eJournals Fremdsprachen Lehren und Lernen 48/2

Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
10.2357/FLuL-2019-0031
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/81
2019
482 Gnutzmann Küster Schramm

Simone SCHIEDERMAIR (Hrsg.): Literaturvermittlung: Texte, Konzepte, Praxen in Deutsch als Fremdsprache und den Fachdidaktiken Deutsch, Englisch, Französisch. München: iudicium 2017, 273 Seiten [42.00 €]

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2019
Carola Surkamp
flul4820138
138 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel DOI 10.2357/ FLuL-2019-0031 48 (2019) • Heft 2 Simone S CHIEDERMAIR (Hrsg.): Literaturvermittlung: Texte, Konzepte, Praxen in Deutsch als Fremdsprache und den Fachdidaktiken Deutsch, Englisch, Französisch. München: iudicium 2017, 273 Seiten [42.00 €] Der vorliegende Sammelband, der aus einer interdisziplinären und internationalen Fachtagung am Alfried Krupp Wissenschaftskolleg in Greifswald im Herbst 2015 hervorgegangen ist, diskutiert aus verschiedenen Perspektiven Fragen der Literaturvermittlung im Fremdsprachenunterricht: aus bildungspolitischen, historischen, hochschuldidaktischen und unterrichtspraktischen Perspektiven. Die Beiträge kommen aus dem Bereich Deutsch als Fremdsprache, aus der Germanistik in skandinavischen Ländern und aus den Fachdidaktiken Deutsch, Englisch und Französisch. Schon zu Beginn sei positiv hervorgehoben, dass die Beiträge nicht isoliert nebeneinander stehen. Vielmehr thematisieren (zumindest fast) alle als gemeinsame Klammer die Frage, wie sprachliches, literarisches und kulturelles Lernen ineinandergreifen. Wie die Herausgeberin Simone S CHIEDERMAIR in ihrem eigenen Beitrag betont, beschäftigen sich die Autor(inn)en mit Formen der Literaturvermittlung, bei denen es nicht vornehmlich um die Frage geht, wovon literarische Texte handeln, sondern darum, was sie wie verhandeln (S. 27). Es stehen also die gesellschaftlichen Funktionen von literarischen Texten (S. 26), z.B. als Träger gesellschaftlicher Diskurse, sowie ihre besondere Literarizität im Mittelpunkt (S. 7). Eng damit verknüpft ist ein „(be)deutungsorientierter Kulturbegriff“ (S. 98), wie ihn Almut H ILLE in ihrem Beitrag benennt. Durch ihn wird der Konstrukt- und Prozesscharakter von Kultur in Form von Bedeutungszuschreibungen und -aushandlungen hervorgehoben - etwas, das sich ebenfalls in literarischen Texten manifestiert. Um diese Art der Literatur- und Kulturbetrachtung in fremdsprachliche Lehr- und Lernkontexte zu transferieren, werden verschiedene literatur- und kulturwissenschaftliche Ansätze, Konzepte und Kategorien auf innovative Weise für den Literaturunterricht fruchtbar gemacht. Hier sind insbesondere Theorien zum kollektiven und individuellen Gedächtnis, zu Erinnerungskulturen und zum autobiografischen Erzählen zu nennen. Deren vielversprechendes didaktisches Potential für den Literaturunterricht ist in den Fremdsprachendidaktiken bislang noch kaum herausgearbeitet worden. Die Autor(inn)en beschäftigen sich also mit Kategorien wie ‚Verfremdung‘, ‚Deautomatisierung‘, ‚Heterogenität‘, ‚Diskursivität‘, ‚Narrativität‘ und ‚Medialität‘ und gehen - teilweise auch exemplarisch durch die intensive Auseinandersetzung mit konkreten Einzeltexten - der Frage nach, was diese Kategorien für die unterrichtliche Praxis bedeuten. Ausgegangen wird dabei von einem weiten Textbegriff, der autobiografische Erinnerungen und digitales Erzählen ebenso einschließt wie das Narrative in Sachtexten, die mit Bild-Schrift-Kombinationen arbeiten. Nach einer Einführung in die Inhalte und Ziele des Bandes, in der auch aktuelle Theoriediskussionen in Literatur- und Kulturwissenschaft kurz skizziert werden, gliedern sich die zwölf Beiträge in drei Großkapitel: „Deutsch als Fremdsprache“, „Germanistik in Skandinavien“ und „Fachdidaktik Deutsch, Englisch, Französisch“. Im ersten Beitrag liefert die Herausgeberin einen „Rückblick und Ausblick auf die Rolle der Literatur im Unterricht Deutsch als Fremdsprache“. Indem sie bei ihrem fachhistorischen Überblick und ihrer Diskussion neuer Konzepte insbesondere drei Zusammenhänge in den Blick nimmt - „Literatur und