Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
10.2357/FLuL-2019-0022
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/81
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Gnutzmann Küster SchrammSprachmittlungsaufgaben im bilingualen Sachfachunterricht Französisch – zwischen Scaffolding und Emergenz
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2019
Dagmar Abendroth-Timmer
Katharina Wieland
flul4820088
DOI 10.2357/ FLuL-2019-0022 48 (2019) • Heft 2 D AGMAR A BENDROTH -T IMMER , K ATHARINA W IELAND * Sprachmittlungsaufgaben im bilingualen Sachfachunterricht Französisch - zwischen Scaffolding und Emergenz Abstract. Language mediation has become an established concept in foreign language teaching. However, there is little knowledge about whether and how it can be made fruitful for bilingual subject teaching (CLIL). Based on the language mediation model of A BENDROTH -T IMMER (2016) and A BENDROTH -T IMMER / P LIKAT (2017) we describe possible characteristics of a subject-specific language mediation situation. Scaffolding as well as subject-content-related knowledge construction (emergence) with the aim of developing subject-specific or bilingual literacy (cf. K ÖNIGS 2013: 37; L EISEN 2018) are worked out as possible starting points and additional perspectives for the discussion of subject-specific language mediation. Results from an online survey among teachers using French as a working language show that the teachers’ concept of language mediation could be expanded by subject-specific aspects of language mediation. 1. Einleitung Der bilinguale Sachfachunterricht scheint in besonderer Weise für den Einsatz von Sprachmittlungsaufgaben prädestiniert zu sein, wenn „bilingual“ ernst genommen und mit / in verschiedenen Sprachen gearbeitet wird. Wie im Folgenden gezeigt werden soll, wird dieses Aufgabenformat jedoch prioritär im Fremdsprachenunterricht eingesetzt. Dementsprechend konzentrieren sich auch die theoretische und empirische Forschung und die Aufgaben- und Materialentwicklung auf diesen Einsatzbereich. Selbst in der bis dato aktuellsten, umfangreichen Monographie zum Thema Sprachmittlung (vgl. K OLB 2016) spielt der bilinguale Sachfachunterricht als möglicher Einsatzort keine Rolle. Hier setzt dieser Beitrag an und geht deshalb der Frage nach, worin das besondere Potenzial der Sprachmittlung für den bilingualen Sachfachunterricht mit der Arbeitssprache Französisch (im Folgenden SFU-F) liegen könnte. Dazu * Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Dagmar A BENDROTH -T IMMER , Philosophische Fakultät, Romanisches Seminar, Universität Siegen, Adolf-Reichwein-Str. 2, 57068 S IEGEN E-Mail: abendroth@romanistik.uni-siegen.de Arbeitsbereiche: Interkulturalität, Lehrer*innenforschung, Mehrsprachigkeit Dr. Katharina W IELAND , Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Romanistik, Unter den Linden 6, 10099 B ERLIN E-Mail: katharina.wieland@hu-berlin.de Arbeitsbereiche: Sprachmittlung, Dramapädagogische Verfahren, Mehrsprachigkeit Sprachmittlungsaufgaben im bilingualen Sachfachunterricht Französisch 89 48 (2019) • Heft 2 DOI 10.2357/ FLuL-2019-0022 betrachten wir zunächst aktuelle theoretische Modellierungen der Sprachmittlung aus der Fremdsprachendidaktik und die Neukonzeptualisierung der Sprachmittlung im Companion Volume des GER (E UROPARAT 2018). Darauf aufbauend unterscheiden wir zwischen einem eher produkt- und einem eher prozessorientierten Verständnis von Sprachmittlung für den SFU-F. Den besonderen Mehrwert der Sprachmittlung für den SFU-F sehen wir in der prozessorientierten Variante, für die wir im Folgenden unter den Schlüsselbegriffen Scaffolding und Emergenz Entwicklungsperspektiven aufzeigen. Der Beitrag mündet in die Darstellung der wesentlichen Ergebnisse einer Online-Befragung von im bilingualen Sachfachunterricht Französisch tätigen Lehrkräften bundesweit. Die Ergebnisse daraus werden abschließend mit den zuvor skizzierten theoretischen Überlegungen zusammengeführt und im Ausblick für die Weiterentwicklung einer bilingual literacy perspektiviert. 