bzw. zwischen Bühne und Publikum regeln. Das Selbstgespräch oder ‚laute Denken‘ der Figuren eines Dramas kann jedoch in Ausnahmefällen auch Teil der Informationsvergabe im inneren Kommunikationssystem, zwischen den dramatis personae, sein, etwa als Form des ‚belauschten‘ Monologs. Im Kern stellt jedoch auch diese Form ein Selbstgespräch dar, für das die Einsamkeit des Sprechers angenommen wird und das grundsätzlich nicht an andere gerichtet ist. 13 Für alle Monologe gilt die Annahme: Je mehr die referentielle Funktion einer narrativen Rede im äußeren Kommunikationssystem angesiedelt ist und je weniger die Rede in der inneren Spielebene motiviert erscheint, desto stärker baut sich eine epische Vermittlungsebene auf und desto intensiver empfindet sich das Publikum als primärer Rezipient der Rede. 14 So dienen bestimmte Monologtypen mehr noch als andere der Informationsvermittlung und können als ‚dramentechnische‘ Konventionen gelten, etwa zur Stückeröffnung oder der Präsentation einer ‚verdeckten Handlung‘. Grundsätzlich aber sind auch sie im inneren Kommunikationssystem verankert. Daneben lassen sich alle Selbstgespräche mit Pfister in aktionale und nicht-aktionale Monologe differenzieren. Sein Vorschlag einer Dichotomisierung als Ansatz zur Klassifizierung erfolgt in Bezug auf Handlung und Situation. Das Differenzkriterium ist dabei die Relation von Rede und Handlung. „In einem aktionalen Monolog vollzieht sich im Sprechen Handlung als Situationsveränderung“, 15 dies kann zum Beispiel das Entscheiden zwischen Handlungsalternativen oder auch die Aufhebung einer getroffenen Entscheidung sein. Aktionale Monologe haben die jeweilige dramatische Situation als Ausgangspunkt der Rede und entwickeln eine Handlungsankündigung oder Handlungsvorwegnahme. Dem gegenüber stehen Monologe, die in der Rede die gerade erreichte dramatische Situation thematisieren. Nicht-aktionale Monologe vermitteln zwar Handlung, in ihnen vollzieht sich diese indes nicht unmittelbar. 16 13 Vgl. Hirsh 2003, S. 16 f., sowie für die oft kommunikative Einbettung von ‚Selbstgesprächen‘ im antiken Drama Asmuth 2001, Sp. 1459. Das Kriterium für einen ‚belauschten Monolog‘ als soliloquy im Sinne der Definition ist, dass der Monologisierende nicht weiß, dass er belauscht wird. Eine nur ‚vorgetäuschte‘ einsame Rede mit sich selbst, etwa zum Zwecke der Irreführung von anderen Figuren, kann nicht als soliloquy (bzw. Monolog) bezeichnet werden. 14 Vgl. Pfister 2001, S. 153. 15 Pfister 2001, S. 190. 16 Vgl. Pfister 2001, S. 191. Vgl. Stuplich 1998, S. 167 ff. <?page no="29"?> 2.1 Typologie 29 Untergliedert werden müssen die nicht-aktionalen Monologe in kommentierende und informierende: Sie unterscheiden sich durch ihren unterschiedlichen Handlungsbezug, indem in informierenden Monologen dem Zuschauer Handlungen und Sachverhalte erst zur Kenntnis gebracht, während in kommentierenden Monologen eine dem Zuschauer bereits bekannte Handlung in figurenperspektivlicher Brechung gespiegelt wird. 17 Diese grundlegende Unterscheidung betrifft die textuelle, vom Autor intendierte Anlage von Monologen und nicht nur die bisher in den Mittelpunkt gerückten adressatenspezifischen, sondern auch inhaltsbezogenen Typisierungen. Insbesondere der nicht-aktionale Charakter ermöglicht es, ein eigentlich im Drama nicht vorhandenes vermittelndes Kommunikationssystem entstehen zu lassen. Es baut sich auf, „sobald die Reflexion und der Kommentar von der gegebenen dramatischen Funktion weitgehend abstrahieren und zur allgemeingültigen Maxime oder Sentenz gerinnen, oder wenn Reflexion und Kommentar den Bewusstseinsstand der Figur überschreiten.“ 18 Nicht-aktionale Monologe bieten dem Autor die Möglichkeit, nicht im Drama situierte Inhalte zu kommunizieren, möglicherweise gerade mittels der dem Monolog per Konvention ‚erlaubten‘ und funktional begründbaren epischen Formen der Rede. In der Auseinandersetzung mit den funktionalen Bezügen finden sich verschiedenste Formen der begrifflichen Klassifikation, wie sie in der folgenden Typologie vorgestellt werden. Alle diese Ansätze einer Klassifikation von Monologen betonen die inhaltstragende Seite der Rede. Jedoch überlagern sich Information, Kommentar und Handlungsvollzug in je eigener Weise. Die Spezifik der situativen Einbettung kann zudem von ‚technischen‘, d. h. strukturellgliedernden Funktionen des Monologs bestimmt oder mitbestimmt sein und ist daher bei jedem Monolog mit zu bedenken. 19 2.1 Typologie Die Arbeiten von Fernau, Krause und Stuplich haben gezeigt, dass das Ordnen und Kategorisieren von Monologen dort seine Grenze findet, wo eine einzige Zuschreibung alle Merkmale eines Monologs enthalten soll. 20 Pfisters Untertei- 17 Pfister 2001, S. 191. 18 Pfister 2001, S. 120; für den Expositionsmonolog oder die Mauerschau findet sich gemeinhin auch die Bezeichnung ‚epischer Monolog‘. 19 Vgl. Stuplich 1998, S. 18. 20 Stuplich 1998, S. 153 f. stellt fest, dass eine Typologie „unweigerlich in das Dilemma [führt], den Monolog als Organisationsform des Dramas und Verständnishilfe in Hin- <?page no="30"?> 30 2 Monolog lung in aktionale und nicht-aktionale Monologe ist dieser Unschärfe geschuldet und ist als Einordnung hilfreich. Sie umgeht das Problem insoweit, als hier die Einteilung der Monologe nicht mit Blick auf ihren Inhalt, sondern auf ihre Funktion hin erfolgt. Damit erfasst sie, vom Expositionsmonolog abgesehen, jede Monologform sowohl im szenischen Gefüge und als auch in Bezug auf die Handlung. Um alle Bereiche der Funktionen abdecken zu können, muss die kategoriale Ordnung auf unterschiedlichen Ebenen erfolgen. Eine erste Ebene betrifft die Position im szenischen Gefüge. Dem Monolog kommt hier eine strukturellgliedernde Funktion zu. Sie ist nicht handlungsbezogen, sondern erfasst die Gesamtstruktur bzw. die Szenen und Akte der Schauspiele und Fastnachtspiele, weshalb für sie auch keine Beispiele angegeben werden können. Gleichwohl ermöglicht dieses Klassifizierungsschema einen ersten Überblick über die Verteilung und Positionierung. Neben die strukturell-gliedernden treten handlungsbezogene Funktionen, die figurenspezifisch und auf der Ebene von Raum und Zeit zu klassifizieren sind. Auf der Ebene von Raum und Zeit sind es Funktionen, die nach dem Schema Vergangenheit-Gegenwart-Zukunft den Stand der Handlung in Beziehung zu Zeit und Raum setzen. 21 Tabellarischer Überblick: strukturell-gliedernde Funktionen handlungsbezogene Funktionen Zeit und Ort Figur Auftritt-Abgangs-Monolog Zukunft / proleptisch - zukunftsungewiss - zukunftsgewiss Entschluss Auftrittsmonolog - Zutrittsmonolog - Expositionsmonolog Vergangenheit / analeptisch - Zeitsprung Enthüllung blick auf die Handlung und die Figuren gleichzeitig betrachten zu müssen. Damit wird das Problem auch Sachsens Dramen betreffend deutlich: Monologe lassen sich als technische Mittel einsetzen, sie sind handlungsbezogen und in ihrer Darbietungsform unterschieden.“ 21 Stuplich klassifiziert die Monologe ähnlich, wenn sie die Ebenen ‚Monolog und szenische Struktur‘, ‚Monolog und Handlungsstruktur‘ und ‚Monolog und Figur‘ einführt. <?page no="31"?> 2.1 Typologie 31 Abgangsmonolog Gegenwart - Teichoskopie Reflexion Überbrückungsmonolog - Simultanmonolog Ort - Ortswechsel Selbstcharakterisierung Fremdcharakterisierung Affektdarstellung 2.1.1 Strukturell-gliedernde Funktionen Das Klassifizierungsschema für die funktionale Einordnung im szenischen Gefüge, nach dem eine vollständige Zuordnung aller Monologe stattfinden kann, geht grundlegend auf die Arbeit von Bruno Denzler Der Monolog bei Terenz zurück. Denzler benennt für die Differenzierung der Monologe im szenischen Gefüge fünf Monologtypen: Auftritt-Abgangs-Monolog, Auftritts-Monolog, Abgangs-Monolog, Übergangs-Monolog und Zutritts-Monolog. 22 Stuplich wählt einen ähnlichen Ansatz und unterteilt die Monologe nach Eingangsmonolog bzw. einleitendem Monolog, abschließendem Monolog, Überleitungsmonolog, Überbrückungsmonolog und Monolog als eigene Szene. 23 Diese Arbeit folgt den Klassifizierungsschemata von Denzler und Stuplich weitestgehend. Betritt eine Figur allein die Bühne und verlässt diese wieder, nachdem sie ihren Monolog gesprochen hat, handelt es sich um einen Auftritt-Abgangs-Monolog . Durch die Abgrenzung nach beiden Seiten mit einer leeren Bühne bildet er eine eigenständige Szene und ist „für den Zuschauer deutlich als selbständige Handlungseinheit erkennbar“. 24 Nachweisbar ist er in den Fastnachtspielen 66 und in den Schauspielen 113 Mal. Er dient häufig zur Darstellung eines Zeitsprungs oder eines für den Handlungsverlauf wichtigen, aber ohne Vollzug bleibenden 22 Vgl. Denzler 1968, S. 102. Fernau hat den Monologtyp Auftritt-Abgangs-Monolog in ihrer Arbeit nicht erwähnt. 23 Vgl. Stuplich 1998, S. 155-163. 24 Stuplich 1998, S. 163. <?page no="32"?> 32 2 Monolog Entschlusses. Wesentliches Merkmal des Auftritt-Abgangs-Monologs ist darum sein nicht-aktionaler Charakter. Der Auftrittsmonolog stellt im szenischen Gefüge einen weniger starken Bruch dar als der Auftritt-Abgangs-Monolog, weil er nicht nach beiden Seiten abgetrennt ist, sondern in einen Dialog übergehen kann. Er dient bevorzugt der Präsentation eher „undramatisch“ 25 gehaltener Inhalte und eignet sich darum besonders gut für Berichte. 26 Sachs lässt 30 Fastnachtspiele mit Monologen beginnen, die in der Regel expositorische Funktionen haben und in die Situation und Handlung einführen. Dieser Umstand rechtfertigt es, hier vom Expositionsmonolog zu sprechen. Zu beachten ist dabei jedoch, dass der Monolog „nie allein die Funktion der Exposition [erfüllt]. Das heißt umgekehrt, die Exposition besteht nie nur aus einem Monolog.“ 27 Daneben finden sich die Auftrittsmonologe zu Beginn eines Aktes oder einer Szene. Sie bieten die Möglichkeit, in Form einer Fremd- oder Selbstcharakterisierung neue Figuren einzuführen, in Form eines analeptischen Berichtes dramaturgisch relevante Informationen zu übermitteln, den Schauplatz zu etablieren oder einen Zeitsprung zu signalisieren. 28 Im Fastnachtspiel bildet der Auftrittsmonolog die mit 146 Nachweisen am häufigsten zu findende Monologart. Gleiches gilt für die Tragedis und Comedis, in denen Sachs 401 Auftrittsmonologe integriert. Im Vergleich zu den Fastnachtspielen beginnen weniger Schauspiele mit Monologen: Von den insgesamt 128 sind es 35 mit Monolog am Beginn. 29 Dies liegt möglicherweise am vorangehenden Prolog, dessen narrativer Gehalt eine Exposition mittels Monolog weniger notwendig macht als im Fastnachtspiel. Eine Variante des Auftrittsmonologs ist der Zutrittsmonolog. Die monologisierende Figur betritt die Bühne, auf der sich bereits eine Figur befindet. Die monologisierende Figur sieht in den meisten Fällen die andere Figur, wird selbst jedoch nicht bemerkt. Sachs verwendet diesen Monologtyp relativ selten. Die Mehrzahl hat Sachs aufrund der antiken und neulateinischen Dramenvorlagen in seine Schauspiele integriert. Während die Tragedis und Comedis 32 Zutritts- 25 Denzler 1968, S. 105. 26 Vgl. Denzler 1968, S. 84, 105; Stuplich 1998, S. 157, verwendet den Terminus ‚Eingangsmonolog‘. 27 Stuplich 1998, S. 156. 28 Vgl. Stuplich 1998, S. 155-158. 29 Die beiden Schauspiele Comedi mit 6 personen, der kampff mit fraw Armut unnd fraw Glück und Ein Comedi mit acht personen: Esopus, der fabeldichter werden sowohl als Fastnachtspiel als auch als Comedi bezeichnet und in dieser Arbeit zu den Fastnachtspielen gerechnet. Auch hier findet der Einstieg über einen Auftrittsmonolog statt. <?page no="33"?> 2.1 Typologie 33 monologe aufweisen, sind im Fastnachtspielkorpus lediglich 9 zu finden. Davon sind drei im Fastnachtspiel G 57, das auf einer Fastnachtspielvorlage beruht und im Anschluss analysiert werden soll, eingesetzt. 30 Der Abgangsmonolog bildet das Ende einer Szene oder das Ende des Fastnachtspiels, das, anders als die Schauspiele ohne Epilog endet. Der das Fastnachtspiel beschließende Monolog ist jedoch einem Epilog ähnlich, indem er in einigen Fällen das Publikum mit einbezieht, häufig mit Lehren aufwartet und in jedem Fall die Autorschaft von Sachs benennt. Anders als in den Schauspielen spricht den epiloghaften Abgangsmonolog immer ein Figur des Fastnachtspiels und nicht der Herold. Der Monologtyp Abgangsmonolog, der nicht das Fastnachtspiel beschließt, entsteht durch das vorzeitige Verlassen des Dialogpartners bzw. anderer Figuren. Der Monologisierende bleibt allein auf der Bühne zurück und beendet somit die Szene. 31 Der Abgangsmonolog fügt sich in den szenischen Fluss gut ein, weil er sich inhaltlich an das zuvor geführte Gespräch anschließt. 32 Das Verhältnis der Anzahl von Abgangsmonologen in den Fastnachtspielen und Schauspielen ist ähnlich dem Verhältnis von Auftrittsmonologen: In den Fastnachtspielen lassen sich 65 und in den Schauspielen 133 Abgangsmonologe finden, die damit weitaus weniger verwendet werden als die Auftrittsmonologe. 33 Eine weitere eigenständige strukturelle Funktion von Monologen ist die Überbrückung, die 70 Mal in Fastnachtspielen und 138 Mal in Schauspielen nachgewiesen werden kann. Der Überbrückungsmonolog „ist ein beidseitig verhaktes, gelenkartiges Überbrückungselement zur Ermöglichung durchgehender Bühnenhandlung“. 34 Stuplich unterscheidet zwei Typen von überleitenden Monologen: Zum einen spricht sie von ‚Überleitungsmonologen‘, wenn Monologe am Ende einer Szene stehen und auf die nächste vorbereiten. Zum anderen führt sie den Terminus ‚Überbrückungsmonolog‘ für Monologe ein, die im Inneren einer Szene angesiedelt sind und die rein technisch motiviert sein sollen: Der Zurückbleibende sei zum Monolog gezwungen, bis sein Gesprächspartner wie- 30 Siehe dazu Teil A, Kap. 2.2. 31 Vgl. Stuplich 1998, S. 158 f. 32 Vgl. Denzler 1968, S. 106. 33 Fernau 1922, S. 57 f., benutzt sowohl für den Auftrittsals auch den Abgangsmonolog zusätzlich den Terminus ‚Eckmonolog‘. Eckmonologe seien vor allem durch Ortswechsel sowie die damit verbundenen strukturellen Einschnitte in das szenische Gefüge bedingt und als wenig handlungsbezogen „aus äußeren Gründen, die mit der noch unterentwickelten Dramentechnik zusammenhängen, entstanden“. 34 Denzler 1968, S. 106, der diesen Monologtyp „Übergangs-Monolog“ nennt. <?page no="34"?> 34 2 Monolog der zurück sei. 35 Die Unterscheidung der beiden Monologtypen durch Stuplich trifft zwar zu, wird aber nicht benötigt. Wenn sich ein Monolog am Ende einer Szene befindet und es sich um seine Klassifizierung im szenischen Gefüge handelt, ist er ein Abgangsmonolog. Seine überleitende Funktion kommt entsprechend auf der handlungsbezogenen Ebene zum Tragen. Bei den von Stuplich als Überbrückungsmonologe bezeichneten Typen handelt es sich hingegen um strukturell-gliedernde Monologe, weil in der Regel ein von Stuplich als Überbrückungsmonolog bezeichnetes Selbstgespräch thematisch-inhaltlich an den vorhergehenden Dialog anschließt, zugleich aber in einen neuen Szenengehalt einführt. Wenn der Dialogpartner des Monologisierenden abtritt, um verdeckt im Off eine Handlung zu vollziehen und im Anschluss an den Monolog wieder aufzutreten, leitet der Monolog nicht in eine neue Szene über, sondern überbrückt den Abgang des Dialogpartners. Eine Sonderform des Überbrückungsmonologes ist die simultane Variante. Im Simultanmonolog „monologisiert ein Sprecher ohne direkten Adressaten, aber in Anwesenheit anderer Spieler, ohne jedoch von diesen registriert zu werden“, 36 d. h. der Monologisierende befindet sich nicht allein auf der Bühne. Im Fall des Zutritts zu Beginn der Szene kann der Zutrittsmonolog darum auch als simultane Monologform gewertet werden. Seine Stellung im Szenengefüge spricht jedoch eher dafür, ihn als gesonderte Form des Auftrittsmonologs zu klassifizieren. Während der Simultanmonolog in den Schauspielen 25 Mal vertreten ist, findet er sich in den Fastnachtspielen nur 2 Mal. 2.1.2 Handlungsbezogene Funktionen Die handlungsbezogenen Funktionen, die Zeit und Ort zum Gegenstand haben, sind an dem auf strukturellen Prinzipien basierenden Ansatz von Manfred Pfister, erweitert um die Terminologie von Gérard Genette 37 , orientiert. Zusätzlich ist es notwendig, das auf figurenspezifische Funktionen orientierte Klassifizierungsschema von Fernau heranzuziehen, um ein rein auf den jewei- 35 Vgl. Stuplich 1998, S. 159 ff. Fernau 1922, S. 60, differenziert Monologe, die innerhalb einer Szene angesiedelt sind, und zwischen zwei Dialogen stehen, als ‚Brückenmonolog‘ und ‚Verknüpfungsmonolog‘. Ihre Überleitungsfunktion resultiert zum einen daraus, dass einer der Dialogpartner kurz abgeht und dann wiederkommt - durch den Monolog wird eine leere Bühne oder bloßes sprachloses Warten vermieden; das Schema des Brückenmonologs ist: (Dialog A-B) - (B ab ) - (Monolog A) - (B auf ) - (Dialog A-B). Zum anderen wird durch den Verknüpfungsmonolog erreicht, dass eine Szene unter der Bedingung, dass sich einzelne Figuren als Dialogpartner nicht begegnen, fortgeführt werden kann: (Dialog A-B) - (B ab ) - (Monolog A) - (C auf ) - (Dialog A-C). 36 Stuplich 1998, S. 161. 37 Vgl. Genette 2010. <?page no="35"?> 2.1 Typologie 35 ligen Monolog ausgerichtetes Begriffsinventar bereitzustellen, das ohne den Blick auf die dramaturgische Konstruktion auskommt. Ein strukturalistisches Kategoriensystem, das die Differenzierung entlang der Achse aktional - nichtaktional und, davon abhängig, Information - Kommentar ermöglicht, bietet sich für die orts- und zeitbezogene Funktion an, weil es ganz auf die funktionslogische Resonanz von geäußerten Inhalten und Handlungen fokussiert ist. Die Beobachtung der emotiven oder expressiven Funktion der Selbstdarstellung, d. h. der Haltung des Sprechers dem Gegenstand der Rede gegenüber, ist dabei aus systematischen Gründen zunächst zu vernachlässigen und bedarf als eigene Ebene der zusätzlichen Betrachtung. Für die Auslassung dieser Art von Typologisierung konstatiert Pfister richtig, dass der „Nachteil solcher Klassifizierungsansätze“ darin liegt, dass „aufgrund der dabei verwendeten disparaten Kriterien Abgrenzungen nur sehr unscharf vorgenommen werden können und daß sich die Reihe der Klassen beliebig erweitern läßt“. 38 Gleichwohl bedarf es dieser Kriterien für das systematische Ordnen der inhaltlichen Sequenzen im Text und der Referenzen der vermittelten Informationen. Für die Bezugspunkte der Funktionen Figur, Handlung und Situation hat Fernau eine klassifikatorische Unterteilung in ihrer Untersuchung vorgestellt, worin sie die Monologtypen Selbsteinführungsmonolog, Reflexionsmonolog, Affektmonolog, Entschlussmonolog, Berichtmonolog und Offenbarungsmonolog unterscheidet. Fernaus Kategoriensystem ist soweit zu reduzieren, dass es mit den strukturalistischen Kategorien, die die Dramaturgie betreffen, in Einklang gebracht werden kann. Da es irreführend ist, einen Monolog in seiner gesamten Textgestalt nur einer einzigen Funktion zuzuordnen, sind die nachfolgend erläuterten Begriffe Reflexion, Affekt, Entschluss und Enthüllung 39 so zu verstehen, dass damit regelmäßig nicht der gesamte Monolog einer Figur vollständig beschrieben wird, sondern bspw. ‚Reflexion‘ den Anteil der Gesamtrede meint, der entsprechend der konstitutiven Merkmale für ‚Reflexionsrede im Monolog‘ dieser Funktion zugeordnet werden kann. Eine ‚Alleinrede‘ kann demnach aus Abschnitten oder Sequenzen bestehen, die mehreren unterschiedlichen Funktionen zuzuordnen sind. Anstelle des Terminus ‚Selbsteinführungsmonolog‘ findet hier der Begriff ‚Selbstcharakterisierung‘ Verwendung; an die Stelle des Terminus ‚Affektmonolog‘ tritt die ‚Affektdarstellung‘ und an die Stelle des Terminus ‚Offenbarung‘ tritt die ‚Enthüllung‘. Alle Ansätze der Funktionsordnung betonen die 38 Pfister 2001, S. 190. 39 Die Kategorien Gebetsmonolog und Berichtmonolog kommen in dieser Typologie nicht vor. Die Gebetsmonologe sind Apostrophen an Gottheiten oder Gott und zeichnen sich vor allem durch die anschließende Klage aus. Der berichtende Charakter von Monologen wird über die narratologischen Kategorien erfasst. <?page no="36"?> 36 2 Monolog inhaltstragende Seite der Rede. Information, Kommentar und Handlungsvollzug überlagern sich jedoch in jedem Monolog in je eigener Weise. Zur Vermeidung von Doppelungen bei der Erläuterung der handlungsbezogenen Funktionen werden anhand eines Monologbeispiels eine figurenspezifische und eine ortsbzw. zeitbezogene Funktion jeweils vorgestellt und typologisiert. 2.1.2.1 Entschluss Wesentliches Merkmal des Entschlusses ist, dass sich in der Rede eine Situationsveränderung vollzieht, herbeigeführt durch eine Entscheidung oder ihre Aufhebung. Die Kategorie des Entschlusses trägt darum das Merkmal des ‚aktionalen‘ Monologs. 40 Als weitere Merkmale können hinzukommen: ein enger ‚Ich-Bezug‘ zur Figur, die klare Äußerung zur gefassten Intention, eine geäußerte zeitnahe Ausführungsabsicht, Bezug auf eine konkret zu vollziehende Handlung sowie Zukunftsorientierung und Selbstversicherung. Kennzeichnend für den Entschluss ist zudem, dass er Informationen vergibt, die unmittelbar die Handlung weiter führen. Kongruent dazu verhält sich die Zeitvermittlung: Der Entschluss ist grundsätzlich proleptisch. In Anlehnung an Genette untergliedert Holger Korthals die zu den Anachronien zählenden Prolepsen (und Analepsen) zunächst in extern und intern, um in einem weiteren Schritt die internen in kompletiv und repetitiv zu untergliedern. 41 Externe Prolepsen beziehen sich auf Geschehen, das außerhalb der Basiserzählung liegt, interne auf das Geschehen innerhalb der Basiserzählung. Kompletiv sind Prolepsen, wenn das erzählte Geschehen nicht noch einmal an der ‚richtigen‘ Stelle aufgegriffen wird und repetitiv, wenn das Geschehen ein weiteres Mal vorkommt. Für die Dramaturgie heißt das, dass insbesondere die internen repetitiven Prolepsen von Relevanz sind. Sie tragen wesentlich zur Spannungserzeugung bei und werden in die für das Drama entscheidenden Ebenen untergliedert: einerseits in zukunftsgewisse Vorgriffe, ‚annonces‘, und andererseits zukunftsungewisse Vorausdeutungen, ‚amorces‘. 42 40 Entsprechend der Definition von Pfister 2001, S. 190 f. Aktionale Monologe haben die jeweilige dramatische Situation als Ausgangspunkt der Rede und entwickeln eine Handlungsankündigung oder Handlungsvorwegnahme. 41 Vgl. Korthals 2003, S. 197, der die ‚Vereinfachung‘ wie folgt erläutert: „Während Genette erst die ‚homodiegetischen‘ unter den internen Anachronien in einen kompletiven und einen repetitiven Typ zerfallen läßt, verbessert es m. E. die Übersichtlichkeit und Anwendungsfähigkeit des Begriffssystems, wenn man diese Differenzierung gleich unterhalb der internen Analepsen vornimmt.“ 42 Vgl. Korthals 2003, S. 198. Die zukunftsgewissen Vorausdeutungen, wie sie beispielsweise in Prologen zu finden sind, finden, wie Korthals 2003, S. 214, selbst feststellt, in der Dramentheorie wenig Beachtung. <?page no="37"?> 2.1 Typologie 37 Ein Ereignis, das im späteren Handlungsverlauf stattfindet, zuvor in einer Figurenrede zu berichten oder zu evozieren, stellt genau jenes Moment dar, das einen Entschluss im Monolog bewirkt, weshalb ein Entschluss immer proleptisch ist. Beispielhaft lässt sich die Funktionalisierung durch Entschluss ohne vorangehende Reflexion, die insgesamt nicht so häufig wie die Verbindung aus Reflexion und Entschluss in den Fastnachtspielen von Sachs zu finden ist, in G 45 Der groß Eyferer, der sein Weib Beicht hoͤret (vv. 85-96) aufzeigen: 85 Das wird eben ein spiel fuͤr mich; Beym Caplan wil entlehnen ich Ein Pfaffenrock vnd Kappenzipffel, Den schlag ich vmbs maul mit dem gipffel Und setz mich hintern Altar rund, 90 Nimb kleine steinlein in den Mund, Daß sie mich an der Red nicht kenn. Wenn mein Weib kombt zu beichten denn, Da will ich gwissen grund erfahrn, Was sie hat than bey iren Jarn, 95 Auch was sie noch treib vber tag. Die kunst mir gar nit fehlen mag. Dem Monolog geht ein Dialog des Mannes mit seiner Frau voraus, in dem sie sagt, dass sie am nächsten Tag zur Beichte gehen will. Weil der Entschluss ohne Reflexion auskommt, wird die Handlung beschleunigt. Der ‚Eyferer‘ beschließt sofort, sich als Geistlicher zu verkleiden. Die Erklärung, wie er an die Kleidung des Geistlichen kommen und seinen Platz in der Beichte einnehmen wolle, ermöglicht es Sachs, diesen Teil nicht dramatisch darstellen zu müssen. Weil die Entscheidung für zukünftiges Handeln fällt, erzeugt der Monolog Spannung, ob es dem ‚Eyferer‘ gelingen wird, sein Vorhaben in die Tat umzusetzen. Die größte Schwierigkeit der typologischen Einordnung des Entschlusses besteht in der Abgrenzung zur Enthüllung, da in beiden Kategorien oftmals die Ich-bezogene Formulierung „ich will“ Verwendung findet. Während jedoch die Enthüllung eine bereits feststehende Absicht vorstellt oder berichtet, initiiert der Entschluss eine neue Handlung der Figur. 2.1.2.2 Enthüllung Wesentliches Merkmal der Enthüllung ist die motivationale Grundhaltung einer Figur, die sich in bereits feststehenden Absichten, Plänen und Einstellungen zeigt. Im Gegensatz zum Entschluss ist die Enthüllung nicht-aktional, da sich <?page no="38"?> 38 2 Monolog in ihr kein situationsverändertes Handeln vollzieht. Vielmehr können Enthüllungen aufgrund ihres nicht-aktionalen Charakters sowohl informierend als auch kommentierend sein. 43 Damit ist eine enge Verbindung zur Figurenzeichnung, d. h. zu charakteristischen Eigenschaften oder Eigenheiten der Figur gegeben, die dazu führt, dass der Ich-Bezug eine Fremd- oder Selbstcharakterisierung implizieren kann. Die im Monolog geäußerte Absicht wird in einem Kontinuitätsbogen von vergangenen und auf die Zukunft gerichteten Intentionen vermittelt. Das bedeutet für die Zeitvermittlung, dass sowohl proleptische als auch analeptische Konstruktionen vorzufinden sind. Die Analepse ist ein Rückblick auf vergangenes Geschehen. Beinhaltet sie eine Enthüllung und wandelt sich damit die monologisierende Figur durch den „Erzählakt temporär vom Geschehensteilnehmer zum Geschehensvermittler“, 44 erhält der Monolog einen berichtenden Charakter. Wie die Prolepsen sind Analepsen in interne und externe sowie kompletive und repetitive untergliedert. Bei externen Analepsen handelt es sich um nachträglich vermitteltes Geschehen, das vor dem Einsetzen der Handlung, dem point of attack , liegt; bei internen Analepsen liegt die nachgeholte Handlung nach dem point of attack . 45 Die Unterteilung der internen Analepsen in kompletiv und repetitiv ist für die Monologanalyse insofern relevant, als mit den kompletiven Analepsen Zeitsprünge und Ortswechsel nachträglich vermittelbar sind. Bleibt das Geschehen zwischen Szenen und Akten durch Ellipsen zunächst verborgen, wird es im Monolog der auftretenden Figur nachträglich vermittelt. 46 Repetitive Analepsen dagegen greifen ein bereits dargestelltes Geschehen erneut auf. 47 Beispielhaft für eine Enthüllung ist der Monolog Gittas (vv. 61-74) aus dem Fastnachtspiel G 46 Das Weib im Brunnen : Nun hab ich mein Saw bracht in Stal. Nun wil ich gehn aber ein mal Auff meinen alten Finken strich. Heint bin aber gantz sicher ich, 65 Das mein voller Man nicht erwacht, Biß ein zwo stund nach Mitternacht. Erst greifft er vmb nach mir allwegen, 43 Vgl. Pfister 2001, S. 191. 44 Korthals 2003, S. 203. 45 Vgl. Korthals 2003, S. 204. 46 Vgl. Korthals 2003, S. 205. 47 Vgl. Korthals 2003, S. 198. <?page no="39"?> 2.1 Typologie 39 Meint, ich sey die gantz nacht da glegen. Diß Affenspiel ich vorwar 70 Mit jm fast trieben ein halb jar. Weil jm so wol ist mit dem Wein, Ist mir wol mit der Bulschafft mein. So bricht er Haͤssn, so brich ich Kruͤg, Und wo ich anderst redt, ich luͤg. Gittas Entüllung erfüllt als Auftritt-Abgangs-Monolog eine zeitraffende Funktion zwischen dem Zubettgehen des Ehemannes, der vortäuscht betrunken zu sein, und seinem Wiederauftritt. Die enthüllende Funktion zeigt sich sowohl in den analeptischen als auch in den proleptischen Passagen, in denen Gitta über bereits feststehende Absichten informiert. Mittels externer Analepse enthüllt Gitta, dass sie ihren Mann schon ein halbes Jahr auf dieselbe Art und Weise hintergeht, proleptisch erläutert sie mit Zeitangaben die weitere Vorgehensweise ihres Betruges. Neben der externen Analepse und der Prolepse weist der Monolog eine interne kompletive Analepse auf, die sich lediglich auf den ersten Vers beschränkt, aber als Vermittlung des Zeitsprungs hervorgehoben werden muss. Nachdem Gitta mit ihrem Mann die Bühne verlassen hat, tritt sie monologisierend mit den Worten „Nun hab ich mein Saw bracht in Stal“ wieder auf. Damit wird verständlich, dass zwischen Ab- und Auftritt eine nichtgezeigte Handlung geschehen und somit Zeit vergangen ist. Die kompletive Analepse zur Vermittlung des Zeitsprungs ist ein häufig am Anfang eines Monologs stehendes Mittel, mit dem Sachs die Rezipienten über die neue Ausgangslage für die folgende Szene informiert. 2.1.2.3 Ortswechsel Häufig fallen Zeitsprung und Ortswechsel zusammen. Der Ortswechsel ist dabei ebensowenig figurenspezifisch wie der Zeitsprung. Ihre Nähe zeichnet sich besonders durch die vorhergehende Ellipse in den Szenenbzw. Aktpausen aus, die mit der Nennung im Monolog ausgefüllt wird. Dabei handelt es sich um eine explizite handlungsleitende Funktionalisierung der Monologe, mit der Sachs das Verständnis der Rezipienten sichert und Leerstellen innerhalb der Dramaturgie umgeht, gleichzeitig aber auch komprimiert den neuen Ort präsentieren kann. Mit dem Ortswechsel geht gehäuft eine Selbstcharakterisierung oder Enthüllung einher, d. h. die neu aufgetretene Figur befindet sich an einem für sie typischen Ort und erfährt dadurch eine Kennzeichnung. In anderen Fällen, wie im Monolog Gittas zu sehen war, kann dem Monolog eine Leerstelle voraus gehen, die zu Anfang gefüllt wird und die Figur in einer neuen Szenerie situiert. <?page no="40"?> 40 2 Monolog 2.1.2.4 Reflexion Mit der Reflexion ist es möglich, das ‚Innenleben‘ der Figur zum Ausdruck zu bringen, weil das wesentliche Merkmal das Nachdenken über die vergangene und zukünftige Handlung sowie die gegenwärtige Situation aus der Perspektive der Figur ist. Die Diskussion von Handlungsalternativen sowie implizite oder explizite Selbst- oder Fremdcharakterisierungen können mit der Reflexion einhergehen und unterstützen maßgeblich die Figurenzeichnung. Aufgrund der analeptischen Konstruktion vollzieht sich in Reflexionen nicht unmittelbar situationsveränderndes Handeln, d. h. sie sind nicht-aktional. Beispiele für Reflexionen, die alle genannten Merkmale einschließlich des Abwägens einer Handlung in Für und Wider beinhalten, lassen sich im Fastnachtspiel selten finden. Ein Grund dafür ist die häufige Ergänzung der Reflexion durch einen Entschluss in der Gesamtrede. Im Fastnachtspiel G 84 Die juͤng witfraw Francisca, so durch ain list zwayer pueler abkom 48 kommt die für Sachs eher untypische abwägende Reflexion zwei Mal vor. Dies lässt sich durch die Vorlage, Dekameron IX , 1, erklären, in der an gleicher Stelle beide Monologe stehen, die Sachs etwas verkürzt überträgt. Eine ausführliche Reflexion zeigt einer dieser Monologe (Rinuczo vv. 290-321), der systematisch in vier Schritte aufgeteilt ist. Dem Monolog geht die Anweisung seiner Angebeten voraus, sich in ein Grab zu legen und die Kleidung des Toten anzuziehen. In vv. 290-296 beschreibt Rinuczo, dass er auf dem Weg ist, um in das Grab zu steigen, worauf eine Fremdcharakterisierung des Toten folgt, die den Toten als zu Lebzeiten schlechten Menschen darstellt: 290 Ich pin aufm weg vnd sol hinab, Den doten holen auͤs dem grab, Der doch der aller poͤst man war, Zenkisch vnd hedrisch imerdar. Niemant het gern mit im zv schaffen, 295 In flohen leien vnd die pfaffen, Die weil er noch war lebentig. Von vv. 297-310 an geht die Fremdcharakterisierung in eine Reflexion über die eigene Dummheit und ihre Folgen über. Rinuczo bezeichnet sich als „narr“ (v. 297) und bemerkt, sich selbst charakterisierend, dass auch alle anderen ihn für dumm halten. Er reflektiert über das Handeln der Freunde des Toten und stuft es als große Gefahr für sich ein: 48 Sachs bezeichnet dieses Spiel zwar als ‚kurzweillige comedi‘, ordnet es selbst aber dem Fastnachtspiel zu, weshalb es in dieser Arbeit auch zu den Fastnachtspielen gezählt wird. <?page no="41"?> 2.1 Typologie 41 Ich groser narr, was zeich ich mich, Das ich wil zw im steigen nab, In zihen auͤs dem doten grab? 300 Es ist werlich ein grose gfar, Mir stent gen perg alle mein har, Vor forchtent zittert al mein leib. Sol ich das wagen durch ein weib? Der dot sol mir woln hals abrechen. 305 Als den so wuͤrt idermon sprechen: Dem narren ist nicht vnrecht gschehen. Was wuͤrt Stanadio freuͤntschaft jehen, So ich in auͤs dem grab het gstoln, Die weil int leng nichs pleibt verholn? 310 Die wuͤrn mich in als ungluͤck pringen, In vv. 311-314 wägt er unter konkreter Nennung das Für und Wider zwischen der angebeteten Frau und der drohenden Gefahr ab. Der Monolog endet mit einem Entschluss: In vv. 315-321 entscheidet sich Rinuczo, nicht zuletzt aufgrund eines Sprichwortes, für die Geliebte. Während die Reflexion situationsaffirmativ bleibt, bringt der Entschluss durch seine zukunftsungewisse proleptische Ausrichtung die Handlung voran. Ich weis nit, wie ich thet den dingen; Thw ichs, so stet darauf gros gfar, Thw ichs nit, hab ich vrlob gar Meinr lieb vnd dienst, die ich ir trueg. 315 Weil ich icz hab zv kumen fueg Zw der, der mein herz hat pegert Wil ich gleich wagen die gefert, Weil doch ein sprichwort sagt pekant, Ein doter man der peis niemant. 320 Gerecz, so schwer ich pey mein trewen, Sol mich die reis mein lebtag frewen. Reflexionen sind im Fastnachtspiel die häufigsten Monologfunktionen. Sie stehen in kausalem Verhältnis zur Handlung, weil sie entweder die Folge einer vorhergehenden Handlung oder die Vorstufe einer folgenden Handlung bilden. <?page no="42"?> 42 2 Monolog Der Dramatiker kann durch Reflexionen „seinen Figuren einen impliziten oder expliziten Eigen- oder Fremdkommentar in den Mund legen“. 49 Auffällig ist, dass Sachs in den Fastnachtspielen oft Nebenpersonen über eine Situation reflektieren lässt. Fernau nennt dafür zwei Gründe: Zum einen rufe der Eindruck eines Ereignisses in der Hauptperson eher einen Affekt hervor, zum anderen bleibe die Nebenperson nach einem Dialog aus technischen Gründen häufig auf der Bühne und reflektiere über den abgegangenen Dialogpartner. 50 Neben möglicher Spannungserzeugung dient die Reflexion am Ende einer Szene häufig als retardierendes Moment. Damit kann Sachs die Handlung anhalten und „auf die Rezeption des Stückes Einfluß“ 51 nehmen. Aus der Gesamtschau der Fastnachtspiele lassen sich als Objekte der Reflexion in Monologen u. a. benennen: soeben gemachte Erfahrungen, bevorstehende Ereignisse, bestimmte Handlungsweisen bzw. Äußerungen, bekannt gemachte Absichten und Charaktereigenschaften oder Verhaltensweisen von anderen Figuren. Dadurch, dass Sachs die abwägenden Reflexionen eher selten in seinen Fastnachtspielen und Schauspielen einsetzt, lässt sich eine Leerstelle innerhalb der Funktionalisierung von Monologen erkennen. Entwickelte Sachs nämlich die aus dem Dekameron entlehnten dilemmatischen Gedanken eigenständig weiter, müsste er letztendlich von einer typenhaften Figurenzeichnung abrücken. Es sticht nicht nur in den Fastnachtspielen, sondern auch in den Tragedis und Comedis ins Auge, dass er Ansätze einer individuellen Konstruktion nur zulässt, sofern sie in der Vorlage zu finden sind, diese aber nie selbstständig einsetzt. Die daraus entstehende Leerstelle bringt umso deutlicher das Anliegen von Sachs für die Fastnachtspiel- und Schauspielproduktion zutage: Indem die Reflexion so gut wie immer ein Überdenken einer vorhergehenden Situation oder einer aufgetretenen Person ist und nie, es sei denn vorlagenbedingt, ein Überdenken des eigenen Handelns, das unbeantwortete Fragen bei den Rezipienten zurücklassen könnte, erhält sie eine kommentierende und auslegende Funktion, mit der Sachs Verständnisprobleme vermeiden und Handlungszusammenhänge herstellen kann. Auch wenn die Reflexion eigentlich eine Funktion ist, um Fi- 49 Stuplich 1998, S. 170. Vgl. Stuplich 1998, S. 169, die damit jedoch nicht nur Reflexionsmonologe, sondern auch Klagemonologe und Gebetsmonologe meint. 50 Vgl. Fernau 1922, S. 31, die im „Zwang der Technik“ den Grund für das gehäufte Vorfinden des Reflexionsmonologes sieht. Die Monologe seien oftmals unwichtig, kurz und nicht in der Quelle zu finden. Allerdings zeigt sich auch in den kürzesten Reflexionsmonologen ein Charakterzug der redenden Figur oder der Figur, über die gesprochen wird. Reflexionen über Absichten anderer sind Fernau (S. 32) zufolge „dramatisch am wirkungsvollsten, weil sie in hohem Maße dazu beitragen, die Spannung zu erregen“. 51 Stuplich 1998, S. 171. <?page no="43"?> 2.1 Typologie 43 gurensichten darzustellen, dient sie Sachs hauptsächlich zur Ausgestaltung der Handlungskonstruktion. 2.1.2.5 Teichoskopie Die bisher genannten zeitbezogenen Monologfunktionen richten sich auf zukünftiges oder vergangenes Geschehen. Als Funktion, die sich dem spielinternen gegenwärtigen Geschehen widmet, steht maßgeblich die Teichoskopie, auch ‚Mauerschau‘ genannt. Sie zählt zu den Typen der narrativen Vermittlung, denen ein aktionaler Charakter zugrunde liegt, und bezieht sich „auf Vorgänge, die sich im Augenblick der jeweiligen Bühnensituation abspielen, ohne daß sie vom Publikum wahrgenommen werden“. 52 Sachs setzt die Teichoskopie vor allem ein, um herannahende Figuren zu beschreiben und damit in den Dialog überzuleiten, aber auch, um unspielbare, aber für die Handlung relevante Sequenzen im Off spielen zu lassen und trotzdem in die Handlung zu integrieren. Wenn die herannahende Figur beschrieben wird, ist es mit Blick auf die Bühnenrealität unklar, ob sie bereits auf der Bühne ist und die Zuschauer sie sehen. Die Teichoskopie soll allein die Information der Rezipienten über den Dialogpartner sicherstellen. Die für Sachs typische Anwendung der Teichoskopie in einer auf Komik zielenden Variante findet sich im Fastnachtspiel G 54 Der Bawer mit dem Plerr (vv. 149-169). Die dem Monolog vorangehende Szene endet mit einem Dialog zwischen der Ehefrau und der Nachbarin, in dem die Nachbarin kund gibt, den Ehemann vom Zorn gegen die eigene Frau abbringen zu wollen. Die darauf folgende Szene lässt Sachs mit dem hier wiedergegebenen Auftrittsmonolog beginnen. Die ersten drei Verse dienen der Vermittlung des neuen Schauplatzes und der vergangenen Zeit: Es ist nun auff den tag gar weit, 150 Es wer je nun wol Suppen zeit. Wann mirs mein heyllos Weib nur brecht! Daran schließt sich direkt der teichoskopische Einschub an, gefolgt von einem zweiten am Ende des Monologs. Beide Male beschreibt der Ehemann die herankommende Figur, die den nächsten Dialogpartner darstellt: Dort gehts her, sih ich anderst recht. Bald sie mir setzt die Suppen dar, Wil ichs erhaschen bey dem Haar, 52 Asmuth 1990, S. 110. <?page no="44"?> 44 2 Monolog 155 Auff daß sie mir nicht thu entlauffen, Vnd wil sie nider reissn zu hauffen, Wils blewen mit dem Hackenhelb, Daß jr Leib wird schwartz, blaw vnd gelb; Ich wil sie vmb jr vnzucht straffen 160 Und wil jr warlich gebn deß Pfaffen, Sie solt drey Schreiber darfuͤr nemen. Ich wil zwar auch den Pfaffen bschemen Biß Sontag, er geb drey Heller drummen, Daß er nit in mein Hauß wer kummen. 165 Ey schaw nur, botzleichnam angst schaw, Jhenes Weib ist gar nicht mein Fraw, Es triegen mich denn all mein sinn, So ist es vnser Nachbaͤwrin, Wil mich mit einer Suppn versorgn. Anders als bei der ‚typischen‘ Mauerschau geht es in diesem Fall der Teichoskopie nicht darum, nicht inszenierbare Handlungen verdeckt zu halten, sondern eine Überleitung in den Dialog zu schaffen und für die Rezipienten zu erläutern, wer der Dialogpartner ist. Die Überleitung in den Dialog enthält in diesem Fall ein komisches Moment, da der Ehemann davon ausgeht, eine andere Figur anzutreffen und deshalb eine wütende Rede beginnt. Ihre Absurdität tritt mit dem Erkennen der Nachbarin offen hervor. 2.1.2.6 Selbstcharakterisierung Wesentliches Merkmal der Selbstcharakterisierung ist, dass eine Figur in zusammenhängender Darstellung Aussagen über sich selbst trifft, z. B. sich vorstellt, Charaktereigenschaften benennt, biographische Angaben macht, Tätigkeiten erläutert und Besonderheiten der eigenen Person herausstellt. Kennzeichnend sind die deskriptive Aussagenstruktur und die Darstellung der eigenen Lebenssituation, die mit einer Affektdarstellung einhergehen kann. Beispielhaft ist ein Monolog aus dem 1539 entstandenen und damit frühen Fastnachtspiel G 13 Die 5 elenden wandrer (vv. 1-20) zu nennen, den Sachs für den zweiten Folioband von 1560 wie folgt verändert hat: Ich pin ain wirt der armen gest, Den ich doch thw das aller pest. So vil der kumen in mein haus, Der treib ich kainen von mir aus, 5 Sundr ich gieb im drincken vnd essen. <?page no="45"?> 2.1 Typologie 45 Vnd wen er ain weil ist gesessen Int nacht, gieb ich im ain schlaffdrunck Und leg in darnach warm genunck. Vor er aufstet von seiner rw, 10 Schenck ich im drey pazen darzw, Wo er die nacht in meinem haus Der ermest gast ist vberaus Vnter alln gestn, die pey mir waren. Das hab ich trieben pey zwainzg jaren, 15 Hab an mein gesten nichs gewunen, Idoch ist mir nie gelz zerunen; Ob ich gleich nit vil gelz thw loͤsen, Duet mirs got dester pas ersproͤsen, Die weil vnd ich mich thw erparmen 20 Vber die elenden und armen. Die Selbstcharakterisierung besteht hier aus einer zusammenhängenden, umfassenden Beschreibung der zentralen Figureneigenschaft eines Wirtes. Der Text bleibt deskriptiv. Der Wirt charakterisiert sich selbst als gutherzig, der allen Gästen Speis und Trank serviert und ein warmes Bett bereithält, obwohl seine Gäste arm sind. Er hat zwar kein Geld an ihnen verdient, aber auch keines verloren. Die Rede bezieht sich damit auf die Lebenssituation der Figur, führt aber nicht in einen Konflikt ein. Die in anderen Monologen enthaltenen Funktionen ‚Reflexion‘ und ‚Enthüllung‘ grenzen durch den Bezug auf die Situation an Formen der Selbstcharakterisierung an. Jedoch sind die Verdeutlichung von Motiven oder Intentionen (Enthüllung) sowie das umkreisende Bedenken der Situation (Reflexion) nicht Merkmale der Selbstcharakterisierung als primär deskriptive Aussage. Hervorzuheben ist, dass Sachs den Anfang des Fastnachtspiels erstmals ohne die übliche Begrüßungsformel gestaltet, mit der sich der erste Spieler an das Publikum wendet. Stattdessen wählt er die Selbstcharakterisierung des Wirts. Die Selbsteinführung war nicht nur am Beginn fester Bestandteil der Fastnachtspiele des 15. Jahrhunderts, sondern insbesondere in Reihenspielen nannten die Figuren auch im weiteren Fortgang ihre Eigenschaften selbst. Aufgrund der Änderung von der bloßen Selbsteinführung zur Selbstcharakteristik, 53 die sich 53 Vgl. Fernau 1922, S. 10. <?page no="46"?> 46 2 Monolog in fast allen Fastnachtspielen von Sachs wiederfindet, ist der Terminus ‚Selbsteinführung‘ hier durch den der Selbstcharakterisierung zu ersetzen. Ursprünglich, möglicherweise in der 1539 entstandenen Variante, war die Einleitungsformel noch enthalten. Nach Goetze lautete die frühere, handschriftlich überlieferte Fassung: 54 Hail vnd geluͤeck sey meinen gesten! Weil ir seit kumen her im pesten Ein schlaffdrunck zw thun in meim haus, Wil ich euch gleich nicht dreiben aus, Wiwol ich alzeit wie auch hewt Nur herberg elent wandret lewt, Der ich mich auch erparmen thw. Darumb sezt euch vnd habent rw, So wil ich gen aufdragen wein Vnd mit euch allen froͤlich sein. Die direkte Ansprache an das Publikums ad spectatores leitet in dieser Variante in das Fastnachtspiel ein und in doppeldeutiger Weise, die Gäste auf der Bühne und im Saal meinend, von der Fastnachtsgeselligkeit zur Spielebene über. Kurz vor Ende der Einführungsrede erfolgt die ebenfalls typische Ermahnung zur Ruhe und zum Hinsetzen. In der Folioausgabe weist Sachs auf den veränderten Beginn mit einem Vermerk auf die Neufassung hin: „Der eingang zum 5 wandrer ist pesser: “ 55 Dieser Überarbeitungsvermerk belegt, wie Sachs bewusst Grenzüberschreitungen zwischen innerem und äußerem Kommunikationssystem zu vermeiden sucht, die für vorreformatorische Fastnachtspiele charakteristisch sind. Der Blick auf die Vorlagen zeigt, dass die Selbstcharakterisierungen der Übertragung der Erzählerrede in die dramatische Figurenrede dienen. In einigen Fällen lassen sich über die in den Vorlagen gegebenen Beschreibungen der Figuren Anknüpfungspunkte für die Übertragung in den Monolog finden. Sie werden von Sachs in zusammengefasster Weise im Stück, oft durch Formen der Selbstcharaktersierung, präsentiert, es sei denn Sachs lässt die Vorlage bewusst außer Acht und charakterisiert die Figuren nach eigenen Gesichtspunkten. 54 Goetze 1881, S. V. 55 Goetze 1881, S. VI. <?page no="47"?> 2.1 Typologie 47 2.1.2.7 Fremdcharakterisierung Die bisher vorgestellten Funktionen sind als Differenzkriterien einander ausschließend. Ein Textteil kann also nur einer der Funktionen zugeordnet werden. Es gibt jedoch zwei Ausnahmen: die Fremdcharakterisierung und die Affektdarstellung. Die Fremdcharakterisierung ist die wertende Beschreibung oder Einschätzung einer Figur, die u. a. Teil einer Reflexion sein kann. Diese Art des Kommentars ist keine eigenständige Funktion in dem Sinn, dass ihr ein gesamter Monolog zugeordnet werden könnte, so wie das für die anderen prinzipiell möglich, aber auch nur selten der Fall ist. Bei Fremdcharakterisierung und Affektdarstellung handelt es sich vielmehr um eine Beiordnung zu einer Funktion, die nicht als eigenständige Funktion vorzufinden ist. Die Kommentierung von anderen Figuren ist als Attribuierung von Informationen zu sehen, die im Rahmen anderer handlungsbezogener Funktionen, etwa der Reflexion, vermittelt werden. 2.1.2.8 Affektdarstellung Wesentliche Merkmale der Affektdarstellung einer Rede sind Ausdrücke, auch Interjektionen, die Trauer, Klage, Wut, Zorn, Freude, Schadenfreude usw. formulieren. Kennzeichnend sind bei Sachs häufig wiederkehrende Wendungen wie „Botz leichnam angst! “ und rhetorische Fragen wie „Ach, was soll ich nur fahen an? “ Der von Fernau vorgenommenen Unterteilung des ‚Affektmonologs‘ in die Unterkategorien Klagemonolog, Affektmonolog bei Schadenfreude sowie Affektmonolog bei Wut und Gebetsmonolog 56 ist nicht zu folgen. Nicht nur ist eine Affektdarstellung selten allein typisierendes Element. Auch fällt die Affektdarstellung wesentlich häufiger mit der Enthüllung oder Reflexion zusammen. Zumindest im Fastnachtspiel bilden Interjektionen oder rhetorische Fragen nur einen kleinen Teil der Redesequenzen und nur in den seltensten Fällen ist allein die emotionale Gestimmtheit Inhalt eines Monologs. In der Regel ist der Affekt mit Informationen über die Situation, Figur oder auch Handlung verknüpft. Das Fastnachtspiel G 49 Das boͤß Weyb mit den worten, Wuͤrtzen und Stein gut zu machen , vv. 1-8, zeigt, wie die Rede des Ehemannes der Affektdarstellung dient: Ach, ich armer, ellender Man, Was soͤl auf erdt ich heben ahn? Das zu trost ist den Mennern geben, 56 Für das Schauspiel zählt Fernau 1922, S. 49, auch den Liebesmonolog zu den Affektmonologen. <?page no="48"?> 48 2 Monolog Betruͤbt am meisten mir mein leben. 5 Ey! ey! ey! ey! ach! ach vnd weh! Hab ich weh, wo ich nur steh vnd geh, Das mir niemandt kan helffen ab, Denn hawen, schauffel vnd das grab! Der Monolog bildet den Beginn des Fastnachtspiels und vermittelt die Verzweiflung des Ehemannes. Seine Frau - „das zu trost ist den Mennern geben“ - macht ihm das Leben schwer. Nur noch der Tod könne ihn von diesem Leid befreien. Obwohl der anschließende Dialog die Situation genauer erläutert, muss für die Rezipienten nach den ersten Versen erkennbar gewesen sein, dass es sich um eine schwankhafte Handlung handelt. Der Monolog zielt nicht darauf ab, Mitleid zu erregen, wie es für Klagen zu erwarten wäre, sondern in eine Spielsituation einzuführen, die aus dem vorreformatorischen Fastnachtspiel bekannt war und als fastnachtspieltypisch gilt. Im Rahmen der kategorialen Differenzierungen ist auf den Aspekt des Situationsbezuges, auf die Ich-Bezogenheit und auf die Grundmotivation der Figur abzustellen. Demnach handelt es sich um eine Enthüllung zur Affektdarstellung. Die funktionale Zuordnung muss erfasst werden, d. h. es ist nach Verbindungen der Rede zur Figur, Situation oder Handlung zu fragen. Eine Zuordnung als ‚Affektmonolog‘ oder ‚Klagemonolog‘ erscheint in diesem Sinne wenig instruktiv, weil dann der Blick dafür verstellt wird, dass es sich häufig um die Anfangspassagen eines Monologes handelt, denen die handlungsbezogenen Abschnitte folgen. Wenn sich auch alle Monologfunktionen sowohl im Fastnachtspiel als auch in den Tragedis und Comedis wiederfinden, so besteht insbesondere für Affektdarstellungen ein Unterschied in der Wirkung, die sich aus der schwankhaften Handlungskonstruktion im Fastnachtspiel erklären lässt: In den meisten Fällen zielen die einleitenden Affektdarstellungen auf eine komische Wirkung. 57 Unter den Affektdarstellungen sind die klagenden am häufigsten nachzuweisen. Wie im vorgestellten Monolog betrifft die Klage zumeist den Ehepartner. In der Regel ist sie dem Bericht über die Situation des Monologsprechers unterlegt. Als Besonderheit des Fastnachtspiels gilt die Darstellung der Schadenfreude 57 Vgl. Fernau 1922, S. 43, die meint, dass sich der „Charakter der Affektmonologe des Fastnachtspieles […] in zwei Momente zusammen fassen [lässt], die im Verhältnis von Grund und Folge zueinander stehen: ihre auf komische Wirkung gerichtete Tendenz und die unübertreffliche realistische Gestaltung“. Stuplich 1998, S. 170, sieht im Affektmonolog der Tragedis und Comedis eine Möglichkeit, beim Zuschauer Mitleid zu erregen. Dagegen meint Krause 1979, S. 145, der ebenso nur die Tragedis und Comedis untersucht, dass Monologe so konzipiert seien, dass „das Publikum sich nicht mit den Dramenpersonen identifiziert und daß deren moralisches Fehlverhalten nicht Mitleid, Verständnis oder gar Sympathie hervorruft, sondern Kritik.“ <?page no="49"?> 2.2 Die alt verschlagen Kuplerin mit dem Thumbherrn 49 und des Zornes. Diese Affektdarstellungen erhalten ihre Wirkung durch Interjektionen, Sentenzen, ironische Wendungen und namentliche Anreden des Betrogenen. 58 2.2 Monologanalyse in G 57 Die alt verschlagen Kuplerin mit dem Thumbherrn im Vergleich zur vorreformatorischen Fastnachtspiel-Vorlage Das in Handschrift G 59 anonym überlieferte vorreformatorische Fastnachtspiel K 37 Ein spil von eim Thumherrn und einer Kuplerin , das vor 1494 entstanden sein muss und, obwohl in Nürnberg geschrieben, weder von Hans Rosenplüt 60 noch von Hans Folz 61 stammen dürfte, liefert die Vorlage 62 für eine Bearbeitung durch Sachs aus dem Jahr 1553. Sachs fügt 10 Monologe ein, anhand derer sich nachzeichnen lässt, wie sie das Handlungsgeschehen der Vorlage verändern und welche Funktionen ihnen hier zukommen. Das Spiel ist als Handlungsspiel zu klassifizieren, das eine Struktur 63 mit nicht-austauschbarer Reihenfolge der Abschnitte aufweist. Darin unterscheidet 58 Vgl. Fernau 1922, S. 40. 59 Handschrift G (HAB, Guelf. 18.12., Aug. 4°) enthält 66 Spiele, die teilweise dem 1426 erstmals erwähnten Nürnberger Büchsenmacher Hans Rosenplüt und dem 1497 von Worms nach Nürnberg gekommenen Wundarzt und Handwerker Hans Folz zugeordnet werden. Auf Folz entfallen 12 Spiele, unter ihnen sechs, in denen er sich selbst als Dichter nennt. Für 24 Stücke ist keine Zuordnung möglich, weshalb sie zu den anonym überlieferten zählen. Vgl. Ridder u. a. 2005, S. 244 ff. Zur Überlieferung vgl. auch Habel 1994. 60 Das Verzeichnis der Spiele in der Handschrift M (BSB, Cgm 714) trägt den Titel Vasnacht Spil Schnepers und weist damit auf Rosenplüt hin. „Da die Handschrift zwischen 1455 und 1458, also noch zu Lebzeiten Rosenplüts, in Nürnberg geschrieben wurde, darf man daraus folgern, dass man ihm diese Spiele (es handelt sich um 49) damals zugerechnet hat.“ Ridder u. a. 2009, S. 196. Zudem lassen sich Rosenplüt aufgrund sprachlicher und metrischer Übereinstimmungen mit einiger Sicherheit weitere 21 Spiele zuweisen. 61 Ob dieses Fastnachtspiel aufgrund seiner komplizierten Handlung Folz zuzuschreiben ist, wie etwa Hampe 1900, S. 26, und Catholy 1968, S. 34 ff., meinen, kann hier dahinstehen, da es sich bei ihm unstreitig um ein vorreformatorisches Spiel handelt, worauf es für vorliegende Untersuchung allein ankommt. 62 Catholy 1968, S. 58, hält es für unwahrscheinlich, dass Sachs das vorreformatorische Fastnachtspiel zur Vorlage hatte. Stattdessen geht er von der Versnovelle Alten Weibes List als Vorlage für die Bearbeitung von Sachs aus. Die Ähnlichkeiten zwischen beiden Fastnachtspielen, von der Botenszene abgesehen, sind jedoch so markant, dass von K 37 als direkter Vorlage auszugehen ist. 63 Catholy 1968, S. 36, weist ebenfalls auf eine „gewisse Geschlossenheit“ innerhalb des Fastnachtspiels hin, die der Dichter über das Mittel des Stichreims erreicht, „so daß das Ende einer solchen durch Stichreime verbundenen kleinen ‚Szene‘ einen deutlichen Einschnitt bezeichnet.“ <?page no="50"?> 50 2 Monolog es sich vom Reihenspiel als dem typischen vorreformatorischen Fastnachtspiel und einem Großteil der Handlungsspiele. 64 Eine eindeutige Abgrenzung der Dialogabschnitte ist jedoch nur begrenzt möglich, weil es nur vereinzelt Auf- und Abtritte gibt. Statt von Szenen ist darum von einer Gliederung in Abschnitte auszugehen. Die fünf Abschnitte haben folgenden Inhalt: 1. Abschnitt: Die Kupplerin erzählt dem Domherrn von einer Frau, die ihn begehrt. Für ihren Dienst verlangt sie Geld. Der Domherr geht auf das Angebot ein. 2. Abschnitt: Der Domherr wird zum Bischof bestellt, weil er einen Brief siegeln soll. 3. Abschnitt: Die Kupplerin erzählt einer Frau von einem Verehrer, der die Frau sehen will. 4. Abschnitt: Die Magd erkennt in dem Verehrer den Ehemann der Frau und rät ihr, den Mann zu schelten. 5. Abschnitt: Die Frau beschimpft ihren Mann. Dieser entschuldigt sich und beschimpft die Kupplerin, die jedoch der Knecht beschützt. Die Abschnittseinteilungen gehen mit den Abgängen des Domherrn (mit Boten) sowie der Kupplerin und dem Wiederauftritt der Kupplerin (mit Ehemann) einher. Obwohl es sich um ein Handlungsspiel mit literarischer Vorlage handelt, 65 lassen sich durch den Vergleich mit der Bearbeitung von Sachs vom 27. Oktober 1553 66 in G 57 Die alt verschlagen Kuplerin mit dem Thumbherrn die funktionalen Veränderungen nachweisen, die der Monologeinsatz bewirkt. Ist es dem 64 Die Unterteilung in Reihenspiel, Handlungsspiel und Mischformen aus beiden geht auf Catholy 1966, S. 24-48 zurück. Er meint, dass sich das Handlungsspiel aus dem Reihenspiel entwickelt habe, bspw. Catholy 1966, S. 34. Vgl. dazu Simon 2003, S. 320 ff. Wuttke 2006, S. 448, wiederum ist der Ansicht, dass beide Spielformen von Anfang an nebeneinander stehen, auch wenn im 15. Jahrhundert das Reihenspiel - das „Revuehaft-Epische“ - häufiger zu finden ist. 65 Es handelt sich um die Versnovelle Frau Metze die Käuflerin des Armen Konrad. Vgl. Neumann 2005, S. 251, und Goetze 1884, S. Xf. Der Text ist ediert in: Neues Gesamtabenteuer 1967, S. 70-83. 66 Als Jahresangabe am Ende des Spieles ist „Anno Salutis M. D. LXIII., Am 27. Tag Octobris“ (Goetze 1884, S. 83) angegeben. Da es sich in der Ausgabe von Goetze um eine chronologische handelt und die vorausgehenden und nachfolgenden Fastnachtspiele 1553 als Jahresangabe haben, kann davon ausgegangen werden, dass auch das Fastnachtspiel G 57 1553 geschrieben wurde und es sich bei der Jahresangabe M. D. LXIII um einen Druckfehler handelt. Sachs verarbeitet denselben Stoff am 7. März 1553 im Meisterlied Die alt kuplerin , vgl. Neumann 2005, S. 251-264. <?page no="51"?> 2.2 Die alt verschlagen Kuplerin mit dem Thumbherrn 51 Dichter der Vorlage möglich, die Handlung ohne Monologe und mit 165 Versen zu vermitteln, nutzt Sachs 426 Verse und 10 Monologe. Insgesamt besteht mit 108 Versen ein Viertel des Spiels aus Monologen. G 57 Die alt verschlagen Kuplerin mit dem Thumbherrn: Sz. Vers Rede und strukturell-gliedernde Funktionen handlungsbezogene Funktionen Figur Zeit und Ort 1 1-32 Auftritt-Abgangs-Monolog Selbstcharakterisierung, Enthüllung, Affektdarstellung (Klage) Analepse 2 33-50 Auftrittsmonolog Enthüllung, Selbstcharakterisierung, Reflexion Ortswechsel 51-60 Auftrittsmonolog (Zutritt) Reflexion, Entschluss, Enthüllung Teichoskopie 61-120 Dialog 121-128 Abgangsmonolog Reflexion, Enthüllung Zeitüberbrückung 3 129-136 Auftritt-Abgangs-Monolog Reflexion, Entschluss, Enthüllung Analepse, Prolepse, Ortswechsel <?page no="52"?> 52 2 Monolog 4 137-152 Dialog 153-163 Auftrittsmonolog (Zutritt) Fremdcharakterisierung, Reflexion, Entschluss 164-212 Dialog 5 213-218 Auftrittsmonolog Reflexion, Enthüllung Zeitsprung, Ortswechsel, Teichoskopie 219-240 Dialog 241-248 Abgangsmonolog Reflexion, Entschluss, Enthüllung, Affektdarstellung 6 249-258 Auftrittsmonolog Enthüllung, Bericht, Selbstcharakterisierung Analepse, Ortswechsel 259-264 Auftrittsmonolog (Zutritt) Fremdcharakterisierung, Reflexion, Entschluss Teichoskopie 265-286 Dialog 7 287-426 Dialoge Die Handlung teilt Sachs auf sieben Szenen auf: 1. Szene: Eine ältere arme Frau beschließt, ihr Geld mit Kupplerei zu verdienen. Sie will sich dafür im Dom umschauen. 2. Szene: Sie entdeckt einen umherlaufenden Domherrn, spricht ihn an und erzählt, dass ihn eine junge Frau begehre. Für den Verkupplungsdienst bekommt sie von dem Domherrn Geld. 3. Szene: Die Kupplerin will sich auf dem Markt nach einer Frau umschauen. <?page no="53"?> 2.2 Die alt verschlagen Kuplerin mit dem Thumbherrn 53 4. Szene: Auf dem Markt sieht sie eine Frau, die gerade mit ihrer Magd einkauft. Die Kupplerin erzählt ihr von einem adligen Verehrer. Die Frau ist unsicher, woraufhin die Magd sie überredet, sich mit dem geheimen Verehrer zu treffen. 5. Szene: Die Kupplerin will den Domherrn abholen, der jedoch nicht mitgehen kann, weil ihn der Bischof zu sich hat rufen lassen. Die Kupplerin muss einen anderen Mann suchen. 6. Szene: Währenddessen hat sich der Ehemann der Frau auf die Suche nach ihr gemacht und ist auf dem Weg zum Markt. Da begegnet er der Kupplerin, die ihm erzählt, dass eine adelige Frau ihn begehrt. Er geht mit ihr mit. 7. Szene: Die Magd und die Frau sehen die Kupplerin mit dem Ehemann kommen. Die Magd rät der Frau, nicht zu fliehen, sondern den Mann eines Betruges zu beschuldigen. Das tut sie, woraufhin sich der Mann entschuldigt. Die Frau fragt die Magd, woher sie wusste, dass dies funktioniere. Darauf antwortet die Magd, dass sie zwei Jahre einer adligen Frau gedient habe und die Tricks kenne. Die Frau beschließt das Spiel, indem sie bekundet, in Zukunft keiner Kupplerin mehr zu trauen. Eine Kette aus drei Monologen bildet den Einstieg in das Fastnachtspiel. Den ersten (vv. 1-32) spricht die Kupplerin. Strukturell-gliedernd liegt hier ein Auftritt-Abgangs-Monolog vor, genauer: ein Expositionsmonolog, weil vv. 1-20 als externe Analepse die Lebenshintergründe der Kupplerin wiedergibt. Es handelt sich demzufolge auf der Figurenebene um eine Selbstcharakterisierung, die den gesamten Monolog durchzieht: Ach, was sol ich nun fahen an? Mein Geltlich ich verzehret han Mit schwerer Kranckheit lange Jar, Welches Gelt ich einsammlen war 5 Mit Bulerey in meiner Jugendt, Da mir denn hauffenweiß zu trugent Edel, vnedel, Layen vnd Pfaffen. Nun bin ich heßlich, vngeschaffen, Zum buln mein niemand mehr begert, 10 Bin ich auch verachtet vnd vnwert Vnd thu mich doch deß Betels schemen, Daß ich solt das Almusen nemen, Mag auch nit spinnen an eim Rocken, Mag auch bey keinem Krancken knocken, <?page no="54"?> 54 2 Monolog 15 Auch nit den Kindern zopffn vnd lausen. Sol ich mich den nehren mit mausen, So hab ich sorg der meinen Ohrn; Mir ist die Statt vor versagt worn Von wegen meiner boͤsen stuͤck; 20 Ich denck gleich hinter mich zu ruͤck. Vv. 21-32 vermittelt als zukunftsungewisse Prolepse die Absicht, Geld mittels Kupplerei zu verdienen: Wil mich nun gleich mit Kuppeln nehrn, Dieselben kunst darff ich nicht lehrn, Bin gschwind durch mein arglistig renck, Darmit verdien ich danck vnd schenck, 25 Dieweyl gantz abwegs steht mein Hauß, Ist recht gut darzu vberauß, Daß ich drinn zsamm kuppel ein paar, Daß sein sonst niemand wird gewar. Was steh ich, ich wil nein in Thumb, 30 Nach eim Thumbherren sehen vmb, Mein handel kecklich fahen an, Dieweyl ich sonst nichts hab zu than. Leitet Sachs hier den Monolog zu Beginn des Fastnachtspiels im Nebentext mit der Regieanweisung „redet mit jhr selb“ ein, kam die Exposition im vorreformatorischen Fastnachtspiel noch dem Precursor zu, wie sich unschwer der Vorlage (vv. 4-12) entnehmen lässt: Got gruß den wirt in hohen eren 5 Und was im got ie tet bescheren Und alles, das das sein antrifft! Hie kumpt von Banberg auß dem stift Unsers herrn bischofs sigler her. Herr wirt, der leßt euch piten ser, 10 Das er bei euch hie sigeln het, Der wird sich fugen wol herein, Des wolt mein herr euch danken sein. In gleicher Weise wie der Precursor bzw. Einschreier von der Publikumsrealität - in diesem Fall das Wirtshaus als Aufführungsort - in das Spiel überleitet, <?page no="55"?> 2.2 Die alt verschlagen Kuplerin mit dem Thumbherrn 55 leitet der Ausschreier am Ende des Spiels wieder in diese zurück. 67 In der Vorlage übernimmt diese Funktion bereits eine spielinterne Figur, der Knecht, der auch explizit die Funktion des Ausschreiers im Nebentext ausfüllt: „Tumherrn Knecht ist Auszschreier“ (S. 282 v. 3). Er gibt das uneindeutige Ende dem Publikum zur Diskussion frei, indem er den Wirt auffordert mitzureden, in die Wirtshausatmosphäre übergeht und zum Tanz bittet (S. 281 v. 31 - S. 282 v. 9): Hor, freunt, schlag nit die alten huren, Laß dich kein kupplerin anfuren! Herr wirt, redt auch zu den sachen! Pauker, du solt ein tanz uns machen, Damit ein end und pald darvon, Wann wir noch weit haben zu gan. Tumherrn Knecht ist Auszschreier: Herr wirt, nu gebt uns euren segen, 5 Nit von essens noch trinkens wegen, Als man zu gastung laden tut. Neur das wir euch ein guten mut Mochten machen, was unser sind hir in. Got gesegen euch all! Wir faren von hin. Die Ansprachen des Wirts zu Beginn und Ende und die Aufforderung zum Tanz verdeutlichen die für das vorreformatorische Fastnachtspiel typischen Grenzüberschreitungen zwischen Schauspielern und Rezipienten. 68 Grundlage hierfür ist die Verortung im Aufführungsrahmen, wenngleich die Fixierung in Lesehandschriften erfolgt. Die Einheit von Publikum, Bühne und Darstellern ist dem Fastnachtspiel des Spätmittelalters selbstverständlich. Die Aufführung vollzieht sich in engstem Kontakt zu den Zuschauern. Die Spieler sprechen die Zuschauer an, gehen (vermutlich) unter sie, werben um Wohlwollen (und indirekt wohl auch um Entlohnung), fordern am Schluss der Stücke zu Musik und Tanz auf. 69 67 Vgl. zur Verwischung der Grenzen zwischen Zuschauern und Spieler im vorreformatorischen Fastnachtspiel Barton 2009, S. 171 f. 68 Der im 15. Jahrhundert nicht vorhandene feste Bühnenort und die damit erforderliche Einkehr der Schauspieler in Wirtshäuser mag die Grenzverschiebung zum Publikum ebenso verstärkt haben wie die Verwendung lebensweltlich und sozial bedeutsamer Themen, die eine Interaktion zwischen beiden besonders gut ermöglichen. Vgl. Ridder u. a. 2009, S. 206. Zur Terminologie ‚Einkehrspiel‘ vgl. Simon 2003, S. 320-326. 69 Ridder u. a. 2009, S. 206. <?page no="56"?> 56 2 Monolog Nach Pfisters Terminologie handelt es sich um Grenzüberschreitungen zwischen dem inneren und äußeren Kommunikationssystem, die dem Precursor oder im Fall des Fastnachtspiels K 37 der Spielfigur des Knechtes die Rolle eines vermittelnden Kommunikationsteilnehmers zukommen lassen. 70 In den frühen Fastnachtspielen bis 1549 und vereinzelt auch noch danach wählt Sachs eine schon in K 37 teilweise gebrauchte Zwischenform der Einschreier- und Ausschreier-Rede, bei der spielinterne Figuren diese Reden übernehmen. Mit der Einleitungsformel ‚redt mit jhr / jhm selb‘, die erstmals 1544 im Nebentext des Fastnachtspiels G 16 ausgewiesen ist, wenn auch nicht zu Beginn, unterstreicht Sachs den Monologcharakter gegenüber der Begrüßung des Publikums, die zu erwarten wäre. 71 Die analeptische Konstruktion und gleichzeitige Selbstcharakterisierung des Expositionsmonologes begründet das Verhalten der Kupplerin, indem er Lebenshintergründe benennt. 72 Die Enthüllung, Geld mit Kupplerei zu verdienen, vermittelt den Rezipienten unmissverständlich das Wissen über die leitenden Figurenabsichten und führt ihnen vor Augen, dass es sich bei der auftretenden Figur um eine Kupplerin handelt. Die Affektdarstellung in den einleitenden Worten „ach, was soll ich nun fahen an? “ (v. 1) verdeutlicht ihre verzweiflungsnahe Suche nach einem Lebensunterhalt. Ihrer Selbstcharakterisierung nach möchte sie ihn nicht mit Spinnen oder Krankenpflege verdienen und empfindet Scham bei der Vorstellung, betteln zu müssen. Als in der Stadt „verachtet und unwert“ (v. 10) angesehen, entsinnt sie sich ihrer Kunstfertigkeit in der „arglistig renck“ (v. 23). So erscheint ihr gefasster Plan plausibel, durch Kupplerei „danck und schenck“ (v. 24) zu verdienen, zumal ihr abgelegenes Haus für eine verschwiegene Abwicklung des Kupplergeschäfts gute Voraussetzungen bietet. 70 Gerade die Überschreitung der Grenzen, die nach Krohn 1974, S. 147, dem Publikum „eine Rolle in dieser (Ver-) Handlung“ zuweist, lässt in den 70er und 80er Jahren subversive Interpretationsansätze der Fastnachtspiele etwa bei Bastian 1983 aufblühen. Eine kritische Auseinandersetzung mit der subversiven Theorie von Michail Bachtin und der affirmativen von Dietz-Rüder Moser bietet Mertens 2008. Zusammengefasst heißt es dort, S. 59: „Ich will Rosenplüt, den anonymen Autor, oder Folz nun nicht zum Propagandaminister der Stadtregierung machen, wohl aber festhalten, daß von Subversion keine Rede sein kann. Das Gegenteil ist der Fall. Das Fastnachtspiel handelt ständeübergreifende Probleme ab im Sinn einer Bestätigung der bestehenden politisch-sozialen und der Geschlechterordnung. Die Szene ist ein Spiegel, der dem Publikum sein eigenes Bild zeigt im Sinn eines Weglachens möglicher Selbstzweifel. Die karnevaleske Gegenkultur ist ein sozialromantisches Konstrukt, ebenso wie die religiös-katechetisch-karthartische Wirkung ein pastoral-adventistisches.“ 71 Zum Zusammenhang zwischen wegfallender Begrüßung des Publikums und der sich ab ca. 1550 etablierenden und das Wirtshaus als Spielstätte ablösenden festen Bühne vgl. Teil D. 72 Vgl. Catholy 1968, S. 52 ff. <?page no="57"?> 2.2 Die alt verschlagen Kuplerin mit dem Thumbherrn 57 Das Motiv, durch Kupplerei Geld verdienen zu wollen, ist das handlungsauslösende Moment. 73 Der wesentlich informierende Monolog findet sein Ende im sprachlich vermittelten aktiven Übergang, der den Ort 74 der Handlung mitteilt: „Was steh ich, ich wil nein in Thumb“ (v. 29). In der Vorlage findet sich für die Fülle an Informationen, die der Expositionsmonolog vermittelt, keine Entsprechung. Auch die Figurenidentität zeigt sich im Haupttext der Vorlage allein dadurch, dass die auftretende Figur von einer den Domherren begehrenden Frau wissen will und dem Domherren dieses Wissen in einer Weise anträgt, das als typisch für das Verhalten einer Kupplerin angesehen worden sein dürfte. Darüber hinaus sind Figur und handlungsauslösende Situation nicht entwickelt; sie erscheinen primär im Nebentext, durch den Titel des Spiels und Rollennamen („Kupplerin dicit“). Sachs hingegen entwirft Elemente einer Biographie für die Figur, die von „Bulerey in meiner Jugend“ (v. 5) über „kranckheit lange Jar“ (v. 3) bis zur Gegenwart reicht, in der „mein Geltlich ich verzehret han“ (v. 2). Der Monolog, der die Selbstsicht der Figur als Introspektion präsentiert, ist für diese Informationen das geeignete Mittel. Sachs schickt damit der eigentlichen Handlung eine ausgearbeitete Situation voraus, die in plausibler Weise das Handeln motiviert. 75 Diese Funktionen des Monologs sind jedoch nicht nur auf den Expositionsmonolog beschränkt, sie gelten auch für den der nachfolgend auftretenden Figur (vv. 33-50): Ich wil da meine Horas beten Vnd allmitt hin vnd wider tretten 35 Vnd wil als bald im Thumb vmbschawen Nach den zarten vnd schoͤnen Frawen, Ob ich der eine vberkoͤmb, Die mich zu eim Bulen annoͤmb. Da wolt kein vnkost ich an sparn. 40 Als denn so wolt ich lassen fahrn Daheimen mein alte Schaf schelln, Die nichts kann denn gronen vnd pelln, Wil schir mein gantzen Hof regieren: 73 Vgl. Geiger 1904, S. 18. 74 Vgl. Neumann 2005, S. 252 f., zu der konkreten Ortsbenennung Würzburg bzw. „Vrankenlandt“ im Meisterlied und der Versnovelle Frau Metze und die Bezugnahmen von Sachs im Namensregister des Fastnachtspiels „Burckhardus, Thumbherr zu W.“. 75 Vgl. Geiger 1904, S. 46, und Catholy 1968, S. 52. Zur Betonung der materiellen Aspekte in Frau Metze vgl. Neumann 2005, S. 254-261. <?page no="58"?> 58 2 Monolog Was ich jr kauff vnd thu hofieren, 45 Wil sie mir gar zu Herrisch sein, Wuͤrd mich endtlichen gar thun ein. Darumb muß ich sie nach gepuͤr Fuͤr den Ars schlagen mit der Thuͤr, Ein blasn anheckn, wie man thut sagen, 50 Vnd darmit auß zum Teuffel jagen. Als Auftrittsmonolog übernimmt er die strukturell-gliedernde Funktion, den Beginn der zweiten Szene zu signalisieren. Die Rezipienten erfahren durch die ersten Verse, in denen der Monologisierende die „Horas beten“ (v. 33) und sich im „Thumb“ (v. 35) umschauen will, dass es sich um einen Domherrn handelt. Gleichzeitig verdeutlicht der Monolog die dramaturgisch relevante Information, dass ein Ortswechsel zum Dom hin stattgefunden hat. Diesen Ortswechsel hat die Kupplerin in ihrem Monolog bereits angekündigt. Selbstcharakterisierend enthüllt der Domherr seine Bereitschaft, sich eine Geliebte zu nehmen. In der Vorlage vermittelt der Precursor die Rollenidentität der Figur. Er kündigt nach der Begrüßung des Wirts den Domherrn aus Bamberg an (vv. 7-8): Hie kumpt von Banberg auß dem stift Unsers herrn bischofs sigler her Weitere Erläuterungen zum Agieren des Domherrn finden sich nicht. Vielmehr antwortet er auf die Eröffnung der Kupplerin ohne Umschweife, dass sie die Frau bringen solle, er würde es der Kupplerin lohnen, bitte sich aber Verschwiegenheit aus. Sachs dagegen entwickelt wie schon im Fall der Kupplerin ein motivationales Konstrukt für das Handeln der Figur. Im Unterschied zur Vorlage hegt der Domherr erstens selbst und eigenständig die Absicht, nach einer Geliebten Ausschau zu halten. Zweitens liefert er in der Rede mit sich selbst eine Begründung für diese Absicht. Diese Enthüllung hat als Kernaussage, dass der Domherr seiner misslaunigen und herrischen Geliebten überdrüssig ist. Obwohl es sich um einen Domherrn mit seiner Geliebten handelt, könnte Sachs hier auf das stereotype Motiv der Fastnachtspieltradition, den Machtkampf zwischen Eheleuten in Haus und Hof, zurückgegriffen haben. In der Regel erfolgt für diesen Konflikt in der Fastnachtspieltradition eine Affirmation der patriarchalen Ordnung. Die Zuflucht des Mannes bei einer anderen Frau und der Wunsch, die eigene zum Teufel jagen zu wollen, erscheinen dann als konventionelles Motiv, nach dem das folgende Handeln plausibel wäre. Wenngleich Sachs für den Domherrn keine ähnlich weit ausgearbeitete Selbstcharakterisierung wie für die Kupplerin <?page no="59"?> 2.2 Die alt verschlagen Kuplerin mit dem Thumbherrn 59 entwirft, erfüllt der Monolog insgesamt dennoch dieselben Funktionen und vermittelt darüber hinaus funktional den Ortswechsel. Die Verwendung der beiden Monologe bewirkt, dass im Dialog zwischen den zwei Figuren einander ergänzende Absichten zusammentreffen, die mittels Gleichzeitigkeit von ‚Motiv und Gelegenheit‘ eine kongruente Zielsetzung für das Handeln ergeben und so eine begründete Ausgangssituation präsentieren. Dem Dialog zwischen Kupplerin und Domherrn vorangestellt ist jedoch noch ein dritter Monolog (vv. 51-60). Als Zutrittsmonolog gestaltet, fasst die Kupplerin den Entschluss, dem Domherrn von einer schönen Frau zu erzählen, obwohl sie diese noch nicht gefunden hat: Dort ich ein jungen Thumbherrn sich, Den wil geleich ansprechen ich, Der wird mich je ins Maul nit schlagen, Wil jm von einr schoͤn Frawen sagen, 55 Die ich jm zu kupplen verheiß, Wiewol ich noch selbst keine weiß. Villeicht bring ich durch solche renck Von dem Thumbherrn ein gute Schenk, Daß ich ein weyl mich hab zu speissen. 60 Ich wil jm gehen den possen reissen. Die hier vorliegende und für das Fastnachtspiel seltene 76 Form des Zutrittsmonologs wird besonders durch die Teichoskopie geprägt, die eine bereits aufgetretene Figur identifiziert. Sie verdeutlicht, dass die Kupplerin den Domherrn anspricht, ohne bereits eine Frau für ihn zu haben. Die Rezipienten erhalten damit einen Informationsvorsprung, den es in der Vorlage nicht gibt und den Sachs bewusst für die Situation und für die weitere Handlungssukzession einsetzt. In der Vorlage erschließt sich die für die Kupplerin prekäre Situation nur aus der Art und Weise, wie sie das Interesse der Frau für den Domherrn zu wecken versucht. Der Monolog erscheint zur Wissensvermittlung besonders geeignet, weil es sich um figurenspezifisches Wissen handelt, das sich durch Darstellung von Gedanken enthüllen lässt. Die Monologfunktion liegt hier in der Explikation der Handlungslogik, die sich durch den Entschluss vermittelt. Obwohl der agierenden Figur für ein erfolgreiches Handeln noch nicht die Mittel zur Verfügung stehen, hier eine dem Herrn gegenüber willige Frau, bewirkt der 76 Insgesamt finden sich nur neun Zutrittsmonologe, wovon drei in das vorliegende Spiel integriert sind. <?page no="60"?> 60 2 Monolog Monolog eine Situationsveränderung. Den Umstand, dass das Handeln trotz fehlender Voraussetzungen erfolgreich sein muss, fängt Sachs durch erneutes Aufzeigen der Handlungsmotive auf, hier also die Notwendigkeit, den Lebensunterhalt verdienen zu müssen. Charakteristisch für den Zutrittsmonolog mit Entschlusscharakter ist, dass er zum einen in einer für Sachs typischen Weise mittels dargestellter Reflexion die Handlungsintention der Figur noch einmal untermauert. 77 Zum anderen deutet er eine mögliche Konfliktentwicklung an, indem die Folgen der in Gang gesetzten Handlung durch die agierende Figur nicht mehr vollständig kontrolliert werden können. Durch das eingegangene Risiko baut sich eine potenziell dramatische Spannung auf. Hier liegt ein gewichtiger Unterschied zwischen Bearbeitung und Vorlage, bleibt letztere doch in schlichter Ereignishaftigkeit verankert, deren Eindimensionalität Sachs mittels Monologen aufzulösen versteht. Im Anschluss an den Dialog beendet Sachs die zweite Szene mit einem Abgangsmonolog (vv. 121-128) des Domherrn: Das ist ein vnuerhofftes gluͤck, Das mir selb waltzet auff den ruͤck. Wer mag nur die zart Fraw gesein, Die so bruͤnstig begeret mein? 125 Ich hoff doch, ich woͤlls sehen bald Die außerwehlt vnd wol gestalt, Der ich doch gar nit kan vergessen. Ich wil zu Hauß zu den Fruͤessen. Im Wesentlichen liegt die Funktion in der Affirmation von Situation, Motiv und Handlung. Weil die retardierende Konstruktion keine neuen Informationen für die Handlung liefert, lässt sich die Hauptfunktion in der Anordnung im szenischen Gefüge sehen. Der Einsatz des Abgangsmonologes am Ende der Szene plausibilisiert den darauffolgenden Auftritt der Kupplerin, die vor dem Monolog die Bühne verlassen hat, um in der nächsten Szene fernab des Domherrn ihre heimlichen Absichten präsentieren zu können. Im anschließenden Auftritt-Abgangs-Monolog der Kupplerin (vv. 129-136) zeigt diese ihre Freude über die gelungene Täuschung des Domherrn: 77 Geiger 1904, S. 13, meint, dass „vor jedem wichtigen Handeln die Entstehung des Wollens auf der Bühne“ gezeigt werde. Für ihn wird dies zu einer „fast ausnahmslos beobachteten Regel“ in den Fastnachtspielen von Sachs. <?page no="61"?> 2.2 Die alt verschlagen Kuplerin mit dem Thumbherrn 61 Die ersten schantz die thett ich treffen, 130 Thett den Narren naͤrren vnd aͤffen: Ich thett ein Bulschafft jm antragen Vnd weiß je von keiner zu sagen, Hab gar kein bfelch von einer Frawen, Wil gehn am Marckt, nach einer schawen, 135 Ob ich den Reyen moͤcht machen gantz, Villeicht geredt mir noch ein schantz. Neben der wiederholten Feststellung, bisher keine Frau für den Domherrn gefunden zu haben, verkündet die Kupplerin ihren ersten Erfolg, da sie von ihm bereits Geld erhalten hat. Sie fasst nun den Entschluss, weiter ihr Glück zu versuchen und eine Frau zu finden. In gleicher Weise wie im Zutrittsmonolog hat Sachs eine kurze analeptische Reflexion eingearbeitet und die folgende Handlungslogik proleptisch expliziert. Als eigene Szene gestaltet, dient der Monolog der Vorbereitung auf die folgende Szene, indem der Entschluss sich mit einer sprachlich vermittelten Lokalisierung des nächsten Schauplatzes verbindet. Handlungsbezogen übernimmt der Monolog die Überleitung zum Ortswechsel auf den Markt. In der Vorlage findet sich keine Reflexion der Kupplerin, stattdessen folgt dem Dialog zwischen Domherrn und Kupplerin ein bei Sachs nicht zu findender Dialog zwischen dem Domherrn und einem Boten. Darin wird der Domherr abberufen, um einen Brief zu siegeln. Er versucht zwar, Zeit zu gewinnen, indem er den Boten nicht gleich wieder losschicken will: „Ir mußt ie harren eine kleine zeit.“ (S. 278 v. 26); doch der Bote lässt sich nicht vertrösten, da der Bischof sein Auftraggeber ist. Widerwillig fügt sich der Domherr der Anordnung mit den Worten „So sigel ich des teufels namen.“ (S. 279 v. 1). Auch wenn Sachs das Gespräch mit dem Boten nicht übernimmt, bringt er in der fünften Szene in einem Dialog zwischen Kupplerin und Domherrn die wesentlichen Informationen dieses Abschnitts der Vorlage unter. Dem vorangestellt ist die vierte Szene, in der eine Frau mit ihrer Magd zum Marktgeschehen hinzutritt, und ein erneuter Monolog der Kupplerin (vv. 153-163). Sie liefert eine Beschreibung der Frau und den Entschluss, sie für den Domherrn ansprechen zu wollen: Dort geht ein Fraw, die duͤncket mich Sey geschmuͤckt auff den Finckenstrich 155 Mit grosser Pleiden, scharpffem Gbendt, Hat etlich Corelln an der Hendt, Mantl vnd Schaubn jr alls rebisch staht, Weiß Stiffel, Pantoͤffelein glat; <?page no="62"?> 62 2 Monolog Mit dem Gsicht hin vnd wider wechelt, 160 Mit jr Meyd stets fispert vnd lechelt. Mich duͤnckt, sie sey deß rechten flugs, Sie wird geleich seyn meines fugs, Ich wil sie kecklich reden an. Dieser Zutrittsmonolog bietet mit einer ausführlichen Teichoskopie eine Charakterisierung der bereits aufgetretenen Figur. Die wortreiche Darstellung erscheint zunächst retardierend, da die Beschriebene selbst vor wenigen Augenblicken auf der Bühne zu sehen war. In die Beschreibung ist jedoch eine Fremdcharakterisierung eingewoben: Die Kupplerin vermutet, das geeignete Opfer gefunden zu haben, denn jene Frau habe sich so herausgeputzt, weil sie auf dem „Finkenstrich“ (v. 154) sei - also nach Männern Ausschau halte. Auch ihr Verhalten zeige, dass sie „rechten flugs“ (v. 161) sei. Nicht zuletzt scheint es sich um eine hinreichend vermögende Frau zu handeln. Der Entschluss, die Frau anzusprechen, scheint auseichend begründet. Der Monolog kommentiert und deckt bisher nicht bekannte mögliche Absichten auf. Zudem bringt er die Handlung begründend voran. Der parallele Aufbau beim Finden der ‚Auserwählten‘ stellt einerseits den Rückbezug zum Domherrn her und macht andererseits den Unterschied zu diesem deutlich. Denn im Gegensatz zum Domherrn, der in seinem Auftrittsmonolog seine Absicht enthüllt hat, ist es in diesem Monolog die Kupplerin, die der Frau aufgrund ihres Auftretens eine Absicht unterstellt. Am Ende der zweiten Szene geht der Domherr mit den Worten „Ich will zu Hauß zu dem Fruessen“ (v. 128) von der Bühne. Der Auftrittsmonolog der fünften Szene (vv. 213-218) stellt über die Analepse die Verbindung zum erwähnten Frühstück her und verknüpft dadurch die beiden Monologe miteinander: Ich hab das Morgenmahl eingnommen, Bin wider her in den Thumb kommen 215 Vnd wil da auff dem platze schawen, Ob mir von der zart schoͤnen Frawen Die Alt brecht etwann gute Mehr. Dort kombt sie eben gleich daher. Dem semantischen Anschluss an das Frühstück fügt Sachs eine Prolepse an, die mit der Bekundung, auf Nachricht von der Kupplerin zu warten, in den folgenden Dialog überleitet. Die wesentliche Funktion ist indes technisch bedingt, da der Zeitverlauf und der Ortswechsel zum Dom vermittelt werden müssen. Zudem bleibt über die zeitliche Klammer und die Wiederholung der grund- <?page no="63"?