Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
10.2357/FLuL-2019-0027
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Gnutzmann Küster SchrammUlrike EDER, Friederike KLIPPEL (Hrsg.): Sprachenunterricht im Kontext gesellschaftlicher und politischer Ereignisse und Entwicklungen. Historische Vignetten. Münster: Waxmann 2017 (Münchener Arbeiten zur Fremdsprachenforschung, Bd. 36), 201 Seiten [39,90 €]
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2019
Anke Wegner
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128 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel DOI 10.2357/ FLuL-2019-0027 48 (2019) • Heft 2 Fazit: Der Band ist insbesondere für (angehende) Lehrer(innen), aber auch für Sprachdidaktiker(innen) und Erziehungswissenschaftler(innen) lesenswert. Die Beiträge sind sprachlich allesamt gut lesbar und inhaltlich inspirierend - zeigen sie doch, dass eine Binnendifferenzierung in der Praxis ebenso möglich ist wie die Umsetzung mehrsprachigkeitsdidaktischer Ansätze - und das auch bzw. gerade in Sprachlernklassen und mit DaZ-Schüler(inne)n. Eventuell hätte die Fokussierung auf die unterrichtspraktische Umsetzung (und eben nicht auf die Beforschung unterrichtlicher Praxis) für potenzielle Käufer(innen) bzw. Leser(innen) bereits über einen entsprechend gewählten Untertitel auf dem Buchcover deutlich gemacht werden können. Passau J ULIA R ICART B REDE Ulrike E DER , Friederike K LIPPEL (Hrsg.): Sprachenunterricht im Kontext gesellschaftlicher und politischer Ereignisse und Entwicklungen. Historische Vignetten. Münster: Waxmann 2017 (Münchener Arbeiten zur Fremdsprachenforschung, Bd. 36), 201 Seiten [39,90 €] Der hier vorgestellte Sammelband geht auf die Arbeit der historischen Sektion während des 26. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Fremdsprachenforschung im Jahr 2015 in Ludwigsburg zurück. Er greift einen bislang weitgehend vernachlässigten Fokus der historischen Forschung zum Fremdsprachenunterricht auf, indem er primär gesellschaftliche, wirtschaftliche, technische und politische Kontexte, die das Lehren und Lernen von Fremdsprachen bedingen, sowie die Motive von Einzelnen und Gruppen, Fremdsprachen zu lernen, thematisiert. Die vorliegenden Vignetten historischer Forschung zum Fremdsprachenlehren und -lernen zeigen eingängig, dass es lohnt, sich mit der Vielfalt historischer Kontexte des Sprachenlernens in der Welt zu befassen und auf diese Weise auch in ihren Konstanten und Brüchen die gesellschaftliche Bedingtheit des Sprachenlernens nachzuvollziehen. Der Sammelband enthält Beiträge, die sich auf die Zeit vom 16. bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts beziehen und sowohl spezifische Einblicke in die (institutionalisierte) Fremdsprachenvermittlung als auch breitere, sprachen- und länderübergreifende Analysen zu individuellen Motiven und gesellschaftlichen Bedingungen und Herausforderungen bieten. Annette H ASENEDER zeigt in ihrem Beitrag Grundzüge der Mobilität und des Fremdsprachenlernens im Europa der frühen Neuzeit auf. Zunächst skizziert sie die international durch Konflikte geprägte Lage im Europa des 16. Jahrhunderts sowie die Bedeutung von Exil und Migration in dieser Zeit. Im Mittelpunkt des Beitrags stehen die Analyse zum Fremdsprachenlernen in England sowie Einblicke in den Englischunterricht im Exil, etwa in den Schulen der Mary Ward. Die Autorin macht deutlich, dass die Frühe Neuzeit im Kontext des kulturellen Wandels und der Migration eine europaweite Neubewertung der modernen Fremdsprachen mit sich brachte. Walter K UHFUSS stellt in seinem Beitrag Französischunterricht für Reisen in Kriegs- und Friedenszeiten vor, wie ihn der Straßburger Sprachlehrer Daniel Martin während des Dreißigjährigen Krieges konzipierte. Der Autor zeigt auf, dass ein von Martin herausgegebenes Gesprächsbuch nicht nur das sprachliche und landeskundliche Rüstzeug für den Aufenthalt in Straßburg, für die Reise ins französischsprachige Ausland sowie für eine Vielzahl von Berufen bot. Es war zudem dem Militär und für die Kriegsführung nützlich, diente zugleich aber auch als Grundlage