Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
10.2357/FLuL-2019-0030
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Gnutzmann Küster SchrammBianca ROTERS, David GERLACH, Susanne EßER (Hrsg.): Inklusiver Englischunterricht. Impulse zur Unterrichtsentwicklung aus fachdidaktischer und sonderpädagogischer Perspektive. Münster: Waxmann 2018, 216 Seiten [27,90 €]
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Karin Vogt
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Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 135 48 (2019) • Heft 2 DOI 10.2357/ FLuL-2019-0030 sollte auch nicht unerwähnt bleiben, dass ein durchaus erheblicher Anteil von Kindern und Jugendlichen Computerspielen nichts oder nur wenig abgewinnen kann. Dennoch wird es Aufgabe der Fremdsprachendidaktik (neben vielen weiteren Disziplinen) sein, digital literacy als eine umfassende Kernkompetenz der nächsten Generationen zu begreifen, in die video game literacy als ein Bestandteil mit einfließt. Bochum M ARKUS R ITTER Bianca R OTERS , David G ERLACH , Susanne E ßER (Hrsg.): Inklusiver Englischunterricht. Impulse zur Unterrichtsentwicklung aus fachdidaktischer und sonderpädagogischer Perspektive. Münster: Waxmann 2018, 216 Seiten [27,90 €] Erst in den letzten Jahren ist in der Fremdsprachendidaktik die Diskussion zu Fragen der Inklusion im Fremdsprachenunterricht in das Zentrum der Aufmerksamkeit getreten, haben doch zuvor allgemeindidaktische oder sonderpädagogische Beiträge die Diskussion dominiert. Erste konzeptionelle englischdidaktische Arbeiten sowie die zunehmende Anzahl von empirischen Arbeiten zum inklusiven Englischunterricht verlagern den Schwerpunkt der Diskussion zugunsten von mehr Fachlichkeit. Der vorliegende Sammelband stellt einen Beitrag zu dieser Diskussion dar, indem er Beiträge von Praktiker/ innen, Lehrerausbildner/ innen und Wissenschaftler/ innen sowohl aus dem deutschsprachigen Kontext als auch international (USA) zusammenbringt. Der Band erschien in der Reihe „Beiträge zur Schulentwicklung“, die herausgegeben wird von der Qualitäts- und UnterstützungsAgentur - Landesinstitut für Schule (QUA- LiS) des Landes Nordrhein-Westfalen. Er gliedert sich neben einem einleitenden Beitrag in Prinzipien und Leitlinien, Umsetzungsmöglichkeiten und Anwendungskontexte inklusiven Englischunterrichts, inklusiven Englischunterricht und Lehrerbildung sowie internationale Perspektiven des Themas. In ihrem einleitenden Beitrag unterstreichen die Herausgeber/ innen Susanne E ßER , David G ERLACH und Bianca R OTERS die Verknüpfung von Fremdsprachendidaktik und Sonderpädagogik als Voraussetzung für die konzeptionelle Weiterentwicklung eines inklusiven Englischunterrichts, die der Band leisten soll. Ausgehend von einem eher engen, auf sonderpädagogischem Förderbedarf fußenden Inklusionsbegriff entwickeln die Autor/ innen basierend auf Qualitätsmerkmalen inklusiven Unterrichts ein Unterrichtsentwicklungsmodell für zieldifferentes Lernen im inklusiven Fachunterricht, das sowohl differenzierende Aufgabengestaltung als auch eine entwicklungsfördernde Lernumgebung seitens der Unterrichtsplanung berücksichtigt. Aufbauend auf dem Prinzip der Aufgabenorientierung stellen sie im Anschluss ein Unterrichtsplanungsmodell für den inklusiven Englischunterricht vor, das die oben ausgeführten Kompetenzen und Entwicklungschancen innerhalb eines Lernaufgaben-Planungsmodells aufgreift und weiterentwickelt. Die anschließende Vorstellung der einzelnen Beiträge des Sammelbandes fällt vergleichsweise knapp aus und hätte ggf. in einem separaten einleitenden Kapitel besser gepasst. Carolyn B LUME , Christina K IELWEIN und Torben S CHMIDT befassen sich in ihrem Beitrag mit Potenzialen und Grenzen von Task-based Language Teaching in einem inklusiven Unterricht mit Lernenden mit Lernbesonderheiten. Sie diskutieren die potenziellen Vorteile des aufgabenorientierten Ansatzes für einen individualisierenden Fremdsprachenunterricht sowie die Herausforderungen für Lernende mit metakognitiven, kognitiven und interaktionalen Schwierigkeiten und beschreiben jeweils die Auswirkungen