Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
10.2357/FLuL-2020-0002
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/61
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Gnutzmann Küster SchrammSchreibprozesse in der Erst- und in der Fremdsprache
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Esther Odilia Breuer
flul4910021
49 (2020) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2020-0002 E STHER O DILIA B REUER * Schreibprozesse in der Erst- und in der Fremdsprache Abstract. The writing process consists of sub-processes which interact and are highly interwoven. If one of the processes does not work (well), this will have a negative impact on the other processes as well as on the product. In this paper, studies are presented which look at how the writing processes differ between the first (L1) and a foreign language (FS): Can FS writers use writing for generating ideas in the same way as do L1 writers? Do planning strategies work as well in the FS as they do in the L1? What impact do weaknesses in wording and grammar have on structure and content? Do differences between the writing systems become visible in the execution? What do writers focus on during revision in the L1 and in the FS? The majority of studies show that writing indeed works differently in the L1 and in the FS. Although many problems in writing are independent of linguistic capacities and are highly individual, it is thus necessary to both teach and train strategies and methods specifically for FS writing. 1. Einleitung Schreiben ist eine Kommunikationsform, die wichtig in allen Lebensbereichen ist - sei es in der privaten Kommunikation, in beruflichen Zusammenhängen oder in Bildungskontexten (vgl. B REUER / A LLSOBROOK 2019; R USSEL 2002; S WALES 2004). Dabei ist das Schreiben kognitiv anspruchsvoller als das Sprechen, umso mehr, wenn die schriftliche Kommunikation in der Fremdsprache (FS) stattfindet, denn die Schreibenden müssen zum einen die Erstsprache (L1) unterdrücken, damit diese nicht (zu stark) in die Produktion eingreift (vgl. DE B OT / L OWIE / V ERSPOOR 2005), zum anderen müssen FS-Schreibende bei der Formulierung mit einem meist weniger dichten mentalen Lexikon und weniger profunden grammatikalischen Kompetenzen arbeiten als in der L1 (vgl. V AN G ELDEREN / O OSTDAM / VAN S CHOOTEN 2011). Zusätzlich haben unterschiedliche kulturelle Hintergründe Einfluss darauf, wie erfolgreich die Kommunikation in Hinblick auf die Konventionen des jeweiligen Genres verläuft (vgl. z.B. T HIELMANN 2009). Es sind aber nicht nur diese auf einer eher höheren kognitiven Ebene angesiedelten Bereiche, die das Schreiben in der FS erschweren. Auch die * Korrespondenzadresse: Dr. Esther Odilia B REUER , Universität zu Köln, Albertus-Magnus-Platz, 50923 K ÖLN E-Mail: ebreuer1@uni-koeln.de Arbeitsbereiche: Schreibforschung und -lehre im Bereich fremdsprachliches und akademisches Schreiben, kognitive Linguistik, Neurolinguistik 22 Esther Odilia Breuer DOI 10.2357/ FLuL-2020-0002 49 (2020) • Heft 1 Orthographie und deren weniger automatisierte Ausführung wirken sich auf die FS- Schreibprozesse aus (vgl. B REUER , 2015). Im Folgenden soll ein kurzer Überblick darüber gegeben werden, welche Erkenntnisse die Schreibforschung bereits über die Unterschiede zwischen dem L1- und dem FS-Schreiben hinsichtlich Ideengenerierung, Planung, Übersetzung, Ausführung (Exekution) und Revision gewonnen hat. Ein Anspruch auf Vollständigkeit wird nicht erhoben. 2. Ideen generieren F LOWER / H AYES (1981) definieren das Generieren von Ideen als Startpunkt für den Schreibprozess (vgl. H AYES 2012). Dieser Subprozess kann in weiten Teilen sprachunabhängig ablaufen, da viele Informationen in unserem Gehirn in anderen als sprachlichen Modalitäten gespeichert werden (vgl. D E B OT / L OWIE / V ERSPOOR 2005). Dennoch ist zumindest das abstrakte Denken stark mit der Sprache verbunden, weil Wissen in diesem Bereich durch die (Schrift-)Sprache erworben wird, man sich im (Unterrichts-)Gespräch oder in Texten mit dem Thema auseinandersetzt und es auf diese Weise sprachlich durchdringt (vgl. J ACKENDOFF 2010). Aus diesem Grund treffen wir manchmal auf das Paradoxon, dass wir einerseits Probleme beim Formulieren von Ideen in der FS haben, wir andererseits aber bei dem Versuch, dies in unserer L1 zu tun, feststellen, dass das nötige Fachvokabular fehlt, weil die von uns bearbeiteten Fachtexte nicht in dieser formuliert waren. Oft setzen FS-Schreibende die L1 als kognitive Entlastungsstrategie in der