1.1 Sprachmittlung als komplexe Kompetenz K NAPP (2016: 479) merkt zu Recht an, dass Sprachmittlung komplex ist, da sie die funktionalen kommunikativen Kompetenzen und die interkulturelle Kompetenz verbindet. Zunehmend setzt sich die Bezeichnung „(komplexe) Kompetenz“ (u.a. C ASPARI / S CHINSCHKE 2012) bzw. „Makro-Kompetenz“ (K OLB 2016) durch. Eine Makro-Kompetenz ist Sprachmittlung nach Kolb (2016: 161, 179) u.a. deshalb, weil in ihr nicht nur alle kommunikativen (Teil-)Kompetenzen enthalten sind, sondern im Sinne eines psychologischen Kompetenzbegriffs auch Elemente wie Wissens-, Könnens- und Persönlichkeitsfaktoren. A BENDROTH -T IMMER (2016) und A BENDROTH -T IMMER / P LIKAT (2017) haben diese Komplexität in einem Sprachmittlungsmodell dargestellt, in dem sie zunächst die Komplexität von einsprachig erstsprachlicher und fremdsprachlicher Kommunikation allgemein beleuchten. Hierbei wird deutlich, dass ein realisiertes Kommunikat 1 erkenntnistheoretisch niemals identisch mit dem rezipierten Kommunikat 2 sein kann. In der fremdsprachigen Kommunikation ohne Sprachmittlung kommt hinzu, dass die Akteure zwar die Intention haben, ihre Äußerungen möglichst so zu formulieren, dass der jeweils andere Akteur sie in seiner Sprache und in seinem kulturellen Rahmen gut verstehen kann. Zugleich schwingen immer die Vorstellungen mit, welche erstsprachlichen Realisierungen mit welcher Wirkung möglich gewesen wären. In einer Kommunikationssituation, in welcher Akteur 1 und Akteur 2 keine gemeinsame Sprache sprechen und einen Sprachmittler (Akteur 3) benötigen, muss dieser nun beide sprachlich-kulturellen Kontexte und Kommunikationsabsichten der Akteure 1 und 2 erfassen und transponieren. Dabei kommt es notwendigerweise zu sprachlich-kulturellen Adaptionen, Rekonstruktionen und auch zu Emergenz, d.h. dem Entstehen von neuen Bedeutungskonstruktionen und sprachlichen Realisierungen. 90 Dagmar Abendroth-Timmer, Katharina Wieland DOI 10.2357/ FLuL-2019-0022 48 (2019) • Heft 2 1.2 Sprachmittlung im Companion Volume (2018) des GER Neue Impulse für die Konzeptualisierung von Sprachmittlung im bilingualen Sachfachunterricht gibt das „Companion Volume“ des Europäischen Referenzrahmens (E UROPARAT 2018: 34). Relevant erscheint hier vor allem der Bereich „Mediating concepts” mit seinem Unterpunkt „Collaborating to construct meaning” (E UROPARAT 2018: 103f.): Collaborating to construct meaning is concerned with stimulating and developing ideas as a member of a group. It is particularly relevant to collaborative work in problem-solving, brainstorming, concept development and project work (ebd.: 118, Hervorhebung im Original). Hier wird die inter- oder intralinguale Ko-Konstruktion von Wissen bzw. das Problemlösen im Tandem oder in der Gruppe als „Mediation“ verstanden und der Sprachmittlungsbegriff so auch gegenüber der Fassung des GER von 2001 noch einmal erweitert. 1 Sprachmittlung inkludiert nunmehr die (re-)konstruierende Auseinandersetzung mit Konzepten, Wissenselementen und Diskursen, die schriftlich und/ oder mündlich und ggf. in zwei verschiedenen Sprachen oder Codes vorliegen. Gemeinsam mit anderen gilt es, deren Sinn im Dialog zu erschließen und auszuhandeln und damit Bedeutung kooperativ zu generieren. Dieses erweiterte Begriffsverständnis hat eine gewisse Attraktivität für den SFU-F und lässt sich beispielsweise bei der mehrsprachigen, kontrastiven (Re-)Konstruktion von historischen Narrativen im bilingualen Geschichtsunterricht umsetzen. Die weite Auffassung von Sprachmittlung im „Companion Volume” birgt allerdings die Schwierigkeit, dass eine Abgrenzung zu anderen rezeptiven, produktiven oder interaktionalen Sprachaktivitäten sehr schwierig ist und das Konzept ‚Sprachmittlung‘, wie es sich seit geraumer Zeit in der fremdsprachendidaktischen Diskussion etabliert hat, aufzuweichen droht. 1.3 Sprachmittlungsformate im bilingualen Sachfachunterricht Im bilingualen Sachfachunterricht tritt zu der oben beschriebenen sprachlich-interaktionalen Komplexität von Sprachmittlung noch eine besondere fachliche Komplexität hinzu. Eine doppelte Sachfachsprachlichkeit als Mittel zu einem vertieften Verständnis der jeweiligen fachlichen Konzepte und ihrer bildungs- und fremdsprachlichen Repräsentation erfordert ein vergleichendes Durchdringen fachlicher Inhalte und ihrer jeweiligen Versprachlichung. Dies wird auch als bilinguale Literalität oder bilingual literacy bezeichnet (vgl. K ÖNIGS 2013: 37). Nach dem mehrsprachigkeitsdidaktischen Konzept eines compound bilingualism (H ALL / C OOK 2012: 281 mit Bezug auf W EINREICH 1953) ist demgemäß von einer lernwirksamen Fusion der Sprachen eines Lernenden u.a. im Prozess des Übersetzens auszugehen (vgl. H ALL / C OOK 2012). 