> 2.2 Die alt verschlagen Kuplerin mit dem Thumbherrn 63 legenden Motivation des Domherrn die Handlungssituation der Figur über die bisherigen Orts- und Szenenwechsel erhalten. Aus dieser figurenspezifischen Perspektive heraus wird der Blick auf die bald auftretende Person gerichtet. Die dadurch gewährleistete Konstanz der Figurenperspektive erfährt einen umso stärkeren Bruch, wenn der Domherr im folgenden Dialog der Kupplerin eine Absage erteilt. Es ist auffällig, dass Sachs den Auftrittsmonolog nicht dazu nutzt, die zeitliche Verhinderung darzustellen, die dem Domherrn bereits bekannt sein müsste. Mit Blick auf die Vorlage wäre es eine denkbare Möglichkeit, den Auftritt des Boten zu streichen und den dadurch frei gewordenen Inhalt in den Monolog zu übernehmen. Sachs jedoch verankert diese Information im Dialog mit der Kupplerin. Das überraschende Moment, das sich daraus für die Wahrnehmung der Figur Domherr ergibt, fängt er mit dessen bedauernden Worten vor seinem endgültigen Abgang ab. Auch sie sind also nicht als Monolog geformt. Grund dieser dramaturgischen Ausgestaltung könnte sein, dass Sachs erstens die enge zeitliche Abfolge der Vorlage beibehalten wollte. Dass das Zusammentreffen mit der Frau so rasch zu erfolgen habe, scheint der Domherr nicht vermutet zu haben. Ebenso wie sein Alter Ego in der Vorlage kann er jedoch einen Auftrag des Bischofs nicht aufschieben. Zweitens verlagert Sachs den sich aus der Absage ergebenden Konflikt ganz auf die Figur der Kupplerin. Indem er dafür auf den Dialog zurückgreift, findet sie sich direkt in einer völlig veränderten Situation wieder. Damit entscheidet sich Sachs drittens gegen eine berichtsmäßige Informationsvergabe im Monolog und folglich gegen einen Wissensvorsprung der Rezipienten vor der Kupplerin. Stattdessen schafft er Parallelität von innerem und äußerem System für die Informationsvergabe und den größtmöglichen Effekt für die Peripetie. Obwohl damit die Vorlage hier eine Möglichkeit für die Verwendung des Monologs eröffnet, hat sich Sachs an dieser Stelle gegen eine Informationsvermittlung von Figurenwissen in dieser Form entschieden. Am Ende der fünften Szene (vv. 241-248) bringt ein Abgangsmonolog den Ärger der Kupplerin zum Ausdruck, einen neuen Mann finden zu müssen: Potz Leber Huͤnr, wo muß ich nauß? Die Fraw wart daheim in meim Hauß, Vnd wo ich kein Mann zu jr bring, Wird ich vbel bstehn aller ding. 245 Ich wil nach eim andern umbschawen, Denselben bring ich zu der Frawen, Auff daß mit ehren ich besteh Vnd mein handel von statten geh. <?page no="64"?> 64 2 Monolog Mittels Affektdarstellung und raschem Entschluss nach kurzer Reflexion kommt es zur Tempoverschärfung im Spiel. Der Monolog findet sich an einer Stelle, an der die Situationsveränderung eine intentionale Reaktion der Figur erfordert. Er verstärkt so die Spannung hinsichtlich des kommenden Handlungsverlaufs. Zu Beginn der sechsten Szene tritt der interessierte, angebliche neue Mann monologisierend auf (vv. 249-258). In Wahrheit ist es der Ehemann, der seine Frau sucht. Die ersten beiden Verse identifizieren die Figur: Mein Fraw die ist heut gen marck gangen 250 Mit jrer Meyd, vnd thun vmbprangen. Nun hat die Vhr schon neun geschlagen, Wo thun sien tag im korb vmbtragen? Ich meyn, sie hab der Teuffel hin, Biß her ich noch vngessen bin, 255 Vnd ist noch kein funck Fewrs im Hauß, Bin gleich vor zorn gelauffen auß; Ich wil jr den Peter puff singen, Thu ich sie heym zu Hause bringen. Mit dem Dialog zwischen der Frau und der Magd, der einzig den Einkauf zum Thema hatte, sowie die ausführliche Beschreibung der Frau durch die Kupplerin stellt Sachs sicher, dass an dieser Stelle eine kurze Replik zur Identifikation der Figur ausreicht. Die analeptische Konstruktion über die verstrichene Zeit unterstützt diesen Ansatz. In logischer Folge wird deutlich, warum die Kupplerin den Ehemann trifft. Das in der Vorlage allein vom Zufall bestimmte Zusammentreffen von Kupplerin und Ehemann ersetzt Sachs durch die o. g. Konstruktion, die maßgeblich der Konfliktentwicklung dient. Wie die Exposition des Fastnachtspiels setzt sich die Hinführung zur Peripetie aus einer Kette von drei Monologen zusammen. Den dritten Monolog der Kette, der auch der letzte des Fastnachtspiels ist, gestaltet Sachs wieder in Parallelität zu den vorhergehenden Zutrittsmonologen der Kupplerin. Auch hier kommt die Kupplerin zu dem bereits aufgetretenen Ehemann und liefert eine teichoskopische Beschreibung des von ihr ‚Auserwählten‘ (vv. 259-264): Dort geht ein mann artlich gebutzt, 260 Der stets hin vnd herwider gutzt, Samb er nach schoͤnen Frawen sech. Ich wiln anredn mit worten spech, Ob ich den in den kluppen brecht, So stuͤnd der handel wol vnd recht. <?page no="65"?> 2.2 Die alt verschlagen Kuplerin mit dem Thumbherrn 65 Wie schon in der zweiten Teichoskopie ergibt sich aus der Beschreibung des Ehemannes eine Fremdcharakterisierung, aufgrund derer sich die Kupplerin entschließt, den Mann anzusprechen. Anders als im Fall der Frau verfügen die Rezipienten indes über den Informationsvorsprung, dass der Ehemann nicht nach Frauen Ausschau hält, sondern seine Ehefrau sucht. Dem Monolog kommt wesentlich die Funktion zu, dass die Kupplerin den für die Handlung entscheidenden Entschluss fasst, den Mann anzusprechen, der schließlich zum Höhepunkt, dem Zusammentreffen zwischen Ehefrau und Ehemann, führt. In der Vorlage ist dieser Vorgang mit sieben Versen erheblich kürzer dargestellt. Dass die Kupplerin den Domherrn nicht finden kann, macht die Regieanweisung „Nu lauft die Kupplerin und sucht den Thumherrn und fand sein nicht pald.“ (S. 280 v. 1) deutlich. Fünf Verse später folgt die Information, dass es sich um den Ehemann der Frau handelt. Die Magd schaut aus dem Fenster und sagt „O frau, sie bringt furwar euren man.“ (S. 280 v. 7). Wie schon der Handlungsumschwung und die Konfliktentwicklung aufgrund der Absage des Domherrn nicht in einen Monolog gefasst sind, so wird auch der zweite Umschwung, die ‚rettende Idee‘ für die Ehefrau, in der Bearbeitung nicht durch einen Monolog vermittelt. Sie erfolgt im Dialog der Frau mit der Magd, indem die Magd wie auch in der Vorlage der Frau rät, auf den Ehemann loszugehen und ihm Vorwürfe zu machen. Es ist demnach keine Ausnahme, dass in diesem Fastnachtspiel Monologe nicht direkt am aktionalen Punkt der Situationsveränderung, dem Ablauf der Handlung positioniert sind, sondern davor oder danach. Die Monologfunktion lässt sich hier eher der motivierenden Handlungsvorbereitung und Situationsentwicklung zuordnen. Der Beginn ist durch drei aufeinanderfolgende Monologe geprägt, von denen die beiden ersten wesentlich der Figurenzeichnung dienen. Sie stellen, teilweise analeptisch konstruiert, enthüllend Motive und Absichten heraus und entwickeln so die figurenperspektivische Sicht für die Handlung. Im Gegensatz zum vorreformatorischen Fastnachtspiel vermitteln hier die Monologe die Handlungsmotive der Figuren. Die Enthüllungen von Absichten, Selbstcharakterisierungen und die Darstellungen von Affekten basieren auf Stereotypen wie etwa ‚der seiner Ehefrau überdrüssige Mann‘, ‚die flatterhafte junge Frau‘ und ‚die verschlagene Kupplerin‘. Die dargestellten Motivationen dienen nicht komplexeren Figurenkonstruktionen, 78 sondern der Handlungsbegründung. 78 Diese Ansicht vertritt bspw. Geiger 1904, S. 299. Er sieht in der Motivierung der Figuren ein Mittel zur Charakterisierung. Ebenso sind für ihn (S. 337) der Monolog des Domherrn (vv. 33-50) und der des Ehemanns (vv. 249-258) „charakterisierende Monologe“. <?page no="66"?> 66 2 Monolog Es stellt sich die Frage, weshalb Sachs Handlungsmotivierungen einfügte, obwohl die Vorlage die Handlung bereits verständlich darstellt. Ein mögliches Unverständnis seiner Rezipienten scheint als Begründung allein auch deshalb wenig plausibel, weil es hierfür keinerlei Belege gibt. Vielmehr ging es Sachs um den kausalen Aufbau der Spielrealität. Nicht der Zufall sollte Handlungsauslöser sein, sondern intentionale Entscheidungen der jeweiligen Figuren. Dieser Funktion lassen sich acht der zehn Monologe zuordnen. Mit Ausnahme der Schlussszene, die rein dialogisch ist, bilden die Monologe im strukturellen Gefüge regelmäßig den Anfang oder das Ende einer Szene. Einen abgesetzten Schlussmonolog gibt es nicht. Monologe führen Zeitsprünge, Ortswechsel sowie Veränderungen der Figurenkonstellation ein. Da die letzte Szene auch hier eine Ausnahme bildet, ist davon auszugehen, dass Sachs grundsätzlich die Monologe zur strukturellen Gliederung funktionalisiert, zugleich aber Ausnahmen zulässt. Die drei Zutrittsmonologe inmitten der Szene dienen der teichoskopischen Beschreibung der auserwählten Personen und der Ankündigung, sie ansprechen zu wollen. Durch das Zurückgreifen auf denselben Monologtyp in der jeweils parallel gestalteten Situation - Kupplerin sieht ein potenzielles ‚Opfer‘ - werden den Rezipienten indes auch die Unterschiede in der Menschenkenntnis der Kupplerin vermittelt: Der Blick auf den Domherrn ist hier bestätigend, der auf die Ehefrau zweifelnd, denn es bedarf noch der Überredung durch die Magd, und hinsichtlich des Ehemanns wird ihre Menschenkenntnis ad absurdum geführt. Sachs setzt bis auf den Überbrückungsmonolog alle strukturell-gliedernden Monologtypen ein. Neben der handlungsbezogenen und strukturierenden Funktion dienen einige Monologe hauptsächlich dazu, die Komik des Spiels zu verstärken bzw. Komikeffekte in das Fastnachtspiel zu integrieren, die es in der Vorlage nicht gibt. Besonders deutlich ist dies an den letzten beiden Monologen der Kupplerin (vv. 241-248; vv. 259-264) zu sehen. Die Panik der Kupplerin „Potz Leber Hunr, wo muß ich nauß? “ (v. 241) bringt die Komik der Verzweiflung ins Spiel, erzeugt über das nun zentrale Handlungsproblem, einen neuen Mann finden zu müssen. Im Gegensatz zur Vorlage, in der die Komik durch verbale Attacken des anderen und Prügelszenen entsteht, 79 greift Sachs auf Sprachkomik zurück, die die eigene Person und nicht mehr den Dialogpartner betrifft. 79 Vgl. Catholy 1968, S. 43-48. Zusätzlich nennt Catholy (S. 42) für die vorreformatorische Vorlage einen über die Wortkomik hinausgehenden Aspekt, der sich durch die Inszenierung ergeben soll: Der Regieanweisung nach ist der Domherr von demselben Schaupieler darzustellen, der auch die Rolle des Ehemanns ausfüllt. Dem Publikum werde dadurch <?page no="67"?> 2.2 Die alt verschlagen Kuplerin mit dem Thumbherrn 67 Als zweites Beispiel kann der Monolog der Kupplerin in der sechsten Szene (vv. 259-264) dienen. Darin ermöglicht das mehrperspektivische Wissen die Entstehung von Komik: Da die Rezipienten über einen Informationsvorsprung verfügen, der sie wissen lässt, dass es sich um den Ehemann der Frau handelt, den die Kupplerin sieht, weckt ihre Interpretation der Handlung des Hin- und Herschauens vor allem die Spannung der Rezipienten auf die Auflösung dieses Irrtums und auf die Bloßstellung der Intrigantin. 80 Die noch zuvor in der Beschreibung des Domherrn und teilweise der Frau treffende Menschenkenntnis der Kupplerin versagt nun. Neben der Vermittlung von Figurenperspektiven, die dem logischen Handlungsaufbau dienen, liegt die Funktion einzelner Monologe zudem in der Entwicklung bzw. Verstärkung von Komik. Der Handlungsgang ist auf das ‚Spiel mit der Intrige‘ bzw. des ‚betrogenen Betrügers‘ 81 ausgerichtet und etabliert dadurch im Gegensatz zum vorreformatorischen Fastnachtspiel eine neue Form der Komik. Der durch den Monolog vermittelte dramaturgische Anspruch von Sachs liegt vor allem in der Handlungsmotivierung. Sind die Figuren auch nicht weniger gut oder schlecht gezeichnet als in der Vorlage, erscheint ihr Handeln gleichwohl wesentlich kausal begründet. Die Handlungslogik ist hier immer zugleich Verständnishilfe für die Rezipienten, weil die monologisierenden Figuren selbst das Verständnis der Handlung mittels Erläuterungen und Kommentierungen des eigenen und fremden Handelns fördern. Für die Komik der Intrige ist dies eine notwendige Vorausetzung. Die von Sachs ausgeführten dramaturgischen Änderungen lassen schließlich danach fragen, wie er zur Beherrschung der vorgestellten dramatischen Technik gelangen konnte. Eine Analyse der Monologe in den Tragedis und Comedis aus den Jahren 1527-1549 und deren Vorlagen soll hierauf Antworten geben. die Künstlichkeit des Schauspiels bewusst, es erkenne das Spiel mit den Rollen, welches es als komisch empfinde. 80 Nach Catholy 1968, S. 51, liegt die Veränderung der Komik bei Sachs im Vergleich zur Vorlage darin, dass Autor und Spieler „die Erfahrung gemacht haben“ müssen, „daß auch durch eine zusammenhängende komische Handlung ihre Zuschauer zu gewinnen waren“. 81 Vgl. zu einer Typologie von Konventionen des ‚Spiels‘ Turk 1988, S. 9-53. <?page no="69"?> Teil B: Poetologiehistorische Untersuchung Von 1517-1549 dichtete Hans Sachs insgesamt 19 Fastnachtspiele, von denen bereits einige kurze Monologe aufweisen. Funktionalisierungen, wie in der Typologie dargestellt, finden sich wiederkehrend erst in den Fastnachtspielen ab 1550. Von den insgesamt 347 Monologen lassen sich nur sieben in Fastnachtspielen vor 1550 nachweisen. Neben dem Fastnachtspiel erweiterte Sachs sein Werk um zwei ‚neue‘ dramatische Gattungen, die Tragedis und Comedis, die er ab 1527 zu dichten begann. In diesen 28 Schauspielen finden sich Monologe bereits in großer Zahl, zeitlich gesehen also vor ihrer extensiven Verwendung in den Fastnachtspielen. Die Tragedis und Comedis sind nach Vorlagen gedichtet, bei denen es sich bis 1536 vor allem um neulateinische und antike handelt, nach der Schaffenspause von neun Jahren ab 1545 vor allem um das Dekameron . Ihre enorme Bedeutung für die Entwicklung der Dramen- und Monologtechnik von Sachs zeigt sich anhand der folgenden Nachzeichnung des poetologischen Aneignungsprozesses. In einem ersten Schritt ist hierfür auf die Bedeutung der Begriffe Tragödie und Komödie, wie sie in der Frühen Neuzeit galten, einzugehen, um das poetologische Verständnis der neulateinischen Dichter zu verdeutlichen. Danach wird gefragt, inwiefern das zeitgenössische Begriffsverständnis von Komödie und Tragödie für Sachs eine Brückenfunktion für die Entwicklung seines eigenen Dramenverständnisses bereit stellte, mithin sein Gattungsverständnis in den vorfindlichen Konturen als Ausdruck einer produktiven Rezeption der Angebote der humanistischen Gelehrtenkultur literarhistorisch zu begreifen ist. In einem zweiten Schritt ist die in den Fastnachtspielen verwendete Monologtechnik auf ihren möglichen poetologischen Aneignungsprozess durch Sachs zu befragen. Hierfür erfolgt unter Verwendung der Monologtypologie, die anhand der Fastnachtspiele erstellt wurde, eine Durchsicht der zeitlich vorgelagerten Schauspiele. Auf diese Weise lässt sich darstellen, inwieweit die von Sachs in den Fastnachtspielen verwendete autokommunikative Gedankenrede mit seiner Rezeption und Auseinandersetzung in den Bearbeitungen von Vorlagen der Tragedis und Comedis korrespondiert. Zu fragen ist insbesondere, inwiefern sich Sachs Varianten des Monologs aus den Vorlagen aneignete und nachbildete oder darüber hinaus eigenständige Formen an neuen Stellen oder in modifizierter Form in seine Bearbeitungen <?page no="70"?> 70 Teil B: Poetologiehistorische Untersuchung einfügte. Diese Nachzeichnung eines poetologischen Entwicklungsprozesses als Tiefenanalyse, der Aufnahme und Verständnis ebenso umfasst wie Anwendungen und Modifikationen, erfolgt chronologisch. Es werden zunächst die Werke aus den Jahren 1527-1536 betrachtet, die auf antiken und neulateinischen Quellen beruhen. Anschließend werden für den Zeitraum 1545-1549 die Rezeption und Nachdichtung des Dekameron und die Menaechmi -Bearbeitung betrachtet. Um einer Antwort auf die Frage näher zu kommen, wie sich der poetologische Aneignungsprozess für die nachgewiesenen Monologtechniken der Fastnachtspiele darstellt, wird im dritten Schritt die Übertragung von Dekameron -Novellen in dramatische Texte analysiert. Weiterführend wird untersucht, inwiefern die Übertragung der Erzählinstanz in dramatische Figurenrede Grundlagen für den Einsatz des Monologes bereit gestellt hat. Zu fragen ist insbesondere nach einer Funktionalisierung der autokommunikativen Gedankenrede für eine dramaturgisch schlüssige Präsentation von Handlungssituation und Handlungsgang, die es Sachs ermöglichte, einen Handlungsaufbau nach „anfang, mittel und endt“ zu strukturieren. Dieser vierte Schritt führt den Bogen der Untersuchung über die in der Typologie benannten strukturellen und handlungsbezogenen Kategorien hinaus. Mit der Analyse des Monechmo wird schließlich die Aneignung von Elementen zur Präsentation von Komik und die Entwicklung der schwankhaften Handlungskonstruktion in den Fastnachtspielen verdeutlicht. Diese „poetologiehistorische“ Untersuchung sieht Sachs als einen Autor, der rezipierend und produzierend in einem literarhistorischen Produktions- und Bildungsprozess stand. Der Monolog fungiert in dieser analytischen Sicht- und Vorgehensweise als ein Gelenkstück für die Entwicklung der Dramentechnik und für das Verständnis von Schauspielen als Tragödie bzw. Komödie. <?page no="71"?> 1 Gattungsverständnis in der humanistischen Gelehrtenkultur 1.1 Komödie Das Verständnis von Komödien ging in der Frühen Neuzeit maßgeblich auf Auseinandersetzungen mit Dramen von Terenz zurück, der mit der Wiederentdeckung des Kommentars von Aelius Donatus 1 1433 in Italien und spätestens 1456 in Deutschland ins Zentrum des gelehrten Interesses rückte. Als Peter Luder 1456 an der Universität Heidelberg seine Inauguralrede hielt, hob er den didaktischen Wert der Poesie im Allgemeinen und den der Komödien des Terenz im Besonderen hervor. 2 Seine ein Jahr später gehaltene Terenz-Vorlesung, in der er gleichfalls den didaktischen Nutzen betont, war so erfolgreich, dass er sie in Erfurt und Leipzig wiederholte. Luder, wie auch Donat in De Comoedia , stützt seine Argumentation auf Ciceros Lob der Komödie als Spiegel der Sitten und Charaktere. 3 Donat führt aus: Die Komödie ist eine Geschichte, die verschiedene Darstellungen von Leidenschaften von Bürgern und Privatleuten beinhaltet, aus denen man lernt, was im Leben nützlich und andererseits zu meiden sei. […] Cicero sagt, die Komödie sei eine Nachahmung des Lebens, ein Spiegel des Alltags, ein Abbild der Wahrheit. 4 1 Vgl. Herrick 1964, S. 3 ff., zu weiteren Kommentierungen der Dramen von Terenz in der Frühen Neuzeit. 2 Neben dem Wissen um Regularien zur Textherstellung war das selbstständige Dichten im Sinne der imitatio antiker Literatur konstitutiver Bestandteil für das humanistische Selbstverständnis. Das nachahmende aber dennoch als selbstständig geltende Dichten war Ausweis einer neuen Bildungselite zugehörig zu sein. Vgl. Bernstein 2004, S. 115. Das Vorgehen wurde unter den Humanisten mit dem Bienengleichnis beschrieben: Wie Bienen, die sich die besten Blüten auswählen, um daraus einen qualitativ neuen Stoff, Honig und Wachs, herzustellen, suchen sich die neulateinischen Dichter aus den antiken Stücken die besten für ihre Neuschöpfungen heraus. Vgl. Bernstein 2004, S. 117. Bei Seneca im 84. Brief an Lucilius heißt es: „Apes, ut aiunt, debemus imitari, quae vagantur et flores ad mel faciendum idoneos carpunt, deinde quicquid attulere, disoponunt ac per favos digerunt et ut Vergilius noster ait, liquentia mella. Stipant et dulci distendunt nectare cellas.“ Seneca: Ad Lucilium Epistulae Morales, 84. Zum Bienengleichnis bei Seneca und Macrobius vgl. De Rentiis 1998, S. 30-44. 3 Vgl. Herrick 1964, S. 12 ff., zur Rolle von Terenz für Ciceros De oratore . 4 Aeli Donati Commentum Terenti 1962, S. 22: „Comoedia est fabula diuersa continens affectuum ciuilium ac priuatorum, quibus discitur, quid sit in uita utile, quid contra <?page no="72"?> 72 1 Gattungsverständnis in der humanistischen Gelehrtenkultur Der von Donat formulierte Anspruch an die Komödie, ein Spiegel der Sitten zu sein, war das Hauptargument für Luther und Melanchthon, das Theaterspiel im Verlauf der Reformation zu legitimieren, ermöglicht es doch eine Nachahmung des Lebens und, bei entsprechender Lesart, die Vermittlung moraldidaktischer Inhalte. Neben solcherart Vermittlung trat die universitäre Grammatik- und Rhetorikschulung, eignen sich Komödien doch bestens für die lateinische Sprachausbildung. 5 Der didaktische Ansatz im Zugang zum Drama fand schließlich ab dem 15. Jahrhundert seine Umsetzung in der Dramenproduktion. Er war in der Frühen Neuzeit ein wesentlicher Zweck der Dramendichtung. Vor diesem Hintergrund sind auch die Werke von Sachs als Teil eines literarhistorischen Gesamtprozesses zu sehen. Die Komödie nahm möglicherweise gegenüber der Tragödie in der Frühen Neuzeit eine bevorzugte Stellung ein, weil die Rede vom Drama als Spiegel der Sitten, das eine Besserung des Menschen bewirke, nur die Komödie betrifft. Die Ausnahmestellung von Terenz unter den antiken Dramendichtern spiegelt sich nicht nur bei Donat und Luder, sondern auch im ersten Druck eines antiken Autors und der ersten deutschen Übersetzung wider: 1470 wurde in Straßburg eine Terenzausgabe gedruckt und 1486 übersetzte Hans Neidhart den Eunuchus ins Deutsche. Die mit Anmerkungen versehene Übersetzung wurde ohne große euitandum […] comoediam esse Cicero ait imitationem uitae, speculum consuetudinis, imaginem ueritatis.“ Übersetzung nach Dietl 2005, S. 21. 5 Vgl. Dortmund 1995, S. 151 f., und Dietl 2005, S. 22. Luther WA TR 1, 1912, S. 431 f., äußerte sich zur Komödie mit den Worten: „Comödien zu spielen soll man um der Knaben in der Schule willen nicht wehren, sondern gestatten und zulassen, erstlich, daß sie sich uben in der lateinischen Sprache; zum Andern, daß in Comödien sein künstlich erdichtet, abgemalet und fürgestellt werden solche Personen, dadurch die Leute unterrichtet, und ein Iglicher seines Ampts und Standes erinnert und vermahnet werde, was einem Knecht, Herrn, jungen Gesellen und Alten gebühre, wohl anstehe und was er thun soll, ja, es wird darinnen furgehalten und fur die Augen gestellt aller Dignitäten Grad, Aempter und Gebühre, wie sich ein Iglicher in seinem Stande halten soll im äußerlichen Wandel, wie in seinem Spiegel. - Zudem werden darinnen beschrieben und angezeigt die listigen Anschläge und Betrug der bösen Bälge; desgleichen, was der Eltern und jungen Knaben Amt sei, wie sie ihre Kinder und junge Leute zum Ehestande ziehen und halten, wenn es Zeit mit ihnen ist, und wie die Kinder den Eltern gehorsam sein, und freien sollen usw. Solchs wird in Comödien furgehalten, welchs denn sehr nütz und wohl zu wissen ist. Denn zum Regiment kann man nicht kommen, mag auch dasselbige nicht erhalten, denn durch den Ehestand. Und Christen sollen Comödien nicht ganz und gar fliehen, drum, daß bisweilen grobe Zoten und Bühlerey darinnen seyen, da man doch um derselben willen auch die Bibel nicht dürfte lesen. Darum ists nichts, daß sie solchs fürwenden, und um der Ursache willen verbieten wollen, daß ein Christe nicht sollte Comödien mögen lesen und spielen.“ <?page no="73"?> 1.1 Komödie 73 Veränderung, insbesondere ohne Versifikation, sondern unter Beibehaltung der Prosa in die Grüninger-Ausgabe von 1499 übernommen. 6 Die Besonderheit von Neidharts Übersetzung ist die ausführliche Kommentierung des Stückes, die auch dramentheoretische Aussagen zum Aufbau von Komödien liefert. Dies ist hervorzuheben, da Neidharts Text mit Sicherheit Sachs bekannt war und als Vorlage für seine Comedi Von der bulerin Thais und iren zweyen bulern, dem ritter Thraso und Phoedria diente. 7 Neidhart stellt seinen Erläuterungen zur Komödie ein Vorwort und ein doppeltes argumentum voran. Er gibt nicht nur für die Komödie im Allgemeinen, sondern auch für ihre einzelnen Bestandteile sowie für das argumentum Erläuterungen. Um die Lektüre des Dramas zu erleichtern, geht er zu einer Erklärung des Begriffes comoedia über, den er als dem Leser unbekannt einstuft, denn es bestehe eine „grosse notturfft“, ihn zu erklären. Ähnlich wie schon Donat bezieht sich Neidhart auf Ciceros Lob der Komödie als Spiegel der Sitten und der Wahrheit und hebt in gleicher Weise den didaktischen Nutzen hervor. Mit der etymologischen Erläuterung des Wortes comoedia ordnet er die Figuren dem mittleren Stand zu. Die Komödie sei in vier Teile gegliedert: (a) der Vorrede („Methaplasmus“) folgen (b) der Anfang und eine Aufzählung der Verwicklungen, so dass das Volk neugierig werde („Prothesis“), woraufhin (c) die Konflikte sich so zuspitzten, dass alle betrübt seien („Epenthesis“), aber am Ende (d) die Betrübnis sich zu einem glücklichen Ausgang wende („Paragoge“). Diese vier Teile werden in fünf Akten untergebracht. 8 6 Vgl. Bernstein 1978, S. 96 f. Im Vorwort zu Neuauflage der Straßburger Terenzausgabe von 1499 betont Jacob Locher die Bedeutung von Terenz für moralische Fragen. Dabei erwähnt er das Terenz-Lob des Kirchenvaters Hieronymus und die moralische und rhetorische Lehrhaftigkeit der neuen Ausgabe. Vgl. Dietl 2005, S. 137 ff. 7 Vgl. Dortmund 1995, S. 154. Neben der Hauptvorlage von Neidhart erwähnt Dortmund eine zweite Übersetzung, die Sachs ergänzend eingesehen habe: Die 1540 erschienene Übersetzung von Valentin Boltz. 8 Der Eunuchus des Terenz 1915, S. 7 ff.: „So nun diß bůch im anfang ain Comedia genannt wirt so ist gar ain grosse notturfft das man wiß und verstan müge was Comedia zeteütsch gesprochen seie. Wie si auch getailt und aus gelegt werde. Darumb so wirt das aigentlich und mit gůtem fleiß erstlich erklert was Comedia zeteütsch seie. Und nachfolgend wie si getailt und aus gelegt werde. Comedia ist ain gedicht aus mengerlai das gemüt und anfechtung mitler person inhaltende. Dar aus man lernet was gůt ist zůgebrauchen und das boͤ ß zemeiden. Und spricht Cicero das Comedia menschlichs wesens ain spiegel seie. Und ain pildung der warhait. Und wirt Comedia davon gehaissen das si offenlich vor allem volck des mitlen states oder wesens verkündt ward. Wann Camos bedeüt die wonung desselben volcks. es seien Stet maͤ rckt oder doͤ rffer. Wann Comedia der nam ist genomen aus den kriechischen woͤ rttern camos und oda. Das ist gesang oder gedicht von den mitlen personen. Es kan noch mag si auch niemand recht noch wol verston er künde dann sein geberd und stimm auff hoch und nider sittlich und schnell nach wegung des gemüts verkern. Darumb es billich Comedia wirt gehaissen. Es ist zmercken das ain <?page no="74"?> 74 1 Gattungsverständnis in der humanistischen Gelehrtenkultur Im weiteren Verlauf der Kommentierung findet sich eine Differenzierung zwischen Dialog und Monolog, indem Neidhart darauf verweist, dass „man verstan soll welche person in ainer yeden geschicht rede. Es seie das ir lützel oder vil darinn mit ainander reden. Oder es rede ain person mit ir selb.“ 9 Wie ein Monolog gestaltet sein sollte, erörtert er nicht. Da eine didaktische Dichtungsintention für nahezu alle frühhumanistischen Dichter zutrifft, ist es keine Überraschung, dass Albrecht von Eybs Abhandlung zur Komödie, die er zwar 1472 und damit vor Neidhart geschrieben hat, die aber erst 1511 gedruckt wurde, ebenfalls im Zusammenhang mit einer Tugendlehre steht. Die Übertragung der Komödien Menaechmi und Bacchides von Plautus und die damit einhergehenden allgemeinen Äußerungen zur Komödie wurden dem Spiegel der Sitten , einer Tugend- und Ständelehre, angefügt und dienen als Beispiele für „falsches Handeln“, d. h. die Plautus-Übertragungen erschienen nicht unabhängig, sondern in unmittelbaren Zusammenhang mit dem Spiegel der Sitten . 10 Eyb wollte keine Übersetzungen antiker Dramen leisten, weshalb er, ähnlich wie Sachs, die Handlung nicht nur christianisierte, sondern auch antike Namen, Sprichwörter und Amtsbezeichnungen durch frühneuzeitliche ersetzte. 11 Mit dem Spiegel der Sitten und Neidharts Übersetzung und Kommentierung des Eunuchus liegen zwei Texte vor, die Sachs als Vorlage nutzte und in denen sich theoretische Ausführungen zum Aufbau der Komödie finden. Beide schließen aus der Etymologie auf das Personal der Komödie, wenngleich Eyb daraus eine Ständeklausel ableitet und die Struktur weniger ausführlich als Neidhart beschreibt: Am Beginn und in der Mitte ist sie traurig und zum Ende wendet sie sich ins Positive. Stuplich bemerkt dazu: „Der didaktische Nutzen der Komödie liegt nun darin, daß diese ‚widerwertikait‘ und die ‚verkerten sitten der menschen‘ spielerisch entlarvt und damit angeprangert werden.“ 12 yetlich Comedi mag underschaidenlich getailt werden. in vier tail. Und wie ain yeder tail genennt wirt. Der erst teil ist ain vorred. Und wird genennt Methaplasmus. Der ander tail ist ain anfang und ain zettel der nagenden materieen. Und macht das volck begirig das nachfolgend zehoͤ ren. Und wirt genannt Prothesis. Der dritt tail ist ain merung der materien und betrübnuß aller personen. So dar ein getzogen werden. Und wirt genannt Epenthesis. Der vierd tail ist ain verkoͤ rung aller betrübnuß zů froͤ lichem außgang. darinn die gantz Comedi wirt geleütert. Uns ist genannt Paragoge. […] Mer ist zemercke das ain yetlich Comedia wirt in fünff underschaid oder geschichten getailet.“ 9 Der Eunuchus des Terenz , S. 12. 10 Vgl. Bernstein 1978, S. 68 ff. 11 Vgl. Bernstein 1978, S. 73. 12 Stuplich 1998, S. 48. <?page no="75"?> 1.2 Tragödie 75 Der von Eyb ins Deutsche übertragene Plautus ist neben Terenz der zweite wichtige Dichter der Palliata, wenngleich er hinter diesem - vor allem im Schulunterricht - weit zurückstand. Auch für Sachs, der eine der vier Nürnberger Lateinschulen von 1501-1509 besucht hat, dürfte Terenz schon im Schulunterricht präsent gewesen sein. 13 So könnte er, wenn auch nicht explizit Dramentechniken, zumindest Latein mit Dramen von Terenz erlernt haben. 14 1.2 Tragödie In Evanthius’ Abhandlung De Fabula , die bis ins 16. Jahrhundert als ein Teil von Donats De Comedia galt, gibt es bereits eine unscharfe Charakterisierung der Tragödie in Abgrenzung zur Komödie, 15 die in dieser Form, wie Mitschriften von Studenten zeigen, im Heidelberger Poetikunterricht gelehrt wurde: Der Unterschied zwischen der Tragödie und der Komödie besteht unter anderem v. a. darin, dass in der Komödie die Schicksale der Menschen unbedeutend, die Gefahren, denen sie begegnen, gering und die Ausgänge der Handlungen glücklich sind; in der Tragödie aber ist alles entgegengesetzt: da gibt es berühmte Persönlichkeiten, große Schrecken und tödliche Ausgänge. Dort beginnt es stürmisch und endet schließlich ruhig, in der Tragödie nehmen die Geschehnisse den entgegengesetzten Verlauf; außerdem gilt, dass in der Tragödie das zu meidende Leben zum Ausdruck gebracht wird, in der Komödie das erstrebenswerte, und schließlich, dass es in der Komödie stets um Fiktives geht, während die Tragödie oft bezüglich der Geschichte für glaubwürdig angesehen wird. 16 13 Vgl. Bernstein 1993, S. 23. 14 Die Frage nach den Lateinkenntnissen von Sachs ist umstritten, dürfte aber im Ergebnis zu bejahen sein. Für Sachs’ Lateinkenntnisse spricht das 1568 verfasste Spruchgedicht Die werck gottes sind alle gut, wer sie im geist erkennen thut (KG XV, S. 550-554). Darin heißt es: „Da ich lehrt griechisch und latein“, womit die ein Jahr zuvor getroffene Aussage in der Summa all meiner gedicht (KG II, S. 344), er könne weder Latein noch Griechisch, als Bescheidenheitsfloskel zu werten sein dürfte, wie Wingen-Trennhaus 1995, S. 127 ff. feststellt. Vgl. auch Michael 1991, S. 429. Es sind aber vor allem die Bearbeitungen neulateinischer Dramen, von denen es keine deutsche Übersetzung gab, wie bspw. Reuchlins Scaenica Progymnasmata und der Hecastus von Macropedius, die auf fundierte Lateinkenntnisse von Sachs verweisen. Stuplich 1998, S. 62 f. zieht die Möglichkeit eines Übersetzers in Betracht. Sie vermutet, dass Sachs Kontakte zu Humanistenkreisen unterhielt, von denen Venatorius als Übersetzer in Betracht käme. Zuletzt hat sich auch Kipf 2015, S. 428 f. dafür ausgesprochen, dass Sachs’ Lateinkenntnisse zumindest für Übersetzungen ausreichend waren. 15 Vgl. Herrick 1964, S. 58 ff. 16 Aeli Donati Commentum Terenti 1962, S. 21: „inter tragoediam autem et comoediam cum multa tum inprimis hoc distat, quod in comoedia mediocres fortunae hominum, parui <?page no="76"?> 76 1 Gattungsverständnis in der humanistischen Gelehrtenkultur Der Unterschied zwischen Komödie und Tragödie liegt demnach im unterschiedlichen Ausgang, in der Trennung zwischen Fiktivität und Wahrheit und im unterschiedlichen Stand des Dramenpersonals. Als einer der ersten deutschen Humanisten äußerte sich Konrad Celtis 1486 in seiner Ars versificandi zur Tragödie. Darin betont er „das moralisch-didaktische, aber auch das rhetorische Element der Tragödien und […] empfiehlt jungen Dramatikern Senecas Tragödien zur Nachahmung“. 17 Sein Ziel ist es dabei, neben der weitaus erfolgreicheren Komödie, die Tragödie - und das heißt vor allem die Tragödien Senecas - als Literaturgattung wieder zu etablieren, weil sie Regeln vorgeben, wie Staatsdiener zu leben haben: „sie stellen die Gesamtheit der wichtigsten Regeln für das Leben eines Fürsten dar, und zwar in Form von sehr eindrücklichen Verboten und Lastern.“ 18 Cora Dietls Untersuchung der neulateinischen Dramendichter Jakob Wimpheling, Joseph Grünpeck, Heinrich Bebel, Konrad Celtis, Johannes Reuchlin und Jacob Locher zeigt, wie heterogen die neulateinischen Dramen sind. 19 Einerseits finden sich unter ihnen Rezitationsdramen, die dem Prosadialog ähneln, andererseits können Tragödien bspw. zu Festspielen in Herrscherlob münden. Nur Reuchlins Scaenica progymnasmata stellt eine Ausnahme dar. Seine Komödie ist impetus periculorum laetique sunt existus actionum, at in tragoedia omnia contra, ingentes personae, magni timores, exitus funesti habentur; et illic prima turbulenta, tranquilla ultima, in tragoedia contrario ordine res aguntur; tum quod in tragoedia fugienda uita, in comoedia capessenda exprimitur; postremo quod omnis comoedia de fictis est argumentis, tragoedia saepe de historia fide petitur.“ Übersetzung nach Dietl 2005, S. 26. 17 Stuplich 1998, S. 45. Vgl. auch zur Poetik von Celtis: Asmuth 1994. 18 Wie Dietl 2005, S. 36 f. herausstellt, haben Celtis und ihm folgend sein Schüler Jacob Locher den persuasiven Ansatz der Rhetorik unter Bezugnahme auf Horaz so erweitert, dass er der Ordnung dienlich ist. Insbesondere die Tragödie wird damit eine Form des Schreibens, in der Historisches und Fürstenlehre zusammenfließen, eine „verdeckte und besonders eindringliche Art staats- und moralphilosophischen Schreibens“. Durchsetzen konnte sich die Lenkungsabsicht für eine bestimmte Ordnungsvorstellung indes nicht; vielmehr wird das Drama im Zuge der konfessionellen Auseinandersetzungen des 16. Jahrhunderts als Medium allseits genutzt und auch instrumentalisiert. Melanchthon äußerte sich 1545 in der dritten Fassung seines Vorworts zu Terenz ausführlich über das Wesen von Komödie und Tragödie. Die Funktion antiker Dramen sei es, „Menschen durch die Betrachtung gräßlicher Beispiele und Schicksalsschläge zur Mäßigung und Zähmung ihrer Leidenschaften anzuleiten“ (Wels 2009, S. 72); die Tragödie könne dabei als Abbild des Aufstiegs und Falls von Städten und Königen Schreckensbilder vermitteln, die lehrhaft und nachdrücklich wirken. Das argumentum der Tragödie sei, so Wels 2009, S. 73, „daß die Gerechtigkeit durch die Bestrafung derjenigen, die durch ihre Taten die göttliche Ordnung verletzt haben, wiederhergestellt“ werde. 19 Vgl. Dietl 2005, S. 148-214. <?page no="77"?> 1.2 Tragödie 77 „ein dramaturgisch straff durchgearbeiteter, dem klassischen Handlungslauf folgender jambischer Fünf-Akter mit Choreinlagen und geregelten Auf- und Abtritten, der ideal auf einer Terenzbühne aufgeführt werden kann und sich an die Ständeklausel hält.“ 20 20 Dietl 2005, S. 373. Möglicherweise liegt der Grund für widersprüchliche Einschätzungen zum neulateinischen Drama in Aussagen, die zu wenig differenzieren. Beispielhaft hierzu Roloff 1958: Es sei ein einheitlicher Aufbau wiederzufinden, der sich an der römischen Komödie orientiert, wenn es heißt: „Hauptunterschied zum m[ittel]al[terlichen] Dr[ama] ist die äußerliche Nachahmung der antiken Kunstform; fast alle n[eu]lat[einischen] Dramatiker hielten sich streng an den äußeren Aufbau der röm[ischen] Komödie. Demzufolge ist die Form des n[eu]lat[einischen] Dr[ama]s weitgehend konventionell: grundsätzlich fünf Akte, die in Szenen eingeteilt werden (Ausnahmen sind selten); für die Akteinteilung hatte man noch wenig Gefühl. Oft beschließen Chöre ganz unmotiviert die einzelnen Akte. […] Dem eigentlichen Dr[ama] läuft noch ein festgeregelter Vorspann voraus: Titel mit Gattungsbezeichnung, Epigramme auf den Autor, Dedikationsschreiben des Verfassers, Personenverzeichnis, das Argument […], der Prolog (Vorstellung der Sprecher, Hinweis auf die Handlung und deren moralischen Nutzen, Anrede an die ‚Momi und Zoili‘, Ermahnung der Zuschauer zur Ruhe.) Epiloge sind selten; wo sie begegnen, bieten sie eine pädagogische Auswertung des Stückes.“ Roloff 1958, S. 646. Zum anderen sollen „die Anfänge des n[eu]lat(einischen) Dr[ama]s weder im Inhalt noch in der Form eine verbindliche Einheitlichkeit [zeigen]; […] m[ittel]al[terliche] Tradition und ital[ienische] Einflüsse sind kräftiger als die antike Dramatik in ihrer Vorbildlichkeit.“ Roloff 1958, S. 654. <?page no="79"?> 1.2 Tragödie 79 2 Gattungsverständnis von Hans Sachs Als Sachs 1527 seine erste Tragedi schrieb, konnte er sich nur bedingt auf eine nachahmbare Dramenform stützen, 1 kannte aber mit den Kommentierungen von Donat und Albrecht von Eyb die für die humanistischen Dramatiker wichtigsten theoretischen Ausführungen zur Komödie. Wenngleich Kontakte von Sachs zu Nürnberger Humanisten nicht nachweisbar sind, 2 kann doch von einem mit ihnen gemeinsamen „Wertekanon“ 3 gesprochen werden. Das Bild, wie Sachs gesehen werden wollte, macht durchaus seinen Bezug auf die Antike deutlich: In einem Holzschnitt-Portrait von 1545 mit beigefügtem lateinischen Verstext steht er mit Dichtern wie Ovid und Vergil in einer Reihe; im Spruchgedicht Ein Gesprech, die neun Gab Muse oder Kunstgöttin betreffend 4 von 1536 stellt er sich als von Musen begnadet dar. 5 In diesem Text erscheinen dem jungen Sachs im Traum die neun griechischen Musen, die, von Apollo und Pallas beauftragt, Dichter für ihre Kunst suchen. Mit Apollo nimmt Sachs in gleicher Weise Bezug auf die antiken ‚Auftraggeber‘ für sein literarisches Schaffen wie schon Celtis 1486 in Ode ad Apollinem repertorem poetices: ut ab Italis cum lyra ad Germanos veniat und 1492 in seiner Ingolstädter Rede Oratio habita in gym- 1 In diesem Sinne, aber nur für die ersten Dramen, ist der Aussage von Füssel 1995, S. 8, zuzustimmen, dass Sachs „in eine produktive Konkurrenzsituation zu den zeitgenössischen, neulateinischen Gelehrten“ geriet. 2 Vgl. etwa Holzberg, 1995, S. 9 ff., der versucht, Verbindungen zwischen Sachs und Willibald Pirckheimer nachzuweisen; dem hält Wuttke 1996, S. 603, entgegen, dass die von Holzberg herausgearbeitete strickt gezogene Grenze zwischen Patriziern und Handwerkern nicht für Sachs gilt, der nachweislich mit dem Patrizier Niklas Braun befreundet war. 3 Wuttke 1996, S. 603, zum Humanismus-Verständnis S. 598-603. 4 KG VII, S. 202-210 und in Sachs 2003, S. 64-76. Eine ausführliche Betrachtung findet sich bei Brunner 2009, S. 88-90, Klein 1988, S. 247-256 und Strich 1961, S. 366-368. Kipf 2015, S. 421-429, betrachtet zusätzlich die Klagred der neun Muse oder kunst uber gantz Teutschland (KG IV, S. 124-127) von 1534 und Ein gesprech mit den 9 muese, wer doch ursprüncklicher ursacher sey der aufruer im Tewtschlandt (KG XXIII, S. 17-26) von 1553. Kipf 2015, S. 426 f. nennt als mögliche Quelle für das Spruchgedicht Die neun Gab Muse oder Kunstgöttin betreffend Fulgentius’ Fabula de novem Musis aus seinen Mythologiae . Er arbeitet schlüssig die Bezüge heraus und kommt zu dem Schluss (S. 427): „The reference to the myth of the muses as patrons of the arts, especially of poetry, is foreign to medieval German literature, and thus further reinforces the fact that Sachs’s poetics - as moralistic as it is - borrows aspects of humanist poetics.“ 5 Vgl. Wuttke 1996, S. 599. Auch Jacob Locher nennt als Inspiration für sein dichterisches Schaffen die göttlichen Musen. Vgl. Dietl 2005, S. 252 f. <?page no="80"?> 80 2 Gattungsverständnis von Hans Sachs nasio in Ingelstadio publice recitata . 6 Der Unterschied zu Celtis liegt jedoch in der Sprache: Während dieser auf Latein dichtete, wendete Sachs, von den Musen beauftragt, sich nicht nur der „teutschen poeterey“ zu, 7 sondern, wie Bernstein bemerkt, stellte er sich zugleich „selbstbewußt in eine illustre Reihe griechischer, römischer und deutscher Dichter.“ 8 Der Rückgriff auf antike Autoritäten ist insbesondere im Dialog zwischen dem „jüngling“ und der Muse Clio sichtbar. Diese unterbreitet jenem das Angebot, die gleiche poetische Kompetenz zu erlangen, wie sie zuvor schon griechische, lateinische und auch deutsche Dichter von den Musen zugesprochen bekommen haben: Ich bin, ein jüngling bey zweintzig jarn, Der poetery gantz unerfarn, 135 Hab keiner kunst mich angenommen. Die poeten von himel kommen, Wie von in sagt Ovidius. Deshalb ich mich verzeihen muß Der kunst. Gott danck euch aller ehren! […] Mir wider-rufft die göttin wech 145 Und sprach: O jüngeling, ob dir Haben ein groß mitleyden wir. Wiltu, so wöll wir dich begaben Mit den neun gaben, die wir haben, Darmit wir vor begaben thetten 150 Griechisch und lateinisch poeten, 6 Vgl. Bernstein 1995, S. 43 f. und Kipf 2015, S. 421 f. 7 Vgl. Bernstein 1993, S. 28. Celtis bezieht sich nicht nur in seiner Ingolstädter Rede von 1492, sondern auch im Widmungsgedicht an Kurfürst Friedrich III. den Weisen von Sachsen, das der Ars versificandi et carminum (1486) vorangestellt ist, auf Apoll und seine Musen. Darin erscheinen ihm wie bei Sachs im Traum Apollo und seine Musen. Wenn Klein 1988, S. 259, festhält: „Aus den Händen des Dichtergottes empfängt er die ‚Ars‘, ihn allein erkennt er als seine Instanz“, dann möchte sie die Unterschiede zu den neun gab Muse und Celtis fixieren und verschließt sich möglichen Gemeinsamkeiten. Sie kommt zu dem Schluss (S. 260): „Unter den angedeuteten Aspekten läßt sich wohl kaum eine Brücke von ihm, dem volkssprachlichen Autor, zum humanistisch-gelehrten schlagen. Darüber mag auch nicht die Übernahme von Motiven aus der neulateinischen Literatur hinwegtäuschen; sie sind nur modischer Schmuck, modische literarische Form, die mit traditionellen Inhalten gefüllt wird. […] Der neulateinische Dichter empfängt göttliche Inspiration, künstlerische Genialität, die ihm erlaubt, unabhängig von äußeren Regeln vollendete Kunst zu schaffen. Der Handwerkerdichter dagegen empfängt das formaltechnische Instrumentarium, das handwerkliche Rüstzeug, das ihm zur Herstellung seiner Kunst unentbehrliche Voraussetzung ist.“ 8 Bernstein 1993, S. 28. <?page no="81"?> 2 Gattungsverständnis von Hans Sachs 81 Dergleich vil teutscher im Teutschlandt. Zusätzlich nennt Sachs Gattungen 9 , die er bearbeitet bzw. deren Neufassung ihm in jungen Jahren die Göttin Clio aufgetragen haben soll: Die göttin sach mich freundtlich on Und sprach: O jüngling, dein dienst sey, Das dich auff teutsch poeterey Ergebst durch-auß dein leben lang, 110 Nemblichen auff meistergesang, Darinn man fürdert Gottes glori, An tag bringst gut schriftlich histori, Dergleichen auff trawrig tragedi, Auf spil und fröliche comedi, 115 Dialogi und kampff-gesprech, Auff wappenred mit worten sprech, Der fürsten schilt, wappen pleßmiren, Lobsprüch, die löblich jugent zieren, Auch aller art höflich gedicht 120 Von krieg und heydnischer geschicht, Dergleich auff thön und melodey, Auff fabel, schwenck und stampaney, Im Vergleich zu den Gattungsbezeichnungen in der Folioausgabe, deren Herausgabe Sachs von 1558 an selbst mit betreute, lassen sich keine wesentlichen Abweichungen erkennen. Darin unterscheidet er zwischen Meisterliedern, Liedern, Prosadialogen und Reimpaargedichten, denen er „tragedi, comedi, histori, kampffgesprech, gesprech, lobsprüch, klagred, comparacion, sprüch, faßnacht-spiel, fabel und schwenck“ 10 zurechnet. Ein Unterscheidungskriterium zwischen Fastnachtspiel und Comedi lässt sich in all diesen Aufzählungen nicht ausmachen; aber sie werden voneinander getrennt benannt. Im Vorwort seiner Folioausgabe weist Sachs dem Fastnachtspiel indes explizit die Kurtzweil zu, damit sie die „schwermütigen hertzen zu freuden ermundern“. 11 Demnach unterteilte Sachs bereits 1536 seine Werke in gleicher Weise in Gattungen wie in den 1560er Jahren. Der Zeitpunkt, an dem er das Spruchgedicht 9 Identische Aufzählungen finden sich in der Summa all meiner Gedicht von 1567 (KG II, S. 337-344) und in Die werck gottes sind alle gut, wer sie im geist erkennen thut von 1568 (KG XV, S. 550-554). 10 KG I, S. 3. 11 KG XIX, S. 7. Vgl. dazu Bernstein 1993, S. 92. <?page no="82"?> 82 2 Gattungsverständnis von Hans Sachs verfasste, fällt auf das Ende der ersten Auseinandersetzung mit neulateinischen und antiken Vorlagen. Dass Sachs einen expliziten antiken Rahmen für seinen Dichtungsauftrag wählte, erscheint daher nicht zufällig. Das Differenzierungskriterium für seine Comedis und Tragedis nennt er u. a. in Prologen. Danach dient Sachs für die Comedi die Wendung von einem traurigen Anfang zu einem guten Ende und für die Tragedi von einem guten Anfang zu einem schlechten Ende als Unterscheidungsmerkmal. 12 Diese Kriterien wendet er jedoch nicht immer gleichermaßen an, weshalb die Anzahl von Comedis und Tragedis zwischen Folioausgabe, Spruchbuch und Generalregister schwankt. 13 Zusammengefasst ist zur Abgrenzung der Begriffe Komödie und Tragödie in der humanistischen Gelehrtenkultur festzustellen, dass nicht nur, wie bei Sachs, der positive bzw. negative Ausgang den alleinigen Unterschied ausmacht, sondern auch Gegensatzpaare wie Moraldidaktik und scherzhaft formulierte Kritik vs. Panegyrik; Exemplarik vs. (pseudo-) historische Einmaligkeit; verborgene Wahrheit (significatio veri) vs. behauptete Wahrheit; Nähe zum Fastnachtspiel vs. Nähe zum Triumphzug oder Fronleichnamsspiel. Die Ständeklausel wird meist eingehalten; wo sie aber gebrochen wird und hochadeliges Personal eine moraldidaktische, exemplarische Lehre vermitteln soll, öffnet sich die Komödie dem höfischen Festspiel. 14 Mit Blick auf die Gattungsmerkmale, wie sie die neulateinischen Dichter für Komödie und Tragödie entwickelten, relativiert sich die zunächst sehr einfach anmutende Gattungskategorisierung von Sachs. Die Gattungsmerkmale sind keineswegs eindeutig, vor allem weil die Tragödie weit hinter der Komödie in Rezeption und Dichtung zurückstand. Dass Sachs nicht die Comedi, sondern das Fastnachtspiel zur schwankhaften Gattung machte und stattdessen in Comedi und Tragedi ernste Stoffe bearbeitete, findet seine Entsprechung in der humanistischen Komödiendichtung. Die Ausnahme bilden hier jedoch Reuchlins Scaenica progymnasmata . 15 12 Vgl. Krause 1979, S. 93. Bei Sachs heißt es im Prolog zum Wilhalm von Orlientz mit seiner Amaley (KG XVI, S. 57; vgl. Krause 1979, S. 93): Zu sehen eine artlich comedi, Die sich fast vergleicht einer tragedi, Sehr trawrig biß hin zu dem end, Da sie sich erst zu frewden wend. 13 Vgl. Klein 1988, S. 38 Fn. 48. 14 Dietl 2005, S. 214. 15 Vgl. Catholy 1968, S. 95 f., der wenig überzeugend die Situierung im Schulunterricht und damit pädagogische Gründe anführt, weshalb bestimmte witzige Elemente nicht in die Komödie übernommen worden seien. <?page no="83"?> 3 Tragedis und Comedis der Jahre 1527 - 1536 Von den 13 Tragedis und Comedis, die Sachs bis 1536 dichtete, haben acht eine antike oder neulateinische Vorlage. Wie oben gezeigt, haben die neulateinischen Vorlagen keineswegs eine einheitliche Dramenform, sodass Sachs in seinen potenziellen Vorlagen aus einer Vielzahl von Dramenvarianten wählen musste. Nach neunjähriger Schaffenspause zwischen 1536 und 1545 widmete er sich mit fünf Schauspielen zunächst ausschließlich Dekameron -Novellen, bevor er drei weitere unter Verwendung neulateinischer und antiker Vorlagen erarbeitete. Die Aussage von Stuplich, Sachs habe, „noch bevor er mit den dramatischen Arbeiten der Humanisten oder dem Schuldrama in Berührung kam“, schon „Vorstellungen von Dramaturgie“ 1 gehabt, ist anhand des poetologischen Aneignungsprozesses unter Verwendung der Monologtechnik zu überprüfen. In der chronologischen Untersuchung, die nur Dramen mit Monologen beinhaltet, wird von den neulateinischen Dramen die Bearbeitung von Reuchlins Scaenica progymnasmata ausführlich untersucht. Den Bearbeitungen der Dekameron -Novellen ist ein eigenes Kapitel gewidmet, ebenso der Bearbeitung der Menaechmi von Plautus. 3.1 Nichtadaptierte Monologformen: Überbrückungsmonolog und Affektdarstellung in Lucretia 2 und Virginia 3 Das erste Drama ist die 1527 gedichtete Tragedi Lucretia . Darin greift Sachs einen antiken Stoff auf, der auf Titus Livius’ Ab urbe condita zurückgeht. Diesen nennt er im Prolog neben Valerius Maximus als Quelle, die eigentliche Vorlage ist indes Bernhard Schöfferlins Übersetzung von 1505. 4 Schöfferlin hält sich zwar an das Handlungsgerüst, liefert an Stelle einer Übersetzung aber eine um „eingestreute Geschehenskommentare erweiterte und stilistisch vollkommen andersartige Nacherzählung“. 5 Bemerkenswert ist, dass Sachs einen antiken 1 Stuplich 1998, S. 243. 2 Der vollständige Titel lautet: Tragedia von der Lucretia, auß der beschreybung Livii, hat 1 actus und 10 person. 3 Der vollständige Titel lautet: Tragedia, mit 24 personen zu agiren, die Virginia. 4 Vgl. Stuplich 1998, S. 244. 5 Holzberg 1992, S. 539 f., er weist dagegen für Sachs’ Bearbeitung eine Zweiteilung nach. <?page no="84"?> 84 3 Tragedis und Comedis der Jahre 1527 - 1536 narrativen Text als Vorlage für sein erstes Drama wählte, nicht jedoch ein antikes oder neulateinisches Drama. Anders als spätere Schauspiele besteht die Lucretia nur aus einem Akt. 6 Szenengrenzen oder Ortswechsel benennt Sachs nicht ausdrücklich, dennoch weist Stuplich anhand des Reimschemas eine Unterteilung in drei Szenen nach, 7 die sich so auch in der Vorlage findet: 8 1. Szene: Der Königssohn Sextus vergewaltigt Lucretia, wozu er ihr mit Ehrverlust droht. 2. Szene: Lucretia erzählt ihrem Mann, dem Vater und Freunden von der Vergewaltigung. Sie will sich, entgegen der Argumente ihrer Dialogpartner, wegen des Ehrverlustes umbringen. 3. Szene: Ehemann, Vater und Freunde trauern um Lucretia und schwören Rache. Der erste szenische Abschnitt, der die Vergewaltigung von Lucretia enthält, weist drei Monologe auf, alle anderen keine. Fehlende Regieanweisungen zu Auf- und Abtritten lassen für die Monologe nach dem situativen Kriterium keine eindeutige Klassifizierung zu, weshalb von einer simultanen Präsentation auszugehen ist. 9 Anhand der ersten Tragedi und der Virginia , die auf derselben Vorlage beruhen, kann gezeigt werden, welches Verständnis Sachs von Monologen hatte, verwendete er doch eine narrative Quelle, die nur eine kurze narrativierte Rede über Lucretias Gefühle enthält. 10 Den ersten Monolog spricht Lucretia (KG XII, S. 7 vv. 25-32), nachdem Sextus sie erpresst hat: 25 Ach Gott Apollo, mir ist angst. Soll ich leiden den bittern tod 6 Ausführlich Holzberg 1992, S. 539-547 und Stuplich 1998, S. 243-256. 7 Vgl. Stuplich 1998, S. 244 f. Zum Reimschema bemerkt sie (S. 245): „Die Idee zu der auch im Drama erkennbaren Dreiteilung könnte Sachs von Valerius Maximus entnommen haben. Als äußeres Einteilungsmerkmal verwendet Sachs hierzu den Paarreim am Ende einer Replik, bzw. er läßt eine neue mit einem Paarreim beginnen. Daß Sachs den Dreireim später als akustisches Signal zur Strukturierung der Handlung einsetzt, haben die Untersuchungen zur Akteinteilung gezeigt. In seinem ersten Drama erfüllt der Paarreim anstelle der Reimbrechung eine vergleichbare Funktion.“ 8 Vgl. Holzberg 1992, S. 534 f. und S. 540 f. 9 Vgl. Stuplich, S. 248 ff. 10 Auch wenn die Lucretia nicht mit den Dekameron -Bearbeitungen vergleichbar ist, zeigen sich hier bereits erste Ansätze, die Erzählerrede in monologische Figurenrede zu übertragen. Vgl. Teil B, Kap. 4.1. <?page no="85"?> 3.1 Lucretia und Virginia 85 Und zu ewiger zeit den spot, Samb sey ich ein ehbrecherin? Ach, wo sol ich mich kehren hin? 30 Ich wil eh thun nach deinem sagn, Mich nachmals der unschuld beklagn, Mir darumb setzen strenge buß. Während Sextus sich noch auf der Bühne befindet, spricht Lucretia in Form des Monologs zu Apollo. Sachs nutzt hier eine Apostrophe, um aus dem Dialog in den Monolog überzuführen, wodurch der Monolog einen dialogischen Charakter erhält. Allerdings sind Gebete immer als Monologe anzusehen, solange Gott nicht antwortet. Bei der Apostrophe handelt es sich um eine Technik, die sich zum Beispiel bei Aischylos und Sophokles an allen, und bei Euripides an den meisten Monologen beobachten läßt. Das Gegenüber, das hier durch die Anrede jeweils geschaffen wird, antwortet zwar nicht unmittelbar, es entstehen jedoch semantische Richtungsänderungen innerhalb des Monologs, indem der Sprecher die Reaktionen und damit den semantischen Kontext des angesprochenen Wesens imaginiert. 11 Lucretia erwartet keine Antwort von Apollo, weshalb die Apostrophe den Beginn der Affektdarstellung bildet. Ihre ausweglose Situation und Verzweiflung werden in den Fragen an Apollo sichtbar. Die anschließende Reflexion thematisiert die möglichen Folgen eines verweigerten Beischlafs, denn im vorhergehenden Dialog hatte Sextus gedroht, sie des Ehebruchs mit dem Diener zu bezichtigen und als ehrlos darzustellen, sollte sie ihn zurückweisen. Die zweite Frage macht die einsame Verzweiflung Lucretias deutlich. Während nun bei Schöfferlin (Fol. XIX r , 21 f.) Lucretia selbst in der von Sextus herbeigeführten Zwangslage ohnmächtig ihrem Peiniger ausgeliefert bleibt, ohne dass dieser allein ihr Denken in Bewegung zu versetzen vermag, 12 ist sie es bei Sachs, die sich ihre Situation mittels Fragen an Apollo als ein imaginiertes Gegenüber bewusst macht, und so, ohne ihre Ohnmacht zu leugnen, diese gleichwohl überwindet. 11 Pfister 2001, S. 184. Vgl. Hirsh 2003, S. 15 ff. Die Grenze zwischen Gebet und Monolog ist nicht immer klar, denn, so Hirsh 2003, S. 17, in „most ancient and medieval plays, the gods or God were presumed to exist even if they did not physically appear onstage, and they were presumed to be capable of hearing a prayer from a distance. But the dividing line between a prayer and a soliloquy in secular drama (and even sometimes in religious drama) is not always clear-cut. […] If a speech is ostensibly addressed to a god but the speaker does not really intend or hope that the speech will be heard by the god, the speech is self-address in the form of an apostrophe.“ 12 Vgl. Stuplich 1998, S. 249. <?page no="86"?> 86 3 Tragedis und Comedis der Jahre 1527 - 1536 Die den Fragen nachfolgende Ansprache (vv. 30-32) ist an Sextus gerichtet und somit kein Monolog. Lucretia formuliert hier ihren Entschluss, sich Sextus zu fügen und „strenge“ Buße zu tun; der Entschluss oder die mutmaßliche Unausweichlichkeit des Schrittes zum Selbstmord scheint bereits auf. Der direkt anschließende Monolog der Magd ( KG XII , S. 8 vv. 1-4) dient dazu den Beischlaf nicht darstellen zu müssen, d. h. der Überbrückung: Erst mich ewigklich rewen muß, Das ich die untrew an ir thet, Seit sie an ehren ist so stät. Ich scheid dahin mit rew und klag. In affektiver Darstellung macht sich die Magd Vorwürfe wegen ihres untreuen Verhaltens gegenüber ihrer Herrin. Der Monolog hilft einerseits die Darstellung der Vergewaltigung zu vermeiden, andererseits dient er dem Zeitsprung zum nächsten Morgen. Mit Verweis auf diesen tritt der Knecht im Anschluss an die Worte der Magd auf, worin eine Zeitraffung liegt. Eine Kombination aus Apostrophe und Überbrückung liefert der dritte Monolog ( KG XII , S. 8 vv. 18-21), den Lucretia spricht: O wie hat mich verlassen Got! O Vesta, wie hast mich verlan, 20 Das ich war Venus unterthan? Nun verdreust mich auff erd zu lebn. Ist die überbrückende Funktion für diesen Monolog auch zentral, zeigt sich doch, wie Sachs die Andeutung der Vorlage, in der der Erzähler die klagende Lucretia beschreibt, 13 in monologische Figurenrede überträgt. Ihre Hauptfunktion besteht darin, die Zeit bis zur Ankunft des Vaters auszufüllen. Als Teil der Gesamtkonzeption wird Lucretia auch mithilfe dieses Monologs durchweg positiv dargestellt, um im Gegenzug die Herrscherfigur noch negativer erscheinen zu lassen. Mit diesem Negativbild kann Sachs zugleich im Epilog indirekt seine Vorstellung eines idealen Herrschers präsentieren. 14 13 Schöfferlin 1523, XIX: „Da das geschahe vnd Sextus von ir schied tryb sie solichen iamer vn klag / das es über die maß was“. 14 Vgl. Holzberg 1992, S. 544 ff. <?page no="87"?> 3.1 Lucretia und Virginia 87 Sein drittes 15 Schauspiel Virginia geht auf dieselbe Quelle wie Lucretia zurück. Mit 601 Versen ist die Tragedi beinahe doppelt so lang wie sein Erstlingswerk, weist aber ebenfalls keine Aktgrenzen auf. Im Gegensatz zur Lucretia finden sich ausführliche Regieanweisungen, die Auf- und Abtritte, Dialogpartner, Gesten und Gefühle benennen sowie einen Monolog ausdrücklich mit den Worten „spricht Apius zu im selb“ kennzeichnen. Insgesamt integriert Sachs zwei Monologe ( KG II , S. 4 vv. 7-16 und S. 5 vv. 9-16) in das Stück, die keine Entsprechung in der Vorlage haben. Beide weisen eine ähnliche Struktur wie die in der Lucretia auf. Durch die Apostrophe an einen Gott haben sie einen dialogischen Charakter mit Affektdarstellung (Klage). Das zeigt sich etwa in dem der Überbrückung dienendem zweiten Monolog ( KG II , S. 5 vv. 9-16): O Venus, du hohe göttin, 10 Wend dieser jungkfraw mut und sin Genedigklich zu meinem willen, Mein hart verwundtes hertz zu stillen! Ach Cupido, zünd an ir gmüt, Das es in gleichen flamen wüt 15 Und sich in liebe gen mir neyg! O glück, dein angsicht mir erzeyg! Für die ersten drei Schauspiele lässt sich damit festhalten, dass Sachs ein Grundverständnis von Monologtechnik hatte, das handlungsbezogen auf Affektdarstellung zielt und in Gestalt der Apostrophe stark dialogisch ist. Strukturell-gliedernd ist die überbrückende Funktion vorherrschend, so dass Sachs Auf- und Abtritte mit Zeitsprüngen im Handlungsgang inszenieren kann. 15 1530 dichtete Sachs sein zweites Drama, die Comedia, darin die göttin Pallas die tugend und die göttin Venus die wollust verficht , die keine Monologe aufweist. Sie beruht auf der Komödie des Chelidonius Voluptatis cum virtute disceptio , gedruckt 1515 in Wien. Thon 1889, S. 19, sieht im Erscheinen der Comedi Pallas den Anfangspunkt für die erste geschlossene Periode in der dramatischen Tätigkeit Sachs’, die er ausdrücklich als humanistische bezeichnet: „Was auf diesem Gebiet vorhergeht, das kampfgesprech von der lieb vom Mai 1515 (K. III. 406), das damit im Wesentlichen identische ‚Fastnachtspiel von der Eygenschaft der Lieb‘ (vom 8. Jan. 1518 G. F. Nr. 1) das an Pamphilus Gengenbachs ‚Gouchmat‘ erinnernde Fastnachtspiel ‚das Hoffgesindt Veneris‘ (vom 21. Febr. 1517 G. F. Nr. 2), sowie die Tragedi von der Lucretia (vom 1. Jan. 1527 K. XII, Nr. 1) sind nur sporadische Vorläufer. Und zwar ist es die etwa 5 Jahre umfassende recht eigentlich humanistische Periode unseres Dramatikers, die mit der Comedi beginnt.“ <?page no="88"?> 88 3 Tragedis und Comedis der Jahre 1527 - 1536 Wenn Stuplich zusammenfassend für die Lucretia feststellt, dass sie „noch Schwachstellen“ aufweist, „die durchdachte Konzeption […] allerdings für einen Dramatiker mit einem ausgeprägten Strukturbewußtsein“ 16 spricht, ist mit Blick auf die Typologie festzuhalten, dass die Fülle von verschiedenen Monologtechniken, die sich im Fastnachtspiel ab 1550 zeigen, hier noch nicht anzutreffen ist. Für die Monologe der Fastnachtspiele gilt einschränkend, dass sich auf der handlungsbezogenen Ebene keine klagenden Apostrophen, wie sie Sachs in der Lucretia und Virginia einfügt, finden lassen. Hier reduziert sich die Ansprache „Ach Gott“ auf eine einleitende Formel und es kann nicht mehr, wie etwa im Monolog des Apius, von einer dialogischen Tendenz gesprochen werden. Wie das zweite Drama von Sachs zeigt, das ohne Monologe auskommt, waren diese in seiner ersten Schaffensphase noch kein fester Bestandteil seines ‚Strukturbewusstseins‘. 3.2 Expositionsmonolog, Simultanmonolog, Auftrittsmonolog und Fremdcharakterisierung im Pluto 17 Die Comedi Der Pluto ist das fünfte 18 Drama von Sachs. Er dichtete es 1531 19 als erste Comedi unter Rückgriff auf das antike Drama Plutos 20 von Aristophanes. 21 Im Titel gibt Sachs den Pluto mit fünf Akten an, im Text finden sich hingegen nur vier, obwohl er auch Abschnitte aus dem fünften Akt der Vorlage übernimmt: 22 16 Stuplich 1998, S. 256. 17 Der vollständige Titel lautet Ein comedi, mit 11 person zu recidirn, der Pluto, ein gott aller reichthumb, unnd hat fünff actus . 18 Das vierte Drama Das Christus der war Messias sei kommt ohne Monologe aus. 19 Im selben Jahr dichtet Sachs ein Kampfgespräch bzw. nach dem Generalregister ein Fastnachtspiel mit Pluto und Frau Armut. 20 Der Pluto des Aristophanes hat als einziges griechisches Drama einen ähnlichen Stellenwert wie die römischen. Vgl. Stuplich 1998, S. 61. 21 Für die Pluto -Bearbeitung stellt sich abermals die Frage nach den Griechisch- und Lateinkenntnissen von Sachs. Sollte er tatsächlich keine genügenden Sprachkenntnisse für eine Lektüre des Originals gehabt haben, könnte der Umstand, dass keine sieben Monate nach der Comedi Thomas Venatorius’ Übersetzung des Pluto ins Lateinische erschien - sie dient hier im weiteren der Vergleichsanalyse -, in diesem Fall tatsächlich für enge Kontakte zu Nürnberger Humanisten sprechen. Vgl. dazu Stuplich 1998, S. 61 ff., und Michael 1984, S. 331. 22 Dass man die Angabe des fünften Akts im Druck vergessen hat, ist wohl auszuschließen. Ab dem Pluto verdeutlicht Sachs das Aktende dem Publikum regelmäßig durch eine leere Bühne und einen Dreireim. Bei der antiken Fünfaktstruktur bleibt er indes nicht stehen. <?page no="89"?> 3.2 Pluto 89 1. Akt: Der Knecht Carion und sein Herr Cremillus kommen zu dem blinden und armen Plutus. Aufgrund seiner Blindheit weiß Plutus nicht, wer gut und wer böse ist. Cremillus und sein Knecht wollen ihm helfen. 2. Akt: Plutus erhält seine Sehkraft, obwohl Penia, die Armut, dies zu verhindern suchte, weil nach der Heilung von Plutus niemand mehr für sie arbeiten wolle. Plutus will nur noch Frommen Reichtum verschaffen. Auf dem Markt gerät er mit Cremillus so sehr in Bedrängnis, dass beide ins Haus müssen. 3. Akt: Ein frommer Mann, der früher arm war, will Plutus für seinen jetzigen Reichtum danken. Ein Jude will sich hingegen beschweren, die beiden diskutieren. 4. Akt: Eine alte Frau beschwert sich bei Plutus, weil sie ihr junger Liebhaber nicht mehr beachtet, seitdem Plutus da ist. Der Jüngling und die alte Frau versöhnen sich. Der Pluto ist das erste Drama, bei dem Sachs in der produktiven Rezeption eines antiken Dramas einen Monologtyp direkt adaptiert. Von den insgesamt vier Monologen, die Sachs verwendet, sind drei in der Vorlage zu finden. Der von ihm eigenständig eingefügte ist ein Überbrückungsmonolog ( KG VII , S. 75 vv. 23-26). Die Spielhandlung beginnt nach dem Prolog mit einem simultanen Expositionsmonolog des Knechts Carion ( KG VII , S. 66 vv. 9-26), der zusammen mit seinem Herrn Cremillus und Plutus auftritt: Ach gott, wie schwer ist einem knecht, 10 Solchem herren zu dienen recht, Der seinem eigen kopff nach-geht? Und was der knecht ie darzu redt, Gefelt es doch dem herren nicht. Und was unraths darnach geschicht, 15 So muß der knecht die schulde han. Wirt gleich ietzund auch also gan Mit meinem herren, der uns zwen Schafft, disem blinden nach zu gehn. Ander leut gehn den blinden vor. 20 Mein herr aber thut als ein thor. Was ich in frag, sagt er mir nit. Seine Schauspiele weisen meist sieben, mitunter bis zu 10 Akte auf. Ab 1560 schreibt Sachs nur noch siebenaktige Schauspiele. Vgl. Stuplich 1998, S. 111 f. <?page no="90"?> 90 3 Tragedis und Comedis der Jahre 1527 - 1536 Ach herr, zum öfftermal ich bit: Sag mir! wer ist doch dieser blind, Dem wir so lang nach gangen sind? 25 Durch all mein dienst, die ich ie thet, Wer ist der blind, der vor uns geht? Wie in der Vorlage gliedert sich der Monolog in zwei Teile. 23 Im ersten Abschnitt präsentiert Sachs als Teil einer Fremdcharakterisierung Lebenshintergründe des Knechtes, vor allem das schwierige Verhältnis zu seinem Herrn. Der zweite Teil ist zwar auch eine Fremdcharakterisierung, aber der aktuellen Situation gewidmet, in der beide einem Blinden hinterherlaufen. Als Teil der Exposition verankert Sachs die wichtigsten Eigenschaften der drei Hauptfiguren in den Worten des Knechts. Der vorangestellte Prolog, der für die Rezipienten die Aussagen des Knechts relativiert, präsentiert die Vorgeschichte, wonach ein Wahrsager Cremillus rät, dem Erstbesten auf seinem Weg hinterher zu laufen. Dieser - es ist Plutus, der Gott des Reichtums - werde ihn reich machen. Mit Prolog und Expositionsmonolog etabliert Sachs gezielt ein vermittelndes Kommunikationssystem 23 Bei Venatorius heißt es (Plvtvs 1531, b-b2): Pro summe Iupiter, Deique cæteri, Quam res molesta est, quamque condi tio grauis, Vt forte serrus cesserit non admodum Sapienti hero. nam seruus et si quæ optuma Sunt moneat, haud hoc possidens tamen approbet, Oportet emergentis hinc periculi Seruum implicari: tam suo nunquam sinit (b 2) Dominum imperare, trux Fortuna, corpori. Sed omne ius emens sibijpsi uindicat. Et hæc quidem sint hæc. at ipsum Apollinem Iure optumo accusauerim, qui cum aureo Ex tripode response edat, et uidelicet Cum medicus, ut dicunt, sit, augurque sapiens, Herum meum remisit haud sanum tamen: Qui sequitur orbum et captum utroque lumine Hominem, secus faciens, quam facere oporteat. Solent uidentes nanque cæcos ducere, Hic sequitur, et me impellit facere eadem insuper. Nec interim, rogatus hæc quid sibi uelint, Quidquam mihi respondet, ac ne γρύ quidem. Proinde ego tacere quo modo queam Haud uideo, nisi quid hunc sequamur dixeris Here. ac molestus esse nunquam desinam Tibi, necque enim cædes coronatum scio. <?page no="91"?> 3.2 Pluto 91 und verschafft den Rezipienten gegenüber den Figuren einen Informationsvorsprung. Es zeigt sich zudem eine der von Sachs häufig angewandten dramaturgischen Techniken: Prolog und Expositionsrede bewirken einen raschen Einstieg in die Handlung und bereiten den Spannungsbogen vor. Sachs übernimmt damit ein grundlegendes Funktionsprinzip, das Monologe bereitstellen können. Der beiseite gesprochene Monolog wirkt deutlich auf die Rezeptionsebene des Publikums ein, da er eine Trennung der Kommunikation zwischen den Figuren auf der Bühne vermittelt und die autokommunikative Gedankenrede offensichtlich auch für den Herrn des Knechts nicht hörbar ist. Dabei handelt es sich um eine komplexe Konstruktion, die Sachs in Anlehnung an die Vorlage präsentiert. Möglicherweise findet sie in den Fastnachtspielen gerade wegen dieser Komplexität nur selten Anwendung. Das Beiseitesprechen hat ein komisches Potential, da durch die Trennung der Figur in Innen und Außen immer ein Kommentar zur Situation entsteht. Die Situation wird scheinbar angehalten oder gespiegelt, speziell dann, wenn die dem Beiseitesprechen folgende oder vorhergehende Rede oder der präsentierte Gedanke in Kontrast zur gegenwärtigen Situation steht. Komik ist dann unmittelbar ein spannungsförderndes Element, das wesentlich von der Vorfreude der Rezipienten auf den kommenden Entwicklungsgang lebt. Ebenso verhält es sich bei aufeinanderfolgenden handlungskontrastrierenden und / oder sich widersprechenden Monologen. Allerdings kann hierbei sukzessiv verfahren werden. Möglichweise verwendet Sachs die Sukzession statt der Simultanität gezielt in den Fastnachtspielen, 24 weil ein Beiseitesprechen nur selten nachzuweisen ist. 25 Neben dem Expositionsmonolog ist es die leere Bühne, mit der Sachs im Pluto eine Szene abgrenzt. Mit einem Auftrittsmonolog ( KG VII , S. 83 vv. 4-13) markiert er erstmalig den Beginn einer neuen Szene. Nachdem der Knecht von der Heilung Plutus’ berichtet und diese Szene den zweiten Akt beschlossen hat, tritt Plutus allein auf und spricht: Mein mund den götter lob vergicht, 5 Die wider gaben mein gesicht. Vor kund ich kennen keinen man, 24 Pfister 2001, S. 123 f.: Die „Informationsvergabe in dramatischen Texten hat zwei zeitliche Achsen: die Achse der Simultaneität - in jedem Augenblick werden über die verschiedenen Codes und Kanäle gleichzeitig Informationen vermittelt - und die Achse der Sukzession - über jeden der Codes und Kanäle werden im zeitlichen Nacheinander linear-akkumulativ Informationen vermittelt.“ 25 Einer dieser seltenen Monologe ist der erste, den Sachs im Nebentext mit ‚red mit ihm selb‘ explizit als Monolog ausweist: im Fastnachtspiel G 13 von 1544. <?page no="92"?> 92 3 Tragedis und Comedis der Jahre 1527 - 1536 Und wer mir gutes hat gethan, Vor dem floch ich so gar unbillich. Ietzt aber bin ich gar gutwillig, 10 Das ich der frommen mich erbarm Und mach die bösen reichen arm Und bring all ding herwider, das Durch mein blindheit versaumet was. Der geheilte Plutus berichtet analeptisch, wie er mit der Blindheit in der Vergangenheit gelebt hat (vv. 4-8). Weil er niemanden erkennen konnte, floh er auch vor denen, die ihm Gutes getan hatten. Dieser retardierende Teil bestätigt den Bericht des Knechtes über die Heilung des Plutus. Anschließend (vv. 9-13) erklärt dieser, wie er sich in Zukunft verhalten will. Die Frommen sollen belohnt und die Bösen bestraft werden, indem er sie ihres Reichtums berauben will. Die durch seine Blindheit verursachten falschen Zuweisungen möchte er korrigieren. Der Monolog eröffnet hier ein Spannungsmoment, weil ungewiss ist, inwiefern Plutus seine Ankündigung umsetzt. Eine Prolepse, 26 wie sie im zweiten Teil der Rede begegnet, ist mit ihrem Wirkungskriterium, Spannung oder Entspannung zu erzeugen, ein dramatisches Charakteristikum. Anachronien wie die Analepse sind integrale Bestandteile von Dramen. Ihre Informationsvergabe ist zumeist nicht-aktional berichtend, um die Rezipienten ausreichend informiert durch das Drama zu leiten. In der Vorlage findet sich der Monolog ebenfalls am Beginn einer neuen Szene, weist dort jedoch als Ansprache an mehrere Götter eine dialogische Tendenz auf. Sachs dagegen betont den Umschwung der Handlung, indem er mittels der leeren Bühne den Szenenbeginn besonders verdeutlicht. Daran anschließend tritt, wie in der Vorlage, Cremillus auf ( KG VII , S. 83 vv. 15-26). Sachs weist dessen Rede, entgegen der Vorlage, im Nebentext mit der Wendung ‚redt mit im selb‘ als Monolog aus, weil Plutus noch anwesend ist und darum die monologische Umsetzung nur simultan möglich ist: 15 Ich bin gestanden lang am marck. Umb mich kam das gepöfel arck, Das alles wolt mein freunde sein, Weil Plutus zu mir keret ein. Den sucht ich in des artztes hauß. 26 Korthals 2003, S. 214 f., nennt in Anlehnung an Asmuth drei Typen der Prolepse: zukunftsungewiss - zukunftsgewiss, Figurenrede - Autorenrede und auktoriale Prolepsen. <?page no="93"?> 3.2 Pluto 93 20 Der sagt mir, er wer schon herauß. Nun mein ich in daheim zu finden. Sich! steht er vor der thür dahinden! O Pluto, ich wünsch dir groß glück Und aller seligkeit ein stück. 25 Gott wöll, das unser anefang Sich end mit glücklichem außgang! Mehr noch als im Expositionsmonolog treffen für diesen die Kriterien des Simultanmonologs zu, bei dem eine Figur spricht, „ohne direkten Adressaten, aber in Anwesenheit anderer Spieler, ohne jedoch von diesen registriert zu werden“. 27 Sachs hatte hier vermutlich die Wahrnehmung der Rezipienten im Blick, wenn er mit der eingefügten Regieanweisung deutlich macht, dass es sich um eine autokommunikative Gedankenrede handelt. Erkennbar ist wieder, dass Sachs um eine Klärung der Kommunikationsebenen der Figurenreden bemüht ist und mögliche Missverständnisse der monologischen Rede ausräumen will. Er setzt die Monologtechnik problembewusst ein und reflektiert auch bei Übernahmen aus der Vorlage mögliche Unklarheiten. Im Monolog berichtet Cremillus rückblickend von dem Gedränge auf dem Markt und seinen Versuchen, Plutus zu finden, den er jetzt an der Tür stehen sieht. Das Zusammentreffen wird herausgezögert, so dass das Geschehen auf dem Markt analeptisch berichtet werden kann. In der Vorlage ist nicht eindeutig zu klären, ob es sich um einen Monolog handelt. Venatorius vermerkt neben dem Text - möglicherweise als Regiebemerkung -, dass Cremillus, von den angeblichen Freunden bedrängt, wütend angelaufen kommt: „Indignatur Chremyl, quod in rebus secudis, tum multi accurrerent amici“. Dieser beginnt seine Rede, indem er die Freunde fortjagt: „Apage cito“ (Plvtvs 1531, i2). In affektiver Darstellung empört er sich über die drängenden ‚Freunde‘. Ob er dies zu sich selbst oder zu Plutus sagt, bleibt unklar. Sachs beseitigt die Unklarheit mit der Regieanweisung ‚redt mit im selb‘. Zusätzlich verschiebt er den Fokus von den ‚Freunden‘ auf die Suche nach Plutus und gestaltet den Monolog berichtend statt affektiv empört. Unabhängig von der Vorlage setzt Sachs den Monolog selbstständig zur Überbrückung ein ( KG VII , S. 75 vv. 23-26): Das ist von meim nachbawrn ein trew, Das er nach mir schickt in das gew, 27 Stuplich 1998, S. 161. <?page no="94"?> 94 3 Tragedis und Comedis der Jahre 1527 - 1536 25 Seins glücks mir auch ein theil vergint, Wie wenig man der nachbawrn findt. Mit der Affektdarstellung von Freude über den Nachbarn vermeidet Sachs eine leere Bühne, wenn der Knecht bei Plutus im Haus ist. Sowohl für das Handlungsgeschehen als auch für das Verständnis der Rezipienten ist dieser Monolog nicht relevant, er dient vorrangig der Überbrückung. Die drei aus der Vorlage übernommenen Monologe zeigen, wie Sachs einerseits selbstständig verfährt, wenn er für seine Intention unwichtige Abschnitte wie bspw. Anspielungen auf Götter weglässt, den Fokus auf einen anderen Abschnitt legt oder für die Rezipienten eine monologische Figurenrede deutlich hervorhebt. Andererseits zeigen sie, wie er sich an die Vorlage anlehnt, indem er das Stück und eine Szene mit einem Monolog beginnen lässt, diesen simultan präsentiert und handlungsbezogen Rückblicke und Vorausschauen einfügt, die das Verständnis sichern und Spannungsmomente erzeugen. Trotz der nachgewiesenen Monologfunktionen, die bereits im Sinne der Typologie sind, können sie lediglich als erste Stufe im Entwicklungsprozess gesehen werden. Der Unterschied zu den Monologen im Fastnachtspiel liegt vor allem in der Uneindeutigkeit, mit der sie als autokommunikative Gedankenrede von anderen Formen der Figurenrede abgegrenzt werden können. Im Fastnachtspiel treten die monologisierenden Figuren nur in Ausnahmefällen nicht allein auf. Für die Entwicklung der poetologischen Kompetenz entscheidend ist die Bearbeitung des Henno von Johannes Reuchlin. Darin finden sich nicht nur beinahe alle Funktionen der Typologie, sie sind auch wesentlich eindeutiger markiert als im Pluto . 3.3 Zutrittsmonolog, Abgangsmonolog, Enthüllung, Selbstcharakterisierung, Zeitsprung, Ortswechsel und Komik im Henno 28 Vorlage für das Schauspiel sind Johannes Reuchlins Scaenica Progymnasmata von 1491, auch Henno genannt. Es ist einer der erfolgreichsten Texte der Frühen Neuzeit, 29 dessen Besonderheit nicht nur in der von Humanisten gelobten 28 Der vollständige Titel lautet Ein comedi, mit 10 personen zu recidiern, doctor Reuchlins im Latein gemacht, der Henno. 29 Vgl. Roloff 1998, S. 187. <?page no="95"?> 3.3 Henno 95 antiken Dramenform, sondern auch in der Bearbeitung eines mittelalterlichen Schwankstoffes liegt. 30 Der Henno ist neben dem Monechmo eines der wenigen schwankhaften Dramen, die Sachs als Comedi bearbeitete. In allen anderen Fällen widmete sich Sachs den schwankhaften Stoffen im Fastnachtspiel. 31 Aufgrund dieser Besonderheit des Henno wird im Rahmen der Nachzeichnung eines poetologischen Aneignungsprozesses gerade der Konstruktion der Komik besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Der Einfluss des Henno auf die Dramentechnik von Sachs ist unbestritten, auch wenn eine vollständige Untersuchung fehlt. Wolfgang F. Michael etwa nennt den Henno „das entscheidende Bildungserlebnis, aus dem er die Form des Dramas nicht nur seiner Komödien und Tragödien, sondern auch seiner Fastnachtspiele erst ableitet“. 32 Michael hebt besonders die Handlung hervor, die Reuchlin, anders als seine Zeitgenossen, dem Drama „gegeben“ hat. So konnte er nicht mehr wie die anderen Humanisten auf einer Einortbühne, oder gar auf ortloser Bühne, Dialoge rezitieren lassen, er mußte die verschiedenen Örtlichkeiten andeuten. Das tat er mit dem allerfeinsten Mittel: er ließ die Darsteller abtreten und konnte dann im Dialog den neuen Ort andeuten. Wir nennen dies Sukzessionsbühne. 33 Dabei spielt die von Michael nicht erwähnte Funktionalisierung des Monologes, wie sich nachfolgend zeigt, eine wesentliche Rolle. 30 Vgl. Dietl 2003, S. 772. Reuchlins Quelle war möglicherweise die französische Farce Maître Pathelin , die im 15. Jahrhundert entstanden ist, oder auch die italienische Commedia dell‘ arte, die sich aus den bekannten Figurentypen Advokat, Tuchhändler und Schäfer erklären lassen könnte. Vgl. Holstein 1888, S. 47, Dietl 2003, S. 771 f. und Dörner 2013, Sp. 592. 31 Der Stoff des Henno findet sich auch in dem vorreformatorischen Fastnachtspiel der kluge Knecht (K 107, S. 820-850). Darin sind keine Monologe nachzuweisen. Inwiefern es Reuchlins Henno zur Vorlage hat, ist unklar. Eine Neuedition und Kommentierung hat Wuhrmann 1975 geliefert. Die Nähe zur Gattung Fastnachtspiel zeigt auch das Ende der in Frankfurt entstandenen Übersetzung Comedia Jo. Reuchlin traducta vulgariter , die Beutler 1927, S. 103-148 ausführlich untersucht und auf S. 205-224 ediert. Nach Dörner 2013, Sp. 593, ist diese wohl um 1500 entstandene deutsche Version des Henno als Vorlage für das Fastnachtspiel wahrscheinlich. Sachs bleibt in seiner Bearbeitung näher am lateinischen Original als die Übersetzung. Dass er sie gekannt hat, ist unwahrscheinlich, kann indes nicht vollends ausgeschlossen werden. Die beiden Monologe zu Beginn sind auch in der Frankfurter Übersetzung nachzuweisen, unterscheiden sich jedoch von Sachs’ Monologen. Auch Dörner 2013, Sp. 593, geht davon aus, dass Sachs direkt auf Reuchlin zurückgreift. 32 Michael 1971, S. 270; vgl. auch Michael 1972, S. 256. 33 Michael 1984, S. 331; zur Sukzessionsbühne Teil D, Kap. 1.3. <?page no="96"?> 96 3 Tragedis und Comedis der Jahre 1527 - 1536 Reuchlin legt bereits mit dem Titel die explizite Anwendung für den Unterricht nahe, indem er mit Progymnasmata auf Übungen aus der Rede- und Schreiblehre verweist, 34 die nach Quintilian dazu dienen sollen, durch die Bearbeitung von Stoffen literarische Gewandtheit zu erlangen: Hinter den rhetorischen Begriffen leuchtet Reuchlins Konzept auf: literarische Anregung durch die Schaffung von Theaterstücken zu bieten. So können wir davon ausgehen, daß Reuchlin seinen Zeitgenossen mit dem ‚Henno‘ ein dramaturgisches Muster einer neuen Textsorte vorlegen wollte, das es bisher in Deutschland nicht gab, weder in deutscher noch in lateinischer Sprache, und das an der römischen Komödie, dem ludus anilis , orientiert war. 35 Im Kommentar zu seinem Text erklärt Reuchlin, dass er mit ludus anilis eine „comoedia im alten Stil ohne gelehrte Späße und in sehr kurzen Akten“ 36 meint. Er beruft sich auf die Definition des Grammatikers Diomedes und hebt im Prolog hervor, dass es sich um eine ‚comoedia‘ im Stile der Palliata handelt. 37 Darauf verweisen neben der lateinischen Sprache formale Kennzeichen wie etwa der fünfaktige und szenische Aufbau sowie der Prolog und die Didaskalien. Aber auch im Aufbau der Dialoge und Szenen lehnt sich Reuchlin an Terenz und Plautus an: Beispielhaft sind hierfür der Eingangsdialog zwischen Henno und Dromo, Elsas Suche nach dem Geld und die Hochzeit am Ende des Stückes. Weniger der römischen als vielmehr der griechischen Komödie sind die Chorgesänge am Aktende mit ihrer moralisierend zusammenfassenden Funktion entlehnt. Reuchlin hebt selbst hervor, dass eine ausdrückliche Moral nicht im Stück, sondern nur in den Chorliedern zutage tritt. 