Ideengenerierung ein. So erklärten die 15bis 17-jährigen Proband(inn)en von G UNNARSON (2019), dass sie beim Schreiben im Englischen ihre L1 für das Ideengenerieren, das Strukturieren und bei Wortfindungsschwierigkeiten einsetzten. Die FS nutzten sie hingegen beim Lesen der Aufgabenstellung sowie beim Formulieren und Revidieren. L I (2008) beobachtete chinesische Studierende beim Schreiben in der FS Englisch und stellte fest, dass es von der FS-Sprachkompetenz abhing, wie gut diese Art der Entlastung funktionierte. Gute FS-Schreibende verwendeten die L1 sehr viel erfolgreicher für das Ideengenerieren als schlechte FS-Schreibende (s. Abschnitt 4). Auch die Informant(inn)en von P AIZ (2011) gaben an, dass sie sich bei der Ideengenerierung in ihrer L1 wohler fühlten. Die Anzahl der generierten Ideen in der FS war auch hier abhängig von der FS-Kompetenz. Beim Schreiben werden aber nicht nur Ideen formuliert; der Prozess kann selbst dazu genutzt werden, das bestehende Wissen zu transformieren (B EREITER / S CARDA - MALIA 1987) oder neues Wissen zu generieren (vgl. G ALBRAITH 1999). M ENARY (2007: 622) definiert das Schreiben daher als „thinking in action“: Die körperlichen Prozesse aktivieren die mentalen, und das Schreiben wird zum Denken. Hierbei ist der Faktor Sprache zentral: Beansprucht die Suche nach den passenden Wörtern, der richtigen Orthographie oder den grammatikalischen Regeln zu große Teile des Schreibprozesse in der Erst- und in der Fremdsprache 23 49 (2020) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2020-0002 Arbeitsgedächtnis‘ (B ADDELEY 2007), in dem die kognitiven Informationen verarbeitet werden, so hemmt dies das Schreiben als Denken. Da beim Schreiben in der FS die kognitiven Prozesse komplexer sind als beim Schreiben in der L1 (vgl. G ALBRAITH 2009), kann man davon ausgehen, dass sich dies auf die Schreib-Denk-Prozesse auswirkt. B REUER (2016a) untersuchte z.B. die Unterschiede beim Ideengenerieren in der L1 und der FS in Bezug auf die Anzahl und die Qualität der entstehenden Ideen. Hierfür produzierten Studienteilnehmende mit der L1 Deutsch vier akademische Texte: zwei auf Deutsch, zwei auf Englisch. In jeder Sprache wurden je zwei Planungsmethoden verwendet: Planen mithilfe von Notizen sowie Planen mithilfe von freewriting (also dem Niederschreiben der Gedanken in einem vorgegebenen Zeitraum, ohne den Schreibprozess, z.B. zum Nachdenken, zu unterbrechen oder Korrekturen vorzunehmen, vgl. E LBOW 1973). Einen Plan in Notizform zu fixieren benötigt vergleichsweise weniger sprachliche Kompetenzen, da der zugrunde liegende Denkprozess in der L1 durchgeführt werden kann und nur zentrale Begriffe übersetzt bzw. in der FS formuliert werden müssen. Das freewriting hingegen geschieht komplett in der Zielsprache. Von daher könnten hier Art und Anzahl der Ideen stärker von der Sprachkompetenz der Schreibenden abhängen. Tatsächlich zeigen die Ergebnisse der Studie, dass sowohl die Planungsart als auch die Sprache Einfluss darauf hatten, wie das Ideengenerieren im und durch das Schreiben funktionierte. Die meisten Ideen wurden im L1 freewriting festgehalten, die wenigsten in den L1-Notizen. Letzteres könnte darauf hinweisen, dass die Studierenden in der L1 das Schreiben weniger zur Entlastung des Arbeitsgedächtnisses nutzten. Während des Schreibens des eigentlichen Essays generierten die Teilnehmenden die meisten Ideen im FS-Text, der mit freewriting geplant wurde, d.h., das flüssige Schreiben im Planen hatte einen Einfluss darauf, dass das Schreiben als Denken zu einem späteren Zeitpunkt besser funktionierte als im FS-Text nach dem Planen mithilfe von Notizen. Die kognitive Entlastung durch das Nicht-Verwenden der FS hatte hier langfristig keinen positiven Effekt. A BRAMS / B YRD (2016) untersuchten, inwieweit kognitiv entlastende Voraufgaben einen Einfluss auf das Ideengenerieren bei FS-Schreibanfänger(innen) hatten. Die Ergebnisse ihrer Studie belegen, dass sowohl die Anzahl der Ideen, die im Text verwendet wurden, als auch deren Komplexität stiegen, wenn die Teilnehmenden die Ideen losgelöst von der Textproduktion entwickelten. Die Teilnehmenden, die komplexe sowie besonders viele Ideen in den inhaltszentrierten Planungsepisoden generierten, schrieben am Ende längere und bessere Texte als diejenigen, die dies nicht taten. Sowohl die kognitive Entlastung durch den vom Schreiben losgelösten Ideengenerierungsprozess als auch die Sprachkompetenz wirkten sich auf die weiteren Textproduktionsprozesse aus. B LOCH (2007) schlägt für die kognitive Entlastung einen Wechsel der Textform vom akademischen Schreiben zum Bloggen für eine erfolgreichere Auseinandersetzung mit den Ideen vor, da durch den Genrewechsel kognitive Belastungen entfielen und durch die Reduktion der Sprache in der gewählten Textform ein Fokus auf das Zentrale gesetzt werde. Die so generierten Aussagen 24 Esther Odilia Breuer DOI 10.2357/ FLuL-2020-0002 49 (2020) • Heft 1 könnten dann in einem nächsten Schritt leichter ins akademische Genre übersetzt werden; das Schreiben als Denken könne dadurch erfolgreich funktionieren. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der eher als sprachungebunden gesehene Subprozess der Ideengenerierung sich sowohl in den Strategien als auch in deren Erfolg im FS-Schreiben vom L1-Schreiben unterscheidet. Die Sprachkompetenz spielt dabei eine entscheidende Rolle. 3. Text planen Ein weiterer Subprozess des Schreibens, der oft als übersprachlich angesehen wird, ist die Planung des Textes: Schreibende müssen die Ideen, die sie vor oder während des Schreibens generieren, dahingehend beurteilen, ob sie aufgabenadäquat sind, und entscheiden, in welcher Struktur sie präsentiert werden sollen. Selbst wenn explizite Planungsprozesse im Vorfeld des Schreibens (pre-task planning; vgl. E LLIS 2009) mental oder mithilfe von Stichwörtern und visuellen Mitteln relativ sprachungebunden durchgeführt werden können (vgl. für die Methoden B REUER et al. 2019), gibt es dennoch große Unterschiede zwischen dem Planen von Texten in der L1 und in der FS, insbesondere für die Schreiber(innen), die die Planung parallel zum Formulieren des Textes vornehmen (vgl. B RÄUER 2019). Werden aufgrund von Sprachproblemen nur wenige Ideen generiert, hat dies für die Textplanung die Konsequenz, dass die Pläne simpel sind (= knowledge telling; vgl. B EREITER / S CARDAMAILIA 1987). Ist die sprachungebundene Ideengenerierung produktiv, kann es sein, dass aufgrund mangelnden FS-Wortschatzes diese Ideen nicht in den Text aufgenommen werden können, der Plan also angepasst werden muss. Eine solche Plananpassung kann auch in unterschiedlichen Genrekulturen in der L1 und der Zielsprache bedingt sein (vgl. K APLAN 1966; C LYNE 1987). Allgemein wird angenommen, dass FS-Schreibende nicht zu viele Prozesse parallel ausführen, sondern sich besser auf die jeweils aktuellen Aspekte konzentrieren sollten, z.B. auf Form, Sprachgebrauch, Inhalt (vgl. Z IEGLER 2018 für einen Überblick). Weitere Studien (z.B. C UMMING 2001; P OULISSE / B ONGAERTS 1994; W OL - FERSBERGER 2003) zeigen, dass auch beim Planen das Verwenden der L1 eine Entlastungsmethode sein kann. L ALLY (2000) untersuchte dies, indem sie Schreibende darin verglich, wie sich Brainstorming in der L1 und in der FS auf den Text auswirkten (wobei sie allerdings keine Intra-Schreibenden-Vergleiche, sondern allein Gruppenvergleiche durchführte). Die Planungssprache hatte hier keinen Effekt auf das verwendete Vokabular im Endtext, wohl aber auf die Organisation und den globalen Texteindruck: Die Verwendung der L1 führte zu deutlichen Unterschieden. Ähnlich zeigen die Think-aloud-Protokolle in der Studie von L I (2008), dass diejenigen, die ein hohes FS-Sprachniveau besaßen, die L1 verstärkt für die Planung und andere strategische höherrangige Prozesse nutzten, sodass die Entlastung durch die L1 positive Auswirkungen hatte. Welche Effekte unterschiedliche Planungsstrategien auf das FS-Schreiben haben, Schreibprozesse in der Erst- und in der Fremdsprache 25 49 (2020) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2020-0002 untersuchten A BRAMS / B YRD (2016). Sie beobachteten Deutschlernende bei der Anwendung dreier Planungsarten bei Textzusammenfassungen über den Zeitraum von drei Wochen. Der erste Text wurde ohne eine spezifische Planungsart geschrieben, der zweite und dritte mit Mindmapping bzw. dem Erstellen einer chronologischen Stichwortliste als Prä-Planungsmethoden. Die Texte wurden auf grammatische und lexikalische Korrektheit, Textfluss, lexikalische Komplexität, Genreadäquatheit und Inhaltsrichtigkeit untersucht. Die Ergebnisse demonstrieren, dass der Text ohne vorherige Planung derjenige war, der in den Bereichen Grammatik, Wortkorrektheit und Wortwahl am besten funktionierte. Dagegen waren Inhalt, lexikalische Komplexität und Textfluss wesentlich besser, wenn die Teilnehmenden den Text planten. Dies weist darauf hin, dass in der kognitiv komplexesten Aufgabenumgebung (Planung beim Schreiben des Textes) der Fokus auf den eher niedrigeren Schreibprozessen lag, in den