1 Vgl. dazu die Ausführungen zum Companion Volume im Beitrag von R ÖSSLER / S CHÄDLICH im vorliegenden Heft (S. 10-28). Sprachmittlungsaufgaben im bilingualen Sachfachunterricht Französisch 91 48 (2019) • Heft 2 DOI 10.2357/ FLuL-2019-0022 Anders als im fremdsprachlichen Französischunterricht (FSU), in dem Sprachmittlung in erster Linie auf die Bewältigung interkultureller kommunikativer Situationen vorbereiten soll, sind für den SFU-F zwei Zielrichtungen denkbar. Zum einen geht es auch im SFU-F um den Erwerb kommunikativer Kompetenz, aber in dem Sinne, dass sachfachliche Inhalte eines Fachtextes in außerschulischen Kontexten Personen in einer anderen Sprache vermittelt werden können. Z.B. kann dies im Geschichtsunterricht ein französischer Zeitungsartikel mit einem Rückblick auf ein historisches Ereignis oder eine besondere Persönlichkeit sein, der ins Deutsche gemittelt werden soll (im Sinne von mediating texts, vgl. Europarat 2018: 107f.). Die adressierten Personen können mit dem Fachgebiet vertraut sein oder auch nicht. Davon ist der Grad der verwendbaren Fachsprachlichkeit oder der Anpassung an Allgemeinsprache abhängig. Der Fokus der Mittlung läge jeweils in einer adressatenorientierten, situationsbezogenen, d.h. adäquaten Übertragung, ganz im Sinne des funktionalen Übersetzens (vgl. S INNER / W IELAND 2013: 103). Dies bedeutet jedoch nicht, dass (Fach-) Sprache hinter dem Inhaltlichen zurücksteht, sondern dass diese an zielsprachliche und zielkulturelle Rezipienten sowie an fachkommunikative Standards (generische Kompetenz) angepasst wird. Diese Art der Sprachmittlung scheint vordergründig produktorientiert, ihr liegen aber wichtige Momente der Bedeutungsaushandlung zugrunde, welche im unterrichtlichen Geschehen immer wieder durch das Eingehen auf Teilprozesse der Sprachmittlung sowie strategisches Vorgehen beleuchtet werden sollten. Zum anderen könnte Sprachmittlung im SFU-F aber auch ein Unterrichtsverfahren sein, um die doppelte Sachfachsprachlichkeit und die bilingual literacy zu fördern. Im Mittelpunkt stünden die Lernenden selbst als Zielpersonen, die sich durch Sprachmittlung mit der Fachsprache in beiden Sprachen befassen, durch die sprachmittelnde Auseinandersetzung mit Texten und Ideen (im Sinne von mediating concepts) ein tieferes Verstehen derselben erlangen und sich hierzu inhaltlich positionieren. Dies wirft in anderer Weise als bei kommunikativer Sprachmittlung Fragen der Invarianz und der Adäquatheit gemittelter Texte auf. Es geht dann zwar auch um eine adäquate Mittlung der Ausgangstexte und -ideen, bei der aber der Mittlungsprozess offengelegt und diskutiert wird (vgl. H OUSE 2010: 36f., overt translation). Der Fokus liegt hier noch stärker als im anderen Fall auf der Prozessorientierung von Sprachmittlung und auf dem Durchdringen der Ausgangstexte. Dieses Durchdringen ist nicht als rein rezeptiver Prozess zu verstehen, sondern meint auch die produktive Auseinandersetzung, die Bedeutungsaushandlung und -konstruktion in der sprachmittelnden Interaktion. Beide dargestellten Ausprägungen von Sprachmittlung sind mit dem Modell von A BENDROTH -T IMMER / P LIKAT (2017) beschreibbar. Bei der als prozessorientiert beschriebenen Form der Sprachmittlung liegt der Fokus auf der sprachlichen Aushandlungssituation und der Emergenz. Dies ist der Fall, wenn eine Aufgabenstellung oder ein Text auf Deutsch oder Französisch vorliegt und die Lernenden als Gruppe auf dieser Basis Ideen zu einem sachfachlichen Inhalt generieren, diese sprachlich aushandeln und formulieren. Dies kann ebenfalls auf Deutsch oder Französisch geschehen, es könnte also eine intralinguale oder eine interlinguale Mittlung sein bzw. 92 Dagmar Abendroth-Timmer, Katharina Wieland DOI 10.2357/ FLuL-2019-0022 48 (2019) • Heft 2 es könnten im Prozess zahlreiche Elemente des translanguaging auftreten (vgl. V OGEL / G ARCÍA 2017). Sprachmittlung wäre hier im Wesentlichen prozessorientiert zu betrachten und als Unterrichtsverfahren eingesetzt, das der Entwicklung von bilingual literacy dienen soll. Auf die kommunikative Sprachmittlung, wie sie aktuell in Aufgaben 2 des SFU-F zu finden ist, lässt sich das oben beschriebene Modell ebenfalls anwenden, gleichen diese Aufgaben doch denen des fremdsprachlichen Französischunterrichts sehr. Auch diese Form der Sprachmittlung ist ein „inhaltlich motivierter Aushandlungsprozess“ (K ÖNIGS 2015: 32) zum Erreichen des Kommunikationsziels. 2. Entwicklungsperspektiven für Sprachmittlung im SFU-F Für die bisher skizzierten Ausprägungen von Sprachmittlung im SFU-F kann festgehalten werden, dass diese wesentlich komplexer sind als die einfache Aufforderung: „Erklärt das mal jemand auf Deutsch? “ (ID53 3 ). Wenn der Mehrwert von Sprachmittlungsaufgaben für den SFU-F darin liegt, stärker prozessorientiert und im Sinne von mediating concepts zu arbeiten, um bilingual literacy auszubilden, ist danach zu fragen, in welchen Kontexten und mit welchen Aufgabenformaten das konkret realisiert werden kann. Dies soll im Folgenden geschehen. Zugleich wird der Frage nachgegangen, welche Spezifika die Arbeitssprache Französisch in diesen Prozess einbringt. 