eJournals Fremdsprachen Lehren und Lernen 49/1

Fremdsprachen Lehren und Lernen
flul
0932-6936
2941-0797
Narr Verlag Tübingen
10.2357/FLuL-2020-0012
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/61
2020
491 Gnutzmann Küster Schramm

Barbara Schmenk, Stephan Breidbach, Lutz Küster (Hrsg.): Sloganization in Language Education Discourse. Conceptual Thinking in the Age of Academic Marketization. Bristol. UK: Multilingual Matters 2019, 178 Seiten [25,00 €]

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2020
Hiram Maxim
flul4910138
138 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel DOI 10.2357/ FLuL-2020-0012 49 (2020) • Heft 1 einen flexiblen, situations- und gruppenspezifischen Sprachgebrauch befürworten. Der zweite Teil umfasst die nächsten 7 Beiträge, die sich alle eher mit der äußeren Mehrsprachigkeit in der Schule befassen (Sabrina C OLOMBO und Maria S TOPFNER , Südtirol; Ulrike J ESSNER und Kerstin M AYR -K EILER , Tirol; Kristine H ORNER und John B ELLAMY , Luxemburg; Phemelo K EWAGA - MANG , Botswana; Anna S CHNITZLER , Schweiz; Carmen K ONZETT -F IRTH , Österreich; Ute S MIT und Thomas F INKER , Österreich). Dabei stehen notwendige Veränderungen im Bereich der jeweiligen Bildungspolitik und Mehrsprachigkeitsdidaktik im Mittelpunkt. Es wird dabei jeweils anhand einer Fülle von Forschungsmethoden an die Thematik herangegangen. So werden für die empirische Datensammlung Fragebögen (zu Spracheinstellungen), Interviews/ Fokusgruppen, Klassenbeobachtungen und Videoaufnahmen eingesetzt, mit denen die Autor(inn)en die Konkretisierung der Bildungspolitik anhand der vorhandenen Didaktik im mehrsprachigen Unterricht in den Griff bekommen möchten. Die Beiträge 13 (Annemarie S AXALBER , Südtirol) und 14 (Angelika R EDDER , Deutschland) bilden zusammen den dritten Teil des Sammelbandes, weil sich beide an der Schnittstelle zwischen Schule und Universität befinden und somit „die Relevanz der Entwicklung institutionenübergreifender Sprachbildungskonzepte“ (S. 19) wie die „europäische Mehrsprachigkeit“ (R EDDER ) hervorheben. Die letzten 8 Beiträge rücken den tertiären Bildungsbereich in den Vordergrund und behandeln schwerpunktmäßig die äußere Mehrsprachigkeit. Eine Auseinandersetzung mit mehrsprachigkeitsdidaktischen Fragen in der Lehrerausbildung findet sich in den Studien von Barbara H INGER und Katrin S CHMIDERER (Österreich), Wolfgang S TADLER (Österreich) sowie Andrea B OGNER und Jacqueline G UTJAHR (Deutschland). Sabine D ENGSCHERZ (Wien), Ulrike V OGL (Belgien), Adelheid H U (Luxemburg) und Rita F RANCESCHINI (Italien) beschreiben und analysieren die Einstellungen zum Sprachenlernen und zur Internationalisierung an der Universität. Der letzte Beitrag von Monika D ANNERER (Österreich) betont nochmals die Förderung der Integration aller Formen von Mehrsprachigkeit im Bildungswesen „im Sinne einer umfassenden Internationalisierung, zur Förderung der Nutzung sämtlicher verfügbarer sprachlicher Ressourcen“ (S. 21). Das Buch ist empfehlenswert für alle, die sich für die vielen Aspekte und Perspektiven des mehrsprachigen Unterrichts interessieren und mit Hilfe der dargestellten Fallstudien näher an die vielfältige Thematik herangehen möchten. Wie sich gezeigt hat, ist das Thema der „Mehrsprachigkeit in Bildungskontexten“ in diesem umfangreichen Sammelband tatsächlich sehr breit gefächert. So konnten Beiträge aus vielen unterschiedlichen Blickwinkeln aufgenommen werden. Dies hängt auch damit zusammen, dass es sich hier um einen Tagungsband handelt. Äußerst positiv an diesem Buch ist aber, dass sich die Autor(innen) sehr bemüht haben, konkrete und praxisbezogene Beispiele anzuführen. Die Theoriebildung in der Mehrsprachigkeitsforschung kommt nicht ohne empirische Forschung voranbzw. aus. Schade ist, dass einige Druckfehler stehengeblieben sind. Brüssel K ATJA L OCHTMAN Barbara S CHMENK , Stephan B REIDBACH , Lutz K ÜSTER (Hrsg.): Sloganization in Language Education Discourse. Conceptual Thinking in the Age of Academic Marketization. Bristol, UK: Multilingual Matters 2019, 178 Seiten [25,00 €] Dass Theorie und Praxis