einer kritischen Diskussion des Krieges und der professionellen Reflexion über das Handeln als Sprachlehrer und gesellschaftliche Aufgaben des Unterrichts. Stefan Michael N EWERKLA beschreibt die Entstehungsgeschichte des institutionalisierten Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 129 48 (2019) • Heft 2 DOI 10.2357/ FLuL-2019-0027 Fremdsprachenunterrichts im Wien der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. N EWERKLA erläutert dabei die spezifische Motivation zur Einführung des modernen Fremdsprachenunterrichts und die Sprachenwahl in Wien und Wiener Neustadt mit Blick auf die im Habsburgischen gesprochenen Sprachen. Die Vorrangstellung des Tschechischen etwa, so N EWERKLA , ist diesbezüglich wesentlich durch rationalistischen Pragmatismus und Utilitarismus und durch einen staatspolitischen Zentralismus der agierenden Regierungen geprägt. Ulrike E DER schließt hieran an und gibt einen Einblick in die Vermittlung des Deutschen als Zweitsprache im elementaren und sekundären Bildungsbereich Böhmens unter der Herrschaft Maria Theresias und Josephs II. Dabei wird ersichtlich, wie sich das Deutsche als Zweitsprache, mehr noch als Unterrichtssprache in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts an Gymnasien in Böhmen entwickelt und wie zugleich das Tschechische als Unterrichtssprache in Böhmen verdrängt wurde. Gleichwohl kann davon ausgegangen werden, so die Autorin, dass die tschechische Sprache nicht ganz aus den Gymnasien verschwand. Marina A NDRAZASHVILI befasst sich in ihrem Beitrag mit dem Deutschunterricht in Georgien von den Anfängen bis zur Sowjetzeit. Sie skizziert dabei, welche Relevanz den Nachbarsprachen (wie Armenisch Türkisch, Persisch, Aserbaidschanisch) als alltägliche, kommunikativen Zwecken dienende Sprachen und den Sprachen des Westens (wie Französisch, Italienisch, Deutsch) als Sprachen kultureller Bedeutung in je spezifischen kultur- und sprachenpolitischen Kontexten zugeordnet wurden. So spielte nach A NDRAZASHVILI etwa die deutsche Sprache als „Kultursprache“ durchaus eine Rolle, was sich erst in der Zeit des zaristischen Regimes bis zur vorsowjetischen Zeit änderte. Ekaterina S HAVERDASHVILI knüpft an den vorgenannten Beitrag an. Sie befasst sich mit der Vermittlung des Deutschen als Fremdsprache in Sowjetgeorgien von 1921 bis in die 1980er Jahre und fasst die zentralen methodischen Entwicklungen, aber auch inhaltliche Aspekte des Deutsch als Fremdsprache-Unterrichts zusammen. Die Autorin konzentriert sich dabei auf drei zentrale Reformphasen in den 1930er, 1960er und 1980er Jahren und hebt hervor, dass die Zeit der Perestroika letztlich eine Fokussierung auf pragmatische Ziele des Fremdsprachenunterrichts einleitet. Tim G IESLER thematisiert in seinem Beitrag norddeutsche Englischlehrerbiographien im 19. Jahrhundert. Dabei rekonstruiert er, wie drei Generationen von Englischlehrern aufgrund ihrer Berufsbiographie den Unterricht an Bremer Schulen spezifisch prägen, aber auch Reformen etwa der Lehrerbildung den Englischunterricht verändern. Der Autor legt dar, dass Englisch an der Bürgerschule in Bremen als erste Fremdsprache unterrichtet wurde und gerade in der Handelsstadt mit Verbindungen in alle Welt das Ziel der Befähigung zur Kommunikation in Alltag und Beruf / Handel im Mittelpunkt stand, was sich erst mit der Angliederung Bremens an den Norddeutschen Bund und eine Neuausrichtung des Unterrichts durch Lehrpersonen, die das preußische Ausbildungswesen durchlaufen hatten, änderte. Marlis S CHLEICH fasst die Anfänge des internationalen Schüleraustauschs an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert zusammen und legt dar, wie dieser erstmals systematisch organisiert wurde. S CHLEICH zeichnet nach, dass insbesondere der Wandel in Verkehr und Tourismus, bedingt durch die Entwicklung des europäischen Bahnnetzes, aber auch das mit der neusprachlichen Reform und der Friedensbewegung einhergehenden Ziel der Völkerverständigung diesem systematischen Ausbau Vorschub leisteten. Sie präsentiert die historische Entwicklung des Schülerbriefwechsels und des internationalen