2.1 Didaktisches Mittel zur Sicherung des sprachlichen Verstehens und zum Erwerb von Fachvokabular (Scaffolding) Hier rücken zunächst die Rezeptions- und die Transformationsphase des Sprachmittlungsprozesses (vgl. W IELAND 2016) in den Mittelpunkt, also die Sicherung des Textverstehens für den Mittler selbst und dessen Anstrengungen, das Verstandene im Geiste sprachlich zusammenzufassen, umzuformulieren oder zu ergänzen. Hierbei ist mit einer vertieften Verarbeitung des Ausgangstextes im Hinblick auf die anstehende Mittlung zu rechnen (vgl. K NAPP 2016: 485f.; vgl. auch H ALL / C OOK 2012). Besonders im Hinblick auf Fachvokabular oder fachliche Konstruktionen bzw. Sprachmuster sind die Lernenden ‚gezwungen‘, von Anfang an über eine adäquate Versprachlichung der Inhalte in der jeweils anderen Sprache nachzudenken. 2 Materialien für den Sachfachunterricht mit der Arbeitssprache Französisch finden sich bei den Lehrbuchverlagen Cornelsen und Klett als „Bilinguale Module” und in Form von wenigen Lehrwerken für den bilingualen Geschichtsbzw. Geographieunterricht, sehen Sprachmittlung aber nicht vor. Online verfügbar gibt es Materialien, die u.a. durch die Arbeitsgemeinschaft der Gymnasien mit deutsch-französischen Zügen (LIBINGUA) bereitgestellt werden. Beispiele für Sprachmittlungsaufgaben verzeichnen die Materialien des Staatsinstitutes für Schulqualität und Bildungsforschung München. 3 Die Fragebögen (vgl. Abschnitt 3) wurden in chronologischer Reihenfolge ihres Eingangs nummeriert. Diese ID-Nummern dienen hier der Anonymisierung. Sprachmittlungsaufgaben im bilingualen Sachfachunterricht Französisch 93 48 (2019) • Heft 2 DOI 10.2357/ FLuL-2019-0022 In einer Studie erheben S CHMELLENTIN et al. (2017: 83f.), dass sich textuelle Verstehensprobleme von Schüler(inne)n im Fachunterricht Biologie zunächst auf die Ebene der (Fach)Wörter und in geringerem Maße auf die Satzebene bezogen. Außerhalb von Fachbegriffen, welche im Rahmen der Sprachmittlung häufig den Einsatz von Recherchestrategien notwendig machen, beziehen sich Verstehensprobleme oft auf Verbbedeutungen, auf komplexe Nebensatzkonstruktionen, hohe Informationsdichte und „uneindeutige Kohäsionsmittel” (ebd.: 86). Hier können im Rahmen der Sprachmittlung Rezeptionsstrategien wie Antizipieren und Inferieren geübt werden. Gleichzeitig kann über Transformationsstrategien wie Paraphrasieren nachgedacht werden (vgl. W IELAND 2016). Im Hinblick auf die fachsprachliche Literalität ist weiterhin neben der Klärung des Fachvokabulars die Auseinandersetzung mit fachlichen Textmustern wichtig (K ATELHÖN 2015; O LESCHKO 2017: 311). Hierzu bieten sich Vergleiche deutscher und französischer Texte, auch nicht linearer an, um spezifische Textmuster der jeweiligen Fachsprache herauszuarbeiten. Dieser Erkenntnisprozess entwickelt sich bestenfalls und durch entsprechende Aufgabenformate gestützt interaktional und führt zu Emergenz. 2.2 Gemeinsame fachlich-inhaltliche Wissenskonstruktion (Emergenz) Der Aspekt der Emergenz scheint zunächst stärker mit der Produktionsphase und mit einer Rückkopplung der Mittlung an den Adressaten verbunden, geht es doch um die Aushandlung von Bedeutung bzw. um Wissenskonstruktion. Gleichwohl hat jede Form der fachlich-inhaltlichen Bedeutungsaushandlung Rückwirkungen auf eine (erneute) Rezeption des Ausgangstextes sowie die Art und Weise, wie dieser im Hinblick auf eine verständliche Darstellung (hier sowohl für Mittler wie Adressaten) transformiert wird. B ONNET / B REIDBACH (2007: 254) verstehen unter Emergenz zum einen ein gegenseitiges Abgleichen von Verständnis (Viabilitätsprüfung), zum anderen die Tatsache, „dass in der Interaktion auch neue Bedeutungen entstehen können, die über die von den Beteiligten mitgebrachten Deutungsmuster hinausgehen” (ebd.). Konstitutiv für die Ko-Konstruktion neuer Erkenntnis durch die Lernenden ist, dass diese sich inhaltlich über die sachfachlichen Konzepte verständigen sowie deren sprachliche Übertragung wahrnehmen und reflektieren oder auch über die prinzipielle Übertragbarkeit der Konzepte von einer (Fach-)Kultur in die andere nachdenken. Ein oft genanntes Beispiel sind Wortpaare wie die Völkerwanderung/ les invasions barbares und die damit verbundenen unterschiedlichen Perspektiven auf das historische Ereignis (vgl. F RANKE 2016: 531). Nützlich kann die ergänzende Arbeit mit sogenannten Spiegeltexten oder Paralleltexten sein, welche das gleiche Thema in der anderen Sprache behandeln. Diese erleichtern zum einen die adäquate Formulierung in der Sprachmittlung, zum anderen liefern sie weitere kulturspezifische Informationen (vgl. L UKOSCHEK / M EURER 2018: 12, 15). Fachspezifische Aufgabenformate der Sprachmittlung, die den Aspekt der Emergenz berücksichtigen, wären beispielsweise Diskussionsrunden, die entweder mehrsprachig angelegt sind und mit Sprachmittlern erfolgen oder zuvor auf Basis ver- 94 Dagmar Abendroth-Timmer, Katharina Wieland DOI 10.2357/ FLuL-2019-0022 48 (2019) • Heft 2 schiedensprachiger Texte vorbereitet wurden. Ein Potenzial für fachliche Emergenz scheint gerade auch in diskontinuierlichen Texten zu liegen, deren visuelle Darstellung zu analysieren und deren Bedeutung erst noch zu versprachlichen ist. Dies führt weiterhin zu generischen Kompetenzen, wenn unterschiedliche fachliche Textformate in den Sprachen einander gegenübergestellt, verglichen und erprobt werden. 3. Ergebnisse einer Online-Befragung von Lehrkräften Im Folgenden gibt der Beitrag einen Einblick in die Sicht von Lehrkräften auf Sprachmittlung im SFU-F. Die Ergebnisse der Befragung sollen an den aufgeworfenen theoretischen Rahmen rückgebunden werden, um Perspektiven für die Weiterentwicklung spezifischer Formate von Sprachmittlung für den SFU-F aufzuzeigen. 3.1 Methodisches Vorgehen Für die Befragung von Lehrkräften zu Sprachmittlung im SFU-F wurde ein Online- Fragebogen erstellt. Darin wurde nach Sprachmittlung im bilingualen Sachfachunterricht und nach Besonderheiten der Arbeitssprache Französisch gefragt. Der Fragebogen wurde mit fünf Personen zunächst in zwei Versionen in einer Paper-and-Pencil- Fassung pilotiert. Die Erprobung der Online-Version erfolgte mit einer weiteren Person. Der Link zum Fragebogen wurde vor allem von der Arbeitsgemeinschaft der Gymnasien mit deutsch-französischen Zügen (LIBINGUA) verschickt, worüber 96 Schulen erreicht wurden. Der Fragebogenrücklauf lag bei einem Brutto-Rücklauf von 76 und einem Netto-Rücklauf von 23 vollständig ausgefüllten Fragebögen. Von diesen 23 Befragten wenden sechs Lehrpersonen Sprachmittlungsaufgaben nach eigenen Angaben im SFU-F nicht an. Dennoch drücken sie ihre Meinung zum Thema aus. Insgesamt bestand der Fragebogen aus 28 Fragen, davon waren die fünf abschließenden Fragen offen gestellt. Auch bei allen geschlossenen Fragen gab es ein optionales Kommentarfeld. 3.2 Ergebnisse Die 23 Personen blicken auf durchschnittlich 11,6 Jahre schulischer Lehrerfahrung im FSU seit Abschluss des Referendariats zurück. Der Durchschnittswert für die Lehrerfahrungen im SFU-F liegt bei den Befragten bei 9,7 Jahren. Fast alle Personen unterrichten an Schulen, an denen bilingualer Unterricht durchgehend in der Sekundarstufe I und II stattfindet. Angaben zum Umfang des Einsatzes von Sprachmittlung im SFU-F reichen von einer Nennung für den wöchentlichen Einsatz über vier Nennungen für die Verwendung einbis zweimal im Monat bis zu drei Nennungen jeweils in den Kategorien selten oder nie. Während Sprachmittlung im FSU von den Befragten vor allem mit Spracherwerb Sprachmittlungsaufgaben im bilingualen Sachfachunterricht Französisch 95 48 (2019) • Heft 2 DOI 10.2357/ FLuL-2019-0022 in Verbindung gebracht wird, ist im SFU-F der Spracherwerb zwar hinsichtlich der Fachsprachlichkeit ein wichtiges Ziel, ebenso aber auch die Sicherung des Textverstehens. Dennoch findet die Sprachmittlung häufiger ins Französische statt. Dieser allgemeine Einblick in die Fragebögen wird nun durch die Auswertung der qualitativen Daten ergänzt. Die Analyse erfolgte anhand einer computergestützten Inhaltsanalyse. 