38 Inhalt und formale Umsetzung des Originals und der Bearbeitung von Sachs sind nahezu identisch: 1. Akt: Der Bauer Henno hat seiner Frau Elsa Geld gestohlen. Er weiht seinen Knecht Dromo in den Diebstahl ein und beauftragt ihn, Tuch zu kaufen. Dromo beschließt, das Tuch auf Kredit zu kaufen, es selbst weiterzukaufen und sich dann eine Ausrede einfallen zu lassen. Elsa findet den Diebstahl ihres Geldes heraus. Ihre Nachbarin Greta rät ihr, sich von einem Astrologen den Dieb wahrsagen zu lassen. 34 Vgl. Kraus 2005, Sp. 159 f. 35 Roloff 1998, S. 188. 36 Roloff 1998, S. 188; der Kommentar ist abgedruckt bei Holstein 1888, S. 98-106. 37 Vgl. Roloff 1998, S. 188. 38 Vgl. Newman 1986, S. 265 ff; Dietl 2003, S. 771. Nach Schnur 1995, S. 71, kann man den Chor als Technik der Palliata ansehen, weil Plautus ihn als ‚canticum‘ ebenfalls eingesetzt hat, vgl auch Roloff 1998, S. 191. <?page no="97"?> 3.3 Henno 97 2. Akt: Der Astrologe nennt Henno als Dieb. Dromo erzählt Henno, dass der Tuchhändler das Geld und das Tuch behalten hat und Henno es am nächsten Tag abholen soll. 3. Akt: Henno, Elsa und Dromo gehen in die Stadt. Der Tuchhändler Danista wartet auf sein Geld für das Tuch, das er dem Knecht gegeben hat. Henno und Danista streiten, Dromo behauptet, kein Tuch bekommen zu haben. Danista fordert eine Entscheidung vor Gericht. 4. Akt: Dromo erzählt dem Juristen Petrucius die Wahrheit. Dieser rät ihm, vor Gericht auf alle Fragen mit „Blee“ zu antworten, woraufhin der Richter kein Urteil fällen kann. 5. Akt: Der Jurist möchte sein Geld von Dromo haben. Doch auch jetzt antwortet dieser nur mit „Blee“. Elsa erzählt ihrer Nachbarin Greta, dass ihre Tochter und Dromo heiraten möchten, was nach dem Streit zwischen Henno und Dromo aber nicht mehr möglich ist. Henno bietet ihm an, seine Tochter zur Frau zu bekommen, wenn er ihm die Wahrheit sagt. Alle versöhnen sich und die Hochzeit beginnt. Reuchlin fügt Chorpassagen zwischen die Akte, die Sachs, wie auch in allen anderen Schauspielen, nicht übernimmt. Abgesehen von Chor, Prolog, Epilog und drei Monologen hält er sich nahezu vollständig an seine Vorlage und bietet damit eher eine Übersetzung. 39 Eine solche strenge Anlehnung an das Original ist selten für Sachs und findet lediglich in der Hecastus -Bearbeitung (1549) eine Entsprechung. 40 Da Reuchlin die Moral nur in den Chorgesängen, nicht aber im Handlungsgeschehen verankert, ist in einem ersten Schritt zu untersuchen, ob Sachs mit den wenigen Hinzufügungen diese moralischen Wertungen in die Handlung oder eigene moralische Deutungungen integriert. 39 Vgl. Stuplich 1998, S. 61 Fn. 182, die im Prolog, dort im Vers „Ein teutsch comedi hie zu machen“, einen Hinweis darauf sieht, dass Sachs das Stück als Übersetzung gestaltet hat. 40 Macropedius stellt sich selbst in eine Tradition zu Reuchlin, wenn er ihn als Grund für sein Dichten benennt, vgl. Bloemendal 2009, S. 41. Eine Gegenüberstellung des Hecastus von Macropedius und der Bearbeitung von Sachs liefern Dammer / Jeßing 2007. Sie weisen auch auf die Übertragungsleistung von Sachs aus dem neulateinischen Drama hin (S. 3): „Schließlich kann an der Zusammenstellung dieser beiden Texte eine wesentliche, in der traditionellen Sachs-Forschung notorisch zu kurz kommende Dimension dieser Übertragungsleistung deutlich gemacht werden: In seinen Bearbeitungen und Übersetzungen neulateinischer Vorlagen (viel stärker als bei seiner Adaption klassisch-lateinischer Texte) ‚importierte‘ Hans Sachs gleichsam die makrostrukturelle Ästhetik des neulateinischen Dramas, die ja, längst vor der Wiederentdeckung der Poetik des Aristoteles, aus den klassischen Vorlagen gewonnen worden war“. <?page no="98"?> 98 3 Tragedis und Comedis der Jahre 1527 - 1536 Der erste Chorgesang thematisiert die Ängste der Reichen vor Armut und preist die Armut selbst. Mit Armut gehe Fröhlichkeit einher und man lerne, mit einem tugendhaften Leben seine Hoffnungen auf Gott zu setzen. 41 Im zweiten und dritten Chorgesang werden die Dichtung, insbesondere das Schauspiel, und der Dichter mit seinen Tugenden gepriesen. Der vierte Chorgesang beschreibt die Betrügerei des Gerichts, der man sich durch ein friedfertiges Leben entziehen könne. Der von Sachs eigenständig hinzugefügte Epilog beinhaltet vier Lehren. Die erste hat das friedfertige Leben zum Gegenstand. Zwei weitere Lehren führen die falschen Verhaltensweisen von Henno und seinem Knecht an und eine vierte Lehre idealisiert die vertrauensvolle Ehe. 42 Sachs legt somit in seiner Bearbeitung das Hauptaugenmerk nicht auf die Deutung der Handlung, sondern auf die dramaturgische Umsetzung des Handlungsgeschehens. Der Henno beginnt sowohl bei Reuchlin 43 als auch bei Sachs, hier nach dem Prolog, mit zwei aufeinanderfolgenden Monologen, die sich von den zuvor ver- 41 Roloff 1998, S. 191: „Reuchlin gab im Nachhinein in seinem Kommentar die Begründung für dieses Chorlied folgendermaßen: Die Zuschauer hätten den Umschlag von Traurigkeit in Freude bei Henno und von überschäumender Freude in tränenreiche Trauer bei Elsa erlebt, daraus wäre für sie zu lernen, weder dem Wohlstand zu vertrauen, noch sich von dessen Verlust allzusehr niederdrücken zu lassen: talem esse ducet qui voluntarie pauper est - ‚vortrefflich ist nur, wer aus freien Willen arm ist‘.“ 42 Von keinem Drama - in der untersuchten Frühphase sind dies immerhin 4 von 13 Schauspielen, die einen Chor oder chorähnliche Passagen (Modus und Interludien) am Aktende aufweisen - hat Sachs diese übernommen. Nur in seinem zweiten Schauspiel Comedia, darin die göttin Pallas die tugend und die göttin Venus die wollust verficht übernimmt er die letzte Chorpassage, weil diese nicht unabhängig von der Handlung ist, sondern der Chor einen Dialog mit einer Figur führt. Im neulateinischen Drama fällt dem Chor außerdem die Aufgabe zu, allgemeine Aussagen, z. B. über Poesie, zu treffen, die nicht mit der Fabel des Stückes in Zusammenhang stehen müssen. Hier scheint sich ein weiterer Grund für den Wegfall des Chores in den Bearbeitungen von Sachs zu finden, denn ihm ging es eigens um die moralische Ausdeutung der Spielrealität und nicht um zusätzliche allgemeine Ausführungen zu einem Thema, welches nicht im Zusammenhang mit dem Plot des Stückes steht. Zwar liegen zwischen den Vorlagen und den Bearbeitungen teilweise nur 30-40 Jahre, aber in diesen Zeitraum fällt die Reformation und mit ihr eine veränderte moralische Deutung der Dramen. Auch deshalb scheint Sachs gerade nicht am Chor der Vorlagen interessiert zu sein, sondern entwickelt stattdessen mit dem Wegfall des Chores und der Aufwertung des Epilogs seine eigene dramatische Struktur. 43 Bei Reuchlin heißt es (Henno 1995, S. 8 v. 18-27, Übersetzung S. 9): Muliercularum est misera condicio hercule Atque iis magis quae sunt maritis coniuges Hoc usque sensi quae viro sum subiuga. Quaecunque nendo operamque dando, domesticis Curis, lucris negotiisque villicis Vel quaerito vel condo parsimonia, Totum hoc meus ludit maritus et bibit, Ach Gott, wie elend geht’s uns armen Weiblein doch, und mehr noch denen, welche Eheweiber sind. Das spürt ich immer, seit dem Mann ich untertan. Was ich deshalb mit Spinnen, Schaffen, häuslichen Arbeiten, Winst und dörflichen Geschäften nur erwerbe oder sparsam auf die Seite leg, das alles gleich verspielt mir und versäuft der Mann, <?page no="99"?> 3.3 Henno 99 wendeten in Länge und Aufbau markant unterscheiden. Das Stück eröffnet ein Expositionsmonolog Elsas ( KG VII, S. 125 vv. 5-20) 44 : 5 Ach wie ein armutselig standt Ist, den wir arme weiber handt, Welche sind mit der ehe verbunden! Das hab ich arme wol empfunden, Die ich hab einen losen man. 10 Was ich erkratzet und gewon Mit karckheit und heußlichen sorgen, Mit spinnen abent und den morgen, Desselb mein man mir als verseufft, Verspilt, wo er zun gsellen schleufft. 15 Des geh ich her zerrissen gar. Kein zopff flicht ich mehr in mein har, Es ist gantz borstet, wie ein igel. Ich butz mich auch vor keinem spiegel. Ich weiß mich schier kaum zu erneren, 20 Wenn sich mein narr nit wil verkeren. Untergliedert ist der Monolog in drei Teile: Der erste (vv. 5-7) ist eine klagende Affektdarstellung über den Status der Ehefrau im Allgemeinen. Teil 2 (vv. 8-14) gibt als Selbst- und Fremdcharakterisierung die persönliche Situation der Ehe- 44 Zur Illustration, dass Sachs sehr wahrscheinlich nicht die Frankfurter Übersetzung gekannt hat, sei exemplarisch der Monolog Elsas angeführt (Beutler 1927, S. 205): Ich byn eyn armes weyp vnd els genandt. Gros betrupnus ist mir worden bekandt. Gros elendt mus ich leiden. Verwar eyns geschigt auch andern weybernn, Die alt heslich menner han Vnd mussen yn seyn vnderthan. Ich hab auch eyn alten roer apfen. Ich meyn, das mir yn der teufel hat geschaffen. Alles, das ich verdinen mit nehen vnd spinnen, Das thudt er mir gancz vnd gar verschlemmen, Also das ich nit eyn gutte gippen haen, Do ich erlich moeght in gan. Ach hab ich nit eyn schleyer, der do sey gudt. Seyn schelmmerrei brengk mich zu grossen armudt. Ut vix mihi lodix supersit sutilis, Pauper lacerna, ricula et calyptra: iam Non ego capillos plagulis connexito. so daß mir kaum geflickte Schürze übrigbleibt ein ärmlich Juppen, Für- und Busentuch hab ich, Kaum daß ums Haar ein Kopftuch ich mir binden kann. <?page no="100"?> 100 3 Tragedis und Comedis der Jahre 1527 - 1536 frau mit einem Mann wieder, der ihr Geld verspielt und vertrinkt. Teil 3 (vv. 15-20) beschreibt ihren aktuellen schlechten Zustand: Die Kleider sind zerrissen, die Haare nicht frisiert und sie kann sich kaum noch ernähren. Anders als der Expositionsmonolog im Pluto ist der Monolog nicht beiseite gesprochen und nicht-aktional, denn er informiert, kommentiert und es vollzieht sich kein „unmittelbar situationsveränderndes Handeln“. 45 In dieser Form wird fast die Hälfte der nach 1550 verfassten Fastnachtspiele eingeleitet. Elsa spricht ihre Rede von Beginn an in der Spielrealität, d. h. im inneren Kommunikationssystem, durchbricht diese aber zugleich, indem sie Informationen über ihren Mann in Form einer Fremdcharakterisierung und Informationen über ihre Situation in Form einer Selbstcharakterisierung präsentiert. Diese Charakterisierungen unterscheiden sich in ihrem Grad an Glaubwürdigkeit: Wenn Elsa über ihr hartes Dasein als Ehefrau spricht, die kein Geld mehr hat und fast hungern muss, sollen die Rezipienten von der Wahrheit der Rede ausgehen, da sie keinen Dialogpartner anspricht, gegenüber dem sie sich verstellen müsste. Die Fremdcharakterisierung ihres Mannes erweckt hingegen Spannung, ob das Gesagte tatsächlich auf Henno zutrifft. Da sich die Rezipienten bisher kein eigenes Bild von ihm machen konnten, haben sie keine Möglichkeit, die von Elsa vorgetragenen Informationen zu beurteilen. 46 Die mit der Fremdcharakterisierung aufgerufene Frage, ob sich Henno tatsächlich derart verhält, beantwortet er selbst im direkt anschließenden Zutritts- Monolog ( KG VII, S. 125 vv. 22 - S. 126 v. 8): Ich wil gehn schleichen dahinumb Und hören, was mein weib doch brumb, Ob sie villeicht sey innen worn, 25 Das ich irm beuttel hab geschorn Und in heimlich gemachet ler. Aber es wundert mich, woher Das weib so vil gesamlet hat, Weil ich auch arbeit frü und spat, 30 Und kan doch in eim gantzen jar Ein pfundt kaumb drübring also bar. Aber meim weib hab ich gestoln Acht gülden, die het sie verholn Im hew, unter der alten krippen. 45 Pfister 2001, S. 191. 46 Vgl. Pfister 2001, S. 253. <?page no="101"?> 3.3 Henno 101 35 Der rit schüt meinem weib die rippen, Die mehr gewint mit irem sparn, Denn ich mit arbeit mag erfarn! Das mag ich zu meim gwin auch rechen Mein täglich spilen und mein zechen, Mein bulen, badn und was ich thu. Mir felt ein altes sprichwort zu: 5 Ein sparer muß ein zerer han. Nun wil ich zu ir an hin gan, Hören, was sie für teydung treib. Ein guten abend, liebes weib! Ein solcher bei Terenz, Plautus und Menander häufig verwendeter Zutritts- Monolog macht den Einfluss der Palliata besonders augenscheinlich. 47 Obwohl andernorts, was die Forschung zu Recht hervorhebt, 48 regelmäßig eine sukzessive Präsentation der Handlung im Henno erfolgt, liegt mit diesem Monolog eine simultane vor, wenn Henno seine Rede mit der Belauschung seiner Frau beginnt (vv. 23-24): „was mein weib doch brumb“. Ohne Elsas Monolog zu kommentieren, enthüllt Henno, dass er das Geld seiner Frau gefunden, sodann gestohlen hat, und was er damit zu tun pflegt. Die im Monolog Elsas implizit aufgeworfene Frage, ob das Verhalten Hennos ihrer Charakterisierung entspricht, beantwortet Henno selbst positiv. Darüber hinaus erhalten die Rezipienten mehr Informationen, als Elsa zuvor in der Fremdcharakterisierung gegeben hat, und erlangen so einen Informationsvorsprung. Diese Informationsvergabe ist analeptisch, insofern Henno Geschehen aus der Vergangenheit enthüllt. Als Teil der Exposition bereitet die Selbstcharakterisierung von Henno wie auch der Prolog und der Monolog Elsas „die Vergabe von Informationen über die in der Vergangenheit liegenden und die Gegenwart bestimmenden Voraussetzungen und Gegebenheiten der unmittelbar dramatisch präsentierten Situationen“ 49 für die Rezipienten gestrafft auf. Die Exposition endet nicht nach den beiden Monologen, sondern erst mit dem Ende der ersten Szene ( KG VII , S. 128 v. 20). 50 Obwohl beiden Monologen als primäre Funktion die Vermittlung handlungsbezogener Informationen zufällt, führen sie indes auch in die fiktive Spielrealität ein und schaffen einen Übergang von einer nicht-aktionalen informierenden in eine dialogisch aktionale Spiel-Situation. 47 Vgl. Denzler 1968, S. 107 ff. Zu Plautus vgl. die Analyse des Monechmo , Teil B, Kap. 4.2. 48 Vgl. Michael 1984, S. 331. 49 Pfister 2001, S. 124. 50 Vgl. Stuplich 1998, S. 156. <?page no="102"?> 102 3 Tragedis und Comedis der Jahre 1527 - 1536 Der Konflikt entwickelt sich im Anschluss an die beiden Monologe in zwei Dialogpassagen. In der ersten weiht Henno seinen Knecht Dromo in den Diebstahl des Geldes ein und beauftragt ihn, Tuch zu kaufen. Die Szene endet mit einem Monolog Dromos ( KG VII, S. 128 vv. 9-20), der als Szenenabschluss, gefolgt von einer leeren Bühne, eine strukturell-gliedernde Funktion hat. Diese war im Pluto schon nachzuweisen, dort allerding nur einmalig. Reuchlin lässt hier ein Muster zur Szenenstrukturierung erkennen, das Sachs nicht nur in gleicher Weise übernimmt, sondern auch eigenständig in seiner Bearbeitung fortführt. Der Abgangsmonolog Dromos und der daran anschließende Auftrittsmonolog Elsas, mit dem die nächste Szene beginnt ( KG VII, S. 128 v. 22 - S. 129 v. 10), verdeutlichen die Funktionalisierung. Dromo beendet die erste Szene: Ach lieber herr, sag nur mit nichten! 10 Die sach weiß ich frey auß zu richten, Nemblich, das ich mich selbs versorg Und bring das thuch herauß auff borg Und die acht gülden mir behalt. Gott geb, wie halt das tuch werd zalt! 15 Und darnach wil ich weiter lauffen Und das tuch umb bar gelt verkauffen, Dasselbig gelt mir auch behalten. Der jarrit sol des bawren walten! Ob er gleich wird der schalckheit innen, 20 Wird ich etwan ein außred finnen. Dromo enthüllt, dass er sich das Tuch vom Tuchhändler unter dem Versprechen der späteren Bezahlung geben lassen will, um es sogleich wieder zum doppelten Preis zu verkaufen. Henno wird die Schuld treffen und er, Dromo selbst, muss nur noch eine Ausrede finden. Die handlungsbezogene Funktion der Enthüllung setzt die Intrige in Gang. Die Rezipienten erhalten einen Informationsvorsprung, der es ihnen ermöglicht, die Missverständnisse der nachfolgenden Szenen zu verstehen, die die Grundlage für die Komik bilden. Zusätzlich wird ein Spannungsmoment eröffnet, da sein Vorhaben zukunftsungewiss geäußert ist.Der Enthüllung kommt eine explizite Funktion für das Handlungsgeschehen zu, die Verständnis sichert und die Komik ermöglicht. Die ausdrückliche Funktionalisierung setzt sich in der Szenenstrukturierung fort, die zusätzlich zu den Monologen am Anfang und Ende eine leere Bühne vorsieht. In den vorherigen Dramen, ausgenommen eine Szene im Pluto , findet dieses Mittel allein am Ende des Aktes Verwendung. <?page no="103"?> 3.3 Henno 103 Mit Beginn der neuen Szene tritt Elsa monologisierend auf ( KG VII , S. 128 v. 22 - S. 129 v. 10). 51 Der retardierende erste Teil (S. 128 vv. 22-29) erinnert in Form einer Analepse an die bereits aus dem Expositionsmonolog bekannten Informationen über das mühsam zusammengesparte Geld. Da die Rezipienten über den Diebstahl des Geldes schon informiert wurden, baut sich bei ihnen hinsichtlich der Reaktion Elsas ein Spannungsmoment auf. Wie im Monolog Dromos vermittelt Sachs das Spannungsmoment als Enthüllung, hier Elsas Sorge um ihr Geld (S. 128 vv. 30-35): Mein man all zeit groß armut klagt, Verschlembt doch als, was er erjagt, Unnützlichen, als werens sprewer. 25 So offt mir gelt ist worden hewer, Nam ich darvon den zehend mein. Darnach ich wechslet gülden ein Und hab zam bracht acht gülden alt, Die ich in der krippen behalt. 30 Das ist meins hertzen lust und gier. Ich schaw sie offt den tag wol zwier. Ich zels ein tag offt siben mal, Ob ich noch hab mein alte zal. Ietzund ich aber darzu mauß, 35 Weil man und knecht sind beyde auß. 51 Bei Reuchlin (Henno 1995, S. 14 v. 111-128, Übersetzung S. 15): Queritur maritus miseriam, totum aes bibit, Dilapidat argentum suum tam prodige, Quam si leves essent aristae. Ego secus, Nam quandocundque datur, subduco nummulum Commutoque argentum clam in aurum haud segniter, Quod cumulo et inde condo sub praesepio. Hic ludus, haec mea est voluptas maxima. Nam saepe bis terve in die loculum exuo Videoque si sit aurum et an speciosius Quam fuerit antea, sic item reconditur. Nunc vado item meopte more, dum Dromo Iussum capessit, dum loquuntur invicem. Heus tu crumenula, quam beate et bellule Vales? sed ecce quid evoluta singula Cerno? Papae! heu miseram me! hoc exsecrabile Hoc luctuosum, hoc anxium infortunium. Crumena non est. O propinqua subveni Vicina Greta, funditus sum perdita. Mein Mann beklagt sich? Er versäuft das ganze Geld, und geht mit seinem Silber so verschwendrisch um, als wärens leichte Ähren. Anders bin doch ich. Wann sichs so fügt, bring ich beiseit ein Hellerlein und wechsle Silber heimlich um in Gold; mit Fleiß häuf ichs dann an und grab es unterm Troge ein. Dies ist mein liebstes Spiel, dies ist mein größtes Glück. Oft hol ich zweimal, dreimal täglich dann hervor das Schächtelchen und schau: ists Gold? Blinkts schöner wohl als es vorher war? Und dann grab ichs wieder ein. Jetzt gehe wie gewohnt ich wiederum dorthin, dieweil beauftragt Dromo wird und mans bespricht. Ei, Beutelchen, wie glücklich und wie fein dirs wohl ergeht? - Doch, da ich jetzt die Geldkatz ausgewickelt, was muß ich sehen? Zeter! Ach und weh ist mir! Welch gräßlich, ach, welch elend-banges Mißgeschick: die Börs ist weg! Zu Hilfe, Hilfe, Nachbarin, hilf, Greta - ach, um mich ists gänzlich jetzt geschehn! <?page no="104"?> 104 3 Tragedis und Comedis der Jahre 1527 - 1536 Der zweite Teil des Monologes ist als Apostrophe an den Beutel gestaltet. In der Ansprache an ihn vermittelt sich besonders eindrücklich das Entsetzen über das Verschwinden des Geldes. Zweifel an der Echtheit des Beutels und am eigenen Sehvermögen im Zusammenspiel mit der im ersten Teil geäußerten Vorfreude auf das Geld lassen den verzweifelten Gemütszustand Elsas nachvollziehbar erscheinen: Sie zeucht den beuttel herfür, spricht: S. 129 Liebs beuttelein, laß sehen dich! Sag mir bald! wie gehabst du dich? O weh! hat dich als unglück troffen? Wie stehn dir all dein fächer offen? 5 O weh! das ist mein beuttel nicht. Jo, jo, mich drieg denn mein gesicht. Weh deß unglücks, das mir zu-steht! O meine liebe nachbewrin Gredt, Kombt mir zu hilff in meiner angst! Im grund ich bin verdorben langst. Ihre Verzweiflung kann sie im anschließenden Dialog mit der Nachbarin Greta kundtun. Diese rät Elsa am Ende des ersten Aktes, zu einem Wahrsager zu gehen, um so den Diebstahl aufzuklären. Nach demselben Muster wie der erste Akt beginnt der zweite mit einem Auftrittsmonolog ( KG VII, S. 130 vv. 18-27): 52 Der Ptolomeus bschreiben thet Ein buch Alarmacabalet, 20 Und welcher thut darinn studirn, Der lehret die kunst in dem gstirn Der planetn und der zwölff zeichen, Die schweren aspect der-geleichen. 52 Bei Reuchlin (Henno 1995, S. 16 vv. 153-160, Übersetzung S. 17) heißt es: Ptolemaeus in libris Alarbamakalet Artes magisterii bonas nobis dedit: Astrorum et omnium quae scire caelitus Homines decet, stellarum et erronum situs, Signorum amicitias et intutus graves, Domuum locationem, ut inde singulam Nos rem quaemus scire, sive futura sit Seu denique praesens aut praeterita. Ptolemaeus hat im Buch Alarbamakalet uns gute Künste jener Meisterschaft geschenkt, was von Gestirnen und von Himmelskörpern ziemt dem Mensch zu wissen: Sternen- und Planetenbahn, Aspekte auch, ob günstig diese oder bös, der Häuser Lage, daß daraus im einzelnen wir klar ergründen können, was die Zukunft bringt, wie auch die Gegenwart und die Vergangenheit. <?page no="105"?> 3.3 Henno 105 Auß dem ist im zu wissen ring 25 Auff erden ein iegkliches ding Zukünfftig oder angefangen, Gegenwertig oder vergangen. Die Beschreibung eines Sternendeuterbuches, aus dem man den Blick in die Zukunft, Vergangenheit oder Gegenwart lernen könne, vermittelt den Rezipienten, dass die monologisierende Figur der Wahrsager ist. Der nicht-aktionale Monolog dient dazu, den Ortswechsel zum Wahrsager kenntlich zu machen und in den neuen Akt und damit in die neue Szenerie einzuführen. Reuchlin integriert keine weiteren Monologe in das Stück, Sachs hingegen adaptiert das strukturell-gliedernde Verfahren und fügt drei Monologe unabhängig von der Vorlage, der er ansonsten streng folgt, in das Drama ein, wenngleich er sie weitaus kürzer als die sonstigen gestaltet. Der erste selbstständig eingefügte Monolog dient neben der Szenenstrukturierung vor allem dem Handlungsverständnis. Er folgt auf den Betrug des Knechts am Tuchhändler. Vor dem Auftrittsmonolog des Tuchhändlers ( KG VII, S. 136 vv. 14-19) nur angekündigt, wird der Rechtsverstoß erst jetzt szenisch präsentiert: Ich bin heint glegen und hab gesorgt, 15 Hab gester eim bawrnknecht tuch borgt. Der sagt, sein bawer würt heut kommen, Mich zaln; hab in doch nit vernommen. Ich fürcht, der bawer brauch gefer. Dort geht er eben gleich daher. Analeptisch (vv. 15-17) berichtet der Monologisierende von einem Bauernknecht, dem er das Tuch geborgt hat. Es wird deutlich, dass es die Figur der Tuchhändler sein muss, der nächste Tag begonnen hat und ein Ortswechsel vonstatten gegangen ist. Wie in der Rede des Sternendeuters wird mit Informationen, die den Rezipienten aus Dialogen bereits bekannt sind, eine neue Figur in das Geschehen eingeführt. Sachs klärt hier mittels Monolog den Fortgang der Intrige auf. War am Ende der vorausgehenden Szene noch unklar, ob Dromo sein Vorhaben umsetzen konnte, bestätigt der Monolog des Tuchhändlers den Betrug. Sachs füllt somit, anders als Reuchlin, eine Leerstelle im Handlungsgeschehen. Die letzten beiden Verse dienen der Überleitung in den Dialog, indem sie den ankommenden Dialogpartner teichoskopisch beschreiben. <?page no="106"?> 106 3 Tragedis und Comedis der Jahre 1527 - 1536 Ähnlich verfährt Sachs in dem Monolog, der in den vierten Akt einführt ( KG VII, S. 139 vv. 10-14): 10 Man wird ietzt sitzen zu gericht. Bin doch von niemandt bstellet nicht, Dem ich daran sol procuriern! Wil niemant heut mein hendt mir schmiern? Nachdem der Tuchhändler am Ende des dritten Aktes angekündigt hat, den Knecht verklagen zu wollen, braucht es nur wenige Verse, um den Ortswechsel zum Gericht („Man wird ietzt sitzen zu gericht“) und den Sprecher als Juristen („Dem ich daran sol procuriern“) erkennbar werden zu lassen. Diesen führt Sachs wie schon den Tuchhändler und den Sternendeuter in die Szene bzw. den Akt ein und stellt so sicher, dass die Rezipienten ihn identifizieren können. Anders verhält es sich bei dem letzten selbstständig eingefügten Monolog ( KG VII, S. 146 vv. 17-20), der das Ende der Szene markiert und das Verhalten des Juristen kommentiert: Ich hab auch manchen mann betrogen Bey der nasn am recht umbzogen; Betreugt mich gleich der baurenknecht, 20 Dunckt mich, mir gscheh nit gar unrecht. Dieser reflektiert sein früheres Verhalten und erkennt, dass es falsch war, weshalb ihm auch kein Unrecht widerfahren ist, als der Knecht ihn überlistet hat. Die Selbsteinsicht in das moralisch inkorrekte Verhalten vermittelt sich analeptisch, indem der Anwalt die in der Vergangenheit begangenen Betrüge enthüllt. Für die weitere Handlung sind diese Informationen irrelevant. Sie dienen vielmehr der im Epilog gegebenen moralischen Deutung. Sachs nutzt demnach die strukturell-gliedernde Funktion des Monologs, um mittels reflektierender Figurenrede auf die Lehre im Epilog hinzuarbeiten. Möglicherweise setzt er an dieser Stelle den vierten Chorgesang der Vorlage in Figurenrede um. Der Chor beklagt, dass am Gericht u. a. Verlogenheit, Verrat, List und Betrug an der Tagesordnung seien. Sachs bestätigt mit der Alleinrede des Juristen die Vorwürfe, geht indes noch einen Schritt weiter, indem er dem Juristen ein reflexives Moment auferlegt, das zur Selbsteinsicht führt. Rekapituliert man die Funktionen der Monologe in der Lucretia , Virginia und im Pluto , zeigt sich vor dem Hintergrund der Typologie deutlich die Bedeutung des Henno . Vor seiner Bearbeitung fügte Sachs unabhängig von der Vorlage <?page no="107"?> 3.3 Henno 107 Monologe ein, um strukturell-gliedernd Abschnitte zu überbrücken oder um handlungsbezogen Affekte im Klagen darzustellen. Bei Reuchlin findet sich erstmals die monologische Einführung einer neuen Figur in die Handlung. Sachs führt sie selbstständig fort. Damit kann er sicherstellen, dass zum einen die Rezipienten die Figur erkennen und zum anderen Zeitsprünge oder Ortswechsel integriert sind. Neben dem Expositionsmonolog und seiner szenen- und aktstrukturierenden Funktion 53 adaptiert Sachs die Enthüllung, um Handlungsabsichten zu präsentieren. Nicht nur die Kausalität bleibt gewahrt, indem er die Figuren Gründe für ihr Handeln nennen lässt, auch lässt sich die Vermittlung handlungsbezogener Informationen sicherstellen. Erst durch das Verständnis der Betrugshandlung kann er die Komik herausarbeiten, weil sie sich über eine Intrige vollzieht, für die die Rezipienten einen Informationsvorsprung haben müssen. Diesen erhalten sie komprimiert in Form eines Monologes, der Handlungsabsichten enthüllt. Die für das Fastnachtspiel ab 1550 charakteristische schwankhafte Handlungskonstruktion fand Sachs im Henno vor. Seine Bearbeitung verdeutlicht, dass er diese Handlungskonstruktion als eine Konvergenz aus antiker Dramenform und volkssprachlicher Literaturtradition auffasste. Sehr konkret bestätigt sich damit die untersuchungsleitende These, dass die Literarisierung des Fastnachtspiels auf der Etablierung eines Formenrepertoires beruht, die ihrerseits als volkssprachliche Humanismusrezeption einzuschätzen ist. Die Untersuchung der folgenden Bearbeitungen soll sich der strukturell-gliedernden Funktion des Auftritt-Abgangs-Monologs zuwenden und darstellen, inwieweit Sachs im Jahr 1536 bereits selbstständig die adaptierten Monologfunktionen einsetzte. Dafür dient der Vergleich eines Monologs in den beiden Hester -Fassungen von 1536 und 1559. Im Anschluss daran widmet sich die Untersuchung den Dekameron -Bearbeitungen. Dies soll zeigen, wie die Übertragung der Handlungskonstruktion und der Erzählerrede der narrativen Vorlage in die dramatische Figurenrede vonstatten ging. Abschließend wendet sich die Untersuchung der Komik in der Bearbeitung einer antiken dramatischen Vorlage zu, speziell der Umsetzung einer komischen Verwechslungshandlung. 53 Im Hecastus von Macropedius findet Sachs auch ein über die Monologe strukturiertes Drama. In seiner Bearbeitung folgt Sachs der Vorlage in der Akteinteilung übereinstimmend. Dass mit jedem Auftritt eine neue Szene beginnt, übernimmt Sachs nicht. Während Macropedius den Monolog hauptsächlich zur Szenenstrukturierung nutzt, rafft Sachs mit ihm auch die Handlung oder überbrückt Auf- und Abgänge. Dadurch hat sein Drama weniger Unterbrechungen als das von Macropedius. <?page no="108"?> 108 3 Tragedis und Comedis der Jahre 1527 - 1536 3.4 Auftritt-Abgangs-Monolog im Judicium Paridis und Hester In der zwei Tage später gedichteten Comedi Das judicium Paridis 54 , die Jacob Lochers Spectaculum de iudicio Paridis, de pomo aureo, de tribus deabus, et prilici hominum vita 55 zur Vorlage hat, 56 finden sich drei Monologe. Davon hat Sachs zwei selbstständig eingefügt, die hier jedoch nicht weiter zu analysieren sind. 57 Einen dieser drei Monologe konnte Sachs ansatzweise seiner Vorlage entnehmen. Neu ist in dieser Comedi der Auftritt-Abgangs-Monolog, der eine eigene Szene bildet. Sachs fügt diesen Monolog zu Beginn des zweiten Aktes zur Vermittlung des handlungsauslösenden Momentes ein ( KG VII, S. 47 vv. 14-19): Weil alle götter sind alda 15 Und ich göttin Discordia Von in verschmecht bin worden gar, So würff ich in den apffel dar. Der ist mit künsten zugericht, Das sie beleiben eynig nicht. 54 Einen ausführlichen Vergleich zwischen der Bearbeitung von Sachs und dem Original von Locher bietet Stuplich 1998, S. 64-69. 55 Eine neue Edition nach dem Augsburger Druck findet sich bei Dietl 2005, S. 464-491. 56 Da Sachs im Prolog von „Homerus und Virgilius, / Ovidius, Lucianus, / Auch andere mehr“ (KG VII, S. 41 vv. 18-20) spricht, kann seine Hauptvorlage nicht eindeutig benannt werden. Es ist jedoch mit Stuplich davon auszugehen, dass Sachs Lochers Spectaculum zur Vorlage nahm, weil er sich in dieser Zeit offensichtlich mit neulateinischen Dramen beschäftigte und es für ihn charakteristisch ist, im Prolog zwar antike Quellen zu nennen, die eigentliche Vorlage jedoch nicht. 57 Der erste Monolog dient wieder der Überbrückung (KG VII, S. 43 vv. 2-8), der zweite (KG VII, S. 59 vv. 4-27) dürfte eine Umsetzung der von Reuchlin adaptierten Form des Auftrittsmonologs sein. Der Überbrückungsmonolog steht im ersten Akt, der in Reihenform die aktuellen Missstände anprangert. Im selben Jahr, in dem das Judicium Paridis erscheint, schreibt Sachs zur Fastnacht am 1. Februar 1532 die Komödie Stulticia mit irem hofgesind auf der Grundlage des von Erasmus von Rotterdam stammenden und von Sebastian Franck übersetzten Moriae Encomium . Ähnlich dem ersten Akt des Judicium Paridis und dem Caron gestaltet Sachs das gesamte Schauspiel als Reihenspiel. Wählte er beim Caron eine antike narrative Vorlage, ist es in diesem Fall eine zeitgenössische, die aber dieselbe monologfreie einaktige Reihenstruktur aufweist. Ob es der Aufführungszeit geschuldet ist, dass Sachs sich der Fastnachtspielform zuwendet, bleibt unklar. Hierzu Stuplich 1998, S. 100: „Die Reihenspiele sind indes nicht als das Produkt eines noch unerfahrenen Bühnenautors anzusehen. Im Gegenteil, das Strukturmodell der Stulticia wurde von Sachs als so ausgereift angesehen, daß er die späten Reihenspiele daran angelehnt konzipiert.“ <?page no="109"?> 3.4 Judicium Paridis und Hester 109 In diesem aktionalen Monolog wirft Discordia einen Apfel in die Runde, der von ihr zuvor die Eigenschaft bekommen hat, Streit zu verursachen (vv. 17-19). Weil sie keine Einladung zur Götterfeier erhalten hat, will sie jetzt Zwietracht säen. Gleiches findet sich in der Vorlage, wenngleich Locher eine dialogische Rede einsetzt, Discordia Jupiter direkt anspricht und Merkur sie vertreibt. 58 In Sachs’ Bearbeitung des Dramas ist der Monolog in Form einer eigenen Szene zum ersten Mal nachzuweisen. Er erweitert möglicherweise die Technik des Auftritts-Monologs, der in die Szene einführt und die Figuren charakterisiert. Erkennbar ist, dass Sachs das handlungsauslösende Moment, den Wurf des Apfels in die Götterrunde, mit der Rede von Discordia zusätzlich akzentuiert und begründet. Indem Discordia allein auf der Bühne ist, erhält ihre Rede mehr Gewicht und ist „für den Zuschauer deutlich als selbständige Handlungseinheit erkennbar“. 59 Der Stoff vom Paris-Urteil war in Mittelalter und Früher Neuzeit so weit verbreitet, 60 dass er sogar in einem Fastnachtspiel aus dem 15. Jahrhundert bearbeitet wurde. Darin ist kein Monolog zu finden, auch nicht an der Stelle, an der Discordia den Apfel in die Runde wirft. Stattdessen hat das Spiel einen ausführlichen Nebentext: do ward ein apfel auf den tysch gepracht, dor auf geschriben stund: der apfel schol sunst nymant sein, denn der aller wirdigsten allen. darnach grayffen die drey gottin vnd zerkrigten sich, vnd ir yde wolt in haben. 61 58 Iudicium Paridis 2005, S. 470 vv. 34-47: Sic sine me lepido celebras convivia ludo Iupiter. et celi numina cucta vocas. Sic sine me choreas agis ad spectacular molles. Preponisque tuas undique filiolas. Uxor adest iuno. cuius plerumque sequuta Iussa. quibus voluit sepe nocere tibi. Nil ego commerui. quod me secluserit uxor Pronuba. vel peleus atque superb thetis (c4 v ) Sed ne liticie vestre sit gratia perpes. Et sit letus hymen. et solidatus amor. Proiicio pomum. moveat quod iurgia dura Tu censor scripti iupiter esto mei Tres adsunt dive. Quarum Formosa videri Quelibet efflictim. Solaque pulchra cupit. MERCURIUS DISCORDIAM TAXAT. 59 Stuplich 1998, S. 163. 60 Vgl. Dietl 2005, S. 244. 61 Schnorr von Carolsfeld 1874, S. 6. Das Fastnachtspiel ist nicht in der Ausgabe von Keller verzeichnet. Es wurde 1874 mit drei weiteren bis dato ungedruckten Fastnachtspielen im Archiv für Litteraturgeschichte veröffentlicht. <?page no="110"?> 110 3 Tragedis und Comedis der Jahre 1527 - 1536 Im Sinne der untersuchungsleitenden These, verdeutlicht die Nebentext-Passage, dass Sachs trotz der Abweichungen näher am neulateinischen Drama als am Fastnachtspiel ist. Anders als die volkssprachliche Bearbeitung lehnt er sich stark an die Rede der Discordia aus dem neulateischen Drama an, die es im Fastnachtspiel schlicht nicht gibt. Im Verlauf des Schauspiels bleibt Sachs auch der Szeneneinteilung der neulateinischen Vorlage weitestgehend treu. Im Gegensatz zum Henno fällt die geringe Szenenstrukturierung auf, deren deutlichste Kontur im vorgestellten Auftritt-Abgangs-Monolog zutage tritt. In der Vorlage konnte Sachs keine Szenengrenzen finden, denn Locher strukturiert sein Stück nur mittels Akten und Interludien. Wenn Sachs in der Henno -Bearbeitung derart nah an der Vorlage bleibt, dass man beinahe von einer Übersetzung sprechen kann, gilt für diese gleichwohl, wie Stuplich richtig meint, dass er sich „nicht an seine Vorlage bindet, sondern die Handlung nach eigenen Vorstellungen umstrukturiert und mit eigenen technischen Mitteln spielbar zu machen sucht“. 62 Begründet Stuplich dies mit Sachs’ eigenständiger Dramentechnik, so ist dem mit Blick auf den Monolog, so wie Sachs ihn ab 1550 einsetzte, einschränkend hinzuzufügen, dass er das breite Spektrum der Monologformen und -funktionen nur ansatzweise in dieses Drama integriert und sich die Mehrheit der Monologfunktionen nicht nachweisen lässt. Als in der Einleitung des Abschnitts B von einer Entwicklung der poetologischen Kompetenz gesprochen wurde, lag die Vermutung nahe, dass es sich um einen kontinuierlichen Prozess handelt. Die Analyse des Judicium Paridis zeigt nachdrücklich, dass sich Sachs nur eng an Vorlagen anlehnt, wenn sie eine antike Dramenform hatten. Dafür spricht insbesondere die Bearbeitung des Henno und des Hecastus von 1549. Sachs greift sich punktuell Vorlagen heraus, aus denen er das Formenrepertoire entlehnt, bearbeitet andere Vorlagen hingegen selbstständig, ohne aber stets auf die bereits bekannten Techniken zurückzugreifen. Dem entgegenzuhalten ist die Zweifachbearbeitung der Hester . Hier zeigt sich, wie Sachs einerseits auf das adaptierte Formenrepertoire zurückgreift und andererseits zugleich aufgrund seiner poetologischen Kompetenz in der zweiten Bearbeitung dieses weiter entwickelt. Die Hester ist das letzte Drama vor seiner neunjährigen dramatischen Schaffenspause von 1536-1545. Der ersten Bearbeitung von 1536 folgt 1559 eine zweite. Beide Monologe der Hester -Fassung von 1536 ( KG I, S. 120 vv. 19-24 und S. 123 vv. 17-26) finden sich auch in der Fassung von 1559 wieder, dort aller- 62 Stuplich 1998, S. 69. <?page no="111"?> 3.4 Judicium Paridis und Hester 111 dings neben acht weiteren, mit komplexerem Aufbau und ohne simultane Präsentation (KG XV, S. 107 vv. 25 - S. 108 v. 9 und S. 113 vv. 3-22). Die Entwicklung zwischen erster und zweiter Bearbeitung zeigt der Monolog von Hammon: 1536 1559 Der küng hat mich erhöcht in ehren, Ich wil ein weyl da gehn spatzieren, Die küngin thut mein wird auch mehren, In deß königes hof refieren, Das ich allein soll mit ir essen. Und so sichs füglich zu wird tragen, Noch ist mein hertz mit leyd besessen, So wil ich beim könig verklagen Weyl ich den Juden vor mir sie, Den jüden, der mir auß hochmut Der vor mir nit beugt seine knie. Kein ehr noch reverentz an-thut, Der küng thut mir in geren schencken, Veracht auch deß königs gebot, Das ich in an ein baumb laß hencken Dem sonst als hofgsind volg ist than. In mein hauß fünfftzig klaffter hoch, Wenn ich dem köng das zeige an, Welcher ist zu-bereytet doch. Wil ich thum ein gewaltig bitt, Hoff, er wird mirs abschlagen nit, Sonder den alten jüden schencken, Auff daß ich in alß bald laß hencken An galgen, den ich auffrichtet doch In meinem hauß füntzg klaffter hoch; Nach dem ich gentzlich auff und ab Forthin mehr kein anfechtung hab, Sonder geht alls gelücklich hin Nach meines hertzen mut und sin. Während 1536 der Monolog simultan präsentiert wird, ist 1559 Hammon allein auf der Bühne und beschreibt den Ort, an dem er sich befindet. Der König liefert Hammon Mardocheus aus, den er sodann hängen lassen will. 1559 erläutert Hammon indes seinen Plan, den er mit einer Auflistung der Vergehen von Mardocheus begründet und der ihn zu seiner Anklage bewegt. Sachs legt damit in seiner späteren Fassung Wert auf die sukzessive Präsentation und räumt dem handlungsbezogenen Wissen um den neuen Ort und der Ausgestaltung von Kausalität eine hohe Bedeutung ein. Stuplich stellt hierzu fest, dass Sachs nicht alle simultanen Passagen der frühen Fassung in sukzessive umwandelt. 63 Ihrer Schlussfolgerung, dass die Ausführlichkeit der späteren Fassung „nicht auf dem Versuch, das Gerüst besser verständlich zu machen“, beruhe, „da schon das simultane Spiel den Konflikt zwar knapp, aber gleichwohl konsequent“ 63 Vgl. Stuplich 1998, S. 280 ff. <?page no="112"?> 112 3 Tragedis und Comedis der Jahre 1527 - 1536 darstelle, 64 ist nicht ohne weiteres zuzustimmen, denn die Entwicklung von Handlungskausalität dient neben der dramaturgischen Verfeinerung auch dem Verständnis der Rezipienten. Für die Untersuchung der Dramen ab 1545, die hauptsächlich das Dekameron zur Vorlage haben, ist über die Monologfunktionen hinaus der Frage nach der poetologischen Aneignung zur Vermittlung von Handlungskausalität nachzugehen. 3.5 Zwischenfazit In der Untersuchung der Tragedis und Comedis aus den Jahren 1527-1536 fällt die Bearbeitung von Reuchlins Henno ins Auge. Die Vorlage gilt aufgrund der Konvergenz von antiker Dramenform und volkssprachlicher Literaturtradition als Ausnahme unter den variantenreichen Dramen der Frühen Neuzeit. Die Bearbeitung von Sachs gleicht einer Übersetzung. Drei Monologformen lassen sich nicht auf eine Vorlage zurückführen: strukturell-gliedernd handelt es sich um den Überbrückungsmonolog sowie den Auftritt-Abgangs-Monolog und handlungsbezogen um die Affektdarstellung. Erst nach der Henno -Bearbeitung gestaltet Sachs den Monolog als eigene Szene, weshalb der in die Szene einführende Monolog eine Voraussetzung für den Auftritt-Abgangs-Monolog ist. Zwar finden sich in der Pluto -Bearbeitung erstmals komplexere Monologe, die nicht nur der Überbrückung oder Affektdarstellung dienen, etwa ein beiseite gesprochener Expositionsmonolog, aber erst mit dem Henno nimmt der Monolog jene Form und Strukturierungsfunktion an, die sich ab 1550 auch in den Fastnachtspielen nachweisen lässt. Strukturell-gliedernd verwendet Reuchlin den Monolog weniger zur Überbrückung als vielmehr zur Szenenabgrenzung. Diese Technik übernimmt Sachs und setzt sie bemerkenswerterweise selbstständig in seiner Bearbeitung ein. Dass Sachs den Monolog vorher nicht zur Szenenstrukturierung verwendet, lässt sich damit erklären, dass die Dramen nur in Akte unterteilt und Szenengrenzen, abgesehen vom Pluto und selbst dort nur ein Mal, schwer erkennbar sind. 65 Handlungsbezogen sind es die Selbst- und Fremdcharakterisierung, die Sachs für die Einführung einer neuen Figur in das Handlungsgeschehen funktionalisiert. Sie erscheinen inhaltlich strukturierter und mit komplexerem Aufbau 64 Stuplich 1998, S. 280. 65 Als Sachs nach dem Henno eine biblische Vorlage bearbeitet, benutzt er zwar keine Monologe, bedient sich aber einer Fünfaktstruktur und setzt Szenengrenzen mittels leerer Bühne. <?page no="113"?> 3.5 Zwischenfazit 113 als im Pluto . Das handlungsauslösende Moment präsentiert Sachs erstmalig in der Henno -Bearbeitung in Form einer Enthüllung und bewirkt damit, dass den Rezipienten ein Informationsvorsprung zukommt, der sie die Betrugshandlung verstehen lässt. Zugleich können komische Momente entstehen. Insgesamt zeichnen sich die Dramen bis 1536 durch unterschiedlichste Formen aus. Wie variantenreich Sachs in seinen Bearbeitungen vorging, zeigt beispielsweise die Reihenspielform mit einem antiken und neulateinischen Inhalt ( Caron , Stulticia mit irem hofgesind oder der erste Akt des Judicium Paridis ) im Vergleich zur Nachdichtung von Bibelstoffen in antiker Dramenform ( Tobie ). Abgesehen von Reuchlins Henno änderte Sachs seine Vorlage meistens ab und zeigte einen durchaus eigenständigen Dichtungsansatz. Zwar ist Stuplich zuzustimmen, wenn sie meint, „daß sich Sachs nicht an seine Vorlage bindet, sondern die Handlung nach eigenen Vorstellungen umstrukturiert und mit eigenen technischen Mitteln spielbar zu machen sucht“, 66 aber sie übersieht, dass er sehr wohl aus seinen neulateinischen und antiken Vorlagen ein Formenrepertoire adaptierte, ohne das sich eine Dramentechnik, wie sie ab 1550 gegeben ist, schwer erklären lässt. 66 Stuplich 1998, S. 69. <?page no="115"?> 4.1 Dekameron 115 4 Tragedis und Comedis 1545 - 1549 4.1 Dekameron 4.1.1 Dekameron-Rezeption Nach Beendigung seiner dramatischen Schaffenspause widmete Sachs sich einzelnen Novellen des Dekameron . Diese dramatischen Bearbeitungen spiegeln nur einen kleinen Teil der Beschäftigung mit Boccaccio wider. Vor allem das Dekameron war von Beginn seiner dichterischen Tätigkeit an eine Quelle für Sachs. Schon 1514 griff er es im Spruchgedicht und 1516 im Meisterlied auf. 1 Die von Julius Hartmann erstellte und oft zitierte Auflistung 2 der Dekameron - Bearbeitung hat zuletzt Nikolaus Henkel aktualisiert: 79 Meisterlieder sind es, dazu 31 Verserzählungen (Spruchgedichte), 13 Fastnachtspiele, sechs Comedi und zwei Tragedi. Früh auch, ab etwa 1515, bearbeitet Sachs zahlreiche Kapitel aus De claris mulieribus in der Übersetzung Heinrich Steinhöwels als Meisterlieder, manche sogar mehrfach, insgesamt rund 70 Lieder, dazu kommen etwa 20 Spruchgedichte und 7 Tragedi. 3 Von den 13 auf Dekameron -Novellen beruhenden Fastnachtspielen hat Sachs nur G 16 Der schwanger Pawer vor 1545 verfasst, alle anderen nach 1550. Darin grenzt er erstmals im Fastnachtspiel einen Monolog im Nebentext mit „er red mit jm selb“ gegenüber anderen Formen der Figurenrede ab. Jedoch besteht der Monolog lediglich aus einem Vers (v. 128) und ist simultan präsentiert. 4 Obwohl Sachs wie im Henno einen schwankhaften Stoff verarbeitet, erreicht er weder in 1 Vgl. Knape 1995, S. 56. Isenring 1962, S. 168 f., listet alle Dekameron -Bearbeitungen anhand des Generalregisters in der Reihenfolge der Tageserzählungen auf. Zur Kritik an Isenring vgl. Knape 1995, S. 52 f. 2 Hartmann 1912, S. 22: „Im Ganzen gehen 51 Meistergesänge, 31 Spruchgedichte, 13 Fastnachtspiele, 6 Komödien und 2 Tragödien auf die Übersetzung zurück. Hierbei hat Sachs 62 Novellen des Dec. nebst der Einkleidung der IV. Tagereise (= IV,0) benutzt.“ 3 Henkel 2014, S. 191. Zu den verschiedenen Auswertungen der Zählungen vgl. auch Dallapiazza 2012 S. 91 f. 4 Sehr wahrscheinlich lässt sich der Monolog auf die Vorlage zurückführen, denn dort findet sich die Aussage „Do das Calandrin vernam zů hant an im selbes czweyfeln ward“, Arigo 1860, S. 555, Z. 7 f. <?page no="116"?> 116 4 Tragedis und Comedis 1545 - 1549 Bezug auf den dramatischen Aufbau noch in Bezug auf die Monologe eine Form, wie sie ab ca. 1550 zu finden ist. 5 Er bindet in den Dekameron -Bearbeitungen als Tragedi und Comedi die dramatische Technik in der produktiven Rezeption einer narrativen Vorlage an die Übertragung der Handlungskonstruktion und Erzählerrede in Figurenrede zurück. 6 Die damit einhergehende zunehmende Abstrahierung der poetologischen Kompetenz von den konkreten Vorlagen stellt einen weiteren Schritt in Richtung der Literarisierung des Fastnachtspiels dar. In den Fastnachtspielen ab 1550 löst sich die poetologische Kompetenz von konkreten Textvorlagen. Die Forschung räumt dem Dekameron für die Fastnachtspiele einen größeren Stellenwert ein als für die Tragedis und Comedis. In den Novellen, so Könneker, finde sich „die straffe Handlung, de[r] dramatische Konflikt, die Intrige sowie die vordergründig schwankhafte Szenerie“. 7 Der folgende Abschnitt verdeutlicht, dass der Grundstein dafür indes bereits in den 1540er Jahren gelegt wurde, als Sachs das Dekameron zur Vorlage für seine Tragedis und Comedis nahm. Hier zeigt sich besonders der Einfluss der Rhetorik, die Boccaccios Strategien zur Wissensvermittlung zugrunde liegt. Es sollen an dieser Stelle überblickshaft Boccaccios Erzählverfahren erläutert werden, zu denen er sich auch selbst theoretisch geäußert hat. Sie erklären, mit welchen Herausforderungen Sachs konfrontiert wurde, als er Boccaccios Werke als Quellen heranzog. Unter Rhetorik als Wissenvermittlung ist zu verstehen, dass die Wirkung der Novellen vor allem von der „topische[n] Vorwegnahme der Rezipientensicht (also ihre[r] Wahrscheinlichkeit)“ abhängt, „weil nur solche Erzählungen belehren können.“ 8 Theoretische Ausführungen zum Verhältnis von Dichtung und Wahrscheinlichkeit liefert Boccaccio in seinen Genealogiae . 9 Darin äußert er sich zunächst zur fabula , die für ihn ein Oberbegriff zumeist poetischer Texte in Versen ist. Er unterteilt sie in Anlehnung an Cicero und den Auctor ad Herennium nach dem Grad der Wahrheit bzw. Wahrscheinlichkeit in vier Arten. 5 Der Beginn verdeutlicht, dass Sachs zu diesem Zeitpunkt noch dem Schema des vorreformatorischen Fastnachtspiels treu bleibt. Der Bauer Merten begrüßt das Publikum (v. 1) und verweist auf die Fastnachtszeit (v. 8). Den Zeitsprung (v. 113 f.) und Ortswechsel (v. 158) inszeniert Sachs nicht mit eine leeren Bühne oder einem Monolog. 6 Vgl. Henkel 2014, S. 197, der für die Schauspiele festhält, dass sie „das narrative Konstrukt einer Novelle inhaltlich komplexer in den dramatischen Modus umsetzen können.“ 7 Vgl. Könneker 1971, S. 65. 8 Kocher 2005, S. 78. 9 Kipf 2015, S. 428 weist auf den Zusammenhang zwischen dem Spruchgedicht Die neun Gab Muse oder Kunstgöttin betreffend bzw. dessen möglicher Vorlage Fulgentius’ Fabula de novem Musis und Boccaccios Genealogia deorum gentilium hin. Boccaccio hat den Stoff zu den neun Musen in seine Genealogiae integriert. <?page no="117"?> 4.1 Dekameron 117 Dabei vermeidet er indes, wie Knapp bemerkt, „exakte Termini zu prägen“. 10 Entscheidend ist hier die dritte Art, weil sie erklärt, dass unter der poetischen Hülle eine Lehre zu finden ist und die poetologischen Verfahrensweisen der Vermittlung von Wissen dienen: Aber die dritte Art gleicht mehr einer realen Geschichte als einer Fabel. Berühmte Dichter verwendeten sie, jeder auf seine Weise. Da sind die epischen Dichter, die zwar dem Anschein nach eine geschichtliche Begebenheit behandeln […], die jedoch unter der Verhüllung etwas ganz anderes aussagen wollen, als es an der Oberfläche gezeigt wird. Dazu verwendeten die ehrenhaften Komödiendichter, wie Plautus und Terenz, diese Art des Erzählens an, nur den wörtlichen Sinn beachtend, und doch auch mit dem Ziel, mit ihrer Kunst Sitten und Redeweise unterschiedlicher Menschen zu beschreiben und dabei auch die Leser zu belehren und zu warnen. Und wenn diese Geschichten sich nicht tatsächlich begeben haben, so hätten sie geschehen können oder könnten sie es heute, da es sich um alltägliche Ereignisse handelt. 11 In diesem Sinne kann auch Boccaccios Definition von Dichtung allgemein verstanden werden: Sie ist eine „Erzählung, die unter der Schale der Fiktion ein Beispiel oder eine Lehre enthält. Wenn die Hülle entfernt ist, liegt die Absicht des Erzählers offen.“ 12 Zwar lassen sich die in den Genealogiae getätigten theoretischen Ausführungen nicht direkt auf das Dekameron übertragen; Kocher liefert indes überzeugende Argumente, dass Boccaccio auch andere Arten von Texten nach dem „Grad ihrer ‚Wahrheit‘, ‚Wahrscheinlichkeit‘ […] und ihrer belehrenden Intention erfaßt“ haben könnte. 13 Boccaccio geht von der „modalen Bestimmung oder den Aussagesituationen“ 14 aus, d. h. wie die progymnasmatischen Übungen zeigen auch die verschiedenen Novellen des Dekameron , wie auf unterschiedliche Art und Weise - in verschiedenen Modi - anders und neu erzählt wird. Relevant sind hierfür die Erzählperspektive, der Adressat und der Zweck, den die Dichtung erfüllen soll. „Es geht also um die Beachtung der kommunikativen Situation und topischen Vorgaben.“ 15 10 Knapp 1992, S. 55. Knapp 1992, S. 56, führt weiter aus, dass Boccaccio über den „hochmittelalterlichen Standpunkt in keinem wesentlichen Punkt hinausgelangt ist, […]. Neu ist im Grunde nur der Versuch, durchgehend die ‚echte‘ fabula mit der Bibel zu parallelisieren.“ 11 Boccaccio 1997, S. 73. Vgl. Kocher 2005, S. 72. 12 Kocher 2005, S. 71. 13 Kocher 2005, S. 74. 14 Kocher 2005, S. 74. 15 Kocher 2005, S. 75. Während vom 1. Jahrhundert bis ins Mittelalter die narratio in Form von Vorübungen ( progymnasmata ) für die Abfassung narrativer Texte in der rhetorischen Schulausbildung gelehrt wurde, waren für die Humanisten mittellateinische Poetiken, <?page no="118"?> 118 4 Tragedis und Comedis 1545 - 1549 Die Wissenvermittlung geschieht im Dekameron ohne moralische Kommentierung oder Beurteilungen: Boccaccio ist bemüht, eigene Beurteilungen aus seinem Werk herauszulassen und konstruiert deshalb eine komplexe Rahmenhandlung. Die Diskurstradition, die er mit dem Decameron begründet, zeichnet sich durch Diskurspluralität aus. Folglich kann der Novellensammlung nur schwer eine eindeutige Funktion zugeschrieben werden, weil die Regeln zu allgemein sind, um pragmatische Hilfe in einzelnen Situationen zu bieten […]. 16 Die Konstruktionsregeln für ein literarisches Prosawerk fand er in der ars dictaminis , die ursprünglich das Verfassen von Briefen und Urkunden lehrt. Im Aufbau ist die Anlehnung an Ciceros De inventione und die Rhetorica ad Herennium deutlich zu erkennen, wobei das fünfteilige Briefschema grundlegend ist. 17 Insbesondere der dritte Punkt, die Darlegung der Tatsachen ( narratio ), ist nach Kocher für die Dichter von Interesse. Hier können sie sich an den Regeln des Briefschemas und dem kunstvollen Stil, ornatus difficilis , orientieren. 18 Die daraus entstandene Kunstprosa lässt sich auch in einer der wichtigsten Vorlagen für das Dekameron entdecken, dem Novellino , einem Werk, das „ganz unter dem Moto guten Redens und Verhaltens“ 19 steht und dessen „dialektische Sprachschulung und rhetorisches Geschick […] die Basis für den Witz dieser Erzählung“ 20 sind. Sachs sah sich mit einem Werk konfrontiert, dessen Autor den Rezipienten unter der poetischen ‚Hülle‘ eine Lehre ohne weitere Kommentierung vermitteln möchte. Die Wissensvermittlung basiert hier auf den rhetorischen Regularien, die den Novellen des Dekameron zugrundeliegen. So können und müssen die Modi des Erzählens variieren und sich der gegebenen kommunikativen Situation anpassen. Als Hans Sachs über 150 Jahre später begann, das Dekameron zu rezipieren und die Stoffe in Meistersang, Spruchgedicht und dramatischen Texten zu verarbeiten, konnte er möglicherweise auf sein Wissen aus der Lateinschule zurückgreifen. Hier lernte er rhetorische Textstrukturierung kennen, die es ihm ermöglichte, die Erzählverfahren des Dekameron zu verstehen. Inwieweit er wie bspw. die poetria nova Galfrids von Vinsauf, grundlegend. Sie bezogen sich jedoch weniger auf Priscians progymnasmatische Praeexercitamina als vielmehr auf Schriften von Cicero und Quintilian selbst. Vgl. Cizek 1994, S. 250. 16 Vgl. Kocher 2005, S. 139. 17 Vgl. Camargo 1992, Sp. 1040 f., und Kocher 2005, S. 145. 18 Vgl. Kocher 2005, S. 124, 145. 19 Kocher 2005, S. 124. 20 Kocher 2005, S. 125. <?page no="119"?> 4.1 Dekameron 119 mit Hilfe der narratio -Lehre das Formulieren von Texten übte, die Unterscheidung von ordo naturalis und ordo artificialis lernte und Figurenreden nach ihrer kommunikativen bzw. autokommunikativen Funktion unterscheiden konnte, bleibt offen. Die folgenden Analysen zeigen indes, dass Sachs die Struktur der Novellen erkannte und für seine dramatischen Texte zu adaptieren verstand. Weil Sachs die Funktionen der Erzählerrede eines narrativen Textes durch dramatische Figurenreden ersetzen musste, benötigte er Verfahrensweisen, um etwa Affekte oder Anachronien darstellen zu können. Die Analyse von Ein klegliche tragedi deß fürsten Concreti geht dem hierfür zur Verfügung stehendem Repertoire nach. Bevor es zur vollständigen Übersetzung des Dekameron aus dem Italienischen ins Deutsche 1476 / 77 durch ‚Arigo‘ 21 kam, wurde es in Deutschland so gut wie nicht rezipiert. 22 Es dominierten hier nur Übersetzungen bzw. Bearbeitungen einzelner Novellen. Diese erhielten dabei nicht nur eine exemplarische Ausrichtung, auch wurden sie in neue Textsammlungen eingebunden. Einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die deutschsprachigen Bearbeiter hatten die lateinischen Einzelüberlieferungen Francesco Petrarcas und Leonardo Brunis. Petrarca widmete sich 1373 mit der Griseldis (X, 10) der letzten der 100 Novellen und Bruni 1438 Guiscardo und Ghismonda ( IV , 1). 23 Nach dem Vorbild Petrarcas übersetzte 1461 Heinrich Steinhöwel die Griseldis , um sie 1474 in die deutsche Fassung von Boccaccios De claribus mulieribus von den erlauchten Frauen einzufügen. Hier bildet sie die letzte von 100 Biographien, anstatt die Schlussnovelle des Dekameron zu sein. 24 Insgesamt gesehen kann man zumindest für die Griseldis , die weitaus bekannteste Novelle 21 Die bisherige Antwort auf die Frage, wer sich hinter dem Pseudonym ‚Arigo‘ verbirgt, konnte lediglich dahingehend beantwortet werden, dass die von Hartmann 1912, aufgestellte These, es handele sich um Heinrich Steinhöwel, widerlegt wurde; genauso wie die spätere Vermutung, es handle sich um Heinrich Schlüsselfelder. Vgl. Bertelsmeier- Kierst 1998, S. 422, und mit weiterführender Literatur zur Verfasserfrage dies. S. 122, Fn. 47, sowie dies. 2014, S. 147. In ihrer Untersuchung zur Dekameron -Rezeption in der deutschen Literatur des 15.-17. Jahrhunderts geht Luisa Rubini Messerli (2012) der These von Lorenz Böninger (2006) nach, wonach es sich um Arrigho di Federigho della Magna, einen in Florenz lebenden deutschen Einwanderer handle, der im Auftrag von Nicolaus Germanus das Dekameron übersetzte. In ihrer umfangreichen Auseinandersetzung (S. 162-357), die in Ausführungen zur Dekameron -Übersetzung eingebettet ist, bestätigt sie in großen Teilen Böningers These. 22 Vgl. Kocher 2005, S. 472. 23 Vgl. Kocher 2005, S. 192-200, zu den Änderungen von Petrarca, und S. 216, zu Brunis Übersetzungsverständnis, das nahe am Original bleibt. Weiterführend zu Petrarcas Griseldis-Bearbeitung Knape 1978, Worstbrock 1984, und Zanucchi 2010. 24 Vgl. Bertelsmeier-Kierst 1998, S. 419. <?page no="120"?> 120 4 Tragedis und Comedis 1545 - 1549 des Dekameron , sagen, dass alle ihre Bearbeitungen aus dem 15. Jahrhundert, von der Gesamtübersetzung durch ‚Arigo‘ abgesehen, nicht auf dem Original Boccaccios, sondern auf der von Petrarca bearbeiteten Fassung oder mündlichen Überlieferungen beruhen. 25 Das rechtfertigt die Bermerkung von Bertelsmeier- Kierst, wonach Boccaccio „in jenen Kreisen offenbar noch ganz durch den Filter des petrarkischen Frühhumanismus gesehen wurde.“ 26 Sachs traf auf die unterschiedlichsten Formen der Dekameron -Rezeption. Ihm lagen die Gesamtübersetzung von ‚Arigo‘ und deutsche und lateinische Einzelübersetzungen vor, denn er bearbeitete in den 1540er Jahren u. a. genau jene zwei Novellen, die Bruni und Petrarca ins Lateinische übertragen haben. Abänderungen der Gesamtübersetzungen zeigen die Grüninger-Drucke von 1509 und 1519. Sie haben einen gereimten moralisierenden Vierzeiler am Ende jeder Novelle, sodass die Interpretationsleistung in diesen Ausgaben nicht mehr wie im italienischen Original vollständig dem Rezipienten obliegt. 27 Die Forschung schreibt der schon 1514 beginnenden Rezeption der Werke von Boccaccio 28 eine entscheidende Rolle für die literarische Entwicklung von Sachs zu. Nicht nur die Zeit bis 1516, sondern die gesamten 1540er Jahre waren von einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Dekameron geprägt, dichtete Sachs doch von 1540-1550 neben den dramatischen Texten insgesamt 55 Meisterlieder und 33 Spruchgedichte, die auf das Dekameron zurückgehen. 29 In Bezug auf die dramatischen Bearbeitungen ist sich die frühe wie auch spätere Sachs-Forschung in zwei Punkten einig: 25 Vgl. Knape 1978, S. 67, und Kocher 2005, S. 475. 26 Bertelsmeier-Kierst 1998, S. 413. 27 Vgl. Kocher 2005, S. 474 f. 28 Neben dem Dekameron bearbeitete Sachs De casibus virorum illustrium und De claris mulieribus . Vgl. Knape 1994, S. 77 f., und Dallapiazza 2012, S. 111-116. 29 Vgl. Isenring 1962, S. 53. Abgesehen von der Griselda geht allen dramatischen Dekameron -Bearbeitungen der 1540er Jahre entweder ein Meisterlied oder ein Spruchgedicht voraus. Die Novelle IV, 5 dichtete er 1514 als Spruchgedicht und anschließend in zwei weiteren Gattungen: 1519 im Meisterlied, 1545 in einer Tragedi und 1548 erneut im Meisterlied. (Isenring 1962, S. 38, bemerkt zum Entstehungsdatum der Tragedi, dass Sachs zwar das Jahr 1546 am Ende der Tragedi angibt, im Generalregister jedoch 1545 steht.) Und auch jene Novelle von Guiscardo und Ghismonda , die schon Leonardo Bruni übersetzte, nutzt Sachs 1516 für ein Meisterlied und 1545 für die Tragedi vom Fürsten Concreti . Die Novelle V, 7 bearbeitete er 1545 als Comedi und schon 1540 als Spruchgedicht sowie 1549 ein weiteres Mal als Comedi; die Novelle IX, 2 fand 1544 als Fastnachtspiel und eine Woche zuvor als Spruchgedicht ihre Umsetzung; die Novelle X, 8 bearbeitete er 1546 als Comedi und 1531 als Spruchgedicht sowie 1553 ein weiteres Mal als Comedi; vgl. Isenring 1962, S. 29-43 und S. 168 f. <?page no="121"?> 4.1 Dekameron 121 1. Die von Boccaccio vorgegebene Plot-Struktur bleibt in den Dramen stets im Wesentlichen erhalten. 2. Dramentechnische und inhaltliche Änderungen ergeben sich aus den Bedingungen der Dramenform und aus Anpassungen an die Verstehensmöglichkeiten und Erwartungen des deutschen Publikums der Hans Sachs-Zeit. 30 Die folgende Analyse der Tragedi Concreti ( IV , 1) und der Comedi Thitus und Gisippus (X, 8) richtet sich insbesondere auf das Verhältnis von Monolog und Handlungsaufbau und die Übertragung der Erzählerrede in Figurenrede. Die weiteren drei Bearbeitungen - Violanta , Lisabetha und Griselda - werden hinzugezogen, um die Argumentation jeweils zu stützen. 4.1.2 Reflexion, Affektdarstellung und Intrigenhandlung 4.1.2.1 Concreti Der Bearbeitung der Novelle IV , 1 als Ein klegliche tragedi deß fürsten Concreti von 1545 liegen neben der Gesamtübersetzung von ‚Arigo‘ möglicherweise auch Einzelübersetzungen zugrunde. Bruni legte 1438 eine lateinische Übersetzung der Novelle vor, Albrecht von Eyb 1472 im Ehebüchlein und Niklas von Wyle ca. 1464 in den Translatzen jeweils eine deutsche. 31 Ihrem Inhalt nach handelt die Tragedi von den Standesgrenzen als objektiver, nicht zu überwindender Werteordnung: 1. Akt: Die Liebe des Fürsten Concretus zu seiner Tochter Gismunda ist so groß, dass er ihr gegen den Rat seiner Berater nach dem Tod ihres Mannes eine erneute Heirat verbieten will. 2. Akt: Gismunda verliebt sich in den Hofdiener Guiscardus. 30 Knape 1995, S. 50. Beispielhaft äußert sich Wohlrab 1924, S. 2 f. Vgl. dazu sowie zum Einfluss von Boccaccio auf Sachs Knape 1995, S. 49, der meint, „dass eine Reihe seiner besten Dichtungen aus den verschiedensten Gattungen im Dekameron ihre Quelle haben, dass ferner die künstlerischen Fortschritte, soweit man bei Hans Sachs von Fortschritt oder gar Entwicklung sprechen darf, fast ausnahmslos in Dekameronbearbeitungen zuerst fassbar werden“. In Bezug auf das Fastnachtspiel äußern sich vor allem Drescher und MacMechan Ende des 19. Jahrhunderts: Drescher 1894, S. 402, konstatiert, dass sich bei dem frühesten der 13 Fastnachtspiele „der erste bedeutende Fortschritt, die Benutzung des Ortswechsels“, finden lasse, wohingegen für MacMechan 1889, S. 80, zum ersten Mal eine Handlungsverwicklung erkennbar sei. Er sieht insgesamt im Verlauf der 13 Fastnachtspiele die verschiedenen Phasen der literarischen Entwicklung eingeschrieben. 31 Vgl. Kocher 2005, S. 203 und 269 f. Mit Bruni und Niklas von Wyle liegen Übersetzungen mit großer Nähe zum Original vor, da sie eine Wort für Wort Übersetzung vornehmen. Albrecht von Eyb hingegen übersetzt dem Sinn nach. <?page no="122"?> 122 4 Tragedis und Comedis 1545 - 1549 3. Akt: Concretus hat das Liebespaar beim Beischlaf beobachtet und beschließt, Guiscardus töten zu lassen. Seine Tochter droht deshalb mit Selbstmord. 4. Akt: Concretus lässt Guiscardus töten. 5. Akt: Concretus schickt seiner Tocher das Herz von Guiscardus. Sie bringt sich durch einen Gifttrank um. Der Vater bereut seine Tat. Im Gegensatz zu ‚Arigo‘ und Albrecht von Eyb, deren Übersetzungen nahezu identisch sind, 32 untergliedert Sachs sein Drama in fünf Akte und 11 Szenen. In den Übersetzungen sind es dagegen sieben Abschnitte, die zudem nicht deckungsgleich mit der Akteinteilung von Sachs sind. Ein Grund hierfür könnte in den beträchtlichen Kürzungen liegen, die Sachs am Mittelteil der Novelle vornimmt. Der erste, mit 114 Versen äußerst kurz gehaltene Akt dient der Exposition und kann im Sinne eines dramatischen Auftakts, der die Voraussetzungen für den Handlungskonflikt schafft, gesehen werden. 33 Da die Vorlage keine dialogischen Reden beinhaltet, fügt Sachs dem Fürsten Concretus Berater hinzu, die ihn vor dem Vorhaben warnen. Dadurch ist es Sachs möglich, die Erzählerrede in Figurenrede umzusetzen und zur eigenen moralischen Deutung hinzuführen. Concretus muss sich aktiv über die Mahnungen und Argumente derer hinwegsetzen, die ihm vom Verbot der Wiederheirat abraten. Kommt Sachs im ersten Akt ohne Monologe aus, finden sich im zweiten gleich drei. Zu Beginn des zweiten Aktes betritt Gismunda mit ihren Hofdamen die Bühne. Da diese nur den Stand Gismundas deutlich machen sollen, 34 kann sie die Hofdamen sogleich in den Garten und damit von der Bühne schicken. Sodann folgt ein Monolog ( KG II , S. 25 vv. 23-30), der ebenso am Aktbeginn hätte stehen können: Ach wie ist mein vatter so hert, Das er mir also jung verspert 25 Den holdselich ehlichen stand! Wie thut mir das so weh und andt, Wenn ich gedenck voriger tag! Kein kurtzweil mich mehr frewen mag; Weyl ich entberen muß der eh, 30 Ist mir gleich weder wol noch weh. 32 Deshalb ist es auch möglich, Kochers Analyse Albrecht von Eybs Bearbeitung hinzuzuziehen. Vgl. Kocher 2005, S. 219 ff. 33 Vgl. Stuplich 1998, S. 311. 34 Vgl. Stuplich 1998, S. 311. <?page no="123"?> 4.1 Dekameron 123 In affektiver Darstellung klagt Gismunda über das harte Urteil ihres Vaters und reflektiert auf die im ersten Akt von ihrem Vater verkündete und von ihr ohne Widerspruch angenommene Tatsache, dass sie für immer unverheiratet bleiben und bei ihrem Vater wohnen soll. Das Verhalten ihres Vaters macht ihr die gewünschte Ehe unmöglich und bringt ihr fortan keine Freude mehr im Leben. Anders als die folgenden Monologe orientiert sich dieser im Aufbau ausdrücklich nicht an der Vorlage, auch wenn Gismunda an gleicher Stelle über die Verkündung des Vaters reflektiert. In der Vorlage fasst sie den Entschluss, sich einen Liebhaber zu suchen (Arigo 1860, S. 247): „vmb des willen ir gedacht vnd fürnam wie sy in stille geheym möchte einen bůlen vnd liebhaber gehaben“. Im Gegensatz dazu beklagt Gismunda in der Bearbeitung, dass sie sich nicht in den Stand der Ehe begeben darf. 35 Durch die Umänderung verliert Gismunda jede Zweideutigkeit, die ihr im Dekameron noch anhaftet. Stattdessen lenken ihre reflexiven Äußerungen den Blick auf den Vater und verstärken sein Negativbild; gleichzeitig bestätigen sie die Hofberater, die im ersten Akt dem Fürst zur Ehe der Tochter geraten hatten. Um die im zweiten Akt ausbrechende Liebe darstellen zu können, lässt Sachs wie in der Vorlage die Liebenden Gismunda und Guiscardus monologisieren. Gismundas Monolog ( KG II , S. 26 v. 21 - S. 27 v. 14) folgt nach dem Zusammentreffen mit Guiscardus. Dieser hatte sie gebeten, mit ihm auszureiten, was sie jedoch ablehnte. Der erste Teil (S. 26 v. 21 - S. 27 v. 5) ist eine Reflexion über das Verbot, Guiscardus zu lieben, weil ihr Stand und ihre persönliche Situation eine solche Liebe nicht zulassen. Sie erkennt jedoch Guiscardus’ Tugendadel und schwankt zwischen der starken Liebe und dem fürstlich-väterlichen Verbot: Ach wie adelich, schöner jugent, Wie vernünfftig, höflicher tugend Ist Guisgardus, der kemerling! Ach wie elend verschloßner ding 25 Muß ich versitzen in den thaten, Aller ehlichen freud gerathen! O das wer dieser jüngling mein! O das mag aber ye nit sein. O ich elende aller frawen! 30 O wie ist mir mein hertz verhawen In lieb! ach wie wil mir geschehen! 35 Im Dekameron finden sich mehr narrativierte Reden, die Gedanken von Figuren wiedergeben, als direkte Reden. <?page no="124"?> 124 4 Tragedis und Comedis 1545 - 1549 Ich will im gleich mein lieb verjehen. Er wirt in gnaden mich auffnemen. So er mich aber wirt beschemen, S. 27 Wer es mir ein ewige schand. Nun hin! ich will im mit der hand Schreyben gar ein kleglichen brieff, Anzeygen mein lieb hoch und tieff, 5 Dardurch er werd zu lieb geneygt, Weil Sachs zwei Abschnitte aus der Vorlage zu einem Selbstgespräch zusammenfügt, ist hier die Rede Gismundas deutlich länger als in der Vorlage. Im Dekameron folgt auf den Entschluss, einen Liebhaber zu suchen, eine kurze Reflexion über mögliche Liebhaber am Hofe des Vaters. Sachs lässt diese Passage weg und beschränkt sich auf die Liebe zu Guiscardus. Dafür setzt er das „enczünden“ der Liebe und „loben vnd breisen“ (Arigo 1860, S. 248) der Vorlage als Affektdarstellung und Reflexion im ersten Teil des Monologes um. Mehr noch als im ersten Monolog von Gismunda ist dieser Teil stark expressiv, indem er „kaum mehr auf Sachverhalte, die dem Bewußtsein des Sprechers extern sind“, 36 verweist. Es handelt sich um einen aktionalen Monolog, in dem sich Gismunda im Sprechen ihrer Liebe immer mehr bewusst wird und die Entscheidung trifft, einen Brief zu schreiben, um Guiscardus ihre Liebe zu gestehen. Der zweite Teil (S. 27 vv. 6-14) ist zusammen mit zwei weiteren Dramenabschnitten zu sehen, denn alle drei vermitteln ein Geschehen dramatisch, ohne es darzustellen. Es handelt sich um das heimliche Treffen der Liebenden aus dem Mittelteil der Novelle, das, von Concretus beobachtet, in einer Höhle stattfindet: 37 Darinnen im auch werd anzeygt Der heymlich eingang in mein kemnat, Der undter der erdt sein eingang hat, Da unser lieb an alle sorgen 10 Wol ewigklichen bleibt verborgen. Nun auff gelück, ich wil es wagen. Mein pein kan ich nit lenger tragen. Den brieff ich in das rohr wil than, Ihm das zu-stossen, wo ich kan. 36 Pfister 2001, S. 157. 37 Arigo 1860, S. 248-250. <?page no="125"?> 4.1 Dekameron 125 Wenn Sachs im zweiten Teil die Informationen über die Höhle als geheimen Treffpunkt vorausgreifend vermittelt, kürzt er zwar die Vorlage, die wesentlichen Informationen bleiben indes erhalten. Zusammen mit dem anschließenden Monolog von Guiscardus und dem analeptischen Bericht von Concretus über den beobachteten Beischlaf ( KG II, S. 29 v. 22 - S. 30 v. 1) setzt er die Erzählerrede über mehrere Etappen der Handlung in Figurenrede um. Stuplich ist der Meinung, dass die heimlichen Treffen ausgespart bleiben könnten, weil das Wichtigste in anderer Form vermittelt werde. 38 In der Tat besteht ein inszenatorisches Problem, das Sachs zur Auslassung dieser Passage veranlasst haben dürfte, weil er nicht nur die Höhle, in die sich der Liebende hinabseilt, hätte darstellen müssen, sondern auch den von Concretus beobachteten Beischlaf. Seine Lösung: Vorausschau im Monolog und analeptischer Bericht von Concretus. Wie in den letzten beiden Monologversen angekündigt und damit getreu der Vorlage, übergibt Gismunda Guiscardus das Schilfrohr und verlässt mit ihrer Begleiterin die Bühne. Guiscardus kann monologisierend ( KG II , S. 27 v. 34 - S. 28 v. 28) den Akt beschließen. Damit bereitet er ausführlich den Besuch bei Gismunda vor. Erst der Bericht des Fürsten im dritten Akt vervollständigt das Wissen der Rezipienten über die Zusammenkunft. Der dreiteilige Aufbau in Reflexion über das Schilfrohr, Affektdarstellung und Entschluss, sich der Liebe zu Gismunda hinzugeben, findet sich in gleicher Anordnung, aber weniger ausführlich, als narrativierte Rede in der Vorlage. 39 Das rohr hats mir umb sunst nit geben. 35 Es bedeut etwas groß darneben. S. 28 Schaw, schaw! hierinnen steckt ein brieff; Deß innhalt wirt sein hoch und tieff. Er list den brieff, spricht darnach: Ach du wunderbarliches glück, 5 Wie scheinst du mir in diesem stück, Das meiner gneding frawen hertz Zu mir tregt sollich lieb und schertz, Deß ich nit het dürffen begeren! 38 Vgl. Stuplich 1998, S. 313. 39 Arigo 1860, S. 248: „Gwischarde das ror zů im nam wol gedacht sy im das on vrsache nit geben het von ir schied zů haus gieng das rore öffnet das er czerkloben sahe darinn er den brief fand den las vnnd bald vernam was er thůn solt frölicher ward dann man ye ward sich zůricht vnnd bereyt zů ir zekomen nach dem sy in durch ir schreiben vnderricht hette.“ <?page no="126"?> 126 4 Tragedis und Comedis 1545 - 1549 Ach solt ich sie dann nicht geweren? 10 Ach wol mir, sol ich die umbfangen, Nach der mein hertz ye thet verlangen, Ir lang trug heymlich lieb und gunst! Wiewol doch allmal dacht: umb sunst, Weyl sie was also hochgeborn. 15 Nun so sie mich hat ausserkorn, Will ich in lieb mich ir ergeben, Ob es mir kosten solt mein leben. Es folgt eine detaillierte Beschreibung, wie Guiscardus in Leder gekleidet durch den Dornbusch in die Höhle klettern will (vv. 18-20). Sie ist wiederum der Aussparung der eigentlichen Höhlenszene aus der Vorlage geschuldet. In leder will ich mich kleyden auch, Das ich mich durch den doren-strauch 20 Laß heint zu nacht in den eingang, Da ich ein kuß und umbefang Entpfach von der schönen und zarten. O der nacht kan ich kaum erwarten. O Venus, ein göttin der lieb, 25 Deinen gnedigen schutz uns gib, Weyl du mich thetst so hoch begnaden, Das ich kumb zu ir lieb geladen! Bhüt mich und mein hertz-lieb vor schaden! Das Hauptaugenmerk legt Sachs auf die Darstellung der Affekte und die dazugehörige Reflexion über das Liebesverhältnis sowie den Entschluss, auch auf Kosten des Lebens zum vereinbarten Treffpunkt zu gehen. Guiscardus thematisiert neben der Freude die Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Liebe. Dabei demonstriert er das von Gismunda angesprochene tugendhafte Verhalten und lässt sie positiv erscheinen, weil sich ihre nichtstandesgemäße Wahl als richtig erwiesen hat. Der dritte Akt kommt ohne Monologe aus und ist im Vergleich zur Vorlage stark auf den Haupterzählstrang fokussiert. Das Drama erreicht seinen Höhepunkt, als der Fürst Concretus Guiscardus töten lassen will, woraufhin Gismunda mit Selbstmord droht. <?page no="127"?> 4.1 Dekameron 127 Die beträchtlichen Kürzungen im Mittelteil blenden die rhetorische Versiertheit Gismundas, die in der Vorlage „klar wie eine italienische Humanistin“ 40 spricht, beinahe aus. Wenn Gismunda im dritten Akt die Anschuldigungen des Vaters zurückweist, sind zwar auch hier alle wichtigen Punkte der Vorlage vorhanden, es ist indes nicht ihre rhetorisch geschulte Rede, 41 sondern es sind die von Sachs hinzugefügten Beraterszenen, die den Vater als Schuldigen erscheinen lassen. In gleicher Weise verhält es sich im vierten Akt, der eine 10-zeilige Passage der Vorlage deutlich erweitert. Sachs fügt dem Akt eine Beraterszene hinzu, in der die Berater Concretus von der Entscheidung, Guiscardus töten zu lassen, abbringen wollen. „Ohne selbst direkt in die Handlung einzugreifen“, so Stuplich, „benutzt der Autor die Räte, um das Verhalten des Concretus zu kommentieren und ihn damit zugleich zu charakterisieren.“ 42 Auch die zweite Szene des vierten Aktes zeichnet Concretus negativer als die Vorlage, wenn ein Trabant die letzten Worte des Toten wiedergibt und Concretus das Herz des Toten an seine Tochter sendet. 43 Der vierte Akt ist demnach die Hinführung zur dritten 40 Kocher 2005, S. 235. 41 Vgl. Kocher 2005, S. 232 ff., die nachweist, wie die Rede Ghismondas dem rhetorischen Aufbauprinzip in ‚salutatio‘, ‚exordium‘, ‚narratio‘, ‚argumentatio‘ und ‚peroratio‘ folgt. 42 Stuplich 1998, S. 316. 43 Ähnlich verfährt Sachs in der Lisabetha , dort allerdings in Form von selbstständig zu Beginn und Ende eines Aktes und zur Überbrückung eingefügten Monologen. Der zweite Akt beginnt und endet jeweils mit einem Monolog Lorentzos (KG VIII, S. 370 v. 32 - S. 371 v. 6; S. 373 vv. 20-26). Damit gelingt es Sachs einerseits die Echtheit der Liebe Lorentzos mittels der aktionalen Monologe zu bestätigen, andererseits die hereinbrechende Liebe dramatisch zu vermitteln, was zu einer Verschiebung des Handlungsschwerpunktes führt. Denn Sachs fand für den zweiten Akt nahezu keine stoffliche Basis in der Vorlage. In diesem Akt entwickelt er die Ohnmacht der Figuren gegenüber der Liebe, die über sie hereinbricht. Beide Monologe vermitteln die Botschaft, dass Lorentzo ein ehrlicher Mensch und sein zukünftiger Tod nicht gerechtfertigt ist. Sie helfen, Einsicht in die Motive Lorentzos zu bekommen und legen nahe, das Verhalten der Brüder zu verurteilen. Der erste Überbrückungsmonolog (KG VIII, S. 369 vv. 4-11) zielt auf die Lehre im Epilog. Zwar verbindet er die erste mit der zweiten Szene des ersten Aktes, für die Handlung und die daraus folgende Lehre des Schauspiels bekommt er indes die Funktion, die Rezipienten auf den Kern des Stückes aufmerksam zu machen, weil die Gedanken Lisabethas den Umschwung in einen tragischen Verlauf andeuten. Obwohl ihre Gedanken dem Epilog nach zu urteilen richtig sind, kommen sie zu spät. Der Monolog dient damit der Aufwertung der Figur Lisabetha und lenkt die Schuldfrage auf ihre Brüder. Lisabetha wird, so Stuplich 1998, S. 209, „von Sachs keinesfalls als Typ der leichtsinnigen jungen Frau geschildert. Der Epilog […] klärt darüber auf, warum die Geschehnisse im Stück einen so traurigen Verlauf nehmen mußten. Das unkluge Verhalten ihrer Brüder hat Lisabetha in diese unrehte Liebesbeziehung getrieben.“ Durch den starken reflexiven Gehalt entspricht der Monolog stärker den auf dem Dekameron beruhenden Monologen als es in den bisherigen Überbrückungsmonologen und dem zweiten in der Lisabetha (KG VIII, S. 382 vv. 3-6), die Sachs weitestgehend selbstständig einfügte, der Fall war. <?page no="128"?> 128 4 Tragedis und Comedis 1545 - 1549 Lehre des Epilogs, die besagt, dass die Eltern im Falle einer Liebe der Kinder nicht zu streng sein sollen und keinen Racheakt vollführen sollen, für den die Reue zu spät kommt. Der Vater sollte stattdessen alles zum Guten wenden ( KG II, S. 38 v. 31 - S. 39 v. 7). In der Vorlage findet sich mit dem Beschluss des Concretus, seine Tochter nicht körperlich zu bestrafen und stattdessen Guiscardus töten zu lassen (Arigo 1860, S. 254), anstelle der Beraterszene eine narritivierte Rede: in dem von ir schied sich mit im selbs beriet der tochter an dem leibe nicht zestraffen vnnd sein hertikeyt vnd czorn gen ir fallen lassen, vnnd mit eynes anderen schaden der tochter grosse liebe zäumen vnd brechen meynet, vnd den die Gwischardo in hůte heten gepot das sy in mit still on alles romor würgten vnd töten das hercze im auß dem leibe nämen vnd im brächten. Dass Sachs diese, wie auch zwei weitere Redeformen dieser Art, nicht mit monologischer Figurenrede ersetzt hat, bestätigt, wie er die Handlung für seine eigene exemplarische 44 Deutung der Novelle auf die Lehre im Epilog veränderte. Seine Änderungen betreffen vor allem den Fürsten Concretus, der durch Hinzufügungen von Sachs nicht nur im vierten, sondern auch im ersten ( KG II , S. 22 v. 23 - S. 24 v. 14) und dritten Akt ( KG II , S. 30 vv. 23-34) gegen die Berater agiert. Im fünften Akt verfährt Sachs weiterhin selbstständig, wenn er Gismunda über ihr Unglück klagen lässt ( KG II, S. 35 vv. 4-11): O weh, du falsch untrewes glück! 5 Wie hast du mir erzeygt dein dück Inn meiner lieb so schnell und gech! O das meim hertz-lieb nur nichts gschech! O ich fürcht laider, er sey tod. O weh der grossen angst und not! 10 Nun ich will auch meinem elend Mit diesem drunck machen ein end. Die Affektdarstellung bestätigt nochmals die Liebe Gismundas und bekräftigt erneut ihre Entscheidung, sich im Falle des Todes von Guiscardus das Leben zu nehmen. Die Wiederholung der Selbstmordabsicht ist eine Vorbereitung auf die Ansprache von Gismunda an das Herz ihres Geliebten ( KG II, S. 35 v. 26 - S. 36 v. 5 und S. 36 vv. 15-26): 44 Zur Umarbeitung der kasuistischen Novelle in einen exemplarischen dramatischen Text vgl. Teil C, Kap. 1. <?page no="129"?> 4.1 Dekameron 129 O du freundlich und lieblichs hertz, Ein herberg freuden, wunn und schertz, Hast du geendet nun dein leben, Wie dir vom unglück ist gegeben 30 Ein solch ellendes trawrigs end Von deins tödlichen feindes hend, Der dich doch durch Gottes eingab Gelegt hat in ein guldins grab, Deß du wol wirdig bist und werd, S. 36 Nun hast vollend dein lauff auff erd Und mangelt zur begrebtnuß dein Nichts weytter, dann die zeher mein, Die wil ich auch mit-teylen dir 5 Auß hertz-mitleydender begir. Dieser an das Herz gerichtete Monolog findet sich noch ausführlicher in der Vorlage. 45 Gismunda enthüllt umfassend ihre Liebe zu Guiscardo und begründet, warum sie ihr Leben beenden will. Der Monolog ist simultan, da sie in Begleitung ihrer Hofdamen auf der Bühne ist. Sie kommentieren die Worte Gismundas und erleichtern so das Verständnis. Der Struktur nach ist der Monolog den an Gott bzw. Götter gerichteten Apostrophen ähnlich. Dass jedoch die Gefühle Gismundas derart ausgiebig als Affektdarstellung vermittelt werden, ist nur auf die Vorlage zurückzuführen. Die Affektdarstellung hat deshalb, anders als 45 Arigo 1860, S. 254 f.: „in dem sich gen dem gulden kopf keret das hercz lieplichen ansahe vnnd sprach. O du aller liebste vndd süssiste herberg aller meiner begir vnd freude verflücht sey die hertikeyt des der do vrsache ist mich diche mit den augen meiner stirn also iämerlichen zesehen Du hast verbracht den laufe deines lebens als dir von dem vnglück ist beschert gewesen. du bist czů dem ende komen dar zů eyn yegklich hercze komen můß. Du hast gelassen alle trübsale diser welt, doch von deinem todfeind eyn guldene begrebnusse enpfangen hast als du wol wirdig bist. Nit anders dir mangelt vnd gebricht domit alle dinge verbracht werden dann alleyne die zäher der augen die du bei leben am liebsten hettest, vnd domit dir die zäher solcher augen zů teyl wurden gab gott meinem vnbarmherczigen vatter in sein gemüt dich mir (S. 255) zeschicken, darumbe ich dir sy freuntlich geben vnd mitteylen will, wie wol mein synn was mit trucken augen mein leben zeenden vnd mit vnerschrockem anplicke mein sele vnnd geyst zů deinem fügen die du auf erden ob allen dingen liebe hettest, in welicher geselschaft mocht ich sicher in vnerkant gegent faren. Als mit dir vnd deiner sele die on zweifel noch hier in disem gulden kopf ist vnnd mich noch von herczen lieb hat, vnd der meinen wartendt ist von der sy auch lieb gehabt ist. […] O du mein aller liebstes hercz nun ist verbracht das ampt meiner zäher, vnnd ist nit anders vorhanden zethůn dann mit meiner sele zekomen der deinen geselschaft zethůn.