der Fremdsprachenforschung eine bestimmte Terminologie benötigen, ist unbestritten. Fachspezifische Phänomene können nur durch klare und gezielte Begriffe angemessen erfasst werden. Von einem konsequenten und klar definierten Gebrauch fach- Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 139 49 (2020) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2020-0012 spezifischer Terminologie kann in der Fremdsprachenforschung jedoch nicht die Rede sein. Mit dieser Thematik befasst sich der vorliegende Sammelband. Diese Tendenz in der Fachdisziplin, Termini inkonsequent, ohne Problematisierung und unzureichend definiert zu verwenden, bezeichnen die Herausgeber als „Sloganisierung“: „Sloganization is meant to denote a tendancy to use a range of popular terms in scholarship, policy papers, practical applications and curriculum development as if their meaning were obvious and shared across the globe“ (S. 4). Der Band vereinigt Beiträge zu einer 2014 an der Humboldt Universität zu Berlin abgehaltenen Tagung und wird durch einige neu hinzugekommene Untersuchungen ergänzt. In der Einleitung beschreiben die Herausgeber, wie sich die immer größere Rolle von Werbung und Markenbildung in der Gesellschaft auf die Fremdsprachenforschung auswirkt, indem Wissenschaftler, Institute und Forschungszentren die Relevanz ihrer wissenschaftlichen Arbeit stetig mehr nachweisen müssten. Eine Konsequenz dieser neuen akademischen Realität sei die Propagierung ‚modischer‘ Begriffe, die gesteigerte Aufmerksamkeit in der Fachöffentlichkeit versprechen und dem Produkt zu Verkaufserfolgen verhelfen. Einige Fachtermini seien zwar zunächst akkurat in die fremdsprachendidaktischen Diskurse eingeführt worden, hätten dann aber im Zuge ihrer Popularisierung vielfache Bedeutungserweiterungen erfahren und seien so Opfer des eigenen Erfolgs geworden. In einem solchen Fall, wenn der ursprüngliche Kontext und die genaue Definition eines Begriffs verloren gehen, wird der Begriff zu einem Slogan. Anhand des Beispiels „learner autonomy“ verdeutlichen die Herausgeber diesen Prozess der Dekontextualisierung und Idealisierung eines Begriffs. In den folgenden Kapiteln werden weitere Beispiele von Begriffen vorgestellt, die sich allmählich in Slogans verwandelten. Im ersten Beitrag „We innovators“ befasst sich D. G RAMLING mit einem Begriff, der in letzter Zeit im englischsprachigen Raum kaum häufiger verwendet wurde, um sich selbst, eine Einrichtung oder eine Leistung im positivsten Sinne zu charakterisieren: „innovation“. Durch seine gründlichen Recherchen der Begriffsverwendung arbeitet G RAMLING zentrale Eigenschaften von Slogans generell heraus. Zum einen werde ein Slogan so breit und allgemein gefasst, dass Gegenargumente schwer vorzubringen seien. Zum anderen könne ein Slogan eingesetzt werden, um bestimmte Gruppen, welche sich der vorgeschlagenen Innovation nicht anschließen, auszuschließen. Außerdem zeigt G RAMLING in einem historischen Rückblick, wie sich die Definition eines Begriffs im Zuge einer Sloganisierung verändert, denn bei dem Gebrauch eines Slogans in der akademischen Welt geht es nicht um wissenschaftliche Stringenz, sondern um Vermarktung. D. R ÖSLER bedauert in dem eigenwillig betitelten Beitrag „The only turn worth watching in the 20th century is Tina Turner’s: How the sloganization of foreign language research can impede the furthering of knowledge and make life difficult for practitioners“ die unnötige Tendenz in der Fremdsprachenforschung, die neueste Entwicklung im Fachgebiet als bahnbrechend zu bezeichnen und sie dadurch zu sloganisieren. Wie er anhand des Beispiels „Communicative Language Teaching“ ausführlich dokumentiert, sei immer versucht worden, diesen Ansatz von anderen methodisch-didaktischen Ansätzen wie z.B. „grammar translation method“ stark abzugrenzen, damit die Rede von einem Paradigmenwechsel sein konnte, obwohl die Unterschiede zwischen den Ansätzen nicht so dramatisch wie behauptet gewesen seien. Aus diesem Grund schlägt er vor, einen neuen Ansatz nicht als Paradigmenwechsel zu betrachten, sondern eher als Erweiterung. Außerdem