Sprache“, „Literatur und Kultur“ sowie „Literatur und Interkulturalität“ - schafft sie einen äußerst geeigneten, die Lektüre strukturierenden Rahmen für die folgenden Beiträge im Buch. Michael E WERT geht sodann anhand von zwölf Thesen und unter Berücksichtigung verschiedener Perspektiven in Migrationsdebatten der Frage nach, welche Rolle die mehr- und transkulturelle Literatur in deutscher Sprache im Hinblick auf die Auseinandersetzung mit Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 139 48 (2019) • Heft 2 DOI 10.2357/ FLuL-2019-0031 neuen Migrationskonzepten in Lehrzusammenhängen spielen kann. Hieran schließen sich zwei grundlegende Beiträge an. Renate R IEDNER widmet sich auf konzeptioneller Ebene der Kategorie der ‚Narrativität‘ und dem Stellenwert des literarischen Erzählens im Fremdsprachenunterricht, indem sie es als „sprachliche Handlung, als literarische Form und als grundlegendes Verfahren der Sinngebung“ (S. 59) begreift. Es geht ihr um einen Dreischritt aus „Erzählen lernen“, „Lernen aus Erzählungen“ und „Lernen durch Erzählen“ (S. 62), wobei ihr besonderes Interesse an literarisch basierter Spracharbeit besteht. Almut H ILLE beschäftigt sich mit autobiografischen Texten und (Erinnerungs-)Diskursen in der Ausbildung von Lehrkräften für das Fach Deutsch als Fremdsprache. Am Beispiel eines Projektseminars zweier deutscher und zweier polnischer Universitäten, in dessen Rahmen angelehnt an Claire K RAMSCH s Konzept der ‚symbolischen Kompetenz‘ Unterrichtsvorschläge zu deutsch-polnischen Erinnerungsorten gemeinsam erarbeitet wurden, zeigt sie auf, welches kultur- und texttheoretische Fachwissen Lehrkräfte benötigen, um diskursanalytische Lektüren mit Lernenden durchführen zu können. Konkretisiert wird die Erarbeitung des Verhältnisses von Texten und Erinnerungsdiskursen an Erich Kästners autobiografischer Erzählung Als ich ein kleiner Junge war. Im zweiten Großkapitel zur Germanistik in Skandinavien analysiert Ingvild F OLKVORD im Werk von Georges-Arthur Goldschmidt Formen und Funktionen mehrsprachiger Erinnerungsarbeit, z.B. hinsichtlich des Sprachwechsels beim Erzählen von Flucht und Migration. Aus literatur- und kulturwissenschaftlicher Perspektive ist dies ein interessanter Beitrag; Fragen der Literaturvermittlung werden jedoch leider nicht diskutiert. Dies hingegen geschieht auf innovative Weise im Beitrag von Karen B AUER und Lise S ANDVIK , die sich ebenfalls mit Erinnerungsarbeit als Gegenstand des Fremdsprachenunterrichts beschäftigen und diese methodisch an das digitale Geschichtenerzählen binden, um Prozesse des sprachlichen und kulturellen Lernens zu initiieren (S. 122). Es wird eine Projektarbeit zu einem komplexen landeskundlichen Thema präsentiert, bei der Studierende u.a. über Interviews mit Zeitzeugen aus der eigenen Familie individuelle Erinnerungen aus einer deutsch-norwegischen Kontaktzone durch neue Ausdrucksmöglichkeiten multimodal aufbereitet und dadurch erzählbar gemacht haben. Das Ziel, ein persönliches Verhältnis der Lernenden zu ihrem Lerngegenstand zu etablieren, verfolgt auch Linda K ARLSSON H AMMARFELT in ihrem Beitrag zum Thema „Nachhaltigkeit und die Undine im Universitätsfach Tyska“. Gemäß den Zielen der Bildung für nachhaltige Entwicklung setzt sie literarische Wasserdarstellungen ein, um über die Auseinandersetzung mit Motiven und besonderen Erzählweisen in der Literatur bei Studierenden das Denken in Zusammenhängen zu fördern. Eher hochschul- und sprachpolitisch ausgerichtet ist der Artikel von Moritz S CHRAMM „Zur Stellung der deutschsprachigen Literatur im dänischen Universitätsbetrieb“, in dem verschiedene Thesen zu Einsatzmöglichkeiten von literarischen Texten in der Germanistik außerhalb der deutschsprachigen Länder aufgestellt werden, um zu zeigen, dass Literatur relevante Beiträge zu aktuellen Debatten liefern kann. Eine literaturdidaktische Perspektive jenseits von Deutsch als Fremdsprache nehmen die letzten vier Beiträge des Bandes ein. Ricarda F REUDENBERG fokussiert zunächst Literaturvermittlung in hochschuldidaktischen Zusammenhängen und begreift sie dort als interdisziplinäre Aufgabe, die z.B. über Kooperationsseminare