“ <?page no="130"?> 130 4 Tragedis und Comedis 1545 - 1549 in den zuvor dargestellten Monologen, tatsächlich die Gefühlswelt der Figur zum Gegenstand. 15 O du mein aller-liebstes hertz, Ich weyß: dein seel die wart mit schmertz Auff mich, biß das in hertzen-leyd Mein seel mit ir von hinnen scheyd Auß dieser welt in jenes leben, 20 der ich gentzlichen was ergeben In hoher lieb und sie auch mir. Nun harr! ich wil geleich mit dir. Dieweil und du sturbest durch mich, Wie möcht ich denn leben an dich! 25 Sunder in lieb bleib ich vereint Dort ewig, weil ein tag erscheint. Stuplich weist nach, dass die Aufteilung der Akte dem Handlungsverlauf der Quelle folgt und dieser eine dramatische Struktur mit Handlungsumschwung vorgibt. Der erste Akt „enthält die Exposition und mit dem Verbot der Wiederverheiratung der jungen Frau den dramatischen Auftakt“,der zweite steht „ganz im Zeichen der aufkeimenden Gefühle zwischen Guiscardus und Gismunda“, der dritte enthält den „Umschlag der Handlung“ mit Höhe- und Wendepunkt, der vierte beschleunigt das Handlungstempo durch zwei Fehlentscheidungen Concretus’ hin zur Katastrophe, die dann im fünften erfolgt. 46 Die Eigenständigkeit in der Dramaturgie, trotz beibehaltener Handlungsstruktur der Vorlage, 47 trifft auch für die Funktionalisierung der Monologe zu. 48 Sachs übernimmt die für ihn wesentlichen Monologe bzw. narrativierten Gedankenreden aus der Vorlage, baut sie zur Vermittlung dort nicht dargestell- 46 Vgl. Stuplich 1998, S. 316 ff. 47 Vgl. Stuplich 1998, S. 319. In der Violanta verfährt Sachs ähnlich. Inhaltliche Aussparungen finden sich dort in Berichten zusammengefasst oder in einer Szene, in der sich Knechte über das Liebesverhältnis unterhalten. Sachs umgeht mit den zusammenfassenden Kürzungen das Problem, den Beischlaf der Liebenden und die Geburt des Kindes darstellen zu müssen, womit gleichfalls ein die szenische Darstellung überfordernder häufiger Ortswechsel einhergegangen wäre. Augenscheinlich tritt dieses Strukturierungsprinzip mit dem Auftreten des Richters hervor, der im gesamten dritten und vierten Akt, die Höhepunkt und Wendung zum Guten hin beinhalten, nicht die Bühne verlässt, was bei einer gleichzeitigen Vermeidung des Ortswechsels zur Raffung der Handlung und Verständniserleichterung beiträgt. 48 Der funktionale Einsatz des Monologes zur Szenenstrukturierung ist in diesem Stück nicht zu finden. <?page no="131"?> 4.1 Dekameron 131 ter Passagen aus oder lässt sie weg, um die didaktische Auslegung des Epilogs durch eingeschobene dialogische Szenen stärker hervorheben zu können. Selbstständig fügt er einen Monolog ein, um wiederholend die emotionale Situation Gismundas darzulegen und ihren Selbstmord für die Rezipienten kausal zu begründen. Für die Umsetzung der Erzählerrede in dramatische Figurenrede findet der Monolog Verwendung, um erzählte Handlungen zu vermitteln, aber nicht darstellen zu müssen. Wenn der Erzähler in narrativierter Rede Gedanken wiedergibt, setzt Sachs diese Form in einem Monolog um, in dem er die wesentlichen figurenbezogenen Funktionen aufgreift und für die monologische Rede erweitert, allerdings nur, wenn sie für die exemplarische Deutung im Epilog geeignet sind. 49 Affektdarstellung und Reflexion finden sich erstmals in dieser komplexen und durchstrukturierten Form. Die Innensichten der Figuren sind auf die Vorlage zurückzuführen, auch wenn Sachs ihnen jede Zwiespältigkeit nimmt. In Bezug auf den gesamten Dramenaufbau lässt sich festhalten, dass Sachs, obwohl er Änderungen in Form von Aussparungen und Zusätzen vorgenommen hat, durch die vorgegebene Handlung der Novelle eine Dramenstrukturierung erreicht, die stark an den antiken Dramenaufbau angelehnt ist. 50 49 In der Violanta setzt Sachs am Ende des dritten Aktes den Erzählerkommentar der Vorlage Arigo 1860, S. 354: „O was strengen herten vrteyls das was das der vater in sein eygen plůte tochter vnd tiechter thet“, in einem Monolog des Richters um (KG VIII, S. 353 vv. 23-27): Ach Gott, das ist ein strenger mann. Wie mag ers nur im hertzen than, Die zwo person also zu tödten, Sein hendt in eignem blut zu röten? Solch strengheit wer gar nit von nöten. Der funktionale Einsatz des Monologs verdeutlicht nicht nur, dass der Richter genau wie der Erzähler das Geschehen kommentiert, sondern auch, wie sehr Sachs die Figurenreden nutzt, um die moralische Deutung in der Handlung zu vermitteln. Die Kommentierung des Richters entspricht der zweiten Lehre des Epilogs. 50 Alle Dekameron -Bearbeitungen als Tragedi oder Comedi sind in fünf Akte unterteilt. Krause 1979, S. 135, spricht von einem „Handlungsaufbau nach ‚anfang, mittel und endt‘, [der] wiederum […] gleichbedeutend mit der Darstellung von Ursache, Wirkung und Folge menschlicher Verhaltensweisen [ist]. Dieser rationalistische, dem Kausalitätsprinzip unterworfene Aufbau entspricht dem Verzicht auf die Darstellung tragischen Geschehens. Somit zeichnet sich ab, daß sich Sachs zur Vermittlung seiner rationalistischen Gesellschaftslehre auch einer rational einsichtigen Dramaturgie bedient.“ <?page no="132"?> 132 4 Tragedis und Comedis 1545 - 1549 4.1.2.3 Thitus unnd Gisippus Das letzte der fünf aufeinander folgenden Dekameron -Schauspiele Thitus unnd Gisippus (X, 8), geschrieben im Dezember 1546, macht deutlich, wie Sachs den dramatischen Gehalt einer Novelle erkannte 51 und sich formal an das antike Drama anlehnte. 52 Dem Fünfaktprinzip konnte Sachs erneut treu bleiben, weil bereits die Vorlage eine fünfteilige Struktur vorgibt. Insgesamt nimmt er nur Kürzungen und kleinere Änderungen vor. Ein weiteres, für die dramatische Umsetzung geeignetes Charakteristikum der Vorlage ist die hohe Dichte an dialogischen und monologischen Reden, an die sich Sachs anlehnen konnte. 1. Akt: Gisippus stellt seinem Freund Thitus seine Braut Sophronia vor. Thitus verliebt sich in Sophronia. 2. Akt: Thitus gesteht Gisippus, dass er dessen zukünftige Ehefrau liebt. Gisippus schlägt ihm vor, dass er sich in der Hochzeitsnacht mit ihr heimlich vermählen darf. Er soll so tun, als sei er Gisippus. 3. Akt: Die Hochzeit ist vollzogen. Thitus soll zurück nach Rom berufen werden, weil sein Vater gestorben ist. Gisippus gesteht Sophronia, dass sich Thitus mit ihr vermählt hat. Ihr Vater und Bruder wollen Gisippus vor Gericht stellen. Thitus erklärt jedoch die Situation und bekommt Sophronia zur Frau. 4. Akt: Gisippus geht es schlecht, er hat kein Geld und keine Ehre mehr und ist auf der Suche nach Thitus. Gisippus wird des Mordes beschuldigt. Thitus will ihn retten und bekennt sich schuldig, wie auch Gisippus sich nun schuldig bekennt, ebenso der wahre Mörder. Der Richter spricht alle drei frei. 5. Akt: Gisippus erzählt, was ihm in der vergangenen Zeit widerfahren ist. Thitus will sein gesamtes Vermögen mit ihm teilen und ihm seine Schwester zur Frau geben. Im ersten Akt verfährt Sachs bei der Dramatisierung recht eigenständig, da der Erzähler ohne direkte, indirekte oder narrativierte Figurenrede in die Handlung einleitet. Dafür setzt Sachs, unabhängig von der Vorlage und dem Henno vergleich- 51 Nicht nur Sachs ist sich der dramatischen Qualität dieser Novelle bewusst. Das beweist einerseits eine 1538 in England (Hitchin) produzierte lateinische Variante De Titi et Gisippi firmissima amicitia , die verloren ist, und andererseits die weitaus berühmtere Version The two Gentlemen of Verona von Shakespeare. Vgl. Zysset 2008, S. 50 Fn. 86. Inwiefern das für Schüler gedichtete lateinische Drama auch auf dem Kontinent bekannt war, lässt sich nicht klären, zeigt aber, dass der für Terenz geltende moralische und rhetorische Anspruch auch für Boccaccio gegolten haben könnte. 52 Teile dieses Abschnittes sind in Freund 2016 veröffentlicht. <?page no="133"?> 4.1 Dekameron 133 bar, zu Beginn des Aktes einen Expositionsmonolog ( KG XII , S. 15 v. 28 - S. 16 v. 8) ein, der das enge Verhältnis von Thitus und Gisippus komprimiert vermittelt: Ach, wo ist mein freund auff den tag? An den ich mich nit frewen mag. S. 16 Was hat er nur zu schaffen schir? Wie mag er sein so lang von mir? Das im nur nichts wer widerfarn! Nun sind wir ie in dreyen jarn 5 So lang nit von einander gwesn. Er sitzt so lang nit ob dem lesn. Ich muß gehn schawen, wo er sey, Auff das ich werd der sorgen frey. Thitus fragt sich reflektierend, wo sein Freund Gisippus ist, von dem er seit drei Jahren noch nie so lange getrennt war und ohne den er sich nicht freuen möchte. Er braucht ihn, um seine Sorgen loszuwerden. Zusammen mit den einleitenden Worten im Prolog, die keine Handlungszusammenfassung sind, dem Monolog und dem anschließenden Dialog gibt Sachs die Erzählerrede der Vorlage als Exposition dramatisch wieder, wobei er sich auf die wesentlichen Informationen beschränkt. Durch den anschließenden Dialog wird verständlich, dass Gisippus von Thitus wissen möchte, wie diesem seine zukünftige Frau gefällt. Die Antwort darauf folgt nicht im Dialog, sondern erst am Aktende in einem Monolog ( KG XII , S. 18 v. 23 - S. 19 v. 28). Diese Alleinrede verdient besondere Beachtung, da sie sich von allen bisherigen Monologen unterscheidet. Ansatzweise ist sie mit denen von Gismunda und Guiscardus vergleichbar. Unterteilt ist der Monolog in fünf Abschnitte, die mit dem aktionalen und reflexiven Gehalt das Für und Wider der Liebe zu Sophronia darstellen: Im ersten Teil (S. 18 vv. 23-29) lobt Thitus die Schönheit Sophronias, weshalb er sie selbst gerne zur Frau hätte: Ach Gott, wie höflich und gantz adelich, Wie schön und zart und gar undadelich, 25 Wie sitlich, tugentsam und mild Ist diß aller-schönst frawen-bild! Schöners auff erd ward nie geborn. O das die junckfraw außerkorn Wer mein und mir zum gmahel gebn! Der zweite Abschnitt (S. 18 v. 30 - S. 19 v. 7) formuliert die Selbstzweifel über den zuvor geäußerten Gedanken. Thitus führt die Freundschaft und blinde Liebe als Gegenargumente an, möchte er doch vernünftig und weise sein: <?page no="134"?> 134 4 Tragedis und Comedis 1545 - 1549 30 O du elendes menschlichs lebn! O Thite, wo setzt du dein sin Gemüt, hertz und dein hoffnung hin? Weist du nit, das es nit kan sein? Sie ist des besten freundes dein. 35 Was thust dich denn umb sie bekümmern, Dich mit solcher unruh zu-drümmern? Wie lest dich die blind lieb verblenden? S. 19 O Thite, thu dich wider wenden Zu deiner weißheit und vernunfft Und schick dein begird in zukunft Zu künsten und dich uberwind, 5 Eh dich die blind lieb fah und bind Zu laster, schaud! wolst du denn an Deim besten freundt so ubel than? Dass die Liebe gleichwohl stärker ist, erkennt er im dritten Abschnitt (S. 19 vv. 8-15). In seiner Begründung beruft er sich darauf, dass es eine solche Tat schon mehrere tausend Mal gegeben habe: Ach Gott, aber wie ist so starck Die lieb! durchdringt hertz, bein und marck. 10 Sie ist vil stercker, wenn der todt. Für die hilft kein gsetz noch gebot. Es warn vil töchter und ihr väter, Schwester und brüder solche thäter. Vil tausent mal geschicht die that, 15 Das einer eins freunds weib lieb hat. Deshalb fasst er in Abschnitt vier (S. 19 vv. 16-20) den Entschluss, sich der Liebe hinzugeben: Ich bin noch jung, es bleibt fein still. Drumb will ich gleich, was die lieb will, Mich in der junckfraw lieb ergeben, Zu dinst ihr sterben oder leben, 20 Biß ich ihr thu mein lieb bekand. Wiederaufkommende Selbstzweifel in Abschnitt fünf (S. 19 vv. 21-28) lassen ihn für den Fall der unerfüllten Liebe die Möglichkeit des Todes in Kauf nehmen: <?page no="135"?> 4.1 Dekameron 135 O nein, das wer ein grosse schand, Solt das Gisippus werden innen. Auch möchte bey ir kein gnad ich finnen. Kan ich der lieb ye nit außschlagen, 25 Sol ichs also verborgen tragen, So wirds kosten das leben mein. Nun, kan es ye nicht andes sein, So gib ich mich gleich willig drein. Die klare Strukturierung ergibt sich aus der Vorlage. 53 Dort ist der Monolog in dieselben Abschnitte unterteilt und mit einer zwischengeschobenen Erzäh- 53 Arigo 1860, S. 627 f. (Hervorhebung durch Verf.): „ Tito allein in sein kamern ging von neüem der züchtigen iunckfrauen schöne bedacht, vnd ye mer er ir gestalt weis vnnd gepärd bedencken ward ye mer sy im lieben vnd er in liebe brinnen vnd enczünden ward, des er nach etlichen schwären seüfczen wol enpfand das im der stral der liebe sein hercz vnd gemüt verwunt het czů im selbs sprach . O du ellends leben auf erden o Tito Quinto Fuluio wo seczest du hin dein gemüt lieb vnd hoffnung, erkenst du nit durch die enpfangen dienste von Cremente vnd seinem haußgesind Gisipo meinem liebsten freünd des die züchtig schön iunckfraw ist das ich die im ze lieb in sölichen eren vnd reuerencz haben můß als wäre sy mein leiblich schwester wes bedarft du dich ir dann also bekümern dich vnd dein gemüt vmb iren willen in also grosse vnrů seczen sy liebzehaben wo (S. 628) last du dich die blinden liebe hin füren vnd also blenden vnd betriegen, wo ist dein grosse hoffnung lere kunst vnd weißtumb tů auf die augen deiner vernunft erkenne dich selbs. O du ellender Römer bedenck die stat der gerechtikeyt zäum deinen vnkeüschen bösen willen mässig vnd schick dein begire zů andern sachen widerste vnd überwind dich selbs die weil du czeit hast, du solt nit wöllen noch des begeren daz do vnzüchtig vnd nit erber ist darzů du dich yeczund bereytest vnd wenn dir wissend wär das es dir werden solt. du soltest es mit aller deiner macht fliehen wöltest du anders der rechten waren freündschaft nach dem der lerer Tulio spricht eyn genügen tůn, vnd als dann soliche freündschaft begern ist, darumb Tito bedenck dich recht laß dein vnmässig liebhaben, du solt das deinem freund tůn als du wöltest er dir tät. Also der gůt iung Römer nach langem seinem mit im selbs reden gedancken vnd klagen, der iunckfrawen Sofronia schöne von neüem bedencken ward, vnd alles das er wider sich vnd sein vnmässige liebe gesprochen het zeruck leget vnd sprach. Die gesecz der liebe stercker vnd mächtiger sein dann andre gesecz oder gepot, sy brechen nit allein die gepot der freündschaft, sunder die hymelischen gesecz brechen wie offt hat sich begeben das der vatter die tochter liebgehabt vnd die beschlafen hat, der brůder die schwester, die stieffmůtter den stieffsun das erschrockenlichere vnd vnerlichere ding sein. dann das ein gůte freünd seines freündes weib lieb hat, das sich über zů tausent malen bei vnsern zeiten begeben hat über daz so bin ich iung vnd die iugent ist keynem gesecz der liebe verbunden noch vndertan, darumb was der liebe gefallen ist auch das mein gefallen sein sol, dann die züchtigen werck mer den betagten personen zůgehören dann den iungen, ich mag nit mer noch anders wöllen dann was die liebe will vnd ir gefallen ist, die grosse schöne daz züchtig gepärd diser iunckfrawen wol wirdig ist von einem yegklichen lieb zehaben dann ires geleichen in keynem land ist, vnnd wie wol sy meines freünds Gisippo ist vnnd ich als der do iung ist vnd sy lieb hab, wer mag mich des straffen ob ich ir liebe trag, Nun sei im wie im wöll so will ich sy liebhaben vnnd het <?page no="136"?> 136 4 Tragedis und Comedis 1545 - 1549 lerrede zudem deutlich untergliedert. 54 Da Boccaccio für den Stoff von Thitus und Gisippus ein Exemplum zur Vorlage hatte, wird seine Intention umso mehr augenscheinlich. Er hat die Geschichte erheblich komplizierter gestaltet, so dass die Personen nun nicht mehr einfach als Mittel zur Sichtbarmachung einer Idee da sind, sondern daß sie über ein eigenständiges Bewußtsein verfügen, das ihnen erlaubt, die jeweilige Situation nicht mehr als etwas Selbstverständliches hinzunehmen, sondern als etwas Besonderes zu bedenken. 55 Sowohl im Dekameron als auch in der Bearbeitung von Sachs wird mit Hilfe des Monologs ein Gewissenskonflikt zwischen Begehren und Loyalität gezeichnet. 56 Die Liebe erscheint zwar als übermächtig, ist aber in einen inneren Konflikt überführt. Selten arbeitet Sachs ein Dilemma derart ausführlich und deutlich wie in diesem Monolog aus. Der Text verdeutlicht die schon in den vorherigen Bearbeitungen beobachtete Tendenz, dass der reflexive, d. h. auch zweifelnde, hauptsächlich der Affektdarstellung dienende Monolog auf die Dekameron -Rezeption zurückgeht. In nachfolgenden Schauspielen bleiben solch konfliktträchtige Monologe die Ausnahme. Mit Blick auf die Analyse der Fastnachtspiele soll im weiteren Verlauf der Arbeit die Frage geklärt werden, inwiefern Sachs in reflexiven Monologpassagen überhaupt ein Dilemma zulässt. Für die Handlung ist der Monolog von außerordentlicher Relevanz, enthüllt er doch am Ende des ersten Aktes die Liebe von Thitus zu Sophronia, den Entschluss zur Geheimhaltung und dass Thitus bereit ist, den möglichen Tod in Kauf zu nehmen. Obwohl die Rezipienten einen Informationsvorsprung haben, bleiben sie im Unklaren darüber, wie sich die Handlung entwickeln könnte. Einzig die Gattungsbezeichnung ‚Comedi‘ verweist vorab auf ein gutes Ende. Den zweiten Akt lässt Sachs ebenfalls mit einem Monolog ( KG XII , S. 19 vv. 33-36) beginnen, der bestätigt, dass Thitus nach wie vor Sophronia sehr liebt: O Venus, wie mit gschwinder eyl Hast du mit Cupidinis pfeyl sy lieb wär sy wes sy wölte, hier an sündet das gelück das sy e Gisippo meinem freünd ist verlihen worden dann eynem andern, sol sy nun liebgehabt sein vmb irer schöne vnd zucht willen als dann billich ist sy lieb gehabt sey, eyns solichen Gisipo von mir wo im daz zewissen käm sol wol zemůt vnd content sein daz ich sy vor andern mannen liebhab.“ 54 Arigo 1860, S. 628: „Als der gůt iung Römer nach langem seinem mit im selbs reden gedancken vnd klagen, der iunckfrawen Sofronia schöne von neüem bedencken ward, vnd alles das er wider sich vnd sein vnmässige liebe gesprochen het zeruck leget vnd sprach.“ 55 Neuschäfer 1969, S. 45. 56 Vgl. Neuschäfer 1969, S. 45. <?page no="137"?> 4.1 Dekameron 137 35 Also anzünd mein hertz verwund, Das es wird nimmermehr gesund! Von Sachs selbstständig eingefügt, hat der Monolog eine retardierende Funktion, die mit der Bestätigung des zuvor Gesagten die andauernde Liebe deutlich macht. Strukturell-gliedernd führt er in den Akt ein. Der darauffolgende Dialog, der sich noch ausführlicher in der Vorlage findet, führt die Handlung fort und das Geschehen zum Höhe- und Wendepunkt. Thitus und Gisippus beschließen, dass Thitus heimlich die Hochzeitsnacht mit Sophronia verbringen soll. Da in der Vorlage der Erzähler die Hochzeitsnacht beschreibt, ändert Sachs die Handlung insofern, als er im dritten Akt in der ersten Szene zwei Knechte über die Hochzeit sprechen lässt, auf der sie sich gerade befinden, und in der zweiten Szene Thitus und Gisippus in einer Analepse die Hochzeitsnacht rekapitulieren. Im weiteren Verlauf des Aktes folgt Sachs wieder der Vorlage. Als Thitus vom Tod seines Vaters erfährt, beschließt er zusammen mit Gisippus Sophronia einzuweihen, woraufhin ihr Vater Gisippus verklagen will. Dank der rhetorisch versierten Argumentation von Thitus kommt es jedoch zur Einigung, worauf Sophronia und Thitus als rechtmäßige Eheleute nach Rom gehen. Zu Beginn des vierten Aktes stellen zwei Szenen dar, wie Gisippus verarmt ist und von Gläubigern gesucht wird. Sein Aussehen beschreibt ein Knecht als einem Bettler gleich. In der dritten Szene tritt Gisippus mit einem Monolog ( KG XII , S. 29 vv. 29-36) selbst auf: Ach Gott, wie ellend ich ietzt bin! 30 Mein heyl und glück ist gar dahin. Hin ist mein reichthumb, gwalt und ehr. Nun hab ich ie nun nichtsen mehr. Nun bin ich ietzt in der stat Rom, Such nun mein freund Thitum mit nam, 35 Ob er ein monat mich hielt auß. Freund, sag! wo ist herr Thiti hauß? Neben der bereits bekannten Information über Gisippus’ schlechten Zustand ist der Ortswechsel nach Rom zentral für die Rede. Der erste Teil (vv. 29-31) bestätigt als Analepse die Äußerungen des Knechtes, der zweite (vv. 32-36) gibt den aktuellen Standort und den Grund des Aufenthaltes wieder. Um bei Thitus unterzukommen, ist Gisippus in Rom auf der Suche nach seinem Freund. Unter der Voraussetzung der vor den Monolog positionierten dialogischen Szenen umgeht Sachs hier Verständnisschwierigkeiten, die eventuell aufgetreten wä- <?page no="138"?> 138 4 Tragedis und Comedis 1545 - 1549 ren, wenn er, wie schon beim ersten und zweiten Akt, auch diesen nur mit dem Monolog hätte beginnen lassen. Nachdem Gisippus gezeigt wurde, wo Thitus ist, folgen aufeinander drei Monologe, deren letzter eine eigene Szene ist. Der erste, nur zwei Verse lange Simultanmonolog ( KG XII , S. 30 vv. 8-9) zeigt, wie nah Sachs an der Vorlage bleibt, wenn man die Regieanweisung ‚Thitus geht hin unnd wider, sicht Gisippum wol, kert umb unnd spricht‘ hinzuzieht: Muß gehn wider in senat gan. Ein brieff ich drinn vergessen han. Denn in der Vorlage heißt es deutlich, dass Thitus Gisippus sieht, aber nicht erkennt. 57 Mit dem Simultanmonolog wird dieses Geschehen darstellbar. Auch wenn der Inhalt nicht für die Handlung relevant ist, braucht es die Szene des Nicht-Erkennens zur Vorbereitung auf das Missverständnis und das drohende tragische Ende. Dieses Missverständnis folgt im anschließenden Monolog von Gisippus ( KG XII , S. 30 vv. 12-23): Ach Got, erst hat mein glück außdroschen. Ist mein freundschaft ietzt gar erloschen, Das er mich ietzt gar nie mehr kend? 15 Mich wol sach, sich doch von mir wend, Dem ich mitheilt leib, ehr und gut, Der mich bracht in unfal, armut, Dem ich mein eigne braut hab gebn. Erst verdreust mich, auff erd zu lebn. 20 Ich will mir selb anthun den tod, Das nur end nemb trübsal und not. Nun ich will gleich gehn, wo ich kumb. Etwan bringt mich ein ander umb. Mit den die Vergangenheit reflektierenden Fragen gelingt es Sachs, das Unverständnis über die Missachtung von Thitus zu formulieren. Ohne sich von der Vorlage zu entfernen, nimmt er einzelne Schlagwörter der narrativierten Rede auf und formuliert sie in der monologischen Rede aus. 58 In gleicher Weise ver- 57 Arigo 1860, S. 638: „do also lang wartet das Tito mit vil andern burgern beleyt zů dem hauß ausgieng Gisippo wol sahe, aber nit war nam wer er wär noch am mynsten gedacht das er Gisipo wär“. 58 Arigo 1860, S. 638: „sunder do er sahe vnd wolt ername das er von Tito gesehen worden was, vnd Tito im nicht zůgesprochen het, sunder nach seinem beduncken in e gescheühet <?page no="139"?> 4.1 Dekameron 139 fährt er, wenn Gisippus beschließt, sich das Leben zu nehmen bzw. auf seine Tötung hofft. Die Evozierung eines tragischen Endes entwickelt der anschließende Auftritt-Abgangs-Monolog ( KG XII , S. 30 vv. 26-33) des Mörders weiter: Ich hab mich gerüst auff die nacht, Gleich wie ein jäger auff die jacht, Mit creutzhacken, dollich und schwerdt. Wo mir einer auff der gassen werdt, 30 Den erschlag ich und zeuch ihn ab Und nem ihm alles, das er hab, Schlepp ihn denn in das öd gemewr. Lang hab ich braucht die abentewr. In einer Selbstcharakterisierung gibt sich die Figur als Mörder zu erkennen, indem er sein Tatwerkzeug beschreibt und einen Mord an einer ihm zufällig vor die Füße kommenden Person ankündigt. Sachs bleibt zwar der Vorlage treu, wenn er den Mörder in das Handlungsgeschehen integriert, entfernt sich aber von ihr, wenn er den Mord an einer unbekannten Person nicht darstellt, sondern ihn stattdessen in der Gerichtsszene in einer knappen analeptischen Rede vermittelt. Hinsichtlich Anklage und Verurteilung von Gisippus wegen Mordes folgt Sachs wiederum der Haupthandlung aus der Vorlage: Thitus tritt im Augenblick der Verurteilung seines Freundes zur Szenerie monologisierend hinzu ( KG XII , S. 33 vv. 3-6): Ich glaub bey Jove, das der frey Mein bester freund Gisippus sey. 5 Er ists. Kan ich kein gnad erwerben, So will ich willig für ihn sterben. Reflektierend macht sich Thitus bewusst, dass der Angeklagte sein Freund Gisippus ist. Sofort entschließt er sich zur Hilfeleistung und bekundet, für ihn sterben zu wollen. Der Monolog signalisiert den beginnenden Handlungsumschwung zum guten Ende, der in den folgenden Dialogpassagen weiter ausgearbeitet wird. Analog zur Vorlage gestaltet Sachs das Ende des vierten Aktes. Neben Gisippus und Thitus gibt sich auch der wahre Mörder als solcher zu erkennen, so hette, in grossen vnmůte vnd verczagnüß fiel bedencken warde was er im czů Athena in Sofronia beweißt hete vnd yeczund in widerkerung desselben von im verschmächedt wäre trauriglichen von dann gieng“. <?page no="140"?> 140 4 Tragedis und Comedis 1545 - 1549 dass der Richter schließlich alle drei frei spricht. Seiner Funktion nach erhöht der vierte Akt durch die neue Situation eines verarmten Gisippus, der sterben will und des Mordes angeklagt ist, noch einmal die Spannung und beschwört ein tragisches Ende herauf. Der letzte Akt wendet schlussendlich auch das Zukünftige zum Guten, denn Thitus möchte all sein Hab und Gut mit Gisippus teilen und ihm seine Schwester zur Frau geben. Beide rekapitulieren das Geschehene und versichern sich ihre Freundschaft. Sachs richtet sich hier wieder nach der Quelle, obwohl er dem Ende mit dem ausgebauten Dialog mehr Bedeutung beimisst, als es die Erzählerrede der Vorlage vorgibt. Die funktionale Verwendung des Monologes ist in diesem Schauspiel, besonders wenn Sachs den Monolog selbstständig einfügt, der szenischen Strukturierung 59 und damit einhergehend der Einführung in die jeweilige Szene bzw. dem besseren Verständnis geschuldet. Abgesehen von einem Simultanmonolog stehen alle Monologe am Anfang oder Ende der Akte und Szenen. Als derart klar erscheinendes Strukturierungsprinzip ist der funktionale Einsatz des Monologes bisher nur im Henno nachweisbar. Die vier von Sachs selbstständig eingefügten Monologe zeichnen sich vor allem durch die Komprimierung der Novellenhandlung aus. Sie führen in das Geschehen ein, vermitteln einen Ortswechsel und erklären dem Rezipienten in Form einer Selbstcharakterisierung die Figurenabsichten. Die aus der Vorlage übernommenen Monologe bieten eine deutlich detailliertere Innensicht und sind weniger handlungsvermittelnd, stattdessen tritt der aktionale Charakter in reflexiver Form hervor. Die Simultanmonologe sind ebenfalls der Vorlage geschuldet, lassen sich indes schon in früheren Schauspielen von 59 Anders verfährt Sachs in der Griseldis -Bearbeitung. Dort hätte er die Akte nach den Proben, die mit zeitlichen Einschnitten einhergehen, aufteilen können. Stattdessen nutzt er den Monolog, um die Dramenhandlung um die Proben zu strukturieren, indem er den Ehemann vor jeder Probe einen Monolog sprechen lässt. Dass die erste und zweite Probe im dritten Akt zu finden sind und damit ein großer zeitlicher Sprung in einem Akt besteht, unterscheidet die Bearbeitung nicht wesentlich von den Vorlagen. In beiden - ‚Arigo‘ und Steinhöwel - wird unmittelbar nach dem Ende der ersten Prüfung von der Geburt des zweiten Kindes berichtet, worauf ebenfalls direkt die zweite Prüfung folgt. Vgl. Laserstein 1926, S. 66, und Stuplich 1998, S. 126. Dazu Dallapiazza 2010, S. 146: „Das Handlungsangebot, das Arigo als einziger dem Text hinzufügt, wird eindeutig und unmißverständlich erst in Hans Sachsens Rezeption. Es ist das der traditionellen Ehelehre, und in dieser präzisen funktionalen Ausrichtung findet sich auch dafür Vergleichbares weder bei Petrarca noch bei Steinhöwel. Gleichwohl ist dieser Funktionstyp nur angedeutet und transformiert deswegen noch keineswegs die Erzählung in eine Ehelehre, diese wird ihr allenfalls als Sinnpotential eingeschrieben.“ <?page no="141"?> 4.1 Dekameron 141 Sachs finden. Das darin präsentierte Dilemma trägt zum Spannungsaufbau bei, da die Handlung tragisch zu enden droht. Wie auch in den vorherigen Schauspielen hat Sachs nicht alle Monologandeutungen der Vorlage übernommen. Im Unterschied zu den vier anderen dramatischen Dekameron -Bearbeitungen nimmt er keine Umarbeitungen der Handlung vor, die die Figuren neu charakterisieren bzw. auf die Lehren im Epilog zuschneiden. Deutlicher als am Concreti lässt sich anhand dieser Bearbeitung zeigen, wie die Handlung der Vorlage das Strukturierungsprinzip für die dramatische Umsetzung bereitstellt. Damit ist nicht nur gemeint, dass die Novellenhandlungen eine Fünfaktstruktur nahelegen, sondern einen Aufbau in Hinführung, Entwicklung des Konflikts, Höhepunkt, Wendepunkt und gutes oder schlechtes Ende. Es ist die Konzeption eines Konflikts oder einer Intrige, die wie im Henno diese Handlungskonstruktion verlangen. 4.1.3 Zwischenfazit Insgesamt erscheint es als ein Zusammenspiel aus mehreren Voraussetzungen, das die Dekameron -Schauspiele in dieser Art entstehen ließ. Von zentraler Bedeutung ist auch hierfür der in der Frühen Neuzeit wegen seiner antiken Dramenform hochgelobten Henno , der auch auf Sachs einen beachtlichen Einfluss ausübte. Er bietet einen mit den Novellen vergleichbaren Handlungsgang. Nimmt man den Henno als Modell, so war es Sachs auf Grundlage der poetologischen Aneignung möglich, die Handlungsstruktur der Dekameron -Novellen dramatisch umzusetzen, indem er einerseits wie in Thitus und Gisippus nah an der Vorlage blieb und andererseits wie im Concreti eigenständig verfahren konnte. Desweiteren müssen die schwer nachzuweisenden, wohl aber vorhandenen, vielleicht im Schulunterricht der Lateinschule erworbenen rhetorischen Kenntnisse von Sachs mit bedacht werden. In der Lateinschule dürfte er mindestens gewisse Strukturierungsprinzipien, die seinen Vorlagen zugrunde liegen, erlernt haben, so dass er sie in den Vorlagen erkennen und selbst produktiv dramatisch einsetzen konnte. Wenn Sachs eine Novelle bearbeitete, die als Drama in fünfaktiger Struktur mit Hinführung, Höhepunkt und tragischem oder glücklichem Ausgang erscheint, obwohl die Quelle, etwa die der Lisabetha , keine eindeutige Strukturierung aufweist, muss er neben der Vorlage ein weiteres Aufbauschema vor Augen gehabt haben. Bei diesem dürfte es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um Reuchlins Henno handeln. Einerseits geht dieser selbst auf einen mittelalterlichen und nicht auf einen antiken oder biblischen Text zurück und andererseits weist die von Sachs verwendete Technik deutliche Parallelen zum Henno auf. Vor diesem Hintergrund zeigt die Betrachtung des 1544 gedichteten Fastnachtspiels G 16 der schwanger pawer , welches Gattungsverständnis Sachs vor <?page no="142"?> 142 4 Tragedis und Comedis 1545 - 1549 1550 für das Fastnachtspiel hatte und wie entscheidend die Bearbeitungen des Dekameron als Tragedi und Comedi waren: Sachs bleibt bei gleicher Quellenlage (‚Arigos‘ Dekameron ) dem Fastnachtspiel insofern treu, als er es durch den Herold in die Fastnachtszeit einbettet und es nur in einem Akt und mit einer Szenengrenze dichtet, obwohl die Handlungsstruktur ähnlich wie in den Schauspiel-Bearbeitungen einen komplexeren dramatischen Aufbau vorgibt. Es lassen sich dennoch erste fließende Übergänge, die als Literarisierungstendenzen zu bewerten sind, in der Form erkennen, dass die Handlungsstruktur mit Einführung, Überlegung der List, erfolgreicher List und glücklichem Ende auch im Fastnachtspiel erkennbar ist und Sachs zumindest für den Erfolg der List einen Szeneneinschnitt einfügt und Figuren auf- und abtreten lässt. Der, wenn auch äußert knapp gehaltene, Monolog beweist zusätzlich die Vorlagentreue. Es zeigt sich, wie Sachs die monologisierende Figur im Handlungsgeschehen verortet und nicht in Form einer Publikumsansprache aus der Handlung ausbrechen lässt. 4.2 Komik im Monechmo Der Monechmo gilt als Ausnahme unter den Tragedis und Comedis, weil er eines der wenigen Schauspiele mit komischen Elementen ist. Sachs selbst grenzt Tragedi und Comedi als ernsthafte dramatische Gattungen vom Fastnachtspiel ab. Wie oben bereits erwähnt, ist die schwankhafte Handlungskonstruktion für das Fastnachtspiel von Sachs gattungskonstituierend. 60 Schwankhaft meint hier, dass die dramaturgische Umsetzung eines Stoffes auf den „komischen Effekt“ 61 zielt. Die Komik entsteht dabei primär über die Strukturierung der Handlung und wird deshalb vom Witz unterschieden. Es wird von ‚schwankhaft‘ gesprochen, weil das Wort ‚Schwank‘ ab dem 15. Jahrhundert für eine Erzählung mit komischer Wirkung steht, auch wenn das „nur eine ‚Möglichkeit jeder Gattung‘ bezeichnet.“ 62 So definiert Herzmann Schwank als „Erzählung eines lustigen Einfalls oder Streiches in Vers oder Prosa.“ 63 Eine Definition ist nicht unproblematisch, weil 60 Diese Merkmalszuweisung muss auf die Fastnachtspiele von Sachs beschränkt bleiben. Zwar zielt ein großer Teil der vorreformatorischen Fastnachtspiele auf Komik, jedoch gibt es auch ernste Spiele, wie bspw. Des Türken Fastnachtspiel . Auch unter den nachreformatorischen Fastnachtspielen gibt es ernste, wie bspw. Burkhard Waldis’ Verlorener Sohn oder Niklas Manuels Die Totenfresser . 61 Bausinger 2007, Sp. 318. 62 Fischer 1968, S. 101 Fn. 16. 63 Herzmann 2007, S. 405. <?page no="143"?> 4.2 Monechmo 143 der Schwank „keine einheitliche Form“ 64 hat und sich in „verschiedenen Gattungen auf jeweils unterschiedliche Weise realisieren“ 65 lassen kann. Eine Annäherung liefert Dietl, die den Schwank charakterisiert als eine aus Situationskomik und Wortwitzen gespeiste, das Derbe und Drastische nicht meidende, meist einsträngige und lineare Erzählung oder dramatische Präsentation, die oft in einer überzogen und deutlich stilisiert dargestellten Alltagswelt situiert ist, komische Konflikte und Unzulänglichkeiten menschlichen Zusammenseins präsentiert und auf eine Pointe zusteuert, die zumeist im Sieg des Schlaueren oder Rücksichtloseren besteht. Der Zweck […] ist zunächst auf das delectare beschränkt. 66 Im Gegensatz zum Witz wird die Komik im Schwank aus der Handlung heraus entwickelt. Häufig führen zwei Parteien gegeneinander eine Art Wettkampf, bei dem sie sich mit ihrer List übertrumpfen wollen. 67 Eine Figur versucht dabei eine andere „in ihren Rechten durch Lüge, Betrug, Täuschung zu schädigen“ 68 , worauf die geschädigte Figur entsprechend reagiert. Am Ende siegt die Figur mit der „norm- und situationsgerechte[n] Klugheit“ 69 , möglicherweise weil im 15. und 16. Jahrhundert delectatio immer mit utilitas einhergehen soll. In dieses Schema fügen sich die Scaenica progymnasmata , so dass von den Dramenautoren der Frühen Neuzeit erneut Johannes Reuchlin hervorgehoben werden muss, der mit der humanistischen Komödie „schwankhafte Handlungsmuster“ 70 in antiker Form bereitstellt. Hans Sachs überschrieb zwar einige seiner Spruchgedichte mit ‚Schwank‘, scheint jedoch - wie für die Frühe Neuzeit charakteristisch - keine genaue Definition von Schwank gehabt zu haben, so dass die Texte, die er unter ‚schwenck‘ verzeichnet, eher eine Art „Sammelbecken“ 71 bilden, unter denen sich auch Reden finden. Schwank bedeutete für Sachs aber immerhin, soviel kann als sicher gelten, dass die Texte „scherzhaft, fiktiv und komisch oder amüsant“ 72 sind. Wie innerhalb der dramatischen Gattungen - wenn er Tragedi und Comedi als ernsthafte Gattungen dem Fastnachtspiel gegenüberstellt - grenzt er deshalb ‚histori‘ von ‚schwenck‘ ab. 73 64 Dietl 2007, Sp. 680. 65 Röcke 1993, S. 106. 66 Dietl 2007, Sp. 680. 67 Vgl. Dietl 2007, Sp. 681 f. und Bausinger 2007, Sp. 323 f. 68 Ziegeler 2007, S. 408. 69 Ziegeler 2007, S. 409. 70 Dietl 2007, Sp. 684. 71 Glier 1993, S. 56. 72 Glier 1993, S. 58. 73 Vgl. Glier 1993, S. 58. <?page no="144"?> 144 4 Tragedis und Comedis 1545 - 1549 In der Analyse des Monechmo 74 wird schwerpunktmäßig untersucht, inwiefern der Monolog dazu beiträgt Komik hervorzurufen. Die von der schwankhaften Handlungskonstruktion herbeigeführten Komikeffekte können nur unter bestimmten Voraussetzungen ihre Wirkung bei den Rezipienten entfalten. Im Monechmo spielt der Monolog hierfür eine entscheidende Rolle, weil er das Verständnis sichert. Beispielhaft wird an vier der insgesamt 17 Monologe dargestellt, wie Sachs das Verwechselungsspiel auf komische und gleichzeitig für die Rezipienten nachvollziehbare Weise umsetzt. Die direkte Vorlage des 1548 gedichteten Schauspiels ist nicht, wie der Prolog vermuten lassen könnte ( KG VII , S. 98 v. 8), Plautus’ Menaechmi , 75 sondern dessen deutsche Übersetzung durch Albrecht von Eyb von 1472 / 73. 76 Hierbei handelt es sich um eine dramatische Vorlage, die vor jeder Szene eine Zusammenfassung des folgenden Inhalts im Nebentext bereitstellt. Im Gegensatz zu Albrecht von Eyb, der sein Stück in 22 Szenen ohne Akte aufteilt, unterteilt Sachs seine Comedi in fünf Akte mit elf Szenen. Möglich ist ihm die Reduzierung der Szenen durch das Weglassen der Nebenhandlungen, wodurch er gleichzeitig die Verwechslung komisch, aber verständlich darstellen und sich nur dem für ihn zentralen Thema, der ‚bulschaft‘, widmen kann. 77 Die Komik des Stückes beruht auf einem Verwechslungsspiel der Zwillingsbrüder Lutz und Lutz: 1. Akt: Der verheiratete Lutz will mit seinem Knecht Heintz zu seiner Geliebten Rosina gehen und ihr einen Mantel schenken, der eigentlich seiner Ehefrau gehört. Rosina beauftragt ihre Köchin, ein Essen für sich und ihren Geliebten zu bereiten. Der fremde Lutz ist mit seinem Knecht Fritz auf der Suche nach seinem seit sieben Jahren verschollenen Bruder. Die Köchin ruft den fremden Lutz zum Essen. Nach erfolglosen Erklärungsversuchen, dass er nicht der Schenker des Mantels sei, lässt sich der fremde Lutz auf die Situation ein, schickt seinen Knecht fort und folgt Rosina. 74 Stuplich 1998, S. 256-269, liefert eine ausführliche Analyse des Dramas. 75 Vgl. Röcke 2009, S. 295 f. 76 Plautus 1984. Vgl. dazu Stuplich 1998, S. 256. 77 Vgl. Stuplich 1998, S. 256 ff. und S. 268. Röcke 2008, S. 106-109, vergleicht überblickshaft die Bearbeitungen der Plautus Komödie von Sachs mit der von Jakob Ayrer und sieht in beiden eine Reduzierung des Stoffes auf die moralische Belehrung. Es gehe, so Röcke 2008, S. 108 f., um die „Verwirrungen, Selbstzweifel und Identitätsbrüche“, die die antike Komödie prägen, aber in den Dramen von Sachs nicht, in den Fastnachtspielen von Ayrer hingegen schon zu finden seien. Vgl. dazu auch Röcke 2009. <?page no="145"?> 4.2 Monechmo 145 2. Akt: Knecht Heintz sucht seinen Herrn. Er sieht den fremden Lutz, der die Situation zwar immer noch nicht versteht, gleichwohl aber den Mantel zum Seidensticker bringt. Heintz hält ihn für seinen Herrn. Sie beschimpfen sich. Die Köchin bringt ihm ein goldenes ‚häfftlein‘, das noch an den Mantel genäht werden soll. Der fremde Lutz freut sich über sein Glück und will mit allen Sachen die Stadt schnell verlassen. 3. Akt: Heintz ist über seinen Herrn verärgert und verrät deshalb dessen Ehefrau, wo sich der Mantel befindet. Sie beschimpft ihren Ehemann und fordert den Mantel zurück. Der verheiratete Lutz will ihn von Rosina zurückholen. Sie beschimpft ihn, weil er den Mantel zum Seidensticker bringen sollte. 4. Akt: Der fremde Lutz trifft auf die Ehefrau des verheirateten Lutz. Sie will ihren Mantel wiederhaben, den er bei sich trägt. Ihr Vater wird hinzugeholt. Alle streiten sich und der fremde Lutz läuft weg. Der Vater beschließt, ihn von einem Arzt heilen zu lassen. Als der verheiratete Lutz auftritt, wehrt dieser sich, als der Arzt ihn behandeln will. Der Knecht Fritz denkt, er sei sein Herr und hilft dem verheirateten Lutz. Dieser kennt den Knecht nicht und spricht ihn deshalb frei. 5. Akt: Der fremde Lutz findet seinen Knecht, dieser beharrt darauf, frei zu sein. Der verheiratete Lutz kommt hinzu und die ganze Verwechslung klärt sich auf. Stuplich weist in ihrer Analyse die selbstständige dramaturgische Gestaltung von Sachs vor allem im Hinblick auf die Aufführungstechnik nach: Der Monechmo ist weder eine Umsetzung der antiken Komödie ins Deutsche noch eine Dramatisierung der Eybschen Übertragung. Sachs benutzt Eybs Text, wie jede andere Vorlage, als Lieferanten des Handlungsgerüsts. Er wählt aus, was in seine eigene Komödie Eingang finden soll und gestaltet diese nach eigenen Kriterien. 78 Für die Aufführungstechnik und Raffung der Handlung auf ein Thema trifft dies tatsächlich zu. Mit Blick auf den Monolog tritt jedoch zutage, dass 14 der Vorlage entnommen sind. 79 Weil die Komik in diesem Fall auf einem Verwechslungsspiel beruht, muss Sachs die Informationsvergabe an die Rezipienten im Gegensatz zu der an die 78 Stuplich 1998, S. 268. 79 Stuplich 1998, S. 259, gibt an, dass außerdem der zweite Monolog des zweiten Aktes nicht bei Eyb zu finden sei. Dieser Aussage ist zu widersprechen, da sich der Monolog in einer nicht von Sachs übernommenen Szene der Vorlage findet. Vgl. Plautus 1984, S. 227 v. 15 - S. 229 v. 5. <?page no="146"?> 146 4 Tragedis und Comedis 1545 - 1549 Figuren unterschiedlich gewichten. Pfister spricht in Anlehnung an den Begriff der ‚discrepant awareness‘ von ‚diskrepanter Informiertheit‘. Diese beziehe sich auf zwei Relationen: einerseits auf die Unterschiede im Grad der Informiertheit zwischen den dramatischen Figuren und andererseits auf die entsprechenden Unterschiede zwischen diesen und dem Publikum. Der erste Aspekt ist also ausschließlich auf das innere Kommunikationssystem bezogen, während der zweite sich auf die Relation zwischen innerem und äußerem Kommunikationssystem bezieht. 80 Angewendet auf den Monechmo bedeutet das, dass zwar diskrepante Informiertheit auch zwischen dramatischen Figuren wie etwa dem fremden Lutz und Rosina vorliegt, viel entscheidender ist jedoch die diskrepante Informiertheit zwischen innerem und äußerem Kommunikationssystem, weil sie zu einem Informationsvorsprung der Rezipienten führt und dadurch die Komik der Situationen erst nachvollziehbar hervortritt. Da die Rezipienten jeder Situation des Dramas beiwohnen, „während die einzelnen Figuren in der Regel nur an einer Teilmenge der präsentierten Situationen unmittelbar partizipieren“, sind die Rezipienten „in der Lage, die jeweils nur partielle Informiertheit der einzelnen Figuren zu summieren und miteinander zu korrelieren“. 81 Das Verwechslungsspiel des Monechmo , das gerade auf jener Diskrepanz der Informiertheit beruht, ist so strukturiert, daß zwei voneinander unabhängige Ereignisketten ständig ineinandergreifen. Jede einzelne Überschneidung dieser zwei Ereignisketten […] wird von den Beteiligten aus zwei komplementären Perspektiven beurteilt, die im Laufe des Stückes durch das Hinzukommen immer neuer falsch gedeuteter Informationen immer weiter auseinanderklaffen, und nur der Zuschauer als Augenzeuge aller Begegnungen befindet sich auf einem Informationsniveau, das es ihm erlaubt, diese komplementären Perspektiven zu einem Ganzen zusammenzufügen. Daraus ergibt sich auch eine der zentralen Ironien […]: Was den Figuren als chaotische Verwirrung erscheint, fügt sich dem Zuschauer zum geometrischen Muster komplementärer Mißverständnisse. 82 Wie Sachs den Monolog als Mittel der diskrepanten Informiertheit funktionalisiert, macht die Kette aus drei Monologen zu Beginn des zweiten Aktes deutlich. Alle drei finden sich auch in der Vorlage, dort folgen indes nur die letzten beiden direkt aufeinander. Den ersten Monolog spricht der Knecht Heintz ( KG VII , S. 105 vv. 9-16): 80 Pfister 2001, S. 80. 81 Pfister 2001, S. 81. 82 Pfister 2001, S. 83. <?page no="147"?> 4.2 Monechmo 147 Mein junckern hab ich im dreng verlorn. 10 Ich bin erfült mit lauter zorn. Glaub, er hab sich von mir gestoln, Sey gangen heimlich unverholn Zu seiner Rosina, eß das mal. Das hauß ist ie zu uberal. 15 Hat ers thon, so wil ich in schelten Und im den bossen wider-gelten. In einer Reflexion über seinen Herrn präsentiert der Knecht den Informationsstand, auf dem er sich aktuell befindet, und zieht daraus die falschen Schlussfolgerungen: Er hat seinen Herrn verloren und vermutet, dass er zu seiner Geliebten gegangen ist. Die Ankündigung, dass er seinen Herrn hierfür ‚schelten‘ will, erzeugt doppelte Spannung auf das Zusammentreffen. Zum einen stellt der Knecht seinen eigenen niederen Stand mit der Ankündigung der Strafe in Frage, zum anderen könnte er auf den fremden Lutz treffen. Die Rezipienten wissen zu Beginn des zweiten Aktes, anders als der Knecht, dass der fremde Lutz bei Rosina war und diese ihn mit dem Mantel zum Seidensticker geschickt hat. Zusätzlich wissen sie, wie der Knecht im Falle eines Zusammentreffens zu handeln gedenkt. Auf welchen Lutz er trifft, vermittelt der zweite Monolog ( KG VII , S. 105 vv. 19-30): Das glück das wil mir heut gar wol. 20 Ich hab mich gessen und truncken vol Und hat mir auch die fraw von hertzen Erbotten wol mit schimpff und schertzen, Hat mir auch disen mantel geben, Den ich zum seidesticker eben 25 Sol tragn, mit berlein in zu sticken. Den sol sie nimmer mehr an-blicken. Wie hab ichs so weidlich betrogen! Warumb hats mich denn nein gezogen? Es war eim andern vermeint verert, 30 Ist er mir beschaffen und beschert. Mittels eines analeptischen Berichtes, der das Essen bei einer Frau zum Thema hat, die ihn beauftragt, einen Mantel zum Seidensticker zu bringen, wird ersichtlich, dass es sich nicht um den Herrn des Knechtes Heintz, sondern um den fremden Lutz handelt. Die abschließende Reflexion klärt über den Infor- <?page no="148"?> 148 4 Tragedis und Comedis 1545 - 1549 miertheitsgrad der monologisierenden Figur auf: Sie ist sich bewusst, dass man sie für eine andere Person gehalten hat. Beide Monologe bereiten die Komik im Zutrittsmonolog des Knechtes Heintz ( KG VII, S. 105 v. 33 - S. 106 v. 2) vor: Dort geht mein junckherr, hat auff ein krantz, Redt mit im selb, ist frölich gantz. 35 Ich merck wol, das er spottet mein, S. 105 Das ich des mahls beraubt sol sein. Ich wil in trutzig reden an. Wie auch der Monolog des fremden Lutz muss dieser simultan präsentiert werden, weil der Knecht zu dem monologisierenden Lutz hinzutritt und dessen Rede reflektiert. Er glaubt, dass es sich um seinen Herrn handelt, der sich über ihn lustig macht. Nur über den Informationsvorsprung der Rezipienten, den die vorausgegangenen Monologe sichergestellt haben, kann sich ein komisches Moment entwickeln. Der Knecht erkennt nicht nur die mit sich selbst redende Figur nicht richtig, sondern deutet auch noch deren Rede falsch. Im Gegensatz zu den ersten beiden Monologen, die hauptsächlich mit ihrem nicht-aktionalen Aufbau als Verständnishilfe fungieren, zielt der dritte auf Komik, die aber ohne die beiden ersten nicht entstehen könnte. Sie ist möglich, indem die beiden Monologe direkt aufeinander folgen und so der Witz über den falsch eingeschätzten Redeinhalt seine Wirkung entfalten kann. Genau an dieser Stelle bleibt Sachs der Vorlage auffallend treu. 83 In jedem Akt kommt es zu Missverständnissen zwischen verschiedenen Figuren, aus denen komische Dialogszenen mit Beschimpfungen, Prügelandrohung oder 83 Vgl. Plautus 1984, S. 227, Z. 15 - S. 229, Z. 8 (Herv. d. Verf.): „Lutz der fremd (was fro das er den mantel het vnd redt mit jm selbs also) O ewiger got wie vil gůtes hastu mir auf ainen tag zugefůgt / des ich mich nitt versehen habe / ich hab wol geessen vnd truncken / die frauw ist hübsch vnd freüntlich geweßt vnd hab daruon gebracht ainen mantel den sy nit mer sehen sol / (S. 229) sy spricht ich hab ir den geben vnd meiner frawen genommen. O wye ser wirt sy betrogen / ich bin nit der rechtschuldig / doch byn ich weiß geweßt das ich ir gůte wort geben hab / was sy hat gesagt das habe ich bestaͤ tigt / was sol ich sagen / ich hab nye baß gelebt vmb minder gelt. Haintz mein herr redt haimlich das jch jn nit hoͤ ren mag / freylich er sol mein spotten das ich das essen versaumet hab / doch ist er froͤ lich / ich wil zů jm geen vnd sein freüd zerstoͤ ren.“ Dabei handelt es sich um die einzige Stelle im Schauspiel, in der eine Figur eine andere monologisierend beobachtet und dieser eine falsche Aussage unterstellt. Weitaus häufiger halten auftretende Figuren den bereits auf der Bühne agierenden für den anderen Lutz. Insgesamt findet sich diese Art des Monologes vier Mal (KG VII, S. 102 vv. 15-21, S. 111 v. 33 - S. 112 v. 5, S. 116 v. 28 - S. 117 <?page no="149"?> 4.2 Monechmo 149 Heilungsversuchen hervorgehen. Vorbereitet werden die Dialoge mit Monologen, deren hauptsächliche Funktion die Verständnissicherung ist. Hierfür ändert Sachs die Vorlage und fügt Monologe selbstständig ein, zum Beispiel die Rede des fremden Lutz zu Beginn des fünften Aktes ( KG VII , S. 118 vv. 20-24), der der Abtritt des verheirateten Lutz direkt voraus geht: 20 Kan ich denn heut mein knecht nit finden? Er lest den wein sich uberwinden, Ligt etwan dort und ist stüd-vol. Schaw! dort schleicht vor mir hin der mol! Fritz, Fritz! wo schleuffst nur umb den tag? Reflektierend fragt sich Lutz, wo sein Knecht Fritz ist und ob er betrunken herumliegt. Da es sich um eine Verwechslungskomödie handelt und der verheiratete Lutz unmittelbar zuvor den vierten Akt beendet hat, dient der Monolog einzig der Verständnissicherung. Der verheiratete Lutz hatte den Knecht Fritz im vorangegangenen Akt freigesprochen; dieser besteht im anschließenden Dialog auf seine Freiheit. Weil davon auszugehen ist, dass eine Person die Zwillingsbrüder auf der Bühne darstellt, braucht es wiederkehrende Merkmale, mit denen die Rezipienten den jeweiligen Lutz erkennen können. Diese sind der jeweilige Knecht, der Mantel, die Geliebte und die Ehefrau. Weil Knecht Fritz seinen Herrn direkt vorher gesucht hat, wird nun klar, dass es sich bei dem auftretenden Lutz um den fremden handelt, der nun ebenfalls seinen Knecht sucht und diesen auch mit Namen direkt benennt. In der Vorlage ist nicht sofort ersichtlich, um welchen Lutz es sich handelt, dort beginnt die Szene direkt mit dem Dialog. Sachs beseitigt die Ungenauigkeit nicht nur an dieser Stelle. Er verwendet ein Schema, das das ganze Drama durchzieht, allerdings auch in den meisten Fällen in der Vorlage zu finden ist. 84 Die Hauptfunktion liegt in der Vermittlung wiedererkennbarer Merkmale, denn nur mit einem Informationsvorsprung ist es den Rezipienten möglich, der Handlung zu folgen, die Verwechslung nachzuvollziehen und infolge dessen v. 5), wovon Sachs einen Monolog selbstständig einfügt, um einen Szeneneinschnitt der Vorlage zu überbrücken (KG VII, S. 108 vv. 30-31). Zur selbstständigen Neugestaltung der Szene vgl. Stuplich 1998, S. 260. 84 Denselben funktionalen Gehalt der Verständniserleichterung weisen der den zweiten Akt abschließende Monolog des Lutz (KG VII, S. 107 v. 22 - S. 108 v. 5), der erste Monolog des Lutz im dritten Akt (KG VII, S. 108 v. 33 - S. 109 v. 7), der Monolog des Lutz zu Beginn des vierten Aktes (KG VII, S. 111 vv. 25-32), der direkt darauf folgende der Ehefrau des verheirateten Lutz (KG VII, S. 111 v. 34 - S. 112 v. 5) und derjenige des Lutz im vierten Akt (KG VII, S. 115 vv. 17-22) auf. <?page no="150"?> 150 4 Tragedis und Comedis 1545 - 1549 den Witz zu verstehen. Die Komik entsteht meistens in den Dialogen, 85 weil die Dialogpartner den jeweils anderen Lutz vor sich wähnen. Neben dem Monolog nutzt Sachs das Mittel der leeren Bühne am Ende eines Aktes, um sicherzustellen, dass es sich hier und im folgenden Aktanfang um den jeweils anderen Lutz handelt. So endet der dritte und vierte Akt mit einem Monolog des verheirateten Lutz und der vierte und fünfte Akt beginnt mit einem Monolog des fremden Lutz. Die aktstrukturierende Funktion ist eine eigene Leistung von Sachs. Zwar entnimmt er die meisten Monologe der Vorlage, aber durch die starke Raffung auf ein Thema hin lässt er Szenen weg und kürzt sie, sodass er auch teilweise Szenen mit Monologen beginnen oder enden lassen kann, die in der Vorlage eine andere Position einnehmen. Auch wenn es auf den ersten Blick den Anschein macht, als ob dieses Schauspiel ungewöhnlich viele Monologe aufweist, hat Sachs insgesamt 23 Monologe der Vorlage nicht übernommen. Mit der bereits angesprochenen Raffung der Handlung geht eine Beschränkung auf die notwendigen Monologe einher, die sich oft identisch bei Albrecht von Eyb finden. Dieser wiederum hat den Großteil seiner Monologe direkt aus dem Plautus-Text übersetzt, wo auf die monologische Rede in uneindeutigen Fällen mit der Regieanweisung ‚secum loquitur‘ verwiesen wird. 86 Die dramaturgische Gestaltung der Komik steht demzufolge über die Vermittlung von Albrecht von Eyb in der Tradition der Palliata. Weil eine schwankhafte Handlungskonstruktion, wie sie sich im Monechmo finden lässt, auch für die Fastnachtspiele ab 1550 nachgewiesen werden kann, ist in den folgenden exemplarischen Fastnachtspielanalysen u. a. der Frage nachzugehen, wie Sachs Komik im Vergleich zum Monechmo und zum vorreformatorischen Fastnachtspiel entstehen lässt. 85 Komik entsteht jedoch in diesem Schauspiel auch, wenn derjenige Lutz, der sich nicht darüber bewusst ist, dass er für einen anderen gehalten wird, nach einer Verwechslungsszene den Akt beschließt und dabei verwirrt monologisiert (KG VII, S. 111 vv. 13-21), dass ihm seine Geliebte nicht glaubt, obwohl er ihr doch die Wahrheit gesagt habe. Dadurch, dass es sich um den verheirateten Lutz handelt, der seine Frau betrügt, bleibt das Mitleid der Rezipienten wahrscheinlich begrenzt und die Schadenfreude über die nichtvorhandene Erkenntnis des fremden Lutz in der Situation umso größer. 86 Das lateinische Original in Gegenüberstellung mit der Übertragung von Albrecht von Eyb findet sich in der Ausgabe Plautus 1984. <?page no="151"?> 4.2 Komik im Monechmo 151 5 Zusammenfassung Die Untersuchung der ausgewählten Tragedis und Comedis mit neulateinischen und antiken Vorlagen hat ergeben, dass Sachs trotz eigenständiger Dramentechnik punktuell dramaturgische Verfahren adaptierte und so seine Dramentechnik weiterentwickelte. Die Dramen Lucretia und Virginia , die auf dieselbe narrative Vorlage zurückgehen, zeigen zwar, dass Sachs von Beginn an eine selbstständige Funktionalisierung der Monologe vornahm. In beiden Bearbeitungen haben die Monologe, wie auch in späteren Fassungen, eine überbrückende Funktion und / oder stellen Affekte als Klage dar. Außer der überbrückenden Funktion findet sich für die Teichoskopie, die Sachs in den Fastnachtspielen nach 1550 häufig als Übergang in den Dialog einsetzt, keine entsprechende Monologstruktur in der Vorlage. Wie sich der poetologische Aneignungsprozess schrittweise vollzog, macht der Vergleich mit der zweiten narrativen Vorlage, dem Dekameron , deutlich. Hier gliederte Sachs nicht nur die Handlung in Akte und Szenen, deren Einschnitte er mit Monologen strukturell-gliedernd kenntlich machte. Er integrierte auch die aus der Vorlage entnommenen Reflexionen und Affektdarstellungen. Um die Erzählerrede in dramatische Figurenrede umzusetzen, nutzte Sachs den Monolog komprimierend, wenn er in die Handlung mit der Exposition einführt und schwer inszenierbares Geschehen vermittelt, aber nicht darstellt. Diese komplexe Dramentechnik ist nur vor dem Hintergrund der dramatischen Bearbeitungen aus den 1530er Jahren verständlich. Denn in dieser Zeit bearbeitete er zunächst den Pluto und anschließend den Henno . Die im Pluto bereits nachweisbaren Formen wie Expositionsmonolog, Auftrittsmonolog zur Szenenstrukturierung oder die enthüllende Funktion wurden von Sachs erst mit der Henno -Bearbeitung vollständig adaptiert und selbstständig eingesetzt. Dies betrifft sowohl die strukturell-gliedernde als auch die handlungsbezogene Funktionalisierung. Neu auftretende Figuren charakterisieren sich selbst oder andere Figuren, sie enthüllen ihre Handlungsabsichten und geben den Rezipienten damit einen Informationsvorsprung, der die anschließenden Szenen komisch wirken lässt. Mit der strukturell-gliedernden Funktion am Szenen- oder Aktbeginn werden handlungsbezogen neue Figuren eingeführt und Ortswechsel und Zeitsprünge vermittelt. Im Gegensatz zum Pluto , der simultan zu inszenierende Abschnitte hat, weist der Henno eine sukzessive Anordnung auf, so dass nur der Zutrittsmonolog im Beisein einer zweiten Figur gesprochen wird. Das sukzessive Prinzip ist eine <?page no="152"?> 152 5 Zusammenfassung Neuerung, die Sachs erst in den späten 1540er Jahren häufiger anwendete und die nach 1550 das simultane Prinzip fast vollständig verdrängte. Die Bearbeitung des Judicium Paridis verdeutlicht, dass Sachs nicht unbedingt eine dramatische Vorlage brauchte, um Monologe strukturell-gliedernd oder zur Vermittlung eines Handlungsbogens einzusetzen. Dass er Discordias Rede als Auftritt-Abgangs-Monolog gestaltet, erscheint als Erweiterung des Auftrittsmonologs, der handlungsbezogen eine neue Figur einführt oder eine Enthüllung vermittelt. Es brauchte vielmehr eine dramatische oder narrative Vorlage, mit der Sachs dramentechnische Mittel der Henno -Bearbeitung eigenständig einsetzen konnte: Eine solche Vorlage fand er im Dekameron . Nach 1550 bearbeitete Sachs 12 schwankhafte Dekameron -Novellen als Fastnachtspiele. Die dramaturgische Umsetzung einer komplexen komischen Handlung mit Hilfe des Monologs konnte er in den Menaechmi finden. Dort basiert die Komik auf einem Verwechslungsspiel mit Missverständnissen. Die Rezipienten müssen gegenüber den Figuren einen Wissensvorsprung haben, der es ihnen ermöglicht, die Missverständnisse als komisch zu empfinden. Das richtige Verständnis konnte Sachs am komprimiertesten mit dem Monolog sichern, indem dieser mit seiner strukturell-gliedernden Funktion einen neuen Abschnitt der Handlung einleitet. Hier konnte Sachs Wiedererkennungsmerkmale verankern, so dass seitens der Rezipienten eine Verwechslung ausgeschlossen war. Dass die für das Fastnachtspiel bei Hans Sachs gattungskonstituierende Komik an das Handlungsverständnis gebunden ist, markiert den wesentlichen Unterschied zum vorreformatorischen Fastnachtspiel. Für die dramaturgische Umsetzung brauchte es Anknüpfungspunkte, die Sachs in der produktiven Rezeption der neulateinischen und antiken Vorlagen fand. <?page no="153"?> Teil C: Einzelanalysen ausgewählter Fastnachtspiele Die poetologiehistorische Untersuchung hat gezeigt, dass die in der Typologie bereitgestellten Monologfunktionen einerseits in allen drei dramatischen Gattungen nachzuweisen sind; in den Fastnachtspielen maßgeblich nach 1550, in den Tragedis und Comedis bereits vor 1550. Andererseits zeigte sich, wie die Monologe auf ein Formenrepertoire zurückgehen, das schon in der humanistischen Gelehrtenkultur bestand und das Sachs sich in der produktiven Rezeption punktuell angeeignet hat. Die folgenden Kapitel verdeutlichen nicht nur, wie extensiv Sachs die adaptierten Monologformen unabhängig von den Vorlagen in seinen Fastnachtspielen einsetzt, sondern wie er sie eigenständig für seine eigene reformatorische Deutung funktionalisiert. Damit wird der Prozess der Literarisierung greifbar, in dem Sachs die über die Textvorlagen der Tragedis und Comedis vermittelte humanistische Formkultur mit der reformatorisch geprägten Wissensvermittlung in eigenständiger Weise zu funktionaler Konvergenz bringt. Drei der vier untersuchten Fastnachtspiele gehen auf narrative Vorlagen zurück. Das vierte ist ohne bekannte Vorlage gedichtet. Das Fastnachtspiel G 23 ist eine Bearbeitung einer Dekameron -Novelle. An ihm lässt sich ausführen, wie Sachs die kasuistische Vorlage in einen exemplarischen dramatischen Text umarbeitet. G 22 stellt zusätzlich zur Funktionalisierung der Figurenkonzeption eine spezifische historische Kontextualisierungsmöglichkeit der exemplarischen Fastnachtspieldichtung dar. Neben der Vorlage, einem Schwank aus Johannes Paulis Schimpf und Ernst , der als Predigtexempel dient, beinflussen auch Rhetorik, Dialektik und Exegese Sachs’ Dichtung. Ganz in diesem Sinne ändert er die Vorlage von G 51 - die 71. Historie des Eulenspiegel-Buches - um. Das Hauptaugenmerk liegt in diesem Kapitel auf der Strukturierung von Zeit und Ort. Abschließend wird im Fastnachtspiel G 40 die Funktionalisierung des Monologs zur Vermittlung von Komik herausgearbeitet. <?page no="155"?> 1 Exemplarisches Erzählen in G 23 Der jung Kauffman Nicola mit seiner Sophia Um darzustellen, wie weit die poetologische Kompetenz von Sachs im Jahr 1550 entwickelt war, ist in einem ersten Schritt der Aufbau des 1544 erschienenen Fastnachtspiels Der schwanger Pawer zu rekapitulieren. Es hat, wie auch G 23 Der jung Kauffman Nicola mit seiner Sophia (Dek. VIII , 10), gedichtet am 10. Oktober 1550, eine Dekameron -Novelle zur Vorlage (Dek. IX , 3). 1 Vor allem den Beginn des Spiels G 16 von 1544 hat Sachs in ähnlicher Weise gestaltet, wie es für das vorreformatorische Fastnachtspiel charakteristisch ist: Die Gäste werden begrüßt und die zeitliche Gebundenheit an die Fastnacht wird hergestellt. Zwar nutzt Sachs hier bereits eine spielinterne Figur, doch leitet sie noch in der ersten Rede von der Fastnacht in die Spielrealität über. Auch mit der Länge von 324 Versen und der geringen szenischen Strukturierung bleibt der Nürnberger Dichter dem vorreformatorischen Fastnachtspielcharakter treu. Anders als in seinen Tragedis und Comedis mit Dekameron -Vorlagen finden sich hier keine komplexen Monologe. Lediglich einer, dieser im Nebentext mit ‚er red mit jm selb‘ eindeutig gegenüber anderen Formen der Figurenrede abgegrenzt, findet Verwendung. Er besteht aus einem Vers (v. 128) und bedarf auf der Bühne einer simultanen Präsentation. Sehr wahrscheinlich war es die narrativisierte Erzählerrede der Vorlage 2 , die Sachs hier veranlasste, erstmals im Fastnachtspiel einen Monolog im Nebentext auszuweisen. Der Handlungsgang, d. h. die Hinführung zur Intrige, ihr Gelingen und das Ende, ist stark an die Vorlage angelehnt. Dennoch setzt Sachs eigene Akzente, indem er den Betrug im beachtlichen Umfang von 90 Versen mit dem Geiz begründet. 3 Auch wenn die Handlungsstruktur der Quelle eine szenische Untergliederung nahelegt, überträgt Sachs diese bis v. 264 nicht. Die Bühne ist bis zu dieser Stelle nie leer, auch nicht, wenn offensichtlich ein größerer zeitlicher Sprung (vv. 113 ff.) oder Ortswechsel (v. 158) zu inszenieren sind. 4 Dieses Schema 1 Einen Vergleich des Fastnachtspiels von Sachs mit der Bearbeitung von Jacob Ayrer gibt Pastre 1994, S. 87-100. Teile dieses Kapitels sind in Freund 2016 veröffentlicht. 2 Arigo 1860, S. 555: „Do das Calandrin vernam zů hant an im selbes czweyfeln ward“. 3 Vgl. Adamson 2002, S. 116 f., zu den anitjudaistischen Hinzufügungen von Sachs. 4 MacMechan 1889, S. 10, sieht zwar eine Strukturierung in drei Szenen, erklärt jedoch nicht, woran man den Szeneneinschnitt erkennen kann: „Although it is not so indicated in the text, this play divides into three scenes: I., the plot (ll. 1-111), II., the deception (ll. 112-264), III., the cure (ll. 264-end).“ Es ist eher davon auszugehen, dass sich die Hand- <?page no="156"?> 156 1 Exemplarisches Erzählen in G 23 Der jung Kauffman Nicola mit seiner Sophia durchbricht Sachs, nachdem der Betrug gelungen ist, indem er das Mittel der leeren Bühne zur Szenenstrukturierung (v. 264) einsetzt. Ein Zeitsprung ist an dieser Position nicht in der Vorlage zu finden; es scheint Sachs vielmehr um die Verdeutlichung des Handlungsumschwungs gegangen zu sein. Bevor er den Einschnitt setzt, führt die Handlung zum Gelingen des Betrugs; nach dem Einschnitt macht der Handlungsfortgang deutlich, dass der Betrogene glimpflich davon gekommen ist. Das Fastnachtspiel G 23 weist dagegen eine deutliche Szenenstrukturierung und 11 Monologe auf, von denen nur einer auf die Vorlage zurückzuführen ist. Die große Anzahl selbstständig eingefügter Monologe zeigt, wie sie funktional der Rezeptionslenkung dienen und Sachs damit die kasuistische Vorlage zu einem exemplarischen Fastnachtspiel umarbeitete. Die Integrationsleistung reflexiver, dilemmatischer Monologe aus den Dekameron -Bearbeitungen der Tragedis und Comedis bedarf von daher einer eingehenden Betrachtung. 1. Szene: Der seefahrende Kaufmann Nicola ist glücklich, denn er hat in Palermo eine Frau, Sophia, kennen gelernt. Aus Liebe zu ihr will er einen Monat länger bleiben. Sein Freund Chaningianus warnt ihn, dass sie ihn um sein Geld betrügen werde, doch findet er bei Nicola mit seinen Bedenken kein Gehör. 2. Szene: Sophia beauftragt ihre Magd, reichlich einzukaufen. Sie erzählt ihr, dass sie an Männern nur das Geld interessiere, weshalb sie Nicola derzeit am meisten liebe. Mit Geschenken habe sie ihn angelockt und werde ihm nun sein Geld abnehmen. Als Nicola zu Sophia kommt, erzählt sie, dass ihr Bruder gefangen genommen worden sei und sie sofort 1000 Gulden brauche, um ihn auszulösen. Sie sei verzweifelt, denn sie habe nur 500 Gulden. Nicola will ihr helfen, indem er ihr die fehlenden 500 Gulden leiht. 3. Szene: Die Magd berichtet, dass ihr Sophia befohlen habe, Nicola nicht ins Haus einzulassen, wenn er komme, um sein Geld zurück zu verlangen. Er könne sein Geld auch nicht vor Gericht einfordern, weil er weder Zeugen noch andere Beweismittel habe. Nicola kommt und wird nicht eingelassen. Die Magd will Sophia davon berichten. lungsstruktur der Vorlage in diesen drei Abschnitten widerspiegelt, von Sachs jedoch noch nicht durch Szenengrenzen deutlich gemacht wurde. <?page no="157"?> 1 Exemplarisches Erzählen in G 23 Der jung Kauffman Nicola mit seiner Sophia 157 4. Szene: Nicola ärgert sich, dass er nicht auf seinen Freund gehört hat, und will ihn um Rat bitten. Der Freund rät ihm, nach Salerno zu fahren und dort Tuchballen herzurichten, die nur mit Stroh gefüllt sind, sowie 20 Ölfässer mit Wasser zu füllen und diese ins Zollhaus nach Palermo zu bringen. Scheinbar immer noch wohlhabend, soll er so versuchen, Sophia zu ködern, um sein Geld zurück zu erhalten. 5. Szene: Sophia erzählt der Magd, dass Nicola abgereist sei und sie sich ein neues Opfer suchen wolle. 6. Szene: Nicola hat getan, was sein Freund ihm geraten hat, und will nun zu Sophia gehen, um sie mit seiner List ebenfalls zu betrügen. 7. Szene: Sophia hat den Kaufmann im Zollhaus gesehen. Die Magd berichtet, dass Nicola Tuch und Ölfässer ins Zollhaus gebracht hat. Sophia will ihn erneut betrügen. Nicola erzählt Sophia, dass er Ware im Wert von 2000 Gulden im Zollhaus habe und Ware im gleichen Wert noch per Schiff erwarte. Er habe vor, sich hier niederzulassen. Sie lädt ihn zum Abend ein und will ihm das geliehene Geld zurückgeben. 8. Szene: Die Magd wundert sich, dass Nicola nicht bemerkt, dass ihn Sophia nur betrügen will. Nicola erzählt Sophia, dass ihm die erwartete Ware auf dem Meer geraubt wurde. Er müsse 1000 Gulden Lösegeld bezahlen. Sophia will sich 1000 Gulden von einem Freund leihen und ihm damit helfen. Er soll ihr aber die Ware im Zollhaus als Pfand geben. Nicola freut sich darüber, dass sein Plan funktioniert. Sie gibt ihm das Geld. 9. Szene: Die Magd meint, dass der Übermut ihrer Herrin einmal bestraft werde. Sophia kommt hinzu und berichtet wütend, dass sie von Nicola betrogen wurde. 10. Szene: Lehre an das Publikum: Die „Hurerey“ verblende den Menschen so, dass er Ehre und Besitz aufs Spiel setze. Ein junger Mann sollte den Stand der Ehe bevorzugen, denn ‚falsche Frauen‘ würden weder Liebe noch Treue kennen. Da die Bearbeitung erst mit dem handlungstragenden Teil einsetzt, fällt der Beginn der Novelle und damit gut ein Drittel 5 der Vorlage fast vollständig weg. Die als doppelte Intrige konzipierte Handlung ist in der Vorlage nahezu identisch angelegt. Dennoch nimmt Sachs nicht nur Kürzungen vor, sondern setzt neue Akzente und arbeitet Passagen um, so dass dem Fastnachtspiel die Zweideutigkeit der Vorlage fehlt. Diese Unterschiede zeigen sich insbesondere, wenn die 5 Von den 12 Seiten in Arigo 1860, S. 532-543, machen vier Seiten den Beginn aus, der bei Sachs nicht vorkommt. <?page no="158"?> 158 1 Exemplarisches Erzählen in G 23 Der jung Kauffman Nicola mit seiner Sophia Analyse vom Ende des Stückes ausgehend erfolgt. Im Anschluss an die gelungene List fügt Sachs dem Fastnachtspiel eine an das Publikum gerichtete Lehrrede (vv. 374-387) an, die es im Dekameron nicht gibt: Ihr Herrn, zwey ding mercket hiebey: 375 Erstlichen, wie die Hurerey Ein Menschen verblendt also gantz, Das er Ehr vnd gut schlecht int schantz, Im selb schafft armut, schandt vnd spot, Wirt feindtselig Menschen vnd Gott. 380 Zum andern mag man hie anschawen Die listig art solch falscher Frawen, So halten weder lieb noch trew, Denn so weit sie das gelt erfrew. Derhalb ein gsel jr muͤssig geh, 385 Begeb sich in den standt der Eh, Aus dem jm gluͤck vnd heil erwachs; Das wuͤnschet zu Nuͤrnberg Hans Sachs. Die Lehre besagt erstens, dass ‚Hurerei‘, die falsche Liebe, Menschen verblendet, ihnen die Ehre nimmt und sie in Not bringt, sowie zweitens, dass listige Frauen nicht treu sind und junge Männer darum lieber in den Stand der Ehe treten sollten. Erklären lässt sich der lehrende Zusatz mit den divergierenden Funktionstypen der Handlungsdarstellung im Dekameron und bei Sachs. Darin zeigt sich der wesentliche Unterschied, wie Dichtung auf die Rezipienten wirken soll. Der Dichtungsansatz von Sachs ist exemplarisch, sodass er ein eindeutiges Interpretationsangebot der bearbeiteten Novelle liefert. Ein Exempel ist ein Text, der „‚von außen‘ in einen argumentativen Zusammenhang eines anderen Textes hineingezogen [wird], um diesen in seiner Argumentation durch ein Beispiel zu unterstützen.“ 6 Unterscheiden ließen sich die Formen des Exempels in einerseits mittelalterlich illustrativ, wobei der faktische „Einzelfall eine schon bekannte Regel erfahrbar macht.“ 7 Andererseits rhetorisch-argumentativ: hier soll mit Hilfe des Exempels eine „noch unbestimmte Regel“ 8 gewonnen werden. Während das Exempel in einen „narrativen Kontext eingebunden ist“, von dem 6 Haustein 2006, S. 7. 7 Haustein 2006, S. 8. 8 Haustein 2006, S. 8. <?page no="159"?> 1 Exemplarisches Erzählen in G 23 Der jung Kauffman Nicola mit seiner Sophia 159 es sich „strukturell unterscheide[t]“ 9 , meint exemplarisches Erzählen, dass die Narratio auf ein Ziel ausgerichtet ist. 10 Sachs fügt deshalb am Ende des Fastnachtspiels eine Lehrrede an, wenngleich nicht nur sie der Rezeptionslenkung dient. Dafür spricht einerseits der Umstand, dass Sachs nicht durchgehend in dieser Form auf eine Lehrrede zurückgreift. Andererseits sind es vielmehr die Erzählverfahren selbst, wie sie innerhalb des Fastnachtspiels Verwendung finden, die zu den am Ende stehenden Lehren hinführen bzw. selbst das Geschehen bewerten. Man kann in diesem Sinne davon sprechen, dass die Handlung eine Form erzählter Exemplarität ist, d. h. „der zu verhandelnde Fall eine darstellerische Ausgestaltung“ erhält und exemplarisch ist, weil er „in einem bestimmten […] gesellschaftlichen Zusammenhang einen Fall darstellt und das dargestellte Handeln kommentier[t].“ 11 Sachs kommentiert damit sowohl in der Lehre als auch in den Monologen, oder mit den Worten Stierles: „Was das Exemplum impliziert, ist der moralische Satz. Worin es sich expliziert, sein Medium, ist die Geschichte.“ 12 Für das Dekameron ist dagegen das kasuistische Erzählprinzip leitend. Der dargestellte Fall illustriert nicht eine bekannte Regel, vielmehr muss seine „Einordnung ins bestehende Wert- und Rechtssystem erst geleistet und diskutiert werden“ 13 . Jolles’ Formulierung, dass ein Kasus zwar die Frage stellt, aber nicht die Antwort gibt 14 , führt Emmelius mit Bezug auf Stierle 15 weiter aus. Demnach ist eine Dekameron -Novelle eine Geschichte, die einen Kasus manifestiert. Kasus [ist] eine grundsätzlich offene ‚Form des Problematischen selbst‘ […], die in der Geschichtsstruktur der Novelle eine probehafte Lösung enthält, die ihrerseits diskussionswürdig ist, auch wenn dieses strittige Potential in der textinternen Rezeption der brigata dezidiert ausgeblendet bleibt. 16 9 Haustein 2006, S. 18. 10 Vgl. Haustein 2006, S. 18. 11 Haustein 2006, S. 6. 12 Stierle 1973, S. 356. „Das Exemplum ist eine Form der Expansion und Reduktion in einem. Expansion im Hinblick auf die zu Grunde liegende Sentenz, Reduktion im Hinblick auf eine Geschichte, aus der herausgeschnitten, isoliert wird, wessen die Sprachhandlung des Exemplums bedarf, um sich zu konkretisieren. Doch besteht über die Richtung, in der der Text sich konstituiert, kein Zweifel. Die Regel für die Einheit des Ganzen, das sich aus dem umgreifenden Ganzen einer Geschichte herauslöst und autonom setzt, liegt im ‚Endzweck‘ des Exemplums, dem moralischen Satz.“ (ebd.). 13 Rippl 2014, S. 20. 14 Jolles 2006, S. 191. Er hat den Begriff des Kasus 1930 unter Bezugnahme auf Rechtsfälle auf literarische Texte angewandt (vgl. ebd., S. 171-199). Eine Auseinandersetzung mit Jolles und der ihm nachfolgenden ‚Kasus‘-Forschung findet sich bei Emmelius 2010, S. 54-59, und Rippl 2014, S. 19-29. 15 Vgl. Stierle 1973, S. 347-375. 16 Emmelius 2010, S. 59 f. <?page no="160"?> 160 1 Exemplarisches Erzählen in G 23 Der jung Kauffman Nicola mit seiner Sophia Das bedeutet jedoch nicht, dass Dekameron -Novellen keinen exemplarischen Gehalt haben, er „wird nur poblematisiert, reflektierbar gemacht“ und „zur Beurteilung vorgelegt“ 17 . Darin liegt der grundlegende Unterschied zum exemplarischen Erzählen, das nicht zur Beurteilung, sondern zur Nachahmung anregen soll. 18 Die interpretatorische Leistung bleibt im Dekameron den Rezipienten vorbehalten, weil eine eindeutige ‚moralisatio‘ der Novellen, d. h. ihre Kommentierung und Bewertung, ausbleibt. Das Dekameron stellt sich somit als ein Spiel mit dem Rezipienten dar, der sich in einem sicheren narrativen Rahmen wähnt, sich in Wirklichkeit jedoch permanenten Widersprüchen ausgesetzt sieht. 19 Während die Rezeption der Dekameron -Novellen eine eigenständige Beurteilung erfordert, regt Sachs mit Hilfe der exemplarischen Handlungsdarstellungen seine Rezipienten zur Nachahmung an oder führt, wie im vorliegenden Fastnachtspiel, vor, wie man sich nicht verhalten sollte. Insgesamt enthält das Fastnachtspiel 11 Monologe, womit gut ein Viertel (98 Verse) des Stückes aus monologischer Figurenrede besteht. Wie es für das Fastnachtspiel nach 1550 charakteristisch ist, wählt Sachs für den Einstieg in die Handlung einen Expositionsmonolog, der Teile der Vorlage wiedergibt. In der Novelle berichtet der Erzähler Dioneo vor dem Einsetzen der Intrigenhandlung vom Leben in Palermo. Er charakterisiert die Frauen der Stadt, die zwar „schöne frawen warn, aber zucht vnd ern grosse feindin waren, vnd wer ir natur nitt gekennet het sy für die züchtigisten frawen aller welt gehalten het“ (Arigo 1860, S. 533). Es handle sich um Prostituierte, professionelle Betrügerinnen und Beutelschneiderinnen, die Seefahrer und Kaufleute bezirzen, um sie um ihr Geld zu bringen. Sodann schildert er, wie die Liebesgeschichte von Bianchafiore und Nicolo Cingano begann. Im Expositionsmonolog (vv. 1-20) von Nicola verbleibt gegenüber der Vorgeschichte der Novelle nur die Liebesbeziehung: Ach, wie wol wil mir hie das gluͤck Volkuͤmmenlich in allem stuͤck, Bin hie zu Palermo gelegen Von meins Kauffman handels wegen, 5 Zwey Monat lang, vnd mir zu frummen In rechter liebe vberkummen 17 Stierle 1973, S. 362. 18 Vgl. Stierle 1973, S. 362. 19 Vgl. Kocher 2005, S. 155. <?page no="161"?> 161 Ein Edle Frawen, schoͤn vnd zart, Die mich gantz holdtseliger art Lieb hat vnd pflegt freundtlicher weyß 10 Mit geschenck, koͤstlich tranck vnd speyß Derhalb ich noch ein Monat bleib Zu letzen mich mit diesem Weib, Wiewol ich gester all mein war Verkaufft hab, bin bezalet par 15 Golt gulden viertzig vnd fuͤnffhundert; Auff das ich nit wert außgesuͤndert, Wil ich gleich jetzt zu jr hingehn. Schaw, schaw, sich ich nit dorten sthen Chanigiano, mein freundt, den alten? 20 Ich eil, er sol mich nit auffhalten. Im ersten Teil (vv. 1-12) reflektiert Nicola in einer vergleichweise kurz ausfallenden Affektdarstellung über sein Glück mit einer Frau. Der reflexive und auch der zweite berichtende Monologabschnitt dienen der Zusammenfassung und Wiedergabe der wichtigsten in der Vorlage präsentierten Sachverhalte. Die beiden Abschnitte stellen in knapper Ausführung dar, weshalb Nicola in Palermo weilt, wie lange er schon vor Ort ist, wie Sophia ihn für sich gewonnen und verführt hat, dass er seine ganze Ware mit gutem Gewinn verkauft hat und nun plant, zu seiner Geliebten zu gehen. 16 Verse liefern den Rezipienten Informationen über die Vergangenheit und die zukünftigen Planungen. Offensichtlich dient der in dieser Art gestaltete Expositionsmonolog vorrangig der Handlungsbegründung, zu der auch die kurz dargestellte Liebesaffektion gehört. An diesem Beispiel ist die Ähnlichkeit zwischen der Funktion der Erzählerrede in der Vorlage und des Monologs in der Bearbeitung besonders gut erkennbar, da durch die Transformation der Erzählerrede in eine Figurenrede die dramatische Figur zumindest in den ersten beiden Monologabschnitten die Funktion des Erzählers übernimmt. Im dritten Teil des Monologs (vv. 17-20) ist das enthüllte Motiv der Verliebtheit für die Figur handlungsleitend: Nicola will zu seiner Geliebten, bevor ein Nebenbuhler seinen Platz einnehmen könnte. Er sieht jedoch seinen Freund Chaningiano und hofft, nicht lange aufgehalten zu werden. Teichoskopisch beschreibt Nicola das Herannahen des Freundes, sodass der Monolog direkt in den Dialog übergehen kann. Im Gegensatz zur Quelle, in der der Erzähler mitteilt, dass die Frauen in Palermo unzüchtig und betrügerisch sind, ist nach dem ersten Monolog für die Rezipienten nicht ersichtlich, dass die Geliebte Nicola betrügen will. Diese 1 Exemplarisches Erzählen in G 23 Der jung Kauffman Nicola mit seiner Sophia <?page no="162"?> 162 1 Exemplarisches Erzählen in G 23 Der jung Kauffman Nicola mit seiner Sophia Tatsache macht erst der darauffolgende Dialog zwischen Chaningiano und Nicola deutlich. Darin weist der Freund Nicola mit den Worten „sie wirt dir deinen beutel schern“ (v. 29) ausdrücklich auf den betrügerischen Charakter der Geliebten, Sophia, hin. Im Fastnachtspiel sind die Rezipienten und die Figuren, anders als in der Vorlage, auf demselben Informationsstand. Dort erfahren nur die Rezipienten, dass die Frauen in Palermo betrügerische Absichten hegen. Auf dieses Verhalten geht Sachs noch einmal im Abgangsmonolog des Freundes ein (vv. 45-50): 45 Ach Gott, der jung ist gar verblendt In lieb, es wirt ein boͤses endt Umb jn nemen, weil trewer raht Und warnung bey jm hat kein stadt, So muß ich jn gleich lassen farn, 50 Weil er sich selb nit wil bewarn. Im strukturellen Gefüge bildet der Monolog hier zusammen mit dem Expositionsmonolog (vv. 1-20) einen Rahmen für die Szene und hat die Funktion, sie zu beschließen. Inhaltlich vermittelt er keine neuen Informationen im Vergleich zum vorhergehenden Dialog: Der Freund reflektiert über die negativen Auswirkungen der Liebe für Nicola, weil dieser nicht auf seine Warnungen hören will. Damit übernimmt Sachs einerseits die grundlegende erzählerische Anlage der Novelle, in der die rahmensetzende Situation bereits ausgeführt ist. Andererseits führt er ein Leitmotiv ein, das in der abschließenden Lehre wieder aufgegriffen wird: Die Liebe zu ‚falschen‘ Frauen, die für die Männer ein schlechtes Ende nimmt. Retardierend dient der Monolog als an die Rezipienten im äußeren Kommunikationssystem gerichtete Affirmation der gegenüber Sophia im Dialog geäußerten Zweifel. Da Sachs offen lässt, woher der Freund sein Wissen bezieht, greift die Figur weit über die entwickelte dramatische Situation hinaus. Nur der Nebentext, der Chanigiano als „alt freundt“ (v. 21) einführt, macht Lebenserfahrung als mögliches Motiv der Warnung deutlich. Vor diesem Hintergrund erhält die Fremdcharakterisierung von Nicola als in Liebe verblendeter „Junge“ ihre Bedeutung. Die Konstruktion einer zukunftsungewissen Prolepse baut dabei ein Spannungsmoment auf, das dem der Vorlage entspricht. Es bleibt offen, ob das prophezeite schlechte Ende eintritt. Im dramaturgischen Aufbau ordnet Sachs so der Figur des Freundes die Hinführung zum Handlungskonflikt zu. In der Vorlage ist dem Freund die Rolle vorbehalten, für den ‚rettenden Umschwung‘ zu sorgen, d. h. er wird erst nach dem Betrug an Nicolo in das Ge- <?page no="163"?