3.2.1 Potenzial und Ziele von Sprachmittlungsaufgaben Als Ziele von Sprachmittlung im SFU-F werden die Entwicklung des Fachvokabulars und die Verstehenssicherung mit Schwerpunkt auf inhaltlich-sachfachlichen Zielen gesehen (ID9; 10; 17; 24; 27; 41; 66; 74). Mit Sprachmittlung soll auch auf den rein fremdsprachlichen „bilingualen“ Unterricht in der Oberstufe vorbereitet werden (ID31; 76; 77). Demgemäß verwundert nicht, wenn einige Befragte Sprachmittlung gar nicht einsetzen, u.a. mit dem Hinweis auf die gute französischsprachige Materiallage (ID44). Andere Lehrkräfte (ID17; 33; 69; 74) nutzen Sprachmittlung hingegen, um gerade einem Materialmangel entgegenzuwirken. Es wird als zeitökonomisch betrachtet, einen deutschen Film oder Text einzusetzen und ihn dann auf Französisch zu besprechen (ID74). In diesem Zusammenhang wird die Authentizität des Materials als positiv und motivierend bewertet (ID9; 61). Zugleich wird auf die Fachspezifik der verwendeten Textgenres aufmerksam gemacht und auf den Umstand, dass diskontinuierliche Texte sich vermeintlich nicht für Sprachmittlungsaufgaben eignen: Im modernen Erdkundeunterricht sollten so wenig Texte wie möglich behandelt werden und stattdessen nicht-lineare Texte wie Karten, Diagramme oder Tabellen im Vordergrund stehen. Insofern bietet sich eine Sprachmittlung nicht immer an (ID74). Bezüglich der Eignung von Sprachmittlungsaufgaben werden weitere kritische Stimmen deutlich, da übliche kommunikative Sprachmittlungsaufgaben zeitaufwändig (ID61) und nicht zur Heranführung an die Fachsprachlichkeit des SFU-F in der Oberstufe geeignet seien (ID24). Jedoch sieht die gleiche Person in der Sprachmittlung auch einen Vorteil, da der Unterricht neue Impulse bekomme und mit den kreativen Aufgaben in der Oberstufe auch interkulturelle Kompetenzen angebahnt werden könnten (ID24). Zudem wird positiv hervorgehoben, dass Sprachmittlungsaufgaben durch die mehrfache Verarbeitung der Inhalte im Lösungsprozess zu einem tieferen und nachhaltigeren Verstehen und Vernetzen der Inhalte einerseits und zum Erwerb einer doppelten Sachfachsprachlichkeit andererseits beitragen (ID27; 31; 65; 66; 77). 3.2.2 Kriterien für die Erstellung von Sprachmittlungsaufgaben Neun der befragten Lehrpersonen geben an, dass sie Sprachmittlungsaufgaben selbst erstellen (ID9; 24; 31; 41; 49; 53; 74; 76; 77). Dies wird teils mit der geringen Passung der deutschen und französischen Lehrpläne begründet (ID74). Die Materialien ent- 96 Dagmar Abendroth-Timmer, Katharina Wieland DOI 10.2357/ FLuL-2019-0022 48 (2019) • Heft 2 stammen deutschen oder französischen Lehrbüchern oder Printbzw. Online-Quellen. Drei Personen geben an, dass sie keine Materialien selbst erstellen, dies auch mit dem Argument der erforderlichen Authentizität (ID33; 61; 69). Die Auswahl der Materialien folgt weiterhin dem Kriterium der sachfachlichen Ziele (ID17; 41; 49) sowie inhaltlicher Passung für die Lernenden mit dem Ziel der Motivierung (ID24). Zudem geht eine Lehrperson davon aus, dass nur das Übertragen ins Französische im SFU-F inhaltlich von Gewinn für die Lernenden und zudem zeitökonomisch sei (ID66). Als letztes Auswahlkriterium werden die Möglichkeit des Erwerbs von Kompensationsstrategien (ID9; 27) sowie das notwendige Scaffolding genannt (ID76). 3.2.3 Beispiele für Sprachmittlungsaufgaben Unterschiedliche Auffassungen von Sprachmittlung spiegeln sich in den von den Befragten gelieferten Aufgabenbeispielen wider. Sprachmittlung kommt bisweilen zum Tragen, wenn kein geeignetes französisches Material zu finden ist oder wird als Einstieg in ein als schwierig eingestuftes Thema verwendet, um das thematische Verstehen zu sichern (ID10; 17). Die in der Umfrage erwähnten Formate zeigen, dass Lehrkräfte ihre Aufgaben variantenreich und kompetent vor dem Hintergrund sachfachlicher Ziele gestalten. Es werden dabei auch zweisprachige Aufgaben eingesetzt, die der Verstehenssicherung dienen und eher Teilkompetenzen von Sprachmittlung (vgl. C ASPARI 2013; E UROPARAT 2018: 107-114) trainieren. Hierzu zählen Zusammenfassungen (ID33; 49) oder das Ausfüllen eines Lückentextes auf Französisch nach dem Anschauen eines Filmes auf Deutsch (ID69). Ein Aufgabenformat ist auch die Reiseberatung eines Freundes in ein Katastrophengebiet (ID9). Diese Beratung soll laut Angabe der befragten Lehrperson ohne Textvorlage aus dem offensichtlich zuvor vermittelten Wissen der Lernenden heraus geschehen und dadurch „die Fachsprache […] in tägliche Situationen einbetten“. Im Sinne eines „mentalen Sprachmittelns“ (vgl. K ÖNIGS 2015: 37) muss hier das auf Deutsch und/ oder Französisch erworbene Wissen mental sortiert und eventuell reduziert werden, um es dann im Französischen zu formulieren. Auch das Kommentieren eines Videos (ohne Ton) auf Deutsch, nachdem die Erarbeitung des Themas Vulkanausbrüche im Unterricht auf Französisch stattgefunden hat (ID24), basiert eher auf dem Vorwissen der Lernenden. Bei beiden Beispielen fällt die Abgrenzung zur eigenständigen Sprachproduktion schwer und es kann diskutiert werden, ob das Format überhaupt unter Sprachmittlung gefasst werden sollte. Sprachmittlungsaufgaben mit kommunikativer Prägung, wie sie aus dem FSU