Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
10.2357/FLuL-2020-0009
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/61
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Gnutzmann Küster SchrammKarin Aguado, Claudia Finkbeiner, Bernd Tesch (Hrsg.): Lautes Denken, «Stimulated Recall» und Dokumentarische Methode. Rekonstruktive Verfahren in der Fremdsprachenlehr- und -lernforschung. Frankfurt/M.: Lang 2018 (Language Culture Literacy, Band 10), 201 Seiten [55,95 €]
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Andreas Bonnet
Shivaun O’Connor
Anja Wilken
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49 (2020) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2020-0009 Karin A GUADO , Claudia F INKBEINER , Bernd T ESCH (Hrsg.): Lautes Denken, «Stimulated Recall» und Dokumentarische Methode. Rekonstruktive Verfahren in der Fremdsprachenlehr- und -lernforschung. Frankfurt/ M.: Lang 2018 (Language Culture Literacy, Band 10), 201 Seiten [55,95 €] Um die Jahrtausendwende hat sich in der Fremdsprachenforschung eine starke Hinwendung zu empirischer Forschung vollzogen. Der dadurch entstehende Bedarf einer methodischen und methodologischen Fundierung hat zu Publikationen zu Forschungsmethoden geführt. Der vorliegende Band erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern fokussiert drei der sogenannten rekonstruktiven Methoden, nämlich Lautes Denken, Stimulated Recall und Dokumentarische Methode. In drei einführenden Beiträgen und anschließenden Aufsätzen zu Einzelprojekten werden methodologische und methodische Grundlagen mit konkreter Anwendung in Projekten dargestellt. Bernd T ESCHS einführender Beitrag „Die Dokumentarische Methode in der Fremdsprachenforschung“ beginnt mit einem Überblick über den wissenssoziologischen Forschungszweig mittels Dokumentarischer Methode (DM) in der Fremdsprachenforschung. Der Beitrag zielt darauf, Herausforderungen, die die DM an die Fremdsprachenforschung stellt, zu benennen, wie z.B. Handling und Fülle der Daten oder komplexe Sinnkonstruktionen, die in Begriffen wie ‚Heterogenität‘ stecken. T ESCH markiert als Besonderheit der DM u.a. die ausgeprägte methodisch-methodologische Reflexion. Des Weiteren geht er auf neuere Forschungszweige wie Bild- und Videoanalyse ein. Julia F RITZ stellt in ihrem Beitrag „Dokumentarische Interpretation von Gruppendiskussionen“ den - wie es im Untertitel heißt - „Analyseschritt der reflektierenden Interpretation am Beispiel der Rekonstruktion von Lernerlebnissen im Französischunterricht“ dar. Dabei zeichnet sie mithilfe der Begriffe ‚positiver Horizont‘, ‚negativer Gegenhorizont‘, ‚Enaktierungspotenzial‘ und ‚Diskursorganisation‘ den Prozess der Rekonstruktion der aktivierten Orientierungsrahmen nach. Ihr Vorgehen ist methodisch nachvollziehbar, wird aber nicht methodologisch diskutiert. F RITZ kritisiert implizit, dass die reflektierende Interpretation in der Präsentation der Ergebnisse häufig nicht zur Darstellung komme, schließt aber, dass sich die Dokumentarische Methode für Anwendungsforschung eigne, um Prozesse der fachbezogenen Hin- und Abwendung von Schüler/ innen besser beleuchten zu können. Matthias G REIN zielt mit seinem Aufsatz „Der Schüler_innen-‚Blick‘ auf die Fremdsprache praxeologisch rekonstruiert. Sinnkonstruktion, symbolisches Kapital und schulischer Französischunterricht“ darauf, die Perspektive der Französischdidaktik mit der rekonstruierten Perspektive einer Schülerin auf „Französisch“ zu kontrastieren. In der theoretischen Verknüpfung von Aspekten aus B OURDIEUS Praxistheorie mit Sinnkonstruktion setzt G REIN die zentralen Begriffe zueinander in Beziehung und zeigt, wie kollektiv geprägt und feldbezogen Sinnkonstruktionen sind. Anhand der Analyseergebnisse dieses Falls stellt er eine relationale Sinnkonstruktion dar, in der „Französisch“ lediglich eine untergeordnete Rolle spielt. Annika K REFT gibt mit ihrem Beitrag „‘Hä, warum lebt die denn nicht auf Hawaii? Ich versteh‘ das nicht.