> 1 Exemplarisches Erzählen in G 23 Der jung Kauffman Nicola mit seiner Sophia 163 schehen eingeführt. Indem Sachs nun den Freund früher als in der Vorlage in das Handlungsgeschehen integriert, erreicht er, dass die Rezipienten und auch die Figur Nicola noch vor dem Betrug über das betrügerische Verhalten der Frauen in Palermo informiert sind. Diese Technik ist prototypisch für die Mehrzahl der in diesem Fastnachtspiel eingesetzten elf Monologe. Die handlungsbezogene Informationsvergabe findet in den meisten Fällen entweder im vorhergehenden oder nachfolgenden Dialog statt. Im strukturellen Gefüge positioniert Sachs zusätzlich zum Expositionsmonolog weitere fünf Monologe zu Beginn einer Szene. In beinahe jedem dieser Monologe erfolgt eine reflektierende Vermittlung des Handlungskonflikts, der sich um die Intrigen spannt. Die Monologe am Ende der Szenen nehmen ebenso Bezug auf den Konfliktstoff, jetzt aber in der Weise, dass sie eine Sichtweise des vorhergehenden Dialogs betonen, wie der Monolog des Freundes am Ende der ersten Szene zeigt. Demnach hätte Sachs den Plot des Fastnachtspiels auch ohne die meisten Monologe vermitteln können. Wie Sachs den Auftrittsmonolog funktionalisiert, um den Stand der Intrigenhandlung zu verdeutlichen, zeigt exemplarisch 20 die Rede Sophias zu Beginn der siebten Szene (vv. 219-222): Mich duͤnckt, sol ich die warheit jehen, 220 Ich hab mein Kauffman wider gsehen Fuͤrlauffen eilendt ins Zolhauß; Mich dunckt, er streich sich wieder rauß. Indem Sophia darüber reflektiert, dass sie Nicola im Zollhaus gesehen hat, bestätigt sie die von ihm in seinem Auftritt-Abgangs-Monolog 21 in Gang gesetzte 20 Zum Vergleich der Monolog der Magd zu Beginn der achten Szene (vv. 270-275): Unser Juncker ist wider hie; Kein ding mich groͤ sser wundert nie, Weil jn mein Fraw vor hat geefft, Das er trawdt wider jrem gschefft Und nit merckt, das er ist vnwerdt, Allein nur seines gelts begerdt. Vornehmliche Funktion des Monologs ist hier, einen Zeitsprung zu signalisieren und einen Szenenwechsel einzuleiten. Als Fremdcharakterisierung gibt die Magd reflektierend ihre Verwunderung über das Verhalten Nicolas zum Ausdruck, der trotz des geschehenen Betruges zu Sophia zurückkehrt. 21 Nicola berichtet (vv. 211-218), dass er das getan habe, was ihm sein Freund riet. Dabei bleibt kein Zweifel über die handlungsleitenden Motive der Figuren. Entsprechend folgt die Enthüllung der feststehenden Absicht Nicolas, nun zu Sophia zu gehen, um sie zu betrügen: Nun walt sein Gott vnd alles gluͤ ck, Ich hab gewaget dieses stuͤ ck <?page no="164"?> 164 1 Exemplarisches Erzählen in G 23 Der jung Kauffman Nicola mit seiner Sophia zweite Intrige. Es wird angedeutet, dass Nicolas Plan aufgehen könnte, da Sophia sein geschäftliches Treiben bereits bemerkt hat. Ihre persönliche Reflexion über diesen Vorgang ist eine wesentliche Funktion dieses Monologs. Lässt man die Funktion für Zeitsprung und Ortswechsel außer Acht, erscheint er handlungsbezogen nicht weiter notwendig: Die Magd liefert anschließend ebenso einen Bericht über die Geschäfte von Nicola im Zollhaus. Erst mit ihrem zweiten Monolog in der siebten Szene (vv. 235-238), der den Rezipienten nochmals vermittelt, dass Sophia das Treiben Nicolas wahrgenommen hat, folgt der Entschluss, den Geschäftserfolg Nicolas sofort für sich zu nutzen: 22 235 Ich muß mein list gar eben spitzen, Das mir der Vogel thu auff sitzen, Den ich vor gar verschewet hab. Da kumbt gleich der einfeltig Knab. Der Überleitungsmonolog macht deutlich, wie der Handlungskonflikt sich zu einem Zweikampf zwischen der List Nicolas und der Sophias zuspitzt. 23 Sachs folgt damit wieder eng dem Handlungsstrang der Vorlage, in der zwei gegenläufige Initiativen aufeinander treffen. Durch das mehrperspektivisch vergebene Wissen sind die Rezipienten über die Pläne der beiden Kontrahenten informiert, während im inneren System die Figuren, besonders Sophia, noch in Unkenntnis über die beabsichtigten bzw. in Gang gesetzten Maßnahmen der jeweils anderen Seite bleiben. Die durch den Informationsvorsprung der Rezipienten und Infor- Vnd mein wahr bracht; wil zu den sachen Mich fein hurtig vnd gschefftig machen, Der zarten threten fuͤ r das Hauß, Ob ich noch brecht mein geltlich rauß Mit arglisten, betrug vnd luͤ g, Ob ein trug den andern betruͤ g. Sachs hat den Auftritt-Abgangs-Monolog als eigene Szene gestaltet, um einen Zeitsprung zu verdeutlichen. Mithilfe des analeptischen Aufbaus kann er zusammengefasst wiedergeben, was sich nicht darstellen ließ. Zu erschließen ist für die Rezipienten, dass Nicola in der nicht dargestellten Zeit des Szenenwechsels nach Salerno gefahren ist, die Fässer und die Strohballen besorgt und die gesamte Ware präpariert und im Zollhaus eingelagert hat. Im Dekameron wird dieser Vorgang in ähnlicher Weise, allerdings nicht als Innensicht Nicolos, vermittelt, sondern als Narration des heterodiegetischen Erzählers. 22 Vgl. Geiger 1904, S. 13, der in diesem Monolog die für Sachs typische „Entstehung des Wollens“ sieht. 23 Vgl. zum Motiv der List in den Fastnachtspielen von Sachs: Röcke 2009, S. 290 f. <?page no="165"?> 1 Exemplarisches Erzählen in G 23 Der jung Kauffman Nicola mit seiner Sophia 165 mationsrückstand der Figuren erreichte Technik des suspense ist der Vorlage entnommen, wo sie weit detaillierter ausgeführt ist als bei Sachs. 24 Weil die Handlungskonstruktion auf einer doppelten Intrige beruht, kann Sachs mit dem Auftrittsmonolog nachvollziehbar machen, an welchem Punkt der Intrige sich das Geschehen befindet. Die kommentierende Wertung gibt er vor allem in die Abgangsmonologe. Abgesehen vom Expositionsmonolog sind es lediglich zwei Monologe, die handlungsrelevantes Wissen vermitteln, das nicht vorhergehende oder nachfolgende Dialoge zusätzlich präsentieren. Dabei handelt es sich um den Auftrittsmonolog der Magd zu Beginn der dritten Szene und den Auftrittsmonolog Nicolas zu Beginn der vierten Szene. Die Intrige ist zum Zeitpunkt, an dem die Magd monologisiert (vv. 119-135), soweit vorangeschritten, dass Nicola Sophia das Geld geliehen und diese ihrer Magd befohlen hat, ihn nicht mehr in das Haus einzulassen: Meinr Frawen list, den muß ich loben; 120 Sie hat gefangen auff dem kloben Den jungen einfeltigen gauch Und hat jn wol berupffet auch, Sein federn jm mehr werden sol. Mein Fraw hat mir beuolhen wol, 125 Wenn er kumb an das Hauß zu klopffen, Sol ich abfertigen den tropffen, Sprechen, mein Fraw sey vberfeldt, Ob er gleich fordern wirt sein gelt Vnd mit jm kumb fuͤr Gricht vnd Raht. 130 Weil er kein zeugn vnd Handtschrifft hat, So wirt mein Fraw jm darfuͤr schwern; Das schadt jr gar nichts an irn Ern. Narren muß man mit kolben laussen. Mich duͤnckt, der jung lap klopf schon dausen. 135 Seit irs? Mein Fraw ist nit anheimb. Die Verse 119-124 vermitteln analeptisch, wie im Szeneneinschnitt zwischen dem Ende der zweiten und dem Beginn der dritten Szene der Betrug erfolgreich 24 Dem entspricht, dass die zweite Szene, im Gegensatz zur ersten, ohne Monologe zur Strukturierung auskommt und auch die Planung der Intrige, Nicola um sein Geld zu betrügen, in den Dialog zwischen Sophia und der Magd gelegt wird. Weder die Initiierung des Betrugs noch die Szenenstrukturierung erfolgt in der zweiten Szene mittels Monolog. <?page no="166"?> 166 1 Exemplarisches Erzählen in G 23 Der jung Kauffman Nicola mit seiner Sophia von statten gegangen ist. Der Bericht der Magd über den gelungenen Betrug verdeutlicht zusätzlich, dass Zeit vergangen ist. Im weiteren Verlauf des Monologs (ab v. 124) erläutert sie das mit Sophia vereinbarte Vorgehen, wonach Nicola mangels Zeugen und sonstigen Beweismitteln sein Geld weder von ihr zurückfordern noch vor Gericht einklagen kann. Wie für dieses Fastnachtspiel charakteristisch, erläutert der Auftrittsmonolog vorrangig den entstandenen Handlungskonflikt und die Frage, wie es Sophia möglich war, Nicola zu überlisten. Sachs nutzt den Monolog zugleich, um die Zeitspanne der Vorlage zusammengefasst darzustellen und die Erzählerrede in monologische Figurenrede zu übertragen. Im Dekameron heißt es in Bezug auf die verstrichene Zeit: „vnd nun wol nicht allein die virczehen tagen vergangen waren, sunder mer dann zů dreyen malen virczehen, das er seines geltes nit gehabt het“ (Arigo 1860, S. 538). Der nur in diesem Monolog verankerte Hinweis, dass Nicola keinen Zeugen oder Beweis für den Geldverleih hat, ist eigentlich Wissen, über das die Magd nicht begründet verfügen kann; ebenso wie es auf die Nebenfigur des Freundes im zitierten Beispiel zutraf. Dennoch ordnet Sachs ihr dieses Wissen zu. Auch wenn die Informationsvermittlung nur im Monolog erfolgt, erhalten die Worte in gleicher Weise wie in der Rede des Freundes die Eigenschaft einer Fremdcharakterisierung Nicolas: Sie kontrastiert seine Naivität mit ihrer Unverfrorenheit. Durch diese Darstellung fügt Sachs dem Bericht über den Fehler des „Jungen“, den Geldverleih nicht abzusichern, einen belehrenden Charakter bei. 25 Die Vorlage thematisiert ebenso das fehlerhafte Verhalten Nicolas. Während Sachs im Fastnachtspiel die Belehrung von ‚außen‘ mit Hilfe der Magd den Rezipienten, nicht aber Nicola vermittelt, ist es im Dekameron Nicolo selbst, der in einem selbstreflexiven Gedankengang zu der Erkenntnis kommt, dass er keinen objektiven Beweis für das Verleihen des Geldes hat und darum das öffentliche Gespött fürchten muss: Doch nach langen peyten des pösen weybs falsche list vernomen vnd mercken vnd sein wenig synne was er gethon het bedencken ward sich des geltes gancz verwage dann weder geschrift noch geczeugen hette das er der frawen icht gelichen het, Noch vil mere vnd arger er muste sich schamen das zů klagen, do von nyemant sagen dorste dann er was etlichs vor hin gewarnet worden (Arigo 1860, S. 538). Trotz der situationsvermittelnden Rolle der Magd hat auch ihr Monolog einen retardierenden Grundzug, da bereits aus dem vorangegangenen Dialog die Betrugsabsicht bekannt ist; daneben ist in der zweiten Szene auch bereits geschildert, wie Sophia ihrem vermeintlichen Geliebten die plötzliche Geldnot 25 Zugleich dürfte, zumindest indirekt, die Figur des Nicola als Kaufmann bloßgestellt sein, da er offensichtlich nicht einmal Grundlagen des kaufmännischen Geschäfts beherrscht. <?page no="167"?> 1 Exemplarisches Erzählen in G 23 Der jung Kauffman Nicola mit seiner Sophia 167 glaubhaft gemacht hat. Die im Monolog thematisierte, erfolglose Geldforderung Nicolas stellt im weiteren Verlauf der dritten Szene der Dialog zwischen Nicola und der Magd dar. Wenn man den Sinn der Selbstrede nicht allein darin sieht, dass Sachs noch einmal den in Gang gekommenen Konflikt verdeutlichen will, so ist die handlungsbezogene Funktion wohl in erster Linie aus der Erzählstruktur der Novelle zu erklären, in der eine Abfolge von Ereignissen dominiert. Für diese Ereignisse, die das Grundgerüst auch der dramatischen Fabel bilden, ist es bedeutsam, dass der schon bald, nämlich in der vierten Szene, geplante Betrug an der Betrügerin ebenso folgenlos bleiben kann wie ihr eigener. 26 Geschäfte, die letztlich nur auf gern geglaubten Vermutungen basieren, bilden den Drehpunkt der Intrigen im Handlungsbogen. Notwendigerweise muss also Sachs zur Begründung der Handlungslogik darauf Bezug nehmen, wie es dann etwa auch in der Rede der Magd geschieht. Die zeitliche und logische Ebene der Erzählstruktur ist hier sichtbar Teil der Rede. Im Dekameron nimmt die präzise Schilderung der Geschäftsgänge einen relativ breiten Raum ein. Der kaufmännische Hintergrund der Erzählung ist auch durch die Charakterisierung des Ratgebers, den Nicolo aufsucht, sowie durch den mehrmaligen Hinweis auf die Verpflichtungen des jungen Kaufmanns seinem Auftraggeber gegenüber weitaus bedeutungsvoller ausgeführt. Sachs reduziert dies auf ein notwendiges Minimum. Er konzentriert die Handlung des Spiels auf die Komplexe ‚betrogene Betrüger‘ und ‚falsche Liebe‘. Dabei muss er sich im Klaren darüber gewesen sein, dass das Wissen über Zeugen und andere Beweismittel bei kaufmännischen Geschäften unabdingbar für das Verständnis der Intrige ist. Der Abgangsmonolog der Magd am Ende der knapp gehaltenen dritten Szene (vv. 141-146) führt diese Akzentsetzung weiter. Mit ihm reflektiert die Magd schadenfroh über die Dummheit Nicolas und will Sophia davon berichten: Der Lap hat einen sturm verlorn Wie soln jm klingen seine orn, Sein Gelt sol jn wol heimlich nagen. Ich wils gehn meiner Frawen sagen. 145 Ich mein, sie wert des Kautzen lachen Sie kan wol Lappn vnd Esel machen. 26 Die Erklärung dafür liefert der Vorgang der Bestätigung bzw. Bezeugung des vereinbarten Geschäftes. Sophia, klüger als er zuvor, verlangt für die Zurverfügungstellung der benötigten Summe von Nicola die einstweilige Überschreibung der im Zollhaus befindlichen Waren als Pfand (8. Szene). Darauf geht Nicola ein und ist, zumindest formal, nicht anzuklagen, weil allein die einzelnen Waren notiert werden, nicht aber ihr Wert. <?page no="168"?> 168 1 Exemplarisches Erzählen in G 23 Der jung Kauffman Nicola mit seiner Sophia Der Monolog präsentiert als Fremdcharakterisierung eine Sichtweise auf die Situation Nicolas und gibt erneut keine für den fortlaufenden Handlungsgang relevanten Informationen. Zu Beginn der vierten Szene kontrastiert der Auftrittsmonolog von Nicola (vv. 147-152) die figurenspezifische Sicht der Situation aus der dritten Szene: Ach Gott, was sol ich fahen an? Ach, das ich nit gefolget han Meim alten freundt, der mich thet warnen 150 Vor dieser falschen Frawen garnen. Ich wil jm gehn mein hartsel klagen Vnd vmb ein trewen rath jn fragen. Reflektierend beklagt Nicola, nicht auf die warnenden Worte seines Freundes gehört zu haben, dem er nun geläutert sein Leid klagen und den er um Rat fragen will. Die kontrapunktische Abfolge der Monologe von Magd und Nicola macht die Akzentsetzung für die Anlage des Fastnachtspiels überdeutlich: Dem Lob der listigen Frau und der Schmähung des dummen „Lap“ (v. 141) folgt unmittelbar Nicolas Auftritt, der seiner Verzweiflung „Ach Gott, was sol ich fahen an? “ affektgeladen Ausdruck verschafft. Der von der Magd gelobten List stellt Sachs durch Nicola die Falschheit von Sophia gegenüber. Für diesen Monolog findet sich in der Vorlage die bereits oben zitierte narrativierte Gedankenrede Nicolos. Im Handlungsaufbau des Dekameron stellt Nicolos Zweifel die Peripetie dar. Bezeichnenderweise findet sich der Übergang zum entscheidenden Umschwung der Handlung in der Reflexion Nicolos. Seine ‚Situationsanalyse‘ ist von großer Scham über sein Handeln geprägt. Er hat sich selbst in eine katastrophale Lage gebracht, indem er sich hinters Licht hat führen lassen. Er hat nicht nur seine Gefühle ‚falsch investiert‘, sondern durch den Verlust des Geldes, das er dem Auftraggeber seiner Geschäfte schuldet, ist er auch beruflich desavouiert. Aus dieser Krise heraus fasst Nicolo den Entschluss, Rat bei einem erfahrenen und hochangesehenen Kaufmann zu suchen, dem Schatzmeister der Kaiserin von Konstantinopel, Chaningiano. Die Lösung des Problems ist damit handlungsimmanent eingeführt, weil Nicolo selbst diesen Schritt geht und sein Fehlverhalten an höchster Stelle offen legt. Damit ergibt sich der Umschwung in der Vorlage allein auf der Grundlage einer entwickelten Handlungsintention des Protagonisten. An der Übertragung ist deutlich zu erkennen, dass Sachs mehrere Aspekte aus dem Gedankengang Nicolos in der Vorlage aufgreift. So fügt er in den Monolog der Magd das Fehlen von Zeugen und Beweismitteln ein; die Warnungen <?page no="169"?> 1 Exemplarisches Erzählen in G 23 Der jung Kauffman Nicola mit seiner Sophia 169 gestaltet er als Dialog zwischen Nicola und seinem Freund und intensiviert sie noch durch den Monolog Chaningianos; Nicolas Klage über seine Tat integriert Sachs als Monolog Nicolas. Auch wenn die Monologe in der Bearbeitung wichtige Funktionen zur Darstellung der Handlung übernehmen, verankert Sachs die krisis entgegen der Vorlage nicht monologisch in einem introspektiven Gedankengang, sondern lässt sie erst in der Schilderung Nicolas im Dialog mit dem Freund in der vierten Szene in ganzer Tiefe zutage treten. Dort verortet er neben den Aspekten der Verpflichtungen des jungen Kaufmanns auch die Angst um Ehre und Besitz sowie seine Verzweiflung. Sachs nutzt hier den Monolog nicht für die ausführliche Explikation der situationsverändernden Handlung, weshalb die vierte und fünfte Szene, in denen die Intrige geplant wird und ihren Anfang nimmt, ohne weitere Monologe auskommen können. Sachs räumt den Nebenfiguren in gleichem Maß wie den Hauptfiguren Nicola und Sophia Handlungsspielraum ein. Gerade die Aufwertung der Magd, die in der Vorlage keine Redeanteile hat, macht deutlich, wie Sachs die Nebenfiguren funktionalisiert. Die Magd wird einerseits Sophia als Dialogpartnerin beigegeben, anderseits kommentiert sie die Handlung. Für die Übertragung der Erzählstruktur verschafft sich Sachs darüberhinaus die Möglichkeit, auch narrative Passagen und Reflexionen an eine Nebenfigur vergeben zu können. Daran ist der in allen Spielen festzustellende pragmatische Umgang mit dem Monolog als Variante der Figurenrede erkennbar: Monologe dienen nicht etwa als Heraushebungen von Gedanken oder Plänen, die nur den Hauptfiguren im Stück zufallen, sondern fungieren strukturell-gliedernd oder zur Vermittlung handlungsbezogener Informationen. Die von Sachs präsentierte Technik kann man dabei als flexibel einsetzbare ‚Brücke‘ im methodischen Vorgehen zur Übertragung der textuellen Struktur von Vorlagen in eine dramatische Form ansehen. Das damit herausgestellte instrumentelle Verständnis für den Einsatz von Monologen schließt den Einbezug der Nebenfiguren ein, zumal unter der von Sachs gewahrten Prämisse einer Reduktion von Figurenzahl, von Situationswechseln und von Handlungssequenzen auf ein für Fastnachtspiele tragfähiges Minimum. Die Einführung und funktionale Verflechtung von Nebenfiguren auch über Monologpassagen ist so unmittelbar ein Faktor der sequenziellen Präsentation und der situativen Anforderungen. Während im Dekameron sowohl das Verhalten von Bianchafiore (Sophia) als auch von Nicolo von den beteiligten Figuren nicht kommentiert wird und die In- <?page no="170"?> 170 1 Exemplarisches Erzählen in G 23 Der jung Kauffman Nicola mit seiner Sophia trige von Nicolo gleichrangig neben der von Bianchafiore steht - und in diesem Sinne der Kasus die Formen der Intrige, List und Gegenlist verhandelt -, relativiert Sachs zumindest moralisch das durchaus falsche Verhalten von Nicola, mit Betrug auf Betrug zu reagieren. Er fügt einen Dialog zwischen Sophia und der Magd ein, wonach Sophia sich ein neues Opfer suchen will. Zusätzlich dienen die Kommentare bzw. Haltungen in den Monologen der Magd und Nicolas als Kontrastierungen und setzen Akzente, die als moralisierende Bewertung erkennbar sind. Sachs gibt wie etwa im letzten Monolog zu Beginn der neunten Szene (vv. 334-341) ‚Interpretationshilfen‘, die so nicht Teil der Novelle sind, und überlässt die Wertung nicht den Rezipienten: Mein Fraw leicht tausendt guͤlden hin, 335 Ist noch viel kecker denn ich bin, Meindt leicht, er sey mit lieb besessen, Sie woͤl mit wahr vnd oͤll in fressen. Sie wil haben das hem zumb rock. Sie wirt ein mal stossen der Bock, 340 Wirt nit almal treffen ein Schaff, Sonder ein, der jr vnzucht strafft. Die Magd reflektiert im Monolog in ausgedehnter Fremdcharakterisierung über das Verhalten ihrer Herrin. Nachdem sie feststellt, wie keck Sophia handelt, kommt sie zu dem Schluss, dass der Habgier und dem Übermut ihrer Herrin irgendwann die Strafe folgen müsse. Weil selbst Sophias Vertraute ihr Verhalten als strafwürdig einschätzt, erfährt die List Nicolas durchaus eine Rechtfertigung. Daneben wird mit dem Monolog der Magd ein Zeitsprung vermittelt, der es Sophia ermöglicht, am Ende der neunten Szene mit Nicola die Bühne zu verlassen und anschließend wieder aufzutreten. Die meisten der elf Monologe sind wie derjenige der Magd Reflexionen über das Verhalten anderer Figuren. Zieht man kontrastierend die komplexen Reflexionen und Affektdarstellungen aus den Dekameron -Bearbeitungen der Schauspiele hinzu, zeigt sich die bewertende Funktion der Monologe in dieser Dekameron -Bearbeitung umso deutlicher. Ist in Tragedi und Comedi den Figuren schon jede Ambivalenz genommen, fehlt ihnen im Fastnachtspiel jede reflexive Innensicht. Stattdessen begleiten sie den Handlungsgang, kommentieren das Verhalten der anderen Figuren und arbeiten auf die Lehren im Epilog hin. So kommt ihnen eine Fokussierungsfunktion zu, indem sie, ohne neue Inhalte zu vermitteln, erneut auf einen zukünftigen oder vorangegangenen Aspekt verwei- <?page no="171"?> 1 Exemplarisches Erzählen in G 23 Der jung Kauffman Nicola mit seiner Sophia 171 sen. Die in der Vorlage bereits gegebene straffe Handlungsführung ist dadurch mehr als einmal retardierend gebremst. Sachs nutzt demnach die Monologe auf der handlungsbezogenen Ebene, um Sichtweisen zum Stand der Handlung und Verdichtungen des Konflikts zu vermitteln. Er führt die Rezipienten durch die Handlung, ohne dass Leerstellen bleiben, die das Verständnis erschweren könnten. Der Aussage von Knape, wonach Sachs mit der Funktionszuweisung das Gesamtgeschehen dem Erwartungshorizont des Publikums anpassen wollte, ist deshalb auch für diese Dekameron -Bearbeitung zuzustimmen. 27 In der Gesamtschau scheint es so, als ob Sachs zunächst den Plot der Novelle strukturiert hat, um ihn dann durch inhaltliche ‚Anker‘ in Gestalt von Monologen zu ergänzen. Gerade die kasuistische Erzählform der Novelle könnte eine solche Vorgehensweise evoziert und ihn zur gezielten Ausarbeitung der chronologischen wie logischen Struktur der Fastnachtspiele inspiriert haben. Da in der Vorlage eine Wertung in Form einer Lehre ausbleibt und weniger offensichtlich als bei Sachs die Rezeptionslenkung zutage tritt, bleiben die beiden Intrigen beinahe unkommentiert nebeneinander stehen. Lediglich ein wertender Hinweis findet sich, nachdem Dioneo die Geschichte beendet hat und die Rahmenhandlung des achten Tages fortsetzt wird. Darin hebt die Brigata im Gespräch das Verhalten Chaningianos lobend hervor: „den weisen rate herren Peter Chaningiano sere lobten, Der dem iungen kaufman wider daz falsch weybe also treülich geratenn vnd geholffen het“ (Arigo 1860, S. 543). Sachs dürfte den Freund nicht schon aufgrund dieser Wertung in der ersten Szene in das Geschehen eintreten und ihm eine positive Rolle zukommen lassen. Zwar ist die Figur Chaningiano positiv besetzt, seine Funktion ist es jedoch, das betrügerische Verhalten der Frauen und des Mannes, der durch ‚falsche Liebe‘ verblendetet ist, zu bewerten und als Leitmotiv herauszustellen; die abschließende Lehre fasst diese Gewichtungen dann als exemplarische Deutung zusammen. Wie in Fastnachtspiel G 16 Der schwanger Pawer von 1544 - das mit nur einem Monolog auskommt - behält Sachs ebenfalls die Handlungsabschnitte der Vorlage im Wesentlichen bei, die jedoch in allen entscheidenden Passagen im Fastnachtspiel dialogisch gefasst sind. Würde man die Monologe aus dem Spiel G 23 herausnehmen, blieben demnach nicht nur der Handlungsgang selbst, sondern auch fast alle handlungstragenden und situationsbezogenen Informationen erhalten. Eine Ausnahme stellt hier die Information über das Fehlen von Zeugen und Beweismitteln für Nicolas Gläubigerstellung dar. Selbst die Peripe- 27 Zum Verständlichkeitsanspruch bei Sachs insgesamt vgl. Epping-Jäger 1996, S. 490-522 und Knape 1995, S. 50. <?page no="172"?> 172 1 Exemplarisches Erzählen in G 23 Der jung Kauffman Nicola mit seiner Sophia tie ist weitaus ausführlicher in den Dialog als den Monolog gelegt, was einen wesentlichen Unterschied zur Quelle ausmacht, die sie in narrativierter Rede als Gedankengang Nicolos präsentiert. Nicht übernommen wurden hingegen die expliziten Bewertungen des Verhaltens, die nachweislich eine rezeptionslenkende Funktion haben. Die Dekameron -Bearbeitungen im Fastnachtspiel G 16, G 23 und als Tragedi und Comedi machen deutlich, dass Sachs die Handlungsstruktur der jeweiligen Novelle ohne große Umarbeitungen für die dramatische Bearbeitung nutzen konnte. Im Fastnachtspiel G 16 führt das zu einem ersten Ortswechsel, einem einmaligen Szeneneinschnitt sowie zu einem dreiteiligen Handlungsaufbau, der auf die Intrige konzentriert ist. Allerdings sind Handlungsstruktur und Szeneneinschnitt noch nicht aufeinander abgestimmt. Wie in G 23 nimmt Sachs in Tragedi und Comedi die Struktur der Novelle zum Ausgangspunkt, um dann durch selbstständige Hinzufügungen oder Umarbeitungen ein exemplarisches Spiel aus der kasuistischen Erzählung zu machen. Dafür übernimmt er Monologe der Vorlage, deren auffallend zweifelnde und reflexive Innensichten im Korpus der dramatischen Texte nur in den Dekameron -Bearbeitungen zu finden sind, und lässt Monologe der Vorlage weg, die die eindeutige Figurenzeichnung durchbrechen könnten. Denn anders als bei Sachs zeigen die Figuren des Dekameron eine Ambivalenz, die sich mitunter erst in den fragenden und zweifelnden Monologen zu erkennen gibt. Dass Sachs diese Art der Monologe nicht für das Fastnachtspiel adaptierte und stattdessen die Reflexion auf vorheriges Geschehen oder andere Figuren richtet, ist durch die Reduktion der kasuistischen Ambivalenz auf eine eindeutige exemplarische Sinnzuweisung begründet. Für die Dekameron -Bearbeitungen bedeutet das, dass Sachs Monologe zwar übernimmt, wenn sie sich in der Vorlage finden und der Figurenzeichnung nicht ‚schaden‘, aber nicht selbstständig derartige Innensichten in anderen dramatischen Texten anbietet. Stattdessen nutzt er von ihm selbst eingefügte Figuren wie die der Berater oder der Magd, um das Geschehen durch Ratschläge und Kommentierungen für die exemplarische Ausdeutung zu nutzen. Dass Sachs jedoch die Monologe wie im Fastnachtspiel G 23 fast nur als ‚Ankerpunkte‘ für den Handlungsgang dienen, lässt sich nicht generalisieren, insbesondere nicht, wenn man die Schauspiel-Bearbeitungen hinzuzieht, weil Sachs sie ebenfalls zur Umsetzung schwer inszenierbarer Abschnitte der Vorlage verwendet. <?page no="173"?> 1 Exemplarisches Erzählen in G 23 Der jung Kauffman Nicola mit seiner Sophia 173 Tabellarischer Überblick: Sz. Vers Rede und strukturellgliedernde Funktionen handlungsbezogene Funktionen Figur Zeit und Ort 1 1-20 Auftrittsmonolog Enthüllung, Reflexion, Entschluss Teichoskopie 21-44 Dialog 45-50 Abgangsmonolog Reflexion Prolepse 2 51-118 Dialoge 3 119-135 Auftrittsmonolog Reflexion, Enthüllung Analepse, Zeitsprung 136-140 Dialog 141-146 Abgangsmonolog Reflexion, Fremdcharakterisierung Zeitüberbrückung 4 147-152 Auftrittsmonolog Reflexion, Affektdarstellung (Klage), Enthüllung 153-192 Dialog 5 193-210 Dialog 6 211-218 Auftritt-Abgangs- Monolog Enthüllung Analepse, Zeitsprung <?page no="174"?> 174 1 Exemplarisches Erzählen in G 23 Der jung Kauffman Nicola mit seiner Sophia 7 219-222 Auftrittsmonolog Reflexion Zeitsprung, Ortswechsel 223-234 Dialog 235-238 Überbrückungsmonolog Enthüllung Zeitüberbrückung 239-269 Dialog 8 270-275 Auftrittsmonolog Reflexion Zeitsprung 276-310 Dialog 311-323 Überbrückungsmonolog Reflexion, Enthüllung, Affektdarstellung (Schadenfreude) Prolepse, Zeitüberbrückung 324-333 Dialog 9 334-341 Auftrittsmonolog Reflexion, Fremdcharakterisierung Zeitsprung 342-373 Dialog 10 374-387 Rede ans Publikum Lehre <?page no="175"?> 2 Figurenkonzeption in G 22 Der farendt Schuler im Paradeiß Das Fastnachtspiel G 22 Der farendt Schuler im Paradeiß dichtete Sachs am 8. Oktober 1550, zwei Tage vor G 23. 1 Den Stoff hatte er bereits ein Jahr zuvor im Meisterlied Der farent schuler mit der pewrin bearbeitet. 2 Als Vorlage diente ihm jeweils Exemplum Nr. 463 aus Johannes Paulis Schimpf und Ernst . 3 Er nutzte die Exempla-Sammlung 4 des Franziskaner-Mönchs - neben dem Dekameron seine am häufigsten verwendete Quelle - in neun weiteren Fastnachtspielen als Vorlage. Im Gegensatz zum Dekameron fällt die Veröffentlichung von Paulis Schimpf und Ernst 1521 in eine Phase, in der Sachs bereits literarisch tätig war. Die Besonderheit von Paulis 693 heiteren und ernsten Prosaerzählungen 5 ist die Einbettung in die Predigtpraxis. Als Predigtgrundlage für Geistliche - so Pauli im Vorwort - sollen die Exempla ein gutes Rezept gegen den Kirchenschlaf sein und darüberhinaus gegen Melancholie helfen. 6 Im Unterschied zum Dekameron handelt es sich bei den einzelnen Erzählungen um Exempla, die einer theologischen „Sanktionierung“ 7 unterlagen. Paulis gundlegende Dichtungsintention, delectare et prodesse , d. h. mit heiteren Geschichten zur Besserung der Menschen beizutragen, unterscheidet sich nicht wesentlich von der seiner Zeitgenossen. 8 Der Untschied zu den neulateinischen Dichtern liegt jedoch im Rezipientenkreis: Widmete sich Pauli der Laienunterweisung in der Predigt und richtete sich damit an Rezipienten mit 1 Michael 1972, S. 258, bezeichnet das Fastnachtspiel als eines, das „den Umbruch in Hans Sachsens Schaffen am besten dokumentiert“. 2 Das Meisterlied ist bisher nicht ediert. 3 Vgl. Goetze 1881, S. X; Stiefel 1891, S. 14 f. Goetzes und auch Stiefels Annahme, dass Sachs neben Paulis Schimpf und Ernst Bebels Facetiae als Vorlage hatte, weist Stiefel selbst in seinen Nachträgen zu den Quellen von Sachs zurück. Die Annahme von Stiefel 1892, S. 208, Sachs habe neben Pauli eine deutsche Bearbeitung des französischen Gedichtes Cleriques Eques als weitere Vorlage gehabt, bleibt hier unberücksichtigt. 4 Gelegentlich auch als Schwanksammlung bezeichnet, vgl. Dietl 2007, Sp. 684, und Ziegeler 2007, S. 409. 5 Von den 693 Prosaerzählungen betitelt Pauli 457 von schimpff , 230 von ernst , 5 von schimpff vnd ernst und 1 von schimpff oder ernst . Vgl. Takahashi 1994, S. 2. 6 Vgl. Tenberg 1996, S. 68. 7 Tenberg 1996, S. 68. 8 In der Titelüberschrift schreibt er: „Schimpf und Ernst heiset das Bůch, durchlaufft es der Welt Handlung mit ernstlichen und kurtzweiligen Exemplen, Parabolen und Hystorien, nuͤ tzlich und gůt zů Besserung der Menschen“. <?page no="176"?> 176 2 Figurenkonzeption in G 22 Der farendt Schuler im Paradeiß keiner oder geringer Bildung, so dichteten die Humanisten für einen gelehrten Rezipientenkreis. 9 Trotz der konfessionellen Differenz zwischen Pauli und Sachs sowie dessen reformatorischen Zeitgenossen macht sich die Ausrichtung auf einen nicht-gelehrten Rezipientenkreis in der Predigt besonders während der Reformation bemerkbar, weil dessen Zustimmung unabdingbar für die Durchsetzung der neuen Lehre ist. Hier nun greifen Rhetorik und Predigt ineinander, auch wenn bereits Augustinus den Weg geebnet hatte. 10 Einerseits bedarf es rhetorisch versierter Prediger, die die neue Lehre in der Volkssprache verständlich verbreiten 9 Vgl. Takahashi 1994, S. 1 f., die eine Verbindung zum Fortunatus -Autor zieht und beide Werke als „das Ergebnis der vom Franziskanerorden unternommenen Bemühungen um Laienunterweisung“ sieht. In seiner Vorrede, so Classen, Albrecht 2003, S. 215 f., unterteilte Pauli die anzusprechenden Rezipientengruppen: „Die Sammlung sei zunächst speziell für die Mitglieder von Klöstern gedacht, denn diese könnten sich nicht unablässig rein geistigen Dingen widmen und bedürften von Zeit zu Zeit einer Belustigung und Unterhaltung. Weiterhin denkt der Autor an die Adligen, für die er die moralisch ernsten Erzählungen bestimmt hat, damit sie sich erschrecken und von ihrem bösen Lebenswandel Abstand nehmen. Drittens zielt Pauli auf diejenigen Menschen, die sich wenig um Gut oder Böse kümmerten und nur durch witzige Schwänke wachgerüttelt werden könnten. Insgesamt betont er aber, ‚ist nichtz hergesetzt, dan das mit Eren wol mag gepredigt werden‘.“ Zum Zusammenhang von Rhetorik, Bibelexegse und Imitatio in den Poetiken der Humanisten Plett 1994, S. 9-10: „(1) Horaz‘ Ars Poetica und ihre Tradition; (2) Aristoteles’ Poetik und ihre Tradition; (3) die (neu)platonische Tradition, […] (4) die klassische Rhetorik und ihre humanistische Adaption, (5) die Hl. Schrift und ihre Exegese von den Kirchenvätern bis zu den Theologen von Reformation und Gegenreformation.“ (kursiv im Original). 10 Die Brücke zwischen Rhetorik und Christentum schlug weit vor der Reformation Augustinus mit seinen Überlegungen zur Rhetorik der Bibel in De doctrina christiana IV . Hier finden sich die für Melanchthon, Luther und ihre predigenden Zeitgenossen ausschlaggebenden drei Grundgedanken, die Knape 2008, S. 82 f., wie folgt zusammenfasst: „1. Das pragmatische Argument: Das Christentum darf nicht mit schlechteren rednerischen Waffen kämpfen als die nichtchristliche Umgebung. […] 2. Das epistemische Argument: Die christliche Wissenschaft soll der Bibelhermeneutik dienen ( scientia tractandarum scriptuarum ), und rhetorisches Wissen ist da sehr nützlich. […] 3. Das theologische Argument: Gott hilft dem Prediger, die Wahrheit zu sagen. Dies gilt nur für den, der sich unter die Maxime des sapienter dicere stellt. Dahinter steht eine spirituell-kognitivistische Theorie, die davon ausgeht, dass derjenige, der die biblische Wahrheit versteht, auch die sprachlichen Mittel findet, denn es gilt die Gleichung intelligentia = eloquentia .“ Mit dem pragmatischen Argument begründet der frühere Rhetoriklehrer Augustinus die später von Melanchthon angeführten Hauptziele der Rhetorik - docere , delectare und movere - mit der affektiven Beeinflussung des Publikums, wie es schließlich auch die ‚Gegner‘ machen: „Jene sollen bei dem Versuch, ihre Zuhörer um jeden Preis in den Irrtum zu treiben, deren Gemüt schrecken (terreant), betrüben (contristent), erfreuen (exhilarent), feurig ermahnen (exhortentur) dürfen; die Verteidiger der Wahrheit aber sollen eine kalte und matte Rede von Schläfrigkeit halten müssen! Wer ist so töricht, eine solche Forderung zu ersinnen? “ Butzer 2008, S. 183. <?page no="177"?> 2 Figurenkonzeption in G 22 Der farendt Schuler im Paradeiß 177 können; die aber andererseits auch den gelehrten Auseinandersetzungen mit der Gegenseite gewachsen sind. 11 Eindrücklich führt dies Kaspar Goldtwurm 1545 in seinen Schemata rhetorica 12 vor, die sich nicht auf Inhalte, sondern auf stilistische Eleganz beziehen. 13 Sein Werk ist eine „breit angelegte Figurenlehre, wie wir sie auch für den humanistischen Schulbetrieb kennen,“ die er allerdings „explizit für den praktischen Gebrauch des evangelischen Predigers eingerichtet“ 14 hat. Für Goldtwurm ist die Rhetorik „ein Instrument für die Auseinandersetzungen im Streit der Konfessionen.“ 15 Dass es ihm vor allem um die Schönheit des Predigttextes geht, begründet er mit dem affektiven „persuasive[n] Wirkungsgrad“, den Texte auf Adressaten haben, wenn sie „‚lüstig und lieblich zu hören‘ sind“. 16 Weil die Rhetorik für die reformatorische Wissensvermittlung im Allgemeinen und die Predigtpraxis im Besonderen kirchlich in den Dienst genommen werden kann, erlangt sie nicht nur „Luthers Hochachtung“. 17 Sie ist Mittel der Wahl, um dem „Persuasionsdruck in den konfessionellen Auseinandersetzungen“ stand zu halten und der „Mündlichkeit als herrschende[r] Basisperformanzart“ 18 Rechnung zu tragen. Freilich müssen die Rezipienten über ein gewisses Maß an Grundbildung verfügen, das Luther nachdrücklich fordert. Nur so ist es möglich, Laien überhaupt „in einen ‚öffentlichen‘ Argumentations- und Persuasionsprozess über Glaubensfragen einbinden zu können“. 19 Als „Bestandteil christlicher Verkündigung“ 20 entfaltet die Rhetorik ihre Wirksamkeit insbesondere in der Predigt. Wie dieses Zusammenspiel funktioniert, erläutert Luther mit Bezug auf Apostel Paulus in seinen Tischreden: Die Dialektik lehrt, die Rhetorik bewegt. Jene gehört zum Verstand, diese zum Willen […] und diese beiden machen eine Predigt aus […]. Aber es kommt noch ein Drittes hinzu, was auch rhetorisch ist, nämlich das Erklären ( illustrans ) der Predigt. Das geschieht durch Anführungen von Bibelstellen, Beispielen, Gleichnissen und anderem 11 Vgl. Knape / Luppold 2008, S. 390. 12 Knape / Thumm 2014, bieten Text und Kommentar. 13 Vgl. Knape 2010, S. 66. 14 Knape 2010, S. 63. 15 Knape 2010, S. 63. 16 Knape 2010, S. 65. 17 Knape / Thumm 2014, S. XXX. Ob Luther lediglich auf der Grundlag der ‚septem artes liberales‘ sein Rhetorik-Verständnis entwickelte, wie es Oesterreich / Oesterreich 1999, S. 25-42, annehmen, kann dabei an dieser Stelle offen bleiben. 18 Knape / Thumm 2014, S. XXX. 19 Knape / Luppold 2008, S. 391. Vgl. auch Hübner 2008, S. 357 zur Adressatenorientierung und zum Verständlichkeitsideal. 20 Knape / Thumm 2014, S. XXX. <?page no="178"?> 178 2 Figurenkonzeption in G 22 Der farendt Schuler im Paradeiß Redeschmuck dieser Art, womit die Zuhörer bewogen werden können, deinem Worte zu glauben und zu gehorchen. 21 Im Sinne der artes praedicandi soll nach Luther ein Prediger für die Lehre und Ermahnung ( docere und exhortare ) auf Dialektik und Rhetorik zugleich zurückgreifen. 22 Besondere Beachtung schenkt Luther hierfür den Exempla. Sie erfüllen ihre „Aufgabe sowohl zum docere als auch zum delectare und movere “ und sind „damit allen Teilen der Predigt dienlich.“ 23 Wie Luther die Wirkung von Exempla in seinen eigenen Predigten verstanden wissen will, zeigen seine Ausführungen zu Joh 14 und 15. Als er vor der Kunst des Teufels, Eheleute und Freunde zu entzweien, warnen will, greift er auf einen Stoff zurück, den auch Sachs 1545 im Fastnachtspiel G 18 Der Teüffel mit dem alten Weyb bearbeitet. Mit folgenden Worten leitet er die Erzählung ein: „Man lieset hievon ein exempel, das mag also ertichtet sein, doch reimet sichs recht hie zu, des Teuffels kunst zu zeigen.“ 24 Die Fiktionalität einer Geschichte stellt somit kein Problem dar, solange die Geschichte hilft, Inhalte zu vermitteln, die Hörer zu bewegen und das Herz zu berühen; denn „Glaube vollzieht sich im Affekt.“ 25 „Luthers Rhetorik-Theorie zielt […] im Kern immer auf die Predigt ab als dem maßgeblichen rhetorik-relevanten Kommunikationsereignis der Kirche“ 26 , das nicht nur dem Orator, sondern auch dem Auditor eine entscheidende Rolle zuweist. Der Auditor fällt im Interaktionsgeschehen ein doppeltes Urteil ( duplex iudicium ): „Das innere Urteil über das Gesagte […] bewirkt nur der Geist Gottes selbst. Das äußere Urteil fällt der Hörer aufgrund der Einfluss nehmenden Rede des Predigers.“ 27 Zwar gibt es von Luther keine expliziten theoretischen Abhandlungen zur Rhetorik, so dass seine Vorstellungen von ihr aus einzelnen Äußerungen zusammengetragen werden müssen. Dabei zeigt sich, dass er grundsätzlich mit dem Konzept von Melanchthons De Rhetorica libri tres aus dem Jahr 1519 übereinstimmt, wofür insbesondere die Erweiterung um das docere ursächlich ist. 28 In 21 WA Tischreden 2, Nr. 2199a, S. 359. Vgl. Knape / Luppold 2008, S. 395. 22 Vgl. Knape / Luppold 2008, S. 395. Zur Neubewertung der Rhetorik in der Frühen Neuzeit vgl. beispielhaft: Keller 2008, S. 42-47; Keßler 2004, S. 183; Knape 2008, S. 75. 23 Stolt 2000, S. 73. 24 WA 45, S. 684. Vgl. Stolt 2000, S. 73. 25 Stolt 2000, S. 74. 26 Knape / Thumm 2014, S. XXX. 27 Knape / Thumm 2014, S. XXXIV. 28 In den folgenden Jahren handelte Melanchthon die Gebiete in jeweils einzelnen Schriften ab, weshalb hier die Tübinger Rhetorik im Mittelpunkt steht. War in der Tübinger Rhetorik von 1519 noch eine „Nähe zur dialektischen Argumentationslehre“ zu erkennen, lag die Präferenz 1523 schon auf den eloquenz-rhetorischen Studien in seinen Encomion eloquentiae . Knape 2008, S. 78. <?page no="179"?> 2 Figurenkonzeption in G 22 Der farendt Schuler im Paradeiß 179 Melanchthons Rhetorik sind die handlungsanleitende Rhetorik, die belehrende Dialektik und die exegetische Predigt vereint. Er führt die methodische Lehrrede, die eigentlich zur Dialektik zu rechnen ist, 29 als neue rhetorische Gattung ein und erweitert das genus demonstrativum um das docere . 30 Er zieht die Konsequenz aus den eigenen Erfahrungen als Lehrer, der Sachverhalte vortragen muß, und aus den Erfahrungen der Prediger, die Wahrheiten verkünden und erklären müssen. […] Dem genus demonstrativum stellen sich zwei Aufgaben: erstens, daß man mittels treffender Gesichtspunkte (‚per locos suos‘) sofort all das zur Hand hat, was es bezüglich einer Sache gibt; zweitens, daß diese Gesichtspunkte in einer Anordnung vorgebracht werden, mittels derer sich der Hörer den Gegenstand am wirkungsvollsten einprägen kann. Manche nennen dies die methodische Art oder Gattung, manche die apodeiktische, manche die didaktische, manche die epistemische. 31 Die besondere Ausrichtung auf die Belange der Theologen zeigt sich im Predigtkapitel de sacris concionibus , das er in die nachfolgenden rhetorischen Lehrbücher nicht mehr integriert, sondern als eigenständige Predigtlehre veröffentlicht. 32 In dem kurzen Predigtkapitel entwickelt Melanchthon allerdings schon „die bis heute gültige Gattungsunterscheidung von Schriftpredigt (Homilie) und Themapredigt“, 33 wonach die Predigt entweder als Mahnung oder als Lehre verfasst werden sollte. Letzterer gilt dabei Melanchthons Hauptinteresse, weil die wichtigste Aufgabe der Prediger die Formung guter Sitten ist. Und hier gewinnt nun die neue Redegattung an Bedeutung: Will der Pfarrer seine Gemeinde recht und verständlich belehren, muß die Predigt methodisch eine Lehrrede sein. 34 29 Kuropka 2002, S. 15, charakterisiert die methodische Lehrrede als „angewandte Dialektik“. 30 Vgl. Classen, Carl Joachim 2003, S. 258. Zuvor waren dem genus demonstrativum eigentlich nur loben ( laudare ) und tadeln ( vituperare ) zugerechnet. Später fügte Melanchthon dem docere noch ennarare und commentari hinzu und entwickelte so das gleichberechtigt neben den drei traditionellen genera stehende genus didascalicum . Vgl. Classen, Carl Joachim 2003, S. 280. Dies erklärt auch, weshalb Butzer 2008, S. 183 f., das genus demonstrativum Caussin und Melanchthon das genus didascalium zuordnet. Für ihn gibt es nach Augustinus’ Erläuterungen zur Rhetorik in De doctrina christiana drei Möglichkeiten, wie das rhetorische genus der Predigt aussehen könnte: „die Betonung von perspicuitas und docere impliziert das genus didascalium (Melanchthon), die Orientierung am Redegegenstand fordert das genus demonstrativum (Caussin), und die affektive Wirkungsabsicht propagiert das genus deliberativum (Erasmus).“ 31 Knape 1993, S. 27. 32 Vgl. Knape 1993, S. 28. 33 Knape 1993, S. 28. 34 Kuropka 2002, S. 16. <?page no="180"?> 180 2 Figurenkonzeption in G 22 Der farendt Schuler im Paradeiß Weil das docere allein allerdings ermüdend sei, bedarf es der Anwendung der poetischen Mittel des delectare oder movere , um einen Sachverhalt angenehm oder mitreißend zu präsentieren. 35 Die intendierte Funktion von Paulis Schimpf und Ernst als Reservoir von Predigtexempeln stellt eine spezifische historische Kontextualisierungsmöglichkeit der Fastnachtspieldichtung dar. Melanchthons Rhetorik von 1519 zeigt, wie die Zusammenhänge von Rhetorik, Dialektik und Exegese auch reformatorisches und humanistisches Schreiben beeinflussen. Freilich zielt die Dichtung des Franziskanermönchs nicht wie die von Sachs und Melanchthon auf reformatorische Wissensvermittlung. Weil Pauli seine Exempla-Sammlung für die Anwendung in der Predigt bestimmt hat, ist es ihm möglich, das delectare auf die Erzählung und das docere auf die in der Predigt anschließende Moralisierung zu verteilen. Sachs muss beides in seine dramatischen Texte integrieren, kann damit aber außerhalb des Gottesdienstes die protestantischen Lehren verbreiten. 36 Dafür dient ihm im Fastnachtspiel G 22 Der farendt Schuler im Paradeiß maßgeblich die Figurenkonzeption: 1. Szene: Eine Bäuerin ist mit ihrem zweiten Ehemann unzufrieden und denkt an die schönen Zeiten mit ihrem verstorbenen Mann zurück. Ein fahrender Schüler kommt zu ihr und bittet um Almosen. Er sagt, er sei aus Paris, doch die Bäuerin versteht, dass er aus dem Paradies komme. Sie fragt ihn, ob er ihren verstorbenen Mann gesehen habe. Er berichtet, dass es ihrem Mann sehr schlecht gehe, woraufhin sie ihm Geld und Kleidung für ihren Mann mitgibt. 2. Szene: Als der Ehemann nach hause kommt, erzählt ihm seine Frau vom Besuch des Schülers und listet die mitgegebenen Dinge auf. Ihr Mann will wissen, wo der Schüler hingegangen ist. Er wolle ihm noch mehr Geld für den Verstorbenen geben, wie er sagt, beabsichtigt aber, dem Schüler alles wieder abzunehmen. 3. Szene: Der Schüler freut sich über sein Glück, sieht aber den Bauern kommen. Deshalb versteckt er die Kleidung und das Geld. Als der Bauer ihn nach dem Gesuchten fragt, erklärt der Fahrende, dass er ihn in den Wald habe laufen sehen. Der Bauer bittet den Schüler, auf sein Pferd aufzupassen, und geht zum Wald. Der Schüler freut sich, dass er nun auch noch ein Pferd bekommen hat. 35 Vgl. Keller 2008, S. 45. 36 Dass Luther nur die Kirche als „Ort der Predigt“ (Nembach 1972, S. 91) versteht, ist an dieser Stelle unproblematisch, da das Konzept der Predigtlehre entscheidend ist, um die Bearbeitung von Paulis’ Exemplum analysieren zu können. <?page no="181"?> 2 Figurenkonzeption in G 22 Der farendt Schuler im Paradeiß 181 4. Szene: Die Bäuerin fragt sich, wo ihr Mann so lange bleibt. Sie will in die Stadt gehen. 5. Szene: Der Bauer bemerkt, dass er betrogen wurde. Er sucht nach einer Ausrede, da er seine Dummheit keinesfalls seiner Frau gestehen will. Als sie zu ihm kommt, berichtet er, dass er dem Schüler auch das Pferd für ihren Mann mitgegeben hat. Sie solle jedoch niemanden davon erzählen. Sie erwidert, dass sie es schon allen Leuten im Dorf erzählt habe. Der Bauer beschließt das Spiel mit der Einsicht, dass jedem Fehler passieren können. Das Fastnachtspiel hat drei Figuren, die Bäuerin, den Bauer und den fahrenden Schüler, deren Konzeptionen sich nicht zuletzt wegen der acht Monologe deutlich von denen der Vorlage unterscheiden. An dieser nimmt Sachs erhebliche Umarbeitungen vor, die nicht nur der Länge des Fastnachtspiels geschuldet sind. 37 Unter Beibehaltung des Handlungsverlaufes gewichtet er einzelne Abschnitte neu und verfeinert die Figurenkonstruktion. 38 Vorrangig stellt die folgende Analyse dar, wie Sachs die aus der humanistischen Gelehrtenkultur adaptierte poetologische Kompetenz nutzt, um durch die Figuren seine eigene moralische Deutung in das Fastnachtspiel zu integrieren. Schon die Eingangssituationen im Schwank und im Fastnachtspiel verdeutlichen, wie Sachs die in der Vorlage gegebene Figur ausgestaltet. Bei Pauli heißt es: Es was ein fraw die was nit gantz witzig, die was aber reich, vnd het ein sun gehabt der was gestorben. Vff ein mal da was der her in dem rat, da kam ein farner schůler der begert ein suppen von ir, die fraw gab im zů ess, vnd sahe das gernlin das er an het, vnd sprach zů im. Ich sihe das ir ein farner schůler sein, vnd mein sun ist in ein ander welt gefaren, haben ir in nit gesehen. (Schimpf und Ernst 1866, S. 274, Z. 1-8.) Der Erzähler charakterisiert die Frau im ersten Satz als nicht sehr schlau („nit gantz witzig“). Während ihr Mann in einer Ratssitzung ist - die Handlung spielt 37 Wie Sachs die 320 Verse des Fastnachtspiels ähnlich dem Meisterlied in gleichgroße Drittel aufbaut, zeigt Kugler 2000, S. 554. Das erste Drittel entfällt auf das Zusammentreffen von Schüler und Bäuerin, das zweite auf das Zusammentreffen von Bauer und Bäuerin und das letzte auf das Zusammentreffen des Bauern mit dem Schüler und am Schluss mit der Bäuerin. „Der Angelpunkt der Geschichte, an dem das Geschehen ins doppelt Absurde kippt, weil der Bauer sich zum Schein auf den Aberglauben seiner Frau einläßt, dieser Angelpunkt bildet ziemlich genau das arithmetische Mittelstück des Spiels.“ 38 Eine Untersuchung der Figurenkonstruktion im Fastnachtspiel G 22 liefert auch Kiesant 1988, S. 1503 der jedoch der „Frage nach der sozialökonmischen Determination von Figuren und Handlungen, die über die vordergründige Zuordnung zu einer Klasse oder Schicht hinausgeht“, nachgeht. <?page no="182"?> 182 2 Figurenkonzeption in G 22 Der farendt Schuler im Paradeiß folglich im städtischen Milieu -, verköstigt sie einen fahrenden Schüler und fragt ihn, ob er nicht ihren Sohn gesehen habe, da er doch so weit herumkomme, und auch ihr Sohn „in ein ander welt gefaren“ sei. Sachs lässt sein Fastnachtspiel mit einem Expositionsmonolog (vv. 1-16) beginnen, der wie im Schwank die Protagonistin in das Geschehen einführt. Auch wenn die Nebentextpassagen generell äußerst knapp gehalten sind, zeichnet sich durch „Die Pewrin gehet ein vnnd spricht“ zumindest in diesem Fastnachtspiel für den Leser ab, dass es im bäuerlichen Milieu situiert ist; für die Zuschauer wird dies wahrscheinlich durch die Kleidung ersichtlich. Erst im weiteren Verlauf der Handlung wird dieser Aspekt auch durch Figurenrede offensichtlich, in ihrer ersten Rede indes noch nicht: Ach wie manchen seufftzen ich senck, Wenn ich vergangner zeit gedenck, Da noch Lebet mein erster Man, Den ich ye lenger lieb gewan, 5 Dergleich er mich auch wiederumb, Wann er war einfeltig vnd frumb. Mit jm ist all mein frewdt gestorben, Wie wol mich hat ein andr erworben. Der ist meimb ersten gar vngleich, 10 Er ist karg und wil werden Reich, Er kratzt vnd spardt zusam das gut, Hab bey jm weder frewdt noch mut. Gott gnad noch meinem Man, dem alten, Der mich viel freundtlicher thet halten; 15 Kuͤndt ich jm etwas guts noch than, Ich wolt mich halt nit saumen dran. Der Monolog dient über weite Teile als externe Analepse und zugleich als Charakterisierung des zweiten Mannes anhand der Kontrastierung mit dem ersten. Die Alleinrede führt in das wesentliche Thema des Stückes, das Verhältnis der beiden Eheleute, ein. Der jetzige Mann wird als geiziger Mensch, der seine Frau nicht glücklich macht, charakterisiert. Während in der Vorlage der Sohn verstorben ist, betrauert bei Sachs die Bäuerin ihren verstorbenen Ehemann. Durch diese Umänderung kann Sachs ein eifersüchtig-eheliches, letztlich das theologische Ehesakrament selbst betreffendes Konfliktpotenzial in das Fastnachtspiel integrieren, das im Schwank nicht vorhanden ist. Das als zukunftsungewisse und damit erwartungsweckende Prolepse konzipierte Ende der Rede (vv. 15-16) bringt das handlungsauslösende Motiv ins <?page no="183"?> 2 Figurenkonzeption in G 22 Der farendt Schuler im Paradeiß 183 Spiel: Die Bäuerin würde ihrem verstorbenen Mann etwas Gutes tun, wenn sie nur könnte. 39 Im anschließenden Dialog zwischen dem fahrenden Schüler und der Bäuerin wird diese Bereitschaft weiter konkretisiert. Anders als für die Rezipienten von Paulis Schwank, denen der erste Satz unmissverständlich verdeutlicht, dass es sich um eine nicht sehr intelligente Frau handelt, bleibt diese Information den Figuren im inneren Kommunikationssystem des Fastnachtspiels vorenthalten. Sachs erreicht damit eine Verstärkung der Komik für genau jenen Moment, in dem die Bäuerin im Dialog mit dem Schüler statt Paris Paradies versteht und mit größter Selbstverständlichkeit das Paradies als erreichbaren geographischen Ort behandelt. Wie im Spiel G 57 mit der Absage des Domherrn an die Kupplerin 40 vermittelt Sachs das überraschende Moment dialogisch. Die Naivität der Bäuerin ist im Expositionsmonolog nicht erkennbar. Sachs vermeidet regelrecht die Einführung dieser Figureneigenschaft, alle anderen handlungsrelevanten Figureneigenschaften hingegen präsentiert er, wenn auch in komprimierter Form. Die Parallelität von innerem und äußerem Kommunikationssystem führt mit dem Auftritt des fahrenden Schülers zu einem Überraschungsmoment und erzeugt Spannung auf seine Reaktion. Weiter arbeitet Sachs in der ersten Szene die Rollenverständnisse in Bezug auf die Betrugssituation um. Entscheidet die Frau im Fastnachtspiel von sich aus, dem Schüler etwas für ihren frierenden und darbenden Mann mitzugeben, ist es bei Pauli der Schüler, der die Frau um Geld und Kleidung für den hungernden und frierenden Sohn bittet. Die im Schwank fehlende Reflexion des Schülers über die Situation, in der er sich entschließt, das Missverständnis zu seinem Vorteil zu nutzen, fügt Sachs dem Fastnachtspiel als Monolog (vv. 72-79) hinzu: Das ist ein recht einfeltig Viech Vnd ist gleich eben recht fuͤr mich, Wenn sie viel gelts vnd kleider brecht, 75 Das wer fuͤr mich als gut vnd recht, Wolt mich baldt mit trollen hienauß, Eh wann der Pawer kemb ins Hauß. Er wirt mir sunst mein sach verderben; Ich hoff, ich woͤl den alten erben. Der größten Teils proleptische Monolog, der eine Reflexion über das Gelingen des Betrugs ist, gibt nur im ersten Vers eine Wertung des bisherigen Gesche- 39 Vgl. Classen 2004, S. 31 f., zur Liebe der Ehefrau zu ihrem verstorbenen Mann. 40 Vgl. Teil A, Kap. 2.2. <?page no="184"?> 184 2 Figurenkonzeption in G 22 Der farendt Schuler im Paradeiß hens, wenn der Schüler über die Dummheit der Frau nachdenkt. Die kurze Fremdcharakterisierung übersetzt nachträglich den Erzählerkommentar der Vorlage in die monologische Figurenrede. Weiter monologisiert der Schüler über die Situation, in die er ungeplant geraten ist. Neben der Feststellung, dass die Frau einfältig ist, erkennt er den durch das Missverständnis entstandenen Vorteil. Zum Gelingen muss er jedoch das Haus vor der Rückkehr des Mannes verlassen haben. Im Schwank hingegen ist es die Frau, die im Beisein des Schülers nach der Übergabe der Kleidung und des Geldes für ihren Sohn über die Situation reflektiert und daraufhin den Schüler fort schickt, damit ihr Ehemann die ‚Geschenke‘ nicht wieder entwenden kann: „Machen euch bald damit hinweg, ee das mein man kumpt, wan er würd es euch sunst wider nemen.“ (Schimpf und Ernst 1866, S. 274, Z. 13-14) Sachs lässt der Bäuerin zwar ihre Naivität, nimmt ihr aber einen Teil der auf sie entfallenden Schuld, indem er den endgültigen Eintritt des Vermögensverlustes nicht mehr durch selbstschädigendes Handeln der Bäuerin, sondern durch aktives Eingreifen des Schülers herbeiführt, der die Situation vollständig erkennt und ausnutzt. Der Ausgangspunkt des Missverständnisses - die Bäuerin versteht Paradies statt Paris -, ist in Schwank und Fastnachtspiel identisch. Der Part, den Ehemann zu hintergehen, fällt im Fastnachtspiel dem Schüler zu. Diese Gewichtung kann nur durch den Reflexionsmonolog stattfinden, in dem es gerade nicht darum geht, das Missverständnis aufzuklären, sondern die Gelegenheit beim Schopf zu packen und vor dem Ehemann das Haus zu verlassen. Durch die abermals proleptische Ausrichtung, die im Schwank durch die Figurenrede der Frau und im Fastnachtspiel durch den Monolog gegeben ist, wird ein Spannungsmoment erzeugt, das auf den Auftritt des Mannes und das Gelingen des Betrugs ausgerichtet ist. Im Hinblick auf die Stellung im szenischen Gefüge handelt es sich bei der Rede des Schülers um einen Überbrückungsmonolog für die verdeckte Handlung im Off , damit die Bäuerin Kleidung und Geld für ihren verstorbenen Mann zusammen suchen kann. Im Schwank bestätigen sich die Vermutungen der Frau über das Verhalten ihres Mannes, der mit Zorn reagiert, als er von der Schenkung für den verstorbenen Sohn erfährt. Wenngleich Pauli die Erwiderung des Mannes auf den Bericht der Frau mit „vnd meint“ (Schimpf und Ernst 1866, S. 274, Z. 17) als narrativierte Gedankenrede und damit als einzige im Schwank vorhandene Monologandeutung gestaltet, erscheint die Haltung, anders als im Fastnachtspiel, für die Rezipienten ganz eindeutig als Wut: „Der man was zornig, vnd meint sie het im viel <?page no="185"?> 2 Figurenkonzeption in G 22 Der farendt Schuler im Paradeiß 185 geltz geschickt, vnd sasz behend vff ein pferd, vnd ylet im nach, meint er wollt es im wider nehmen.“ (Schimpf und Ernst 1866, S. 274, Z. 16-18) Sachs lässt den Mann seine Frau im Dialog glauben machen, er wolle ebenfalls dem Verstorbenen etwas Gutes tun und reite ihm deshalb nach. Am Ende der zweiten Szene reflektiert der Bauer über die vorgefundene Situation (vv. 159-178). Er schickt zuvor die Bäuerin mit dem Befehl „Geh, heiß mirn Knecht satteln das Roß“ (v. 157) von der Bühne und erhält hierdurch Raum für seinen Monolog. Nachdem sich der Bauer in seiner Reaktion der Frau gegenüber zunächst auffällig zurückgehalten hat, zeigt er jetzt seine wirkliche Meinung mit großem Affekt von Wut, der in den sprachlichen Handlungen von Klage und Drohung seinen Ausdruck findet: Ach, Herr Gott, wie hab ich ein Weib, 160 Die ist an Seel, vernunfft vnd leib Ein Dildap, Stockfisch, halber Nar, Irs gleich ist nit vnser Pfarr, Die sich lest vber reden leider, Vnd schickt jrem Man gelt vnd kleider, 165 Der vor eim Jar gestorben ist, Durch des farenden Schulers list. Ich wil nach reitn, thu ich jn erjagen, So wil ich jm die haudt vol schlagen, In niderwerffen auff dem feldt, 170 Im wider nemen Kleidr vnd Gelt, Darmit wil ich denn heimwartz kern Und mein Weib wol mit feusten bern, Des ploben geben umb die augen, Das sie jr thorheit nit kuͤn laugen. 175 Ach, ich bin halt mit jr verdorben! Ach, das ich hab vmb sie geworben, Das muß mich rewen all mein tag, Ich wolt, sie het Sanct Urbans blag. Die einleitenden Worte der Affektdarstellung, einer Apostrophe ähnlich, gehen unmittelbar in eine Fremdcharakterisierung über. In einer repetitiven Analepse rekapituliert der Bauer hier unter Beschimpfung seiner Frau das vorausgegangene Gespräch und enthüllt seine wahre Meinung über ihr Verhalten. Lobt er sie dafür noch im Dialog, bringt er seine Wut im Monolog affektiv zum Ausdruck und will sie mit Schlägen zurechtweisen. Im Zwischenteil (vv. 167-170) fasst er den Entschluss, dem Schüler nachzureiten und ihm die Kleider und das Geld <?page no="186"?> 186 2 Figurenkonzeption in G 22 Der farendt Schuler im Paradeiß wieder abzunehmen. Zusammen mit den seiner Frau angedrohten Schlägen sind beide Abschnitte auf das zukünftige Geschehen ausgerichtet. Im szenischen Gefüge ist der Monolog als Überbrückungsmonolog gestaltet, wobei die Überbrückung, d. h. die Motivierung, die Frau das Pferd holen zu lassen, eigens für den Monolog konstruiert wurde. Sachs benutzt demnach eine strukturell-gliedernde Funktion, um die wahren Gedanken des Ehemannes darstellen zu können. Blickt man noch einmal auf die Reaktion des Bauern im Dialog mit der Ehefrau zurück, ist diese vor dem Hintergrund der in Fastnachtspielen sonst typischen Verhaltensweisen bemerkenswert, zeigt sie doch im Vergleich zu diesen die hier vorgenommene größere Komplexität der Figurenkonstruktion. 41 In Fastnachtspielen, vor allem in vorreformatorischen, werden Ehekonflikte nicht selten recht umstandslos mit Beschimpfungen und Prügeleien ausgetragen. Im Spiel G 22 fügt Sachs die Beschimpfung erst ein, wenn die Frau abwesend ist. Mithin nimmt er bereits in der ersten Konfrontation des Mannes mit dem Konflikt, im Dialog zwischen Bauer und Bäuerin, eine besondere Akzentsetzung in der Figurenzeichnung vor, indem er das Stereotype gerade nicht figurenspezifisch einsetzt: Es stellt vor allem in der lakonisch-ruhigen, im weitesten Sinne ironisch-nachsichtigen Reaktionsweise eine Alternative zum konfliktfördernden Aufbrausen vor. Diese Verhaltensalternative erhält ihre besondere Kontur in dem anschließenden Monolog, in dem der Ehemann die Bestrafung seiner Frau für ihr Torheit nun doch, als die ‚konventionelle‘ Reaktionsweise, in Aussicht stellt. Damit scheint die Verhaltensalternative der ‚friedvollen Nachsicht‘ fürs Erste abgetan, die der Monolog zumindest andeutet. Tatsächlich aber liefert der Monolog im dramatischen Handlungsbogen einen wichtigen Bezugspunkt für die spätere Einsicht, mit der Sachs die Verhaltensalternative für die Figur restituiert und gegen die Konvention als verallgemeinerbare Konfliktverarbeitungsmöglichkeit in der Ehe offeriert. 42 Sachs fügt den Monolog an der Stelle ein, die im Fastnachtspiel wie im Schwank der Übergang zu einem stark geschehensdarstellenden Teil ist. Damit lehnt er sich wieder eng an die Vorlage an, während er durch die Figurenzeichnungen und Handlungsentwicklungen der ersten beiden Szenen weitgehend neue Akzente setzt. Der Bauer vermutet richtig, dass der Schüler listig die Torheit seiner Frau ausgenutzt hat und dass sie sich von ihm überreden ließ, Kleidung und Geld wegzugeben. Allerdings wird der Schüler auch ohne eigene Reflexion, ob er die 41 Vgl. dazu auch Classen 2004, S. 33. 42 Zu sozialen Normierungen des spätmittelalterlichen Eheverständnisses und patriarchalischen Grundzügen wie etwa Gewaltrechten vgl. Eib 2001, S. 41-45. <?page no="187"?> 2 Figurenkonzeption in G 22 Der farendt Schuler im Paradeiß 187 Bäuerin hätte aufklären müssen, teilweise entlastet. 43 Im Dialog macht die Frau deutlich, dass sie auch künftig den Verstorbenen versorgen möchte, wofür sie sogar Geld beiseite schaffen und sparen möchte. Der Schüler erscheint trotz der Ingangsetzung der Betrugshandlung aus dieser Perspektive nur als ein ‚Medium‘, über das wertvolle Dinge zum geliebten Menschen fließen. Den eigentlichen Ursprung der Handlung verankert Sachs damit im Motiv der Bäuerin, während der hinzutretende Anteil des Schülers lediglich fördernd wirkt. Das naive Motiv, den toten Ehemann zu beschenken, trifft auf die Unverfrorenheit des Schülers, der die vorhandene Naivität ausnutzt. Die dramatische Entfaltung der Didaxe in der Bearbeitung führt Sachs zunächst wesentlich über die drei Monologe in den ersten beiden Szenen ein. Die Klage der Frau um den verstorbenen Mann als Einstieg in das Spiel kontrastiert er mit den Beschimpfungen des jetzigen Ehemanns in dessen Monolog. Beide Monologe kennzeichnen wechselseitige Fremdcharakterisierungen und Missmut über das Schicksal, mit dem jeweils anderen verheiratet zu sein. Der Monolog des Schülers bringt das beide Haltungen verbindende Handlungsmoment der Situation zum Ausdruck. Die Monologe des Ehepaares bilden den Ehekonflikt ab. Dieser Konflikt ist latent aufgrund der Torheit der Ehefrau gegeben und tritt durch das skurrile Missverständnis handlungswirksam zutage. Wie die Reaktionsweisen des Bauern eine Handlungsalternative beinhalten, so ist auch hier im Ehekonflikt die Chance zu einer Alternative bereits angedeutet. Diese Chance wird ausführlich durch den Monolog eingeführt und am Ende der Geschehnisse für künftiges Handeln wirksam. Denn das für die Bäuerin skizzierte handlungsbegründende motivationale Konstrukt greift sie gegen Ende des Stückes wieder auf, wenn sie in der für sie völlig unerwarteten - vermeintlichen - Freigiebigkeit ihres Mannes Herzensgüte zu erkennen glaubt und ihm in gleicher Weise wie ihrem früheren Mann ewige Liebe und Treue bis über den Tod ins Paradies hinein verspricht. Der dazwischen liegende Handlungsbogen ist durch die Einfältigkeit des Bauern bestimmt, mit der er der Bäuerin, wie sich zeigt, letztlich in Nichts nachsteht. Die Handlungssukzession ist wieder ganz wie in der Vorlage. Gewissermaßen proleptisch durch den Monolog des Bauern vorbereitet, enthüllt er, wie er sein Geld zurück bekommen will. Dass der Mann seiner Frau erzählt, er wolle dem fahrenden Schüler noch mehr Geld für den Sohn bringen, kommt an dieser Stelle im Schwank nicht vor. Sachs verstärkt so zunächst den Kontrast zwischen der Haltung des Mannes 43 Zur Frage der ‚poetischen Gerechtigkeit‘ in den dramatischen Texten von Sachs vgl. Geiger 1904, S. 28-31. <?page no="188"?> 188 2 Figurenkonzeption in G 22 Der farendt Schuler im Paradeiß gegenüber seiner Frau und der im Monolog geäußerten Wahrheit über seine eigentlichen Absichten. Für die Komik, die in diesem vorgeblichen Ziel des Mannes liegt, nutzt Sachs inhaltlich die Schlusspointe von Pauli, die er bereits an dieser Stelle einsetzt. Abgesehen vom Ende des Fastnachtspiels ist der weitere Verlauf des Handlungsgeschehens mit der Vorlage identisch. Das bedeutet jedoch nicht, dass Sachs nicht mit weiteren Monologen die Ausdeutung der Vorlage deutlicher herausarbeitet bzw. deren dramatische Umsetzung überhaupt erst möglich macht. Wie er die Erzählerrede in dramatische Figurenrede zur Geschehensvermittlung umsetzt, zeigt der Monolog des fahrenden Schülers (vv. 181-200) zu Beginn der dritten Szene (insbes. ab v. 187). Anders als in extern analeptischen Expositionen, die nichtdargestelltes Geschehen zusammengefasst wiedergeben, handelt es sich um eine direkte Umsetzung der Erzählerrede der Vorlage: Wol hat gewoͤlt das gluͤck mir heudt, Mir ist geratn ein gute beudt, Das ichs den Winter kaum verzehr. Het ich der einfelting Pewrin mehr, 185 Die mich schickt in das Paradeiß! Wehr schadt, das sie all weren weiß! Botz angst, ich sie dort ein von weiten Auff eim Roß mir eilendt nach reiten. Ists nicht der Pawr, so ists ein blag, 190 Das er mirs dinglich widr abjag. Ich wil das puͤrlein hie verstecken Ein weil in diese doren hecken, Nun kan er je mit seinem Roß Nit zu mir reiten in das moß, 195 Er muß vor dem graben absteigen. Ja er thuts gleich, nun wil ich schweigen, Mein garn in busen schieben frey, Auff das er mich nit kenn darbey, Wil leinen mich an meinen stab, 200 Sam ich auff ein zu warten hab. Der Monolog hat zwei Teile. Der erste (vv. 181-186) ist eine Reflexion über die glückliche Fügung des Zusammentreffens mit der Bäuerin. Indem der Schüler auf das vergangene Geschehen zurückblickt, wird ein Zeitsprung im Handlungsfortgang deutlich. Dieser geht mit einem Wechsel der Szenerie einher. Sie ist im zweiten Teil durch das Herannahen eines Reiters und die Beschreibungen <?page no="189"?> 2 Figurenkonzeption in G 22 Der farendt Schuler im Paradeiß 189 von Hecken und sumpfigem Land als außerhalb der Ortschaft liegend charakterisiert. Sachs setzt für die Übertragung der narrativen Vorlage das Mittel der Teichoskopie ein und stellt so geschehensvermittelnd den Vorgang des heranreitenden Bauern dar. Mit dieser Technik, die den Rezipienten gegenwärtiges Geschehen zugänglich macht, das auf der Bühne nicht sichtbar ist, löst Sachs das Problem, dass in der Vorlage ein Pferd ins Spiel kommt und zur weiteren Handlungsentwicklung unverzichtbar ist. Indem der Schüler als Wortkulisse die Beschaffenheit des Ortes mit Dornenhecke („doren hecken“ v. 192) und Graben beschreibt, wird verständlich, dass der Bauer von seinem Pferd absteigen muss, um zum Schüler gelangen zu können. Das Pferd ist demnach aus plausiblen Gründen auf der Bühne nicht zu sehen. Es für die Dramatisierung zu streichen, wäre nicht möglich gewesen, denn nur die Doppelung der Dummheit von Frau und Mann, die dem Schüler erst die Wertsachen und dann auch noch das Pferd zuspielen, macht den Witz der Handlung aus und ist auch so in der Vorlage zu finden. Ebenso zeigt der Monolog die Listigkeit des Schülers, der weiß, dass er die Bäuerin betrogen hat, seinen ‚Gewinn‘ aber nicht wieder zurückgeben möchte. Deshalb versteckt er die erhaltenen Sachen, auch das verräterische „garn“ (v. 197), an dem der Bauer ihn hätte erkennen können, und verhält sich so, als ob er auf jemanden wartet. Hier zeigt sich, wie Sachs mit dem Monolog die durch Erzählerrede vermittelten Informationen der Vorlage deutlich ausgebaut hat, dies besonders in Hinblick auf die Beschreibung des ankommenden Bauern und die Begründung für das Absteigen vom Pferd. Der Erzähler im Schwank beschreibt lediglich, wie der Schüler die Sachen versteckt: „Da in der faren schůler sahe hernach reiten, da verbarg er das blunderlin vnder ein studen, vnd lent sich also vff ein stecken.“ (Schimpf und Ernst 1866, S. 274, Z. 18-20) Die Notwendigkeit für diesen Monolog und die Ausarbeitungen sind durch die Dramatisierung einer epischen Vorlage bedingt. Sachs baut in Form einer Wortkulisse zunächst den neuen Ort der Szene auf, sodann schließt er die Szene mit einem das bisherige Geschehen rekapitulierenden Monolog des Schülers (vv. 224-246): Laufft hin, sorgt nur nicht vmb das Pfert, 225 Das jr ein schaden findet dran. Das Roß wirt mir recht, lieber Man. Wie froͤlich scheindt mir heudt das gluͤck, Volkummentlich in allem stuͤck: Die Fraw gibt mir rock, hossn vnd schw, <?page no="190"?> 190 2 Figurenkonzeption in G 22 Der farendt Schuler im Paradeiß 230 So gibt der Man das Roß darzw, Das ich nit darff zu fussen gahn. O das ist ein barmhertzig Man, Der geht zu fuß, lest mir den Gaul, Er weiß leicht, daß ich bin stuͤdtfaul. 235 O das der Pawr auch solcher weiß Auch sturb vnd fuͤr ins Paradeiß, So wolt ich gwiß von diesen dingen Ein gute beut daruon auch bringen. Doch wil ich nit lang mist da machen; 240 Wann kemb der Pawer zu den sachen, So schluͤg er mich im feld darnider Vnd nem mir gelt vnd kleider wider; Wil eilendt auff den Grama sitzen Vnd in das Paradeiß nein schmitzen, 245 Ins wirtzhauß, da die Huͤner braten, Den Pawrn lassen im moß vmb waten. Zwar erwecken die ersten drei Verse den Anschein, als spräche der Schüler den Bauern an, doch ist der vermeintlich dialogische Abschnitt zum Monolog zu rechnen, weil er den Sarkasmus bzw. die Schadenfreude des Schülers wiedergibt. Damit leitet er die affektiv gestaltete Rückschau auf das bisherige Geschehen ein. Der erste Abschnitt (vv. 224-234) ist folglich repetitiv analeptisch gestaltet. Darin setzt der Schüler die Bäuerin und den Bauern aufgrund des doppelten Glücks, das sie ihm durch ihre einfältige Art beschert haben, gleich. Im zweiten Teil reflektiert er über denkbare Konsequenzen, sollte der Bauer den Betrug bemerken. Deshalb entschließt er sich, ins Wirtshaus zu reiten. Obwohl der Schüler nicht über die Dummheit der beiden anderen Figuren spricht, sondern sich über sein Glück freut, dient die Affektdarstellung als Kommentierung des Verhaltens der anderen Figuren. Die Torheit der beiden ist sein Glück. Der Erzähler der Vorlage beschreibt, wie der Schüler mit dem Pferd wegreitet, und enthält sich jeder Kommentierung auf das bisher Geschehene: „dieweil nam er das blünderlin vff sein rucken, vnd sasz vff das pferd, vnd reit hinweg.“ (Schimpf und Ernst 1866, S. 274, Z. 27-28) Ganz in diesem Sinne, die Torheit beider Figuren hervorzuheben, ändert Sachs das Ende der Vorlage um. Im Fastnachtspiel hat die Frau dem ganzen Dorf erzählt, dass sie Geld und Kleidung einem Fahrenden mitgegeben hat, um es ihrem Mann ins Paradies zu bringen. Bei Pauli endet der ‚schimpf ‘ damit, dass der Mann seiner Frau von dem Auffinden des Schülers erzählt und sie belügt, er habe ihm zusätzlich zum Geld noch das Pferd geschenkt. <?page no="191"?> 2 Figurenkonzeption in G 22 Der farendt Schuler im Paradeiß 191 Aufgrund des erweiterten Schlussteils im Fastnachtspiel schließt sich dem die dritte Szene beschließenden Monolog des Schülers ein Auftritt-Abgangs- Monolog (vv. 247-252) der Bäuerin direkt an: Ach, wie ist mein Man so lang auß, Das er nit wider kumbt zu Hauß. Ich bsorg, er hab des wegs verfelt, 250 Das meimb alten nit werdt das gelt. Botz mist, ich hoͤr den Schulthes blassen. Ich muß gehn baldt mein Sew auß lassen. Der Monolog ist handlungsbezogen nicht auf die Konzeption der Figur ausgerichtet, sondern macht eine Ellipse und einen Ortswechsel deutlich, der die Bewegung der handelnden Figuren anzeigt: Die Aussage „wie ist mein Man so lang auß“ (v. 247) vermittelt die große Zeitspanne, die vergangen ist. Daneben motiviert das Signal des Schultheiß die Schweine hinaus zu lassen. Es erklärt, warum die Bäuerin das Haus verlassen hat und wieso sie Leute im Dorf getroffen und ihnen die Geschichte erzählt haben kann. In der Rede enthüllt die Bäuerin auch noch einmal ihren Wunsch, ihrem „alten“ das Geld zustellen zu lassen. Direkt im Anschluss erscheint wieder der Bauer und bemerkt das Verschwinden seines Pferdes. Der Auftrittsmonolog (vv. 253-268) fügt sich in das nahezu durchgängig verwendete Muster, Szenen mit einem Monolog einzuleiten: Botz leichnam angst, wo ist mein Pferdt? Ja, bin ich frumb vnd ehrenwerdt, 255 So hat mirs der boͤßwicht hin ghritten, Er daucht mich sein duͤckischer sitten, Hat auch das gelt vnd kleider hin. Der groͤst Narr ich auff erden bin, Das ich traudt diesem Schalck vertrogen. 260 Schaw, dort kumbt auch mein Weib herzogen, Ich darff jr wol vom Roß nit sagen, Ich troet jr vor hart zu schlagen, Das sie so einfeltig het eben Dem lantzpscheissr das dinglich geben, 265 Vnd ich gab jm doch selb das Pferdt, Viel groͤsser streich wer ich wol werdt, Weil ich mich kluͤger duͤnck von sinnen. Ich wil etwan ein außred sinnen. <?page no="192"?> 192 2 Figurenkonzeption in G 22 Der farendt Schuler im Paradeiß Mit diesem Monolog schließt Sachs, wiederum über die geschehensvermittelnde Brücke des zweiten Schüler-Monologs, an die Einzelreden der ersten beiden Szenen an. Die für den ersten Monolog des Bauern beschriebene stereotype Argumentation der einfältigen Ehefrau gegenüber wendet sich nun zur Selbstcharakterisierung. In besonderer Weise zeigt sich die Einsicht des Bauern in seine Dummheit, indem er selber meint, er hätte mehr Schläge als seine Frau verdient, weil er sich klüger wähnte als sie. Der Kontrast zur vorhergehenden Haltung ist eindeutig. Der Bauer sieht sich vom hohen Ross geholt. Die Einsicht ist jedoch nicht so groß, dass er seinen Fehler der Ehefrau gegenüber eingestehen möchte. Er beschließt hingegen, sich eine Ausrede einfallen zu lassen. Seinen Versuch, mit einer Lüge die Torheiten zu bemänteln, führt der darauffolgende Dialog allerdings sogleich ad absurdum, denn das ganze Dorf ist bereits informiert. Die Bäuerin und nun auch der Bauer können dem Hohn und Spott nicht entgehen. Doch erneut folgt kein Wutausbruch, sondern lediglich ein an Gott apostrophiertes Aufseufzen („Wie hab ich ein Weib, lieber Gott“; v. 302), gefolgt von einem vielsagenden Gedankenstrich im Text. Indem der Mann anschließend einfach seine Frau nach Hause an den Herd schickt, manifestiert er die pragmatisch ‚unkonventionelle‘, zurückhaltend-friedvolle Handlungsalternative als bevorzugte Reaktionsweise. Bemerkenswert ist, dass Sachs den eng mit der allgemein negativ konnotierten Torheit verbundenen Handlungsbogen bis an den Punkt führt, der die Dummheit sowohl der Bäuerin als auch des Bauern öffentlich macht. Die dadurch entstandene Schlusssituation erinnert an das satirische Lob der Torheit des Erasmus von Rotterdam: 44 Sachs nutzt die in den Monologen eingeführten Figurenperspektiven, um ausgehend von der Torheit der einen die vermeintliche Klugheit des anderen nur noch törichter erscheinen zu lassen. Die Assoziation, dass das Stück mit dem Lachen des ganzen Dorfes über das törichte bäuerische Ehepaar endet, schließt auch das Lachen über die Selbstgewissheit der nur scheinbar Klugen ein. Was als Torheit zu gelten hat, ist mehrdeutig. Sachs nutzt den Handlungsgang, um Torheit auch als Paradoxie des gemeinten Sinns und der erbrachten Folgen von Handlungen vorzuführen und sie damit hinterfragbar zu machen. Bei Pauli verhält es sich anders. Der Schwank endet damit, dass der Mann nach Hause geht und seiner Frau erzählt, dem Schüler noch mehr Geld und das Pferd mitgegeben zu haben: „Da er nun wider heim kam, da fragt in die fraw ob er den man funden het. Er sprach ia, ich hab im mer geltz geben, vnd hab im mein pferd darzů geschenckt, das er dester ee zů im kum.“ (Schimpf und Ernst 44 Sachs ist Erasmus’ Werk in der Übersetzung von Sebastian Franck bekannt, das er 1532 als Reihenspiel Stulticia dramatisiert. Vgl. dazu Stuplich 1998, S. 96-100. <?page no="193"?> 2 Figurenkonzeption in G 22 Der farendt Schuler im Paradeiß 193 1866, S. 274, Z. 30 - S. 275, Z. 2) Pauli thematisiert damit nicht die Einsicht in die eigene Torheit, wie sie sich in der Bearbeitung von Sachs findet. Dieser untermauert anders als Pauli das Interpretationsangebot für die Rezipienten. Der Epilog (vv. 305-322) dient dazu, die Einsicht des Bauern in seine Dummheit nochmals zu verdeutlichen. Dieser Epilog ist nicht als Rede ad spectatores gefasst, sondern vermittelt eine figurenspezifische Reflexion, wenn es im Nebentext heißt: „Der Pawr beschleust“ (v. 304). Im ersten Teil beschwert der Bauer sich über die Dummheit seiner Frau. Im zweiten Teil stellt er hingegen fest, dass auch er Fehler macht, und kommt deshalb zu dem Schluss: Denn zieh man schad gen schaden ab, 320 Darmit man friedt im Ehstandt hab Vnd keyn vneinigkeyt auff wachs; Das wuͤnschet vns allen Hans Sachs. Auch wenn hier der Bauer nicht explizit eine Lehre ausspricht, kommt er doch zu dem Schluss, dass niemand fehlerfrei ist, 45 und damit zu einem Fazit, das viele die Ehe thematisierende Fastnachtspiele von Sachs kennzeichnet. Die Einigkeit in der Ehe dürfte letztlich ein zentrales Anliegen von Sachs gewesen sein. Könneker sieht die Einstellung zum Frieden in der Ehe sogar als die „eigentliche Moral“ der Fastnachtspiele von Sachs: Die Mahnung, Frieden zu halten, sich im Bewußtsein eigener Schwächen mit denen des Partners abzufinden, statt das bestehende Übel durch gegenseitige Aufrechnung der Sünden unnötig zu vergrößern, steht fast stereotyp am Ende der meisten Fastnachtspiele von Sachs, ja ist, so könnte man geradezu sagen, die eigentliche Moral, die er in ihnen verkündet. 46 Insgesamt lässt sich anhand des strukturellen Aufbaus der Monologe die analeptische und proleptische Ausrichtung als Hauptcharakteristikum festhalten. Ist der Expositionsmonolog vornehmlich über eine externe Analepse konstituiert, die die Figur des verstorbenen Ehemanns einführt, um im Kontrast zu diesem 45 Vgl. Classen 2004, S. 33, der das Verhältnis der Eheleute wie folgt zusammenfasst: „Ohne daß Sachs die patriarchale Struktur unterminieren würde, weist er doch Wege auf, wie eheliche Verhältnisse geregelt werden können, ohne daß tyrannische Maßnahmen den einen Partner unterdrücken. Der Bauer besitzt zwar vollkommene Verfügungsgewalt über Haus und Hof, gewährt seiner Frau kein eigenes Einkommen, aber er erkennt seine eigene Fallibilität und Unzulänglichkeit angesichts der Herausforderungen des Lebens. Wichtiger als der nicht so hoch anzuschlagende Geldverlust für sie beide sei doch, sich gegenseitig als Ehepartner zu schätzen und treu zueinander zu stehen, auch wenn dem Mann nicht alles ganz nach seinen Wünschen abläuft.“ 46 Könneker 1976, S. 225. <?page no="194"?> 194 2 Figurenkonzeption in G 22 Der farendt Schuler im Paradeiß den jetzigen Ehemann durch Fremdcharakterisierung als schlecht darzustellen, zeichnen sich die übrigen Monologe durch eine repetitive, bisheriges Geschehenen noch einmal bedenkende Analepse aus. Den Ausblick auf zukünftige Ereignisse geben zukunftsungewisse Prolepsen am Ende der Monologe. Sie sollen den Spannungsbogen aufrecht erhalten. Über diese beiden Ordnungskategorien, die als Geschehensvermittlung an die Figurenrede gebunden sind, stellt sich jeweils die Rückbindung zum vergangenen Geschehen und die Aussicht auf das zukünftige her, womit der Monolog in den Handlungsrahmen eingebettet bleibt. Explizit geschehensvermittelnd wirkt der vorlagenbedingte Einsatz der Teichoskopie. Durch die Monologe am Szenenanfang ist es Sachs darüberhinaus möglich, Ortswechsel und Ellipsen figural zu vermitteln. Der Monolog als szenenstrukturierendes Mittel findet in diesem Fastnachtspiel extensiv Verwendung. Ein Grund dafür muss in der insgesamt auffälligen Ausarbeitung der Vorlage liegen. Während Sachs mit den Novellen des Dekameron Vorlagen bearbeitete, die es zu kürzen und exemplarisch zu wenden galt, gaben ihm die kurzen Schwänke von Pauli ein Handlungsgerüst, das er erweitern konnte. Die strukturell-gliedernden Monologe nutzt er zum Aufbau handlungstragender Figurenperspektiven. In diesem Spiel fallen die Figurenzeichnungen bzw. die Kontrastierungen der enthüllten Motive sowie die präsentierten Selbst- und Fremdcharakterisierungen besonders ins Gewicht. In den Monologen des Bauern macht Sachs ansatzweise eine Entwicklung der Figur in ihrer Haltung erkennbar, die er für die Lehrhaftigkeit des Spiels nutzt. Während die Bäuerin trotz des Expositionsmonologs ein naives Verhalten im Umgang mit dem Schüler, mit dem Bauern und auch mit der Dorfgemeinschaft zeigt, ist das vermeintlich kluge Verhalten des Bauern ebenso dumm. Ein solcher didaktischer Impetus ist in der Vorlage nicht offensichtlich, obwohl es doch gerade Paulis „literarhistorische Leistung“ ist, „auf eine Vielzahl von unterschiedlichen Quellen zurückzugreifen und im geschickten Griff die wesentlichen Elemente herauszulösen und dramatisch neu gestaltet für seine Moraldidaxe umzusetzen“. 47 Ambivalent sind die Figuren hier jedoch ebenso wenig wie in den Dekameron - Bearbeitungen. In ihren Monologen nennen die Figuren stattdessen Handlungsmotive, die eine Wertung ihres Handelns nahelegen. Sowohl die Ehefrau als auch der Ehemann legen ihre eigene Torheit darin unmissverständlich offen. Durch die Figurenkonstruktion und die Erläuterung der Handlungsmotive kann Sachs die einseitige Darstellung der Dummheit ausgleichen, so dass am Ende beide Ehepartner gleichberechtigt ihre Fehler eingestehen müssen. Der Einschätzung von Könneker, wonach die eheliche Einigkeit zentrales Motiv der Fastnachtspiele sei, kann auch mit Blick auf die Figurenkonzeption in den 47 Classen, Albrecht 2003, S. 234. <?page no="195"?> 2 Figurenkonzeption in G 22 Der farendt Schuler im Paradeiß 195 Monologen recht gegeben werden, denn Sachs stellt nicht einen Ehepartner als allein Schuldigen dar, der in der abschließenden Lehre als Exempel für eine negative Charaktereigenschaft dienen könnte, sondern arbeitet die Ehe als beständige und zu bestätigende Institution heraus. Dabei integriert Sachs die von Luther als Polemik gegen das Mönchtum angebrachte „Ablehnung des sakramentalen Charakters“ der Ehe und bestätigt zugleich ihre unhinterfragte „Stellung im sozialen Gefüge“. 