müsse die Fremdsprachenforschung eine Metadiskussion über die Zeitpunkte führen, wenn Begriffe zu Slogans werden, um diese steigende Tendenz zu problematisieren. G. B ACH beklagt in „Slo(w)ganization. Against the constant need for re-inventing the discourse on language education: The case of ‚multiple intelligences‘“ die vereinfachte Übernahme von Begriffen aus anderen Fachbereichen und deren Anwendung als Slogans in der 140 Buchbesprechungen • Rezensionsartikel DOI 10.2357/ FLuL-2020-0012 49 (2020) • Heft 1 Fremdsprachenforschung, um sich mit ihnen zu schmücken. Diese Sloganisierung sieht B ACH als Konsequenz des raschen Wandels der globalisierten akademischen Welt, in der man sich als Akademiker immer öfter innerhalb des wissenschaftlichen Wettkampfs beweisen müsse. Der Begriff „multiple intelligences“ wird als Beispiel dieses Vorgangs detailliert vorgeführt. Was in der medizinischen Forschung entwickelt wurde, sei in der Fremdsprachenforschung übernommen worden, um individuelle Lernprozesse zu untersuchen, obwohl diese Prozesse anhand schon vorhandener Begriffe (z.B. „learning strategies“) präzise beschrieben werden konnten. Noch bedauerlicher sei der Mangel an empirischen Studien in der Fremdsprachenforschung, die die Theorien der „multiple intelligences“ im Hinblick auf deren Anwendung im Fremdsprachenunterricht untermauern. B. V IEBROCK berichtet in „Just another prefix? From interto transcultural foreign language learning and beyond“ von der Reduzierung, Vereinfachung und Ungenauigkeit, die die Sloganisierung der beiden Begriffe „interand transcultural learning“ kennzeichneten. Anhand der Wichtigkeit der beiden Begriffe in der Fremdsprachenforschung in den letzten 30 Jahren zeigt V IEBROCK in überzeugender Weise, wie die Begriffe in drei Bereichen des Fremdsprachenunterrichts unpräzise und zum Teil fehlerhaft definiert worden seien: in der Forschung, in der Sprachenpolitik und in der Praxis. Während die Sloganisierung von Termini einerseits zu bemängeln sei, besonders wenn es um zentrale Säulen eines Fachgebiets gehe, sei eine Vereinfachung schwer zu vermeiden. Die Begriffe seien in allen drei Bereichen relevant und signifikant, müssten aber anders behandelt und konzipiert werden. Deswegen müsse etwas Vereinfachung und sogar Sloganisierung erwartet werden, wenn damit Kommunikation zwischen den Bereichen ermöglicht werden kann. Im folgenden Beitrag „On common ‚exposure‘ and expert ‚input‘ in second language education and study abroad“ vergleicht J. P LEWS im Rückgriff auf R. Williams‘ (1985) Studie zu „keywords“ den Gebrauch von zwei thematisch-verwandten Begriffen „exposure“ und „input“. Während der Begriff „exposure“ schon länger existiere und auf intuitive Vorstellungen vom Zweitspracherwerb stoße, werde seit den 1980er Jahren der Begriff „input“ bevorzugt. Zunächst könne diese Bevorzugung auf den Einfluss von S. Krashens „input hypothesis“ zurückgeführt werden, aber auch nachdem Krashens Theorien in Frage gestellt wurden, habe sich der Begriff „input“ trotzdem durchgesetzt. Da der Begriff „input“ - anders als „exposure“ - mit einer Theorie verbunden war und sich dadurch etwas wissenschaftlicher anhörte, habe er sich dafür geeignet, in dem relativ neuen Fachgebiet Fremdsprachenforschung sloganisiert zu werden. D. B LOCK geht in „What on earth is ‚language commodification‘? “ diesem in der Soziolinguistik häufig verwendeten Begriff nach. Trotz der marxistischen Wurzeln des Begriffs werde dieser Ursprung im heutigen Gebrauch kaum erwähnt und demzufolge der Begriff in den meisten Fällen auch nicht marxistisch konzipiert, sondern wie bei den anderen Beispielen im Sammelband wird der Begriff oft ungenau oder ohne theoretischen Bezug definiert. Ob wegen dieser Ungenauigkeit „language commodification“ zu einem Slogan geworden sei, verneint B LOCK , denn es gehe nicht um die Markenbildung oder Vermarktung einer bestimmten wissenschaftlichen Agenda. Vielmehr nennt er den Begriff eher ein „buzzword“, was die Frage aufwirft, wie sich generell abwertende Bezeichnungen (wie z.B. auch „jargon“) von Slogans unterscheiden. A. P