Schüleraustauschs, der durch den Beginn des Ersten Weltkrieges jedoch zunächst ein Ende fand. Camilla B ADSTÜBNER -K IZIK gibt einen Einblick in Lehrwerke des Deutschen als Fremdsprache bzw. in Selbstlernwerke des Polnischen für deutschsprachige Verwalter in den polnischsprachigen, aber auch in den deutschsprachigen Gebieten. Die Autorin legt die komplexen 130 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel DOI 10.2357/ FLuL-2019-0028 48 (2019) • Heft 2 Zusammenhänge sprachlicher, wirtschaftlicher und politischer Entwicklungen dar. Sie zeigt am Beispiel von Lehrwerken, Selbstlernwerken und Gesprächsbüchern aus der Zeit zwischen 1903 und 1940, in welcher Weise in diesen Publikationen Machtpositionen des Deutschen gegenüber der polnischen Sprache, insbesondere der deutschsprachigen Verwalter gegenüber den polnischsprachigen Landarbeitern und Gefangenen, fixiert werden. Dorottya R UISZ befasst sich mit der Frage, inwiefern der Fremdsprachenunterricht der Nachkriegszeit seitens US-amerikanischer Neusprachler als Vehikel für Demokratieerziehung und Völkerverständigung gesehen wurde. Artikel des Modern Language Journal der Jahre 1944 bis 1950 zeigen, dass nur wenige Texte sich mit Fragen der Demokratieerziehung befassen, weithin aber Aspekte der internationalen Völkerverständigung und des Weltfriedens thematisiert wurden. Zugleich legt die Autorin dar, dass im Rahmen der reeducation im Deutschland der Nachkriegszeit andere Schwerpunkte gesetzt wurden und ein direktes Propagieren von Zielen und Inhalten nicht dem Anspruch der Entwicklung einer Demokratie entsprach. Meike H ETHEY schließt den Band mit ihrem Beitrag zum Stellenwert der Literatur im westdeutschen Französischunterricht der 1950er Jahre ab. Den Bogen spannend vom Richert´schen Kulturkonzept der 1920er Jahre bis zu Adolf Bohlens Entwurf eines Modernen Humanismus im Jahr 1959 analysiert H ELTHEY Lehrwerke und Lesebücher der 1950er Jahre. Diese zeigen, dass der Französischunterricht vorrangig auf die hohe kulturelle Bedeutung der Literatur und das Kennenlernen der anderen Nationalkultur abhob. Darüber hinaus aber stellen die Lehrwerke und gerade auch die Auseinandersetzung mit literarischen Texten einen Beitrag dazu dar, die Aussöhnung mit dem Erbfeind, die Verständigung der Nachbarn nach dem Zweiten Weltkrieg, den dauerhaften Frieden und das Zusammenwachsen Europas voranzutreiben. Fazit: Die in diesem Band gesammelten Vignetten verweisen auf je spezifische Weise auf die komplexen Verflechtungen gesellschaftlicher, politischer, ökonomischer und technischer Entwicklungen mit sprachenpolitischen Entscheidungen, sprachdidaktischen Innovationen und Rückschritten sowie individuellen (Sprachlern-)Biographien und Aspirationen. Es greift zu kurz, die Geschichte des Fremdsprachenunterrichts auf die Analyse theoretischer Konzepte oder praktischer Überlegungen zur Unterrichtspraxis zu beschränken. Der Sammelband veranschaulicht vielmehr in frappierender Weise die Bedeutung der Sprachen für den Einzelnen, für Gruppen und Gesellschaften im Ganzen; und er zeigt exemplarisch, dass der Fremdsprachenunterricht gerade mit Blick auf je vorfindliche gesellschaftliche Bedingungen und Herausforderungen konsequent und in diachroner und synchroner Perspektive weiterhin zu erforschen ist. Trier A NKE W EGNER Engelbert T HALER (Hrsg.): Singer-Songwriters. Music and Poetry in Language Teaching. Tübingen: Narr/ Francke/ Attempto 2018 (Studies in English Language Teaching, Volume 4), 206 Seiten [39,00 €] Neben der Wahl Donald Trumps zum 45. Präsidenten der USA hat im Jahr 2016 sicherlich auch diese Nachricht weltweit für große Aufmerksamkeit gesorgt: Bob Dylan - der Vertreter des nordamerikanischen Liedermacher-Genres und Vorbild für deutsche Klangpoeten wie Wecker, Wader oder Biermann - gewinnt den Literaturnobelpreis für „seine poetischen Neuschöpfungen in der großen amerikanischen Songtradition“ (dt. Übersetzung der englischen Pressemitteilung Svenska Academien 13.10.2016). Im Gegensatz zum Erhalt des Nobelpreises ist die unmittelbare Bedeutung Dylans für und seine Wirkung auf das Singer-Songwriter-Genre unbe-