bekannt sind, finden sich in den Beispielen an zwei Stellen: • einem französischen Freund einen sachfachspezifischen deutschen Sachverhalt erklären (ID27; 31; 66); • eine Presseschau für eine französische Zielgruppe erstellen, z.B. Verarbeitung von ausgewählten deutschen Medienberichten und Interviews zu einem sachfachspezifischen Thema (ID 53). Sprachmittlungsaufgaben im bilingualen Sachfachunterricht Französisch 97 48 (2019) • Heft 2 DOI 10.2357/ FLuL-2019-0022 Daneben finden sich Beispiele, welche die vertiefte inhaltliche und sprachliche Auseinandersetzung mit Themen und den Prozesscharakter von Sprachmittlung fokussieren. So gibt eine Lehrkraft an, mit bewertenden Textvergleichen zu arbeiten (ID74). Eine weitere Lehrkraft schreibt: Besonders oft in der Sek. I gebe ich den SuS kurze Quellenauszüge auf Frz. mit Vokabelhilfen und frage eng geleitet inhaltliche Aspekte zumeist ebenfalls auf Frz. ab. In einem zweiten Schritt werden Aussageintention und Bezüge auf Dt. abgefragt. Ein Urteil wird komplett auf Dt. erbeten. Erst später in derselben Reihe gebe ich dann markierte Texte auf Frz., deren Inhalte auf Dt. neu zu strukturieren sind (ID76). 3.2.4 Besonderheit der Arbeitssprache Französisch Insgesamt äußern sich nur 11 Lehrkräfte zur Frage, ob durch die Arbeitssprache Französisch (im Vergleich zum Englischen) Besonderheiten im bilingualen Sachfachunterricht und hier im Bereich Sprachmittlung entstehen. Als spezifisch und gleichzeitig problematisch wird die Arbeitssprache Französisch wegen ihrer höheren Komplexität angesehen, so dass mehr Zeit für die Spracherwerbsarbeit vor dem und im bilingualen Sachfachunterricht investiert werden müsse (ID 24; 53; 61; 69). Eine weitere Besonderheit der Arbeitssprache Französisch wird auf der interkulturellen Ebene vermutet, nämlich in der sprach- und kulturvergleichenden Auseinandersetzung mit Fachbegriffen und kulturellen Konzepten (ID 49; ID77). Durch den Fokus auf deutsch-französische Beziehungen im Unterricht würden diese selbst gefestigt (ID27). Hierin könnte ein Alleinstellungsmerkmal des SFU-F liegen, welches aber eine Fokussierung auf Frankreich und weniger auf die Gesamtheit der Frankophonie vermuten lässt. Auf methodischer Ebene äußert eine Lehrkraft, dass über die Verwendung authentischer Materialien auch die französische Unterrichtsmethodik einbezogen werde, d.h. unterrichtliche Vorgehensweisen durch das Material nahegelegt werden (ID65) und französische Lehrwerke für das jeweilige Sachfach verwendet werden. Die genannten Besonderheiten scheinen mitunter auch im späteren Einsetzen des regulären Französischunterrichts (im Vergleich zum Englischen) als Vorbereitung auf den SFU-F zu liegen. Im bilingualen Unterricht stellen sich dann sprachliche Herausforderungen für Lernende und Lehrende, denen evtl. durch das Einbeziehen der deutschen Sprache im Rahmen von Sprachmittlung angemessen begegnet werden könnte. 3.3 Zusammenfassung der Ergebnisse In der Zusammenschau der Daten zeigt sich, dass die Entwicklung von Fachsprachlichkeit ein wichtiges Ziel von Sprachmittlung für die befragten Lehrkräfte darstellt. Im Fokus des SFU-F steht für die Lehrkräfte zu Recht das sachfachliche Lernen, das durch Sprachmittlung als Sicherung des Textverstehens gewährleistet werden kann. Da von den befragten Lehrkräften Sprachmittlung in einem fremdsprachendidaktischen Verständnis gesehen wird, erachten manche diese als zu zeitaufwändig für den 98 Dagmar Abendroth-Timmer, Katharina Wieland DOI 10.2357/ FLuL-2019-0022 48 (2019) • Heft 2 Sachfachunterricht. Von vielen wird aber auch die interkulturelle Zieldimension geschätzt. Aus den qualitativen Daten lässt sich schließen, dass einige Lehrkräfte Sprachmittlung zwar im SFU-F einsetzen und interessante Aufgabenstellungen konzipieren, insgesamt aber bei der Mehrzahl der befragten Lehrkräfte ein recht enger Blick auf Sprachmittlung vorliegt. Sprachmittlung geht relativ selten über die reine Verstehenssicherung im Sinne von Wort- oder Satzübersetzungen bzw. Textzusammenfassungen in der anderen Sprache hinaus, wird also von den Lehrkräften als eine Art Scaffolding verstanden. Weiterhin werden von den Lehrkräften kommunikative Sprachmittlungsaufgaben zu einer sachfachlichen Thematik eingesetzt. Eine weite Auffassung von Sprachmittlung, wie sie z.B. der GER (E UROPARAT 2001 und 2018) zugrunde legt, wird eher nicht vertreten. Dies wird u.a. daran deutlich, dass nicht-lineare Texte als ungeeignet für Sprachmittlung dargestellt werden (ID74). Sprachmittlung wird von den befragten Lehrkräften