48 Die Ehe bildet in der Reformation als von Gott geschaffene Form der Gemeinschaft auch die Grundordnung des Lebens schlechthin […], die gleichzeitig als Spiegel und Vorbild aller übrigen im weltlichen Bereich existierenden Ordnungen fungiert[], ja letztlich sogar Abbild der von Gott ins Leben gerufenen Schöpfungs- und Weltordnung selbst [ist]. 49 Der von Sachs beständig propagierte Wille zum Frieden in der Ehe zielt damit auch auf den Frieden bzw. die Beständigkeit in der Gemeinschaft, denn die Ehe „ist die Grundlage von Familie, Staat und Gesellschaft“. 50 Diese Sinnzuweisung war dem Franziskaner-Mönch fremd. Damit zeigt sich, dass Sachs seine poetologische Kompetenz, deren Strukturierungsprinzipien und Figurenkonstruktionen aus der humanistischen Formkultur stammen, in ganz eigener Weise für seine Deutung im Dienste der reformatorischen Wissensvermittlung funktionalisierte. Das Ineinandergreifen von Einflüssen aus humanistischer Gelehrtenkultur und Predigtlehre bildet die Grundlage für die Dichtung dramatischer Texte. In Tragedi und Comedi lässt sich das docere auf- 48 Könneker 1976, S. 229. Vgl. Kartschoke / Reins 1978, S. 118 f., zu den unterschieden Ansichten von Luther und Sachs in Bezug auf die Ehe. 49 Könneker 1976, S. 230. 50 Röcke 2008, S. 101; Röcke 2008, S. 110 Fn. 20: „Der Grund dafür liegt in dem Umstand, dass Haus und Familie (‚Oikonomia christiana‘) als Mikrokosmos der Gesellschaft gedacht werden, die diesem Makrokosmos (‚Politik‘) in Struktur und Herrschaftsaufbau entsprechen müssen. Beide müssen harmonieren, wenn Recht, Ordnung und Bestand des ganzen Gemeinwesens gesichert sein sollen.“ Röcke 2008, S. 108 f., führt weiter bezüglich der Dialogisierung von antiker Komödie und Fastnachtspiel aus, dass sich die „Verwirrungen, Selbstzweifel und Identitätsbrüche“, die für ihn die antike Komödie prägen, in den Fastnachtspielen von Jakob Ayrer finden: „Einzelne Annäherungen aber zeigen durchaus, die gerade dem Umgang mit Unwägbarkeiten und Kontingenzen, mit Identitätszweifeln und Identitätsverlusten geschuldet sind aus aus dem Gattungsspiel zwischen Fastnachtspiel und antiker Komödie erwachsen. Es ist, so könnte man vielleicht sagen, die je neue Reproduktion, aber auch die Dialogisierung mit der antiken Komödie, die eine Modifikation des Fastnachtspiels erzwingt, damit aber auch deren Ende herbeiführt.“ Genau das trifft, auch wenn Röcke Sachs nicht mit einbezieht, auf die Fastnachtspiele von Sachs zu. Indem sie Strukturprinzipien der antiken Komödie adaptieren, beginnen sie die Gattung Fastnachtspiel zu ihrem Ende zu führen. Vgl. zu Ayrer und der antiken Komödie auch Röcke 2009, S. 285-298. <?page no="196"?> 196 2 Figurenkonzeption in G 22 Der farendt Schuler im Paradeiß grund der angehängten Lehren in den Epilogen leichter erfassen. Wie auch in den Fastnachtspielen hat Sachs die literarischen Verfahrensweisen zur Darstellung der Handlung genutzt, um das docere zu integrieren. Tabellarischer Überblick: Sz. Vers Rede und strukturellgliedernde Funktionen handlungsbezogene Funktionen Figur Zeit und Ort 1 1-16 Auftrittsmonolog Affektdarstellung (Klage), Enthüllung, Fremdcharakterisierung Analepse, Prolepse 17-71 Dialog 72-79 Überbrückungsmonolog Reflexion, Fremdcharakterisierung Analepse, Zeitüberbrückung 80-115 Dialog 116 Singen Überbrückung 2 117-158 Dialog 159-178 Überbrückungsmonolog Reflexion, Entschluss, Affektdarstellung (Klage, Wut, Drohung), Enthüllung, Fremdcharakterisierung Analepse, Prolepse 179-180 Dialog <?page no="197"?> 2 Figurenkonzeption in G 22 Der farendt Schuler im Paradeiß 197 3 181-200 Auftrittsmonolog Affektdarstellung (Freude), Entschluss Ortswechsel, Teichoskopie 201-223 Dialog 224-246 Abgangsmonolog Reflexion, Affektdarstellung (Schadenfreude) Analepse 4 247-252 Auftritt-Abgangs- Monolog Reflexion Zeitsprung, Ortswechsel 5 253-268 Auftrittsmonolog Reflexion, Entschluss, Selbstcharakterisierung Ortswechsel, Teichoskopie 269-304 Dialog 305-322 Abgangsmonolog Reflexion, Lehre <?page no="199"?> 3 Ort und Zeit in G 51 Der Ewlenspiegel mit den blinden Mit dem Eulenspiegel-Buch griff Sachs erneut einen im 16. Jahrhundert äußerst erfolgreichen, aber auch viel diskutierten Text auf, der als Schwanksammlung konzipiert ist. Tenberg fasst das damalige „ambivalente“ Verhältnis zum Eulenspiegel-Buch folgendermaßen zusammen: Eulenspiegels Schwänke werden einmal verurteilt und zeitweilig verboten, dann wieder zur kurzweiligen Unterhaltung empfohlen und als therapeutisches Mittel gelobt. Wie Eulenspiegel selbst ambivalent ist, so ist auch das Urteil der Zeitgenossen über ihn nicht einheitlich. 1 Ziel und Intention des Eulenspiegel-Autors ist in der Forschung umstritten. 2 Die vorliegende Arbeit folgt dem Ansatz, wonach das Eulenspiegel-Buch Handlungswissen in exemplarischen Erzählungen liefert. Da die einzelnen Schwänke die Überschrift ‚Histori‘ haben, erhoben sie im Sinne der Rhetorik als historia den Anspruch, faktisch wahr und moralisch lehrhaft zu sein. 3 Schon die Herennius-Rhetorik verwendete den Begriff historia als terminus technicus , der „neben fabula und argumentum eine von drei Arten der narratio , die die Darlegung von Sachverhalten zu leisten hat“, 4 bezeichnet. Die drei Hauptfunktionen der historia - wahr, handlungsbezogen und narrativ zu sein - galten auch während der Reformationszeit und wurden u. a. von Melanchthon präzisiert: Demnach 1 Tenberg 1996, S. 206; ausführlich S. 204-208. Vgl. Spriewald 1993, S. 29, die meint: „Da der Eulenspiegel-Autor den Historien keine Lehre angehängt hat, ließ er „die Geschichten selbst sprechen“; Oelkers 1994, S. 50 fasst die Forschungsmeinung zur Interpretation der Eulenspiegel-Figur wie folgt zusammen: „Den Auffassungen vom selbstlosen Volkshelden, Revolutionär oder Sprachphilosophen steht das Bild vom böswilligen Spießerschreck gegenüber, der Bürgern, Bauern und Handwerkern das Leben schwer macht, sich jedoch mit Fürsten gut versteht und allenfalls unbeabsichtigt kritische Erkenntnisprozesse in Bewegung setzt.“ 2 Ein anschaulicher Überblick über die verschiedenen Interpretationsversuche findet sich bei Hübner 2012, S. 201-204. 3 Der historia hat in der Rhetorik eine besondere Stellung inne, weil ihr als wahre Erzählung und damit als „lebendiges Beispiel mehr Überzeugungskraft zukommt als der abstrakten Lehre“. Knapp 2005, S. 23. Vgl. auch Knapp 1992, S. 49 und grundlegend Seifert 1977. 4 Knape 1996, Sp. 1406. Vgl. zur Rhetorik in der Gerichtsrede Hohmann 1996. <?page no="200"?> 200 3 Ort und Zeit in G 51 Der Ewlenspiegel mit den blinden soll die historia Ansprüche legitimieren, deren Rechtsgültigkeit stützen und zusätzlich didaktisch und erkenntnisfördernd wirken. 5 Sie müssen eben so abgefaßt werden (das ist der Punkt! ), daß sie Typisches zeigen, Strukturisotopien aufweisen bzw. Wiederholbarkeit möglich erscheinen lassen sowie von zeitlosen Bedingungen ausgehen. […] Die Historiographie wird bei entsprechender Gestaltung zu einem überzeitlich gültige Handlungsmodelle liefernden Wissensfundus. Melanchthon spricht von ‚Schatz‘. Eine Historia ist ein Thesaurus exemplorum, zugleich Thesaurus argumentorum, weil sie Thesaurus politicus und Thesaurus ethicus ist. 6 Handlungsmodelle bzw. Handlungswissen zu vermitteln, scheint der Kern des Eulenspiegel-Buches zu sein, an dem sich erst das exemplarische Erzählen manifestiert: Wer viele Geschichten dieser Art kennen würde, verfügte nicht über eine systematische Theorie, aber doch über eine kumulative Topik des Handlungswissens, über einen Thesaurus analogisierungsfähiger und deshalb erkenntnisträchtiger Beispiele. Eine solche Topik liefern die Historien des Eulenspiegel-Buchs ihren Rezipienten. 7 Dieser Ansatz, der als ‚Klugheit der Praxis‘ aus der Märenforschung bekannt ist, lässt sich auch für die Eulenspiegel-Historien fruchtbar machen. Lebenspraktische Klugheit bedeutet mit Bezug auf die Historien: Das Schlechte zu kennen (Eulenspiegel) und mit Vorsicht zu handeln. 8 „In der Welt der Eulenspiegel- Historien, die sich als hochverlässliches Zusammenspiel von Kontingenz und menschlicher Schlechtigkeit darstellt, avanciert die Vorsicht zur wichtigsten aller Tugenden.“ 9 5 Vgl. Knape 2000, S. 121 f. 6 Knape 2000, S. 125 f. 7 Hübner 2012, S. 183. 8 Röcke 2005, S. 78, spricht hingegen von Resignation: „Bote und Pauli entwerfen das Bild einer Gesellschaft, die vom ‚Trickster‘ dazu gezwungen wird, die Widersprüche und Interessengegensätze zur Kenntnis zu nehmen, die er für sie und durch sie produziert, die sie aber noch nicht zu lösen vermag. Deswegen enden viele dieser Geschichten so perspektivlos und lassen bei den Betroffenen Wut und Schmerz, bestenfalls Resignation zurück. Das wohl ist auch die Haltung, die bei Paulis und Botes Publikum, also dem neuen Typ ‚Lachgemeinschaft‘, anzunehmen ist, der hier entsteht.“ 9 Hübner 2012, S. 195, der auf S. 183 ff., insb. S. 192 f., zur historischen Narratologie ausführt: „Erzähltes Handeln könnte einen kulturellen Sinn, der nicht in der Abstraktion von der Zeitstruktur des Handeln besteht, deshalb nur tragen, indem es sich auf kulturelles Praxiswissen bezieht, das selbst schon eine Handlungsstruktur hat. Die historische Narratologie braucht folglich eine Habitusgeschichte, um erklären zu können, wie der kulturelle Sinn erzählten Handelns zustande kommt. […] Eine praxeologische Narratologie könnte jedoch die These vertreten, dass Erzählungen symbolische Repräsentationen <?page no="201"?> 3 Ort und Zeit in G 51 Der Ewlenspiegel mit den blinden 201 Vor diesem Hintergrund - lehrhaft und wahr zu sein sowie Handlungsmodelle zu liefern - werden die Eulenspiegel-Historien im 16. Jahrhundert rezipiert. Dass die Rezeption des Eulenspiegel-Buches trotzdem Unklarheiten hervorruft, zeigen neben der Forschungsdiskussion auch Äußerungen Martin Luthers. Seine anfänglich positive Einstellung wendet sich ins Negative: In den 1530er Jahren empfiehlt er noch die Lektüre des Schwankbuches, weil es Melancholie vertreibe, 10 wohingegen er sie in den 1540er Jahren verdammt, weil sie, so Tenberg, „in keiner Verbindung zu seinen theologischen oder pädagogischen Zielen“ 11 stünden. Sachs beginnt seine Beschäftigung mit den Eulenspiegel-Historien in den 30er Jahren im Meistergesang. Zwischen 1533 und 1563 greift er in 43 Meisterliedern, neun Spruchgedichten und vier Fastnachtspielen auf Eulenspiegel-Historien zurück, wobei die Fastnachtspiele und Spruchgedichte zumeist Zweitbearbeitungen sind. 12 Auch die 71. Historie, 13 die als Vorlage für das Fastnachtspiel G 51 von 1553 dient, hat Sachs zunächst (1547) als Meisterlied Ewlenspigel mit den 12 plinden 14 bearbeitet. Ingeborg Spriewald sieht den Unterschied zu den Meisterliedfassungen darin, dass Sachs im Meisterlied „im wesentlichen den Prosatext lediglich nacherzählt“, während in den Fastnachtspiel-Bearbeitungen sein „selbständiger Bearbeitungsanteil […] ungleich größer“ 15 ist. Diese Feststellung trifft auch für die hier vorliegende Konstellation zu. Eine moralische Auslegung hat Sachs dem Meisterlied nicht hinzugefügt. Nachdem er den Inhalt der Historie in drei Strophen 16 wiedergegeben hat, beendet er das Meisterlied ohne moralische Auslegung mit den Versen: kulturellen Praxiswissens darstellen und deshalb jener kulturelle Ort sind, an dem das Praxiswissen doch zur Sprache gebracht wird, ohne dabei gleich einer theoretischen Abstraktion auf Begriffe und Axiome unterzogen zu werden.“ Zur historischen Narratologie grundlegend Hübner 2003 und ders. 2010. 10 Vgl. Tenberg, 1996, S. 100 f. Insgesamt äußert sich Luther vier Mal zu Eulenspiegel: WA TR 5, S. 467; WA TR 1, S. 548; WA 51, S. 434 und WA 48, S. 130 f. Vgl. dazu Tenberg 1996, S. 94, 100 f., 110 f., 123 f. 11 Tenberg 1996, S. 124. 12 Vgl. Spriewald 1993, S. 12. Tenberg 1996, S. 96, spricht von 55 Bearbeitungen, wovon 37 Meisterlieder sind. Neben dem hier behandelten Fastnachtspiel haben G 58, G 72 und G 77 Eulenspiegel-Historien zur Vorlage. 13 Ulenspiegel 1981, S. 203-209. 14 Sämtliche Fabeln und Schwänke in Sachs 1903, Bd. 4, S. 176 ff. 15 Spriewald 1993, S. 13. Zum Verhältnis Meisterlied, Spruchgedicht und Fastnachtspiel vgl. Teil D, Kap. 2.1. 16 Das Meisterlied Ewlenspigel mit den 12 plinden teilt die drei Strophen inhaltlich wie folgt auf: Die erste Strophe beschreibt, wie die 12 Blinden von Eulenspiegel vermeintlich Geld bekommen und es beim Wirt ausgeben. Die zweite Strophe beschreibt, wie die Blinden nicht zahlen können, in den Schweinestall gesperrt werden, Eulenspiegel für die Blinden einen Bürgen finden will und dem Pfarrer erzählt, dass der Wirt vom Teufel besessen sei. <?page no="202"?> 202 3 Ort und Zeit in G 51 Der Ewlenspiegel mit den blinden All drey partey wurden mit gfer Durch diesen schalck petrogen Neben dem Eulenspiegel-Buch hatte Sachs sehr wahrscheinlich auch eine Version der 71. Historie in Paulis 17 Schimpf und Ernst zur Vorlage. 18 Als erster Eulenspiegel-Bearbeiter im deutschsprachigen Raum nahm Pauli in seiner Exempelsammlung 11 Historien zur Vorlage, die er alle dem Bereich des ‚schimpfs‘ zuordnete und abgesehen von einer Bearbeitung (Nr. 605) ohne Moral beließ. Eulenspiegel tritt bei Pauli als namentlich benannte Figur in lediglich zwei Schwänken auf; im vorliegenden Fall namenlos als Ritter. Für alle Eulenspiegel- Schwänke gilt, dass sie eine ‚Glättung‘ durch Pauli erfahren, die „das skatologische, fäkalische Sprechen und Handeln Eulenspiegels, der seine Körperfunktionen ungeniert und gegen jeden anderen Mitmenschen einsetzte“, 19 meiden. 20 Der Inhalt des Fastnachtspiels G 51: 1. Szene: Eulenspiegel trifft drei Blinde, die Hunger leiden. Er sagt ihnen, dass einer von ihnen einen Taler bekommt, um bei einem Wirt essen und trinken zu können. Er gibt jedoch keinem das Geld. Jeder Blinde glaubt, dass ein anderer den Taler erhalten hat. 2. Szene: Der Wirt und die Wirtin machen sich Sorgen um ihr schlecht laufendes Geschäft. Der Wirt will die Blinden nicht bedienen, da sie Bettler sind. Erst als sie erzählen, dass sie Geld haben, bekommen sie Essen. Bei der Bezahlung merken sie, dass keiner den Taler hat. Der Wirt hält sie für Betrüger und sperrt sie in den Schweinestall. In der dritten Strophe sagt der Pfarrer Hilfe zu, die Wirtin geht als Zeugin zum Pfarrer und der Wirt lässt die Blinden gehen; Eulenspiegel reitet fort und der Wirt will das Geld beim Pfarrer holen. 17 Näheres zu Pauli in Teil C, Kap. 2. 18 Das Motiv „der getäuschten Blinden“ ist, so Röcke 2005, S. 72 f., in der „europäischen und außereuropäischen Erzählliteratur bestens belegt“; am weitesten verbreitet dürfte die Bearbeitung von Pauli gewesen sein. 19 Tenberg 1996, S. 80. 20 Inwiefern das französische Fabliau des Trouvère Cortebarde Les trois Avugles de Compiengne (Fabliaux ou contes 1829, S. 5-9) Sachs als Quelle diente, ist fraglich. In ihm wird zwar derselbe Stoff bearbeitet, ob Sachs diese Vorlage besessen hat, ist jedoch nicht nachgewiesen. Stiefel 1892, S. 32, geht davon aus, dass Sachs eine „jetzt verlorene deutsche Bearbeitung des Fabliau gehabt“ hat. Zumindest Paulis Schwank geht auf diese Quelle zurück. Vgl. Röcke 2005, S. 73 f. <?page no="203"?> 3 Ort und Zeit in G 51 Der Ewlenspiegel mit den blinden 203 3. Szene: Der Wirt und die Wirtin beraten, was sie mit den Blinden machen sollen. Sie sind der Meinung, dass die Blinden nie ihre Zeche bezahlen können. Deshalb sei es besser sie gehen zu lassen. Eulenspiegel bittet beim Wirt um Herberge. Nachdem ihm der Wirt die Geschichte von den Blinden erzählt hat, will Eulenspiegel einen Bürgen für die Blinden finden, wenn sie daraufhin freikommen. 4. Szene: Eulenspiegel geht zum Pfarrer und erzählt ihm, dass der Wirt besessen sei. Wenn er ihn beschwöre, habe die Wirtin ein Geschenk für ihn. Der Pfarrer will die Beschwörung in spätestens zwei Tagen vornehmen. 5. Szene: Eulenspiegel verkündet den Wirtsleuten, dass er den Pfarrer als Bürgen gefunden habe. Die Wirtin soll mit zum Pfarrer kommen, um sich davon zu überzeugen. 6. Szene: Eulenspiegel ist mit der Wirtin beim Pfarrer. Der Pfarrer bestätigt ihr, dem Wirt helfen zu wollen und wiederholt seine Zusage an Eulenspiegel. Der Pfarrer sucht seine Haushälterin. 7. Szene: Der Wirt zweifelt, ob der Pfarrer zahlen werde, weil er geizig sei. Seine Frau bezeugt hingegen, dass der Pfarrer helfen wolle. Eulenspiegel erreicht die Freilassung der Blinden, da der Pfarrer für deren Schulden einstehe. Eulenspiegel will nun verschwinden, obwohl er gerne sehen möchte, wie sie sich alle gegenseitig beschuldigen. 8. Szene: Der Pfarrer will sich auf den Weg machen, um den Wirt zu beschwören, als die Wirtin kommt und den Taler verlangt. Daraufhin glaubt der Pfarrer, dass sie ebenfalls von Sinnen sei. Der von ihr herbeigeholte Wirt droht den Pfarrer aufzuspießen, wenn er nicht das versprochene Geld gibt. Der Pfarrer ruft Bauern um Hilfe und lässt den tobenden Wirt an einen Trog binden. Er will ihm den Geizteufel austreiben. Das Fastnachtspiel beinhaltet alle handlungstragenden Ereignisse beider Vorlagen. Nur die am Ende zu findende Beschwörung wird in der Historie und in Paulis Schwank zwar von Eulenspiegel geplant aber nicht weiter erzählt. 21 Dass es sich abweichend von den Vorlagen um drei statt 12 Blinde handelt, ist möglicherweise auf die Inszenierbarkeit zurückzuführen. 22 Das Meisterlied von Sachs Ewlenspigel mit den 12 plinden weist keine Anlehnungen an den Schwank Paulis auf, sondern stellt sich als eine versifizierte 21 Geiger 1904, S. 6, sieht in dem Abweichen von seinen beiden Hauptquellen eine Anlehnung an das Fabliau. 22 Vgl. Rettelbach 1994 b, S. 121, und Aylett 1995, S. 207. <?page no="204"?> 204 3 Ort und Zeit in G 51 Der Ewlenspiegel mit den blinden Nacherzählung der 71. Historie dar. Die Unterschiede von Meisterlied zum Fastnachtspiel sind im Wesentlichen dieselben wie die zwischen Fastnachtspiel und 71. Historie: Es sind 12 statt drei Blinde, die Wirtin taucht nur als Zeugin auf und nicht mit dem Wirt zusammen, eine Beschwörung erfolgt nicht. Monologe integriert Sachs nicht in das Meisterlied. In der Eulenspiegel-Historie hingegen lassen sich drei Monologe nachweisen (Ulenspiegel 1981, S. 207): Der saß und gedacht: ‚Verlierest du nun sie, so wirt dir dein kost nit bezalt, und behalst du sie auch, so fressen und zeren sie noch baß und so haben sie noch nüt, so bist du in zwen Schaden‘ Der Wirt gedacht: ‚O hät ich jetz einen‘ Ulenspiegel gedacht, daz es solt bei der Zeit sein, daz die Blinden solich Gelt verzeret hätten. In der Bearbeitung Paulis findet sich eine weitere Monologandeutung (Schimpf und Ernst 1866, S. 355): Der ritter gedacht, der sie in die not bracht het, du must ye lugen wie es den blinden gang. Alle vier Gedankengänge hätte Sachs zu monologischen Figurenreden umarbeiten können, was er jedoch nicht macht. Dennoch fügt Sachs in seine Fastnachtspiel-Bearbeitung 11 Monologe ein. Darüberhinaus ist bemerkenswert, dass er die in der 71. Historie 23 in reichhaltiger Weise auffindbaren direkten und indirekten Reden der Figuren weder übernimmt, noch eine Orientierung an diesen inhaltlichen Passagen erkennbar ist. Gleichzeitig folgt die Dramatisierung vollständig den Handlungsabschnitten der Vorlage sowie weitestgehend den räumlichen Bezugspunkten und Verlagerungen im Ablauf der Geschichte. Dass dies für die funktionale Verwendung der Monologe entscheidend ist, verdeutlicht eine an den Ortswechseln orientierte Abschnittbildung: 24 1. Szene: Blinde und Eulenspiegel vor der Stadt; 2. Szene: Blinde und Wirt im Wirtshaus, Wirt sperrt Blinde in den Stall; 3. Szene: Eulenspiegel und Wirt im Wirtshaus; 4. Szene: Eulenspiegel beim Pfarrer im Kirchhof; 5. Szene: Eulenspiegel und Wirt im Wirtshaus; 6. Szene: Eulenspiegel und Wirtin beim Pfarrer im Kirchhof; 23 Der Vergleich mit der Vorlage bezieht sich im Weiteren auf die Eulenspiegel-Historie Nr. 71 und nicht mehr auf die Schwank-Bearbeitung von Pauli. 24 Vgl. Rettelbach 1994 b, S. 118. <?page no="205"?> 3 Ort und Zeit in G 51 Der Ewlenspiegel mit den blinden 205 7. Szene: Eulenspiegel und Wirtsleute im Wirtshaus, Blinde entlassen, Eulenspiegel verschwindet; 8. Szene: Wirtin beim Pfarrer im Kirchhof, Wirtin und Wirt im Wirtshaus, Wirt und Pfarrer und Bauern im Kirchhof. Der fast jede Szene bestimmende Wechsel zwischen den beiden Hauptorten bedurfte der dramatischen Umsetzung, da die Handlungslogik auf der räumlichen Trennung basiert. Nur so ist das doppelte Missverständnis inszenierbar, das den Streich Eulenspiegels ausmacht. Alle vier Eulenspiegel-Fastnachtspiele beginnen mit einem Monolog. In drei der vier Spiele spricht Eulenspiegel den Expositionsmonolog, so auch in G 51 (vv. 1-20). Der Monolog stellt hier eine Besonderheit dar, weil er ähnlich wie die Prologsprecher der Tragedis und Comedis im äußeren Kommunikationssystem verortet ist: Ewlenspiegel bin ich genandt, Im gantzen Teudtschlandt wolbekandt; Mit meiner schalckheyt vmbadumb Bin ich gar schwindt, wo ich hin kumb, 5 Vnd wo ich sol fruͤ oder spadt Auß eim Dorff oder einer Stadt, Da ich kein schalckeyt hab geuͤbet, Bin ich von Hertzen des betruͤbet, Wie mir zu Egelßheim an gfer 10 Geschehen ist. Dort gehn daher Drey blindt, denn wil ich verheissen eben, Ein Thaler zu einr zerung geben, So werden sie denn an dem endt All drey auffhalten jre hendt; 15 Ich gieb in aber nichts darein; Denn meinens all drey in gemein Jeder, der ander hab das gelt; So habens denn all drey gefelt, Auff das ich nit gar wiederumb 20 Ohn schalckeyt von Egelßheimb kumb. Der erste Teil dient der Selbstcharakterisierung Eulenspiegels und führt zugleich mittels der externen Analepse in die Handlung ein. 25 Als charakteristi- 25 Vgl. Fernau 1922, S. 10. <?page no="206"?> 206 3 Ort und Zeit in G 51 Der Ewlenspiegel mit den blinden sches Kennzeichen stellt Eulenspiegel selbst seine „schalckheyt“ (v. 3) heraus. Sie erscheint nicht nur in diesem Fastnachtspiel, sondern in allen Eulenspiegel-Bearbeitungen von Sachs als Hauptmerkmal der Eulenspiegel-Figur. 26 Das Motiv zum schalkhaften Handeln gegenüber den Blinden stellt der Monolog nicht als Entschluss dar, sondern enthüllt es als feststehende Absicht (vv. 7-8), die als beständiges Hauptmotiv für das Handeln der Figur gilt. Dies unterstreicht die typenhafte Zeichnung der Eulenspiegel-Figur 27 und lässt die kommende Handlung nicht als Einzelfall erscheinen, denn Eulenspiegel spricht von vergangenen Schalkheiten, die er begangen habe. Der zweite Abschnitt gibt schon im Voraus den gesamten Inhalt der ersten Szene preis. Da es sich hierbei um die weniger häufig zu findende zukunftsgewisse Prolepse handelt, dient der zweite Teil nicht dem Spannungsaufbau. Das auf den Monolog folgende Gespräch zwischen Eulenspiegel und den drei Blinden ist demnach eine dramatische Ausführung des Monologs. 28 Die Vorwegnahme der Handlungssequenz zu Beginn des Stückes erfolgt ähnlich einem Prolog, wie er sich in den Tragedis und Comedis üblicherweise findet. Mit der Teichoskopie werden die herannahenden, sogleich auftretenden Blinden angekündigt. Hauptsächlich unterstreicht der Monolog indes die Bosheit der Eulenspiegel-Figur. Die Historie beginnt ohne eine Vorwegnahme der Handlung, sondern mit einer kurzen Einleitung des Erzählers, in der er beschreibt, wie Eulenspiegel nach Hannover 29 kommt: „Als nun Ulenspiegel ein Land uff wandert, das ander nider, da kam er uff ein Zeit wider gen Hanouer, und da treib er vil seltzamer Abenthür.“ (Ulenspiegel 1981, S. 205) Der Erzähler stellt die Verbindung zu anderen Schwänken her, indem er den erneuten Besuch in Hannover benennt. Damit setzt er die Historie in einen übergeordneten Kontext, wie es im Fastnachtspiel mit dem Expositionsmonolog geschieht. Dass der Monolog stark narrative Züge aufweist, geht folglich auf die Umsetzung der Erzählerrede in Figurenrede zurück. In der Historie wie im Fastnachtspiel erbarmt sich Eulenspiegel im nachfolgenden Dialog scheinbar der Blinden, gibt ihnen angeblich Geld - im Fast- 26 Vgl. Tenberg 1996, S. 97. 27 Vgl. Tenberg 1996, S. 97, der eine individuelle Gestaltungsweise in einigen Eulenspiegel- Historien sieht, der „die Typisierung bei Hans Sachs gegenüber“ steht. 28 Geiger 1904, S. 62, 325, weist darauf hin, dass Sachs die Vorwegnahme des Kommenden im Monolog von Eulenspiegel eingebaut hat, weil das Publikum sonst übersehen könnte, dass Eulenspiegel den Blinden das Geld nicht gibt und somit die Szene „nicht recht verständlich“ wäre. 29 Rettelbach 1994 b, S. 118, verweist auf die Änderung des Ortes von Hannover nach Egelßheim, das nach einem katholischen Dorf nahe Nürnberg klingt, was für die negative Zeichnung des Pfarrers wichtig ist. <?page no="207"?> 3 Ort und Zeit in G 51 Der Ewlenspiegel mit den blinden 207 nachtspiel genau einen Taler - und weist sie an, damit bei einem bestimmten Wirt zu essen und zu trinken. Die zweite Szene und der Ortswechsel sind, nach dem Abtritt aller Figuren am Ende der ersten Szene, ohne Monologe gestaltet. Am Beginn der dritten Szene findet sich der Auftrittsmonolog der Wirtin (vv. 155-159), bestehend aus einer Reflexion mit Affektdarstellung: 155 Botz leichnam angst, wo sol ich finden Die zalung von diesen drey blinden? Ach meiner wuͤrst vnd Schweinen braten! Ich dacht, ich wer mit jn beraten, So hat mich wol der Teuffel bschissen. Die Wirtin fragt sich, woher sie das Geld der Blinden bekommen soll, nachdem sie deren Bewirtung fälschlicherweise für ein gutes Geschäft gehalten habe. Die Hauptfunktion des Monologs ist jedoch nicht die Reflexion über das zu erlangende Geld, sondern die Zeitüberbrückung. Am Ende der zweiten Szene bringt der Wirt die Blinden zum Schweinestall. Der Monolog ist zwischen den Abgang und den Wiederauftritt des Wirtes gesetzt. Damit deutet er die vergehende Zeit an und symbolisiert die Handlung im Off : Der Wirt sperrt die Blinden in der Zeit, in der die Wirtin reflektiert, in den Stall. Mittelbar drückt damit auch der Monolog die tatsächliche Festsetzung der drei Blinden aus. Die Frage, ob die Wirtsleute ihr Geld noch bekommen können, diskutieren Wirt und Wirtin im anschließenden Dialog. Der inhaltlichen Präsentation durch einen Monolog hätte es nicht mehr bedurft. Die Figur der Wirtin, die den ersten Monolog nach Eulenspiegel spricht, erhält von Sachs eine wichtigere Rolle als in den Vorlagen; sie tritt zusammen mit dem Wirt auf, während sie in der Historie erst als Zeugin für den Bürgen ins Geschehen eintritt. Durch die Aufwertung der Wirtin bieten sich Sachs erweiterte handlungsbezogene und strukturelle Möglichkeiten; eine Technik, die Sachs auch im Fastnachtspiel G 23 angewandt hat, indem er der Figur der Magd größere Redeanteile einräumt. Im vorliegenden Fastnachtspiel arbeitet Sachs damit die Figurenperspektive der Wirtsleute aus. Ihr Dialog exponiert, anders als in der Vorlage ihre wirtschaftlich schlechte Lage und wie missmutig sie, vor allem der Wirt, hierüber sind. Auch die vierte Szene beginnt mit einem Auftrittsmonolog (vv. 207-216), der den Pfarrer in die Handlung einführt. Im vorhergegangen Dialog wurde die Figur als möglicher Bürge benannt: <?page no="208"?> 208 3 Ort und Zeit in G 51 Der Ewlenspiegel mit den blinden Ich weiß nit, wie ichs sol verstehn, Die Pawrn woͤln nimbr gehn opffer gehn; Ich bin bey jn worden vnwerdt, 210 Sie sindt hewer erger den fert; Da luden sie mich zun rotsecken, Hewr ließ mich keinr seiner wuͤrst schmecken, Weiß doch nichts, das ich in hab than. Dort geht in Pfarhoff ein frembd Man; 215 Ich wil than, sam ich mein horas bet, Ob er ein presentz bringen thet. Das Thema der unverschuldeten Geldnot bleibt als Selbstcharakterisierung und Anklage gegen die Bauern, die nichts mehr opfern wollen, erhalten. Der Pfarrer hofft, der Besucher im Pfarrhof bringe ihm ein Präsent. Daneben legen die Worte „Dort geht in Pfarhoff ein frembd Man“ (v. 214) das Pfarrhaus als Ort der Szenerie nahe, d. h. ein Ortswechsel hat stattgefunden. Diesen ermöglicht der Zeitsprung aufgrund der elliptischen Konstruktion im Dramenaufbau. Der Zeitsprung ist erkennbar, da es sich bei dem „frembd Man“ erwartungsgemäß um Eulenspiegel handelt, der vor dem Monolog des Pfarrers die Bühne verlassen hat, um einen Bürgen zu suchen. Die Vorlage macht den Ortswechsel mit der Erzählerrede „Da gieng Ulenspiegel zu dem Pfarer“ (Ulenspiegel 1981, S. 207) kenntlich. Sachs kann durch Einarbeitung des Monologs vier Informationen komprimiert präsentieren: den Ortswechsel zum Pfarrhof, den Zeitsprung, die Einführung der Figur des Pfarrers und den Blick auf den herannahenden Eulenspiegel als Überleitung zum kommenden Dialog. Der Monolog verdeutlicht sehr eindrücklich, welcher Umarbeitung es für einen dramatischen Text bedurfte, um die für den Handlungsfortgang notwendigen Inhalte eines einleitenden Satzes des Erzählers zu übertragen. Der Monolog dient Sachs als geeignetes Mittel, um für den Fortgang der Handlung und das Verständnis der Rezipienten relevante narrative Passagen in Figurenrede umzusetzen. Die vierte Szene rahmt Sachs mittels Monologen ein, indem er sie mit einer Selbstrede des Pfarrers beginnen und enden lässt (vv. 239-246): Des Wirtes straff ist jetz auch kummen, 240 Er hat die Leut sehr vbernummen, Viel wassers gossen vnters bier, Ein kandel offt angschrieben zwir; <?page no="209"?> 3 Ort und Zeit in G 51 Der Ewlenspiegel mit den blinden 209 Hat mir auch offt vbel gemessen; Jetz hat jn der geitzteuffel bsessen. 245 Die kelt ist heut gar vngehewer, Ich muß ein wenig schuͤrn das Fewer. Im szenischen Gefüge bietet das Selbstgespräch des Pfarrers Eulenspiegel die Möglichkeit, die Szenerie vorzeitig zu verlassen und in der nächsten Szene im Gasthaus wieder aufzutauchen, d. h. es wird der Ortswechsel überbrückt und ein Zeitsprung möglich. Inhaltlich reflektiert der Pfarrer über den Geizteufel, der den Wirt besessen hat. Er ist die logische Strafe dafür, dass er oft seine Gäste betrogen hat. Neben der Funktionalisierung für Ortswechsel und Zeitsprung kann Sachs damit den inhaltlichen Aspekt des Geizes hervorheben. Figurenperspektivisch ist das Motiv eingeführt, einen Geist auszutreiben, der nicht nur wie in der Vorlage einfach böse, sondern der ‚Geizteufel‘ selbst sein soll. Dieser ‚Geizteufel‘ taucht erst im Monolog des Pfarrers, nicht aber in der Bitte Eulenspiegels auf, den Wirt von der vermeintlichen Besessenheit zu befreien. Die in der Rede des Pfarrers liegende Fremdcharakterisierung und Reflexion dienen Sachs dazu, das Thema Geiz und seine Bestrafung im Fastnachtspiel zu explizieren. Der Monolog ermöglicht es, eine Beschreibung des Wirtes zu liefern, nach der er nicht nur gegenüber den Blinden, sondern gegenüber allen Leuten geizig ist. Auch zu Beginn der sechsten Szene tritt der Pfarrer mit einem Monolog (vv. 261-264) auf: Ich mag gleych heudt nit mer studirn, 260 Vergebens mir schwinden mein Hirn. Weyl die Pawrn nimr gen opffer gohn, Wil ich jn schlechte Predig thon Das man des sprichworts nit vergeß: Kupffer gelt, kupffer Seelmeß. Er enthüllt die Absicht, eine schlechte Predigt halten zu wollen, weil die Bauern entsprechend seiner Klage in vv. 207-216 ihm zu wenig von ihren Gütern abgeben. Die angekündigte schlechte Predigt kommt im weiteren Handlungsverlauf nicht vor, sie ist für das Stück nicht weiter von Relevanz. Der Monolog schließt thematisch an bereits zuvor eingefügte Passagen zum Geiz an und legt den Akzent auf den Geiz der Bauern, der nun zu dem des Wirtes hinzukommt. 30 Diese 30 Geiger 1904, S. 164, sieht zusätzlich die Eigenschaft der Habgier, die sich ebensowenig wie der Geiz in den Vorlagen findet. <?page no="210"?> 210 3 Ort und Zeit in G 51 Der Ewlenspiegel mit den blinden Eigenschaft findet sich in keiner der Quellen. Im Fastnachtspiel ist der Pfarrer lediglich nicht bereit, sich ohne Gegenleistung der Bauern um ihr Seelenheil zu bemühen: „Kupffer gelt, kupffer seelmeß“ (vv. 263-264). Indem Sachs der Figur des Pfarrers dieses Sprichwort in den Mund legt, verallgemeinert er das Thema Geiz jedoch im Sinne einer allgemein menschlichen, nicht bloß einzelne Personen bzw. Figuren betreffende Charaktereigenschaft. Neben diesen handlungsbezogenen Funktionen ist die strukturell-gliedernde Überbrückungsfunktion der Rede wesentlich. In erster Linie baute Sachs den Monolog ein, um zu zeigen, dass die Szenerie zum Pfarrhof wechselt. Der monologische Einschub macht es möglich, dass die Wirtin und Eulenspiegel, nachdem sie am Ende der fünften Szene die Bühne verlassen haben, nicht sofort wieder auftreten müssen. Nachdem Eulenspiegel und die Wirtin den Pfarrer besucht haben, spricht letzterer, die sechste Szene beschließend, einen Abgangsmonolog (vv. 275-278): 275 Mein Kellerin ist in der Stadt Lang, doch nit viel zuschaffen hat; Ich fuͤrcht, sie thu im schalcksperg hawen, Ich muß gehn auff die strassen schawen. Er bekundet, seine Haushälterin suchen zu wollen, da sie, wie er vermutet, in der Stadt Ungehöriges treibe. Der Monolog ist, ähnlich wie der des Pfarrers, am Ende der vierten Szene eingefügt, um den Ortswechsel für die Wirtin und Eulenspiegel in das Gasthaus zu ermöglichen, hat die Haushälterin des Pfarrers doch mit der Handlung insgesamt nichts zu tun. Allerdings hätte auch der folgende Monolog des Wirtes diese Funktion übernehmen können. 31 Strukturell-gliedernd erreicht Sachs jedoch einen Szenenaufbau nach der Struktur Monolog - Dialog - Monolog. Zusätzlich zum Geiz greift er mit der Suche nach der ‚Kellerin‘ auf die stereotype Figurenzeichnung des Pfarrers, der eine Partnerin hat, zurück. 32 Mit dem Motiv bekommt der Pfarrer zum Geiz ein weiteres Laster zugeschrieben, das 31 Rettelbach 1994 b, S. 119, begründet die Suche nach der ‚kellerin‘ mit der Bühnenkonstruktion: „Der Szenenschluß führt uns vor, daß in der Dramaturgie des Hans Sachs mangels Vorhang der obligate Abgang der Personen die Szenen begrenzt - denn der Pfarrer, der in diesem Fall keinen handlungsorientierten Anlaß zum verlassen der Bühne hat, verläßt sie mit der Begründung, er müsse nach seiner Haushälterin sehen, die aus der Stadt nicht zurückkommt.“ 32 Siehe auch das Fastnachtspiel G 58 Ewlenspiegel mit der pfaffenkellerin , dazu Rettelbach 1994 b, S. 122 ff. <?page no="211"?> 3 Ort und Zeit in G 51 Der Ewlenspiegel mit den blinden 211 ihn besonders negativ charakterisiert. 33 Die stereotype Überzeichnung integriert vor dem Hintergrund der konfessionellen Auseinandersetzungen ein weiteres komisches Moment in das Fastnachtspiel. Ausgehend von der Historie ist ein größerer Zeitsprung bis zum Wiederauftritt des Pfarrers in der achten Szene zu vermitteln. Dort vermeidet der Pfarrer nach Eulenspiegels Bitte ausdrücklich eine sofortige Beschwörung des Wirtes: „Der Pfarrer sagt ja, sunder er muß ein Tag oder zwen harren, solich Ding möchte man ubereilen.“ (Ulenspiegel 1981, S. 207) Auch im Fastnachtspiel sagt der Pfarrer, dass er „auffs lengst über zwen tag“ (v. 233) bzw. „uber ein tag oder zwen“ (v. 267) im Wirtshaus erscheinen werde, um den Wirt zu heilen. Dass der Pfarrer, ähnlich wie in der Historie, nicht sofort zum Wirt geht, um ihn schnellstmöglich von seiner Besessenheit zu heilen, ermöglicht der Monolog am Ende der sechsten Szene, in dem er bekundet, seine Haushälterin suchen zu müssen. Dadurch, dass der Pfarrer in die Stadt aufbrechen muss, ist auf der handlungslogischen Ebene plausibel, dass Eulenspiegel nie zugleich mit beiden, von ihm gegenseitig ausgespielten Kontrahenten zusammen trifft. Hier zeigt sich, dass Sachs fortwährend um größtmögliche Eindeutigkeit bzw. Sicherung des Verständnisses in den Stücken bemüht ist. Nach dem Abgang Eulenspiegels folgt zu Beginn der siebten Szene der Auftrittsmonolog (vv. 279-284) des Wirts: Laß schawn, ob der Pfarrer woͤl loͤsen 280 Mit eim Taler die blinden boͤsen, Er ist ye sunst ein karger Hundt, Wie all Pawrn von jm sagen thundt; So er ein pfenning auß geben sol, So schawdt er jn vor dreymal wol. 33 Dass von Spriewald 1993, S. 19, entwickelte Eulenspiegel-Bild von Sachs lässt sich an dieser Stelle nachweisen. Spriewald meint, dass hier die Zielscheibe für Sachs „der katholische Pfarrer, der Vertreter der ‚alten‘, der römisch-katholischen Kirche“ ist und dieses Feindbild auch seine anderen Eulenspiegel-Bearbeitungen dominiere. Auch Rettelbach 1994 b, S. 121, stellt eine besonders negative Zeichnung des Pfarrers fest: „Während Eulenspiegel außerhalb der Gesellschaft steht und sich jeder moralischen Wertung gewissermaßen entzieht, ist der Pfaffe als Gesellschaftsschädling gekennzeichnet. Er ist heuchlerisch, denn er tut so, als bete er gerade, als er Eulenspiegel kommen sieht. Er ist wenig gelehrt, wie er an einer Stelle selbst sagt, und er ist materialistisch eingestellt, da er seine Predigt schlechter halten will, weil ihm die Bauern zu wenig Geschenke bringen. Das alles sind Züge, die in der Quelle fehlen, die auch mit dem Fortgang der Handlung nicht in einem inneren Zusammenhang stehen.“ <?page no="212"?> 212 3 Ort und Zeit in G 51 Der Ewlenspiegel mit den blinden Erneut integriert Sachs unabhängig von der Vorlage das Thema Geiz. Der Wirt bezweifelt reflektierend, ob er vom Pfarrer überhaupt das Geld bekommt, weil dieser geizig sei. Dabei verstärkt die perspektivische Fremdcharakterisierung den Eindruck, dass neben dem Wirt und den Bauern auch der Pfarrer den verpönten Charakterzug trägt. Sachs nutzt dafür wieder den Monolog, der primär den am Ende der vorherigen Szene eingeleiteten und verdeckt ablaufenden Ortswechsel auffängt. Am Ende der Szene steht ein Abgangsmonolog Eulenspiegels (vv. 297-306). Er verkündet, verschwinden zu wollen, obwohl er gerne sehen würde, wie sich beide Parteien gegenseitig beschuldigen: Ich wil mich heben auß der druͤpffen, Weil ich thet an einander knuͤpffen Den Wirdt vnde diesen Dorffpfaffen, 300 Hab ich gemachet beidt zu affen, Das sie beidsam rumoren wern Umb den Thaler, ich moͤchts hoͤrn gern; Wils wol erfaren, wenn ich wiedrumb In dieses Dorff Egelsheim kumb. 305 Auff das niemandt mein schalckeyt spuͤr, Nimb ich vrlaub hinter der thuͤr. Dieser Monolog verweist auf die Schwierigkeiten, eine stark typologisierende Figurenzeichnung in ein Klassifikationsschema einzuordnen, wie es etwa Fernau erstellt hat. 34 Er vermittelt das typische Eulenspiegel-Bild: Eine schalkhafte Figur, die es schafft, Leute zu betrügen und dabei ungeschoren davon kommt. Eulenspiegel erläutert seine Funktion als Strafinstanz für die Laster des Wirtes und des Pfarrers. Er erwähnt nicht mehr die Blinden, sondern Wirt und Pfarrer, die demnach im Sinn mangelnder Erkenntnisfähigkeit die eigentlichen Blinden sind, die es zu strafen gilt. 35 Indem Eulenspiegel nach kurzer, analeptisch konstruierter Reflexion den Entschluss fasst, auf die Situation aktiv zu reagieren, antizipiert er den Handlungsverlauf proleptisch, der auf den Höhepunkt, auf die Entdeckung der In- 34 Im Rahmen der von Fernau erarbeiteten Klassifikation handelt es sich bei der geäußerten Rede vorderhand um einen Entschluss. Denn verbunden mit kurzer Reflexion trifft die Figur die Entscheidung, auf eine Veränderung der gegebenen Situation aktiv zu reagieren und setzt dies agierend um. 35 Vgl. Röcke 2005, S. 74-78, zum veränderten Bild der Blinden im Ulenspiegel und bei Pauli, unter besonderer Berücksichtung der Lachgemeinschaften. Rettelbach 1994 b, S. 118, bezeichnet die Blinden als „Instrument“ für Eulenspiegel. <?page no="213"?> 3 Ort und Zeit in G 51 Der Ewlenspiegel mit den blinden 213 trige bzw. das Austragen des eingeleiteten Konflikts, zustrebt. Der Monolog ist wiederum, wie in ähnlichen Fällen anderer Fastnachtspiele, nicht am Punkt des tatsächlichen Umschwungs der Handlung angesiedelt, sondern kurz davor. Die Figur handelt, um sich der kommenden Situation zu entziehen. Da nun aber das rechtzeitige Sich-Entziehen eine typische Eigenheit von Eulenspiegel ist, kann man auch von einer feststehenden, für Eulenspiegel als Figur geradezu vorgegebenen Absicht sprechen. Demzufolge hat der Monolog figurenbezogen nicht die Funktion eines Entschlusses, sondern die der Enthüllung eines Motivs oder einer Haltung. Sachs vermittelt die schalkhafte Eigenart Eulenspiegels durch die Schadenfreude, die dem Monolog als Affektdarstellung unterlegt ist. 36 Daneben dient die Selbstrede hier als spannungsfördernde Vorausschau auf das Zusammentreffen der beiden Parteien mit gegenseitigen Schuldzuweisungen. In der Eulenspiegel-Historie heißt es zum heimlichen Abgang Eulenspiegels: „Und Ulenspiegel richt sich auch und schleich von danen.“ (Ulenspiegel 1981, S. 208) Obwohl Eulenspiegel die Hauptfigur des Fastnachtspiels ist, spricht er nur zwei Monologe. Geiger begründet diese monologische Zurückhaltung damit, dass Eulenspiegel als dramatische Gestalt wirkt, indem er „Reflexe in ander[en] [Gestalten] hervorruft, nicht aber, indem er eigene leidenschaftliche Reflexe aufweist“. 37 Tenberg sieht zudem in der Eulenspiegel-Figur einen Vermittler zwischen den Rezipienten und Sachs selbst. 38 Diese Vermittlerrolle zwischen innerem und äußerem Kommunikationssystem trifft auf Eulenspiegel vor allem im Expositionsmonolog zu; der zweite Monolog in der siebten Szene hingegen ist genauso im äußeren Kommunikationssystem angesiedelt, wie es die Mehrzahl der Monologe von Sachs ist. Sachs setzt die Monologe auch nicht für andere Figuren zur Darstellung leidenschaftlicher Reflexionen ein, wie Geiger meint. Sie dienen ihm vielmehr zur Vermittlung der verschiedenen Orte, an denen das Geschehen stattfindet, und seiner eigenen exemplarischen Deutung des Geizes als Laster. 39 Ganz in diesem Sinne sind auch die drei Monologe der letzten Szene funktionalisiert, die alle der Pfarrer spricht. Sie verteilen sich auf den Beginn (Auftrittsmonolog), die Mitte (Überbrückungsmonolog) und das Ende (Abgangsmonolog) der Szene. Zu Beginn der Szene (v. 307-310) beschließt der Pfarrer, den Wirt zu beschwören. Erkennbar ist auch seine Erwartung, für die Teufelsaustreibung vom Wirt belohnt zu werden: 36 Vgl. Fernau 1922, S. 40. 37 Geiger 1904, S. 159. 38 Vgl. Tenberg 1996, S. 141. 39 Vgl. zum Verständnis des Geizes als „Drang Geld zu vermehren“ Kartschoke / Reins 1978, S. 131 f. <?page no="214"?> 214 3 Ort und Zeit in G 51 Der Ewlenspiegel mit den blinden Ich wil zu richten mein beschwerung; Mir wirt werden ein gut verehrung, Vom Wirt, wenn ich den Teuffl außtreib. 310 Da wil mich holen gleych sein Weyb. Die Darstellung des Ortswechsels als vorrangiger Funktion erreicht Sachs mit der konstanten Zuordnung des Pfarrers zum Pfarrhof und durch die Überleitung zum anschließenden Dialog, der den Blick auf die herannahende Dialogpartnerin teichoskopisch richtet. Der Pfarrer vermutet das Eintreffen der Wirtin, so dass sie gemeinsam zum Wirtshaus gehen können. Des Weiteren könnte im Monolog angedeutet sein, dass ein oder zwei Tage vergangen sind, hatte der Pfarrer doch in der sechsten Szene der Wirtin und Eulenspiegel gesagt, dass er erst „vber ein tag oder zwen“ (v. 267) zu den Wirtsleuten komme. In der Eulenspiegel-Historie teilt der Erzähler mit, dass Zeit vergangen ist und ein Ortswechsel stattfindet: „Des driten Tags gieng die Fraw hin und mant den Pfarer umb die 12 Gulden“ (Ulenspiegel 1981, S. 208). Der Monolog des Pfarrers innerhalb der Szene (vv. 333-338) hat die strukturellgliedernde Funktion der Überbrückung, denn die Wirtin verlässt die Bühne, um ihren Mann zu holen. Nach dem Monolog treten beide Wirtsleute auf. Handlungsbezogen dient der Monolog als Reflexion über das Verhalten der Wirtin. Der Pfarrer glaubt, die Wirtin sei ebenfalls besessen: Ich glaub, die Wirtin sey auch winnig, Bsessen, zerruͤt vnd gar vnsinnig, 335 Weil sie mich schmecht, vmb schuldt anklagt Und mir von einem Taler sagt Vnd dreien blindn in einer sumb, So weyß ich ye kein wort darumb. Die nicht auf die Vorlage zurückführbare Annahme, dass auch die Wirtin besessen sei, weitet das gegenseitige Missverstehen aus und verstärkt so die Komik. Der Monolog ist, anders als etwa in der Komödie Monechmo , keine Hilfestellung, um die Komik in den nachfolgenden dialogischen Szenen zu verstehen, sondern komisch aufgrund der defizitären figurenbezogenen Informiertheit, da er das Unwissen des Pfarrers präsentiert und ohne Eulenspiegels Zutun die figurenspezifisch gegebenen Fehldeutungen als Faktoren für die Handlungssituation ausweitet. Am Ende des Spiels (vv. 391-402) spricht der Pfarrer den epiloghaften Schlussmonolog. Er will mit der Beschwörung beginnen, die unter anderem <?page no="215"?> 3 Ort und Zeit in G 51 Der Ewlenspiegel mit den blinden 215 Schläge mit der eingeweichten Gerte umfasst. Sachs legt dem Pfarrer dabei eine moraldidaktische Auslegung des Geizes in den Mund: Ich wil gehen die ruten einweichen, Dem wirt sein haudt gar wol durch streichen Vnd mein beschwerung dazu sprechen. Im ist nit leychtlich ab zu brechen, 395 Dieweil er den geitz Teuffel hat, Der schreidt nach Talern fruͤ vnd spadt. Der Teuffel fert nicht geren auß, Wo er ein wurtzelt in eim Hauß. Ahn rue den Menschen er steht vbet, 400 Auch ander Leut teglich betruͤbet Und richtet ahn viel ungemachs An allen orten, spricht Hans Sachs. Im Gegensatz zu vielen anderen Fastnachtspielen endet dieses nicht mit einer expliziten Lehransage. Dennoch handelt es sich um eine moralische Auslegung, welche die in den Monologen gesetzten Akzente zusammenfasst. Der ‚Geizteufel‘ gehört mit Schlägen einer eingeweichten Rute aus dem besessenen Wirt ausgetrieben, weil er Unruhe bringt und die Leute unglücklich macht. 40 Insgesamt zeigen die fünf Monologe des Pfarrers, dass Sachs sie in erster Linie einsetzt, um Ortswechsel und Zeitsprünge zu organisieren. Sechs der 11 Monologe stehen als Auftrittsmonologe am Beginn einer Szene. Indem sie eine Veränderung bezüglich des Ortes, der Zeit oder der Person vermitteln, erleichtern sie das Wahrnehmen und Verstehen der Umbrüche im Fortgang der Handlungskonstruktion. Bedingt ist diese Art des funktionalen Einsatzes hauptsächlich durch die dramatische Umsetzung der narrativen Vorlage. Für die Handlungsentwicklung sind die Monologe nicht von Relevanz. Vielmehr sind sie dramatische Mittel, um Handlungsabschnitte kenntlich zu machen, wie dies auch schon in der Dekameron -Bearbeitung im Fastnachtspiel G 23 der Fall war. In gleicher Weise - aber anders als in den Tragedis und Comedis - haben die Monologe keine handlungstragenden Funktionen, sondern dienen der Verständniserleichterung. Prägnantes Merkmal sowohl der Schauspielals auch 40 Vgl. zur Schlussrede des Pfarrers Rettelbach 1994 b, S. 122, und Röcke 2005, S. 81, der hier eine Parteinahme „für den Pfarrer und gegen den Wirt“ sieht. <?page no="216"?> 216 3 Ort und Zeit in G 51 Der Ewlenspiegel mit den blinden der Fastnachtspiel-Bearbeitungen ist die handlungsstrukturierende Funktion der Monologe. 41 Eine narrative Vermittlungsebene ist neben den Auftrittsmonologen insbesondere durch die beiden Monologe Eulenspiegels in das Fastnachtspiel integriert. Vor allem der Expositionsmonolog (vv. 1-20), der durch seinen analeptischen und zukunftsgewissen proleptischen Aufbau einem Prolog ähnelt und Eulenspiegel wie einen Herold erscheinen lässt, ist vornehmlich im äußeren Kommunikationssystem angesiedelt. Die Intention des Eulenspiegel-Autors, Handlungsmodelle zu liefern, findet sich auch in der 71. Historie wieder. Die Unvorsichtigkeit der Figuren ermöglicht Eulenspiegel drei Mal leichtes Spiel. Erstens fallen die Blinden auf Eulenspiegel herein, indem sie ohne nachzufragen davon ausgehen, dass der jeweils andere das Geld hat. Zweitens fallen die Wirtsleute auf Eulenspiegel herein und glauben ihm, dass er einen Bürgen für die Blinden findet. Drittens lässt sich der Pfarrer von Eulenspiegel überlisten, weil dieser ihm ein Geschenk in Aussicht stellt. Sachs arbeitet nicht das unvorsichtige Handeln und die Unkenntnis des Schlechten in seinem Fastnachtspiel heraus, wie es der Eulenspiegel-Autor intendiert hat, sondern macht ein in der Historie nur angedeutetes Laster explizit: den Geiz. Speziell über die Monologe vermittelt er die Moral 42 , dass Geiz eine schlechte, ‚teuflische‘ Eigenschaft ist und entsprechende Konsequenzen zur Folge hat. 43 Dabei geht es Sachs nicht „um allgemeine Sündenklagen, sondern um gesellschaftliche Verhaltensmuster“ 44 , die er als schädlich für die Ordnung ansieht. Sachs lenkt die Rezipienten auf eine neue exemplarische Ausrichtung, die auch ohne die Kenntnis der übrigen Historien funktionalisierbar ist. Dafür benutzt er die primär strukturell-gliedernden Monologe und entwickelt in ihnen Figurenperspektiven, die als Kommentare zu jeweils anderen Figuren immer wieder auf Geiz als negatives Merkmal zu sprechen kommen. Mit Blick auf die 41 In ähnlicher Weise strukturiert Sachs auch die drei Proben in der Griseldis -Bearbeitung. 42 Geiger 1904, S. 257, ist der Meinung, dass das Fastnachtspiel G 51 „ausschließlich zur Belustigung“ gedichtet sei. Es weise weder „die Moral des Dichters am Schlusse auf, noch gelangt bei (ihm) eine einzelne Moralvorschrift durch die Handlung zu entschiedenem Ausdruck“. 43 Vgl. Oelkers 1994, S. 47, 51, die bei der Analyse des Fastnachtspiels G 77, das ebenfalls eine Eulenspiegel-Historie zur Vorlage hat, feststellt, dass Sachs den Bauern im Gegensatz zur Vorlage mit einem neuen Charakterzug bzw. Laster, dem Jähzorn, versehen hat. Sachs baute somit in zwei Eulenspiegel-Fastnachtspielen ein zusätzliches Laster ein, um so eine moralische Ausdeutung der Spiele zu erreichen. 44 Röcke 2005, S. 81. <?page no="217"?> 3 Ort und Zeit in G 51 Der Ewlenspiegel mit den blinden 217 beiden Quellen, die Sachs zur Verfügung standen, ist festzustellen, dass er alle diese Attribuierungen hinzufügte. 45 Der schalkhafte Eulenspiegel in seiner typenhaften Zeichnung bleibt von der moralischen Unterweisung verschont. 46 Er ist es vielmehr, der die Schwächen der anderen Figuren aufdeckt und als Strafinstanz dient. „Eulenspiegel führte eine ‚schalkheyt‘ aus, mit deren Hilfe Hans Sachs exemplarisch das Gute vom Bösen trennen, das richtige Verhalten und die ethischen Werte aufzeigen kann.“ 47 Dazu dienen ihm die Monologe, mit denen er zudem die Ortswechsel im Handlungsgang vermittelt. Sie sind die Voraussetzung, um die von Eulenspiegel initiierte und auf Missverständnissen basierende Intrigenhandlung in einem dramatischen Text darstellbar zu machen. Sie gehen auf das in Reuchlins Henno erstmals wieder aktualisierte sukzessive Handlungsprinzip zurück. Die strukturelle Gliederung betrifft deshalb die Szenengrenzen, ähnlich wie im Henno und im Hecastus . Sachs bringt seine poetologische Kompetenz wirksam auf der strukturellgliedernden und auf der handlungsbezogenen Ebene von Ort und Zeit zum Tragen und setzt auf der figurenbezogenen Ebene selbstständig neue Akzente. Insbesondere mit der Explizierung des Lasters Geiz, der Sucht nach Geld und Gratifikationen, pointiert Sachs den wesentlichen Faktor, der im Handlungsgang zu den Unvorsichtigkeiten und Missverständnissen führt. Damit macht Sachs auch ein humanistisch inspiriertes Bildungsangebot, das sich dezidiert mit den in der Bibel genannten Hauptlastern verbinden lässt und 45 In der Bearbeitung Paulis, die Sachs als Vorlage dient, lässt sich keine moralische Ausdeutung finden, wobei zu beachten ist, dass die Schwänke als Einbettung in einen Predigtrahmen gedacht sind. Die Absicht, die sich hinter Paulis Bearbeitungen verbirgt, ist dieselbe wie die von Sachs: Schwänke sollen der Besserung der Menschen dienen. Vgl. Teil C, Kap. 2. Auch Sachs’ Meisterlied-Bearbeitung der 71. Eulenspiegel-Historie hat keine Hinzufügungen oder Änderungen, wie sie sich im Fastnachtspiel finden. Das Hauptanliegen der Meisterliedbearbeitungen ist die reine Stoffvermittlung ohne moralische Auslegung und die zur Schau-Stellung der Dichtungstechnik. Vgl. Teil D, Kap. 2.1. 46 Baro 2011, S. 141, fasst zur Bearbeitung der Eulenspiegel-Figur zusammen: „Sachs belässt Eulenspiegel in seiner ursprünglichen Form des Tricksters, inklusive der ihm eigenen Tendenz zur moralischen Verwerflichkeit. Er spielt lediglich die Rolle des Mitleidigen, der den Wirt anhält, die armen Blinden aus ihrem Arrest zu befreien. Diese Barmherzigkeit ist jedoch nur Teil seines Plans und bloße Fassade und macht ihn nicht zum guten Menschen. Im Gegenteil: Dadurch, dass Sachs das Wirtsehepaar ausgestaltet und als vor dem Ruin stehend darstellt, scheint Eulenspiegels Streich umso grausamer, da sie auf das Geld der Blinden existenziell angewiesen sind.“ 47 Tenberg 1996, S. 141. <?page no="218"?> 218 3 Ort und Zeit in G 51 Der Ewlenspiegel mit den blinden somit im Sinne Melanchthons die dort gegebenen Mahnungen und Modelle für ein wahrhaft gewinnbringendes Handeln erneuert. 48 Tabellarischer Überblick: Sz. Vers Rede und strukturell-gliedernde Funktionen handlungsbezogene Funktionen Figur Zeit und Ort 1 1-20 Auftrittsmonolog Selbstcharakterisierung, Enthüllung Analepse, Prolepse, Teichoskopie 21-64 Dialog 2 65-125 Dialoge 3 155-159 Auftrittsmonolog Reflexion, Affektdarstellung Überbrückung (Zeit) 160-206 Dialog 48 Während der Reformationszeit wird der Zugang zu den Historien religiös motiviert und die „Bibel als Urhistoria“ (Knape 2000 (b), S. 121) zum Ausgangspunkt genommen. Sie liefert das Material, an das Melanchthon das „Verständnis des historischen Wissens“ bindet, indem sie „soziale[] Handlungskomplexe[] mit Politikern und mit Gott als Aktanten“ und „individuelle[] Handlungen weiterer Personen mit ethischer Relevanz“ bereitstellt. „Die didaktische Funktion dieses Wissens ergibt sich in Analogie ganz von selbst: erstens Lernen am Handlungsmodell für Politiker / Fürsten, und zweitens zugleich ethisches Lernen am Modell für alle übrigen Christen in weltlicher und religiöser Hinsicht.“ Knape 2000 (b), S. 124 f. <?page no="219"?> 3 Ort und Zeit in G 51 Der Ewlenspiegel mit den blinden 219 4 207-216 Auftrittsmonolog Reflexion, Selbstcharakterisierung, Fremdcharkaterisierung, Enthüllung Zeitsprung, Ortswechsel, Teichoskopie, 217-238 Dialog 239-246 Abgangsmonolog Reflexion, Fremdcharakterisierung Überbrückung (Ortswechsel) 5 247-258 Dialog 6 259-264 Auftrittsmonolog Reflexion, Fremdcharakterisierung, Enthüllung Zeitsprung, Ortswechsel 265-274 Dialog 275-278 Abgangsmonolog Reflexion Überbrückung (Ortswechsel) 7 279-284 Auftrittsmonolog Reflexion 285-296 Dialog 297-306 Abgangsmonolog Entschluss, Enthüllung, Affektdarstellung Analepse, Prolepse 8 307-310 Auftrittsmonolog Entschluss Ortswechsel, Teichoskopie 311-332 Dialog 333-338 Überbrückungsmonolog Reflexion Zeitsprung 339-390 Dialoge 391-402 Abgangsmonolog Reflexion, Lehre <?page no="221"?> 4.2 Komik im Monechmo 221 4 Komik in G 40 Der Parteckensack Das Fastnachtspiel G 40 Der Parteckensack verfasste Sachs am 2. Dezember 1552 ohne bekannte Vorlage. 1 Sein Stoff ist eine Variante der fastnachtspieltypischen Themen von ‚fehlgeschlagener Kupplerei‘ bzw. ‚vertauschter Buhlschaft‘. 2 Das Stück ist nicht nur wegen der fehlenden Vorlage von Bedeutung, sondern auch, weil Sachs, anders als in seinen übrigen Fastnachtspielen, die zentrale Handlungssequenz verdeckt ablaufen lässt und fast vollständig in Monologen präsentiert. Er funktionalisiert damit in ganz eigener Weise die in den Schauspielbearbeitungen angeeignete poetologische Kompetenz zur Gestaltung der Komik, wie sie etwa im Monechmo und im vorreformatorischen Fastnachtspiel vermittelt sind. Die Komik, in der ebenfalls auf einem Verwechslungsspiel basierenden Comedi Monechmo , entsteht in Anlehnung an Sachs’ Vorlage in den Dialogen, indem die Dialogpartner jeweils den anderen der Zwillingsbrüder vor sich wähnen und die entstandenen Missverständnisse für die Rezipienten komisch sind. Der Monolog dient dazu, die Rezipienten vorab zu informieren, welcher der beiden Zwillingsbrüder aufgetreten ist. Nur in Ausnahmefällen enstehen im Monechmo komische Sequenzen im Monolog selbst. Im vorreformatorischen Fastnachtspiel ist die Komik nicht an die Handlungsstruktur gebunden. Vielmehr steht sie in direktem Zusammenhang mit Verstößen gegen Normen, so etwa in ausgedehnten Prügelszenen oder skatologischen und obszönen Anspielungen. 3 Komik, so Grafetstätter, geht damit „durch den Bruch mit Erwartungshaltungen einher: Das Komische resultiert aus einer Diskrepanz des Wahrgenommenen zu anerkannten Normen und Werten“. 4 Die Wiederherstellung der Ordnung kann auch mit bestrafendem Verlachen einhergehen, bei dem eine enge Verbindung von Körperlichkeit und Lachen besteht. 5 Insbesondere die Performanz der Körperlichkeit und ihr Ausdruck in Sprache 1 Angaben finden sich weder bei Goetze 1883, Bd. 4, S. VI, Geiger 1904, S. X, noch Fernau 1922, S. 71. Auch Stiefel 1891, S. 24, und ders. 1892, S. 208 f., konnte keine Vorlage ausfindig machen. 2 Diese klassischen Topoi des traditionellen Fastnachtspiels könnten nahe legen, dass, sofern es tatsächlich eine Vorlage gab, diese ein vorreformatorisches Fastnachtspiel war. 3 Vgl. Krohn 1974, und Bastian 1983. 4 Grafetstätter 2013, S. 34, deren gesamte Untersuchung der Frage nachgeht, wie Komik im weltlichen Spiel auf der Grundlage von unterschiedlichen epischen Quellen umgesetzt wurde und inwiefern sich Parallelen zum geistlichen Spiel aufzeigen lassen. 5 Vgl. Coxon 2009, S. 225 ff. <?page no="222"?> 222 4 Komik in G 40 Der Parteckensack markieren den Unterschied zum Fastnachtspiel von Sachs, wie die vergleichende Analyse von Spiel G 57 mit seiner vorreformatorischen Vorlage K 37 gezeigt hat. In K 37 basiert die Komik auf einem Verwechslungsspiel, ausgestaltet mit derben Begriffen wie „hurnschalk“ (S. 281, v. 5) und Prügelszenen. Im Nebentext ist etwa ausdrücklich angemerkt: „die weil hat die meit die kupplerin geslagen.“ (S. 281, v. 20) Sachs legt die Komik in die Verwechslungshandlung und sorgt mit den Monologen für Kausalzusammenhänge, aber auch für eine Verstärkung der Komik, indem er Schadenfreude über die missliche Lage der Kupplerin bei den Rezipienten entstehen lässt. 6 Ähnlich verfährt er in den Bearbeitungen des Dekameron , Ulenspiegel und Schimpf und Ernst . Die Funktionalisierung der Monologe in G 23 als Begleitung und Kommentierung der Handlung fördert sekundär auch die Entstehung der Komik. 7 In G 51 legt Sachs den Witz zusätzlich in die Monologe, etwa wenn der Pfarrer annimmt, auch die Wirtin sei vom Teufel besessen. Entscheidend ist jedoch, dass für alle vier Fastnachtspiele die Handlungskonstruktion Voraussetzung für die gattungskonstituierende Komik ist. Es ist ein Charakteristikum für das Fastnachtspiel ab 1550, dass es sich durch die Bindung der Komik an die Handlung auszeichnet. Das Fastnachtspiel G 40 bildet hier keine Ausnahme, wenngleich die extensive Verwendung des Monologs hervorsticht, ohne den die Handlung schlicht nicht vermittelbar ist: 1. Szene: Rosimunda beklagt gegenüber der Magd den Tod ihres Mannes. Sie fürchtet, dass sich kein anderer Mann für sie interessiert. Die Magd erzählt ihr von Verehrern, von denen Rosimunda Engelhart treffen möchte. Sie hofft, dass ihre Ehre gewahrt bleibt und er ihr die Ehe anträgt. 6 Vereinzelt gibt es auch in den Fastnachtspielen von Sachs Prügelszenen, vor allem in denen vor 1550, etwa in G 10 Die Rockenstuben . Dort heißt es im Nebentext „Sie schlecht ihn mit dem rocken vnd er sie mit feusten zur thuͤ r hinauß.“ Vgl. dazu Rettelbach 1994 a, S. 103-106, der für die Komik in diesem frühen Fastnachtspiel von 1536 feststellt: „Zwar gibt es eine Handlung, doch die ist relativ nebensächlich und dient ausschließlich dem eigentlichen Ziel: alle vier Personen nacheinander in ihren geheimen Triebwünschen und Verfehlungen zu entlarven. Dieser geradezu rituell anmutende Vollzug erinnert an das Reihenspiel. Der anderen Handlung entspringt eine abgewandelte Komik. Nicht die Hervorhebung der Sexualtabus selbst ruft das Lachen hervor, sondern zwei neue Elemente: auf der Handlungsebene die Blindheit gegen die eigenen Fehler, die einen nach dem andern in die Falle des Zigeuners laufen läßt und zu ebenso blinden gegenseitigen Beschuldigungen und Strafandrohungen führt. […] Auf der stilistischen Ebene unterstützen rhetorische Mittel die Komik, vor allem die oben vorgestellten priamelartigen Strukturen.“ 7 Ohne das Wissen um die List von Nicola könnte keine Schadenfreude über Sophia während des Spiels entstehen. <?page no="223"?> 4 Komik in G 40 Der Parteckensack 223 2. Szene: Der Kaufmann Engelhart ist in Rosimunda verliebt, darf aber erst in drei Jahren heiraten. Weil er sie dennoch zur Geliebten haben will, verabredet er mit Hilfe der Magd ein Treffen am selben Abend und gibt ihr für ihre Dienste einen Taler. 3. Szene: Die Magd hofft, noch mehr als einen Taler aus der Liebschaft zwischen Engelhart und ihrer Herrin herausschlagen zu können. Rosimunda berichtet von dem Wunsch Engelharts, bei ihr zu schlafen, obwohl er nicht um ihre Hand angehalten hat. Die Magd rät ihr, ihn zu sich kommen zu lassen und ihn dadurch auf Dauer für sich zu gewinnen. Er soll an der hinteren Tür warten. Durch die Gasse vor dieser Tür würde niemand gehen, da dort ein leeres Weinfass liege. Sie wolle ihn nachts um drei in das Haus holen. 4. Szene: Engelhart ist traurig, denn er muss sofort zu seinem Herrn. Er hofft, dass die Magd aus dem Haus kommt, damit er ihr eine Nachricht für Rosimunda geben kann. Unverrichteter Dinge muss er gehen. 5. Szene: Die Magd stellt fest, dass es drei Uhr ist und Engelhart bald da sein müsste. 6. Szene: Conrad, der Bettler, ist im Dunklen auf dem Weg zum Weinfass, das er als Schlafplatz nutzt. Die Magd hört ihn und glaubt, es sei Engelhart. Sie bedeutet ihm, still auf ein Zeichen zu warten. Conrad wundert sich und beschließt, sich auf die Situation einzulassen. Die Magd holt ihn im Dunklen herein. 7. Szene: Die Magd erhofft sich guten Lohn. Sie will den angeblichen Junckherren später wieder herausführen. 8. Szene: Die Magd führt Conrad die dunkle Treppe hinab. Dabei verliert er seinen Almosensack und sagt, es wäre sein Degen. 9. Szene: Die Magd will den Degen suchen, verstecken und Geld für die Rückgabe verlangen. 10. Szene: Rosimunda hat ein ungutes Gefühl, weil sie eine zerrissene Hose und ein Buch vorfand, das Engelhart niemals lesen würde. Die Magd erzählt Rosimunda vom Fund eines Almosensacks. Sie dachte, Engelhart sei betrunken und habe deshalb eine andere Stimme. Rosimunda meint, sie hätte selbst erkennen müssen, dass es nicht Engelhart ist. Sie hofft, dass nichts von den Geschehnissen bekannt wird und verspricht der Magd einen Mantel. Obwohl Sachs den Monolog ganze 13 Mal einsetzt, beginnt das Fastnachtspiel dialogisch. Die Exposition erstreckt sich über die gesamte erste Szene, die die Rezipienten über den unglücklichen Witwenstand Rosimundas und ihre Suche nach einem neuen Mann informiert. Würde Rosimunda ohne ihre Magd auftre- <?page no="224"?> 224 4 Komik in G 40 Der Parteckensack ten, wäre der Einstieg ähnlich der häufig zu findenden monologischen Variante gestaltet. 8 Am Ende der ersten Szene verwendet Sachs den ersten der 13 Monologe. Darin (vv. 62-69) reflektiert Rosimunda über Engelhart, den ihr die Magd im vorausgegangen Dialog als Verehrer vorgestellt hat: Der Engelhart ist ein feiner Gsell; Ich glaub nicht, daß er nach mir stell. Wo er zu Ehren mein begeret, 65 Gar bald wuͤrd er von mir geweret. Doch ich wil hoͤren seinen muth, Villeicht meint ers ehrlich vnd gut. Ich wil gehn in das Hinderhauß, Ein weyl zum Fenster schawen nauß. Die Funktion der Reflexion und Fremdcharakterisierung ist die Darstellung von Rosimundas Wunsch, ihre Ehre zu wahren. Sie erhofft sich von Engelhart ehrenvolle Absichten. Damit wird ihr handlungsleitendes Motiv zum ersten Mal verdeutlicht. Die Angst um Ehrverlust begründet im Handlungsverlauf die Heimlichkeit und ist der Auslöser für die Verwechslung. Die Figurenzeichnung macht deutlich, dass Rosimunda zwar ein gewisses Risiko mit dem angebahnten Treffen, das zunächst nur eine Unterredung sein soll, eingeht, aber nicht bedingungslos einen Liebhaber sucht. Der Monolog endet proleptisch in einem kurzen Entschluss, der den Abgang motiviert. Weil die zweite Szene mit einem Auftrittsmonolog von Engelhart (vv. 70-82) beginnt, erscheint seine Rede als indirekte Replik auf die geäußerten Hoffnungen von Rosimunda. Es ist zu vermuten, dass Sachs dieses Mittel der indirekten Verknüpfung von Monologen, wie z. B. auch in der kontrapunktischen Anord- 8 Zur Magd sagt sie (v. 1-13): Ach, du falsch Gluͤ ck, wie hast du mich Verlassn also augenblicklich, Dieweyl du mir mein jungen frommen Mann mit dem Todt hast hingenommen! Mit dem ist all mein freud verschwunden, Hab seither vil Hertzleyd entpfunden. Ey, wie thut mir der Wittib standt Heymlichen also weh vnd andt Wie edel ist der Stand der Eh! West vor nit, das ich jetzt versteh, Daß ich so selig war darinn. Nun ist mein freud vnd kuͤ rtzweyl hin, Muß nun trawrig im ellend schweben. <?page no="225"?> 4 Komik in G 40 Der Parteckensack 225 nung in der Dekameron -Bearbeitung, gezielt einsetzt. Dadurch ist es ihm möglich, Aussagen von Figuren, die sich noch nicht getroffen haben und eventuell auch nicht treffen werden, inhaltlich in Beziehung zu setzen: 70 Ich bin in strenger Lieb verwund Gar tieff in meines Hertzen Grund Gen Rosimunda, der Wittib zart, Doch hats leyder vmb mich die art, Daß ich mich nicht verheyraten darff; 75 Wann ich verschrieben bin so scharff Meim Herren noch drey gantzer Jar; Derhalben ich nicht werben thar Umb sie, mir zu einem Ehweib; Wuͤrd aber mir zu theyl jhr Leib 80 In Bulschafftweiß, da geb ich vmb Geltes heymlich ein dapffer summ. Mein Ann, wann lauffst so eylentz her? Engelhart bestätigt die Aussage der Magd über seine Liebe zu Rosimunda und erklärt, wie von Rosimunda erhofft, seine ehrenvollen Absichten. Die Rezipienten erfahren jedoch noch mehr: Wie Engelhart klagend bekennt, darf er erst in drei Jahren heiraten und kann deshalb nicht um Rosimundas Hand anhalten. Er ist jedoch bereit, für eine Nacht mit Rosimunda „in Buhlschafftweiß“ eine größere Summe auszugeben. Die vermittelte Selbstcharakterisierung ist hinsichtlich der eigenen Ehre durchaus zweideutig. Indem Engelhart enthüllt, in näherer Zukunft nicht heiraten zu können, sich aber trotzdem um Rosimunda bzw. ihren „Leib“ bemühen zu wollen, wird eine Information preisgegeben, die der Magd, vor allem aber Rosimunda, nicht bekannt ist. Sachs führt damit erneut eine Diskrepanz der Informiertheit von Rezipienten und Figuren ein. Durch diese Informationsvergabe, die rein figurenspezifisch erfolgt, erhalten die Rezipienten einen Informationsvorsprung gegenüber der Magd und gegenüber Rosimunda. 9 Durch das mehrperspektivische Wissen besitzen die Rezipienten nicht nur gegenüber den Figuren ein Mehr an Informationen, sie können zudem den unterschiedlichen Informiertheitsgrad der Figuren untereinander erkennen. Sachs vermittelt so „das Bewusstsein der Mehrdeutigkeit jeder Situation“ und gibt den Rezipienten die Möglichkeit, eine Position einzunehmen, aus der sie „die einzelnen Situationseinschätzungen der Figuren als abweichend von 9 Wie die Analysen gezeigt haben, findet sich diese Technik auch in anderen Fastnachtspielen von Sachs. <?page no="226"?> 226 4 Komik in G 40 Der Parteckensack der Norm des faktisch Angemessenen“ 10 beurteilen können. Er setzt dieses aus antiken Dramen bekannte Mittel im Fastnachtspiel für die Entwicklung der Intrige, des Konflikts und der Komik der Handlung ein und wesentlich mit Monologen um. Auch in diesem Fall ermöglicht die Diskrepanz, die Handlung auf den Konflikt bzw. das Missverständnis hin zu entwickeln und Spannung auf die Verwicklungen zu erzeugen. Zum gegebenen Zeitpunkt ist als Konflikt angedeutet, dass Engelhart die Nacht mit Rosimunda verbringen will, ihr aber nicht eheliche Ehre garantieren kann. Durch diese Andeutung bereitet der Monolog auf eine Handlungslogik vor, die zu einem typischen, aus Buhlerei und Kupplerei entstehenden Konflikt zu führen scheint. Durch den Szeneneinschnitt dient der Monolog handlungsbezogen dem Schauplatzwechsel. Die Magd hatte in der vorangehenden Szene angekündigt, sich zu Engelhart zu begeben; sein Auftritt vermittelt indirekt den Ortswechsel. Während diese Funktion gegenüber der Entüllung sekundär ist, ist es im szenenbeschließenden reflektierenden Abgangsmonolog Engelharts (vv. 113-115) genau umgekehrt: Das Gluͤck mir nie so hell erschein; Ich frew mich zu reden mit der, 115 Zu der steht meins Hertzen beger. Die Funktion besteht allein darin, eine Zeitaussparung anzudeuten und den Wiederauftritt der Magd zu Beginn der dritten Szene zu ermöglichen. Ihr Auftrittsmonolog (vv. 116-131) liefert einen Bericht über Rosimundas Treffen mit Engelhart in der Kirche, das die Magd arrangiert hatte. Sie legt ihre Absicht offen, aus der Verkupplung Gewinn schlagen zu wollen: Mein Fraw dahin gen Kirchen tritt Vnd doch von betens wegen nit, Sonder daß vberkommen kan Ein Bulen oder ein Ehmann. 120 Gschech welches woͤl, sol mir darinnen Mein Spieß, ob Gott wil, nit abbrinnen. Ich hoff, es werd mir armen Annen Daruon ein strich auch durch die Pfannen; Ich hab schon auff die sach ein Thaler, 125 Der Junckherr wirt auch seyn mein zaler 10 Pfister 2001, S. 82. <?page no="227"?> 4 Komik in G 40 Der Parteckensack 227 Vmb ein Peltz auff das Newe Jar. Darumb kein muͤh noch fleiß ich spar, Dem Junckherrn zu gehn auff dem Seyl, Villeicht wird darauß gluͤck vnd heyl. 130 Dort kombt mein Fraw wider zu Hauß, Hat jr sach bald gerichtet auß. Handlungsbezogen wird eine Ellipse der Szenenpause analeptisch vermittelt, in der ein Ortswechsel stattgefunden hat und Zeit vergangen ist, denn das Treffen zwischen Engelhart und Rosimunda ist anberaumt und findet während des Monologs verdeckt statt. Um dies zu veranschaulichen, nutzt Sachs die Teichoskopie: Die Magd schildert eingangs kurz, wie Rosimunda zur Kirche geht, und am Ende ihrer Rede, wie die Herrin zurückkehrt. Damit ist das Treffen als eigenständige Szene eingespart und die Handlung schneller zum Konflikt geführt. Dass es Rosimunda während des Monologs tatsächlich möglich gewesen wäre, in die Kirche zu gehen und dort Engelhart zu treffen, ist auszuschließen. Insofern dient Sachs dieser Auftrittsmonolog der Zeitraffung. Diese Funktion ordnet er in den meisten Fällen dem Überbrückungsmonolog zu. Figurenbezogen wird das Anliegen der Magd deutlich, aus der Verkupplung materiellen Gewinn zu erlangen. In den ersten Monologen der drei Figuren hat Sachs die handlungsleitenden Intentionen sichtbar gemacht. Rosimunda möchte ihre eheliche Ehre wahren. Nur unter dieser Bedingung will sie einen Mann zur Nacht treffen. Engelhart dagegen kann Rosimunda nicht heiraten, möchte aber um jeden Preis eine Liebschaft mit ihr. Die Magd wiederum erhofft sich einen neuen Pelz und verkuppelt deshalb Rosimunda mit Engelhart. Die Monologe machen das Konfliktpotenzial deutlich, das in der stereotypen Figurenkonzeption liegt: Die einsame Witwe trifft auf den jungen Herrn; beide sind grundsätzlich für eine Liebschaft offen; die Magd tritt als Gelegenheitskupplerin auf und treibt die Liebschaft voran. Im Verlauf der dritten Szene findet die Aufarbeitung des Treffens zwischen Engelhart und Rosimunda statt, die als Dialog zwischen der Magd und Rosimunda gestaltet ist. Rosimunda berichtet, dass Engelhart ihr ewige Treue geschworen, nicht aber die Ehe angetragen habe. Er wolle dennoch bei ihr schlafen, habe sogar 20 Dukaten angeboten; auf all dies könne sie sich keinen Reim machen. Auf den Rat der Magd hin will sie sich auf das Abenteuer einlassen, sofern es heimlich geschehe. Im Abgangsmonolog (vv. 170-177) wiederholt Rosimunda ihren Wunsch auf Wahrung ihrer Ehre: 170 Nun ich wag die gefehrlich that. Gluͤck, hilff du, daß es wol gerhat! <?page no="228"?> 228 4 Komik in G 40 Der Parteckensack Der Gsell ist je Ehrbar vnd frumb Vnd hat ein gut lob vmb vnd vmb In Teutschen vnd in Welschen Landen, 175 Hoff je, er mach mich nit zu schanden. Ich wil gen warten auff die ding, Was mein meyd fuͤr gut bottschafft bring. Durch die zunehmende Angst Rosimundas vor einem möglichen Ehrverlust arbeitet Sachs die Figurenzeichnung weiter aus. Zugleich bestätigt er nochmals den Informationsvorsprung der Zuschauer. Doch schon den folgenden Monolog setzt Sachs dramaturgisch so geschickt, dass dieser den Informationsvorsprung zunächst erschüttert. Nach Rosimundas Abgangsmonolog bekommt Engelhart mit einem vergleichsweise langen Auftritt-Abgangs-Monolog (vv. 178-211) eine eigene Szene. Klagend („Ach du walzent unstetes Glück“, v. 178) berichtet er, dass er mit seinem Herrn am nächsten Tag in „das Welschland“ (v. 190) reisen muss. Er kann sich deshalb nicht, wie verabredet, mit Rosimunda treffen und fürchtet, vor ihr als ehrloser Maulheld dazustehen und nicht nur die Angebetete, sondern auch das investierte Geld zu verlieren. Er wartet auf die Magd, weil er ihr die Umstände seiner Verhinderung erklären möchte, muss aber unverrichteter Dinge gehen: Ach du waltzent vnstetes Gluͤck, Wie wendst du mir so bald den ruͤck! 180 Mir ist zu gsagt, vnd bin gewert Alls was mein Hertz lang hat begert, Heint vmb drey solt ich zu der zarten Kommen, allda sie mein woͤll warten. Nun geht mir all mein freud zu grund; 185 Wann jetzung ist zu diser stund Mein Herr kommen von Augspurg her Vnd ist sein meynung vnd beger, Ich sol jm heint gantz Rechnung thon; Wann morgen fruͤ muß ich daruon 190 Mit jhm reitten in das Welschland. Ach Gluͤck, wie machest mich zu schand Gen der Hertz allerliebsten mein! Sie wird gedencken, ich werd sein Ein Gsell von worten, falschem Hertzen, 195 Nun thu ich auff einmal verschertzen <?page no="229"?> 4 Komik in G 40 Der Parteckensack 229 All jr lieb, gunst vnd huld verlieren; Was ich mit diensten vnd hofieren, Mit grossem kost zu wegen bracht, Geht alls dahin auff dise Nacht. 200 Gsih jr auch etwann nimmermehr. Das krenckt mich herzlich also sehr. Ach, daß doch gieng jr Meyd herauß Wie ander abendt, auß dem Hauß, Daß ich jr mein vnschuld zeygt an, 205 Warumb ich heint nicht kommen kan, Und von der Frawn mir vrlaub noͤmb, Biß ich mit gluͤck herwider koͤmb, Daß vnser lieb sein blieb auffricht. Nun ich kan lenger warten nicht; 210 Wann ich muß bey meim Herren sein Und legen jm die Rechnung mein. Trotz der affektiven Bekundung, Rosimunda weiterhin zu lieben, bildet der Monolog den ersten Wendepunkt in der Handlung, der einige bemerkenswerte Merkmale aufweist. Der Abgang Engelharts erschüttert die gesamte bisher aufgebaute Handlungslogik, da nun mit dem Buhler eine Hauptfigur für das Spiel um die Buhlerei fehlt. Dies erinnert zwar an die Absage des Domherrn im Fastnachtspiel G 57, doch die Information über die veränderte Situation fehlt. Dieser Bruch macht eine Vermittlung über den Monolog erforderlich, die in dieser Form in anderen Fastnachtspielen nicht notwendig war. Auch die Erwartungshaltung der Rezipienten läuft mit dem Aufbrechen des traditionell-typischen Handlungsgangs ins Leere. Es kommt mithin zu einer Situationsveränderung, die mehrfache Diskrepanzen für den Informiertheitsgrad schafft, aber immer noch einen Vorsprung der Rezipienten aufrecht erhält. Bemerkenswert ist, dass die Informationslücke, die Technik eines gap of communication, für die zentrale Handlungssequenz des Spiels die Grundlage bildet. Es folgen nun weitere sieben Monologe aufeinander, die zweimal durch Ansprachen der Magd an Conrad, ihr zu folgen, unterbrochen sind, insgesamt aber das Verwechslungsspiel bilden. Nach dem Abgang Engelharts erscheint zunächst die Magd mit einem weiteren Auftritt-Abgangs-Monolog (vv. 212-217): Nun die Glock wird drey schlagen schir, Mein Fraw hat heut befolhen mir, Daß ich da in dem Thennen wart 215 Auff vnsern Junckherrn Engelhart, <?page no="230"?> 230 4 Komik in G 40 Der Parteckensack Vnd so bald ich jn draussen spuͤr, So wil ich oͤffnen jm die Thuͤr. Der Monolog zeigt nicht nur an, dass Zeit vergangen und mittlerweile die Nacht weit fortgeschritten ist, sondern vor allem, dass die vereinbarte Uhrzeit („Nun die Glock wird drey schlagen schir“, v. 212) für das Treffen gekommen ist. Die Magd berichtet über den Auftrag der Herrin, den sie zeitgleich ausführt: Sie ist, wie befohlen, auf dem Posten im Hausflur, um Engelhart durch die Hintertür ins Haus zu lassen, sobald dieser sich draußen bemerkbar macht. Der zuvor reduzierte Informationsvorsprung der Rezipienten wird nun, stärker als zuvor, wieder hergestellt. Die Unkenntnis der Figuren über die Situationsveränderung ist offensichtlich. Die Kürze des Auftritts der Magd reicht aus, um diesen Effekt zu erzielen und den wichtigen Übergang zum zweiten Wendepunkt zu schaffen, der durch den unvermittelten Auftritt des Bettlers Conrad erfolgt. Sein Auftrittsmonolog (vv. 218-245) dient der Vorstellung der Person. Es handelt sich um eine typische Selbstcharakterisierung, die die Figur ohne Namensnennung als Bettler identifiziert: Es ist mir heut gleich wol gelungen, Ich hab vil Partecken ersungen; 220 Auch ist mir wordn drey Hellr darbey Vnd ein kalt stuͤck fleisch oder zwey Vnd ein Hasen mit sawren Krawt, Das wil ich schmieren in mein Hawt; Wo mir dasselb nit wil erklecken, 225 Keil ich darzu nein vier Partecken Vnd thu darnach zum Brunnen gehn, Thu darauff ein trunck oder zwen, So wird mir denn im Bauch dest baß. Denn schleuff ich in das leer Weinfaß, 230 Darinn find ich ein stro allwegen, Lig sicher drinn vor Wind vnd Regen, Hab drinnen weder Ratzn noch Meuß. Doch peyning mich die Haderleuß, Der hab ich drinnen manche Rott 235 Gemustert vnd kuͤtzelt zu todt. Die Kammer fuͤgt mir wol vnd eben, Drauß darff ich kein schlaffpfennig geben, Hab nun darinn gehaust fuͤrwar All nacht, fast auff ein halbes Jar. <?page no="231"?> 4 Komik in G 40 Der Parteckensack 231 240 Int Schul so geh ich bey dem tag Vnd den Leuten vmb lohn Holtz trag, Lauff auch herumb nach den Partecken Die gantz Statt auß, all winckl vnd ecken, Darmit ich mein Nahrung erjag. 245 Das ist mein Kauffmanschatz all tag. Die externe Analepse dient der Beschreibung der bisherigen Tätigkeiten im Tagesverlauf, wie er seinen Lebensunterhalt bestreitet und fortwährend mit „Haderleuß“ kämpft. Zur Bekräftigung der Identifikation dient der „Parteckensack“ als Requisit. 11 Der Monolog führt die Figur der Verwechslungshandlung ein, wenn Conrad beschreibt, wie er schon seit einem halben Jahr in einem leeren Weinfass wohnt und sich nun auch wieder in das Fass legen will. Sachs hat den Verweis auf das Fass zuvor mehrfach in die Dialoge zum Ablauf des Treffens eingebaut, so dass die Rezipienten eine Ahnung von der sich anbahnenden Verwechslung bekommen können. Damit wird die Komik wie in der Menaechmi -Bearbeitung und den bereits analysierten Fastnachtspielen unterstützt und die Spannung auf die Frage gelenkt, ob die Magd den Bettler für Engelhart hält. Der vorläufige Höhepunkt folgt im anschließenden Monolog (vv. 246-249), in dem die Magd über die Stimme vor der Tür reflektiert. Hier hält sie Conrad für Engelhart: Ich hoͤr was vor der Thuͤr vmbzaufen, Ich glaub, der Junckherr sey schon drausen. Er ists vnd wider sich selbst redt, Schir ich jhn vberhoͤret hett. Indem die Magd erklärt, eine Stimme vor der Tür zu hören, spielt sie in ihrem Monolog auf die Rede des Bettlers an. Sachs lässt hier also, simultan präsentiert, einen Monolog auf einen anderen bzw. auf das von diesem verursachte Geräusch Bezug nehmen, um damit die Verwechslung deutlich zu machen. Die Rezipienten haben durch ihre überlegene Position in der Informationsstruktur den Überblick über die Missverständnisse, sodass die wiedergegebenen Gedanken komisch wirken. 11 Sachs bezeichnet den Parteckensack an anderer Stelle im Nebentext auch als Schulsack. Da Conrad u. a. auch Schreibzeug dabei hat und in seinem Auftrittsmonolog erzählt, dass er morgens zur Schule geht, könnte damit ein etwa gleiches Alter mit Engelhart, dem jungen Kaufmann, signalisiert werden, so dass auch diesbezüglich eine Verwechslung möglich wäre. <?page no="232"?> 232 4 Komik in G 40 Der Parteckensack Nachdem die Magd den Bettler Conrad in das Haus geführt hat, lässt sie ihn allein und er reflektiert in einem Überbrückungsmonolog (vv. 256-275) über seine Situation. Er realisiert - wie der fremde Lutz im Monechmo -, dass die Magd ihn für einen anderen Mann hält und beschließt sein Glück zu finden, indem er die Verwechslung nicht aufdeckt: Was wil werden auß dieser sach? Als mich die Koͤchin drauß ansprach, Dacht ich, sie wuͤrd mir ein suppn geben; Die hett mir wol gefuͤget eben; 260 Wann ich jn drey tagen kein warmen Bissen hab gessen, gleich den Armen Pachanten. Sos mich bringt an Thennen, Thut mich die Koͤchin Junckherr nennen Und heisset mich da stille stahn, 265 Sie woͤlls der Frawen zeygen an. Derhalben mir gwißlich einfellt, Daß sie mich fuͤr ein andern helt. Ich merck wol, die stickfinster Nacht Hat mich so vnbekandt gemacht. 