‘ Zur Förderung von transkultureller Kompetenz im fremdsprachlichen Literaturunterricht“ einen Einblick in ausgewählte Ergebnisse ihres Projekts, welches sich mit der Rekonstruktion von Unterrichtsprozessen zur Anbahnung von transkultureller Kompetenz im B u c h b e s p r e c h u n g e n • R e z e n s i o n s a rti k e l 132 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel DOI 10.2357/ FLuL-2020-0009 49 (2020) • Heft 1 fremdsprachlichen Literaturunterricht beschäftigt. K REFT diskutiert methodische Fragen der Episoden- und Bildauswahl und stellt einen kurzen methodologischen Bezug zum Gegenstand (transkulturelle Kompetenz) her. Inhaltlich analysiert sie z.B. den Einfluss der Lehrperson auf das Unterrichtsgeschehen und die individuellen Kulturbegriffe der Akteure. Karin A GUADO stellt in ihrem Überblicksartikel „Lautes Denken als Datenerhebungsverfahren in der empirischen Fremdsprachenforschung“ das Verfahren des Lauten Denkens (LD) vor. Es wird erläutert, wie sich introspektive Verfahren auszeichnen und in welchen Dimensionen sich diese unterscheiden, wobei auch das mehrmethodische Arbeiten im Zusammenhang mit LD Erwähnung findet. In einem zweiten Teil wird genauer auf die Forschungspraxis des LD eingegangen. An dieser Stelle verweist A GUADO auf die Passung des LD für empirische Untersuchungen, u.a. von Handlungen von Lehrenden, und inwiefern die Sprache der Untersuchung hier eine Rolle spielt. Auf die Auswertung von introspektiven Verfahren wird nicht explizit eingegangen. A GUADO gibt an, dass für introspektive Verfahren nur qualitativ inhaltsanalytische Verfahren nutzbar seien. Franziska P RÜSMANN beginnt ihren Beitrag „Erfassung von Einschätzungsprozessen bei der Bewertung von Texten mehrsprachiger Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger. Überlegungen zum Einsatz des Laut-Denk-Verfahrens“ mit der Darlegung des theoretischen Hintergrundes ihres Projektes. Hierbei geht sie auf die schulische Situation von Seiteneinsteigern/ innen, mit dem Fokus auf mehrsprachige Schüler/ innen, und auf die Bewertung von Schülertexten ein. Ziel des Projektes sei es, Einschätzungsprozesse durch Deutschlehrende über Texte von Seiteneinsteiger/ innen zu rekonstruieren und Schlüsse für mögliche Schulung von ebendiesen Lehrenden zu ziehen. Innerhalb des Abschnitts zu methodischen Überlegungen geht P RÜSMANN vor allem auf die Frage der Authentizität der einzuschätzenden Schüler/ innentexte ein und diskutiert anhand von Transkriptauszügen die Gegenstandsangemessenheit des Erhebungsinstruments LD für den Untersuchungszweck. Claudia F INKBEINER und Jennifer S CHLUER stellen in ihrem Überblicksartikel „Stimulated Recall als Zugang zu mentalen Prozessen in der Fremdsprachenforschung“ die Methode des Stimulated Recalls (SR) vor und grenzen diese von anderen Erhebungsinstrumenten, wie ‚Lautes Erinnern‘, ab. SR wird als eine Methode bestimmt, bei der Verbalisierungen von Kognitionen generiert werden. Kognitionen selbst sind dadurch eben nur indirekt zugänglich. S CHLUER / F INKBEINER benennen die Aspekte, derer sich Forscher/ innen bewusst sein müssen, wenn sie sich entscheiden, Daten mit Hilfe von SR zu generieren. Im Folgenden werden Hinweise zur Vorbereitung und Durchführung einer Datenerhebung mit SR gegeben. Anhand zweier Transkriptauszüge wird die Auswertung im Rahmen einer Kodierung beschrieben. Malgorzata B ARRAS erläutert in ihrem Beitrag „Stimulated Recall in der Sprachtestforschung. Ein praktisches Beispiel aus der Erprobung eines computerbasierten Leseverstehenstests“ den Einsatz des SR im Kontext der Entwicklung quantitativ auszuwertender Tests. Dabei wird das nachträgliche Laute Denken (LD) dazu genutzt, die „Lösungswege und Gedanken, welche Schüler/ innen zu ihren Antworten führen“ (S. 75) zu rekonstruieren. Nachfolgend werden Aspekte der Aufgabenbearbeitung vertieft diskutiert, z.B. die der dabei verwendeten Sprache. In der abschließenden Reflexion der Methode wird resümiert, dass prozessbegleitendes LD unter Umständen genauere Ergebnisse geliefert hätte, da damit ein direkter Zugriff auf die Prozesse der Aufgabenbearbeitung möglich gewesen wäre. Für die etwas weniger unmittelbare Fragestellung nach Strategien aber sei SR eine sehr fruchtbare Forschungsmethode. Ganz ähnlich kann man den forschungsmethodischen