immer wieder als Möglichkeit betrachtet, die Fachinhalte tiefer zu durchdringen und doppelte Fachsprachlichkeit zu entwickeln. Dies setzt zugleich voraus, dass die Lernenden die Sprachmittlung ebenfalls als sinnträchtig und motivierend erachten, ein Aspekt, der auch von den Lehrkräften erwähnt wurde (vgl. hierzu auch L UKOSCHEK / M EURER 2018: 14). In der Befragung wird jedoch an keiner Stelle das Potenzial der gemeinsamen Bedeutungsaushandlung durch die Lernenden in Betracht gezogen. Die Perspektive auf Sprachmittlung für den bilingualen Sachfachunterricht in diesem Punkt zu erweitern, erscheint uns als ein wichtiges Anliegen, da gerade eine dialogische Ko-Konstruktion von Wissen durch den sprachlichen Wechsel ein besonderes Potenzial von Sprachmittlung im SFU-F bergen kann. 4. Ausblick Sprachmittlung im bilingualen Sachfachunterricht ist ein interdisziplinär noch zu entwickelnder Themenkomplex. Im vorliegenden Beitrag konnte nur aus fremdsprachendidaktischer Sicht argumentiert werden, zur konzeptuellen Weiterentwicklung wäre jedoch eine breite Diskussion mit den Sachfachdidaktiken wichtig. Diese könnte anschließen an Überlegungen zum sprachsensiblen Fachunterricht, welcher unter Berücksichtigung der (mehrsprachigen) Sprachkompetenzen der Lernenden gerade die Differenz von Alltags-, Unterrichts- und Fachkommunikation sowie die fachliche Symbolsprache in den Blick nimmt. Es wäre die Frage zu bearbeiten, welche Unterstützungsmaßnahmen Lehrende über einen differenzierenden Sprachgebrauch und diversifizierende Darstellungsformen den Schülerinnen und Schülern zum besseren Verstehen der fachlichen Inhalte bieten können. Hier liegen große Überschneidungen zur Diskussion über den bilingualen Unterricht vor, insbesondere beim Konzept der bilingual literacy, wenn es um die Entwicklung generischer Kompetenzen in mindestens zwei Sprachen geht. Bezogen auf fachsprachliches Handeln benennt L EISEN (2018: 11) unter anderem die Register „handlungsbegleitendes Sprechen” und „hand- Sprachmittlungsaufgaben im bilingualen Sachfachunterricht Französisch 99 48 (2019) • Heft 2 DOI 10.2357/ FLuL-2019-0022 lungsberichtendes Sprechen”, die ein Potenzial für spezifische Formate der Sprachmittlung im bilingualen Sachfachunterricht bergen. Ferner gibt es Anschlussmöglichkeiten an das Konzept des translanguaging. Dieses basiert auf der Vorstellung, dass das mehrsprachige Individuum über ein sprachübergreifendes sprachliches/ sprachstrategisches Repertoire verfügt, aus dem es erforderliche Strukturen je nach Kontext auswählt. Aufgabe des schulischen Unterrichts wäre es in diesem Sinne, den flexiblen Umgang mit dem jeweils lerner- und lehrerseits verfügbaren sprachlichen (und medial wie symbolischen) Repertoire anzustoßen und hierüber individuelle und kommunikativ-interaktionale Bedeutungskonstruktion und Bedeutungsvermittlung zu ermöglichen (vgl. G ARCÍA / W EI 2015: 233; V OGEL / G AR - CÍA 2017). Der SFU-F kann hierzu durch eine mindestens zweisprachige Beschäftigung der Lernenden mit fachlichen Konzepten beitragen (vgl. R YMARCZYK 2012: 118f.). Im Vergleich zum fremdsprachlichen Französischunterricht, in welchem Sprachmittlung gemäß den Rahmenvorgaben der bundesdeutschen Lehrpläne nur interlingual vorkommt, könnte im SFU-F unseres Erachtens ein Mehrwert von Sprachmittlung aber auch in der intralingualen Ausprägung liegen, im Sinn einer diskursiven (Re-)Konstruktion von Konzepten u.Ä. (vgl. E UROPARAT 2018: 103f.; siehe 1.2) und der Initiierung von Emergenz. Sowohl sprachliche Entlastung (zugunsten der Stärkung anderer Strategien) als auch der Fokus auf Bedeutungsaushandlung sind ebenso wichtig, wie translanguaging zu ermöglichen. Weiterhin sind empirische Studien erforderlich, welche sprachlich-inhaltliche Aushandlungsprozesse mit vergleichendem Bezug auf die Arbeitssprachen Deutsch und Französisch analysieren. Forschungsthemen können unter anderem sein: spezifische Modellierung von Sprachmittlung im Kontext des bilingualen Sachfachunterrichts, Ein- und Mehrsprachigkeit im bilingualen Sachfachunterricht, auch im Sinne von translanguaging sowie einzelfachspezifische Aufgabenformate und damit verbundene Lern- und Lehrprozesse. Literatur A BENDROTH -T IMMER , Dagmar (2016): „Sprachmittlung zwischen Renaissance und Innovation? “. In: H ARDY / H ERLING / S ÄLZER (Hrsg.), 491-517. A BENDROTH -T IMMER , Dagmar / P LIKAT , Jochen (2017): „Sprachmittlung − Warum gute Praxis gute Theorie braucht“. In: Hispanorama 155, 10-16. 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