entlastenden Prä-Planungskonditionen dagegen verstärkt auf komplexeren Prozessen. Unabhängig von den Planungsarten verbesserten sich bei allen die Texte in Bezug auf die Komplexität der Sätze über die Testzeit hinweg. Allein das Training und die Wiederholung der Aufgabenstellung führten also zu FS-Schreiboptimierungen. O NG (2014) untersuchte, ob beim FS-Schreiben die Zeit für das Planen und die konkrete Aufgabenstellung einen Effekt auf die metakognitiven Prozesse des Schreibens hatten. Hierfür ließ sie Teilnehmende in drei unterschiedlichen Gruppen einen Text innerhalb von dreißig Minuten erstellen. Die Gruppen hatten hierbei 0, 10 oder 20 Minuten Zeit für die Planung (und mussten diese Zeit auch ausschließlich hierfür nutzen). Die Aufgabenstellungen waren entweder einfach (= reine Aufgabenstellung), mittel (= einfach mit zusätzlichen Tipps für mögliche Inhalte) oder komplex (= mittel plus Erläuterungen dazu, wie eine gute Struktur aussehen sollte). Nach der Textproduktion füllten die Teilnehmenden einen Fragebogen dazu aus, welche metakognitiven Prozesse sie beim Schreiben durchlaufen hatten. Die Resultate belegen, dass die Aufgabenumgebung einen großen Effekt auf die metakognitiven Prozesse hatte, dass die Zeit für das Planen aber nur einen Einfluss darauf hatte, wie oft die Teilnehmenden über sprachliche Aspekte nachdachten. Die kognitiven Ansprüche beim Schreiben des eigentlichen Textes konnten durch ein Mehr an Planungszeit nur bedingt reduziert werden. Auch in Z IEGLER s (2018) Studie verwendeten die Teilnehmenden bei der Umwandlung einer Bildergeschichte in Text-Blogs einen Großteil der nur dreiminütigen Prätext-Planung damit, über Formulierungen und die Grammatik nachzudenken, was zu einer größeren Wortvielfalt führte. Korrektheit, Textpassung sowie Phrasen- und Syntaxkomplexität nahmen nicht zu (was auch an der Kürze der Zeit liegen könnte). Leider bieten beide Autor(inn)en keine Intra-Schreibenden-Vergleiche zum Schreiben in der L1 an (wie in vielen anderen FS-Schreibanalysen, s. hierzu auch den Beitrag von R EICHERT und M ARX in diesem Heft), sodass nicht gesichert ist, dass die metakognitiven Prozesse im L1-Schreiben ähnlich oder identisch ausfielen, dies also eine generelle Strategie von Schreibbeginner(innen) ist, um mit den Schreibanforderungen umzugehen (vgl. B REUER 2015). Fazit: Wie bei der Ideenfindung verläuft auch der Subprozess der Planung 26 Esther Odilia Breuer DOI 10.2357/ FLuL-2020-0002 49 (2020) • Heft 1 aufgrund der kognitiven Anforderungen in der FS anders als in der L1. Wie man diesen Anforderungen begegnen kann, ist bisher aber noch nicht zufriedenstellend beantwortet worden. 4. Sprachliche Transformation Bei der Transformation der Gedanken in Text müssen Wörter generiert und syntaktische Strukturen aktiviert werden, was stark mit der Sprachkompetenz in der Zielsprache zusammenhängt (vgl. V AN G ELDEREN / O OSTDAM / VAN S CHOOTEN 2011). Phonologische und graphemische Repräsentationen werden kodiert sowie orthographische Regeln aktiviert (vgl. T ORRANCE / G ALBRAITH 2008). Diese Prozesse können aufwendig und schwierig sein, da die Ideen im Kopf nicht zwingend in Wortform gespeichert sind, sondern durchaus eine visuelle oder akustische Form besitzen können (vgl. J ACKENDOFF 2010). Schreibende müssen im Prozess der Formulierung der Ideen auch bedenken, dass sie das korrekte Register verwenden. Dies kann eine weitere Hürde beim FS-Schreiben darstellen, da dieser Prozess die Fähigkeit beinhaltet, zu beurteilen, ob ein Wort sowohl semantisch der Idee als auch formell dem geplanten Genre entspricht. Inwieweit die L1 einen Einfluss auf das Übersetzen der Gedanken in die Zielsprache hat, untersuchte L EE (2018). Sie analysierte ein Korpus von akademischen englischen Abstracts koreanischer Akademiker(innen), die sie mit professionellen Übersetzungen aus dem Koreanischen ins Englische verglich. Sie stellte fest, dass es sprachliche Besonderheiten gab, die in beiden Bedingungen die Texte sprachlich von denen englischer Muttersprachler(innen) unterschieden. Hierzu gehörten lexikalische Vereinfachungen oder auch Nominalisierungen. L EE geht darum davon aus, dass die Übersetzung von der Idee zum Text noch über eine weitere Übersetzung abläuft - die von der L1 in die FS. Eine ähnliche Interpretation legen die Ergebnisse der Studie von L I (2008) nahe, in der die Think-aloud-Protokolle von Proband(inn)en mit niedriger Sprachkompetenz demonstrieren, dass sie die L1 vor allem für die Wortfindung nutzten. In der Schreibpädagogik wäre