AVLENKO zeigt in „Superdiversity and why it isn’t: Reflections on terminological innovation and academic branding“ anhand einer ausführlichen Definition von Sloganisierung, warum der Begriff „superdiversity“ als Musterbeispiel eines Slogans zu sehen sei. Zunächst nennt sie drei Eigenschaften von erfolgreichen Slogans: Einfachheit, Wiederkennungswert und Emotionalität. Dann erklärt sie zehn weitere Kriterien für die effektive Markenbildung eines Buchbesprechungen • Rezensionsartikel 141 49 (2020) • Heft 1 DOI 10.2357/ FLuL-2020-0013 Begriffs, d.h. dessen Sloganisierung. Im zweiten Teil des Beitrags wird sorgfältig vorgeführt, wie bei dem Begriff „superdiversity“ alle genannten Kriterien meisterhaft erfüllt werden. Angesichts der detaillierten Modellierung dieses Konzepts empfiehlt es sich für diejenigen, die von vornherein Wert auf eine ausführliche Definition von Slogans legen, diesen Beitrag einführend zum Buch lesen. In ihrem Rückblick auf die vorigen sieben Beiträge betonen die Herausgeber in „Sloganization: Yet another slogan? “ die zentrale Rolle einer kritischen Auseinandersetzung mit Begriffen und deren Sloganisierung in der Fremdsprachenforschung, denn ein Fachgebiet kann nicht auf Begriffen beruhen, die undefiniert oder inkonsequent verwendet werden. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es allen Beiträgen gelingt, den Leser an das Phänomen „Sloganisierung“ heranzuführen und es an konkreten Beispielen aus dem Forschungsfeld zu illustrieren. Als besonders gelungen einzustufen sind die sehr detaillierten historischen Überblicke zu jedem Begriff und ihrer Entwicklung zu einem Slogan. Der potenzielle Rezipientenkreis des Bandes umfasst alle an der Fremdsprachenforschung Beteiligten, denn der Umgang mit der fachlichen Terminologie bleibt ein Fundament von Wissenschaft. Das gilt besonders für ein Fachgebiet, das sich mit Sprachen, Formulierungen und Diskursen auseinandersetzt. Wien H IRAM M AXIM Heiner B ÖTTGER , Michaela S AMBANIS (Hrsg.): Focus on Evidence II - Netzwerke zwischen Fremdsprachendidaktik und Neurowissenschaften. Tübingen: Narr Francke 2018, 278 Seiten [58 €] Der Band ist das Ergebnis einer zweiten Konferenz mit dem fast gleichnamigen Titel „Focus on Evidence - Fremdsprachendidaktik trifft Neurowissenschaften“, die 2017 in Berlin stattfand. Ziel sowohl der Tagung als auch der Publikation ist es, die Erkenntnisse aus den Neurowissenschaften in konkrete Handlungsimpulse für den Fremdsprachenunterricht zu übertragen. Im Zentrum stehen dabei die Prozesse, die sich beim Lernen mithilfe neurowissenschaftlicher Verfahren „erkennen“ lassen, also beispielsweise die stärkere Aktivierung im Gehirn, wenn Wortschatz nicht nur in Form von ein- und zweisprachigen Verfahren und Bildern eingeführt wird, sondern ergänzend mit konkreten Aktivitäten verbunden ist. Diese Erkenntnisse, also evidenzbasierte Einsichten, sollen dann die Grundlage für didaktische Entscheidungen werden. Der Tagungsband ist in zwei Teile gegliedert: Im ersten Teil finden sich die Verschriftlichungen der vier Hauptvorträge - auf Deutsch verfasst - mit einer Zusammenfassung auf Englisch, die es dieser ermöglicht auch internationale Verbreitung zu finden. Es folgt ein kurzes Resümee der sich an den Vortrag anschließenden Diskussion mit Fragen und Antworten. Der 2. Teil umfasst sogenannte „Transferbeiträge“, die von Teilnehmenden der Tagung verfasst wurden. Transfer bedeutet hier, dass die Erkenntnisse der neurowissenschaftlichen Studien (und konkret der Vorträge) der Fremdsprachendidaktik als Bezugswissenschaft bzw. direkt der Praxis des Lehrens und Lernens von Sprachen dienen können. Vor dem 1. Teil findet sich die Begrüßung von Michaela S AMBANIS . Es folgt die abgedruckte Rede des Schirmherren Carl H. H AHN (Schulgründer und ehemaliger VW- Vorstandschef), der die Schlüsselrolle des Bildungssystems thematisiert und für ein Umdenken in der frühkindlichen Bildung plädiert. Der 1. Teil beginnt mit Markus K IEFER („Verkörperte Kognition: Die Verankerung von Denken und Sprache in Wahrnehmungs- und Handlungserfahrung“), der zunächst das Konzept