auf diese Lernenden, bevor sie Entwick- 136 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel DOI 10.2357/ FLuL-2019-0030 48 (2019) • Heft 2 lungs- und Forschungsperspektiven für inklusives aufgabenorientiertes Fremdsprachenlernen formulieren. Natascha S TAHL -M ORABITO befasst sich im zweiten Beitrag des Abschnitts „Prinzipien und Leitlinien“ mit dem zieldifferenten Lernen im inklusiven Englischunterricht insbesondere für Lernende mit den Förderschwerpunkten Lernen und Geistige Entwicklung. Ausgehend vom Ziel der „persönlichen Exzellenz“ und mit hilfreichen Beispielen diskutiert sie für den zieldifferenten Englischunterricht die Rolle der Diagnose sprachlicher Lernstände und einer darauf aufbauenden Förderung, die Stellung des Classroom Discourse, den Einsatz von Schriftsprache sowie Üben im und außerhalb des Unterrichts. Sie stellt diverse Unterrichtsformate auf dem Weg zu Lernaufgaben mit ihrem Potenzial für zieldifferentes Lernen vor, bevor sie die Wichtigkeit von Teamarbeit auf unterschiedlichen Ebenen betont. Die Umsetzungsmöglichkeiten und Anwendungskontexte inklusiven Englischunterrichts nehmen die Beiträge von Janna B UCK , Vera W INDMÜLLER -J ESSE und Marco T ALARICO sowie Jan S PRINGOB in den Blick. Janna B UCK identifiziert in ihrem Beitrag dramapädagogische Methoden als eine Möglichkeit, Individualisierung und inhaltliche Gemeinsamkeit im inklusiven Englischunterricht zu vereinbaren. Sie hebt das Potenzial dramapädagogischer Methoden für die Gestaltung von Lernprozessen im inklusiven Englischunterricht hervor. Sie kommt zu dem Schluss, dass Lernenden im inklusiven Englischunterricht auf Grund der holistischen Herangehensweise von dramapädagogischen Methoden individuelle Zugangsebenen im Sinne eines Frei- und Experimentalraumes jenseits rein kognitiver Auseinandersetzung mit Themen und Inhalten ermöglicht werden, dem jedoch die hohen Anforderungen an Lernende auf kognitiver, physischer und sozialer Ebene entgegen stehen. Die Chancen und Möglichkeiten digitaler Mediennutzung für den inklusiven Englischunterricht zeigen Vera W INDMÜLLER -J ESSE und Marco T ALARICO in ihrem Beitrag auf, wobei sie als übergeordnetes Ziel die Teilhabe an der digitalen Gesellschaft formulieren. Neben einer Diskussion des „Mehrwerts“ digitaler Medien für den Unterricht im Allgemeinen und den inklusiven Englischunterricht im Besonderen stellen sie die Vorteile von Bring Your Own Device (BYOD) zur Unterstützung individualisierten Lernens dar, die sie an dem Beispiel einer digital eingebetteten und individualisierenden Lernaufgabe, einem Explainity-Clip zur persönlichen Vorstellung für den Beginn der Klasse 5, ausführen. Jan S PRINGOB beantwortet in seinem Beitrag basierend auf den Erfahrungen und Ergebnissen einer empirischen Studie die Frage, ob an einer leistungs- und selektionsorientierten Schulform wie dem Gymnasium Lernende mit sonderpädagogischem Förderbedarf und solche mit einer gymnasialen Empfehlung integriert und alle adäquat gefördert werden können. S PRINGOB zeichnet am Beispiel des Geschwister-Scholl-Gymnasiums in Pulheim bei Köln die Chancen und Herausforderungen auf rechtlich-systemischer und auch fachdidaktisch-inhaltlicher Ebene nach, mit einem Fokus auf der Konzeption herausfordernder Lernaufgaben und auf der Anleitung zum selbstständigen Arbeiten. Er resümiert die positiven Ergebnisse der Leistungsüberprüfungen nach zwei Jahren, nach denen die zieldifferent unterrichteten Lernenden vergleichbare sprachliche und fachliche Leistungen erzielen. Perspektivisch regt er eine inklusive Schule an, die alle Bildungsabschlüsse vergeben kann, um eine individualisierte Schullaufbahn für alle Schüler/ innen zu gewährleisten. Im Abschnitt „Inklusiver Englischunterricht und Lehrerbildung“ entwirft Christiane D OMS ein Anforderungsprofil für inklusiv arbeitende Englischlehrkräfte für die erste, zweite und dritte Phase der Lehrerbildung. Dabei geht sie jeweils von den rechtlichen Rahmenbedingungen für Nordrhein-Westfalen aus und fokussiert die Bereiche Diagnose und Förderung sowie Kooperation, darüber hinaus erörtert sie methodische Zugänge