es deshalb sinnvoll, ab einer bestimmten Sprachkompetenz stärker mit dem metakognitiven Wissen über diesen Übersetzungsprozess zu arbeiten, um diesen Umweg auf lange Sicht zu vermeiden und eine direkte Übersetzung vom Konzept in die Zielsprache zu fördern. B REUER (2015) untersuchte ebenfalls den sprachlichen Einfluss der L1 auf FS- Schreibende. Sie analysierte die Fehler, die deutsche Schreibende mit Englischkenntnissen auf C1-Niveau beim Verfassen englischer Texte machten, unter dem Aspekt, inwieweit sprachliche Interferenzen aus dem Deutschen sichtbar wurden oder ob andere Fehler (Inhalte, Stil, Flüchtigkeitsfehler) dominierten. Die Analyse der Texte zeigt, dass die Fehlerquote am höchsten im Bereich der L1-Interferenzen war - vor allem im Bereich der Syntax, aber auch in phonemisch-orthographischen Aspekten. Auch bei hohem Sprachstand zeigt sich demnach eine unbewusste Zuhilfenahme der L1 bei der Übersetzung der Ideen in Sprache - bei akademischen Texten stärker als Schreibprozesse in der Erst- und in der Fremdsprache 27 49 (2020) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2020-0002 bei einem einfacheren Text, der zum Vergleich ebenfalls von den Teilnehmenden in der FS verfasst wurde (vgl. auch K ASIRI / F AZILATFAR 2016). Aufgrund des Bedarfs an sprachlicher Unterstützung untersuchten VAN G EL - DEREN / O OSTDAM / VAN S CHOOTEN (2011), ob ein Flüssigkeits- und ein Worttraining für die Übersetzung der Ideen in die FS hilfreich sind, um die Performanz auch auf den höheren Prozessebenen zu verbessern, da sich Wortfindungsschwierigkeiten negativ auf die Aufmerksamkeit auswirken und kognitive Kapazitäten abziehen. Die Autor(inn)en stellten fest, dass die trainierten Teilnehmer(innen) die Zielwörter wesentlich häufiger benutzten als die Kontrollgruppe, die diese Wörter passiv ebenfalls beherrschte. Dieser Effekt übertrug sich auch von der Satzauf die Textebene. Formulierungsflüssigkeit und das aktive Training von Zielwörtern hatten also einen Einfluss auf Prozesse. Es gab aber noch eine zweite Gruppe, die ebenfalls bessere Ergebnisse erzielte. Diese bekam zwar auch die Vokabeln vermittelt, trainierte diese aber nicht, sondern erhielt stattdessen Lehreinheiten mit Fachwissen. Diese Gruppe hatte darum Vorteile im Bereich der Ideengenerierung und konnte so die höheren Ansprüche des Formulierens kompensieren - ein weiterer Indikator dafür, dass die Schreibsubprozesse sich gegenseitig beeinflussen, sowohl von höherer zu niedrigerer Ebene als auch umgekehrt. In Bezug auf die Formulierung wird auch nicht mehr ausschließlich gefordert, Schreibende dabei zu unterstützen, so sprachkorrekt wie möglich zu formulieren. Der New-Literacies-Ansatz (K RESS 2009) betont beispielsweise, dass die Multilingualität generell als etwas Positives gewertet werden solle, und H UNMA (2016) fordert dazu auf, FS-Schreibenden einen Platz zu geben, in dem sie all ihre Sprachkompetenzen in unterschiedlichen Modalitäten nutzen können. Dass dies positive Auswirkungen auf die Textproduktion und das Selbstbild der Schreibenden hat, zeigen unterschiedliche Studien zur multilingualen Literalität, die im Rahmen des ELN-COST-Projekts gesammelt wurden. Wird die Formulierung zu stark gewertet, hat dies zudem einen Einfluss darauf, wie die Schreibenden ihre Arbeitsschwerpunkte setzen, also ob auf höhere oder niedrigere Prozessebenen. G EVERS (2018) warnt jedoch davor, translanguaging - also das Vermischen mehrerer Sprachen - unkritisch im Unterricht einzusetzen, da nicht gesichert sei, dass der Effekt im Schreiben tatsächlich positiv sei, er hänge vielmehr häufig von der Unterschiedlichkeit der Sprachen ab. Dies bedarf weiterer Untersuchungen. 5. Ausführung Ein Prozess, der bei der Bewertung der textqualitätsrelevanten Flüssigkeit des Schreibens eine große Rolle spielt, der aber bisher noch recht wenig Aufmerksamkeit als eigenständiger Forschungsgegenstand erhalten hat, ist die motorische Umsetzung der Formulierung in der FS. Zwar hat man schon erkannt, dass Schreibende in der FS langsamer agieren als in der L1 (vgl. A LAMARGOT et al. 2007), dies aber nie in Zusammenhang mit dem Ausführen an sich gebracht, sondern auf andere kognitive 28 Esther Odilia Breuer DOI 10.2357/ FLuL-2020-0002 49 (2020) • Heft 1 Prozesse zurückgeführt. Dabei hat die reine Tippfähigkeit einen großen Einfluss auf die Erfolgsaussichten der anderen Schreibprozesse: Müssen sich Schreibende stark darauf konzentrieren, die richtigen Tasten zu finden, so beansprucht dies Kapazitäten des Arbeitsgedächtnisses, die