zwischen Fachwissenschaft und Fachdidaktik erfolgen kann. Laurenz V OLKMANN wiederum erörtert grundlegende literaturdidaktische Positionen innerhalb der Englischdidaktik und plädiert für integrative Modelle der Literaturvermittlung (S. 216), die auch die neuen Anforderungen des Fremdsprachenunterrichts hinsichtlich Inklusion und Frühbeginn berücksichtigen. Der Funktion literarischer Texte im Fremdsprachenunterricht aus bildungspolitischer Sicht geht Daniela C ASPARI nach, indem sie ausgewählte Dokumente sowie Lehrwerke vor und nach Einführung der Bildungsstandards unter der Fragestellung analysiert, welcher Stellenwert der Beschäftigung mit literarischen Texten im Fremd- 140 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel DOI 10.2357/ FLuL-2019-0032 48 (2019) • Heft 2 sprachenunterricht jeweils beigemessen wird und welche Zielsetzungen und Methoden in den Blick genommen werden. Im letzten Beitrag verbindet Markus R AITH literarisches, sprachliches und medienästhetisches Lernen und stellt dabei auf der Basis von anschaulichen Pressetext- Analysen die Bedeutung der Literaturvermittlung auch für die Arbeit mit nicht-literarischen Texten heraus. Durch die bei der Literaturarbeit erworbenen Kompetenzen könnten Lernende bei der Lektüre von Sachtexten über eine bloße Informationsentnahme hinauskommen und auch deren mitunter komplexe Ästhetik im Rezeptions- und Verstehensprozess berücksichtigen, so die Hauptthese des Autors. Insgesamt trägt der Band maßgeblich zur von Laurenz V OLKMANN formulierten „Positivperspektive auf die Verwendung von literarischen Texten im fremdsprachlichen Unterricht“ (S. 206) bei. Ich habe jedenfalls schon länger keinen für literatur- und kulturdidaktische Forschungs-, Lehr- und Unterrichtszusammenhänge so anregenden Sammelband mehr gelesen. Neben Kolleg(inn)en aus dem Bereich Deutsch als Fremdsprache sei er insbesondere auch Vertreter(innen) der anderen Fremdsprachendidaktiken wärmstens zur Lektüre empfohlen. Viele der im Band zu verfolgenden Diskussionen über die (Neu)Konturierung einer kulturwissenschaftlichen Literaturdidaktik (oder einer literaturwissenschaftlichen Kulturdidaktik) werden jedenfalls so bislang in der Englisch-, Französisch- oder Spanischdidaktik (noch? ) nicht geführt. Göttingen C AROLA S URKAMP Lars R ÜßMANN : Schreibförderung durch Sprachförderung. Eine Interventionsstudie zur Wirksamkeit sprachlich profilierter Schreibarrangements in der mehrsprachigen Sekundarstufe I. Münster: Waxmann 2018, 254 Seiten [34,90 €] Gegenstand der vorliegenden Rezension ist die Dissertation von Lars B ENDER (geb. R ÜßMANN ), die Teil des vom BMBF geförderten Verbundprojekts S IMO (Schreibförderung in der multilingualen Orientierungsstufe) ist. In seiner Arbeit untersucht B ENDER , inwiefern Textprozeduren - integriert in Schreibarrangements - ein schreiblernwirksames Hilfsmittel darstellen und inwiefern multilinguale Schüler(innen) sowie solche mit geringen literalen Erfahrungen besonders davon profitieren. Dazu legt er in einem ersten Teil die theoretischen Grundlagen dar, bevor er im zweiten Teil die Interventionsstudie mit ihren Ergebnissen vorstellt. Im Wesentlichen werden Textprozeduren von B ENDER - aufbauend auf den Arbeiten von Helmuth F EILKE - als prozedural wiederkehrende Handlungsmuster in Texten verstanden, die sowohl textkonstituierend als auch prozessstrukturierend sind und in diesem Sinne auch eine handlungsleitende Funktion im Textproduktionsprozess übernehmen können. Die Intervention variiert die sprachliche Profilierung und unterscheidet vier Experimentalgruppen: E1 Basisprofil: ohne textprozedurale Hilfestellungen E2 Schemaprofil: nur Handlungsschema wie bspw. Vergleichen: Vergleiche [Figur X] mit Dingen und Personen). E3 Ausdrucksprofil: nur Ausdruck wie bspw. …erinnert an … oder … sieht aus wie … E4 Prozedurprofil: E2 und E3 werden kombiniert angeboten. Das Schreibarrangement bestand aus einer Aufgabe, bei der die Schüler(innen) nicht einen eigenständigen Text verfassen, sondern einen nicht gelungenen Ausgangstext zu einer abgebildeten Figur überarbeiten sollten; dazu wurde ihnen ein kurzer Lehrfilm gezeigt. Ziel der Über-