270 Ich wil jr folgn in allem stuͤck, Wer weiß, wo mir das blind Geluͤck Gibt, das eim andern ist beschaffen. Schluͤg ichs auß, thet ich gleich eim Affen. Darumb so wil ich nemen an, 275 Was mir das waltzent Glucͤk vergan. Sein Entschluss, die Situation nicht aufzudecken, vollendet die Peripetie und deutet auf die sich anbahnende ‚Katastrophe‘ für Rosimunda hin. Es zeichnet sich ab, dass ihr zögerliches Eingehen auf ein Schäferstündchen in der Hoffnung, dies durch ein anschließendes Eheversprechen ehrenvoll zu bestehen, scheitert. Vor diesem Hintergrund ist es bemerkenswert, dass Sachs die aktionale Struktur, in die die Monologe eingebettet sind, nicht durch retardierende Reflexionen unterbricht, sondern die Verwechslung ‚unkommentiert‘ ihren Lauf nehmen lässt. Er unterstützt bzw. untermalt die Situation lediglich mittels Wortkulisse: Durch die Beschreibung der Dunkelheit mit „stickfinster Nacht“ (v. 268) imaginiert Sachs für die Rezipienten das Bild der Dunkelheit und macht damit deutlich, warum die Magd Engelhart visuell nicht von dem Bettler unterscheiden kann. Wie der Monolog der Magd zu Beginn der dritten Szene (vv. 116-131) zeigt, geht es ihr vornehmlich um den Gewinn, den sie aus der Verkupplung <?page no="233"?> 4 Komik in G 40 Der Parteckensack 233 erzielen kann. Diese Figureneigenschaft macht es umso plausibler, dass sie den Bettler in das Haus lässt, obwohl er eine andere Stimme hat. Ebendieses handlungsleitende Motiv der Magd bestätigt ihr Auftritt-Abgangs-Monolog (vv. 282-295) noch einmal, nachdem sie Conrad zu Rosimunda gebracht hat: Von dieser Kirchweyh ich gedenck Zuerobern ein gute schenck; Wann ich hab zwischen beyden Lieben 285 Den Beren je trewlich getrieben. Der Juncker aufft bulschafft meint gangen, Er wird gwiß in der Schrentz behangen Meiner Frawen mit einem Fuß, Daß ers zu der Eh haben muß. 290 Sie wird deß listles mit jhm spielen, Thet jhm vergebens nicht zu jhr zielen. Nun ich wil mich gehn legen nider, Daß ich moͤge erwachen wider Vor tags, daß ich den Juckherrn fuͤhr 295 In der finster fuͤr die Haußthuͤr. Handlungsbezogen überbrückt die Rede der Magd die Zeit, in der Conrad bei Rosimunda weilt, denn anschließend begleitet sie diesen wie angekündigt noch im Dunklen wieder hinaus. Die Reflexion dient der erneuten Versicherung, dass ihre Herrin die Ehre wahren möchte, denn sie glaubt, dass diese Nacht sicherlich zum Eheversprechen führt. Als die Magd Conrad aus dem Haus geleitet und er sich an ihr festhalten muss, mahnt sie ihn, aus Angst, der Knecht könne erwachen, zur Ruhe und Vorsicht. Die insgesamt schon komische Situation spitzt sich weiter zu, als Conrad der Almosensack, von dem er behauptet, es sei sein Degen, entgleitet und die Treppe hinunter poltert. Erst nachdem der Bettler das Haus verlassen hat, beschließt die Magd, im Auftritt-Abgangs-Monolog (vv. 308-313), ein Licht zu holen - bezeichnenderweise mit dem Ziel, den Degen zu suchen, ihn zu verstecken und Geld von Engelhart für die Herausgabe zu erpressen: Nun ist mit gluͤck der Junckherr drauß. Ich wil gehn hinab in das Hauß 310 Mit eim Liecht, suchen den Disecken, Ihn heymlich hinders Holtz verstecken, Der muß mir auch ein Trinckgelt tragen <?page no="234"?> 234 4 Komik in G 40 Der Parteckensack Bey dem Junckherrn in kurtzen tagen. Für Sachs bietet sich hier mit Hilfe der Figureneigenschaft Geldgier die Möglichkeit, mittels Monolog die Figur die Verwechslung entdecken zu lassen. Ohne diesen Charakterzug wäre die Entdeckung, nach der es sich nicht um einen ‚Junckherrn‘, der einen Degen bei sich führt, sondern um einen Bettler mit Almosensack handelt, nicht kausal erklärbar. Mit der Entdeckung des Almosensacks kann die Magd den Verdacht ihrer Herrin, wonach etwas nicht mit rechten Dingen zugegangen sei, bestätigen. Diesen Verdacht äußert Rosimunda zu Beginn der letzten Szene in einem Auftrittsmonolog (vv. 314-317): Mich duͤnckt, die sach geh nit recht zu; 315 Ich hab auch weder rast noch rhu, Biß auf den rechten grund ich kumb. Da kombt mein Ann, die frag ich drumb. In erster Linie ermöglicht der Monolog eine Zeitverzögerung, in der die Magd durch verdecktes Handeln den Almosensack finden kann. Daneben dient er der Vorbereitung auf die Entdeckung eines fatalen Irrtums und leitet die Informationskongruenz von Figuren zur entstandenen Situation ein. Sachs gestaltet in diesem Fastnachtspiel 154 von 395 Versen als Monologe. Sie sorgen in erster Linie für die Komik. Diese beruht auf einem ‚Spiel der Verwechslung‘, das ausgelöst wird, weil eine wichtige Information nicht an den Adressaten übermittelt werden kann. Damit steht ein Kommunikationsdefizit am Anfang der Verwirrung, gewissermaßen eine ungewollte Alleinrede. Für die Struktur von Situation und Verwechslungshandlung ist in diesem Spiel die Rede ‚nur‘ mit sich selbst konstitutiv: Die Kette von neun Monologen begründet die Verwechslung nicht nur logisch, wie dies im Monechmo geschah, sondern durch ein fortwährend im chronologischen Ablauf neu etabliertes und nicht aufgelöstes Informationsdefizit. Weder die Magd noch Rosimunda nutzen die durchaus gegebenen Möglichkeiten, sich in einem Dialog mit dem nächtlichen Gast seiner Identität zu versichern. Auch Conrad entscheidet sich dagegen, das situationsadäquate Wissen zu vermitteln, und er äußert sich nur in einem Monolog. Die Funktionslogik von Rede und Handlung auf der Basis von unterdeterminiertem Wissen und Figurenperspektiven, die in Bezug auf die vorausgesetzte und intendierte Handlungslogik differieren, gestaltet Sachs zu einem Spiel fast ausschließlich mit Monologen als Figurenrede. Das spezifische setting dafür ist, dass bei dunkler Nacht und größter Heimlichkeit die audiovisuellen Verständigungsmöglichkeiten auf ein Minimum herabgesetzt sind. Die besondere Komik <?page no="235"?> 4 Komik in G 40 Der Parteckensack 235 entsteht dadurch, dass Sachs ein Spiel über defizitäre Kommunikation zeigt, in dem allein die Rezipienten alle Informationen besitzen. In diesem Fastnachtspiel ist Monologen erstmals funktional der Handlungsumschwung zugeordnet, der zudem die Konfliktentwicklung und -manifestierung über mehrere, ebenfalls monologische Etappen führt. Durch diesen aktionalen Anteil im Handlungsbogen sind die Monologe selbst Teil der beobachtbaren Spielrealität. Dies sind sie umso mehr, als die vermittelten referentiellen Funktionen der Rede primär im äußeren Kommunikationssystem zur Verfügung stehen, in dem jedoch Wissen um die Situationsunangemessenheit der dargelegten Informationen etabliert ist. Es scheint vor diesem Hintergrund eine bewusst gesetzte Pointe, wenn Sachs die erste Rede Conrads für die Magd schlicht als Geräusch erscheinen lässt, dem sie nichts weiter entnimmt als die Tatsache, dass jemand vor der Tür ist. Und auch ihre Erklärung, nicht erkannt zu haben, dass es sich nicht um Engelhart handelt, da der Gast so undeutlich gesprochen habe - „Thet sein Red in einander muncken“ (v. 358) -, zielt auf die Voraussetzungen sinnhafter Kommunikation über Sprache. Mithin führt Sachs ein durchaus ironisierendes Spiel mit dem Monolog vor, das in eine fiktive Spielrealität eingebettet ist und die Rede selbst als Darstellungsmittel seziert. Die Komik ist weder durch Reflexion im Handlungsbogen noch durch inhaltsbezogene Lehren am Ende aufgehoben. Zur Abweichung vom typischen Gebrauch des Monologs fügt Sachs einen ironisierenden Schluss hinzu, wenn er Rosimunda auf den Spielcharakter des Geschehens blicken lässt. Sie fasst den Entschluss, die Beweisstücke des Vorfalls, die sie als ‚schreiberey‘ (v. 393) bezeichnet, im Fluss zu versenken und so zu tun, als ob nichts geschehen sei. Die Bezugnahme auf den Spielcharakter dürfte hierbei zwar fastnachtspieltypisch sein; da aber Rosimunda sich gerade nicht auf die Fastnachtzeit, sondern auf ein Schriftstück bezieht, macht ihr Bezug umso mehr die Entwicklung der Gattung Fastnachtspiel bemerkbar. Der Schlussvers „Spiel, wart des Munds, so spricht Hans Sachs“ (v. 395) lässt sich danach auf zweierlei Weise verstehen. Erstens existiert, nachdem das Schriftstück versenkt wurde, kein schriftlicher Beweis mehr vom Spiel oder zweitens basiert das Spiel weniger auf gespielter Handlung als auf der Komik, die mithilfe der Monologe entsteht. <?page no="236"?> 236 4 Komik in G 40 Der Parteckensack Tabellarischer Überblick: Sz. Vers Rede und strukturellgliedernde Funktionen handlungsbezogene Funktion Figur Zeit und Ort 1 1-61 Dialog 62-69 Abgangsmonolog Reflexion, Enthüllung, Fremdcharakterisierung 2 70-82 Auftrittsmonolog Enthüllung, Selbstcharakterisierung 83-112 Dialog 113-115 Abgangsmonolog Affektdarstellung (Freude) Prolepse, Zeitüberbrückung 3 116-131 Auftrittsmonolog Enthüllung Analepse, Zeitsprung, Ortswechsel, Teichoskopie 132-169 Dialog 170-177 Abgangsmonolog Reflexion, Affektdarstellung 4 178-211 Auftritt-Abgangs- Monolog Affektdarstellung (Klage) 5 212-217 Auftritt-Abgangs- Monolog Enthüllung Analepse, Zeitsprung, Ortswechsel <?page no="237"?> 4 Komik in G 40 Der Parteckensack 237 6 218-245 Auftrittsmonolog Selbstcharakterisierung Analepse 246-249 Auftrittsmonolog Reflexion 250-255 Dialog 256-275 Überbrückungsmonolog Reflexion, Entschluss Zeitüberbrückung 276-281 Dialog 7 282-295 Auftritt-Abgangs- Monolog Reflexion, Enthüllung Zeitsprung 8 269-307 Dialog 9 308-313 Auftritt-Abgangs- Monolog Entschluss 10 314-317 Auftrittsmonolog Reflexion Zeitüberbrückung 318-395 Dialog <?page no="239"?> 4.2 Komik im Monechmo 239 Teil D: Kulturhistorische Untersuchung <?page no="241"?> 1.1 Die Bühnenform 241 1 Aufführungsform und Monolog Die Analysen der Fastnachtspiele haben gezeigt, wie Sachs das Formenrepertoire der Monologe, das poetologiehistorisch auf den Angeboten der humanistisch inspirierten Rezeption und Wiederbelebung antiker Vorbilder gründet, für eine reformatorisch geprägte Wissenvermittlung selbstständig funktionalisierte. Nicht eindeutig geklärt werden konnte bisher, welche Einflüsse möglicherweise Gründe dafür lieferten, dass Sachs seine poetologische Kompetenz gerade um das Jahr 1550 auch in der Gattung Fastnachtspiel anwendete. Weil in den bisherigen Analysen die unterschiedlichen Rezeptionsformen der dramatischen Texte - in Form einer individuellen Lektüre oder als Zuschauer einer Aufführung - nicht thematisiert wurden, geht das folgende Kapitel den Fragen nach, inwiefern die Entwicklung und Etablierung einer festen Bühnenform den Einsatz des Monologs im Allgemeinen und bestimmte Funktionen im Besonderen bedingt und, hieran anschließend, ob die Bühnenform die Form des Fastnachtspiels beeinflusst. Dafür fasst der erste Abschnitt die Anfang des 20. Jahrhunderts geführte Diskussion um die Meistersingerbühne, deren Fokus jedoch auf den Tragedis und Comedis liegt, zusammen. Der zweite Abschnitt analysiert eine mögliche Interaktion von Bühnenform und Monologeinsatz bzw. -funktionalisierung anhand der fünf bereits besprochenen Fastnachtspiele. 1.1 Die Bühnenform Zu Beginn des 20. Jahrhundert entwickelte sich ein Streit zwischen den Theaterwissenschaftlern Max Herrmann und Albert Köster über die Frage, wie eine Bühne, auf der Sachs seine Tragedis und Comedis aufführen ließ, ausgesehen haben könnte. 1 Herrmann versuchte die Bühne in der Nürnberger Marthakirche zu rekonstruieren. Seit 1526 nicht mehr für den Gottesdienst genutzt, diente sie möglicherweise als Spielort für die Dramen von Sachs. Der einzige Nachweis hierfür ist ein Ratsverlass vom 5. Januar 1551: 1 In chronologischer Reihenfolge: Herrmann 1914; Köster 1921; Herrmann 1923; Köster 1923; Köster 1923 (b); Herrmann 1924. Besprechungen des Herrmann-Köster Streites finden sich in: Drescher 1925, Sp. 307-318, und Holl 1926, S. 92-106; einen Forschungsbericht bis 1989 legt Michael 1989, S. 184-186, vor. <?page no="242"?> 242 1 Aufführungsform und Monolog Desgleichen sol denen, die bei sant Martha ain comedi halten wöllen, dasselbig doch auch nur am feirtag nach der predig und dieselbig kirchen darzu zu geprauchen vergönnt werden, weil sies fernt auch gepraucht haben. 2 Auch wenn in diesem Erlass von der Marthakirche als Aufführungsort für eine Comedi die Rede ist, heißt dies nicht, dass es sich bei der aufführenden Spieltruppe um diejenige von Sachs handelt. 3 Nachweislich ließ er seine Dramen auch im Remter (Speisesaal) des Predigerklosters aufführen. 4 Diese Tatsache bezog Köster in seine Bühnenkonstruktion mit ein und entwickelte ein Modell für eine in beiden Örtlichkeiten bespielbare Bühne. Herrmanns Konstruktion beruht insbesondere auf der Tragedi der hürnen Seufried von 1557. Die Zuschauer befinden sich hier im dreischiffigen Langhaus, während ein Teil der Bühne im Chorraum die Hinterbühne mit 12qm und der andere im Langhaus die Vorderbühne mit 24qm bilden soll. 5 Durch diese Anlage bieten sich drei Auftrittsmöglichkeiten an, die Herrmann für ausreichend hält: 1.) von hinten durch die Mitte, wo er eine Vorhangsöffnung ansetzte, 2.) von der Südseite durch die Sakristeitür, ein Eingang, der zugleich für alle höhlenartigen Öffnungen diente, 3.) von vorne an der Südseite. 6 Köster situierte die Bühne dagegen nicht im Chorraum, sondern im Langhaus und nimmt fünf Aufgänge für die Schauspieler an. Die Umsetzbarkeit von Kösters Bühnenvorschlag gilt als schwer realisierbar, da nicht nur die Zuschauer sehr wenig sehen können, sondern darüber hinaus über die Bühne steigen müssten, um in den Zuschauerraum zu gelangen, den Köster im Chorraum ver- 2 Der Ratsverlass ist bei Hampe 1900, S. 233, abgedruckt. 3 Vgl. Brooks 1918, S. 567 f., der Zweifel über die Auslegung des Erlasses äußert und stattdessen davon ausgeht, dass Sachs seine Dramen im Predigerkloster hat aufführen lassen. Brooks ist entgegenzuhalten, dass im Ratsverlass statt Sachs Joseph Aininger Erwähnung findet, dem ebenfalls erlaubt wird, eine Comedi aufzuführen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass mit „denen, die bei sant Martha ain comedi halten wöllen“ Sachs’ Schauspieltruppe gemeint ist, auch wenn sie nicht ausdrücklich benannt wird. Der Vollständigkeit wegen soll auch der erste Teil des Ratsverlasses zitiert werden: „Josephen Aininger, Jörgen Gauffer und ihren mitsupplicanten die gebetten, comedi von sant Johanns des taufers enthauptung zu recidiren, zulassen, doch nur am feirtag nach der predig, aber die kirchen in unser frauen brüdercloster, weilen nit geraumbt, auch sonst meiner herren gelegenheit nit ist, darzu zu geprauchen ablainen und inen sagen, ain anders gelegens ort darzu zu nemen.“ 4 Vgl. Michael 1963, S. 138. 5 Vgl. Holl 1926, S. 93; zu weiterführenden Details bzgl. Höhe der Bühne, Kanzel und Sakristei Holl 1926, S. 93 ff. 6 Michael 1963, S. 138. <?page no="243"?> 1.1 Die Bühnenform 243 ortet. Michael bemerkt zur Debatte insgesamt: „Zeigte die Herrmannsche Bühne gewisse Unwahrscheinlichkeiten, so war die Köstersche gänzlich unhaltbar.“ 7 Im Anschluss an Herrmann und Köster gab es mehrere Versuche, ein plausibles Modell der Bühne zu entwickeln. Im Wesentlichen kam man hier über die bestehenden Entwürfe aber nicht hinaus. Holl hat beide Bühnenrekonstruktionen miteinander verglichen und deren prinzipielle Ähnlichkeit festgestellt, die als eine Art kleinster gemeinsamer Nenner als weitere Arbeitsgrundlage ausreichen. Die Ähnlichkeit der Rekonstruktionsversuche zeigt sich zunächst anhand ihrer Grundrisse: 8 Demnach bestand die Spielbühne „aus einer dreiseitig geschlossenen Hinterbühne […] und einer vorgelagerten Vorderbühne“. 9 Diese Bühnenform entspricht in etwa dem gängigen Bühnenbau des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit, der wie die Terenzbühne relativ breit und wenig tief angelegt war. 10 Zum Ende des 15. Jahrhunderts begannen, von Rom ausgehend, Rekonstruktionsversuche der Terenzbühne, die Grundlage für das gelehrte Schuldrama war und auch in Straßburg, Köln oder Nürnberg Verbreitung fand. 11 Mögen im einzelnen neue Variationen geprägt werden, wie etwa Treppen, die auf die Spielbühne seitlich hinaufführen, oder Seitenportale: der Grundriß und der Raumeindruck werden dadurch nicht wesentlich beeinträchtigt. Immer bildet die Bühne ein schmales Rechteck, dessen Breitseite dem Zuschauerraum zugekehrt ist, so daß sich 7 Michael 1963, S. 140. 8 Holl 1926, S. 102: „Die gekreuzt schraffierten, von mir stammenden Verlängerungen der Vorderbühne in der Skizze von K.‘s Bühne bezeichnen die Fußbodenfläche der Seitenschiffe, die K. als Spielfläche zu dem horizontal schraffierten erhöhten Bühnenpodium hinzunimmt.“ 9 Holl 1926, S. 94. 10 Vgl. Holl 1926, S. 103, der zusätzlich von einer nicht näher erläuterten Fastnachtspielbühne spricht, die in gleicher Weise wie die Terenzbühne „keine große Tiefe besaß“. Borcherdt 1926, S. 353, spricht ebenfalls von einer Fastnachtspielbühne, die auf Tischen und Bänken improvisiert gewesen sein soll. Unklar bleibt, woher er dieses Wissen bezieht. 11 Borcherdt 1926, S. 354. <?page no="244"?> 244 1 Aufführungsform und Monolog ein reiner Typus der Reliefbühne ergibt. Die Rückwand ist durch eine flächenhafte Dekoration abgeschlossen, die bei allen Abwandlungen doch keinen Vorstoß in die Tiefe unternimmt. 12 Gegen die Wahrscheinlichkeit der Bühnenform, wie sie sich aus den Bühnenrekonstruktionen von Herrmann und Köster und der Terenzbühne ergibt, 13 führt Stuplich ins Feld, dass die Dramen von Sachs an verschiedenen Orten, sogar in verschiedenen Städten und teilweise von unterschiedlichen Gruppen zur selben Zeit gespielt wurden. Zudem gehen die dramentechnischen Variationsmöglichkeiten von Sachs über diejenigen hinaus, die in der Marthakirche erforderlich sind. Schließlich, so Stuplich, läge dem Terminus Meistersingerbühne, der einen einheitlichen Aufführungsort für den Meistersang und die dramatische Dichtung von Sachs suggiere, der Kurzschluss zwischen der Person Sachs als eines Meistersängers, Dramatikers und Regisseurs und der einheitlichen Bühne samt Aufführungsort zugrunde. 14 Den Einwänden Stuplichs ist insofern zuzustimmen, als es tatsächlich mehrere Aufführungsorte gab und Sachs Meistersang und dramatische Dichtung nicht zwingend für denselben Aufführungsort dichtete bzw. ihnen ein über die Marthakirche hinausgehendes Aufführungspotential zukommt. Der Kritik am Begriff ‚Meistersingerbühne‘ ist jedoch entgegenzuhalten, dass mit dem Begriff zumindest die zeitliche Grenze um die Jahre 1550 / 1551 für die Veränderung in der dramatischen Dichtung und den Anstieg der Dramendichtung erklärt werden könnte. Auch wenn die Aufführung auf unterschiedlichen Bühnen erfolgte, hatte Sachs sehr wahrscheinlich eine bestimmte Bühne bei seiner Dramenkonzeption vor Augen, möglicherweise die Meistersingerbühne. 12 Vgl. Borcherdt 1926, S. 350 f. Vgl. zur Terenzbühne und ihre Einflüsse auf die Bühnenform in der Frühen Neuzeit Stuplich 1998, S. 130 ff. Zu den verschiedenen Formen der Terenzbühne in der Frühen Neuzeit vgl. Dietl 2005, S. 363 f. 13 Die Ähnlichkeiten zwischen der Bühnenform für die Dramen von Sachs und der des Schuldramas hält Janota 1980, S. 34, fest: „Die Bühnenform der Sachsschen Tragödien und Komödien schließlich dürfte nach unseren Kenntnissen in etwa mit der Bühne des Schuldramas in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts übereingestimmt haben.“ Auch die niederländischen ‚Rederijker‘ wählten für ihre Aufführungen eine flächenhafte Bühne, die an der Rückseite durch einen Vorhang und später eine Schauwand abgeschlossen war, hinter denen sich ein weiterer kleiner Bühnenraum befand. Vgl. Borcherdt 1926, S. 355. 14 Vgl. Stuplich 1998, S. 132. <?page no="245"?> 1.2 Meistersinger und Theater 245 1.2 Meistersinger und Theater Für Nürnberger Meistersinger war es üblich, die Lieder einerseits öffentlich und andererseits nicht-öffentlich vorzutragen. Dem öffentlichen ‚Hauptsingen‘, von Merkern bewertet und zunächst auf geistliche Stoffe beschränkt, ging zumindest in Nürnberg das unbewertete ‚Freisingen‘ voraus. Hier trugen Sänger weltliche Stoffe öffentlich vor, wodurch sich das ‚Freisingen‘ vom nicht-öffentlichen ‚Zechsingen‘ unterscheidet. 15 Den öffentlichen Rahmen bildete die ‚Singschule‘, eine Art wettbewerbsmäßiges Singen vor Publikum. 16 Örtlichkeiten für das ‚Hauptsingen‘ waren für die Nürnberger Meistersingergesellschaft Kirchen und Klöster, von welchen spätestens ab 1550 die Marthakirche als Aufführungsort zur Verfügung stand; auch hierfür ist der oben für die Dramenaufführungen zitierte Ratsverlass das maßgebliche Zeugnis. Ein nachweisbarer Zusammenhang zwischen der Meistersingergesellschaft und öffentlichen Theateraufführungen fällt in diese Zeit. Vor 1551 lassen sich den Ratsprotokollen für öffentliche Singschulen lediglich musikalische Veranstaltungen entnehmen. Sachs’ Meisterlied Das new jar vom 3. Dezember 1550, das eine Einladung zur öffentlichen Singschule und eine Übersicht über die Tätigkeiten der Meistersinger enthält, 17 spricht jedoch in der dritten Strophe von einer geplanten ‚Comedi‘. Im darauffolgenden Januar 1551 genehmigte der Rat zum ersten Mal eine öffentliche Aufführung eines Dramas von Sachs. Aus einer Gegenüberstellung der Meistersingerprotokolle 18 und Ratsprotokolle 19 lässt sich ableiten, dass die Meistersinger an Dramenaufführungen beteiligt waren, oder, so Kooznetzoff, dass „die Nürnberger Singschule das Theaterspielen als eine offizielle Tätigkeit betrieben hat“, 20 denn während der Theaterspielzeiten setzte man die Singveranstaltungen aus. 21 Das lässt entweder darauf schließen, dass die Meistersingergesellschaft in dieser Zeit Dramen aufführen ließ oder ihre Mitglieder selbst Theater spielten. 15 Vgl. Baldzuhn 2008, S. 243. 16 Vgl. Bernstein 1993, S. 77 ff. 17 Vgl. Kooznetzoff 1967, S. 455. 18 Diese liegen indes nicht ab dem Jahr 1551 vor. Vgl. Das Gemerkbüchlein des Hans Sachs 1898. 19 Im Ratsverlass vom 11. Januar 1558, zitiert nach Hampe 1900, S. 236, heißt es: „Den ansuchenden maistersingern soll man uf ir bit vergonnen und zulassen, des Sachsen gestelte tragedi von der kindheit Christi zuspilen, doch das si nit ehe, dann uf lichtmes schierist anfahen, inen aber die ander comedi von der kunigin zu Frankreich um ergernus willen zu spilen ablainen.“ 20 Kooznetzoff 1967, S. 460. 21 Vgl. Kooznetzoff 1967, S. 460 ff. <?page no="246"?> 246 1 Aufführungsform und Monolog Ein Zusammenhang zwischen den Aufführungen der Meistersinger und den Dramenaufführungen, wie ihn Stuplich ausschließt, könnte also bestanden haben, wenngleich nicht vollständig zu klären sein dürfte, inwiefern die Nürnberger Meistersingergesellschaft für die Aufführungen der Dramen offiziell verantwortlich war. Der starke Anstieg der Dramenproduktion könnte dabei auf die Etablierung einer festen Bühne und die damit einhergehenden neuen Möglichkeiten hinsichtlich kalkulierbarer Bühnentechnik, der Anzahl und den Interessen eines sich im Enstehen befindlichen Stammpublikums sowie des Theaters als sozialem Ort zurückzuführen sein. 1.3 Simultanbühne und sukzessive Verwandlungsbühne Für die Tragedis und Comedis von Sachs ist eine Entwicklung der Dramentechnik von seinen ersten Dramen zu denen nach 1550 festzustellen, d. h. für jene Zeit, seit der es einen oder mehrere feste Spielorte (Marthakirche, Predigerkloster etc.) für Dramenaufführungen gab. Stuplich weist für die frühen Dramen mit neulateinischen und antiken Vorlagen Entwicklungsschritte von einer Simultanbühne zur sukzessiven Verwandlungsbühne nach. 22 Eine simultane Präsentation ist in Sachs’ erstem Drama Lucretia notwendig, um einen Schauplatzwechsel ohne Abgang der Figuren zu ermöglichen. 23 Auf sie griff Sachs zwar auch noch in späteren Dramen, wie etwa 1558 in der gantz passio nach dem text der viert evangelisten zurück, dennoch trat im Vergleich zur Frühphase, wie insbesondere die beiden Hester -Fassungen zeigen, an die Stelle der Simultanbühne die sukzessive Verwandlungsbühne. Maßgeblichen Einfluss für die Verwendung der sukzessiven Verwandlungsbühne, die sich durch „das Zusammenfallen von Szenenbzw. Akteinschnitt[,] Schauplatzwechsel [und] durch das Mittel der leeren Bühne“ 24 auszeichnet, übte Reuchlin aus. In der Bearbeitung des Henno verwendete Sachs erstmals dieses Mittel, nach 1545 bestimmt es als formgebendes Prinzip seine Dramentechnik. 25 22 Vgl. Stuplich 1998, S. 137. Dietrich-Bader 1972, S. 51 f., verortet die Bühne von Sachs in einer Übergangsform zwischen Simultanbühne und Sukzessivbühne: „Auf sie trifft weder der Begriff simultan noch der Gegenbegriff sukzessiv zu, wenn wir diese Ausdrücke im herkömmlichen Sinn auf das Nebeneinander, beziehungsweise Nacheinander der Schauplätze anwenden, denn die Sachs’sche Bühne stellt einen neutralen Bereich vor, ohne Dekoration und aufwendige Requisiten.“ 23 Damit zweiteilt er die Bühne, situiert rechts Lucretia und Sextus und links die Magd mit dem Hausknecht. 24 Stuplich 1998, S. 136. 25 Vgl. Stuplich 1998, S. 136. <?page no="247"?> 1.4 Lese- oder Aufführungstext 247 Ein erster Hinweis auf eine feste Bühne ist eine Regieanmerkung im Schauspiel Die aufferweckung Lasari von 1551: „Sie gehen auff der pün hin unnd her.“ ( KG XI , S. 247 v. 26). 26 Weil Sachs in den Folgejahren den Rat gehäuft um Spielerlaubnis bat, 27 ist davon auszugehen, dass die Dramen fortan auf einer öffentlichen Bühne aufgeführt wurden. Die Dramentexte legen auch nahe, dass man vor - möglicherweise sogar unter der Bühne - spielte. Den Regieanweisungen ist zu entnehmen, dass die Schauspieler von einem Podium herunter gehen mussten. 28 1.4 Lese- oder Aufführungstext Die Ansicht, Sachs habe seine Tragedis und Comedis nicht zur Aufführung, sondern lediglich als Lesetexte verfasst, stützt sich auf die von Herrmann beispielhaft zur Bühnenrekonstruktion herangezogene Tragedi der hürnen Seufried von 1557, die wahrscheinlich nie zur Aufführung kam und nach Brooks, wie die meisten anderen Stücke auch, eher Lesedenn Aufführungstext sein sollte. 29 Brooks begründet seine These zunächst mit der kurzen Aufführungszeit, die von Mariä Lichtmess, dem 2. Februar, bis spätestens zum ersten Sonntag nach Ostern reichte. 30 Neben dem von 1550 bis 1560 jedes Jahr als Leiter einer Schauspielgruppe benannten Sachs wirkte ab Mitte der 1560er Jahre Jörg Frölich in Nürnberg, 31 der auch Stücke von Sachs aufführte. Brooks geht davon aus, dass in der jeweiligen Spielzeit von Sachs kurz zuvor geschriebene Dramen das Aufführungsrepertoire bildeten und zwei Stücke pro Spielzeit dabei auf jede Gruppe entfielen. Im Umkehrschluss hieße das, dass Sachs weitaus mehr Dramen verfasste als zur Aufführung kamen. Diese Annahme stützt sich darauf, dass es für lediglich 7 der 122 Tragedis und Comedis Erwähnungen zu Inszenierungen gibt. 32 Hinsichtlich des hürnen Seufried kann sich Brooks zudem auf eine bestehende Liste aller in der Spielzeit 1558 aufgeführten Dramen berufen, die das Stück von 1557 nicht nennt. 26 Vgl. Michael 1980, S. 344. 27 Vgl. etwa die Ratsverlässe in Hampe 1900, Nr. 69, 72 und 87, sowie Michael 1980, S. 344. 28 Vgl. Michael 1980, S. 344 ff. 29 Vgl. dazu Brooks 1917, S. 211 f. 30 Vgl. auch Michael 1980, S. 344. 31 Zu Jörg Frölich vgl. Hampe 1900, S. 74-77. 32 Vgl. Brooks 1917, S. 210 f. Bei den aufgeführten Dramen handelt es sich um Der abt im waldpad (1550), Die unschuldig keyserin von Rom (1551), Camilius (1553), Die zerstörung zu Jerusalem (1555), Die kindheit Christi (1557), König Cyrus (1557), Vonn der kunigin zu Franckreich (1558). <?page no="248"?> 248 1 Aufführungsform und Monolog Sicherlich hat er damit zumindest nachgewiesen, dass Herrmann mit dem hürnen Seufried eine unglückliche Wahl für die Rekonstruktion des Bühnenortes in der Marthakirche getroffen hat, zumal Sachs zu dieser Zeit allein im Predigerkloster aufgeführt haben soll. Brooks ist jedoch entgegen zu halten, dass es zu kurz gegriffen ist, wenn er von der fehlenden Aufführungspraxis auf das Nichtvorliegen eines Aufführungstextes schließt und stattdessen das Stück allein als Lesetext behandelt wissen will. Geht man davon aus, dass Sachs eine Auswahl an Dramen anbot, von denen nur ein kleiner Teil zur Aufführung kam, darf gleichwohl nicht unberücksichtigt bleiben, dass er sie unabhängig davon, ob sie das Publikum später tatsächlich sehen konnte, ab den 1550er Jahren für eine feste Bühne konzipierte. Sachs konnte im Jahr 1557, in dem er den hürnen Seufried dichtete, schlicht noch nicht wissen, welche seiner Stücke die Gruppen in der nächsten Spielzeit tatsächlich spielen würden, und musste deshalb zum Zeitpunkt der jeweiligen Werkproduktion stets von den gegebenen oder absehbaren Aufführungsbedingungen ausgehen. Letztlich ist es Sachs selbst, 33 der im Titelvorspann zum dritten Buch der Gesamtausgabe von 1561 einerseits auf die Lesbarkeit seiner Stücke, andererseits auf die Konzeption für die Aufführung verweist: Welch spil auch nit allein gut, nutzlich und kurtzweilig zu lesen sindt, sonder auch leichtlich aus diesem buch spilweis anzurichten, weil es so ordentlich alle person, gebärden, wort und werck, auszgeng aufs verstendigst anzeigt. 34 Zusätzlich betont er den Aufführungscharakter der dramatischen Texte, wenngleich nicht alle zur Aufführung kommen konnten, „weil ich sie den meisten theil selb hab agieren unnd spielen helffen, wiewol der auch vil nie an tag kommen noch gespielt sindt worden.“ 35 33 So macht Sasse 2005, S. 147 f., auf die Mittel im Prolog aufmerksam, die „auf die primäre Mündlichkeit der dramatischen Kommunikation“ verweisen. Der Sprecher wechselt etwa „im argumentum ins historische Präsens und führt damit den historischen Gegenstand auf der episch-narrativen Ebene nicht nur inhaltlich ein, sondern verankert ihn auch bereits ein Stück weit in der mentalen Gegenwart der Redesituation.“ 34 KG X, S. 1. Vgl. Lussky 1927, S. 528, und Müller 1985, S. 80 f. Sasse 2005, S. 171, stellt den Unterschied zu mittelalterlichen Dramen heraus, weil Sachs jener „Wechselseitigkeit von literarischer und theatralischer performativer Ebene Rechnung“ trägt, die dem mittelalterlichen Spiel weitgehend fremd war. 35 KG X, S. 6. Vgl. Müller 1985, S. 81. <?page no="249"?> 1.5 Die Bühne des Fastnachtspiels 249 1.5 Die Bühne des Fastnachtspiels George F. Lussky 36 und Wolfgang F. Michael, der seine Ausführungen als eine Auseinandersetzung mit Lussky konzipierte, kommen zu konträren Antworten auf die Frage, ob Sachs auch die Fastnachtspiele ab 1550 für eine feste Bühne 37 gedichtet hat. 38 Michael meint, dass die Inszenierung der Fastnachtspiele nach 1550 entsprechend den vorreformatorischen Stücken „in einem einfachen Innenraum ohne Bühnenpodium“ 39 erfolgte. Zur Begründung verweist er im Wesentlichen auf die einfache Handlungsstruktur, die keiner besonderen technischen Apparate bedurft habe und mit einfachsten Mitteln „einzig durch Gestik und Wort all das hervorzauberte, was die Handlung erforderte“. Dort aber, wo es komplizierter zugegangen sei, habe „das Spiel mit den nicht vorhandenen Attrappen, mit der Phantasie des Zuschauers, die reizvollsten Effekte“ ergeben. 40 Lussky dagegen vertritt die Ansicht, dass das Jahr 1550 einen Wendepunkt in der Dramentechnik von Sachs markiert, der sich auf die Konzeption für eine feste Bühne zurückführen lasse: In the first place we have no evidence that this stage was in existence before 1550. In fact all the Fastnachtspiele that were written before this time show clearly that they were not performed on a stage at all. In the second place the form of the plays of Group II was used for the first time in 1550 and the very first ones of these plays give evidence that they were intended for a stage that was equipped with a door and a window . 41 Seine These basiert auf einer Unterteilung der Fastnachtspiele nach ihrer Struktur und Technik, die für den Aufführungsort entscheidend ist und mit der sich die Fastnachtspiele in drei Gruppen einordnen lassen. Die erste Gruppe beinhaltet alle 14 Fastnachtspiele, die sich zu Beginn und am Ende mit einer Rede an 36 Lussky 1927, S. 521 ff. Neben Lussky hat sich Pelzer 1921, mit der möglichen Aufführung der Fastnachtspiele auf der ‚Meistersingerbühne‘ beschäftigt. Er kommt wie auch Michael zu dem Ergebnis, dass die Wirtsstube und nicht die Bühne Aufführungsort der Fastnachtspiele war. 37 Unter fester Bühne ist ein Spielort zu verstehen, der sich am selben Ort befindet und wiederholt bespielt werden kann. Er hat ein Spielareal und eine Bühnenanordnung. Eine Bühnenanordnung meint ein Arrangement, d. h. einen abgeteilten Bereich, der die Bühnenfläche bildet. Er kann, muss aber nicht erhöht sein und z. B. Kulissen, Türen, Stoffe etc. als Bestandteile für die Bühnenkonstruktionen haben. 38 Fernau 1922, S. 8, geht ebenso davon aus, dass man die Fastnachtspiele auf der Meistersingerbühne aufführte, den Zusammenhang von Bühne und Monolog führt sie indes nicht aus. 39 Michael 1963, S. 146. 40 Michael 1963, S. 149. 41 Lussky 1927, S. 561 f. <?page no="250"?> 250 1 Aufführungsform und Monolog das Publikum wenden; die 48 Fastnachtspiele der zweiten Gruppe beginnen und enden dagegen mit einem Monolog oder Dialog und die drei Fastnachtspiele der dritten Gruppe 42 beginnen wie die Tragedis und Comedis mit einem Prolog und enden mit einem Epilog. 43 Die Fastnachtspiele der ersten Gruppe begrenzt Lussky auf die Jahre 1517-1551. Aufgeführt in Wirts- oder Privathäusern, ohne klare Grenzziehung zwischen Publikum und Schauspielern, unterscheiden sie sich noch einmal in jene, die keine theatrale Illusion des Aufführungsortes hervorrufen, und jene, die über eine theatrale Illusion einen anderen Raum schaffen, sodass es zu Ortswechseln und Zeitsprüngen kommen kann. Für die Spiele der zweiten Gruppe, die ab 1550 zu verzeichnen sind, stellt Lussky eine strikte Trennung einerseits zwischen Zuschauern und Schauspielern und andererseits zwischen Szenerie ( setting ) und Aufführungsort ( place of performance ) fest. Als Bühnenform nimmt er eine nicht ganz einen Meter hohe Bühne an, zu der drei Stufen hinaufführen, so dass Außenszenen vor der Bühne spielbar waren. Mögliche Bühnenelemente können ein nicht fest platziertes Fenster und eine Tür gewesen sein. Die Tür muss sich auf der Ebene des Bodens vor den Stufen befunden haben; auch ihre Position kann auf dem Boden variabel gewesen sein. 44 Zusätzliche Auftrittsmöglichkeit bietet ein Vorhang. Zwölf Spiele der zweiten Gruppe legen eine Bühnenform mit Tür und Fenster nahe, weitere 21 benötigen beides nicht unbedingt, aber zwei oder mehr als zwei Auftrittsmöglichkeiten. Deshalb nimmt Lussky für sie ebenfalls an, dass sie für die entworfene Bühnenform gedichtet wurden. Die verbleibenden 15 Fastnachtspiele sind zwar nur auf eine Auftrittsmöglichkeit angewiesen, unterscheiden sich aber der Form nach von denen der ersten Gruppe. Eine Bühne ist für sie deshalb die wahrscheinlichste Aufführungsform. 45 42 Ingesamt bezieht Lussky 65 der 85 Fastnachtspiele ein. Eine Erwähnung der verbleibenden 20 Spiele findet sich nicht. 43 Lussky 1927, S. 528 ff. 44 Vgl. Lussky 1927, S. 544. 45 Vgl. Lussky 1927, S. 540-553. <?page no="251"?> 1.5 Die Bühne des Fastnachtspiels 251 Die notwendige Tür für die Spiele der zweiten Gruppe lässt vermuten, dass sie auf derselben Bühne wie die Tragedis und Comedis aufgeführt wurden. Allerdings finden sich Indizien für eine Tür in den Tragedis und Comedis erst ab 1556, während die Fastnachtspiele sie schon ab 1550 erwähnen. Lussky nimmt deshalb eine weitere Bühne für Sachs’ Fastnachtspiele an, die schon ab 1550 eine Tür besaß. 46 Wie viele Bühnenvarianten es letztendlich gab und ob ihr Aufbau an den verschiedenen Örtlichkeiten jeweils möglich war, kann hier dahingestellt bleiben. Entscheidend ist allein, ob Sachs seine Fastnachtspiele prinzipiell für eine feste Bühne gedichtet hat und wenn ja, ob sich dies auf seine Dramentechnik, insbesondere seinen Monologeinsatz auswirkte. Dass es prinzipiell nicht ausgeschlossen war, auch vor 1550 Fastnachtspiele 47 auf einer Bühne aufführen zu lassen, zeigen die Ratsverlässe, die für 1517 die Aufführung eines Fastnachtspiels auf einer ‚prucken‘ vor dem Rathaus nachweisen. 48 Von mindestens zwei weiteren Spielen kann man annehmen, dass für sie ebenfalls eine Bühne auf dem Markt Verwendung fand. 49 Für die Aufführungsart im Freien auf einer Bühne sprechen zusätzlich Zeugnisse aus anderen Gegenden und Orten wie Tirol, Bamberg und Burghausen, die Größe der Spiele und deren bühnentechnische Anforderungen, wie sie sich auch in den Fastnachtspielen von Folz finden, und das vom Rat verbotene Geldheischen, das er vermutlich für 46 Vgl. Lussky 1927, S. 555-561. Michael 1963, S. 147, weist darauf hin, dass das Fastnachtspiel G 39 aus dem Jahr 1552 keine Tür kennt, weil das Anklopfen mithilfe von Fußtritten auf den Boden simuliert wurde, wie der Regieanweisung „Hans klopfft mit dem fuß auff die erdt“ zu entnehmen ist. Ansonsten habe, so Michael, als Tür im Spiel die Eingangstür des Privathauses oder Wirtshauses gedient. Dieses ist eines der wenigen Spiele, das auch nach 1550 mit einer Begrüßung des Publikums beginnt. Es hat anders als die meisten Fastnachtspiele einen Prolog und scheint tatsächlich für die Aufführung in einem Wirts- oder Privathaus gedichtet zu sein. Dieses Stück ist eine der erwähnten Ausnahmen unter den Spielen nach 1550. Ergänzend zur Regieanweisung, auf die Michael bereits hingewiesen hat, ließe sich das Anklopfen der Hexe nennen: „Die alt Hex kumbt, klopfft mit jhrem stecklein vnd spricht“. Hier wird mit dem Stock das Anklopfen an die Haustür simuliert. 47 Vgl. zu den Aufführungsbedingungen der vorreformatorischen Fastnachtspiele und geistlichen Spiele Grafetstätter 2013, S. 9 ff. 48 Vgl. Hampe 1900, S. 25, und dort den Ratsverlass Nr. 32 auf S. 230: „Den jenen, so morgen ain vassnachtspil vor dem rathaus halten werden, soll man vergönnen, etlich schranken von der pan ze füren und ain prucken darauf ze machen.“ 49 Vgl. Simon 2003, S. 314. <?page no="252"?> 252 1 Aufführungsform und Monolog vier Spiele erließ, die „als öffentliche Aufführungen auf dem Markt geplant“ 50 waren. Insgesamt kann man damit eine Bühnenform, wie sie Herrmann und Köster entworfen haben, deren Ähnlichkeit Holl in den oben angeführten Skizzen dargestellt hat und die von Lussky um Tür und Fenster ergänzt wurde, zum Ausgangspunkt des Aufführungsraumes der Fastnachtspiele von Sachs nehmen. Lässt man die Frage der Höhe und Ausdehnung sowie den Ort, an dem sich die Bühne befand, außer Acht, bleibt eine Bühne mit drei Auftrittsmöglichkeiten, einer Tür und einem Fenster. Dies ist eine Arbeitsgrundlage, mit der sich der Monologeinsatz im strukturellen Aufbau der Fastnachtspiele für die Aufführung auf einer festen Bühne nachzeichnen lässt. Da Sachs in den Fastnachtspielen seine Regieanweisungen äußerst kurz hält, sodass sie keine hinreichenden Indizien bieten, bleiben als mögliche Zeugnisse einer festen Bühnenanordnung ab ca. 1550 die Verwendung einer Tür und eines Fensters. 51 Michaels und Lusskys konträre Einschätzungen zum Tür- und Fenstereinsatz im Fastnachtspiel zeigen die Notwendigkeit, die Dramentechnik zu untersuchen. So können die maßgeblichen Änderungen nachvollzogen werden. Dramentechnisch gesehen bedarf es der Etablierung einer fiktiven Szenerie, die die ad spectatores gerichteten Begrüßungen überflüssig machen, und in der Ortswechsel und Zeitsprünge inszenatorisch eingeführt und umgesetzt werden. Damit ging die Dramaturgie einer komplexeren Handlungskonstruktion einher, die Strukturmuster nutzte, die es so vor 1550 im Fastnachtspiel selten gab. Demzufolge haben die Entwicklungen für die Bühnenanordnungen eine komplexere und in sich geschlossene Handlung erst ermöglicht. In der Form der Fastnachtspiele um 1550 ist der Wegfall der Reden ad spectatores am augenscheinlichsten. Zwar lässt Sachs die Begrüßung der Gäste auch im Fastnachtspiel G 13 von 1539 weg; von diesem Spiel gibt es jedoch eine Fassung mit und eine ohne Begrüßung, wobei Sachs letztere in die Folioausgabe 50 Simon 2003, S. 314. Ehrstine 2009, S. 83-97, sieht in den unterschiedlichen Aufführungsorten unterschiedliche Einwirkungen auf das Publikum. Für Nürnberg sind dies die vornehmlich vergnüglichen Stoffe zum „privaten Vergnügen“ (S. 86), die in Privaträumen oder Wirtshäusern aufgeführt wurden. Er regt an, die unterschiedlichen Aufführungsmodi mit einzubeziehen und die Auswirkung des Spielrahmens auf die Stoffwahl und Textgestaltung zu untersuchen. Fraglich ist, weshalb er die Fastnachtspiele von Sachs nicht mit in seine Untersuchung aufgenommen hat und stattdessen konstatiert (S. 97): „Gäbe es mehr Texte aus dem 16. Jahrhundert aus Nürnberg oder Lübeck, wären sie vermutlich ebenfalls etwas politischer als die älteren Spiele in diesen Städten.“ 51 Für Michael 1963, S. 147 f., ist auch diese Tatsache kein Beweis für eine feste Bühnenform, da er davon ausgeht, dass jeweils das Fenster und die Tür der Gaststube ausreichten. <?page no="253"?> 1.6 Einzelanalysen 253 von 1560 übernommen hat. 52 Naheliegend ist die Annahme, dass die Fassung mit Begrüßung die ältere von 1539 ist. Das erste Zeugnis eines Fastnachtspiels ohne Begrüßung der Gäste dürfte demnach das Spiel G 19 von 1549 Der kauffmann mit den alten weibern sein, basierend auf Schwank 522 aus Paulis Schimpf und Ernst . Im Gegensatz zu den exemplarisch vorgestellten Fastnachtspielen findet sich hier, wie auch in G 18, das bereits drei Monologe aufweist, lediglich eine randständige Markt-Szenerie, die nicht vergleichbar ist mit den Szenerien in den Fastnachtspielen aus Teil C. Sowohl vor als auch nach den Spielen G 22 Der farendt Schuler im Paradeiß und G 23 Der jung Kauffman Nicola mit seiner Sophia finden sich vereinzelt Spielanfänge, die eine Begrüßung an das Publikum richten. Das Fastnachtspiel G 24 Fraw warheyt will niemandt herbergen weist darüberhinaus explizit auf den Spielort „Taffern“ (v. 2) hin, so dass sowohl von einer festen Bühne als auch von Privat- oder Wirtshäusern als Aufführungsorten in den Jahren um 1550 ausgegangen werden kann. 1.6 Einzelanalysen Die Einzelanalysen beziehen sich auf die oben ausführlich analysierten Spiele G 57, G 23, G 22, G 51 und G 40, so dass die Untersuchung den funktionalen Einsatz des Monologs hinsichtlich seiner Wechselwirkung mit einer Dramaturgie, die auf einer festen Bühnnanordnung beruht, in den Fokus nehmen kann, ohne erneut auf den Inhalt der einzelnen Stücke eingehen zu müssen. Das Fastnachtspiel G 22 Der farendt Schuler im Paradeiß kommt seiner Anlage nach ohne Tür und Fenster aus, 53 besitzt nach Lussky aber dieselbe Struktur wie Spiele, die solch eine Kulisse benötigen. Deshalb und weil bis zu drei Auftritts- und Abgangsmöglichkeiten erforderlich sind, zählt Lussky es zu den Spielen, die auf einer festen Bühne aufgeführt wurden. 54 Daneben etabliert es erstmals Szenerien, die mit mehrmaligen Ortswechseln und Zeitsprüngen einhergehen. 55 52 Vgl. S. 44-46 dieser Arbeit. 53 Michael 1972, S. 256 ff., nimmt die Aufführung dieses Stückes darum nicht auf einer festen Bühne, sondern in einer Stube an. Die Etablierung der Handlungsorte bliebe dann der gesprochenen Szenerie überlassen. 54 Vgl. Lussky 1927, S. 546. Er geht davon aus, dass der Schüler in der dritten Szene (v. 181) und der nachfolgend hinzukommende Bauer denselben Aufgang benutzen. Der Bauer verlässt nach dem Dialog die Bühne auf der anderen Seite, um den Dieb zu fangen (zweite Auf-/ Abgangsmöglichkeit), und der Schüler verlässt die Bühne anschließend entweder über den ersten Aufgang oder über einen dritten. 55 Zwar sind andere Orte auch schon in vorherigen Fastnachtspielen angedeutet, am deutlichsten ist dies im Fastnachtspiel G 16 zu verzeichnen, aber in diesen Fällen verlassen <?page no="254"?> 254 1 Aufführungsform und Monolog Die Anhäufung von Ortswechseln und ihre detaillierte Benennung durch Figurenrede 56 machen fiktive Schauplätze überhaupt erst möglich. 57 Exemplarisch ist der Auftrittsmonolog des Schülers zu Beginn der dritten Szene (vv. 181-200), der die Szenerie mittels Teichoskopie und Wortkulisse 58 etabliert. 59 Darin vermittelt der Schüler, dass er sich an einem Ort außerhalb des Hauses befindet, der einen Graben und eine Hecke hat und am Waldrand gelegen ist. Für die Inszenierung und den Handlungsfortgang ist die Situierung des Geschehens außerhalb eines geschlossenen Raumes unumgänglich. Erst dadurch kann die doppelte List des Schülers umgesetzt werden. Die fiktive Szenerie dem Publikum vor Augen zu führen, dürfte allein mittels Wortkulisse nicht zu leisten gewesen lediglich die Personen die Bühne, um an den jeweiligen Ort zu gelangen, oder die Szenerie war leicht in einer Wirtsstube oder im Privathaus spielbar. So sucht im Fastnachtspiel G 16 die handelnde Figur eine Wohnstube als neuen Ort auf. 56 Vgl. Dietrich-Bader 1972, S. 57, die ebenfalls auf den erzählenden Charakter der Dramen von Sachs hinweist, aber daraus gerade nicht den Schluss zieht, dass eine fiktive Spielrealität etabliert wird, sondern eine Rückbindung zum Hier und Jetzt des Zuschauers sieht: „Viele der strukturellen Merkmale der Sachs’schen Stücke sind auf die zugrunde liegende Bühnenform zurückzuführen. Kulissenfrei, nur mit einzelnen Requisiten versehen, lässt sie der Handlungsvorführung jede erdenkliche Freiheit: schneller und häufiger Ortswechsel, zeitliche Sprünge, erklärende Einschlüsse […]. Der Sprechtext schafft den äusseren Rahmen des Bühnengeschehens, mit anderen Worten, die zeitliche und räumliche Dimension des originären Ereignisses werden im Hier und Jetzt des Zuschauers erzählend wiedergegeben.“ 57 Auch Michael 1963, S. 157, erkennt in diesem Fastnachtspiel eine Neuerung, indem er auf die Anwendung der sukzessiven Verwandlungstechnik hinweist, aber dennoch keine feste Bühne als Aufführungsort annimmt: „Durch seine Beschäftigung mit dem Henno lernte er von Reuchlin die sukzessive Verwandlungstechnik und übertrug sie nach einzelnen vorsichtigen Ansätzen zum ersten Male vollständig in seinem farendt Schuler 1550 auch auf das Fastnachtspiel. Wenn er danach auch noch gelegentlich auf die ältere Form zurückgriff, wurde doch in der Folgezeit die neue Technik überwiegend genutzt. Gewiß behielt er, der Tradition treu, Wirtsstube oder Privathaus als Rahmen für diese Farcen bei; gewiß kam er bei diesem Genre ohne jeden szenischen Apparat aus.“ Vgl. auch Michael 1972, S. 257 ff. Bezüglich der Fiktion in den vorreformatorischen Fastnachtspielen konstatiert Catholy 1968, S. 28, dass die Figuren der Fastnachtspiele „keineswegs darauf angelegt (sind), eine deutlich von dieser Realität geschiedene selbständige Fiktionsebene konstituieren zu helfen“. 58 Die Wortkulisse konkretisiert sprachlich den Schauplatz, so Pfister 2001, S. 38, „ohne daß dieser szenisch genauer konkretisiert wird […] Diese Technik der rein sprachlichen Evokation des Schauplatzes gewinnt besondere Bedeutung innerhalb von Bühnenkonventionen wie etwa den elisabethanischen, in denen kaum Kulissen oder andere optische Darstellungsmittel zur Konkretisierung des Schauplatzes verwendet werden.“ 59 Für Michael 1963, S. 146, ist die Verwendung der Wortkulisse ein Beweis dafür, dass Sachs seine Fastnachtspiele nicht auf einer festen Bühne aufführen ließ: „Müssen wir hier an einen besonderen technischen Apparat denken, wie doch wohl bei den anderen Dramen des Hans Sachs, oder überspielte der Autor diese Schwierigkeiten mit dem einfachen Hilfsmittel der gesprochenen Szenerie? “ Vgl. auch Michael 1972, S. 256 ff. <?page no="255"?> 1.6 Einzelanalysen 255 sein. Es bedurfte zusätzlich einer Grenze zwischen Publikum und Schauspielern, die „ein schöpferisches imaginiertes Nachvollziehen der ‚Wortkulisse‘“ erlaubte und „einen schnellen und einfachen Szenenwechsel“ 60 zuließ: die feste Bühne. Dem schnellen Szenenwechsel entspricht im weiteren Verlauf des Fastnachtspiels G 22 der unmittelbar aufeinanderfolgende zweifache Ortswechsel, wiederum über Monologe vermittelt: Die Szenerie vor dem Wald in der dritten Szene wechselt in der vierten (vv. 247-252) zurück in das Haus der Bauern. Der Monolog der Bäuerin dient nicht nur dem Fortgang der Handlung und dem von Sachs zusätzlich eingefügten Ende, in dem das ganze Dorf über die Betrogenen informiert ist, sondern zusätzlich einem plausibel gemachten Zeitsprung. So kann der Bauer in der fünften Szene vor dem Wald auftreten und in der vergangenen Zeit den Schüler gesucht haben. Wiederum nutzt Sachs hierfür den Monolog. 61 Wenn im Fastnachtspiel G 22 der Expositionsmonolog von Beginn an die Figuren in der fiktiven Spielrealität situiert, das Publikum nicht mehr direkt anspricht und die Wortkulisse fiktive, mehrfach wechselnde Orte entwickelt, so sind darin erste Anzeichen für eine Änderung der Bühnenform beschlossen. Ihre freilich noch unvollständige Ausarbeitung dürfte darin begründet sein, dass das Fastnachtspiel G 22 eines der ersten ist, das überhaupt fiktive Schauplätze etabliert und eine komplexe Handlungsstruktur mit Ortswechseln und Zeitsprüngen hat. Die weiteren Spiele G 23, G 40, G 51 und G 57 bestätigen indes die Strukturänderungen und stützen die These von einer festen Bühnenform für das Fastnachtspiel. Insbesondere im Spiel G 51 Ewlenspiegel mit den blinden von 1553 verwendet Sachs den Monolog extensiv, um einen neuen Ort anzuzeigen sowie das Handlungsgeschehen nachvollziehbar und verständlich zu machen. Fünf Mal übernimmt hier der Monolog in sieben von acht Szenen die Funktion der Vermittlung des Ortswechsels: 1. Szene: vor der Stadt (Monolog); 2. Szene: Wirtshaus; 3. Szene: Wirtshaus; 4. Szene: Kirchhof (Monolog); 5. Szene: Wirtshaus; 6. Szene: Kirchhof (Monolog); 7. Szene: Wirtshaus (Monolog); 8. Szene: Kirchhof (Monolog). Für die dramatische Bearbeitung der Vorlage musste Sachs die Bewegung zwischen den zwei Hauptspielorten Wirtshaus und Kirchhof räumlich darstellen, weil sonst das doppelte Missverständnis nicht deutlich geworden wäre. 60 Pfister 2001, S. 43. 61 Vgl. Michael 1972, S. 257 f. Michael sieht in der Etablierung des Ortes in der fünften Szene eine Inkongruenz. Nach ihm soll der Bauer nicht vor dem Wald sein, sondern wieder am Haus, weil die Bäuerin „Schaw, bist zu fusen wider kumen.“ (v. 269) spricht. Da die Bäuerin selbst in das Dorf gehen wollte, kann jedoch auch ein Ort fernab des Hauses die Szenerie bilden. <?page no="256"?> 256 1 Aufführungsform und Monolog Die Handlungslogik der Bearbeitung basiert auf der räumlichen Trennung der Figuren. Für eine feste Bühne spricht zudem, dass die Darstellung des Missverständnisses nur gelingt, wenn die Figuren sich nicht begegnen, d. h. die Auf- und Abgänge müssen räumlich getrennt sein, was mindestens zwei Aufgangsmöglichkeiten erfordert. 62 Wären Auf- und Abtritte von vornherein nicht klar geregelt und die Orte nicht eindeutig markiert, würde die Inszenierung des Geschehens fehlschlagen und die Handlung wäre unverständlich. Dem Monolog fällt hier zum einen die wichtige strukturierende Funktion zu, Zeit zu überbrücken und zu raffen, damit eine Figur in der nächsten Szene an einem anderen Ort auftreten kann (vv. 239-246), und zum anderen handlungsbezogene Informationen am Beginn einer neuen Szene zu vermitteln (vv. 207-216). Das Publikum kann so nachvollziehen, an welchem Ort die Figur sich aktuell befindet. Mit den Fastnachtspielen G 23 Der jung Kauffmann Nicola mit seiner Sophia von 1550 und G 40 Der Parteckensack von 1552 bestätigt sich Lusskys Annahme, wonach die Inzenierung auf Tür und Fenster als Kulisse angewiesen und beides nicht durch reale Türen und Fenster in Gaststuben bzw. Privathäusern substituierbar war, wie es Michael annimmt. 63 In der dritten Szene des Spiels G 23 braucht es eine Szenerie innerhalb und außerhalb des Hauses, die für die Zuschauer sichtbar und hörbar ist. Darin erbittet Nicola Einlass in das Haus, den ihm die Magd jedoch verweigert (vv. 134-137): 125 Wenn er kumb an das Hauß zu klopffen, Sol ich abfertigen den tropffen, Sprechen, mein Fraw sey vberfeldt, […] Mich duͤnckt, der jung lap klopf schon dausen. 135 Seit irs? Mein Fraw ist nit anheimb. Nicola spricht: Ich solt jr etwas sagn in kheim; Ey laß mich nauff, mein liebe Metz. 62 Vgl. Lussky 1927, S. 547. 63 Vgl. Michael 1963, S. 147. <?page no="257"?> 1.6 Einzelanalysen 257 Indem die Magd monologisch ausdrücklich den Ort als Haus benennt und ihr weiteres Vorgehen erläutert, steht das Haus mittels Wortkulisse vor den Rezipienten; die nachfolgende Szene ist gewissermaßen vorweggenommen. Darüberhinaus etabliert die Magd ein Innen und Außen, indem sie das Klopfen als von draußen („dausen“ v. 134) kommend identifiziert. Nicolas Bitte um Einlass („laß mich nauff“ v. 137) legt den Schluss nahe, dass sich die Magd an einer höheren Stelle befindet, d. h. das Haus als imaginierter Ort höher als Nicolas Position ist. Solches kann nicht, wie Michael annimmt, vor der Tür einer Wirtsstube realisiert werden. Plausibel zu erklären sind die Redeanteile nur durch eine Bühne, wie sie bereits Lussky angenommen hat. Mit ihr wird der Höhenunterschied verständlich: Die Magd steht demnach auf der Bühne, d. h. im Haus, während sich Nicola vor der Bühne, d. h. vor dem Haus befindet. Sachs funktionalisiert den Monolog der Magd in diesem Sinne in zweierlei Hinsicht: Zum einen etabliert er die Szenerie, die möglicherweise auch durch eine sichtbare Kulisse angedeutet war. Die Wortkulisse macht den Rezipienten unmissverständlich deutlich, wo sich die Figuren aufhalten. Zum anderen greift der Monolog auf nachfolgendes Geschehen voraus, um mögliche Missverständnisse zu umgehen bzw. eine Verständnishilfe für den anschließenden Dialog zu liefern. Das Fastnachtspiel G 40 Der Parteckensack bestätigt diese angedeutete Bühnenform. In der sechsten Szene ist die Szenerie wie in G 23 vor dem Haus und im Haus etabliert. Die Rezipienten wissen, vermittelt durch den Monolog Conrads, dass dieser vor dem Haus im Weinfass seine Schlafgelegenheit bezogen hat (vv. 218-245). Im Anschluss daran monologisiert die Magd (vv. 246-248) über das von ihr gehörte Geräusch vor der Tür: Ich hoͤr was vor der Thuͤr vmbzaufen, Ich glaub, der Juckherr sey schon drausen. Im weiteren Verlauf der Szene sagt die Magd, als sie den vermeintlichen „Junckherr“ in „stickfinster Nacht“ (v. 268) in das Haus führt, wie sie ihn eine Treppe hinauf bringen muss: Junckherr, kombt vnd halt euch an mich, Stost euch nit, ich muß finsterlich Euch hinauff bringen hoch drey stiegen, Diese beiden Passagen illustrieren deutlich den Einsatz einer Tür und dreier Stufen („drey stiegen“), die hinauf in das Haus führen. Hier zeigt sich ein weiteres Mal die Erforderlichkeit einer festen Bühne. Mit Blick auf die oben zitierten <?page no="258"?> 258 1 Aufführungsform und Monolog Passagen aus G 23 Der jung Kauffmann Nicola mit seiner Sophia dürfte zudem viel dafür sprechen, dass die Aufführung der Fastnachtspiele grundsätzlich auf einer solchen erfolgte. Mithin ist davon auszugehen, dass erst die Bühnenform komplexere Handlungen ermöglichte, die vor 1550 in dieser Vielfalt nicht nachweisbar sind. Notwendig für die figurenperspektivische Umsetzung eines komplexen Geschehens in szenischer Präsentation sind die Vermittlung von Zeitsprüngen und Ortswechseln. Sie prägen die nicht-austauschbare Reihung von Handlungssequenzen und charakterisieren eine in sich geschlossene dramatische Handlung. Das grundlegende dramaturgische Prinzip dafür ist die Sukzession, welches ein Nacheinander der Szenen bei gleichzeitiger Aneinanderreihung der Geschichte nahelegt: zwei aufeinander folgende Szenen präsentieren also normalerweise auch zwei aufeinanderfolgende Phasen der Geschichte. […] Die dramatische Präsentation der Geschichte ist damit stärker auf ein ‚einsinniges‘ Nacheinander festgelegt als die narrative Präsentation, die eine Umstellung von ganzen Großabschnitten und eine Auffächerung und Verzweigung der Geschichte in nebeneinander herlaufende Handlungsphasen kennt. 64 Zusätzlich zur Sukzession ist es für dramatische Texte unumgänglich, epische Vorlagen auf eine spielbare Länge zu kürzen. Das Prinzip der Konzentration verlangt ein selektives Verfahren. Dabei ist der „Umfang der Geschichte“, so Pfister, „nicht ohne weiteres mit ihrer zeitlichen Erstreckung gleichzusetzen, da diese ja durch Zeitaussparungen bewältigt werden kann, sondern er ist vor allem in der Zahl der Handlungen und Geschehensabläufe begründet, die die Geschichte ausmachen“. 65 Sukzession und Konzentration sind die Hauptbedingungen, um eine Geschichte auf einer Bühne dramatisch präsentieren zu können. Sie verlangen eine festgesetzte Bühnenform und eine Grenze zwischen Publikum und Schauspielern zur Inszenierung einer geschlossenen Handlung. Mit ihnen kann man die epischen Vorlagen der Aufnahmefähigkeit des Publikums anpassen und für eine Bühne umarbeiten. Als Hauptmerkmale der Sukzession und Konzentration sind in den Fastnachtspielen von Sachs, neben der Begrenzung der Dramenhandlung auf die Intrige, Zeitsprünge und Ortswechsel zu verzeichnen. Die Funktionalisierung des Monologs zur Vermittlung des Ortswechsels und des Zeitsprungs steht in diesem Kontext. 64 Pfister 2001, S. 273 f. 65 Pfister 2001, S. 274. <?page no="259"?> 1.6 Einzelanalysen 259 Das Fastnachtspiel G 57 Die alt verschlagen Kuplerin von 1553, das auf der vorreformatorischen Fastnachtspielvorlage K 37 beruht, bestätigt die bisher dargestellten Änderungen der Bühnenform, auch wenn der Einsatz eines Fensters oder einer Tür in diesem Spiel nicht zwingend ist 66 und Regieanweisungen schon in der Vorlage einen Innen- und Außenbereich für die Spielstätte vorschreiben. Nachdem der Bote den Domherrn abberufen hat, lautet die Regieanweisung in der Vorlage „Thumher get ausz und tut den langen mantel ab, als sei er der frau man“ (S. 279, vv. 5-6). Damit wird nicht nur ein Abgang und die Inszenierung des Rollenwechsels vom Domherrn zum Ehemann vorgegeben; unter Berücksichtigung der nachfolgenden Regieanweisung zeigt sich zugleich, dass der Domherr sich vor der Tür befindet, während die Kupplerin mit der Ehefrau spricht: „Die weil ist der Thumherr daussen, so spricht die frau zu der kuplerin“. Aufgrund dieser Regieanweisungen ist anzunehmen, dass zumindest für dieses vorreformatorische Fastnachtspiel die Tür der Stube oder der Gastwirtschaft dem Abgang diente und dadurch ein Szeneneinschnitt mit Ortswechsel und Umkleiden möglich war. 67 Eine ausdrückliche Nennung des Ortswechsels erfolgt jedoch nicht: Dem Dialog zwischen der Frau und der Kupplerin geht einer zwischen Domherrn und Bote voraus. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass beide Dialoge an jeweils anderen Orten spielen sollen, weil anders ihr Handlungsrahmen nicht sinnvoll situiert wäre. Der Vergleich zur Bearbeitung von Sachs zeigt, dass ein Ortswechsel nicht gleichzeitig eine klar erkennbare Szenerie einschließt, die von der Publikumsrealität abgrenzbar ist. Sachs verwendet den Ortswechsel im Gegensatz zur Vorlage fünf Mal und benennt ihn als eindeutig indentifizierbare Szenerie. 68 Hierfür nutzt er die mit dem Monolog entwickelte Wortkulisse, die sich zwar teilweise nur auf die Erwähnung des Ortes beschränkt, aber diesen mit weiteren, dialogisch eingeführten Bestimmungen umschreibt. 66 Lussky 1927, S. 545, ordnet dieses Spiel unter diejenigen Fastnachtspiele, die die gleiche Form haben wie Spiele, die eine Tür und ein Fenster benötigen: „That these four plays were also intended for the stage and that the door referred to in them was not the door of the place of permance, nor a curtain entrance but the door established above may be savely assumed, since they have the same form as the other plays and the door could be used.“ 67 Catholy 1968, S. 35, sieht aufgrund des Ortswechsels in diesem Fastnachtspiel eine Art „Zwischenstufe in der Entwicklung von der ‚Ortlosigkeit‘ des Reihenspiels zur Darstellung bestimmter Orte, wie dann Hans Sachs verwirklicht.“ In Bezug auf Sachs’ Bearbeitung spricht Catholy (S. 52) von einer „pedantische[n] Fixierung von Zeit und Raum.“ 68 Catholy 1968, S. 53, zieht mit Blick auf den konkret benannten Ort und der damit einhergehenden „Illusionierung der Zuschauer“ den Vergleich zum „neuzeitlichen Drama“. Diese erreicht Sachs indes anders als das neuzeitliche Drama nur durch „Sprache und Gestik“. <?page no="260"?> 260 1 Aufführungsform und Monolog Mehr noch als in der Eulenspiegel-Bearbeitung zeigt sich in diesem Fastnachtspiel die Funktionalisierung des Monologes zur Vermittlung des Ortes, so seine Nennung zum Beginn der zweiten Szene im Monolog des Domherrn (v. 35): „Und wil als bald im Thumb vmbschawen“. Die Überleitung zum nächsten Ort erfolgt im Monolog der Magd (v. 134) - als eigene, dritte Szene gestaltetet -, in dem sie auf den Markt verweist, wo sie eine Frau finden will: „Wil gehn am Marckt, nach einer schawen“. Die Marktszenerie baut der Dialog zwischen Magd und Frau weiter aus. Mit Beginn der fünften Szene wechselt die Szenerie abermals in den Dom, jetzt mithilfe des Monologs des Domherrn (v. 214) beschrieben: „Bin wider her in den Thumb kommen“. 69 Am Ende der fünften Szene verdeutlicht die Kupplerin, dass sich die Frau in ihrem Haus befindet (v. 242): „Die Fraw wart daheim in meim Hauß“. Dieser Ort kommt zwar erst in der siebten und damit letzten Szene zum Einsatz, der Monolog bereitet indes schon an dieser Stelle des Spiels auf ihn vor. Dadurch ist verständlich, wo sich die Magd und die Frau bei ihrem nächsten Auftritt aufhalten. In der fünften Szene verweist der Ehemann mit seinem Monolog auf den Gang seiner Frau zum Markt (v. 249) und benennt gleichzeitig das Verlassen des Wohnhauses. Dadurch verlegt Sachs die Szenerie in die Gegend um das Wohnhaus (vv. 255-256): „Vnd ist noch kein funck Fewrs im Hauß, / Bin gleich vor zorn gelauffen auß“. Mit den Wechseln zwischen den verschiedenen Szenerien konstituiert Sachs mit den Monologen zusätzlich eine von der Aufführung „unabhängige Zeitlichkeit“ und stellt so eine „vom Publikum relativ unabhängige Fiktionsebene“ her. 70 Die fiktiven Örtlichkeiten gehen mit einer fiktiven, nur auf der Bühne gültigen Zeit einher und grenzen sich damit deutlich von der Publikumsrealität ab. Der Vergleich der Ortswechsel im Fastnachtspiel G 57 mit denen der vorreformatorischen Vorlage zeigt noch deutlicher als die Eulenspiegel-Bearbeitung, wie Sachs seine komplexe Dramaturgie erst mit einer festen Bühne umsetzen konnte und dass er dieses Verfahren unabhängig von epischen Vorlagen, die unterschiedliche Szenerien voraussetzen, zur Handlungsstrukturierung nutzte. Für die Fastnachtspiele ab 1550 ist deshalb anzunehmen, dass Sachs epische Vorlagen mit komplexer Erzählstruktur erst von da an häufig bearbeitete, weil die Aufführung von den festgelegten Auftrittsmöglichkeiten einer Bühne abhängig war. Ferner wendete Sachs diese Dramentechniken auch unabhängig von der Vorlage an, um Missverständnisse und Intrigen verständlich, d. h. kausal 69 Weiter heißt es (v. 215): „Und wil da auff dem platze schawen“. In dieser Aussage könnte ein Hinweis auf ein vorhandenes Bühnenfenster liegen. 70 Catholy 1968, S. 53. <?page no="261"?> 1.6 Einzelanalysen 261 nachvollziehbar zu inszenieren. Das Bemühen um Verständlichkeit wird unter anderem an der Benennung des aktuellen Ortes im Monolog augenscheinlich. Das Fastnachtspiel G 57 zeigt, wie Sachs das Spiel mit der Verwechslung durch die raschen Bewegungen innerhalb der Szenerien noch deutlicher hervorhebt, als es in der Vorlage geschieht; die Vorlage zeigt indes auch, dass die Darstellung der Verwechslung nicht zwingend auf diesen regen Wechsel angewiesen ist. Sachs zieht bereits mit dem Expositionsmonolog der Kupplerin die Grenze zwischen Zuschauer- und Bühnenraum und etabliert den Ort vor dem Dom. Er nimmt keinen Bezug auf die Atmosphäre im Wirtshaus oder Privatraum, sondern inszeniert mittels Wortkulisse eine vom Publikumsraum losgelöste Szenerie. In seiner vorreformatorischen Vorlage situiert der Precursor die Handlung in der Wirtshaus-Szenerie; lediglich die Figur des Domherrn führt er ein (S. 277, vv. 8-10): unsers herrn bischofs sigler her. Herr wirt, der leßt euch piten ser, Das er bei euch hie siglen tet. Catholy ist zuzustimmen, wenn er hierzu meint, dass in den Fastnachtspielen ab 1550 die Etablierung einer fiktionalen Ebene mit der Explikation von Handlungskausalitäten einhergeht, wie nicht nur der Expositionsmonolog der Kupplerin im Gegensatz zur Vorlage zeigt. Fragt man nach dem Grundprinzip, das Hans Sachs im Laufe seiner Entwicklung als Autor von Fastnachtspielen immer deutlicher geleitet hat, so wird man das der Kausalität nennen müssen: die psychologische Personengestaltung dient der kausalen Erklärung ihrer Handlungsweise (Kupplerin, Domherr, Ehemann, Magd), so wie die Fiktion des Raumes ebenfalls handlungsbestimmend oder doch Handlung ermöglichend wirkt (Haus der Kupplerin). Der Verzicht auf Ansage und Abkündigung schließlich lässt erkennen, daß das neue Fastnachtspiel nicht mehr von dem Prinzip der Wechselwirkung vom Publikum und Spielern, von realer Ebene der Fastnachtgeselligkeit und einer ohnehin allenfalls in Ansätzen realisierten Fiktionsebene ausgeht, sondern von dem Bestreben, die Spielebene gegenüber der Zuschauerebene zu isolieren. Diese Isolation aber kann nur dann zustandekommen, wenn die Handlung durch ständigen Verweis auf die Ursachen ihrer einzelnen Züge wie ihres Gesamtzusammenhangs dem Kausalprinzip unterstellt wird. 71 71 Catholy 1968, S. 56. <?page no="262"?> 262 1 Aufführungsform und Monolog Auftritte und Abgänge werden in vorreformatorischen Fastnachtspielen wie auch in denen von Sachs bis 1550 nur begrenzt eingesetzt, auch wenn es wie etwa in K 37 eine Handlung mit aufeinander aufbauenden Sequenzen zu inszenieren gilt. Nur mit der Einführung einer festen Bühne lassen sich die nachgewiesenen Änderungen, insbesondere in Bezug auf die Grenzen, Ortswechsel und die Etablierung von unterschiedlichen Szenerien, seien diese auch lediglich eine Änderung zwischen Innen und Außen, erklären. Als markanteste Vermittlungsform dient Sachs der Monolog, dessen handlungsbezogene Funktion hier ihren maßgeblichen Einsatz findet. Das bedeutet: Der markante Anstieg der Monologe ab 1550 geht auf eine komplexere dramaturgische Ausgestaltung der Fastnachtspiele zurück, die letzten Endes in der Aufführung auf einer festen Bühne ihre Erklärung finden dürfte. 72 Wie Sachs die speziellen Anforderungen einer Inszenierung für ein nichtgelehrtes Publikum im Vergleich zu Bearbeitungen in anderen Gattungen umzusetzen verstand, stellt das folgende Kapitel dar. 72 Weiter zu untersuchen wäre, ob die Situierung der Bühne in einer Kirche die Voraussetzung für die Dramenrezeption war. Die noch zu untersuchende These bezieht sich darauf, dass die Kirche kein zufällig gewählter Ort war, da dem Publikum durch die liturgische Feier bereits eine strenge Trennung zwischen einerseits Altarraum und Chor als Darstellerräumen sowie andererseits Kirchenschiff als Zuschauerraum bekannt war. Vgl. Janota 1980, S. 33. Indem die Bühne in der Kirche stand, hätten die Schauspieltruppen quasi an diese Situation anknüpfen können und sich über ein Wissen der Rezipienten von einer Grenze zwischen Zuschauer- und Darstellerraum gewiss sein können. <?page no="263"?> 2.1 Mehrfachbearbeitung des Stoffes das Kälberbrüten 263 2 Rezipient und Autor 2.1 Mehrfachbearbeitung des Stoffes das Kälberbrüten Betrachtet man das Œuvre von Sachs, fällt nicht nur die enorme Anzahl von über 6000 Werken, sondern auch die Verwendung zeitgenössischer Gattungen, abgesehen vom Vers-und Prosaroman, auf. Sind auch keine poetologischen Traktate oder Ausführungen zu Gattungsfragen überliefert, so hat Sachs doch Stoffe jeweils als Meisterlied, Spruchgedicht und / oder Tragedi, Comedi und Fastnachtspiel während seiner gesamten Schaffenszeit bearbeitet. Geiger zählt insgesamt 211 Mehrfachbearbeitungen 1 und mindestens 14 Dreifachbearbeitungen eines Stoffes als Fastnachtspiel, Meisterlied und Spruchgedicht. 2 Die Mehrfachbearbeitung ist ein dichterisches Verfahren, das seine gesamte Schaffenszeit durchzieht, 3 und aus dem sich gattungspoetologische Schlüsse ziehen lassen. Ihre Untersuchung lässt inhaltliche und formale Gattungsunterschiede konkret hervortreten und zeigt, welche divergierenden Funktionen die Gattungen in der Vermittlung des Stoffes einnehmen. Diesem Kapitel liegt die Annahme zugrunde, dass Sachs neben der Stoffvermittlung eine Formvermittlung im Sinn hatte. Damit geht ein Autorschaftsbild einher, das auf der Zurschaustellung von Formkunst gründet, die gleichzeitig auf einen sich neu formierenden Rezipientenkreis ausgerichtet ist. Analysegrundlage bildet im Folgenden das Kälberbrüten . Eine direkte Vorlage ist nicht klar zu erkennen, dennoch lassen sich Varianten des Stoffs, die in der 1 Vgl. Geiger 1956, S. 30. 2 Hinzu zu zählen sind nach Goetze 1883, 3. Bd., S. XII und XIV, die nicht-gedruckten Spiele G 29 die drey studenten und G 33 der podenlos pfaffensack . Hinsichtlich folgender Fastnachtspiele ist eine dreifache Bearbeitung sicher nachweisbar: G 34 Das Kelberbruten , G 38 Das heiß Eysen , G 45 Der groß Eyferer, der sein Weib Beicht hoͤ ret , G 65 Der pfarrer mit sein eprecher pawern , G 67 Sant Petter leczet sich mit sein freunden vnden auf erden , G 80 Der schwanger pauer mit dem fuͤ el , G 81 Der verspilt rewter , G 82 Die zwen gefattern mit dem zorn und G 83 Der doctor mit der grosen nasen. Eine Vierfachbearbeitung, bei der der Stoff zusätzlich als Comedi Verwendung fand, erfolgte zum Stoff die ungleichen Kinder Evas . Zur Veränderung der dramentechnischen Merkmale ab 1550 ist zu bemerken, dass alle hier relevanten Fastnachtspiele nach 1550 entstanden. 3 Vgl. Glier 1993, S. 59, die die Frühphase durch den Meistersang geprägt sieht und einen Anstieg der Mehrfachbearbeitungen im Laufe der Jahre feststellt. <?page no="264"?> 264 2 Rezipient und Autor Tradition einer Fazetie Heinrich Bebels stehen, ausmachen. 4 Die Abweichungen der Bearbeitungen von der Fazetie sind jedoch so groß, dass eine Vergleichsanalyse keine Aufschlüsse für das Autorschaftsbild oder poetologische Fragen mit sich bringt. Die Fazetie zeigt vor allem, dass Sachs seinem Auswahlschema treu bleibt und einen verbreiteten Schwankstoff zur Bearbeitung nimmt. Sachs dichtete das Fastnachtspiel 1551 und das als Schwank klassifizierte Spruchgedicht 5 1557. Ihrer Analyse wird die des Meisterliedes 6 (1547) vorangestellt, um die inhaltlichen Veränderungen herauszuarbeiten. 2.1.1 Meisterlied Generell erfolgte die Meisterlieddichtung für den Gesangsvortrag, den ‚Merker‘ bewerteten. Kriterien waren Verskunst und Reimreinheit, inhaltliche Qualität und Sprachrichtigkeit. 7 Müller spricht deshalb von einer Kunst, die „identisch war mit Regeleinhaltung bzw. Fehlervermeidung.“ 8 Weil die Drucklegung verboten war, sind die 4285 Meisterlieder von Hans Sachs 9 nur in Handschriften überliefert. 10 Das Meisterlied das Kälberbrüten hat Sachs in drei Handschriften festgehalten und ist weitere sechs Mal als Abschrift überliefert. 11 Möglicherweise stehen die Gattungen Meistersang und Spruchgedicht nah beieinander, 12 weil Sachs im Spruchgedicht das Druckverbot der Meisterlieder umgehen konnte. Dafür spricht, dass 58 Spruchgedichte und Meister- 4 Eine deutsche Übersetzung von Bebels Facetiae erschien erstmals 1558. Vgl. die tabellarische Auflistung der Drucke und frühneuzeitlichen Übersetzungen bei Altrock 2009, S. 106. Welche Vorlage Sachs zur Verfügung stand, ist unklar. Vgl. Stiefel 1891, S. 20. Zu den verschiedenen Weiterbearbeitungen der Fazetie vgl. Bolte / Polivka 1918, S. 60. 5 KG IX, S. 288-292. 6 Goetze / Drescher 1903, S. 219 ff. (Nr. 381). Ebenfalls abgedruckt in Sachs 2003, S. 44-47. 7 Vgl. Nagel 1971, S. 52, der, auf vier Argumente gestützt, den Meistersang als Reimkunst bezeichnet: „1. Die Hauptmasse der Regeln sind Reimregeln. 2. Die Reimverstöße gelten als besonders schlimme Fehler. 3. Reimfertigkeit wird als wichtigste künstlerische Qualität gerühmt. 4. Kunstgerecht reimen zu lernen ist die Grundforderung der msr. Poetik.“ 8 Müller 1985, S. 65. 9 Die Zahl der Meisterlieder als auch der gesamten Werke variiert zwischen Summa all meiner Gedicht und dem Generalregister. Vgl. Kugler 2000, S. 541 f. 10 Vgl. Brunner 2009, S. 105. 11 Vgl. Sachs 2003, S. 44. Bei den drei Handschriften handelt es sich um „Zwickau MG 9, Bl. 104 (Kriegsverlust), Dresden M 12, Bl. 141 v -142 r , und Berlin Mgq 583, Bl. 257 r -258 r .“ Sachs 2003, S. 44. 12 Das Spruchgedicht markiert mit dem Meisterlied den Beginn von Sachs dichterischem Schaffen. Nachdem er 1514 sein erstes Meisterlied verfasste, folgte 1515 ein auf dem Dekameron (IV, 5) basierendes Spruchgedicht, das die Geschichte von Lisabetta behandelt. <?page no="265"?> 2.1 Mehrfachbearbeitung des Stoffes das Kälberbrüten 265 lieder aus den 1540er und 1550er Jahren nahezu identisch sind und häufig am selben Tag gedichtet wurden. 13 Im formalen Aufbau ist jedes Meisterlied in einem Ton abgefasst, der Melodie und Strophenform vorgibt. Grundlegendes Schema ist die dreigliedrige Kanzonenform ( AAB ). 14 Im vorliegenden Fall handelt es sich um den Schatzton Hans Vogels, bestehend aus zwei siebenversigen Stollen im Aufgesang und einem achtversigen Abgesang. 15 Weil die Einhaltung der vorgegebenen Form für den Meistersang entscheidend ist, kommt der Meisterlieddichtung eine „Ästhetik der Meßbarkeit“ 16 zu. „Aber das Dichten ‚nach Maß und Zahl‘ hat sich“, so Kugler, „nicht auf die Bestimmung der Versmaße beschränkt, sondern hat das gesamte poetische Gefüge, hat die Form-Inhalt-Beziehungen der Meisterlieder bis in die Details hinein geprägt.“ 17 Die Poetiken der Meistersinger, die ‚Schulkünste‘, geben zur Strukturierung eines Stoffes lediglich die von Sachs bereits für die dramatischen Texte aufgezeigte Einteilung in ‚anfang, mittel und end‘ vor. Neben der Anweisung, den Stoff in einer bestehenden metrischen Form wiederzugeben, ist die angemessene Strukturierung ein entscheidender Bestandteil der Meisterliedkunst. Demnach soll der Stoff in drei Teile gegliedert werden, weshalb häufig der Mittelteil den Umschwung der Handlung beinhaltet. 18 Der Umgang mit dem Stoff, so Kugler weiter, ist eine produktive Rezeption, eine eingreifende Lektüre, die sich am Lesetext abarbeitet, indem sie ihn umarbeitet. Sie unterliegt dem Zugriff einer Poetik, die in entscheidendem Maße - und das ist das eigentlich Wichtige und Bemerkenswerte - quantifizierende Mittel einsetzt, um Qualitäten kenntlich zu machen. 19 Den Stoff vom Kälberbrüten verteilt Sachs in der geforderten Art auf drei Strophen: 13 Vgl. Geiger 1956, S. 30; Glier 1993, S. 60. 14 Vgl. Brunner 2002, S. 486 ff. 90 Prozent aller Meisterlieder von Sachs und nach ihm wirkenden Dichtern bestehen aus drei Strophen. Vgl. Kugler 2000, S. 550. 15 Vgl. RSM, Bd. 2.1, 2009, S. 283, und Goetze / Drescher 1903, S. XXVIII: 8 8 7 8 8 7 7 9 9 6 8 8 7 8 7 a a b c c b b g g h i i k h k d d e f f e e 16 Kugler 2000, S. 543. 17 Kugler 2000, S. 544. 18 Vgl. Kugler 2000, S. 544 f., sowie S. 554, wo er die exakte Dreiteilung für das Fastnachtspiel G 22 nachweist. Siehe auch Teil C, Kapitel 2. 19 Kugler 2000, S. 548. <?page no="266"?> 266 2 Rezipient und Autor 1. Strophe: Ein Bauer möchte den Haushalt erledigen, während seine Frau in der Stadt das Geld verdient. Er verschläft, weshalb ein Kalb im Brunnen ertrinkt. Ihm kommt die Idee, aus Käse Kälber zu brüten. 2. Strophe: Der Bauer setzt sich auf den Käse und ist für seine Frau nicht mehr ansprechbar, weil er Hühnergeräusche zur Antwort gibt. 3. Strophe: Die Bäuerin holt den Pfarrer zu Hilfe, der den Bauern beschwört und von dem Korb herunter zieht. Der Bauer ist verärgert, weil seine Frau und der Pfarrer ihn vom Kälberbrüten abgehalten haben. Die von Kugler allgemein festgestellte Zentrierung im Mittelteil der Meisterlieder findet hier ihre Bestätigung, wenn im zweiten Stollen der zweiten Strophe die ‚Wende‘ erfolgt, indem die Bäuerin ihren Mann auffindet und er auf ihre Fragen mit Tiergeräuschen antwortet. Von diesem Punkt an will die Bäuerin mit ihrem Mann in ein Gespräch kommen. Die dritte Strophe beginnt mit der Resignation der Bäuerin ob ihrer vergeblichen Versuche, so dass sie den Pfarrer holt, um ihren Mann beschwören zu lassen. Die Figurenzeichnung ist im Meisterlied neutral angelegt, sodass Kommentierungen zum Verhalten nahezu fehlen. Lediglich der zweite Vers der ersten Strophe charakterisiert den Bauern als verwirrt: „Der seiner sin war halb zerstrewt“. Der Bauer steht im Zentrum der Handlung, während das Handeln der Figuren Ehefrau und Pfarrer nicht durch eigene Motive gelenkt ist. Der Bauer hält bis zum Schluss daran fest, Kälber brüten zu wollen, und bleibt damit auch weiterhin im ‚verwirrten‘ Zustand, den er bereits im zweiten Vers innehatte. Die Bäuerin erscheint erst in der Sequenz, in der sie aus der Stadt zurückkommt, und tritt dort als besorgte Ehefrau auf, die ihren Mann auch in dieser Situation noch als „lieben Hans“ (v. 43) anspricht. Dem Pfarrer kommt die Aufgabe zu, die Beschwörung vorzunehmen und den Bauern vom Korb zu ziehen. Das Meisterlied endet ohne moralische Kommentierung. 20 Lediglich ein abschließendes Sprichwort (vv. 65-66) weist auf die Kurzlebigkeit von guten Vorsätzen hin: „Also manch güet anschlag verget / Gleich ainer wasser plasen.“ Die Ausführungen zum Meisterlied bilden die Grundlage, um insbesondere die Erweiterungen und Wertungen identifizieren zu können, die gattungskonstituierend für Spruchgedicht und Fastnachtspiel sind. 20 In den meisten Meisterliedern ist hingegen in der „Endstrophe eine moralisch-erbauliche Lehre eingearbeitet.“ Kugler 2004, S. 416. <?page no="267"?> 2.1 Mehrfachbearbeitung des Stoffes das Kälberbrüten 267 2.1.2 Spruchgedicht Der Name ‚Spruchgedicht‘ erklärt sich zunächst aus der Differenzierung zum Gesang, denn ‚spruch‘ weist auf den sprechenden Vortrag hin. 21 Üblicherweise gilt die Spruchdichtung als eine Art ‚Sammelgattung‘, in der Sachs „jede nicht strophische und nicht sangbare poetische Gattung“ 22 unterbrachte. In der Folioausgabe von 1558 gibt es keine eigens benannte Gattung, die Sachs als ‚Spruchgedicht‘ ausweist, vielmehr dient das Wort hier als Oberbegriff. Sachs unterteilt, wie in der Summa all meiner gedicht , die Spruchgedichte „in ein ‚System‘ von zwölf arten , in denen sich formale und inhaltliche Kriterien zum Teil verwirrend mischen“ 23 : „tragedi, comedi, histori, kampffgesprech, gesprech, lobsprüch, klagred, comparacion, sprüch, faßnacht-spiel, fabel und schwenck“. 24 Sachs selbst unterscheidet demnach lediglich den Meistersang, die Lieder und die Prosadialoge von den Spruchgedichten. 25 Bernstein definiert darum zu Recht 21 Vgl. Spriewald 1990, S. 60. 22 Behr 1994, S. 14. Könnecker 1971, S. 16, hält sich zunächst mit formalen Definitionskriterien zurück und bezeichnet die Spruchdichtung als „umfangreichen Komplex […], der gleicherweise Lehrhaftes, Religiöses, Politisches und Unterhaltendes, die schwankhaft pointierte Erzählung und das moralisierende Gespräch umfaßt“; weiter unten (S. 38) ist ihr Fazit gleich dem Bernsteins: „Die Spruchdichtung von Sachs stellt eine nur schwer zu definierende, keineswegs einheitliche Gattung dar. In weiterem Sinn versteht man darunter sämtliche nichtstrophischen Versdichtungen einschließlich der Tragödien, Komödien und Fsp., im engeren Sinne alle in Reimpaaren verfaßten nichtdramatischen Stücke, zu denen der kurze Vierzeiler ebenso gehört wie das Gedicht von mehreren hundert Versen.“ 23 Glier 1993, S. 56. 24 KG I, S. 3. 25 Vgl. dazu Summa all meiner gedicht (KG II, S. 337-344): 149 In einer summa diser bar 150 Der meistergesang aller war […] 156 Sollichs wars alls geschriben ein 157 In der sechtzeh gsangbücher sumb. 158 Die achtzehn sprüchbücher numb 159 Ich auch her in die hende mein; 160 Drinn durchsucht die gedicht allein, 161 Da fund ich frölicher comedi 162 Und der gleich trawriger tragedi, 163 Auch kurtzweiliger spil gesundert, […] 169 Nach dem fand ich darinnen frey 170 Geistlich und weltlich mancherley 171 Gesprech und sprüch von lob der tugend […] 177 Auch mancherley fabel und schwenck, 178 Lächerlich possen, seltzam ranck <?page no="268"?