nicht mehr für andere Prozesse zur Verfügung stehen. V AN W AES et al. (2019) haben aus diesem Grund eine Copy-Task entwickelt, die die reinen Exekutionsprozesse bei Abschreibaufgaben mithilfe von Keylogging in unterschiedlichen Sprachen analysiert. Allein schon aufgrund der orthographischen Unterschiede zwischen Sprachen ist mit entsprechenden Auswirkungen auf die Schreibflüssigkeit zu rechnen: Schreibende können in der L1 flüssig tippen, in der FS büßt diese Flüssigkeit aber ein. B REUER (bislang unveröffentlicht) führt derzeit eine Studie durch, in der (bisher) 323 Studierende zwei Copy-Tasks durchführten, eine auf Deutsch und eine auf Englisch. Die Teilnehmenden wurden für die Analyse in vier Gruppen aufgeteilt: • Gruppe 1: monolinguale deutsche Studierende • Gruppe 2: bilinguale Studierende mit Deutsch als einer der beiden L1 • Gruppe 3: Studierende mit Migrationshintergrund (die mündliche L1 ist eine andere als die deutsche, die erste Schriftsprache ist aber Deutsch) • Gruppe 4: FS-Studierende (= Deutsch ist weder mündlich noch schriftlich L1) Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Studierenden in Gruppen 1 und 2 wesentlich schneller agierten als die anderen beiden Gruppen - in beiden Sprachen. Die Fehlerquoten variierten zwischen den Gruppen und den Aufgaben, was weiterer Untersuchungen bedarf. Hier könnten andere Faktoren (wie Tippfertigkeiten) eine entscheidende Rolle spielen. T IRYAKIOGLU / H ILTON (2018) untersuchten ebenfalls mit copy-tasks, ob sich das Tippverhalten in L1 und FS unterscheidet. Teilnehmende waren bilinguale türkischfranzösische Schüler(innen) (9. Klasse), für die Französisch die dominante Bildungssprache und Türkisch die zu Hause verwendete Sprache war, die aber auch im Rahmen des ELCO-Projekts (ELCO = Enseignement de la Langue et Culture d'Origine) gelernt haben, türkisch zu schreiben. Englisch war für sie eine FS. Die Teilnehmenden arbeiteten in der dominanten Bildungssprache in allen Tests schneller als im Türkischen oder Englischen. Auffallend ist, dass bei der Ausführung von (in den jeweiligen Sprachen) frequenten Bigrammen (= häufig aufeinanderfolgende Buchstaben) die Schüler(innen) diese im Türkischen sogar minimal langsamer ausführten als im Englischen. Ein Grund könnte sein, dass die englische Orthographie in Bezug auf die Häufigkeit von Bigrammen dem Französischen ähnlicher ist als dem Türkischen. Die ersten Ergebnisse im Bereich der reinen Ausführungsanalyse belegen somit, dass selbst die motorische Umsetzung des geplanten Textes in der FS nicht so automatisiert abläuft, wie sie es in der L1 tut. Schreibprozesse in der Erst- und in der Fremdsprache 29 49 (2020) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2020-0002 6. Revision Der letzte behandelte Schreibsubprozess ist der des Revidierens, also das Abgleichen des Textes mit den „linguistic, semantic and pragmatic peculiarities of the writing goal“ (A LAMARGOT / C HANQUOY 2001: 5). Er findet nicht ausschließlich nach dem Erstellen eines Textes statt, sondern beginnt bereits bei der Generierung und der Auswahl von Ideen (vgl. F LOWER / H AYES 1981): Schreibende müssen bewerten, ob die Idee, die sie entwickelt haben, die gestellte Frage beantwortet bzw. dem Ziel des Schreibens entspricht. Ist dies nicht der Fall, muss eine neue Idee generiert werden, häufig noch bevor ein einziges Wort geschrieben ist. Das Gleiche gilt für das Planen des Textes oder das Formulieren. Auch das aktive Lesen des eigenen Textes im Entstehungsprozess führt zu erneuter Evaluation und damit u.U. wieder zu Revisionen (vgl. V AN DEN B ERGH / R IJLAARSDAM 2007). C HENOWETH / H AYES (2001) untersuchten, inwieweit sich die Zeitpunkte der Revision und deren Erfolg in L1 und FS unterschieden. Sie stellten fest, dass bei L1- Schreibenden eine aktive Revision während der Textproduktion zu großen Verbesserungen führte, dass dies bei FS-Schreibenden aber nicht der Fall war. Für diese war es am effektivsten, den Text erst nach der Fertigstellung zu überarbeiten. Dies begründen die Autor(inn)en damit, dass es aufgrund der höheren kognitiven Ansprüche beim FS-Schreiben sinnvoller sei, die Anzahl der parallel ausgeführten Subprozesse zu reduzieren und den Fokus stärker auf den gerade ausgeführten Prozess zu setzen (siehe Abschnitt 2). Dennoch ist es wichtig, die Revision ausgiebig zu nutzen. B ECKER (2006) zeigt z.B., dass gute FS-Schreibende deutlich mehr Zeit für die Revision verwendeten als schlechte Textproduzierende. Dies hing in ihrer Studie auch damit zusammen, auf welcher Ebene die Revision stattfand: auf der niedrigen Ebene der lokalen Fehlerkorrektur oder der Revision globaler Elemente (vgl. K ELLOGG 1996). B EREITER / S CARDAMALIA (1987: 22) stellen fest, dass bei Anfänger(inne)n, unsicheren Schreibenden und den FS-Schreibenden die Überarbeitung häufig auf einem „cosmetic level of little more than proofreading“ stattfindet. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt X U (2018), die bei einer Analyse von Tastaturprotokollen feststellte, dass FS-Schreibende mit niedriger Schreibkompetenz häufiger kleine Einheiten auf oberflächlicher Ebene revidierten, die ihnen während der Ausführung auffielen, während FS-Schreibende mit hoher Kompetenz größere Einheiten revidierten, die auch weiter vom davor aktuellen Schreibpunkt entfernt lagen. Dies kann daran liegen, dass den FS-Schreibenden mit niedriger Kompetenz die diagnostischen Fähigkeiten für die Analyse des eigenen Textes fehlen, oder daran, dass es dem Arbeitsgedächtnis aufgrund der mit dem Revidieren verbundenen kognitiven Ansprüche an den nötigen Kapazitäten mangelt, um Probleme auf höherer Ebene auszumachen bzw. zu lösen (vgl. B REETVELT / VAN DEN B ERGH / R IJLAARSDAM 1994; M C C UTCHEN 2011; P HILIPPS / B ADDELEY 1989). B REUER (2017) untersuchte, ob es Unterschiede bei Schreibenden zwischen der Revision in der Erst- und in der Fremdsprache gab. Die Teilnehmenden in ihrer Studie waren dabei in beiden Sprachen nicht unbedingt revisionsfreudig. Der Großteil der 30 Esther Odilia Breuer DOI 10.2357/ FLuL-2020-0002 49 (2020) • Heft 1 durchgeführten Korrekturen betraf orthographische Fehler, die meisten davon waren reine Tippfehler: bis zu 53,5% im FS-Text und 60,43% im L1-Text. Dass hier in der L1 mehr Korrekturen auftraten, lag zum einen an der höheren Tippgeschwindigkeit und den damit verbundenen Flüchtigkeitsfehlern, aber auch an einem schnelleren und sichereren Erkennen dieser Fehler. Schaut man genauer auf die Revisionen auf der höheren Ebene, so zeigt sich, dass hier in der FS ein stärkerer Fokus auf das Hinzufügen oder Wegstreichen von Inhalten lag. In der L1 spielte zwar der Inhalt auch die größte Rolle in der Überarbeitung, die Wortwahl, also das Register, nahm aber einen ähnlich hohen Stellenwert ein. Dennoch waren auch auf diesen höheren Ebenen die Revisionen sporadisch. Die Textstruktur blieb meist unberührt, die eingefügten Inhalte beschränkten sich auf Nebensätze und die stilistische Überarbeitung war in beiden Sprachen gering. Interessant ist, dass vor den aufwendigeren Revisionen in der L1 häufig keine Pause vor der Überarbeitung des gerade Geschriebenen stattfand, sondern die textliche Schwäche während der Ausführung entdeckt wurde. In der FS geschahen diese Änderungen häufiger nach Pausen, liefen also eher so ab, wie von C HENOWETH / H AYES (2001) empfohlen. Dass in beiden Sprachen die Revision hauptsächlich auf lokaler Ebene stattfand, unterstreicht, dass für viele Studierende das akademische Genre eine Art Fremdsprache darstellt (vgl. H EINE 2010), also auch in der L1 die Schreibprozesse nur bedingt parallel stattfinden können. In diesem Zusammenhang ist interessant, wie Studierende FS-Schreibenden Feedback geben. In einer Fallstudie beobachtete B REUER (2016b), welchen Einfluss unterschiedliche Feedback-Bedingungen auf das gegebene und das akzeptierte Feedback hatten: Einmal gab eine FS-Gruppe, einmal eine L1-Peerberaterin und einmal eine FS-Peerberaterin jeweils einer FS-Studierenden Feedback zu einem von ihr geschriebenen akademischen Aufsatz. Die nicht angeleitete FS-Gruppe gab ihrer Kommilitonin ausschließlich Rückmeldung zu Sprache und Sprachgebrauch bzw. machte hierfür Korrektur- und Verbesserungsvorschläge, die von der Schreiberin ohne weitere Kontrolle übernommen wurden (auch wenn hierdurch genauso häufig Verschlechterungen wie Verbesserungen entstanden). Die L1-Peerberaterin beschränkte ihre Kommentare ebenfalls weitgehend auf sprachliche Aspekte, sodass in diesem Bereich nach der Überarbeitung zwar Optimierungen festgestellt wurden, das eigentlich relevante Problem aber unbearbeitet blieb. Einzig der FS-Peerberaterin gelang es, den Fokus auf die eigentlichen Schwachpunkte zu setzen und dies konstruktiv-kooperativ zu tun, sodass nach dem Gespräch über den Text eine echte (selbstständige) Überarbeitung stattfand. Ausschlaggebend für die Akzeptanz des reduzierten Feedbacks in den ersten beiden Fällen war, dass die Ratsuchenden kein anderes Feedback erwartet hatten, wie sie im Interview angaben. Ähnliche Schlüsse zieht auch W ANG (2016), die bemerkt, dass chinesische Studierende im Feedback ausschließlich auf Fehlerkorrekturen abzielten, weil sie dies so von der Lehre zu Hause gewöhnt waren. V AN S TEENDAM et al. (2014) untersuchten in Bezug auf die FS-Schreiblehre, inwieweit eine kurze Einführung in eine Strategie und deren anschließende Vorführung (= modelling) Abhilfe bei schlechten Revisionsprozessen schaffen könnten. Hierfür bekamen die Teilnehmenden in Gruppen die Aufgabe, Bewerbungsschreiben Schreibprozesse in der Erst- und in der Fremdsprache 31 49 (2020) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2020-0002 in Paaren zu überarbeiten. Die Gruppen wurden nach unterschiedlichen Sprach- und Schreibkompetenzen eingeteilt sowie nach unterschiedlichen Anleitungsformen. Eine Gruppe erhielt Unterricht in Form einer Modellierung, wonach die Teilnehmenden die gezeigte Strategie selbst anwendeten. Die zweite Gruppe arbeitete nach dem Learning-to-write-Prinzip, das heißt, die Studierenden sollten im Schreiben lernen, sowohl die Aufgabe durchzuführen als auch die Schreibprozesse zu überwachen und zu bewerten. Die Auswertung der Tests zeigt, dass beim kollaborativen Schreiben in den heterogenen Gruppen die weniger kompetenten Schreibenden vom Learning-towrite-Modell sehr viel mehr profitierten als die guten Schreibenden. Bei der Modellierung profitierten beide, egal, wie die Paare zusammengesetzt waren. Die kollaborative Überarbeitung in der Fremdsprache funktionierte durch das Auseinanderziehen der Prozesse (Methode separat lernen, beobachten, anwenden) generell besser als ein paralleles Arbeiten mit Selbstmonitoring, da die Schreibenden sich so auf ihre jeweiligen kognitiven Gegebenheiten besser einstellen und das zu Lernende passend für sich herausfiltern konnten. Alle vorgestellten Studien demonstrieren, dass es Unterschiede in L1- und FS- Revision gibt, dass hier aber schon Ansätze für Methoden zur besseren Unterstützung existieren. 7. Schluss Kommunikation findet heute oft in multilingualer und - als Folge technischer Entwicklungen - auch immer häufiger in schriftlicher Form statt. Damit ist es von elementarer Bedeutung, möglichst flüssig unterschiedliche Textarten in unterschiedlichen Sprachen rezipieren und produzieren zu können. Der derzeitige Stand der Forschung zu den Schreibsubprozessen und ihren Unterschieden in L1 und FS macht deutlich, dass von der Ideengenerierung bis zur Revision die kognitiven Belastungen beim Schreiben in der FS wesentlich höher sind als beim L1-Schreiben. Dies zeigt sich in geringerer oder qualitativ schlechterer Ideengenerierung sowie in Problemen bei der Textplanung, Textformulierung und der Textüberarbeitung. Selbst die reine Ausführung ist weniger flüssig und hat damit ebenfalls Auswirkungen auf andere kognitive Teilprozesse. In der Lehre und in der Arbeit mit FS-Schreibenden sollten darum alle Schreibprozesse möglichst individuell gefördert werden. Die unbewusste Übernahme von Methoden, die man in der L1 anwendet, reicht nicht aus, um effektiv mit den kognitiven Anforderungen umzugehen und die Textproduktion auch in der FS reibungslos und erfolgreich zu gestalten. Elementar ist hier z.B., dass Lehrende von Beginn an Wert darauf legen, den Lernenden klar darzulegen, dass Schreiben kein in sich geschlossener Prozess ist, sondern dass er sich herunterbrechen und in kleineren Schritten trainieren lässt. Den damit verbundenen Herausforderungen müssen die Lehre, aber auch Politik und Wirtschaft eine größere Aufmerksamkeit schenken. Wichtig für die Forschung ist, die häufig immer noch monolinguale, „subtractive“ (L AMBERT 1975) Sicht auf 32 Esther Odilia Breuer DOI 10.2357/ FLuL-2020-0002 49 (2020) • Heft 1 Mehrsprachigkeit aufzugeben (vgl. F AIRCLOUGH 2015) und eine wertschätzende Perspektive einzunehmen, die die FS-Peerberatende in B REUER s Studie (2016b) wählte: Multilinguale Schreibende haben den Vorteil, dass sie nicht nur mehrere Sprachen (wenn auch auf unterschiedlichem Niveau) beherrschen, sondern dass sie auch in der Lage sind, Genres und kulturelle Perspektiven zu wechseln und neue Impulse zu geben, indem sie z.B. Elemente der einen (Schreib-)Kultur in die andere übertragen und so die Horizonte der Leser(innen) erweitern. Dies FS-Schreibenden sowohl in der Schule, in der Ausbildung oder an der Hochschule als auch im späteren beruflichen Leben zu vermitteln ist eine wichtige Aufgabe, die - gerade im Bereich der Lehrendenausbildung - nicht aus den Augen verloren werden darf. 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