wie Unterrichtsmitschnitte oder Konzeption von Lernaufgaben für die unterschiedlichen Phasen. Sie hält eine offene Haltung, fachwissenschaftliche und fachdidaktische Kenntnisse, auch über Lernvoraussetzungen, pädagogi- Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 137 48 (2019) • Heft 2 DOI 10.2357/ FLuL-2019-0030 sche und hermeneutische Kenntnisse sowie ein hohes Maß an Teamfähigkeit für wesentlich. Markus K ÖTTER und Matthias T RAUTMANN präsentieren die Ergebnisse einer empirischen Studie zu Erfahrungen, die Englischlehrkräfte in der Sekundarstufe I mit der Inklusion machen. In Interviews (n=19) werden die Lehrkräfte zu Ressourcen und Bedingungen in ihrem inklusiven Englischunterricht befragt, zu ihren Überzeugungen bzgl. dieses Unterrichts und zu ihren Unterrichtspraktiken. Die befragten Lehrkräfte fühlen sich nicht ausreichend auf die Herausforderungen des inklusiven Englischunterrichts vorbereitet und erfahren unterschiedlich effektive Unterstützung etwa durch Sonderpädagog/ innen. Sie beschreiben trotz der Wichtigkeit von temporären Pull-Out-Phasen, d.h. äußerer Differenzierung in Kleingruppen, eine defizitäre räumliche Infrastruktur. Der inklusive Englischunterricht erfordert laut der Befragten ein kleinschrittiges Vorgehen und eine Reduktion der Unterrichtsziele. Die Effekte des gemeinsamen Unterrichts werden widersprüchlich benannt, ebenso wie die Wahrnehmung der Lernenden mit besonderem Förderbedarf. Drei Beiträge gewähren die „Blicke über den Tellerrand“. Veronika T IMPE -L AUGHLIN und Michael K. L AUGHLIN stellen das aus den USA kommende Universal Design for Learning (UDL) als einen integrativen Ansatz von Lehre und Lernen vor, der Zugang zum Lernen für alle erleichtern und die Lernbedürfnisse aller berücksichtigen soll. Basierend auf dem Prinzip der multiplen Darstellungsformen, vielfältigen Ausdrucks- und Handlungsmöglichkeiten sowie zahlreichen Arten der Beteiligungsmöglichkeiten zum affektiven Lernen versuchen sie exemplarische Richtlinien von UDL auf eine Lerngruppe und Lernsituation zu übertragen, um die Anwendungsmöglichkeiten zu exemplifizieren. Katharina K RAUSE und Jan K UHL greifen ausgehend von einem weiten Begriff von Inklusion entscheidende individuelle Lernvoraussetzungen von erfolgreich Lernenden sowie Qualitätsmerkmale von inklusivem Fachunterricht auf und verknüpfen sie mit UDL als flexiblem Rahmenkonzept zur Berücksichtigung der individuellen Lernvoraussetzungen. Bezogen auf den inklusiven Englischunterricht schlagen die Autoren UDL als verbindendes didaktisches Prinzip zwischen verschiedenen Heterogenitätsdimensionen vor und regen an, Elemente der UDL-Checkliste mit fachdidaktischen Erkenntnissen zu verknüpfen. Mary Caitlin W IGHT geht in ihrer Fallstudie mit fünf 12jährigen Fremdsprachenlerner/ innen mit besonderem Förderbedarf in den USA der Frage nach, welche Sprachlernidentitäten durch privilegierte Praktiken und bevorzugte Lernercharakteristika im Unterricht von den Lernenden ausgebildet werden. Sie problematisiert exkludierende Praktiken im Fremdsprachenunterricht, was Lernende mit besonderem Förderbedarf angeht, da in ihrer Studie weder Unterrichtsgegenstand und -zugänge noch Praktiken der Lehrkraft an die Bedürfnisse der Lernenden angepasst werden, was sich ggf. negativ auf die Identitätsbildung auswirkt. Insgesamt stellt der Band eine interessante Sammlung von Beiträgen mit unterschiedlichen thematischen Schwerpunkten dar, die ein umfassendes Gesamtbild geben von dem Status Quo inklusiven Englischunterrichts. Zwar ist mit dem QUA-LiS als Herausgeberin die NRW- Perspektive verständlich, jedoch hätte man sich hier Vergleiche zwischen Bundesländern gewünscht, denn Inklusion wird innerhalb Deutschlands durchaus unterschiedlich umgesetzt. Es wird deutlich, dass die fachdidaktische Diskussion noch in den Anfängen steht, da viele Beiträge erst grundlegende Begriffsklärungen vornehmen. Damit entstehen vermeidbare Redundanzen. Ich halte ihn für eine lohnende Lektüre, empfehlenswert für Wissenschaftler/ innen, Lehrkräfte bzw. Lehrerausbildner/ innen und Multiplikator/ innen. Heidelberg K ARIN V OGT