> 268 2 Rezipient und Autor die Gattung Spruchgedicht als „in Reimpaaren verfasste nichtdramatische Texte“, 26 weil sich die Gattung Drama mit ‚comedi‘, ‚tragedi‘ und ‚faßnachtspiel‘ formal leicht aus dem System herausnehmen lässt. Bezieht man folglich die dramatischen Texte nicht mit ein, bleiben ‚histori‘, ‚kampffgesprech‘, ‚gesprech‘, ‚lobsprüch‘, ‚klagred‘, ‚comparacion‘, ‚fabel‘ und ‚schwenk‘ 27 als Arten von Spruchgedichten übrig. Damit erweist sich die Eingrenzung von Bernstein im Falle der Unterscheidung dramatischer von nicht-dramatischen Texten 28 als taugliche Grundlage zur Bestimmung von Spruchgedichten. Zuordnungsprobleme ergeben sich auch hinsichtlich einzelner Untergattungen. Ingeborg Glier hat den Versuch unternommen für den Schwank und damit für die das Kälberbrüten betreffende Art des Spruchgedichts, Charakteristika von Sachs als Schwankautor herauszuarbeiten. Ernüchternd stellt sie fest, dass „ schwenck bei Hans Sachs ein diffuser Begriff“ ist, weil er mit diesem „ganz offensichtlich nicht nur Erzählungen, sondern auch Reden“ 29 bezeichnete. Erzählungen und […] 191 Auch ist das vierdt buch pstelt zu drucken, […] 195 Auch fand ich in mein büchern gschriben 196 Artlicher dialogos siben, 197 Doch ungereimet in der pros, 198 Ganz deutlich frey, on alle glos. 199 Nach dem fand ich auch in der meng 200 Psalmen und ander kirchengsäng, 201 Auch verendert geistliche lieder, 202 Auch gassenhawer hin und wider, 203 Auch lieder von krieges-geschrey, 204 Auch etlich bullieder darbei, 26 Bernstein 1993, S. 54. In gleicher Weise argumentiert Glier 1993, S. 57: Man könne „diesen Dramenbereich, weil er formal, wenn auch nicht thematisch in sich geschlossen ist, ziemlich ungestraft losgelöst vom übrigen Werk betrachten“. 27 Vgl. Behr 1994, S. 14, der das Zuordnungsproblem durch den Umstand der Zensur und deren Umgehung erklärt: „relativ problemlos ließ sich damit im Prinzip jedes Thema abhandeln und öffentlich machen, sofern nur der Zensor vorher sein Placet gegeben hatte“. 28 Catholy 1968, S. 22 f., verweist für die vorreformatorische Zeit auf die möglichen Gemeinsamkeiten zwischen der Gattung Fastnachtspiel und dem Spruchgedicht: „Zunächst lassen sich formale Beziehungen zwischen den beiden Gattungen erkennen: Die meisten Fastnachtspiele des 15. Jahrhunderts zeigen Formen und Techniken, die auch in der Spruchdichtung und verwandten Gattungen geläufig sind, und die Gesamtform der Spiele besteht zumeist aus einer Aneinanderreihung von mehr oder minder unzusammenhängenden Einzelreden, die Sprüchen vergleichbar oder sogar als Aufteilung von Spruchreihen auf verschiedene Personen erklärbar sind, wenngleich ein solches Verfahren weder beweisbar noch genetisch wahrscheinlich ist.“ Weiter gründet er seine Argumentation auf den Zusammenhang zwischen Folz und Rosenplüt als Fastnachtspiel- und Spruchdichter. 29 Glier 1993, S. 57 f. <?page no="269"?> 2.1 Mehrfachbearbeitung des Stoffes das Kälberbrüten 269 Reden lassen sich auch in Spruchgedichten finden, die er ‚histori‘ nennt. Ein Unterschied zwischen ‚schwenck‘ und ‚histori‘ scheint dann allein auf thematischer Ebene zu bestehen, wenn ‚histori‘ die ernsthaften und ‚schwenck‘ die scherzhaften bezeichnet. 30 Im Ergebnis lassen sich damit strukturelle Kriterien für die einzelnen Typen von Spruchgedichten nicht eindeutig festschreiben. Das Spruchgedicht vom Kälberbrüten ist in seinem Handlungsaufbau ähnlich angelegt wie das Meisterlied, das seinerseits wie ein Handlungsgerüst für den Schwank wirkt, der durch Hinzufügungen eine im Meisterlied nicht gegebene Dynamik erlangt, die weitestgehend der Komikverstärkung dient. Die Erweiterungen durchziehen den gesamten Schwank, treten aber besonders an Passagen hervor, die das Missgeschick des Bauern und die Figur der Bäuerin deutlicher herausarbeiten. Nachdem der Bauer das tote Kalb gefunden hat, beschließt er nicht wie im Meisterlied, sofort aus Käse Kälber zu brüten, sondern geht stattdessen wieder in das Haus. Dort findet er überkochende Suppe, verbranntes Essen und eine das Fleisch fressende Katze vor, die er verprügelt. Erst danach kommt ihm der Gedanke, dass er aus dem Käse Kälber brüten könnte, u. a. auch, weil er nicht weiß, wohin er vor seiner Frau fliehen könnte. Die Hinzufügungen bewirken, dass der Tod des Kalbes nur der Anfang einer Kette von unglücklichen Ereignissen ist, die sich in ihrer Abfolge und Schnelligkeit zu einem komischen Moment verdichten, das in der Furcht des Bauern vor seiner Frau gipfelt (S. 289 v. 36): „Wie wirdts mir ergehn ob dem kalb! “ Wie der Bauer bereits befürchtet hat, reagiert auch die Ehefrau. In ihren Gedankenreden reflektiert sie über die Angst ihres Mannes vor körperlicher Züchtigung (S. 290 v. 38 - S. 291 v. 4): Sie dacht: Wo ist der narr hin komen? Hat etwan dflucht ins holtz genomen? Wann er förcht übel mein schwer hend, Die ich ihm offt miß ubert lend. Oder hat sich leicht selbs ertrencket Oder auff die dillen gehencket. Ihr Auftritt bietet zusätzlich die Gelegenheit, die Szenerie der verwüsteten Küche und verprügelten Katze noch einmal ausführlich zu schildern. Nach der Beschwörung, die ähnlich gestaltet ist wie im Meisterlied, flucht anders als im Meisterlied die Bäuerin noch einmal über ihren Mann, woraufhin der Pfarrer 30 Vgl. Glier 1993, S. 58, die das Verhältnis von ‚schwenck‘ und ‚histori‘ zueinander ähnlich wie das von Tragedi und Comedi zum Fastnachtspiel sieht. <?page no="270"?> 270 2 Rezipient und Autor die beiden trennen muss und der Erzähler abschließend mit einer kurzen moralischen Wertung, die die Einfalt des Bauern betont, verkündet (S. 292 vv. 25-29): Nicht weiß ich, wie lang wert der fried. Denck wol, der pawr hab bey sein tagen Den ölgötzn all zeit müssen tragen Und erdulden viel ungemachs Durch sein einfalt, so spricht Hans Sachs. Das Ende bleibt damit weitestgehend offen, weil es dem Bauern, so die Vermutung des Erzählers, wohl mit dieser Frau weiterhin schlecht ergehen werde. Dass die Bäuerin das tradierte Rollenverständnis verkehrt und als Herrin des Hauses in Erscheinung tritt, bleibt unkommentiert. Die Verkehrung zeigt sich durch die im Vergleich zum Meisterlied weitaus ausführlichere Figurendarstellung der wütenden Ehefrau, die auch nicht davor zurückschreckt, ihren Mann körperlich zu züchtigen. Möglicherweise hat Sachs die herrische Frau nicht bewertet, um die Komik zu verstärken. Mit ihrem Verhalten bestätigt sie die unbegründete Angst des Bauern, müsste er doch eigentlich Herr im Haus sein. Genau diese Verkehrung wird im sechs Jahre früher gedichteten Fastnachtspiel (1551) herausgearbeitet und kommentiert, so dass die Frau als genauso schlecht erscheint wie der Mann. 31 2.1.3 Fastnachtspiel Als Fastnachtspiel fügt Sachs den Stoff des Kälberbrütens in sechs Szenen teils monologisch, teils dialogisch: Sz. Vers Rede Inhalt 1 1-19 Auftrittsmonolog Die Bäuerin beklagt sich über ihren faulen Ehemann. 20-48 Dialog Sie trägt ihm Aufgaben auf, die er erledigen soll, wenn sie in der Stadt ist. 49-56 Abgangsmonolog Der Bauer will sich noch einmal hinlegen, bis der Schultheiß sich meldet. 31 Vgl. Adamson 2002, S. 119. <?page no="271"?> 2.1 Mehrfachbearbeitung des Stoffes das Kälberbrüten 271 2 7-64 Auftritt-Abgangs-Monolog Der Bauer wacht auf und merkt, dass er verschlafen hat. Er will nach dem Essen sehen, das er auf dem Herd vergessen hat. 3 65-159 Auftritt-Abgangs-Monolog Die Bäuerin bezweifelt, dass ihr Mann den Haushalt meistert, während sie in der Stadt ist. 4 81-100 Auftritt-Abgangs-Monolog Der Bauer berichtet, wie er die Katze verprügelt hat, weil sie sein Essen gefressen hat. Das Essen ist ihm verbrannt und er befürchtet Schläge von der Frau, freut sich jedoch, dass er die Kühe und Schweine in den Garten gelassen hat, und will sie jetzt wieder in den Stall bringen. 5 101-130 Auftrittsmonolog Der Bauer berichtet, dass ihm das Kalb im Brunnen ertrunken ist. Er fürchtet seine Frau und fragt sich, was er tun soll. Ihm kommt die Idee, aus Käse ein Kalb zu brüten, so wie Hühner Eier brüten. 131-142 Auftrittsmonolog Die Bäuerin beklagt die Situation, in der sie das Haus vorgefunden hat. Sie will ihren Mann belehren. 143-158 Dialog Der Bauer antwortet auf ihre Fragen mit Tiergeräuschen. Sie meint, er sei besessen, und will einen Pfarrer holen. 6 159-330 Dialog Der Pfarrer versucht, mit dem Bauern zu reden, bekommt aber auch nur Tiergeräusche zur Antwort. Der Pfarrer beschwört ihn. Als der Pfarrer den Bauern vom Käse zieht, beschwert dieser sich und erklärt die ganze Situation: Aus Angst vor seiner Frau sei er auf die Idee gekommen, aus dem Käse Kälber zu brüten. Die Bäuerin beschimpft ihren Mann. Der Pfarrer ergreift Partei für den Mann, denn die Frau müsse akzeptieren, dass ihr Mann der Herr im Haus sei. Bauer und Bäuerin wollen im Wirtshaus gemeinsam trinken und alles vergessen. <?page no="272"?> 272 2 Rezipient und Autor Die im Fastnachtspiel am Anfang und Ende gegenüber den anderen Bearbeitungen vorgenommenen Änderungen bewirken eine gänzlich neue Deutung des Stoffes. 32 Während Meisterlied und Spruchgedicht enden, nachdem der Bauer den Pfarrer beschimpft, weil dieser ihn davon abgehalten habe, aus dem Käse Kälber zu brüten, folgen im Fastnachtspiel ca. 90 dialogische Verse. Darin ist der Bauer wieder bei klarem Verstand und erläutert seine Situation mit der Angst vor seiner Ehefrau. Die Worte des Pfarrers relativieren das sinnfreie Verhalten des Mannes, indem er es mit dem der Frau gleichsetzt, will sie doch nicht akzeptieren, dass der Mann Herr im Haus sein soll. Diese Relativierung findet ihren Abschluss in den versöhnlichen Worten der Bäuerin, nach denen sie mit ihrem Mann ins Wirtshaus gehen möchte: Was hilfft, das ich mich thu erbossen, Dieweil gar nichtssen hilfft an dir, Den groͤsten schaden thu ich mir, 325 Muß doch mit dir behangen sein. Geh gleich inß Wirtzhauß, hol vns Wein, Woͤln das heutig marckgelt verzechen, Zu samb sitzen, am Wein vns rechen Und vergessen als vngemachs. 330 Gluͤck bringt als wider, spricht H. Sachs. Der Anfang des Fastnachtspiels, vor allem der Expositionsmonolog, ist dieser Argumentation zuzuordnen. Die Bäuerin charakterisiert den Bauern grundsätzlich negativ, zeichnet indes durch ihr Schimpfen und ihren Status als ‚Herrin‘ im Haus von sich selbst ein negatives Bild. Zusätzlich dienen der Monolog und der anschließende Dialog als Exposition, die auf das kommende Geschehen vorbereiten und in der die Bäuerin ihrem Mann die Aufgaben aufträgt, die er erledigen soll. Die Fremdcharakterisierung im Monolog weckt indes die Erwartung, 32 Röcke 2000, S. 98, sieht die Änderungen mit Blick auf den risus paschalis , der vorreformatorisch ein „Akt ritueller Komik“ war: „In der Reformation ist dieser zentrale Aspekt des Ostergelächters, so scheint es, nicht mehr verstanden oder von vornherein abgelehnt worden. Dafür spricht […] auch die Art und Weise, wie Hans Sachs diese Inszenierung rituellen Gelächters in seinem Fastnachtspiel vom ‚Kälberbrüten‘ aufgegriffen, zugleich aber entscheidend verändert hat. Die wichtigste Veränderung sehe ich darin, daß er die Körperlogik des risus paschalis , also die Demonstration des Körpers und die weitestgehende Beschränkung der Spieler auf Gesten und andere Formen der Körpersprache zwar noch zitiert, zugleich aber dem Spiel einen didaktischen und moralischen Zweck unterlegt, der in Form eines Handlungsspiels, und d. h. in Gestalt eines komplexen Bühnengeschehens, entfaltet und vor allem aufgeschrieben wird.“ Vgl. zum vorreformatorischen Fastnachtspiel grundlegend Röcke 2004. <?page no="273"?> 2.1 Mehrfachbearbeitung des Stoffes das Kälberbrüten 273 dass der Bauer die ihm gestellten Aufträge nicht ausführt. Schon der Dialog der ersten Szene spricht die verkehrte Ordnung an (vv. 33-43). Deren Protagonistin ist nicht nur die Bäuerin, die ihrem Mann Aufträge erteilt. Auch der Bauer ist der Meinung, er könne genauso gut wie seine Frau das Haus bewirtschaften: Der Pawr spricht: Ey schweyg, ich bin nit so gar arck. Geh vnd bring viel gelts rauß vom marck, 35 So wil ich ein weil heußlich sein, Die stuben kern vnd heitzen ein. Das kan ich als so wol als du. Die Pewrin spricht: Setz auch das kraut vnd fleysch hinzu, Und merck, baldt der Schultheis thu blasen, 40 Das du Kuͤe vnd Sew auß thust lasen, Das es zeytlich auff die waidt kumb. Sey auch sunst heußlich vmbadumb, Wenn ich von Marck kumb, das wir essen. Im Meisterlied ist diese Verkehrung der Rollen 33 nicht angelegt, im Spruchgedicht hingegen schon, indem Sachs bereits am Beginn „Die weil da haim er kochen wolt“ (Meisterlied v. 5) in „Dieweil der pawer kochen solt“ (Spruchgedicht v. 6) abändert. 34 Das bedeutet für die weitaus ausführlichere Exposition des Fastnachtspiels, dass Sachs hier den Konflikt zwischen Frau und Mann stärker herausarbeitet und auf den Dialog der sechsten Szene, der eine moralische Ausdeutung ist, hin zuspitzt. Von der zweiten Szene bis zur sechsten finden sich im Vergleich zu Spruchgedicht und Meisterlied lediglich Hinzufügungen oder Umstellungen, die zwar den 33 Dabei handelt es sich nicht nur um eine Verkehrung, wie sie die hierarchische Ordnung der Ehe verlangt, sondern ebenso die oiconomia christiana oder die christliche Haußhaltung . Vgl. Röcke 2000, S. 98. 34 Eine Gegenüberstellung der Anfänge verdeutlicht die Änderungen, die sich jedoch nicht in einer Änderung des Endes widerspiegeln, wie das im Fastnachtspiel der Fall ist: Meisterlied Spruchgedicht Ein pauer sas zu Popenreut, Der seiner sin war halb zerstrewt Schickt sein weib frw int state, Das sie aus milch gelt losen solt, Die weil da haim er kochen wolt. Zu Poppenrewt ein pawer saß, Der toll und gar einfeltig was. Frü vor tags trug das weybe sein Milch und milchraum int stadt hinein, Das sie ein badgelt lösen wolt, Dieweil der pawer kochen solt. <?page no="274"?> 274 2 Rezipient und Autor Inhalt nicht so markant verändern wie am Anfang und Ende, aber dennoch der moralischen Ausdeutung dienen. 35 Dabei handelt es sich genau um die Szenen, die eine Aneinanderreihung von sechs Monologen aufweisen. Abgesehen vom ersten Monolog (vv. 49-56) dieser Kette, der das folgende Verschlafen plausibel macht, sind die nachfolgenden fünf eine Übertragung der Erzählerrede in monologische Figurenrede. Sie dienen maßgeblich der Erklärung für das Handeln und erweisen sich als unverzichtbar für die Vermittlung des Geschehens; zweitrangig ist die Darstellung komischer Momente. Augenscheinlich ist diese Funktionalisierung in der Umsetzung der schwer inszenierbaren Handlungssequenzen, in denen das Essen verbrennt, der Bauer die Katze schlägt und das Kalb in den Brunnen fällt. In der Monologkette ist das Geschehen analeptisch vermittelt. Durch den nicht-aktionalen Charakter kommt dem monologisierenden Bauern die Rolle eines an das Publikum gerichteten Erzählers zu. Eine Gegenüberstellung des Monologs, in dem der Bauer von dem verbrannten Essen und der geschlagenen Katze berichtet, mit der Passage des Spruchgedichts verdeutlicht den narrativen Charakter: Fastnachtspiel Spruchgedicht O, Herr Gott, wie bin ich ein Koch! Doch ließ ers liegen, gieng zu hauß, So ich kumb fuͤr das offenloch, Schawt in ofen; da ronn herauß Rindt die suppen gegn mir herauß, Die suppen zu dem ofenloch Und sitzt die Katz hinten im Hauß, Und die katz ob dem fleisch saß noch Und hat das fleysch alles vertragen; Und fraß; der hasn lag an der seyten. Der hab ich gleych die lendt eingschlagen. Bald aber die Katz ihn sah von weyten, Und so ich nimb das kraudt int hendt, Sprang sie herauß und loff darvon. So ists an der ein seitn verbrendt Bald loff ihr nach der bawerßmon Und gar zu einem dreck versotten, In stadel, schrey: Du bleibest noch, Das mir doch hat mein Weyb verbotten. Du must mir zalen wol das gloch Ich fuͤrcht fuͤrwar bey meinen trewen, Und reiß ein drischel von der wend Wenn sie heim kumb, sie werdt mich bleuen. Und schlug der katzen ein die lend, Thet sie mit streichen wol begaben 35 Röcke 2000, S. 99 f., fasst es mit Blick auf den risus paschalis wie folgt zusammen: „Damit aber wird das rituelle Lachen der ‚besiegten Furcht‘ (Warning), das für die Spielszene des risus paschalis charakteristisch ist, zur komischen Inszenierung eines moralischen Falls, der für Sachs die Grundlage der gesellschaftlichen Ordnung überhaupt berührt: Ehe und Familie bilden für ihn […] den Mikrokosmos der gesellschaftlichen Ordnung, dem der gesellschaftlichen Makrokosmos (‚Politik‘) entsprechen muß.“ <?page no="275"?> 2.1 Mehrfachbearbeitung des Stoffes das Kälberbrüten 275 Und sprach: Neschlein, das wil schleg haben. Nach dem lof er wider ins hauß, Hub das kraut auß dem ofen rauß, Das war stincket und angeprent. Er schmitzt den hafen an die wendt Und sprach: Pfuy dich, du schendlichs kraut! Wie schmeckts so übel und so lawt! Inhaltliche Abweichungen finden sich lediglich in den reflektierenden Passagen des Monologs, die sich auf die Ehefrau beziehen und in denen der Mann meint, Angst vor seiner Frau zu haben. Diese Einfügung und ihre Funktion lassen sich mit den mahnenden Worten des Pfarrers erklären, denen die moralische Ausdeutung des Fastnachtspiels zukommt. Im Spruchgedicht findet sich im weiteren Verlauf lediglich eine Reflexion des Bauern, die die Angst vor der eigenen Ehefrau bekundet (S. 289, vv. 36-37). Anders als im Fastnachtspiel durchzieht dieses Merkmal jedoch nicht durchgängig die Handlung und wird als Begründung für sein Verhalten in der oben zitierten Passage des Monologs eigens genannt: Weil er nicht weiß, wohin er vor seiner Frau fliehen soll, kommt ihm die Idee des Kälberbrütens. Sachs arbeitet die kausale Motivation für das Verhalten des Bauern im Fastnachtspiel eigens heraus und lässt sie von diesem selbst in der letzten Szene erläutern (vv. 256-274). Der Bauer erklärt, wie das Kalb in den Brunnen gefallen ist und wie er aus Angst vor seiner Frau auf den Gedanken kam, wie Hühner und Gänse zu brüten: Ein weil das Kalb in brunnen gfallen; Als ich das fandt darinn erdruncken, Da war ich schier vor leidt versuncken 265 Vor dir; vnd in solchem gedens Da viel mir ein, Huͤner vnd Gens Bruten junge auß ayren nur, So wer es auch der keß natur, Weil das Verhalten des Ehemannes zu dem der Ehefrau in einem kausalen Verhältnis steht, rückt die Frau in den Mittelpunkt der Kritik. Ihre Antwort, in der sie ihrem Mann erneut Schläge androht, bestätigt die Angst des Mannes. Ihr Verhalten ist vom Anfang bis zum Ende des Spiels negativ gezeichnet, weshalb im Unterschied zum Spruchgedicht die Figur der Bäuerin in ihren monologi- <?page no="276"?> 276 2 Rezipient und Autor schen sowie dialogischen Redeanteilen als unfreundliche und undankbare Ehefrau erscheint. 36 Obwohl das Spruchgedicht nach dem Fastnachtspiel gedichtet wurde, hat Sachs bei ihm die moralische Ausdeutung fast vollständig weggelassen. Lediglich in einzelnen kurzen Passagen macht er den herrischen Charakter der Frau deutlich, ohne ihn jedoch wie im Fastnachtspiel (vv. 301-303) durch den Pfarrer als falsches Verhalten kommentieren zu lassen: Ey, Gredt, das thu ins Hertz dich schamen, Du schendest aller Frawen namen; Der Man sol je sein Herr im Hauß. Insgesamt zielen die Hinzufügungen im Spruchgedicht nicht auf eine Zuspitzung der Figurenzeichnung, sondern auf eine Zuspitzung der Situationen, in die der Bauer durch sein Ungeschick gerät. Da im Spruchgedicht die moralische Ausdeutung äußerst knapp formuliert ist, führen die Erweiterungen zur Verstärkung der komischen Handlungssequenzen. Lassen sich mit dem Meisterlied als Stoffgrundlage die Änderungen in Fastnachtspiel und Spruchgedicht nachweisen, so zeigt das Meisterlied schließlich auch, dass Sachs einen Stoff soweit zusammenzufassen vermochte, dass die relevanten Handlungsabschnitte erhalten blieben. Die Rezeptionslenkung spielt in der Bearbeitung des Stoffes als Meisterlied keine Rolle. Das oben beschriebene Prinzip der dreiteiligen Handlungsdarstellung in Meisterliedern übertrug Sachs in den 1540er Jahren auch auf seine Spruchgedichte, sodass deren Plot häufig auf 60 Verse aufgeteilt und nahezu identisch mit dem der Meisterlieder ist. Der Schlussfolgerung von Glier, nach der Sachs das Erzählen im Meisterlied „lernt[e]“ 37 , ist dahingehend zuzustimmen, dass sich Sachs hier Strukturierungsprinzipien aneignete, nach denen er einen Stoff 36 Kartschoke / Reins 1978, S. 122, bemerken, dass die Betonung des falschen Verhaltens der Bäuerin „nicht den Herrschaftsanspruch des unfähigen Mannes“ rettet, es aber aus dem „geschlechterspezifischen Erziehungskonzept Sachsens“ resultiert. Classen 2004, S. 35 f., vergleicht das Frauenbild im Spruchgedicht mit dem im Fastnachtspiel G 22: „Während in ‚Der farendt schuler im paradeis‘ die Frau als eine, wenngleich sympathische, Törin auftritt, begegnet uns in ‚Das kelberbruten‘ der Mann als eine abstoßende und erstaunlich dumme Gestalt, während seine Frau zu derb und grob herumkommandierend das Geschehen bestimmt. Bemerkenswert dürfte aber vor allem sein, daß der Pfarrer das traditionelle, von der Kirche so gern gehegte Urteil über die Geschlechterrollen evoziert, doch vertreibt ihn die Bäuerin gerade deswegen durch Gewaltandrohung und macht damit das Stereotyp als einen läppischen Versuch, ungeachtet der Realität rein aus der Tradition heraus zu leben, lächerlich.“ 37 Glier 1990, S. 59 (im Original mit Sperrung). <?page no="277"?> 2.1 Mehrfachbearbeitung des Stoffes das Kälberbrüten 277 in Anfang, Mitte und Ende aufteilen konnte, ohne dabei wesentliche Abschnitte auszulassen, und dennoch die vorgegebene Strophenform wahrte. Das meistersangtypische Formbewusstsein, das sich in der Einhaltung von Regeln manifestiert, übertrug Sachs auf andere Gattungen. Zusammenfassend ergeben sich folgende funktionelle Unterschiede für die vorgestellten Gattungen aufgrund der inhaltlichen Umstrukturierungen: Das Meisterlied vermittelt den Stoff in der komprimiertesten Form und ohne Deutung. Es zielt darauf, den Stoff gemäß den formalen Vorgaben des Tons präzise zu präsentieren. Im Fastnachtspiel erreicht Sachs durch die Hinzufügungen eine Deutung, in der vor allem das Verhalten der Bäuerin problematisch erscheint. Das Spruchgedicht verstärkt hingegen den komischen Gehalt, indem Sachs die Szenen überspitzt darstellt, jedoch nicht kommentierend und wertend eingreift. 38 Erklären lassen sich die unterschiedlichen Funktionszuweisungen an die jeweiligen Gattungen mit den verschiedenen Rezipientengruppen 39 und Rezeptionsformen, die sich innerhalb der sechs Jahrzehnte, in denen Sachs dichtete, gewandelt haben: vom Hörer zum Leser und vom Vortrag zum Druck. Dies spiegelt sich sowohl in der Abnahme seiner auf den Vortrag ausgerichteten Meisterlieddichtung als auch in der Zunahme der hauptsächlich zum Lesen gedichteten Spruchgedichte wider. 40 Die dramatischen Dichtungen nehmen in dieser Hinsicht eine Zwischenstellung ein. Mit ihnen richtete Sachs sich im Übergang vom Hören und Sehen zum Lesen auf einen breiteren Rezipientenkreis aus. Mit Blick auf die von Sachs selbst mitgestaltete Folioausgabe fasst Ingeborg Spriewald den Umbruch der 38 Dass diese Aussage nicht zu generalisieren ist, aber zumindest eine Tendenz aufzeigt, macht die Analyse von Henkel 2014, deutlich. Er vergleicht die Bearbeitung von Dekameron VII, 5 im Meisterlied, Spruchgedicht und Fastnachtspiel und betont, dass Sachs die Moral im Spruchgedicht verstärkt. 39 Zur Verteilung der Rezipienten auf die Stände vgl. Müller 1985, S. 44 ff. 40 Vgl. Spriewald 1990, S. 187, die eine ähnliche Einordnung von Sachs’ Werk in der Übergangsperiode zwischen Hören und Lesen vornimmt: „In seinem Gesamtwerk sind zugleich die Spielarten der Übergangsperiode zwischen der Lesekultur und ihren Vorstufen noch nebenbzw. nacheinander enthalten: das Hörbarmachen von Literarisch-Schriftlichem im gesanglich umgesetzten Meisterlied; das Sichtbarmachen von gedruckter Mitteilung im illustrierten Einblattdruck, wobei der zu lesende oder vorzulesende Begleittext z. T. die Funktion der Bildinterpretation übernahm; die Übergänge zur erzählend-mitteilenden (Vor-)Leseliteratur im Sprechspruchtext mittleren Umfangs bzw. auch in Sammeldrucken, die drei oder vier inhaltlich verwandte Reimpaartexte in einem (Flugschriften) Bändchen vereinigten; die Zusammenfassung des Œuvres als Leseliteratur in der ab 1558 erscheinenden (bildlosen) Folioausgabe.“ <?page no="278"?> 278 2 Rezipient und Autor Rezeption innerhalb des 16. Jahrhunderts wie folgt zusammen. Sachs trug der Tatsache Rechnung, daß in der Zwischenzeit ein Literaturpublikum herangewachsen war, das in seiner Mehrheit nicht mehr auf Anhören und / oder Anschauen, sondern auf Lektüre eingestellt war. Die für das 16. Jahrhundert überdurchschnittlich lange Schaffenszeit von sechs Jahrzehnten ließ den Autor Sachs die Übergänge vom Zuhören sowie audiovisuellen Aufnehmen des gedruckten Angebots bis zur lesenden Rezeption miterleben und darauf reagieren. Daher bildete gerade diese Mehrgleisigkeit der Rezeptionsformen in seiner Zeit viel stärker, als das bisher erkannt worden ist, auch den Ausgangspunkt bzw. Anlaß für die Mehrfachbearbeitung , also die nicht seltene zwei- und dreifache Umarbeitung seiner Texte. 41 2.2 Mediale Vermittlungsformen Der vor allem die erste Hälfte des literarischen Schaffens von Sachs dominierende Meistersang richtete sich an einen Rezipientenkreis, der einerseits durch das Druckverbot klein gehalten und andererseits auf eine Gemeinde von Kennern ausgerichtet war, deren Interesse auf den Stoff sowie die Einhaltung und Bewertung der Form zielte. 42 Da die Meisterkunst einem dem breiten Publikum nicht durchschaubaren Reglement unterworfen und in ihrer umfassenden Rezeption ausschließlich an die Aufführungssituation gebunden ist, [entspricht sie] nicht den zeitgenössischen Möglichkeiten literarischer Breitenwirkung. 43 Innerhalb dieses geschlossenen Kreises konnte Sachs seine formgebundene Stoffvermittlung einem „kunstverständigen Publikum“ 44 darbieten, erproben 41 Spriewald 1990, S. 126. 42 Vgl. Rettelbach 1994 a, S. 111, der zu den Unterschieden des Publikums festhält: „Was der Öffentlichkeit der Fastnachtgesellschaft nicht zuzumuten ist, kann im internen Kreis der Meistersinger schriftlich verbreitet und gelegentlich auch gesungen werden.“ Daraus lässt sich seine Überlegung für das Zechsingen als „tabufreie Zone“ erklären (S. 109): „Im Schwankhaften Meisterlied war also im 16. Jahrhundert noch möglich, was im 15. Jahrhundert im Fastnachtspiel üblich war. Offensichtlich hat sich vom 15. zum 16. Jahrhundert der Raum der tabufreien Zone verändert von der tabufreien Fastnachtzeit zum tabufreien sozialen Raum des Zechsingens.“ 43 Müller 1985, S. 66. 44 Müller 1985, S. 68. <?page no="279"?> 2.2 Mediale Vermittlungsformen 279 und zur Diskussion stellen. Beim Meisterlied bedurfte es deshalb nicht zwingend beigefügten Kommentierungen und Deutungen. Das Spruchgedicht war für den Vortrag und zur individuellen Lektüre bestimmt. 45 Je mehr die individuelle Lektüre in den Vordergrund rückte, umso mehr bewirkte die doppelte Rezeptionsform neben Mehrfachbearbeitungen eines Stoffes in verschiedenen Gattungen auch Mehrfachbearbeitungen innerhalb der Gattung Spruchgedicht selbst. Dies geschah insbesondere in den Jahren 1558-1563, in denen Sachs mit der Erarbeitung der Folioausgabe begann. In der zweiten Fassung legte er oft mehr Gewicht auf „Motivation, Milieu und Kontrast“. 46 Müller geht davon aus, dass wegen der Auflösung definierter Literaturgemeinschaften die nicht geübten Leser nachdrücklich zu einer reflektierenden Distanz gegenüber den erzählten erotischen und draufgängerischen Abenteuern, den erschröcklichen und gottlosen Exempla erzogen werden [müssen], ohne freilich mit der Autorität des gedruckten Wortes zugleich die ‚vil schönen lehr‘ zu diskreditieren. 47 Die Ergebnisse von Glier und Müller lassen sich auf das Kälberbrüten insofern übertragen, als Sachs die im Fastnachtspiel eingefügten Motivierungen teilweise in den Schwank übernahm, jedoch nur, um die „häuslichen Katastrophen“ 48 zu verstärken. Dies zeigt, dass der Kern des Schwanks die Darstellung dieser Katastrophen ist. Im Schwank werden anders als im Fastnachtspiel weniger die Handlungsmotive des Bauern in den Mittelpunkt gerückt. Dass Sachs dem Spruchgedicht keinen ‚beschluß‘ beifügte, 49 könnte ein Hinweis für die ‚reflektierende Distanz‘ sein, die er dem Leser einräumt. Weil der einzelne Leser seine Lektüre wiederholen kann, braucht es im Gegensatz zur einmaligen Rezeption in einer Aufführung ein geringeres Maß an Explizitheit, sodass die rezeptionslenkenden Funktionen im Spruchgedicht zurücktreten können. Mithin scheinen die Änderungen im Spruchgedicht ein Ausweis dafür zu sein, dass Sachs die Unter-Gattung ‚Schwank‘ hauptsächlich in den Dienst der Komik 45 Vgl. Spriewald 1990, S. 7 und 187; Müller 1985, S. 73-84. Die doppelte Rezeption kann zwar für alle Gattungen in den Spruchbüchern gelten, das Spruchgedicht zielt jedoch am meisten auf eine individuelle Lektüre, denn die dramatischen Texte sind vorrangig zur Aufführung konzipiert. 46 Glier 1993, S. 64. 47 Müller 1985, S. 83. 48 Vgl. Glier 1993, S. 66. 49 Weshalb Glier 1990, S. 66, in den beschließenden Worten eine Moral sieht, bleibt unklar. Zutreffend hingegen ist ihre Einschätzung, dass der Dichter Mitleid mit dem Bauern zeigt. <?page no="280"?> 280 2 Rezipient und Autor stellte, sodass sie zum gattungskonstituierenden Merkmal wurde. Es mag die Ausnahme unter den Mehrfachbearbeitungen und insbesondere innerhalb der Gattung Spruchgedicht sein, dass Sachs sowohl dem Meisterlied als auch dem Spruchgedicht eine moralische Wertung nicht ausdrücklich an- oder einfügte. Dies spricht dafür, dass neben der Stoffvermittlung die Formvermittlung vom Anfang (Meistersang) bis zum Ende der dichterischen Schaffenszeit (Spruchdichtung) eine mindestens gleichwertige Rolle spielte wie die moralische Unterweisung. Im Kälberbrüten wird die Entwicklung der Unter-Gattung ‚Schwank‘ augenscheinlich, wenn sie zur „vorwiegend unterhaltende[n] Gattung“ 50 wird, d. h. die moralische Generalisierung erfolgt nicht mehr explizit, sondern implizit und in vermittelter Form. Im Vergleich zum Spruchgedicht und Meisterlied tritt im Fastnachtspiel die persuasive Ausrichtung umso mehr zutage. Im Fastnachtspiel wie auch in den Tragedis und Comedis bleibt die primäre Rezeptionsform die Aufführung, denn auch wenn mit den gedruckten dramatischen Texten eine Leserschaft angesprochen wurde, erhoffte sich Sachs dadurch weitere Aufführungen seiner Stücke, vor allem außerhalb Nürnbergs. 51 Die Spezifik kausaler Motivation, die nicht nur im Fastnachtspiel das Kälberbrüten besteht, begründet sich durch einen Rezipientenkreis, der in einer Übergangsphase zwischen Hören und Lesen angekommen ist. Diese Übergangsphase nennt Epping-Jäger „Kultur der Hypoliteralität“. 52 Epping-Jägers Ausführungen zu den literalen Strategien der Autoren in dieser Zeit verdeutlichen einen für die Literarisierung des Fastnachtspiels entscheidenden Aspekt. Demnach wirkt vornehmlich eine literale Strategie der Verständnissicherung, die zwar auf durchaus weiterbestehende orale Bewußtseinsstrukturen bei den Rezipienten ausgerichtet ist, diese aber nur noch als ‚orale Färbung‘ einer sich allmählich ausbildenden literalen Rezeptionsfähigkeit berücksichtigt. 53 Literale Strategien der Autoren sind u. a. die Wahl einer bestimmten Gattung und die Gestaltung des Textes nach bestimmten grammatischen und stilistischen Vorgaben, was wiederum Mittel sind, denen „die Existenz literaler Rezeptionsfähigkeit in wachsendem Maße unterstellt wird“. 54 Die Verständnissicherung ist hierbei zentral, denn der Unterschied zwischen einem literalen 50 Bausinger 2007, Sp. 323. 51 Vgl. Müller 1985, S. 81. 52 Epping-Jäger 1996, insb. ab S. 193. 53 Epping-Jäger 1996, S. 382. 54 Epping-Jäger 1996, S. 382. <?page no="281"?> 2.2 Mediale Vermittlungsformen 281 und hypoliteralen Publikum liegt darin, dass das eigenständige Ausfüllen von Leerstellen in der Handlung bei letzterem nicht vorausgesetzt werden kann: Literales Verstehen besteht geradezu […] darin, die vom Text offen gelassenen ‚Leerstellen‘ in Prozeduren des hermeneutischen Schlussfolgerns interpretativ aufzufüllen. Eben diese Voraussetzung aber gilt für die Autor-Publikum-Interaktion hypoliteraler Kulturen nicht. In dem Maße, in dem die zerdehnte Kommunikationssituation des literalen Diskurses noch keinen vertrauten Rahmen für Autor und Publikum abgibt, muß der hypoliterale Autor in die literale Produktion orale Muster kognitiver Verarbeitung einschreiben, will er seinen Lesern / Zuschauern einen Zugang zu Texten eröffnen und darüber hinaus sicherstellen, daß sie den Textsinn verstehen. 55 Die Besonderheit dramatischer Texte ist, dass sie das Rezeptionsbedürfnis eines semi-oralen Publikums bedienen, d. h. zwar keiner Rezeption als Lesetexte bedürfen, aber gleichzeitig das Lesebedürfnis einer sich entwickelnden Leserschaft befriedigen. 56 Mit der Dialogizität dramatischer Texte konnte sich am angemessensten der „ kommunikativ-pragmatische Anwendungswert der stofflichen Vorlage im Hinblick auf die Rezeptionsfähigkeit eines weitgehend noch oralen Publikums“ 57 vermitteln lassen. Über die Befunde von Epping-Jäger hinaus ist es aber nicht nur die Dialogizität, sondern vor allem die Funktionalisierung der Monologe, die dem Verständlichkeitspostulat Rechnung trägt, denn gerade mit den Monologen umgeht Sachs das Problem, Leerstellen offen zu lassen und führt die Rezipienten durch die Handlung. Der von Epping-Jäger mit dem Begriff der Hypoliteralität erfasste Prozess lässt sich an der Funktionalisierung der Monologe im Kälberbrüten illustrieren. Sie stellen Kausalität durch motiviertes Verhalten her und dienen damit dem Verständnis der Handlungsführung und des lehrhaften Gehalts. Die Darstellung anhand der ersten Szene, deren Inhalt sich weder im Spruchgedicht noch im Meisterlied findet, macht das deutlich: Der Expositionsmonolog der Bäuerin, der Dialog und der Abgangsmonolog des Bauern liefern mit dem Entschluss des Bauern, sich noch einmal schlafen zu legen, die Begründung, weshalb die Bäuerin zum Markt geht, der Mann den Haushalt besorgt und es zu der verhängnisvollen Verkettung unglücklicher Umstände kommt. Alle drei Abschnitte der ersten Szene vermitteln das Bild der Frau als Herrin im Haus und des faulen Ehemannes. Sachs versteht sich darauf, in der Exposition alle 55 Vgl. Epping-Jäger 2002, S. 188. 56 Vgl. Epping-Jäger 2002, S. 181 f. 57 Epping-Jäger 1996, S. 45. <?page no="282"?> 282 2 Rezipient und Autor Leerstellen vorab zu vermeiden und gleichzeitig an die gelegten Grundpfeiler im Laufe der Handlung anzuknüpfen, um sie abschließend in einen lehrhaften Gehalt zu überführen. Die Monologe dienen in diesem Fastnachtspiel maßgeblich der Erklärung für das Handeln. Sie sind unverzichtbar für die Vermittlung des Geschehens; zweitrangig ist die Darstellung komischer Momente. In diesem Sinne kommt dem aus der Monologkette bestehenden Mittelteil der Handlung eine erläuternde und hinführende Funktion für die abschließende Aufklärung und Belehrung zu. Mit dieser Rezipientenorientierung geht die Profilierung eines neuen dichterischen Selbstverständnisses einher, 58 das Ähnlichkeit zu frühneuzeitlichen Übersetzern wie Heinrich Steinhöwel und Albrecht von Eyb aufweist, die nicht Wort-zu-Wort, sondern Sinn-zu-Sinn übersetzten. Sachs und die frühneuzeitlichen Übersetzer konnten einen Text nicht einfach übertragen bzw. übersetzen, sondern mussten Änderungen am Stoff vornehmen, damit ihn ihre Rezipienten verstehen konnten. Sie mussten ihre Stoffe dabei für Rezipienten bearbeiten, die zwar Interesse an literalem Wissen hatten, aber noch nicht über literalisierte Rezeptionsformen verfügten. Während die Übersetzer einen sozial begrenzten Rezipientenkreis aus Adel und Patriziern vorfanden, der mangels eigener Lateinkenntnisse sein Interesse an den wiederentdeckten heidnischen Autoren nicht durch die Lektüre von Originaltexten befriedigen konnte“, 59 musste Sachs seine Stoffe auktorial bearbeiten, d. h. Texte für einen nicht-humanistischen und volkssprachlichen Rezipientenkreis dichten. 60 Sachs musste darum selbst vor der Produktion seiner Texte die Rolle des exemplarischen individuellen Lesers einnehmen, 61 um den Textualitätsgrad „dem Grad der Literalisiertheit des Publikums“ anzupassen, 62 das seine Stücke sehen und lesen sollte. Demnach musste der Dichter seine Texte mit Blick auf seine Rezipienten verfassen, um deren Literalisiertheit gleichsam weiterzuentwickeln. Innerhalb dieser ‚Parallelentwicklung‘ konnte der Dichter seine Rezipienten an neue Formen gewöhnen sowie diese wiederum differenzieren und spezialisieren. Das Verständnis von Formen und vor allem ihrer Funktionalisierung zur Vermittlung eines Stoffes markiert den wesentlichen Unterschied zu den Übersetzern der Frühen Neuzeit. Um Rezipienten ohne akademische Bildung zu erreichen, genügte es nicht, einen Text einfach zu übersetzen. Es bedurfte vielmehr 58 Mögliche Gründe finden sich in seiner finanziellen Unabhängigkeit, da Sachs nicht auf den Verdienst aus der Dichtung angewiesen war. Vgl. Müller 1985, S. 46 f. 59 Kästner 1998, S. 348. 60 Vgl. Epping-Jäger 1996, S. 490-522, und Kästner 1998, S. 350 ff. 61 Vgl. Epping-Jäger 1996, S. 446. 62 Epping-Jäger 1996, S. 450. <?page no="283"?> 2.2 Mediale Vermittlungsformen 283 einer dichterischen Transferleistung in bekannte Formen. 63 Der Autor war dadurch ein ‚medialer Übersetzer‘, der die zumeist nicht-versifizierten Vorlagen in Reimpaarverse übertrug. Auch die Mehrheit der dramatischen Texte hat epische Vorlagen. Es ist insbesondere die mediale Übersetzungstechnik, die Sachs’ Autorschaftsprofil schon in den Meistersingerjahren prägte. Die Bezugnahme und gleichzeitige Vermittlung der verschiedenen Gattungen zeichnet den poetologisch kompetenten Autor aus, der auch die Rezeptionskompetenz seines Publikums schult. 64 Auf den Monolog im Fastnachtspiel übertragen bedeutet das, dass Sachs die seinen Rezipienten bisher unbekannte Art der Figurenrede in die Spiele einfügte und ihnen diese künstliche Form Schritt für Schritt näher brachte. Mit der Einführung des Monologs ging gleichzeitig die Erhöhung des Fiktionalitätsgrades und der Komplexität der Handlungsführung einher. Über die Jahre konnten die Monologe in ihren Funktionen vielschichtiger werden, weil sie wiedererkennbare Merkmale aufwiesen. Für das 1551 entstandene Kälberbrüten zeigt der extensive Monologeinsatz, dass Sachs Wissen über verschiedene Monologtypen bei den Fastnachtspielrezipienten voraussetzen konnte. So konnte der Monolog zu diesem Zeitpunkt schließlich maßgeblich die Handlungsführung übernehmen und deren Verständnis erleichtern. 63 Vgl. Kästner 1998, S. 352 f., 375 f. 64 Vgl. Kugler 2004, S. 418, der von einem „poetischen Überschuß“ in den Texten spricht, „der zweifellos vom zeitgenössischen Publikum gewünscht und gewürdigt worden ist“. <?page no="285"?> 2.2 Mediale Vermittlungsformen 285 Schluss Der Autor Hans Sachs hat über einen Zeitraum von 33 Jahren (1517-1550) seine Rezipienten nicht nur in die ‚neuen‘ dramatischen Gattungen Tragedi und Comedi eingeführt, sondern die handlungsbezogenen und strukturellen Funktionen monologischer Figurenrede, die er sich bei der Bearbeitung ihrer Vorlagen aneignete, auf die Gattung Fastnachtspiel übertragen und spätestens ab 1550 zu einem selbstverständlichen dramaturgischen Bestandteil gemacht. Das Fastnachtspiel bediente mit seiner veränderten geschlossenen dramatischen Form die Bedürfnisse der Rezipienten, für die eine Übergangsphase zwischen Hören und Lesen, eine Kultur der Hypoliteralität, prägend war. Die dabei maßgeblich verfolgten literalen Strategien, d. h. sowohl die Gattungswahl als auch die Dichtungsverfahren, zielten vor allem auf die Rezeptionslenkung, mit der das Verständnis der Handlung gesichert und die reformatorische Wissensvermittlung eingebunden werden konnte. Die Funktionalisierung des Theatermonologs zeigt, dass die dramatische Form dafür besonders geeignet war, weil er die komplexen Handlungen begleiten konnte und den textlichen und darstellerischen Rückbezug zu den Rezipienten eröffnete, ohne dass der Monologisierende aus der Spielrealität austreten musste. Die Adaptation des Formenrepertoires aus einer literarischen Tradition, im Anschluss an die Wiederentdeckung und Neubelebung von antiken Stoffen und ihren poetologischen Bezügen, fand im Fastnachtspiel eine wiederum anschlussfähige Form für dramatische Produktion und Präsentation. Sachs machte das Fastnachtspiel für nicht-gelehrte Rezipienten zu einer medialen Brücke, mit dem das stoffliche und poetologische Interesse geweckt und entfaltet werden konnte. Diese kultur- und bildungsgeschichtliche Dimension gewinnt ihre Bedeutung in Hinblick auf zeitgenössische Rezipientenkreise, die keinen oder einen nur begrenzten Zugang zur gelehrten literarischen Bildungstradition hatten. Während Comedi und Tragedi in der theatralen Inszenierung eine Vermittlung literarischen Wissens boten, die in erster Linie an die bearbeiteten Stoffe gebunden war und sich in Abhängigkeit von den Stoffen zugleich als Einübung in die Rezeption komplexerer poetischer Techniken deuten lässt, zeigt sich die historische Relevanz der Fastnachtspiele weniger in der Übertragung von Stoffen aus der gelehrten Bildungstradition an ein bildungsferneres Publikum, sondern in der Einübung davon abgelöster, auf Stoffe einfacherer volkssprachlicher Gattungen projizierter literarischer Verfahrensweisen. <?page no="286"?> 286 Schluss Die an die Stoffe geknüpfte Wissensvermittlung legte ihre poetologische Dimension in den literarischen Verfahrensweisen offen, die nun im volkssprachlichen Theater verbreitet wurden. Ohne Lateinkenntnisse und schriftliterarische Übung vorauszusetzen, machte das Theater als Bildungsinstitution literarische Traditionen zugänglich. Ein damit zu verbindendes Autorschaftskonzept konnte somit in eine Analogie zu dem der zeitgenössischen lateinisch-volkssprachlichen literarischen Übersetzer gestellt werden. Die Spezifik des Autors Hans Sachs liegt darin, dass er sich an humanistische Traditionen anschloss und ihre Formen und Stoffe soweit adaptierte, dass er sie für einen neuen bzw. erweiterten Rezipientenkreis aufbereiten konnte. Mit seiner reformatorisch-humanistischen Wissensvermittlung griff er Angebote der Gelehrtenkultur auf und passte sie der Kompetenz seines Publikums an. Mit dem Bild von Sachs als „Fastnachtspieldichter“, der in der Übertragung moraltheologischen Wissens in Verbindung mit einer zunehmend elaborierten Dramentechnik die Vermittlung tugendethischer Verhaltensmuster verfolgte, wird ein Kontrast zur ursprünglichen Form und Funktion des vorreformatorischen Fastnachtspiels deutlich, der schärfer nicht sein kann - war das Fastnachtspiel doch ursprünglich eine ritualisierte Spielform, deren Stoffe und Darstellungen kollektiv verankert waren. Das Fastnachtspiel hatte sich von seiner Funktion als Teil einer sozialen zu einer rein theatralen Inszenierung gewandelt. Sachs profitierte von dieser Wandlung der dem Spiel beigegebenen Konventionen und Codes, er nutzte sie für seine dichterischen Intentionen und beeinflusste zugleich maßgeblich den Literarisierungsprozess. Seine poetologischen Kenntnisse und Erfahrungen konnte er in verschiedenen Gattungen wie Meistersang und Spruchdichtung sammeln. Besonders aber seine Auseinandersetzung mit den ‚neuen‘ bzw. wiederentdeckten dramatischen Gattungen Komödie und Tragödie führte zur literarhistorisch bedeutsamen Entwicklung von deutschsprachigen Dramen und gab einen wesentlichen Impuls für die Etablierung des Fastnachtspiels als Lustspiel. Die von Füssel angesprochene „produktive Konkurrenzsituation“ 1 , in die Sachs zu den neulateinischen Gelehrten geriet, kann für das Fastnachtspiel gattungspoetologisch aufgegriffen werden. Dabei ist allerdings weniger von einer Konkurrenz, als vielmehr von einer produktiven Interaktion auszugehen, da Sachs als volkssprachlicher Dichter zum einen auf die Übersetzungsbzw. Übertragungsleistungen zurückgreifen konnte und zum anderen wesentliche Grundanliegen der humanistischen Hinwendung zum Drama gleichermaßen verfolgte. Neben Übereinstimmungen in den tugendethischen Konzeptionen als gemeinsamem ‚Wertekanon‘ ist die im produktiven Rezeptionsprozess an- 1 Füssel 1995, S. 8. <?page no="287"?> Schluss 287 geeignete poetologische Kompetenz herauszustellen, mit der sich Sachs in eine humanistische Tradition stellte. Dem Fastnachtspiel kam innerhalb der dramatischen Texte von Sachs eine Ausnahmerolle zu, weil es als bekannte ‚ältere‘ Gattung neben den ‚neuen‘ Gattungen Tragedi und Comedi bestehen musste. Es war neuen formalen Einflüssen ausgesetzt, die sich aufgrund der Durchlässigkeit der dramatischen Gattungen ergaben. Dass es innerhalb der zahlreichen Mehrfachbearbeitungen nur einen Stoff gibt, den Sachs als Fastnachtspiel und Comedi bearbeitete 2 , macht die Unterschiede der verarbeiteten Stoffe zum Gattungsmerkmal. Formale Kriterien haben Sachs nicht dazu bewogen, einen Stoff doppelt zu bearbeiten. Und selbst die markantesten formalen Merkmale der Tragedis und Comedis - Akteinteilung, Prolog und Epilog - setzte Sachs in seinen letzten Fastnachtspielen ein. Werner Röckes These von der „Dialogisierung mit der antiken Komödie“, die eine „Modifikation des Fastnachtspiels erzwingt, damit aber auch sein Ende herbeiführt“ 3 , lässt sich nicht nur für das Fastnachtspiel von Jakob Ayrer, sondern ebenso auf das Fastnachtspiel von Sachs übertragen; insbesondere im Hinblick auf den formalen Aufbau. Im literarhistorischen Rahmen stellt die Aufnahme, Verwendung und Funktionalisierung des Theatermonologs ein zentrales, auf Inhalt und Struktur bezogenes dramentechnisches Gelenkstück für die Literarisierung des Fastnachtspiels dar. Entsprechend richtete sich der Fokus der Untersuchung auf die poetologiehistorische Rekonstruktion der Aneignung und die phänomenologische Beschreibung des Einsatzes der Monologtechnik durch Sachs. Teil A hat mit der Monologtypologie, die aus der Untersuchung aller Fastnachtspiele von Sachs erarbeitet worden war, das Analyseraster geliefert. Sie hat die Monologfunktionen in eine strukturell-gliedernde und handlungsbezogene Ebene unterteilt, die sich wiederum auf Figur, Zeit und Ort aufteilen. Die Typologie stellt ein Begriffsinventar zur Verfügung, mit dem sich die Adaptation von Vorlagen beschreiben ließ. Von den 347 Monologen sind lediglich sieben in Fastnachtspielen vor 1550 zu finden. 2 Einzig den Stoff die ungleichen Kinder Evas gibt es in einer Vierfachbearbeitung. Hier fällt die Comedi jedoch nach der Exposition stofflich aus der Reihe (vgl. die möglichen Vorlagen bei Winzer 1908). Sehr wahrscheinlich ist Agricolas Sprichwort, das als Vorlage für das Fastnachtspiel, Spruchgedicht und Meisterlied diente, nicht die Vorlage für die Comedi. Die Expositionen von Fastnachtspiel (G 52) und Comedi (KG I, S. 53-87) sind inhaltlich indes derart ähnlich konstruiert, dass von einer formalen Gleichheit ausgegangen werden kann. Vgl. dafür die Expositionsmonologe Evas und die anschließende Rede Adams im Fastnachtspiel (v. 1-23) und der Comedi (KG I, S. 54 v. 25 - S. 55 v. 20). 3 Röcke 2008, S. 109. <?page no="288"?> 288 Schluss Ausgehend von dem Vergleich des Fastnachtspiels G 57 mit seiner vorreformatorischen Vorlage konnte der von Przybilski aufgestellten These, nach der Sachs das gleiche Figurenrepertoire und die gleichen rhetorischen Mittel benutzte wie die vorreformatorischen Fastnachtspieldichter, widersprochen werden. Mehr noch wurde durch die Konzentration auf ein dramentechnisches Mittel die Untersuchung auf Tragedi und Comedi sowie deren Vorlagen ausgeweitet. Teil B hat den grundlegenden Einfluss der Rezeption von Texten aus der humanistischen Gelehrtenkultur dargelegt und aufgezeigt, dass Sachs sein Formenrepertoire zu großen Teilen daraus bezog. Für die Dramaturgie einer schwankhaften Handlungskonstruktion, wie sie in den Fastnachtspielen zu finden ist, ließen sich exemplarisch Vorlagen herausgreifen, die zeigen, wie Sachs deren Verfahren in direkter Rezeption in Tragedi und Comedi übertrug. Die Bearbeitungen des Pluto , Henno , Dekameron und der Menaechmi lieferten das Formenrepertoire, das maßgeblich in den Fastnachtspielen wieder zu finden ist. Die Konvergenz von antiker Dramenform und volkssprachlichem Schwankstoff wurde in der Henno -Bearbeitung deutlich sichtbar. Selbst- und Fremdcharakterisierungen, Enthüllungen, Ortswechsel und Zeitsprünge setzte Sachs hierfür in direkter Anlehnung an Reuchlin ein und nutzte den Monolog auch zur Szenenstrukturierung. Das sukzessive Prinzip, das wohl seit 1545, spätestens jedoch ab 1550 die Fastnachtspiele dominierte, fand im Henno erstmals seine Umsetzung. Die Dekameron -Bearbeitungen verdeutlichen, wie Sachs Erzählerrede in Figurenrede übertrug und wie er Affekt- und Reflexionsdarstellung einsetzte. Die Handlungsstruktur der Novellen konnte er in eine dramatische Form übertragen, weil die Novelle die Strukturierung bereits vorgab und die aus dem Henno bekannten Monologfunktionen Möglichkeiten eröffneten, mit denen er Probleme der Übertragung umgehen konnte. Auch wenn die Dekameron - Bearbeitungen als Tragedi und Comedi nicht-schwankhafte Stoffe zum Inhalt hatten, diente das Dekameron doch für 13 Fastnachtspiele als Vorlage. Die Bearbeitung der antiken Komödie Menaechmi zeigt deutlicher als der Henno das Verhältnis von Komik und Intrige und die Funktion des Monologs, die Intrige verständlich zu vermitteln. Insbesondere das Zusammenspiel des Formenrepertoires aus Henno , Dekameron und Menaechmi macht plausibel, weshalb die Fastnachtspiele in ihrer Handlungskonstruktion komplexer werden konnten und in welcher Form Sachs sie aus schwankhaften narrativen Quellen übertragen konnte. Neben der stofflichen Abhängigkeit ließ sich auch eine formale Abhängigkeit nachweisen, indem nachgezeichnet wurde, wie Sachs sich in Tragedi und Comedi einen Großteil der wichtigen strukturell-gliedernden und handlungs- <?page no="289"?> Schluss 289 bezogenen Monologfunktionen im nachahmenden ( imitatio ) Rezeptionsprozess angeeignet hat. Seine poetologische Kompetenz erarbeitete er sich anhand von Vorlagen, die in der literarischen Tradition stehen, in antiker Dramenform zu dichten. Darin, dass Sachs seine Tragedis und Comedis mit Prologen und Epilogen versah und nach ‚anfang, mittel und endt‘ strukturierte, finden sich eindeutige Anknüpfungspunkte für das Verständnis von Textstrukturierung und Didaktisierung, die Sachs zudem selbst klar benannte. Die bearbeiteten Vorlagen aus dem Aneignungsprozess der Jahre 1527-1549 legen eine poetologische Kompetenz nahe, die auf drei Verfahrensweisen basierte: 1. Didaktisierung durch Textstrukturierung, 2. Textstrukturierung zur Nachahmung der antiken Dramenform und 3. dramentechnisch verankerte Verständnissicherung zur Herausarbeitung der Intrige. Wie Sachs seine poetologische Kompetenz für seine eigene reformatorisch geprägte Wissensvermittlung funktionalisierte, hat Teil C dieser Arbeit veranschaulicht. Alle vier untersuchten Fastnachtspiele haben eine schwankhafte Handlungskonstruktion, die sich in der szenischen Strukturierung, in der Etablierung von fiktiven Szenerien mit Ortswechseln und Zeitsprüngen und in der Figurenkonstruktion deutlich von den Fastnachtspielen vor 1550 unterscheiden, die noch fast ohne Monologe auskommen. Allen gemeinsam ist der persuasive Anspruch an Dichtung. Zwar beabsichtigten auch - unter Berufung auf Cicero - die neulateinischen Dramatiker mit ihrer Dichtung moralisch lehrhaft zu wirken, doch Sachs aktualisierte diesen Anspruch für die reformatorische Wissensvermittlung. Hierfür nutzte er das Formenrepertoire, das er sich in der produktiven Rezeption während der Tragedi- und Comedi-Dichtung angeeignet hatte. Nicht nur die sozialethisch wirksamen Umbrüche der Reformation, sondern auch die kommunikativ wirksamen Verständnishorizonte der nicht-akademischen Rezipienten bewirkten Änderungen in der Funktionalisierung des Formenrepertoires, das seine Umsetzung in vollem Umfang erst auf einer festen Bühne fand. So verdeutlichte der erste Abschnitt in Teil D, dass die Aufführung auf einer festen Bühne ab 1550 für die komplexere Handlungsstruktur der Fastnachtspiele förderlich war. Das adaptierte Formenrepertoire konnte für die auf dem sukzessiven Prinzip beruhende Handlungsführung umgesetzt werden. Durch eine Grenze zwischen Publikum und Schauspielern wurde die unmissverständliche Vermittlung aufeinander folgender Zeitabschnitte und Ortswechsel innerhalb von fiktiven Szenerien möglich. Die szenische Strukturierung mit genau geregelten Auf- und Abgängen legt eine Aufführung auf einer festen Bühne nahe. <?page no="290"?> 290 Schluss Der zweite Abschnitt von Teil D verfolgte den Ansatz, das Theater als Bildungsinstitution zu untersuchen. Im Zentrum standen die nicht-gelehrten Rezipienten und das Autorselbstbild. Mithilfe der ‚Kultur der Hypoliterarität‘ konnte erklärt werden, weshalb die Struktur der Fastnachtspiele, insbesondere der Monologeinsatz, auf Kausalität in der Handlungsführung ausgerichtet ist. In der Stoffvermittlung sollten Leerstellen, die für das damalige Verständnis hinderlich gewesen wären, vermieden werden. Dafür dienten insbesondere die in Teil C erarbeiteten Verfahren zur Figurenkonzeption und Vermittlung von Zeitsprüngen und Ortswechseln. Der Autor nahm die Rolle des medialen Übersetzers für ein ‚Laien‘-Publikum ein, der die Texte deshalb dem Verständnis anpasste und Stoffe in verschiedene Gattungen übertrug. Innerhalb der 43 Jahre, in denen Sachs Fastnachtspiele dichtete, entwickelte und etablierte er für seine Rezipienten eine neue Form der komischen dramatischen Dichtung, wobei funktional stützend die Monologtechnik zum Einsatz kam. Die Wandlung des allgemeinen Verständnisses gegenüber dem Fastnachtspiel und damit die Abkehr von einer Komik der ‚verkehrten Welt‘ schufen Raum dafür, Komik im Fastnachtspiel über die Ausarbeitung von Figur, Konflikt und Intrige in einem sukzessiven Handlungsbogen auszugestalten. Eine dafür wesentliche Voraussetzung war die Etablierung einer ‚fiktiven Spielrealität‘. Die 19 vor dem Jahr 1550 gedichteten Fastnachtspiele weisen noch immer eine Rückbindung in den Publikumsraum auf, zeigen aber ab 1544 - mit dem Beginn der Dekameron -Rezeption - eine stetige Zunahme der Handlungskomplexität. Erst die Loslösung von Privat- oder Wirtshäusern als Aufführungsorten, die weiterhin eine Interaktion mit dem Publikum verlangten und keine klare Grenze zwischen Publikum und Bühne zogen, machte es letztlich möglich, die neue Form der Komik im Fastnachtspiel zu etablieren. Dramaturgische Anleihen hierfür fand Sachs maßgeblich in der produktiven Rezeption des Henno , Menaechmi und Dekameron . Allen gemeinsam ist die Rückbindung der Komik an eine Handlung, die ohne Bezug zum Publikum, mit einem dramaturgischen Spannungsbogen und mit einem je eigenen, vom Aufführungsort losgelösten Setting inszeniert werden musste. Sachs adaptierte diese eigentlich aus der Komödien- und Novellentradition stammenden poetologischen Verfahrensweisen für das Fastnachtspiel und machte dadurch die schwankhafte Handlungskonstruktion zum gattungskonstituierenden Element. Die Umsetzung der schwankhaften Intrigenhandlung im Fastnachtspiel verdeutlicht die Rückbindung an eine literarische Tradition und markiert letztlich den Bruch zum vorreformatorischen Fastnachtspiel. Die angeeignete poetologische Kompetenz nimmt als literale Strategie im Bemühen um Verständlichkeit und Kausalität der Handlung verfahrenstechnisch <?page no="291"?> Schluss 291 auf die Strukturierung der Texte wesentlichen Einfluss. Die Exposition, maßgeblich der Expositionsmonolog, entwickelt den ‚anfang‘, indem die Figuren ihr Verhalten durch die eigenen Lebensumstände motivieren. Der Konflikt wird erläutert und die Szenerie etabliert. Der Umschwung der Handlung - ‚mittel‘ - zielt auf das Gelingen oder Nicht-Gelingen der Intrige, wobei Figureneigenschaften kommentiert und Handlungen begleitet werden. Das Ende hingegen stellt die versöhnliche Lösung in den Vordergrund, die zwar nicht immer die Lehren präsentiert bzw. den exemplarischen Charakter des Spiels herausarbeitet. In dieser rhetorisch fundierten Schrittfolge finden sich aber, dem Anspruch nach, in der dramatischen Anlage und der inhaltlichen Darstellung delectare und prodesse gleichermaßen umgesetzt. Über den Aneignungsprozess der dramatischen Struktur und der Stoffauswahl wurde das Fastnachtspiel spätestens ab 1550 Teil einer literarischen Tradition, womit sich ein nicht spannungsfreies Verhältnis zur Comedi einstellte. Die Übertragung von Versatzstücken der antiken Dramenform und die Wahl der Vorlagen markieren im Literarisierungsprozess den Punkt, an dem das Fastnachtspiel die Rolle des Lustspiels einnahm. Die Auswahl der Vorlagen bestimmte von diesem Zeitpunkt an die Wahl der Gattung, d. h. das Hauptunterscheidungsmerkmal war die schwankhafte Handlungskonstruktion und damit die Komik. Deshalb hat Sachs - von einer Ausnahme abgesehen - konsequenterweise, nicht denselben Stoff als Comedi und als Fastnachtspiel dramatisiert. Dass Sachs in der Bezeichnung zwischen Comedi und Fastnachtspiel - und auch zwischen Tragedi und Comedi - schwankte, ist eine Begleiterscheinung des fortschreitenden Literarisierungsprozesses. Wenn er die Spiele G 84 und G 85 als Comedi bzw. ‚schimpfspiel‘ bezeichnete, sie in fünf Akte unterteilte und mit Prolog und Epilog umrahmte, im Register jedoch zu den Fastnachtspielen zählte, zeigt das, wie ähnlich sich die beiden dramatischen Gattungen in der Handlungsstrukturierung geworden waren. 4 Dass Sachs nach diesen beiden 4 Unter den Doppelbezeichnungen finden sich zwei Texte ohne genaue Jahresangabe, die Sachs im Generalregister vor ein Spiel von 1538 ordnet. Nimmt man die ersten drei Fastnachtspiele hinzu, ließe sich mutmaßen, dass Sachs die Gattung Fastnachtspiel im Jahr 1517 aufgegriffen hat, um in Anlehnung an die Humanisten Dramen zu dichten, dieses Ziel jedoch nicht im Fastnachtspiel verwirklichen konnte - möglicherweise wegen der Reformation - und deshalb dazu übergegangen ist, sich den neuen Gattungen Tragedi und Comedi zuzuwenden. Für eine humanistische Beschäftigung in der Gattung Fastnachtspiel spricht der antike Versatzstücke aufweisende Inhalt der ersten drei: So werden im Spiel G 1 bekannte antike Liebespaare aufgezählt, in G 2 ist Venus und in G 3 Pluto die Hauptfigur. Die Doppelbennennungen aus den 1530er Jahren lassen sich, anders als die aus dem Jahr 1560, einer Phase zurechnen, in der Sachs für die dramatischen Gattungen noch keine klaren Kriterien und Funktionen definiert hatte. <?page no="292"?> 292 Schluss keine weiteren Fastnachtspiele mehr dichtete, ist die Konsequenz des Literarisierungsprozesses, bei dem nur eine dramatische Gattung neben der Tragedi bestehen konnte und sich das Fastnachtspiel in letzter Konsequenz selbst auflöste. <?page no="293"?> Literaturverzeichnis 293 Literaturverzeichnis Ausgaben und Drucke Aeli Donati Commentum Terenti. Hrsg. von Paul Wessner. Bd. 1. Stuttgart 1962. Armer Konrad: Frau Metze die Käuflerin. In: Neues Gesamtabenteuer. Bd. 1. 2. Aufl. Hrsg. von Werner Simon. Dublin / Zürich 1967, S. 70-83. Arigo: Decameron von Heinrich Steinhöwel. Hrsg. von Adelbert von Keller. Stuttgart 1860. Boccaccio, Giovanni: Apologie. 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S. 70-71 v. 1-24 kawffman (mit Regieanweisung): Auftrittsmonolog S. 73-74 v. 113-120 dewffel: Auftritt-Abgangs-Monolog 21. Der gstolen fasnacht hon. S. 94 v. 44-48 Herman Crampas: Überbrückungsmonolog S. 96 v. 95-114 Herman Crampas (mit Regieanweisung): Auftrittsmonolog S. 98 v. 157-162 Schleckmetz: Überbrückungsmonolog 22. Der farendt Schuler im Pardeiß. S. 105 v. 1-16 Pewrin: Auftrittsmonolog S. 107 v. 72-79 farendt Schuler (mit Regieanweisung): Überbrückungsmonolog 1 Ausgenommen sind die Monologe, die sich mit direkter Ansprache an das Publikum wenden. 2 Es ist in diesem Fall nicht zu klären, ob es sich wirklich um einen Monolog handelt. <?page no="308"?> 308 Anhang: Auflistung aller Monologe S. 110-111 v. 159-178 Pawr (mit Regieanweisung): Überbrückungsmonolog S. 111 v. 181-200 farendt Schuler: Überbrückungsmonolog S. 112-113 v. 224-246 farendt Schuler: Abgangsmonolog S. 113 v. 247-252 Pewrin: Auftritt-Abgangs-Monolog S. 113 v. 253-268 Pawr: Auftrittsmonolog S. 115 v. 305-322 Pawr: Abgangsmonolog 23. Der jung Kauffman Nicola mit seiner Sophia. S. 116 v. 1-20 Nicola (mit Regieanweisung): Auftrittsmonolog S. 117-118 v. 45-50 alt gut Freund (mit Regieanweisung): Abgangsmonolog S. 120 v. 119-135 Metz (mit Regieanweisung): Auftrittsmonolog S. 121 v. 141-146 Metz: Abgangsmonolog S. 121 v. 147-152 Nicola (mit Regieanweisung): Auftrittsmonolog S. 123 v. 211-218 Nicola: Auftritt-Abgangs-Monolog S. 123 v. 219-222 Sophia (mit Regieanweisung): Auftrittsmonolog S. 124 v. 235-238 Sophia (mit Regieanweisung): Überbrückungsmonolog S. 125 v. 266-269 Nicola (beiseite gesprochen) S. 125 v. 270-275 Metz: Auftrittsmonolog S. 126-127 v. 311-323 Nicola (mit Regieanweisung): Überbrückungsmonolog S. 127 v. 334-341 Metz (mit Regieanweisung): Auftrittsmonolog 24. Fraw warheyt will niemandt herbergen. S. 139-140 v. 293-314 Fraw Warheyt: Abgangsmonolog 25. Der Pawr mit dem Kuedieb. S. 143 v. 69-78 Tochter: Auftritt-Abgangs-Monolog S. 143-144 v. 79-104 Dieb: Auftritt-Abgangs-Monolog S. 144 v. 105-112 (110) Pawr: Auftrittsmonolog S. 145 v. 118-126 Pawr: Überbrückungsmonolog S. 146-147 v. 165-184 Dieb: Abgangsmonolog S. 147 v. 185-204 bettel Wirt (mit Regieanweisung): Auftrittsmonolog 26. Von Joseph unnd Melisso, auch Koͤnig Salomon. S. 1 v. 1-11 Joseph (mit Regieanweisung): Auftrittsmonolog 27. Das Wildbad. S. 21-22 v. 181-192 Heintz: Auftritt-Abgangs-Monolog S. 23 v. 245-251 Junckherr: Auftrittsmonolog <?page no="309"?> Anhang: Auflistung aller Monologe 309 S. 26 v. 323-328 Schrammfritz: Überbrückungsmonolog 28. Der boͤß Rauch. S. 31 v. 94-102 Weyb: Überbrückungsmonolog S. 32-33 v. 131-138 Weyb: Abgangsmonolog S. 33 v. 139-144 man: Auftrittsmonolog S. 33 v. 158-162 man: Abgangsmonolog S. 34 v. 163-168 Weyb: Auftrittsmonolog S. 34 v. 177-179 Nachbaur (beseite) S. 34 v. 180-184 Weyb: Abgangsmonolog S. 34 v. 185-188 man (mit Regieanweisung): Auftrittsmonolog S. 38 v. 289-294 man: Abgangsmonolog 30. Faßnacht spiel, mit 4 Personen zu agirn: Zwischen dem Gott Apoline und dem Roemer Fabio. S. 41 v. 1-16 Apolo: Auftrittsmonolog S. 43 v. 63-82 Fabius: Überbrückungsmonolog S. 46. v. 163-170 Fabius (spricht Apolo - Gott - an): Überbrückungsmonolog S. 48-49 v. 239-250 Fabius: Überbrückungsmonolog S. 50-51 v. 307-316 Fabius (spricht Apolo an): Überbrückungsmonolog S. 54 v. 419-430 Fabius: Abgangsmonolog 31. Der halb Freundt. S. 58 v. 77-82 Lucianus: Auftrittsmonolog S. 60-61 v. 151-158 Coridus: Auftrittsmonolog S. 62 v. 197-200 Lucius: Überbrückungsmonolog S. 65-66 v. 291-299 Lucianus: Auftrittsmonolog 32. Der unersetlich Geitzhunger. S. 70 v. 1-20 Simplicius (mit Regieanweisung): Auftritt-Abgangs-Monolog S. 70-71 v. 21-38 Lux Reichenburger: Auftrittsmonolog S. 77 v. 179-186 Simplicius (mit Regieanweisung): Auftrittsmonolog S. 80 v. 269-272 Lux Reichenburger: Auftrittsmonolog 34. Das Kelberbruten. S. 86 v. 1-19 Pewrin (mit Regieanweisung): Auftrittsmonolog S. 87-88 v. 49-56 Pawr: Abgangsmonolog S. 88 v. 57-64 Pawr: Auftritt-Abgangs-Monolog S. 88 v. 65-80 Pewrin: Auftritt-Abgangs-Monolog S. 88-89 v. 81-100 Pawr: Auftritt-Abgangs-Monolog <?page no="310"?> 310 Anhang: Auflistung aller Monologe S. 89-90 v. 101-130 Pawr: Auftrittsmonolog S. 90 v. 131-142 Pewrin (mit Regieanweisung): Auftrittsmonolog 36. Der Pawren Knecht will zwo Frawen haben. S. 116 v. 89-106 Contz Toͤtsch (mit Regieanweisung): Auftrittsmonolog S. 118 v. 149-156 Fritz (mit Regieanweisung): Auftrittsmonolog S. 119 v. 173-182 Heintz Loͤtsch (mit Regieanweisung): Auftrittsmonolog 37. Der farendt Schuler mit dem Teuffelbannen. S. 124 v. 1-25 Bewrin (mit Regieanweisung): Auftrittsmonolog S. 125-126 v.53-62 Pfarrer (mit Regieanweisung): Überbrückungsmonolog S. 127-128 v. 109-114 farend Schuler: Auftritt-Abgangs-Monolog S. 135 v. 312-326 farend Schuler: Abgangsmonolog 38. Das heiß Eysen. S. 136 v. 1-10 Pewrin: Auftrittsmonolog S. 139 v. 81-96 Pawr: Überbrückungsmonolog 39. Von der ungluͤckhafften, verschwatzten Bulschafft. S. 3-4 v. 78-91 Juͤngling (mit Regieanweisung): Auftritt-Abgangs-Monolog S. 13 v. 346-355 Lux (mit Regieanweisung): Abgangsmonolog S. 15-16 v. 404-425 Teuffel: Auftritt-Abgangs-Monolog 40. Der Parteckensack. S. 24 v. 62-69 Rosimunda: Abgangsmonolog S. 25 v. 70-82 Engelhart (mit Regieanweisung): Auftrittsmonolog S. 26 v. 113-115 Engelhart: Abgangsmonolog S. 26-27 v. 116-131 Meyd: Auftrittsmonolog S. 28 v. 170-177 Rosimunda (mit Regieanweisung): Abgangsmonolog S. 28-29 v. 178-211 Engelhart: Auftritt-Abgangs-Monolog S. 29 v. 212-217 Meyd (mit Regieanweisung): Auftritt-Abgangs-Monolog S. 29-30 v. 218-245 Conradus (mit Regieanweisung): Auftrittsmonolog S. 30 v. 246-249 Meyd (mit Regieanweisung): Auftrittsmonolog S. 31 v. 256-275 Conradus (mit Regieanweisung): Überbrückungsmonolog S. 31-32 v. 282-295 Meyd: Auftritt-Abgangs-Monolog S. 32 v. 308-313 Meyd: Auftritt-Abgangs-Monolog S. 32-33 v. 314-317 Rosimunda: Auftrittsmonolog 41. Der gestolen Pachen. S. 36 v. 1-8 Heintz Knol (mit Regieanweisung): Auftrittsmonolog <?page no="311"?> Anhang: Auflistung aller Monologe 311 S. 38-39 v. 63-82 Herman Doll (mit Regieanweisung): Auftrittsmonolog 42. Der Pawr inn dem Fegfewer. S. 57 v. 237-242 Abt: Abgangsmonolog S. 57-58 v. 243-246 Herr Ulrich: Auftrittsmonolog S. 58 v. 247-253 Heintz Duͤppel: Überbrückungsmonolog S. 60 v. 299-312 Heintz Duͤppel: Überbrückungsmonolog S. 62 v. 361-364 Herr Ulrich: Abgangsmonolog S. 62 v. 365-372 Abt: Auftrittsmonolog 43. Die listig Bulerin. S. 67-68 v. 41-60 Lisabetha (mit Regieanweisung): Überbrückungsmonolog S. 69 v. 87-98 Meyd: Auftritt-Abgangs-Monolog S. 70 v. 113-128 Leonetta (mit Regieanweisung): Abgangsmonolog S. 76 v. 295-308 Lisabetha: Abgangsmonolog S. 76-77 v. 309-330 Meyd: Auftritt-Abgangs-Monolog 45. Der groß Eyferer, der sein Weib Beicht hoͤret. S. 91 v. 53-70 alt Eyferer: Auftrittsmonolog S. 92 v. 85-96 alt Eyferer: Abgangsmonolog S. 92-93 v. 111-116 alt Eyferer: Auftrittsmonolog S. 94-95 v. 156-165 alt Eyferer: Abgangsmonolog S. 96-97 v. 212-223 alt Eyferer: Auftritt-Abgangs-Monolog S. 97 v. 236-243 alt Eyferer: Auftritt-Abgangs-Monolog S. 98-99 v. 266-275 alt Eyferer: Auftritt-Abgangs-Monolog 46. Das Weib im Brunnen. S. 102 v. 1-24 Steffano (mit Regieanweisung): Auftrittsmonolog S. 103 v. 31-50 Gitta (mit Regieanweisung): Überbrückungsmonolog S. 104 v. 61-74 Gitta: Auftritt-Abgangs-Monolog S. 104-105 v. 75-92 Steffano: Auftrittsmonolog S. 105 v. 93-108 Gitta: Auftrittsmonolog S. 107 v. 161-168 Steffano: Überbrückungsmonolog S. 107 v. 169-176 Gitta: Überbrückungsmonolog S. 108 v. 185-188 Steffano: Überbrückungsmonolog S. 108 v. 192-195 Steffano: Überbrückungsmonolog S. 112 v. 303-330 Steffano: Abgangsmonolog 47. Der Tyrann Dionisius mit Damone seiner gluͤckseligkeyt halber. S. 114-115 v. 43-56 Damon (mit Regieanweisung): Auftrittsmonolog <?page no="312"?> 312 Anhang: Auflistung aller Monologe S. 115 v. 69-80 Damon (mit Regieanweisung): Abgangsmonolog 49. Das boͤß Weyb mit den worten, Wuͤrtzen und Stein gut zu machen. S. 125 v. 1-8 Mann: Auftrittsmonolog S. 131 v. 187-200 Mann (mit Regieanweisung): Abgangsmonolog S. 131-132 v. 201-217 Fraw: Auftrittsmonolog S. 133 v. 243-248 Mann: Abgangsmonolog S. 133 v. 249-262 Fraw: Auftrittsmonolog S. 134 v. 279-288 Mann: Abgangsmonolog S. 134 v. 289-296 Fraw: Auftrittsmonolog S. 136 v. 335-338 Mann: Überbrückungsmonolog S. 136 v. 339-344 Mann: Überbrückungsmonolog 50. Der verdorben Edelman mit dem weichen beht, das Keyser Augustus wolt kauffen. S. 143 v. 162-168 Dromo: Überbrückungsmonolog 51. Der Ewlenspiegel mit den blinden. S. 1 v. 1-20 Ewlenspiegel: Auftrittsmonolog S. 6 v. 155-159 Wirtin: Auftrittsmonolog S. 8 v. 207-216 Pfarrherr: Auftrittsmonolog S. 9 v. 239-246 Pfarrherr (mit Regieanweisung): Abgangsmonolog S. 10 v. 259-264 Pfarrherr: Auftrittsmonolog S. 11 v. 275-278 Pfarrherr: Abgangsmonolog S. 11 v. 279-284 Hans Wirdt: Auftrittsmonolog S. 11-12 v. 297-306 Ewlenspiegel: Abgangsmonolog S. 12 v. 307-310 Pfarrherr: Auftrittsmonolog S. 13 v. 333-338 Pfarrherr: Überbrückungsmonolog S. 15 v. 391-402 Pfarrherr: Abgangsmonolog 52. Wie Gott, der Herr, Adam vnnd Eua ihre Kinder segnet. S. 16 v. 1-14 Eua: Auftrittsmonolog S. 18 v. 69-80 Adam (Gebet zu Gott): Überbrückungsmonolog 53. Der Ketzermeister mit den vil kessel suppen. S. 30 v. 1-14 Herman Pich: Auftrittsmonolog S. 31 v. 35-44 Herman Pich (mit Regieanweisung): Abgangsmonolog S. 31 v. 45-81 Inquisitor: Auftrittsmonolog S. 34 v. 117-119 Simon Wirdt: Auftrittsmonolog <?page no="313"?> Anhang: Auflistung aller Monologe 313 54. Der Bawer mit dem Plerr. S. 45-46 v. 1-40 Heintz Mehr: Auftritt-Abgangs-Monolog S. 46-47 v. 41-65 Christa: Auftrittsmonolog S. 49-50 v. 149-169 Heintz Mehr (mit Regieanweisung): Auftrittsmonolog 56. Die Burgerin mit dem Thumbherrn. S. 56 v. 1-4 Proba (mit Regieanweisung): Auftrittsmonolog S. 59 v. 95-100 Proba (mit Regieanweisung): Abgangsmonolog S. 59 v. 101-106 alt reich Burger: Auftrittsmonolog S. 61 v. 155-162 alt reich Burger: Auftrittsmonolog S. 64 v. 233-238 alt reich Burger: Auftrittsmonolog S. 64 v. 243-248 Proba: Auftritt-Abgangs-Monolog S. 64-65 v. 249-267 Rosina: Auftrittsmonolog S. 66 v. 295-302 Proba: Auftritt-Abgangs-Monolog S. 66-67 v. 303-314 alt reich Burger: Auftritt-Abgangs-Monolog 57. Die alt verschlagen Kuplerin mit dem Thumbherrn. S. 69-70 v. 1-32 Thumbherr: Auftritt-Abgangs-Monolog S. 70 v. 33-50 Thumbherr: Auftrittsmonolog S. 70-71 v. 51-60 Kuplerin (mit Regieanweisung): Auftrittsmonolog S. 73 v. 121-128 Thumbherr: Abgangsmonolog S. 73 v. 129-136 Kuplerin: Auftritt-Abgangs-Monolog S. 74 v. 153-163 Kuplerin: Auftrittsmonolog S. 76 v. 213-218 Thumbherr (mit Regieanweisung): Auftrittsmonolog S. 77 v. 241-248 Kuplerin: Abgangsmonolog S. 77 v. 249-258 Kilian (mit Regieanweisung): Auftrittsmonolog S. 77 v. 259-264 Kuplerin (mit Regieanweisung): Auftrittsmonolog 58. Ewlenspigel mit der pfaffen kellerin und dem pfert. S. 84 v. 1-10 Ewlenspiegel: Auftritt-Abgangs-Monolog S. 84 v. 11-16 Herzog (mit Regieanweisung): Auftrittsmonolog S. 85-86 v. 49-56 Ewlenspiegel (mit Regieanweisung): Abgangsmonolog S. 88-89 v. 125-138 Ewlenspiegel (mit Regieanweisung): Überbrückungsmonolog S. 92 v. 213-219 Pfaffer (mit Regieanweisung): Überbrückungsmonolog S. 94-95 v. 276-281 Pfaffer (beiseite) S. 95 v. 284-287 Pfaffer (mit Regieanweisung): Überbrückungsmonolog S. 96 v. 306-318 Pfaffer: Abgangsmonolog S. 96 v. 319-328 Herzog: Auftrittsmonolog <?page no="314"?> 314 Anhang: Auflistung aller Monologe 59. Der rosdieb zw Fuͤnssing mit den dollen diebischen pawern. S. 102-103 v. 97-116 rosdieb (mit Regieanweisung): Überbrückungsmonolog S. 105-106 v. 184-212 rosdieb: Auftritt-Abgangs-Monolog S. 110-111 v. 333-366 rosdieb: Abgangsmonolog 60. Der dot mon. S. 115-116 v. 99-120 Hans (mit Regieanweisung): Überbrückungsmonolog S. 116-117 v. 125-144 Els (redet zuerst zu Hans - denkt, dass er tot ist): Auftritt-Abgangs-Monolog S. 117 v. 145-150 Hans (mit Regieanweisung): Überbrückungsmonolog S. 117 v. 151-154 Els: Auftrittsmonolog 61. Das wainent huentlein. S. 125-126 v. 41-52 Pawlina (mit Regieanweisung): Abgangsmonolog S. 126 v. 53-72 Felix Spini (mit Regieanweisung): Auftritt-Abgangs-Monolog S. 126-127 v. 73-90 Pawlina: Auftritt-Abgangs-Monolog S. 127 v. 91-110 Felix Spini: Auftrittsmonolog S. 127 v. 111-117 alt cuplerin (mit Regieanweisung): Auftrittsmonolog S. 129-130 v. 173-192 alt cuplerin (mit Regieanweisung): Abgangsmonolog S. 130 v. 193-202 Pawlina: Auftrittsmonolog S. 134 v. 335-342 Felix Spini: Auftrittsmonolog S. 135-136 v. 359-386 alt cuplerin: Abgangsmonolog 62. Der alt wol erzawst pueler mit seinr zauberey. S. 139 v. 57-72 Eberlein Dildapp (mit Regieanweisung): Abgangsmonolog S. 140 v. 107-110 Ulla Lapp (mit Regieanweisung): Überbrückungsmonolog S. 142 v. 163-172 Ulla Lapp (mit Regieanweisung): Überbrückungsmonolog S. 145 v. 246-250 Hilgart (mit Regieanweisung): Auftrittsmonolog S. 148 v. 343-344 Ulla Lapp (mit Regieanweisung): Abgangsmonolog S. 148-149 v. 345-356 Hilgart: Auftrittsmonolog S. 151 v. 417-432 Eberlein Dildapp: Abgangsmonolog 63. Die wuͤnderlichen man gschlacht zw machen. S. 1-2 v. 1-27 wunderlich alt mon: Auftrittsmonolog S. 4 v. 89-104 wunderlich alt mon (mit Regieanweisung): Abgangsmonolog S. 4-5 v. 105-144 alt unhueld (mit Regieanweisung): Auftrittsmonolog S. 7 v. 185-204 alt unhueld (mit Regieanweisung): Überbrückungsmonolog S. 9 v. 257-264 wunderlich alt mon: Auftritt-Abgangs-Monolog S. 9-10 v. 265-274 alt unhueld: Auftrittsmonolog S. 10 v. 275-286 jung vnferstanden weib (mit Regieanweisung): Auftrittsmonolog <?page no="315"?> Anhang: Auflistung aller Monologe 315 S. 11 v. 299-308 alt unhueld: Abgangsmonolog S. 11 v. 309-311 wunderlich mon: Auftrittsmonolog 64. Der los man mit dem muncketen jungen weib. S. 14-15 v. 1-27 jung muncket fraw (mit Regieanweisung): Auftrittsmonolog S. 16 v. 60-63 jung muncket fraw: Überbrückungsmonolog S. 21-22 v. 235-258 jung muncket fraw (mit Regieanweisung): Auftrittsmonolog S. 24 v. 301-304 jung muncket fraw (mit Regieanweisung): Überbrückungsmonolog 65. Der pfarrer mit sein eprecher pawern. S. 28 v. 1-4 Klas Kuͤeczelpaur: Auftrittsmonolog S. 34-35 v. 197-222 pfarrer: Auftritt-Abgangs-Monolog 66. Der kremer korb. S. 41 v. 1-12 knecht Haincz: Auftrittsmonolog S. 45 v. 123-128 knecht Haincz: Abgangsmonolog S. 49 v. 239-244 knecht Haincz: Überbrückungsmonolog S. 51-52 v. 315-328 knecht Haincz: Abgangsmonolog 67. Sant Petter leczet sich mit sein freunden vnden auf erden. S. 53 v. 1-10 Petrus: Auftrittsmonolog S. 54-55 v. 49-59 Klas: Auftrittsmonolog S. 57 v. 131-136 Got: Auftritt-Abgangs-Monolog S. 57 v. 137-150 Petrus: Auftritt-Abgangs-Monolog S. 58 v. 151-160 Got (mit Regieanweisung): Auftrittsmonolog S. 60 v. 215-222 Got (mit Regieanweisung): Abgangsmonolog S. 62 v. 295-303 Got (mit Regieanweisung): Auftrittsmonolog 68. Der kampff fraw Armuet mit fraw Glueck. S. 66-67 v. 21-48 Fraw Armuͤet: Auftrittsmonolog S. 75-76 v. 301-318 Fraw Gluͤeck: Auftrittsmonolog 69. Der plint messner mit dem pfarer vnd seim weib. S. 81 v. 1-24 plint mesner (mit Regieanweisung): Auftrittsmonolog S. 83 v. 64-76 mesnerin: Abgangsmonolog S. 83-84 v.77-97 pfarer (v. 92-97 spricht mesner an): Auftrittsmonolog S. 86 v. 143-152 pfarer (mit Regieanweisung): Überbrückungsmonolog S. 87-88 v. 201-212 plint mesner (mit Regieanweisung): Auftrittsmonolog S. 88 v. 213-224 mesnerin (Gebet): Überbrückungsmonolog <?page no="316"?> 316 Anhang: Auflistung aller Monologe S. 89 v. 241-246 plint mesner: Abgangsmonolog S. 89 v. 247-252 mesnerin: Auftritt-Abgangs-Monolog S. 89 v. 253-260 plint mesner: Auftrittsmonolog S. 91 v. 308-318 plint mesner: Abgangsmonolog S. 93 v. 355-372 plint mesner: Abgangsmonolog 70. Der dot im stock. S. 95-97 v. 19-64 waltpruͤeder: Auftritt-Abgangs-Monolog S. 103 v. 241-262 Tefmas: Auftrittsmonolog S. 105 v. 301-314 Barrabas: Auftrittsmonolog 71. Zwaier philosophi disputacio, ob peser hayraten sey oder ledig zw pleiben ainem weissen mann. S. 108 v. 21-32 Thales: Auftrittsmonolog S. 108-109 v. 47-64 Thales (mit Regieanweisung): Überbrückungsmonolog S. 114 v. 225-230 Minister (mit Regieanweisung): Auftrittsmonolog S. 115 v. 245-252 Thales: Überbrückungsmonolog 72. Ewlenspiegel mit dem pelczwaschen. S. 121-122 v. 1-28 wirtin: Auftrittsmonolog S. 123 v. 71-76 Ewlenspigel: Überbrückungsmonolog S. 126 v. 157-164 Ewlenspigel: Überbrückungsmonolog S. 128 v. 197-208 Ewlenspigel (mit Regieanweisung): Überbrückungsmonolog S. 129 v. 245-250 Ewlenspigel: Überbrückungsmonolog S. 131-132 v. 318-328 Ewlenspigel (mit Regieanweisung): Abgangsmonolog S. 134 v. 379-400 Ewlenspigel: Auftritt-Abgangs-Monolog 73. Der knab Lucius Papirius Curfor. S. 137 v- 24-35 Luciana (mit Regieanweisung): Auftrittsmonolog S. 138 v. 57-73 Lucius (mit Regieanweisung): Überbrückungsmonolog S. 139 v. 108-116 Luciana (mit Regieanweisung): Überbrückungsmonolog 74. Die kuplet schwieger mit dem alten kauffman. S. 150 v. 1-17 Simplicius: Auftrittsmonolog S. 152-153 v. 85-106 Pongracz (mit Regieanweisung): Auftrittsmonolog S. 155 v. 153-157 Simplicius: Überbrückungsmonolog 75. Der Neidhart mit dem feyhel, hat 3 actus. S. 2 v. 22-61 Neidhart: Auftritt-Abgangs-Monolog S. 10 v. 265-268 Neidhart: Überbrückungsmonolog <?page no="317"?> Anhang: Auflistung aller Monologe 317 S. 12 v. 326-333 Herzog (mit Regieanweisung): Auftrittsmonolog S. 13 v. 346-347 Herzog: Überbrückungsmonolog S. 14 v. 368-371 Herzog: Abgangsmonolog S. 14-15 v. 386-399 Neidhart: Auftrittsmonolog S. 18 v. 470-477 Neidhart (mit Regieanweisung): Auftritt-Abgangs-Monolog S. 18 v. 478-485 Jeckel narr: Auftritt-Abgangs-Monolog S. 18 v. 486-496 Herzog (mit Regieanweisung): Auftritt-Abgangs-Monolog 76. Der dewffel nam ain alt weib. S. 20 v. 20-43 dewffel (mit Regieanweisung): Auftrittsmonolog S. 23 v. 87-99 dewffel: Abgangsmonolog S. 23-24 v. 100-113 arzet: Auftritt-Abgangs-Monolog S. 24 v. 120-125 alt poes weib: Überbrückungsmonolog S. 25 v. 138-147 alt poes weib: Überbrückungsmonolog S. 26 v. 170-174 alt poes weib: Abgangsmonolog S. 26-27 v. 182-197 dewffel: Auftrittsmonolog S. 32 v. 328-337 dewffel: Auftrittsmonolog S. 33 v. 348-353 arzet: Abgangsmonolog 77. Ewlenspiegel mit dem plaben hoftuech und dem pauͤrn. S. 37-38 v. 1-24 Eulenspiegel: Auftritt-Abgangs-Monolog S. 38 v. 25-44 pauer: Auftritt-Abgangs-Monolog S. 38-39 v. 45-76 schotten pfaff (mit Regieanweisung): Auftritt-Abgangs-Monolog S. 39-40 v. 77-112 Klas Wuerffel (mit Regieanweisung): Auftrittsmonolog S. 42 v. 173-176 Eulenspigel (mit Regieanweisung): Überbrückungsmonolog S. 48 v. 307-330 pauer: Auftritt-Abgangs-Monolog 78. Ain fasnacht spiel mit 4 person, den wüecher und ander peschwerd petreffent. S. 50 v. 1-24 Jupiter: Auftrittsmonolog 79. Der pauer mit dem saffran. S. 59 v. 1-24 Haincz Hederlein: Auftrittsmonolog S. 64 v. 146-164 pawer: Abgangsmonolog S. 64-65 v. 165-178 lantfarer Yppocras: Auftrittsmonolog S. 65 v. 179-184 Haincz Hederlein (mit Regieanweisung): Auftrittsmonolog S. 68 v. 253-260 lantfarer Yppocras: Überbrückungsmonolog S. 68-69 v. 261-268 Fricz Herman: Auftrittsmonolog S. 69 v. 269-280 lantfarer Yppocras: Überbrückungsmonolog S. 69 v. 281-285 Haincz Hederlein: Auftrittsmonolog <?page no="318"?> 318 Anhang: Auflistung aller Monologe S. 71-72 v. 339-354 lantfarer Yppocras: Abgangsmonolog 80. Der schwanger pauer mit dem fuͤel. S. 75-76 v. 55-90 Ysaac (mit Regieanweisung): Auftritt-Abgangs-Monolog S. 76 v. 91-114 Haincz: Auftritt-Abgangs-Monolog S. 77 v. 115-126 Ysaac (mit Regieanweisung): Auftrittsmonolog S. 81 v. 217-220 Ysaac: Abgangsmonolog S. 83-84 v. 285-298 pewerin (mit Regieanweisung): Überbrückungsmonolog 81. Der verspilt rewter. S. 86 v. 1-18 Engelhart: Auftritt-Abgangs-Monolog S. 86-88 v. 19-78 Klas Schellentaus: Auftrittsmonolog S. 89-90 v. 113-130 Kuͤncz Tragauff (mit Regieanweisung): Auftritt-Abgangs- Monolog S. 90 v. 131-142 Klas Schellentaus: Auftrittsmonolog S. 90-91 v. 151-162 Klas Schellentaus (mit Regieanweisung): Abgangsmonolog S. 91 v. 163-168 Kuͤncz Tragauff (mit Regieanweisung): Auftritt-Abgangs-Monolog S. 91-92 v. 169-194 Klas Schellentaus (mit Regieanweisung): Auftritt-Abgangs- Monolog S. 92 v. 195-198 Kuͤncz Tragauff (mit Regieanweisung): Auftrittsmonolog S. 94 v. 237-246 Klas Schellentaus: Auftrittsmonolog S. 96 v. 301-104 Kuͤncz Tragauff: Abgangsmonolog S. 99 v. 375-398 Engelhart: Abgangsmonolog 82. Die zwen gefattern mit dem zorn. S. 101 v. 1-6 gfattermon (mit Regieanweisung): Auftrittsmonolog S. 102-103 v. 45-51 weib: Auftrittsmonolog 83. Der doctor mit der grosen nasen. S. 115 v. 71-76 Junckher (mit Regieanweisung): Überbrückungsmonolog S. 117 v. 117-132 Jeckle: Überbrückungsmonolog S. 120-121 v. 209-224 Jeckle (mit Regieanweisung): Auftrittsmonolog 84. Die juͤng witfraw Francisca, so durch ain list zwayer pueler abkom, und hat 3 actus. S. 127 v. 26-43 Francisca: Auftrittsmonolog S. 128-129 v. 78-90 Alexander (mit Regieanweisung): Auftrittsmonolog S. 130 v. 122-128 Alexander: Abgangsmonolog S. 130 v. 129-132 Francisca: Auftrittsmonolog <?page no="319"?> Anhang: Auflistung aller Monologe 319 S. 131-132 v. 165-184 Rinuczo: Auftrittsmonolog S. 133 v. 221-226 Rinuczo: Überbrückungsmonolog S. 134-135 v. 260-289 Alexander: Auftritt-Abgangs-Monolog S. 135-136 v. 290-321 Rinuczo: Auftritt-Abgangs-Monolog S. 137-138 v. 362-365 Rinuczo: Auftrittsmonolog S. 138 v. 370-377 Alexander: Abgangsmonolog S. 138-139 v. 378-399 Rinuczo: Auftritt-Abgangs-Monolog 85. Esopuͤs, der fabeldichter, und hat 5 actuͤs. S. 143 v. 22-41 Mercator (mit Regieanweisung): Auftrittsmonolog S. 147 v. 139-146 Xantus (mit Regieanweisung): Auftritt-Abgangs-Monolog S. 148 v. 179-186 Xantus (mit Regieanweisung): Auftrittsmonolog S. 156 v. 348-355 Xantus (mit Regieanweisung): Auftrittsmonolog S. 160 v. 462-468 Albina: Auftrittsmonolog S. 160 v. 469-474 Esopus: Auftrittsmonolog S. 161 v. 487-492 Albina: Überbrückungsmonolog S. 163 v. 532-535 Esopus: Abgangsmonolog S. 163 v. 536-543 Xantus: Auftrittsmonolog S. 165 v. 588-595 Xantus: Auftrittsmonolog