Ertrag des Aufsatzes von Fränze S CHARUN „Retrospektive Interviews mittels Videostimulus: Ein Instrument zur Erhebung subjektiver Sprachbildungstheorien von Erzieher/ innen in bilingualen Krippen“ resümieren. Sie stellt die Kombination von Videographie, Leitfadeninterview und SR zur Erforschung subjek- Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 133 49 (2020) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2020-0010 tiver Theorien dar. Die Auswertung der Daten wird im Aufsatz nicht vertieft angesprochen, sondern nur als „Kombination aus thematischem Kodieren nach Flick (2000) und der Typenbildung nach Kluge (1999)“ (S. 164) benannt. Sehr gewinnbringend sind die Überlegungen zur Auswahl der Methode, die einen Kompromiss zwischen Unmittelbarkeit und Reduzierung des Feldes darstellt. Hier setzt auch der Beitrag „Videobasierter Stimulated Recall zur Erforschung von Wort- und Konzeptbewusstheit“ von Jennifer S CHLUER an. Sie führt aus, dass es die Multimodalität des Mediums Video sei, die es ermögliche, auch in handlungsentlastetem Nachgang recht nah an die während eines Geschehens ablaufenden Denkprozesse heranzukommen. In Bezug auf die Datenanalyse wird auf den eigentlichen Prozess des Gewinnens der Kodes zum Bezeichnen der Textstellen nicht eingegangen, sondern eher auf technische und formale Fragen. Umfassender werden nachfolgend diverse Herausforderungen der Erhebungssituation und ihre Bearbeitung in der Studie thematisiert. Der vorliegende Band dokumentiert einmal mehr, dass die empirische Wende in der Fremdsprachenforschung zu einer forschungsmethodischen Fundierung und zu einer stetig zunehmenden Reflexionshöhe geführt hat. Die Konzeption des Bandes, in grundlegenden Beiträgen Methoden einzuführen und dann in Anwendungsbeiträgen ihre Verwendung zu illustrieren, geht auf. Da die Beiträge des Bandes insgesamt sehr verständlich geschrieben sind, eignen sie sich auch für Einsteiger/ innen in rekonstruktive Verfahren, um Einblick in bestimmte Verfahren und deren Anwendung in Bezug auf verschiedene Gegenstände zu erhalten. Das wäre allerdings noch besser gelungen, wenn die Herausgeber/ innen die Beiträge thematisch und nicht alphabetisch sortiert hätten. Dabei hätte auch herausgearbeitet werden können, dass die drei dargestellten Verfahren unterschiedlichen Zwecken dienen: So stellen LD und SR Erhebungsinstrumente dar, mit Hilfe derer sich Daten generieren lassen, die sich dann mit einer rekonstruktiven Auswertungsmethode analysieren lassen. In diesem Zusammenhang wäre dann auch der Begriff der Rekonstruktion selbst in den Blick geraten. Je nachdem, wie eng man ihn fasst, z.B. in der Gegenüberstellung kodierender vs. sequenzanalytischer Verfahren, wäre zu diskutieren, worin die Unterschiede zwischen den Auswertungsmethoden bestehen: sequenzanalytische Interpretation bei der DM, kodierende Inhaltsanalyse bei den Auswertungen der mit SR und LD gewonnenen Daten. Auch wäre zu überlegen, inwieweit die Berücksichtigung der Relevanzsysteme der Akteure als Grundbedingung empirischer Rekonstruktion bei den gezeigten Verfahren umgesetzt wird. Dies stellt den Wert des Bandes jedoch keinesfalls in Frage, denn den Herausgeber/ innen ist ein in Bezug auf seinen inhaltlichen Gehalt und seine Kohärenz bemerkenswerter Tagungsband gelungen. Hamburg A NDREAS B ONNET , S HIVAUN O’C ONNOR , A NJA W ILKEN Bärbel D IEHR (Hrsg.): Universitäre Englischlehrerbildung. Wege zu mehr Kohärenz im Studium und Korrespondenz mit der Praxis. Berlin: Lang 2018 [49,95 €] Die Frage, welche Anteile fachdidaktische, fachwissenschaftliche und bildungswissenschaftliche Studieninhalte im Rahmen der Lehramtsausbildung einnehmen sollen, bildet ein Dauerthema bildungspolitischer Diskussionen. Wiederkehrend wird die Zersplitterung des Lehramtsstudiums moniert und eine fehlende inhaltliche Kohärenz der verschiedenen Studienanteile beklagt. Die Beiträge des hier vorgestellten Bandes widmen sich dieser Thematik aus der Perspektive der Englischlehrerbildung. Die Grundlage des Bandes bildet ein im Juni 2017 an der Bergischen Universität Wuppertal abgehaltenes Symposium mit dem Titel „Kohärenz und Korres-